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Full text of "Russland : Handbuch für Reisende"

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BAEDEKER'S  REISEHANDBÜCHER. 

DEUTSCHLAND.    —    MITTEL-    und  NORDDEÜTSCHLAND, 

WESTLICH  BIS    zcM  RHEIN.  Mit  38  Karten  und  47  Plänen.  2?.  Auflage. 
1887 ur.  7. 

SÜD-DEUTSCHLAND    (OBERRHEIN,    BADEN,    WÜRTTEM- 
BERG, BAYERN   UND   DIE  ANGRENZENDES  ThEILE  VON  ÖSTERREICH). 

Mit  16  Karten  und  24  Plänen.    22.  Auflage.'   1888 Jf.ö. 

BERLIN  UND  UMGEBUNGEN.      Mit   3  Karten^    5  Plänen 

und-~^  —  ^ *-^ '^    «-^'••>-     ^iÄfl7  .   .   .  J(.3. 

E  OLLÄNDI- 

scHi  ^  1886.  U5f.6. 

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14  P 

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31 P 

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I"  ,  NEBST 
N,  MALTA, 
.  1887.  MJo. 

-^OM  CON- 
1. 1887.  JIJ6. 

1,   1  Pano- 

.     a/ff.    ID. 

nd  Grund- 


RUSSt  38.  .y/.  10. 

RUS!  .    •    .  Jl.  1. 

SGHW; -.  IN      DURCH 

DÄNEMARK.    Mit  25  Karten  und  14  Plänen.    4.  AuH.  1883    .   .  Uff.  9. 

SCHWEIZ,  DIB,  NEBST  DEN  ANGRENZENDEN  ThEILEN  VON  OBER- 
ITALIEN, 8AV0YEN  UND  TIROL.  Mit  36  Karten,  10  Stadtplänen  und 
11  Panoramen.    22.  Auflage.    1887 .   .  ^.  7. 

UNTER-AEGYPTEN  BIS  ZUM  FAYT^M  UND  DIE  SINAI-HALB- 
INSEL. Mit  15  Karten,  30 Plänen,  7  Ansichten  und  76  Textvignetten. 
2.  Auflage.  1885 UJT.  16. 

OONVERSATIONSBUCH  für  Reisende  in  vier  Sprachen, 
DEUTSCH,  FRANZÖSISCH,  ENGLISCH,  ITALIENISCH.  Stereotyp-Ausgabe  M.  3. 

Juni  1888. 


ßUSSLAND 


\ 


Vergleichende  Geldtabelle  (vgl.  S.  xm); 


Bussland. 

Deutsehland. 

Finnland. 

Oesterreieh. 

Bub. 

Kop. 

Mark 

Pfenn. 

Mark 

Penn. 

Fl.    1    Kr. 

— 

1 

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2 

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21/2 

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1 

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2 

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4 

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2 

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3 

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121/3 

— 

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10 

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20 

— 

25 

— 

10 

— 

15 

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30 

— 

371/1 

— 

15 

— 

20 

— 

40 

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50 

— 

20 

— 

26 

— 

50 

— 

621/2 

-— 

25 

— 

40 

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— 

40 

— 

50 

1 

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— 

50 

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3 

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3 

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10 

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4 

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10 

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15 

_ 

6 

7 

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17 

50 

7 

— 

8 

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16 

— 

20 

8 

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9 

— 

18 

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22 

50 

9 

— 

10 

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20 

— 

25 

— 

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25 

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DAS 


GENERAL  GOÜVERSTEMENII 


zur  Übersicht  der 
VCRKEHRSLINI EN. 


irifl  liii  iTj 


RUSSLAND 


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HANDBUCH  FÜR  R|:ISENDE 


HBRAUSOBOBBBH  TO»   ^ 

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K  B^DEKER 


MIT  9  KARTEN  UND  15  PLÄNEN 


ZWEITE   AUFLAGE 


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LEIPZIG 

VERLAG  VON  KARL  B^DEKER 

1888 

Recht  zu  Ueber Setzungen  vorbehalten. 


KC  13^0^ 


HARVAR 
LIBRARY 


5  l  r^  ^^ 


VORWORT. 


Jliine  Reise  nach  Russland  gehört  seit  der  Yervollsttndigung 
des  russischen  Eisenbahnnetzes  nicht  mehr  zu  den  schwierigen 
Dingen.  Mehr  und  mehr  wenden  auch  einfache  Touristen  ihre  Auf- 
merksamkeit dem  Lande  zu ,  das  dem  Bewohner  der  alten  Cultur- 
länder  des  Westens  in  so  vielfacher  Hinsicht  Neues  und  Interessantes 
bietet.  Das  vorliegende  Reisebuch ,  welches  hiermit  in  2.  Auflage 
erscheint,  verfolgt  dieselben  Zwecke,  wie  die  in  weiten  Kreisen  be- 
kannten andern  Handbücher  des  Herausgebers ;  es  will  die  Unab- 
hängigkeit des  Reisenden  fordern  und  ihn  in  den  Stand  setzen,  mit 
möglichst  geringem  Zeit-  und  Geldaufwand  alles  Sehenswürdige  zu 
überblicken.  Die  Darstellung  der  ersten  Auflage  wurde  fast  durch- 
weg von  sachkundigen  Mitarbeitern  durchgesehen  und  den  augen- 
blicklichen Yerhältnissen  gemäss  berichtigt.  Ganz  neu  ist  der  Ab- 
schnitt über  Südrussland.  Die  Beschaffung  zuverlässigen  Materials 
ist  indess  in  Russland,  wo  es  an  guten  neuen  Publikationen 
über  Handel ,  Verkehr  und  Industrie  fast  ganz  fehlt ,  mit  grossen 
Schwierigkeiten  Verbunden.  Mehr  als  sonst  ist  der  Herausgeber 
daher  genöthigt  die  Nachsicht  des  reisenden  Publikums  in  Anspruch 
zu  nehmen ,  und  um  so  dringender  wiederholt  er  hier  seine  Bitte 
an  die  Benutzer  des  Buches ,  ihn  auf  Irrthümer  und  Auslassungen 
in  demselben  auftaierksam  machen  zu  wollen.  Denjenigen  Herren^ 
welche  ihn  mit  derartigen  Beiträgen  bereits  unterstützt  haben,  ins- 
hesondere  den  Herrn  Mitarbeitern  in  Moskau,  Warschau,  Riga, 
Helsingfors ,  Kasan ,  Kiew ,  Odessa ,  sowie  in  Berlin  und  Bonn  sei 
auch  an  dieser  Stelle  der  Dank  des  Herausgebers  ausgesprochen. 

Die  Karten  und  PlänedesBuches  sind  nach  dem  besten 
zugänglichen  Material  bearbeitet. 

lieber  Gasthöfe  vgl.  S.  xxiv. 

Die  Erlernung  der  russischen  Sprache  ist  nicht  ganz 
leicht,  doch  ist  eine  oberflächliche  Kenntniss  derselben  immerhin 
wünschenswerth ,  für  längere  Reisen  sogar  unentbehrlich.  Gute 
Dienste  wird  der  gleichzeitig  mit  vorliegendem  Buche  erschienene 
kurze  Sprachführer  leisten,  welcher  die  wichtigsten  gramma- 
tischen Regeln ,  eine  Sammlung  von  Gesprächen  und  ein  ausführ- 
liches Yocabular  enthält.   In  den  Hotels  und  Bädern  der  grossen 


TI 

Städte  kann  man  in  der  Regel  Kenntniss  der  deutschen  und  franzö- 
sischen Sprache  voraussetzen.  Im  übrigen  bedient  man  sich  mit 
y ortheil  eines  Gommissionärs  (S.  xxi). 

Ueber  die  Transskription  der  russischen  Worte  im  Text  ist  auf 
S.  3-5  des  Sprachführers  das  Nöthige  gesagt,  u  ist  meist  durch  y, 
uM  und  iM  durch  y  (auf  den  Plänen  durch  ij) ,  c  durch  ss  oder  s 
nviedergegeben.  Einzelne  andre  Inconsequenzen ,  welche  bei  häufig 
vorkommenden  Wörtern  aus  der  Beibehaltung  der  im  Deutschen 
bereits  feststehenden  Schreibart  entstehen  j  werden  nicht  stören. 


INHALTS -VEßZEICHNISS. 

Seite 

EinleitUDg x 

I.    Praktische  Yorbemerkangen z 

'    A.    Reisezeit.   Reiserouten x 

6.    Reisekosten.   Münzwesen xi 

C.  Pass  -  und  Zollwesen.   Empfehlungen.   Gast- 
freundschaft      xm 

D.  Umgangsregeln xt 

E.  Konsulate.  Oeffentliche  Sicherheit.  Polizei    .  xti 

F.  Reisegelegenheiten.    Droschken.   Gommissio- 

näre xvn 

G-.    Briefpost  und  Telegraph    .....,,  xxi 

H.  Ausrüstung  zur  Reise.  Gesundheitspflege  .  .  xxni 
I.     Gasthöfe.     Ghambres    gamies.    Restaurants. 

Klubs xxiT 

K.   Theater.   Goncerte.   Vergnügungen  ....  xxyi 

L.    Tabak ,  xxtiii 

M.    Bäder xxix 

N.    Gewichte  und  Maasse.  Zeitrechnung   .     .     .  xxx 

II.  Geographisches  und  Historisches xxxi 

Klima xxxi 

Eintheilung  und  Verwaltung xxxin 

Die  heutigen  Russen xxxiy 

Ghronolog.  Uebersicht  der  russischen  Geschichte  xxxtii 

III.  Die  russische  Kirche xlyi 

Verzeichniss  der  russischen  Kirchen-  u.  Staats- 
feste   XLYIII 

Zur  Literatur  über  Russland XLyiii 

Das  russische  Alphabet l 

Route  I*  Bas  Oeneralgouyemement  Wanchan. 

1.  Von  Berlin  nach  Warschau 1 

2.  Von  Breslau  oder  Wien  nach  Warschau 4 

3.  Warschau  und  Umgebungen 9 

4.  Von  Warschau  nach  Nowo-Georglewsk,  Mlawa  (Marien- 
bürg)  und  Giechocinek 30 

5.  Von  Warschau  über  Iwangorod  und  Lublln  nach  Kowel  33 

n.  Die  OstieeprovixLsen  und  West-Busiland. 

6.  Von  Berlin  nach  Wilna  und  Libau  über  Wirballen  .     .       35 

7.  Von  Warschau  nach  Riga  über  Wilna  und  Dünaburg    .       44 


VIII  INHALTS  -VERZEICHNISS. 

Boute  Seite 

8.  Biga  und  Umgebungen 49 

9.  Von  St.  Petersburg  nach  Reval,  Baltisch-Port,  Dorpat  .  69 

1 0.  Von  Berlin  (Königsberg,  München,  Wien)  uacb  St.  Peters- 
burg   85 

III.  St.  Petersburg  und  Umgebungen. 

11.  St.  Petersburg 91 

12.  Umgebungen  von  St.  Petersburg 179 

ly.  Bu  OroMfftntentliiim  Finnland. 

13.  Von  St.  Petersburg  nach  Wiborg 202 

14.  Von  Wiborg  über  Willmanstrand  nach  dem  Imatra,  Wa- 
lamo,  SordaTala 206 

15.  Von  Willmanstrand  nach  Nyslott,  Kuopio,  Idensalmi    .  212 

16.  Von  Wiborg  nach  Fredrikshamn  (Lovisa,  Borg*  und 
Insel  Hogland)      . 214 

17.  Von  Wiborg  nach  (Borgi)  Helsingfors  (und  Sveaborg)  .  216 

18.  Von  Helsingfors  nach  Tavastehus  und  Abo     ....  225 

19.  Von  Tavastehus  über  Tammerfors  nach  Nikolaistadt- 
Wasa  und  Uleiborg 234 

V.   Gentral-BuMland. 

20.  Von  Warschau  über  Brest,  Ssmolensk  nach  Moskau      .  239 

21.  Von  St.  Petersburg  nach  Moskau .     * 248 

22.  Moskau 261 

23.  Umgebungen  von  Moskau 308 

24.  Von  Moskau  nach  Jarosslawl  und  Wologda.    Trolza- 
Kloster 315 

25.  Von  Moskau  nach  Nishny-Nowgorod 323 

26.  Wolga-Fahrt  von  Bybinsk  über  Nishny-Nowgorod  und 
Kasan  nach  Ssysran 337 

27.  Von  Riga  über  Ssmolensk  und  Orel  nach  Grjasi  und  über 
Tula  nach  Ssamara  und  Orenburg 367 

28.  Von  Moskau  über  Tula  und  Orel  nach  Kurssk     .     .     .  376 

29.  Von  Moskau  über  Rjäsan  nach  Eoslow  und  Grjasi    .     .  383 

VI.  Süd-BuMland. 

30.  Von  Breslau  (Berlin,  Wien)  über  Shmerinka  nach  Odessa  387 

31 .  Von  Warschau  über  Shmerinka  nach  Odessa   ....  388 

32.  Von  Moskau  über  Kiew  und  Shmerinka  oder  Charkow 

und  Blrsula  nach  Odessa     . 390 

33.  Odessa  und  Umgebungen 401 

34.  Von  Charkow  nach  Ssimferopol 408 


INHALTS  -VERZEICHNISS.  IX 

Boute  Seite 

35.    Die  Krim 411 

A.  Yon  Ssimferopol  nach  Ssewastopol      ....  412 

B.  Von  Ssewastopol  nach  Kertsch.    Die  Südküste 

der  Krim 417 

Register 425 


Veneiohniss  dar  Karten  und  Pläne. 

Karten. 

1.  Das  General ^ Gouvernement  Wardchau  (Polen)  im  Masst. 
1 : 2,000,000,  vor  dem  Titel. 

2.  Umgehung  von  Warschau  (1 :  150,000),  auf  S.  26. 

3.  Umgebung  von  Reval  (1 :  150,000),  S.  83. 

4.  Umgebung  von  8t,  Petersburg  (1 :  380,000),  S.  179. 

5.  Karte  von  Peterhof  (1 :  34,500),  S.  182. 

6.  Karte    der    Wolga   von   Nishny  ^Nowgorod    bis   Kasan  (1: 
1,000,000),  S.  346. 

7.  Karte  der  Wolga  von  Kasan  bis  Ssysran  (1 : 1 ,000,000),  S.  358. 

8.  Karte  der  südlichen  KHm  (1 ;  500,000),  S.  417. 

9.  Central-Eussland  (1 : 8,000,000),  hinter  dem  Register. 

Pläne. 

1.  Warschau^  S.  8.  —  2.  Warschau  (innere  Stadt) f  S.  14. 
—  3.  Riga  (innere  Stadt),  S.  54.  —  4.  St,  Petersburg ,  S.  89.  — 
5.  St.  Petersburg  (innere  Stadt),  S.  106.  —  6.  Die  Eremitage  in 
St.  Petershurg,  S.  122.  —  7.  Helsingfors,  S.  218.  —  8.  Gross -Now- 
gorod, S.  249.  —  9.  Moskau,  S.  260.  —  10.  Der  Kreml  zu  Moskau, 
S.270.  —  ii.  Der  grosse  Kreml-Palast,  S.  271.  —  12.  Nishny-Now- 
gorod,  S.  325.  —  13.  Kasan,  S.  350.  —  14.  Kiew,  S.  391.  - 
15.  Odessa,  S.  401. 


EINLEITUNG. 


I.    Praktische  Yorbemerkangen. 

A.  Beiieseit.   Beiseplan. 

Reisezeit.  Die  Wahl  der  Reisezeit  wird  wesentlicli  durch  die 
klimatischen  Verhältnisse  Russlands  (S.  xxxi)  bedingt.  Für  eine 
Tour  von  drei  bis  vier  Wochen ,  dem  Besuche  von  St.  Petersburg, 
Moskau  und  Nishny-Nowgorod  gewidmet ,  ist  es  freilich  leicht ,  die 
Reisezeit  den  klimatischen  Verhältnissen  anzupassen.  Diese  Tour 
würde  aber  nur  einen  sehr  allgemeinen  Begriff  von  dem  Zarenreiche 
und  seiner  bunten  Bevölkerung  geben.  Ueber  die  günstigste  Jahres- 
zeit für  den  Besuch  von  St.  Petersburg  und  Moskau  wird  ein 
bestimmtes  Urtheil  nicht  möglich  sein.  Allerdings  entfaltet  sich 
das  nationale  Leben ,  besonders  in  Moskau ,  erst  im  Winter ,  auch 
St.  Petersburg  hat  dann  seine  Saison.  In  diese  Jahreszeit  fallen 
auch  die  grossen  religiösen  Festtage  (S.  xlviu),  deren  Feier  wieder- 
um echt  russisch  ist.  Allein  ein  russischer  Winter  ist  nicht  Jeder- 
manns Sache.  Wir  würden  mehr  rathen ,  denselben  in  Moskau  zu- 
zubringen, als  in  St.  Petersburg.  Letzteres  ermangelt  auch  der 
Gleichmässigkeit  des  Klimas ,  wie  sie  Central-Russland  besitzt  [in 
St.  Petersburg  im  Sommer  bis  +  30°,  im  Winter  bis  —  30** ;  die 
Differenzen  von  einem  Tage  zum  andern  betragen  zuweilen  12-18° 
(S.  xxxi)].  In  St.  Petersburg  ist  daher  der  Aufenthalt  von  Ende 
April  bis  Anfang  Juni  zu  empfehlen.  Man  sieht  dann  die  Mai- 
paraden ,  lernt  die  sehr  guten  Theater  (Schluss  Ende  Mai)  kennen 
und  hat  schliesslich  noch  Gelegenheit  die  Umgebungen  der  Haupt- 
stadt mit  ihren  reichen  Parkanlagen  im  russischen  Frühlingsanfang, 
in  der  herrlichen  Beleuchtung  der  nordischen  hellen  Sommernacht 
zu  sehen  (schon  im  Mai  bringt  die  Nacht  keine  Dunkelheit  mehr 
und  die  Abende  können  bis  Mitternacht  zum  Aufenthalt  im  Freien 
benutzt  werden).  —  Nishny-Nowgorod  muss  man  womöglich  während 
der  Messe  (Anfang  August  bis  Mitte  September)  besuchen.  —  Für 
die  Krim  sind  Mai  und  Juni  die  günstigsten  Monate. 

Für  den  Besuch  von  Moskau  und  St.  Petersburg  würde  sich 
die  Zeit  von  4  Wochen  folgendermassen  vertheilen  lassen : 

Von  Berlin  nach  Warschau 1  Tag 

In  Warschau 3 

Eisenbahnfahrt  von  Warschau  nach  Moskau 3 

In  Moskau 5 

Eisenbahnfahrt  von  Moskau  nach  St.  Petersburg 1 

In  St.  Petersburg 6 

Ausflüge  in  die  Umgebungen  (Finnland) 8 

Rückreise  nach  Berlin  (Abstecher  nach  Riga  2-3  Tage)  ...      2-5 

28-31  Tage. 


REISEZEIT.  XI 

Beabsichtigt  man  weiter  nach  dem  Osten  Torzudringen,  und  die 

baltischen  Provinzen  zu  besuchen,  so  kann  man  folgende  Zeitein- 

theilung  wählen  (5-8  Wochen)  : 

Von  Lübeck  nach  Finnland  (per  Dampfer,  nicht  nach  Mitte 

September) 2  Tage 

Helsingfort,  W&>orff^  Imatra-Fall 5-8     » 

Eisenbahnfahrt  von  Wiborg  nach  8t,  Peiertburg Vs     * 

8t.  Petersburg 5-ö     » 

Umgebungen  von  St.  Petersburg 6-8     » 

Ausflüge  nach  Reval,  Baltitchport^  Dorpat 4-6     » 

Eisenbahnfabrt  von  St.  Petersburg  nach  Moskau 1     > 

Moskau  (Ausflug  nach  Troizky-Klaster) 5-8     * 

Eisenbahnfahrt  von  Moskau  nach  Mshnp-Nowgorod    ....  Va     * 

Nishnf' Nowgorod 1-3     » 

Bückfahrt  nach  Moskau Vs     ' 

Eisenbahnfahrt  von  Moskau  nach  Warschau 3     » 

Wttrschau 3-8     » 

Eisenbahnfahrt  nach  Berlin 1     > 


36-56  Tage. 

Eine  Ausdehnung  der  Reise  auf  Südrusslaud  würde  ungefähr 
2  Wochen  beanspruchen  und  sich  folgende  Zeiteintheilung  em- 
pfehlen : 

Eisenbahnfahrt  von  Moskau  nach  Kieto  oder  Charkow  ....  1    Tag 

Cfiarkow 1/2-I 

Kiew 1-2 

Eisenbahnfahrt  von  Charkow  nach  Ssewastopol l-i^/4 

Ssewastopol  und  Umgebung 2-3 

Südküste  der  Krim  bis  Aluschta  und  der  Tschatyr-Dagh     .    .  3-4 

Seefahrt  nach  Odessa 1-2 

Odessa 1-2 

Eisenbahnfahrt  von  Odessa  nach  Kiew 8/< 

Eisenbahnfahrt  von  Odessa  oder  Kiew  nach  Berlin     .... 


i 


14-17  Tage 
B.  Beisekoiten.  Münsweten. 

Das  materielle  Leben  ist  in  Russland,  wenn  man  den  Rubel 
zum  Durchschnittskurse  der  letzten  5  Jahre  rechnet,  also  1  R.  = 
etwa  2  o^j  kaum  theurer  als  in  Deutschland.  Nur  Wohnungspreise 
sind  etwas  hoher.  Die  täglichen  Gasthofsausgaben  belaufen 
sich  incl.  Diner  (IVs-^  R.)  durchschnittlich  auf  6-10  R.;  dazu 
kommen  die  Kosten  für  Iswoschtschiks ,  Commissionär ,  Trink- 
gelder etc.  Man  wird  daher  gut  thun,  die  täglichen  Ausgaben  nicht 
unter  15-20  R.  anzunehmen;  im  Innern  und  im  Süden  eher  noch 
höher.  In  den  Petersburger  und  Moskauer  Hotels,  sowie  auf  den 
Schiffen  des  Schwarzen  Meeres  findet  man  Table-d'hote ;  man  kann 
dabei  Bier  trinken  (5-10  Kop.).  Ausländische  Weine  sind  sehr 
theuer,  die  inländischen  aus  der  Krim  und  dem  Kaukasus  gut  und 
billig. 

Bei  Einkäufen  ist  eine  gewisse  Vorsicht  zu  empfehlen  und 
man  scheue  sich  nicht,  besonders  in  Läden  die  nicht  den  Charakter 
vollster  Solidität  tragen ,  einen  etwas  (10-20^/o)  niedrigem  Preis  zu 
bieten.  Fertige  Kleider  kosten  in  St.  Petersburg  und  Moskau  wenig 
mehr  als  in  Berlin;  Pelzsachen  sind  theurer,  aber  auch  wärmer 


XII  MÜNZWESEN.  Praktische 

und  solider  gearbeitet  als  in  Deutschland.  Stiefel  sind  billig  und 
gut  (Galoschen,  ausser  im  Hochsommer,  unentbehrlich).  Cigarren 
sind  durch  den  hohen  Zoll  theuer  und  es  empüehlt  sich  den  Yor- 
rath  von  100  Stück,  der  zollfrei  eingeführt  werden  darf,  mitzu- 
nehmen. Oeffentliche  Vergnügungen  (S.  zzyni)  sind  theuer;  in 
Concerten  (die  besten  meist  vorher  ausverkauft)  kostet  ein  Sperrsitz 
meist  3  R.,  in  den  ersten  Reihen  5  R.  und  mehr ;  ein  Parketplatz  in 
der  Oper  SVj-lO  R.  (vgl.  S.  97). 

Das  Reisegeld  nimmt  man  am  besten  in  Form  eines  von  einem 
grossen  Bankhause  ausgestellten  Creditbriefs  mit.  Grössere 
Geldsummen  bei  sich  zu  führen ,  ist  bei  den  in  Russland  häufigen 
Diebstählen  nicht  anzurathen;  dagegen  versehe  man  sich  in  Deutsch- 
land mit  einigen  hundert  Rubeln  Papiergeld ,  um  nicht  gleich  auf 
der  Grenzstation  (wo  ein  Wechseln  in  den  dortigen  Wechselbuden 
zu  vermeiden)  oder  bei  der  Ankunft  in  den  grossen  Städten  in  Ver- 
legenheit zu  kommen. 

Wegen  der  in  Russland  sehr  gebräuchlichen  Trinkgelder  ist 
es  rathsam,  immer  mit  kleinem  Gelde  (15-20  Kop.-Stücken)  ver- 
sehen zu  sein.  Namentlich  in  Sammlungen ,  durch  welche  man 
geführt  wird,  bilden  sie  einen  unangenehmen  aber  unvermeidlichen 
Tribut.  Unternimmt  man  Postfahrten  in  das  Innere  von  Russ- 
land ,  so  muss  man  sich  ebenfalls  mit  kleinem  Gelde  versehen ,  da 
es  auf  den  Poststationen  zuweilen  schwer  hält,  grössere  Werth- 
scheine  zu  wechseln. 

Münzwesen.  Man  rechnet  nach  Rubeln  ( Rubl  oder  Rubli) 
zu  100  Kopeken  (Kopejki),  und  zwar  sind  geprägt  an  Goldmünzen: 
Imperiais  ==  10  R.  30  Kop.  und  ^/t  Imperiais  =  5  R.  15  Kop. ;  an 

Silbermünzen  Stücke  zu  1  und  Vt  K*  ^i^^  ^^  *^^i  ^^  ?  ^^  ?  ^^  "^^^ 
5  Kop.;  an  Kupfermünzen  Stücke  zu  5  (Pjatak),  3,  2  (Grosch)  und 
1  Kop.  Gegenwärtig  aber  kursirt  in  Russland  mit  Ausnahme  der 
kleineren  Silber-  (von  20  Kop.  abwärts)  und  der  Kupfermünzen 
ausschliesslich  Papiergeld  in  Scheinen  von  100,  25, 10,  5,  3  und  1 R. 
zu  sehr  gedrücktem  Kurse  (Werth  des  Rubels  3.20  o^,  Kurs  des 
Papiergeldes  1888  1,70  cM).  Da  der  Kurs  ausserdem  starken 
Schwankungen  unterworfen  ist,  so  unterrichte  man  sich  beim  Wech- 
seln jedesmal  über  den  Tageskurs.  —  Ausser  diesem  Papiergelde 
(den  sog.  Creditbülets)  begegnet  man  im  Verkehr  den  Reichsschatz' 
billets  (sog.  Serien)  zu  50  R.,  einem  zinstragenden  (4^/t5%)  Papier, 
und  (überwiegend  in  Polen)  den  Noten  der  Polnischen  Bank  in 
Warschau. 

In  den  Grenz-Districten  trifft  man  gelegentlich  auch  deutsche 
Goldstücke,  Thaler  und  Kassenscheine,  österreichische  Banknoten, 
holländische  Ducaten  etc.,  die  natürlich  die  Schwankungen  des 
Kurses  mitmachen. 


Vorbemerkungen.   PASS-  UND  ZOLLWESEN.  XIII 

C.  Pasi-  und  ZoUwesen.  EmpfeUuigeii.   OMtfireundiohaft. 

Ein  Ton  einem  russischen  Gesandten  oder  General-Konsul  gehörig 
TisirterPass  ist  ein  unumgängliches  Erforderniss  zum 
Eintritt  in  das  russische  Reich  und  sein  Abhandenkommen  auch 
im  Innern  des  Landes  sehr  störend,  da  man  in  jeder  Stadt,  ja  selbst 
auf  jeder  Poststation  in  die  Lage  kommen  kann,  ihn  vorweisen  zu 
müssen;  auch  erleichtert  er  bisweilen  den  Zutritt  zu  den  Sehens- 
würdigkeiten :  man  trage  ihn  daher  stets  bei  sich.  —  Reist  man  zur 
See,  so  wird  der  Pass  bei  der  Agentur,  wo  man  das  Billet  löst, 
abgenommen  und  bei  der  Landung  zurückgestellt;  überschreitet 
man  die  Grenze  mit  der  Bahn ,  so  werden  auf  den  Grenzstationen 
Alexandrowo,  Wirballen  etc.  (S.  2  und  63)  die  Pässe  revidirt. 

Bei  der  Ankunft  an  dem  Orte ,  wo  man  längern  Aufenthalt  zu 
nehmen  gedenkt ,  ist  die  Abgabe  des  Passes  bei  der  Polizeibehörde 
innerhalb  der  ersten  24  Stunden  geboten.  Eine  AufenthaltsbewU- 
ligung  bis  zu  6  Monaten  wird  ohne  Umstände  ertheilt.  Für  längern 
Aufenthalt  wird  der  ausländische  Pass  im  Passbureau  deponirt, 
wogegen  man  dann  einen  russischen  Aufenthaltsschein  IBhai,  Wid) 
auf  1  Jahr  und  für  das  ganze  Reich  gültig  erhält  (2  R.). 

Bei  einer  Reise  im  Innern  Russlands  ist  ferner  beim  jedesmaligen 
Uebernachten  die  Einsendung  des  Passes  an  die  Polizeibehörde  bald 
nach  der  Ankunft  nothwendig.  Rechtzeitige  Erneuerung  des  etwa 
ablaufenden  Passes  oder  der  Aufenthaltsbewilligung  ist  selbstver- 
ständlich geboten.  Beim  Verlassen  des  russischen  Reiches  hat 
man  sich  bei  der  Polizeibehörde  abzumelden ;  der  Abmeldung  ist 
die  AufenthaltsbewiUigung  und  eine  Bescheinigung  von  dem  Polizei- 
bezirke der  betreffenden  Wohnung,  dass  der  Abreise  nichts  im  Wege 
stehe,  beizufügen.  Da  die  Ausfertigung  der  Abmeldung  einige 
Stunden  erfordert ,  thut  man  gut,  sie  in  dem  Ort  vornehmen  zu 
lassen,  wo  man  zuletzt  einen  Aufenthalt  beabsichtigt.  An  den 
Pass,  den  man  zurückerhält,  wird  dann  ein  Zettel  mit  der  Be- 
willigung ,  die  Grenze  ungehindert  passiren  zu  dürfen ,  angeklebt 
(25  Kop.).  Die  Besorgung  dieser  Papiere  bietet,  selbst  wenn  man 
der  russischen  Sprache  nicht  mächtig  ist ,  keine  Schwierigkeiten 
und  wird  von  den  Hoteliers  oder  Wirthen  der  Nummern  (S.  xziv) 
vermittelt.  Auf  den  Grenzstationen  wird  der  Pass  abverlangt,  aber 
nach  Lostrennung  des  Abmeldungszettels  zurückgegeben.  —  Wer 
über  Polen  nach  Russland  reist,  muss  seinen  Pass  „ins  Innere  von 
Russland^'  visiren  lassen. 

Zollwesen.  Beim  Passiren  der  Grenze  oder  beim  Landen  in 
einem  russischen  Hafen  findet  eine  meist  oberflächliche ,  zuweilen 
jedoch  sehr  strenge  Zollrevision  in  Gegenwart  der  Passagiere  statt, 
ebenso  beim  Uebertritt  von  Russland  nach  Finnland  und  umgekehrt. 
Auf  besonderes  Verlangen  des  Passagiers  werden  die  Effecten  oder 
ein  Theil  derselben  nicht  im  Grenzzollamte  revidirt,  sondern  an 
einem  der  Innern  Zollämter,  wohin  sie  plombirt  vom  Grenzzollamt 


XIV  PASS-  UND  ZOLLWESEN.  Praktische 

gesandt  und  wo  sie  dem  Eigenthümer  oder  dessen  Bevollmächtigtem 
nach  erfolgter  Besichtigung  gegen  Vorzeigung  der  Bescheinigung 
über  die  Zahlung  der  Transportkosten  (in  den  Land-Zollämtern) 
oder  einer  Gopie  des  Gonnossements  (in  den  Hafen -Zollämtern) 
ausgeliefert  werden ;  doch  ist  dies  sehr  weitläufig  und  dem  Reisen- 
den daher  die  Zollrevision  an  der  Grenze  anzurathen.  Zollfrei  sind 
alle  im  Gebrauch  gewesenen  und  auf  der  Reise  unentbehrlichen 
Gegenstände,  ebenso  die  zur  Ausübung  einer  Kunst  oder  Profession 
als  Arzt,  Maler,  Handwerker  etc.  erforderlichen  Instrumente  oder 
Utensilien,  aber  in  beschränkter  Menge :  z.  B.  Kleidungsstücke  in 
einer  Anzahl,  welche  den  gewohnlichen  Bedarf  eines  Reifenden 
nicht  übersteigt;  Kissen, Matratzen,  Bettwäsche  etc.  in  sehr  geringer 
Anzahl;  Pelze,  Muffen  etc.  je  ein  Stück,  goldene  und  silberne 
Gegenstände  im  Gewicht  bis  zu  3  Pfund ;  Reisenecessaires  pro  Per- 
son ein  Stück ;  neue  Handschuhe  bis  zu  1  Dutzend ;  Cigarren  bis 
zu  ein  Hundert;  Rauch-  und  Schnupftabak  je  ein  angebrochenes 
Packet;  Lebensmittel  in  geringer  Quantität.  —  Für  alle  in  grösserer 
Anzahl  vorhandenen  nicht  zollfreien  Gegenstände  werden  die  Zoll- 
gebühren nach  dem  Tarif  erhoben  (Cigarren  2  R.  20  K.  pro  Pfund) 
und  zwar  von  den  meisten  "Waaren  nach  dem  Gewicht.  Contre- 
bande*)  wird  conflscirt  und  ausserdem  für  zollpflichtige  Waaren 
der  fünffache  Zoll,  für  verbotene  Waaren  (Schiesspulver,  Spiel- 
waaren,  Betten,  Branntwein  etc.)  der  doppelte  Betrag  ihres  Werthes 
bezahlt.  Zollgebühren,  welche  zusammen  unter  3  R.  betragen,  wer- 
den nicht  erhoben.  —  Die  Zollgebühren  sind  in  Oold  zahlbar,  dem- 
nach bei  Zahlung  in  Papierrubeln  (die  zu  vermeiden  ist)  die  Diffe- 
renz zwischen  Gold-  und  Papierwährung  (c.  40®/o)  hinzuzurechnen. 

Fast  ebenso  wichtig,  wie  der  Pass,  sind  gute  Empfehlungen 
an  die  Behörden  des  Landes  und  Private ;  besonders  je  mehr  man 
nach  Osten  und  Süden  vordringt  und  je  mehr  man  sich  von  den 
grossen  Eisenbahnrouten  entfernt.  Während  dort  dem  wohlempfoh- 
lenen Reisenden  alle  Wege  möglichst  geebnet  werden,  ist  derjenige, 
der  nicht  über  Empfehlungen  verfügt ,  ganz  auf  sich  angewiesen, 
findet  oft  kaum  ein  Unterkommen  und  wird  überall  hingehalten 
(S.  xvii).  Freilich  haben  die  Empfehlungen  seitens  bedeutender 
Persönlichkeiten  leicht  die  Unbequemlichkeit,  dass  man  in  den 
Städten  oft  nicht  einen  Augenblick  unbeobachtet  gelassen  und  mit 
lästigen  Dienstanerbietungen  überhäuft  wird;  auch  nehmen  die 
Einladungen  —  weil  man  überall  in  den  Gouvernementsstädten  als 
willkommener  Gast  aufgenommen  wird  —  die  beste  Zeit  hinweg. 
Denn  in  Russland  herrscht  grosse  Gastfreundschaft.  Nicht 
allein,  dass  der  Russe  dem  Gaatfreund  sein  ganzes  Haus  und  seine  Zeit 
zur  Verfügung  stellt ;  er  schafft  seinetwegen  besondere  Vergnügungen, 
wie  Jagden,  Bälle  etc.   Diese  Gastfreundschaft  erhält  dadurch  noch 


*)  Mit  Büchern  politisch  -  socialen ,  geschichtlichen  Inhalts  u.  dergU 
wird  sehr  streng  verfahren. 


Votbemerkungen,     UMGANGSREGELN.  XV 

einen  höheren  Werth ,  dass  der  Fremde  sie  auf  keine  andere  Weise 
erwidern  kann ,  als  indem  er  seinen  Dank  ausspricht,  d.  h.  den  be- 
mittelten Klassen  gegenüber.  Unbemittelte  gewähren  ihresgleichen 
ebenfalls  Gastfreundschaft  im  vollsten  Sinne  des  Wortes,  von  Besser- 
gestellten aber  erwarten  sie  ein  Geldgeschenk. 

B.   ümgangiregeln. 

Was  die  gesellschaftlichen  Verhältnisse  betrifift,  so 
lebt  in  Russland  selbst  der  Mittelstand  in  St.  Petersburg  und  Moskau 
mit  mehr  Behaglichkeit  und  Aufwand  als  in  den  meisten  grossen 
Städten  Europa's.  Viele  Häuser  stehen  täglich  zum  Besuch  offen; 
in  andern  sind  gewisse  Wochentage  der  Gesellschaft  bestimmt.  Die 
Regeln  beim  Abstatten  von  Besuchen  sind  dieselben  wie  bei  uns. 
Ist  man  durch  einen  Bekannten  irgendwo  eingeführt  und  vorgestellt 
worden,  so  thut  man  gut,  seine  Karte  dort  am  nächsten  Tage  ab- 
zugeben, welche  Höflichkeitsformel  alsbald  erwidert  wird. 

Der  in  den  russischen  Gesellschaften  herrschende  Ton  ist  der 
einer  liebenswürdigen  Ungebundenheit.  Dass  derselbe  leicht  einen 
familiären  Anstrich  bekommt,  hat  meinen  Grund  darin,  dass  im 
Bussischen  die  Anrede  „Herr''  und  „Frau''  nicht  gebräuchlich  ist. 
Gleichstehende  nennen  sich  gewöhnlich  nur  bei  dem  Taufnamen, 
dem  der  Name  des  Vaters  beigefügt  wird,  wie  z.  B.  Paul  Petrowitsch, 
d.  h.  Paul  Peter's  Sohn,  oder  bei  Frauen :  Maria  Nikolajewna,  d.  h. 
Maria  Nikolaus'  Tochter ;  Rang  und  Familiennamen  werden  im  ge- 
selligen Verkehr  bei  der  Anrede  nicht  genannt.  Beamte  und  Militärs 
und  ihre  Frauen  werden  von  der  dienenden  Klasse  mit  „Euer 
Wohlgeboren**  oder  „Excellenz**  unter  Beifügung  des  Tauf-  und 
Vateniamens  angeredet. 

In  den  feineren  Gesellschaftskreisen  ist  die  Kenntniss  der 
französischen  Sprache  fast  allgemein.  In  den  mittleren  Ständen 
versteht  man  eher  deutsch,  verleugnet  dies  in  neuerer  Zeit  jedoch 
bisweilen.  Im  Gespräch  vermeide  man  ausserhalb  des  nächsten 
Bekanntenkreises  jegliches  Eingehen  auf  politische  oder  religiöse 
Fragen.  Der  Russe  bietet  allerdings  gern  die  Gelegenheit  dazu, 
indem  er  Fremden  gegenüber  von  dem  geringen  Fortschreiten  der 
Gultur  des  Landes  spricht.  Doch  ist  dies  selten  ernst  gemeint, 
durch  die  scheinbare  Selbstanklage  soll  vielmehr  der  Widerspruch 
des  Fremden  erregt  werden ,  dass  er  das  Lob  Russlands  anstimme. 
Wer  dies  nicht  mag,  beschränke  sich  auf  die  nothwendigsten  Höf- 
lichkeitsphrasen. 

Was  dem  Ausländer  auf  russischem  Boden  anfangs  besonders 
auffallen  wird,  sind  die  Förmlichkeiten  des  griechischen  Ritus,  das 
vielfältige  Bekreuzen,  die  Verbeugungen  vor  jeder  offenen  Kirchen- 
thür,  wie  auch  in  der  Kirche  das  Küssen  des  Bodens  und  der  an 
den  Altären  unter  Glas  eingelassenen  Reliquien.  So  streng  jedoch 
der  Russe  auf  diese  Gebräuche  seiner  Kirche  hält ,  so  wenig  wird 
dem  Fremden  der  Besuch  der  Gotteshäuser  erschwert ;  ebenso  wenig 


XVI  KONSULATE.  Prdktüehe 

-versucht  jemand ,  ihm  das  Umhergehen  und  Betrachten  der  in  den 
Kirchen  änfbeirahrten  Schätze,  selbst  während  des  Gottesdienstes, 
zu  verwehren.  Es  fällt  auch  niemand  ein,  von  dem  Fremden  eine 
Nachahmung  der  religiösen  Formen  zu  verlangen;  doch  wird  es 
angenehm  empfunden ,  wenn  man  sich  freiwillig  der  Beobachtung 
derselben  unterzieht.  —  Zu  beachten  ist,  dass  die  Gemeinde  dem 
ganzen  Gottesdienst  stehend  beiwohnt. 

Was  dieBegrüssung  betrifft,  so  war  es  ehemals  in  allen  Ständen 
üblich,  sich  beim  Empfange  und  Abschiednehmen  oder  bei  der 
Begegnung  zu  küssen.  Bei  der  Begegnung  kommt  dieser  Brauch, 
ausser  beim  Osterfeste ,  jetzt  mehr  und  mehr  ab  und  Ündet  nur 
noch  unter  intimen  Bekannten  statt.  Beim  Aufstehen  von  der 
Tafel  ist  es  in  Bekanntenkreisen  auch  Sitte ,  der  Frau  vom  Hause 
die  Hand  zu  küssen;  dafür  empfängt  der  betreifende  Herr  einen 
Kuss  auf  die  Wange.  Dem  Hausherrn  wird  als  Zeichen  des  Dankes 
die  Hand  gereicht. 

Kommt  man  im  gewöhnlichen  Verkehr  mit  Höflichkeit  meist  zum 
Ziel ,  so  ist  doch  mitunter  eine  gewisse  Bestimmtheit  gegen  Post- 
halter, Polizisten,  Iswoschtschiks,  Bauern  etc.  von  guter  Wirkung, 
besonders  in  der  Provinz  und  wenn  man  Empfehlungen  (S.  xrv) 
hinter  sich  hat. 

X.  Konsulate.  Oeifentliohe  Sicherheit.  Polisei. 

Bei  ernsteren  Verlegenheiten ,  namentlich  bei  Differenzen  mit 
den  russischen  Behörden,  wird  der  Reisende  gut  thun,  sich  an  den 
Konsul  seines  Landes  zu  wenden.  Bei  längerm  Aufenthalt  in  einer 
Stadt  ist  es  überhaupt  anzuempfehlen,  auf  dem  Konsulat  bald  nach 
der  Ankunft  einen  Besuch  zu  machen ;  höhere  Beamte  etc.  machen 
in  St.  Petersburg  beim  Botschafter  ihre  Aufwartung ,  Offiziere  (in 
Uniform)  bei  den  Militärbevollmächtigten  und  Militär -Attaches. 

Die  öfEentUohe  Sicherheit  lässt  in  Russland  wenig  zu  wünschen. 
Waffen  bei  sich  zu  führen,  ausser  zur  Jagd,  erscheint  durchaus 
überflüssig  und  kann  sogar  den  Reisenden  angesichts  der  in  vielen 
Städten  herrschenden  Ausnahmegesetze  grossen  Unannehmlich- 
keiten aussetzen  (Waffenpass  erforderlich).  Die  Polizei  ist  gut 
organisirt,  die  Polizisten  oder  OorodowoU  (ropoxoBOÜ)  wenigstens 
in  den  grösseren  Städten  sind  artig  und  zuvorkommend,  besonders  in 
Finnland.  Erleben  kann  man  es  allerdings  gelegentlich,  dass  der 
Polizist  unthätig  in  irgend  einer  Ecke  schläft  und  bei  Fragen  sich 
widerwillig  zeigt.  In  diesem  Falle  setzt  man  nur  durch  energische 
Begegnung  etwas  durch. 

Sobald  es  darauf  ankommt,  wirklich  Ordnung  zu  halten,  wie  bei 
Leichenbegängnissen ,  Corsofahrten ,  bei  den  Theatern ,  auf  Bahn- 
höfen etc.,  sind  stets  berittene  Gensdarmen  thätig  und  versehen 
hier  die  Stelle  der  Gorodowois. 


Vorbemerkungen.        EISENBAHNEN.  XVII 

X*.  BeuegelegezÜLeiten.  Drotoliken.  Gonuniisionäre. 

Eiflenbalmeii  (ffieitamui  xopom,  S.  36).  Die  Fahrgeschwindig- 
Mt  ist  auf  den  russischen  SchiMienwegen  durchgängig  eine  nur 
massige  (25-30  Werst  in  der  Stunde).  Den  Namen  „Courierzug'' 
verdient  eigentlich  nur  der  St.  Petersburg -Moskauer  Abendzug. 
Stellenweise  mögen  daran  die  schlechte  Beschaffenheit  der  Bahnen 
und  des  Materials  die  Schuld  tragen,  besonders  bei  manchen  Bahnen 
im  Süden  des  Reichs ,  im  Winter  auch  klimatische  Hemmungen. 
Der  Dienst  auf  den  Bahnen  wird  ziemlich  lax  gehandhabt.  Ver- 
spätungen sind  nicht  selten.  Dabei  sind  die  Zelt  an  gaben  sehr 
verschieden  weil  sie  nach  den  Ortszeiten  der  wichtigsten  Städte, 
von  denen  die  Bahnen  ausgehen,  St.  Petersburg,  Warschau,  Moskau 
gerechnet  wird;  die  Differenz  ist  immer  eine  bedeutende  (zwischen 
Warschau  und  St.  Petersburg  37  Min.,  zwischen  St.  Petersburg  und 
Moskau  30  Min.),  so  dass  man  stets  genau  das  Kursbuch  prüfen 
muss  und  gut  thut  zur  Abfahrt  früh  zur  Stelle  zu  sein.  —  Eine  grosse 
Unbequemlichkeit  ist  die  fast  ausnahmslos  grosse  Entfernung 
der  Bahnhöfe  von  den  Städten,  welche  ihren  Grund  in  der  An- 
lage der  Bahnen  nach  militärischen  Rücksichten  hat.  Die  Bahn- 
stationen Pskow,  Ostrow,  Nowgorod,  Orel  etc.  sind  mehr  als  2  Werst 
von  den  betreffenden  Städten  entfernt  angelegt  worden,  ja  einer  der 
grössten  Knotenpunkte  für  die  Bahnen  nach  dem  südlichen  Russ- 
land, Grjasi ,  befindet  sich  in  meilenweiter  Entfernung  von  jedem 
bewohnten  Orte. 

Die  polizeiliche  Aufsicht  auf  den  Bahnhöfen  und  Stationen 
versehen  Leute  der  Gensdarmerie  oder  Militärs  der  Distrlcts-  und 
Etappen-Commaudos.  —  Das  Bahnpersonal  ist  in  russische  National- 
tracht gekleidet. 

Die  innere  Einrichtung  der  Waggons  ist  ganz  wie  bei  uns ;  nur 
auf  einigen  längeren  Strecken  sind  die  Waggons  I.Klasse  Durch- 
gangswagen und  mit  Fauteuils,  welche  Nachts  zu  einem  Lager  um- 
gestaltet werden  können ,  versehen.  Die  2.  Wagenklasse  ist  schon 
unbequemer,  besonders  zum  Schlafen,  da  die  Seitenpolster  fehlen ; 
die  Russen  führen  stets  ihr  Kopfkissen  bei  sich ;  von  der  3.,  meist, 
wie  die  2.  überfüllt,  ist  abzurathen  (Ungeziefer).  Die  russischen 
Waggons,  länger  und  breiter  als  die  unsem,  sind  etwas  schwerfällig, 
aber  sehr  bequem  gebaut.  In  den  Schlafcoup^ ,  für  die  ein  Zu- 
schlags-Billet  zu  lösen  ist,  wird  dem  Reisenden  ein  vollständiges 
Bett  mit  Bettwäsche  bereitet ;  da  nur  wenige  Plätze  in  denselben 
verfügbar  sind,  thut  man  gut,  das  Billet  einige  Tage  vor  der  Reise 
zu  lösen. 

Die  Waggons  laufen  auf  ihren  doppelten  Ressorts  mit  geringer 
Erschütterung.  Im  Winter  gibt  es  überall  doppelte  Thüren  und 
Fenster;  die  Waggons  sind  alsdann  durch  Oefen  geheizt,  oft  frei- 
lich so,  dass  die  Hitze  im  oberen  Theil  des  Raumes  kaum  er* 
träglich  ist,  während  an  den  Füssen  eiaige  Zugluft  durchstreicht. 
Die  Fenster  werden  der  grossen  Kälte  wegen  nicht  geöffnet,  auf 

BuBSland.     2.  Aufl.  ^ 


XVni  POSTFAHRTEN.  Prdktüche 

langen  Tomen  herrscht  daher  infolge  des  unaufhörlichen  Cigarren- 
und  Cigarrettenrauchens  eine  fast  unerträgliche  Luft. 

Auf  den  meisten  Routen  sind  wirklich  lobenswerth  die  Bahn- 
hofsgebäude und  Speisesäle  der  Hauptstationen ;  die  Verpflegung 
ist  durchgehends  ausgezeichnet  und  nicht  theuer  (die  Preise ,  die 
von  der  Bahnverwaltung  bestimmt  werden ,  sind  meist  an  den  betr. 
Schüsseln  angegeben).  Ueberall  ist  genügender  Aufenthalt;  vor  den 
grösseren  Stationen  nennt  der  SchaiFher  in  den  Wagen  den  Namen 
derselben  und  die  Dauer  des  Aufenthalts. 

Die  Preise  für  Passagiere  und  Ueberfracht  sind  billig  im  Ver- 
gleich zu  andern  Ländern.  Das  Fahrgeld  beträgt  im  allgemeinen 
für  die  Werst:  1.  Kl.  3,  2.  KL  2V4,  3.  KL  IV4K0P.;  Courierzug 
15-20%  Zuschlag;  dazu  kommt  die  Billetsteuer  von  25%  des  Fahr- 
preises. Das  Freigepäck  beträgt  im  inneren  Verkehr  16  kg  (bei 
directen  Billets  aus  dem  Auslande  25  kg) ;  die  Ueberfracht  wird 
pro  Pfund  nach  der  Entfernung  bezahlt. 

PoBtfahrten  (IIohtobha  t3Ai>i).  Die  russische  Personenpost  ist 
von  unseren  Posten  durchaus  verschieden ;  sie  bietet  dem  Reisenden 
nicht  regelmässig  abgehende  und  ankommende  Personenwagen,  son- 
dern gibt  ihm  nur  die  Möglichkeit ,  für  eine  feste  Taxe  Pferde  zu 
miethen  und  stellt  ihm ,  wenn  er  sich  nicht  seines  eigenen  Wagens 
bedient,,  ein  wagenähnliches  Fahrzeug  (s.  unten),  im  Winter  einen 
Schlitten  (Klbitka ,  bis  Odessa  zu  bekommen ).  Am.  schlechtesten 
sind  die  Wagen  in  Polen. 

Die  Telega  (Tejmra)  ist  ein  einfacher,  niedriger  Kastenwagen,  bestehend 
aus  4  plumpen  Bädern,  von  denen  die  hintern  11/2  nial  so  hoch  sind  als 
die  vorderen,  und  2  Aehsen,  deren  jede  eine  Art  Bock  trägt;  auf  beiden 
Böcken  ruht  ein  Kasten.  In  diesem,  der  kaum  für  2  Personen  Platz  lässt, 
sind  keine  eigentlichen  Sitze  \  diese  werden  in  dem  hintern  Theile  durch 
quer  übereinander  gebundene  Stricke  (Perepljet)  und  darauf  gelegtes 
Heu,  Decken  oder  Kissen  hergestellt.  Von  Ausstrecken  der  Beine,  Unter* 
bringen  vielen  Gepäcks  ist  nicht  die  Rede;  für  letzteres  braucht  man 
daher  immer  eine  besondere  Telega.  Das  Fahren  auf  diesen  urwüchsigen 
Wagen ,  zu  dem  der  Reisende  aber  nur  selten  genöthigt  sein  wird ,  ist 
ungemein  angreifend.  —  Eine  Modifleation  der  Telega  ist  die  Tarantau- 
Telega  (üepeKiaj^aa  Teji^ra).  Bei  ihr  sind  Vorder-  und  Hintergestell  un- 
gewöhnlich weit  auseinander  gestellt,  beide  verbunden  durch  2-4  neben- 
einanderliegende Stangen  von  2  m  Lange,  in  deren  Mitte  auf  zwei  Böcken 
ein  flacher  Kasten  oder  (wie  im  Kasan^schen  Gouvernement)  ein  aus 
Korbgeflecht  bestehendes  Gestell  sitst.  Dia  vier  Bäume  federn  und  lassen 
Stösse  weniger  spüren,  wie  bei  der  Telega.  Die  Tarantass-Telega  ist 
fast  auf  allen  Stationen  zu  finden  und  wird  häufig  einfach  Tarantass 
genannt.  Der  eigentliche  Tarantass  ist  eine  Chaise  mit  Halbverdeck, 
welche  auf  einem  Stangengestell  wie  oben  erwähnt  ruht.  Er  ist  auf  den 
wenigsten  Poststationen  anzutreffen,  meist  nur  in  grösseren  Städten  leih- 
weise zu  erhalten. 

Die  Tarataika  (TapaTaftaa)  ist  vierrädrig,  wie  die  Telega,  oder  zwei- 
rädrig; die  zweirädrige  ist  besonders  häufig  in  Finnland. 

Sind  die  Wagen  schlecht,  so  sind  die  Pferde  um  so  besser,  trotz- 
dem man  ihnen  ihre  Leistungsfähigkeit  nicht  ansieht.  Die  flinken, 
kleinen  russischen ,  polnischen  und  finnischen  Pferde  bringen  den 
Keisenden  mit  grosser  Schnelligkeit  von  einem  Ort  zum  andern  (die 


Vorbemerkungen,        POSTFAHBTBN.  XIX 

KutscheT  sind  im  Sommer  zu  10,  im  FrälUing  und  Herbst  zu  8  Werst 
in  der  Stunde  verpflichtet). 

Wer  früher  die  Post  zu  benutzen  wünschte ,  musste  sich  vor 
allem  durch  den  Gouverneur  etc.  einen  Postpass ,  die  Podoroshna 
(flo^oposHafl))  verschaffen.  Seit  1874  sind  indess  diese  Postfahr- 
scheine ia  den  meisten  Gouvernements  abgeschafft. 

Das  Postpersonal  besteht  auf  den  grösseren  Stationen  aus  dem 
Posthalter,  dem  Aufseher  (Smatritjel,  CMOTpHTejib)  —  auf  kleineren 
Stationen  ist  nur  einer  von  beiden  vorhanden  —  und  den  Postil- 
lonen  (Jämschtschiks ,  HmmiEi).  Der  Posthalter  steht  zum  Fiscus 
(die  Poststationen  werden  in  den  Ostseeprovinzen  von  den  Grund- 
besitzern unterhalten)  meist  lediglich  in  contractlichem ,  nicht 
dienstlichem  Yerhältniss,  während  der  Aufseher  Postbeamter  ist. 
Beide  sind  um  die  Wette  bemüht,  durch  Indolenz ,  falsche  Aus- 
kunft etc.  dem  Reisenden  das  Leben  zu  verbittern.  Selten  ist  höfliche 
und  prompte  Bedienung;  Prellereien  sind  häufig;  nur  die  Posthalter 
in  den  Ostseeprovinzen  zeichnen  sich  durch  Gewissenhaftigkeit  und 
Genauigkeit  aus. 

Das  Fahrgeld  (Progon,  IIporoHHaji  oiaxa)  beträgt  durchschnitt- 
lich 4-5  Kop.  pro  Werst  und  Pferd. 

Wer  keinen  Wagen  hat,  muss  für  die  Telega  gewöhnlich  1  Kop. 
pro  Werst  entrichten ,  bisweilen  ist  dieselbe  auch  frei.  Die  Telega 
wird  auf  jeder  Station  gewechselt  und  jedesmal  das  Fahrgeld  nur 
bis  zur  nächsten  Station  bezahlt.  —  In  den  meisten  Fällen  werden 
3  Pferde  vor  den  Wagen  gespannt ;  grössere ,  viersitzige  Wagen  er- 
halten 5-6  Pferde ,  bei  ungünstigem  Wetter  und  schlechten  Wegen 
noch  mehr,  wenn  es  der  Postmeister  für  nöthig  hält. 

Der  Jämschfschik  erhält  stets  ein  kleines  Trinkgeld  (je  nach 
der  Höhe  desselben  steigert  sich  die  Schnelligkeit  des  Fahrens),  ist 
aber  nicht  berechtigt ,  es  zu  fordern.  Auch  den  beim  Anspannen 
behülflichen  Knechten  kann  man  5  Kop.  geben. 

An  Strassen  unterscheidet  man: 

1.  Die  Chausseen  (4opora  mocceäHaH),  früher  sämmtlich  vom 
Staate  unterhalten  und  mit  festem  Grundbau.  —  2.  Poststraseen, 
staatlich,  verbinden  die  Y erwaltungssitze  in  möglichst  gerader  Rich- 
tung. —  2.  Die  sog.  grossen  Wege  (Boibmaji  Aopora,  KoiecHan 
TOpHaji  Aopora),  zur  Verbindung  der  Kreisstädte  mit  den  grösseren 
Märkten ;  sie  sind  von  geringerer  Breite,  ohne  Grundbau ,  mit  nie- 
derem Erdwall  und  Bäumen  zu  den  Seiten.  —  3.  Die  sog.  Natur- 
wege  (Lopera  BbioHHaii  h  npoeeJOHHaii,  xopora  nUma«)  ohne  Werst- 
zeichen (1  Werst  =  1,067  km).  —  Zur  Winterszeit  sind  alle  Wege 
am  besten. 

Die  Brücken  sind  meist  Holzbrücken  und,  ausser  bei  den  Chaus- 
seen ,  von  schlechter  Beschaffenheit. 

Die  Poststationshäuser  (DoHTOBafl  CTaniiiji,  15-30  Werst 
von  einander)  auf  den  Hauptstrassen  Rasslands  sind  theilweise  vor- 
züglich gebaut ,  mit  schön  eingerichteten  Sälen  und  guten  Restau- 

b  • 


XX.  DROSCHKEN.  PtcOcHsche 

rationen ,  zum  Theil  aber  auch  elende  Hütten ,  in  denen  nichts  zu 
bekommen  ist ,  ausser  Ssamowar  und  Wasser.  So  haben  besonders 
die  finnischen  Privat-Poststationen  sehr  'v^enig  Comfort  und  ausser 
Schwarzbrot  keine  Nahrungsmittel ;  hier,  wie  überhaupt  auf  Post- 
reisen, thut  man  wohl,  sich  mit  Nahrungsmitteln  zu  versehen.  In 
jeder  Poststation  liegt  ein  Beschwerdebuch  aus;  ausserdem  finden 
sich  Tafeln  mit  den  Entfernungen  der  Stationen  und  Preisen  der 
Fahrt,  Brückengelder  u*  s.  w. 

Drosehken  (4posKH).  Das  Fuhrwesen  in  den  Städten  Russlands 
macht  äusserlich  einen  ungünstigen  Eindruck,  ist  aber,  besonders  in 
den  Hauptstädten,  in  den  Ostseeprovinzen  und  in  Finnland  besser,  als 
es  auf  deTi  ersten  Blick  erscheint.  Die  Pferde  sind  klein  und  meist 
von  elendem  Aussehen,  aber  schnell.  Die  Fuhrwerke  werden  bald 
Karete,  bald  Droschka,  bald  Iswöschtachik  etc.  genannt;  am  ge- 
bräuchlichsten ist  der  Name  Iswoschtschik  (Hsbod^hki),  der  zugleich 
Gefährt  und  Kutscher  bezeichnet.  Die  meisten  Fuhrwerke  sind 
Einspänner  mit  dem  bekannten  russischen  Angespann  (Krummholz, 
Duga);  die  Kareta  (Kapera),  der  Zweispänner,  hat,  im  Gegensatz 
zu  dem  tagsüber  auf  den  Strassen  nomadislrenden  Einspänner,  feste 
Standorte,  ebenso  wie  die  Dreispänner  {Troiken,  TpofiKa).  Letztere 
sind  ziemlich  bequem,  aber  verhältnissmässig  theuer;  der  Ein- 
spänner —  ein  dachloser  Sitz,  auf  dem  nur  zur  Noth  zwei  Personen 

Baum  haben  —  ist  meist  geradezu  erbärmlich. 

Der  Iswoschtsehik  (Ktttseber)  iflt  eine  für  alle  russiseben  Städte 
typische  und  charakteristische  Figur.  Im  Verkehr  mit  ihm  muss  man 
höchst  vorsichtig  sein.  Mit  bestimmtem  Auftreten  und  möglichst  wenig 
Worten  kommt  man  am  besten  aus.  Man  ruft  „Iswöschtsehik*'  und  nennt 
kurz  die  Strasse  oder  den  Stadttheil,  wohin  man  fahren  will.  Er  nennt 
seinen  Preis  Rubl^  tridzatj  (90)  oder  tsorok  (40)  Kop.,  worauf  man  je  nach- 
dem 20-25  Kop.  bietet  mit  dem  Zusatz:  bolsehe  ni  dajü  (mehr  gebe  ich 
nicht),  und  ruhig  weiter  geht,  wenn  der  Kutscher  mit  dem  Kopf  schüttelt 
oder  lacht.  In  kurzer  Zeit  wird  er  nachkommen  und  zu  dem  angebotenen 
Preise  fahren.  .  Zweispänner  und  feinere  Iswoschtschiks  (Lichatisch)  sind 
natürlich  theurer.  Unverschämt  wird  der  Iswoschtschik  höchst  selten; 
man  kann  ihn  schelten  und  sehimpfen,  er  wird  immer  vergnügt  und 
freundlich  bleiben  und  sieh  zu  jedem  Dienst  bereit  erweisen. 

Die  Preise  sind  für  die  Fahrt  von  1Ö-20  Min.  mit  Einspänner 
fast  in  ganz  Russland  20-40  Kop.  Die  Nachtfahrten  sind  nicht 
theurer  als  die  Tagfahrten ;  dagegen  macht  sich  ein  merkbarer  Unter- 
schied in  den  Fahrpreisen  bemerkbar  an  Sonn-  und  Festtagen,  sowie 
wenn  bei  eintretendem  Thauwetter  das  Fahren  erschwert  wird  (50- 
60  Kop.).  Die  kleinen  einspännigen  Schlitten  (CaHH)  in  den  Städten 
sind  breiter  und  bequemer  als  die  Räderdroschken.  Bei  dem 
schnellen  Fahren  hat  man  achtzugeben,  dass  man  nicht  heraus- 
geschleudert wird.  Bequemer  sind  die  Winter  -  Troiken ,  Schlitten 
in  meist  hellen,  bunten  Farben,  mit  3  Pferden  breit  nach  russischer 
Manier  bespannt.  Schlitten  für  längere  Fahrten  sind  entweder  die 
auf  Kufen  gesetzten  Telegen  oder  sog.  Ro8iwaln,i  (Po3BaJbHB),  die 
man  grösstentheils  im  Winter  auf  den  Landstrassen  auch  als  Fracht- 
fuhrwerke sieht.  Diese  Roswalni  mit  3  oder  4 Pferden  (Tschetwerka) 


Vorbemerkungen.  POST.  XXI 

sind  sehr  zweckmässig  eingerichtet,  innen  nussschalenartig  aus- 
gehöhlt und  so  niedrig ,  dass  sie  selbst  heim  stärksten  Schleudern 
nicht  umfallen  können.  —  Das  Fahren  in  den  offenen  Schlitten  ist 
oft  unangenehm ,  besonders  wenn  bei  grosser  Kälte  starker  Wind 
dem  Reisenden  entgegenweht;  bedeckte  Schlitten  sind  aber  nur 
selten  zu  bekommen. 

CottmiiiioiUlre  (in  Polen  Faetoren  genannt)  finden  sich  in 
vielen  H6tels  der  russischen  Städte  und  sind  für  4-5  R.  täglich 
(VjTag  2-3  R.),  zu  miethen;  sie  sind  meist  recht  brauchbar  und 
verständig  und  leisten  besonders  dann  gute  Dienste,  wenn  man  durch 
ihre  selten  fehlschlagende  Vermittlung  zu  den  im  Sommer  vielfach 
sonst  unzugänglichen  Sehenswürdigkeiten  Zutritt  erhält.  Die  Stelle 
der  Commissionäre  vertreten  auch  die  Potsylnie  (IIoeiU&HHe),  welche 
unseren  Dienstmännem  oder  Packträgern  entsprechen  (man  zahlt 
ihnen  für  einen  Gang  oder  eine  Besorgung  20-40  Eop.) ;  sie  sind 
durchaus  zuverlässig,  besorgen  auf  den  Bahnhöfen  das  Lösen  der 
Billets  und  die  Expedition  des  Gepäcks ;  in  Podolien  und  Wolhy- 
nien  sind  sie  unentbehrlich  zur  Beaufsichtigung  des  Handgepäcks, 
wenn  man  den  Wagen  verlässt. 

0.  Brie^HMt  und  Telegraph. 

In  den  Haupt-  und  den  meisten  Gouvernementsstädten  ist 
die  Post  umständlich  aber  ziemlich  zuverlässig,  in  kleinen  Städten 
und  anderen  Poststationen  dagegen  oft  jammervoll.  Auf  dem  Lande 
wird  der  Brief  von  Bauern  ins  Haus  gebracht,  denen  man  dafür 
eine  Kleinigkeit  gibt.  Briefe ,  welche  irgendwie  die  Aufmerksam- 
keit der  Postbehörde  erregen ,  werden  regelmässig  von  dieser  ge- 
öffnet ,  solche  von  mehr  als  gewöhnlichem  Gewicht,  In  denen  Geld 
oder  Werthsachen  vermuthet  werden,  kommen  nicht  selten  ab- 
handen. Grosse  Schwierigkeiten  macht  beim  Landaufenthalt  die 
Empfangnahme  eines  eingeschriebenen  Briefes.  Wohnt  man  z.  B. 
auf  einem  Dorfe  bei  St.  Petersburg  oder  Moskau,  so  wird  man  durch 
einen  Meldeschein  (s.  unten)  benachrichtigt,  dass  ein  eingeschrie- 
bener Brief  auf  dem  Postamt  (IIoHTaiTi)  ^in  St.  Petersburg  oder 
Moskau  liegt.  Man  muss  sich  dann  durch  die  Polizeibehörde  des 
Ortes  bescheinigen  lassen ,  dass  man  der  richtige  Empfänger  sei, 
und  mit  der  Bescheinigung  nach  St.  Petersburg  oder  Moskau  fahren, 
um  den  Brief  in  Empfang  zu  nehmen.  —  Die  Bureaux  sind  meist 

von  8  U.  Morgens  bis  4  XJ.  Nachmittags  geöffnet. 

Portotaxe:  a.  Briefe  (sanpuToe  iiHCfcxo).  im  Iniande  für  jedes  Loth 
7  Kop. ;  für  die  Staaten  des  Weltpostvereins  (15  Gramm  =  IVe  russ.  Loth) 
7Kop.;  nach  anderen  Ländern  19-96  Kop.  —  b.  Postkarten  (offene  Briefe, 
OTKpuToe  QBCuco)  fürs  Innland  wie  für  die  Staaten  des  Weltpostvereins 
3  Kop.  —  e.  Reeommandirte  Sendungen  (SaxaaHoe  nncbKO),  ausser  dem  Porto 
noch  7  Kop. ;  nach  Orten  ausserhalb  des  Weltpostvereins  27-56  Kop.  \  bei 
Verlust  10  Rubel  resp.  1 2.50 Bubel  Entschädigung.  —  d.  Kreuzbtmdsendungen 
(Drucksachen,  Muster,  nichts  Handschriftliches ;  öasfifipoxtKua  ornpaKiemA) 
für  je  4  Loth  (50  Gramm)  2  Kop. ;  nach  Orten  ausserhalb  des  Weltpostvereins 
4-5  Kop.  —  e.  Packetsendungen  ohne  und  mit  Werth  (üockukh  6evh  i(«hu 
H  x(ftHH£u)^  Maximum  des  declarirten  Werthes  einer  Sendung  5000  Rubel, 


XXII  TELEGRAPHEN.  Praktiiche 

im  Inlande  pro  Pfand  auf  Strecken  bis  900  Werst  3  Kop.';  über  900  Werst 
für  je  100  Werst  1  Eop.  mehr  (Büchersenduneen  geniessen  bei  Strecken  über 
1500  Werst  eine  Preisermässigung).  —  f.  Oelct-  und  Werthpackete  (J^eaeiKShie  h 
q^HHBie  naxeTu).  Geldsendungen  müssen  der  Post  ojff^n  übergeben  und  dort 
mit  Siegeln  versehen  -werden.  Werthsendungen,  die  offen  der  Post.übergeben 
werden,  können  ein  Oewieht  von  20  Pfund,  einen  Werth  von  15,000  Rubel 
haben-,  Werthsendungen,  die  geschlossen  der  Post  tibergeben  werden,  dürfen 
höehstens  10 Pfund  wiegen  und  500 Rubel  Werth  haben.  Geldbriefe  zahlen 
7  Kop.  pro  Loth,  plus  7  Kop.  Einschreibegebühr  und  VsVo  "^o^  Inhalte. 

Für  die  Richtigkeit  der  Versendung  der  Correspondenz  mit  Adressen 
in  nicht  russischer  Sprache  übernimmt  die  Post  keine  Verantwortung.  Auf 
einen  eingeschriebenen  Brief  ist  zu  schreiben :  „Einschreiben  (saKasHoe)'', 
auf  ein  Geldpaeket  in  die  rechte  obere  Ecke:  „Geldpacket  (xCHesBiift)'-*; 
auf  ein  Werthpaeket :  „Werthpaeket  (i^ftEHufl)" ;  auf  Werthsendungen  oben 
links :  „Werthsendung  O^NmAs)^  \  bei  Büchersendungen :  „mit  Büchern  (c% 
KHHraHH)''.  Werthpackete  ins  Ausland  oder  nach  Orten  des  Inlandes,  die 
nicht  an  einer  Bahn  liegen,  oder  solche  die  Über  5  Pfund  wiegen,  müssen 
in  Leinwand  verpackt  sein,  auf  die  auch  die  Adresse  zu  schreiben  ist ;  für 
Packete  ins  Ausland  ist  ausserdem  ein  Begleitschein  erforderlich.  Soll 
ein  eingeschriebener  Brief  nur  auf  der  Post  ausgehändigt  werden,  so  ist  auf 
dem  Gouvert  die  Aufschrift:  „auf  Meldeschein  auszuhändigen  (no  noffftcnt«)" 
zu  machen;  soll  der  Brief  (bis  4  Monate)  aufbewahrt  werden,  so  schreibt 
man  darauf:  „bis  auf  Verlangen  (ao  socxpeGoBaHix)".  Alle  Aufschriften 
müssen  in  russischer  Sprache  oder  wenigstens  in  lateinischer  Schrift  ge- 
macht werden.  —  Postmarken  (IIohtobiiIa  HapRH)  werden  zum  Werthe  von : 
1 ,  2,  3,  5,  7, 10  und  20  Kop.  angefertigt ;  gestempelte  Blankets  für  Post- 
karten (BjiasKH  OTBpamix'b  nsceia  c%  nireiai.)  «u  3  Kop.  Blankets  und 
Marken  zum  Nominalpreise;  Stempelcouverts  V2  Kop.  theurer.  Post- 
karten ohne  Stempel  4  Stück  für  1  Kop. 

Behufs  Empfangnahme  von  Geld-  und  Werthpacketen  und  recomman- 
dtrten  Sendungen  empfängt  der  Adressat  einen  Meldeschein  (noBSCTKa); 
ist  der  Empfänger  dem  Postbeamten  nicht  persönlich  bekannt,  so  ist  auf 
dem  Meldeschein  seine  Identität  von  der  Ortspolizei  zu  beglaubigen  (s. 
oben).  —  Schickt  man  Geld  in  anderen  als  der  Post  offen  übergebenen 
Werthpacketen,  so  wird  dasselbe  als  verheimlichte  Einlage  im  Ent- 
deekungsfalle  conflseirt.  Ebenso  darf  man  keinen  geschlossenen  Brief  in 
ein  einfaches  Geld-  oder  Werthpacket  legen.    Strafe  1  Rubel  pro  Loth. 

Telegraphen.  AllgemeineBestimmungen.  Bei  der  Beförderung 
von  Depeschen  sind  in  den  grösseren  Städten  fast  alle  Sprachen  zulässig ; 
alle  müssen,  wenn  nicht  in  russischer  Sprache,  mit  lateinischen  Buchstaben 
geschrieben  sein.  Man  kann  direct  nach  der  Wohnung  des  Empfängers 
oder  bureau  restant  telegraphiren  i  eine  Wiederholung  kostet  die  Hälfte 
der  Depeschentaxe.  Worte  mit  mehr  als  7  Silben  zählen  für  2  Worte. 
Nach  Orten  ohne  Telegraphenstationen  kann  die  Weiterbeförderung  ge- 
schehen :  1)  durch  die  Post  (Tarif  s.  oben) ;  2)  durch  Estafette;  3)  per  Ex- 
pressen.; 4)  durch  den  Eisenbahn-Telegraphen. 

Telegraphentarif  für  das  Inland*  Russland  zerfällt  in  3  Tele- 
graphen-Gebiete :  1.  das  europäische  Russland  bis  Jekaterinenburg 
(einschliessl.  Kaukasus):  2.  das  asiatische  bis  zum  Meridian  von 
Sstretinsk  (einschliessl.  Turkestan)  und  3.  von  dort  bis  zum  Ufer 
des  Grossen  Oceans.  Jedes  Gebiet  ist  in  3  Zonen  (IloflC^)  getheilt 
und  kostet  eine  einfache  Depesche  von  10  Worten  innerhalb  jedes 
Gebiets :  für  die  1.  Zone  (bis  200  Werst)  30  Kop. ,  für  die  2.  Zone 
(bis  1000  Werst)  60  Kop.,  für  die  3.  Zone  (über  1000  Werst)  90  Kop. 
Jedes  weitere  Wort  (über  10)  kostet  in  der  1.  Zone  2V2  Kop.,  2.  Zone 
5  Kop.,  3.  Zone  10  Kop.  Bei  Uebergangsdepeschen  aus  einem  Ge- 
biet ins  andere  werden  die  beiderseitigen  Zonen  zusammengezählt. 


Yorbemetk.        AUSRÜSTUNG  ZUR  REISE.  XXIII 

Stftdt-Xelegramme  kosten  20  Kop.  für  20  Worte,  jedes  weitere 
Wort  1  Kop. 

Telegraphentarif  fiir  das  Ausland,  Nach  Deutschland  Grund- 
taze  35  Kop.,  jedes  Wort  7  Kop. ;  Oesterreich  Grundtaxe  40 ,  jedes 
Wort  8 Kop. ;  Schweiz,  Dänemark,  Holland,  Belgien,  Frankreich, 
Norwegen  Grundtaxe  55,  jedes  Wort  11  Kop. ;  Schweden  50  und  10 ; 
Italien  65  und  13;  England,  Spanien,  Portugal  80  und  16  Kop. 

H.  Autriittnng  inr  Beiie.  Gtoinndlieitfpflege. 

Das  Haupthedürfniss  für  Winterreisen  im  nördlichen  Russ- 
land ist  ein  guter  Yorrath  warmen  Pelzwerks ,  welches  man  zwar 
nicht  am  hilligsten ,  aber  am  besten  gearbeitet  in  Russland  selbst 
kauft.  FroQide  ^versehen  os  in  Russland  in  Bezug  auf  wanne  Kleider 
häufig ,  besonders  in  St.  Petersburg ,  wenn  ein  plötzlicher  Wechsel 
der  Temperatur  wärmere  Witterung  bringt ;  man  lasse  sich  dadurch 
ja  nicht  verleiten ,  den  warmen  Winteranzug  abzulegen ,  weil  sonst 
unfehlbar  Erkältungen  herbeigeführt  werden. 

Beim  Reisen  im  Sommer  braucht  man  natürlich  weniger  für 
'^arme  Oberkleider  zu  sorgen ;  man  fährt  aber  im  nördlichen  Russ- 
land niemals  aus,  ohne  einen  leichten  Ueberzieher  oder  Mantel  mit- 
zunehmen ,  und  geht  auch  auf  der  Strasse  nie  ohne  Paletot. 

Beabsichtigt  man  Reisen  in  das  Innere  des  Landes ,  die  Wolga 
hinunter,  besonders  weiter  nach  Süden  zu  machen,  so  gehören  dazu 
besondere  Vorbereitungen.  Denn  die  Gasthöfe  In  den  kleineren 
Städten  (S.  xxiv)  bieten  noch  sehr  wenig  Comfort;  Aän  thut  also 
gut ,  Nahrungsmittel  (Wein  Conserven) ,  Tischbesteck ,  Bettwäsche, 
Handtücher  etc.  mitzunehmen. 

Zur  Oesundheitspflege.  Die  ganze  Mitte  der  Monarchie,  die  Ost- 
seeprovinzen, Finnland,  Gross-,  Klein-  und  Westrussland  haben  im 
-allgemeinen  ein  gesundes  Klima  (S.  xxxn).  Gleichwohl  thut  man 
gut,  auf  seiner  Hut  zu  sein  und  sich  namentlich  vor  den  zu  gewissen 
Jahreszeiten  allgemein  herrschenden  Krankheiten  in  acht  zu  neh- 
men. Während  des  Frühlings  sind  die  rheumatischen  und  Erkäl- 
tungskrankheiten,  Entzündungen  des  Halses  und  der  Brust,  be- 
sonders Diphtheritis  etc..  sehr  verbreitet;  zu  dieser  Jahreszeit  hält 
in  St.  Petersburg  der  Tod  seine  reichste  Ernte,  wozu  die  ungesunde, 
abgesperrte  Zimmerluft  während  des  langen  Winters ,  der  häufige 
und  plötzliche  Wechsel  der  Temperatur,  ferner  die  langen  strengen 
Fasten,  der  unmässige  Genuss  des  Branntweins  und  andere  Umstände 
viel  beitragen.  Im  Sommer  treten,  veranlasst  durch  glühende  Hitze 
und  Dürre ,  die  plötzlich  eintretende  Abendkühle  und  die  Nacht- 
fröste, welche  bisweilen  schon  Anfang  September  beginnen,  Gallen- 
und  Wechselfleber,  Diarrhöe,  Ruhr  etc.  auf.  Von  Diarrhöe  werden 
die  im  Sommer  nach  St.  Petersburg  kommenden  Fremden  leicht  be- 
fallen, besonders  nach  dem  Genuss  des  Newa-Trinkwassers. 

Für  alle  Fälle  hat  man  sich  bei  längerem  Reisen  im  Innern  RusslanA 
mit  einer  dem  Klima  angepassten  ReUeapoiheJce  zu  versehen.    Dieselbe  hat 


XXIV  CHAMBRBS  GARNIES.  PraktUche 

unter  anderem  zu  enthalten:  Opiate.,  ein  abführendes  Ulttel,  Thees,  Chi- 
nin (Ch.  muriaticum),  abgetheilt  in  Dosen  zu  1/3  Gramm,  etc.  ~  Die 
besten  Vorbeagmittel  gegen  das  überaus  lästige  Fieber  sind  warme  Klei- 
dung, auch  im  Sommer,  guter  Wein,  Schutz  vor  der  Abendkühle  nach 
heissen  Tagen,  Vermeidung  von  Erkältungen  und  Indigestionen  (nieht 
zu  viel  Gemüse  und  Früchte!)  und  Enthaltung  von  Wasser.  Ein  Wodlti 
(Komschnaps)  thut  oft  gute  Dienste.  —  Diarrhöe  darf  man  nicht  ver- 
nachlässigen ,  da  sie  leicht  in  Dysenterie  übergehen  kann.  —  Gegen  Er- 
kdltunfye»  ist  der  Gebrauch  der  russischen  Bäder  sehr  zu  empfehlen;  jedoch 
hat  man  sich  beim  Verlassen  derselben,  im  Winter  sogar  noch  am  folgenden 
Tage  vor  scharfer  Luft  sehr  in  acht  zu  nehmen.  —  Äerzte  sind  in  Russ- 
land sehr  theuer,  vorzüglich  in  grossen  Städten  (Besuch  S^  B.).  Die- 
jenigen in  kleinen  Städten  sind  grosse  Freunde  des  Aderlassens  und  hef- 
tiger Purgirmittel ;  man  nehme  sich  daher  vor  ihnen  in  acht  i  Um  das  Hono- 
rar muss  man  mit  ihnen  handeln. 

I.  Ckuithöfe.  ChambrM  gamiei.  Bettanraati.  Klubs. 

Russische  Küche. 

Die  GkuithÖfe  sind  in  Russland,  mit  Ausnahmen,  meist  gut.  Die 
Hotels  in  St.  Petersburg  (s.  R.  11)  und  in'Moskau  (R.  22)  stehen 
den  westeuropäischen  nicht  nach ;  die  Gasthöfe  der  grössern  Pro* 
vinzialstädte  genügen  durchschnittlich  mittleren  Anforderungen, 
etwa  die  in  den  Ostseeprovinzen  ausgenommen.  In  den  anderen^ 
besonders  den  nicht  an  Bahnlinien  gelegenen  Städten  sind  die 
Hdtels  meist  sehr  zweifelhafter  Natur;  namentlich  lassen  sie  es  an 
der  wünschenswerthen  Reinlichkeit  nur  zu  oft  fehlen.  Dazu  kom- 
men noch  andere  Unannehmlichkeiten.  Selbst  in  den  besseren 
nationalrussischen  Oasthöfen  (Gostinnizy ,  rocTHHHHuu)  muss  man 
über  alle  Leistungen  vorher  handeln  und  accordiren  und  dabei  auch 
die  kleinsten  Erfordernisse  sorgsam  im  Auge  behalten.  Bei  Be- 
rechnung des  Preises  für  das  genommene  Zimmer  darf  man  z.  B. 
nicht  in  allen  Gasthöfen  unbedingt  voraussetzen,  dass  auch  die 
Kosten  für  die  Benutzung  von  Bett  sammt  Zubehör  inbegriffen  sind. 
Wohl  ist  dies  in  der  Regel  mit  der  Bettstelle  der  Fall;  Bettwäsche 
dagegen,  Kissen,  Decken,  Handtücher  wird  der  Reisende,  der  kleine 
Städte  besucht,  entweder  selbst  mitzubringen  oder  für  deren  Ent- 
lehnung besonders  zu  bezahlen  haben.  Ueber  Gasthofspreise  vgl. 
S.  XI  und  91. 

Chambres  garaies  (MeöiHpoBaHHUfl  KoHHaru)  sind  allen  Rei- 
senden zu  empfehlen,  welche  lange  in  einer  grösseren  Stadt  zu 
bleiben  wünschen  und  denen  das  Hötelleben  auf  die  Dauer  zu  theuer 
wird.  Gewöhnlich  liegen  die  Chambres  gamies  (sog.  Nummern, 
HyHepa)  im  Gentrum  der  Stadt,  von  Theater,  Vergnügungen  etc. 
nicht  weit  entfernt.  Der  Wirth  und  die  Diener  verstehen  meist 
mehrere  Sprachen.  Der  Preis  beträgt  durchschnittlich  20-30  R. 
pro  Monat  (excL  Bettwäsche  und  Trinkgeld).  Eine  nicht  zu  unter- 
schätzende Annehmlichkeit  ist,  dass  man  einen  Gorridordiener  und 
Portier  stets  zu  kleinen  Dienstleistungen  und  Gängen  zu  seiner  Ver- 
fügung hat ;  dieselben  übernehmen  auch  die  Reinigung  des  Zimmers, 
der  Kleider  und  Stiefel.    Der  Ssamowar  wird  auf  Wunsch  nach 


Vorhemerkungen.         RESTAURAKTS.  XXV 

Belieben  oft  gereiclit ,  desgleiclien  Teller,  Gläser,  Messer  und  Ga- 
beln. Wein,  Bier  und  Schnaps  im  Hause  sich  zu  halten,  ist  erlaubt. 

Seftamaati  {Tracteure,  Tpasnipi)  sind  in  den  russischen 
Städten  tahlreich.  Je  nach  Beschaffenheit  und  Grosse  unterschei- 
det man :  Restaurants  ersten  und  zweiten  Ranges,  Bier-  und  Thee- 
stuben ,  Eüchenmeistereien  etc. 

In  den  meiaten  Städten  ist  die  Art  des  Loeals  schon  äusserlich  an  be- 
stimmten Abseiehen  erkennbar,  welche  zur  Erleiehterung  für  die  Controle 
der  Polizei  eingeführt  sind.  Die  Traktire,  in  denen  zum  Essen  auch 
Spirituosen  versehenkt  werden,  haben  rothe  Behilder,  die  Sehnapslokale 
blaue,  die  Bierhäuser  halb  rothe  halb  blaue.  Es  sind  dies  aber  alles 
Schenken  niederer  Art,  deren  Besuch  dem  Fremden  nicht  anzurathen  ist. 

Zu  den  billigsten  und  einfachsten  Restaurants  gehören  die  sog. 
Kückenmeietereien  (KyxHeücT^pcKaa),  in  denen  man  fär  30-40  Kop. 
zwei  Speisen  reinlich  und  schmackhaft  servirt  bekommt.  Bier  und 
Schnaps  wird  nicht  verabreicht.  —  Die  Bestauranta  zweiten  Ranges 
empfehlen  sich  am  meisten  zur  Einnahme  des  Mittagsessens.  Küche, 
Bedienung  u.  s.  w.  sind  wie  in  den  feinen  Restaurants,  nur  ist 
das  Aeussere  weniger  glänzend ,  das  Publikum  minder  vornehm. 
Man  kann  hier  zu  50,  75  und  100  Kop.  zu  Mittag  speisen ;  Schnaps, 
Bier  und  "Weine  werden  verabreicht.  Zu  dieser  Gattung  von  Re- 
staurants müssen  auch  die  einzelnen  deutschen  Gasthäuser  und 
Bierstuben  gerechnet  werden.  In  denen  man  meist  nur  Deut- 
sche antrifft  (vgl.  S.  261).  —  Die  Restaurants  ersten  Banges  sind 
höchst  luxuriös  eingerichtet  und  werden  nur  vom  reichsten  und 
vornehmsten  Publikum  frequentirt.  Küche,  Bedienung  und  ganzes 
Arrangement  iät  meist  echt  national;  hier  kann  der  Fremde  die 
russische  Küche  in  ihrer  Vollendung  kennen  lernen  (besonders  in 
Moskau ;  in  St.  Petersburg  machen  französische  und  deutsche  Küche 
schon  vielfach  ihren  Einfluss  geltend).  Charakeristisch  für  viele 
russischen  Restaurants  sind  die  Orgeln  (oft  im  Werthe  von  30,(X)0- 
60,0(X)  R.)  in  den  grossen  Speisesälen.  Auffallend  ist  für  den  Frem- 
den ferner  die  überaus  grosse  Zahl  der  KeUner ;  in  einigen  Peters- 
burger Restaurants  fast  sämmtlich  Tataren.  Man  ruft  den  Kellner 
durchweg:  tschellöwjek  (Mensch)!  In  jedem  Restaurant  befindet 
sich  eine  Garderobe,  in  der  die  Sachen  der  Gaste  aufbewahrt  wer- 
den (Trinkgeld  nicht  obligatorisch,  5-10  Kop.). 

In  der  niMisehen  SUohe  ist  alles  fest  geregelt ;  jede  Jahreszeit  hat 
ihre  eigenen  Suppen,  ihr  eigenes  Geflügel  und  ihr  eigenes  Gebäek.  Von 
manehen  Gerichten  kann  man  das  Datum  angeben,  wo  ihr  Erscheinen 
beginnt :  das  Obstessen  fängt  mit  dem  8.  August,  das  Eisessen  und  Trinken 
des  kühlen  Kwass  mit  dem  OMersonntage  an.  Auch  die  Religion  übt 
Einfluss  auf  die  Gestaltung  des  Küchenzettels :  der  Sonnabend  hat  andere 
Gerichte  als  der  £k>nntag,  der  Freitag  und  Vittwoeh  (als  Fastentage) 
andere  als  der  Montag  und  Donnerstag.  Leidtragenden  wird  die  Kutja 
(Byria,  d.  i.  Reisbrei  mit  Pflaumen  und  Rosinen)  beim  Todtenschmause 
vorgesetzt,  dem  Geburtstagskinde  ein  Kolibak  (ein  mit  süssen  Säften  ge- 
füllter Kuchen)  über  dem  Kopfe  zerbrochen.  Hoehzeftsschmäuse ,  Ver- 
lobungsfeste, die  Butterwoehe ,  Weihnachten ,  Ostern  —  alle  haben  ihre 
besonderen  Gerichte.  Der  Koch  sieht  es  nicht  ungern,  wenn  man  selbst 
das  Fleisch  aussucht  und  der  Zubereitung  beiwohnt. 

Zu  den  charakteristischen  Speisen  (die  man  sich  am  besten  in  einem 


XZTI  THEATER.  Praktische 

Moskauer  Restaurant  serviren  lässt),  gehört  z.  B.  eine  Botwinja  und  ein 
Porassonok  (Spanferkel  mit  Meerrettig  und  saurer  Sauce).  An  den  Tables 
d^höte  der  Hfitels  Ton  St.  Petersburg  und  Moskau  ist  die  sog.  SeUtiuska 
(Zubiss,  3aKycsa,  s.  unten)  abgesehafil  und  beginnt  das  Diner  gewöhn- 
lich mit  der  Suppe  (Cym),  wie  bei  uns.  Ein  ruasisches  Familien-Diner 
oder  die  Table  d  böte  auf  den  Dampfern  der  Wolga  etc.  besteht  eigentlich 
aus  zwei  Mahlzelten:  der  Sakusska  und  dem  eigentlichen  Diner  (Objäd, 
OG^Xb).  Bei  Beginn  wird  nämlich  ein  Glas  Branntwein  beramgereicht, 
welehes  aber  nie  ohne  Sakusska  getrunken  wird;  selbst  im  Restaurant 
erhält  man  zu  jedem  Glas  Branntwein  ein  Stückehen  Brod,  Fleisch  und 
Gurke.  An  der  feinen  Table  d'höte  besteht  die  Sakusska  aus  Wurst, 
Kaviar,  Häring,  Laehs,  Sterlet  etc.  mit  pikanter  Sauce.  Dieses  Entr^e 
soll  den  Appetit  anregen.  Das  Diner  (<njä^  beginnt  mit  einer  kalten 
oder  warmen  Suppe,  die  dem  Westeuropäer  zuerst  nicht  recht  munden 
wird;  alsdann  folgt  ein  Fisehgericht  (Sterlet,  Forellen  vom  Don,  Stein- 
butte  aus  dem  Peipus-See  oder  der  Wolga,  selten  Seefisch);  darauf  Con- 
fitüren  oder  gleich  ein  Fleischgerleht  (Kalb-  oder  Ochsenfleiseh  mit  Salat, 
gesalzenen  Kirschen  oder  Aepfeln),  schliesslich  ein  Pudding,  Eis  etc. 
Das  Dessert  besteht  aus  Feigen,  Nüssen,  Oliyen ;  nach  dem  Dessert  folgen 
Kaffee  oder  Thee  mit  Gitronenscheiben  und  Liqueur.  Morgens  früh  wird 
in  den  meisten  russischen  Familien  Thee  genossen;  zum  Frühstüek  (13  U.) 
gibt  es  Fleischspeisen,  Caviar,  dazu  Branntwein  oder  Bier. 

Klubf.  Der  Russe  liebt  es  wenig,  Abends  Bierlocale  zu  be- 
suchen; diese  sind  daher  meist  von  Ausländern,  namentlich 
Deutschen,  frequentirt.  Dagegen  gehört  fast  jeder  gut  situirte  Russe 
einem  „Klub''  als  Mitglied  an.  Die  Zahl  dieser  geselligen  Vereine 
ist  daher  überaus  gross,  und  sie  finden  sich  in  allen  Städten.  Einige 
derselben  sind  sehr  exclusiy  (besonders  die  sog*  englischen  Girkel) 
und  rekrutiren  sich  nur  aus  dem  hohen  Geburts-  und  Dienstadel. 

K.  Theater.   Concerte.  Vergnügungen. 

Die  Theater  in  den  grösseren  Städten  Russlands  gehören  zu  den 
glänzendsten  und  Torzüglichsten  Öffentlichen  Belustigungen.  Die 
Theater  der  Hauptstädte,  sehr  luxuriös  ausgestattet,  sind  fast 
sämmtlich  kaiserlich  und  beziehen  aus  Staatsmitteln  einen  be- 
deutenden Zuschuss.  Ausser  russischen  Vorstellungen  weiden  zeit* 
weilig  auch  solche  in  deutscher,  französischer  und  italienischer 

Sprache  gegeben. 

Am  wirkungsvollsten  zeigt  sich  das  Talent  des  Bussen  im  nuaisehen 
Lustspiel^  wie  denn  überhaupt  das  Eigenthümlichste  und  Bedeutendste, 
was  die  russische  Bühne  hervorgebracht  hat,  dem  Gebiete  des  Lustspiels 
angehört.  Koch  interessanter  und  charakteristiseher  sind  die  rtusuehen 
komi$chen  Operr^  oder  Vaudevilles,  welche  meist  vortrefflich  dargestellt  und 
vom  Publicum  entschieden  bevorzugt  werden.  —  Vollendet  ist  die  russi$elu 
i^Vi  die  ihre  Stoffe  meist  der  älteren  Geschichte  Busslands  entnimmt. 
Die  Pracht  der  Aufführung  lässt  alles  hinter  sieh,  was  man  in  anderen 
Städten  Europas  sieht.  Die  BalleU  entsprechen  dem  Glänze  der  Oper, 
ohne  indessen  die  grossen  westeuropäischen  Bühnen  zu  übertreffen;  dem 
Fremden  werden  die  russischen  Kationaltänze  das  meiste  Interesse  erregen. 

Die  Preise  der  Plätze  sind  sehr  verschieden,  am  theuersten  in  der 
ital.  Oper.  In  den  russischen,  franz.  und  deutschen  Theatern  kostet 
der  Sperrsitz,  je  nach  der  Nähe  zur  Bühne,  2-5 R.;  für  Benefiz- 
Vorstellungen  sind  die  Preise  erhöht.  Um  sicher  BiÜets  zu  erhal- 
ten, thut  man  gut  (besonders  bei  aussergewöhnlichen  Gelegen- 
heiten), sich  solche  Tags  zuvor  im  Theatercomptoir  zu  besorgen. 


Vcrhemerk.      CONCERTE.  VERGNÜGUNGEN.  XXTn 

Concerte  von  Militär-  oder  Givilkapellen  für  ein  geringes  Entr^e 
findet  man  im  Winter  nur  in  sehr  -wenigen  Städten.  Dagegen  Ter- 
säume  der  Fremde  nicht,  falls  ei  die  Kosten  eines  theuren  Soupers 
und  das  Zusammentreffen  mit  möglicherweise  lockerer  Gesellschaft 
nicht  scheut,  die  russischen  und  die  Zigeuner-Sängerchöxe  anzuhören, 
die  ihre  sehr  originellen  Vorträge  meist  in  den  eleganten  ausser- 
städtischen  Restaurants  zum  hesten  geben,  welche  im  Winter  das 
Ziel  der  nächtlichen  Troiken  (Schlitten)*Fahrten  der  Jeunesse  dor^e 
sind.  Im  Sommer  findet  man  täglich  Gelegenheit,  Concerte  in  den 
Parks  und  Sommerlokalen  der  Umgehungen  der  Hauptstädte  zu 
hören ,  von  denen  manche,  z.  B.  die  in  Pawlowsk ,  Oserki ,  Hervor- 
ragendes bieten ;  auf  den  Inseln  hei  St.  Petersburg  dauern  die  Con- 
certe und  Schaustellungen  bLs  spät  in  die  Nacht  hinein.  Concerte 
der  Militärkapellen  finden  in  Peterhaf  den  Sommer  hindurch  täglich 
im  untern  Park  statt ;  sie  zeichnen  sich ,  besonders  wenn  der  Hof 
in  Peterhof  anwesend  ist ,  durch  den  dort  entfalteten  Pferde-  und 
Equipftgen-LuxuB  der  vornehmen  Welt  aus. 

Sehr  ausgeprägt  ist  bei  den  Russen  die  Liebe  zur  Musik.  Fest- 
liche Zusammenkünfte  ohne  Gesang  sind  kaum  denkbar;  auch  die 
tägliche  Arbeit  begleitet  der  Russe  gern  mit  Gesang.  Bei  passenden 
Gelegenheiten  ertönen  zum  Gesänge  auch  einfache  Instrumente: 
die  Balalaika,  eine  Art  Zither  tatarischen  Ursprungs  mit  drei 
Saiten,  welche  selten  einem  Bauer  fehlt,  der  Quddock,  eine  drei- 
saitige Geige,  die  Qu$slij  eine  liegende  Harfe  mit  Drahtsaiten,  die 
Pandura ,  eine  Art  Laute.  Auch  der  Torhaat ,  eine  Guitarre  mit 
27-36  Saiten,  die  Dudka  (Flöte),  das  Boshok  (Hörn)  und  die  Matd" 
trommel  sind  beliebte  Instrumente.  Am  meisten  verbreitet  ist  die 
Hand'Harmonika,  die  Sonntags  vor  j  eder  Hütte  ertönt.  Eigenthüm- 
lich  ist  die  Jagdmusik:  50-60  kupferne  oder  messingene  Hömer, 
deren  jedes  nur  einen  Ton  hat.  —  Die  Volkslieder  der  Russen 
haben  überwiegend  einen  einförmigen,  melancholischen  Charakter. 
Lebhafter  sind  die  kleinrussischen  Nationallieder  und  Tänze. 

Die  russischen  Hationftltänse  (meist  Reigentänze ,  Chorowody, 
xopoBOAu)  haben  ein  stark  ausgeprägtes  dramatisches  Element. 
Durch  Mimik,  Gesticulaüon ,  Bewegungen  wird  eine  Reihe  von 
Scenen  dargestellt,  in  welchen  sich  in  stetem  Wechsel  Leidenschaft, 
Schmollen,  Betrübniss,  Geringschätzung,  Flehen  und  Versöhnung 
ausdrücken.  Hierzu  tont  auf  den  Instrumenten  ein«  monotone 
Melodie,  welche  diese  verschiedenen  Gemüthserregungen  anzu- 
deuten sucht.  Die  Zuschauer  begleiten  den  Tanz  und  die  Musik 
im  Chor.  —  Russische  Nationaltänze  sind :  der  Wessn^anka  (d.  h. 
Frühlingstanz) ;  der  Oölubex  (d.  h.  Taubentanz) ,  den  Streit  und 
die  Versöhnung  zweier  Liebenden  darstellend;  der  Kamarinska, 
Kasatsckka  (Kosakentanz)  etc.  Auch  polnische  Tänze,  wie  die 
Mcuitbrka ,  sind  in  Russland  sehr  beliebt.  —  Charakteristisch  ist 
allen  russischen  Tänzen  die  eigenthümliche  Manier,  auf  das  Knie 
zu  sinken ,  das  sogenannte  w'prissadku  (von  npHctxftTb ,  ein  Knie 


XXVIII  TABAK.  Praktische 

machen).  —  Tanzgesellschaften  in  den  Klubs,  Theatern,  sind  sehr 
häufig  (aber  nicht  für  Nationaltänze). 

Ausser  den  gewöhnlichen  Vergnügungen ,  die  man  bei  anderen 
europäischen  Völkern  findet,  haben  die  Bussen  noch  besondere 
Hationalverg&fifinuig«!!.  Dahin  gehören  Schaukeln,  Eisrutschen, 
Guljanien,  Wettfahrten,  besonders  Schlittenwettfahrten  im  Winter. 
Am  besten  lernt  man  das  alles  in  der  Fastnachts-  oder  Butter- 
woche kennen.  Das  ganze  Land  ist  dann  ein  weiter  Schauplatz 
von  Vergnügungen  und  Lustbarkeiten :  auf  dem  Lande  festlich  ge- 
kleidete Gruppen,  auf  den  Strassen  überall  Gesang  und  Reigentänze 
(Ohorowody ,  s.  oben)  unter  dem  Klange  der  Balalaika ,  Schellen- 
geklingel und  Schlittenfahrten ;  in  den  Städten,  namentlich  in  Mos- 
kau, herrscht  ein  gleich  buntes  Treiben  in  grösserem  Massstabe: 
auf  allen  Öffentlichen  Plätzen  stehen  Reihen  von  Buden ,  in  denen 
Künstler  aller  Art  Vorstellungen  geben,  Schaukeln,  Theater,  Rutsch- 
berge u.  s.  w. ,  alles  umgeben  von  dem  Gedränge  einer  bunten  auf- 
und  abwogenden  Menge.  Die  QtUjanien  (ryjflHie,  von  ryiflTb, 
spazieren  gehen)  sind  schwer  zu  beschreiben ;  es  ist  weniger  ein 
Spazierengehen,  als  Spazierenfahren ;  ersteres  liebt  der  Russe  über- 
haupt nicht.  An  hohen  Festtagen  finden  Guljanien  (auf  den  feineren 
keine  Iswoschtschiks)  statt,  die  dem  Corso  in  unseren  Städten  ent- 
sprechen. Damit  ist  zugleich  auf  den  betreffenden  Plätzen  ein  Markt 
verbunden,  wo  sich  das  niedere  Volk  drängt.  Auch  in  den  Dörfern 
finden  Guljanien  an  Sonn-  und  Festtagen  statt.  Jeder  Bauer ,  der 
Pferde  hat,  spannt  an  und  6-8  Mädchen  in  einem  Schlitten  jagen 
im  tollsten  Tempo  und  unter  Gesang  und  Gekreisch  die  Doristrasse 
auf  und  ab.  Die  ScJUittenwettfahrten  (ölin)  sieht  man  am  schönsten 
auf  den  Teichen  bei  Moskau  (S.  296)  oder  während  der  Fastenzeit 
auf  dem  Semenow'schen  Platze  in  St.  Petersburg. 

Zur  Jagd  bietet  das  waldreiche  Terrain  in  der  Nähe  der  Haupt- 
städte, besonders  bei  Moskau,  Liebhabern  die  beste  Gelegenheit 
und  zwar  hat  man  hier  ein  Jagdterrain ,  wie  es  an  Wildreichthum 
in  ganz  Europa  nicht  wiedergefunden  wird.  Wenn  man  sich  bei 
Bekannten  zu  Besuch  befindet,  wird  man  leicht  im  Winter  oder 
Sommer  irgend  eine  Jagd  mitmachen  können.  Ist  man  unbekannt, 
so  kann  man  bei  der  ungemeinen  Liebenswürdigkeit  und  Gastfreund- 
schaft des  Russen  leicht  die  Bekanntschaft  eines  nahe  der  Haupt- 
stadt wohnenden  Fabrik-  oder  Gutsbesitzers  machen.  Die  Jagd  ist 
nur  in  den  Privat-,  nicht  in  den  Krons Wäldern  gestattet;  doch 
wird  es  Fremden  mit  specieller  Erlaubniss  der  Förster  gegen  ein 
kleines  Trinkgeld  auch  gestattet,  in  den  kaiserlichen  Wäldern  zu 
jagen  (niedere  Jagd). 

L.   Tabak. 

Die  Sitte  des  Rauchens  ist  in  Russland  unter  allen  Ständen  und 
bei  beiden  Geschlechtem  verbreitet.  Der  Tabaksgenuss  ist  eine  Lei- 
denschaft für  den  männlichen  Theil  der  russischen  Bevölkerung ; 


Vorbemerkungen,  BÄDER.  XXIX. 

auch  der  Finne  raucht  stark ,  schnupft  und  kaut  Tabak.  Nur  die 
Altgläubigen  enthalten  sich  des  Tabaksgenusses ,  die  Nachkommen 
jener  Leute,  welche  sich  gegen  die  kirchlichen  Reformen  Nikons 
und  die  weltlichen  Reformen  Peters  des  Grossen  erhoben  und  die 
Neuerungen,  welche  letzterer  in  Russland  eingeführt  hatte  —  und 
darunter  befand  sich  auch  der  Tabak  —  verdammten.  In  den 
mittleren  und  höheren  Gesellschaftsklassen  werden  vorzugsweise 
Papyro$  (naniipocH,  Gigaretten)  geraucht.  Der  Russe  raucht  fort- 
während, auch  beim  Diner  zwischen  den  einzelnen  Gerichten. 
Dass  die  Russinnen  rauchen,  ist  allbekannt;  selbst  jüngere  Damen 
rauchen  nicht  allein  in  ihren  Zimmern ,  sondern  ungenirt  auch  in 
öffentlichen  Localen,  Eisenbahncoup^s  etc. 

Die  Tabake  zu  den  Papjros  liefert  hauptsächlieh  das  Inland:  die 
Ukraine,  das  Gebiet  der  Wolga  und  die  Krim.  Krim'scher  Tabak  wird 
IN'iehtkennem  sehr  häufig  für  türkischen  verkauft.  Der  Tabak  von 
Kertseh  ist  allerdings  so  müde,  duftig  und  wohlschmeckend,  dass  eine 
Verwechselung  leicht  möglich  ist. 

Das  Verbot  des  TdbaJkrauchens  (Kypenie  Taöaxa  BOcnpeniaeTCR) 
erstreckt  sich  nur  auf  die  Umgebungen  bestimmter  Gebäude,  Zoll- 
amt, hölzerne  Brücken  etc.  An  manchen  Orten  ist  das  Verbot,  auf 
Brücken  nicht  zu  rauchen ,  in  Kraft  geblieben ,  obwohl  die  alten 
Holzbrücken  längst  eisernen  Gitterbrücken  haben  weichen  müssen. 
Auf  den  Bahnhöfen  darf  nicht  geraucht  werden  in  den  Damen- 
und  Zimmern  für  Nichtraucher  (KOMHaru  /(Ja  HeKypnmixi) ,  in  den 
Gepäckwagen ,  in  den  Gepäckräumen  und  Magazinen  etc. ,  in  den 
Bahnzügen  selbstverständlich  nicht  in  den  Waggons,  in  und  an 
denen  sich  das  Verbot  des  Rauchens  angeschlagen  findet  (BaroHU 
oder  OTAUJeHifl  aja  Aani  und  AJf  HeKypmiHxi). 

M.  Bäder. 

Die  Badstuben  (Eanii)  gehören  zu  den  Yergnügungslocalen  der 
Bussen.  Ohne  Bad  kann  kein  Russe  leben ;  doch  lieben  alle  die 
heissen  Bäder  mehr  als  die  kalten.  Die  heissen  oder  Dampfbäder 
sucht  sich  auch  der  ärmste  Bauer  auf  dem  Dorfe  allwöchentlich  zu 
verschaffen ;  in  grösseren  Dörfern ,  Flecken  und  Städten  sieht  man 
fast  in  jeder  Strasse  Badstuben,  von  den  allereinfachsten  bis  zu  den 
elegantesten. 

In  St.  Petersburg ,  Moskau  und  den  grösseren  Gouvernements- 
städten gibt  es  Badstuben,  die  nur  grosse  Säle  für  das  einfache 
Volk  haben  (npocTOHapoAHe)  und  zwar  eine  Abtheilung  für  Männer 
und  eine  für  Frauen ;  sodann  feinere  Badstuben ,  die  neben  all- 
gemeinen Sälen  (o6iiUfl)  noch  Privatcabinette  (nyMepa)  besitzen, 
wo  man  allein  oder  mit  der  Familie  baden  kann.  Am  Eingange 
kann  man  einen  Banschtschik  (Bademeister,  20-25  Kop.  Trinkgeld) 
oder  für  Frauen  eine  Banschtschitza  wählen.  In  dem  allgemeinen 
Bade  ist  es  um  vieles  billiger  (von  5  Kop.  an)  als  in  den  Nummern 
(50  Kop.  bis  3  und  mehrR.);  aber  in  ersteren  auch  um  vieles 
schmutziger.  Die  Nummern  bestehen  gewöhnlich  aus  drei  Räumen : 


XXX  GEWICHTE  UND  MAASSE. 

dem  h5ch«t  komfortabel  eingerichteten  Ankleidezimmer,  eistm klei- 
nen Vorzimmer  mit  einem  Wannenbade ,  und  dem  eigentlichen 
Dampf  bade,  welches  mehrere  Reihen  Holzbänke  in  amphitheatra^ 
lischer  Form  zum  Liegen  enthält,  denen  gegenüber  der  eine  Gluth- 
hitze  aussprühende  hohe  und  breite  Steinofen  sich  befindet.  Die 
Art  und  Weise  des  Badens  ist  bekannt.  Am  besuchtesten  sind  die 
Bäder  an  den  Sonnabenden,  wo  sich  die  Frequenz  nach  Tausenden 
berechnet.  Aber  auch  an  anderen  Tagen  (ausser  Mittw.  u.  Freit.,  wo 
die  Anstalten  meist  geschlossen  sind)  ist  der  Zuspruch  bedeutend. 

K.   Gewichte  und  Uaasse.  Zeitreohnungf. 

Gewichte  (Btci). 

1  Berkowez  (BepKOBem)  oder  Schiffspfund  =  10  Pud  = 
163.80  kg. 

1  Fud  (HyA-B)  =  40  Pfund  =  16.38  kg. 

1  Pfund  (4>yHTi)  =  32  Loth  =  96  Solotnik  =  9216  Doli  = 
409  gr. 

1  Loth  {JLoTh)  =  3  Solotnik  =  12.80  gr. 

1  Solotnik  (3010THHKT.)  =  96  Doli  =  4.2656  gr. 

Längenmaasse  (jHHeiimiii  al^pu). 

1  WerBt  (Bepcia)  =  500  Ssashen  =  1.067  km  (7  W.  =  c. 
1  geogr.  Meile). 

1  SaasTien  (Casenb)  oder  Faden  =  3  Arschin  =  48  Werschok=: 
2.134  m  =  7  engl.  Fuss. 

1  Arschin  (ApümHi)  =  16  Werschok  =  711  mm = 28  engl.  Zoll. 

1  Werschok  (BepmoKi)  =  44.45  mm. 

Flächenmaasse  (IIoseifeibHiifl  Mftpu). 

1  DessjoHna  (4ecHTHHa)=2400  Quadrat-Ssashen  (ökon.  3200)  := 
1.0925  Hectar  (ökon.  1.4567  ha). 

1  Quadrat- Werst  (KnaftpaTHafl  BepcTa)  =  1.138  qkm. 

Höhlmaasae  (Mtpii  cmkocth). 

1  Bo^scAfta(BoqKa),Fass  oderTonne = 40Wedro =4.92Hectoliter. 

1  Wedro  (Bexpo)  oder  Eimer  =  10  Kruschka  oder  Stoof  = 
12.298  Liter. 

1  Tschetwert  (MexBepTi.)  oder  Kul  =:  2  Osmin  =  4  Pajok  = 
8  Tschetwerik  =  64  Garnez  =:  2.099  Hectoliter. 

1  Tschetwerik  (HeTsepHKi)  als  Getreidemaass  =  2Vi5  Wedro= 
8  Garnez  =  26.237  Liter. 

1  Kubik'Ssashen  =  343  Kubikfuss  =  9.26  Kubikmeter. 

Zeitrechnung, 

In  Russland  gilt  der  Julianische  Kalender  (durch  Julius  Cäsar 
46  Y.  Chr.  eingeführt),  welchen  325  n.  Chr.  dieKirchenversammlung 
zu  Nicäa  der  christlichen  Aera  zu  Grunde  legte.  Unsere  Zeitrech- 
nung (Gregorianischer  Kalender,  Ton  Papst  Gregor  XIII.  1582  ein- 


GEOGBAFHISOHES. 


XXXI 


geführt,  in  Deutschland  seit  1700  allgemein  im  Gebrauch)  ist  der 
russischen  um  12  Tage  voraus.  Der  1.  Januar  nach  dem  Julianischen 
Kalender  ist  der  13.  Januar  nach  der  in  den  anderen  Ländern 
üblichen  Zeitrechnung. 


n.    Oeog^phisches  und  Historisches. 

Das  Klima  des  grossen  osteuropäischen  Tieflandes  zeigt  bei  der 
weiten  Ausdehnung  desselben  natürlicher  Weise  eine  bedeutende 
Verschiedenheit ;  doch  ist  diese ,  in  Folge  der  Gleichförmigkeit  der 
Bodenverhältnisse ,  weniger  gross  als  nach  den  klimatischen  Unter- 


Torne&.    .    .    . 
Archangelsk .    . 

Ibo 

Helsingfors  .    . 
St.  Pietersbnrg  . 

Moskaa     .    .    . 
Warschau.    .    . 
Eurssk.    .    .    . 
Poltawa    .    .    . 
Nikolajew     .    . 
Ssewastopol .    . 

Nordi. 
Breite 

Grad    Min. 

co>9iftoiltea«co09cooaeooo00 
co<r4cooceip*t.*a»00-^oi^ 

1^ 

+   111111111111 

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im 
Früh- 
ling 

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5  B  B 

++++++++++++ 

•         •«■•*         «  _     •         1.        *         •         •         • 

im 
Herbst 

+            II       1       11       1       1       1              II 

im 

kältesten 

Monat 

im 

wärmsten 

Monat 

P 


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B 


schieden  des  westlichen  Europa  zu  erwarten  wäre ,  und  die  lieber- 
gange  sind  überall  allmählich  und  unmerklich. 


XXXII  GEOGRAPHISCHES. 

Für  das  in  vorliegendem  Buche  behandelte  Gebiet  kommen  von 
den  klimatischen  Zonen  Russlands  nur  die  nördliche  bis  zum  57. 
und  die  mittlexe  vom  57.  bis  zum  4&.  Breitengrade  oder  der  kalte 
und  gemässigte  Landstrich  in  Betracht.  Im  allgemeinen  kann  man 
die  ost-westlichen  Höhenlinien,  welche  den  Nord-  und  Südrand  des 
grossen  Centralpbiteaus  von  Bussland  begrenzen,  als  Scheide  an- 
sehen zwischen  Nord-,  Mittel-  und  Südrussland.  NordriMdand 
würde  danach  die  flnnisch-tschudischen  Länder ,  sowie  Theile  der 
Ostseeprovinzen  und  altrussischen  Gebiete  (Nowgorod,  Pskowj, 
Mittelrussland  die  polnischen,  litauischen  und  eigentlich  russischen 
(grossrussischen)  Länder  sowie  das  ehemalige  tatarische  Zarthum, 
Südrussland  das  pontische  Gtebiet  umfassen.  . 

Den  Charakter  des  Klimas  des  nördlichen  Landstrichs 
bezeichnet  ^n  langer,  harter  Winter,  bisweilen  bis  -—  40^  R. ,  ein 
kurzer,  glühender  Sommer,  oft  über  30°  R.^  ein  Frühling  und  Herbst, 
die  schnell  wieder  verschwinden,  so  dass  man  beide  kaum  als  Jahres- 
zeiten bezeichnen  kann.  Die  Luft  ist  im  allgemeinen  rein  und  ge- 
sund ,  besonders  in  Finnland ;  wenn  grosse  Epidemieen  ihre  Ver- 
heerungen in  Russland  beginnen,  so  berühren  sie,  meist  im  Verein 
mit  Misswaohs,  nur  stark  bevölkerte  Gegenden.  Vermehrte  Boden- 
cultur  und  Austrocknung  der  Sümpfe  haben  Veränderungen  her- 
vorgebracht, indem  die  Winter  kurz  und  milde,  die  Frühlinge  mehr 
winterlich  und  länger,  die  Sommer  weniger  warm,  die  Herbste  länger 
und  milder  geworden  sind.  Dagegen  haben  sich  die  Nebel  und 
Regengüsse  des  Herbstes  vermehrt.  An  den  Küsten  Finnlands  und 
in  den  Gouvernements  der  Ostseeprovinzen  ist  das  Klima  gleich- 
massiger,  der  Sommer  kuhler,  die  Winter  milder ,  Frühling  und 
Herbst  veränderlicher,  als  im  Innern,  das  seinen  Charakter  als 
Continentalklima  bis  hoch  nach  Lappland  hinauf  aufrecht  erhält. 
Der  Winter  beginnt  in  den  südlichen  Gegenden  um  Mitte  November, 
oft  noch  später,  und  dauert  bis  Mitte  April ;  in  den  nördlichen  fällt 
der  Schnee  schon  Anfang  September  und  der  Winter  weicht  nicht 
vor  Juni.  Im  Januar  fällt  das  Thermometer  bis  auf  26,  oft  33**.  Die 
Waldgegenden  im  Innern  erblicken  den  Frühling  eher  als  die  Kü- 
sten. Die  Nachtfröste  dauern  nicht  selten  bis  in  den  Sommer 
hinein.  Charakteristisch  sind  die  hellen,  warmen  Juninächte; 
in  Petersburg  z.  B.  geht  am  21.  Juni  die  Sonne  2  Uhr  36  Min.  auf 
und  9  Uhr  28  Min.  unter.  Je  weiter  nach  Norden^  desto  mehr  wir- 
ken die  langen  Sommertage  auf  die  Beschleunigung  der  Vegetation. 
Unter  dem  60.  Breitengrade  ist  die  mittlere  Temperatur  des  Jahres 
-j-  3V2  >  des  Winters  —  5V21  des  Sommers  +  13  .  Bald  nach  dem 
längsten  Tage  treten,  schon  wieder  kühle  Abende,  Nachtfröste  oft 
schon  Ende  Juli  ein;  Ende  August  fällt  das  Thermometer  auf- 
fallend schnell.  Im  Mai  und  Juni  ist  es  gewöhnlich  sehr  trocken, 
im  August  und  September  regnet  es  am  meisten  (mittlere  jährliche 
Regenmenge  17.3'^);  September  und  October  sind  die  Zeit  der 
Stürme.  Diemittlere,  gemäs8igteZone(biszumÖ0. Breiten- 


EINTHEILÜNG  UND  VERWALTUNG.         XXXIII 

grade)  ist  die  wichtigste  in  Bevölkerung,  Bebauung  (im  Süden  und 
an  der  Wolga)  und  Fabrikthätigkeit  (Norden  und  Nordwesten). 
Dieser  Landstrich  liegt  zwischen  den  beiden  Randerhebungen  des 
mittelrussischen  Centralplateau's.  Die  Winter  sind  länger  und 
rauher,  als  im  westlichen  Europa  unter  gleichen  Breiten ;  das  Gre- 
frieren  des  Quecksilbers  (—32**)  kommt  in  Moskau  und  Kasan  noch 
häufig  vor ;  die  Wolga  ist  bei  letzterem  Orte  von  Mitte  November  bis 
MitteApril  zugefroren.  Frühling  und  Herbst  treten  deutlicher  her- 
vor, als  im  nördlichen  Landstriche ;  doch  sind  beide  immer  noch 
kurz  und  von  raschem  Verlauf.  Der  Sommer  ist  trocken  und  heiss 
und  die  Witterung  in  ihm  sowohl  als  im  Winter  meist  sehr  beständig. 
West-  und  Ostwinde  sind  vorherrschend,  wie  in  den  nördlichen 
Regionen ,  und  das  VerhSltniss  der  Niederschläge  stimmt  mit  dem 
in  den  letzteren  (Warschau  20",  Moskau  15").  Mittlere  Jahres- 
wärme des  ganzen  Strichs  4V2** ;  in  Nishny  2.Ö",  in  Moskau  3.6°,  in 
Warschau  5.9°.  In  den  westlichen  Gouvernements  ist  das  Klima 
gesunder  und  die  Vegetation  günstiger,  als  in  den  östlichen,  welche 
Gegenden  unter  dem  Einfluss  der  rauhen  Temperatur  der  asiati- 
schen Ebene  stehen. 

Eintheilung  und  Yerwaltimg.  Das  ganze  russische  Reich  incl. 
Polen  und  Finnland  wird  in  Gouvernements  (ryöepHifl)  getheilt, 
von  denen  einzelne  zu  Qeneralgouvemements  (FeHepaii-ryöepHij!) 
zusammengelegt  sind.  An  der  Spitze  der  einzelnen  Generalgouverne- 
ments resp.  Gouvernements  steht  ein  Generalgouvemeur  resp.  Gou- 
verneur (ryöepHaxopi).  Die  Städte  St.  Petersburg,  Moskau  und 
Warschau  haben  ausserdem  einen  Militärgouvemeur ;  der  Stadt- 
bezirk von  St.  Petersburg  steht  dann  noch  unter  einem  Statthalter 
oder  Stadthauptmann  (Gradonatschalnik,  FpaAOHaqaibHHKi). 

Jedes  Gouvernement  zerfällt  in  Kreise  oder  Bezirke  (üjäsd, 
y^bSAi) ,  die  an  Zahl  und  Grösse  verschieden  sind.  Die  baltischen 
Provinzen  und  Finnland  haben  ihre  eigenen  Kreiseintheilungen. 
In  Kurland  nennt  man  die  Kreise  Oherhauptmannschaften^  in  Liv- 
land  Ordnungsgeriehtekreise,  In  Finnland  zerfallen  die  Gouverne- 
ments oder  Läns  in  Härader  unter  Kronvögten  und  diese  wieder 
in  Länsmana-Diatrictej  welche  oft  dasselbe  sind,  wie  die  Kirch- 
spiele (Socknar). 

Den  GouvemementsbehÖrden  als  der  executiven  Gewalt  zur  Seite 
stehen  im  eigentlichen  Russland  (in  33  Gouvernements)  sog.  „Land- 
schaftsinstitutionen"  als  Vertretungen  der  drei  Stände:  Grund- 
besitzer, Städter,  Bauern.  Diese  Land-  oder  Provinzialinstitutionen 
(Semstwo ,  Scmctbo)  sind  Ins  Leben  gerufen  zur  näheren  Betheili- 
gung des  Volkes  an  der  Verwaltung  derjenigen  Geschäfte ,  welche 
die  ökonomischen  Interessen  jedes  Gouvernements  und  jedes  Kreises 
betreffen;  zu  ihrer  Competenz  gehören  lediglich  die  wirthschaft- 
lichen  Bedürfnisse ,  theilweise  auch  die  Gesundheitspflege  (Wohl- 
thätigkeitsanstalten)  und  die  Volksschulen.  Es  gibt  demnach  Kreis- 
Bussland.    2.  Aufl.  c 


XXXIV         EINTHEILUNG  UND  VERWALTüNa. 

und  Gouvernements-Sena^twos.  Die  ersteren bestehen  aus  der  Kreis« 
landversammlung ,  die  von  den  Gutsbesitzern,  den  Stadt-  und 
Bauerngemeinden  gewählt  wird  und  unter  dem  Präsidium  des 
Adelsmarschalls  tagt,  und  aus  dem  ein  Ausschuss,  das  Kreisamt, 
bestehend  aus  2-6  Mitgliedern ,  auf  3  Jahre  gewählt,  wird.  Das 
Gouvernements- Semstwo  besteht  aus  der  Gouvernements-Landver- 
sammlung, deren  Mitglieder  von  den  Kreis  -  Landversammlungen 
auf  3  Jahre  gewählt  werden  und  in  welcher  in  der  Begel  der  Gou* 
vernements- Adelsmarschall  präsidirt ;  die  Geschäfte  führt  das  Gou- 
vernements-Landschaftsamt;  das  letztere  bilden  6  von  der  Gou- 
vernements-Landversammlung gewählte  Personen  unter  einem  Vor- 
sitzenden. Kreis-  wie  Gouvernements-Semstwos  tagen  einmal  im 
Jahr.  Dieselben  sind  für  ihre  Beschlüsse  gesetzlich  verantwortlich ; 
der  Gouverneur  hat  das  Recht,  gegen  jede  Verfögung  des  Semstwo 
einzuschreiten,  welche  über  deren  Competenz  hinausgeht  oder  gegen 
die  Staatsgesetze  verstösst. 

Die  städtische  Verwaltung  in  den  russischen  Gouvernements 
wurde  durch  die  am  16.  Juni  1870  erlassene  neue  Städteordnung 
geregelt ;  die  Organe  der  Verwaltung  sind :  die  städtischen  Wahl- 
versammlungen, der  Stadtrath(GorodskajaDuma,ropoÄCKaflÄyMa), 
d.  h.  Stadtverordnete,  und  das  Stadtamt  (von  der  Duma  ernannt), 
mit  dem  Stadthaupt  an  der  Spitze.  —  Die  russische  Gemeinde-^ 
VerwaZtungihehörde  besteht  aus  der  Orts-Gemeindeversammlung 
und  dem  Starosten  (CTapocTa),  d.  h.  dem  gewählten  Aeltesten 
einer  Bauemgemeinde  mit  gemeinsamem  Grundbesitz  (Mir).  Die 
unterste  und  kleinste  administrative  Einheit  bildet  die  Gesammt- 
gemelnde,  Wolost  (BoJOCTb),  welche  aus  zwei  oder  mehr  Orts- 
gemeinden besteht,  die  in  einem  und  demselben  Bezirke,  Kirchspiele 
oder  Amt  belegen  sind  und  aneinandergrenzen  (300-200Ö  Seelen). 
Die  WolostbehÖrden  bestehen  aus  der  Wolostversammlung  (je 
10  Höfe  senden  einen  Abgeordneten),  dem  Starschina  (CTapmHHa) 
oder  Wolostältesten ,  dem  Wolostrath  und  dem  Wolostgerichte. 
Die  Versammlung  besteht  aus  den  Beamten  der  Ortsgemetnden  und 
der  Wolost.  Wo  die  Wolost  nur  eine  Gemeinde  ist,  tritt  die  Ge- 
meindeversammlung in  die  Stelle  der  Wolostversammlung.  Der 
Starschina  ist  für  die  Ordnung  etc.  in  der  Wolost  verantwortlich 
und  in  dieser  Beziehung  sind  ihm  die  Starosten  untergeordnet. 
Beide  mit  ihren  Beigeordneten  bilden  den  Wolostrath,  welcher  auch 
Verträge  der  Bauern  registrirt. 


Die  heutigexL  Bossexi.  Die  Grossrussen  (ca.  35  Millionen  an 
Zahl)  bilden  die  eigentliche  j^rmsüche  Nation"  {Ruasky,  FycKiö). 
Sie  haben  überall  das  Geschäft  und  die  wichtigsten  Posten  in  Hän- 
den, ihre  Sprache  ist  die  des  Staates,  der  Literatur  und  der  ge- 
bildeten Gesellschaft.  Durch  Spr^iche  und  Religion  verbinden  sie 
4as  ganze  russische  Volk  zu  einem  mächtigen  Ganzen  von  so  grosser 


DIE  HEUTIGEN  RUSSEN.  XXXV 

Gleichförmigkeit, dass  demKeieenden  zuAnfang  kaum  einUnterschied 
in  Physiognomie,  Sprache,  Sitten  und  Lebensweise  auffallen  wird. 

Die  Grossrussen  sind  im  allgemeinen  ein  derher  Menschenschlag 
von  auffallend  gedrungenem,  muskulösem  Körperbau^  kurzem  Hals, 
starkem  Nacken ,  breiten  Schultern  und  kurzen  Beinen ;  im  Gegen- 
satz hierzu  stehen  die  wohlgeformten  Hände  und  Füsse.  Neigung 
zu  Fettleibigkeit  findet  sich  namentlich  bei  den  Frauen.  Das  Ge- 
sicht mit  der  kleinen  starken  Nase^  den  rothen  Wangen,  blauen 
oder  braunen  Augen  und  dem  lockigen  starken  Bart  bekundet  im 
allgemeinen  Ernst  und  Gutmüthigkeit,  aber  auch  Verschlagenheit ; 
offene  freie  Gesichtszüge  sind  selten.  Das  helle,  meist  kastanien- 
braune, oft  blonde  Haar  weist  auf  eine  Mischung  mit  den  Urein- 
wohnern, den  Finnen,  hin,  wählend  den  Kleinrussen  schwarzes 
oder  dunkelbraunes  Haar  kennzeichnet.  Der  gemeine  Kusse  lässt 
den  Bart  wachsen  und  trägt  nur  das  Haupthaar  geschoren.  Der 
Gang  und  jede  Körperbewegung  wird  mit  einer  charakteristischen 
Schnelligkeit,  oft  sogar  mit  leidenschaftlicher  Lebhaftigkeit  ausge- 
führt, zeigt  jedoch  grosse  Gewandtheit  und  viel  Grazie.  Fast  dieselben 
Grundzüge  findet  man  verfeinert  bei  dem  weiblichen  Geschlecht, 
nur  vermisst  man  bei  diesem  oft  die  schönen  Zähne,  durch  die  sich 
die  Männer  auszeichnen,  eine  Folge  des  massenhaften  Genusses  von 
Süssigkeiten. 

Ausser  den  grossen  Hauptstädten  tragen  alle  russischen 
Städte  (ropoAi,  rpa^i,  Gorod)  den  gleichen  Charakter ;  hat  man 
zwei  oder  drei  gesehen,  so  kennt  man  sie  alle.  Fr.  Bodenstedt 
behauptet,  dass  viele  grossrussische  Städte  nach  dem  Muster  der 
mongolischen  Besidenzen  angelegt  seien ,  von  welchen  uns  Marco 
Polo  (1256-1323),  der  18  Jahre  am  Hofe  des  Grosskhans  verweilte, 
eine  anschauliche  Beschreibung  giebt.  Die  Städtegründer  aber 
haben  ihrer  Zeit  einen  sehr  gewählten  Geschmack  bewiesen,  male- 
rische Lage  war  in  erster  Linie  massgebend  für  die  Wahl  eines 
Platzes. 

Die  grossrussischenDÖrfer  ziehen  sich  zu  beiden  Seiten 
der  Landstrasse  hin,  welche  auf  diese  Weise  die  einzige  Strasse  des 
Orts  ist  und  nur  selten  Nebengassen  hat.  Die  Häuser ,  im  Grunde 
genommen  nichts  als  Baracken,  die  kaum  dem  Allernoth dürftigsten  zu 
genügen  scheinen,  stehen  unregelmässig  und  schief  neben  einander. 
Im  allgemeinen  fallen  nur  auf  die  häufig  massive ,  innen  reich  ge- 
schmückte Kirche  (uepKOBb)  mit  grauen  oder  vergoldeten  Kup- 
peln und  einzeln  stehendem  Glockenthurm  (koiokouhji),  und  die 
Schenke,  Kahah  (KaöaKi),  an  einem  Schilde  erkennbar.  Die  Wohn- 
häuser, meistens  mit  dem  Giebel  nach  der  Strasse  gelegen,  sind  aus 
wagerecht  über  einandergelegten  Baumstämmen  erbaut,  deren  Fugen 
mit  Werg  (naKi«)  und  Stroh  luftdicht  verstopft  werden,  und  oben 
mit  Dielen  gedeckt.  Geschnitzte  Bretterverzierungen ,  mit  grellen 
Farben  bemalt,  verleihen  den  Häusern  ein  freundliches  Aussehen. 
Die  Innern  Räume  bestehen  aus  Hausflur  und  zwei  Wohnstuben, 

n* 


XXXVI  DIE  HEUTIGEN  RUSSEN. 

der  Sommer«Isba  und  der  Winter-Isba.  In  letzterer  spielt  der  in 
der  Mitte  stehende  Ofen  (ne<ib)  eine  Hauptrolle,  er  ist  Heiz-,  Koch- 
und  Backapparat  und  dient  ausserdem  als  Ausruhplatz.  In  keinem 
Zimmer  fehlt  das  Heiligenbild  (oöpaai),  mit  der  davor  immer 
brennenden  Lampe.  Der  am  Hause  gelegene  Hofraum  ist  ringsum 
von  einem  überdachten ,  nach  dem  Hofe  zu  offenen  Schuppen  um- 
geben ,  hierzu  kommen  noch  die  Ställe ,  Scheunen  und  die  Riege 
(Dreschtenne).  Das  Jungvieh  wird  im  Winter  in  die  Stube  ge- 
nommen, da  die  Ställe  wenig  Schutz  gegen  die  Kälte  gewähren.  In 
dem  leeren  Raum  (nycToe  MtcTo)  unter  den  Wohnräumen,  der  auch 
als  Yorrathskammer  dient,  wird  das  Federvieh  untergebracht. 

Die  Kleidung  des  grossrussischen  Bauern  besteht  in  dem 
bunten  Hemde,  Ruhaschka  (pyöaniKa),  das  über  den  ebenfalls  bunten 
Pluderhosen,  Portki  (nopTKH),  getragen  wird.  Diese  stecken  bis 
zum  Knie  in  weiten  Stiefeln ,  Ssapogi  (canorH)  oder  in  den  Onu- 
tschi  (oHyiH),  Tüchern,  die  anstatt  der  Strümpfe  um  Füsse  und 
Waden  gewickelt  und  von  dünnen^  an  den  Schuhen  jBa^cAmofci  (6am- 
HaKH)  befestigten  Schnüren  zusammengehalten  werden.  Eine  andere 
Fussbekleidung  sind  die  Lapty  (lanru),  sandalenartige  Bastschuhe 
mit  Ledersohlen.  Im  Winter  trägt  man  Pelzstiefel  oder  sehr  zweck- 
mässige Ueberstiefel  von  Filz.  Der  eng  anschliessende,  auf  der  Brust 
mit  einer  Klappe  versehene  Rock,  Kaftan  (KatTaHi),  hat  einen 
Kragen  und  wird  mit  einem  Gürtel  oder  shawlartigen  bunten  Tuch 
zusammengehalten.  Im  Winter  wird  er  mit  d&m  Schafpelz  {my6A 
oder  Tyiyni»)  vertauscht.  Die  Kopfbedeckung  besteht  in  deiSchapka 
(manKa)  oder  dem  schwarzen  niedrigen  Filzhut,  im  Winter  in  dem 
Kolpak  (KOinaKi),  der  hohen  Pelzmütze.  Die  Hände  hat  auch  der 
geringste  Russe  im  Winter  stets  bedeckt;  Pertschatky  (nep^arKu) 
sind  Fingerhandschuh,  RukavHzy  (pyKaBHUu)  Fausthandschuh 
(meist  gross  und  unforinlich). 

Das  Hauptkleidungsstück  der  Grossrussin  ist  der  Ssarafan  (ca- 
pa^aHi),  ein  Rock  von  greller  Farbe,  und  an  Festtagen  der  oft  mit 
Perlen  verzierte  Kakoschnik.  Das  Haupt  wird  mit  einem  seidenen 
Tuche  umschlungen ,  welches  das  Haar  der  verheiratheten  Frauen 
bedeckt ,  während  die  Mädchen  ihr  Haar  in  einer  langen  Flechte 
(Koca)  herabhängen  lassen.  Als  Oberkleid  dient  der  Schugai  (niy- 
raH),  ein  Rock,  welcher  im  Sommer  kürzer  als  im  Winter  getragen 
wird  ]  ferner  kurze,  oft  mit  Pelz  gefütterte  Jäckchen,  Dttschegrejka 
(Herzwärmer)  oder  Katsaweika,  im  Winter  auch  lange  Pelze,  in 
der  Form  von  denen  der  Männer  wenig  abweichend.  Das  Schuh- 
werk besteht  aus  Lapty  oder  auch  aus  Ba^chmaki.  Die  kleinen 
Kaufleute  tragen  anstatt  der  Schapka  Tuchmfitzen,  im  übrigen  ist 
die  beschriebene  Tracht  die  sämmtlicher  einfachen  Yolksklassen. 
Der  gebildete  Russe  hingegen  huldigt  der  Pariser  Mode,  wenn- 
gleich in  der  Kleidung  der  Damen  sich  überall  ein  nationaler  Ein- 
fluss  geltend  macht. 


XXXVII 

Chronologische  Vebersicht  der  russischen  Geschichte. 

i.    Das  alte  Mussland. 

Von  dem  weiten  Gel>iet,  welches  das  heutige  europäische  Bussland 
einnimmt,  bewohnten  den  Norden,  von  der  Grenze  Skandinaviens  bis  nach 
Asien  hinein,  in  alter  Zeit  die  Jäger-  und  Fiseherstämme  der  Finnen 
und  Tschuden.  Im  S. ,  in  den  Ebenen  n.  vom  Schwarzen  Meer,  am  Don 
und  an  der  Wolga,  hausten  unstete  Komadenvölker,  die  von  den  Griechen 
und  Bömern  unter  dem  Kamen  Skythen  (w.  vom  Don)  und  Sarmaten 
(ö.  vom  Don)  zusammengefasst  werden.  Von  der  frühern  Geschichts- 
forschung den  Mongolen  zugetheilt,  hält  man  sie  neuerdings  nach  den  Ab- 
bildungen der  Denkmäler  und  den  geringen  Sprachresten  für  Iranier, 
Verwandte  der  Medo-Perser.  Die  Skythen  vertheidigten  ihre  Unabhängig- 
keit  siegreich  gegen  den  König  Darius,  wurden  aber  später  von  den 
Sarmaten  unterjocht  und  ihr  Käme  verschwindet  aus  Europa.  In  der 
römischen  Kaiserzeit  begriff  man  unter  Sarmatien  alles  Land  zwischen 
Weichsel  und  Wolga.  Seit  dem  iii.  Jahrb.  n.  Chr.  sassen  in  den  Ge- 
bieten zwischen  Don  und  Donau  die  Gothen,  an  der  untern  Wolga  die 
Alanen.  Beide  Stämme  wurden  aus  ihren  Sitzen  verdrängt,  als  375  n.  Chr. 
die  Hunnen  sich  über  das  östliche  Europa  ergossen.  Als  diese  sich  nach 
kaum  hundertjähriger  Herrschaft  nach  Osten  zurückziehen  und  aus  der 
Geschichte  verschwinden,  werden  als  Bewohner  der  Gebiete  zwischen 
der  Ostsee  und  dem  Schwarzen  Meer,  zwischen  den  Karpathen  und  der 
Oka -Mündung  seit  dem  vi.  Jahrb.  n.  Chr.  slawische  Stämme  (Polänen, 
Drewlänen,  Kriwitschen  etc.)  genannt;  ihre  ältesten  Hauptstädte  waren 
im  S.  Kiew,  im  K.  Nowgorod.  Im  ix.  Jahrb.  gründeten  Normannen  (die 
Waräger  der  russischen  Annalen)  das  erste  russische  Reich  in  „Gardarike'^ ; 
sie  blieben  lange  die  herrschende  Basse,  gingen  aber,  als  die  Zuzüge  von  W. 
her  aufhörten,  allmählich  in  der  slawischen  Bevölkerung  auf.  Von  ihnen 
stammt  der  Name  Rüsten  (finnisch  ruotsen,  Ruderer,  d.h.  die  von  Schweden 
nach  Bussland  herüberrudernden  Normannen). 

862  Berufung  der  normannischen  Waräger  Burik,  Sineus  und 
Truwor  durch  die  slawischen  Gemeinden.    Nach  dem 
Tode  seiner  Brüder  wird  Rurik  Alleinherrscher. 
879-912  Oleg,  Begent  für  Rurik's  unmündigen  Sohn  Igor,  erobert 

882  das  Fürstenthum  Kiew. 
912-945  Igor.   945  Vertrag  mit  dem  byzantinischen  Kaiser.  — 

Christliche  Kirchen  zu  Kiew. 
945-972  Swätoslaw  I.  Igorewitsch.  —  Theilung  des  Beichs  unter 
Swätoslaw's  Söhne.  —  Bürgerkriege. 
980-1015  Wladimir  I.     Swätoslawitteh.     988  das  griechische 
Christenthum  Staatsreligion  in  Russland.   Nach  Wladi- 
mir's  Tode  Thronstreitigkeiten. 
1019-1054  Jarosslaw  I.  Wladimirowitsch.  Ausdehnung  des  Reichs 
bis  zum  Bnjestr,  zu  der  Mündung  der  Dwina  und  zur 
Kama.  Viele  Städtegründungen.  Das  erste  geschriebene 
Recht.  —  Nach  seinem  Tode  beständige  Theilungen  und 
Kriege  im  Innern  wie  nach  aussen. 
1113-1125  Wladimir  IL  Honomach,   Sieger  über  die  Polowzer, 

Petschenegen  u.  a. 
1125-1132  Mstisslaw  L,  Grossfürst  von  Kiew.  —  Mehrere  Gross- 
fürsten im  Reiche ,  Spaltungen  und  endlose  Kriege.  — 
Weliky  Nowgorod  wird  unabhängiger  Freistaat,   später 
Sitz  der  russischen  Herrschaft. 


XXXVIII  CHRONOLOGISCHE  ÜBERSICHT 

2.    Die  Zeit  der  Mongolen-Berrschaft. 

1223  Erster  Einfall  der  Mongolen  unter  Tschingis-Chan's  Sohn, 
OktaL  —  Fürst  Mstisslaw  von  Halitsch  1224  an  der  Kalka 
geschlagen. 

1237-1242  Zweiter  Einfall  der  Mongolen  unter  Tschingis-Chan's 
Enkel,  Baty-Chan,  —  Die  Reiche  der  Bulgaren,  Polowzer 
etc.  vernichtet.  —  G«or^///.  Wsewolodowitsch,  örossfürst 
von  Wladimir  (1219-1238)  fällt  in  derSchlacht  am  Ssit.  — 
9.  April  1241  Niederlage  der  Tataren  bei  Liegnitz. 

1238-1247  Jarosslaw  II.  Wsewolodowitsch^  Grossfürst  von  Wladi- 
mir und  ganz  Russland  unter  tatarischer  Oberherrschaft. 

1252-1263  Alezander  Kewsky,  Grossfürst  von  Wladimir,  der  rus- 
sische Nationalheld  und  Heilige.  —  Sein  Sohn  Daniel 
wird  als  Theilfürst  von  Moskau  (zuerst  1147  genannt) 
Begründer  der  Moskau'schen  Linie  der  Rurik'schen  Dy- 
nastie. —  1240  Alexander's  Sieg  an  der  Newa  (daher 
der  Beiname  Newsky)  über  die  Schweden,  1242  auf  dem 
Eise  des  Peipussees  über  den  Deutschen  Orden. 

1328-1340  Iwan  I.  Danilowitsch  Kälita^  Grossfürst  von  Moskau, 
Wladimir  und  Nowgorod.  —  Der  Metropolit  verlegt  sei- 
nen Sitz  nach  Moskau. 

Ssimeon  der  Stolze  (f  1353)  führt  das  Erstgeburtsrecht 
ein. 

Dmitry  IV.  Donskoi  (f  1389)  schlägt  am  8.  Sept.  1380 
die  Tataren  auf  dem  Kulikowschen  Felde.  Wassily  II. 
Wassiljewitsch  (f  1462),  der  erste  russische  Grossfürst, 
der  auch  in  Moskau  gekrönt  wird. 

1462-1505  Iwan  III.  Wassiljewitsch,  Grossfürst  vonMoskau,  der 
eigentliche  Gründer  des  russischen  Reiches.  1471  Now- 
gorod unterworfen,  1472  Perm  tributpflichtig,  1480  die 
goldene  Horde  zersprengt,  1483-1499  Unterwerfung  der 
Volker  am  Ob  und  Irtysch,  1487  Kasan  für  kurze  Zeit 
erobert,  1496  Kardien  genommen,  1501-1503  unglück- 
liche Kämpfe  gegen  den  livländischen  Orden. 

3.    Die   Moskowitische  Zeit. 

Einigung  des  russischen  Reichs. 

1505-1534  Wassily  III.  Iwanowitsch  vereinigt  die  meisten  Theil- 
fürstenthümer  mit  Moskau. 

1534-1584  IwanlV.  Grosny  (der  Schreckliche)  regiert  zuerst  unter 
dem  Einflüsse  Schuisky's  und  der  Bojaren ,  dann  unter 
dem  Beirathe  des  Mönchs  Sylvester  und  Alexei  Ada- 
schew's.  Kasan  1552,  Astrachan  1554  erobert.  ~  1583 
Beginn  der  Eroberung  Sibiriens  durch  die  Stroganows 
und  kühne  Kosakenführer  (Jermak).  —  Russisches  Recht 
(der  Stoglawnik) ;  Bücherdruck  In  Moskau. 


DER  RUSSISCHEN  GESCHICHTE.  XXXIX 

1584-1598  Feodor  T.  Iwanowitsch ,  der  letzte  aus  dem  Mannes- 
stamme Rurik's.  —  Nach  Ermordung  aller  Verwandten 
Feodor's  und  auch  seines  Stiefbruders  Dmitry  herrscht 
der  Tatar  Boris  G-odunow,  Bruder  von  Feodor's  Ge- 
mahlin, unumschränkt. 

Auflösung  und  Zwis^benregiet'ung. 

1598-1605  Boris  Feodorowitsoh  Godunow.  Auftreten  der  falschen 
Dmitry. 

Der  erste  falsche  Dmitry  (1605-6)  wird  am  17.  Mai 
1606  ermordet.  —  Unter  dem  zum  Zaren  erwählten  Bo- 
jaren Wassily  Schuisky  (1606-10)  Auftreten  des  zwei- 
ten falschen  Dmitry.  —  Schuisky,  von  dem  Heerführer 
der- polnischen  Krontruppen,  Stanislaus  Zolkiewski,  ge- 
schlagen, entsagt  der  Krone. 

1610-1613  Zwischenreieh.  —  Kosma  Minin  und  Fürst  Posharsky 
(S.  289). 

Die  Erhebung  der  Romanow. 

1613-1645  Michael  reodorowit«chEomftnow,  Verwandter  des  Zaren 
Feodor  I.,  Gründer  des  heutigen  Kaisergeschlechts.  — 
Friede  zu  Stolhowo  1617  (Abtretung  von  Ingermanland 
all  Schweden);  Waffenstillstand  von  Dewulino  1618  und 
Friede  an  der  Poljänowka  1634  (Gebietsabtretungen  an 
Polen,  Verzicht  auf  die  Ansprüche  an  Livland,  Kurland 
und  Estland). 

1645-1676  AlttzeiMiohailowitseh.  —  Aufstellung  des  neuen  Gesetz- 
buches (Uloshenije)  1649.  —  1667  Friede  zu  Ssmolensk 
(Besitz  von  Ssmolensk ,  Sewerien ,  Tschemigow  und  der 
Ukraine  sowie  Oberherrschaft  über  die  Kosaken  und 
Kiew).  —  Berufung  von  Ausländern  nach  Russland.  — 
Spaltung  der  russischen  Kirche,  durch  Nikon  veranlasst. 

1676-1682  Feodor  Aleicejewitsch.  —  Beseitigung  des  Vorrangstreits 
(Mjästnitschestwo).  —  Nach  Feodor's  Tode  kurze  Re- 
gentschaft der  Grossfürstin  Sophia  Alextjewna  (1682- 
1689)  für  ihre  Stiefbrüder,  die  Zare  Iwan  und  Peter. 

4.    Die  Fetersbur^ische.  Zeit. 

1689-1725  Peter  I.  der  Grosse,  verbannt  Sophie  Alexejewna  ins 
Kloster  und  führt  als  Selbstherrscher  die  Regierung,  die 
Iwan  (t  1696)  ihm  willig  überlässt.  Gewaltsame  Re- 
formen, Einführung  europäischer  Cultur.  —  Nordischer 
Krieg  (1700-1721)  im  Verein  mit  Friedrich  IV.  von 
Dänemark  und  August  II.  von  Polen  gegen  Karl  XII. 
von  Schweden.  1709  Peter's  Sieg  bei  Poltawa,  1711 
Verlust  von  Asow.  1721  Friede  zu  Nystad  (Abtretung 
der  schwedischen  Ostseeprovinzen  ausser  Finnland  an 


XL  CHRONOLOGISCHE  ÜBERSICHT 

Russland).  —  1703  Gründung  von  St.  Petersburg.  — 
Krieg  mit  Persien,  Ausdehnung  der  russischen  Herr- 
schaft bis  zum  Südufer  des  Kaspischen  Meeres.  —  Pe- 
ter's  Sohn  Alexei  stirbt  1718.*) 

1725-1727  Katharina  I.,  Peter's  Gemahlin,  regiert  unter  dem  Ein- 
fluss  des  Fürsten  Menschikow. 

1727-1730  Peter  IL  Alezejewitach,  Peter's  I.  Enkel,  verlegt  den 
Hof  nach  Moskau  und  regiert  (minderjährig)  unter  dem 
Einfluss  der  Dolgorukis. 

1730-1 740^  Anna  Iwanowna,  geleitet  durch  ihren  Günstling  Biron 
und  den  Feldmarschall  Münnich,  betheiligt  sich  am 
polnischen  Erbfolgekriege  (1733-38)  und  gewinnt  im 
Kriege  mit  der  Türkei  (1735-1739)  Asow  zurück. 

1740-1741  Iwan  VI.,  besteigt  minderjährig  unter  der  Regentschaft 
seiner  Mutter  Anna  (Elisabeth)  Leopoldowna  den  Thron, 
wird  aber  verdrängt  (f  1764  zu  Schlüsselburg). 

1741-1762  Eliiabeth  Petrowna.  1742  Nachfolgeacte,  durch  welche 
Elisabeth's  Neffe  Carl  Peter  Ulrich  von  Holstein  -  Got- 
torp  zum  Thronerben  bestimmt  wird.  Krieg  mit  Schwe- 
den (1741-1743),  der  im  Frieden  zu  Ibo  1743  Finnland 
bis  an  den  Kymmene-Elf  an  Russland  bringt.  —  1746 
Bündniss  mit  Oesterreich  gegen  Frankreich  und  Spanien 
(1748  zweiter  Friede  von  Aachen).  1756  Bündniss  mit 
Oesterreich  und  Frankreich  gegen  Preussen  (Sieben- 
jähriger Ejrieg).  —  Gründung  der  Universität  Moskau 
(1755)  und  der  Akademie  der  Künste  (1757). 
1762  Peter  III.,  nach  sechsmonatlicher  Regierung  abgesetzt; 
stirbt  gleich  danach. 

1762-1796  Katharina  U.  Russland  Grossmacht.  —  1764  Nieder- 
werfung des  Aufstandes  des  Kosaken  Pugatschew.  — 
Theilnahme  an  den  drei  Theilungen  Polens  und  be- 
deutende GebietsvergrÖsserung  Russlands.  — ■  1768-1774 
erster  Türkenkrieg  (Abtretung  türkischen  Gebiets  am 
Kaukasus ,  Befreiung  der  Krym'schen  Tataren  von  tür- 


*)  ÄUxej  Jiichailotoitteh 


Feodor.  Iwan  Peter  I. 

^ >>— . 


Katharina.,  ^nna,  Kaiserin,  verm.        Alexis  Anna,  Elisabeth^ 


verm.  mit  Carl   Kaiserin. 
Friedrieb,  Hzg. 
von  Holstein. 


verm.mitHzg.  mitHzg.Fr.  Wilh.von 
Karl  Leop.  von  Kurland. 

Mecklenburg 

Anna,  Regentin,  Peter  II. 

verm.  m.  Anton  Peier  III. 

Ulrich,  Prinz  v.  verm.  mit  Katha- 

Braunschweig  rina  (II.),  Prinz. 

I  von  Anhalt-Zerbst 

Iwan  VI.  I 

Paul  I. 


DER  BÜSSISCHEN  GESCHICHTE.  XLI 

kischer  Oberherrschaft,  Sehutzrecht  über  die  Donau- 
fürstenthümer).  —  1783  Eroberung  der  Krym.  —  1788- 
1792  zweiter  Türkenkrieg  (Erwerbung  des  Landes  bis 
zum  Dnjestr  im  Frieden  zu  Jassy).  —  1788-1790  erfolg- 
loser Krieg  gegen  Schweden. 

1796-1801  Faul  I.  Petrowitich,  Katharina's  Sohn,, verwickelt  Russ- 
land 1798  in  einen  Krieg  mit  Frankreich. 

1801-1825  Alezander  I.  Pawlowitfch,  Sohn  PauPs  I.  —  Krieg  mit 
Frankreich  durch  den  Tilsiter  Frieden  (25.  Juni  1807), 
mit  Oesterreich  durch  den  Wiener  Frieden  (1809) ,  mit 
Schweden  durch  den  Frieden  zu  Fredrikshamn  (5.  Sept. 
1809),  mit  den  Türken  durch  den  Frieden  zuBukurescht 
(16.  Mai  1812)  beendigt.  —  21.  April  1815  Friede  zu 
Paris.  —  14.  Sept.  1815  Stiftung  der  heiligen  Allianz. 

—  Alexander  f  1825  zu  Taganrog. 

5.    Die  (neue)  Reform-Zeit. 

1825-1855  Nikolaus  I.  Pawlowitseh»  der  dritte  Sohn  PauFs.  — 
1830  Ausgabe  der  Tollständigen  Sammlung  der  Gesetze. 

—  1835-1838  Errichtung  der  Rechtsschule  zu  St.  Peters- 
burg, des  Ministeriums  der  Reichsdomänen,  der  Stern- 
warte (s.  St.  Petersburg).  —  1851  Eröffnung  der  Nikolai- 
Bahn.  —  Beginn  des  Krimkrieges  (1853-1856). 

1855-1881  Alexander  II.  Hikolajewitseh.  —  1856  Friedensyeitrag 
zu  Paris. 

1861  Das  Emancipationsgesetz  (Aufhebung   der  Leibeigen- 
schaft). 

1862  Justizreform. 

1863  Aufhebung  des  Systems  der  Branntweinpacht.  —  Re- 
gelung der  Bauernverhältnisse. 

1866  Einführung  der  neuen  Gerichtsinstitutionen.  28.  Juni 

neue  Ausgabe  des  Strafcodez. 
1870  Neue  Städteordnung  (1877  auf  die  baltischen  Provinzen 

ausgedehnt). 
1874  Gesetz  über  die  allgemeine  Wehrpflicht. 
1877-1878  Russisch-türkischer  Krieg,  beendet  durch  den  Frieden 

zu  S.  Stefano  und  den  Berliner  Congress. 
2.Ap.l879  Erstes  Attentat  der  Nihilisten.  —  f  13.  März  1881  beim 
vierten  Attentat  der  Nihilisten. 
Seit  1881  Alexander  III.  Alexandrowitsoh. 


Polen. 

Unter  den  slavischen  Völkerschaften  an  der  Weichsel  gewannen 
im  IX.  Jahrb.  allmählich  die  Polanen  oder  Polen  die  Oberhand ;  über 
sie  herrschte  der  Sage  nach  im  iz.  Jahrb.  Piast,  der  Gründer  der 
nach  ihm  benannten  Dynastie. 


XLII  OHRONOLOGISCHE  ÜBERSICHT 

963  Hieczyslaw  I.,  der  vierte  Nachfolger  Piasts ,  wird  vom 
Markgrafen  Gero  besiegt  und  nimmt  das  Christenthum 
an  (964). 

992-1025  Bolealaw  I.  Clirobry  (der  Kühne) ,  der  Gründer  des 
polnischen  Reichs,  erobert  Danzig  und  Pomerellen, 
Schlesien,  Mähren  und  AVeissrussland  bis  zum  Dnjepr. 

1139  Wladiglaw  Krummaul  (1102-1139)  theilt  die  polnischen 
Länder  (Schlesien,  Polen,  Sandomir,  Krakau)  unter 
seine  vi^r  Söhne. 

1230  Mongolenelnfall.    1241  Schlacht  bei  Liegnitz. 

1296  Wladislaw  Lokietek  (dem  Kurzen)  gelingt  die  Wieder- 
vereinigung der  polnischen  Länder,  Krakau  (1320- 
1609)  Residenz  und  auch  -weiterhin  Krönungsstadt. 

1334-1370  Kasimir  HI.,  der  Grosse. 

1386  Wladifllaw  Jagello,  Grossfürst  von  Litauen,  Gemahl 
Hedwig'«,  der  Tochter  Ludwig's  von  Ungarn  (f  1382). 

Das  litauische  Volk,  die  nördiieiiAn  ICachbarn  deivPolen,  blieb 
am  längsten  imHeidenthum.  Die  entstehendea  rassischen  Fürsten- 
thümet  erstreckten  anfangs  ihre  Macht  auch  auf  litauisches  Gebiet, 
doch  da  dieselbe  später  abnahm ,  erhielten  die  Litauer  (S.  38) 
wieder  die  Oberhand.  1235  herrscht  der  erste  litauische  Grossfürst 
Ringold.  1320  erobert  der  Grossfürst  öedtmwiWolhynien,  Sewerien, 
Tschernigow.  Olgerd  (1342)  dehnt  sein«  Fdldzüge  bis.  Moskau  aus. 
Sein  Sohn  Jagello,  der  das  Christenthum  in  Litauen  verbreitet, 
wird  König  von  Polen. 

1410  Sieg  über  den  Deutschen  Orden  in   der  Schlacht  bei 
Tannenberg. 
1507-1548  Sigismund  I.,  der  vierte  Sohn  Kasimir's  IV. 
1548-1572  Sigismund  II.  1569  Union  zwischen  Litauen  und  Polen, 
der  Llvland  (schon  1561)  beitritt. 

1572-1574  Interregnum. 

1577-1586  Stephan  Bathory,  einer  der  besseren  und  stärkeren  Kö- 
nige Polens.  Siegi'eicher  Feldzug  gegen  die  Russen; 
Friede  zu  Sapolje  1582.    Gegenreformation. 

1586-1632  Sigsimund  III.,  Sohn  des  schwedischen  Königs  Johann 
Wasa  (verm.  mit  Katharina,  Tochter  Sigmund's  II.). 

1674-1696  Johann  Sobieski. 

1696-1733  August  II.,  Kurfürst  von  Sachsen.  Nordischer  Krieg,  — 
Beim  Tode  August's  II.  1733  entsteht  ein  kurzer  Erb- 
folgestreit zwischen  den  Prätendenten  Stanislaus  Lesz- 
czynski  und  Kurfürst  August  Ill.y  in  dem  letzterer  siegt. 

1733-1763  August  III.  (Minister  Brühl). 
1763-1798  StasislauB  August  Poniatowski. 

1772  Erste  Theilung  Polens.  —  Aufstand  1792. 

1793  Zweite  Theilung  Polens.  —  Aufstand  1794. 


DER  RUSSISCHEN  GESCHICHTE.  XLIII 

1795  Dritte  Theilung  Polens.    Polen  hört  auf  zu  exlstiren ; 

zu  einer  Scheinexistenz  Terhilft  ihm  die  Zeit  Napoleon*s 

(1806-1812). 
1815  Vereinigung  des  Herzogthums  Warschau  mit  Russland. 

1867  Aufhebung  des  Reichsraths.    Gouvernementsver- 

waltung. 

Die  OstseeproTinzen. 

1186  Beginn  der  Niederlassung  von  Deutschen  die  Düna  auf- 
wärts; Einführung  des  Christenthums. 

1200  Bischof  Albert  von  Apeldern  gründet  den  Orden  der 
Brüderschaft  des  Heeres  Christi  (Schwertorden).  1202 
vom  Papst  bestätigt.  1206  sind  die  Liven  unterworfen ; 
Bischof  und  Ritter  theüen  sich  in  die  Eroberungen. 

1219  Der  von  Albert  gegen  die  Esten  zu  Hülfe  gerufene 
Dänenkönig  Waldemar  II.  gründet  Reval.  Die  Ritter 
unterliegen  in  demselben  Jahre  den  Nowgorodern. 

1237  Vereinigung  der  Schwertritter  mit  dem  Deutschen  Orden 
zu  Viterbo. 

1242  Der  Deutsche  Orden  von  Alexander  Newsky  auf  dem 
Eise  des  Peipus-Sees  entscheidend  geschlagen. 

1268  Schlacht  bei  Wesenberg  zwischen  dem  Deutschen  Orden 
und  den  Russen  und  Litauern. 

1284  Das  unter  dänischer  Herrschaft  aufblühende  Reval  tritt 
dem  Hansabunde  bei. 

1341  Der  Orden  erwirbt  ganz  Estland;  das  sog.  Livland  reicht 
von  der  Narwa  bis  zur  Memel.  Livland  besteht  aus  zwei 
Theilen:  aus  dem  der  Bischöfe  (Riga,  Dorpat,  Kurland) 
und  dem  des  Ordens  (Theile  Livlands,  Semgallens,  Kur- 
lands und  ganz  Estland). 
1494-1535  Die  Glanzzeit  des  Deutschen  Ordens  unter  dem  Heer- 
meister Walter  von  Plettenberg. 
1556-1557  Bürgerkriege.  Einmischung  des  polnischen  Königs,  der 
den  Heermeister  Fürstenberg  zu  Poswol  den  Frieden  zu 
erbitten  zwingt  (7.  Sept.  1557). 
1558-1561  Einfall  Iwan's  IV.  Wassiljewitsch.  Der  alte  Ordens- 
staat zerfällt  in  Trümmer.  Der  Ordensmeister  Gotthard 
Kettler  wird  von  König  Sigismund  August  von  Polen 
zum  Erblehns-Herzog  von  Kurland  und  Semgallen  er- 
nannt; Estland  mit  Reval  begeben  sich  durch  freie  Wahl 
der  Stände  unter  schwedischen  Schutz  und  huldigen 
dem  Könige  Erich  XIV.  Riga  behält  seine  Selbständig- 
keit bis  1582. 

1582  Stephan  Bathory  (1577-1586)  erobert  Livland,  ändert 
die  Verfassung  (Constitutiones  Livoniaej.  Gegenrefor- 
mation.  Krieg  zwischen  Russland  und  Schweden. 


XLIV  CHRONOLOGISCHE  ÜBERSICHT 

1600-1617  Krieg  zwischen  Polen  und  Schweden.  Im  Friedens- 
schluss  zu  Stolbowo  1617  wird  das  nördliche  Livland 
mit  Estland  vereinigt  und  zu  schwedischem  Besitzthum 
gemacht ;  1621  erst  Riga  von  Gustav  Adolf  erobert. 

1632  Errichtung  der  Universität  Dorpat. 
1700-1718  Der  Nordische  Krieg.   Der  Friede  tu  Kystad  1721  bringt 
die  Herzogthümer  Estland  und  Livland  an  Russland. 

1783  Aenderung  der  Verfassung  der  Herzogthümer  durch 
Katkarina  II.  (das  sog.  Statthaltersystem). 

1796  Wiederherstellung  der  alten  Verfassung  durch  Kaiser 
Paul. 

1795  Nach  einem  Aufstande  zwingt  der  kurländische  Adel 
der  Herzog  Ftter  Biron  (seit  1769)  zum  Rücktritte  und 
huldigt  Katharina  II.  Seitdem  sind  die  drei  Herzog- 
thümer vereinigt,  wie  zur  Zeit  der  Kreuzherren. 

1866  Ukas  über  die  Bezirks  -  Communalverwaltung  in  den 
Ostseeprovinzen.   Gewerbefreiheit. 

1877  Einführung  der  Stadteordnung  in  den  baltischen  Pro- 
vinzen. 


Finnland. 

1157  Erik  IX.  Bonde  (1155-1161)  landet  an  der  finnischen 
Küste,  verbreitet  das  Christenthum  ( Bischof  Heinrich 
von  Upsala) ,  baut  Abo  (S.  226).  1164  Feindücher  Zu- 
sammenstoss  der  Schweden  und  Russen  (Nowgoroder). 
Wiederholte  Kämpfe  der  Tavaster  mit  den  Kareliern  und 
Russen. 

1248  Birger  Jarl,  aus  dem  Geschlecht  der  Folkunger,  erobert 
Tavastland ;  gründet  Tavastehorg  (Tavastehus ,  S.  225). 

1293  Der  schwed.  Reichverweser  Torkel  Knudson  erobert 
Karelien,  baut  Wyborg,  vertheidigt  Finnland  gegen  die 
Russen. 

1323  Friede  zu  Orechowez  (schwed.  Nöteborg,  heute  Schlüs- 
selburg). 

1495  Einfall  Iwan's  L  in  Finnland.  Belagerung  von  Wiborg 
(S.203).  Reichsverweser  Sten  Sture;  Waffenstillstand 
mit  Russland,  1504  erneuert.  —  1509  Plünderung  Abo's 
durch  die  Dänen. 
1523-1560  GhiBtaY  Wasa.  1548  erste  finnische  Uebersetzung  des 
Neuen  Testaments  durch  Bischof  Michael  Agricola. 
Gründung  von  Helaingfors  (S.  218). 
1560-1568  Der  Bruderzwist  zwischen  Erik  XIV.  und  Johann  III. 
zieht  auch  Finnland  in  Mitleidenschaft;  ebenso  der 
litauisch-schwedisch-russische  Krieg  (1561-1583).  1572 
und  1590  Einfälle  der  Russen  und  Verwüstung  des  Lan- 
des bis  Abo.   1595  Friede  zu  Twäsin  (Teusina). 


DER  RUSSISCHEN  GESCHICHTE.  XLV 

1596-1599  Bauernaufstand  (Kolbenkrieg)  in  Finnland  zu  Gunsten 
des  Herzogs  Carl  von  Südermanland,  Oheim  Sigismund's 
(III.),  König  in  Polen  und  Schweden,  durch  Claus  Flem- 
ming  unterdrückt. 

1600-1611  Karl  IX.  gründet  Wasa,  üleiborg  etc. 

1611-1617  Schwedisch -russischer  Krieg  unter  Gustav  II.  Adolf 
(1611-1632).  Schweden  erhält  im  Frieden  zu  Stolbowo 
Karelien  und  Kexholm.  —  Während  der  Minderjährig- 
keit Chri«tina's  (1632-1654)  wird  Graf  Peter  Brake 
Statthalter  in  Finnland  und  es  beginnt  eine  der  glück- 
lichsten Perioden  in  der  Geschichte  Finnlands.  Univer- 
sität zu  Abo.  Erste  vollständige  gedruckte  Bibel  in  fin- 
nischer Sprache  1642.  Gründung  von  Willmanstrand, 
Brahestad  u.  a. 

1654-1660  Karl  X.aa8taY.  Schwedisch  -  russischer  Krieg  (1655- 
1661),  der  erst  nach  dem  Tode  KarFs  1661  durch  den 
Frieden  zu  Kardis  (Bestätigung  des  Friedens  von  Stol- 
bowa)  beendigt  wird. 

1660-1697  Karl  XI.  Zunehmende  Blüthe  Finnlands. 

1697-1718  Karl  XII.  Während  des  Nordischen  Krieges  wird  Finn- 
land vollständig  verwüstet.  1710Wiborg  und  Kexholm, 
1713  Helsingfors  erobert.  1714  Schlacht  bei  Storkyro 
(Napue).  Ganz  Finnland  wird  die  Beute  der  Russen,  die 
nach  der  Seeschlacht  von  Hangö-Udd  bis  Aland  vor- 
dringen. 
1721  Friede  zu  Nystad.  Schweden  tritt  ausser  den  Ostsee- 
provinzen ,  Karelien  und  Wiborgs-Län  an  Russland  ab. 
1741  Der  Reichstag  beschliesst  Russland  anzugreifen.  (Krieg 
der  „Hüte").  Der  Friede  von  Abo  7.  Aug.  1743  rückt  die 
russische  Grenze  bis  zum  Kymmene-Fluss  vor.  Um  die 
Grenze  zu  schützen,  wird  Sveaborg  (S.  223)  erbaut. 

1771-1792  GuBtay  III.,  Qraf  Sprengporten' s  Aufstand.  1776  Kno- 
pio,  1779  Taramerfors  gegründet.  1788  greift  Gustav 
Russland  an.  Belagerung  von  Frederikshamn  und  See- 
schlacht bei  Hogland  (S.  216).  Verschwörung  zu  Anjala. 
Gustav  setzt  im  Reichstage  die  „ Vereinigungs  -  und 
Sicherheits-Acte "  durch ,  die  ihm  das  Recht  des  An- 
griffskrieges verleiht.  —  1789  neuer  Beginn  der  Feind- 
seligkeiten. Seeschlacht  im  Svensksunde  (S.  215). 
Der  Friede  zu  Werelä  am  14.  Aug.  1790  bestätigt  die 
Grenzen  von  1788  und  1743. 

1792-1809  Oastav  IV.  Adolf  tritt  dem  Frieden  von  Tilsit  nicht 
bei.  Am  21.  Febr.  1808  überschreitet  das  russische  Heer 
die  Grenze ;  Sveaborg  (S.  223)  fällt  durch  Verrath.  See- 
schlacht bei  Hangö-Udd.  Gefechte  bei  Sikajoki,  Rewo- 
laks,  Jutas,  Orawais.  17.  Sept.  1809  schliesst  Karl  XIII. 
den  Frieden  zu  Frederikshamn ,  der  ganz  Finnland  bis 


XLVI  DIE  RUSSISCHE  KIRCHE. 

an  den  Tornei  und  Muonio  -  Fluss,  sowie  die  Alands- 
inselu  an  Russland  bringt. 

1816  9.  (20.)  Febr.  Ukas  Alexander^B  L,  der  die  Erhaltung 
der  von  Schweden  überkommenen  Verfassung  und  Reli- 
gion bestätigt.  Das  Grossfürstenthum  Finnland  erhält 
eine  Selbstverwaltung  unter  einem  Generalgouveineur. 

1863  Erster  Landtag  seit  1809. 

m.    Die  russische  Kirche. 

Die  Einführung  des  Christenthums  fällt  etwa  in  die  Mitte  des 
X.  Jahrh.  (S.  88).    Nachdem  schon  Olga,  Gemahlin  des  Fürsten 
Igoi  von  Nowgorod ,  957  in  Constantinopel  die  Taufe  empfangen, 
brachten  unter  dem  Fürsten  Wladimir  I,  Swäto^lawUsch^  der  selbst 
in  Cherson  getauft  war,  988  griechische  Mönche  den  christlichen 
Glauben  ausByzanz  nach  der  Hauptstadt  Kiew,  wo  Wladimir  durch 
Massentaufen  im  Dnjepr  sein  Volk  dem  Christenthum  zuführte.  „Die 
Einführung  und  Ausbreitung  des  neuen  Glaubens  vermochte  sich  ohne 
alle  Erschütterung  zu  vollziehen,  besonders  deshalb,  weil  das  alte, 
russisch-slavischeHeidenthum  —  im  wesentlichen  eine  Anbetung  der 
Natur  — ,  keinen  bestimmten  Priesterstand  hatte''  (Kostomarow). 
Unter  der  Herrschaft  der  Mongolen,  welche  den  Russen  ihre  an- 
gestammten Fürsten  und  ihren  Glauben  Hessen  ^  übersiedelte  der 
Grossfürsten  Iwan  Kaiita  1828   nach  Moskau   und   dieses  ward 
der  volksthümliche  und  religiöse  Mittelpunkt ,  wo  sich  das  mosko- 
witische  Zaren-  und  Patriarchenthum  entwickelte.   Der  Staat  er- 
starkte ,  das  Mongolenjoch  fiel ;  die  Kirche  hatte  schon  lange  die 
Oberhoheit  des  Patriarchats  von  Byzanz  nicht  mehr  anerkannt  und 
sonderte  sich  von  der  allgemeinen  geistigen  Bewegung  des  abend- 
ländischen Christenthums  ab.    1589  erkannten  die  orientalischen 
Patriarchen  auch  den  Moskauer  Metropoliten  als  fünften  Patriarchen 
an .  In  der  Mitte  des  xvii.  Jahrh.  stellte  sich  unter  dem  Zaren  Alexei 
Michailowitsch    der  Moskauer  Patriarch   Nikon  (S.  285)  an   die 
Spitze  einer  Bewegung  zur  Revision  der  äusseren  Ceremonien  und 
liturgischen  Bücher  der  russischen  Kirche.   Ein  in  Moskau  1667 
abgehaltenes  Concil  billigte  auch  diese  liturgische  Reform  und  be- 
schloss,  dieselbe  in  die  Kirche  einzuführen,  nachdem  sie  1672  zu 
Jerusalem  bestätigt  war.   Diejenigen,  welche  sich  wegen  der  neuen 
Bücher  von  der  Mutterkirche  loslösten,  nennen  sich  noch  heute 
Raskolniki  (Geschiedene)  und  Staiowjerzi   (Altgläubige).    Später 
wurde  das  Schisma  noch  bedeutender.    Peter  der  Grosse  knüpfte 
die  Kirche  eng  an  den  Staat,  indem  er  1702  die  höchste  geistliche 
Würde  mit  der  kaiserlichen  vereinigte  und  1721  in  dem  „heiligen 
Synod''  an  die  Stelle  der  personellen  obersten  Leitung  der  Kirche 
eine  coUegiale,  im  Grunde  eine  Staatsbehörde,  setzte.   Der  heilige 
Synod  besteht  gegenwärtig  nur  aus  fünf  Mitgliedern  (Metropoliten 
und  Bischöfen)  und  dem  Generalprocurator  nebst  dessen  Gehülfen. 
Katharina  II.  zog  1764  das  ganze  Kircfaengut  ein  und  warf  dafür 


DIE  RUSSISCHE  KIRCHE.  XL VII 

feste  Besoldungen   aus.    Das  Reich  zerfällt  in  62Epa'i*chieen 
oder  bischöfliche  Sprengel,  an  deren  Spitze  je  ein  Erzbischof  (Archie- 
piskopy)  oder  Bischof  (Episkopy)  steht;  drei  dieser  Eparchieen 
(St.  Petersburg,  Moskau,  Kiew  haben  Geistliche  vom  höchsten  Rang, 
Metropoliten,  zu  Verwaltern.   In  jeder  Eparchie  besteht  ein  Con- 
sistorium,  dessen  Präsident  der  Bischof  ist.  —  Die  gesammte  Oeist- 
lichkeit,  nicht  durch  Gesetz,  wohl  aber  durch  Herkommen  von  der 
Laienwelt  streng  geschieden,  zerfällt  in  zwei  ganz  gesonderte  Theile, 
die  schwarze  oder  Kloster geistlickkeit ,  die  Vertreterin  der  griechi- 
schen Tradition,  und  die  weisse  oder  Weltgeistlichkeit  (aber  mit 
brauner  oder  blauer  Kleidung),  die  Vertreterin  des  nationalen  Ele- 
ments. Aus  dpr  eratöifiß  werden  ausschli esslich  die  zum  Coa- 
libat  gezwungenen  höheren  Geistlichen:  Archieri  (Metropoliten, 
Erzbischöfe  und  Bischöfe),  Archimandriten  (Äbte)  und  Igumenen 
(Prioren)  entnommen.   Die  Zahl  der  Mönche  und  Nonnen  betrug 
1886:  28,786  in  497  Klöstern.   Die  Weltgeistlichkeit  besteht  aus 
den  Protoierei  oder  Protopopen  (dem  Range  nach  unter  den  Igu- 
menen stehend)  und  den  lerei  oder  Popen ,  zu  denen  mit  einer  Art 
von  Weihe,  aber  keiner  priesterlichen,  noch  die  Protodiakonen 
u.  s.w.  treten.  Die  Weltgeistlichen  müssen  verheirathet  sein,  stirbt 
aber  die  Frau,  so  sind  sie  zum  Eintritt  in  ein  Kloster  gezwungen. 
Der  Gegensatz  und  die  Feindschaft  zwischen  Mönchen  und  Welt- 
geistlichen ist  eine  charakteristische  Eigenthümlichkeit  der  russi- 
schen Kirche.   Die  Klostergeistlichkeit  hat  als  herrschender  Stand 
fast  'ausschliesslich  die  Leitung  der  Kirche  durch  Besetzung  der 
obersten  Würden ,  durch  die  Censur  und  Unterstellung  der  geist- 
lichen Lehranstalten  (Seminarien,  Akademieen);  sie  wahrt  eifer- 
süchtig ihren  Besitz.  —  Eine  der  russischen  Kirche  elgenthümliche 
Erscheinung  ist  das  ausgebreitete  Sectenwesen ,  das  hauptsächlich 
durch  die  liturgischen  Reformen  Nikon's  (s.  oben)  und  die  von  Peter 
dem  Grossen  durchgeführten  Veränderungen  entstand.    Wie  der 
Gottesdienst  nur  aus  einer  Reihe  äusserer  Handlungen  besteht,  deren 
Verständniss  für  die  Masse  lange  verloren  ist ,  so  sind  auch  die 
Secten  von  der  Mutterkirche  und  unter  sich  nur  durch  Aeusserlich- 
keiten  unterschieden ;  aus  der  Wichtigkeit ,  die  sie  gewonnen  haben, 
erkennt  man ,  wie  stark  der  religiöse  Trieb  im  Volke  ist ,  zugleich 
aber  auch,   wie  wenig  die  Formen  der  herrschenden  Kirche  im 
Stande  waren,  das  religiöse  Bedürfniss  zu  befriedigen.  —  Die  Stel- 
lung der  Geistlichen  zum  Volke  ist  in  Russland  eine  von  unseren 
Verhältnissen  wesentlich  verschiedene.  Der  Geistliche  ist  hier  nicht 
der  Seelsorger  seiner  Gemeinde,  sondern  nur  der  Träger  des  Cultus, 
der  Spender  der  heiligen  Sacramente.  Er  wird  mehr  in  seiner  Würde 
als  in  seiner  Person  geachtet.    In  der  guten  Gesellschaft  ist  nur 
selten  ein  Geistlicher  der  griech.  Kirche  sichtbar. 

Die  remiseh-katholifiche  Kirche  hat  in  Russland  nächst  der 
griechischen  Kirche  die  meisten  Bekenner;  ihr  Hauptsitz  ist  in 
Polen  und  den  angrenzenden  Gouvernements. 


XLVIII 


ZUR  LITERATUR  ÜBER  RÜSSLAND. 


Die  protestantisehe  Kirehe,  und  zwar  vorwiegend  die  luthe- 
rische, ist  hauptsächlich  in  Finnland  verbreitet,  ferner  in  den  balti- 
schen Provinzen,  in  Polen,  Litauen  und  in  den  deutschen  Colonien 
Südrusslands. 

Unter  den  Jaden  gibt  es  Talmudisten  (in  Polen)  und  KaraUen 
(in  Taurien).  —  In  den  südlichen  und  ostlichen  Provinzen  wohnen 
auch  viele  Mohammedaner^  in  Asien  Anhänger  des  Brahma^  etc. 


Yeneichnisi  der  russlBohen  Eirohen-  und  Staatsfeste  (1888). 

t  Feste,  bei  denen  die  Behörden  Sitzungen  halten,  die  Schulen  meist 

nieht  geschlossen  sind. 


1.  Jan. 
6.      . 

2.  Febr. 

26.      > 
2.  März 

4.  u.  5.  > 

25  » 

21.'-23.April 


24.-25.    . 
6.  Mai 

18.     > 
2.  Juni 
12.U.13. » 
24. 

29. 


Keujahr. 

Erscheinung  Christi. 
Christi  -Darstellung   im 

Tempel. 
Geburtsfest  des  Kaisers. 
Thronbesteigung     des 

Kaisers  Alexander  III 
Freitag  und  Samstag  in 

der  Butterwoche. 
Maria  Verkündigung. 
Donnerstag ,    Freitag, 

Samstag    der  Marter- 

(Char-)Woche. 
Osterfest. 
Geburtsfest  des  Grossf. 

Thronfolgers. 
Wasserweihe. 
Christi  Himmelfahrt. 
Pfingsten  (zwei  Tage). 
Geburt  Johannes  d.  T. 
Fest  der  Apostel  Petrus^ 

und  Paulus. 


t20.  Juli 
122. 

6.  August 
15. 
29. 
30. 

8.  Septbr. 
^4. 
26. 

1.  Oetbr. 

i22.       * 


14.  Novbr. 
6.  Decemb. 
25.-27.   . 


Fest  des  heil.  Elias. 

Namensfest  derKaiserin. 

Verklärung  Christi. 

Maria  Himmelfahrt. 

Johannis  Enthauptung. 

Namensfest  des  Kaisers. 

Maria  Geburt. 

Kreuzes-Erhöhung. 

Fest  des  Evangelisten 
Johannes. 

Maria  Schutz  und  Für- 
bitte. 

Fest  des  Kasan'schen 
wunderth.  Bildes  der 
heil.  Mutter  Gottes. 

Geburtsfest  derKaiserin. 

Maria  Opfer. 

Fest  des  heil,  wunderth. 
Nikolaus. 

Weihnaehtefest. 


Zur  Literatur  tlber  Enssland. 

Historisches. 

Karamsin,  Geschichte  des  russischen  Reichs  (deutsch,  Leipzig  1820- 
33,  11  Bde.). 

Ustrialow,  Geschichte  Busslands  (deutsch.  Stattgart  1839-43,  2  Bde.). 

Kostomarow,  Russische  Geschichte  in  Biographien,  St.  Petersburg  1873. 

Strahl,  Geschichte  des  russischen  Staats,  fortgesetzt  von  Herrmann 
(Hamburg  u.  Gotha  1832-66,  7  Bde.). 

T.  Bernhard!,  Geschichte  Russlands  und  der  europäischen  Politik  yon 
1814-31  (Leipzig  1836-77,  Bd.  1-3). 

Beitzke,  Geschichte  des  russischen  Krieges  von  1812.  2.  Aufl.  Leip- 
zig 1862. 

Bulgarin,  Russland  in  histor.  Beziehung,  Riga  und  Leipzig  1839  (das 
alte  Russland). 

Röpell,  Geschichte  Polens,  Hamburg  1840  (fortgesetzt  von  Caro). 

Rühs,  Finnland  und  seine  Bewohner,  Leipzig  1809. 

Schnitzler,  L^Empire  des  Tsars  au  point  actuel  de  la  seienee.  4  vols. 
Paris  1856-69. 

Uerrmann,  Zeitgenössische  Berichte  zur  Geschichte  Russlands,  Leip- 
zig 1875. 


ZUR  LITERATUR  ÜBER  RUSSLAND.  XLIX 

Koskinen,  Finnisebe  Geschichte  von  den  frühesten  Zeiten  bis  auf  die 
Gegenwart,  Leipzig  1874. 

Leroy-Beaulieu,  L^empire  des  Tsars.    Paris  1883. 

Das  russische  Reich  in  Europa,  eine  Studie.    Berlin  1884. 

Sarmaticus,  Von  der  Weichsel  zum  Dnjepr.     Hannover  1886. 

Biermann,  Ans  baltischer  Vorzeit.  Vorlesungen  über  die  Geschichte 
der  Ostseeprovinzen,  Leipzig  1875. 

Ueber  die  Oeichiehte  der  rusnschen  Literatur  s.  Schewirew  (1606-1866), 
4  Bde.  •,  Buslajew,  Historischer  Abriss ,  2  Bde. ;  Tichonrawow,  Jahrbuch ; 
Galachow;  Pekarsky  Cf  1873),  Geschichte  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften, 2  Bde.,  etc. 

Land  und  Leute. 

Erdmann,  Beiträge  zur  Kßnntniss  des  Innern  von  Bussland,  Riga  und 
Leipzig  1822-1825. 

Kohl,  Die  deutsch-russischen  Ostseeprovinzen,  Leipzig  1841. 

Kohl,  Reisen  im  Innern  von  Russland  und  Polen,  Leipzig  1841  (Keue 
Auflage). 

V.  Haxthausen,  Studien  über  die  inneren  Zustände  etc.,  Berlin  1847-1852. 

Galltzin,  La  Finlande  etc.,  1852. 

Castr^n's  Reisen  im  Norden.    Aus  dem  Schwed.,  Leipzig  1853. 

G.  Retzius,  Finnland,  deutseh  von  G.  Appel,  Berlin  1885. 

Eckardt,  Russlands  ländliche  Zustände,  Leipzig  1875. 

Russland  am  1.  Jan.  1871.    Von  einem  Russen,  Leipzig  1871. 

Eckardt,  Baltische  und  russische  Culturstudien  etc.  2.  Aufl.,  Leip- 
zig 1876. 

Eckardt,  Die  baltischen  Provinzen  Russlands.    2.  Aufl.,  Leipzig  1869. 

Walker,  Die  russische  Agrarfrage,  Berlin  1874. 

Das  neue  Russland,  Berlin  1878. 

V.  Lengenfeldt,  Russland  im  19.  Jahrhundert,  Berlin  1875. 

Hoffmeister,  Das  europäische  Russland,  Berlin  1876. 

The  Russians  of  To-day,  London  1878. 

Sehmeidler,  Das  russische  Reich  unter  Alexander  II.,  Berlin  1878. 

Wallaee,  Russland.    Aus  dem  Englischen,  Leipzig  1879. 

Reisewerke. 

Willkomm,  Streifzüge  durch  die  baltischen  Provinzen,  Dorpat  1672. 

Proctor,  A  Russian  joumey,  Boston  1873. 

Weber,  F.,  Reiseerinnerungen  aus  Russland,  Leipzig  1873. 

Guthrie,  Through  Rnssia,  London  1874. 

Aubel,  Ein  Polarsommer.  Reise  nach  Lappland  und  Kanin,  Leip- 
zig 1874. 

Hunfalvy,  Reise  in  den  Ostseeprovinzen  Russlands,  Leipzig  1873. 

Wahl,  The  land  of  the  Czar,  London  1875. 

Hiljukow,  Sommerfahrt  durch  Russland,  St.  Petersburg  1874  (Russ.). 

Graf  V.  LeublEng,  Wanderungen  im  westliehen  Russland,  Leipzig  1875. 

Heyking,  Reisebilder  aus  dem  europ.  Russland  etc.,  Leipzig  1878. 

Zschokke,  Reisebilder  aus  Finnland  und  Russland,  Wien  1878. 

Owsjannikow,  Geogr.  Bilder  «nd.  Skizzen,  St.  Petersburg  1878. 

Th.  von  Bayer,  Reiseeindrüeke  und  Skizzen  aus  Russland.  Stutt- 
gart 1886. 

Topelius,  Eine  Reise  in  Finnland  (Prachtwerk).    Leipzig  1874. 

Unterhaltungsliteratur. 

V.  Lengenfeldt  Skizzen  aus  Russland,  Berlin  1877. 

Aus  der  Petersburger  Gesellschaft,  5.  Aufl.,  Leipzig  1880.  Keue  Folge, 
3.  Aufl.,  ebenda  1881. 

Golowin,  Russland  unter  Alexander  II.,  Leipzig  1871. 

Ueber  die  geistigen  Strömungen  im  heutigen  Russland,  insbesondere 
über  den  Nihilismus,  handeln  die  trefflichen  Romane  von  Iwan  Tur- 
genjew (namentlich  Väter  und  Söhne,  Rauch,  Neuland  u.  a.). 


Russland.    2.  Aufl. 


DAS  RUSSISCHE  ALPHABET. 

Vgl.  d€n  Sprachführer. 


Ointelr.  Scbieilisclii. 

ummsL 

Dinctsclir. 

scHiettscliT. 

Beneimiuis 

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I.    DAS  GENERALGOUVERNEMENT  WARSCHAU. 


Boute  Seite 

1.  Von  Berlin  nach  Warschau 1 

1.  Gieeboeinek  2.  —3.  Brest.  Die  Badziwiirschen  Schlös- 
ser Arkadia  und  !Nieboröw  2. 

2.  Ton  Breslau  oder  Wien  nach  Warschau     ....       4 

1.  Von  Dombrowa  nach  Iwangorod.  Die  polnische 
Schweiz  5.  —  2.  Von  Eolusehki  nach  Lodz.  Von 
Kolusehki  nach  Ostrowetz  8. 

3.  Warschau  und  Umgebungen 9 

1.  Marymont;  Bielany;  Militär  -  Lager  bei  Pow%ski; 
Wahlebene  5  Wola  26.  —  2.  Gzerniaköw;  Wilanow ;  Mo- 
rysin ;  Katolin ;  Krolikarnia ;  Wierzbno ;  Mokotow  27. 
—  3.  Bialolenka;  Grochow  und  Wawer  28. 

4.  Von    Warschau    nach    Nowo  -  Georgiewsk ,    Mtawa 
(Marienburg)  und  Giechocinek 30 

1.  Eisenbahnfahrt  von  Warschau  bis  Hiawa.  90.  — 

2.  Weichselfahrt  von  Warschau  nach  Giechoeinek  31. 

5.  Von  Warschau  über  Iwangorod  und  Lublin  nach 
Kowel ..33 


1.  Von  Berlin  nach  Warschau« 

629  km.  Abfahrt  von  Berlin  Schlesischer  Bahnhof  (täglich  2  Züge) ; 
Fahrzeit  bis  Warschau  (durchgehende  Wagen)  Gourierzug  15  St.,  Personen- 
zug 22  St.  Schlafwagen  von  Berlin  u.  Alezandrowo.  Von  der  Benutzung 
der  3.  Gl.  der  Personenzüge  ist  selbst  dem  weniger  bemittelten  Beisenden 
abzurathen.  Bis  zur  russischen  Grenze  (Alexandrowo)  Preis:  Gourierzug 
«4(  36.90,  27.50^  Personenzug  »#33.30,  34.90,  19.20;  von  Alexandrowo  bis 
Warschau  Gourierzug  1.  Gl.  9  Rubel  16  Kopeken,  2.  Ol.  6.89  B. ;  Personen- 
zug 7.95,  5.9(3,  3.15  B.,  welche  nach  dem  Tagescurse  in  Mark  umgerechnet 
werden.  Directe  Billets,  6-10  Tage  gültig;  25 kg  Freigepäck.  Zollrevision 
nach  Bussland  in  Alexandrowo  \  von  Bussland :  Handgepäck  in  Otlotschin, 
grösseres  Gepäck  in  Thorn.  Gepäck  von  Alexandrowo  bis  Warschau  6  kg 
361/2  Kop.  —  Die  Warschauer  Zeit  ist  gegen  Alexandrowo  10  Min.  vor. 
Bufi'ets  auf  den  russisehen  Hauptstationen  meist  gut. 

Von  Berlin  bis  (386  km)  Thorn  (Fahrzeit  Courierzug  8  St., 
Personenzug  9V2"i4r  St.)  s.  Badeker*$  Norddeutschland.  Der  Zug 
passirt  die  letzte  preuss.  Station  (400  km)  Otlotschin,  poln.  Ot- 
loezyn ,  und  fährt  langsam  über  die  russische  Grenze ,  welche  hier 
durch  ein  Nebenflüsschen  der  Weichsel,  die  Tonschina  (poln. 
Tqszynä)  gebildet  wird. 

404  km  Alexandrowo  (AjeKcaHxpoBo).   c.  1  St.  Aufenthalt. 

Sobald  der  Zug  hält ,  werden  den  Reisenden  die  Pässe  abgefor- 
dert; vorheriges  Aussteigen  ist  nicht  gestattet.  Dann  erfolgt  die 
Zollrevision.  Längs  des  Perrons  stehen  in  gleichen  Abständen 
8-10  Gensdarmen,  die  hier,  wie  auf  allen  russischen  Bahnstationen, 
die  polizeiliehe  Aufsicht  führen  und  die  Stelle  der  Polizeisoldaten 

Bussland.    2.  Aufl.  1 


2    Route  1,  ALEXANDROWO.  Van  Berlin 

oder  Gorodowois  (ropoxoBoS)  vertreten.  Der  Eintritt  in  das  russisch» 
Beicli  ist  leider  immer  noch  mit  vielen  Formalitäten  verknüpft. 
Alle  CoHp^s  werden  durchsucht,  das  ausgestiegene  Reisepuhlikum 
von  den  Gensdarmen  in  Empfang  genommen  und  in  einen  grossen 
Saal  (Zollkammer)  zur  Gepäckrevision  dirigirt.  Hinter  den  Ein-' 
tretenden  wird  die  Thür  geschlossen  und  von  2  Gensdarmen  besetzt- 
Mit  der  russischen  Sprache  hat  man  hier  noch  keine  Schwierig* 
keiten.  Die  Revision  geschieht  unter  Aufsicht  von  höheren  Beamten 
des  Zoll-  und  Polizeifachs,  Offizieren  der  Gensdarmerie  etc.  Ob* 
gleich  das  im  Saal  anwesende  niedere  Hülfspersonal  ebenso  zahl* 
reich  ist  wie  die  ankommenden  Reisenden,  nimmt  die  sehr  gründ* 
liehe  Revision  geraume  Zeit  in  Anspruch,  gewohnlich  eine  Stunde« 
Nachsicht  wird  weder  gegen  den  Inländer,  selbst  nicht  gegen  rus* 
sische  Offiziere,  noch  gegen  den  Ausländer  geübt.  Verdächtige 
Leute  werden  bis  auf  das  Hemde  untersucht  und  müssen  zuweilen 
die  Stiefel  ausziehen,  weil  es  namentlich  bei  jüdischen  Handels-*' 
leuten  vorgekommen  ist,  dass  sie  Spitzen,  Diamanten  oder  sonstig» 
Contrebande  darin  versteckt  hatten. 

Es  wird  hier  nochmals  daran  erinnert  (0.  Einleit.  8.  xiii),  dass  man 
nicht  vergessen  darf,  in  Berlin,  Danzig  ete.  den  PaM  mit  dem  Visa  des 
russischen  Gesandten  oder  Generalconsuls  versehen  zu  lajsusen,  weil  man 
sonst  in  die  unangenehme  Lage  versetzt  wird,  in  der  Grenzstation  warten 
zu  müssen,  bis  der  nach  Berlin  geschickte  Pass  mit  dem  Visa  zurückkommt. 
Der  preussische  Zug  wartet,  um  event.  Beisende,  deren  Pass  nicht  in 
Ordnung  ist,  zurück  zu  befördern. 

Ist  der  Stempel  mit  dem  kaiserlichen  Adler  auf  die  Reisetasche 
geklebt,  so  hebt  sich  vor  dem  Reisenden  die  eiserne  Fallstange,  welche 
den  Ausgang  nach  dem  Büffet  schliesst.  Es  bleibt  noch  Zeit  genug,, 
um  sich  hier  durch  eine  Tasse  Theo  zu  erwärmen  und  einen  Imbis» 
zu  sich  zu  nehmen,  resp.  Geld  zu  wechseln,  wenn  man  das  noch 
nicht  gethan  haben  sollte  (s.  Einl.  S.  xu). 

Xaeh  Giechocinek,  7  km.,  Zweigbahn  von  Alezandrowo  in  11  Hin., 
für  26,  aO,  10  Kop.  Oieohoeinek,  I|ftxoipBon  (Gasth. :  MülUr^  nicht  billig  v 
Warichaißtki)^  mit  Salzquellen  und  Salinen,  am  1.  Ufer  der  Weichsel,  wird 
wegen  seiner  Soolbäder  im  Sommer  viel  besucht. 

Nach  V»  St.  fährt  der  russische  Zug  am  Perron  vor.    Sobald  die 
Reisenden  Platz  genommen,  werden  die  Pässe  zurückgegeben.  Die 
Bahn  durchschneidet  bis  Warschau  die  Ebenen  des  jetzigen  General*- 
Gouvernements  Warschau,  das  alte  Kujavien  undMasovien;  nur 
der  südliche  Theil,  die  Heimat  der  Piasten,  ist  wellig ;  leichte  Er* 
hebungen,  meist  von  umfangreichen  Wäldern  bedeckt,  begleiten 
die  Ufer  der  Weichsel  (Wisla)  und  Piliza  (Pilica).  W.  von  Warschau,^ 
an  der  Bzura ,  dem  Ner  und  der  Warthe ,  beginnen  ausgedehnte,.. 
meist  mit  Erlenwäldern  bedeckte  Sümpfe,  die  sich  bis  an  die  Grenze 
Posens  ziehen.  Streckenweise  sieht  man  den  Wald  auf  c  100  Schritt 
zu  beiden  Seiten  der  Bahn  abgehauen,  wozu  die  russische  Regierung 
während  des  polnischen  Aufstandes  1863  schritt,  um  die  Insur* 
genten  zu  verhindern,  aus  dem  Hinterhalte  der  Wälder  die  Eisen» 
bahnzüge  anzugreifen.   Wegen  des  meist  ungünstigen  Bodens  in 
diesem  Gouvernement  ist  der  Feldbai^  schlecht  bestellt,  mit  Aus* 


nach  Warschau.         SKIERNIEWITZ.  1,  Route.     3 

nähme  der  an  der  Weichsel  gelegenen  Theüe,  namentlich  desweizen-^ 
berühmten  Kujayiens  zwischen  der  mittlem  Netze  und  Weichsel. 
Fetter  Lehmhoden  wechselt  hier  mit  Sandstrecken.  Ah  und  zu 
zeigen  sich  elende,  unfreundliche  Dörfer  mit  jammervollen ,  meist 
schiefstehenden,  grauschwarzen  Holzhütten,  yon  Stroh-  oder  Schilf- 
dächern bedeckt. 

Die  Bahn  führt  längs  des  1.  Weichselufers ,  dessen  Hohen  von 
denen  des  r.  Ufers  dominirt  werden ,  über  (14  Werst)  Nieazawa 
(Htmasa,  S.  33)  nach 

3Ö  Werst  WioohiWf k,  BjomascKi  (Bahnrestaur.,  8  Min.  Aufent- 
halt; Hdt.:  Drei  Kronen,  theuer;  Poltki;  *Maaowietzki)y  Kreis- 
stadt mit  20,662  Einw.,  durch  seine  Lage  am  1.  Ufer  der  Weichsel 
auf  fruchtbarem  Weizenboden  ein  Hauptstapelplatz  für  den  Getreide- 
handel (Jahresumsatz  ca.  15  Hill.  oM\  mit  einer  Kathedrale  und 

3  Kirchen. 

14  km  s.w.  liegt  Brett  (poln.  Sr«e«c)^le  ehem.  Hauptstadt  Eujaviens> 
daher  mit  dem  Beinamen  JTt^atfffiH  (2750  Einw.),  in  einer  Ebene  zwischen 
Morästen,  mit  alten  Mauern,  Wällen  und  Gräben  umgeben. 

ÖO  W.  Kowal  (KoBajb) ,  ö  W.  von  dem  gleichn.  Städtchen  — 
73  W.  Ostrowy  (OcTpoBH) ,  Dorf  mit  grossen  Rübenzuckerfabriken 
(das  Gouvernement  Warschau  hat  20  Rübenzuckerfabriken,  welche 
7%  allen  russischen  Zuckers  liefern).  —  86  W.Kutao  (Kyino,  •Bahn- 
restaur.), Stadt  an  der  Okhna,  mit  13,300  Einw.  —  104  W.  Pnjewo 
(ÜHtBO).  —  Dann  über  die  Bzura  und  deren  Sumpf  nie  derung  nach 

129  W.  Lowitsohy  Lowiez  (Jonmi),  Kreisstadt  von  3800  Einw., 

auf  dem  r.  Ufer  der  Bzura,  ansehnlicher  Ort  mit  stattlichen  Strassen, 

einer  schönen  Stifts-  und  vier  andern  Kirchen,  altem  Schloss  mit 

schönem  Park  und  grosser  Kavalleriekaseme.    Bedeutende  Pferde- 

und  Viehmärkte,  Gerbereien,  Lein  Webereien. 

14  km  südl.  von  Lowiez,  in  der  Richtung  auf  Brzezin,  das  Dorf 
Lyizltowice  (JbdUDDROBHi^)  mit  einer  grossen  Bübenzuekerfabrik.  —  Oestl. 
an  der  Strasse  nach  Bolimöw,  Arkadia,  ein  dem  Fürsten  Radziwill  ge- 
höriges prachtvolles  Schloss  mit  reichen  Eunstschätzen  und  grossem  Park 
mit  reizend  gelegenem  See.  Weiter  östlich  Kieboröw,  ein  anderes  altes 
Schloss  der  Radziwill,  mit  werthvollen  Gemälden,  Bibliothek,  schönen 
Gartenanlagen  und  grosser  Orangerie. 

150  W.  Skiemlewiti,  <Sfci€mi«t&ic€,  GKepHCBHiui  (*Bahnrestaur.), 
Knotenpunkt  der  Wien- Warschauer  Bahn  (s.  S.  9).  Die  unweit  der 
Bahn  gelegene  Kreisstadt  (3716  Einw.)  treibt  ansehnlichen  Handel 
und  besitzt  grosse  Xuchmachereien.  Schönes  Schloss  ,  zu  den  Be- 
sitzungen der  aus  Kleinrussland  stammenden  Familie  Paskewitsch 
gehörig,  deren  berühmtestes  Mitglied,  Iwan  Fedorow  itsch,  Graf  von 
Eriwan,  Fürst  vonWarschau  (1782-1856)  durch  die  Erstürmung  von 
Warschau  1831  (S.  27)  den  polnischen  Aufstand  beendete.  1884 
vom  15.  bis  18.  September  fand  hier  die  Zusammenkunft  der  drei 
Kaiser  statt. 

Skierniewitz  war  ehemals  die  Residenz  des  Erzbischofs  von 
Gnesen,  Fürsten  Primas  von  Polen  und  wurde  neb  st  ausgedehnten 
Domänen ,    welche    von    der  preussischen  Regie  rung    nach   der 

1* 


4     Boute  2.  SOSNOWITZ. 

Theilung  Polens  eingezogen  worden  waren,  vom  Kaiser  Alexander  I. 
der  polnischen  Gräfin  Johanna  Grudzinska  verliehen,  welche  1820 
die  Gattin  des  Grossfürsten  Constantin  Gäsarewitsch  Pawlowitsch, 
zweiten  Sohnes  des  Kaisers  Paul  1.,  und  bei  dieser  Gelegenheit  zur 
Fürstin  von  fcowicz  erhoben  wurde  (+  1831). 

Die  Bahn  überschreitet  die  Rawka,  einen  Nebenfluss  der  Bzura, 
und  führt  dann  geradeaus  in  n.  Ö.  Richtung  nach  Warschau.  159  W. 
Radziwillöw  (Paii3HBHJJ0Bi).  —  171  W.  Bada  Gusowskaja  (Py^a 
rysoBCKaii),  mit  einer  grossen  durch  den  Franzosen  G^rard  gegrün- 
deten Wollfabrik.  In  der  Nahe  befinden  sich  die  grössten  Zucker- 
fabrik^i  Polens  (s.  S.  3):  Ouxow,  Hermanow  und  Orysckew;  ferner 
Zyrardöw,  mit  grosser  Leinenfabrik. 

178  W.  Jaktorowa  (flKTOpOBa).  —  184 W.  Orodisk  (rpoxHCKi). 
mit  schönem  Park.  —  190  W.  Brwinow  (EpBHHOBo).  —  196  W. 
Pruschkow  (IIpymKOB'B).  —  204  W.  Wlochi  (Bjoxh).  —  Aus- 
gedehnte Nadel-  u.  Laubwälder,  zahlreiche  Sommervillen.  Die 
Bahn  führt  durch  das  Jerusalemer  Thor  {Rogatki  Jerozolimskie, 
lepycojHHCKaii  sacraBa)  und  mündet  Im  Wien -Warschauer  Bahn- 
hofe, an  der  Marschall  -  Strasse  (MapmaiKOBCKafl),  fast  im  Gentrum 
der  Stadt. 

212  W.  Warschau,  s.  S.  9. 


2.    Von  Breslau  oder  Wien  nach  Warschan. 

Von  Breslau  nach  Wartchau  (505  km)  Gourierzug  in  I41/2  St.,  Sehnell- 
zug in  16  St.  Abfahrt  vom  Obersehlesisehen  Bahnhof  (Schlafwagen).  Von 
Breslau  bis  zur  russ.  Grenze  (Sosnowitz)  Gourierzug  eK  17.10,  12.80;  Per- 
sonenzug «^  17, 12.70, 8.70;  von  Sosnowitz  bis  Warschau  (291  Werst  =310  km) 
Courierzug  12.66,  9.51  B. ,  Personenzug  11.01,  8.27,  d.37  B.  Gepäck  pr. 
6  kg  36.4  Kopeken.    Die  Warschauer  Zeit  ist  gegen  Sosnowitz  8  Min.  vor. 

Von  Wien  nach  Warschau  (712  km)  Eilzug  in  2IV2  St.,  Personenzug  in 
24  St.  Abfahrt  vom  Kordbahnhof  (durchgehende  und  Schlafwagen) ;  Fahr- 
preise bis  zur  russischen  Grenze  (Granitza)  Eilzug  23  fl.  71,  17  fl.  38  kr., 
Personenzug  19  fl.  80,  14  fl.  91,  9  fl.  88  kr. ;  von  Granitza  bis  Warschau 
(288  Werst  =  305  km),  Gourierzug  12.55,  9.43  B. ,  Personenzug  10.91,  8.19, 
4.31  B. 

Das  russische  Generalgouvernement  Warschau  oder  Polen  be- 
treten wir  von  Breslau  resp.  Dresden  kommend,  nach  dem  Verlassen 
der  letzten  preussischen  Station  Kattowitz,  bei  Sosnowitz  {Sosno- 
wictj  CocHOBHiiu),  von  Wien  kommend  über  Szczakowa  bei  Granitza 
{Granica,  FpaHHKa).  Auf  beiden  Stationen  Revision  der  Pässe  und 
des  Gepäcks,  vgl,  S.  1  (lV2-2St.  Aufenthalt;  gute  Restauration). 

Die  Gegenden,  durch  welche  die  Bahn  führt,  sind  nicht  ohne 
Interesse;  einmal  durch  landschaftliche  Schönheit,  wenigstens 
bis  Tschenstochau,  ferner  weil  das  Gouvernement  Petrikau  das 
industriereichste  Polens  ist  (Baumwollwebereien,  Wollspinne- 
reien, bedeutende  Bergwerke  u.  s.  w.).  Die  Bahn  durchschneidet 
zunächst  das  im  Durchschnitt  200— 300  m  Über  dem  Meeresspiegel 
erhabene  oberschlesisch -polnische  oder  kleinpolnische  Plateau, 


DOMBROWA.  2.  Route.    5- 

welchem  tief  eingeschnittene  Thäler  und  Flussläufe  oft  einen  6e- 
birgscharakter  yerleihen.  Zwischen  Zombkowitz  und  Tschenstochau- 
erreicht  dieses  Plateau  seine  höchste  Erhebung,  die  Wasserscheide 
zwischen  Weichsel,  Oder  und  Wartha.  Es  ist  das  alte  Herzogthum 
Severien  mit  der  Hauptstadt  Siewierz,  welches  1473  von  dem  Her- 
zoge Yon  Xeschen  an  das  Bisthum  Krakau  verkauft  wurde  und  somit 
an  Polen  kam.  lieber  [dem  Plateau,  das  hier  aus  höhlenreichem 
Jurakalkstein  besteht,  thürmen  sich  an  30m  hohe  isolirte  Felsen 
auf,  welche ,  von  Krakau  an  sich  n.  n.  w.  bis  in  die  Gegend  von 
Wielun  hinziehend,  die  sog.  polnische  Schweiz  (s.  unten)  bilden. 
Yon  Tschenstochau  ab  senkt  sich  das  Plateau  mehr  und  mehr,  und 
n.  von  Badomsk  betreten  wir  das  polnische  Tiefland.  —  Der  Boden, 
grosstentheils  fruchtbarer  Weizenboden,  vielfach  von  Wiesen,  Moo- 
ren und  Wäldern  unterbrochen,  ist  mehr  der  Kultur  zugänglich  ge- 
macht, während  n.  von  Petrikau  die  grossen  Sümpfe  und  undurch- 
dringlichen Waldflächen  beginnen ,  in  welchen  zahlreiches  Raub- 
wild,  der  Bär,  Wolf  und  Luchs  Schutz  finden.  In  allen  kleinen  an 
der  Bahn  gelegenen  Städten  stehen  russische  Truppen,  namentlich 
Infanterie. 

Die  erste  Station  von  Sosnowitz  aus  ist  (9  Werst)  Dombrowa 
{Dqbrowa,  Ao^^posa;  man  übernachtet  besser  in  Sosnowitz  oder 
Bendzin,  s.  unten),  in  dem  grossen  polnischen*Kohlenbecken  (S.  9) 
mit  einer  jährlichen  Production  von  2  Mill.  Tons  Steinkohlen  (das 
Flötz  hat  eine  Mächtigkeit  bis  zu  14  m  und  wird  z.  Th.  zu  Tage 
bearbeitet),  dem  Eisen-  und  Stahlwerk  Huta  Bankowa,  welches 
die  Schienen  für  die  russichen  Eisenbahnen  liefert,  Zinkhütten, 
Maschinenfabriken  und  Ziegeleien. 

Von  Dombrowa  naeb  Iwangorod  278  W.  in  16  St.  für  10 B.  46, 
7  B.  85,  4  B.  1  Kop.  Die  wichtigsten  Stationen  sind :  6  W.  Strjemietchitz 
(s.  unten),  Kreuzungspunkt  der  Warschau -Wiener  Bahn.  —  27  W.  01- 
Jnuch  mit  alter  CJollegialkirche  und  Galmei-Gruben.  —  Lohnender  Aus- 
flug nach  (20  km)  dem  Dorfe  Opxöw  (Oyeöw) ,  am  Eingang  des  ca.  15  km 
langen  engen  Felsenthales  des  forellenreichen  Prondnih^  welcher  bei 
Krakau  in  die  Weichsel  mündet,  der  sogen.  Polnxaehen  Schweiz.  Nadel- 
wälder, wohlerhaltene  Burgruinen  und  grosse  Tropfsteinhöhlen  im  Jura- 
kalkstein, welche  reiche  Ausbeute  an  Fossilien  gewähren,  machen  das 
Thal  EU  einem  beliebten  Sommerfrischort  der  Bewohner  von  Krakau 
und  Warschau;  in  dem  breitesten  Theile  desselben  das  Hotel  Pod  Lo- 
kietkiem  und  zahlreiche  Villen  und  Sommerwohnungen. 

63  W.  Xiech^w  (M«xobi>),  Kreisstadt  etwa  6  W.  von  der  Station  ent- 
fernt, dessen  Lage  der  von  Jerusalem  ähnlich  sein  soll;  in  der  Kirche 
des  ehemaligen  Besurrectionistenklosters  eine  grosse  Orgel.  —  Hinter 
Miechow  1.  die  schönbewaldeten  Kreuzberger  die  letzten  n.  Ausläufer 
der  Karpathen;  auf  der  höchsten  Kuppe  ein  alterthümliches  Mönchs- 
kloster. —  105  W.  Jendrzejöw  (J^drzejötD^  An^peeBoJ ,  mit  grossen  Gefäng- 
nissgebäuden. —  145  W.  Kielce  (KeJ^.^e) ,  Gubernialstadt  (8000  Einw.)  in 
Schöner  Lage  mit  zahlreichen  Eisengruben  und  Hohöfen.  —  167  W.  Bsin^ 
Knotenpunkt  der  Bahn  Koluschki  -  Ostrowetz  (S.  9).  —  278  W.  Itmn- 
gorod  (S.  33). 

Die  erste  Haltestelle  an  der  Linie  von  Granitza  ist  Bendzin 
(BeHASHHl),  Kreisstadt  mit  8000  meist  jüdischen  Einw.  und  einer 
ansehnlichen  Burgruine.     In   der  Nähe  die  grosse  Cementfabrik 


6    Boute  2.  TSCHENSTOCHAU.  Von  Wien 

Orodziec  und  bedeutende  Ealköfen.  —  ßW.  Strjemieschitz  (Strzt- 
mieszyce,  CrpseHtniHae).   Beide  Bahnlinien  yereinigen  sich  bei 

16  W.  (17  km)  Zombkowits  {Zqbkoudce,  doHÖKOBHue;  Bahn- 
restaur.) ,  bekannt  durch  die  reichen  Kohlen- ,  Eisen-  und  Zinn- 
gruben  der  Nachbarschaft. 

Folgen  die  kleinen  Stationen  Lazy,  Zawiercie,  Myschkow  und 

Poraj. 

11  W.  ö.  von  Lazy  liegt  Ogrodxienieiz  y  die  Stammburg  der  mäehtigen 
Firleji  \  20  W.  Piliza ,  früher  im  Besitz  der  Fürsten  Zbarawski. 

Die  Bahn  überschreitet  die  Wartha  und  ihre  sumpfige  Niede- 
rung und  erreicht 

75  W.  TsehexLBtochan  {Cz^stochovsa,  HeHCTOxoBi),  auch  Jama- 
göra  genannt  (•Bahnrestaur.  —  Ziemlich  guter  Gasthof  in  Alt- 
Tschenstochau) ,  Kreisstadt  und  berühmter  Wallfahrtsort  (15,522 
Einw.),  Die  Altstadt  mit  c.  8000  Einw.,  auf  beiden  Seiten  der 
Wartha,  brannte  im  J.  1770  fast  ganz  ab  und  wurde  später  zum 
grössten  Theile  neu  und  regelmässig  aufgebaut.  Eine  prachtvolle 
Allee  führt  von  der  Vorstadt  8t.  Barbara  nach  Neu-TschenstochaUj 
c.  2km  von  der  Altstadt,  am  Fusse  desKlarenberges  gelegen.  Haupt- 
erwerbszweig der  Einwohner  ist  die  Verpflegung  der  zahlreichen 
Pilger  (jährlich  50-60,000),  sowie  der  Handel  mit  Heiligenbildern, 
Rosenkränzen  etc.  Das  Ziel  der  Pilger  ist  das  auf  dem  steilen 
Klarenberge  oder  Jasnagöra  1.  von  der  Bahn  liegende  Paulaner~ 
Kloster,  von  den  Mönchen  des  h.  Paul  des  Eremiten  bewohnt,  ehe- 
mals berühmt  durch  seine  für  unermesslich  erachteten  Schätze, 
auch  jetzt  noch  sehr  reich.  Das  Kloster,  durch  seine  hohe  Lage 
weithin  sichtbar,  gleicht  einer  kleinen  Festung  und  ist  von  einer 
hohen  fünfeckigen  Mauer  umgeben.  Es  umschliesst  den  herrlichen 
Dom  mit  dem  berühmten  Muttergottesbilde  (Regina  RegniPoloniae). 

Das  Eremitenkloster y  von  König  Wladislaus  Jagiello  gestiftet,  war  einst 
so  reich,  dass  ihm  der  15.  Theil  sämmtlicher  Güter  in  Polen  gehörte 
oder  verpfändet  war.  1430  überfielen  und  plünderten  die  Hussiten  das 
Kloster;  1500  wurde  der  Anfang  mit  seiner  Befestigung  gemacht,  welche 
mit  der  Zeit  immer  mehr  verstärkt  wurde.  Ein  Ordensgeistlieher  war 
zugleich  Festunsscommandant  •,  doch  seit  der  polnischen  Reichstagseon- 
fltitution  von  1760  wurde  ein  weltlicher  Commandant  vom  Könige  in- 
stallirt.  1655  wurde  das  Kloster  durch  seinen  Prior  Kordetz  (S.  8)  glor- 
reich gegen  die  Schweden  vertheidigt.  Zweimal  (1655  und  1657)  flüch- 
tete sich  König  Johann  Kasimir  hinter  seine  Hauern.  1704  belagerten 
10,000  Schweden  von  neuem  das  Kloster,  welches  die  Mönche  mit  Erfolg 
hielten.  1773  erlag  es,  trotz  muthiger  Vertheidigung  durch  Kasimir  Pu- 
lawski,  einen  der  Urheber  der  Gonföderation  von  Bar  (S.  8),  dem  Angriff 
der  russischen  Truppen ,  1793  dem  der  Preussen.  —  Am  19.  Xov.  1806 
ergab  sich  das  befestigte  und  mit  500  Mann  und  33  Geschützen  besetzte 
Kloster  den  Franzosen.  Auch  1809  wurde  es  arg  mitgenommen  und  1813 
die  Wälle  geschleift;  gleichwohl  galt  es  später  bei  politischen  Demon- 
strationen als  Hort  der  Polen. 

Beim  Besteigen  des  Klarenberges  erblickt  man  zwischen  dem 
Kloster  und  der  Neustadt  lange  Reihen  von  Buden  mit  Victualien, 
Heiligenbildern ,  Rosenkränzen  und  andern  Artikeln.  Schon  von 
weitem  ist  der  hohe  Thurm,  welcher  das  Kirchendach  in  sieben 


nach  Warschau.       TSCHENSTOCHAU.  5.  Route.    7 

Absätzen  überragt ,  sichtbar.  Bie  drei  letzten  sind  von  Holz ;  am 
dritten  und  vierten  Absatz  sind  Gallerien.  Auf  der  Spitze  drei 
Kugeln  über  einander,  die  eine  Fahne  tragen,  anf  weleher  ein  Rabe 
mit  einem  Brote  im  Schnabel  sitzt.  (Dem  h.  Faul  dem  Einsiedler, 
der  im  in.  Jahrh.  in  Aegypten  lebte,  soll  nach  der  Legende  ein  Rabe 
täglich  einen  halben  Laib  Brot  zu  seiner  Nahrung  gebracht  haben.) 
Der  zweite  kleinere  Thurm  (Dachreiter)  tragt  an  der  Spitz«  eine 
Messingkrone  mit  Stern  und  Kreuz ;  ausserdem  sind  noch  5  kleine 
Thürme  vorhanden.  —  Ueber  dem  ersten  Thor  ein  Muttergottes- 
bild und  der  h.  Michael  mit  Schwert  und  Schild,  daneben  die 
h.  h.  Paul  und  Antonius.  Unter  dem  Bilde  die  Worte :  „Sub  tuum 
praesidium**  und  das  Wappen  Oeorg  Lubomlxski's ,  vrelcher  1723 
dieses  Thor  bauefn  Hess.  Dann  über  eine  Zugbrücke  zum  zweiten 
Thore  mit  dem  Marmorbilde  des  polnischen  Königs  'Stanislaus 
August.  Das  dritte  Thor  ist  mit  dem  Bilde  der  schmerzhaften 
Mutter  Gottes  geziert.  Dann  folgt  eine  zweite  Brücke  und  das 
vierte  Thor  mit  dem  Bilde  Wladislaus',  Herzogs  von  Oppeln ,  wie 
«r  das  Heiligthum  den  München  des  h.  Paul  übergiebt  <s.  unten). 

Das  Innere  der  Kirche  ist  sehr  geräumig  (Bauu  für  Ö  -  6000  Xen8ehe&>. 
Zu  beiden  Seiten  des  bis  an  die  Decke  reiehenden  HoehaUars^  der  Him- 
melfahrt Maria  geweiht,  stehen  die  vier  Evangelisten.  Ausserdem  be- 
sitzt die  Kirche  viele  Altäre  und  vier  Kapellen,  welche  dem  Einsiedler 
Paul,  dem  h.  Antonius,  den  h.  Schutzengeln  und  den  R^lquien  der 
Heiligen  gewidmet  sind.  (Die  vierte  Kapelle  befindet  sieh  unter  der 
dritten,  in  der  Eweiten  und  dritten  einige  Marmordenkmäler.)  An  der 
Evangelienseite  ist  die  grosse  und  geräumige  Sakristei,  daneben  die 
JSchatzkammer,  In  letzterer:  ein  alter  rother  Ornat  nach  orientalischem 
Schnitt,  ein  Geschenk  des  Beravogs  WladisUus,  ein  Stuhl  au«  Eiohenholz 
von  Kasimir  d.  Gr.  (1333-1370)^  ein  Ornat  von  der  polnischen  Königin 
Hedwig  (1393),  ein  Altar,  vor  welchem  der  heilige  Konig  Kasimir  betete, 
Schwerter,  Uhren  und  Bilder,  grösstentheils  Weihgeschenke,  besonders 
kostbar  eine  ffolden«  Uonttrant^  mit  2366  Edelsteinen  und  213  Perlen 
besät,  in  Fonn  eines  Weinstockes;  auf  den  goldenen  mit  Brillanten 
reich  besetzten  Strahlen  entfalten  sich  die  Blätter  und  Trauben,  die 
einzelnen  Beeren  sind  Bubinen.  Auch  preussisehe  Könige,  wie  Friedrich 
Wilhelm  II.,  haben  Weihgeaehmke  dargebracht. 

Das  berühmte  Onadenbild,  die  *chtDarze  Madonna  ^  ein  auf  Cypressen- 
holz  gemaltes,  schwarzbraunes  und  sehr  unscheinbares,  aber  kostbar  ge- 
schmücktes Bild  der  Mutter  Gottes  mit  dem  Jesuskinde*,  befindet  sich  in 
einer  eigenen  Kapelle  im  Klostergange.  Dasselbe  soU  von  dem  Evange- 
listen  JLucas  herrühren  und  im  Besitze  der  Kaiserin  Helena  gewesen  sein. 
Durch  den  russischen  Fürsten  Leon  kam  es  nach  Beiz  in  Galizien  und 
wurde  endlich  durch  Wladislaus,  Herzog  von  Oppeln,  1382  nach  Tschen^ 
atochau  gebracht,  um  es  vor  den. Tataren  zu  sichern.  Wladislaus  hatte 
aus  Buda  (Ungarnj  die  Paulaner-Könche  berufen  und  ihrer  Obhut  das  Bild 
übergeben.  1430  raubten  die  Hussiten  dasselbe  und  brachten  ihm  eine 
noch  sichtbare  Verletzung  bei ;  auf  wunderbare  Weise  soll  eB  wieder  nach 
Tsehenstoehau  zurückgekommen  sein.  Der  Gnadenaltar^  der  das  Bild  ent- 
hält, ist  von  Ebenholz  mit  vier  Pfeilern  und  seeha  silbernen  Engeln  geziert 
und  mit  unzähligen  Votivtafeln  behängt.  Von  6  Uhr  Morgens  bis  Mittags 
und  von  3  Uhr  bis  Abends  wird  das  Bild  von  seiner  Hülle  befreit.  Un- 
aufhörlich liegen  vor  demselben  Andächtige  auf  den  Knleen,  besonders 
zur  Zeit  des  Ifamensfestes  Maria  (September)  ist  die  Kirche  gedrängt  voll. 
Die  Mehrzahl  der  Pilger  sind  polnische  Landleute  in  Ihren  eigenthüm- 
lichen  Trachten. 

An  der  Aussenseite  dieser  Kapelle  hinter  dem  Altare,  schon 


6     Route  2.  PETRIKAÜ.  Von  Wien 

in  weiter  Ferne  sichtbar ,  eine  Copie  der  schwarzen  Madonna  in 
Biesengrösse.  Sobald  die  Pilger  am  Fusse  des  Klarenberges  der- 
selben ansichtig  werden,  werfen  sie  sich  auf  ihr  Antlitz  nieder; 
ebenso  nehmen  sie  bei  ihrer  Rückkehr  wieder  Abschied. 

Ausserhalb  ist  die  Klosterseite  mit  einem  Garten  umgeben. 
Yor  dem  Gebäude  steht  ein  Denkmal,  welches  1861  Kaiser  Alexan-» 
der  II.  dem  tapfern  Prior  Kordetz  (S.  6}  setzen  Hess. 

ypm  Klarenberge  Öffnet  sich  eine  weite  ^Aussicht  über  das  um- 
liegende Land.  Nach  N.  blickt  man  in  die  Niederungen ,  welche 
dem  Laufe  der  Wartha  folgen ;  nach  W.  ziehen  sich  die  Hügelebenen 
Schlesiens  zur  Oder  hin;  nach  0.  liegt  eine  Landschaft,  welche» 
Ton  oben  gesehen,  zwar  als  Plateau  erscheint,  in  der  That  jedoch 
wegen  der  steilen  und  engen ,  von  den  Gewässern  überall  einge- 
rissenen Schluchten  eher  als  ein  vielfach  zerspaltenes  Hügelland 
zu  bezeichnen  ist.  Weiter  6.  steigt  der  Westrand  des  Sandiymirer 
Gebirges  mit  den  scharf  ausgezackten  Felsenkämmen  der  6-700  m 
hohen  LyaaOöra  (kahler  Berg)  empor.  —  Unweit  ö.  von  Tschensto- 
chau  die  alte  Burg  (11km)  Olsztyn  (OibrnTUHi)  und  (10  km)  das 
Kloster  Mstow  {McroB'h), 

Jenseit  Tschenstochau  begleiten  uns  links  die  Ausläufer  des 
Berglandes ,  rechts  die  Sumpfniederungen  der  Wartha.  —  85  W. 
Budniki  (PyAHHKH).  —  95  W.  Klomnitz  (KiOMHHqe).  —  102  W. 
Widzow  (Bhasobi).  —  Vor  (113  W.)  Radomsk  (Pa^OHCKi),  Kreis- 
städtchen (3853  Einw.)  mit  schönem  Rathhaus  und  Franziskaner- 
kloster, tritt  die  Bahn  wieder  auf  das  r.  Ufer  der  Wartha. 

lieber  Kamiensko,  Oorschkowitz,  Rosprza  nach 

155  W.  Petrikau  {Petrokow,  Piotrkow,  UeTpOKOBi.  —  Bahn- 
restaur.) ,  Gouvernements-  und  Kreisstadt  (25,000  Einw.) ,  an 
dem  kleinen  Fluss  Stradra,  Nebenfluss  der  Piliza,  eine  herunter- 
gekommene Stadt  mit  schönem  Rathhaus,  vier  alten  Klöstern  und 
9  Kirchen  (1  luth. ,  1  griech. ,  7  kath.) ,  verfallenem  Schloss  und 
einer  ausschliesslich  von  Juden  bewohnten  Vorstadt.  Petrikau  ist 
eine  der  ältesten  Städte  Polens.  Im  xv.  und  xvi.  Jahrh.  wurden 
unter  den  Jagellonen  hier  die  Reichstage  abgehalten  und  die  Könige 
gewählt;  später  war  Petrikau  der  Sitz  des  Oberlandesgerichts  (des 
alten  Krontribunals)  für  die  grosspolnischen  Provinzen.  König 
Kasimir  der  Grosse  Hess  die  Stadt  mit  einer  Mauer  umgeben. 
1702  wurde  sie  von  den  Schweden  gebrandschatzt,  welche  jedoch, 
von  einem  polnischen  Corps  überfallen ,  ihre  mit  Gold  beladeneh 
Wagen  den  Siegern  lassen  mussten.  1769  wurden  hier  die  Anhänger 
der  Bar'schen  Gonföderation,  geschlossen  zum  Schutz  der  Einheit 
und  Reinheit  der  heil.  Kirche  (S  6),  von  den  Russen  geschlagen. 

Stationen  Baby,  Rokiciny, 

192  W.  KoluBchki  {Koluszki,  KojnmKH.  ~  Bahnrestaur.). 

Zweigbahn  in  24  Min.  (für  98,  74  oder  39  Kop.)  nach  (28  km)  lods 
(JIoASb.  —  *Qrand  Hötel^  ersten  Ranges,  Bes.  Pet.  Schwarz,  Petrikauerstr., 
nahe  dem  Bahnhof),  sehr  schnell  emporgewachsene  Fabrikstadt  (gegen 
113,(X)0  Einw.,   davon  1/4  Arbeiter,  allein  die  Carl  Scheibler^sche  Baum- 


nach  Warschau,  WARSCHAU.  .3.  Route.    9 

woUen-ManufMtur  beschäftigt  über  8000),  sehr  hübsch  awisehen  WÄldern 
gelegen,  mit  mehreren  hundert  Webereien.  Der  Kohlenconsum  von  Lodx 
hat  sieh  in  den  Jahren  1875-1882  mehr  als  verdreifacht.  Ueberhaupt  hat 
die  Xähe  des  Kohlenbeckens  an  der  oberen  Weichsel  hier  eine  dichtere 
Bevölkerung  hervorgerufen;  ganz  nahe  bei  Lodz  die  meist  von  Deutsehen 
bewohnten  Fabrikstädte  Zgierty  Ozorkow^  TonuuzoWf  Pabianice.  —  Von  War- 
schau  nach  Lodz,  126  W.,  Eisenbahn  in  3Vs  St.,  für  4.69,  3.53,  1.86  B. 
Von  Koluschki  nach  (151  W.)  Ostroweti  (Ostratciec^  OcrpoBei^)  über 
Bsin  (8.  5),  Eisenbahn  in  c.  10  8t.  für  5  B.  66,  4B.  25,  2B.  17  Eop. 

Weiter  über  Bogöw  und  Plyqjwa  nach 

228  W.  Skierniewiti,  Knotenpunkt  der  Bromberg- Warschauer 
Bahn  (S.  3). 

291  W.  Warschau. 


3.    Warschan  und  TTingebimgen. 

Ankunft»  Die  meisten  Hotels  haben  beim  Eintreffen  der  Zuge  Hotel- 
wagen und  deutsehsprechende  Ck>mmissionäre  am  Bahnhof,  welche  das 
Gepäck  der  Beisenden  besorgen.  —  Den  Droschkenkutschern  gegenüber 
ist  Vorsicht  geboten,  da  diese  die  höheren  Taxen  von  den  Bahnhöfen  zur 
Stadt  (S.  10)  noch  zu  steigern  suchen. 

Bahnhöfe.  Warschau  hat  4  Bahnhöfe.  Auf  dem  linken  Weichselufer : 
1.  der  Warschau -Wiener  Bahnhof  (Dworzec  drogi  ielaznej  War- 
zawskiej  Wiedenskiej,  BapmascKas  BftHCKan  xejnsHaji  j(opora)  nir  die 
Bahnen  nach  Krakau,  Wien  und  Thorn,  Bromberg,  Berlin,  sowie  auch 
für  die  Weichselbahn  (P1.D4).  —  2.  Der  Bahnhof  detr  Weichsel- 
bahn (Dworzec  drogi  zelaznej  yadwistanskiei,  npHBHCJtaHCRaa  aieji«3Haa 
xopora.  8. 33),  für  die  Züge  nach  Mlrawa  und  Danzig,  bei  der  Gitadelle  (PI.  G7). 
—  Auf  dem  r.  Ufer  der  Weichsel  in  Praga:  der  Warschau-Peters- 
burger Bahnhof  (Droga  2eiazna  S.  Petersburg.  Warsz. ;  CaHBinerep- 
GypcKO-BapmascKaH  xe.i«8Bafl  xopora)  für  die  Bahn  nach  Wilna,  Dünaburg 
und  St.  Petersburg  und  der  Warschau-Terespoler  Bahnhof  (Dr. 
Zel.  Wa^sz.  Terespolska  *,  Bapm.  TepecnOiibCKaa  mex.  xop.)  für  Brest- 
Litowsk,  Moskau,  Kiew,  Lublin,  Kowel  (PI.  G  6).  Verbindung  der  beiden 
TJfer  durch  Pferdebahn. 

Hotels.  *Höt.  del'Euro|»e  (PI.  a :  F  4) ,  Krakauer  Vors  tadt  13  (Kra- 
kowskie  Przedmie^cie) ,  das  grös$te  Hotel  in  Warschau  (250  Z.) ,  mit  ent- 
sprechenden Preisen,  vorzügliche  Küche,  Bäder  u.  s.  w. ;  *Höt.  Bry- 
1  o  w  s  k  i  (PI.  b :  E  4) ,  Kotzebuestrasse  14  (ülica  Hrabia  Kotzebue) ,  gute 
Küche;  *Hdt.  Bzymski  (PI.  F4),  Kowo  Senatorska •,  «Hot.  Victoria 
(PI.  c:  F5),  Jasna  8,  deutsch,  nicht  theuer  (Z.  von  80  Kop.-8  B.).  —  Mehr 
zweiten  Banges:  Hot.  Paryski,  Bielanska  9;  Francuski,  Zielony 
Plac  11;  Niemiecki,  Dtuga  31 ,  alle  drei  empfehlenswerth ;  Hot. 
Angielski,  Wierzbowa  6;  Drezdenski,  Dluga  38;  Krakowski, 
Bielanska  7 ;  P  o  1  s  k  i ,  Dluga  29 ;   S  a  s  k  i ,  Krakauer  Vorstadt  33. 

Beatanraats.  In  den  meisten  Hotels  z.  B.  Cafe  de  l'Europe, 
hübsch  gelegen  an  der  Ecke  des  Hotel  de  TEurope  (Krakauer  Vorstadt), 
viel  besucht  aber  nicht  billig;  Bocquet  im  Hot.  Bzymski;  Hot.  Bry- 
lowski  u.  a. ;  femer  Best.  d^Angleterre;  Pierre  (gegenüber  dem 
Bdtel  de  TEurope);  *Beiner,  Jerusalemerstr. ;  *Stepkowski,  am 
Theaterplatz  (Plac  teatralny);  SehwechaterBierhalle  von  A.Dreher, 
Trembazka  (Trebacka);  Foukier  am  Altstadtplatz  (Stare  Miasto),  alte 
Weinhandlung  (Ungarweine);  Sporkert,  deutsches  Local  auf  der  Dluga, 

Sutes  Bier. —■  Schweizerthal  und  Bagatelle  an  der  Allee  von  Ujaz- 
ow  (8. 19). 

Conditoreien (Gukiernia) :  Cafe  Lourse  im  Hot.  deTEurope;  Bott, 
Krakauer  Vorstadt  bei  der  Trebacka;  im  Sächsischen  Garten  u.  a.  Das 
Warschauer  Gebäck  ist  berühmt. 


10    B<nae  3,  WARSCHAU.  Theater. 

Bftdeftiutalteii.  Aetien-Badeanstalt  an  der  Alexander -Brücke 
(von  der  Krakauer  Vorfitadt  kommend  r.);*Haximilian  Fajana  in 
der  Krakauer  Vorstadt«  elegant,  theuer:  l>ianabad,  Chmelnia,  sowie 
in  mehreren  Hotels;  zahlreiche  kleinere  Badeanstalten,  an  der  Aufschrift 
KqpieU  kenntlich  j  Flussbäder  im  Sommer  in  der  Kähe  der  Alexander* 
brücke. 

Xluba.  K a u f m anns-Bessource  (Resursa  kujpiecka),  in  der  Sena- 
torstrasse 38  im  früheren  Palast  Mniszchowski j  Bürger-Ressource 
(polnisch)  in  der  Krakauer  Vorstadt  04;  RussischerClub  (Club  ruski, 
S.  18) ;  J a g d e  1  u b  (Club  myiliwski)  in  der  Krölewska  4;  Harmonia, 
z.  Z.  Hot.  de  TEurope,  deutsche  Oesellschaft ,  Fremde  durch  Mitglieder 
einzuführen;  Yachtklub  (Warszawski  Yacht-Klub,  viel  Beulsche),  im 
Winter  in  der  Krölewska  neben  dem  Teatr  nowy,  im  Sommer  im  eignen 
Gebäude  an  der  Weichselbrücke. 

Theater.  Stadttheater  (S.  21)  in  der  Senatorstr.  (Theaterplatz,  PI.  25: 
E,F4):(}ros8esTheater  (Teatr  Wielki)  für  Opern  (bisweilen  Italien.), 
Ballet  berühmt;  Kleines  Theater  (Teatr  Rozmaitoici)  im  1.  Flügel  für 
Schauspiele  u.  s.  w.  I.  Rang  1-1.50  R.,  IL  R.  6QKop.-l  R.,  Park.  50- 
60  Kop.  Anf.  g«w.  7  TT.  Im  Sommer  gesehloisen,  dU  Trut^pe  spielt  dann 
im  Sommertheater  des  Sächsischen  Gartens  (s.  unten).  —  II.  Ranges: 
Neues  Theater  (Teatr  Nowy)  in  der  Krölewska  (P1.E5)  u.  Kleines 
Theater  (Teatr  maty),  in  der  Danielewiczowskaja  (PI. E4),  Operette, 
Lustspiel,  bisweilen  deutsche  Stücke,  Preise  verschieden.  —  Sommer- 
t  h  e  a  t  e  r'im  Sachs.  Garten  (S.  17),  Parket  40-80  Kop.  —  Theater  IIL  Ranges : 
Eldorado  in  der  Dluga  neben  dem  Polnischen  Hdtel;  Alhambra  in 
der  Miodowa,  beide  nur  für  Herren,  u.  a. 

Yergnü^ngsorte.  Schweizerthal  (Dolina  swajcarska)  an  der Ujaz- 
dowska-Allee  (PI. F,  GS);  Zoologischer  Garten  (Ogröd  zoologiczny) 
Bagatela,  Promenada  Belvederska,  im  Süden  der  Stadt  (PI. G 8);  Mar- 
een in  und  Sielanka  am  s.  Ende  der  Belvederska.  —  Einfacher:  Die 
Sächsische  Kempe  (Saska  k^pa)  auf  dem  r.  Weichselufer. 

Bankiers.  Polnische  Bank  am  Bankplatz  (PI. £4);  Credit  fon- 
cier.  Ecke  der  Mazowiecka  und  Erywanska  (PI.  E5);  Commerzbank 
in  der  Wlrodzimirska  ;Discontobankin  der  Krakauer  Vorstadt ;  G  e  g  e  n  - 
seitige  Creditgesellschaft  im  Börsengebäude  in  der  KrölewsRa. 

Konsulat«.  Deutsches  Reich:  General -Konsul  Freiherr  von  Rechen' 
berff.  Geh.  Legationsrath,  Mazowiecka  11.  Oesterreich-tTngam :  General- 
Konsul  Baron  Kraus  ^  Jasna  6.  Grossbritannien:  General  -  Konsul  F.  C, 
Maudet  Smolna  25.  Frankreich:  General-Konsul  F.  /.  AT.  Bayardy  Mazo- 
wiecka  20.  Italien:  General  -  Konsul  Miecislow  von  Epstein.  Belgien: 
General -Konsul  cT  Epstein  ^  Mazowiecka.  9.  Niederlande:  Konsul  Willekei 
Mae  Donald,  Nowogrodzka  29.  Schweden  und  Norwegen :  Konsul  /.  Blocke 
Marszatkowska  154.  Schweiz:  Konsul  ffanselmann,  Sto.  Krzyzka  1. 
Amerika:  Konsul  /.  Ravicr,  Erywa&ska  12. 

Kirchen.  Lutherische  Kirche  (PI.  10:  F5)  in  der  Mazowletzka  (S.  17); 
Re/ormirte  Kirche  (PI.  16:  E  4)  in  der  Lescbnostr.  (S.  22).  —  Griechisch' 
russische  Kirche:  Russische  Kathedrale  (PI.  12:  ES)  am  Kraslnski- Platz 
(S.  21).  —  Rifmisch-katholische  Kirche:  Kathedrale  St.  Johann  (PI.  17:  F 3) 
in  der  St.  Johann-Strasse  (S.  23).  Kath.  Kirche  in  der  Senatorstr.  (PI.  16a, 
E4;  S.  23).  —  Griechisch-unirte  Kirche:  Basillaner-Kirehe  (PI.  6:  FS, 4)  in 
der  Miodowa-Strasse  (S.  21).  —  Englische  Kirche  Bergstr.  S.  —  Israelitischer 
Kultus  in  der  Synagoge  in  der  Tlomatzkajastrasse. 

Post  (PI.  24:  F5)  am  Waretzkiplatz.  —  Telegraph  im  Palais  Brühl, 
an  der  Hrabia  Kotzebue.  —  Polixei  und  Passbureau  im  Rathhaus  in  det 
Senatorska ,  gegenüber  dem  Theater  (PI.  E  4). 

Bampftchifle.  Kleine  Passagier -Dampfboote,  die  Weichsel  auf-  und 
abwärts,  von  der  Alexanderbrücke,  Mo.  Mi.  Fr.  51/3  Uhr  Morg.,  nach 
Nowa-Alexandria-Sandomir ,  an  denselben  Tagen  9  IJhr  Vorm.  nach  der 
preussischen  Grenze,  Nowo-Georgiewsk,  Piock,  Nieszawa,  Thorn,  Danzig 
(s.  R.  4). 

Wagen.  Droschken  (Tpoftsa,  Doroiki)  stehen  in  allen  Strassen.  Die 
Kutscher  sprechen  meist  Deutsch.    Preis  für  eine  Fahrt  innerhalb  der 


Sehensumrdigkeiten,      WARSCHAU.  3.  Route»     11 

Sehlagbäume  (Bogt^ki)  Zweisp.  35,  Nachts  (13  Uhr  N.  bia  7  TJhr  Morg.) 
AO'Sop.,  Einsp.  30  u.  35Kop.;  1  St.  65  u.  80,  Einsp.  55  u.  70  Kop.,  jede 
folg.  St.  40  u.  Ki  Eop.,  Einsp.  35  u.  50  Kop.  Von  den  Bahnhöfen  zur 
Stadt  Zweisp.  75 Kop.  u.  i  B.,  Einsp.  55  u.  75 Kop.;  nach  den  Bahnhöfen, 
nach  Praga,  Gytadelle,  {«azienki,  Gzemiakowska ,  Solce  35  u.  55,  Einsp. 
35  und  50  Kop.  —  Gepäck  pro  Pud  15,  Einsp.  10  Kop.  I>ie  Fuhrwerke 
machen  im  ersten  Augenblick  einen  recht  schlechten  Eindruck  \  die  Pferde 
(Polaken)  entbehren  fast  gänzlich  der  Pflege,  laufen  aber  sehr  schnell, 
wie  die  stehende  Frage  des  Kutschers  an  den  Fahrgast  »gdzie  poleoiemy*^ 
(wohin  fliegen  wir  ?)  bezeugt.  —  Equipagen  sind  in  allen  Hotels  zu  haben. 
Pferdebahnen  in  allen  Hauptstrassen  und  nach  den  Bahnhöfen,    Fahr- 

J>reis  für  eine  Theilstreeke  I.  Gl.  7,  II.  Gl.  ö  Kop.  Die  Hauptlinien  sind 
ölgende:  1.  Mokotow-Wolaler  Schlag,  Fahne  blau-,  — 3.  Moko- 
tow-Zamkowy platz,  Fahne  grün;  — 3.  Mokotow-Pow^zki,  Fahne 
weiss;  —  4.  Aleicanderplatz-Sto-Jeroka,  Fahne  roth;  —  5.  Po- 
w^zki-Warschau-Wiener  Güterbahnhof,  Fahne  hellbraun;  — 
6.  Warschau-  Wiener -Personenbahnhof  •  Muranowplatz, 
Fahne  gelb  und  roth;  —  7.  Zamkowyplatz-Terespoler  Bahnhof, 
Fahne  grün  und  roth ;  —  8.  Zamkowyplatz-St-PetersburgerBahn- 
hof,  Fahne  grün  und  weiss;  —  9.  Muranowplatz-Grzybowska- 
Strasse,  Fahne  gelb. 

Omnibus  vom  Krasinsky-  u.  Zamkowy platz  nach  Praga ,  dem  War- 
schau-Wiener Bahnhof,  zum  Alexanderplatz  und  Wolaer  Schlag,  nur  von 
den  niederen  Klassen  benutzt  (Fahrt  5  Kop.)  und  nicht  zu  empfehlen. 
Bei  beaehrAnkter  Zeit  genügen  für  Warschau  3  Tage. 
Hauptsehenswüdigkeiten:  Strassenleben  (S.  13)  auf  der  Kra- 
kauer Vorstadt  und  Keuen  Welt,  Sächsischer  Garten  (8.  17),  Altstadt 
(S.  33),  Kathedrale  St.  Johann  (S.  33),  Allee  von  Vjazdow  (S.  19),  Kaiser- 
liches Lustsehloss  Lazienki  (S.  19)  und  Belvedere,  Königliches  Schloss 
(S.  15) ,  Alexanderbrücke  (S.  34).  —  Besondere  Erlaubniss  zur  Besichti- 
gung der  Sehenswürdigkeiten  ist  nicht  nothwendig;  selbst  das  Innere 
der  Gitadelle  lässt  man  den  Beisenden,  entgegen  den  sonstigen  russi- 
schen Gebräuehen,  meist  ungehindert  betreten. 

Warschau  {Warszawa,  Bapmasa),  die  Hauptstadt  des  General- 
goaTomements  Warschau  oder  Polen,  liegt  unter  62^ iA'  nSrdl. 
Breite  und  38^  41^  östl.  Länge  am  1.  Ufer  der  Weichsel  auf  dem  20- 
30  m  hohen  Thalrande ,  der  sich  nach  W.  hin  allmählich  in  eine 
-weite  hügelige  Ebene  abdacht,  nach  0.  stolz  auf  die  jenseit  des  hier 
400-800  m  breiten  Stromes  gelegene  und  mit  Warschau  durch  zwei 
stattliche  eiserne  Brücken  verbundene  Vorstadt  Praga  herabschaut. 
Die  Stadt  erstreckt  sich  von  N.  nach  S.  in  einer  Ausdehnung  von 
c.  6  km ,  ihre  Breite  beträgt  über  4  km ,  ihr  Umkreis  incl.  Praga 
c.  20  km.  Nach  der  Zählung  von  1872  hatte  Warschau  275,999, 
Anfang  1885 ;  432,000  Einw.  (V3  Juden,  angeblich  7000  Deutsche, 
jedoch  ist  die  Zahl  der  deutsch  redenden  Bewohner  erheblich 
grösser).  Die  mittlere  Jahrestemperatur  beträgt  -f  5°  9',  doch  sind 
schroffe  Temperaturwechsel  nicht  selten.  Warschau  ist  Sitz  des 
General-Gouverneurs,  des  Civil-Gouverneurs,  eines  Erzbischofs  der 
griechisch  -  russischen  und  römisch-katholischen  Kirche,  eines 
Bischofs  der  griechisch-unirten  Kirche ,  des  Kommandirenden  des 
Militärbezirks  Warschau  und  der  General-Kommandos  des  V.  und 
VI.  russ.  Armeekorps.  Die  Stadt  einschliessL  Praga  in  zwölf  Polizei- 
bezirke eingetheilt,  besteht  aus  der  Altstadt  {Stare  Miasto,  Cxapoe 
HftCTo),  der  Neustadt  {Nowe  Miasto,  HoBoe  Mtcxo)  nördlich  von 
jener ,  und  aus  den  Vorstädten :    Krakowskie  Przedmieicie  (Kra^ 


12     JRouU  3.  WARSCHAU.  Geschichte, 

kauer  Vorstadt;  KpaKOBCKoe  npeAHtcrie),  mit  ihren  gradlinigen 
Fortsetzungen ,  der  Nowy  Swiat  (Neue  Welt ,  HobuM  cv%Th)  und 
JJjazdowtika,  femer  Solez,Qrzyhow,Le8chno  u.  a. ;  rechts  der  Weichsel 
Praga  (die  Schwelle).  Eng  und  winklig  ist  die  Altstadt  gebaut;  im 
Uebrigen  jedoch  sind  die  Strassen  breit  und  luftig,  besonders  Kra- 
kowskie  PrzedmieScie  und  Nowy  Swiat.  Die  Anlage  einer  neuen 
Wasserleitung  und  einer  Canalisation  sind  auf  Besserung  der  sani- 
tären Verhältnisse  berechnet.  Warschau  besitzt,  abgesehen  von 
kleineren  Haus-  und  Institutscapellen ,  5  griechisch-russische,  27 
römisch-katholische,  1  lutherische  und  1  reformirte  Kirche ,  nicht 
wenige  Mönchs-  und  Nonnenklöster,  mehrere  Synagogen.  Eine 
Menge  (gegen  60)  fiskalische  und  Privatpaläste  zieren  die  Stadt. 
Die  ehemals  blühenden  wissenschaftlichen  Anstalten  haben  seit 
1830  viel  von  ihrer  Bedeutung  verloren.  Die  Universität  (Glawnaja 
Schkola)  zählt  c.  80  Lehrer  und  c.  1 100  Studenten.  Ausserdem  besitzt 
Warschau  11  Gymnasien,  3  Progymnasien,  2  Realschulen,  eine 
Thierarzneischule  u.  s.  w.  Warschau  zeichnet  sich  durch  blühende 
Industrie  aus.  1881  waren  258  Fabriken  und  gewerbliche  Anstalten 
vorhanden  mit  12,831  Arbeitern.  Dabei  sind  Maschinenbau,  Holz-, 
Leder-  und  Tabakindustrie  besonders  betheiligt.  Warschauer 
Lederwaaren  trifft  man  in  ganz  Russland.  Ueberhaupt  vereinigt  sich 
in  Warschau  ein  grosser  Theil  des  russisch  -  polnischen  Gewerb- 
fleisses  und  der  ganze  polnische  Binnenhandel  (Getreide-,  Vieh-  und 
Pferdemärkte,  2  Messen  und  Wollmarkt). 

Seit  lange  fast  eine  offene  Stadt,  wird  Warschau  jetzt  durch 
einen  Kranz  von  15  Forts  geschützt.  Am  Nordende  liegt  die  Ale- 
xander -  Citadelle  mit  ihren  6  Forts  und  dem  Brückenkopf  zum 
Schutz  der  grossen  neuen  Eisenbahnbrücke ;  vgL  S.  24. 

Die  Gesehiehte  Wsrsehau's  füllt  einen  grossen  Theil  der  Geschichte 
Polens  aus.  Es  soll  im  xii.  Jahrb.  durch  Kasimir  den  Gerechten  gegründet 
worden  sein.  Der  Name  deutet  auf  slav.  uerszem  oder  warszam  „auf  der 
Höbe".  1207  wird  es  zuerst  genannt.  Bis  1526  residirten  hier  die  Herzoge 
von  Masovien.  Die  Stadt  bestand  damals  nur  aus  der  Altstadt;  das  her- 
zogl.  Sehloss  (S.  15)  stand  am  südlichen  Ende,  von  weiten  Vorstädten  um- 
geben, die  nach  und  nach  mit  der  Stadt  vereinigt  wurden.  1526  fiel  das 
Feudal -Herzogthum  Masovien  und  mit  ihm  Warschau  an  Polen  zurück. 
Bereits  um  1550  von  König  Sigismund  II.  August  zur  Residenz  er- 
hoben, war  es  seit  Sigismund  III.  faktisch  die  Hauptstadt  Polens.  Nach 
dem  Aussterben  der  Jagellonen  1572  fanden  auf  dem  Felde  bei  Wola, 
einem  Dorfe  westlich  von  Warschau  (S.  26),  alle  Wahlreichstage  statt. 
Zur  Zeit  des  Niedergangs  der  polnischen  Macht  wurde  Warschau  im  August 
1655  durch  Carl  X.  Gustav,  König  von  Schweden,  genommen ;  am  1.  Juli  1656 
musste  jedoch  die  schwache,  kaum  aus  2500  Mann  bestehende  schwedische 
Besatzung  gegenüber  der  bis  auf  70,000  Mann  angewachsenen  polnischen 
Belagerungsarmee  kapituliren.  Am  28.-30.  Juli  16to  wurde  hier  die  3tägige 
Schlacht  von  Warschau  (s.  Grochow,  S.  28)  zwischen  der  schwediseh-bran- 
denburgischen  Armee  und  den  Polen  geschlagen,  und  die  Stadt  am  31.  Juli 
von  Schweden  und  Brandenburgern  besetzt.  —  August  IL  und  III.  Hessen  sich 
die  Verschönerung  Warschau' s  sehr  angelegen  sein.  Während  des  nor- 
dischen Krieges  wurde  die  Stadt  am  24.  Hai  1702  von  Carl  XII.  erobert. 
Im  Jan.  1704  sprach  der  Cardinal -Primas  auf  einer  Stände  Versammlung  in 
Warschau  die  Entthronung  des  Königs  August  II.  aus  und  im  Juli  wurde 
auf  der  Ebene  von  Wola  zur  Wahl  des  Woiwoden  von  Posen,  Stanislaus 


Geschichte,  WARSCHAU.  3.  Route.     13 

Leszczynski,  geschritten,  während  schwedische  Truppen  den  Wahlplatz 
umstellt  hatten.  Im  Sept.  1704  bemächtigte  sieh  August  durch  XJeberrasehung 
Warschau^s  und  des  Schlosses,  konnte  dasselbe  aber  gegen  den  in  Eil- 
märschen von  Lemberg  anrückenden  Carl  nicht  behaupten  (Friede  von 
Warschau  am  24.  "Sov.  1705).  1711  wurde  in  Warschau  der  Friede  zwischen 
August  und  den  €k>nföderirten  unter  russischer  Vermittelung  geschlossen 
und  am  90.  Jan.  1717  durch  den  grossen  Paciflcationsvertrag  vollzogen. 
ITach  dem  Tode  August  III.,  Oet.  1763,  wurde  Warschau  der  Schauplatz 
unaufhörlicher  Unruhen,  bis  die  Küssen  unter  dem  Fürsten  Bepnin  1764 
die  Stadt  besetzten,  mit  preussischer  Hülfe  die  Wahl  des  charakter- 
schwachen Stanislaus  Poniatow8ki,desGünstlings  der  Kaiserin  Katharina  II., 
zum  Könige  erzwangen  und  so  die  Buhe  auf  kurze  Zeit  herstellten.  Den 
nachfolgenden  Wirren,  welche  die  Theilungen  Polens  zur  Folge  hatten, 
machte  die  Erstürmung  Praga's  (S.  25)  durch  Ssuworow  am  5.  ^ov.  1794 
ein  Ende.  Warschau  selbst  ergab  sich  einige  Tage  darauf.  Nach  Ponia- 
towski*»  Abdankung  (25.  Nov.  1796)  fiel  Warschau  an  Prenssen  und  ward 
Hauptstadt  der  Provinz  Südpreuuen.  —  Am  28.  Nov.  1806  rückten  die 
Franzosen  unter  Davoust  und  Hurat  in  Warschau  ein;  später  war  es 
das  Hauptquartier  Napoleon^s.  Im  Frieden  zu  Tilsit  (7.  Juli  1807)  wurden 
Warschau  und  ganz  Südpreussen  von  Preussen  abgetreten  und  ersteres 
die  Hauptstadt  des  Sachsen  zugefallenen  OrossherzogthufM  Wiirschau.  — 
Am  81.  April  1809  zogen  die  Oesterreicher  ohne  weiteren  Kampf  in  die 
Hauptstadt  ein  und  hielten  sie  bis  zum  2.  Juni  besetzt.  Unter  sächsischer 
Aeglde  bestand  das  Grossherzogthum  nach  dem  Frieden  von  Wien  fort 
bis  zum  8« Febr.  1813,  wo  es  die  Russen  besetzten;  letzteren  wurde  es 
durch  den  Wiener  Gongress  zugesprochen  und  von  ihnen  zur  Hauptstadt 
des  Königreichs  Polen  erhoben.  1830  begann  die  grosse  polnische  Re- 
volution mit  dem  Aufstande  in  Warschau;  sie  endete  am  6.  und  7.  Sept. 
1831  mit  der  Erstürmung  der  Stadt  durch  die  Russen  unter  PaikewiUeh 
(S.  27).  Am  8.  Sept.  zog  Orossfürst  Michael,  der  jüngste  Bruder  des 
Kaisers,  an  der  Spitze  des  russischen  Heeres  in  Warschau  ein.  Auch 
1861-64  war  Warschau  der  Heerd  der  Aufstände  gegen  die  russische  Herr- 
schaft. Dem  Grafen  Berg  gelang  es  schliesslich,  dieselben  zu  unterdrücken, 
und  seit  dem  Wiedereintritt  der  Ruhe  ist  Warschau  in  stetigem  Wachs- 
thum  begriffen. 

Das  elegante,  beitere  und  animirte  Strassenleben.  in  Warschau 
bietet  Interessantes  in  Fülle.  Die  eleganten  Equipagen  des  russi- 
schen und  polnischen  Adels,  die  russischen  Gespanne ,  häufig  von 
Offleieren  gelenkt  und  an  der  Duga,  dem  Bogen  mit  dem  Glockchen 
kenntlich,  die  zahlreichen  Droschken,  deren  Führer  jedes  Hemmnlss 
mit  lauten  Flüchen ,  unter  denen  der  Ausdruck  Pia  krew  (Hunde- 
blut)  am  beliebtesten  ist ,  zu  beseitigen  suchen ,  die  Pferdebahn- 
wagen  und  daneben  die  dürftigen  Gefährte  des  Landvolks  geben  ein 
ebenso  buntes  und  an  Gegensätzen  reiches  Bild  wie  die  Fussgänger, 
-wozu  nach  neuester  Mode  gekleidete,  elegante  Flaneurs,  die  zahllosen 
Uniformen  der  Beamten,  die  starke  Garnison  und  das  Landvolk  mit 
seinen  verschiedenen  Trachten  beitragen.  Unter  dem  männlichen 
Theil  der  Landbevölkerung  fallen  die  meist  grossen  und  starken 
Gestalten  auf,  mit  dem  langen ,  auf  der  Stirn  gerade  geschnittenen 
Haar,  bedeckt  von  der  viereckigen  Mütze  aus  schwarzgrauem  Schaf- 
fell oder  einem  kleinen  niedrigen  Hut ,  dem  grauen ,  weissen  oder 
dunkelblauen  Tuch-Eaftan  (Sukman),  mit  bunten  Schnüren  an  den 
Nähten  und  mit  wollenem  Gürtel  umwunden ,  den  langen  Stiefeln 
mit  hohen  Absätzen  oder  Schuhen  aus  Leder,  auch  Lindenbast 
(Kurpje) .  Charakteristisch  ist  ihnen  die  kurze  Oberlippe,  die  stumpfe 
kurze  Kosciuszko-Nase,  der  sog.stumpfe,  d.h.  nicht  hervorspringende 


14     Route  3.  WARSCHAU.  Zamkovy-Ftatü. 

Hacken,  der  sprichwörtlich  gewordene  starke  und  kurze  Nacken  und 
die  parallel  gestellten  Füsse.  Die  Polinnen ,  welche  einen  hervor- 
stechenden Hang  haben  zu  glänzen  und  Eindruck  zu  machen, 
zeichnen  sich  im  allgemeinen  weniger  durch  Schönheit  des  Ge- 
sichts als  durch  schönen  Wuchs,  schmiegsame  feine  Taille  und 
graziösen  Gang  aus.  Bemerkenswerth  ist  der  gute  Geschmack,  mit 
dem  jede  Polin  sich  zu  kleiden  versteht.  Die  weihliche  Bevölkerung 
übertrifft  übrigens  in  Warschau,  wie  in  Polen  überhaupt,  an  Zahl 
die  männliche  bedeutend,  während  in  Petersburg  das  umgekehrte 
Yerhältniss  stattfindet.  Die  polnische  Sprache,  die  man  trotz  des 
äusserlich  ganz  russischen  Anstrichs  der  Stadt  fast  ausschliesslich 
zu  hören  bekommt,  gefällt  unserm  Ohre  besser  als  der  Zunge,  welche 
mit  der  Häufung  der  Gonsonanten  zu  kämpfen  hat.  Sie  übertrifft 
aber  an  Reichthum  und  Biegsamkeit,  sowie  treffender  Kürze  alle 
anderen  slavischen  Mundarten. 

Zu  dem  fashionablen  Treiben  stehen  in  unangenehmem  Gegen- 
satz die  vielen,  äusserst  unsauber  aussehenden  Juden,  welche  ganze 
Stadtviertel  (besonders  n.  vom  Krasinski-Garten ,  s.  unten)  in  An- 
spruch nehmen. 

Die  Anzahl  der  Juden  im  ganzen  Königreich  Polen  beträgt  etwa 
Vs  der  Gesammtbevölkerung;  1/3  aller  Juden  der  ganzen  Erde  wohnt 
innerhalb  der  Orenzen  des  alten  Polens.  Das  ßlaventhum  ist  der  Aus- 
bildung des  dritten  Standes,  des  Bürgerthums ,  niebt  günstig,  und  die 
Anfänge  desselben  datiren  in  Eussland  erst  aus  neuerer  Zeit.  In  Polen 
aber  war  die  Kluft  zwischen  Adel  und  Bauern  eine  so  grosse,  dass  bei 
dem  Bedürfniss  nach  Gewerben  und  Handel  man  kein  'anderes  Mittel  fand, 
als  Deutsehe  und  Juden  ins  Land  zu  rufen.  Das  Judenthum  in  Polen 
hat  somit  in  gewissem  Sinne  eine  culturgesehiehtliche  Berechtigung.  So- 
weit das  polnische  Scepter  reichte,  drangen  auch  die  Juden  vor ;  bei  dem 
abwehrenden  Verhalten  des  Bussenthums  ihnen  gegenüber  war  so  ihre 
Ausbreitung  enge  mit  der  ihres  Gönnerstaates  verbunden  und  noch  heute 
sind  auf  der  alten  Grenzlinie  der  Polen  gegen  Osten ,  längs  des  Dnjepr, 
auch  die  Grenzstationen  der  Juden  deutlich  erkennbar.  —  Der  Kleinhandel 
in  Polen  wird  fast  ausschliesslich  von  Juden  betrieben;  viele  von  ihnen 
besitzen  Landgüter,  Fabriken  u.  s.  w.  und  der  verschuldete  polnische 
Adel  ist  zum  grossen  Theil  in  ihren  Händen.  Xeuerdings  sind  innen  viel- 
fache Beschränkungen  auferlegt. 

Bei  dem  lebhaften  Treiben,  dem  bedeutenden  Geschäftsverkehr 

erinnert  nichts  an  die  trüben  Schicksale  Warschau^s  noch  in  neuerer 

Zeit.  Zahlreiche  Locale,  die  man  sonst  in  russichen  Städten  so  sehr 

vermisst,  dienen  dem  Vergnügen  der  Bewohner.  Das  Strassenpflcuter 

freilich  ist  fast  durchweg  sehr  schlecht,  selbst  die  Hauptstrassen 

gleichen  mehr  mangelhaft  gepflasterten  Chausseen. 


Im  Mittelpunkt  der  Stadt  und  des  Verkehrs ,  zwischen  der  Alt- 
stadt und  den  jetzt  zum  Haupttheil  der  Stadt  gewordenen  Vor- 
städen,  liegt  der  iSamkowy-Plats  (PI.  F4).  In  der  Mitte  die  Bronze- 
Statue  des  Königs  Sigismund  HL  ( Wasa),  in  der  rechten  Hand  das 
Schwert,  in  der  linken  das  Kreuz  haltend,  auf  8  m  hoher  Monolith- 
säule aus  schwarzem  Krakauer  Marmor.  Die  Säule ,  mit  Bronze- 
Kapitell,  trägt  ein  etwas  zu  schweres  Gebälkstück  aus  Marmor, 


r 

I  Schloss,  WARSCHAU.  3.  Raute.     15 

,  dai^ber  das  würfelförmige  Postament  mit  der  Statue.   Das  Denk- 

mal wurde  1643  von  Sigismunds  Sohn,  Wladislaw  IV.,  errichtet. 
1854  wurden  am  Fuss  der  Säule  Tritonen,  von  Kiss  modellirt,  auf- 
gestellt und  1887  das  ganze  Denkmal  restaurirt.  Im  J.  1861  war 
der  Platz  Zeuge  der  bedeutendsten  revolutionären  Kundgebungen. 

An  der  Ostseite  des  Platzes,  nach  der  Weichsel  zu ,  erhebt  sich 
das  ehemalige  ^Königliche  Schloss  {Zamtk  Krölewski,  KopoieBCKiü 
daHOKiyPl.  F  3, 4 ;  Erlaubniss  zur  Besichtigung,  auch  für  die  übrigen 
kaiserl.  Schlösser,  ist  bei  der  Verwaltung  der  kaiaerl,  Schlösser,  im 
Haupteingang  1.  einzuholen) ,  von  den  masovischen  Herzogen  ge- 
gründet ,  durch  Sigismund  III.  und  Wladislaw  IV.  umgebaut  und 
zum  Besidenzschloss  eingerichtet,  durch  August  II.  und  Stanislaus 
Poniatowskl  bedeutend  verschönert.  Poniatowski  Hess  das  Schloss 
nach  eigenen  Plänen  ausbauen  und  mit  Werken  der  Sculptur  und 
Malerei  schmücken.  Jetzt  dient  es  als  Besidenz  des  Kaisers,  wenn 
er  in  Warschau  ist ;  den  Östlichen  Theil  in  der  Nähe  der  Gärten 
und  der  Weichsel,  mit  den  ehemaligen  polnischen  Königszimmern, 
bewohnt  der  General-Gouverneur  von  Polen ,  der  westliche  Theil 
wird  von  den  Militärbehörden  benutzt.  Sehenswerth  sind  der  ehe- 
malige Thronsaal ,  die  ehem.  Säle  des  Senats  und  der  Deputirten- 
kammer,  der  marmorne  Ballsaal  mit  Büsten  berühmter  Polen  u.  s.  w. 
Die  Säle  enthalten  noch  mancherlei  Gemälde  und  Sculpturen  (Por- 
traits  polnischer  Könige ,  Ansichten  von  Warschau  von  Canaletto» 
Bilder  aus  der  poln.  Geschichte  von  Bacciarelli) ,  wenn  auch  die 
meisten  Kunstgegenstände  und  andern  Kostbarkeiten  aus  früherer 
Zeit  1831  nach  St.  Petersburg  und  Moskau  geschafft  worden  sind. 
Aus  den  oberen  Fenstern  des  Schlosses  geniesst  man  eine  schöne 
Aussicht  auf  die  Weichsel,  die  Vorstadt  Praga  und  die  weite  frucht- 
bare, mit  Ortschaften  und  Fabriken  bedeckte  Niederung  am  1.  Ufer. 

Geht  man  vom  Zamkovyplatz  die  Strasse  {Zjazd,  3t8Ai,  PI.  F  4) 
zur  Alexanderbrücke  (S.  24)  hinab,  so  gewinnt  man  einen  hübschen 
Blick  auf  das  Schloss  von  der  Wasserseite,  an  welcher  terrassen- 
förmig angelegte  Gärten  sich  hinziehen.  Unter  den  die  Terrassen 
tragenden  Pfeilern  befinden  sich  die  Ställe  der  zum  Gonvoi  des  Ge- 
neral-Gouverneurs gehörigen  Kosaken-Sotnie  (Bezeichnung  für  eine 
geschlossene  Abtheilung  von  hundert  Pferden) ,  als  Soutien  für  die 

nahe  Schlosswache  angelegt. 

Zur  Besichtigung  der  Kosaken-Ställe  lohnt  es  wohl,  die  Kampe 
links  von  der  Brücke  hinunterzusteigen.  Der  Posten  verwehrt  zwar 
den  Eintritt  dureh  das  Hauptthor  der  Ställe;  man  hat  aber  Gelegen- 
heit, durch  andere  Thüren  hineinzukommen,  um  einen  Einblick  in  die 
Stalleinriehtungen  zu  gewinnen.  Auch  lockt  das  Treiben  der  Kosaken, 
die  Gewandtheit,  mit  der  sie  sattel-  und  bügellos  reiten,  stets  zahlreiche 
Zuschauer  an. 

In  der  Nähe ,  unterhalb  des  Schlosses ,  der  kleine  Palast  Pod- 

hlachoi  CAoM'B  noAiÖMXofl ;  PI.  23 :  F  4) ,  früher  den  Grafen  Lu- 

bomirski  gehörig,  dann  vom  Könige  Stanislaus  August  gekauft  und 

seinem  Neffen  Joseph  Poniatowskl  geschenkt.    Jetzt  befindet  sich 

darin  die  Kanzlei  des  Gouvernements. 


16    Soute  5.  WARSCHAU.       Krakauer  Vorstadt, 


Vom  Zamkovy- Platz  verfolgen  wir  in  s.  Richtung  die 
kowskie  Priedmiescie  {Krakauer  Vorstadt,  KpaKOBCKoe  npeAK'bc- 
xie,  PI.  F  4,  5) ,  eine  der  schönsten  und  belebtesten  Strassen  War- 
schaus, mit  glänzenden  Magazinen,  grossartigen  Palästen  und  statt- 
lichen Kirchen.  —  L.  zunächst  gegenüber  der  verlängerten  Miodowa 
die  stattliche  Kirche  der  hl.  iUina  (PL  7:  F4),  ehemals  zu  einem 
Bernhardinerkloster  gehörig.  Von  dem  Bau  des  xv.  Jahrh.  ist  noch 
ein  Thell  des  Kreuzganges  auf  der  Südseite  und  die  Sakristei 
(schöne  Intarsien)  übrig;  das  wirkungsvolle  Innere  wurde  1749  aus- 
gemalt, die  Fagade  1788  aufgeführt,  vor  kurzem  die  ganze  Kirche 
renovirt. 

Neben  der  Kirche  das  1875  begründete  Museum  für  Industrie  u. 
Ackerhau  (Muzeum  przemystu  i  rolniciwa) ,  Ausstellungszwecken 
dienend;  gleich  darauf  I.,  an  der  Ecke  der  Bednarska ,  das  Haus 
der  wohlthätigen  Gesellschaft  mit  der  Inschrift:  „Res  sacra  miser^S 
während  seines  Exils  von  Ludwig  XVIII.  zeitweise  bewohnt ;  davor 
eine  kleine  Statue  der  Jungfrau  Maria.  In  der  Bednarska  selbst 
ein  anderes  Haus  der  Gesellschaft,  ein  Theil  des  alten  prachtvollen 
Palastes  Kazanowski. 

Es  folgt  1.  die  Kirche  des  h,  Josef,  ursprünglich  eine  Karme- 
literkirche (PI.  15),  1672-1701  erbaut,  dann  das  sogen.  Palais 
Namienistkowski,  jetzt  Sitz  des  Oouvemements  (Rz%d  Gubernialny 
W.,  AoHi  B^AOHOCTBa  MüHHcrepcTBa  BnyTpeHHHxi  A'l^ii») ,  Ende 
des  xviii.  Jahrh.  im  Besitz  der  Radziwills. 

Die  grossartige  Pracht,  welche  Fürst  Karl  Radziwill  (f  1790)  in  seinem 
Palaste  in  der  Krakauer  Vorstadt  entfaltete ^  überstrahlte  Alles,  was 
andere  Magnaten  zu  leisten  vermochten.  Sein  Palast  übertraf  alle  andern  an 
Grösse.  Im  obern  Stock  befand  sich  früher  das  Theater,  dann  versammel- 
ten sich  darin  während  der  Reichstage  bunte  Schaaren  zu  grossen  Be- 
douten.  Als  erklärter  Feind  alles  Fremdländischen  hatte  Radziwill  auch 
in  der  Ausstattung  seiner  Paläste  den  westeuropäischen  Geschmack  fern 
gehalten :  getünchte  Wände ,  roh  und  schwer  gearbeitetes  Geräth ,  aber 
massiger  Goldschmuck,  edles  Gestein  umgaben  ihn.  Kur  wo  er  gegen- 
über dem  modernen  Warschau  glänzen  wollte,  konnte  er  den  europäi* 
sehen  Luxus  nicht  umgehen.  Berüchtigt  ist  die  verschwenderische  Her« 
richtung  dieses  Palastes  1786  zur  Feier  des.  Jahrestages  der  Vereinigung 
Litauens  mit  Polen. 

Vor  dem  Palast  ein  Denkmal  des  Fürsten  Paskewitsch  (S.  27), 
gegenüber  das  Potochi'sche  Palais,  im  J.  1792  erbaut ;  auf  dem  Hof 
ein  provisorisches  Gebäude  für  die  permanente  Gemäldeausstellung ; 
dann  r. ,  Ecke  der  Crysta ,  das  Hotel  de  PEurope  (S.  9).  Rechts 
Öffnet  sich  hier  der  an  2*/{  Hectaren  grosse  Säehsisehe  Plats  (Plae 
Saski,  CaKCOHCKaH  njomaAb,  P1.F4),  auf  dem  früher  häufig  die  Pa- 
raden und  sonstige  militärische  Schauspiele  abgehalten  wurden. 
Die  Mitte  des  Platzes  ziert  ein  Denkmal,  von  Kaiser  Nikolaus  zum 
Gedächtniss  der  am  29.  Nov.  1830  gefallenen  treugebliebenen  pol- 
nischen Generale  errichtet:  ein  abgestumpfter  Obelisk  aus  Guss- 
stahl auf  einer  achteckigen  Marmorbasis,  an  deren  Fuss  8  ruhende 
Löwen. 

An  der  Westseite  des  Platzes  erhebt  sich  das  von  König  August  II. 


SächsUcher  Garten.       WARSCHAU.  3.  Honte.     17 

erbaute  sog.  Säduisclie  Schloss  (PI.  F4,  5),  einst  Residenz  der 
polnisch -sächsischen  Konige  und  damals  berühmt  durch  die  Ele- 
ganz seines  Baustils,  später  abgerissen  und  durch  zwei  durch 
eine  Cölonnade  verbundene  unschöne  Gebäudemassen  ersetzt.  An 
der  N.- Seite  desselben  liegt  das  Telegraphenamt,  das  ehemalige 
BrühVsche  Palais  (PI.  20),  von  dem  Grafen  Brühl  (1700-1765),  dem 
Günstlinge  August'sIII.,  erbaut,  dann  von  1815-30  von  dem  Gross- 
fürsten Konstantin ,  dem  Bruder  des  Kaisers  Nikolaus  und  Statt- 
halter von  Polen,  bewohnt. 

Hinter  dem  Sächsischen  Schloss,  durch  die  Colonnaden  an  der 
Südseite  sowie  von  der  Krölewska  aus  zugänglich,  liegt  der  •Säch- 
sische Garten  {Ogröd  Saski,  CaRcoHCKiä  ca/cB^  PI.  E  4,  5) ,  ein  vom 
Konige  August  (II.)  dem  Starken  angelegter  öffentlicher  Spazier- 
gang ,  fast  7  Hect.  gross ,  der  mit  seinen  schattigen  Alleen,  mäch- 
tigen alten  Bäumen,  Statuen,  Pontänen  u.  s.  w.  für  einen  der  schön- 
sten Parks  in  Europa  gilt.  Der  Garten  ist  eine  vielbesuchte  Pro- 
menade, besonders  an  Concert- Abenden  der  Versammlungsort 
aller  derer,  welche  sehen  und  gesehen  werden  wollen  (an  der  Kr6- 
lewska  zwei  Conditoreien) ;  Juden  ist  der  Eintritt  verboten.  Im 
n.  w.  Theil  des  Gartens  befindet  sich  ein  Sommertheater  (Teatr 
letni,  Ji'bTHiS  reaipi,  s.  S.  10),  und  am  Ausgang  nach  der  Kiecata 
auf  einer  kl.  Anhohe  das  reizend  gelegene  Wasser- Reservoir  der 
alten  Wasserleitung.  Durch  den  westlichen  Ausgang  gelangt  man 
auf  den  neuen  MarTctplatz,  (^elazna  Brama,  XejtcHafl  EpaHa,  PI. 
E  5)  mit  dem  Bazar ,  dessen  geschäftiges  Treiben  sehenswerth  ist. 
Die  S.  W.-Ecke  des  Gartens  an  der  Krölewska  schliesst  die  Börse 
mit  mächtigem  Portikus  ab. 

Südl.  vom  Schloss,  auf  der  andern  Seite  der  Krölewska ,  erhebt 
sich  die  lutherische  oder  evangelische  Kirche  {Kosciöl  Ewangie- 
Ucki,  IforepaHCKÜi  ROCT^Jib;  PI.  10:  F5),  eines  der  am  meisten 
hervortretenden,  aber  nicht  gerade  geschmackvollsten  Gebäude  der 
Stadt,  unter  König  Johann  Sobieski  begonnen,  1799  vollendet,  mit 
hoher,  mächtiger  Kuppel  und  Laterne,  von  welcher  man  die  beste 
^Uehersicht  über  Warschau  und  Umgegend  geniesst.  Von  hier  er- 
blicken wir  den  Zamkovy- Platz  und  die  hauptsächlichsten  Ver- 
kehrsadern Warschau's :  zwei  von  N.  nach  S.  fast  parallel  laufend, 
die  eine  von  der  Altstadt  über  den  Zamkovy-Platz  zur  Krakowskie 
PrzedmieScie ,  Nowy  Swiat  und  Aleja  üjazdowska,  die  andere  von 
der  Nalewki  durch  Przejazd ,  ^abia  und  Graniczna  zur  Krolewska 
und  Marszalkowska,  die  dritte  in  w.  ö.  Richtung  durch  Chlodna, 
Elektoralna  und  Zjazd  zur  Alexanderbrücke  und  nach  Praga.  — 
Oestl.  der  Kirche  gegenüber  an  der  Ecke  der  Krolewska  und  Mazo- 
wiecka  das  prachtvolle  Palais  Kronenberg,  1869  nach  Hitzig's  Ent- 
wurf mit  einem  Aufwand  von  2  Mill.  R.  erbaut.  S.  von  der  Kirche 
an  der  Erywanska  das  Gebäude  des  Credit  foncier,  nach  venezian. 
Vorbildern  von  Marconi  aufgeführt. 

Wir  kehren  durch  die  Krolewska  zur  Krakowskie  PrzedmieScie 

Bussland.     2.  Aufl.  2 


18    Route  3.  WARSCHAU.  Univer$ität. 

zurück.  In  derselben  1.,  die  Kirche  des  k,  Josef  (PI.  18),  gewöhnlich 
Wisylkikirche  genannt  (xvii.  Jahrb.). 

Daneben  die  UnlTenität,  in  dem  ehemaligen  Palais  Kazimie- 
rowski,  vom  Könige  Johann  Kasimir  erbaut  und  bewohnt,  später 
vom  Könige  Stanislaus  Poniatowski  den  Kadetten  geschenkt.  Die. 
Universität  wurde  1832  aufgehoben  und  in  eine  Hauptschule  ver- 
wandelt,  1861  wieder  eingerichtet.  Ihre  berühmte  Bibliothek  wurd» 
zum  grossen  Theil  schon  1794  nach  St.  Petersburg  gebracht ;  ein 
anderer  Theil  und  viele  Sammlungen  gingen  1832  dorthin.  Hinter 
der  Universität  ein  schöner  Garten  mit  Blick  auf  die  Weichsel. 

Schräg  gegenüber  eine  der  grössten  Kirchen  Warschau's,  die- 
Heilige-Kreuzkirche  {Kosciöl  ä^'^Krzyia,  Kocreai»  CBATaroKpecTa,. 
PI.  13 :  F5),  von  dem  Lazarusorden  unter  Johann  Sobieski  1682-96- 
erbaut,  mit  prachtvollem  Hochaltar. 

Am  Ende  der  Krakowsk.  PrzedmieScie,  zwischen  Aleksandrya. 
und  Nowy  Swiat,  liegt  das  Oehäude  der  Gesellschaft  der  Freunde, 
der  Wissenschaft  (S.  23),  jetzt  Sitz  eines  Gymnasiums.  Vor  dem- 
selben steht  die  bronzene  Statue  des  Xopemikus  (geb.  1473  zu 
Thorn,  f  1543  zu  Frauenburg),  nach  Thorwaldsen's  Modell  1822 
durch  National  -  Subscription  errichtet.  In  der  einen  Hand  ein 
Tellurium,  in  der  anderen  einen  Zirkel  haltend,  sitzt  der  grosse 
Astronom  auf  einem  Würfel,  der  auf  einem  Sockel  von  grauem 
Marmor  ruht.  Die  einfache  Inschrift  in  poln.  und  latein.  Sprache 
lautet :  „Dem  Nikolaus  Kopernikus  das  dankbare  Vaterland  1822'^. 
—  Gegenüber  dem  Gymnasium  steht  der  ehemalige  Pa{a«^Zamo^'d]ii;{,. 
ehemals  den  Branizki's  und  Sapieha's,  bis  1863  dem  Grafen  Andrzei 
Zamojski  gehörig,  dann  nach  dem  Attentat  auf  den  Statthalter 
Grafen  Berg,  welches  von  einem  Fenster  des  Palastes  aus  verübt 
wurde,  von  der  Regierung  confiscirt  und  der  Militärverwaltung  über- 
wiesen. In  einem  Hintergebäude  der  Russische  Klub  (S.  10).  Ö. 
von  dem  genannten  Gymnasium ,  in  der  Aleksandrya  das  Kinder- 
krankenhaus. —  In  der  Nähe  am  Warecki-Platz  (PI.  F  5)  das  Findel- 
haus zum  Kinde  Jesu,  eins  der  grössten  Hospitäler  Warschaus;, 
hinter  demselben,  an  der  Zgoda,  das  anatomisch-pathologische  In- 
stitut (AnaTOHO  IlaTOiorHHecKifl  HHCTHTyTi). 

Zurück  durch  die  Warecka  zu  der  südl.  Fortsetzung  der  Kra- 
kowsk. PrzedmieScie ,  der  Nowy  Swiat  {Neue  Welt,  Hobuü  CbIti^ 
PI.  F  5, 6).  L.  zweigt  hier  die  Ordynacka  ab,  Sonntags  von  schachern- 
den Juden  angefüllt ,  in  welcher  ein  Gircus  und  das  Palais  Ordy- 
nacki,  im  J.  1597  begonnen,  jetzt  Conservatorium  der  Musik.  Über 
die  Aleja  Jerozolimska  (Jerusalemer  Allee,  S.  22)  hinweg  führt  di& 
Nowy  Swiat  auf  den  Alexander -Platz  {Plac  S^**  Aleksandra,  IIjo- 
maAb  CatTaro  AieacaHApa;  PI.  F  6),  auf  dem  die  vor  kurzem  präch- 
tig hergestellte  Kirche  des  h.  Alexander  Newsky  (PI.  5)  steht ,  voa 
Alexander  I.  zur  Erinnerung  an  die  Vereinigung  Polens  mit  Russ- 
land erbaut.  Von  den  drei  Kreuzen ,  die  früher  als  letzte  Station, 
der  längst  verschwundenen  28  Kapellen  der  Aleja  Ujazdowska  vor 


Schlosa  Lazünki.  WARSCHAU.  5.  Baute.     19 

der  Kirche  sich  befanden,  sind  nur  noch  zwei  vorhanden,  zwischen 
.denen  eine  Statue  des  h.  Nepomuk  steht.  An  demselben  Platze  1. 
das  Blinden"  u,  Tauhatummen 'Institut  (ÜHCTHTyT'B  TiyxoB.tva'h 
H  Cstnuxi,  PI.  G  6).  Etwas  ö.  in  der  Ksi%zQca  r.  das  Krankenhaus 
aum  h,  Lazarus  j  1.  der  Eingang  zu  dem  schönen  Frasoati-Park» 
der  sich  nach  dem  Ujazdowska-Platz  (s.  unten)  hin  erstreckt. 

Von  den  drei  Strassen  (Mokotowska,  Ujazdowska,  Wiejska), 
welche  vom  Alezander-Platz  in  südlicher  Richtung  ausgehen ,  ver- 
folgen wir  die  mittelste ,  die  Aleja  Ujazdowska  (yfla^OBCKafl  A4efl, 
PI.  F  G  6-8),  eine  stattliche  Linden- Allee,  mit  schöner  Promenade, 
Reit-  und  Fahrwegen.  Sie  bildet  mit  ihren  zahlreichen  Yillen, 
Öffentlichen  Yergnügungslokalen  und  der  waldigen  Umgebung  den 
Prater  oder  die  Champs  Elys^es  von  Warschau.  An  dem  grossen 
Ujazdowska 'Platz  {Plac  Ujaz.,  YflaxoBCKafl  niomaAi»,  PI.  G6,  7) 
r.  eine  Anzahl  Yergnügungslokale ,  wie  das  Schweizerthal  (Dolina 
Szwajcerska) ,  in  dem  Concerte  stattfinden;  1.  das  Militärhospital 
mit  seinem  Park ,  früher  königl.  Sommerpalast.  Auf  dasselbe  folgt 
links  der  sehenswerthe  Botanische  Oarten  mit  der  Sternwarte  {Ob- 
serwatoryum  astronomiczne ,  Oöcepsaropifl) ,  dann  die  herrlichen 
Parks  der  Lustschlösser  Belvedere  und  Lazienki. 

Das  elegante  Lustschloss  *Lazienki  oder  Bäder  {Lazienki  Krö- 
lewskie,  JaseHKOBCKlä  ^Bopem»,  PI.  G8,  Erlaubniss  zur  Besich- 
tigung des  Inneren  s.  S.  15) ,  im  italienischen  Stil  vom  Könige 
Stanislaus  Poniatowski  Ende  des  xvni.  Jahrb.  erbaut,  1817  von 
Alexander  1.  erworben,  gewährt,  namentlich  von  dem  durch  Kunst 
geschaffenen  Weiher  gesehen,  einen  reizenden  Anblick  und  hebt 
sich  in  seiner  weissen  Farbe  allerliebst  aus  der  schönen  Parkum- 
gebung, den  mannigfaltigen  Baumgruppen  heraus.  Im  Schloss  sind 
sehenswerth  das  Badezimmer  mit  Reliefs  und  der  sogen.  Salomons- 
saal,  dessen  Plafond  (Scenen  aus  der  Geschichte  Salomos)  von 
Bacciarelli  gemalt  ist;  an  den  Wänden  hängen  viele  Portraits  be- 
rühmter Schönheiten  Warschau's  aus  der  Zeit  des  Königs  Stanis- 
laus ;  in  anderen  Räumen  Bilder  polnischer  Könige  und  berühmter 
Männer  sowie  wichtiger  Ereignisse  aus  der  Geschichte  Polens.  Auf 
der  Westseite,  durch  eine  Brücke  mit  dem  Schloss  verbunden,  die 
Alexander -Newski-Oapelle,  1876  erbaut.  In  dem  einzig  schönen 
Park  befinden  sich  viele  kleine  lauschige  Yillen ,  ein  chinesisches 
Palais,  ein  wunderhübsches  *Natur-  und  ein  Winter-Theater,  eine 
Rotunde  mit  Marmorbüsten  polnischer  Könige  ,  eine  Kapelle  mit 
Mosaikgemälden  etc.  Gegenüber  dem  Schloss  auf  der  Brücke  der 
Agrykola  Dolina  ein  barockes  Reiterstandbild  Johann  Sobieski'a, 
errichtet  von  Stanislaus  Poniatowski  am  hundertsten  Jahrestage  des 
über  die  Türken  bei  Wien  1683  erfochtenen  Sieges. 

Dicht  neben  dem  Lazienki-Park  das  Lustschloss  Belvedere,  mit 
seinen  schönen  Gärten  im  englischen  Geschmack  bis  zum  Belvedere^ 
Thore  (Bogatki  Belwederskie,  EeibBeAepcKaa  sacraBa)  reichend.  Das 
Schloss  (Eintritt  s.  S.  15),  an  der  Stelle  eines  ehemaligen  Kirchhofs, 

2* 


20    Route  3.  WARSCHAU.  Büvtdete, 

war  die  Residenz  des  Grossfürsten  Konstantin  Pawlo witsch,  auf 
den  daselbst  am  29.  Nov.  1830  ein  Attentat  versucht  wurde.  Die 
vom  Grossfürsten  und  seiner  Gemahlin,  der  Fürstin  Lo witsch  (S.  4), 
bewohnten  Gemächer  sind  grösstentheils  noch  so  wie  zu  ihren  Leb- 
zeiten eingerichtet.  Von  dem  Baicon  im  obern  Stockwerk  prächtige 
Aussicht. 

Von  Belvedere  w.  durch  die  Bagatela,  an  dem  zoologischen  Oarten 
(Restaurant,  Concerte)  vorbei,  gelangen  wir  zum  Mokotowski-Tkor 
{Rogatki  Mokotowakie ,  MoKOTOBCKa«  sacTasa ,  PI.  F  G  8).  Gleich 
rechts  das  weite  Mokotow'iche  Militär- üehungs- Feld  ( Mokotowskie 
Wojenne  Pole,  HoKOroBCKoe  BoenHoe  noje)  mit  dem  Ren/nplate 
{Miejace  wyicigöv)  konnych,  MtCTO  AJ>  kohhoM  CKaHKH,  P1.E7, 8), 
auf  dem  jährlich  im  Juni  Rennen  abgehalten  werden.  Auf  dem 
Mokotow-Felde  finden  die  Inspicirungen  der  in  und  um  Warschau 
concentrirten  Truppen  durch  den  Kaiser  statt. 

Der  Marszalkowaka  bis  zur  Swi^to  Krzyzka  (PI.  E  5)  folgend 
gelangen  wir  1.  abbiegend  zum  Orzyhow -Platz  (P1.E5) ,  an  dessen 
Südseite  sich  die  Allerheiligen  -  Kirche ,  eine  der  grossten  War- 
schau's,  im  Aeusseren  noch  unvollendet,  erhebt.  Von  hier  durch 
die  Krölewska  zur  Krakowskie  Przedmie^cie  (S.  16)  zurück. 


Vom  Zamkovy  -  Platz  führt  8.w.  die  Senatorska,  Elektoralna- 
und  Ghlodna zum  Wola-Thor.  In  der  Senatorska  (GeHaTopcKafl, 
PI. £F4),  mit  schonen  Magazinen  und  lebhaftem  Verkehr,  liegt 
zunächst  1.  die  Jtmkerachtde  (BapmaBCKOe  ülixoTHoe  lOiutepcKoe 
y<iHJHme),  eine  Art  Kriegsschule,  das  ehem.  Palaia  des  Fürsten 
Primas,  Die  Erzbischöfe  von  Gnesen,  Primaten  der  polnischen 
Kirche,  unabhängig  in  ihrer  geistlichen  Stellung,  waren  auch  die 
ersten  Senatoren  des  Königreichs  und  standen  während  der  vielen 
Interregnen  an  der  Spitze  des  Reichs.  Nach  der  Theilung  Polens 
wurde  ihr  Palast  in  Warschau  so  wie  andere  Besitzungen  von  der 
preussischen  Regierung  confiscirt.  Bis  1831  war  der  Palast  Sitz 
des  Kriegsministeriums  und  dient  seit  1870  seinem  jetzigen  Zweck. 

Dem  Palais  gegenüber  zweigt  r.  ab  die  gleichfalls  belebte  Mio- 
dowa- Strasse  (Ml^AOBaff,  PI.  EF4).  In  derselben  zunächst  1.  die 
Kirche  der  Yerklämng  Oottei,  gewöhnlich  Kaputinerkirehe  ge- 
nannt (PI.  14;  F4) ,  von  Johann  Sobieski  zum  Dank  für  den  Sieg 
über  die  Türken  bei  Wien  1683  erbaut.  In  einer  Kapelle  ein  Sarko- 
phag aus  grauem  Marmor ,  das  Herz  Sobieski's  enthaltend  und  von 
Kaiser  Nikolaus  nach  seinen  Türkensiegen  1829  errichtet.  Eine 
Graburne  in  derselben  Kapelle  ist  dem  Andenken  des  Königs 
Stanislaus  August  Poniatowski  gewidmet  und  trägt  die  Inschrift : 
„Morte  quis  fortior?  Gloria  et  amor.**  —  Anstossend  das  Palais 
Pac,  jetzt  Sitz  des  ersten  Gerichts  (OKpyacHiiifi  Cy^i)  für  den  War- 
schauer Kreis,  dann  folgt  der  Palast  des  Erzbischofs  von  Warschau, 
zuletzt  von  dem  Erzbischof  Felinski  bewohnt ,  der  wegen  Begün- 


Qr.  Theater,  WAKSCHAÜ.  3.  RoxUe,    21 

stigung  der  revolutionären  Kundgebungen  verbannt  wurde.  Gegen- 
über r.  die  griecMscb  -  unirte  Kirche  der  Basilianer  (PI.  6) ,  mit 
schönen  Altargemälden. 

Die  Miodowa  -  Strasse  mündet  auf  den  Krasinski- Platz  (Plac 
KrasinSki,  KpacHHCKafl  Uiomüf}»,  PI.  Eä).  An  demselben  r.,  Ecke 
der  Miodowa-  und  Dluga  (Langen)-Str.,  die  griecMsch  -  rassische 
Kathedrale  {Sobor  Katedralny  ä^^  Tröjcy,  KaeexpaibHufi  coöopx, 
PI.  12:  C3),  bis  1832  dem  Collegium  der  den  Jesuiten  verwandten 
Fratres  scholarum  piarum  (Piaristen)  gehörig,  1837  im  Renaissance- 
stil umgebaut,  mit  fünf  vergoldeten  Kuppeln  und  reichem  Ikonostas. 
Gegenüber  das  Oerichtsarchiv.  —  An  der  Westseite  des  Krasinski- 
Platzes  der  alte  Krasinski  -  Palast  (CyAeönafl  näiaxa),  eines  der 
schönsten  Gebäude  Warschaus ,  im  italienischen  Stil ,  drei  Stock- 
•werke  hoch ,  ausgezeichnet  durch  grossartige  und  edle  Verhältnisse 
und  reiche  architectonische  Zierathen.  Von  der  Familie  der  Grafen 
Krasinski  (namhafte  politische  und  historische  Schriftsteller)  Ende 
des  XVII.  Jahrh.  erbaut  und  dann  dem  Staate  Polen  vermacht,  wurde 
er  im  xvni.  Jahrh.  zur  Abhaltung  des  Reichstags  benutzt,  brannte 
1782  ab,  wurde  neu  aufgebaut  und  enthält  jetzt  das  höchste  Gericht 
des  Weichsellandes.  —  Hinter  dem  Palast  der  Krasinski-  Oarten 
[Ogröd  Krasinski,  KpacHHCKiä  caAi»),  von  einem  Eisengitter  um- 
geben und  dem  Publikum  geöffnet  (fast  nur  von  Juden  besucht) ;  er 
enthält  schöne  Promenaden  und  Springbrunnen. 

Wir  kehren  am  Arsenal  vorüber  durch  die  Bjelanska  oder  die 
Miodowa  in  die  Senatorska  zurück.  Dieselbe  erweitert  sich  bald 
zu  einem  schönen  Platz,  dem  Theaterplatz  {Hac  Teaträlny, 
TearpaibHaii  niomaAB ,  PI.  E  F  4)  mit  Gartenanlagen  und  Spring- 
brunnen. An  ihm  liegt  r.  das  Bathhaus  {Ratusz,  Paryma),  ehemals 
Palast  der  Fürsten  Prusz  Jablonowski.  1863  brannte  es  ganz  nieder 
und  wurde  sehr  stattlich  neu  aufgebaut.  Am  Thurm  optische  Sig* 
nale  für  den  Feuermeldedienst ;  Thürme  mit  gleichen  Apparaten 
sind  durch  die  ganze  Stadt  vertheilt.  Gegenüber  links  das  Grosse 
Theater  {Teatr  wielki,  Eoibmoft  rearpi ;  PI.  25 ;  E  F  4) ,  zwei  Theater 
(Bühnen)  enthaltend,  die  durch  die  Regierung  unterhalten  werden. 
Die  Vorstellungen  sind  aus  Nationalgefühl  von  den  Polen  stets 
stark  besucht.  Nationale  Dramen  werden  ausgezeichnet  gegeben; 
zuweilen  auch  italienische  Opern.  Das  Warschauer  Ballet  ist  noch 
heute  berühmt;  Vorzügliches  leistet  es  in  den  polnischen  National- 
tänzen, wie  Mazurka,  Krakowiak,  Sawierucha,  Gaiduk ,  Kasat- 
schek.  Berühmt  sind  die  an  den  Sonntagen  des  Januar  im  Theater 
stattfindenden  Öffentlichen  Redoutenbälle. 

Der  Tanz  wird  Ton  den  Polen  mit  einer  Anmuth  und  Leichtigkeit, 
aber  aueh  mit  einer  Koketterie  und  zum  Theil  mit  einer  Wildheit  be- 
handelt, die  man  nirgend  in  gleichem  Grade  findet.  Seit  Wladislaus  IV. 
war  das  Ballet  indess  von  der  polnischen  Bühne  verschwunden,  lebte 
aber  unter  Poniatowski  wieder  auf.  Die  Anfänge  dazu  legte  der  Unter- 
sehatzmeister von  Litauen,  Tiesenhausen,  in  einer  Truppe,  die  er  durcji 
einen  französischen  Balletmeister  Le  Doux  aus  seinen  Leibeigenen  ge- 
bildet und  dem  Könige  Stanislaus  zum  Geschenk  gemacht  hatte.    Dieser 


22    Route  3.  WARSCHAU.  Wola-Thor. 

gab  der  Trappe  die  Freiheit,  vergrösserte  sie  und  schuf  aus  ihr  ein  Ballet, 
in  dem  die  bekanntesten  Tanzkünstler  Europa^s ,  ein  Vestris ,  eine  Pie 
dem  Enthusiasmus  der  tanzgewandten  polnischen  Welt  Genüge  thaten. 

Seit  den  Zeiten  Wladislaw's  hörte  Warschau  auch  zum  ersten  Haie 
wieder  italieniseheOpernmusik  während  des  Reichstages  1791.  Die 
Kunstliebe  des  Königs  Stanislaus  zog  gute  Opernkräfte  herbei,  berühmte 
Sängerinnen  wie  die  Banti  traten  auf.  Zu  einem  Schauspielbause  war 
damals  die  alte  Reitschule  am  Sächsischen  Garten  (s.  S.  17)  umgewandelt. 

Weiter  in  der  Senatorstr.  1.  die  Antonius-  oder  Reformaten- 
Kirche  (PL  16  a),  ein  schönes  Gebäude  nacb  dem  Vorbilde  des  Pan- 
theon ;  es  enthält  ein  Denkmal  des  Grossmarschalls  Bilinski.  Vor 
der  Kirche  eine  Statue  der  h.  Jungfrau.  Gegenüber  die  Kauf- 
manns Ressource  (Resursa  Kupiecka)  in  einem  Palaste,  welcher 
ehemals  der  Familie  Mniszchowskl  gehörte.  Das  jetzige  Gebäude 
■wurde  1829  errichtet;  vor  demselben  eine  Statue  des  h.  Nepomuk. 

Neben  der  röm,-kathoL  Kirche  am  Bank  platz  1.  der  Palast  der 
Grafen  Zamojski  (PI.  22:  E  4)  oder  das  Blaue  Palais  j  von  König 
August  II.  für  seine  natürliche  Tochter,  die  Gräfin  Orzelska ,  in 
wenigen  Wochen  gebaut ,  jetzt  Eigenthum  der  reichen  und  in  der 
Geschichte  Polens  oft  genannten  Familie  Zamojski;  er  enthält 
•werthvolle  Kunstsammlungen.  —  Gegenüber  das  Comptoir  der 
Reichsbank  f  der  ehemaligen  Polnischen  Bank, 

Verfolgen  wir  vom  Bankplatz  rechts  (nördl.)  die  Rymarska  und 
Przejazd,  so  gelangen  wir  zu  dem  mit  Säulen  verzierten  Gebäude 
der  Finanz -Verwaltung  j  dem  Qefängniss  und  dem  alten  Arsenal 
{Cekauz,  EuBmiM  Apceaaii,  PI.  E  4).  Hier  fand  am  29.  November, 
dem  Beginn  der  Revolution  von  1830,  der  blutigste  Kampf  statt. 
Auf  der  nahen  Tlomackle  die  grosse  Synagoge  (PI.  E  4). 

Bis  zur  Leszno  -  Strasse  (JeiUHO  yiHiia,  PI.  CDE4,5)  zurück- 
gehend und  in  diese  einbiegend ,  erb^Iicken  wir  r.  die  Reformirte 
Kirche  (PI.  16 :  E  4)  und  die  Kirche  der  Karmeliter  (UepKOBb  Kapiie- 
iHTOBi,  PI.  D  4).  Auf  der  Thür  des  Ciborium  am  Hochaltar  ein  Ge- 
mälde von  Correggio.  In  der  nahen  Karmelicka  das  Evangelische 
Krankenhaus  (PL  E  4). 

Durch  die  Ssoina  -  Strasse  auf  die  Elektoralna  OieRTopajbHafi, 
PI.  D  E  4,  5).  Am  Ende  derselben  auf  einem  kl.  Platze  in  der  Nähe 
der  grossen  Wielopolski-  Kasernen  die  hübsche  Kirche  des  h. 
Borromäus  (PI.  8 :  D  5),  deren  zierliche  Thürme  in  Verbindung  mit 
dem  fernen  Rathhausthurm  (1.)  und  einem  nahen  Feuerwachtthurm 
von  der  ^lazna  aus  ein  interessantes  Bild  geben.  —  Die  Chlodna- 
Strasse  führt  von  hier  direct  zum  Wola-Thore  (Rog.  Wolskie, 
BoibCKafl  sacTaea,  PL  0  5),  vor  welchem  die  Vorstädte  Wola 
und  Czyste  (S.  26)  liegen.  R.  in  der  Nähe  der  Reformirte  und 
Evangel.  Friedhof  (PL  C  4,  5). 

Durch  das  Jerusalemer  Thor  (Rogatki  Jerozolimskie ,  lepy- 
caiHHCKafl  sacT.,  PL  D  6)  zurückgehend,  gelangen  wir  in  die  Aleja 
Jerozolimska  (lepyc.  Ajea,  PL  D  E  F  G  5,  6),  welche,  die  Nowy 
Swiat  (S.  18)  kreuzend,  sich  bis  zur  Weichsel  hinabzieht.    SüdÖstl. 


Altstadt.  WARSCHAU.  3.  Route.    23 

^om  JerusalemeT  Thor  am  Kozyki  die  Filterstation  der  neuen 
städtischen  Wasserwerke  (PL  D  E7),  1884—1887  erbaut.  Weiter- 
liln  1.  der  Pomologische  Garten  und  die  neue  Peter-PatUskirchef 
1886  erbaut ;  daneben  eine  ältere  Kapelle,  St.  Barbara. 

Am  Warsohan- Wiener  Bahnhof  Fl.  £  F  6)  biegen  vir  1.  in  die 
schone  breite  Marszalkowska  (MapmajiKOBCKaii),  und  gelangen  ent- 
weder geradeaus-  zum  Sächsischen  Garten  (S.  17),  oder  r.  durch  die 
Krölewska  in  die  Krakowsk.  PrzedmieScle  (S.  16). 

Unmittelbar  nordlich  an  den  Zamkowy  -  Platz  schliesst  sich  die 
Altitadt  {Stare  Miasto,  Ct.  Mucto,  PI.  F  3),  die  mit  ihrem  Labyrinth 
«nger,  krummer  Gassen ,  namentlich  auf  dem  von  hohen  schmalen 
Häusern  umgebenen  Marktplatz,  den  alten  Städten  Deutschlands 
gleicht.  Rechts  in  der  Swi^to  Jahska  {St.  Johann-Strasse,  Cbato 
HncKaa),  die  durch  einen  Korridor  mit  dem  Schloss  verbundene 
ICathedrale  8t.  Johann  {Katedralny  Koiciöi  S^^  Jana,  KaeeApaiaifi 
koctS»  CBflTaro  loanHa;  PL  17:F3),  eine  gothische  Hallenkirche 
Ton  angemessenen  Yerhältnissen,  aber  durch  spätere  Zuthaten  etwas 
entstellt.  Sie  wurde  um  die  Mitte  des  xni.  Jahrb.  von  den  maso- 
Tischen  Herzogen  gegründet  und  besonders  durch  den  König  Johann 
Sobieski  ausgeschmückt  (über  dem  konigl.  Kirchenstuhl  sein  Wap- 
pen und  eine  Fahne,  welche  er  den  Türken  abgenommen).  An 
weiteren  Sehenswürdigkeiten  enthält  die  Kathedrale  ein  treffliches 
Altarbild  von  Palma  d.  J.,  das  Napoleon  trotz  seiner  gerühmten  Vor- 
liebefür Polen  1807  nach  Paris,  Alexander  aber  1815  wieder  zurück- 
schickte ;  am  ersten  Pfeiler  links  ein  Mosaik  -  Porträt  des  Fürsten 
Primas  Michael  Poniatowski,  Bruder  des  Königs  Stanislaus  August ; 
ein  Porträt  des  Kardinals  Jffosius,  Bischofs  von  Ermeland,  und 
viele  Grabmonumente  berühmter  Polen;  das  Denkmal  des  Reichs- 
tagsmarschalls Grafen  Stanislaus  Malachowski  (1736-1809),  des 
Haupturhebers  der  Konstitution  vom  3.  Mai  1791,  mit  der  Inschrift  : 
„Przyiacielowi  ludu**  (Dem  Freunde  des  Volkes),  von  Thorwaldsen ; 
endlich  das  Grab  des  gelehrten  Bischofs  Albertrandi  (f  1808),  des 
Gründers  und  ersten  Präsidenten  der  „Gesellschaft  der  Freunde  der 
Wissenschaf t**,  welche  nach  der  Theilung  Polens  unter  preus- 
sischer  Regierung  entstand  und  1831  aufgelöst  wurde. 

Die  Kirche  verlassend  überschreiten  wir  den  Altstadtplatz 
{Stare  Miasto ,  PL  F  3)  mit  seinen  alterthümlichen  Gebäuden ,  wie 
besonders  das  Haus  an  der  (n.w.)  Ecke  der  DunaJ ,  an  denen  man 
noch  die  Wappen  der  alten  Besitzer,  Sinn-  und  Wahlsprüche, 
Heiligenbilder  und  Reliefs,  die  an  die  alte  polnisch  -  katholische 
Zeit  erinnern,  sieht  (SOOjährige  Weinhandlung  von  Fukier ,  beste 
Ungarweine).  Dann  gelangen  wir  über  die  Dluga  (Lange  Strasse, 
Joiraa)  in  die  Fretastrasse  (4»peTa,  PL  E  3),  wo  die  sog.  Kenstadt 
(Nowe  Miasto)  beginnt.  An  der  Ecke  der  Dluga  die  h.  Geist-Kirche, 
auch  Paulinerkirche  genannt,  aus  dem  Anfang  des  xviii.  Jahrb.; 
gegenüber  die  Dominikanerkirche  St.  Jacek  (PL  9,  E  F  3)    In  der 


24    Route  3,  WARSCHAU.  CitadeUe. 

Kapelle  1.  vom  Eingang  reiche  Marmoxsculpturen.  Weiter  rechts 
der  Neustadtplatz  (Nowe  Miasto)  mit  der  SaJcramentenkirche  St. 
Kasimir  (PI.  E  F  3)  und  dem  angrenzenden  Kloster.  —  N.  in  der 
nahen  Koäcielna  die  Kirche  der  h.  Jungfrau  Maria,  ein  gothischer 
Bau  aus  dem  J.  1411  und  am  meisten  von  den  Kirchen  Warschau'» 
in  ursprünglicher  Form  erhalten. 

Dujch  AiQ  Zakroczymska-Strasse  (SuK^omsMCKiui,  PI.  2, 3),  vor- 
bei  an  der  Franziskanerkirche,  an  der  Ecke  der  Franciszkans](;a; 
den  Sapieha'  und  Sieräkowski-Kaaemen,  auf  Kosten  dieser  Fa- 
milien gebaut ,  zwischen  den  Forts  Alexei  und  Wladimir  hindurch 
und  über  die  Eisenbahn  erreichen  wir  die  Alftzander-GitadeUe 
{Cytadella  Aleksandroweka,  AjeKcaHApoBCKaiiUHTsgiejb,  PI.  E  1,2), 
am  Nordende  von  Warschau  an  der  Weichsel  gelegen,  1832-35  auf 
Kosten  der  Stadt  als  Strafe  für  den  Aufstand  von  1830  erbaut. 
Im  Innern  derselben  (der  Zutritt  wird  selten  verweigert)  bilden  die 
zahlreichen  Militärgebäude  einen  vollständigen  StadttheiL  Ausser 
den  Kasernen ,  Arsenal,  Lazareth  und  Y orrathshäusern,  welche  für 
12,000  Mann  ausreichen  sollen,  befinden  sich  darin  das  Gefängniss 
für  politische  Verbrecher  und  eine  russische  Kirche.  Ein  20  m 
hoher  Obelisk  von  Bronze  ist  dem  Kaiser  Alexander  I.  zu  Ehren 
errichtet.  Unmittelbar  oberhalb  der  Festung  überschreitet  die 
1876  erbaute  EiBenbahnbrücke  den  400  m  br.  Strom,  dessen  1.  Ufer 
hier  steil  abfällt;  am  r.  Ufer  ein  Brückenkopf,  das  Fort  Sliwitzky; 
r.  das  Petersburger  Thor  und  die  Vorstadt  Praga  (S.  25). 

Wiederum  vom  Zamkovy- Platz  (S.  14)  ausgehend,  verfolgen 
wir  ö.  die  schone,  zur  Weichsel  führende  Strasse  Zjazd  (3^3^%^ 
PI.  F  4)  und  gelangen  zur  iJezanderbrücke  (PI.  F  Gß),  einer  von 
5  Strompfeilern  getragenen  eisernen  Gitterbrücke  (Zelazny  most, 
IRejLtsEU^a  HOCTi),  508m  lang,  von  dem  Ingenieur  Kierbedz  1865 
mit  einem  Aufwand  von  über  6  Millionen  Rubel  erbaut,  und  eine 
der  schönsten  und  grossten  in  Russland.  Die  Brücke  hat  einen 
Fahrdamm  von  c.  8  m  Breite  und  an  beiden  Seiten  Gallerien  für 
Fussgänger,  von  denen  man  einen  herrlichen  Blick  auf  die  tief 
unten  dahinschäumende  Weichsel  geniesst.  Das  Rauchen  auf  der 
Brücke  ist  verboten. 

Am  r.  Weichselufer  öffnet  sich  nach  W.  die  Aussicht  auf  War- 
schau, am  besten  von  dem  Hause  des  Yacht- Klubs  (S.  10)  aus. 
Weit  r.,  die  Weichsel  beherrschend,  gewahren  wir  die  Citadelle  und 
oberhalb  derselben  die  Eisenbahnbrücke  (s.  oben) ,  dann  die  Neu- 
und  Altstadt,  deren  Gebäude  sich  bis  zum  Flusse  hinabziehen;  an 
der  Alexanderbrücke  gleich  r.  das  imponirend  auf  der  Höhe  lie- 
gende königliche  Schloss  mit  dem  bis  zur  Weichsel  reichenden 
Schlossgarten ,  im  Verein  mit  der  Bernhardinerkirche  auch  archi- 
tektonisch ein  reizvolles  Bild ;  oberhalb  der  Brücke  1.  die  schön  ge- 
bauten neuen  Vorstädte,  dann  die  Promenaden  und  Gärten,  welche 
das  kaiserliche  Schloss  Lazienki  umgeben. 


Vorstadt  Fraga,  WABSCHAU.  3,  Boute.    25 

Die  Erueke  führt  in  die  am  r.  Weichselufer  gelegene  Vorstadt 
Praga,  ehemals  befestigt  und  am  4.  Nov.  1794  durch  Ssuworow  er- 
stürmt ,  jetzt  offen. 

Die  Theile  des  polnisehen  Heeres,  welehe  der  Sehlaeht  bei  Haeiejo- 
wiee  am  9.  Oct.  1784  etttkomuen  waren,  hatten  sich  zum  letzten,  bltt- 
tigen  Entacheidungakampf  nach  Warachau  und  Praga  zurückgezogen, 
von  Ssuworow  verfolgt.  £ine  fortlaufende  Linie  von  verschanzungen  zog 
sieh  bei  Praga  eine  deutsche  Heile  lang  von  dem  Sächsischen  Werder  bis 
aar  Weichsel;  «tellenweise  waren  doppelte  Schanzen  angelegt  und  Praga 
gelbst,  mit  einem  besonderen  Wall  umgeben,  diente  als  Beduit.  Mehr  als 
100  Qeschütze  standen  auf  den  Wällen,  aber  nirgends  waren  starke  Batte- 
rieen  eoneentrirt.  Am  4.  Nov.  1794,  gleich  nach  Mitternacht,  legten  die 
Süssen,  25,000  M.  stark  (ixt  Praga  standen  c.  35,000  M.  Truppen  und  3000 
Bürger  aus  Warschau),  3  grosse  Batterieen  an,  von  23,  iB  und  48  Ge- 
schützen, und  eröifneten  Morgens  3  TJhr  ein  furchtbares  Feuer  gegen  die 
polnischen  Verschanzungen  und  gegen  Praga.  Unter  dem  Schutze  des- 
selben eoncentrirten  «ich  russischerseits  3  groase  Massen  zum  Sturmangriff, 
von  denen  die  eine  die  nördliche  Seite  der  Vorstadt,  die  andere  die  west- 
licbe  erstfeigen  sollte.  Die  Polen,  schlecht  verpflegt  und  matt  vor  Hunger, 
-Fr^st  und  Niedergeschlagenheit,  wurden  durch  den  Sturm  Moz^euB  3  Uhr 
voUatändig  überrascht.  Nach  zw ölfstündigem  Kampfe  wa^flf»g»,  in  den 
Händen  der  Russen:  nach  zwei  T^en  capitulirte  Warschau.  Die  Verluste 
polnischerseits  wurden  auf  13,000  Gefallene ,  14,000  Gefangene,  700  £r- 
-trankenegeacbätet.  —  Auf  den  kürten  Bericht  Ssuwerow'a  an  die  Kaiserin : 
„Hurrab,  Praga  1  Sauworew^^  antwortete  diese  ebenso  .k«rz.:  „Bravo,  Feld- 
marscball!  Kf^tharina.^^ 

Abgesehen  Ton  seinem  historischen  Interesse,  den  wenigen 
Uebeiresten  yjon  Verschanzungen  aus  früherer  Zelt  bietet  Praga. 
wenig  Sehenswerthes.  Unweit  des  Wünaer  Thores  (PI.  G  3)  die 
kleine,  1869  erbaute  griech,-kath,  Kirche  mit  5  vergoldeten  Kup- 
peln. Am  w.  und  s.  w.  Ende  liegen  die  Bahnhöfe  (BoKcaxi)  der 
Warschau-Petershurger  (PI.  H  2,  3)  und  Warschau  -  Terespoler- 
Bahn  (PI.  H  J  3).  Im  N.  vor  dem  Petersburger  Thor  (PI.  F  2)  das 
S.  24  gen.  Fort  Ssliwitzky,  An  der  Weichsel  entlang  zieht  sich  der 
Alexander-Park. 

Eine  Brücke  über  die  sogen.  Lachü  südlich  vom  Warschau-Te^ 
respoler  Bahnhof  (PI.  H4)  führt  uns  auf  die  in  üppigem  Grün  lie- 
gende SMka  K^pa,  {Sächsischer  Werder,  CacKafl  KeHna),  früher  eine 
lotsel  in  der  Weichsel,  deren  Nebenarm  längst  versandet  ist.  Die 
Kempe  selbst  mit  ihren  vielen  Sommervergnügungslokalen  ist  ein 
Lieblingsaufenthalt  der  mittleren  und  niederen  Klassen.  Deutsche 
Colonisten  haben  hier  ihre  Häuser  mit  schönen  Gärten.  Unfern 
ostlich  davon  liegt  das  Dorf  Grochow  (4  km  vom  Warschau-Teres- 
jpoler  Bahnhof),  berühmt  durch  die  Schlacht  vom  25.  Febr.  1831 
(8.  S.  29). 

17iiig«bimgen  von  Wanohau. 

Wenn  die  Umgegend  von  Warschau  sich  nicht  gerade  durch  land- 
schaftliche Seize  auszeiebnet,  so  bietet  sie  um  so  mehr  Interesse  iüi  den 
Historiker  und  Militär.  Kach  welcher  Richtung  man  auch  die  Thore  von 
Warschau  verlassen  mag,  man  tritt  auf  historischen  Boden,  auf  irgend 
ein  durch  die  Kriegsgeschichte  bekanntes  Gefechtsfeld.  Es  lohnt  daher 
wohl,  dass  d«r  Reisende  einige  Tage  dem  Besuch,  der  Umgebung  widmet, 
um  die  hauptsächlichsten  der  vielen  historisch  merkwürdigen  Punkte  in 


26    Route  3.  MARYMONT.  Umgehungen 

Augensohein  zu  nehmen  (Wagen  in  allen  Hotels,  5-8  B.  täglieh ;  aueb  mit 
den  DrosehUenkutaeliern  kann  man  aecordiren). 

Beginnen  wir  unsere  Wanderung  auf  dem  linken  We  i  c  h  s  e  1  - 

uf  er  bei  der  Git&delie  und  scblagen,  nacbdem  wir  das  MaTymont- 

Thor  (PI.  GDl)  passirt  haben,  in  n.-w.  Richtung  die  Modliner 

Strasse  ein ,  so  erreichen  wir  in  ^/^  St.  von  dem  genannten  Thore 

(1,2  km;  von  der  Stadt  aus  3,e  km)  Marymont  (HapuHOHT'B)  mit 

Schloss  und  Park,   einst  Sommeraufenthalt  der  Königin  Marie, 

Gemahlin  Johann  Sobieskfs ,  jetzt  ganz  verfallen  und  an  Private 

vermiethet,  auf  einer  vorspringenden  Hohe  gelegen,  an  deren  s. 

Fusse  ein  hübsches  Wäldchen  mit  Teichen. 

Verfolgen  wir  den  Landweg,  welcher  n.  über  Potok  und  an  dem 
Gehöft  Buda  vorbei  führt,  so  betreten  wir  bald  den  prachtvollen 
Wald  von  BUlany.  Der  schattige  Weg  führt  am  Ufer  der  Weichsel 
entlang  und  am  Hauptausfluss  der  Warschauer  Canalisatlon  vor- 
über zum  s.  Fuss  einer  Höhe,  auf  der  das  stattliche  Schloss  Bie- 
lany  (EIuahiii)  liegt,  ehem.  Kloster  und  Kirche  der  Gamaldulenser. 
Blelany,  7,5  km  von  Warschau,  mit  seinem  Park  und  Wald  ist  be- 
sonders zu  Pfingsten  sehr  belebt ,  wo  dann  von  den  niederen  Klas- 
sen stark  besuchte  Volksfeste  stattfinden.  W.  von  Blelany  zwischen 
Wald  und  Chaussee  lagert  im  Sommer  ein  grosser  Theil  der  Trup- 
pen des  Warschauer  Bezirks;  auf  der  andern  Seite  der  Strasse, 
zwischen  dieser  und  dem  Dorfe  Wawrzyszew  (BanpSMineBi)  das 
grosse  Manöverfeld  (BtinncKoe  BoeHHoe  noie). 

Auf  der  Modliner  Strasse  nach  Warschau  zurückkehrend  und 
bei  Burakow  von  derselben  r.  abbiegend ,  erreichen  wir  das  grosse 
Hilit&r- Lager  bei  Powqski.  Im  Dorfe  Pow%skl  selbst  eine  grosse 
Tabaksfabrik,  am  s.  Ende  das  glelchn.  Schloss  (roAHuK  nom»)  mit 
Park ,  einst  ein  Landsitz  der  Familie  Czartoryski. 

In  s.  Richtung  weiter  wandernd  gelangen  wir  am  kath.  Kirch- 
hof vorbei  auf  die  grosse  Walil-Ebene  (Pole  Elekcji  Krolöw) ,  auf 
der  im  xvi.,  xvii.  und  xviii.  Jahrhundert  die  Könige  von  Polen 
unter  oft  stürmischen  und  blutigen  Scenen  gewählt,  und  auch  die 
berühmten  und  berüchtigten  polnischen  Reichstage  abgehalten 
wurden. 

Das  historisch  denkwürdige  Feld  erstreckt  sich  w.  von  der  Vor- 
stadt Wola  und  den  Kirchhöfen  etwa  bis  zur  Wolaschanze  (s.  unten) 
hin.  Von  S.  nach  N.  wird  das  ganze  Terrain  von  der  Verbin- 
dungsbahn durchschnitten.  —  An  den  Kirchhöfen  vorüber  ge- 
langen wir  der  Wolska  in  w.  Richtung  folgend  in  Vs  St.  nach  dem 
Dorf  Wola  (Bom).  Hier  und  auf  der  ganzen  West-  und  Südseite  der 
Stadt  ist  der  Schauplatz,  auf  dem  das  Nachspiel  des  polnischen 
Dramas,  dessen  Held  Paskewitsch  (S.  3)  war,  vor  sich  ging.  Die 
Trümmer  der  damals  in  den  September  -  Tagen  des  Jahres  1831 
errichteten  Werke,  namentlich  die  Schanze  und  die  Kirche  von 
Wola,  sind  sprechende  Zeugen  desselben.  In  ersterer,  welche 
ebenso  wie  der  Evangel.  Kirchhof  (S.  22)  damals  ein  wichtiges 


von  Warschau.  WILANOW.  3.  Route.    27 

Kampfobject  war,  befindet  sich  jetzt  der  russische  Kirchhof.  Dicht 
an  der  Wolsker  (K&Uscher)  Strasse,  im  s.  Theile  der  berühmten 
Schanze j  steht  die  ehem.  katholische  Kirche,  die  jetzt  in  eine 
russisch  -  griechische  verwandelt  worden  ist.  Zahlreiche  Kugeln 
stecken  noch  in  den  Wänden.  Das  Innere  ist  mit  militärischen 
Emblemen  geschmückt;  die  Kronleuchter  sind  aus  Gewehrläufen 
zusammengesetzt.  Auf  marmornen  Piedestalen  ruhen  sechs  Kupfer- 
platten ,  auf  denen  in  schwarzen  Lettern  die  Daten  dieses  Krieges 
Terzeichnet  stehen  (s.  unten). 

Am  19.  Juli  1831  ging  PMkewitseh  mit  der  russisehen  Hauptarmee 
bei  Osiek  nahe  der  preussisehen  Grenze  auf  5  Brücken  über  die  Weichsel. 
Die  damals  zur  Deckung  des  TJebergangs  angelegten  Werke  sind  noch 
^eute  in  der  Nähe  des  kleinen  polnischen  Soolbades  decko  (Giechocinek, 
S.  2)  SU  erkennen.  Von  Osiek  rückte  er  auf  dem  linken  Weiehselufer 
über  Lowitsch  vor  und  concentrirte  70,000  Mann  zur  Einschliessung  von 
Warschau  auf  demselben  tJfer.  Am  4.  Sept.  wurde  beschlossen ,  die  pol- 
nischen Verschanzungeu  zwischen  der  Krakauer  und  Kalischer  Strasse  zu 
stürmen,  und  Wola  als  Hauptpunkt  des  Angriffs  ausersehen.  —  In  dem 
durch  3  Schanzenlinien  stark  befestigten  Warschau  stand  General  Jfala- 
ehowsü  an  der  Spitze  von  33,000  M.,  mit  92  Geschützen.  Am  6.  Sept.  früh 
«etzten  sich  die  russischen  Kolonnen  zum  Sturm  in  Bewegung  und  Kacfa- 
mittags  war  die  erste  Linie  der  Verschanzungen  genommen,  worauf  der 
Angriff  eingestellt  wurde.  Die  Kacht  wurde  von  den  Polen  mit  Truppen- 
concentrirungen  und  fruchtlosen  Debatten  in  dem  im  Schlosse  tagenden 
Reichstage  hingebracht.  Am  7.  Sept.  stürmten  die  Russen  die  2.  Ver- 
sehanzungslinie  und  den  Stadtwall,  ohne  dass  Reichstag  und  Regierung 
sich  geeint.  Am  8.  Sept.  früh  5  Uhr  zog  die  polnische  Armee  aus  War- 
schau  und  Praga  ab  und  um  7  TJhr  erfolgte  der  Einzug  der  Sieger  in 
die  Hauptstadt.  Der  russische  Verlust  in  den  Kämpfen  um  Warschau 
betrug  10,500  M.;  derjenige  der  Polen  11,000  M. 


**  Von  der  Agrykola  Dolna  (PI.  G  6)  gelangen  wir  s.  durch  die 
Czerniakowskä  zum  Czerniakowski-Thor  {Rogatki  Czernidkowskie, 
P1.H8),  von  wo  die  Chaussee  zum  Dorfe  Gzemiaköw  führt,  mit 
prächtiger  kleiner  Wallfahrtskirche,  1691  vom  Fürsten  Stanislaus 
liUbomirski  erbaut ;  die  Gebeine  des  Heiligen  befinden  sich  in  einem 
gläsernen  Schrein  unter  dem  Hochaltar. 

Der  Weg  führt  weiter  in  s.o.  Richtung  an  einem  der  neuen  Forts 
vorbei  nachWllanöw  (BhiahobIi),  (8,«  km  Landweg,  10  km  Chaussee 
von  Warschau).  Das  auf  terrassenförmig  ansteigender  Hohe  in- 
mitten schöner  Parkanlagen  gelegene  8chlo9Sy  einen  eleganten,  mit 
Fresken  und  Basreliefs  geschmückten  Flügelbau  im  Italien.  Villen- 
stil ,  Hess  König  Johann  Sobieski  zum  Theil  durch  türkische  Ge- 
fangene aufführen.  Nach  Sobieski's  Tode  (f  1696)  wurde  das 
•Schloss  verkauft;  später  wurde  es  Eigenthum  Stanislaus  Ponia- 
towski^s,  der  es  ausbaute,  kam  dann  an  die  Fürsten  Lubomirski  und 
fichliesslich  die  Grafen  Potocki.  Im  Innern  (Zutritt  für  Fremde  ge- 
stattet) zahlreiche  Kunstgegenstände ,  u.  a.  das  Originalmodell  des 
Moses  von  Michelangelo,  Emaillen  von  Limoges,  eine  kleine  Ge- 
mäldesammlung mit  z.  Th.  grossen  Namen,  kostbare  Möbel,  chine- 
sische Sachen  u.  s.  w.  —  Die  prachtvolle  neue  Kuppelkirche  am 


28    Route  3,  BIALOLENKA.  Umgehungen 

Eingang  des  Dorfes  wurde  1857*1870  von  Graf  August  Potocki  und 
seiner  Qemahlin  Alexandra  erbaut.  Gegenüber  ein  gutes  Wirthshaus. 

1  km  n.5.  Ton  Wilanow  Jenseit  des  am  Park  vorbeifliessenden 
Weichselarmes  liegt  das  gleichfalls  der  Familie  Potocki  gehörige 
Koryiln  mit  grossem  Wildpark  (IlapKi  HapycHHeKi). 

Von  Wilanöw  führt  südl.  eine  Strasse,  von  welcher  r.  eine  Allee 
abzweigt  nach  dem  Wildpark  von  Katolin  (HaroiHHi) ,  9  km  von 
Warschau,  einer  reizende  Villa,  ebenfalls  den  Grafen  Potocki 
gehörig,  mit  schonen  Gärten ,  auf  den  schroif  zur  Weichsel -Nie- 
derung abfallenden  Höhen  gelegen  (4  km  vom  Strom  entfernt).  Im 
Wildpark  berühmte  Fasanenzueht. 

Ueber  Slusew  gelangen  wir  bei  Szopy  auf  die  Lubliner  Strasse. 
An  dieser  liegen  nach  der  Stadt  zu  die  beliebten  Vergnügungsorte : 
Xrolikarnia  (KpyjHKapBfl,  d.  h.  Kaninchengarten,  3,4  km  von 
Warschau),  mit  altem  Schloss  und  Gartenanlagen;  dann  Wiersbno 
(BtpsÖHO,  2  km  TOn  Warschau)  und  Kokotow  (Mokotobi,  1  km), 
beide  sehr  malerisch  auf  den  zur  Weichselniederung  abfallenden 
Höhen  gelegen.  Von  hier  erreichen  wir  entweder  durch  das  (Vi  St.) 
Mokotow-Thor  (S.  20)  die  Stadt,  oder  vor  Mokotow  r.  den  Ab- 
hang hinabgehend,  die  Belwederska,  welche  an  den  besuchten  Ver- 
gnügungsorten  MarceUin  und  Fromenada  Belwedertka  vorüber  zum 
(Vj  St.)  Belvedere-Thor  und  der  Aleja  XJjazdowska  (S.  19)  führt. 


Auf  dem  rechten  Weichselufer  verdienen  die  Schlacht- 
felder von  Bialolenka,  Orochow  und  Wawer  einen  Besuch  (vor- 
zugsweise für  Militärs  von  Interesse).  Um  zu  ersteren  zu  gelangen, 
folgen  wir,  nachdem  wir  am  N.-Ende  der  Vorstadt  Praga  (S.  25) 
das  Petersburger  Thor  {Rogatki  Peterburgskie ,  PI.  F  2)  und  die 
Weichselbahn  (S.  30)  passirt,  am  Fort  Ssliwitzky  (S.  24)  vorbei  der 
Modliner  Strasse  und  erreichen  zwischen  Praga  und  (7  km)  Bialo- 
lenka das  Feld,  auf  dem  sich  in  den  Tagen  vom  28.  bis  30.  Juli  1656 
die  dreitägige  Schlacht  von  Warschau  abspielte ,  in  welcher  das 
verbündete  schwedisch -brandenburgische  Heer  unter  der  Führung 
des  Königs  Karl  X.  Gustav  und  des  Grossen  Kurfürsten  das  60,000 
Mann  starke  polnische  Heer  zersprengte  und  Warschau  eroberte. 

Thell weise  auf  denselben  Gefilden ,  sowie  namentlich  um  die 
Vorstadt  Praga  wurde  zu  Ende  des  XTiii.  Jahrb.  gekämpft.  Den 
Kämpfen  daselbst,  dem  berühmten  Sturm  Ssuworow's  auf  Praga 
am  4.  Nov.  1794  (S.  25)  folgte  die  dritte  Theilung  Polens.  Ueber 
das  Gefecht  bei  Bialolenka  am  24.  und  25.  Februar  1831  s.  unten. 

Kehren  wir  durch  die  Vorstadt  Praga  zurück  und  passiren 
in  östlicher  Richtung  das  Moskauer  Thor  (Rogatki  MoakiewskUj 
PI.  J4),  so  nähern  wir  uns  den  Schlachtfeldern  von  Orochow  (Fpo- 
xoBi)  und  Wawer  (BaBepi).  1  km  von  dem  gen.  Thore  erhebt  sich 
I.,  200  m  von  der  Strasse,  ein  schönes  Derikmal,  von  Kaiser  Nikolaus 
an  der  Stelle  errichtet,  wo  in  der  Schlacht  bei  Grochow  die  Prinz- 


von  WuTBchau.  GROCHOW.  3,  Route.    29 

Albrecht-Kürassiere  unter  Oberst  Meyendorf  ihren  Todesritt  antra- 
ten (s. unten).  5 Min.  weiter  steht  1.  ein  Ohtliak^  unter  Alexander  I. 
errichtet.  Weiterhin  breitet  sich  die  grosse  Ebene  aus,  die  den 
Schauplatz  des  Sieges  Jos.  Poniatowski's  über  die  Gestenreicher  am 
25.  April  1809  und  des  Nachspiels  des  polnischen  Pramas  im  Jahre 
1831  bildete,  eine  um  Praga  halbkreisförmig  liegende  Niederung, 
20  km  im  Umfang,  ein  conpirtes  Terrain,  Yon  GrShen,  Gebüschen, 
Sümpfen,  Sandhügeln  durchzogen,  mit  einzelnen  Dörfern  und  Ge- 
höften (heutzutage  vornehmlich  Fabriken,  welche  die  Rohproducte 
des  Landes  verarbeiten).  Begrenzt  ist  dieser  Halbkreis  von  weit- 
läufigem Waldgelände,  mit  dem  sich  das  Terrain  nach  0.  aus  der 
Niederung  erhebt.  3  km  6.  von  Praga  beginnt  das  langgestreckte 
Doii Qrochow'j  wo  die  Strasse  von  Okuniew  in  die  Chausee  ein- 
mündet, liegen  die  Häuser  von  KL-Orochow ,  an  ersterer  der  Krug 
Wygoda  (Buroxa),  an  letzterer  das  Wirthshaus  Wawer.  Nördlich 
der  Chaussee  und  Kl.-Grochow  befand  sich  das  nur  zum  Theil  noch 
vorhandene  Erlenwäldchen ,  in  der  Schlacht  von  Grochow  der 
Schlüssel  der  polnischen  Stellung  (s.  unten). 

Am  17.  Fehr.  1831  rückte  die  rassische  Hauptarmee  unter  General 
DMritseh  gegen  Praga  tot;  General  SchcKhowskoi  über  Ssjerozk,  Zegrze, 
Bialolenka;  General  Roten  über  Wegrow,  Dobre,  Stanislawow;  General 
Pakten  über  Ealuszyn,  Hinsk,  Wawer.  Die  Polen,  nominell  unter  Fürst 
BadtiwiUy  thats'achlich  unter  CMopizü^  hatten  eine  beobachtende  Stellung 
im  Halbkreise  um  Warschau  genommen.  Kach  einigen  Rückzugsgefechten 
fanden  sich  die  Polen  auf  die  Niederung  östlich  Praga^s  zurückgeworfen. 
Am  19.  Febr.  wollte  Biebitsch  die  auf  den  beiden  Strassen  anmarschirenden 
Corps  Pahlen  und  Rosen  ausserhalb  des  Waldgeländes  vereinigen.  Dabei 
kam  es  zu  dem  unbeabsicbtigten  Reneontre-Gefeeht  von  Wawer; 
mit  starkem  Verluste  nahmen  am  Kaehmittage,  nach  dem  Eintreffen  des 
Bosen^schen  Corps  auf  dem  rechten  Flügel,  die  Russen  Gozlaw,  Wawer, 
Wygoda,  Kawenczyn;  ein  weiteres  Vordringen  gegen  Grochow  und  das 
Erlenwäddchen  war  bei  der  eingetretenen  Dunkelheit  und  der  Erschöpfung 
der  Truppen  nicht  mehr  möglich.  —  Diebitsch  fühlte  sich  zu  weiteren 
AngriiTen  zu  schwach  und  erwartete  die  Hitwirkung  Schaehowskoi's  auf 
dem«äussersten  rechten  Flügel  bei  Zabki.  Schachowskoi  rückte  jedoch, 
vom  Courier  verfehlt,  zunächst  nicht  auf  Zabki,  sondern  auf  Bialolenka, 
das  von  dem  polnischen  General  MalaehowM  besetzt  war.  Am  Nach- 
mittage des  24.  Febr.  wurde  in  dem  nun  entstehenden  Gefechte  von  Bia- 
lolenka das  Dorf  genommen,  am  25.  Morgens  aber  wieder  zurückerobert. 
Schachowskoi  führte  nun  einen  Linksabmarseh  über  Grodzisk  und  Marki 
aus,  ohne  darin  von  den  Polen  gehindert  zu  werden.  Diebitsch  änderte  in 
Folge  dieses  Gefechts  seinen  Plan  und  beschloss,  die  erst  für  den  26.  be- 
fohlene Schlacht  schon  am  25.  zu  schlagen.  Die  Russen  verfügten  über 
69,000  H.,  die  Polen  über  56,000  M.  Um  9  Uhr  schritt  Rosen  zum  Angriff 
auf  das  den  Schlüssel  der  polnischen  Stellung  bildende  Erlenwäldchen. 
Der  Kampf  schwankte  lange  hin  und  her,  bis  es  zuletzt  von  8  frischen 
russischen  Grenadier  -  Bataillonen  genommen  wurde;  gleichzeitig  langte 
Schachowskoi  zur  Verstärkung  an.  Den  Polen  fehlte  dagegen  von  jetzt 
ab  die  einheitliche  Leitung,  langsam  wichen  sie  in  eine  letzte  Stellung, 
westlich  von  Grochow,  zurück.  Gegen  die  hier  befindlichen  Reste  der 
polnischen  Divisionen  fand  nun  auf  der  Stelle  des  jetzigen  Denkmals 
(s.  oben)  der  grossartige  russische  Kavallerieangriff  statt,  der  die 
Sehlussscene  der  mörderischen,  für  die  Russen  siegreichen  Schlacht  bil- 
dete. Diebitsch  beraubte  sich  aller  Vortheile  des  errungenen  Sieges,  der 
nur  durch  die  Erstürmung  Pragas  ein  vollendeter  gewesen  wäre.  Er  ging 
zur  Reorganisation  seiner  Armee  bis  an  den  Wieprz  zurück,  Rosen  bei 


30    Route  4,  GROCHOW.  Von  Warschau 

Wawer  zurücklassend;  letzterer  erlitt  am  31.  März  bei  Dembe  Wielkie 
(20km  östlich  von  Wawer)  durch  die  Polen  eine  Niederlage,  nachdem 
sein  Uniergeneral  Geismar  Tags  zuvor  geschlagen  war. 


4.  Von  Warschau  naoh  Nowo-Oeorgiewsk,  Mlawa 
(Marienburg)  und  Ciechocinek. 

Eigenbakn  von  Warschau  bis  Nw90-OtorgUvD$k  (31  Werst)  in  U/s  St. 
(1.43, 1.07,  0.55  B.);  bis  zur  deutschen  Grenze  bei  mawa  (119  W.)  in  4r5  8t. 
(4.33,  3.26,  1.63  B.);  von  Mtawa  bis  Marienlmrg  (149  km)  in  6I/4  St.  (12.10^ 
9.10,  6.10  tA).  Kürzeste  Linie  zwischen  Banzig  (Elblng,  Königsberg)  und 
Warschau  (Abfahrt  in  Warschau  vom  Warschau- Wiener  BahnhoQ. 

Die  Dampfbootfahri  auf  der  Weichsel  (kleine  Passagier- Dampfboote 
von  Warschau  nach  Neu-Georgiewsk  und  Ciechocinek  im  Sommer  3  mal 
w.,  S.  10)  hat  vor  der  kürzern  Eisenbahnfahrt  den  Torzug  der  grössern 
Abwechselung  und  ist  bei  ausreichender  Zeit  zur  Büekfahrt  nach  der 
deutsehen  Grenze  (Thorn)  zu  empfehlen. 

a.    Eisenbahnfahrt  von  Warschau  bis  Miawa, 

Die  Bahn  überschreitet  die  Weichsel  auf  der  neuen  Eisenbahn- 
brücke unterhalb  Praga  (S.  25)  und  wendet  sich  alsbald  nach  N. 
Sie  durchschneidet  unweit  des  r.  Ufers  der  selten  sichtbaren  Weichset 
einen  Theil  der"  Schlachtfelder  von  1656, 1794  und  1831 ;  weiterhin, 
jenseit  der  Station  Jablonna{fl6iORR9)^  einem  beliebten  Ausflugsort 
der  Warschauer  mit  prachtvollem  altem  Park  und  sehenswerthem 
Schloss,  der  Familie  Potocki  gehörig,  beginnen  ausgedehnte  Wal- 
dungen. Bei  Nowy-Dwor  (Hob.  ^Bopi,  S.  31)  führt  die  Bahn  auf 
eiserner  Gitterbrücke  über  den  Narew  (Hapesi)  und  erreicht  alsbald 

32  W.  Stat.  Kowo-Oeorgiewsk  (HoBO-reoprieBCKi). 

Nowo-Georgiewskf  bis  1831  Modlin  genannt,  nach  den  n.  Ö.  der 
Festung  gelegenen  Ddrfern  KoL-  und  Stary-Modlin,  ausschliesslich 
Festung  da  es  keine  Ortschaft  umschliesst,  1807  von  Napoleon  I. 
angelegt ,  seitdem  bedeutend  erweitert  und  wichtiger  Depotplatz,, 
liegt  an  der  Mündung  des  Narew  in  die  Weichsel  und  a  cheyaL 
dieser  beiden  Flüsse,  112  m  ü.  M.,  30  m  über  der  Weichsel  auf  einem 
welligen  Plateau,  welches  sich  im  S.O.  allmählich  nach  dem  Narew 
zu  senkt  und  gegen  diese  und  die  Weichsel  mit  sehr  steilen  Rändern 
abfällt,  dann  aber  von  ersterer  sich  entfernt  und,  in  n.w.  Richtung 
ziehend ,  bei  Pomiechowo  an  den  tiefeingeschnittenen  Wkra-Fluss- 
tritt.  Die  hierdurch  entstehende,  ziemlich  ausgedehnte  Niederung 
ist  von  Wasseradern  durchzogen,  sumpfig,  mit  Tümpeln  erfüllt  und 
wird  bei  Hochwasser  jedesmal  vollständig  überschwemmt.  Im  N» 
undN.O.  steigt  das  Terrain  sanft  an  und  weist  namentlich  in  letzterer 
Richtung  einige,  die  Festung  dominirende  Punkte  auf.  W.  bleibt 
das  Plateau  bis  zum  Städtchen  Zakroczym  (3aKpo«iHMi,  »^  unten) 
hart  an  der  Weichsel,  um  von  da  halbkreisförmig  (mit  einem  Radius 
von  1500  Sehr.)  zurückzutreten  und  bei  Duchowisna  den  Fluss 
wieder  zu  erreichen.  Das  Plateau  ist  mit  Wald  bedeckt,  die  un- 
mittelbare Umgebung  der  Festung  aber  baumlos.    Am  1.  Ufer  des. 


nach  Ciechocinek.  MEAWA.  d,  Route.     31 

Narew  auf  der  Schwedenimel ,  der  flachen,  zum  Theil  versumpften 

Halbinsel  zwischen  Weichsel  und  Narew,  liegt  die  Vorstadt  Nowy- 

Dwor  (Hob.  i(Bopi,  deutsch  Neuhof),   Zal^roczym  und  Nowy-Dwor 

haben  je  6*800  meist  hölzerne  Häuser  und  4-5000  grösstentheils 

jüdische  Einwohner.   Von  der  Festung  führt  s.  eine  Brücke  über 

die  Weichsel ;  Ö.  über  den  Narew  ausser  der  Eisenbahnbrücke  eine 

TOn  4  Pfeilern  getragene  Drahtseil-Hängebrücke  nach  Nowy-Dwor. 
30  km  wesilieb  von  Nowo  -  Oeorgiewsk  Hegt  Stjeroak  (Cftpoivrb),  am 
ZusammenfluBS  des  ÜTarew  und  des  Bug,  Vereinigungspunkt  der  grossen 
Strassen  von  Kowno  und  Orodno. 

Folgen  die  Stationen :  46  W.  NasieUh  (HaceiBCKi) ;  65  W.  Gon~ 
soc2i/n  (roHCoaHHi») ;  82  W.  Ciechanow  (UtxaHOBi) ;  97  W.  Konopki 
(KoHonKH) ;  dann  die  russ.  Grenzstation 

113  W.  (120  km)  Miawa  (Mjasa).  ~  Bahnrestaur. ;  bei  der 

Fahrt  in  umgekehrter  Richtung  Zollabfertigung. 

Nach  Uebersehreitung  der  preuss.  Grenze  (preuss.  Grenzstation  Illouio) 
berührt  die  Bahn  die  (Stationen  SoldaUy  Koschlau^  RjfbnOy  JfontoieOf  Weiuen- 
bwg,  (80km)  Deutsch -Eplan ^  Knotenpunkt  der  Thorn-Insterburger  Bahn; 
weiter  Rotenberg,  RUgenburg,  Nikolaiktn^  MUctteo^  (149  km)  Marienburg, 
Von  hier  naeh  Dangig  oder  Königsberg ^  s.  Badeker^s  Norddeutschland. 

b.    Weichselfahrt  von  "Warschau  nach  Ciechocinek. 

Die  Weiehaal  (lat.  Vistula  oder  Visulla^  Albula^  poln.  Wisia^  russ. 
BkcjoO  ,  151  geogr.  Meilen  lang  (davon  TH/s  M.  in  Polen) ,  entsteht  im 
österreichisehen  Schlesien,  im  Jablunka- Gebirge  aus  der  weissen  und 
schwarzen  Weichsel.  In  dem  poln.  Plateau  und  den  Yorbergen  der  Kar- 
pathen,  mit  ihren  tiefen  Flussthälern ,  ihren  steil  aufsteigenden  Felsen 
und  Höhen ,  ihren  Wäldern  und  Wiesen,  finden  sieh  eine  Fülle  von  histo- 
rischen Orten,  Ruinen  von  Burgen  und  Stammschlössern  berühmter  Ge- 
schlechter. Auf  dieser  Strecke  auf  der  Grenze  zwischen  Oesterreich  und 
Bussland  (Polen) ,  Ist  die  Weichsel  120-900  m  breit  und  1-5  m  tief.  Bei 
Sandomir  wird  sie  für  grössere  Fahrzeuge  schiffbar. 

Von  Sandomir  an  durchbricht  die  Weichsel  in  'S.  Richtung  die  süd- 
liche Landhöhe  und  wird  bis  zur  Wieprz-lf ündung  von  hohen,  mit  Wald 
bedeckten  Rändern  eingefasst.  Westlieh  erhebt  sieh  hier  das  14-20  km 
breite  Sundomirer  Gebirge^  mit  scharf  ausgezackten  Felskämmen,  welche 
über  die  zum  Theil  aus  Kalkstein  bestehenden,  rückenförmig  gestalteten 
Berge  emporragen.  Nordwärts  von  der  Lysa  Qora^  auf  deren  höchstem 
Punkte  das  von  Boleslaw  Chrobry  gegründete  älteste  Kloster  Polens,  Swi^ty 
Krtyi  (heiliges  Kreuz)  liegt,  ist  der  Abfall  des  Gebirges  flach  und  lang. 
Kleine,  immer  niedriger  werdende  Hügelzüge  bilden  den  TJebergang  zur 
Piliza,  jenseit  deren  die  eigentlichen  Tieflandsehaften  Polens  sich  aus- 
breiten (8.  R.  2). 

Auf  dem  r.  Ufer  des  Stromes  liegen  fruchtbare  Hügelebenen  der  frühern 
Woiwodschaft  Lublin.  Jenseit  des  Wieprz  wird  die  Landschaft  nach  dem 
Bug  hin  flacher.  Sandiger  Boden  beginnt  mit  dem  fruchtbaren  Lehm  abzu- 
wechseln und  bei  Ghelm  erheben  sich  die  letzten  Kreideberge,  von  welchen 
man  nach  Osten  in  die  Fluren  Wolhyniens  hinabsieht.  In  einer  breiten 
Thalebene  fliesst  der  300-700  m  breite,  2-6  m  tiefe  Strom  mit  ruhigem  Laufe 
nach  Norden  und  erst  in  der  Gegend  von  Nowo  -  Georgiewsk  erscheint 
wieder  an  seinem  r.  Ufer  ein  hoher  Thalrand,  während  das  linke  niedrig 
bleibt.  Von  Krakau  bis  Warschau  fällt  der  Strom  auf  1  Meile  1,7  m,  von 
Warschau  bis  Thorn  1,6  m.  —  Ueberschwemmungen,  besonders  aus- 
gedehnt an  den  Mündungen  der  Nebenflüsse,  treten  jahrlich  dreimal  ein : 
die  erste  und  schlimmste  im  ersten  Drittel  des  März,  das  grosse  Hoch- 
wasser beim  Eisgang,  welches  2  Wochen  und  länger  dauert;  die  zweite 
um  den  Johannistag:  die  dritte  4  Wochen  später,  die  sog.  Janöwka  und 
Jakuböwka,  durch  das  Schmelzen  des  Schnees  auf  den  Karpathen  ent- 


32    Route  4,  PLOZK.  V<m  Warschau 

stehend.  Die  Eisdecke  des  Flussös  pflegt  vor  Weihnachten'  zu  stehen 
und  wenigstens  3  Honate  aussuhalten.  Die  Schifffahrt,  gewöhnlich  von 
April  bis  October  dauernd,  ist  trotz  genügender  Tiefe  schwierig,  da  die 
Weichsel  eine  Menge  mehr  oder  weniger  zu  Tage  liegender  Sandbänke 
bildet,  welche  sich  fast  naeh  jeder  Ansehwellung  des  Flusses  Yerändem. 
Ausserdem  unterspült  sie  die  Ufer  meilenweit  in  einer  Weise,  dass  förm- 
liche Erdstürze  entstehen,  die  dann  die  Strömung  nach  einer  andern 
Richtung  drängen.  Grosse  Strecken  der  Uferdämme  werden  beim  Hoch- 
wasser weggerissen  und  überschwemmt,  sodass  ganze  Landschaften  unter 
Wasser  gesetzt,  gan&e  Dörfer  hin  weggespült  werden.  Ifamentlieh  die 
Gegenden  unterhalb  der  Festung  Iwangorod  (s.  8.  8S)  waren  sehon  die 
Stätten  der  schrecklichsten  Verwüstungen,  besonders  beim  Bisgang  durch 
ausserordentliche  Stauungen,  die  sog.  ^Zatory".  Seit  1848  ist  auf  der 
Weichsel  von  Warschau  aus  Dampfsch^/ahrt  im  Betriebe,  die  durch  den 
Grafen  Andreas  Zamoyski  eingerichtet  wurde  und  von  einer  Actiengesell- 
schaft  fortgesetzt  worden  ist. 

Die  Fahrt  auf  der  Weichsel  von  Warschau  stromabwärts 
(Abfahrt  unterhalb  der  Alexanderbrücke)  führt  uns  unter  der  neuen 
Eisenbahnbrücke  hindurch,  an  der  Citadelle,  dem  Kloster  Bielany, 
Schloss  Mlociny  Torbei.  Halbwegs  Nowo  -  Qeorgiewsk  passiren 
wir  (15  W.=16  km)  Schloss  Jahlovma,  den  Grafen  Potocki  gehörig; 
das  gleichn.  Dorf  (Eisenbahnstation ,  s.  S.  30)  wird  in  der  Kriegs- 
geschichte des  J.  1656  genannt  (S.  28). 

31  W.  Kowo-Georgiewsk  s.  S.  30. 

34  W.  Zakroczym,  Sakrotschim  (daKpOTHMi) ,  Städtchen  mit 
4790  E.  (vgl.  S.  30),  auf  dem  r.  Ufer  der  Weichsel.  Hier  tagte  nach 
dem  Falle  von  Warschau  1831  eine  Zeit  lang  der  polnische  Reichstag. 

55  W.  Czerwinsk  mit  den  Ruinen  eines  alten  Schlosses  der  Her- 
zoge von  Masovien,  1410  TJebergangspunkt  des  poln.  Heeres  unter 
Wladislaw  Jagiello  bei  dem  Zuge  gegen  den  deutschen  Ritterorden. 

64  W.  WyszogrodiBumTO^poA-b),  Städtchen  (4423  Einw.)  mit  leb- 
haftem Handel,  gegenüber  der  Mündung  der  Bzura  in  die  Weichsel. 

101  W.  Flozk,  Plock  {TLiow-b),  eine  der  ältesten  Städte  Polens, 
ehemals  Residenz  masovischer  und  polnischer  Herzoge  sowie  Bi- 
schofssitz, jetzt  eine  ansehnliche,  emporstrebende  Gouvernements- 
stadt mit  22,000  £inw.  (viel  Juden),  am  r.  Ufer  der  Weichsel  auf 
einer  Anhöhe  hübsch  gelegen,  besteht  aus  der  Alt-  und  der  Anfang 
dieses  Jahrhunderts  angelegten  Neustadt  und  hat  viele  Kirchen, 
darunter  die  alterthümliche  Domkirche  aus  dem  xu.  Jahrh.  mit 
Grabmälern  der  polnischen  Herzoge  und  KSnige  Wladislaw,  Her- 
mann und  Boleslaw  III. 

117  W.  Duni/now.,  auf  dem  1.  Ufer  der  Weichsel,  mit  grosser 
Zuckerfabrik  und  Brauerei. 

129  W.  Dobrachln,  Dobrzyn  (AoöpxHHi),  Stadtchen  am  r.  Ufer 
der  Weichsel,  mit  den  Ruinen  einer  alten,  in  den  Kämpfen  zwischen 
dem  deutschen  Orden  und  den  Polen  vielumstrittenen  Burg  auf  den 
von  der  Wasserseite  unzugänglichen  Höhen  an  der  Weichsel. 

25km  n.  von  Dobrzyn,  bei  Skempe,  befindet  sich  ein  berühmtes 
Gnadenbild,  wohin  viele  Wallfahrten  geschehen. 

143  W.  WiocUwsk  (BiomaBCKi),  am  1.  Ufer,  JHauptemporium 
des  polnischen  Getreidehandels  (Eisenbahn  -  Station ,  s.  S.  3).  — 


POTAWY.  ö.  Route.     33 

158  W.  Bobrovmiki^  Dorf  am  r.  Ufer,  mit  den  Ruinen  eines  alten 
Schiosses  auf  einem  in  den  Fiuss  vorspringenden  Hügel,  ehem.  Re- 
sidenz der  Herzoge  von  fcfczyc  und  Pobrzyn  (s.  o.).  —  164W.  Niet" 
%awd  (Htmana),  Städtchen  am  1.  Ufer  (2650  Einw.),  (Eisenbahn- 
station, s.  S.  3).  ^  174  W.  Ciechoüinek,  s.  S.  2. 


S.    Von  Warschau  über  Iwaiigorod  und  Lnblin  nach 

Kowel. 

EiSBHBAHv  (Weiefuelbahn)  von  Warsohau  bis  Jwangorod  (92  W.)  in  38/4- 
4Va  St.  (4.63,  3.11,  l.ö8E.)i  bis  Koael  (314  W.),  Postaug  in  IO8/4,  gew.  Zug  in 
121/4  St.  (11.65, 8.73,  4.46  B.).  —  Von  Warschau  nach  Iwangorod  und  Nowa- 
Älezandria  die  Weichsel  aufwärts  fahren  im  Sommer  kleine  Damp/booU 
3 mal  wöchentlich;  doch  bietet  die  Fahrt  geringes  Interesse. 

Die  Weickselhahn  durchsehneidet  die  hügelige  Tiefebene  auf 
dem  r.  Ufer  der  Weichsel;  viel  Wald,  untermischt  mit  Korn-  und 
Weizenfeldern.  Die  ersten  (unbedeutenden)  Stationen  sind 

11  W.  Wawer  (BaBepi);  24  W.  Otwoczk  {Oibojim%)  ;  36  W.  Zc- 
testinow  (UeiecrmtOB'L) ;  49  W.  Pilawa  (IlRiJtBa);  61  W.  Wilga 
(BHjira) ;  74  W.  Soholowo  (Co6ojeBi) ;  87  W.  Shigin  {JRuritB%). 

92  W.  Iwangorod  (HBanropoA'b),  Eestung  an  der  Mündung  des 
Wieprz  in  die  Weichsel.  Die  Befestigungen  liegen  auf  beiden 
Uiern  der  hier  200  m  breiten  Weichsel.  Iwangorod  bildet  mit 
Nowo-Gkorgiewak  u.  Brest-Lito^sk  das  wichtige  polnische  Ftittmgs' 
dreitek*  Von  Iwaogorod  nach  Dombrowa  s.  S.  5. 

117  W.  Kowa^^Alezandria  (Honax-AieKcaaxpi«)  oder  Pniawy, 
nicht  w^t  von  dem  Marktflecken  Puiavfy  und  dem  Stadtchen 
Kofiska  -  Wola  (6  Werst  östlich). 

Pulawy  (2200  Einw.) ,  am  r.  Ufer  der  Weichsel  gelegen ,  ehe- 
mals Landsitz  und  glänzende  Residenz  der  Familie  Czartoryaki^ 
wurde  1831  conflscirt  und  thells  zur  Reichsdomäne  Neu-Alezandria 
gemacht,  thells  an  russische  Grosse  verschMikt.  Das  grosse,  pracht- 
volle SclUoa»,  von  schönen  Gärten  umgeben,  beherrscht  die  ganze 
Umgebung.  Von  den  bedeutKiden  Sammlungen,  die  sich  vor  1831 
hier  befanden,  wurde  während  des  polnischen  Insurrectionskriegs 
viel  zerstört,  der  Rest  nach  St.  Petersburg  gebracht.  Im  Park  an 
der  Weichsel  steht  auf  hohem  festungsartigen  Unterbau  der  Sibyl- 
lentempel (Nachahmung  des  Tempels  von  Tivoli) ,  der  eine  Samm- 
lung polnischer  und  slavischer  Alterthümer  etc.  enthielt.  Im 
Schlosse  befindet  sich  seit  1843  das  aus  Warschau  dorthin  ver- 
setzte Kaiaer -Alexander  ^Institut  zur  Erziehung  von  Mädchen, 
sowie  eine  landwirthschaftllche  Schule.  In  der  Umgebung  von 
Pi^awy  liegen  der  schöne  Pavillon  von  Marynki  und  5  W.  südl. 
das  Schloss  Parckatka  mit  Anlagen  und  freundlichen  Tillen. 

Von  Pulawy  wendet  sich  die  Bahn  s.o.,  das  Bergland  von  Eazi- 
mierz  r.  lassend ,  über  Müoczyn  (Miuoiihhi)  nach 

162  W.  Lnblin  (JI»6jihhi;  Hot.  Victoria),  ansehnliche  Gouver» 

Bussland.     2.  Aufl.  3 


34    Route  5,  CHELM. 

nements -Hauptstadt  mit  39,000  Einw.  (in  der  Unterstadt  nur 
Juden),  in  fruchtbarer  Gegend  auf  einer  Anhöhe  an  der  Bystrzyca,^ 
einem  Nebenflüsschen  des  Wieprz,  von  Hügeln,  Seen  und  Morästen 
umgeben.  Die  Stadt  enthält  alte  Paläste  berühmter  Adelsgeschlech* 
ter  (der  Czartoryski,  Potocki  u.  a.),  eine  Kathedrale  aus  dem  zin» 
Jahrh.  und  11  andere  Kirchen,  ein  grosses  Militärhospital  (früher 
Radziwill'sches  Schloss),  einen  Tribunalspalast,  ein  schönes  Rath- 
haus,  Theater  etc.<  Yon  den  alten  Befestigungen,  deren  Umfang; 
ehemals  -weit  grösser  war,  sind  noch  vier  Thore  und  eine  Schanze 
ausserhalb  der  Stadt  übrig.  Lublin  besitzt  ansehnliche  Tuch- 
fabriken und  treibt  lebhaften  Handel,  namentlich  mit  Getreide. 

Lublin  ist  eine  sehr  alte  Stadt,  angeblich  von  Julia,  der  Gemah- 
lin des  Sohnes  des  Fürsten  Lesehek  gegründet.  TJnter  den  Jagelionen 
eoneentrirte  sieh  hier  der  Handel  von  Podolien,  Wolhynien,  Galizien; 
Lublins  Märkte  waren  weit  berühmt;  seine  Einwohnerzahl  stieg  bis  auf 
70,000  Seelen;  es  war  der  Sitz  des  alten  polnisehen  KrontribuniJs  und 
mehrere  Keieiistage  wurden  innerhalb  seiner  Mauern  abgehalten,  so  166& 
unter  Sigismund  August  der  ein  ganzes  Jahr  dauernde  Beiehstag,  auf 
welchem  die  Vereinigung  Polens  und  Litauens  zu  Stande  kam.  Int 
XVIII.  Jahrh.  war  Lublin  eine  der  bedeutendsten  Städte  Polens,  als  MitteU 
punkt  des  reichsten  Landstriches  im  Winter  der  Aufenthidtsort  eines  be«^ 
güterten  Landadels,  wo  viele  der  grossen  Magnaten  und  Pane  ihre  Paläste 
hatten  und  Fest  auf  Fest  sich  drängte. 

Eine  lange  eiserne  Gitterbrücke  führt  über  den  Wieprz  und 
seine  sumpfigen  Ufer.  —  209  W.  Bajowice  (PeioBem»). 

230  W.  Ghelm  [Chotm,  Xom),  Kreisstadt  mit  5594  Einw.,  an 
der  Ufter,  einem  Nebenflüsschen  des  Bug,  in  getreidereicher  Gegend. 
Die  Stadt,  angeblich  Tom  Fürsten  Daniel  gegründet  und  ehemals 
zum  Fürstenthum  Halicz  gehörig,  ist  Sitz  eines  unirten  Bischofs 
undPiaristen-KoUegiums  und  besitzt  mehrere  katholische  und  grie- 
chische Kirchen. 

Bei  (248  W.)  Dofohuilta  (^oporvcKi»)  über  den  Bug, 

16  Werst  (16  km)  südl.  am  Bug  das  Städtehen  Dubi^ka  (Dubjienka), 
bekannt  durch  die  Schlacht  vom  17.  Juli  1793,  in  welcher  Kodciuszko^ 
der  „Held  von  Dubi^ka**,  durch  seinen  tapfern  Widerstand  gegen  die 
XJebermacht  der  Russen  wenigstens  die  Ehre  der  polnischen  Waffen  rettete. 

Ueber  Ljuboml,  Madowie  nach  (313  W.)  Kowel  (KoseiB), 
Knotenpunkt  der  Linie  Brest<-Klew  bez.  Odessa  (S.  3S9). 


n.   DIE  OSTSEEPROVINZEN  UND  WEST-RUSSIAND. 


Roate  Seite 

6.  Von  Berlin  nach  Wilna  und  Libau  über  Wixballen  .     35 

7.  Von  Warschau  nach  Riga  über  Wilna  und  Dünaburg     44 

1.  Pultusk.  Ostrolenka  45.  —  2.  Augustowo.  Batsehki. 
Boapuda  47.  —  3.  Die  Buna  48. 

8.  Riga  und  Umgebungen .     49 

1.  Bolderaa.  Dünamünde  59.  -^  2.  Insel  Rtin$  60.  » 
3.  Arensburg  und  Pernau  00.  ~-  4.  Hitau  62.  —  5.  Dub- 
beln,  Schloek  und  Kemmern  66.  —  6.  Von  Riga  naeb 
Dorpat  über  Wenden.    Livländiscbe  Schweiz  66. 

9.  Von  St.  Petersburg  nach  Reval,  Baltlsch-Port,  Dorpat    69 

1.  Der  Peipus-See.  73.  —  2.  TTnAgebungen  Ton  Re- 
val. Katbarinenthal.  Eoseb.  Brigittenruine.  Tiseher. 
Ziegelkoppel.    Padis-Eloster.    Sehloss  Fall  84. 

10.  Von  Berlin  (Königsberg y  München,  Wien)  nach  St. 

Petersburg 85 


6.  Von  Berlin  nach  Wilna  und  Libau  über  Wirballen. 

Vaoh  der  raatitohen  Orente  (Eydtkuhnen)  fährt  man  per  Bahn: 

Von  Berlin  (Sehlesischer  Bahnhof)  über  Birschau-Königsberg  (742km) : 
Personenzug  in  2Si/a  St.  für  59.40,  44.60,  29.70  «€  \  Courierzug  in  löVa  St. 
für  67.20,  49.80  ^ 

Von  Berlin  (Schlesiseber  Bahnhof)  über  Thorn  -  Insterburg  (745  km) : 
Personenzug  in  23  St.  für  59.40,  44.60,  29.70  <^;  Courier-  und  Sehnellzug 
in  I68/4  St.  für  66.90,  49.60,  (von  Bromberg  an)  31.30,  23.20  «« 

Von  Posen  über  Thorn-Insterburg  (503  km) :  Personenzug  in  I71/4  St. 
für  32.50,  24.40,  16.20  c€ ;  Courierzug  in  12  St.  für  44.00,  32.50,  19.10  c^ 

Von  KOnigwerg  über  Gumbinnen  (152  km)  s  Personenzug  in  41/3  St.  für 
12.20,  9.20,  6.10  fA%  Courierzug  in  28/4.31/8  St.  für  14.20,  10.50  »« 

Sämmtliehe  durehgehenden  Züge  zwisehenlpSerlin  und  Eydtkuhnen 
führen  direkte  Wagen.  Kaeht-Courierzüge  führen  Schlafwagen  I.  und  II. 
Kl.  von  Berlin  aus  (Zusatz-Billets  vom  Condueteur  zu  lösen,  bis  Eydtkuhnen 
I.  Kl.  12,  II.  Kl.  10  0«). 

Von  Eydtkuhnen  nach  Wirballen  (2  km)  in  10  resp.  20  Hin. 

Von  Wirballen  nach  Wilna  (178  Werst  =  189  km),  Personenzug  in 
51/3  Bt.  für  6.68,  5.01,  2.56  R. ;  Gourierzug  in  41/2  St.  (150/o  Zusehlag). 

Von  Wirtailen  über  Koschedarp  nach  libav  (410  Werst  =  487  km),  Per- 
sonenzug  in  151/2  St.,  für  15.34,  11.52,  5.89  R. 

Von  der  Benutzung  der  III.  Klasse  ist  abzurathen ;  womöglich  Billets 
I.  Kl.  (in  Russland)  nehmen.  Falls  die  ganze  Reise  zu  ermüdend ,  kann 
ma.n  in  Königsberg,  Eydtkuhnen  oder  Wirballen  (sehr  gut)  übernachten. 
Auf  den  grössern  russischen  Stationen  wird,  wie  gewöhnlich  auf  den 
Bahnen  Russlands,  20-30  Hin.  gehalten.  Bie  Bahnbofrestaurants  sind  durch- 
gehends  gut. 

Bie  Reise  aus  Beutschland  nach  Libau  kann  man  bei  Gelegenheit 
auch  zur  See  von  Swinemünde ,  Stettin,  Königsberg  machen.    Bie  Ostsee 

feniesst  aber  der  Stürme  wegen  nicht   des    oesten  Rufes,  so  dass  der 
>eatsehe  meist  die  Eisenbahnfabrt  vorziehen  wird. 

Eydtknhiien  (Welters  Hotel,  Z,  3cM;  HÖtel  de  Russie)  ist  die 

3* 


36     Route  6.  WIRBALLEN.  Von  Berlin 

letzte  preussische  Station.  Wer  es  versäumt  hat,  sein  deutsches  Geld 
in  russische  Banknoten  umzusetzen,  dem  bietet  sich  in  der  Wechsel- 
hude  des  Bahnhofs  noch  die  Oeiegenfaeit  dazu;  besser  ist  es,  vorher 
daran  zu  denken.  Der  Zug  hält  in  Eydtkuhnen  c.  ^/^  St.  (in  un\- 
gekehrter  Richtung  über  1  St.) ;  kaum  hat  er  sich  in  Bewegung  ge- 
setzt, 60  erfolgt  auch  schon  wieder  das  Signal  zum  Langsamfahren. 
Ein  Gotteshaus  mit  Kupp^  und  vier  Thürmen  ragt  vor  uns  auf;  zur 
Linken  zeigt  sich  ein  stattliches  Bahnhofsgebäude,  schwarz-weiss- 
orangefarbene  Barrieren,  fremde  Uniformen  —  „Wirballen,  Alles 
aussteigen  I ".  —  Wir  sind  im  russischen  Kaiserreich, 

2W,  Wirballen  (Wi6ar2y,  Wierzholow,  BepsöoiOBO),  am  Grenz- 
flüsschen Lepona,  einem  Neb«nflus8  der  Szeszupa  (Niemen),  84(X 
Werst  von  St.  Petersburg,  179  Werst  von  Wilna,  410  Werst  von 
Libau.  Hier  verlassen  wir ,  nachdem  die  Pässe  abgefordert ,  den 
preussischen  Waggon,  um  in  den  russischen  überzusteigen,  an  die 
Stelle  der  deutschen  Sprache  tritt  als  Amtssprache  die  russische. 
Der  nicht  rujssisch  sprechende  Reisende  tröste  sich  damit,  dass  viele 
Beamte  auch  franzosisch  und  deutsch  sprechen. 

In  Wirballen  findet  die  zollamtliche  Revision  des  Ge- 
päcks statt,  wobei  der  Reisende  selbst  zugefgen  sein  muss.  Man 
wird  in  eine  grosse  Halle  gewiesen ,  in  der  in  weitem  Viereck  ein 
niedriger  Tisch  lauft,  auf  welchem  Mann  neben  Mann  seine  Habe 
niederzulegen  hat  (für  jedes  Stück  zu  tragen  erhalten  die  Gepäck- 
träger 5  Kop.).  lieber  Revision  s.  Einl.  S.  xm  und  R.  1.  Ist  man 
fertig,  so  begibt  man  sich  in  das  Büffet  (von  einem  Franzosen  ge- 
halten und  sehr  gut) ;  man  hat  genügend  Zeit  sich  zu  erfrischen 
(im  Bahnhof  auch  Z.  zum  üebernachten.) 

Nach  einer  weitern  halben  Stunde  fährt  der  russische  Zug  an 
dem  Perron  vor.  Die  Conducteure  tragen  das  Nationalkostüm :  einen 
dunkelblauen  Rock  ohne  Kragen,  weite  Pluderhosen  in  Waden- 
stiefeln, dazu  eine  Pelzmütze  ohne  Schirm,  der  Zugführer  silberne 
Schnüre.  —  Wer  kein  directes  Billet  hat,  muss  jetzt  dasselbe  lösen 
(womöglich  I.  Klasse).  Die  Reisenden  nach  St.  Petersburg  (Fahrzeit 
26  St.)  besteigen  durchgehende  Wagen. 

Während  der  Fahrt  befinden  wir  uns  bis  Kowno  noch  im 
Generalgouvernement  Warschau  (Polen)  und  zwar  im  Gouvernement 
SwwalHj  dem  nördlichsten  Zipfel  Polens ,  im  n.  Theile  von  Li- 
tauern, im  s.  von  Polen  bewohnt,  gemischt  mit  Russen,  Deutschen, 
Tataren,  Zigeunern  und  Juden  (besonders  in  den  Städten) .  Die  Region 
nördlich  xon  Maryampol  (MapiaMTOjii»),  die  wir  mit  der  Bahn  durch- 
eilen ,  ist  fast  völlige  Ebene ,  im  Ö.  Theil  waldig ,  ganz  am  Niemen 
auch  leicht  hügelig,  sumpfig  und  von  sumpfigen  Flussbetten  durch- 
zogen, im  w.  Theile  ohne  Wald ,  fruchtbar  und  verhältnissmässig 
gut  bebaut.  Welt  in  der  Ferne,  rechter  Hand,  zieht  der  ostpreussl- 
sche  Landrücken  als  Augustowo-B^rgkette  quer  hindurch.  Je  näher 
wir  dem  Niemen  kommen,  d^sto  reicher  wird  d.6r  Boden,  desto  vor- 


nach  Lüfau.  KOWNO.  6.  Route,    37 

herrschender  d^r  Latihwald,  besonders  aus  Linden  bestehend,  daher 
der  berühmte  weisse  Honig  von  Kauen  (s.  unten). 

'17W.  Stat.  Wilkowischki  ( Wükowyszki,  BHjbKOBuniKM),  2  Werst 

von  dem  gleiehn.  Städtchen  entfernt,  welches  am  22.  Juni  1812, 

-vor  dem  üebergang  über  den  Niemen,  das  Hauptquartier  Napoleons 

war.  Ton  hier  erliess  er  die  bekannte  Proclamation,  in  der  er  seiner 

Armee  den  Beginn  eines  „zweiten  polnischen  Krieges'^  ankündigte. 

üeber  Station  (29  W.)  Püwischki  (IliUbBHmKH),  (47  W.)  Koszlowa 

Ruda  (RosjOBa  Py^a)  >  (64  W.)  Mauruzi  (Manpyim)  erreichen  wir 

den  Niemenj  den  die  Bahn  auf  eiserner  Gitterbrücke  überschreitet 

(Schiffbrücke  in  der  Nähe). 

Der  Kiemen  (H^MeRi)  beginnt  bei  Grodno  (S.46)  den  Durchbrach 
durch  die  nördliche,  die  Tiefebenen  Polens  und  Litauens  von  der  Ostsee 
trennende  Landhöhe.  Von  Grodno  bis  Kowno  fassen  hohe  Bander  von 
Lehm ,  Thon ,  Kreide  und  hier  und  da  herv(nrtretenden  Felsgesehieben 
die  etwa  SOOm  breite  Thalsohle  ein,  in  weleber  d«r  Strom  in  häufigen 
kleinen  'Windungen  raschen  Laufes  dahinfliesst.  Herrliche  Wälder  von 
Linden,  Eichen  und  andern  Laubhölzern  krönen  die  Höhen  und  bedecken 
die  Abhäng»  der  zahlreiehen  Seitenthäler ,  aus  welchen  kleine  Bäche 
hervorbrechen.  Dazwischen  liegen  in  den  Thalweitungen  freundliche  Ort- 
schaften und  kleine  Städte.  Das  ganze  Thal  gewährt  einen  anmuthig  ro- 
mantisehen,  oft  weehselnden  Anblick.  Ost--  und  westwärts  vom  Strom 
dehnen  sich  wdltfe  Hngelebenen  aus. 

Jenseits  des  Nlemen  befinden  wir  mnsin  West-  oder  WeUs- 

Ruadand  und  zwar  in  der  südlichsten  Ecke  des  GouYernements 

Kowno  (s.  unten).    Nach  kurzer  Zeit  fahren  wir  in  den  südlich  der 

Stadt  Kowno  liegenden  Bahnhof  ein  (Restaur. ;  in  der  Stadt  Hot, 

Bellevue). 

81 W.  Komiot  (Katten,  Kobho),  Hauptstadt  des  gleiehn.  Gou- 
vernements, auf  der  überaus  fruchtbaren  Landzunge  am  Einfluss 
der  Wilija  (BHjiii)  in  den  Niemen  gelegen ,  mit  c.  50,000  £inw., 
zur  Hälfte  Juden.  Die  Stadt  besitzt  7  Klöster  und  10  Kirchen, 
darunter  die  St.  Peter-  und  die  St.  PauUkirchey  aus  dem  zy.  Jahrb., 
die  grössten  römisch-katholischen  Kirchen  Litauens;  die  Kirche 
des  h.  Georg j  von  1471,  und  die  Kapelle  derh.  Gerirttd,  die  schon 
1503  ezistirte.  Auf  dem  Marktplatze,  gegenüber  dem  schönen  Rath- 
haus  und  den  in  einer  alten  polnischen  Kirche  befindlichen  Kasernen 
eine  gusseiserne  Pyramide,  zum  Andenken  an  die  Befreiung  von 
den  Franzosen  1812  errichtet.  Das  Denkmal  trägt  die  Inschrift: 
„Im  Jahre  1812  wurde  Russiand  durch  eine  Armee  von  700,000 Mann 
überftkllen.  Dieselbe  kehrte  über  die  Grenze  zurück  mit  nur  70,000 
Mann/  Kowno  besitzt  Leinenwebereien  und  grosse  Methbrauereien 
(Meth,  ^Lippitz**  genannt,  berühmt),  und  treibt  bedeutenden  Handel 
(Oetfedde,  Honig,  Mehl  etc.).  Der  Honig  kommt  besonders  aus  dem 
südlichen  Theil  des  .Gouvernements  Suvalki ,  wo  die  ursprünglich 
offenbar  von  fremder  Abstammung  ausgehenden  Kurpie  (S.  45), 

t  "SMih  Kowno  gehen  im  Sommer  von  Tilsit  auf  dem  Niemen  (Memel) 
Dampfschiffe  über  Ragnit,  Schmalleningken,  Georgenburg.  Fahrzeit  13- 
leet.,  1.01.  9»«,  3.  Gl.  6.^ 


38    Boute  6.  WILNA«  Von  Btrlin 

Yielleicht  Geüchteto,  in  den  Grünen  Urwald  (jetzt  Urwald  von  Nowo- 

grod)  Geflüchtete ,  Bienenzucht  und  Jagd  treiben. 

Eowno  machte  einen  Theil  des  alten  Herzogtimms  Litauen  aus. 
t)ie  Stadt  soll  schon  'im  z.  Jahrh.  gegründet  worden  sein.  Im  xir.  und 
xv.  Jahrh.  wurde  sie  nach  und  naeh  der  Mittelpunkt  des  Orenzhandels 
von  Polen  nach  Litauen  und  fiussland.  Später  verarmte  jedoch  die  Stadt 
derartig,  dass  Ihr  1654  die  Abgaben  erlassen  wurden.  1^  wurde  Kowno 
von  einem  russisches  Heer  unter  dem  Zaren  Alexei  geplündert  und  yer- 
brannt.  In  der  dritten  Theüung  Polms  1794  kam  Kownd  deftnitir  zu 
Bussland.  Am  22.  Juni  1812  erreichte  die  französische  Armee  das  Unk« 
Ufer  des  Niemen  gegenüber  Kowno.  Am  23.  Juni  früh  reeognoscirte 
Kapoleon  bei  Alexoten^  Kowno  gegenüber.  Eine  Höhe  in  der  Nähe  des 
Dorfes  Ponjtmuni  (IIoBaxoHU)  heisst  noch  heute  der  if^poleonth'Qiftl  und 
ist  mit  einem  Denkmal  geschmückt.  Am  24.  Juni  wurde  Koif^no  be*« 
setzt.  Während  der  französischen  Besetzung  hatte  die  Stadt  Viel  zu 
leiden.  —  Am  26.  Juni  1831  fand  bei  Kowno  ein  Treffen  zwischen  Bussen 
und  Polen  statt. 

Die  Bahn  führt  eine  Strecke  am  Niemen  entlang  und  durch- 
schneidet dann  den  waldreichsten  Theil  des  Gouvts.  Kowno  (die 
Wälder  sind  auch  hier  zu  beiden  Seiten  der  Bahn  vielfach  ausge- 
hauen; vgl.  S.  2).  Vor  Stat.  ProwUniichki  (IIpoBeHHiiiKH)  ein  langer 
Tunnel. 

116  W.  Koiehedary  (KomeAapu)  oder  Etkany^  Knotenpunkt 
der  Bahn  nach  Libau  (s.  S.  40).  Weiter  (125  W.)  Shoüiy  (140  W.) 
Ewja,  (163  W.)  Landwarowo  (JaHXBapoBo;  Büffet),  mit  hübschem 
Schloss,  Knotenpunkt  der  Petersburg -Warschauer  Bahn  (s.  B.  10 

und  S.  47). 

low«  südw.  das  Städtchen  Treki  (H. Tnoan)  mit  altem  Schloss  an 
einem  grossen  See,  in  dem  1440  Gross  fürst  Sigismund  von  Litauen  von 
den  Woiwoden  Dolgierd  von  Wilno ,  Lelusz  von  Troki  und  dem  Fürsten 
Cssartoryski  ermordet  wurde.  40  W.  südl.  von  Kosehedary  (32  W.  von 
Eowno)  das  jod-  und  bromhaltige  Mineralbad  Byntany  (BoporraHu),  in 
schöner  Umgebung.  Gasthaus  mit  Nummern^  Bestaurant.  Badehäuser 
am  Niemen. 

Wir  nähern  uns  nun  dem  Thale  der  dem  Niemen  zufliessenden 
Wilija  und  erreichen 

179  W.  Vüna  {Wilnoy  BiuiiHa). 

*BdknreitaurQHon;  20-30  Kin.  Aufenthalt.  —  Gasth.  in  der  Stadt: 
Hotel  de  TEurope,  an  der  Ecke  der  (ausschliesslich  von  Juden  be« 
wohnten)  deutsehen  Strasse  \  zweifelhafte  Reinlichkeit,  hohe  Preise. 
Hot.  Continental;  H6t.  Dagmar.  ~  Gepäekträger  u.  Droschken  am 
Bahnhof,  die  Fahrt  20-25  Kop. 

Wilnüf  Hauptstadt  des  gleichn.  Gouvernements,  früher  Haupt*- 
stadt  von  Litauen ,  liegt  mit  seinen  Vorstädten  Antokole  und  Bu- 
daischka  anmuthig  an  der  Einmündung  der  Wil^ka  In  die  Wilija 
und  hat  c.  94,000 Einw.  (hauptsächlich  Polen,  c.  öO^/q  Juden).  Be^ 
sonders  zahlreich  ist  in  Wilna  der  polnische  Adel  vertreten.  Die 
Stadt,  Sitz  des  Generalgouvemeurs  und  des  Commandeurs  des  Mili- 
tärbezirks Wilna,  des  commandirenden  Generals  des  II.  Corps,  eines 
Civilgouverneurs,  des  Metropoliten  und  eines  katb.  Bischofs^ist  eng 
gebaut  und  schmutzig,  besitzt  jedoch  mehrere  Paläste  vornehmer 
polnischer  Familien,  ein  sch5nesRathhauSj  zahlreiche  alterthümliche 
Gebäude  u.  Kirchen  (35  katholische,  3  griechische  und  2  protestan* 


nach  Libau.  WILNA.  6,  Route,     39 

tische,  eine  Moschee,  2  Synagogen),  mehrere  katholische  und  grie- 
chische Kldster.  Wilna  war  früher  von  Bedeutung  für  Polen  durch 
seine  wissenschaftlichen  Anstalten.  Die  1576  gestiftete  üniveraität 
wurde  1832  aufgehoben  und  von  der  Bibliothek  und  sonstigen 
Sammlungen  vieles  nach  Kiew  und  St.  Petersburg  gebracht.  Das 
Museum  der  Alterthümer  wild  den  Reisenden  noch  jetzt  interessiren. 
Unter  den  zahlreichen  Unterrichtsanstalten  sind  zu  nennen:  die 
'Orthodoxe  theologische  Akademie,  das  PiarlstencoUeglum ,  ein 
Seminar ,  die  Schifferschule.  Wilna  besitzt  Tabakfabriken,  Brannt- 
weinbrennereien u.  a.  Fabriken  und  treibt  lebhaften  Handel. 

Wilna*s  Qiesehlehte  reicht  Ms  in  die  ältesten  Zeiten,  wo  es  der 
Mittelpunkt  heidnischer  Gottesverehrung  war.  Ein  heiliges  Feuer  wurde 
am  Fusse  des  Hügels  unterhalten,  auf  dem  Grossfürst  Guedimin  von 
Litauen  die  Burg  erbaute.  1305  bereits  wurde  es  zur  Stadt  und  Resi- 
denz erhoben.  In  dem  Kampfe  Wladislaw  Jagiello's,  Grossfürsten  von 
Litauen ,  mit  seinem  Oheim  Kieystiot  spielt  Wilna  eine  grosse  Rolle. 
Im  J.  1382  ergab  sieh  dem  erstem  Stadt  und  Burg  ohne  Widerstand. 
Nach  seiner  Verheirathung  mit  Hedwig,  Tochter  Ludwig's  von  Ungarn 
und  Polen,  liess  Jaglello  1387  das  Christenthum  einführen  und  auf  der 
Stelle  des  heidnischen  Haupttempels  (s.  unten)  die  Kathedrale  errichten ; 
Wilna  wurde  der  Sitz  des  ersten  Bischofs  von  Litauen.  In  den  Kämpfen 
der  vereinigten  Dynastien  (Convention  von  Wilna  1401,  Reichstag  von 
.Lublin  16G9;  S.  83)  mit  den  deutschen  Ordensrittern,  den  Tataren  u.  rus^ 
sischen  Grossfürsten  wird  Wilna  oft  genannt.  Im  xvii.  und  xviii.  Jahrh. 
hatte  die  Stadt  durch  Plünderungen  und  Verwüstungen  der  Schweden, 
Russen  und  Kasaken  schwer  zu  leiden  und  verlor  dadurch  viel  von  ihrem 
Glanz  und  ihrer  Grösse.  Während  des  russisch-polnischen  Krieges  1794 
wurde  die  Stadt  am  19.  Juli  von  dem  polnischen  General  Georg  Grabowski 
mit  Hülfe  der  Bürger  tapfer  vertheidi0,  aber  nach  vorgängiger  Beschies- 
sung,  bei  welcher  die  Vorstädte  niederbrannten ,  am  12.  Aug.  genommen. 
Bei  Beginn  des  Krieges  Frankreichs  gegen  Russland  1812  bestimmte  Ka- 
poleon den  Nlemen  zu  seiner  Operationsfront  und  Wilna,  der  Kreuzungs- 
punkt der  Strassen  von  Königsberg  und  Warschau  nach  St.  Petersburg  und 
Moskau,  wurde  das  Centrum  der  französischen  Disposition.  Am  26.  Juni 
sog  Kapoleon  in  Wilna  ein  und  nahm  sein  Quartier  im  ersbischöfllehen 
Palais,  in  denselben  Zimmern,  welche  Kaiser  Alexander  Tags  vorher 
verlassen  hatte.  Auf  dem  Rückzüge  nach  dem  Brande  Moskaus  weilte 
Kapoleon  wieder  in  Wilna.  Hier  verliess  er  in  der  Kacht  zum  6.  Dec.  1812 
verkleidet  das  Heer.  Die  Franzosen  konnten  Wilna  nicht  halten  und  zogen 
sich  unter  Zurücklassung  von  20,000  Kranken  und  Verwundeten  zurück, 
nachdem  sie  die  Magazine  geplündert  hatten.  Am  22.  Dec.  traf  Kaiser 
Alezander  in  Wilna  ein.  Wahrend  der  polnischen  Revolution  von  1830-31 
war  Wilna  der  Heerd  mehrerer  Verschwörungen,  die  aber  rechtzeitig 
unterdrückt  wurden.  — -  Während  der  polnischen  Insurreetion  von  1868 
und  1864  leitete  der  russ.  General  Murawiew  von  Wilna  aus  die  Repres- 
isivmassregeln. 

Wilna,  das  sog.  „ Kleine  Paris'',  ist  auf  unebenem,  hügeligen 
Terrain  erbaut,  die  meist  engen  Strassen  steigen  bergauf  und  bergab. 
Manche  bemerkenswerthe  Häuser  in  alterthilmllcher  Bauart  fallen 
auf  diese  Weise  wenig  In  die  Augen.  In  einer  engen  Gasse  das 
Schloss  des  Oeneralgauvemewra ,  ehemals  Oginski'sches,  dann  erz- 
bisehöfliches  Palais ,  ein  stattliches  (Gebäude  mit  schönem  Garten. 
An  einem  grossen  Platze  erhebt  sich  ein  umfangreiches,  neues  Ge- 
bäude, in  welchem  sich  der  Kctmeralhof  und  andere  Regierung»* 
behörden  befinden.  Gegenüber  die  katholische  Kathedrale  im  grie- 
ehischen  Stil,  1387  an  der  Stelle  des  dem  heidnischen  Llchtgotte 


40    Soute  6.  KOSOHEDARY.  Von  Berlin 

Ferkunas  gewidmeten  Tempels  erbaut  (s.  obeiD).  In  derselben  in 
einer  Marmorkapelle  der  150  kg  schwere,  silberne  Sarg  des  b.  Kasi^ 
mir  y  ausserdem  Grabmonumente  von  Mitgliedern  berühmter  pol-^ 
nischer  Familien.  Die  übrigen  alten  und  neuen  Kirchen  und  Kloster 
liegen  meist  in  engen  Strassen  und  an  unbedeutenden  Plätzen.  Se 
sieht  man  nur  wenig  von  der  berühmten  ^Oatra-Bfama-Kirche,  zu 
welcher  eine  enge  Strasse  nahe  dem  Bahnhofe  hinaufführt.  Letztere 
ist,  bis  hart  an  den  Durchgangsthorweg,  über  welchem  das  wunder- 
thätige  Muttergottesbild  sich  befindet ,  stets  mit  einer  Menge  An- 
dächtiger gefüllt.  Auf  dem  grossen  Platze  in  der  Nähe  erhebt  sich 
die  prachtvolle  russische  Stanidatu  »Kathedrale,  Auch  die  Erlö- 
simgsJcirche,  1364  Erbaut,  enthält  manche  Grabdenkmäler.  Auf  dem 
Kathedralen-Platz  das  unbedeutende  Theater,  In  der  Vorstadt  An" 
tokole  das  grosse  Hospitdt,  ursprünglich  ein  dem  Fürsten  Sapieha 
gehörendes  Gut  nebst  schönem  Park,  dann  kais.  Kadetteninstitut, 
das  1863  aufgelöst  wurde.  —  Beachtenswerth  sind  noch  auf  wald- 
bedeckter ,  50  m  hoher  und  sehr  steiler  Bergkuppe  die  Ruinen  des 
alten  Schlosses  der  Ja^ellonen,  1323  von  Guedimin  von  Litauen  er- 
baut, mit  sehr  schöner  •Aussicht;  dann  die  Villa  des  General'^ 
gouverneurs  mit  prächtigem  schattigen  Garten ,  an  der  reissenden, 
mit  Flössen  bedeckten  "Wilija. 

Von  Wilna  geht  in  n,w.  Richtung  die  Bahn  weiter  nach  Püna- 
burg,  Riga  und  St.  Petersburg  (s.  B.  7  und  S.  47). 

Von  Kosehedftrj  nach  Xibau. 

294  W.  Eisenbahn  in  11  St,  für  I1.Ö3»  8.38,  4.23  E.  Für  den  Zug  von 
Wirballen  ist  in  Kosehedary  1  St.  8  Min.,  für  den  von  Wilna  2  St.  20  Hin. 
Aufenthalt. 

Die  Fahrt  geht  durch  das  Gouvernement  Kowno,  das  alte  Sa^ 
mogiiien,  dessen  Areal  Flachs-  und  Hanffelder,  aber  in  noch  weit 
grösserer  Ausdehnung  Wälder  bedecken.  Der  waldreichste  District 
ist  der  von  Kowno,  der  waldärmste  d«r  von  Telsch.  Die  schönsten 
Nadelhölzer  sind  im  Kurtowjansker  Walde,  im  Kreise  Schawli; 
durch  Linden  ausgezeichnet  ist  der  Datnowsker  Wald ,  Kreis  Ros- 
sieny ;  Eichen  und  Eschen  vorzüglich  an  den  Ufern  des  Niemen 
und  der  Dubissa.  Längs  der  Flüsse  hat  man  am  meisten  gelichtet. 
Die  Hauptstrasse  zum  Transport  des  Holzes  ist  der  Niemen  mit 
seinen  Nebenflüssen. 

Xoiehedwry  (116  W.  von  WirbaUen,  61 W.  von  Wilna)  s.  S.  38. 
Die  folgenden  Stationen  sind  meist  unbedeutend:  22  W.  von 
Kosehedary  ^ajshuny;  jenseits  auf  kunstvoll  gebauter  Brücke  über 
die  Wilyaj  weiter  (29  W.)  Jan&w;  37  W.  Zejmy;  58  W.  Kt^dany, 
auf  dem  r.  Ufer  der  Mewana.  Hinter  K^dany  wird  das  Land  im-* 
mer  bergiger.  Die  Bahn  überschreitet  die  Wasserscheide  zwischen 
der  Aa,  der  Windau  und  dem  Niemen.  Der  Wald  herrscht  noch  über^ 
aU  vor.  70  W.  Datnow;  9ö  W.  Beisagota;  118  W.  BadziwiUschky^ 
(Restauration ,  meist  längerer  Aufenthalt) ,  wo  sich  die  Bahn  nach 
Dünaburg  (S.  47)  abzweigt. 


n€tch  Idbau.  LIBAU«  6.  BouU;,    41 

137  W.  Sehawli(IIIaBiH;  Bahnrest&ur.),  Kieisstedi  im  Gouyer- 
sernent  Kowno,  mit  15,451  Einw.  (viel  Juden),  irufde  von  den 
Polen  am  13.  Juni  1831  unter  Szymanovski  und  am  7.  Juli  unter 
Dembinski  angegriffen ,  indess  beidemal  yergeblicb.  Bei  Schavll 
kreuzt  die  Bahn  die  grosse  Strasse  von  Tilsit  nacb  Riga  und  St. 
Petersburg.  —  162W.  Kurschanyj  185  W.  Dohikina, 

200  W.  Mosheiki  (MoseÜKH;  Babnrestaur.),  wo  die  BabA  nach 
MUau  u.  Riga  <S.  62)  r.  abzweigt.  Gleich  hinter  Mosheiki  über- 
schreitet die  Bahn  die  Windau  und  tritt  hinter  Station  (229  W.) 
Luseha  in  das  Gouvernement  Kurland.   257  "W.  Prekuln, 

278  W.  Grobin  (FpoÖKfii),  Städtchen  am  Alandshach  mit 
1858  Einw.,  hauptsächlich  Juden.  Zur  Zeit  des  deutschen  Ordens 
war  die  Stadt  bedeutend.  Auf  dem  Schlosse  Grobin ,  das  jetzt,  in 
Trtimmem  liegt ,  wohnte  ein  Ordenscomtur ,  die  Stadt  hatte  einen 
Hafen  am  Meere  (jetzt  versandet)  und  trieb  Seehandel ,  wie  Libau. 
Die  Märkte  von  Grobin  sind  nicht  unbedeutend. 

294  W.  Liban  (lettisch  Leepaja,  JEnÖaBa). 

Gasthöfe.  Hot.  deRome;  Kurhaus;  Hot.  Hamburg;  ^Hot». 
Petersburg;  Z.  von  75Kop.  an. 

Bbstadrahts  in  den  Hotels  (Petersburg  mit  Garten;  in  Hamburg  im 
Sommer  tagl.  Concert)  und  im  grossen  Stadtpark  (Concerte). 

Droschkbn  vom  Bahnhof  in  die  Stadt:  Einsp.  40,  Zweisp.  60  Kop.', 
INaefats  45  und  66Kop.,  für  jedes  Stück  Gepäck  lOKop. ;  in  der  Stadt  die 
Fahrt  V^  und  90,  die  Stunde  60  und  70Kop. 

Damppboot  von  Libau  nach  Riga  und  Königsberg  monatlieh,  nach 
L^jtek  2-3  mal  monatlieh. 

OoK^uLH.    Dänemark:    S-   T.   OhrisUansen^  Cons.    Deutsches    Reicht 
«.  Zimmtrmßm^  Cons.   ITiederlande :  /.  W.  StelUng^  Cons.  Oesterreich-Un-. 
garn:     W.   Rosenkranz  ^  Cons.    Schweden  und  l^orwegen:  B.  Wells  ^  Vie. 
Cons.    Frankreich:  E.  Barmsen^  Cons. -Agent.    Grossbritannien:  B.  WellSy 
Vice-CoBfl. 

Zvr  Geschichte.  Libau  war  schon  im  xiv.  Jahrh.  als  Hafen  bekannt, 
wurde  IQfiOpreussisch,  kam  1609  an  Kurland  und  erhielt  162^  vom  Herzog 
Friedriftb  (Kettler)  Btadtgerecht^keit.  Am  13.  Sept.  1701  wurde  Libau 
von  Carl  XII.  besetzt  und  auf  Kosten  der  Stadt  befestigt;  ebenso  181^ 
von  den  Fransosen  reap.  Preussen. 

lAbau^  die  bedeutendste  See-  und  Handelsstadt  des  Gouverne- 
ments Kurland,  mit  27,400  £inw.,  liegt  auf  einer  schmalen  sandigen 
Nehrung  zwischen  dem  sog.  Klevnen  See  und  der  Ostsee.  Die  Stadt 
ist  gross  und  luftig  und  hat  eine  Anzahl  schöner  Neubauten  aus 
den  letzten  Jahren  aufzuweisen.  Die  altern  Häuser  sind  von  Holz 
und  meist  einstöckig,  daher  lang  und  niedrig,  von  einfachem  aber 
freundlichen  Aeussern.  Von  den  vier  Kirchen  ist  die  Hauptkirthe 
am  ältesten  j  die  neueste  (1758)  ist  die  luth.  Vreifaltigkeüskirche 
mit  schöner  Orgel.  Allenfalls  besuchenswerth  das  sog.  HaiM  dn 
Herzoge  mit  hübschem  Park  {Stadtpark),  Die  Stadt  hat  ein  Theater 
(Schauspiel  leidlich),  ein  Gymnasium  und  eine  Navigationsschule. 

Neuerdings  ist  durch  den  Bau  der  Eisenbahnen  Libau  nament- 
lich auf  Kosten  Königsbergs  zu  einem  wichtigen  Handelsplatz  ge- 
worden. In  seinen  Hafen  (den  „kleinen  See",  s.  oben)  liefen  1868 
250  Schifte  ein,  1878  bereits  1300 ;  der  Werth  der  Ausfuhr  bezifferte 


42    B(mte  6.  LIBAU.  Kurland. 

sich  1868  auf  weniger  als  1  MiU.,  1883  auf  fast  48  MUl.,  die  Ein- 
fuhr stieg  im  gleichen  Jahre  auf  c.  17  Mill.  Rubel.  —  Die  libau^schen 
Schiffswerften  haben  grossen  Buf ,  das  kurische  Schiffbauholz  ist 
weltberühmt. 

Libau  ist  auch  ein  besuchtes  Seebad;  das  ganze  Terrain  zwischen 
der  Stadt  und  dem  Strande  ist  mit  Villen  besetzt,  die  zur  Aufinahme 
der  Badegäste  eingerichtet  sind.  Preise  massig;  Saison  Anfang 
Juli  bis  Ende  September.  Unmittelbar  am  Strande  das  Nikolai- 
Bad  und  ein  JDamenhad,  beide  bequem  eingerichtet,  ersteres  auch 
für  warme  Bäder.  In  dem  eleganten  Kurkause  30  Zimmer  für  Kur- 
gäste (Herren),  Lesezimmer,  Restaurant  etc. ;  Concert  täglich,  Ball 

zweimal  wöchentlich. 

Interessant  ist  der  Fischfang  auf  dem  Lande.  Die  Fische  wer4en  bei 
Fackelsehein  harpunirt,  worin  die  lettischen  Bauern  eine  grosse  de- 
achicIUiehkeit  besitzen,  oder  sie  werden,  wie  die  springenden  Wemgallen 
bei  Goldingen  (S.  43),  durch  an  Felsriffen  befestigte  Netze  gefangen.  Be-> 
sonders  delikat  sind  die  Strömlinge,  eine  Art  kleiner  silbergesehuppter 
Fische,  die  an  den  kurischen  und  estnischen  Küsten  gefangen  werden. 
Die  besten  heissen  Killo  -  Strömlinge.  Sie  werden  mit  Pfeffer,  Salz  und 
Essig  eingemacht  und  weit  und  breit  versandt,  namentlich  nach  Bussland 
(Kilki  —  KojaKH).  Auf  den  Tafeln  der  kurländischen  Gasthäuser  und 
Gutsbesitzer  fehlen  weder  sie,  noch  die  fetten  Benthierzungen  aus  Finn- 
land, der  litauische  weisse  Honig,  eingemachte  Beeren,  sowie  der  be- 
rühmte kurische  Schmandkuchen. 

Wer  Land  und  Leute  Kurlands  näher  kennen  lernen  will,  muss 
die  grosse  Strasse  verlassen  und  seitab  wandern.  Eine  solche  Tour 
mit  der  Post  oder  Privatfuhrwerk  von  Libau  über  Goldingen,  Don- 
dangen ,  Tuckum,  Dohlen  etc.  ist  empfehlenswerth,  da  das  Tolk  in 
seinen  Sitten  und  Gebräuchen  besonders  dem  Deutschen  vieles  In- 
teressante bietet.  Für  Postpferde  wird  auf  den  Poststationen  5  Kop. 
pro  Werst  und  Pferd  erhoben ;  Privatfuhrwerk  (Dreigespanne,  meist 

mit  jüdischen  Fuhrleuten)  theurer. 

Die  ursprungliehen  Einwohner  Kurlands  sind  Kuren,  Livea 
und  Letten,  die  hier  mit  den  Litauern  sich  berühren  und  vermischen. 
Die  Kuren  sind  fast  ganz  ausgestorben;  ein  kleiner  Best  wohnt  noch  in 
hieben  dorfähnlichen  Häuserhaufen  zwischen  Hasenpot  und  Goldingen; 
lAven  leben  noch  etwa  3000  an  der  Kord»pU£e  von  Kurland;  die  übrigen 
Ureinwohner  sind  Letten.  Aber  die  meisten  Grossgrundbesitzer  und  Ad- 
ligen,  sowie  die  Bürgerschaft  der  Städte  sind  auch  hier  Deutsche.  —  Der 
Volksstamm  der  Letten  ist  eingekeilt  zwischen  germanischen,  slavisehen 
und  finnischen  Völkern.  Ihre  hölzernen  Wohnungen  mit  den  grossen 
Trockenhäusern  (Bigen).  den  Eleeten,  Badehäusern  und  Brunnen  sind  die- 
■selben,  wie  sie  der  driecne  Pytheas  im  rit.  Jahrh.  v.  Chr.  fand.  Xie  bilden 
die  einzelnen  Gehöfte  ein  förmliches  Dorf;  die  üf atur  des  Landes,  so  reich 
an  undurchdringlichen  Wäldern  und  unbenutzbaren  Sümpfen,  veranlasste 
die  Zerstückelung.  Um  die  umfangreichen  Edelsitze  dreht  sich  der  ge- 
sellige Verkehr,  die  ganze  Industrie,  die  Bildung  und  der  Handel  des 
Landes.  —  Die  lettische  Sprache^  ein  Zweig  des  Litauischen  und  somit 
eine  der  alterthümlieluten  unter  den  indogermanischen  in  Europa,  fallt 
nicht  sehr  angenehm  ins  Ohr;  auffallend  ist  ihr  ungewöhnlich  reicher 
Sehatz  von  Volksliedern  (Dainos).  Den  Vortrag  derselben  begleiten  die 
Männer  mit  der  Eohrpfeife  (Swilpe)  und  Cither  (Kohkle).  —  Die  lettisehen 
Qebrättche  bei  Geburt ,  Verlobung,  Hochzeit ,  Begräbniss ,  haben  manchM 
Interessante.  Wie  die  Braut  zu  Pferde,  so  wird  auch  der  Gestorbene  nicht 
selten  im  Wagen,  Schlitten  und  zu  Pferde  entfuhrt.  Die  Letten  lieben  es 
nicht  zu  Fusse  zu  gehen;  jeder  lettische  Hausvater  hat  sein  Leibpferd ^ 


Kurland.  GOLDINGBN.  6.  B&uie,    45 

«neb  di«  Frau«ii  reiten  «Hgemein  und  verstehen  sieh  auf  dM  Zügeln, 
Fahren  und  Tummeln  der  Pferde,  wie  die  Männer.  Seblebkarren,  Kiepen, 
Tragkörbe,  Handwagen  kennt  der  Lette  nicht.  —  Für  den  Alterthums- 
forscher  bietet  Kurland  ein  reiches  Feld.  An  heidnischen  Ofäbem,  antiken 
Äehmueksachen  und  Münzen,  sowie  an  Ueberresten  alter  Bauwerke  aus 
der  heidnischen  Zeit  (Skandinavier  oder  Finnen?)  und  der .chriatliehen 
Bitterzeit  haben  die  Ostseeprovinzen  keinen  Mangel.  Erstere  bestehen  in 
Srddammen  aus  Stein,  BanemwäUe^  bei  den  Letten  insbesondere  Pills- 
kalns  (Sehlossberg),  bei  den  fisthen  „Linna  müggi*^  (Stadthügel)  genannt. 
Man  hält  sie  zum  "Hieil  für  die  alten  in  den  Chroniken  erwähnten  Festungen 
der  Letten  und  Esten,  welche  die  deutschen  Ritter  bei  ihrem  Eindringen 
ins  Land  eroberten.  Die  zahlreichsten  und  für  uns  Interessantesten  Ruinen 
«Mkounen  aus  dM  Ordeneaeit  her ;  fast  alle  die  alten  Sitze  der  Herrmeister, 
Komture,  etc.  sind  noch  in  mehr  oder  weniger  bedeutenden  Ueberresten 
vorhanden. 

Von  Qrobin  (S.  4i)  führt  n.ö.  die  grosse  StrASse  uach  Haaenpot 
(s.  unten).  Für  AUerthumsforscher  empfiehlt  sich  ein  Abstecher  auf 
einem  der  1.  abzweigenden  Landwege  nach  dem  reichen  £deisitze 
Zierau  (45  W.).  Die  kurländischen  Landwege  sind  nicht  gerade 
schlecht,  aber  sehr  schmal  und  wegen  der  3ümpfe  meist  etwas  er- 
höht (daher  „Dämme^  genannt). 

Bei  Zierau  befindet  sich  das  dureh  den  Lettenkenner  .Watson  bekannt 
gewordene  Kintegesinde ,  eine  heidnische  Steinsetzung  aus  Blöcken  von 
ö-A  m  Länge  und  1-2  m  Breite  und  Dicke,  das  ganze  Feld  900  Schritt  lang, 
170  Schritt  breit.  Andere  ebenso  grosse  Steine  stehen  unter  alten  Eichen^ 
bäumen  im  Kreise  umher.  Man  glaubt,  dass  sieh  hier  ein  alier  heidnischer 
Kampf-,  Opfer-  oder  Versammlungsplatz  befunden  habe.  Auf  einen  ge- 
weihten Ort  deuten  die  das  Ganze  überschattenden  uralten  Elchenbäume. 
Das  Volk  schreibt  den  Bau  einem  eichenstarken  Manne  Kinte  zu.  —  Der> 

f laichen  Steinsetzungen  finden  sich  auch  im  Walk-  und  Wendensehen 
Preise  (Livland),  am  Strante-See  u.  a.  O.  (S.  67).  Gesinde  nennt  man  in 
Kurland,  wo  die  eigentlichen  Dörfer  fehlen,  die  hier  und  da  sich  zeigen- 
den Gruppen  von  Bauerhäusern. 

48  W.  Hasenpot  (lettisch  AUhputte)^  Städtchen  von  3450  Elnw., 
meist  Juden,  malerisch  im  Thale  der  Tehher  gelegen,  mit  der  Ruine 
eines  ehem.  Deutschordensschlosses. 

85  W.  Goldingen,  Stadt  an  der  Windau  mit  c.  9000  Einw.,  hat 
enge  Strassen ,  hohe  Häuser  und  ein  halbverfallenes  Schloss.  Die 
TVindau  hat  in  der  Nähe  der  Stadt  ein  quer  durchsetzendes  Felsenriff 
(Wasserfall  =  «ßonimel*)  durchbrochen  und  gibt  hier  Gelegenheit 
zu  dem  S.  42  erwähnten  merkwürdigen  Betriebe  des  Fischfanges 
(Wemgallen).  Behufs  Umgehung  des  Riffes  wurden  vergebliche  Ver- 
suche zur  Kanalisirung  der  Windau  gemacht. 

In  der  Nähe  von  Goldingen  (14  Werst)  der  alte  berühmte  Edelsitz 
Xdwahlen,  ehemals  den  Bischöfen  von  Pilten  gehörig.  Das  wohlerhaltene 
alterthümliche  Schloss  bildet  ein  mit  Thürmen  versehenes  Viereck,  auf 
drei  Seiten  von  Wasser  umgeben.  Auf  der  vierten  Seite  ein  uralter  Hain 
von  Eichen,  einen  Theil  des  grossen  schönen  Parks  ausmachend.  An 
dem  Wasser  liegen  Mühlen,  die  Kirche  und  sonstige  Gebäude.  In  der 
Kirehe  altorthümtiehe  ftttsMngen,  Wappen  etc.  —  Ö  km  s.w.  von  Bdwahlen 
daa  SehlQss  ÄlUchwangen^  früher  Grafensitz,  jetzt  Kroneieenthum.  —  Im 
Kreise  Goldingen  liegen  verschiedene  Freidörfer  der  sog.  ivri$c1ien  Künig* 
(Freibauern  mit  gewiasen,  aus  dem  llittelalter  überkommenen  Vor- 
rechten; ihre  Sprache  ist  die  lettische). 

117  W.  Filten,  Städtchen  am  r.  Ufer  der  Windau,  einst  Haupt'" 


44    Sautee.  POBI/£N.  Kurland. 

8t4dt  und  Residenz  dts  in  vielfacher  Hinsicht  von  der  Ordensherr^ 
Schaft  und  dem  Hefzogtliuni  getrennten  Bisthums  Kurland. 

141  W.  Windau,  Hafenort  an  der  Mündung  der  Windau  mit 
5700  Einwb,  günstig  gestellt  durch  den  schiifbaten  Fluss,  der  durch 
den  Windau -Kanal  mit  der  Dubissa  (Niemen)  verbunden  ist;  un- 
günstig durch  die  Sandbänke  vor  dem  Hafen ,  die  auch  den  Ge* 
danken,  den  Ort  zu  einem  russ.  Ostset  «Kriegshafen  zu  machen, 
vereitelten. 

50  W.  n.o.  von  Windau  liegt  (191  W.)  Schloss  Dondangen^  das 
nördlichste  von  Kurland,  umgeben  von  grossen  Waldungen,  in  denen 
das  Eltonthier  gejagt  wird.  N.  davon  spitzt  sich  Kurland  zu  einer 
ins  Meer  hinausragenden  Zunge  zu,  deren  äusserstes  Ende  Domeinftf 
helsst;  hier  befindet  sich  ein  Leuchtthurm,  wie  auf  der  gegenüber- 
liegenden Insel  Oesel.  Die  Passage  zwischen  beiden  ist  zu  Zeiten 
nicht  ohne  Oefahr  und  Jährlich  verunglücken  einige  Schiffe ,  deren 
Ladung  nach  altem  Recht  den  Grundbesitzern  gehörte  (Strandrecht). 
Fahrt  nach  der  Insel  SunÖ  zur  Seehundsjagd,  s.  S.  59. 

Von  Dondangen  führt  die  Strasse  s.Ö.  Über  Talsen  (25  W.  w.  der 
waldumschlossene  8ee  von  Utmaittn^  der  grösste  Kurlands)  nach 
(256  W.)  Tncknm,  Kreisstadt  (6100  £inw.)  mit  Schloss  in  anmuthiger 
Gegend  am  Schlock.  In  der  Nähe  n.Ö*  der  Hunimgoberg  (140  m), 
der  höchste  Berg  Kurlands ,  mit  einem  13  m  hohen  Thurm.  Von 
diesem  weiter  Blick  über  die  Wälder  und  das  Meer  bis  zu  den 
Thürmen  Riga's  und  Mitau's  sowie  dem  Leuchtthurm  in  Düna* 
münde.  —  Von  Tuckum  entweder  ö.  mit  der  Eisenbahn  in  2*/4  St. 
(2.29 ,  1.71 ,  0.87  R.)  nach  (60  W.)  Riga  (S.  49) ;  oder  s.o.  mit  der 
Post  weiter  über  (40  W.)  Dohlen  nach  (68  W.)  Mitau, 

Dabl^n  ist  ein  anmuthig  an  der  Behr$e  gelegener  Flecken  von 
2000  Einw.,  mit  gut  erhaltener  Burgruine  aus  der  Zeit  des  deutschen 
Ordens  auf  einer  schroff  zum  Fluss  abfallenden  Anhöhe.  Das  Schloss 
ist  zunächst  von  einer  stellenweise  sehr  hohen  und  starken  Mauer 
umgeben,  800  Schritt  im  Umfange;  durch  dieselbe  führt  ein  Thor 
in  den  Hof  und  Ringplatz.  Zur  Linken  des  letzteren  die  Ruinen  der 
Hauptgebäude ,  der  Kirche ,  der  Wohnung  des  Vogtes ,  eines  Ver- 
sammlungssaales der  Ritter  und  anderer  Hausabtheilungen;  rechts 
die  Ueberreste  der  Zellen  (?)  der  Ritter.  1620  ward  das  Schloss  von 
Gustav  Adolf  erobert;  1701  diente  es  Carl  XII.  zum  Aufenthalt. 
Später  war  das  Gut  Dohlen  der  letzten  Herzogin  von  Kurland,  Anna 
Charlotte  Dorothea,  «Is  Wittwensitz  angewiesen.  —  Von  hier  nach 
(28  W.)  Müau,  s.  S.  65. 


7.  Von  Warschau  nach  Biga  über  Wilna  und  DUnabnrg« 

Von  Berlin  tiiid  Wien  naeh  Wanehäu ,  s.  B.  1 ,  3.  Von  Warschau 
nach  Riga,  797  Werst  (80Qkm>.  Gourierzug  in  21  St.  30Xin.,  Personen- 
zug in  95  8t.  40  Min.  für  28.48,  21.33,  10.90  R.  (Gonrierzug  Ifio/o  Zuschlag). 
[Von  Warschau  nach  Wilna.  388 Werst  (411  km),  Courierzug  in  11  Va, 
Personenzug  in  15V4  8*'  für  14.Ö0,  10.91,  5.68  R.  —  Von  Wilna  nach  Düna^ 


MASOYXEN.  Routt  7.     46 

IWfVi  102  W.  (175  km)  Courieraug;  ia  4  St.  SS^Hin.,  PersoneMug  In  SIA  8t. 
für  6.04,  4.53,  2.32  B.  —  Von  Diiii&burg  nach  Riffa^  204  W.  (216  km)« 
PoBtzus  in  5  St.  66  Hin^  Perionensug  in  61A  St  für  7.66,  5.74,  2.93  B.] 

Von  Berlin  n&eh  Biga  ttber  W<t*balUn\  Koichedary  ^  Uoscheiki^  Mitau 
g.  B.  6. 

WarBchau  8.  S.  9.  Wenn  wir  die  Vorstadt  Praga  und  die  Ufer 
der  Weichsel  nach  Osten  Tdrlassen ,  so  treten  sehr  bald  schon  in 
ifoBovien,  den  jetzi^n  €k>avem»ments  Warschau,  Sjedletz  und 
Lomza  umfangreiche  Wälder  an  die  St^le  der  Kornfelder.  Am  Bug 
und  seinen  Zuflüssen ,  der  Muchairiza ,  dem  Karew  mit  dem  Bohr 
bedecken  weite  Strecken  von  hohem  SdiUf  und  kurzem  Weidenge- 
strdpp  die  FlSchen  und  wechseln  mit  ebenso  ausgedehnten  Urwildem 
▼an  Eichen  (Yereinzelt,  nirgends  in  grösseren  Massen),  Linden,  Tan* 
nen  und  Fichten.  Vornehmlich  ist  die  frühere  Woiwodschaft  Pod- 
lachten  am  mittlem  Bug  und  Narew ,  die  alte  Heimath  der  wilden 
Jaczwige ,  von  ihnen  erfüllt.  Am  Narew ,  um  Ostrolenka  herum, 
wohnen  ebenso  wie  weiter  nordöstlich  (S.  37)  die  Kurpie ,  ein  von 
Osten  her  eingewandertes  Jägervolk.  Einer  der  grössten  Waldcom- 
pleze  ist  die  Puschtscha  oder  Heide  von  BJelowjeiche  oder  Bialo- 
füie»aj  s.o.  von  Bialystok  (Gouv.  Grodno).  Sie  ist  40  GM.  gross  und 
bedeckt  eine  Hochebene  (183m  ü.  M.),  die  im  Norden  viele  Sümpfe 
hat  Der  Krone  gehören  davon  22  QH.  Ihren  Namen  hat  sie  wahr- 
scheinlich von  der  Weissen  Warte  (Bftiaji  Btxa) ,  welche  seit  600 
Jahren  an  der  Ljesna  und  Bjelaja  steht,  wo  der  Grossfürst  Jaros- 
law  dlB  Stadt  Kamjenez  -  Litowsky  gründete.  Zur  Erhaltung  der 
wenigen  noch  darin  hausenden  Sabren  od«r  Auerochsen  wurde  die 
Heide  von  Blaiowicza  1803  für  unantastbar  erklärt.  1872  wurden 
noch  528  Auerochißn  gezählt.  In  die  Biatowiczer  Wälder  gingen 
nach  der  Niederwerfung  der  Insorrection  1831  die  polnischen  Bauern 
und  legten  sich  bandenweise  aufs  Rauben  und  Plündern.  Der  Ur- 
wald blieb  noch  Jahre  lang  nach  1832  unsicher. 

Zwischen  den  Stationen  WiOamin  {Bojnmmn)  und  (32  W.) 
Tluatet  (Tiyii|%)  überschreitet  die  Bahn  die  Bzatüy  vor  (51  W.) 
Loehou)  («loxoBi;  Büffet)  den  lAnriei». 

39  W.  n.w.  Ton  Loebow  (66  W.  voa  Warachau,  44  W.  voa  Kowo- 

berühmte  Pultnak 

am  r.  Ufer  des 

und  ein  grosses 

SeUoss  a«f  der  Höbe,  in  den  ekemals  die  Bischöfe  tod  Ploak  residirten. 
Im  J.  1703  besiegte  hier  Karl  xn.  von  Schweden  ein  sächsisches  Heer 
unter  dem  General  v.  Steinau  und  nahm  es  fast  ganz  gefangen.  Am 
26.  Dee.  1806  Sieg  der  PvanEOsen  über  die  Bussen. 

64  W.  Zielenice  &%iewnn) ;  dann  Über  den  Bug  nach  (78  W.) 
M€tikin  (SfaiKnni,  MaXkyny). 

63  W.  m.w.  yon  Malkin  liegt  Ostrolsaka  (Osfr^ffte,  OcTpoxesBa),  von 
Warschau  110  W.^  von  Nowo-Qeorgiewsk  105  W.,  am  1.  Ufer  des  JVorets, 
Über  den  eine  schöne  Brücke  führt,  mit  4866  Einw.,  Schloss,  Bernhardiner- 
kirehe  und  Kloster,  Tuchfabriken  etc.  Die  fast  ganz  aus  Holz  gebaute 
Stadt  liegt  in  einer  sumpfigen  l^iederung,  die  nach  0.  durch  wald- 
bewachsene Anhöhen  begrenzt  wird.  —  Hier  am  16.  Tebr.  1807  Sieg  der 
Franzosen  unter  Savary  über  die  Bussen  unter  Essen  und  am  26.  Hai 
1831' Sieg   der  Bussen  Unter  Diebitsch  über  die  Polen  unter  Skrzyneeki. 


46     Boute  7.  GRODMO.  Von  Warschau 

Bin  Kloster  in  der  l^ähe  der  Stadt  birgt  die  Begräbniesstatten  Tidler  im 
der  Seblaeht  gefallenen  rasaisehen  Offieiere. 

Stat.  CzyUw  (Mhsobi),  Czepctowa  (UtenoTOBo),  dann  (141  W.) 
Lapi  (Janii).  Die  Bahn  überscliieitet  den  Narew,  der  hier  die  Grenze 
zwischen  den  Gouvernements  Lomza  und  Grodno  bildet  und  erreicht 

i&iy^.  Bialyitok  {Bieloatokj  B'Ijoctok'l),  Kreuzung«punkt  der 
Bahn  yon  Königsberg  nuch  Brest-Litowsk  (S.  241).  Gute  Restau- 
ration; 20-30  Min.  Aufenthalt.  Di«  Stadt  {Hotel  Victoria;  Pt- 
traschaj  Orand  Hotel),  mit  c.  40,000  Einw.,  liegt  in  einiger  £nt* 
fernung  yon  der  Bahn  an  der  BitUa.  Sie  besteht  aus  zwei  langen, 
sich  rechtwinklig  schneidenden  Strassen  mit  steinernen  Häusern 
und  einem  Gewirr  yon  Holzbaracken,  hat  ein  altes  Schloss,  4  Kirchen 
und  ein  grosses  Mädchenerziehungsinstitut.  Bedeutend  ist  die  Woll- 
industrie ,  besonders  in  dem  in  der  I9ähe  gelegenen  Ciechanotoidy 
mit  grossen  Fabriken,  in  CJioro$zcz,  Supraal,  Vobrzyniew,  DvJnmvOy 

Michalowo. 

Das  Schlot»  mit  herrlichem  Park,  weshalb  Bialystok  wohl  auch  das 
„Podlachische  Versaillea"  genannt  wird,  gehört  den  Grafen  Bramthi.  Graf 
9an  Elemens  Branizki,  polnischer  Krongrossfeldherr  und  Senator,  fasste 
nach  dem  Tode  August  III.  1763  den  Gedanken,  durch  französische  Unter« 
Stützung  König  yon  Polen  zu  werden.  Katharina  II.  war  jedoch  seinen  Plänen 
entgegen  und  Branizki  musste  ihren  mit  Waffengewalt  unterstützten  Ab> 
sichten  weichen.  Erst  als  er  den  von  Katharina  den  Polen  aufgedrungenen 
König  Poniatowski  1764  anerkannt  hatte ,  durfte  er  auf  seine  Güter  zu 
Bialystok  zurückkehren. 

182  W.  Czama  Wiei  (Hepsa  Bftck).  --  201  W.  <SoftoZfta(CoxoiKa). 
—  216  W.  Ku^niza  (Kysiuma).   lieber  den  Giemen  nach 

240  W.  Grodno  (FpoxHc) ,  Gouvernementshauptstadt  mit  circa 
40,000  Einw.  (V4  Juden),  am  r.  Ufer  desNlemen,  der  hier  den 
Durchbruch  durch  die  nördliche  Landhöhe  beginnt  und  ein  präch- 
tiges Thal  mit  hohen  Rändern  bildet.  Die  Stadt  (H6t,  Slawjanskaja, 
Moskowskaja,  Hdt,  de  Paris),  von  wenig  einnehmendem  Aeussern, 
besteht  meist  aus  schwarzen  Holzhütten,  zwischen  denen  sich  einige 
stattliche  Paläste  erheben.  Das  alte  Schloss,  jetzt  MUitärspital,  ge- 
hörte früher  dem  deutschen  Orden ;  daneben  das  neue  £le^to«8,  Ton 
Kdnig  August  II.  für  den  Reichstag  erbaut.  Die  Stadt  hat  5  russisch- 
griechische und  5  römisch-katholische  Kirchen,  2  griech.  und  2  kath. 
Klöster  (das  Bernhardiner-Kloster  HQ^  gegründet),  eine  lutherische 
Kirche,  2  Synagogen,  eine  medicinische  Akademie  mit  botanischem 
Garten,  eine  Kadettenschule  etc.  Ansehnliche  Fabriken  (Tuch^ 
Baumwolle,  Seide,  Gewehre)  und  blühender  Handel  (Getreide,  Bau- 
holz). —  32  W.  unterhalb  Grodno,  ebenfalls  am  r.  Ufer  des  Niemen, 
der  schön  gelegene  Badeort  Druskieniki  (4py8KtHHHUi),  mit  Mineral- 
quellen, die  jährlich  von  etwa  300  Badegästen  besucht  werden. 

Saison  vom  1.  Mai  bis  1.  Oct.  Wirkung  wie  Kreuznach  (S.  47). 

Grodno  ist  eine  alte  slavische  Stadt  und  existirte  schon  im  tu.  Jahrh. 
1041  wurde  sie  von  den  Mongolen,  ld9i  von  den  deutschen  Ordensrittern 
fast  vollständig  zerstört.  Der  Wahlkönig  von  Polen,  Stephan  Baihory^ 
machte  Grodno  zu  seiner  Residenz  und  starb  hier  am  13.  Dec.  1586.  Er 
erbaute  eine  steinerne  Burg  an  der  Mündung  der  Gorodnischanka,  deren 


nach  Riga,  WILEISKAJA.  7.  Route.    47 

Vanera  noch  siehtbar  sind.  Seit  1673  yersammelte  sieh  dort  jedesmal  der 
dritte  polnisebe  Beiehstag.  Auf  dem  Beiehstage  von  1793  wurde  die  zweite 
Theilnng  Polens  unterzeichnet,  auf  dem  vom  25.  ITov.  1790  die  Abdankung 
des  Königs  Stanislaus  Poniatowski  angenommen.  —  Am  18.  Juni  1812 
wurde  die  Stadt  von  den  Franzosen  besetzt;  König  Jeröme  nahm  daselbst 
sein  Hauptquartier.  —  1880  wurde  die  Befestigung  von  Qrodno  begonnen. 

Von  Grodno  kann  man  per  Post  (s.  S.  6Ö)  einen  Ausflug  nach  Au- 
gnstowo,  Baczki  und  Gut  Bospuda  machen.  ~-  Oute  Chaussee. 

Aufiiitowo  (ABrycTOBii) ,  Kreisstadt  im  Gouvernement  Ssuwalki  (940O 
Einw.) ,  liegt  60  W.  (63  km)  w.  von  Grodno  an  dem  sumpfigen  Ufer  des 
gleichn.  Sees,  aus  dem  die  IfeUa  fliesst.  Der  Auguttowo*sehe  Kanals  der  die 
Nett*  mit  dem  Kiemen  verbindet,  beginnt  hier.  Durch  diese  Verbindung 
mit  dem  Heere  hat  Augustowo  einen  nicht  unansehnlichen  Handel  mit 
Landesprodukten,  besonders  mit  Holz,  und  sein  äusseres  Ansehn  zeugt 
von  Wohlhabenheit.  Die  Stadt,  welche  ihren  Kamen  nach  ihrem  Erbauer 
Sigismund  August  (August  I.)  seit  1647  führt ,  hat  mehrere  Kirchen ,  an- 
sehnliche Vieh-  und  Pferdemärkte  (meist  jüdische  Handelsleute,  kleine 
dauerhafte  Pferde,  sog.  Litauer)  und  Fabriken.  —  20  W.  (31  km)  n.w.  von 
Augustowo  liegt 

80  W.  (84  km)  Batschki  (Raetki^  Pann),  Flecken  im  Gouvernement 
Ssuwalki,  auf  dem  r.  Ufer  der  Ketta,  ehemals  der  Familie  Pac  gehörig. 
Bemerkenswerth  daa  im  gothischen  Stil  erbaute  Ralhhaut  mit  seinem 
•ehlanken,  zierlichen  Thurm  und  die  schöne,  mit  Bildwerken  ete.  reich 
geschmückte  Kirefu,  beide  von  dem  ehem.  polnischen  General  Lvdmig  Pac 
erbaut.  Kaum  1/4  St.  von  der  Stadt  das  ebenfalls  einst  den  Pac  gehörige 
Gut  Xoapuda  mit  prachtvollem  Behlou^  am  Abhänge  eines  Hügels  schön  ge* 
legen.  In  der  gothischen  Kapelle  die  Grabmäler  von  Gliedern  der  Familie 
Fae.  1815  führte  General  Ludwig  Pac  eine  €k>lonie  betriebsamer  Schotten 
nach  Bospuda  und  richtete  eine  weit  und  breit  gerühmte  Husterwirth» 
Schaft  dort  ein. 

Von  (270  W.)  Stat.  Portt9cht  {Porjeczje^  DopftHie)  führt  eine 
Poststrasse  n.w.  nach  (17  W.)  Ba^ä  Druskieniki  (S.  46;  Omnibus 
am  Bahnhof).  Wir  betreten  nun  das  Gouvernement  Wilna.  Ostwärts 
des  Niemen  dehnen  sich  weite  wellenförmige  Ebenen  aus ;  der  Bo- 
den ist  nur  theilweise  bebaut ;  ausgedehnte  Waldstriche  yon  Laub- 
holz und  Kiefern  unterbrechen  häufig  die  Felder;  tiefe  Flussthäler 
durchschneiden  das  Plateau  nach  allen  Richtungen. 

294 W.  Jfarcinfcanc«.- 315 W.  Oratiy  (Büffet).— 333 W.  Olkie- 
nOH,  —  3ö2  W.  RudzUzki,  —  371  W.  Landwarowo  (iaHÄBapoBo), 
Knotenpunkt  der  Bahn  nach  Wirballen  (s.  S.  36).  —  388  W.  Wiliut; 
8,  S.  38. 

398  W.  WUeiskaja  (BHjieficKafl.  —  Restauration;  10  Min.  Auf.), 
Knotenpunkt  der  Linie  nach  Minsk,  Ssmolensk,  Moskau  und 
Romny  (651  W.  von  Wileiskaja).  Folgen  die  Stationen  Beadani, 
Podbrodae,  dann  (461  W.)  Swentnany  (CbIihiuihh;  gutes  Büffet); 
11  Werst  s.  o.  die  gleichn.  alte  befestigte  Stadt  mit  5850  Einw. 
Bald  nach  der  Station  Jgnalino  befinden  wir  uns  im  alten  Samo- 
gitien,  die  o.  Ecke  des  Jetzigen  Gouvernements  Kowno  abschnei- 
dend, und  erreichen  (527  W.)  Stat.  Kowo-Alezaadrowsk,  20  W. 
6.  Ton  der  gleichn.  alterth^mlichen  Stadt  (HoBO-AieKcaHXpoBCKi), 
an  der  Grenze  Yon  Kurland,  im  alten  Semgallen  gelegen. 

Die  letzte  Station  vor  Dünaburg  ist  (547  W.)  KaUrahnen 
(KaiiyHii ;  Restaur.) ,  Knotenpunkt  der  Linie  nach  RadzitoilUchki 
(186  W.)  und  Lihau  (363  W. ;  S.  40).    Die  Bahn  überschreitet  auf 


48    Baute  7.  DUNABURG.  Von  Warschau 

«isernoT  Gitterbrücke  die  Düna  (s.  u.)  und  erreicht  bald  den  von 
der  Stadt  weit  abliegenden  Bahnhof  von  Dünahurg  (Restaur.,  Vs' 
1^/t  St.  Aufenthalt),  Knotenpunkt  der  Bahnen  nach  St.  Petersburg 
(R.  10)  und  Ssmolensk  (R.  27). 

553  W.  Dftnabnrg,  ^HHaöypn  {Hot.  St,  Peter  »bürg,  Bot.  Lon- 
don ^  auch  im  Bahnhof  Logirzlmmer);  Kreisstadt  und  Festung 
im  Gouvernement  Witebsk,  mit  60,000  Einw.  (Russen,  Juden, 
Deutsche),  auf  dem  r.  Ufer  der  Düna,  ist  ein  grosser  wohlgebauter 
Ort  mit  zwei  katholischen  u.  einer  griechischen  Kirche ,  ansehn« 
liehen  Fabriken  und  Handelsmagazinen.  Als  Handelsstadt  u.  wich* 
tiger  Eisenbahnknotenpunkt  liimmt  Dünabutg  einen  der  ersten 
Plätze  unter  den  Städten  Westrusslands  ein.  Der  Handel  mit  Flachs^ 
Getreide ,  Bauholz  (nach  Riga  zum  Schiff-  u.  Wagenbau)  ist  be- 
deutend ;  auch  der  eigene  Schiffbau  ansehnlich. 

Dünaburg  wurde  1377  von  dea  deutschen  Ordenirittwn  gegründet 
und  war  in  polniiciher  Zeit  die  Hauptstadt  der  Woiwodschaft  Livland 
und  des  DistrietS  Dfinaburg.  Die  Stadt  wurde  1572  und  1677  von  Iwan 
dem  Schreckliohen  (Iwan  Wassiljewitseh  II.)  zerstört,  durch  Stephan 
Bathory  Wieder  aufjgebaut  und  mit  dem  polnischen  Reiche  rereinigt,  dann 
1600  von  den  Schweden  besetzt.  Im  Kriege  der  Eussen  mit  den  Polen 
und  Schweden  wurde  Dünaburg  vom  Zaren  Alexei  Michailowitsch  am 
80.  Juli  16fi6  erobert.  Zwei  Jahre  später  wurde  die  Stadt  durch  die  Polen 
wieder  genommen  und  gehörte  sammt  dem  polnischen  LitAuen  zur  pol- 
nischen Krone  bis  1772,  wo  Weissrussland  dem  russischen  Reiche  ein- 
verleibt  wurde.  —  Während  des  polnischen  Aufstandes  1868 ,  als  Michael 
Kurawiew  zur  Bewältigung  desselben  in  Litauen  schaltete,  war  Dünaburg 
der  Schauplatz  zahlreicher  Hinrichtungen. 

Die  Bahn  nach  Riga  führt  stets  am  r.  Ufer  der  Düna  durch  vor- 
wiegend Waldige  Gegenden.  Aus  den  Wäldern  blicken  die  kleinern 
und  grössern  Gastelle  der  Grundbesitzer  hervor;  auch  die  Stationen 
tragen  die  Namen  der  Besitzer:  Liewenhof,  Treppenhof,  Stock- 
mannshof, Römershof,  Ringmundshof  etc.  Am  1.  Ufer  der  Düna  er- 
streckt sich  dad  Bruderland  Kurland ,  in  diesem  seinem  mittleren 
Theile  Semgallen  genannt. 

Die  Düna  (Duna,  westliche  Dwina,  ßanaxaaa  ffssHa,  lettisch  Dau- 
gawa)  entspringt,  wie  die  Wolga  und  der  Dnjepr,  aur  der  Hochebene  des 
Waldai  im  Kreise  Ostasehkuw,  Gouvernement  Twer,  aus  dem  kleinen 
See  Dtoinetz  und  fällt  bald  nachher  in  den  sehmalen  Doppelsee  Ochwat- 
Skadenje.  Unterhalb  Dünaburg  durchbricht  sie  den  Düncirücken^  einen 
Höhenzug,  der  von  hier  bis  gegen  Estland  hin  die  nördliche  Grenze  dea 
DUna^ebiets  bildet.  Der  flache  Thalboden  zu  beiden  Seiten  des  Stroms 
ist  grosstentheils  fruchtbares,  für  Korn-  und  Hanfbau  wohl  geeignetes 
Ackerland;  weiter  entfernt  vom  Strome  finden  sich  häufig  bedeutende 
Hoorstriche  (Düna-Moore).  Im  Frühjahr  finden  gewöhnlich  weitreichende 
Uebcrschwemmungen  statt,  die  das  Land  befruchten.  Der  Strom  an  sich 
(70  Heilen  directe,  140  Meilen  Stromentwickelungslänge)  hat  zahlreiche 
Inseln  und  noch  mehr  Sandbänke  sowie  die  Schififahrt  erschwerende  Stru- 
del; Stromsehnellen  und  sogenannte  Falle,  auch  Porogi  oder  Schwellen 
sind  häufi|;.    Bei  Riga  hat  er  eine  Breite  von  1000  m,  eine  Tiefe  von  AS  m. 

Das  itundungsland  der  Düna  ist  nicht,  wie  das  der  übrigen  baltischen 
grossen  Flüsse,  ein  üppiges  Fruchtland,  sondern  ganz  uncultlvirtes  Dünen-' 
land;  das  gelobte  Land  für  den  Jagdliebhaber.  Namentlich  im  Frühjahr 
sind  alle  Oewässer  mit  Sehaaren  von  Sumpf-  und  Wasservögeln  bedeckt; 
die  Seen  mit  Schwänen  und  wilden  Gänsen,  die  Sümpfe  mit  Störehen, 
Schnepfen,  Kibitzen  und  Kranichen. 


naehBiga.  UEXKÜLL.  7,  Route.    Ad 

Stationen  Likana,  Nizgal,  Zargrad,  (56  W.)  JUewenhof;  weiter 
Treppenhof  und  (83  W.  =  88  km)  Kreutibnrg  (20  Min.  Aufenthalt ; 
gutes  Büffet).  Kreutzburg  ist  eine  alte  Besitzung  der  Familie  Korff; 
von  der  Herrschaft  hingen  früher  8(X)0  männliche  Seelen  ab ;  von 
hier  gehen  jährlich  Massen  von  Getreide,  Holz  und  Flachs  nach  Riga. 

—  Gegenüber,  auf  dem  andern  Ufer  der  Düna  (4W.)  Jakobatadt,  ^eizt 
fast  nur  von  Juden  bewohnt,  mit  Riga  in  enger  Verbindung  stehend. 

Die  Bahn  überschreitet  die  Ewst^  den  5stl.  Grenzfluss  Livlands. 
99  W.  Stockmarmthof,  der  freundliche  Wohnsitz  der  Familie  Löwen- 
Stern;  116W.  i^olc«nAtMcn  (gutes  Wirthshaus,  auehZ.,  an  der  Düna), 
mit  malerischen  Ruinen  eines  Schlosses,  einst  Residenz  der  Rigaer 
Erzbischofe.  Lohnend  ein  Ausflug  in  das  schöne  *Thal  der  Perse, 
welche  hier  in  die  Düna  mündet.  —  136  W.  Bömerthof  (15  Min. 
Aufenthalt);  in  der  Nähe  Ascheraden  und  Friedrichstadt,  wie  Ja- 
kobstadt von  Juden  untermischt  mit  Deutschen  und  Letten  be- 
wohnt.  Die  Güter  Römershof  u.  Ascheraden  sind  die  Fundstätten 

interessanter  Alterthümer. 

Im  Frühjahr  1837  sebwoll  die  Düna  besonders  hoch  an  und  über- 
schwemmte weitbin  die  Uferlandsehaften.  Oewaltlge  Eismassen  wurden 
namentlich  über  die  Felder  der  Oüter  Bömershof  und  Aseheraden  hin- 
gesehleift  und  von  ihnen  der  Boden  tief  aufgerissen.  Es  kamen  bei  dieser 
Gelegenheit  interessante  Alterthümer,  bronzene,  silberne  und  eiserne 
Schmucksachen,  Waffen  und  Geräthsehaften  zu  Tage,  mit  denen  man 
nach  dem  Ablaufen  des  Wassers  den  Boden  übersäet  fand.  Die  gefun- 
denen Schätze  kamen  nach  Mitau  an  das  Museum ,  nach  Biga  an  die  Qe- 
sellschaft  für  livländische  AUerthumskunde  und  an  verschiedene  Privat- 
sammlungen. Die  Alterthümer  rühren  entweder  von  den  finnischen  Liven 
oder  von  den  skandinavischen  Kormannen  oder  endlich  von  beiden  zu- 
gleich her.  Auch  sonderbare  Steinsetzungen,  wie  sie  in  Skandinavien, 
Dänemark  und  Grossbritannien  sich  finden,  hat  man  an  den  Ufern  der 
Düna  nach  der  obenerwähnten  Wasserfluth  entdeckt,  bestehend  aus  lauter 
ziemlieh  kleinen  Feldsteinen,  die  paarweise  zu  Quadraten  zusammenge- 
legt waren.  Die  Zusammensetzung  jedes  I^nares  war  so,  dass  die  Linia 
der  Steine  nicht  rechtwinkelig,  sondern  schief  auf  den  Seiten  des  Quad- 
rats stand.  Jede  Quadratseite  war  10-15  Schritt  lang  und  in  jedem  Quad- 
rate befanden  sich  4-5  Kreise,  aus  einfach  nebeneinanderliegenden  kleinen 
Steinen  gebildet.  Unter  jedem  Kreise  war  ein  Grab  ^  das  Ganze  also  ein 
Begräbniss-  oder  Opfer-Platz  (s.  S.  43). 

156  W.  Ringmtmdshof.  —  172  W.  Oger,  —  179  W.  Uexküll, 

mit  der  Ruine  eines  Schlosses  des  Bischofs  Meinhard  (erb.  1184, 

das  älteste  Steinhaus  Livlands) ,  später  Festung  der  Ordensritter. 

—  185  W.  Kurtenhof, 

An  dem  alten  Kirchholm  vorüber,  ehemals  befestigt,  1656  von 
den  Schweden  geschleift,  nähern  wir  uns  Riga  und  fahren  durch 
die  Moskauer  Vorstadt  und  über  einen  grossen  Platz  in  den  s.  Ö. 
der  Altstadt  gelegenen  Bahnhof  ein. 

204  W.  Riga, 

8.   Biga  nnd  TJmgebimgen. 

Ankunft.  Biga  hat  2  Bahnhofe:  1.  Bahnhof  für  die  Züge  der  Riga- 
Dünaburger  und  jrftiA{0rra&€n«r  Eisenbahn  in  der  Moskauer  Vorstadt  (P1.C6,6) ; 
9.  für  die  Bolderaaer^  Tuckumer  und  Uitautr  Eisenbahn  an  der  Düna,  am 
Ende  der  Karlsstrasse  (PL  B  5).    An  beiden  Bahnhöfen  warten  Droschken 

Bussland.     2.  AuQ.  4 


50    BotUe  S. 


RIGA. 


a^ela. 


(s.  6.  61) ,  gewöhalieh  zweispännige ,  noeb  mit  deatseher  Bespannung, 
sowie  auch  Privatfuhrwerke.  Auf  Station  Oger  der  Eiga-Dünaburger  Bahn 
(S.  49)  gelangen  Blankets  zur  Vertheilung ,  für  deren  Vorzeiger  bei  der 
Ankunft  in  Riga  Wagen  bereitstehen.  Bei  Fahrten  vom  Bahnhof  in  die 
Stadt  wird  die  Taxe  (s.  unten)  erhöht  um  10  Kop.  für  ^Sinspänner,  20  Kop. 
für  Zweispänner,  bei  Nachtfahrten  um  20  resp.  30  Kop. 

Hdtels.  *Höt.  de  Bome  (PI.  b:C4),  gegenüber  dem  Theater,  mit 
Restaurant  im  Erdgeschoss  und  im  Keller,  schöne  Aussieht;  Z.  1-4,  H. 
1-2 B.;  »St.  Petersburg  (Pl.a:A3),  Sehlossplatz 4 •,  Bellevue  (PI.  d*. 
B4),  an  der  Ecke  des  Thronfolger  -  Boulevard  und  der  Marienstrasse.  — 
StadtLondon  (PI.  e :  B  4),  Kalkstrasse  11 ;  d  e  S  a  z  e  (PL  f :  B.  4),  Scheu- 
nenstrasse  19,  bei  der  Börse;  Alexander  (PL  g:  GS),  Alexander-Boule- 
vard ;  StadtDünaburg  (PL  h :  D  4),  Ecke  der  Elisabeth-  und  Ssuworow- 
Strasse  (Petersburger  Vorstadt);  zum  Deutschen  Hause  (PL i:  D8),. 
Ecke  der  Mühlen-  und  Alexanderstrasse  (Petersburger  Vorstadt) ;  'Stadt 
Frankfurt  a.  Main,  Alexanderstrasse  28,  am  weitesten  in  der  Peters- 
burger Vorstadt  gelegen  (Erlanger  Bier);  vis-ä^vis  der  Goldene  Adler. 
—  Auf  dem  linken  Ufer  der  Düna (Mitauer  Vorstadt) :  Hotel  Gourlande 
in  der  Steinstrasse  auf  dem  Oross-Klüversholm ;  Stadt  Mitau  am  Markt 
ebenda. 

BestMiranta  und  Caf^a.  *K  r  ö  p  s  c  h ,  gegenüber  der  Börse,  gute  deutseh» 
Küche;  Joh  annis-undKlosterkeller  im  Hause  der  kleinen  u.  grossen 
Gilde  (S.  56);  Ertack  im  Wöhrmann*8chen  Park  (Mineralwasser- 
Anstalt,  nur  im  Sommer);  ferner  in  fast  allen  Hotels  und  Conditoreien. 

Badeanstalten  (meist  russische  Badestuben) :  *D  r.  S.  K  r  o  e  g  e  r  s  Bade- 
und  Heilanstalt,  mit  Schwimmbassin  etc.,  Zugang  vom  Hot.  Frankfurt 
(s.  oben);  Tusow  und  Pimenow  in  der  Moskauerstrasse  (Moskauer 
Vorstadt)  an  der  Düna;  Muraschew,  Ssuworowstrasse  (Petersburger 
Vorstadt) ;  Beresow,  Hiltstrasse ,  sowie  Ecke  der  Neu-  und  Schmiede- 
strasse; Badeanstalt  in  der  Petersholmstrasse  in  der  Nähe  des  Kaiser- 
lichen Gartens;  in  der  Mitauer  Vorstadt:  Tusow  auf  dem  Gross-Klüvers- 
holm  (Flussbad  am  Badeholm). 

Bankiers.  Miram  A  Smolian^  Heimann  d:  Zimmermann^  Sehaetf,  WoUonw 
A  Co. ,  C.  8.  Salzmann ;  auch  vermitteln  Geld-  u.  Wechsel  -  Geschäfte  die 
Börsenbankf  Commerzbank^  Zweite  Qetellscha/t  gegenseitigen  Credits^  u.  s.  w. 

Konsulate.  Dänemark:  Konsul  Ä.  F.  Kriegsmann ;  Deutsches  Reich: 
Generalconsul  für  Livland  und  Kurland -ff*.  Helmsing;  Frankreich:  Konsul 
A.  E.  Boysset;  England :  Konsul  Ä.  Raby ;  Niederlande :  Konsul  E.  W.  Müller ; 
Oesterreieh-Üngarn :  Konsul  if.  Lübeck;  Schweden,  und  Norwegen:  Konsul 
Dr.  0.  ISfz ;  Schweiz :  Konsul  Dr.  R.  Caviezel, 

Post  (PL  24 :  A  B  5)  in  der  Karlsstrasse,  nahe  dem  Bolderaaer  Bahnhof. 
Telegraphen-Bureau  (PL  29 :  B  4)  an  der  Ecke  der  Kalkstrasse  und  des 
Theaterboulevards,  Haus  Minus. 


1.  Alezander-Gym- 
nasium   C45 

2.  Börse A4 

Denkmäler. 

3.  Alexander  I.  .  A3 

4.  Herder A4 

5.  Gallerie,  städt..  .  CS 

6.  St.  Georgen-Hospi- 
tal B5 

7.  Gilde,  grosse .  .  .  B  4 

8.  „       kleine  .  .  .  B4 

Kirchen. 
9.  Alexei-K.   ...  A3 

10.  Anglikanische  A3 

11.  Gitadell-K.  St. 
Peter  &  Paul 
(griech.)  .  .  .  .  A2 


Plan  von  Riga, 

12.  Dom  od.  Ma- 
rien-K A4 

13.  St.  Jakobi-K.     A3 

14.  St.  Johannis-K.  B5 

15.  Kathedrale 
(grieeh.-kath.)    D3 

16.  St.  Petri-K.  .  .  B5 

17.  Beformirte  K.    B5 

18.  Röm.-kath.  K.  A3 

19.  KronsgymnasinmAS 

20.  Lomonossow- 
Gymnasium  .  .  .  G5 

21.  Mineralwasser- 
Anstalt     C4 

23.  Polytechnikum  .  G4 

23.  Post AB 5 

24.  Rathhaus   .  .  .  .  A5 
26.  Bitterhaua    .  .  ABS 


.  Schloss,  kaiserl.  A3 

27.  Sehwarzhäupter- 
Haus  A4 

28.  Stadt-Gymnasium  GS 

29.  Telegraph  .  .  .  .  B4 

30.  Theater,  städt.   G46 

31.  Waisenhaus  .  .  .  B4 

Oaathöfo. 

a.  St.  Petersburg  .  .  A3 

b.  de  Rome G3 

d.  Bellevue B4 

e.  Stadt  London   .  .  B4 

f.  de  Saxe B  4 

g.  Alexander  .  .  .  .  G3^ 
h.  Stadt  Dünaburg  .  D4 
i.   Z.Deutschen  Haus  D3 


Sehennüiirdigheiten.  RIGA*  8,  Bouie,    51 

Waf  en.  Die  Stftdt  ist  in  vier  Rayons  gethellti  von  denen  der  für  die 
Fremden  am  meisten  in  Betracht  kommende  I.  Bayon  die  innere  Stadt 
bis  2ur  Elisabetiistrasse  nnd  deren  Verlängerung  bis  zur  Düna  umfasst. 
Sinfaehe  Fahrt  innerhalb  eines  Bayon  Einsp.  10,  Zweisp.  15  Eop.  *,  aus 
einem  Bayon  in  den  nächsten  15  u.  30Kop.;  durch  den  angrenzenden  in 
den  dritten  20  u.  25  Kop. ;  durch  zwei  andere  in  den  vierten  25  u.  30  Kop. 
Zeitfahrten:  innerhalb  des  Bayon  l/aSt.  20  u.  90 Kop.,  ausserhalb  30  u. 
aOKop.;  8/4 St.  90  Q.  45  resp.  45  u.  75 Kop.;  1  St.  40  u.  60  resp.  60  Kop. 
u.  1  B.  —  Die  Taxe  ^ilt  für  1-2  Personen;  jede  weitere  Person  zahlt  sowohl 
für  Distance-,  als  für  Zeit -Fahrten  die  Hälfte  der  Taxe.  Für  Nachtfahrten 
(11  U.  Nachts  —  7  U.  Morgens)  gilt  die  doppelte  Taxe.  Brückengeld  ist  für 
hin  und  zurück  zu  entrichten.  Handgepäck  ist  frei;  jedes  grössere  Ge- 
päckstück zahlt  Vs  d®'  Fahrtaxe. 

Pfbrdebahnen  in  der  Alexanderstrasse,  der  grossen  Strasse  der  Mos- 
kauer Vorstadt  und  zur  Verbindung  beider  Linien. 

Theater.    Stadtfheater  (S.  56). 

Vereine  und  Klub«.  M  u  s  s  e  in  der  grossen  Königssfrasse ;  Ressource, 
Bathhauaplatz ;  K  a u f m ünnisch er  Verein,  im  Börsengebäude,  gegen- 
über der  Börse;  Euphonie,  grosse  Jakobstr.;  Bussischer  Klub, 
grosse  Königsstr.;  Lettischer  Klub,  Parkstrasse  3;  Gewerbe-Ver- 
ein, Weberstr. ;  Sefawarzhäupter,  vis-ä-vis  dem  Rathhause;  Turn- 
verein, am  Nicolai-Boulevard.  -^  Fremde  können  überall  von  Mitglie- 
dern eingeführt  werden. 

Bei  beaohränkter  Zeit  genügt  für  Biga  ein  Tag. 

Hänptuhenswttrdiifkeiten:  Schloss  (S.  54),  Domkirche  (8.  54),  Stadt- 
bibliothek (an  den  Wochentagen  1-3 IJ.,  ganz  geschlossen  Im  Monat  Juli) 
und  städtisches  Museum  (S.  55,  Sonnt.  12-2  U.),  Bathhaus  (S.  55),  Schwarz- 
häupter-Haus (S.  55),  Museum  (geolog.  u.  archäol.  Sammlung,  S.  55),  St. 
Petri- Kirche  (6.  55),  Gemäldesammlung  der  städt.  Gallerie  (S.  57),  die 
Häuser  der  grossen  und  kleinen  oder  St.  Johannis  -  Gilde  (S.  56) ,  die 
Börse  (S.  57),  das  Bitterhaus  des  livländischen  Adels  (S.  57);  Kaiserlicher 
Garten  (S.  57),  Wöhrmann'scher  Park  (S.  57). 

Riga  (lettisch  Rihga,  estnisch  Rigalin,  Riig,  Ria  Linn,  Riolvn 
oder  auch  Righo,  russ.  Para) ,  Hauptstadt  des  Gouvernements  Liv- 
land  oder  eigentlich  Hauptstadt  der  sog.  Ostseeprovinzen,  d.  h.  von 
Est-,  Liv-  und  Kurland,  nach  St.  Petersburg  die  bedeutendste  rus- 
sische Handelsstadt  am  Baltischen  Meere ,  Hauptort  des  III.  Mili- 
tärbezirks, Standquartier  des  III.  Armeecorps,  Sitz  des  Gouver- 
neurs, des  griechisch-russischen  Erzbischofs  für  Riga  und  Mitau,  des 
römisch-katholischen  Bischofs,  des  Landes-Consistoriums  u.  s.  w., 
mit  170,000  Einw.,  davon  66,775  Deutsche,  31,976  Russen,  49,974 
Letten ,  3197  Polen ,  14,222  Juden ,  c.  3000  verschiedene  andere 
Nationalitäten ,  worunter  Polen  und  Engländer  am  zahlreichsten. 
Die  Deutschen,  Letten  und  Esten  sind  mit  wenig  Ausnahmen  Prote- 
stanten (Lutheraner) ,  deren  Zahl  im  Ganzen  sich  auf  107,300  be- 
läuft; die  Russen  gehören  natürlich  zur  griechischen  Kirche;  doch 
befinden  sich  unter  ihnen  auch  viele  Raskolniks ,  Abtrünnige  (s. 
Einl.,  S.  XLYi) ,  die  seit  langer  Zeit  hier  wohnen ,  wo  sie  ein  Asyl 
vor  Verfolgungen  fanden.  Yerhältnissmässig  gering  Ist  die  Zahl 
der  Katholiken  und  Juden ,  was  sich  aus  den  überaus  zahlreichen 
Versuchen ,  die  letzteren  zu  vertreiben  (zuletzt  noch  1840)  erklärt. 

Die  Stadt  liegt  in  einer  sandigen  Gegend,  zu  beiden  Seiten  der 
DUna  (1500  Schritt  breit),  15  km  von  ihrer  Mündung  in  den  Ri- 
gaischen Meerbusen ,  wo  auch  die  Festung  und  der  Hafen  i>t«na- 

4» 


52    Route  8,  BIGA.  H<jfen, 

münde  sich  befindet,  obgleich  die  Seeschiffe  bis  Riga  selbst  gehen 
können.  Mit  den  beiden  tJferorten  an  der  Mündung,  Bolderaa 
und  Mühlgraben  ist  Riga  durch  Elsenbahnen  verbunden ,  ebenso 
wie  mit  Tuckum,  Mitau,  Libau  und  Dünaburg. 

An  ünterrichtsanatalten  besitzt  Riga  ein  Polytechnikum ,  drei 
Gymnasien,  eine  Navigationsschule  und  viele  andere  öffentliche  und 
private  Schulen;  an  gelehrten  Gesellschaften:  die  Gesellschaft  für 
Geschichte  und  Alterthumskunde  der  Ostseeprovinzen  und  die  na- 
turforschende Gesellschaft;  gemeinnützige  Zwecke  verfolgt  die 
literarisch -praktische  Bürgerverbindung.  Die  Stadt  ist  reich  an 
müdthätigen  Anstalten,  deren  viele  schon  in  alten  Zeiten  gegrün- 
det sind ;  unter  denselben  befindet  sich  ein  ausgezeichnetes  Wai- 
senhaus und  mehrere  Asyle  für  arme  Bürgerwittwen. 

Auf  den  Bau  des  Hafens  wurden  von  1850-1861  über  2  Mill.  Rb. 
verwendet.  Auch  mehTeie  Schiffs -Werfte  sind  vorhanden.  Die  In- 
dustrie ist  durch  eine  grosse»  Zahl  von  Fabriken  vertreten.  Von  grosser 
Wichtigkeit  ist  der  Handel,  welcher  namentlich  durch  deutsche  und 
englische  Handelshäuser  betrieben  wird.  Die  Einfahr  betrug  1886  : 
24,000,000  Rubel  (Salz,  Härlnge,  Steinkohlen,  Petroleum,  Soda, 
Eisenbahn- Schienen,  Mauersteine  etc.).  Ein  Drittel  der  Einfuhr 
kam  aus  Deutschland ,  etwa  */4  aus  Grossbritannien ;  dann  folgen 
Belgien,  Norwegen,  Frankreich,  Portugal  u.  s.  w.  In  den  Hafen  liefen 
1886  ein  1940  Schiffe  mit  387,866  Lasten,  darunter  über  die  Hälfte 
Dampfer.  Die  Ausfuhr  hatte  einen  Werth  von  42,100,000  Rubel 
(Flachs,  Hanf,  Leinsamen,  Oel,  Tabak,  Getreide,  Schiffbauholz  aus 
Weissrussland  und  Wolhynien).  Ein  Drittel  der  Ausfuhr  geht  nach 
Grossbritannien,  Vio  ^^ach  Deutschland ;  dann  folgen  Belgien,  Frank- 
reich, Niederlande,  Norwegen  u.  s.  w. 

Geschieh te.  Deutoehe  Kaufleute,  welche  um  das  J.  1158  nach  der 
Hündung  der  Düna  verschlagen  waren,  aollen  durch  ihre  Ansiede- 
lungen auf  der  Insel  Kirchholm  und  bei  Uezküll  (S.  49)  die  erste  Ver- 
anlassung  zur  Gründung  der  Stadt  gegeben  haben.  Kachdem  dann  der 
Augustiner  Meinhard  1184  seine  Bekehrungsversuehe  begonnen  hatte  und 
der  erste  Bisehof  von  Livland  geworden  war,  erbaute  der  dritte  Bisehof, 
Albert  von  Apelderen,  1201  an  einem  jetzt  vertrockneten  Arme  der  Düna, 
der  Bige,  die  Stadt  Blga  und  gründete  einen  Ritterorden ,  den  Orden 
der  Brüderschaft  des  Heeres  Christi  (fraternitas  milltiae  Christi)  oder 
Sehwertorden;  Riga,  wohin  Albert  aus  Bremen  und  Lübeck  Einwohner 
lockte,  erhielt  grosse  Privilegien  und  Besitzungen  und  wurde  rasch  ein 
Platz  von  hoher  Wichtigkeit.  Die  Bürger  erhielten  frühzeitig  Hamburger 
Beeht.  Im  ziv.  Jahrh.  entstanden  die  grosse  Oxide  (Verein  der  Kaufleute) 
und  die  kleiiM  Oilde  (Verein  der  Handwerker-Zünfte)  sowie  die  ScbwarX' 
häupter  (8.  65)  ^  auch  der  deutschen  Bansa  trat  Riga  bei.  Der  Schwert- 
brüderorden ,  dessen  Meister  in  Wenden  residirte  (S.  66) ,  vereinigte  sich 
1387  mit  dem  deutsehen  Ritterorden  in  Preussen.  Sowohl  der  Orden  wie 
die  Bisehöfe  schafften  sich  Vasalien ,  von  denen  die  jetzigen  adeligen 
Familien  stammen.  In  der  Folgezeit  lagen  die  Bürger  Riga^s.  die  Bischöfe 
und  (seit  1255)  Erzbischöfe  der  Stadt  und  der  Ritterorden  nicht  selten  in 
Streit,  wobei  die  Bürger  es  gewöhnlich  mit  der  geistliehen  Gewalt  hielten, 
die  Ritter  aber  meistentheils  die  Oberhand  behaupteten.  In  der  Fehde 
des  Erzbischofs  Friedrich  mit  den  Rittern  gelangte  die  Stadt  1390  in  die 
Gewalt  des  Ordens,  welcher,  um  sie  leichter  zähmen  zu  können,  die 
Festung  Dünamünde  kaufte.    1485  rissen  die  Rigaer  dieselbe  nieder;  aber 


Qeaehiehte.  BIGA.  8,  Route,     63- 

sehn  Jahre  darauf  stellte  der  Orden  die  Festung  wieder  her.  —  Nach' 
dem  sieh  Riga  schon  1523  für  die  JUiformaUon  erklärt  hatte,  entzog  es 
sieh  lÄ^  der  bisehöflichen  Herrschaft  und  errichtete  ein  Gonsistorium  als 
erste  geistliche  Behörde.  Als  1561  das  übrige  Livland  polnisch  wurde,  be- 
hauptete Biga  noch  eine  gewisse  Selbstäudi^eit,  bis  lw3  Stephan  Bathory 
die  Stadt  zur  Unterwerfung  zwang.  Das  Erzstift  war  schon  nach  dem  Tode 
des  letzten  Erzbischofs,  Wilhelm  (t  1563),  eines  Bruders  des  Herzogs 
Albrecht  von  Preussen  mit  Polen  vereinigt  worden.  In  den  sehwediseh- 
polnisehen  Kriegen  widerstand  Biga  lange  den  sehwedisehen  Wafifen  und 
wurde  von  Gustav  Adolph  erst  am  15.  Sept.  1631  nach  langer  Belagerung; 
erobert.  In  den  Kriegen  Polens  und  Schwedens  mit  Bussland  wurde 
Riga  1656  von  dem  Zaren  Alexei  Miehallowitsch  vergeblich  belagert.  Für 
die  energische  Yertheidignng  erhob  der  sehwlBdisehe  König  1660  die  Mit- 
glieder des  Bigaer  Baths  in  den  Adelsstand  und  maehte  die  Stadt  zur 
zweiten  des  Beichs  nach  Stockholm.  Am  meisten  hatte  Biga  durch  die 
Belagerung  von  1710  zu  leiden.  Am  14.  Kov.  1709  wurden,  nachdem  die 
sdiwedische  Macht  in  den  russischen  Steppen  ihr  Grab  gefunden,  vor 
Biga  durch  General  Scheremetjew  die  Laufgräben  eröffnet;  Peter  der 
Grosse  selbst  warf  die  ersttti  Bomben  in  die  Stadt  (8.  55).  Zu  Anfang 
1710  war  schon  der  unzureichende  Vorrath  an  Lebensmitteln  in  der  Stadt 
aufgezehrt ;  Hunger  und  Pest  nöthigten  schliesslich  am  4.  Juli  die  Stadt 
zur  Gapitulatlon,  und  der  Friedenssehluss  zu  I/fstäcU  1731  brachte  Livland 
und  Biga  für  immer  an  Bussland.  Seit  dieser  Zeit  genoss  Biga  fast  ein 
volles  Jahrhundert  des  tiefsten  Friedens.  Bedeutungslos  waren  die  Er- 
eignisse von  1812  (Abbrennen  der  hölzernen  Vorstädte)  und  von  1854 
(Blokade  durch  die  Engländer).  Kach  dieser  Zeit  aber  hat  Biga  sieh 
mächtig  erweitert,  eine  Beihe  grossartiger  Hafenbauten  geschaffen,  die 
alten  Wälle  geschleift,  öffentliche  Gebäude  neu  aufgeführt,  die  russische 
Städteordnung  eingeführt,  das  alte  Zunftwesen  beseitigt,  die  erste  bal- 
tische Eisenbahn  gebaut,  ein  über  alle  Städte  Livlands  und  Kurlands  ver* 
zweigtes  Genossenschaftswesen  ins  Leben  gerufen,  aus  eigenen  Mitteln 
ein  städtisches  Gymnasium,  eine  Navigationsschule,  endlieh  mit  Unter- 
stützung der  baltischen  Stände  eine  grosse  polytechnische  Schule  ge- 
gründet und  erhalten. 

Die  Stadt  besteht  aus  dem  alten  Stadtkern,  bis  1858  mit  starken 
Festungswerken  umgeben,  und  aus  drei  Vorstädten,  die  beständig 
an  Ausdehnung  zunehmen:  der  Petersburger  Vorstadt  (nördlich  und 
östlich  der  alten  Stadt) ,  der  Moskauer  Vorstadt  (südlich)  und  der 
theils  auf  dem  1.  Düna-Üfer  (Flecken  Tkorensherg) ,  theils  auf  den 
Düna  -  Inseln  (ir{«i/i-  und.  Oross- Klüvers -Holm,  Kiepen- Holm, 
Mucken'  und  Boenkens-Holm)  gelegenen  Mitauer  Vorstadt.  Die 
innere  Stadt  und  die  Vorstädte  bilden  ziemlich  schroffe  Gegen- 
sätze in  ihrer  Bauart.  Der  alte  Stadtkern  Riga*s  mit  den  ältesten 
Häusern,  zum  Theil  noch  engen,  finsteren  0assen,  nur  zwei  einiger- 
massen  freien  Plätzen ,  ist  klein  und  hat  kaum  ^J^  Werst  im  Halb- 
messer. Hier  wohnten  die  alten  deutschen  Patrizier-Familien,  hier 
liegt  noch  das  Rathhaus  (s.  unten),  von  dessen  Balkon  herab  früher 
aUjährllcb  am  Michaelis-Tage,  nach  einem  feierlichen  Gottesdienst 
in  der  Petri- Kirche  die  „Bursprake''  oder  die  alten  Gesetze  der 
Stadt  verlesen  wurden.  In  diesem  ¥heile  der  Stadt  hielten  die 
grosse  und  die  kleine  Gilde  ihre  Versammlungen ,  der  Rath  seine 
„offenbaren  Recht«tage^,  seine  Ober-  und  Handelsgerichte,  seine 
Kieder-  und  Wettgerichte  ab.  Um  diesen  altfränkischen  Kern 
schliessen  sich  nun  Jenseit  der  Boulevards ,  wie  eine  buntfarbige, 
lockere ,  geräumige  Schale  die  neuen  Vorstädte  und  die  Moskauer 


54    Boute  8.  RIGA.  Kais.  Schloss. 

Vorstadt^  mehr  nach  Art  der  russischen  Städte  gebaut.  —  Die 
niedere  BevÖllcerang  Riga's  besteht  meist  aus  Russen ,  Letten  und 
Esten,  Yon  denen  die  Stadt  immer  mehr  überschwemmt  wird.  Be- 
sonders an  Markt-,  Sonn-  und  Festtagen ,  auf  der  Dünabrücke  zu 
Jobanni  am  „Blumenfest',  am  6.  August,  dem  (Preobrashenije 
Gospodne  s.  S.  xltiu)  russischen  Kirchfest  der  „Obstweihe'',  und 
an  den  sog.  drei  „Hungerkummer-Tagen'',  am  1.,  3.  und  5.  Montage 
nach  der  Obstweihe,  kommen  alle  in  Bezug  auf  ihre  Abstam* 
mung  und  Sprache  so  grundTerschiedenen  Nationalitäten,  die  sich 
grösstentheils  sehr  schroff  gegenüber  stehen ,  besonders  Letten  von 
indogermanischer  Race,  Esten  vom  finnischen  Stamme  —  beide 
den  Deutschen,  letztere  wieder  den  Russen  feindlich  — ,  in  Riga 
zusammen. 

Die  Merkwürdigkeiten  Rigas  lassen  sich  rasch  übersehen,  da  sie 
fast  alle  in  dem  inneren  kleinen  Kerne  zusammengedrängt  liegen. 

Nehmen  wir  das  H6t«l  St.  Petersburg  zum  Ausgangspunkt  un- 
serer Wanderung,  so  erblicken  wir  zunächst  ihm  gegenüber  das 
Kaiserliche  Bohloss  (PI. 26:  A3),  in  welchem  jetzt  der  Gouverneur 
wohnt.  Es  ist  eins  der  ältesten  Gebäude  der  Stadt  (1494-1515  er- 
baut) und  war  ehemals  dieResidenz  eines  Ordenscomturs.  Ursprüng- 
lich im  gothischen  Stil  erbaut,  im  xviii.  Jahrh.  ganz  umgebaut,  be- 
steht es  aus  einem  massiven  Gebäude  mit  2  Tfaürmen ;  im  Innern, 
mit  einem  Bogengang ,  der  zum  Hofe  führt ,  sieht  man  noch  eine 
Statue  der  helligen  Jungfrau ,  der  Beschützerin  des  Ordens ,  und 
neben  ihr  die  Statue  des  Erbauers  des  Schlosses,  des  Ordensmeisters 
Walter  von  Plettenberg  (1494-1535) ,  unter  dem  der  llvländische 
Foederativ-Staat  seine  höchste  Blüthe  erreichte. 

Auf  dem  Schlossplatze  (3aHK0Bafl  niomaAb),  dem  grdssten 
und  schönsten  der  Altstadt,  ist  dem  Kaiser  Alexander  I.  eine  8  m  hohe 
Granit 'Sätde  (PL  3:  A3)  errichtet;  auf  der  Spitze  eine  bronzene 
Victoria  mit  Siegeskranz,  am  Sockel  auf  der  einen  Seite  der  Reichs- 
adler, auf  der  andern  das  Wappen  von  Riga.  Eine  lateinische 
und  russische  Inschrift  besagt,  dass  die  dankbare  Kauftnannschaft 
Riga's  dieses  Monument  1S17  dem  Kaiser  Alexander  (Paclficatori 
Europae)  und  der  zurückkehrenden  Armee  gesetzt  habe. 

Wenden  wir  uns,  das  SchloBs  verladsend,  rechts,  so  sehen  wir  zur 
rechten  Hand  die  Katholische  (PI.  18 :  A3),  dann  die  AnplikaTiische 
Kirche  (PL  10:  A3)  *,  letztere,  ein  eleganter  Bau  im  engL-goth.  Stil, 
wurde  1857-59  von  den  in  Riga  Ansässigen  englischen  Kaufleuten 
errichtet.  Die  grosse  Schloss-  und  MönchMistrasse  verfolgend,  ge- 
langen wir  zur  *Dom-  oder  Karienkirohe  (PL  12 :  A  4),  einem  go- 
thischen Bau  mit  viereckigem  Glockenthurm  und  sehenswerthem 
Innern.  Der  Bau  derselben  wurde  nach  der  Gründung  der  Stadt 
1215  begonnen  und  war  bereits  1226  soweit  vorgeschritten ,  dass 
der  päpstliche  Gesandte ,  Wilhelm  von  Modena,  dort  eine  Synode 
abhalten  konnte.    1547  und  1883  wurde  der  Dom  renovirt;  die 


Sehwarzhäupter-Haus.       RIGA.  8,  R<mte,     55 

neue  Orgel  ist  vlelleiciht  die  grosste  der  Welt.  Im  Innern  viele 
Wappen  und  die  Grabmäler  des  ersten  Bischofs  und  des  letzten 
Erzbischofs  yon  Riga,  Wilhelm  von  Brandenburg  (f  1563)  —  Dicht 
bei  der  Domkirche  der  Herder -Platz  mit  dem  Herder -Denkmal 
<P1.4:  A4),  Nachbildung  des  Weimarischen  Herderdenkmals  (von 
Schaller). 

In  dem  schönen  Kreuzgang  des  Domes  (Domsgang)  befindet  sich 
dieStadtbibliotlMk (an Wochentagen  1-3 U.  zugänglich;  geschlossen 
im  Juli).  Sie  besitzt  ausser  zahlreichen  Incunablen  interessante  Merk- 
wärdigkeiten  aus  Riga*s  Geschichte,  unter  anderen  einen  Lehnstuhl 
Garl's  XII.,  einen  Brief  Luther' s  an  den  Rath  von  Riga,  einige 
Autographen  von  Herder  (der  1764-69  hier  Lehrer  und  Prediger 
war)  und,  in  der  Mauer  des  Saals,  eine  Kugel ,  welche  bei  der  Be- 
lagerung Ton  1710  Peter  der  Grosse  selber  in  die  Stadt  schleuderte 
(S.  Ö3);  femer  die  sogenannte  Brotze  -  Sammlung  livlandischer 
Alterthümer,  Portraits,  Landschaften  u.  s.  w. 

Durch  die  Neustrasse  erreichen  wir  nach  wenigen  Schritten  den 
Rathhausplatz  mit  dem  Bathhaua  (PL  24 :  A  4, 5),  welches  die  itäd- 
tiseften  Archive  enthält.  Gegenüber  das  *Bekw»rxhftiipt«r  -  Hau« 
(PL 27:  A4),  ebenfalls  eines  der  ältesten  Gebäude  der  Stadt,  schon 
im  xiT.  Jahrb.  erbaut,  später  oft  restaurirt.  Das  Gebäude  ist  sehr 
interessant,  nicht  allein  wegen  seines  sonderbaren  Baustils  mit  alt- 
fränkischer Fa^ade  und  den  Reliefbildern  der  Jungfrau  Maria  und 
eines  Schwarzhäupters  zu  den  beiden  Seiten  des  Eingangs,  sondern 
auch  wegen  der  Schätze,  welche  sein  Inneres  birgt :  Bücher,  *Silber- 
geschirr,  Waffen ,  Portraits  schwedischer  und  russischer  Herrseher. 

Die  Sebwarchäupter  waren  eine  Gtoaellaohaffc  der  jungen  nn^er- 
heiratbeten  Bürger  B.iga*8,  die  im  J.  1413  zuerst  ersebeint;  ihre  Ent- 
stebung  ist  dunkel,  steht  aber  wohl  mit  der  Hansa  in  Zusammenhang. 
Im  Anfang  nur  eine  Art  Klub,  besassen  sie  doch  durch  ihr  Ansehen^ 
nicht  verfassungsmässig,  bedeutenden  Einflnss.  Die  „Sehwarshäupter'' 
in  den  kleinen  livländiachen  Städten  dagegen  sind  Landsknechts  -  Ge- 
nossenschaften im  Dienst  des  Ordens,  welche  erst  im  xvi.  Jahrh.  nach- 
weisbar sind,  und  mit  dem  Untergang  des  Ordens  (1561)  versehwinden. 
Die  Oesellschaft  in  Biga  ist  jetxt  nur  ein  Klub  der  vornehmsten  und 
reichsten  jungen  Kaufleute,  die  sobald  sie  sich  verheirathen ,  aus  dem 
Klub  austreten.  —  Die  Sehwarzhäupter  wählten  sich  den  h.  MaurHiut^ 
der  immer  als  ein  Mohr  dargestellt  wird,  zum  Schutzpatron;  daher  der 
Käme.  In  den  Kirchen,  %.  B.  dem  Dom  und  der  Petrikirehe  (s.  unten) 
hat  die  Brüderschaft  wie  der  Bath  eigene  Sitze,  die  überall  mit  aus 
Holz  geschnitzten  Mohrenköpfen  geschmückt  sind.  Eines  ihrer  Haupt- 
feste fällt  auf  den  14.  Februar,  wo  sie  noch  nach  uralter  Sitte  jedes  Jahr 
die  „Faslnachitdrtmken**  feiern. 

In  der  Nähe,  Scheunenstr.  7,  im  Hause  der  Steuerverwaltung 
(Eingang  von  der  GUdestubenstr.)  das  HuMum  mit  sehenswerthen 
geologischen  und  archäologischen  Sammlungen  des  natur-  und  alter- 
thumsforschenden  Vereins  (wegen  Besichtigung  wende  man  sich  an 
Hrn.  Apoth.  Buchardt,  Kalkstr.  16). 

Vom  Rathhausplatz  über  die  Herren-Strasse  fortschreitend,  be- 
treten wir  den  Petri*Platz,  auf  dem  die  *St.  Petri-Xirehe  (PI.  16 :  B  5). 
1408  und  1409  wurde  der  Chor  nach  dem  Muster  des  Schweriner 


56     B<mte*8.  KIGA.  DUna. 

Doms ,  14Ö6  das  plampe  Langhaus  vollendet.  Die  Sitzreihen  im 
Innern  zeugen  von  dem  mittelalterlichen  Ursprung  Rigas.  Hier 
sitzen  die  Y&ter  der  Stadt ,  dort  die  Glieder  der  grossen ,  hier  die 
der  kleinen  Gilde;  schwarze  Statuen  bewachen  hier,  wie  in  der 
Domkirche ,  die  Plätze  der  Schwarzhäupter.  —  Unter  den  Thürmen 
Ton  Riga  ragt  der  *Olockenthurm  von  St,  Peter  (140  m)  herror ;  er 
soll  nach  dem  Olaithurm  in  Reyal  (S.  82)  der  h5chste  im  ganzen 
russischen  Reich  sein.  Seine  jetzige  yon  Gängen  durchbrochene 
Kuppelform  hat  er  nach  1666  erhalten.  Von  der  ersten  Gallerie 
bietet  sich  ein  prächtiger  Blick  auf  die  Stadt  und  darüber  hinaus 
auf  die  Sanddünen  des  Meeres  und  auf  Dünamünde. 

Tom  Petriplatz  gelangen  wir  durch  die  Sünderstrasse  (Fl.  A  5) 
an  die  Dtna.  Ueber  dieselbe  führt  eine  800  Schritt  lange  FtoM<* 
brücke  und  eine  745  m  lange  Eisert- Oitterhrüeke  (Fl.  A  6)  in  die 
Mitauer  Vorstadt.  Letztere,  für  die  Bolderaaer  Eisenbahn  erbaut, 
ruht  auf  8  mächtigen  Ffeilem  und  ist  auch  für  Fassgänger  und 
Wagen  eingerichtet. 

Die  Düna  (s.  S.  48),  ein  breites,  mächtiges,  trübes  Gewässer,  in 
MülionMi  durcheinander  greifender  Wirbel  und  Strudel  zum  Meere 
gleitend,  bietet  einen  grossartigen  Anblick.  Die  Stadt  selbst  yer- 
schwindet  fast  in  diesem  grossen  Bilde.  Der  Fluss  ist  ihr  zu  mächtig 
und  die  Gebäude  an  seinen  Ufern  sind  noch  dazu  sonderbarerweise 
unbedeutend ;  nur  am  Düna-Markt  steht  eine  Reihe  hoher  Häuser. 

Auf  den  Brücken ,  an  den  Ufern  des  Flusses  bewegt  sieh  eine 
grosse  Mensch enmasse.  Am  meisten  Leben  ist  unterhalb  der  Floss- 
brücke am  ZoUhafen  (Fl.  A  1,  2)  und  ferner  oberhalb  der  Eisen- 
bahnbrücke, da,  wo  sich  die  sog.  Anibarren  (d.  h.  Waarefimagazine) 
befinden.  Hier  liegen  auch  Schiffe ;  bei  den  Ambarren  besonders  die 
Hanf-  und  Flachsschiffe;  ausser  diesen  auch  die  eigenthümlichen 

DünaflSsse,  die  sog.  Struten, 

Die  Sehifffahrt  beginnt,  sofern  nieht  milde  Winter  Ansnahnieii 
bedingten,  in  der  Begel  mehrere  Wochen  später  als  in  Liban,  die  ersten 
Schiffe  und  Flösse  langen  Ende  April  in  Riga  an  nnd  der  Mai  ist  der  an 
Geschäften  reichste  Monat.  Die  einlaufenden  Fahrzeuge  haben  an  der 
Mündung  der  Düna  zunächst  die  Festung  Dünamünde  und  den  Zollort 
Bolderaa  zu  passiren.  Die  15  km  von  Dünamünde  bis  Riga  lassen  sieh 
nicht  ohne  Lootsen  zurücklegen,  da  die  besonders  durch  den  Eisgang 
sich  stets  ändernde  Lage  der  Sandbänke  die  Fahrt  unsicher  macht.  Die 
Düna  'Wird  daher  alljährlich  von  der  Regierung  ausgemessen  (Pegelung 
der  Düna,  Leuchtthurm). 

Wir  kehren  durch  die  Ambarrenstrasse  und  die  Bahnhofsstrasse 
in  die  Altstadt  zurück.  Am  Theaterbouleyard  das  Städtische  Thea- 
ter (PI.  30:  G4,Ö).  Weiter  durch  die  Kalk-  und  Fferdestrasse. 
Links  in  der  Schmiedestrasee  das  Haus  d%T*gro98en  oder  St,  Marien^ 
Oilde  (Eoibmafl  nihnin ;  F1.7 :  B  4),  daneben  die  kleine  oderJohannis» 
Qilde  (Maia«  rHJb/iiA,  Fl.  8 :  B  4),  hübsche  moderne  Gebäude  im  go- 
thischen  Stil,  mit  vielen  Gnriositaten  aus  dem  Mittelalter.  Sehens- 
werth  ist  die  „Stube''  der  grossen  Gilde.  Das  Deckengewdlbe  ruht 
auf  schlanken  Säulen.   An  dem  oberen  Ende  eines  der  gothischen 


Polytechnikum.  RIOA.  8»  Moutt.    57 

Pfeiler  erblickt  man  eine  alte  BUcU&ule  der  heiligen  Jungfrau« 
Diese  Bildsäule  wird  in  Riga  die  „Docke''  (hochdeutsch  Puppe)  ge* 
nannt,  und  weil  der  Vorsteher  der  Gilde  bei  öffentlichen  Versamm- 
lungen an  jenem  Pfeiler  unter  dem  Bilde  seinen  Platz  hatte,  so 
bekam  er  den  Namen:  ,Dockmann^,  den  er  noch  allgemein  sowohl 
im  gewöhnlichen  Leben  wie  in  Öffentlichen  Aktenstücken  führt. 

Die  Scheunenstrasse  passirend,  stossen  wir  direct  auf  die 
prächtige  *Börte  (BHpsa;P1.2:  A4),  von  dem  Livländer  Harald 
Bosse  im  Renaissance  -  Stil  erbaut,  an  der  Ecke  der  Jakobs-  und 
Gr.  Schlossstrasse.  In  ersterer  weitergehend ,  linker  Hand  in  der 
Klosterstrasse,  die  Jacobikirche  (PL  13:  A3),  wo  der  Nachmittags- 
Gottesdienst  für  die  estnische  Gemeinde  stattfindet.  Ihr  gegenüber 
das  BitterhauB  (PI.  25 :  A  B  3)  im  Stil  des  Palazzo  Strozzi  in  Flo- 
renz, mit  dem  schönen  Ritter  -  Saale,  welcher  die  Wappen  sämmt- 
licher  adeligen  Familien  Livlands  enthält.  Auf  dem  Rückwege 
zum  Hotel,  durch  die  Jakobs  -  Easernenstrasse  können  wir  noch 
einen  Blick  in  das  dQutschQ Krons-Gymnasium  (PI.  19:  A3)  werfen. 


Vom  Schlossplatz  durch  die  Peter -Paulstrasse,  an  der  Kathe- 
drale des  h,  Petrus  und  Paulus  oder  Citadellenkirche  (PL  11 :  A2) 
in  der  ehem.  Gitadelle  vorbei ,  kommen  wir  in  den  *Kaiserl.  Oarten 
(PL  A  B 1),  einen  Park  mit  schönen  alten  Bäumen,  der  schon  unter 
Peter  dem  Grossen  angelegt  wurde.  Peter  pflanzte  hier  mit  eigenen 
Händen  eine  Ulme,  die  im  Laufe  der  Zeiten  herrlich  gediehen 
ist.  Man  hat  sie  mit  einem  Geländer  umgeben  und  mit  einer  In- 
schrift versehen.  Von  hier  besuchen  wir  den  Schutzengarten  (PL  B 
01,2),  dann  die  Nikolaistrasse  entlang  an  der  Esplanade  (Exer- 
cierplatz)  mit  der  neuen  russ.-ffriech,  Kathedrale  (PL  15)  vorbei 
den  WÖhnnann^iehen  Park  (PL  CD  4),  von  Frau  Consul  Wöhrmann 
der  Stadt  geschenkt,  eine  Anlage  im  englischen  Stil  mit  Mineral-- 
Vfoseeranstdlt  (PL  21 :  04;  im  Frühjahr  morgens  von  Trinkgästen 
sehr  besucht)  und  einer  eleganten  Restauration  (im  Sommer  an 
den  Wochentagen,  im  Winter  täglich  im  Wintergarten  Ooncerte). 
Dicht  beim  Wöhrmann'schen  Park  an  dem  schonen  Thronfolger- 
Boulevard  liegt  das  Polyteohniknm  (PL  22:  04),  zu  dem  die  Stadt 
den  Grund  und  Boden ,  sowie  100,000  Rubel  geschenkt  hat.  Die 
früher  hier  befindliche  etädtische  Qemäldt-Qallerie ,  Bilder  russi- 
scher und  fremder  Künstler  enthaltend  (täglich  1-4  U.  geöffnet, 
Eintr.  20  Kop.),  befindet  sich  jetzt  im  Hause  von  Eerkovius,  Espla- 
naden-Boulevard  3  (PL  5:0  3). 

Nachdem  wir  von  hier  eine  Fahrt  durch  die  Koikaner  Vorstadt 
(Kaufhof  y  Hoehdruck-Basiin ,  Jesuskirehe)  gemacht,  passiren  wir 
die  Eisenbahnbrücke  zur  Besichtigung  der  Mitaner  Vorstadt,  in 
welcher  der  Mitauer  Qüterhahnhof,  die  Ambarrens^asse ,  die 
Schiffswerfte  auf  dem  Gross- Klüvers -Holm  und  die  alte  Koburn- 
8ehan%e  sehenswerth  sind.    Empfehlenswerth  ist  ein  Besuch  des 


58    RouttS.  RIGA.         Petersburger  Vorstadt: 

Sommertheaters  im  Hagensherger  Park;  auch  im  Thorensberger 
Park  spielt  eine  Truppe.  Hart  an  der  Düna  in  schöner  Lage  das 
grosse  Seemannshaus,  1883-84  neu  erbaut. 

Die  Peterf  burger  Vorstadt  im  N.  und  0.  der  alten  Stadt  zeichnet 
sich  besonders  durch  lange  breite  Strassen  aus ;  sie  ist  reich  an 
Anlagen  aller  Art,  und  das  Ganze  gleicht  eher  einem  Garten.  Die 
Alexanderstrasse  herunterfahrend  und  1.  in  die  Ritterstrasse  ein- 
biegend, haben  wir  r.  das  vorzüglich  eingerichtete  Stadt- Kranken^ 
haus.  Dicht  daneben,  in  der  Nikolaistrasse,  der  Wagnerische 
Kunstgarten  Charlottenthal  (tägl.  ausser  So.  bis  7XJ.  Nm.  geöffnet), 
eine  der  grossten  Blumen-  und  Pflanzenhandlungen ,  durch  ganz 
Russland  bekannt  und  besuchenswerth. 

Sehenswerth  ist  ferner  der  Stadt- Kirchhof  mit  hübschen  Grab- 
monumenten und  das  Kriegshospital,  in  der  Nähe,  in  der  Hospital- 
strasse. An  der  Düna,  c.  7  km  von  der  Stadt,  AlexandenhÖhe,  mit 
Arbeits-,  Armen- 1  Kranken-  und  Irrenhaus  und  der  neuen  luthe- 
rischen Trinitatiskirche.  Die  ausgedehnten  Garten-  und  Parkan- 
lagen, an  der  rothen  Düna  gelegen  und  ehemals  Alexander-Schanze 
oder  äusserer  kaiserlicher  Garten  (im  Gegensatz  zum  vordem  kais. 
Garten,  S. 67)  genannt,  sollen  von  Peter  dem  Grossen  angelegt 
-worden  sein.  Alexander  I.  schenkte  den  schonen  Park  der  Stadt, 
die  ihn  zur  Errichtung  von  verschiedenen  mildthätigen  Stiftungen 
benutzte.  Von  Alexandershohe  kann  man  dann  per  Wagen  oder  per 
Bahn  zur  Stadt  zurückkehren,  da  sich  an  der  Peterstrasse  ein  Halte- 
platz der  Mühlgrabener  Eisenbahn  befindet  (für  23  oder  12  Kop.). 

TTmgebuigeii  Ton  lUga. 

Sand,  Heide  und  Sumpf  sind  die  wichtigsten  Dinge  in  der 
Umgegend  von  Riga  und  namentlich  im  Sommer  verleidet  der  uner- 
trägliche Staub  allen  Naturgenuss.  Vieles  ist  neuerdings  geschehen, 
um  die  Sandberge  zu  bepflanzen  und  die  unfruchtbare  Heide  zu 
cultiviren,  das  alte  ITrbett  des  Stromes  Jenseit  der  Düna  ist  bebaut 
und  bepflanzt  worden,  aber  die  Dünenkette  zieht  sich  noch  kahl  und 
ode  von  der  Bolder-Aa  aus  weit  ins  Land  hinein ,  und  diesseit  des 
Stromes  bieten  nur  wenige  Punkte  einen  freundlichen  Anblick. 
Gleichwohl  finden  sich  bei  näherem  Zusehen  zwischen  Wäldern,  Seen 
und  Sümpfen  anziehende  Orte.  Die  Rigaer  haben  alle  trockenen  Stel- 
len in  dem  Dünadelta  mit  jenen  kleinen,  gewöhnlich  sehr  bescheide- 
nen, doch  gleichwohl  reizenden  Landhäuschen  besetzt,  den  sog. 
yfHöfchen*^,  deren  Namen  meist  auf  „Hof  und  „Holm''  endigen  und 
zum  Theil  noch  an  die  älteren  Ansiedler  erinnern  (Libetsholm, 
Vegesacksholm).  —  Von  den  Orten,  welche  mit  Riga  In  lebhaftem 
Verkehr  stehen ,  Ist  die  nahe  Schwesterstadt  Mitau  der  wichtigste. 
Durch  ihr«  Vermittelung  gelangt  der  grösste  Theil  der  Producte  des 
östlichen  Kurlands  nach  Riga  zur  Ausfuhr.  Die  Producte  der  nörd- 
lichen Gebiete  Kurlands  kommen  auf  einem  anderen  Wege  über 


Umstebimffßn  v.  Riga.    DÜNAMÜND£.  S,  Rmie,     59 

Tuekum  nnd  Schlöck  (s.  S.  65)  hetan.  Für  die  livlandischen  TTaaren 
ist  eine  Eisenbahnverbindung  projektirt;  die  Hauptstrassen  sind 
Mer  noch :  die  alte  Poststrasse  von  Dorpat  über  WaXk  und  Wolmarf 
und  die  Küstenstrasse ,  welche  sich  von  Femau  her  um  den  Riga- 
sehen  Meerbusen  herumzieht.  Die  Strassen  aus  dem  Inn«rn  Polens 
und  Busslands  gehen  zu  beiden  Seiten  der  Düna  herab;  an  ihr 
finden  wir  viele  mit  Riga  in  enger  Verbindung  stehende  Städte,  in 
deren  Nahe  noch  manche  interessante  Buinen  und  Wahrzeichen 
einstigen  deutschen  Lebens. 

BOLDESAA,    Dt^NAMÜKDE. 

Die  Tour  kann  man  per  Bahn  (Abfahrt  vom  Bolderaaer  Bahnhof, 
täglich  4Zi^e  hin  und  zurück,  Entfernung  16  r«ap.  18  Werst)  in  66  Min« 
oder  per  Dampfboot  in  1  St.  machen.  —  Die  Bahn  geht  bis  Hafendamm) 
Kwei  Brücken  führen  nach  Dünamünde.  Die  Züge  halten  erforderliehen 
Falls  am  Alexander-Perron  (zwischen  Sassenhof,  6  Werst,  und  Kordeeks- 
hof,  8  Werst)  und  bei  Dünamünde. 

üeber  Thorenaherg  (2  Werst) ,  Scusenhof  (6  W.) ,  Nordeckihof 
(8  W.),  Bolderaa  (16  W.)  erreichen  wir  Pfinamündc,  am  Binfiuss  der 
JDüna  in  den  Bigaischen  Meerbusen  und  an  der  sich  hier  mit  der 
Düna  vereinigenden  breiten  und  schiffbaren  Kurischen  Aa  (an  ihrw 
Mündung  Buller-  oder  Bolder-Aa  genannt).  Dünamünde  ist  ein 
Küstenfort,  welches  die  Mündung  der  Düna  zum  Schutze  der  ent- 
festigten Stadt  Biga  deckt.  Die  Gebäude  im  Innern,  darunter  das 
schone  Commandanturgebäude ,  dienen  fast  lediglich  Zwecken  der 
Garnison.  Gegenüber,  auf  der  linken  Stromseite  am  Einflüsse  der 
Bolderaa  liegt  das  Kometenfort  und  Dorf  Bolderaa*  Zur  Erhaltung 
des  tiefen  Fahrwassers  nördlich  Dünamünde  die  Mole  (Hafendamm) 
mit  Leuchtthurm.  Besonders  wichtig  wurde  Dünamünde,  seit  1850- 
1852  in  der  Bolderaa  ein  Winterhafen  angelegt  wurde,  der  seitdem 
beträchtliche  Erweiterungen  erhielt  (Tiefgang  5-6  m,  bei  Riga  3-4  m). 
Dies  hat  zur  Anlage  grosser  Magazine,  Speicher,  Schiffswerften  bei 
Bolderaa  und  Dünamünde  geführt  und  auch  die  Einwohnerzahl  be- 
trächtlich yermehrt. 

Dünamünde  verdankt  seinen  Ursprung  einem  auf  dem  r.  Ufer  1204 
vom  Bisehof  Albert  I.  gegründeten  CHsterzienserkloster^  welches  der  Orden 
1306  ankaufte  und  in  eine  Burg  verwandelte.  Um  das  J.  1600  wurde  die 
Festung  auf  dem  1.  Ufer  angelegt  Im  nordischen  Kriege  war  Dünamünde 
ein  Zankapfel  zwischen  Sachsen ,  Schweden  und  Russen.  1700  wurde  es 
von  August  II.  von  Polen  erobert  und  nach  ihm  Augu§kuburg  genannt, 
1701  von  den  Schweden  genommen,  1710  aber  von  den  Bussen,  in  deren 
Besitz  es  blieb. 

Insel  Bt7No. 

Der  Ausflug  nach  der  Insel  Runö  ist  besonders  Jagdliebhabern  zu 
empfehlen.  Eine  regelmässige  Verbindung  zwischen  Biga  und  der  Insel 
besteht  nicht.  Kur  zweimal  im  Jahr  wird  die  Post  befördert;  ausserdem 
fährt  nur  einige  Val  der  Zollkutter  um  dßn  Leuchtthurm  und  seinen 
Wächter  zu  versorgen.  Es  werden  jedoch  Öfter  Vergnügungsfahrten  von 
Privaten  und  Vereinen  auf  gemietheten  Dampfern  unternommen,  Fahr- 
preis {gewöhnlich  3  B.  Sonst  mlethet  man  ein  Segelboot  (Preis  c.  10  B.) 
für  2-3  Tage  (am  besten  vor  einem  Sonntage).  Dauer  der  Fahrt  verschie- 
den ,  je  nach  der  Witterung  (Stürme  nicht  selten)  c.  12  St.  Entfernung 
100  Werst  (106  km).    Mit  Getränken,  besonders  KafiTee,  Thee,  Zucker  hat 


60    Route  8.  RTJNÖ.  Umgebungen 

man  sieh  su  versoi^eii.  —  Unterkommen  Termitielt  in  liebenswittdlgster 
Weise  der  Paator  Dreyer  (Pastor  oeh  Kyrsherder  pa  Bunö). 

Für  die  Fahrt  auf  der  Düna  (c.  15  km)  ist  wegen  der  ylelen  Sand- 
bänke ein  Lootse  nöthig  (S.  56).  Langsam  und  yorsichtig  fährt  das 
Boot  den  Strom  hinab ,  besonders  vor  der  sog.  Pegelung.  Der  An- 
blick des  Stromes  ist  grossartig  (vgl.  S.  56) ;  desto  einförmiger  sind 
die  Ufer:  Sand,  Sumpf,  Heide,  unterbrochen  von  den  „Höfchen* 
der  reichen  Bigaer  Kaufleute.  Bald  erreichen  wir  die  Kurländische 
Aa,  gleich  darauf  sehen  wir  Dünamünde  (s.  S.  59).  An  der  gewal- 
tigen Sanddüne  vorbei,  dem  Magnus-Holm,  durch  die  jetzt  die  Ein- 
fahrt sichernden  Molen  hindurch  gelangen  wir  ins  offene  Meer. 

Bei  unserer  Annäherung  (nach  c.  6  stund.  Dampfbootfahrt)  er- 
blicken wir  ein  flaches ,  mit  grossen ,  erratischen  Blocken  besätes 
Eiland,  das  kaum  merklich  sich  über  das  Niveau  des  Meeres  erhebt, 
das  Ziel  unserer  Reise,  die  Insel  Bunö.  Der  Dampfer  ankert  in 
einer  der  wenigen  kleinen  Buchten  an  der  geschützteren  Ost-  oder 
Südostseite,  etwa  i^Ji'W,  von  der  Küste  entfernt;  im  kleinen  Boot 
fahrt  man  an  den  Strand.  Hat  man  ein  Segelboot  benutzt,  so  muss 
das  Boot  schon  50  Schritt  vom  Ufer  Anker  werfen  und  das  einzige 
Mittel,  den  Strand  zu  erreichen,  ist,  durch  das  etwa  knietiefe  Wasser 
zu  waten  oder  sich  ans  Land  tragen  zu  lassen.  Von  den  gewohnlich 
zahlreich  erschienenen  Insulanern  werden  wir  nach  dem  Dorfe  ge- 
leitet, das  aus  etwa  25  Höfen  bestehend,  etwa  4  W.  vom  Landungs- 
platz in  einem  Tannenwalde  liegt ,  der  es  trefflich  vor  den  rauhen 
Winterstürmen  schützt.  Ein  Gasthaus  befindet  sich  nicht  daselbst; 
aber  in  jedem  Hause  des  Dorfes  findet  man  gastliche  Aufnahme.  In 
der  Regel  kommt  der  Pastor  Dreyer  Besuchern  in  der  freundlichsten 
Weise  entgegen.  Der  Pastor  repräsentirt  auf  der  Insel  zugleich  die 
höchste  Polizeibehörde,  ohne  seine  Erlaubniss,  d.  h.  ohne  einen  von 
ihm  ausgestellten  Pass  darf  kein  Bewohner  die  Insel  verlassen.  — 
Einen  Besuch  lohnt  vor  allem  der  hohe  Leuchtthurm  (s.  unten)  und 
das  Inmitten  des  Friedhofes  stehende  hölzerne  Kirchlein,  1641  er- 
baut und  1851  restaurirt.  Zur  Besichtigung  des  Fisch-  und  Robben- 
fanges werden  Partien  von  den  Insulanern  mit  der  grössten  Zuvor- 
kommenheit arrangirt. 

AiiBNSBURa  (In^tl  Oetel)  Pbbnau. 

Bnssisehe  Dampfer,  zweimal  wöehentlieh  in  ea.  13  St. 

Das  Schiff  fährt  zunächst  flussabwärts  in  der  Richtung  auf  Düna- 
münde zwischen  flachen  Ufern.  Von  der  Festung  Dünamü&de  er- 
blicken wir  vom  Dampfer  aus  nur  einige  Wälle  und  Mauern  (vgl. 
S.  59).  Nachdem  wir  die  Dünamünder  Molen  und  die  schwarzen 
und  rothen  Fahrwasser-Tonnen,  die  Grenzlinie  der  Dünamündung 
und  des  Meeres  passirt,  tritt  das  Dampfboot  in  den  Kigaüchen  Mttr^ 
htMen  (PflscKÜi  saiiiBi).  Die  Küsten  treten  immer  mehr  zurück, 
endlich  verschwinden  sie  ganz.  Rechts  lassen  wir  den  yerlornen 
Posten  im  Meer,  die  Insel Runö  (s.  oben).  Dann  landet  das  Schiff 
bei  Artnsburg  auf  Oesel. 


vonUiga,         ARENSBÜBG  ÜNX>  PERNAÜ.       8.  Baute.    61 

Arenibnrg  (estnisch  Kurresare^  ApeHCÖypri),  die  einzige  Stadt 
der  zum  Gpavernement  Livland  gehörigen  Insel  Oesel,  an  der  Süd- 
küste derselben  und  am  Rigaischen  Meerbusen,  hat  3460  Einw.  und 
wird  als  Seebad  besucht  (See-  u.  Salzschlammbäder;  jährl.  3(X)-50Ö 
Badegäste).  Der  Handel  ist  trotz  der  guten  Rhede  unbedeutend. 
Die  Stadt  ist  Sitz  des  Yicegouverneurs ;  auch  halt  hier  der  Oeselsche 
Adel  alle  drei  Jahre  seine  Landtage. 

Pie  Insel  Oesel  (estn.  Kurre-Saari^  d.  h.  EranicMnsel  oder  Saari- 
JWa,  d.  h.  Insell&nd,  OcTp.  dse^n),  zwiselieii  58^  und  59^  nördl.  Breite,  wird 
dureh  den  kleinen  Sund  von  der  Insel  Mohn,  durch  die  28  km  breite  Heer- 
enge bei  Domeanäs  (Leuehtthurm  Domesnis  und  Leuchtthurm  Swalferort 
auf  Oesel)  von  Kurland,  durch  den  SÖla-Sund  von  der  Insel  Dago  getrennt^ 
Mldet  mit  dem  nordöstlich  vorgelegenen  Hohn,  Runö  und  andern  Inseln 
den  Kreis  Arensburg  und  hat  2618  qkm  Flaehenraum.  Die  Oberfläche  ist 
ziemlieh  eben,  zum  Tbeil  bewaldet.  Die  Insel  hat  mehrere  Seen  und 
zahlreiche  Flüssehen.  Das  Klima  ist  milder  als  auf  dem  benachbarten 
Festlande.  Die  Einwohner,  42,000,  gehören  mit  Ausnahme  des  Adels,  der 
Geistlichkeit  und  Bürger,  welche  deutscher,  schwedischer  und  russischer 
Abkunft  sind,  zur  Urbevölkerung  der  Esten,  die  Oe»el,  wie  fast  den 

ganzen  Oeselschen  Insel-Archipelagus  (Mohn,  Dago  u.  a.)  besetzt  hatten, 
ie  beschäftigen  sieh  mit  Ackerbau,  Viehzucht,  Fisch-  und  Seehundsfang, 
Jagd  (besonders  Sehwäne),  Handel  u.  s.  w.  —  Gegen  Anfang  des  xiii.  Jahrh. 
wurde  die  Insel  Oesel  (Osilia  mit  Valdia,  der  stärksten  Stadt  der  Osilianer) 
von  dem  dänischen  Könige  Waldemar  besetzt;  doch  wurde  das  von  ihm 
etbaute  Sehloss  von  den  Esten  wieder  zerstört.  Nachdem  1221  aber  die 
Insel  von  den  Sehwertrittern  erobert  worden  war,  nahmen  die  Esten  bald 
(1227)  nachdem  ihre  heidnischen  Gottheiten  (Tharapita)  von  den  Christen 
zerstört  waren,  die  christliehe  Religion  an  und  erhielten  einen  Bischof. 
Der  letzte  Bischof,  Johann  von  Hüncbhausen,  verkaufte  1550  die  Insel  an 
Dänemark  und  sie  blieb  dänische  Provinz,  bis  sie  1646  an  Schweden  ab- 
getreten ward.    1721  kam  sie  mit  Livland  an  Bussland. 

Von  Riga  nach  Pernau  (Dampfer  zweimal  wöchentlich; 
I.  PL  5  R.,  IL  PL  3  R.,  DeckpL  2R.). 

150  W.  (159  km)  Pernau  {PernoUn,  UepHOBi»),  Kreisstadt 
(13,000  E.)  in  sandiger  Heide  an  der  Pernau  -  Mündung  und  am 
Rigaschen  Busen,  regelmässig  und  gut  gebaut,  ehemals  Festung  und 
bedeutender  Kriegshafen,  zerfällt  in  Alt-Pemau  (diesseit)  und  Neu- 
Pernau  (jenseit  des  Flusses),  hat  verfallene  Wälle  und  drei  Kirchen 
(zwei  luth.  und  eine  grlechO  und  wird  als  Seebad  ziemlich  be- 
sucht. Durch  die  Verbindung  des  Pernau -Flusses  mit  dem  Em- 
hach  sind  zugleich  die  Hauptbedingungen  der  Handelsverbindungen 
Pernau*s  gestellt.  Die  Stadt  setzt  das  nördliche  Livland  (Dorpat 
und  Pskow)  sowie  auch,  mit  Narwa  rivalisirend,  die  Peipus-Land- 
schaften  mit  dem  Auslande  in  Verbindung.  Die  Ausfuhr  besteht, 
namentlich  in  Leinsaat,  Flachs,  Getreide,  Holz.  [Dexttscheb  Kon- 
BTTL :  N.  M.  Bremer.']  Pernau  war  in  älterer  Zeit  befestigt ;  1699 
ward  hierher  für  einige  Zeit  die  Universität  von  Dorpat  verlegt. 
1710  flüchteten  sämmtliche  Professoren  mit  allen  Büchern  und 
Sammlungen  vor  der  nahenden  Armee  Peter's  des  Grossen  nach 
Schweden ;  in  demselben  Jahre  wurde  die  Stadt  von  dem  russischen 
General  Bauer  den  Schweden  abgenommen. 


62    Boute  S,  MITAU.  ümgebwtgen 

Von  Ri€^a  nach  Mitau. 

40  W.  Eisenbalin  (Abfahrt  vam  Bolderaaer  Bahnhof  (S.  49),  tägl. 
3  Züge  in  1  St.  10  Min.  für  1.66, 1.25,  0.64  E.  —  Von  Riga  naeh  Libmu  über 
Mitau  und  Mosheiki  (S.  41),  214  W.  in  9Va-12  St.  für  8.21,  6.28,  3,16  B.  (von 
Riga  über  Mosheiki  naeh  Kosehedary,  338  W.,  in  I41/4  St.  für  12.83,  9.64» 
4.93  R.). 

Zur  Rechten  Sumpf,  zur  Linken  Morast,  dann  ebene  Sand- 
fläche oder  Dünen,  spärlich  von  Birken  und  Tannen  besetzt,  Wüstenei 
und  Oede  weit  und  breit  —  so  ist  das  Mündungsland  der  Düna  be- 
schaffen, das  sich  zwischen  Mitau ,  Riga  und  dem  Meere  erstreckt. 
—  Zwischen  Riga  und  (21  W.)  Oley  {Olai^  Oiafi)  liegt  r.  der  grosse 
Sumpf  von  Kangerkalns,  1.  der  an  Grosse  u.  Trostlosigkeit  mit  ihm 
wetteifernde  Morast  Tyrul,  Oley,  mit  einer  Kirche,  welche  an  der 
Stelle  der  dem  h.  Olaus  (?)  geweihten  Capelle  steht,  bezeichnet  den 
eigentlichen  Anfang  des  Mündungslandes  der  Düna.  Von  hier  an 
war  wahrscheinlich  früher  alles  Meer  und  wurde  erst  durch  die 
tausendjährige  Arbeit  des  Flusses  in  Land  verwandelt.  —  Gleich 
hinter  Oley  überschreitet  die  Bahn  die  kurländische  Grenze ,  führt 
Tor  Mitau  über  die  Aa  und  umzieht  die  Stadt  an  der  Südseite. 

40  Werst  Hitau  (lettisch  Jelgawa,  MHiasa). 

Gasthöfb:  «Linde,  Z.  60Kop.  bis  1  R.  Zehr,  Z.  60 Kap.  bis  2B. 
Geringere  Gasthöfe,  jedoch  auch  gut,  sind :  St.  Petersburg, Warschau, 
Moskau.  —  Rbstauratiokbv :  Sanssouci  im  Schlossgarten.  «Schir- 
kenhöffer  in  der  Stadt.  Weiter  im  Endry  es-Garten  und  Villa 
Medem.  —  Cokditorbib» :  Torchiani  (auch  Restaurant)  und  Leut- 
zinger,  beide  gut.  —  DRoscHKBif.  Einsp.  Stadtfahrt  lOKop.,  nach  oder 
von  dem  6-8  Min.  entfernten  Bahnhof  20  Eop.,  die  Stunde  40  Eop.  Mit 
Zweisp.  Stadtfahrt  15  Kop.,  Bahnhof  30  Eop.,  Stunde  60  Eop.  —  Dampf- 
scHiFFB  täglich  zwischen  Mitau,  Schlock  und  Dubbeln  (Badeort  S.  65). 

Mitau,  Hauptstadt  des  Gouvernements  Kurland,  mit  30,000  £^in- 

wohnern  (über  6000  Deutsche ,  dann  Letten ,  Russen ,  Polen  und 

6300  Juden),  liegt  an  der  schiffbaren  Aa,  in  flacher,  sandiger,  aber 

fruchtbarer  Gegend. 

Zur  Geschichte.  Schloss  Mitau  wurde  1265  durch  den  Landmeister 
Eonrad  von  Mandern  gegründet,  die  Stadt  ist  erst  nach  1561  entstanden. 
Die  Aa  konnte  früher,  bevor  die  Schweden,  welche  als  Herren  von  Riga 
auf  Mitau^s  Handelsblüthe  eifersüchtig  waren,  durch  versenkte  Steine  und 
Schiffe  das  Fahrwasser  verdarben,  bis  Mitau  hinauf  mit  kleinen  Seeschiffen 
befahren  werden,  sodass  die  Stadt  als  Hafenplatz  rasch  zu  Bedeutung  ge- 
langte. Sie  war  ursprünglich  befestigt,  mit  hohen,  jetzt  grösstentheils  ab- 
getragenen Wällen  umgeben  und  lange  Zeit  die  Hauptstadt  von  Semgallen 
und  Residenz  der  fierzoge  von  Eurland.  Im  J.  1658  bemächtigten  sich  die 
Schweden  der  Stadt,  gaben  sie  aber  im  Frieden  von  Oliva  1660  wieder 
heraus.  1706  nahmen  die  Russen  dieselbe  ein  und  zerstörten  die  alte 
Ordensburg  grösstentheils,  an  deren  Stelle  später  das  neue  Schloss  Biron*8 
(s.  S.  63)  entstand.  Unter  russischer  Herrschaft  (seit  1795)  ist  Mitau  der 
Sitz  des  Gouverneurs  und  der  obersten  Behörden  geblieben.  1812  war  Mitau 
auf  der  Strasse  nach  St.  Petersburg  der  äusserste  Punkt,  bis  zu  dem  der 
linke  Flügel  der  französischen  Armee  (Macdonald)  gelangte. 

Mitau  erhält  sein  eigenthüm'liches  Gepräge  durch  die  Beamten  der 
Gouvernementsregierung  und  die  adeligen  Familien ,  welche  entweder 
wegen  der  Erziehung  ihrer  Einder  beständig  hier  wohnen  oder  doch 
während  der  Wintermonate  hierher  übersiedeln.  Die  Gelehrten,  Eauf- 
leute,  Advocaten,  Beamten  der  Stadt  sind  noch  meist  Deutsche.   Die  Leiten 


von  Riga.  MITAU.  8.  Boute.    63 

sind  meist  Arbeiter  oder  Dieastboten,  die  ärmste  und  elendeste  Klasse  der 
Bewohnerschaft  aber  bilden  die  Juden.  Zu  den  Deutschen,  Letten  und 
Juden  gesellten  sich  seit  der  Vereinigung  des  Landes  mit  der  pointsehen 
Bepublik  auch  einige  Polen^  besonders  polnische  Edelleute.  In  neuer  und 
neuester  Zeit  kamen  zu  diesen  älteren  Bewohnern  der  Stadt  die  Bussen^ 
die,  wie  in  allen  Städten  der  Ostseeprovinzen,  auch  hier  eine  immer  mehr 
und  mehr  um  sich  greifende  Kolonie  (mit  der  Garnison  3685)  gründeten. 

Mitau  ist  der  Sitz  des  Gouverneurs,  des  ständigen  Ausschusses 
des  kurländisehen  Adels,   der  Rltterschaftscommission  und  des 
Oberhofgerichts ,  der  obersten  Instanz  für  kurische  Rechtsstreitig- 
keiten.   Wie  Mitau  in  der  Zusammensetzung  und  Lebensweise  der 
Bevölkerung  einen  grossen  Kontrast  zu  der  Kaufmannsstadt  Riga 
bietet,  so  auch  in  seiner  Bauart.  Riga  mit  zum  Theil  hohen ,  alten 
Häusern  und  engen ,  altreichsstädtischen  Gassen,  das  Ganze  com- 
pact zusammengedrängt  und   aus  Stein   gemeisselt;   Mitau  da- 
gegen mit  breiten ,  regelmässigen  Strassen ,  mit  niedrigen ,  meist 
einstockigen,  aus  Fach  werk  und  Holz  gebauten  Häusern.    Man 
sieht  es  der  Stadt  an ,  dass  sie  von  Herzogen  und  EdeUeuten  ge- 
gründet wurde,  die  von  ihren  Landgütern  her  an  weite  Räume 
gewöhnt  waren;  sie  blieb  auch  die  echte  Adelskapitale  mit  Ge- 
burtsaristokratie and  feiner  vornehmer  Geselligkeit.   Das  hervor- 
ragendste Gebäude  ist  das  herioglicheSohlou,  ein  weltläufiger,  nicht 
ganz  vollendeter  Bau  im  Rococostil,  ausserhalb  der  Stadt  auf  einer 
von  der  Aa  umflossenen  Insel  gelegen,  1738  auf  Befehl  des  Herzogs 
Ernst  Job.  Biron  von  dem  bekannten  Architekten  und  Maler  Grafen 
Rastrelli,  dem  Erbauer  des  Winterpalastes  in  St.  Petersburg  (S.  113), 
auf  der  Stelle  der  von  1265  herstammenden  Ordensburg  (s.  oben) 
begonnen,  1772  vollendet.   Die  nordw.  Front  brannte  1788  ab  und 
wurde  nicht  wieder  hergestellt.  Ludwig  XVIII.  von  Frankreich  resi- 
dirte  hier  1798-1801  während  seines  Exils ;  jetzt  dient  es  dem  russi- 
schen Gouverneur  und  den  Beamten  des  Gouvernements,  sowie  den 
Mitgliedern  des  russischen  Kaiserhauses  hei  ihrer  Durchreise  zur 
Wohnung.   Der  Schlossvogt  -  Gehülfe  (Trinkg.)  zeigt  das  Schloss. 
Sehenswerth  sind  die  (jetzt  kaiserlichen)  Räume,  welche  einst  Her- 
zog Biron  bewohnte:  der  ehemalige  Billardsaal,  eines  der  reichsten 
Zimmer  des  Schlosses;  das  grosse  Eckzimmer,  von  dem  man  eine 
herrliche  Aussicht  auf  den  schönsten  Theil  der  Gegend  um  Mitau  hat ; 
Schlafzimmer  mit  schon  gestickter ,  chinesischer  Tapete ;  Saal  (im 
Hauptgebäude)  mit  einer  sehr  artigen  und  mit  Säulen  verzierten 
Kanzel  von  Stuckarbeit;  die  grosse  und  hequeme  Haupttreppe.   In 
einem  Gewölbe  unter  dem  südl.  Eckflügel  des  Schlosses  ruhen  die 
Herzoge  aus  dem  Kettler'schen  und  Biron'schen  Hause  (mit  Aus-, 
nähme  des  Herzogs  Peter,  1769-9Ö,  und  seiner  drei  Gemahlinnen) 
In  c.  30  thells  zinnernen,  theiis  kupfernen  Särgen  neben  einander, 
zwei  Fürsten-Dynastien ,  die  zweihundert  Jahre  lang  das  Land  be- 
herrschten ,  und  von  denen  die  eine  mit  einem  einfachen  Ritter 
(Meister  Gotthard  Kettler)  begann,  zehn  Mitglieder  zählte  und  mit 
dem  elften  in  männlicher  Linie  1737  ausstarb  ;  die  andere  aber  nur 


64    Baute  8,  MITAU.  Ümgebimgen 

ans  zwei  gekrönten  Mitgliedern  bestand  und  noch  jetzt  in  ihren 
Nachkommen  existirt. 

Mitau  besitzt  sieben  Kirchen,  wovon  vier  {Trinitatis,  JohannU, 
Armen,  St.  Annen ,  letztere  lettisch)  den  Lutherischen,  je  eine  den 
Katholiken,  Beformirten  und  Russen  gehört,  sowie  drei  Synagogen. 

Das  Provinzial  -  Museum  enthält  die  Porträts  aller  kurischen 
Herzoge  und  sonstiger  berühmter  Männer ,  sowie  Sammlungen  von 
Naturalien,  Alterthümern,  Münzen  etc.  Es  wird  beabsichtigt,  hier 
ein  ausschliesslich  kurländisches  Provinzlal-Museum  zu  bilden.  Be- 
achtenswerth  sind  die  ürkimden  aus  den  herzogl.  Zeiten,  namentlich 
die  Dokumente  betreffs  der  Gründung  des  Lyceums  (s.  unten);  eine 
interessante  Sammlung  in  Kurland  erschienener  Zeitschriften;  eine 
Sammlung  aller  Holzgatttmgen,  die  in  Kurland  wachsen,  in  Bücher- 
form; in  der  Gemäldesammlung  ein  schönes  Bild  der  Herzogin  Doro- 
thea, geb.  Gräfin  Medem,  und  ihrer  Tochter  Johanna,  der  im  J.  1876 
verstorbenen  Herzogin  von  Sagan.  —  Das  Museum  verdankt  sein 
Entstehen  der  ktbrländischen  Gesellschaft  für  Literatur  und  Künste, 
deren  Stifter  1816  der  hochverdiente  Staatsrath  von  der  Recke  war. 
—  Auch  an  sonstigen  Sammlungen  ist  die  Stadt  nicht  arm.  Be- 
deutende Privat-Gemäldesammlungen  sind  die  des  Grafen  Medem 
und  des  Barons  von  der  Ropp.  Ausser  der  Stadtbibliothek  von  7500 
Bänden  ist  die  viel  reichere  zu  dem  ehem.  herzoglichen  Gymnasium 
aeademicwm  gehörige  Bibliothek  zu  nennen  (35,000  Bände). 

Das  Oymnaiium  wurde  von  Herzog  Peter  von  Kurland  1775 
gestiftet  und  als  eine  Art  von  Lyceum  oder  Universität  {Lyceum 
Ülustre)  constituirt.  Es  besitzt  reiche  Sammlungen,  ein  physi- 
kalisches Kabinet  mit  vorzüglichen  Instrumenten  und  eine  Stern- 
warte, und  gehört  zu  den  ausgezeichnetsten  Lehranstalten  des 
russischen  Reichs. 

Im  Sommer  jeden  Jahres  findet  in  Mitau  ein  vierwöchentlicher 
grosser  Markt  statt.  Am  Joha^rmistag ,  dem  24.  (12.)  Juni,  an  wel- 
chem das  neue  Geschäftsjahr  beginnt ,  kommt  hier  der  Adel  des 
Landes  zusammen,  um  seine  Geschäfte  abzumachen,  sich  zu  treffen 
und  sich  Gesellschaften  und  Banquette  zu  geben. 

Die  nächste  Umgegend  von  Mitau  bietet  nicht  viel  Sehenswerthes 
(*  Vüla  Medem  mit  Park  u.  Restauration).  Dicht  vor  den  Thoreu 
der  Stadt  fangen  die  weitläufigen  Gebiete  der  Edelsitze  an,  die  sich 
hier  dichter  als  sonst  in  Kurland  zusammendrängen ;  unter  ihnen 
sind  mehrere  ehemals  herzogliche,  jetzt  kaiserliche  Schlösser.  Ge- 
nannt seien  hier  Eckau  (Gefecht  am  19.  Juli  1812  zwischen  Russen 
und  Preussen),  Swethof,  Friedrichslust,  BuhentluU  (früher  der 
Familie  Subow ,  jetzt  dem  Grafen  Schuwalow  gehörig) ,  Würzau, 
Hofxumbergen ,  Grunhof.  —  8  km':  von  Mitau  das  Dorf  Barbara 
(Barbern)  mit  einer  Schwefelquelle  (Dorotheenbrunnen  in  Mitau). 
Die  für  Mitau  wichtigsten  städtischen  Ansiedelungen  in  der  Um- 
gegend sind  Bauske ,  35  km  südlich,  und  Schlock ,  35  km  nördlich 
an  der  Aa  (per  Bahn  33  Werst  von  Riga ,  s.  unten).   Bauske  liegt 


von  Riga.  DÜBBELN.  «.  Route,     65 

maleriscb  auf  einer  Anhohe  am  Zusammenfluss  der  Memel  und 
Müsse,  die  vereinigt  die  Eurische  Aa  bilden.  Am  29.  September 
1812  fand  hier  ein  heftiges  Gefecht  zwischen  dem  York'schen  Corps 
und  den  Russen  statt.  —  28  W.  westl.  DobUn  (S.  44). 

Von  Riga  nach  Dubbeln,  Schlock  und  Eemmebn. 

Eisenbahn  (Abfahrt  vom  Bolderaaer  Bahnhof}  nach  Dubbeln  (23  W.) 
Tom  Mai  bis  Sept.  9 mal  tägl.  in  ISt.  3  Hin.  für  90,  68,  35Kop.;  naeh 
Sehlock  (33  W.)  5 mal  tägl.  in  11/2  St.  für  1.24,  0.93,  0.47  B.  s  naeh  Kemmern 
(41 W.)  4  mal  tägl.  in  1  St.  52  Hin,  für  1.58,  1.19,  0.61  B. ;  nach  Tuckum 
(60  W.)  3  mal  in  2i/a  St.  für  2.29,  1.71,  0.87  B.  Gepäck  20  kg  frei.  — 
Dampfschiffe  täjglich  Nachm.  von  Biga,  Morg.  von  Dubbeln. 

lieber  (2  W.)  Thorensberg,  (6  W.)  Sassenhof,  (12  W.)  Pupe^ 
{18  W.)  Bilderlingshof,  (20  W.)  Edinburgh,  (22  W.)  Majorenhof, 
alles  Landsitze  und  Yergnügungsorte ,  erreichen  wir  das  nordöst- 
lich von  Schlock  am  Meere  liegende  Seebad  Dubbeln  (4y66ejbffB), 
23  W.  von  Riga  (täglich  auch  Dampfer  in  2  St.  für  40  und  25  Kop.), 
Dubbeln  ist  während  der  Saison  (Juli  bis  September)  sehr  besucht. 
Das  Dorf,  aus  kleinen  ^  meist  hölzernen  Häusern  und  Villen  be- 
stehend, liegt  dicht  am  Meere,  von  letzterm  nur  durch  eine  mit 
Fichten  bewachsene  Hügelgruppe  getrennt.  Grosses  neues  Gesell- 
schaftshaus mit  36  Logirzimmern ,  Ballsälen  etc.  Während  der 
Saison  hier  und  in  Majorenhof  täglich  gute  Concerte.  —  26  W. 
Karlsbad;  29  W.  Assern;  dann 

33  W.  Schlock ,  ein  von  Juden ,  Letten  und  Russen  bewohnter 
Flecken  (1359  Einw.)  an  der  unteren  Aa,  die  hier  einen  Arm  ins 
Meer  sendet,  während  der  andere,  die  Bolderaa,  sich  noch  25  Werst 
hinter  den  Dünen  an  der  Meeresküste  hinzieht  und  In  die  Düna 
mündet. 

Die  nächste  Station  ist  (41  W.)  Xemmem  (ReMHepHi),  Badeort 
mit  Schwefelquellen,  5"W.  vom  Meere  gelegen  und  jährlich  von  1000- 
1200  Kranken  besucht  (gegen  Gicht ,  Rheumatismus  etc.  wirksam). 
Schoner  Park;  Gesellschaftshaus  mit  Nummern;  Bibliothek  etc. 
Weiter  über  (50  W.)  Schmarden  nach  (60  W.)  Tuckum,  Endstation 
der  Bahn,  in  angenehmer  Gegend  (s.  S.  44). 

Von  Riga  nach  Do&pat  übbb  Wbndbn.    Livländischb  Schweiz. 

Liebhaber  von  anmuthigen  LandBehaftsbildern,  welche  Land  und  Leute 
in  den  Ostseeprovinzen  vollständig  kennen  zu  lernen  wünschen,  müssen 
die  Liv ländische  Schweiz  besuchen  (s.  S.  66).  Die  im  Sommer 
treffliche  Poststrasse  über  Boop  und  Wolmar  lässt  diesen  schönsten 
Theil  Llvlands  reehts  Uegen  (S.  50).  Man  thut  daher  gut,  den  Weg  über 
Segewold  und  Wenden  (85  Werst),  jetzt  die  Hauptpoststrasse,  einzuschlagen 
Ca.  Einl.  S.  xix).  Einen  Wagen  kann  man  leicht  erhalten  i  für  ein  Postpferd 
zahlt  man  auf  dem  Lande  4Kop.  pro  Werst  und  Pferd,  für  zwei  Pferde 
■also  8  Kop.  \  in  Städten  etwas  mehr.  Wer  keinen  Wagen  hat,  findet  solche 
Auf  der  Poststation,  für  die  er  ca.  1  Kop.  pro  Werst  zu  entrichten  hat.  Dem 
Kutscher  giebt  man  15-50  Kop.  Trinkgeld.  —  Dieselbe  Boute  über  Wolmar 
oder  Wenden  muss  mAn  wählen,  wenn  man  von  Biga  direct  nach  Dor- 
p  at  (246  W.)  fahren  will.  Man  kann  diese  Beise  au^  per  Bahn  und  zwar 
über  Dünaburg  bis  Pskow  (S.  86)  machen^  von  da  mit  dem  Dampfschiff 
Di.  Do.  Sa.  in  10  St.  für  &,  4,  8  B.  auf  dem  Pskow* sehen  See,  dem  Peipusr 

Bussland.     3.  Aufl.  ^ 


66    Boute  8,  LIVLÄND.  SCHWEIZ.  Umgebungen 

See  und  dem  Embacb  hi»  Dorpat  (s.  S.  74);  manehem  wird  jedoeh  die 
Seefahrt  von  Riga  nach  Baltischport  resp.  Reval  und  von  da  die  Eisen- 
bahnfahri  nach  Dorpat  (s.  8.  74)  interessanter  wie  aneh  bequemer  sein. 

Nachdem  wir  Riga  mit  seinen  Vorstädten  und  Fabriken  hinter 

uns  gelassen ,  haben  wir  zunächst  die  einförmige  Landschaft  des 

Mündungsdelta's  der  Düna  (S.  62)  vor  uns. 

Die  vielen  Sümpfe,  die  Seen,  Hoorgrunde,  Sandstriche  und  Dünen 
entziehen  viele  Strecken  des  Landes  der  Bebauung.  Doch  ist  das  Land, 
im  Ganzen  genommen,  nicht  unfruchtbar ^  vielmehr  scheint  es  mancher 
Kulturpflanze,  namentlich  dem  Roggen,  der  Gerste,  dem  Flachs  zuzusagen. 
Die  Fruchtbarkeit  nimmt  jedoch  von  Süden  nach  IKorden  zu  ab;  im 
umgekehrten  Verhältniss  steht  die  Ackerwirthschaft  in  Livland  auf  höherer 
Stufe  als  in  Litauen.  —  Die  Einwohnerschaft  ist  gemischt.  Eine  durch  die 
Stadt  Walk  (zwischen  Porpat  und  Riga)  von  West  nach  Ost  gezogene  Linie 
bildet  die  Grenze  zwischen  den  nördlieh  wohnenden  Esten  (S.  72)  und 
den  Letten  im  Süden.  —  Auch  dieses  Land  hat  seine  Reize  und  seine  eigene 
Schönheit.  Nichts  gleicht  dem  Anblicke  der  Wildniss  in  den  hohen  Fichten-, 
Kiefern-  und  Birkenwäldern  Livlands.  Im  Frühling,  wenn  Alles  grünt 
und  treibt  und  besonders  in  den  hellen,  sauberisehen,  an  allerlei  Leben 
so  reichen  Juninächten  sind  diese  Wälder  mit  ihrer  eigenthümlichen  Thier- 
welt,  dem  Wolf,  dem  Bär  und  Elen,  den  Auer-  und  Birkhühnern,  den 
Adlern  und  Falken,  am  schönsten.  Auch  die  von  dunkeln  Wäldern  um- 
schatteten Sümpfe  und  Seen  haben  ihr  Interessantes.  Schlösser  und  Städte 
liegen  oft  mitten  in  den  Seen  auf  Inseln. 

Halbwegs  zwischen  Riga  und  der  Poststation  (20W.)  Neuermühlen 
(Rodenpois)  führt  ein  langer  Damm  und  eine  Brücke  über  den 
Jägel-Fluaa,  welcher  den  Jägel-  und  Stint-See  y erbindet  (letzterer 
am  2.  Pflngsttage  viel  besucht).  R.  am  Jägel-See  die  grossen  Woll- 
mühlen, Baumwoll-  und  Twist -Fabriken  von  Pycklau,  berühmt 
durch  ganz  Bussland.  W.  von  Hintzenberg  von  der  grossen  Strasse 
abbiegend,  betreten  wir  dann  die  sog.  *liyl&ndisclie  Sohweis,  die 
romantischen  TJferlandschaften  der  Aa  in  der  Mitte  ihres  Laufes. 

43  W.  Schloss  Begewold.  Auf  dem  Wege  nach  Bamotzky  das 
der  Familie  v.  Borch  gehörige  Schlots  Segewold,  auf  dem  1.  Ab- 
hang des  Aa-Thales  die  Ruinen  des  alten  Schlosses  gl.  N. ;  gegen- 
über auf  dem  r.  Ufer  das  fürstl.  Lieven'sche  Schloss  Kremon  und 
das  dem  Baron  Kampenhausen  gehörige  Schloss  Treiden  mit  einer 
Ruine  aus  dem  xiii.  Jahrb.  Diese  drei  Schlösser,  auf  c.  70  m  hohem 
Ufer  gelegen,  bilden  den  Mittelpunkt  der  livländischen  Schweiz. 

Schon  87  W.  hinter  Riga  erreichen  wir  die  grosse  Strasse  Pleskau- 
Riga,  die  hier  r.  abzweigt;  bei  dem  lieblichen  Thale  der  Ammai, 
eines  Nebenflusses  der  Aa,  angelangt,  wenden  wir  uns  nordwärts,, 
die  Windungen  des  Flüsschens  verfolgend. 

67  W.  Xarlmüie  Bamotiky  (FavoQKiii) ,  prachtvoller  Landsitz 
der  Grafin  Sievers ,  an  der  Ammat  schon  gelegen.  Das  Schloss,  im 
holländischen  Stil ,  wurde  von  einem  englischen  Bankier  Pearsou 
erbaut,  der  auch  den  Park  anlegte.  Die  Ammat  ist  berühmt  wegen 
ihrer  Lachse ,  Forellen  und  Aeschen ;  sie  ergiesst  sich  c.  8  km  von 
Karlsruhe  in  die  Aa ,  die  70  km  w.  in  den  Rigaischen  Meerbusen 
mündet.  —  Auf  anmuthigem  Wege  am  1.  Ufer  der  Aa  nach 

85  W.  Wenden  (lettisch  ZcAse«).  —  Gasth. -.  Schloss-Traiteur 


von  Riga.  WENDEN.  8.  Haute.     67 

beim  Schlosse;  Deutsches  Haus  und  Posthaus  (wo  die  Pferde  ge- 
wechselt werden)  in  der  Stadt.  —  Post  und  Telegraph  gleich  im  ersten 
Hause  am  Ausgange  nach  Dorpat  zu. 

Wenden,  Kreisstadt  mit  4300  Einw. ,  meist  deutsche  Prote- 
stanten, liegt  anmuthig  unfern  der  Aa,  aus  deren  malerischem  Thal 
sich  das  260m  hohe  Aa-Plateau  zu  dem  325m  hohen  Qaisingkdln 
(Luftberg)  erhebt.  In  der  Protestantischen  (früher  katbol.)  Kirche, 
nicht  weit  von  der  Post,  befinden  sich  die  Grabsteine  mehrerer 
Meister  des  Deutschen  Ordens ,  u.  a.  der  Walters  von  Plettenlerg, 
dessen  Bronze -Büste,  eine  Copie  der  Büste  in  der  Walhalla  bei 
Begensburg,  ein  Geschenk  des  liyländischen  Adels,  gleichfalls  hier 
steht  j  ferper  das  Grabmonument  des  kathol.  Bischofs  Patricius, 
dessen  Name  an  die  fruchtlosen  Versuche  des  polnischen  Königs 
Stephan  Bathory  erinnert,  durch  Herstellung  der  katholischen  Hier- 
archie (Bisthum  Wenden  1582)  das  Land  dem  Katholicismus  wieder- 
zugewinnen (s.  unten).  Ueber  dem  Altar  ein  schönes  Gemälde  von 
dem  Petersburger  Maler  Keller,  die  Kreuzigung  Christi ,  Geschenk 
des  Grafen  Sievers  (s.  unten). 

Dicht  bei  der  Stadt,  vo;i  derselben  nur  durch  einen  alten 
Wall  getrennt,  liegen  die  interessanten  und  wohl  erhaltenen 
Ruinen  des  alten  berühmten  *Obdensschlos8es,  welches ,  so  lange 
der  Scbwertritterorden  existirte,  der  Hauptsitz  desselben,  später  die 
Residenz  der  livländischen  Land-  oder  Herrmeister  des  Deutschen 
Ordens  war.  Die  Ruinen  befinden  sich  inmitten  eines  Parks,  welcher 
zum  Besitzthum  des  Grafen  Sievers  gehört  und  dem  Publikum  ge- 
öffnet ist.  In  der  Nähe  ein  hübscher  künstlicher  Wasserfall,  zu 
dem  das  Wasser  in  Röhren  aus  einer  Entfernung  von  V2  Meile  her- 
geleitet wird. 

Schon  1207,  kurze  Zeit,  nachdem  Bischof  Albert  I.  „einigen  Brüdern 
des  Kreuzes  Christi"  ein  Drittheil  von  Livland  verliehen  hatte  (s.  S.  52), 
wafT  Wenden  Hauptfeste  des  Sehwertordens.  Der  folgende  Ordensmeister 
Yolkwin  erbaute  1224  Schloss  Wenden,  „das  Haus  der  heiligen  Maria 
und  ihrer  Ordensbrüderschaft**  genannt,  und  seit  dieser  Zeit  bewohnten 
es  alle  Landmeister.  Unter  dem  „berühmtesten  und  glückseligsten"  aller 
hier  residirenden  Meister,  Walter  von  Plettenberg,  wurde  das  Bchloss 
1496  beträchtlich  erweitert,  1577  sprengte  sich  die  Besatzung  mit  einem 
Theil  der  Bürgerschaft  in  die  Luft,  um  nicht  in  die  Hände  des  Zaren 
Iwans  (IV.)  des  Schrecklichen  zu  fallen;  aber  im  December  desselben 
Jahres  kam  die  Stadt  wieder  in  die  0ewalt  der  Deutsehen  und  Litauer: 
im  Oet.  1678  belagerten  sie  die  Schweden.  Das  Schloss  blieb  seit  1577 
Ruine ;  ein  Theil  wurde  später  vom  katholischen  Bischof  Patricius ,  den 
Stephan  Bathory  in  diese  Gegenden  schickte,  wiederhergestellt.  Gustav 
Adolph  (oder  Christina)  schenkte  dann  das  Schloss  an  den  Reichskanzler 
Axel  Oxensljerna  und  endlich  gab  es  die  russische  Kaiserin  Elisabeth 
ihrem  Minister,  dem  Grafen  Bestuschew,  von  dem  es  an  die  Familie 
Bievers  kam.  Der  jetzige  prachtvolle  Park,  welcher  das  alte  Sehloss  um- 
sehliesst,  wurde  durch  den  russischen  General  (1812)  und  Senator  Grafen 
Sievers  angelegt. 

Ö.  von  Wenden ,  über  Schloss  Konneburg  mit  grosser  Ruine 
eines  erzbischöfl.  Schlosses ,  Horstenhof,  Slawehk  liegt  in  einer 
Bodensenkung  zwischen  ziemlich  bedeutenden  Höhen  der  Strante- 
See.  An  seinen  Ufern  und  in  seiner  weitern  Umgebung  finden  sich 

5* 


68    B<mte  8.  WALK. 

Steinsetzungen,  Gräber,  Grabdenkmäler  unter  dem  Namen  Träfels- 
Qrdb  ( W€Uakappene)jOräherwaldj  Kappusils,  etc.  Die  darin  auf- 
gefundenen Gegenstände  lassen  erkennen,  dass  liier  ein  uralter  Sitz 
hormännisclier  (?)  Herrschaft  und  Opferdienstes  zu  suchen  ist.  Der 
russischeHistorikerUstrjalow  verlegt  hierher  den  Stammsitz  Rurik's, 
der  von  hier  aus  seine  Herrschaft  gründete. 

Von  Wenden  kehren  wir  entweder  nach  Riga  zurück  oder  setzen 
die  Reise  nach  Dorpat  über  Stadt  Wolmar  oder  Gut  Trikaten  (Stamm- 
Schäferei  u.  Wiesenbauschule)  fort.  Weimar  (BojbHapi,  108  Werst 
von  Riga)  ist  ausser  Walk  (s.  unten)  das  einzige  Städtchen  (2598Einw.), 
das  wir  auf  der  246  Werst  langen  Strasse  von  Riga  nach  Dorpat  fin- 
den (in  Livland  auf  circa  100  0«"^.  eine  Stadt).  Durch  endlose 
Wälder  erreichen  wir  überPoststation  Stackein  das  Städtchen  (156W.) 
Walk  (4200  Einw.).  Hier  wird  noch  lettisch  gesprochen.  Dicht  hinter 
der  Stadt  (8  km)  überschreiten  wir  aber  den  Emhach  (s.  unten),  jen- 
seit  dessen  die  Wohnsitze  der  Esten  beginnen.  Das  letzte  lettische 
Dorf  hinter  Walk  heisst  Lettikülla  {killla  estnisch  Dorf),  ihm  gegen- 
über zur  Linken  des  Weges  liegt  EstiküUa  (Estendorf).  —  Der 
Unterschied  in  der  Lebensweise  beider  Yolksstämme  macht  sich 
sofort  bemerklich. 

Letten  u.  Esten  treten  überall  gesondert,  nicht  mit  einander  ver- 
mischt hervor.  Beide  Nationalitäten  stossen  sieh  ab,  hassen  sich,  wie 
sich  Kachbarvölker  nur  hassen  können.  Selbst  an  der  Qrenze  ihrer  beiden 
Länder  hat  sieh  nirgends  ein  Mischvolk  gebildet  und  auch  die  nach  Liv- 
land zersprengten  Enelaven  der  Esten  halten  sich  fern  von  den  Letten. 

.r^  Der  Emhach  (estn.  Emmajöggi,  dvöaxi) ,  an  dessen  Ufern  sich 
ein  neues  YÖlkerleben  zuerst  zeigt,  fliesst  durch  den  Wirtzjärw  (Os. 
BHpm;  Järw  estnisch  See,  S.  78)  an  Dorpat  (S.  75)  vorbei  nach 
demPe*2>w8-S««(03epoHyÄCKoe),  demgrössten  See  Livlands  (S.73). 
Wir  lassen  die  südlichste  Spitze  des  Wirtzjärw  nicht  weit  zur  Linken 
und  erreichen  Dorpat  auf  directerem  Wege  als  der  Emhach,  durch 
Wald  und  Heide ,  Sand  und  Sumpf.  Zwischen  den  Poststationen 
(190  W.)  Kuikatz  und  (217  W.)  Uddern  w.  Schloss  Ringen^  ehemals 
eine  der  grössten  Burgen  Livlands,  jetzt  eine  wenig  ansehnliche 
Ruine.  S.w.  von  Ringen  bei  *Odenpäh,  der  malerische  heüige  See, 
—  Die  Gegend  behält  überall  ihren  einförmigen  Charakter  bei.  Die 
Nadelwälder,  in  denen  noch  vereinzelt  Wölfe  hausen,  werden  zahl- 
reicher und  dichter,  der  Boden  steriler,  und  das  nördliche  Klima 
macht  sich  mehr  und  mehr  geltend. 

Bald  hinter  der  Poststation  Uddern  erblicken  wir  in  der  Feme 
die  Ruinen  des  hohen  verfallenen  Dorpater  Domes ,  des  einzigen 
Gebäudes  der  in  der  Tiefe  versteckten  Stadt ,  das  man  von  weitem 
her  gewahr  wird. 

246  W.  (260  km)  Dorpat  (S.  74). 


69 
9.  Von  St.  Petersburg  nach  Beval,  Baltischport,  Dorpat. 

Die  Biga'sehen  und  Finnifiehen  Dampfboote^  welche  den  Beizenden 
lur  See  naeh  Beval  bringen,  haben  ihren  Anlegeplats  am  Quai  der 
»ossen  Newa,  Wassily-Ottrow  14.  bes.  13.  Linie.  Preiae  der  Platze  von 
Petersburg  nach  Beval  I.  PI.  6B.,  11.  PI.  4B.,  Deckpl.  3  B.  Kinder 
unter  zehn  Jahren  zahlen  die  Hälfte.  Die  Abfahrt  der  Dampfboote  wird 
mdirere  Tage  vorher  durch  die  Zeitungen  und  durch  Ansehlag  am  Lan- 
dungsplatze bekannt  gemacht. 

Eisenbahn  von  St.  Petersburg  über  Krassnoje-Sselö-Gatsehina 
nach  Beval,  347  W.,  3  Züge  tägL  in  UVsSt.  für  13.01,  9.76}  4.99  B.;  von 
Beval  nach  Baltischportytö  W.,  1  mal  tagl.  in  2  St.  für  1.69,  1.26,  0.64  B. 
—  Von  St.  Petersburg  über  Taps  nach  Dorpat ,  381  W.,  Eisenbahn  3  mal 
tägl.  in  14  St.  (Inirzeste  Boute  nach  Dorpat)  für  14.36,  10.70,  5.47  B. 

Von  St.  Petersburg  über  Kra88noje''Stlo  bis  (44  km)  Oatschina, 
8.  S.  88. 

Die  Gegenden,  welche  wir  durcheilen,  bieten  nicht  viel  des  In- 
teressanten. Vorläufig  hat  alles  noch  einen  durchaus  russischen 
Charakter.  Die  Dörfer  an  der  Bahn  sind  ganz  russisch  gebaut ;  die 
russischen  Liehlingsfarhen  ziegelrothund  dunkelgelb,  womit  Wände, 
Thüren  und  Fenster  angestrichen  sind,  leuchten  überall  durch  das 
Grün  der  Wälder.  D&s  ehemalige  Ingermanland,  jetzt  Gouvernement 
St.  Petersburg,  ist  von  jeher,  obgleich  es  zeitweise  im  Besitz  der 
Schweden  und  des  Ritterordens  war,  weit  mehr  russischen  Ein- 
flüssen ausgesetzt  gewesen ,  als  irgend  eine  andere  Ostseeprovinz. 
Besondere  tritt  das  an  den  grossen  Strassen  und  Eisenhahnlinien  zu 
Tage ;  seitab  freilich  in  den  unwlrthsamen  Gegenden,  den  Sümpfen 
und  endlosen  Ürwaldungen ,  welche  vom  Gouvernement  Pskow  ins 
Ingermanländlsche  hineinreichen  und  in  denen  Bär,  Wolf,  Elen  und 
Auerochs  hausen,  wohnen  noch  viele  Samen  und  Ingren  oder  Ijoren 
finnischen  Stammes  und  auf  den  zahlreichen  EdelhÖfen  gebietet 
noch  mancher  Edelmann  alten  deutsehen  oder  schwedischen  Ge- 
schlechts, sowie  das  Land  selbät,  wenigstens  im  Munde  ^es  Volks, 
noch  seinen  alten  Namen  fragt.  Die  Russen  nennen  es  auch  Ishor- 
skaja  Semlja,  das  Land  der  Ishoren  oder  Ingren. 

68  W.  Stat.  JeUssawetinskaja  (EmcaBeTHHCKaji).  L.  die  schSne 
Besitzung  der  Fürstin  Elisabeth  Trubetzkol. 

81  W.  Wolosowo.  —  103  W.  Moloskowitt,  Der  erste  grössere 
Ort,  den  wir  in  Ingermanland  erreichen,  ist 

130  W.  Xamburg  (fluöypri) ,  auch  Jamagrod  genannt ,  in  den 
Chionilien  als  Stadt,  Schloss  und  Festung  häufig  genannt,  jetzt  nur 
«in  wenig  anmuthiger  Flecken  (8972  E.)  am  hohen  r.  Ufer  der  Lfiga, 
Es  wurde  1383  von  den  Nowgorodern  gegründet,  1812  von  den 
Schweden  erobert ,  1703  von  den  Russen  wieder  genommen  und 
1783  von  der  Kaiserin  Katharina  II.  zur  Kreisstadt  erhoben. 

Gleich  hinter  Jamburg  passirt  die  Bahn  die  Luga  auf  einer 
schönen  Brücke  von  2  Bogen,  jeder  von  73  m  Länge,  dicht  vor  Narw« 
die  Naroiüa  auf  einer  ähnliehen  Brücke  In  2  Spannungen  von  je 
63  m  Länge,  20  m  über  dem  Flusse.  —  Rechts  erblicken  wir  die  alte 
Feste  Iwangorod ,  vor  uns  Narwa  mit  seinen  Zinnen  ujid  Thurm- 


70       BotUe  9.  NARWA.  Von  St.  Petersburg 

spltzea,  seinen  Kirclidächern  und  altfränkischen  dunkeln  Häusern. 
Der  Bahnhof  liegt  auf  der  Südseite  der  Stadt  an  der  Narowa. 

151  W.  (160  km)  KaTwa  (Hapsa). 

Gasthof:  H6tel  St.  Petersburg,  mitten  in  der  Stadt  gelegen,  ge- 
nügt bescheidenen  Ansprüchen.  —  Waobn  auf  dem  Markt;  Preis  für 
grössere  Touren  nach  Uebereinkunft.  —  Dakpfschiffb  gehen  häufig  nach 
den  Badeorten  Hunfferburg  und  ifereküll.  —  Eovsuln:  Belgien:  /.  La  ffaye; 
Deutsches  Keich:  ÜT.  Dieekhoff;  Niederlande:  E.  DUckhoff. 

Narwa,  Stadt  im  Gouvernement  St.  Petersburg,  Kreis  J&mburg, 
auf  der  Grenze  zwischen  Ingermanland  und  Estland ,  liegt  an  der 
Narwa  oder  Narowa ^  die,  aus  dem  Peipus-See  kommend,  12  W. 
unterhalb  in  den  Finnischen  Meerbusen  fällt.  Die  ehemals  starken 
Befeetigungen  sind  aufgelassen ,  seit  Narwa  durch  die  Festungen 
Kronstadt  und  Sveaborg  seine  strategische  Bedeutung  verloren  hat. 
Die  eigentliche  Stadt  ist  meist  von  Deutschen  bewohnt;  eine  schöne, 
steinerne  Brücke  führt  hinüber  zu  der  auf  dem  r.  Ufer  liegenden  Vor- 
stadt Iwangorod  mit  überwiegend  russischer  Bevölkerung.  Narwa 
hat  5  Kircheji  (lutherischer  und  griechischer  Confession),  Arsenal, 
altes  Schloas,  Hafen,  berühmte  Fischereien  (Bricken  und  Lachse) 
und  6482  £.  Durch  seine  günstige  Lage  an  einem  schnellAiessenden 
und  wasserreichen  Flusse  ist  es  das  Centrum  einer  ansehnlichen 
industriellen  Thätigkeit  geworden.  In  der  unmittelbaren  Nachbar- 
schaft der  Stadt  befinden  sich  chemische  Fabriken,  Sägemühlen,  auf 
dem  KränhoVm,  einer  Insel  zwischen  den  beiden  Katarakten,  welche 
die  Narowa  1 W.  oberhalb  der  Stadt  bildet  (s.  unten),  eine  in  grossem 
Stile  betriebene  Actien- Baumwollspinnerei  mit  18,000  Spindeln. 
Auch  der  Handel  Narwas,  einst  sehr  bedeutend,  dann  lange  Zeit 
darniederliegend,  hat  sich  durch  den  Bau  der  Baltischen  Bahn  wiedw 
gehoben.  Uebrigens  ist  die  Narowa  der  Schifffahrt  nicht  günstig.  An 
ihrer  Mündung  hindern  Sandbänke  das  Einlaufen  grösserer  Schiffe, 
die  demgemäss  auf  einer  faat  offenen  Rhede  vor  Anker  gehen  und 
den  Transport  der  Waaren  bis  zur  Stadt  kleineren  Schiffen  über- 
lassen müssen ;  oberhalb  Narwas  machen  die  erwähnten  Wasserfälle 
die  Schifffahrt  unmöglich,  so  dass  die  vom  Peipus-See  kommenden 
Flussschiffe  oberhalb  des  Fabrikortes  Joala  (15  km  von  der  Mün- 
dung der  Narowa  in  den  Finnischen  Meerbusen)  ihre  Waaren  aus- 
laden und  diese  durch  Landfuhren  zur  Stadt  befördern. 

Karwa  wurde  1223,  wie  Beval,  von  dem  danlsehen  Könige  Waldemarll. 
gegründet,  aber  fast  ausschliesslich  von  Deutschen  bevölkert  und  erfreute 
sich  einer  ähnliehen  Verfassung  und  ähnlicher  Privilegien,  wie  Riga  und 
Reval  (».  S.  02,  80).  Di«  Hansa  hatte  in  Karwa  ihre  Factorei  und 
trieb  von  hier  aus  einen  bedeutenden  Handel  in  das  Innere  Busslands, 
der  zu  Zeiten  den  von  Biga  und  Beval  übertraf.  Die  Stadt  gehörte  zu 
Estland  und  fiel  mit  diesem  an  Dänemark,  nachdem  die  eisentliche 
Stadt  auf  dem  1.  Ufer  des  Flusse«  von  den  Kowgorodern  1294  bis  auf 
den  Grund  zerstört  worden  war,  kam  1347  mit  der  Provinz  Estland  an 
den  deutschen  Orden  und  hatte  als  Grenzstadt  besonders  unter  den 
Kämpfen  des  Ordens  und  später  der  Schweden  mit  den  Busaen  (Kowgorod) 
zu  leiden.  1668  wurde  Karwa  von  den  ruasisehen  GvossfüMten  Iwan 
Wassiljewitsch  IV.  eingenommen;  1583  kam  es  durch  Vertrag,  wie  ganz 
Estland,  unter  schwedische  Herrschaft.  Keue  Belagerungen  durch  die 
Bussen  hatte  die  Stadt  1590,  1658  und  1700  zu  erdulden,  im  letsteren  Falle 


nach  Beval.  NARWA.  9.  Route,       71 

brachte  ihr  Karl  XII.  von  Schweden  Entaats ;  170i  wurde  sie  endlich  durch 
Feter  den  Grossen  erobert  und  blieb  fortan  in  russischem  Besitz. 

Die  Stadt,  voa  durchaus  mitteLalterlichem  Ausseheu ,  ist  durch 
die  FestuugsweFke  auf  einen  sehr  kleinen  Baum  zusammengedrängt ; 
erst  in  neuester  Zeit  sind  ausswhalb  der  alten  BefestigUB^en  kleine 
Anbauten  im  W.,  S.  und  0.  entstanden.  Der  Fluss ,  üher  den  beim 
Wasserthor  der  Stadt  die  bereits  erwähnte,  unter  Kaiser  Alexander  II. 
gebaute  steinerne  Brücke  führt,  wird  durch  sdiroffe,  schluchtartige 
Felsen  bis  auf  c.  150  m  eingeengt.  Gegen  das  Ufer  hin  erheben 
sich  die  Festungswerke  zu  besonderer  Höhe  und  Stärke;  ihnen 
g^enüber,  auf  der  andern  Seite  des  Flusses,  liegen  auf  einem  noch 
höheren  Felden  die  Ruinen  der  alten  Festung  Iwangorod  ( Johannis- 
Stadt)  mit  dem  alten  Schlosse  Iwangorodok  ^  welche  die  Bussen 
1492  erbauten,  als  das  andere  Ufer  noch  schwedisch  war.  Die  ganze 
malerische  Lage  übersieht  man  gut  von  der  schon  genannten  Eisen- 
bahnbrücke sowie  vom  öffentlichen  Oarten,  Ein  Gang  durch  die 
Stadt  ist  bei  dem  alterthümlichen  Charakter  derselben  von  Interesse, 
wenngleich  es  an  hervorragenden  Gebäuden  fehlt. 

Yom  Hotel  St.  Petersburg  haben  wir  nicht  weit  zum  Rathhaus, 
einem  aus  dem  Jahre  1683  stammenden  Gebäude  mit  hohem  Thurm ; 
im  Innern  einige  Kuriositäten.  Auf  dem  Marktplatz  ein  Obelisk, 
1874  zu  Ehren  Peters  des  Grossen  errichtet,  dem  bereits  früher  ein 
kleineres  ähnliches  Denkmal  auf  der  Insel  Ghrosihoi/m,  5  W.  von 
der  Stadt,  gewidmet  worden  war.  Die  sog.  Batacken  wurden  von 
Peter  dem  Grossen  erbaut  und  sollten  als  ein  Stapelplatz  für  per- 
sische Waaren  dienen »  welche  damals  von  hier  nach  Europa  über- 
führt wurden.  Auf  dem  Wege  südo9twärts  nach  den  Wasserfällen 
passiren  wir  das  Petersthor,  bei  dem  das  sog.  ff  aus  Peter's  des 
{jhrossen  liegt;  Peter  nahm  es  selbst  bei  der  Belagerung  und  dem 
Sturme  1704.  In  demselben  werden  noch  verschiedene  Gegen- 
stände gezeigt ,  welche  Peter  gehörten.  Ein  Thwrm ,  welcher  auf 
der  Südseite  der  Festung  zu  sehen,  datirt  aus  dem  ziv.  Jahrh.  und 
wurde  ehedem  die  Hetmawn-Stuhe  genannt.  Oestl.  von  Narwa  liegt 
das  Schlachtfeld,  auf  dem  am  20.  Nov.  1700  Karl  XII.  seinen 
grossen  Sieg  über  den  Narwa  belagetnd^n  Peter  den  Grossen  erfocht 
(am  besten  vom  fftrmanns-Berg  zu  übersehen). 

Die  berühmten  Wasserfälle  der  llTarowa  liegen  nur  1  W.  ober- 
halb der  Stadt.  Zu  Wagen  (50  Kop.)  erreicht  man  schnell  das  Ziel. 
Die  Narowa  stürzt  sich  hier ,  in  zwei  Arme  getheilt ,  deren  jeder 
einen  8-lOm  hohen  Wasserfall  bildet ,  von  dem  Plateau  herat),  in 
eine  c.  1V2^*  lange  Felsenrille ,  in  der  sich  beide  Arme  alsbald 
wieder  vereinigen.  Die  zwischen  beiden  Armen  liegende  c.  500  m 
breite  Insel  ist  mit  hübschen  Tillen ,  Gärten  und  Bäumen  besetzt, 
an  den  Wasserfällen  selbst  liegen  Sagemühlen ,  Fabriken ,  Fischer- 
hütten und  andere  Ansiedelungen.  Der  westliche  Wasserfall ,  vor 
dem  in  geringer  Entfernung  eine  Brücke  zur  Insel  vorüberführt,  ist 
am  bequemsten  zu  besichtigen,  doch  ist  der  Östl.  wasserreicher  und 


72      Rouie  9.  NARWA.  Von  St.  Petersburg 

maleriBcher.  Durch  Felsen  eingeengt,  stürzen  die  grünen,  hier 
und  da  fast  goldgelben  Wogen  in  bedeutenden  Massen  herab ;  das 
unten  zu  dichter  Wolke  zerstäubende  Wasser  ist  zwischen  dem  Grün 
der  Büsche  und  Bäume  von  besonders  schöner  Wirkung.  Unten 
in  der  engen  Felsenrille  verwandelt  sieh  der  Wasserfall  in  eine 
Stromschnelle ,  und  als  solche  braust  der  Fluss  noch  fort ,  bis  er 
sich  in  der  Nähe  des  Felsenthores ,  auf  dessen  HShen  die  Festungs- 
werke Narwa's  und  Iwangorods  liegen ,  v511ig  beruhigt  und  langsam 
zum  Meere  weiter  fliesst. 

Am  Meere  die  Badeorte  Hungerhurg  und  MerektlU ,  von  Narwa 
mit  Wagen  oder  Dampfer  zu  erreichen.  Mereküll,  das  jüngste  der 
am  Finnischen  Meerbusen  angelegtMi  Seebäder,  wird  von  St.  Peters- 
burg aus  viel  besucht. 


Jenseit  Narwa  ändert  sich  der  Charakter  der  Landschaft  voll- 
ständig.  Wir  sind  in  Estland. 

Die  Esten  leben  nicht  wie  die  Letten  in  einzelnen  Gehöften  ge- 
sondert ,  sondern  sie  legen  ihre  Wohnungen  neben  einander  xu  grossen 
und  weitläufigen  Dörfern ,  doeh  nicht  planmässig ,  wie  die  Bussen  ^  viel- 
mehr reiht  sieh  ohne  Ordnung  und  wie  es  der  Zufall  fügt  ein  Gehöft  an 
das  andere.  Die  Dorfkirehen  stehen  nieht  in  der  Mitte  der  Ortschaften, 
sondern,  wie  in  Finnland,  ganz  einsam;  in  der  Nähe  HoUbuden  als  Zu- 
fluchtsort der  entfernteren  Klrehenbesucher  bei  rauhem  Wetter.  Das 
Innere  eines  estnischen  Gehöftes  besteht  aus  dem  Hauptgebäude,  dem 

gegenüber  zwei  oder  drei  kammerartige  Häusehen  liegen;  auf  der  einen 
eite  die  Sommerküehe  oder  das  Sommerhaus ,  auf  der  anderen  die  Ställe. 
Das  Hauptgebäude  ist  ein  aus  mehreren  Theilen  bestehendes  hölzernes 
Haus  mit  hohem  Strohdach.  Die  Theile,  auch  von  aussen  unterscheidbar, 
sind:  die  Vorstube  (toa  ednie)  mit  dem  Webestahl  (te\jed),  die  erste 
Kammer  mit  der  Handmühle  (vesk-kivi),  die  zweite  Kammer  oder  das 
Schlafgemaeh ,  die  eigentliche  Stube  (tubba),  im  Sommer  nicht  bewohnt. 
Die  dem  Hauptgebäude  gegenüberliegenden  Kammern  (ait,  alda)  sind 
Kleider»  und  Speisekammern,  höher  gebaut.  Die  ßommerkOche  (hoda> 
ist  eine  enge,  hölzerne  Hütte. 

Auffallend  ist  auch  die  Umzäunung  der  Ackerfelder,  die  wir  weiter- 
hin treffen.  Im  allgemeinen ,  vielleicht  nur  mit  Ausnahme  der  nächsten 
Umgebung  der  Städte  führen  nicht  nur  die  Feldwege,  sondern  auch  die 
Hauptstrassen  zwischen  Einzäunungen  hin.  Letztere  werden  von  liegenden, 
an  Hecken  oder  Holzstämme  gebundenen  Stangen  gebildet. 

190  W.  Jewe  (FeBe)  (Bahnrestaur,),  Haltestation  für  Reisende, 
welche  nicht  die  Bahnlinie  von  Taps  nach  Dorpat,  sondern  die 
alte  St.  Petersburg-Rigaer  Heerstrasse  einschlagen  und  dem  Peipua- 
See  einen  Besuch  abstatten  wollen. 

[Ausflug  nach  dem  Peipus-See.  Im  Postgebäude  zu 
Jewe  zahlt  man  pro  Werst  für  ein  Pferd  2V2  Kop.,  für  2-3  Pferde 
5-6  Kop.  Die  Pferde  sind  fast  durchgehends  starke,  muskulöse 
Thiere  von  grosser  Ausdauer.  Die  Wagen  sind  bequem.  Für  di» 
Tour  von  Jewe  bis  Dorpat  (133V4  W.)  versehe  man  sich  mit  aus- 
reichendem Proviant ,  da  auf  den  Stationen  nur  nothdürftig  Kssen 
und  Trinken  zu  haben  ist. 

Von  Jewe  nach  (21  W.)  Stat.  jnein-i\in^«rn,  ^weiter  nach 
(26  V4  W.)  Rannaptmgem,    Auf  der  Höhe  der  Düne_  V4  St.  östU 


nach  BevaL  PEIPUS-SEE.  9.  Soute.    73 

Tom  Stationsgebäude,  bei  der  Mündung  des  Flüsschens  Ranna- 
pungern ,  schöne  *Aussicht  (besonders  bei  Sonnenuntergang)  über 
den  Peipns-See  (s.  unten).  Es  folgt  (40  W.)  Stat.  Nennal  (HeHHaib), 
dann  (47  W.)  das  Dorf  Tschomaja  Derewnja  (Schwarzflecken),  von 
altgläubigen  Russen  bewohnt,  die  man  als  Fischer  und  Schiffer 
überall  an  den  Ufern  der  Seen  und  Flüsse  antrifft.  Bei  Tschornaja 
biegt  die  Strasse  vom  Peipus  -  See  rechts  ab. 

Aus  Aeok  kleinen  See  Wjas  entspringt  bei  Ljuzin  die  Welikuja  (Ben- 
saa),  welche,  naehdem  sie  an  der  Mündung  naeh  43  Meilen  Lauf  ein 
Delta  Ton  5Cf  Inseln ,  4  km  breit  (Hauptarm  Worona)  gebildet ,  in  den 
P«fcot0MAef»  oder  PleAautchtn  See  (Ob.  IIcBOBCBoe)  fliesst.  Dieser  See  (36  km 
lang,  18  km  breit),  in  welchem  die  Insel  P^n'ka  odev  Firi$aar  liegt,  ist 
durch  eine  26  km  lange '^  3-8  km  breite  Enge  (der  Warme  See  genannt)  mit 
dem  Feipus-See  verbunden  (Oa.  HyxcHoe).  Der  Peipus-See,  38  km  lang, 
16km  breit,  14m  tief,  3613 qkm  gross,  liegt  e.  30m  höher  als  der  fin- 
nische Meerbusen ,  mit  dem  er  durch  die  Karowa  (S.  70)  verbunden  ist, 
hat  fast  ovale  Form,  4  Inseln,  im  forden  sumpfige,  im  Uebrigen  flache, 
mit  Wiesen  und  Wäldern  bedeckte  tJfer;  er  ist  fischreich  und  wird  viel 
beftkhren  (s.  Dorpat ,  8.  74).  Von  W.  fliesst  in  ihn  der  Embach  (estn. 
Ema-Jöggi,  d.  i.  Mutter  der  Flüsse),  s.  8.75.  Der  Feipus-See  diente 
als  Hauptwasserweg  zwischen  den  Hansestädten  der  Ostsee  und  den 
inneren  Städten  des  russischen  Reichs.  Im  Uferland  des  Feipus-8ee8 
haben  sich  die  Beste  der  e«<m'«cAen  Sagen  am  besten  erhalten. 

Wenn  wir  bei  der  Poststation  (66  W.)  Torma  ( Topsa ;  südl. 
davon  der  Flecken  Torma)  Halt  machen,  befinden  wir  uns  im 
Mittelpunkt  der  Heimath  der  Kalev* Sagen.  Oestl.  davon,  auf 
dem  westlichen  Ufer  des  Peipus ,  etwa  in  der  Mitte ,  liegt  das  alte 
Vagia.  Dort  im  nordöstlichen  Winkel  des  heutigen  Livland ,  auf 
einem  Gebiet  von  mehreren  Quadratmeilen  sind  die  Betten  oder 
die  Lager  des  Sohnes  Kalev's  (Ealevi  poja  sängid;  s.  unten)  in  nicht 
grosser  Entfernung  von  einander.  Es  sind  fünf  grosse,  langgestreckte, 
zum  Theil  künstliche  Hügel,  welche  insbesondere  durch  ihre  zwei 
erhöhten  Endpunkte,  sowie  durch  ihre  gut  gewählten  Standorte 
von  den  gewöhnlichen  Hünengräbern  sich  unterscheiden.  Die  fünf 
Hügel  bilden  eine  Ellipse ,  deren  Spitze  den  Peipus-See  erreicht  \ 
der  Längendurchmesser  beträgt  40  Werst.  In  der  Mitte  dieser  El- 
lipse befindet  sich  der  Bach  Kääpa,  der  aus  dem  Jägel-See  kommend, 
sich  mit  dem  Rojel-  oder  Kiava-Bach  vereinigt  und  bei  Ommedo, 
Östl.  Torma ,  in  den  Peipus  ergiesst.  In  diesem  Kääpa  -  Bach ,  in 
der  Gegend  der  Brücke,  welche  bei  SaareriAo/ hinüberführt,  liegt 
das  berühmte  Schwert  des  Sohnes  Kalev^s ,  das  in  der  Sage  eine  so 
grosse  Rolle  spielt.  Das  südlichste  Lager  ist  neben  Alatskivi  (Unter- 
stein) ,  am  Peipus  östl.  von  (89  W.)  Station  Iggafer  (IIrra*epi). 

Nach  der  Sage  trug  der  Riese  Kalev  von  den  Ufern  des  Peipus  Sand 
herbei,  um  sich  ein  Bett  zu  machen.  Während  des  Tragens  fiel  ein 
wenig  davon  aus  den  Falten  seines  Kleides  herab ,  und  so  entstand  der 
Alatskivi-Hügel,  der  jetzt  noch  14m  hoch  und  oben  80 Schritt  lang 
und  60  Schritt  breit  ist.  Die  zwei  Erhebungen  am  Ende  werden  päitse 
(Hauptende  von  päa  oder  pea  Kopf)  und  jaluts  (Fussende  von  jalg,  jala 
Fuss)  genannt. 

Die  übrigen  vier  Lager  sind  von  gleicher  Form;  die  Richtung 

aller  zeigt  nach  Nord  -West. 

112  W.  Dorpat,  s.  S.  74.] 


74    Soute  9.  DORF  AT.  Von  St,  Pet€r$burg 

Die  Eisenbahn  führt  welter  über  Isenhof  (Hsesrofi)  und 
Kännel  (KaHHeib)  nach 

250  W.  Wesenberg  (BeaeHÖepn) ,  Kreisstadt  mit  4171  Einw., 

am  Soli  gelegen,  mit  schönen  Schlossruinen.   Hier  erfochten  1568 

die  Russen  einen  Sieg  über  den  deutschen  Orden. 

Von  Weaenberg  führt  südl.  eine  Strasse  naeh  Dorpat,  besonders 
den  Reisenden  zu  empfehlen ,  welche  Bitten  und  Sprache  des  estnischen 
Volkes  studieren  wollen.  Pro  Werst  sahlt  man  für  1  Pferd  21/3  Kop., 
für  3-3  Pferde  5'6  Kop. ,  für  den  Wagen  pro  Werst  1  Kop.,  wenn  man 
üieht  vorzieht ,  sich  In  Wesenberg  und  später  Borpat  einen  Wagen  zu 
miethen  (tägl.  e.  1  B.) ;  man  hat  dann  die  Vortheile  bequemeren  Beisens. 
Im  Üebrigen  s.  Einl.,  S.  zviii.  Die  Wege  sind  gut  und  es  wird  ausseror- 
dentlich schnell  gefahren.  Ausser  den  Poststatioaen  sieht  mah  wenig 
Dörfer,  häufig  dagegen  einzelne  ärmlich  aussehende  Häuser  und  noch 
öfter  riesige  erratische  Blöcke.  Die  Gegend  ist  im  allgemeinen  hübseh 
und  gut  bebaut. 

Folgt  Stat.  St.  Katharinen  (RarepiuieHi),  dann  (274  km)  Tape 
{Tanci)  y  Knotenpunkt  der  Bahn  nach  Dorpat  (s*  unten).  Weiter 
^94  W.  CÄarioWenÄof  (niapiOTeiiro#x),  318  "W.  RaHk  (Pasm), 
345  W.  aeval  (S.  79). 

Von  Reval  geht  Imal  täglich  ein  Bahneug  über  Kegel  und 
Loden9€e  nach 

390  W.  Baltisehport  (BairiMcrii  nopri) ,  früher  Rogerwyk  ge- 
nannt ,  Flecken  an  der  Westküste  von  Estland ,  in  baumloser  Ge- 
gend, mit  935  Einw.  Ausser  dem  vortrefflichen  Hafen  bietet 
Baltischport  keinerlei  Anziehungspunkte  für  den  Reisenden.  Dieser 
Hafen ,  der  tiefer ,  geschützter  und  früher  vom  Eise  frei  ist  als  der 
von  Reval,  wurde  von  Peter  dem  Grossen  zum  Kriegshafen  bestimmt, 
aber  erst  unter  Katharina  II.  durch  den  Generalfeldmarschall  Mün- 
nlch,  den  Erbauer  des  Ladoga-Kanals  (S.  197),  1764  vollendet. 


Von  Taps  nach  Dorpat  (106  W. ;  2  Züge  täglich  in  5  St., 
fi.  S.69).  Die  Bahn  geht  zunächst  durch  den  alten  Järwer-  und  Wir- 
lander Bezirk  Estlands.  23  W.  Ass ;  32  W.  Rakke ;  43  W.  Wäggewa, 
fichon  in  Livland  gelegen;  In  der  Nähe  St.  Maria  Magdalenen, 
grosse  Besitzung  der  Familie  Barclay  de  Tolly,  mit  herrlichen  Bir- 
kenalleen, Gartenanlagen  und  prachtvollen  Wohn-  und  Wirth- 
schaftsgebäuden.  Weiter  (61  W.)  Laisholm  (4  W.  ostl.  Lais,  die 
schönste  Ruine  Livlands,  ehem.  Schloss  des  deutschen  Ordens). 
Jenselt  der  letzten  Station  (85  W.)  Tabhifer  gewahren  wir  bereite 
in  der  Ferne  die  Ruinen  des  Dorpater  Domes ,  während  die  tief  ge- 
legene Stadt  erst  später  sichtbar  wird. 

107  W.  Dorpat  {Derpt  oder  Dörpt,  lettisch  Tehrpato^  estnisch 
Tarta  oder  Tartalin ,  russlseh  ehemals  Jurjew,  jetzt  iepm%), 

G^sTHÖFB:  Stadt  London  am  Barelayplate ;  St.  Petersburg  am 
Dampfbootlandeplatz ^  Bellevue  am  Embaeh;  Commerz-Hotel  un- 
weit der  Post,  alle  ganz  gut.  Frühstüeksloeale :  die  Oonditoveien  von 
Luchsinger  und  Bork  (beide  in  der  Nähe  des  Rathhauses). 

Clubs  (hier  mehrfach  .Hasse*'  genannt ,  Fremden  leicht  zugänglich) : 
Akademische  Müsse  (S.  76)-,    Bürgermusse;  Ressource    (vom 


nach  Beval.  DOBPAT.  9.  Route,     75 

Sommerlocftl  derselben  auf  dem  Unken  Embacbufer  scböne  *Au8«i6ht 
«uf  die  Stadt);  ^Handwerkervereln  in  der  Käbe  des  Bahnhofs 
{grosses  Gesellschaftslocal ,  wo  sieb  alle  Scbichten  der  Gesellschaft  zu- 
aanunenftnden ;  schöner  Garten,  gutes  Sommertheater). 

DaoscHUx  (im  Winter  SefMttem).  Einspänner  (für  3  Pers.)  die  Fahrt 
10  Eop. ,  Zweispänner  15  Kop. ;  vom  und  eum  Bahnhof  30  und  90  Kop. 
(bei  der  Ankunft  der  Züge  werden  Drosehkenmarken  ausgegeben).  Man 
fahrt  in  Dorpat  sehr  viel  \  bis  If acht«  3  und  3  Uhr  kann  man  sieher  sein, 
überall  noch  Droschken  zu  finden.  -^  D^mpvbootb  swJAehen  Doipat  und 
Pskoto  8.  S.  65. 

Dorpat ,  Kreis-  und  Universitätsstadt  des  Gouvernements  Liv- 
l&nd ,  ist  nacli  Riga  eine  der  ansehnlichsten  und  bestgebauten  Städte 
des  Landes,  inmitten  freundlicher  Hügel  zu  beiden  Seiten  des 
schiffbaren  Embachs  gelegen ,  mit  30,000  Einw.,  vorwiegend  Esten 
und  Deutsche,  aber  auch  Russen,  Letten,  Juden.  Man  unter- 
scheidet drei  Stadttheile:  der  erste  (der  auch  die  ältesten  Theile, 
die  innere  Stadt,  umfasst)  und  zweite  liegen  auf  dem  rechten ,  der 
dritte  auf  dem  linken  Ufer  des  Embachs.  Ueber  letztern  führen 
zwei  Brücken :  eine  breite  alte  aus  Granit ,  deren  mächtiger  Zug- 
brückenbogen als  Wahrzeichen  von  Dorpat  gilt ,  und  weiter  ober- 
halb eine  hölzerne. 

Der  Bmbach  kommt  als  oberer  Embach,  e.  78  km  lang  aus  dem 
Ledia  •  See  und  ergiesst  sieh  in  den  85  km  langen ,  10  km  breiten  Wirts- 
oder  Wdrtt-Järtp  (Wirtasee).  Letzterer  hat  eine  birnförmige  Gestalt ,  das 
breite  Ende  gegen  Korden  gerichtet;  er  bildet  mit  dem  oberen  Embaeh 
die  Grenze  zwischen  dem  Dorpater  und  Felliner  Kreise.  An  der  nord- 
Sstliehen  Spitze  tritt  der  grosse  oder  untere  Bntbaeh  (106  km  lang ;  meist 
über  3  m  tief,  bei  Dorpat  von  Anfang  STovember  bis  Mitte  März,  ii^loo 
131  Tage  zugefroren)  als  mächtiger  Fluss  heraus  (Jöe-suu,  d.  h.  Fluss- 
mund) und  nimmt  seine  Richtung  abwärts  in  den  Peipus-See  (S.  73). 
Zwischen  beiden  Seen,  beinahe  in  der  Mitte  liegt  die  Stadt  Dorpat. 

In  das  aber  den  bedien  Grenzseen  erhabene  Plateau  Liviands 
hat  sich  der  Emhach  ein  tieCbs  Thal  eingeschnitten.  Der  rechte 
oder  südliehe  Abhang  dieses  Thaies  ist  höher  (c.  d5*40  m  hoch)  als 
der  nördliche  und  tritt  gerade  an  dem  Punkte,  wo  sieh  das  ,»nor- 
dische  Heidelberg^  aufbaut,  sehr  markirt  hervor.  Die  Kunst  hat 
die  Herauslösung  der  schroffen  Stelle  mit  tiefen  Gräben  vollendet 
und  80  einen  festen  Anhaltepunkt  für  dio  Stadt  gebildet.  Der  da- 
durch entstandene  Berg,  der  l>om-  oder  Sehlotibergy  trug  früher 
die  alte  Bussuifeste  und  war  dann  die  Citadelle  der  Stadt.  Hier 
blanden  sich  die  bedeutendsten  und  angesehensten  Gebäude  der- 
eelb^i :  der  dem  heil.  Dionysius  geweihte  gothisohe  Dom  mit  swei 
mächtigen  Thürmen,  das  Schlots  des  Bisohofs  von  Dorpat,  zwischen 
der  jetzigen  Sternwarte  und  der  sog.  Engelbrücke  belegen ,  Wohn- 
häuser des  Adele,  Klöster  u.  s.  w.  Yon  alledem  ist  heute  nichts 
übrig  als  die  schöne  Buiae  det  Domi  mit  ihren  massigen  Back- 
steinmauern und  ragenden  Pfeilern,  von  allen  Seiten  frei  stehend 
und  dahM  schon  aus  der  Ferne  sichtbar;  das  prächtige  Gotteshaus 
brannte  am  24.  Juni  1596  in  Folge  unvorsiehtigen  Gebahrens  mit 
dem  Johannisfeuer  nieder,  und  bei  der  damaligen  Armuth  und  Ver- 
kommenheit der  Stadt  war  an  einen  Neubau  nicht  zu  denken.  Die 
Ruine  sowie  der  ganze  Domberg  ist  durch   Schenkung  Kaiser 


76    Boute  9.  DORPAT.  Von  St  Petenburg 

Alezander'8 1.  in  den  Besitz  der  Universität  gekommen ;  so  stehen 
jetzt  auf  dem  Domberg  die  Bibliothek,  die  Sternwarte,  die  Klinik, 
die  Anatomie ,  die  (chirurgischen)  Baracken  u.  a.  medizin.  Lehr- 
anstalten. Zwischen  allen  diesen  meist  stattlichen  Gebäuden  blei- 
ben grosse  jireie  Plätze,  deren  gut  gepflegte  Oartenanlagen  und 
Fromenctden  den  Domberg  zum  anmuthigsten  Platze  Dorpats 
machen ,  der  ausserdem  durch  eine  prächtige  Femsicht  auf  Stadt 
und  Umgegend,  besonders  von  der  nördlichen  Seite  des  Domberges, 
ausgezeichnet  ist.  Kördl.  von  der  Bibliothek  in  den  neuerdings 
wesentlich  verschönerten  Theilen  der  Dompromenaden  das  Denk- 
mal des  bekannten  russischen  Academikers  und  Naturforschers 
Karl  Ernst  von  Baer,  von  Opekuschin. 

In  einem  Theile  der  Domruine,  die  zu  diesem  Zwecke  ausgebaut 
ist,  befindet  sich  die  Bibliothek  der  Universität,  mit  gegen  200,000 
Bänden. 

Die  Sternwarte  steht  wahrscheinlich  auf  der  Stelle  der  alten 
Schlosskirche,  unter  bedeutenden  Directoren  (F.  6.  W.  v.  Struve 
1820-39,  J.  H.  V.  Mädler  1840-66)  hat  sie  Namhaftes  geleistet. 
Unter  ihren  Instrumenten  ist  das  interessanteste  der  1825  von 
Alezander  I.  angekaufte  Biesenrefraktor  von  5  m  Länge,  neuerdings 
freilich  durch  grössere  Refraktoren  an  anderen  Orten  in  den  Schatten 
gestellt. 

Die  Stadt  selbst  liegt  zu  beiden  Seiten  des  Embachs ,  doch  ihr 
grösserer  Theil  auf  dem  r.  Ufer,  und  von  diesem  der  wichtigste  auf 
dem  Baume  zwischen  Fluss  und  Domberg :  hier  befinden  sich  der 
Haupt-  oder  Marktplatz,  an  ihm  das  BathhatM,  das  stattliche  Ge- 
bäude der  Dorpater  Bank  und  das  alte  ÜniverHtätsgebäude  (Ecke 
der  Ritterdtrasse,  der  Hauptstrasse  Dorpats).  In  letzterm  befinden 
sich  das  Pharmaceutisehe  Institut,  die  Sitsungs-  und  Bibliotheks- 
räume  sowie  die  Sammlungen  (beachtenswerth)  der  Dorpater  Natur^ 
forsehergesellschaft  und  der  Oelehrten  Estnischen  Gesellschaft  (1838 
zur  Erforschung  der  Alterthümer  des  estnischen  Volkes  gegründet). 
Durch  eine  kurze  aber  breite ,  nach  SO.  weiterfuhrende  Strasse  ist 
der  Markt  verbunden  mit  dem  Barelay- Platz,  Mitten  in  den  hier 
befindlichen  Promenadenanlagen  das  Denkmal  (Büste)  des  Feld*- 
marschalls  Fürsten  Barclay  de  Tolly  (f  1818).  Ihm  gegenüber  d«r 
Kaufhof  (Qostinny  Dwor),  Verlassen  wir  den  Markt  in  der 
Richtung  nach  NW.,  so  gelangen  wir,  vorüber  an  dem  grossen  Ge- 
bäude der  AkadenUsehen  Müsse  (eines  aus  Professoren ,  Studiren- 
den  u.  A.  bestehenden  Glubs ;  gutes  Lesezimmer),  zu  dem  stattliehen 
VaiTersititigebäiide^  das  sich  nach  dem  Donberg  zu  in  zwei  Seiten- 
flügeln fortsetzt;  zwischen  letzteren  die  Universitätskirche.  In  dem 
Gebäude  der  Universität  befinden  sich  ausser  den  Hörsälen  das 
Kunstmuseum  (gute  Sammlung  vonGypsabgüssen,  Terracotten  etc.), 
das  chemische,  physikalische,  oekonomische ,  mineralogische  und 
zoologische  Cabinet  nebst  den  entsprechenden  Sammlungen  und 
Laboratorien.  Die  medizin.  Institute  befinden  sich ,  mit  Ausnahm» 


nach  Meval,  DORF  AT.  9.  Eoute,     77 

der  neuen  Irrenanstalt  (auf  dem  linken  Embachufer) ,  sänxmtlicli 
auf  dem  Dome  (s.  oben);  der  hotan,  Garten  (gut  angelegt  und  ge- 
pflegt) liegt  in  der  Nähe  der  Holzbrücke. 

Die  Unlversiät  ist  eine  Schöpfung  Gustav  Adolph's.  1633  im  Feld- 
lager von  Kürnberg  ordnete  der  König  auf  Vorstellung  des  verdienst- 
vollen Generalgouverneurs  Skytte  die  Begründung  derselben  an  (tTni- 
versitas  Gustaviana).  Während  der  kurzen  Dauer  ihres  ersten  Bestehens 
(1632-1664)  war  sie  eine  rein  schwedische  Anstalt;  der  livländische  Adel 
hatte  gegen  dieselbe  eine  entschiedene  Abneigung,  die  Kurländer  zogen 
die  Königsberger  Hochschule  vor.  Beim  Ausbruch  des  russischen  Krieges 
1656  ging  ein  Theil  der  Professoren  nach  Reval,  wo  eine  Zeit  lang  Vor- 
lesungen gehalten  wurden.  1665  begannen  die  Verhandlungen  wegen 
Wiederherstellung  der  aufgelösten  Uiüversität,  dieselbe  erfolgte  aber  erst 
am  21.  Aug.  1690  durch  den  Generalgouverneur  Hastfer.  1699  floh 
wiederum  bei  Annäherung  der  Russen  die  gesammte  Universität  naeh 
Pemau,  wo  sie  noch  11  Jahre  ihr  Dasein  fristete  und  glanzlos  erlosch, 
als  auch  hierher  die  Bussen  kamen  (s.  S.  61).  Peter  der  Grosse  versprach 
zwar  die  livländische  Universität -zu  erhalten,  aber  die  baltischen  Pro- 
vinzen blieben  doch  bis  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhanderts  ohne  Universität. 
Brat  Kaiser  Paul  nahm  1798  die  Wiedererriehtvjig  der  Hochschule  ernst- 
lich In  Angriff;  sein  Nachfolger  Alexander  I.  bestätigte  am  5.  Jan.  1802  die 
Schenkungen  seines  Vaters  und  am  21.  April  ISOQ  konnte  die  Universität 
eröffnet  werden.  Die  Zahl  der  ordentlichen  Professoren,  die  sich  naeh 
25jähriger  Amtsführung  mit  vollem  Gehalt  in  den  Ruhestand  versetzen 
lassen  können,  beträgt  44,  die  der  Studenten  gegenwärtig  (1888)  1693.  Die 
Professoren  sind  zu  1/3  aus  Deutschland  berufen,  zu  s/s  eingeborne  Deutsche 
aus  den  Ostseeprovinaen. 

Dorpat  besitzt  mehrere  Kirchen:  die  der  deutschen  Stadtge- 
meinde gehörige  JohannUkirche  (auch  lettischer  Gottesdienst) ;  die 
üniveraitätsTcirche  (gleichf.  deutsch ,  s.  oben) ;  die  St,  Petrikirche 
(estnische  Stadtgemeinde)  und  die  Marienkifehe  (estnische  Land- 
gemeinde ;  in  beiden  letztern  auch  deutscher  Gottesdienst) ;  ferner 
die  orthodox  -  griech.  Kirche  zu  Maria  Himmelfahrt  und  deren 
Filiale  zu  St.  Georg  (1.  Embachufer) ;  endlich  eine  röm.-kath.  Kapelle 
der  h.  Jungfrau.  An  Schulen  besitzt  die  Stadt  ausser  den  Universi- 
tätsanstalten  (s.  oben)  ein  Veterinärinstitut,  ein  (Krons-) Gymnasium 
mit  Progymnasium  (über  1700  Schüler),  ein  Privat* Gymnasium 
mit  Vorschule,  Realschule,  3  höhere  Töchterschulen  etc. 

Am  Nordende  der  Stadt  die  gut  gehaltenen  Friedhöfe,  In  der 
Nähe  das  der  Familie  v.  Liphart  gehörige  Gut  Rathihof^  mit  sehens- 
werther  Gemäldesammlung. 

Dorpats  Handel  war  vormals  nicht  unbedeutend,  er  wurde 

hauptsächlich  zu  Wasser  über  Pexnau  und  Naiwa  betrieben.    Seit 

dem  Bau  der  neuen  Bahnlinie  Taps -Dorpat  hat  er  sich  wieder 

gehoben  (überwiegend  Flachshandel).  Alljährlich  vom  7.-28.  Januar 

findet  der  grosse  sog.  deutsche  Jahrmarkt  statt. 

ZurGesehichteDorpats.  Der  rnsaisehe  Grosaf örst  Jury  Jaroslaw 
soll  1030  Dorpat  gegründet  haben;  er  nannte  seine  V«8te  Jurjew-Liwonskv 
oder  Jurjewsorod,  in  den  Chroniken  kommt  sie  als  ^eastrum  Tarbatum^ 
vor.  Im  J.  1224  gelangte  die  Stadt  in  die  Macht  der  deutschen  Bitter. 
1225  siedelte  Hermann,  Bisehof  von  Leal,  naeh  Dorpat  über  und  erbaute 
auf  dem  bei  der  Stadt  gelegenen,  kleinen  befestigten  Berge  seine  bischöf- 
liche Kirche,  den  Dom,  und  das  bischöfliche  Schloss.  Bis  Kum  Ausgang 
disa  ZV.  Jahrh.  sah  Dorpat  kaum  einen  äusseren  Feind  vor  seinen  Thoren. 
In  den  Kämpfen  zwischen  Ordensritterschaft  und  Domkapitel,  zwisehea 


78    Monte  9.  FELLIN.  Von  St,  Petersburg 

dem  Dorpater  Bisehof  und  dem  Ordensmeister  hielt  Dorpat  grösstentheils 
zum  Rigaisehen  Erzhischof.  Religiöse  Unruhen  erregten  in  der  Stadt  1525 
die  Lehren  Hofmanns  oder  Laijenpelzer^s,  eines  Anhängera  Thomas  If  änzer'a. 
1558  gerieth  die  Stadt  in  ruMisehe  Hände,  wurde  15S3  von  den  Bussen 
geräumt  und  dem  Könige  von  Polen,  Stephan  Bathory.  übergeben.  Durch 
den  Friedensschluss  von  Stolbowo  gelangte  sie  1617  unter  schwedische 
Herrschaft,  wurde  aber  erst  1625  nach  harter  Belagerung  und  theilweiser 
Einäscherung  von  dem  Grafen  de  la  Gardie  genommen.  Kaeh  kurzer 
Glanzzeit  unter  Karl  XII.  sah  Dorpat  1704  die  Bussen  von  neuem,  nach- 
dem Karl  "Sil.  die  Ostseeprovinzen  verlassen  hatte  j  am  14.  Juli  1704  kapitu- 
lirte  der  tapfere  Commandant  der  Stadt,  Skytte.  1721  kam  Dorpat  durch 
den  I^ystädter  Friedensvertrag  für  immer  an  Bussland. 


Von  Dorpat  nachBeval  über  Fellin.    Wer  Land  und 

Leute  Liv-  und  Estlands  näher  kennen  zu  lernen  wünscht ,  mag 

die  Tour  von  Dorpat  nach  Reval  durch  den  FelUner  Bezirk  machen 

(Privatfuhrwerk  von  Dorpat  nach  Fellin  12  B.).   Die  Strasse  folgt 

dem  südl.  Ufer  des  Embachs  (hinter  Pohja-küla  durch  ausgedehnte 

Waldungen)  bis  zum  Wirti-See  (S.  75) ,  dem  an  der  Nordostspitze 

der  Embach  als  mächtiger  Fluss  entströmt.   Am  Flussmunde  {Joe- 

atMi)  bedeutender  Fischfang  (besonders  von  Strömlingen ,  S.  42). 

Eine  lange,  auf  Pfählen  und  grossen  Kähnen  ruhende  Holzbrücke 

führt  hinüber ;  am  andern  Ufer  ein  grosses  Whs,  (Eörtz).    , 

Die  estnische  Bevölkerung  dieser  Gegend  maebft  einen  sehr  an- 
genehmen Eindruck.  Männer,  Frauen  und  Mädchen  sind  meist  auffallend 
hübseh.  Der  Wuchs  der  ersteren  ist  etwas  mehr  als  mittelgross;  man 
findet  sogar  sehr  hochgewachsene  Gestalten  unter  den  Männern.  Blonde» 
Haar  und  blaue  Augen  sind  vorherrschend.  Die  Frauem  lieben  die  bvnten 
lebhaften  Farben  in  der  Kleidang;  die  Tracht  der  Mädodien  ist  von  der- 
jenigen der  Frauen  nicht  unterschieden.  Die  estnische  Sprache^  ein  Zweig 
der  finnischen  Familie  des  altaischen  Sprachstammes,  in  Livland  und 
Estland  von  etwa  600,000  Menaehen  gesprochen,  iat  im  G«nc«n  wohl- 
tönend; sie  hat  weder  den  rauhen,  vollen,  tiefen  Ton  in  dem.  die  Rusaen, 
noch  den  metallossen,  weinerlichen  und  pipenden  Accent ,  in  welchem 
die  Letten  und  Litauer  sprechen.  Vielmehr  haben  die  Esten  ein  kräftiges 
klaoffiiviehes,  aber  angenehmes  und  geschmeidig«»  Organ. 

Die  Strasse  umzieht  das  flache  n^rdl.  Ufer  des  See»  und  erreicht 
über  Neie-Mla  (Mädchendorf) 

84  W.  Fellin  (estn.  Wüland,  ^etmn ;  gutes  Gasthaus) ,  kleine 

Stadt  mit  3420  meist  deutschen  Einir. ,  am  Flüsschen  und  See 

gleichen  Namens,  auf  einer  fruchtbaren,  c.  140  m  hohen  Hochebene 

gelegen,  am  Fuss  des  sog.  Sehloaaberges ,  welcher  die  Ruinen  eines 

alten  Ordensschlosses  trägt.   Die  Stadt  hat  zwei  evangelische  (eine 

deutsche  und   eine  estnische)  und  eine  russische  Kirche,  femer 

ein  1797  von  Paul  I.  gegründetes  FrSuleinstift. 

Fellin,  bei  den  Chronisten  Wiliende  genannt,  war  schon  im  heid» 
niachen  Alterthume  eine  bedeutende  Festung  im  alten  Saeeala.  121Q 
nahmen  die  deutaehen  Eitter  sie  mit  Hülfe  der  unterworfenen  und  nun 
mit  ihnen  verbündeten  Liven  und  Letten  ein  und  befestigten  sie  aufa 
neue;  die  Festung  befehligte  vor  Zeit  des  Ordens  ein  Komtur.  1660  wurde 
die  Stadt  von  den  Russen  eingeäsohert  und  der  Komtur  Fürsteaberg  ge- 
fangen nach  Moskau  eebraeht.  —  Später  fiel  Fellin  in  die  Hand«  der 
Polen,  welche  es  1600  den  Schweden  überliessen.  1602-8  war  Fellin 
wieder  polnisch,  1606-1710  aufa  neue  schwedisch  und  fiel  dann  für  immeir 
an  Bussland. 


nach  Beval.  REYAL.  9.  Moute,     79 

Auf  dei  Route  nordwärts  von  Fellin  bis  Weissenstein  ist  kein 
regelmässiger  Postverkehr  und  es  herrschen  hier  demgemäss  andere 
Preise.  Pro  Werst  wird  man  hier  für  1  Pferd  bis  4  Eop.  (Post 
2Vt  Kop.)  bezahlen  müssen.  Ueber  Wökma  (30  W.  Ton  Fellin, 
114  W.  Ton  Dorpat),  wo  wir  im  Gasthause  vom  Wirth  (körtz-mees) 
für  6  R.  einen  Vorspann  yon  3  Pferden  erhalten,  geUngen  wir  nach 
der  Poststation  Ani-kfäia  {QttnsedoTf,  157  W.  von  Dorpat),  mit 
einem  leidlichen  Gasthof,  und  erreichen  die  ordentliche  Poststrasse. 
Das  unweit  von  hier  an  der  Paida  gelegene  Städtchen  Weissentteiri' 
(estn.  Paide-lin  =  ^t9.dt  an  der  Paid,  russ.  BeficeiiiDTeftHi)  lassen 
wir  1.  liegen.  Die  nächste  Poststation  (187  W.)  Mustkmöm  (MycT- 
jaHen)  liegt  an  der  Grenze  der  alten  Bezirke  Harrlen  und  Järwen. 
Von  MustUnom  bis  (200  W.)  Kiea  (KHaa  Heutopi)  ist  die  Gegend 
waldig  (meist  Fichten  und  Birken).  Auch  hier  erblicken  wir 
nirgends  Ortschaften,  nur  hier  und  da  zerstreute  Weiler.  Die  Station 
(226  W.)  Wait  liegt  auf  dem  Gute  des  Baron  Pahlen.  Didit  vor  Re- 
Tai  breitet  sich  links  von  der  Strasse  der  ansehnliche  Ohtnee  aus. 

247  W.  Beral  {Kevel,  Seffel  [dän.  eine  lange  schmale  Sandbank], 
estn.  Tällin  oder  Tannilin  (Dänenstadt),  lett.  DanepiUs,  alt-russ. 

Kolywan,  jetzt  Peseii»). 

HoTBLS.  St.  Petersburg,  das  beste;  Goldener  Löwe;  Gol- 
dener Adler;  de  Eussie;  du  Nord,  sämmtUeh  in  der  Unterstadt. 

Ebstaubaht.  Petenberg^s  Weinhandlung  (nur  Getränke)  im 
BOrtenkelUrf  Langstr.  —  Bei  der  grossen  Strandpforte  Wieke's  Pavil- 
lon (8.  S.  81)  und  Dangull-Pavillon  (Goneerte). 

Klubs.  Der  Aetien-  oder  Adelsklub,  der  Sehwarshäupter- 
k  1  u  b  und  der  BevalerKlub.   Fremde  erhalten  durch  Hitglieder  Zutritt. 

Bahnhof.  Der  Bahnhof  liegt  im  westliehen  Theile  der  Stadt,  vor 
der  Systempforte.  Von  hier  Verbindung  nach  St.  Petersburg,  Baltisch- 
port (8.  S.  74);  Beisende,  welehe  St.  Petersburg  nicht  zu  sehen  wünschen,, 
können  direete  Billets  nach  Tosna,  Station  der  Moskauer  Linie  via  Gat- 
sehina  (Zweigbahn  für  Gütertransport)  nehmen. 

Post  in  der  Unterstadt. 

Tbbatbb:  Vorstellungen  vom  Sept.  bis  April. 

Damppschiffb  gehen  in  20  St.  nach  St.  Peteribung  (ß  resjp.  4B.),  in 
5  St,  nach  Helslngfors. 

KovsuLB.  Dänemark  und  Niederlande:  Vic.  Kons.  W.  Mayer;  Belgien : 
Kons.  C.  Rotermann;  Deutsches  Reich,  Kons.  A.Koch;  Oesterreich:  Kons. 
Dr.  0.  Schedl ;  Schweden  und  Norwegen :  Vic.  Kons.  C.  J.  B.  Oahlnbäck, 

Rtvaly  Hauptstadt  des  gleichn.  Kreises  (des  alten  Harrien)  und 
des  Gouvernements  Estland,  die  zweite  Stadt  der  russischen  Ostsee> 
Provinzen ,  in  einer  Bucht  des  finnischen  Meerbusens ,  mit  50,500 
£inw.,  deren  Kern  ebenso  wie  in  Riga  und  Dorpat  deutsch  ist,  ist 
Sitz  der  Provinzial-  und  Kreis  -  Behörden ,  des  Gouverneurs  von 
Estland,  und  des  Consistoriums.  Die  Stadt  zerfällt  in  die  obere 
Stadt,  den  sog.  Domy  auf  dem  hohen  Saume  der  Felsenküste, 
dem  Schlossberge ,  liegend ,  meist  vom  estländischen  Adel  und  den 
kais.  Oberbehörden  bewohnt;  in  die  eigentliche  oder  Vnttritadt, 
an  dem  niedrigen  sandigen  Ufer  des  Hafens  sieh  hinziehend ,  den 
Sitz  der  städtischen  Behörden,  des  Handels  und  der  Industrie, 
i^iid  In  die  weitläufigen  Vorstädte,  ausserhalb  der  Stadt  und  längs 


80    Route  9,  BEVAL.  Oeschichte. 

des  Meerbusens ,  von  rassischen  Eaufleuten  und  der  ärmeren  Be- 
völkerung (meist  in  Holzhäusern)  bewohnt.  Der  Dom  (s.  oben)  be- 
sitzt seine  eigene  politische  und  kirchliche  Verwaltung,  mit  der 
die  eigentliche  Stadt  nichts  zu  thun  hat.  Die  Stadt  besitzt  14 
Kirchen  (6  griechisch-russische,  2  estnische,  3  deutsch-lutherische, 
je  eine  römisch-katholische,  reformlrte  und  schwedische) ;  ausserdem 
1  Synagoge.  Die  St.  Olaus-  und  St.  Nikolaus-Kirche  sind  deutsch, 
die  St.  Michaels-Kirche  schwedisch.  Den  städtischen  Esten  wurde 
die  Kirche  zum  h.  Geist  oder  die  sog.  Rathskapelle  überlassen  ,*  es 
ist  dies  die  älteste  Kirche,  in  deren  Hof  der  Geistliche  der  est- 
nischen Gemeinde  wohnt.  Als  die  estnische  Gemeinde  sich  yer- 
grösserte,  baute  die  Stadt  ihr  die  St.  Johannis^ Kirche  (unter  dem 
Schmiedethor)  und  die  Dom  ^ Karls -Kirche  (S.  83).  —  An  Schulen 
sind  in  Reval  gegenwärtig  3  Gymnasien ,  das  Gouvernementsgym- 
nasium,  von  Gustav  Adolf  gegründet;  das  Domgymnasium,  welches 
die  Ritterschaft  des  Herzogthums  erhält,  und  das  russische  (Krons-) 
Alexander -Gymnasium.  —  Der  Handel  Revals  blühte  bis  zur  Er- 
bauung St.  Petersburgs  theils  durch  Verschiffung  von  Korn  nach 
Schweden  und  Holland,  theils  durch  den  Transit  nach  dem  Innern 
Russlands.  Mit  dem  Jahre  1710  wurde  jene  alte  Verbindung  mit 
Schweden  unterbrochen ,  der  Krieg  richtete  das  Land  zu  Grunde, 
und  nachdem  die  Verhältnisse  der  entvölkerten  Provinz  unter  rus- 
sischem Scepter  wieder  geordnet  waren ,  fand  sich  Reval  durch  die 
übermächtige  Nebenbuhlerin  an  der  Newa  in  den  Schatten  gestellt. 
Doch  haben  sich  seit  der  neuen  Städteordnung  von  1871  die  Be- 
völkerungsziffer wie  der  Handel  wieder  bedeutend  gehoben,  na- 
mentlich durch  die  directe  Eisenbahnverbindung  mit  der  grössten 
russischen  Fabrikstadt  Moskau.  Hauptgegenstände  desselben  sind 
Baumwolle  (nächst  Havre  hat  Reval  den  grössten  Baumwollen-Im- 
port des  Continents) ,  Getreide ,  Flachs ,  Spiritus ,  Häute ,  Wolle, 
Leim,  Borsten  u.  s.  w.  Fabriken  gibt  es  für  Spiritus,  Papier, 
Spiegel,  Fayence,  Glas,  Leder,  Kattun,  Strumpf waaren.  Stocken,  s.  w. 
Einen  besondern  Erwerbszweig  bildet  Fang  und  Zubereitung  von 
Killoströmlingen ,  einer  Art  Sardellen ,  die  sich  nur  in  der  Bucht 
von  Reval  finden  und  in  grossen  Massen  versandt  werden. 

Zur  Gesehiehte  BevaTs.  AU  1211  der  Bigaer  Bischof  Albert 
und  seine  Schwertritter  ihre  Macht  schon  bis  Fellin  ausgedehnt  hatten, 
riefen  die  Esten  die  benachbarten  russischen  Fürsten  gegen  die  Deutschen 
SU  Hülfe ;  Albert  dagegen  1218  Waldemar  II,  von  Dänemark ,  der  im  Jahre 
1219  mit  dem  Slavenfürsten  Wenseslaw  in  der  Bucht  von  Beval  laadete. 
Die  hier  liegende  Festung  der  Esten  Lindaniua  wurde  von  Örund  aus 
zerstört  und  an  ihrer  Stelle  eine  neue  erbaut.  Während  des  Kampfes 
fiel  eine  rothe  Fahne  mit  weissem  Kreuz  vom  Himmel,  welche  dann  da« 
dänische  Reichsbanner  (Danebrog)  wurde.  Unterhalb  der  leteteren  ent- 
stand von  1219-1237f  eine  Stadt,  die  schon  1248  vom  dänischen  Könige  lübi- 
sches  Recht  und  lübische  Verfassung  erhielt,  nachdem  sie  1240  zur  bischöf- 
lichen Residenz  erhoben  worden  war.  Seit  seiner  Oründung  bestand  Reval 
auA  dem  Dam  und  der  eigentUch4n  Stadt  ^  in  jenem  herrsehten  in  früher  Zeit 
die  königl.  Hauptleute,  später  die  Komture,  in  dieser  die  städtischen 
Behörden.  Je  mehr  das  Deutschthum  erstarkte,  wurde  die  Stadt  durch 
Handel  mächtig,  -während  die  dänische  Einwohnerschaft  allmählich  in 


D(m,  REVAL.  9,  Route.    81 

die  Festung,  den  Dom,  zurückgedrängt  wurde.  Letztere  wurde  als  nicht 
zur  Stadt  gehörig  betrachtet  und  hatte  auch  nicht  Theil  an  den  Privi- 
legien, welche  Hargarethe  Sambiria,  Königin -Wittwe  von  Dänemark, 
Bevsl  ertheilte.  Wie  in  Riga  und  Dbrpat  zerfiel  auch  in  Reval  das 
Bürgerthum  in  zwei  Gilden,  die  bis  heute  existiren,  ebenso  bestand,  wie 
in  Biga^  das  Schwarzhäupter  -  Corps.  Xaehdem  Estland  und  mit  ihm 
Eeval  noch  in  verschiedenen  Händen  gewesen ,  wurde  es  1347  durch  den 
deutschen  Orden  von  den  Dänen  gekauft;  damit  kam  auch  der  Revaler 
Bisehof,  der  früher  dem  Erzbischof  von  Lund  unterstanden  hatte ,  unter 
das  Bigaer  Ersbisthum,  1624  nahm  die  Stadt  die  Refpfmaiian  an,  der 
Dom  aber  und  das  Land  blieben  noch  dem  alten  Bekenntniss  treu.  Mit 
dem  Jahre  1558  traf  die  schreckliche  Zeit  des  russischen  Krieges  und  der 
Bauemaufttände  ein,  welche  die  eigenthümliche  politische  Verfassung  der 
baltischen  Provinzen,  die  Konföderation  der  Bischöfe  und  Bitter  auüöste. 
Von  den  Bittern  im  Stich  gelassen,  übergab  Morits  Wrangeil,  der  letzte 
katholische  Bischof  des  Bevaler  Doms,  sein  Bisthum  dem  dänischen 
Herzoge  Magnus,  der  abef  niemals  in  den  faetischeu  Besitz  des  letzteren 
gelangte.  Die  Stadt  Beval  begab  sich  1561  unter  schwedischen  Schutz;  der 
Dom  wurde  nach  einer  6wöchentlichen  Belagerung  und  Besichiessung  durch 
die  Schweden  vom  Komtur  des  Ordens,  Gaspar  Oldenbocktim,  übergeben ; 
damit  hörte  auch  auf  demselben  der  katholische  Gottesdienst  auf.  Beval 
und  das  estländische  Herzogthum  standen  somit  seit  1561  unter  schwe- 
discher Herrschaft.  1569  wurde  die  Stadt  durch  lübische  und  dänische 
Kriegsschiffe  bombardirt;  1570-71  30  Wochen  lang,  und  1577  7  Wochen 
Hing,  wenn  auch  vergeblich,  von  den  Bussen  belagert,  und  ihr  Handel 
arg  geschädigt.  —  Der  nordische  Krieg  brachte  Beval  und  das  estlän- 
dische Herzogthum  unter  russische  Herrschaft.  Beval  unterhandelte  am 
29.  Sept.  1710  mit  Peter  dem  Grossen  und  an  demselben  Tage  übergab 
Patkul,  CSommandant  der  Festung,  letztere  durch  Oapitulation.  Peter 
der  Grosse  that  viel  zur  Hebung  Bevals,  dessen  1713  angelegten  Hafen 
er  seiner  Flotte  bestimmte.  Die  Goncurrenz  St.  Petersburgs  schädigte 
zwar  den  Handel  Bevals  lange  Zeit  hindurch  in  bedenklicher  W^ise,  aber 
der  Bau  der  Baltischen  Eisenbahn  und  die  VerlMsserung  'des  Hafens 
paralysirten  in  neuerer  Zeit  die  Nebenbuhlerschaft  der  Hauptstadt. 

Wenn  wir  Tom  Hafen  die  Richtung  nach  der  Stadt  einschlagen 
und  den  nach  reehts  führenden. Weg  wählen,  so  gelangen  wir  auf 
eine  kleine  Anhohe  oder  -mlmehr  einen  Erdrücken ,  der  das  west^ 
liehe  Ufer  des  Hafens  bildet.  Von  hier  ( WUkt'9  Pavülon  s.  oben) 
prächtige  ^AusHcTU  auf  die  Stadt  und  das  Meer  und  die  weithin 
offene  Landschaft. 

Von  hier  uns  r.  wendend  kommen  wir  durch  belebte  Strassen 
und  steile  schmale  Gassen  zum  Dom-  oder  SehlotBberge ,  auf  dem 
die  obere  Stadt  steht.  Wie  der  Domberg  von  Dorpat  ist  auch 
der  -von  Reval  ein  uralter  Sitz  menschlicher  Ansiedelung  und  ein 
heiliger  Ort,  an  den  sich  mancherlei  Sag^i  knüpfen.  I>ie  Esten 
halten  den  Berg  für  den  Grabhügel  des  Gottes  Kalev ,  des  Vaters 
ihres  sagenberühmten  Helden  Kalevi-poeg  (d.h.  Ealev's  Sohn); 
ihre  alte  Festung  auf  diesem  Platze  benannten  sie  nach  Linda, 
Kalev'ff  Gattin,  Lindanissa  (d.  h.  Linda's  Brust).  —  In  dieser  obern 
Stadt  liegt  die  Dornkirche ,  das  Schloss  mit  seinem  alten  Thurm, 
das  Mittm'hmiSj  die  Donuchule;  die  PrivathSuser  gehören  grSssten- 
theils  estländischen  Edelleuten,  die  ehemals  allein  das  Privilegium 
hatten,  auf  dem  Dom  zu  wohnen.  —  Auf  dem  weiten  SchlossplcUz 
herrscht  Stille ,  weil  die  ihn  umgebenden  Häuser  nur  im  Wintei* 
von  den  Besitzern  bewohnt  werden« 

Bussland.    2.  Aufl.  6 


82    Route  9.  BEVAL.  Olauskirche, 

Eine  heirliche  Aussieht  auf  die  Umgegend  und  besonders  auf 
das  Meer  hat  man  -von  dem  Garten  des  Generalsuperintendenten 
jenseit  der  Domkirche.  Letztere,  als  Bauwerk  unbedeutend,  ist 
Eigenthum  des  Adels  und  wird  ¥on  der  Ritterschaft  des  Landes 
unterhalten,  wekhe  auch  den  Generalsuperintendenten  wählt.  Im 
Innern  befinden  sich  viele  Wappen  und  Grabsteine,  unter  anderen, 
das  des  Generals  Pontus  de  la  Gardie  (1Ö8Ö),  Matthias  von  Thurn 
(1640),  des  schwedischen  Generals  Carl  Hoi;n ,  des  Weltumseglers: 
Krusenstem  und  des  Admirals  Grey  (1788),  eines  Schotten,  der  an 
dem  Seesieg  über  die  Türken  bei  Tschesme  1770  wesentlichen  An^ 
theil  hatte  (seine  in  RussUnd  lebenden  Nachkommen  nennen  sich 
Greigh).  —  ♦Altarbild  von  Eduard  von  Gebhardt. 

Am  süddstl.  Ende  des  Doms  liegt  das  SeUots,  jetzt  Residenz 
des  Gouverneurs.  Der  Schlosshof  zeichnet  sich  durch  den  alten 
dänischen  Schlossthurm  (»der  lange  Hermann'')  aus.  Die  Räum» 
des  Schlosses,  zu  denen  vom  Hof  aus  eine  finstere,  aus  grossen 
Steinplatten  bestehende  und  wahrscheinlich  auch  aus  der  Dänen- 
zeit  stammende  Treppe  führt,  sind  gross  und  sehenswerth.  Eben- 
falls auf  dem  Domberg  liegt  das  Bitierhaut,  in  welchem  der  Land- 
tag des  Herzogthums  in  jedem  dritten  Jahre  abgehalten  wird. 
Das  Innere  ist  mit  den  Wappen  des  estländischen  Adels  geschmückt  f 
in  dem  grossen  Yersammlungs*  Saale  sind  auf  Mazmortafeln  di» 
Namen  der  adligen  Estländer  verzeichnet,  die  im  französisch-russi- 
schen Kriege  1812  dienten  resp.  fielen.  Ferner  liegt  hier  die  Ritter- 
schule oder  das  Domgymna9iwn,  1319  gegründet,  seit  1845  in  dem 
jetzigen  Gebäude. 

Nachdem  wir  vom  Domberge  herabgestiegen ,  schlagen  wir  den 
Weg  1.  durch  die  engen  Klostergässchen  längs  der  haushohen,  alters- 
grauen Stadtmauer  ein,  um  zur  8t.  Olau-Xirehe  zu  gelangen.  Der 
erste  Bau  dieser  Kirche  stammt  aus  dem  Jahre  1329;  der  Blitz 
schlug  neunmal  in  dieselbe  ein ;  nach  dem  letzten  Brande  von  1820 
wurde  sie  erst  1841  wiederhergestellt.  Die  Kirche,  eine  der  grössten 
und  schönsten  der  Ostseeprovinzen ,  im  gothischen  Stil,  ist  dem  h. 
Olaus  geweiht,  dem  Könige  von  Norwegen,  welcher  im  Anfang» 
des  ZI.  Jahrh.  in  seinem  Lande  das  Christenthum  einführte.  Der 
145  m  h.  Olai'Thurm  ist  nicht  nur  der  höchste  in  den  baltischen 
Ländern ,  sondern  im  ganzen  russischen  Reiche  (von  der  Galleri» 
schöne  Aussicht).  —  In  der  Kirche  sind  sehenswerth :  das  Archiv,, 
die  Bibliothek  und  die  alten  schönen  Sculpturstücke,  welche  man 
beim  Brande  der  früheren  Kirchen  gerettet  hat. 

Die  Unter-Stadt  enthält  die  Wohnungen  und  Waarenmagazin» 
der  Kaufleute,  das  Rathhaus,  das  Gildehaus,  das  Haus  der  Schwarz- 
häupter, die  Bank,  Kaserne,  das  Theater  etc.  Wir  besuchen  zunächst 
die  Hil(9Um-Ki7«be,  ein  dreischifflges  gothisches  Gebäude  mit 
massivem  viereckigen  Thurm,  bereits  1316  erwähnt.  Gleich  am^ 
Eingange  der  Kirche  r.  ein  Todientan»,  ähnlich  d«m  in  der  St.. 
Marien-Kirche  zu  Lübeck.  Im  Innern  viele  Ueberreste  aus  römisch- 


i 


Heiligengeistkirchc,  REVAL.  9.  Soute,    83 

katholisöhor Zeit;  in  einer Seitenk^peUe  9wel Qemälde  ausHolbein's 
Zeit  und  in  seiner  Manier;  ferner  eine  Kreazigung  Christi  aus  der 
Schuld  Raffael's«  Pas  Altargemälde  stajQamt  aus  neuer  Zeit.  Be- 
merkenswerth  sind  di€(  grdsstentheils  dem  Adel  gehörigen  Kapellen 
und  Grabgewölbe,  von  massiTen  eisernen  Gittern  umgeben  und  mit 
Wappen  reich  geschmttekt,  aber  sehr  vernachlfissigt. 

Die  älteste  Kirche  ist  die  Heiliffeiiffeittkirclie,  gleichfalls  im 
gothischen  Stil,  bereits  1284  erwähnt.  Die  Kirche  wird  auch  Batht- 
kapeile  genannt  und  war  die  erste  der  estnischen  Gemeinde.  —  Das 
alte  BatUuret ,  mit  goth*  Fenstern ,  ist  jetzt  grSsstentheils  renovirt. 
Dex  elegante  schlank«  RcOhhausthurm  gilt  als  ein  Meisterwerk  der 
Architektur;  im  lunern  interessante  Holzschnitzereien  und  ein  sehr 
reichhaltiges,  namentlich  für  die  Geschichte  der  £[ansa  werthyoUes 
Archiv. 

Das  Saut  der  CantUi^OUde,  einer  Yereinigung  der  Zünfte,  die 
auch  dort  einen  Club  haben,  enthält  ein  Museum  haltUcher  Alter-' 
thümer.  Der  Saal,  der  auch  twt  Abhaltung  von  Concerten  dient, 
hat  eine  gewölbte  Decke,  die  auf  zwei  Säulen  ruht.  (Die  ffrosae 
€fild€  besteht  au«  Kaufleuten ,  deren  Vertretung  auch  an  der  Ver- 
waltung der  Stadt  betheiligt  war.)  —  Das  Sehwafthäupter^Haua  ist 
an  der  Fa^ade  mit  einem  Mohrenhaupt  und  mehreren  Wappen  in 
Skiilpturarbeit  geschmückt.  Innen  enthält  es  ein  Archiv  und  die 
Pprtöäts  verschiedener  gekrönter  Häupter.  Das  Altargemälde  aus 
dem  Kloster  der  h.  Brigitta  (s.  unten),  ein  Werk  der  altvlämischen 
SchuU,  hat  hier  ebenfalls  seinen  Platz  gefunden.  —  In  dem  Ge- 
bäude befinden  sich  auch  die  Räume  des  Sehwarthäupter  ^Cluh$y 
Portraits  schwedischer  Könige,  Waffen  und  Alterthümer  enthaltend. 

Die  Schwarzhäupter-Gesellschaft  in  Beva)  (s.  auch  S.  56) 
wurde  von  auswärtigen  vorzüglich  lüblschen  Kaufleuten,  deren  Handel 
nach  Nowgorod  über  Beval  führte ,  im  xiv.  Jahrh.  gegründet,  am  ein 
Gegengewicht  gegen  dm  Sevaler  Bath  zu  schaffen,  dessen  Bescblüsae 
ihre  Interessen  oftmals  verletzten.  Uebrigens  bildeten  auch  in  Beval 
die  Sehwarzhäupter  eine  kriegerische  Körperschaft,  trugen  eine  besondere 
Uniform,  hatten  speeielle  Ceremonien  und  Gebräuche  und  kämpften  unter 
ihrem  Banner  »aut  vineendum  aut  moriendum**  oft  g^gen  die  zahlreichen 
Feinde  der  reichen  Stadt  Beval.  —  Alle  russischen  Kaiser  von  Peter  dem 
Grossen  an  waren  lihrenmitglieder  der  Verbindung. 

Die  Schmiedepforte  durchschreitend ,  gelangen  wir  in  die  Vor- 
stadt. Hier  erhebt  sich  die  neue  Johanniskirche ,  ein  grosses  Ge- 
bäude mit  stattlichem  Thurm  und  drei  Schiffen,  von  denen  das 
mittlere  höher  als  die  beiden  Seitenschiffe  ist  und  auf  jeder  Seite 
von  4  Säulen  getragen  wird,  und  die  Karh-  oder  Dom- Karlskirche, 
die  neueste  estnische  Kirche ,  mit  zwei  Thürmen, 

ÜMOBBTTNOBN  VON  RevAL. 

Ein  Ausflug  nach  Katharinenthal ,  Kosch  und  zur  Brigittenruine 
kann  sowohl  zu  Lande  (m  Fuss  oder  zu  Wagen),  wie  zu  Wasser  unter- 
nommen werden.  Die  Brigittenruine  ist  so  interessant,  dass  es  wohl 
verlolmt,  nach  einer  Landfahrt  noch  einmal  eine  Waaserparti«  dorthin 
zu  untemehmeii.    XJeberall  .Gaüüiäuser. 

6* 


^     Raute  9,  KOSGH.       Umgebungen  v.  Reval, 

Von  Reval,  dessen  Umgebung  zahlreiche,  geschmackvolle  Land- 
häuser zieren,  führt  in  Östlicher  Richtung  eine  besuchte  Promenade 
nach  (Vt  Bt.)  Kathftrinentäal ,  einem  kaiserlichen  Lustschloss,  von 
schönem  Park,  Gärten,  Anlagen  und  Villen  umgeben.  In  den 
Sommermonaten  bildet  Katharinenthal  (Kursaal)  den  Mittelpunkt 
der  Lustfahrten,  Bälle  etc.  der  fashionablen  Gesellschaft,  besonders 
des  estlandischen  Adete  mmt  der  Petersburger  FümiUen ,  welche 
das  Seebad  bei  Reval  und  bei  Eatharinenthal  besuchen  (elegante 
Badesalons). 

Di«  kaiserlich«  Residenz  Katharineilthal  ^  eine  UeblUhe '  Oäse 
in  einer  Sandvrüste,  wurde  schon  von  Peter  dem  Grossen  gegründet. 
Ein  häufiger  Besucher  Revals ,  erbaute  er  zuerst  am  Fusse  des  fel- 
sigen LaalUber^es  (oben  ein  Aussichtsthurm)  ein  bescheidenes 
Häuschen,  aus  dessen  Fenstern  er  seine  junge ,  im  Revaler  Hafen 
vor  Anker  liegende  Flotte  überblicken  könnte.  Einige  Jahre  vor 
seinem  Tode  erbaute  er  das  jetzige  SchlOM,  nicht  weit  von  dem 
ersten  Hause ,  umgab  es  mit  Pe^rkanlagen  und  machte  es  seiner  Ge- 
mahlin Katharina  zum  Geschenk.  Das  anspruchslose  Häutchen 
Peter's,  in  Bäumen  versteckt,  wird  nebst  einigen  Andenken  an  den 
Zaren  von  einem  Aufseher  gezeigt. 

Ein  etwas  weiteres  Ausflugsziel  (7W.)  ist  Xoseh,  das  jenseit  des 
Leuchtthurms  auf  der  Nordseite  des  Hafens  liegt  (Eintrittskarteti 
sind  beim  Besitzer,  Hrn.  Konsul  A,  Koch,  zu  15sen).  Der  Brigitten' 
fluss  hat  sich  hier  ein  tiefes  Thal  gegraben ,  welches  interessante 
Landschaften  zeigt.  Von  der  sog.  Zuckerfabrik  zwischen  Katha- 
rinenthal  und  Kosch  schöner  Blick  auf  Reval  mit  seinem  Hafen ; 
am  jenseitigen  Ufer  die  Brigittenruine. 

Um  zur  *Brigitten-Buine  zu  gelangen,  muss  man  sich  über  den 
Brigittenfiuss  setzen  las&en.  Am  Ufer  warten  auf  den  Aussteigenden 
estnische  Kinder,  welche  Thore  u.  s.  w.  zu  Öffnen  eilen,  um  einige 
Kopeken  zu  verdienen.  Von  dem  1407-36  zu  Ehren  der  h.  Brigitta 
erbauten  Kloster,  1577  von  den  Russen  zerstört ,  haben  sich  noch 
die  vier  Steinwände  der  Kirche  und  der  ganze  Vordertheil  mit  dem 
hohen  Giebel  und  den  bogenförmigen  Fenstern  erhalten.  Der  Platz 
vor  der  Kirche  ist  jetzt  der  Gottesacker  der  Umgegend;  mehrere 
Häuser  umgeben  ihn,  darunter  ein  Restaurant,  Die  spitzbogige 
Thür  der  Kirchenruine  ist  niedrig,  als  ob  das  Fundament  tief  in  der 
Erde  sässe.  Der  Boden  ist  mit  hohem  Gras  bewachsen ;  die  starken 
Wände  zeigen  noch  die  Fensteröffnungen  und  die  Bogen  der  ver- 
schwundenen Gewölbe.  In  einem  Winkel  ist  ein  steinerner  Treppen- 
aufgang ,  der  vielleicht  zu  den  Klosterzellen  führte,  von  denen  aber 
wenig  Ueberbleibsel  zu  erblicken  sind.  Eine  andere  Thür  führt  in 
eine  estnische  Bauernwohnung.  —  Das  Kloster  soll  nach  einer  alten 
Sage  mit  der  Stadt  durch  einen  unterirdischen  Gang  in  Verbindung 
stehen. 

Einen  Tag  kann  der  Reisende  auch  in  angen^mer  Weise  verbringen 
durch  einen  Ausflug  nach  dem  hübschen  Dorfe  Tiaeher,  10  W.  w.  von  Beval 


DÜWABURG.  10,  Route.    85- 

an  einer  Meeresbucht  gelegen,  nach  dem  OiUe  Ziefelkopp«!,  4  W.,  und 
nach  Padia-Xloster,  40  W.  von  Beval  und  15  W.  von  Baltischport,  einer 
der  schönsten  Buinen  Estlands. 

I>er  reizendste  Punkt  in  der  Umgebung  ven  Beval  Ist  'das  90  W.  w. 
an  dn  Mündung  eines  Flusses  ins  Xeer  gelegene  SeUsa«  Fall,  ein  neuerer 
Bau  im  goth.  Stil,  umgeben  von  umfangreichen  wohlgepflegten  Parkan- 
lagen mit  schönem  Wasserfall.  Auf  dem  Wege  nach  Fall  das  Gut  Fähner 
mit  einer  sehenswerthen  Gemäldegallerie. 


10.    Von  Berlin  (Königsberg,  München,  Wien)  nach 

St.  Petersbapg. 

Von  Berlin  (Sehlesischer  BahnhoO  nach  St.  Petersburg^  Courierzug  über 
Sifdttuhnen*  in  43  St.  (direete  Billets  mit  fi-lOtÜgiger  Gültigkeit ;  die  Preise 
setzen  sich  zusammen  ans  de^en  bis  zur  Grenze  und  von  da  bte  zur  betr. 
russischen  Station).  Von  Berlin  bis  zur  Grenze  bei  Bvdtkuhnen  (743  km), 
Courierzug  in  le»/^  St.  (67.30, 49.80  ««),  Personenzug  in  33  St.  (59.W,  44.60, 
29.70  e«);  s.  B.  5-,  von  der  Grenze  bis  St.  Petersburg  (8t2  W.  =  892  km), 
Courierzug  in  25,  Personenzug  in  39  St.  für  31.35,  23.61,  13.10  B.  (Gourier- 
mg  lö»/o  Zusehlag).  —  Von  Berlin  nach  Warschau  s.  B.  1,  S.  1-4-,  von 
Warschau  nach  St.  Petersburg  (1050  W.  s  1113  km),  Ck>uriersugin  33,  Per- 
sonenzug in  38-41  St.  ftr  39,19,  39.39,  16.03  B.  *-  Von  DMnabwrg  bis  St. 
Petersburg  (497  W.  =  626  km),  Courierzug  in  14i/j,  Personenzug  in  17  St. 
für  18.64,  13.98,  T.14B.  (Courierzug  150/o  Zuschlag).    -^ 

Von  Königsberg  bis  Wirbeaien  (s.  BL  6),  156  km,  Courierzug  in  8S/4  St. 
(13.70,  10.10,  7.10  ««),  Pereonenzug  in  5-7  St.  (13.30,  9.20,  6.10  «>«).  Von 
WirbaUen  bis  St.  Peter^urg  (839  W.  «  889  kmj,  Personenzug  31.36, 33.61, 
12.07  B.  (Courierzug  lÖP/o  Zuschlag). 

Von  München  über  Dresden ,  Breslau ,  Warschau  nach  St.  Petersburg, 
Ch»urierzug  in  78  St. 

Von  Wien  über  Warschau  (s.  B.  2)  nadi  St.  Petaraborg,  Eilzug  in 
56  St.,  Personenzug  63  St. ;  Fahrpreise  bis  zur  Grenze  bei  Qraniita  (407km)> 
Eilzug  23  fl.  71,  17  fl.  38  kr.,  Personenzug  19  fl.  SO,  14  fl.  91,  9  fl.  88  kr.&von 
Granitza  bis  St.  Petersburg  (1293  W.  =  1418  km),  Personenzug  50.10,  37.51, 
19.32  B.  (Courierzug  I50/0  Zuschlag). 

Von  WirbaUen  bis  (179  W.)  Wilna  ß.  S.  36-38;  von  WUna 
bis  (346  W.)  DftnabQrg  s.  S.  47.  Der  atisgedehnte  Bahnhof 
(Kreuzungspunkt  der  Riga-Ssmolensker  Bahn,  R.  27)  liegt  von  der 
Stadt  weit  ab ;  meist  längerer  Aufenthalt  (Vs'l^/2  ^^•)* 

Die  Weiterfahrt  durch  das  Gouvernement  Witebsk  über  "Wyichki 
(BumKH),  Ruschona  (Pyrnona),  Antonopol  (AHTOHonojL;  Restaura- 
tion), Räschitta  (Pliiniiita ;  Restauration),  Itoanotoka  (HaanoBKa)  und 
Korssowka  (KopcoBKa ;  Restauration)  bietet  wenig  Abwechselung. 
Mit  dem  Eintritt  in  das  Gouvernement  Pskow  kommen  wir  erst 
In  das  eigentliche  Gross  -  Russland  und  kennen  unser  Auge  daran 
gewohnen ,  Stunden  und  Stunden  in  gerader  Linie  durch  Wälder 
zu  fahren ,  aus  denen  nur  äusserst  selten  ein  rassisches  Dorf  auf-> 
taucht  —  Haufen  unordentlich  durcheinander  geworfener,  schief 
nebeneinander  stehender  Hütten,  die  kaum  dem  Allernothdürf- 
tigsten  zu  genügen  scheinen  (vgl.  R.  20).    Diese  unwirthsamen 


*  Die  St.  Petersburger  Zeit  ist  30  Min.  vor  gegen  Eydtkuhnen,  37MiD. 
gegen  Warschau. 


86     Soute  10,  PSKOW.  Vm  Berlin 

Gegenden  mit  endlosen  Waldungen  reichen  unverändert  hinein  bis 
ins  Ingermanland,  das  jetzige  Gouvernement  Petersburg. 

531  W.  Oitrow  (OcrpoBi;  Restauration).  Die  einige  Werst  von 
der  Station  entfernte  Stadt  (3884  Einw.) ,  an  der  Welikaja  (BeiH- 
Kafl),  erhielt  ihren  Namen  („Insel')  von  einer  Insel  in  der  Welikaja, 
auf  welcher  im  xiv.  Jahrh.  eine  Festung  lag.  Ueberreste  derselben, 
drei  alte  steinerne  Thürme ,  sind  noch  heute  sichtbar ;  mitten  auf 
der  Insel  die  aus  dem  J.  1582  stammende  St.  Nikolaus- Kirche, 

Beisende  thun  gut,  bereits  von  Stat.  Ostrow  aus  telegraphisrti  einen 
fidtelwagen  in  St.  Petersbuirg  zu  bestellen. 

Ton  Ostrow  führt  die  Bahn  über  Stat.  Tacherskaja  nach  Pskow 
(10-15  Min.  Aufenthalt;  gute  Bahnrestauration). 

580  W.  (616  km)  Pskow,  Pleskow,  Pleskau  (Dckobi),  alte  Stadt 

mit  21, 0(X) Einw.  (Russen,  Deutsche,  Polen,  Letten  und  Esten), 

Hauptstadt  des  gleichn.  Gouvernements ,  liegt  3  km  von  der  Bahn 

auf  beiden  Seiten  der  Welikaja ,  an  der  Einmündung  der  Pskowa, 
Gasth. :  Hdt.  St.  Petersburg,  mittelmässig.  — -  Wagen  am  Bahn- 
hof: einf.  Fahrt  90-ÖOKop.;  die  St.  I  R.    Führer  oder  Ck>mmi8aionäre  im 
Hotel.  —  Dampfboote  nach  Dorpat  g.  8.  66. 

Pskow  ist  Sitz  der  Qouvernementsbehörden  and  eines  griech. 
Erzbischofs ,  hat  eine  Kathedrale .  41  Kirchen  und  4  Klöster ,  ein 
Priesterseminar,  Gymnasium,  etc.  Gewerbe  sind  hauptsächlich  Ger- 
berei, Leinweberei,  Segeltuchfabrikation ;  auch  als  Handelsstadt  ist 
Pskow  nicht  unwichtig  (grosser  Markt  5.-15.  Febr.) ;  von  besonderer 
Bedeutung  der  Handel  mit  Flachs,  der  in  d^r  Umgegend  viel  gebaut 
wird.  Die  Stadt,  die  von  ihrer  ehemaligen  Grösse  viel  verloren  hat, 
zerfallt  in  den  befestigten  Kreml,  die  mittlere,  die  grosse  Stadt  und 
die  Vorstädte  (auf  dem  linken  Ufer  der  Welikaja). 

Zur  Geschichte.  Kach  alten  Chronisten  soll  Pskow  bereits  unter 
Oleg^s  Regierung  bestanden  haben-,  nach  dem  fabelhaften  ^Stufenbuche" 
wurde  es  von  Olga^  der  Gemahlin  Igors  (8.88),  975  gegründet.  Gleich 
Nowgorod  eine  Bepublik,  erhob  sieh  Pskow  im  Hittelalter  zu  einem  be- 
deutenden Handelsplatz  (besonders  mit  Deutschland)  und  gehörte  suf 
Hansa.  Die  Bürger  von  Pskow  wählten  in  der  durch  eine  (Blocke  zu- 
sammengerufenen WJeUche  (Yolksversammlung,  Bete)  ihre  Fürsten  (Pouaä- 
nik)  und  setzten  dieselben  naeh  eigenen  Gutdünken  ab.  Ihre  Selbständig- 
keit behauptete  die  Stadt  ebenso  wie  Nowgorod  (S.  249)  auch  unter  der 
mongolischen  Herrschaft.  Vor  Pskow  wurde  am  14.  Sept.  1503  Iwan  I. 
von  dem  livländiechen  Ordensmeiste^  Walther  von  Plettenberg  besiegt. 
Nach  Iwan's  Tode  (1605)  brach  sein  Nachfolger  WaasUy  I.  die  Selbständig- 
keit der  Stadt.  Die  Republik  wurde  dem  Grossfürstenthum  Moskau  ein- 
verleibt ,  900  der  angesehensten  Familien  nach  Moskau  geschleppt,  dafür 
300  Kanfmannsfamilien  aus  10  an  der  Wolga  gelegenen  Städten  naeh 
Pskow  übergeführt.  —  Ein  angstvoller  Tag  erschien  für  die  Stadt  im  J.  1570. 
Iwan  IV.,  der  Schreckliche,  zog  gegen  Pskow,  dessen  Bewohner  er  im 
Verdacht  verrätherischer  Pläne  hatte.  Die  auf  das  äusserste  gefasste  Stadt 
wurde  aber  auf  wunderbare  Weise  gerettet.  Nachdem  Iwan  die  Dreifaltig- 
keitskirche besucht,  erschien  er  auch  in  der  Zelle  des  Mönthes  Nikolaus 
Salos,  welcher  unter  dem  Schilde  seines  Blödsinns  dem  Tyrannen  ins  Ge- 
wissen redete ;  er  bot  dem  Zaren  ein  Stück  rohen  Fleisches,  und  als  dieser 
antwortete :  „Ich  bin  ein  Christ  und  esse  in  den  grossen  Fasten  kein  Fleisch'', 
entgegnete  Salos :  „Du  thust  Schlimmeres,  Du  nährst  Dich  vom  Fleische 
und  Blute  der  Menschen,  nicht  nur  der  Fasten,  sondern  auch  Gottes  ver- 
gessend. Wenn  Du  aueh  nur  gegen  einen  der  Bewohner  dieser  gott- 
geweihten Stadt  Deine  Hand  aufhebst ,  so  wird  Dich  der  Höchste  mit 


nach  St.  Petersburg.  PSKÖW.  lÖ.  Route.     87 

-seinem  BliUe  verzehren.**  Iffteh  die«en  Worten  soll  sieh  plötzlich  der 
'bis  dahin  heitere  Himmel  mit  Wetterwolken  umzogen  haben.  Parauf  habe 
Iwan,  dureh  die  Beden  des  Mönches  in  höchste  Furcht  versetzt,  unver- 
j&äglich  die  Stadt  verlassen. 

Wer  für  Pskow  Z«it  erübrigen  kann ,  besichtigt  innächst  den 
^edil ,  welcher  auf  einer  c.  400  m  langen  und  30  m  breiten  An- 
Mhe  in  dem  Winkel  zwischen  der  Welikaja  und  Fskowa  liegt.  Seine 
«teinernen  Mauern  stammen  aus  dem  J.  1323.  Südwärts  geht  von 
der  Anhöhe  des  Kreml  der  Ende  des  xin.  Jahrh.  erbaute  Downumt- 
WäU  aus ,  welcher  einen  freien  Platz  umfasst,  auf  dem  ehemals 
das  Schloss  des  Fürsten  Von  Pskow  stand;  Jetzt  befindet  sich  auf 
demselben  ein  grosses  steinernes  GebSude,  Anf.  des  xv.  Jahrh.  von 
Macarius,  Metropoliten  von  Russland  erbaut.  In  ihm  residirten  die 
£rzbischöfe  von  Nowgorod,  wenn  sie  Pskow  besuchten.  Inmitten 
des  Kreml  und  dessen  Inneres  fast  ganz  ausfüllend,  erhebt  sich  die 
^Xsihedrale  der  h.  Dreifaltigkeit,  ein  gewaltiger  Bau  im  russisch- 
byzant.  Stil.  Auf  der  Stelle  der  jetzigen  Kathedrale  soll  die  Gross- 
fürstin Olga  (s.  unten)  957  eine  Kirche  erbaut  haben.  1138  wurde 
an  Stelle  der  alten  hölzernen  Kirche  ein  steinernes  GebSude  auf- 
geführt; in  demselben  wurde  Dowmont ,  ein  berühmter  Heerführer 
der  Litauer,  später  Fürst  von  Pskow,  1266  mit  seiner  Familie 
und  Gefolge  getauft;  1363  wurde  die  Kirche  zerstört,  aber  zum 
dritten  Male  an  derselben  Stelle  1368  aufgebaut.  Während  der  Be- 
lagerung durch  Stephan  Bathory  brannte  die  Kathedrale  theilweise 
ab.  Die  heutige  Kathedrale  entstand  zur  Seite  der  älteren  Gebäude 
1682 ,  wurde  in  der  Folge  mehrfach  restaurirt,  besonders  nachdem 
sie  1770  durch  einen  Brand  grossentheils  zerstört  worden  war. 

Das  Innere  enthält  merkwürdige  Heiligenbilder  und  Reliquien.  Das 
Interessanteste  der  letzteren  ist  das  aus  Silber  gearbeitete  €fTdh  de»  h. 
W*€W0lo4  Gabriel ,  des  vertriebenen  Färsten  von  Nowgorod  und  späteren 
Beherrschers  von  Pskow  (t  1138).  Man  zeigt  auch  ein  Schwert  Wsewolod's 
mit  der  Inschrift:  „Honorem  meum  nemlni  dabo**.  —  Am  zweiten  Pfeiler 
rechts  vom  Ikonostas  befindet  sich  das  Orueißx  der  h.  Olga.  Die  bren- 
nende Lamt»e  davor  ist  ein  Oesehenk  des  Orofisfürsten  Constamtln  Kiko- 
l^ewitsch.  Das  Orahmal  des  h.  Dowmonty  von  SichenhoU,  ist  in  einer 
Kapelle  zur  Bechten  der  Bilderwand.  Sein  Sehwert  hängt  in  der  ITähe 
des  Grabmals.  Die  Bürger  von  Pskow  hielten  dasselbe  in  hoher  Ver- 
ehrung, alle  ihre  Fürsten  wurden  bei  der  Krönung  in  der  Kathedrale 
damit  bewehrt.  —  Seitwärts  von  dem  Grabmal  Dowmont's  befindet  sich 
das  des  h.  Nikolaus  Salos  (S.  86).  —  In  der  Sakristei  der  Kathedrale  einige 
kirchl.  Alterthümer,  alte  Stadtsiegel  und  Münzen  der  Stadt  Pskow. 

Ton  den  übrigen  Kitchen  erweckt  keine  ein  hervorragendes 
Interesse.  Die  kleine  Kapelle  am  Markte  wurde  zum  Gedächtniss 
der  während  des  Aufstandes  1650  gefallenen  Opfer  errichtet. 

Von  den  alterthümlichen  Häusern  der  Stadt  verdienen  be- 
sondere Erwähnung  das  Gebäude  der  Intendantur -Verwaltung, 
ehemals  den  Pogankin,  einer  nun  erloschenen  reichen ,  gefürsteten 
Kaufmannsfamilie,  gehörig,  und  das  Trubinsky-Haus  in  altrus- 
sischem Stil,  1856  theilweise  durch  Feuer  zerstört.  Von  neueren 
Bauten  sind  besonders  das  grossartige  Oouvemementsgebäude  und 
das  palastartige  Priesteraeminar  hervorzuheben. 


88    BouttlO.  LUOA. 

5  km  an  der  Welikaja  aufwärts  liegt  das  Dorf  W]pbutika  (Bh- 

öyrcKafl),  der  Geburtsort  der  h.  Olga. 

Olga,  ein  einfaches  Bauermadehen,  wurde  vom  Grossfiirsten  Igor 
▼on  Kiew,  der  sie  auf  einem  Jagdausfluge  kennen  gelernt  hatte,  zu  seiner 
Gemahlin  erhoben.  Als  Igor  945  im  Kampfe  gegen  die  Drewlier  gefallen 
war,  führte  Olga,  eine  Frau  von  hoher  geistiger  Begabung,  bis  955  die 
Regierung  für  ihren  minderjährigen  Sohn  Swjätoslaw,  Hess  sieh  dann 
in  Konstantinopel  ^om  Patriarehen  Theophylaktes  taufen,  wobei  sie  den 
Namen  Helena  erhielt,  und  wurde  naeh  ihrem  Tode  (969)  heilig  ge- 
sprochen.   Die  russische  Kirche  feiert  ihr  Gedächtniss  am  11.  Juli. 

Hinter  Pskow  folgen  die  unbedeutenden  Stat.  Toroichino,  No^ 
woaselje  und  (644  W.)  BJelaJa  (BtMii ;  Restaurant)  weiter  Pliissa, 
Sserehranha  und  (708  W.)  Loga  (Jyra;  ^Restaurant,  20  Min.  Auf- 
enthalt), Kreisstadt  des  Gouvernements  St.  Petersburg  mit  1550  £inw» 
Dann  über  Preohra$hensk ,  Mschiruk,  Diwenak  (Büffet),  Ssiwerak 
(Dorf  Neu-  und  Alt-Saiwersk  liegen  r.  von  der  Bahn  am  Flüsschen 
Ordesch,  das  in  den  Luga  fliesst)  und  Ssuida  nach  Gatachina. 

Auf  der  ganzen  Strecke  von  Dünaburg  bis  Gatschina  bleibt  dl» 
Bahnlinie  in  der  Nähe  der  grossen  Wilna-St.  Petersburger  Chaussee^ 
welche  durch  Moräste  und  dichte  Waldungen  angelegt  wurde,  eines 
der  grössten  Strassenwerke  Russlands.  Die  Dörfer  im  St.  Peters- 
burger Gouvernement  haben  meist  ein  freundliches  und  wohlhaben- 
des Aussehen ;  die  Bauernhäuser  sind  meist  gelb  angestrichen ,  mit 
dunkelrothen  Dächern  und  grünen  Fensterläden.  —  Vielfach  findet 
man  in  den  Dörfern  Bewohner  finnischen  Stammes.  Einige  von 
ihnen  nennen  sich  Tschuchny's;  sie  sind  erkennbar  an  ihrer  hohen 
ledernen  pelzgefütterten  Kopfbedeckung,  die  sie  besonders  im 
Winter  tragen ;  auch  Karelier  haben  sich  hier  angesiedelt. 

Kurz  bevor  wir  in  den  Bahnhof  von  Gatschina,  am  Südostende 
der  Stadt,  einfahren,  schneiden  wir  die  Baltische  Bahn,  welche  einen 
Bahnhof  auf  der  Westseite  der  Stadt  hat.  Eine  Zweigbahn  führt  von 
Gatschina  nach  (48  W.)  Tossna,  Station  der  Nikolai-  (St.  Petersburg- 
Moskauer)  Bahn  (S.  248;  Fahrzeit  c.  IV4  St.). 

795  W.  Chtttehina  (FariHHa;  s.  S.  187),  Knotenpunkt  der  Bahn 
nach  Reval  (S.  69).  Restauration,  6-10  Min.  Aufenthalt.  —  816  W. 
Alcxandrowakaja,  Nachdem  die  Bahn  dann  einen  grossen  Bogen 
beschrieben,  steigt  1.  ein  entfernter  Höhenzug  auf,  welcher  am  Fin- 
nischen Meerbusen  gegen  St.  Petersburg  verläuft  und  auf  dessen 
einer  Kuppe  die  kaiserliche  Sternwarte  Pulkowa  liegt  (S.  188).  L. 
und  r.  einige  reinlich  aussehende  Ortschaften  (Pulkowa-  und  Niko- 
laus-Colonie),  Niederlassungen  deutscher  Golonisten.  —  Bald  sehen 
wir  das  goldene  spitze  Dach  des  Admiralitätsthurmes ;  r.  und  1. 
mehren  sich  die  Geleise,  endlich  halten  wir  im  weiten  Warschauer 
Bahnhofe. 

836  W.  (886  km)  St.  Petersburg,  s.  S.  91. 


G««^i^3ulmsfa3t^«Tr 


f 


89 


Erklärung  der  Zahlen  zum  Plan  von  St.  Petersburg. 


1.  Admiralität.,neue  D  6 


41. 


2.      „    ,  Haupt- 
4.  Adressen-Bureau 


5. 
6. 

7. 


9. 
10. 

11. 

12. 


D6 


04 


16. 
17. 
18. 


Akademien* 
Geistliche .  .  . 

n ,  Röm.-kath. 
Generaist.  (Ni- 
kolaus-) .... 
8.  Juri8tisehe(  Mi- 
litär-)   E6 

„  d.  Künste  .  D  5 
Hediziniscli  • 
Chirurg G3 

„  d.  Wissen- 
schaften . . . . D5 

„  „  (Museum 

&Bibl.)  .  .  .  .  E5 

13.  Armenhaus 
(Stadt.) D7 

14.  Arsenal,  Altes   .  G4 

15.  „  ,  Neues Artlll.  H3 
15a  Artillerie -De- 
partement .... 

Bahahttfe. 
Finnland!- 

seher H3 

Nikolai-  (Mos- 
kauer)   H6 

Peterhof  (Bal- 
tischer)  .  .  .  .  E8 

19.  Zarskoje - 
Sselo F7 

20.  Warschauer    .  E8 

21.  Bankfkaiserliche  F6 

22.  Bibliothek,  kais.  G5 

23.  Börse £5 

24.  Botaniseher  Gar 
ten  (Orangerie).  F2 

Benkmftler. 
2d.  Alexander  I.    .  F5 

26.  Katharina  II.  .  G6 

27.  Kutusow&Bar 
clay  de  ToUy  .  F5 

28.  Krylow   .  .  .  .  G4 

29.  Nikolaus  I.  .  .  £6 

30.  Peter  I £5 

31.  PeferX Gö 

32.,  Runganzow.  .  D5 

33.  Ssuworow.  .  EF4 

34.  Triumphpforte, 

Moskauer :  F9 

35.  „  Narwa'sche  D9 

36.  Eremitage  ....  FS 

37.  Findelhaus    .  .  .  F6 

38.  Gasfabrik  .  .  .  .  F8 

39.  Gefängniss    (Li- 
tauisch. Sehlofls)  D  6 

40.  General  -  Gouv.  .  E  5} 


4& 
46. 


£6 
£6 


Gerichtshof  d. 
£5  Mint.  Bez. 

£7  42.      „    d.  Marine 

(Petersbg.Hafen)  E6 

17  43#  Glasfabrik,  kais.  K7 

rki44.  Gouvernement  .  E6 

„    (Civil-)    .  D67 

Gostinny  -  Dwor 

(Bazar)    ....   FÖ6 

OeaeUaohaften. 
47,  Frei -Ökono- 
misehe   .  .  , 
Menschen- 
freundliche , 
Wohlthätige 

Hauptstab  .  .  . 

Holland,  Neu-   . 

Intendantur  - 

Verwalt.  (milit.) 

Institute. 
Inst,  der  Berg- 
ingenieure, 
Museum  .... 

Forst- Gl 

Historisch  - 
philologisches   £5 
66.  Chirur^sches .  F2 


48. 
49. 


50. 
51. 
52. 


53. 


54. 
65. 


.  F7 

.  G5 
.  ]>6 
EF5I 
.  D6 

£6 


C6 


67.  Katharina-  .  .  G5 

58  Marien  - 

(weibl.)     ...    14 

Patriotisches  .  D5 

Pawlowsky-    .  H5 

Prinz     Olden- 

bnrg £  3 

62.  Technologi- 
sches     F7 

Thierärzt- 

liches G3 

Wegeverbin- 
dungen   .  .  .  .  F6 

Xaaernen. 
Araktsche- 
jewsche  ....  14 
Artill.  (I.Brig.)  Gö 
Ataman-Eegt.  HI7 
Chevalier  - 

Garde H4 

Finnländ.Begt.  C6 
Gatschinsky- 
sches-Regt.  .  .  F7 
Gendarmerie  - 

Div H5 

Ismailow-Eegt.  £7 
Kasaken 

(Garde-Eelter)  17 
Konvoi  ....  H4 
Krlm-Tataren 
Eskadron  ...   17 


59. 
60. 
61. 


63. 
6). 


65. 

66. 
67. 
68. 

69. 
70. 

71. 

73. 
74. 

75. 
76. 


77.  Lokal-Truppen 

78.  Marine  L   .  .  .  B6 

79.  „    n.  ....  D7 

80.  Invaliden  ...El 

81.  Moskau -Eegt. 
(Garde)  .  .  .  .  G2 

82.  Pawlowsky- 
sches  Eegt.  .  .  F5 

83.  Preobrashen- 

skysches 
Eegt.  I.  .  H5 

84.  „       ,    n.  .  F5 

85.  I.   Eeit.    Art. 
Brig.  (Garde)  .  E7 

86.  Sapeur- Ba- 
taillon (Leib- 
Garde)    .  .  .  .  H4 

87.  Ssemenowsky- 
sches-Eegt.  .  .  F7 

Kathedralen. 

88.  Alezander 
Newsky  ....    17 

89.  Andreas-  .  .  .  D5 

90.  Erlöser  (Preo- 
brashensky).  .  G5 

91.  Kasansche .  .  .  F5 

92.  Isaaks-   .  .  .  .  E5 

93.  Nikolaus-  ...  £7 

94.  Petropawlow- 
sky- F4 

95.  Spiridon-  ...  £5 

96.  Troizky-    .  .  .  F4 

Kirchen. 

97.  Armenische  .  .  F5 

98.  Auferstehung 
Chr ,  D7 

99.  Englische  .  .  .  D6 

100.  Erlöser  ....  BS 

101.  Finnländische  F5 

102.  Griechische 
(Dmitry-K.)    .  H5 

103.  Himmelfahrt^   £6 

104.  Holländische     F5 

105.  Katharinen      D78 

105a  Grossmär- 
tyrerin Ka- 
tharina  ....  D  4 

106.  Katholische    .  D7 

107.  Kath.  Katha- 
rinen     F6 

108.  Lutherische 

109.  „  h.  Anna    . 

110.  „  h.  Katha- 

rina   .  .  . 

111.  „  Peter  & 

Paul    .  . 

112.  Maria  Ver- 
kündigung . 


.  P6 
G.4 

.  F5 
.  D6 


90 

113.  Methodisten 
CAmerikan.)  .  E6 

114.  17ikolaus  .  .  .  G6 

„     H4 

115.  Panteleimon    Gö 

116.  Reformirte 

(franz.)  .  .  F5 

117.  ,  (deutseh).  E6 

118.  Sehwedisehe.  F5 

119.  Ssmolensk. 
Matter  Gottes  B4 

120.  Ssergius  .  .  .  G4 

121.  Ssimeon  .  .  .  G5 

122.  Troizkaja   .  .  B6 

123.  Wladimir. 
Mutter  Gottes  Q6 

124.  Fürst  Wladi- 
mir   E4 

Slöit«r. 

125.  Alezander 
Newsky   ...    17 

126.  Ssmolny  .  .   IK4 

127.  Kollegium, 

rom.  kath.  .  .  .  E7 

128.  Kommandantur  G5 

129.  Konsistorium 
(geistl.  recht- 
glaub.) 16 

130.  Kontrolle,  kais.  £6 

KrankenhAnaer. 

131.  Alexander-  ,  GS 

132.  Augen-.  .  .  .  G5 

133.  d.  deutseh. 
Gesellseh.  .  .   14 

134.  Evangelisch.    G4 

135.  Entbindungs-  D7 

136.  Kalinkin-   .  CD7 

137.  Kinder - 
(städt.)  .  .  .  .  E7 

138.  Klinik  .  .  .  .  G3 

139.  Marien-   .  .  .  G5 

140.  Maria  Magda- 
lena     D4 

141.  Maximilians-  E6 

142.  Kikolaus(Gei- 
steskranke)  .  D6 

143.  Obuchow-  .  .  F7 

144.  Heil.  Olga-    .   14 

145.  Petropaw- 
lowskysches  .  F2 

146.  Städtisches    .  K4 

147.  Manage  d. 

Garde-Beit. 
Artillerie  .  .  H5 

148.  „.Chevalier- 

Garde  ....  H4 

149.  „  Garde-Beit..  E5 

150.  „  Michael-    .  .  GS 

151.  Markt  Alexan- 

drowsky   .  .  H6 

152.  „  Andrejew-  { 

sky D5 


ST.  PETERSBURG. 

153.  Markt  Apraxin.  F6 
1Ö4.    „  Krugly    .  .  .  FÖ 

155.  „  Litowsky  .  DE6 

156.  „  Mjasnoi 

(Jamskoi).  Gd7 

157.  „  Nikolsky  .  .  B7 

158.  „  Pustoj  .  .  .  .  H5 

159.  „  Schuklm 

(Marien-)  .  .  F6 

160.  „  Sj&nnaja 

(Heumarkt).  F6 

161.  Ministerium  d. 

Auswärtigen  F5 

162.  „  d.  kais.  Do- 

mänen .  .  »  E6 
168.  K  d.  Finanzen.  F5 
164.  „  d.  Innern  .  .  F6 
166.    „  d.  Justiz  .  .  G5 

166.  ft  d.  Krieges   .  E5 

167.  ,,  d.  Unter- 

richts . . . . F6 

168.  „  d.  Wegever- 

bindungen  .  E7 

169.  Münze F4 

170.  Museum 
(Artillerie).  .  EF4 

171.  Pageneorps    .  .  F6 

Pauste. 

172.  Anitsohkow  .  G6 

173.  Helena  Paw- 
lowna    .  .  .  .  F5 

174.  Jelaginsky  .  .  Cl 

175.  Kamenno- 
Ostrow  ....El 

176.  KatharinenhofC8 

177.  Konstantin- 
Nikolaje- 

.  witsch  (Mar- 
mor)   F4 

178.  Maria  Kikola- 
jewna    ....  £6 

179.  Michael- 
(alter)   .  .  .  .  G5 

180.  Michael, 
(neuer)  ....  F  5 

18t.  Michael  mko- 
laje witsch  .  F45 

182.  Nikolaus  Ni- 
kolajewitsehD£6 

183.  Peter  d.  Gr. 

(Haus)    .  .  F4 

184.  „  (Schlöss- 

chen) .  .  .  G4 

185.  „  (in  Pe- 

trowsk)  .  .  B3 

186.  Taurisch^r.  HI4 

187.  Winter-   .  .  EF5 
183.  Wladimir 

Alexandro- 
witsch   ....  F5 

189.  Postamt 
(Haupt-)  ....  £6 

190.  Post  (Filiale)  .  H5 


Schulen. 

191.  Alexan- 
drowsky 
(k.  Lyceum) .  F3 

192.  Art.  Techni- 
sche    G4 

193.  Baumeister   .  F7 

194.  Bereiter  .  .  .  G5 

195.  I.  u.  II.  Milit. 
Gymnasium  .  D3 

193.  I.  Gymnas.    G67 

197.  II.      „      .  .  .  F6 

198.  III.    -      .  .  .  G5 

199.  IV.    ^    (La- 
rinsky) ....  D  5 

200.  Handels-.  .  .  G6 

201.  Junker-   .  .  .  D3 

202.  Konstantin 
(MiUtär)  .  .  .  F7 

203.  Marine-   .  .  .  D5 

204.  Michael- 
Artillerie    .  G34 

205.  Nlkolaus-Ka- 
vallerie    .  .  .  E8 

206.  Pawlowsky 
(Militär)  ...  £5 

207.  Bechts-    .  .  .  G4 
t?08.  Seminar(geistl.)  17 

209.  Senat E5 

210.  Stab  d.  Petersb. 
Militärbezirks  .  F5 

211.  Stadthaus 
(Duma) F  5 

212.  Synod,  heil.  .  .  £5 

213.  Telegraph 
(Hauptstat.)  .  .  E6 

Theater. 

214.  Alexandra.  .  G6 

215.  Kleines    .  .  .  F6 

217.  Cirkus  .  .  .  ,  G  5 

218.  Eremitage-    .  F5 

219.  Grosses    ...  £6 

220.  Kamenno-Os- 
trow Dl 

221.  Marien-    ...  £6 

222.  Michael-  .  .  .  F5 

223.  Theatersehule  .  G6 

224.  Universität    .  .  £5 

225.  Viehhof    .  .  .  .  F8 

226.  Waisenhaus 

Alex.  Nikola- 
^jewitsch  ...  £8 

227.  „  Ismailowsky- 

sches £7 

228.  „  Prinz   Olden- 
bürg £8 

229.  Wasserlei- 
tungsthurm    .  .    14 

230.  Werft K45 

231.  Zollamt,  altes  £45 

232.  Zollhof 16 


III.   ST.  PETERSBURÖ  UND  UMGEBüMEN. 


Boute  Seite 

11.  St.  Petersburg 91 

Bahnhöfe.  Guthöfe.  Restaurant»  91.  —  Droschken 
93.  —  Pferdebahnlinien  94.  —  Post  und  Telegraph 
96.  —  Konsulate  96.  '—  Besuehsordnnng  der  SaMun- 
'  lungen  ete.  98.  —  Tageseintheilung  100.  —  a.  Admi- 
ralitiit.  Westlicher  Admiralitätstheil  106.  ^  b.  Oest- 
lieher  Admiralitätstheil  113.  —  e.  Efemitage  123.  — 
d.  Kewski  -  Prospect  154.  —  e.  Spass^scher  und  Ka- 
san'scher  Theil  160.  —  f.  Liteinaja-  und  Koskauer 
Theil  162.  —  g.  Kolomenskaja-  und  Narwa-Theil  164. 
—  h.  Roshdestwenfrkaj«-  und  Alexander-Newsky-Theil 
166.  —  i.  Wassily-Ostrow  168.  —  k.  Die  Festungs- 
Insel  und  der  Petersburger  Theil  174.  —  1.  Die  Inseln. 
Staraja  und  JTowaja  Derewnja.  Der  Wyborg'sche  und 
Oehta'sche  Theil  176. 

12.  UmgebHngen  von  St.  Petersburg  .     .     .     .     .     .     .  179 

1.  Kronstadt  179.  —  2.  Oranienbaum  181.  —  3.  Peter- 
hof 181.  —  4.  Skrelna  und  Ssergiew .  Kloster  185.  — 
5.  Krassnoje-Sselo  und  Gatschlna  186.  —  6.  Tscbesma. 
Pulkowa  188.  —  7.  Zarskoje-Saelo.  Pawlowsk  188.  — 
8.  Schlüsselburg.  Der  Ladoga-See  195.  —  9.  Parga- 
lowo.    Forstinstitut.    Tokssowo  197. 


11.   8t.  Petersburg. 


Ankunft.  Am  Landeplatz  der  Dämpfboote,  sowie  an  den  Bahnhöfen 
stehen  die  Wagen  der  besseren  Hotels  bereit.  Die  Gonducteure  spr€|<chen 
meist  deutsch  und  übernehmen  auch  die  Besorgung  des  Qepäeks.  Über 
Abfahrt  und  Ankunft  der  Eisenbahnen  und  Dampfschiffe  orientirt  man 
sich  bei  dem  häufigen  Wechsel  der  Fahrzeiten  am  besten  in  einem  der 
kleinen  JSpuinik  (GnyTHKK'b,  Führer)  ivl  10*15  Kop. 

Bahnhöfe.    St.  Petersburg  hat  5  Bahnhöfe : 

1.  Baltischer  Bahnhof  (auch  Peterhof  scher  genannt,  PI.  16,  E  8) 
auf  dem  südl.  Ufer  des  neuen  IJmfassungsgrabens  (Xowo  Ofowodny-Kanal)) 
für  {Reval,  Baltischport,  Dorpat  (s.  B.  9),  sowie  für  Peterhof  und  Oranien- 
bäum  (s.  R.  13,  S.  181),  für  Krassnoje-Sselo,  Gatschina  (8.  186,  187)  und 
weiter  nach  Tossna  (s.  R.  10,  S.  88). 

2.  Warschauer  Bahnhof  (PI.  20,  E 8),  in  der  Verlängerung  des  Is* 
mailowsky-Prospects,  neben  dem  Baltischen  Bahnhof,  für  Warschau  (Riga, 
Libau)  und  Deutsehland  s.  S.  1  und  85). 

3.  Zarsko-Sselo*scher  Bahnhof  (P1.19,  F7),  am  Sagorodny« 
Prospect,  für  die  Bahn  St.  Petersburg^Zarskoje-Sselo-Pawlowsk  (s.  S.  188). 

4.  ITikolai-Bahnhof  (PI.  17,  H6)  am  Snamensky-Platz,  Newsky- 
Prospect,  für  Nowgorod,  Ryblnsk,  Twer,  Rshew  und  Moskau. 

5.  Wiborger  oder  Finnländischer  Bahnhof  (PL  16,  H  3)  auf 
der  Wiborger  Seite  nahe  der  Aleicander-Brücke ,  für  Wiborg ,  Helsingfors, 
Hangö,  Abo  und  Tammerfors. 

Oail^öfe  (vgl.  Einl.  S.  xxiv):  »Hot.  de  TEurope,  im  Centrum  der 
Stadt,  Ecke  des  Ifewsky-Prospects  und  der  Michaelstr.  (PI.  F5),  I.  Ranges, 
mit  entsprechenden  Preisen,  M.  I1/2  R-  Lesezimmer  mit  vielen  Zeitungen. 
*H6t.  de  France,  Bolsehaja  Horskaia-Str.  6  und  Moika-Quai  51,  gute 
Küche.  *Belleyue,  gegenüber  von  dem  Hot.  de  France.  GrandHötel, 
Halaja  Morskaja-Str.  1»,  wird  gelobt.    »Gr.  Hot.   de  Paris,  in  der- 


92    Route  11.  ST.  PETERSBURG.  Restaurant», 

selben  Strasse  vP  23,  viel  von  Franzosen  besucht.  *Hdt.  d^Angleterre, 
Wosnessensky-Prospectr  gegenfibtr  der  Isaalcskathedrale ,  nicAi  theuer, 
z.  Th.  deutsche  Bedienung,  Z.  I1/2  B.,  F.  40  Kop.,  H.  von  1  B.  an.  Hotel 
de  l*Ours,  Newsky-Prospeet.  Hdt.  Dagmar,  Bolschaja  Ssadowiga- 
Str.  nahe  dem  Newsky - Prospeet ,  nicht  theuer,  wird  gelobt.  Hot.  de 
Bus  sie,  Moika-Quai  bei  der  Bothen  Brücke  (Krassny  Most,  PI.  F6}, 
nicht  theuer.  Hotel  Kaiser,  auf  Wassily  O  trow.  deutsch.  Gr.-Höt. 
du  Kord,  am  Nikolaibahnhof.  —  Ganz  russische  Hotels  sind :  Moskwa, 
Balabin  u.  a. 

OhambrM  farniea  (sog.  Nummern^  vgl.  Einl.  S.  xxiv)  findet  man  in 
St.  Petersburg  in  grosser  Anzahl,  die  billigsten  6-10  B.,  elegantere  bis  zu 
100  B.  monatlich.  Die  besten  auf  dem  Newsky-Prospect  (Haus  des  Fürtien 
Mj€»ehUchersk^j  Longiinn»  in  der  Nähe  der  Passage,  Gtaiun<n»  Nr.  60  gegen- 
über  dem  Anitsehkow -Palais,  JT.  Oonet  Nr.  i4,  Haus  LichaUeheff  bei  der 
Anitsehkow-Brüeke). 

Beatanrants  (vgl.  S.  xxv).  Die  Petersburger  Bestaurants  sind  meist 
in  den  Händen  von  Franzosen  oder  Deutsehen  und  entbehren  ganz  der  natio* 
nalen  Eigenthümlichkeiten,  welche  die  Moskauer  sog.  Traktirs  (TpaKTHpi, 
s.  Einl.  8.  xxv)  auszeichnen.  Die  meisten  werden  morgens  erst  um 
8-81/2  Uhr  geöffnet.  Die  namhaftesten  sind :  Cubat^  Poncet  und  P i - 
vato  (ital.  Küche)  in  der  Bolschaja  Morskaja,  sehr  gut  aber  sehr  theuer ; 
Benault  im  Hot.  de  France.  —  Auf  dem  Newsky - Prospect :  Bestaur. 
Tatare  Nr.  3,  theuer.  II.  Banges:  *Le inner,  bei  der  Polizeibrücke, 
nicht  theuer,  deutsche  Bedienung ;  daneben  Lejeune,  Aussieht  auf  den 
Newsky- Prosp. ;  Dominique,  gegenüber  der  Kasanschen  Kathedrale, 
besuchtes  Frühstückslocal ;  ^Mildbrett,  Kirpitschny Pereulok ,  unweit 
der  Moika ;  Solowiew,  kl.  Stallhofstrasse ;  D o n 0 n ,  an  der  Moika,  un- 
weit der  Sängerbrücke,  gut  aber  theuer.  Von  kleineren  deutschen 
Bestaurants  sind  zu  empfehlen:  Spangenberg,  Bolschaja  Morskaja, 
Haus  Thur  \  S  i  e  b  e  r  t ,  Kasanskaja,  gegenüber  Stolärny-Pereulok ;  Wild, 
in  der  Ssadowaja,  am  Newsky-Prospect. 

Die  einzigen  kussischbk  Speisbhausbr  (Traktirs),  in  denen  bessere 
Gesellschaft  verkehrt,  sind:  Maly  Jarosiawea,  neben  Hdt.  de  France; 
Palkin  senior.  Ecke  des  Newsky- und Wladiinirsky-Prospects,  präch- 
tig eingerichtet,  mit  zwei  grossen  russischen  Orgeln. 

Oonditoreien.  Auf  dem  Newsky-Prospect:  Bormann  und  Conrad! 
an  der  Pölizeibrücke^  Babon  an  der  Kasanschen  Brücke ;  Ballet,  Ecke 
der  Malaja  Ssadowaja-Str.  (gute  Ghocolade)^  Wickel,  gegenüber  der 
Anitsehkow-Brücke  (Kuchen  und  Torten).  Kotschkurow,  Ecke  der 
Bolschaja  Italianskaja-Str.  und  des  Michaelplatzes,  bestes  Gonfect.  B  errin, 
Malaja  Morskt^a-Str.  (Eis). 

vereine  nna  Klnbe.  Um  sieh  für  den  Mangel  öffentlicher  Vergnügungs- 
lokale  schadlos  su  halten,  haben  die  Petersburger  eine  Menge  Klubs  er- 
riehtet,  die  nach  der  Zahl  und  dem  Bange  ihrer  Mitglieder  in  grösserem 
oder  geringeren  Ansehen  stehn  (s.  S.  xxvi). 

1.  Der  Englische  Klub  (AnrnftcxiA  njryfo) ,  Grosse  Italjanakaja 
n^.  13,  gegründet  1770  durch  einen  englischen  Kaufmann  Gardener  mit 
Autorisation  der  Kaiserin  Katharina  II.  Klub  der  Aristokratie,  der  hohen 
Beamten  u.  s.  w. ;  französische  Sprache  vorherrschend.  Einführung  von 
Gästen  gestattet.    Gute  Diners. 

2.  Der  Bürgerklub  (Bioprepi  K4.),  im  Demidow-Pereulok,  auch 
Sehuster-Klub  nach  seinem  Gründer  (1772)  genannt:  Vereinigungsort  der 
Deutschen ,  gute ,  nicht  theure  Küche ,  vorzügliche  Weine ;  deutsehe  Zei- 
tungen und  Zeitschriften.    Nur  für  Herren. 

3.  Der  Tanz -Kl üb  (I  Gr.  Her.  oÖoiecTBeHHoe  coCpanie),  an  der  Blauen 
Brücke,  Haus  Jakuntschikow ,  von  den  Deutsehen  1789  organlsirt;  im 
Winter  Bälle,  im  Sommer  gesellige  Zusammenkünfte  in  einem  hübschen 
Garten  auf  Kamenny-Ostrow.  Dreimal  in  der  Woche  Concert;  Abends 
ist  der  Garten  lUuminirt.    Der  Klub  verfolgt  auch  Wohlthätigkeitszwecke. 

4.  Der  Commerz-Klub  (KoMxep^ecuJi  u.),  am  Englischen  Quai, 
zwischen  der  Englischen  Kirche  und  der  Nikolaus-Brücke,  1785  gegründet, 
Sammelplatz  der  reichen  Kaufleute :  häufig  Bälle,  vorzügliche  Diners  und 


Droschken.  8T.  PETERSBURG.  11,  Route,      93 

Table  d*hdte  an  Börsen^Tagen  (Di.  7r.).  Eingeführte  Fremde  können  gegen 
einen  Beitrag  von  15  R.  für  die  ganze  Zeit  ihres  Aufenthalts  in  St.  Peters- 
burg alle  Vergnügungen  des  Klubs  mitmachen.  Deutsehe,  englische  und 
französische  Zeitungen  im  Lesezimmer.    Hohe  Preise. 

5.  Der  Adels^Klub  (^BopaHCRoe  coöpanie),  in  der  Michailowskaja: 
1836  gegründet.  Ebendaselbst  der  landvfirihschafilicheKlvh.  —  6.  Die  Adels- 
geseilschaft  (BJKaropoffHoe  coGpanie),  am  I^ewsky - Prospect ,  Haus 
Jelissejew,  1783  gegründet  vom  Fürsten  Dolgomky.  —  7.  Der  Klub  der 
russischen  Kaufleute  (Kyne^zecKifi  KiyOi)  am  Kewsky-Prospect,  nahe 
der  Kasan-Brücke,  Haus  Olehin.  Hohe  Preise.  —  8.  Der  Yachtklub 
(MopCRoft  Amiury&b},  an  der  Gr.  Horskaja,  Haus  Labanow.  —  9.  Der 
Fluss-Yaehtklub  (Ps^noft  flxri  rji.)  hat  seine  Winterstation  im  Jussu- 
powo  Garten  (8.  161),  seine  Sommerstation  auf  der  Krestowsky  -  Insel 
(8.  177).  Der  Klub  besitzt  150  Tackten,  Boote,  etc.  Im  Juli  Regatten.  — 
Ausserdem  exlstirt  ein  Dentseh«r>Handwerker-Klub,  „die  Palme% 
der  aber  die  veraehiedensten  Stünde  umfasst,  in  der  Maximilianowskaja 
n°  30  (im  Sommer  in  der  Bavaria,  8.  177);  ein  Commis-Klub,  am 
Wladimir-Prospect,  etc. 

DvMokken  (vgl.  S.  xx).  In  8t  Petersburg  glebt  es  ungefähr  25,000 
öffentliöhe  Fuhrwerke  iltw&$ehuehik^  HsBon^mca,  was  der  Name  sowohl  für 
das  Gefährt  wie  für  den  Kutscher  ist).  Allerdings  ist  in  St.  Petersburg 
das  Fahren  nicht  Sache  de«  Vergnügens  und  des  Luxus  allein ,  sondern 
bedingt  durch  die  ausserordentlichen  Entfernungen ;  selbst  die  vom  Markte 
heimkehrenden  Dienstboten,  die  zur  Arbeit  ausgeschickten  Handwerks- 
gesellen sind  zur  Benutzung  von  Fuhrwerken  gezwungen.  Wie  aleo  viel« 
leicht  nirgends  so  viel  gefi^en  wird  wie  in  St.  Petersburg,  so  wird  auch 
gewiss  in  wenig  anderen  Städten  so  schnell  gefahren.  —  Die  Petersburger 
Droschki^s  haben  trapezoidale  Sitze  und  nur  für  knapp  3  Personen 
Baum,  in  der  Regel  auch  kein  Verdeck  zum  Aufschlagen  bei  Regen- 
wetter. Daneben  giebt  es  aber  auch  kleine  Kutschen  und  Kaleschen 
nach  Art  der  Moskauer,  bequemer  und  bei  schlechtem  Wetter  Schutz  ge- 
während, sowie  zwei-  und  viersitzige  Zweispänner.  Die  eigentlich  na- 
tionale Troika  (Dreigespann,  TpoftKa;  der  Kutscher  helsst  Jäm$chUchik^ 
Sban^vh)  findet  man  besonders  im  Winter,  wo  alles  auf  Schlitten  fahrt: 
das  Mittelpferd,  ein  kräftiges  Thier,  lauft  In  der  Gabel  und  dem 
Bügel,  die  beiden  Aussenläufer,  mittelst  des  verkürzten  äusseren  Zügels 
scharf  ausgebunden,  dagegen  in  der  Wildbahn  und  galopplren  fortwährend 
rechts  und  links,  während  das  Mittelpferd  nie  aus  dem  schärfsten  Trabe 
fallen  darf. 

Eine  obrigkeitliche  Taxe  für  die  Benutzung  der  öffentlichen  Fuhr- 
werke vom  Bahnhof  in  die  Stadt  ist  zwar  an  den  Bahnhöfen  angeschlagen, 
wird  aber  selten  eingehalten  \  für  Fahrten  in  der  Stadt  existirl  eine  Taxe 
zur  Zeit  nicht,  so  oft  sie  auch  in  Aussicht  gestellt  wurde.  Eine  Ver- 
ständigung mit  den  Iswoschtschiks ,  die  durchweg  nur  russisch  sprechen, 
ist  trotzdem  nicht  schwierig  (s.  S.  xx).  In  der  Regel  erhält  eine  ein- 
tiizige  Petersburger  Droschke  für  eine  kurze  Fahrt  in  der  Stadt  20^30  Kop. 
Beisende,  welche  viel  Gepäck  haben  und  sich  nicht  der  Hotelwagen  be- 
dienen wollen,  accordiren  am  besten  mit  dem  Iswoschtschik  einer  vier- 
sitzigen  Equipage  oder  überlassen  noch  besser  die  Bezahlung  dem  Por- 
tier des  Hotels.  Moskauer  Kutschen  und  Kaleschen  sind  theuerj  pro  Tag 
zahlt  man  für  sie  nach  Uebereinkommen  21/2-3  und  mehr  R.  Für  längere 
Fahrten  in  der  Stadt,  wie  für  Excursionen  kann  man  zweispännige  Equi- 
pagen in  der  Stadt  erhalten  (c.  10  B.  pro  Tag).  Vom  Standplatz  eenom- 
mene  Zweispänner  fordern  für  eine  Fahrt  diesseit  der  Kewa  l-iVsR«> 
jenseit  der  Kewa  II/3-2  B.,  zu  den  Inseln  2-3  B.,  für  4-6  St.  3-5  B.,  für 
den  ganzen  Tag  6-10  B.,  für  die  Nacht  3-5  B.,  excl.  20-25  Kop.  Trinkeeid 
bei  längeren  Touren,  für  die  Woche  35-50B.  —  Die  Trotken^  gewohn- 
lich nur  an  Sonn-  und  Festtagen  an  bestimmten  Standorten  anzutreffen, 
•ind  erheblich  theurer  Qe  nach  Dauer  der  Fahrt  5-15  B.  und  Trinkgeld  für 
den  Jämsehtsehik).  —  Im  allgemeinen  sind  die  Preise  starken  Schwan- 
kungen unterworfen,  je  nach  der  Jahres-  und  Tageszeit  und  dem  Wetter, 
auch  steigt  der  Preis  an  Sonn-  und  Festtagen. 


94    Route  11.  ST.  PETERSBURG.  Tramways. 

Tr^mwayt*  Die  Stadt  ist  fast  naeh  allen  Richtungen  von  Tramway- 
Linien  durebsehnitten  und  mit  den  Inseln  und  der  Umgegend  verbunden. 
Die  Hauptlinien  sind  folgende  (vgl.  die  blauen  Zahlen  auf  dem  Plan  S.91.): 

I.  Vom  Snamenskff- Platz  (PL  H6)  über  den  Kewsky-  und  Sehlüssel- 
burg^schen  Prospeet  am  Alexander-Kewsky-Kloster  vorbei  nach  Muf^nka 
(Fl.  K8)i  Interieur  30,  Imperiale  12  Kop. 

9.  Vom  BaUisehen  Bahnhof  (PL  £8)  am  Warschauer  Bahnhof  vorbei 
über  den  Ismailowsky-  und  Obuchowsky-Prospect  zum  Sewnarkt  (PL  F6); 
6  u.  4  Kop. 

3.  Vom  Michaeltplatz  (PL  F5)  durch  die  Ingenieurstr. ,  Ssimeonow^ 
skaga,  Basseinaja,  Konnogwardejskaja  bis  zum  Smolnjf -Klo$t«r  (PL  K4s)( 
6  u.  4  Kop. 

4.  Vom  Bolichoi^Prosptet  auf  Wassily-Ostrow,  Erste  Linie  (PL  D  5)  bis 
zum  QaUerMhafen  (PL  B6);  6  u.  4  Kop. 

5.  Vom  NetPtkif '  Proipect  (PLH6)  über  die  Snamjenskaja<8tr.  und 
Wosskressensky-Prospect  bis  zum  Quai  Oagari»  (PI.  H  4) ;  6  u.  4  Kop. 

6.  Von  der  Miehaetstratte  (PL  F6)  über  die  Tlroizky- Brücke  bis  zum 
Zoologitchen  Garten  (PL  E4)-,  13  u.  8  Kop. 

7.  Vom  Kalasehnikov-Hinfen  (PL  16)  am  Ligowka  -  Kanal  entlaag  über 
die  Basjeskaja-8tr.  bis  zur  Ecke  der  Jioil^tnkaja  und  Kabinetttt^a-Str» 
(PL  G6);  6  u.  4  Kop. 

8.  Vom  Alexanderpark  (PL  £4)  bis  zum  Kreetowekp -Traitir  (PL  C^\ 
6  u.  4  Kop. 

9.  Von  der  Oehta'eehen  üeberfahrt  (PL  K4)  am  Ligowsky- Kanal  ent- 
lang bis  zur  Zarskoje'Sselo  •  Bt^n  (PL  G  7)  ^  6  u.  4  Kop. 

10.  Von  der  Wfborger  Seite  bei  der  Älexanderbrüeke  (PL  G4)  über  den 
Liteiny-,  Wladimirsky-  und  Sagorodny-Prospeet  bis  zum  Technolog.  Institut 
(PLP7)5  6  u.  4  Kop. 

II.  Vom  Villi4*$ehen  Honpital  (PL  G  3)  durch  den  Ssamssoniewsky-pro- 
spect  bis  zum  ForttinttUut  (Liäsnoj  Korpus);  8  u.  6  Kop. 

13.  Von  der  Narwa* sehen  Triumphpforte  (PL  CD 9)  über  den  Peterhofer 
und  Katharinenhofer  Prospeet  bis  zum  Nikolausplatz  (PL  £6, 7) ;  6  u.  4  Kop. 

13.  Von  der  AdmirnHUlt  (PL  E5)  den  Xewsky-Prospect  hinauf  bis  zur 
Nikolaihahn  (PL  HB);  ö  u.  3  Kop. 

14.  Von  der  Admiralität  (PL  £5)  über  den  Admiralitätsplatz,  Konno- 
Gwardejsky- Boulevard,  Ifikolaibrücke  bis  zum  Ifewa-Quai  auf  WastUy- 
Ostrow  (PL  D  5) :  5  u.  3  Kop. 

15.  ist  aufgenoben. 

16.  Von  der  Zarskoje -Sselo -Bahn  (P1.F7)  am  29'owo-Obwodny-Kanal 
entlang  bis  zur  Estlandskaja  (PL  G8);  6  u.  4  Kop. 

17.  Vom  Heumarkt  (Sjannaja  Ploschtschad,  Fl.  F6)  über  den  Obuchow- 
schen  und  Sabalkansky  -Prospeet  bis  zur  Moskauer  Triumphpforte  (PL  F9); 
6  u.  4  Kop. 

18.  Vom  Ädmiralitätsplais  (PL  £5)  über  die  Palaisbrücke,  Erste  Lini«, 
Tutschkowbrttcke,  Bolschoj -Prospeet  der  Petersburger  Seite  bis  zum  JTa* 
mennO'Ostrowsky- Prospeet  (PL  £3);  6  u.  4  Kop. 

19.  Von  der  Michaelstrasse  (PL  F  5)  beim  Harsfeld  vorbei  über  die 
Troizky-Brücke ,  Alexanderpark,  Kamenno-Ostrowsky-Prospect,  Stroga- 
nowbrücke  bis  Notoqja  Derevmja  (PL  £  1)  ^  13  u.  8  Kop. 

30.  Von  der  Finnland.  Bahn  (PL  H  3)  längs  der  Xewa  bis  zur  Ochtensky- 
Überfahrt  (PLK4)-,  6  u.  4  Kop. 

31.  Vom  Moskauer  Bahnhof  (PL  17 :  H6)  nach  dem  Sehlilsselburg-Prospekt 
(PLIK7);20u.  18  Kop. 

33.  Von  der  NartoßUchen  Triun^hpforte  (PL  CD 9)  bei  der  Putilow*schen 
Eisenfabrik  vorbei  bis  zum  Dorfe  Emilianowka%  6  u.  4  Kop. 

33.  Von  der  Estlandskaja -Str.  (PL  G7)  über  den  Rishsky-Prospeet  bis 
zum  Technolog.  Institut  (PL  F  7) ;  6  u.  4  Kop. 

34.  Vom  Newsky 'Prospeet  (PL  G5)  durch  die  Bolschoj a  Ssadowig«^  1>^ 
zur  NikolßjetfbrUcke  (PL  £  7) ;  5  u.  3  Kop. 

35.  Von)  SsmoUnsker  Friedhof  (PL  C4)  über  den  Maly-Prospect,  Erste 
Linie,  Palaisbrücke  bis  zum  Admiralitmplaiz  (PL  £5);  6  u.  4  Kop. 


Post  u,  Tütgraph.     ST.  PETERSBURG.  11,  Route.    Ö5 

26.  Vom  Simolentker  Friedhof  (PI.  G4)  über  die  8.  und  9.  Linie  bifl  zur 
NikQlaibrücke  (PI.  D5)^  6  u.  4Kop. 

37.  Von  der  KeUvtBtkaiß  (FL  1)3)  auf  der  Petersburger  Seite  über  die 
Sspasskaja-Str.  bis  zum  Grossen  Fro$peet  (PI.  B3,  4);  6  u.  4Kop. 

28.  Von  Nowßja  Derew^ja  (PI.  B 1)  bis  SUsrßjtt  Dtrtwns^  (PI.  0 1) ;  6  u.  4  K. 

29.  Von  der  BlagowjäsehUfihenikßitk'Kirehe  (PI.  6:  D4)  beim  Warsebauer 
Bahnhof  yorbei  zum  BoMzehtn  Bahnhof  (Pl.Ed}^  6  u.  4Kop. 

30.  Vom  MichatUplatt  (PI.  F5)  über  die  Troitzky-  und  Ssamstoniew- 
sky-Brüeke  auf  die  Wyborger  Seite,  beim  Villi^^sehen  Hospital  vorbei  bis 
zur  Finnland.  Bahn  (PL  H3);  12  u.  8Kop. 

81.  Von  ^ax  Stroganouibmeke  (PL  El)  längs  der  Tscbornaja  BJätscbka 
bis  zur  Station  Lanfioi;  6  u.  4  Eop. 

Die  Tramways  fahren  Ton  8  U.  Vm.  bis  10X7.  Ab.^  im  Sommer  und  an 
Feiertagen  auch  später.  Ausser  denselben  gehen  OmnUmt  in  fast  allen 
Strassen;  beide  werden  von  den  besseren  Ständen  wenig  benutzt. 

Sampfbeote*  Die  wichtigsten  regelmässigen  Dampfverbindungen  sind 
folgende : 

1.  Vom  linken  Newa-üfer  unterhalb  der  Nikolaibrüeke  zur  11.  Linie 
auf  Wassily-Ostrow;  2  Eop. 

2.  Vom  Senat  zur  1.  Linie  auf  Wassily  -  Ostrow ;  2  Eop. 

3.  Von  der  Palaisbrücke  zum  Mutnij-Pristan  (Zoolog,  darten);  2  Eop. 

4.  Von  der  Palaisbrücke  zur  Tutsehkow- Brücke;  5  Eop. 

5.  Von  der  Gagarinskaja  zum  Häusehen  Peter^s  des  Grossen  (Peters-« 
burger  Seite);  2  Eop. 

6.  Von  der  Finnländisehen  Bahn  im  Anschluss  an  Abgang  und  Ankunft 
der  Bahnzüge  zu  der  11.  Linie  Wassily-Ostrow :  20  Eop. ;  zum  Alexander- 
Garten,  Börse:  15 Eop. ;  zum  Sommergarten u.  Hoschkow-Pereulok :  10 Eop. 

7.  Vom  Sommergarten  aus  stündlieh  nach  der  Apothekerinsel  (S.  176), 
Tschornaja  Bjätschka,  l^owaja  Derewnja  (Arcadia),  Eresstowaky-Ostrow 
(Yachtclub) :  20  Eop. 

8.  Auf  der  Fontanka,  von  der  Sommergarten-  und  Kewa-Ecke  zur 
Ealinkinbrücke,  alle  10 Hin.  (Haltepunkte:  Panteleimon-,  Ssimeonowski-, 
Obuchowski-,  Ismailowski-,  Egipetski-Brücke) :  5  Eop. 

9.  Auf  dem  Eatharinenkanal,  von  der  Easan^schen  bis  zur  Ealinkin- 
Brücke,  von  7  U.  Vm.  bis  10  U.  Ab.  fast  alle  5  Min.  (Haltepunkte:  Ea- 
mennlj-,  Wossnessensky*,  Charlamow-,  Kikolski-Brücke) :  3  Eop. 

Die  Abfahrtszeiten  der  Dampfer  nach  Peterhof  (S.  181),  Eronstadt 
(S.  179),  Schlüsselburg  (S.  195),  Lachte  (S.  198),  Strelna  (S.  185),  wechseln 
sehr  häufig;  man  findet  die  betr.  Angaben  in  der  (russ.)  Polizei-Zeitung, 
die  in  jedem  Restaurant  ausliegt. 

Fett  und  Telejrraph.  Das  Hauptpostamt  in  der  Postamtstrasse  (Potscht- 
anUsky  Pereulok;  PL  189,  E  6)  nahe  der  Isaaks  -  Kathedrale :  geöffnet  an 
Wochentagen  8-4  Uhr,  Sonn-  und  Festtags  (mit  Ausnahme  des  Oster- 
sonntags) 9-1  Uhr.  Die  Nebenpostämter  in  den  verschiedenen  Stadttheilen 
sind  nur  8-2  Uhr,  Sonn-  und  Festtags  8-11  Uhr  geöffnet.  Briefbestellung 
findet  bis  Abends  6  Uhr  statt.  —  Das  ffaupitelegraphenamt  (PL  213,  £  6), 
gleichfalls  in  der  Potschtamtskaja,  ist  geöffnet  von  9  Uhr  Morg.  bis  9  Uhr, 
im  Sommer  bis  11  Uhr  Abends  (Stadttelegramme  bis  zu  20  Worten  20  Eop.)« 
Ausserdem  gibt  es  Telegraphenstationen  in  allen  Stadttheilen. 

^ienatmAnaer  (Possilnpy  Artelschtschtk)  in  der  Nähe  aller  grossen  Gast' 
höfe  und  in  den  Hauptstrassen.  Die  /.  St.  Petersburger  IHenstmänner  haben 
schwarzen  Paletot,  gelbes  Bronzeschild  und  gelbe  Knöpfe,  die  städtischen 
JHenstmänner  dunkelblaue  Easaka,  weisses  Metallschild  an  der  rothen 
Mütze.  Gewöhnlicher  Gang  oder  kleines  Packet  20Kop.,  bei  weiteren  Ent- 
fernungen 40  Eop.  —  Bureaux  in  der  Nadeshdinskaje  Nr.  20  resp.  Ma- 
neshny-Pereulok  Nr.  1. 

Dentaehe  Svehhandlongea :  A.  Beübner  (R.  Hoenniger),  Newsky-Pro> 
speet  28;  Sg^ers  ds  Co,  (Th.  Stenge),  ebenda  11,  zwischen  Bolschija  und 
Maliga  Momki^a;  iTraits,  Liteiny - Prospeet  25;  französische:  Meüier  A 
Co.,  an  dar  Polizelbrüeke ;  deutseh,  französisch  und  russisch ;  F,  BieUspag*, 
am  Gostinny^Pwor;  B.  Jt»  Wolff,  ebenda  18-20;  Krvg,  Wassily-Ostrow, 
Kadetsk^a  Linie. 


96    Route  IL  ST.  PETERSBURG.      Oesandtschaften, 

Bankaa  «ad  BMüden:  Kaiseriiehä  Bank  in  der  BolsehajA  Ssadowaja 
(PI.  21,  F  6) ;  PeUnburger  Handelsbank^  Engl.  Qvai  18 ;  Gegenseitige  Creditbetnk, 
Kasansche  Brücke  u.  v. a.  E.  M,  Meyer  *  Co.,  Engl.  Quai  SO;  Wpneken^  Co., 
Ebenda  36 (  Junker  ä:  Co.^  Newsky  -  Prospeet ,  Ecke  der  Grossen  Stallhof- 
strasse; Oüntbwrg,  Boulevard  der  Garde  su  Pferde,  17;  Internationale  Bank, 
En^l.  Qnal,  Oridit  JLyonnais,  Moikaqnai  an  der  Polixelbrücke  u.  v.  a.  Ge- 
schaftsstunden  durchgehends  10-4  Dhr,  Kaiserliehe  Bank  11-3  Uhr. 

Bäder t  Woroniny  Fonarnij  Pereulok  u.  Basseinaja,  sowie  in  allen 
Strassen ;  vergl.  Elnl.  S.  xxix. 

Aente  (Wratschi,  BpaiH):  Bartsch,  OfflzerskaJ«  -  Str.  Nr.  3;  Bester, 
Sagorodnjr-ProBpeetOe;  Boikin,  Galernaja-8tr.  77;  Biehwadt,  Basseinaja  8; 
Zdekauer,  Liteiny-Prospect  43.  —  Brast  und  Halskrankheiten:  Ettinger, 
Fontanka-Quai  2;  Karrik,  Ecke  des  Kewsky-PrMpeets  und  derBolsehaja 
XorskaJa,  Haus  Pastuehow;  Bauch/uss^  im  Hospital  des  Prinsen  v.  Olden- 
bürg ;  Moritt,  Newsky-Frospeet  5.  —  Ein  ErktmcUgungeeomptoir  für  Kranken- 
häuser, gegründet  xu  schnellerer  Beschaffung  freier  Plätze  für  Kraaike, 
befindet  sieh  im  Gebäude  des  Obuchow^schen  Krankenhauses  (S.  164).  — 
Evaamelisehes  Krankenhaus,  s.  S.  168. 

Apotheken  (Anrexa,  kenntlich  an  grossen,  mit  farbigen  Flüssigkeiten 
gefüllten  Vasen) :  Schapiro,  Ecke  Kewsky-Prospect  und  Grosse  Morskaja ; 
Oeiseler,  Newsky- Prospekt  107,  an  der  Anitsohkow  « Brücke ;  Borgmann, 
l^ewsky  -  Prospekt  28,  an  der  Kasan  •  Brücke ;  Kronenapotkeke ,  Theater- 
Strasse;  Wulff,  Liteiny-Prospect  5 ;  Bomöopathische  Apotheke:  Gorochowaja, 
nahe  derBolsehaja  Morskaja:  Friedländer,  Gorochowaja,  bei  derSteinernen 
Brücke,  u.  v.  a. 

Gesandtschaften  und  Censulate.  Deutches  Reich:  Ecke  der  Bolsehaja 
Horski^a  (n^  41)  und  des  Isaaksplatzes  CF1-S6);  Consulat:  Galeeren- 
Strasse  8;  Yiceconsulat :  Foststrasse  6.  —  Baitm:  Poststrasse  8.  —  Belgien: 
Harsfeld  n^l;  Consulat:  Bolsehaja  Morskaja  37.  —  Frankreich-.  Dwortzo- 
waja  Nabereshne  18;  Consulat:  Ssergijewskaja  19.  —  Qrosibritannien : 
Palast -Quai,  Haus  Soltikow  4;  Consulat:  Wassily-Osstrow  I.Linie  28.  — 
Niederlande:  Engl.  Quai  76;  Consulat:  Wassily - Ostrow ,  Mittlerer  Pro- 
spectSO.  —  Oesterreich-Ungam:  Englischer  Quai  52;  Generalconsulat :  Sser- 
gijewskaja 10.  —  Schweden  und  Norwegen:  Potschtamtskaja  11;  General- 
consulat: Wassily- Ostrow,  8.  Linie,  Haus  Sterki.  —  Schweiz:  Troliky  Pe- 
reulok 3.  —  Würtemberg:  Quai  Gagarin  18. 

Polisei.  Oberpolizeimeisier  (GGepi-nojmfeftxeficTepi),  Erbsenstr.  (Go- 
rochowaja) 2.  —  Polixei-Äbtheilungen :  I.  Bolsehaja  Ssaaowaja  48 ;  II.  Katha- 
rinenhof-Prospect.  —  Politeiseetionen :  I.  Offizierstrasse  13;  II.  Furschtadt- 
skaja  17;  Ill.Wassily-Ostrow,  8.  Linie.  —  TJeber  Pass,  Aufenthaltsschein  etc. 
8.  Einl.  S.  XIII  (Passbureau:  Moika  113). 

Kirohen.  Griechisch-katholische  Kirchen  finden  sich  fast  in  jeder 
Strasse.  Die  sehenswürdigsten  sind  weiter  unten  beschrieben.  TJeber 
den  russischen  Gottesdienst  und  die  dabei  zu  beobachtenden  Formalitäten 
sowie  über  das  Benehmen  Fremder  in  russischen  Kirchen  s.  Einl.,  S.  xv. 

Protestantische  Kirchen:  Luth.  St.  Peterskirche  am  Newsky- 
ProBpect  zwischen  der  Bolsehaja  und  Malaja  KonjuschenmO^  C^'  ^^U 
F5  u.  8.  156).  —  Holländische  reform.  Kirche  am  Newsky-Prospect  30  (PI. 
104,  F5  u.  S.  156).  —  Sehwedische  evang.  Kirche,  Malaja  KonjuschennlÖ»  1 
(PI.  118,  FÖ  u.  S.  156).  —  Finnische  evang.  Kirche,  Bolsehaja  Konjuschen- 
naja  4  (PI.  101,  F5  u.  S.  156).  —  Estnische  Kirche  in  der  Offizierstrasse 
(PI.  E6).  —  Lettische  Kirche  in  der  Nähe  des  Zarsko-Sseloschen  Bahnhofs 
(PI.  F7).  —  Französ.-reform.  Kirche,  Bolsehaja  Konjusehennaja  4  (PI.  116, 
F5  u.  8.  156).  —  Neue  deutsche  reform.  Kirche  in  der  Bolsehaja  Morskaja, 
an  der  Moika  in  der  Nähe  der  Postamtbrücke  (PI.  117,  E6  u.  S.  111).  —  Luth. 
Pfarrkirche  zur  heil.  Anna  zwischen  der  Furschtadtskaja  und  Kiroisehnua 
(PI.  100,  &4).  —  Luth.  Katharinen  -Kirche  auf  Wassily-Ostrow,  1.  Linie  20 
(PI.  110,  D5).  —  Englische  Kirche  am  Englischen  Quai  (PI.  99,  D6  u.  S.  112) ; 
Gottesdienst  So.  11  u.  4  Uhr.  —  AmerikanUeh-englische  Methodistenkirehe  in 


der  neuen  Isakjewskaja  unweit  der  Post  (PI.  118,  E6;  8.  111). 

Komisch  •  katholische   Kirchen.     Die   kath.   Pfarrkirche 


dor 


Theater, .  ST.  PETERSBUBG.  Ih  Raute.       97 

A.  Katharina  am  Newsky-Proapeet  unweit  der  Kasan-Brücke  (Fl.  107,  F5 
a.  8.  167).  —  Pfarrürehe  tum  h,  StamOaus  im  Kolomjenskaja-Stadttheil, 
Ecke  der  Ualaja  Masterskaja  und  Torgowaja  (PI.  106,  I>7).  —  Kaih.  Pfarr- 
kirche im  römisch-katholischen  Collegium  an  der  Fontanka  bei  der  Ismai- 
lowsky^Brüeke  (PI.  £7).  —  Die  Ptioratskirche  des  Malteserordens  vom  h. 
Johannes  zu  Jerusalem  (PI.  F6  u.  S.  160)  im  Pagenkorps,  in  der  Grossen 
Ssadowaja,  gegenüber  dem  Gostlnny-Dwor.  —  Kath.  Kapelle  auf  dem  katho- 
lischen Friedhofe  auf  dem  Kulikowo-Felde  (Wyborgskaja). 

Armenische  (Gregorianische)  Kirche  der  h.  Katharina  am 
Kewsky-Prospeet  gegenüber  dem  Gostinny-Dwor  (PI.  97,  F6u.  S.  168). 

Kirohhöfe  besitzt  St.  Petersburg  35,  theils  innerhalb  der  Stadt,  theils 
in  der  Nähe  derselben.  Jede  Confession  hat  ihre  eigenen  Friedhofe. 
In  neuester  Zeit  sind  in  einer  Entfernung  von  12-17  Werst  (mit  Eisen- 
bahnverbindung) drei  grosse  Central/riedhöfe  angelegt. 


Theater.  In  Petersburg  sind  4  kaiserliche  Theater,  welelie  einen  be- 
deutenden Zaschuss  aas  Staatsmitteln  beziehen.  Die  Vorstellungen  dauern 
in  der  Regel  von  7  bis  1  oder  von  8  bis  IU/2  Uhr.  Im  Sommer,  von  Mitte 
Hai  an  sind  die  kais.  Theater  geschlossen.  Zu  besondern  Vorstellungen 
kann  man  sieh  bereits  mehrere  Tage  vorher  Billets  losen;  an  der  Kasse 
tritt  dann  bedeutende  Preiserhöhung  ein;  die  Preise  wechseln  nach  der 
Art  der  Vorstellungen ,  vgl.  die  Tagesanzeigen.  Am  Billetschalter  wird 
fransösiseh  gesprochen. 

1.  Das  Kais.  Grosse  Theater  (PI.  219,  E6  u.  8.  161),  bis  auf  weiteres 
geschlossen. 

2.  Das  Kais.  Marien-  Theater  (PI.  221,  E6  u.  8.  161),  für  russische 
Opern  und  Ballet.  Es  zeichnet  sieh  durch  luxuriöse  und  geschmack- 
volle Ausstattung  aus  und  fasst  2(X)0  Personen.  —  Logen:  1.  Bang.  No.  1-14 
gewöhnliche  Preise  15,  erhöhte  Preise  18  R.,  die  übrigen  Plätze  14  u.  17  R. 
Baignoire:  10,  12  u.  I41/2  R.,  Bel-Etage:  14,  15resp.l7u.  18  B. ;  2.  Bang: 
10  oder  Ti  R. ;  3.  Bang:  mit  Avant-Logen  71/2  u.  9  R.,  ohne  Avant-Logen 
6  u.  7  R.;  Litera  8  u.  10  R.;  4.  Rang:  6  u.  6  R.;  Parket  (je  nach  zu- 
nehmender Entfernung  vom  Orchester) :  &  R.-2  R^ ,  resp.  7-2  B-.  50  Kop. ; 
Baieon  8.  Rane:  1  R.  56  Kop.  u.  2R.;  Seitenplätze:  1  R.,  76,  50,  20  Kop. 
resp.  1  R.  20,  90,  60,  25  Kop.  Bei  Benefizvorstellungen  bedeutend  erhöhte 
Preise  (Parket  bis  zu  25  R.). 

8.  Das  Kais.  Alexandra-  Theater  (PI.  214,  G6  u.  8.  189),  für  russische 
Dramen,  an  bestimmten  Tagen  auch  deutsche  Vorstellungen.  Das  Haus 
fasst  1700  Personen.  —  Logen:  1.  Rang  und  Bel-Etage:  9-l4  R. ;  2.  Rang: 
7-9  R.;  S.Rang:  6-lOR.-,  4.  Rang:  4-6  R.  50  Kop.;  Parket  (je  nach  Ent- 
fernung vom  (Jrchester):  6R.  50Kop.-2R.;  Balcon:  1-2  B. 

4.  Das  KaisJiichael-  Theater  (PI.  222,  F  5  u.  S.  121)^r  deutsches  und  fran- 
zösisches Drama  n.  Lustspiel.  Das  Haus  fasst  1000  Personen.  —  Logen: 
I.Rang:  bei  französischen  Vorstellungen  16-24  R.,  bei  deutschen  Vorstel- 
lungen 18-25  R. ;  Bel-Etage :  16-24  R.  resp.  9-16  B.;  2.  Rang:  10-15  R.  resp. 
6 -IIB.;  3.  Rang:  6-lOR.  resp.  6-10 R.;  4.  Rang:  6-7 R.  resp.  4R.-7R. 
50  Kop. ;  Parket  (je  nach  Entfernung  vom  Orchester) :  2-7  R.  resp.  1  R.- 
6R.  60  Kop. 

Das  Kaii.  Kleine  Theater  (PI.  F6),  an  der  Fontanka,  ist  jetzt  Privat- 
nnternehmen.  Operetten.  Preise  der  Plätze  t  Logen :  1.  Rang:  9  R.  50  Kop.- 
36  R.  60 Kop. ;  Bel-Etege:  10  B.  60 Kop. -30  R.  50  Kop.;  2.  Rang:  4R. 
60  Kop.-8  R.  50  Kop. ;  3.  Rang:  4  R.  50  Kop.-6  R. ;  Parket:  1-6  R. ;  Balkon : 
30  Kop.-l  R.  76  Kop. 

Panajew^sehes  Theater  (PI.  E  6),  an  der  Newa  zwischen  Senat  und  Palais- 
brüeke,  ausschliesslich  für  italienische  Oper ;  hohe  Preise.  —  Theatervor- 
stellungen finden  ausserdem  im  Sommer  statt:  in  Arcadia  und  Livadia 
(8.  177)  in  Nowaja  Derewnja',  in  der  Bavaria  (S.  177),  Im  Zoologischen 
Garten  (8.  176),  in  Oserki  (S.  197),  am  Newsky-Prospect,  u.  v.  a. 

Oiroua  Ciniaelli  (PI.  217.  G6)  an  der  Fontanka,  bei  der  Ssimeon-Brücke, 
Litera-Logen  für  6  Pers.  16  R. ,  Barriere-Logen  für  4  Pers.  10  B.,  Logen 
I.Rang  für  4  Pers.  8R.,  Lehnstuhl  4  u.  3R.,  Stuhl  2  R.,  Balcon  1  B.  25, 
75  u.  30  Kop. 

Russland.     2.  Aufl.  "7 


98    Boute  11.  ST.  PETERSBURG.   Sehenswürdiffheiten. 

Corsofahrten  (Ouljanien^  ryxflHie)  sind  herkömmlieh  am  1.  Mai  in 
Katharinenhof  (S.  165) ,  sowie  während  des  Garnevals  der  Butterwoche 
(s.  Einl.,  S.  xxviii)  auf  dem  Marafeld  (S.  119)  und  auf  dem  ScMoss-Quai  ^an 
der  Kewa. 

Besonders  beliebte  Vergnügungen  während  des  Winters  sind  die 
Sehlittenwettfahrten,  Ssemenow •  Platz ,  auf  einer  besonders  abge- 
steckten Bahn  (3  Werst  =  l/v  Meile)  und  die  M9rut$eM}erge.  Es  werden 
nämlich  schmale  Holzgerüste  l0-15m  hoch  errichtet,  die  oben  eine  Gallerie 
tragen,  zu  welcher  man  auf  einer  Seite  auf  hölzernen  Treppen  hinauf- 
steigt, während  auf  der  anderen  Seite  die  Rutschbahn  sich  anlegt.  Die- 
selbe ist  anfangs  sehr  steil,  nimmt  aber  dann  gegen  den  Boden  zu  an 
Steilheit  ab,  und  besteht  aus  zusammengefügten  Bohlen,  die  mit  grossen, 
regelmässig  zugeschnittenen  Eisquadern  belegt  werden.  Darüber  giesst 
man  Wasser,  so  dass  die  einzelnen  Schollen  zusammenfrieren  und  die 
Oberfläche  spiegelglatt  wird.  Man  setzt  sich  nun  auf  der  Höhe  des  G-e- 
rüstes  auf  einen  schmalen  Schlitten ,  der  von  einem  rückwärts  sitzenden 
Führer  geleitet  wird  und  blitzschnell  hinabschiesst.  Am  Ende  der  Bahn 
ist  Sand  gestreut,  welcher  die  Schlitten  nach  und  nach  hemmt.  Die  be- 
suchtesten sind  auf  dem  Marsfelde. 

Orientirungafahrt.  Für  Fremde,  die  einen  Ueberblick  über  die  Stadt 
in  weitern  Sinne,  die  Wyborgsche  Seite,  die  Inseln  etc.  gewinnen  wollen, 
empfiehlt  sich  nachstehende  Fahrt.  Von  der  Admiralität  (S.  106)  über  den 
Newsky-Prospect  (S.  154)  bis  zum  Liteiny-Prospect  (S.  162),  1.  durch  diesen 
über  die  Alexanderbrüeke  (S.  107)  nach  der  Wyborger  Seite,  durch  den 
Ghrossen  Ssamssoniewsky-Prospect  bis  zur  Tlugow-Gasse,  durch  letztere  am 
Ufer  der  Grossen  Kewka  entlang^  vorbei  am  Stroganow-Park  (S.  177),  über 
die  Stroganow  -  Brücke  nach  Eamenny-Ostrow  (S.  177),  auf  dieser  durch 
die  Hauptallee  (Restaurant  *F6vre^  nicht  billig)  am  Theater  (S.  178)  vorbei 
über  die  1.  Jelagin- Brücke  nach  Jelaein  -  Ostrow  (S.  177),  über  die  neue 
Brücke  nach  Krestowsky-Ostrow  (S.  177),  am  russischen  Traktir  (S.  177) 
vorbei  über  die  Krestowsky-Brücke  nach  der  Petersburger  Seite,  durch  die 
Gr.  Grün-Sk-asse  nach  dem  Grossen  Prospect,  über  die  Tutschkow-Brücke 
nach  Wassily-Ostrow  (S.  168).  Auf  Wassily-Ostrow  durch  die  1.  Linie,  den 
Grossen  Prospect  und  die  17.  Linie  zur  Kewa  herunter,  an  dieser  entlang, 
vorüber  am  Seekadetten  -  Corps  (S.  173)  und  über  die  Nikolaus  -  Brücke 
(S.  112)  zum  Admiralitäts  -  Stadttheil  zurück  \  dann  durch  die  Blagowjä- 
sehtschenskaia  (Maria  Verkündigungsstrasse),  den  Boulevard  der  Garde  zu 
Pferde  (S.  108),  vorüber  an  der  Isaaks-Kathedrale  (S.  109)  zum  Admiralitäts- 
platz. —  Diese  Fahrt  beansprucht  3-4  St. 

Betuchsordnung  der  Sammlungen  und  anderer  Sehenswürdigkeiten  t 

Akademie  der  Küntte  (S.  170) ;  an  heiteren  Tagen  11-4  U.  mit  Erlaub- 
niss  des  Conservators  des  akademischen  Museums,  im  Hauptgebäude  der 
Akademie.  —  Kuiutaiuttellungen  ^  worüber  Genaueres  in  Betreff  Dauer 
und  Besuch  in  den  Zeitungen. 

Akademie  der  Wissenschaften  (S.  169) :  SSoolo^isches  Museum  Mo.  11-3  U. 
ohne  Erlaubnisskarte.  —  Bibliothek  täglich  ausser  Sonn-  u.  Festt.  11-3  V. : 
im  Juli  nur  Mi.  11-3  U. 

Arsenal  (S.  178)  täglich,  mit  Erlaubniss  des  Artillerie-Departements. 

Artillerie-Museum  (8. 175) :  Di.,  Mi.  u.  Fr.  2-3  ü.  Erlaubnisskarte  vorher 
vom  Artillerie-Departement  (S.  itö)  einzuholen.  Fremdländische  Offiziere 
müssen  hier  längere  Zeit  warten. 

Bibliot?uk^  kaiserliche  öffentliche  (S.  158):  zur  Beschäftigung  im  allge- 
meinen  Lesezimmer^  täglich  mit  Ausnalime  hoher  Kirchenfeste,  an  Wochen- 
tagen 10-9  U.,  an  So.  u.  Festt.  12-3  U.,  ohne  besondere  Erlaubniss.  Lese- 
karten von  dem  dienstthuenden  Beamten,  gültig  für  das  laufende  Ka- 
lenderjahr. Zutritt  zu  den  Innern  Sälen  der  Bibliothek  und  Beschäftigung 
in  den  Bibliotheksabtheilungen  behufs  Benutzung  von  Handschrifteui,  In- 
cunabeln,  Kupferwerken  u.  s.  w.  nur  nach  schriftlicher  Entscheidung 
durch  den  Director  gestattet.  Beim  Lesesaal  eine  permanente  Bibliothek 
von  Kachschlagebüchem.  —  Das  Lesezimmer  für  Zeitschriften  nur  mit  Er- 
laubniss des  Directors  oder  der  Biblipthekare  zugänglich.    Im  Journal- 


Sehentwürdigkeiten,  ST.  PETERSBURG.  11.  Route.     99 

Eimmer  erhalt  man  eine  Karte,  ohne  welche  keine  Zeitschriften  verab- 
folgt werden.  —  Besichtigung  der  Bibliothek  Di.  u.  So.  ausser  an  hohen 
Kirchenfesten  unter  Führung  eines  Beamten }  Versammlung  der  Besucher 
um  1  U.  im  Empfangssaal :  man  wird  sehr  rasch  hindurchgefiihrt,  Erklä- 
rungen nur  in  russischer  Sprache. 

Bibliothek  der  IL  Abtheüung  der  Kamlei  de»  KaiserM^  für  Schriften 
juristischen  und  kameralwissenschaftlichen  Inhalts:  Di.,  Hl.,  Do.  und 
8a.  11-8  U.,  Ho.,  Di.,  Fr.  und  Sa.  4-9  U.    Zutritt  gestattet. 

Blumenautstellung  im  Admiralitätsgebäude  (S.  107)  alljährlich  im  Früh- 
jahr.   Bekanntmachung  durch  die  Zeitungen. 

Botamseher  OarUn  (S.  176) :  täglich  von  7  IT.  Vm.  bis  10  tJ.  Nm. ;  die 
<]feipäehshäu$er  in  Begleitung  eines  der  diensthabenden  Gärtner  von  10  Ü. 
Vm.  bis  Sonnenuntergang.  Das  Museum  und  Herbarium  sowie  die  Biblio- 
thek täglich  ausser  So.  u.  Festt.  (Bibliothek  auch  ausser  So.)  11-3  U.  mit 
Erlaubniss  des  Gonservators. 

Eremitage  (S.  123)  täglich  ausser  Fr.  und  der  hohen  Feiertage  Februar 
bis  Juli  11-3,  September  bis  Februar  10-317.  Ferienmonate  Juli -August 
<alten  Stils),  Fremde  erhalten  während  derselben  Mo.  u.  Do.  gegen  Vor- 
zeigung des  Passes  Eintritt  (Trinkg.).  —  Einlasskarten  für  die  alte  Eremi- 
tage iOallerie  Peters  des  Grossen  und  Kronjuwelen)^  täglich  11-1  U.  in  der 
Kanzl^  der  Eremitage.  —  Kataloge  beim  Schweizer  der  Eremitage. 

Glasfabrik,  kaiserliche  (8.168),  täglich  ausser  So.  u.  Festt.  7-12U. 
und  2-717.;  Sa.  nur  Vormittags. 

Kunstausstellung y  permanente,  Grosse  Morskaja  40,  täglich  ausser  Mo. 
9-5  ü.,  Juni  und  Juli  (a.  St.)  geschlossen.    Eintritt  90Kop. 

Landwirihsehaftliches  Museum  des  Ministeriums  der  Keichsdomänen 
(S.  163):  unentgeltlich  Mo.,  Mi.,  Do.  u.  Fr.  11-317.,  So.  1-3  U.;  gegen  Entr^e 
(20  Kop.)  Di.  11-3  U. 

Marine 'Museum  (Schiffsmodelle  u.  s.  w.)  in  zwei  grossen  Sälen  des 
Admiralitätsgebäudes  (S.  107)  DL,  Do.  u.  Sa.  10-217.  Eingang  vom  Ad- 
miralitätsplatz durch  das  grosse  Mittelthor. 

Jf ar«(a22  (S.  156) ,  Konjuschennaja  (Stallhof) -Strasse,  gegenüber  dem 
Museum  der  kaiserlichen  Wagen:  nur  mit  besonderer  Erlaubniss  und  in 
Abwesenheit  des  Kaisers  zugänglich. 

Miner<aogiKhes  Museum  der  Bergakademie  (B.  173) :  täglich  ausser  So. 
u.  Festt.  10-2  V. 

Museum  des  Technologischen  Instituts  (S.  167),  tägl.  10-3  ü. 

Pädagogisches  Museum  (S.  163)  an  der  Fontanka  gegenüber  dem  Sommer- 
garten :  täglich  ausser  an  hohen  Festtagen  11-3  ü. ;  Bibliothek  10-3 17.  Eintritt 
ins  Museum  Di.  30  Kop. ,  an  andern  Wochentagen  15  Kop. ,  So.  5  Kop. 
Volksvorlesungen  So.  2-31/3  U.,  Eintritt  5  Kop.    Bibliothek  gratis. 

Portellanfabrik,  kaiserliche  (S.  195):  täglich  ausser  So.  u.  Festt.  9-12 
und  2-7  U.;  So.  9-2  U. 

Pulkowa,  Nikolai-Hauptstemwarte  (s.  S.  188) :  täglich  10-4 17. ;  Abends 
nur  mit  Erlaubniss  des  Directors. 

Sammlung  Basilewsky  und  des  Arsenals  von  Zarskoje- Sselo  rS.  189)  im 
Winterpalais  (Zugang  von  der  Eremitage,  S.  130) :  Billets  bis  i  Uhr  beim 
Hoffourier. 

Technische  Gesellschaft ,  kaiserlich  russische  (S.  163),  Museum  täglich 
ausser  an  hohen  Festtagen  11-3  Ü. 

Uniforms-  und  Equipirungsmuseum  (S.  165) :  täglich  ausser  So.  u.  Festt. 
10-2  U. 
<»w   Wagen-Museum,  kaiserliches  (S.  156) :  täglich  ausser  So.  u.  Festt.  10-2  U« 

Wegecommunication,  Museum  des  Instituts  der  Ingenieure  der  (S.  161) : 
So.  10-3  U.  Gesehlossen  Mai-August.  Katalog  am  Eingange  des  Instituts 
für  60  Kop. 

Tfinterpalast  (S.  113),  bis  auf  weiteres  geschlossen. 

Zoll-Museum  (S.  174),  an  Wochentagen  124,  So.  2-5 17.  (10  Kop.). 

Zoologischer  Garten  (S.  175)  im  Alexanderpark:  täglich  10  U.  Morgens 
bis  zur  Dämmerung.  Eintritt  30  Kop. ,  Kinder  15  Kop.  Im  Sommer  Con« 
certe,  Theater  etc. 

Zoologisches  Mifseum,  s.  Akademie  der  Wissenschaften. 

7* 


100    BoiUe  11.  ST.  PETERSBURG.  Sehmswürdiffkeiten. 

Stnndensettel.  (Das  vorstehende  alphabetische  Verzeiehniss  ist  zu 
vergleichen.) 

Täglich:  Akademie  der  Künste,  ii-4k  U.  —  Neues  und  alUs  Arsenal.  — 
Bibliothek,  kaiserliche,  10-9  U.,  an  So.  u.  Festt.  12-3  U.  —  Bibliothek  der 
2.  Abtheilung  der  Kanzlei  des  Kaisers,  11-3  U.  resp.  ^9  U.  — *  Bota/niseher 
Garten,  7-10  U.  —  Permanente  Kunstausstellung,  9-0  U.  (25  Kop.).  —  Land- 
wirthsehaftliehes  Museum ,  11-3  U.  (So.  1-3  U.).  —  MarstaU,  10-2  U.  —  Mu- 
seum des  Technolog.  Instituts-,  10-3  IJ.  —  Zoologischer  Garten,  10  U.  bis  zur 
Dämmerung  (SO  Kop.). 

Täglich  ausser  So.  u.  Festt. :  Bibliothek  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften, 11-3  U.  —  Museum  und  Herbarium  des  botanischen  Gartens^  11-3  U. 
—  Eremitage,  alte,  11-1  U.  —  Kaiserliche  Glarfabrik,  7-12 U.  und  2-7  U.  — 
Mineralogisches  Museum,  10-2  U.  —  Pädagogisches  Museum  (ezcl.  hoher 
Feiertage),  11-3  U.  (20  Kop.).  —  Kaiserliche  Porzellanfabrik,  9-12  und 
2-7  TJ.  5  So.  9-2  U.  —  Sternwarte  von  Pulkowa,  10-4  TJ.  —  Technische  Gesell-^. 
Schaft  (excl.  hoher  Festtage),  11-3  U.  —  üniformsmuseum,  10-2  U.  —  Mtueum 
der  kaiserlichen  Wagen,  10-2  Ü. 

Täglich  ausser  Fr.  und  der  hohen  Feiertage:  MremitagCy 
11-4  U. 

Sonntag:  Kais.  Bibliothek,  1  U.  —  Vorlesungen  im  pädagogischen 
Museum,  2-373^.  (5  Kop.).  ~  Museum  des  Instituts  für  Wegebau  d:  Com- 
municationen,  10-3  U. 

Montag:  Zoologisches  Museum  der  Akademie  der  Wissenschaften, 
11-3  U.  —  Bibliothek  der  frei-ökonomischen  Gesellschaft,  11-3  U. 

Dienstag:  Artilleristisches  Museum,  2-3  U.  —  Kais.  Bibliothek,  1  U.  — 
Marine  -  Museum ,  10  -  2  XJ.  - 

Mittwoch:  Bibliothek  der  Akademie  der  Wissenschaften  (Monat  Juli), 
11-3  U.  —  Artilleristisches  Museum,  2-3  U.  —  Frei  -  ökonomische  Gesellschaft  y 
Museum  und  Bibliothek,  10-3  U. 

Donnerstag:  Marine -Museum ,  10-2  U. 

Freitag:  Artilleristisches  Museum,2-^V.  —  ^remttaae  geschlossen. 

Samstag:  Museum  der  frei-ökonomischen  Gesellschctft,  10-3  U.  —  Marine- 
Museum,  10-2  U. 

Tageaeintheilung  bei  beschränkter  Zeit: 

1.  Tag.  Vormittags:  St.  Isaaks- Kathedrale,  Besteigung  der  Kuppe 
(S.  109)^  Kasan -Kathedrale  (S.  156)^  Akademie  der  Künste  (8.170).  — 
Nachmittags:  Fahrt  über  den  Newsky-Prospect  (S.  154) nach  dem  Alexander- 
I^ewsky- Kloster  (S.  167). 

2.  T a g.  Vormittags:  kaiserliche,  öffentliche  Bibliothek  (S.  158).  —  Nach- 
mittags :  Museum  der  kais.  Wagen  (S.  156)  \  Fahrt  nach  dem  Botanischen 
Garten  (S.  176). 

3.  Tag.  Vormittags:  Eremitage  (S.  122;  Besuch  zu  wiederholen).  — 
Nachmittags:  Fahrt  nach  der  Nikolai-Hauptsternwarte  in  Pulkowa  (S.  188).. 

4.  Tag.  Vormittags:  Festungs  -  Insel  (g.  174);  Peter  -  Pauls  -  Kirche 
(S.  174) ;  Artillerie-Museum  (S.  175) ;  Peter's  des  Grossen  Haus  (S.  176).  — 
Nachmittags:  Alexander-Park  (S.  175) ;  Zoologischer  Garten  (6. 175);  Spazier* 
fahrt  auf  den  Inseln  (S.  176  u.  177),  nach,  der  Glas-  (S.  168)  oder  Porzellan- 
fabrik (S.  195). 

5.  Tag.  Vormittags:  Akademie  der  Wissenschaften  (S.  169);  Institut 
der  Bergingenieure  (S.  173);  Troizky-Kirche  (S.  166).  —  Nachmittags:  Neuer 
und  alter  Miehael-Palaat  (S.  110  u.  121) ;  Taurischer  Palast  (S.  166) ;  Ssmolny- 
Kloster  (S.  167).  Der  Best  der  zur  Disposition  stehenden  Tage  ist  zur  Be- 
sichtigung der  Umgebungen  von  St.  Petersburg  (S.  179)  zu  verwenden. 


St.  Ptff ers&ur^  (CaHKTi  üerepöyprB),  zweite  Hauptstadt  und  erste- 
Residenz  des  russischen  Reiches,  die  bedeutendste  Handelsstadt  am 
Baltischen  Meer,  Sitz  des  Reigierungsapparates ,  Hauptstadt  des 
I.  Militär -Bezirkes,  Standquartier  des  Garde-  und  I.  Armeecorps, 
mit  929,500 Einwohnern,  liegt  unter  dem  59''  57'  nördl.  Br.  und 
47^  59'  Östi.  L.  in  c.  15  m  Meereshöhe  in  einer  vollkommenen  Ebene,. 


StadtthtiU.  ST.  PETERSBURG.  11.  Route,     101 

durch  welche  die  Newa  in  mehreren  Armen  in  den  Finnischen 
Meerbusen  flieset,  theils  auf  ingermanländischem  theils  auf  Ann- 
landiscbem  Boden. 

Die  Jfma  (Patt  Heaa) ,  die  bei  SehlüMelburg  (S.  196)  aug  dem  La- 
dogasee autfliesstind  nach  einen  Laufe  von  58  km  in  den  Finnisehen 
Meerbusen  mündet,  gehört  zu  den  mächtigsten  Strömen  Europas.  Ihre 
Breite  weehself  Ton  !l60  bis  660  m ,  die  Tiefe  Ton  3  bis  16  m ;  die  Wasser- 
masse, welche  «i«  dem  Meere  anführt,  wird  auf  3900  cbm  in  der  Sekunde 


esehätzt.     Innerhalb  der  Hauptatadt,  die  sie  beim  Alexander-Newsky- 

iig< 
theilt  sie  sieh  in  mehrere  Arme :  die  Ctrosse  Newa^  Kleine  Neiea  und  Newkd 


^ 


oster  erreicht  und  in  einem  grossen  Bogen  von  13  km  Länge  durehfliesst, 


iß.  unten).  Der  Sehiflfsverkehr  bewegt  sieh  hauptsäehlieh  auf  der  Grossen 
Ifewa^  vor  den  Mündungen  liegen  Untiefen  und  Sandbänke,  welche  nur 
Schiffen  von  geringem  Tiefgang  die  Einfahrt  gestatten.  Ueberschwem- 
mungen  sind  selten,  da  das  grosse  Becken  des  Ladogasees  den  Stromlauf 
regelt,  doeh  kdnneu  anhaltende  heftige  Westwinde,  die  das  Wasser  an  den 
Mündungen  aufstauen  und  zurücktreiben,  der  tiefliegenden  Hauptstadt 
verderblich  werden  (so  im  J.  1824  u.  1879).  Von  Anfang  November  bis 
Ende  MSrz  (durehschnittlleh  138  Tage  im  Jahr)  ist  die  iHewa  zugefroren 
(S.  104). 

Der  Haupttkeii  der  Stadt  liegt  auf  dem  linken  Ufer  der  Newa, 
andere  Stadttheile  bedecken  die  Inseln  des  gethelUen  Stromes. 
Zwischen  der  Grossen  und  Kleinen  Newa  liegt  Wa^Uy  Ostrow 
(Basilius^Insel,  BacuittOcTpoBi),  ÖW.  lang  und  4  W.  breit;  von  ihr 
schneidet  im  N.  ein  schmaler  Arm  der  Kleinen  Newa  (Ptia  HepHaa) 
ein  Stück  ab,  die  Oolodai- I-Mel  (Tojoxaii  OcrpOBi).  Die  Newka, 
105-!20O  m  bieit,  theilt  sich  nach  kurzem  n.w.  Lauf«  in  eine  kleine 
südliche  (P.  Maiaa  HeBaa)  und  eine  gro96e  nördliche  (F.  BoAmaa 
HeBKa) ;  aus  letzterer  zweigt  wiederum  die  mittlere  Newka  (F.  Cpex- 
HffH  lieBaa)  in  s.w.  Richtung  ab,  um  sich  später  wieder  mit  der 
grossen  zu  vereinigen.  Die  Kleine  Newa,  die  Newka  und  die  Kleine 
Newka  umschliessen  die  sog.  Petersburger  Seite  (S.  176),  ein  4  km 
1.  InseUand ,  von  welchem  w.  durch  die  Shdanowka  (Ptva  SRxa- 
bobul)  die  P«^rotDsJE(i/~Jnse{(neTpOBCKiil  OcrpOBi),  n.  durch  die  Kar- 
p«i0fca(F.KapnoBKa)  dleA|>o^fcellter-/me{(AnTeKapcKlfiOcTpoBi)  ab- 
getrennt wird.  Die  Kleine  und  Grosse,  resp.  Mittlere  Newka  fassen 
zwischen  ihren  Armen  n.  von  der  Apotheker -Insel  die  Kamenny- 
<KaifeBbHft  Ocrposi)  und,  von  dieser  durch  die  Krestowka  getrennt, 
die Kr€st<nü$ky"In$el(fipeoTOBcM  OcTpOBi).  Die  grosse  u.  mittlere 
Newka  umschliessen  eirdlleh  gtaiiz  Im  K.  die  Jelagi^-^Ingel  (EianiHi 
OcTp<»i),  w&hrend  im  S.  der  Petersburger  Seite  von  dieser  noch 
die  Feetimgs'Insel  (üeTpoiniBioBOKaii  Kp1»iioCTb)  dureh  den  Kron- 
werks-Kanal  (KpOBBepKckiii-HpoiHBi)  abgeschieden  wird.  S.  Tom 
Ausfluss  der  Grossen  Newa  liegen  mehrere  Inseln ,  die  Gutujew-, 
RJSswy-,  Kanonier-,  Krugly-,  Truchtanow-Insel,  von  denen  aber 
aur  die  beiden  erstttren  zum  Theii  l^ewohnt  sind ;  ebenso  sind  die  sog. 
„freien  Inseln*'  an  der  Mündu&g  der  Kleinen  Newa  ganz  unbewohnt. 

Peter  der  Grosse  hatte  urspruiiglich  Wassily-Ostrow  zum  Haupt- 
Stadttheil  bestimmt ,  gab  aber  sp&ter  diesen  Plan  wieder  auf  und 
gründete  die  neue  Stadt  am  1.  Ufer  der  Newa.  Um  das  tiefliegende 
Terrain  zu  entsumpfen  und  zug&nglich  zu  machen,  baute  er  zunächst 


102     Boute  IL  ST.  PETEBSBUBG.  StadttUüe, 

halbkreisförmige,  aus  der  Newa  kommende  und  wieder  in  sie  mün- 
dende K  a  n  ä  1  e ,  die  von  andern  senkrecht  durchschnitten  werden  und 
80  eine  Beihe  von  künstlichen  Inseln  bilden.  Die  jetzt  meist  mit 
schönen  Granitquais  eingefassten  Hauptkanäle  (bez.  Flüsse)  sind :  die 
Jtfoifca(PtKaMoMKa),  mit  derGrossen  Newa  den  Admiralitätstheil  um- 
schliessend,  den  wichtigsten  der  Stadt  (S.  106),  der  aber  durch  die  auf 
ihm  befindlichen  Kanäle  (Neuer  Admiralitäts-,  Winter-,  Lebjashy-, 
Priaschka-Kanal)  wieder  in  fünf  kleinere  Yiertel  getheilt  wird ;  der 
Katharinen 'Kanal  (EKaiepHEiiHCKifi  KaHaii),  unter  Katharina  II. 
1790  vertieft  und  erweitert;  die  Fontanka  (Pftua  ^OHTaua),  nach 
den  Fontänen  im  Sommergarten  benannt,  ursprünglich  ein  sumpfiger 
Bach ,  unter  Elisabeth  und  Katharina  erweitert  und  ausgemauert ; 
endlich  der  neue  Umfassungagraben  (Hobo-OöboaühH  Kanaji),  der 
sich  vom  Alexander-Newsky-Kloster  bis  Katharinenhof  erstreckt 
und  beim  Ssemenowsky- Platz  vom  Ligoioaky -Kanal  («iHroBCui 
xanaji)  durchschnitten  wird ,  einem  20  W.  langen  Kanal ,  welchen 
Peter  I.  aus  dem  Flüsschen  Ligowka  bei  Krassnoje-Sselo  bis  zum 
Taurischen  Garten  führen  liess. 

St.  Petersburg  zerfällt  in  13  Stadttheile  {T$cha$sti)f  die  sich 
in  38  Polizeibezirke  theilen.  Die  Stadttheile  sind:  1.  DerAdr?»» 
ralität8theil  (AxuipaiTeMcKafl  vacTb)  zwischen  der  Grossen  Newa 
und  dem  Moika-Kanal,  der  Mittelpunkt  der  Stadt,  mit  den  kaiserl. 
Palästen  u.  s.  w.  2.  Der  Kaaan'Bche  Theil  (KasaHCKaii  nacTb),  s. 
von  ersterem,  zwischen  der  Moika,  dem  Katharinen-  und  Krakow* 
Kanal ,  wo  die  Kanzleien  der  Beamten ,  viele  Paläste  und  Maga- 
zine sich  befinden.  3.  Der  Sspass^sche  Theü  (CnaecKas  «lacTb} 
zwischen  Katharinen-  und  Krukow-Kanal  und  Fontanka,  das  Cen- 
trum des  gewerblichen  Lebens.  4.  Der  Kolomna'^  Theil  (Kojo- 
MOHCKafl  «lacTb),  im  W.  der  drei  genannten,  zwischen  Moika,  Fon- 
tanka und  Krakow -Kanal.  5.  Der  Narwa'ache  Theil  (Hapsciaji 
nacT&)^  südlich  von  der  Fontanka  und  dem  Kolomna-  Theil,  west- 
lich vom  Sabalkansky-Prospect,  bis  über  Katharinenhof  hinausrei- 
chend.  6«  Der  Moikau'iche  Theü  (MocKOBCxas  lacTb))  zwischen 
Fontanka,  Umfassungs-  und  Ligowsky-Kanal,  sowie  Sabalkansky- 
und  Newsky-Prospect,  südlich  und  südöstlich  vom  Sspass'schen 
Theil.  7.  Der  XAteiny  Theü  (ineifaia«  lacn),  östlich  vom  Sspass- 
schen-  und  AdmiraUtäts -Theil ,  nördlich  vom  Newsky-Prospect, 
zwischen  Fontanka  und  Ligowsky-Kanal,  mit  stattlichen  breiten 
Strassen.  8.  Der  BoBhdeeiwenakaja-TheU  (PoxxecTBeHCKaii  nacn), 
zwischen  der  Grossen  Newa,  demLigowsky-  und  Umfassungs-Kanal, 
meist  von  den  unteren  Klassen  bewohnt.  9.  Der  Alexander-  Neweky^ 
oder  JämskaJa^Theü  (AjeKcasApo-HescKaB  nacrO)  südlich  vom 
Boshdestwenski^a-Theil,  Östlich  vom  Moskau*schen  Theil  und  Sa- 
balkansky-Prospect. 10.  Der  Wassüjewskaja  Theü  (BacojbeB- 
CKaH  Hacn)  auf  der  gleichn.  Insel  (Wassily  -  Ostrow) ,  zwischen 
der  Grossen  und  Kleinen  Newa,  mit  stattlichen  Gebäuden,  grossen 
wissenschaftlichen  Instituten  etc.,  vielfach  von  Gelehrten  u.  Kunst-» 


Brücken.  ST.  PETERSBURG.  11.  Route,     103 

lern  bewohnt.  11.  Der  Ptttrsburger  Theü  (DeTepöyprcKa«  nacn) 
auf  dem  grossen  Insellande,  das  von  der  Kleinen  Newa  und  der 
Newka  eingeschlossen  wird;  zu  ihm  gehören  die  Festungsinsel, 
Kamenny-,  Jelagin-,  Krestowsky-  und  Petrowsky-Ostrow.  12. 
Der  Wyhorg'iche  Theil  (Bnöoprcia«  nacTb),  am  r.  Ufer  der  Grossen 
Newa  und  der  Newka,  mit  vielen  Fabriken.  13.  Der  Ochta'sche 
Theü  (OzTeHCKaji  ^acn),  auf  dem  r.  Ufer  der  Newa  im  S.O.  des 
Wyborger  Theils,  aus  den  früheren  Dörfern  Gross-  und  Klein-Ochta 
bestehend. 

Das  ganze  Stadtgebiet  umfasst  einen  Raum  von  90  Qu.-W.  (c. 
2  Ou.-Meilen) ;  die  grösste  Länge  beträgt  12  W.,  die  grösste  Breite 
11  W.  Den  Verkehr  über  die  New^  sammt  ihren  Armen  und 
die  21  Kanäle  vermitteln  150  Brücken.  Ton  den  ersteren,  den 
Brücken  über  die  Newa  und  deren  Arme,  bilden  aber  nur  die  Niko- 
hius-  und  Alexander- Brücke  das  ganze  Jahr  über  bestehende  feste 
Passagen;  die  übrigen  Brücken  sind  Schiffbrücken,  welche  während 
des  Eisganges  abgenommen  werden.  Die  Palais -Brücke  wird  im 
Winter  aufgestellt,  die  Petersburger  aber  erst  nach  vollständigem 
Ablauf  des  Eises.  Nach  dem  Zufrieren  des  Stromes,  welches  ausser- 
ordentlich schnell  erfolgt ,  dient  die  weite  Eisfläche  der  Newa  als 
bequeme  Verbindung  für  die  verschiedenen  Stadttheile.  Wenn  im 
Frühjahr  die  Sonne  ihre  Wirkungen  äussert,  sammelt  sich  Schnee- 
wasser auf  dem  Eise.  So  lange  dieses  sichtbar  bleibt  ist  keine  Ge- 
fahr ;  aber  wenn  das  Wasser  verschwindet  und  die  Oberfläche  grau 
wird,  ist  der  Eisbruch  nahe,  der  gewöhnlich  bei  Westwind  erfolgt. 
—  Ueber  die  Kanäle  führen  meist  Granit-  und  Eisengussbrücken. 
Die  Brücken  der  Fontanka  sind  alle  aus  Granit;  sie  ruhen  meist  auf 
2  Bogen,  zwischen  welchen  Zugbrücken  angebracht  sind.  Besonders 
prachtvoll  ist  die  Aegyptische  Brücke  (S.  166). 

Die  Strassen  St.  Petersburgs  sind  ohne  Ausnahme  breit  (15- 
30m)  und  bequem,  Winkel- und  Sackgässchen  sind  unbekannt. 
Die  Strassen  ersten  Ranges  werden  Prospecte  (IIpocDeKm)  oder  Per- 
spectiven genannt;  zu  ihnen  gehören  die  vom  Admiralitätsgebäude 
ausgehenden  Radien:  der  Newsky-  und  Wosnessensky - Prospect, 
femer  der  Liteiny-,  Wladimirsky-,  Sagorodny-,  Sabalkansky-Pro- 
spectetc.  Strassen  zweiten  Ranges  sind  die  Ulizen  (Yjhiih),  darunter 
die  Gorochowaja  (Erbsenstrasse),  die  Bolschaja  undMalajaMorskaja 
(grosse und  kleine  Seestrasse),  die  Millionnaja,  die  S6adowaja(Garten- 
strasse) ,  die  Kasanskaja,  Karawannaja,  Konjuschennaja  (Stallhof- 
strasse), OfFlzerskaja  (Offlzierstrasse)  u.  s.  w. ;  Strassen  dritten  Ranges 
die  Perjeulki  (Quergassen,  DepeyjKH).  —  An  öflentliGhen  Plätzen, 
auf  einigen  von  denen  sich  6(3-100,000  Mann  bewegen  können,  be- 
sitzt die  Stadt  64.  —  Die  hervorragende  Schönheit  St.  Petersburgs 
beruht  hauptsächlich  auf  den  richtigen  Verhältnissen  zwischenStrom, 
Strassen  und  Plätzen ,  auf  einer  grossartigen,  schon  im  ersten  Ent- 
wurf enthaltenen  Raumverschwendung,  welche  die  Riesenbauten, 


104    Boute  IL  ST.  P£TERSBUBG.  KUtml 

an  denen  die  Stadt  so  reich  ist,  für  das  an  grosse  Verhältnisse  ge- 
wohnte Auge  erst  hervortreten  und  würdigen  lässt. 

Die  meisten  Strassen  sind  mit  Granitsteinen  gepflastert,  die  aher 
unregelmässig  gelegt ,  meist  nur  auf  die  hohe  Kante  nebeneinander 
gestellt  und  dann  mit  Sand  bedeckt  sind ;  in  Folge  dessen  ist  schon 
das  Gehen ,  noch  mehr  das  schnelle  Fahren  auf  diesem  Pflaster  un- 
angenehm. Auch  die  schmalen  Trottoirs  lassen  zu  wünschen  übrig. 
Holz-  und  Asphaltpflasterung  ist  namentlich  in  den  Hauptstrassen 
vielfach  angewandt. 

Die  Privatgebäude  in  St.  Petersburg  ruhen  gleich  den  öffent- 
lichen zum  grossen  Theil  auf  Pfählen,  wie  es  der  morastige  Boden 
bedingt.  Trotz  der  bedeutenden  Baukosten  wird  mit  dem  Räume 
nicht  gegeizt ;  selbst  die  grossen  Mlethkasernen,  die  man  in  St.  Peters- 
burg in  einer  Ausdehnung  antrifft,  wie  kaum  in  einer  andern  Gross- 
stadt, zeigen  eine  ungewöhnliche  Weitläufigkeit  der  Anlage.  Einen 
specifisch  national-russischen  Charakter  trägt  übrigens  das  Peters- 
burger Wohnhaus  so  wenig  wie  die  ganze  Stadt;  in  dieser  Beziehung 
bietet  Moskau  des  Eigenthümlichen  und  Interessanten  weit  mehr. 

Klima  und  Lebensweise  in  St.  Petersburg.  In  Bt.  Petersburg 
ist  die  mutiere  Temperatur  des  Winters  {iöi  Tage,  28.  Oet.  bis  28.  März) 
—  6.°4  E.^  des  Frühlings  (71  Ta«,  28.  März  bis  7.  Juni)  +  l.*r  E.i  des 
Sommers  (66  Tage,  7.  Juni  bis  12.  Aug.)  +  12.<^^  des  Herbstes  (77  Tage, 
12.  Aug.  bis  28.  Oct.)  +  8.«^.  Jahresmittel  +  3*.  I>m  Klima  von  St.  Peters- 
burg ist  demnach  kalt  und,  in  dem  sumpfigen  Kewa*- Delta,  feueht,  da- 
neben sehr  unbeständig  (vgl.  S.  xxxiii).  Der  F  r  ü  hl  i  n  g  fängt  spät  an ;  oft 
sieht  man  im  Mai  noch  Schnee,  gegen  Mitte  Mai  zeigen  sich  die  ersten 
Spuren  des  Grüns,  das  freilich  oft  wieder  unter  erneutem  Schnee  oder  bei 
dem  eisigen  Xordostwind  zu  Grunde  geht.  Trotzdem  eignet  sich  für  einen 
Besuch  von  St.  Petersburg  am  besten  die  Zeit  von  Ende  April  bis  Anfang 
Juni  (vgl.  S.  x).  Juni  und  Juli  bringen  angenehme  Sommertage ,  ebenso 
der  August,  doch  ist  zuweilen  schon  die  zweite  Hälfte  dieses  Monats  rauh 
und  unangenehm.  So  hat  eigentlich  St.  Petersburg  nur  vom  16.  Mai  bis  Ende 
August  eine  für  den  Aufenthalt  im  Freien  geeignete  Witterung.  Indessen 
ist  das  Petersburger  Leben  im  Sommer  angreifend,  weil  es  der  eigentlichen 
Ifacht  entbehrt  und  der  Schlaf  auf  das  unumgänglich  Nöthigste  beschränkt 
wird.  Wenn  auch  das  die  regelmässige  Kacht  in  den  Sommermonaten  ver- 
tretende Dämmern  nicht  gerade  den  ScUaf  beeinträchtigt,  so  ist  doch  die  Art 
<ler  Tageseinth^uüg,  welche  durch  keine  Dunkelheit  in  Grenzen  gebannt 
ist,  eine  so  hinausgerückte,  dass  für  die  Morgenruhe  nicht  viel  übrig  bleibt. 
Zwischen  Tag  und  Nacht  wird  wenig  unterschieden.  Vor  allem  die  hellen 
Juni-Kächte  am  Strande  der  grossen  Newka,  während  das  Thermometer 
nicht  leicht  unter  -{-  15°  fällt  und  von  einer  eigentlichen  Nacht  keine 
iBede  ist,  werden  in  St.  Petersburg  gründlich  ausgenutzt.  Flussdampfer, 
Pferdebahnen,  Omnibus  und  Iswoschtschiks  fahren  unaufhörlich  hin  und 
her,  bis  tief  in  die  Xacht  hinein  sind  die  Restaurants  geöffnet,  bis  Mitter- 
nacht dauern  die  Goncerte  in  den  Gartenlocalen. 

St.  Petersburg  ist  nicht  nur  Haupt-  und  Residenzstadt,  sondern 
auch  neben  Moskau  eine  der  wichtigsten  Fabrikstädte  des  russi- 
schen Reichs.  In  und  bei  St.  Petersburg  concentrirt  sich  die  Fabri- 
kation von  manchen  Kunstproducten,  welche  Russlaud  früher  fertig 
vom  Auslande  bezog.  Die  bedeutendsten  Privatfabriken  sind  Baum- 
wollenspinnereien  und  Webereien,  Eigengiessereien  und  chemische 
Fabriken;  die  grossartigen  kaiserlichen  Fabriken  (S.  168)  liefern  die 
ausgezeichnetsten  Glaswaaren  und  yorzügliches  Porzellan.   Zu  den 


Oetchichte.  ST.  PETERSBURG.  Jl.  Route.     105 

grössten  Etablissemdnts  Russlands  gehören  ferner:  die  kais.  Ma- 
schinenfabriken zu  Alexandrowsk  (S.  195) ;  die  kais.  Druckerei  von 
Werthpapieren  auf  der  Eolomna,  bei  der  Aegypt.  Brücke  (S.  166) ; 
die  Ssamssonjew'sche  Manufactur ,  welche  jährlich  c.  60,000  Pud 
■SchweisawoUe  verarbeitet ;  die  einer  Actien- Gesellschaft  gehörige 
Stearin-  u.  Seifenfabrik  auf  der  Gutujewschen  Insel;  die Eönig'sche 
Zuckerfabrik;  etc.  —  Der  Handel  ist  in  den  letzten  Jahren  zurück- 
gegangen. 

Zur  Geschichte  St.  Peterabargs.  Ingermanland ,  das  Land 
zwischen  dem  Peipus-See,  der  ^arowa  und  dem  Ladoga-See ,  ehemals 
Ingrien  genannt  und  zunächst  zu  Kowgorod ,  dann  zu  Moskau  gehörig  und 
16i7  von  Schweden  erobert,  wurde  IrOQ  von  Peter  dem  Grossen  zurück- 
gewonnen. Am  11.  Oct.  170S  pflanzte  er  seine  Fahnen  auf  den  Wällen  der 
kleinen  schwedischen  Festung  Nöteborg  auf,  die  auf  einer  Insel  am  Aus- 
flusse der  Newa  aus  dem  Ladoga-See  liegt,  und  nannte  sie  8cMü$selhurg ; 
am  1.  Mai  1708  fiel  auch  die  kleine  Festung  Nyenschant  ^  an  der  Mündung 
der  Newa  ins  Meer  gelegen ,  in  seine  Hand ,  und  schon  am  16.  Mai  1703 
wurde  der  Grundstein  zu  einer  neuen  Festung  am  Finnischen  Busen  ge- 
legt, der  jetzigen  Peter-Paula-Festung,  der  Gitadelle  der  Stadt.  Während 
Peter  persönlich  den  Bau  derselben  leitete,  faaate  er  den  Plan,  hier  eine 
neue  Hauptstadt  Kusslands  zu  bauen,  obwohl  er  angeblich  noch  kurz 
luYor  beahsichtigt  hatte,  dieselbe  am  Asow^schen  Meere  anzulegen,  dessen 
Gestade  er  1696  den  Tataren  entrissen  hatte,  und  schon  1704  erhoben  sich 
die  ersten  Häuser  der  neuen  Stadt ,  an  deren  Herstellung  40,000  Menschen 
aus  allen  Gegenden  des  Reiches  mehrere  Jahre  arbeiteten ,  häufig  decimirt 
durch  die  verderblichen  Ausdünstungen  der  Sümpfe  und  die  übermensch- 
lichen Anstrengungen,  wiederholt  beunruhigt  durch  die  Angriffe  der 
Schweden.  Zum  Schutze  gegen  dieselben  liess  Peter  noch  eine  kleine 
Insel,  unweit  jener  grösseren  Insel  Betusari  (jetzt  Kottil-  oder  Kotlin- 
Insel),  die  heute  Kronstadt  trägt ,  durch  Menschikow  befestigen  und  nannte 
sie  Kronslott.  Sein  erstes  Häuschen  baute  der  Zar  auf  dem  r.  Kewa-Ufer 
unfern  der  Troizky- Kirche  (S.  176),  dann  das  sog«  Sommerpalais  im 
fiommergarten  (S.  120).  Später  erbaute  er  sieh  ein  „Winterhaus",  erst 
aus  Holz,  dann  aus  Ziegeln,  in  der  Grossen  Deutschen  Strasse,  mit  Haupt» 
fa^ade  nach  der  Newa  (Peter  starb  hier  am  28.  Jan./7.  Febr.  1725,  Ka- 
tharina I.  1727).  ->  Die  ältesten  Stadttheil«  von  St.  Petersburg,  noch  jetzt 
Alt -Petersburg  genannt,  sind  diejenigen  am  nördlichen  Ufer  der  Newa. 
Sie  waren  meist  aus  Holz  gezimmert,  aber  schon  1703  wurden  durch  die 
deutsche  Golonie  dem  Winterpalais  gegenüber  auf  der  Millionnaja  Häuser 
gebaut,  wo  heute  die  Bremltage  liegt  (an  der  Stelle  der  Alten  Bremitage 
im  Hofe  des  Vice- Admirals  Cruys  stand  die  erste,  aus  H0I2  gebaute 
deutsehe  Kirche);  auf  Wasslly - Ostrow  siedelte  sich  das  Gefolge  Men- 
achikow*s  sowie  eine  französische  Golonie  an,  1706-7  zogen  zahlreiche 
Kaufleute  und  Handwerker  von  Nowgorod  nach  St.  Petersburg.  Eine  Be- 
lagerung der  neuen  Stadt  duräi  die  Schweden  im  Jahre  ITOB  verlief  resultat- 
los, da  die  strenge  Kälte  die  Belagerer  zum  Abzüge  zwang ,  und  die  Nieder- 
lage der  Schweden  bei  Poltawa  (ITOB)  beseitigte  endgültig  die  von  dort  her 
drohende  Gefahr.  Mit  verdoppelter  Bnergie  wurde  nun  an  der  Vergrösaerung 
St.  Petersburgs  gearbeitet,  schon  1710  konnte  hier  die  Vermählung  der 
Nichte  Peter^s  Anna  Iwanowna  (später  Kaiserin)  mit  dem  Herzoge  von 
Kurland  mit  aller  Pracht  gefeiert  werden ,  1712  erfolgte  die  feierliche  Ef- 
hebung  St.  Petersburgs  zur  Besidenzstadt,  nicht  ohne  heftigen  Widerstand 
der  echten  Moskowiter,  deren  nationale  Sympathieen  sich  an  den  Kreml 
von  Moskau  knüpften.  Doch  wusste  Peter  diesen  Widerstand  zu  brechen : 
«einen  Grossen  befahl  er,  in  seiner  neuen  Schöpfung  steinerne  Häuser  und 
Paläste  Bu  bauen;  je  nach  der  Ansabl  von  Seelen,  über  die  seine  Bdelleute 
geboten,  bestimmte  er  selbst  die  Grösse  der  Häuser,  und  da  trotsdem 
seinem  hastigen  Vorwärtsdrängen  die  Fortschritte  der  Stadt  nicht  genügten, 
untersagte  er  1714  „für  einige  Jahre  und  bis  den  Bauten  in  St.  Petersburg 
genügt  sei"  alle  Steinbauten  im  ganzen  Gebiet  seines  Beiches,  bei  Strafe 


106     RouU  11.  ST.  PETERSBURG.  Admiralität. 

der  Vermögenseonflscation  und  Verbannung  nach  Sibirien.  Um  der  Stadt 
aaeh  die  Weihe  eines  Nationalheiligthums  zu  verleihen.,  liess  Peter  1724 
die  Qebeine  des  heil.  Alexander  Newsky  nach  St.  Petersburg  bringen«  über 
seinem  Grabe  eine  Eirehe  und  ein  riesiges  Kloster  (sog.  Lawra,  d.  h. 
Kloster  mit  geistl.  Akademie)  erbauen,  ohne  freilieh  seinen  Zweek  ganz  zu 
erreichen,  da  das  Höhlenkloster  in  Kiew  und  das  Troiza-Kloster  des  h. 
Sserge'i  bei  Moskau  (S.  Slö)  die  gefeiertsten  Heiligthümer  der  Bussen  ge- 
blieben sind.  Wichtiger  erwiesen  sich  andere  Massregeln  zu  Gunsten  von 
St.  Petersburg,  z.  B.  die  Sperrung  des  Hafens  Ton  Arehangel  und  die  Ver- 
legung aller  höchsten  Beichsbehörden  in  die  neue  Hauptstadt,  die  1735 
bereits  76,000  Einw.  zählte.  Allerdings  trat  nach  Peter*s  Tode  bald  ein 
Stillstand  ein.  Katharina  I.  (1725-27)  und  Peter  II.  (1727-90)  bevorzugten 
Moskau,  erst  Anna  Iwanowna  (1790-40)  nahm  ihre  Besidenz  wieder  in 
St.  Petersburg  und  unter  ihr  und  ihrer  Kachfolgerin  Elisabeth  Petrowna 
(1741-61)  wuchs  die  Stadt  schnell.  Anna  liess  durch  eine  eigne  Com- 
mission  einen  Stadtbebauungsplan  ausarbeiten,  die  Moskauer  Seite  und 
Fontanka  stellten  bald  Wassily  •  Ostrow ,  bis  dahin  den  dominirenden 
Stadttheil,  in  den  Schatten.  Freilich  wurde  auch  um  jene  Zeit  St.  Peters- 
burg vom  ersten  grossen  Brande  heimgesucht  (1796) ;  die  Folge  war,  dass 
die  Regierung  für  alle  Keubauten  eine  isolirte  Stellung  vorschrieb  und 
dass  von  17w  an  auf  der  Admiralitätsseite  nur  noch  aus  Ziegelsteinen 
errichtete  Gebäude  aufgeführt  werden  durften.  Damals  entstanden  auch 
die  ersten  Datschen^  jene  für  St.  Petersburg  charakteristischen  Villen  zur 
ausschliesslichen  Benutzung  im  Sommer;  später,  zumal  seit  der  Hof  für 
die  Sommermonate  seinen  Aufenthalt  in  Peterhof  nahm,  fand  man  es  an- 
gemessen, die  Landsitze  aus  den  sumpfigen  Umgebungen  der  Kanäle  weg 
an  die  Peterhofsche  Strasse  zu  legen.  Die  meisten  und  zum  Theil  gross- 
artiesten  öffentlichen  Bauten  stammen  aus  der  Begierungszeit  Katharina*s  II. 
(1762-96)  und  auch  der  Kaiser  Paul  (1796-1801)  entfaltete  eine  reiche  Bau- 
thätigkeit.  Ihre  Nachfolger  haben  zwar  das  Bestreben,  St.  Petersburg  zu 
erweitern  und  zu  verschönern ,  alle  gleichfalls  gehabt,  aber  sie  sind  mit 
mehr  Mässigung  vorgegangen  und  haben  der  Entwicklung  der  Stadt  ihren 
naturgemässen  Gang  gelassen. 

Das  Leben  von  St.  Petersburg  bewegt  sich  vorzugsweise  in  den 
Stadttheilen  des  linken  Newa-Ufers.  Hier  sind  die  verkehrreichsten 
Strassen,  die  breitesten  und  längsten  Protpecte,  mit  ihren  glänzen- 
den Kaufläden ,  Restaurants  und  Gaf^s.  Hier  sind  die  kaiserlichen 
Paläste,  die  Admiralität,  die  kaiserlichen  Theater,  die  Bank,  der 
Oostinny-Dwor  (Kaufhof)  und  das  Stadthaus  (AyHa).  Hier  end- 
lich liegt  auch  die  Eremitage ,  in  der  von  ihrer  Stiftung  an^die 
wichtigsten  Kunstsammlungen  vereinigt  wurden. 

a.  Admiralität.    WeBÜieher  AdminOiUtitlieil. 

Die  «Admiralität  (TiaBHoe  AAHHpaj&TeMcTBO ;  PI.  2:  E5)  liegt 
im  Centrum  der  Stadt,  am  1.  Ufer  der  Newa.  Der  yreitb  Admiralität»- 
platz  j  einer  der  schönsten  Plätze  Europa^s,  dessen  ganze  Nordseite 
das  Admiralitätsgebäude  einnimmt,  bildet  mit  dem  Peters-  oder 
Senatsplatz  (S.  107) ,  sowie  den  östlich  angrenzenden  Basroodny- 
und  Palast 'Platz  ein  grosses  Ganze,  welches  auf  der  Südseite  von 
ansehnlichen  Gebäuden  abgeschlossen  wird.  Früher  umgab  nur  ein 
hübscher  Boulevard  mit  Lindenallee  das  Admiralitätsgebäude,  der 
Platz  selbst  war  f^ei ;  in  neuerer  Zeit  ist  er  von  der  Gartenbauge- 
sellschaft durch  prachtvolle  Gartenanlagen,  den  *  Neuen  Alexander- 
Oarten,  verschönert  worden.    Das  Admiralitätsgebäude  bildet^ein 


r 


Admiralität.  ST.  PETERSBURG.  U,  Route,     107 

ungeheures  Parallelogramm  tou  4!20  m  Länge  und  180  m  Breite, 

das  jetzt  auch  nach  det  Newa  durch  Neubauten  geschlossen  ist. 

Den  Grund  zu  dem  Admiralitätsgebäude  legte  Peter  der  Grosae  am 
1.  Oet.  1704  nach  Vollendung  der  Peter  -  Pauls  -  Festung.  Die  ersten  Ge- 
'  bände  waren  hölzerne  Vorrathshäuser  mit  einem  hölzernen  Thurm  in  der 
Mitte,  von  einem  kleinen  Erdwall  und  Palissaden  umgeben.  1711  wurde 
über  der  Pforte  das  Gebäude  für  das  Admiralitäts-GoUegium  von  Stein  mit 
einem  Thurm  von  Faehwerk  errichtet.  Alle  übrigen  Gebäude  innerhalb 
der  Admiralitätswerke  waren  ebenfalls  von  Fachwerk,  den  ganzen  Com- 
plex  umzog  ein  mit  Stein  ausgemauerter  Kanal.  Von  1717  an  erfolgte  erst 
eine  regelmässige  Befestigung.  1727  wurden  auch  die  Gebäude  von  Faeh- 
werk abgetragen  und  in  Stein  neu  aufgeführt,  1734-36  Hess  die  Kaiserin 
Anna  den  Admiralitätsthurm  erbauen.  1718  war  bereits  die  kleine  oder 
sog.  Partieulär- Werft  angelegt  worden,  auf  der  kleine  Kriegs-  und  Privat- 
Fahrzeuge  gebaut  wurden.  Kaiser  Paul  I.  versehönerte  die  Admiralität 
und  umgab  sie  mit  neuen  Wällen,  die  aber  eben  so  wie  die  Gräben 
unter  Alezander  I.  verschwanden  und  durch  schöne  Trottoirs  und  mit 
Lindenalleen  gezierte  Boulevards  ersetzt  wurden;  Alezander  Hess  auch  die 
Fa^ade  restauriren  und  mit  Harmorfiguren  und  Reliefs  schmücken. 

Das  Gebäude  macht  trotz  der  grossen  Dimensionen  einen  ge- 
fälligen Eindruck.  Der  ganze  Bau  hat  etwas  überaus  Leichtes  und 
Geschmackvolles.  Die  Fa^ade  in  hellgelber  Farbe  ist  durch  weisse 
Säulenreihen  getheilt,  das  Gesims  zieren  Basreliefs  (u.  a.  Engel  die 
Reichsfahne  an  die  Newa  tragend,  Peter  der  Grosse,  den  Dreizack 
aus  den  Händen  Neptun's  empfangend).  Neben  dem  Eingangsthor 
rechts  und  links  je  drei  weibliche  Figuren,  die  'Weltkugel  tragend ; 
über  dem  Thor  erhebt  sich  der  mit  Säulen  und  Statuen  geschmückte 
Admiralitätsthurm,  75  m  hoch ,  in  eine  dünne  vergoldete  Spitze 
endigend ;  darüber  eine  Krone  und  ein  Schiff  als  Wetterfahne.  Von 
den  Gallerien  des  Thurms  vortreffliche  ^Aussicht  über  Stadt 
und  Umgegend.  Die  weitläufigen  inneren  Räume  enthalten  das 
Marineministerium,  die  Seekadettenschule,  eine  Bibliothek  von 
über  30,000  Bänden  und  das  *  Marine -Museum  (MopcKofi  Myseft, 
S.  99)  mit  einer  werthvollen  Sammlung  von  Schiffsmodellen ,  Kar- 
ten, Zeichnungen  von  Peter  I.,  Maschinen  aller  Art,  das  Porträt 
Peter's ,  in  Zaandam  gemalt,  die  Fahne,  welche  Peter's  Schiff  In  der 

Asow'schen  Seeschlacht  führte  u.  s.  w. 

Im  Admiralitätsgebäude  findet  gewöhnlich  die  alljährlieh  Im  Früh- 
jahr veranstaltete  Blumenausstellung  statt,  vom  Publikum  stark 
besucht  und  sehr  sehenswerth  (S.  99). 

An  der  Newa-Seite,  wo  sich  früher  die  Schiffswerfte  befanden 
(jetzt  in  der  Neuen  Admiralität ,  S.  112),  ist  ein  Quai  und  eine 
Strasse  angelegt,  so  dass  man  jetzt  von  der  Nikolaus  -  bis  zur  Ale- 
xander-Brücke in  gerader  Linie  an  der  Newa  entlang  gehen  kann.  — 
Durch  den  Hof  der  Admiralität  geht  der  Meridian  von  St.  Petersburg. 

An  der  Westseite  der  Admiralität  erhebt  sich  in  den  Anlagen 
des  Peterfplaixes  (s.  oben),  dem  Senatsgebäude  (s.  S.  108)  gegenüber 
nicht  weit  vom  Ufer  der  Newa  die  berühmte  *]l«iterwtatae  Peters 
dei  Orofsen  (IlaMjmnnineTpy  I.;  PI.  30:  E 5;  nicht  zu  verwechseln 
mit  jener  vor  der  Ingenieur- Akademie,  S.  121) :  der  mit  einem  Lor- 
beerkranz gekrönte  Kaiser  einen  Felsen  hinansprengend,  das  Antlitz 
der  Newa  zugewendet ,  mit  der  kraftvoll  erhobenen  Rechten  nach 


108    Boute  IL  ST.  PETERSBURG.  Westlicher 

dem  Schauplatz  seiner  Thaten  hinweisend.  Das  Pferd  raht  auf  den 
Hinterfüssen  und  dem  Schweife ;  um  seine  Füsse  windet  sich  eine 
YOn  den  Hufen  zertretene  Schlange. 

Die  Statue  ist  gegen  3  m,  mit  dem  Pferde  5  m  hoch.  Der  fran- 
zösische Bildhauer  Faleonet,  den  Katharina  nach  St.  Petersburg 
berufen  hatte ,  verfertigte  das  Modell  und  leitete  auch  den  Guss, 
der  1775  beendet  wurde;  speciell  das  Haupt  des  Kaisers  arbeitete 
Marie  Collot,  welche  die  Schwiegertochter  Falconet's  wurde.  Um 
der  Statue  den  ricbtigen  Schwerpunkt  zu  geben,  ist  der  Bronzeguss 
am  Yordertheil  des  Pferdes  nur  1  cm  dick,  verstärkt  sich  aber  nach 
hinten  bis  auf  c.  3  cm ;  ausserdem  wurden  noch  5000  kg  Eisen  in 
den  hintern  Theil  und  den  Schweif  des  Pferdes  eingegossen.  Der 
mächtige  Oranitblock,  welcher  das  Piedestal  bildet,  stammt  aus 
dem  karelischen,  12  W.  von  St.  Petersburg  entfernten  Dorfe  Laehta ; 
«r  ist  14m  lang,  6m  breit  und  5m  hoch  und  trägt  auf  der  einen 
Seite  die  stolze  Inschrift:  IleTpy  IlepBOHy  EKaTepHHa  Bropan  1782; 
auf  der  andern  lateinisch:  „Petro  Primo  Oatharina  Secunda 
MDOCLXXXII'*.  Das  Denkmal  wurde  am  7.  Aug.  1782  enthüllt 
und  kostete  430,000  R. 

Die  ganze  Westseite  des  Petersplatzes  zwischen  dem  Englischen 

^uai(S.112)und  demBoulevard  derGarde  zuPferde  (s.  unten)  wird 

von  dem  grossen  Senatsgebände  (üpaBHTlijibeTByiomtä  CenaTi ;  PI. 

"209 :  E5),  in  strengem  Stile  iiach  Rossi's  Plänen  erbaut,  und  dem 

;griech.-kath.  heil.  Synod  (CBarbämiÜ  IIpaBMTtjbCTByiomlfi  Chhoa'b  ; 

PI.  212:  E5)  eingenommen,  beide  durch  einen  hohen  Bogengang 

über  die  Galeeren-Strasse  {Oalernaja)  verbunden,  auf  welchem  die 

Göttin  der  Gerechtigkeit  mit  der  "Wage  sitzt. 

Der  Senat  oder  oberste  Gerichtshof  ist  nach  dem  Beichsrath  die  höchste 
^Behörde.  Vor  Erricbiang  des  letztern,  der  General-Controle  und  de^  Gehei- 
men Kanslei  des  Kaisers  war  in  dem  Senate  die  Direction  alier  Angelegen- 
heiten (Gesetzgebung,  Gontrole,  oberste  Justiz  u.  s.  w.)  vereinigt.  Gegen- 
wärtig zerfällt  der  Senat  in  Departements  und  seine  Befugnisse  bilden  die 
Veröffentlichung  und  Begistrirung  der  Gesetze ,  Ukase  u.  s.  w. ,  die  Be- 
stätigung von  Adelstiteln,  die  Feststellung  von  Grundbei^tz-G^nzen,  die 
letztlnstanzliohe  Entscheidung  über  Staatsverbrechen,  Civil-  und  Criminal- 
sachen ,  die  Revision  der  durch  die  Provinzial-Tribunale  gefällten  richter- 
lichen Entscheidungen  u.  s.  w.  An  der  S-pitze  des  Senats  sieht  der  Ge- 
neral- oder  Oberprocttrator  des  Senats,  dessen  Amt  mit  dem  des  Justiz- 
ininisters  verbunden  ist.—  Der  heilige  Synod  (s.  8.  xlvi),  gestiftet 
den  35.  Jan.  1731 ,  hat  dieselbe  Bedeutung  für  die  geistlichen  Atagelegen- 
heiten wie  der  Senat  für  die  weltlichen.  Alle  Beschlüsse  des  Synod 
werden  dem  Kaiser  unterbreitet.    Vgl.  S.  265. 

Auf  der  Südseite  des  breiten  Boulevards  der  Oarde  %u  Ff  erde 
iK<yfino  Owardejsky  BtUwar,  PI.  E  4, 5),  der  sich  mit  seinen  neu  ge- 
pflanzten  Alleen  w.  bis  zur  Yerkündigungsstrasse  (S.  111)  erstreckt 
<am  Beginn  zwei  kleine  Siegessäulen) ,  liegt  die  Manege  dw  Garde 
zu  Pferde  oder  Nikolai -Eeithahn,  in  der  häufig  Mittags  1  U.  Pa- 
raden stattfinden. 

Anstossend  der  Isadka-Platt  (PI.  E  5),  an  der  Ostseite  begrenzt 
▼om  Kriegsministerium  (BoeHHoe  MHHHCTepTBO,  PI.  166),  einem 


AdmircUitätstheü.     ST.  PETERSBURa.  U.  R(yute.     109 

grossen  Dreieck  (die  beiden  andern  Fagaden  nach  dem  Admiralitäts- 
Platz  und  dem  Wosnessensky-Prospect).  In  der  Mitte  des  Platzes 
erhebt  sich  die 

*Ifaa]Di- Kathedrale  oder  KathedaraU  des  h.  Uaak  von  Dal- 
maxien  (Coöopi  Cb.  HyAor.  HcaasiA  4ft4MaTiiB€Karo ;  PL  92:  So), 
die.grösste  und  prachtvollste  Kirche  St.  Petersburgs.  Schon  Peter 
der  Grosse  hatte  1710  an  dieser  Stelle  den  Bau  einer  hölzernen 
Kirche  begonnen,  die  1727  vollendet  wurde,  aber  1735  vom  Blitz 
getroffen  abbrannte.  Katharina  II.  begann  1748  einen  Neubau  aus 
Marmor,  der  indess  bei  ihrem  Tode  nur  bis  zum  Gesims  gediehen 
war  und  durch  Kaiser  Paul  1801  einen  übereilten  Abschluss  erhielt. 
Alexander  I.  legte  am  26.  Juni  1819  den  Grundstein  zu  der  jetzigen 
Kathedrale,  deren  Bau,  nach  den  Plänen  des  franz.  Baumeisters 
Ricard  de  Monferrand ,  trotz  eifriger  Förderung  durch  Kaiser  Ni- 
kolaus, fast  40  Jahre  in  Anspruch  nahm  und  erst  1868  unter 
Alexander  II.  vollendet  wurde.  Um  ein  festes  Fundament  zu 
schaffen ,  mussten  ganze  Wälder  von  Masten  in  die  £rde  getrieben 
werden;  auch  später  noch  machten  sich  wiederholt  die  kostspie- 
ligsten Unterbauungen  nöthig,  um  eine  Senkung  nach  der  Newa- 
Seite  zu  verhindern.  Die  Gesammtkosten  des  Baues  nebst  der  Innern 
Ausschmückung  beliefen  sich  schliesslich  auf  mehr  als  23  Mill.  R» 

Die  ganz  aus  Granit  und  Marmor  in  verschwenderischer  Pracht 
aufjgeführte  Kathedrale  hat  die  Gestalt  eines  griechischen  Kreuzes 
von  105,4  m  Länge  und  90,am  Breite,  das  von  einer  mächtigen  weit- 
hin sichtbaren  Kuppel  überragt  wird.  An  allen  vier  Seiten  befinden 
sich  Eingänge,  zu  denen  breite  je  aus  einem  Stück  bestehende  Gra- 
nittreppen emporführen.  Die  Haupteingänge ,  an  der  breitern  N.- 
und  S.-Seite,  bilden  prächtige,  der  Vorhalle  des  Pantheon  in  Rom 
nachgebildete  Portiken  mit  je  sechzehn  gewaltigen ,  17  m  hohen, 
über  2  m  dicken  Monolithsäulen  aus  polirtem  rothen  finnländischen 
Granit,  mit  Bronze -Basen  und  Kapitalen;  an  den  Schmalseiten 
(0.  ufid  W.)  kleinere  Portiken  von  je  acht  Säulen.  Auf  den  Säulen 
ruhen  mächtige  Frontons,  an  den  Hauptseäten  je  36m  lang;  in  den 
Giebelfeldern  kolossale  Bronzereliefs ,  die  Geschichte  der  Religion 
darstellend,  von  Vitali,  Klodt  und  Lemaire. 

Die  Hauptkuppel,  26,«  m  im  Durchmesser ,  ruht  auf  einer  von 
24  je  9  m  hohen  Granitsäulen  umgebenen  Trommel  und  wird  von 
einer  Laterne  mit  gleichfalls  24  Säulen  überragt ,  die  eine  Wieder- 
holung der  ganzen  Kuppel  im  kleinen  ist;  auf  der  Spitze  ein 
5,8  m  h.  Kreuz.  Die  innere  Scheltelhöhe  der  Kuppel  über  dem 
Fussboden  beträgt  82  m  (Peterskirche  in  Rom  123  m,  Paulskirche 
in  London  68  m),  die  Höhe  des  ganzen  Gebäudes  bis  zur  Kreuzspitze 
102m.  Die  Kuppel  besteht  aus  Guss-  und  Schmiedeeisen,  ist  mit 
Kupfer  überdeckt  und  nebst  Laterne  und  Kreuz  stark  vergoldet. 

Sieben  kolossale  Bronzethüren  mit  reichem  Sculpturenschmuck 
von  Yitali  (f  1865)  u.  a.  führen  in  das  durch  die  12  Fenster  der 
Kuppel  und  wenige  Seitenfenster  matt  beleuchtete  Inneub.   Das- 


HO    B(mtt  11.  ST.  PETERSBURG.  Westlicher 

selbe  erinnert  in  seiner  Anordnung  an  St.  Peter  in  Rom ,  doch  ist 
die  Wirkung  durch  die  im  Yerh'ältniss  zu  den  mächtigen  Pfeilern 
geringen  Dimensionen  eine  ungleich  schwächere.  Wände  und  Fuss- 
boden  sind  mit  den  prachtvollsten  geschliffenen  Marmorarten  in  ge- 
schmackvoller Zusammensetzung  belegt  (ein  Geschenk  Demidow^s 
an  den  Kaiser  Nikolaus),  erstere  ausserdem  mit  zahlreichen  (an  200) 
Gemälden  russischer  Künstler  geschmückt.  Das  kolossale  Decken- 
gemälde der  Hauptkuppel  ist  von  Brülow  begonnen ,  von  Bassin 
beendigt.  Zwischen  den  Fenstern  der  Kuppel  kolossale  Engelflguren, 
in  Erz  und  vergoldet. 

Der  Ikonottas ,  die  hohe  bis  zur  Decke  reichende  Bilderwand, 
welche  in  russisch  -  griechischen  Kirchen  das  AUerheiligste  vom 
Schiff  trennt,  56  m  breit,  Marmor  mit  reichster  Vergoldung,  ist  mit 
33  grossen  Heiligenbildern  in  3  Reihen  über  einander  geschmückt, 
dabei  viele  kostbare  Mosaikbilder.  Zu  beiden  Seiten  der  ins  AUer- 
heiligste führenden  Hauptthür  („Kaiserpforte^),  prachtvoller  Bronze- 
guss  nach  Vitali,  8  m  hoch,  4  m  br.,  stehen  zehn  Säulen,  je  eine  aus 
Lapislazuli,  4,8  hoch,  0,6  m  im  Durchmesser,  und  Je  vier  aus  Malachit, 
9  m  hoch,  und  0,75  m  im  Durchm.,  mit  reich  vergoldeten  Basen  und 
Kapitalen  (die  Säulen  sind  nicht  massiv ,  sondern  bestehen  aus  ei- 
sernen mit  Malachit  und  Lasurstein  verkleideten  Gylindem).  Im 
Sanctuarium  (Zutritt  für  Frauen  nicht  gestattet)  der  Hochaltar  aus 
weissem  Marmor  mit  einer  Nachbildung  der  Kathedrale  in  Silber  als 
Tabernakel ;  darüber  ein  farbenprächtiges  Glasgemälde  der  Aufer- 
stehung Christi,  in  München  gefertigt.  In  dem  Halbrund  hinter  dem 
Altartisch  sind  die  Sitze  für  den  Metropoliten  u.  die  Domgeistlichen. 
Auch  die  beiden  Nebenaltäre,  in  Marmor  u.  Malachit,  sind  prachtvoll. 

Die  dem  Gultus  dienenden  Gegenstände  bestehen  mit  Ausnahme 
der  sieben  kolossalen  Bronze-Kronleuchter  durchweg  aus  Gold  und 
Silber  u.  sind  von  Gliedern  des  kaiserlichen  Hauses  gestiftet.  Ihrem 
ungeheuren  materiellen  Werthe  (die  von  den  Hoflieferanten  Nicholls 
und  Plincke  gelieferten  Goldarbeiten  wiegen  über  40  kg,  die  Silber- 
arbeiten haben  ein  Gesammtgewicht  von  mehr  als  1100  kg)  entspricht 
die  vorzügliche  Arbeit.  Unter  der  Masse  von  kostbaren  Gegenstän- 
den erwähnen  wir  15  gewaltige  silberne  Oandelaber,  ein  prächtiges 
Evangeliarium,  auf  dessen  Einband  allein 20  kg  Gold  verwandt  sind, 
sowie  ein  aus  Silber  gefertigtes  z.  Th.  vergoldetes  Grab  Christi. 

Wenn  kein  Gottesdienst  (d.  h.  vor  */2l0  und  nach  12  U.)  ist, 
kann  man  unter  Führung  eines  Kirchendieners  (20  Kop.)  alle  Räume, 
auch  das  auf  Wunsch  geöffnete  Sanctuarium,  besichtigen.  Doch  ver- 
säume man  nicht,  auch  einem  Gottesdienste  (besonders  feierlich  am 
Geburtstage  des  Kaisers,  26.  Febr./lO.  März)  beizuwohnen.  Grossen 
Eindruck  macht  namentlich  an  Festtagen  der  von  ausgesucht  schönen 
Stimmen  ausgeführte  Männergesang,  vorzugsweise  das  „Gospodi 
pomilui''  (Herr  erbarme  dichl). 

Di^Kuppel,  zu  welcher  530  Stufen  hinaufführen  (Führer  SOKop.), 
bietet  eine  prächtige  «Aussicht  über  die  Stadt  und  die  Newa. 


AdmiralitätatheiL     ST.  PETERSBURG.  11.  Route,     111 

Südl.  der  Kathedrale  am  Wosnesseusky-Prospect  liegt  der  laaäks- 
Oarten,  Jenseit  desselben  auf  dem  Marienplatz  erhebt  sich  das  18Ö9 
errichtete  Denkmal  des  Kaiseri  Kikolaiu  I.  (IlaiiflTHiiKi  HHSOJiaji  I., 
PI.  29,  E  6),  nach  dem  Entwürfe  von  Monferrand,  die  Reiterstatue 
des  Kaisers  von  Klodt,  Der  Kaiser,  in  der  Uniform  seiner  Chevalier- 
Garde,  ist  auf  feurig  sich  aufbäumendem  Rosse  dargestellt.  Die  ganze 
Last  des  Reiters  ruht  lediglich  auf  den  Hinterfüssen  des  Pferdes.  Der 
hohe  ovale  Sockel  aus  Granit  und  Marmor  ist  mit  Bronze-Trophäen 
und  Basreliefs,  Ereignissen  aus  des  Kaisers  Leben,  geschmückt ;  am 
besten  gelungen 'der  Moment,  wo  der  Monarch  durch  sein  Erscheinen 
auf  dem  Heumarkte  (S.  161}  einen  Aufstand  beschwichtigt  und  die 
Rebellen  ihm  zu  Füssen  fallen.  An  den  Ecken  die  Figuren  der  Ge- 
rechtigkeit, Stärke,  Weisheit  u.  des  Glaubens  (Porträts  der  Gemahlin 
und  dreier  Töchter  des  Kaisers).  Inschrift:  „HHKOjaioL  —  Hiinepa- 
Topy  BcepocciäGKOMy"  (,»Dem  Nikolaus  I.,  Kaiser  aller  Reussen''). 

Gerade  vor  dem  Denkmal ,  jenseit  der  Blauen  (Ssiny-)  Brücke, 

an  der  Ecke  ides  Wosnessensky-Prospects  der  Leuehtenberg'iohe 

Palaat  (PL  178:  E6),  1844  durch  Kaiser  Nikolaus  für  seine  älteste 

Tochter  Maria,  Herzogin  von  Leuchtenberg,  und  deren  Gemahl  im 

italienischen  Stil  erbaut,  jetzt  vom  Staat  für  den  Reichsrath  (S.  108) 

angekauft. 

Die  G-allerie  des  Herzogs  v.  Leuchtenberg  kam  durch  die  Vermäh- 
lung des  Herzogs  Maximilian  (f  1852)  mit  der  Grossfürstin  Marie  von  Mün- 
chen nach  St.  Petersburg.  Sie  wurde  durch  den  Grossvater  der  jetzigen 
Besitzer,  den  Vicekonig  von  Italien,  Eugen  Beauharnais,  zusammengebracht 
und  enthält  daher  namentlich  italienische  Bilder,  besonders  der  venezia- 
nischen Schule. 

Wenden  wir  uns  von  dem  Denkmal  r.  (w.)  in  die  belebte  Gr  o  s  s  e 
Morskaj a  fBoZscAaia  Morskaja,  PL  EF6,5),  so  haben  wir  zu- 
nächst r.  an  der  Ecke  die  Deutsehe  Botschaft  (PI.  E6);  weiter,  L, 
die  Beformirte  Xirehe  (Pe«op][aTCKafl  UepiOBb ;  PI.  117:  E6),  von 
den  deutschen  Beformirten  1863-65  gebaut.  Im  Erdgeschoss  die 
Wohnung  des  Predigers  und  eine  Schule ;  im  ersten  Stock  die  ein- 
fach gehaltene  Kirche.  Der  viereckige  Glockenthurm  hat  eine  acht- 
eckige durchbrochene  Laterne.  —  Der  Kirche  schräg  gegenüber  r. 
die  Kanzlei  des  Ministeriums  des  Innern,  Durch  die  hier  abgehende 
Seitenstrasse,  quer  über  Postamt-Strasse  (Potschtamtskaja),  in  der 
r.  das  Post- Departement  (IIoqTOBiiii  AenapTaHeHTi),  1.  das  Haupt- 
Poitamt  (FiaBEHfi-IIoiTaHrB ;  PI.  189:  E6),  und  weiter  am  Ende  r. 
das  Haupt '  Telegraphenamt  (PI.  213),  gelangen  wir  in  die  Neue 
iBSkikB^StrsLasQ  (Nowo-Isakjewskc^a),  Am  Ende  dieser  Strasse ,  in 
der  die  Manege  (s.  oben),  die  Ställe  und  Kasernen  der  Oarde  zu 
Pferde,  die  amerikanische  Methodistenkirche  (PL  113),  dieser  Secte 
von  Katharinall.  1767  eingeräumt,  und  die  Jfamie-£^aseme(MopcKlii 
KasapHH,  PL  78)  liegen ,  erhebt  sich  auf  freiem  Platze  an  der  Yer- 
kündigungs  -  Strasse  (Blagowjeschtsehenskaja)  die  Kirehe  Maria 
Verkfindigang  (UepxoBL  BiaroB'bmeHHoü  üpecBATofl  Eoropo^Eim ; 
PL  112:  D6),  in  Form  eines  griechischen  Kreuzes,  mit  vergoldetem 


112    Route  11,  ST.  PETERSBURG.  Oestlicher 

Thurm.  R.  mündet  der  Bouleyard  der  Garde  zu  Pferde  (s.  oben)^ 
südl.  begrenzt  von  den  oben  genannten  Kasernen.  An  der  Nordseit» 
desselben  erhebt  sich ,  mit  der  Hanptfa9ade  nach  der  Y erkündi- 
gnngsstrasse ,  der  elegante  Palast  des  Orossfiinrten  Nikolaus  Kiko* 
hgewitsoh  des  Aeltern  (^opem  BeiMKaro  Khjiss  ÜHKOjaii  Hhko- 
laeBHHa;  PI.  182:  DE 6),  1861  von  Stakenschneider  erbaut.  Der 
Haupteingang  ist  von  einem  geschmackvollen  Gitter  umgeben  und 
mit  Säulen  geschmückt;  im  Innern  ein  schönes  Treppenhaus. 

Wir  folgen,  die Galeerenstrasse  CG^a^ema^aj  kreuzend,  der  Ver- 
kündiguugsstrasse  zur  Newa  {Nikolatuhrüeke  s.  unten).  An  dem 
eleganten  EnglischenQuai  (Anglijskaja  Nabereshnaja)  1.  (ström- 
abwärts)  die  Xnglisehe  Kirche  (UepKOSi  AHriificEaH;  PI.  99:  D6), 
ein  hübscher  Bau ,  zu  dessen  Kosten  die  englischen  Kaufleute  St^ 
Petersburgs  1813  25,000  R.,  die  englische  Regierung  1850  40,000  R. 
spendeten.  Das  Altarbild  ist  eine  Kopie  der  Kreuzabnahme  von 
Rubens.  Gottesdienst  Sonntags  11  und  4  U.  —  Weiter  (Eingang  von 
der  Galeerenstrasse)  die  Hena  Admiralität  (Hoeoe  AAiiHpajbTeücTBO ;. 
PL  1 :  E  5) ,  mit  den  von  der  alten  Admiralität  hierher  verlegten 
Docks  und  Schiffswerften. 

Rechts,  oberhalb  der  Nikolaibrücke,  die  Hikolaus-Oeneralstabi- 
Akademie  (HnKOjaliBCKaji  AKaxeiiifl  FeHepaibHaro  Uliaöa;  PI.  7: 
D  5, 6),  eine  höhere  militärische  Lehranstalt,  in  der  in  einem  zwei- 
jährigen Cursus  (in  der  geodätischen  Abtheilung  vierjährig)  schon 
im  activen  Dienst  stehende  Offiziere  für  eine  specielle  Fachbildung 
vorbereitet  werden  (Haupteingang  von  der  Galeerenstrasse). 

Die  *Nikolans-Bräeke  (HuKOjatBCKitt  hocti  ,  PI.  D  5),  welche 
von  der'Blagowjeschtschenskaja-Str.  und  dem  Englischen  Quai  nach 
Wassily-Ostrow  (S.  168)  führt,  wurde  1851  an  Stelle  der  früheren 
Schiffs  (l8aake)-Brüoke  vom  Ingenieur-General  Kerbeds  aus  Granit 
u.  Eisen  erbaut,  ruht  auf  7  Pfeilern  und  wird  durch  22  grosse  Can- 
delaber  erleuchtet  Am  nördl.  Ende  ist  ein*  Durchlass  für  Schiffe. 
Das  schwerfällige  Eisengitter  ist  in  der  Baird'schen  Fabrik  in  St.- 
Petersburg  gegossen.  Kurz  vor  dem  Durchlass  steht  eine  hübsche 
kleine  Marmorkapelle,  dem  h.  Nikolaus  gewidmet,  mit  dem  Mosaik- 
bilde  des  Heiligen  nach  Neff.  Die  *Au88icht  von  der  Brücke  ist 
interessant. 

b.  OestUoher  AdmiralitAtaÜiett. 

Oestl.  stosst  an  den  Admiralitätsplatz  (S.  106)  der  Palast- 
Platz  (PI.  F5),  an  der  Nordseite  begrenzt  vom  Winterpalast  (s.^ 
unten),  an  der  Süd-  und  Ostseite  in  weitem  Bogen  von  dem  grossen 
Generalstabsgebäude  (S.  118).  In  der  Mitte  des  Platzes  steht  die 
*Ala«aader- Saale  (AieKcaiiApoBcxaa  KoiOBHa;  P1.25:F5),  zum 
Gedächtniss  Alexander 's  I.  1834  nach  Monferrand'B  Entwurf  voa 
Kaiser  Nikolaus  errichtet.  Auf  einem  8  m  h.  Piedestal,  aus  einem 
einzigen  Granitblook,  erhebt  sich  die  gewaltige  S&ule,  der  grösste 
Monolith  der  Neuzeit,  25  m  hoch,  4  m  im  Dur  ehm.,  aus  polirtem^ 


Admiralüätstheil,    ST.  PETERSBURO.  ü.  Boute.     113 

rothen  flnnländ.  Granit,  mit  4  m  h.  Bronze-Kapital.  Auf  der  Spitze 
auf  einer  Kugel  ein  4  m  h.  bronzener  Engel ,  der  in  der  1.  Hand 
ein  3  m  h.  Kreuz  hält,  die  rechte  zum  Himmel  erheht  und  mit  dem 
Fuss  eine  Schlange  zertritt.  Die  Hohe  des  ganzen  Denkmals  beträgt 
42m.  Inschrift:  „AieKcanxpy  üepsoMy  EjaroA&pHafl  Poccifl*'  (Ale- 
xander I.  das  dankbare  Russland). 

Der  »Winteipalast  (3HMHiä  ^Bopem;  P1.I187:  £F5),  die  Resi- 
denz des  kaiserlichen  Hofes  während  des  Winters,  bildet  ein  weites 
Rechteck,  TOn  137  m  Länge  und  106  m  Breite,  mit  der  n.w.  Front 
gegen  die  Newa  —  und  zwar  da,  wo  diese  ihre  grösste  Breite  erreicht 
hat  — ,  mit  der  s.o.  gegen  den  Palastplatz,  mit  der  s.w.  gegen  die 
Admiralität  gerichtet ,  von  letzterer  durch  einen  freien  Platz  (Ras- 
wodny-Platx)  zur  Auffahrt  für  die  Wagen  getrennt.  Zur  Grösse  des 
Schlosses  steht  die  Höhe  (24  m)  nicht  im  richtigen  Yerhältniss ;  der 
Unterbau  ist  sehr  niedrig,  der  Barock-Stil  etwas  zu  schwülstig,  die 
Verzierung  mit  Statuen  u.  s.  w.  überladen.  Die  braungelbe  Grund- 
farbe steht  in  hübschem  Gontrast  zu  dem  rothen ,  eisernen  Dache. 

Auf  der  Stelle  des  heutigen  Winterpalastes,  so  benannt  im  Gegensatz 
zu  dem  ehemaligen  Sommerpalais  der  Kaiserin  Elisabeth  auf  dem  Terrain 
des  Miehailow^sehen  Palastes  (S.  130},  stand  zur  Zeit  Peters  des  Orossen 
ein  Haus  des  Grossadmlrals  Grafen  Apraxin,  das  dieser  dem  Kaiser 
Peter  II.  vermaehte.  Die  Kaiserin  Anna  bewohnte  es  nach  ihrer  Krönung 
in  Moskau,  Hess  es  aber  17S3  niederreissen  und  den  Bau  eines  grossen 
Sehlosses  naeh  BtutrelWs  Plänen  beginnen,  der  nach  ihrem  Tode  längere 
Zeit  stockte,  1T54  von  Elisabeth  wieder  aufgenommen  und  1763  unter 
Katharina  IL  beendet  wurde.  Elisabeth  hatte  zu  diesem  Zweck  mehrere 
Paläste  angekauft,  welche  zwischen  dem  Apraxin-Palais  und  dem  Hause 
des  Vice-Admirals  Gruys,  also  zwischen  der  Newa  und  der  deutschen  Go- 
lonie  lagen.  Am  7.  December  1837  wurde  ein  grosser  Theil  des  Winter- 
palastes ein  Baub  der  Flammen^  speciell  gingen  zu  Grunde  der  berühmte 
„weisse  Saal**,  der  „Saal  des  heil.  Georg",  der  „Saal  der  Feldherren''  mit 
den  40O  Portraits  russischer  Heer-  u.  Flottenführer,  die  Zimmer  der  Kaiserin 
mit  allen  ihren  Kunstschätzen  u.  s.  w. ;  der  Schade  wurde  auf  35  Mil- 
lionen E.  geschätzt.  Den  Wiederaufbau  nach  Bastrelirs  Plan  leitete  dea 
Kaisers  Generaladjntant  Graf  Kleinmichel ,  schon  Anfang  1839  war  der 
Palast  neuhergestellt. 

Die  Haupteingänge  befinden  sich  am  Palastquai  (Jordan -Ein- 
gang) und  am  Palastplatz,  Nebeneingänge  am  Palast-  u.  Raswodny- 
Platz  (ScUtikow- Eingang).  Vom  Jordaneingange  am  Newa -Qual 
führt  die  prachtvolle  Parasb-  oder  Botschaiteb-Tbbppe,  aus 
carrarischem  Marmor,  hinauf  zu  den  kais.  Staatsgemäcbern.  Die 
Vorhalle  ist  im  Renaissancestil  stuckirt  und  mit  Statuen  geschmückt ; 
unten  eine  schöne,  mit  Marmorgruppeu  (von  Falconet,  Pigalle  etc.) 
und  Büsten  geschmückte  Gallerie.  —  Der  Eingang  für  das  Publi- 
kum (Zutritt  nicht  gestattet,  s.  S. 99)  ist  am  Palastplatz ,  r. 
neben  der  grossen  Durchfahrt.  Wir  geben  nachstehend  die  Beschrei- 
bung der  Zimmer  in  der  Reihenfolge,  wie  sie  früher  gezeigt  wurden. 

Man  betritt  zunächst  über  die  Commandanten  -  Treppe  den 

AL£XAND£B-SAAL(AieKcaHApOBCKafl3aja),  wie  die  folgenden  sieben 

Zimmer  mit  Schlachtenbildern  geschmückt. 

Alexander- Saal.  1.  Porträt  Alexander' s  I.  von  Geore  Dawe.  2.  Ein- 
nahme von  Paris  (1814).  8.  SchUcht  bei  Kulm  (1813).  4.  Treffen  bei  La 
Fire-Champenoise  (1814).    5.  Schlacht  bei  Leipzig  (1813>,  von  8av4rw»id. 

Russland.     2.  Aufl.  3 


1 14     Route  11,  ST.  PETERSBURG.  Oestlicher 

Zweites  Zimmer.  1.  Oefecht  bei  Baßch  -  Kadyk  -  Lar  (1853)  von  Wille- 
walde.  2.  Gefecht  bei  Kürük-Par  (1854)  von  Baikovo.  3.  Aus  der  Belagerung 
von  Varna  (1828),  von  Saiterusaid.  4.  Einnahme  von  Achaltzich  (1828), 
von  Suchodolsky.  6.  Erstürmung  des  Gunib  und  Gefangennahme  Scha- 
myrs  (1859)  von  OruHmki.  6.  Schlacht  bei  Poltawa  (1700)  von  Kotzebve.  7. 
u.  8.  Kämpfe  in  der  Nähe  von  Sewastopol  (1855)  von  Willewalde  u.  Baikote. 

Drittes  Zimmer.  Seeschlachten,  von  Attocuotesky :  1.  Beval  (1790); 
2.  Hogland  (1790);  3.  Wyborg  (1790):  4.  Navarin  (1827);  5.  Sinope  (1853). 

6.  Seetreffen  beim  Berge  Athos  (180t),  von  Sogoliubote.  7.  Schlacht  bei 
Tscheleti,  von  Makutt^to. 

«Viertes  Zimmer.  Schlachtengemälde  aus  dem  Feldzuge  1812  von  Peter 
Heu:  1.  Schlacht  bei  Kljastitzy.  2.  Bückzug  des  Generals  l^ewjerowsky 
nach  dem  Gefecht  bei  Krasnoi.  3.  Schlacht  bei  Ssmolensk.  4.  Schlacht 
bei  Walutina-Gora.    5.  Schlacht  bei  Borodino.    6.  Schlacht  bei  Tarutino. 

7.  Schlacht  bei  Polozk.  8.  Schlacht  bei  Malo-Jaroslawez.  9.  Schlacht  bei 
Losmin.  10.  Schlacht  bei  Wiasma.  11.  Treffen  bei  Krasnoi.  12.  TJeber- 
gang  über  die  Beresina  (S.  244). 

Fünftes  Zimmer.  Gemälde  von  Kotxehue:  1.-3.  Ssuworow  auf  seinem 
Zuge  über  die  Alpen  (1799).  4.  Einnahme  von  Berlin  (1760).  5.  Ein- 
nahme von  Kolberg  (1761).  6.  Schlacht  an  der  Trebia  (1799).  7.  Schlacht 
bei  Novi  (1799). 

Sechstes  Zimmer.  1.  Schlacht  bei  Karwa  (1700).  2.  Einnahme  von 
l^öteborg  (Schlüsselburg,  1702).  3.  Schlacht  bei  Grossjägemdorf  (1752).  4. 
Schlacht  bei  Zorndorf  (1758).  5.  Gefecht  bei  Zülliehau  (1759).  6.  Schlacht 
bei  Kunersdorf  (1759).  7.  Ssuworow  und  Grossfürst  Konstantin  auf  dem 
Panizer  Pass;  sämmtlich  von  Kotzebue. 

Siebentes  Zimmer.  1.  Eroberung  von  Otschakow  (1788).  2.  Schlacht  bei 
Elisawetpol  (1826),  beide  von  SuchoStUky.  3.  Aus  dem  ungarischen  Feldzuge 
1848  (Kosaken  überschreiten  die  Theiss),  von  Willevoalde.  4.  Einnahme  von 
Erzerum  (1829),  5.  Einnahme  von  Kars  (1829),  beide  von  Suchodohky. 

Achtes  Zimmer.  1.  Schlacht  bei  Leipzig,  von  Reuehlin.  2.  Tod  des 
Generals  Moreau  in  der  Schlacht  bei  Dresden,  von  Steuben,  3.  Schlacht 
von  Balaklawa  (1854),  von  Sucliodolsky. 

Es  folgt  der  prachtvolle  Weisse  Saal  (Speisesaal),  mit  schönen 
Marmorstatuen  (in  einem  Ausbau  nach  dem  Platze  goldene  und 
vergoldete  Schüsseln ,  in  denen  dem  verst.  Kaiser  Brot  und  Salz 
dargereicht  wurden) ;  dann  der  Gonversations-  oder  Goldene  Saal 
(3oJOTafl  saia)  imbyzantin.  Stil,  mit  herrlichem  Mosaik  (Ansicht  der 
Tempel  von  Pästum)  über  dem  Kamine.  In  einer  Ecke  die  sitzende 
Marmorflgur  der  Kaiserin  Alexandra  Feodorowna  von  Wichmann.  Im 
folgenden  Zimmer  einige  kleinere  Gemälde  und  eine  Pendeluhr, 
welche  nur  einmal  im  Jahre  aufgezogen  wird.  —  In  dem  Durchgangs- 
Zimmer  nach  dem  sog.  dunklen  Corridor  (S.  116)  Bildnisse  russischer 

Staatsmänner,  dabei  mehrere  von  Krüger,  SimrrUer  u.  a. 

1.  Fürst  Woronzow.  2.  General  Graf  ^enlrendor/,  1832  in  den  erblichen 
Beichsgrafenstand  erhoben,  Polizeiminister  und  Mitglied  des  Reichsrathes. 
3.  Graf  Orlote  (s.  S.  187).  4.  Feldmarschall  Fürst  Bariatinsky.  5.  Fürst  Victor 
Kotzclmbeyy  unter  Kaiser  Paul  Vicekanzler,  unter  Alexander  I.  Minister  des 
Innern,  unter  Kikolaus  Reichskanzler,  von  letzterm  in  den  Fürstenstand 
erhoben.  6.  General  Fürst  Alexander  TtchernitscheWy  unter  Kaiser  Nikolaus 
Kriegsminister.  7.  Feldmarschall  FnrstLudmg  v.Sayn-  Wittgenstein,  russischer 
Feldherr  1812,  1828  Oberbefehlshaber  gegen  die  Türken,- 1834  in  den  preus- 
sischen  Fürstenstand  erhoben  (+  1843).  8.  Admiral  Fürst  Menschikow.  9. 
General  Graf  Kleinmichel^  unter  Kaiser  Kikolaus  Generaldirector  der  Wege- 
verbindungen. 10.  Feldmarschall  Graf  Berg  (s.  S.  13).  11.  Feldmarschall 
Fürst  Peter  Wolkonsky^  1812-1813  Chef  des  Generalstabes,  unter  Kikolaus  Hof- 
Minister,  1860  FeldmarschaU.  12.  General  Graf  Paul  Kisseleu,  leitete  1828 
die  Operationen  im  türkischen  Feldzuge,  nach  dem  Kriege  Gouverneur  der 
.Moldau  und  Walachei,  1833  Gorpscommandeur ,  1838  Domänenminister, 


Admiralitätstheil,    ST.  PETERSBURG.  U.  Route,     115 

1866-63  Botsehafter  in  Paris  (f  1872).  13.  Graf  Neiselrode^  erst  Vicekauzler, 
dann  Kanzler  des  rassischen  Reichs.  14.  General  Graf  Rüdiger^  Mitglied 
des  Belchsraths  und  interimistischer  Gouverneur  von  Polen.  15.  Fürsten 
A.  und  8.  Gcüitzyn. 

An  das  Pompejanische  Zimmeb  schliesst  sich  der  prächtige 
ehem.  Empfangs- Saal  der  Kaiserin  Alexandra  Feodorowna,  mit 
stuckirten  Wänden  (auf  denselben  allegor.  Gemälde  nach  Raffael), 
reich  vergoldetem  Plafond  und  Thüren,  Säulen,  Kamin  und  Yasen 
von  Malachit,  Candelahern  von  Lapislazuli  und  vergoldeten  Möbeln ; 
dann  das  Weisse  Cabinet.  Der  Rothe  Saal,  an  der  Newa -Ecke, 
und  das  daranstossende  Cabinet  gewähren  hübsche  Aussichten  auf 
Wassily-Ostrow ,  die  Petersburger  Seite ,  die  Nikolai  -  Brücke  und 
Isaaks  -  Kathedrale. 

Es  folgen  die  Wohnräume  und  das  Sterbezimmer  der  Kaiserin 
Alexandra  Feodorowna ,  fast  unverändert ,  wie  am  Tage  ihres  Ab- 
lebens. Gleiche  Einfachheit  charakterisirt  die  Räumlichkeiten  (nach 
dem  Admiralitätsplatz  gelegen) ,  welche  der  Kaiser  Alexander  II. 
hewohnte.  Schlaf-  und  Arbeitszimmer  des  Kaisers  sind  im  selben  Zu- 
stande wie  an  seinem  Todestage;  grüne  Tapete,  einfache  Mahagoni- 
Möbel.  In  einer  Nische  das  eiserne  Feldbett  auf  welchem  Alexander  IL 
starb.  —  Durch  das  Schlatzimmeb  des  Kaisebin  Alexandba 
mit  herrlichem  Fries  gelangt  man  In  das  Ankleidezimheb,  von  da 
mittelst  einer  Tapetenthür  in  das  Babeoemach  in  maurischem  Stil, 
dann  in  ein  kleines  Zimmer  mit  den  Porträts  der  Grafen  Kleln- 
michel  (s.  o.)  und  Adlerberg,  sowie  des  Lieblingshundes  des  Kaisers 
Nikolaus.  In  diesem  Zimmer  brachte  die  kaiserliche  Familie  im 
engen  Familienkreise  häufig  die  Winterabende  zu.  Eine  mit  Blu- 
men bestellte  Marmortreppe  führt  hinab  zu  einer  Grotte ,  wo  unter 
tropischen  Gewächsen  ein  zweiter  Cirkel  Raum  fand.  —  In  dem 
sehr  einfachen  Stebbezimmsb  des  Kaiser  Nikolaus  (im  untern 
Stock)  dessen  Uniform  auf  dem  harten  Feldlager,  ferner  sein  Degen, 
Helm ,  die  geflickten  Pantoffeln  und  der  Wandkalender ,  der  auf 
seinen  Todestag  (2.  März  1855)  zeigt. 

Nach  dem  Rundgange  durch  diese  Zimmer  gelangen  wir  in  die 
Pompe  janische  Gallebie  (noiineftcKaflrajJepefl),  nach  dem  inneren 
Hof  und  einem  schönen  Garten  mit  marmornem  Wasserbassin  ge- 
legen. An  diese  Gallerie  stösst  der  riesige  Nikolai-Saal  (1 6  Fenster 
Front  nach  der  Newa) ,  wo  die  grossen  Hofbälle  stattfinden ,  mit 
einem  ^Porträt  des  Kaisers  Nikolaus  zu  Pferde  von  Krüger.  In  den 
Ecken  vier  kolassale  Büffets  mit  goldnen  oder  vergoldeten  Schüsseln, 
Krügen  und  Salzfässern.  Anstossend  ein  Goncertsaal.  Dann  folgt  das 
Mohrenzimmer  (Apa6cKaff  KOHHara),  welches  r.  zum  Malachit^ 
Salon  der  Kaiserin  Alexandra  Feodorowna  führt,  geradeaus  in  das 
Fompejanische  Vorzimmer  und  die  Rotunde,  welche  als  Vorsaal 
der  kleinen  Palastkirche  dient,  mit  den  lebensgrossen  Portraits  von 
Nikolaus  L,  Alexander  L  u.  IL  von  Angeli,  sowie  der  Kaiserinnen 
Alexandra  Feodorowna  und  Marie  Alexandrowna. 


116    Route  IL  ST.  PETERSBURG.  Otsüicher 

Auf  die  Rotunde  mündet  der  ,,dunkle  Corridor^,  welcher  die 
Gemäclier  Kaiser  Alexanders  II.  von  den  sog.  „ersten  Reserve- 
Räumen  "  trennt.  Im  dunkeln  Gorridor  lebensgrosse  Porträts  von 
russischen  Feldmarschällen  (darunter  Erbherzog  Albrecht,  Graf 
Radetzky,  Graf  Moltke ,  Kaiser  Friedrich  III.  als  Kronprinz)  uu4 
Staatsmännern. 

Der  Nikolai -Saal  schliesst  sich  auf  der  andern  Seite  an  einen 

Vorsaal ,  in  welchem  sich  ebenfalls  in  den  Ecken  vier  kolossale 

Büffets  mit  Schüsseln  und  Salzgefässen  befinden ,  Geschenke  von 

Städten  und  Corporationen  zur  Krönung  Kaiser  Alexanders  II. 

Von  diesem  Saale  gelangt  man  durch  die  pompejan.  Gallerie  in 

den  Feldmabschallssaal  (^eibAMapuiaacKaii  aaja),  mit  den  lebens- 

grossen  Porträts  russ.  Marschälle,  welche  einen  ehrenden  Beinamen 

haben,  und  anderen  Gemälden. 

1:  Feldmarschall  Alexander  Ssuvoraw  Rpmnikskp  (gemalt  von  Frost)^ 
geb.  1727  in  Moskau ,  nach  der  Sehlacht  bei  Bymnik  1789  rusBischer  und 
Reichagraf,  nach  seinen  Erfolgen  in  Italien  sardinischer  Fürst ,  von  Paul 
in  den  russischen  Fürstenstand  erhoben.  2.  Graf  Paskevfitseh  Eriwansky^ 
später  Warsehavskp  (von  Fr.  Krüger),  aus  kleinrussischem  Adel,  1831  in 
den  Fürstenstand  erhoben  (s.  S.  3).  3.  Graf  Rumjanxow  Badunauk^  (von 
Ries}  s.  S.  170).  4.  Fürst  PoUmkin  Tawrittcheiky  (s.  S.  166).  5.  Fürst 
Michael  Oolenittscheto  -  Ktttusow  Ssmolen$ky  (von  Bachtin),  f  1813  (S.  157). 
6.  Graf  Hom  Diebitseh  Sabalkansky  (von  Bachtin) ,  aus  Schlesien  gebürtig, 
berühmt  durch  die  Eroberung  Varna's  und  den  Uebergang  über  den  Bal- 
kan (1828).  7.  Uebergabe  der  ungarischen  Armee  durch  General  Görgel 
bei  Viligos  (von  Willewalde).  8.  Episode  aus  der  Schlacht  bei  Wola 
(1831) ,  von  Horace  Yernet. 

Yon  hier  zum  Thbonsaal  Petebs  des  Gbossen  (3aia  üerpoB- 
CKafl),  dessen  rothe  Sammetwände  mit  goldgewebten  russischen 
Adlern  übersät  sind.  Im  Nebensaal  in  einer  Nische  zwischen  Jas- 
pissäulen  ein  Gemälde  von  Amiconi :  Peter  der  Grosse  vom  Ruhme 
geführt;  über  ihm  schweben  Genien,  welche  die  Kaiserkrone  tragen. 
Auf  einer  Erhöhung  steht  der  kaiserliche  Thron.  Kronleuchter, 
Candelaber  und  Tische  sind  von  Silber.  Am  Neujahrstage  bringt 
da9  diplomatische  Corps  in  diesem  Saale  dem  Kaiser  seine  Glück- 
wünsche dar. 

Es  folgt  der  grosse  Wappensaal  (FepöOBafl  3aia)  mit  vergol- 
deten Säulen ;  in  den  vier  Ecken  Gruppen  altrussischer  Krieger^ 
welche  Feldzeichen  halten,  auf  denen  die  Wappen  der  russ.  Gouver- 
nements dargestellt  sind.  Auf  der  Fensterseite  die  Wappen  aller 
Provinzen  des  Zarenreiches. 

Die  Gallebie  von  1812  enthält  Brustbilder  von  Fürsten  und 
Feldherren  (250),  die  sich  1812  und  in  den  folgenden  Kriegen  aus- 
gezeichnet haben ,  von  Dawe  mit  Hülfe  seiner  Verwandten  gemalt; 
sowie  verschiedene  Fahnen  (u.  a.  polnische  und  die  der  Palast^ 
Grenadiere). 

1.  Alezander  I.  zu  Pferde.  2.  Grossfürst  Konstantin  Pawlowitsch,  Statt' 
halter  von  Polen  (s.  S.  20).  3.  Friedrich  Wilhelm  III.,  Konig  von  Preussen,; 
2u  Pferde.  4w  Franz  I.,  Kaiser  von  Oesterreieh,  zu  Pferde.  5.  Herzog  von 
Wellington.  6.  Fürst  Barclay  de  ToUy,  1812  Befehlshaber  der  1.  russischen 
Armee.   7.  Fürst  Kutusow  (S.  157).  8.  Fürst  Blücher  von  Wahlstatt,  u.  s.  w.. 


AdmiralitätsthtiL    ST.  PETERSBÜRO.  11.  Uoute.     117 

-  Per  St.  Geobgs-Saäl  (reopritBCKafl  saia),  4Ö  m  lang  und  20  m 
breit ,  ist  mit  korinth.  Säulen  und  10  prachtvollen  Kronleuchtern 
geschmückt;  in  der  Mitte  der  Thron;  dahinter*  das  grosse  Reichs- 
:wappen  in  Gold  auf  rothem  Sammet  gestickt.  In  diesem  Saale  -wird 
das  Georgenfest  am  26.  Noy./8.  Dec.  gefeiert. 

Der  Winterpalast  umschliesst  zwei  Kirchen,  die  oben  gen.  Palast- 
kapelle und  die  Kathedrale  des  nicht  von  Händen  gemachten 
Heiligenhildts  (€o6opi>  Cnaca  HepyKOTBopeHHaro  Oöpasa),  in  der 
n.  w.  Ecke.  Beim  Ikonostas  das  dem  Evangelisten  Lucas  zugeschrie- 
bene Muttergotteshüd  aus  Malta  und  in  einem  Glaskasten  die  andern 
Reliquien  des  Malteserordens,  welche  der  letzte  Grossmeister  Kaiser 
Paul  aus  Malta  erhielt:  die  Hand  Johannes  des  Täufers,  und  ein 
Armknochen  der  h.  Magdalena.   Reiche  Schatzkammer. 

Am  Epiphanienfest  (6.  Januar)  findet  von  hier  naeb  dem  Gottesdienst 
«ine  Prozession ,  welcher  der  Kaiser,  die  kaiserliehe  Familie,  die  hohe 
Geistlichkeit  und  die  Spitzen  der  Behörden  beiwohnen,  nach  der  Newa 
statt,  auf  deren  Eise  eine  Kapelle  errichtet  und  die  Wasteneeihe  vorgenom- 
men wird. 

Den  Glanzpunkt  des  Winterpalastes  bildet  die  *Sohatzeammbb, 
in  einem  Saale  des  zweiten  Stockwerks  gelegen.  Durch  eine  eiserne 
Thüi,  die  von  zwei  Unteroffizieren  der  Garde  bewacht  wird  (letztere 
zeigen  auch  die  Kleinodien) ,  treten  wir  in  das  Qemach  der  Krön- 
Juwelen,   Hinter  und  wird  die  Thür  wieder  verschlossen. 

Der  Glaskasten  in  der  Mitte  enthält  die  Kroninsignien.  Am  kostbarsten 
ist  das  JSeepter  (Cxjmerpi)  mit  dem  berühmten  Diamanten  Orlow.  Ueber 
seine  Schicksale  giebt  es  verschiedene  Traditionen  \  nach  der  gangbarsten 
soll  er  das  eine  Auge  des  goldenen  Löwen  vor  dem  Thron  des  Gross- 
moguls in  Delhi  gewesen  sein,  dessen  anderes  Auge  der  Kohinur  Qetzt 
im  brit.  Kronsehatz)  war,  und  wurde  von  einem  Sepoy  geraubt.  Auf  Ma- 
labar  angekommen,  verkaufte  dieser  den  Stein  für  3000  Guineen  an  einen 
Schiffskapitän,  von  dem  ihn  wieder  ein  Jude  um  12,000  Guineen  (c.  100,000  B.) 
erstand.  Hierauf  kam  er  in  die  Bande  eines  armenischen  Kaufmanns, 
Lazarew,  von  welchem  ihn  Graf  Orlow  in  Amsterdam  kaufte  und  der 
Kaiserin  Katharina  II.  schenkte.  Er  zahlte  450,000  B. ,  verschaffte  dem 
Kaufmann  überdies  eine  Leibrente  von  2000  B.  und  das  Adelsdiplom.  Der 
Diamant  wiegt  186  Karat  und  ist  der  grosste  in  Europa.  —  Die  prachtvolle 
Kaiserkrone^  in  byzantin.  Form  zur  Krönung  der  Kaiserin  Katharina  II. 
1762  von  dem  Hof  juweller  Pauzi^  (Genfer)  hergestellt,  wird  auf  1,100,000  B. 
geschätzt.  Auf  der  Spitze  ein  Kreuz  aus  5  prachtvollen  Diamanten,  das 
auf  einem  sehr  grossen,  ungeschliffenen  blassrotlren  Bubin  ruht  und  von 
einem  goldenen,  mit  elf  grossen  Diamanten  besetzten  Beif  getragen  Wird. 
Zu  beiden  Seiten  des  Beifs  geben  Halbbogen  von  je  38  grossen  Perlen 
dem  Diadem  die  Gestalt  einer  Mitra,  als  Symbol  der  Oberhoheit  des  rus- 
sisehen  Kaisers  über  die  Kirche.  Der  Stirnreif  der  Krone  ist  mit  28 
Brillanten  besetzt.  —  Die  Krone  der  Kaiserin  ist  gleichfalls  mit  den  kost^ 
barsten  Diamanten,  Perlen  und  Edelsteinen  übersät.  Der  Knopf  des 
Reichsapfels  bildet  ein  grosses  Diamantenkreuz  auf  einem  herrlichen  grün> 
blauen  Saphir.  In  andern  Kästen  liegen  Schmtitck'Oarnituren^  Diademe  u.  s.  w. 
Der  ungefasste  Sehahdiatnant  ^  von  einem  persischen  Prinzen  dem  Zaren 
geschenkt,  von  länglicher  Gestalt,  wiegt  36  Karat  und  hat  eingravirte  pers. 
Buchstaben.  Diamantfeder  Ssuworows,  vom  türk.  Sultan  diesem  geschenkt. 
Femer  sind  bemerkenswerth  ein  prachtvoller  blassrother  RuMn^  ein  An- 
dreas-Orden mit  5  Bosendiamanten  und  zwei  sibirischen  Beryllen^  und 
die  diamantenen  Ordensketten  des  Andreas  -  Ordens ,  welche  Kaiser  .und 
Kaiserin  am  Krönungstage  tragen;  etc. 


118    Beute  IL  ST.  PETERSBURG.  Oestlicher 

Dem  Winterpalast  gegenüber  an  der  Südostseite  des  Palast- 
platzes (S.  112)  erhebt  sich  das 

Goieralstabiffebäude  (FjaBHHft  HItböi;  PI.  50:  F5),  dessen  ko- 
lossale Front  (drei  Stockwerke  mit  768  Fenstern)  von  einem  Halb- 
bogen unterbrochen  wird ,  durch  welchen  ein  Durchgang  nach  der 
Bolschaja  Morskaja  und  dem  Newsky-Prospeot  führt.  Das  Haupt- 
Thor,  22  m  h.  und  18  m  br.,  ziert  ein  ehernes  Sechsgespann  mit  der 
Figur  des  Kriegsgottes.  Das  Gebäude ,  nach  MosH's,  Plänen  unter 
Kaiser  Nikolaus  aufgeführt,  enthält  reiche  Sammlungen  von  Büchern 
und  Karten,  eine  Druckerei,  kartographische  Anstalt  u.  a.  Im 
grossen  Lesesaal  der  Bibliothek,  einer  herrlichen  Säulenrotunde,  das 
lebensgrosse  Bild  des  Kaisers  Nikolaus  -von  Fr.  Krüger  und  zahl- 
reiche Büsten.  Das  grosse  Archiv  enthält  die  auf  die  Geschichte  der 
russischen  Armee  seit  den  letzten  70  Jahren  bezüglichen  Aktenstücke, 
das  geheime  Archiv  die  Berichte  der  russischen  Generale  an  deU 
Kaiser  und  den  Kriegsminister  aus  allen  Kriegen,  welche  Russland 
seit  Peter  dem  Grossen  geführt  hat.  —  Die  Ministerien  der  Finanzen 
(PI.  161)  und  des  Auswärtigen  (PI.  163),  sowie  verschiedene  andere 

ministerielle  Bureaux  sind  in  demselben  Gebäude  untergebracht. 
In  der  Nähe,  jenseits  der  Sängorbrücke  (PI.  F5),  die  Hof  sang  er  schule 
(üpaj^opHiui  n-KB'vecxaH  Baneua).,  in  der  die  für  die  kaiserliche  Kapelle 
bestimmten  Sänger  ausgebildet  werden. 

Oestlich  stossen  an  den  Winterpalast  die  beiden  Eremitagen 
(S.  122).  Ueb erschreiten  wir  östlich  von  der  neuen  Eremitage  am 
Palast  (Dworzowy)  -  Quai  den  Winter- Kanal  bei  seiner  Mündung 
in  die  Newa  auf  der  Eremitage-Brücke  (9pHHTaiKHiii8  mocti),  so 
haben  wir  r.  das  Xremitage-Theater  (PI.  218:  F  5),  von  Guarenghi 
(S.  122)  nach  dem  Muster  des  röm.  Theaters  zu  Ylcenza  erbaut,  nur 
selten  bei  grossen  Hoffestlichkeiten  benutzt.  Das  Gebäude  ist  mit 
Säulen  und  Statuen  geschmückt;  das  Innere  fasst  500  Personen. 
Im  Rücken  des  Theaters,  Front  nach  der  Millionnaja,  liegt  die 
Kaserne  des  1.  Bat,  des  Preohrashensky' sehen  Regiments  (KasapMU 
lIpeodpaseHCKaro  noJKa;  PI.  84:  F5).  —  Weiter,  mit  der  Haupt- 
fagade  nach  der  Newa,  das  geschmackvolle  neue  "'Palais  des  Qross' 
färsten  Wladimir  Alexandrowitsch  (PI.  188:  F  5),  im  florentiner  Stil, 
das  schönste  unter  dea  Schlössern  der  Grossfürsten;  dann  der  Palast 
des  Orossfärsten  Michael  Nikolajevdtsch  (PI.  181 :  F  4,  5),  von  Sta- 
kenschneider 1863  erbaut,  mit  überreicher  Ornamentik;  an  der  Newa- 
Seite  eine ^ircÄc  im  Rococostil. — Eine  Strecke  weiter,  an  der  Newsky- 
Ueberfahrt  zur  Festungsinsel  vorbei,  das  sog.  Marmorpalais  de* 
Orossfürsten  Konstantin  Nikolajewitsch  (MpaMopHtitt  ^Bopeiici  5e- 
jUKaro  KHfl3fl  KoHCTantHHa  HHKOjatBHqa ;  PI.  177:  F4). 

Dieses  burgähnliche,  nicht  besonders  freundlich  aussehende  Gebäude 
wird  selten  von  Beisenden  besucht,  ist  aber  wegen  seiner  prachtvollen 
Einrichtung  sehenswerth.  Es  wurde  im  Laufe  von  90  Jahren  aus  Granit, 
Marmor,  Eisen  und  Bronze  von  Katharina  II.  nach  Plänen  de  la  Hothe's 
für  den  Fürsten  Orlow  gebaut  und  nach  dessen  vor  der  Vollendung  er- 
folgtem Tode  durch  die  Kaiserin  von  den  Erben  Orlow^s  zurückgekauft. 
Mit  Erlaubniss  Paulis  bewohnte  das  Behloss  dann  König  Stanislaus  Ponia- 


AdmiralitätsthtiL    ST.  PETERSBURG.  IL  Route.     119 

towski  bis  zu  seinem  Tode.  1832  wurde  es  Bigenthum  des  Grossfürsten 
Konstantin,  Bruders  des  Kaisers  Nikolaus.  Das  Palais  bildet  ein  länglicbes 
Viereck,  dessen  eine  schmalere  Seite  durch  zwei  vorspringende  Flügel 
einen  Hofplatz  erhält.  Die  beiden  Flügelseiten  stehen  nach  der  Newa  und 
nach  der  Millionnaja;  die  Hinterseite  ist  durch  eine  Quergasse  von  den 
übrigen  Gebäuden  getrennt ;  die  Vorderseite  hat  einen  zweiten  geräumigen 
Hof,  der  an  der  Flügelseite  mit  vergoldetem  Gitter  eingeschlossen,  vorne 
durch  die  Manage  des  Palastes  (Basrelief  von  Baron  Klodt)  begrenzt  ist. 
Der  untere  Theil  der  Hauern  ist  aus  grossen  Granitblöeken  zusammen- 
gesetzt, der  obere  mit  grauem  Marmor  bekleidet  und  mit  Pfeilern  von 
rÖtblichem  Marmor,  Vasen  und  Urnen  verziert.  Alles  ist  Stein  und  Metall^ 
selbst  die  Fensterrahmen;  das  Dach  ruht  auf  eisernen  Sparren  und  ist  mit 
Kupferplatten  gedeckt.  Im  Erdgeschoss  nach  der  Newa  die  KaptlUy  der 
Darstellung  Maria  im  Tempel  gewidmet. 

Oestllch  vom  Marmorpalais  an  der  Newa  liegt  der  kleine  Ssu- 
worow'Platz  (PI.  F4).  In  der  Mitte  das  Denkmal  Ssuworow*»  (P1.33), 
die  von  Koslowsky  modellirte  Bronze  -  Statue  des  Feldberrn  in  rö-* 
mlscher  Tracht,  in  der  Rechten  das  Schwert,  mit  der  Linken  den 
Schild  über  die  Kronen  des  Papstes,  Sardiniens  und  Neapels  haltend. 
Inschrift:  „Fürst  Italiisky,  Graf  Ssuworow  Rymniksky  1801." 
Zwölf  Qeschütze,  durch  Ketten  verbunden,  fassen  das  zopfige  Denk- 
mal ein ,  das  Paul  I.  nach  dem  Italienischen  Feldzuge  Ssuworow 
setzen  Hess  (f  1800  in  Petersburg). 

Südlich  vom  Marmorpalais,  vom  Sommergarten  durch  einen 
Kanal  getrennt ,  dehnt  sich  bis  zur  Moika  das  weite  Hanfeld  aus 
(MapcoBoe  noie,  PI.  FG4,5),  früher  Zarizyn  Lug  („Wiese  der 
Kaiserin ''),  bis  auf  Kaiser  Paul  ein  prächtiger  Garten,  an  welchem 
das  kleine  Palais  der  Zarewna  (spätem  Kaiserin)  Elisabeth  lag.  Seit 
1818  werden  hier  die  grossen  Paraden,  namentlich  die  berühmte 
Maiparade  abgehalten. 

An  der  Petersburger  (Troizky)- Brücke  (TpoSaxiS  mocti,  PI.  F4) 
vorbei  gelangt  man  nach  dem  Quai  vor  dem  Sommergarten  {Oaga- 
rinakaja  Nabereshnaja) ,  der  Hauptstation  der  kleinen ,  nach  den 
Inseln  fahrenden  Dampfer  (S.  95). 

Der  kaiserliche  Sommergarten  (JftTHiä  chai,  PI.  FG4,5),  der 
besuchteste  der  Gärten  und  Spaziergänge  St.  Petersburgs,  wurde 
von  Peter  d.  Gr.  1711  im  franz.  -  holländ.  Geschmack  angelegt 
und  bildet  ein  längliches  Rechteck  von  c.  300  ha  Flächeninhalt. 
Ein  schönes  Eisengitter  schliesst  ihn  nach  der  Newaseite  ab.  Am 
Haupteingang  eine  Kapelle  in  grauem  Marmor  und  reichem  Gold- 
schmuck ,  zum  Andenken  der  Errettung  Kaiser  Alezanders  II.  aus 
Mörderhand  errichtet  (Attentat  des  Karakosow  4/16.  April  1866). 
Der  mit  schönen  alten  Bäumen,  meist  Linden  und  Eichen  bestandene 
Park  wird  von  zahlreichen  Alleen,  mit  Rondelen  und  Blumenbeeten 
untermischt,  durchschnitten  und  ist  mit  vielen  Marmor-Bildwerken, 
Statuen  und  Vasen  geschmückt  (z.  Th.  aus  Warschau  stammend). 
An  den  Ecken  eines  Kreuzganges  die  Büsten  der  Könige  Michael 

Korybut  und  Johann  Sobieski  mit  ihren  Gemahlinnen. 

Der  Sommergarten  ist  insbesondere  der  Tummelplatz  der  St.  Peters- 
burger Jugend;  auch  Volksfeste  sum  Besten  öffentlicher  Anstalten  (Ein- 
trittspreis 20  Kop.  bis  1  Bub.)  werden  hier  abgehalten.    Die  Sitte  der  sog. 


120     Route  11.  ST.  PETERSBURG.  Oestlieher 

Brautsehau ,  am  2.  PfingBttag  im  Sommergarten  abgehalten ,  ist  fast  ganz 
ausser  Gebrauch  gekommen.  Früher  rersammelten  sieh  hier  alle  jungen 
Kaufmannstöchter  und  -Söhne,  diese,  um  zu  beschauen,  jene  in  den  Al- 
leen in  einer  Reihe  aufgestellt,  hinter  sich  die  Mütter,  alle  im  grössten 
Putz,  um  sich  beschauen  zu  lassen.  Die  heirathslnstigen  jungen  Kaufteute 
gingen  auf  und  ab  und  suchten  sich  eine  Braut  aus.  Die  Verhandlungen 
wurden  durch  eine  Swacha ,  d.  i.  Heirathsvermittlerin  (wie  jetzt  noch 
auf  dem  Lande),  eingeleitet  und  geschäftsmässig  betrieben. 

Gleich  1.  vom  Haupteingange,  an  der  Fontanka,  das  sog.  Palaü 
Peters  I.  (^Bopeui  IleTpa  I;  PL  184:  G4),  1711  von  dem  Zaren 
als  „  Sommerpalais  ^  erbaut,  ein  anspruchsloses,  zweistöckiges  Haus 
von  weisser  Farbe,  mit  zahlreichen  gelb  angestrichenen  Verzierungen. 
In  demselben  eine  von  Peter  aus  Holland  mitgebrachte  Wanduhr, 
sein  Portrait  in  LebensgrÖsse ,  ein  Schrank  von  Nussbaumholz  und 
zwei  Rahmen ,  vom  Zaren  eigenhändig  gearbeitet,  sowie  zahlreiche, 
meist  mittelmässige  Bilder  (Eintr.  28  Kop.). 

Weiterhin ,  unweit  der  Hauptallee ,  auf  dem  Kinderplatze  das 
Denkmal  des  Fabeldichters  Iwan  Krylow  (MonyM.  Kpuiosa,  PL 28, 
G4),  des  russischen  Geliert  (1768-1844),  von  Klodt  (1851).  Am 
Sockel  vier  Relieftafeln  in  Erz  mit  charakteristischen  Figuren  aus 
seinen  Thiergeschichten.  ~  An  der  Südseite  des  Gartens  ein  Teich, 
vor  dem  eine  vom  König  von  Schweden  geschenkte  rosafarbige 
Porphyrvase  aufgestellt  ist. 

Verlässt  man  den  Sommergarten  durch  das  südliche  Gitterthor, 
so  gelangt  man  links  auf  der  Panteleimon -Brücke  über  die  Fon- 
tanka zur  Panteleimon  -  Kirche  und  den  östlichen  Stadttheilen 
(S.  162).  Rechts  führt  die  Ljetny- Brücke  zum  Marsfeld  (S.  119) 
und  von  hier  gleich  1.  über  die  Moika  die  hübsche  Kettenbrücke 
(U'bnHOÜ  HOcrB,  PL  F  5)  an  das 

Alte  Hichailow'sche  Palais,  jetzt  Ingenieurschule  (ÜHseHepHuä 
daHOKi,  PI.  179,  G5;  Erlaubniss  zur  Besichtigung  in  der  Kanzlei). 
Es  ist  ein  massives  Viereck  im  gothischen  Stil  von  burgähnlichem, 
etwas  flüstern  Aussehen ;  in  der  Mitte  ein  grosser  achteckiger  Hof.  Die 
südl.  Hauptfagade  gegen  den  grossen  Platz  ist  von  russischem  rothen 
und  grünen  Marmor,  mit  ionischen  Säulenstellungen;  zu  beiden 
Seiten  des  Haupteingangs  Pyramiden  mit  Trophäen,  am  Giebel 
historische  Darstellungen  in  Relief  und  das  kais.  Wappen;  am 
Hauptfries  die  Inschrift  in  altslavischer  Sprache:  „Heiligkeit  sei 
die  Ziel  de  deines  Hauses  ewiglich*^.  Eine  prachtvolle  Marmortreppe 
führt  zum  ersten  Stock.  Seit  das  Schloss  1819  als  Ingenieurschule 
eingerichtet  wurde  (Nikolajew'sche  Ingenieur-Akademie),  sind  die 
meisten  Räume  Schul-,  Hör-  und  Schlafsäle  geworden.  Elrhalten  ist 
noch  der  Thronsaal  und  das  runde  Zimmer,  wo  jetzt  die  reiche 
Sammlung  der  Schriften  (ükase  und  militärische  Verordnungen  in 
Bezug  auf  Festungsbauten),  Karten  und  Pläne  des  Geniecorps,  Mo- 
delle aller  befestigten  Plätze  Russlands  u.  s.  w.  aufbewahrt  werden. 

Kaiser  Paul  I.  begann  bald  nach  dem  Antritt  seiner  Regierung  mit 
dem  Bau  des  Michailow'schen  Samoks  auf  der  Stelle  des  alten  an 
der  Fontanka  stehenden,  von  der  Kaiserin  Elisabeth  bewohnten  Sommer- 
palastes (S.  113) ;   den  Kamen  erhielt  das  Schloss  nach  seiner  dem  heil. 


Admiralitätstheil,     ST.  PETERSBURG.  IL  Route.    i21 

Michael  geweihten  Kapelle.  Der  Vorliebe  des  Kaisers  für  das  Mittelalter 
Bechnung  tragend,  versah  der  Architekt  Brenna  den  Bau  mit  Gräben, 
Bastionen V  Brustwehren,  Zugbrücken;  die  Thüren  waren  von  Gusseisen 
mit  Fallgittern-,  auf  den  Bastionen  standen  20  Geschütze.  Ende  1800 
bezog  Paul  mit  seiner  Familie  das  neue  Gebäude,  dessen  Kosten  18  Mil- 
lionen B.  betrugen;  seine  Zimmer  lagen  in  der  zweiten  Etage.  Paul  I. 
fttarb  hier  am  24.  März  1801. 

Auf  dem  Platz  hinter  demselben  steht  ein  Benkmal  Peters*  des 
Grossen  (PI.3i:G5)  von  Rasfrelli,  das  aber  dem  ersten  (S.  107) 
nicht  ebenbürtig  ist.  Der  Kaiser,  in  Imperatorentracht ,  mit  dem 
Lorbeer  bekränzt,  sitzt  zu  Pferd,  in  der  Rechten  den  Feldherrnstab 
haltend.  An  dem  Marmorsockel  befinden  sich  Basreliefs  und  die 
Inschrift :  „Dem  ürgrossvatet  der  Urenkel  1800**  (HpaAliAy  IIpaBHyKi 
IBOO).  Die  Statue  wurde  unter  Elisabeth  gegossen  und  unter  Paul  I. 
hier  aufgestellt. 

Vom  Denkmal  führt  der  Weg  geradeaus  zu  den  Stallungen,  der 
Bereiterschule  {hepe^to^cmsm  mKOja,  PL  194:  G5)  und  der  Manege 
des  Grossfürsten  Michael  (MHxaHJOBCKiü  Hanesi,  PI.  150).  Letztere 
ist  von  solcher  Grösse ,  dass  darin  ein  ganzes  Infanterieregiment 
exerciren  kann.  Von  hier  an  den  Kasernen  der  Militär  -  Tele- 
graphen -  Ahtheilung  und  dem  an  der  Ecke  der  Inshenernaja  (In- 
genieurstJrasse)  und  grossen  Gartenstrasse  gelegenen  Hause  des 
Stadtcommandanten  (KoMeHAaHTCKoe  YnpaBJeHie ,  PI.  128 :  G  5) 
vorüber  zum  Micha  eis -PI  atz  (PI.  F5;  von  hier  zum  Newsky- 
Prospect  s.  S.  158).  In  der  Mitte  desselben  neue  Anlagen;  1.  das 
Michael-Theater  (S.  97) ,  1835  von  Brülow  erbaut.  An  der  Nord- 
seite das 

Nene  Miohailow'sche  Palais  (^opem  Beiintott  Khhfhhh  Exa- 
TepHHiii  HHxaÜjOBHU,  PI.  180:  FG5),  eins  der  schönsten  Gebäude 
St.  Petersburgs,  1809-25  im  toscanischen  Stil  nach  Rossi's  Plänen 
für  den  Grossfürsten  Michael  erbaut ,  jetzt  Eigenthum  von  dessen 
Tochter,  der  Grossfürstin  Katharina  Michailowna,  verw.  Herzogin 
von  Mecklenburg- Strelitz.  Die  Fa^ade  der  Rückseite  (118  m  lang) 
geht  nach  dem  Michailowsky-  oder  kleinen  Somm^rgarten  (im  Som- 
mer dem  Publikum  geöffnet),  mit  hohen  Bäumen  und  Laubpartien, 
der  bis  an  die  Moika  reicht. 

Auf  der  Westseite  des  Michailowsky  -  Gartens  am  Quai  des 
Katharinen-Kanals ,  "wird  an  der  Stelle ,  wo  Kaiser  Alexander  IL 
bei  dem  nihilistischen  Attentat  vom  1./13.  März  1881  tödtlich  ver- 
wundet wurde,  eine  Sühnungs-Kirehe  erbaut. 

Vom  Michailowsky-Garten  über  die  Theater -Brücke  und  weiter 
am  Wasser  entlang  gelangen  wir  auf  den  runden  oder  Krugly-Markt 
CKpynuS  puHOXi,  P1.F5),  einen  der  kleineren  Märkte  St.  Peters- 
burgs. Nördlich  die  Kasernen  des  Pawlowskyschen  Regiments 
(KaaapMU  üaBiOBCKaro  nojKa ;  PL  82:  F  5).  Durch  die  Millionnaja 
und  über  die  Winterbrüeke  (ShmbUI  hocti)  an  der  Hauptfagade  der 
Eremitage  vorbei  (s.  unten)  kehren  wir  auf  den  Palastplatz  zurück 
(S.  112), 


122    StnUe  IL  ST.  PETERSBURG.  Eremitage. 

e.  Eremitage, 

Die  **Eremitage  (HHnepaTopcKiA  dpMHiajKi ;  PL  36 :  F  5) ,  in 
der  die  wichtigsten  kaiserlichen  Kunstsammlungen  vereinigt  sind 
(Eingang  von  der  Millionnaja;  Besuchszeiten  etc.  s.  S.  99;  neuer 
Katalog  in  Vorbereitung) ,  mit  dem  Winterpalast  durch  die  kleine 
(erste)  Eremitage  der  Kaiserin  Katharina  (s.  unten)  verbunden, 
bildet  ein  Rechteck  von  156  m  Länge  und  113,7  ^  Breite  mit  zwei 
grossen  Höfen.  Das  Gebäude  hat  zwei  Haupt-Fagaden,  nördl.  nach 
der  Newa,  südl.  nach  der  Millionnaja ;  am  schönsten  die  letztere  mit 
vorspringendem Yestibül ,  von  8  Pilastern  getragen,  an  die  sich 
zehn  6  m  hohe  Atlanten  lehnen,  aus  dunkelgrauem  Granit  von 
Sserdobol.  Zu  beiden  Seiten  des  Vestibüls  befinden  sich  Nischen 
mit  Zinkguss  -  Statuen  der  berühmtesten  Künstler  und  an  beiden 
Fa^aden  (S.  und  N.)  Gruppen,  welche  die  Künste  unter  der  Pro- 
tektion des  Staates  und  der  Kirche  darstellen.  In  der  Vorhalle 
16  Säulen  aus  braunem  finnländischen  Granit  mit  Marmorkapitälen, 
8  prachtvolle  Kandelaber  aus  Manganit  (Orletz)  und  anderem  kost- 
baren Gestein ,  eine  Vase  aus  seltenem  flnnländ.  Granit  (grau  mit 
Rosa  -  Flecken).  Prachtvoll  ist  das  Treppenhaus ;  die  Stufen  sind 
von  weissem,  die  Wände  von  gelbem  (imitirten)  Marmor,  die  das 
obere  Geschoss  einfassenden  Säulen  von  grauem  flnnländ.  Granit. 
Auch  die  übrigen  104  Säulen,  sowie  Wände  und  Fussboden  im  In- 
nern sind  von  Marmor,  Granit  oder  anderm  kostbaren  Material,  wie 
überhaupt  Reichthum  und  geschmackvolle  Ausstattung  die  Eremi- 
tage in  hohem  Grade  auszeichnen. 

Gbschichtb  des  Ebbmitaob.  Katharina  II.  liess  im  J.  1765  durch  den 
Hofarehiteeten  Valiin  de  la  Mothe  beim  Winterpalaat  an  der  Stelle  des 
Hauses  des  Vieeadmirals  Gruys  und  der  im  Hof  desselben  gelegenen  ersten 
deutschen  (hölzernen)  Kirche,  ein  zweistöckiges  Gebäude  aufführen ,  das 
zuerst  „kleines  Winterpalais"  hiess,  später  den  Kamen  Eremitage  erhielt. 
Dasselbe  lag  dieht  neben  den  von  der  Kaiserin  bewohnten  Gemächern 
und  war  mit  diesen  durch  eine  fliegende  Brücke  (wie  heute  noch)  ver- 
bunden. Bs  bildete  ein  Parallelogramm  mit  8  Wohnzimmern  gegenüber 
der  deutsehen  Colonie,  drei  Bildergallerien  an  den  Langseiten  und  einer 
Anzahl  von  Prachtgemächern  nach  der  Newa ;  in  der  Mitte  lag  ein  Garten 
mit  Menagerie,  zu  welchem  breite  Thüren  aus  den  Gallerien  führten.  Den 
Haupteingang  aus  dem  Winterpalais  zu  dieser  ersten  (alten)  Eremitage 
bildet  der  Apollo-,  jetzt  Poltawa-Saal. 

Durch  die  Erwerbung  neuer  Kunstschätze  und  VergrÖBserung  des  kais. 
Hofes  wurden  die  Räumlichkeiten  der  alten  Eremitage  bald  unzureichend  und 
der  kais.  Akademiedirector  Veiten  begann  iT73  den  Bau  der  zweiten  (grossen) 
Eremitage,  Dieselbe  erstreckte  sich  an  der  Newa  mit  einer  83,5  m  langen 
Front  bis  zum  Winterkanal  und  bestand  aus  zwei  Seihen  von  Zimmern,  nach 
der  Newa  und  nach  dem  Hofe.  Nach  Ankauf  der  Copieen  der  Baffaerschen 
Loggien  8.  148)  erbaute  der  nach  Petersburg  berufene  Architect  Oiaeomo 
Ouarenghi  aus  Bergamo  1779-85  die  Gallerte  der  Lagen^  längs  des  Winter- 
kanals, welche  die  grosse  Eremitage  mit  dem  von  Poten^n  erbauten  Sche- 
pelewschen  Hause  verband  (unter  Nikolaus  I.  niedergerissen  zum  Bau  der 
neuen  Eremitage).  Guarenghi  erbaute  auch  1780  das  Eremitage- Theater y 
auf  derOstseite  des  Winterkanals  an  Stelle  des  baufälligen  „Wlnterbauses" 
Peters  des  Grossen,  und  verband  dasselbe  durch  einen  kühnen  über  den 
Winterkanal  geworfenen  Bogen  mit  der  grossen  Eremitage. 

Unter  Kaiser  Nikolaus  wurden  endlich  die  beiden  Schepelew*schen 
Häuser  in  der  grossen  Millionnaja,  welche  dem  Hofe  schon  längst  gehorten, 


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Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  IL  Soute,     123 

abgebrochen  und  im  J.  1840  begann  ein  vollständiger  Um-  und  Neubau 
der  Eremitage  im  grieeh.  Stil  unter  Leitung  des  berühmten  Münchner 
Baumeisters  Leo  von  Klenze  und  des  talentvollen  Hofarchiteeten  Andreas 
IwanowiUch  Stakentchneider  (f  1866  zu  Moskau),  der  1852  vollendet  wurde. 

Die  GsM ALDB  -  Oallbrxb  wurde  von  Peter  dem  Grossen  gegründet, 
der  mit  Ausnahme  seiner  ersten  Beise  1697,  welche  nur  politischen 
Zwecken  galt,  keine  Gelegenheit  versäumte  um  im  Auslande  Gemälde 
und  andere  Kunstwerke  zu  erwerben.  Die  werthvollsten  Bereicherungen 
erhielt  die  Gallerie  durch  Katharina  II.  Sie  erwarb  1763  die  Samm- 
lung des  preuss.  Patrioten  Joh.  Ä.  Ootzkowski^  der  seit  1755  für  Friedrieh  II. 
Bilder  gekauft  hatte,  welche  der  König  in  Folge  des  Krieges  nicht  nehmen 
konnte.  Gotzkowski  wurde  durch  eine  Kornspecnlation  bankerott  und 
überliess  seiner  Hauptgläubigerin,  der  russ.  Regierung,  317  Bilder  im 
Werthe  von  180,000  Thlr. ,  von  denen  sich  gegenwärtig  noch  67  in  der 
Eremitage  befinden  (darunter  7  Bembrandt,  5  Honthorst,  3  A.  v.  Ostade, 
ferner  Bilder  von  Buben«,  Van  Dyek,  Jordaens,  v.  d.  Helst,  F.  Hals  u.  a.). 
Ferner  wurden  erworben:  1766  die  Gallerie  des  Grafen  MrüM^  Ministers 
Augusts  III.  von  Sachsen  und  Polen,  für  180,000  fl. ;  1773  die  Gallerie  des 
Marquis  de  Orozat^  Maltre  des  requetes  und  Vorleser  Ludwigs  XV.;  1779 
die  Gallerie  des  Sir  Robert  Walpole  in  Houghton  Hall  mit  der  berühmten 
Beihenfolge  von  Bildern  Van  Dyeks,  für  mehr  als  700,000  «€  Dann  kaufte 
die  Kaiserin  durch  ihre  Diplomaten  und  Gorrespondenten  Baph.  Mengs 
und  Beifenstein  in  Bom,  Baron  Grimm,  Diderot  und  Falconet  in  Paris  u.  a. 
werthvoUe  Gemälde  aus  den  Sammlungen  des  Herzogs  von  Choiseul,  des 
Malers  Baudouin,  Gerret  Braamcamp,  Tronchin,  Banden  de  Boisset,  Sir 
Bobert  Udney,  Dezalier  d*Argenville  etc.,  und  bestellte  Bilder  bei  den 
berühmtesten  Malern  ihrer  Zeit  (Baph.  Mengs,  Beynolds,  Lossenko,  Mat- 
wejew  etc.).  —  Paul  I.  erwarb  den  Tigris  (Nr.  554),  eines  der  schönsten 
Bilder  von  Bubens ,  Landschaften  von  Jos.  Vernet  etc.  —  Alexander  I. 
kaufte  1814  von  der  Exkaiserin  Josefine  zu  Malmaison,  wenige  Tage  vor 
ihrem  Tode,  88  ihrer  besten  Bilder  und  4  Statueu  von  Ganova  für  940,000  fr., 
darunter  12  Italien.,  22  fläm.  und  hoUänd.,  unter  denen  die  „Schützen 
von  Antwerpen«  von  D.  Teniers  (Nr.  872),  die  Kuh  von  P.  Potter  (Nr.  1051), 
die  4  Tageszeiten  von  Claude  Lorrain  (Nr.  1429-1432) ,  sämmtlich  früher 
in  der  Gallerie ,  dem  Palais ,  der  Akademie  und  der  Residenz  (Altstadt) 
in  Kassel.  Im  J.  1814  wurden  femer  67  Bilder  aus  der  berühmten  Samm- 
lung des  Bankiers  Goesvelt  in  London  für  8700  ^,  und  1815  andere  7  Bilder 
aus  derselben  Sammlung  gekauft.  Im  J.  1816  kaufte  der  kunstliebende 
Generaladjutant  Fürst  Wassily  Trubetzkoy  in  Frankreich  und  Italien  eine 
Anzahl  z.  Th.  werthvoller  Bilder;  andere  erwarb  der  als  Galleriedirector 
Napoleons  I.  bekannte  und  berüchtigte  Baron  Denen.  —  Nikolaus  I.. 
ein  grosser  Liebhaber  und  Beschützer  der  Künste,  kaufte  zunächst  1826 
die  kleine  Sammlung  des  Grafen  Miloradowitseh ;  1829,  30  Bilder  aus  der 
Sammlung  der  Herzogin  v.  St.  Leu  (Königin  Hortense),  für  280,000  fr. ; 
1881 ,  33  Bilder  aus  der  Gallerie  des  Don  Manuel  Godoy,  des  bekannten 
„Principe  de  la  Paz",  für  567,935  fr. ;  1834  durch  Gen.-  Ck>nsul  v.  Gesslcr 
in  Gadix  32  meist  spanische  Bilder;  Ende  desselben  Jahres  aus  der 
Sammlung  des  span.  Gesandten  in  St.  Petersburg  Paez  de  la  Gadeüa  41 
meist  spanische  Bilder.  1836  wurden  ans  der  Gallerie  Coesvelt  (s.  oben) 
wiederum  7  Bilder  erworben,  dabei  die  berühmte  Madonna  Alba  Bafi'aels 
(Nr.  38),  für  den  geringen  Preis  von  9400  ± ;  1851  die  Gallerie  Barbarigo 
für  525,(aX)  fr.  (nur  10  brauchbare  Bilder) ;  in  demselben  Jahre  mehrere 
werthvoUe  Bilder  auf  der  Versteigerung  der  Gallerie  des  Königs  der 
Niederlande,  dabei  umfangreiche  Meisterwerke  von  Velazquez,  Seb.  del 
Piombo  und  B.  van  der  Helst.  Im  J.  1845  vermachte  der  Oberkämmerer 
Tatistschew  der  kais.  Gallerie  182  Bilder.  In  neuester  Zeit  sind  u.  a.  die 
schöne  Madonna  Litta  von  Lionardo  (Nr.  13  a)  und  die  berühmte  kleine 
Madonna  Gonestabile,  ein  Jugendwerk  Bafi'aels  (Nr.  86  a)  hinzugekommen. 

Zur  Orient irung.  Die  Neuordnung  der  Kunstwerke,  na- 
mentlich der  durch  den  Ankauf  des  Golitzyn-Museums  vermehr- 
ten Gemäldegallerie  ist  noch  nicht  vollendet;  wir  geben  nach- 


124     Route  11,  ST.  PETERSBURG.  Eremitage, 

stehend  die  bisherige  Anordnung,  welche  im  grossen  und  ganzen 
noch  zutreffend  sein  wird.  Das  Parterre  enthält  vorzüglich  Sculp- 
turen.  L.  vom  Eingang :  1.  Die  ägyptischen  und  assyrischen  Alter- 
thümer.  2.  Die  antiken  griechischen  und  römischen  Sculpturen. 
3.  Die  Alterthümer  von  Kertsch ,  die  skythischen  und  sibirischen 
AUerthümer.  R.  4.  Vasen,  Bronzen,  Silbersachen.  5.  Handzeich- 
nungen, Kupferstiche.  6.  Theil  der  Bibliothek.  —  Das  erste  Stock' 
ijoerk  enthält:  1.  Die  Gemäldegallerie.  2.  Die  Münzsammlung. 
3.  Geschnittene  Steine,  Gemmen  u.  s.  w.  4.  Sculpturen  der  Neuzeit. 

Aus  dem  prächtigen  Vestibül ,  welches  mit  zwei  Obelisken  und 
zwei  Gandelabern  aus  Orletz ,  d.  i.  Manganit  (rosa  mit  schwarzen 
Flecken)  geschmückt  ist,  treten  wir  1.  in  den 

I.  Saal.  Aegpyptische  und  asssrrisclLe  Alterthümer.  Die  ägypt. 
Alterthümer  bestehen  aus  den  Sammlungen  des  Grafen  Castigllone 
und  des  türk.  Gesandten  Khalil-Bey.  Die  beiden  grossen  Sarko- 
phage aus  dunkelgrauem  Granit  wurden  in  Gegenwart  des  Herzogs 
von  Leuchtenberg  ausgegraben  und  von  ihm  seinem  Schwiegervater 
Kaiser  Nikolaus  geschenkt.  Vgl.  Treu,  Ueber  die  ägyptische  Samm- 
lung der  Eremitage,  St.  Petersburg  1871. 

1.  Granitstatue  der  katzenköpfigen  Pcuiht  aus  der  Zeit  Amenophis  III. 
(zvi.  Jahrb.  v.  Chr.).  3.  Zwei  Sarkophage  aus  schwarzem  Granit,  welche 
laut  Inschrift  die  Mumien  des  Befehlshabers  der  königlichen  Bogenschützen 
Ahmet  (Amasis)  und  seiner  Mutter  Sehast  (vii.  Jahrh.  v.  Chr.)  enthielten. 
3.  Zwischen  beiden  ein  aus  grobem  Rosagranit  gearbeiteter  Sarkophag  des 
Nachi^  Oberpriesters  des  Ptah  in  Memphis.  —  In  den  Wandschränken 
ägyptische  Götterfiguren,  und  zwar  4.  im  1.  Sehrank  Ämmon^  der  grosse 
Gott  von  Theben,  daneben  Muih  mit  Doppelkrone,  der  widderköpflge  Kata- 
raktengott Chnum^  Ptäh^  der  grosse  Gott  von  Memphis,  die  Liebesgöttin 
Pachte  ferner  Statuetten  des  Götterarztes  Imhotep^  der  Göttin  Neith  von  Sais, 
des  ibisköpfigen  Toth.  Es  folgen  dann  5.  Die  Götter  der  Unterwelt,  Osiris 
mit  Scepter  und  Geissei  in  den  Händen,  seine  Gattin  Isis  mit  der  Mond- 
scheibe zwischen  den  Hörnern  auf  dem  Kopfe.  6.  Im  4.  Schrank  der  böse 
Seih  (Typhon)  und  der  Seelengebieter  AnubU  mit  dem  Schakalkopfe,  der 
Apis  und  die  dem  Sonnengott  Ra  heiligen  Sperber.  7.  Im  5.  Schrank 
heilige  Thiere  und  Scarabäen^  die  als  wirksame  Amulette  galten.  8. 
Knieende  Statue  eines  hohen  Beamten  aus  der  Zeit  Bamses  II.  (xiv.  Jahrh. 
V.  Chr.)  mit  Opfertisch.  9.  Kleine  Granitstatue  des  Königs  Amenemha  III. 
(um  2300  V.  Chr.),  Erbauers  des  Labyrinthes  und  Schöpfers  des  Sees  MÖris. 
10.  Unter  den  Fenstern  Orabstelen  aus  Kalkstein,  auch  Keil  -  Inschriften 
aus  Khorsabad.  11.  Bemalte  Holzsärge;  Fragmente  von  Papyrusrollen, 
theils  mit  demotischen,  theils  mit  hieratischen  Schriftzügen  und  nur  eine 
mit  hieroglyphischer  Schrift  bedeckt.  Ferner  (12.)  Gerathe,  Waffen,  Cande- 
laber  und  Gefasse  aus  Stein,  Holz,  Bronze  und  Thon. 

Die  assyrischen  Basreliefs^  aus  Nimroud  am  Euphrat,  wurden  von 
ihrem  Entdecker  Sir  H.  Layard  1862,  die  kleineren  im  selben  Jahr  in 
Paris  erworben.  L.  vom  Eingang:  König  Assardanbal  (Sardanapal),  hinter 
ihm  der  Dämon  Ahuramasda  mit  den  Emblemen  des  Feuers  und  Wassers. 
B. :  assyrische  Krieger  und  Priester  aus  Khorsabad.  —  Der  Dämon  Xesroch 
mit  Adlerkopf  (Itimroud).  —  Der  Lebensbaum,  dem  Gotte  Saoma  ge* 
weiht.  —  An  der  Wand  gegenüber  zwei  Basreliefs,  den  Marut  vorstellend 
(Prototyp  der  Cherubim  und  Seraphim),  grauer  Alabaster,  durch  Feuer 
geschwärzt. 

Es  folgen  7  *Sftle  mit  grieehiio]i  -  römisehen  Scnlptnren.  Der 
Ursprung  dieser  Sammlung  datlrt  aus  der  Zeit  Peters  des  Grossen, 
der  in  Rom  1719  die  taurische  Venus  ankaufen  Hess.   Unter  Katha- 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  11.  Boute,     125 

rina  kamen  die  Sammlungen  Schuwalow  und  Lyde-Brown  (1787  fax 
23,000  L.  St.  gekauft)  hinzu ;  Kaiser  Nikolftus  machte  kostbare  Er- 
werbungen (Sammlungen  Demidow,  Laval)  und  unter  Alexander  II. 
wurden  1861  aus  der  berühmten  Gampana-GallerifrinRom78  werth- 
Yolle  Sculpturen  angekauft,  unter  denen  sich  43  Eolossalstatuen  be- 
finden. Yergl.  den  ^Gatalogue  du  Mus^e  de  Scuipture  antique'' 
(25Kop.).. 

JI.  Saal.  G&iechisch-bomische  Sculptuben.  —  Stcauen:  7. 
Schlafender  Silen;  11.  Schlafender  Satyr,  nach  Praxiteles  (sehr 
häufig  nachgebildet;  in  Petersburg  allein  noch  vier  Repliken  n®  21. 
159.  165.  316.);  *iS.  Schlafender  Endymion;  17.  Venus-Torso.  — 
Büsten:  25.  Cäsar;  33.  Hermes;  38.  43.  Alexander  d.  Gr.;  *44. 
Juno ;  45.  Silen ;  47.  Bacchus  und  Ariadne ;  *60.  Antinous ;  *67. 
Germanicus  (?);  70.  Plotina,  Gemahlin  Trajaus;  *71.  Julia, 
Tochter  des  Titus;  72.  Antoninus  Pius ;  *73.  Apollonius  von  Tyana. 
Kandelaber,  Basreliefs,  Yotivfüsse  etc. 

III.  Saal  dbs  Jupitbs  Nikbphobos.  —  StaUuen:  *147.  Om- 
phale;  *148.  Griech.  Jüngling  (?) ;  150.  Athena;  ♦152.  Jupiter  Nike- 
phoros;  153.  Ephebe;  154.  Venus  Genitrix;  '136.  Bacchus  ijnd 
Venus;  138.  Hirt;  162.  Ceres;  »163.  Mercur;  166.  Hercules:  — 
Büsten:  168.  Venus;  171.  Mars  oder  Achilles;  *173.  Bacchus; 
♦174.  Jupiter;  ^175.  Niobe;  176.  Athena.  —  Sarkophage:  *191. 
Hippolyt  und  Phädra;  *192.  röm.  Hochzeitsfeier. 

IV.  Saal.  Bildnisse.  —  Statuen:  ♦193.  Sitzender  Augustus^ 
194.  Marius  (mit  Inschr.) ;  ^195.  sitzende  Agrippina  d.  Aeltere  (?) ; 
♦196.  Socrates;  ^197.  sitzender  Demosthenes  (aus  Ciceros  Villa  bei 
Tusculum) ;  ^198.  Sabina,  Gemahlin  Hadrlans.  —  Büsten:  199. 
Faustina  die  Jüngere ;  ^200.  Arsinoe,  Gem.  Ptolemäus  Philopators ; 
201.  L.  Com.  Sulla;  ^202.  P.  Scipio  Africanus;  203.  Marcellus 
d.  J. ;  204.  Brutus  d.  J. ;  205.  M.  Claudius  Marcellus ;  206.  Agrippaf 
207.  Sallust ;  208.  Marc  Anton.  Dann  eine  Vase  von  schwarzem 
Jaspis  aus  dem  Chersonnes  und  ein  Mosaik -Fussbo den,  Quell- 
nymphen darstellend. 

V.  Saal.  Bildnisse.  —  Statuen:  213.  Cajus  Cäsar?  (nicht  Com- 
modus) ;  214.  Hadrian ;  215.  Marc  Aurel ;  216.  Antoninus  Pius ;  217. 
sitzende  Faustina  d.  Ae. ;  219.  Aelius  Verus.  —  Büsten :  ^227.  Julia. 
i)omna;  236.  Sextus  Pompejus;  239.  Balbinus  (Kaiser  Mal -Juli 
238);  240.  T.  Quinctius  Flamininus;  241.  Philippus  Arabs;  242. 
Didia  Clara ,  Tochter  des  Didius  Julianus ;  248.  L.  Aelius  Caesar ;. 
251.  Marcellus  d.  J.  —  Basreliefs;  in  der  Mitte:  grosse  Vase  aus 
schwarzem  Marmor. 

VI.  Saal.  Statuetten  und  Büsten.  —  Statuetten:  ^263.  Mer- 
cur ;  266.  Satyr  und  Pan ;  ^267.  sitzender  Mercur ;  271 .  Tyche  (Stadt- 
göttin) von  Antiochia ,  zu  ihren  Füssen  der  Orontes ;  274.  Pappo- 
silen.  —  Wir  lassen  hier  zunächst  den  Saal  von  Kertsch  (s.  unten} 
1.  und  wenden  uns  rechts  in  den 

VIII.  Saal  deb  Musen.  —  Statuen :  ^303.  Karyatide  mit  ganz 


126    Route  IL  ST.  PETERSBURG.  Eremitage. 

modernem  Bach  in  der  Hand ;  304.  Mercur ;  *305.  Urania ;  306. 
Euterpe;  307.  Klio;  »308.  Terpsichore;  309.  Melpomene;  310. 
Thalia;  311.  Erato;  312.  Polyhymnia;  313.  Kalliope;  »314.  Aes- 
culap ;  ♦316.  Satyr  nach  Protogenes ;  317.  Papposilen ;  318.  Mar- 
syas;  ^321.  griechische  Priesterin ;  ^323.  sitzende  Terpsichore.  — 
Bfu$ten:  »324.  Jupiter  Ammon ;  *325.  Athena;  »326.  Virgil;  •327. 
Sappho;  *328.  Herodot  (mit  Inschrift).  —  Basreliefs:  329.  Die 
Parzen ;  *330.  Poseidon ,  Athena ,  Artemis  (archaisch) ;  334.  336. 
Musensarkophag ;  *337.  die  Niobiden. 

IK.  Saal  deb  Yentjs  dbb  EBEicrrAOE.  —  Statuen:  ^340.  Hya- 
cinth ;  *341.  Nymphe  mit  der  Muschel ;  342.  sogen.  Eros  des  Praxi- 
teles ;  *343.  die  Venus  der  Eremitage ,  1859  in  Rom  ausgegraben, 
Yortre£Fllch  erhalten,  rechte  Hand,  Finger  der  linken  Hand  und  ein 
Halsstück  neu ;  *344.  Bacchus ;  *345.  Jugendliche  FackeltrSgerin ; 
*347.  Die  Taurisehe  Venus ,  Geschenk  des  Papstes  Clemens  XI.  an 
Peter  den  Grossen;  348.  Leda;  *349.  Hermaphrodit;  *3Ö0.  Nymphe 
auf  dem  Schwane;  351.  Venus  und  Amor.  —  Büsten:  352.  In- 
discher Bacchus ;  •355.  Venus ;  *359.  Laocoon.  —  Vasen,  —  Zurück 
durch  den  VIII.  und  VI.  Saal  in  den 

VII.  **Saal  Yon  Kertioh,  einen  grossen  von  20  dunkelgrauen 
Granitsäulen  getragenen  Saal,  welcher  die  Kunstwerke  und  Alter- 
thümer  des  kimmerischen  Bosporus  enthält*).  Sie  nehmen  unter  allen 
Kunstwerken  der  Eremitage  den  ersten  Rang  ein ;  denn  keine  Samm- 
lung der  Welt  besitzt  so  viele  Gegenstände  griechischer  Kleinkunst, 
und  zwar  aus  der  besten  Zeit  derselben,  dem  iv.  und  iii.  Jahrb. 
V.  Chr.  Die  grösste  und  interessanteste  Ausbeute  boten  die  Aus- 
grabungen in  der  Krim  in  der  Nähe  von  Kertsch ,  dem  alten  Pan^ 
tikapaion  (1831  u.  ff.),  sowie  auf  der  gegenüberliegenden  asiati- 
schen Küste  von  Taman,  in  den  Ruinen  von  Phanagoria  {Agripias), 
Theodosia  etc.  Andere  Ausgrabungen  fanden  in  den  Ruinen  der 
Städte  Chersonesos  und  Olbia,  ferner  an  der  Mündung  des  Don,  im 
alten  Tanals  u.  a.  0.  statt.  Die  Gegenstände  (darunter  viele  Gold- 
sachen) sind  theils  von  griechischer  Herkunft,  theils  in  den  Colonieen 
von  griechischen  oder  einheimischen  Künstlern  gearbeitet  und  be- 
weisen einerseits  in  wie  engem  Zusammenhang  die  Colonieen  mit 
dem  Mutterlande  standen,  andrerseits  wie  tiefen  Eingang  griechische 
Cultur  und  Kunst  bei  den  skythischen  „Barbaren '^  gefunden  hatten. 

An  der  Eingangsthür  zwei  grosse  Holzsarkophage ,  1859  ausge- 
graben. —  Wir  beginnen  mit  den  Fenstern.  Unter  jedem  Fenster 
befindet  sich  eine  Vitrine ,  in  den  Fensternischen  je  2  hohe  Glas- 
schräuke,  den  Fenstern  gegenüber  Obelisken,  Vitrinen,  Tische, 
Piedestale. 

I.Fensteb.  VitrineB.  Goldene  geprägte  leichte  Bleche,  einst  auf 

*)  Vergl.  das  Prachtwerk:  ,^iitiquiU«  du  Boaphore  Oimm^rieii,  con« 
serväes  au  Musee  imp.  de  TEr^mitage ,  ouvrage  publik  par  ordre  de  S. 
M.  rEm^ereur".  St.  Petersburg  1854.  3  Vol.  Ferner  die  Publikationen 
der  archäolog.  Gommisslon. 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  IL  Monte.     127 

Gewänder  aufgenäht ,  in  Form  von  Hirschen ,  Widderköpfen ,  Pal- 
lasköpfen mit  und  ohne  Helm  im  alten  Stil ,  Eulen ,  Flussgötter- 
köpfe  y  Bukrane  (Ochsenschädel)  u.  s.  w.  Prachtvolles  Halshand. 
Goldene  Köcherspitze  u.  a. 

Schrank  7.  Terracotta-Figuren :  Kinder,  welche  mit  Hähnen, 
Hunden ,  Böcken  spielen.  Kinderspielzeug.  —  Schrank  10,  Desgl. ; 
Masken ;  Niohidengruppe. 

Obdi$k  7.  Silbersachen.  542.  Yase  mit  Eros  und  Medusen- 
köpfen. 544.  Yase  mit  Medusenkopf.  536.  Kylix  (Schale)  mit  Helios 
auf  einem  Yiergespann.  —  Obelisk  2.  Silbersachen.  »ÖTÖ.  Rhyton 
(Trinkhorn)  in  Form  eines  Stierkopfes:  Polydor,  des  Priamos  Sohn, 
von  Polymestor,  König  von  Thracien,  ermordet ;  Hekuba  dem  Poly- 
mestor  die  Augen  auskratzend.   Darüber  531.  Becher  mit  Eberjagd. 

II.  Vitrine  U.  Halsbänder  aus  Achat,  Glasperlen,  Würfel, 
Astragalen  u.  s.  w.  757.  Hand  aus  Chalcedon  (Rüekenkratzer).  — 
Nüsse ,  Mandeln. 

Schrank  12.  Glassachen.  *796c.  Glasbecher  desEnnion.  Schalen 
aus  Mosaikglas.  —  Schrank  15.  Glassachen. 

Obelisk  3,  Goldene  Kränze :  n^  4,  in  der  Mitte  Portrait  und  In- 
schrift des  M.  Antonius  in  dünnem  Goldblech. 

III.  Vitrine  19.  Goldschmuck  verschiedener  Art.  Goldne 
Schwertgriffe  mit  ChalcedonknÖpfen.  Holzsachen,  dabei  ein  Kamm 
mit  der  Aufschrift ;  AAEA^HO  AOPON  (Geschenk  der  Schwester). 
Farbenkasten,  Schminktöpfchen  u.  s.  w. 

Schrank  17.  Yasen.  *Lekane  (grosse  Schüssel)  im  asiat.  Stil, 
mit  schwarzen  Thierflguren  auf  weissem  Grunde.  —  Schrank  20. 
Yasen.  H:ydria  mit  leierspielender  Frau.  Bacchische  Scenen.  Gold- 
schmuck. 

Vergoldeter  Qlastisch  I.  Goldne  Schmucksachen:  Armbänder, 
Fibeln  (um  Gewänder  auf  der  Schulter  zu  befestigen)  Schnallen, 
Knöpfe  u.  s.  w. 

Piedestal  X.  SUberner  stark  oxydirter  Helm. 

lY.  Vitrine  24.  *Goldsachen  zum  Besatz  von  Kleidern  in  Form 
von  Meduswköpfen ,  Greifen ,  Pallasköpfen ,  Lotosblumen  u.  s.  w. 
(nach  den  mitgefundenen  Münzen  aus  Alezanders  des  Grossen  Zeit). 
—  Elfenbein-Fragmente  mit  trefflichen  Graffiti. 

Schramk  22.  Yasen:  *81.  Vase  mit  Goldverzierungen,  Frauen 
bei  der  Toilette,  von  Eroten  umgeben.  *36a.  Hydria^  Paris  und 
Helena.  *78a.  Lekane,  junge  Mädchen  badend  und  spielend  (pracht- 
volle Arbeit).  —  Schrank  25.  Yasen :  badende  Frauen ,  Poseidon 
und  Thetis,  Bacchantinnen  u.  s.  w. 

Piedestal  XIII.  *Lekytho8,  mit  Figuren  (Perser  auf  der  Jagd, 
Arimaspen  und  Greife)  in  Relief,  in  Farben  und  Yergoldung,  Arbeit 
des  Xenophantes  aus  Athen  (Prachtstück). 

Glastische  XIV,  JF/ (meist  verdeckt).  Interessante,  sehr  sel- 
tene »Zeugproben  mit  eingewebter  Inschrift:  I0KA2T.   Die  Dar- 


128    Boute  IL  ST.  PETERSBURG.  Eremitage. 

Stellung  war  also  det  Oedipussage  entlehnt.  —  Vetgoldeter  Olastiseh 
IL  Halsbänder,  Ohrgehänge  in  Gold,  von  besonderer  Schönheit. 

V.  Vitrine  28,  Goldsachen.  Prachtvolles  grosses  *HaIsband 
mit  zwei  Skythen  zu  Pferde.  *Armbänder  mit  je  zwei  Sphinxen. 
Platten  mit  Skythen  zu  Pferde,  Pegasus  u.  s.  w.  Skythische  Bogen- 
schützen. —  'Fragmente  einer  Elfenbein-Lyra  mit  schSnen  einge- 
ritzten Zeichnungen  (Urtheil  des  Paris,  Pelops  und  Oenomans  etc.). 

*  Vergoldeter  Olastisch  27  (in  der  Nische).  Goldarbeiten.  Grosser 
Schildbuckel  mit  Gorgonenköpfen  (in  der  Mitte  war  wahrscheinlich 
ein  Karfunkel  eingelassen).  —  Elektron' Vase  mit  Skythen,  von 
denen  einer  einem  Kameraden  den  Fuss  verbindet,  ein  anderer 
einem  Genossen  den  Pfeil  aus  der  Wunde  zieht ,  ein  dritter  seinen 
Bogen  spannt  u.  s.  w.  Silbernes  Rhyton.  Goldener  Wagenbeschlag 
mit  einem  Hippokampen  (Seepferd)  und  Thierfiguren.  Fussschiene, 
Gold  mit  Eisen  bedeckt.   Silbernes  Scepter. 

*  Vergoldeter  Olastisch  29  (gegenüber).  'Grosse  goldene  Ohr- 
gehänge mit  Pallasköpfen.  Arladneköpfe  welche  auf  Kleider  aufge- 
näht waren.  Spiegel  mit  Goldgriff.  Merkwürdiges  goldenes  Schmuck^ 
stück,  einen  liegenden  Steppenhirsch  darstellend,  auf  welchem  ein 
Greif,  und  verschiedene  andere  Thiere  (skythische  Arbeit). 

Tisch  XIX,  *Lekane,  Frauen  und  Eroten.  Dahinter :  Obelisk  IV, 
*Goldschmuck. 

*  Vergoldeter  Olastisch  III,  Goldschmuck.  Goldkette  mitbogen- 
spannenden  Skythen.  Eros  auf  einem  Zweigespann.  Ringe  in  Eisen 
und  Gold.  *296.  Chalcedon  mit  goldener  Kette :  Aphrodite ,  treff- 
liche Arbeit  des  iv.  Jahrh.  v.  Chr.  *295.  Persischer  Cylinder  in 
Kornalin ,  mit  goldener  Kette ;  unter  dem  Ferwer  (Schutzgeist)  der 
König  mit  zwei  Löwen  ringend ;  vielleicht  das  Siegel  des  grossen 
Mithradat  /  welcher  in  Kertsch  (Pantikapaion ,  s.  S.  423)  starb.  — 
*292b.  Chalcedon  mit  goldenem  Ringe,  fliegender  Reiher ;  schöne 
Arbeit  des  Dexamenes  von  Chios.  —  •294.  Chalcedon  mit  gol- 
denem Ringe :  zwei  sitzende  geflügelte  Löwen  mit  gekröntem  Men- 
schenhaupte. *246b.  Goldener  Ring,  Skythe  seinen  Bogen  iinter- 
suchend  (Arbeit  des  Athenades,  it.  Jahrb.).  ^45.  Goldring  mit 
der  Aufschrift  ^^^X^  („liebe  Seele*),  andere  mit  x^P^  („Gruss"). 

YI.  Vitrine  32,  Goldarbeiten.  Massives  'Halsband,  Böcke  und 
Schafe,  von  vollendeter  Arbeit.  Diademe  in  Gold,  Nachahmung 
natürlicher  Haare.  Goldene  Platten :  Nike,  Frauen  auf  einem  Greif, 
Panther,  Mänaden,  Satyrn,  Drachenköpfe  u.  s.  w.  ~  Stoffe,  Stiefeln. 

Schrank  30.  Thongefasse.  17.  Jhroehous  (Kanne),  Dionysos 
und  Ariadne.  Bacchische  Scenen  u.  s.  w.  —  Schrank  33.  Thonge-^ 
fasse.  Amazonenkämpfe.  KomÖdienscene :  Arimaspen  (mythisches 
einäugiges  Volk)  und  Kraniche. 

Säule  XXII.  Amphora  mit  Goldverzierungen,  Geburt  des 
Bacchus.  —  Tische  XXIII-XXV.  Kleiderstoffe. 

Vergoldeter  Olastisch  IV.  Goldarbeiten.  Masken,  Löwen,  Ohr-^ 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  IL  Route,     129 

^ehänge  in  Form  von  Eroten ,  Kopfe  der  Kora  (Demeter) ,  Sirenen, 
Köpfe  von  Löwen ,  Luchsen  u.  s.  w. 

YII.  Vitrine  37,  Zwei  goldene  Todtenmasken ,  die  eine  aus 
dem  Grabe  Kul-Oba  (s.  S.  423),  die  andere  aus  der  Gegend  von 
Odessa.  577.  Silberne  Schüssel  eines  bosporanischen  Königs 
Rheskuporis. 

Schrank  35,  Thongefässe ,  Amazonenkämpfe.  -^  **Schrank  38, 
Wundervolle  Thongefässe  in  Form  von  Figuren  ,  mit  Farben  und 
Vergoldung,  *Sphinx,  badende  Venus ,  Flügelflgur  mit  Krotalen 
(Klappern),  aus  Lotos  auftauchende  Venus,  Attys. 

Piedestal  XXV JII.  Goldener  durchbrochener  Helm  (xuv^i)). 
Zwei  Vasen  sonderbarer  alter  Form.  Goldmünze  Alexanders  des 
Grossen,  mit  diesen  Gegenständen  gefunden. 

Vin.  Vitrine  42.  Bleisachen.  Disken  mit  Wagenrennen  und 
Kämpfenden.  Holzsachen. 

Schrank  40,  Bronzesachen.  Schöner  Löwenkopf.  Sich  aufrich- 
tende Schlange.  *Bacchus  auf  einem  Gefässgriff.  —  Knemiden 
{Beinschienen).  —  Schrank  43,  Phalarai  (Pferdegeschirr) ,  Bronze 
mit  Karneol- Verzierungen  und  Vergoldungen. 

Säule  XXX.   Lekane ,  Symposion  (Gastmahl). 

Obelisk  5,    *Goldene  Lorbeerkränze. 

IX.  Vitrine  47.  Goldarbeiten.  Prachtvolles  Halsband.  Diadem, 
Nachahmung  von  Haar.  Zwei  Armbänder  mit  Löwen.  Zwei  Ohrge- 
hänge :  Thetis  mit  den  Waffen  des  Achilles.  —  Tänzerinnen,  Jugend- 
liche HerculeskÖpfe  zum  Aufnähen  auf  Gewänder.  Spiegeldeckel 
AUS  Bronze :  Bacchus  mit  einem  Panther. 

Schrank  45,  Terracotten.  Karikaturen.  —  Sehrank  48.  Terra- 
cotten.  Priapusopfer.   Kinderspielzeug. 

Obelisk  6.  Goldene  Lorbeerkränze.  Schöner  Kopfputz  (Kala- 
thos).    Arimaspen  mit  Greifen  kämpfend. 

An  der  Schmalwand,  der  Thür  gegenüber:  Marmorsarkophag 
aus  Kertsch,  Achilles  bei  den  Töchtern  des  Lykomedes.  Der 
Deckel  aus  späterer  Zelt,  mit  zwei  liegenden  Figuren,  auf  der 
Halbinsel  Taman  gefunden.  —  Davor :  Bronzene  Kline  (Bett)  und 
Kandelaber,  aus  den  letzten  Ausgrabungen. 

Zwischen  den  Säulen  : 

XXXIU.  Amphora ,  Apollon  Kitharödoä.  —  XXIX.  Amphora, 
Geburt  der  Pallas.  —  XXVII.  Goldener  Helm  (xuv^r.).  —  XX.  Pan- 
Athenäische  Preisgefasse ,  Wettlauf.  —  XVIII.  Bronzehelm  mit 
Backenklappen.  —  X.  Knemiden  mit  Medusenköpfen,  Bronze.  — 
VIII.  Amphora,  Nessus  raubt  die  Deianira. 

An  der  Wand  Grabsteine  unbekannter  Personen.  98.  Piedestal 
«iner  Cybele-Statue ,  aus  der  Zeit  des  Königs  Paerisades  II.  (284 
V.  Chr.).  —  *22b.  Statue,  wahrscheinlich  einer  Archontenfrau, 
1850  bei  Kertsch  gefunden;  schöne  Arbeit  des  i.  Jahrh.  n.  Chr.  ~~ 
101.  Telamon  zu  Ehren  des  K.  Tiberius  Julius  Telranes  und  seiner 
Oemahlin  Aelia.  —  ♦973.  Sarkophag  aus  Sykomorenholz  mit  den  vor- 

Bussland.    3.  Aufl.  9 


130     Soute  IL  ST.  PETERSBURG.  Eremitage. 

trefflichen  Figuren  des  Apollo  und  der  Hera.  —-  ♦l^T.  Inschrift  zu 
Ehren  der  Königin  Dynamis,  von  den  Bewohnern  der  Stadt  Agripia» 
(Phanagoria).  —  Zwei  liegende  Löwen  mit  unentzifferten  Inschrif- 
ten. —  2%,  Statue  eines  Archonten,  Pendant  zu  22b.  (s.  oben).  — 
*88.  Piedestal  für  zwei  Statuen  des  Sanerges  und  der  Astara,  unter 
König  Paerisades  I.  —  »70.  Kapital  eines  Tempels ,  welcher  auf 
dem  Platze  des  Tempels  der  taurischen  Artemis  gestanden  haben  soll. 

Viele  zum  Theil  kostbare  Gegenstände ,  dabei  eine  Anzahl  aus 
dem  Siebenbrüderhügel,  sollen  hier  eingeschaltet  werden,  u.  a. 
drei  goldene  Rhyta,  Goldschmuck  u.  s.  w.,  mit  einer  goldenen 
Münze  des  Königs  Paerisades  II.  gefunden. 

Aus  dem  Saal  von  Kertsch  gelangt  man  zu  den  bisher  vom 
Reichsrath  (S.  111)  innegehabten  Räumen  des  Winterpalais ,  in 
welchen  die  früher  im  Arsenal  von  Zarskoje-Sselo  (t9.  189)  befind- 
lichen Waffen,  historischen  Erinnerungen,  Kunstgegenstände  und 
Kostbarkeiten  aller  Art,  sowie  die  ähnliehe  Sammlung  Basüeivsky 
Aufstellung  gefunden  haben  (Eintritt,  s.  S.  99). 

Wir  kehren  durch  die  Sculpturen-Säle  zum  Vestibül  zurück  und 
betreten  zunächst  r.  vier  Säle ,  welche  die  reiche  *ya8en8ammlang 
enthalten  (hauptsächlich  hervorgegangen  aus  den  Sammlungen  des 

Dr.  Pizzati ,  der  Gräfin  Laval  und  des  Marchese  Gampana). 

XVin.  Saal.  Aelteste  Gefässe.  Hauptwand  Nr.  29. 107.  Grosse  Thymia- 
terien  (BÄucbergefässe).,  von  besonderer  Seltenheit.  6, 44.  Amphoren  asiat. 
Styls  mit  Thierfiguren  (gleichfalls  sehr  selten).  66.  Deckel-Amphora  mit 
geflügelten  Pferden.  76.  Panathenälsche  Amphora  mit  Bingern.  Vasen 
verschiedener  Formen  mit  schwarzen  Figuren  auf  gelbem  Grunde,  meist 
bacchische  Scenen  darstellend. 

XVII.  Saal.  In  der  Mitte  die  berühmte  *Hydria  von  Cwnä^  im  J. 
1853  gefunden  (Samml.  Gampana),  Figuren  in  Hochrelief,  bemalt  und 
vergoldet :  Eora  aus  dem  Hades  zu  ihrer  Mutier  Demeter  zurückkehrend  ; 
Eubulea  ein  Ferkel  opfernd^  Athena,  Artemis  und  Aphrodite  als  Be> 
gleiterinnen  der  Kora^  Dionysos  neben  Demeter;  Triptolemos,  Hekate, 
Bhea.  —  349.  Krater  (grosses  Mischgefäss),  Orest  von  den  Furien  verfolgt. 
*350.  Apulische  Amphora,  Triptolemos  und  Dionysos.  355.  Apollo  und 
Marsyas.  406.  Amphiaraos  von  seinen  Söhnen  Abschied  nehmend.  420.  Orest 
und  Pylades  von  Iphigenia  empfangen.  ^2.  Priamus  um  Hectors  Leich- 
nam bittend.  *424.  Der  Palast  des  Hades,  die  Danaiden  etc.  *523.  Giganten- 
kampf, Orest  im  Delphischen  Tempel.  Rückseite:  Tod  des  jungen  (>pheltes. 
Die  Sieben  vor  Theben.  —  Antiker  Fuuboden  einer  der  ältesten  Kirchen, 
aus  Chersonesos  (Sewastopol),  von  Jfalchos  und  seinen  Freunden  (Inschrift 
r.  vom  Eingang)  geweiht. 

XVI.  Saal.  Vasen  mit  gelben  Figuren  auf  schwarzem  Grunde.  ^830«. 
Kylix  (Trinkgefass)  mit  dem  Namen  des  Malers  Hieron.  Im  Innern: 
Theseus  und  seine  Mutter  Aethra.  Diomedes  und  Odysseus  mit  dem 
Palladium  etc.  847.  Krater,  Kadmos  den  Drachen  tödtend.  In  der  Mitte- 
grosse ovale  Schale  aus  grünem  Jaspis. 

XV.  Saal.  Vasen  von  Nola.  *1271.  Grosser  Krater,  Krieger  von. 
seinem  Vater  Abschied  nehmend,  Rückseite  derselbe  zurückkehrend. 
*1S67.  Amphora ,  Akrisius  lässt  den  Koffer  vorbereiten ,  um  seine  Tochter 
Danae  und  ihren  Sohn  Perseus  einzusperren.  *1588.  Hydria,  Achill  auC 
Polyxena  wartend.  *1609.  Krater,  Perseus  der  Medusa  den  Kopf  ab- 
schneidend. Ueber  700  Vasen  verschiedener  Formen,  meist  mit  Malereien) 
ohne  historische  Bedeutung.  —  In  der  Mitte  zwei  prachtvolle  Schalen- 
in  Rosso  antico  aus  der  Braschi^schen  Sammlung  und  eine  grosse  ovale 
Schale  aus  Diorit schiefer. 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  i/.  Route.     131 

Aus  dem  folgenden  Saal  X,  die  Terrakotten  der  Sammlung  Sa- 
burow  enthaltend  (Katalog  beim  Portier),  wenden  wir  uns  1.  in  den 

XI.  Saal.  Antike  Bronsen,  Silberarbeiten,  Terracotten,  aus  den 

Sammlungen  Pizzati,  Campana  etc.,  sowie  Gegenstände  aus  Pompeji, 

während  der  Anwesenheit  des  Kaisers  Nikolaus  ausgegraben. 

/.  Schrank.  Hausgeräthe,  Lampen  u.  s.  w.  —  //.  Sehrank.  96.  Prochous 
(Schenfckanne)  des  Pomponius  Zoticus,  zu  Viterbo  gefunden.  Vasen 
verschiedener  Formen.  Hausgeräthe,  ehirurg.  Instrumente  u.  s.  w.  — 
///.  Schratt.  An  d«r  hinteren  Schmalwand  Figuren  von  Thieren  und  Ken* 
sehen.  Oötterfiguren :  *536a.  ApoUon  (?)  mit  Aufschrift  nOArRPAT£2 
ANE6EKE,  älteste  griech.  Kunst  (aus  der  ehem.  Sammlung  des  Grafen 
Pourtal^s  zu  Paris).  *551.  Satyr,  am  Ufer  des  Don  gefunden.  *5fi2. 
Ghrosser  silberner  Spiegel.  563.  Dionysos ,  mit  'christl.  Inschriften  und 
Honogrammen  (ebenfalls  am  Don  gefunden). 

Auf  der  FensteneiU:  *373.  Silberne  Vase  mit  Vergoldung,  Centauren 
als  Ori£fe,  Amazonenkampf,  Jagdseenen,  Nereiden  (um  350  v.  Chr.),  in 
der  Moldau  am  Ufer  des  Pruth  gefunden.  *481.  Silber-Eimer,  Leda,  Daphne, 
Hylas,  schone  Arbeit  aus  der  Zeit  der  Antonine,  ebenda  gefunden  (s.  Eöhne, 
H^m.  de  la  eoci^t^  d'arch.  de  St.  Pätersbourg,  I.).  Zwischen  den  Fenstern 
auf  Gonsolen  6  Bronze-Helme.  Gegenüber :  *423.  Etruskischer  Helm,  mit 
drei  goldnen  Kränzen  geachmückt.  *364.  Etrusk.  Silberhelm  mit  zwei  Hip- 
pokampen.    Ftenoplie  (volle  Rüstung)  aus  Schilden,  Panzern  und  Lanzen. 

Auf  besondern  Fussgestellen : 

*Ö55.  Sieger  im  Wagenrennen,  lebensgrosse  Bronzestatue  aus  Makri 
in  Kleinasien.  437.  Vorderer  Theil  einer  Ghimära,  etrusk.  Arbeit.  379. 
Liegender  Etrusker  mit  beweglichem  Halssehmuck,  aus  Perugia.  33S. 
Etrusk.  Dreifuss,  ältesten  Stils :  Hercules,  Achelous,  Eurystheus.  937.  Cista 
in  cylindr.  Form,  Meleager,  auf  dem  Deckel  Satyrn  und  Mänaden,  aus 
Palestrina. 

Vürine  I.  *339.  Rhyton  in  Form  eines  Widderkopfes ,  Silber.  «346. 
Bhyton  mit  einem  Pferdekopf,  Silber.  *346.  Patera  (Opferschale),  Ajax 
den  todten  Achilles  tragend,  Bronze. 

VÜrint  IL  *406.  Etrusk.  Spiegel,  Venus  und  Adonis.  *409.  Spiegel- 
deckel, weibl.  Kopf,  vortreffl.  Arbeit.  *413.  Grosse  silberne  Schüssel, 
Centaurenjagd,  am  Pruth  gefunden.  *420.  Spiegel,  Eos  mit  dem  Leich- 
nam Hemnons. 

Vürine  JII.    Spiegel. 

Sechs  Schränke  mit  Terraeotten.  A.  Flasche  mit  der  Scylla.  Gläser. 
—  B.  316.  Sphinx.  184.  Affe.  Rhyta.  Unten  verschiedene  Thiere.  — 
C.  Lampen,  darunter  3  grosse  mit  Darstellung  des  Jupiter.  —  D.  Lam- 
pen. —  E.  Lampen,  Spielzeug.  Kopfe.  —  F.  Fragmente  von  Fresken. 
Votivtafel,  Bacchus  auf  einem  Altar  stehend,  daneben  zwei  Bacchantinnen. 

Alte  Bronzewaffen,  namentlich  Speere. 

Aus  dem  V.  Saal  betreten  wir  den  unter  der  Gallerie  der  Raffael- 
schen  Logen  (S.  148)  gelegenen 

XII.  Saal.  Handieiobnungen  (Katalog  von  Baron  v.  KÖhne, 
20  Kop.).  Den  Grundstock  derselben  bildet  dieBrühl'sche  Samm- 
lung ,  zu  der  mannigfache  einzelne  Erwerbungen  hinzukamen.  Im 
Ganzen  11,880  Nummern.  Reich  vertreten  sind  die  Franzosen :  allein 
von  Gallot  1067  Zeichnungen;  132  Porträts  franz.  Grossen  von 
Franz  I.  bis  Karl  IX.,  von  Dumoutier  und  seinen  Schülern.  Ferner 
hervorzuheben :  Lionardo  da  Yinci's  Abhandlung  über  die  Theorie 
der  Malerei,  mit  Zeichnungen  von  N.  Poussin;  167  Ansichten  Roms 
von  Manocchi  und  1148  ital.  Ansichten  von  Gl^risseau  (f  1820  in 
Paris,  99  Jahre  alt),  300  Zeichnungen  von  Guarenghi,  112  Ansichten 

9* 


132    Baute  IL  '  ST.  PETERSBURG.  Eremitage. 

aus  Finnland ,  der  Krim  etc.  von  K.  Ferd.  v.  Kügelgen ,  u.  s.  w« 

Ausgestellt  sind  u.  a.  folgende  Blätter  : 

Mantegna^  1.  Orablegune,  3.  Raechisehes  Opfer.  4.  Lionardo  da  Vinci 
Maria  mit  dem  Kinde.  IfitAel  Angelo^  8.  die  eherne  Sehlange,  12.  Frag- 
ment aus  dem  jünjesten  Gericht  der  Sixtin.  K&pelle.  15.  Titian^  Landsehafk 
mit  h.  Familie;  io.  Oiorgione^  h.  Barbara;  21.  Oarofalo^  Vision  des  h.  Am- 
brosius.   Bandinelliy  38.  Tod  eines  Freundes ;  39.  ein  Abend  beim  Heister. 

40.  A.  del  Sarto  (Perugino  f)^  Besuch  Marias  bei  Elisabeth.  —  CHuUo  RomanOy 

41.  Gott  Vater,  47.  Gefangennahme  Sejans  und  seiner  Familie.  Caravag- 
giOt  68.  römiselies  Opfer,  60.  Prozession.  66.  Jnnocento  da  Imola,  Christus 
Im  Hause  des  Lazarus;  67.  Perino  del  Vaga^  Anbetung  der  Hirten.  Par- 
meggianinoy  72.  h.  Jungfrau  mit  h.  Katharina  und  ApoUonia,  75.  Faust- 
kampf. PrimatieciOy  11  Zeichnungen,  dabei  67.  Einnahme  von  Trma.  93. 
Tintoretto^  Himmelfahrt  Christi;  98.  Farinato^  Grablegune;  106.  L.  Com- 
bia$o^  Abnahme  vom  Krens;  111.  ^rocdo,  Grablegung;  ll7.  Zueearo^  die 
Zeichen  der  Evangelisten;  127.  L.  Carraeei^  Wunder  des  h.  Benedict;  139. 
An.  Carracci^  Anbetung  der  Hirten ;  164.  Domenichino^  Maria  Empfängniss ; 
165.  OuereinOy  Madonna:  174.  Pietro  da  Cortona^  Jacob  und  Laban;  181.  8alv. 
JtotUy  Grab  Christi;  184.  Maratta,  Tod  des  h.  Joseph;  188.  Giro  Ferri^ 
Bacchanal ;  202.  OuarengM^  die  Thore  der  Kasanschen  Kirche  in  Moskau. 

207.  M.  Schön  (?),  Enthauptung  Johannes  des  Täufers ;  206.  Israel  v€M 
Meckenem^  h.  Jungfrau;  209.  Holhein  d.  Ä.y  männl.  Bildniss;  HoU>ein  d.  /., 
210.  desgl.;  211.  Ecce  Homo.  214.  Franken  d.  Ä.y  Anbetung  der  Weisen; 
217.  OoltziuSy  Koli  me  tangere;  224.  Ferg^  Eberjagd;  Lucas  v.  Leyden, 
242.  Geburt  Christi  (1517),  244.  h.  Jungfrau;  246.  Roelandt  Savery,  Markt- 
scene ;  248.  ßonthorst^  Schachspieler.  Bembrandt^  248.  Abraham  u.  d.  Engel ; 
259.  Jesus  u.  Kikodemus:  261.  Sitzende  Frau;  264.  Maler  in  der  Werkstatt. 
Aart  van  der  Neer^  277-79.  Landschaften.  282,  283.  Ph.  Wovwerman^  Reiter. 
289.  Potter,  Kuh;  296.  Ruudael,  Maierhof;  305.  &chalcken,  Dame;  813.  Net- 
scher  ^  Eünstlerportrait;  320.  F.  van  Mieris  d.  /..Susanna  im  Bade;  325, 
326.  Pieter  van  Aalst ,  Glasfensterzeichnungen;  334.  Sammt -Brueghel ^  das 
Reich  Xeptuns.  Rubens,  338.  Magdalena,  339.  h.  Stefan,  340.  Neptun, 
341.  Tomyris,  342.  Helena  Fourment,  des  Malers  zweite  Frau.  348.  Snyders, 
Bäreigagd;  F.  Hals,  349.  männl.  Portrait;  340.  alte  Frau;  Diepenbeck,  351. 
fa.  Familie,  355.  Marterthum  Japan.  Christen;  Jordaens,  360.  Jesus  bei 
Simon,  362.  Christus  am  Kreuz ;  AnUmvan  Dyek,  371.  Pauli  Bekehrung ;  378-83. 
Bildnisse  von  Marquis  Moncade,  Jan  Brueghel,  G.  de  Crayer,  Th.  Bom- 
bouts,  Simon  de  Vos  und  Seb.  Vranez;  3Im.  zehn  Portraitskizzen.  Quel- 
Kntf«,  390.  Triumph  des  Papstthums,  391.  Karl  V.  vor  Tunis.  Teniers  d. 
J.y  392.  Versuchung  des  h.  Antonius,  393.  Plünderung  eines  Dorfes.  396. 
Van  der  Meulen,  Ludwig  XIV.  auf  der  Reise. 

D.  Dumoutier,  403,  404.  Franz  I.  und  Karl  IX.  von  Frankreich.  Callot, 
409.  Plünderung  einer  Stadt,  426.  Scaramouche  auf  der  Bühne.  N.  Poussin, 
439.  Taufe  Christi,  440.  Vermählung  der  h.  Jungfrau,  441.  h.  Familie. 
449.  Ph.  de  Champaigne,  ein  Cardinal;  457.  Le  Sueur,  die  Pest  in  Born; 
458.  Lebrun,  Triumph  Josephs;  ^.  Nanteuil,  Damenportrait ;  473.  Jou- 
venet,  Anbetung  der  drei  Könige;  479.  Ooypel,  Erzengel  Gabriel;  480. 
Watteau,  die  Liebes-Galeere;  Lancret,  junge  Frau;  487 ff.  Ifatoir e,  Skijaen 
für  die  Kapelle  des  Pariser  Findelhauses.  Boucher,  492.  Bathseba,  496. 
Junges  Mädchen.   517 ff.  De  Velly,  Scenen  aus  der  Krönung  Katharinas  II. 

532.  Jarkote,  Katharina  II. ;  533.  Schubin,  desgl. ;  534.  Kasakow,  Moskau 
im  Triumphschmuck  bei  der  Friedensfeier  1775;  545.  J/. /wanow ,  Sturm 
von  Otschakow. 

Zwischen  den  Fenstern  auf  Piedestalen  Marmorbüsten,  und  zwar: 
1.  Voltaire,  2.  Orlow  Tschesmensky,  3.  Napoleon  als  Consul,  4.  Elisa- 
beth (Gem.  Alezanders  I.),  5.  Alexander  I.,  6.  SuUy,  7.  Katharina  II., 
8.  Peter  I.,  9.  Katharina  II.,  10.  Statuette  Potemkins,  11.  Nikolaus  als 
Grossfürst,  12.  Elisabeth  (Gem.  Alexanders  I.),  13.  Grossfürstin  Maria 
Feodorowna,  14.  Ch.  J.  F02, 15.  Potemkin,  16.  Heinrich  IV.  von  Frankreich. 

Nördl.  stösst  an  den  Y.  Saal  der  grosse 

YIII.  Saal  der  Kupferstiehe.    Derselbe  enthält  über  200,000 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  11.  Route.     133 

Blätter,  und  zwar  die  Kupferstiche  aller  grösseren  Meister,  darunter 
die  französischen ,  englischen  und  deutschen  Stecher  des  xtii.  und 
ZTiii.  Jahrh.  von  besonderm  Interesse.  Zahlreiche  Porträts  russischer 
Fürsten  und  berühmter  Männer  Europas,  Karten,  Kostüme  etc.  Die 
schönen  Schränke,  in  welchen  die  Blätter  aufbewahrt  werden,  sind 
mit  Vasen  von  Porphyr  und  Jaspis  geschmückt. 

Aus  dem  Halbrund  am  Eingang  zur  Kupferstichsammlung  ge- 
langt man  1.  in  den 

IX.  Saal.   Skythisehe  und  libiriiche  Alterthümer.  Funde  aus 

den  Grabhügeln  der  skythischen  Könige  im  Gouv.  Jekaterinoslaw  etc. 

Orouer  Schrank  dem  Fenster  gegenüber:  Verschiedene  Sachen  von 
Gold,  ein  Schwein,  vielleicht  ein  Feldzeichen,  vier  runde  Seheiben,  Thieiv 
figuren,  schöne  asiat.  Arbeit.  Bronze  -  Greife  als  Feldzeichen.  —  KMner 
Schrank  daneben:  Pferdegeschirr  und  Hausgeräth.  —  Grosse  Vitrine  Ä: 
Grosse  silberne  Schüssel  und  Schöpfkelle,  griech.  Arbeit.  ^  Orosse  Vi- 
trine B:  Goldsachen,  durch  Feuer  beschädigt,  der  Schatz  eines  skythischen 
Königs.  Dabei  ein  grosser  Koryt  (Köcher-  und  Bogen -Etui)  mit  zwei 
Seenen  aus  der  Sage  des  Theseus  und  der  Alope,  die  halbe  Einfassung 
eines  Wagens,  Sehwertgriffe,  kleine  Platten  in  Form  von  Rosetten,  Drei- 
ecken u.  a.,  die  auf  Gewänder  aufgenäht  waren,  etc. 

In  der  Mitte  die  berühmte  *Silbervase  von  Nikopol  (Zeit  Alexanders 
des  Grossen),  welche  Fang  und  Zähmung  des  Steppenpferdes  darstellt  •,  die 
Männer  mit  rein  slavisohem  Typus  (von  Stefani  besehrieben). 

In  einem  kleinen  Schrank  der  1863  in  dem  Kurgan  von  Koksletseh, 
bei  Nowotscherkask ,  gefundene  Schatz  eines  Nomadenfürsten,  vielleicht 
eines  Hunnen  oder  Alanen,  namentlich  3  goldne  Kronen,  die  grössere 
oben  mit  Steppenhirschen  besetzt,  vom  ein  männl.  Porträt  in  Ghalcedon, 
byzantin.  Arbeit  aus  der  Zeit  Justinians  I.  Zwei  goldne  Vasen,  die  Henkel 
aus  Thierfiguren  gebildet  \  Fettbüchsen  um  die  Klingen  einzureiben,  kleine 
Goldplättchen  zum  Kleiderbesatz. 

In  einem  andern  grossem  Schrank  daneben  die  Beute  eines  Mongolen- 
Chefs  ,  zur  Zeit  Peters  des  Grossen  in  Sibirien  gefunden  (s.  Monfaucon, 
Suppl.  V  und  die  Monumenta  Sibiriae) :  Goldne  Halsringc,  dicke  Platten 
von  massivem  Gold,  Bären  darstellend.  Gruppen,  eine  mongol.  Familie 
unter  einem  Baum  ausruhend^  Pferde,  mit  Türkisen  besetzt. 

N.  Fenster -Vitrine,'  Assyrische  Dolchscheide,  Gold.  Zwei  sassanidische 
Silberschüsseln  mit  Darstellung  des  Königs  auf  der  Jagdj  römische  in 
Russland  gefundene  Silberschalen,  die  eine  mit  dem  Kilmesser,  die  andre 
mit  einem  Seegreifen. 

Schrank  F.  Sachen  aus  Fayence.  —  Sehrank  Q.  AUmexikanisehe 
Schlange.  —  Schrank  B.  Asiatische  Bronzespiegel,  Sachen  aus  Knochen, 
Terracotten  etc. 

Auf  dem  erwähnten  grossen  Mittelschrank :  Sechs  goldne  Vasen  zum 
Theil  mit  Henkeln  aus  den  Ruinen  von  Nowo-Ssarai,  mongol.  Arbeit 
des  XIV.  Jahrh. 

Dieser  Saal  wird  einen  Theil  der  in  der  letzten  Zeit  gefundenen 
antiken  Sachen  aufnehmen. 

Zu  den  Räumen  im  I.  Stookwebx  (s.  S.  124)  gelangt  man  durch 
das  schöne  Treppenhami  (S.  124).  Die  zur  Seite  der  Treppe  befind- 
liehen  Gallerien  sind  mit  17  modernen  *Marmorstatuen  (von  Dupr^j 
Tenerani,  Wolf,  Stawasser,  Orlowsky,  Imhof  u.  a.)  geschmückt; 
dazwischen  schöne  Vasen  aus  Jaspis  und  Marmor ,  in  russischeik 
Steinschleifereien  hergestellt  (auf  der  Schmalseite  eine  prachtvolle 
Vase  aus  dunkelgrünem  Jaspis ,  mit  Köpfen  statt  der  Henkel ,  aus 
der  kais.  Steinschleiferei  zu  Jekatherinenburg  1873). 


134    Boute  IL  ST.  PETERSBURG.  Eremüage, 

Der  an  die  Treppe  zunächst  anstossende  £intrittMaal  (I.)  ist 
mit  Ornamenten  nach  Klenze'schen  Zeichnungen  decorirt.  An  den 
Wänden  86  auf  Bronzetafeln  in  Wachsfarben  von  Hiltensperger  in 
München  1843  ausgeführte  Wandgemälde,  welche  die  Entwickelung 
der  griechischen  und  römischen  Malerei  darstellen.  Acht  moderne 
Statuen :  Gräfin  Dubarry  als  Diana ,  von  Houdon ,  Bacchantin  von 
Göthe  (schwed.  Bildhauer) ,  Venus  von  Vitali ,  Tänzerin  von  Ca- 
nova ;  andere  Statuen  von  E.  Wolf,  Stawasser  u.  a.  Auf  der  Lang- 
seite Büsten  d'Alemberts  und  Voltaires  von  Houdon,  Diderots  und 
Falconets  von  der  Collot,  zwei  Hochreliefs  (Ende  des  xvi.  Jahrh.) 
Alexander  der  Grosse  und  Kampaspe,  seine  Gemahlin.  Tische,  Kan- 
delaber, Vasen  aus  Malachit.  —  Aus  dem  Eintrittssaal  gelangt  man 
in  die 

**Gemftldegallerie.*)  —  Der  Gallerie  der  Eremitage  gebührt 
unbestritten  ein  Platz  unter  den  ersten  Gallerien  Europa's ;  nicht 
«twä  wegen  ihrer  Anzahl  (sie  zählt  etwa  1690  Bilder)  oder  wegen 
der  Vollständigkeit  in  der  Vertretung  der  Meister  oder  nur  der 
Schulen  —  die  Kunst  des  xiv.  und  xv.  Jahrh.  und  die  ganze 
deutsche  Malerei  sind  fast  gar  nicht  vertreten  —  ,  sondern  weil  sie 
eine  so  hervorragende  Zahl  von  Meisterwerken  aus  der  Blüthezeit 
der  verschiedenen  Schulen  besitzt ,  dass  sie  für  spanische  Meister 
nur  der  Gallerie  von  Madrid  nachsteht ,  für  Franzosen  nur  durch 
den  Louvre  übertroffen  wird ,  für  vlämlsche  Künstler  mit  einigen 
Hauptgallerien  mindestens  auf  gleicher  Stufe  steht  und  für  die 
holländische  Schule,  namentlich  Rembrandt,  unbestritten  die  erste 
Sammlung  ist. 

In  der  italienisohbn  Schule  ist  die  ältere  Zeit  nur  durch 
ein  gutes  Werk ,  die  Anbetung  der  Konige  von  Sandro  Botticelli, 
veitreten.  Besser  steht  es  um  die  Blüthezeit  der  Kunst.  Dem 
Lionardo  schreibt  der  Katalog  drei  Gemälde  zu,  unter  denen  die 
berühmte  Madonna  Litta.  Von  seinem  Schüler  Luini  besitzt  die 
Sammlung  mehrere  treffliche  Bilder,  namentlich  die  sog.  Colombina 
und  einen  heil.  Sebastian.  Von  Correggio  ist  die  kleine  Madonna  del 
Latte  ein  echtes  und  schönes  Werk.  Die  heil.  Familie  von  A.  del 
Sarto  (aus  Malmaison)  ist  eine  ebenso  ansprechende  wie  malerische 
Schöpfung  des  Meisters.  Raffael  werden  vier ,  von  einigen  Ken- 
nern nur  drei  Gemälde  als  zweifellos  zugeschrieben:  die  Madonna 
Alba,  ein  gutes  Werk  seiner  ersten  römischen  Zeit,  und  drei  Perlen 
«einer  Jugend.  Von  seinem  Nebenbuhler  Sebastian  del  Viombo,  der 
in  seiner  Gegnerschaft  gegen  Raffael  in  Michelangelo  seine  Stütze 
fand,  kann  die  Eremitage  drei  echte  Gemälde  aufweisen,  welche 
jedes  in  seiner  Art  zu  den  Hauptwerken  des  seltenen  Meisters  ge- 
hören. Tizian  ist  fast  ausschliesslich  in  Werken  seines  hohen  Alters 
vertreten,  unter  denen  wenigstens  eines,  die  heil.  Magdalena,  ein 
Hauptwerk  genannt  zu  werden  verdient.  Unter  seinen  Zeitgenossen 


*)  Katalog  von  Baron  ▼.  Köhne,  in  3  Bänden,  rosa,  und  frans. 


EremUage.  ST.  PETERSBURG.  11.  Route.     135 

und  14  aclif  olgern  in  Venedig  sind  namentlich  einige  Bilder  des  altern 
Bonifacio,  des  Bordone,  Lotto,  Pordenone,  die  Geburt  Jobannis 
von  Tintor^to  und  eine  Abnahme  vom  Kreuz  von  Veronese  hervor- 
zuhebra.  ^  Dem  Geschmacke  des  xtiii.  und  des  Anfangs  unseres 
Jahrhunderts  entsprechend  sind  die  italienischen  Meister  des 
XTU.  Jahr  h.,  die  Akademiker  wie  die  Naturalisten,  fast  YoUständig 
vertreten,  und  unter  den  zahlreichen  Bildern  derselben  finden  sich 
verhäitnissmässig  viel  gute  und  bedeutende  Werke.  Beschlossen 
werden  die  italienischen  Schulen  noch  durch  einige  Meisterwerke 
decorativer  Farbenpracht  von  Tiepolo  und  Canaletto. 

Die  SPANISCHE  ScHOLE  (mit  115  Bildern),  die  man  hier  auch  in 
ihrer  (wenig  erfreulichen)  Entwicklung  während  des  xvi.  Jahrh. 
verfolgen  kann ,  fesselt  durch  ausgezeichnete  Werke  ihrer  Haupt- 
meister ,  y^zquez  und  Murillo.  Velatque%*  Bildnisse  König  Phi- 
lipp's  IV.  und  seines  gefürehteten  Ministers  Olivarez ,  in  ganzer 
Figur,  zahlen  unter  den  zahlreichen  Darstellungen  derselben  zu  den 
hervorragendsten;  des  Kopf  des  Papstes  Innocenz  X.  ist  eine  gross- 
artige Naturstudie  zu  dem  berühmten  Bilde  im  Palazzo  Doria  zu 
Rom.  In  15  oder  16  echten  Gemälden  kann  man  Murillo  nach 
«Uen  Richtungen  und  zum  Th«il  in  der  vortheühaftesten  Weise 
kennen  lernen :  in  einer  Reihe  umfangreicher  und  deeorativer  Werke 
wie  als  saubersten  Kleinmeister,  in  jenen  zauberhaften  Darstel- 
lungen irdisober  Schönheit  in  himmlischer  Verzückung  wie  in  den 
heitern  gemüthlichen  biblischen  Schilderungen  und  den  derben 
Scenen  aus  dem  spaniseheii  Volksleben,  Die  Himmelfahrt  Maria 
<Nr.  371),  die  Ruhe  auf  der  Flucht  (Nr.  367)  und  St.  Peter  im 
<>efängni88e  (Nr.  372)  würden  selbst  in  Sevilla  und  Madrid  zu  den 
Perlen  der  Kunst  MuriUo*s  zählen. 

Dass  die  dbcüscxb  Sohvlb  in  der  Eremitage  so  gut  wie  gar 
nicht  vertreten  ist  -**  nur  ein  Jugendbildniss  von  H.  Holhein  d,  J, 
ist  wirklich  nennenswertfa  ^ ,  wurde  bereits  erwähnt.  Dagegen 
ist  die  ÄiiTSEs  NXBDBltEJUcDisoHE  SoHULs  durch  verhältnissmässig 
neuere  Erwerbungen  wenigstens  in  einigen  charakteristischen  Bei- 
spielen vorhandMi ,  namentlich  in  der  Verkündigung  von  Jom  van 
E^ckj  in  «nem  Diptyehon  seines  Schülers  Pf^fu«  CHfitw  und  dem 
Hauptwerke  des  Lucas  van  Leydtfa.  Die  im  Ganzen  so  wenig 
•fffteuliehe  Sntwickelung  der  niederländischen  Kunst  durch  das 
Eindringen  der  italienischen  Renaissa&ce  und  die  missverstandene 
Nachahmung  derselben  zeigt  sieh  in  der  Eremitage  gerade  nach 
Ihrer  günstigsten,  originellsten  Seite  dur«h  eine  Reihe  trefflicher 
Bildnisse  ^on'ScKoreeli  JHoro,  den  Ponrhu9  u.  s.  w. ;  zugleich  besitzt 
die  Sammlung  aber  auch  wohl  das  schönste  historische  Gemälde 
dieser  ganzen  Zeit  in  einer  Anbetung  der  Könige  von  Suiterman, 
die  auf  den  Altmeister  der  ylämiscbsn  Sohulb  ,  auf  P.  P.  Ruhena 
würdig  yorbereitet.  Von  ihm  wie  von  sämmtlichen  Hauptmeistern 
der  Schule,  von  van  Dyek,  Teniers,  Snydera,  Jordaen$  besitzt  die 
Eremitage  eine  so  bedeutende  Zahl  von  Bildern ,  wie  im  Ganzen 


136    Boute*  IL  ST.  PETERSBURG.  EremUage. 

keine  andere  Gallerie  der  Welt ,  wenn  auch  München  für  Ruhens^ 
Madrid  für  Teniers  u.  s.  w.  noch  bedeutender  sein  mögen.  Und  der 
Zahl  entspricht  auch  der  Werth  der  Bilder ,  die  Zahl  der  Meister- 
werke, die  Mannigfaltigkeit  der  Darstellungen  und  die  Vertretung- 
der  Terschiedenen  Epochen  jedes  einzelnen  Künstlers.  Von  62  Bil- 
dern, die  den  Namen  Rubens  tragen,  mögen  etwa  ein  Dutzend 
keinen  Anspruch  darauf  haben ;  unter  den  fünfzig  übrigen  Bildern 
befinden  sich  aber,  Ton  einer  Anzahl  tüchtiger  und  zum  Theil  aus- 
gezeichneter biblischer  und  mythologischer  Gemälde  abgesehen, 
eine  Reihe  so  trefflicher  Bildnisse  (Toran  die  seiner  beiden  Frauen> 
und  mehrere  Folgen  von  Skizzen  (namentlich  die  für  den  Einzug 
des  Cardinal -Infanten  in  Antwerpen),  dass  die  Eremitage  darin 
selbst  der  Münchener  Pinakothek  gleichkommt ;  auch  zwei  der  sel- 
tenen Landschaften  des  Meisters  sind  von  hervorragender  Schön- 
heit. —  Die  Sammlung  -von  Gemälden  van  DycVs  (34)  wird  yoib 
keiner  anderen,  die  englischen  Sammlungen  eingeschlossen,  irgend 
erreicht:  unter  den  biblischen  Bildern  befindet  sich  vielleicht  seine 
schönste  Leistung,  die  Ruhe  auf  der  Flucht ;  unter  den  zahlreichen 
Bildnissen  werden  manche  der  berühmten  Folge  von  Portraits  der 
Familie  Wharton  sowie  der  königlichen  Familie  aus  der  Sammlung 
Walpole  eine  Reihe  von  Bildnissen  seiner  früheren  Zeit,  wie  di» 
Familie  Snyders  und  die  junge  Dame  mit  dem  Kinde,  noch  vor- 
ziehen. Auch  unter  Jordaen^  Bildern  aller  Art  sind  namentlich  zwei 
Portraits  ausgezeichnet.  Bei  den  zahlreichen  Werken  des  Frans 
Snyders,  von  dem  übrigens  In  den  kaiserlichen  Lustschlössern 
(Gatschina)  eine  noch  weit  grössere  Zahl  aufgespeichert  sind ,  wird 
man  Rubens*  Ausspruch  Recht  geben  müssen,  dass  die  Stärke  diese? 
Meisters  das  Stillleben  war  und  nicht  seine  Darstellungen  des  be-^ 
wegten  Thierlebens.  Unter  einigen  vierzig  Werken  des  jüngeren 
Teniers  seien  hier  nur  die  beiden  unübertroffenen  Meisterwerke, 
das  Fest  der  Armbrustschützen  und  die  Wachtstube  genannt. 

Umfangreicher  und  bedeutender  noch,  von  keiner  anderen  Samm- 
lung erreicht,  ist  die  Abtheilung  der  hollandischen  Schuls.  Auch 
hier  liegt  der  Werth  wieder  nicht  in  der  historischen  Vollständigkeit 
—  die  früheren  Meister  mit  Ausnahme  des  Frans  Hals  fshlen  oder 
sind  massig  vertreten  — ,  sondern  in  der  Vollzähligkeit  der  Haupt- 
meister und  In  der  Zahl  und  dem  Werthe  ihrer  Bilder ,  vor  allen 
des  Altmeisters  £«m&ra9ld^  Von  41  ihm  zugeschriebenen  Gemälden 
lassen  sich  wenigstens  36  wohl  mit  Sicherheit  ihm  beimessen,  dar- 
unter (mit  Ausnahme  der  äusserst  seltenen  Landschaften)  Werke 
aller  Art,  von  jedwedem  Umfange  und  aus  jeder  Zeit,  fast  aus 
jedem  Jahre  seiner  künstlerischen  Thätigkeit.  Als  Werke  aller- 
ersten Ranges  seien  nur  genannt:  Abraham,  der  die  Engel  be- 
wirthet;  der  blutige  Rock  Josephs;  die  heil.  Familie;  die  Rückkehr 
des  verlornen  Sohnes ;  Petrus  verleugnet  Christum ;  die  Kreuzab- 
nahme; die  sog.  Danae;  unter  den  Bildnissen  die  sog.  Mutter 
Rembrandt's  mit  der  Bibel;   der  sog.  Sobleski  und  verschiedene 


Eremitage,  ST.  PETERSBURG.  IL  B(mte.     137 

Bildnisse  alter  Männer  und  Frauen.  —  Auch  von  seinen  Schülern 
fehlt  kaum  Einer ;  doch  iv  erden  die  Bildnisse  yon  Bol,  Flinck  u.  A. 
in  der  Eremitage  weit  übertroffen  durch  verschiedene  Werke  des 
Bart,  van  der  Helat,  namentlich  die  köstliche  „Vorstellung  der 
Braut^ .  Unter  der  reichen  Zahl  von  Werken  der  ersten  holländischen 
Kleinmeister  seien  hier  nur  die  seltensten  Perlen  genannt:  das 
Olas  Limonade  von  Ter  Borch  und  das  Frühstück  von  Meint  (beide 
einst  in  Gassei).  Steen.  A.  van  Ostade  und  6.  Dou,  die  zahlreich 
vertreten  sind,  haben  doch  nicht  derartige  eigentliche  Kapitalwerke 
aufzuweisen.  Unter  bS  echten  Ph,  Wouwerman  sind  der  umfang* 
reiche  Katzenritt  und  die  Dünenlandschaft  von  ganz  aussergew6hn* 
lieber  Schönheit ,  wie  unter  14  Bildern  Ja^ob  van  Buisdael's  der 
Sandweg  und  der  Bergsee,  das  früheste  und  eines  der  letzten  Werke 
des  Meisters,  beide  von  ungewöhnlicher  Grösse.  Andere  Land- 
schafter wie  A.  van  der  Neer,  A,  CtUjp,  Wijnants,  J,  van  der 
Heyde  (8  Bilder) ,  Berchem  u.  s.  w.  sind  kaum  weniger  zahlreich, 
aber  nicht  in  so  hervorragenden  Werken  vertreten.  Dass  die  Ere- 
mitage von  Faul  Potter  unter  7  echten  Gemälden  sein  Meistei^ 
werk ,  den  Meierhof  (einst  nebst  2  anderen  tr^flichen  Bildern  des 
Künstlers  in  der  Gallerie  zu  Cassel) ,  und  darin  einen  der  Hauptr 
anziehungspunkte  der  Gallerie  birgt,  ist  allgemein  bekannt. 

Die  Gemälde  der  bussisch^n  Schule  sind  naturgemäss  dieser 
Sammlung  eigenthümlich. 

Aus  dem  Eingangssaal  betritt  man  zunächst  den 
II.  Saal  der  itaUeniielien  Meiit«r.  Riesige  Yasen  von  Malachit 
und  4  Candelaber  von  grauem  Jaspis  decoriren  hier ,  wie  in  den 
benachbarten  Sälen,  die  Räume,  die  für  die  Bilder  entschieden  zu 
hoch  und  ungünstig  beleuchtet  sind,  namentlich  der  Saal  der  Nieder- 
länder. In  der  Mitte  des  Saales :  Büste  des  Kaisers  Nicolaus  L,  des 
Gründers  des  Museums,  in  slavischer  Rüstung,  von  Pimenow.  An 
der  Eingangswand,  rechts  vom  Eintretenden:  <?.  Beni,  *185.  Ent- 
zückung des  heil.  iVanciscus ;  189.  Raub  der  Europa ;  187.  die  sechs 
Kirchenväter ;  *191.  Maria  in  der  Nähschule,  durch  seine  sittenbild- 
lich« AufEassung  voll  eigenthümlichen  Reizes.  -*-  198.  8.  Cantarmi, 
Ruhe  auf  der  Flucht.  —  *172.  Ann.  Carraed,  Abnahme  vom  Kreuz ; 
edel  in  der  Gomposition  und  von  seltener  Farbenkraft.  —  *166.  L.Car^ 
racet,  Grablegung  Christi,  gross  gedacht,  an  Yeronese  erinnernd;  — ^ 
*73.  Bern.  Luini,  h.  Sebastian  (angeblich  mit  den  Zügen  des  Max. 
Sforza).  —  *98a.  Tifsian ,  h.  Sebastian  (das  letzte  Bild  des  Meisters). 

—  •224.  8alv,  Bo$a,  Portrait  eines  Biehters.  —  Links  von  der  Thür : 
*220.  8.  Boea,  Der  verlorene  Sohn.  —  *216.  Caravaggio,  Kreuzigung 
Petri  (gab  Rubens  die  Idee  zu  seiner  gleichen  Darstellung  in  Köln). 

—  239.  Ouereino,  Himmelfahrt  MariB.  —240.  Der«.,  Martyrium  der 
heil.  Katharina.  —  An  der  rechten  Schmalwand:  *121.  A.  Sekiä^ 
vone ,  Jupiter  und  lo ,  in  herrlicher  Landschaft.  —  •132.  Tintc^ 
rettoy  Geburt  Johannis  d.  T. ;  ebenso  reich  und  blühend  in  der 
Farbe  wie  liebenswürdig  in  der  Erfindung.  —  An   der  linken 


138    Soute  IL  ST.  PETERSBURG.  Eremitage, 

Schmalwand :  249.  O.  Fagani,  Madonna  mit  vier  Heiligen.  —  Breit- 
wand  gegenüber  dem  Eingang:  119.  Bern,  Lidnio,  Anbetung  der 
Könige.  —  21.  M.  AlhertinelU,  Verlobung  der  beil.  Katharina.  — 
29.  Bugiardmi  (Rid.  Ghirlandajo  gen.),  HeUlge  Famüie.  —  ♦♦18. 
Seb,  del  Fiombo,  Abnahme  TOm  Kreuz  (1516);  ein  Hauptbild  des 
Meisters ,  von  grossartiger  Gomposition  und  trotz  der  Dunkelheit 
(es  ist  Nacht  I)  klar  und  leuchtend  in  der  Färbung.  —  ♦146.  P.  Ve- 
ronese,  Abnahme  vom  Kreuz,  eines  der  tiefst  empfundenen  Werke 
des  Meisters ,  von  feinster  Färbung  und  seltenem  Helldunkel.  — 
61.  Oarofalo,  Kreuztragung.  —  ♦SIS  und  319.  Canale,  Empfang 
des  Grafen  Gergi  und  Vermählung  des  Dogen  mit  dem  Meere,  sehr 
umfangreiche  Werke.  —.♦317.  Tiepolo,  Antonius  und  Cleopatra, 
grosses  Hauptwerk  in  engem  Anschlüsse  an  Veit>nese.  •—  ♦314. 
C.  Marattif  Bildniss  Papst  Clemens'  IX.,  Hauptwerk  in  Anlehnung 
an  RafTaePs  Bildnisse.  —  313  und  314.  O,  M,  Crespi,  Heilige  Fa- 
milie und  Tod  des  heil.  Joseph.  —  236.  2>.  Feti,  Bildniss  eines 
Schauspielers.  —  246.  Cigoli,  Beschneidung  Christi.  —  Ueber  der 
Thär:  308.  Cignani,  Mutterliebe.  —  27i.  Sehidone,  Diana  im 
Bade.  —  320.  Beiotto,  Ponte  di  Bialto  in  Venedig.  —  Aus  dem 
Saale  führt  eine  dem  Haupteingang  gegenüberliegende  Thür  in  die 
italienisehMi  Oabiiiete  (V-X)  und  zwar  zunächst  in  das 

VIII.  Cabinbt.  ♦llö.  L,  Lotto,  Männliches  Bildniss;  von 
grosser  Energie.  —  112.  Moretto{f),  Judith.  —  ♦90-92.  Bonifacio 
d.  A.  (irrthüml.  Palma  genannt) ,  Anbetung  der  Hirten  und  heilige 
Familie ;  von  grosser  Farbenwirkung.  —  97.  Tizian,  Grablegung ; 
letzte  Zeit  des  Meisters.  -^  ♦HO.  Paris  Bordone,  Heilige  Familie. 

—  ♦Hl.  Ders. ,  Bildniss  einer  Jungen  Dame  mit  ihrem  Kinde.  — 
♦113,  Moreito,  der  Glaube.  — 120.  Bern,  Lidnio,  Familienbüdnlss. 

—  In  der  Mitte  prachtvoller  Mosadktisch  mit  den  Bmblemea  der 
Musen,  Geschenk  des  ersten  Königs  von  Italien. 

IX.  Cabimet.  Tizian,  95.  Segnender  Christus;  ♦99.  Toilette 
der  Venus  (1563) ;  ♦98.  Büssende  Magdalena  (Portrait  der  Toditer  des 
Meisters),  Hauptbild  Tizian' s  in  der  Eremitage;  100.  Danae;  ähnlicli 
auch  in  Neapel,  Wien  und  Madrid ;  99a.  des  Meisters  Sohn  mit  sdner 
Wärterin.  —  *i(yi,  Moretto,  Cardinal  Ant.Pallaviclni.  — P.  Veronese, 
139.  Anbetung  der  Könige;  ♦143.  Lazarus  beim  reichen  Manlie;  144. 
Kreuzigung,  Skirae ;  142.  Jesus  als  Knabe  im  Tempel,  Skizze. 

X.  Cabinet.  178.  Lod,  Carraed,  der  Wasserfall.  —  175.  Ann. 
Carracei,  das  Urtheil  des  Cyrus.  —  202.  Alhani,  Verkündigung 
Maria.  —  179.  Domeniekino ,  Maria  Magdalena  von  Engeln  gen 
Himmel  getragen.  —  218.  Caravaggio,  Bildniss  eines  jungen  Mannes. 

ZI.  and  ZU.  Gabinet  der  älteren  Hiederländer  «nd  Deatseken. 
♦461.  L.  Cranach  derAeltere,  Venus  und  Amor,  gutes  umfangreiches 
Werk  der  ersten  Zeit.  —  ^443.  Jan  van  Eyck,  die  Verkündigung 
Maria  (um  1433).  —  ♦444.  Petrus  OHstus,  Diptychon  mit  der  Kreu* 
zigung  und  dem  Jüngsten  Gericht.  —  ^468.  Lucas  van  Leyden, 
die  Heilung  des  Blinden;  durch  Umfang  und  helle  flüssige  Färbung 


EremUage.  ST.  PETEESBÜRa.  IL  Route.     139 

dafi  henrorragendste  Werk  des  als  Maler  seltenen  Altmeisters  der 
nördlichen  Niederland«.  —  476  und  477.  Altholländische  Meister 
um  1530 :  Zwei  Sohützenstücke ;  derbe  aber  tüchtige  Charakteristik 
und  malerische  Behandlung.  —  474.  B,  v,  Orley,  Abnahme  vom 
Kreuz.  —  •491.  L.  Lombard,  Anbetung  der  Könige  (um  1550), 
einst  in  Gassei.  —  470  und  471.  B.  Bruyn,  Familienbildnisse.  — 
•466.  H.  Holbein  der  Jüngere,  Bildniss  eines  jungen  Mannes ;  datirt 
1518,  also  aus  seinra  frühesten  Zeit.  —  454.  J.  Mostaert,  Verlobung 
der  heil.  Catharina.  —  ♦487-489.  F,  Pourbus  der  Jüngere,  Theile 
eines  grossen  iPorträtstücks,  Hauptwerk  des  Malers.  —  *&5  und  486. 
F,  PotMrbvs  derAelteret  Bildnisse  einds  Herrtl  und  seiner  Gemahlin ; 
einlach  aber  charakteryoU«  —  478  und  ^479.  J.  Schoreel,  Bildnisse 
eines  jungen  Mannes  und  seiner  Frau;  yon  feiner  Charakteristik  und 
heller  Färbung.  —  623.  L,  v,  Vaikenborüh,  die  Dorfkirmess.  —  ♦480- 
482.  A.  Mor,  treffliche  Bildnisse  seiner  englischen  Zeit. 

Nun  zuiüek  durch  d^s  VIII.  Cabinet  in  das 

VII.  Oabinbt.  *74.  B.  Liiini,  die  sog.  Oolombina;  einst  unter 
dem  Namen  Lionatrdo's  berühmt.  —  68.  Fr.  Francia,  Madonna.  — 
♦27«  Bronsdno*  Männllckes  BHdniss.  —  Buffael,  40.  Bildniss  eines 
alten  MannM  (Sannasaro?);  ♦^36aw  Madonna  Conestabile,  aus  Peru-* 
gia  (1503);  ♦38.  Madonna  aus  dem  Hause  Alba  (nach  1508).  —  *Ö8. 
6^.  Bomcmo,  Dame  »bei  der  Toilette  (Fomarina  genannt).  -^  •♦39. 
Baffael ,  h.  Georg,  1506  im  Auftrage  d«8  Herzogs  Ton  Urbino  für 
Heinrich  VII.  von  England  gemalt.  -*-  CorreggU>,  ♦dl.  „Madonna  del 
latte^  (ähnlich  in  Lond^b  und  Neapel) ;  82.  Skizze  der  Kuppel  von 
Parma ;  82a.  Apollo  und  Marsyas,  auf  einen  OlaTierdeckei  gemalt. 
-*  Der  todte  Knabe  auf  dem  Delfln,  Mamtorgruppe  von  Lorenxetto 
nach  einer  Zeichnung  Raffaols. 

VI.  Cabdibt.  Fra  Ai^ilico,  Freske  aus  Florenz :  Maria  mit  dem 
Kinde  und  den  HH.  Dominicus  und  Thomas  von  Aquino.  ^3.  San- 
dro  BotHeelH,  Anbetung  der  Könige;  Predella  yon  reicher,  reiz- 
Tollfiter  Gompoisitionund  Färbung.  —  ^19.  Beb.  del  Piomho,  Bildniss 
des  GardinaLs^  Pole;  Ton  grossartiger  Auffassung.  -^  22.  CHranacci, 
Anbetung  des  Kindes.  —  ♦14.  Sehute  desIAonnrdO)  Heilige  Familie. 
—  ♦17.  Sed.  dei  Ptonibo,  Christus  mit  dem  Kreuz ;  ähnliche  Wieder- 
holung in  Madrid ,  Copien  in  Dresden  und  au  andern  Orten.  —  1. 
Schule  des  Verrocchio,  Maria  mit  dem  Kinde.  -*  ^24.  A.  del  Sarto, 
Verlobung  der  heil.  Katharina.  —  15.  Schule  des  Lionardo,  Weib- 
liches Bildniss.  ^  An  der  Fensterwand :  ♦13ä.  Lionardo  da  Vinci 
<Ton  Orowe  dem  Zenale  zugeschrieben),  Madonna  aus  dem  Hause 
liitta,  von  höchstem  Reiz.  —  Marmor- Skizze  eines  Knaben  von 
Michel  AngüOk 

V.  Oabinbt.  Fresken  aus  der  Schule  Raffael'e,  Bronzen  der 
Renaissance  und  epaleren  Zeit.  In  der  Mitte  Reiterstatue  Ludwigs 
KIV.  Ton  Girardon  (Modell  der  Statue  auf  der  Place  Vend6me  in 
PmtIb,  welche  1791  zerstört  wurde).  Alte  Kopie  des  capitoUn.  Dorn- 
ausziehers.   Majoliken.   In  den  Vitrinen  eine  Auswahl  antiker  und 


140    Eoute  IL  ST.  PETERSBURG.  Eremitage. 

moderner  Cameen,  u.  a.  der  Cameo  Gonzaga,  mit  den  Brustbildern 
Ptolemäus'  I.  und  seiner  Gemahlin  und  Schwester  Arsinoe ;  ein 
anderer  grosser  Cameo  den  Kaiser  Trajan  und  die  Tyche  von  An- 
tiochia  darstellend.  Treffliche  Gameen  mit  Paul  I.,  Alexander  I., 
Arbeiten  der  Kaiserin  Maria  Feodorowna  u.  s.  w.  —  Die  Haupt- 
sammlung der  geschnittenen  Steine  (Cameen  u.  Intaglien)  befindet 
sich  in  dem  anstossenden  Saal  XXYI  (s.  S.  14S). 

Von  hier  zurück  durch  Gabinet  YIII  in  den  II.  Saal  und  durch 
die  Thüre  1.  in  den 

lY.  Saal  der  ipaniiehen  Meister.  An  der  Eingangswand :  400. 
MorcdeSf  Madonna.  —  332.  Ribera  (SpagnoltUo)^  heil.  Hieronymus. 

—  A.  Cano,  *354.  Yision  eines  Dominikaners ;  355.  Selbstbildniss.  — 
402.  CoeUo,  Bildniss  der  Margaretha  von  Parma.  —  Rechte  Lang- 
wand: 416.  Pereda,  Stülleben  (1621).  —  *331.  Bibera,  Martyrium 
des  heil.  Sebastian,  selten  edel  aufgefasst.  —  Velaxquez,  *418< 
Papst  Innocenz  X. ,  Studienkopf  zu  dem  Bilde  im  Palazzo  Doria, 
breites  malerisches  Meisterstück ;  *419.  Philipp  lY.  von  Spanien, 
noch  jung;  *421.  Herzog  von  Olivarez,  Minister  Phüipp*s;  beide  in 
ganzer  Figur,verh%ltnissm)issig  fleissig  vollendet,  malerische  Meister- 
werke ersten  Ranges.  —  432.  CoeUo ,  Magdalena.  —  MurÜlo,  374. 
Tod  des  Peter  Arbuez;  **371.  Himmelfahrt  Maria;  durch  naiven 
Jugendreiz,  Feinheit  des  Helldunkels  und  Erhaltung  dem  berühmten 
Bilde  des  Louvre  noch  überlegen.  —  Schmalwand  gegenüber  dem 
Eingänge :  390.  Romero  (?),  Zechende  Bauern.  —  435.  Ani.  Fuga^ 
der  Scheerenschleifer.  •—  *362.  MtiriUo,  die  Conception ;  Bild  der 
spätem  Zeit.  —  349.  Zurbaran,  der  hell.  Lorenz.  -—  Linke  Lang- 
wand: MurÜlo,  363.  Anbetung  der  Hirten  (zu  dunkel);  *3ö9.  Ders., 
der  Traum  Jakobs;  ein  heiteres  Treiben  der  Engel  in  goldigen 
Lüften ;  **372.  Ders.,  der  Engel  befreit  Petrus  aus  dem  Gefängniss. 

—  415.  Pereda,  Stillleben  (1621.).  —  MuHllo,  *377  und  *378. 
Betteljunge  und  Bettelmädchen ;  derb  und  farbig,  im  feinsten  Ton ; 
**367.  Ruhe  auf  der  Flucht;  Gompositioin  an  Palma  erinnernd, 
selten  schöne  Gestalten  in  der  tiefen  Gluth  leuchtendster  Färbung ; 
368.  Ruhe  auf  der  Flucht,  kleiner;  360.  der  Segen  Jakobs;  von 
inniger  Empfindung;  361.  die  Yerkündigung;  *369.  Heilige  Familie, 
kleine  Perle  durch  Feinheit  der  Gomposition,  innige  Auffassung  und 
vollendete  Durchführung. 

Nun  durch  den  grossen  Italienischen  Saal  (II)  zurück  in 
III.,  den  grossen  Hiederländiadhea  Saal,  der  besonders  empfind- 
lich an  Lichtmangel  leidet.  An  der  Eingangswand :  *62d.  A.  van 
Dyck,  Bildniss  eines  schönen  jungen  Mannes  (um  1626).  —  **576. 
Rubens,  Bildniss  seiner  zweiten  Frau,  Helena  Fourment;  als  Maleroi 
eine  der  vollendetsten,  durchgebildetsten  Leistungen  aus  der  letzten 
Zeit  des  Künstlers.  *578.  Dere,,  Bildniss  einer  alten  Dame  in 
einem  Sessel;  von  ähnlicher  Meisterschaft  (um  1628).  — ;  A,.van 
Dyek,  *634.  zwei  junge  Engländerinnen ;  622.  Jan  van  den  Wouwer ; 
*623, 624.  N.  Bosschaert  und  Gattin  (1629) ;  .*631,  *632.  zwei  junge 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  IL  Boute.     141 

Männer;  treffend  indlvidualisirt ,  früh  und  in  der  leachtendeji 
Färbung  noch  ganz  unter  italienischem  Einflüsse.  —  **575.  Ruhene, 
Bildniss  seiner  ersten  Gemahlin  Isabella  Brandt  (um  1620) ,  Knie* 
stück,  in  jeder  Beziehung  da»  würdige  Gegenstück  zu  576.  — 
Linke  Langwand :  *653.  J.  Jordaena ,  Selbstbildniss  \  voll  Humor 
und  Lebensfrische  (um  1660).  —  ♦609  und  ♦610.  A.  van  Dyck, 
Bildnisse  Karls  I.  und  seiner  Gemahlin ;  ganze  Figuren  von  höchster 
Noblesse  (um  1638).  —  555.  Bttbens,  Raub  der  Sabinerinnen,  aus 
seiner  letzten  Zeit.  —  A.  van  Dyck ,  ^615.  Henry  Danvers ,  ganze 
Figur,  Meisterwerk  der  letzten  Zeit;  611.  Wilhelm  II.  von  Oranien 
als  Knabe ;  *GS6,  junge  Dame  mit  Kind,  Meisterwerk  der  frühesten 
Zeit  im  Charakter  seines  Lehrers  Rubens  (um  1620).  —  ^651.  J. 
Jordaena,  des  Malers  Familie  (?)  im  Garten.  —  Rechte  Langwand: 
♦♦627.  A.  van  Dyck,  der  Maler  Snyders  und  seine  Familie ;  vollen- 
detstes Werk  seiner  frühesten,  von  Rubens  beeinflussten  Zeit  (um 
1618).  —  ♦ÖiS.  Bubena,  Jesus  bei  Simon;  Hauptwerk  unter  den 
grossen  biblischen  Gompositionen  in  der  Eremitage  (um  1620).  ~ 
^535.  Dera.,  Abraham  entlässt  dieHagar;  kleines  Farbenjuwel  (um 
1618) ,  fast  unverändert  wiederholt  in  London  (Grosvenor  House). 
—  ^536.  Dera,,  Anbetung  der  Konige;  grosse  Composition,  von  der 
ganzen  Frische  und  Breite  seiner  frühern  Zeit  (um  1614).  —  ^646. 
Dera.  (Jordaens  gen.) ,  Studienkopf  des  Petrus.  —  A.  van  Dych, 
♦607.  der  ungläubige  Thomas ;  ^616.  Lord  Philipp  Wharton ;  Haupt- 
werk (1632).  —  Bubena,  ♦579.  junge  Dame  (um  1618);  ♦584,  585. 
Mönche;  ^586.  Greisenkopf  (um  1625);  ♦580,  ^581.  Mann  und  Frau 
(um  1615,  leuchtend  und  breit).  —  642.  C.  de  Voa,  Familienbild- 
niss;  klein.  •—  Schmalwand,  dem  Eingang  gegenüber :  A.  van  Dyck, 
♦614.  die  FamiUe  Montgomery  (Skizze);  ♦620.  Büdniss  des  Sir 
Thomas  Chaloner.  —  Bubena,  551.  Bacchanal;  ♦552.  Perseus  befreit 
die  Andromeda  (um  1615,  ähnlich  in  Berlin  und  Madrid);  ^554. 
Tigris  und  Abundantia ,  dem  Bilde  der  „Vier  Erdtheile  *  in  Wien 
nahe  verwandt  (um  1610). 

Durch  die  Thür  dieser  Wand  gelangt  man  in  das  erste  mit 
Seitenlicht  beleuchtete  Zimmer,  den  sog. 

XVI.  Buben8*tehen  Skiisensaal.  An  der  Eingangswand :  544. 
Bubena,  Abendmahl,  Skizze  zu  dem  Bilde  der  Brera  in  Mailand.  — 
♦603.  A.  van  Dyck,  Ruhe  auf  der  Flucht  („la  Vlerge  aux  perdrix") ; 
eines  der  ergreifendsten,  farbenprächtigsten  Bilder  religiösen  Gegen- 
standes von  van  Dyck.  —  ♦♦561  -  566.  Bubena ,  Skizzen  zu  dem 
Triumphbogen  für  den  Einzug  des  Cardinalinfanten  Ferdinand  in 
Antwerpen  (1635) ;  zeigen  in  glänzendster  Weise  Rubens'  eminente 
Erfindungsgabe,  Compositionstalentund  malerischesKönnen  (an  ver- 
schiedenen Wänden  vertheilt).  —  Fensterwand ;  ^513.  Jan  Brueghel, 
Waldige  Landschaft;  Meisterwerk  (1607).  —  Linke  Seitenwand: 
537.  Bubena,  Anbetung  der  Könige ;  durchgeführte  Skizze  zu  dem 
Bilde  im  Brüsseler  Museum.  —  572  und  573.  Dera. ,  Skizzen  zu 
den  Deckenbildern  in  Whitehall  zu  London  (1630).  —  524.  D, 


142    Eoute  11.  ST.  PETERSBURG.  Eremitage. 

Yinckhoons,  Waldinterieur  (1618).  —  647.  Bubens'  Schule  (nicht 
Jordtens),  Paulus  zu  Lystra.  —  *660.  QuellPmM,  Heilige  Familie  in 
einem  Blumenkranz  von  Z>.  Seghert,  —  *Ö9Ö.  Rubens^  der  Regen* 
bogen ;  farbenprächtige  Landschaft  der  letzten  Zeit.  -—  5Ö3.  Ders.j 
Kampf  der  Lapithen  und  Centauren ;  Skizze.  —  *593.  Ders. ,  die 
Statue  der  Ceres  von  Putten  bekränzt ;  Blumen  von  J,  Brueghel,  — 
*574.  Ders. ,  Bildniss  des  Carl  von  Longaeval ;  geistreiche  grosse 
Skizze.  —  *650.  Jordaen$,  der  Satyr  beim  Bauer.  —  605.  A.  van 
Dyck,  Christus  am  Kreuz;  Skizze.  —  558.  Rubens,  Skizze  der 
Statuen  von  fünf  deutschen  Kaisern;  gleichfalls  fär  den  Ant* 
werpener  Triumphbogen  (1635).  —  532.  P.  Brü,  bergige  Land- 
schaft. —  Rechte  Seitenwand:  **557.  Rüben$,  Skizze  zum  Altar 
des  heiL  Ildefonso,  jetzt  in  Wien  (1609).  —  567-570.  Den.,  Skizzen 
zu  der  Galerie  des  Luxembourg,  jetzt  im  Louvre  (1620-1624).  — 
527,  52d.  A.  Mirou,  der  Brand  und  der  Hafen ;  Hauptwerke  dieses 
Nachfolgers  von  Brueghel.  —  546.  Ruhens,  Abnahme  vom  Kreuz; 
von  Schülern  ausgeführt.  —  590.  Ders.,  die  L5wenjagd;  flüchtige 
Skizze  zu  dem  berühmten  Münchener  Bilde.  —  *594.  Ders.,  Fracht- 
fuhrmann; Landschaft  bei  Abendbeleuchtung  (um  1615).  In  der 
Mitte  prachtvolle  grosse  Vase  aus  Orletz  (Manganit). 

Nun  durch  die  Thür  r.  in  das 

XIII.  Zimmer.  Eine  ganze  Reihe  der  früher  beliebten,  hSss- 
lichen  Brustbilder  des  leidenden  Christus,  der  Mater  dolorosa,  Mag- 
dalena, heiligen  Familie  u.  s.  w.  von  Carlo  Datei,  Sassoferrato  und 
Guido  Reni,  sowie  einige  gute  Landschaften  von  8.  Rosa,  Zuccha- 
rdli  u.  a.  Zwischen  den  Fenstern  kolossale  Büste  des  Todesgenius, 
nach  Canova. 

Von  hier  aus  führt  die  Thür  an  der  Schmalwand  in  die  Italieni- 
schen Cabinette  (V-X ,  s.  oben),  während  wir  uns  durch  die  Thür 
der  Langwand  geradeaus  in  die  Bembraadt-Oallerie  (XT)  wenden, 
welche  durch  kleine  Querwände  in  fünf  Cabinette  getheilt  ist.  *) 

XV.  A.  Rembrandt,  »792.  Opfer  Abrahams  (1635),  in  lebens- 
grossen  Figuren;  *812.  Saskia  Uilenburg,  die  Frau  des  Malers 
(1634),  von  ausserordentlicher  Durchführung.  —  ♦847.  F.  Bot,  der 
Gelehrte ;  unter  den  zahlreichen  Bildern  dieses  Meisters  in  der  Ere- 
mitage wohl  das  beste.  —  Rembrandt,  »799.  Petrus  verleugnet 
Christus  (um  1656);  umfangreiche  grossartige  Composition  der  spä- 
tem Zeit;  »SOS.  der  Kalligraph  Copenol,RembrandfsFreund(1631); 
**811.  Bildniss  eines  moldauischen  oder  walachischen  Bojaren  (sog. 
Sobieski,  1637),  von  ganz  ausserordentlicher  Lichtwirkung ;  ♦829. 
Bildniss  einer  alten  Dame  (um  1642);  801.  der  ungläubige  Thomas 
(1634);  ♦807.  die  Mutter  Rembrandt's  (um  1638);  815.  männL 
Portrait. 


*)  Wir  zählen  in  den  folgenden,  meist  kleinen,  dureh  Seitenlicht  beleuch- 
teten Zimmern,  die  Bilder  stets  in  der  Reihenfolge  auf,  dass  zuerst  die  der  Ein- 
gangswand, dann  die  der  gegenüberliegenden  und  —wo  eine  solche  vorhanden 
ist  —  die  der  dem  Fenster  gegenüberliegenden  Wand  besprochen  werden. 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  11,  Route,     143 

XV.  B.  Rembrandt,  794.  Potiphar's  Weib  verklagt  Joseph  (1655) ; 
*800.  Abnahme  vom  Kreuz  (1634) ,  grosses  Hauptwerk  der  frühern 
Zeit.  —  837.  S,  Koninck  (irrthümlich  Eeckhout  genannnt),  CrÖsus 
zeigt  dem  Solon  seine  Schätze.  —  Remhrandty  *791.  Abraham  be- 
wirthet  die  Engel  (um  1650) ;  ♦•796.  Heilige  FamUie  (1645),  IdyU 
baulichen  Glücks ;  ♦798.  die  Parabel  von  den  Arbeitern  im  Wein- 
berge (1638);  trefflich  belebte  kleine  Composition ;  814.  Bildniss 
eines  alten  Erlegers ;  ganz  früh  (um  1630) ;  817.  die  Toilette  (1654) ; 
reizendes  Genrebild;  ♦der  verlorene  Sohn  (unvollendet).  —  831. 
J.  V,  Cappelle,  Flussansicht.  —  840.  O,  v.  d.  Eeckhout,  der  Gelehrte 
(1648) ;  erfreulicher  als  zwei  grössere  Gemälde  desselben  Künstlers. 
~  867.  A,  de  Gelder,  Bildniss  eines  jungen  Offiziers. 

XV.  C.  Rembrandt,  809.  Minerva;  ♦820. Rabbiner (1645);  ^805. 
Bildniss  einer  alten  Frau  (1654),  von  grossartig  breiter  Behandlung 
und  tiefer  Empfindung ;  ^793.  die  Sohne  Jakob' s  bringen  ihm  das 
blutige  Kleid  des  Joseph  (um  1650) ;  umfangreiches  Werk  von  tief 
ergreifender  Wirkung;  ♦SlO,  ♦SIS.  Bildnisse  alter  Männer  (1654); 
von  ausserordentlicher  Breite  und  Wirkung;  ♦819.  Bildniss  einer 
jungen  Frau  (1656).  —  703.  F,  HaU,  Brustbild  eines  Schützen  (um 
1635). 

XV.  D.  ♦770-772.  F.  Hals,  Bildnisse  junger  Männer;  von  der 
meisterhaften  Breite  der  letzten  Zeit.  --  Rembrandt ,  ♦♦804.  Bild- 
niss einer  Alten,  die  Bibel  im  Schoosse  (1654) ;  821,  825.  Männliche 
Bildnisse  (um  1660) ;  ^^802.  sogen.  Danae  (1636) ;  eine  lebensgrosse 
nackte  Gestalt  von  seltenem  Geschmack  und  einem  durch  das  Hell- 
dunkel und  die  weiche  malerische  Behandlung  einzigen  Reiz ;  ^806. 
Brustbild  einer  alten  Frau  (um  1654) ;  ^827.  Männliches  Bildniss 
(1666). 

XV.  E.  775.  J,  0,  Cuijp,  Diebeiden  Kriegsmänner  (um  1620).  — 
863.  Jan  Victors,  Enthaltsamkeit  des  Scipio  (1640).  —  748,  749. 
JBonthorst,  Kurfürst  Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  und  sein  Bruder 
Rupert.  —  788.  Th.  deKeyser,  Männliches  Brustbild  (1632).  —  868. 
Moeijaert,  Clölia  entflieht  aus  dem  Lager  des  Porsenna  (1640).  — 
♦797.  Rembrandt,  Rückkehr  des  verlorenen  Sohnes;  grosste  bi- 
blische Composition  des  Meisters  aus  der  letzten  Zeit,  von  tiefster 
Empfindung  und  grösster  Breite.  —  869.  /.  Coningh,  die  Gold- 
wägerin.  —  Es  folgt  der  englische  Winkel:  Reynolds,  1391. 
Herkules  die  Schlangen  erstickend  (von  Kath.  II.  beim  Meister  be- 
stellt) ;  1390.  Amor  und  Venus ;  1392.  die  Grossmuth  des  Scipio. 
*  Walker,  Portr.  Cromwell's.  Dobson,  1387.  Portr.  Abr.  v.  d.  Dort, 
Aufseher  ^er  Kunstsamml.  Karls  I.  Kneller,  1388,  89.  Portraits 
des  Philosophen  Locke  und  des  Bildhauers  Gibson. 

Von  hier  aus  führt  eine  Thür  in  die  schmale  mit  der  Rem- 
brandt-Gallerie  parallel  laufende  Gallerie  (XIV),  welche  in  fünf  ent- 
sprechenden Cabinetten  namentlich  Gemälde  von  Ph.  Wouwerman, 
D.  Teniers  und  P.  Potter  birgt. 

XlVe.  Ph,  Wouwerman,  1012.  die  Schmiede;  ♦1040.  Kleiner 


144    Route  IL  ST.  PETERSBURG.  EremUage. 

Winter;  bei  düsterer  Beleachtnng ;  1042.  die  Fürth;  frühe  Land- 
schaft; *99&.  der  „Katzenritt'';  ausserordentlich  reiches  und  maleri- 
sches Hauptwerk  der  besten  Zeit  (c.  1655) ;  *1044.  Am  Strande ;  sehr 
stimmungsvoll ;  *1017.  die  Rast  der  Reiter ;  einer  feinen  Landschaft 
Ton  Wljnants  nahe  verwandt;  *1027.  der  Halt  am  Marketendeizelt ; 
**1043.  In  den  Dünen;  vollendete  atmosphärische  Stimmung.  — 
*1133.  A.  V.  Everdingen,  Norwegischer  Wasserfall  (1647).  —  Ph. 
Wouwerman,  *998.  die  Reitschule ;  1023.  Vorpostengefecht. 

XIY  d.  Fast  ausschliesslich  Ph.  Wouwerman ;  daruntw  hervor- 
ragend: 1006.  Auf  der  Landstrasse.  — 1025.  Ein  Reitervorposten.  — 
♦1031  und  »1032.  Aufbruch  zur  Falkenjagd  und  Rückkehr  von  der- 
selben. —  1039.  Tanz  vor  der  Kneipe ;  aus  früherer  Zeit.  —  1080. 
Der  Pferdestall.  ~  1020.  Türkenschlacht. —♦1029.  Aufbruch  zur  Jagd. 

XIY  c.  Enthält  fast  ausschliesslich  Werke  des  jüngeren  David 
Teniers:  676.  Vor  der  Kneipe  (1654),  —  ^674.  Die  Kirmess  (1646). 
—  ♦677.  Der  Hochzeitsschmaus  (1650).  —  ^673.  Die  Wachtstube 
(1642);  von  ausserordentlich  kräftiger  und  reicher  Färbung. 

XIV  b.  D.  Teniers,  ♦♦672.  Schützenfest  auf  dem  Platz  vor  dem 
Rathhause  in  Antwerpen  (1643) ;  schönstes  und  grösstes  Bild  des 
Meisters  in  der  Eremitage.  —  688.  Die  Kartenspieler.  —  ^699.  Affen 
in  der  Küche.  —  ^969.  C.  Bega,  Die  Weberfamilie. 

XIV.  a.  1059  (wie  1060  und  61)  G.  CamphuUen,  Tüchtige 
Viehstücke.  -  P.  Potter,  ^1054.  Vieh  auf  der  Weide  (1651) ;  ♦1053. 
Halt  von  Reitern  (1650) ;  Meisterwerk  in  feiner  Färbung  und  Be- 
leuchtung ;  ♦1052.  das  Leben  des  Jägers ;  in  12  kleineren  Abtheilungeu 
sind  leicht  und  zum  Theil  sehr  geistreich  die  verschiedenen  Arten 
der  Jagd ,  in  der  Mitte  das  Urtheil  der  Thiere  über  den  Jäger  und 
der  Vollzug  der  Strafe  an  demselben  dargestellt;  ♦1051.  der  Meier- 
hof (1649) ;  durch  Umfang ,  zumal  aber  durch  die  feine  Morgen- 
stimmung und  die  köstliche  Charakteristik  der  zahlreichen  Thiere 
das  vollendetste  aller  „Viehstücke'' ;  ^1055.  der  Kettenhund  (1650) ; 
meisterhaftes  Hundeporträt  in  Lebensgrösse.  —  1107.  A.  Cuyp, 
grosse  Landschaft  mit  Vieh ;  leider  verputzt. 

Nun  zurück  durch  die  Zimmer  XIII.  und  XVI.  und  Zimmer 
XVII.  t  welches  die  Gemälde  der  deutschen  Künstler  des  xvii.  und 
xvin,  Jahrb.,  wie  Lingelhach,  Roos,  Denner,  Dietrich,  Mengsn.s.yr. 
enthält,  In  die  lange 

.;  Gallerie  der  hoUändischen  Kleinmeister  (XVIII),  welche,  da  sie 
beiderseits  Fenster  hat,  durch  einen  Gang  in  der  Mitte  in  je 
5  Cdbinette  getheilt  ist. 

I.  Cabinet,  links  vom  Eingang:  B.  v.  d.  Helst,  ^78.  Hol- 
ländische Familie  (nach  Burger  die  Familie  Potter  genannt) ;  ♦779. 
Grosses  Famüienbildniss  (1652);  782.  Männliches  Bildniss  in  ganzer 
Figur  (1670).  —  740-742.  /.  M.  MUrevelt,  Büdnisse.  —  761. 
C.  Poelenburg,  Diana  und  Callisto.  —  766.  Breenhergh,  Opfer 
in  einer  Landschaft.  ~  ♦777.  B.  van  der  HtUt,  die  Vorstellung 


EremUage,  ST^  PEir|»SßüßG»  lU  lioute,    145 

der  Braut ;  em  junges  Shepaar  begtüsst  ein  älteres  in  einem  Parke ; 
nach  seinen  Schützenstücken  in  Holland  wohl  sein  Meisterwerk. 

—  Rechts:  601 .  Th.  Mombout$,  die  Karten spieler.  —  G.  Ttr  Borch, 
**d70.  das  Glas  Limonade ;  Hauptwerk  Yon  schönster  Erhaltung ; 
*873u  der  Bote;  *874.  das  Concert;  leider  verputzt. 

H.  Cabiiost,  links:  il.  Brouwer,  *938.  Bauern  in  der  Kneipe; 
939.  der  Streit;  940.  der  Flötenhläser.  —  A,  van  Oitade,  *947-94d. 
einzelne  Bauern  in  halber  Figur  (Gegenstücke,  1648);  950.  der 
Bäcker;  952.  die  Kneipe.  —  *962.  /•  van  Oiiade,  Grosse  Winter- 
landschaft. —  ♦860.  P.  deHooch,  der  eingekaufte  Fisch;  treff- 
liches sonniges  Werk  des  Meistens.  —  Fr,  Mitrü,  *915.  der  Schoss- 
hund; **916.  das  Austernfrühstück  (1650);  obgleich  das  früheste, 
doch  vielleicht  das  vollendetste  Werk  des  Meisters ;  *918.  kleines 
Dameuportiät  (1665).  —  ^945.  A,  van  Ostade,  der  Tanz  vor  dem 
Wirthshaus  (um  1642).  —  Rechts:,  O.  Dou,  »909.  die  Garn- 
winderin;  910-912.  Actstudien  in  Landschaften ;  ^913.  die  Bibel- 
lectüre.  —  (?.  Metm,  ♦878.  die  Kranke;  ♦♦SSO.  das  Frühstück; 
köstliches  Meisterwerk;  ♦SSI.  Beim  Mahle;  vor  einer  schlechten 
Restaurirung  dem  vorigen  vielleicht  noch  überlegen.  -^  882-887. 
C,  NeUcher,  meist  gute  Bildnisse.  —  Jan  Steen,  ♦897.  das  Garten- 
fest; ♦898.  die  lustigen  Zecher;  von  grösster  Feinheit  in  dem 
eigenthümlich  schwärzlichen  Ton;  ^900.  die  Trictracspieler  (1667). 

—  871.  ß.  T^r  Borch,  der  Yiolinspieler.  —  858.  N,  Mae»,  die 
Garnhasplerin ;  leider  verdorben. 

in.  Cabinet,  links:  ^1138.  J,  RuUdael,  der  Wald;  treff- 
liche Gomposition  der  späteren  Zeit.  —  ♦1142.  Jjert, ,  der  Wald" 
weg.  ^  ♦1143.  Ders, ,  der  Sandweg  (1646) ;  sehr  umfangreiches, 
frühes  Werk,  kaum  übertroffen  in  der  treuen  Wiedergabe  des 
kleinsten  anspruchslosesten  Stückes  Erde.  —  ♦1125.  A.  van  der 
Neer,  holländische  Gracht  bei  Mondschein.  —  ^1104.  A.  Cuijp, 
Kühe  auf  der  Weide;  frühere  Zeit.  —  Rechts:  ♦♦1147.  /.  Ruia- 
dael,  der  einsame  Bergsee;  durch  die  poetische  grossartige  Gom- 
position und  elegische  Stimmung  das  Meisterwerk  der  letzten  Zeit. 

—  ^1148.  Ders.,  holländische  Landschaft  (1647) ;  sehr  wirkungsvoll. 

—  ^1153  und  1154.  J.  van  der  Meer  v.  Haarlem,  der  Waldes- 
rand. —  ♦llOe.  A.  CuiJp,  stiUer  See  bei  Mondschein.  —  ^1117. 
A.  van  der  Neer^  die  Windmühle;  einziges  hervorragendes  Bild 
unter  beträchtlicher  Zahl.  —  J.  BuUdael,  ♦1145.  der  Wasserfall; 
grosse  reiche  Gomposition;  ^1140.  heranziehendes  Gewitter. 

IV,  Gabikbt,  links:  ♦1111.  J.  Wv«an*«und  A.  van  de  Velde, 
Landschaft  mit  Heerde.  —  ♦1101.  A.  Ouijp,  Vieh  am  Ufer  der 
Maas.  —  1252  und  ♦1253.  Jac.  v,  Loo,  das  Goncert  und  der  Be- 
such. —  Rechts:  1062.  A.  van  de  Velde,  die  Heerde  (1671);  um- 
fangreiches Bild.  —  ♦1208.  Jan  van  der  Heyde,  die  Harlemer  Poort 
in  Amsterdam;  von  höchster  Vollendung.  —  ^1209  und  ♦1210. 
Ders.,  das  Schloss.  —  ^889.  J",  Ochtervelt,  der  Fischkauf  (1669). 

—  892.  Ders.,  das  Frühstück. 

Eussland.     3.  Aufl.  10 


146    Boute  IL  ST.  PETERSBURG.  Eremitage. 

V.  Cabinet,  links:  Everdingen,  1134.  Norwegische  Land- 
schaft; **1135.  Seesturm  im  Hafen  von  Alkmar,  von  grossartig- 
ster Wirkung.  —  1204.  Dirk  vanDelen,  Eingang  eines  Palastes 
(1667).  —  *dli,  Bega,  die  Bauernfamilie.  —  Rechts:  Unter  den 
sehr  zahlreichen  (16)  und  umfangreichen  Bildern  des  N.  Berchem 
wie  auch  des  K,  Dujardin  ist  keins  ersten  Ranges ;  beachtenswerth 
-von  ersterm  1075.  Halt  auf  der  Jagd,  und  *1081.  Italienische  Land- 
schaft (1656).  —  S.  de  Vlieger,  1184.  Kleine  bewegte  See  (1624); 
•1183.  Ankunft  des  Prinzen  von  Oranien  in  Ylissingen  (1642).  — 
In  der  Mitte  eine  prachtvolle  Jaspisvase'  mit  Henkeln  von  vergol- 
deter Bronze,  zweiAchatvasen  deren  Henkel  von  vergoldeten  Panthern 
gebildet  sind,  u.  andere  Vasen. 

In  dem  folgenden  Eckiaal  (XIX)  sind  hauptsächlich  die  Still- 
leben der  holländischen  und  vlämischen  Schule  aufgestellt.  Wir 
heben  daraus  als  die  Hauptwerke  hervor :  von  Fr,  Snydera ,  1312. 
1314.  1315.  1317.  und  *1320,  sämmtlich  grosse  Stillleben  von 
todtemWild,  Gemüse,  Speisen  u.  s.  w.  Von  M.  irond«co«f«r  •1339. 
Ausländische  Wasservögel  im  Park.  —  /.  Weenix,  1347  und  ♦1348. 
Todtes  Wild.  —  /.  D.  de  Heem,  1355.  Blumenbouquet.  —  itfigr- 
noUy  1359.  Blumenbouquet.   —   Verendael,  1377.  Blumenkranz. 

—  Amor  u.  Psyche  von  Canova,  —  Zwei  grosse  Malachitvasen. 
Saal  XX.  enthält  die  Meisterwerke  der  finuuötifohen  Schule. 

An  der  Eingangswand:  •1520.  /.  B.  Oreuxe,  der  Tod  des  Gicht- 
brüchigen; ein  Hauptwerk  des  Meisters.  —  •1513.  Chardirij  das 
Tischgebet.  —  1514.  Ders.,  die  Wäscherin.  —  1538.  Rigaud,  Bild- 
niss  von  Fontenelle.  —  Linke  Langwand:  ^^1413  und  1414. 
N.  Pouarin,  italienische  Gebirgslandschaft  mit  Polyphem  und  ita- 
lienische Plusslandschaft  (v.  J.  1649),  Gegenstücke;  in  grossartigem 
und  stilvollem  Aufbau  der  Landschaft,  wie  in  Feinheit  der  Färbung 
seine  Meisterwerke  und  kaum  von  einem  anderen  Meister  erreicht. 

—  1490.  Valentin,  die  Spieler.  —  •1402.  N,  Poussin,  Satyr  und 
Nymphe.  —  1406.  Ders.,  Enthaltsamkeit  des  Scipio.  —  ••1428. 
••1429  und  1430-1431.  Claude  Lorrain,  die  sog.  vier  Tageszeiten: 
ital.  Landschaften  im  zarten  Duft  der  verschiedensten  Beleuchtung, 
Abend  und  Nacht  leider  sehr  nachgedunkelt.  —  ^1394.  N.  Potissin, 
Moses  schlägt  Wasser  aus  dem  Felsen  (1649).  —  ^1400.  Dert.,  Tri- 
umph der  Amphitrite ;  in  Lust  der  Bewegung  und  Farbe  und  Schön- 
heit der  Gestalten  ein  Hauptwerk.  —  •1399.  Ders.,  Abnahme  vom 
Kreuze.  —  1506.  Laneret,  das  Goncert.  —  Clouefsche  Schule,  Por- 
trät der  Maria  Stuart ,  im  Schloss  Fotheringhay  gemalt  (das  einzige 
authentische),  Vermächtniss  des  Fürsten  Lobanow.  ~  •1424.  (7. 
Dughet,  kleine  ital.  Landschaft.  —  Rechte  Langseite:  •1423. 
Ders.,  itaL  Winterlandschaft.  —  ••1435.  Claude  Lorrain,  ital. 
Seehafen.  —  ^1438.  Ders.,  ital.  Waldlandschaft  mit  Apoll  und 
Marsyas.  —  1537.  Largillüre,  die  Schöffen  von  Paris.  —  •1516. 
Fragonard ,  die  Kinder  des  Landmanns.  —  Ohne  Nummer :  Bou- 
eher,  Jupiter  und  Callisto.  —   Sculpturen:  Hebe  von  Canova, 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  11.  Saute.     147 

Amor  von  Falconet.  Zwei  grosse  Vasen  aus  Lapis  lazuli ,  mit  ver- 
goldeten Bronze  -  Verzierungen. 

Die  l)eiden  folgenden  Säle  (XIX  und  XX)  enthalten  Haupt- 
werke der  älteren  und  modernen  niMiielLen  Maler:  1566.  A.  M. 
Matwejew  (1704-1736),  Porträt  Peter's  des  Grossen.  —  1567. 
A.  P.  Lossenko  (f  1773),  der  wunderbare  Fischzug.  —  156S.  O.  J. 
Ugrjumow  (1764-1825),  Einnahme  von  Kasan.  —  1569.  Ders., 
Thronbesteigung  Mich.  Feodorowitsch  Romanows.  —  1571.  A.  J. 
Iwanow  (1775-1887),  Episode  aus  der  Belagerung  von  Kiew  (933). 
—  1572.  D.  J.  Iwanow,  Marfa  Possadnitza  (S.  252).  —  1573. 
A.  Ö.  Wenezianow  (1775-1847),  junger  russischer  Bauer ,  sym- 
pathische Darstellung  aus  dem  Leben.  —  1574.  A.  E.  Jegorow, 
heilige  Familie ;  an  Raffael  erinnernd.  —  1575.  Ders.,  die  Geisse- 
lung  Christi;  correcte  Zeichnung;  schwache,  aber  harmonische 
Farben.  —  1579.  W.  K.  Ssaionow,  Dmitry  Donskoi  auf  dem  Kuli- 
kowo- Schlachtfelde  (S.  380).  —  1580.  K.  P.BriUow  (1799-1852), 
der  letzte  Tag  Pompeji's ;  das  Hauptwerk  des  Künstlers.  ^  1582. 
O.  A.  Kiprenski  (Adam  Schwalbe,  1783-1836),  Porträt  Thor- 
waldsens;  ein  Meisterstück.  —  1585.  P.  W.  BcuHn,  Susanna  im 
Bade.  —  1590.  F.  A.  Bnmi  (1801-1875),  diiy  eherne  Schlange; 
eines  der  kolossalsten  Gemälde  der  Welt ,  flgurenreich,  mit  grosser 
Sorgfalt  ausgeführt.  —  1593.  A.  A.  Iwanow  (1806-1858),  Christus 
und  Magdalena.  —  1594.  T.  A.  von  Neff  (1805-1877),  badende 
Mädchen.  —  1597.  F.  J.  Alexejew  (1753-1824,  der  russ.  Canaletto), 
Ansicht  von  Moskau  (Kreml,  S.  269).  —  1598.  F.  M,  Matwejew 
(1758-1826),  Umgebungen  von  Bern.  —  1604.  Der»,,  der  Lago 
Maggiore.  —  1611.  A.  0.  Orlowsky  (1777-1832),  Meeresufer.  — 
1618.  M.  N.  Worobjew  (1787-1855),  das  Innere  der  Kirche  auf 
Golgatha;  ausgezeichnete  Perspective.  —  1619.  Syl.  F.  Schtschedrin 
(1791-1830),  Ansicht  von  Rom;  voll  Kühnheit.  —  1622.  J.  K. 
Aiwasowtky  (geb.  1817),  Ansicht  von  Odessa.  —  *0.  N.  Makowsky, 
Nächtlicher  Tanz  der  Nymphen.  —  1626.  Aiwasowiky,  das  Schwarze 
Meer.  —  1631.  Q.  P.  Wülewalde  (geb.  1817),  Ansicht  von  Wladi- 
kawkas.  —  1632.  A.  P.  Bogoliuhow  (geb.  1824),  Jahrmarkt  in 
Amsterdam.  —  1633.  F.  A.  von  Moller,  die  Kreuztragung.  —  Scul- 
pturen.  Im  XXI.  Saal:  ♦Paris  von  Canova.  Die  Koketten,  Kinder- 
gruppe von  Paveretzky.  —  XXII.  S.  In  der  Mitte :  der  erste  Schritt, 
Marmorgruppe  von  Kamensky.  —  Zwei  Kandelaber  aus  dunkel- 
grauem Jaspis. 

Die  folgenden  Säle  (XXIII-XXV)  enthalten  die  sehr  reichhal- 
tige Münssammliing  (im  Ganzen  etwa  200,000  Stück). 

Saal  XXIII ,  mit  von  zwölf  Honolithsäulen  aus  grauem  fluni.  Granit 
getragenem  Chor,  zu  dem  eine  eiserne  Treppe  führt.  Glas -Tische  mit 
den  ältesten  russ.  Münzen,  unter  denen  5  Goldstücke  des  h.  Wladimir; 
Xowgoroder  Stangengeld;  Eiew^sehe  Rubel.  Auf  einem  andern  Tisch  kup- 
fernes Plattengeld  aus  Jekatherinenburg,  2  Buhelplatten  von  Katharina  I., 
ein  Polupoltinnik  (1/4  Rubel),  Zehnkopekenstüeke  u.  s.  w.  Probemünzen 
von  Eisen.  Die  Tsehernigow*sche  Griwna  (grosses  goldenes  Schmuck- 
stück).   Ferner  an  8000  russ.  Münzen  vom  Grossf.  Dmitry  Iwanowitseh 

10» 


148    Route  IL  ST.  PETERSBURG.  EremUagt, 

an.  Solehe  der  Republiken  Kowgorod  undPskow,  der  Fürsten  von  Twer, 
der  Theilfürsten  von  Sewerien,  Galicz  u.  8.  w.  Der  ungatrische  Dukaten 
von  Joan  III.  Vollständigste  Reibe  der  Münzen  von  Peter  dem  Grossen 
an.  Prachtvolle  Hedaillen,  mehr  durch  Grosse  als  dureh  Kunst werth  aus- 
gezeichnet. Sammlung  der  russ.  Ordenszeieben  und  Kriegsmedaillen. 
Reiche  Reihenfolge  von  Münzen  von  Polen  und  den  Ostseeprovinzen.  Süd- 
slawische,, namentlich  serbische  Münzen.  Die  Beulä^scbe  Sammlung  athe- 
nischer Münzen.  Die  baktrischen  Münzen  des  Grafen  Perowsky.  In  dem 
Langrund  r.  skandinavische  Folgen,  in  der  Mitte  deutsche,  1.  niederländ. 
und  holländische.  Der  Stein  von  Tmutoraken  mit  Inschrift,  welche  be- 
sagt, dass  Fürst  Gleb  im  J.  6576  (1068  n.  Chr.)  das  Meer  auf  dem  Eise  hat 
messen  lassen,  von  Tmutoraken  bis  Kertscb,  8064  Faden.  In  der  Mitte 
Münzen  des  Bosporischen  Reichs. 

Saax.  XZIV.  Links  in  hohen  Glaspulten :  Portugal,  Spanien,  Schweiz, 
Frankreich ,  alles  reiche  Folgen  ,  meist  aus  der  berühmten  Reicherschen 
Sammlung.  Rechts :  Preussen ,  Oesterreich ,  Grossbritannien ,  wobei  über 
1000  in  Russland  gefundene  Stüeke  aus  Ethelreds  II.  Zeit.  An  den  Fen- 
stern :  Münzen  des  Malteser-Ordens  und  von  Privatpersonen.  Gegenüber : 
Bayern  und  Württemberg. 

Saal  XXV  (halbdunkel).  In  der  Mitte  Pontusländer,  an  den  Wanden 
amerikanische  Münzen. 

Die  reichen  Folgen  der  oriental.  Münzen  befinden  sich  vor  den 
Fenstern  der  anstossenden 

XXVII.  BalEael-Gallerie,  welche  die  von  dem  Tiroler  Maler 
Christoph  Unterberger  um  1770  gefertigten  Copieen  der  RaffaeVschen 
Loggien  im  Vatikan  enthält  (von  Katharina  II.  für  45,000  fl.  gekauft). 

Saal  XXVIIa.   AltruMisehe  Alterihümer. 

Vitrine  22.  Terichowskv'' scher  Fund  (Gouv.  Orel),  aus  dem  J.  1876. 
Griwnen  (gegossenes  Geld  zu  einem  halben  Pfunde)  aus  Kiew.  Warägi- 
scher  Silberschmuck,  emaillirte  Armbänder,  Ohrgehänge,  Ketten  u.  s.  w. 
(x.  Jahrb.). 

Schrank  64.  Kieu^icher  Fundy  aus  dem  J.  1880.  Goldene  emaillirte 
Schmucksachen  (cloisonne)i  byzant.  Arbeit  des  x.  Jahrb.  Zwei  Barmi 
(Medaillons  mit  Heiligenbildern),  Halskette,  Ohrringe,  Ringe,  bronzenes 
Trinkgeschirr  in  Form  eines  Thieres  u.  s.  w.  —  Fund  von  Tschulak^ 
bei  Tagaurog,  aus  dem  J.  1868.  Byzantin.  Sehmucksachen,  Ghold  mit 
rothem  Glase  und  Cameol ,  Halsketten  (eine  mit  Medaillon),  Medaillons, 
Ringe  u.  s.  w. 

Vitrine  19.  Fund  von  Onätdow  (Gouv.  Ssmolensk).  Merkwürdige  sum 
Theil  arabische  Silbersachen:  Halsbänder,  Medaillons  etc.  Dabei,  wich- 
tig für  die  Zeitbestimmung,  zwei  Sassaniden  -  Münzen  von  582  und  595, 
eine  Omajaden -Münze  von  748,  Samaniden  von  906-953. 

An  der  Fensterwand  in  einer  Vitrine:  Wladimir' scher  Fund ^  ans  dem 
J.  1865.  Emaillirte  Goldsachen ,  namentlich  Barmi  (Medaillons) ,  Stoffe. 
Etwa  1150.  —  Ein  Waräger  Schwert  mit  breiter  Klinge,  der  Griff  mit 
Silber  eingelegt,  einzig  in  seiner  Art.  Emaillirter  Goldschmuek  aus  Kiew. 
Zwei  goldene  Griwnen  u.  s.  w. 

Sspassky' scher  Fund  (Gouv.  Kasan).  Silbersachen,  zum  Theil  alt- 
bulgarischer  Arbeit.  Viereckige  Kästchen ,  vielleicht  für  den  Koran ,  an 
Kettchen ,  zum  Tragen ,  Armbänder  u.  s.  w.  Fragmente  einer  grossen 
Silberröhre,  zum  Theil  geschmolzen. 

Hierher  kommen  die  in  Russland  gefundenen  Tschudischtn  ^ttertilümer. 

Saal  XXVI.  OesohnitteEe  Steine. 

Den  Hauptbestand  bildet  die  dureh  Katharina  II.  erworbene  berühmte 
Sammlung  des  Herzogs  von  Orleans.  Intaglien  und  Cameen,  in  pyra- 
midenförmigen und  flachen  Glassehränken  (neben  den  Intaglien  die  Gyps- 
abdrücke^.  Glasobelisken  mit  werth  vollen  Gefässen,  Armbändern  mit 
Cameen  u.  s.  w.  Prachtmöbel,  z.  Tb.  Keuwieder  Arbeit  der  Gebr.  Röntgen, 
aus  den  Gemächern  Katharina*s  II.  Im  Hintergrunde  eine  grosse  Spiel- 
uhr ,  welche  die  Ouvertüre  der  Oper  „la  Glemenza  di  Tito^  und  andre 


Eremitage.  ST.  PETERSBURG.  XL  Route.     149 

Stücke  von  Mozart  spielt,  von  J.  G.  Strasfier  1793-1801  verfertigt  und  von 
Kaiser  Alexander  I.  für  60,000  B.  erworben.  In  den  Feneternisehen  zwei 
Vitrinen  mit  kostbaren  oriental.  Steinen. 

Alte   Eremitage  der  Kaiserin  Katharina  II.     Eingang  vom 

XIX.  Saal  (Niederländer)  über  einen  Bogen. 

J.  QvBR  -  Gallbrib  mit  Ansichten  von  St.  Petersburg :  a.  von  Oitu. 
Valeriani  aus  der  Zeit  der  Kaiserin  Elisabeth,  u.  a.  1.  das  Winterpalais 
Peters  des  Grossen  (heute  das  Theater  der  Eremitage),  die  von  Wällen 
umgebene  Admiralität  und  das  grosse  hölzerne  WinterpalaiSf  welches  1754 
abgerissen  wurde;  die  beiden  Kewa-TJfer  u.  s.  w.  —  b.  Von  B.  Paterson^ 
aus  der  Zelt  Pauls  I.  und  Alexanders  I.,  u.  a.  da&  Michael -Sehloss.  —  e. 
Von  AUxejevf^  u.  a.  die  Isaaksbrücke  von  Wasaily-Ostrow  aus. 

II.  Laitob  Gali«esib,  rechts,  zerfällt  in  drei  Abtbeilüngen.  Ä.  Oallerie 
Peters  des  Grossen.  An  der  Fensterwand  von  Peter  erworbene  Ge- 
mälde, meist  hoUänd.  und  deutscher  Meister.  Gegenüber  die  Bilder  der 
Vorfahren  Peters,  welche  sich  früher  in  seinem  Winterpalais  befanden; 
ferner  Katharina  I.,  der  unglückliche  Zarewitseh  Alexe!  Petrowitsch,  di& 
Kronprinzessin  Charlotte  Sophie,  die  andern  Kinder  Peters  des  Grossen ;. 
seine  Ztitgenosseu,  u.  a.  Menschikow,  Wass.  Dolgoruky,  Scheremetjew, 
Gordon  u.  s.  w.  In  der  Mitte  ein  grosser  Elfenbein-Kronleuchter,  eigene 
Arbelt  des  Zaren.  B.  am  Eingang  Femrohre,  sonderbar  gewachsene  Hölzer,. 
Glaskasten  mit  Münzen  und  Medaillen.  Holland.  Schrank  mit  der  Ge- 
schichte des  Ahasverus  und  der  Esther,  worin  des  Zaren  Schlafröcke. 
Giasschrank,  in  der  Mitte  Drechselarbeiten  Peters  in  Holz  und  Eifenbein^ 
wobei  ein  hölzernes  Pferd.  Glasgeschirr  des  Zaren.  In  Holland  erworbene 
Elfenbeinsachen.  Ein  anderer  Glasschrank  mit  astronom.,  mathemat.  und 
Chirurg.  Instrumenten.  Eine  Sammlung  Zähne,  welche  der  Zar  selbst  aus*- 
gezogen.    Viele  Spazierstöcke,  dabei  ein  eiserner. 

Mitte  der  Wand.  Wachsfigur  Peters,  von  Rattrelli^  auf  einem 
Stuhle  unter  einem  Thronhimmel.  Die  Kleider  unter  Aufsicht  Katharinas 
für  ihre  Krönung  (am  7/18.  Mai  1724)  gestickt,  hellblauer  Gros  de  Tours, 
Silberstickerei;  rothe  Strümpfe,  Halstuch  und  Manschetten  von  feinen 
Spitzen.    Jagdmesser,  Geschenk  Augusts  II.  von  Polen.  - 

Daneben  zwei  Todtenmasken,  auch  zwei  Bilder  Peters  auf  dem  Todten- 
bette  von  seinem  Hofmaler  Tanhauer.  An  der  Wand  Emailgemälde,  Peter 
von  seiner  Familie  umgeben,  vom  preuss.  Gesandten  Mardefeld  gemalt. 

Glasschrank  mit  Silbergeschirr,  auch  ein  Goldbecher  mit  dem  Wappen 
von  Wiborg,  ein  Geschenk  der  Stadt  an  den  Zaren.  —  Glasschrank  mit 
der  Bibliothek  Peters  d.  Gr. 

An  der  Thür  wieder  Fernrohre.  An  der  Thür  grosser  ovaler  Tisch, 
darauf  die  Wachsbüste  Peters,  welche  er  dem  Cardinal  Ottobuoni  schenkte. 
Seine  Reiseapotheke. 

Verschiedene  Drehbänke  und  auf  denselben  verfertigte  Medaillons. 
Cyllnder,  meist  mit  Darstellungen  von  Kriegsseenen.  Auf  einem  Schrank 
eine  Puppe,  die  Wirthin  Peters  in  Zaandam  darstellend.  Das  Arbeitspult 
des  Zaren  (darüber  sein  Porträt  in  Mosaik,  eine  Arbeit  des  berühmten 
Lomonossow).  In  einem  Glaskasten  das  schlecht  ausgestopfte  Pferd  von 
Poltawa,  ein  Wolfshund  und  zwei  dänische  Doggen,  unter  denen  die  be- 
rühmte Lisette  mit  dem  Halsband,  unter  welches  Katharina  die  im  Namen 
des  Hundes  geschriebenen  Bittschriften  zu  stecken  pflegte.  Die  schön  lackirte 
Droschke  mit  sehr  breiten  Bädern,  in  der  der  Zar  spazieren  zu  fahren 
pflegte.  Elastischer  Stuhl.  Modell  des  Hauses  in  Zaandam,  in  welchem 
Peter  wohnte.  Am  Ende  der  Gallerie  ein  niedriger  Glasschrank  mit  zuni 
Thell  von  Peter  gearbeiteten  Sachen  in  Holz  und  Elfenbein. 

Die  meisten  dieser  Sachen  stammen  aus  der  Kunstkammer,  welche  Peter 
1714  anlegte  und  1723  der  Akademie  übergab.  Sie  befana  sieh  im  Ge- 
bäude des  „Theerhofs**  (Smolny  Dwor),  da  wo  heute  das  Smolny-Kloster 
(S.  167)  steht  und  erhielt  der  Conservator  Schumacher,  ausser  seinem 
Gehalt,  jährlich  400  B.  um  die  Besucher  zu  tractiren. 

B.  In  der  Mitte  das  Pftraen-Cabinet,  so  benannt  von  einem  Auto- 
maten in  Bronze,  Arbeit  eines  preuss.  Mechanikers  in  London,  nach  dessen 
Tode  von  Potemkin   gekauft  und   der  Kaiserin  Katharina  II.    verehrt. 


150    Monte  11.  ST.  PETERSBURG.  Eremitage, 

Wenn  das  Werk  aufgezogen,  dreht  sich  der  Pfau,  sehlägt  ein  Kad;  der 
Hahn  daneben  kräht  dreimal  und  die  Eule  bewegt  die  Augen  und  schlägt 
auf  Glöekchen.    Die  Uhr  ist  in  einem  Pilze  verborgen. 

An  den  Wänden  grosse  Bahnen  mit  zahlreichen  Miniaturen.  Vom 
Eingange  r.,  u.  a.  Emailportrait  Kurfürst  Friedrichs  in.  von  Brandenburg, 
Peter  dem  Grossen  bei  seinem  Aufenthalt  in  Königsberg  1697  geschenkt. 
Napoleon  I.  im  Kronungsanzug,  Gustav  Adolf  und  Karl  Johann  XIV.  von 
Schweden,  viele  Fürstlichkeiten  von  Preussen,  Hessen,  Brannschweig  etc.  — 
Rahmen  1.  von  der  Thür:  Kaiser  und  Erzherzoge  von  Oesterreich. 
August  II.  und  August  III.  von  Polen.  —  Rahmen  zwischen  den  Fenstern 
nach  dem  Garten :  1.  L'Estoeq  und  Gem.,  die  Präsidentin  der  Akadonie 
Fürstin  Dasehkow,  Salv.  Rosa,  C.  Netseher,  Adrienne  Leeouvreur,  Sai. 
Gessner  u.  a.  —  lUihmen  r. :  u.  a.  der  grosse  Kurfürst  von  Brandenburg 
auf  einem  von  vier  weissen  Rossen  gezogenen  Siegeswagen ;  der  Tod  des 
Germanieus,  beides  Arbeiten  der  Brüder  Huaut  in  Berlin,  u.  a.  m. 

Rahmen  1.  neben  der  Ausgangsthür ,  u.  a.  der  grosse  Kurfürst, 
Ludwig XIV.,  Karl XI.  von  Schweden,  Menschikow,  Moritz  von  Sachsen 
u.  s.  w.  — -  Rahmen  r.,  u.  a.  Karl  I.  und  Henriette  von  England,  Cromwell, 
General  Moreau  auf  dem  Todtenbette  u.  s.  w. 

Grosser  Rahmen  dem  Fenster  gegenüber :  Portraits  der  Regenten  Russ- 
lands aus  dem  Hause  Romanow,  erste  Hälfte,  von  Benner.  —  Rahmen  1. 
neben  dem  Fenster :  Peter  d.  Gr.,  Kaiser  Paul  als  Grossmeister  des  Malteser- 
ordens, Alezander  I.  und  sein  Bruder  Konstantin  als  Knaben,  nach  Brompton. 
Rahmen  r. ;  die  Gemahlin  und  Töchter  des  Kaisers  Paul.  —  Grosser  Rahmen, 
die  zweite  Hälfte  der  Portraits  des  Hauses  Romanow  von  Benner. 

Sechs  Vitrinen  mit  Tabatieren.  In  der  Mitte  (15)  kostbare  Taba- 
ti^ren,  mit  Diamanten  und  Rubinen  verziert,  Portraltdosen  u.  a. ;  eine 
welche  Friedrich  II.  einem  seiner  Generale  schenkte,  darin  ein  vom 
Könige  geschriebener  Zettel  („Hier  schenk  ich  ihm  was ,  heb  er  es  wohl 
auf,  denn  es  ist  kein  Dreck*^).  Dose  Btarambergs  ^  mit  Darstellung  der 
Festlichkeiten  bei  der  Vermählung  des  Orossfürsten  Paul  Petrowitsch 
mit  der  Prinzessin  Natalie  von  Hessen.  Dose,  welche  Ludwig  XVI.  auf 
dem  Schafott  seinem  Kammerdiener  Glery  schenkte,  mit  Miniaturen  von 
Spada^  Marie  Antoinette  mit  ihren  Kindern;  an  den  Seiten  die  franzö- 
sischen Könige  und  Königinnen  seit  Heinrich  IV.  Dose  mit  den  in  Sachsen 
gefundenen  Edelsteinen. 

Rechts  davon  (11)  Dosen  aus  Gold,  Lack,  Bergkrystall  u.  s.  w.,  mit 
Portraits  und  Miniaturen,  wobei  eine  in  Form  der  Mütze  (Schapka)  der 
berühmten  Leibcompagnie.  —  Links  (10)  Dosen  mit  Miniatur- Darstel- 
lungen, darunter  eine  von  Blaramberg  ^  mit  der  kleinen  holsteinschen 
Armee  Peters  III.  Blau  emaillirte  Prachtdose  mit  dem  Brustbild  des  Sul- 
tans Mahmud  II.,  der  Kaiserin  Alexandra  Feodorowna  verehrt  (darin  lag 
ein  Shawl). 

Beim  Fenster  verschiedene  Dosen  aus  Elfenbein ,  Porphyr  etc.  Da- 
neben (14)  Dosen  aus  Halbedelsteinen,  z.  B.  mit  einem  prachtvollen, 
dunkelrothen  Karneol,  aus  Flussspath,  Amethyst,  Adular  (Mondstein)  etc. 
—  Gegenüber  (IS)  Dosen  und  Stockgriffe  aus  Porzellan,  Jaspis  mit  Edel- 
steinen u.  s.  w. 

0.  *Oallerie  der  Xostbarkaitea,  alter  Besitz  der  kaia.  Familie.  Die 
auf  den  Zwischenpfeilern  früher  beflndliehen  kostbaren  Miniaturen  sind 
vorläufig  fortgenommen. 

Am  Eingang  zwei  hohe  silberne  Toiletten,  Augsburger  Arbeit,  welche 
der  Zarewna  Sophia  Alexejewna  (Schwester  Peters  d.  Gr  )  gehörten. 

Auf  der  r.  Seite: 

Sehrank  20.  Silbergeschirr,  Schüsseln,  mit  Niello  gezierte  Schalen 
Becher  von  Kokosnüssen.  Nautilus  mit  eingeritzten  Zeichnungen.  Grosse 
Sehüssel  (Schlacht  Alezanders  d.  Gr.  gegen  Darius).  Zwei  Krüge,  einer 
mit  dem  Radzlwillschen  Adler  (aus  dem  Schlosse  Nieswiez).  Zwei  grosse 
silberne  Trinkflaschen,  Geschenke  der  Niederländer  an  den  Zaren  Alexis 
Michailowitseh,  und  vier  Salzfässer  in  Form  von  Schiffen. 

Schrank  19.  Silbergeschirr.  Brett  1 :  Sehüssel  mit  Begegnung  Esaus  und 
Jakobs.  Schüssel  mit  dem  Wappen  von  Riga.  Vier  Trinkgefässe  in  Form 
von  Straussen.    Zwei  Salzfässer  in  Form  von  Schiffen,  deutsche  Arbeit.  — 


Eremitage,  ST.  PETERSBURG.  IL  Soute.     151 

firett  3 :  Wasehbecken  und  Kanne  des  1714  in  Konstantinopel  hingerichteten 
Holdauisehen  Woiwoden  Johann  Scherban  Kantakuzen.  Polnisehes  Trink- 
horn.  Glas-Trinkhom  des  Job.  Drolsehagen,  mit  den  vier  Evangelisten 
und  arab.-kuflsehen  Worten.  —  Brett  3:  Schöner  mit  Huscheln  besetzter 
Pokal,  ein  Geschenk  des  dänischen  Königs  Friedrich  IV.  an  Peter  d.  Gr. 
Prachtvoller  Pokal  mit  Reiter  auf  dem  Deckel.  Zwei  eylinderförmige 
Henkelbecher,  deutsche  Arbeit  xvi.  Jahrb.  Unten :  zwei  prachtvolle  flache 
Trinkflaschen,  Ende  xvi.  Jahrh. 

Sehrank  18.  Silbergeschirr.  Zwei  prachtvolle  Amphoren,  deutsche 
Arbeit  Ende  xvi.  Jahrh.  Grosse  Schüssel,  Kampf  der  Götter  mit  den 
Titanen;  desgl.  mit  Salomon  und  der  Königin  von  Saba.  Zwei  hohe 
Henkelbecher  in  Cylinderform,  deutsche  Arbeit  xvi.  Jahrh.  Vergoldetes 
Trinkgefäss  in  Form  eines  Hahnes,  Krüge,  Waschkannen  u.  s.  w. 

Schrank  17.  Die  eoldnen  Toiletten  der  Kaiserinnen  Katharina  I., 
Anna  Iwanowna,  Elisabeth  I.  und  Katharina  II.  In  der  Hitte  Spiegel  in 
gold.  Rahmen,  von  der  Kaiserin  Anna.  Kästchen,  Büchsen,  Leuchter  u.  a. 

Schrank  IS.  Prachtkasten  aus  Vermeil,  deutsche  Arbeit,  in  Krakau  1533 
gefertigt,  mit  Gameen,  Perlen  und  Edelsteinen  reich  geziert,  vom  Könige 
Sigismund  I.  seinem  Freunde,  dem  Kurf.  Joachim  I.  v.  Brandenburg  ge- 
schenkt, mit  Beider  Wappen.  Schmuckkasten,  Krystall  mit  Türkisen, 
Almandinen  u.  s.  w.,  Augsburger  Arbeit.  Trinksehale,  Muschel  mit  grosser 
emaillirter  Schnecke,  mit  Wappen  und  Titel  des  grossen  Kurfürsten. 
Figuren  aus  Monstre-Perlen,  Arbeiten  der  Dinglinger  in  Dresden.  Sizl- 
lianische  Korallensachen. 

Schrank  16.  Limusiner  Email.  Grosse  Schüssel  von  P.  Raymond, 
Moses  und  der  Pharao  am  Bothen  Meere.  Schüssel,  Apoll  und  die  Musen, 
audi  6  Teller  (die  Monate)  von  Jehan  Court.  Medaillons  aus  Lapis  lazuli. 
Vase  aus  Lapis  lazuli  und  Email. 

Schrank  14.  Bergkrystall.  Pokale  mit  Wappen  und  Ifamenszug  der 
Könige  Friedrich  I.  und  Friedrich  Wilhelm  I.  von  Preussen.  Geschenke 
an  Peter  d.  Gr.  Trinkgefäss  in  Form  eines  Krokodils.  Schone  Pokale. 
Krystall -Pokal  der  Königin  Anna  v.  Gleve,  Gem.  Heinrichs  VIII.  von 
England.  Grosse  mit  Edelsteinen  gezierte  Fruehtsehale  aus  Mariazeil. 
TÖnnchen  mit  Bacchanal,  ital.  Arbeit.  Schmuckkästchen  mit  Halbedel- 
steinen, Augsb.  Arbeit. 

Schrank  13.  Klfenbeinsachen.  Sehaehflguren ,  franz.  Arbeit  aus  der 
Zeit  Karls  IX.  Belief,  die  mütterliche  Liebe.  Rahmen  aus  Lapis  lazuli. 
fieeba  prachtvolle  Krüge.  Grosse  Schüssel  mit  Jagdscenen,  deutsche  Arbeit, 
Anf.  XVII.  Jahrh. 

Sehrank  li.  Oriental.  Sachen.  Kleiner  Tisch  mit  Bubinen  und  Perlen 
besetzt.  Arm-  und  Fussbänder  mit  Smaragden  und  Bubinen.  Tassen- 
halter  mit  dem  emaillirten  Bilde  Feth-Ali  Schahs.  Bäuchergefässe  mit 
Smaragden  und  andern  Steinen  geziert.  Zwölf  Fächer  mit  Diamanten 
und  Miniaturen  verziert,  aus  verschiedenen  Zeiten. 

Schrank  11.  Email.  Porzellan.  Sachs.,  Sfcvres  u.  a.  Tassen^  pracht- 
TOlles  Email  auf  Gold,  angeblich  aus  dem  Besits  des  Prinzen  Eugen  v. 
fiavoyen.  Elephant,  von  Knaben,  welche  Tassen  halten,  umgeben,  altes 
l^ümberger  Fayence.    Zwölf  gemalte  Fächer. 

Sehrank  10.  Glassaehen.  Kunkelsches  und  ital.  Rubinglas.  Venezian. 
Milchglas.  Sehr  feine  deutsche  Gläser  mit  Malerei.  Kelchgläser  mit  Bi- 
ron's  Wappen. 

Schrank  9.  Sachen  aus  kostbaren  Steinen.  Diamant-Federbüscbe,  Ge- 
flehenke  des  Sultans  und  des  Schah  an  Potemkin  und  Ssuworow.  5  Bou- 
quets  von  farbigen  Edelsteinen  und  Brillanten.  Silberne  Statuette  Katha- 
Yina*s  II.  Kleiner  Divan  von  Heliotrop,  Geschenk  des  Stanislaus  August 
Poniatowski,  nachmaligen  Königs  von  Polen,  an  Katharina  II.  Schreib- 
zeug in  Gestalt  eines  Schiflisspiegels ,  von  der  Kaiserin  bei  de  Mailly  zu 
Paris  bestellt  für  den  Sieger  von  Tschesme,  Orlow.  Daneben  der  Katha- 
rinenordens  •  Becher  und  der  Hochzeitsbecher  für  die  kais.  Familie  mit 
Chiffre  der  Kaiserin  Elisabeth  Alexejewna,  Gemahlin  Alexanders  I.  Pracht- 
volle Spazierstöcke  von  Katharina  II.  und  Paul  I.  —  Daneben  Modell  der 
von  Stakensehneider  auf  Wassily-Ostrow  erbauten  Kapelle  des  heil.  Ale- 
xander Newsky. 


152    Boutell.  ST.  PETERSBURG.  ErtmUagt. 

Schrank  8.  Uhren.  Zwei  schöne  Schrankuhren,  Äuggb.  Arbeit.  Zwei 
Stutzuhren,  auf  Säulen  von  Herfordshirer  Puddingstone.  Bär,  welcher  eine 
Trommel  rührt,  um  die  Stunden  anzuzeigen.  Uhr,  Ei,  von  dem  berühmten 
russ.  Mechaniker  Kolibin.  Unten,  grosse  Uhr,  von  einem  Hercules  getragen, 
Geschenk  des  Kurf.  Friedrich  m.  an  den  Zar  Joan  Alexejewitsch,  1688. 

Schrank  7.  Uhren,  meist  mit  Ghatelaines,  mit  Rubinen,  Diamanten,  Sma- 
ragden, Saphiren  u.  a.  Steinen  besetzt.  Aebtissin-Uhr  in  Form  eines  Kreuzes. 

Schrank  6.  Chinesische  Sachen.  Zwei  sitzende  Philosophen.  Vase  und 
zwei  Theekannen  mit  Filigrannetz  auf  vergold.  Grunde  mit  Email  etc.  — 
Schrank  6,  Fortsetzung.  Zwei  goldene  Theekannen.  VierprachtvoUe  mit 
rohen  Edelsteinen  gezierte  goldene  Untertassen.  Sllb.  Theekannen  mit 
Email.    Zwei  goldene  Figuren  von  Philosophen. 

Schrank  4.  Silber  -  Filigran.  Grosser  Spiegel.  Zwei  Körbchen  mit 
Deckeln,  sehr  feine  Japan.  Arbeit.  Bäuchergefasse  etc.  —  Schrank  3. 
Fortsetzung.  Prachtvolle  kolossale  Schüssel  u.  Kanne,  ital.  Arbeit.  Sehreib- 
zeug des  Prinzen  Horitz  v.  Oranien,  in  demselben  ein  Petschaft  des  ersten 
Königs  V.  Preussen  (stammt  aus  der  oranischen  Erbschaft ;  wahrscheinlich 
ein  Geschenk  K.  Friedrich  Wilhelms  I.  an  Peter  I.  bei  seinem  Aufenthalt 
in  Berlin  1717). 

Schrank  3.  Silbersaehen ,  meist  Arbeiten  des  Dänen  Sehliek,  u.  a. 
grosse  Schüssel  mit  Hereules  u.  Wappen  der  russ.  OouTernemeats  am 
Bande.  —  Daneben :  Porphyrsäule  mit  Medaillon,  die  Kaiserin  Katharina  II. 
im  Helme  darstellend,  Cameo,  Arbeit  der  Grossf.,  naehherigen  Kaisarin 
Maria  Feodorowna. 

Sehrank  J.  Vermeil-Schreibzeug  des  Königs  von  Westfalen,  1813  von 
Tschernitschews  Kosaken  zu  Kassel  erbeutet..  Sachen  aus  Stein;  Spina 
des  röm.  Gircus  Maximus.  Tafelaufsatz  aus  russ.  Steinen  u.  a.  Daneben: 
Säule  mit  behelmter  Büste  des  Generals  Kamensky,  Venneil. 

Im  Hintergrund  der  Gallerie ,  neben  der  Thür  nach  den  Guarenglii- 
Zimmer,  Statuette  Peter«  d.  Gr. 

Fensterwand:  In  der  Ecke  Bronze-Modell  des  DeakmaU  von  Poltawa. 
—  Bunde  Vitrine  mit  einer  Sammlung  gesehliffener  Edelsteine  und  Imi- 
tationen. Auf  derselben  eine  schöne  Vase  in  Bauehtopaa.  —  Am  Fenster : 
Elfenbein -Modell  des  Denkmals  von  Poltawa. 

VUrint  1,  Toilette  einer  Japan.  Dame.  Beiefaer  Japan.  Sehmuek  aus 
GoldfiUgrau.  —  <SSeAf*onik  2€.  Bus«.  Blfenbelnarbeiten  (meist  ausArehangel). 
Basrelief  aus  Mammuthknochen ,  Mutter  Gottes  nach  Vitali ,  von  Seherr 
in  Moskau.  Zwei  Vasen  in  durchbrochener  Arbeit,  einst  von  Kaiser  Paul 
an  den  Taikun  geschenkt,  aber  nieht  angenommen. 

Viirin§  2,  Medaillons  von  Kaiser  Paul  u.  Gressfürst  Alexander,  Onyx. 
Die  ältesten  seehs  Kinder  des  Kaisers  Paul,  Marmorrelief.  Arbeiten  der 
Ohrosefürstin  Maria  Feodorowna.  Alexander  I.,  Waehimodell  von  Poseli. 
Königin  Luise  v.  Preussen.  Gusseisen;  u,  a.  —  Schrank  26,  Beise-  und 
Campagne*  Service  des  Kaisers  Alexander  I.  Lampe  aus  Blfenbein  und 
Bernstein,  Art)6it  der  Kaiserin  Maria  Feodorowna. 

Vitrint  9,  Spielzeug  der  kais.  Kinder  In  Silber.  40  Knöpfe,  von  der 
Grossfürstin  (nachher.  Kaiserin)  Maria  Feodorowna  auf  Pergament  ge- 
malt. Ansichten  von  Zarskoje  Sselo,  „ik  la  plus  eh^re  des  mires,  ie  25.  juin 
1790^  dargebracht.  —  Sehrank  24.  Bus«.  Blfenbeinarbeitea.  Ital.  Figuren 
aus  Holz  und  Elfenbein.  —  Daneben  zwei  Statuetten  Peter«  d.  Gr. 

Vitrine  4.  Handspiegel  in  goldenem,  mit  Diamanten  u.  Bubinen  bes. 
Bahmen,  Geschenk  des  Sultans  an  die  Kaiserin  Elisabeth  Petrowna.  Etui« 
aus  Gold,  Silber,  Flussspath,  versteinertem  Holz,  Perlmutter,  Porzellan  ete. 
In  der  Mitte  der  Wand :  Kolossaler  silb.  Weinkühler,  «ehöne  engl.  Arbeit 
aus  der  Zeit  Katharinas  II.  Daneben  auf  Gonsolen  zwei  Tempelehen  von 
der  Spina  des  Circus  Maximus  in  Born.  —  Sehrank  23.  Arbeiten  aus  Stein. 
Goldener  Beeher,  Geschenk  des  Fürsten  von  Serbien  an  Xikolaus  I. 
Cassette,  in  welcher  die  City  von  London  dem  Kaiser  Alexander  II.  eine 
Adresse  überreichte. 

Vitrine  6.  Brillantringe  mit  den  Portrats  von  Friedrich  d.  Gr.,  Katha- 
rina II.,  Paul  und  Maria  Feodorowna.  Armbänder  mit  Miniatur-Porträts. 
Notizbuch  der  Kurfürstin  Sophie  Charlotte,   nachherigen  Königin   von 


^Eremitage.  ^ST.  MTERSRÜRG.  11.  Xüute.    163 

Prensseii.  Kostbare  Samniluiig  von  Bingen,  xl.  b.  w.  —  Sdirank  ü. 
Arbeiten  aus  Statal  (meist  aus  Tula).    Cassetten,  Sebacbflguren  n.  s.  w. 

Vitrine  6.  Nadelbüchsen  und  Etuis,  ans  Gold,  Perlmutter,  Por- 
zellan u.  s.  w.  Flaeons.  —  Daneben ,  auf  Gonsolen ,  die  glelcbeeitigen 
Basten  Carls  von  Anjott  und  seiner  Gemahlin  Margaretbe  von  Flandern. 

—  Schrank  21.  Filigransaehen.  Hahn,  aus  Peru.  Holland.  Kinderspielzeug, 
Imitationen  antiker  Sachen  von  Schlick.' 

Vitrine  7.  Album  (Stammbuch)  der  GFemahlin  des  Kurfürsten  Georg 
Wilhelm  von  Brandenburg  und  der  beiden  Gemahlinnen  des  grossen 
Kurfürsten,  emaillirt  und  mit  kostbaren  Steinen  geziert,  mit  Autographen 
Gustav  Adolphs  von  Schweden  und  vieler  Fürstlichkeiten  aus  der  Zeit 
des  30jährigen  Krieges.  —  Prachtvolle  Faveurs  (fürstliche  Geschenke) 
aus  dem  xvi.  Jahrb.  Bijou  des  Hosenbandordens  mit  St.  Georg.  Sou- 
venir mit  dem  emaillirten  Portrait  Gustavs  III.,  von  ihm  der  Kaiserin 
Katharina  II.  verehrt. 

Auf  den  Vitrinen  indische  und  chines.  Figuren  und  Vasen  aus  Mar- 
mor, Pagodit,  Ifephrit  u.  a.  Steinen. 

An  diese  Gallerie  schliesst  sich  das  Gabinet  Onareaghl,  von  diesem 
berühmten  Architecten  (S.  122)  angelegt.  Schöne  Mosaiken  nach  Ge- 
mälden der  Eremitage  und  BaffaelB  Transflguration  von  Weckler.  An 
der  Hauptwand,  Kaiserin  Elisabeth,  Peter  III.  und  Katharina  II.  von 
Lomonossow.  Tulaer  Stahlarbeiten  aus  dem  xviii.  Jahrh.  Bronze- 
statuette Blüchers  von  Rauch. 

III.  Lakgb  Gallerie,  1^  auch  die  Somanow'aehe  Oallerie  genannt. 
Portraits  der  Mitglieder  des  Hauses  Romanow,  vom  Patriarchen  Philaret 
l^ikititsch,  dem  Vater  des  Zaren  Michael  an.  (Vgl.  Bar.  v.  Köhne,  La 
Galerie  Romanow.)  L.  Michael  Feodorowitsch.  —  Alexei  Michailowitsch, 
von  einem  holländischen  Maler.  —  Sophia  Alexejewna,  als  Regentin, 
mit  Krone,  Scepter  und  Reichsadler,  vom  Titel  umgeben,  auf  der  Brust 
des  Reichsadlers  (das  Bild  spielte  im  Prozess  der  Zarewna  eine  Rolle). 

—  Peter  der  Grosse,  verschiedene  Originalportraits  von  Nattier,  Rigaud, 
Kupetzky  u.  a.  —  Katharina I.  als  Kaiserin.  —  Iwan,  der  ältere  Bruder 
Peters ,  in  deutscher  Rüstung.  —  Alexei  Petrowitsch  und  Sophie  Charlotte 
von  Braunschweig,  seine  Gemahlin. 

R.  die  Regentin  Anna  Leopoldowna  und  der  junge  Johann  III.  — 
Elisabeth  I.  von  Tocqu^.  —  Peter  ni.  —  Katharina  II.  von  Erikson  (in 
der  Uniform  des  Preobrashenskischen  Regiments  auf  einem  Schimmel 
nach  Oranienbaum  reitend),  von  Lampi  u.  a.  —  Paul  Petrowitsch  mit 
seiner  ersten  Gemahlin  l^athalie  von  Hessen  und  der  zweiten,  Maria  von 
Württemberg,  von  Faleonet,  Roslin  u.  a.  Die  Kinder  des  Kaisers  Paul. 
Derselbe  als  Grossmeister  des  Ifalteserordens.  —  Alexander  I.  mit  Ge- 
mahlin. —  Grossfürst  Konstantin  Pawlowitsch.  —  Kaiser  Nikolaus  und 
Gemahlin  und  ihre  Kinder.  —  Grossfürst  Alexander  Nikolajewitseh  als 
Hetman  der  Kosaken;  derselbe  als  Kaiser.  -^  Kaiserin  Maria  Alexan- 
drowna.  Königin  Anna  Pawlowna  mit  Gemahl  Konig  Wilhelm  II.  der 
Niederlande,  von  de  Keyser.  Die  Sohne  und  Töchter  des  Kaisers  Niko- 
laus ,  Ton  Mme.  Robertson ,  u.  s.  w. 

Am  Ausgang  das  Reglement  für  die  Eremitage,  von  Katharina  erlassen, 
nach  welchem  sich  jeder  zu  richten  hatte.  Jeder. Besucher  hatte  am  Ein- 
gang seinen  Titel  und  Degen  abzulegen  u.  s.  w. 

Aus  dieser  Gallerie  kommt  man  durch  ein  kleines  Cabinet  in  einen 
schönen  Marmorsaal  imbyzant.  Stil  nach  der  Newa,  von  Stakenschneider  er- 
baut, mit  den  Portraits  der  Kaiserin  Katharina  11.  von  Lampi  und  der  Gross- 
fürstin Maria  Feodorowna  von  Mme.  Vigee-Lebrun.  Daneben  der  WinUr- 
garten  mit  Statuen  und  einer  seit  Katharina  II.  bestehenden  Voliere. 

Diesweite,  auch  neue  odergrosse  Eremitage  der  Kaiserin  Katha- 
rina II.  besteht  aus  zehnZimniern  (xxTiil-xzxiy,  xxxvii-xxxix)  nach 
der  Newa  und  vier  Zimmern  nach  dem  Hofe.  Alle  Zimmer  haben  grüne 
Wände,  französische  und  niederländischeGemälde,prachtvoUeMöbel. 

XXVIII.  Prachtsaal  mit  6  Dioritsäulen ,  mit  schöner  Aussicht  auf 
die  Newa«,  Mosaik-Möbel  altflorcntinischer  Arbeit.    Vier  Vasen  von  Rosa- 


154    UouUll.  ST.  PETERSBURG.      Newiky-Proaptet. 

Aehat  u.  s.  w.   Hauptwand:  1444.  Lt  Sueur^  Aussetsung  Mosii;  1449.  Ders., 
Steinigung  des  Stephanus;  1443.  Vouet.  Tod  der  Lueretia. 

XXIX.  Gabinet.  1488a.  Mme.  Vigie-Lebrwn  ^  Friedensgenius  (Portrait 
«ines  junffen  Fürsten  Lubomirski).  1468.  Dt  la  Foste^  Hagar  in  der  Wüste ; 
Ders.,  14o4.  Der  auferstandene  Christus,  1465.  Christus  erscheint  den  drei 
heil.  Frauen.    1430.  S.  Bourdon^  heil.  Familie.  —  Labrador-Tisch. 

XXX.  787.  BloetMUy  Landsehaft  \  1108.  WijnanU  nnd  Wijntrack.  Heier- 
hof ;  14Ö9.  La  Hire^  Abrahams  Abreise.  —  Prachtvoller  florentiner  Sehrank 
In  Pietra  dura.    Mosaiktisch  aus  werthvoUen  sibirischen  Steinen. 

XXXI.  1535,  HalU^  Sehlacht  \  1205.  Dirk  van  DeeUn,  Tempel  zu  Jerusalem; 
1050.  PieUr  Wouioerma»^  Hirsehjagd;  965.  Molenaar,  Zugefrorener  Canal. 
1455.  Mignard,  Jephthas  Bückkehr.  —  Zwei  prachtvolle  florentiner  Schränke. 

XXXII.  1167.  Moucherony  Berglandsehaft ;  1069.  Van  der  Doee,  Gewitter. 

XXXIII.  (Halbrundes  Gemach).  1395, 1396.  Poutsiny  Sieg  der  Juden  über 
die  Amalekiter  und  dieAmoriter.  1412, 1415.  Poutein,  Landschaften.  1532, 1533. 
Bourguignon^  Sehlaehtstücke.  1536.  Le  Pivre^  Esther  und  Ahasverus.  1416, 
1417.  SMla,  Himmlischer  Gruss  und  heU.  Familie.  1446, 1448.  Le  Sueur,  heil. 
Anna  und  Maria,  Tod  der  Maria.  —  Mosaiktisch  aus  sibirischen  Steinen. 

XXXIV.  P.  de  Voty  Bärenjagd;  13U.  ff<mdm$y  Eberjagd;  1493, 1493.  Le 
ilTato  (Brüder),  Familienscenen ;  1405.  Poweiny  Testament  des  Eudamides; 
1423.  Bourdm,  Landschaft;  1651,  1552.  Jos.  Vemet.  Hafen  und  Schiffbruch. 

XXXV.  (Boudoir,  nach  dem  Hofe).  1451,  1452.  CKoperon,  Kinder- 
Bacchanale  t  1432,  1437.  Claude  Lorrain ,  der  Golf  von  Bajä  und  der 
Abend ;  1604,  1505.    Pater^  Truppen  auf  dem  Marsche. 

Daneben  1.  Sehla/zimnur  in  blauer  Seide;  über  der  Thür  /.  B.  tan  Loo, 
türkische  Damen.  —  Weiter  Badeximnur:  Plafond  von  /.  B.  van  Loo,  Genien 
der  Venus  huldigend.  Ueber  der  Badewanne,  Venus  im  Bach,  von  demselben. 

Zurück  durch  XXXV  nach 

XXXVI.  Cabinet.  Kleinere  Bilder  von  Chardin^  Lancrety  de  Marne ^ 
L^AlUmagne  u.  s.  w. 

XXXVII.  Grosser  Prachtsaal,  durch  eine  doppelte  Beihe  Fenster 
erleuchtet,  mit  6  Fenstern  nach  der  Kewa,  8  Säulen  aus  schwarzem  weiss- 
geaderten  Marmor,  auf  hohen  Basen  von  braunem  Marmor  mit  Blattwerk 
aus  vergoldeter  Bronze.  Zwei  Kamine  von  Säulen  aus  Bandjaspis  ein- 
gefaast,  die  Mäntel  aus  weissem  Marmor  mit  Verzierungen  aus  Lapis 
lazuli;  Deckengemälde  aus  der  venezian.  Schule;  Sehränke  in  florentiner 
Mosaik.  1456.  Mignardy  Alexander  d.  Gr.  im  Zelte  des  Darius;  1497, 
1496.    De  Tropy  Lot  mit  seinen  Töchtern;  Susanna  im  Bade. 

XXXVIII.  1331,  1332.  De  Fos,  Hirsch-  und  Leopardenjagd;  1335. 
Bloemy  Speisekammer ;  1342.  Hondecoetery  Jagdtrophäen.  Zwei  alte  floren- 
tiner Mosaiktisehe. 

XXXIX.  Eckzimmer.  1461.  Coypely  Venus  Anadyomene ;  1542.  PaUly 
Landschaft;  1419.  £otfrdon,bethlehemit.  Kindermord.  Vier  Seelandschaften 
'S on  J,  Vemet.  1494.  Brüder  Le  Ifain,  Bauernversammlung;  1473.  Le 
Moyne,  Apollo  und  Daphne;  1440.  Vouet^  Maria  mit  dem  Kinde;  1539. 
Bileocq,  jüdiseher  Arzt.  —  Prachtvolle  Marmortisehe,  ital.  Mosaik. 

Diese  Zimmer,  eingerichtet  für  den  verstorbenen  Thronfolger, 
"wurden  zuerst  vom  Prinzen  von  Wales  bewohnt,  dann  zweimal  vom 
Schah,  vom  Kaiser  Franz  Joseph,  vom  deutschen  Kaiser  und  Ge- 
mahlin etc. 

Vom  letzten  Saal  XXXIX  führt  ein  Corridor  L  zu  dem  Bogen 
über  dem  Winterkanal  (mit  Gemälden  von  Platzer,  Rotari  u.  a.)  in 
das  Theater  der  Eremitage  (S.  118). 

d.  K«WBky-Proipeet. 

Nach  Osten  läuft  vom  Admiralitätsplatz  der  *Kewsky-Proipeet 
(HeBCKHÜ  npocneKn)  aus ,  35  m  breit ,  fast  5  km  lang,  die  längste, 
schönste  und  belebteste  aller  grossen  Petersburger  Strassen ;  er  führt 


Netosky-Prospect.     ST.  PETERSBURG.  JL  Saute.     155 

Ton  der  Admiralität  in  schnurgerader  Richtung  bis  zum  Snamjensky- 
Platz  (P1.H6);  TOn  da  mit  geringer  s.  Biegung  auf  das  Alexander- 
Newsky-Kloster  (S.  167}  zu  und  durchsclineldet  alle  Yerschiedenen 
Ringe  der  Stadt,  die  vornehmen  und  eleganten  Quartiere  wie  die 
ärmeren  Viertel  auf  der  Peripherie.  Die  belebteste  Seite  ist  die  nörd- 
liche (die  Sonnenseite),  die  auch  die  glänzendsten  Läden  und  Maga- 
zine enthält ;  die  ganze  Strasse  hat  jetzt  elektrische  Beleuchtung. 
EineEigenthümlichkelt  besonders  dieser  Strasse,  die  vereinzelt  auch 
in  anderen  Strassen  gefunden  wird,  bilden  die  von  Eisen  leicht  er- 
bauten Schutzdächer,  welche  fast  vor  jeder  Hausthür  quer  über  das 
breite  Trottoir  zum  Fahrdamme  führen.  Ursprünglich  dazu  be- 
stimmt, bei  Regen-  und  Schneewetter  den  Insassen  der  Equipagen 
einen  geschützten  Zugang  zu  den  Häusern  und  Magazinen  zu  er- 
möglichen, dienen  sie  zugleich  zum  Anbringen  jeder  Art  von  Schil- 
dern und  Reclamen. 

Das  Strassenlebea  auf  dem  Newsky-Prospect  ist  überaus  lebhaft 
\ind  mannigfaltig.  Alle  Arten  von  Wagen ,  von  den  eleganten  Equipagen 
der  kaiserliehen  Familie  (kenntlich  an  dem  Diener  in  hellrother  Livree) 
und  der  Vornehmen  und  Reichen  bis  herab  zu  den  verschiedenen 
Sorten  der  Lohnfuhrwerke  (S.  93)  drängen  sich  mit  den  Tramways  und 
Omnibus  auf  den  Fahrwegen  in  raschester  Bewegung  durch  einander, 
dazwisehen  zahlreiche  Heiter  der  sehr  bunt  und  glänzend  uniformirten 
St.  Petersburger  Garnison.  Auf  den  Trottoirs  tummelt  sich,  besonders  an 
Feiertagen,  eine  aus  Vertretern  aller  Bacen  und  Völkerschaften  zusammen- 
gesetzte, in  den  verschiedensten  Nationaltrachten  und  Uniformen  (denn  fast 
ein  Zehntel  der  männlichen  Bevölkerung  St.  Petersburgs,  bis  zu  den  Subal- 
tembeamten  und  Schülern  herab,  trägt  Uniform)  einherstolzirende  Menge. 
Unter  den  charakteristischen  Figuren  fallen  zuerst  die  Basnosentsehiks 
(Hausirer)  auf,  die  zwar  in  allen  russischen  Städten,  besonders  zahlreich 
aber  in  St.  Petersburg  vertreten  sind  und  sich  hier  namentlich  in  der  Nähe 
des  Gostinny-Dwor  herumtreiben.  Zu  ihnen  gesellen  sich  im  Winter 
die  Strassenverkäufer,  Verkäufer  von  Thee  oder  Ssbiten  (warmes  Getränk 
aus  Heth  mit  Ingwer  oder  spanischem  Pfeffer),  die  an  allen  Strassenecken 
ihre  Tische  mit  dem  grossen  kupfernen  Ssamowar  aufgestellt  haben  oder 
die  Getränke  in  handtuchumwickelten  Glaskrügen  umhertragen  und  mit 
dem  Bufe  „Kipjät!  kipjät!"  (er  kocht)  ihren  Thee  und  mit  „Prikusska" 
(HjpucycKa)  einen  Imbiss  anpreisen.  Im  Sommer  werden  sie  abgelost  durch 
die  Verkäufer  von  Eis  und  Kwass  (ein  aus  Welkmalz  gebrautes  und  ge- 
gohrenes  alkoholisches,  angenehm  kühlendes  und  durstlöschendes  Ge- 
tränk), die,  ihre  schönen  Glaskrüge  auf  dem  Kopfe  tragend,  mit  gellender 
Stimme  ihr  „Ewass  mjodowoi"  (Honigkwas)  oder  JS^wass  malinowy" 
(Himbeerkwas)  anpreisen  und  massenhaft  absetzen.  Ferner  machen  sich 
die  wandernden  (Garkoche  bemerklieh,  deren  Piroggen  oder  Pasteten, 
mit  gehacktem  Kohl,  Buben,  Fleisch  und  Fisch  gefüllt,  so  wenig  zu  ver- 
achten sind  wie  ihre  verschiedenen  Pürees  (namentlich  Kissel  gorochowy, 
Erbsen-,  Kissel  malinowoi,  Himbeerpuree) ,  und  die  zahllosen  Pfann- 
kuchenverkäufer  (Hpoxasqu  (Sjkhobi).  Mit  „Gorätshija!  gorätshija ! '^ 
(warme,  warme,  PopH^ifl)  bieten  die  einen  „Gräsehnewiki'',  kleine,  cylinder- 
förmige  Kuchen,  mit  „Wjäsemsky  pranniki  (WjäsemskischePfefTerkuchen) ! 
ssami  luischiji!  (allerbeste)"  die  Honigkuchen  von  Wjasma,  besonders  be- 
rühmt, an.  Andere  oft  zu  hörende  Stratsenru/e  sind :  „Gowjadina  I  gowjad !  '^ 
(Rindfleisch,  Fleisch,  roBAAHHa,  roBajp»);  „Molodija  ziplata!"  (junge  Küch- 
lein, xojioffue  AunJflTa) ;  „Kapusta,  Shlnderi,  Petruschka ! "  (Kohl,  Sellerie, 
Petersilie,  Kanycra u.  s.  w.) ;  „Zwjäti  zwjätotschki!'^  (Blumen,  Blümehen); 
„SsapogiKasanskijal"  (Stiefeln  aus  Kasan);  »Chalati  Bueharskiji  l'*  (bu- 
chariscbe Schlafröcke);  „KartinkiMoskowskije  1 "  (Bilderbogen  aus  Moskau); 
„Stekli  wstawatjl"  (Fenster  einsetzen);  „Igrusehki  djätskija!"  (Kinder- 
spielzeug) ;  „Moloko,  swäsheje  moloko ! "  (Milch,  frische  Milch)  u.  s.  w. 


156    Bimte  11.  ST.  PSTEBSBURG.     Nemky-Pro$p6ct. 

Unter  dem  weiblichen  Oesehleeht  sind  aaffaU^id  die  Ammen  in  ihren 
bunten  und  reichen  Nationalkostümen ;  die  Hauptfarben  sind  hellroth  (für 
Jungen)  oder  blau  (für  Kadchen);  darüber  gewöhnlich  ein  mit  silbernen 
Troddeln  reich  verzierter  TJeberwurf  ^  die  kleidsame  Haube  in  derselben 
Farbe  (Kokosehnik),  wie  ein  Diadem  mit  vielen  Perlen  und  Silber  ver- 
siert, sitzt  ganz  auf  dem  Hinterkopfe  und  sieht  allerliebst  aus.  :Kaeht8 
fallen  die  vielen  Hausknechte  (Bworniks,  ffBopmix'b)  auf,  welche,  in  ihren 
Poluschubok  (Halbpelz)  gehüllt,  an  den  Hausthüren  auf  dem  Steinpflaster 
oder  auf  hölzernen  Pritschen  liegen.  Die  Aufsicht  über  das  Strassenpub* 
likum  führen  die  Oorodoweis  (Polizisten,  früher  Butschniks  genannt,  weil 
sie  in  kleinen  Buden  oder  Butken  auf  der  Strasse  campirten). 

Die  über  die  Fontanka  führende  Anitschkow -Brücke  (S.  160) 
schliesst  den  schönsten  und  lebhaftesten  Theil  des  Newsky-Prospects. 
An  der  Fontanka,  die  am  Sommergarten  (S.  119)  von  der  Newa  sich 
abzweigt  und  unfern  der  Mündung  sie  wieder  trifft,  hinabblickend, 
gewahrt  man  eine  Reihe  von  grossen  Gebäuden  und  Palästen,  unter 
ihnen  das  Palais  der  Fürsten  BiaZoselsky  -Bialosersky ,  jetzt  dem 
Orossfvrsten  Ssergei  Alexandrowitsch  gehörig,  im  reichsten  Barock- 
stil, weiter  zur  Linken  das  Haus  des  Fürsten  Jussupow  (ehem.  JBra- 
niekij  dann  Benarddki), 


Jenseit  der  Polizeibrücke  an  der  Ostseite  des  Molka-Kanals  liegt 

am  Newsky-Prospect  1.  die  1834  erbaute  hoUändisohe  Kirche  (Ilep- 

KOBbroiiaHACsafl;  PL  104 :  F5);  Inschrift :  „Deo  et  Salvatorisacrum^. 

Gegenüber  auf  der  andern  Seite  der  Qrossen  Stallhofstrasse  (s.  u.) 

die  1838  vollendete  lutherische  Peters-Kirche  (UepKOBb  JtiOTepaHCKafl 

Ilerpa  h  Dasia ;  PI.  111|:  F5),  im  gothischen  Stil  mit  zwei  Thürmen; 

schöne  Orgel,  Altarbild  von  Brülow,  Christus  am  Kreuze. 

In  der  vom  Newsky-Pros]^ect  nach  17.  auslaufenden  Grossen  Stall- 
hofstrasse (BoUefuva  Konjuschennaja  ^  PI.  F5)  1.  die  1780  umgebaute 
reformirte  Xirohe  (PI.  116 :  F  5),  in  ihr  ein  Stuhl ,  auf  dem  laut  Inschrift 
Peter  der  Grosse  am  31.  Juli  1724  einer  Taufe  beiwohnte.  *-  Gegenüber 
r.  die  Finnländische  St.  Marienkirche  (PI.  101),  von  1804;  femer  die  1767 
und  1864  restaurirte  Sehweditche  St.  Kaiharinenkirche  (PI.  118).  Unterhalb 
derselben  das  Huseum  der  kaiserlichen  Wagen  (^BopqoBBruji  KonromHH)  in 
den  zum  alten  Harstall  gehörigen  Gebäuden  (PI.  Fö).  Bie  Erlaubniss 
zur  Besichtigung  erhält  man  in  dem  Gebäude  des  Ober-Stallmeisters  neben 
dem  Marstall  (vgl.  S.  99).  Prachtvolle  Gobelins,  Tapeten  von  Arras, 
1574  für  Sigismund  August  v.  Polen  angefertigt ;  der  KrÖnungswagen,  ein 
Geschenk  Friedrichs  des  Grossen  an  Elisabeth  Petrowna,  Schlitten  u.  a. ; 
verhüllt  auch  der  bei  dem  Attentat  am.  1.(18.)  März  18ol  zertrümmerte 
Wagen  Kaiser  Alexander*s  IL  Gegenüber  der  neue  kaiserliche  MarstaU 
(PI.  F5;  Eintritt  s.  S.  99). 

Schräg  gegenüber  der  Peterskirche,  frei  auf  grossem  Platze  ge- 
legen, in  dem  belebtesten  Theile  der  Stadt  erhebt  sich  dieKftsan'tohe 
Kathedrale  oder  Kathedrale  der  Kasan' sehen  Mutter-Oottes  (Ccöopi 
KasaacKofi  Bosieä  MarepM ;  PL  91 :  F  5) ,  kenntlich  an  ihrer  halb- 
kreisförmigen ,  der  Peterskirche  in  Rom  nachgebildeten  Colonnade 
von  132  korinthischen  Säulen.  Die  Kirche,  auch  durch  ihr  Inneres 
imponirend,  gleich  der  Isaaks- Kathedrale  auf  Pfählen  ruhend, 
1802-11  mit  einem  Kostenaufwande  von  2ViMill.  R.  erbaut,  hat 
Kreuzesform ,  ist  70  m  lang ,  33  m  breit  und  wird  überragt  von 
einer  bronzenen,  20  m  im  Durchmesser  haltenden  Kuppel ;  die  Höhe 


NewjikyPrespect     ST.  PETERSBURG.  IL  Route,     157 

bis  zar  Spitze  des  die  Kuppel  krönenden  Kreuzes  beträgt  66  m.  An 
den  Aussenvpänden  stehen  in  Nischen  die  Koloss&lstatuen  der  Hei- 
ligen Wladimir,  Alexander  Newsky,  Johannes  und  Andreas.  Die 
mit  Reliefs  geschmückten  Bronzethüren  der  Haupteinginge  sind 
Gopien  der  Thore  des  Doms  von  Florenz. 

Im  lanem  zieht  sich  eina  vierfache  SauUnreihe  korinthiMher  Ord- 
nung Yon  den  die  Kuppel  tragenden  4  Pfeilern  zum  Hauptaltar  und  den 
drei  Hauptthoren  der  Kirehe.  Die  Säulen  (56)  sind  Monolithe  von  finn- 
ländischem  Granit ,  11  m  hoch ,  Basen  und  Kapitale  von  Bronze.  Der 
Ikonostas,  sowie  die  gegenüberliegende  Balustrade  sind  von  Bilher,  das 
wie  die  Inschrift  der  Balustrade  sagt,  von  den  Donischen  Kosaken  nach 
dem  Kriege  von  1812  gespendet  wurde.  —  Das  wunderthätige  JfuttergotUi- 
Hld^  1679  von  Kasan  nach  Moskau,  von  dort  1731  nach  St.  Petersburg  ge- 
bracht und  in  der  Dreifaltigkeitskirche  aufgestellt,  bis  es  1811  in  die  Ka^ 
san'sche  Kathedrale  gelangte,  hängt  mitten  in  der  Kirche  und  ist  stets  von 
Andächtigen  umlagert  \  es  ist  geziert  mit  Gold  und  Edelsteinen  von  enormem 
Werthe;  der  kostbare  Sapphir  ein  Geschenk  der  Grossfürstin  Katharina 
Pawlowna.  —  Von  den  übrigen  Schätzen  der  Kirche  erwähnen  wir  das 
Bild  des  heil.  Basilius  (von  Schebujew),  die  4  riesigen  silbernen  Gande- 
laber  vor  dem  Hochaltar,  das  vom  Grafen  Stroganow  geschenkte  Tabernakel 
mit  16  Säulen  aus  kostbaren  Steinen  u.  s.  w. 

Einen  militärischen  Anstrich  geben  der  Kirche  die  an  den  Pfeileru  und 
Wänden  angebrachten  eroberten  franzosischen,  türkischen  und  persischen 
Fahnen,  die  Schlüssel  eroberter  Städte  (Hamburg,  Leipzig,  Dresden,  Reims, 
Breda,  Utrecht  u.  s.  w.)  und  der  Marsehallstab  Davoust  s.  —  Mitten  unter  den 
Trophäen  das  Orabmal  det  Fürsten  Kutmow  (f  1818),  an. der  Stelle,  wo  er 
sein  Gebet  «verrichtete,  bevor  er  1813  nach  Ssmolensk  zur  Armee  abging. 

Auf  dem  Platze  vor  der  Kathedrale  die  Denkmäler  der  Feldmar- 
schälle Kutuaow  und  Barclay  de  Tolly  (PL  27 :  F  ö),  nach  Entwürfen 
von  Orlowsky  1837  errichtet;  an  den  Sockeln  vorn  die  Widmungs- 
Inschriften  („Dem  Feldmarschall  Fürsten  Kutusow-Ssmolensky 
1812''  und  „Dem  Feldmarschall  Fürsten  BarcUy  de  Tolly  1812''). 

Südwestl.  von  der  Kasan^sehen  Kathedrale  dehnt  sieh  zwischen  der 
Kasanskaja,  der  Erbsenstrasse  (Gorochowaja)  und  der  Moika  der  zum 
i^^ndelAatMe  (QimepaTopcsiA  BocnnraTejiBHuft  ^OJTB ;  PL  37:  F5, 6)  gehörende 
Oebäudeeomplex  aus ,  der  mit  seinen  Dependenzen  (Schulen ,  Kranken- 
häuser, Entbindungsanstalt  u.  s.  w.)  fast  den  ganzen  Baum  vom  Newsky- 
Prospect  bis  zur  Gorochowaja  einnimmt.  Besuch  für  Fachmänner  von 
Interesse. 

Jenseit  der  Kasan' sehen  Brücke  links  das  Gebäude  des  Kauf- 
manns' Klubs,  daneben  die  katholische  Xatharinenkirche  (PL  107 : 
F5),  1783  von  de  la  Mothe  erbaut  Im  Innern  die  Orabmäler  des 
Polenkonigs  Stanislaus  August  Poniatowski  (f  1789)  und  des  Gene- 
rals Moreau  (f  bei  Dresden  1813). 

Gegenüber  der  Katharinenkirche  r.  das  Stadthans  (rpaACKan 
Ayva;  PI.  211:  F5),  ein  wenig  ansehnliches  Gebäude,  in  dessen 
Bäumen  u.  a.  die  Oartenhau^Oesellschaft  sich  versammelt.  Da- 
neben, Front  nach  dem  Newsky-Prospect  und  gegenüber  der  Michael- 
strasse (s.  unten) ,  steht  eine  kleine  Kapelle  (HacoBHfl),  stets  von 
zahlreichen,  Gaben  spendenden  Andächtigen  besucht.  Zwischen 
dieser  Kapelle  und  der  Grossen  Gartenstrasse  der  Ctostiuny-Dwor 
oder  Bazar  (FocTHEHuä  Aaopi;  PL  46:  F  5,  6) ,  in  seiner  jetzigen, 
Ton  Katharina  II.  herrührenden  Gestalt  ein  grosses  Trapezoid  mit 


158    Soute  IL  ST.  PETERSBURG.      New$ky-Pro8pect. 

mehreren  Höfen ,  das  sich  bis  zur  Tschernischowstrasse  (s.  unten) 
hinzieht.  In  Bogengängen  und  lauter  kleinen  Einzelwölbungen  reiht 
sich  Laden  an  Laden,  welche  jedoch  in  Hinsicht  auf  Raum  und  Ele- 
ganz hinter  den  übrigen  Magazinen  des  Newsky-Prospects  zurück- 
stehen. 

Oleich  jenseit  der  Katharinenkirche  mündet  1.  die  Michael 
( Michaüoicskaja)'  Strasse,  mit  hübschem  Durchblick  nach  dem 
neuen  Michailow-Palast  (S.  121).  Weiter  am  Newsky-Prospect  L 
die  armenische  Kireha  der  h.  Katharina  (Aphhhckrii  UepKOBbCBJiToM 
EKarepHEiii ;  PI.  97 :  F  5) ,  1779  nebst  den  anstossenden  Gebäuden 
auf  Kosten  Lazarew's  (S.  117)  erbaut.  Dicht  daneben  die  Passage 
des  Grafen  Steenhock,  mit  Magazinen,  Restaurants,  dem  berühmten 
Oassner' sehen  anatomischen  Museum  u.  s.  w.,  ein  Durchgang  nach 
der  Italianskaja  (PI.  FG5).  In  dieser  r.  zwischen  der  Grossen  und 
Kleinen  Gartenstrasse  das  Jtutiz- Ministerium  (PL  165).  —  Gegen- 
über r.  in  dem  Dreieck  zwischen  der  Grossen  Gartenstrasse  (S.  160), 
dem  Alezandraplatz  und  dem  Newsky-Prospect  erhebt  sich  die 
kaiiarlieho  ölfentliehe  Bibliothek  (PL  22:  FG5,6),  deren  Besuch 
kein  Fremder  versäumen  sollte. 

lieber  Benutzung  und  Besichtigung  der  Bibliothek  a.  S.  96.  Die 
Besucher  versammeln  sieh  um  i  Uhr  im  Empfangssaale  und  werden  durch 
Bibliothekare  herumgeführt.  Eingang  vom  Alexandra-Platz.  —  Vgl.  die 
Broschüre  des  Oberbibliothekars  Dr.  Minzlow :  „Ein  Gang  durch  die  Kaiser- 
liche öffentliche  Bibliothek''  (Verlag  von  H.  Schmitzdorff ;  40  Kop.). 

Katharina  II.  bestimmte  bereits  den  jetzigen  Platz,  auf  welchem 
sich  die  Ställe  des  Anitschkow'schen  Palais  befanden,  für  eine  öffent- 
liche Bibliothek ;  doch  begann  der  Bau  derselben  erst  im  J.  1794, 
nachdem  die  Warschauer  Bibliothek  nach  St.  Petersburg  gebracht 
war,  unter  Ssokolow's  Leitung.  Bis  1810  war  der  Eckbau  vollendet ; 
1828-30  kamen  die  am  Alexandra -Platz  nach  den  Plänen  Rossi*8 
aufgeführten  Räumlichkeiten  hinzu.  In  den  letzten  20  Jahren  wurden 
für  den  Ausbau  und  neue  Einrichtungen  grosse  Summen  verwendet. 
Im  J.  1867  besass  die  Bibliothek  bereits  1,044,045  Bände,  34,178 
Handschriften  und  85,691  Kupferstiche,  Karten  u.  s.w. ;  französischer 
Katalog  von  Muralt.  Der  grosse  vortrefflich  eingerichtete  Lesesaal 
im  Obern  Stock,  1862  eröffnet,  wird  jährlich  von  weit  über  100,000 
Lesern  benutzt  (Eintritt  s.  S.  99). 

Im  ersten  Saale  r.  vom  Eingange,  mit  Porträts  von  Derschawin  und 
Ifowikow,  die  moderne  schöneLiteratur.  Im  nächsten  kleinen  (Portr. 
des  Dichters  von  Wisin  und  Büste  Alexanders  von  Humboldt)  und  dem 
1.  anstossenden  Saale  naturwissenschaftliche  Werke^  in  Vitrinen 
kirchenslavische  und  altrussisehe  Drucke,  nach  ihrer  Herkunft 
geordnet  (Bibelübersetzung  des  Dr.  Fr.  Skorina  in  Prag  1616-1519 ;  das  erste 
in  Bussland  gedruckte  Buch,  die  Apostelgeschichte,  Hoskau  1.  März  1564); 
astronomische  Instrumente  Wallenstein^s.  Der  folgende  Ovale  Saal  mit 
fünf  tiefliegenden  Bogenfenstern  (HarmorbQste  Alezander^sl.)  enthält  alte 
kirchenslavische  Drucke  (bis  1735)  und  die  kara'itischen  Handschrif- 
ten (u.  a.  47  Schriftrollen  des  Pentateuch  aus  dem  1.  Jahrtausend  n.  Chr.). 
Dann  folgen  2  Säle  mit  Handschriften  (Porträt  des  Kaisers  Nikolaus) : 
Autographen  berühmter  Männer  und  Frauen ,  dabei  wichtige  Staatsdoeu- 
mente  frans,  u.  a.  Herrscher,  Thronbesteigungs- Adressen  jüd.  Gemeinden 


Newshy-Prospect.    ST.  PETERSBURG.  11.  Boute,     1Ö9 

in  Originftleinbänden ,  kostbare  Handschriften  in  den  altelaMischen,  ro- 
manischen und  germanischen  Sprachen  (den  Grundstock  der  lateinischen 
bilden  die  berühmten  Zaluskrschen  und  Dubrowski'schen  Sammlungen) ; 
angebl.  Koran  des  Khalifen  Osman  in  kuflscher  Schrift ;  orientalische  (pers., 
kurd.,,  samaritan.)  Handschriften ;  italienische,  französische  und  deutsehe 
Hiniaturen  (Gebetbücher  der  Königinnen  Anna  von  Bretagne,  Louise  von 
Savoyen  u.  Maria  Stuart;  Evangelienbuch  des  Demetrius  Paläologus  mit 
griech.  u.  ital.  Miniaturen,  wobei  das  Brustbild  des  Kaisers  Manuel  II. 
Paläolog.);  musikalische  Handschriften;  der  berühmte  Codex  Sinaiticns, 
der  Zweitälteste  griech.  Bibeltext,  aus  dem  iv.  oder  v.  Jahrb.,  von  Prof. 
Tischendorf  im  Sinaikloster  gefunden ;  das  Ostromir^sche  Evangelienbuch 
(1066) ;  und  vieles  andere.  —  Nun  zurück :  im  Treppenhause  die  Statue  Vol- 
taire^s  (von  Houdon,  1781)  inmitten  seiner  7000  Bände  zählenden  Biblio- 
thek (von  Kath.  II.  angekauft).  Im  Gentrum  der  Bibliothek  in  dem  grossen 
zweistöckigen  Hauptsaal  oben  Theologie,  unten  in  Vitrinen  Sehreib- 
werke u.  Schreibmaterial  aller  Zeiten  (Lumpenpapier  1380,  Reispapier, 
Wachstafeln,  flnnländischer  Bunenkalender ,  xvix.  Jahrb.);  femer  eine 
Sammlung  von  interessanten  und  kostbaren  Einbänden.  Zur  Linken  des 
ovalen  Bauptsaals  die  neuere  russische  Literatur  und  Journa- 
list i  k ;  zur  Rechten  allgemeine  Literaturgeschichte  und  Polygra- 
phie. In  den  5  grossen  Gallerien  des  III.  Stocks  theologische  Werke ; 
die  Abtheilung  der  schönen  Künste  und  Technologie  mit  einer  Aus- 
wahl von  Kupferstichen  und  Proben  aller  bekannten  Druckarten  vom 
XV.  Jahrh.  ab  (an  den  Wänden  gegen  400  Porträts  Peters  d.  Gr.).  Die 
langen  Säle  desneaern  Gebäudes  enthalten  Geschichte  und  ihreHülfs- 
wissenschaften;  der  mittlere  Korfsche  Saal  eine  Sammlung  aller  über 
Busslandin  fremdenSprachen  geschriebenen  Werke  (über  90,000) ; 
der  nächste  Larin'ieht  Saal  Raritäten  aller  Art.  Dann  folgt  die  Abtheilung 
der  Rechtswissenschaft  (Renaissancevase  mit  Amor  u.  Psvche,  ein 
Geschenk  des  Grafen  Rostoptschin;  kais.  Krönungsalbum  von  1863).  Zu- 
rück und  in  den  Vorsaal  des  obern  Stockwerks;  links  der  1862  errichtete 
L  esesaal  (Bildniss  Alezander's  II.,  *Katharina'8  II.,  von  Lewitzki,  u.  a. ; 
s.  oben).  Die  Treppe  hinab  in  das  Vorhaus  und  folgende  Säle:  im  1.  Saal 
griechische  und  lateinische  Glassiker,  allgemeine  Linguistik, 
orientalische  Sprachen  (Bibelsammlung,  Imitatio  Christi  in  Pariser  Pracht- 
ausgabe 1865);  im  2.  Saal  Druckedesl6.  undl7.  Jahrh.  (Aldinen,  Elze- 
vire) ;  im  3.  Saal,  1867  im  Stile  des  Mittelalters  umgebaut  und  möblirt,  an 
eine  Klosterbibliothek  des  xv.  Jahrh.  erinnernd,  an  7000  Ineunabeln 
(vor  1600  gedruckte  Bücher). 

Auf  dem  anstossenden  Alexandra-Platz  (AieKcaHApHHCKiä 

Cuepi,  PI.  GÖ,  6),  einem  schönen  mit  Anlagen  geschmückten 

Square,  erhebt  sich  das  Denkmal  Katharina'!  II.  {ÜVMaTEum  EKare- 

pHHU  II ;  PL  26),  von  Alexander  II.  nach  Entwürfen  von  Mikeschin 

und  Opekuschin  1873  errichtet. 

Am  Sockel,  mit  mehreren  Stufen  von  verschiedenfarbigem  Granit, 
die  lebensgrossen  Bronzefiguren  berühmter  Zeitgenossen  der  Kaiserin: 
vorn  Potemkin,  Bumianzow,  Ssuworow  (Heer),  an  der  Rückseite  Orlow 
und  Tschitschagow  (Flotte),  rechts  Derschawin  und  die  Fürstin  Daschkow 
(Kunst  und  Wissenschaft),  links  Besborodko  und  Betzki  (Yolkserziehung). 
Darüber  erhebt  sich  auf  einer  kuppelartigen  Wölbung  die  4  m  hohe  Figur 
der  Kaiserin  im  Hermelinmantel,  um  den  Hals  die  Kette  des  Andreas- 
ordens, in  der  Rechten  das  Reichsscepter,  in  der  Linken  einen  Kranz. 

An  der  Südseite  des  Platzes  das  Alexandra -Theater  (AieKcaH- 
ApHHCKiJi  Tearpi ;  PI.  214 :  G  6 ;  s.  S.  97),  1828  unter  Nikolaus  nach 
RosH's  Plan  erbaut  und  nach  der  Gemahlin  des  Kaisers  benannt.  Die 
Hauptfa^ade  bildet  ein  Peristyl  Ton  10  korinth.  Säulen ;  auf  dem 
Giebel  eine  Quadriga  von  Erz.  -—  Weiter  südl.  die  ThtateT-Schult 
(PI.  223:  G6),  1785  gegründet,  1829  reorganisirt.  —  Die  Theater- 


460    Route  lU  ST,  PETKRSpUBa      Nfmky-Ffo^ect, 

Strasse  (Teatralnaja)  führt  von.  luer  6.  auf  den  T  »  ch<erni  s  «h  ow* 
Platz  an  der  Fontanka  (PI.  F  G6),  an  demT.  die  Ministerien  des 
Innern  (PI.  164)  und  des  öffentlichen  Unterrichts  (PI.  165) ;  in  letz- 
term  die  werthvollen  Bibllotkeken  und  Sammlun^eB  der  peo^ 
graphischen,  mineralogischen  und  meteorologischen  Qes'ellsehaft, 

Am  Newsky-Prospect  folgt  r.  an  der  Fontanka  das  Anitf  oUcow- 
oder  Nikolai-Palait  (AHmKOBCKiM^Bopea'» ;  PL  172 :  G  6),  1744  naeh 
den  Plänen  Rastrellfs  von  Blisabeth  für  den  Grafen  Rasumowski 
(f  1771)  erbaut,  dann  an  Potemkin  übergegangen,  1794  von  der  Krone 
zurückerworben,  1S04  von  Alexander  I.  umgebaut,  seit  181 7  von  dem 
jeweiligen  Thronfolger  bewohnt,  zur  Zeit  Residenz  des  regierenden 
Kaisers  Alexander  IXI.  Der  neuerdings  sehr  erweiterte  Bau  um- 
schliesst  die  1817  gegründete  Kirche  des  h,  Alexander  Newsky  mit 
interessanten  Reliquien  und  Bildern,  sowie  in  einem  besondem  Pa- 
villon eine  Sammlung  von  Ausrüstungsstücken  der  russischen  und 
fremder  Armeen. 

An  der  Ost -Seite  des  Palastes  führt  über  die  Fontanka  die 
Anitachkow  -  Bräeke  (Abühkobi  Mocti,  PI.  G  5, 6),  geschmückt  mit 
4  kolossalen  Bronzegruppen  von  Pferdebändigern ,  nach  den  Mo« 
dellen  des  Baron  Klodt  in  St.  Petersburg  gegossen. 

Jenseits  der  Brücke  bietet  die  Strasse  nichts  hervorragend  Be- 
merkenswerthes.   Das  Alexander- Newsky  »Kloster  s.  S.  167. 


e.  SspasB'scher  und  Kasan'seher  Theil. 

Von  der  Bibliothek  (PI.  22:  FG5,6)  am  Newsky-Prospect  wen- 
den wir  uns  in  die  von  einer  Pferdebahnlinie  durchzogene  Grosse 
Gartenstrasse  {BolschaJ^a  Ssadowaja,  PI. DG 5, 6, 7)  und  ver- 
folgen dieselbe  in  s.w.  Richtung.  L.  an  der  Ecke  der  Tschernischow- 
strasse  das  prächtige  Gebäude  des  Pagen-Corpi  (IlaxecKili  Kopnycb ; 

PI.  171 :  F6),  von  Rastrelli  erbaut. 

Das  Haas  umfasst  ausser  der  katholischen  Prioratstirehe  d£s  Malteter- 
ordern  vom  heil.  Johannes  ku  Jerusalem^  auch  die  HauMreht  des  heil. 
Johannes  des  Täufers,  Erstere  ist  1799  nach  den  Plänen  G.  Ouarenghi*s 
erbaut,  als  Paul  I.  Grossmeister  wurde;  1838  renovirt.  Die  jetzige  Fa(ade 
hat  vier  korinthische  Halbsäulen  und  zwei  kleine  Säulen  mit  Giebel  als 
Thürsehmuck,  mit  der  Insehrift:  nDivo  Joanni  Baptistae  Paulus  Imp. 
Hospit.  Magister.**  Das  Innere,  ganz  nach  dem  Stile  der  alten  Johanniter- 
kirchen  ausgeschmückt,  ist  in  Basilikenform ,  mit  einer  grossen  Apsis 
endend,  angelegt.  Zwei  Reihen  Säulen  aus  gelbem  Marmor  theilen  die 
Kirche  in  3  Schiffe  von  eirca  2Qm  Höhe.  In  ihr  ist  der  1852  verstorbene 
Herzog  Maximilian  von  Leuehtenberg  beigesetzt;  vergoldeter  Thron,  auf 
dem  Paul  den  Versammlungen  des  Ordens  beiwohnte.  —  Die  Handtirche 
wurde  1800  von  Paul  erbaut  und  1810  dem  Pagen -Corps  eingeräumt. 
Inneres  bunt  ausgestattet;  an  den  Wänden  15  Malteserkreuze.  —  Im 
Pagen-Corps  werden  400  junge  Leute ,  deren  Väter  oder  Grossväter  min- 
destens Generallieutenantsrang  haben  müssen ,  erzogen. 

Weiter  r.  die  kaiierliehe  Bank  (Focy^apcTBeHHHJi  Banm ;  PI.  21 : 
F6),  ein  grosser  hufeisenförmiger  Bau,  unter  Alezander  I.  auf- 
geführt; gegenüber  1.  der  Xarien-  und  Apnudn-lCarkt  (MapiÜHCKitt, 
AnpaKCHHi  puHOK-b),  vor  dem  Brande  von  1862  Tschukin»  Dwiyr 


Sspass^acher  Theil.      ST.  PETERSBURG.  IL  Route.     161 

genannt,  eine  Art  Trödelmarkt.  Dann,  jenseit  der  in  n.w.  Richtung 
zur  Admiralität  führenden  Erbsenstrasse  {Oorochowaja,  S.  157),  die 
Pfarrkirche  der  Himmelf ahrt  Maria  (PI.  II:  F6),  1753-65  an  Stelle 
«iner  hölzernen  Kirche  erbaut,  1826  vergrössert.  Es  folgt  der  na- 
mentlich vor  Weihnachten  überaus  belebte  Eeitmarkt  {Sjännaja 
Ploschtschad;  PI.  160:  F6),  1831  zur  Zeit  der  Cholera  Schauplatz 
•eines  Aufruhrs ,  der  nur  durch  das  persönliche  Dazwischentreten 
des  Kaisers  Nikolaus  gestillt  wurde  (S.  111). 

Vom  Heumarkt  1.  den  Obuchowsky-Prospect  (OöyxoBCKiä  npoc- 
nexTi,  PI.  F  6, 7)  verfolgend,  erreichen  wir  dicht  vor  der  Obuchow- 
Brücke  das  Instifat  der  Ingenieure  für  Wege  und  Communiostionen 
{ÜHCTHTyT'b  Ilyreft  CcoömeHÜi;  PI.  64),  welches  1810  gegründet 
wurde  und  besonders  die  mathematischen ,  physikalischen  und  an- 
deren einschlägigen  Wissenschaften  cultivirt.  Mit  der  Anstalt  ist 
ein  Museum  (Modelle  von  Bauten  u.  s.  w.)  verbunden,  dessen  Besuch 
für  Kenner  von  Interesse  ist  (vgl.  S.  99). 

Zur  Bolschaja  Ssadowaja  zurückkehrend,  erreichen  wir  zur 
Linken  den  Jassupow-Oarten  (H)cynoBi  caAi,  PI.  EF6, 7),  einen 
im  Sommer  wie  im  Winter  beliebten  Volksbelustigungsort  (besuch- 
teste Schlittschuhbahn  auf  dem  Teiche  des  Gartens). 

Etwa  8  Min.  weiter  dn  der  Bolschaja  Ssadowaja  führt  r.  eine 
Brücke  zum  Nikolaus-Platz  (ÜHKOJifcCKaii IIjOBiaAfc,  PI.  E 6,  7). 
Auf  ihm  liegt  inmitten  hübscher  Gartenanlagen  die  „  Matrosen- 
kirche" oder  Kathedrale  des  h.  Kikolans  (Codopi  ÜHKOiafl-Hopcxaro ; 
PL  93 :  E7).  Der  Bau  wurde  bereits  von  Peter  I.  1722  nach  dem 
Muster  der  Kathedrale  in  Astrachan  geplant,  aber  erst  von  Elisa- 
beth 1753  unter  Rastrelli'aheitving  begonnen  und  1762  unter  Katha- 
rina II.  vollendet.  Die  Kirche  hat  5  vergoldete  Kuppeln  und  2  Stock- 
werke ,  deren  oberes  im  Sommer ,  das  untere  im  Winter  benutzt 
wird.  In  der  Nähe  ganz  freistehend  der  mächtige,  70m  hohe  O^ocft^n- 
thurm ,  der  eine  schöne  Aussicht  gewährt. 

Ton  der  Kathedrale  nördlich  durch  die  Nikolausstrasse  (Nikol- 
fikaja)  gelangen  wir  auf  den  Grossen  Theaterplatz  (üiomaxb 
EoiBmaro  Teaipa,  PI.  E6).  R.  die  Militär,  Rechts-  Akademie  (BoeHHO- 
X)piiAinecKafl  AKaAeniii;  PI.  8:  E6)  und  die  Intendantur  (PI.  52). 
In  der  Mitte  des  Platzes  das  grosse  37iea^«r  (BojamoftTearpi,  PI.  219, 
S.  97),  unter  Katharina  II.  1784  aufgeführt,  1803  erneuert,  1811 
vom  Feuer  verzehrt  und  nach  der  Wiederherstellung  1834  umgebaut. 
An  der  Hauptfa^ade  ein  Porticus  von  8  ionischen  Säulen,  im  Giebel- 
feld ein  Relief,  Apoll  und  die  Musen.  Das  Dach  ist  von  Eisen  und 
mit  Wasserbehältern  gegen  Feuersgefahr  versehen.  —  Gegenüber  das 
Marien-Theater  (^^Apii^Rcti^  Tearpi;  PI.  221,  S.97),  1860  an  der 
Stelle  eines  Circus  erbaut.  Von  hier  durch  die  Offizierstrasse  {Ofßter- 
skafa)  und  den  Wosnessensky  -  Prospect  zum  Marienplatz  S.  111 ; 
2um  Litauischen  Schloss  S.  164. 


Bussland.    3.  Aufl.  11 


162    Route  lU  ST.  PETERSBURQ.  lAtevna^aund 

f.  Der  Liteiniga-  und  Moikaaer-Theil* 

Wenn  wir  auf  dem  Newsky-Proepect  die  Anitschkow- Brücke 
(S.  160)  überschreiten  und  uns  links  wenden,  gelangen  wir  in  den 
Liteiny-Prospect  (iHTeÜHuft  npocnein,  PL  G  6,  5,  4),  die 
Hftuptstrasse  des  Liteinaja-Theils,  des  Stadttheils  der  Kasernen^ 
Exercierhäuser,  Manegen,  Arsenale  u.  s.  w. 

Unweit  des  Eingangs  ein  Complex  von  Gebäuden  und  Gärten, 
die  Ton  der  Fontanka  bis  zur  Snamenskaja  reichen  und  ausschliess- 
lich Wohtthätigkeitsanstalten  angehören :  das  KathaHnen- Institut 
(PI.  57),  das  Marien,' Krankenhaus  (PI.  139:  G  5);  ein  prachtvolles 
Gebäude  mit2  Seitenflügeln,  1803  von  der  Kaiserin  Marie  für  einhei* 
mische  und  fremde  Arme  errichtet ;  das  Alexander-Hospitdl  (PI.  131 ) 
und  das  Pawlowsky'sche  Institut  (PI.  60 :  H  5)  für  Ofilzierssöhne. 

Links  vom  Liteiny-Prospect  In  der  Ssimeon-Strasse  (Snmeo^ 
nowskaja)  die  Kirehe  des  h.  Simeon  und  der  h.  Anaa  (PI.  121),  1712 
von  Peter  dem  Grossen  zu  Ehren  der  Patronin  seiner  Tochter  Anna 
in  Holz  erbaut ,  später  von  der  Kaiserin  Anna  als  Kuppelbau  in 
Stein  errichtet. 

In  der  Liteinaja  weiter  nördl.  1.  die  Augenklinik  (PI.  132),  zur 
Universität  gehörig ,  und  das  Gebäude  der  Menschenfreundlichen 
Gesellschaft  (PL  48).  Rechts  führt  eine  kurze  Seitenstrasse  zu  der 
freigelegenen  SdpMso-Preobratheiitkj- Kathedrale  (Cnaco  Ilpeo* 
öpaseHCiiü  Co6opi;  PL  90:  G5),  einer  der  angesehensten  Kirchen 
St.  Petersburgs,  1742-54  nach  den  Plänen  Tresin's  gebaut  auf  dem 
Grundstück ,  welches  bis  dahin  die  Kasernen  des  Pieobrashensky- 
sehen  Regimentes  einnahmen.  Die  Truppe  ist  bekannt  durch  ihre 
der  Kaiserin  Elisabeth  bei  der  Thronbesteigung  (1741)  bewiesene 
Treue.  Zum  Andenken  daran  entstand  diese  „Kathedrale  aller 
Garden'.    1825  brannte  sie  ab  und  wurde  1829  erneuert. 

Daa  den  Hof  der  Kirche  amgebende  0iU4r  iai  aus  türkiaehexi  und 
französischen  Kanonenläufen  gefertigt.  Innerhalb  der  Einfassung  13  türkis 
sehe  Oesehütze  auf  Lafetten;  an  der  Hauptfront  zwei  Geschütze^  Eigen- 
thum  des  Preobrashensky^ sehen  Regiments.  Im  Innern  zahlreiche  türkische 
u.  poaisehe  Fahnen,  Bossschweife,  Festungs-Schlüssel.  Altarloreuz  von 
Alexis  Michailowitsch,  Vater  Peter's  des  Grossen;  Bild  der  Mutter  Qottea 
von  Kursk,  1813  von  der  Stadt  dem  Fürsten  Kutusow  überreicht;  am. 
Hauptaltar  1.  ein  silberner  Becher,  von  den  Böhmen  dem  Grafen  Cfster- 
mann-Tolstoi  verehrt,  darauf  die  Namen  der  bei  Kulm  gefallenen  russi- 
sehen  Stabsoffiziere;  Kaiser  Alexander'a  I.  Uniform  des  Preobrashensky- 
sehen  Begiments;  die  letzte  Uniform  Kaiser  Alexanders  11.  und  der  Degen^ 
den  er  bei  seinem  Tode  trug ;  Uhrwerk,  von  vielen  Bauern  gearbeitet  und 
der  Kaiserin  Katharina  II.  geschenkt  u.  s.  w. 

Der  Preobrashensky- Kirche  gegenüber  führt  vom  Liteiny-Pro- 
spect westl.  diePanteleimonskaja  (naHTejeSHOHCiafl  yjHiia,  PI.  G5> 
direct  zur  Brücke  über  die  Fontanka  (S.  120).  An  derselben  r.  die 
Kirohe  des  h.  Xftjrtyrers  PABteleimon  (UlepKOBi»  Csnaro  IlaKTejeft- 
MOHa,  PI.  115),  von  Peter  dem  Grossen  zum  Dank  für  die  Siege  über 
die  Schweden  1714  und  1720  erbaut,  1836  zum  Theil  umgebaut.  — 
Nordlich  von  der  Kirche  an  der  Fontanka  dem  Sommergarten  gegen- 
über das  kolossale  Oebäude  der  alten  Salzniederlage  (CouBofi  ropo- 


Mo6kauer-Theü,       ST.  PETEBSBÜRÖ.  11,  Route.     163 

AOJd)  und  der  Manufacturausstellang  vom  J.  1870;  in  ihm  das  päda- 
gogische Museum  (Eintr.  s.  S.  99)  und  das  Mtueum  der  hais.  tech- 
ni$dien  OeselUchaft  (Eintr.  s.  S.  99) ,  neuerdings  aucb  das  Ja^Ar 
wirthiehaftUehe  Mntenm  des  Ministeriums  der  Beichsdomänen 
(Eintr.  s.  S.  99) ,  mit  Modellen  landwirthsclialtl.  Oeräthe  und  Ma- 
schinen, Sammlungen  von  landw.  Erzeugnissen ,  Früchten  u.  s.  w. 
Weiter  nördlich,  ebenfalls  an  der  Fontanka,  die  Bechtotehnle  (Yhh- 
iniie  üpaBOBtAeiiui ;  PI.  207 :  G  4) ,  1835  von  dem  Prinzen  Peter 
von  Oldenburg  gegründet  (300  Zöglinge). 

In  der  Nähe,  Ecke  der  Machowaja  und  Ssergiewski^a,  das  Haut 
de«  Chrafm  Paul  Strosranow  mit  der  *OenuUdegallerie  des  Qrafen 
Ssergei  Strogaoow,  welche  hervorragende  Werke  niederländischer 
und  italienischer  Meister  aufweist ;  unter  den  antiken  Bronzen  ist 
am  berühmtesten  der  Apollo  Stroganow,  eine  Replik  des  Belvede- 
rischen  Apollo,  dessen  richtige  Ergänzung  (linke  Hand  mit  der 
Aegis)  dadurch  möglich  wurde  (Eintritt  für  das  Publikum  nicht 
gestattet). 

Durch  die  Ssergiewskaja  zum  Liteiny-Prospect  zurück.  B.  an 
der  Ecke  die  Kirche  des  h.  Sergius  (PL  120) ;  gegenüber  mit  der  Haupt- 
fa^ade  nach  dem  Litelny-Prospect  das  schöne  Gebäude  des  Ar- 
tiUerie^Departements  (Einlasskarten  für  das  Artilleristische  Mu- 
seum, S.  175,  hier  zuhaben),  vor  der  Front  20  alte  Geschütze. 
Rechts ,  Ecke  des  Liteiny-Prospects  und  der  Sachariewskaja,  das 
alte  Anenal,  jetzt  Bezirks- Qerichtthof  (OKpysHiifi  CyAi  h  Öaiaia ; 
PL  14:  G4),  ein  grosses  freistehendes  Viereck  von  3  Stockwerken, 
vom  Grafen  Orlow  erbaut ,  der  es  der  Kaiserin  Katharina  II.  zum 
Geschenk  machte,  mit  prächtigem  Portal  nach  dem  Liteiny- 
Prospect;  am  Gesims  Trophäen  und  allegorische  Figuren.  In  der 
Nähe  des  Arsenals  verschiedene  Kasernen  und  Gebäude  für  die 
Behörden  der  Artillerie,  u.  a.  die  Artüleristiach^ technische  Schule 
(PL  192)  an  der  Newa  (100  Schüler).  In  der  Bichtung  auf  den  Tau- 
rischen  Pala8t(S.166)  die  mächtigen  Kasernen  der  Leibgarde  (PL  68 : 
H4)  mitEzercierhausund  der  Beitbahn  der  Garde-Kavallerie  (PLi48). 
—  In  der  Wosskressenskaja  lag  ehemals  die  1716  von  Peter  dem 
Grossen  gegründete,  jetzt  eingegangMie  Gobelintapeten-Fabrik  oder 
Sehpcdernoi-  Manufaettbr  (ihre  Erzeugnisse  jetzt  im  Museum  der 
kaiserlichen  Wagen,  S.  156).  Die  Gebäude  dienen  theils  zu  Kasernen 
des  Convoi,  theils  zur  Unterbringung  der  Hofequipagen.  Am  Ende 
der  Schpalernaja  der  Taurisehe  Palast,  s.  S.  166. 

Nun  mit  der  Pferdebahn  den  Wosskressensky-Prospect  und  die 
Snamenskaja  entlang  bis  zur  Snamenskaja- Kirche  am  Newsky 
(PL  H  6) ,  dann  durch  den  Newsky-  und  Wladimirsky-Prospect  bis 
zur  Wladimir -Kirohe  (UepKOBb  BiaxinipcKoft  Bcaieü  MaiepH;  PL 
123:  G6),  von  weisser  Farbe  mit  Ö  mächtigen  vergoldeten  Kuppeln. 
Von  hier  r.  in  den  Sagorodny-Prospect,  an  dem  zur  Linken  die  Ka- 
sernen und  der  ungeheure  Exercierplutz  des  Ssemenow'schen'Regi'- 
ments  (CeiieBOBCRitt  njaui,  PL  F  G  7),  sowie  der  Bahnhof  der 

11* 


164    Boute  IL  ST.  PETERSBURG.         Kolomenskaja- 

ZarBko-SselO'Bahn  (PI.  19),  zur  Rechten  die  Commerz-Schule ,  im. 
goth.  Stil  1871  erbaut,  und  das  Obuohow'fehe  Stadthoipltal  (FopoA- 
cxaii  OöyxoBCKafl  6ojbHHKa,  PI.  143,  F7,  vgl.  S.  96),  1780  von 
Katharina  II.  gegründet.  Jenseit  des  Hospitals  an  der  Fontanka, 
Ecke  des  Sabalkansky  -  Prospects ,  die  Conatantins  -  Kilitärsehule 
(PI.  202);  die  säulengeschmückte  Fa^ade  ist  über  200m  lang;  an 
der  Rückseite  drei  grosse  Flügel.  —  Weiter,  gleichfalls  r.,  an  der  Ecke 
der  Sagorodny-  und  Sabalkansky-Prospects  das  tachnologiaoke  In- 
stitut (TexHOiorHHecKiü  HHcraTyn,  PI.  62,  F  7),  1828  begründet, 
mit  einem  tägl.  10-3  U.  geöffneten  Mtueum  (S.  99). 

Links  in  den  Sabalkansky-Prospect  biegend  erblicken  wir  r.  das 
Gebäude  der  firei-Öko]iomitolienOeBell8€haft(BoibHO-9KOHOHBHecKoe 
06mecTB0,  PI.  47:  F  7)  mit  Bibliothek  u.  Museum  (S.  99).  An  der- 
selben Strasse  jenseit  der  alten  Moskauer  Brücke  über  den  Obwodny- 
Kanal  r.  der  Viehhof  (CKOTonpHroHHüM  4Bopi ;  PI.  225 :  F8),  dessen 
Haupteingang  mit  zwei  kolossalen  bronzenen  Ochsen  von  Demuth- 
Malinowsky  geziert  ist,  1.  die  Oasanstalt  (PI.  28) ;  weiter,  gleichfalls 
L,  das  grosse  Nowo^Dewitichy  (Nonnen)' Kloster  (PI.  F9),  endlich 
am  äussersten,  ziemlich  entlegenen  Ende  (Tramway  Linie  17)  jenseit 
der  Zarskosselsky-Brücke  die  Moskauer  Trinmphpforte  (TpiyH«ajb- 
HUfl  Bopora;  PI.  34:  F9)  1833-39  nach  Stassows  Plänen  erbaut. 
Zwölf  dorische  Säulen  von  1  Vt  t^  Durchmesser  und  22  m  Höhe  tragen 
ein  Gesims,  das  mit  zwölf  Engeln  in  Basrelief  geschmückt  ist  und  eine 
Inschrift  zur  Erinnerung  an  die  Feldzüge  von  1826-31  in  Persien, 
der  Türkei  und  Polen  in  russischer  und  lateinischer  Sprache  trägt. 

g.  Der  Xolomenskiga-  und  Karwa-Theil. 

Den  Kolomenskaja-Theil  kann  man  mit  der  Pferdebahn  vom  Admirali- 
tätsplatz, sowie  vom  Newsky-Prospeet  (Gostinny-Dwor)  erreichen.  Der 
Stadttheil  selbst  ist  von  mehreren  Linien  durchschnitten ,  die  naeh  dem 
Narwa'schen  Theil  führen. 

An  der  Ecke  der  Offtzierstrasse  (PL  D  6)  jenseit  des  Theater- 
platzes (S.  161)  am  Krukow-Kanal  erhebt  sich  1.  der  alta  Stadtthurm 
(ropoACKafl  TM>pfcHa)  oder  das  lotauiache  Sohlosa  (PL  39:  D  E  6), 
welches  bereits  unter  Katharina  IL  erbaut  wurde ,  aber  erst  unter 
Nikolaus  seine  jetzige  Gestalt  erhielt.  Hier  sass  KoSciuszko,  wurde 
hier  von  Kaiser  Paul  I.  besucht  und  erhielt  seine  Freiheit.  Es  bil- 
det ein  verschobenes  Viereck,  ist  zweistöckig,  massiv  und  mit  star- 
ken Mauern  versehen.  Nur  eine  einzige  doppelte  eiserne  Pforte  führt 
von  der  Strasse  in  das  Innere.  Der  der  Offlzierstrasse  zugewandte 
Flügel ,  dessen  Fa^ade  zwei  kolossale  Engel  mit  dem  Kreuz  zieren, 
wird  von  der  schönen  Oefangenhauskirche  eingenommen  (ausswdem 
existirt  eine  Kapelle  für  Katholiken  und  ein  Betsaal  f ürProtestanten). 
Gleich  daneben  (n^  35)  der  Demidow'sche  Famüiengarten  (Aeva- 
AOBHÜ  oaxi,  PLD6)  mit  dem  Benai88ance~  Theater  (Operetten). 
Von  hier  können  wir  der  Baird'sehen  Fabrik  (dasoAi  Bepxa,  PL  D  6) 
einen  Besuch  abstatten.  Sie  liegt  unmittelbar  hinter  der  neuen  Ad- 
miralität (S.  106),  besteht  aus  einer  Eisengiesserei  und  Maschinen- 


und  Narwa-ThHL   ST.  PETERSBURG.  IL  Boute.     165 

fabrik  nnd  hat  einen  eigenen  Hafen ,  mehrere  Dampfschifife  (Passa- 
giertransport  zwischen  St.  Petersburg  nnd  Kronstadt)  n.  s.  w. 

Zurück  durch  die  Mjassnaja-  und  Witebsker  Strasse,  an  der 
AuferstehtmgütiTehe  (PL  98 ,  D  6)  yorbei  nach  dem  Katharinenhof- 
Prospect  (PL  DE76),  in  dem  das  Uniforme  und  Equipiru/ngs-Mu- 
aeum  der  russischen  Armee  (MyBefi  raasHaro  HBTeBAftHTcxaro  ynpa- 
BieHifl) ,  für  Militärs  von  Interesse  (Eintr.  S.  99).  In  einem  Glas- 
spind eine  Porträtflgur  Peters  des  Grossen  in  LebensgrÖsse,  angethan 
mit  den  letzten  vom  Zaren  getragenen  Kleidern. 

Wir  überschreiten  auf  der  Kalinkin- Brücke  (Mocix  Eojbmaro 
KajHHKima,  PL  D  7)  die  Fontanka,  an  der  rechts  das  zweite  Marine- 
Hosfitalf  auch  Marine-Kalinkin-Hospital  genannt  (PL  136)  liegt, 
links  die  zweite  Marine  -Koierne  (PL  79).  Weiter,  gleichfalls  1.  an 
der  Ecke  der  Kurlandskaja  die  Xatbarinan-Xirehe  (UepKOBb  Cbatoü 
EKaTepHHU;  PL  105:  D7, 8),  1721  zum  Andenken  an  den  1703  bei 
Kalinkin  über  die  Schweden  erfochtenen  Sieg  erbaut,  in  ihrer  jetzigen 
Gestalt  aus  dem  J.  1837  herrührend. 

Nun  mit  der  Pferdebahn  über  die  Neue  Kalinkin 'Brücke  bis  an 
das  Ende  des  Neu-Peterhofer  Prospects  (HoBO-neTepro«CKiM  npocn.), 
wo  sich,  kurz  vor  der  Brücke  über  die  Tarakanowkaj  an  der  nach  Riga 
führenden  Strasse  der  nach  Stassows  Plänen  1834  erbaute  Karw&*iohe 
Triiimphboge]i(TpiyM«a»HHaBopoTa ;  PL  35 :  CD  9)  an  demNarwaer 
Thor  (HapBCKaii  sacTasa)  erhebt,  imVolksmunde  THuj^oZni^a  Worota 
(dreiwinkelige  Pforte).  Er  ist  im  Stil  eines  römischen  Triumph- 
bogens aus  Granit  erbaut ;  an  der  Aussenseite  Krieger  in  altrussischer 
Tracht ,  Kränze  haltend ;  auf  der  Plattform  eine  Victoria  mit  Lor- 
beerkranz auf  einem  Sechsgespann ;  an  jeder  Seite  der  Attika  vier 
lorbeerbekränzte  Genien.  Inschrift:  „Der  siegreichen  kais.  Garde 
von  dem  dankbaren  Vaterlande  18.  Aug.  1834".  Früher  stand  hier 
ein  zum  Einzüge  Alezanders  I.  1815  erbauter  hölzerner  Triumph- 
bogen ,  an  dessen  Stelle  durch  freiwillige  Beiträge ,  namentlich  ein 
sehr  bedeutendes  Legat  des  damaligen  Commandirenden  der  Garde, 
General  Uwarow,  der  jetzige  Thorweg  errichtet  wurde. 

Die  von  hier  westlich  abbiegende  Liflandskaja-Strasse  führt  über 
die  Ssutugina- Brücke  (MocTi  CyTyrHHa)  nach  dem  im  äussersten 
Südwesten  St.  Petersburgs  gelegenen  Katharinenhof(£KaTepHHro*i, 
PL  C8),  von  Peter  dem  Grossen  1703  nach  dem  ersten  Seesiege  über 
die  Schweden  erbautund  seiner  Gemahlin  zu  Ehren  benannt.  Das  vom 
Grafen  Miloradowitsch  angelegte,  von  einem  Garten  umgebenejScft^oss 
birgt  ein  Museum  von  Erinnerungen  an  den  Erbauer.  Im  Garten  ein 
Traktir,  Kaffehaus  u.  s.  w.  Am  Troizy-Tage  und  am  1.  Mai  findet 
in  Katharinenhof  ein  glänzender  Gorso  der  vornehmen  Welt ,  zu- 
gleich ein  Volksfest  für  die  unteren  Klassen  der  Bevölkerung  statt. 

Mit  Pferdebahn  längs  des  Obwodny-Kanals  am  Baltischen  Bahn- 
hof (PL  18)  vorbei  bis  zum  Warschauer  Bahnhof  (PL  20,  E8),  dann 
L  in  den  Ismailowsky-Prospect,  die  südl.  Fortsetzung  des 
Wosnessensky-Prospects  (S.  161).  Rechts  und  links  die  KoAemen 


166     Route  IL  ST.  PETERSBÜBG.     Roshdestwenskaja-u. 

des  Ismaüow' sehen  Regiments  (PL  13);  dannl.  auf  demTroizy- 
Platz  fiVsnih&lier  als  dieser)  die  Kathedrale  der  Ismaüovj' sehen 
Garden,  auch  BreifUtigkeits-  oder  Troisy-Sirche  (UepsoBb  CbhtoS 
TpoMau;  PI.  122:  E 7),  von  der  Kaiserin  Marie,  Wittwe  Pauls  I., 
nach  Stassows  Plänen  erbaut  und  1835  eingeweiht.  Die  fünf  hell- 
blauen, besternten  Kuppeln  (die  mittelste  bis  80  m  ansteigend)  sind 
auf  weite  Entfernung  sichtbar. 

Das  Ikvbkb  der  Kirche,  die  ihr  Licht  nur  durch  die  fünf  Kuppeln 
erhält  t  ist  glänzen^  und  bietet  manches  Herlcwürdige ,  ist  aber  gegen- 
wärtig sehr  Ycrwahrlost.  Der  von  einem  Gitter  umgebene  Ikonostas  ist 
k  jour  gearbeitet;  der  Hauptaltar  der  heil.  Dreifaltigkeit  zeichnet  sieh 
durch  feine  Arbeit  und  Reichthum  der  Vergoldung  aus;  die  Kebenaltäre 
Bind  dem  heil.  Johann  und  der  Maria  Magdalena  geweiht.  Die  Gemälde 
sind  von  Markow  und  Jegorow,  das  Tuch,  welches  das  heil.  Sacrament 
vei'hüllt,  ist  von  der  Kaiserin  Elisabeth  gestickt.  Andere  bemerkens- 
werthe  Gegenstände  sind  das  mit  Krystall  gezierte  Tabernakel  aus  der 
kaiserlichen  Fabrik ,  und  der  Kronleuchter  in  der  Mitte  für  800  Kurzen. 
An  den  Wanden  zu  beiden  Seiten  des  Hauptaltars  Marmortafeln  mit  den 
19'amen  der  auf  verschiedenen  Schlachtfeldern  bis  zur  Einweihung  der 
Kirche  gefallenen  Offiziere  des  Ismailow''schen  Regiments.  —  Von  den 
18  Glocken  der  Kirche  wiegt  die  grösste  10,000  kg,  eine  zweite  6000  kg. 

Wir  kehren  über  die  von  General  B^tancourt  erbaute  Adgjrp- 
tiiche  Kettenbrücke  (ntiraoü  ErHneTCRitt  Mocti  ,  PI.  £  7) ,  die  mit 
Sphinxen  Hieroglyphen  u.  s.  w.  verziert  ist  und  ein  Gegenstück  zu 
der  Brüche  am  Somtnergarten  (S.  120)  bildet,  zur  Bolschaja  Ssado- 
waja  und  dem  Newaky-Prospect  zurück  (S.  160). 

h.  Der  Rofhdestwentkaja-  und  Alezander-Hovtky-aüiail. 

Zum  Besuch  des  Boshdestwenskaja-Theils  kann  man  die  Tramway- 
Linien  3  (Miehaelsplatz-Ssmolnykloster)  u.  9  (Zarsko-'S8elobahn-Ochta*Behe 
Ueberfahrt)  benutzen;  oder  auf  dem  Kewsky-Prospect  bis  zur  Snamen- 
skaja  fahren,  dann  1.  (Linie  5)  bis  in  die  Nahe  des  Taurischen  Palastes. 
—  Zum  Alexander -Kewsky- Kloster  durch  den  Newsky-Prospect  führen 
Xinie  13  und  1.    Vgl.  S.  94. 

Am  Ende  der  vom  Wosskressensky  -  Prospect  (S.  163)  Östil.  ab- 
zweigenden Sehpalemaja' 8tr,  liegt  der  Tanrische  Palast  (Taspi- 
^ecKiM  ABopem;  PI.  186:  H4),  von  Katharina  II.  1783  erbaut  und 
nach  der  Eroberung  der  Krim,  d«m  ^Helden  von  Taurien^,  Potemkin, 
geschenkt.  Nach  dessen  Tode  1791  fiel  das  Palais  an  die  Krone  zu- 
rück, wurde  von  Pauli,  1797  der  ^G««de  zu  Pferde*  überwiesen,  von 
Alexander  I.  aber  in  seinen  frühem  Zustand  versetzt  und  diente 
wiederholt  fremden  Fürsten  zur  Wohnung  (u.  a.  Friedrich  Wil- 
helm III.  1817).  Jetzt  sind  nur  wenige  R&um«  für  den  Kaiser  Teser- 
virt ,  die  meisten  sind  Ten  Hofbeamten  eingenommen.  Im  Innern 
interessiren  besonders  der  von  64  Säulen  getragene,  82m  lange  und 
Ö5m  breite  Hauptsaal  und  der  riesige  Wintergarten.  Was  das  Palais 
an  Gem&lden,  Statuen  und  sonstigen  Kunstwerken  enthielt,  ist  ent- 
weder in  den  Winterpalast  geschafft  oder  den  Sammlungen  der  Eremi- 
tage einverleibt.  Im  Park ,  den  man  vom  Wintergarten  aus  betritt 
und  der  Teiche,  Fontänen,  Grotten,  Orangerien,  Pavillons  u.  s.  w. 
enthält,  finden  im  Sommer  besuchte  Militär-Ooncerte  statt. 


Alex.'NetDskyTheU.    ST.  PETERSBURG.  11.  Baute.  *  167 

Nördlich  vom  Tauriscben  Paiast  der  Wasserleitungs -Thurm 
<BoAonpoBOiiHaH  ÖauiHJi,  PI.  229).  Weiter  nach  Osten  in  der  Jeka- 
terininskaja  die  Araktschtjtvo' sehen  Kasernen  (PI.  65)  und  am  nord- 
9stl.  Ende  des  Bogens,  den  die  Newa  hier  beschreibt,  das  Alexander- 
Hospital  (PI.  146 : 1 K  4).  Südlich  von  letzterem  das  SsmQlny-Kloster 

<CMOj&Hiili  MoHacnipb ;  PL  126:  IK4). 

Früher  stand  hier  ein  von  Peter  I.  erbauter  Palast,  an  dessen  Stelle 
die  Kaiserin  Elisabeth  1748  den  Bau  eines  Klosters  für  Waisenmädehen 
begann.  Katharina  II.  gab  demselben  neue  Statuten  und  fügte  1765  eine 
Erziehungsanstalt  für  Mädchen  hinzu.  Die  Kaiserin  Maria,  Gemahlin 
Panrs  I.,  erweiterte  1797  das  Institut;  zu  ihrem  Gedäehtniss  ist  in  der 
Kirehe  ein  einf.  Denkmal  errichtet.  Mit  der  Anstalt  ist  eine  Versorgungs- 
anstalt für  adelige  Wittw«n  verbunden. 

Die  ausgedehnten  Gebäude  des  Ssmolny- Klosters  liegen  male- 
risch auf  dem  hier  etwas  erhöhten  linken  Newa -Ufer;  die  dazu 
gehörige  Kathedrale  der  Auf  erstehimg  des  Erlösers,  auf  welch«  eine 
schöne  Allee  zuführt ,  mit  ihren  fünf  hellblauen  Kuppeln  ist  fast 
von  allen  Punkten  der  Stadt  sichtbar.   In  der  Hauptkuppel  mehr 

•als  20  Glocken,  deren  grösste  12,000  kg  wiegt. 

Das  Ihkbrk  ist  bei  aller  Einfachheit  von  grosser  Wirkung.  Die  Grund- 
farben sind  Weiss  und  Gold,  nur  die  Stufen  der  drei  von  krystallenen 
Balustraden  (aus  den  Fabriken  des  Gouvernements  Orel)  umgebenen  Al- 
täre sind  von  gelbem  Ural-Marmor,  der  Fussboden  von  dunklem  Marmor, 
aus  Jekaterinenburg.  Den  Sitzen  der  kaiserlichen  Familie  gegenüber  die 
mit  Seulpturen  geschmückte  Kanzel.  Unter  den  durchweg  modernen  Ge- 
mälden ragt  niebt  bloss  durch  ihre  Grosse  (6  m  hoeh)  die  Auferstehung 
auf  dem  Hauptaltar  hervor;  auch  eine  Erscheinung  der  heil.  Jungfrau, 
von  Venetzianow,  verdient  Erwähnung.  Alle  Kirchengeräthe  sind  von 
massivem  Silber;  hervorzuheben  ist  ein  Tabemadtel  in  Form  einer  Bundes- 
lade ,  getragen  von  34  Jaspissäulen. 

Vom  Ssmolny  *  Kloster  führt  uns  die  Pferdebahn  (Linie  3)  zum 
Snamenaky-PlatiLund  von  da  den  Newsky-Prospect  entlang  (Linie  1) 
zum  Alezander -Kewiky-Kloftter  (Cbato  -  Tponfio  AiexttHjipo- 
HeBCia«  iaBpa ;  PL  12Ö :  1 7).  Unter  den  sog.  Lawren*),  dem  Bange 
nach  die  dritte,  Sitz  dee  Metropoliten  von  St.  Petersburg*,  ähnelt 
das  Kloster  mit  seinen  von  Mauecn  und  Graben  umgebenen  Ge- 
l>äuden,  Kirchen  und  Kapellen  einer  Festung  und  Imponlit  haupt- 
sächlich durch  seinen  kolossalen  Umfang. 

Das  Kloster  steht  der  Sage  nach  auf  der  Stelle,  wo  Groesfürst  Alexan- 
der (1218-53),  der  Schutzpatron  Busslands,  am  18.  Juli  l34^  einen  grossen 
Sieg  Über  die  Schweden  und  Ordensritter  errang.  Peter  der  Grosse,  um 
jeiner  neuen  Hauptstadt  die  Weihe  eines  Kational  •  Heiligtbums  su  ver- 
leihen, erbaute  hier  1713  eine  hölzerne  Kirehe  mit  Klostersellen ,  der  er 
1724  die  Reliquien  des  heil.  Alexander  ^ewsky ,  bis  dahin  im  Kloster 
Wladimir,  schenkte  und  grosse  Güter  und  Einkünfte  vermaobte. 

Die  erste  Kirche  des  Klosters  ist  die  Kathedrale  der  h.  Dreieinig- 
keit (1716  durch  Peter  begonnen,  1779-90  durch  Katharina  II.  neu 
auf)B;eführt),  flanklrt  von  2  ThÜrmen  mit  goldenen  Kreuzen. 

*)  Lawra  ist  der  Käme  der  Kloster  I.  Banges,  die  sugleich  Sitze  der 
Hetropoliten  sind  und  in  denen  sieh  höhere  gästl.  Seminarien  befinden. 
Es  sind  in  Russland  ihrer  drei:  das  Troiza •Kloster  des  h.  Sergius  bei 
Jfoskau  (8. 315),  das  Höhlen-Kloster  bei  Kiew  (8.  399)  und  das  Alexander- 
Kewsky- Klostert  ausserdem  beanspruchen  diesen  Bang:  St  Sawwa  in 
Jerusalem,  die  Klöster  auf  dem  Athos  und  Sinai. 


168»  Boute  11,  ST.  PETERSBURG.  WassUy- 

Im  Innern  r.  vom  Ikonostas  derBeliquienkasten,  weleber  die  Gebeine  de» 
heil.  Alexander  Newsky  umsehliesst,  eine  5  m  h.  Pyramide  aus  massivem 
Silber^  darüber  ein  silberner,  von  Engeln  gestützter  Katafalk,  an  den 
Seiten  zwei  Basreliefs,  Seenen  aus  dem  Leben  des  Heiligen.  Zur  Her- 
stellung des  Ganzen  bestimmte  die  Kaiserin  Elisabeth  1752  den  ersten  Er- 
trag des  Koliwan'schen  Silberbergwerkes ,  90  Pud  (1800  kg.).  Vor  dem 
Katafalk  ein  Pult  mit  einem  Reliquienschrein  und  einem  Gandelaber» 
alles  von  Silber,  1806  von  Alexander  I.  geschenkt.  Die  Schatzkammer 
enthält  eine  grosse  Menge  von  Kostbarkeiten,  u.  a.  vier  kostbare  goldene 
Kelche,  zwei  von  Katharina,  einer  von  Elisabeth  und  einer  von  Fürsten 
Menschikow  geschenkt;  die  Krone  des  h.  Alexander;  den  Stern  dea 
Alexander-Newsky-Ordens,  welchen  Katharina  II.  trug;  reich  mit  Perlen 
u.  Edelsteinen  besetzte  Hitren ;  einen  von  Peter  d.  Or.  gedrechselten  Bi- 
schofsstab, das  Bett  auf  welchem  er  starb,. etc.  Unter  den  Bildern  ein 
Altarbild,  Verkündigung  Maria,  von  Baphael  Menge;  einige  Ck>pien  nach 
Bubens,  van  Dyck  u.  a, ;  dem  Altar  gegenüber  an  zwei  Pfeilern  die  über- 
lebensgrossen  Porträts  Peters  I.  u.  Katharinas  II. 

Die  Krypta  der  Kirche  der  Verkündigung  Maria,  gleich  1.  an 
der  Brücke  gelegen ,  enthält  die  Grabmäler  mehrerer  Angehörigen 
der  kais.  Familie,  sowie  berühmter  russischer  Familien.  Hier  rnhen 
n.  a.  Natalie,  die  Schwester  Peters  d.  Gr.;  Natalie,  die  erste  Ge- 
mahlin Pauls  I.;  Graf  Rasumowski;  Ssuworow  (»Hier  liegt  Ssuwo- 
row*',  lautet  die  von  ihm  selbst  bestimmte  Inschrift) ;  Graf  Panin, 
der  Erzieher  Pauls  I. ;  Fürst  Besborodko  u.  a.  Auch  in  der  Kirche 
der  Auferatehtmg  des  h,  Lazarus  (1716-18  von  Peter  I.  erbaut)  und 
den  dazu  gehörigen  weitläufigen  Friedhöfen  liegen  viele  Mitglieder 
des  höchsten  russischen  Adels  begraben,  die  Seheremetjew ,  Tru- 
bezkoi ,  Chitrow ,  Schuwalow  etc.  Die  kostbaren  Monumente  der- 
selben, vielfach  nicht  eben  geschmackvoll,  sind  z.  Th.  vollständige 
Capellen. 

Mit  dem  Kloster  ist  eine  geistlicheAkademie  (ilyxOBHaii  AKaxeififi^ 
PI.  5)  mit  120  Schülern  und  ein  geistliches  Semvnar  (ityzoBHafl  Ce- 
VHBapui,  PI.  208)  mit  240  Zöglingen  verbunden. 

Gleich  in  der  Nähe  des  Alexander-Newsky-Klosters ,  ebenfalls 
an  der  Newa,  auf  der  andern  Seite  des  Obwodny-Eanals  die  kaiser- 
liehe Glasfabrik  (HMnepaTopcKÜl  KaseHHuii  CTeKiaHHiiü  SaBO^i; 
P1.43:  K7),  mit  der  eine  Kry Stallschleiferei  und  Glasbrennerei  ver- 
bunden ist.  Die  Krystallschlelferei  ist  vielleicht  die  grösste  der 
Welt  und  sehr  sehenswerth  (für  Schwachnervige  angreifend). 

Auf  dem  Rückwege  können  wir  die  amLigowsky-Quai,  nördlich 
vom  Snamensky  *  Platz  (an  demselben  1.  der  Moskauer 'Bahnhofe 
PI.  17,  H  6)  gelegene  Orieehisehe  Dmitry-Xirche  (rpenecKan  iiepKOBb. 
GBHTäro  J^HMHipis;  PI.  102:  H  5)  besuchen,  1865  im  byzantin.  Stil 
nach  Kusmins  Plänen  vollendet,  von  gefälligem  Aeussern,  das 
Innere  in  Gold  und  Farben  reich  decorirt.  —  L.  von  der  Kirche  da» 
stattliche  EoangtUsche  Hospital  mit  seinen  Thürmen  und  Zinnen» 

i.  Wassily-Ostrow.] 

Kach  Wassily-Ostrow  führen  vom  Admiralitätspiatz  über  die  Palais- 
brüeke  die  Linien  26  u.  18  (letstere  über  die  Tutsehkowbrüeke  weiter 
naeh  dem  Petersburger  Theil) ;  femer  über  die  Nikolaibrüeke  die  Linie  14, 
an  die  sieh  die  an  der  Brüeke  mündenden  Linien  4  u.  26  ansehliessen. 
Vgl.  S.  177. 


Oitrow.  ST.  PETERSBURG.  Ih  Beute.     169 

Vom  Palastplatz  führt  die  Schloss-  oder  Dworzowy- Brücke 
(PI.  E  5)  zur  Ostspitze  von  Wassily-Ostrow ,  wo  auf  schönem  freien 
Platz  in  erhöhter  aussichtsreicher  Lage  die  sog.  hoUändiBche  BÖrfle 
(PI.  23 :  £5)  sich  erheht,  im  griech.  Stil  nach  den  Plänen  des  Archi- 
tekten Thomon  1783  begonnen,  1816  vollendet.  Ein  Peristyl  von 
44  dorischen  Säulen  umgieht  das  Gebäude ;  über  der  vorderen  Säulen- 
reihe die  Statuen  des  Fleisses,  der  Hoffnung  und  der  Gerechtigkeit. 
Der  grosse  Saal  erhält  sein  Licht  von  der  Decke ;  an  der  Wand  dem 
Eingang  gegenüber  auf  reich  geschmückten  Sockeln  die  Büsten  der 
Kaiser  Alezander  I.  und  Nikolaus  I.  Börsenstunden  3-5  U.  Nachm. 

Vor  der  Börse  stehen  in  einiger  Entfernung  zwei  mächtige,  über 
30  m  hohe  Rostral-Säulen  aus  rothen  Granitblöcken,  das  Piedestal 
mit  je  zwei  Golossalstatuen,  der  Schaft  mit  metallnen  Schiffsschnä- 
beln geziert.  Der  ♦Blick  von  der  Strjelka  (PI. E4,5),  dem  durch 
mächtige  Quadern  gegen  den  Anprall  des  Stromes  geschützten  Halb- 
rund zwischen  den  Säulen ,  ist  einer  der  schönsten  in  ganz  Peters- 
burg. L.  sieht  man  die  Werke  der  Peter-Pauls-Festung ,  überragt 
von  dem  riesigen  vergoldeten  Thurm  (S.  174),  r.  die  Quais  der  Newa, 
mit  einer  Palastreihe,  die  ihres  gleichen  sucht;  über  ihnen  er- 
glänzen die  goldene  Nadel  der  Admiralität  (S.  107)  und  die  gewal- 
tige Isaakskuppel.  Vor  dem  Beschauer  der  imposante  Strom ;  den 
Hintergrund  bilden  die  fernen  Häuserreihen  der  nordöstlichen 
Stadttheile. 

Hinter  der  Börse  der  halbkreisförmige  Börsenplatz  mit  Garten- 
anlagen. An  der  S.O.-Seite  desselben  ^  am  Newaquai  w.  von  der 
Schlossbrücke  liegt  die  Akademie  der  Wissenseliaften  (ARaxeiiis 
HayKi)  mit  dem  Muienm  und  der  Bibliofhek  (PI.  E5).  Der  Plan  für 
die  Gründung  der  Akademie  wurde  von  Peter  dem  Grossen  1724  unter 
dem  Beirath  von  Chr.  v.  Wolff  und  Leibnitz  entworfen  und  das  In- 
stitut nach  dem  Tode  des  Kaisers  1726  durch  Katharina  I.  ins  Leben 
gerufen.  Als  Heimstätte  wurde  der  jungen  Akademie  das  Palais 
der  Zarewna  Prascovia  Feodorowna,  der  Gemahlin  von  Peter*s 
Halbbruder,  angewiesen,  ein  dreistöckiges  Gebäude,  dessen  Dach 
ein  runder  Thurm,  das  ehemalige  Observatorium  (die  jetzige  Stern- 
warte ist  in  Pulkowa),  krönt.  Nach  einer  Zeit  tiefen  Verfalles  unter 
Peter  II.  hob  sich  die  Akademie  erst  wieder  unter  Anna  und  Elisa- 
beth ,  noch  mehr  unter  Katharina  IL,  welche  für  wissenschaftliche 
Bestrebungen  ein  reges  Interesse  hatte  und  die  Einkünfte  des  In- 
stituts erheblich  vermehrte.  Heute  besteht  die  Akademie ,  mit  der 
seit  1841  auch  die  1783  von  der  Regierung  gegründete  Akademie 
für  die  russische  Sprache  verbunden  ist,  aus  3  Klassen :  für  mathe- 
matische Wissenschaften,  für  russische  Sprache  und  Literatur ,  für 
Geschichte  und  Philologie.  Sie  zählt  21  ordentliche  (besoldete) 
Mitglieder,  55  Ehrenmitglieder  und  gegen  200  correspondirende 

Mitglieder.  Die  jährliche  Dotation  der  Akademie  beträgt  300,000  R. 

Mit  der  Akademie  sind  verbunden:    1.  Eine  Bibliot?iek  (im  Qebäude 

der  kleinen  Sternwarte,  nahe  der  Börsen  Besuchszeit  s.  S.  98)  von  e. 

900,000  Bänden  und  wertkvollen  Handschriften.  —  2.  Das  ßthnograpMaehe 


170    Soute  IL  ST.  PETERSBURG.  WaaaÜy 

Museum  der  Völker  des  rassischen  Reiches  (Kostüme).  —  3.  Das  Munt- 
eäbinet,  von  Peter  dem  Grossen  gegründet,  mit  altgrieehisehen  und  rö- 
mischen, ferner  russischen  Münzen  von  der  ältesten  Zeit  bis  auf  die  Gegen- 
wart, dann  der  einst  dem  Grafen  Suchtelen  gehörigen  Sanunlung  von  Me- 
daillen. —  4.  Die  Botaniiehe  Sammlung^  c.  60,000  Pflanzen,  besonders  aus 
Sibirien,  gesammelt  von  Steller,  Gmelin,  Pallas  u.  a.;  Sammlungen  der 
Grafen  Basumowski,  Uwarow,  Sivers  u.  a.  ^  5.  Das  Anatomische  Museum. 
—  6.  Das  Mineralogische  Cäbinety  an  Werth  dem  des  Instituts  der  Bergin- 
genieure (S.  173)  nachstehend,  aber  mit  bemerkenswerthen  Meteorsteinen 
und  einem  von  Euler  eonstruirten  kolossalen  Globus.  —  7.  Das  ZoologUehe 
Museum  in  14 Sälen,  besonders  interessant  wegen  seiner  vorweltlichen 
Thiere  (Mammuth,  Schädel  des Megatherium  oder  Riesenfaulthiers  u.  s.  w.). 

Am  Quai  der  Grossen  Newa  fortschreitend ,  erreichen  wir  die 
XTniyenität  (UMnepaTopcKiÜ  VfiMBepcHTeTi ;  P1.224:  E5)  im  grossen 
ehemaligen  Gebäude  der  12  Reichscollegien,  1819  von  Alexander  I. 
gegründet.  Sie  hat  4Facultäten:  eine  historisch -philologische, 
physikalisch -mathematische,  juristische  und  der  orientalischen 
Sprachen.  Die  Zahl  der  Studirenden  beträgt  c.  1200.  Vorlesungen 
vom  1.  Sept. -31.  Mal. 

An  der  langen  Paul'  Militärschule  vorbei  gelangen  wir  zum 
Rumjanzow-  oder  Ssolowiewschen  -  Sq^uare  (PyiUHKOBCKifl  CxBepi 
oder  CoJOBieBCKiS  ca^i).  In  der  Mitte  der  c.  25  m  hohe  Eunganiow- 
ObeliBk  (naHflTHHKi  PyHflHaoBy,  PI.  32  D5),  1790  nach  den  Ent- 
würfen des  Hofarchitekten  Brenna  vom  Kaiser  Paul  auf  dem  Mars- 
feld (S.  119)  errichtet,  1820  hierher  versetzt.  Der  Obelisk,  von 
schwarzem  Granit ,  auf  viereckigem  Marmorsockel,  trägt  auf  seiner 
Spitze  eine  vergoldete  Kugel  mit  darüber  schwebendem  zweiköpfigen 
Adler.  Inschrift:  ^Den  Siegen  Rumjanzow's''  (Rumjanzowa  pobje- 

dam ;  PyMJiHUOBa  uo6tiaKh). 

Der  Marschall  Bumjanzow  zeichnete  sieh  im  türkischen  Kriege  als 
Feldherr  Katharina's  II.  aus.  Er  errang  am  Kagul  einen  grossen  Bieg 
und  umzingelte  jenseit  der  Donau  das  ttirkisebe  Heer  bei  Sehumla, 
worauf  die  Pforte  den  Frieden  von  Kutschuk-Kainardsche  1774  schliessen 
musste.  Rumjanzow  erhielt  den  Beinamen  Sadunaisky  (von  jenseit  der 
Donau). 

Nicht  weit  davon  erhebt  sich  am  Ufer  der  Newa ,  bewacht  von 
zwei  schönen  Sphinxen^  die  1832  aus  Aegypten  hierher  gebracht 
wurden ,  die  Akademie  der  Künste  (Hvnep.  AKaxenii  XyxosecTBi, 
PI.  9,  D  5) ,  von  Katharina  II.  1765  gestiftet.  Das  Gebäude ,  eines 
der  schönsten  der  Stadt,  1765-68  nach  den  Plänen  von  de  la  Mothe 
und  Veiten  erbaut,  bildet  ein  Quadrat,  dessen  Seiten  130m  lang 
sind,  und  besteht  aus  zwei  Stockwerken ,  von  einer  Attlka  gefront. 
Die  Hauptfa^ade  gegen  die  Newa  (grandiose  Anfahrt)  schmücken 
Säulen  und  Pilaster.  Der  mittlere  Portikus  ist  mit  den  Statuen  des 
farnesischen  Hercules  und  der  farnes.  Flora  geschmückt  und  von 
einer  Kuppel  mit  einer  kolossalen  Minerva  überragt.  Die  ausge- 
dehnten Räumlichkeiten  enthalten  nicht  nur  die  Sammlungen  und 
Ausstellungssäle,  sondern  auch  die  Wohnungen  der  Zöglinge,  sowie 
von  Professoren  und  Künstlern.  Auf  der  Gartenseite  eine  Kirche.  — 
Für  den  Besuch  des  Museums  der  Akademie  (vergl.  S.  98),  in  deren 
oberem  Stockwerk  alljährlich  eine  Gemälde-Ausstellung  stattfindet 


Ottrow.  ST.  PETERSBURG.  IL  Route,     171 

^näheres  in  den  Zeitungen ;  Eintrittspreis  1  R.).  empfehlen  sich  als 
Kataloge :  Dobbert,  „Ein  Gang  durch  die  kais.  Akademie  der  Künste^ 
<im  2.  Theile  des  St.  Petersburger  Kalenders  für  1872)  und  G.  Treu  : 
^Das  Museum  der  Akademie  der  Künste'^.  St.  Petersburg  1871 .  Zur 

Orientierung  hilft  der  im  Vestibül  feilgebotene  Plan  der  Akademie. 

Im  Erdgesehoss  da«  altohriitliche  Xusenm  (Saal  33-36)  mit  Denkmälern 
der  altrussisehen  und  byzantinischen  Kunst,  theils  Originale^  theils 
Gopten.  Saal  33:  An  den  Wanden  und  Pfeilern  russische  Heiligenbilder 
aus  dem  xvi.,  xvii.  und  xtiii.  Jahrh.  —  Saal  34:  Interessante  Denkmäler 
russiseher  Architektur  und  Holzsculptur,  Qypsabgüsse  von  Säulen,  Relief- 
platten, Friesen  alter  Kirchen  (x.  und  xii.  Jahrh.)  ^  heilige  Pforten  (I(apcxix 
XBeps),  aus  Hols  geschnitzt;  Fragmente  alter  Schnitzwerke  (Wurzel  Jesse)  \ 
Chaldäiseher  Ofen,  bei  den  Cultushandlungen  des  xti.  Jahrh.  in  Gebrauch. 
—  Saal  36  (Griechischer  Saal):  Photographieen  der  von  Ssewas^anow 
vom  Berge  Athos  mitgebrachten  Sammlung,  Aquarellcopien  nach  einem 
Gyklua  evangelischer  Darstellungen  aus  einem  griechischen  Codex  des 
IX.  Jahrh.  (im  Gestell  am  Fenster),  Photographieen  und  Abgüsse  altchrist- 
licher Kunstwerke  des  Abendlandes,  slavonische  Handschriften  mit  rus- 
sischen Miniaturen.  <-Saal  36:  Heiligenfiguren,  aus  Holz  geschnitzt,  aus 
der  Sophienkirche  in  Nowgorod  (S.  251).  ^  Das 

MvsBUM  DBK  AKTiKBK  vvi>  Rkmaissangb-Sculptdebv,  in  den  Sälen  2-32 
des  Erdgeschosses,  den  Bäumen  des  Hauptaufganges  und  den  Sälen  57  und 
66  des  Hauptstocks,  enthält  wenig  Originale,  aber  eine  reiche  Sammlung 
▼on  Gyi^Dgüseen  (s.  Treues  Katalog).  Im  Treppenaufgang  bei  Saal  39 
ein  Gemälde  von  TintorettOf  Christus  Kranke  heilend.  Im  Hauptstockwerk 
fiaarl  57  (I.  antike  Gallerie  oder  Baffael-Saal) :  antike  Sculpturen;  Ge- 
mälde, namentlich  Copien  nach  Raffael.  —  Im  kleinen  Conferenzsaal 
58  Gobelin«  nach  JoupwH;  Kolossalstatue  Katharina*s  II.  von  Mälbtrg.  -^ 
Saal  66  (II.  antike  Gallerie  oder  Tizian -Saal):  Copien  nach  venetia- 
nischen  Meistern. 

RussiscBB  GbmIldb  vkd  Sgulpturbk  (in  den  Sälen  40-54  und  77  des 
Hauptstocks).  Saal  40 :  Löuenko^  Tod  des  Adonis,  Apostel  Andreas,  Wla- 
dimir und  Rogneda:  8*okolow^  Venus  und  Amor;  Landschaften  von  Petrov 
und  Matteijevo.  —  4f :  Landschaften  von  PhiMmowtw^  Tankwa^  Alexfjevf.  — 
iü:  Ivanoto.  Adam  und  Eva:  (>rIotf4iky,  Kosaken;  <9cA<«cA«<2Wn,  Abendland- 
schaft. —  43:  A.  TarcusotnUch^  Fortuna  und  der  Bettler;  Brülow^  Nardss, 
Ines  de  Castro;  3.  F.  Schtschedrin^  St.  Petersburg;  Seulpturen  von  Orlovfsky 
(Paris)  und  Bar.  P.  Klodt  (bäum.  Pferd).  —  44:  iwanotr,  Jan  TTssmo witsch ; 
Wiil0woldej  Jäger;  Susakawy  Lager  bei  Silistria;  Landschaften  von  Mord- 
trtnow,  Nijeanor  (Tiflis),  Worohjevo^  Auferstehungskirche  zu  Jerusalem; 
Sculptur  von  Demuth-Malinoiesky.  —  4A:  ShurawletD^  Fuhrmann;  Oromme^ 
Lazareth;  BoffcUubow^  Sturm  bei  Beval,  u.  a.  voa  Kügelgtn^  Kortialin 
COhina),  IfiiwKtr;  ffalberg^  Dankmal  Karamsin's  (8.363);  Faleonet  und  Ba- 
mtutmow.  MUo  von  Kroton  und  der  Löwe.  —  46:  PUtchanow^  Iwan  der 
Schreckliehe;  TschUljakotß y  Hochzeitsfest;  Riztone,  Wirthshausscene ; 
Aquarellen  von  Willte  u.  a. ;  Hälb«rg ,  Modell  der  Kolossalstatue  Katha- 
rina*« II.  (s.  o.).  —  47 :  IfoUer ,  Johannes  auf  Patuos ;  Genrebilder  von 
Reimers  und  i>m<tr(;>tr ,  Orenburg ;  Seulpturen  von  Batberg  (Knabe),  Sta- 
toauer  (Nymphe).  —  48:  Flawitzkyy  Märtyrer.  —  49:  iO'<u$oj'edoto ,  Flucht 
Otrepjew's.  —  51:  LottenkOy  Porträt  Wolltow'ss  MatwtjeWy  Selbstporträt.  — 
In  den  Sälen  52-54 :  Porträts  herrorragender  Künstler,  sowie  einige  Seulp- 
turen. ^77:  Bastrelliy  Statue  der  Kaiserin  Anna;  Z)emti(A-i/a{tnow«iy.  Büste 
Ssuworow's ;  Tolsioiy  Reliefs  aus  der  Odyssee;  Medaillen  aus  dem  J.  1812-14; 
SchuUn^  Büste  Katharina*«  II.  —  Im  mittleren  Theile  der  Hauptfa^ade 
(«.  0.)  die 

MuBBBiT-  ii»D  MBDAiLLBir  -  SaMKLimo,  unbedeutend ,  enthält  ru«8i«ehe 
Medaillen,  byzantin.  und  hebräische  Münzen.  Plafond  (Apollo  und  die 
9  Xumb)  von  Bauint  Skizzen  von  Jagden  und  Waldlandsdhaften  von 
Buben$  u.  a.  —  Die 

SaüMLUKO  VOM  OaioiMAiioaiilLDBN  AutLÄMDisoHBB  Mbisvbr  besteht  aus : 
1.  der  KMe«hele%ci*Khm  OaUerie  (ältere  und  neue  Meister)  in  d«n  Sälen  70,  71, 


172    Route  11,  ST.  PETEBSBÜBG.  WmHly- 

72. 75;  2.  ältere  ausländisehe  Bilder  in  denBälen  67,68,69^  3.  moderne  aus- 
ländische und  russisehe  Bilder.  Katalog  beim  Aufseher.  —  Italienisehe 
Sehule:  Paolo  Veronese,  Hochzeit  zu  Kana  und  Anbetung  der  Könige; 
Bassano  (O.  da  Ponte)^  Anbetung  der  Könige ;  Ouido  Reni,  der  heil.  Joseph 
und  ein  Heiliger  im  Gebete;  CaravaggiOt  Nymphen;  Canaletto^  Ansicht  Ton 
Venedig;  Botariy  Köpfe;  C<uanova^  Joseph  IT.  —  Aeltere  niederlän- 
dische Schule:  MetsUy  die  Kähterin  (verdorben);  Ph.  BombouU^  das 
Coneert;  V.  v€m  Ruitdael^  der  Weg;  A.  Petier»  (?),  Strandlandschaft; 
*^.  TenitTi  d.  Ae.y  Teufelsspuk  in  einer  Gebirgslandschaft;  i2i«den<,  Ecee 
Homo;  Werk  der  frühesten  Zeit,  wohl  noch  Tor  seiner  italienischen  Reise; 
*/.  Jordaentf  das  Bohnenfest ,  eine  der  besten  Darstellungen  dieses  häufig 
von  ihm  wiederholten  Gegenstandes;  Jan  Victors ^  Salbung  Dayid*s  und 
Quacksalber;  /.  v.  OHad€y  Halt  am  Wirthshause;  O.  B.  Weenix^  Reisende 
in  italienischer  Landschaft  und  Italienischer  Hafen  (Hauptbilder  des  Künst- 
lers, auch  ihrem  Umfange  nach);  *Ph.  Wonwemumf  Reiter  am  Wirths- 
hause. —  Aeltere  fransösische  Schule:  If.  Poutrin^  Rückkehr  des 
verlorenen  Sohnes;  OA.  A.  van  Loo^  Hariä  Himmelfahrt;  J.  Verneig  die 
Nacht,  ein  Schiffbruch;  J.  M.  Vien^  Minerva;  0re«f«,  Mädchen;  WcMea«, 
Tanz.  —  Aeltere  deutsehe  Sehule:  L.  OonoeA,  (Thristus  und  die 
Ehebrecherin;  ffolbein  (?),  Mann  und  Frau:  /.  B.  Bdedinger,  Jagdstücke; 
J.  Ph.  Hadert,  Wasserfälle;  Kartons  von  A.  R^fael  Mengt.  —  Die  aus- 
ländische Malerei  des  19.  Jahrb.  ist  in  der  Kusehelew- Gallarie 
reich  vertreten,  besonders  die  moderne  Französische,  Belgische  und 
Deutsche.  Von  neueren  Franzosen  sind  u.  a.  zu  nennen:  Arg  Seheffer, 
zwei  Gemälde ;  C.  Hoguet ,  zwei  Seestücke ;  */ta6«y,  Rückkehr  von  der  Jagd ; 
*Meitsonier,  der  Raucher  u.  a.;  Waldlandsehaften  von  IHom;  fforaee  Vemety 
der  Todesengel  des  Malers  Tochter  entführend;  *Paul  Delaroche,  Crom- 
well  am  Sarge  Karrs  I. ;  Delaeroix,  marokkanische  Seenen ;  ferner  Tauaert^ 
Breucaeeaty  Cfvdiny  Couture,  Leopold  Robert;  Oirofne,  das  Duell  nach  dem 
Maskenball  u.a.  Unter  den  Belgiern  sind  OäfMt,  1**9* y  Steven»,  unter 
den  Deutschen  Bedter,  Knaus  («Brand  in  einem  Bauernhause),  SUdebrand, 
Andreas  AcJienbach  gut  vertreten.  Aus  der  russischen  Schule  ist  zu  be- 
merken :  Aiwasotoskg,  Mondnacht  in  Neapel;  BogoUubow^Bchlwiht  bei  Sinope. 
Vergl.  Katalog  der  Kuschelew-Gallerie. 

Die  BiBLioTHiK,  mit  Lesesaal,  ist  reich  an  Kupferstichen,  Photo- 
graphieen,  kunstgeschichtlichen  Büchern,  lllustrirten  Prachtwerken.  — 
Im  Versammlun^s-Saal  mit  grossem  Deckengemälde  von  Schebujeto 
die  Bildnisse  der  früheren  Präsidenten  der  Akademie. 

Auf  dem  Newaquai  weitergehend ,  lassen  wir  1.  die  Nikolau»- 
brücke  (S.  112),  r.  ein  von  der  Akademie  der  Wissenschaften  (s.  o.) 
benutztes  Gebäude  (Fl.  11).  In  der  r.  mündenden  9.  Linie  I.  am 
Bolschoj  {Grossen)  Prospect  (S.174)  das  Tatriotische  Institut  (PI.  59). 
Weiter,  in  der  8.  Linie  n^  39,  befindet  sich  im  Hause  des  Geh. 
Raths  Peter  von  Si emenow  die  umfangreiche  und  namentlich  für 
das  Studium  der  vlämisehen  und  holländischen  Malerei  sehr  inter- 
essante Gallerie ,  welche  derselbe  in  der  Absicht  zusammengebracht 
hat ,  ein  Bild  der  geschichtlichen  Entwickelung  Insbesondere  der 
holländischen  Malerei  zu  geben ,  welches  die  Eremitage  hei  ihrem 
grossen  Reichthum  an  Meisterwerken  nicht  zu  bieten  im  Stande 
ist.  Wir  müssen  uns  hier  auf  die  Namhaftmachung  der  hervor- 
ragendsten und  seltensten  Meister  beschränken. 

Die  Gruppe  der  Lehrer  und  unmittelbaren  Vorgänger  Rembrandi^s 
ist  vertreten  durch  Gemälde  von  P.  Lastman  (Abraham  und  die  Engel, 
1631),  Moeißaert  (Beschneidung  Mosis,  169&),  Bremer  und  P.  de  Grebber. 
Von  den  Naehfolgern  der  italienischen  yatnralisten  ist  G.  Bontharet  durch 
4  zum  Theil  sehr  gute  Werke  (Esau  verkauft  sein  ErstgeburUreeht,  Die 
Lautenspielerin  u.  a.)  und  durch  ein  Bild  der  seltene  Maler  O.  Snit  ver- 
treten.   Die  Meister  der  idyllisch- arkadischen  Landschaft,  deren  Haupt 


OBtrow.  ST.  PETERSBURG.  IL  Route,     173 

Elsheimer  war,  die  Poelwburg^  ÜiUnhroede^  Breenbergy  Vertanghen  u.  s.  w., 
«ind  faat  so  vollzählig  als  die  älteste  nationale  Richtune  der  hollän- 
dischen Landschaftsmalerei:  die  JB.  van  de  Velde^  Ooijen^  llolijny  Sal.  v. 
Ruifsdealy  Poreellüy  S.  d«  Vlieger  und  die  selteneren  Meister  Jleerhwtty 
I.  8dt09ff^  W.  Knüffe  W.  Kool^  Ph.  de  BooU  u.  a.  m.  Unter  den  älteren 
Bildnis smalem  der  Sammlung  nennen  wir  Vertpronck^  Miereveit  ^  Th.  de 
XeiJser  und  D.  Beeek^  von  späteren  das  schöne  Damenporträt  von  A.  v. 
d.  Tempel  (1670);  unter  den  frühesten  Genremalern  Hollands  Dirk  HaU^ 
Codde,  Pieter  Potter  und  Jan  Kiek^  Bowie  Bloot  und  Drooch-Slöot.  Fehlt 
auch  Bembrandt  seihst,  so  finden  wir  doch  Rembrandf»  Schule  in  seltener 
Vollständigkeit:  Poorter^  J.  de  Wet^  Bol,  Flineky  J.  Saeker^  Ovens^  B.  Fa- 
^rtttu«,  ffoogstraeten,  Äldetpeereld^  Baldent^  Livene,  Knüpf  er  ^  G.  und  8.  de 
Braif.  Von  den  Oenremaiern  der  Blüthezeit  Netsehery  Jan  äuen  in  einem 
grossen  Bilde  mit  seiner  eigenen  Familie,  /.  Ochtervelt^  Slingelandy  Vermlt 
u.  A. ;  die  elassischen  Heister  der  Landschaft  J.  v.  Ruisdaely  VrieSy  Oteh^ 
Hagen^  J.  v.  Meer  van  Haarlemy  O.  du  Boi$ ,  Sehellink ,  Looten ,  Everdingeny 
Bakhuiseny  0.  de  Beuechy  Pünacker^  K.  Dujardin^  Anelih^,  A.  Cu^p  (aus 
frühester  Zeit) ;  P.  de  Laar  und  L.  de  JongJie  (1668).  Ihnen  schliessen  sich 
die  Stillleben-Maler  2>.  de  Heemy  Pierson  u.  s.  w.  in  beträchtlicher  Zahl  an. 
tJnter  den  gleichfalls  zahlreichen  Gemälden  der  vlämischen  Schule 
seien  nur  die  Hanpt«iüeke :  das  Bildnlss  des  Ciardinal-Infanten  Ferdinand 
von  Süden«,  eine  heilige  Familie  von  Jordaenty  eine  Anbetung  der  Konige 
von  /.  Brueghel  und  eine  Waldlandschaft  von  C.  Huysman  erwähnt. 

Wir  kehren  zum  Newa -Quai  zurück.  R.  zwischen  der  11.  und 
1 3.Linie  das  Cadettencorps  der  Marine  (MopcKoS  KaxerciUi  Kopnyci ; 
PL  203 :  D  5) ;  davor  am  Newa-Quai  die  Statue  des  AdmiraU  Krusen- 
stern^  des  ersten  russischen  Weltumseglers  (tl846),  1873  errichtet. 
Weiter  am  Ende  des  Quais  das  Institut  der  Bergingenieure  oder  die 
*Bergakademie  (FopHufll  HHCTHTyn ;  PI.  53 :  C  6),  eine  der  sehenswer- 
thesten  Anstalten  in  St.  Petersburg,  1773  von  Katharina  II.  gegrün- 
det, 1834  reorganisirt.  Die  Akademie  zählt  600  Hörer,  welche  dem 
Ingenieurstabe  des  russischen  Bergwesens  zugetheilt  werden.  Das 
imposante  Gebäude  bedeckt  c.  12,000  qm.  Eintritt  s.  S.  99 ;  Füh- 
rung der  mit  Billets  versehenen  Fremden  durch  Beamte. 

Interessant  namentlich  in  den  KodelliAlen  die  Sammlung  der  Bergbau- 
Instrumente  und  Bergwerksmodelle,  durch  welche  die  verschiedenen 
Arten  des  Vorkommens  und  der  Ctewinnung  der  Metalle  und  Steine  ver- 
ansehaulieht  werden. 

Das  überaus  reiche  ^Kineralonsoh«  Xnaeum  enthält  prachtvolle  Exem- 
plare namentlich  der  Mineralien  Kusslands  (im  Naturzustände,  geschliffen 
und  in  ihrer  verschiedenen  Verwendung).  Die  werthvollsten  Stücke  in 
der  Regel  in  den  niedrigen  Glaskästen  unter  den  Fenstern.  Wir  sehen 
eanze  Blöcke  von  Malachit  (135,000  B.  Werth) ,  Platin  (30,000  B.) ,  die 
160  (3k>ldarten  Busslands  (100,000  B.) ;  einen  prachtvollen  Beryll  aus  dem 
Ural,  ganz  durchsichtig,  im  Werthe  von  43.000  B.,  auf  einer  grossen  Sehale 
in  der,  Mitte  des  2.  und  3.  Zimmers;  schöne  Exemplare  von  Schwefel- 
kry stallen.  Bergkrystallen ,  Türkisen,  Saphiren  und  andern  Edelsteinen 
aller  Art  (Alexandrit),  Modelle  der  grössten  Diamanten ;  grosse  in  Holz  ein- 
gewachsene Knochen ,  schöne  Perlmuttermuscheln  u.  s.  w.  —  Im  letzten 
Zimmer  ein  Kasten  mit  Münzen  ^  darunter  interessante  russische  Platin- 
münzen in  der  Grösse  eines  Silberrubels  (=  13  B.);  ein  Nephritblock  von 
7  kg  aus  der  Kirgisensteppe. 

Kaeh  der  Besichtigung  der  oberen  Baume  leitet  ein  Führer  mit  Lieht 
durch  das  unterirdische,  künstlieh  im  Hofe  zum  Unterricht  angelegte  Bei^- 
werk  mit  den  mannigfachsten  Arten  von  Stollen,  Schachten,  Wasser- 
leitungen u.  s.  w.;  die  verschiedenartigen  Gebirgsarten  sind  durch  die 
Farben  der  Sehaehtwände  anschaulieh  gemacht. 

Nun  am  Ufer  der  Newa  zurück  bis  zur  17.  Linie ,  dann  mit  der 


174    Baute  11.  ST.  PKTERSBÜRQ.        Festungsintel  u. 

Pferdebahn  (Linie  26)  bis  zur  Tscbornaja.  Auf  der  Fahrt  schneiden 
wir  den  breiten  und  sch6nen  Grossen  (Bolschoj)  Prospectj  durchweg 
mit  kleinen  Gärten  vor  den  Häusern.  Gleich  westlich  der  Endstation 
der  Pferdebahn  an  der  Tschornaja  liegt  der  Friedhof  von  Ssmolenik 
(CMOjeHCKoe  Kia^ÖHme,  PI.  B  4, 5),  rechts  vom  Eingange  die  Kirche 
der  Muttergottes  von  Ssmolensk  (UepKOBfc  CMOjeECKofi  Eosieft 
MarepH,  PI.  119),  gleichzeitig  mit  der  Anlage  des  Friedhofs  1756 
errichtet,  erst  in  Holz,  1783  in  Stein.  Nördlich  von  dem  Ssmolensker 
der  armenische,  rechts  davon  der  deutsche  und  englische  Friedhof., 
D^u  Kleinen  (Maly)Prospect  bis  zur  Tutschkouf^Brücke  {VlocTb 
TyiKOBi ,  PI.  D  4) ,  welche  über  die  Kleine  Newa  führt ,  verfolgend, 
treffen  wir  auf  das  Maria- Magdalena- Krankenhaus  (PI.  140 :  D  4) ; 
es  folgen  in  der  ersten  Linie  die  katholische  geistliehe  Akademie 
(PI.  6) ,  gegenüber  die  Kirche  der  Orossmärtyrerin  Katharina 
(PI.  lOöa) ,  1811  im  röm.  Stil  erbaut.  Längs  des  Quais  gelangen  wir 
zum  alten  und  neuen  Bazar  mit  dem  ZoU- Museum  (tägl.  12^4, 
So.  2-5  U.,  Eintritt  10  Kop.-l  R.),  sodann  zum  grossen  Zollgehäude 
(TaMOMHfl;  PI.  231 :  D4,5)  und  zur  Börse  (S.  169). 

k.  Die  Feitangsimel  nnd  der  Petersburger  Theil. 

Vom  Ssuworowplatz  (S.  119)  führt  die  Troizky-  oder  Peters- 
burger Brücke  (PI.  F4)  über  die  Newa,  die  hier,  bevor  sie  sich  in 
Kleine  und  Grosse  Newa  theilt,  ihre  grösste  Breite  (650  m)  erreicht, 
zum  Petersburger  (Peterburgskaja)  Stadttheil  (Pferdebahn  vom 
Michaelsplatz,  PI.  F5).  Vom  Troizkajaplatz  (s.  unten)  führt  eine 
Holzbrücke  über  den  Kronwerks  -  Kanal  zur  Peter-Panls-Festnng' 
(IleTponaBJOBCKafl  KptnocTi»,  PI.  EF4;  auch  vom  Schlossquai 
unterhalb  der  Troizkybrücke  mit  Dampffähre  zu  erreichen). 

Die  Festung,  zu  welcher  der  Grund  bald  nach  dem  ersten  See- 
siege über  die  Schweden  (7.  Mai  1703)  durch  Peter  den  Grossen 
gelegt  wurde,  bedeckt  die  Petersinsel  {Kronwerk)  und  zwei  kleiner» 
Ö.  und  w.  gelegene  Inseln.  Sie  umschliesst  die  Staatsgefängnisse, 
die  Münze,  das  Arsenal,  das  Artillerie- Museum,  die  Peter-Pauls- 
Kathedrale  und  die  Militärverwaltungen, 

Die  *Peter-PanlB-Xathedrale  (üeTponaBJOBCKiM  Coöopx,  PI.  94, 
F4;  den  ganzen  Tag  geöffhet,  einer  der  in  der  Regal  anwesenden 
Unteroffiziere  der  Garde  dient  gern  als  Führer,  Trinkgeld  20  Kop.), 
gleichzeitig  mit  der  Festung  gegründet,  wurde  1712-33  erbaut.  E» 
ist  ein  Kuppelbau;  westlich  neben  der  Kirche  ein  128  m  hoher  sehr 
spitzer  Glockenthurm,  einer  der  höchsten  in  ganz  Russland,  dessen 
Pyramide  von  vergoldetem  Kupfer  ein  7  m  hohes  Kreuz  trägt.  Im 
Thurm  ein  Glockenspiel,  1759  unter  Elisabeth  an  Stelle  eines  altern 
angebracht,  welches  Peter  der  Grosse  in  Amsterdam  für  45,000  R. 
kaufte ,  das  aber  später  durch  den  Blitz  zerstört  wurde.  Die  helle 
und  freundliche ,  mit  kriegerischen  Trophäen  wie  mit  Blumen  und 
mächtigen  Topfpflanzen  geschmückte  Kirche  enthält  in  einem  mit 
einem  Gitter  verschlossenen  Anbau  (Eingang  in  der  Nähe  des  AI- 


Petersburger  TheÜ.  ST.  PETERSBURG.  ü.  Baute,     175 

tars)  die  Oruft  der  rusaiscken  Kaiser  aus  dem  Hause  Romanow  seit 
Peter  dem  Grossen  (mit  Ausnahme  des  Kaisers  Peter  U.  s.  S.  275). 
Hellgraue  Marmorsarkophage  bezeichnen  die  unter  der  Erde  befind- 
lichen Gräber;  vor  dem  Ikonostas,  am  weitesten  r.  vom  Eingang, 
ruhen  Peter  der  Grosse  und  Katharina  U.,  gegenüber  Nikolaus  und 
Alezander  II.  lieber  den  Gräbern  brennen  beständig  Lampen.  — 
Mehrere  eigenhändige  Arbeiten  Peter's  werden  hier  gezeigt ,  so  ein 
aus  Elfenbein  geschnitzter  Kronleuchter ,  3  m  hoch  und  2  m  im 
Durchmesser ;  in  der  Mitte  vier  aus  Schildpatt  gearbeitete  Medaillons, 
von  denen  eins  die  Inschrift  trägt:  ,,  Mühevolles  eigenhändiges  Werk 
Peter's  des  Grossen,  Selbstherrschers  aller  Reussen,  1723. '^ 

üeber  die  Brücke  zurück  gelangen  wir  am  Kronwerks-Kanal  ent- 
lang in  das  Kronwerk,  in  welchem  das  sehenswerthe  *  Artillerie- Mu- 
seum  (KpoBBepKCKiü  Apceaai'L,  PI.  170,  S.  98 ;  der  herumführende 
Diener  giebt  gute  Auskunft,  Katalog  nur  in  russischer  Sprache). 

Im  Bof  und  im  untern  Saal  eine  8«hr  reiehbaltige  Sammlung  von  rus- 
sischen und  andern  Oesebützen  aller  Art  vom  XV.  Jabrh.  bis  auf  die 
Gegenwart;  femer  alte  WaflFcn,  Büstungen,  Fahnen,  alte  und  neue  Kriegs- 
maaehinen,  Soldatenflguren  aus  versch&denen  Perioden  in  Uniform  (Stre- 
litzen  zu  Fuss  and  zu  Pferde);  Paukenwagen  für  die  Artillerie,  in  St. 
Petemburg  gefertigt  und  vom  Orafen  Schuwalow  der  Kaiserin  Elisabeth 
geschenkt.  In  der  Mitte  des  Saals  in  einem  abgeschlossenen  Baum  zahl- 
reiche Erinnerungen  an  russische  Herrscher:  Filzhut,  Uniform,  Kaftan 
und  Spontons  Peters  des  Grossen;  Strelitzenfahne  von  1681,  Sl/sm  lang, 
3  m  hoch ;  mehrere  Schränke  mit  Uniformen  russischer  Begenten ;  Ordei:^ 
Alexanders  I.  und  Nikolaus  I. ;  Todtenmaske  Ssuworows  etc.  Im  I.  Stock 
die  Bu?imeshaUe  -.  eroberte  Fahnen,  Waffen  und  andere  Trophäen,  darunter 
zahlreiche  schwedische,  preussische  (120  Fahnen,  u.  a.  auch  die  für  Eriegs- 
fahnen  gehaltenen  der  Berliner  Gewerke,  grÖsstentheils  bei  der  Einnahme 
Berlins  l760  aus  dem  dortigen  Zeughause  entführt,  u.  20  aus  der  Schlacht 
von.Kunersdorf,  wo  auch  Uniform,  Leibwäsche  etc.  Friedrichs  des  Gr.  er- 
beutet wurden) ;  viele  türkische  Trophäen,  darunter  die  vergoldete  Kuppel 
der  Moschee  von  Bender,  1770  erobert;  Schlüssel  und  Modelle  eroberter 
Festungen  etc. ;  endlich  Erinnerungan  und  Trophäen  (prachtvolle  Waffen) 
aus  den  Feldzügen  gegen  Chiwa  und  Buchara. 

W.  vom  Kronwerk  jenseit  des  Festungsgrabens  liegt  der  Zoplo- 
giBOhe  Garten  OooJorHiiecKiM  Ca^i,  P1.E4,  S.  99),  den  man  auch 
von  der  Stadt  aus  mit  Boot  oder  Dampfschiff  erreichen  kann.  Er  ent* 
hält  ausser  einer  nicht  unbedeutenden  Thiersammlung  ein  Theater, 
in  welchem  auch  Goncerte,  gymnast.  Vorstellungen  etc.  stattfinden. 
Eintr.  30  Kop. 

Oestlich  vom  Zoologischen  Garten  an  der  Nord-  und  Ostseite 
des  Kronwerks  der  Alezander -Park  (AieKcaHApoBCKÜ  IlapKi,  PI. 
EF3, 4),  von  den  unteren  Yolksklassen  viel  besucht).  Unweit  des 
5.  Ausgangs  auf  dem  Troizkajaplatz  die  alte  hölzerne  Heilands- 
oder  Dreifftltigkeits  (Troisy)  -  Kirche  (€o6op'&  €b.  Tpoftnu;  PI.  96: 
F4),  1703  von  Peter  dem  Grossen  erbaut,  der  hier  häufig  dem 
Gottesdienst  beiwohnte  und  sich  hier  im  J.  1707  mit  Katharina 
trauen  Hess.  Kaiserin  Elisabeth  versetzte  1746  den  Holzbau  nach 
dem  Sommergarten  und  begann  den  Bau  einer  neuen  steinernen 
Kirche;  als  dieselbe  durch  eine  Feuersbrunst  vernichtet  wurde, 
brachte  man  das  hölzerne  Gebäude  wieder  an  seinen  alten  Platz. 


176    Route  11.  ST.  PETERSBURG.  Die  InsHn. 

In  der  Schatzkammer  ein  elfenbeinerner  Kronleuchter  und  ein 
Weibrauchkästchen ,  beide  von  Peter  selbst  gefertigt. 

Mit  wenigen  Schritten  erreichen  wir  von  hier  das  Hanf  Peters 
def  Oroifen  (^ohhki  Derpa  I. ;  PI.  183:  F4),  in  einem  Garten  an 
der  Newa  gelegen,  kenntlich  an  einem  grünen,  reich  mit  G-old  ver- 
zierten Eisengitter.  Peter  baute  sich  dieses  Haus,  das  erste  auf  der 
Petersburger  Seite,  1703,  von  hier  aus  leitete  er  den  Bau  seiner  neuen 
Stadt.  Es  ist  von  Holz  (aber  um  es  vor  dem  Verfall  zu  schützen, 
von  Katharina  II.  mit  einem  Steinmantel  umgeben),  einstöckig,  nur 
circa  löm  lang,  6m  breit,  und  enthält  ausser  einem  Flur  nur  zwei 
Zimmer  und  eine  kleine  Kammer.  Auf  dem  Flur  ein  von  Peter  selbst 
gezimmertes  Boot,  der  „Vater  der  russischen  Flotte^.  Das  Zimmer  1. 
ist  in  eine  Kapelle  umgewandelt  und  birgt  in  einem  reichverzierten 
Rahmen  ein  wunderthätiges  Bild  des  Erlösers,  das  der  Kaiser  stets 
bei  sich  trug.  Im  Zimmer  r.  mehrere  von  Peter  selbst  verfertigte 
Gegenstände,  ein  von  ihm  viel  benutzter  hölzerner  Stuhl  mit  Leder- 
polster, ein  Schemel  u.  s.  w.   Im  Garten  eine  Büste  des  Kaisers. 

Wir  durcheilen  zu  Wagen  oder  mit  der  Pferdebahn  den  Peters- 
burger Theil,  der  nichts  besonderes  bietet,  ausser  vielleicht  noch, 
ö.  vom  Kaanenno-Ostrowsky -Prospect,  das  kais,  Lyceum  (PL  191 : 
F3),  das  Peter -PaiUi'Kranktnhaui  (PL  14Ö;  F2),  die  Kasernen 
des  Leih -Öarde- Grenadier 'Regiments  (PL  72:  F2);  w.  des  Pro- 
spects  das  /.  imd  IL  Milüärgymnasium  (PL  195:  D3),  dieW^adt- 
mtr-  (PL  124 :  E 4)  und  Erlöser- Kirche  (PL  100 :  0  D  3).  Jenseit  der 
Karpinsky  -Brücke  (PL  E  2)  über  die  Karpowka  führt  r.  ab  die 
Pessotschnaja  (neco«iHaii  yji.)  zum  Botaniachen  Garten  (6oTaHH«iecKiJI 
Caxi  ■  Opaasepifl;  PL  24,  F  2;  S.  99)  auf  der  Apotkekerinsel  (An- 
TCKapcKiM  OcrpoBi),  dem  n.  Theil  der  Petersburger  Seite.  Der 
Garten,  1714  von  Peter  dem  Grossen  zum  Anbau  von  Apotheker- 
kräutern angelegt,  wird  von  der  Grossen  Newka  und  der  Karpowka 
begrenzt  und  bedeckt  eine  Fläche  von  c.  12  Hectaren.  Er  dient 
jetzt  nur  wissenschaftlichen  Zwecken  und  enthält  ausser  einer  sehr 
reichen  Sammlung  von  Pflanzen  (theils  im  Freien ,  theils  in  den  in 
grosser  Zahl  vorhandenen  Gewächshäusern)  eine  Bibliothek  von 
18,000  Bänden ;  ein  Herbarium  von  6000  Bänden ;  ein  botan.  Mu" 
seum  in  3  Abtheilungen  (dendrologische,  karpologische  und  paläon- 
tologische Sammlung)  und  ein  physiolog.  Laboratorium»  Vgl.  die 
Schrift  des  Bibliothekars  Dr.  v.  Herder:  „Der  kais.  botanische 
Garten  auf  der  Apothekerinsel^. 

1.    Die  Ineeln,  Stanga  und  Kowsja  Derewnja,  der  Wyborg'sche 

und  Ochta'sche  TheiL 

Die  kurze  Zeit  des  Sommers  (vergl.  S.  104,  Klima)  verbringt  der  Peters- 
burger, wenn  irgend  möglich,  in  einem  jener  kleinen  hölzernen  Land- 
häuser, DaUchen  genannt  (datsche  =  Ghabe;  der  Name  entstand  dadurch, 
dass  Katharina  II.  jene  Grundstücke  mit  Villen  u.  s.  w.  an  verdiente  Per- 
sonen verschenkte),  welche  in  grosser  Zahl  über  die  Kewa-lnseln  aus- 
gestreut sind  und  mit  vollständiger  Einrichtung  vermiethet  werden.  Die 
eigentlichen  Oarteninseln  unter  den  e.  40  Eilanden  des  Newa-Deltas,  von 


DU  Inaein.  ST.  PETERSBURG.  11.  Baute,     177 

denen  einige  noch  heute  in  ursprünglicher  Wildniss  sieh  präsentiren, 
sind  Petrowsky,  Krestowsky,  Jelagin,  Eamenny  -  Ostrow ,  l^owaja  und 
Staraja  Derewnja,  im  Yolksmunde  kurzweg  „die  Inseln**  genannt,  im 
Winter  meist  überschwemmt,  im  Beginn  des  Frühjahrs  wieder  zu  lachen- 
den Parks  umgeschafTen.  Den  Verkehr  mit  der  Stadt  unterhalten  zahlreiche 
Dampfboofe  (S.  95) ,  Gondeln ,  Pferdebahnen ,  Omnibus  u.  s.  w.  Auch 
findet  man  fast  überall,  Tag  und  Kaeht,  auf  den  Inseln  Iswoschtsehiks. 
Wir  fahren  mit  Pferdebahn  vom  Admiralitätsplatz  über  Wassily- 
Ostrow  bis  zur  Tutschkow- Brücke  (PL  D4)  und  betreten  von  hier 
die  Pstrowsky^Insel  (HeTpoiicKiS  OcrpoBi,  PI.  B  CD  3, 4),  die  Lieb- 
lingsinsel. Peter's  des  Grossen,  der  hier  den  Pefratosfty-Parik  anlegte 
und  ein  Haus  baute,  das  als  Peter^s  ScMosa  heute  noch  vorhanden 
ist  (^opem  Ilerpa  L;  PL  185 :  B3).  Man  erblickt  es  sofort,  venn 
man  den  Petrowsky-Prospect  herunterkommt.  Links  von  letzterm 
eine  grosse  Taufabrik,  rechts  in  einer  Seitenstrasse  die  Actien' 
Bierbrauerei  Bavaria  (PL  C3),  im  Sommer  viel  besucht. 

Auf  der  Petrowsky- Brücke  (PL  C  2, 3)  gelangen  wir  über  die 
Kleine  Newka  nach  der  Krestowsky- Insel  (KpecTOBCKÜi  OcTposi, 
PL  A-C  2)  mit  dem  herrlichen  Schloss  und  Park  des  Fürsten  Bjelo- 
sersky.  Die  Insel  ist  der  Belustigungsort  der  untern  Yolksklassen ; 
hier  sind  zahlreiche  Restaurationen,  Carrousels,  Schaukeln,  Rutsch- 
berge. Das  grösste  sog.  Traktir  liegt  an  der  Nordseite  der  Insel,  am 
Ostende  von  Neu-Krestowsky;  hier  der  Endpunkt  der  Pferdebahn 
(Linie  8).  —  In  der  N.W.-Ecke  die  Etablissements  des  Fluss-  Yacht- 
Klubs  (PftHHoS  flxn.-Kjy6i,  im  Winter  im  Jussupow-Garten,  S.  161). 
Die  neue  Krestowsky -Brücke  führt  über  die  mittlere  Newka 
nach  der  Insel  Jelagin  (EjarHHt  OcrpoBi);  hübscher  Blick  auf  die 
Erestowsky-Datschen  am  Ufer  der  Newka.  Auf  Jelagin,  der  nörd- 
lichsten Insel ,  ist  für  Privatansiedelungen  kein  Raum ;  nur  einige 
kaiserliche  Paläste ,  malerisch  im  Grünen  gelegen ,  zieren  die  Ufer. 
Kaiser  Alexander  kaufte  1817  die  Insel  für  350,000  R.  vom  Grafen 
Orlow  und  Hess  nach  dem  Plane  Rossi's  für  die  Kaiserin  das  jetzige 
Jelaginslgr-Palais  (EjarHHCKiM  ^Bopem;  PL  174:  Gl)  erbauen;  es 
zeichnet  sich  durch  die  mächtigen  Eichen  in  dem  dazu  gehörigen 
englischen  Park  aus.  Auch  die  übrigen  Parkanlagen  der  Insel  sind 
gut  gehalten;  die  Wege  sind  in  vorzüglichem  Zustande,  mit  weissen 
Pfählchen  begrenzt.  Die  sog.  y^Pointe'^  am  Westende  der  Insel  ist 
das  gewöhnliche  Ziel  der  Equipagen ;  besonders  an  Sommerabenden 
prächtiger  Blick  auf  das  Meer. 

Von  Jelagin  auf  der  Jelaginsky-Brücke  über  die  Grosse  Newka 
nach  Stari^a-  und  ITowiga-Berewiga.  Die  Pferdebahn  führt  am  Ufer 
an  zahllosen  Yergnügungslocalen  und  Datschen  vorüber  bis  zu  den 
Yergnügungs-Etablissements  Arcadia  und  Livadia,  wo  Abends 
Vorstellungen  aller  Art  stattfinden,  beide  sehr  besucht  (Pferde- 
bahn vom  Michaels-Platz).  Oestlich  davon,  an  den  Ufern  der 
Rätschka  Tschornaja,  der  schöne  Landsitz  der  Gräfin  Stroganow, 
dem  Publikum  geöffnet. 

Auf  der  Stroganow-Brücke  (PL  E 1)  über  die  Grosse  Newka  nach 
der  Kamenny-Insel  (KaMenHuft  OcrpoBi)^  dem  Hauptsitz  der  Insel- 
Bussland.    2.  Aufl.  12 


178    Route  11,  ST.  PETERSBURG.    Wyborg'scher  Theü. 

datschen  der  reiclien  Petersturger.  Auf  der  O.-Spitze  das  von  Pauli, 
1775  erbaute  Palais  (PI.  175),  später  Eigenthum  des  Grossfürsten 
Michael.  Am  W.-Ende  des  Schlossgartens  die  Kirche  der  Oeburt 
Johannes  des  Täufers  (UepK.  Ob.  loaH.  üpeATeHH),  1778  erbaut,  einst 
Begräbnissplatz  der  Johanniter-Ordensritter.  Weiter  w.  das  Marine^ 
Invalidenhaus  (KaaapMU  MopcKHxi  ÜHBaiHAOBi»,  PI.  80)  und  ganz 
an  der  Westspitze  der  Insel  das  kais.  Sommertheater  (KaMeHHO- 
OcTpoBCKiä  Tearpi;  PI.  220:  D  1),  in  dem  im  Juli  deutsche,  franzö- 
sische und  russische  Yorsteliungen  stattfinden  (s.  S.  98). 

Von  Kamenny-Ostrow  können  wir  entweder  mit  der  Pferdebahn 
(Linie  19)  nach  der  Stadt  zurückkehren;  oder  wir  besteigen,  um  der 
Wyborger  Seite  einen  Besuch  abzustatten,  oberhalb  der  Stroganow- 
brücke  am  r.  Ufer  der  Grossen  Newka  einen  der  kleinen  Dampfer 
(S.  95).  Derselbe  legt  in  der  Nähe  des  Feuerwachtthurmes ,  dann 
bei  der  Leib-Garde-Grenadier-Kaserne  (S.  176)  an  der  Petersburger 
Seite  an  und  passirt  die  Ssamssoniewsky 'Brücke  (PL  G3)  über  die 
Newka.  Wir  verlassen  ihn  auf  der  Wyborger  Seite,  in  der  Nähe  des 
2.  Militär-Landhospitals. 

Das  zweite  Militär-LandhoBpital*)  (2.  BoeHHO  CyxonyTHiifi  roc- 
nHTaji ;  PL  10 :  G  3),  von  Peter  I.  gegründet,  unter  der  Kaiserin  Anna 
erweitert  und  unter  Alexander  I.  umgestaltet ,  ist  die  älteste  der 
Petersburger  Heilanstalten.  Es  enthält  eine  akademische  Klinik, 
deren  Zöglinge  auf  Kosten  der  Regierung  hier  studieren,  dafür 
1  Jahr  praktische  Dienste  im  Hospital  leisten  und  dann  mindestens 
10  Jahre  in  der  Armee  dienen  müssen ,  ein  anatomisches  Museum, 
Lazarethe  u.  s.  w.  Rechts  davon  und  von  der  Alexander -Brücke 
die  Michailow'sche  Artillerie- Akademie  (MmaüiOBCKoe  ApTMie- 
piScKoe  YHHimne ;  PL  204:  G3,4),  nördlich  von  ihr  die  mediciniseh- 
chirorgische  Akademie  (MexHKoXjipyprH^ecKafl  ARaAeHifl;  PL  138 : 
G3),  1799  von  Paul  I.  gegründet,  1835  reorganisirt.  Auf  dem  Hofe 
das  1859  errichtete  Denkmal  des  ehem.  Präsidenten  der  Akademie, 
Baron  Wylie ,  der  der  Anstalt  2  Millionen  R.  hinterliess ,  sitzende 
Statue  auf  grauem  Marmorsockel.  ~  Die  Ssimbirskaja  (CHHÖHpcKan 
yji.)  führt  von  hier  Ö.  am  Finnland,  Bahnhof  (PL  16 :  H  3)  vorbei 
zu  den  grossartigen  Gebäuden  und  Anlagen  des  Neuen  Arsenals 
(HoBuS  Apcenaii;  PL  15 :  H3,  4),  auf  beiden  Seiten  der  Strasse,  die 
Geschützgiesserei ,  Patronenfabrik  u.  s.  w.  enthaltend  (S.  98).  Mit 
der  Pferdebahn  (Linie  20)  fahren  wir  bis  zu  dem  herrlichen  Land- 
sitze des  Grafen  Beshorodko  (4aia  KyracieBa-^BeaöopoÄKO,  PL  K  3). 
Von  hier  eine  kurze  Strecke  zu  Fuss  bis  Oross-Ochta  und  der  Ueber- 
fahrtsstelle  nach  dem  Ssmolny-Kloster  (S.  167;  PL  K  4).  Zurück 
mit  der  Pferdebahn  (Linie  3)  nach  der  Michailowskaja-Strasse. 


.*)  Das  1.  Hilitär-Ltfndhospital  befindet  sich  in  der  !Näfae  des  Ssmolny- 
Klosters  (S.  167). 


12.    ümgebimgen  von  St.  Petersburg. 

a.  Kronstadt. 

Danypfboot  yon  St.  Petersbars  (Abfahrt  Wassily  -  Ofitrow  neben  der 
Nikolaibrücke)  nach  Kronstadt  4-5  mal  täglich  in  I8/4  St.  für  60  oder 
90  Kop. ;  vgl.  S.  95. 

Bei  sehr  beschränkter  Zeit  lassen  sich  Kronstadt,  Oranienbaum, 
Peterhof,  Strelna  und  Ssergiew  -  Kloster  nöthigenfalls ,  rechtzeitigen  An- 
sehluss  überall  vorausgesetzt,  in  nachstehender  Reihenfolge  an  einem 
Tage  besuchen:  von  St.  Petersburg  nach  Kronstadt;  von  Kronstadt  nach 
Oranienbaum ;  von  Oranienbaum  (ohne  Aufenthalt  zur  Besichtigung  des 
Schlosses)  mit  Iswoschtschik  C/4-I  St.  für  1  R.)  nach  Station  Alt-Peter- 
hof; mit  der  Bahn  von  Alt-Peterhof  nach  Neu-Peterhof  (15  Kop.);  von 
Neu-Peterhof  nach  Station  Sscrgiewo  (15  Kop.) ;  Abfahrt  von  Station  Sser- 
giewo  nach  St.  Petersburg  10  U.  45  Min.  (55  Kop.),  Ankunft  in  St.  Peters- 
burg 11  U.  50  Min.  Nachts.  —  Minder  EUigen  ist  die  Vertheilung  der 
Excursion  auf  3  Tage  (Kronstadt  -  Oranienbaum  und  Peterhof  -  Strelna- 
Ssergiew)  zu  empfehlen. 

Etwa  30  W.  (32  km)  westlicb  von  der  Mündung  der  Newa  ver- 
engt sich  der  Finnische  Meerbusen  bis  auf  3  Meilen  und  bildet  die 
Kronstädter  Bucht.  Fast  in  der  Mitte  der  Stelle ,  wo  das  finnische 
(nördl.)  und  das  ingermanländische  (südl.)  Ufer  sich  näher  rücken, 
liegt  Kronstadt.  Seine  auf  Rosten  erbauten  Batterieen,  welche  auf 
dem  Meere  zu  schwimmen  scheinen,  beherrschen  nördl.  die  Wasser- 
fläche bis  Lissy  Noss ,  welche ,  ohnehin  ihrer  geringen  Tiefe  wegen 
für  grosse  Schiffe  unpraktikabel,  durch  künstliche  Sperrungen 
es  in  noch  höherem  Grade  geworden  ist ;  der  südliche  breite  Arm 
zwischen  Kronstadt  und  der  hügeligen  Küste  Ingermanlands ,  wo 
uns  aus  dunklem  Q-rün  die  Schlösser  Oranienbaum  und  Peterhof 
entgegenleuchten,  hat  nur  ein  schmales  Fahrwasser  •CCi'rosde  Strasse, 
Kleine  Strasse,  Oranienhaum-Spiess) ^  welches  alle  passirenden 
Fahrzeuge  unter  die  Kanonen  der  Festung ,  der  Forts  Alexander, 
Peter  I.  und  Menschikow  einerseits ,  Forts  Risbank  und  Kronslott 
andrerseits  bringt.  Das  Wasser  zwischen  Kronstadt  und  der  Newa- 
Mündung  ist  durchgehends  seicht  (Tummelplatz  zahlloser  Seemöven 
und  wilder  Enten) ,  daher  ist ,  um  grossen  Seeschiffen  den  Zugang 
nach  Petersburg  zu  ermöglichen,  von  der  Gutujew-Insel  an  ein 
Ganal  von  etwa  29  km  Länge ,  mit  einer  durchschnittlichen  Breite 
von  115  m  und  7  m  Tiefe  in  einer  Entfernung  von  4-5  km  von  der 
südl.  Küste  angelegt.  Im  Winter  ist  die  Kronstädter  Bucht ,  die 
übrigens  nicht  Meer-,  sondern  süsses  Newa- Wasser  hat,  mit  festem 
Eis  bedeckt;  über  dieses  bahnt  man  von  Kronstadt  drei  Wege :  südl. 
nach  Oranienbaum,  Östl.  nach  St,  Petersburg  und  nördl.  nach 
Systerbek  oder  Ssestroräzk  mit  bedeutender  Gewehrfabrik,  Giesserei 
u.  Ankerschmiede  (S.  198). 

Der  Dampfer  landet  an  der  Nordwestspitze  der  Insel,  am  Peters- 
burger Thor,  mit  weit  ins  Meer  hinausgehender  Landungsbrücke. 

XroiiBtadt  (KpoHniTaAr&)  (Gasthof:  British  Hotel;  Restaurants: 
im  Sommergarten  in  der  Nähe  des  Mittelhafens ,  im  Marine-  und 
Kaufmannsklub  bei  vorgängiger  Einführung  durch  ein  Mitglied ; 

12» 


180     Boute  12.  ORANIENBAXJM.         Umgebungen  von 

man  thut  am  besten ,  auf  dem  ScMff  etwas  zu  geniessen) ,  Stadt 
mit  48,000  Einw. ,  liegt  auf  der  12km  langen,  2km  breiten  Insel 
Kotlin  und  ist  zugleich  der  Hafen  und  das  Bollwerk  von  St.  Peters- 
burg, Station  der  Ostseeflotte. 

Die  Insel  Kotlin  hiess  früher  (finnisch)  Retu-Sari.  Eine  ihr  vorge- 
lagerte kleine  Schäre  liess  Peter  1. 1703  durch  Menschikow  befestigen  und 
nannte  sie  Kronslott.  Die  ersten  Festungswerke  auf  der  bis  dahin  wüsten 
Insel  Betu-Sari  datiren  von  1710,  von  1721  der  Name  kotlin  (d.  h.  Kessel- 
insel). Unter  den  späteren  Regierungen  wurde  das  System  von  Be- 
festigungen ausgebaut  und  erweitert,  unter  Pauli,  auch  Risbank  (Paul) 
mit  einem  Fort  versehen.  Kaiser  17ikolaus  tbat  besonders  viel  für  Kron- 
stadt ,  doch  erlebte  er  nicht  mehr  die  Genugthuung ,  die  darin  lag ,  dass 
während  des  Krimkrieges  im  Hai  1855  die  vor  Kronstadt  erscheinende 
französisch-englische  Flotte  unter  Admiral  Napier  nach  einigen  Becog- 
noseirungen  auf  jeden  'Angriff  verzichtete. 

Die  nach  der  Feuersbrunst  im  J.  1875  regelmässig  angelegte  Stadt 
macht  einen  sauberen,  freundlichen  Eindruck ;  nur  das  Pflaster,  mit 
Ausnahme  der  wenigen  Strassen,  welche  Eisenpflasterung  haben  (aus 
dicht  an  einander  in  den  Boden  getriebenen  Keilen  bestehend),  lässt 
sehr  zu  wünschen.  Man  unterscheidet  zwei  Stadttheile :  den  Gou- 
verneurs- und  den  Admiralitäts- Theil.  In  letzterem  liegen  die 
Staatsgebäude,  die  Admiralität  (ÄAMHpaiTeücTBo) ,  1785  unter 
Katharina  II.  gegründet,  Kasernen,  Laboratorien,  Arsenale,  Schiffs- 
bauanstalten, die  Marineschule,  das  Marinehospital,  die  Proviant- 
ämter u.  s.  w.  In  einem  Häuschen  am  Eingange  zur  Admiralität 
ein  Modell  von  Kronstadt  mit  Befestigungen.  Im  allgemeinen  bietet 
sonst  die  eigentliche  Stadt,  in  der  übrigens  die  vielen  englischen 
Schilder  auffallen  und  in  der  man  viel  englisch  sprechen  hört,  wenig 
Sehenswerthes.  Die  Kirchen  (zahlreiche  russische,  darunter  die  An- 
drecLS- Kathedrale ,  von  Sacharow  erbaut,  und  die  Troizky -Kirche, 
zwei  lutherisch-deutsche,  eine  katholische  und  eine  englische)  sind 
keine  besonders  hervorragenden  Bauwerke ;  einen  Besuch  lohnt  der 
Sommergarten,  schon  von  Peter  I.  angelegt,  in  dem  sich  ein  höl- 
zernes Häuschen  befindet,  welches  Peter  der  Grosse  bewohnte ;  auch 
ein  Gang  an  den  Häfen  ist  nicht  ohne  Interesse.  An  der  Südwest- 
spitze der  Insel  liegt  der  Kriegshafen  {BoGiiBtji  raBanb),  gleich  neben 
ihm  der  Mittelhafen  (CpeAHafl  rasaHb),  für  die  Ausrüstung  der 
Kriegsschiffe  bestimmt  und  von  dazu  gehörigen  Etablissements  aller 
Art  umgeben  (die  Erlaubniss  zur  Besichtigung  dieser  beiden  Häfen 
sowie  des  Arsenals  und  der  Kriegsschiffe  ist  schwer  zu  erlangen), 
gegenüber  in  einer  etwas  vereinsamten  Anlage,  dem  Petrowskigarten, 
ein  Standbild  Peter^s  von  Klodt ;  der  Kanal  Peter" s  des  Grossen 
(KaHa43b  üerpa  BeiHKaro)  führt  von  hier  zu  den  Docks,  welche  10 
Schiffe\  auf  einmal  aufnehmen  können.  Am  meisten  nach  Westen 
der  Käufmannshafen  (KynenecKaA  raBaHb) ,  der  für  1000  Schiffe 
Raum  bietet.  Die  Promenade  auf  den  Wällen,  welche  den  letztern 
gleich  den  anderen  Hafen  umgeben ,  ist  die  angenehmste  in  Kron- 
stadt. Ein  1782  begonnener,  aber  erst  unter  Alezander  I.  vollendeter 
Kanal,  von  Granitquadern,  schönem  Eisengitter  und  Alleen  einge- 
fasst  und  seiner  ganzen  Länge  nach  mit  Waarenmagazlnen  besetzt. 


St.  Petersburg.  PETERHOF.  12,  Route.     181 

führt  von  hier  ins  Innere  der  Stadt.  Ein  Hafendamm  (Moi'b),  nach 

der  Seeseite  zu  mit  schweren  Geschützen  armirt,   führt  weit  in 

das  Meer  hinaus ;  von  seinem  äussersten  Ende  (auch  zu  Boot  quer 

durch  den  Hafen  zu  erreichen)  hühsche^  Blick  auf  die  3  Häfen  und 

die  Forts. 

b.    Oranienhaum. 

Eisenbahn  von  St.  Petersburg  (Baltischer  Bahnhof) :  99  W.  für  1.50, 
1.13,  0.58  B.;  von  Alt-Poterhof^  8  W.  für  31, 25, 13  Kop.  —  Wagen  von  Alt- 
Peterhof  bis  Oranienbaum :  V4-1 8t.  für  IE.—  Dampf schif  von  Kronstadt : 
1/2  St.  für  20  Kop. ;  nach  Petersburg  55  Kop.  (s.  S.  95).  —  Tramwap  vom 
Bahnhof  zum  Landungsplatz. 

Oranienbaum  (OpaHieHÖayHi)  (Bahnrestaur.) ,  Städtchen  mit 
4000  Einw.,  an  devKarosta  und  dem  Finnischen  Meerbusen,  in  den 
ein  Molo  des  seichten  Wassers  wegen  sehr  weit  hineinläuft,  wurde 
1711  Ton  Menschikow  angelegt,  das  Schloss  1714  erbaut.  In  der 
Folge  wurde  es  der  Lieblingssitz  der  Kaiserin  Elisabeth  Petrowna 
undPeter^s  III.,  kam  dann  in  den  Besitz  des  Grossfürsten  Michael, 
Bruders  des  Kaisers  Nikolaus ,  wurde  nach  dessen  Tode  (1849)  von 
seiner  Wittwe  Helene,  Tochter  des  Herzogs  Paul  von  Württemberg, 
jetzt  von  der  verw.  Herzogin  von  Mecklenburg-Strelitz  bewohnt. 

Das  hochgelegene  Schloss  ist  in  originellem  Stil  erbaut.  Mit 
dem  weiss  und  gelben  Mittelbau ,  welchen  eine  von  einer  Krone 
überragte  Kuppel  deckt ,  sind  zwei  Pavillons  durch  Gallerien  ver- 
bunden ;  von  der  grossen  Terrasse  vor  der  Front  führt  ein  Kanal 
zum  Meere.  Die  Innere  Einrichtung  des  Schlosses  bietet  nichts 
besonders  Sehenswerthes.  In  und  nahe  dem  noch  nicht  sehr  alten 
Park  (oberen  und  unteren)  im  holländischen  Geschmack  das  sog. 
chinesische  Haus ,  von  Elisabeth  Petrowna  gern  bewohnt  (die  mit 
Schmelz  gestickten  Tapeten  sind  ihre  Arbeit),  ein  Haus  Peter' s  III. 
und  die  von  ihm  angelegten  Fortiflcationen,  die  Eremitage  Katha- 
rina's  IL  (4ascsiä  aouhki)  und  der  sog.  Spcunierhogen  mit  Pavillon 
auf  dem  Rutschberg  (KaTaibHaa  ropa).  Besonders  von  letzterm 
Punkte ,  wie  übrigens  an  vielen  Stellen  des  Parkes ,  öffnet  sich  ein 
schöner  Blick  auf  das  Meer  und  Kronstadt. 

Sehr  anziehend  ist  die  Wagenfahrt  (s.  S.  182)  von  Oranien- 
baum nach  Peterhof.  Links  hat  man  beständig  den  Blick  aufs  Meer, 
rechts  einen  niedrigen  Höhenzug  mit  einer  ununterbrochenen  Reihe 
von  Landhäusern.  Unter  den  letzteren  fällt  besonders  die  Datsche 
der  Grossfürstin  Marie,  Ssergiewka  (CeprieBxa),  auf,  sehr  anmuthig 
inmitten  eines  schönen  Parks  auf  einer  Höhe  gelegen.  Weiterhin 
die  hübsche  Villa  Mein  Eigenthum  (Moa  CoöcTBeHHaa) ,  einst  von 
Kaiser  Alexander  II.  bewohnt ,  die  Villa  des  Prinzen  von  Olden- 
bürg  u.  8.  w. 

c.    Feterhof. 

Bisenbähn  von  St.  Petersburg  (Baltischer  BahnhoO:  31  W.  in  1  St. 
15  Min.  für  1  R.  19  Kop.,  88  tind  46  Kop.  —  Dampfhoot  (Abfahrt  vom  Eng- 
lischen Quai)  In  I1/4  St.  für  45  resp.  221/2  Kop.  —  Wagenfahrt  von  St. 
Petersburg  längs  der  Peterhofschen  Küstenstrasse  sehr  lohnend  (s.  unten). 
Am  besten  geeignet  für  den  Aasflug  ein  Sonntag  in  den  Monaten  Juni  und 


182    Route  12.  PETERHOF.  Umgehungen  von 

Juli  \  im  Winter  ist  der  Pftrk  wüst.    Iswoschtsehik  in  Stat.  Alt-  oder  Keu- 
Peterhüf  auf  e.  3  Stunden  1  B.  50  Kop. 

Die  Eisenbahn  nach  Peterhof  (u.  Oranienbaum)  führt  am  Li- 
gowsky-Kanal  entlang  bis  zur  (13  W.)  Stat.  Ligowo,  wo  1.  die  Bahn 
nach  Krassnoje-Sselo  abzweigt  (s.  S.  187)  und  wendet  sich  dann 
westlich,  parallel  der  einige  Werst  nördl.  entfernten  Peterhof  sehen 
Landstrasse  (s.  unten).  18  W.  Stat.  Ssergiewo  (*Bahnrestaur. ;  2  W. 
nördl.  das  Ssergiew-Kloster,  S.  186) ;  21 W.  S<rc2na  (S.185);28W. 
Neu-Peterhof;  31  W.  Alt-Peterhof;  39  W.  Oranienbaum  (S.  181), 

Weit  lohnender  als  die  Bahn  ist  die  Fahrt  zu  Wagen  auf  der 
Peterho f  sehen  Küstenstrasse,  der  belebtesten  Strasse  des 
Petersburger  Weichbildes  (neben  der  nach  Zarskoje-Sselo ,  S.  188). 
Sie  verlässt  die  Stadt  durch  das  Narwa'sche  Thor  (S.  165)  und  führt 
auf  weiter  Strecke  zwischen  Häusern  und  Datschen  hin.  7  W.  von 
St.  Petersburg  1.  die  Irrenanstalt,  ein  grosses  von  Gärten  und  Park 
umgebenes  Gebäude,  unter  dem  Namen  „das  Haus  auf  der  siebenten 
Werst"  in  ganz  Petersburg  bekannt  (Platz  für  400  Kranke;  Erlaub - 
niss  zur  Besichtigung  ertheilt  der  Director).  Bei  (9  W.)  Ligowo, 
wo  1.  die  Bahn  nach  Krassnoje-Sselo  abzweigt,  über  die  Ligowka  ; 
1.  die  Datschen  yon Iwanowka,  15  W.  Ssergiew-Kloster  (S.  186); 
18  W.  Strelna,  am  1.  Ufer  der  Strelka  (r.  am  Meere  das  gleichn. 
Schloss,  S.  185).  L.  treten  die  Uferhöhen  näher  an  das  Meer  heran ; 
zu  beiden  Seiten  der  Strasse  eine  Reihe  von  Villen ,  Palästen  und 
Parks:  Korkuli,  *Michailowka  (Residenz  des  Grossfürsten  Michael), 
Schuwdlowa,  Snamenskaja  (Residenz  des  Grossf.  Nikolaus)  etc.  — 
26  W.  Peterhof, 

Das  Dampf  boot  fährt  vom  Englischen  Quai  unterhalb  der  Ni- 
kolaibrücke (S.  112)  ab,  die  grosse  Newa  hinab ;  1.  die  neueAdmira* 
lUät  (S.  112)  und  die  Baird'sche  Fabrik  (S.  164) ,  r.  auf  Wassily- 
Ostrow  die  Bergakademie  (S.  173)  etc.  An  der  Newamündung  1. 
die  bewaldete  Kanonier-  und  die  Qutttjew  -  Insel  mit  den  neuen 
Hafenanlagen  (S.  179) ;  dann  erscheinen  am  südl.  Ufer  des  finni- 
schen Meerbusens  nach  einander  das  Ssergiew-Kloster  (S.  186), 
Strelna  (S.  185),  Michailowsky-Schloss,  die  Kreis'sche  Ferme,  Sna- 
menskaja-Schloss ;  weiterhin  Cottage,  Schloss  Alexandria,  Renella, 
Monplaisir,  der  Kriegshafen,  der  Hafenkanal,  Simson-Fontäne,  das 
grosse  Schloss  mit  seinen  glänzenden  Kuppeln.  Der  Dampfer  hält 
am  Kaufmanns-Hafen  (KynenecKafl  raBaHb)  bei  demselben  1.  ein 
Vauxhall  mit  Gastzimmern  (PI.  Y:  B 1),  nahebei  Restaurant  BeUevue 
(nicht  billig).  Vorbei  an  der  alten  Steinschleiferei  (PpaHiUbHaH 
«aöpHKa),  unter  Peter  I.  angelegt  (Büste  Katharina's  IL),  nach 
dem  sog.  Untern  Park  (HHJKHiü  caAi»).  In  diesem  zunächst  1. 
mitten  im  Wasser  Marly,  ein  zweistöckiges  Häuschen,  von  Peter  I. 
zeitweilig  bewohnt,  in  welchem  des  Kaisers  Schlafzimmer  mit  seinem 
Bett  und  Schlafrock  gezeigt  wird.  Am  Marly-Teich  entlang  gehend 
gewahren  wir  r.  die  Menagerie -Fontänen,  hinter  denen  die  Marly- 
Cascade  (PI.  M:  C 1)  über  20  vergoldete  Stufen  herabrauscht.  Nach 


st  Petersburg.  PETEBHOF.  12.  Route.     183 

Norden  zu  1.  am  Strande  liegt  die  von  Peter  dem  Grossen  erbaute 
Sremitage,  wo  der  Kaiser  häufig  speiste  (in  den  Wänden  des  Speise- 
saals 113  Gemälde  von  niederländischen  Meistern;  der  Tisch  ist 
zum  Versenken  eingerichtet). 

Von  der  Marly- Cascade  einen  der  1.  hinaufführenden  Wege 
«inschlagend  an  der  Eva- Fontäne  vorüber  gelangen  wir  zu  dem 
^grossen  Sckloss'^. 

Das  kais.LnstflohlosB  Peterhof  (Eoibmoft  üeTepro^cKifi  ^Bopem), 

126  W,  von  St.  Petersburg,  bei  der  auf  einer  Anhöhe  liegenden  Stadt 
<7S75  £inw.)  und  der  deutschen  Colonle  gleichen  Namens ,  wurde 
nach  den  Plänen  Leblond^s  1720  von  Peter  dem  Grossen  erbaut, 
später  von  Katharina  II.  erweitert,  hat  aber  seinen  ursprünglichen 
Charakter,  den  der  Nachahmung  von  Versailles,  behalten*  Ausser- 
ordentlich viel  hat  Kaiser  Nikolaus  für  Peterhof  gethan.  Das  drei- 
stöckige Hauptgebäude  steht  durch  Gallerien  mit  den  Pavillons  in 
Verbindung ;  die  Farbe,  gelb  und  weiss,  harmonirt  mit  dem  Eisen- 
blech des  Daches  und  der  reichen  Vergoldung  der  Kuppeln.  Die 
c.  12  m  hohe  ^Scklossterrasse  wird  von  der  natürlichen  Senkung  des 
Festlands  zur  Kronstädter  Bucht  hinab  gebildet;  besonders  wenn 
die  Wasserkunst  in  Thätigkeit  ist  (im  Sommer  tägl.  7-9 V2  U.  Nm.), 
bietet  sie  einen  prächtigen  Anblick :  eine  mächtige,  rauschende  Cas- 
cade fällt  über  sechs  breite ,  rothe  Stufen  in  ein  weites  Bassin,  in 
dessen  Mitte  die  sog.  ^Simson  -  Fontäne  (CaucoHi.  «oHTaHx)  steht : 
ein  aus  vergoldetem  Erze  gefertigter  Simson  (von  Rostowsky) ,  dem 
Löwen  den  Kinnbacken  aufreissend,  aus  dessen  Rachen  ein  reicher; 
armdicker  Wasserstrahl  c.  25  m  hoch  emporsteigt.  Etwa  50  zum  Theil 
vergoldete  Statuen,  Vasen  etc.  stehen  zu  beiden  Seiten  auf  den  Ab- 
sätzen der  herabführenden  Treppen ,  die  reichsten  Blumenbeete  in 
Teppichmanier  fällen  die  Zwischenräume  aus.  Der  c.  1000  Schritt 
breite  Raum  bis  zum  Strande  ist  durch  Parkanlagen  ausgefüllt,  die 
neben  der  Terrasse  laufenden  Wege  sind  mit  hohen  Tannen  be- 
wachsen. Im  Hintergrunde  erblickt  man  das  Meer,  in  der  Ferne  die 
Unnländische  Küste. 

Das  Indbbb  (die  Erlauhniss  zur  Besichtigung  ertheilt  der  Intendant 
bei  Abwesenheit  der  kaiserliehen  Familie;  dem  führenden  Diener  ein 
Trinkg.)  enthält  im  1.  Stock  die  Paradezimmer.  Man  betritt  zunächst  das 
Portraitzimmer  mit  368  Portraits  von  jungen  Mädchen  und  Frauen  aus 
allen  Theilen  Busslands,  während  einer  Beise  Katharina^s  II.  vom  Grafen 
C.  Botari  gemalt.  Von  hier  r.  in  das  trsU  chinetisehe  Zimmer,  Wände  u. 
Möbel  in  schwarzem  chines.  Lack  mit  Ooldverzierungen.  Im  Bmpfangs- 
mmI  vier  Portraits  von  jungen  Damen,  die  zur  Zeit  Katharinas  im  ad- 
ligen Institut  den  ersten  Preis  erhielten,  von  Lewitzky.  Im  Diwanzimmer 
swei  Portraits  der  Kaiserin  Elisabeth  Petrowna.  Toileitenzimmer  der  Kaiserin 
ÄlexandraFeodoro¥fna  mit  schönem  Sehrank  inSchildpatt  mit  vei^old.Bronze, 
ital.  Arbeit  des  xvi.  Jahrh.  Cabinet  mit  Portrait  der  Kaiserin  Elisabeth 
Petrowna.  von  Botari.  Standartenzimmer  in  gelber  Seide.  Empfangszimmer 
in  rother  Seide.  Portr.  Peters  des  Grossen  von  G.  Bothmann  (aus  Lübeck). 
Speitetaal  mit  Namenszug  der  Kaiserin  Elisabeth  Petrowna.  Es  folgen 
die  elf  Gemächer  der  Königin  Olga  von  Württemberg^  in  modernem  Geschmack 
glänzend  eingerichtet.  Kronenzimmer^  wo  zur  Zeit  Pauls  I.  die  Krone  des 
Malteserordens  aufbewahrt  war  (jetzt  in  der  Moskauer  Orusheinaja  Palata 


184    Soutel2.  PETERHOF.  Umgebungen  von 

S.  281).  CtOHnet  Peters  des  Grossen  in  geschnitztem  Eichenholz.  Portrait 
Peters  d.  Qr.  in  Mosaik,  von  Junewitsch  (1855).  Fortr.  Kaiser  Nikolaus*  I., 
nach  Krüger  von  Bothmann.  Parade  der  Gardeeavallerie  unter  Kikolaus, 
mit  vielen  Portraits,  von  den  beiden  Sauerwaid.  —  Zum  Portraitzimmer 
zurückgekehrt,  betreten  wir  1.  das  zweite  chines.  Zimmer,  wie  das  erste  (s. 
oben)  decorirt.  Emp/angtsaal,  in  weissem  Stuck  mit  5  schönen  Lustres 
in  Bergkrystall.  In  einer  Bcke  das  Modell  einer  Gruppe  von  Oustralow 
(1864),  Peter  d.  6r.  auf  dem  Ladogasee  Fischern  das  Leben  rettend  (26.  Mai 
1690).  Saal  der  Palastdamen,  weiss  mit  reicher  Vergoldung.  Saal  Peters 
des  Or,ossen.  Gobelin  nach  Steuben,  Peter  d.  Gr.  auf  dem  Ladogasee  (s.  oben). 
Peter  d.  Gr.  und  die  Kaiserinnen  Katharina  I.,  Anna  u.  Elisabeth,  vier 
Portraits  in  ganzer  Figur  von  Buchholtz.  12  kl.  ovale  Portraits  von  Prin- 
zessinnen u,  a.,  L  Hälfte  d.  xviii.  Jahr.  Dem  Gobelin  gegenüber  4  Scenen 
aus  der  Seeschlacht  von  Tschesme  (1770)  von  Frieh.  Oardensaal.  Xoch 
12  Scenen  aus  der  Sehlacht  von  Tschesme,  davon  2  von  Frich,  10  von  dem 
bekannten  Maler  /.  Ph.  Hackert  1772  in  Rom  gemalt.  (Graf  Orlow,  der 
Sieger  von  Tschesme,  welcher  damals  mit  einem  Theil  seiner  Flotte  vor 
Livorno  lag,  \ie&B,  um  dem  Maler  eine  Anschauung  zu  gewähren,  vor 
dem  Hafen  eine  seiner  Fregatten  in  die  Luft  sprengen.)  Es  folgt  der 
Kau/mannssaal y  der  grösste  von  allen,  im  Bococostil;  endlich  ein  Vor- 
zimmer mit  2  Bildern  von  Tanneur.  —  Im  Erdgeschoss  die  sog.  Preus- 
tischen  Zimmer,  so  benannt  weil  sie  von  preuss.  Prinzen  zeitweise  bewohnt 
waren,  mit  Bildern  von  Laueret,  Bobert,  Kügelgen  u.  a. 

An  der  1.  Ecke  des  Palastes  der  Pavillon  de$  Orossfürsten  Michael 
Pawlowitsch  mit  Bildern  von  Tanneur  (1860) ;  an  der  r.  Ecke  die 
Kirche  mit  5  vergoldeten  Kuppeln,  1751  von  Rastrelli  erbaut,  mit 
den  goldnen  Schlüsseln  von  Taschkend  u.  Eokand  (1865  u.  66  von 
den  Russen  erobert).  Unter  dem  Schloss  eine  schöne  Muschelgrotte, 
von  Elisabeth  1760  angelegt,  1860  erneut  und  mit  Bronzeflguren  ge- 
schmückt. Um  das  Schloss  erheben  sich  Häuser,  welche  vom  Hof- 
personal bewohnt  werden ;  dabei  die  kleine  Winterkirche  (von  1832). 
Unterhalb  des  Schlosses  r.  die  Triton- Fontäne  und  die  Orangerie; 
nördl.  von  dieser  am  Ende  einer  breiten  Allee  die  Adam-Fontäne, 
R.  von  letzterer  am  Strande  Monplaisir,  ein  von  Peter  I.  im  hollän- 
dischen Qeschmack  erbautes  und  mit  zahlreichen  Qemälden  ge- 
schmücktes Landhaus ;  in  der  in  holländischer  Art  mit  Zinngeräth 
u.  chines.  Tellern  ausgestatteten  Küche  pflegte  Elisabeth  Petrowna 
zuweilen  eigenhändig  das  Mahl  für  ihre  Gäste  zu  bereiten.  Der  r. 
Flügel  von  Monplaisir  ist  zu  Bädern  eingerichtet;  im  1.  Flügel  die 
einst  von  Katharina  I.  bewohnten  Gemächer ,  mit  ihrem  Bett  und 
andern  Erinnerungen  ^  werthvoUem  alten  Porzellan  etc.  Von  der 
Terrasse  malerische  Aussicht  auf  das  Meer.  Oestllch  grenzt  an  den 
Untern  Park  Alexandria,  worin  dieFermei  ursprünglich  Oekonomie- 
gebäude,  1826  zur  kals.  Villa  umgestaltet  und  von  dem  verst.  Kaiser 
Alexander  II.  mit  Vorliebe  bewohnt.  Das  einfach  eingerichtete 
Innere  enthält  zahlreiche  Gemälde  (v.  H.  Vemet,  P.  Hess,  Bellang^, 
Ch.  Müller,  Steuben ,  Alwasowsky  u.  a.).  Dar  hübsche  Garten  ist 
mit  Statuetten ,  Büsten ,  Vasen  etc.  geschmückt.  In  der  Nähe  das 
kais.  Lustschloss  Alezandria^  ursprünglich  für  die  Kaiserin  Alexan- 
dra Feodorowna  im  goth.  Stil  erbaut,  jetzt  von  Kaiser  Alexander  III. 
bei  seiner  Anwesenheit  in  Peterhof  bewohnt,  mit  vielen  Bildern  mo- 
derner russischer  u.  ausländ.  Maler.  Im  obern  Stock  die  einfachen 
Gemächer  des  Kaisers  Nikolaus  I.  —  Unweit  Alexandria  einige  kleine 


st,  Petersburg.  STKELNA.  12,  Route.     185 

Villen,  von  den  Grossfürsten  vor  ihrer  Yerheiratlinng  bewohnt,  die 
hübsche  kleine  Kirche  des  h,  Alexander  Newsky,  von  Schinkel  1832 
im  goth.  Stil  erbaut,  das  Lnsthaus  ReneUa,  im  Tudorstil  (von  Sta- 
wasser),  u.  a.  —  Die  kais.  Stallungen  bilden  einen  ansehnlichen  Ge^ 
bäudecomplex  im  Tudorstil.  Bemerkenswerth  die  Reitbahn  mit 
schöner  Eichenholzdeeke. 

Südlich  der  Petersburger  Chau8s<$e  bis  zur  Station  Neu-Peterhof 
(S.  182)  erstreckt  sich  der  Alexandrinen^Park,  in  welchem  mitten 
im  Birkengehölz  das  Schweizerhalts  liegt. 

Auf  der  Südseite  des  grossen  Schlosses  befindet  sich  der  Berg^ 
Oarten  (BepxHift  ca^i),  in  dessen  Mitte  sich  die  Neptun  »Fontäne 
erhebt ,  während  man  jenseit  der  Petersburger  Strasse  den  Reioh- 
thum  an  Wasser  benutzt  hat,  um  grosse  mit  Inseln  versehene  Seen 
zu  bilden ,  welche  von  Baumgruppen  und  hübschen  Datschen  um- 
geben sind.  Auf  der  Olga-  und  Kaiserin  -Jnsel  zierliche  Pavillons 
im  italienischen  Stil. 

Westl.  vom  Schloss  liegt  zwischen  Alt-Peterhof  und  der  Bahn- 
station der  Englische  Oarten  (AHriiäcxiä  caAi)  mit  dem  Palais- 
Anglais  (von  Guarenghi),  der  Fasanerie  und  grossen  Teichen. 

In  dem  südlich  der  Eisenbahn  sich  bis  in  die  Duderhof  sehen 
Berge  weithin  erstreckenden  Parke  liegen  ebenfalls  zwischen  Seen, 
Wiesen  und  Wald  zerstreut  verschiedene  Landhäuser  in  den  mannig- 
faltigsten Stilarten,  aber  meist  nur  aus  Holz  erbaut,  und  mit  man- 
cherlei Kunstschätzen  angefüllt.  Das  interessanteste  ist  das  von 
Kaiser  Nikolaus  für  seine  Gemahlin  erbaute  Gartenschloss  Babygon 
(EadiSroHi)  oder  Belv€dere ,  auf  einem  weite  Aussicht  bietenden 
Hügel  in  kahler,  theilweise  sumpfiger  Umgebung  gelegen.  Das 
Schloss  selbst,  von  geringem  Umfang,  ist  1853  von  Stakenschneider 
im  klassischen  Stil  erbaut.  Auf  einem  Fundament  aus  behauenen 
Granitquadern  erheben  sich  zwei  Stockwerke ,  jedes  umgeben  von 
einer  Säulenhalle ,  unten  korinthischer ,  oben  dorischer  Ordnung ; 
die  Säulen  sind  Monolithe  aus  schwarzem  Granit,  die  Kapitale  aus 
weissem  Marmor ;  die  Karyatiden  des  Porticus  von  Terebeivjew  ge- 
arbeitet. Etwas  seitwärts  der  prächtigen ,  mit  Marmorstatuen  ge- 
schmückten Freitreppe  die  beiden  Pferdebändiger  des  Baron  Klodt, 
in  der  Mitte  der  Treppe,  vor  dem  Porticus ,  eine  Bronzegruppe  von 
Kiss,  Skythe  von  einem  Panther  überfallen,  ein  Geschenk  Friedrich 
Wilhelm's  IV.  an  Kaiser  Nikolaus.  Am  Fusse  des  Babygon  die 
Mühle  des  Zaren  und  Nikolskoje, 

d.  Strelna  und  Ssergiew-Klotter. 

Eisenbahn  von  St.  Petersburg  (Baltischer  Bahnhof)  bis  Stat.  Ssergiewo, 
18  W.  für  69,60,  29  Kop.,  s.  S.  183.  An  der  Station  Droschken  nach  dem 
2W.  entfernten  Kloster.  —  Damp/schiJJ^  Won  St.  Petersburg  (Englischer 
Quai)  nach  Strelna  1  mal  tägl.,  40  resp.  35  Eop.  —  Bei  reichlicher  Zeit  die 
Fahrt  zu  Wagen  auf  der  Peterhofschen  Strasse  zu  empfehlen  (s.  oben). 

Strelna  (CrptiLna),  18  W.  von  St.  Petersburg,  Lustschloss  des 

Grossfürsten  Konstantin  Nikolajewitsch ,  auf  dominirender  Höhe 


186    Boute  72.         SSERGIEW-KLOSTER.     Umgehimgen  von 

an  den  Ufern  des  Meeres  und  der  Strelka  gelegen,  Hess  Peter  1. 1711 
durch  den  Arcbitekten  Leblond  bauen  und  schenkte  es  1722  seiner 
Tochter  Elisabeth.  Zweimal  wurde  dann  das  Schloss  yon  Feuer 
heimgesucht;  1804  erhielt  es  durch  den  Architekten  Busko  seine 
jetzige  Gestalt  (Im  gothlschen  StU) ,  war  Lieblingssitz  des  Gross- 
fürsten Konstantin ,  Bruders  des  Kaisers  Nikolaus ,  und  kam  nach 
dessen  Tode  an  seinen  jetzigen  Besitzer ,  der  hier  eine  Gatallerle- 
Kaserne  und  ein  Mllitarhospltal  bauen  Hess.  Das  wohlgebaute 
Dorf  Strelna  hat  c.  350  Einw.  Sehens werth  sind  die  reizenden 
Parkanlagen  im  holländischen  StU  mit  ihren  Inseln,  Kanälen, 
Badehaus  u.  s.  w. ;  In  dem  einfachen  Innern  des  Schlosses  der  sog. 
Kriegssaal,  in  welchem  1806  die  Uebungen  der  aus  Leibeigenen  der 
kaiserlichen  Familie  gebildeten  Miliz ,  die  den  Stamm  zum  Finn- 
ländischen  Schützen-Bataillon  abgab ,  stattfanden ;  in  der  Nähe  des 

Palastes  die  von  Peter  I.  erbaute  kleine  hölzerne  Kirche. 

Von  Strelna  führt  in  südwestlicher  Biehtung  eine  gute  Strasse  nach 
<18  W.)  Bopsoha  (Pomna).  Das  gleichn.  Schloss^  in  welchem  Peter  III.  1762 
«tarb ,  von  Peter  I.  im  holländischen  Geschmack  erbaut ,  kam  später  an 
den  Fürsten  Orlow,  dann  in  andere  Hände.  Bedeutend  versehönert,  wurde 
es  von  Kaiser  Paul  zurückgekauft  und  gelangte  schliesslich  in  den  Besitz 
der  Kaiserin  Alexandra,  Gemahlin  des  Kaisers  Vikolaus.  Ropscha  mit 
seinem  Park,  seinen  Seen,  seinem  Belvedere  gehört  jetzt  su  den  schönsten 
Punkten  in  d«r  Umgebung  der  Hauptstadt.  —  IntereMant  sind  auch  die 
▼ollständig  finnischen  Dorfer  in  der  Umgegend.  —  Bopscha  ist  10  W.  yon 
KrcuMOje-Sulo  (s.  unten)  entfernt,  von  wo  aus  man  die  Bahn  nach  St. 
Petersburg  (25  W.  für  75  iresp.  60  Kop.)  benutzen  kann. 

Das  Stergiew-Xloiter  (CeprieBCKaji  DycTUU ;  wegen  der  Besich- 
tigung, am  besten  Sonntags  oder  Sonnabend  Nachmittags,  wende  man 
«ich  an  den  Archimandriten ;  für  das  Kloster  selbst  genügt  ^1^  St.) 
steht  auf  der  Stelle  eines  Landhauses,  das  die  Kaiserin  Anna  1781 
ihrem  Beichtvater,  dem  Archimandriten  Warlaam  Im  Oonvente  des 
h.  Sergius  zu  St.  Petersburg,  schenkte.  Es  ist  ein  grosses  Viereck, 
auf  drei  Seiten  mit  Alleen  und  Teichen,  auf  der  vierten  mit  Wällen 
umgeben.  Im  Innern  Hof  stehen  die  4  Hauptkirchen ^  die  KathC' 
drale  der  h,  Dreifaltigkeit,  1702-58  erbaut,  hat  acht  Altare,  auf 
deren  einem  das  wunderthätige  Bild  des  h.  Sergius.  Berühmter  Kir- 
chengesang. In  den  Kirchen  und  auf  dem  sauber  gehaltenen  Kirch" 
hofe  ruhen  viele  hervorragende  Persönlichkeiten.  Bas  mit  dem 
Kloster  verbundene  InvalidenhatM  für  30  Invaliden  ist  eine  Stif* 
tung  der  Familie  Zubow. 

e.  Krassnoje-Sselo  und  Gatsehlxia. 

Eisenbcihn  (Zweigbahn  der  Peterhofer  Linie,  bei  Gatschina  an  die 
Baltische  und  die  Warschauer  Bahn  sich  anschliessend),  Abfahrt  vom 
Baltischen  Bahnhof.  Kach  Krassnoje-Sselo  (95  W.)  8  Züge  täglich  in  e.  1  St. 
für  94,  75,  40 Kop.;  nach  aatsehina  (44 W.)  3  Züge  in  e.  3 St.  für  1.65, 
1.24,  0.63  R. 

Der  Ausflug  nach  Krassnoje-Sselo ,  wo  in  den  Monaten  Juni  bis  Au- 
gust die  gesammten  Gardetruppen  im  Lager  eoncentrirt  sind  und  Ende 
August  vom  Kaiser  inspicirt  werden,  Ist  überwiegend  für  Militärs  von 
Interesse.  Fremdländische  Offitiere  in  Un\form  (Zuschauer  in  Civil  spie- 
len hier  eine  untergeordnete  Rolle)  finden  zuvorkommendste  Auftiahme 
im  Lager,  wenn  von  den  betreffenden  Militärbevollmächtigten  empfohlen. 


St.  Petersburg.        KRASSNOJE-SSELO.  12.  Boute,     187 

13  W.  Stat.  Ligowo  UiiroBO ;  nach  Peterhofs.  S,  182).  Die  Fahrt 
geht  über  das  ebene  und  einförmige  Manöverterrain. 

25  W.  Xrassnoje  -  Stelo  (KpacHoe  Ceio ;  Bahnrestanr.) ,  an  der 
Dudergowka  und  den  Duderhof  sehen  Seen  anmuthig  gelegenes 
stadtähnliches  Dorf  mit  vielen  Villen ,  welches  sich  um  die  in  der 
Mitte  gelegene,  von  Katharina  II.  erbaute  Kirche  der  h,  Drei- 
faltigkeit gruppirt. 

Im  S.W.  des  Dorfes  erhebt  sich  der  Duderhof $che  Berg*),  inmitten 
des  Hanoverterrains.  Kachdem  wir  den  Yerbindungsk&nal  der  beiden 
Duderhofsehen  Seen  übersehritten  haben,  erreichen  wir  die  am  Fuss 
des  Berges  und  am  See  gelegene  kaiserliche  Meierei  (^pva).  Ein  höchst 
angenehmer,  schattiger  und  hübsche  Aussichten  gewährender  Weg  führt 
hinauf  auf  den  Berg,  dessen  Gipfel  das  sog.  Schiost  Qffiopevh)  im  Stil 
eines  Schweizerhäuschens,  gleich  der  Meierei  und  den  ganzen  Anlagen 
eine  Schöpfung  der  Kaiserin  Alexandra  Feodorowna  (1828).  Von  den 
um  das  Schloss  herumlaufenden  Gallerien  weite  Aussicht.  —  Am  nord- 
lichen Fusse  des  Berges  beginnt  das  ausgedehnte  Zeltlager^  zu  dem  man 
am  schnellsten  auf  dem  Wege  gelangt,  der  dicht  beim  Bahnhof  über  die 
Oeleise  führt. 

44  W.  GatBohina  (FariHHa ;  *H6tel  ^  Restaurant  Werjowkin), 
Stadt  mit  9000  Einw.,  zu  beiden  Seiten  des  von  der  Ishora  (Hsopa) 
gebildeten  Weissen  Sees(Btioe  Oaepo)  anmuthig  gelegen.  Die  freund- 
liche Stadt ,  mit  meist  im  Villenstil  gebauten  Häusern  und  baum- 
bepflanzten Strasse ,  Ist  Privateigenthum  der  kaiserlichen  Familie 
(s.  unten)  und  hat  ein  kais.  Lustschloss,  2  Kirchen  und  ein  Findel- 
haus mit  Erziehungsanstalt  für  c.  600  Waisen. 

Zur  schwedischen  Zeit  war  Oatschina  ein  Ueierhof ,  den  Peter  d.  Gr. 
nach  der  Eroberung  Ingermanlands  nebst  den  umliegenden  Dörfern  seiner 
Schwester  Katalie  zum  Geschenk  machte }  nach  deren  Tode  1732  fiel  er  an 
die  Krone  zurück.  Katharina  IL  schenkte  Gatschina  dem  Fürsten  Gregor 
Orlow,  kaufte  es  nach  seinem  Tode  zurück  und  gab  es  nebst  Pawlowsk 
und  einigen  Dörfern  ihrem  Sohne,  dem  Grossfürsten  Paul;  es  wurde  der 
Lieblinj^aufenthalt  Paul's,  der  es,  Kaiser  geworden,  1799  zur  Stadt  erhob 
und  1800,  kurz  vor  seinem  Tode,  seiner  Gemahlin,  der  Kaiserin  Maria 
Feodorowna,  die  zugehörigen  Dörfer  ihren  Kindern  schenkte. 

Das  Schlois  von  Gatschina,  von  Rinaldi  1770  für  den  Fürsten 
Gregor  Orlow  erbaut ,  liegt  im  W.  der  Stadt  und  des  Sees ,  nahe 
den  Quellen  der  ihres  Forellenreichthums  wegen  berühmten  Ishora, 
am  Fusse  der  Marienburger  Höhen,  umgeben  von  prachtvollen  Park- 
anlagen. Das  Schloss ,  ein  dreistockiges  Gebäude  in  einfach  edlem 
Stil ,  ist  durch  Colonnaden  mit  einstöckigen  Flügelbauten  verbun- 
den ,  die  einen  grossen  viereckigen  Hof  umschliessen.  Das  Innere, 
welches  gegen  600  Zimmer,  3  Thronsäle,  ein  Theater,  eine  Reit- 
bahn etc.  enthält ,  ist  einfach  eingerichtet ,  enthält  aber  zahlreiche 
werthvoUe  Gemälde  und  Sculpturen.  Vor  dem  Schloss  ein  Stand- 
bild des  Kaisers  Paul.  —  Der  Park  erstreckt  sich  bis  an  den  See, 
in  dessen  klares  und  durchsichtiges  Wasser  mehrere  Bäche  sich  er- 
giessen  und  in  welchem  mehrere  durch  Brücken  mit  einander  ver- 

*)  Mit  dem  Gesammtnamen  der  Duderhofsehen  Berge  (Dudergowskija 
Gori)  belegt  man  auch  wohl  das  ganze  mit  Birken  und  Tannen  bestan- 
dene hügelige  Gelände,  auf  dem  Krassnoje-Sselo,  Zarskoje-Sselo,  Paw- 
lowsk u.  s.  w.  liegen. 


188    Boute  12.  PÜLKOWA.  Umgehungen  von 

bundene  Inseln  liegen.  —  Seit  Gatschina  neben  Peterbof  die  Lieb- 
lings-Residenz des  jetzigen  Kaisers  Alexander  III.  ist,  sind  Schloss 
nnd  Park  durcbans  unzugänglich. 

f.  Tieheima.    Polkowa. 

Den  Ausflug  nach  Pulkowa  (20  W.)  macht  man  am  besten  zu  Wacen, 
besonders  wenn  man  unterwegs  Tschesma  besichtigen  will.  Andernfalls 
benutzt  man  die  Bahn  bis  Zarskoje -Sselo  (S.  189)  und  nimmt  dort  einen 
Iswoschtschik  nach  Pulkowa. 

"Wir  verlassen  St.  Petersburg  durch  den  Moskauer  Triumph- 
bogen (S.164)  und  befinden  uns  auf  der  schnurgeraden  Zarskoje- 
Sselo^schen  Strasse ,  die  ebenso  trefflich  gehalten  ist  wie  die  Peter- 
hof sehe  (S.  182),  doch  stehen  die  sie  begrenzenden  Gärten  und 
Villen  denen  der  letztern  an  Schönheit  und  Mannigfaltigkeit  er- 
heblich nach. 

7  W.  Ticheima  (HecMa) ,  yon  Katharina  II.  zur  Erinnerung  an 
den  über  die  Türken  bei  Tschesme  am  5.  und  6.  Juli  1770  erfoch- 
tenen  Sieg  nach  den  Plänen  des  Architekten  Veiten  als  Lustschloss 
erbaut ,  das  Schloss  wie  die  auf  dem  Platze  davor  gelegene  Kirche 
im  gothischen  Stil.  Nach  Katharina's  Tode  vernachlässigt ,  wurde 
das  Gebäude  1830  durch  Kaiser  Nikolaus  zum  Invalidenhospital 
bestimmt  und  durch  eine  zweite  Kirche  und  einige  Nebenbauten 
erweitert. 

Die  Strasse  durchschneidet  weiterhin  einige  deiU$che  Colonien 
mit  sauberen  Häuschen  und  zierliehen  Gärten  und  erreicht  bald 
den  Pulkowa- Berg  ^  den  höchsten  der  Gegend. 

15  W.  Pulkowa  (IlyiKOBa),  Dorf  von  700  Einw.  Nahe  dem 
Dorfe  auf  einer  Anhöhe,  welche  einen  herrlichen  Blick  auf  die 
Hauptstadt  gewährt,  die  kaiserliche  NikolaiStemtvarte  (OöcepBa- 
Topia ;  S.  99) ,  1838  mit  einem  Kostenaufwand  von  fast  2  Mill.  R. 
erbaut,  nachdem  bis  dahin  der  Thurm  der  Akademie  (S.  170)  als 
Observatorium  gedient  hatte.  Von  Pulkowa  aus  wird  auf  elek- 
trischem Wege  in  der  Peter-Pauls-Festung  ein  Kanonenschuss  ab- 
gefeuert, welcher  der  Hauptstadt  den  Eintritt  der  Mittagszeit  ver- 
kündigt. Die  vorzüglich  eingerichtete  Sternwarte,  die  unter  der 
Direction  des  berühmten  Astronomen  Otto  Wüh,  v.  Struve  steht 
und  eine  jährliche  Subvention  von  40,000  B.  bezieht,  hat  sich 
durch  die  von  ihr  publicirten  Arbeiten  weltbekannt  gemacht. 

Den  Bückweg  kann  man  dlrect  nach  St.  Petersburg  oder  über 
Zarskoje-Sselo  (s.  unten)  nehmen. 

g.  Zarikoje-Saelo.    Pawlowsk. 

Eiienhdhn  bis  Zarskoje-Sselo  (20  W.)  in  l/a  ^t.  für  1  B.,  70  oder 
45Kop.;  bis  Pawlowsk  (2ö  W.)  in  40  Min.  für  1.^,  85,  50  Kop.  11  Züge 
täglich.  —  Zarskoje-Sselo  ist  mit  St.  Petersburg  durch  eine  eigene,  später 
bis  Pawlowsk  fortgesetzte  Bahn,  die  erste  des  russischen  Reiches  (eroflhet 
1888),  verbunden,  ausserdem  Station  der  Warschauer  Bahn.  Vom  Stations- 
gebäude der  letzteren  gelangt  man  direet  in  den  Park;  vom  Bahnhof  der 
ersteren  muss  man,  um  zum  Schlosse  su  kommen,  die  ganze  Stadt  durch- 
wandern.   Die  kais.  Schlösser  in  Zarskoje-Sselo  sind  nur  in  Abwesenheit 


St.  Petersburg,         ZARSKOJE -SSELO.  1^,  Route,     189 

der  kaiserlichen  Familie  KUgängliehH  Eintrittpakarten  werden  in  der  Inten- 
dantur neben  dem  Sehloss  ausgegeben ;  dagegen  ist  der  Besuch  des  Parks 
jederzeit  gestattet. 

Die  Bahn  durchschneidet  erst  Gärten,  passirt  dann  ein  paar  von 
Deutschen  bewohnte  Dörfer,  weiterhin  flache  reizlose  Haidestrecken, 
im  Hintergrunde  begrenzt  von  einem  Höhenrücken ,  auf  dem  Zar- 
skoje-Sselo  liegt.  Bald  nachdem  man  die  vergoldeten  Thürme  und 
Kuppeln  der  Schlosskirche  aus  den  Bäumen  auftauchen  sieht ,  ist 
die  Station  erreicht. 

20  W.  Zankoje-Sielo  (UapcKoe  Ceio;  leidl.  Hotel,  M.  1  R.), 
Stadt  mit  15,000  Einw. ,  Lieblingsresidenz  des  kaiserlichen  Hofes, 
mit  zwei  Schlossern,  8 Kirchen,  mehreren  Kasernen,  Hospitalern, 
Wohlthätigkeitsanstalten  u.  s.  w.  Der  Ort  macht  mit  seinen  breiten 
geraden  Strassen  und  seinen  hübschen,  meist  hölzernen  einstöckigen 
Häusern  einen  freundlichen,  sauberen  Eindruck. 

Schon  Peter  I.  besass  hier  auf  dem  Gute  «Saort  ein  Haus  und  eine 
Orangerie  nebst  einem  Thiergarten.  Das  allmählich  sich  anschliessende 
Dorf,  Zarskoje  genannt,  erhielt  1716  die  erste  hölzerne  Kirche  und  zugleich 
den  l^amen  Zarskoje  -  Seelo  (Kaiserdorf).  Unter  Katharina  I.  und  Elisa- 
beth erweitert  und  verschönert,  wurde  es  Residenz;  seine  Vollendung  und 
den  grössten  Theil  seiner  jetzigen  Pracht  verdankt  es  Katharina  II. 

Der  Park  (Iswoschtschiks  werden  nicht  zugelassen  I )  von  Zars- 
koje-Sselo  theilt  sich  in  den  sog.  groMtn  oder  alten  Qarten  mit  dem 
kaiserlichen  Sehloss  und  in  den  kleinen,  neuen  oder  Alexander* 
Oarten  mit  dem  Alezander  -  Palast  u.  s.  w.  Wir  beginnen  die  Be- 
sichtigung mit  dem*Alexander-Sehl08S(AjeKcaHApoBCKi8  ^Bopem), 
von  Katharina  für  ihren  Enkel  Alezander  I.  erbaut,  durch  geschmack- 
volle Einfachheit  ausgezeichnet.  Die  Einrichtung  der  massig  grossen 
Zimmer  macht  einen  gemüthUchen  anheimelnden  Eindruck.  Viele 
schöne  Gemälde  von  AitocMOtr«XBy  und  BriUow  schmücken  die  Wände. 
Unter  den  für  die  Qrossfürsten  bestimmten  Zimmern  befindet  sich 
ein  Turnsaal,  In  der  nicht  unbedeutenden  Bibliothek  unter  Glas 
viele  Modelle  aller  Gattungen  russischer  Reiterei,  bei  denen  in  einer 
Grösse  von  c.  Vs  m  die  Ausrüstung  von  Mann  und  Pferd  mit  mi- 
nutiöser Genauigkeit  nachgebildet  ist,  sowie  aller  im  russischen 
und  in  fremdländ.  Heeren  eingeführten  Geschütze  und  Fahrzeuge. 

Der  Alezandergarten  erhält  ausser  dem  ehemaligen  Arsenal, 
einem  rothen  Backsteinbau  im  englisch-goth.  Stil  mit  4  Thürmen, 
dessen  Sammlungen  sich  Jetzt  im  Winterpalais  (S.  130)  befinden, 
und  der  Meierei  die  Eremitage,  ein  hellgrünes  Gebäude  mit  weissen 
Säulen  und  reicher  Vergoldung,  von  origineller  altfränkischer  Bau- 
art. Es  hat  nur  ein  Stockwerk,  dessen  Hauptsaal  in  4  erkerartige 
Zimmer  ausläuft,  und  war  einst  Lieblingsaufenthalt  Elisabeth's  und 
Katharina's. 

Von  hier  wenden  wir  uns  zu  der  vorzüglich  eingerichteten 
Meierei  (^»epica) ,  1820  erbaut.  Daneben  ein  sehr  geschmackvoll 
eingerichtetes  Wohnhaus  für  Glieder  der  kaiserlichen  Familie,  mit 
Aussichtsthurm.  In  dem  grösseren  Zimmer  dieses  Hauses  einige 
Gemälde  von  Potter,  Du  Jardin,  Berchem,  Does,  meist  Viehstücke. 


190    Boutt  J2.  ZARSKOJE  -  SSELO.      Umgebungen  von 

Die  oberen  Oemächer  sind  zeltartig  ausgemalt  und  eingerichtet  und 
gestatten  einen  Blick  auf  das  Dorf  Kusmino  (KysbiiHHO).  In  dem 
Alexandergarten  steht  ferner  das  sehr  geräumige ,  im  chinesischen 
Qeschmack  erbaute  Theater, 

Nun  zum  grossen  kais.  Schlosse  (Crapufi  ABopem)  im  «grossen 
Garten'',  einem  Prachtbau  Katharina's  II.,  Lieblingsaufenthalt  Or- 
low's.  Nach  Vollendung  des  Baues  soU  Katharina  den  französischen 
Gesandten  eingeladen  haben,  denselben  mit  ihr  zu  durchwandern. 
Genau  betrachtete  dieser  jedes  einzelne  Wunderwerk  und  blieb  dann, 
wieder  herausgetreten,  plötzlich  vor  dem  Palaste  stehen  und  sah 
sich  forschend  nach  allen  Seiten  um.  Auf  die  Frage  der  Monarchin, 
„was  er  suche",  antwortete  der  gewandte  Hofmann :  „Kaiserliche 
Majestät,  ich  suche  nur  nach  der  Glasglocke,  dies  kostbare  Kleinod 
zu  bedecken".  Treten  wir  durch  den  Eingang  von  der  Petersburger 
Seite,  zwei  von  Moostuffsteinen  in  der  Form  von  Ruinen  aufge- 
führte Portale,  deren  eins  ein  chinesisches  Wachthaus  hat,  auf  den 
Schlossplatz,  so  haben  wir  zur  Rechten  den  Park,  zur  Linken  ein  c/ii- 
nesischesDorfiS.  191),  durch  welches  der  Weg  über  eine  chinesische 
Brücke  in  den  sog.  Thiergarten  führt;  vor  uns  die  Strasse  nach  der 
kleinen  benachbarten  Stadt  Ssofla  (S.  192),  welche  durch  ein  kolos- 
sales eisernes  Thor  geht.  Der  Schlossplatz  selbst  bildet  ein  grosses 
Halbrund  von  Gebäuden  und  wird  durch  zwei  eiserne  Gitter  an 
jeder  Seite  geschlossen.  Das  umfangreiche  ScJUoss  im  Rococostil  ist 
245m  lang  und  hat  nach  der  Gartenseite  zwei  grosse  Flügel,  von 
welchen  einer  nebst  der  nahen  Schlosskirche  1860  durch  Brand  stark 
beschädigt  wurde.  Die  Grundfarbe  des  Schlosses  ist  weiss  und  gelb, 
während  die  überreichen  Stuckarbeiten  dunkelgrün  bemalt  sind, 
ursprünglich  waren  die  sämmtlichen  Statuen,  Vasen,  Piedestale  und 
Kapitale  der  Säulen ,  sowie  das  Dach  mit  Blattgold  vergoldet  (mit 
einem  Kostenaufwand  von  angeblich  über  3  Millionen  Ducaten),  doch 
ist  die  Vergoldung  längst  der  Witterung  zum  Opfer  gefallen ;  jetzt 
sind  nur  die  Kuppeln  der  Schlosskirche  noch  vergoldet.  Das  Innere 
des  Palastes,  die  Schlosskirche ,  die  Säle  und  zahllosen  Gemächer 
zeigen  bei  aller  blendenden  Pracht  doch  viel  Geschmack. 

Die  SefUoukireh«  ist  in  Oold  und  Farben  (Lapislaznli)  reich  deeorirt; 
gegenüber  dem  Ikonostas  die  Gallerie  der  kais.  Familie.  Von  den  prunk- 
voll eingerichteten  Räumen  des  Schlosses  sind  die  prachtvollsten  die  von 
der  Kaiserin  Katharina  selbst  einst  bewohnten  Zimmer.  Besonders  ge- 
schmackvoll ist  das  ScMa/gemaeh  der  Kaiserin  ^  in  weissem  Porzellan 
mit  dunkelblauen  gläsernen  Säulen ;  der  Parquetboden  ist  mit  Perlmutter 
eingelegt.  Ein  anderes  von  Katharina  bewohntes  Gemach  ist  ganz  mit 
Agat  belegt.  Endlos  ist  dann  die  Perspective  der  vielen  Paradesäle, 
die  ein  Blick  durch  die  geöffheten  Doppelthüren  zeigt.  Einer  der  merk* 
würdigsten  BÄume  ist  das  Berruteinzimmer  ^  früher  im  Berliner  Schloss, 
ganz  mit  Bernstein  getäfelt,  auf  Tischen  und  an  den  Wänden  schöne  Bern- 
steinarbeiten —  Geschenke  Friedrich  Wilhelm*s  I.  an  Peter  den  Grossen 
und  Friedrich *8  des  Grossen  an  Katharina;  der  tiU^eme  Shtal  schimmert 
von  Silber,  der  BalUaal  (43m  lang,  16m  breit)  in  Spiegelglas  und  Gold; 
im  Laptslazuli-Saal  sind  die  Wände  mit  Lasurstein  belegt ;  der  Fussboden 
besteht  aus  Ebenholz  mit  grossen  Perlmutterblumen ;  der  cMneeisehe  ScmI^ 
ist  im  chinesischen  Geschmack  (schwarz  mit  Gold)  deeorirt.    Ein  Saal 


st  Peterahurg.  ZARSKOJE  -  SSELO.  12,  Boute,     191 

ist  ganz  mit  Bildern  aus  der  niederländischen  Schale  behängt ;  an  sonstigen 
Gemälden  hervorzuheben:  Willewalde,  *ünterwerfung  Sehamyrs,  Tod 
Raffaers ;  die  Krönung  Alexander^s  II.  in  Moskau,  Gonfirmation  der  beiden 
Grossfürsten ;  in  fast  allen  Zimmern  Seestücke  von  Aiwasowsky  u.  Brülow ; 
von  letzterm  besonders  bemerkenswerth  die  Ck)pie  der  *Decke  der  Isaaks- 
Kathedrale.  —  Von  den  Praehtsälen  gelangen  wir  in  die  prunklosen,  aber 
gesehmackvoU  eingerichteten  frühern  Wohngemächer  der  Kaiterin  Maria 
Feodorowna,  des  Kaisers  Alexander  I.  und  der  Kaiserin  Elisabeth^  den  Turn- 
saal der  jungen  Grossfürsten  (mit  Rutschbahn)  u.  s.  w.  —  Eine  der  grössten 
Merkwürdigkeiten  des  Schlosses  ist  die  mit  ihm  an  einem  Flügel  in  Ver- 
bindung stehende,  wegen  ihres  leichten  Baues  berühmte  *  Marmor gallerie 
(8Q  m  lang),  deren  bedeckte  Halle  bei  schlechtem  Wetter  als  Wandelbahn 
dient.  Von  dem  Architekten  Gameron  ausgeführt,  gewährt  sie  mit  ihren 
zahlreichen  Bronzebüsten  berühmter  Männer  des  Alterthums  in  einiger 
Entfernung  den  Anblick  einer  schönen  Theaterdecoration ;  von  oben  präch- 
tige Ausssicht  auf  die  Anlagen  des  Parks.  Eine  mit  geschmackvollen  Gitter- 
pforten verschlossene  Steintreppe  führt  von  dieser  Gallerie  in  den  Park 
hinunter;  an  den  untersten  Stufen  zwei  kolossale  Bronzefiguren.  Auch 
das  vordere  Treppenhaus y  welches  in  das  zweite  Stockwerk  führt,  von 
weissem  Marmor  mit  hübschen  Verzierungen,  ist  sehenswerth. 

Nach  Besichtigung  des  Schlosses  nehmen  wir  einen  Wagen  und 
lassen  uns  zu  den  bemerkenswerthesten  Punkten  des  *Parfc6«  führen. 
Derselbe  ist  im  englischen  Stil  angelegt,  musterhaft  gehalten  und 
birgt  eine  Unzahl  von  Glorietten,  Triumphbogen,  Statuen,  ge- 
schmackvollen Brücken  über  die  von  Schwänen  belebten  Teiche, 
von  Grotten,  Ruinen  u.  s.  w. 

Dem  Schlosse  zunächst  die  sog.  chinesische  Brücke  ^  deren  Geländer 
eine  Nachahmung  der  Eorallenpflanze  bildet;  vier  Chinesen  von  Stein 
mit  Sonnenschirmen  sitzen  auf  demselben;  nicht  weit  davon  eine  ge- 
wölbte Hängebrücke y  ein  Kreuz  vorstellend,  auf  deren  Mittelpunkt  eine 
mit   Glasfenstern  geschlossene,  geschmackvolle  chinesische  Oforiette.     In 
einiger   Entfernung   zwei    elegante   und   prächtig    eingerichtete    Ottrten- 
pavillonSy    der  eine  nur  aus  einem   grossen  Saal  bestehend,   das   sog. 
Kaffeehaus^  der  andere  früher  als  Concertraum  dienend.   In  einem  andern 
Theile  des  Parkes  das  sog.  ^chinesische  Borf^  eine  Reihe  vom  kaiserlichen 
Gefolge  bewohnter  Häuser,    alle    im   chinesischen    Geschmack    gebaut. 
Zwei  künstliche  Ruinen  befinden  sich  Im  Park ;  von  der  einen ,  die  einen 
alten  Thurm  nachahmt,  hat  man  auf  der  einen  Seite  eine  weite  Aussicht 
auf  den  grossen  Manöverplatz;   von   der  andern  Seite  erblickt  man  die 
vergoldeten  Kuppeln  der  Schlosskirche,  sowie  die  Dächer  des  chinesischen 
Dorfes.    In  einer  Halle  der  andern  Ruine  steht  der  herrliche,  marmorne 
^Christus  von  Dannecker  und  eine  ägyptische  Badewanne  von   Granit. 
ITicht   fern  davon  die  weitläufigen  *  Orangerien  und  Treibhäuser.  — •  Eine 
der  schönsten  Partieen  ist   der  grosse  */Sf«e,  eigentlich  aus  zwei,   durch 
einen  Kanal  verbundenen  Theilen  bestehend ;  über  den  Kanal  führt  eine 
mit  Säulen  geschmückte  Brücke    von  blauem  sibirischen  Marmor;    an 
seinen  waldigen  Ufern  steht  die  auf  Granit  ruhende,  3dm  hohe  gelbe 
Marmorsäule ,  die ,    mit  dem  russischen  Doppeladler  gekrönt   und  mit 
Schiffsschnäbeln  von  vergoldeter  Bronze  geschmückt,  dem  siegreichen 
Fürsten  Orlow  -  Tschesmensky  (S.  184)   gesetzt  wurde.     Ein  marmorner 
Obelisk  erinnert  an  den  Sieg  beim  Kagul  und  an  den  Sieger  Rumjanzow- 
Sadunaisky;  eine  QraniPpyramide  in  ägyptischer  Form,  im  Gebüsch  ver- 
steckt,  dient  als  Denkmal  auf  der  Begräbnissstätte  der  drei  Lieblings- 
hunde Katharina^s.  —  In  einem  nahe  dem  See  gelegenen  Gebäude  sind 
verschiedene  Kähne  und  Modelle  von  Fahrzeugen  aller  Völker,  die  dem 
Grossfürsten  Konstantin  zum  Studium  dienten,  aufbewahrt,  darunter  das 
reich  vergoldete  Boot  Katharina'' s  und  das  Modell  einer  Popowka,  jener 
vom  Admiral  Popow  erfundenen  runden  Panzer-Kriegsschiffe.    In  dem 
Obern  Stock  des  Hauses  ein  grosser  Saal  mit  Ansichten   aus  England. 
Von  hier  *^«MtcA<  auf  den  See,   links  nach  der  Orlow- Säule  und  der 


192    Route  IS.  PAWLOWSK.  Umgebungen  von 

freundlichen  Insel  des  Sees,  auf  der  die  kaiserliche  Familie  häufig  früh- 
stückt; reehts  im  Hintergrunde  die  Marmorgallerie  (s.  oben).  In  der 
Nähe  des  Sees,  in  einem  schattigen  Wäldehen,  erblickt  man  auf  grossem 
Granitblocke  die  berühmte  *Broru!e/igur  Hmb  Mädchen»  (Najade)  mit  zer- 
brochenem Wasserkruge,  woraus  eine  Quelle  hervorströmt.  Prachtvoll 
sind  fast  sämmtliche  Thore^  die  in  den  Park  führen.  Vor  allem  der 
grosse  Triumphbogen  von  Marmor,  durch  Katharina  II.  dem  Andenken 
des  Fürsten  Gregor  Orlow  gewidmet,  der  sieh  während  der  Pest  in 
Hoskau  grosse  Verdienste  erwarb;  einige  andere  Thore  von  Gusscisen 
sind  durch  ihre  kunstvolle  Arbeit  gleichfalls  ausgezeichnet.  Besondere 
Erwähnung  verdient  der  "^Triumphbogen^  den  Kaiser  Alexander  der  rus- 
sischen Armee  errichten  liess;  er  trägt  die  Aufschrift:  ^Meinen  lieben 
Waffenbrüdern."  Durch  das  sog.  Thor  von  Babalowa  fährt  man  durch 
hübsche  Anlagen  nach  dem  eine  Viertelstunde  vom  Parke  gelegenen  Schlöss- 
chen gleichen  Namens ,  mit  kolossaler  Veue  von  rothem  polirten  Granit. 

In  der  Nähe  von  Zarskoje  -  Sselo  und  Pawlowsk  liegen  viele 
deutsche  Colonien;  die  namhafteste  darunter  ist  die  Schwaben- 
colonie  Friedenthal  (<^pHAeHTaji»cKaji  KojoHifl) ,  1820  von  Kaiser 
Alexander  angelegt.  Die  Bewohner  dieser  betriebsamen  Colonie, 
Rheinländer,  Badenseru.  s.  w.,  sind  ausschliesslich Bandfabrikant«n. 
Es  lohnt ,  sich  in  den  Fabriken ,  wo  auch  Baumwollenzeuge ,  far- 
bige Servietten ,  Tücher  u.  s.  w.  gefertigt  werden ,  herumfahren  zu 
lassen.  —  Südlich  von  Zarskoje- Sselo  und  dessen  Park  das  Städt- 
chen (eigentlich  nur  ein  neuer  Stadttheil)  Ssofia  (Co*U)  mit  einer 
Anzahl  Villen  im'  griechischen  und  türkischen  Stil ,  ein  beliebter 
Sommeraufenthalt  reicher  und  vornehmer  Petersburger. 

Am  Ende  des  Parks,  jenseit  des  Triumphbogens  Alexander's  I., 
bei  der  Kaserne  eines  Garde-Cavallerie-Regimentes ,  beginnt  die 
schnurgerade  breite  Allee,  welche  an  hübschen  Landhäusern  vorbei 
nach  dem  5  W.  entfernten  Pawlowsk  führt.  Kurz  vor  Pawlowsk  1. 
die  schonen  eisernen  Qitterpforten  des  grossfürstlichen  Parks ,  in 
welchem  die  Restauration  (s.  unten). 

25  W.  Pawlowsk  (üaBiOBCKi),  Stadt  mit  3000  Einw. ,  darunter 
nicht  wenig  Deutsche,  ehemals  ein  Dorf,  welches  Katharina  II.  1775 
ihrem  Sohne  Paul  bez.  seiner  Gemahlin  Feodorowna  schenkte,  jetzt 
Privateigenthum  der  kaiserlichen  Familie,  besteht  aus  zwei  Theilen, 
die  durch  das  Flüsschen  Sslawjanka  (CiaBHESa)  getrennt  sind.  Die 
hübschen  hölzernen  Häuser,  von  Gärten  und  Bäumen  umgeben, 
dienen  grösstentheils  den  Petersburgern  zum  Sommeraufenthalt. 
Pawlowsk  hat  eine  griechische  und  eine  protestantische  Kirche, 
Kasernen,  Reitschule,  Bürger-  und  Militärhospital ,  Erziehungs- 
anstalt, Invalidenhäuser  etc. 

Von  der  Stadtkirche  führt  in  südöstlicher  Richtung  der  Weg 
über  eine  stattliche  Granitbrücke  nach  dem  ScJUoase.  Von  der 
Brücke  hübsche  Aussicht  nach  beiden  Seiten.  Zur  Rechten  bildet 
die  Slawjanka  einen  See ,  bedeckt  mit  Gondeln ,  die  gegen  Trink- 
geld jedem  zu  Gebote  stehen.  Die  freundlichen  Ufer  des  Sees,  die 
waldigen  Anhöhen ,  die  vielen  Datschen ,  der  im  Hintergrunde  des 
Sees  hervorragende  Thurm  von  Pawlowsks  kleiner  Festung,  die 
jenseits  zwischen  Bäumen  sich  erhebende  Kuppel  des  Schlosses 


St.  Petersburg.  PAWLOWSK.  12.  Baute.     193 

und  endlich  die  verschiedenartigen  hier  und  da  zerstreuten  Tempel 
und  Gartenhäuser  gewähren  einen  malerischen  Anblick.  —  Die 
schönste  *Aussicht  bietet  die  auf  der  höchsten  Anhöhe  gelegene 
Critterlauhe ,  von  der  70  mit  Statuen  geschmückte  Stufen  bis  zum 
See  hinunterführen.  Nicht  weit  davon  ein  Obelisk,  zur  Erinnerung 
an  die  Erbauung  Pawlowsks  (1777)  errichtet. 

Das  dreistöckige  SohloM,  Eigenthum  des  Grossfürsten  Kon- 
stantin, wurde  1777-80  von  Pauli,  erbaut;  seine  jetzige  Gestalt 
erhielt  es  nach  dem  Brande  von  1803.  Die  Fagade,  mit  einem 
Porticus  von  16  ionischen  Säulen  und  mächtiger  Kuppel,  bildet  zu 
beiden  Seiten  halbrunde  Golonnaden.  An  der  Rückseite  des  Schlosses 
an  einem  Basenplatz  eine  concav  geformte  Gallerie  mit  architecton. 
Perspectiven   eines  reichgegliederten  Prachtbaues,   von  Gonzaga 

täuschend  gemalt  und  mit  antiken  Marmorstatuen  geschmückt. 

Bei  einer  Besielitigung  des  Innern  -des  Schlosses  werden  wir 
zuerst  in  die  Bibliothek  geführt.  Sie  enthält  e.  30,000  Bände  in  hohen, 
eleganten  Schränken  (zwischen  denselben  Marmorstatuen  der  neun  Husen)  \ 
ierner  eine  Münxtammlung  ^  worunter  Münzen  aus  der  Zeit  der  alten 
bosporanisehen  Könige,  bei  Olbia  in  der  Krim  gefunden,  Cameen  von 
Hastyx  und  Elfenbein,  von  der  Kaiserin  Maria  gearbeitet;  ein  Mosaik- 
bild Pawlowsks  von  Meckler;  die  Hoehzeitskleidung  Alezander* s  I.  In 
einer  Nebenhalle  der  Bibliothek  einige  Gegenstände  aus  Canton  in  China : 
Alterthümer  aus  Hereulanum  und  Pompeji.  Im  Vorzimmer  der  Bibliothek 
die  Statue  einer  der  sieben  Töchter  des  Lykomedes;  vor  derselben  ein 
mit  Blumen  bemaltes  Tischchen,  das  Peter  I.  aus  Holland  mitbrachte; 
daneben  das  Herbarium  der  Kaiserin  Maria.  Von  der  Bibliothek  in 
den  unteren  Stock  des  Schlosses,  in  die  Gemächer  der  Kaiserin  Maria 
Feodoroicnaj  deren  Lieblingsaufenthalt  Pawlowsk  war.  Grossfürst  Michael 
Hess  in  ihnen  alles  so,  wie  Maria  es  ordnete.  Das  Gabinet  der  Kaiserin 
enthält  einige  schöne  Gemälde  von  Krüger;  in  dem  anstossenden  Schlaf- 
zimmer hängt  über  dem  Bette  das  Bild  Paul's  I.;  ein  Service  von  blauem 
Porzellan,  Geschenk  Ludwig^s  XVI.;  Gemälde  von  Albani  und  van  Weiden;- 
Teppich,  von  der  Kaiserin  eigenhändig  gestickt.  Das  anstossende  Zimmer 
bildet  ein  Rondel  mit  dem  Arbeitstisch  der  Kaiserin  und  Aussicht  auf 
schattige  Laubgänge,  den  einstigen  Privatgarten  Maria  Feodorownas.  In  dem 
folgenden  weissen  Marmortaat  schöne  Mosaikbilder  (Jesus  in  der  Krippe 
und  das  Innere  einer  Kirche),  Geschenke  des  Papstes  an  den  Kaiser 
Nikolaus,  ferner  einige  Porzellanvasen.  Wir  betreten  dann  die  Gemächer 
PauVs  /.,  in  dessen  Cabinet  Familienbilder,  ein  von  Pius  VII.  an  Faul 
geschenktes  Mosaik,  ferner  Malereien  und  Mosaikstücke,Arbeiten  Maria^s  etc. 
Im  Billardztmmer  grosse  Oelgemälde  und  eine  Kreidezeichnung  der  Gross- 
fürstin Anna,  Prinzessin  von  Oranien.  —  In  den  Oemäclurn  der  Orou- 
fürstin  Helene  (t  1873),  Gemahlin  des  Grossfürsten  Michael,  schöne  Oel- 
gemälde (Nachtstück  von  Rubens) ;  im  Gabinet  Stickereien  und  Krystall  vasen. 
Von  dem  Schlafgemach  tritt  man  auf  eine  mit  Blumen  dekorirte  Gallerie. 
In  den  Gemächern  det  Gros^ürzten  Michael  (f  1849),  Bruders  des  Kaisers 
Nikolaus,  einige  Phantasiestücke  vonBobert;  kostbare  Glasseheiben  (Stück 
2000 B.).  In  dem  kleinen  Tanzsaal  gestickte  Möbel,  ein  Geschenk  Lud- 
wig^s  XVI.;  in  den  folgenden  Zimmern  ein  Porzellan -Service,  Geschenk 
Ludwig's  XVI.,  mit  seinem  und  Marie  Antoinette's  Porträt  auf  den  Tassen. 
—  Wir  treten  dann  in  die  GemäldegalleHe  ^  die  zwar  einige  ihrer  besten 
Sachen  an  die  Eremitage  hat  abgeben  müssen,  aber  immer  noch  werthvolle 
Stücke  enthält.  Mit  dem  BallztMli  von  ungeheurem  Umfange,  und  der  Kapelle 
mit  einigen  guten  Gemälden  schliessen  wir  unsem  Umgang  im  Schlosse. 

Auf  der  andern  Seite  des  Parks,  von  dem  grossen  Schlosse 
ziemlich  weit  ab,  liegt  das  kleine  Konitantin'sohe  Palais  (Koh- 
CTaHTHHOBCKiS  ABopem),  am  Rande  eines  von  Anlagen  umgebenen 

Bussland.     2.  Aufl.  13 


194    Baute  12,  PAWLOWSK»  Vmgthungtn  v<m 

Sees.  In  den  anspruchslosen  inneren  Gemächern  einige  schone 
Gemälde  russischer  Künstler  (Russische  Hochzeit,  eine  Karten- 
legerin) ,  Landschaften  von  Yanloo ,  Ansichten  von  St.  Petersburg 
und  der  Newa.  —  Nicht  weit  davon  das  ehem.  Palais  Alexander'«  I., 
ein  langes,  einstöckiges  Gehäude  von  einfachem  Aeussern,  aher 
eleganter  innerer  Einrichtung. 

Von  dem  grossen  Platz  vor  dem  Hauptschlosse  führen  Alleen 
zu  dem  am  Anfange  des  Parkes  gelegenen ,  kleinen  Theater,  Nahe 
dabei  ist  eine  Restauration.  Der  Park  von  Pawlowsk  übertrifft  den 
von  Zarskoje -Sselo.  Er  enthält  eine  überraschende  Fülle  von 
malerischen  Landschaften,  freundlichen  Thälern,  waldigen  An- 
höhen, Aussichten  auf  Seen,  rauschende  Wasserfälle  u.  s.  w. ;  neben 
schönen,  statuengeschmückten,  griechischen  Tempeln  und  pracht- 
vollen Monumenten  stehen  anmuthige  Schweizerhäuschen,  moos- 
bedeckte Eremitagen,  geschäftige  Mühlen  --'  das  alles  umgeben 
von  herrlichen  Bäumen  der  mannigfachsten  Arten,  durchzogen  von 
den  reizendsten  duftenden  Blumenparterres,  —  eine  der  bedeu- 
tendsten Leistungen  der  Landschaftsgärtnerei  auf  unholdem  Boden. 
Im  hinteren  Theile  des  Parks  (30  Min.  vom  Bahnhof)  das  neue 
magnetisch-meteorologische  Observatorium,  eins  der  besteingerich- 
teten der  Erde.   Besichtigung  Sa.  4-6  Nm. 

Angesichts  der  Kenge  interessanter  Einzelheiten  beschränken  wir  uns 
auf  die  Hervorhebung  des  Bedeutendsten.  —  Ein  originelles  Bauwerk  ist 
der  viereckige  Pavillon  Elitaheih  (E<Hca6eTHH'&  naBKiBOKb),  Säulen   und 
Wandpfeiler  des  Peristyls  von  röthlichem  Marmor,  das  Ganze  auf  beiden 
Seiten  mit  Glasthüren  geschlossen.    Innen  ein  mit  Eleganz  eingerichteter 
Saal;  vom  flachen  Dach  des  Hauptgebäudes,   auf  welches   eine  breite 
Treppe  führt,  hübsche  Aussicht  auf  einen  Wasserfall,  das  in  einiger  Ent- 
fernung gelegene  Dorf  Glasowo  (rjiaaoBo),    auf  die  waldigen  Anhöhen 
und  die  untenliegende  Schäferei.   —  Bei   dem  Konstantin*schen   Palais 
(S.  193)  der  allerliebste  PaWiton  des  Roges^  früher  von  Rosengärten  umgeben. 
Die  Wände  des  Saals  sind  mit  Guirlanden  künstlicher  Rosen  geziert,  die 
Säulen,  Kronleuchter  u.  s.  w.  mit  Guirlanden  umwunden.    Zur  Zeit  Maria 
Feodorowna's  fanden   hier  Th^s  dansants,  am  27.  Juni  1814  ein  grosses 
Fest  zu  Ehren  der  Rückkehr  Alexander's  I.  statt.  ^  In  der  l^ähe  dieses 
Pavillons  das  Carrousel,   die  Schaukel,  der  Rutschberg  für  die  jungen 
Grossfürsten.  —  In   der  Richtung  nach  Zarskoje  -  Sselo  hin  die  Fermty 
auch  Marienthal  genannt,  eine  Stiftung  der  Kaiserin  Maria,  erst  nach 
ihrem  Tode  vollendet.    Das  Gebäude  ist  im  gothischen  Geschmack  er- 
baut und  stilgemäss  möblirt.   In  dem  geräumigen  Rondel  schöne  Porzellan- 
service; kunstreich   geschliffene  Gläser  gewähren  einen  überraschenden 
Blick  auf  die  umliegende  Landschaft.    Die   eigentliche  Meierei    ist   ein 
in  ländlichem   Stile    gebautes  Häuschen,  von  dem  Hauptgebäude  durch 
ein  Gitter  getrennt.    Deutsche  Colonisten  haben  die  Aufsieht  über  die 
Ferme.  —  Interessant  die  sog.  Familienintel  (GcKeÜHaa  poma),  ein  kleines, 
von   Wasser  umgebenes  Wäldchen  >  dessen  Bäume  von  Ifitgliedern  der 
kaiserlichen  Familie  gepflanzt  wurden  (Jahreszahl  und  Ifame  befinden 
sich  an  denselben);   die  Labyrinthe^  Rondele  mit  vielen  Bronzefiguren, 
von  denen  6-8  verschiedene,  ganz  gleiche  Alleen  ausgehen.    Unter  den 
Monumenten  ist  hervorzuheben  dasjenige,  welches  Maria  Feodorowna  dem 
Kaiser  Paul  I.   1809  setzen  liess:   ein  Mausoleum,    dessen  Fa^ade  vier 
Grauitsäulen  und  ein  schönes,  schwarzes  Gitter  zieren;  im  Hintergrunde 
in  weissem  Marmor   die  Büste  PauFs,  darunter  die  Statue  Maria  s   von 
Guarenghi,  die  trauernden  kaiserlichen  Kinder  und  Genien  (von  Martos). 
lieber  dem  Eingange  die  Inschrift:  „Die  Gattin    dem  Wohlthäter.«  ~ 


iS*.  Petersburg,  PAWLOWSK.  12,  Route,     195 

Bin  andres  Monument  in  der  ITähe  in  einem  kleinen  Gehölze  liefis  Haria 
ihren  Eltern  getzen:  eine  betende  Gestalt  an  dem  Altar  eines  Tempels, 
auf  dem  zwei  TJrnen  mit  den  Bildnissen  der  Dahingeschiedenen.  In 
der  I7ähe  des  Platzes,  wo  während  der  Anwesenheit  der  kaiserlichen 
Familie  die  Flagge  aufgesteckt  wird,  ein  Monument  zu  Ehren  der  Gross- 
fürstin  Helene  mit  der  Jahreszahl  1801.  In  einem  dunklen  Wäldchen 
ein  Honument  mit  der  Inschrift:  „Meiner  Schwester  Friederike "^  in 
einem  anderen  Theile  des  Parkes  das  der  in  früher  Jugend  dahin  ge- 
schiedenen Grossftirstin  Alexandra  Pawlowna  gesetzte  Denkmal.  In  der 
Nähe  des  Schlosses,  auf  der  linken  Seite  der  grossen  Strasse,  ein  Tempel 
mit  den  *drei  Grazien  (naBHjrbOHi  xpext  fpai^ifi)  von  Trescorni  (40,000  R.). 
In  einer  offenen  Halle  des  Schlosses  einige  Statuen,  gleichfalls  Yon  einem 
italienischen  Künstler,  die  vier  Jahreszeiten  darstellend^  eine  Statue  des 
Kaisers  Paul,  deren  Piedestal  die  Inschrift  trägt:  „Dem  Kaiser  Paul  I., 
dem  Gründer  von  Pawlowsk,  18T2."  —  Ausserdem  zieren  noch  unzählige 
Statuen,  Büsten,  ägyptische  Vasen  und  sonstige  Alterthümer  den  Garten. 
Die  zu  dem  grossfürstlichen  Park  gehörigen  Treibhämer  stehen  mit  der 
Grossartigkeit  und  Pracht  des  Ganzen  im  Einklang. 

Pawlowsk  besitzt  auch  eine  kleine  Festung  in  der  Nähe  des 
grossen  Schlosses ,  mitThürmen,  Bastionen  und  Geschützen,  auf 
drei  Seiten  von  Wasser  umgeben.  Sie  steht  an  Stelle  einer  von 
Peter  dem  Grossen  zerstörten  schwedischen  Schanze  und  präsentirt 
sich  besonders  gut  vom  jenseitigen  Stadttheil. 

Wir  begeben  uns  nun  in  das  naheliegende ,  hochelegante  Taw- 
lowsk'sche  Bestaurant,  Vauzhall,  den  Sammelpunkt  des  bessern 
Petersburger  Mittelstandes.  Im  Sommer  Concerte  berühmter  Ka- 
pellen  mit  freiem  Eintritt. 

h.   SoUüiielbargund  der  Ladoga-See. 

Dan^/booiyon  St.Petersburg (Abfahrt  am  Sommergarten)  nach  Sehlüssel- 
burg  V.  17.(29.)  Mai -1.(18.)  Aug.  5  mal,  1.(13.)  Aug. -2.(14.)  Sept.  4  mal. 
2.(14.)  Sept. -16.(28.)  Sept.  8 mal  tägl.  In  41/2  St.  für  75u.  öOKop.,  zurück 
in  Si/a  St.  Der  Aufenthalt  der  Dampfer  (2-5  St.)  genügt  zur  flüchtigen  Be- 
sichtigung von  Schlüsselburg;  dort  eine  Restauration  aufzusuchen,  ist 
nicht  rathsam ,  da  die  Gasthäuser  unsauber  sind ;  gute  Verpflegung  ist 
an  Bord  zu  finden.  —  IT^ach  dem  Litdoga-See  gehen  wöchentlich  dreimal 
(gewöhnlich  Mo.  Do.  Fr.)  von  St.  Petersburg  Dampfer  (Abfahrt  vom  Ssmolny- 
Kloster).  Die  Dampfer  Mo.  und  Do.  legen  auch  in  Kexholm  und  Krono- 
borg  (S.f211)  an.  Fahrpreis :  nach  Sordavala  3-8  B.  Die  Tour  bis  Sorda- 
vala  und  zurück  erfordert  5-6  Tage ;  in  derselben  Zeit  kann,  wer  Finn- 
land zu  sehen  wünscht,  von  Wiborg  aus  Walamo  und  Sordavala  bei- 
suchen (Post  bis  Kexholm,  S.  210). 

Die  Fahrt  nach  Schlüsselburg,  die  Newa  hinauf,  ist  nicht  ohne 

Interesse.   Fabrikanlagen ,  Ansiedlungen ,  Landhäujser  und  Wald- 

partieen  wechseln  beständig ,  dazu  herrscht  lebhafter  Verkehr  auf 

dem  Wasser. 

9  W.  Alexandrowsk  (AaeKcaHApoBCKi) ,  Dorf  am  linken  Ufer 
der  Newa,  mit  grosser  Lokomotivenfabrik. 

10  W.  Am  r.  Ufer  die  "kaiserliche  Porzellanfdbrik  (^ap«opo6UÜ 
aaBOA'B ;  S.  99),  ein  sehenswerthes  Etablissement,  dessen  Leistungen 
den  Yergleich  mit  ähnlichen  Instituten  des  Auslandes  nicht  zu 
scheuen  brauchen. 

12  W.  Am  1.  Ufer  die  AlexandrowskaJa'Manufaetur^  ehemals 
mechanische  Flachsspinnerei,  jetzt  hauptsächlich  £isengiesserei  und 
Mas  chlnenbauanstalt. 

13* 


196    Boute  12,  SCHLÜSSELBÜRG.      Umgehungen  von 

15  W.  Am  r.  Ufer  die  deutsche  Colonie  Neu-Ssaratow  (Hobo- 
caparoBCKafl  KojiOHifl).  —  Die  Ufer  Ti^erden  Tvaldig  und  hoch,  die 
Breite  des  Flusses  geringer ;  nur  hier  und  da  treten  Dörfer ,  urie 
hhora  (Hsopa),  Kortschmino  (KopiMHHo),  Iwanowakoje  (UBaHOBC- 
Koe),  und  hübsche  Sommervillen  an  sie  heran.  Ton  letzteren  haben 
die  meisten,  seit  sich  der  Hof  nach  Zarskoje -Sselo  und  Peterhof 
gezogen,  yiel  von  ihrem  ehemaligen  Glänze  verloren.  So  erblicken 
wir  zu  unserer  Rechten ,  an  der  Mündung  der  Tosna ,  27  W.  von 
St.  Petersburg,  die  ruinenhaften  Ueberreste  des  ehemaligen  kaiser- 
lichen Lustschlosses  Pella,  Gleich  dahinter  das  Uebungslager  der 
Sappeure  (GanepcKiS  larepi).  Endlich  erreichen  wir  Schlüsselhurg, 
welches  sich,  vom  Dampfer  ausgesehen,  sehr  gut  präsentirt:  zur 
Rechten  am  Ufer  die  kleine,  eigentliche  Stadt,  auf  einer  von  der 
Newa  gebildeten  Insel  die  kleine  Festung  mit  ihren  in  der  Sonne 
glänzenden  hohen  weissen  Mauern. 

54  W.  Schlüsselburg  (liljHcceiböyprx),  Festung  und  Kreisstadt 
(7900  Einw.),  am  Ausfluss  der  Newa  aus  dem  Ladoga-See,  in  18  m 
Meereshöhe,  treibt  bedeutenden  Handel  und  Schifffahrt  auf  dem 
Ladoga-See,  der  Newa  und  dem  Ladoga-Kanal,  dessen  letzte  sehens- 
werthe  Schleusen  (s.  unten)  am  Ö.  Ende  der  Stadt  liegen.  Alle 
Schiffe,  welche  von  dem  Kaspischen  Meer  resp.  der  Wolga  über  Neu- 
Ladoga  (HosaH  Ja^ora)  am  Aussfluss  des  Wolchow  in  den  Ladoga- 
See  nach  St.  Petersburg  oder  zurück  gehen ,  müssen  Schlüsselburg 
passiren,  dessen  Bedeutung  und  Einwohnerzahl  sich  seit  Anlage 
des  genannten  Kanals  sehr  gehoben  hat. 

Die  l^ewa  und  der  Ladoga  -  See  bildeten  achon  den  Wasserweg  der 
Waräger  und  später  der  Hanseaten  nach  dem  Wolchow  und  Nowgorod. 
Die  Gründung  der  Stadt  SchlüsseWurg  schreibt  man  den  Nowgorodern  (S.  249) 
zu.  1323  legten  sie  im  Kriege  mit  den  Schweden  (Wiborgern),  zu  dem  sie 
mit  Georg  Danllowitsch,  seit  1319  Grossfürst  von  Moskau,  ausgezogen,  eine 
Befestigung  auf  der  Schlüsselburg  gegenüberliegenden  Insel  Orechoto  an, 
wodurch  sie  die  ganze  Newa  und  das  Land  zu  beiden  Seiten  dieses  Stro- 
mes beherrschten.  Im  Sept.  1323  kam  hier  der  berühmte  Friede  von 
Orechowetz  zu  Stande.  (Orechowetz  ist  das  Diminutiv  von  opex-b, 
orech,  Nuss,  die  Schweden  übersetzten  es  daher  wörtlich  in  ihre  Sprache 
mit  Miehurg^  d.  i.  Nussburg.)  1318  eroberte  und  brandschatzte  Magnus 
Erichsson^  König  von  Schweden,  Orechowetz,  wurde  jedoch  in  der  Schlacht 
an  den  Ufern  der  Ishora,  südwestlieh  von  Schlüsselburg,  von  den  Now- 

?orodern  und  Pskowern  geschlagen  und  Orechowetz  wurde  am  24.  Febr. 
350  von  den  Nowgorodern  zurückerobert.  Die  Festung  blieb  aber  in 
der  Folge  ein  Zankapfel  zwischen  Schweden  und  Eussen.  Am  11.  October 
1702  musste  sie  sich  nach  13stündiger  Bestürmung  an  Peter  I.  ergeben, 
noch  ehe  der  schwedische  General  Gronhiort  zum  Entsatz  herankam. 
Die  Eroberung  der  Feste  NÖieburg  war  von  der  grössten  Wichtigkeit  für 
die  Bussen,  da  ihr  Besitz  Peter's  Eroberungen  am  Finnischen  Meerbusen 
deckte.  Peter  verstärkte  die  Festung  bedeutend,  gab  ihr  den  bedeutsamen 
Namen  Schlüsselburg  und  errichtete  hier  eine  Schiffswerft.  Schon  unter 
Peter  und  später  mehrfach  diente  Schlüsselhurg  als  Staatsgefängniss. 

Nachdem  wir  in  der  Stadt  die  Kirche  der  Altgläubigen  in  der 
Preobrashenskaja-Strasse,  sowie  die  Schleusen  des  Ladoga-KanaU 
besichtigt,  unternehmen  wir  einen  *Spaziergang  auf  den  Molen, 
von  wo  man  einen  hübschen  Blick  auf  die  Festung  und  den  Ladoga- 
See  (s.  unten)  hat.   Die  Ueberfahrt  nach  der  Festung  findet  nur  alle 


st  Petersburg.  LADOGA-SEE.  12.  Route,     197 

Stunden  in  den  zu  diesem  Zweck  an  den  Molen  liegenden  Booten 
unentgeltlich  statt ;  andere  Fahrzeuge  sind  nicht  zu  erlangen. 

Die  Festung  (KpftnocTB)  selbst,  jetzt  wieder  zum  Staatsge- 
fängniss  bestimmt ,  bietet  im  Innern  nichts  Besonderes.  Von  den 
hohen  Mauern  hat  man  ebenfalls  eine  prachtvolle  Aussicht  auf  den 
Ladoga-  See. 

Der  Ladoga -SAe  (JEaxoaccKoe  Osepo,  ehemals  flnniscli  ifetoo)  ist  der 

frösste  Binnensee  Europa^s,  329  Qu.-Meilen  gross,  28  Meilen  lang  und  bis 
1  Meilen  breit,  im  Mittel  ^38 m  tief,  hat  aber  gleiehwobl  viele  Klippen 
und  Sandbänke,  welche  im  Verein  mit  den  häufigen  Stürmen  die  SchifiT- 
fahrt  gefährlich  machen.  Diese  Gefahren  zu  umgehen,  wurde  längs  seines 
Süd -Bandes  von  Sehlüsselburg  zur  Wolchow  -  Mündung  schon  von  Peter 
dem  Grossen  1718  der  Bau  des  Ladoga -Kanals  begonnen  und  derselbe 
1734  vollendet;  1766-1801  wurde  in  seiner  Verlängerung  der  Sjässische 
Kanal  gegraben,  als  seine  Fortsetzung  bis  zum  Swir  1802  der  7  Meilen  lange 
Swir-Kanal  von  Alexander  I.  begonnen.  Der  Ladoga-Kanal  hat  32  Schleusen ; 
die  Schiffe  wurden  bei  Neu-Ladoga  auf  die  Höhe  des  Kanals,  bei  Schlüssel- 
burg durch  die  Schleusen  auf  das  Niveau  der  Newa  gebracht.  Durch 
Dampfmaschinen  und  Wasserleitungen  kann  dem  Kanal  in  24  Stunden 
bei  herrschender  Dürre  Wasser  zugeführt  werden.  Seitdem  in  neuester 
Zeit  des  starken  Verkehrs  wegen  ein  zweiter  parallellaufender  Kanal 
näher  dem  Seeufer  angelegt  ist,  benutzen  die  nach  dem  Wolchow  gehenden 
Schiffe  den  altern,  die  dorther  kommenden  den  neuen  Kanal.  Die  Ufer 
des  Ladoga-Sees  sind  im  Norden  und  Westen  hoch  und  felsig,  theils  be- 
waldet, theils  kahl;  Längs  des  Nord-Bandes  finden  sich  zahllose  zwischen 
steilen,  schroffen  TJferfelsen  eindringende  Buchten  und  sind  die  Ufer  mit 
Ungeheuren  Geschieben  bedeckt. 

1.    Pargolowo.    Fontinstitut.    Tokssowo. 

Die  nördliche  Umgebung  St.  Petersburgs  ist  erst  in  letzter  Zeit  für 
den  Sommeraufenthalt  beliebt  geworden.  Viele  von  den  Partieen  nach 
dieser  Bichtung ,  wie  Lanskoi,  Kuschele wka,  Forstinstitut  sind  mit  Om- 
nibus oder  Pferdebahn  (S.  94)  zu  machen;  die  meisten,  wie  Pargolowo, 
Schuwalowa  liegen  an  der  Finnländüchen  Eiset^ahn  (Wyborger  oder  Fin- 
nischer Bahnhof,  S.  91).  Die  Vergnügungsfahrten  der  Petersburger  er- 
strecken sich  mit  letzterer  von  Lanskoi  bis  Bjelo-Ostrow,  diese  gleich 
weit  von  Alexandrowsk  und  Systerbek  oder  Ssestrorjäzk  (S.  198)  ent- 
fernt. Nach  und  von  allen  Stationen  gehen  täglich  mehrere  Züge.  Fahr- 
preise von  St.  Petersburg  nach  Lanskoi  25,  20,  15  Kop.,  Udjelnoi  35,  25, 
15,  Schuwalowa  45,  30,  20,  Pargolowo  60,  40,  25,  Lewaschewa  70,  50,  30, 
Kop.  Bjelo-Ostrow  1.15,  0.75,  0.50 B. 

5  W.  Lanskoi  ( JancKafl),  Besitzung  der  Gräfin  Lanskoi ,  rechts 
der  grossen  Strasse  gelegen ,  mit  schönem  Park.  Weiter  die  stetig 
ansteigende  Strasse  hinauf  liegt  die  Kumberg'sche  Besitzung,  mit 
vielen  Villen,  hübschen  Parkanlagen,  Teichen,  Spiel-  und  Turn- 
plätzen —  ein  von  den  Umwohnern  sehr  besuchter  Ort. 

8  W.  Udjelnoi  (YAluiiHafl).  Rechts  und  links  der  Station,  westl. 
der  grossen  Strasse  nach  Pargolowa,  befanden  sich  ehemals  die 
Felder  der  Ackerbauschule,  neuerdings  zu  Baustellen  parzellirt. 
Durch  Garten  und  Park  von  Udjelnaja  erreichen  wir  das  anmuthig 
gelegene  Dorf  und  Gut  Kolomjagi  (KoiOHflrH).  —  10  W.  Oserki, 
mit  grossem  starkbesuchten  Yergnügungslocal  (Concerte,  Theater 
u.  s.  w.),  im  Winter  häufig  Ziel  von  Schlittenfahrten. 

11  W.   Schuwalowa  (UlysajOBa) ,  Gut  der  gräflichen  Familie 


198    Route  li,  PARGOLOWO. 

Schuiralow  mit  schönem  Park,  Sommersitz  vieler  Petersburger 
Familien,  die  sich  an  den  hochgelegenen  Stellen  am  Ufer  des 
grossen  und  kleinen  Ssusdal^achen  Sees  angebaut  haben;  in  der 
Nähe  auch  eine  deutsche  Colonie,  von  russischen  und  finnischen 
Dörfern  umgeben ,  sowie  die  Poklonnaja  Gora  oder  Petersburg- 
Höhe  ,  mit  weiter  Aussicht. 

15  W.  Pargolowo  (naproiOBo),  mehrere  Dörfer ,  die  sich  von 
der  Colonie  Ssusdalskaja  nördl.  an  der  grossen  Strasse  nach  Wi* 
borg  entlang  ziehen;  viele  Sommersitze  und  Tillen  Petersburger 
Familien  um  den  ÖsÜ.  der  Strasse  gelegenen  See  herum.  Von  den 
umliegenden  Höhen  schöne  •Aussicht  auf  St.  Petersburg. 

18  W.  Lewasohewa  (JleBafflOBo),  Östl.  an  der  grossen  Strasse  und 
einem  See,  die  Besitzung  des  Grafen  Lewaschew  mit  prächtigem 
Schloss  und  Park. 

30  W.  Bjelo-Ostrow. 

VOB  hier  kann  man  die  kaiserliche  Gewehrfabrik  in  (6  W.)  SjfiUrhek 
oder  SaeatrorAxk  (CecTpopsj«a'&,  S.  202)  besudien,  wenn  man  es  nicht 
vorsieht,  dorthin  eine  besondere  Spazierfahrt  längs  der  Küste  des  Finni- 
schen Meerbusens  über  Lcuhta  (JlaxTa)  zu  machen  (26  W.).  Ifach  Lachta 
kann  man  auch  mit  dem  Dampfer  (20  Kop.)  gelangen. 

Um  das  Forstinstitut  zu  erreichen ,  nehmen  wir  an  der  Alexan- 
der-Brücke einen  Iswoschtschik  oder  benutzen  von  hier  die  Pferde- 
bahn (Linie  11). 

6  W.  Das  *Forftiaftitat  (jltCHofi  Kopnyci) ,  mit  Akademie  und 
Baumschule,  ist  einer  der  besuchtesten  Yergnügungsorte  in  der 
Umgegend  St.  Petersburgs.  Zahlreiche  Villen,  schöner  grosser  Park, 
Min eral Wasseranstalt ,  Sommertheater  u.  s.  w. 

Vom  Forstinatitut  fuhrt  eine  alte  Strasse  nach  der  Poklonnaja  Ghora 
und  weiter  nach  Pargolowo  (s.  oben).  An  dieser  Strasse  viele  hübsche 
Landsitze,  u.  a.  die  *StolV»che  Betüzung  mit  prächtigen  Anlagen  (Zutritt 
gestattet). 

12  W.  Murine,  hübsches  Dorf  an  der  Ochta,  ebenfalls  ein  im 
Sommer  sehr  besuchter  Yergnügungsort. 

26  W.  *Toktsowo,  zwischen  Seen  gelegenes  Dorf,  dessen  Um- 
gegend die  romantische  kleine  St.  Petershurger  Schweiz  bildet. 


199 


IV.    DAS  GROSSPÜESTENTHUM  FINNUND. 


Boute  Seite 

13.  Von  St.  Petersburg  nach  Wiborg 202 

14.  Von  Wiborg  über  Willmanstrand  nach  dem  Imatra, 
Walamo,  Sordavala .     .     .  206 

1.  St.  Miehel  206.  —3.  Salma-See  206.  —  3.  Konewes  210. 
—  4.  Die  Finnische  Schweiz  211. 

15.  Von  Willmanstrand  nach  Nyslott,  Kuopio,  Idensalmi  212 

1.  Punkaharju.    Joensuu  212.  —  2.  Kajana  214. 

16.  Von  Wiborg  nach  Fredrikshamn  (Lovisa,  Borgä  und 
Insel  Hogland) 214 

17.  Von  Wiborg  nach  (Borgi)  Helsingfors  (und  Sveaborg)  216 

1.  Der  Kymmene  217.  —  2.  Heinola.  Jyväskylä  217.  — 
8.  Umgebungen  you  Helsingfors  223.  —  Von  Helsing- 
fors nach  HangÖ  224. 

18.  Von  Helsingfors  nach  Tavastehus  und  Abo.   .     .     .  225 

Ausflüge  von  Abo 230 

A.  SehlosB  Kunstö;  Tyköt  Mathildedal:  Kiriäkkala: 
Balo  m  231. 

B.  Von  Abo  nach  Kystadt  über  N&dendal.    Der  Bott- 
nische  Meerbusen  231. 

C.  Die  Alandsinseln  233. 

19.  Von  Tavastehus  über  Tammerfors  nach  Nikolaistad- 
Wasa  und  Uleiborg 234 

1.  Näsijärvi.  Pyhajärvi.  Kyröskoski  23Ö.  —  2.  Ky- 
Karleby.    Jacobstad.  Brahestad  237.  —  3.  Tornei  238. 


EiMBbahaea  von  St.  Petersburg  nach  Wiborg  120  W.  in  4  St.  für 
12,  8.40.  6  M.  (4.50,  3.20,  1.90  R.(;  nach  HeUingfors  413  W.  in  13Vs  St.  für 
41.30.  28.95,  20.65  M.  (12.40.  8.30,  6.20  R.);  nditlxHangö  497  W.  in  23  St. 
für  49.70, 34.80,  24.85  M.  (14.95. 10,  6.25  E.) ;  nach  Äbo  535  W.  in  c.  24  St.  für 
^.50,  37.45,  26.75  M.  (19,  13.60,  8.10  E.);  nach  Tammtrfort  454  W.  in  c. 
14  St.  für  45.10,  31.80,  22.70  M.  (13.60,  9.30,  5.60  E.)^  nach  Wata^Nikolai- 
stad  740  W.  in  c.  30  St.  für  74.40,  51.80,  37  M.;  nach  üleAborg  982  W.  in 
43St.  für II.  Cl.  68.79,  III.  Cl.  49.1ÖM.  —  Eetourbillets  mit  200/oPreifl- 
ermässigung  und  2-4tägiger  Gültigkeit  von  Petersburg  und  den  Haupt- 
Stationen  nach  bestimmten  näheren  Orten.  —  Combinirbare  Eund- 
reisebillets  (vom  26.  Mai-31.  August)  auf  sämmtlichen  Bahnen  für  I.  und 
II.  Cl.  (auch  für  Dampfschiffe  gültig)  bei  mindestens  900  W.  *,  25  kg  Frei- 
gepäck ;  sonst  ähnliche  Bestimmungen  wie  auf  deutschen  Bahnen.  —  Frei- 
gepäck 25  kg;  Gepäckträger  lOPenniä  für  jedes  Stück.  —  Droschken  vor 
den  Stationen:  Tagfahrt  gewöhnlich  50 P.,  s.  die  einzelnen  Stationen. 

Post.  Za  Touren  abseits  der  Eisenbahn-  und  Dampfsehiffrouten  ist 
man  auf  die  Benutzung  der  finnischen  Post  angewiesen,  8i^uU  (spr.  Sehuss) 
genannt,  welche  den  ähnlichen  Einrichtungen  in  Schweden  und  ]M'orwegen 
entspricht.  Man  zahlt  für  jedes  der  kleinen  finnischen  Pferde  auf  dem 
Lande  16  Penniä,  von  der  Stadt  aus  20  P.  pro  Werst ;  ausserdem  für  den 
sehr  unbequemen  Karren  pro  nordische  Heile  oder  10 W.  4P.  In  den 
Städten  kann  man  bessere  Wagen  miethen.  —  Die  finnischen  Privat-Post- 
stationen  haben  meist  wenig  Comfort,  doch  sind  Thee,  Brot,  Butter  und 
Fiseh  .zu  amtlich  festgesetzten  Preisen  überall  stu  haben.    Jeder  Beisende 


200  FINNLAND.  VerkehrmiiUd. 

muss  sieh  in  das  Dagbuk  (finn.  päivakirja)  einsehreiben,  in  welehem  sich 
zugleich  der  Tarif  findet. 

Ein  einfacher  Brief  kostet  in  Finnland  20  Pen.,  ins  Ausland  25  Pen., 
Postkarte  10  Pen.,  Postanweisung  bis  zu  100  M.  (nur  im  Inland)  dO  Pen.  — 
Ein  Telegramm  bis  zu  10  Worten  in  Pinnland  1  H.  20  Pen.,  jedes  weitere 
Wort  10  Pen.  \  nach  dem  übrigen  Russland  entsprechend  den  3  Zonen 
(S.  XXII)  10  Worte  1  H.  20,  2  M.  40,  4  H.  80  Pen.  ^  ins  Ausland  (mit  5  Worten 
Zuschlag  als  Grundtaxe):  1  Wort  nach  Deutschland  und  Schweden  28 Pen., 
nach  Oesterreich- Ungarn  32 ,  nach  Dänemark  40,  nach  Frankreich  44> 
nach  England  64  Pen. 

Dampfiohiffe:  Ton  8t.  Petersburg  nach  BeMngfors  1  mal  wöchentl. 
über  Wiborg,  Fredrikshamn,  Kotka,  Lovisa,  Borei  oder  über  Reval  für 
22  resp.  18  M. ;  nach  Äbo  (und  weiter  nach  Stockholm)  über  Helsingfors 
und  Hangö  3—4  mal  wöchentl.  für  34  resp.  28  M. ;  nach  üle^Uforg  über 
Helsingfors,  Abo,  Xystadt,  Wasa  u.  s.w.  4-8  mal  monatl.  für  66  resp. 
53  M.  nach  Torne&  über  Abo  und  Wasa  2  mal  monatlich.  —  Sämmtliche 
Dampfer  gehen  von  Wassily-Ostrow,  14  Linie  u.  ff.  ab  ^  ebenda  das  Aus- 
kunftsbureau. —  Von  Lübeck  nach  HeUingfors  (circa  3  Tage)  über  Hangö 
und  Beval  jeden  Sonnabend  I.  Gl.  60,  II.  Gl.  45  H. ;  von  MieMn  nach  Hei- 
tingfon  alle  vierzehn  Tage.  —  Von  Stockholm  nach  BAtingfori  I.  Ol.  45, 
II.  Gl.  36  H. ;  über  Mariehamn,  Abo  (I.  Gl.  32,  II.  Gl.  26M.),  Ekenäs, 
Hangö  nach  Petersburg  s.  oben;  nach  JotMuu  über  Wiborg,  Willman- 
strand, Nyslott  3-4mal  monatlich;  nach  Tomeä  über  Wasa,  Nykarleby, 
Jakobstadt  u.  s.  w.  mindestens  Imal  monatlich.  —  Directe  I)ampfschifl*e 
von  Stockholm  nach  Hangö  (mit  Bahnanschluss  nach  St.  Petersburg)  nur 
im  Winjter,  I.  Gl.  16  Kronen.  —  In  Abo  und  Helsingfors  mehrstündiger 
Aufenthalt.  —  Alles  Nähere  s.  im  Finlands  KomuniJmioner  (25  P.),  auf 
Bahnhöfen,  Dampfschiffen  u.  s.  w.  ku  haben.  —  Auskunft  erhalt  der 
Beisende  auch  bei  den  in  den  meisten  Orten  vorhandenen  Gommissio- 
nären  der  Tourittenvereinigung  in  Helsingfors. 

Die  ungünstigste  Jahreszeit  für  die  Seefahrt  ist  der  Herbst ;  starke 
Verspätungen  werden  dann  zur  Begel. 

Wer  in  ausländischen  Agenturen  Billets  nach  Finnland  lost,  muss 
gleichzeitig  den  mit  Visa  (8.  2)  versehenen  Ptu»  abgeben,  den  er  erst 
nach  der  Ankunft  in  Finnland  zurückerhält.  In  den  finnischen  Küsten- 
städten findet  bei  der  Landung  leichte  2ktllrevision  für  Finnland,  das  eigene 
Verwaltung  hat,  statt ;  Zollabfertigung  für  die  von  Russland  kommenden 
Reisenden  an  der  Grenzstation  Ter^oki  zwischen  Wiborg  und  St.  Peters- 
burg. 

Oeld.  Finnland  hat  seine  eigene  Münze  und  rechnet  nach  Jfark  (tf  arkka) 
zu  100  Pfennigen  (Penni,  Penniä)  =  1/4  ßilberrubel  =  0.80  Reichsmark  = 
1  Franc.  Ausgeprägt  sind  in^  Silber  Stücke  zu  2,  1,  I/2  und  1/4  Mark,  in 
Kupfer  zu  10,  5  und  1  Pennia.  Staatspapiergeld  sind  die  Noten  der  Fin- 
nischen Bank  in  Helsingfors.  Es  kursiren  Appoints  zu  5,  10,  20,  25,  100 
und  500  Mark.  Das  bei  der  Finnischen  Bank  in  Silber  einlösbare  fin- 
nische Papiergeld  ist  vollwerthig  und  folgt  fast  genau  dem  Pariser 
Franken-Kurs.  —  Russisches  Geld  wird  zum  Tageskurse  und  ohne  dasa 
der  Reisende  dabei  Kachtheile  zu  befürchten  hat,  angenommen. 

Ausflüge  nach  Finnland  (Ann.  Stwmi),  dem  „Land  der  Uusend 
Seen",  sind  in  den  letzten  Jahren  in  Aufnahme  gekommen  und  in 
hohem  Grade  lohnend.  Mächtige  düstere  Granitfelsen,  dichte 
Nadelholz  und  Laubwälder,  grosse  Sümpfe  neben  stillen  klaren  Seen 
und  schäumenden  Wasserfällen  verleihen  der  Landschaft  ein  vor- 
wiegend ernstes  Gepräge,  welches  nur  gelegentlich  durch  die  kleinen 
freundlichen  Städte,  die  rothhemalten  Hütten  und  spärliche  Korn- 
felder und  Wiesengründe  gemüdert  wird.  Bei  einem  Aufenthalt 
von  c.  2  Wochen  würde  sich  folgende  Zeiteintheilung  empfehlen ; 
1.  Tag ;  von  Petersburg  nach  Wiborg  und  über  Rättijarvi  zumimatra 
(vgl.  Route  14);  2.  und  3.  Tag:  nach  Willmanstrand  und  Nyslott; 


Bevölkerung.  FINNLAND.  201 

4.  Tag :  Nyslott  und  Umgegend  (Punkaharju) ;  5.  Tag :  nach  Will- 
manstrand und  Eisenbahnfahrt  nach  Helsingfors ;  6.'8.  Tag :  Hel- 
singfors^  Fahrt  nach  Tammerfors  und  Umgebung  (Kangasala) ;  9.  und 
10.  Tag:  Abo;  11. und  12.  Tag:  Seefahrt  über  Hangö  und  Helsingfors 
nach  Wiborg  und  von  da  mit  der  Bahn  zurück  nach  Petersburg. 

Politisch  bildet  Finnland  (373,536  Dkm  mit  2V4  MiUionen 
fast  durchgängig  evang.-luther.  Einw.)  ein  eigenes  Grossfürstenthum 
mit  eigener  Verwaltung  und  eigenen  Gesetzen.  Im  xii.  Jahrh.  von 
Schweden  erobert  und  christianisirt,  kam  Finnland  durch  die  Frie- 
densschlüsse von  Nystad  1721,  Abo  1743  und  Fredrikshamn  1S09 
nach  und  nach  an  Russland.  Finnland  zerfällt  in  8  Gouvernements 
oder  Län,  die  Staatsverfassung  datirt  von  1772  und  1789,  ergänzt 
durch  die  Landtagsordnung  von  1869 ;  die  Volksvertretung  liegt  in 
den  Händen  der  4  Stände:  Adel,'  Geistlichkeit,  Bürger,  Bauern. 
Die  höchste  Behörde  des  Landes  ist  der  Senat  unter  Vorsitz  des 
(russischen)  Generalgouverneurs. 

Der  grösste  Tbeil  der  Bevölkerung  des  Landes  (c.  84  0/0)  besteht  aus 
Finnen  (Suomalaiset,  d.  h.  Sumpfbewobner) ,  die  besonders  das  Binnen- 
land inne  haben.  Sie  theilen  sich  in  zwei  Hauptstämme:  Tavasten  (Hämee- 
laiset)  und  Karelen  (Karjalaiset).  Erstere  bewohnen  die  südwestlichen, 
letztere  die  nordostlichen  Theile.  Keben  den  Finnen  finden  sieh  auch 
Lappen  (Sabme),  vor  den  Finnen  Bewohner  des  Landes  und  von  ihnen 
mehr  und  mehr  nach  Norden  gedrängt;  sodann  viele  Schweden  (Ruot- 
salaiset),  circa  14 o/p,  deren  Sprache  bis  1863  die  offleielle  war,  wäh- 
rend jetzt  das  Finnische  ihr  gleichberechtigt  ist.  Russen  (Wenäläiset) 
leben  vorwiegend  in  Wiborgs-Län  und  bilden  den  Kaufmannsstand  in 
einigen  Städten.  Deutsche  (Saksalaiset)  waren  früher  zahlreicher.  Zigeuner 
(Mustalaiset)  durchziehen  spärlich  die  Einöden  des  Innern  Landes  und 
wohnen  in  den  entlegensten  Walddistricten.  —  Die  finnis^e  Sprache  ist 
das  entwickeltste  Glied  des  baltischen  Zweiges  des  ural-altaischen  Spraeh- 
stammes,  überaus  weich  und  wohlklingend,  reich  an  Vocalen  und  Diph- 
thongen und  ungemein  biegsam.  Ihre  beiden  Hauptdialekte  sind  der  tavas- 
tische  oder  jämische,  von  den  Liven,  Tschuden,  Woten,  Esten,  Süd- 
westfinnen (um  Abo),  Tavastern  und  dem  grössten  Theil  der  finnischen 
Bewohner  am  Bottnischen  Meerbusen  gesprochen,  und  der  karelische  der 
Oesterbottnier,  Savosalser,  der  eigentlichen  Karelier  im  Grossfürstenthum 
wie  in  den  russifchen  Grenzgebieten  und  der  meisten  Bewohner  Inger- 
manlands.  Die  Dialektgrence  im  Grossfürstenthum  selbst  geht  etwa  von 
der  Stadt  Wasa  am  Bottnischen  Busen  bis  zu  dem  in  den  Finnischen  Busen 
sich  ergiessenden  Kymi-Fluss.  Die  Finnen,  besonders  die  baltischen,  sind 
ein  hoch  begabtes  Volk ;  Beweis  dessen  ist  ihre  reiche  und  schöne  Volks- 
poesie sowohl  epischer  wie  lyrischer  Gattung.  Aeusserlich  von  starkem 
Körperbau,  mittlerer  Statur,  etwas  eckiger  Schädelbildung  mit  plattem 
Gesicht  und  hervortretenden  Backenknochen,  von  fahler,  oft  gelblicher 
Gesichtsfarbe,  hellblondem  Haar,  welches  mit  dem  Alter  häufig  in  Braun 
übergeht,  sind  sie  ausgezeichnet  durch  Biederkeit,  Gastfreundschaft,  Treue> 
Tapferkeit,  Ausdauer  und  Arbeitsamkeit ;  Schattenseiten  dieser  Beanlagung 
sind  starrer  Eigensinn  und  Widersetzliehkeit ;  ihre  kräftig  ausgesprochene 
Beligiosltät  ist  mit  starker  ITeigung  zum  Aberglauben  verbunden.  —  In 
Wohnart ,  Sitte,  Tracht  und  Lebensweise  ist  der  Elnfluss  des  Verkehrs  mit 
anderen  Völkern  deutlieh  bemerkbar.  Im  Innern  des  Landes  sieht  mau 
mehr  Nationales.  Die  finnische  Porte  (Pitt!)  gleicht  einem  amerikaniseben 
Blockhaus.  Wände  und  Dach  sind  mächtige  Fichten-  oder  Tannenatämme ; 
aus  einer  Oefinung  des  Daches  steigt  durch  einen  kleinen  Rauchfang  der 
Bauch.  Hier  lebt  der  Finne  mit  seiner  Familie,  Hausthieren ,  Bettlern 
und  „Einwohnern".  Doch  macht  die  Porte  allmählich  der  Tupa  (Stube) 
Platz,  die  statt  des  Rauchfangs  einen  Schornstein,  statt  der  Luken  Fenster- 


Wl    Route  13,  TKRIJOKI. 

"Öffnungen  hat.  Je  mehr  man  sieh  der  XÜstengegend  nÜhert,  d^slo  vor- 
theilhafter  verwandeln  sieh  diese  „Stuben'*,  desto  zahlreicher  werden  die 
Kammern,  die  IT^ebengebaude.  Die  Bauernhäuser  stehen,  wie  vielfach  in 
!N^orddeutschland,  immer  einzeln,  und  in  dem  waldreichen  Lande  werden 
hänfig  die  Grenzen  der  einzelnen  Grundstücke  durch  Plankenwerk  be- 
zeichnet. In  den  südlichen  Küstengegenden  und  auf  den  Sehären  haben 
die  Bauernhäuser  viel  Aehnliches  mit  denen  der  Schweiz.  Auffällt  nur 
der  besonders  beliebte,  alles  bedeckende  braunrothe  Anstrich.  Die  Lebens- 
veise  ist  sehr  einfach;  Kartoffeln,  Milch,  Boggen- und  Knäke-Brot^  Fische 
bilden  die  tägliche  Kost.  Die  Frau  steht  in  hober  Achtung;  Zucht  und 
Sitte  im  Verkehr  der  Geschlechter  werden  sehr  streng  gehandhabt.  Dainpf- 
bäder,  Tabak  und  Branntwein  liebt  der  Finne  leidenschaftlich.  —  Die 
alte,  höchst  eigenthiknliehe  Trauet  der  Männer  ist  heute  gaas  rersehwun- 
den  r,  man  sieht  meist  nur  die  sehUchte  blaue  Tudo&cke  oder  den  langen, 
grauen  Kaftan ;  bei  altern  Leuten  die  dicht  auf  dem  Haar  liegende  Pit- 
nilka,  darüber  den  Hut  mit  schmälerer  Krampe;  auch  das  Beinkleid  wird 
eehon  hier  und  da  lang  getragen ;  die  Halbstiefeln  häufig  .noch  um  die 
Knöehel  gesehnürt.  Die  vteibliche  Tracht  hat  ein  nationales  Gepräge  be- 
halten ,  besonders  im  Kirchspiel  Jääskis ,  S.  209.  Im  allgemeinen  lieben 
die  finnischen  Mädchen  das  Bunte  und  (Hänzende.  Der  Rock  besteht  aus 
dunkelblauem  Wollenstoff  mit  rothen  Tuehleisten  oder  ist  gr^  roth  ge- 
streift. Den  Oberkörper  deckt  der  sog.  Tankki,  eine  Weste  ohne  Aermel ; 
über  dem  Tankki  eiike  weisse  leinene  Jacke ,  Kostuli ,  welche  die  Brust 
.unbedeckt  lässt  und  die  Solki,  eine  grosse  silberne  Sehnalle,  zeigt.  lieber 
die  Kostuli  zieht  die  Finnländerin  im  Sommer  den  Tuchpaletot,  im  Winter 
aber  den  Schafpelz  und  einen  weissen  wollenen  Ueberzieher.  Die  Schürze 
von  heller  Farbe  mit  weiss  und  rothen  Verzierungen  fehlt  nie.  Das  Haar 
!wird  von  den  Mädchen  einfach  in  Zöpfen  oder  langhängend,  mit  schwarzem 
Stirnband  getragen ;  von  Frauen  wird  der  Kopfputz  mit  Weidenruthen 
und  rothen  Bändern  (Palmikko)  ganz  besonders  zureeht  gemacht  und 
Sykeröt  genannt,  worüber  das  Kopftuch  (Huntu)  kommt.  —  Eigentliche 
Volksfeste  gab  es  früher  nicht.  Erst  seit  einiger  Zeit  finden  allgemeinere 
Feste  auf  Veranlassung  der  Gesellschaft  für  Volksauf klärung  alle  drei 
Jahre  in  Jyväskylä  (S.  217)  statt. 

Zur  Erklärung  der  Ortsnamen  dienen  folgende  Ausdrücke :  joJH  Fluss ; 
järvi  See ;  lahti  Bucht ;  mäki  Berg ;  niemt  Vorgebirge,  Landzunge ;  taari 
Insel;  Bolmi  Land;  vesi  Gewässer.  —  Der  Accent  ruht  in  finnischen  Wör- 
tern stets  auf  der  ersten  Silbe;  die  Verdoppelung  des  Vocals  bezeichnet 
die  Länge  des  einfachen;  h  wird  wie  hartes  cb  gesprochen. 


13.   Ton  St.  Petersburg  nach  Wiboi^. 

Finnischer  Bahnhof  (Wiborger  Seite,  S.  91) ;  daselbst  ein  Wechselcontor. 

Nachdem  wir  die  Stsktionen  Lanskaja^  XJdJetnaja,  SchuwaXowa, 
Pargolowo  und  Lewaschewa  (S.  198)  mit  ihren  zahlreichen  Datschen 
und  Parks  passirt  haben,  gelangen  "wir  in  eine  sehr  einförmige  Land- 
schaft. Wälder  mit  spärlichem  Banmwuchs  wechseln  mit  weiten 
Haidestrecken  und  Sümpfen. 

30  W.  Walkeasaari  oder  Bjelo  -  Oetrow  (BtioocTpOBi ,  Bahn- 
hofsrest.) ,  Station  der  grossen  Poststrasse  nach  Wiborg.  Gepäck- 
revision für  die  aus  Finnland  kommenden  Beisenden. 

Zweigbahn  C6W.)  ntMh  Sytterbäck  ^  Sseeirorätk  (Gecrpop^KBi),  Hafen- 
stadt mit  kaiserl.  Gewehrfaforik  (vergl.  S.  179,  198). 

Bald  hinter  Walkeasaari  überBchreiten  wir  die  finnisch -rus* 
sische  Grenze  und  befinden  uns  im  Gouvernement  Wiborg. 

46  W.  Terijoki  (Tepeiomi),  15  Min.  Aufenthalt.  Gepäckrevision 
für  die  nach  Finnland  Reisenden. 


WIBOHO:  13,  RouU.    203. 

Stationen  Raivola  mit  schönem  Lärchen^^ald  in  der  Nähe, 
Mustamäki,  NyTcyrka  (Restauration),  PerÄ/ärvi,  GaUtzina{S.20d), 
Kämäräj  Säiniö.  Die  bis  dahin  einförmige  und  öde  Gegend  be- 
lebt sich,  Villen,  Parks  und  Dörfer  zu  beiden  Seiten  der  Bahn 
Terkünden  die  Nähe  von 

120  W.  Wiborg  (Ann.  Wiipuriy  Bi>i6oprx). 

Oasthopb :  *Societet8has,  Kathedralenplatz,  nieht ifaeuer -,  *I m a - 
tra,  EommerzBlatz  (im  Hdtel  Billets  für  die  Tour  naeh  dem  Imatra-Fall, 
22  ]f .)  ;Belvedere,  nahe  dem  Babnfaaf  an  der  nenen  PrMitenade,  thener ; 
Walhalla,  Torkelstirasfle;  Helsing  fors,  Vega,  beide  nahe  der  Post 
und  dem  Sohloss.  —  Rbstaubakts  :  Finnland  (Diner  2-3  H.)  \  *Kron  St.  Anne^ 
an  der  St.  Anne -Promenade,  Hanptvergnügangaort  der  Wiborger;  ßel- 
vedere^  a.  oben  (im  Bommer  Abends  Coneert).  -^  DBOscaKB«:  die  Fahrt 
25  resp.  SOPenni,  die  Stunde  1,50  X.  —  Dampfschippb  :  nach  Sk.  Peters- 
burg 8.  8.  200;  nach  Kuopio  Mo.,  Di.,  Do.  u.  8a.;  nach  Bättijärvi  (2  8t.) 
am  8aima-Kanal  (s.  unten)  täglich  2mal  im  Anschluss  an  die  St.  Peters- 
burger Bahn.  —  Posten:  nach  Kexholm,  134  W.  (s.  8.210);  nach.  Sorda- 
vala,  241  W.  (8.  211) ;  nach  Fredrikshamn,  111  W.  (8.  215).  —  Deutscher 
Konsul:  W.  Roth*.  —  Bavkbit:  Finlands  Banky  Blskop»-Oatan ;  Mrdüka 
Aktiebunken  för  Handel  oeh  Induitri,  nahe  dem  Salntorget;  Föreniffens- 
banke»,  Vakttorns-Oatan.  ^  Thbateb:  Stadttheater  (selten  Vorstellungen). 

Wiborg,  die  alte  Hauptstadt  Ton  Karetien ,  Jetzige  GouTerne- 
mentsstadt,  liegt  an  der  tief  einschneidenden  Wihorger  Bucht  und 
an  der  Mündung  des  diese  mit  dem  Saima-See  verbindenden  Sai- 
ma-Kanal8,von  der  Seeseite  geschützt  durch  eine  Reihe  malerischer 
Inseln.  Diese  Küstengestalt  bei  Wiborg  giebt  uns  bereits  ein  Bild 
von  der  in  ganz  Finnland  vorherrschenden  Fjord-. und  Schären- 
Bildung.  Der  Theil  der  "Wiborger  Bucht,  welcher  zwischen  den 
grossen  Inseln  Uuraan-Saari  und'  Suonion  -  8aari  sowie  der 
Mäkslaks- Halbinsel  liegt,  bildet  die  bequeme  Rhede  ^on  Trängiund 
oder  üttras,  den  Aussenhafen  von  Wiborg ,  10  W.  von  der  Stadt 
entfernt.  Zu  der  Rhede  gelangen  die  Schiffe  von  der  Seeseite  durch 
den  engen  Knrkiniemi' Kanal ;  mit  der  Hauptbucht  steht  sie  durch 
3  Kanäle  in  Verbindung. 

Wiborg  ist  Station  der  russisch -baltischen  Flotte;  ihre  Hafen- 
befestigungen sind  etwas  verfallen,  während  die  Werke  der  Alt- 
stadt seit  1859  demolirt  sind.  Wiborg  ist  ausserdem  die  Residenz 
des  Län-Gouverneurs ,  Sitz  eines  Hofgerichts ,  eines  griechischen 
Erzbischofs  u.  s.  w.  Die  Stadt  hat  6  Kirchen,  ein  1641  gegrün- 
detes schwedisches  und  ein  finnisches  Lyeeum,  eine  Navigations- 
Schule,  eine  landwirthschaftliche  (seit  1847)  und  literarische  Ge- 
sellschaft (seit  1845),  mehrere  Fabriken  (Giesserel,  Masehlnenbau- 
anstalt),  16,600  Elnw.  und  starke  Garnison.  Die  Bewohner  sind 
Schweden,  Finnen,  Russen  und  Deutsche.  Es  wird  viel  Deutsch, 
von  den  höheren  Klassen,  wie  durchgängig  im  Lande,  in  der  Unter- 
haltung meist  Schwedisch,  von  der  Landbevölkerung  Finnisch  ge- 
sprochen. Die  Stadt  treibt  lebhaften  Handel,  hauptsächlich  mit 
Brettern,  welche  von  den  Sagemühlen  im  Kuopio^-Län  herunter- 
kommen. Bekannt  in  ganz  Finnland  sind  die  Wiborg'schenBretzeln, 
Vrihorg^^KringloT, 


204    Boute  13.  WIBORG.  Von  Petersburg 

Wiborg  wurde  1293  von  dem  schwedischen  Beichsverweser  Tcrket 
Knutson^  in  demselben  Jahre  das  Schloss  (s.  u.)  auf  einer  kleinen  Insel 
bei  der  Stadt  gegründet;  seine  Privilegien  erhielt  es  1403  von  Konig 
Erik  XJII.  Die  wichtige  Lage  der  Stadt  auf  der  Landzunge,  über  welche 
die  Finnland  mit  Bussland  verbindenden  Strassen  führen^  veranlasste 
frühzeitig  ihre  Befestigung ;  c.  1477  wurde  Wiborg  von  Erik  AxeUson  Tott 
mit  einer  Mauer  umgeben,  die  noch  lange  in  Ueberresten  vorhanden  war. 
1495,  im  Kriege  Schwedens  unter  dem  Beichsverweser  Sten  Sture  gegen 
Bussland  unter  Iwan  III.  Wassiljewitsch,  ward  es  von  einer  grossen  rus- 
sisehen  Heeresmacht  unter  dem  Woiwoden  Fürst  WastUy  Schuiskif  3  Monate 
lang  vergeblich  belagert.  Knut  Poue  vertheidigte  es  mit  glänzender  Tapfer- 
keit und  soll  durch  die  Sprengung  einer  Mine  16,000  Bussen  beim  Sturm 
getödtet  haben.  Im  Volke  lebt  noch  die  alte  Sage  vom  Wiborg''schen 
Knall  (Wiborgska  Smällen),  weieher  entweder  von  jener  Minen-Explosion 
oder  dem  Donner  der  kolossalen,  8m  langen  Kanonen,  deren  sich  die 
Bussen  bei  der  Belagerung  bedienten,  herrühren  mochte.  Auch  Peter  der 
Grosse  machte  1706  den  vergeblichen  Versuch,  Wiborg  zu  erobern,  er- 
neuerte  ihn  aber  1710  mit  besserem  Erfolg;  am  14.  Juni  musste  der 
schwedische  Kommandant  kapituliren.  Der  Friede  von  l^ystad  machte 
die  Wiborg'sche  Provinz  zu  einem  Bestandtheil  des  russischen  Beiehes. 
Am  6.  Juni  1790  zog  sich  die  schwedische  Flotte  unter  Gttstav  JIl.^  nach- 
dem sie  die  Vereinigung  der  beiden  russischen  Flotten  von  Kronstadt 
und  Beval  nicht  zu  hindern  vermocht,  in  die  Bucht  von  Wiborg  oder 
Björkö  (Insel  südl.  von  Wiborg,  im  Mittelalter  ein  von  den  Hanseaten 
sehr  besuchter  Handelsplatz)  zurück.  Hier  wurde  sie,  aus  der  Schären- 
und  Linienflotte  bestehend,  von  der  russischen  Flotte  unter  Admiral 
Tschitschagow  und  Knise  (später  unter  Prinz  von  Nassau)  eingeschlossen, 
während  sie  selbst  Wiborg  blokirte.  Endlich  sehlug  sich  Gustav  am 
3.  Juli  nach  Sveaborg  und  dem  Svensk-Sund  (S.  215)  durch  (Wiborg^sches 
Ocusenlau/en).  Unter  russischer  Herrschaft  wurde  Wiborg  von  der  Land- 
und  Seeseite  befestigt;  1659  wurden  die  Vorstädte  mit  der  eigentlichen 
Stadt  vereinigt. 

Die  rings  vom  Wasser  umgebene  freundliche  SUdt  besteht  aus 
der  eigentlichen  Stadt,  der  früheren  Festung,  auf  einer  Insel  und 
den  theils  auf  dieser,  theils  auf  einer  Landzunge,  verbunden  mit  der 
Insel  durch  eine  Brücke,  gelegenen  Vorstädten  Pantsarlaks,  Ptters- 
burg'sche  und  Wiborg'eche  (Neitsytniemi)  Vorstadt,  Hiekka,  Anina, 
Repola,  Die  älteren  Theile  der  Stadt  haben  krumme  und  enge,  die 
neueren  regelmässige  und  breite  Strassen.  Unter  den  vielen  alter- 
thümllchen  Gebäuden  interessirt  vor  allem  das  alte,  auf  der  kleinen 
Granit -Insel  Lin,nansaari  erbaute,  gothische  *Schloss  inmitten 
der  Stadt,  nach  der  letzten  Feuersbrunst  eine  Ruine,  die  Jetzt  restau- 
rirt  wird.  1293  durch  den  schwedischen  Reichsverweser  Torkel 
Knutson  erbaut,  bildete  es  den  Ausgangspunkt  der  schwedischen 
Macht  und  der  christlichen  Religion  in  Karelien  und  war  in  der 
ganzen  Zeit  seines  Bestehens  der  Zankapfel  zwischen  Russen  und 
Schweden.  Mehrmals  durch  Feuersbrünste  beschädigt,  wurde  das 
Schloss  später  nur  als  Gefängniss  benutzt;  1856,  am  Krönungstage 
Alexander's  II.  (7.  Sept.) ,  stürzte  das  Dach  des  Thurmes  ein.  Das 
HoFGE&iOHT  tagt  in  einem  1839  errichteten  Gebäude  am  Kathe- 
dralen-Platz; im  Innern  grosse  Säle  mit  schönen  Porträts  und  Ge- 
mälden. An  demselben  Platz  liegt  das  Haus  des  Gerichts-Präsi- 
denten und  das  Rathhaus  mit  einem  prachtvollen  Ball-  und  Concert- 
Saal,  Bemerkenswerth  durch  sein  Alter  ist  ferner  das  *Haus  in  der 


nach  Wiborg.  MONREPOS.  73.  Boute,    205 

Bischof 8Str.  Nr,  6,  1318  als  Kloster  erbaut,  und  die  iinnUch-luthe- 
Tische  Kirche,  ehemaliges  Franciscaner-Kloster  (1481).  —  Die  grie- 
chisch' russische  Kathedrale  ist,  YfiB  alle  russischen  Kirchen,  mit 
orientalischem  Luxus  ausgestattet;  ausserdem  existirt  eine  grie- 
chische Kirche  in  der  Petersburger  and  eine  griechische  Kapelle  in 
der  TViborger  Vorstadt.  Die  kleine  römisch-katholische  Kirche,  ge- 
schmackvoll in  Stein  erbaut,  besitzt  eine  schöne  Orgel  und  treffliche 
Gemälde.  Die  protestantische  Peter -Paul-Kirche  ist  sehr  einfach 
gehalten.  Sehenswerth  sind  auch :  die  neue  Esplanade,  in  der  Neu- 
stadt mit  neuen  prächtigen  Volksschulen  und  die  beiden  Kirchhöfe : 
der  ältere,  Sorwari,  auf  hochgelegener  Insel  mit  prachtvoller  Aus- 
sicht, mit  vielen  schönen  Monumenten ;  der  neuere,  Bistimäki,  mit 
griechischer  Kapelle  im  orientalischen  Stil. 

Seit  Eröffnung  der  AViborger  Bahn  haben  sich  viele  Petersburger 
in  Wiborg  angesiedelt  und  durch  hübsche  Tillen  und  Gärten  die 
Umgebung  der  Stadt  vresentlich  verschönert.  Hervorzuheben  sind 
besonders  die  Anlagen  bei  WiJataipaJe  (2  W.) ,  Horttana  (7  W.), 
Mäksldks  (11 W.),  wohin  Fahrten  lohnen. 

2  W.  nördl.  der  Stadt  liegt  auf  einer  Tnsel  der  schönste  Punkt 
der  Umgebung  Wiborgs,  ^Monrepos,  Landsitz  des  Barons  Paul 
v.  Nikolay. 

Dem  Reisenden  ist  der  Besneh  von  Monrepos  gegen  ein  Eintritts- 
geld von  10  Kop.,  die  dem  Armenhause  der  Stadt  zu  Oute  kommen,  ge- 
stattet. Das  Volk  nennt  diese  Insel  noch  immer  Wanha  Wiipuri  fdas  alte 
Wiborg),  weil  angenommen  wird,  dass  in  alten  Zelten  hier  die  Stadt  ge- 
legen habe.  Kur  ein  paar  ärmliehe  Bauernhäuser  standen  dort  zwischen 
den  Felsenklüften,  als  am  Ende  des  zvixi.  Jahrb.  der  General  und  Kriegs- 
Gouverneur  von  Wiborg,  StupescMn^  die  Anlage  eines  Parkes  begann. 
Sein  Werk  wurde  später  von  der  Kaiserin  Harie  fortgesetzt;  1811  kam 
das  Besitzthum  durch  Schenkung  an  den  Dichter  und  Staatsmann  Baron 
Ludtoig  von  Nikolay^  in  dessen  Familie  es  bis  heute  blieb. 

Eine  schöne  Lindenallee  führt  vom  Eingang  gerade  auf  das 
Schloss  zu,  das  inmitten  eines  Basenplatzes ,  umgeben  von  Baum- 
und Blumenanlagen  liegt.  Eine  Meeresbucht  tritt  tief  in  den  Park 
bis  nahe  an  das  Schloss  heran.  Der  r.  von  der  Bucht  hinziehende 
Weg  führt  auf  einen  stell  abfallenden  Felsen  mit  schöner  'Aussicht. 
Hier  ein  Obelisk ,  ein  Denkmal,  welches  Ludwig  v.  Nikolay  seinen 
bei  Austerlitz  und  Kulm  gefallenen  Schwägern,  den  Herzogen  von 
Broglio,  setzen  liess.  Links  von  der  Bucht  gelangen  wir  in  ein  ro- 
mantisches Felsenthal;  hier  in  einer  Felsnische,  in  der  Nähe  einer 
Einsiedelei,  die  weiss  übermalte  Statue  Wäinämöinen's,  des  Sänger- 
Gottes  der  alten  Finnen ,  die  Kantele  auf  dem  Knie  haltend ;  das 
Original  dieser  Statue  aus  Marmor,  ein  Werk  des  Dänen  Borup,  ging 
leider  zu  Grunde  und  wurde  durch  eine  Copie  von  dem  finnischen 
Bildhauer  Johann  Takanen  ersetzt.  —  Nicht  weit  davon  eine  Quelle, 
Sylvia's  Brunnen,  mit  einem  Narciss  aus  weissem  Marmor.  Weiter- 
hin über  eine  Fähre  zu  einer  kleinen,  gothischen  Burg,  deiLudwigs- 
hurg,  dem  Grabmal  der  Familie,  auf  einem  in  das  Meer  abfallenden 
Felsen.  Von  den  anderen  hübschen  Punkten  des  Parkes  sei  hier  nur 


206    Route  U.  WILLMANSTRAND.  Von  Wihorg 

noch  der  Marienthurm  erwähnt ,  dessen  Inneres  noch  wie  zur  Zeit 
der  Kaiserin  Marie  eingerichtet  ist. 


14.  Von  Wiborg  über  WiUmaiuitrand  nach  dem  Imatra, 

Walamo,  Sordavala. 

Eisenbahn  nach  Simola  38W.  in  IV4  St.  für  3.80,  2.66,  1.90  M.;  von 
Simola  nach  YTültnanstrand  18  W.  in  c.  1  St.  für  1.90,  1.24,  0.86  M.  — 
Dampfer  Mo.  Di.  Do.  Sa.  dureh  den  Saima-Kanal  zum  8aima-See  (s.  unten) 
und  naeh  Wülmanstrand ;  Fahrzeit  c.  9  St.,  langwierig  wegen  der  vielen 
Schleusen. 

Wer  von  Petersburg  aus  hei  beschränkter  Zeit  von  Finnland  nur  Saima 
(s.  unten)  und  ImairafaU  sehen  will,  kann  diese  Tour  in  2  Tagen  machen 
(Rundreisebillet:  I.  Cl.  17.20  B.).  Abfahrt  9  Uhr  Vorm.  vom  Finnlän- 
dischen  Bahnhof  (S.  91)  nach  Wihorg,  Von  hier  mit  Dampfboot  (Abfahrt 
um  2  V.  Xm.  gegenüber  dem  alten  Sehloss  am  östl.  Quai)  durch  den 
Saima-Kanal  (S.  201)  nach  Juutiila  (GasthoQ  und  auf  anderem  Dampfer 
weiter  bis  Rättijärvi  (Restaurant).  Von  hier  51/2  ^^^  Nachm.  mit  Dili- 
gence  (34  W.  in  c.  4  St.)  durch  reizlose  Gegend  nach  dem  Imatra-B&tel. 
Rückfahrt  von  hier  11  Uhr  Vorm.  nach  Jakosenranta  (S.  207)  oder  Wuok- 
tenniska  (S.  207),  und  von  da  mit  Dampfer  über  den  Saitna-See  nach  Will- 
manstrand (s.  unten),  wo  4  Uhr  50  Min.  Nachm.  der  Zug  nach  Simola  ab- 
geht. Ankunft  in  Petersburg  IU/2  Uhr  Nachts.  ^  in  den  besseren  Hotels  in 
Wiborg,  erhält  man  Billets  naeh  dem  Imatra  (über  Rättijärvi):  Preis 
11  M. 

Bis  Simola  S.  216.  Durch  interessante  Gegend  nach 

18  W.  Willmanstraad  (Ann.  Lappeenranta).  —  Gasthof:  Sode- 
ieishWy  Z.  3M.;  Hot.  Willmanstrand,  billiger.  —  Post  über  Z^aun't- 
sala  und  JouUeno  zum  Imatrafall  (S.  Ä)7)  37  W.  —  Dampfer  auf  dem 
Saima-See:  nach  WuoksennUka  (S.  207)  tägl.  6Va  U.  Vm.,  zurück  4i/a  U. 
Nm. :  nach  Jakosenranta  und  weiter  nach  Wuoksenniska  Mo.  Di.  Mi.  Do. 
Fr.  4U.  Nrn.,  zurück  am  anderen  Tage  um  12  U.  resp.  12^/4  U.  Mitt. 
nach  S.  Michel  (s.  unten)  täglich  7  Uhr  Morg. 

Willmanstrand,  alterthümliche  kleine  Stadt  am  Südufer  des 
Lappveai  (Südfjord  des  Saima-Sees),  im  Lappyesi-Kirehspiel,  mit 
1500  Einw.  Auf  einem  Vorgebirge  liegt  malerisch  die  zerfallene 
ehemalige  Festung^  1656  angelegt,  jetzt  russische  Kaserne  und  Bes- 
serungs-Anstalt für  Männer ;  daselbst  auch  die  russische  Kirche. 
Am  Ufer  des  Saima-Sees  die  Badeanstalt  nebst  Wasserheilanstalt, 
Unfern  der  Stadt  das  Feld  für  das  Sommerlager  des  ganzen  finni- 
schen Militärs  und  die  Fayencefabrik  Lavola,  —  1741  Sieg  der 

Russen  über  die  Schweden ;  1770  Sieg  der  Schweden  über  die  Russen. 

Nach  St-Xiohel  (St.  Mikkel,  Mikkeli)  (Gasthof:  MÖiel  St.  Michel;  Res- 
tauration und  Badeanstalt  im  Stadtpark)  mit  1900  finn.  Einw.,  an  einem 
westl.  Busen  des  Saima  prächtig  gelegen.  Seit  1831  Hauptort  des  Län, 
erhielt  es  1837  Stadtrecht.  In  der  Nähe  die  Ackerbauschule  Otatoa  und 
Brahelinna  im  Eristina-Eirchspiele ,  ehemals  Krongut,  mit  den  Ruinen 
eines  vom  Grafen  Brahe  1490 begonnenen,  aber  nicht  vollendeten  Schlosses. 

Der  Dampfer  geht  an  der  Südküste  des  vielbesungenen  Saima- 
Sees  entlang. 

Der  Saima-See,  der  „See  der  tausend  Inseln'',  76m  über  dem  Meere, 
umfasst  eine  ganze  Anzahl  durch  Sunde  und  Strome  unter  einander  ver- 
bundener Seen  und  Fjorde.  Der  ostl.  Quellarm  oder  die  Pielis  -  Strasse 
breitet  sich  auf  finnischem  Gebiet  zu  dem  Pieli^ßärvi  aus,  von  dem  der 
Pieliflyoki,  indem   er  die  Höhen   des  Karjalanselkä  durchbricht,  nach 


nach  dem  Imatra.  IMATRA,  U»  Rwitt,    207 

dem  Pyhäselkä  fliesst.  Dieser  letztere  bildet  im  Vereine  mit  dem  OriTesi 
den  nordostl.  Saima.  Der  w e s 1 1.  Quellarm  oder  die  Kallave*i-^rcus9 
sammelt  ihre  Wasser  zum  PoroveH^  läuft  nach  Süden  zum  Onkivesi  und 
Källaveti.  Der  letztere  See  nimmt  von  K.O.  die  2ri7«iä-WaMerstrasse  auf; 
er  leitet  sie  ab  durch  den  Puutossalmi  zum  Koirusvesi  und  weiter  durch 
den  Eonnuskoski  zum  Unnitkkavesiy  und  endlich  durch  den  Warkaus- 
Strom  (Enge)  zum  Amisvesi,  welcher  im  Vereine  mit  dem  JouUenvesi  und 
Baukiven  nebst  einigen  anderen  Seen  den  nordwestl.  Saima  bildet. 
Der  nordöatl.  und  nordwestl.  Saima  werden  durch  den  On'eirto-Pass 
verbunden.  Ihre  vereinigten  Wassermassen  strömen  bei  Xyslott  vorbei  zum 
Pihlajav€si^  welcher  mit  dem  Östl.  Puruveti  den  mittlerenSaima  bildet. 
Von  ihm  führt  der  PuumaZa-Sund  zu  dem  mit  Felseniuseln  überstreuten 
stillen  Wasser  des  südl.  oder  eigentlichen,  60 W.  langen  Saima. 

Der  Saima -Kanal  verbindet  den  Saima -See  mit  dem  Nordende  der 
Wiborger  Bucht.  £r  wurde  1846  begonnen  und  am  7.  September  1856 
eröffnet.  Er  beginnt  bei  Laurittala^  durchschneidet  den  Scil^muulänne^ 
die  südliche  Strandhöhe  des  Saima,  und  berührt  mehrere  kleinere  Seen 
wie  den  Bättijärvi,  Särkijärviy  Jututüanjärvi  u.  a.  Durch  28  Schleusen 
(jede  c.  40  m  lang,  8  m  breit  und  3  m  tieQ  wird  der  c.  80  m  betragende 
Niveauunterschied  überwunden.  Fahrzeuge  bis  zu  3  m  Tiefgang  können 
den  Kanal  befahren ,  dessen  (Jesammtlänge  55V2  ^*  ^^^  ®*  ^^  ™  Breite 
beträgt. 

Per  Dampfer  berührt  Lauritsala  (Hotel  und  Brauerei)  und  lan- 
det in  Jdkosenranta,  bald  darauf  in  WuokaennUka,  beide  6  W. 
vom  Imatra  entfernt.  Von  bier  bringt  uns  ein  Wagen  (von  Wuok- 
senniskft  auch  angenehmer  Fussweg)  in  etwa  1  Stunde  zu  dem  Was- 
serfall. 

Die  Imatra -?älle  liegen  auf  einem  der  finnischen  Krone  ge- 
hörigen Terrain ,  welches  aber  für  einen  Zeitraum  von  ÖO  Jahren 
an  eine  Actiengesellschaft  verpachtet  ist.  Von  dieser  Gesellschaft 
sind  seit  1871  die  Anlagen  geschaffen  worden.  Das  neue  *Hdtel 
(z.  Th.  deutsche  Bedienung;  amtlich  festgesetzte  Preise:  Z.  2Vs-8M., 
M.  3  M.,  grössere  Logis  bis  zu  25  M.)  liegt  am  r.  Ufer  des  Wuoksen, 
an  der  schmälsten  Stelle  eines  grossen  Parkes.  Von  der  Veranda 
vor  dem  grossen  Saale  und  von  den  Balcons  der  Flügelbautcn  präch- 
tige Aussicht  auf  den  Imatra  und  den  Wuoksen  hinab. 

Der  WuokMn  (finn.  Wuokii)^  der  einsige  natürliche  Ausfluss  des  Saima- 
Sees,  entströmt  dessen  südl.  Busen,  dem  Lappvesi,  gegen  Südosten,  durch- 
bricht c.  30  W.  nordöstlich  von  dem  Ende  des  Saimakanals  die  den 
Saima  umgebenden  Bergrücken  im  Kirchspiel  Buokolaks,  durchströmt 
in  einem  gegen  Süden  geöffneten  Bogen,  oft  in  grosse  Fjorde  sich  aus- 
breitend, die  Kirchspiele  Jääskis,  St.  Andrea,  Mohla,  Walkjärvi,  B,äisälä 
und  fallt  mit  zwei  Mündungsarmen  bei  Kexholm  (S.  210)  in  den  Ladoga- 
see. Der  starke  Niveauunterschied  zwischen  Saima  und  Ladoga  (80  m) 
bedingt  bei  dem  verhältnissmässig  kurzen  Laufe  des  Stromes  (16  Meilen) 
eine  Ajizahl  von  Stromschnellen  und  Wasserfallen.  Diese  beginnen  be- 
reits zwischen  der  Insel  Niskasaari  und  dem  Felsen  KiskakivI  und  bil- 
den zunächst  den  I/iskako$ki  {S5  m  lang ,  13  m  tief) ,  auf  den  man  vom 
Kärmenmäki  (Sehlangenberge)  auf  dem  1.  Ufer  einen  hübschen  Blick  hat. 
Die  zweite  bedeutende  Stromschnelle  liegt  jenseit  des  Berges  Muura- 
haismäki :  der  Tainionkoski  oder  Pikku-Jmatra  (kleiner  Imatra) ,  100-200  m 
breit.  Der  Strom  theilt  sieh  dann  in  drei  Arme,  von  denen  der  mittlere 
das  sehäumende  Wasser  vorwärts  treibt,  während  die  beiden  Seitenarme 
im  Halbkreise  rückwärts  gehen.  An  einer  Bucht  des  linken  Seitenarmes 
auf  einer  Anhöhe  das  Landgut  Neittytniemi'^  der  breit  und  still  fliessende 
Strom  heisst  hier  Tlä-8uvanto  (oberes  stilles  Binnengewässer).  Südl. 
von   den  dann  folgenden  kleinen  Stromschnellen  Rittikkakorva  (r.)  und 


208     U.  Route.  IMATRA.  Von  Wiborg 

Revoniorva  (\.)  nimmt  er  den  Namen  Zfautta-Suvtmto  an;  hier  werden 
diejenigen,  die  von  Siitola  (2  W.  oberhalb  des  Hotels)  auf  das  1.  Ufer 
des  Imatra  und  umgekehrt  wollen,  mittelst  Fährboot  (Lautta)  über  den 
Strom  gesetzt  (nieht  ganz  ungefährlieh).  Von  der  Fähre  hübscher  Blick 
auf  die  Ufer.  Unterhalb  der  Fähre  die  kleine  Stromsehnelle  Kiveräkosbi. 
1  W.  südl.  von  Siitola  die  hübsche  Insel  Warppisaariy  vom  Lande  durch 
die  Stromsehnelle  Saarenkorva  getrennt. 

Ifach  ruhigem  Laufe  (Ala  Suvanto)  bildet  sich  bei  einer  Wendung 
nach  rechts  zwischen  den  Inseln  Koivusaari  (Birkeninsel)  und  Leppä-  so- 
wie Linnansaari  eine  neue  aber  grossere  Stromsehnelle,  lAnnankoski.  In 
das  unterhalb  gelegene  stille  Wasser  Mylly-Suvanto  dehnt  sich  die  Land- 
zunge MUkhilännietni  vom  Festlande  hinaus;  von  hier  schöne  ^Fernsicht. 
H^icht  weit  davon,  ö  W.  vom  Ausfluss  aus  dem  Saima,  beginnt  nun 
der  Imatra I  an  der  Grenze  des  Kirchspiels  Ruokolaks.  Bei  der  Insel 
Kuusenkorva  verengt  sich  die  Breite  des  Stromes  von  400  m  auf  210  m. 
ITach  der  Wiedervereinigung  der  beiden  Stromarme  durchbricht  der 
Wuoksen  nun  den  Strandrücken  Salpausselkä  und  stüntt  sich  mit  furcht- 
barem Toben  durch  eine  enge  Oeffnung,  die  er  sich  durch  die  Granitfelsen 
Sebahnt  hat.  Der  Imatra  ist  also  nicht  ein  eigentlicher  Wasserfall,  son- 
ern  ein  ungeheurer  Wasserstrudel,  der,  46  m  breit ,  auf  900  m  um  30  m 
fällt.  —  Bis  zum  südl.  Ende  des  Imatra  fallt  der  Wuoksen  40  m  unter  den 
Spiegel  des  Saima -Sees. 

Vom  Gasthofe  auf  schmalem  Fusspfade  mit  Geländer  längs  dem 
Felsenabhange  des  Wasserfalls  und  eine  Treppe  Ton  52  Stufen 
hinab,  kommt  man  an  den  Punkt,  von  wo  aus  früher  ein  Draht-' 
seil  eine  Passage  über  den  Imatra  ermöglichte.  Weiter  südl.  ge- 
hend gelangt  man  an  eine  Klippe,  den  schönsten  Punkt  auf  der 
ganzen  Strecke  des  Imatra ,  vom  schäumenden  Gischt  fast  über- 
strömt. Zwischen  Felsen  und  Wald  hindurch  führt  der  Pfad 
dann  an  eine  kleine  Landzunge ,  auf  der  ein  pilzförmiger  PaviUon 
steht,  ebenfalls  mit  prächtigem  Blick  auf  das  tobende  Gewässer.  — 
Einen  Gesammtüberblick  hat  man  von  einem  Hügel  am  Ende  des 
Birkenwaldes,  wo  sich  der  Imatra  in  das  grosse  Bassin  des  Mellon* 
selkä  stürzt;  ebenso  vom  anderen  Ufer  des  Imatra,  auf  welches  wir 
uns  bei  Station  Siitola  nach  Pojanniemi  übersetzen  lassen,  um  dann 
südwärts  am  1.  Ufer  entlang  zu  wandern. 

Auf  dem  andern  Ufer,  wo  nordischer  Wald  die  Felsabhänge  be- 
deckt, nach  kurzem  Gange  ein  dem  jenseitigen  ähnlicher  Pavillon 
auf  einem  Felsen.  Den  Fusssteig  abwärts  fortschreitend,  haben  wir 
wieder  einen  fast  noch  grossartigeren  Anblick  des  Falls  von  unten. 
An  dieser  Stelle  die  Insel  Pyydössaari  und  am  jenseitigen  Ufer  in 
der  Bucht  Mellonlahti,  auf  deren  Uferhange  das  Dorf  Meltola 
steht ,  die  Insel  Kokkisaari ;  weiter  abwärts  die  mit  Baumgruppen 
besetzte  Insel  Honkasaari.  Vom  Pavillon  führt  ein  Kiesweg  in  nörd- 
licher Richtung  in  den  Wald ;  gleich  zur  Rechten  sehen  wir  einen  der 
merkwürdigen  sog.  Teufelssteine,  der  Sage  nach  ein  zerbrochenes 
Butterfass  des  Teufels.  Diese  Steine,  deren  sich  noch  weitere  seitab 
in  einem  Thalkessel  des  alten  Imatra  (Wanha  Imatra)  sowie  auf 
dem  rechten  Ufer  befinden,  sollen  dadurch  entstanden  sein,  dass  in 
Urzeiten,  als  das  Wasser  noch  höher  stand,  ein  Wasserwirbel  einen 
kleineren  Stein  auf  einem  grösseren  von  weicherer  Art  so  lange  um- 
hergedreht habe ,  bis  In  letzteren  ein  tiefes  Loch  gebohrt  worden 


nach  Kexholm.  ST.  ANI>R£Ä.  14.  Boute^    ^09 

(wahrscheinlich  sind  es  sog.  Gletschermühlen  aus  der  Zeit,  wo  die 

skandinavischen  Gletscher  noch  bis  hierher  reichten). 

Die  oft  wunderlich  gestalteten  sog.  Imatra-Steine,  als  Andenken 
au  den  Imatra  überall  in  der  Umgebnng  verkauft,  findet  man  in  der 
Bucht  Miikinlahli  (in  Miikinvieru)^  1  W.  vom  Imatra,  am  linken  Ufer  des 
Wuoksen,  im  Bach  Lampsijoki  unterhalb  des  WalUnkoski-Falls  (s.  unten), 
auch  am  nördlichen  Ufer  des  Ladoga-Sees  u.  a.  O.  Sie  bestehen  meisten- 
theils  aus  Thoaachiefer  ^  einige  halten  sie  für  petrifieirte  Husoheln  oder 
auch  Mollusken,  andere  für  Gestein,  dem  das  Wasser  des  Imatra  durch 
die  rotirende  Bewegung  seine  sonderbare  Form  verliehen. 

Lohnend  ist  auch  ein  Besuch  des  Kleinen  Imatra  (S.  207). 

Unter  den  Ausflügen  von  Imatra  ist  am  lohnendsten  eine 
Tour  den  Wuoksen  hinab  bis  zumLadoga-See,  vorüber  an  zahlreichen 
Wasserfallen^  Buchten,  Seen,  Inseln  und  malerischen  Felspartieen. 

5  W.  Der  Doppelfall  *Kyfö^WaUmk08ki^,  zwischen  dessen 
Armen  die  Insel  Wallinsaari  liegt.  JDurch  einen  Park  1.  zu.  einem 
Pavillon ,  dann  r.  um  die  Bucht  hinab  zu  einem  zw^ten  mit  dem 
besten  Blick  auf  den  Fall.  —  Auf  dem  Wege  zum  KyrÖ-Wallinkoski 
die  Insel  AittcuaaH  mit  bemerkenswerthen  Grotten. 

11  W.  Bouheala,  Dorf  an  einer  Biegung  des  Wuoksen.  — 
Von  hier  auf  einem  Fusspfade  Vi  W.  stromaufwärts  wandernd, 
erreicht  man  die  Stromschnelle  Eoi^ealankoski, 

15  W.  Jääskis,  Poststation  ^  guter  Lachsfang.  Die  Kirche  auf 
dem  1.  Ufer  (neue  Eisenbrücke)  sehenswerth. 

Der  Landweg  führt  auf  dem  1.  Ufer  nach 

35  W.  St.  Andrett,  auf  einer  Landzunge  gelegen.  Unterkunft 
in  der  Poststation  Hatula  sowie  im  Pastorat  des  Andreä'schen 
Kirchspieles ,  am  Ende  der  Bucht  Kuomalanlahti.  —  In  der  Nähe 
die  Wasserfälle  Käpinkoski  und  Kuorenkoskiy  die  merkwürdige 
Insel  Linnansaari  und  schöne  Fernsichten  vom  südl.  Ende  der 
Landzunge  Potinniemi  und  dem  Berge  Sokanlinna  (Teufelsfeste, 
mit  interessanten  Höhlen :  Lichter  mitnehmen) ;  vor  diesem  (7  W. 
von  St.  Andrea)  der  Binnensee  Lillikanlampi, 

Von  der  Poststation  St.  Andrea  (Hatula)  geht  der  Weg  zunächst 
längs  der  südöstl.  sich  hinziehenden  schmi^en  Landzunge.  Am 
westl.  Ende  derselben  überschreiten  wir  den  Fluss  mittels  Fähre  bei 
Kuukauppi.  Von  hier  auf  schlechter  Strasse  südwärts  über  Kään- 
tymä  nach  Htinjoki,  von  dem  man  die  (12  W.)  nordöstl.  bei  Padk- 
kola  gelegene  50  m  breite  Stromschnelle  Paakkolankoski  des  Wuok- 
sen erreichen  kann.  Von  Heinjoki  weiter  über  Hottakka  (10  W.  n.ö. 
von  Galitzina,  S.  203) ,  zwischen  dem  Muolaanjärvi  (r.)  und  dem 
Äyräpäänjärvi  (1.)  nach  Kuasa  mit  schönem  Herrensitz. 

Von  Euusa  südlieh  liegen  Mohla  (finn.  Muolaa)  und  Kyyrölä^  letzteres 
seit  Peter  I.  fast  ganz  russische  Kolonie,  l^ördllch  führt  eine  directe 
Strasse  über  Ynosalmi  (kurz  vorher  Fähre  über  den  Wuoksen),  Oraväkytä 
und  Ivaskala  (prächtiger  Laubwald)  zur  Kirche  des  sehr  anmuthigen  Kirch- 
spiels Räisälä  (66  W.  von  Galitzina,  S.  203). 

Von  Kuusa  in  östlicher  Richtung  längs  des  r.  Ufers  des  Wuoksen 
über  Pasuri  nach 

Russland.    2.  Aufl.  14 


210    ßoute  14,  KEXHOLM.  Von  Wihorg 

128  W.    Xiviniemi,    Dorf  und  Poststation.    Hier  der   1857 

durch  einen  250  m  breiten  Bergrücken  gegrabene  Kanal ,  der  den 

Wuoksen  mit  dem  Suvanto-See  (Oaepo  CynaHTo)  verbindet.   Von 

der  Höhe  des  Bergrückens  prachtvoll»  Aussicht. 

Auf  der  Strecke  vom  Ausfluss  des  Äyräpaänjärvi  bis  zur  Landenge 
beim  Dorf  Noüniemi  fuhrt  der  Wuoksen ,  bald  sich  verengend ,  bald  zu 
breiten  Bassins  sich  ausdehnend,  verschiedene  Namen.  Bei  Noisniemi 
theilt  er  sich  in  zwei  Arme.  Der  nördl.  bildet  bald  darauf  das  weite 
Becken  des  Torhonjärvi  und  fliesst  dann,  viele  Inseln  bildend,  zwischen 
romantischen  Ufern,  bei  Kexholm  vorbei  in  den  Ladoga-See.  Der  von 
Noisniemi  direkt  östl.  laufende  Arm,  durchfliesst  auf  seinem  Wege  zum 
Ladoga  den  engen  Sund  von  Kiviniemi^  den  Suvanto-See  und  den  Taipale- 
Sund. 

Von  Kiviniemi  in  nördl.  Bichtung  über  Pyhäkylä  am  Pyhäj'ärvi, 

dann  auf  grossartiger  Kettenbrücke  über  den  Wuoksen  nach  Ivas- 

kala  (S.  209).     Von  hier  über  Kaukola  oder  über  XJnnunkoski 

(Dampfer  3  mal  wöchentl.  in  2  St.)  nach 

176  W.   Kezholm  (flnh.  Käkisalmi). 

Gasthof:  *SocietetshU8  (G-ästgifvarg&rden).  —  Post  direct  nach 
Wiborg  (134  W.)  über  Rami,  Sairala,  Kavantsaari^  nach  JSordavala  (123  W.) 
über  Kronoborg  (Ann.  Kurkijoki)  Laahdenpohja,  Otsois,  am  westl.  Ufer 
des  Ladoga-Sees.  —  Dampfer  nach  Walamo^  Sordavala^  Schlüutlburgy  St. 
Petersburg j  S.  Id5;  nach  KoneweZj  s.  unten. 

Kexkolm,  freundliche  Stadt  mit  c.  1200  Einw.,  auf  einer  Insel 
der  Mündungsarme  des  Wuoksen  (S.  207)  gelegen,  aber  durch  eine 
Brücke  mit  dem  Festland  verbunden,  hat  eine  lutherische  und  eine 
griechische  Kirche.  —  Der  Hafen  am  Ladoga,  Kivfisalmi,  liegt  5  W., 
am  Wuoksen  die  Porzellanfabrik  Suotniemi  6  W,  entfernt. 

Schon  im  13.  Jahrhundert  stand  hier  eine  Feste.  Von  den  Bussen 
1310  neu  aufgebaut,  hat  sie  viele  Belagerungen  durch  Russen  und  Schweden 
durchgemacht,  diente  später  als  Staatsgefangniss  und  ist  noch  als  Ruine 
sehenswerth ;  der  Bau  einer  Irrenanstalt  an  ihrer  Stelle  steht  bevor.  — 
Im  Frieden  von  Stolbowo  (1617)  kam  Kexholm  an  Schweden ;  am  9.  Sept. 
1710  aber  üel  es  nach  langer  Belagerung  in  die  Hände  der  Russen,  an  die 
es  1721  definitiv  abgetreten  wurde. 

Von  Kexholm  30  W.  s.  liegt  Konewes,  Konevits  (Ann.  Kononsaari)^ 
Insel  im  Ladoga  -  See ,  zum  Gouvernement  Wiborg  und  Pyhajärvi-Kireh- 
spiele  gehörig,  mit  einem  griechischen  Kloiter  3.  Ordnung,  welches  1393 
von  dem  Mönch  Arsinius  gegründet  wurde,  zu  einer  Zeit,  wo  fromme 
Gemüther,  von  dem  Siege  der  Tataren  tief  erschüttert,  in  den  Wald- 
öden des  nördlichen  Russlands  Zuflucht  suchten  und  hier  Klöster  und 
Festen  anlegten.  Der  heil.  Arsinius ,  dessen  silberne  Statue  im  Kloster 
jetzt  von  den  Pilgern  umlagert  wird,  fand  auf  der  Insel  noch  heidnische 
Finnen  vor,  die  ihren  Altvater  XJkko  und  die  Akka  oder  Bauni  anbete- 
ten und  auf  den  Bergen  der  Insel  ersterem  ihre  Opfer  brachten  (Thiere, 
besonders  Pferde,  wovon  Kloster  und  Insel  den  l^amen  haben).  Der 
alte  im  Walde  gelegene  Opferstein  ist  jetzt  von  einer  hölzernen  Kapelle 
überbaut  worden.  Von  dem  auf  einem  hohen  Plateau  gelegenen  Kloster 
sowie  von  der  genannten  Kapelle  und  anderen  Punkten  der  Insel  hat. 
man  eine  prachtvolle  Aussicht.  —  Im  Kloster  finden  Fremde  durch  den 
Igumen  freundliche  Aufnahme.  Fischfang,  die  einzige,  aber  reiche  Quelle 
des  Einkommens  für  die  Mönche,  sowie  die  Jagd  in  den  schönen  Fich- 
ten- und  Kiefern -Wäldern  der  Insel  ist  gestattet. 

Der  Dampfer  (s.  oben)  nach  Sordavala  fährt  durch  den 

gefährlichsten  und  klippenreichsten  Theil  des  Ladoga  -  Sees.   Von 

fern  schon  gewahren  wir  die  bewaldeten  Felsen  der  Insel  Walamo. 


nach  Sordavala,  SORDAVALA.  14,  Route,     311' 

Der  Dampfer  landet  auf  der  Ostseite  in  einer  tiefen  und  engen ^ 
von  GranitfelsQU  eingezwängten  Bucht.   Links  die  Nikolauskapelle. 

Walamo  (Baiaam,  c.  6  St.  von  Kexholm,  c.  22  von  Petersburg), 
30  W.  im  Umfang ,  ist  von  vielen  kleineren  Inseln  umgeben.  Vom 
Landungsplatz  führt  eine  Treppe  hinauf  zum  griechischen  Kloster, 
welches ,  schon  vor  1000  n.  Chr.  gegründet ,  in  den  schwedisch- 
russischen Kriegen  viel  zu  leiden  hatte ,  1754  abbrannte  und  erst 
1783  seine  jetzige  imposante  Gestalt  erhielt.  1811  erhob  Kaisc* 
Alexander  I.,  der  hier  häufig  weilte,  das  Kloster  zu  einem  solchen 
erster  Ordnung  und  gab  ihm  ansehnliche  Einkünfte.  Das  Gebäude, 
prächtig  gelegen,  umschliesst  5  Kirchen  von  grossem  Reichthum 
und  über  150  ober-  und  unterirdische  Zellen.  In  der  Hauptkirehe 
die  Silbersärge  der  Mönche  Sse^gei  und  German ,  der  Stifter  des 
Klosters.  Von  dem  grossen  Platz  vor  dem  Kloster,  wo  eine  Riesen- 
glocke und  Gedenktafeln  des  Besuches  von  Gliedern  des  russischen 
Kaiserhauses,  prächtige  *Aussieht.  Schöner  Park  und  Garten.  Auf 
dem  Kirchhofe  der  angebliche  Grabstein  von  Magnus  Erikson,  König 
von  Schweden  (S.  196) ,  der  hier  sein  Leben  als  Mönch  Gregorius 
beschlossen  haben  soll  (nach  besser  beglaubigten  Nachrichten  ertrank 
er  1374  in  der  Nähe  von  Bergen  in  Norwegen).  Sehenswerth  sind 
die  Werkstätten  der  Mönche.  —  Auf  den  kleineren  Inseln  noch  viele 
Kirchen ;  die  Allerheiligenkirche  ist  Frauen  nur  am  Allerheiligen- 
tage zugänglich. 

Zum  Peter-Paulsfest  (27-30.  Juni)  kommen  Tausende  von  Pilgern  (aber 
auch  Sehaaren  von  Bettlern)  nach  Walamo,  deren  bunte  Trachten  Inter- 
essant sind ;  es  fehlt  dann  an  Raum.  —  Unentgeltliche  Unterkunft  findet 
man  in  der  Herberge  neben  dem  Kloster ;  Lebensmittel  bringe  man  selbst 
mit.  Vor  der  Besichtigung  ist  es  rathsam  dem  Igumen  einen  Besuch  zu 
machen  und  die  Führung  durch  einen  Mönch  zu  erbitten ;  letztere  sprechen 
fast  nur  rassisch.    Zu  rauehen  und  zu  jagen  ist  auf  der  Insel  verboten. 

Sordavala  (Ann.  Sortavala,  Cepxodoib),  {Societetahus ,  billig), 
Stadt  im  Gouvernement  "Wiborg,  c.  40  W.  von  Walamo  am  Nord- 
ende des  Ladoga-Sees  hübsch  gelegen,  mit  1100  Einw. ,  hat  eine 
griechische  und  eine  lutherische  Kirche,  ein  finnisches  Seminar,  ein 
historisch  -  ethnographisches  Museum  (im  Stadthaas) ,  und  treibt 
lebhaften  Handel  nach  St.  Petersburg. 

Sordavala  wurde  bald  nach  dem  Frieden  von  Stolbowo  (1617)  gegründet 
und  als  Grafschaft  an  Gustav  Bauer,  den  Sohn  des  berühmten  Feldherrn 
Johann  Bauer,  geschenkt  (f  1677  ohne  Nachkommen).  Durch  Handels- 
privilegien im  Laufe  der  Zeit  zu  einer  gewissen  Bedeutung  gelangt, 
wurde  Sordavala  1705  durch  eine  Feuersbrunst  verheert. 

Etwa  30  W.  von  der  Stadt  liegen  die  berühmten  Steinbrüche, 

die  u.  a.  den  schönen  weissen  und  grünen  Marmor  liefern ,  welcher 

zur  Bekleidung  der  Aussenwände  der  Isaaks-Kathedrale  verwandt 

ist.   Ferner  findet  sich  hier  der  in  St.  Petersburg  zu  Gebäuden  und 

Monumenten  viel  benutzte  treffliche  Granit  und  der  Serdobolit, 

ein  steinkohlenähnliches  Mineral ,  aus  welchem  man  vorzugsweise 

Schmuckgegenstände  fertigt. 

Ausflüge:  in  die  sog.  finnische  Schweiz  zwischen  Sordavala  und 
Kronohorg^  an  der  Strasse  nach  Kexholm  gelegen  (mit  Post  90  W.)  \  ferner 

14* 


t2l2    Boute  15.  NYSLOTT.  Von  WUmanstrand 


l 


in  die  Kirchspiele  Impilatu  und  St.  Anne  oder  Sa(^ärvi,  voll  wilder  und 
üttoresker  Landschaften,  mit  reichem  Fischfang.  Das  Kirchdorf  Impilaka 
35  W.  von  Sordavala,  am  Östl.  Ladoga-Ufer),  zeichnet  sich  durch  beson- 
ders romantische  Lage  aus.  Sudl.  von  Impilaks  (30  W.),  in  demselben 
Kirchspiel,  Dorf  Piikäranta  (Dampfer  von  Sordavala  Mittw.  Mittag),  mit 
i:ros8en  Kupfer-  und  Zinnbergwerken.  Suojärvi  oder  St.  Anne  (CSyo-ApBH, 
100  W.  nordostl.  von  Sordavala),  malerisch  am  See  gelegen,  mit  Eisen- 
hütten und  Hochofen. 

Von  Sordavala  nach  Joenauu  129  W.  —  tjher  Ruikeala  oder  über 
^nikänniemi  am  Pyhäjärvi  (von  hier  dmal  wöchentlich  Dampfer)  nach 
Puhoi»  und  mit  Dampfer  (2mal  wöchentl.)  nach  JoeMuu^  s.  unten. 

Von  Sordavala  nach  Kuopio  (S.  213)  281  W.;  nach  St.  Peters- 
burg mit  Dampfboot  oder  mit  der  Post  über  Kexholm  (241  W.) 
nach  Wiborg  (S.  203)  und  von  da  mit  Eisenbahn  (S.  202). 


15.  Von  Willmanstrand  nach  Nyslott,  Kuopio,  Idensalini. 

iNach  Hyslotfc  Dampfer  täglich  81/2  Uhr  Ab.  •,  vgl.  ausserdem  S.  200.  — 
Nach  Kuopio  Dampfer  täglich  ausser  Fr.  81/3  Uhr  Ab.  in  21-24  St.  (Bück- 
fahrt täglich  ausser  Ho.  7  oder  8  Uhr  Vm.)  für  8-19  e4l^;  an  Bord  gutes 
Restaurant. 

Der  Dampfer  windet  sich  durch  die  zahlreichen  schon  bewal- 
deten Inseln,  die  über  den  ganzen  See  zerstreut  sind.  Der  Eindruck 
ist  ein  überaus  idyllischer ;  weiter  nacli  Norden  hinauf  wird  jedoch 
die  Natur  sehr  düster  und  eintönig ;  dichte  Nadelwälder  ziehen  sich 
stundenweit  an  dem  schmalen  Gewässer  entlang. 

(60  W.  von  Willmanstrand)  Der  Sund  von  Puumala,  —  Durch 
den  Fihlajavtsi  erreichen  wir  nach  10  stündiger  Fahrt 

138  W.  Kyvlotti  Neuschloss  (Ann.  Savonlinna.  —  Gastbop:  Gäst- 
glfvarg&rden ,  bescheiden;  Restauration:  Hungerborg ,  mit  schöner 
Aussicht  auf  denPihlajavesi).  —  Nyslott,  Städtchen  mit  1500  Einw., 
im  Kirchspiel  Sääminge ,  liegt  zum  grösseren  Theil  malerisch  auf 
einer  mit  dem  Festlande  durch  eine  Brücke  Yerbnudenen  Insel ,  am 
Kyrönvirta^Sundf  der  den  Pihlajavesi  (südl.)  mit  dem  Haükivesi 
(ttördl.)  verbindet.  Das  Städtchen,  ganz  aus  Holz  gebaut,  hat  eine 
lutherische  und  eine  griechische  Kirche.  Gegenüber  auf  einer 
kleinen  Felseninsel,  die  1475  von  Erik  Axelsson  Tott  angelegte 
*Olofsburg,  die  schönste  und  besterhaltene  mittelalterliche  Burg 
Finnlands,  zur  Zeit  der  russisch  -  schwedischen  Kriege  von  Be- 
deutung, neuerdings  restaurirt.  Sie  hat  drei  massive,  runde  Thürme; 
der  Kirchthurm  wurde  früher  als  Staatsgefängniss  benutzt.  —  Nyslott 

kam  durch  den  Frieden  von  Abo  (7.  August  1743)  an  Russland. 

Ausflüge  von  l^yslott.  25  W.  südöstL  der  Stadt  liegt  der  sog. 
königliche  Park  ^Punkaharju  (Swinnij  Chrebjet,  d.  h.  Schweinerücken), 
mit  dem  Dampfer  (So.,  Mi.  Morg.,  Mo.,  Di.,  Do.,  Sa.  Ab.  für  1-2  o^)  zu  er- 
reichen. Der  Landweg  führt  über  Deiche,  schwankende  Flossbrückon  und 
Fähren ;  ein  Fährmannsboot  bringt  uns  schliesslich  auf  die  swischen  dem 
Pihlajavesi  und  dem  Puruvesi  im  Kirchspiel  Kerimäki  gelegene,  schmale 
granitische  Insel.  Auf  der  Höhe  des  steilen  bewaldeten,  7  w.  langen, 
c.  50  m  hohen  Kückens  prächtige  Aussicht  (oben  ein  dem  Staat  gehöriges 
Hotel  und  Qästgifvarg&rden).  —  Dampfschiff  (Di.,  Sa.  Morg.,  zurück  So., 
Mi.  9U.  Vm.,  in  9-10  St.  für  5-10  0«)  nach  (177  W.)  Joenauu  (Pielisensuu, 


nach  IdenscUmL  KUOPIO.  75.  JRouU,     213 

locHcy)  (Gasthof:  Societetshus),  Centralpunkt  Kareliens  (jetzt  Gouvernement 
Kuopio},  im  Kirchspiel  Libelits,  mit  2300  finn.  Einw.,  an  der  Mündung 
des  Fielisjoki  hübseh  gelegen;  der  Ort,  1806  angelegt,  1860  mit  Stapelreeht 
ausgestattet,  treibt  bedeutenden  Handel  nach  Bussland.  In  der  Nähe 
zahlreiche  Fabriken  und  Eisenwerke.  —  Nach  Sordavala  (S.  212).  Mit 
dem  Dampfschiff  (So.  und  Mi.  Morg.)  über  Punkaharju  (s.  oben)  nach 
Kesälaks  am  Peruvesi;  dann  Landweg  nach  (4  W.)  irän<^nt«mt  amPyhajärvi 
und  weiter  mit  Dampfer  (2-3  St.)  nach  Ännikämtiemi^  s.  8. 212.i   .0^    ^^  ] 

Das  Dampfschiff  Ton  Nysloit  nach  Kuopio  geht  zunächst  über 
den  Haukivesi  und  den  Aimisveai  (Thell  des  nordwestl.  Sälma 
oder  Enonvesi),  dann  durch  den  Taipaie  oder  WaT^avbs- Kanal 
(Schleusenanlagen  zwischen  dem  Aimisvesi  und  UnnukkaTesi). 
Nicht  weit  von  Taipale  (Mittagsstation)  rechts  der  alte  Kanal,  links 
V4  St.  entfernt,  an  dem  gleichaamlgen  Wasserfall 

Wark&ufl  (gutes  Gasthaus),  ein  Complex  von  Elsenwerken,  me- 
chanischen Werkstätten,  Sägemühlen,  Docks.  Die  herrschaftliche 
Besitzung  ist  schön  gelegen  Inmitten  eines  Parks.  Jenseits  der 
Grenze  des  Gouvernements  Kuopio ,  bald  hinter  Taipale,.  einer  der 
schönsten  Punkte  der  Fahrt,  die  Stationen  Leppävirta,  ein  statt- 
licher Ort,  und  Konnus  (Schleusenanlagen  zwischen  dem  Unnuk- 
kavesi  und  Kallavesl).  Ueber  den  c.  82  m  hoch  gelegenen  KallavtH 
mit  seinen  malerischen  Ufern  nach 

285  W.  Kuopio  (Kvonio).  ~  Gasthofe :Societet8hit8(Z.  2,50 M.) i^ 
Iwonen,  billiger.  —  Drosghkbn:  einfache  Fahrt  25 F.,  pro  Stunde  IM. 
50  P.  (s.  auch  unten).  —  Dahpfschivfb  :  taglieh  mehrere  nach  allen  Punk- 
ten des  Kallavesl ;  nach  Jdensalmi  täglich  8  Uhr  Vm.  in  8-19  St.  Directe 
Verbindung  mit  St.  Petersburg,  Stockholm,  Lübeck  —  Postfahrtsv  :  nach 
Jyväskylä  (S.  217)  191  W. ;  nach  St.  Michel  (S.  206)  über  Jorois  188  W.  ^ 
nach  Joensuu  (S.  212)  152  W. ;  nach  Kajana  (S.  214)  über  Idensalmi  180  W. ; 
nach  üleäborg  (S.  238)  über  Kajana  843  w: 

Kuopio,  Sitz  der  Läns-  und  Stiftsregierung,  mit  8000  Elnw.,  in 
schöner  Lage  auf  der  Halbinsel,  welche  den  Kallavesl  in  zwei  Fjorde, 
verbunden  durch  den  Pass  zwischen  Kellonieml  (dleöseits)  und  Toi- 
vola  (jenseits),  theilt,  1776  angelegt  und  seit  1858  Stapelstadt,  bietet 
mit  seinen  breiten,  chaussirten,  sich  rechtwinklig  schneidenden 
Strassen  nichts  Bemerkenswerthes.  Die  steinerne  Kathedrale ,  auf 
einer  Höhe  inmitten  der  Stadt  gelegen,  wurde  1815  vollendet;  das 
Altarbild  ist  von  dem  finnischen  Maler  Godenhjelm.  Vom  Thurm 
schöne  Aussicht.  In  den  Anlagen  vor  der  Kirche  eine  Kolossal- 
büste des  finnischen  Politikers  W.  Sndlmann^  früher  Rector  des 
Lyceums  in  Kuopio.  Sehr  besuchter  Markt  vom  15.-25.  Januar. 
Stadt  und  Umgebung  waren  1808  Schauplatz  heftiger  Kämpfe  der 
Russen  und  Finnen. 

Umgebungen.  Promenade  oder  Fahrt  (50 P.)  nach  Pappilanniemi^ 
ganz  nahe  der  Stadt;  nach  dem  Berge  Pujomäki  (1,50 M.),  mit  schöner  Aus- 
sicht auf  den  See  Kallavesi  und  die  Stadt  Kuopio.  S.  nach  (3  W.)  Leväis^ 
mit  Aekerbauschule,  und  (14  W.)  Haminanltiks  ^  Besitzung  der  Familie 
Wright.  N.ö.  nach  Muuruvesi  (Dampfer  tägl.  3  U.  Nm.)  und  weiter  nach 
Strömdal  (Juvankoski),  mit  Eisenwerken,  sowie  nach  dem  Pwavuori^  einem 
200m  hohen  Berg  in  Nilsiä,  auf  der  Grenze  zwischen  Savolaks  und  Karelien, 
4>ekannt  durch  sdne  Höhle  und  seine  Bergkrjrstalle.  N.w.  nach  der  präch- 
tigen Bucht  von  Tuovinlaks  (Dampfer  tägl.  3  Uhr  17m. ;  gutes  Nachtquartier). 


214    Route  15,  IDENSALMI.  Von  Wihorg 

Nach  Idemalmi  kann  man  mit  Dampfboot  (S.  213)  oder  Post  ge- 
langen. Die  Gegend  zwischen  Euopio  und  Idensalmi  heisst  im 
Yolksmunde  „  das  Paradies  Finnlands  ^.  Von  den  prachtvollen 
Scenerien  bekommt  man  einen  Begriff  bei  der  Fahrt  durch  den 
Ruokovirta  (mit  Eanalanlagen) ,  an  dessen  Ufern  das  Kirchspiel 
Maaninka,  Weiter  geht  di«  Fahrt  über  den  Maanninkavesi,  durch 
den  Ahkionlaka  -  Canal  zum  Onkivesi  und  über  den  Nerkleojärvi 
zum  PerovesU 

358  W.  Flecken  Identalmi  (Ann.  JUälmi,  Gasthof:  Qästgifvar- 

gärden)^  prächtig  am  Haukiniemi^Kap  gelegen.  —  4  W.  entfernt 

an  der  Wirta-Brücke  ein  Denkmal  für  den  Kampf  am  27.  Oct.  1808 

zwischen  den  Russen  unter  Tutschkow  und  den  Schweden  unter 

Sandeis ;  in  der  Kähe  bezeichnet  auch  ein  ObtlUk  die  Stelle ,  wo 

der  russische  General  Fürst  Dolgorucky  fiel. 

Von  Idensalmi  naeh  Kajana^  90 W.  in  12-15 St.  (Fahrgelegen- 
heit meist  am  Hafen  für  10-25  M.).  Schlechter  Weg  über  Eirvvärvi  und 
Muriomäki^  durch  öde  Gegend.    Zahlreiche  Theeröfen. 

Kajana  (Kajaani)  (Gästgifvarg&rden) ,  kleine  Stadt  (1100  £.)  am  Ka- 
jannänj^ki.  Mitten  in  der  Stadt  die  beiden  malerischen  Wasserfälle 
Kaivukeiki  und  Ämmä;  zwischen  beiden  auf  einer  Insel  die  Ruinen  der 
Kajaneborg^  c.  1600  erbaut.,  1716  von  den  Bussen  erobert  und  zerstört. 
Johann  Meueniut  lebte  c.  1620-35  hier  als  Gefangener  und  schrieb  seine 
Geschichte  Finnlands.  Auch  der  durch  die  Herausgabe  des  Kalewala  um 
die  finnische  Literatur  hochverdiente  LOnnrot  (f  1884)  wohnte  in  den 
-40er  Jahren  in  Kajana.  —  Die  beliebteste  Promenade  ist  die  Brücke ;  sehr 
besucht  ist  ausserdem  der  Park  Ky^pnätpää  und  die  LyekMlighetsö  (Glück- 
seligkeits -Insel).  Etwa  40  W.  s.o.  ron  Kajana  (Dampfer  in  3  St.)  am 
Ntuujärvi  bei  der  Kirche  ron  Sotkamo  der  Berg  Vuokatii  (c.  300  m)  mit 
schöner  Aussieht. 

VonKajana  nachUle&borgl69W.  Landweg  bis  (80  W.)  Waala^ 
besser  mit  dem  Dampfboot  (3mal  wöchentl.  7  Uhr  Vm. ;  an  Bord  keine 
Verpflegung)  in  7-9  St.  für  5  o^  über  den  Oulujärvi.  Von  Waala  interes- 
sante aber  nicht  ungefährliche  Fahrt  im  Theerboot  über  die  Strom- 
schnellen des  Oult{;oki  (bisweilen  2-3  Meilen  in  der  St.)  nach  Mukös.  Von 
hier  Dampfer  (tägl.  7  Uhr  Vorm.)  nach  (35  W.)  üle&horg  (S.  238).  Die 
Landungsstelle  ist  c.  3W.  von  der  Stadt  entfernt  (Droschke  75  Pen.). 


16.    Von  Wiborg  nach  Fredrikshamn  (Lovisa,  Borga 

und  Insel  Hogland). 

Dampfboot  zwischen  Wibo^g,  Fredrikshamn,  Lovisa  und  Borg&  fast 
täglich.  —  Post  von  Wiborg  nach  Fredrikshamn  (111  W.). 

Die  PostStrasse  fährt  über  Monrepos  (S.  205)  an  der  Eisen* 
bahn  entlang  nördl. ,  überschreitet  den  Säkkolajoki  und  wendet 
sich  dann  in  südwestl.  Richtung  der  Küste  zu. 

14  W.  KUsHlä,  Bei  Tervajoki  (Seifenfabrik)  über  denTervajoki. 

—  28  W.  Nisalaks.  —  45  W.  Säkkijärvi ;  Postverbindung  mit  der 
Bahnstation  Pulsa  (S.  216;  46  W.).  —  lieber  mehrere  kleine  Flüsse. 

—  60  W.  TJrpala, 

78  W.  Pyttärlaks,  Dorf  an  einer  kleinen  Bucht.  Unweit  da- 
von die  Felseninsel  1  deren  berühmte  Steinbrüche  (grobkörniger, 


nach  Borgä.  KYHMENEGARD.  16.  Route,     215 

rother  Granit)  das  Material  zu  vielen  Prachtbauten  St.  Petersburgs, 
«uch  zu  Napoleon's  Sarkophag  bei  den  Invaliden  in  Paris,  geliefert 
haben.  —  In  der  Nahe  Dorf  und  Gut  Värälä  (Friede  zwischen 
liussland  und  Schweden  1790). 

Es  folgt  der  hübsche  Herrensitz  Harjus  (Fischereien ,  Leder* 
fabrik),  dann  (94  W.)  Poststation  Orönvik.  Von  hier  erblickt  man 
bereits  die  Festungswerke  von 

HO  W.  Fredrikflhamn  (Ann.  Hamina;  Gasth. :  Qästgifvargärden)^ 

kleine  Hafenstadt  mit  2760  Einw.^  liegt  am  Fuss  eines  Vorgebirges 

in  Wekkalahti.   Die  Stadt  treibt  nicht  unbedeutenden  Handel. 

Die  1656  gegründete  Stadt  hiess  ursprünglich  fF<MetaJt«;  ihren  gegen- 
wärtigen IT'&men  erhielt  sie  1723  zu  Ehren  des  Gemahls  der  schwedischen 
Königin  Ulrike  Eleonore,  des  Prinzen  Friedrich  von  Hessen-Kassel,  und 
wurde  1724  mit  Wällen  und  Bedeuten  umgeben,  später  nach  Vanban's 
System  befestigt,  doch  sind  seit  einigen  Jahren  die  Festungswerke  dem 
Verfalle  preisgej^eben.  Am  24.  Aug.  1789  wurde  bei  Fredrikshamn  die 
schwedische  Schärenflotte  geschlagen,  17.  Sept.  1809  in  einem  (1840  durch 
Feuer  zerstörten)  Thurme  der  endgültige  Friede  zwischen  Schweden  und 
Bussland  geschlossen,  durch  welchen  ganz  Finnland  bis  an  den  Torne&- 
Eif  an  Russland  kam. 

Das  Städtchen,  dessen  Strassen  fächerförmig  von  dem  auf  einem 
Hügel  gelegenen  Stadthause  ausgehen,  hat  4  Vorstädte :  Wiborgska, 
Sandby,  Hletaniemi,  Savinlemi.  Das  hervorragendste  Gebäude  ist 
das  von  einem  General  geleitete  finnische  Kadettenhaus.  —  Die 
alte  gothische  Manenkirche,  zur  Zeit  der  Gründung  der  Stadt  er- 
baut, ist  jetzt  die  Kirche  der  finnischen  Bevölkerung.  Die  1728 
errichtete  schwedische  Kirche  brannte  später  ab ,  an  ihrer  Stelle 
entstand  1832  die  griechische  Kirche.  Die  schwedische  Johannis- 
kirche  datirt  von  1839.  In  nächster  Nähe  der  Stadt  viele  Land- 
häuser und  Fabrikanlagen. 

Ausflug  nach  Lovisa  und  Borg&.  Der  Weg  führt  zu- 
nächst um  die  Bucht,  an  der  Fredrikshamn  liegt,  dann  durch  fel- 
siges Land  und  dichte  Nadelwälder  nach  (20  W.)  Högfors  mit 
grossen  Eisenwerken;  in  der  Nähe  ein  hübscher  Wasserfall  des 
östl.  Mündungsarms  des  Kymmene  (S.  217). 

26  W.  Xymmenegftrd,  ehemals  befestigter  Ort  an  der  östl.  Mün- 
dung des  Kymmene  (Kymijoki),  in  den  russisch -schwedischen 
Kriegen  viel  umstritten.  Grosse  Kasernen.  —  In  der  Nähe,  eben- 
falls an  der  östl.  Mündung  des  Kymmene,  Svensksund  (Ann.  Ruot- 
sinsalmi) ;  die  Rhede  von  Ruotsinsalmi  ist  eine  Station  der  russi- 
schen Schärenflotte.  Seeschlachten  im  Svenska- Sunde  zwischen 
Schweden  und  Russen  1.  Sept.  1789  und  9-10.  Juli  1790.  Auf  der 
vorliegenden  Insel  Kotka  ist  seit  einigen  Jahren  eine  Stadt  (2800 
Einw.)  gleichen  Namens  entstanden  (Deutscher  Konsul:  M.  Siidel) 
mit  lebhaftem  Holzhandel  und  zahlreichen  Dampfsägen;  grösster 
und  tiefster  Hafen  an  der  finnischen  Südküste. 

34  W.  Broby ,  bereits  im  Gouvernement  Nyland.  Die  ganze 
Gegend  ist  malerisch :  tief  in  das  Land  eindringende  Meerbusen, 


216    SoutÄie.  ■   HOGEAND. 

felsige  Kaps  und  Schären  wechseln  mit  ftuchtb^ren  Ebenen,  an  den 
Ufern  der  TOh  Lachsen  belebten  Flüsschen  zahlreiche  behäbige 
rothe  Bauernhäuser.  —  45  "W.  Pyttis  mit  hübscher  Kirche.  — 
50  W.  Abhorfors,  Lachsfang. 

66  W.  Loviia  (Ann.  Loviisa,  JoBH»a). 

0AATHOP :  So  c  i  e  1 6 1  s  h  u  s.  —  Bads  ANSTALT  (mit  sehr  besaehter  Kalt- 
wasserheilanstalt) am  Seeufer,  mit  hübschem  Park.  —  Yerbiuclung  über 
Kausala  mit  Helsingfors  und  Wiborg  (S.  217). 

Lovisa,  Hafenstadt  mit  2000  Einw.,  li^gt  malerisch  an  einem 
Meerbusen -und  den  ihn  umgebenden  Hohen  hinauf;  nach  dem  Brande 
von  1855  wurde  sie  wieder  aufgebaut  und  prSsentirt  sich  mit  ihren 
gelben  und  rothen  Holzhäuschen  zwischen  schattigen  Ahornbäumeu 
sehr  freundlich.  Die  1745  gegründete  Stadt  hiess  ursprünglich 
Degtrby,  wurde  aber  1752  zu  Ehren  der  Königin  Louise  Ulrike,  der 
Schwester  Friedrich's  des  Grossen ,  umgetauft.  —  Sehenswerth  die 
Ton  dem  finnischen  Architekten  Chiewitz  erbaute  neue  Kirche. 
Gleich  im  Süden  der  Stadt  die  Ruinen  der  schwedischen  Festung 
Svartholm. 

Die  Strasse  von  Lovisanach  Borgä  durchschneidet  sehr  anmuthige, 

von  wohlhabenden  Bauern  meist  schwedischer  Abkunft  bewohnte 

Gegenden.    (12  W.  von  Lovisa)  Perno  mit  schöner,  alterthümlicher 

Kirche.  —  21  W.  Forshy^  mit  alten,  jetzt  verlassenen  Eisenwerken 

und  Silbergruben.  -  34  W.  Illhy.  —  44  W.  Borgi  (S.  218). 

Zu  einem  Ausfluge  (65  W.)  nacb  der  Insel  Hogland,  flnn.  8unrsaart\ 
findet  man  in  Fredriksb-amn  in  der  Regel  Fahreeuge  bereit.  Die  Insel, 
10-11  W.  lang ,  2-3  W.  breit ,  ist  durchweg  felsig  und  besteht  in  ihrem 
östl.  Theil  aus  Porphyr,  im  westl.  aus  Granit  und  Diorit.  Pie  höchsten 
Erhebungen  sind :  der  Pohjaskorkia  (d.  h.  ITordhöhe),  c.  110  m,  mit  schöner 
Aussieht;  der  SanJtkavuoH^  c.  150m;  der  Lounaikorkia  am  Südende,  e. 
200  m.  Auf  der  südl.  Hälfte  der  Insel  5  Binnenseen ;  einise  derselben 
senden  Bäche  ins  Ueer,  deren  starkes  Gefälle  (die  Seen  liegen  30-50  m  über 
dem  Heere)  bei  nur  Icurzem  Laufe  man  benutzen  will ,  um  bei  dem  jetzt 
begonnenen  Abbau  des  Porphyr  Schleifmüblen  u.  s.  w.  zu  treiben.  — 
Die  Bewohner,  c.  iCXX).  welche  nur  Finnisch  sprechen,  vertheilen  sich  auf 
2  Dörfer  an  der  Ostküste  und  die  dicht  dabei  gelegene  Insel  Tptärfoari 
(d.  h.  Tochterinsel).  Das  grössere  h  nördl.  gelegene  Dorf  belsst  <$w«r* 
oder  PohJa$kylä,  das  kleinere  südl.  KUskin-  oder  LounaÜbjflä.  Die  Bewohner 
nähren  sich  vom  Lootsendienst,  Seehunds-  und  Haringsfang.  Unterkunft 
findet  mam  im  Pastorat,  auch  bei  mebreren  Dorfleuten  (gut,  aber  ttieuer).  — 
An  der  Ifordspitze  der  Insel  hat  die  russische  Marine  eine  Rettungsstation 
angelegt.  —  Westl.  von  Hogland  fand  1788  eine  Seeschlacht  zwischen 
Busseh  und  Schweden  statt. 


17.  Von  Wiborg  nacli  (Bai^&)  Hehingfora  (nnd 

Sveaborg). 

Eisenbahn:  293  W.  in  Qi/s  St.  für  29.30,  20.55, 11.65  M,-,  Gepäckträger  für 
jedes  Stück  10  Pen.  —  Dampfschiffe  über  Fredrikshamn,  Kotka^  Lovisä 
3-4  mal  wöchentlich. 

Die  Bahn  folgt  zunaebst  der  Poststraese.  —  12  W.  Hovinmaa 

(XoBHHMa);  —  17  W.  Nwrmi$s{UjpuHC%).-'SS^.Simola{Cinoidi), 

Zweigbahn  nach  (18  W.)  Willmanstrand  s.  S.  206.  —  48  W.  Pul»a. 


LAHTI&:  17,  Boute\    217 

PostverWndung  nach  Säkkijarvi  (S.  214).  —  Durch  bergige  und 
seenreiche  Gegend  nach 

70  W.  Baviditad  (Ann.  Taavetti,  ^aBHAtUTaAi)  in  Luumäki.  Post* 
rerbindung  nach  (44  W.)  Pyitärlaks  (S.  214). 

93  W.  Xaipiaii  (KaHniaSci).  Bahnrestaur.  (Mittagessen  2.80  M.), 
20  Min.  Aufenthalt.  Von  hier  an  zeigen  die  Uhren  Helsingforser  Zeit. 

103  W.  üttis  (yTTHCt),  hübsch  an  einem  See  gelegen.  Postver- 
bindung nach  Fredrikshamn  (S.  215).  —  115  "W.  Kouvola,  Eisen- 
bahn (Savolaksbahn)  über  St.  Michel  nach  Kuopio  ist  im  Bau.  Die 
Bahn  überschreitet  auf  hoher  Eisenbrücke  den  Kymmene,  zugleich 

die  Grenze  des  Gouvernements  Nyland. 

Der  Kjmmene  oder  Kymijoki  ist  der  Abfluss  des  grossen  Wasser- 
systems, das  sieh  über  einen  bedeutenden  Theil  des  finnischen  Hoclilandes 
ausbreitet.  Sein  Hauptarm  hat  seine  Quellen  am  JSuomemelkä  und  fliesst 
ins  nördl.  Tavastland  hinab,  wo  er  sich  in  den  Kettele  in  Wiitasaari 
ausbreitet.  Die  von  dort  gegen  Süden  nach  Laukkas  ausströmende  Wasser- 
masse,  welche  westl.  von  der  Saarifärvi- Strasse  und  von  Osten  durch  die 
Rautalampi  -  Strasse  durch  den  Tturvckla-Fora  verstärkt  wird,  fällt  durch 
den  grossen  Kuhanioski  in  den  Leppäveai  und  weiter  durch  den  ffaapa- 
koski  bis  zu  dem  12  finnische  Meilen  langen  und  S  Meilen  breiten  P&ij&nne 
(s.  unten).  Der  Päijänne  nimmt  mehrere  Zuflüsse  auf  und  breitet  sich 
dann  nach  dem  südöstl.  Strand  durch  den  Kalkkisstrom  bis  Kum  Rvotsa- 
lainen-See  aus.  Aus  diessem  fliesst  der  Kymijoki^  der  bei  Heinola  (s.  unten) 
den  Jyränkd- Strom  bildet,  von  ^Norden  die  Mäntyharju- Strasse  aufnimmt 
und  mittelst  des  Keltü  -  Stromes  den  Salpemsselänne  durehbrieht,  wonach 
er,  das  Nyländisehe  Tiefland  durehfliesaend,  den  Wasserfall  bei  Anjala 
bildet  und  sich  bei  Wedenjakama  in  zwei  Arme  spaltet,  welche  die  Insel 
Pyttis  (PyhtäS)  umsehliessen  und  mit  5  Mündungsarmen :  Abborfors,  Pyttis, 
Snttila,  Kymmene  und  HÖgfors  (durch  den  Fall  Korkiakoski  ausgezeichnet 
S.  215),  in  den  Finnischen  Meerbnsen  fallen.  —  Länge  (vom  Huotsalainen- 
See)  iö5  W.   Fall  80  m. 

120  W.  Kymmene.  —  135  W.  Kausala.  Postverbindung  mit 
Lovisa  (S.  216).  —  Kurz  vor  (152  W.)  Nyby  die  Grenze  des  Gou- 
vernements Tavastehus.  Von  Nyby  Postverbindung  nach  (32  W.) 
Heinola  (s.  unten). 

171  W.  lAhtii.   Bahnrestaur.,  10  Min.  Aufenthalt. 

Zweig bAhn  nachYesijärvi.  Von  dort  Dampfer  nach  Heinola 
(3  mal  wöchentlich)  und  nach  Jyväskylä  (täglich).  Die  Fahrt  geht  über 
den  inselreiehen,  von  Laubwaid  umsäumteil  Vesißärvi^  darauf  durch  den 
Väffvö  (finn.  Vääksy)  -Kanal  zum  Päijänne.  Östlich  durch  den  kanalisirten 
Kalklistrom  und  den  Ruottalainen-See  nach  (S^/g  St.)  Heinola,  freundliches 
Städtehen  mit  e.  1200  Einw.  —  Die  nach  Korden  Gehenden  besuchen  östl. 
die  Sysmä-BnOcke^  weetl.  die  Brücken  von  Jämsä  un^  Korpüahti  und  ge« 
langen  nach  11-12  stüadiger  Fahrt  durch  den  engen  Atjälä-Sund  nach  Jy* 
▼tekylA,  Stadt  mit  2900  Einw.  am  Jyväsjärvi  hübsch  gelegen  (Gasthöfe: 
Societetshus;  Qirsits,  Oäsigifvargärden]^  mit  den\  ersten  finnischen  Lehrer- 
seminar (18i88).  Oberhalb  der  Stadt  der  Bergrücken  Ta^luniäki  mit  schöner 
Aussicht.  Volksfeste  s.  S.  202.  Post  nach  Kuopio  (191  W.) ;  nach  Keuru^ 
Station  der  Wasabahn,  70  W.  (S.  235). 

Weiter  durch  eine  an  Abwechselung  reiche  Landschaft  über 
JSerrala,  Järvela,  Lappila,  Ots,  Hikiä, 

226  W.  Bühim&ki.  Bahnrestaur.,  10  Min.  Aufenthalt.  Abzwei- 
gung der  Bahnen  nach  Tavastehus,  Tammerfors  und  Äbo  (S.  226). 

238  W.  Hyvinge.  Bahnrestaur.  und  Gasthof,  5  Min.  Aufenthalt. 
Nach  Ekenäs  und  HangÖ  s.  S.  224. 


218    Boute  17,  HELSINGFORS. 

Die  Gegend  wird  einförmig.  248  W.  Jokela,  —  259  W.  Träs- 
kända ,  hübsches  Dorf  an  einem  See.  —  266  W.  Kerve,  grosses 

Dorf  mit  Herrensitz.   B&hurestaur. 

Zweigbahn  in  il/2  St.  nach  (SSW.)  Boxgk  (Ann.  Porvoo,  Bopro).  — 
Oasthöfb  :  Soeietetthus  am  neuen  Platz  ^  Jernvägs- Hotel  nahe  dem  Bahnhof, 
beide  mit  Restaurant.  —  Bbsta-Dbaiits :  in  den  Gasthöfen;  Ca/4  Juselius; 
Cafi  Lindberff.  —  Damvmcbtfpb  täglich  nach  Helsingfors. 

Bor^A^  6tadt  an  der  Mündung  des  Borgd-Ä  in  den  Borg&-Fjord,  mit 
3900  meist  schwedischen  Einw.,  Sitz  eines  Bisehofs,  mit  lebhaftem 
Handel,  soll  bereits  1346  gegründet  sein;  die  noch  heute  vorhandenen 
Reste  von  Befestigungen,  der  Citadelle  oder  Borghiiektn  und  bei  Saktby^ 
der  ehemaligen  Niederlassung  der  Hanseaten,  werden  von  Einigen  ins 
X.  Jahrh.  gesetzt.  In  den  schwedisch  -  russischen  Kriegen  wurde  Borg& 
wiederholt  stark  mitgenommen.  —  Sehenswerth  das  Grab  und  Denkmal 
des  Dichters  /.  L.  Runeberg y  ^welcher  lange  am  Lyceum  in  Borgä  wirkte. 

Die  Stadt  liegt  hübsch  auf  den  Höhen,  welche  Fluss  und  Fjord  um- 
säumen; der  Dom  stammt  aus  dem  xv.  Jahrhundert.  In  der  Umgegend 
eine  Anzahl  industrieller  Etablissements.  Von  Interesse  eine  Fahrt 
zwischen  den  Inseln,  welche  die  Hündung  des  Flusses  umgeben. 

Poststrasse  nach  Lovisa  s.  S.  216.  —  Nach  Helsingfors  (55  W.)  ist  das 
Dampfschiff  vorzuziehen;  die  Fahrt  zwischen  immer  neuen  grünenden 
Inseln  ist  sehr  anmuthig.  Die  Post  geht  über  Wekkoski^  Sibbo^  Henriksdal 
und  GammeUtaden ,  das  alte  Helsingfors,  an  der  Hündung  des  Heisinge 
oder  Wanda-A  in  den  Sömäs-Busen,  1550  erbaut,  mit  bedeutendem  Lachs- 
fang.   Ein  Aquäduct  versorgt  Helsingfors  mit  Wasser. 

Stationen:  Dickursby,  Malm,  Aggelby;  dann  durch  die  Anlagen 

des  DJurgdrden  und  über  den  langen  Damm,  welcher  die  Tölö- 

Bucht  westl.  der  Insel  Broholm  durchschneidet,  nach 

293  W.  Helsingfors  (Ann.  HelHnki,  re4i»CHHr*opci). 

Gasthöfe:  Hdt.  Kamp  (Z.  2-15 H.,  H.  2i/sH.);  *Soeietetshus 
(Pl.a),  *Kleineh's  Hotel  (Pl.b),  beide  am  Salutorget  mit  gleichen 
Preisen  (Z.  3-6  H.,  H.  21/3  H.);  *Wilhelmsbad  am  Bahnhofsplatz  (PI. 
B3),Z.  2-4H.;  ebenda  Post  und  Jernvägshotel;  Nyahotellet, 
Glogatan  n»  8  (PL  B  3). 

Restaurakts:  *ThecUer  im  Centrum  der  Stadt,  Ende  der  Esplanad- 
Gatan;  *Brunnshiu«t  im  Ulrikasborg-Park;  *Kapellei  auf  der  Esplanade; 
Arkadiatheater ;  Kaisaniemi  (S.  221);  Hesperia  in  Tölö  (PL  A2);  *Alphydd<m 
im  Djurg&rden  (S.  223);  Cafi  du  Nord,  Sofiegatan  2. 

Cafes:  Enquisi,  Alexanders-Gatan  22;  Heinstrom ,  TJnionsgatan  28.  — 
CoMDiTOREiB« :  Lö/ström,  Alexandersgatan40;  Sundholmy  Norra  Esplanad- 
gatan  31. 

Badbb:  Wilhelmsbad , (VI.  A2)^  Wilhelmsgatan  n<>il;  warme,  kalte  und 
russische  Bäder:  Harie-Gatan  n°  13,  Brunns-Gatan  n°  8.  —  Im  Sommer 
Seebad  im  XJlrikasborg-Park,  ferner  auf  Skatudden. 

Waoev  :  Tour  vom  Bahnhof  75  Pen.,  in  der  Stadt  60  Pen. ;  pro  St.  bei 
Tage  2H.,  bei  Nacht  (11-6  U.)  4  H.;  halber  Tag  8  H.,  ganzer  Tag  (12  St.) 
12  H.  —  Omvibus  von  der  katholischen  Kirche  (PL  13,  B  4)  nach  Tölö, 
alle  1/2 St.,  15 Pen.  -~  Dienstmann:  25 Pen. ;  nach  ausserhalb  40-60  Pen.; 
pro  St.  60  Pen.,  halber  Tag  3  H.,  ganzer  Tae  5  H.  50  Pen. 

Theatbb:  Btadttheater  (TeKterhviB ,  PL  ^),  Saison  September >  Juni; 
Vorstellungen  in  schwedischer  Sprache.  •—  Arkadia  (PL  27),  am  Esbo- 
Thor;  Vorstellungen  in  finnischer  Sprache.  ^  ParkVuater  in  Ulrikasborg 
(PLB4);  Vorstellungen  nur  im  Sommer,  deutsche  und  schwedische  Truppe. 

Post:  Nikolai  -  Gatan  n°  6;  geöffnet  an  Wochentagen  9-2  und  0-6, 
Sonntags  8-11  U.  —  TsLEGBAPHEKBrREAU :  Alexandersgatan  52. 

Bakkev:  Finlandsbank,  Nicolaigatan  8;  Hypothek»f6rening,'RMLAh.ThiisQi 
(S.  220).  —  Wechselcontore :  Obligations-oeh'Aktiehandel,  Unionsgatan  22. 

KoKsuLATB :  Deutsches  Reich :  Konsul  Dr.  B.  Qraser ;  Frankreich : 
Konsul  E.Evenson;  Grossbritannien:  Vicekonsul  C.J.Cooke;  Oesterreich- 
Ungarn:  Vicekonsul  C.  M.  Otto. 


HELSINGFORS.  17.  Boute.    219 

BuBCAUx  DER  Dampvschipfe :  L.  Erogius,  8ödra  Magazingatan  2,  für 
Fahrten  nach  Stoekholm,  Abo,  Hangö,  Ekenäs,  Wasa  und  den  nördlichen 
Küstesstädten,  Reval;  E.  v.  Gerieke,  Haus  Forsström ,  für  Stockholm, 
Beval,  Lübeefc;  Itindblad  A  Holmberg,  für  Lübeck,  Reval;  Donner, 
für  Borg&,  Hüll;  K  je  Hin,  für  Stettin,  Lübeck  und  die  Umgegend.  — 
Dampfer  zum  Verkehr  in  der  Umgegend  (Skärg&rd)  täglich  mehrmals 
(25  Pen.)  s.  die  Annoncen  in  den  ^ettwifm. 

Heliingfors,  die  Hauptstadt  Finnlands ,  Site  du  General-  und 
Civil-Gouverneurs ,  des  kaiserlichen  Senats  (seit  1819)  sorwie  aller 
für  die  Regierung  und  Verwaltung  des  Landes  eingesetzten  Central- 
ämter,  des  Generalcommandanten  des  II.  Militär-Bezirks,  der  Alex- 
ander-Uniyersität  (seit  1826),  mit  53,500  Einw.  meist  schwedischer 
Nationalität,  liegt  am  westl.  und  südl.  Rande  einer  Bucht,  mit 
welcher  das  Meer  in  die  von  zahlreichen  Schären  umgebene  Büdküste 
Finnlands  hineintritt,  und  bedeckt  mit  seinen  Häusern  auch  eine 
vielfach  eingebuchtete  Landzunge ,  welche  sich  hier  in  Östl.  Rich- 
tung ausstreckt  und  so  links  wie  rechts  eine  Nebenbucht  bildet. 
"Wie  die  Hauptbucht  von  mehreren  kleinen  Felseilanden  durchsetzt 
ist,  so  auch  das  Meer  ausserhalb ;  hier  ziehen  sie  sich  von  der  einen 
Landspitze  bis  zur  anderen  im  Halbkreise,  unterbrochen  durch  ein 
schmales  Fahrwasser,  das  nur  an  einer  einzigen  Stelle,  dem  Gustafs- 
svärds-Sund ,  grösseren  Schiffen  die  Einfahrt  zu  den  Häfen  von 
Helsingfors  gestattet.  Auf  einigen  dieser  Inseln  erheben  sich  die 
Wälle  der  Seefestung  Sveaborg  (S.  223).  Die  Stadt  hat  breite,  gerade, 
mit  stattlichen  Häusern  besetzte  Strassen ,  prächtige  Kirchen  und 
Monumente ,  zwei  vortreffliche  durch  Batterieen  befestigte  Häfen 
Norra  und  Södrahamnen)  mit  schönen  Granitquais,  ausser  der 
Hochschule  ein  Polytechnicum,  mehrere  Lyceen,  eine  Navigations- 
und Handelsschule,  Irren-  und  Blinden-Institut  und  eine  Anzahl 
von  Fabriken,  obgleich  Helsingfors  im  allgemeinen  wenig  industriös 
ist.  Der  Handel  ist  nicht  so  blühend  wie  in  Wiborg  und  Abo ;  doch 
repräsentirt  der  jährliche  Waarenumsatz  die  Summe  von  30-40  Mil- 
lionen Mark,  von  denen  nur  etwa  ^/j  auf  die  Ausfuhr  kommt.  Seit 
Eröffnung  der  Petersburger  Bahn  (1870)  wird  Helsingfors  viel  von 
Fremden  besucht ;  in  Folge  dessen  ist  das  Leben  theuer  geworden, 
namentlich  während  der  Saison  der  Seebäder.   Am  belebtesten  ist 

Helsingfors  vom  September  bis  Mai. 

Zur  Geschichte.  Gustav  I.  Wa$a  gründete  1550  an  den  Ufern  des 
Flusses  Wanda,  nicht  weit  vom  Heisinger  Wasserfall  (Fors)  zuerst  eine  Stadt 
Helsingfors,  deren  Ueberreste  heute  noch  sichtbar  sind  und  von  den  Finn- 
ländern Oammelstaden  (d.  h.  Altstadt,  S.  218)  genannt  werden.  Die  Umstände 
waren  ihrer  Ent Wickelung  als  Handelsstadt  nicht  günstig  und  1639  befahl  die 
Königin  Christine,  die  Stadt  an  die  Estnässpitze,  nach  dem  Platze,  den  sie 
heute  einnimmt,  zu  verlegen.  Pest,  Brand  und  Krieg  C17i3)  veranlassten  Xeu- 
bau  und  Befestigung  1729.  In  der  Nähe  am  Kamptn-Äy  spielte  der  Schlussakt 
des  Krieges  von  1741-42.  Hier  musste  der  schwedische  General  Löwen- 
haupt am  35.  Aug.  1742  mit  12,000  Schweden  die  Waffen  strecken.  180S 
wurden  Helsingfors  wie  Sveaborg  von  dem  russischen  General  Buxhöwden 
besetzt  und  im  Frieden  zu  Fredrikshamn  (17.  Sept.  1809)  kam  es,  damals 
noch  eine  unbedeutende  Stadt,  an  Knssland.  Seit  1812  Hauptstadt  Finn- 
lands, wurde  es  1817  der  Sitz  der  Regierung;  1827  ward  auch  die  Uni- 
versität von  Abo  nach  Helsingfors  verlegt;  der  von  Alexander  I.  vor- 
geschriebene Bebauungsplan  bereitete  grosse  Schwierigkeiten. 


230    Boute  27.  HELSINGFOBS. 

Die  Mittelpunkte  des  Verkehrs  in  Helsingfors  sind  der  von 
Granltquais  umsäumte  Hafen  (durcli  die  Halbinsel  Skatudden  in 
Norra  und  Södrakamnen  getheilt ,  vgl.  S.  222)  und  der  daran  ge- 
legene Commerzplatz  (Salutorget,  P1.B3),  zugleich  Markt.  An 
ihm  rechts  das  kaiBerliche  Palaifl  (Kejserliga  Palatset ,  PI.  19)  mit 
einer  auf  einem  G-tanitfelsen  stehenden  rttasischen  Kapelle.  Das 
Palais  ist  ein  einfaches  dreistockiges  Gebäude,  ehemals  Privathaus ; 
im  Innern  einige  Gemälde  finnischer  Künstler  und  ein  hübscher 
Thronsaal.  Nicht  weit  davon,  am  südl.  Qual  das  Alexandra*' 
Monument  (PI.  1) ,  eine  kegelfö^rmige  Denksäule ,  deren  Spitze  ein 
Doppeladler  auf  vergoldeter  Kugel  ziert,  laut  Inschrift  zur  Erin- 
nerung an  den  Besuch  der  Kaiserin  Alexandra  Feodorowna  1833 
errichtet. 

Eine  Fortsetzung  des  Commerzplatzes  bildet  in  westl.  Kichtung 
dieEsplanade  (£splanad*Gatan),  die  schönste  Strasse  der  Stadt, 
mit  einer  vierfachen  Reihe  von  Ahornbäumen  besetzt,  unterbrochen 
von  zahlreichen  Squares.  Hier  1.  die  meist  von  Kaufleuten  besuchte 
Restauration  Kapeilet.  Rechts  an  der  Ecke  der  Fabiansgatan  die 
Wohnung  des  Generalgouverneurs.  In  der  Mitte  der  Esplanade  ein 
Denkmal  des  Dichters  Runeherg,  von  seinem  Sohne  Walther  ver- 
fertigt; am  Ende  das  schöne  neue  Stadttheater  (PI.  26),  1858-60 
vom  finnischen  Architekten  Chiewitz  aus  Granit  erbaut ,  1863  aus- 
gebrannt und  von  dem  Petersburger  Baumeister  B4noit  restaurirt. 
Von  hier  geht  die  Henriksgatan  in  nordwestl.  Richtung  bis  zum 
Esbo-Thor  (Esbo-Tull,  PI.  A3) ,  in  dessen  Nähe  das  hölzerne  Ar- 
kadia- Theater  (PI.  27;  für  c.  500  Personen)  liegt. 

Auf  den  Commerzplatz  stösst  in  rechtem  Winkel  die  nördl. 
laufende  lange  Unions-Gatan,  die  zweite  Hauptstrasse  von  Hel- 
singfors. Die  Nebenstrassen  sind  meist  unansehnlich,  mit  Ausnahme 
etwa  der  der  Esplanade  parallel  laufenden  Alexanders-Gatan. 
In  dieser,  Ecke  der  Marie -Gatan,  das  ^Bitterhans  (Riddarhuset, 
PL  23),  im  italienischen  Palaststil  von  Chiewitz  erbaut.  In  dem  im 
ersten  Stock  gelegenen  schönen,  mit  Wappenschilden  des  finnischen 
Adels  geschmückten  Rittersaal  tagt  während  des  finnischen  Land- 
tages der  Adel;  in  einem  der  Yorsäle  ein  Gemälde  von  Ekman,  die 
Eröffnung  des  Landtags  durch  Alexander  II.  15.  Sept.  1863.  Ausser- 
dem enthält  das  Ritterhaus  noch  die  Localitäten  der  Hypotheken- 
Bank,  einige  Bureaux,  das  Atelier  des  Malers  Becker  (Eingang  von 
der  Regerings -Gatan)  u.  s.  w. 

Am  Ende  der  Alexanders-Gatan  das  1876  eröffnete  Studenten- 
haui  (PI.  25),  mit  Bibliothek  und  Lesesaal,  Musik-  und  Billard- 
Salon  ,  Restauration  u.  s.  w. 

Die  Unions-Gatan  hinunterschreitend  kommen  wir  auf  den 
Senatsplatz  (Senats-Torget,  PI.  B  3),  begrenzt  im  N.  von  der  Nikolai- 
Kirche,  im  W.  vom  Universitätsgebäude,  im  S.  vom  Rathhaus  und 
einigen  stattlichen  Privathäusern,  im  0.  vom  Senatsgebäude. 

Die  lutherische  St.  »ikolai-Kirche  (PI.  12),  1830-52  auf  einem 


HELSINGFORS.  17.  RouU,    *221 

den  Platz  um  10  m  überragenden  Oranitfelsen  im  byzantinischen 
Stil  erbaut,  hat  5  hellblaue  Kuppeln;  zu  beiden  Seiten  zwei 
völlig  abgesonderte  hohe  und  schmale  Nebenflügel.  Vom  Platz  aus 
führt  eine  fast  die  ganze  Breite  desselben  einnehmende  Granit- 
treppe (50  Stufen)  zu  dem  mächtigen  Portal  der  Kirche.  Vor  dem- 
selben der  beste  Blick  auf  die  Stadt  und  das  Meer.  In  dem  von 
Pfeilern  getragenen  Innern  ein  Altarbild ,  Grablegung  Christi ,  von 
NeflF.  Schöne  Orgel.  —  Bei  Eröffnung  und  Schluss  des  finnischen 
Landtages  findet  hier  feierlicher  Gottesdienst  statt. 

Das  stattliche  Senatshaus  (Senatshuset,  PI.  !24),  200  m  lang  und 
100  m  tief,  umschliesst  die  Bureaux  der  meisten  fttr  Regierung  und 
Verwaltung  Finnlands  eingesetzten  Centralämter.  Im  ersten  Stock- 
werk der  prächtige  Thronsaal  mit  dem  Porträt  Nikolaus'  I. ;  in  an- 
deren Räumen  die  Porträts  Alexander's  I.  und'Alexander's  II.,  frü- 
herer Generalgouverneure  Finnlands  (Barclay  de  Tolly,  Menschikow, 
Berg  u.  s.  w.),  auch  Ekman's  Gemälde  „der  Landtag  von  Borgi". 

Die  Universität  (Alexanders  Universitet;  PI.  29)  ist  ein  palast- 
artiges Gebäude ,  zu  dem  eine  schöne  Freitreppe  aus  Granitstufen 
emporführt.  Das  durch  drei  Stockwerke  gehende  Treppenhaus 
schmücken  Sculpturen  von  SjÖstrand  („Gesang  Wäinämöinen's''). 
Dem  Eingang  gegenüber  die  grosse  Aula;  über  dem  mit  goldenen 
Löwen  gezierten  Katheder  die  Bronzebüste  Alexander's  I.  In  anderen 
Sälen  die  Marmorbüste  der  Königin  Christine  von  Schweden,  Por- 
träts russischer  Kaiser,  die  als  Thronfolger  meist  Kanzler  der  Uni- 
versität sind,  berühmter  Finnländer  u.  s.  w.  —  Die  Universität  hat 
alle  4  Facultäten  und  einen  Lehrkörper  von  c.  40  Professoren ;  die 
Zahl  der  Studenten  beträgt  gegen  1000,  eingetheilt  in  sechs  Na- 
tionen ;  ihr  Abzeichen  ist  eine  weisse  Mütze  mit  schwarzem  Bande 

und  Lyra.  . 

In  demselben  Gebäude  aueh  das  zoologische  Museum  (geöffnet  Mi.  12- 
1  U.)i  die  Münzsammlung  (Do.  11-12  U.),  das  physikalische  Cabinet  (Do. 
11-12  U.),  die  Archive  (täglich  11-2  U.)  und  im  Hofe  der  Tumsaal.  Andere 
Universitätsinstitute  sind  in  besonderen,  der  Anstalt  gehörigen  Gebäuden : 
die  Bibliothek  (s.  u.),  das  chemische  Laboratorium  (l^icolai-Gatan  5),  das  ethno- 
graphische Museum  (ebenda;  Hi.  und  Sa.  1-2 TJ.),  das  anatomische  Museum 
(Fabians-GatanSö;  Sa.  1-2  U.),  das  magnetische  Observatorium  (Berg-Gatan 
24;  täglich  geöffnet),  das  ethnographische  Museum  des  JStudentencorps  (Unious- 
gatan  20;  So.,  Mo.,  Mi.,  Fr.  12-2  U. ;  50  Pen.). 

Das  BaihhauB  (Rädhus ;  PI.  22)  enthält  die  Bureauz  der  Stadt-  und 
Polizeiverwaltung  und  (im  ersten  Stock)  das  Stadtarchiv  (10-12  ü.). 

Die  Unions  -  Gatan  vom  Senatsplatz  in  nördl.  Richtung  verfol- 
gend haben  wir  links  die  schöne  ÜniverHtäts^ Bibliothek  (PI.  2,  ge- 
öffnet an  Wochentagen  von  11-2  U.,  in  den  Ferien  nur  Mi.  und  Sa.), 
rechts  die  alte  griechische  Kirche  (PL  9),  dem  gegenüber  gelegenen 
russischen  Militär- Hospital  (PI.  4)  dienend.  Weiterhin  die  Uni- 
versitätS' Klinik  (Kliniska  Institutet,  Unions-Gatan  33-37).  Ihr 
gegenüber  der  Eingang  zum  Stadtpark,  gewöhnlich  Kaisaniemi  ge- 
nannt, eine  schöne  und  besuchte  Promenade  (*Restaurant) ;  vom 


222    17.  Route.  HBLSINGFORS. 

Pavillon  SJöaalongen  (stündlich  ein  Dampfer  nach  T51Ö ;  im  Som- 
mer Abends  oft  Goncerte)  prächtige  Aussicht. 

In  der  Unions-Gatan  n  44  auch  der  Eingang  zum  Botanischen 
Garten  der  Universität  (Botaniska  Trädgirden ;  PI.  3),  hübsch  an 
der  TölÖ-Bucht  gelegen,  mit  Orangerien  und  Treibhäusern  (geöffnet 
Di.  und  Fr.  11-1,  So.  10-1  U.). 

Vom  Societetshus  in  5stl.  Richtung  den  Commerzplatz  über- 
schreitend ,  und  über  eine  Brücke ,  welche  einen  die  beiden  Häfen 
der  Stadt  verbindenden  Kanal  überwölbt,  gelangen  wir  in  die  Vor- 
stadt Skatudden  (PI.  C  3,  4).  Nördl.  davon  der  tiefe  Nordhafen 
(Norrahamnen),  in  dem  die  Kriegsschiffe  anlegen. 

Auf  den  Hohen  von  Skatudden  die  *nene  ruMiiche  Kirche 
(PI.  10),  1870  vollendet,  deren  weisse  Thürme  und  goldene  Kuppeln 
weithin  leuchten.  Gegenüber  die  Münze  (PL  17,  nur  mit  beson- 
derer Erlaubniss  zugänglich),  das  Oefängniss  und  an  der  äussersten 
Spitze  der  Landzunge  die  stattlichen  Kasernen  der  finnischen  See- 
Equipage  (PL  5). 

Wendet  man  sich,  über  die  Brücke  zurückkehrend,  links  nach 
der  südl.  Spitze  der  Halbinsel,  so  gelangt  man ,  an  Yestra  und  Ma- 
gasins  Kajen  mit  ihren  Werften  und  Lagerhäusern  entlang,  r.  an 
der  deutschen  Kirche  (PL  8)  und  dem  hochgelegenen  astronomischen 
Observatorium  (PL  18,  geöffnet  Do.  12-1  ü.)  vorbei  zu  der  1860 
vollendeten  römisch-katholischen  Kirche  (PL  13)  am  Eingange  des 

*Ulrika8borg-Parkes  (auch  Brunnsparken  genannt;  PL B C4, 5), 
mehr  eine  Vorstadt  von  Helsingfors  mit  zahlreichen  Villen.  Am 
südlichsten  Ende  des  Parkes  das  Badehaus  (Seebäder  und  Mineral- 
wässer; gutes  Restaurant,  wo  Abends  häufig  Concerte  stattfinden). 
Im  Park  selbst  ein  kleines  Theater. 

Von  der  Südspitze  der  Halbinsel  hübsche  Aussicht  auf  die 
Inseln:  links,  zunächst  dem  Festlande,  Degerö,  dann  Sandhamn- 
stand,  endlich  eine  Gruppe  kleinerer  Inseln,  ehemals  Wargschären 
(Wolfsinseln)  genannt ,  jetzt  Bestandtheile  der  Festung  Sveaborg 
(S.  223). 

Am  südl.  Ende  der  Unionsgatan ,  bei  der  deutschen  Kirche  das 
schwedische ,  in  der  Nähe ,  Bangatan  2-4 ,  das  finnische  Normal- 
lyceum.  Weiter  durch  die  Kaserngatan  zur  Kaserne  des  finnischen 
Gardebataillons  (PL  6);  auf  dem  Hof  ein  Monument  für  die  im 
letzten  türkischen  Kriege  gefallenen  Soldaten. 

Durch  den  weiter  westl.  liegenden  neuen  Stadttheil  zieht  sich 
die  breiteste  Strasse  der  Stadt ,  der  von  Alleen  beschattete  Boule- 
varden,  mit  stattlichen  Schulgebäuden  auf  der  Südseite.  —  Am 
Kyrko-Torget  und  der  Andree-Gatan  die  von  Anlagen  umgebene  alte 
ItttheriBohe  Kirche  (PL  11),  1826  in  Holz  erbaut;  im  Innern  eine 
schöne  Orgel  und  ein  Altargemälde  von  Ekman,  Christus  die  Kind- 
lein segnend. 

Von  den  Kirchhöfen  liegt  der  lutherische  nördL  der  Lappviken- 
Gatan,  der  griechisch -russische  südlich.   Auf  ersterem  eine  kleine 


SVEABORG.  17.  Boute,    223 

Kapelle  und  einige  bemerkenswerthe  Denkmäler.  Zwischen  beiden 
bindurcb  führt  der  Weg  nach  der  Irrenanstalt  Lappviken,  einem 
kolossalen  Gebäude  an  der  Lappviken-Bucht,  umgeben  von  grossem 
Park  (Besichtigung  nur  mit  Erlaubniss  des  Directors). 

Durch  das  £sbo-Thor ,  am  Ende  der  Henriks-Gatan ,  erreichen 
wir  den  Djurg&rden  oder  Tölö-Park  (2  km;  Wagen  80  Pen.),  male- 
risch an  der  Tölö-Bucht  gelegen ,  eine  hübsche  neue  Anlage  (Res- 
taurant Alphyddan  s.  S.  21S).  Tölö,  ehemals  Zuckerfabrik,  ist  jetzt 
eine  Vorstadt  von  Helsingfors  geworden. 

Umgebungen  ton  Helsingfobs. 

Helsingfors  kann  sich  nicht  so  schöner  Umgebungen  rühmen  wie  Wi- 
borg  und  Abo.  Bemerkenswerth  und  interessant  ist  Indessen  die  Fahrt  durch 
den  schönen  Inselarchipel,  besonders  auf  der  Seite  nach  Borgä  hin. 
Die  von  den  Bewohnern  von  Helsingfors  meist  besuchten  Inseln  (Dampf- 
boote  stündlich,  gutes  Restaur.  an  Bord;  s.  6.  218)  sind:  KndkUnt  Brän- 
döJiolmy  Sumparn,  Högkolm^  Tur?u>lmt  Degerö^  Willinge  ^  Sveaborg.  —  Zu 
Lande  besucht  man  auf  der  Borgä-Seite :  Södernäs^  Oumtägt^  Oammelsiaden^ 
Wiks-Ladugärd,  Brändö^  Boihy^  Busö^  Eriksnäs ;  im  Korden  Staßarubp,  Ltnna^ 
Äggelby;  zum  Esbo-Thor  hinaus  gelangt  man  nach:  Meylam^  Munksnäs^ 
Talibi/,  Hoplax;  weiter  (13  W.)  führt  der  Weg  nördl.  "nach  dem  Hohofen 
von  Wanda^  nach  Trä$kända^  der  Familie  Karamsin  gehörig,  mit  schönem 
Park  und  grossartigen  Treibhäusern;  westl.  auf  dem  Wege  nach  Ekenäs 
zur  Poststation  Finnt,  in  deren  Nähe  reizende* Besitzungen  CBobäckvi.  a.). 

Nach  Sveaborg  fahren  kleine  Dampfboote  im  Sommer  stündlich 
von  Södrahamn  (in  c.  V2  St.,  hin  und  zurück  bequem  in  1^/4  St. ; 
im  Winter  mit  Fuhrwerk  über  das  Eis).  —  Besondere  Erlaubniss 
zur  Besichtigung  der  Festung  ist  nicht  erforderlich,  ein  Soldat 
dient  als  Führer. 

Sveaborg  (finn.  Viapori;  H5tel),  starke  Festung  und  Kriegs- 
hafen, „das  Gibraltar  des  Nordens",  1000  Einw.,  6000  Mann  Gar- 
nison im  Frieden ,  Station  für  einen  Theil  der  russischen  Kriegs- 
flotte, ist  ein  Ort  ganz  russischen  Charakters.  Die  Befestigungen 
liegen  auf  einer  Inselkette ,  die  sich  in  einer  Ausdehnung  von  c. 
1  Meile  von  der  Insel  Sandhamn  in  nordwestlicher  Richtung  zum 
Vorgebirge  Ulrikasborg  erstreckt  und  die  geräumige  Bucht  von  Hel- 
singfors abschliesst.  Die  beiden  Haupteingänge  in  die  Bucht  liegen 
östlich  und  westlich  der  Inseln  Gustavssvärd,  VargÖ  und  Stora- 

Öster-Svartö. 

Zur  Geschichte.  Nach  dem  Frieden  von  Äbo  1743  wurden  Lovisa 
mit  dem  davor  liegenden  Svartholm  (S.  216)  und  Helsingfors  zu  Festungen 
für  den  bei  Schweden  gebliebenen  Theil  von  Finnland  bestimmt.  Zum 
Schutz  nach  der  Seeseite  wandelte  man  die  Wolfsinseln  (s.  oben)  in  einen 
befestigten  Hafen  um.  Die  schwierigste  Arbeit  bei  der  Erbauung  Svea- 
borgs  war  nicht  die  Herstellung  der  15  m  hohen  Wälle,  sondern  die  An- 
lage der  Docks.  —  Im  Frühjahr  1808  wurde  die  Festung  von  den  Bussen 
cernirt  und  fiel  binnen  kurzem  durch  angeblichen  Verrath  des  Comman- 
dantcn  Admiral  Cronstedt  ihnen  in  die  Hände.  Bei  dem  Angriff  der  eng- 
lisch-französischen Flotte,  7.  August  1855,  wurden  durch  das  heftige  Bom- 
bardement nur  sämmtliche  Gebäude  im  Innern  der  Festung  zerstört;  ein 
gleichzeitiger  Landungsversuch  auf  den  Inseln  Drumsö  und  Sandhamn 
hatte  gleichfalls  kein  Resultat,  und  am  14.  zog  sich  die  feindliche  Flotte 
nach  Beval  zurück.  Seither  sind  die  Werke  von  Sveaborg  noch  sehr  ver- 
stärkt worden. 


224    Itoute  27.  EKENÄS. 

■  ■  .  Die  Hauptgruppe  der  Befestigungen  befindet  sich,  auf  4  Inseln. 
Vargöf  die  eigentliche  Festung  mit  der  Stadt  Sveaborg ,  enthält 
die  Wohnung  des  Admirals  und  des  Commandanten ,  Matrosen- 
schule, Arsenale,  Zeughäuser,  Magazine  f ftr  Ausrüstung  der  Schiffe, 
eiii  grösseres  und  zwei  kleinere,  in  Felsen  gesprengte,  hinter 
einander  liegende  Schiffsdocks;  8ti>ra^Ö9ter^SvaTtö,  nordöstlich 
von  Vargö,  lAlla^Öster  »Svartö  und  Vtster-SvartÖf  beide  nördlich 
und  nordwestlich  Vargö;  zwischen  den  beiden  letzteren  liegt  die 
kleine  Gitadelle  Löven,  Südlich  Yargö  das  •  «tärkste  der  Forts, 
Oustav88värd.  Die  Inseln  sind  sämmtlich  durch.  Brücken  mit  ein- 
ander verbunden.  —  Isolirt  liegen  ganz  im  Norden  die  befestigte 
Insel  Ldngöm  und  im  Süden  Bdkholm. 

Der  Anblick  Sveaborgs  ist,  wie  der  fast  aller  derartigen  Felsen- 
festungen, ein  ernster,  düsterer.  Der  Kriegshafen  liegt  zwischenVargÖ 
und  Stora-Öster-SvartÖ.  Am  Ufer  sieht  man  ausser  Dienst  gesetzte 
und  mit  Ketten  festgeschmiedete  Kriegsschiffe ,  die  Wohnung  der 
Invaliden  und  Festungsgefangenen. 

Ton  dem  Hafen  gelangen  wir  (in  militärischer  Begleitung)  über 
tiefe  Gräben  auf  den  Hauptplatz  der  Festung  Yargö.  Dem  Com- 
mandantenhause  gegenüber  das  auf  dem  Grabe  des  Feldmarschalls 
Orafen  Ehrensvärd  errichtete  Denkmal:  auf  einem  Granitfelsen 
mit  der  Bronzearmatur  eines  Schiffes  erhebt  sich  eine  Trophäe  aus 
Ritterwaffen;  Inschrift:  „Hier  ruht  Ehrensvärd,  umgeben  von 
seinen  Werken,  Sveahorgs  Festung  und  des  Heeres  Flotte.*  Andere 
Gedenktafeln  feiern  die  Verdienste  des  Architecten  Thunberg  und 

anderer  Theilnehmer  an  dieser  Schöpfung. 

Von  Helsingfors  nach  Hangö,  194  W.  in  8  St.  für  19.40, 13.60, 
9.70  M.  —  Bis  Hyvingt  (Wagenwechsel)  8.  S.  217.  —  Die  Bahn  tritt- in 
den  bevülkertsten  und  best  angebauten  Tlieil  von  Nylands-Län  und  ganz 
Finnland.  Zahlreiche  Fabriken.  —  77W.  Korpi.  —  102  W.  Nummela.  — 
115  W.  Lojo ,  Dorf  (3  W.  von  der  Station)  mit  hübscher  Kirche  am  Lojo- 
See.  -^  Am  Südende  desselben  und  am  Karis-Ä  (138  W.)  Svartä.  Der  Bahn- 
hof liegt  unfern  des  gleichnamigen  Herrensitzes  der  Familie  Linder,  mit 
schönem  Park  und  den  ältesten  Eisenwerken  Finnlands.  —  147  W.  Sta- 
tion Karts '^  in  der  Nähe  r.  der  gleichn.  Flecken  mit  ansehnlicher  Kirche, 
an  der  grossen  Poststrasse  von  Helsingfors  nach  Abo.  —  (10  W.  nordwestl. 
die  grossen  Kupfer-  u.  Eisenwerke  von  Fiskar»  (Hotel),  1649  gegründet, 
seit  1832  im  Besitz  der  Familie  Julin.)  —  Auf  hohen  Dämmen  oder  am 
Fusse  bewaldeter  Hügel  hin,  durch  eine  Reihe  anmuthiger  Landschaften 
nach 

162  W.  Ekenfta  (finn.  Eikneesi,Tammisaarl).  (Gasthofs  :  G  ä  s  t  g  i  f  v  a  r  - 
g&rden  und  Hangö,  beide  mit  Restaurant.  —  Rbstauravt:  Ha/en^ 
nahe  dem  Landungsplatz,  mit  Bad;  Tuppen^  bei  der  Kirche.  —  Cap£: 
Kräkan.  —  Konsul  des  Deutschen  Reichs:  C.  Hultmann.  —  Ekenäs^  altes 
Städtchen  mit  1700  Einw.,  im  Pojo- Kirchspiele,  liegt  auf  einer  weit  ins 
Meer  sich  erstreckenden  Landzunge.  Viel  Handel  und  Gewerbthatigkeit 
(Handschuhe  und  Sprotten  von  EkenSs  berühmt).  Massive  alte  Kirche 
mit  werthvoUem  Altarbild,  wahrscheinlich  einem  Beutestück  des  SOjäh- 
rigen  Krieges.  Am  östl.  Eingange  der  Stadt  der  Slottsbacken  mit  schöner 
Aussicht  auf  das  Meer  und  seinen  Inselkranz.  —  Die  Umgebungen  von 
Ekenäs  sind  besonders  hübseh.  Oestl.  der  Stadt  (10  W.)  im  Kirchspiel 
Snappertuna  die  interessanten  Ruinen  der  Bure  Raseborg ;  18  W.  davon 
im  Ingo-Kirchspiel  das  Eisenwerk  Fagtreik^  1646  gegründet,  jetzt  im 
Besitz  der  Familie  Hisinger.    Bei  dem  auf  einem  Granitfelsen  am  Rande 


TAVASTEHÜS.  18.  Soute.    225 

«ines  Sees  gelegenen  Herrenhaus  grosse  Treibhäuser  und  Orangerien.  Auf 
einer  Insel  im  See  der  Park. 

Hinter  Ekenäs  überschreitet  die  Bahn  auf  langer  Brücke  den  breiten 
Golf  von  Pojo  und  hält  sich  dann  auf  dem  hohen  r.  Ufer  desselben. 
Schöner  Blick  auf  Stadt  und  Busen.  —  177  W.  Lappvik  auf  schmaler  Land- 
zunge. Unfern  der  Station  ein  OMisk  cur  Erinnerung  an  den  am  25.  Juli 
(7.  Aug.)  1714  von  Peter  dem  Orossen  über  die  Schweden  bei  Kap  Hangö 
erfoehtenen  Seesieg.  Von  der  Bueht  von  Lappvik  kann  man  zu  Boot 
in  2  St.  die  Kapelle  von  Bromarf  erreichen,  eine  der  schönsten  Finnlands. 
Kicht  weit  von  Bromarf  die  Besitzung  der  Grafen  Aminoff,  Riil<Mks^  Schloss 
im  engl.  Stil  mit  Gemäldegallerie  und  schönem  Park.  —  Durch  waldige 
und  felsige  Gegend  nach 

194W.  Hani«  (Hangö-Udd,  Ann.  Haukonnitmi)  (Gästgifvargirden),  im 
Entstehen  begriffene  Stadt  (lOOO  E.)  mit  Seebad  auf  einer  weit  ins  Meer 
reichenden  sandigen  Landzunge,  der  südlichste  Punkt  des  finnischen 
Festlandes.  Die  von  Gustav  UI.  hier  angelegten  Befestigungen  wurden 
nach'  dem  Falle  von  Bomarsund  (S.  234)  1864  gesprengt.  Zum  Gedächt- 
niss  der  im  Kriege  1853-56  gefallenen  Offiziere  und  Soldaten  ist  ein 
Denkmal  errichtet. 

Kach  Hangö  geht  seit  1871  eine  directe  Damp/erlinU  von  Stockholm 
aus  (Fahrpreis  1.  Gl.  ohne  Verpflegung  16  Kronen,  Dauer  der  Fahrt 
19  St.).  Der  Dampfer  durchkreuzt  den  Bottnisehen  Meerbusen  und  passirt 
kurz  vor  Hangö  die  Insel  OtuUtfstvärn  mit  den  Trümmern  einer  li80  er- 
bauten, 1854  zerstörten  Festung.  Vor  der  Landung  erhalten  die  Beisenden 
die  in  Stockholm  abgenommenen  Pässe  zurück.  Am  Landungsplatz,  wo 
kurze  Zollrevision,  steht  ein  Zug  bereit,  der  die  Passagiere  zur  eigent- 
lichen Station  führt.  Billets  für  die  Eisenbahnfahrt  nach  St.  Petersburg 
(2.  CI.  22  Kronen  97  Oere)  werden  in  Stockholm  ausgegeben. 


18.    Von  Helaingfon  nach  Tavaatehns  und  Abo. 

EUei^ahn  von  Helsingfors  nach  Ibo,  266  W.  in  lOVs  8t.  für  25.60, 
17.95,  12.80  M.:  nach  Tavastehus,  100  W.  in  4  St.  für  10,  7,  5  M.;  nach 
Tammerfors,   175  W.  in  71/4  St.  für  17.50,  12.25,  8.75  M. 

Von  Helsingfors  bis  (55  W.)  Hyvingt  (Wagenwechsel  nach 
Hangö)  s.  S.  217. 

Bis  (67  W)  Riihimäki  (Wagenwechsel)  s.  S.  217. 

Gleich  hinter  Riihimäki  betreten  wir  das  Gouvernement  Ta- 
vastehus, das  In  seinem  südl.  Thelle  trefflich  angebaut  Ist.  Flaclis- 
bau  und  Ylehzucht  sind  Hauptbeschäftigung  der  Bewohner. 

75  W.  Ryttylä.  —  Hinter  (81  W.)  Leppäkoski  über  den  Vänd- 
Strom,  —  87  W.  Turenki, 

100  W.  Tavastelias  (finn.  Hämeenlinna), 

Gasthofs  :  *N  o  r  d  i  n ,  am  grossen  Platz  (im  Hotel  auch  ein  Theater) ; 
Gästgifvarg4rden,  in  der  Strasse  zwischen  Bahnhof  und  dem  grossen 
Platz;  Soeietetshus,  in  der  Sehlossstrasse,  in  beiden  auch  Bestaurant. 
—  RxsTAUHAHTS :  SocteteUhuSy  s.  oben ;  ^Park-Rettattrant^  besonders  im  Som- 
mer; Pavillon,  auch  Caf^,  auf  der  Hospital-Insel.  —  Dampfbr  von  der 
Stadt  naeh  dem  Park  mehrmals  täglich. 

Tavastehus,  Stadt  mit  4300  Einw. ,  als  Handelsplatz  unbedeu- 
tend, liegt  anmuthig  am  Väna-Stiom.  im  Süden  von  den  waldigen 
Höhen  des  ^Taf^elma-Rückens  begrenzt.  Die  breite  baumbepflanzte 
Hauptstrasse  macht  einen  freundlichen  Eindruck.  Die  hervor- 
ragendsten Gebäude  sind  das  Oouvernementshausj  die  1798  erbaute 
Kirche  und  das  gut  erhaltene  Schloss  Kronoborg  oder  Tavastehorg, 

Bussland.     2.  Aufl.  15 


226    Boute  18.  IbO. 

mit  gewaltigen  Thürmen ,  jetzt  Untersuchungsgefängniss  und  Bes- 
serungsanstalt für  Frauen. 

Die  Kronoborg  wurde  1349  von  Birger  Jarl  angelegt,  war  zeitweilig 
Residenz  des  Statthalters  von  Tavasteland,  wurde  1559  durch  Herzog 
Johann  erweitert,  1659  durch  Feuer  vernichtet,  aber  bereits  1660  wieder 
aufgebaut.  —  Die  Stadt  wurde  erst  um  1639  gegründet. 

In  der  näheren  Umgebung  der  Stadt  ist  besonders  hervorzu- 
heben der  auf  -waldiger  Anhöhe  über  dem  seeartigen  V&ni- Strom 
gelegene  Fark  mit  Pavillons,  Tempeln,  künstlichen  Ruinen  u.  s.  w. 
Von  mehreren  Punkten  prächtige  Fernsicht ;  beliebter  Spaziergang 
über  die  Brück©  nach  Dorf  V4ni,  mit  sehenswerther  alter  Kirche. 

Lohnend  ist  folgender  Ausflug  (e.  2  Tage) :  mit  dem  Ruderboot  den 
V&nä-Strom  hinab  iiber  den  Vanajavesi  (s.  unten)  und  Raututuelkä  nach 
Pälkäne  am  Mallcuveti  (in  Ontkala  ein  Gasthaus).  Von  hier  zu  Lande 
zum  KaivanU'Sund  und  auf  den  Kangcuala-Äs ,  einen  hohen  schmalen 
Bergrücken  zwischen  Länffelmänveii  und  Romesee ;  oben  vom  Thurm  präch- 
tige Aussicht.  Abwärts  über  Dorf  Kangatäla  nach  ((20  W.)  Tammerfors 
(S.  234). 

Die  Bahn  von  Tavastehus  nach  Tammerfors  geht  am  westl.  Ufer 
des  Vanajavesi  und  KononMlkä  entlang.  Die  begleitenden  Berge 
sind  niedriger  als  auf  dem  östl.  Ufer,  ohne  indess  des  malerischen 
Beizes  zu  entbehren. 

108  W.  Parola^Dorf  am  Vinft,  Sommerlager  der  russischen  Trup- 
pen. Inmitten  des  Uebungsfeldes  ein  Denkmal ,  eine  Bronzeflgur 
des  finnischen  Löwen,  errichtet  zur  Erinnerung  an  den  Besuch 
des  Kaisers  Alexander  II.  (1863).  —  Ueber]  (127  W.)  KuuHla  nach 

137  W.  Toijala,  Knotenpunkt  (Mittagsstation)  der  Bahn  nach 
Tammerfors  und  Wasa  (s.  S.  234). 

Von  Toijala  geht  die  Bahn  in  südwestl.  Richtung  nach 

154  W.  ITrdiala,  Kirchspiel;  10  W.  davon  die  grosse  Glashütte 
Notijö  (Nuutajärvi).  Ueber  (167  W.)  Forssa,  Baumwollspinnerei, 
nach  (176  W.)  Koivisto  im  Kirchspiele  Humppüa,  Dicht  vor  der 
nächsten  Station  (195  W.)  Lomugoki  überschreitet  die  Bahn,  nun 
mehr  im  Abo-Län,  den  Loimijoki.  Jenseits  wird  die  Gegend  immer 
gebirgiger;  die  Bahn  durchschneidet  den  Arm  des  Salpausselkä, 
der  von  Süden  her  auf  dem  1.  Ufer  des  Loimijoki  und  Kümo  bis 
nach  Björneborg  läuft.  Von  Karinaü  ab  werden  die  Höhen  wieder 
niedriger ;  wir  betreten  den  fruchtbarsten  Theil  des  Läns  Abo  und 
ganz  Finnlands. 

217  W.  Kyrö.  —  228  W.  Aura.  —  239  W.  Lundo ,  Kirchspiel. 
Yon  hier  an  hält  sich  die  Bahn  an  den  aumuthigen  Ufern  des  Aura 
bis  zur  Einfahrt  in  den  Bahnhof  von 

256  W.  Abo  {ünn.Turku,  von  dem  schwed.  torg,  d.h.  Markt). 

Bei  der  Akkuhft  zub  See  findet  am  Bollwerk  des  inneren  Hafens  Ge- 
päckrevision durch  die  an  Bord  kommenden  Zollbeamten,  auch  Prüfung 
der  Pässe  statt.  Die  Besorgung  des  Passes  übernimmt  der  Bdtelwirth 
(PoliKeikammer  2  M. ;  Gonvernementskanalei  1,40  M.). 

OASTHörB:  "Phoenix,  am  Alexanders-Torget,  nahe  dem  Landunga- 
platz  der  Dampfer;  Jernyägshotel,  am  Bahnhof. 

Rbstacbahts:  Samppalinna,  hübsch  am  Abhang  eines  Hügels  am 
Landungsplatz  der  Dampfer  gelegen,  mehrmals  in  der  Woche  Coneert; 


Abo.  18.  Route,    227 

Teaterschweizeriet  am  Alexanders-Torget ;  *Pinellan  in  den  An- 
lagen des  }^ieolai - Torget ;  auf  dem  Vird-Berget;  Kuppis,  bei  der 
St.  Heinrichs  -  Heilquelle  (S.229);  Allmänna  Promenaden,  auf  der 
Insel  Runsala  (S.  230 ;  Dampferverbindung) ;  Bockholm,  auf  einer  Insel 
im  Bunsala  -  Sunde  (Dampferverbindung). 

Gaf^s  ukp  Gokdjtobcisn :  Lehtinen,  Arseniigatan  2;  Lemberg, 
Hofr'ättsgatan  2. 

Bädbr:  in  Allmänna  Promenaden  und  Euppis  (s.  oben). 

Wa.«ii:  die  Fahrt  40-50  Pen, 

Post  vv.j>  Tblbobaph:  im  Gouvernement  am  Nikolai-Torget. 

Wechselcoittore  :  Finlandtbank  ^  Köpmansgatan  9;  Föreningensbank^ 
Westra  Auragatan  1;  Nordfor»  A  Co.,  am  Hafen. 

Kossub  des  Deutsehen  Beiehes :  G.  F.  Y  o  8  s ,  Slottsgatan  45. 

Dampfschiffe  :  Bureaux :  Nordfors  A  Co.^  am  Landungsplatz ;  L.  Otstrin, 
Vestra  Strandgatan  lö;  Th.  Nyström^  Ostra  Strandgatan  6  u.  a.  —  nach 
aalo  (viermal  wöchentlieh)  \  naeh  Nyttad  und  BJömeborg  (fünfmal  wöchent- 
lich); nach  den  Eisenwerken  von  Tpkö^  Mathildedal  und  KprjaOcala  über 
Salo  \  nach  Reso^  Rimito^  Nidendal  und  Lemo  (täglich) ;  nach  Runsala^  Bock- 
hölih  u.  8.  w.  (fast  stündlieh). 

Äbo  (spr.  Obu),  in  der  Niederung  am  Fasse  des  Maanselkä,  an 
der  Mündung  des  AuraJoH  und  am  Scklossfjord  gelegen ,  ehemals 
Hauptstadt  von  Finnland ,  ist  die  älteste  und  historisch  merkwür- 
digste Stadt  des  Landes ,  Sitz  des  Län-Gouverneurs  und  des  Erz- 
bischofs Yon  Finnland ,  mit  26,500  Einw.  Die  Haupteinfuhr  be- 
steht in  Manufacturen ,  Zucker,  Kaffee,  Salz;  die  wichtigsten  Aus- 
fuhrgegenstände sind  Getreide,  Mehl,  Eisen,  Holz,  Holzwaaren, 
Butter.  Der  Hafen  für  grössere  Schiffe  ist  Bockholm  auf  der  Insel 
Hirvensalo  (S.230);  kleinere  Fahrzeuge  kommen  durch  einen  Kanal 
his  zur  Stadt.  Auf  den  Werften  (Krono-,  Stads-Varf  u.  a.)  an  beiden 
Ufern  des  Aui*ajoki  werden  nicht  allein  Kauffahrer ,  sondern  auch 
Kriegsschiffe  erbaut. 

Zur  Geschichte.  Das  Emporkommen  Abos  datirt  von  der  Zeit, 
da  die  Schweden  und  das  Ghristenthum  im  Lande  Fuss  fassten  (1157).  Da- 
mals wurde  das  Schloss  (Abo  Slott,  Abohus,  8.  unten)  von  dem  schwe- 
dischen Eroberer  Erich  dem  Heiligen  erbaut.  Anfangs  von  geringer  Be- 
deutung, auch  mehrmals  geplündert  und  verbrannt,  hob  sich  die  Stadt 
im  ziii.  Jahrh. ;  Bisehof  Magnus  I.  begann  den  Bau  der  Kathedrale,  welche 
1900  vollendet  wurde.  Aber  sehon  1318  wurde  die  Stadt  von  den  Bussen 
verbrannt  und  die  Kathedrale  geplündert.  1323,  naeh  dem  Frieden  von 
Nöteborg,  beginnt  die  Blüthe  der  Stadt.  Mit  der  Einführung  der  Refor- 
mation verschwand  das  Dominikanerkloster  (1293  gegründet) :  der  Bisehofs - 
sitz  blieb  (1817  protestantisches  Erzbisthum).  162»  legte  Gustav  Adolph 
durch  Stiftung  eines  Gymnasiums,  das  Ghristine  1640  zur  Hochschule  er- 
weiterte, den  Grund  zu  der  später  so  berühmten  Universität.  Am  17.  Aug. 
1743  wurde  zu  Abo  der  Friede  geschlossen,  welcher  den  auf  Frankreichs 
Betrieb  1741  zwischen  Bussland  und  Schweden  ausgebroehenen  Krieg 
endete.  iOOS  besetzte  der  russische  General  B«xhöwden  nach  dem  Falle  von 
Sveaborg  (S.  223)  Stadt  und  Schloss  Abo.  1809  fiel  Abo  mit  ganz  Finnland  an 
Busslana ;  bald  wurde  der  Sitz  der  obersten  Regierungsbehörden,  nach  dem 
furchtbaren  Brande  von  1827  auch  die  Universität  nach  Helsingfors  verlegt. 

Die  Stadt  wurde  naeh  dem  Brande  von  1827  nach  einem  neuen 
Plane  mit  geraden,  breiten  Strassen  wieder  aufgebaut.  Die  Häuser 
sind  noch  vielfach  aus  Holz ,  nur  im  Gentrum  überwiegen  Stein- 
bauten. Die  frühere  Altstadt  lag  auf  dem  1.  Ufer  des  Aurajoki ; 
heute  ist  das  r.  Ufer,  mit  dem  1.  durch  drei  Brücken  verbunden, 
in  gleicherweise  bebaut;  die  Yorstädte  haben  sich  bis  Lill  Heik- 

15* 


228    Boute  18,  ÄBO. 

kilä,  Kuppis,  St.  Karins  und  Stör  Heikkilä  ausgedehnt.  Aucb  die> 
Yillenstadt  Runsala,  auf  der  gleicbnaniigen  Insel,  die  mit  der 
Stadt  durch  eine  Brücke  verbunden  ist,  gehört  mit  zur  Stadt. 
Gleich  beim  Eintritt  in  dieselbe  von  der  Seeseite  bemerken  wir  auf 
dem  äussersten  Ende  des  r.  Fiussufers  das  hochgelegene  Abo-Schlosa 
(Abohus ,  Slottet) ,  einen  umfangreichen ,  schwerfälligen  Bau.  Es 
besteht  aus  zwei  parallellaufenden  Gebäuden ,  in  den  Endpunkten 
durch  zwei  niedrige,  viereckige  Thürme  verbunden;  heutzutage 
dient  es  als  Kronmagazin  und  als  Untersuchungsgefangniss.  Einige^ 
Räume  sind  für  das  historische  Museum  der  Stadt  bestimmt.  Im 
Innern  sonst  nichts  Merkwürdiges,  als  die  Zelle,  in  der  Erik  XIY» 
von  Schweden  von  seinem  Bruder  Johann  eingekerkert  war. 

Von  dem  Vorgebirge,  auf  dem  das  Schloss  liegt,  hat  man  einer 
schöne  *  Aussicht  auf  die  Insel  Runsala ,  die  felsigen  Küsten  des 
Festlandes  und  auf  das  Meer  mit  seinen  tausend  Schären. 

Yom  Schloss  läuft  die  Slotts-Oatan  aus,  eine  der  Hauptstrassen, 
mit  hübschen  Kaufläden  und  Magazinen.  Am  Ende  derselben  der 
Alexandera-Torgetf  in  der  Nähe  der  Aura-Brücke,  an  welchem  dasr 
Theater,  das  H6tel  Phoenix  und  die  griechisch -russische  Kirchs 
mit  Gemälden  des  russ.  Malers  Godenhjelm  liegen.  —  R.  am  Aura- 
joki  die  meisten  Werften  und  Fabriken ,  1.,  auf  dem  Kakolaberge 
das  Zuchthaus  (Korrektionshuset).  Weiterhin  die  Westra-Espla- 
naden;  von  hier  über  die  Söder-Brücke  zur  Östra-Esplanaden, 

Wenn  wir  den  Quai ,  Östra-Strand-Gatan,  hinabwandern,  kom- 
men wir  an  die  Aura-Brücke,  an  der  die  Zollkammer  und  die  Dam- 
pfer liegen ;  weiter  über  die  Stora  Tavast-Gatan  r.  einbiegend ,  ge- 
langen wir  auf  den  ^Yird-Berget  mit  hübschen  Parkanlagen  und 
einer  Restauration.  Von  den  beiden  steinernen  Gebäuden  ist  das 
grössere  das  frühere  Observatorium ,  jetzt  Navigationsschule ,  das 
kleinere  Signalthurm.  Am  Fusse  des  Värd- Berget,  in  der  Stora 
Tavast-Gatan,  das  Gebäude  der  ökonomischen  Gesellschaft,  1797 
gegründet  zur  Hebung  der  Landwirthschaft ,  der  Künste  und  In- 
dustrie. Im  unteren  Stock  eine  permanente  Industrie- Ausstellung, 

Zum  Quai  zurück  und  diesen  entlang  gehend,  kommen  wir  auf 
den  Nikolai-  oder  Domkyrko-Torget,  mit  freundlichen  Promenaden. 
In  diesen  ein  Denkmal  des  finnischen  Geschichtschreibers  Porthan 
(f  1804) ;  am  Sockel  bildliche  Darstellungen,  die  Porträts  des  Bischof 
Tengström  und  des  Dichters  Franz^n,  sowie  die  finnische  Inschrift: 
„Dem ,  der  Finnland  und  Finnlands  Yolk  zu  Ehren  brachte ,  hat 
dies  Denkmal  das  gesammte  Yolk  Finnlands  errichtet**.  Ferner  an 
dem  Platze  das  Gymnasium,  bereits  1628  gegründet,  und  das  Stadt- 
haus.  Auf  der  anderen  Seite  das  Gouvemements-Haus  und  die 

*Domkirehe  (Domkyrkan,  früher  St.  Henriks -Kathedrale),  ein 
massiger  Backsteinbau  spätromanischer  Zeit  (1300  geweiht) ,  maje- 
stätisch inmitten  des  früheren  Begräbnissplatzes,  auf  dem  Unikan- . 
kari-Hügel  gelegen.  Ein  nicht  sehr  grosses  Portal  an  der  Westseite 
führt  in  das  sehenswerthe  Innere. 


Abo.  18,  Route.    229 

Der  hohe  Chor^  mit  einem  Ait&rgemälde  von  dem  schwedifichen  Maler 
Westin,  enthält  Fresken  von  Ekman;  rechts:  Bischof  Heinrich  von  Vpsala 
•die  Finnen  an  der  Qnelle  Kuppis  (s.  unten)  taufend ;  links :  Bischof  Agricola, 
der  Schüler  Luther^s  und  Melanehthon^s ,  dem  König  Gustav  Wasa  das 
in  die  finnische  Sprache  übersetzte  Ifeue  Testament  überreichend.  Die 
kleinen  Fresken  stellen  Episoden  ans  dem  Leben  des  Heilands  dar.  Dem 
Chor  gegenüber  die  grosse  Anderson*sehe  Orgel  ^  die  schönste  Finnlands. 
Jm  Chor  die  Grabkapellen  schwedischer  Adelsgesehlecbter.  B.  zunächst 
die  der  Totti.  Das  Marmorbild  des  Bitters  in  voller  Büstung  in  einer 
Nisehe  ist  Ate  Tbft,  sehwedischer  General  im  90jährigen  Kriege ;  ihm  zur 
•Seite  s^ne  Gemahlin  Sigrid  Bjelke.  In  der  tiefen  Gruft  unter  dem  Chor 
Uegen  Ake  Tott,  Sigrid  Wasa,  die  Tochter  König  £rik*s  XIV.  und  der 
Katharina  M&nsdotter  (s.  u.)  u.  a.  Westl.  von  der  südliehen  Kirchenthür 
die  Grabkapelle  der  Familie  Stälhandske;  östl.  vom  Eingang  zur  Sakristei 
die  der  Familien  Hörn  und  Kurck  (gewöhnlich  KanktWech«  genannt,  s. 
S.  232),  die  schönste  in  der  Kirche.  Hier  auch  der  1866  errichtete  präch- 
tige Sarkophag  der  vielgeprüften  Konigin  Katharina  M&nsdotter,  eines 
armen  Soldatenkindes,  welches  Erik  XIV.  zu  sich  auf  den  Thron  erhob 
<t  1612  zu  Liuksiala).  In  den  Kapellen  einige  schöne  Kirchen/enHer  von 
Wladimir  Schwertskow^  das  eine  stellt  Katharina  Mänsdotter  dar,  wie 
sie,  einem  sch«redisch  gekleideten  Pagen  die  Krone  übergiebt  und  ge- 
stützt 9xd  einen  blonden  Pagen  aus  Tavastland,  vom  schwedischen 
Thron  hemiedersteigt^  das  zweite  Gustav  II.  Adolf  am  Lager  des  ster- 
benden ^eldmarschalls  Hom.  In  der  Kapelle  zwischen  der  Sakristei  und 
der  grossen  nördl.  Kirchenthür  das  Grabdenkmal  des  Erzbischofs  Magnus 
Tavatt  und  des  ersten  evangelischen  Bischofs  Marie»  SOtytte  (f  1560).  — 
Die  Sakristei  umschliesst  nur  noch  einige  wenige  sehenswerthe  Ueberreste. 

Das  Oonvernemontshaiu,  ia  der  ehemaligen  Universität,  enthält 

-die  Wohnung  des  Län-Gouverneurs ,  das  Hofgericht ,  die  Briefpost, 

OouTernements-Archiv  u.  a.   Dts  Qebäude,  von  Gustav  IV.  Adolf 

zur  Aufnahme  der  Universität  erbaut,  entging  zwar  dem  Brande  von 

1827,  doch  wurde  letzterer  die  Ursache  der  Verlegung  der  Hoch- 

■schule  nach  Helsingfors. 

Sehenswerth  ist  die  frühere  Aula  mit  sechs  Hochreliefs  vom  schwe- 
dischen Bildhauer  Kaimberg.  Das  erste,  links  vom  Eingange :  Wäinämöinen, 
di&  Kantele  spielend  \  Menschen,  Thiere,  die  ganze  Natur  lauscht  seinem 
Gesänge.  Das  zweite  zur  Linken :  Graf  Peter  Brahe  und  Bischof  Botovius 
In  Berathung  über  Gründung  einer  Universität  (1640)  für  Finnland.  Das 
dritte,  rechts  vom  Eingänge :  Bischof  Heinrich  von  Upsala.  die  heidnischen 
f  innen  taufend.  Das  vierte  zur  Bechten:  Axel  Oxensgema  überreicht 
der  Königin  Ghristina  das  Decret  der  Universität-s-Gründung  zur  Unter- 
schrift. Schliesslich  links :  Gustav  IV.  Adolf  und  seine  Gemahlin  Frie- 
derike Dorothea  bei  der  Grundsteinlegung  der  Universität ;  rechts  die  vier 
F'acultäten. 

Die  Stora  Tavast-Gatan  führt  weiter  zum  Tayastthor;  hier  das 
•allgemeine  Krankenhau»  des  Län;  in  der  Nähe  zwei  Kasernen. 

Nähere  Umgebungen.  Der  Weg  vom  Nicolai-Platz,  durch 
die  Arsenii-Gatan  und  das  Nylands-Thor  führt  uns  durch  hübsche 
Parkanlagen  zu  dem  Gesundbrunnen  und  Caf^-Restaurant  kuppis. 
Die  St.  Heinrichs- Heilquelle  (Ruppis-Helso- Brunnen)  war  schon 
in  der  Vorzeit  berühmt ;  mit  ihrem  Wasser  sind  der  Sage  nach  die 
ersten  christlichen  Finnen  getauft  worden.  Jetzt  befindet  sich  dort 
der  botanische  O arten  der  flnnländischen  Gartenbau-Gesellschaft. 
Weiter  hinaus  die  Kirchhöfe.  —  S.-w.  von  Kuppis,  dicht  bei  der 
fitadt  der  Landsitz  IAH  Heikkilä  und  weiter  s. ,  am  Moikos-Sund 
entlang  über  Uittamo,  der  Landsitz  Iipois  mit  schönem  Park. 


230    Boute  18,  ABO.  Ausfluge 

Nordöstl.  auf  dei  Strasse  nach  Tavastehus  die  Stadt  yerlassend, 
kommen  wir  nach  Bt.  Karins,  am  1.  Ufer  des  Aurajoki  (1  km).  Di& 
kleine,  steinerne  Kirche  soll  ehemals  eine  Kapelle  des  Franzis- 
kaner-Klosters gewesen  sein.  In  der  Nähe  am  Aurajoki  die  Mahlen 
von  HaUü  sowie  der  gleichnamige 'Kreidebruch  und  Wasserfall. 
Auf  dem  anderen  Ufer  des  Aurajoki  das  Kirchspiel  St,  Marie.  Die 
wohl  erhaltene  St.  Marien-Kirohe,  ein  bemerkenswerther  Backstein- 
bau, ähnlich  der  Aboer  Domkirche,  soll  1161  bei  dem  Dorf» 
Räantämäki  auf  Geheiss  des  Bischofs  Heinrich  von  Upsala  als  erst» 
christliche  Kirche  erbaut  worden  sein  und  war  bis  1300  Kathedrale. 
Nahe  St.  Marien  die  Porterbrauerei  Kärsämäki, 

Westwärts  ist  die  Stadt  in  der  Nähe  des  Schlosses  durch  eine 
lange  Pfahlbrücke  (Brückenzoll),  mit  der  Insel  *Buifala  (Ruissalo) 
verbunden.  Ehemals  war  diese  reizende  9  W.  lange  Insel  Krongut 
mit  Jagdpark ;  später  wurde  sie  die  Sommerresidenz  der  Län-Gou- 
verneure  von  Abo-BjÖrneborg ,  1845  mit  der  Stadt  vereinigt ,  der 
Boden  parcellirt.  Runsala  ist  berühmt  durch  seine  reiche  Flora  und 
seine  in  Finnland  seltenen  Eichenwaldungen.  Inmitten  der  Insel 
eine  Quelle  mit  Inschrift  zur  Erinnerung  an  den  Dichter  Ghoräus, 
der  eine  Zeit  lang  hier  weilte.  Auf  dem  schönsten  Punkte  der  An- 
lagen das  Restaurant  Allmänna  Promenaden  (S.  227).  —  Von  Run- 
sala oder  der  Stadt  fährt  man  auch  nach  dem  Hafen  und  dem  Yer- 
gnügungsort  Boekholm,  gegenüber  Runsala,  auf  der  Insel  HirvensaZo. 

Ausflöge  von  Abo. 
A.  Schloss  Kuustö,   Die  Eisenwerke  TykÖ,  Mathildedal  und  Kir~ 

JakkcUa.   Salo, 

Abfahrt  von  der  Aura-Brücke.  Nachdem  wir  den  Lauf  des  Aura- 
joki bis  zur  Mündung  verfolgt,  wendet  der  Dampfer  sich  links  in 
den  Moikoa^Sundj  zwischen  dem  Festlande  und  der  Insel  Hir- 
vensalo.  Auf  letzterer  rechts  der  Landsitz  Syväldks,  auf  dem  Fest- 
lande links  Lill  Heikkilä,  Ispoi»,  Park  Katharinedal  und  Waar- 
niemi.  Beim  Eintritt  in  den  Lemo-Sund  links  das  Landgut -Xemo 
(low.),  rechts  die  Inseln  Präd^Ao^m,  Kulho  u.  a.,  weiter  die  Kirche 
von  Kdkskerta.  Dann  links  in  den  Kuustö^Sund  einbiegend,  er- 
blicken wir  theils  auf  dem  Festlande,  theils  auf  der  Insel  Kuustö 
die  Landsitze,  Gärten  und  Parks  von  Koristo,  Mattelmäki,  Kärkis, 
die  Besitzungen  Rauhalinna,  Woiwala,  Tuorila  und  das  reizende 
Radelma ;  im  tiefsten  Einschnitt  des  Kuustö  -  Sundes  die  Kirche 
von  Piikkiö,  Rechts  um  die  Kuustö- Insel  biegend,  haben  wir  auf 
einem  Hügel  vor  uns 

28  W.  KuiiBtö  (Ann.  Kuusluoto,  Kycra),  mit  der  Ruine  eines  deot 
ehem.  katholischen  Bischöfen  von  Finnland  gehörigen  Schlosses. 

Der  Dampfer  geht  von  Lemo  (s.  oben)  direct  südl.  in  den  Wan- 
naren-Sund,  nach  JuUas  und  Muddais  (Station),  dann  immer 
durch  enge  malerische  Sunde.    Im  Kirchspiele  Pargas  das  schöne 


von 


Äbo.  SALO.  IS.  Route.    231 


Schloss  Qni^ja  mit  Park,  einst  der  Familie  Fleming  gehörig,  jetzt 
im  Besitz  der  Familie  Heurlin.  Das  alte  ScWoss  der  Fleming,  heute 
als  Kommagazin  benutzt,  ist  noch  gut  erhalten  und  weist  Reste  von 
Wandmalereien  auf.  Aus  dem  engen  Sunde  gelangen  wir  iA  den 
grossen  Femar-fjord^  an  der  Grenze  des  Kirchspiels  Kimito.  Rechts 
der  Landsitz  Sandö,  in  dessen  Nähe,  im  Sandöström,  sowie  in  dem 
weiter  südl.,  westlich  der  Insel  Kimito,  gelegenen  Jungfru  -  Sund 
1808  eine  Seeschlacht  geliefert  wurde.  Links  zwischen  Baum- 
gruppen Schloss  Karuna  im  Kirchspiel  Sagu ,  ehenfalls  ehemals 
Eigenthum  der  Familie  Fleming.  Weiterhin  rechts  das  prächtige 
und  trefflich  bewirthschaftete  Landgut  Westankärr. 

Auf  der  Insel  Kimito  (3  Heilen  nordwestl.  von  Hangö),  der  grössten 
der  Schären,  und  andren  in  der  Kähe  gelegenen  Inseln  wird  viel  Kalk 
gebrannt  und  Eisenerze  gebrochen.  Bemerken^werth  sind  auf  ihr  die 
i<andgüter  Sjölaks^  Brönni>oda  und  SJnnnanoUt,  ferner  die  Hohöfen  und 
Eisenwerke  DahUbruk  und  Björkhoda. 

In  dem  engen  Sunde  zwischen  dem  Festlande  und  der  Insel 
Kimito  passiren  wir  rechts  die  hübsche  steinerne  Kirche  von  Läpp- 
daX,  in  dessen  Nähe  das  Landgut  Wik  mit  schönem  Park  und  reizend 
gelegenen  Inseln ,  die  kleine ,  auf  einem  Hügel  erbaute  Kirche  von 
Angelniemi.  —  Bei  der  Insel  WartscUa  wenden  die  Dampfer,  welche 
die  Eisenwerke  Tyko  u.  s.  w.  besuchen ,  rechts  nach  Süden  in  den 
engen  Sund:  (86  W.)  Xiijakkala,  Eisenwerk,  Mathildedal,  Eisen- 
werk, Tykb  (Teijo),  Hohofen. 

Die  Dampfer  nach  Salo  treten  in  den  Halikko-Busen  ein.  Links 
zunächst  das  wohlerhaltene  alte  Schloss  Wuorentaka,  ehemals  der 
Familie  Hörn  gehörig;  weiterhin  die  Domäne  Wiurila,  Stammgut 
eines  Zweiges  der  Familie  Armfeit,  mit  hübschem,  modernen  Schloss 
und  schöner  Aussicht  vom  Magazins-Berget.  Dann  das  Majorat  der 
Familie  Armfeit,  *A2iiixuLe.  Sehenswerth  das  alterthümliche  Wohn- 
gebäude, in  dem  Gemälde  von  Kaufman  und  Breda ,  Marmorwerke 
von  Sergel,  die  Bibliothek,  der  Park,  die  Obstgärten,  Treibhäuser, 
Orangerien u.  s.  w.  Den  Fluss  üskela  hinauffahrend,  hält  der  Dampfer 
an  der  Brücke  von  Salo. 

84  W.  Salo  (Caio;  kleines  Hotel),  Marktflecken  im  Kirchspiel 
Salo  oder  IJskela ,  mit  ansehnlichem  Handel ;  es  hat  nur  das  Privi- 
legium eioes  Marktfleckens  (1860),  weil  es  auf  dem  Grund  und 
Boden  der  Domäne  Äminne  erbaut  ist,  welche  letztere  auch  die  Ab- 
gaben erhebt.  Südl.,  auf  der  Strasse  nach  Ekenäs,  kommen  wir  zur 
schön  gelegenen  Kirche  von  Uskela;  westl.,  am  Ufer  des  Halikko- 
Busens  entlang,  zur  Domäne  Aminne ;  durch  den  Park  der  letzteren 
zur  Domäne  Wiurila  (s.  oben) ;  nördl.,  auf  der  Strasse  nach  Abo, 

in  das  Kirchspiel  Halikko. 

Ein  Dampfer  kehrt  denselben  Tag  nach  Abo  zurück;  andere  fahren 
südwärts  die  obengenannten  Eisenwerke  Tykö  u.  b.  w.  an. 

JB.   Von  Abo  nach  Nystad  über  Nddendal. 

Mit  der  Post  nach  N4dendal  17  W.,  nach  Nystad  (s.  unten)  76  W.  -^ 
Interessanter  ist  die  Seefahrt.   Die  Dampfer  nach  N&dendal  gehen  täglich. 


232    Boute  18,  NYSTAD.  Ausflüge 

die  nach  Kystad  (Björneborg)  fünfmal  in  der  Woche  von  Abo  ab.   Letzteie 
kehren  den  folgenden  Tag  nach  Abo  surüek. 

Durch  den  Runsala-Sund,  zwischen  der  Insel  Hirvensalo  uAd 
Runsala,  bei  der  Insel  Bockholm  vorbei,  kommen  wir  in  den  Ersten- 
Fjord,  Der  Dampfer  wendet  sich  dann  nordwärts;  rechts  Runsala, 
links  eine  grössere  Insel  mit  dem  Landsitz  Ekstensholm.  An  den 
Felseninseln  Kukkarokivi  und  Kaskinen  vorbei  in  den  KuklarO' 
kivi-Fjord,  der  nördl.  mit  dem  Reso  Vik  tief  in  das  Festland  ein- 
schneidet. Der  Ran/ma-Sund  zwischen  dem  Festlande  und  der  Insel 
Luonamaa  verengt  sich  immer  mehr  bis  dicht  vor  N&dendal ,  wo 
wir  ein  förmliches  Felsenthor  passiren. 

18  W.  N&dendal  (Ann.  Naantali,  d.  i.  Gnadenthal. 

Gasthof:  Toivo;  mehrere  Badehäuser  (ScBlamjnbäder)  mit  einer 
Jtfusikhalle,  in  der  morgena  Mineralwässer  getrunken  werden  (5-8  U.). 

Nädendal,  alte,  einst  ansehnli&he,  jetzt  heruntergekommene 

Stadt;  mit  600  Einw.,  erhielt  schon  1443  Stadtrecht  und  errichtete 

zum  Dank  ein  Brigitten- Kloster ,  seiner  Zeit  hochangesehen.   Die 

-sehr  alte,  nördl.  der  Stadt  am  Meere  gelegene  Kirche,  neuerdings 

restaurirt,  enthält  noch  einige  Grabdenkmäler,  Gdmälde,  Sculp- 

turen  etc.   N&dendal  ist  als  Badeort  sehr  besucht.  Der  Handel  ist 

unbedeutend;  N&dendaler  Honigkuchen  berühmt. 

22  W.  von  X&dendal,  zwischen  den  Poststaiionen  MvmOckala  und  Mäen- 
kylä,  im  Kirchspiel  Masku,  liegt  links  von  der  Strasse  »TfanVai,  Stamm- 
gut der  Familie  Hom^  deren  Mitglieder  in  der  schwedischen  und  fluni* 
sehen  Geschichte  eine  so  grosse  Bolle  gespielt  haben.  Das  Schloss,  ein 
steinerner,  viereckiger  Bau,  wurde  im  xiv.  Jahrh.  erbaut.  Das  Gut  ge- 
hört jetzt  der  Familie  Aminow. 

Jenseit  N&dendal  passiren  wir  den  Sund  und  die  Kirche  von 

Merimasku  (Station  des  Dampfers).    Dann  windet  sich  das  Boot 

-durch  den  sich  westwärts  erstreckenden  Archipel. 

8d  W.  Ifyitad  (Ann.  Uusi  kawpunki,  HflCTaAi). 

Ziemlich  gutes  H ö t e  1  mit  Bestaurant,  und  Rest.  Odotus  am  Hafen. 
—  Am  Markt  ein  Garten,  Barnträdsg&rden  (Lastentarha).  —  Sub- 
marine Eabelverbindung  mit  Schweden. 

Nystad,  Hafen-  und  Handelsstadt  mit  3800  Einw.,  hat  Schiffs- 
werften, Tabakfabriken  und  Gerbereien.  Die  Nystader  Orgeln  sind 
l)erühmt.  Sehenswerth  die  gothische  neue  Kirche,  in  der  Nähe  des 
Hafens ,  auf  weitem  Platze ,  mit  Gemälden  von  dem  hier  gebornen 
MaJer  Ekman  (f  1873  zu  Abo).  —  Die  Stadt  wurde  1617  unter 
<}ustav  II.  Adolf  gegründet  und  hat  viel  von  Bränden  (zuletzt  1855) 
zu  leiden  gehabt.  In  Nystad  wurde  am  30.  Aug.  1721  der  Friede 
igeschlossen,  welcher  die  Russen  im  Besitze  von  Ingermanland,  Esth- 
land,  Livland  und  einem  Theile  von  Karelien  bestätigte. 

Von  Nystad  kann  man  mit  den  von  Ibo  kommenden  Dampfern  die 
Eüstenstädte  des  Bottnischen  Meerbusens  besuchen,  vgl.  S.  200. 

(100  W.  von  ibo)  Baumo  (Bauma)  (Post;  Best.  Suoja  am  Hafen),  alte 
Stadt  am  Meere  (3500  £.) ,  angeblich  schon  1287  gegründet.  1441  erhielt 
sie  Stadtprivilegien  und  legte  zum  Danke  ein  Franziskanerkloster  an,  das 
1&38  von  Gustav  I.  Wasa  geschlossen  wurde.  Altes  interessantes  Bath- 
haus.  —  38W.  östl.  am  Ausflusse  des  Burajoki  aus  dem  Pyhyärvi,  im 
^ura-Kirchsjpiele,  KauUtta,  Geburtsort  der  Bomanschriftstellerin  Friederike 
JBremer  (f  1866),  mit  sehönem  Park.    An  dem  in  der  Nähe  gelegenen  See 


von 


Äho,  .  BJÖRNEBOBG.  18.  Raute.    233 


JSSyliöJärvi  wurde  der  Sage  nach  der  Bisehof  Heinrich  von  Upsala,  der 
^rste  Verkündiger  des  Cli^istenthums  in  Finnland,  ermordet. 

168  W.  Bidmeborg  (Ann.  Fori).  —  Hötbls:  Ottuea^  zugleich  Gesell- 
sehaftshaus,  in  dem  Bälle,  Theater  u.s.  w.  stattfinden;  KanctwaUMo^  im 
Hittelpunkt  der  Stadt ;  HÖtel  mit  Restaurant  auf  der  Insel  Räfsö  (Seebad) 
•an  der  Mündung  des  Eumo-Elf  (Dampferverblndung  mehrmals  täglich; 
nach  XJle&borg  einmal  wöehentl.)-  —  umuTBCBmn  Kohsüx.:  O.  Wenttel. 

Bjömehorg^  am  Südufer  des  Kumo-El/^  3  Meilen  von  dessen  Mündung, 
im  Ulfsby-Eirehspiele,  mit  9000  Einw.,  ist  eine  der  ältesten  und  wichtig- 
■sten  Handels-  und  Fabrikstädte  Finnlands.  IHe*  auf  Pontons  rahende 
ÖMrloiten-Brücke ^  1854  erbaut,  verbindet  die  beiden  Ufer  des  Kümo  (im 
3ommer  lebhafte  Promenade).  Die  gothisehe  Kirche  mit  hübschem  Glocken- 
thurm  ist  nach  Plänen  des  Architekten  Ghiewitz  1863  erbaut;  Altarge- 
mälde  von  Ekman,  Orgel  aus  Ifystad.  Das  SiadihatM  ist  ein  imposantes, 
modernes  Gebäude  auf  einer  Höhe  am  Flussufer;  von  hier  hübscher 
Anblick  der  Stadt.  Neues  Theater.  Der  Hafen  ist  auf  Rc^sö  (ViUen  und 
Sommerwohnungen  für  Badegäste,  s.  oben).  —  1365  erhielt  Ulmlankytä 
<Gammelby,  d.  i.  das  alte  Dorf)  Stadtprivilegien.  1853  wurde  die  neue 
Stadt  durch  Feuersbnmst  serstört,  185o  nach  ihrem  jetzigen  Standort  auf 
dem  Krongute  von  Bjömehorg  verlegt  und  neu  aufgebaut. 

In  der  Umgegend  viele  Industrielle  Etablissements ;  bedeutender  Lachs- 
fang  längs  der  Ufer  des  Kümo.  Im  Ä'vmo  -  Kirchspiele,  c.  4  Meilen  ober- 
halb Bjömeborg,  ein  altes  Gebäude,  in  welchem  der  Sage  nach  Bischof 
Heinrich  (s.  oben)  gepredigt  haben  soll.  Dieses  Haus  ist  1857  mit  einem 
steinernen  Bau  umgeSen  worden.  Oberhalb  Kümo  bildet  der  Kumo-Elf, 
der  sich  zwischen  dem  Satakuntaselänne  und  dem  Bonkkakaup^as  aus- 
breitet, den  Kettareen-Fall  zwischen  dem  Hochlande  und  Tieflande 

Bei  der  Fortsetzung  unserer  Seereise  passiren  wir  Räfsö  (s.  oben). 

231  W.  Xristinattad  (finn.  Kristiina).  Hötbl:  Fonteil,  am  Grossen 
Platz.  DAMPrBS  (besonders  Sonnabends  und  Sonntags)  nach  dem  Ver- 
gnügnngsort  und  Restaurant  auf  der  Insel  Högholm;  nach  Ule&borg  3mal 
wöchentlich.    Dxutschbr  Kokscl  :  C.  CarUtröm. 

Mrittineitad,  Hafen-  und  Fabrikstadt  auf  einer  Landzunge  im  Lapp- 
Qords-Kirehspiel,  mit  2720  Einw.,  wurde  1649  vom  Grafen  Brahe  angelegt 
und  ist  seit  lo45  durch  eine  schöne  Brüdte  mit  dem  Festlande  verbunden. 
Bemerk enswerth  das  Stadthaue^  die  Brauerei  Nord  (vorzügliches  Bier).  — 
Xaekö^  kleine  Stadt  auf  einer  Insel,  die  durth  eine  c.  250  m  lange  Brücke 
Verbindung  mit  dem  Festlande  (Narpes)  hat. 

844  W.   Wata  (S.  29^. 

C  Die  Alands -Inseln. 

Dampfer  von  Ibo  (S.  226)  nach  Stockholm  via  Alands-Inseln  in  17  St. 
für  28-w  M.  ohne  Verpflegung.  Einige  Dampfer  legen  in  Mariehamn 
<S.  284)  an. 

Wenn  der  Dampfer  seine  gefahrliche  Bahn  durch  die  Aboer 
Schären^  an  den  Inseln  und  Kirchspielen  SMlö  (Irrenanstalt),  Nagu, 
Korpo,  HouUkär  Torbei,  glücklich  zurückgelegt  hat,  trifft  der  vor- 
wärts gerichtete  Blick,  über  den  schmalen  Skiftet  -  Sund  hinweg- 
gleitend, von  neuem  auf  eine  Reihe  TOn  Inseln,  in  ihrer  äusseren 
Erscheinung  den  eben  gesehenen  gleich ,  aber  zahlreicher  und  sich 
weiter  ausdehnend:  die  Alands -Inseln. 

Die  Alands-Inseln  (Aländska  Skärg&rden,  ftnn.  Ahvena,  Ahvena- 
maa,  Axamcaie  0.),  5eo4y  und  60O40^  nördl.  Breite  und  36040^  und  89040^ 
•östl.  Länge,  mit  einem  Flächeninhalt  von  22  O  Meilen,  sind  von  Finnland 
4urch  das  8/4-4  Meilen  breite  Skiftet,  von  Schweden  dureh  das  5  Meilen 
breite  Alands  Haf  getrennt.   In  sich  sind  die  Inseln  wiederum  durch  zwei 


234    Route  18.  TAMMERFORS.         Von  Tavastehus 

ehemals  seine  eignen  Oouverneure  hatte  und  zu  der  Diöcese  TJpsala  ge- 
hörte, fällt  heute  in  politischer  Beziehung  unter  das  Gouvernement  Aho- 
Bjömeborg  und  wird  in  8  Kirchspiele  und  7  Kapellen  getheilt. 

(116  W.  von  Abo)  Mariehamn  (Mapiexan),  auf  der  Südküste  vom 
Festland  Aland,  am  Swiby-Busen,  mit  4Ö0 Einwohnern.  -^  20  W. 
Yon  Mariehamn  liegt  Xastelholm,  Flecken  mit  den  schönen  Ruinen 
eines  Schlosses.  —  2W.  entfernt  Sund,  Kirchspiel  mit  der  alter- 
thümlichen  steinernen  St.  Johanniskircke ,  der  grössten  auf  den 
Alands 'Inseln.  Ueber  dem  Altar  sehr  alte  Sculpturen  ,  den  Hei- 
land, die  Jungfrau  Maria  und  die  12  Apostel  darstellend.  Vor  der 
Kirche  der  „Stein  der  Königin''  an  der  Stelle,  wo  Königin  Katharina 
vom  Pferde  gestiegen ,  nm  sich  in  die  Messe  zu  begeben ;  dieser 
Fürstin  verdankt  die  Kirche  ihren  Glockenthurm. 

(8  W.  von  Kastelhokn)  Skarpans  (Bomarsund) ,  1854  zerstörte 

Festung  im  Sunds-Kirchspiele  am  Bomarsund. 

Die  Werke  von  Bomarsund  lagen  auf  einer  Landzunge  der  ITordost- 
küste  der  Hauptinsel  nahe  dem  Flecken  Skarpans.  Am  21.  Juni  1854  be- 
gannen die  Engländer  unter  Kapier  das  Bombardement  der  noch  un- 
vollendeten und  nur  mit  c.  2200  Mann  und  109  Geschützen  belegten  Fes- 
tung und  zwangen  dieselben  im  Verein  mit  einem  11,000  Mann  starken 
französischen  Expeditionscorps  unter  Baraguay-d*Hilliers  nach  fast  zwei- 
monatlicher Belagerung  am  16.  August  zur  Gapitulation.  Die  Werke 
wurden  nach  der  Einnahme  gesprengt  (27.  August)  und  dürfen  laut  dem 
Pariser  Frieden  nicht  wieder  hergestellt  werden. 

c.  24  W.  östlich  von  Mariehamn,  Begerby,  im  Kirchspiel  FöglÖ, 
besuchtes  Seebad.  Auf  dem  Wege  von  Mariehamn  nach  Degerbiy  auf 
Lemland  das  ansehnliche  Dorf  Oranboda, 

c.  8  W.  westlich  von  Mariehamn ,  Godhy,  im  Kirchspiel  Fin- 
ström ,  Hospital  und  technische  Schule. 


19.  Von  Tavastehns  über  Tammerfors  nach  Nikolaistad- 

Wasa  und  ine&borg. 

EisxxBAHN  nach  Waia^NikolaitUu»  361  W.  in  c.  21  St.  für  (II.  Kl.)  26.35, 
an.  Kl.)  18.05  H.  i  nach  Oamla-Karleby  416  W.  in  e.  25  St.  für  21.50, 14.3011. ; 
nach  üleäborg  QCA  W.  in  c.  34  St.  für  31.30,  21.70  M.  ->  Übernachten  in 
Östermyra  (8.  236). 

Tava9tehu8  s.  S.  225.  —  Bis  (37  W.)  ToiJ(aa  s.  S.  226. 

Ueber  (44  W.)  WiicUa  geht  die  Bahn  auf  schmaler  Landenge 
zwischen  zwei  Seen  bei  der  Kirche  von  Lempäalä  vorbei ,  passirt 
(55  W.)  Lemhoia  und  das  Landgut  Hatanpää  und  erreicht 

175  W.  Tammerfors  (finn.  Tampere), 

Gasthöfe:  Wasa  (deutscher  Wirth),  dicht  am  Bahnhof;  Soele- 
tetshns,  auf  dem  grossen  Platz  (Z.  3M.).  —  Bbstausaktb:  in  den  Hotela 
nnd  auf  der  Commerz-Strasse.  —  Waobm  :  auf  der  Post  und  bei  JAndbtrg 
in  der  West-Strasse.  —  Damptschiftb  :  nach  Ruovtti^  Wisuvesi^  Wirdoit, 
Wochentags  für  SlA-S  M.  in  8-9  St. ;  nach  Filppula  Mo.  für  2—4  M.  —  Post: 
nach  Kuopio  (8. 213)  über  Jyväskylä  (368  W.). 

Tammerfora,  die  grösste  Fabrikstadt  des  Landes  und  namhafter 
Handelsplatz,  mit  16,800  Einw.,  liegt  anmuthig  im  Messuby-Kirch- 
spiel  am   Tampfreenkoßki  (Wasserfall)  bei  der  Vereinigung  des 


nach  Wasa.  ÖSTERMYRA.  19.  Route,    235 

Näaijärvi  und  Pyhäjärvi,  Per  Ort  wurde  1779  angelegt  und  er- 
hielt 1821  Stadtprivilegien.  —  Die  steinerne  Kirche  liegt  im  Westen 
der  Stadt  jenseits  der  Promenade  auf  einer  Höhe;  sie  so  wenig  wie 
die  englische  Kapelle  bieten  besonderes  Interesse.  Das  Sehens- 
wertheste  in  Tammerfors  sind  der  WMserfaU  und  die  ihn  umgeben- 
den Parks. 

Der  Tampereenkoski^  mitten  in  der  Stadt  gelegen,  ist  eine  den  oberen 
Käsijäryi  mit  dem  unteren  Pybäjärvi  verbindende  Stromsclinelle ,  mit 
20m  Fall  auf  die  Strecke  von  S  W.  Seit  dem  Besnehe  Kaiser  Alezander^s  I. 
{1819}  hat  man  begonnen,  die  Wasserkraft  des  Tampereenkoski  der  In- 
dustrie dienstbar  zu  machen^  auf  beiden  Ufern  Fabriken  errichtet  und 
über  den  Strom  swei  lange  Brücken  gesehlagen  •,  an  der  oberen,  für  Fuss- 
gänger,  die  interessanteste  Stelle  des  Falles. 

Zum  Besuch  der  Fabriken  (Baumwollenspinnerei,  Papiermühle 
u.  s.  w.)  bedarf  es  besonderer  £rlaubniss  der  Besitzer.  Wer  kein 
Fachinteresse  hat,  wird  sich  mehr  angezogen  fühlen  durch  den  Be- 
such des  NottbecJ^ sehen  und  des  FrenckeWschen  Parks.  ^  Unter- 
halb der  Brücke  dicht  am  Fluss  eine  Wasserheilanstalt,  —  Beliebte 
Promenaden  in  der  Nähe  der  Stadt  sind  der  Park  von  JSatanpää 
(s.  oben)  und  gegenüber  der  Bergrücken  Pyynikkä  (Restaurant)  mit 

prächtiger  Aussicht. 

Ausflüge:  Auf  dem Kisijärvi.  Per  Dampfer  erreicht  (bei  der  Aus- 
fahrt 1.  das  hübsche  Kirchspiel  Tlöjärviy  r.  die  Kapelle  von  TeiAo)  in  2i/a  St. 
Kuru,  Weiter  durch  den  Mur  ole  Spinal  (in  der  Nähe  r.  der  Murole-Fors) 
in  den  schönen  See  Ruoveri. 

Koch  mehr  ist  ein  Spaziergang  in  westl.  Bichtung  nach  dem  PyhSjlrvi 
anzurathen.  Hinter  der  neuen  Kirche  über  den  Kirchhof  und  dann  links 
durch  den  Wald  gelangt  man  zu  einem  Wegweiser,  welcher  zu  der  schönen 
Felspartie ,  Thermopylae  genannt ,  weist  (3  W.  von  der  Stadt).  Sehr  be- 
liebt ist  die  Tour  zu  Lande  nac^  dem  berühmten]Wasserfall  Xyrdskoski 
(50  W.),  im  Kirchspiele  7av<uttyro,  an  der  Stelle,  wo  der  Abfluss  des 
85  m  hoch  liegenden  Kvrövärvi  den  W(Uulanharju-tinQ)ten  durchbrechend, 
in  den  Rautavesi  herabstürzt.  In  der  Xähe  des  Falles  einige  Fabriken 
(Baumwollfabrik  u.  s.  w.). 

Die  Bahn  führt  in  n.  d.  Richtung  durch  anmuthige  Gegend  nach 
(83  W)  Wehmainen;  c.  10  W.  ö.  der  Kangasala-As  (S.  226), 
Weiter  die  Stationen  (93  W.)  Suinida  und  (114  W.)  OHhvesi  (5  Min. 
Aufenthalt).  Die  Landschaft  wird  Öde  und  einförmig,  auf  Meilen 
erblickt  man  nur  Sümpfe  und  Heiden.  Vor  (132  W.)  Korkeakoski 
überschreitet  die  Bahn  auf  langem  Viadukt  den  Yrösjöki,  weiter 
zwischen  (142  W.)  Lyly  und  (157  W.)  Filppula  die  breite  Keuruu- 
Wasserstrasse.  Bei  (168  W.)  Kolho  über  eine  tiefe  Bucht  des  Keu- 
ruunsselkä-Sees.  Von  (181  W.)  Keuru  fährt  ö.  eine  Strasse  (Elsen- 
bahn im  Bau)  nach  (c.  70  W.)  Jyväskylä  (S.  217).  —  192  W.  Pih- 
laJaveH,  —  212  W.  MyllymAki  (25  Min.  Aufenthalt:  Mittagessen). 

Weiter  in  n.  w.  Richtung,  viel  durch  Wald;  219  W.  EtsäH,  an 
einem  buchtenreichen,  langgestreckten,  von  Nadelwäldern  umgebe- 
nen See.  233  W.  Töysä,  —  249  W.  Alavo,  —  279  W.  Sydänmaa, 

291  W.  Öftermyrs  (Ann.  Seinä^cki)^  in  weiter  Ebene,  Knoten- 
punkt der  Bahn  nach  Uleäborg  (s.  unten).  In  der  Kähe  Eisenwerk 
und  Pulvermüfale  mit  stattlichem  Herrensitz. 

Die^ahn  überschreitet  den  Kyröjoki,  Die  Gegend  nimmt  einen 


236    Boute  19.  WASA.  Von  Tavastehut 

freundlichen  Charakter  an,  nur  Tereinzelt  zeigen  sich  noch  Sümpfe 
zuvischen  den  Feldern  und  Wiesen  Österbottniens.  Dann  über  die 
Storkyro  nach  (311  W.)  Kaukola,  in  der  Ebene  von  Ylistaro  (4  W. 
n.w.  auf  einer  Anhöhe  die  Kirche).  Die  folgenden  Stationen  (321 W.) 
Orismala  und  (331 W).  Tervajoki  liegen  in  dem  durch  seine  Korn- 
felder berühmten  Kirchspiel  Storkyro.  —  341  W.  Laiheia, 

348  W.  Tohy  (Ann.  Tuovlla),  im  Kirchspiel  Mustasaari,  dessen 
Mittelpunkt  Alt-  Wasa  (Gamla  Wasa)  bildet. 

Die  jetzige  Kirche  iii  Alt -Wasa  i«t  ein  Umbau  des  früheren  Hof* 
geriehtsgebäudes«  mit  Altarbildern  Ton  Sandberg  und  S&ltin ;  die  Buinen 
4er  alten,  durch  Brand  zerstörten  Kirche  (erbaut  c.  1650)  sind  in  einiger 
Entfernung  sichtbar. 

Die  Bahn  durchschneidet  die  Strassen  der  alten  Stadt  und  läuft 

dann  zwischen  niedrigen  Steinhügeln  durch  früheren  Seeboden. 

Auf  einer  Landspitze  liegt 

311  W.  Waia  oder  Nikolaittad  (Ann.  Nikolaihkaupv/nki). 
>  Gasthöfb : .*L i n d g r e n  am  Bahnhof;  E rn s  t  am  KircheabculeTard.  — 
Bbstadbavts  :  Österblath,  in  der  Schulstrasse ;  Grönroos,  am  Markt; 
^Pavillon,  nahe  der  Brücke  für  Dampfer,  Abends  Concert ;  Sandviken, 
am  Sundom-Oolf,  mit  hübschem  Park  und  Garten;  Bad€?Mits.  —  Post  in 
der  Schulstrasse  (bei  Granfeit) ;  Telkoraph  im  Haus  Blom  (offen  7  U.  Vorm.- 
3  U.  Nachm.).  —  Dbutschbb  Kohsui,:  0.  Fre€$e.  —  Postfahbtbv  nach 
Björneborg  (S.  223)  u.  Brahestad  (S.  237). 

Wana ,  im  Mustasaari  -  Kirchspiel ,  ehemals  selbst  Mustasaari 
genannt,  an  einem  Meeresfjord,  Sitz  eines  Hofgerichts,  des  Län- 
Oouverneurs  und  mehrerer  höherer  Bildungsanstalten,  die  erste 
Handelsstadt  Österbottens  mit  8500  Einw.,  hat  mehrere  Fabriken 
und  nicht  unbedeutenden  Handel.  Die  Stadt,  gegründet  1606,  er- 
hielt ihre  Privilegien  sowie  Namen  und  Wappen  der  Wasa  1611.  Am 
3.  August  1852  brannte  die  Stadt  ab  und  wurde  unter  dem  Namen 
Nikolaistad  (1855)  nach  dem  KlemetsÖ-Yorgebirge,  näher  dem  Hafen 
BrändÖ  verlegt.  —  Sehenswerth  sind  die  lutherische  ^Dreieinig- 
keits  -  Kirche  j  im  gothischen  Stile  nach  Plänen  des  Architekten 
Sätterberg  (1862)  mit  Altargemälde  von  Ekman;  die  griechisch- 
russische  Kirche,  hoch  gelegen  auf  weitem  Platze,  mit  schöner  Aus^ 
«icht  auf  das  Meer ;  das  Oouvernementshaus,  in  dem  das  Hofgericht, 
schönes,  grosses  Gebäude,  von  einem  Park  umgeben,  am  Meer^  das 
netie  Stadthaus,  von  dem  Stockholmer  Architekten  Isaeus  erbaut j 
jder  neu«  Kirchhof,  das  *Finska  Industri-Magasinet,  in  dem  man 
billig  Erinnerungen  (Gegenstände  der  Nationaltracht  in  Österbotten) 
erwerben  kann. 

Die  Umgebungen  von  Wasa ,  besonders  nach  dem  Meere  hin, 
sind  sehr  anziehend.  Hier  vor  allem  die  Insel  Brändö  mit  Docks, 
Fabriken,  Niederlagen,  durch  eine  Brücke  mit  der  Stadt  verbunden; 
Insel  Sandö,  Yergnügungsort  der  Wasaer,  Wassklot  mit  vielen 
Villen,  Gustaf shorg ,  Sandviken,  Caprera  u.  a.  —  In  der  Nähe  der 
Stadt  mehrere  Glas-  und  Eisenhütten ,  Pulvermühlen  und  Eisen- 
werke u.  s.  w.  Korsholm,  beim  alten  Wasa,  war  ehemals  königliche 
Meierei  mit  einem  befestigten  Schlosse,  Sitz  des  Oberlandesgerichts 


nach   Wa9a,  GAMLA-KARLEBY.  19,  Boute.    237 

von  Österbotten  1674-1773,  jetzt  Ackerbauschiüe.  —  Das  Fahr- 
wasser zwischen  Finnland  und  Schweden,  „der  grosse  Quarken''  ist 
hier  nur  6  Meilen  breit;  im  Winter  geht  gewohnlich  die  Strasse 
über  das  Eis.  Am  17.  März  1809  marschierte  Barclay  de  Tolly  von 
hier  nach  Ume&w        .      

Von  östebmyba  nach  üleabobo.  Östermyra  s.  S.  23Ö.  Die 
Bahn  durchschneidet  zunächst  in  n.  Richtung  die  ebenen  Fluren 
ÖsterbottQiens  und  erreicht  weiterhin,  je  mehr  sie  sich  Östlich  wen- 
det, in  massiger  Steigung  wieder  das  Qebiet  der  Wälder  und  Seen. 
6  W.  Nurmo;  15  W.  Buha;  dann  zweimal  über  den  Lappo  (Ann. 
Lapuanjoki)  nach  (22  W.)  Lappo  (Ann.  Lapua).  —  36  W.  Kauhava 
(70  m  ü.  M.;  10  Min.  Aufenthalt).  62  W.  Alahärmä,  —  Dann  am 
Lapuanjoki  abwärts  bis  (73  W.)  Jeppo  (finn.  Jepua)  und  mit  ge- 
ringer n.  0.  Biegung  nach  (85  W.)  Kovjoki, 

.8V2  W.  w.  liegt  Vy-Xwrlabj  (ann.  Uusi-Kaarlepyy)  (aästgifTarEärden), 
an  der  Mündung  des  Lapuanjoki  in  den  Bottnischen  Busen,  mit  1100  Einw., 
Geburtsort  des  Dichters  Z,  Topelius  (1814).  Südlich  davon  das  Dorf  Ora- 
vait  mit  Hammerwerk  (Entseheidungssehlacht  am  14.  Sept.  1806). 

Die  Bahn  nähert  sich  wieder  der  Küste.  —  94  W.  Pedersö  mit 
einer  der  ältesten  Kirchen  Finnlands,  im  J.  1200  aus  Oranitquadem 
erbaut ,  mit  Denkmälern  aus  dem  xni.  und  xiv.  Jahrh.  und  altem 
Altarbild. 

Zweigbahn  nach  (IW.)  Jakobitad,  *flnn.  PMarsaari,  (Hotel  MonHn 
oder  Post;  Bestaurant  Alholm')^  Fabrik-  und  Handelsstadt  mit  2100  Einw., 
im  Pedersö' Kirchspiele.  Der  Hafen  ist  S  W.  von  der  Stadt  entfernt. 
Sehenswerth  die  alte  hölzerne  ^EtrcA«  und  die  Schaumannschen  Orangerien. 
—  3  W.  von  der  Stadt  die  Buni^>*rgU  Stuga,  die  Geburtsstätte  des  Dich- 
ters Joh.  Ludw.  Buneberg  (1804-77)i  1851  ihm  von  der  Stadt  geschenkt. 

Weiter  mehrfach  über  Küstenflüsse.  ~  100  W.  KdUby;  112  W. 
Kronöby. 

125  W.  Ga]iila-Karleb7(Alt-KarIeby,  ünn.  Kokkola)  (Hotel: 
Po8t  oder  Societetshus,  —  Restaurant:  Barnträdgärden)^  1610  ge- 
gründete Handelsstadt  mit  2400  Einw.  Der  Hafen  liegt  4  W.  von 
der  Stadt. 

Auf  dem  Kirchhofe  die  Gräber  einiger  eugliBchen  Soldaten,  die  am 
7.  Juni  1854  bei  einem  Landungsversuch  fielen ;  eine  bei  der  Gelegenheit 
eroberte  Schaluppe  wird  noeh  gezeigt. 

Die  Bahn  überschreitet  auf  296  m.    langer  Eisenbrücke  den 

Perhonjcki  und  wendet  sich  bei  (140  W.)  Kelviä  ösüich.  —  162  W. 

Kannua  (20 Min.  Aufenthalt),  hier  über  den  Leatijoki;  weiter  bei 

(183  W.)  Sievi  über  den  SievänjoH,  dann  bei  (199  W.)  Ylivieska 

über  den  Kalajoki.    Bei  (210  W.)  Kanyaa  wendet  sich  die  Bahn 

nachN.  und  überschreitet  vor  (224  W.)  Oulais  den  Pyhäjoki.  Weiter 

an  (249  W.)  Wihandi  in  bergiger  Umgebung  und  (262  W.)  Lappi 

(10  Min.  Aufenthalt)  vorüber. 

Etwa  50  W,  w.  liegt  Srabeatad  (finn.  Praahe)  (Hotel  :  Oättgiftarffdr- 
den.  —  Badxhads  am  Meere),  saubere  Stadt  im  Salo-Kirchs^iele,  1649  vom 
Grafen  Peter  Brahe  gegründet,  mit  gutem  Hafen  (Malwaperä),  Handel  und 
Fabriken,  9000  Einw.  Bemerkenswerth  ist  die  sehr  alte  hölzerne  ITtrcA«, 
vor  der  unter  einem    einfachen  Denkmal  der   tapfere  Armand  Fleming 


238    Route  19.  ULEIbOEG. 

(i  1806)  ruht.  —  Südlich  von  Brahestad  in  8alo  (5  W.)  eine  alterthüm- 
liche  Kirche,  die  eine  grosse  Zahl  Beliouien  aus  der  katholischen  Zeit 
enthält;  nördlich  Olkvoitiy  bekannt  durch  die  Convention  vom  19.  l^ov., 
welche  den  Krieg  1806  beendete,  und  die  Ackerbauschule  Jokisaari. 

Vor  (268  W.)  Rutiki  auf  grosser  eiserner  Brücke  über  den  Sükct^ 
joki.  Bei  (290  W.)  Limingo  erreicht  die  Bahn  ^ie  Küste  und  dieser 
folgend  (302  W.)  Kempele;  dann  auf  langer  Brücke  über  den  Uled- 
Elf  nach 

312 W.  üle&borg  (Ann.  Oulu),  (Gasthöfe:  SocUtetshus;  Gast- 
gifvargärden)^  lebhafte  Handels-  und  Fabrikstadt  (Leder)  mit 
11,300  £inw.  an  einem  Vorgebirge  zwischen  dem  KempeU- Busen 
und  Uleä-Elf  (Ann.  Ouligoki)  gelegen,  welcher  hier  durch  den 
Merikoski  in  den  Ule&busen  stürzt  (s.  unten).  Zwischen  der  Kirche 
und  dem  Lyceum  eine  Büste  des  Dichters  Franz^n  (t  1847) ,  an 
der  Kirche  das  Grab  des  Messenlus  (s.  S.  214).  Hübsche  Anlagen 
auf  den  FreiheitHnaeln  und  im  Gouvernements-Garten.  Dampf- 
bootfahrten nach  dem  ToppUa-Suaide ,  dem  eigentlichen  Hafen 
der  Stadt  (alle  V2  St.) ,  der  Insel  Karlö  (Hailuto) ,  der  Ackerbau- 
schule Koivikko,  der  Glashütte  Nyhy  (in  Jijo),  dem  Gebläsewerk 
Hirva$ko8ki  in  Pudasjärvi;  auch  Promenade  über  die  neuen  Brücken 
nach  Toppila  (Rest.  Bellevue). 

Für  Touristen  sehr  lohnend  eine  Hinabfahrt  auf  dem  Btromsturz  des 
Uleä-Elf  (c.  40  W.  s.o.  von  Ule&borg,  zu  Wagen  zu  erreichen  ^  weiter  nach 
Kajana  S.  214. 

VonUle&borg  nach  Tom  el,  Dampfschiff  Mo.  Mi.  Fr.  6  Uhr  Vm. 
(zurück  Di.  Do.  Sa.  6  Uhr  Vm.)  in  10  St.  für  12  M.  über  Jr«fm\  die  jüngste 
Stadt  Finnlands,  450Einw.  —  915  W.  TomU  (finn.  Tornio;  easth.  Oätt- 
gifvargärden\  die  nördlichste  Stadt  Finnlands  (1000  E.),  liegt  am  1.  Ufer 
des  breiten  und  reissenden  Tom«ä-Elf  (Ann.  Tomicooki)^  der  schwed.  Stadt 
Haparanda^  wo  man  besseres  Unterkommen  flnd«t,  am  r.  Ufer  des  Stromes 
gegenüber  (Dampfer  10  Pen-)-  In  der  Tome&-£lf  sehr  bedeutender  Lachs- 
fang. 67  W.  nördl.  von  Torne&  liegt  auf  der  finnischen  Seite  an  der  Ein- 
mündung  des  Tengeli  in  den  Torneät-Elf  der  berühmte  Berg  Aavasaksa, 
um  Johanni  (24.  Juni)  jeden  Jahres  von  Touristen  aller  Kationen  besucht, 
um  dort  die  Mitternachtssonne  zu  sehen.  Poststrassen  führen  dureh  das 
schöne  Torne&-Thal  an  beiden  Ufern  des  Elf  hinauf  (Wagen  18-20  M.); 
Kahrungsmittel  auf  den  Poststationen  einfach  (überall  vortremicher  Lachs), 
aber  nicht  billig.  Auf  dem  Gipfel  des  Aavasaksa  (Pavillon,  schlecht  ge- 
halten) finden  sieh  zahlreiehe  Vamen  von  Besuchern  in  die  Steine  ein- 
gemeisselt;  im  Kirchenbuch  des  nahen  Dorfes  Juka^ärvi  die  Kamen 
mancher  Berühmtheiten  aus  dem  xviii.  Jahrh. 


239 


V.  CENTRAL -RUSSLAND. 


Route  Seite 

20.  Von  Warschau  über  Brest,  Ssmolensk  nach  Moskau 
1.  Von  Brest-Litowsk  naeb  Orel  241.  -—2.  Von  Hinsk  nach 
Bachmatsch  242.  —  3.  Von  Orseha  nach  Mohilew  245. 

—  4.  Bas  Ssawia-Kloster  248. 

21.  Yon  St.  Petersburg  nach  Moskau 248 

1.  Von  Tsehttdowo  nach  Nowgorod  und  Staraja  Bussa 
249.  —  2.  Kurgane  255.  —  3.  Von  Uglowka  nach  Boro- 
witschi  255.  —  4.  Waldai  255.  —  6.  Von  Osstaschkowo 
nach  Torshok  und  Rshew  256.  —  6.  Von  Krukowo 
nach  Wosskressensk  259. 

22.  Moskau 261 

Gasthöfe.  Restaurants  261.  Zeiteintheilung265.  a.  Der 
Kreml  269.  —  h.  Innere  Stadt  287.  —  c.  Südwestliche 
Stadt.  Jungfernkloster  292.  —  d.  Nordwestlicher  Stadt- 
theil  297.  —  e.  Nordöstlicher  Stadttheil  299.  —  f.  Oest- 
licher  Stadttheil  302.  —  g.  Südöstlicher  Stadttheil  304. 

—  h.  Südlicher  Stadttheil.  Sperlingsberge.  Worob- 
jewo  306. 

23.  Umgebungen  von  Moskau 308 

1.  Tscherkisowo.  Ismailowo  308.  ■—  2.  Kusskowo. 
Eossino  309.  —  3.  Ljublino.  Zarizino.  Eolomens- 
koje310.  — 4.  Kunzewo.   Pokrowskoje.  TroizkojeSll. 

—  5.  Petrowsky-Park.  Petrowsko-Rasumowskoje.  Tu- 
sehino.  Archan^elskoje.  Iljinskoje  312.  —  6.  Osstan- 
kino.    Taninskoje.    Alexejewskoje  314. 

24.  Von  Moskau  nach  Jarosslawl  und  Wologda-Troiza- 
Kloster 315 

25.  Von  Moskau  nach  Nishny-Nowgorod     .....  323 
1.  Von  Nowki  nach  Kinesehma.  324.  —  2.  Von  Eow- 
row  nach  Murom  324. 

26.  Wolgafahrt  von  Rybinsk  bis  Ssysran 337 

1.  Die  Wolga  338.  —  2.  Mordwinen  346.  —  3.  Arsamass 
347.  —  4.  Tseheremissen  348.  —  5.  Tschuwaschen  359. 

—  6.  Die  Kama.  Perm  358.  —  7.  Ssergiewsk  366.  — 
8.  Ssimeonkloster.    Batraki  367. 

27.  Von  Riga  über  Ssmolensk  und  Orel  nach  Grjasi  und 
über  Tula  nach  Ssamara  und  Orenburg      ....  367 

1.  Von  Werchowje  nach  Liwny.  Von  Jelezkaja  nach 
Usslowaja  371.  —  2.  Mokschani  374.  —  3.  Iletzk  376. 

28.  Von  Moskau  über  Tula  und  Orel  nach  Kurssk     .     .  376 
1.  Tarussa.    Dmitriewskoje  377.  —  2.  Eorensche  Ein- 
siedelei 383. 

29.  Von  Moskau  über  Rjäsan  nach  Eoslow  und  Grjasi   .  383 
1.  Saraisk.    Djädnowo  384.  —  2.  Alt-Rjäsan  385.  . 

I 1 -I 

20.  Von  Warsohan  liber  Brests  Ssmolensk  nach  Moskau. 

1223  W.  Courierzug  in  40,  Personenzug  in  48  St.  für  45.86,  34.39, 17.58  B. 
(bU  Brest  200  W.  in  58/4-7  St.  für  7.S0,  5.63,  2.88  B.  •,  bis  Ssmolensk  381  W. 
in  26-32  St.  für  31.16,  23.37,  11.94  B.).  —  Wagenwechsel  für  alle  Züge  in 
Brest.    Auf  allen  grösseren  Stationen  längerer  Aufenthalt. 


240     BouU  20,  BREST-LITOWSK.  Von  Warschau 

Von  Berlin  (Sehlesiseher  Bahnhof)  sicherster  Ansehluss  nach  Moskau 
(da  man  in  Warschau  nicht  immer  den  Zug  erreicht)  über  £ydtkuhnen> 
Wirballen- Wilna  (bis  hierher  Schnellzug)  -Minsk.  Wagenwechsel  einmal 
in  Wileiskaja,  sweimal  in  Minsk«  wo  ein  Separatzug  Yom  einen  Bahnhof 
zum  andern  bringt:  hier  erreicht  man  den  Warschauer  Zug.  Fahrzeit 
Berlin -Moskau  58-60  St.  (directe  Billets  mit  50  Pf.  Zusehlag). 

Die  zu  durchfahrende  Strecke  bietet  kein  hervorragendes  In- 
teresse. Wald  herrscht  im  ostl.  Theil  des  Gouvernements  War- 
schau, Wald  neben  weiten  mit  Schilf  und  Weidengestrüpp  bedeckten 
Strecken  im  Gouvernement  Sjedlez  und  mit  fruchtbarem  Weizen- 
hoden wechselnd  im  nordl.  Theil  des  Gouvernements  Luhlin.  Man 
passirt  zunächst  das  Schlachtfeld  von  Grochow  (S.  29).  Stationen 
(5  W.)  Kawctschyn^  (17  W.)  Müosna,  (25  W.)  DtmU  WielkiCr 
(35  W.)  Minsk  (Hobo-Mhhcki),  Städtchen  mit  1200  Einw.,  an  der 
Srebmai  nicht  zu  verwechseln  mit  der  gleichnamigen  Hauptstadt 
des  Gouvernements  Minsk  (S.  243).  Am  27.  April  1831  fand  hier 
ein  Gefecht  zwischen  Polen  und  Russen  statt.  --  52  W.  Mrozy,  — 
70  W.  Kotun,  —  84  W.  Sjedlez,  SjedXce{Otfi,iea,'h)^  Gouvernements- 
hauptstadt und  Bischofssitz,  mit  grossem  Schlosse  und  schönem  Bath- 
hause,  13,700  Einw.   Berühmtes  Weizenbrot. 

JSifedlez  war.  ehemals  .die  Hauptstadt  der  Woiwodschaft  Podlachien 
am  mittleren  Bug  und  Narew,  die  alte  Heimath  der  räuberischen  Jacx- 
viffi.  —  1706  kam  es  bei  Sjedlez  zu  einem  Rückzugsgefecht  zwischen 
Russen  und  Schweden.  Mitte  Febr.  1831  fanden  weBtIich  von  Sjedlez  die 
ersten  Gefechte  zwischen  den  Russen  und  den  aufständischen  Polen  statt. 

IIOW.  Lnkow(J3rKOB%),  Stadt  mit  Schloss,  11,028  Einw.  — 

*Bahnrestaur.,  15-20  Min.  Aufenthalt. 

Zweigbahn  nach  (58  W.)  Iwangorod  zum  Ansehluss  an  die  Bahn 
von  Warschau  nach  Kowel  (s.  S.  33)  und  von  Iwangorod  nach  Dombrowa 
(8.  S.  5). 

120  W.  Schanjawa.  ~  136  W.  Miendsirschetsch  (MesHpImbe, 
poln.  Mi^dzyrzecz),  Stadt  von  9000  Einw.  In  der  Nähe  eine  schöne 
Besitzung  der  Grafen  Potocki,  früher  der  Fürsten  Czartoryski. 

159  W.  Biala  <6tja),  Stadt  am  Sna  (Zna,  Krzna),  alte  Besitzung 
der  Fürsten  Badziwill,  deren  verfallenes  Schloss  noch  ezistirt.  Die 
Stadt  hat  5  Kirchen ,  ein  Nonnenkloster  und  4200  Einw. ,  welche 
Gärtnerei  und  Getreidehandel  treiben. 

193  W.  Terespol  (Tepecnou),  Vorstadt  von  Brest  (s.  unten) 
mit  c.  3000  Einw. 

Die  Bahn  läuft  nun  längs  der  nordl.  Front  der  Festung  Brest 
hin;  rechts  haben  wir  zunächst  den  Brückenkopf,  die  Terespoler 
Befestigungen ,  dann  die  Cltadelle  „Graf  Berg*' ;  die  eingeleisige, 
eiserne  Eisenbahn -Gitterbrücke  führt  500  Schritt  nordwestl.  der 
Kobrin'schen  Befestigungen  über  den  Bug.  Wir  fahren  dann  in 
den  nördl.  der  Stadt  gelegenen  Bahnhof  von  Brest  ein.  Gutes 
Bahnreetaurant ;  2  -  2Vt  Stunden  Aufenthalt ;  Wagenwechsdl.  Alles' 
spricht  Russisch. 

Brest  ist  Knotenpunkt  für  die  Bahnen  nach  Warschau,  Kiew,  Odessa 
und  OraJewo  zum  Ansehluss  an  die  Ostpreussische  Linie  Lyk-Königaberg. 
Die  Entfernung  von  Königsberg  über  Grajewo  -  Bialystok  -  BJelsk  beträgt 


nach  Moskau,  BREST -LITOWSK.  20^  Rovte.    241 

von  Orckjewo  bis  Brest  198  W. ;  Personenzug  in  12  St.  (inel.  lV2-2i/s  St. 
Aufenthalt  in  Bialystok,  S.  46)  für  30.11,  22.59,  11.55  B. 

Von  Brest-Litowsk  nach  Orel  (Polesskia  -  Bahn)  881  W.  in 
B8  St.  für  E.  37.  16,  27.  86,  14.  24.  Bei  (24  W.)  Shabinka  (S.  242)  zweigt 
die  am  1.  Pripetufer  entlang  führende  Bahn  ron  der  Linie  nach  Minsk 
ab.  Es  folgen:  46  W.  KobHn^  wo  am  27.  Juli  1812  ein  heftiges  Gefecht 
zwischen  den  Russen  und  den  Sachsen  unter  Beynier  stattfand.  —  157  W. 
Pinsk  (nHHCK'b),  Kreisstadt  an  der  Pina,  in  einer  grossen  Sumpfebene,  mit 
12  Kirchen  und  starker  Fabrikation  von  Juchten.  Dampfboote  sehen 
auf  dem  Pripet  und  Dx^epr  gew.  Montags  für  13  B.  nach  Ki«%B,  213  W. 
Luninez^  Kreuzungspunkt  der  Linie  Wllna-Eowno.  — 492  W.  Qomel  (ToMejrb), 
Kreuzungspunkt  der  Linie  Libau-Romny  (S.  242).  —  756  W.  Brjansk^  Knoten- 
punkt der  Linie  Biga-Orel  s.  8.  370. 

200  W.  Breit-LitowBk  (Bpecri- Jhtobcki,  litaniscli  Brest,  poln. 
Brzeic  Litewski ;  Gasth. :  Hdtel  de  Saxc),  Kreisstadt  und  Festung  im 
Gouvernement  Grodno,  am  Zusammenfluss  des  Bug  und  der  Mucha' 
tpies,  Sitz  eines  griechischen  und  armenisch-katholisclien  Bischofs, 
unter  welch  letzterem  alle  unirten  Armenier  des  russischen  Reiches 
stehen,  mit  3  Kirchen,  einem  Kloster,  Kadettencorps,  mehreren  Fa- 
briken, 38,000  Einw.,  die  aus  Russen ,  Polen ,  Armeniern  und  (fast 
zur  Hälfte)  Juden  bestehen.  Letztere  besitzen  in  Brest  eine  Syna- 
goge und  berühmte  hohe  Schule  (Akademie).  Die  Stadt,  welche 
am  rechten  Bug-  und  Muchawiez-Ufer ,  c.  1  km  Östl.  von  der  am 
Zusammenfluss  dieser  beiden  Flüsse  gelegenen  Festung  liegt,  ist  seit 
1831  ganz  neu  erbaut,  in  welchem  Jahre  die  alte  Stadt  Brest,  die  an 
Stelle  der  heutigen  Festung  stand,  vollständig  rasirt  wurde.  Sie  hat 
regelmässige,  aber  —  mit  Ausnahme  der  Chausseestrasse  —  bei  an- 
haltend nassem  Wetter  meist  grundlose  Strassen  und  überwiegend 
hölzerne  Häuser.  Lebhafter  Handel  (speciell  mitDanzig)  in  Bauholz 
(27,-3  MiUionen  B.  jährlich),  Tuch,  Talg,  Seife,  Getreide.  ^ 

Brest,  Brzei$6  oder  Berestow  wird  schon  im  x.  Jahrh.  erwähnt; 
es  gehörte  zu  den  Flecken  det  kleinen  Slavenstämme  des  waldreichen 
Wolhyniens,  welche  Grossfürst  Wladimir  981  unterwarf.  Boleslaw  Chrobry 
eroberte  es  dann  wieder  e.  1012.  Seit  dem  xii.  Jahrh.  wechselte  Brzeäd 
häufig  seine  Herrseher  und  stand  bald  Unter  polnischer,  bald  unter  rus- 
sischer, dann  wieder  unter  galizlscher  oder  litauischer  Hoheit,  bis  Kasimir 
der  Grosse  nach  dem  Tode  Boleslaw^s  von  Masovien  (1340)  Galizien  und 
Wolhynien  mit  Polen  vereinigte.  Erst  durch  die  zweite  Theilung  Polens 
(1793)  kam  Brest  an  Russland.  —  Der  Bug^  hier  40-80  m  breit,  theilt  sich 
unmittelbar  oberhalb  der  Festung  in  swei  Arme,  von  denen  der  grössere 
Hauptarm,  der  alte  Bug^  durch  die  Festung  fliesst,  der  kleinere,  neuer 
Bug  genannt,  aber  westlich  sieh  wendend  bei  Terespol  vorbeifliesst  und 
900  m  unterhalb  der  Festung  in  den  Hauptarm  mündet.  Die  Eisenbahn- 
brücke  führt  150  m  nordwestlich  der  Festung  über  den  Bug;  ausserdem 
besteht  noch  innerhalb  der  Festung  eine  dem  gewöhnlichen  Verkehre 
dienende  Drahtseil-Hängebrücke.  Die  Muchawiet^  20-30  m  breit,  bildet 
durch  ihre  Theilung  unmittelbai'  vor  der  Mündung  die  sog.  grosse  und 
kleine  Muehawiez-Insel,  welche  unter  sich  und  mit  den  beiden  Haupt- 
ufem  durch  4  Brücken  in  Verbindung  stehen. 

Ton  Brest  geht  die  Bahn  ostwärts  durch  die  einförmigen  Gou- 
yemements  Grodno  und  Minsk.  Am  Bug  und  der  Muchawiez 
wechseln  zunächst  weite  Strecken  Ton  hohem  Schilf  und  kurzem 
Weidengestrüpp  mit  endlosen  "Wäldern  von  Eichen,  Linden,  Tannen 
und  Fichten ,  ungeheure  Holzniederlagen  an  der  Bahn  mit  elenden 

Bussland.    3.  Aufl.  16 


242    Route  20,  WEISS-RUSSEN.  Van  Warschau 

Dörfern.  Die  Wälder  nehmen  ihren  grossartigsten  Charakter  in  der 
früheren  Woiwodschaft  Brest-Litowsk  am  Pripet  und  dessen  zahl- 
reichen Zuflüssen  an.  Hier  dehnt  sich  eine  solche  Sumpfwaldung  aa 
400  km  von  Norden  nach  Süden  and  200  km  von  Osten  nach  Westen 
breit  aus.  Sie  verwandelt  sich  alljährlich  bei  dem  Eintritt  periodi- 
scher Ueberschwemmungen  in  einen  gewaltigen  Binnensee ,  dessen 
Wassermassen  die  nach  verschiedenen  Seiten  abmessenden  Gewässer 
reichlich  versorgen.  Auch  die  nördlich  der  Bahn  gelegenen  Theil» 
dieser  Gouvernements,  dasfrüherePalatinatNowogrudok,  in  welchem 
um  die  einst  prächtigen  Schlösser  Nieswicz  und  Buzanna  die  Ordinats- 
güter  der  Fürsten  Badziwill  und  die  weiten  Besitzungen  der  Fürsten 
Sapieha  lagen,  dann  die  Palati nate  von  Minsk  und  Mstisslaw,  sind 
reich  an  Wäldern,  Seen,  Torfmooren  und  Sümpfen,  aus  welchen 
mächtige  Felsblöcke  emporragen.  Erst  jenseit  des  Dnjepr  ändert 
sich  allmählich  der  Charakter  der  Landschaft. 

Mit  dem  Goavernement  Grodno  betreten  wir  die  Wohnsitze  der  Weiss«* 
Bussen,  so  von  ihren  spitzzulaufenden  weissgrauen  Filzmützen  be> 
nannt,  des  kleinsten  der  drei  russischen  Haupstämme,  die  Gouvernements 
Grodno ,  Kowno ,  Witebsk ,  Wilna,  Minsk,  Mohilew,  Wolhynien  und  Po* 
dolien  umfassend.  Ihre  Gesammtzahl  beträgt  ungefähr  31/2  Millionen;  sie 
haben  sich  am  wenigsten  ausserhalb  ihres  Hauptsitzes  verbreitet.  Sie  bil- 
deten die  Fürstenthümer  Polozk ,  Mstisslawsk,  Minsk  u.a.,  welche  unter 
Wladimir  dem  Heiligen  an  Kiew,  später  an  Litauen,  dann  an  Polen 
kamen.  Erst  1773  wurde  ganz  Weiss-Bussland  dem  russischen  Reiche 
einverleibt.  Die  Jahrhunderte  dauernde  Herrschaft  der  Litauer  und  Polen 
konnte  nicht  verfehlen,  dem  Weissrussischen  Stamme  neben  polnischen 
auch  zahlreiche  litauische  Elemente  zuzuführen.  Ursprünglich  nur  ein 
Zweig  des  kleinrussischen  Volkes  haben  sich  die  Weiss-Russen  in  Folge 
der  Beeinflussung  durch  Polen  und  Litauer  zu  einer  grösseren  ethnischen 
Selbständigkeit  entwickelt,  sodass  sie  trotz  ihrer  Sprache  nicht  für  Mos- 
kowiter gehalten  sein  wollen.  Der  Druck  der  Polnischen  ^^ane'^  sowie 
der  verderbliche  Einfluss  der  jüdischen  Hausirer  und  Wucherer  und  die 
Unfruchtbarkeit  des  Bodens  brachten  die  Verarmung  und  das  Elend  dieses 
Volksstammes  zu  Wege.  Der  Weiss-Russe  ist,  besonders  in  den  Gegenden 
der  Polesie,  verkümmert  an  Leib  und  Geist.  Hier  ist  der  Weichselzopf 
eine  ganz  gewöhnliche  Krankheit.  Die  Mehrzahl  der  Dörfer  besteht  nur 
aus  wenigen  Gehöften;  meist  sieht  man  einzelne  Gehöfte  in  den  öden 
Waldgegenden  umher  liegen.  Die  Häuser  sind  ohne  Ausnahme  klein,  eng 
und  haben  ein  düsteres  Aussehen.  Ackerbau  und  Viehzucht  sind  die  Er- 
werbsquellen des  Landes. 

224  W.  Shahinka  (ffiaÖHHKa) ,  wo  die  Bahn  nach  Gomel  ab- 
zweigt. —  244  W.  Tewli  (TeBJH). 

Weiter  eine  Reihe  unbedeutender  Stationen.  Nach  neunstündiger 
Fahrt  hält  der  Zug  bei  der  ziemlich  entfernt,  links  auf  unbedeuten- 
der Höhe  liegenden  Stadt  Minsk,  Kreuzungspunkt  der  Bahnen  Brest- 
Moskau  und  Libau-Romny. 

Von  Libau  (8.  AI)  kann  man  directe  Billets  nehmen  nach  Minsk  über 
WUna  (S.  38),  sowie  bis  Losowig»  (1465  W.  in  71  St.,  S.  408)  über  Baeh- 
matsch,  Charkow  (S.  398),  und  bis  Ssewastopol  (2035  W.  in  96  St.,  8. 415). 
Auf  der  Tour  von  Minsk  nach  Bachmattch  (466W.  in  15  St.  für  23.96, 17.96, 
9,19  R.)  passiren  wir  (140  W.  von  Minsk)  die  Kreisstadt  und  Festung  II.  GL 
Bobruüik  (BoGpyftcifb) ,  auf  dem  reohten  dominlrenden  Ufer  der  c.  l(X)m 
breiten  Beresina  inmitten  der  Wälder  Polesiens  gelegen,  mit  54,928  Einw., 
welche  die  grosse  Strasse  von  Brest  nach  Moskau  und  den  wichtigen 
Vebergang  über  die  Beresina  deckt.  —  281  W.  Gomel,  s.  S.  241. 


nach  Moskau.  MINSK.  20.  Route.     243 

521  W.  Minsk  (Mhhckx)  (Bahnrestaur.,  2-2 V2  Stunden  Aufent- 
halt; Hdtel  de  Paris  und  Si.  Petersburg,  beide  unsauber),  Gou- 
vemementshauptstadt ,  am  Swislotsch ,  einem  Nebenfluss  der  Be- 
resina,  anmuthig  gelegen,  Sitz  eines  Civilgouverneurs ,  eines 
griecbiscb-russischen  und  römisch-katholischen  Bischofs,  hat  meist 
enge,  unregelmässige  Strassen,  viele  hölzerne  Häuser,  14  Kirchen, 
mehrere  Fabriken  und  bedeutenden  Handel  (jährliche  Messe  oder 
Josephscontracte  im  März).  Die  Stadt  zählt  54,300  Einw.,  wovon 
^/g  Juden,  dann  Polen,  Russen,  Deutsche,  Tataren.  —  Minsk  wurde 
im  XI.  Jahrh.  gegründet  und  war  später  die  Hauptstadt  des  Fürsten- 
thums  Minsk.  Ende  des  xiv.  Jahrh.  kam  dasselbe  an  Litauen ,  im 
XV.  an  Polen,  bei  der  zweiten  Theilung  Polens  1793  an  Russland. 
1812  wurde  Minsk ,  an  der  Hauptoperationslinie  der  französischen 
Armee  gelegen  und  wegen  seiner  Magazine  wichtig,  von  den  Fran- 
zosen unter  Bronikowski,  am  4.  Nov.  aber  von  dem  russischen 
General  Graf  Lambert  besetzt. 

538  W.  Kolodischtschi.  —  558  W.  Wittgenstein.  —  578  W. 
Shodino. 

596  W.  BorlBSOW  (EopHCOBi),  nicht  weit  von  der  auf  dem  linken 
Ufer  der  Ber^stna gelegenen  Kreisstadt  d.N.  (7400  E.),  mit  4  Kirchen, 
darunter  eine  auf  dem  Hauptplatz  neuerbaute  griechische  Kathe- 
drale. Westl.  der  Stadt,  deren  Gebäude  sich  auf  dem  Westabhange 
einer  nach  Kostritza  ansteigenden  Erhebung  hinziehen ,  liegen  auf 
dem  linken  Ufer  die  Ueberreste  alter  Befestigungen,  auf  dem 
rechten,  auf  dem  höchsten  Punkte  einer  nicht  unbedeutenden  Höhe, 
der  Brückenkopf,  welcher  1812  zum  Brennpunkte  des  Kampfes 
zwischen  Franzosen  und  Russen  wurde.  —  NÖrdl.  von  Borissow, 
ebenfalls  auf  dem  linken  Ufer  der  Beresina  und  an  der  Strasse  nach 
Schiskowo  das  Edelgut  Alt- Borissow ,  dem  Fürsten  Radziwill  ge- 
hörig, noch  weiter  nördl.  das  Dorf  Sindjänka,  wo  der  Uebergang 
der  Franzosen  1812  (s.  S.  244)  stattfand. 

Am  Morgen  des  20.  ^ov.  1612  erreichte  der  russische  General  Lambert 
mit  5  Infanterie-Begimentern,  8  Escadronen  Gavallerie  und  3  Batterien  das 
rechte  Beresina-Ufer,  ohne  dass  die  in  Borissow  stehenden  französischen 
Abtheilungen  (Wörtemberger  und  Polen  unter  Dombrowski)  die  Annähe- 
rang bemerkten;  Dombrowski  hatte  den  grössten  Theil  der  Truppen  in 
Buhe  auf  dem  rechten  Ufer  gelassen ;  der  Brückenkopf  war  nur  von  6  Ba- 
taillonen und  4  Feldgeschützen  besetzt.  Nach  mehrstündigem  Kampf  wurde 
der  Brückenkopf  und  durch  die,  den  Franzosen  über  die  140O  Schritte 
lange  Brücke  nachfolgenden  russischen  Jäger -Regimenter  auch  die  Stadt 
Borissow  genommen.  Damit  war  der  französischen  Hauptarmee  die  ein- 
zige Brücke  über  die  Beresina  entrissen. 

Von  Borissow  an  fällt  die  Reise  mit  der  Bückzugsmarschroute 
der  grossen  französischen  Armee  1812  zusammen.  Dadurch  ge- 
winnt die  an  landschaftlichen  Schönheiten  nichts  bietende  Fahrt 
ein  gewisses  Interesse. 

Gleich  hinter  Station  Borissow  passiren  wir  auf  langer  Brücke 
die  Beröslna  (EepesHHa).  Dieselbe  entspringt  aus  einem  Sumpfe  bei 
Doktschitzl  im  Borissow'schen  Kreise,  durchfliesst  das  Gouverne- 

16* 


244    Boute  20.  BERESINA.  Von  Warschau 

ment  Minsk  von  N.  nach  S.,  wird  von  Borissow  an  53  Meilen  lang 
schiffbar  und  ergiesst  sich  unterhalb  Horwal  in  den  Dnjepr.  Mit 
bedeutenden  Krümmungen  windet  sich  der  träge  Fluss ,  höchstens 
30  m  breit,  durch  ein  einige  hundert  Meter  breites,  sumpfiges  Wiesen- 
land. Die  niedrigen  Erhebungen  des  Terrains,  welche  das  nicht  be- 
deutende Gewässer  begleiten,  sind  vorherrschend  mit  Wald  bedeckt. 
Das  c.  15  W.  n.  von  Borissow  entfernte  Dorf  Studjänka  (s.  unten), 
liegt  auf  einem  Abhänge  des  1.  Ufers,  c.  50  m  vom  Flusse  entfernt. 
Die  Höhen  des  linken  Ufers  dominiren  das  rechte.  Der  Höhenzug 
auf  dem  1.  Ufer  deckt  den  von  Borissow  nach  Alt-Borissow  und  weiter 
über  Bitschi  nach  Studjänka  führenden  Weg;  auf  dem  r.  Ufer  aber 
befindet  sich  eine  Strasse,  welche,  von  Bobruisk  kommend,  bei  dem 
Brückenkopfe  von  Borissow  vorüber  und  weiter  über  Balschoi- 
Stachow  durch  den  Wald  von  Stachow  geht.  5  km  vom  Dorfe  Brili 
macht  die  Strasse  ziemlich  einen  rechten  Winkel  und  führt  durch 
einen  grossen  Wald  und  schwer  passirbare  Defil^s,  von  der  sumpfigen 
Gaina  gebildet,  nach  den  Ortschaften  Sembin  und  Molodetschna, 

wo  sie  auf  die  Wilnaer  Heerstrasse  ausmündet. 

Am  Abend  des  25.  Kov.  1812,  dem  Vorabende  desUeberganges  der 
Franzosen  über  die  Beresina,  stand  die  Hauptmaclit  Kapoleon's 
zum  Theil  in  Borissow,  um  Theil  befand  sich  dieselbe  noeh  auf  dem 
Harsche,  und  zwar  auf  der  Orschaer  Strasse,  in  der  Umgegend  Losch- 
nitza^s.  Marschall  Victor  hatte  nördl.  der  Heerstrasse  bei  Ratulitschi 
Stellung  genommen,  um  die  Armee  gegen  Wittgenstein  zu  sichern.  In 
Summa  hatte  Napoleon  33,000-50,000  Mann  mit  250  Geschützen  unter  den 
Waffen ;  ausserdem  isolirte  und  unbewaffnete  Mannschaften  gegen  45,000- 
50,000  Mann.  Bussischerseits  stand  die  Donau-Armee  (Tschitschagow)  bei 
Sehabaschewitsehi  und  Borissow  auf  dem  rechten  Ufer  der  Beresina;  die 
Armee  des  Grafen  Wittgenstein  bei  Baran;  Detachements  unter  Graf 
Platow  bei  Katscha  (im  Rücken),  unter  Jermolow  bei  Maljäwka,  unter 
Miloradowitseh  in  Tolotschin.  Der  Feldmarsehall  Kutusow  befand  sieh 
mit  den  übrigen  Truppen  seiner  Armee  bei  Eopis.  —  Am  36.  Nov. ,  als 
die  retirirende  Armee  den  Uebergang  begann,  war  die  Beresina  theilweise 
über  ihre  niedrigen  Ufer  getreten  und  wälzte,  da  nach  kurzem  Thauwetter 
am  24.  wieder  Frost  gekommen  war,  Massen  von  Treibeis  daher.  Kapoleon 
wusste  die  russische  Donauarmee,  welche  das  rechte  Ufer  der  Beresina 
bewaehte,  vortrefflich  über  den  gewählten  Uebergangspunkt  bei  Stu4fänka 
zu  täuschen,  so  dass  Tsehitsehagow  sein  Hauptaugenmerk  auf  den  Theil 
der  Beresina  südl.  Borissow  richtete.  Zum  Scheine  Hess  hier  Napoleon 
alle  Anstalten,  welche  auf  ein  Ueberschreiten  des  Flusses  schliessen 
Hessen,  treffen,  während  bei  dem  oberhalb  gelegenen  Studjänka  unter 
unsäglichen  Anstrengungen  der  Pontonniers  und  des  Marine^Corps  der 
Garde  zwei  Holzbrüeken  zu  Stande  gebracht  wurden.  Das  Corps  Oudinot, 
welches  zuerst  übergegangen  war,  hatte  gleich  Gelegenheit,  die  jenseit 
der  Beresina  ihr  den  Weg  verlegende  Division  TschapUtz  anzugreifen 
und  zurückzuschlagen.  Auf  Oudinot' s  Corps  folgte  in  der  Naeht  vom. 
26.  zum  27.  Nov.  Ney  und  die  junge  Garde,  dann  das  Corps  Victor,  mit 
Ausnahme  einer  Division,  welche  die  Waffen  strecken  musste.  Am  27.  Nor. 
folgte  Napoleon  mit  der  alten  Garde  und  dem  Rest  der  Truppen.  Am 
28.  Nov.  wurden  die  Franzosen  zu  gleicher  Zeit  auf  dem  linken  Ufer  CVictor) 
von  Wittgenstein,  auf  dem  rechten  (Oudinot  und  Ney)  von  Tschitschagow 
angegriffen.  Der  Kampf  war  blutig,  aber  von  Seiten  der  Franzosen,  die 
sieh  in  ihren  Stellungen  südl.  StndLjänka  und  am  Walde  von  Staehow 
hielten,  erfolgreich.  Während  dieser  Gefechte  marsehirte  der  Haupttheil 
der  französischen  Truppen  auf  Sembin  \  in  der  Nacht  vom  28.  zum  73.  Nov. 
ging  Victor  auf  das  rechte  Beresina-Ufer  über.  Danach  hörte  jede  Ordnung 
auf,  dazu  verbreitete  sich  die  Nachrieht,  dass  Kutusow^s  Armee  im  Rücken 


nach  Moskau.  MOHILEW.  20,  Route,    245 

anmarschire  \  es  begann  nun  jenes  fürchterliehe  Gedränge ,  in  welchem 
die  Unglücklichen ,  nur  noch  den  einen  Gedanken  der  Selbsterhaltung 
im  Auge,  sich  gegenseitig  in  den  Tod  stürzten.  Als  am  29.  Xov.  die 
Brücken  abgebrannt  wurden,  blieben  zahlreiche  Verwundete  und  Kranke, 
der  grosse  Tross  und  Wagenpark  auf  dem  linken  Ufer  zurück.  Die  mörde- 
rische Schlacht  an  der  Beresina  hatte  der  französischen  Armee 
nochmals  15,000-20,000  an  Todten  und  Verwundeten  gekostet,  wie  auch 
der  ganze  Tross  mit  20,000  Mann  in  die  Hände  der  Bussen  fiel.  —  Von  den 
sämmtlichen  Armeeeorps,  mit  welchen  Napoleon  bis.  Hoskau  vorgedrungen 
war,  wälzte  sich  nur  noch  ein  ungeordneter  Haufe  von  40,000 Köpfen  in 
regelloser  Flucht  auf  Wilna  zu. 

Oestl.  Borissow  beginnt  das  eigentliche  Waldland ,  welches  V4 
des  Gouvernements  Mohilew,  die  Hälfte  des  Gouvernements  Ssmo- 
lensk  bedeckt.  Nur  selten  bebaute  Ebenen,  hügelige  Kulturgegend^ 
Meine  Bahnstationen,  auf  denen  stets  unabsehbare  Massen  zu 
Scheiten  verarbeiteten  Brennholzes  aufgeschichtet  sind,  kleine  Ort- 
schaften aus  verwitterten  Balken  und  Brettern  gezimmert,  —  fort- 
während eilen  V7ir  durch  schnurgerade  ausgehauene  FÖhrenschläge 
oder  über  schwärzliche  Sandmeere ,  die  Stätten  ungeheurer  Wäld- 
brände, dem  Osten  zu. 

720  W.  Orscha  (Orsza,  Opma)  (Bahnrestaur.,  10  Min.  Aufenthalt), 

Kreisstadt  im  Gouvernement  Mohilew,  hübsch  auf  beiden  Ufern  de» 

Dnjepr  gelegen,  mit  5500  Einw.   Eine  alte  Stadt  der  Kriwitschen, 

wird  Orscha  oft  in  den  Kriegen  Polens  mit  Litauen  und  Russland 

genannt.  Beim  Vormarsche  der  Franzosen  1812  auf  Moskau  wurde 

Orscha  besetzt  und  mit  Magazinen  belegt.  Am  21.  Nov.,  einen  Tag 

nachdem  Napoleon  auf  dem  Rückzuge  Orscha  verlassen,  griff  Platow 

die  Stadt  an,  die  von  den  Franzosen  geräumt  und  in  Brand  gesteckt 

wurde,  doch  ward  das  Feuer  bald  geloscht. 

75  W.  aüdl.  von  Orscha  liegt  Xohilew  (MoraseBi),  in  sehönef,  frucht- 
barer, hügeliger  Gegend  am  Dnjepr,  eine  der  hübschesten  Gouvernements- 
Städte  Busslands,  mit  41,000  Einw.,  darunter  viele  Juden.  Mohilew  ist  Sitz 
eines  Givilgouverneurs,  des  griechisch-russischen  Erzbischofs  von  Mohilew 
und  Mstisslaw,  eines  römisch-katholischen  Erzbischofs,  hat  eine  Kathe- 
drale des  heil.  Joseph  (1780  unter  Katharina  II.  erbaut)  und  21  andere 
Kirchen,  darunter  4  katholische  und  1  lutherische,  mehrere  Synagogen, 
ansehnliche  Häuser,  zahlreiche  Fabriken,  starken  Handel,  welcher  den 
der  Ostsee  und  des  Schwarzen  Meeres  vermittelt,  Gartenbau  und  Obstzucht, 
l^ahe  der  Stadt  der  Jantschin^sche  Park  mit  Schloss,  in  dem  1780  die  Zu- 
sammenkunft Katharina^s  II.  mit  Joseph  II.  stattfand.  —  Am  19.  Juli  1812 
besetzte  die  Avantgarde  Davoust's  nach  hartnäckigem  Kampfe  die  Stadt. 
Am  23.  Juli  Schlacht  bei  Salianoioka  (südl.  Mohilew)  zwischen  dem  Corps 
Davoust  und  Theilen  der  zweiten  russischen  Armee  unter  Bagration,  in 
Folge  deren  letzterer  auf Nowo-Bischow  zurücksing.  —  Dampfer  gehen 
auf  dem  Dnjepr  von  Mohilew  nach  Kiew  (S.  39l). 

767  W.  Krassnoje  (KpacHoe),  hübsch  gelegener  Flecken  an  der 
Mereika,  Nebenflüsschen  der  Swinaja.  Hier  fand  am  14.  Aug.  1812 
ein  Qefecht  zwischen  der  Kavallerie  Murat's  und  einem  russischen 
Jnfanterie-Detachement  unter  Newsherowsky  statt.  Während  des 
Rückzuges  der  französischen  Armee  wurden  die  Corps  Ney  und 
Davoust  bei  Krassnoje  in  den  Qefechten  am  15.  und  18.  Not.  fast 
'Vernichtet. 

Nach  c.  2  St.  von  Krassnoje  gewahren  wir  rechts  auf  der  Höhei 


246     Route  20.  SSMOLENSK.  Von  Warschau 

die  weissen  Mauern  und  Zinnen ,  die  Kuppeln  und  Thünne  von 
Ssmolensk,  Bald  darauf  fahren  wir  in  den ,  In  der  St.  Petersburger 
Vorstadt,  auf  dem  rechten  Ufer  des  Dnjepr  liegenden,  ausgedehnten 
Bahnhof  ein.   *Restaurant;  V2-IV2  St.  Aufenthalt. 

831  W.  Ssmolensk  (CHOieHCK'B ;  *  Hotel  Ratachensky)  liegt  male- 
risch auf  beiden  Ufern  des  Dnjepr ,  der  Haupttheil  auf  dem  linken 
Ufer ,  welches  hier  mitten  in  der  Stadt  steil  nach  dem  Dnjepr ,  der 
Ratschenka  und  Tschurüowka  hin  abfällt.  Umgeben  ist  der  eigent- 
liche befestigte  Kern  der  Stadt  von  den  Vorstädten  Krassnenskoje, 
Mstisslawskoje,  Rosslawskoje,  Nikolskoje  und  Ratschenka.  Die  ge- 
räumige St.  Petersburger  Vorstadt  mit  dem  Bahnhof  liegt  auf  der 
rechten  Flussseite,  die  zwar  weniger  steil  ist  als  die  linke,  aber  diese 
vollständig  dominirt.  —  Ssmolensk  Ist  Gouvernementshauptstadt 
und  Sitz  eines  Civilgouverneurs,  hat  eine  stark  befestigte  Gitadelle 
und  mehrere  Aussenwerke,  25  Kirchen,  3  Klöster,  mehrere  Fabriken, 
bedjButenden  Getreidehandel,  grosse  dreitägige  Messe  und  c.  36,000 
Einw.    Ssmolensk  ist  Kreuzungspunkt  der  Bahnen  Moskau-Brest 

und  Witebsk-Orel  (S.  370). 

Ssmolensk,  der  -Schlüssel  und  das  Thor  Russlands",  war  nach 
üTestor  die  Hauptstadt  des  slavischen  Stammes  der  Kriwitsehen  (Krewos 
oder  Krews),  welche  um  die  Quellen  der  Wolga,  der  Düna  und  des  Dnjepr 
wohnten.  Ende  des  ix.  Jahrh.  zog  Oleg  den  Dnjepr  hinab  und  eroberte 
auf  seinem  Zuge  nach  Kiew  alle  slavischen  Städte,  die  an  jenem  Flusse 
lagen:  Ssmolensk,  Tschernigow  u.a.  Bis  1064  gehörte  die  Provinz  Ssmo- 
lensk zum  Fürstenthum  Kiew.  Zur  Zeit  der  Theilfürsten  wechselte  sie 
häufig  den  Herrn  und  hatte  wiederholt  Belagerungen  auszubauen^  so 
1340  durch  ein  moskowitisch-tatarisches  Heer^  1406  ergab  sich  die  Stadt 
nach  7  wöchentlieher  Belagerung  den  Litauern.  1514  wurde  sie^  die  im 
XVI.  Jahrhundert  ihre  Blütheseit  und  angeblich  200  000  £.  hatte,  von  dea 
Moskowitern  erobert;  1610  von  den  Polen,  denen  es  bis  1654  gehörte. 
1686  wurde  Ssmolensk  definitiv  an  den  russischen  Zaren  abgetreten.  — 
1812  fand  bei  Ssmolensk  in  den  ersten  Tagen  des  August  die  Vereinigung  der 
beiden  russischen  Westarmeen  unter  Bagration  und  Barclay  de  ToUy  statt, 
zur  Vertheidigung  der  „heiligen  Stadt".  Am  14.  Aug.  rückten  die  Franzosen 
gegen  die  Stadt  von  Basassna  her  vor.  Die  Stadt  selbst  wurde  von  Rajewsky, 
später  von  dem  heldenmüthigen  Dochturow  befehligt.  In  dem  zweitägigen 
Kampfe  um  den  Besitz  von  Ssmolensk  (17.  und  18.  Aug.)  war  der  grösste 
Theil  der  Stadt  in  Flammen  aufgegangen.  —  Am  12.  "Sor.  betraten  die 
ersten  französischen  Rüekzugstruppen  des  Vicekönigs,  am  18.  Kov.  Kapo> 
leon  die  Stadt ,  wo  er  4  Tage  lang  verweilte ,  vergeblich  bemüht ,  das 
Heer  neu  zu  organisiren.  Am  15.  Kov.  rückte  das  Corps  "Sej^  welches  die 
Arri^regarde  Napoleon^s  bildete,  in  Ssmolensk  ein.  Erst  am  17.  Nov.  früh 
verliess  Key  die  Stadt;  eine  Anzahl  von  Gebäuden  Hess  er  durch  seine 
Nachhut  in  die  Luft  sprengen.  —  Nach  1812  wurde  die  Stadt  regelmässiger 
und  mit  meist  steinernen  Gebäuden  wieder  aufgebaut;  auch  die  Festungs- 
werke wurden  theilweise  restaurirt. 

Die  Ueberreste  der  alten  *  Mauer,  welche  die  Stadt  umgab,  zur 
Zeit  Boris  Godunow's  (1598—1600)  aus  Steinen  und  Ziegeln  erbaut, 
^ind  c.  5  W.  lang,  10-15  m  hoch  und  3-6  m  dick.  Der  obere  Theil 
Ist  in  Zinnen  ausgeschnitten  und  hinter  denselben  läuft  ein  c.  2  m 
breiter  "Wallgang ;  von  der  inneren  Seite  ist  die  Mauer  durch  Wider- 
lager Terstärkt.  Um  eine  Flanklrung  zu  erzielen ,  waren  36  vier- 
und  mehreckige  Thürme  erbaut  worden,  von  denen  aber  schon  1812 
nur  noch  17  in  brauchbarem  Zustande  sich  befanden.  Nach  der  Ein- 


nach  Moskau.  WJASMA.  20.  Boute.    247 

nähme  der  Stadt  durch  die  Polen  1611  liess  Sigismund  III.  auf  der 
Westseite,  zwischen  den  Vorstädten  Krassnenskoje  und  Mstislaws- 
skoje,  eine  Citadelle,  die  sog.  Königsbastion  erbauen. 

DieMauer  hat  dreiHauptthore :  durch  dtisMalachowskysche  führen 
die  Strassen  aus  Krassnoje,  Mstisslawl  und  Rosslawl  hindurch ;  die 
Nikolskoje-Yorstadt  hat  mit  der  Stadt  durch  das  Nikolskysche  Thor 
Verbindung ;  das  dritte  Thor ,  das  Dnjeprowskysche,  liegt  nach  der 
Flussseite  zu.  Ausser  diesen  Thoren  befinden  sich  noch  zwei  Ein- 
gänge in  der  Stadtmauer :  der  eine  links  vom  Dnjeprowskyschen 
Thore,  ebenfalls  der  Dnjeprowskysche  genannt,  und  der  andere  nahe 
der  nordÖstl.  Ecke  der  Stadtmauer  beim  Flusse,  der  sog.  Batschens- 
li;ische.  Diese  beiden  Eingänge  wurden  durch  die  Mauer  gebrochen, 
als  die  Kaiserin  Katharina  II.  nach  Ssmolensk  kam  und  die  vor- 
handenen  Thore  sich  für  die  Hofequipagen  zu  schmal  erwiesen. 

Auf  dem  rechten  Dnjepr-XJfer  die  Ueberreste  des  Brückenkopfes, 
der  auf  Befehl  Peters  des  Grossen  von  Erde  erbaut  wurde. 

Im  Uebrigen  sind  bemerkenswerth  in  Ssmolensk :  das  Denkmal 
(ÜaHflTHHK'B)  des  hier  erschossenen  Obersten  v.  Engelhard  und  das 
Denkmal  von  1812^  eine  Pyramide  von  Gusseisen,  am  17.  Aug.  1838 
zur  Erinnerung  an  die  Schlachttage  von  Ssmolensk  errichtet.  Die 
Kathedrale  zu  Maria  Himmelfahrt  (ycneHCKÜi  Coöopi),  von  den 
25  Kirchen  der  Stadt  die  schönste ,  wurde  bereits  im  xii.  Jahrh. 
erbaut,  1611  bei  der  Einnahme  der  Stadt  durch  die  Polen  zerstört, 
später  restaurirt.  In  ihr  alte  Kirchengeräthe ,  Merkwürdigkeiten 
und  das  wunderthätige  Bild  der  Mutter  Gottes ,  der  Sage  nach  vom 
Evangelisten  Lukas  gefertigt  und  durch  eine  griechische  Prinzessin 
nach  Bussland  gebracht.  Eine  Copie  desselben  befindet  sich  in  der 
Dnjeprowskyschen  Kapelle  am  Dnjeprowsky-Thor.  Neben  der 
Kathedrale  verdienen  Erwähnung  die  alterthümlichen  Kirchen 
St.  Peter  und  Paul,  St.  Johannes  der  Täufer  und  besonders  die 
*  Kirche  des  Erzengels  Michael,  alle  aus  dem  ziii.  Jahrh.  stammend. 

863  W.  Kamjenska ;  hier  über  den  Dnjepr.  —  927  W.  Dorogo- 
bttsh,  bei  der  gleichn.  Kreisstadt.  Bahnrestaur.,  8  Min.  Aufenthalt. 
—  975  W.  Ssapegino. 

996  W.  Wjasma  (BflSbHa),  Kreisstadt  an  der  Wjasma,  mit 
22  Kirchen,  vielen  Fabriken  und  nicht  unbedeutendem  Handel 
<13,000Einw.).  Bahnrestaur.,  Vz  St.  Aufenthalt.  —  Wjasma  war  im 
Mittelalter  eine  befestigte  Stadt,zum  Fürstenthum  Ssmolensk  gehörig, 
und  spielte  eine  nicht  unbedeutende  Bolle  in  den  Kriegen  zwischen 
Polen,  Litauen  und  Russland.    Am  29.  August  1812  wurde  die 

Stadt  von  den  Franzosen  besetzt. 

Von  Wjasma  Zweigbahn  über  Kaluga  nach  Tula^  Station  der  Bahn 
Moskau-Kurssk  (S.  372). 

1054  W.    Gihattk  (FsaTCKi),    Kreisstadt  im  Gouvernement 

Ssmolensk,  mit  8000  Einw.  Bahnrestaur.,  5  Min.  Aufenthalt.  — 

1093  W.  üwarowka.  —  1109  W.  Borodino. 

Etwa  4  W.  nördl.  von  der  Station,  von  der  Bahn  aus  nicht  sichtbar, 
liegt  an  der  KalotMcha^  einem  ^ebenfluss  der  Moskwa ,  das  Dorf  Borodino 


248    Boute  21.  KOLPINO.  Von  St,  Petersburg 

(BopOABHo),  am  7.  Sept.  1812  Sehauplatz  jener  grossen  Schlacbt.  welche  die 
Bussen  „Sehlacht  hei  Borodino",  die  Franzosen  „Sehlacht  an  aerHoskwa'* 
nennen.  Hier  hatte  nach  den  Schlachten  hei  Ssmolensk  und  Luhina  Eutu- 
sow,  um  dem  Feinde  den  Weg  nach  Moskau  zu  versperren,  Stellung  ge- 
nommen und  Verschanzungen  aufwerfen  lassen.  An  diesem  Tage,  an 
welchem  l^apoleon,  Morgens  aus  dem  Zelte  tretend,  die  Worte  gesprochen 
hahen  soll:  „Es  ist  heut  ein  wenig  kalt,  aher  klar:  das  ist  die  Sonne 
von  Austerlitz  i  ^  standen  sich  120,000  Bussen  mit  640  Geschützen  unter 
Kutusow^s  Oherbefehl  und  ebenso  viel  Franzosen  mit  587  Geschützen 
gegenüber.  Am  A)>end  dieses  blutigen  Tages  hatten  die  Franzosen  den 
grössten  Theil  des  Schlachtfeldes  inne,  doch  konnten  die  Bussen  unver- 
folgt  sich  in  guter  Ordnung  zurückziehen.  Die  Franzosen  nannten  die 
Schlacht  „la  bataille  des  g^neraux":  18  französische  und  23  russische 
Generale  blieben  in  diesem  Kampfe,  in  welchem  sich  der  Marschall  l^ey 
den  Titel  eines  „Fürsten  von  der  Moskwa"  erwarb. 

Bei  Borodino  betreten  wir  das  GouTernement  Moskau ;  der  Acker* 
bau  nimmt  zu,  die  Fabriken  mehren  sich. 

1120  W.  HoBhaisk  (MosaucKi»),  Kreisstadt  an  der  Mündung  der 
Jtfoahaisfta  in  die  Moskwa,  mit  4200  Einw.,  10  Kirchen  und  lebhaftem 
Handel.  Ehemals  befestigt  (Ueberreste  alter  Mauern  sind  noch  vor- 
handen), war  Moshaisk  ein  viel  umkämpfter  Punkt  in  den  Kriegen 
Russlands  mit  Polen  und  Litauen.  Die  Stadt  wurde  10.  Sept.  1812 
von  den  Franzosen  nach  zweitägigen  Gefechten  genommen  und  war 
bis  zu  Napoleon^s  Rückkehr  aus  Moskau  vom  Corps  Junot  besetzt. 

1142  W.    Schelkowka.   —   1182  W.  Qolizyno.    —    1201  W. 

Odinzowo.  — 

20  W.  w.  bei  Siwenigorod  inmitten  der  herrlichsten  Ulmen  das  ge- 
schichtlich merkwürdige  Ssateia-Kloiter  mit  reichem  Schatz  und  schöner 
Aussicht  auf  das  Thal  der  Moskwa.  —  Zahlreiche  Pilger. 

1212  W.  Kunzewo  (S.  311).  Die  Bahn  überschreitet  auf  schöner 

Brücke  die  Moskwa.   Schon  aus  der  Ferne  sieht  man  die  zahlreichen 

Kuppeln  und  Thürme  von  Moskau  ragen.   Ankunft  auf  dem  Ssmo- 

lensker  Bahnhof  an  der  Nordost-Seite  der  Stadt  (S.  263). 

21.  Ton  St.  Petersburg  nach  Moskan. 

609  W.  CJourierzug  (nur  I.  Cl.)  in  14  St.  für  27.50  B. ;  Postzug  in 
iSlU  St.  für  20.  16.99  B. ;  Personen-Zug  in  23  St.  für  II.  Kl.  12.60,  III.  KL 
8.60B.  —  Da  die  Fahrt  wenig  Interesse  bietet,  so  thut  man  gut,  sich 
einen  Platz  im  Schlafwaggon  zu  nehmen  (2  B.  extra). 

Abfahrt  vom  Nikolai -Bahnhof  (PI.  H  6,  S.  91 ;  gute  Restaura- 
tion). Sobald  man  die  Umgebung  von  St.  Petersburg  hinter  sich, 
hat,  wird  die  Gegend  überaus  öde  und  einförmig.  --  Gleich  hinter 
der  Stadt  überschreitet  die  Bahn  die  hhora  (Hxopa),  ein  sumpfiges 
Wasser,  welches  mit  seinen  Nebenflüsschen  die  Parks  von  Paw- 
lowsk  (S.  192)  und  Zarskoje-Sselo  (S.  189)  "bewässert. 

24  W.  Kolpino  (Koinrao),  Flecken  mit  5000  E.  auf  beiden  Ufern 
der  Ishora  gelegen,  mit  schöner  Kirche  und  Eisengiesserei.  —  33  W. 
Popowka,  —  38  W".  Ssahlino.  —  60  W.  Tossna.  Zweigbahn  nach 
Gatschina  (S.  88),  55  W.  für  1  R.  38  oder  1  R.  4  Kop.  —  78  W. 
Ljuban  (JhoöaHi).  ^/^  St.  Aufenthalt.  Bahnhofs restauration.  — 
111  W.  Tschudowo  (4yÄOBo). 


nach  Moskau, 


NOWGOROD. 


21.  Route.    249 


Zweigbahn  nach  Kowgorod,  68  W.  in  Sl/sSt.  für  2.59,  1.94, 
0.99 B.,  nachStaraja  Russa,  156  W.  in  88/4  St.  für  5.89,  4.41,  2.25 E.  — 
Dampf8chi£ffahrt  nach  Nowgorod  und  Staraja  Rnssa  s.  S.  255. 

Kowgorod  {Orosa-  oder  Weliky  Nowgorod;  HoBropoA'B  BeiHKiä). 
—  Hdtel  Ssolowiew  in  der  Moskowskaja,  Z.  1-2  R.  Im  Hotel  Dienst- 
männer (Artelschtschiks),  die  als  Führer  dienen.  —  Bestaurant  im  Stadt- 
garten  (TopOACKoft  caffL,  PI.  D3)  auf  der  Sophienseite,  nördl.  vom  Kreml  ^ 
häufig  Concert.  —  Post  (üo^TOBafl  KoHTopa ;  PI.  35,  F 1)  auf  der  Handelsseite, 
nahe  der  Snamensky-Eathedrale.     Telegraphensiation  schräg  gegenüber. 

Nowgorod  (21,000 Einw.),  Hauptstadt  des  Gouvernements  Now- 
gorod, Sitz  eines  GiTÜgouverneurs  und  des  Metropoliten  von  Now- 
gorod, St.  Petersburg  und  Finnland  (residirt  gewohnlicb  in  St.  Pe- 
tersburg), liegt  zu  beiden  Seiten  des  Wolchowy  der  die  Stadt  in  die 
Sophien-  (Co«iäcKafl  CTopona)  und  Handels-Seite  (ToprosaH  cto- 
poHa)  tbeilt  und  über  den  eine  auf  12  Granitpfeilern  ruhende 
Brücke  führt.  Die  Sophien -Seite,  auf  dem  1.  Ufer  des  Wolchow, 
enthält  den  Kreml,  die  Kathedrale,  das  kais.  Palais  und  die  Bureaux 
der  meisten  Behörden ;  auf  der  Handelsseite  der  Gostinny  Dwor  und 
das  Gouvernementsgebäude.  Die  Stadt  hat  mehrere  Fabriken  und 
nicht  unbedeutenden  Handel  mit  Getreide,  Flachs,  Bauholz,  Brenn- 
holz, Fischen  u.  s.  yf. 

Zur  Geschichte.  In  den  frühesten  christlichen  Jahrhunderten 
Sassen  am  Umensee  die  Slovenen  mit  der  Hauptstadt  Nowgorod.  Die 
Stadt  auf  dem  r.  Ufer  des  Wolchow  blühte  schon,  als  die  Waräger  unter 
Rurik  (c,  862)  in  das  Land  kamen  \  diese  nahmen  das  1.  Ufer  ein ,  wo 
heute  der  Kreml  steht.  880  schon  verlegte  Oleg  den  Sitz  seiner  Herr- 
schaft nach  Kiew,  und  ITowgorod  wurde  durch  Statthalter  (Namjestnik, 
HaxftCTHHxi)  der  in  Kiew  residirenden  Grossfürsten  verwaltet.  Durch 
seinen  Handel  gelangte  Kowgorod  bald  zu  Bedeutung  und  nahm  als 
19'ebenbuhlerin  Kiews  eine  unabhängige  Stellung  ein.  Jarosslaw  I. 
(1019-1054)  verlieh  der  Stadt  grosse  Freiheiten  und  1020  ein  geschrie- 
benes Reclit,  die  älteste  Rechtsurkunde  Russlands  (HpasAa  pycRaa).  Von 
einem  Sohne  Jarosslaw^s  wurde  der  Kreml  befestigt  und   die  Sophien- 


1.  Adelsklub  ....  £4 

SenkmAlert 

2.  Rurik-Denkm.  ES 

3.  Denkm.  derBe- 
freiung  von  der 
Franzosen- 
Herrschaft(1812)D4 

B4 
£3 
£2 


4.  Gefängniss 

5.  Gouv.  Gericht 

6.  Stadt.  Gericht 

7.  Gostinny  Dwor 
(Kaufhaus)    .  . 

8.  Gouvernement 

9.  Gymnasium 
(Gouv.) £2 

10.  Hospital     (mili- 
tair.  I.) 

11.  Hospital 
tair.  II.) 

12.  Hospital 


£2 
£2 


D3 
(mili- 
....  CS 
(städt.)  C3 


Plan  von  Nowgorod. 

14.  Kaserne  der  rei- 
tenden Garde- 
Artillerie    ....  GS 

15.  Kaserne,  Wege- 
Verbindung  .  .  .  C2 

16.  Katharina*s  II. 
Haus F4 

Kirchen. 

17.  Boris  u.  Gljeb- 
Kirche Gl 

18.  Erzengel     Mi- 
chael-K £4 

19.  Geburt  Maria  K.DI 


20. 
21. 

22. 
23. 
24. 
25. 


18.  Ka8erne,Sappeur-B3|    26 


Georgs-K.  ...  £2 
Joan  Pred- 
tetscha-K. ...  £2 
Lazarus-K.  .  .  BS 
Nikolaus-K. .  .  F2 
Peter-Pauls-K.  Dl 
Prokop-K. .  .  .  F2 
Sophien -Kath.  £3 


27.  Snamensky- 
Kath Fl 

28.  Troiakaja-K.   .  FS 

Klfttter. 

29.  Antonius-Klos- 
ter   AI 

SO.  Dessjatinnoi-Kl.  £4 
31.  Heil.  Geist-Kl.  B3 

32.  Konsistorium 
(geistl.) £3 

33.  Manege A3 

34.  Polizei £2 

35.  Post Fl 

36.  Schloss(kai8erI.)  D3 

37.  „        (erzbi- 
schöfl.) D3 

38.  Kommandantur 
(Divis. -Stab)    .  .  £2 

39.  Telegraph  .  .  .  £F2 

40.  Thurm,  Jaross- 
law-     F2 

41.  Thurm,  weisser  G4 


250    Route  21,  NOWGOROD.  Von  St.  Petersburg 

kathedrale  ausgebaut.  In  diesem  und  dem  folgenden  Jahrhundert  wuchs 
die  Haeht  der  Stadt  ansehnlich;  sie  machte  nach  Norden  hin  bis  zuxa 
Finnischen  Meerbusen  Eroberungen,  zugleich  lockerte  sich  das  Band  der 
Abhängigkeit  von  Kiew  mehr  und  mehr;  es  bildete  sich  ein  republika- 
nisches Gemeinwesen^  die  Wolchow-Bepublik.  Der  Hoheit  der  wechseln- 
den Statthalter  gegenüber  hob  sich  die  Herrschaft  der  Volksversammlung, 
Wjetsche  (B^qe),  die  Macht  des  erwählten  Volksoberhauptes,  des  Potsadnik. 
Bei  ihren  Eroberungszügen  bis  zur  Ostsee  kamen  die  Nowgoroder  in  Be- 
rührung mit  Wisby,  wo  damals  der  baltische  Handel  seinen  Sitz  aufge- 
schlagen hatte;  sie  hatten  dort,  wie  die  deutsehen  Städte,  ihre  Factorei 
sowie  ihre  Kirche  und  Hessen  umgekehrt  Anfangs  des  xii.  Jahrh.  eine 
deutsche  Niederlassung  in  Nowgorod  zu.  Anfänglich  traten  nur  Wisby, 
Biga  und  Lübeck  mit  Nowgorod  in  Verbindung;  später  bildete  sieh  ein 
allgemeines  grosses  hanseatisches  Etablissement,  der  Deutsche  Hof.  Auch. 
Schweden,  Gotländer,  hatten  im  xii.  Jahrh.  in  Nowgorod  eine  Oildenhalle, 
eine  warägische  Kirche  u.  s.  w.  Gegen  die  Mongolen,  welche  im  xiii.  Jahrh. 
ganz  Bussland  überschwemmten,  war  Nowgorod  glücklich.  Kein  Mongole 
betrat  das  Gebiet  und  die  Stadt  Nowgorod,  die  aber  aus  Politik  mit  dem 
Oross-Chan  der  goldenen  Horde  in  gutem  Vernehmen  blieb. 

Wie  die  Nowgoroder  gegen  Westen  zur  Ostsee  vorschritten,  so  brei- 
teten sie  sich  über  die  Stromlandschaften  des  nördl.  Eismeeres  und  des  mitt- 
lem Russlands  aus.  Schon  1170  ging  eine  Freibeuterschaar  von  Nowgorodern 
die  Wolga  hinab ;  später  folgten  andere.  Viele  blühende  Städte  bis  nach 
Asstrachan  wurden  geplündert,  die  Einwohner  als  Sklaven  fortgeführt.  An 
die  bahnbrechenden  Flibustier-Züge  schlössen  sich  militärische  Expeditio- 
nen der  Wolchow-Bepublik,  welche  den  Jassak  (Steuer)  von  den  tributpflich- 
tigen Völkern  erhoben.  Aus  dieser  Zeit  stammt  der  Spruch:  „Kto  pro- 
tiw  Boga  i  welikawo  Nowgoroda?"  (Wer  kann  wider  Gott  und  Gross- 
Nowgorod?)  Die  Stadt  soll  damals  4(X),(XX)  Einw.  gehabt  haben;  ein 
mächtiges  Kriegsheer  kämpfte  mit  Glück  an  der  Wolga  mit  den  Mon- 
golen ,  an  der  Narowa  mit  den  Schwertrittern ,  an  der  Newa  mit  den 
Schweden,  an  der  Dwina  und  Petschora  mit  den  Biarmiern,  Syrjänen 
und  den  Permischen  Häuptlingen.  —  Aber  das  grosse  Beich  dauernd  zu- 
sammenzuhalten ,  erlaubte  den  Nowgorodern  die  Nachbarschaft  der  rus- 
sischen Fürsten  nicht.  Nowgorod  wurde  von  den  Theilfürsten  des  Dnjepr- 
landes  in  ihre  endlosen  Fehden  hineingezogen,  zur  Heeresfolge  genöthigt 
und  zugleich  unausgesetzt  von  den  kräftigen  staatsklugen  SsusdaPschen 
(Wladimir'schen)  Fürsten  bedrängt.  Als  es  endlich  in  Nowgorod  zur 
socialen  Auflösung  kam,  die  Wjetsche  schliesslich  entschied,  die  Stadt  solle 
sich  unter  den  Schutz  und  Schirm  des  römisch-katholischen  Polenkönigs 
stellen,  war  es  um  Nowgorods  Selbständigkeit  geschehen.  1471  erzwang 
Iwan  I/J.t  Grossfürst  von  Moskau,  die  Anerkennung  seiner  richterlichen 
Oberhoheit  durch  die  Sehlachten  am  Ilmensee  (Juni  und  Juli).  Als  es 
6  Jahre  später  zu  neuen  Zerwürfnissen  kam,  schloss  des  Grossfürsten 
Heer  Nowgorod  ein,  die  Stadt  wurde  1478  erobert,  die  Nowgoroder  hul- 
digten Iwan  als  ihrem  souveränen  Herrn,  die  grosse  Glocke  „Wjetschewoj 
Kolokol**,  welche  die  Volksversammlungen  einzuläuten  pflegte,  ward  nach 
Moskau  abgeführt  (wo  sie  noch  ist,  S.  2^1),  ebenso  wurden  die  alten  Bojaren- 
Familien  dorthin  verpflanzt,  die  verödete  Stadt  ward  mit  moskowitisch- 
russischen  Familien  bevölkert.  Den  letzten  Best  der  ehemaligen  Blüthe 
Nowgorods  vernichtete  Iwan  IV.  1570.  An  einen  Verrath  an  Polen  glaubend, 
eilte  er  an  der  Spitze  seiner  Leibgarde,  der  Opritschniki,  nach  Nowgorod 
und  hielt  hier  ein  schreckliches  Blutgericht.  dO,000  Menschen  sollen  nach 
Angabe  der  Chronisten  am  heiligen  Dreikönigstage  ums  Leben  gekommen 
sein,  die  Kirchen  und  Gebäude  wurden  geplündert,  alle  Schätze  nach  Moskau 
abgeführt.  Während  der  Zwischenregierung  und  1650  unter  dem  Zaren 
Alexe!  machte  Nowgorod  die  letzten  Versuche  zur  Wiedererlangung  seiner 
alten  Freiheit.  Die  Gründung  St.  Petersburgs  und  vielfache  Feuersbrünste 
vollendeten  den  Buin  der  einst  so  blühenden  Freistadt. 

Von  der  schonen,  unter  Kaiser  Alexander  III.  an  Stelle  einer  alten 
hölzernen  erbauten  steinernen  Wolohow-Bräcke  (PI.  E  3),  Ton  der  sich 


nach  Moskau,  NOWGOROD.  21,  Route,    251 

s.  ein  hübscher  Blick  auf  den  40  W.  langen  und  30  W.  breiten  Ilmen- 
see  Öffnet ,  führt  in  westl.  Richtung  eine  etwas  ansteigende  Strasse, 
Yorbei  an  einer  kleinen  Kapelle  und  einem  Thurm,  in  den  Djetinei 
oder  *Kr6inl  (^tTHHem;  PI.  DES),  die  am  1.  Ufer  gelegene  Cita- 
delle.  Hier  wohnte  in  alten  Zeiten  der  Wladyka  (d.  h.  Herrscher, 
Yolksbenennung  des  Metropoliten),  hier  waren  und  sind  der  Ge- 
richtshof, das  erzbischöfliche  Palais  und  vor  allem  die  der  Patronin 
Nowgorods,  der  h.  Sophie,  geweihte  Kirche.  Die  jetzigen  Mauern 
mit  den  9  runden  und  viereckigen  Thürmen  stammen  aus  den  Jah- 
ren 1302  und  1490;  restaurirt  wurden  die  Befestigungen  1698  und 
1818. 

Auf  dem  grossen  Kreml- Platze  wurden  ehemals  die  Volksver- 
sammlungen (Wjetsche)  abgehalten.  Die  Mitte  desselben  nimmt  das 
von  Mikeschkin  entworfene  ^Burik- Denkmal  (üaMflTHHK'L  Tucflna- 
ji'bTlfl  Pocciü,  PI.  2)  ein,  1862  zur  Feier  des  tausendjährigen  Bestehens 
des  russischen  Reichs  errichtet.  Auf  rundem  reliefgeschmückten 
Sockel  ruht  eine  Erdkugel ,  die  oben  ein  kolossales  Kreuz  trägt ; 
ringsum  Bronzestatuen,  welche  verschiedene  Perioden  der  russischen 
Geschichte  darstellen  (Rurik,  Wladimir,  Peter  I.  u.  s.  w.). 

Auf  der  nördl.  Seite  des  Platzes,  dem  Denkmal  gegenüber,  links 
das  geistliche  Consistorium  (AyxOBHafl  KoHCHCTopifl,  PI.  32),  dahin- 
ter der  erzbischöfliche  Palast  (S.  252)  mit  der  Kirche  des  h.  Johann, 
Erzbischofs  von  Nowgorod  (f  1186) ;  rechts  di^  Sophien- Kathedrale 
und  die  Kirche  des  Erlösers  (UepHOBb  Bora  CnacHTejfl). 

Die  »Sophien-Kathedrale  (Coöop-B  CbätoM  Co*!« ;  PI.  26),  989 
zuerst  in  Holz,  1044-1051  in  Stein  nach  dem  Muster  der  Sophien- 
Kirche  in  Konstantinopel  erbaut,  ist  ein  glänzendes  Denkmal  rus- 
sischer Baukunst  aus  der  Zeit  Jarosslaw's  I.  In  ihr  wurden  die  er- 
wählten Fürsten  gekrönt  und  wurde  dieWjetsche-Glocke  aufgehängt, 
wenn  besondere  Feierlichkeiten  stattfanden.  Die  Kathedrale  wurde 
1067  von  dem  wilden  und  blutdürstigen  Wsesslaw  Brätscheslawitsch, 
Fürsten  von  Polozk,  1570  von  der  Leibwache  Iwan'sIV.  (S.250)  und 
1611  von  den  Schweden  geplündert;  restaurirt  wurde  sie  innen  und 

aussen  vor  c.  50  Jahren.    Die  Fresken  sind  aus  dem  xn.  Jahrh. 

Besonders  bemerkenswerth  sind  im  westl.  Haupteingang  die  berühm- 
ten Kontumehen  Bronzep/orten ^  aus  Eichenholz  bestehend,  welches  mit 
einer  dicken  Lage  Bronze  übersogen  ist.  Die  Bronzetafelo  9ind  in  viele 
Felder  getheilt ,  deren  jedes  eine  grosse  Menge  kleiner  Figuren  enthält, 
anseheinend  Darstellungen  sowohl  biblischer  wie  auch  mythologischer 
Scenen,  daneben  Köpfe  lateinischer  Heiligen  und  Bischöfe  mit  römischen 
Inschriften  neben  slawischen.  Einer  Sage  zufolge  soll  Wladimir  d.  Gr. 
die  Thüren  983  aus  der  Stadt  Korssun  (Cherson)  in  der  Krim  entführt 
haben ;  nach  andern  sind  sie  ein  Werk  des  Meisters  Rufin  von  Magdeburg 
und  befanden  sich  früher  in  einer  röm.-kath.  Kirche  in  Posen  (?),  wohin 
•ie  von  Bole«law  II.  gebraeht  und  von  wo  sie  später  nach  Nowgorod  als 
Kriegsbeute  entführt  wurden*,  wahrscheinlich  sind  sie  ein  Geschenk  der 
Hanseaten  an  die  Stadt  l^owgorod.  —  Das  Iwerb  der  Kathedrale  wird  durch 
das  von  der  Mittelkuppel  des  Doms  nur  spärlich  einfallende  Licht  unge- 
nügend erhellt  und  macht  einen  eigenthümlieh  ernsten  und  finsteren  Ein- 
druck. Die  8  ungemein  starken  Pfeiler,  welche  die  Kuppel  tragen,  beengen 
den  ohnehin  kleinen  Baum  noch  mehr.   Einige  der  Pfeiler  sind  von  unten 


252    Boutt2L  NOWGOROD.  Von  St,  Petersburg 

bis  oben  vergoldet,  andere  mit  Freskobildern  heilig  gesprochener  Fürsten 
und  Erzbischöfe  bedeckt.  Alle  Wandgemälde  sind  auf  Goldgrund  gemalt^ 
der  die  sämmtliehen  Hauern  Überzieht.  Die  Kirche  hat  5  Kapellen  und 
Altare;  das  kolossale  Mosaik -Bild  hinter  dem  Hauptaltar,  aus  gefärbten 
Gläsern  auf  Goldgrund  gearbeitet,  soll  byzantinische  Arbeit  aus  der 
Zeit  Jarosslaw's  I.  sein.  Der  Ikonostas  (xit.  Jahrh.)  ist  reich  mit  Gold 
und  Silber  inkrustirt.  Die  kaiserlichen  Pforten  sind  aus  Hetall  von  durch- 
brochener Arbeit.  Ihnen  gegenüber  steht  an  dem  einen  Pfeiler  der  1%ron 
des  Zaren^  an  dem  anderen  der  Thron  des  Metropoliten^  beide  aus  Metall 
gearbeitet.  Die  Gemälde  des  Ikonostas  (18)  sind  meist  alte  byzantinische 
Arbeiten;  bemerkenswerth  ist  das  wunderthätige  Muttergottesbild,  das 
„Thränen  vergoss,  wenn  Nowgorod  gekränkt  wurde".  —  Endlieh  zeigt 
man  in  der  Kirche  noch  die  Reliquien  von  verschiedenen  Grossfürsten 
und  deren  Gemahlinnen,  sowie  des  Gründers  der  Kathedrale,  Wladimir, 
Sohnes  Jarosslaw^s  I.,  Mstisslaw^s  des  Tapferen,  Annans,  der  Tochter  König 
Olars  von  Schweden  und  Gemahlin  Jarosslaw^s  I. ;  femer  die  Grabmäler 
verschiedener  Fürsten  und  Erzbischöfe,  darunter  das  des  Erzbisehofa 
Johann  von  IT^owgorod  (1186)  u.  a.  —  Sehenswerth  sind  ausserdem  in  der 
Kathedrale :  die  mächtigen  Kronleuchter  und  die  sog.  schwedischen  Thüren 
am  Eingange  zur  Geburts-Kapelle ,  welche  die  l^owgoroder  auf  einem 
Kriegszuge  gegen  Schweden  aus  der  alten  Hauptstadt  Sigtuna  entführten, 
eigentlich  nur  eine  bronzene  Täfelung  der  eichenen  Thorflügel  und  jüngeren 
Ursprungs  als  die  Korssun'sehen  Thüren.  Die  Sehatxkammer  der  Kathedrale 
bewahrt  manche  interessante  Alterthümer.  —  Von  der  ehemals  ansehn- 
lichen Bü>liothek  wurde  der  grösste  Theü  1859  nach  St.  Petersburg  gebracht. 

Links  von  der  Sophien-Kathedrale  das  erEbischÖfliolieliLlaiB  (Ap- 
xiepe^CKiü  ^omi  ;  PI.  37),  ein  wunderlicher  Bau,  1433  errichtet.  Im 
Innern  ein  Saal,  die  Qranowitaja  PaZata,  wo  sich  die  Erzbiscböfe 
nach  ihrer  Ernennung  und  Wahl  durch  das  Volk  (die  Ernennung 
und  Absetzung  der  übrigen  Bischöfe  geschah  durch  den  Fürsten  ihrer 
Diöcese)  von  der  Bürgerschaft  huldigen  u.  Salz  u.  Brot  reichen  liessen. 

Aus  dem  Bjetinez  gelangen  wir  über  den  Graben  und  Kanal 
durch  das  sog.  Preussische  Thor  beim  Geistlichen  Gonsistorium  auf 
einen  grossen  freien  Platz,  der  rings  den  Kreml  umgiebt.'  Hier 
gleich  links  das  *Deiikxnal  (PL  3,  D  4)  zum  Andenken  an  die  Be- 
freiung von  der  Franzosenherrschaft,  gegenüber  dem  stattlichen 
Gebäude  des  Adelskluhs  (^omi  ^BopAHCKaro  CoöpaHifl;  PL  1).  Auf 
der  Südseite  des  Kremls  auf  einer  Höhe  das  Gebäude ,  in  dem  das 
Haus  Katharina' s  IL  (^OMi  EKaTepHHuH;  PL  16,  F 4)  vor  Zer- 
störung bewahrt  wird.  Hier  wohnte  Katharina  II.  bei  einem  Besuche 
Nowgorods ;  in  ihm  eine  alte  Galeere,  welche  sie  der  Stadt  schenkte. 
Um  die  ganze  Nordseite  des  Kremls  zieht  sich  der  Stadtgarten  (Fo* 
poACKoä  caAi,  PL  D  3),  der  einen  Besuch  lohnt.  In  ihm  ein  Restau- 
rant (S.  249)  und  dicht  am  Kreml-Graben  ein  kleiner  Pftyillon  auf 

der  Stelle ,  wo  einst  das  Haus  der  Mar  ja  Possadniza  stand. 

Als  Iwan  HL  Wassiljewitsch  vor  den  Nowgorod*schen  Gesandten  in 
Moskau  die  Bepublik  sein  Vatererbe  nannte,  entstand  in  Nowgorod  ein 
Aufruhr,  in  dem  die  republikanische  Partei,  von  einer  ehrgeizigen  und 
kühnen  Frau  geleitet,  einen  vollständigen  Sieg  davontrug.  Diese  Frau, 
Marfa  Borezka,  die  Wittwe  des  Possadniks  Borezkoi,  desshalb  Ifarfa 
Possadniza  genannt,  veranlasste  im  Verein  mit  ihren  beiden  Söhnen,  dass 
Nowgorod  sich  wirklich  durch  förmlichen  Vertrag  unter  den  Schutz  des 
Königs  Kasimir  von  Polen  stellte.  Doch  Iwan  rückte  1471  mit  einem 
Heere  heran,  Nowgorod  erkannte  ihn  (s.  oben)  als  Herrscher  an,  Marfa 
endete  ihr  Leben  als  Gefangene  in  Nishny  Nowgorod  und  ihr  Vermögen 
wurde  conflseirt. 


nach  Moskau.  NOWGOROD.  2/.  Boute.     253 

An  der  Hauptstrasse  (Bolschaja  Peterburgskaja)  gleich  rechts 

das  einfache  kais.  Schloss  {ÜMue^RTopctiiä  ABopem;  PI.  36,  D  3), 

weiterhin  das  Militär  ^Hospital  (PI.  11).   Später  führt  die  Strasse 

durch  den  ^alten  Stadtwall  und  auf  einer  Brücke  über  den  die 

Sophien  -  Seite  abtrennenden  Graben  oder  Kanal. 

Erhalten  sind  von  dem  Wall  nur  noch  TJeberreste,  von  seinen  Thür- 
inen  der  sog.  Weisse  l%urm  (Biuaa  Bamsui:  PI.  41,  G  4)  auf  der  Südseite 
der  Stadt,  an  der  Brücke,  welcbe  zur  Ssloboda  Jamskaia  führt.  Ein 
breiter  Graben  trennt  noch  heute  fast  unmittelbar  hinter  dem  Wall  das 
Stadtgebiet  von  den  Vorstädten  und  dem  offenen  Lande. 

An  der  oben  genannten  Brücke  über  den  Stadtgraben  r.  das 
Nonnen 'Kloster  des  h,  Geistes  (MoHacTHpb  CBflTaro  ^yxa;  PI.  31, 
B  3) ,  Kirchen  und  Gebäude  mit  Gold  und  Schnitzwerk  überladen ; 
1.  das  Qefängniss  (TiopeMHuM  saMOKi,  PI.  4). 

Ueberschreiten  wir  wieder  die  Wolchow  -  Brücke  (S.  250) ,  so 
gelangen  wir  auf  die  Handels-Seite  (S.  249).  Hart  an  der  Brücke  lag 
südl.  die  sog.  slavische  Pjatina,  der  Hauptsitz  des  commerziellen 
und  politischen  Lebens.  Der  grosse  weite  Platz,  auf  den  man  von 
der  Brücke  tritt ,  war  im  Osten  und  Süden  von  den  verschiedenen 
Kaufstätten ,  dem  deutschen  und  pleskau'schen  Hofe  eingerahmt, 
an  welche  sich  nach  rechts  ein  hoher  schlanker  Thurm  schloss ,  in 
dem  die  Wjetsche-Glocke  hing.  Im  zi.  Jahrh.  befand  sich  auf  dem 
Platze,  wo  der  Thurm  stand,  Jarosslaw's  Burg,  weshalb  der  freie  Platz 
um  den  Thurm  Jarosslaw-Hof  (PI.  E2)  genannt  wurde.  Heute  steht 
hier  rechts ,  auf  der  Südseite  des  Platzes ,  ein  kolossales  Gebäude- 
Viereck,  in  dem  der  Qostinny  Dwor  (rocTHHHUÜ  ^Bop'B,  PI.  7),  das 
JStathhaus  (ropoACEoe  npHcyrcTBeHHoe  Mtcro),  mit  einem  Museum 
russischer  Alterthümer,  ferner  der  verfallene  Jarosslaw-  oder  Wje- 
tsche-Thtmn  (flpociaBa  6amHfl,P1.40),  dieMetropolitan-Kirehe u.  a. 
Gegenüber  auf  der  1.  (n5rdl.)  Seite  des  Platzes,  inmitten  eines  kleinen 
Parks  das  neue  Palais  des  Corps-Commandanten  (PL  38). 

Die  Handels  -  Seite  zerfällt  eigentlich  in  zweiTheile,  welche 
durch  einen  Graben  und  Kanal  getrennt  werden.  In  dem  südLTheile, 
in  der  von  der  Brücke  direct  östl.  abgehenden  Hauptstrasse  (Bol- 
schaja  Iljinskaja),  die  Gebäude  der  Polizei  (PL  34),  der  Telegraphen- 
Station  (PL  39)  und  Post  (PL  35) ;  am  Ende  der  Strasse  die  zweite 
Hauptkirche  Nowgorods,  die  Snamensky- Kathedrale  (PL 27, Fl), 
rechts  davon  die  Kirche  des  h.  Nikolaus  (UepK.  Ca.  HuKOja«; 
PL  23  F  2).  Bei  der  Post  das  alte  Haus  der  Marfa  Possadniza 
(S.  252).  In  der  beim  Polizeigebäude  1.  (nördl.)  abzweigenden  grossen 
Moskauerstrasse  1.  das  Gouvemementsgebäude  (AoMi  ry6epHaT0- 
pa;  PL  8,  E2),  weiter  das  Gymnasium  (PL  9).  —  Durch  die  gr.  Mos- 
kauer Strasse  gelangt  man  n.  über  die  Brücke  in  den  n.  Theil  der 
Handels-Seite  und  durch  die  Vorstädte  nach  dem  am  Wolchow-Üfer 
gelegenen,  einst  sehr  reichen  Kloster  des  h,  Antonius  (MoHacmpb 

CeaTaro  Ahtohiii;  PL  A  1),  1106  gegründet. 

In  der  Nähe  von  Nowgorod  liegt  das  Schloss  des  Grafen  Alexe!  An- 
drejewitsch  Araktschejew,  Orusina^  mit  einer  Sammlung  russischer  Alter- 
thümer.  —  Einige  W.  südl.  von  Kowgorod,  an  den  Ufern  des  Wolchow, 


254    B<mte  21,  STARAJA  RUSSA.    Von  St.  Petersburg 

in  hübscher  Lage  das  Kloster  des  heil.  Georg  (lOpieBCKifi  MoHacTup&),  eines 
der  ältesten  und  angesehensten  Russlands j  1030  durch  Wladimir,  Sohn 
Jarosslaw*8  I.,  gegründet,  mit  3  Kirchen. 

Von  Nowgorod  führt  die  Bahn,  anfangs  meist  am  Westufer  des 
Urnen -Sees  entlang,  über  Stat.  Borobeika,  Worok,  ßckimsk  (hier 
über  den  Schelon),  Wereschtschino,  Pereterka  nach 

88  W.  (156  W.  von  Tschndowo)  Staraja  Basea  (Crapaff  Pyca). 

Gasthöfe:  Knoeh  in  der  innem  Stadt.  —  ^Gasthof  mit  Num- 
mern bei  den  Soolquellen.  —  Uöblirte  Wohnungen  und  Datsehen  mit 
Zubehör  (excl.  Bett-  und  Leinenzeug)  50-300  B.  für  die  Saison. 

Wagen  am  Bahnhof;  Fahrt  ohne  Gepäck  50Kop. 

Badbavstaltei«  ,  den  höchsten  Anforderungen  entsprechend  (Biblio- 
thek, Lesezimmer,  Theater,  Goneerte  u.  s.  w.).  Saison  26.  Hai  bis  20.  August. 
Preise :  Soolbäder  4^  Kop.,  Moorbäder  70  Kop.,  Fiehtennadelbäder  50  Kop., 
Sool-  und  Fiehtennadelbäder  60  Kop.,  kaltes  Bad  im  See  mit  Mineral- 
wasser 10  Kop.,  Saisonkarte  25  B. 

Staraja  Russa,  berühmtes  Soolbad  mit  13,000  Einw.,  liegt  am 
Abhang  des  Waldai'schen  Plateau's  und  am  Zuammenfluss  der  Po- 
rusBja,  PolUta  und  Pereritiza  im  Kreise  Demjansk  des  Gouverne- 
ments Nowgorod.  Russ,  der  Bruder  des  Fürsten  Slowen,  gründete  der 
Sage  nach  die  Stadt  Russa  50  Stadien  von  Alt-Nowgorod ;  seine  Ge- 
mahlin Porussjaund  seine  Tochter  Polista  sollen  den  gleichn.  Flüssen 
ihren  Namen  gegeben  haben.  Die  Stadt  war  oft  Residenz  der  Gross- 
fürsten.   1471  wurde  sie  von  Iwan  III.  zerstört. 

Die  Atmosphäre  in  der  Stadt  ist  häufig,  namentlich  bei  Nordwest- 
wind, geschwängert  mit  den  heissen  Dämpfen  der  Gradirwerke.  Diese 
Chlor -Brom -Luft  erschwert  das  Athmen  sehr,  vorzüglich  Abends,  auf 
Skrophulöse  jedoch  übt  sie  den  günstigsten  Einfluss.  —  Das  Flusswasser 
der  Stadt  ist  brackig,  von  gelber  Farbe  und  übelriechend.  Die  in  die 
Flüsse  mündenden  Salzquellen,  der  Abfluss  der  Salinen,  und  die  durch 
das  Wasser  geleiteten  Bohren  derselben  machen  es  ungenlessbar.  Das 
Trinkwasser  wird  mittelst  eines  2  W.  langen  Aquäducts  aus  dem  Dorfe 
Duboziwi  zum  Stadtbrunnen  geführt.  Doch  wird  auch  aus  den  Flüssen 
oberhalb  der  Stadt  Wasser  zum  Trinken  geschöpft  und  Morgens  von  den 
Bauern  kübelweis  verkauft. 

Die  langgestreckte  Stadt  hat  überwiegend  hölzerne  Häuser ,  re- 
gelmässige, breite,  meist  gepflasterte  Strassen.  Fast  vor  jedem  Hause 
ist  ein  Gai-ten.  Der  schönste  Stadttheil  liegt  auf  beiden  Ufern  der 
Polista.  Das  1.  Ufer  derselben  ist  von  der  Alexander  -  Brücke  an 
bis  zum  kais.  Palais  mit  einer  1  W.  langen  Lindenallee  eingefasst. 
Die  Stadt  besitzt  19  Kirchen  und  Kloster.  Unter  den  ersteren  ist  die 
Auf  er  stehunga -Kirche  die  schönste,  die  Peter -Pauls -Kirche  die 
reichste  und  die  des  Märtyrers  Nyl  die  älteste  (xiii.  Jahrb.). 

Die  Salinen  liegen  im  N.W.  der  Stadt  an  der  Polista.  Den  von 
Katharina  II.  1771  angelegten  19Gradirwerken  wird  das  Wasser  aus 
dem  Salzsee  und  seinem  Reservoir  durch  Röhren  2V2  W.  weit  zuge- 
führt. Die  Gradirsoole  liefert  jährlich  150,000  Pud  Salz,  welches 
aber  gypshaltig  und  unrein  ist. 

Die  Badeanstalten  (s.  oben)  befinden  sich  theils  bei  den  Salinen, 
theils  am  Ostende  der  Stadt.  Das  Bad ,  dessen  Wirkung  die  von 
Franzensbad  und  Kreuznach  vereinigen  soll ,  ist  im  Sommer  sehr 
besucht ,  besonders  von  Damen.  Mit  den  Bädern  ist  eine  Kumyss- 
und Molkenanstalt  verbunden. 


nach  Moskau,  WALD  AI.  21,  Route.     255 

Die  Soolquellen  befinden  sich  am  Ostende  der  Stadt,  in  der  Nähe  der 
Osstaschko waschen  Strasse;  Metall  wird  durch  die  Salzdämpfe  oxydirt, 
Silber  gelblieh.  Zwei  Quellen,  die  Directorial-  und  die  JUttrawJeto^ »che- Quelle 
(beides  artesische  Brunnen)  werden  benutzt.  Das  Wasser  der  ersteren, 
1819-31  erbohrt,  ist  klar,  färb-  und  geruchlos  und  schmeckt  bittersalzig; 
Temperatur  9  und  10^  B.  Auch  die  Murawjew^sehe  Quelle,  1867-69  gebohrt, 
liefert  farbloses,  bittersalziges  Wasser,  doch  ist  dasselbe  weniger  scharf 
von  Geschmack,  hat  mehr  Kohlensäure  und  riecht  nach  Schwefelwasser- 
stoff; Temperatur  10.8<*  E. 

Wbitebfahet  vonTschttdowo  nach  Moskau  (vgl.  S.  248).  Gleich 

hinter  (118  W.)  Stat.  Wolchow  (BoixoBi»)  überschreitet  die  Bahn  auf 

hoher  Gitterbrücke  den  etwa  300  m  breiten  Wolchow,  der  oberhalb 

Nowgorod  aus  demllmen-See  tritt  und  nach  einem  Laufe  von  C.225W. 

in  den  Ladoga  -  See  mündet. 

Dn/mpftehüfffahiri  (nur  im  Sommer)  von  Wolchow  nach  Nowgorod 
in  4  St.  für  3B.,  nach  Staraja  Bussa  in  8  St.  für  3  B.  20  Kop. 

133  W.  Qrjady.  —  152  W.  Klein  -  Wischera  (Maiafl  BHmepa). 
Auf  zwei  langen  Brücken  über  eine  c.  60  m  tiefe  Schlucht ,  dann 
über  die  Mssta^  die  unweit  des  Ausflusses  des  Wolchow  in  den 
Ilmen-See  mündet  Mehr  Abwechselung  kommt  in  die  Gegend,  wenn 
wir  uns  den  Waldai -Höhen  (BsLinsAcKia  ropu)  nähern,  die  wir 
jenseit  (219  W.)  Station  Sowserje  vor  uns  haben ;  die  grosse  Was- 
ser- und  Völkerscheide,  die  das  baltische  vom  Wolga -Russland 
trennt,  aber  von  unscheinbarem  Ansehen ,  eine  Reihe  zusammen- 
hängender niedriger  Waldrücken.  Die  neue  Sphäre  der  russischen 
Welt,  in  welche  wir  mit  den  Waldai -Bergen  eintreten,  wird  auch 
bald  durch  zahllose  Kurgane  (s.  unten)  gekennzeichnet,  die  äussersten 
Vorposten  des  alten  Mongolenreiches. 

Kurgane  (BpyrjEua  nacBrnH  oder  KypraHu),  in  Kleinrussland  iTo^rtJy, 
nennen  die  Bussen  jene  kegelförmigen,  den  in  slavischen  Ansiedelungen 
oft  den  Kern  der  Stadt  bildenden  Hügeln  COorodisehUch«^  d.  h.  Stadt,  Burg) 
ähnlichen  Erdaufwürfe  oder  Hügel,  die  man  in  bestimmten  Begionen,  be- 
sonders in  den  südl.  Steppen  Busslands  vorfindet.  Hier  tragen  einige 
wenige  noch  merkwürdige  alte  steinerne  Bildsäulen.  Das  Wort  „Kurgan** 
«oll  aus  dem  Tatarischen  herrühren,  wo  Oür,  Kyr,  Kür  in  Grab  oder 
einen  Hügel,  und  Chan  ein  Haus  bedeutet,  also  wörtlich  ein  Grabhaus. 
Hogila,  Hohila  ist  aus  dem  Arabischen  herzuleiten  und  bedeutet  Hügel 
oder  Bast.  Kachgrabungen  haben  allerdings  bewiesen,  dass  es  Gräber 
sind.  Kan  fand  darin  gewöhnlich  Urnen  von  roher  Töpferarbeit,  verrostete 
Waffen,  Knochen  von  Menschen  und  Thieren,  manchmal  Sehmuck  von 
Gold  und  Silber,  auch  Medaillen  mit  Inschriften.  Andere  südrussische 
Kurgane,  besonders  hohe  und  hochgelegene,  enthalten  indessen  keine 
Spuren  von  Knochen  und  Kohlen  u.  s.  w.  Sie  dienten  vermuthlich  reli- 
giösen Zwecken  als  Gultusstätten ,  oder  hatten  militärische  Bedeutung 
als  Orientirungs  -  oder  Beobaehtungspunkte. 

229  W.  Okulowka,  —  248  W.  Uglowka. 

Zweigbahn  (39  W.  in  26  Min.  für  1.09,  0.81,  0.41  B.),  nach  Borowitsohi 
Kreisstadt  an  der  Mssta  mit  10,000  Einw.  Die  Stadt  hat  9  Kirchen,  mehrere 
Klöster,  einen  Kaufhof  etc.    In  der  l^ähe  Steinkohlen. 

265  W.   Waldaika, 

87  W.  westl.  die  Kreisstadt  Waldai  (Baji^afi),  umgeben  von  Bergen, 
am  südl.  Ufer  des  hübschen,  beinahe  1  Quadrat-Meile  grossen  Waldai-SeeSy 
aus  dem  sich  mehrere  bewaldete  Inseln  erheben ,  mit  8784  Einw.,  zum 
Theii  von  polnischen  und  schwedischen  Kriegsgefangenen  abstammend. 


256     Route  21,    WYSCHNY-WOLOTSCHOK.   Von  St,  Peter ihurg 

welche  Zar  Alexei  Hiehailowitseh  hier  ansiedelte.  Waldai  ist  berühmt 
durch  seine  Kringel  (Baranki)  und  durch  seine  Glocken,  welche  in  allen 
Grössen  an  der  Station  zum  Kauf  angeboten  werden;  auch  die  Fuhr- 
leute, Schmiede  und  Wagenbauer  von  Waldai  werden  gepriesen. 

Auf  einer  Insel  im  Waldai -See  das  vom  Patriarehen  Kikon  1652  er- 
baute Jwersky -Kloster^  ein  besuchter  Wallfahrtsort. 

295  W  Bologoje  (Bojoroe).  Zweigbahn  nach  Ryhinsk  (S.340), 
280  W.  in  10-11  St.  —  Bahnrestaur.,  10-20  Min.  Aufenthalt 

337  W.  WyBchny-Wolotseliok  (BumHift  Boioqex'B),  Kreisstadt 
mit  12,000  Einw.,  an  der  Zna  und  dem  Twerezky- Kanal  gelegen, 
regelmässig  gebaut,  mit  altem  kais.  Schloss,  mehreren  Kirchen  und 
schönem  Kaufhaus.  Bedeutender  Stapelplatz  besonders  für  Getreide. 

Die  grossartigen  Bauten  des  Kanalsystems  von  Wyschny- 
Wolotsehok  erregen  die  Bewunderung  des  Sachkundigen.  Schon  in 
einiger  Entfernung  vor  der  Stadt  ziehen  sich  Bahn  und  Strasse  wie  auf 
einem  Damm  zwischen  gewaltigen  Wasserbehältern  hin,  den  Beservoirs 
zur  Speisung  des  Kanals  bei  niedrigem  Wasserstande.  Weiterhin  grosse 
Häfen  und  Wasserbecken  mit  einer  Einfassung  von  Granit  und  Schleusen 
mit  eisernen  Thoren.  In  ersteren  liegen  im  Sommer  oft  500-800  Fahrzeuge, 
um  den  Durchgang  durch  die  Kanalschleuse  gemeinschaftlich  zu  bewerk- 
stelligen. —  Bei  Wysehny-Wolotschok  vereinigen  sich  die  Wasserverbin- 
dungen zwischen  dem  Kaspischen  Meer  und  der  Ostsee,  gebildet  durch 
Ober- Wolga,  Twerza,  Zna,  Mssta,  Wolchow  und  Newa.  Peter  I.  ver- 
suchte zuerst  den  Dnrehbrueh  des  Waldai-Rtickens  durch  den  4  km  langen. 
Kanal  zwischen  Mssta  und  Twerza  (1704-1713).  Ein  Jahrhundert  lang  ist 
dieses  Kanalsysten^  erweitert  und  vervollkommnet  worden.  Die  hydrau- 
lischen Werke  wurden  erst  unter  Katharina  II.  1793  vollendet. 

368  W.  Spirowo  (CnnpoBO).  Bahnrestaur.,  8-15  Min.  Aufenthalt. 

—  387  W.  Kalaschnikowo,  —  408  W.  Osstaschkowo  (OcTamKOBo). 

Zweigbahn  nach  Torshok,  33  W.  in  1  St.  für  1.34,  0.93, 0.47  B.: 
nach  Rshew,  128  W.  in  5  St.  für  4.60,  3.80,  1.84  B. 

Torthok  (TopsoKi,  Marktstadt),  freundlich  an  der  Twerza  gelegene 
Kreisstadt  im  Gouvernement  Twer,  mit  30  Kirchen,  deren  Kuppeln  und 
Thürme  die  Stadt  von  weitem  ansehnlich  und  malerisch  erscheinen  lassen, 
breiten  Strassen,  grossen  Plätzen  und  13,000  sehr  betriebsamen  Einw. 
Haupthandelsgegenstände  sind  Getreide,  Mehl,  Seife  u.  s.  w.  Berühmt  ist 
die  Stadt  durch  ihre  feinen  Lederwaaren  (Schuhe  und  Stiefel  aus  mehr- 
farbigem Leder  zusammengesetzt;  Damenschuhe  aus  Sammt  mit  Gold- 
und  Silberstickerei  werden  auf  den  Stationen  ausgeboten,  theuer).  —  Tor- 
shok ist  eine  der  ältesten  Städte  des  Innern  Bnsslands.  Schon  zu  der 
Zeit ,  wo  die  Nowgoroder  zur  Hansa  gehörten ,  betrieben  sie  einen 
schwunghaften  Handel  in  dieser  ihrer  Grenzfestung.  Weit  ins  Wolga- 
gebiet vorgeschoben,  war  Torshok  ein  steter  Zankapfel  zwischen  dem 
Freistaate  Nowgorod  und  den  SsusdaVschen  und  Twer  sehen  Fürsten  und 
hatte  in  Folge  dessen  vielfach  durch  Verwüstung  zu  leiden.  —  Rshew 
(PmeBi),  Kreisstadt  im  Gouvernement  Twer,  an  der  Wolga,  mit  27,000 
Einw.,  hat  13  Kirchen,  bedeutende  Garnspinnereien,  Schififswerfte  und 
lebhaften  Handel  in  Salz,  Getreide  etc.  Im  xiii.  und  ziv.  Jahrb.  Sitz 
selbständiger  Fürsten,  gehörte  die  Stadt  im  xv.  Jahrb.  zu  Litauen.  — > 
Dampfer  von  Bshew  nach  Twer  in  10  St.  für  4,60  B. 

428  W.  Kulizkaja.  ^  Je  mehr  man  sich  Twer  nähert,  desto 
mehr  überwiegen  Wiesenflächen  über  die  Wälder.  Die  Bahn  über- 
schreitet die  Wolga,  die  schon  hier  auf  ihrem  Oberlaufe  einer  leb- 
haften Schifffahrt  dient.  Bald  darauf  Station  Twer  (»Restauration, 
10-20  Min.  Aufenthalt).   Die  Stadt  selbst  bleibt  1.  liegen. 

448  W.  Twer  (TBepk). 

Gasthöpb:  «Müller  am  Postplatz;  Andrej ew  (Z.  von  1  B.  ab- 
wärts). —  Bbstadrants  OMD  Gaf^s:  Müller,  Weiss  (Beftci),  •Tscha- 


nach  Moskau,  TWEB.  2L  Raute,    257 

plin.  —  WA.OBK  ftm  Bahnhof,  am  Landungsplätze  der  Dampfschiffe  und 
auf  dem  Postplatz. 

Pbombkadbh  am  Wolga-Quai^  beim  Vauxhall,  im  Stadlgarten^  auf  dem 
Camiugolnßfa  -PUUt. 

Post-  und  TBLBftBAPHBHAMT  auf  dem  Postplatz. 

Dampfscbiffb  :  der  Gesellsehaft  Ssamoljot  naeh  Kasan  (8. 350),  Asttrachan 
und  Perm  täglich,  nach  Rybinik  (8.  340)  Ho.,  Di.,  Do.  und  Sa  ;  der  Gesell- 
schaften Polsa  und  DrusMna  nach  Rpbintk  und  Ashtte  (s.  oben). 

Twer,  Hauptstadt  des  gleicbn.  Gouvernements,  mit  39,000  Einw., 
Sitz  eines  CivilgouTerneurs  und  des  Erzbiscliofs  von  Twer  und 
Kaschin ,  liegt  am  Einflüsse  der  Twtrza  und  Tmäka  in  die  Wolga 
sowie  auf  den  von  diesen  Flüssen  gebildeten  Inseln,  lieber  die 
Tmaka  föhrt  eine  feste  Brücke ,  während  auf  Wolga  und  Twerza 
der  Verkehr  durch  Fähren  unterhalten  wird.  Die  eigentliche  Stadt, 
Oorodowaja  (FopoxoBaii) ,  zwischen  Wolga  und  Tmaka ,  zieht  sich 
vom  Quai  am  bergigen  Ufer  der  Wolga  hinauf;  hier  eine  Menge 
stattlicher,  meist  gelber  Häuser  (weshalb  Twer  auch  wohl  die  „gelbe 
Stadt''  genannt  wird),  grosstentheils  unter  Katharina  II.  entstanden, 
welche  nach  dem  verheerenden  Brande  vom  12.  Mai  1763  (dem 
jüngsten  unter  den  vielen ,  unter  denen  Twer  zu  leiden  hatte)  die 
Stadt  nach  einheitlichem  Plane  wieder  aufbauen  liess.  Auf  der- 
selben Seite  der  Wolga ,  am  1.  Ufer  der  Tmaka ,  der  Satmatkaja 
{ZfkThMtiHVinii) '  Stadttheü ,  auf  dem  1.  Wolga -Ufer  zu  beiden  Seiten 
der  Twerza  das  SawoUhskaja  (3aB0jscKaii)  -  und  Satwerezkaja 
{3n.'nepeuBi9in)' Viertel.  In  allen  Stadttheilen  breite,  regelmässige 
und  gepflasterte  Strassen,  ansehnliche  Häuser,  grosse  Plätze.  Die 
Fabriken  in  Twer  (Baumwollspinnerei,  Eisengiesserei ,  Stärke- 
fabriken u.  s.  w.)  gehören  zu  den  bedeutendsten  Russlands;  auch 
als  Handelsplatz  und  durch  ihre  Werft  ist  die  Stadt  von  Bedeutung. 

Zur  Geschichte.  Twer  wurde  1183  von  dem  Grossfürsten  Wladimir 
Wssewolod  GeorgietriUch  ron  Ssusdal  gegründet.  Der  Haupttheil  der  Stadt 
lag  damals  auf  der  Wiesenseite  der  Wolga;  erst  1340  erbaute  Grossfürst 
Jarosslaw  Wssewolodowitsch  die  Festung  (s.  unten).  Zu  dieser  Zeit  war 
Twer  die  Besidenzstadt  eines  eigenen  Fürsten,  abhängig  vom  SsusdaPschen 
Fürstenthum.  Nach  der  Begierung  des  Michail  Borissowitsch  (1434-90) 
fiel  Twer  dem  moskowitischen  Staate  zu.  1570  kam  Iwan  JV.  auf  seinem 
Zuge  gegen  Nowgorod  auch  durch  Twer,  dessen  Bewohner  er  seinen  Sol- 
daten preisgab.  Zur  Zeit  der  falschen  Dmitry  (1606)  wurde  Twer  von 
den  Polen  gestürmt  und  grosstentheils  niedergebrannt. 

Von  Denkmälern  seiner  Yergangenheit  hat  Twer  wenig  bewahrt. 
Wo  am  bergigen  Wolga -Ufer,  an  der  Mündung  der  Tmaka,  der 
Qarodawaja'Stadttheil  (s.  oben)  beginnt,  bezeichnet  ein  unregel- 
mässiges, wallartiges  Dreieck  die  Stelle,  wo  ehemals  der  Kreml 
oder  die  Featwng  (Kptnoen)  gestanden  hat.  Dieser  Wall  wird  auf 
zwei  Selten  von  der  Tmaka  und  Wolga,  auf  der  dritten  von  einem 
Graben  umgeben ,  in  dem  ein  Boulevard  angelegt  ist.  In  der  Nähe 
erhebt  sich,  angeblich  an  der  Stelle  der  von  Alexei  Mlchailowitsch 
(s.  oben)  niedergebrannten  Burg ,  das  ehem.  bischSfl.  Sehloii ,  von 
Kaiser  Alexander  I.  restaurirt,  umgeben  von  einem  schönen  Park,  der 
zum  Theil  als  öffentlicher  Garten  (IlyöiHWÜ  Can)  benutzt  wird. 

Die  *Xath«dral«  der  VerkUning  Chiiiti  (Co6op%  Ilpeoöpaseaui 

Bussland.    3.  Aufl.  17 


258     RouU  2L  TWER.  Von  St.  Petersburg 

rocnoAHfl),  eine  der  schönsten  unter  den  40  Kirchen  der  Stadt,  mitfanf 
Kuppeln,  wurde  nach  Abtragung  einer  altern  Kirche  1682  erbaut;  die 
Wandgemälde  stammen  vom  Erzbischof  Piaton  (xvin.  Jahrb.).  Der 
Ikonostas  ist  prachtvoll  mit  Gold,  Silber  und  Steinen  geschmückt. 
R.  in  reichgeschmücktem  silbernen  Sarkophag  die  Reliquien  des  h, 
MichailJarosslawitsch  (s.  oben).  Die  Wandgemälde  stellen  Episoden 
aus  dem  Leben  des  Grossfürsten  dar.  Die  Kathedrale  enthält  di& 
Grabmäler  zahlreicher  Grossfürsten,  Fürsten  u«  s.  w.  Der  dreistöckig» 
Qlockenthurm  wurde  im  xviii.  Jahrb.  vom  Erzb.  Mitrofan  erbaut. 

Die  schönste  Strasse  der  Stadt,  die  MUlionnaja,  läuft  parallel 
der  Wolga  und  endigt  westlich  an  der  Tmaka,  östlich  an  d^n  schon 
ausserhalb  der  Stadt  liegenden  VauxhaU ;  an  derselben  liegen  di» 
schönsten  Gebäude  und  Magazine  der  Stadt,  u.  a.  das  stattliche 
QymnoMum  (EHMHaalfl),  der  Oostinny-Dwor,  der  Adelsklub  und 
das  adlige  (Dworjansky)  Institut.  In  der  Nähe  des  Schlosses  der 
Katharinen-Platz  (EKaTepHBOBCsafi  nioma4b),  auf  dem  das  Denkmal 
Katharina' 8  IL  aus  sibirischem  Marmor,  der  Gerichtshof  xmd  andere 
öffentliche  Gebäude.  Darauf  folgt  im  Centrum  der  Stadt  der  Post- 
platz  (IIoqTOBaH  niom.) ,  an  dem  das  mächtige  Qouvemementsge- 
bäude,  die  Post  u.  s.  w. ;  ferner  der  Ossmiugolnaja-Platz  (OcfrMHy- 
FOJbHaa  niom.) ,  mit  Bäumen  bepflanzt ,  die  Hauptpromenade  von 
Twer.  Von  hier  gelangt  man  nördl.  zum  Wolga- Quai,  südl.  zum 
Bahnhof.  Erwähnenswerth  ist  noch  die  Mironossizkaja  (BfHpoHO- 
cHUKaii  yiHua),  nach  der  an  ihr  liegenden  Mironossizky-Kirche  be- 
nannt, und  der  immer  belebte  Chfjebnaja- Platz  (Xj^dflaa  naooi.)» 
südl.  hinter  dem  Gostinny-Dwor. 

Jenseit  der  Tmaka  die  '^'Troizy- Kirche  (UepK.  ^HBOHaHauHoä 
Tpoäau),  mit  7  Kuppeln ,  1584  von  einem  Twer'schen  Bürger  Tu- 
schinsky  erbaut ;  im  Innern  bemerkenswerth  die  schönen  Zaren- 
Thiiren  des  Ikonostas.  Im  oberen  Stockwerk  geheime  Zimmer  (Ila- 
jaTKH),  mit  kaum  bemerkbaren  Spalten  anstatt  der  Fenster ;  in  ihnen 
verbargen  ehemals  die  Geistlichkeit  und  die  Bürger  ihre  Schätze 
bei  feindlichen  Einfällen. 

Auf  dem  erhöhten  1.  Ufer  der  Tmaka,  nahe  ihrer  Mündung,  das 
1854  erbaute  Dock  nebst  Masehinenwerkstätten  (^OKi,  MacrepcKiii) 
der  Ssamoljot-Gesellschaft,  deren  Dampfer  hier  überwintern.  Etwas 
weiter  oberhalb  an  der  Tmaka  die  sog.  Owrag  Lasur  (Oapanb  Jasypi»), 
eine  Art  Werft  in  einer  weiten  Schlucht,  welche  im  Sommer  trocken, 
Im  Frühjahr  mit  Wasser  gefüllt  ist. 

Ebenfalls  am  Tmaka -Ufer,  nahe  Twer,  das  Boshdestwensky- 
Nonnenklostar  (Pos/iecTBeHCKifi  a^bhvü  MoHacrapfc),  seit  Beginn  des 
XVI.  Jahrb.  erwähnt.  Die  ehemals  hölzernen  Kirchen  wurden  1765 
durch  steinerne  ersetzt.  Die  Kaihedrdte  liess  1812  Alexander  I. 
erbauen ;  in  ihr  das  wunderthätige  Büd  der  Tichwin^ sehen  Mutter 
Oottes,  1703  von  einem  Mönch  in  das  Kloster  gebracht. 

4  W.  von  Twer  inmitten  eines  Gehölzes  das  ummauerte  *Skei* 
Ukow-Hönoha-XloBterCSKeiTHROiii  Y  cneHCRiü  HysaecKiö  MoHacrapi») 


nach  Moskau,  WOSSKRESSENSK.  21.  Route.     259 

mit  Beinen  vergoldeten  Kuppeln ,  der  schönste  Punkt  in  der  Um- 
gebung, 1400  vom  h.  Arsenius  (f  1409)  erbaut.  Die  jetzigen  steiner- 
nen Kirchen  stammen  aus  der  Zeit  Peter's  d.  Or.  In  der  Befestigungs- 
Mauer  über  dem  Thorwege  zwei  Zimmer ,  welche  als  Wohnräume 
für  den  Zarewitsch  Alezei,  Sohn  Peter's  I.,  bestimmt  waren. 

7  W.  von  Twer,  nahe  den  Ufern  der  Malizka,  das  Kikolajewsky- 
Kloiter  (HHKoaaeBCKiä  Moh.),  1676  von  Owzin,  Oberjägermeister  des 
Zaren  Feodor  Alexejewitsch  gegründet ;  die  Wohnungen  der  Mönche 
erbaute  Graf  P.  J.  Schuwalow  1753  als  Erinnerung  für  die  wunder- 
bare Heilung  seiner  Gemahlin.  In  der  Kirche  ein  Mosaikbild  des 
Erlösers  und  kostbare  Geräthe ,  Geschenke  der  Grafen  Schuwalow. 

Schliesslich  auf  der  andern  Seite  der  Wolga ,  am  Einflüsse  der 

Twerza,  das  berühmte  Otrotsch- Kloster  (OxpoMb  -  ycneHCKiÜ  Hy». 

Moh.),  jetzt  geistliche  Schule  und  Seminar. 

Eine  Sage  erzählt,  dass  der  Grossfürst  Jarosslaw  III.  Jarosslawitseh 
in  Twer  die  Braut  seines  Pagen  oder  Adjutanten,  Grigor,  im  Augenblick 
der  Trauung  mit  demselben  vom  Altare  fortgerissen  und  sieh  mit  ihr  ver- 
bunden habe.  Grigor  wurde  Möneh  und  gründete  1265  das  später  so 
blühende  Otrotsch-KIoster,  das  nach  anderen  zur  Zeit  der  Gründung  der 
Stadt  Twer  erbaut  wurde.  Bis  1764  hatte  das  Kloster  grossen  Besitz  an  Land 
und  Leibeigenen.  In  ihm  die  Grabmäler  der  Twer'schen  Erzbischöfe  des  xiii. 
und  xiT.  Jahrh. ;  hier  Mrlrd  auch  die  Zelle  des  ehemaligen  Metropoliten  von 
Moskau,  Philipp^  der  während  der  Anwesenheit  Iwan's  IV.  in  Twer  ermor- 
det wurde,  gezeigt.  Seine  Reliquien  wurden  1584  nach  dem  Ssowjezkischen 
Kloster,  wo  Philipp  als  Mönch  gewesen,  1651  nach  Moskau  gebracht. 

Nach  Ueberschreitung  der  Sschoscha  -  Brücke  gelangen  wir  in 
das  fruchtbare  und  industriereiche  Gouvernement  Moskau.  Statio- 
nen Kusminka,  Sawüowo,  RJeschetnikowo. 

521 W.  Klin  (KiHHi),  Kreisstadt  an  der  Ssestra^  mit  7000  Einw., 
der  alte  Stammsitz  der  Romanow ,  1885  fast  gänzlich  durch  Brand 
zerstört.  —  Bei  (544  W.)  Podssolnjetschnaja  mündet  der  Moskauer 
Kanal  (MocKOBCKiü  Kanaii)  zwischen  Isstra  und  Ssestra.  —  568  W. 
KrvJcowo. 

21  W.  westl.  von  Krukowo  (Postverbindung)  liegt  an  der  Isstra  die 
Stadt  WoMkresMnak.  Unfern  derselben  das  berühmte  *Klo$ter  Neu-Jeru- 
salemj  mit  seinen  hohen  Mauern  einer  Festung  ähnlich  (Unterkunft  im 
Gasthause  des  Klosters^  keine  Bezahlung,  doch  wird  eine  freiwillige 
Gabe  erwartet).  Das  Kloster  wurde  1655  vom  Patriarchen  Nikon  (S.  285)  ge- 
gründet, der  Zar  Alexei  verlieh  ihm  den  Namen  Neu- Jerusalem.  Die 
Kirche  zum  Juiligen  Orab*^  welche  die  Klostermauern  umsehliessen,  liess 
Nikon  in  scrupulöser  Nachahmung  der  Grabeskirehe  in  Jeruaalem  erbauen ; 
in  der  Kirche  befindet  sich  auch  sein  Grabmal  (t  1681)  in  der  sog.  Melchi- 
sedek-Kapelle  am  Fusse  von  Golgatha.  Die  Hauptkuppel  stürzte  1750 
ein  und  das  Gebäude  wurde  in  der  Folge  durch  SastrelU  restaurirt.  — 
1698  war  das  Wosskressensky -Kloster  der  Schauplatz  blutiger  Kämpfe 
zwischen  den  aufrührerischen  Strelitzen,  welche  das  an  der  litauischen 
Grenze  stehende  Heer  verliessen  und  auf  Moskau  zogen ,  and  den  ihnen 
entgegenrückenden  Truppen  des  Generalissimus  Schein.  General  Patrick 
Gordon  besetzte  das  Kloster.  In  der  dann  sich  entwickelnden  Schlacht 
wurden  die  Strelitzen  gesehlagen  und  im  J.  17(X)  in  grosser  Zahl  hingerichtet. 

587  W.  Chirnki.  —  596  W.  Petrowsky-Rasumowsky  (S.  312).  — 
604  W.  MoskaQ  (MocKBa). 


17* 


Erkl&raDg  der  Zablen  zum  Plan  von  Hoskaa. 


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19,  Krutiiky    .  .  EFI 

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B7,  Erlo.er  (Chrmm 

EUmbelb.  .  .  .  F3 

8.  K.lh»tlneii 

SspUBlleUa),  ,  C. 

MidebenBtifl, 

Alei.ndorBDa 

d.  KuraklnseheE 

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BS^IbertieheKipellBD 

1.  Nibilkowichsi  E  3 

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2.  PreobrHbeDB 

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03.  Hiehulsk.    .  .  F 

Augenklinik 
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,  C3 

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Gl.  Peter- u.PiDlt- 
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67.  Uiipemk.Kith.D 

68,  Verkündijang  D 

S.  Historistbel.  Dl 
1.  KmKlu.Oe».  E3 
7.Polyt*£bniKJieiDl 
i.  Rumjaniaw   .  Cl 
lIlH1«-öeBDgi..Gl 
OrUnteLlnelitutDl 

30.  sSmoUn.ker 

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KUater. 

68.  Aleiejewiky- .  P 

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1.  Krenil-P»Ui»  Dl 

Centrsl  -  Tran 

7i;  Duillow.  ...O 

3.  Vlkolal-PtlsisDl 
l!  LeCortowikT  FG3 

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TS,  Donakoi-    .  .  ,  C 
73.  Griechisch«)  .  D 

.  Dl 

Tl.  Helludi.neuaa  E 

PbiUnthr.Go.DEl 

76,  l-uiowAy  ,  .  E 

melnärblft  '  .  ■  0 
P«l.°.  .'.-..  B 
Prov.-ll»|"'n  ■  0 
Pal«r-Ml«z.EF6 
Kaninon-Riua  D 
RoUie  Pforte .  .  E 
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Findelhiu.    .  .  .  B 

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Gsnersl-GouT.  CDI 

Gostlnn,  äva°"li' 
Gr.now!l^.P»l.  Dl 

37.  DrilTea Dl 

38.  MUllir-,  lu.II  Gl 
30.     „    IV Gl 

7fl,  Jungfrkuen  ,  ,  A 
77,  Pokrowsky  ,  ,  F 

T9,  Sa-IkoDoSipui,  E 

Bl,  Snanunaky  .  .  D 
91,  B.imonow  .  ,  .  E 

w:s!ruZl''',,'.c 

87,  WTMoko-Pel.  E 
SB.  Kolym.  Dwor  .  ,  C 

i  Komme™thule  '.  C 
91.  EODimlii.    Altel  E 

10.  Hidcben-,  I 

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Telegnpb  ...  ES 

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Universitüt.  .  .  Dl 

U.  Aleiiuder 

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9«,  Krieg«.,  .'.  ,  ö 

Vormundicbeftl- 

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98,  Piuli-    ,  .  ,  ,  I 

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47,  lUvelerle  . 

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99.  Pr«obra3hen,    C 

Wittnenbiui    .  B3 

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100,  8eher«öietj.  DI 

Zoolog.  Oirten   B3 

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261 
22.   Moskau. 

Anknnft.  Wer  im  Gasthofe  zu  bleiben  beabsichtigt,  wende  sieh  gleich 
bei  der  Ankunft  an  den  mit  Wagen  oder  Omnibus  auf  dem  Bahnhofe 
anwesenden  Gommissionär  des  gewählten  Hotels,  kenntlich  am  Schild  an 
der  Mütze.  Dies  ist  besonders  denen  anzurathen,  die  des  Russischen  nicht 
mächtig  sind. 

GaathSfe.  Sslawjansky  Bazar  (CiaBflHCKift  Baaapi),  in  der  17i- 
kolskaja  (PI.  D 4) /grosses  Haus,  mit  190  Z.  von  IV2  ^-  ^n^  mit  schö- 
nem Speise-  und  Goncert-Saal.  ^*Hdt.  Dusaux  ^nco)  am  Theater- 
platz (PI.  D  4 ,  Bes.  Jfiersch ,  ein  Deutscher) ,  Z.  von  1  B.  90  K«  an ,  M. 

1  B.  50  und  2  B.  50  E.  auch  Restaurant.  —  Hot.  Stadt  Berlin  (Bepr 
jiHHi)  in  der  Roshdestwenka  (PI.  D3,4,  Bes.*  CUnusen)^  im  Mittelpunkt 
der  Stadt  gut  gelegen,  von  Kaufleuten  viel  besufelit,  Z.  u.  B.  Von  1  R. 
25 K.  an.  —  *Hot.  Fuchs  (früher  Billo,  Bkxjto)  in  der  Grossen  Lubjanka 
(PI.  D  3, 4),  Haua  Popow.  Diese  vier  mit  bewährten,  deutsch  und  russisch 
sprechenden  Gommissionären.  —  Bolschaja  Moskowskaja  Gostin- 
niza,  I.  Ranges,  aber  ganz  russisch,  am  Woskressensky  -  Platz  gegen- 
über der  Iberischen  Pforte  Gwersk^ja  Worota,  S.  287;  P1.D4),  Z.  1-8  R., 
mit  vortrefflichem  Restaurant,  M.  1  R.  25  K.  u.  2R.  —  Hdt.  de  France 
(4»paHuia>,  Twerskaja,  Haus  Philippow,  russisch,  Z.  von  1  R.  an.  —  Hdt. 
Dresden  (Apeaxeni),  Twerskaja,  Haus  Andrej ew,  Z.  von  I1/2  R.,  M.  von 

2  R.  an.  —  Mamontowa  oder  Loskutnaja  Gostinniza  in  der 
Twerskaja,  in  der  Nähe  der  Iber.  Kapelle  (S.  2iS8),  ganz  russisch,  F.  u. 
M.  von  IR.  an.  —  Kokorew,  in  der  Sofliskaja  (PI.  D5),  gegenüber  dem 
Kreml,  ganz  russisch;  Z.  60Kop.  —  4R.  pro  Tag,  10-1()0R.  monatlich. 

Traktir«  (s.  unten)  mit  NumtMrn  (d.  i.  Zimmern)  für  Fremde:  Asant- 
schewsky  in  der  NikolskaJa,  Haus  Tsehishow.  >-  Lopasehow  in  der 
Warwarka.  —  Tsehassowikow  am  Kamenny-Most (Steinerne  Brücke).— 
Winogradow  an  der  Petrowsky  -  Worota  (PI.  D3)  u.  a. 

Ohambres  garaiet  (MeöjHpoBaHHux  KOKnaTu)  in  grosser  Anzahl.  Durch- 
schnittSDreise  monatlich  mit  Bettwäsche  15-25  R.  ohne  Pension ,  40-70  R. 
und  mehr  mit  Pension  (man  zahlt  pro  Monat  pränum.;  Trinkg.  monatl. 
e.  1  R.).  Maison  meubl6e  (Versailles)^^  Ecke  der  Gr.  Dmitrowka  und 
Stoleshnikow-Gasse  (PI.  D3,  4),  Haus  Tschuksin,  in  bester  Lag.e.  —  Rud- 
new,  Ecke  der  Twerskaja  und  Gasetny- Gasse,  Raus  Goljaschkin,  gleich- 
falls gute  Lage.  —  Ssawostianow,  in  demselben  Gebäude  nach  dem 
Twerskoi  zu.  —  W argin,  dem  Twerskoi,  Haus  Wargin.  —  Louvre, 
ebenda,  Haus  Poljakow.  —  Etschk^in  auf  dem  Trubnaja- Platz  u.  a. 

^  Restaurants  (Traktire,  Tpasrapi ;  vgl.  Einl.  S.  xxv).  «Ermitage  (9pMH- 
Tascii),  Neglinny-Projesd  (PI.  D3, 4),  theuer  aber  gut.  Cabinets  separ^s, 
Kellner  in  russ.  Tracht.  —  'Sslawjansky  Bazar  (s.  oben)  in  der  "Ni- 
kolskaja,  grosses  Etablissement,  nicht  billig.  —  'Patrikejew  (J.  /. 
TJestöw) ,  Wosskressensky-Platz ,  nahe  dem  Grossen  Theater  (PI.  D  4), 
um  die  Mittagszelt  von  der  vornehmen  Kaufmannschaft  viel  besucht.  -— 
Troizky  auf  der  Iljinka,  viel  Kaufleute.  —  Ssaratow  (GaparoBi) 
Ssretenka,  Ecke  des  Mjassnizky-Boulevard.  Gute  russ.  Küche.  —  Mps- 
kowsky  (MocxoBCKift),  Wosskressensky-Platz,  s.  oben.  —  Zweiten  Ranges: 
«Schtschellowa  (U^ejiJiOBa),  Ecke  Schmiedebrücke  u.  Gasetny  Pereülok. 
Diner  V2'l-  ^-  —  Ssatschkow  (Ca^KOBtb) ,  Twerskoi  -  Boulevard.  Auch 
jfummern.  -—  Jegorow,  Ochotny  Bjäd  (PI.  D4),  viel  von  altgläubigen 
Kaufleuten  besucht.  —  Deutsche  Restaurants  .'Hdt.  StadtBerlin,s.  oben ; 
«Alpenrose  auf  der  Ssofeika;  Walde,  hinter  dem  Grosseh  Theater; 
Dusaux,  Roshdestwenka;  Braus,  Gr.  Dmitrowka;  Beck,  Kl.  Kisselnaja. 

Konditoreien  (KoHAHTopcxia  MaraBHRu),  in  denen  man  Kaffee,  Choko- 
lade.  Eis  u.  s.  w.,  aber  keine  geistigen  Getränke  bekommt,  mit  Zeitungen : 
^Einern,  vier  Magazine:  am  Iljinsky-Worot ,  Petrowka,  Twerskoi  und 
Marosseika;  Abrikossow,  vier  Magazine:  Iljinsky-Worot,  Ssolodowni- 
kow-Passage,  Twerskoi  und  T werskoi-Boulevard ;  Albert,  Siou,  Filip- 
pow,  alle  Twerskoi.;  Tremblay,  Schmiedebrücke  (HyaueKKÜk  mocti); 
Bartels,  ebenda,  bestes  Gebäck.  —  Dtf/tVatewen:. Bjelo w,  Marosseika; 
Generalow,  gr.  Lubjanka,  Arbat  und  Twerskoi. 


262    Boute  22.  MOSKAU.  Praktische 

Wagen.  1.  Droschken  (2sitzig  mit  beweglichem  Verdeck).  Eine  Taxe 
existirt  nicht,  für  jede  einzelne  Fahrt  muss  mit  dem  Iswoschtschik  ver- 
handelt werden,  s.  S.  xx  und  Leitfaden  der  russ.  Sprache  8.  44.  45. 
Einfache  Fahrt  10-30  Kop.,  Nachts  etwas  theurer^  in  der  Stadt  für  den 
ganzen  Tag  ^/s-S  B. ;  ausserhalb  3-4  B.  —  2.  Feinere  Wagen  (1  u.  28itoig), 
lAchatsch  (JlHxa^i)  genannt,  im  Winter  elegante  Schlitten,  mit  gut  ge- 
kleidetem Kutscher  (verstehen  z.  Th.  deutsch  u.  französisch)  u.  brillantem 
Pferd ,  halten  nur  vor  den  feinsten  Bestaurants ;  kurze  Fahrt  nicht  unter 
1-2  B.,  besonders  beliebt  zu  Fahrten  nach  den  ausserhalb  gelegenen  Ver- 
gnügungslocalen,  10-15  B.,  für  den  Abend  u.  die  Xacht  hindurch  20-30  B. 
—  3.  Kaleschen  (2  u.  4sitaig),  auf  dem  Lubjanka-,  Börsenplatz  u.  a.^  die 
Stunde  60Kop.-lB.,  pro  Tag  4-5  B.^  dreispännig,  Troiken,  beliebt  zu 
Ausflügen,  je  nach  Zeit  und  Entfernung  10-25  B.  —  4.  Equipagen  (Lan- 
dauer) 1/2  Tag  5-8  B.,  pro  Tag  8-10,  nach  ausserhalb  9-12  B.,  bei  Makaroto^ 
Gr.  Lubjanka  neben  dem  Ssretensky- Kloster;  TtchuhajeWy  Mjasnizky, 
Emiljanou)^  Twerskoi-Boulevard.  —  Trinkgeld  bei  besseren  Wagen  30  Kop.- 
1  B.  An  Festtagen,  bei  Gorsofahrten  etc.  steigen  die  Preise  aller  Fuhrwerke 
leicht  auf  das  doppelte.    Scharfes  u.  genaues  Handeln  ist  überall  geboten. 

Pferdebahnen  (vgl.  die  blauen  Zahlen  auf  dem  Plan)  in  verschiedenen 
Bichtungen  von  8  U.  Vm.  bis  10  oder  12  U.  Abends;  Preis  pro  Station  im 
Innern  (Bauchen  untersagt)  5  Kop.,  Imperiale  (nur  für  Männer)  3  Kop. 
Im  Winter  fahren  auf  einigen  Linien  statt  der  Wagen  6reihige  Schlitten. 
Bathsam  kleines  Geld  zur  Hand  zu  haben,  da  der  Gonducteur  mehr  als 
1  B.  nicht  zu  wechseln  braucht. 

1.  Vom  IljiMky  Worot  (Thor)  (PI.  D4)  durch  die  Bolschaja  Lubjanka, 
Ssretenka  zum  Ssucharewsky-Thurm  (1.  Stat.);  über  die  Ssadbwaja  an  der 
Bothen  Pforte  vorbei  zum  Rjäsan-y  Jaroslaw-  und  Nüeolai-Bcthnho/  (2.  Stat.) ; 
am  Bothen  (Krassny)  Teich  vorbei  auf  der  Ssokolniker  Chaussee  Kum 
Ssokolniker  Park  (PI.  F  2 ;  3.  Stat.).  und  weiter  nach  Bogorodskojt  (S.  302). 

2.  Vom  Iljinsky -Worot  (PI.  D4)  über  die  Marosseika,  Pokrowka  kum 
Semljanoi-Wall  (1.  Stat.);  über  die  Ssadowaja  zum  Rjäsan-^  Nikolai-  und 
Jaroslatc  -  Bahnhof  (2.  Stat.);  auf  der  Ssokolniker  Chaussee  (s.  Linie  1) 
zum  Ssokolniker  Park  (PI.  F2;  3.  Stat.)  und  weiter  nach  Bogorodskoje 
(s.  Lin.  1). 

3.  Vom  Iljinsky -Worot  zum  Semljanoi- Wall  (1.  Stat.)  s.  oben  Linie  2; 
dann  über  Staraja  Basmannaja,  Pokrowka  bis  Qawrikow  Pereulok  (2.  Stat.); 
weiter  zur  Pokromky -Brücke  (PI.  G2;  3.  Stat.). 

4.  Vom  Iljinsky  -  Worot  über  den  Warwarskaja-Platz,  SsoJjanka,  Jausky- 
Brücke  zum  Tag anskaja -Platz  (1.  Stat.);  durch  die  Taganka  zum  Pokrotv- 
skaja-Sastawa  (PI.  F5;  2.  Stat.).  Unmittelbar  vor  demselben  liegt  der  Nish- 
ny- Nowgoroder  Bahnhof  (S.  305). 

5.  Vom  Iljinsky -Worot  über  Ssofeika,  Neglinnaja,  den  Petrowsky-  u. 
Strastnoi-Boulevard  zum  Sirasinoi  (Nonnen) -Kloster' (Fl.  C3;  1  Stat.). 

6.  Vom  Strastnoi- Kloster  (PI.  C3)  über  die  Twerskaja  zum  Triumfalny- 
Worot  (PI.  B  C2,  3;  1.  Stat.;  daneben  der  Ssmolensker  Bahnhof);  dann 
auf  der  Petersburger  Chaussee  bis  zum  Petrowsky -Park  (PI.  AI;  2.  Stat.). 
Nur  im  Sommer. 

7.  Vom  Strastnoi -Kloster  über  den  Twerskoi-  u.  Nikitsky- Boulevard' 
zum  Arbatsky -Worot  (PI.  C4;  1  Stat. ;  Anschluss  an  Linie  9). 

8.  Vom  Strastnoi -Kloster  über  den  Strastnoi-  und  Petrowsky -Boule- 
vard, durch  die  Neglinnaja  an  den  Theatern  vorbei  zur  Iberischen  Kapelle 
(PI.  D4;  1.  Stat.);  dann  am  Alexandergarten,  an  der  Manege  vorbei  bis 
zum  Bolotnaja 'Platz  (PI.  D5;  2.  Stat.). 

9.  Von  der  Iberischen  Kapelle  (PI.  D4)  am  Alexandergarten  u.  der 
Manege  vorbei  durch  die  Wosdwishenka  bis  zvit  Arbatsky -Pf orte  (1.  Stat.); 
über  die  Arbatskaja  zum  Ssmolensky-Bvnok,  durch  die  Pljuschtschioha 
zum  DeutiUchje  Pole  (Jungfern  -  Feld ; *P1.  *B  5;  2.  Stat.). 

10.  Vom  Semljanoi'Wall  (PI.  E3)  über  die  Ssadowaja  zur  Nikolojamskaja 
(PI.  E  5;  1.  Stat.);  über  die  Woronja- Strasse  zum  Ragoshskaja-Sastatoa 
(P1.F5;  2.  Stat.). 

11.  Von  der  Jausky  -  Brücke  (PI.  E4;  s.  oben  No.  4)  über  die  Nikolo- 
jamskaja u.  Woronja  zum  Ragoshskaja-Sastatoa  (PI.  F5;  1  Stat.). 


Vorbemerkungen.  MOSKAU.  22.  Route.     263 

12.  Vom  Kalushkaja-Sastavoa  (PI.  C7)  nach  den  Sperlingibergen  (S.  307). 

13.  Von  der  Truha  (P1.D3)  zum  Butyrka-Sastawa  (Pl.Cl). 

14.  Von  der  TYuba  dureh.  die  Ssadowaja  und  1.  i^eschUchanskaja  zum 
Kreitowsky-Sastawa  (PI.  Dl). 

Dampfboote  im  Sommer  von  der  Tschugunny-Brücke  (PL  Dd)  nach 
den  Sperlingshergen  (S.  307)  u.  weiter  nach  Schelepicha  alle  2  St.  (an  Feier- 
tagen alle  St.);  bis  zu  den  Sperlingsbergen  20Kop.,  Dorogomilowsky- 
Brüeke  40,  Schelepicha  60Kop.  —  Buderboote  (an  der  Moskwarezky- 
und  Kamenny  -  Brücke  u.  a.  O.)  pro  Stunde  30-50  Kop. 

Bahnhdfb  (Stanzia  „Station'',  vom  Volke,  den  Iswosehtschiks  u.  a:  w. 
meist  Woksal  „Vauxhall''  genannt).  Hoskau  hat  6  Bahnhöfe: 

1.  Der  Nikolai-  oder  St.Petersbüroer  B  ahhhof  (Nikoläj  ewsky  Woksal), 
an  der  N.O. -Seite  der  Stadt  am  Nikolaiplatz  (PL  E2,  3),  für  die  Bahn 
nach  Twer,  Ostaschkowo  (Rshew),  Bologoje  (Bybfnsk),  Tschudowo  (Now- 
gorod und  Staraja-Bussa),  Tossna  (Gatschina,  Reval,  Baltischport,  Dorpat) 
und  St.  Petersburg  (E.  21). 

2.  Der  Jarosslawer  Bahnhof  (Jarosaldtosky  Woksdl)^  ö.  unmittelbar 
neben  dem  Nikolai-Bahnhof  (PL  E  2),  für  die  Bahn  nach  Ssergij-Troizk, 
Jarosslawl  und  Wologda  (B.  24). 

3.  Der  BjIsaver  Bahnhof  (RJäsansky  Woksdl)^  a.  gegenüber  dem  Nikolai- 
Bahnhof  (PL  E3),  für  die  Bahn  nach  Bjäsan  und  Bjashsk,  sowie  weiter 
über  Pensa  und  Ssamara  nach  Orenburg,  für  Koslow-Ssaratow,  Grjasi-Za- 
rizin,  Woronesh  -  Bosstow  u.  s.  w. 

4.  Der  Kursskbr  Bahnhof  (Kurssky  Woksäl)y  unweit  der  Ssadowaja, 
Nikolajewsky  Pereulok.(PL  £  F4),  für  die  Bahnen  nach  Tula  (Kaluga, 
Ejäshsk),  Orel  (Brjansk),  Kursk,   Kiew,  Charkow,  Odessa,   Ssewastopol. 

ö.  Der  Nishnt-Nowoosodsr  Bahnhof  (Nithegwodaky  Woksal),  im  O. 
der  Stadt  vor  dem  Pokrowskaja-Sastawa  (PL  F5,  S.  305),  für  die  Bahn 
nach  Wladimir  (Schijja,  Eineschma)  und  Nishny- Nowgorod  (R.  25). 

6.  Der  Ssholbnskbr  Bahnhof  CSmolensky  Woksäl)  an  der  W. -Seite  der 
Stadt  vor  der  Triumphpforte  (PL  B3),  für  die  Bahn  nach  Ssmolensk 
(Dünaburg,  Biga,  Libau),  Minsk  (Wilna,  Königsberg),  Brest,  Warschau  etc. 

Post.  Das  Haupt -Postamt  (HocKOBCRift  noiTaim,  PL  128:  E  3)  befindet 
sieh  in  der  Mjassnizkaja ,  Ecke  des  Tsehissty  -  Prud  Boulevards  (S.  301). 
Städtische  Filialen  (ropOACKia  oxABJieHia) :  1.  in  der  Malaja  Bronnaja,  Haus  Ja- 
kowlew;  2.  auf  der  Pluschtschicha,  Orusheinaja,  Haus  Syrewoi;  3.  in  der 
Grossen  Jakimanka,  Haus  Klimenkow;  4.  in  der  Ssadowaja,  Semljanol- 
Wall,  Haus  Tschitschulin ;  5.  in  der  Njemezkaja,  HausAndrejew;  6.  Inder 
Pimenowskaja,  Haus  Graf  Ghamborant;  7.  in  der  Iljinka,  im  Börsenge- 
bäude. —  Für  städtische  Gorrespondenz  bezahlt  man:  1.  für  den  einfachen 
Brief  bis  ILoth  5  Kop.;  2.  für  den  eingeschriebenen  Brief  12  Kop.;  3.  für 
eine  Postkarte  3  Kop.;  4.  Streifbandssendungen  für  jeden  Bogen  1  Kop.; 
5.  für  eine  Visitenkarte  in  offenem  Couvert  1  Kop.,  für  2  Karten  2  Kop. 

Telegraph.  Haupt- Telegraphen- Amt  (PL  142:  E3),  Tag  u.  Nacht  geöffnet, 
neben  dem  Hauptpostamt  in  der  Mjassnizkaja  (S.  301).  Ausserdem  bestehen 
/ahlreiche  städtische  Telegraphen-Stationen  (im  Sommer  9 ü.  Vm.-ll  U.  Nrn., 
im  Winter  9-9  U.  geöffnet).  —  Die  Stadttelegramme  kosten  1  Kop.  das 
Wort,  mindestens  15  Kop. 

Consulate.  Belgien:  Spiridonow ka,  Haus  Turshansky .  —  Deutsches 
Reich:  Generalconsul  £art«2«,  Boshdestwensky-Boulevard,  Haus  Soro- 
koumowshy  (Dienststunden :  ll-o U.) ;  Viee-Consul Marc.  —  Frankreich: 
Georgiewsky-Pereulok,  Haus  Naloitschenko.  —  Niederlande:  War- 
warka,  Comptoir  von  Wogau  &  Cie.  — Oesterreich-Ungarn:  Gene- 
Talconsul  von  Osüler  (Kanzlei  Ssadowaja,  Haus  Sokolowa).  —  Schweden 
lund  Norwegen:  Bolschaj a  Lubjanka,  Haus  Bauer.  — Schweiz:  Con- 
jiul  Luchnnger  (Kanzlei   im  alten  Gostinny-Dwor  No.  24). 

Polizei-Bureau  (PL  127,04)  beim  Oberpolizeimeister,  Twerskoi-Boule- 
vard. —  Adress-Comptoir  (AxpecH&iik  Gtojh'b),  Gnjesdnikowsky-Pereu- 
lok,  im  Hause  der  Polizei«  Typographie.  Geöffnet  9  U.  Vorm.  bis  9  U. 
Abends;  Vergütung  für  Nachschlagen  2  Kop.  für  jede  Adresse. 

KauflAden.  Nach  orientalischer  Art  sind  häufig  gleichartige  Gegen- 
stände in  einer  Strasse  vereinigt,  z.  B.  Möbel  -auf  der  Ssretenka ,  .Pelz^ 


264    Route  2S,  MOSKAU.  FrtOaiiche 

waaren  auf  der  Schmied ebrücke  und  Iljinka .  Tbee  auf  der  fiehmiede- 
brücke  u.  s.  w.  Die  elegantesten  Xagadne  sind  auf  der  Schmiedebräcke 
(Kusnezky  Most,  S.  296),  and  den  benachbarten  Strassen,  Lubjanka,  Sso- 
feika,  Petrowka,  Twerskoi  etc.,  und  in  den  Passagen  (Ssolodownikow-, 
Golowtejew-,  Lubjansky-,  Popow-,  Postnikow-  u.  Alexander -PassAge). 

—  Gigarren  hti  J .  Argtlandtr ,  Oasetny  Pereulok;  Albert  JStritt^  Sto- 
lesehnikow  Pereulok;  russische:  La  Ferme,  F.  Seinhardi^  beide  Sehmiede- 
brüeke.  —  Papierhandlung:  Th, Bogen,  Grosse Lubjanka ;  Jüetm,  Rosh- 
destwenka;  Kunumint  Ifikolskaja.  ~  Bijouterien  (nicht  billig):  Krum- 
bügel^  Gr.  Lubjanka;  Fulda^  Gazetny  PereuL;  russische  Arbeiten:  Fatd 
Otcsttehinnikow^  Schmiedebrtteke ,  Haus  Wargin.  Parfumerien:  Rollet y 
L,  Bauis  ie  Co  ,  beide  auf  der  Sohmiedebrucke ;  Broeard,  KikoUkaja  u. 
Petrowka.  —  Modewaaren:  Ballett  O.  Morety  Schmiedebräcke.  —  P e  1  s - 
waaren:  P.  Scrokoutnowütg  4s  Bohne,  Iljinka;  8.  J.  Bjelktn,  Schmiede- 
brücke.  — Wäschen.  Strümpfe:  Jinim  4b  MerriKer,  L.  KreuU^  Petrowka. 

—  Schuhe:  /.  Firtmet,  Twerskoi;  Schumacher  Söhne ^  Keglinnaja.  — 
Schirme:  Kulikow,  Marosseika.  —  Hüte:  Yandroigue,  Letnercier,  beide 
Petrowka.  —  Herren  u.  Damenkleider:  ffermon  Korpus,  Twerskaja^ 
Hielte  d:  Diederichs,  Sofeika.  —  Photographien:  Daxiaro ,  Schmiede- 
brücke ;  Avanto,  Schmiedebrücke,  Ecke  der  Petrowka.  —  Photographen: 
Scherrer  de  Nabholx,  Gazetny  Pereulok;  Thiele,  Schmiedebrücke.  —  Asi- 
atische Gewebe  aller  Art  in  Seide  und  Wolle:  in  den  Golowtejew- 
Passagen,  Käufe  nur  rathsam  in  Begleitung  eines  Einheimischen  oder 
Gommissionärs.  —  Bussische  Alterthümer:  Rodianow,  Pokrowka, 
sowie  auf  dem  8onniag$markt  auf  dem  Ssueharewplats  und  in  den  Neben- 
Strassen,  wo  man  zuweilen  billig  kauft. 

Aerxte.  Deutsche  und  deutsch  sprechende  russische  Aerzte  sind  in  Mos- 
kau zahlreich  vorhanden ;  bei  Erkrankungen  wende  man  sich  um  Auskunft 
an  den  Wirth  des  Hotels.  In  den  meisten  Hotels  und  in  allen  Apotheken 
■ündet  man  das  offteielle  Adrettbueh  der  Aerzte  mit  Wohnungsangabe. 
Empfohlen  werden  die  DDr.  Ooldendaeh,  von  Knoblok,  Klin^  0.  Prevaux, 

—  Augenärzte  ifaklakow ,  Braun,  Krjukow.  —  Chirurg :  A.  Knie,  —  Zahn- 
ärzte: Adelheim^  Bemardo -Berkmeer,  Bräsch,  Karrer,  Konradi. 

Apotheken  in  allen  grösseren  Strassen ;  überall  wird  deutsch  gesprochen. 
Zu  empfehlen  W.  K.  Ferrtin,  Kikolskaja;  König  ds  Keller,  Mjasnizky; 
Hefter,  Schmiedebrücke. 

Buehhandlun^n,  deutsche:  /.  Detdmer,  A.  Lang,  E.  Kunth,  alle  drei 
auf  der  Schmiedebrücke  (Kusnezky  Most)  ;  B.  Po$t,  Keglinnaja ;  M.  Wolffy 
Petrowka ;  Qrostmann  de  KnObel ,  Petrowsky-Linie ;  französische :  Oautier, 
Marsehallsbrücke,  Haus  Torletsky.  Deutsche  Leihbibliothek:  OroeM- 
mann  d:  Onöbel;  B.  Post. 

Deutsche  Wehlthiticktita-Anstalten.  Evangel.  Hilfsverein,  im  Evang. 
Armenhaus,  Njemezkaja  Uliza.  Verein  deutscher  Reichsangehörigen  zur 
Unterstützung  hilfsbedürftiger  LandslcMle  im  Friedrieh  -  Wilhelm-  u.  Victoria- 
Stift,  Nowaja  Boshedomskaja  (im  Sommer  Wohlthätigkeitsfeste,  Eintr. 
IB.)  —  Oesterr. -Ungar.  Hilfsverein,  im  österr. -ung.  Consulat. 

Banauiars.  Junker  Jb  Co,,  Kusnezky  Most;  Wolkow  A  Söhne ,  Petrowka; 
Wogau  d:  Co.,  Warwarka.  Wertheimer,  Iljinka  Uliza;  Zenker  ds  Co.,  Bosh- 
destwensky-Boulevard. 

S&der  (BaRH)  in  den  meisten  Gasthöfen  und  Nummern.  Russische 
Badstuben  in  jeder  Strasse,  meist  sehr  elegant,  aber  theuer  (1-3  B.  die 
Stunde).  SsandunowskijeBani,  die  Bäder  beim  Bestaur.  Ermitage 
und  die  Kitaiskije  Bani,  alle  drei  in  der  Keglinnaja,  im  Centrum  der 
Stadt  gut  gelegen.  *Poltawskije  Bani  auf  der  Ssadöwaja,  Lepesch- 
kinskije  Bani^  Nowinsky- Boulevard  (PI.  B4),  u.  a.  Der  Abreiber 
(Banstschik)  erhält  15  Kop.  Trinkgeld.  —  Die  Volksbäder  (npocTOHapoffBue^ 
SOKop.)  sind  im  allgemeinen  nicht  zu  empfehlen  (unsauber). 

Theater  (sämmtlich  im  Sommer  geschlossen).  Die  Vorstellungen  be- 
ginnen meist  um  7  oder  7i/s  Uhr  und  dauern  bis  Mitternacht.  Billets 
kauft  man  am  besten  Vm.  von  11  U.  ab  an  der  Kasse;  Abends  verlangen 
die  Zwischenhändler  unverschämte  Preise.  Die  besten  Plätze  sind  die 
Lehnstühle  1.-4.  Reihe  1.  von  der  Bühne. 


Vorbemerkungen,  MOSKAU.  22.  RotUe,     265 

1.  Du  Kaiserliche  Grosse  Theater  (PI.  143,  D4),  am  Theater- 
platz (S.  296).  Opern  und  Ballets.  Preise  der  Plätze :  Loge  1.  Rang  und 
Beletoge  10  R. ,  Loge  2.  Rang  6  R. .,  Loge  3.  Rang  4  R.  ÖO  Kop.,  Loge 
4.  Rang  3  R. ,  Loge  Lit.  3.  Rang  8  R. ,  Loge  Lit.  4.  Rang  ö  R. ;  Lehn- 
stühle je  nach  der  Entfernung  von  der  Bühne  4  R.  bis  1  R.  50  Kop. ;  Bal- 
kon 3.  Bang  1  R.,  Balkon  4.  Rang  70  Kop.,  etc.  Bei  Benefiz-Vorstellungen 
werden  die  Preise  sowohl  im  Grossen  wie  im  Kleinen  Theater  bedeutend 
erhöht  \  so  kostet  z.  B.  eine  Loge  im  1.  Rang  statt  10  B.,  25  R.,  im  3.  Rang 
anstatt  4  R.  50  K.,  8  B.,  u.  s.  w. 

2.  Das  Kaiserliche  Kleine  Theater  (PI.  144,  D4),  gegenüber  dem 
Grossen  Theater,  zwischen  Petrowka  und  Neglinnaja  (S.  298).  Russische 
Schauspiele.  —  Preise :  Loge  Lit.  A  15  B. ;  Loge  und  Beletage  10  R. ;  Loge 

1.  Reihe  6  B. ;  Loge  Lit.   1.  Reihe  12  B.  \  Loge  2.  Reihe  4  R. ;  Lose  Lit. 

2.  Reihe  6  R. ;  Lehnstuhl  Je  nach  Entfernung  von  der  Bühne  3  R.  60  Kop. 
bis  1  R.  50  Kop.  •,  Amphitheater  1.  bis  5.  Reihe  2  R.,  6.  Reihe  1  B.  50  Kop. 

3.  Das  Puschkin-Theater,  Twerskaja,  Haas  Xalkiel.  Bussische 
Schauspiele.  Preise:  Loge  im  Parterre  10  B.,  Beletage  8B.,  Balkon  8 B., 
Litera  12  R.,  Lehnstühle  von  3  R.  50  K.  bis  2  R.,  AmphiOieater  Ton  1 R.  50  K. 
bis  50  Kop.,  Balkon  von  1  R.  50  Kop.  bis  50  Kop. 

4.  Das  Vaudeville-Theater,  auf  der  Petrowka,  gegenüber  dem 
Ssoltikow  Pereulok.  Französische  Operetten,  Yaudevilles  u.  s.  w.  — 
Preise :  Lehnstuhl  Orchester  und  1.  Reihe  3  R. ;  2.  Reihe  2  R.  50  Kop. ;  3. 
und  4.  Reihe  2  R. ;  die  übrigeh  Reihen  1  R.  50  Kop. ;  Amphitheater  1  R. ; 
Loge  Lit.  F 15R. ;  Loge  Lit.  H  und  Kr.  1 :  11  und  10 R.  bis  SR.,  die  übrigen 
Logen  6  R. 

5.  Das  Sskomoroch  (Volks)  -  Theater,  am  Ssretinsky  Boule- 
vard.   Possen,  Lustspiele  u.  s.  w.  für  die  unteren  Volksklassen. 

Theatervorstellungen  ausserdem:  im  Artisten -Club  (s.  unten),  imPetrow- 
»ky-Park  (S.  312),  im  Zoolagischen  Garten  (S.  296),  im  Ermitage-O arten  (S.  299). 

Circus  Salamonski  (I^apai  CJajiaxoHCKaro)  am  Zwetnoi  (Blumen)- 
Boulevard  (S.  299).  Täglich  Vorstellung ;  Preise :  Loge  an  der  Barriere  10  B.  \ 
Lehnstuhl  3  R.  \  Stuhl  2  R.  •,  1.  Platz  1 R. 

Kluhi  (KjryGu).  Englischer  Klub  (AHraiHcKift  KKy6%)  auf  der  Twer- 
skaja,  Haus  Sehablykin;  sehr  vornehm.  Fremde  können  von  Hitgliedern 
eingeführt  werden. —  Adels-Klub  (ABopoHcxift  iury6%  oder  BtaropoxBoe 
Co^panie;  PI.  1,  D4)  in  der  Grossen  Dmitrowka,  gegenüber  dem  Ochotny 
Rjäd,  im  eigenen  fiiause  mit  prächtigem  Saal.  Sehr  besuchte  Bälle,  Ck)n- 
certe  etc.  —  Kau  f  m  a  n  n  s  -  Kl  u  b  (Kyne^ecxiil  luyßii)  in  der  Grossen  Dmi- 
trowka, Haus  Hjätlew,  nahe  dem  Sstrastnoi- Boulevard.  —  Deutseher 
Klub  (H^jiepmft  sjyfta snonft),  in  der  Ssofeika,  Haus  Torlezky.  Sommer- 
local  im  Petrowsky-Park,  Datsehe  Mergulow  (S.  312). —  Artisten -Klub 
(ApTHcnraecKift  Kpyscoicb)  am  Theater -Platz.  —  Moskauer  Lieder- 
tafel, im  Sslawjansky  Bazar,  Nikolskaja.    Coneerte,  Bälle  ete. 

Cenoert«.  Die  berühmten  von  Nik.  Bubinstein  (t  1881)  gegründeten 
Symphonie-Coneerte  sowie  die  meisten  von  fremden  Künstlern  veranstal- 
teten Coneerte  finden  im  Saale  des  Adelselubs  statt.  Im  Sommer  im 
^Ermitage-Garten,  Boshedomskaja  Uliza ;  Coneerte,  Feerien,  Theater 
etc.,  Eintr.  1  B.  —  Im  Zoolog.  Garten  (8.  296);  Benaissanee- 
Garten,  beim  Ssokolniker  Park  (8.  301),  u.  v.  a. 

Kirchen.  Bömiseh-  katholische:  St.  Peter  und  Paul;  St.  Ludwig 
(s.  S.  299).  Gottesdienst  Wochentags  8,  9  u.  10  Uhr,  So.  10  u.  11  U.  Vorm. 
—  Evangelische:  Peter-Pouls-Kirche  (S.  302)  und  MichaeUhirche  (S.  803) : 
So.  10  ü.  Vm.  —  Englische  Kapelle.  Tsehernischewsky-Gasse  (PI.  C4):  So. 
11  ü.  Vm.  u.  7  U.  Nm. 

Zeiteintheilnaf .  Bei  beschränkter  Zeit  genügt  es ,  wenn  man  den 
Kreml  (S.  269)  besucht  und  vom  Iwan  Wellky  (S.  271)  einen  Ueberblick 
über  die  Stadt  geniesst,  eine  Bundfahrt  (2-3  St. ;  auch  minder  Eiligen  zu 
empfehlen)  vom  Ssueharewthurm  (8.  299)  r.  durch  die  ganze  Ssadowaja 
(S.  269),  über  die  Krassnoeholmlsky-  und  Krymsky-Brücke  (S.  306),  den 
Ssmolenky- Boulevard  (S.  295)  u.  s.  w.  zum  Zwetnoi -Boulevard  fS.  299) 
tind  weiter  durch  die  Neglinnaja  (S.  299)  und  Kusnezky-Kost  (S.  196)  zum 


266     Soute  22,  MOSKAU.  Topographie, 

Rothen  Platz  (S.  287)  macht  und  vielleicht  noch  eine  Fahrt  auf  der  Hosicwa 
nach  den  Sperlingsbergen  unternimmt. 

Ein  Aufenthalt  von  4-5  Tagen  würde  etwa  folgendermassen  einzu- 
theilen  sein : 

1.  Tag.  Strassenleben  (S.  269),  Besteigen  des  Iwan  Weliky  (S.  271), 
Kreml  (S.  269).  —  Ausflug  nach  dem  Petrowskv-Park  (S.  312). 

2.  Tag.  Kreml  (S.  2^),  Rother  Platz  (S.  287),  Wassilya  Blashennaja 
(S.  289),  Gostinny  Dwor  (S.  291),  Romanow -Haus  (S.  291),  Museum  für 
Kunst  und  Gewerbe  (S.  900).  —  Ausflug  nach  den  Sperlingsbergen  (S.  307). 

3.  Tag. Kreml  (S.2e9).Kapelle  derIberischenMutterGottes(S.2B8),Theater 
(S.298),  Stadt-Manege  (S.292),  Universität  (S.293),  Zoologischer  Garten(S.296). 

4.  T  a  g.  Findelhaus  (S.  304,  Sonntags  l^achm.).  Polytechnisches  Museum 
(S.  303),  Krassnna  Worota  (S.  301),  Wasserthurm  (S.  299).  —  Ausflug  nach 
Ssokolnizky  Park  (S.  301).  —  Auf  der  Rückfahrt  Alexejewsky-Kloster  und 
Kirchhof  (S.  304). 

ö.  Tag.  Chram  Sspassitelja  (S.  294),  Gallerie  Tretjakow  (S.  306), 
Alexandrinen- Palais  (S.  307),  Nesskutschny-Garten  (S.  907),  Djewitsche 
Pole  (S.  295)  und  Kloster  (S.  295),  Rumjanzow-Museum  (S.  293),  Botanischer 
Garten  der  Universität  (S.  300). 

Die  Abende  sind  zum  Besuche  der  Theater  (S.  264)  und  Vergnügungs- 
lokale (S.  265)  zu  benutzen.  Stehen  weitere  Tage  zur  Disposition,  so  kann 
man  Ausflüge  nach  Osstankino,  Ismailowo,  Zarizino,  Archangelskoje,  Aqua- 
duct  Mytischtschi,  Ssergei-Trojzkykloster  (an  der  Bahn  nach  Jarosslawl) 
und  Wosskressensk  (Neu- Jerusalem,  S.  259)  unternehmen. 

Besondere  Erlaubniss  ist  nothwendig  sur  Besichtigung  der  meisten 
Staatsgebäude  (kaiserliches  Schloss,  Orusheinaja  Palata  u.  s.  w.)  im 
Kreml  (Billets  unentgeltlich  im  Bureau  des  Polizeimeisters  im  Kreml, 
S.  284),  Romanow-Haus,  Alexandrinen-Schloss  im  IT^esskutsehny-Park,  Pe- 
trowsky-Schloss  (S.  312),  ebendaselbst.  Für  den  Besuch  des  Findelhauses 
ist  ausserhalb  der  gewohnlichen  Besichtigungszeit  (S.  304)  die  Erlanbniss 
der  Directoren  einzuholen. 


Moskau  (MocKBa) ,  alte  Hauptstadt  des  Reiches  und  erste  Resi- 
denz, in  M  elcher  bis  auf  Peter  den  Grossen  die  Zaren  Hof  hielten, 
die  heilige  Stadt  der  Russen,  das  Rom  der  russisch-griechischen 
Kirche,  die  Stadt  des  grossen  Adels  und  der  reichen  Kaufmann- 
schaft, ist  Hauptort  des  VIII.  Militärbezirks  (Moskau),  Stand- 
quartier des  VIII.  Armeecorps,  Sitz  des  Generalgouverneurs,  des  Me- 
tropoliten von  Moskau  und  Kolomna  und  eines  geistlichen  Consis- 
toriums.  Die  Stadt  liegt  an  beiden  Ufern  der  Moskwa  und  Jausa, 
in  einer  fruchtbaren  wellenförmigen  Ebene  unter  55°45'n6rdl.  Breite 
und  55°14'Östl.  Länge,  168  m  über  dem  Meere,  zwischen  und  auf  (7) 
freundlichen  Hügeln.  Die  Einwohnerzahl  betrug  nach  der  Zählung 
vom  Januar  1884  c.  754,000 ,  darunter  15,000  Deutsche.  Moskau 
ist  die  bedeutendste  Handels-  und  Fabrikstadt  Russlands.  Die  Stadt 
hat  400  Kirchen,  21  Klöster ,  454  Schulen  u.  andre  Lehranstalten, 
127  Armenhäuser  und  23  Friedhöfe. 

Moskau  ist  administrativ  in  17  Stadttheile  (Tschassti)  ein- 
getheilt;  am  1.  Ufer  der  Moskwa:  I.  Gorodskaja,  II.  Twerskaja, 
III.  Mjassnizkaja,  VI.  Pretschistenskaja ,  VII.  Arhatskaja ,  VIII. 
Ssretenskaja ,  IX.  Jauskaja,  X.  Basmannaja,  XI.  Bagoshskaja, 
XIII.  Chamownitscheskaja,  XIV.  Pressnenskaja,  XV.  Ssuschtschew- 
sfc<ya,XVI.  Me8cht8chanskaJa,X.Yll,  LefortowskaJaTschasst;  am  r. 
Ufer  der  Moskwa:  IV.  Pjatnizkaja,  V.  Jäkimanskaja,  XII.  Sser~ 


Geschichte,  MOSKAU.  22.  Itoute.     2ö7 

puchowskaja  Tschasst,    Dieselben  bilden  3  Polizei -Rayons  mit 
40  Polizei-Revieren. 

Nacb  der  alten  historischen,  jetzt  mehr  und  mehr  in  Vergessen- 
heit gerathenden  Eintheilung  zerfällt  Moskau,  das  in  concentri sehen 
Kreisen  um  seinen  Mittelpunkt,  den  Kreml,  herangewachsen  ist. 
in  5  Haupttheile,  welche  durch  Mauern  oder  Boulevards  von  einan- 
der getrennt  sind:  1.  Den  Kkeml  (S.  269),  die  Akropolis  und  den 
ältesten  Theil  der  Stadt.  -—  2.  Kitaigokod  (S.  287),  die  »Chinesen- 
stadt'', gedrängt  und  unregelmässig  gebaut,  den  Hauptsitz  des  Ver- 
kehrs ,  mit  der  Börse ,  dem  Gostinny-Dwor ,  den  Rjädy  (Marktbu- 
den) etc.  Kreml  und  Kitaigorod  werden  jetzt  unter  Gorodskaja 
Tschasst  („städtischer  Theil")  zusammengefasst.  Diese  innere  Stadt, 
gewöhnlich  einfach  Gorod  (Stadt)  genannt,  wird  von  einermäch- 
tigen weissgetünchten  Mauer  umgeben ,  die  mit  vielen  Thürmen  in 
meist  grün  schillernden  Farben,  unzähligen  Thürmchen  und  Ver- 
zierungen geschmückt  ist.  —  3.  Um  die  innere  Stadt  legt  sich 
im  Halbkreise  Bjeloioobod,  die  „Weisse  Stadt",  der  eleganteste 
Stadttheil,  mit  breiten,  vom  Kreml  radienförmig  auslaufenden 
Strassen,  vielen  Palästen  und  öffentlichen  Gebäuden  und  den  glän- 
zendsten Magazinen.  Die  „Weisse  Stadt"  umfasst  jetzt  den  Twer^ 
skaja  (II)  und  Mjassnizkaja  Tschasst  (III)  und  wird  von  einem 
breiten  Gürtel  stattlicher  Boulevards  umgeben.  —  4.  An  sie  schliesst 
sich  als  dritte  Zone  Semljanoioobob  {Erdstadt),  so  benannt  nach 
den  Erdwällen ,  welche  Zar  Michael  Feodorowitsch  aufführen  Hess 
und  an  deren  Stelle  jetzt  die  boulevardartige  Gartenstrasse  (Ssado- 
waja)  die  „Erdstadt"  einschliesst.  Semljanoigorod,  mit  vielen  Gärten 
und  grossentheils  hölzernen  Häusern,  ist  weit  weniger  dicht  bevölkert 
als  die  innern  Stadttheile;  sie  umfasst  den  IV.,  V.,  VI.,  VII.,  VIII. 
u.  IX.  Stadttheil.  —  5.  Um  den  ganzen  Kreis  liegen  die  mit  der 
innern  Stadt  jetzt  zu  einem  Ganzen  verschmolzenen  Voestädte, 
welche  den  weitaus  grössten  Theil  (c.  3/4)  des  Flächenraums  von 
Moskau  einnehmen,  umgeben  von  einem  1742  errichteten  Wall,  der 
die  18  Aussenthore  der  Stadt  enthält.  Sie  umfassen  die  Stadttheile 
X.,  XI.,  XII.,  XIII.,  XIV.,  XV.,  XVI.,  XVII. ,  enthalten  viele 
Fabriken  (namentlich  an  den  Ufern  der  Jausa),  Kasernen,  die  Bahn- 
höfe etc.  und  werden  vorzugsweise  von  dem  ärmeren  Theil  der  Be- 
völkerung bewohnt. 

Zur  Geschichte.  Moskau  wurde  1147  durch  den  Grossfürsten  von 
Kiew,  Jury  WladimirowUsch  Dolgoruip^  der  hier  seine  Lagerfestung  auf- 
schlug, gegründet  .blieb  aber  ein  unbedeutender  Ort,  bis  der  Grossfürst 
Itoan  Danilowitsch  Kaiita  (1328-1340),  der  seit  1333  vom  Gross-Chan  als 
Oberhaupt  von  Russland  anerkannt  war,  seine  Residenz  von  Wladimir  (an 
der  Kljäsma)  hierher  verlegte.  Seinem  Beispiele  folgte  alsbald  der  Metro* 
polit  Theognost  (+  1353);  1347  wurde  die  erste  Moskauer  Kathedrale  er- 
baut. 1339  liess  Iwan  die  Stadt  mit  Palisaden  umgeben  und  gah  der  so 
befestigten  Burg  den  tatarischen  Namen  Kreml  (d.  h.  Festung).  In  der 
Folgezeit  mehrmals  durch  mongolische  Horden  verwüstet,  gelangte  die 
Stadt  zur  Blüthe  erst  unter  der  Regierung  ItoaiVs  111.  yVassiljewUsch 
(1462-1505) ,  der  Moskau  zum  Mittelpunkt  des  nunmehr  geeinigten  Reiches 
machte  und  mit  zahlreichen  Prachtbauten  schmückte.     Seitdem  wurde 


26S    Route  22.  MOSKATT.  Geschichte, 

die  kräftige  Weiterentwickelnng  der  Stadt  nur  noch  vorübergehend  durch 
Feuersbrünste  (so  besonders  1m7)  und  Feindeshand  (Einnahme  Moskaa*s 
durch  Dewlet-Girei,  den  Chan  der  Krimschen  Tataren,  1571)  unterbrochen. 
Zwar  wurde  1711  die  Besidens  nach  dem  neu  erbauten  6t.  Petersburg  ver- 
legt, aber  Peter's  nächste  Nachfolger  bevorzugten  wieder  den  Kreml  vor 
der  noch  unwirthliehen  Stadt  an  der  Newa.  1748  wurde  Moskau  zum 
Eparchat  erhoben ,  1755  erfolgte  die  Gründung  der  Universität.  Moskau's 
Schicktal  im  Jahre  1812  ist  weltbekannt.  Nach  den  blutigen  Niederlagen 
von  Borodino  und  Koshaif  k  wurde  im  russiachen  Hauptquartier  beschlossen, 
die  Stadt  preiszugeben.  Am  14.  Sept.  verliess  der  Gk>uvemeur,  Graf 
Rostoptschin ,  mit  dem  weitaus  grössten  Theile  der  Bewohner  die  Stadt, 
nachdem ,  so  weit  es  möglich  war,  schon  alles  Wichtige  und  Kostbare  in 
Sicherheit  gebracht  und  alles,  was  dem  Feinde  hätte  Votsehub  leisten 
können,  vernichtet,  dafür  aber  aller  Orten  Brennstoff  aufgehäuft  war.  Noch 
an  demselben  Tage  betraten  die  französischen  Vortruppen,  denen  Napoleon 
sogleich  folgte,  die  verödete  Stadt,  in  der  aber  alsbald  das  Feuer  zu 
wüthen  begann.  Als  am  19.-32.  October  die  Franzosen,  durch  die  Noth  ge- 
zwungen, Moskau  räumten,  lagen  zwei  Dritthelle  der  Stadt  in  Trümmern ; 
der  am  letzten  Tage  gegebene  Befehl,  den  bis  dahin  ziemlich  unversehrten 
Kreml  in  die  Luft  zu  sprengen,  gelangte  nur  cum  Theil  zur  Ausführung. 
Andrerseits  waren  von  den  150,000  Mann,  welche  mit  dem  Kaiser  in 
Moskau  eingerückt  waren,  40,000  dem  Mangel  erlegen.  Schon  1813  begann 
der  Wiederaufbau  der  Stadt,  die  schnell  meder  aufblühte,  nur  noch  ehr- 
würdiger durch  den  sie  umgebenden  Nimbus  eines  grossen  Schicksals. 

Wenn  je  eine  Stadt  den  Charakter  und  die  Eigenthümlichkeit 
ihrer  Bewohner  ausgedrückt  hat,  so  ist  es  Moskau,  in  welchem  jene 
mupoKafl  Harypa  (schirokaja  natura),  die  „breit  angelegte  Natur**, 
aus  der  die  Russen  ihre  Tugenden  wie  ihre  Fehler  herleiten,  zum 
Ausdruck  gelangt.  So  wenig  man  Moskau  den  Charakter  einer 
Weltstadt  absprechen  kann,  so  fehlt  ihr  doch  Jede  äussere  Aehn- 
lichkeit  mit  irgend  einer  der  europäischen  Orossst&dte,  Tor  allem 
das  Princip  der  Concentration.  Mit  Ausnahme  einer  Anzahl  ele- 
ganter Strassen  besteht  Moskau  grösstentheils  aus  ein-  und  zwei- 
stöckigen Häusern ;  die  von  geräumigem  Hof,  Garten  und  Wirth- 
Schaftsgebäuden  umgeben  und  von  Mauer  oder  Zaun  umschlossen 
sind.  Die  schon  dadurch  bedingte  ausserordentliche  Ausdehnung 
der  Stadt  wird  noch  vergrössert  durch  den  Umstand,  dass  um  den 
Innern  Kern  derselben  weitläufige  unbebaute  Plätze  und  park&hn- 
liehe  Gärten  liegen,  deren  Zahl  sich  erst  in  neuerer  Zeit  durch 
Neubauten  verringert. 

Die  Strassen  Moskau's  sind  fast  durchgehends  breit,  am  breitesten 
die  BouUvards^  die  sich  in  drei  weiten  concentrischen  Kreisen  um 
die  Stadt  ziehen.  Der  dicht  am  Kreml  liegende  Boulevard  (Alexander- 
Garten,  S.  292)  wird  begrenzt  von  zahlreichen  prächtigen  Öffentlichen 
Gebäuden.  Die  Bjeloigorod  (S.  267)  umgebenden  Boulevards  bilden 
eine  zusammenhängende  Kette  von  Lindenalleen  mit  Ruhebänken. 
Die  hübschesten  und  besuchtesten  derselben  sind  der  ^Twefsche 
(Fl.  C3,4),  mit  dem  Denkmal  Fuschkin's^  der  Tschissto-Prudsky- 
Boulevard  (PI.  E3,  4),  von  dessen  Bänken  aus  man  dem  Kahn- 
fahren  (im  Winter  Schlittschuhlaufen)  auf  dem  dortigen  Teiche  zu- 
schauen kann,  und  der  Pretschistensky" Boulevard  (PI.  C4, 5),  wo 
im  Sommer  einmal  wöchentlich  von  4-10  Uhr  Nachm.  starkbesuchte 
Militärconcerte  stattfinden.    Die  reizendste  Umfahrt ,  die  man  in 


StrasBenverkehr,  MOSKAU.  22.  Route,     269 

Moskau  (im  östlichen  Theile  per  Pferdebahn)  machen  kann,  ist  die 
um  Semljanoigorod  durch  die  Oartenstrasse  oder  *S8adowaJa  (Ca- 
AOBaii).  Von  imposanter  Breite  und  einer  Länge  von  15  km,  bald 
ansteigend ,  bald  wieder  sich  senkend ,  schlingt  sie  sich  in  einem 
grossen  Kreise  um  den  ganzen  Innern  Stadtkern  herum,  an  einigen 
Stellen  mit  dichten  Häuserreihen  besetzt,  meist  aber  mit  Gärten 
und  Gärtchen  vor  den  Häusern.  Auf  der  breiten  Strasse  selbst 
haben  sich  hier  und  da  Märkte  etablirt. 

Der  Strassenverkehr  ist  äusserst  lebhaft.  Moskau  ist  unter  den 
Binnenstadten  Europas  wohl  die  einzige,  wo  sich  eine  gleiche  Zahl 
verschiedener  Nationalitäten  im  bunten  Gewirre  durcheinander 
treibt.  Allerdings  überwiegt  die  sog.  französische  Tracht;  daneben 
aber  erblicken  wir  auf  demselben  Trottoir  den  bärtigen  Mushik  in 
Bastschuhen  und  geflicktem  Kaftan,  im  grauen  Armjäk  oder  im 
Schafpelz;  den  russischen  Priester  (Swjastschennik)  in  langem  brau- 
nem Rock,  schwarzem  Barett,  langherabhängendem  Haar  und  Bart, 
neben  dem  Kaufmann  in  altrussischer  Pelzmütze  und  seiner  mit 
echten  Perlen  geschmückten  Frau ;  Xscherkessen  in  ihrem  National- 
kostüm neben  heidnischen  Tataren  und  Kalmücken;  Türken  und 
Griechen  in  rothem  Fez  und  Perser  mit  hoher  kegelförmiger 
schwarzen  Schaffellmütze  u.  s.  w.  Die  Damenwelt  Moskau's  richtet 
sich  fast  ausschliesslich  nach  der  Pariser  Mode,  d.  h.  was  Form  und 
Schnitt  anlangt ,  während  in  der  Farbenzusammenstellung  häufig 
bedenkliche  Geschmacklosigkeiten  unterlaufen.  Gute  Beobach- 
tungspunkte für  die  verschiedenen  Trachten  des  niederen  Volkes 
bieten  besonders  die  Volksfeste  und  die  Märkte,  deren  sich  in 
allen  Stadttheilen  befinden.  Am  interessantesten  ist  der  Markt 
für  Gemüse,  Eier,  Vögel,  Wild  u.  s,  w.,  der  Ochotny^Rjäd  (Jäger- 
linie), auf  dem  Platze  gl.  N.  (PI.  D  4,  S.  297),  in  der  Nähe  der  kais. 
Theater,  sowie  die  Trödelmärkte,  z.  B.  der  Staraja  Ploschtachad 
(S.  291)  und  Tolkutschy  Bynok  (S.  292)  in  Kitaigorod.  Der  be- 
deutendste Frucht-  und  Obstmarkt  ist  auf  Bolotnaja  Ploachtschad 
(PI.  D  5,  S.  306) ;  BhimQnmair\t  auf  d^mZwetnoi- Boulevard  (P1.D,3, 
S.  299);  Pferdemarkt  auf  Konnaja  Ploschtschad  (P1.D6,  S.  306) ; 
Vögel-  u.  Hundemarkt  Sonntags  auf  der  Truba,  am  Ende  des  Rosh- 
destwensky-Boulevard  (PI.  D  3,  S.  299). 

a.  Der  Kreml. 

Unser  erster  Gang  gilt  dem  im  Mittelpunkt  der  Stadt,  auf 
einem  ganz  Moskau  beherrschenden ,  30  m  hohen  Hügel  gelegenen 
**Xreml  (Kpexib;  PI.  D  4),  in  welchem  sich  alle  Erinnerungen  aus 
Moskau's  Vergangenheit  vereinigen.  Für  den  Russen  ist  derselbe 
eine  geheiligte  Stätte :  im  Kreml  erst  erhält  die  Gewalt  des  Zaren 
ihre  priesterliche  Weihe,  die  Glocken  des  Iwan  Weliky  verkünden 
den  Russen ,  dass  ihr  Zar  den  Thron  seiner  Väter  bestiegen  hat. 
„Ueber  Moskau",  sagt  das  Sprichwort,  „geht  nur  der  Kreml,  über 
den  Kreml  nur  der  Himmel.'' 


270    Baute  22.  MOSKAU.  KrenU, 

Der  alte,  festungsartige  Kremljr)  umfasst  einen  ganzen  Stadttheil 
und  ist  eine  grosse  Vereinigung  von  kirchlichen  Bauten ,  Palästen 
und  Staatsgebäuden ,  eingeschlossen  von  einer  20  m  h.  zinnenge- 
krönten Mauer  von  c.  2  km  Umfang,  mit  vielen  schlanken  Thürmen. 
Die  für  ganz  Russland  charakteristische  Vereinigung  von  Cäsaris- 
mus und  Kirche  kommt  nirgends  greifbarer  zum  Ausdruck  als 
hier ,  wo  zahlreiche  Kirchen  den  Kaiserpalast  umgeben ;  die  beste 
•Totalansicht  hat  man  von  der  Moskwaretzky^Brücke  (S.  306)  und 
dem  gegenüberliegenden  Sophienquai  (Ssofiiskaja  Näher esh- 
naja).  Die  gewaltige,  weissgetünchte  Mauer,  welche,  den  Hebungen 
und  Senkungen  des  hügeligen  Bodens  folgend,  sich  um  den  Kreml 
schlingt ,  bildet  ein  unregelmässiges  Fünfeck.  Fünf  Thore  führen 
in  den  Kreml,  fast  alle  merkwürdig  durch  Baustil  oder  historische 
Erinnerungen :  das  Sspassky  (Erlö$er)'Thor  oder  die  heilige  Pforte 
(CnaccKift  Bopora,  s.  unten)  im  0.;  das  Mkolaui-Thor  (S.287)  im 
N.O. ;  das  Tröizky-Thor  (S.  284)  im  W. ;  das  BorawizkyThor  im 
S.W.  und  das  Tainisky-Thor  im  S.  An  Thürmen  (CTpftjbHBiiu  oder 
öamHH)  zählt  die  Mauer  achtzehn :  1)  Ugolnaja,  2)  Arsenal,  3)  Troiz- 
kaja,  4  und  5)  Konjuschennija,  6)  Borowizkaja,  7)  Wodootwodnaja, 
8)  Tainizkaja,  9undlO)Besimjannija,  11)  Petra  Mltropolita,  12)  Be- 
klemischewskaja,  13)  Konstantin-Elenskaja,  14)  Nabatnaja,  15)  Zars- 
kaja,  16)  Sspasskaja,  17)  Senatskaja,  18)  Nikolskaja.  An  Plätzen 
enthält  der  Kreml  vier :  Jden  KaiserplcUz  am  Borowizky-Thor ,  den 
Zarenplatz  zwischen  Iwan  Weliky  und  Erlöser-Thor,  den  Senats^ 
platz  gegenüber  dem  Senate,  den  Kathedralenplatz  zwischen  den 
Kathedralen. 

Wir  betreten  den  Kreml,  vom  Krassnaja-  (Rothen)  Platze  (S.  287) 
aus,  durch  das  Sspassky-  oder  Erlöser -Thor,  das  merkwürdigste 
aller  Thore  Moskau*s.  Auf  byzantinischen  Bogen  erhebt  sich  ein 
Thurm,  an  dessen  Spitze  der  russische  Adler.  Der  untere  Theil  des 
Thurmes  wurde  1491  von  dem  Mailänder  Pietro  Solari,  der  Glocken- 
thurm  von  dem  englischen  Architecten  Gallowey  1626  erbaut ;  die 
jetzige  Uhr  ist  neueren  Datums.  Zu  beiden  Seiten  ausserhalb  des 
Thores  kleine  Betkapellen ;  über  dem  Eingange  das  von  dem  Zaren 
Alexei  Michailo witsch  1647  angebrachte  Bild  des  Erlösers  von 
Ssmolensk,  das  eigentliche  Palladium  des  Kreml.  Vor  dem  Bilde 
hängt  eine  unförmliche  ewige  Lampe  in  einer  massiven,  metallenen 
Verhüllung  an  einer  dicken  Kette.  Alexei  gebot,  dass  kein  Russe 
bedeckten  Hauptes  durch  das  Thor  gehen  solle,  und  heute  noch  passirt 
kein  Russe  das  Thor,  ohne  die  Kopfbedeckung  abzunehmen.  Fremde 
thun  gut;  diese  Sitte  mitzumachen,  wenn  sie  vermeiden  wollen, 
dass  sie  von  den  Vorübergehenden  oder  durch  den  das  Bild  und 
die  ewige  Lampe  Beaufsichtigenden  bald  höflich ,  bald  durch  den 
lauten  Zuruf:  „Hut  ab"  (Schljapa,  Schljapal)  daran  erinnert  werden. 

J)  S.FabrictuSyLeKremVmät'Sioscou.    Mit  90  Abbildungen.    Moskati, 
1883.    Hagen.    Bussisch  und  französisch. 


Krtml,  MOSKAU.  22.  Route.     271 

Nachdem  wir  das  Erlöser-Thor  passirt,  betreten  wir  den  weiten 
Hauptplatz  des  Kreml ,  den  Zaren  -Platz  (UapcKan  IIjoiiiaAfc)  t  auf 
dem  man  gleich  r.  das  Wosnessensky  -  Kloster  gewahrt;  nach  1., 
wenige  Schritte  vorwärts  auf  der  sich  längs  der  Moskwa  hinziehen- 
den Terrasse^  die  schönste  Aussicht  über  den  südlichen  Tbeii  des 
heiligen  Moskau.  Auf  dem  Zarenplatz  soll  dem  Kaiser  Alexan- 
der II.  von  sämmtlichen  Städten  Russland?  ein  prachtvolles  Denk- 
mal errichtet  werden. 

Das  Wotneisensky-Konnenklotter  ( Himmelf ahrti- Kloster,  Bos- 
HeceHCKiü  »encKiä  MoHacTups,  P1.86,  D4)  ist  ein  mächtiges  Gebäude, 
im  XIV.  Jahrh.  gegründet,  nach  mehrfachen  Feuersbrünsten  im 
J.  1721  in  seiner  jetzigen  Gestalt  erbaut,  1737  und  nach  der  fran- 
zösischen Occupation  restaurirt,  mit  zwei  Kirchen,  der  „Sommer'^-  u. 
„Winter"-  Kirche.  Die  Sommerkirche  (Ljetny  ssobor),  mit  5  merk- 
würdig geformten  Kuppeln,  in  der  Mitte  der  Klostergebäude,  wurde 
angeblich  1393  von  Eudoxia,  der  Gemahlin  des  Grossfürsten  Dmi- 
try  lY.  Donskoi,  gegründet,  die  nach  dem  Tode  ihres  Gemahls 
(1389)  sich  in  das  Kloster  zurückzog  und  1407  in  demselben  starb. 
Sie  und  nach  ihr  sämmtliche  Grossfürstinnen  und  Zarinnen  bis  auf 
Natalia  Alexejewna,  die  Schwester  Peter'g  II.  (f  1728),  sind  hier 
beigesetzt.  In  der  Risniza  (Kleiderkammer)  werthvolle  alte  Ge- 
wänder und  zahlreiche  Kostbarkeiten.  —  Die  Winterkirche  „zum 
h.  Michael  Malein '',  an  der  S.-Seite,  im  xvii.  Jahrh.  erbaut,  enthält 
das  hochverehrte  Bild  der  Muttergottes  von  Kasan  und  ein  Basrelief 
des  h.  Georg  mit  dem  Drachen  (das  Wappen  von  Moskau) ,  früher 
über  dem  Frolow'schen  (jetzt  Erlöser-)  Thor. 

B.  vom  Himmelfahrtskloster  erhebt  sich  das  Kleine  Nikolai- 
FalMB  (HHKOiaeBCKiü/iBopeit'B,  MajuM  KpeMieBCKiü  ^Bopem,P1.122), 
von  Katharina  II.  erbaut,  vom  Metropoliten  Piaton  1817  dem  Kai- 
ser Nikolaus  geschenkt,  1876  restaurirt  (Besichtigung  nur  mit 
besonderer  Erläubniss  des  Präsidenten  des  Hofcomtoirs ,  S.  284). 

Alexander  II.  wurde  in  diesem  Schlosse  geboren. 

Die  innere  Einrichtung  ist  sehr  einfach.  Bemerken swerth  das  Schlaf- 
zimmer Nikolaus^  /.,  ein  schmuckloser  Raum  mit  kahlen  gegypsten  Wänden, 
in  einer  Ecke  das  Feldbett  des  Kaisers.  In  dem  Gabinette  des  letzteren 
alle  in  russischer,  deutscher  und  französischer  Sprache  über  Moskau  er- 
schienenen Bücher.  In  einem  andern  Zimmer  unter  einem  Glase  mehrere 
geweihte  Brote,  die  dem  Kaiser  von  dem  „Golowa'^  oder  Haupt  der  Stadt 
Hoskau  überreicht  wurden,  von  eigenthümlicher  Form.  Im  Speisezimmer 
Gemälde  mit  Seenen  aus  der  polnischen  und  russischen  Geschichte;  so 
ein  Gemälde  von  Beiotto :  Wahl  Stanislaus  Poniatowskrs  auf  der  Ebene 
von  Wola  1764  (S.  26).  Dann  zwei  von  einem  ehem.  Unteroffizier  Bruisehka 
gemalte  Bilder,  Hinin,  den  Fürsten  Fosharsky  zum  Ergreifen  der  Waffen 
auffordernd,  und  Hinin  und  Fosharsky  siegreich  im  Kampfe  mit  den  Polen. 
Im  Zimmer  der  Kaiserin  ein  sehr  zierlich  aus  Elfenbein  und  Bernstein 
verfertigtes  Blumenkörbchen,  unter  einem  kleinen.  Tempel  aus  denselben 
Stoffen  stehend,  das  Ganze  von  dem  Senator  Poliwanow  gearbeitet  und 
der  Kaiserin  geschenkt.  In  einem  andern  Zimmer  zwei  Gemälde  Aiwft- 
sowsky's:  der  Brand  Hoskau^s  und  die  Erlöserkirche  (S.  294). 

Gerade  gegenüber  der  Glockenthurm  *Iwan  Weliky  (KoiOKOAHff 

HsaHa  BeJHKaro,  Johanns  des  Grossen,  PI.  42,  D  4).   Der  mächtige 


272    Baute  22.  MOSKAU.  Iwän  Weliky. 

Thunn,  yon  Job.  Villiers  unter  Feodor  Iwanowitsch  begonnen,  von 
Bori8  Godunow  1600  vollendet ,  oft  abgebrannt ,  zuletzt  1813  er* 
neuert,  erhebt  sich  82m  hoeh  in  5  Stockwerken,  die  4  unteren 
achteckig,  das  fünfte  rund.  Auf  der  Spitze  eine  yergoldete  Kuppel 
(10  m  im  Durchm.),  darüber  ein  angeblich  16  m  hohes  yergoldetes 
Kreuz,  an  Stelle  des  frühern  errichtet,  welches  die  Franzosen  im 
J.  1812  unter  starker  Beschädigung  der  oberen  Theile  des  Thurmes 
herunterrissen,  weil  sie  es  für  Gold  hielten.  Im  Erdgeschoss  zwei 
Kapellen,  die  eine  dem  h.  Johannes  (russ.  Iwan),*nach  welchem  auch 
der  Thurm  benannt  ist,  geweiht ,  die  andere  dem  h.  Nikolaus  von 
Golstunsk,  dem  Schutzpatron  der  Verlobten,  beide  unbedeutend.  — 
Zu  der  (sehr  zu  empfehlenden)  Besteigung  des  Iwan Weliky  muss 
man  sich  einen  heitern  Tag  aussuchen,  auch  nicht  einen  Feiertag 
wählen,  wenn  die  Glocken  des  Thurmes  geläutet  werden.  Dem  Beglei- 
ter 20-25  Kop.  Trinkgeld.  Die  Besteigung  ist  nur  bis  zu  der  c.  30  m 
unter  der  Kuppel  befindlichen  Gallerie  geatattet.  Man  hat  450  be- 
queme Stufen  zu  ersteigen  und  passirt  34  Glocken  von  verschiedener 
Grosse.  Die  grosste,  die  sog.  Himmelfahrts-  oder  Festglocke,  1819 
aus  dem  Material  mehrerer  aus  dem  Schutt  des  Brandes  von  1812 
ausgegrabenen  Glocken  gefertigt,  wiegt  4175  Pud  (c.  68,390  kg);  sie 
ist  verziert  mit  Porträts  des  Kaisers  Alexander ,  seiner  Gemahlin 
Elisabeth,  seiner  Mutter  Maria  Feodorowna  und  seiner  Brüder 
Konstantin  und  Nikolaus.  Sie  wird  in  der  Regel  jährlich  nur  zwei- 
mal, in  der  Christ-  und  in  der  Osternacht  geläutet.  Am  19.  Februar 
(3.  März)  1855,  beim  Läuten  anlässlich  des  Todes  des  Kaisers  Niko- 
laus, stürzte  die  Glocke  herab  und  verletzte  18  Menschen,  während 
sie  selbst  nur  unbedeutend  beschädigt  wurde.  Eine  Etage  hdher 
hing  vormals  die  berühmte  Nowgoroder  WJetschewoP'Qloeke,  unter 
Iwan  III.  nach  Besiegung  der  Stadt  1471  nach  Moskau  gebracht 
(S.  250) ,  jetzt  in  der  Orusheinaja  Palata.  Im  obersten  Stockwerk 
zwei  kleine  silberne  Glocken ,  ein  Geschenk  der  Kaiserin  Katha- 
rina II.  —  Sehr  lohnend  ist  die  ^Aussicht  von  oben,  namentlich 
bei  Abendbeleuchtung.  Von  hier  betrachtete  Joseph  II.  Moskau 
im  J.  1780,  Napoleon  mit  seinen  Marschällen  1812.  Als  Frau  von 
Stael  von  der  Höhe  des  Kreml  auf  Moskau  hinabsah,  brach  sie  in 
die  Worte  aus :  „ Voila  Rome  tatare !  *  »Wer  die  Stadt  von  hier  aus 
an  einem  warmen,  sonnigen  Tage  betrachtet,  dem  wird  es  sicher 
nicht  einfallen,  daran  zu  denken,  dass  er  sich  hier  unter  demselben 
Breitengrad  befindet,  unter  welchem  die  Renthiere  in  Sibirien 
grasen  und  die  Hunde  in  Kamschatka  die  Schlitten  über  die  Eis- 
flächen ziehen.  Moskau  macht  unbedingt  den  Kindruck  einer  Stadt 
des  Südens ;  aber  auch  dass  man  vor  etwas  Fremdem,  bisher  Un- 
gesehenem steht.  Man  glaubt  sich  nach  Ispahan,  Bagdad  oder 
einem  ähnlichen  Ort  versetzt,  wo  sich  die  Erzählungen  der  Sul- 
tanin Scheherezade  ereignen,  diesen  Städten,  welche  man  sich  in 
Gedanken  vorstellt,  aber  welche  man  nicht  In  Wirklichkeit  zu 
sehen  bekommt.''   (Moltke.)    Der  Anblick  ist  in  der  That  eigen- 


ßiesenglocke,  MOSKAU.  22.  Boute,    273 

artig  und  barock,  wie  wohl  kein  zweiter.  Es  ist ,  als  babe  eine 
mächtige  Hand  alle  Curiositäten  und  bizarren  Bauten  orientalischer 
Völker  gesammelt  und  sie  hier  in  grossem  Stile  zu  einer  riesen- 
haften Baritätenausstellung  vereinigen  lassen.  Nicht  nur  die  ganze 
Stadt  mit  ihren  Vorstädten ,  sondern  auch  ihre  weitere  Umgebung 
in  einer  Entfernung  bis  zu  30  W.  können  wir  überblicken.  Zu 
unseren  Füssen  liegt  der  Kreml ,  umgeben  von  mächtigen  Mauern, 
welche  Ihn  von  der  Stadt  trennen ;  im  Innern  die  Kathedralen  mit 
ihren  Kuppeln ,  1.  das  mächtige  kaiserliche  Schloss  mit  den  zuge« 
hörigen  Gebäuden,  r.  der  weiss  glänzende  Gerichtshof.  Dann  auf 
allen  Seiten  das  unübersehbare  Häusermeer,  in  dem  gleich  Leucht- 
thürmen  die  vergoldeten  Kuppeln  zahlloser  Kirchen  flammen,  bis 
sich  Alles  in  die  hügelige  und  waldige  Umgebung  und  den  bläu- 
lichen Horizont  verliert. 

Einen  besonders  interessanten  Anblick  geniesst  man  vom  Iwan  We- 
liky  in  der  Osternaeht.  Der  illaminirte  Kreml,  die  mit  Lieht  bedeckten 
Kappeln  sämmtliefaer  Kirchen,  dazu  eine  unübersehbare  Menge  von 
Menschen,  alle  mit  Lichtern  versehen,  —  das  ist  ein  zauberhaftes  Bild. 
Punkt  12  u.  beginnt  die  grösste  Glocke  im  Iwan  Weliky  zu  lauten;  so- 
fort fallen  alle  Glocken  Moskau's  ein,  aecompagnirt  von  101  Kanonen- 
schüssen, die  vom  Kreml  aus  abgegeben  werden.  Gleichzeitig  setzen 
sieh  von  sämmtlichen  Kirchen  Proeessionen  zu  feierlichem  Umgang  um 
die  Kirche  in  Bewegung,  wobei  die  Priester  zum  ersten  Male  wieder  in 
buntem  Sehmuck  und  in  goldgestickten  Gewändern  erscheinen. 

Am  Fusse  des  Thurmes ,  auf  der  linken  Seite  nach  der  Moskwa 
hin,  steht  auf  einem  ca.  1  m  hohen  Granitsockel  die  ^Biesengloeke 
(Uapb-KOJOKOi'B ;  Zar-Kolokol),  die  grösste  der  Welt:  sie  ist  7  Ar- 
schin iSVs  Werschok  (c.  8  m)  hech  und  hat  einen  Durchmesser  von 
7  Arsch.  9*/2  Wersch.  (c.  7V2  m),  einen  Umfang  von  23V2  m,  so 
dass  c.  20  Menschen  darin  Platz  finden ;  ihre  Dicke  beträgt  oben 
27,  unten  56  cm.  Auf  der  Aussenseite  Reliefs  und  Inschriften ;  die 
ersteren ,  über  den  Verzierungen  am  untern  Rande ,  stellen  dar : 
den  Erlöser ,  die  Mutter  Gottes ,  Johannes  den  Täufer,  den  Zaren 
Iwan  Alezejewitsch,  den  von  Cherubim  umgebenen  Apostel  Petrus 
und  Anna  Prorotschitz,  den  Zaren  Alexei  Michailowltsch  und  die 

Kaiserin  Anna  Iwanowna. 

Auf  Befehl  der  Kaiserin  Anna  wurde  die  Glocke,  wie  die  Inschrift 
nachweist,  1731  von  dem  moskauer  Glockengiesser  Iwan  Feodor  Matorin 
aus  älterem  Material  gegossen  und  zwar  in  einem  Gewicht  von  1^,000 
Pud  (195,000  kg)  und  1737  an  einem  hölzernen  Gerüst  aufgehängt.  Doch 
war  es  von  Anfang  an  ein  Fehlguss,  wie  das  Missverhältniss  in  der  Stärke 
der  Glockenwände  unten  und  oben,  sowie  die  Beschaffenheit  der  Bruch- 
stelle beweisen.  Noch  in  demselben  Jahre  stürzte  sie  von  dem  Gerüste 
herab,  wobei  ein  grosses  Stück  von  11,000  kg  Gewicht  von  ihr  absprang, 
und  lag  fast  100  Jahre  in  der  Erde,  in  welche  sie  sich  6  m  tief  eingebohrt 
hatte,  bis  sie  1836  auf  Befehl  des  Kaisers  Nikolaus  von  dem  Architecten 
Montferrand  gehoben  und  an  ihre  jetzige  Stelle  gebracht  wurde.  —  Das 
herausgesprungene  Stück  liegt  am  Fusse  des  Postaments;  auf  der  Spitze 
der  Glocke  ist  eine  Kugel  mit  einem  Kreuz  angebracht. 

Der  Iwan  Weliky  und  die  Kathedralen  der  Üimmelfahrt  Maria 
und  des  h.  Michael  umschliessen  drei  Seiten  des  von  einem  eiser- 
nen Gitter  begrenzten  Katkedralen-Platzes  (CoöopHafl  njon<aAb), 
dessen  vierte  Seite  die  Kathedrale  zur  Verkündigung  Maria,  die 

Bussland.    2.  Aufl.  18 


274     Eoute  22.  MOSKAU.        Usspensky'sche  Kaih. 

Rothe  Treppe ,  die  Schlosswache  und  die  Granowitaja  Palata  ein- 
nehmen. 

Die  ^Kathedrale  der  Himmelfahrt  Maria  oder  TTsspensky^sche 
Kathedrale  (yeneHCKift  coöopi»,  PI.  67,  D  4),  die  Krönungskirche  der 
Zaren  und  Begräbnissstätte  der  früheren  Patriarchen,  wurde  an  Stelle 
eines  älteren  Gotteshauses  1475-79  durch  den  Baumeister  Fiora- 
vanti  aus  Bologna  nach  dem  Vorbilde  der  Kathedrale  des  h.  Dmi- 
try  zu  Wladimir  im  byzantin.-lombard.  Stil  erbaut.  Mehrfach 
(1612, 1737,1812)  durch  Plünderung  oder  Brand  heimgesucht,  wurde 
sie  immer  wieder  in  ihrer  früheren  Form  hergestellt.  Sie  steht  un- 
gefähr im  Mittelpunkt  des  Kreml  und  bildet  beinah  ein  gleichseitiges 
Viereck,  in  der  Mitte  überragt  von  einer  mächtigen  Kuppel  von  42m 
Höhe,  an  den  vier  Ecken  von  kleineren  Kuppeln.  Die  Mauern  und 
Pfeiler  sind  von  aussen  und  von  innen  mit  Heiligenbildern  ge- 
schmückt. 

Das  durch  hohe  und  schmale  Fenster  nur  spärlich  erleuchtete 
Innebb  mit  seinen  beschränkten  Räumen,  den  bunten  und  kleinlichen 
Verzierungen  und  seiner  Ueberladung  mit  geschmackloser  Pracht 
macht  keinen  wohlthuenden  Eindruck. 

Wir  betreten  dasselbe  durch  den  Haupteingang  auf  der  Westseite.  Zu 
beiden  Seiten  des  Eingangs  an  den  Wänden  Fresken,  das  jüngste  Gericht 
darstellend.  An  der  Wand  links  (Nordseite)  Episoden  aus  dem  Leben  der 
heil.  Jungfrau,  rechts  (Südseite)  die  sieben  Coneilien  der  griechischen  Kirche. 
Die  Pfeiler  gerade  vor  uns  sind  mit  Bilderreihen  auf  Goldgrund  umwun- 
den —  ein  buntes  Gemisch  von  Engeln,  Heiligen,  Mönchen  und  kämpfenden 
Bittern.  Weiter  hinauf  sind  Wände  und  Säulen  bis  zur  obersten  Kuppel 
mit  Vergoldung  bedeckt;  aus  den  vier  Kuppeln  schaut  je  ein  kolossales 
Ghristusbild  herab.  Zwischen  den  Pfeilern  im  Hauptschiff  der  Platz,  auf 
dem  der  Kaiser  gekrönt  wird.  Von  den  Patriarchen  (S.  285)  ruhen  9  hier; 
der  10.,  der  Patriarch  Nikon,  ist  im  Neu  -  Jerusalemer  Kloster  in  Woss- 
kressensk  begraben  (S.  259).  Die  einfachen  Grabmonumente,  aus  gewöhn- 
lichen Ziegelsteinen  aufgebaut,  sind  mit  rothen  Decken  belegt.  Links  vom 
Eingange  in  der  Ecke  der  Metropolit  Jonas^  rechts  stehen  nebeneinander 
der  Sarkophag  des  Metropoliten  ffermogenes  (1606-1612),  der  bei  dem  Ein- 
falle der  Polen  1611  im  Gefängniss  starb,  und  Sarkophage  der  heil.  PhoHtu 
und  Gjfprian.  Ein  61/210  b.  viereckiger  Behälter  aus  vergoldetem  Kupfer, 
durchbrochen,  mit  spitzem  Dach,  enthält  das  Leichentuch  u.  Gewand  der 
Mutter  Gottes,  im  J.  1626  von  dem  persischen  Schah  Abbas  dem  Zaren 
Michael  Feodorowitsch  geschickt,  und  einen  Nagel  des  h.  Kreuzes,  Geschenk 
des  grusinischen  Zaren  Artschil  1686.  In  der  Pfeilerreihe  nach  dem  Iko- 
nostas zu  rechts  ein  grosser  schwarzer  Thronsessel  aus  Nussbaum  aus  der 
Zeit  Iwans  III.  Wassilje witsch;  vor  dem  Pfeiler  rechts  der  steinerne 
Thron  des  Patriarchen  ^  links  der  Thron  der  Kaiserin. 

Steigen  wir  die  mittlere  Plattform  herauf,  auf  der  die  Salbung 
des  Kaisers  (Bestreichung  von  Stirn,  Augenlidern,  Nase,  Lippen, 
Ohren,  Brust  und  Händen  mit  dem  heiligen  Oel)  stattfindet,  so  be- 
finden wir  uns  vor  dem  Ikonostas  ,  einer  hohen  Vermeilwand  von 
kunstvoll  durchbrochener  Arbeit  mit  5  Reihen  von  Heiligenbildern 
über  einander,  die  mit  Edelsteinen  auf  das  reichste  geschmückt  sind. 

L.   von   der  ins  Allerheiligste  führenden  Pforte   das  berühmte  Kor- 

ssun'seJie  MtUUrffottesbild  von  Wladimir,  welches  dem  Evangelisten  Lucas 

zugeschrieben  wird.    Es  stammt  ursprünglich  aus  Konstantinopel,  kam 

1164  nach  Kiew,    dann   1395  nach  Moskau,  wo  es,  als  der  Tataren-(3han 

Timur  heranrückte,  auf  den  Kreml  gebracht  wurde,  um  die  Stadt  zu  schützen 


Usspensky'Bche  Katk,        MOSKAU.  22.  Route,     275 

(S.  299).  Die  Einfassung  des  Bildes  soll  über  200,000  B.  werth  sein,  der 
Smaragd  auf  der  Stirn  der  h.  Jungfrau  wird  auf  30,000  B.  geschätzt.  B. 
das  Bild  des  Erlösers^  angeblieh  1143  vom  griechischen  Kaiser  Manuel 
gemalt,  bis  1478  in  der  Sophien > Kirohe  zu  Nowgorod  beflndlieh.  —  Das 
blosse  Goldgewieht  des  Ikonostas  sowie  der  Altargeräthe  und  andern  Hei- 
ligthümer  soll  sich  auf  330  Pud  (c.  5400  kg)  belaufen.  Die  Franzosen 
nahmen  alles  mit,  aber  die  Beute  wurde  ihnen  von  den  Kosaken  wieder 
abgenommen,  die  aus  Dank  dafür  der  Kirche  noch  einen  400  kg  schweren 
silbernen  Kronleuchter  mit  46  Armen,  der  von  der  Kuppel  herabhängt, 
schenkten. 

Durch  den  Ikonostas  hindurch  sieht  man  in  das  Sancttuabium. 

Im  Vordergründe  der  Berg  Sinai  in  Belief,  von  reinem  Dukatengolde, 
ein  Geschenk  Potemkin's.  Ein  goldener  Moses  mit  den  Gesetzestafeln 
steht  auf  seinem  Gipfel ;  in  dem  Berge  eine  Höhle  mit  kleinem  goldenen 
Sarge  zur  Aufbewahrung  der  Hostie,  zeitweilig  auch  zur  Aufbewahrung 
wichtiger  Staats  Urkunden  benutzt.  Das  Ganze  soll  120,000  Dukaten 
werth  sein.  Im  Hintergrunde  sieht  man  den  Thron  des  Metropoliten  von 
Moskau,  zu  dessen  Seiten  an  den  Wänden  Gemälde  der  Patriarchen  und 
Kirchenväter.  In  den  Kapellen  links  vom  Ikonostas  (Eingang  vom  Chor) 
der  Peter -Paul 'Altar,  die  Sarkophage  der  Metropoliten  Theognost  und 
Peter  (erster  Metropolit  von  Moskau,  i  1325),  sowie  ein  Schrein  mit  Beli- 
quien.  In  der  dritten  Kapelle  (des  h.  Märtyrers  Dmltry  des  Metropoliten) 
wurde  1547  Fürst  Jury  Glinsky,  der  Grossvater  Iwans  des  Schrecklichen, 
ermordet.  —  Vor  dem  Chor  rechts  der  silberne  Schrein  des  Metropoliten 
Philipp,  der  1568  auf  Betreiben  Iwan's  des  Schrecklichen  entsetzt  und  zu 
ewigem  Gefängniss  verurtheilt  wurde.  In  den  Kapellen  der  Hauptaliar 
und  der  Aliar  des  h.  Demetrius. 

Von  hier  gelangt  man  auch  auf  Treppen  in  die  Kapelle  der  h, 
Mutter  Gottes f  wo  ehemals  die  Patriarchenwahl  stattfand,  und  in 
die  Saksistbi  (PH3HHaa)  mit  den  Reliquien  und  Kuriositäten  der 
Kirche:  mehrere  Evangelien  (das  grösste,  Gewicht  4  Pud,  Einband 
200,000  R.,  von  Natalie  Naryschkin,  der  Mutter  Peter'sl.,  der  Kirche 
geschenkt),  von  Zarinnen  und  Grossfürstinnen  geschrieben,  alte 
Manuscripte,  darunter  Handschriften  Peter's  I.,  die  vom  griechischen 
Kaiser  Konstantin  XII.  Monomachos  (?)  stammenden  reichen  Krö- 
nungsgewänder ,  die  Votivkelche  Katharina's  II.  und  Maria  Feodo- 
rowna's ,  die  den  Griff  und  Fuss  selbst  aus  Elfenbein  schnitzten, 
Kelch  und  Patene  von  Boris  Godunow  und  Potemkin,  goldenes 
Sacramentshäuslein  von  Iwan  dem  Schrecklichen ,  die  Oelgefässe 
(ovale  Schale  aus  grünem  Jaspis  mit  Gold  und  Email ,  edelste  ita- 
lienische Arbeit  des  xvi.  Jahrb.)  zur  Salbung  der  Kaiser ,  2  grosse 
massiv-silberne  Kessel,  in  denen  das  Chrisma  (MopHaaMasb,  S.  285) 
bereitet  wird,  ein  Kreuz  Peter's  I.,  das  er  in  der  Schlacht  von  Pol- 
tawa  getragen,  kostbare  Priestergewänder,  von  Katharina  II.  ge- 
stickte Kelchdecken  etc.,  andre  von  der  Zarin  Irina,  Gemahlin  des 
Zaren  Feodor  Iwanowitsch  u.  a. 

Der  Usspensky-Kathedrale  gegenüber  an  der  S.-Seite  des  Kathe- 
dralen-Platzes liegt  die  Arohangelsky  •  Kathedrale  oder  Kath.  des 
EnengelB Michael  (ApxaHrejbCKlfi  Coöop'B ;  PI.  54,  D  4),  in  Bau  und 
Ausschmückung  der  Usspensky-Kathedrale  ähnlich,  die  Gruftkirche 
der  Zaren  aus  dem  Hause  Ruiik  und  der  Romanows  vor  Peter  dem 
Grossen  (S.  175),  seines  geistesschwachen  Bruders  Iwan,  sowie  Pe- 
ters II.  Siö  wurde  an  Stelle  einer  Yom  Grossfürsten  Iwan  Kaiita  zu 

18* 


276    BotOe  22.  MOSKAU.         AtchcMgeUky-Kath. 

Ebren  des  h.  Michael  1333  gegründeten  Kirche,  die  durch  Feuer 

mehrmals  beschädigt  worden  war,  im  J.  1505-9  von  dem  mai- 

länder  Architekten  Alevisio  Novl  erbaut  und  1772  wie  nach  1812, 

wo  sie  als  Fourage-Magazin  u.  s.  w.  diente,  restaurirt. 

Die  Wandgemälde^  1680  u.  1681  unter  Feodor  Alexejewltseh  von  Jermo- 
lajew  ausgeführt  (1743  und  1773  erneuert),  stellen  die  Zaren  in  Lebens- 
grösse  und  das  jüngste  Gericht  dar^  zu  ihren  Füssen  an  den  Wänden 
ihre  einfachen,  mit  Teppichen  bedeckten  Sarkophage  (47 ;  ausserdem  ruhen 
hier  der  ehem.  Zar  von  Kasan  Alexander,  f  1566,  und  der  Zarewitsch 
von  Kasan  Peter,  f  1609).  In  der  kleinen  Kapelle  Johannes  des  Täufers 
neben  dem  Altäre  der  Sarkophag  Iwan^s  des  Schrecklichen  mit  einem 
schwarzen  Tuche  bedeckt,  zum  Zeichen,  dass  er  als  Mönch  (Jonas)  ge- 
storben, sowie  zweier  seiner  Söhne.  Wassily  Schuisky  ruht  als  Usurpator 
in  einer  kleinen,  an  der  Kirche  hängenden  separirten  Kapelle,  in  der 
auch  sein  Bild  sich  befindet.  Boris  Godunow  (s.  unten)  und  der  falsche 
Dmitry  sind  als  Usurpatoren  ganz  ausgesehlossen.  In  verschiedenen 
kleinen  Abtheilungen  die  SargkatUn  der  Heiligen  (Monta).  Die  ange- 
sehensten sind  der  h.  Miehael  Wsewolodowitseh  und  Dmüry  Uglitkp.  Der 
erstere  war  Fürst  von  Tsehernlgow  zur  Zeit  der  Tatarenherrschaft.  Als 
er  1246  seine  Huldigungsreise  zur  Horde  des  Chan  Baty  machte,  weigerte 
er  sich,  durch  das  heilige  Feuer  zu  gehen  und  wurde  ermordet.  Gleiches 
Schicksal  traf  seinen  Begleiter,  den  Bojar  Feodor.  Der  Körper  wurde 
nach  Moskau  gebracht  und  Michael  heilig  gesprochen.  Der  kostbare  Sarg 
wurde  1774  von  Katharina  gewidmet.  Dmitry,  Burik*8  letzter  Sprössling, 
wurde  als  sechsjähriger  Knabe  auf  Anstiften  von  Boris  Godunow  in 
Uglitsch  ermordet,  von  wo  seine  Gebeine  1630  nach  Moskau  gebracht 
wurden.  Sein  festlich  geschmückter  Sarg  wird  an  Festtagen  geöffnet. 
Ueber  dem  Sarkophage  an  dem  Pfeiler  sein  Blldniss  in  halberhabener 
Arbeit  aus  dem  feinsten  Dukatengolde,  und  einige  von  ihm  getragene 
Sachen;  daneben  ein  Gandelaber  von  Silber.  -^  In  dem  reichen  Kirchen- 
schatz (nicht  immer  zugänglich)  sind  beachtenswerth  die  Einbanddecke 
eines  Evangeliars,  im  xvi.  Jahrb.  aber  mit  Benutzung  altbyzantin.  Email- 
platten  des  X.  u.  XII.  Jahrb.  verfertigt,  die  älteren  Stücke  Theile  einer 
Krone-,  ein  Weihrauchfass  und  ein  Madonnenbild,  mit  Goldpli^ten  be- 
deckt, beide  im  Charakter  russ.  Stils,  aber  vielleicht  nach  Zeichnungen 
des  Alevisio  Novi  (s.  oben). 

W.  von  der  Archangelschen  Kathedrale  auf  dem  höchsten 
Punkt  des  Kreml  erhebt  sich  die  Kathedrale  der  Yerkündigiing 
Maria  oder  Blagowjeschtschensky  -  Kathedrale  (EjaroBluiieHCKifi 
Coöop'B;  PL  68,  D  4),  zuerst  im  J.  1291  von  Andreas  III.,  Sohn 
Alexander  Newsky's ,  aus  Holz  erbaut ,  1489  unter  Iwan  III.  neu 
gebaut,  1547  abgebrannt  und  wiederum  1554  unter  Iwan  dem 
Schrecklichen  neu  gebaut  und  1863-67  restaurirt.  Sie  war  die  Tauf- 
und Trauungskirche  der  alten  Zaren.  Mit  ihren  9  Kuppeln ,  von 
denen  die  mittlere  ein  goldenes  Kreuz  trägt,  mit  ihrem  vergoldeten 
Dach,  ihrer  offenen  Treppe  und  kreuzgangartigen  Gallerie  macht  sie 
einen  originellen,  eleganten  Eindruck. 

Eine  bedeckte  Treppe  führt  zum  Eingangtthor  ^  über  welchem  ein 
Bild  des  Erlösers  und  eines  des  Teufels.  Durch  das  Thor  gelangen  wir 
in  einen  Gang  mit  Fresken  aus  dem  xv.  und  xvi.  Jahrhundert,  1883 
restaurirt,  der  die  innere  Kirche  auf  2  Seiten  umgiebt  und  aus  wel- 
chem zwei  Thüren  in  die  Kirche  selbst  führen.  Von  diesen  Thüren 
ist  die  eine  von  Bronze,  mit  vielen  Reliefs  geschmückt,  ähnlich  den 
Korssun'schen  Thüren  der  Sophien-Kirche  von  Nowgorod  (S.  251).  Der 
Fussboden  der  Kirche  besteht  aus  farbigem  Jaspis  und  ist  ein  Geschenk 
des  Schah  von  Persien  an  den  Zaren  Alexei.  An  den  Pfeilern  zahl- 
reiche goldene  und  silberne,  mit  Edelsteinen  verzierte  Kreuze,  welche 


Verkündig.  -Kathedr.       MOSKAU.  22.  Rmie,    277 

ehemals  die  Zaren  an  goldenen  Ketten  vor  der  Bmst  tragen.  Hoehst 
merkwürdig  sind  die  Fresken  der  Wände  und  Kuppeln:  Patriarchen, 
Propheten  und  griechische  Philosophen  (auch  diese  aufgefasst  als  Herolde 
des  kommenden  Messias),  Apostel  und  Märtyrer  im  Verein  mit  allerlei 
Unthieren.  Durch  die  Oentralkuppel  föUt  schwaches,  gedämpftes  Licht 
in  die  Kirche  und  heleuchtet  diese  sonderbaren  Malereien.  Die  Kirche 
ist  reich  an  Reliquien  (Mou^h)  fast  aller  Heiligen  des  Kalenders.  Sie  liegen 
in  verschiedenen  kleinen  Abtheilungen  in  schmutzigen  Särgen,  ehemals 
mit  Glas  bedeckt.  Der  Ikonostas  ist  1812  von  den  nach  Qold  suchenden 
Franzosen  fast  ganz  zerstört  und  später  neu  hergestellt  worden.  Neben 
der  ins  Allerheiligste  führenden  massiv  silbernen  Thür  die  hochver- 
ehrten Bilder  (r.)  des  Erlösers ^  im  xiv.  Jahrh.  gemalt,  und  der  Verkün- 
digung Maria  mit  kostbarer  Einfassung  (aus  Griechenland),  1.  das  Bild 
der  Donischen  Mutter  Gottes^  das  Dmitry  Donskoi  auf  seine  grossfürstliche 
schwarze  Fahne  während  der  Schlacht  auf  der  Kulikowo  -  £bene  1380  ge- 
heftet hatte,  und  welches  auch  Boris  Godunow  in  die  Tatarensehlacht 
unter  den  Mauern  Moskau*  s  1591  begleitete  (auf  der  Bückseite  die  Himmel- 
fahrt Maria).  Der  Rahmen  aus  gediegenem  Golde  weist  noch  einige  Bisse 
auf ,  welche  von  den  Franzosen  1812  herrührten ;  sie  hielten  das  reine 
Dukatengold  für  vergoldetes  Kupfer.  Der  kleine  und  enge  Site  der  alttn 
Zaren  in  dieser  Kirche  ist  aus  Holz,  mit  vergoldetem  Silber  belegt;  die 
jetzigen  Kaiser  stellen  sich  neben  den  Sessel  auf  das  Achatpflaster  und 
wohnen  stehend  dem  Gottesdienste  bei.  —  Die  Sakristei  enthält  reiche 
Sehätze  und  Beliquien. 

Wir  betreten  nunmehr,  und  zwar  von  der  südl.  nach  der  Moskwa 
gerichteten  Hauptfa^ade  her  (vgl.  den  Plan  S.  270),  das 

*OroMe  Kreml -Palais  (EojbraoM  KpeHieBCKlä  Asop^m),  ein 
stattliehes  Gebäude,  121m  lang,  128  m  tief,  nach  den  Planen  des 
Architecten  Const.  Thon  1838-49  erbaut.  Das  Hauptgebäude  be- 
steht aus  zwei  terrassenförmig  aufgebauten  Stockwerken ,  das  obere 
mit  2  Reihen  Fenster;  an  der  N.- Seite  liegt  der  Belvedere- Palast 
(S.280),  an  der  O.-Seite  die  Granowitaja  Palata  (S.  279),  an  der  W.- 
Seite die  Orusheinaja  Palata  (S.  281).  Bas  Palais  ist  in  Abwesen" 
heit  der  kuserl.  Familie  tägl.  mit  Ausnahme  der  Sonn-  und  Festtage 
11-3  U.  geöffnet  (Billets  unentgeltlich  im  Bureau  des  Polizeimeiaters, 
S.  284 ;  dem  herumführenden  Hoflakaien  1  R.,  Sonn-  und  Festtags 
12-2  U.  ohne  Blilet,  Massenbesuch  der  niederen  Klassen.) 

Das  Palais  ist  auf  derselben  Stelle  erbaut,  wo  vor  1737  die  alten 
hölzernen  und  steinernen  Paläste  der  Zaren  standen,  von  welch  letz- 
tern nur  noch  die  Oranowitaja  Palata  und  das  Terem  existiren.  1749 
beauftragte  die  Kaiserin  Elisabeth  Petrowna  den  Grafen  Bastrelli.,  im 
Kreml  ein  neues  steinernes  Schloss  zu  erbauen,  Winterschloss  (Kpeic- 
jicbckIh  sHMHitt  ABopeifi)  genannt.  Dasselbe  existirte  bis  zur  Erbauung 
des  jetzigen  „grossen**  Schlosses.  Katharina  II.  beabsichtigte  nach  den 
Projeeten  des  Architekten  Bashanow  ein  neues  kolossales  Schloss  zu 
errichten,  Hess  aber  den  kaum  begonnenen  Bau  wieder  einstellen.  Das 
Modell  zu  diesem  Schloss,  welches  90,000  B.  kostete,  befindet  sich  in 
der  Orusheinaja  Palata  (S.  283).  Das  Bastrelli'sche  Schloss  der  Kaiserin 
Elisabeth,  in  dem  Napoleon  L  1812  wohnte,  verbrannte  während  der 
französisciien  Occupation,  der  Neubau  begann  unter  Nikolaus  I.  1838. 
Am  3.  April  1849  empfingen  der  Kaiser  und  seine  Familie  in  dem  neuen 
Paläste  nach  russischer  Sitte  Salz  und  Brot  vom  Volke.  Die  Kosten  des 
ganz»!  Schlossbaues  beliefen  sich  auf  12  Millionen  R. 

Von  dem  durch  graumarmorne  Monolithsäulen  getrageneu 
schönen  Vestibül  („Parade-Flur'^)  führt  die  prächtige  graititne 
Paradetreppe  (IlapaAHaji  itCTHHaa,  PL  b),  mit  66  Stufen  und  5  Ab- 
sätzen, hinauf  zum  obern  Stock.   Im  Treppenhause  ein  grosses  Qe- 


278    Route  22.  MOSKAU.      Grosses  Kreml 'FcAats. 

mälde  des  franz.  Malers  Yvon  (1850),  die  Schlacht  auf  dem  Kulikowo- 
Felde.  Oben  z^ei  kolossale  Krystall-Kandelaber  im  Renaissancestil. 

Durch  den  kleinen  Vorsaal  (PI.  c)  betritt  man  r.  den  Oeorgtfi'Saal 
(PI.  d),  den  grössten  des  Kreml  (61  m  1.,  21  m  br.,  17  m  h.),  ganz 
in  Weiss  und  Gold  gehalten ;  18  Pfeiler  und  18  gewundene  Säulen 
stützen  den  Plafond,  über  den  Kapitalen  Yictorien  mit  Schilden, 
auf  denen  die  Eroberungen  Russlands  und  die  Wappen  der  erober- 
ten Provinzen  verzeichnet  sind.  An  den  Wänden  stehen  auf  Mar- 
mortafeln in  goldnen  Lettern  die  Namen  und  Gründungsjahre  der 
Regimenter,  die  sich  in  russ.  Feldzügen  ausgezeichnet,  sowie  die 
Namen  sämmtlicher  Offiziere,  die  mit  dem  Orden  des  h.  Georg,  dem 
höchsten  russ.  Orden  für  kriegerisches  Verdienst,  dekorirt  wurden. 
Am  Ende  des  Saales  eine  Gruppe  in  Silber,  die  Kosakenführer 
Jermak  (Eroberer  Sibiriens)  und  Platow ,  vom  Donschen  Kosaken- 
heere geschenkt.  Daneben  zwei  vergoldet«  Bronzekasten  mit  den 
Statuten  und  den  Namen  der  Ritter  des  St.  Qeorgenordens. 

Es  folgt  der  in  Roth  und  Gold  reich  decorirte  Alexander  -  Saal 
(Pl.e),  31ml.,21mbr.,  bis  zur  Kuppelwölbung  21  mh.,  zu  Ehren  des 
von  Katharina  I.  1725  gestifteten  Ordens  des  h.  Alexander  Newsky 
so  benannt.  Den  14  Fenstern  gegenüber  befinden  sich  koloss&le 
Wandspiegel,  die  das  Bild  des  vor  dem  Palais  gelegenen  Stadttheils 
wiedergeben ;  ausserdem  enthält  der  Saal  6  bemerkenswerthe  Ge- 
mälde aus  dem  Leben  des  h.  Alexander  Newsky  von  Prof.  Müller. 
Bei  festlichen  Gelegenheiten  wird  der  Saal  durch  4500  Kerzen  er- 
leuchtet ;  der  Fussboden  besteht  (wie  der  des  Georgensaals)  aus  mehr 
als  20  Holzarten  in  kunstreicher  Zusammensetzung. 

Der  AndreaS'Throneaal  (PI.  f),  49m  1.,  21  m  br.,  18m  h.,  nach 
dem  1697  von  Peter  dem  Gr.  gestifteten  St.  Andreas-Orden  benannt, 
in  Blau  und  Gold,  von  10  mächtigen  Pfeilern  getragen,  enthält  dem 
Eingang  gegenüber,  unter  einem  im  russ.  Stil  gehaltenen  Thron- 
himmel mit  spitzem  Dach  und  Kronen  aus  Strass,  den  kaiserl. 
Thron ,  von  zwei  Greifen  (das  Romanow'sche  Familienwappen)  ge- 
tragen. An  den  Wänden  und  Pfeilern  die  Wappen  des  kaiserl. 
Titels.  —  Diese  drei  Säle  werden  bei  der  Kaiserkrönung  benutzt. 

In  dem  anstossenden  Chevalier  gar  de -Saal  (PI.  g)  zwei  schöne 
Marmorkamine  und  ein  Gemälde  von  Sswertschkow,  ^Truppenrevue 
Alexe!  Michailowitschs  auf  dem  Jungfernfelde".  —  Der  folgende 
Katharinensaal  (PI.  h),  nach  dem  1714  gestifteten  St.  Katharinen- 
orden  benannt,  ist  weiss  und  roth  dekorirt ,  mit  Malachitpfeilern ; 
an  der  Hauptwand  der  Thron  der  Kaiserin.  Hier  empfängt  die 
Kaiserin  nach  der  Krönung  die  Huldigung  der  Damen. 

Weiter  wird  man  durch  eine  Reihe  glänzend  ausgestatteter,  sog. 
„innerer  Gemächer''  geführt,  die  bei  Anwesenheit  der  Kaiserin  von 
den  Hotdamen  bewohnt  werden,  zunächst  das  Parade-'Oastximmer, 
Schlaf'  und  Toilettezimmer,  Es  folgt  die  1393  gegründete ,  1514 
von  Alevisio  umgebaute  Kirche  der  Geburt  Maria,  die  frühere 
Hauskirche  der  Zarinnen,   mit  Silber-Ikonostas.     L.  führt  eine 


ßrosses  Kreml -Palais.      MOSKAU.  22.  Route,    279 

Treppe  durch  den  die  Commandantenstrasse  überbrückenden  Win- 
tergarten, zu  den  im  Seitenflügel  belegenen  Gemächern  des  Qross- 
fürsten  Thronfolgers.  Im  Empfangszimmer  („Silber-Zimmer'^, 
mit  7  silbernen  Tischen,  silbernen  Spiegelrahmen,  Kronleuchtern 
etc.,  gute  Augsburger  Arbeiten  aus  dem  Anfang  des  xviu.  Jahrb.) 
vier  Gobelins  mit  Scenen  aus  Cervantes  Don  Quixote ;  am  mittlem 
Fenster  Modell  des  1862.zu  Nowgorod  errichteten  Denkmals  (S.  252). 
Im  Schlafzimmer  Plafondbilder  nach  Zeichnung  von  Thorwaldsen, 
die  vier  Jahreszeiten.  Es  folgen  das  Arikleidezimmer ,  und  die 
Wohngemächer  mit  Copien  nach- Bildern  der  Dresdner  Qallerie, 
von  Seydelmann  (f  1829)  in  Sepia  ausgeführt ,  und  dem  grossen 
Bilde  Sswertschkoio'Sf  „Iwan  der  Schreckliche  besucht  den  Rothen 
Platz".  Dahinter  die  Bildergallerie,  in  welcher  6  grosse  Bilder  von 
BacciarelU  (früher  im  königl.  Schloss  in  Warschau) ,  Scenen  aus 
der  polnischen  Geschichte  darstellend,  sowie  eine  Anzahl  anderer 
Bilder,  aus  der  Petersburger  Eremitage  und  aus  Warschau  hierher 
gebracht. 

Nun  zurück ,  durch  den  Wintergarten  in  den  achteckigen  Wla- 
dimir-Saal (Pl.n),nach  dem  1782 von  Katharina  II.  gegründeten Wla* 
dimir- Orden  benannt.  Die  anstossende  Goldene  Kammer  (3ojOTafl 
Daiara),  unter  der  Kirche  des  Erlösers  hinter  dem  goldenen  Gitter, 
r.  von  der  Granowitaja*Palata,  aus  dem  Anf.  des  xvi.  Jahrh. 
(nach  andern  vom  Metropoliten  Jonas  1451  erbaut),  war  die  Au- 
'dienzstttbe  der  Patriarchen,  seit  Iwan  III*  die  Kammer  der  Zaritza, 
wo  sie  Audienzen  gab.  Die  Malereien  auf  Goldgrund,  unter  Niko- 
laus I.  hergestellt,  stellen  dar  die  Auffindung  des  h.  Kreuzes  durch 
die  h.  Helena,  Scenen  aus  der  Gesch.  der  h.  Olga  u.  s.  w.  Hier 
findet  am  .Krönungstage  das  Bankett  des  diplomat.  Corps  statt. 

Vom  Wladimirsaal  führt  1.  eine  Thür  in  den  „Heiligen  Flur** 
(Swjätyje  sseni,  PI.  o),  von  dem  man  einerseits  auf  die  Rothe  Treppe 
(s.  unten),  andrerseits  in  die  Oranowitaja  PcUata  gelangt. 

Die  Granowittga  Palata    (FpaHOBHTafl    Ilaiara,    PL  p),  der 

„FacettenpaJa^t^  (so  benannt  nach  der  Form  der  Steine  an  der 

-Fagade  nach  dem  Kathedralenplatz  zu),  unter  Iwan  III.  1491  durch 

die  ital.  Architecten  Marco  Ruffo  und  P.  Antonio  erbaut,  nach  den 

Bränden  von  1547,  1571,  1626,  1737  und  zuletzt  von  Nikolaus  I. 

restaurirt,  besteht  aus  einem  einzigen  niedrig  gewölbten  Saal,  der 

in  der  Mitte  von  einem  gewaltigen  viereckigen  Pfeiler  getragen  wird. 

Vergoldete  eiserne  Gurten  laufen  von  demselben  an  den  Wölbungen 

hin,  während  die  Bogenbänder  slavonische  Sprüche  enthalten. 

In  alten  Zeiten  war  dieser  Saal  Audienzzimmer  der  Zaren;  jetzt  dient 
er  als  Bankett*^aal,  in  dem  der  Kaiser  naeh  der  Krönung  mit  den  Reiehs- 
insignien  bekleidet  mit  den  fremden  Gesandten  speist.  Neuerdings  ist 
der  Saal  in  der  Weise,  wie  er  1590  war,  ausgestattet.  Den  Pfeiler  um- 
geben Etageren,  auf  welchen  am  Krönungstage  Silberger'ath  aus  der  kais. 
Sehatzkammer  aufgestellt  wird.  Die  Wände  sind  jetzt  wie  zur  Zeit  Feodor 
Iwanowitseh^s  mit  Fresken  bemalt,  welche  symbolisch  in  Geschichten 
aus  dem  alten  Testament  die  Weisheit  und  Tugend  der  Orossfürsten  und 
Zaren   darstellen.     Kronleuchter  in   dunkler  Bronzefärbung  naeh  alten 


280    Raute  22,  MOSKAU.  Terem. 

Modellen.  An  den  Seiten  Bänke,  mit  Beidenen  bnntgostickten  Geweben 
bedeckt;  unter  einem  schweren,  einem  Muster  in  der  Usspensky -Kathe- 
drale nachgebildeten  Thronhimmel  vorn  r.  ein  Thron  von  Holz  mit  ge- 
sticktem Wappen  auf  der  Bückwand.  Den  Fusaboden  bedeckt  ganz  ein 
Teppich,  aus  grellfarbigen  Tuehstücken  zusammengesetzt.  Ueber  der 
alterthümlichen  Eingangsthür  der  vergoldete  Hahmen  des  Fensters  (Tainiky 
„Versteck*'),  von  dem  ehemals  die  Zarinnen  und  Zarewnen  den  Fest- 
lichkeiten im  Oranowiti^a-Saal  zusahen. 

Die  Sothe  Treppe  (KpacHoe  xpiubiio,  PI.  q),  nach  den  auf  den 
Treppenabsätzen  angebrachten  Löwen  auch  Löwen  treppe  genannt, 
führt  von  dem  „Heiligen  Flur^  auf  den  Kathedralenplatz  (S.  273). 

Die  Treppe  hatte  früher  ein  spitzes  buntes  Holzdaeh,  welchea  1685 
Fürst  Wassily  Golizyn  durch  ein  vergoldetes  Eupferdach  ersetzte;  seit 
dem  Brande  1737  ist  sie  ohne  Dach.  Hier  empfing  Iwan  der  Schreckliche 
Boten,  und  wenn  sie  schlechte  Xaehrichten  brachten,  stiess  er  ihnen 
seinen  scharfen  Eisenstab  durch  einen  Fuss  und  nagelte  sie  am  Boden 
fest.  Hier  empfing  der  falsche  Dmitry  die  Bittsteller;  hier  ermordeten 
1682  die  Strelitzen  die  treuen  Diener  des  Zaren,  Matwejew,  3  Naryschkin 
und  69  andere.  Die  Rothe  Treppe  hinab  gehen  heute  noch  die  Kaiser, 
um  sich  in  der  Himmelfahrts-Kathedrale  krönen  und  salben  zu  lassen. 

Der  Belyedere  -  Palast  oder  das  Terem  (TepeiiHuä  ABopeiCB, 
PI.  r)  f  besteht  aus  vier  nach  oben  sich  verjüngenden  Stockwerken, 
die  beiden  untern  (die  Zaren  Werkstatt,  Masterskaja  Palata,  jetzt  als 
Magazin  benutzt  unter  Iwan  III.  Anfang  des  xy.  Jahrh.,  die  obern 
(der  eigentliche  Belvedere-Palatt)  1636  von  Michael  Feodorowitseh 
für  seiAe  Söhne  erbaut  und  von  den  Zaren  Feodor  und  Alexei 
bewohnt.  Dieser  Palast,  von  seltsam  barockem  Aeusisern ,  enthält 
eine  Reihe  kleiner  und  niedriger,  alterthümlich  eingerichteter  Zim- 
mer ,  grösstentheils  in  dem  Zustande  wie  sie  beim  Tode  Feodors 
(f  1682)  waren  (1836-40  restaurirt). 

I.  Speisezimmer,  Wandgemälde :  der  Heiland  und  die  4  Evangelisten, 
Konstantin  d.  Grosse  und  seine  Mutter  Helena,  h.  Wladimir,  h.  Olga. 
In  der  Mitte:  Siegel.  —  II.  Empfangszimmer;  in  der  Mitte:  Urkunden.  — 
III.  Thronzimmer  des  Zaren  Alexei.  In  den  Glaskästen:  Münzen.  Wahl* 
Urkunde  des  Zaren  Michael  Feodorowitsch  Romanow.  In  der  Kcke  am 
Fenster  Stuhl  des  Zaren;  davor  ein  von  seinei^  Töchtern  gearbeiteter 
Teppich.  Kasten,  in  welehen  unten  die  Bittschriften  gelegt  wurden  und 
welchen  der  Zar  selbst  hexaufzog  um  sie  zu  lesen.  '-<-  IV.  Schlafzimmer.  — 
V.  Kleines  Betzimmer  des  Zaren  Michael  Feodorowitsch.  —  VI.  Grosses 
Zimmer,  für  die  Staatsraths  -  Sitzungen.  Hier  lebte  Peter  d.  Gr.  vor 
seiner  ersten  Reise,  später  sein  Sohn  Alexei.  Von  der  obersten  Gallerie 
prächtige  Aussicht  auf  die  Stadt  (dem  Führer  20  Kop.). 

Vom  ersten  Treppenabsatz  des  Terem  tritt  man  in  die  kleine 
Hauskapelle  oder  Erlöserkirche  hinter  dem  goldnen  Gitter  (Cnaca 
3OJOTOI0  p'bmoTKOH),  PI.  s),  nach  dem  daneben  befindlichen  »gQld- 
nen  Gitter"  (1670  aus  Kupfer  gegossen)  so  benannt,  1636  gegrün- 
det, 1812  geplündert,  durch  die  Kaiser  Alexander  und  Nikolaus 
aber  wieder  auf  das  prächtigste  mit  goldenen  und  silbernen  Kirchen- 
geräthen  ausgestattet.  Sie  enthält  die  Reliquien  Stephan's  von  Perm, 
des  Apostels  der  Sirjänen,  der  1396  in  Moskau  starb.  Auf  dem 
Dache  12  kleine  goldene  Kuppeln. 

t  Terem,  ein  den  Russen  von  den  Tataren  überkommenes  Wort,  be- 
deutet Dachstube,  Erker,  Belvedere,  bezügl.  das  Frauengemaeh  im  oberen 
Stock,  wie  der  tatarische  Harem* 


Sehaisikammer,  MOSKAU.  22.  Routt,     281 

Der  Grosse  Ereml-Palast  umschliesst  zugleich  das  älteste  Bau- 
werk Moskau's ,  den  Urtypus  aller  russisch-griechischen  Kirchen, 
die  Kirche  Sspass  na  horu  {Erlöser  im  Walde,  PL  u),  im  xiii.  Jahrh. 
erhaut,  als  der  Hugel,  auf  welchem  heute  der  Kreml  steht,  noch  mit 
dichtem  Wald  bedeckt  war.  Im  J.  1380  liess  Iwan  Banilowitsch 
Kaiita  die  ursprüngliche  Holzkirche  niederreissen  und  errichtete 
eine  Kirche  aus  Stein.  Die  Wände  der  Kirche ,  in  der  mehrere 
Grossfürstinnen  von  Moskau  und  Iwan,  der  Sohn  Dmitry  Don- 
skoi's  begraben  liegen,  zeigen  hübsche  Fresken  (Leben  des  heil. 
Stephan  von  Perm). 

Ein  Seitenflügel  des  Kreml-Palastes,  anderW.-Seite  des  Parade- 
hofplatzes (von  wo  der  Haupteingang),  enthält  die  «Sehatskammer 
(eigentlich  Rüstkammer,  Orushemaja  Paiata),  in  der  die  Schätze 
der  kaiserl.  Familie  und  die  Kronjuwelen  aufbewahrt  werden.  Be- 
sichtigung Mo.,  Mi.  u.  Fr.  11-2  XJ.  gestattet;  Kataloge  („Guide  du 
Palais  des  Armures")  am  Eingange,  20  K. 

Die  ältere  sog.  Schatzkammer  (KaseeHuM  ABopi)  enthielt  Gold- 

und  Silbergeschirr,  Kostbarkeiten,  Juwelen  u.  s.  w. ;  zu  ihr  gehörte 

die  eigentliche  Orusheinaja  PcUata,  Höfe  wo  die  Waffen  verfertigt 

wurden,  der  Marstallkof  {KomomemiviÄ  üpHKasi»),  die  Yerwaltungs- 

kammer  der  zarischen  Equipagen,  Pferdegeschirre  u.  s.  w.,  der  Sa- 

pa^sny  Dwor  (3anacHu8  ^Bopi),  ein  grosses  dreistöckiges  Gebäude 

gegenüber  dem  neuen  Schlosse  (S.  277).  Unter  dem  Zaren  Aleiei 

Michailowitsch  1645-76  bestand  eine  Moskauer  Rüstkammer  (BpoH- 

uiM  MocKOBCKiä  HpHKaai),  die  von  der  Schatzkammer  getrennt  war; 

unter  Peterl.,  als  allesBedeutende  in  die  Sammlungen  nach  St.Peters- 

burg  ging,  eine  Garderobe-  und  Rüstkammer  (MacTepcKaflOpyxeÜHaii 

DaiaTa),  welche  von  Alexander  1. 1806  in  der  jetzigen  Artillerie- 

kaserne  (S.284)  unterbracht  wurden.  Unter  Nikolaus  I.  wurde  1849- 

51  die  jetzige  Orusheiniga  Palata  auf  dem  Platze  der  alten  Marstall- 

hofes  erbaut  und  die  Schatzkammer  dorthin  verlegt. 

Am  Eingang  nnten  sswei  Sturmglocken;  die  eine  aus  der  ITowgo- 
rod*8ehen  Wjeteche  umgegotsen  (25.  Juli  1663).  Daneben  «wei  in  Eisen 
gegOMene  Tafeln  mit  Inschriften,  welche  sich  auf  die  Hinrichtung  von 
itrelitsen  unter  Peter  d.  Or.  beziehen,  Gopien  (auf  Befehl  Katharinas  II. 
1771)  der  Inschriften,  welche  168(2  auf  dem  Bothen  Platze,  wo  die  Exe- 
eution  stattfand,  errichtet  wurden.  —  Im  Treppenkaue  Rttstungen  und 
Waffen ;  oben  auf  der  Treppe :  Kinderrüstung  des  Zarewitseh  AlexeiMiehailO' 
taiiach.  Gemälde:  Krönung  des  heil.  Wladimir  und  Schlacht  auf  dem 
KuUkowo-Felde. 

I.  Saal.  Bojaren-Rüstungen  des  xvi.  und  xvii.  Jahrh.  An  den 
Wänden  Waffen  der  Ritter  des  liv^nd.  Ordens,  von  Iwan  dem  Schreck- 
lichen bei  der  Eroberung  Livlands  erbeutet,  und  Armaturen.  —  Panzer 
und  *Helme  der  Grossfürsten  und  Zaren,  u.  a. :  der  Kutschums ,  Zar  von 
Sibirien,  des  Grossf.  Jarouiaw  WMevwlochwitteh  (f  1263),  und  seines  Sohnes 
des  h.  Alexander  Newik^f  (Copie);  Helm  italienischer  Arbeit,  Geschenk 
Signmiund»  IL  von  Polen  an  den  Zaren  Feodor  IwoHOWiUch. 

II.  Saal.  Waffen  aller  Art  der  verschiedensten  Völker  und  Zeiten, 
namentlich  interessante  Gewehre  aus  dem  xviii.  Jahrh.  Dem  Eingang 
gegenüber  Bild  der  Kaiserin  Katharina  IL  zu  Pferde,  von  Erikson 
(8.  8.  153,  III).  —  Ck)mmando8täbe  aus  der  Zeit  Katharina*s  II.  Zahl- 
reiche Prachtschwerier.   —  Schöner  Jagdspiess   des   Fürsten   Bvri»  von 


282     Route  22.  MOSKAU.         Orusheinaja  Palata, 

Twer  (1425).  —  Schwerter  der  Qrossf.  Wamly  des  Blinden  u.  Ivan  III.  — 
Fahnen  Iwans  des  Schrecklichen.  —  Zwei  Fahnen  des  Eroberers  von  Si- 
birien Jermak  TtmofejewiUch.  —  Verschiedene  Waffen  des  Königs  Stephan 
Bathorp.  —  Sattel  des  Zaren  Boris  Qodunote.  »  Köcher  nebst  Bogenseheide, 
griech.  Arbeit  aus  Konstantinopel,  mit  goldnen  emaillirten  Verzier angen 
u.  Edelsteinen  (gehörte  Iwan  III.  Wassiljewitsch,  fälschlich  dem  Qrossf. 
Wladimir  Monomach  zugeschrieben).  —  Fahne  des  Befreiers  Russlands 
vom  polnischen  Joche,  Fürsten  Potharsky  (1612),  sein  Säbel  und  Sattel; 
Säbel  des  Bürgers  von  Kishny-Kowgorod  KosmaUinin  (s.  S.  289).  —  Ver- 
schiedene Waffen  des  Zaren  Michael  Feodorowiiseh^  z.  Th.  Geschenke  des 
Sultans  und  des  Schahs.  —  Waffen  und  16  Fahnen  des  Zaren  Älexej  Michailo- 
vfitsch^  wobei  ein  Schild  und  Panzerhemd,  Geschenke  des  Zaren  von  Ime- 
retien  (Kaukasus).  —  Fahnen  und  Waffen  der  Brüder  Iwan  u.  Peter,  Dreh- 
gewehre Peters  zu  6  Läufen.  —  Kostbarer  Pferdeschmuek  und  Sättel,  (be- 
schenke türkischer  Sultane.  —  Fahnen  u.  Waffen  aus  der  Zeit  Peters  des 
Chrossen^  letztere  aus  der  Olonetzsehen  Fabrik. 

III.  Saal:  Gold  und  Silbergerätb,  weit  über  1(X)0  Stück,  obwohl  nur 
ein  Theil  dessen,  was  beim  Brande  am  Pfingstfeste  1737  gerettet  werden 
konnte,  neuerdings  nach  der  Herkunft  in  Gruppen  geordnet.  Es  ist  der 
Zahl  nach  die  reichhaltigste  Sammlung  deutscher  Gold- 
schmiedearbeiten, welche  es  giebt,  überwiegend  aus  Nürnberg,  Augs- 
burg und  Danzig  stammend,  aber  auch  zahlr^che  holländische,  dänische 
und  englische  Arbeiten.  Die  ältesten  Stücke  gehören  der  zweiten  Hälfte 
des  xYi.  Jahrh.  an.  Die  russischen  Arbeiten  reichen  schwerlich 
über  das  Jahr  1480  hinauf,  obschon  die  Stabilität  ihrer  Formen  eine  Alters- 
bestimmung erschwert.  Es  sind  meist  Geräthe  zu  wirklichem  Gebrauch, 
ausserdem  eine  grosse  Zahl  flacher  Schüsseln  und  Salzmetzen,  die  den 
Zaren  auf  ihren  Beisen  mit  Brot  und  Salz  überreicht  werden.  Von  älteren 
Stücken  sind  hervorzuheben :  2.  Schrank:  Silberne  Trinksehalen  des  Fürsten 
von Tsehernigow,WladimirDavidowitsch  (11^-51)  und  des  Fürsten  Ssimeon 
Iwanowitsch  (1340-53);  drei  kleine  Schalen  des  Bojaren  Dmltry  Iwano- 
witsch  Godunow.  —  2.  Schrank:  Trinkschale  des  Grossfürsten  Wassily 
Iwanowitsch  (1605-34);  gold.  Kowsch  (Trinkschale)  des  Zaren  Boris  Go- 
dunow; 2  gold.  Teller  des  Zaren  Alexis  Hichailowitsch,  Best  eines  gold. 
Service  von  120  Stück.  —  3.  Schrank:  Drei  vergoldete,  mit  Edelsteinen 
besetzte  Schüsseln  des  Zaren  Michael  Feodoro witsch.  —  4.  Schrank:  Kleine 
Trinkschale,  gold.  Tellerchen,  gold.  mit  Edelsteinen  besetzte  Wasch- 
schüssel und  Kanne,  Geschenke  der  Zarin  Natalie  Kirllowna  an  ihren 
Enkel  Alexei ,  den  unglücklichen  Sohn  Peters  d.  Gr. ;  der  berühmte  sil- 
berne *Hahn  Iwans  IV.  des  Schrecklichen  vom  J.  1480.  —  6-10.  Schranck : 
Nichts  von  Bedeutung.  — >  In  einem  besonderen  Schrank  Gegenstände  aus 
dem  Besitz  Peters  des  Grossen,  z.  Th.  von  ihm  selbst  verfertigt. 

Weniger  durch  Kunstwerth  als  durch  Grösse  ragen  die  deutsehen 
Stücke  hervor,  die  ältesten,  Nürnberger  Arbeit  aus  dem  xvi.  Jahrh. 
Von  dem  berühmten  Goldschmied  Wenzel  Jamnitzer  (f  1585  in  Nürnberg) 
ist  ein  kleiner  Becher  vorhanden,  wunderlich  durch  Sitberplatten  von 
russischer  Arbeit  verdeckt;  von  seinem  Sohn  Christoph  ein  grosser  sil- 
berner vergoldeter  Adler,  das  Wappen  von  Oesel^  von  der  Landschaft  zu 
Oesel  1594  an  Christian  IV.  von  Dänemark  und  von  diesem  1640  dem  Zaren 
geschenkt,  sowie  ein  grosser  traubenformiger  Pokal;  von  ihrem  eben- 
bürtigen Zeitgenossen  Hans  Päizold  rühren  ein  Doppelpokal  in  rein  gothi- 
schen  Formen,  ein  Traubenpokal  und  ein  Riesenbecher  in  Renaissance- 
stil, besonders  interessant  durch  Nachbildung  italienischer  Bronseplaketten 
her.  Durch  ihre  colossale  Grösse  (über  2  m  hoch)  fallen  2  Nürnberger 
Deekelpokale  (xvii.  Jahrh.)  auf,  6  andere  (1,30m  hoch)  und  Dutzende 
von  Meterhöhe  stammen  gleichfalls  aus  Nürnberg.  —  Augsburger  Ar- 
beiten, meist  aus  dem  xvii.  Jahrh.;  einiga  Schalen  gehören  noch  dem 
XVI,  Jahrh.  an.  Grosser  Trinkbecher,  Geschenk  des  Königs  Johann  So- 
bieski;  grosse  ovale  Schüssel  mit  der  Darstellung  der  Befreiung  Wiens 
von  den  Türken,  vom  Kaiser  Leopold  I.  Ifc84  geschenkt.  —  Aus  Däne- 
mark rühren  3  grosse  silbere  Räuchermaschinen,  drei  dänische  Königs- 
schlösser darstellend,  her,  Geschenke  des  Königs  Christian  IV.  (Sehrank 


Orusheinaja  Palata,         MO^AÜ.  29,  Saute.    1283 

16-18).  —  Von  englischen  Arbeit &n  verdienen  2  silberne  Panther  in 
natürl.  Grösse,  obwohl  roh  gearbeitet  (Sehrank  14, 15)  Erwähnung,  ausser- 
dem Kannen  u.  Flaschen  z.  Th.  meterhoch.  —  Unter  den  niederlän- 
dischen Sachen  ragt  hervor  eine  *Kanne  mit  eingelassenen  Perlmutter- 
schalen, aus  Antwerpen,  der  dorther  stammenden  berühmten  Kanne  des 
Lottvre  gleichwerthig. 

Von  den  Qeschenken,  welche  die  brandenburgischenGesandten 
darbrachten,  sind  nur  noch  5  sehr  zierliche  Fruehtschalen,  sämmtlich  aus 
Bernstein  vorhanden  (Schrank  21).  —  Die  Elfenbein-  und  Glassachen  ent- 
halten nichts  von  Bedeutung. 

IV.  Saal.  Krönungsbaldachin  und  Prachtmöbel.  —  Sanfte  Karls  XIL^ 
aus  der  Schlacht  von  Poltawa  1709.  —  Silb.  Kommandostab  Otulav  Adöl/s 
von  Schweden.  —  Schlüssel  der  poln.  Festung  Zamosez  und  der  türk. 
Festung  Braila  1809.  —  Fahne  von  Vama  1828.  ~  74  polnische  Fahnen.  — 
Ungar.  Fahnen  von  1848.  —  Portraits  russ.  Herrscher  und  ihrer  Zeit- 
genossen aus  dem  xviii.  Jahrh. 

V.  Runder  Saal.  Die  Krone  des  h.  ffZa^ttim'r,  fälschlich  die  „Mütre 
Afonomaeha^  genannt  (968).  —  Barmi,  d.  h.  mit  kostbaren  goldemaillirten 
Medaillons  belegter  Halskragen.  —  Scepter  u.  Reichsapfel,  schöne  griecb. 
Arbeit  aus  Konstantinopel,  wahrscheinlich  für  Iwan  III.,  fälschlich 
Wladimir  Monomach  zugeschrieben.  —  Sl/enbtin- Thron  des  letzten  Kaisers 
lu  Konstantinopel,  welcher  durch  die  Gemahlin  Iwans  III.,  Sophie 
Paläol.,  nach  Moskau  kam  und  dessen  sich  Kaiser  Alexander  II.  bei 
seiner  Krönung  bediente.  —  Thron  des  Zaren  Iwan  IV.  des  Schrecklichen^ 
mit  fast  9000  kleinen  Edelsteinen,  namentlich  Türkisen  verziert,  ein  Ge- 
schenk des  Schahs  von  Persien.  —  Die  Kasan^sche  Krone  ^  auf  Befehl 
Iwans  IV.  für  den  letzten  Zar  von  Kasan,  Ediger  (nach  seiner  Taufe  Simon) 
hergestellt;  Kaftan  desselben.  —  Thron  des  Zaren  Boris  Godunow^  mit  Gold- 
blech besehlagen  und  mit  2«00  Edelsteinen  u.  Perlen  besetzt,  Geschenk 
des  Schah  1604.  ~-  Die  Astrachan^ sehe  Krone  des  Zaren  Michael  Feodoro- 
witsch;  prachtvolle  goldne  Halskette  desselben,  u.  a.  Sachen. 

Zar  Alexei  Michailoioitseh :  Krone,  Scepter  u.  Reichsapfel,  Arbeit  des 
Griechen  JuHew  (Georgios)  aas  Konstantinopel.  —  Thron  mit  876  Dia- 
manten u.  1233  andern  Steinen,  mit  latein.  Widmung,  Geschenk  der  armen. 
Kaufleute  zu  Ispahan  (dient  bei  den  Krönungen  für  die  Kaiserin).  — 
Wams,  Stiefel,  Schuh,  Handschuh,  mit  eleganten  Stickereien. 

Die  Zaren  Itoan  u.  Peter  I. :  Doppelsitziger  Thron  aus  vergold.  Silber, 
hamburger  Arbeit.  --  Diamanten-Kronen  beider  Zaren.  —  Die  Attaibasnafa 
(d.  h.  aus  Goldsto£E)i  mit  Edelsteinen  besetzte  Krone,  jetzt  die  Sibirische^ 
vom  J.  1684.  —  Goldnes  emaillirtes  Scepter. 

Peter  d.  Or.  (allein) :  Tattrisehe  Krone.  Erstes  Hemdchen,  das  er  getragen. 
Verschiedene  Kleider.  —  Katharina  I.  Krönungsgew  ander  (karmoisin  mit 
Silber  gestickt) j  Krone.  —  Peter  II.  Scepter,  Krönungakoatüm  u.  a.  — 
Anna  Jwanowna.  Prachtvolle  Krone,  heisst  jetzt  die  polnische,  —  Elisabeth^ 
Katharina  II.  Krönungsgewänder.  --  Patü  I.  u.  Maria  Feodorovma  desgl. ; 
Malteser  Krone.  —  Alexander  I.  u.  Elisabeth  Alexejewna.  Krönungsgewän- 
der;  die  Grusinische  Krone.  —  Nikolaus  I.  u.  Alexandra  Feodorowna. 
Krönungskostüme  von  Moskau  u.  Warschau.  Der  polnische  Thron.  — 
Alexander  II.  u.  Marie  Alexandrowna.    Krönungskostüme» 

In  der  Mitte:  ReuAssdaoert  und  Reichsschild ^  persische  Arbeit,  mit 
Xephrit  u.  Edelsteinen  reich  besetzt.  Reich^ahne^  für  jede  Krönung  neu 
gemacht,  mit  allen  Wappen  des  kais.  Titels  und  blauen  Fahnenbändern, 
auf  denen  die  Hauptepochen  der  russ.  Geschichte  angegeben,  nämlich  862 
(Gründung  durch  Rurik),  988  (Annahme  des  Christenthums  durch  den  h. 
Wladimir),  1487  (das  bfzantin.  Erbe,  Qrossf.  Iwan  WassiljewiUeh) ,  1731 
(Kaiserwürde  Peters  d.  Gr.).  —  Alle  drei  Stücke  bilden  eine  Gruppe. 

Baldachine  der  letzten  Krönung.  Krone  des  letzten  Königs  v.  Polen, 
Stanislaus  August  Poniatowski  (für  sein  Begräbniss  1788  hergestellt). 

UvTBiES  Stookwbbk.  I.  Saal.  Modelle  des  Kreml  -  Palastes  vom 
Architekten  Bashanow  vom  J.  1769,  nach  dem  Plane  Katharinas  II.  (nicht 
zur  Ausführung  gelangt),  des  alten  Zarensehlosses  in  Kolomna  bei  Moskau 
und  (Porzellan)  ägyptischer  Tempel.  —  Throne  des  Chans   von  Chiwa 


284    Raute  22.  HOSKAU.  Kreml -Caseme. 

(1873  erbeutet),  des  persisehen  Prinzen  Abbss  Mirza  (1827  erbeutet) ;  Bett 
Petera  des  Grossen ;  Reisebett  Alexander*s  I.  —  In  den  Vitrinen  kostbarer 
Pferdesehmuck. 

II.  Saal.  Olobus,  der  Kaiserin  Elisabeth  von  der  Akademie  der 
Wissensehaftea  1746  dar^braeht.  —  Jagello  und  Hedwig,  Marmorgruppe 
von  Ssosnowski.  —  Silbernes  Relief:  Sieg  der  Polen  über  die  Kosaken. 
—  Portraits  und  Büsten  polnischer  Könige  und  berühmter  Männer,  wie 
Kopernikus,  Zamojski,  Potemkin  u.  s.  w. 

III.  Saal.  Alte  Equipagen:  1.  des  Patriarehen  PhUara  (Vaters  des 
Zaren  Michael  Feodorowitsch),  aussen  und  innen  mit  rothem  Sammi,  im 
Innern  Plats  für  ein  Heiligenbild.  2.  Wagen  des  Zaren  Boria  Godunote^ 
Oesehenk  der  Königin  Elisabeth  von  England,  mit  Vergoldung  und 
Sehnitxerei)  Sehlaehten  u.  Jagdscenen  darstellend;  innen  mit  Sammt  aus- 
gesehlagen. 3.  Zwei  kleine  hoUänd.  Kinderwagen,  in  denen  Peter  d.  Gr. 
als  Kind  spazieren  fuhr.  4.  Prachtwagen  der  Kaiserin  Anna,  St.  Peters- 
burger Arbeit  von  1739.  0.  Gartenwagen  derselben  Kaiserin,  gleicher  Zeit 
und  Arbeit.  6.  Wintersehlitten  in  welchem  Eli$abeih  su  ihrer  Krönung  nach 
Moskau  fuhr;  enthalt  ein  mit  grünem  Tuch  auBgeschlagenes  Zimmer  mit 
Tisch  und  Divanen,  2  Thüren  u.  14  Fenstern.  7.  Prachtwagen  derselben 
Kaiserin,  9  m  lang ,  mit  Malereien  von  Watteau,  vom  Grafen  A.  Rasu- 
mowski  175B  geschenkt.  Andre  Wagen,  in  Wien,  Berlin  u.  a.  O.  gebaut, 
vergoldet,  mit  schönen  Malereien  (werden  noch  jetzt  bei  feierlichen  Ge- 
legenheiten benutzt).  Zwei  Feldbetten  Napoleons  I.,  an  der  Beresina  er- 
beutet. Napoleons  I.  Bild,  in  Brüssel  erbeutet.  Historische  Gemälde 
auf  den  falschen  Dmitry  u.  a.  bezüglich. 

Die  Südwestecke  des  Kreml  bildet  der  bis  zur  Borowizky-Pforte 
slcli  erstreckende  Kaiser-Platz  (Imperatorskaja  Ploschtachad),  an 
den  sich  n.  zwischen  dem  Grossen  Palais  und  der  Schatzkammer 
der  von  einem  gusseisernen  Gitter  umschlossene  Parade  '-Hofplaiz 
schliesst  Vonletzterm  führt  ein  Durchgang  unter  der  den  kais.  Win- 
tergarten (S.279)  tragenden  Arkade  hindurch  in  die  Kommandanten- 
Strosse  y  die  einzige  Strasse  des  Kreml.  R.  (erste  Thür,  PI.  P)  das 
Bureau  des  Polizeimeisters  (S.  266),  wo  die  Eintrittskarten  zum  Be- 
such des  Kremlpalastes,  der  Schatzkammer  etc.  ausgegeben  werden ; 
weiter  1.  das  sog.  Poteschny  Dißorex  (s.  unten) ,  ein  wunderliches 
grün  angestrichenes  Gebäude,  jetzt  Sitz  der  Moskauer  Gomman- 
dantur ;  r.  der  KavaUer- Flügel  des  kais.  Schlosses ,  mit  den  Woh- 
nungen für  das  kais.  Gefolge  und  die  Dienerschaft. 

Das  Poie$efmf  Dwtret  („Vergnügungs-Palais"),  das  alte  Haus  derMilos- 
lawsky,  kam  mit  der  Vermählung  des  Zaren  Alexei  Michailowitsch  mit 
Maria  Illtschna  Miloslawskaja  1648  in  den  Besitz  des  kais.  Hauses.  Hier 
war  unter  Alexei  das  erste  Hoftheater,  geleitet  von  dem  berühmten  Bo- 
iaren  Artamon  Matwejew  (S.  303;  ein  grösseres  Theater  war  im  Dorfe 
Preobrashensk).  —  Im  Poteschny-Dworez ,  das  Feodor  Alexejewitseh  für 
seine  Töchter  umbauen  liess,  soll  auch  Peter  der  Gr.  seine  Erziehung 
durch  Sotow  erhalten  haben.  Die  Wände  seines  Studirtimmers  waren 
mit  instructiven  Bildern  beklebt. 

Am  Ende  der  Strasse  r.  (l.  die  Troizky-Pforte,  S.  270)  gelangen 
wir  auf  den  grossen  iSena^«j)2a^2,  s.  begrenzt  von  der  Kreml-Kaserne, 
n.w.  vom  Arsenal,  o.  vom  Gerichtshof  und  Tschudow-Kloster. 

Die  stattliche  Kreml-Caserae  (RpeMjeBCKifl  Kasapiu,  PI.  48,  D  4) 
steht  angeblich  z.  Th.  an  der  Stelle  des  alten  hölzernen  Palastes  des 
Zaren  Boris  Godunow.  An  der  Hauptfa^ade  eine  Anzahl  alterthüm- 
lieber  Geschütze;  bemerken swerth  die  beiden  an  den  Ecken  der 
Caserne  stehenden  Monstregeschütze :  1.  die  *Zaren-Kanone  (Zar- 


Synodalgebäude.  MOSKAU.  22.  BofUe    285 

PiMchka),  der  „König  der  Kanonen^,  gegossen  unierFeodorl.  Iwano- 
witsch  von  Andreas  Tschochow  1586^  äberreich  an  Verzierungen 
und  in  einer  von  Baird  in  St.  Petersburg  gegossenen  Lafette  liegend, 
5,3  m  lang,  2400  Pud  (c.  40,000  kg)  schwer,  Durchmesser  der  Öff- 
nung c.  1  m ,  Geschoss  2000  kg ;  und  das  Einhorn  (EAiiHopori)« 
gegossen  unter  Alezei  Michailowitsch  1670  von  Meister  Martian 
Ossipow,  60  pfünd.  Kaliber  und  779  Pud  (c.  13,000  kg)  schwer. 

Hinter  der  Kreml-Kaserne,  n.  von  der  Usspensky-Kathedrale, 

liegt  das  Synodalgrebände,  früher  Patriarckenham  (PI.  138 ;  D  4). 

Dasselbe  enthält  die  Kirche  der  Zwölf  Apostel,  die  Hauskirche  des 

Metropoliten  Philipp,  die  Schatzkammer  und  die  Bibliothek  des  Pa- 

triarchen  und  das  Comptoir  der  Synode ;  zur  Besichtigung  ist  die  Er- 

laubniss  des  Sacristans  nothwendig  (Katalog  der  Schatzkammer  1 R.). 
In  der  Mitte  des  xvi.  Jahrb.  wurde  dem  ersten  Prälaten  Russlands, 
dem  Metropoliten  von  Moskau,  der  Titel  „Se.  Heiligkeit**  beigelegt  und 
der  fromme  Zar  Feodor  I.  Iwanowitsch  verlieh  ihm  1589  mit  Zustimmung 
des  gesammten  griechischen  Episkopates  den  Patriarehentitel ;  am  23.  Jan. 
desselben  Jahres  wurde  der  erste  Patriarch  Hieb  (1Ö89-1605)  feierlich  in- 
stallirt.  Das  Patriarchat  erhielt  sieh  bis  zum  Jahre  1700  und  hörte  mit 
Errichtung  des  heiligen  Synod  (S.  106)  auf.  Während  dieser  Zeit  regierten 
10  Patriarehen;  der  bedeutendste  war  yikon^  am  25.  Juli  1652  nach  dem 
Tode  Jossiph's  zum  Patriarchen  von  ganz  Russland  geweiht.  Er  genoss 
das  höchste  Vertrauen  des  Zaren  Alexei  Michailowitsch  als  dessen  Seel- 
sorger und  Freund,  als  Lenker  der  Kirche  wie  des  Staates.  Aus  der  Zeit 
des  Gipfelpunkts  seiner  Macht  1654  stammen  die  meisten  im  Patriarchen- 
bause  aufbewahrten  Kostbarkelten.  Schliesslich  gelang  es  der  gegen  ihn 
verschwornen  Aristokratie,  ihn  zu  stürzen.  1666  berief  Alexei  ein  förm- 
liches Coneilium  in  seinen  Palast  auf  dem  Kreml  und  l^ikon  wurde  durch 
dieses  seiner  Würden  entsetzt  (s.  unten).  Nach  Hadrian  (1690-1700)  wurde  der 
Patriarchenstuhl  nicht  mehr  besetzt ;  bis  1742  verblieb  die  moskowitische 
Eparchie  unter  directer  Leitung  des  Synod  ohne  Oberhirten ;  im  genannten 
Jahre  bestätigte  die  Kaiserin  Elisabeth  den  Beschluss  des  Synod  über  die 
Errichtung  eines  Erzbisthums  in  Moskau. 

Die  Kirche  der  Zwölf  Apostel  enthält  ein  Bild  der  Apostel 
Peter  und  Paul  aus  dem  zu.  Jahrh.  sowie  einige  wunderthätige 
Heiligenbilder.  In  der  anstossenden  Myrowarennaja  Pcdata  wird 
alljährlich  in  der  Fastenzeit  unter  grossem  Zudrange  des  Volks  das 
h.  Salböl  (Chrisma)  in  silbernen  Kesseln  bereitet  (vgl.  S.  275).  — 
In  der  ehem.  Hauskirche  der  Patriarchen ,  der  Kirche  des  Apostels 
Phüipp  wird  (in  der  Sakristei)  ein  Stück  vom  Gewände  und  vom 
Kreuze  Christi  aufbewahrt;  anstossend  die  ärmliche  Wohnung  der 
Patriarchen.  —  Die  Bibliothek  der  Patriarchen  (jetzt  Synodal^ 
Bibliothek)  enthält  c.  500  griech.  und  c.  1000  slavon.  Schriftstücke, 
darunter  mehrere  aus  dem  vn.-xir.  Jahrh.  Sie  wurde  zuerst  auf 
Iwans  IV.  Befehl  von  dem  Dorpater  Pastor  Westermann  geordnet 
und  die  hier  vorhandenen  Bücher  des  Llvius  und  Sueton  von  Wester- 
mann und  T.  Brakel  ins  Russische  übersetzt  (die  Uebersetzung  ist 
verloren  gegangen).  Der  Handschriften  -  Katalog ,  zuerst  1723  in 
nur  50  Ex.  gedruckt,  wurde  später  mehrfach ,  zuletzt  von  Matthiae 
(Leipzig  1805)  und  Sabas  (Moskau  1858)  herausgegeben. 

Die  ^Schatzkammer  (im  III.  Stock,  davor  eine  Schildwache) 
umschliesst  eine  äusserst  reichhaltige  Sammlung  von  alterthümlichen 


286     Rmte,  22.  MOSKAU.  Taehudow- Kloster. 

Kreuzen,  Kirchenparamenten,  Mitren  und  Kronen  der  Patriarchen, 
kostbaren  Ornaten ,  Reliquien  u.  s.  w. ,  darunter  der  Sakkos  des 
Metropoliten  Photios,  1409  aus  Konstantinopel  gebracht ;  das  Ala- 
bastergefass ,  in  welchem  das  h.  Salböl  aus  Konstantinopel  nach 
Kiew  gebracht  worden  sein  soll;  Hirtenstäbe,  aber  auch  zahlreiches 
Silbergeräth  für  den  täglichen  Gebrauch  der  Patriarehen,  darunter 
Yiele  Stücke  deutschen  Ursprungs ,  z.  Th.  von  hohem  Kunstwerth 
(xvi.  Jahrh.)  u.  v.  a. 

Der  Kreml  -  Kaserne  ö.  gegenüber  erhebt  sich  das  Tschudow- 
( Mönchs'JZXoBtBT  (HyAOBi  HysecKoä  MonacTupi»,  PI.  85,  D  4)  oder 
Kloster  der  Wunder,  das  reichste  und  berühmteste  Mojskaus.  Das- 
selbe wurde  im  J.  1365  von  dem  Metropoliten  Alexius  gegründet, 
nachdem  er  den  Grund  und  Boden  von  dem  im  Kreml  herrschen- 
den Tataren  Chan  Dshani-Bek  geschenkt  erhalten  hatte.  In  der 
Folge  wiederholt  durch  Brand  zerstört  und  wieder  aufgebaut,  wurde 
es  das  Katedralnoi-Monastyr  der  Kparchie  Moskau,  d.  h.  der  Sitz  der 
Moskauischen  Metropoliten,  und  heisst  noch  Immer  das  Residenz^ 

Kloster  des  Metropoliten,  trotzdem  derselbe  nicht  mehr  in  ihm  wohnt. 
In  das  Tscbudow-Kloster  musste  sich  der  Zar  Wassily  Schuisky  nach 
seiner  Thronentsagung  am  17.  Juli  1610  zurückziehen^  der  falsche  Dmitry 
lebte,  bevor  er  seine  Prätendentenlaufbahn  antrat,  als  Ittönch  Gregor  in 
ihm  \  im  Dee.  1666  wurde  hier  das  letzte  Goncil,  an  welchem  die  griechische 
Kirche  sich  durch  die  persönliche  Gegenwart  ihrer  vornehmsten  Würden- 
träger betheiligte,  eröffnet  und  auf  demselben  der  Patriarch  Kikon  (s.  oben) 
zum  Verlust  seiner  Würde  verurtheilt  und  zu  lebenslänglicher  Busse  in 
das  Therapontow-Kloster  verbannt;  die  Kinder  Iwan's  IV.  sowie  der  Zar 
Alexis,  Peter  I.  und  Kaiser  Alexander  II.  wurden  im  Tschudow- Kloster 
getauft.  1771  wurde  das  Kloster  nebst  der  Kathedrale  und  St.  Michaela- 
Kirche  während  eines  Aufstandes  geplündert.  Vor  Zeiten  wurden  alle 
Kinder,  bevor  sie  die  Schule  besuchten,  in  das  Kloster  gebracht,  um  ein- 
gesegnet zu  werden. 

Ueber  dem  Eingänge  zum  Kloster  ein  sonderbares  aus  Papier 
gefertigtes  Heiligenbild;  von  links  gesehen  stellt  es  Christus,  von 
rechts  den  heil.  Geist  und  von  vorn  Gott  dar.  DiQ  St.  Alexiv>skirche, 
14S3  erbaut,  enthält  seit  1686  in  einem  silbernen  Sarkophag  den 
wunderthätigen  Leichnam  des  h.  Alexius.  In  der  St,  Michaels^ 
Kirche,  1365  erbaut,  mehrmals  restaurirt  und  reich  dotirt  von  den 
Kaiserinnen  Anna  und  Elisabeth,  schöne  Wandgemälde,  Scenen  aus 
allen  ökumenischen  Concilien.  Zur  Schatzkammer  des  Klosters  ge- 
langt man  durch  einen  langen  Gang ,  an  dessen  Ende  eine  starke, 
mit  Eisen  beschlagene  Thür  zur  Risni&a,  einem  kleinen,  nicht  sehr 
hellen  Baum  führt.  In  derselben  u.  a.  12  persische  Fahnen,  ein  Ge- 
schenk des  Kaiser  Nikolaus;  ferner  mehrere  Schränke  voll  Kirchen- 
gewänder und  Kostbarkeiten ,  u.  a.  ein  vom  h.  Alexe!  selbst  ge- 
schriebenes Evangelium,  in  kostbarem  Einbände.  Auf  dem  Kirchhof 
sind  viele  Metropoliten,  Bischöfe  etc.  begraben,  auch  der  letzte  Chan 
von  Kasan  Ediger,  sowie  viele  russische  Fürsten. 

Das  n.  neben  dem  Kloster  liegende  Senatdgebftnde  (PI.  136)  ent- 
hält die  Bureaux  des  Bezirksgerichts,  die  Messkanzlei  und  das  Archiv 
des  russ.  Grundbesitzes.  Das  Gebäude,  1776-87  unter  Katharina  II. 


Arsenul,  MOSKAU.  22.  Route.     287 

von  Kasakow  erbaut,  nach  1812  und  1866  restaniirt,  gehört  zu  den 
sehönsten  Moskau's ;  die  mächtige  weisse  Fa^ade  macht  einen  ma- 
jestätischen Eindruck.  Oben  läuft  der  Palast  in  eine  Kuppel  aus,  auf 
welcher  ein  viereckiger  Pfeiler  mit  einer  Krone  sich  erhebt;  auf  jeder 
der  vier  Seiten  steht  mit  goldnen  Buchstaben  das  Wort  „SaKOHi^ 
(Gesetz).  Sehenswerth  der  runde  *Saal  (Kpyriaji  aaaa)  mit  schonen 
Basreliefs,  die  Thaten  der  Kaiserin  Katharina  II.  darstellend. 

Das  Arsenal  (Apcenaji,  PI.  13),  1701-36  nach  dem  Muster  des  Ar- 
senals in  Venedig  erbaut,  ist  ein  kolossales  Gebäude  ohne  aUe  archi- 
tektonische Gliederung.  Vor  der  Front  desselben  liegen  auf  einfach 
gemauerter  Unterlage,  terrassenförmig  abwechselnd,  die  1812  erbeu- 
teten Geschützrohre ,  laut  einer  an  der  Mauer  befestigten  Messing- 
tafel mit  Legende  875  Stück ;  unter  ihnen  befinden  sich  36ö  franzö- 
sische, 189  österreichische,  123  preussische,  70  italienische  u.  s.  w. 
Viele  der  Geschützrohre  sind  beschädigt.  —  In  den  innern  Räumen 
befinden  sich  die  Magazine  fertiger  Waffen,  Gewehre,  Säbel  u.  s.  w., 
sowie  einige  historische  Andenken.   Der  Eintritt  ist  nicht  gestattet. 

Wir  verlassen  den  Kreml  durch  das  Nikolaus -Thor  (HHKOJiBCKifl 
BopoTa,  PI.  D4),  welches  ebenfalls  nach  dem  Krassnaja-Platze  führt 
und  dem  ErlÖser-Thor  ähnlich  ist.  Es  hat  seinen  Namen  nach  dem 
über  dem  Thore  hängenden  Mosaikbilde  des  heil.  Nikolaus  von 
Moshaisk ,  welcher  als  Patron  der  Betrübten  gilt.  Der  Thurm  über 
dem  Eingange  wurde  1491  von  dem  italienischen  Architekten  Pietro 
Antonio  erbaut.  Bei  der  Sprengung  durch  die  Franzosen  litt  nur 
der  obere  Theil;  der  Riss,  welcher  den  Thurm  spaltet,  setzt  sich 
bis  an  den  Rand  des  Heiligenbildes  fort ,  beschädigte  aber  weder 
dessen  Glasbedeckung  noch  die  davor  hängende  Lampe.  So  besagt 
eine  Inschrift  am  Thore,  die  Alexander  I.  anbringen  Hess.  Der  merk- 
würdige Riss  ist  durch  eine  ihn  vom  übrigen  Gestein  auszeichnende 
Farbe  verewigt.  Der  Thurm  wurde  von  dem  Architecten  Rossi 
nach  dem  Vorbilde  des  Thurmes  der  Marienkirche  zu  Stargard  (in 
Pommern)  erneuert  und  enthält  jetzt  das  Hof- Archiv. 

b.  Die  innere  Stadt  (Xltaig^orod). 

Zwischen  dem  Kreml  und  der  innern  Stadt  liegt  der  weite  Xrass- 
niga  oder  Bothe  Fiats  (KpacHaH  IlioniaAi»,  PI.  D4),  der  grÖsste  und 
berühmteste  Moskaus  (288  m  1.,  160  m  br.),  w.  begrenzt  von  der 
Zinnenmauer  des  Kreml,  ö.  von  dem  alten  Gostinny-Dwor ,  n.  von 
dem  Histor.  Museum  (S.  288)  und  der  Iber.  Kapelle ,  s.  von  der 
Kathedrale  des  heil.  Basilius  (S.  289). 

Den  Haupteingang  zur  innern  Stadt  bildet  von  W.  her  das  dem 
Ausgang  der  Twerskaja  gegenüber  gelegene  Iberische  oder  Wosskres- 
sensky  -Thor  (BocKpeceHCiüii  sopora ,  PI.  D  4).  Dasselbe  hat  zwei 
Thorwege  dicht  neben  einander ;  über  jedem  ein  spitzer  Thurm. 
Zwischen  den  beiden  Thorwegen  am  Fusse  des  Hügels ,  der  zum 
Krassnaja-Platze  ansteigt,  steht  die  1669  erbaute 


288     Route  22,  MOSKAU.  Iberische  KapeUe. 

Xaptlle  der  Ib«riio]i6&  Hutter  Gottes  {Iwergikaja  Ttehauoffin^, 
4acoBHii  ÜBepcKoH  Boxiefi  Marepu;  PI.  59,  D  4),  eine  der  berühm- 
testen Basslands,  welche  die  Kaiser  jedesmal  bei  der  Ankunft  in 
Moskau  vor  dem  Betreten  des  Kreml  aufsuchen.  Kein  Russe  geht 
vorbei,  ohne  einen  Augenblick  einzutreten  und  das  Zeichen  des 
Kreuzes  zu  machen.  Wer  sich  nicht  dazu  verstehen  mag,  dem  allg<y- 
meinen  Brauche  gemäss  sich  zu  bekreuzigen  und  die  Füsse  des  Jesus- 
kindes zu  küssen,  lässt  die  KapeUe  besser  unbesucht.  Dieselbe  ist  meist 
gefüllt ;  täglich  Gottesdienst.  Am  Eingang  in  der  Kegel  zahlreiche 
bettelnde  Nonnen  und  andere  Bettler ;  man  hüte  sich  vor  Taschen- 
dieben. 

Das  IvMEBE  bildet  nur  einen  einzigen  sehr  kleinen  Raum;  im  Aller» 
heiligsten  das  berühmteste  Heiligenbild  Moskau*s,  das  der  wunderthätigen 
(Tsehudotwomy)  Iberisehen  MuUer  Gottes.  Es  ist  eine  genaue,  im  J. 
1648  feierlich  (unter  Fasten  und  Beten)  angefertigte  Copie  des  wunder- 
thätigen Marienbildes  (Portaitissa  oder  Wratarniza)  des  Iberischen  Klosters 
auf  dem  Berge  Athos  und  wurde  durch  den  Arehimandriten  Pachomios 
und  die  Brüderschaft  dem  Zaren  Alexei  Hichailo witsch  verehrt.  Das 
BUd  hat  die  dunkelbraune  Färbung  aller  russischen  Heiligenbilder,  auf 
der  rechten  Wange  den  berühmten  Riss,  von  einem  Tataren  herrührend. 
Um  den  Kopf  tragt  es  ein  Xetz  von  echten  Perlen ;  auf  der  einen  Schulter 
und  auf  der  Stirn  grosse  Edelsteine;  darüber  eine  brillantene  Krone.  In 
der  Ecke  des  Bildes  auf  einem  Silbersehild  eine  griechische  Inschrift. 
Rund  herum  und  auf  den  Seiten  hängen  goldbrokatne  Gehänge  herab ; 
zur  Seite  Schubladen  mit  Lichtern,  Büchern  u.  s.  w.  Das  Bild  f&hrt  fast 
täglich  mit  6  Pferden  und  barhäuptigen  Livr^ebedlenten  in  den  Strassen 
Hoskau^s  herum  und  besucht,  ehrerbietig  vom  Volke  begrüsst,  Kranke, 
Familienfeste  u.  s.  w.  Es  wird  dann  durch  sämmtliche  Zimmer  des  Hauses 
getragen  und  fährt,  nach  Empfang  einer  Geldvergütung  (je  nach  Stand 
und  Vermögen  von  6  bis  100  R.)  darauf  zu  einer  andern  Familie,  die  seinen 
Besuch  erbeten  hat.  Während  dieser  Besuche  hängt  eine  (k>pie  der  Iwer- 
skaja  Mater  an  ihrer  heiligen  Wohnstätte. 

W.  von  der  Iberischen  Kapelle  das  neue  Historische  MoBeum 
(PL  115,  D4),  ein  mächtiges ,  barockes  Gebäude  im  indischen  Stil, 
1873-85  nach  Sherwood's  Plänen  für  mehr  als  2  Mill.  R.  errichtet. 

Eine  Treppe  mit  bronzenen  Löwen  wie  bei  der  rothen  Treppe  (8.  280) 
führt  in  den  Vorsaal.  Hier  der  Stammbaum  der  russischen  Herrscher: 
unten  die  HH.  Wladimir,  Olga,  Boris,  Glebj  darüber  in  zehn  Reihen 
68  Fürsten  bis  auf  den  jetzt  regierenden  Kaiser.  —  Die  Verzierungen  der 
Wände  im  Stil  der  Sophienkathedrale  zu  Nowgorod  (S.  251).  I.  und  II. 
Saal:  Stbiuzeit.  Waffen  und  Oeräthe  aus  Stein  und  Thon;  Knochen 
vom  Mammuth ,  Höhlenbär  u.  s.  w.  aus  Sibirien ,  den  Gouvernements 
Wladimir,  Rjäsan,  Woronesh  und  dem  Dongebiet  stammend.  —  Fries 
von  Basnetzow  mit  Darstellungen  dieser  Periode.  —  III.  und  IV.  Saal: 
Bronzezeit.  Lanzen-  und  Pfeilspitzen  \  Gefässe,  Schmucksachen ,  in  den 
Glaskästen  auch  solche  aus  Gold  und  Silber;  meist  Gräberfunde  aus 
Finnland,  Gross-Russland ,  Sibirien.  —  Sieben  steinerne  sog.  Mte  Weiber 
(Baöbi),  aus  dem  Dongebiet.  —  Beginn  des  Eisens.  —  Im  III.  Saal  an 
den  Wänden  russische  Karten,  im  IV.  Begräbniss  eines  Russen  und  Epi- 
sode aus  dem  Kriege  Swätoslaws  mit  Johann  Tzimiscee  von  Siemiradsky.  — 
V.  Saal:  Eisbnseit.  Neun  steinerne  Figuren  aus  Südrussland.  —  In  den 
Glasskasten  Funde  aus  Central-  und  Nordrussland.  — VI.  Saal.    A.    Ab- 

Süsse  christlicher  Alterthümer  bis  zum  X.  Jahrhundert.  —  An  den  Wan- 
en  Gopien  von  Malereien  der  römischen  Katakomben ;  darunter  Mosaiken 
nach  den  in  der  Kirche  der  HH.  Nazarius  und  GeUus  in  Ravenna  be> 
findlichen.  —  B.  Vasen  und  Figuren  aus  Terracotta;  Gold-  und  Bronze- 
sachen; Münzen  aus  Südrussland.  —  An  der  Wand:  die  Bucht  von  Kertseh 
mit  dem  Königsgrabhügel  (Zarsky  Kurgan),  von  Aivrasowsky.  —  C.  Alter- 


BaHlius  Kathedrale.        MOSKAU.  22.  Boute,     289 

thümer  des  Chersonnes  und  Kaukasus  bis  zum  XL  Jahrh.  —  Kamin  und 
Ornamente  nach  Motiven  der  Kathedrale  von  Kutais  (c.  980) :  an  der 
Hauptwand:  Taufe  des  h.  Wladimir  von  Bronnikow.  —  VII.  Saal. 
Hellenisch  -  Skythisehe  Alterthümer.  —  Die  Decke  mit  Motiven  aus  den 
Qräbem  von  Kertsch.  —  VIII.  und  IX.  Saal.  Altrussische  Alterthümer: 
Abgüsse  von  Sarkophagen ;  Gopien  von  Mosaiken,  Zeichnungen  des  Prof. 
Martynow  u.  s.  w.  —  Wandmalereien  nach  denen  der  Kirchen  in  Kiew 
und  Nowgorod. 

In  der  Mitte  des  Rothen  Platzes  das  Denkmal  Minin's  nnd  Po- 
Bharsky's  (na]fflTHHK'&  BiHHHHy  h  üoiKapcKOHy,  PL  26),  nach  Marios' 
Modell  auf  Befehl  Alexander's  I.  errichtet  und  1818  enthüllt.  Die 
kolossalen  Bronzefiguren  Minin's  und  Posharsky's  in  antiker  Tracht 
stehen  auf  einem  Granitsockel,  der  über  schönen  Reliefs,  die  Opfer- 
willigkeit des  russischen  Volkes  darstellend,  die  Inschrift  trägt: 
„Dem  Bürger  Minin  und  dem  Fürsten  Posharsky  das  dankbare 
Russland."    Der  links  stehende  Minin  giebt  dem  sitzenden  und  sich 

auf  einen  Schild  stützenden  Posharsky  das  Schwert  in  die  Hand. 

Während  des  Zwischenreichs  (1606-1613)  rief  in  Nishny  Nowgorod 
der  Fleischer  Kosma  Minin  Ssuchorukow  das  Volk  zur  Befreiung 
des  Vaterlandes  und  zum  Kampfe  für  den  Glauben  auf.  Das  Aufgebot  von 
Kishny,  zu  dem  die  Mannschaften  der  Städte  an  der  Wolga,  in  der  Ukraine 
und  am  Meere  eilten,  stellte  Minin  unter  den  Befehl  des  Knäsen  Dmitry 
Michailo  witsch  Posharsky.  Am  20.  Aug.  1612  erschien  das  Heer  Po- 
sharsky^s  vor  Moskau,  die  Polen  wurden  in  Stagigem  Kampfe  geschlagen, 
Sigismund  musste  sich  zurückziehen  und  1612  feierten  Moskau  und  das 
ganze  mittlere  Bussland  ihre  Bettung.  Posharsky  war  1578  geboren, 
unterzeichnete  1598  unter  den  Hofbeamten  den  Wahlbrief  über  die  Er- 
hebung Boris  Godunow's  auf  den  Thron,  schlug  1608  bei  Kolomna  den 
dritten  falschen  Dmitry  aufs  Haupt«  zerstreute  1609  die  Bäuberschaar  des 
Ataman  Ssalkow,  erhielt  1610  bei  dem  allgemeinen  Aixfstande  Ssaraisk 
in  der  Treue  gegen  Wassily,  stritt  1611  unter  den  Mauern  Moskau^s  und 
wurde  verwundet  in  das  Troizky- Kloster,  dann  nach  seinem  Erbgute, 
dem  District  Purez  gebracht,  wo  Minin  zu  ihm  kam.  Er  war  Stolnik  und 
wurde  unter  Michael  Feodorowitsch  unmittelbar  zum  Bojaren  erhoben. 

Neben  der  Basilius  -  Kathedrale  der  Lobnoje  Mjeito  (JoÖHoe 

hActo,  PI.  105,  D  4),  d.  h.  Schädelstätte,  eine  tribünenartige,  von 

einer  steinernen  Balustrade  umschlossene  runde  Erhöhung. 

Auf  dem  Platze  vor  dem  Lobnoje  Mjesto  fanden  ehemals  die  Hinrich- 
tungen statt;  die  Leichname  blieben  liefen,  die  Köpfewurden  auf  Pfählen 
aufgesteckt  (erst  Peter  II.  Hess  1727  Pfahle  und  Galgen  beseitigen).  Im 
J.  1570  kündigte  von  hier  Iwan  der  Schreckliche  mit  fürchterlicher  Stimme 
neue  Hinrichtungen  an.  Im  J.  1605  wurde  der  falsche  Dmitry  hier  feier- 
lich empfangen^  1606  schleppte  das  wüthende  Volk  den  ermordeten  Dmitry 
hierher;  in  demselben  Jahr  wurde  hier  Iwan  Schuisky,  und  nach  ihm 
1613  Michael  Feodorowitsch  als  Zar  prjoklamirt.  Zum  Lobnoje  Mjesto 
kamen  die  feierlichen  Prozessionen,  bei  welchen  der  Zar  den  Esel,  auf 
welchem  der  Patriarch  sass ,  bis  zur  Kathedrale  der  Himmelfahrt  Maria 
leitete;  hier  fanden  auch  Sonntags  religiöse  Disputationen  statt  und  von 
hier  wurden  die  Ukase  der  Zaren  ausgerufen. 

Am  Südende  des  Platzes  die  Kathedrale  des  heil.  BasiliuB  oder 
Wassily  Blaahenny  £*.,  eigentlich  K,  zu  Maria  Schutz  und  Fürbitte 
(IIoKpoBCKiM  coöopiBaciuiHEjiaiKeHHaro ;  PL  Ö6,  D  4),  ein  höchst  bi- 
zarrer Bau,  ursprünglich  in  Holz  von  Iwan  dem  Schrecklichen  .1554 
zum  Andenken  an  die  Eroberung  von  Kasan  begonnen.  Der  Sage 
Aach  liess  er  nach  der  Vollendung  dem  Architekten  die  Augen  aus- 
steche!), damit  er  nicht  noch  ein  solches  Meisterwerk  schaffen  könne; 

Bussland.     2.  AuQ.  19 


290     Boute  22.  MOSKAU.  Reihen  oder  R^ädy, 

thatsachlich  wurde  der  Bau  erst  Ende  des  xvi.  Jabrh.  beendet,  spater 
Öfter  durch  Feuer  beschädigt,  aber  stets  restaurirt.  1812  gab  Napo- 
leon dem  Art.-General  Lariboissier  den  (nicht  zur  Ausführung  ge- 
langten) Befehl,  die  „Moschee**  zu  zerstören.  Die  Kathedrale  besteht 
aus  11  kleinen  dunkeln  Kapellen  in  zwei  Stockwerken  über  einander, 
die  in  wunderlichster  Art  zu  einem  Ganzen  vereinigt  sind  und  yon 
einem  Dutzend  verschieden  geformter  Kuppelthürme  gekrönt  werden. 
Die  in  allen  Farben  schimmernden  Kuppeln,  theils  in  Ananas-  und 
Zwiebelform,  theils  gewunden,  theils  zackig,  facettirt  oder  mit 
Schuppen  bedeckt,  weit  über  die  schlanken  Trommeln  hinausquel- 
lend und  von  schweren  Kreuzen  überragt ,  machen  in  Yerbindung 
mit  der  überschwänglich  reichen  Decoration,  bei  der  mehrfach  Re- 
naissance-Motive benutzt  zu  sein  scheinen,  einen  seltsamen,  phan- 
tastischen Eindruck. 

Die  ii  Kajpellen  des  Innern  (Besuch  wenig  interessant)  sind  jede  von 
einer  Kuppel  überragt  und  mit  Ikonostas,  Altären,  Heiligenbildern  und 
Kirchengeräthen  ausgestattet.  Einige  sind  zur  ebenen  Erde,  zu  andern 
muss  man  auf  Treppen  hinaufsteigen ;  alle  verbindet  ein  Labyrinth  engster 
Gänge.  In  einer  derselben  ist  der  h.  Wassily  Blashenny  („der  Gesegnete**) 
begraben.  —  1611  wurde  die  Kirche  von  den  Polen,  1812  von  den  Franzosen 
geplündert  und  in  einen  Stall  verwandelt,  neuerdings  aber  vollständig  in 
ihrer  ursprünglichen  Form  wieder  hergestellt. 

An  der  Ostseite  begrenzen  den  Krassnoi  Platz  die  sog.  Beihen 
oder  Bjädy  (ToproBue  pjiAu),  ein  ungeheurer,  aus  lauter  Läden  und 
Kaufbuden  bestehender  und  von  den  drei  Hauptstrassen  der  Innern 
Stadt,  Warwarka,  IljinkaundNikolskaja  durchschnittener  Gebäude- 
complex  (obere ,  mittlere  und  untere  Reihen ;  am  belebtesten  die 
ersteren,  hinter  dem  Minin -Denkmal).  Ueberdachte  enge  Gänge 
(„Linien*')  führen  an  unabsehbaren  Reihen  dumpfer,  finsterer  Läden 
vorüber,  an  deren  Thüren  die  feilgebotenen  Waaren  als  Aushänge- 
schilder hängen.  Unzählige  Quergänge  schneiden  die  Hauptreihen  ; 
Heiligenbilder  mit  brennenden  Lampen,  Käfige  mit  Singvögeln  tra- 
gen zur  Ausschmückung  der  Gänge  bei.  Die  sonstige  Ausstattung 
der  Läden,  hauptsächlich  Artikel  der  Manufacturen  der  Moskauer 
Fabriken  und  für  den  Gonsum  der  mittleren  Gesellschaftsklassen 
bestimmt,  ist  die  denkbar  einfachste;  trotzdem  ist  der  Verkehr  un- 
gemein lebhaft.  Alle  Waarengattungen  sind  hier  zu  finden,  und 
zwar  in  der  Regel  jede  in  einer  besondern  Reihe.  Bemerkenswerth  ist 
die  Heiligenbilder-,  Silber-,  Papier-,  Buchhändler-,  Wechsler-, 
Wachskerzenreihe.  —  Die  feilgebotenen  Waaren  sind  nicht  etwa 
durchweg  gering ,  sondern  auch  das  Beste  und  Feinste  ist  hier  zu 
haben  und  zwar  viel  wohlfeiler ,  als  in  den  grossen  Magazinen  der 
Schmiedebrücke  und  Twerskaja.  Nur  ist  beim  Kaufen  Vorsicht 
dringend  geboten  (man  biete  höchstens  die  Hälfte  des  geforderten 
Preises).  In  einer  Reihe  befinden  sich  auch  ErfrischungalokaU, 
wo  man  sämmtliche  national  -  russischen  Getränke  durchprobiren 
kann.  Auch  Strassenverkäufer  bieten  Getränke  und  Esswaaren  fort- 
während an.  Rauchen  ist  in  den  Kaufhallen  streng  verboten.  Die 
meisten  sind  jetzt  übrigens  geschlossen  oder  im  Abbruch  begriffen, 


GosHnnyDwor.  MOSKAU.  22.  Boute,     291 

um  durch  neue,  in  Stein  und  Eisen  aufgeführt,  ersetzt  zu  werden. 
ProTisorisch  sind  während  des  Umbaus  die  Budenbesitzer  in  den 
auf  dem  gegenüberliegenden  Platz  eingerichteten  Reihen  unterge- 
bracht. 

Hinter  den  mittleren  Rjädy  zwischen  Iljinka  und  Warwarka  der 
Oostinny-Bwor  (Hobo  rocTHHHuM  JBop'B,  PI.  35,  D  4),  ein  mächtiges 
zwei-  und  dreistockiges  Gebäude  mit  ungeheuren  Waarenvorräthen, 
aus  drei  breiten  Gängen  mit  Magazinen  über  einander  bestehend,  die 
durch  Treppen  und  Gänge  mit  einander  in  Verbindung  stehen.  — 
Dem  Gostinny  -  Dwor  s.  w.  gegenüber  mündet  das  Sarjadje  (d.  h. 
„hinter  den  Reihen^),  das  Moskauer  Judenviertel. 

In  der  Warwarka  folgt  r.  das  Snamensky-Klotter  (Kl.  zur 
Erscheinung  der  h.  Jungfrau ;  SHaMencKiä  MoHacTupb ;  PL  81,  D  4), 
1613  von  dem  Zaren  Michael  Feodorowitsch  gegründet;  nebenan 
das  *Hau8  der  Bojaren  Bomanow  (Aomi  öoHpii  PoMaHOBUxi; 
PI.  131,  D  4),  ein  auf  einer  Erhöhung  liegendes  einstöckiges  (nach 
dem  Hofe  vierstöckiges)  Gebäude  mit  17  m  breiter  Front  (Besich- 
tigung Mont  u.  Donnerst.  11-5  U.  gestattet;  Billets  im  Bureau  des 
Polizeimeisters,  S.  284;  dem  Diener  50  Kop.).  Dasselbe  giebt  dem 
Besucher  ein  treues  und  hochinteressantes  Bild  der  Einrichtung 
reicher  jaltrussischer  Wohnhäuser  aus  der  Zeit  des  Bojarenthums. 
In  ihm  wurde  Michael  Feodorowitsch  Bomanow  geboren ;  als  Zar 
schenkte  er  es  dem  Snamensky^Kloster  (s.  oben).  Später  war  es  von 
andern  Gebäuden  ganz  umgeben ,  wurde  1812  von  den  Franzosen 
geplündert  und  1856,  zum  Theil  auf  Grund  alter  Documente,  von 
Snegirew  und  Baron  von  Köhne  wieder  aufgefunden.  Kaiser  Alexan- 
der II.  liess  es  ankaufen  und  durch  den  Hofarchltecten  Richter  im 
Stil  altrassischer  Wohnhäuser  des  xvi.  u.  xvii.  Jahrh.  wieder- 
herstellen und  mit  altem  Hausrath  ausschmücken.  Werth volle 
Möbel  des  xvii.  Jahrh. ;  zu  beachten  auch  die  silberne  Reiterstatue 
Karls  I.  von  England ,  Augsburger  Arbeit ,  Geschenk  des  Königs 
an  den  Zaren.  Im  Erdgeschoss  die  Keller  u.  Yorrathsräume ;  dar- 
über die  Küche  und  Dienstbotenzimmer;  im  zweiten  Stock  die 
Bojaren-Zimmer  mit  der  Kreuzkapelle  oder  Krestotoßja^  dem  Em- 
pfangszimmer der  Hausherrn,  einem  überwölbten  Raum  mit  dem 
Familien  -  Tafelgeschirr  u.  a.  Merkwürdigkeiten.  Im  obersten 
Stock  das  Terem  oder  Frauengemach  (vgl.  S.  280).  Auffallend  sind 
im  ganzen  Gebäude  die  kleinen  Thüren  und  engen  Treppen. 

In  der  Iljinka,  der  mittleren  fast  ausschliesslich  von  Gross- 
handelshäusem  besetzten  Hauptstrasse  von  Kitaigorod,  r.  die  Börse 
(Kyne<iecKaii  Enpsa ;  PI.  21,  D  4),  mit  Hauptfa^ade  nach  dem  kleinen 
Karunlnsky  -  Platze ;  gegenüber  das  stattliche  Hatis  des  Troizky" 
Klosters  zu  Ssergiewsk,  mit  reichen  Magazinen,  starkbesuchtem 
Traktir  und  Wohnungen  für  fremde  Kaufleute.  Vom  Ende  der 
Strasse  am  Iljinsky-Thor  erstreckt  sich  dicht  an  der  Mauer  von 
Kitaigorod  r.  der  Staraja  Ploschtschad  oder  Trödelmarkt  bis  zur 

19* 


292    Route  22,  MOSKAU.  Alexandergarten. 

Warwarka,  1.  die  Tolkutachka,  der  Markt  der  Hehler  und  Diebe,  zur 
Nikolskaja. 

In  der  Nikolskaja,  der  dritten  Hauptstrasse  der  Innern  Stadt, 
erbebt  sieb  gleicb  1.  am  Eingang  yom  Rotben  Platz  ber  die  Kasan'solie 
Kathedrale  (PL  60,  D  4),  1630  vom  Fürsten  Posharsky  zum  Dank  für 
die  Befreiung  Russlands  von  den  Polen  erbaut,  aber  ganz  moderni- 
sirt.  Daneben  das  Sa-Ikono-Sspassky  (Mönchs)  -  Kloster  oder  Hei- 
landskloster hinter  den  Bildern  (3a-HK0H0  cnaccKiä  MysecKoä 
HOHacTupi» ;  PI.  79,  D  4),  in  welchem  1679  die  erste  russ.  Gelehr- 
tenschule gegi-ündet  wurde,  zu  deren  Zöglingen  u.  a.  der  berühmte 
Lomonossow  gehörte. 

Weiter  das  Oriechische  {Mönchs-)  Kloster  des  h.  Nikolaus  (Hh- 
KOjaeBCKiS  rpeqecKiM  HysecKoS  MonacTupi»;  PI.  73,  D  4),  von  Iwan 
dem  Schrecklichen  1556  für  die  nach  Moskau  gekommenen  griech. 
Mönche  vom  Berge  Athos  erbaut  und  vom  Patriarchen  von  Kon- 
stantinopel abhängig  (Gottesdienst  in  griech.  Sprache) ;  in  der  Ka- 
pelle ein  wunderthätiges  Bild  des  h.  Nikolaus.  Gegenüber  an  der 
Ecke  der  gleichn.  Strasse  das  Bogcjawlexisky-  (Epiphanias-Mönchs)- 
Kloster,  das  älteste  Moskaus,  1296-1304  erbaut,  1812  gänzlich  um- 
gebaut, mit  5  Kirchen  und  einer  Kapelle  mit  den  Gebeinen  des 
h.  Panteleimon. 

Weiterhin  1.  zwischen  dem  Griech.  Kloster  und  der  Passage  Tret- 
jakow  die  Synodal-TTpographie  (CHHOAajbHafl  THnorpa«ifl ;  PL  139, 
D4),  die  ältesteRusslands,1562  unter  Iwan  dem  Schrecklichen  gegrün- 
det, 1812  grösstentheils  zerstört,  aber  in  ihrer  frühern  Gestalt  wieder 
aufgebaut.  Die  Druckerei  beschäftigte  sich  früher  hauptsächlich  mit 
dem  Druck  von  kirchenslawischen  Büchern ,  neuerdings  auch  mit 
dem  anderer  geistlicher  Werke.  In  der  Bibliothek  u.  a.  das  erste  in 
Russland  gedruckte  Buch  (»die  Thaten  des  Apostels  Paulus",  1533) ; 
daneben  ein  typograph.  Museum. 

Neben  der  Synodaldruckerei  führt  1.  die  belebte  Tretjdkowsky- 
Durchfahrt  zum  Teatralny- Platz  (S.  298).  Vom  N.O.- Ende  der 
Nikolskaja  gelangt  man  durch  das  Wladimir-Thor ^  nach  der  gleichn., 
1691  zum  Andenken  der  Befreiung  Russlands  vom  Tatarenjoche  erb. 
Kirche  so  benannt,  auf  den  Lubjanka  -  Platz  (S.  299). 

c.  Südwestliche  Stadt.  Jangfemkloster. 

Längs  der  Westseite  des  Kreml  erstreckt  sich  von  der  Iberischen 
Kapelle  bis  zur  Moskwa  der  von  Alexander  I.  angelegte  Alexander- 
garten  (AiexcaHApOBCKie  capi,  PL  D4),  ein  beliebter  Spaziergang 
der  Moskauer.  Derselbe  wird  durch  eine  steinerne  Brücke,  welche 
die  Troizky-Pforte  des  Kreml  mit  ihrem  Yorthurm  Kutafla  verbin- 
det, in  zwei  Hälften  getheilt  und  ist  der  Länge  nach  von  einer  Lin- 
denallee durchschnitten,  die  meist  sehr  belebt  ist.  An  schonen 
Sommerabenden  sowie  an  Sonn-  u.  Festtagen  häufig  Militärmusik« 

Westl.  zwischen  Alexandergarten  und  Mochowaja  erhebt  sich 
die  Stadt-Manege  {Qorodskoi  manesh;  PL  113,  D4),  ein  kolossales 


Universität.  MOSKAU.  22.  Boute.    t293 

Gebäude,  170m  lang,  45  m  br.,  12m  h.,  im  Jahre  1817  von  den 
Generalen  B^tancourt  und  Garbonier  erbaut.  Sie  dient  als  Exercier- 
haus  für  die  Moskauer  Garnison  (wird  im  Winter  geheizt),  sowie  zu 
Ausstellungen,  Volksfesten,  grossen  Concerten  etc. 

Hinter  der  Manege  in  der  Mochowaja  liegt  die  kais.  Universität 
(PI.  146,  D  4),  1755  von  der  Kaiserin  Elisabeth,  Tochter  Peters  d.  Gr., 
auf  Veranlassung  des  Kammerherrn  Iwan  Schuwalow  gegründet  (im 
Vorhof  dessen  Büste),  gegenwärtig  mit  85Docenten  und  c.  3(X)0  Stu- 
denten. Sie  besteht  aus  zwei,  durch  die  Nikitskaja  getrennten  Ge- 
bäudecomplexen :  r.  dem  neuen  Universitätsgebäude  (1786  erb.)  mit 
dem  Hauptgebäude,  einem  säulengeschmückten  Kuppelbau  mit  zwei 
Flügeln,  von  der  Mochowaja  durch  Eisengitter  und  Hof  getrennt; 
1.  der  alten  Universität  (im  Hof  der  letzteren  ein  missrathenes 
Standbild  Lomonossows).  Die  neue  Universität  enthält  die  Audi- 
torien, die  Universitätskirche  und  das  bedeutende  und  sehenswerthe 
Zoolog.  Museum  (Sonnt.  11-2  Öffentlich);  in  der  alten  Universität 
die  Aula,  die  Bibliothek  (172,(X)0  Bde.),  die  mineralog. ,  anatom., 
archäolog.  und  botan.  Sammlungen. 

Die  Mochowaja  mündet  n.  beim  Ochotny  Rjäd  (S.  297)  auf  die 
Twerskaja,  während  sie  s.  mit  ihren  Fortsetzungen,  der  Wolchonka 
und  Pretschistenka ,  bis  zum  Jungfernfelde  (s.  unten)  führt.  Wir 
folgen  ihr  in  s.  Richtung.  R.  in  der  Wosdwishenka  das  Stadthaus 
{Duma) ,  aus  dem  vor.  Jahrh. ;  gegenüber  1.  auf  dem  Platze  eines 
ehemals  der  Zarin  Natgilie  Naryschkin  gehörigen  Hauses  das  Haupt' 
archiv  des  Ministeriums  des  Aeussem  (PI. 5,  04,  geöffnet  Montag 
bis  Freitag  von  12-3  U.,  Eintrittskarten  in  der  Kanzlei.  Direktor; 
Wirkl.  Geheimrath  Baron  von  Bühler)  mit  reichen  Schätzen  von 
Urkunden  aus  der  Zeit  der  Grossfürsten  und  Zaren  vom  J.  1265 
an ,  Bibliothek ,  Handschriften ,  Staatssiegel ,  Autographen  u.  s.  w., 
und  der  Kameralhof  (Kasennaja  Palata;  PI.  43,  C4).  —  Durch  die 
Wosdwishenka  führt  die  Pferdebahn  (Linie  9,  S.  262)  zum  Arbatsky- 
Platz  (S.  296). 

In  der  nächsten  von  der  Mochowaja  durchschnittenen  Querstrasse, 
der  Snamenka,  erhebt  sich  gleich  r.  an  der  Ecke  das  öffentliche 
und  das  Bnmjansow-Musenm  (MockobckIM  HyöiH^HuH  m  Pyian- 
uescKiM  Myseü;  PI.  118,  04),  ein  auf  einer  Anhöhe  gelegenes  statt- 
liches Gebäude  in  heiterem  Renaissancestil,  die  säulengeschmückte 
Hauptfa^ade  nach  der  Mochowaja;  am  Portikus  der  Südseite  die 
Inschrift:  „Dem  Wohle  der  Aufklärung'^.  Das  Museum  ist  tägl. 
11-3  U.  geöffnet  (20  Kop.,  Sonnt,  frei);  Eingang  von  der  Wagan- 
kowsky  -  Gasse.  Die  am  Eingang  ausgebotenen  Kataloge  sind  ver- 
altet und  unbrauchbar. 

Den  Haupttheil  des  Museums  bilden  die  vom  Grafen  Rumjanzow 
1828  dem  Staate  vermachten  Sammlungen ,  die  in  der  Folge  durch 
Schenkungen  und  Käufe  erweitert  wurden.  In  den  unterenRäu- 
m  e  n  die  c.  200,000  Bände  umfassende  Bibliothek  mit  Lesezimmer, 
vorzüglich  reich  an  historischen  Werken,  kirchenslavischen  und 


294    Boute  22.  MOSKAU.  Erlöserkircke. 

altrussischen  Drucken;  unter  den  Handschriften  ein  Manuseript 
des  Giordano  Bruno.  Im  Mittelsaal  (a)  ein  Marmorstandbild  des 
Feldmarschalls  Grafen  Bumjanzow-Sadunaisky  (f  1796)  und  ein 
Portrait  des  Gründers  des  Museums  Grafen  Nik.  Rumjanzow ,  von 
Dawe  (1828);  in  einem  anstossenden  Zimmer  eine  Marmorstatue 
des  Friedens  von  Canova  und  Portraits  des  Reichskanzlers  Grafen 
Alexander  Rumjanzow  (f  1749)  und  seiner  Gemahlin.  —  In  einem 
Corridor  die  Archive  der  Freimaurer-Loge,  die  Freimaurerinsignien 
der  früheren  russischen  Kaiser.  —Weiterhin  eine  bedeutende  MünZ' 
Sammlung  und  das  Daachkow^sche  ethnographische  Museum,  ent~ 
haltend  die  Sammlungen  des  Weltumseglers  Otto  y.  Kotzebue  (f  1846) 
u.  die  ausserordentlich  rbichhsltifiQ  Ahtheilung  der  NationaUrach" 
ten  der  Bewohner  des  russischen  Reichs ,  Hunderte  von  Figuren, 
trefflich  ausgeführt,  mit  Originalgewändern  bekleidet.  In  den 
oberen  Räumen  befinden  sich  die  Trachten  der  Russland  nicht 
unterworfenen  slavischen  Stämme  etc. ;  dann  die  Modellkammem 
mit  Modellen  von  Geräthen  und  Wohnhäusern  slaw.  Völker,  eine 
Sammlung  slawischer  Alterthümery  die  unbedeutende  minera" 
logische  und  zoologische  Sammlung.  Die  QemäldegalUrie  enthält 
c.  200  Bilder  älterer  Meister,  die  Prof.  Waagen  auf  Befehl  des  Kaisers 
Alexander  II.  aus  der  Petersburger  Eremitage  auswählte ,  darunter 
einige  gute  Niederländer,  bei  den  Italienern  manche  unechte ;  dann 
die  Prjänischnikow'sche  Qallerie  russischer  Bilder,  in  der  fast  alle 
namhaften  neuern  Meister  vertreten  sind  (hervorzuheben  das  grosse 
Gemälde  Iwanowas ,  Christi  Erscheinung  vor  dem  Volke,  sowie  die 
Bilder  von  Aiwasowsky,  C.  BrilUow  u.  a.). 

In  der  Snamenka  liegt  weiterhin  L,  an  der  Ecke  des  Snamensky 
Pereulok,  die  Alexander  Kriegsschule  (PI.  2,  G4),  von  Alexander  I. 
zur  Ausbildung  von  Infanterie-Offizieren  gegründet. 

ZurMochowaja  zurückgekehrt,  nehmen  wir  durch  die  Wolehonka 
die  s.  Richtung  wieder  auf.  R.  an  der  Ecke  der  Antipjewsky-Str. 
der  Kolymashny  Dwor  (KojiiiMaxHuH  ABopi,  PI.  88,  05),  das  ehem. 
Wagenhaus,  unter  Alexei  Michailowitsch  als  Remise  für  die  Hofequi- 
pagen erbaut,  später  in  ein  jetzt  aufgehobenes  Transportgefängniss 
verwandelt. 

L.  zwischen  Mochowaja  und  Moskwa  erhebt  sich  auf  einem  von 
einem  Gitter  umgebenen  freien  Platz  die  *ErlÖ8erkireh6  (XpaMi 
XpHcra  CnacHreJH ;  PI.  57, 0  Ö),  zur  Erinnerung  an  die  Befreiung  von 
den  Franzosen  1812  von  Kaiser  Nikolaus  im  J.  1839  nach  Thon's 
Plänen  begonnen ,  im  Mai  1883  eingeweiht.  Die  Kirche ,  wie  die 
Isaakskirche  (S.  109)  ganz  aus  Stein  und  Metall  aufgeführt  (Ban- 
kosten c.  20  Mill.  R.),  hat  die  Form  eines  grlech.  Kreuzes  und  wird 
von  fünf  vergoldeten  Kuppeln  gekrönt,  von  denen  die  mittelste  Haupt- 
kuppel 30  m  im  Durchmesser  hat  (Höhe  bis  zur  Spitze  des  Kreuzes 
105  m).  36  gewaltige  Marmorsäulen  tragen  das  Hauptgesimse ;  breite 
Granittreppen  führen  an  Jeder  der  vier  Fa^aden  zu  den  kunstreich 
in  Bronze  gegossenen  Portalen.  Der  reiche  Sculpturenschmuck  der 


Jungfernfeld,  MOSKAU.  22.  Baute,    29Ö 

Außenseite  (Figuren  und  Beliefs)  ist  von  Laganowsky,  Ramasanow 
und  den  beiden  Klodt.  Das  Innere ,  in  Gold  und  Marmor  auf  das 
reichste  und  durchaus  harmonisch  ausgestattet,  enthält  an  den 
"Wänden  des  Korridors  unter  der  Hauptkuppel  auf  Marmortafeln 
die  Namen  der  Schlachten  und  Gefechte  der  Freiheitskriege,  sowie 
der  in  denselben  gefallenen  Offiziere.  Die  Gemälde  der  Kuppel  sind 
von  Markow  und  Koschelew ,  die  des  Chors  von  Wereschtschagin 
und  Ssorokin ;  am  Ikonostas  Heiligenbilder  von  T.  Neff,  am  Haupt- 
altar Gemälde  von  Wereschtschagin  und  Ssemiradski.  In  der  obern 
Galler ie  die  Kapellen  des  heil,  Nikolaus  und  des  h.  Alexander 
Newski/y  beide  reich  geschmückt,  mit  zahlreichen  Heiligen-  u.  an- 
dern Bildern.    Schöner  Kirchengesang. 

Die  Errichtung  eines  Obelisken  und  der  Standbilder  russischer 
Feldherren  zur  Erinnerung  an  das  Jahr  1812  auf  dem  Platz  w.  von 
der  Kirche,  ist  geplant.  —  Die  breite  Freitreppe  s.  ö.  von  der 
Kirche  führt  zur  Moskwa  hinab ,  in  welcher  ein  steinerner  Vorbau 
ein  Bassin  für  die  am  Jordanstage  stattfindende  Wasserweihe  ein- 
schliesst,  zu  welcher  eine  zahlreiche  Volksmenge  zusammenströmt. 

Die  Wolchonka  endet  s.w.  von  der  Erlöserkirche  an  der  Pretschia- 
tenka  -Pforte^  von  wo  sich  nördl.  der  gleichn.  Boulevard  (PI.  0  Ö)  zum 
Arbatsky-Platze  (S.  296)  zieht.  S.w.  laufen  von  der  gen.  Pforte  zwei 
stattliche  Strassen  aus :  r.  die  PreUchUtenka  (in  derselben  r.,  Ecke 
der  Obuchowstr.,  das  General -Depot  der  Feuerwehr,  PI.  30,  1.  die 
Alexander- Marien -Slädchemchulef  PI.  107);  1.  dAtOstoshenka.  In 
letzterer  r.,  Ecke  der  Jeropkinsky-Gasse,  die  1804  von  der  Moskauer 
Kaufmannschaft  gegründete  Kommerzschule  (PI.  90,  €  5) ;  weiterhin 
am  Ende  der  Strasse,  Ecke  des  Krymsky-Platzes,  1.  das  Lyceum  des 
Cäsarevfitseh  Nikolai  (PI.  106,  05),  nach  dem  1865  verstorbenen 
Grossfürsten  Nikolaus  benannt,  eine  höhere  Schulenach  demVorbilde 
des  Eton  College  bei  London.  —  Zwischen  Ostoshenka  und  Moskwa 
liegt  das  1590  vom  Zaren  Feodor  gegründete  Satschatejewsky- 
Nonnenkloater  (PI.  80,  C  5),  eins  der  ärmsten  Klöster  Moskaus,  mit 
drei  Kirchen ;  in  der  Schatzkammer  ein  mit  Edelsteinen  besetztes 
Bernsteinkreuz  des  Zaren  Alexei  Miehailowitsch.  Von  hier  griff  Fürst 
Posharsky  (S.  289)  1612  das  von  den  Polen  besetzte  Moskau  an. 

Vom  Krymsky-Platz  führt  n.w.  der  breite  baumbepflanzte  Su- 
bowsky- Boulevard  (r.  das  Proviant- Magazin  der  Moskauer  Garni- 
son, PI.  129,  C  5)  bis  zum  Ende  der  Pretscbistenka,  wo  sich  n.  der 
Ssmolensky- Boulevard  (PI.  B  C5)  anschliesst.  Die  8.w.  Fortsetzung 
der  Pretschistenka  mündet  auf  das  Jungfern-Feld  {HtBtnhe  Hoie, 
PL  B  5 ,  6),  auf  welchem  während  der  Mongolenherrschaft  die  Mus- 
terung der  ausser  dem  jährlichen  Tribut  an  Geld  noch  an  den  Chan 
zu  liefernden  Jungfrauen  stattfand.  Während  der  Butter-  und 
Osterwoche  (S.  xxvui)  findet  hier  ein  Corso  statt,  zu  dem  die  ge- 
wöhnlichen Iswoschtschiks  nicht  zugelassen  werden. 

Ganz  am  Ende  des  Jungfern -Feldes  das  historisch  merk- 
würdige Vowo  Bjewitsohy-  oder  Jangfern-SlOBter  (Hobo-  A^BHiiä 


296     Route  22.  MOSKAU.       Zoologischer  Garten. 

MoHacTupb,  PL  76,  A  6),  ein  Conglomerat  von  Kirchen  und  Gebäuden, 
vrelches  von  einer  mit  Thürmen  (16) ,  Zinnen  und  Scbiessscliarten 
versehenen  Mauer  umgeben  ist. 

Das  NotBo^eteiUchy '  Kloiter  wurde  vom  Zaren  Wassily  Iwanowitsch 
1524  zum  Andenken  an  die  Wiedervereinigung  von  Ssmolensk  mit  dem 
Grossfürstenthum  Hoskau  gegründet.  !Kach  dem  Tode  des  Zaren  Feodor  I. 
Iwanowitseh  1598  nahm  seine  Wittwe,  die  Zarin  Irene,  eine  Schwester 
Godunow^s,  in  diesem  Kloster  unter  dem  Namen  Alexandra  den  Schleier. 
Vor  den  Pforten  desselben  erschien  dann  der  Patriarch  Hiob  an  der 
Spitze  der  Geistlichkeit  und  bewog  Boris  Godunow,  der  sich  ebenfalls  in 
das  Kloster  zurückgezogen  hatte,  zur  Annahme  der  Krone.  Im  J.  1610 
fanden  hier  blutige  Kämpfe  mit  den  Polen  statt,  welche  die  theilweise 
Zerstörung  des  Klosters  herbeiführten,  das  aber  vom  Zaren  Michael  wieder 
hergestellt  wurde.  Peter  d.  Gr.  Hess  hier  seine  herrschsüchtige  Schwester 
Sophie  unter  dem  Kamen  Susanna  als  Nonne  einkleiden.  Das  von  ihr 
bewohnte  Haus  ist  jetzt  Wohnung  der  Aebtissin  oder  Igumena.  Noch 
heute  zeigt  man  das  Fenster  ihrer  Zelle,  vor  welchem  der  Zar  nach  der 
Unterdrückung  des  Strelitzen- Aufruhrs  oOO  derselben  aufknüpfen  Hess. 
Die  Hand  des  Fürsten  Ghowansky,  der  ihr  besonders  nahe  gestanden 
hatte,  war  in  dem  Fenster  festgenagelt.  Gegenüber  liess  Peter  den  hohen 
Glockenthurm  bauen,  dessen  Uhr  die  Minuten  schlägt.  Von  oben  schöne 
Aussicht  auf  die  Sperlingsberge  und  die  Umgebungen  Moskaus.  —  1812 
besuchte  Napoleon  das  Kloster ;  eine  Sprengung  der  Kirche  beim  Abzüge 
der  Franzosen  wurde  von  den  muthigen  Nonnen  verhindert. 

Das  Hauptthor,  durch  ii^elches  wir  den  Klosterhof  betreten,  hat 
einen  etagenförmig  aufgebauten  Thurm  mit  fünf  Spitzen;  dicht 
dahinter  ragt  die  Hauptkirche  mit  ihren  5  Kuppeln ,  hier  und  da 
kleine  Thürme  von  Nebenkirchen  oder  Kapellen,  1.  der  grosse  Thurm 
mit  den  Glocken  hervor.  Gleich  beim  Eintritte  bemerken  wir  (um 
die  Hauptkirche  herum ,  bei  den  Kapellen  und  an  der  Mauer  ent- 
lang), den  Kirchhof  mit  schönen  Grabdenkmälern.  In  der  Haupt- 
kirche (Ssobor)  ist  wenig  Merkwürdiges ,  ausser  den  Gräbern  der 
ersten  Gemahlin  Peter's  d.  Gr.,  Eudoxia  und  seiner  Schwester 
Katharina.  In  der  1.  gelegenen  Nebenkirche  das  Grab  seiner 
Schwester  Sophie ,  welche  hier  im  J.  1704  im  Rufe  grosser  Gottes- 
furcht starb. 

Wer  nicht  zu  Wagen  gekommen  ist,  kann  vom  Jungfernfelde 
über  den  Ssmolensky-Boulevard  mit  Pferdebahn  (Linie  9,  S.  262) 
in  die  Stadt  zurückkehren.  Dieselbe  schneidet  vor  dem  Ssmolensky- 
Rynok  {Ssmolensker  Markt  PI.  B  05)  den  Heumarkt  und  führt  über 
die  helobtb  Arbat -Strasse  zum  Arbatsky -Platz  (PI.  04),  am  W. 
Ende  der  Snamenka  und  Wosdwishenka  (S.  293).  —  W.  führt  vom 
Ssmolensky  Kynok  die  Ssmolenskaja  zur  Borodinsky-  oder 
Dorogomilow- Brücke  (AoporoMHJOBCKiä  hocti,  PI.  Bö),  an  wel- 
cher die  grosse  Strasse  von  Moshaisk  und  Borodino  einmündet  und 
über  welche  Napoleon  1812  in  Moskau  einzog. 

N.  gelangt  man  vom  Ssmolensky  Rynok  über  den  Nowinsky- 
Boulevard  zum  Kudrinsky-Platz  (PI.  B04)  am  Beginn  der  Ssa- 
dowaja  oder  Gartenstrasse  (S.  269).  Von  hier  w.  an  dem  1803  erb. 
Wittwenhauae  (PI.  150,  B  3)  vorbei  durch  die  Kudrinskaja  zu  der 
Brücke  (Pressnenaky  Most)  über  die  Preksnenaky-Teiche  {Pressnen- 
skije  Prudy,  P1.B4).   R.  der  Zoologr«  Gerten  (3ooaorHiecKift  ca/cb, 


Triumphpforte.  MOSKAU.  22.  JRoute,    297 

PI.  151 ,  B3,4),  als  solcher  unbedeutend,  als  Vergnügungsort  von 

den  unteren  Klassen  sehr  besucht  (Gaf^  chantant,  Sommertheater, 

im  Winter  Eisrutschbahnen  etc. ;  s.  S.  265). 

In  dem  Stadttheil  n.  vom  Zoolog.  Garten  (Griuinflkaja,  Fl.  BC3),  be- 
finden sieh  die  Moskauer  Zigeuner-Golonien.  Die  Zigeuner  in  Mos- 
kau sind  ansässige  Kleinbürger  der  Stadt,  haben  russiscbe  Tracht  ange- 
nommen und  bekennen  sieh  zur  orthodoxen  Kirche.  Die  Männer  beschäf- 
tigen sieh  fast  ohne  Ausnahme  mit  dem  Pferdehandel ;  Männer  und  Frauen 
treiben  aber  auch  so  manches  Gewerbe,  welches  das  Tageslicht  scheut. 

Von  der  Pressnensky-Brücke  führt  w,  die  Bolschaja  Press- 
nenskajazu  dem  gleichnam.  Thor  (PL  B  4),  vor  welchem  der  Arme- 
nische und  der  Wagankowsche  Friedhof.  Südl.  in  der  Nischnaja 
Pressnenskaja  liegt  die  TJniversitäts-Stemwarte  (PL  137,  B4). 

Wir  kehren  vom  Kudrinsky  -  Platz  durch  die  Powarskaja, 
eine  fast  ausschliesslich  von  Adelshäusern  besetzte  Strasse  (in  der- 
selben r.  die  DirecHon  des  Reichsgestiitswesens ,  PL  34),  zum  Ar- 
batsky- Platz  zurück,  von  hier  mit  Pferdebahn  (Linie  9)  durch  die 
Wosdwishenka  zur  Iberischen  Pforte  (S.  287). 

d.  NordwetÜicher  Stadttheil. 

Von  der  Iberischen  Pforte  läuft  n.w.  die  über  2km  lange  T  wer- 
8  k  a  j  a  (TsepCKaii  yjima,  PL  C  D  3, 4)  aus,  die  Hauptstrasse  Moskaus, 
mit  z.  Th.  glänzenden  Magazinen.  Die  erste  Querstrasse  r.  ist  der 
Ochotny  Rjäd  (S.  269),  der  Geflügel-Markt ;  1.  mündet  die  Mocho- 
waja  (S.  293).  Auch  die  weitern  Querstrassen ,  welche  die  Twers- 
kaja  r.  mit  der  Bolschaja  Dmltrowka  (S.  298),  1.  mit  der  Nikitskaja 
verbinden,  sind  sehr  belebt,  unter  letztern  namentlich  Gasetny- 
und  Leontjewsky  FereuXok.  L.,  dem  kleinen  Twerskoi-Platz  gegen- 
über an  der  Ecke  der  Tschemischewsky-Str.,  das  Palais  def  General- 
Oonyemeiin  (AoMiBoeiuiaro  reHepaii-ryöepHaTopa ;  PL33,  CD3). 
An  der  Twerskoi-Fforte  (TbopckIa  BopOTa),  nach  einem  früher  hier 
befindlichen  Thor  benannt,  schneidet  dieStrasse  die  die„  weisse  Stadt'' 
umgebenden  Boulevards.  Nach  S.W.  läuft  von  hier  der  schöne, 
fast  1  km  L  Twerskoi-Boulevard  (PL  C3,4)  bis  zum  Nikit- 
skaja-Thor.  Gleich  am  Anfang  das  Pneehkin-Benkmal  (PL  27),  auf 
einem  Granitsockel  die  Bronze -Statue  des  Dichters  nach  Opoku- 
schin's  Modell.  Weiterhin  1.  das  Haus  des  Moskauer  Oberpolizei- 
meisters (PL  127,  C4).  —  R.  vom  Twerskoi-Thor  auf  dem  Strast- 
noi-Boulevard  das  Strastnoi  -  Monastyr  (Märtyrer  -  Nonnen- 
kloster, PL  84,  C3),  1654  vom  Zaren  Alezei  Mi chailo witsch  ge- 
gründet ,  mit  drei  Kirchen  und  schöner  Aussicht  vom  Thurm ;  da- 
hinter das  Erste  Mädchen^/ymnaHum  (PL  40:  G  3). 

In  der  Twerskaja,  deren  elegante  Läden  z.  Th.  in  neu  eröffnete 
Passagen  verlegt  sind,  folgt  r.  das  Haus  des  CivÜgouvemeurs 
(PL  24),  dann  1.  die  Augenklinik  (PL  14).  Jenselt  der  Ssadowaja 
(L  Bolschaja-,  r.  TriumfcUnaJa  Ssadowaja)  nimmt  die  Strasse  den 
Namen  Bolschaja  Twerskaja  Jämskaja  an  und  endet  ander 
neuen  TiiTunphpforte  (TpiyM«aji>HUfl  BOpora,  PL  BC3),  nach  der 
Inschrift  unter  der  Plattform  „zur  Erinnerung  an  die  Thaten  Kaiser 


298    Route  22.  MOSKAU.  KaU.  Theater. 

Alexanders  I.  1812''  errichtet ,  einem  mit  Statuen  von  Kriegern, 
Basreliefs  und  einer  Quadriga  geschmückten  röm.  Triumphbogen 
mit  drei  Thoren.  Vor  der  Triumphpforte  liegt  1.  der  Ssmolensker 
Bahnhof  (PI.  20,  B  3 ;  S.  263) ;  geradeaus  führt  die  Pferdebahn  zum 
PetrowskyPark  (S.  312). 

Die  0.  Parallelstrasse  der  Twerskaja  zwischen  Ochotny  Rjäd 
und  Strastnoi-Boulevard  (s.  oben)  ist  die  B  o  1  s  c  h  a  j  a  D  m  i  t  r  o  w  k  a 
(PI.  D3,4).  Gleich  1.  an  der  Ecke  des  Ochotny  Rjäd  dei  Adels- 
klub  {Dworjansskoje  asohranje,  S.  265),  weiter  der  Kaufmannsklub 
(S.  265) ;  r.  (am  Kusnezky  Pereulok)  die  Theaterschule  (PI.  145)  und 
am  Ende  der  Strasse  am  Strastnoi-Boulevard  die  Universitäts-Buch- 
druckerei  (PI.  147).  Jenseit  des  Boulevards  setzt  sich  die  Strasse 
als  MalajaDmitrowka  fort  (in  derselben  gleich  vorn  die  per- 
manente Oemälde -Ausstellung  mit  meist  verkäuflichen  Bildern 
lebender  russ.  Künstler,  tSgl.  11-3  U.  geöffnet;  30  K.).  Sie  kreuzt 
dann  die  Ssadowaja  und  führt  als  Dolgorukowskaja  bis  zum 
Butyrka-Schlagbaum  (PI.  C 1) ;  vorher  1.  an  der  Ecke  der  Ljäsnaja 
das  grosse  Centräl-Transport-Gefängniss  (PI.  23,  C2),  in  welchem 
die  zur  Arbeit  in  den  Bergwerken  verurtheilten  Sträflinge  bis  zu 
ihrer  Weiterbeförderung  untergebracht  werden,  mit  Baum  für  2000 
Mann. 

Ö.  mündet  der  Ochotny  Rjäd  (s.  oben)  auf  den  weiten  The- 
aterplatz (TeaTpaii»Hafl  niomaAi»  oder  Ilxam  - napaxi ,  PI.  D  4), 
330  m  lang,  160  m  br.,  einen  der  grössten  Plätze  Moskaus,  auf  dem 
die  Kaiser-JParaden  der  Moskauer  Garnison  stattfinden.  An  der  N.- 
Seite erhebt  sich  das  Kaiserliche  Grosse  Theater  (EoiLuioä  Tearpi, 
PI.  143,  S.  264),  1824  eröffnet,  nach  dem  Brande  von  1853  von 
Cavos  neu  erbaut,  eines  der  grössten  und  schönsten  in  Europa.  Die 
Fa^ade  mit  ionischer  Säulenvorhalle;  den  reliefgeschmückten  Fron- 
ton krönt  eine  kolossale  Quadriga,  Phöbus  auf  dem  Sonnen  wagen. 
Das  Innere,  weiss  mit  reicher  Vergoldung,  hat  6  Ränge  und  Plätze 
für  4000  Zuschauer.  —  Schräg  gegenüber  das  weit  bescheidnere 
Kais.  Kleiae  Theater  (Majiiiä  Teaipi,  PI.  144),  1841  erbaut,  mit 
Raum  für  1000  Zuschauer.  N.  vom  Kleinen  Theater  zwischen  Pe- 
trowka  und  Neglinny  Projesd  die  belebten  Alexandrow'sehen  und 
Ssolodownikow'schen  Passagen,  der  Mittelpunkt  des  Mode-  und 
Galanteriewaarenhandels  (S.  264). 

Nach  N.  läuft  vom  Theaterplatz  diePetrowka  (DeTpoBKa)  aus, 
eine  der  belebtesten  Geschäftsstiassen  der  Stadt,  mit  eleganten  Ma- 
gazinen (S.  264),  die  ihren  höchsten  Glanz  in  der  ersten  Querstrasse  r., 
der  bis  zur  Roshdestwenka  reichenden  Schmiedebrücke(Kus- 
nezky  Most,  PI. D4)  erreichen.  Am  Ende  der  Petrowka,  vor  dem 
Petrowsky  Boulevard ,  liegt  r.  das  Wyasoko  -  Fetrowsky  -  Kloster 
(PI.  87,  D  3),  1380  von  Dmitry  Donskoi  gegründet ,  mit  6  Kirchen 
und  vielen  Grabstätten  adliger  Familien.  N.  von  der  Petrowsky- 
Pforte  (zwischen  1.  Strastnoi-,  r.  Petrowsky-Boulevard)  1.  das  grosse 
Katharinen -Hospital  (EKaTepüHUBCKaji  öoibHHtta;  PI.  94,  D3), 


Ermitage-Garten.  MOSKAU.  22,  Route,    299 

weiter  r.  die  Qensdarmerie-Cateme  (PL  46).  Die  Strasse  lieisst 
Yon  hier  bis  zur  Ssadowaja  von  den  yielen  Wagenfabriken  Karetny 
Rjäd.  Jenseit  der  Ssadowaja  das  geistliche  Seminar  (Mock.  CeMH- 
napifl;  PL  134,  D3),  von  wo  r.  der  Boshedomsky  Pereulok  zum 
Ermitage-Oarten  (Cax'bdpHHTaxi;  PL  28,  D  2)  führt,  dem  besuch- 
testen Sommergarten  Moskaus  (s.  S.  265 ;  Eintr.  1  R.)>  In  der  Nähe, 
Nowaja  Boshedomskaja ,  das  Katharinen-Mädchenatift  (PL  111), 
das  Marien- Krankenhaus  (PL  97)  ^md  d&a  Alexander -Mädchen- 
sHft  (PL  HO). 

Ueber  die  Ssa-motetschnaja  zur  Ssadowaja  zurück,  dann  s.  über 
den  Zwetnoi  (Blumen)-Boulevard  (PL  D3),  einen  der 
schönsten  Moskaus  (Blumenmarkt  s.  S.  269) ,  am  (r.)  Cireus  Sola-" 
monski  (S.  265)  vorbei  zur  T  r  uba  {Trubnaja  Ploschtschad,  PL  D3), 
einem  Sonntags  äusserst  belebten  freien  Platze  zwischen  Petrowsky- 
und  Roshdestwensky  -  Boulevard ,  mit  dem  eleganten  und  sehr  be- 
suchten Ermitage -Restaurant  (S.  266).  Von  hier  entweder  r.  über 
den  belebten  Neglinny  Projesd  (PL  D  3,  4),  oder  1.  durch  die 
Roshdestwenka  zum  Theaterplatz  zurück.  In  letzterer  gleich  1. 
das  Roshdestwensky -Nonnenkloster  (PL  78,  D3),  angeblich  schon 
1386  gegründet,  mit  3  Kirchen;  weiterhin  r.  die  1846  gegründete 
UniversUäts-Klinik  (PL  102)  mit  Gebäranstalt. 

e.  HordÖBtlioher  Stadttheil. 

Vom  Theaterplatz  (S.  298)  führt  ö.  der  TeatrcUny  Projesd,  am 
s.  Ende  des  Neglinny  Projesd  und  der  Roshdestwenka  (s.  oben)  1. 
und  an  der  Passage  Tretjakow  (S.  292)  r.  vorbei  auf  den  vor  dem 
nörd.  (Wladimir-)  Thor  von  Kitaigorod  gelegenen  Lubjanka- 
Platz  (.lyöflHCKaa  njOBiajib,  PL  D4).  Nach  N.  bez.  N.O.  laufen 
von  hier  zwei  grosse  Strassenzüge  aus,  die  Lubjanka  und  Mjassniz- 
kaja.  InderBolschajaLubjanka  (PL  D  4, 3),  dem  Hauptsitz  der 
Versicherungsgesellschaften,  r.  das  kais,  dritte  Gymnasium {Vl.Sl)] 
am  Ende  der  Strasse  1.  das  Ssretensky{M6nchs)-Kloster  oder  Kloster 
der  Begegnung  (CptTCHCKiM  Mysecnüi  MoHacmpb;  PL  83,  D3),  auf 
dem  früher  ausserhalb  der  Stadt  gelegenen  Kutschko- Felde,  dem 
ehem.  Richtplatz,  an  der  Stelle  erbaut  wo  1395  das  berühmte 
Wladimir'sche  Marienbild  (S.  274)  mit  grosser  Feier  empfangen 
wurde.  —  In  der  mit  der  Grossen  Lubjanka  Ö.  parallel  laufenden 
Malaja  Lubjanka  (PL  D4,3)  liegt  r.  die  franz.  St,  Ludvngs- 
Kirche  (PL 61),  1791  gegründet;  dann  am  Ende  der  Strasse  r.  im 
Miljutinsky- Pereulok  die  kath.  St,  Peter-  u,  Paulskirche  (FL  64). 

Die  n6rdl.  Fortsetzung  der  Gr.  Lubjanka  jenseit  des  schSnen 
Roshdestwensky-Boulevards  heisst  S  s  r  e  t  e  n  k  a.  Am  Ende  dersel- 
ben auf  dem  Ssucharew- Platz  in  der  Ssadowaja  erhebt  sich  eins  der 
merkwürdigsten  Bauwerke  MoskanjSy  der  Sineharew-  oder  Waster- 
thnm  (Cyiapena  öanufl,  PL  149),  1695  von  Peter  dem  Grossen 
zu  Ehren  des  Ssucharew'schen  Regiments  erbaut,  unter  dessen 
Schutz  der  junge  Zar  mit  seiner  Mutter  während  des  Strelitzen- 


300     Route  22.  MOSKAU.  Waaaertkurm. 

Aufstandes  1682  nach  dem  Troiza-Kloster  sich  retten  konnte.  Später 
hielt  Peter  hier  Staatsraths-Sitzungen ;  auch  soll  er  als  Grossmeister 
der  Loge  „Neptun-Gesellschaft''  hier  Sitzungen  gehalten  haben. 
Das  Gebäude  diente  bis  1715  als  Navigationsschule,  dann  bis  1806 
als  Sitz  des  Admiralitäts  -  GoUegiums  und  wurde  1829  für  seine 
jetzige  Bestimmung  als  Wasser-Reservoir  eingerichtet.  Es  besteht 
aus  einem  viereckigen ,  40  m  1.,  24  m  br.  Unterbau  in  zwei  Stock- 
werken ,  unter  welchem  ein  Thorweg  hindurchführt ,  der  die  Ssre- 
tenka  mit  der  Ersten  Mestschanskaja  verbindet,  und  in  dessen  oberm 
Stock  sich  zwei  kolossale  Wasserbecken  befinden ;  über  demselben 
erhebt  sich  der  65  m  h.  achteckige  hölzerne  Thurm  in  4  Etagen. 
Von  der  Plattform,  zu  der  eine  Wendeltreppe  emporführt,  entfaltet 
sich  eine  prachtvolle  Rundsicht  über  die  Stadt.  —  Das  Wasser 
(täglich  c.  70,000  Hectoliter)  wird  von  Oross-Mytischtschi  (S.315), 
17  W.  von  Moskau,  durch  einen  Aquäduct  bis  Alexejewskoje  (S.314) 
geführt,  durch  Dampfmaschinen  in  den  Ssucharew-Thurm  getrieben 
und  von  hier  über  die  Stadt  vertheilt.  —  An  der  N. -Seite  des 
Ssucharew-Platzes  liegt  das  grosse  Scheremet jew* sehe  Kranken'  und 
Armenhaus  (PL  100),  vom  Grafen  Nik.  Scheremetjew  1803  gegründet. 

N.  läuft  vom  Ssucharew-Thurm  die  breite  Erste  (Perwoja)  Mest- 
schanskaja (PL  D  3, 2, 1)  bis  zumKrestowsky  -Thor  (PL  Dl ;  s.  S.  305). 
R.  am  Grocholsky  Pereulok  der  Botanische  Garten  der  Universität 
(PL  22),  schon  von  Peter  dem  Grossen  angelegt  (täglich  zugänglich, 
Eintrittskarten  beim  Director) ;  weiter  am  Protopopowsky  Pereulok 
das  Nabilkow'sche  Armenhaus  (PL  11,  £2). 

Wir  kehren  zum  Lubjanka  -  Platz  zurück.  In.  der  Mjassniz- 
k  a  j  a  gleich  1.  das  Geistliche  Consistorium  (4yxoBHaA  KoBCHCTOpiH ; 
PL  25,  D  4),  zwischen  den  Kirchen  der  Grebenskyschen  Mutter  Gottes 
und  des  h.  Johannes  des  Täufers  gelegen.  Im  xvi.  Jahrh.  befand 
sich  auf  der  Stelle,  wo  jetzt  die  Kirchen  und  das  Consistorium 
liegen ,  Wald ;  die  Kirche  der  Grebenskyschen  Mutter  Gottes  hatte 
daher  den  Zunamen  Pod  Borom  (unter  dem  Walde,  HoAi  öopOM'b). 
Unter  dem  Grossfürsten  Wassily  lY.  Iwanowitsch  soll  das  Gebäude 
des  Consistoriums  gebaut  worden  sein  und  als  erzbischöfliche 
Residenz  (PjiaaHCKoe  crapoe  noABopbe)  gedient  haben.  Ende  des 
zvii.  Jahrb.,  unter  Feodor  III.  Alexejewitsch,  wurde  es  in  ein  Hos- 
pital für  Verwundete,  1742  in  ein  Archiv  umgewandelt;  1774-1801 
was  es  Sitz  der  „Geheimen  Expedition^,  der  gefürchteten  Unter- 
suchungsbehörde für  politische  Verbrecher;  später  wurden  darin 
Invaliden,  1812  Verwaltungsbehörden,  1819  die  Biblische  Gesell- 
schaft, 1833  endlich  das  Geistliche  Consistorium  untergebracht. 

Weiter  in  n.Ö.  Richtung  durch  die  Mjassnizkaja.  Nach  5  Min. 
liegt  r.  das  durch  seine  bunte  Fa^ade  auffallende  Xosenm  für  Kunst 
imd  Gewerbe  (XyAO«ecTBeHHO-IIpoMiimieHHiifi  MyseM ;  PL  116,  £3), 
1868  gegründet,  mit  Mustersammlungen  russischer  Architector, 
Malerei ,  Ornamentik ,  Fayencen ,  sowie  altruss.  und  griech.  Hand- 
schriften (tägl.  11-5.,   an  Feiertagen  11-3  U.  geöffnet,  10  Kop.). 


Rothe  Pforte,  MOSKAU.  22.  Route.    301 

Weiterhin  1.  die  Ktmst '  Akademie  oder  Künstlerschule  (PL  104); 
gegenüber  das  Haupt -Postamt  (PL  128;  S.  263)  und  nebenan  das 
Haupt- Telegraphenamt  (PL  142),  an  der£cke  derMjassnizkaja  und 
des  Tschisaty-Prud  Boulevard  (nach  dem  ,,reinen  Teich"  am  s.  Ende 
so  benannt).  Die  Mjassnizkaja  endet,  an  der  Ssadowaja  (Garten- 
strasse, S.  269);  kurz  vorher  zweigt  die  eigentliche  Hauptstrasse 
r.  ab  zu  der  Bothen  Pforte  (KpacHUfl  BopoTa;  PL  132,  E3),  einem 
geschmacklosen  Triumphbogen  mit  3  Durchgängen ,  im  Krönungs- 
jahr der  Kaiserin  Elisabeth  Petrowna  1742  auf  Kosten  der  Mos- 
kauer Kaufmannschaft  errichtet.  Das  Thor,  roth,  Ornamente  und 
Säulen  weiss  angestrichen,  ist  mit  Reliefs  geschmückt  und  von 
einer  vergoldeten  Bronze-Statue  des  Ruhmes  gekrönt. 

Der  Pforte  gegenüber  liegt  r.  der  Sapasany-Dwor  (PL  133,  D3), 
ein  weitläufiges  Gebäude  im  ital.  Stil,  von  der  Kaiserin  Elisabeth 
Petrowna  erbaut,  früher  von  dem  kais.  Hof  halt  während  der  An- 
wesenheit des  Kaisers  in  Moskau,  jetzt  von  Beamten  des  Hof- 
ministeriums bewohnt.  Daneben  das  Armenhaus  des  Fürsten  Ku- 
rakin  (PL  10).  Die  von  hier  nach  0.  auslaufende  Nowaja  Bas- 
mannaja,  eine  der  stattlichsten  Strassen  Moskaus,  ist  vorzugs- 
weise von  reichen  Kaufleuten  bewohnt. 

N.  führt  von  der  Rothen  Pforte  die  Kalantschewskaja  auf  den 
gleichnam.  Platz,  mit  den  Bahnhöfen  der  Nikolai-,  Jarosslawer  und 
RJäsaner  Bahn  (vgl.  S.  263 ;  im  Nikolai-Bahnhof  gute  Restauration). 
Von  hier  mit  Pferdebahn  (Linie  1  u.  2,  S.  262)  über  die  S  s  o  k  o  1  - 
niker  Chaussee,  an  dem  grossen  Krassny  Prud  (Rother  Teich ; 
PL  EF2)  und  dem  nahen  Alezejewsky -Kloster  (1.)  vorbei  bis  zum 
Ssokolniker  Thore  (S.  314).  Unmittelbar  vor  dem  Thore  beginnt 
der  Park  von  Seokolniki  {Ssokolnitscheskaja  Roschtscha,  PL  EF  G 1), 
ausgezeichnet  durch  prächtige  Tannen  und  Wiesen,  der  beliebteste 
Spaziergang  der  Moskauer.  Früher  Urwald,  das  Jagdrevier  der 
Zaren,  die  auf  dem  anstossenden ,  früher  ebenfalls  mit  Wald  be- 
deckten Ssokolniker  Felde  (s.  unten)  ihre  Falkenjagden  hielten,  ist 
derselbe  jetzt  bis  zu  dem  Flüsschen  Jausa  (s.  unten)  von  zahlreichen 
Spazierwegen  durchschnitten  und  mit  anmuthigen  Landhäusern  im 
SchweizerstU  (Datschen)  besetzt.  Viele  reiche  russische  Kaufmanns- 
familien ziehen  die  Waldluft  des  Ssokolniki  dem  eleganteren,  aber 
kleineren  und  waldlosen  Petrowsky-Park  vor ,  sodass  die  Zahl  der 
Sommergäste  30-40,000  beträgt.  Vom  Thor  führt  eine  kurze,  breite 
Allee  zur  Neuen  Promenade  {Nowoje  QtUänie),  einem  von  Gebüsch 
umgebenen  Rondel  mit  Musikpavillon  in  der  Mitte,  wo  an  Som- 
merabenden (gewöhnlich  Doun.)  Tanzvergnügungen  und  Concerte 
(Eintr.  30  Kop.)  staittfinden.  Von  hier  laufen  nach  N.  fächerartig 
strahlenförmig  sieben  Durchhaue  (Prossjeki)  aus,  die  unter  sich 
wieder  durch  Querwege  verbunden  sind ;  die  elegantesten  Datschen 
finden  sich  im  sechsten  Prossjeka.  W.  vom  Pavillon  führt  der  Weg 
zur  Alten  Promenade  (Star oje  €hdänie)j  in  welcher  an  Sonn-  und 
Festtagen  die  unteren  Volksklassen  an  den  zahlreichen  weiss- 


302    Route  22,  MOSKAU.  Polytech,  Museum, 

gedeckten  Tischen  der  SsamoYar-yermietherinnen  bei  Musik  ti.  s.  w. 
sich  belustigen,  für  den  Fremden  ein  ergiebiges  Feld  zu  Volks- 
Studien.  Auch  das  am  1.  Mal  in  Ssokolniki  stattfindende  Volksfest 
verbunden  mit  einem  Oorso ,  an  welchem  sich  hauptsächlich  der 
höhere  Kaufmannsstand  betheiligt,  und  anderen  z.  Th.  wilden  Ver- 
gnügungen lockt  Nachmittags  Tausende  heraus.  —  Auf  dem  Ssokol- 
niker  Felde,  s.o.  vom  Park,  yerschiedene  Wohlthitigkeits-Anstalten : 
das  Jermakow'sche  Spital^  das  KathaHnen-ArmenTiaus  (PI.  8,  G 1), 
das  Preohrashensky' Krankenhaus  mit  Irrenanstalt  (PI.  99, Gl, 2), 
das  grosse  Wladimir- Kinderhospital  (PI.  103,  G2),  tou  Baron  Der- 
wis  gegründet.  —  An  der  Jausa  längs  des  Ssokolniki  eine  Anzahl 
Fabriken. 

Von  dem  Ssastawa  führt  die  Pferdebahn  (Linie  2,  S.262)  weiter 
an  der  (r.)  eleganten  Datsche  Ssasikoto  und  darauf  (1.)  an  der  eigen- 
artigen hölzernen  Kirche  vorbei  zur  Jausabrücke  und  dem  (V4  St.) 
mitten  im  Walde  belegenen  Dorfe  Bogorodsk,  einem  beliebten  Aus- 
flugsziel der  Studenten,  Schauspieler,  kleinen  Beamten  u.  s.  w. 

f.  Oeiüicher  StadttheU. 

Von  der  Iljin8ky-Pforte(Pl.D4;  S.  291),  einem  wichtigen 
Knotenpunkt  der  Pferdebahnen  (S.  262) ,  erstreckt  sich  längs  der 
Mauer  von  Kitaigorod  nach  S.O.  der  Iljinka- Platz,  nach  N.W.  der 
Lubjanka  -Platz  (S.  299).  An  letzterem  liegt  unweit  der  Iljinsky- 
Pforte  das  PolyteclmiMhe  Mnieüm  oder  Mibstum  der  praktischen 
Wissenschaften  (noiiiTexHH<ieCKifl  Myseü,  PL  117),  mit  reichen 
technischen  Sammlungen,  zum  grössten  Theil  von  der  Polytech- 
nischen Ausstellung  von  1872  herstammend  (tagl.  ausser  Mont.  ge- 
öffnet, Di.,  Do.,  Fr.,  So.  frei,  Mi.  Sa.  gegen  15 Kop.).  Sonnt.  Nrn.  5 U. 
im  Auditorium  unentgeltliche  Vorträge  für  das  Volk.  Rechts  vor 
dem  Iljinsky-Worota,  am  Iljinsky-Boulevard  eine  1887  vollendete 
Kapelle  in  russ.  Stil,  von  dem  Preobrashensky'schen  Regiment  zum 
Gedächtniss  der  bei  Plewna  gefallenen  Kameraden  erbaut.  Gegen- 
über (1.)  hässliche  Magazinbauten. 

Nach  0.  läuft  von  der  Iljinsky-Pforte  diePokrowka  aus,  ein 
6  km  langer  Strassenzug ,  der  sich  unter  verschiedenen  Namen  bis 
zur  Jausa  hinzieht  (Pferdebahn  s.  S.  262).  Der  Anfang  der  Strasse 
bis  zum  Armjansky  Pereulok  heisst  Marosseika,  nach  den  im 
XVII.  Jahrh.  hier  angesiedelten  Eleinrussen  (Malorossy)  benannt  (in 
derselben  1.  das  Haus  der  Philanthropischen  OesellscKaft,  PI.  125). 
In  der  Armenischen  Gasse  1.  das  Mausoleum  des  Bojaren 
Matwejew  (f  1682) ,  des  Oheims  und  Erziehers  der  Zarin  Natalie 
Naryschkin,  Mutter  Peters  d.  Gr. ;  daneben  das  Latarew'sche  In-- 
stitut  für  oriental,  Sprachen  (PI.  120),  von  den  Brüdern  Lazarew 
1815  gegründet,  und  gegenüber  die  1771  erb.  Armenische  Kirche 
(PI.  55,  E4).  Auf  der  Südseite  der  Marosseika  imKosmo-D&- 
mianskyPereulok  erhebt  sich  1.  die  Intherisehe  8t.  Peter  n. 
Paulikirehe  (Herpa  h  IlaBia  JinTepftBCKaii  nepioBb,  PL  65,  E4),  im 


Himmelfahrtskirche,        MOSKAU.  22.  Route.     303 

goth.  Stil  1817  erbaut,  mit  Altarbildern  von  Wach  (dabei  eine 
deutsch-luther.  Knaben-  u.  Mädchenschule) ;-  "weiter  am  Ende  der 
Strasse  das  Iwanowsky  Monastyr  oder  (Nonnen-) /TZos^er  Johannes 
d.  Täufers  (PI.  75,  E4),  im  xvi.  Jahrh.  gegründet,  1812  von  den 
Franzosen  niedergebrannt,  1861  neu  gebaut,  mit  einer  Waisen- 
schnle  für  Mädchen. 

Die  Fortsetzung  der  Marosseika  von  der  Armenischen  Gasse  bis 
zum  Semljanoi-Wall  ist  die  eigentliche  Pokrowka.  Links  die 
hübsche  HimmelfUirtskirclie  (PI.  58,  £  4),  aus  rothen  Backsteinen 
erbaut  und  daher  auch  die  „rothe  Kirche*  genannt ,  mit  13  pyra- 
midenförmig zusammengestellten  Kuppeln ;  sie  erregte  im  J.  1812 
die  Bewunderung  Napoleons  und  wurde  desshalb  vor  dem  Brande 
geschützt.  Weiterhin  r.  am  Pokrowsky- Boulevard  die  grosse  Po- 
krowsky  -Kaserne  (PI.  50)  für  2500  Mann. 

Jenseit  des  SenUjanoi  -  Walls ,  in  dessen  Nähe  r.  der  Kurssker 
Bahnhof  (PI.  16,  £  F  4 ;  S.265),  erhält  die  Strasse  den  Namen  S  t  a  r  a  - 
ja  Basmannaja.  In  derselben  gleich  r.  die  Kirche  des  h,  Märtyrers 
Nikita  (PI.  63,  F3),  1517  vom  Grossf.  Wassüy  gegründet,  1751  re- 
staurirt ;  dann  1.  das  Archiv  des  Justizministeriums  (PI.  4,  F  3).  Der 
von  hier  bis  zur  Jausa  sich  hinziehende  Stadttheil  heisst  nach  den 
ehemals  hier  befindlichen  ausgedehnten  Erbsenfeldern  heute  noch 
Gorochowojepole  (Erbsenfeld).  An  hervorragenden  Gebäuden 
sind  zu  nennen :  s.  von  der  Nikitakirche  im  Gorochowsky  Pereulok 
das  Konstantinow'sche  Feldmesser  -Institut  (PI.  29,  F  3) ;  weiter  in 
der  Gorochowaja  das  Lehrer-Seminar  (PL  135)  und  eine  Ähtheilung 
des  Findelhauses  (PL  32,  S.  304) ;  in  der  Wosnessenskaja  das  Eli- 
sabeth-Mädchen -Institut  (PL  109)  und  gegenüber  die  lutfaer.  iS^. 
Michaeliskirehe  (PL  62),  1576  im  goth.  Stil  erbaut,  später  mehrfach 
restaurirt. 

Am  Basguljai-Platz  mündet  1.  die  von  der  Rothen  Pforte  kom- 
mende Ntmaja  B<umannaja  (S.  301).  Die  Fortsetzung  der  Strasse  bis 
zum  Jelochowsky-Flati  (PL  F 3)  heisst  Jelochowa,  von  da  bis  zur 
Fokrowsky -Brücke (PL  G 2)  erhält  sie  den  Namen  Pokrowskaja 
Uliza.  Weiter  6.  am  1.  Ufer  der  Jausa  liegt  die  Arbeitervorstadt 
Freobrashenskoje  mit  grossen  Fabriken. 

Die  erste  Querstrasse  welche  von  der  Pokrowskaja  in  s.  Richtung 
abzweigt,  ist  die  Deutsche  S ti SkB b e  (Njemezkaja  Vliza),  einst 
der  Mittelpunkt  der  früher  hier  gelegenen  Deutschen  Vorstadt,  an 
die  noch  einzelne  Namen  erinnern.  Ö.  davon  liegt  der  belebte 
Deutsche  Markt  {Njemezky  Rynok,  PL  F3),  der  wichtigste  in 
den  ostl.  Stadttheilen.  In  der  Nähe  s.  auf  einem  freien  Platz  an  der 
Jausa  erhebt  sich  das  Lefortowsky-Sehloti  (Je«opTOBeKi8  /^Bopem; 
PL  124,  F  G3),  ursprünglich  von  Peter  dem  Gr.  für  seinen  berühmten 
Gehülfen  Franz  Lefort  erbaut,  von  Paul  I.  umgebaut  und  jetzt  von 
Militärbeamten  bewohnt.  Daneben  die  kalt.  tediBische  Sehnle 
(PL  141  F3),  1832  von  der  Kaiserin  Maria  Feodorowna  gegründet 


304    Route  22.  MOSKAU.  Findelhau«. 

und  für  den  Unterricht  in  den  technischen  Wissenschaften  Tortreft- 
lieh  eingerichtet,  die  vornehmste  techn.  Lehranstalt  in  Rassland. 

Wir  üherschreiten  die  Jausa  auf  der  steinernen  SdUostbrücke 
(Abopkobhü  uocTb ,  PI.  F  4).  R.  die  Eothe  Kaserne  (KpacHiu  xa- 
sapMu;  PI.  51,  G  4),  ehem.  ein  Theil  des  Golowin'schen  Palastes, 
mit  der  Infanterie  'Junkerschule  und  dem  IV.  Müitär  'OymnoMum 
(PI.  39) ;  dann  1.  an  dem  grossen  Kadettenplatz  das  Qolowin'sche  Pa- 
lais mit  dem  I.  XL,  IL  KilitärgjrmnaBinm  (PI.  38).  Ursprünglich  hatte 
hier  die  Kaiserin  Anna  Iwanownasich  eine  Sommerresidenz,  Annen- 
hoff  gebaut ;  dieselbe  brannte  zweimal  ab  und  Katharina  II.  liess  dann 
1767  durch  den  Architekten  Rinaldi  das  jetzige  stattliche  Schloss 
mit  einem  Kostenaufwand  von  15  Mill.  R.  aufführen.  Der  Schloss- 
garten ,  früher  ein  beliebter  Spaziergang ,  ist  jetzt  ganz  verwildert. 
Gegenüber  auf  der  0.  -  Seite  des  Kadettenplatzes  das  Annenhof- 
Wäldchen  mit  dem  neuen  Militär -Oefängniss  (PI.  119). 

N.  vom  Golowin-Palast  am  Lefortowo  -  Platz  erhebt  sich  das 
grosse  Kriegshospital  (BoenHiiü  FocnHTaib ;  PI.  96),  ein  mächtiges 
Gebäude  mit  Raum  für  2000  Kranke,  von  Peter  I.  gegründet,  unter 
Alexander  I.  nach  Ssemenows  Plänen  umgebaut.  In  der  Nähe  6. 
der  gut  gehaltene  Deutsche  Friedhof  (HlmenKoe  KiaAÖimte,  PL  G  3). 
—  Wir  kehren  über  die  hölzerne  Lefortowsky  -Brücke  (PL  G3)  zur 
Pokrowskaja  zurück  (Pferdebahn  s.  S.  262). 

g.  Sfidöf tHoher  StadttheU. 

Vom  Warwarka-Platz,  vor  dem  gleichn.  6.  Thor  von  Kitai- 
gorod  (S.  291;  PL  D4)  führt  die  Ssoljanka  s.o.  zur  Jausky- 
Brücke  (PL  £  4).  In  derselben  ist  r.  der  mit  zwei  Gruppen  von 
Yitali  (Barmherzigkeit  und  Erziehung)  geschmückte  Haupteingang 
zum  grossen  kaiserl.  Findelhanae  [Wosspitaielny  Dom;  PL  31, 
E  4 ;  Besichtigung  So.  2  U.  Nm.  gestattet ,  an  andern  Tagen  nur 
mit  specieller  Erlaubniss  des  Directors),  ein  kolossales  weisses 
Häusercarr^.  Dasselbe  wurde  1763  von  Katharina  II.  gegründet ; 
später  kamen  der  Yormundschaftsrath  (s.  unten)  u.  a.,  endlich  die 
Nikolai  "Erziehungsanstalt  für  Waisenmädchen  (s.u.)  hinzu.  Im 
J.  1812  diente  das  Findelhaus  als  Hospital ;  über  5000  Franzosen 
liegen  im  Hofe  begraben.  Die  Anstalt  erhält  einen  Jährlichen  Staats- 
zuschuss  von  über  1  Mill.  R.,  der  hauptsächlich  aus  dem  Ertrag  des 
Spielkarten- Verkaufs  in  ganz  Russland  herrührt.  Die  Einrichtungen 
sind  musterhaft.  Die  Zahl  der  jährlich  aufgenommenen  Kinder  be- 
trägt c.  14,000.  Die  Aufnahme  erfolgt  ohne  dass  nach  den  Namen 
der  Eltern  gefragt  wird;  der  Ueberbringer  erhält  eine  Nummer, 
unter  der  das  Kind  in  das  Empfangsregister  eingetragen  und  gegen 
deren  Vorweisung  es  zurückgegeben  wird.  Das  Hauptgebäude  ent- 
hält im  ersten  Stock  die  Empfangssäle,  im  zweiten  die  Speise-  und 
Schulsäle,  im  dritten  und  vierten  die  Schlafsäle. 

Neben  dem  Haupteingang  des  Findelhauses  in  der  Ssoljanka  er- 
hebt sich  1.  der  oben  gen.  Vommndsehaftsrath  (PL  148),  in  welchem 


Ssimonow -Kloster,  MOSKAU.  22.  Route,     305 

Werthsachen,  wichtige  Papiere  und  Documente  etc.  aufbewahrt 
werden;  dann  die  Nikolai  -  Mädchenschule  (PI.  108).  Am  s.  Ende 
der  Ssoljanka  führt  die  Jausky -Brücke  (s.  unten)  in  den  am  1.  Ufer 
der  Jausa  gelegenen ,  meist  von  den  ärmeren  Klassen  bewohnten 
Rogoshskaja-Stadttheilj  der  nur  wenig  Sehenswürdigkeiten  enthält. 

Von  der  Brücke  gelangt  man  1.  durch  die  Nikolo-Jam- 
skaja  und  Woronja  (Pferdebahn,  Linie  10)  zum  Bogoshsky- 
SsastawaiThoi)  (PI.  FÖ).  In  der  Nähe  n.w.  auf  dem  hohen  Ufer 
der  Jausa  in  malerischer  Lage  das  Andronow^  oder  Androniew- 
( Mönchs-)KlosteT  (Cnaco-AHApoHieBi  MoHacTupb,  PI.  70,  F  4),  1361 
vom  Metropoliten  Alexius  erbaut,  nach  der  Zerstörung  1812  neu 
aufgebaut.  Das  Kloster  hat  5  Kirchen;  von  dem  80  m  h.  Glocken- 
thurm  schone  Aussicht. 

Geradeaus ,  dann  1.  abbiegend  führt  von  der  Brücke  ein  gleich- 
falls von  der  Pferdebahn  befahrener  Strassenzug  (Schwiwogor- 
skaja,  BcUwanowka,  Taganka,  Ssemenowskaja)  zum  Pokrowsky- 
S(M^au7a(Thor)  (PI.  F  5).  Innerhalb  des  Thores  liegt  r.  das  unter 
dem  Zaren  Alexei  gegründete  Pokrowsky -Kloster  (PI.  77);  8  Min. 
jenseit  des  Thores  L  der  Nishny- Nowgoroder  BahnJwf  {PI,  18,  F5; 
S.  263  u.  323). 

Zurück  zur  Taganka,  dann  1.  durch  den  Ssemenowsky-Pereulok  zu 
dem  unweit  der  Moskau  hübsch  gelegenen  Vowosspassky-Monastyr 
oder  n6aenHeiland8kloBter(HoBOcnaccKifi  ifOHacTupb;P1.74,E6),  mit 
5  Kirchen  und  72  m  h.  Glockenthurm.  Dasselbe  wurde  im  xv.  Jahrh. 
von  Iwan  III.  erbaut,  1570  mit  hölzernen,  1640  mit  steinernen  Mauern 
umgeben,  in  der  Folge  wiederholt  durch  Feuer  zerstört,  aber  stets 
wieder  hergestellt.  1812  wurde  es  von  den  Franzosen  geplündert,  die 
Kirchen  in  Baracken  und  Ställe  verwandelt.  Seinen  Namen  verdankt 
das  Kloster  dem  in  der  Kathedrale  befindlichen  wunderthätigen 
Heiligenbilde,  einem  „Obras  njerukotworennoi **,  d.h.  „nicht  mit 
Händen  gemacht*,  das  durch  Iwan  III.  aus  Wjatka  hierher  kam. 
Im  Thorweg  grosse  biblische  Gemälde ;  hinter  dem  Altar  der  Haupt- 
kirche die  Portraits  der  10  Patriarchen.  Die  Freskomalereien  stellen 
die  Genealogie  des  Zaren  Alexei  Michailo witsch  von  der  h.  Olga 
an ,  dann  griech.  Philosophen  dar.  In  dem  Kloster  sind  mehrere 
Mitglieder  des  Hauses  Romanow,  u.  a.  Marfa.  Mutter  des  Zaren 
Michael  Feodorowitsch ,  sowie  zahlreiche  Angehöriger  andrer  vor- 
nehmer Familien  begraben.  Die  Schatzkammer  (Risniza)  enthält 
viele  Kostbarkeiten,  prächtige  Kirchengewänder  u.a.  Auf  dem  Kirch- 
hof der  Grabstein  der  Nonne  Dosythea  Daragan,  Tochter  der  Kaiserin 
Elisabeth  aus  ihrer  heimlichen  Ehe  mit  dem  Grafen  Rasumowski. 

Weiter  nach  S.  gelangt  man  an  der  Krutizky- Kaserne  (PI.  49) 
und  dem  Pulvermagazin  (PI.  130)  vorbei  zum  Ssimonow  -  Kloster 
(CMMOHOB'BlIIoHacTupb;  P1.82,E7),  am  Ssirjfionowsky-Thor  auf  hohem 
Ufersaum  unweit  der  Moskwa  gelegen.  Im  xiv.  Jahrh.  gegründet, 
wurde  das  Kloster  1591  mit  einer  Mauer  umgeben ,  trotz  derselben 
aber  1610  von  den  Polen  und  Litauern  erobert.  1812  von  den  Fran- 
Bussland.     3.  Aufl.  20 


306    Boute  22,  MOSKAU.  Samoskwarttichje, 

zosen  in  ein  Militär-Hospital  yerwandelt,  brannte  es  zum  Theil  ab 
und  wurde  dann  neu  aufgebaut.  Unter  den  6  Kirchen  ist  die  der 
Mutter  Gottes  geweihte  Hauptkirche  besuchenswerth ;  berühmter 
Kirchengesang,  namentlich  an  den  Vorabenden  der  Festtage;  reiche 
Schatzkammer.  Von  dem  100  m  h.  Olockenthttrm  prächtige  Aus- 
sicht über  die  Stadt.  —  Vor  dem  Ssimonowsky-Thor  liegt  der  Ldain- 
Teich  (PI.  £  7),  durch  Karamsin's  „arme  Lisa^  bekannt. 

h.  Südlicher  Stadttheil.  Sperlingsberge.  Worobjewo. 

Der  am  s.Ufer  derMoskwa  gelegene  Stadttheil,  Samoskwaretsclge, 
schon  in  früher  Zeit  wegen  der  Nähe  des  Kreml  bevölkert,  einst  das 
Tataren  viertel  Moskaus,  ist  jetzt' vorzugsweise  von  altrussischen 
Kaufleuten  bewohnt,  die  hier  in  stillen  Strassen,  kleinen  von  Gärten 
umgebenen  Häusern  in  der  Weise  ihrer  Väter  leben.  Der  Sehens- 
würdigkeiten giebt  es  hier  nur  wenige;  der  Verkehr  ist  gering,  im 
Frühjahr  bei  Thauwetter  in  manchen  Strassen  kaum  möglich. 

Fünf  Brücken  führen  über  die  Moskwa,  der  Kr ymsky,  Kamenny, 
Moskwarezky ,  üstinsky  und  Krassnocholmaky  Most,  Die  Ka- 
menny-Brücke  {Bolschoi  Kamenny- Mo  st ,  „Grosse  Steinerne 
Brücke'',Pl.D5),1634-82erbaut  und  als  eine  der  grössten  und  ältesten 
Steinbrücken  Busslands  von  jeher  berühmt ,  wurde  1859  beträcht- 
lich erweitert  und  der  Steinbau  durch  eine  von  drei  Pfeilern  ge- 
tragene gusseiserne  Bogenbrücke  ersetzt.  ~  Die  Moskwarezky- 
Brücke  (PL  D4),  1830  vollendet,  führt  in  gerader  Linie  über 
die  durch  den  Ahhitungs  (Wodootwodny)-Kanal  vom  s.  Stadttheile 
getrennte  Insel  und  die  Gusseiserne  Brücke  {Tschugunny^ 
PL  D5),  dem  Abfahrsort  der  Dampfer  nach  den  Sperlingsbergen 
(S.  262  u.  307),  zur  Pjatnitzkaja  Uliza,  die  am  Sserpuchowsky-Platz 
(s.  unten)  mündet.  In  der  Pjatnizkaja  die  Qalltrie  Tretjakow,  die 
grösste  Sammlung  moderner  russischer  Gemälde  (c.  2000  Nummern) 
(Eintritt  von  11-4  Uhr  unentgeltlich). 

Vom  Bolschoi  Kamenny-Most  ausgehend,  haben  wir  r.  die  aus- 
gedehnten, Gebäude  des  früheren  Winny  und  Ssoljanoi  Dwor 
(Branntwein-  und  Salz-Depot ,  PL  D  5),  jetzt  theils  den  Bureaux 
der  Friedensrichter -Versammlung  dienend,  theils  als  Niederlage 
vermiethet,  1.  den  Bolota-Platz  {Bolotnaja  Ploschtschadj  S.  269), 
den  grössten  Obst-  und  Fruchtmarkt  Moskaus.  Von  hier  auf  der 
Kleinen  Steinernen  Brücke  über  den  Kanal ;  dann  r.  über  die  Bol- 
schajaJakimanka  zum  Kalushsky-PIatz  (PLD6),  wo  r.  der 
von  der  Krymsky-Brücke  (s.  oben)  kommende  Krymsky-  Wall  ein- 
mündet. Nach  S.  laufen  von  hier  vier  grosse  Strassen  aus,  die 
Kalushskaja,  Donskaja,  Schah olowskaja  und  Mytnaja,  Durch  die 
letztere  gelangt  man  am  Konnaja  Ploschtschad  (Pferdemarkt, 
S.  269)  vorbei  s.  zum  Sserpuchowsky-Sastawa  (Thor)  (PL  D  7), 
in  dessen  Nähe  die  grosse  neue  Alexander -Caseme  (PL  44),  das 
PaulS'Hospital  (PL  98)  und  das  angeblich  1272  von  dem  Gross- 


Alexandrinen -Palais,      MOSKAU.  22.  Route.     307 

fürsten  Daniel  Alexandrowitsch  gegründete  DanilowBky  {.Mönchs-) 
Kloster  (PL  71),  das  älteste  der  Stadt. 

Am  Ende  der  Donskaja  erhebt  sich  das  yon  einer  mächtigen 
viereckigen  Mauer  umgebene  Donskoi  -  Kloster  oder  Kloster  der 
Mutter  Gottes  vom  Don  (^ohckoS  HysecKoä  MOHacTupb,  PI.  72, 07), 
1592  vom  Zaren  Feodor  I.  Iwanowitsch  zum  Gedächtniss  des  von 
Boris  Godunow  über  die  Tataren  unter  Kasa  Girej  erkämpften 
Sieges  erbaut  und  nach  dem  Bilde  der  h.  Mutter  vom  Don,  unter 
dessen  Schutz  die  Russen  sich  begeben  hatten,  so  benannt.  Inner- 
halb der  1712  vollendeten  hohen  rothen  Mauern  liegen  9  Kirchen 
und  Kapellen ,  ein  Birkenwäldchen ,  mehrere  Gehöfte  und  Woh- 
nungen für  den  Archimandriten  und  die  Mönche,  sowie  der  Fried- 
hof mit  den  Grabmälern  vieler  vornehmen  Familien  und  hervor- 
ragender Personen.  Die  Hauptkirche,  1684  von  Katharina,  der 
Schwester  Peters  I.  erbaut,  enthält  eine  Anzahl  von  Freskobildern, 
meist  Darstellungen  aus  der  biblischen  Geschichte,  sowie  den 
höchsten  Ikonostas  in  Moskau ;  neben  der  heil.  Thür  ein  Bild  des 
Erlösers  und  das  mit  vielen  Edelsteinen  verzierte  Bild  der  heil. 
Mutter  vom  Don.  Im  J.  1812  wurde  das  Kloster  von  den  Franzosen 
geplündert,  erhielt  aber  aus  der  Feldzugsbeute  der  Donschen  Ko- 
saken reichen  Ersatz. 

In  der  Kalushskaja  eine  Reihe  von  Wohlthätigkeitsanstalten : 
d&s Bürger- Armenhaus  (PI.  6),  das  Stadt- Krankenhaus  (PI.  101)  und 
das  Qolizyn'sche  Krarikenhatbs  (PL  93),  1802  für  Kranke  aller  Natio- 
nalitäten gegründet.  Dann  folgt  r.  das  auf  einerAnhÖhe  an  derMoskwa 
gelegene  Alezandrinen-Palais  (AjeKcaHxpHHCKiM  Asopem,  PL  123), 
einst  Eigenthum  des  Grafen  Orlow-Tschesmensky,  seit  1817  hin 
und  wieder  kais.  Sommerschloss  (Erlaubniss  zur  Besichtigung  im 
Bureau  des  Polizeimeisters,  S.  284).  Das  Innere  ist]J  einfach  ein- 
gerichtet; vom  Dach  prächtige  Aussicht. 

Der  zum  Schloss  gehörige  ^Nesskatsclmy  (Sanssoaei)-Fark  (He- 
cKy^Hurä  ca^i,  PL  07)  ist  der  schönste  und  bestgehaltene  der  Mos- 
kauer öffentlichen  Parks  (tägl.  9  U.  Vm.  bis  9  ü.  Nm.  geöffnet).  Die 
reizenden  Anlagen  des  mit  prächtigen  Baumgruppen,  Blumenbeeten, 
Teichen ,  Pavillons  etc.  geschmückten  Gartens  ziehen  sich  an  dem 
ansteigenden  s.  Ufer  der  Moskwa  bis  zum  Flusse  hinab  und  ge- 
währen von  verschiedenen  Punkten  reizende  Aussichten  auf  die 
Stadt.   In  der  Orangerie  schöne  tropische  Pflanzen. 

Vom  KaZushsky-Sastawa  (Thor)  (PL  0  7)  kann  man,  wenn  man 
zu  Wagen  gekommen  ist,  den  Ausflug  bis  zu  den  noch  SVs  km 
entfernten  Sperlingsbergen  ausdehnen  (Dampfschiffe  von  der  Tschu- 
gunny-Brücke  und  Pferdebahn,  Linie  12,  s.  S.  262).  R.  das  Alexe- 
Jewsky-Armenhaus  (Bogadjelnaja ,  PL  9) ,  weiter  das  hochgelegene 
ehemalige  Landhaus  des  Sonderlings  Grafen  Mamonow  (PL  112), 
jetzt  Heilanstalt  für  Geisteskranke.  Von  hier  führt  ein  schlechter 
lehmiger  Fahrweg  in  */4  St.  auf  die  **Sperll]i9sberge  ( Worohjewy 
Gory),  welche  eine  unvergleichliche  Aussicht  auf  das  Thal  der 

20* 


308     Route  23.  TSCHERKISOWO.  Umgehungen 

yielgewundenen  Moskwa  und  die  von  zahllosen  TMrmen  und 
Kuppeln  überragte  Zarenstadt  darbieten ,  besonders  hervor  tritt  die 
ErlÖserkirche  (S.  294;  Besuch  nicht  zu  versäumen).  Der  Anblick 
ist  gleich  grossartig  bei  Sonnenuntergang  wie  in  einer  klaren  Voll- 
mondnacht  oder  an  einem  hellen  üVintertage ,  und  erinnert  ganz  an 
den  Orient.  An  der  Stelle,  von  wo  Napoleon  am  14.  Sept.  1812  vor 
dem  Einzug  die  Stadt  beobachtete ,  befindet  sich  jetzt  ein  Restau- 
rant (gut)  mit  Aussichtsveranda. 

Das  am  s.  Bergrande  sich  hinziehende  Dorf  Worobjewo  (Bo- 
po6i>eBO)  ist  eine  besuchte  Sommerfrische.  Hier  wohnten  alljähr- 
lich während  einiger  Monate  die  Vorfahren  Iwan's  des  Schreck- 
lichen und  dieser  selbst.  Au  der  Stelle  des  heutigen  Schlosses  (3a- 
uoKi)  stand  noch  zu  den  Zeiten  der  Kaiserin  Elisabeth  das  alte 
hölzerne  Dworez,  in  dem  auch  der  Zar  Boris  Feodorowitsch  zu- 
weilen wohnte.  Das  Birkengehölz  soll  Peter  d.  Gr.  mit  eigenen 
Händen  gepflanzt  haben.  —  Von  hier  nach  Troizkoje,  Pokrowskoje 
etc.  s.  S.  311. 

Ein  Fussweg  führt  den  steilen  Abhang  der  Sperlingsberge  hinab 
zur  Moskwa  und  dem  Landungsplatz  der  Dampfschiffe  und  Ruder- 
boote. Ebenda  die  Fähre  nach  dem  jenseitigen  Ufer,  von  wo  der 
Fahrweg  über  das  Jungfernfeld  (S.  295)  zur  Stadt  führt. 


23.    Umgebungen  von  Moskau. 

Wie  Moskau  das  Andenken  an  den  Glanz  des  alten  Zarenthums  be- 
wahrt, so  erinnern  die  vielen  prächtigen  Schlösser  und  Edelsitze  seiner 
Umgebung  an  die  Zeit  eines  reichen,  prachtliebenden  Bojarenthums.  Was 
landschaftliche  Schönheit  anlangt,  kann  sich  Moskau  sehr  wohl  mit  St.  Peters- 
burg messen.  Am  schönsten  ist  es  im  Frühjahr^  im  Juli  ist  am  Tage  die 
Hitze  erdrückend,  oft  bis  zu  37°  C,  die  Abende  dagegen  sind  kühl. 

Die  meisten  interessanten  Oertlichkeiten  der  Umgebung  von  Moskau 
liegen  unweit  der  Bahnen.  Doch  ist  es  bequemer,  für  eine  bestimmte 
Zeit  mit  einem  Iswoschtschik  (S.  262)  ein  Abkommen  zu  treffen.  Nach 
den  besuchteren  Ausflugsorten  gehen  mehrmals  täglich  Lineiken^  6-8  sitzige 
Wagen  in  der  Art  der  Omnibus,  nur  von  den  niederen  Volksklassen  be- 
nutzt; dieselben  fahren  ab  sobald  alle  Plätze  besetzt  sind,  stellen  aber 
Abends  ihre  Fahrten  ein. 

1.    TscherkiBowo.  Ismailowo. 

Wir  verlassen  Moskau  durch  den  am  n.ö.  Ende  der  Stadt  ge- 
legenen Preohrashensky-Sastawa  (PI.  Hl).  Vor  demselben  r.  am 
Chapüowsky-Bach  das  Kloster  und  der  Kirchhof  der  Altgläubigen. 

8  W.  Tseherkisowo  (HepKHSOBO) ,  uraltes  Dorf,  ehemals  Fa- 
rn ilienstammgut  des  Metropoliten  Alezius  (S.  286) ,  Ist  heute  noch 
Sommer -Residenz  der  Moskauer  Metropoliten.  In  dem  1764  er- 
bauten, eihfach  eingerichteten  erzbischößichen  Haus  (ApxiepeHcKÜi 
XOMi»)  unter  andern  alten  Bildern  ein  Portrait  Peters  des  Gr.  mit 
Spuren  franz.  Kugeln.  Am  ö.  Ufer  des  Sees ,  in  den  die  Ssossenka 
fiiesst,  ein  1819  von  Bischof  Serapion  erbautes  Armenhaus. 


von  Moskau.  KOSSINO.  23,  Route.    309 

10  W.  l8]nailowo(4Bop]tOBoe  iiapcKoe  ceioHsiiaHJOBo),  das  alte 
Stammgut  der  Familie  Romanow,  ehemals  eine  Musterfarm  der  Zaren 
und  häufig  Aufenthalt  derselben.  Alexei  Michailowitsch  erbaute  die 
JSTircÄe,  welche  von  Feodor  III.  Alexejewitsch  1679  umgebaut  wurde. 
Das  von  Alexei  auf  der  Insel  zwischen  dem  Sserebrowka-Bach 
und  dem  Winogradny-Teich  errichtete  Schloss  existirt  nicht  mehr; 
auf  seiner  Stelle  erhebt  sich  inmitten  von  Parkanlagen  das  1849 
nach  Thon's  Plänen  (f  1881)  erbaute  neue  Nikolai-Ismailowsky- 
Invalidenhaus  (HHKOjaeBcxafiHsiiaHJOpcKaa  BoraA'biBHfl),  ein  ziem- 
lich regelmässiges  Viereck  bildend.  In  dem  an  jeder  Seite  von 
Thürmen  flankirten  Hauptgebäude  die  Wohnungen  der  Pensionäre 
(Offiziere ,  Unteroffiziere  und  Mannschaften).  Neben  demselben  1. 
das  Maschinenhaus,  welches  alle  Räume  mit  Wasser  versorgt,  hinter 
ihm  die  Kellereien ;  r.  vom  Hauptgebäude  das  zweistöckige  Haus 
für  die  Pensionäre  des  ehem.  Generalgouverneurs  Grafen  Sakrews- 
ky,  mit  prächtigem  Einfahrtsthor.  —  Auf  dem  andern  Ufer  des 
Teiches  der  Winogradny-Oarten  (BHHorpaAHUü  ca^i) ,  zum  kais. 
Familiengute  Ismailowo  gehörig ;  einen  Theil  desselben  überwies 
1865  Kaiser  Alexander  II.  dem  Hospital  als  Küchengarten.  —  Der 
Wald  von  Ismailowo^  „Swerinez"  (Thierpark)  genannt,  enthält 
viele  malerische  Partien  und  bedeutende  Bienenzüchtereien,  auch 
eine  Versuchsstation  für  Seidenzucht,  wird  aber  nur  selten  besucht. 

2.   Kusskowo.   Kossino. 

Zu  Wagen  oder  mit  der  Bahn.  In  letzterm  Falle  benuzt  man  ent- 
weder die  Bahn  Moskau  -  Nishny  (S.  323)  bis  zur  (7  W.)  Stat.  Kusskowo 
(26,  19,  9Kop.),  oder  die  Bahn  Moskau  ^Bjäsan  (S.  383)  bis  zur  (9  W.) 
Stat.  Perowo,  in  der  !Nähe  von  Kusskowo  und  Kossino  (34,  25,  13  Kop.). 

12  W.  XuBBkowo  (KycKOBo)  ist  ein  altes  Familiengut  der  Grafen 
Scheremetjew.  Das  prächtig  eingerichtete  Herrenhaus  enthält  eine 
Anzahl  reich  decorirter  Zimmer  und  eine  Gemälde- Gallerie  (500 
Bilder);  in  der  Nähe  die  Eremitage,  zuweilen  als  Speisesaal  ge- 
braucht, und  eine  Muschelgrotte.  In  dem  gut  gepflegten  Garten  eine 
Orangerie  sowie  zahlreiche  Marmorstatuen,  Büsten  u.  s.  w.  Die 
Büsten  und  zwei  Säulen  schenkte  Katharina  II.  dem  Grafen  Peter 
Scheremetjew;  die  metallnen  Inschrifttafeln  wurden  1812  von  den 
Franzosen,  welche  sie  für  Gold  hielten,  geraubt.-  In  der  Kirche 
einige  kostbare  Gerät  he. 

Yon  Kusskowo  führt  ein  Fussweg  durch  den  Wald  südl.  nach  dem 
Weissen  See  (Btioe  Osepo),  an  welchem  in  anmuthiger  Lage  das  Dorf 

15W.  KoBBino  (KocHHo).  Dicht  am  Seeufer  dieKirche  des  wunder- 
thätigen  heü.  Nikolaus  (UepKOBb  CnfiTaro  HHKOiafl  MyAOTSopua), 
167Ö  erbaut ,  mit  Thürmen ,  Schiessscharten  u.  s.  w. ;  in  derselben 
ein  Bild  des  heil.  Nikolaus,  welches  der  Sage  nach  am  heiligen  See 
(s.  u.)  aufgefunden  wurde,  Gegenstand  der  Verehrung  für  zahlreiche 
Wallfahrer.  Die  zweite  Kirche  des  Ortes,  die  Troizkaja- Kirche, 
1823  erbaut,  bewahrt  in  einem  diamantbesetzten  Schrein  ein  aus 
Modena  stammendes  Madonnenbild,  welches  Peter  d.  Gr.,  der  zeit- 


310    Rouie  23.  KOLOMENSKOJE.  Umgehungen 

weilig  in  Kosslno  sich  aufhielt,  im  J.  1717  schenkte.    Das  alte 
Schloss  (EapcKitt  Aom)  und  der  Garten  sind  verfallen. 

Der  Heilige  See  (CßaToe  Osepo),  IV2  W.  s.o.  von  Kosslno,  ist  ein 
klares,  tiefes  Gewässer  von  c.  420  m  Durchmesser.  An  der  N.W.-Seite 
dicht  am  Ufer  eine  alterthümliche  kleine  Kapelle  mit  2  Kuppeln, 
die  Stätte  des  wunderthäti gen  Bades  bezeichnend,  zu  dem  alljährlich 
im  Sommer  Tausende  von  Pilgern  nach  Kossino  kommen. 

8.  Ijublino.  Zaridno.  Kolomenikoje. 

Moskau -Kurssker  Eisenbahn  (S.  376):  bis  Ljublino  in  16-31  Xin.  für 
88,  29,  15  Kop. ;  bis  Zarisino  in  90-40  Min.  für  66,  60,  25  Kop. 

9  W.  Ljublino  (Jioöjhho),  mit  zahlreichen  freundlichen  Datschen, 
liegt  in  waldigerUmgebung  amRandeu.denUferhügeln  eines  hübschen 
Sees.  Das  Herrenhaus  mit  reich  dekorirten  Zimmern,  früher  im  Besitz 
der  Familie  Durassow,  ist  nur  mit  specieller  Erlaubniss  des  Jetzigen 
Besitzers  Hrn.  Golowtejew  zugänglich.  Schöner  Garten  u.  Park ;  neue 
hölzerne  Kirche  im  altruss.  Stil.  —  2V2  W.o.  von  Ljublino  liegt Kns- 
minski,  gleichfalls  mit  zahlreichen  Villen ;  das  dem  Fürsten  Golizyn 
gehörige  Schloss,  mit  Bildern  von  Rubens  u.  a.,  ist  nicht  zugänglich. 

Weiter  über  (11  W.)  Pererwa^  Haltstelle  für  Kolomenskoje 
(s.  unten),  dann  über  die  Moskwa. 

16  W.  Zarizino  (UapiuHHo),  ein  von  Peter  d.  G.  an  den  Moldau- 
ischen Fürsten  Kantemir  geschenktes ,  1774  von  der  Kaiserin  Ka- 
tharina II.  zurückgekauftes  und  mit  seinem  jetzigen  Namen  belegtes 
Dorf.  Es  befindet  sich  hier  ein  halbvollendetes  und  jetzt  als  Ruine 
dastehendes  Schloss,  dessen  Bau  Katharina  sistiren  liess,  weil  es  ihr 
den  Eindruck  eines  von  Candelabern  (den  Thürmchen)  umgebenen 
Sarges  machte,  worauf  sich  der  Architekt  des  in  der  That  düstern 
bizarren  Gebäudes  erhängte.  Neben  dem  Schlosse  das  gleichfalls 
unvollendete  Schlosstheater  und  ein  ausgedehnter  Park  im  engl. 
Stil  mit  Teichen,  Brücken,  Grotten,  Pavillons  u.  s.  w.  —  Der  Weg 
von  der  Eisenbahnstation  zur  Schlossruine  (V2  W.)  führt  an  dem 
sog.  Orlowschen  Garten  (Restaur.  u.  Theater)  vorbei,  dann  über  den 
Damm ,  welcher  den  grossen  Teich  von  Zarizino  in  zwei  Hälften 
(Zarizinsky-  u.  Borissowsky-Teich)  schneidet. 

Von  der  Stat.  Zarizino  führt  n.w.  ein  Weg  an  den  steilen  üfer- 
höhen  der  Moskwa  entlang  über  die  Dörfer  Ssäburowo,  Bjelejetena 
und  DJakotjpskoje  nach  (2  W.,  10  W.  von  Moskau) 

Kolomenskoje  (KoiOHeHCKoe),  grosses  Dorf  in  hübscher  Lage  am 
r.  Ufer  der  Moskwa,  von  Bewohnern  der  Stadt  Kolomna  gegründet, 
die  beim  Einfall  des  tatar.  Chans  Baty  (1237)  aus  ihrer  Heimat 
flohen  und  sich  hier  niederliessen.  Der  Grossfürst  Wassily  Iwano- 
witsch  baute  die  1533  eingeweihte  Kirche  zur  Himmelfahrt  und 
den  alten  Sommerpalast,  einst  Lieblingsresidenz  Iwans  des  Schreck- 
lichen, häufig  besucht  auch  von  Peter  d.  Gr.,  der  beim  ersten  Auf- 
stand der  Strelitzen  (1.  Sept.  1682)  hierher  in  Sicherheit  gebracht 
wurde.   Auf  der  Stelle  des  baufällig  gewordenen  alten  Palastes  er- 


^on  Moskau.  DAWIDKOWA.  23.  Route,    311 

baute  1767  Katharina  11.^  ein  neues  Schloss,  von  dem  aber  nur  ver- 
fallene Ruinen  noch  übrig  sind.  Im  Schlosspark  wird  eine  alte  Eiche 
gezeigt,  unter  der  Peter  d.  Gr.  lesen  gelernt  haben  soll. 

4.   Kunsewo.  Pokrowtkoje.  Troiikoje. 

Tour  zu  Wagen  (dareh  den  Dorogomilow  -  Sastawa,  PI.  A5)  odermit 
BenutBung  der  Bahn  Moskau -Brest  (8.  348)  bis  (11  W.)  Stat.  Kunaewo. 

9  W.  Ximiewo  (KyniieBo)  ist  ein  anmuthiges  Yillendorf  (kein 
Whs.  vorhanden),  ehemals  Eigenthum  des  Zaren  Alexei  Michailo- 
witsch ,  der  es  seinem  Schwiegervater  Eyrill  Poliewktowitsch  Na- 
ryschkin  schenkte.  Es  gehört  seit  1849  zum  Theil  dem  Moskauer 
Handelsherrn  Ssolodownikow,  welcher  einige  Villen  erbaute  und 
einen  Park  mit  grossem  Geschmack  anlegte;  ein  anderer  Theil  sowie 
ein  altes  Herrenhaus  wurde  1865  vom  Commerzienrath  Ssoldatenkow 
erworben.  Im  Garten  des  letztern  der  sog.  verwünschte  Platz  (Dpo- 
KiflToe  MliCTo),  angeblich  ehemals  ein  tatarischer  Begräbnissort;  ein 
hier  gefundenes  mongol.  Götzenbild  (sog.  steinerne  Bdba)  ist  im 
Garten  aufgestellt.  Dem  Herrenhaus  gegenüber  ein  Obelisk  aus  sibir. 
Marmor,  1841  errichtet,  nach  der  Inschrift  1769  von  Katharina  II. 
dem  Leo  Naryschkin  gewidmet.  Nahe  der  Orangerie  steht  eine  Oranit~ 
Pyramide  mitDoppeladler  und  dem  Namenszuge  Alexander'sl.  sowie 
der  (russischen)  Inschrift:  „Am  4.  Juli  1818  dankte  der  preussische 
König  Friedrich  Wilhelm  III.,  als  er  Moskau  von  Kunzewo  aus  sah, 
der  Stadt  für  die  Rettung  seines  Reiches.''  Die  1730  erbaute  Kirche 
enthält  einige  alte  Bibeln,  1500  und  1570  in  Wilna  gedruckt,  und 
eine  von  Natalie  Naryschkin ,  der  Mutter  Peters  des  Grossen  ge- 
stickte Kelchdecke. 

10  W.  Dawidkowa  (^aBHAKOsa  AepesHi) ,  hübsches  Dörfchen, 
südl.  von  Kunzewo,  beliebter  Sommeraufenthalt  der  Moskauer.  Auf 
dem  andern  Ufer  des  Flüsschens,  an  welchem  Dawidkowa  liegt,  das 
dem  Moskauer  Bürger  Chwoschtschinsky  gehörige  Gut  Wolmskoje 
(Bojuacioe)  mit  vielen  Villen  und  Gärten.  —  Auf  der  grossen  Peters- 
burger Strasse  nach  Moskau  zurückkehrend,  erreichen  wir 

(Ö  W.  von  Moskau)  Fokrowskoje  (DoxpoBCKoe),  ein  grosses  Kirch- 
dorf, vordemjdem  Oheim  Peter's  d.Gr.,  Leo  Kyrillowitsch  Naryschkin, 
gehörig,  der  1693  nach  Niederwerfung  des  Strelitzen- Aufstandes  die 
Kirche  zu  Maria  Schutz  und  Fürbitte  erbaute.  Der  Sage  nach  soll 
Peter  mehrfach  Pokrawskoje  besucht  und  auf  dem  Chore  der  durch 
ihre  bizarre  Bauart  wie  durch  ihre  alten  Heiligenbilder  bemerkens- 
werthen  Kirche  gesungen  haben.  Der  Zaren -Platz  auf  der  westl. 
Seite  der  Kirche  bezeugt,  dass  die  zarische  Familie  hier  zuweilen  dem 
Gottesdienste  beiwohnte.  1812  wurde  die  Kirche  von  den  Franzosen 
geplündert,  der  untere  Theil  in  Ställe  für  die  Pferde,  der  obere  in 
eine  Schmiedewerkstatt  umgewandelt.  In  dem  ^/^  St.  entfernten 
Dorfe  Fili  (<&hjh)  bezeichnet  eine  Tafel  das  vor  einigen  Jahren  re- 
novirte  Häuschen ,  in  welchem  1812  nach  der  Schlacht  bei  Boro- 
dino  der  russische  Kriegsrath  abgehalten  wurde,  welcher  die  Räu- 


312    Route  23.  PETBOWSKT-PARK.  Vmpebimgen 

miing  Moskaus  beschloss.  >—  Auf  dem  andern  Ufer  des  Eamenka- 
Flüsschens 

(7  W.  von  Moskau)  Troiskpje  Golanitektseliewo  (Tpoimoe-roje- 
HHmeBO),  altes  Dorf,  einst  Lieblingsaufenthalt  der  Metropoliten  und 
Patriarchen  Moskau's,  jetzt  der  kaiserlichen  Familie  gehörig.  Aus 
früherer  Zeit  noch  die  Kirche  der  belebenden  Dreifaltigkeit  (Xpan 
3KiiBOHa<iajifcHu8  TpoMnu),  1644  erbaut.  —  Von  hier  über  die  Po-- 
klannaja  Qara  (ÜOKiOHHafl  Fopa)  nach  Worobjewo  s.  S.  308. 

5.  Fetrowiky-Park.  Petrowsko-Baramowskoje.  TubcUbo. 

Archangelskoje.  I^inskoje. 

Der  Petrowsky-Park  ist  am  besten  mit  Pferdebahn  (6.  263,  Linie  6) 
zu  erreichen.  Zu  der  weitern  Tour  nach  Sykowo  etc.  nimmt  man  am 
besten  einen  Wagen  oder  benutzt  allenfalls  die  vom  Strastnoi  -  Kloster 
mehrmals  täglich  nach  Petrowsko-Rasumowskoje  fahrenden  Lineiken  (Fahr- 
zeit 1  St.,  Fahrpr.  35  Kop.).  Zu  Wagen  ist  dieser  Ausflug  leieht  mit  der 
vorigen  Tour  zu  verbinden.  Gute  Chaussee  von  Moskau  über  Tuschino 
längs  der  Moskwa  bis  Iljinskoje;  von  hier  Brücke  über  die  Moskwa 
zur  Strasse  Moskau -Swenigorod,  auf  der  wir  direct  Kunzewo  (8.  311) 
erreichen.  —  Kikolai-Kisenbahn  i>is  zur  ersten  Station  (8  W.)  Petrowsko- 
Rasumowskoje  (U.  Gl.  50,  IIL  Gl.  26  Kop.);  s.  S.  259. 

Von  der  Triumphpforte  (S.  297)  führt  die  grosse  St.  Petersburger 
Chaussee  an  zahlreichen  hübschen  Datschen  und  der  Kunst-  u,  Ge- 
werbe-Ausstellung von  1682  vorüber  zum  ^Petrowiky-Fark  (üerpoB- 
CKift  üapKi,  PL  A  B,  1, 2).  L.  dehnt  sich  das  ungeheure  Chodynka- 
Feld  aus ,  jenseit  dessen  man  in  der  Ferne  die  welsssohimmemden 
Militär -Sommerlager  der  Moskauer  Garnison  erblickt;  näher  an  der 
Stadt  die  Rennbahn,  auf  welcher  mehrmals  jährlich  sehr  besuchte 
Pferderennen  abgehalten  werden. 

Das  Fetrowsky -Schloss ,  1776  unter  Katharina  II.  erbaut,  1812 
von  Napoleon  I.  bewohnt,  nach  seinem  Abzüge  von  den  Franzosen 
geplündert  und  in  Brand  gesteckt,  1840  im  lombard.-gothischen  Stil 
neu  gebaut,  ist  ein  stattliches  zweistöckiges  Gebäude  mit  Säulen-Peri- 
styl  (Besichtigung  des  Innern  interessant;  £rlaubnis8  imHofcomtoir 
S.  284).  Von  dem  das  Hauptgebäude  überragenden  Thurm  hübsche 
Aussicht.  Den  Schlosshof  umgiebt  eine  mächtige,  mit  Thürmen, 
Zinnen  und  Schiessscharten  versehene  Mauer ,  wie  das  Schloss  aus 
rothen  Ziegelsteinen  mit  weissen  Verzierungen  aufgeführt.  —  Im 
Petrowsky  -  Schloss  steigen  die  russischen  Herrscher  vor  der  KrÖ* 
nung  ab ,  um  von  hier  aus  in  feierlichem  Aufzug  in  den  Kreml  zu 
ziehen. 

Der  Petrowsky-Park,  1834  von  Kaiser  Nikolaus  angelegt,  aber 
jetzt  etwas  verwahrlost,  war  mit  seinen  Datschen,  Alleen  und  Bos- 
quets  früher  der  Haupt-Schauplatz  des  Moskauer  fashionablen  Le- 
bens und  Treibens.  Jedoch  sind  die  Landhäuser  des  hohen  Mos- 
kauer Adels  jetzt  meist  im  Besitz  von  Kaufleuten  oder  in  Yer- 
gnügungslocale  verwandelt.  Der  Park  enthält  ein  Sommertheater 
(S.  265);  mehrere  Restaurants  {Mauritanien,  Gartenlaube  u.  a.)  und 


van  Moskau,         ARGHAN6ELSK0JE.  23,  Route.    313 

das  Sommerlokal  des  deuUchen  Clu^s  (S.  265) ;  in  der  Östl.  Hälfte 
ein  Teich  mit  Badehäusern. 

N.ö.  vom  Petrowsky  -  Park  vor  dem  Butyrskaja-Sastawa  liegt 
Butyrki  (PI.  B  C  1),  Vorstadt  von  Moskau  mit  zahlreichen  Som- 
mervillen. 

Den  Park  in  n.  Bichtung  durchwandernd ,  gelangen  wir  üher 
(7  W.)  Sykowo  (Sukobo),  mit  niedlichen  Datschen,  nach 

10  W.  Petrowskoje-Basumowskoje  (neTpoBCKoe-PasyHOBCKoe). 
Das  Schloss  wurde  von  dem  Bojaren  Naryschkin  für  seinen  Enkel, 
den  spätem  Zaren  Peter  I.,  erhaut.  Peter  hielt  sich  in  seiner  Jugend 
häufig  hier  auf  und  arbeitete  eigenhändig  mit  an  der  Verschönerung 
des  Parks ;  mehrere  alte  Linden  soll  er  selbst  gepflanzt  haben.  1776 
schenkte  Katharina  II.  das  Besitzthum  dem  Grafen  Basumowski ; 
dieser  verschönerte  Q arten  und  Park  und  erbaute  ein  prächtiges 
Schloss,  das  später  von  der  Regierung  angekauft  wurde.  Jetzt  be- 
findet sich  hier  die  land-  tmd  forstwirthschaftliche  Akademie ,  die 
bedeutendste  landwirthsch.  Lehranstalt  in  Bussland  (c.  260  Stud.), 
mit  reichen  Sammlungen,  Bibliothek,  botan.  Garten,  Baumschule 
und  Musterfarm.  Hinter  dem  botan.  Garten  ein  grosser  gut  gehal- 
tener Park  (unweit  des  Eingangs  SommertDirthsch,). 

lieber  Koptewo  (KomeBO),  einen  beliebten  Sommeraufenthalt  der 
Moskauer,  nach  dem  Dorfe 

(7  W.  von  Moskau)  W8esswjat8koje(Bc1icBflTCKoe),  an  der  Chaus- 
see nach  Tuschino  gelegen.  Hier  befindet  sich  ein  Asyl  für  kranke 
und  verwundete  Krieger ;  im  Sommer  wohnen  hier  viele  Familien 
der  in  dem  Militärlager  auf  der  Ghodynka  liegenden  Offiziere. 

15  W.  Taschino  und  Sspaaskoje  (TymHHO  h  CnacKoe),  Dörfer  an 
der  grossen  Strasse  nach  Wolokolamsk ,  am  Einflüsse  der  Wschodna 
in  die  Moskwa  gelegen,  gehörten  bis  1764  dem  Troiza-Kloster  und 
stehen  jetzt  unter  der  Verwaltung  des  Ministeriums  der  kaiserlichen 
Domänen.  Tuschino,  aus  einer  Hauptstrasse  bestehend,  war  das 
Hauptquartier  des  falschen  Dmitry  IL  (1607-1609) ;  noch  ist  ein 
Theil  des  Walles  übrig,  welcher  sein  Zelt  umgab.  —  An  der  Moskwa 
entlang,  über  Pawschino  und  Qaijewo  gelangen  wir  nach 

23  W.  Archangelskoje  (ApzaHrej^CKoe),  grosses  Dorf  mit  vielen 
Datschen  der  Moskauer,  an  der  Moskwa  reizend  gelegen.  Auf  einer 
Anhöhe  das  von  Bastrelli  erbaute  Herrenhaus  (BapcKifi  AOiii)  mit 
Säulenfa^ade ,  einst  dem  Grafen  Basumowski,  jetzt  dem  Fürsten 
Jossupow  gehörig.  Das  glänzend  eingerichtete  Innere  (reiche  Bi- 
bliothek) ist  unzugänglich;  prachtvolle  Bundsicht.  Der  schöne 
Park ,  am  Abhang  nach  der  Moskwa  hin ,  enthält  zahlreiche  Mar- 
morstatuen und  eine  Orangerie  mit  riesigen  Orangenbäumen. 

27  W.  Ujinikoje  (HibHHCKoe),  in  hübscher  Lage  an  der  Moskwa, 
früher  dem  Fürsten  Gollzyn  gehörige,  jetzt  kais.  Lustschloss  mit 
schönem  Park  (Karten  zur  Besichtigung  des  Schlosses  tägl.  10-3  U. 
im  Apanagencomptoir ,  Pretschistensky-Boulevard  in  Moskau)  be- 
rühmter Musterfarm. 


314    Route  24.  ALEXE  JEWSKO  JE. 

Von  Iljinskoje  über  Kanzewo ,  durch  den  Dorogomilo^^Ssas- 
tawa  oder  besser  auf  der  neuen  Chaussee  und  dem  Twer'schen  Weg 
zurück  nach  Moskau. 

6.  Osstankino.  Taninskoje.  Alexejewskoje. 

Tour  zu  Wagen.  Na«h  Oastankino  fahren  im  Sommer  Lineüen  (&.  306; 
Abfahrt  stündlich  vom  Trubnaja-Plats  dem  Reataur.  Ermitage  gegenüber, 
35  Kop.).  —  Taninskoje  liegt  5  km  s.w.  Ton  der  Eisenbahn-Station  Gross- 
Mytisehtsehi  (S.  315). 

Die  Jarosslawer  Strasse  führt  vom  Krestowsky-Ssastawa  n.  am 
Rande  der  Marina  l^osc^^^cAa  (M apiHHa  Poiua ,  ^Marien-GehSlz'') 
vorbei  nach 

4  W.  (von  dem  Ssastawa)  OBBtankino  (OcTaHKHHo),  alte  Besitzung 
der  Grafen  Scheremetjew ,  mit  vielen  Sommervillen ,  ist  einer  der 
schönsten  Punkte  in  der  Umgebung  von  Moskau.  Das  an  einem 
künstlichen  See  gelegene  Schloas  (Erlaubniss  zur  Besichtigung  beim 
Verwalter),  Ende  des  vor.  Jahrh.  im  röm.  Villenstil  aus  Holz  erbaut, 
enthält  eine  Reihe  hübsch  eingerichteter  Zimmer  und  ein  Haus- 
theater (im  Obern  Stock).  Aus  den  Fenstern  des  Schlosses  ♦Aussicht 
auf  Moskau  durch  einen  Durchhau  der  Marina  Roschtscha  (s.  oben), 
der  während  eines  Besuches  des  Kaisers  Paul  in  einer  einzigen 
Nacht  durch  Tausende  von  Arbeitern  hergestellt  wurde ,  um  den 
Zaren  zu  überraschen.  —  Neben  dem  Schlosse  die  1668  im  rus- 
sischen Stil  erbaute  *  Kirche,  neuerdings  renovirt. 

Zum  Schlosse  gehört  ein  grosser  Park  mit  stattlichen  Bäumen 
(darunter  die  angeblich  von  Peter  d.  Gr.  selbst  gepflanzte  Peters- 
oder  Helden  -  Eiche) ,  Marmorstatuen  u.  s.  w.  Am  Ende  desselben 
ein  Teich  u.  eine  Wiese  mit  Ständen  von  Ssamowar-Vermietherinnen. 

Die  Jarosslawer  Strasse  führt  von  Osstanklno  n.  weiter  nach  (1 W.) 
Ra^tokino',  hier  auf  356  m  1.  Brücke  (von  Katharina  II.  mit  Unge- 
heuern Kosten  erbaut)  über  die  Jausa,  dann  1.  über  (1 W.)  Leonowo 
(JeoHOfio),  der  Familie  Demidow  gehörig,  nach  (1  W.)  Sswirlowo 
(CBHpiOBO),  an  der  Jausa  gelegenes  Gut  des  Hrn.  Ghalatow,  mit 
Fabriken  u.  hübschem  Park.  —  N.  führt  von  Leonowo  ein  Fahrweg 
längs  der  grossen  Moskauer  Wasserleitung  (s.  unten)  nach 

5  W.  Taninskoje  (TaHHHCKoe),  Dorf  am  1.  Ufer  der  Jausa.  Das 
ehemalige  Lustschloss  der  Zaren  ezistirt  nicht  mehr.  Die  alter- 
thümliche  Kirche  verdient  einen  Besuch.  —  Von  hier  zur  Stat. 
Mytiichtschi  (S.  315)  5  W. 

Von  Rastokino  (s.  oben)  nach  Moskau  zurück  führt  eine  Strasse 
über  (2V2W.)  Alezejew8koje(AieKC1ieB€KOe),  einst  Lieblingsaufent- 
halt des  Zaren  Alexei  Michailowitsch ,  dessen  Schloss  im  J.  1812 
wegen  Verfalls  abgebrochen  wurde,  mit  den  beiden  Dampfmaschinen 
für  die  Gr.-Mytischtschi-Moskauer  Wasserleitung  (S.  315) ;  weiter 
über  den  Datschenort  Bogorodskoje  (BoropoxcRoe)  und  durch  den 
Ssokolniker  Wald  (S.  301). 


315 

24.    Von  Moskau  nach  Jarosslawl  und  Wologda. 

Troiza- Kloster. 

Eisenbahn,  nach  Trolza-Kloster  67  W.  in  2l/i  St.  für2.ö0, 1.88,0.92B.; 
nach  JaroMlawl  261  W.  in  11  St.  für  9.79,  7.34,  3.45  B.;  von  Jaroulawl 
nach  Wologda  192  W.  in  II1/3  St.  für  7.20,  5.40,  2.76  B. 

Für  die  Tour  von  Moskau  nach  l^ishny-Kowgorod  wird  nicht  selten 
der  Weg  über  Jarosslawl  gewählt,  der  zwar  mehr  Zeit  beansprucht,  aber 
wegen  der  Dampfschifffahrt  auf  der  Wolga  (S.  337)  interessanter  ist  als 
die  directe  Eisenbahnfahrt. 

Abfahrt  vom  Jarosslswer  Bahnhof  (PL  E  2,  3).  Die  Bahn  durch- 
schneidet den  Ssolcolniker  Wald,  welter  bei  Alexejewskoje  über  die 
Jausa,  durch  hügeliges  Ackerland ;  1.  die  grosse  Moskauer  Wasser- 
leitung. 

17  W.  MytisehtBchi  (Huthiiih},  Station  für  Oross-Mytiachtschi, 
Dorf  und  Datschenort,  ehemals  den  Zaren  gehörig,  bekannt  durch  die 
grossartigen  Moskauer  Wa8$erwerke,  1779  unter  Katharina  II.  vom 
General  Baier  begonnen,  1853-58  mit  einem  Kostenaufwand  von 
1^/2  Mill.  R.  hergestellt.  Aus  43  Quellen  wird  das  Wasser  (tägl. 
550,000  Eimer)  durch  den  Aquäduct  (BoAonpoBOAHafl  Tpy6a)  nach 
Alexejewskoje  (S.  314)  geleitet  und  von  hier  durch  Dampfkraft  In 
den  Ssucharew-Thurm  (S.  299)  getrieben. 

28  W.  Paschkino  (nyinniHo),  grosses  Dorf  mit  zahlreichen 
Datschen  u.  Fabriken  (Webereien ,  Rothgarnfärbereien  u.  s.  w.), 
schönem  Fichtenwald  und  kleinem  See. 

lieber  (42  W.)  Talizy  durch  anmuthige  Gegend  nach 

56  W.  Chatkowo  (XatbKOBo),  hübsch  gelegen,  mit  1308  gegrün- 
detem Nonnenkloster  (interessante  Wandgemälde ;  am  Eingange  ein 
kleines  Qasthaus), 

66  W.  Stat.  Ssere^ewsky-PoBsad  (CeprieBCKÜi  üocaAi;  Bahn- 
restaur.;  15  Min.  Aufenthalt).  An  der  Station  Wagen  (30-50  Kop.)  in 
die  Stadt  (zwei  mittelmässige  Gasthäuser,  beide  vom  Kloster  unter- 
halten; Z.  75  Kop.-3  R.).  Ssergiewsky-Possad ,  an  der  KonUchura 
und  Qlimiza  in  malerischer  Umgebung  gelegen,  ist  ein  nicht  unbe- 
deutender Ort,  der  alljährlich  von  über  100,000  Wallfahrern  besucht 
wird ;  dreimal  jährlich  grosse  Messen.  Wer  nur  das  Kloster  besuchen 
will,  geht  direct  vom  Bahnhof  dorthin;  Zweisp.  vom  Bahnhof  nach 
dem  Kloster  und  nach  Gethsemane  oder  Bethanien  u.  zurück  1^/2  R. 

Das  Troiza-Ssergiewskaja- Kloster  (Ceprta  TpoHUKaa  Jaapa), 
das  Dreifaltigkeitskloster  des  h.  Sergius,  auf  massiger  Anhohe  ge- 
legen, ist  nächst  dem  altberühmten  Kloster  zu  Kiew  das  vornehmste, 
reichste  und  historisch  bedeutendste  des  Landes.  Die  hohe  gezackte 
und  mit  8  Thürmen  versehene  Ringmauer  des  Klosters  umschliesst 
12  Kirchen  und  Kapellen  in  allen  möglichen  Baustilen  mit  unzäh- 
ligen Thürmen  und  Kuppeln,  die  in  Gold  und  Farben  glänzen, 
einen  kaiserl.  Palast,  eine  theolog.  Akademie  mit  werthvoUer  Bi- 
bliothek ,  die  Wohnung  des  Archimandriten  und  eine  Menge  an- 
derer grosser  Gebäude,  in  welchen  sich  Refectorium  uiid  Zellen  der 
Mönche,  Wohlthätigkeitsanstalten,  ein  Kaufhaus  u.  s.  w.  befinden. 


316    Route  24,  TROIZA- KLOSTER.  Von  Moikau 

Zur  Geflchichte.  Abt  Sergiu»^  der  Sobn  eines  verarmien Rosstow- 
schen  Bojaren,  legte  1338  den  Grand  2U  dem  Troiza  -  Kloster  auf  einem 
kleinen  Berge,  60  W.  von  Moskau,  erbaute  hier  mit  eigenen  Händen  die 
hölzerne  Dreifaltigkeits  -  Kirche  und  sammelte  Mönche  um  sich,  die  der 
Buf  seiner  Tugend  und  Gottesfurcht  aus  weiter  Ferne  herbeirief.  Sergius 
erwarb  sich  bald  ein  so  hohes  J^nsehen,  dass  der  Metropolit  Alexius  bei 
seinem  Tode  ihn  für  den  würdigsten  Nachfolger  auf  dem  Metropoliten- 
stuhle erklärte.  Wenige  Jahre  nach  seinem  1393  erfolgten  Tode  verheerte 
eine  Horde  Tataren  Moskau  und  zerstörte  auch  das  Troiza-Kloster.  Kaeh 
dem  Rückzüge  der  Tataren  fand  der  Nachfolger  Ssergei^s,  Nikon,  unter 
den  Trümmern  des  Klosters  den  unversehrten  Leichnam  seines  Vorgängers. 
Die  Kunde  von  der  wunderbaren  Erhaltung  des  Körpers  des  h.  Ssergei 
verbreitete  sich  weithin,  und  die  Gläubigen  strömten  herbei,  um  an  seinem 
Grabe  zu  beten.  Bald  war  das  Kloster  von  neuem  entstanden  und  in  der 
Mitte  des  xvi.  Jahrh.  wurde  es  mit  einer  steinernen  Ringmauer  umgeben. 
Iwan  der  Schreckliche  erbaute  daselbst  zwei  prächtige  Kathedralen,  einen 
steinernen  Palast  und  einige  Wohnungen  für  die  Mönche,  und  gewährte 
dem  zur  Würde  eines  Archimandriten  erhobenen  Igumen  ausserordent- 
liche Bereehtigungen.  9  Mönchs-  und  2  Nonnenklöster  befanden  sich  in 
einer  gevvissen  Abhängigkeit  von  dem  Dreifaltigkeits-Kloster.  Viele  Dörfer 
und  etwa  120.000  Leibeigene  gehörten  ihm  und  es  vermochte  angeblieh 
20,000  wehrhafte  Leute  zu  stellen.  Eine  der  ruhmvollsten  Thaten  in  der 
Geschichte  Busslands  ist  die  heldenmüthige  Vertheidigung  des  Klosters 
durch  die  Mönche  während  der  16monatliehen  Belagerung  durch  das 
30,000  Mann  starke  Heer  der  Polen  unter  Sapieha  und  Lissowski  (1608-9).  Bei 
der  allgemeinen  Erhebung  des  russ.  Volkes  unter  Minin  und  Posharsky 
(S.  289)  gegen  die  Polen  waren  es  Mönche  aus  Troiza ,  welche ,  wie  Abt 
Viimpsius  und  Abratnp  PaUMin^  das  Land  durchzogen  und  die  Bauern 
zum  Kampfe  aufriefen.  1618  belagerte  der  polnische  Prinz  Wladislaw 
wieder  vergebens  das  Kloster.  1685  wurde  dasselbe  während  der  Empö- 
rung der  Strelizen  ein  Zufluchtsort  der  beiden  jungen  Zaren  Iwan  und 
Peter.  Im  xviii.  Jahrh.  waren  die  Reichthümer  der  Lawra  an  Geld  und 
Ländereien  so  gross,  dass  Katharina  II.  dem  Kloster  letztere  nahm  und 
sie  in  Staatsdomänen  umschuf.  Dass  die  Franzosen  das  Kloster  1813 
nicht  betraten  (es  lag  allerdings  ganz  ausserhalb  der  Richtung  von  Na- 
poleon^s  Operationen),  ist  von  den  Russen  nur  dem  wunderthäUgen  Bilde 
des  h.  Sergius  augeschrieben  worden.  Dasselbe  wurde  auch,  wie  man 
sagt,  während  des  Krim-Krieges  nach  Ssewastopol  gebracht,  konnte  aber 
den  Fall  der  Festung  nicht  verhindern. 

Die  älteste  der  Kirchen  ist  die  Dreifaltigkeits- Kirche  {Troizky 
Chram)y  auf  dem  Platze  der  hölzernen ,  von  Sergius  gegründeten, 
1422  vom  Patriarclien  Nikon  erbaut,  klein  und  niedrig,  im  byzan- 
tinischen Stil.  Das  Innere  ist  mit  Gold,  Silber  und  kostbaren 
Steinen,  sowie  mit  merkwürdigen  alten  Fresken  und  Heiligenbildern 
reicb  geschmückt.  Beim  Ikonostas  unter  silbernem  Baldachin  der 
silberne,  mit  Juwelen  besetzte,  geöffnete  Sarkophag  des  h.  Sergius, 
mit  dem  auf  Holz  gemalten  Bildniss  desselben,  das  Peter  d.  Gr.  auf 
allen  seinen  Feldzügen  mit  sich  führte.  Die  Gebeine  des  Heiligen 
deckt  ein  kostbares  rothes  Sammettuch,  auf  demselben  liegt  ein 
goldenes  Kreuz,  welches  von  den  Andächtigen  geküsst  wird. 

Bei  den  Gottesdiensten  im  Kloster  überrascht  der  in  der  Kirche  wäh- 
rend der  Ceremonien  getriebene  Handel  mit  Lichtern  und  heiligem  Brote. 
Letzteres  wird  in  einer  eignen  Bäckerei  im  Kloster  selbst  hergestellt.  Die 
Andächtigen  lassen  es  in  einer  besonderen  Kapelle  weihen ,  d.  h.  es  wird 
unter  Gebeten  aus  jedem  Brötchen  ein  kleines  dreieckiges  Stückchen  her- 
ausgeschnitten. Auch  eine  Malschule  existirt  im  Kloster,  deren  Heiligen- 
bilder sich  vor  den  conventionellen  durch  künstlerische  Auffassung  aus- 
zeichnen. 


nach  Wologda.        TROIZA- KLOSTER.  ^4.  Route,     317 

Die  grosste  und  schönste  der  Kirchen  ist  die  Usspensky-Kcttke'- 
drale  (VcneHCKiä  €o6opi)  oder  Kathedrale  zur  Himmelfahrt  Maria, 
im  byzantin.  Stil,  1585  eingeweiht,  mit  5  mächtigen  Kuppeln;  die 
Frescogemälde  sind  jüngeren  Datums  (xvii.  Jahrh.)'  Vor  dem  w. 
Eingang  der  Kathedrale  die  Grahmäler  des  Zaren  Boris  Qodunouf 
(t  1605 ;  s.  S.  276),  seiner  Gemahlin  und  seiner  5  Kinder. 

Dicht  bei  dieser  Kirche  der  ca.  88  m  hohe  vierstöckige  Olocken- 
thurm  mit  zahlreichen  Glocken  (die  schwerste  angeblich  70,000  kg 
wiegend),  nach  den  Plänen  Rastrelli's  im  Zopfstil  erbaut  und  1769 
vollendet.  Zwischen  dem  Thurm  und  der  Kathedrale  ein  11  m  h. 
Obelisk,  auf  dem  die  hauptsächlichsten  Ereignisse  aus  der  Ge- 
schichte des  Klosters  verzeichnet  stehen  (1792  vom  Metropoliten 
Piaton  errichtet).  Neben  dem  Obelisk  in  einer  Kapelle  der  wunder- 
thätige  heil,  Brunnen,  aus  dem  alle  Besucher  des  Klosters  zu 
trinken  pflegen. 

Von  den  übrigen  Kirchen  sind  eines  Besuches  werth :  die  Peters- 
kirche, im  Vorhofe  das  «Bild  der  Versuchungen* ;  die  Sspassky-  oder 
Erlöser -Kirche  mit  dem  in  Russland  viel  verbreiteten  Bilde:  die  h. 
Sophia  (göttliche  Weisheit)  und  ihre  drei  Tochter  Wjera,  Nadjeshda, 
Ljubow  (Glaube,  Hoffnung,  Liebe) ;  die  Kirche  der  Ausgiessung  des 
h.  Geistes,  nach  der  Eroberung  Kasans  durch  Iwan  III.  gegründet, 
mit  dem  Grabe  des  Metropoliten  Philaret  (f  1867) ;  die  Kirche  des 
h.  Sergius,  1692  erbaut,  mit  einer  Sammlung  alter  Handschriften. 

Von  den  Gebäuden  ist  zunächst  sehens werth  der  alte  Zaren- 
palast ^  in  dem  sich  die  berühmte  geistliche  Akademie  befindet, 
1749  von  der  Kaiserin  Elisabeth  eingerichtet.  Die  Wohngebäude 
der  Mönche  sind  prächtig  eingerichtet.  Der  Speisesaal  (Refec- 
torium) ,  mosaikartig  decorirt  und  in  den  buntesten  Farben  pran- 
gend ,  ist ,  auch  wegen  des  schonen  Gesanges ,  am  besten  um  die 
Speisestunde  der  Mönche  (Nachm.  5-6  U.)  zu  besichtigen.  Die 
Sakristei  mit  den  Klosterschätzen  befindet  sich  in  einem  besondern 
Gebäude.  Der  Schatz  (tägl.  zugänglich)  ist  von  unermesslichem 
Werth  (angeblich  650  Mill.  R.).  In  grossen  Glasschränken  stehen 
die  Kirchengeräthe,  Mitren  und  Bischofsstäbe,  meist  von  gediegenem 
Golde  mit  kostbaren  Edelsteinen  besetzt ^  Evangelien  und  Mess- 
bücher in  goldnem  Einbände,  Messgewänder,  Altardecken,  Grab- 
decken ,  buchstäblich  mit  Perlen  übersät.  An  Curiositäten  werden 
gezeigt :  ein  gelber  Jagdrock  Iwan's  des  Schrecklichen ;  das  härene, 
geflickte  Gewand  und  der  hölzerne  Becher  des  heil.  Sergius ;  ein 
von  Katharina  II.  gesticktes  Messgewand ;  ein  geschliffener  Achat, 
in  dessen  Innerm  die  Natur  ganz  deutlich  das  Bild  eines  Kreuzes, 
vor  dem  ein  Mönch  kniet,  gebildet  hat;  endlich  eine  Schüssel  mit 
Zählperlen  von  enormem  Werthe. 

In  der  Bibliothek  u.  a.  eine  Anzahl  werthvoller  alter  Hand- 
schriften, einige  mit  Miniaturen ,  für  den  Kenner  von  Interesse. 

21/s  km  vom  Kloster  in  schönem  Walde  die  Eituiedelei  (GKRrb)  und 
Kirche  Oethtemane^  1845  vom  Moskauer  Metropoliten  Philaret  gegründet. 
Merkwürdig  einige  anterirdische  ausgemauerte  Zellen;  die  hier  freiwillig 


318    Route  24,  TROIZA- KLOSTER.  Von  Moskau 

Eingeschlosaenen  erhalten  ihre  Nahrung  dureh  eine  Oeffnung  in  der  Thür. 

—  3  km  vom  Troizakloster  daa  1783  vom  Metropoliten  Piaton  gegründete 
Kloster  Bethanien  ^  mit  der  Kirche  der  Verklärung  Christi  (Inneres  sehens- 
werth),  sowie  Piatons  Wohnhaus  und  Grab. 

Gleich  hinter  Station  Ssergiewsky-Possad  betritt  die  Bahn  das 
Gouvernement  Wladimir,  nächst  Moskau  das  industriereichste  Russ~ 
lands;  auch  die  Gartencultur  dieser  Gegenden  ist  berühmt. 

lOÖW.  A{«xan({rot0o(Bahnrestaur. ;  15  Min.  Aufenthalt).  Zweig- 
bahn nach  den  Fabriken  von  Karahanowo  (10  W.  in  ^/^  St.  für 
37,  28,  11  Kop.).  —  136  W.  Berendjatvo, 

153  W.  Bjasanzewo  (PflsaHaeBo). 

20  W.  westl.  Peretglawl  -  Saljesky  CQepecJiaBJb  8aji«CKift) ,  alte  Kreis- 
stadt mit  7310  Einw..  1152  gegründet,  früher  bedeutende  Handelsstadt,  jetzt 
siemlich  öde.  Die  Stadt  hat  36  Kirchen  und  1  Kloster.  In  der  ITähe  daa 
Wallfahrtskloster  Nikittkoy^  dem  heil.  Nikolaus  Stylit  geweiht,  mit  den 
Beliquien  des  Heiligen.  Auf  der  Strasse  naeh  Jarosslawl  ein  steinernes 
Jfontiment.  Iwan  der  Schreckliehe  Hess  es  errichten,  weil  er  an  dieser  Steile 
die  Nachricht  von  der  Geburt  seines  Sohnes  erhielt.  Nicht  weit  von  hier 
der  Fletchticheitwo-See  (Os.  XLien^ecBo),  über  1  Meile  lang  und  1  Heile  breit, 
auf  dem  Peter  I.  als  Knabe  die  Elemente  des  Seewesens  kennen  lernte 
und  seine  ersten  Schiffe  baute.  Zum  Andenken  an  Peter  wird  auch  jähr- 
lich auf  dem  See  selbst  ein  Gottesdienst  abgehalten. 

Jenseit  Bjasanzewo  überschreitet  die  Bahn  die  Grenze  des 
Gouvernements  Jarosslawl,  dessen  Boden  von  geringer  Fruchtbar- 
keit ,  aber  durch  angestrengten  Fleiss  seiner  Bewohner  doch  treff- 
lich cultivirt  ist.  Viel  Handel  und  Industrie. 

170  W.  Itlar,  —  186  W.  Petrowtk, 

209  W.  BoMtow  (PocTOBi).  Bahnrestaur. ;  15  Min.  Aufenthalt. 
Rosstow  (10,257  £.),  eine  der  ältesten  Städte  Russlands,  bis  1474 
Hauptstadt  eines  selbständigen  Fürstenthums ,  berühmt  durch  das 
harmonische  Glockengeläut ,  liegt  nahe  am  Ausfluss  der  Wjokisa 
(Kotorost)  aus  dem  fischreichen  salzigen  Nero 'See,  ist  Sitz  eines 
Erzbischofs,  hat  einen  alten  Kreml,  über  30  Kirchen,  Leinen- 
und  Lichterfabrikation  und  »lebhaften  Handel  (auf  Email  gemalte 
Heiligenbilder). 

223  W.  Ssemihratowo.  —  245  W.  Kosmodemjansk, 

261  W.  JarostUwl  (flpocjaBjfc). 

Gasthofs:  «KokujewiJarosslaw  im  Hause  Pastnehow  am  Bosh- 
destwenskaja-Platz,  Z.  von  75  Kop.  an,  russische  Küche  und  Bedienung. 

—  Die  übrigen  Gasthöfe  (Nowy  Dwor  u.  a.)  sind  kaum  zu  empfehlen. 

Waobk:  Tourfahrt  im  Winter  10,  im  Sommer  15,  im  Herbst  30  Kop. ; 
für  den  ganzen  Tag  2  B. 

Dampfschiffe  (Landungsplatz  gegenüber  dem  Seminar) :  Dampfer  von 
A.  A.  Seveke  und  der  Gesellschaft  Polsa  verkehren  zwischen  Jarosslawl 
Rybinsk;  Bsamoljot-  und  Drushina- Dampfer  gehen  aufwärts  bis  Twer, 
abwärts  bis  Kishny-Nowgorod  und  Asstraehan. 

Pbombmadbn  :  in  der  Stadt  am  Wolshskaja-  und  Kotorostnaja-Quai.  auf 
dem  Strelitzen-Boulevard  und  im  Stadtgarten  (TopoxcKOi  ca^i) ;  ausserhalb 
der  Stadt  im  Poluschkina- Gehölz  (no^iyrnKnaa  pon^a)  und  naeh  dem 
Tolgsky-Kloster  (ToJcrcaUt  Mob.),  letztere  besonders  belebt  am  1.  Juli. 

Jaro8$lawl,  Gouvernementshauptstadt  mit  23,000  Einw.,  am 
r.  Ufer  der  hier  bereits  gegen  700  m  breiten  Wolga,  ist  Sitz  eines 
Erzbischofs,  hat  77  Kirchen,  ein  grosses  Priesterseminar,  Lyceum 


nach  Wologda.  JAROSSLAWL.  24.  Route.     319 

u.  8.  w.  und  zahlreiche  industrielle  Etablissements  (Jarosslawler 

Manufactur,  Seiden-,  Tabak-,  Bleiweiss-  u.  s.  w.  Fabriken).     An 

die  regelmässig  gebaute  Stadt  mit  breiten  Strassen  schliessen  sich 

längs  der  Wolga  5  Vorstädte  an.  —  Die  Deutschen  in  Jarosslawl 

bilden  eine  kleine  besondere  Gemeinde  und  haben  eine  lutherische 

Kirche  sowie  ein  eigenes  Schulhaus. 

ZurGesehiehte.  Jarosslawl  soll  e.  1090  von  Jarosslaw  WladimirowiUeh 
(1020-1(^)  gegründet  sein.  Der  zuerst  erbaute  Theil  der  Stadt  zwischen 
der  Wolga,  der  Kotorost  und  der  Schlucht  Medwjeditz  wurde  y^RuMenny 
Oorod^  genannt.  1149  wurde  die  Stadt  bereits  von  den  Nowgorodem  im 
Kriege  gegen  Jury  Dolgoruky  zerstört.  1237  plünderten  und  verbrannten 
die  Tataren  die  Stadt.  1471  wurde  das  Fürstenthum  Jarosslawl  mit  dem 
Grossfürstenthum  Moskau  durch  Iwan  III.  vereinigt.  1588  wurde  der 
Stadttheil  Stmljancigorod  erbaut.  Ende  des  xvi.  Jahrh.  war  Jarosslawl 
eine  bedeutende  Handelsstadt.  —  Durch  Peter  d.  Gr.  wurde  Jarosslawl 
zur  Provinzial-Hauptstadt,  durch  Katharina  II.  zur  Gouvernementsstadt 
erhoben.  1743  wurde  Biron,  Herzog  von  Kurland,  hierher  verbannt;  er 
lebte  in  Jarosslawl  mit  seiner  Familie  bis  1761.  1748  gründeten  Wolkow 
und  Poljuschkin  hier  das  erste  russische  Theater. 

Die  Stadt  gewährt,  besonders  von  der  Wolga  her,  einen  male- 
rischen Anblick.  Die  hohen  Uferränder  liegen  wie  ein  Festungs- 
gürtel rings  um  dieselbe,  und  sind  nur  durch  sechs  Einschnitte, 
die  den  Zugang  ins  Innere  öffnen,  unterbrochen.  Aus  diesem  na- 
türlichen Wall  blicken  Baumpflanzungen,  schöne  Gebäude  und  mehr 
als  die  Hälfte  sämmtlicher  Kirchen,  links  die  Rublenny,  rechts 
die  Semljanoi  Gorod,  nach  der  alten  historischen  Eintheilung  (jetzt 
zerfällt  die  Stadt  in  3  Polizeibezirke  und  12  Quartiere)  hervor. 

Die  Bublenny  Oorod  (PyöieHHiiiS  ropoAi)  liegt  auf  dem  süd- 
östl.  Ende,  in  dem  Winkel  zwischen  Wolga,  Kotorost  und  Schlucht 
Medwjeditz.  Sie  erhielt  ihren  Namen ,  weil  sie  ursprünglich  als 
hölzerne  Stadt  aufgebaut  und  mit  Palisaden  umgeben  war.  Im 
XYi.  Jahrh.  wurden  diese  durch  einen  hohen  Erdwall  mit  drei 
steinernen  Thürmen  ersetzt ,  von  denen  einer  noch  vorhanden  ist. 
Dieser  Stadttheil  umschloss  die  Kathedrale,  das  fürstliche  Schloss, 
den  Patriarchen-Palast,  8  Kirchen  und  andere  Öffentliche  Gebäude. 

Die  Sen4Janoi  Oorod  (3eHJUiHoäropoA%),  nach  dem  sie  umgeben- 
den Erdwall  benannt,  erstreckte  sich  von  der  Wolga  bis  zur  Sseme- 
nowsky-Durchfahrt  (S.  321),  von  hierüber  den Strelitzen-Boulevard, 
Sspassky  Monastyr,  Kotorost  -  Quai  bis  zum  Podselenskoi  (S.  321) 
am  Medwjeditz.  Auf  dem  Erdwalle  standen  8  Thürme ,  von  denen 
7  aus  Stein  erbaut.  Ton  letzteren  ist  heute  noch  der  Wladiüaw- 
Thurm  (BiacbeBCKaA  öaiUHji)  und  ein  anderer ,  beide  in  der  Nähe 
des  Sspassky  Monastyr  liegend,  erhalten.  Die  Semljanoi  Gorod  bildet 
das  Centrum  der  Stadt  und  umschliesst  2  Klöster,  12  Kirchen,  das 
Gerichts-  und  das  Gouvernementsgebäude,  den  Parade  (Iljinskaja)- 
Platz ,  den  Gostinny  Dwor  und  Haupt  (GUwny)-Bynok.  Die  hier 
liegenden  Hauptstrassen  sind:  die  Moskowtkaja,  Boihdestioen- 
Bkaja,  WlcLS^ewskafa,  dli^Romanowskajaj  Dwarjanskaja  und  JPetro- 
pawlow8kaJa,  welche  quer  durchschnitten  werden  von  der  Duchow- 
akaja,  der  Strjelezkaja  und  grossen  Linija.   An  den  Kreuxungs- 


320     Route  24.  JAROSSLAWL.  Von  Moskau 

punkten  der  Strassen  liegen  Plätze,  von  denen  der  Paradeplatz 
der  grösste  ist ;  alle  sind  gepflastert,  auch  die  Strassen  oder  Durch- 
fahrten, welche  von  der  Stadt  zur  Wolga  hinabführen. 

Der  nordwestl.  Theil  Jarosslawl  wird  Tabor  (Ta6opx)  genannt, 
eine  Bezeichnung,  die  aus  dem  xvii.  Jahrh.  stammt ;  auf  dem  Platze 
dieses  Stadtthells  hatten  angebl.  die  Polen  ihr  Lager  aufgeschlagen. 

Die  Besichtigung  der  Stadt  beginnen  wir  mit  dem  Wolshskaja 
Quai  (BoiSCKaH  HaöepexHaa),  1820-1827  durch  den  Gouverneur 
Besobrasow  angelegt.  Der  Quai  erhebt  sich  c.  68  m  über  den  Wasser- 
spiegel der  Wolga;  zu  letzterer  fällt  terrassenförmig  ein  breiter  Bou- 
levard ab,  der  mit  prächtigen  Bäumen  bepflanzt  und  nach  dem  Ufer 
zu  mit  eisernem  Gitter  versehen  ist.  An  verschiedenen  Stellen  führen 
die  oben  erwähnten  Durchfahrten  oder  Einschnitte ,  welche  im  Ni- 
veau der  Boulevards  überbrückt  sind,  zur  Wolga  hinab.  —  Amnördl. 
Ende  des  Quais  die  Peter-Pauls-Kirche  (UepKOBb  üeTponaBiOBCKafl 
Ha  Boirli)  im  byzantinischen  Stil ,  mit  5  Kuppeln  und  Grabdenk- 
mälern alter  Jarosslawler  Fürsten. 

Wenden  wir  uns  südl.,  so  gelangen  wir  zur  Wossdwishensky- 
Durchfahrt  (BoaABHxreHCKiS  C'B'bsA'B),  an  der  rechts  ein  neues  Ge- 
bäude, das  Seminar  für  Priestertöchter  {Ym/umuye  A'bBini'B  AJxoBHaro 
SBaHifl).  Jenseit  der  Durchfahrt  liegt  die  Kirche  Maria  Verkfiindi- 
piin^  (UepKOBb  BiaroBtmeHia  IIpecBflToä  EoropoAHmii).  Weiterhin 
jenseit  einer  kleinen  Durchfahrt,  an  der  Mauer  der  Nikolo-Nad- 
jäinkaja- Kirche,  das  Haus  Biron's,  in  welchem  dieser  während 
seiner  Verbannung  (S.  319)  wohnte.  An  derselben  Mauer  das  Schloss 
(^BopeiCB),  für  den  Besuch  hoher  Personlichlceiten  eingerichtet,  und 
das  Gouvernement  {lf.om>  na^aibHHKa  ryöepmS).  Weiterhin,  dicht 
am  Quai,  der  Wolgskaja-Thurm  (BoirCKaa  öamna). 

Rechts  haben  wir  nun  den  Iljinsky 'sehen  Parade- Platz  (IlapaA- 
Hafl  HjbHHCKafl  nioniaxb) ,  an  den  sich  der  Garten  des  Gouverneurs 
schllesst.  Im  Centrum  des  Platzes  eine  Bronzesäule  zu  Ehren  Demi- 
dow's,  des  Gründers  des  Jarosslawler  Lyceums.  Der  Platz  ist  um- 
geben von  schonen,  massiven  Häusern,  meist  Staatsgebäuden,  dar- 
unter der  Gerichtshof  (IIpHcyTCTBeHHoe  m*cto),  neben  dem  ein 
Denkmal  aus  Geschützen  und  anderen  Geräthen,  mit  denen  die 
Jarosslawler  sich  gegen  die  Polen  und  Anhänger  Dmitry's  ver- 
theidigten.  Nicht  weit  vom  Platze  liegen  das  alte  und  das  neue 
Kaußaus  (CrapuM  h  Hobuü  rocTHHHue  ^Bopu).  Nahe  dem  Wolg- 
skischen  Thurm  das  von  einem  Garten  umgebene  Lyceum  (^eMHXOB- 
CKiÜ  iHaeä),  die  eine  seiner  Fa^aden  demKotorost-Quai  zuwendend. 
Es  wurde  1805  von  Demidow  als  Rechtscollegium  gegründet  und 
reich  dotirt. 

In  dem  Winkel,  welchen  die  Wolga  am  Einfluss  der  Kotorost 
bildet,  lohnt  es,  einen  Augenblick  Halt  zu  machen,  um  einen 
♦Blick  auf  den  Fluss  und  seine  Umgebungen  zu  werfen.  Gerade 
vor  uns  fliesst  die  Wolga,  an  ihrem  wiesenreichen  Ufer  hat  sich  die 
Tweriikaja  Ssloboda  (TBepHUKaii  cioöoAa) ,  eine  Vorstadt  Jaroiss- 


nach  Wologda.  JAROSSLAWL.  2rf.  Route.     321 

lawls,  angebaut ;  etwas  rechts  der  Landungsplatz  der  Schiffe ,  der 
sog.  Wolga-Hafen,  am  Kotorost-Quai ,  der  sich  3  W.  lang  bis  zu 
den  Schleusen,  an  denen  die  grosse  Manufactur,  entlang  zieht. 
Weiter  rechts  die  hängende  Brücke  (BhcahIü  kocti),  an  der  Mün- 
dung der  Kotorost  über  den  Fluss  geworfen.  Neben  dem  Landungs- 
platz, am  Kotorost-Quai,  liegen  die  russischen  Bäder,  Podaelen  ge- 
nannt ;  ihnen  gegenüber,  auf  der  andern  Seite  der  Podselenskyschen 
Durchfahrt,  ein  altes  steinernes  Gebäude,  welches  aus  den  Ueber- 
resten  des  Podselenskyschen  Thurmes  erbaut  wurde  und  Jetzt 
Schmiede-  und  Schlosserwerkstätten  enthält.  Rechts  vom  Lyceum 
die  Kathedrale  (s.  unten)  und  der  Ersbiflchöfliehe  Palait  (Apxie- 
peäcKiü  AOHi),  1787  aus  dem  Sspasso-Preohrashensky-Kloster^  einem 
der  ältesten  Russlands,  zu  seiner  gegenwärtigen  Bestimmung  herge- 
richtet. In  ihm  verdienen  Erwähnung :  die  Kirche  der  Verwandlung 
des  Herrn,  1216  erbaut,  mit  sehr  alten  Heiligenbildern ,  mit  den 
Gräbern  einiger  Erzbischofe  von  Rosstow ,  einer  reichen  Sakristei, 
Bibliothek  u.  s.  w.,  und  die  Kirche  der  Heil,  Feodor,  David  und 
Konstantin,  1831  auf  dem  Platze  einer  alten  Kirche  vom  J.  1218 
erbaut ;  in  silbernen  Schreinen  die  Reliquien  der  helligen  Fürsten 
u.  a.  Weiterhin  am  Quai  andere  Kirchen,  das  adlige  Pensionshaus, 
Kasernen  und  einige  Privatgebäude. 

Von  der  Mitte  des  Wolga-Quais  führt  die  Ssemenowsky- Durch- 
fahrt zum  Flusse;  am  Rande  desselben  zieht  sich  ebenfalls  ein 
Boulevard  entlang.  Dieser  setzt  sich  in  das  Innere  der  Stadt  als 
Strjälezkaja- Strasse  oder  -Boulevard  fort ;  er  ist  fast  seiner  ganzen 
Länge  nach  mit  schönen  Linden  besetzt.  An  ihm  liegen  das  Ka- 
san'sche  Kloster  (s.  unten),  der  Ssemenowsky- Platz  und  öffentliche 
Gebäude.  Am  Ende  des  Strelitzen-Boulevards  das  Theater  und  der 
Wassiljewsky  -  Platz. 

Ton  den  77  Kirchen  der  Stadt ,  von  denen  42  allein  aus  dem 
zviii.  Jahrh.  stammen,  sind  die  bemerkenswerthesten : 

Die  Kathedrale  Uariä  Himmelfahrt  (Coöcpi  YcneHifl  Eo2Rieft 
MarepH),  1215  vom  Grossfürsten  Konstantin  Wssewolodowitsch  ge- 
gründet; das  gegenwärtige  Gebäude  stammt  von  1646.  In  ihm  die 
Beliquien  (Momn)  der  heilig  gesprochenen  Jarosslawler  Fürsten 
Wassily  und  Konstantin  Wsewolodowitsch.  Links  von  der  Zaren- 
Thür  des  Ikonostas  das  angeblich  aus  dem  xu.  Jahrh.  stammende 
Bild  der  heil.  Mutter  Gottes;  gegenüber  links  vom  Chor  das  Büd  des 
Erlösers.  Am  Hauptaltar  die  Bilder  der  obengenannten  heiligen 
Fürsten ,  mit  reichem  Silber-  und  Goldschmuck.  Die  Kathedrale 
besitzt  reiche  und  alterthümliche  Klrchengerathe,  die  Bibliothek  alte 
Evangelien.  Hier  werden  auch  die  Fahnen  der  Opoltschenije  (Miliz) 
von  1812  und  1853-56  aufbewahrt. 

DieKirche  des  h.  Michael  (UepKOBb  CBHiaro  ApxaHreia  MHxaHia), 
1213  vom  Grossfürsten  Konstantin  Wssewolodowitsch  erbaut,  1657 
restaurirt,  enthält  werthvoUe  alte  Gemälde. 

In  der  Vorstadt  Korownik  (KopoBHHKi) ,  am  Flusse  Kotorost, 

Bussland.     2.  Aufl.  21 


322    Boute  24,  WOLOGDA.  Von  Moskau 

stehen  die  Kirche  des  h,  Johann  Chrysostomus  (IlepK.  Cb.  loanna 
3iaToycTaro),  mit  'werthyollen  Heiligen'bUdern,  und  die  Kirche  der 
Wladimir' sehen  MvMer  Oottes  (UepK.  Bia^HHipcKoft  Boxieft  Ma- 
TepH),  beide  aus  dem  xyii.  Jahrh.  Am  20.  Juli  jeden  Jahres  findet 
eine  Prozession  nach  der  Johannes  «Kirche  statt.  —  In  ToUschkow 
die  Kirche  Johannes  des  Täufers  (IlepK.  loaima  npexreqH),  1680-86 
erbaut,  eine  der  architektonisch  bedeutendsten  von  Jarosslawl.  Sie 
ähnelt  der  Moskauer  Wassilija  Blashennaja,  nur  dass  sie  nicht  12, 
sondern  15  symmetrisch  vertheilte  Kuppeln  hat. 


Die  1872  erbaute  schmalspurige  Bahn  von  Jarosslawl  nach  Wo- 
logda  überschreitet  die  Wolga  und  führt  ztinächst  durch  wohlbebaute 
Gegenden  des  Gouvernements  Jarosslawl.  Im  Gouvernement  Wo- 
logda ,  in  dessen  südl.  Theile  viele  adelige  Güter  und  reiche  Dorfer 
liegen,  werden  die  bisher  zahlreichen  Espenwälder  durch  Nadelholz- 
wälder verdrängt.  Die  Bewohner,  theilweise  finnischen  Ursprungs, 
wenngleich  russisch  redend ,  sind  als  Zimmerleute  und  Ofensetzer 
berühmt.  Das  Gouvernement  Wologda  liefert  auch  einen  Theil  der 
sog.  Tula  -Waaren  und  Arbeiten  in  Silberflligran. 

Stationen  unbedeutend.  —  62  W.  Danilow  (AamnOBi).  Bahn- 
restaur.  —  148  W.  Gr^'asotr^s  (FpiisOBem ;  Bahnrestaur.),  Kreis- 
stadt mit  lebhaftem  Handel  (Hanf,  Flachs,  Hopfen),  in  sumpfigem 
Terrain  (rpiisb  Schmutz). 

192  W.  Wologda  (BojorAa;  guter  Gasthof),  Gouvernementsstadt 
mit  c.  18,(X)0  Einw.,  auf  beiden  Seiten  ^tiWologda  gelegen,  macht 
aus  der  Ferne  einen  sehr  stattlichen  Eindruck.  Zwei  Kathedralen,  54 
Kirchen  mit  zahlreichen  Thürmen  und  Kuppeln  zieren  sie;  die  näch- 
sten Umgebungen  sind  mit  parkartigen  Anpflanzungen  bedeckt.  Das 
Innere  der  Stadt  entspricht  aber  keineswegs  den  Erwartungen ,  die 
dadurch  geweckt  werden.  Sie  hat  überwiegend  hölzerne  Häuser, 
die  in  den  breiten,  meist  ungepflasterten  Strassen  so  weit  voneinander 
entfernt  liegen ,  dass  der  Ort  über  1  St.  im  Durchmesser  hat.  Wo- 
logda ist  der  Hauptstapelplatz  des  von  Nowgorod  nach  Nordasien  ge- 
richteten Handels ;  bedeutende  Fabrikthatigkeit  in  Segeltuch,  Leder, 
Glas,  Filigran  (Tula)-  Arbeiten,  ^j^  St.  von  der  Stadt  eine  der 
Musterfarmen  des  Gouvernements  Wologda. 

Wolog4a  war  die  erste  Handelsstation  der  Xowgoroder  (S.  349)  in 
der  y^Sawototsehkaja  Tichudy^.  1147  gründete  der  heil.  Jerassim  hier  das 
DreifalügkeiWiloiUr^  das  später  in  eine  Pfarrkirche  umgewandelt  wurde. 
Die  Stadt,  die  sich  um  das  Kloster  ansetzte,  wird  1264  zuerst  erwähnt 
und  stand  unter  der  Oberhoheit  Nowgorods.  Die  Moskowitischen  Herrseher 
benutzten  sie  vor  der  Eroberung  Sibiriens  zum  Verbannungsort.  Am  Kreu- 
zungspunkte der  Verkehrslinien  zwischen  dem  Kaspischen,  Baltischen 
und  Weissen  Meere  gelegen  wurde  die  Stadt  im  zvi.  Jahrh.  der  Haupt- 
Stapelplatz  für  die  nach  Archangelsk  gehenden  und  von  dort  und  Si- 
birien kommenden  Waaren.  Iwan  IV.  liess  1669  3  Kanäle  in  der  Stadt 
graben;  die  ausgegrabene  Erde  bildet  noch  jetzt  die  Tatariaehen  Hügel^  so 
genannt,  weil  die  gefangenen  Tataren  dort  begraben  wurden.  Die  von 
Iwan  begonnene  Steinmauer  blieb  unvollendet.  Seit  der  russisch-euro- 
päische Handel  sieh  in  St.  Petersburg  concentrirte,  schrumpfte  Wologda 


nach  Wologda.  WLADIMIR.  25,  Route.     323 

zum  Stapelplatz  für   die  örtliche  Production  zusammen,  die  hier  ver- 
frachtet und  nach  Archangelsk  resp.  St.  Petersburg  verschifft  wird. 

Bei  Wologda  endigt  nordwärts  die  Eisenbahn  und  der  Reisende 
ist  auf  Post-  oder  DampfschifPfahrt  angewiesen.  Lohnend,  doch  mit 
Schwierigkeiten  verknüpft ,  ist  eine  Fahrt  in  der  Tarantasse  nach 
dem  berühmten ,  1398  von  dem  nordischen  Apostel  Cyrill  gegrün- 
deten Kirilo-Bjelo-Osersky-Kloster,  104  W.  von  Wologda,  bei  der 
Kreisstadt  Kirilow  (Ehphiob-b). 


25.  Von  Moskau  nach  Nishny-Nowgorod. 

410  W.  Courierzug  in  121/2  St.,  Postzug  in  16  St.  für  15.38,  11.53,  5.89  R. 
Abfahrt  vom  Nishny-Nowgoroder  Bahnhof  (PI.  F,  5),  fast  1  St.  vom  Cen- 
tram der  Stadt. 

Die  Gegend  östl.  von  Moskau  bis  znr  Wolga  (Gouvernements 
Wladimir,  Kosstroma,  Nishny- Nowgorod,  zum  Theil  Rjäsan)  ist 
überwiegend  Waldland.  In  den  Städten  wird  viel  Industrie  getrieben. 
Die  Bewohner  haben  sich  von  fremden  Elementen  ziemlich  rein  ge- 
halten und  sind  die  besten  Vertreter  des  grossrussischen  Typus. 

7  W.  Stat.  Eusskowo  (KycKOBO),  S.  309.  —  20  W.  Ohiralowka, 
—  32  W.  Wassüjewo. 

48  W.  Stat.  Bogorodsk  (EoropoACKi),  10  W.  von  dem  gleichn. 
Kreisstädtchen,  an  der  Kljasma,  mit  einigen  Fabriken. 

61  W.  Pawlowo  (IlaBjiOBO).  Bahnrestaur.,  15-20  Min.  Aufent- 
halt. —  Im  Flecken,  mit  4500  Einw.,  viele  Fabriken  von  Seiden-  und 
BaumwoUwaaren,  Färbereien,  Ziegelbrennereien.  —  100  W.  Pokrow. 

1 15  W.  Q'ätuBchki  (n-bTymKH).  Bahnrestaur.,  15-20  Min.  Aufent- 
halt. 

Die  Gegend  gewinnt  ein  freundlicheres  Ansehen.  Die  Bahn  zieht 
sich  am  1.  Ufer  der  Kljasma  an  einer  Hügelkette  hin.  Mehrere  un- 
bedeutende Stationen,  dann 

177  W.  Wladimir  (BiaAHHipi.  —  Bahnrestaur.,  25  Min.  Aufent- 
halt) ,  auch  Wolodomer  genannt ,  ehemals  Hauptstadt  des  gleichn. 
Grossfürstenthums ,  jetzt  Sitz  des  Oivilgouverneurs  und  des  Erz- 
bischofs von  Wladimir  und  Ssusdal,  mit  16,422  Einw.,  am  hohen 
1.  Ufer  der  Kljasma  malerisch  gelegen.  Viel  Fabrikthätigkeit,  aus- 
gedehnter Obstbau. 

Die  Stadt  wurde  1116  von  Wladimir  II.  Wssewolodowitseh  Honomachus 
gegründet,  von  Andrei  I.  Jurjewitsch  (1169-1174)  zur  Residenz  erhoben, 
verschönert  und  vergrössert^  sie  dehnte  sich  schon  wenige  Jahrzehnte 
später  bis  zum  Flecken  Bogoljubowo  aus,  der  heute  mehrere  Werst  ent- 
fernt liegt.  1238  vvurde  Wladimir  von  den  Tataren  unter  Baty-Ghan  er- 
obert und  zerstört.  Die  Gemahlin  des  Grossfürsten  Georgs  III.  suchte  mit 
ihren  3  Söhnen  und  ihrer  Tochter,  dem  Bischof  Hitrophan  und  vielem 
Volk  Zuflucht  in  der  Kathedrale,  Baty  -  Chan  aber  Hess  dieselbe  anzünden 
und  alle  kamen  in  den  Flammen  um.  Als  im  J.  1838  die  Tataren  unter 
TJsbek,  dem  Chan  der  goldenen  Horde,  abermals  vor  Wladimir  erschienen, 
flüchtete  der  Grossfürst  Alexander  Michailowitsch  nach  Pskow,  worauf 
TJsbek  das  Grossfürstenthum  an  Iwan,  den  Bruder  des  Grossfürsten  Georg 
von  Moskau,  schenkte.  Seitdem  blieb  Wladimir  unter  moskowitischer 
Herrschaft. 

21* 


324    Boute  25.  WJASNIKI. 

Wladimir  ist  ähnlich  angelegt  wie  Moskau:  um  den  Kreml  als 
Mittelpunkt  lagern  sich  ringförmig,  durch  Wälle  von  einander  ge- 
schieden, die  Vorstädte  Kitaigorod  und  Bjeloigorod,  Der  Kreml  ist 
zum  Theil  verfallen,  auch  die  Erdwälle  beginnen  zu  verschwinden. 
Die  Strassen  sind  breit  und  gerade;  hervorragende  moderne  Gebäude 
sind  der  Adelskluh  und  das  Gymnasium.  Von  den  28  Kirchen  ist 
die  bemerkenswertheste  die  Kathedrale  zu  Maria  Himmelfahrt  oder 
Usspensky -Kathedrale,  vom  Grossfürsten  Andrei  Jurjewitsch  im 
XII.  Jahrh.  erbaut,  nach  der  Zerstörung  durch  die  Tataren  (s.  oben) 
prächtig  wieder  aufgebaut  und  lange  Zeit  die  erste  Kathedrale  Russ- 
lands ,  Grabkirche  der  Grossfürsten  von  Wladimir  und  Krönungs- 
kirche der  Grossfürsten  von  Moskau  (bis  1432).  —  Aus  der  Glanzzeit 
der  Stadt  stammen  ferner  die  schöne  Kathedrale  des  h.  Dmitry  von 
SaUont  im  Kreml,  1194  gegründet,  mit  merkwürdigen  Sculpturen 
an  den  Aussenwänden,  und  das  sog.  Goldene  Thor  (Sojeotha  Bopora), 
eine  Triumphpforte  aus  dem  J.  1 158  mit  darangebauter  Kirche,  1238 
zerstört,  später  neu  erbaut. 

223  W.  Nowki  (Hobkh).  Bahnrestaur.,  15  Min.  Aufenthalt. 

Von  Nowki  nach  Kineschma  171  W.,  Eisenbahn  in  7  resp.  OVaSt. 
für  6.41,  4.81,  2.46  R. 

56  W.  Schuja  (IHya),  Fabrikstadt  mit  c.  12,000  Einw.,  an  der  Tesa,  einem 
Nebenflüsschen  der  Kljasma.  Haupterzeugnisse  der  Industrie  sind  Kattun 
und  Schafpelze. 

84  W.  Iwanowo  (HBaHOBO-BosHeceHCKi ;  Bahnrestaur.,  20  Hin.  Aufent- 
halt), an  der  Uwoda^  bildet  mit  der  auf  dem  andern  Ufer  liegenden  Sslobode 
Wo$neBientk  und  einigen  andern  Dörfern  eine  G-ruppe  von  Fabrikorten,  die 
unter  dem  Namen  Iwanowo  zusammengefasst  wird  und  etwa  17,000  Einw. 
zählt.  In  e.  150  Fabriken  werden  hier  jährlich  über  1  Mill.  Stück  Kattun 
im  Werthe  von  gegen  10  Mill.  Silberrubel  gefertigt. 

171  W.  Kineschma  (KHHemxa) ,  Kreisstadt  an  der  Wolga  (s.  S.  344). 
Dampfschiffverbindung  nach  Rybinsk  (S.  340)  und  Twer  (S.  256)  sowie 
nach  Nishny -Nowgorod  (S.  325). 

237  W.  Kowrow  (KoBpoBi),  Kreisstadt  an  der  Kljasma,  mit 

5000  Einw.   Bahnrestaur.,  12  Min.  Aufenthalt. 

Zweigbahn  in  5  St.  20  Min.  (3.83,  2.88,  1.47  R.)  über  Sseliwanowo 
nach  (82  W.)  Hnrom  (Mypowb),  alte  Stadt  an  der  Oka^  angeblich  schon  im 
IX.  Jahrh.  gegründet,  mit  18  Kirchen,  2  Klöstern,  mehreren  Fabriken  und 
lebhaftem  Handel.  —  Von  hier  Dampfbootverbindung  stromaufwärts  nach 
der  alten  interessanten  Mordwinenstadt  Jelatma  (EjiaTBua)  und  weiter  nach 
Kousimoiß  (KacHMOffB),  einst  Residenz  des  Tataren-Chans  Kasim,  und  BJäsan 
(S.  385)  i  stromabwärts  (18  St.)  nach  Nishny-Nowgorod  (S.  32ö). 

293  W.  Wjasniki  (Bhshhkh),  Kreisstadt  an  der  Kljasma,  mit 
4500  Einw.    Viel  Kornhandel  und  bedeutende  Leinenfabrikation. 

337  W.  Gorochowez  (FopoxoBeii'B).  Bahnrestaur.,  10-20  Min. 
Aufenthalt.  —  356  W.  Gorbatow  (ropöaTOBi) ;  die  gleichn.  Kreis- 
stadt (2700  Einw.),  mit  Tau-,  Stahl-  und  Ziegelfabriken,  liegt  9W. 
von  der  Station  an  der  Oka. 

12  W.  Ton  der  Stat.  Gorbatow  liegt  das  Dorf  Bogorodsk  (BoropoxcRoe), 
einst  Besitzthum  von  Kosma  Minin  (S.  289) ,  jetzt  nebst  seiner  Umgebung 
voller  Gerbereien.  —  25  W.  von  der  Stadt  Gorbatow  liegt  Paalowo  (üas- 
jiOBo),  an  der  Oka,  Mittelpunkt  einer  sehr  bedeutenden  Metallwaaren- 
fabrikation. 

Je  mehr  man  sich  der  Wolga  nähert ,  desto  häufiger  werden  die 


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Lage,  NISHNY-NOWGOROI>.        25,  Route,    325 

stattlichen  Dörfer ,  oft  mit  hübschen  Kirchen.   Statt  der  endlosen 
Wälder  beginnen  Wiesen  und  Ackerland. 

410  W.  Nislmy-Nowgorod  (HnsHiä  HosropoA'B). 

ANKinjFT.  Der  Bahnhof  (PL  A4, 5)  liegt  auf  der  Jahrmarktseite  (Hnse- 
ropoACKaa  flpuapRa)  bei  der  Sslobode  Kunawino ,  so  das^  man ,  um  zur 
eigentlichen  Stadt  zu  gelangen,  die  Fähre  über  die  Oka  zu  passiren  hat. 
Zur  Messezeit  nehme  man  einen  Wagen  und  fahre  über  die  Oka-Brücke 
(S.  334)  zur  eigentlichen  Stadt  hinüber. 

Gasthofs  (zur  Zeit  der  Hesse  meist  überfüllt  und  bedeutend  theurer 
als  zu  gewöhnlichen  Zeiten).  In  der  Unterstadt :  die  Nummern  von  Bub- 
now  und  Baschkirow  (PI.  D  3).  —  In  der  Oberstadt:  Hotel  de  la 
P o s t e  oder  Ssmirnow  (guter  Mittagstisch) ;  die  Nummern  in  der 
Alexej  ewskaj  a  (PI.E3),  Zimmer  vonBOEop.  an,  monatlich  4-15 Rubel. 
—  Auf  der  Jahrmarktsseite:  Hotel  Germania  (Besitzer  Fauldraih)^ 
nicht  billig,  Z.  von  31/2  K*  ^t^\  Sobolew  (während  der  Messe  nicht  em- 
pfehlenswerth).  Nomera  Wischnjakow  (PI.  C3).  Traktir  mit  Num- 
mern, unfern  des  Bahnhofs  und  am  Landungsplatz  der  Ssamoljot-Dampfer 
an  der  Oka;  von  der  Veranda  prächtige  Aussicht. 

Bbstaurants  (Traktire)  in  allen  Hotels  und  Nummern.  Jermolajew 
(TpaKTupi  EpMOJiaeBbLx:b,  PI.  D  2)  in  der  Mininskaja  (Unterstadt). 

Post  im  Kreml  und  in  der  oberen  Stadt  (PI.  E  3).  —  Tblbgbaph  im 
Kreml,  im  Unteren  Bazar  und  in  der  Shukowskaja,  Haus  Sstogow. 

Waoek.  Es  giebt  Droschken  und  Schlitten  I.  u.  II.  Cl.  Vom  Bahnhof 
nach  der  untern  Stadt :  Droschke  I.  Cl.  4ö,  II.  Gl.  30,  Schlitten  I.  Gl.  25,  II.  Cl. 
51  Kop. ;  vom  Bahnhof  nach  der  oberen  Stadt :  Droschke  I.  C\.  50,  II.  Cl.  35, 
Schlitten  I.  Gl.  30,  II.  Gl.  20  Kop. ;  vom  Bahnhof  nach  der  Kunawin^sehen 
Fähre  oder  Brücke:  Droschke  I.  Cl.  25,  II.  Cl.  15  Kop.  Zeitfahrten:  iSt. 
Droschke  I.  Gl.  40,  II.  Gl.  30,  Schlitten  I.  Gl.  30,  II.  Cl.  20 Kop.-,  für  den 
ganzen  Tag  (10  St.)  Droschke  I.  Cl.  3B.,  Zweispänner  4  R.  ^  Kop.  — 
Für  Gepäck:  Droschke  10,  Schlitten  5  Kop.  —  Bin  etwas  höherer  Tarif 
gilt  für  Ein-  und  Zweispänner  I.  und  II.  (31.  während  der  Jahrmarktszeit 
(27.  Juli  bis  10.  Sept.). 

FÄHBOBLD  auf  Wolga  und  Oka  von  Nishny  nach  den  Landungsplätzen 
von  Kunawino  und  Borowsk:  Fussgänger  im  Frühling  und  Herbst  2,  im 
Sommer  1  Kop. ;  für  Einspänner  25  resp.  20,  Zweispänner  30  resp.  25  Kop. 

Dampfschiffe  (Landungsplatz  PI.  E):  nach  Kasan  8  R.  50;  nach 
Ssaratow  (täglich  ausser  Samstags)  I.  Cl.  21  B.  60,  II.  Gl.  14  R.  10;  nach 
Zarizin  (täglich  ausser  Samstags)  I.  Cl.  27R.  40,  II.  Cl.  18  R.  10;  nach 
Assirachan  (4  mal  wöchentlich)  I.  Cl.  35  R.,  II.  Gl.  23  R.,  III.  Cl.  10  R.; 
nach  Perm  I.  Cl.  27  R.  40,  II.  Cl.  21  R.  30  Kop.     Gepäck  je  nach  Gewicht. 

Thbatbb.  Stadttheater  am  Theaterplatz  (PI.  E  3).  Loge  3  R.  50  Kop., 
Parket  1  R.  Oper,  Ballet,  Schauspiel,  vorzüglich  russische  Volksstücke. 
Im  Winter  auch  musikalische  Aufführungen.  —  Jahrmarkts  -  Theater 
während  der  Messe. 

Photooraphibh  am  besten  bei  Ä.  Karelin ,  Ossypnaja  Nr.  12,  gegen- 
über Hotel  Lopaschew. 

Badbb  :  Badeanstalt  von  Ssobolevo  in  der  Roshdestwenskaja  (PI.  D  2), 
auch  Nummern.  —  Flussbäder  im  Juli  bei  der  Jahrmarktsbrücke. 

Rauchsit  auf  der  Jahrmarktsseite  in  den  Marktstrassen  bei  25  R. 
Strafe  verboten. 

Für  flüchtige  Besichtigung  der  Sehenswürdigkeiten  der  Stadt  genügt 
ein  Tag,  doch  wird  man  namentlich  während  der  Messe  auch  3  Tage  gut 
ausfüllen  können. 

Nishny -Nowgorod  (d.  h.  Unter  -  Nowgorod) ,  so  genannt  zum 
Unterschiede  von  Nowgorod  am  Ilmensee  (S.249),  ist  Hauptstadt 
des  gleichn.  Gouvernements,  Sitz  des  Militär-  und  Civil-Gouver- 
neurs  und  eines  Bischofs  und  hat  ca.  69,000  Einwohner  sehr  ge- 
mischter Nationalität. 

Unter  den  Bewohnern  fallen  am  meisten  die  Kasaner  Tataren  auf. 
Charakteristisch  ist  neben  dem  unverkennbaren  Typus  der  mongolischen 


326     Route  25.  NISHNY-NOWGOROD.  Geschichte, 

Rasse  auch  die  Tracht :  lange  blaue  oder  rothe  Hemden  und  Beinkleider, 
im  Winter  dazu  der  Schafpelz;  Bast-  oder  Filzschuhe,  auf  dem  ge- 
schorenen Kopfe  ein  kleines  rundes  Tuchkäppchen ,  Welches  gerade  den 
Hinterkopf  bedeckt,  darüber  hauAg  der  weisse  spitze.  Filzhut.  Die 
Frauen  kleiden  sieh  fast  eben  so;  die  Gesichter  sind  nach  tatarischer 
Sitte  meist  verhüllt. 

NishTiy-Nowgorod  zerfällt  in  zwei  ganz  getrennte  undTcrschiedene 
Theile,  in  die  eigentliche  Stadt,  malerisch  auf  dem  Hügel  zwischen 
Wolga  und  Oka  (S.  346),  die  hier  zusammenfliessen,  gelegen ;  und  in 
den  Jahrmarkt  (S.  333)  auf  der  flachen  und  niederen  Landzunge 
am  linken  Oka-Üfer,  den  Schauplatz  der  weltberühmten  Messe,  die 
Strjälka  (Crp'bjiKa)  mit  der  Sslobode  Kunawino,  Die  eigentliche 
Stadt  tbeilt  sich  in  eine  obere  und  eine  untere.  Die  Oberstadt  {Bepx" 
Hift  ropoÄi»)  liegt  auf  3  Hügeln,  von  denen  derjenige,  der  den  Kreml 
trägt,  der  TschassowoJ-Berg  {HsiCOBAa  ropa),  die  andern,  mit  diesem 
in  einer  Linie  liegend,  der  Iljinskische  und  ßuschew-Berg  genannt 
werden.  Mehrere  Punkte  der  obern  Stadt  haben  noch  besondere  Be- 
zeichnungen :  der  Greheschok,  die  Djatlow-Berge  u.  a.  Die  Unter- 
stadt (HhahIÜ  ropoAi)  liegt  zwischen  dem  Ufer  der  Wolga  und  den 
genannten  Bergen ;  sie  ist  mit  der  oberen  Stadt  durch  serpentinen- 
artig ansteigende  Hohlwege  {cvbsf.'h)  verbunden,  von  denen  die 
wichtigsten  sind ;  die  Pochwalinsky- Schlucht,  von  der  Jahrmarkts- 
brücke, zwischen  den  Ujinskischen  und  Buschew-Bergen  hindurch, 
nach  dem  mittleren  Theile  der  obern  Stadt  (Kl.  Pokrowskaja)  füh- 
rend ;  die  Selensky-Schlucht,  sich  durch  den  Potschainka-Owrag  den 
Weg  bahnend  und  auf  den  Blagowjeschtschenskaja-Platz  nahe  beim 
Kreml  mündend.  Durch  diesen  Hohlweg  (Owrag)  fliesst  der  Bach 
Potschainka  (Potschaina),  der  im  Sommer  meist  ausgetrocknet  ist. 
Quer  durch  den  Potschainka-Owrag  zieht  die  Lykowa  Damha 
(S.  332),  in  entferntere  Theile  der  oberen  Stadt  leitend.  Eine  dritte 
Schlucht  führt  durch  das  Iwanowsky-Thor  direct  in  den  Kreml. 
Vom  Wolga -Quai  aus  durchschneiden  den  Atkoss  (S.  329)  zwei 
Schluchten :  die  Qeorgiewsky-  und  die  Fetschorsky-  oder  Kasansky- 
Schlucht,  erstere  zum  Kreml,  letztere  zum  Petschorsky  -  Kloster 
führend. 

Die  Stadt  hat  43  Kirchen  und  Klöster  der  Rechtgläubigen ,  2 
der  Altgläubigen;  dazu  kommen  1  römisch-katholische,  1  pro- 
testantische, 1  armenische  Kirche,  2  Moscheen,  1  Synagoge, 
8  Hauskapellen. 

Nishny-Nowgorod  ist  reich  an  Fabriken,  seine  Hauptbedeutung 

aber  hat  es  als  Handelsstadt ;  die  vorzüglichsten  Gegenstände  des 

Handels  sind  Getreide,  Eisen,  Salz,  Fische,  Manufacturwaaren. 

Zur  Geschichte.  Nishny-Nowgorod  wurde  zwischen  1219-1222 
von  dem  Wladimir'schen  Grossfürsten  Oeorg  oder  Jury  Wssewolodowitsch  ge- 
gründet, nachdem  sein  Bruder  Swätoslaw  die  Bulgaren  gesehlagen  und 
die  Grenze  des  russischen  Reiches  gegen  Osten  erweitert  hatte.  Die 
Stadt ,  mit  Palisaden  umgeben  ,  sollte  als  Schutz  gegen  die  Einfälle  der 
Mordwinen  und  Bulgaren  dienen.  Seit  1232  hörten  die  Einfälle  der  Mord- 
winen auf  und  Nishny  blühte,  die  Vortheile  seiner  Lage  für  Handel  und 
Schifffahrt  ausnutzend,  schnell  auf.  Unter  Konstantin  WaisiljetoiUch  (1340- 
1355)  wurde  Nishny  selbständig  und  1350  die  Hesidenz  der  Grossfürsten. 


GebuTt$kirche,        NISHNY-NOWGOROB.         25.  Route,     327 

Unter  dem  Sohne  Eonstantin's ,  Andrei  (1355-1365),  wurde  die  Stadt 
theilweise  mit  Mauern  und  Thürmen  befestigt  5  die  "Vollendung  der  Ar- 
beiten verhinderfe  das  Auftreten  der  Pest.  1377  wurde  Nishny-Nowgorod 
Ton  tatarischen  Horden  verbrannt,  die  Einwohner  in  Gefangensehaft  ab- 
geführt. 1392  bemächtigte  sieh  der  junge  Grossfürst  von  Moskau,  Wassily 
Dmitriewitsch ,  begünstigt  von  den  Tataren,  Kishny^s,  welches  damit 
aus  der  Reihe  der  unabhängigen  Theilfürstenthümer  schwand  und  mit 
dem  Grossfürstenthum  Moskau  vereinigt  wurde.  Im  J.  1506  drang  der 
vom  Grossfürsten  hvan  II J.  Watsiyemtsch  1487  eingesetzte  Zar  von  Kasan, 
Machmet  Amin^  mit  Heeresmacht  bis  Nishny-Kowgorod  vor,  verwüstete 
auch  die  Vorstädte,  vermochte  aber  die  Stadt  selbst  nicht  zu  nehmen. 
Bald  darnach  wurde  unter  Wcutily  IV.  lufanoieitseh  der  Kreml  erbaut  und 
diente  Iwan  IV.  als  trefilicher  Stützpunkt  in  seinen  Kriegen  gegen  Kasan 
(1547-1560),  nachdem  er  bereits  1520  dem  Tataren -Chan  Girai  wider- 
standen hatte.  1606  und  1608  belagerten  die  Mordwinen  vergeblich  die 
Stadt.  Das  Unternehmen  Kosma  Minin's  (S.  289)  nahm  seinen  Ausgang 
von  Nishny- Nowgorod.  Die  letzten  kriegerischen  Ereignisse,  deren 
Zeugin  die  Stadt  wurde,  war  im  J.  1613  der  Versuch  des  Kosakenhet- 
mans  Iwan  Sarutzky  und  des  Eäubers  Stenka  Rasin,  sich  Nishny-Now- 
gorods  zu  bemächtigen;  der  Angriff  wurde  aber  zurückgewiesen.  1708 
wurde  die  Stadt  dem  Kasan'schen  Gouvernement  zugetheilt;  seit  1719 
ist  sie  Gouvernementsstadt. 

Mit  der  Fähre  oder  (zur  Zeit  der  Messe)  über  die  Plaschkoutny- 
Brücke  (PI.  C3)  in  die  Stadt  gelangt,  betreten  wir  den  Platz,  der  die 
Blagowjeschtschenskaja  Ssloboda  von  der  Unterstadt  trennt.  Hier, 
zur  Rechten  der  Brücke,  erhebt  sich  an  steilem  Abhänge  die  Aleoois- 
Kapelle  (HacoBHA  AjieKCbeBCKaH,  PL  4) ,  zu  Ehren  des  Metropoliten 
Alexis  (xiY.  Jahrh.)  benannt,  als  Holzbau  1370  errichtet,  in  ihrer 
jetzigen  Gestalt  1846  durch  Schenkungen  des  Kaufmanns  Wereninow 
gebaut.  Von  hier  führt  r.,  am  Eingange  zur  genannten  Ssloboda,  ein 
Weg  zu  den  DJ atlow- Bergen  hinauf;  auf  einem  Vorsprunge  dersel- 
ben, nach  der  Oka  zu,  liegt  das  Kloster  Maritt  Verkändigungr  (Bia- 
TOBtisieHCKiM  HyiKecKiM  HOHaciupi»,  Fl.  27),  nach  einigen  gleichzeitig 
mit  der  Gründung  der  Stadt,  nach  anderen  1371  vom  Metropoliten 
Alexis  erbaut,  mehrmals  durch  Feuer  zerstört.  Die  älteste  der  ö 
Kirchen  des  Klosters,  die  Kathedrale  (Co6opHaH,  öaarOBluueHCKafl), 
stammt  aus  dem  J.  1647.  In  ihr  sind  bemerkenswerth :  das  Bild  der 
heiL  Mutter  Qottes  (ÜKOHa  KopcyHCKoft  üpecBAToä  BoropoAUiiu), 
eines  der  ältesten  Gemälde  Russlands,  laut  der  griechischen  Inschrift 
993,  also  5  Jahre  nach  der  Einführung  des  Ghrlstenthums  in  Russ- 
land (988),  von  Jeromonach  Ssimeon  gemalt;  ferner  die  Evangelien 
(EBanreiie)  aus  dem  Ende  des  xi.  Jahrh.  mit  einer  dem  griechischen 
Alphabet  ähnlichen  Zeichenschrift,  uralten  Typen  (aBaüeHi). 

Von  der  Blagowjeschtschenskaja  Ssloboda  gelangen  wir,  die 
Oka  abi/värts,  in  eine  der  schönsten  Strassen  der  Stadt,  die  Roih- 
deetwenskaja  (FoKAecTBeHCKaa)  oder  Geburtsstrasse,  auch  Nish- 
nebasamaja  genannt.  Hier  gleich  r.  die  auf  mächtigem  Unterbau 
ruhende  Boshdestwensky-  oder  Geburtakirche  (UepROBb  Fo»AecT- 
sa  npecB.  EoropoAHau,  PI.  21),  auch  Stroganowskaja  genannt, 
1719  Yon  dem  Grafen  Gregor  Dmitriewitsch  Stroganow  erbaut. 
Von  den  5  mit  mächtigen  goldnen  Kreuzen  gezierten  Kuppeln  ist 
die  mittelste  mit  Sternen  in  allen  Farben  übersät.   Der  Ikonostas 


328    Routt  26.    NISHNY-NOWGOROD.    BlagowjeschtschemkaL 

stammt  aus  dem  J.  1806.  Unter  den  Heiligenbildern  sind  bemer- 
kenswerth  die  des  Erlösers  (CnacHTei«)  und  der  Mutter  Ootte» 
(BoropoAHUii)»  Sie  waren  angeblich  für  die  Peter-Pauls-Kathedrale 
in  St.  Petersburg  (S.  174)  bestimmt  und  wurden  auf  Bestellung  Pe- 
ter's  d.  6r.  von  Karawak  gemalt.  Während  Peter  sich  aber  im  Aus- 
lande befand ,  kaufte  Stroganow  sie  für  die  Nishegoroder  Kirche, 
welche  zu  jener  Zeit  im  Bau  war.  Als  Peter  nun  1722  bei  seinem 
Besuche  Nishny's  die  Bilder  sah,  befahl  er  die  Kirche  zu  versiegeln 
und  versprach,  die  Angelegenheit  zu  ordnen,  wenn  er  aus  dem 
Persischen  Feldzuge  zurückkehre.  Die  Kirche  blieb  in  Folge  dessen 
bis  zur  Thronbesteigung  Katharina's  I.  (1727)  geschlossen. 

Ueber  den  Ssafronowskaja  -Platz  (PI.  D  3),  an  dem  Gebäude  der 
Mininschen  Brüderschaft ,  der  Vorschule  (in  der  Mininskaja),  der 
Kosmodemjansky-Kirche  (PL  17.)  1.,  der  Troizkaja- Kirche  (PI.  23)  r. 
und  dem  Traktir  Jermolajew  vorbei,  gelangen  wir  am  Durchschnitts- 
punkt der  Selensky- Schlucht,  die  sich  bis  zum  Wolga- Quai  fort- 
setzt, mit  derRoshdestwenskaja  auf  einen  kleinen  Platz,  den  Tolkut- 
schy  Rynok  (ToiKy«iili  pUHOKi),  auf  dem  ehemals  der  Nishegoroder 
Krammarkt  abgehalten  wurde.  Von  hier  führt  die  Roshdestwenskaja, 
von  mehreren  Querstrassen  durchschnitten,  geradeaus  bis  zur  Wolsh- 
skaja  Nahereshnaja,  1.  zur  Nishnaja  Nahereshnaja  ^  r.  in  die  Se- 
lensky-Schlucht,  an  der  gleich  1.  die  Diwjäjewskaja-Kapelle  (PI.  5), 
die  Iwanowskaja- Kirche  (PI.  15)  und  diekatholische-Kirche  (PI.  16) ; 
weiterhin  ebenfalls  r.  führt  von.  der  Roshdestwenskaja  das  Iwa- 
nowsky-Thor  in  den  Kreml. 

Steigen  wir  den  abschüssigen  Weg  der  Selensky- Schlucht  (3e- 
jeHCKifi  ci'bSA'B,  PI.  E  3)  hinauf  und  machen  auf  halber  Höhe  Halt, 
so  haben  wir  den  Blick  1.  aaf  den  steil  über  uns  liegenden  Kreml, 
r.  in  diQ Potschainsky-Schlucht  {UoHdMECisi^OB^^T'b).  DieSelensky- 
Schlucht  hat  ihren  Namen  von  einem  Pulvermagazin  (3eie8Hu8, 
nopoxoBoS  ABopi),  das  in  alten  Zeiten  hier  gelegen  haben  soll ;  der 
Durchstich  in  seiner  jetzigen  Gestalt  wurde  1834  vollendet.  An  der 
Potschainka  liegt  das  Haus  Polza  (^om  rocnoAHHa  Ilojfciia),  in  dem 
Peter  d.  Gr.  zur  Zeit  seines  Feldzuges  gegen  Asow  (1698)  wohnte. 

Die  Selensky-Schlucht  mündet  auf  den  schönsten  Platz  der  Stadt, 
den^Blagowjesehtschenskoi  (BjarovbmeHCKafl  oder  BepxHeöasapHaa 
nJomaAb,  PI.  E3).  Hier  liegen  das  geistliche  Seminar,  das  Gym- 
nasium, die  Post,  das  Kreisgericht  und  das  Theater ;  von  hier  gehen 
radienförmig  die  Hauptstrassen  aus :  in  der  Mitte  die  Warwarskaja 
(BapBapcKafl),  in  der  auf  dem  Ascharskaja-Platz  die  Warwarskaja- 
Kirche  (UepK.  BapBapcKaH,  PI.  8);  r.  die  grosse  Pokrowskaja  (Boib- 
maa  IIoKpoBCKafl,  8.  332)  und  die  Alexejewskaja  (AieKCteBCKaa),  1. 
die  Tichanowskaja  (THxaHOBCKaji).  Die  ganze  Nordseite  des  Platzes 
wird  von  den  alten  Kreml-Mauern  und  -Thürmen  begrenzt.  Mitten 
auf  dem  Platze  die  Kathedrale  der  Verkündigung  Maria,  die  Alexe- 
jewskaja-Kirche  und  ein  mächtiges  Wasserhassin  (PeaepByap'i)  mit 
prächtigem  Springbrunnen. 


PetsckorskyKloster,  NISHNY-NOWGOROD.         25,  Route,     329 

Um  dem  Wassermangel  der  oberen  Stadt  abzuhelfen,  erbaute  1847 
der  Gouverneur,  Fürst  Jurussow,  am  Ufer  der  Wolga,  unterhalb  des 
Atkoss  (s.  unten),  den  Wasser  1  ei  tun  gs-Thurm  (BoAonpoBOAl'B,  PL  33), 
ein  grosses  Gebäude  im  gothisehen  Stil.  In  ihm  treibt  eine  Dampf- 
maschine das  Wasser  vermittelst  eiserner  Röhren  in  die  obere  Stadt  und 
den.  Kreml. 

Nach  dem  Theaterplatz  zu  haben  wir  zunächst  das  Theater, 
(Tearpi,  PL  32;  vgl.  S.  325)  in  der  Nähe  der  Nikolaus -Kirche 
(UepK.  HUKOIbCKEfl,  PI.  20). 

Vom  Theater  an  der  Fost  (Üo^TOBafl  KOHTopa,  PL  E3)  vorüber 
zur  Alexejewskaja-Kirche  (UepK.  A jeKCbescKaA ,  PL  10),  Ende  des 
XYii.  Jahrh.  durch  den  Diakon  Joseph  Bulgakow  gegründet^  1823  um- 
gebaut, mit  vielen  Heiligenbildern  am  Ikonostas,  Fresken  von  dem 
Nishegoro der  Künstler  P.  A.  Wedenetzky  und  reicher  Schatzkammer. 
Unter  der  Kirche  eine  Höhle ,  in  der  eine  Quelle  und  das  Grabmal 
des  Erbauers. 

Die  Kathedrale  der  Verkündig^mg  Maria  (EiaroB^meHcidfi  Co- 
öopi,  PL  12),  früher  ITircÄc  des  Dmitry  Ssolunsky  genannt,  eine  der 
ältesten  Nishny's,  wurde  Ende  des  xiv.  Jahrh.  gegründet,  seitdem 
mehrfach  umgebaut.  Bemerkenswerth  in  ihr  einige  silberne  Kelche 
(noTHpi)  mit  alten  Inschriften,  welche  noch  nicht  entziffert  sind. 

Weiterhin  das  Gymnasium  (MyxecKaa  iHMHasifl,  PL  29)  und  das 
geistliche  Seminar  (4yxoBHafl  ceMHHapifl,  PL  E  F  2) ,  beide  mit  werth- 
voUen  Bibliotheken.  Hinter  dem  geistlichen  Seminar  beginnt  die 
Shukowskaja  (PL  F  G2),  mit  welcher  der  obere  Quai,  die  Werch- 
naja  Nabereshnaja  (BepxHafl  HaöepexHafl)  parallel  läuft ;  zwischen 
beiden  gleich  r.  die  *Oeorg8-Kirche  (UepK.  cb.  Teoprifl,  PL  13),  in 
gothisch-florentinischem  Stil  1702  erbaut. 

Den  Berg  hinab  vom  Anfange  des  oberen  Quai  zieht  sich  eine 
Reihe  von  Dampfschiff-Comptoiren;  auch  gewahrt  man  die  Röhren 
der  Wasserleitung,  deren  Gebäude  (s.  oben)  am  Fuss  der  Höhe  sicht- 
bar ist;  ebenso  erblicken  wir  von  hier  aus  das  Schloss  der  Erben 
Koltschina's,  der  Eigenthümer  einer  grossen  mechanischen  Fabrik 
(SaBOAi  KojLHHHa,  PL  G  2). 

Vom  oberen  Quai  biegen  wir  links  in  den  sog.  ^AtkoBS,  den 
englischen  oder  Alexander-Garten  (Otkoci,  AsriiäcKiS  oder  AieK- 
caHApiäcKiä  ca^'B,  P1.F2),  eine  künstlich  angelegte  Terrasse  am 
Abhänge  nach  der  Wolga,  mit  ausgedehnten,  gut  gehaltenen  Garten- 
anlagen (^Restaurant).  Von  den  hoher  gelegenen  Punkten  prächtige 
*Aussicht,  Abends  am  schönsten. 

Auf  den  oberen  Quai  zurückgekehrt  und  ihn  weiter  verfolgend 
haben  wir  r.  in  einem  Garten  das  Martinowsche  Krankenhaus 
(MapTHHOBCKafl  öouHHua)  und  das  weibliche  Marien-Institut  (Ma- 
pi&HCKiä  »eHCKiä  HHCTHTyTi>,Pl.G2) ;  amEnde  desQuais,  an  derStrasse 
nach  Kasan ,  das  ^Petsehorsky-Kloiter  (üe^iäpcKiM  MyiRecKiä  MOHa- 
CTUpb,  PL  H  2)  auf  einem  der  schönsten  Punkte  des  abschüssigen 
rechten  Wolga -Ufers.  Wenn  man  den  Weg  zum  Kloster  hinaufsteigt, 
so  schimmern  zur  Rechten  die  freundlichen  weissen  Häuschen  der 


330    Boute25.  NISHNY-NOWGOROD.  Kreml. 

Ssloboda  Koschelewka  durch  das  grüne  Gebüsch ;  über  denselben 
zeigt  sich  auf  einem  Felsvorsprung  die  weisse  Klostermauer,  hinter 
welcher  sich  die  Kuppeln  der  Kirchen  und  die  Wohngebäude  der 
Mönche  erheben.  Um  den  Felsen  biegend  hat  man  die  Kloster- 
pforte vor  sich. 

Der  Bau  des  Petschorsky  -  Klosters  wurde  unter  dem  Gross- 
fürsten Alexander  Wassiljewitsch  durch  den  h.  DionysiuSy  Erzbischof  von 
Ssusdal  und  l^ishny-Nowgorod  (1328-1330)  auf  der  Stelle  ausgeführt,  wo 
heute  die  Kirche  der  alten  Pets^orskiga-Ssloboda,  I/2  W.  unterhalb  des 
Klosters,  liegt.  Ein  Theil  der  Mauern  des  alten  Klosters,  dessen  Ueber- 
reste  noch  sichtbar  sind,  rutschte  am  18.  Juni  1597  den  Abhang  des  Berges 
hinunter.  Der  Wiederaufbau  auf  dem  jetzigen  Platze  wurde  vom  Zaren 
Feodor  I.  Iwanowitseh  begonnen  und  unter  Michael  Romanow  beendet. 

Die  Hauptkathedrale  des  Klosters,  die  Himmelfahrtskirche 
(UepK.  BosHeceflifl) ,  in  der  Mitte  des  Klosterhofs  und  mit  der  an- 
deren Kirche  durch  eine  bedeckte  Gallerie  verbunden,  wurde  1631 
von  dem  Baumeister  Lawrenti  Wosojulin  erbaut.  In  ihr  bemerkens- 
werth  das  wunderthätige  Bild  der  Petschorskischen  h.  Mutter  Gottes 
(HyAOTBopHuä  oöpasiÖe^epcKoäBoKieäMaTepH)  aus  dem  xiv.Jahrh. 
und  einige  alte  Kirchengeräthe.  In  der  ehemals  reichen  Kloster- 
bibUothek^  deren  Schätze  nach  St.  Petersburg  gebracht  sind,  werden 
7  Manuscripte ,  die  sog.  Ssinodik  (Chhoahki»)  aufbewahrt ,  aus  den 
Jahren  1552-1595  stammend ;  in  ihnen  sind  auf  Befehl  Iwans  des 
Schrecklichen  die  Namen  der  von  ihm  hingerichteten  Bojaren  u.  s.  w. 
verzeichnet  worden  (381) ;  ferner  ein  Gemälde  (KapTHHa),  das  Pet- 
schorsky-Kloster  um  1598  nach  seiner  Zerstörung  darstellend.  Merk- 
würdig sind  auch  die  Glocken ;  die  eine  derselben  ist  1492  zu  Hagenow 
in  Mecklenburg  gegossen  und  von  Iwan  dem  Schrecklichen  in  Dorpat 
erobert  worden.  Das  Glockenspiel  ist  für  5  Melodien  eingerichtet. 
Der  Kirchhof  des  Klosters  war  ehedem  der  Begräbnissplatz  der  aus- 
gezeichnetsten Bürger  Nishny's,  wie  heutzutage  der  des  Kresto- 
wosdwishenskischen  Nonnenklosters  (PI.  8),  und  enthält  viele  alte 
interessante  Grabmäler. 

Von  dem  Petschorsky-Kloster  auf  die  Kasaner  Strasse  zurück- 
kehrend, gelangen  wir  in  die  Grosse  Petschorskaja  (Eojbman  DeHOp- 
CKafl),  eine  der  schönsten  und  breitesten  Strassen  Nlshny's,  mit  Villen 
und  Gärtien ;  zur  Seite  der  Strasse  alte  merkwürdige  Steinbauten  mit 
Heiligenbildern  u.  s.  w.  In  ihr  die  KuUbinsche  Gewerbeschule,  ge- 
gründet 1872,  mit  dem  Kulibinschen  Museum,,  Am  Ende  der  Strasse 
dasPatriarclienhauB  oder  erzbischöfliche  Schloss  (Apxiepe8cKi8AOHi, 
PI.  31)  mit  grossem  Park ;  im  Hofe  sind  noch  die  Ueberreste  des  alten 
Erd Walles  zu  sehen,  welcher  ehemals  Nishny  umgab. 

Durch  die  kleine  Petschorskaja  und  die  Tichanowskaja  gelangen 
wir  durch  das  Dmitriewsky'sche  Thor  in  den  *Xreinl  (Kpeirjb, 
PI.  E2,  3). 

Die  ersten  Bauten  des  Kreml  begannen  unter  dem  Groasfürsten  Bmitrv 
Konstantinowitsch  (1365-1384)^  unter  ihm  wurde  1372  der  Jhniiriewskßf'a 
Thurm  (AvHTpieBCRaa  ÖauiH«)  erbaut.  Demnächst  entstand  unter  Iwan  III. 
1500  der  Twerskaja^  jetzt  Iwanowskaja  Thurm.  Den  vollständigen  Neubau 
des  Kreml  leitete  1508- 1511   der  italienische  Baumeister  Peter  Frcmano. 


mnin'8  Denkm.    NISHNY-NOWGOROD.         25.  Route,     331 

In  der  Folge  erfuhr  aber  der  Bau  beträchtliche  Veränderungen.  1838  wurde 
ein  grosser  Theil  des  alten  Grabens ,  über  den  hölzerne  und  steinerne 
Brücken  führten,  zugeschüttet  und  so  entstand  der  Kreml-Boulevard  (KpeM- 
jreBCKifl  6yjii>Bap'b).  1843  stürzte  ein  Theil  der  unterhalb  des  Gouvernements- 
hauses gelegenen  Kremlmauer  ein  und  verschüttete  die  hölzerne  Kirche 
des  heiligen  Geistes  (I^epR.  cb.  Pjxa)',  eine  andere  Kirche,  die  „des  be- 
lebenden Quells"  (I|epK.  ^HBOHOcnaro  ncTOHHHKa),  unterhalb  des  Berges 
gelegen,  wurde  beschädigt  und  musste  umgebaut  werden. 

Der  Kreml  Hegt  auf  dem  höchsten  Punkte  der  oberen  Stadt; 
er  ist  TOn  einer  20-30  m  hohen  Mauer  umgeben,  die  von  11  (ehe- 
mals 13)  Thürmen  fiankiit  wird.  An  der  äusseren  Seite  der  Mauer 
zieht  sich  ein  schattiger  Boulevard,  welcher  den  Kreml  in  einer 
Ausdehnung  von  l^/g  W.  umfasst.  Die  Aussicht  vom  Kreml  ist  am 
schönsten  vom  runden  nördlichen  Ssjäwernaja-Thurm.  Im  Kreml 
befinden  sich  das  Gouvernementshaus,  der  oberste  Gerichtshof,  die 
Kasernen,  das  Arsenal,  das  Militärgymnasium,  das  Telegraphen- 
bureau; femer  die  Hauptkirchen  Nishny 's :  die  Kathedrale  zur  Ver- 
klärung Christi,  die  Erzengelkathedrale  u.  a. 

Nach  dem  Passiren  des  Dmitriewsky-Thores  zur  Rechten  das 
lange  Gebäude  des  Arsenals  (ApceHajn,  PI.  1);  vor  demselben  die 
^Kathedrale  der  Verklttnmg  OhriBti  (Cnaconpeo6paseHCKiü  Kare- 
ApaJbHufi  Co6opi,  PI.  22),  1221  unter  dem  Grossfürsten  Jury 
Wssewolodo witsch  gegründet ,  in  der  Folge  aber  häufig  umgebaut ; 
ihre  gegenwärtige  Gestalt  erhielt  sie  1830-1834  durch  den  Archi- 
tekten Jeflmow. 

Im  Imsebm  sind  bemerkenswerth :  die  Wandgemälde ,  1837  von  d«m 
Nishegoroder  Künstler  Sheljäsnow  ausgeführt ;  ein  grosses  Bild  des  Erlösers 
(HRona  BceifEJiocTHBaro  Gnaca-HepyROTBopeHRaro),  durch  den  Grossfürsten 
Konstantin  WassiljewitBch  aus  Ssusdal  hierher  gebracht:  das  Bild  der 
Iwerskitchen  Mutter  Gottes  (Hk.  HsepcsiA  IIpecB.  BoropoAHi^),  1672  von  Simon 
XJschakow  gemalt ;  das  Bild  der  heil.  Mutter  Gottes  (Hr.  Bo&.  Mar.  OffHinTpiä), 
1381  aus  Konstantinopel  durch  den  Erzbischof  von  Ssusdal  und  Nishny, 
Dionyslus,  gesandt,  mit  byzantinischen  Inschriften;  Evangelien  (Hanpe- 
CTOJiBHoe  EBanrejiie),  1408  auf  Pergament  geschrieben ;  der  Bischofsstab  des 
ersten  Nishegoroder  Metropoliten  Philaret;  zwei  alte  Prozesaionsf ahnen 
(XopyrBH),  welche  den  Fürsten  Posharsky  und  Minin  nach  Moskau  beglei- 
teten u.  s.  w.  Unter  der  Kathedrale  eine  Krypta  mit  3  Altären ,  deren 
mittlerer  der  Kasan'^schen  Mutter  Gottes  zum  Gedächtniss  der  Befreiung 
Kusslands  von  der  Herrschaft  der  Polen  gewidmet  ist  5  ferner  die  Grab- 
mäler  und  Särge  von  10  Nishegoroder  Grossfürsten,  Fürsten  u.  s.  w.  und 
7  Metropoliten.  L.  vom  Eingange  das  Grabmal  des  Kosma  Minin  (f  1616), 
umhüllt  von  einer  sammtenen  Decke ,  darauf  ein  Kreuz  von  künstlichen 
Blumen  und  eine  Widmungsschrift. 

In  der  Nähe  der  Kathedrale  das  Gouvernementshaus  und  das 
Denkmal  Minin's.  Das  OonvernementshauB  (ryöepHaTopcKiä  aohi 
oder  ^opem»,  PL  3)  ist  ein  schönes  Gebäude  am  Rande  der  Hohe, 
an  der  sich  der  Qouvemementsgarttn  hinzieht.  In  letzterem  einige 
Kapellen}  wohl  Reste  des  ehemaligen,  später  abgebrochenen  Klo- 
sters des  h.  Geistes  (ityxoBi  MoHacTupi»),  welches  1574  von  dem 
Mönch  Porflrius  unter  der  Regierung  Iwan's  des  Schrecklichen  ge- 
gründet wurde. 

Das  Denkmal  Minin's  und  Fosharsky's  (üaxHTHHK'B  MHHHHy  h 
nosapCKOMy),  von  einem  Gitter  umgeben,  besteht  aus  einem  c.  20  m 


332    Boute  25.         NISHNY-NOWGOROD.      MurawJewThurm, 

hohen  Granitobelisk  auf  einem  Sockel  mit  Reliefs  und  Inschriften. 
Das  Denkmal  stammt  aus  dem  J.  1826 ;  es  wurde  aber  vernach- 
lässigt ,  die  Tafel  mit  dem  Namen  des  Fürsten  Posharsky  fiel  her- 
unter und  wurde  später  (1861)  am  Grabmale  Minin's  befestigt.  Auf 
der  anderen,  am  Denkmal  befindlichen  Tafel  die  Inschrift:  „Fpas- 
AaHHHy  MHHHHy  öaaroAapHoe  dotomctbo  1826  r^  (Dem  Bürger  Minin 
die  dankbare  Nachwelt  1826). 

Auf  dem  Wege  nach  dem  Iwanowskaja-Thurm  die  *Arehangel8ky- 
Kathedrale  (Coöopi  ApxaHreiiiCKiM  oder  Co6.  ApxHcTpanira  Mh- 
xaHia,  PI.  11),  1222  als  Schlosskirche  Ton  dem  Grossfürsten  Jury 
Wssewolodowitsch  errichtet,  1620  neu  gebaut.  Im  Innern  ein  Bild 
des  Erzengels  Michael  aus  dem  xy.  Jahrh.  und  die  Grabdenkmäler 
der  Nishegoroder  Grossfürsten ,  welche  nach  1392  unter  moskowi- 
tischer  Oberherrschaft  regierten.  —  In  dem  zur  Kathedrale  gehörigen 
Glockenthurm  hängen  einige  alte  Wjetsehen  (S.  250) ,  unter  ihnen  die 
sog.  fürstliche  (KiusecKifi) ,  eine  Legirung  von  Kupfer  und  Silber, 
aus  Rüstungen  Nishegoroder  Grossfürsten  gegossen.  —  Zwischen  dem 
Glockenthurm  und  der  Kathedrale  (Eingang  durch  die  Kirche)  steht 
ein  Tiereckiger  Wacht -Thtwm  (CropoxoBafl  öanma). 

An  der  Kirche  zu  Maria  Himmelfahrt  (UepK.  YcneHCKair,  Fl.  25), 
dem  Müitärgymnasium  (BoeHHafl  rpa«a  ApaxqeeBa  rHiraaaiji), 
welches  1866  aus  Gross  -  Nowgorod  hierher  verlegt  wurde,  dem 
obersten  Gerichtshofe  und  anderen  Gebäuden  vorbei ,  erreichen  wir 
wiederum  die  DmitriewskajaWorota  und  den  Werchnaja-Basarnaja- 
Platz.  Von  hier  die  Alexejewskaja  (AjeKceteBCKaa)  hinunterschrei- 
tend, kommen  wir  auf  den  Mytny  Dwor  (MuthuH  ^Bopi)  mit  einigen 
alterthümlichen  Gebäuden  aus  dem  Beginn  des  xviii.  Jahrb.,  im  rus- 
sischen Stil ;  im  schönsten  derselben  ein  Traktlr. 

Von  dem  Mytny  Dwor  gelangen  wir  r.  durch  eine  enge  Gasse  nach 
d^T  Grossen  Pokrowska ja  (BoibmaifiUoiii^OBCKSiB)^  einer  der  breitesten 
und  schönsten  Strassen  der  oberen  Stadt,  obgleich  sie  noch  nicht  stark 
bebaut  ist  (in  derselben  die  Lutherische  Kirche,  PI.  E4),  und  biegen 
kurz  vor  dem  Theaterplatz  1.  in  die  Lykowa  Damba  ( JuKOBa  Ji,Ru6a) 
ein,  einen  die  Potschainka  durchsetzenden  Damm ,  1839  erbaut; 
letztere  ist  jetzt  fast  trocken,  ihr  weniges  Wasser  wird  durch  Röhren 
abgeleitet.  Von  der  Mitte  des  Dammes  hübscher  Blick  auf  die  Wolga 
und  den  Kreml. 

Vorüber  an  der  schönen  Mironossizkaja  Kirche  (Uepx.  MHpo- 
HocimKafl,  PI.  18),  die,  im  xiii.  Jahrh.  gegründet,  ihre  jetzige  Gestalt 
1649  erhielt,  gelangen  wir  die  grosse  Iljinskaja-Strasse  kreuzend  auf 
den  sog.  Grebeschok  (rpoöemoKi),  auf  dessen  Gipfel  an  einer  jäh 
abfallenden  Schlucht  der  riesige  MurawjewThurm  und  das  nicht 
weniger  bemerkenswerthe  Ogarewsky  Terem  (OrapeBCKift  Tepevi). 

Der  MurawjewThurm  (MypaBi,eBCKaH  6amHn) ,  zu  Ehren  des 
Nishegoroder  Gouverneurs  A.  N.  Murawjew  erbaut,  ist  leider  sehr 
schadhaft,  doch  wird  man  sich ,  wenn  man  die  vielen  wackeligen 


Jahrmarkt.  NISHNY-NOWGOROD.         25.  Route.     333 

Stufen  erklommen  hat,  durch  die  oben  sich  öffnende  ♦Aussicht  für 
<die  Mühe  reich  belohnt  finden. 

Von  hier  durch  die  Pochwalinsky  -  Schlucht  zur  Jahrmarkts- 
brücke; wir  überschreiten  dieselbe  oder  lassen  uns  in  einem  Boote 
ans  andere  Ufer  fahren ,  um  den  Jahrmarktstrassen  einen  Besuch 
2U  machen. 

Die  Messe  oder  der  Jahrmarkt  (ffpMapKa)."^ 

Der  Besuch  der  Jahrmarktstrassen  ist  besonders  um  die  Zeit  der  Peter- 
Pauls-Hesse  vom  15.  (27.)  Juli  bis  25.  August  resp.  6.  September  interessant. 
Am  10.  September  wird  die  nur  für  die  Dauer  der  Hesse  erbaute  Jahr- 
marktsbrücke abgebrochen  ^  die  Läden  werden  gesperrt  und  es  darf  von 
diesem  Tage  an  kein  Licht  sieh  mehr  auf  dem  Markte  zeigen.  Im  Frühjahr 
ist  der  ganze  Platz  in  der  Regel  überschwemmt.  Während  der  Hesse  ist 
auf  dem  Jahrmarktsplatz  das  Bauehen  bei  25  B.  Strafe  untersagt  (s.  S.  325). 

An  Restaurants  fehlt  es  während  der  Hesse  nicht  \  zu  empfehlen  ist  be- 
sonders N.E.  Je  gorow,  danndiesehrbesuchtenBörsentraktireBubnow, 
Ssmirnow,  Barbatenko,  Werenikow,  Gorinow  u.  a.  Aueh  spe- 
zielle persische,  tatarische  u.  s.  w.  Restaurants  sind  vorhanden,  ebenso 
zahlreiche  Volkshüchen^  die  dem  Unbemittelten  für  4Kop.  eine'Portion  Thee 
mit  Zucker,  für  8Kop.  Sehtschi,  Kohlsuppe,  Brot  und  gekochte  Grütze 
mit  Oel,  so  viel  man  davon  zu  bewältigen  im  Stande  ist,  liefern. 

An  Vergnügungen  hat  man  ausser  den  gewöhnlichen  Hesssehens- 
würdigkeiten ein  russisches  Theater  (in  der  äusseren  Hessstadt,  nahe 
der  tatarischen  Hoschee),  einen  eleganten  Goncert-  und  Balls  aal  im 
Hauptgebäude,  zahllose  Gafes  ehantants  (naeh  dem  Kamen  des  Be- 
sitzers kurzweg  „Nikita"  genannt). 

Post  und  Telegraph  im  Hauptgebäude. 

Pferdebahn  in  den  Haui>tstrassen  bis  zum  Ssibirskaja-Landungsplatz. 

Dolmetscher  (Artelschtschik)  für  die  Hesse  in  den  Hdtels. 

Die  Hesse  von  Kishny-Nowgorod  verdankt  ihren  Ursprung 
der  Eifersucht  der  moskowitischen  Grossfürsten  auf  den  grossen  Handel 
von  Kasan,  der  Residenz  der  Tataren-Chane,  wo  schon  in  der  Mitte  des 
XIV.  Jahrh.  im  Hochsommer  auf  dem  Felde  von  Arsk  eine  grosse  Hesse 
gehalten  wurde.  Wassily  IV.  Iwanowitseh  richtete  1523  auch  auf  seinem 
Gebiete,  an  der  Hündung  der  Ssura  in  die  Wolga,  hei  Wassil-Ssurssk  (S.  348), 
eine  Hesse  ein,  indem  er  gleichzeitig  seinen  Unterthanen  den  Besuch  der 
Kasan^sehen  verbot.  Nachdem  auch  Kasan  unterworfen  war  und  der 
Jahrmarkt  auf  dem  Felde  von  Arsk  aufgehört  hatte,  verlegte  Hichael 
Romanow  1624  die  Hesse  in.  die  Nähe  des  im  xv.  Jahrh.  erbauten,  dem 
russischen  Schutzheiligen  Hakarius  (geb.  1849)  gewidmeten  Hakariew- 
Klosters  am  See  Sheltuja  Wodu  (S.  348).  Der  Sterbetag  des  Heiligen 
(25.  Juni) ,  zu  dessen  Feier  zahlloses  Volk  von  allen  Seiten  zusammen- 
strömte, war  auch  der  Eröffnungstag  des  Harktes.  Indessen  war  die 
Messe  hier  sehr  den  Ueberfluthungen  der  Wolga  ausgesetzt,  und  man 
ging  schon  lange  mit  dem  Gedanken  um,  den  Hessplatz  zu  verlegen.  Der 
Plan  gelangte  zur  Ausführung,  als  im  J.  1816  ein  Brand  sänmitliche  Ma- 
gazine und  Buden  zerstörte,  und  Nishny  -  Nowgorod  ward  zum  neuen 
Messort  ausersehen.  1824  wurde  der  vom  Ingenieur -General  Bdtancourt 
geleitete  und  mit  einem  Kostenaufwand  von  über  3  Hill.  Rubel  herge- 
stellte Bau  (damals  60  Hagazine  und  über  2500  Buden)  vollendet.  Seit- 
dem ist  der  offizielle,  durch  Aufhissen  der  Flagge  auf  dem  Jahrmarktsplatze 
und  durch  Gottesdienst  bezeichnete  Anfang  der  Hesse  der  15.  (27.)  Juli, 
der  Sehlusstag  der  eigentlichen  Hesse  der  2o.  August,  der  Nachmesse  nach 
dem  Zahltage  der  6.  September. 

Die  weitverbreitete  Vorstellung,  als  finde  man  auf  dem  Jahrmarkt 
von  Nishny-Nowgorod  alle  Volksstämme  des  nördlichen  und  centralen 


*  Der  Name  wird  aus  den  Zeiten  der  Hansa  datiren. 


334    Route  25,  NISHNY-NOWGOROD.  Jahrmarkt, 

Asiens  versammelt,  ist  eine  irrige.  Es  ist  keine  internationale «  Bondern 
eine  russische  Hesse,  die  hier  abgehalten  wird;  die  Hehrzahl  der  Besucher 
sind  russische  Kaufleute  und  Bauern,  denen  sich  allerdings  die  Vertreter 
der  unter  russischer  Herrschaft  stehenden  Länder  des  Kaukasus,  Ost- 
Russlands  und  Asiens  anschliessen.  Seltenere  Gäste  sind  Chinesen,  Perser 
und  Indier.     Immerhin  aber  ist  das  Völkergemisch  ein  überaus   buntes. 

Vom  Ssafronowskaja-Landungsplatz,  in  der  Unterstadt,  am  Ende 
der  Roshdestwenskaja,  führt  die  Jahrmarktsbrücke  (flpMapHHuä 
IIiainKoyTHufi  mocti,  PI.  C3)  über  die  Oka.  Die  Brücke,  900  m 
lang  und  25  breit,  wird,  wie  erwähnt,  nur  zur  Jahrmarktszeit*) 
erbaut.  Der  hölzerne  Oberbau  ruht  bis  zu  einer  Sandinsel  (an 
diesem  Punkte  r.  das  Flussbad)  auf  Flusskähnen  oder  Pontons; 
von  hier  geht  die  Brücke  auf  Pfeilern  über  eine  Untiefe ,  Land- 
fläche und  Niederung  bis  auf  die  weite  Landzunge  des  Jahrmarkts. 
Am  jenseitigen  Ufer  fällt  zuerst  in  die  Augen  das  eiserne  Gebäude 
der  Börse  (Eiip)Ka).   Es  bezeichnet  die  Stätte  des  Jahrmarkts. 

Der  Jahrmarkt  nimmt  eine  unabsehbare  Fläche  ein,  welche  erst 
künstlich  erhöht  werden  musste ,  und  enthält  eine  förmliche  Stadt 
von  Magazinen  und  Kaufläden.  Diese  Messstadt  zerfällt  in  eine  in- 
nere und  eine  äussere.  Der  innere  Markt  besteht  aus  ein-  und 
zweistöckigen ,  meist  ^steinernen  Hallen ,  die  in  rechtwinklig  sich 
schneidenden  Strassen  errichtet  und  von  einem  Umfassungskanal 
(OÖBOAHuA  KaHEJi)  umgeben  sind.  Wir  zählen  12  Längsreihen,  recht- 
winklig auf  den  Strom  stossend ,  und  6  Querreihen  ihm  parallel. 
Die  mittlere,  breite  und  mit  einer  Weideuallee  verschönte  Längs- 
strasse,  der  Boulevard^  trifft  an  der  Flussseite  auf  den  Qlawnii  Dom. 
das  Hauptgebäude  (FjaBHuS  ^OMi)  und  an  ihrem  anderen  Ende  auf 
die  Ssobor  oder  Kathedrale  (S.  335).  Die  Längsreihen  oder  Linien 
sind  nach  dem  Alphabete  bezeichnet;  ausserdem  haben  die  einzelnen 
Hallen-Parallelogramme  oder  Blöcke  (Kopnycx)  Namen  nach  den 
darin  feil  gebotenen  Waaren ,  wie  z.  B.  die  Armenische ,  die  Jaros- 
slawer ,  die  Iwanower,  die  Leder-,  die  Rauchwaaren-,  die  Leinen-, 
die  Tuch -Hallen  oder  Linien.  Diese  Namen  treffen  aber  jetzt 
nicht  immer  mehr  zu.  Die  Querreihen  sind  nicht  offiziell  benannt. 
Die  steinernen  Lagerhäuser  der  inneren  Messstadt ,  die  Ambarren, 
sind  Eigenthum  der  Krone,  welche  überhaupt  alle  Einrichtungen 
zur  Abhaltung  der  Messe  geschaffen  hat.  Zu  ihnen  gehört  namentlich 
auch  das  Netz  gemauerter  unterirdischer  Kanäle ,  welche  die  ganze 
innere  Jahrmarktsstadt  durchziehen.  Die  verschiedenen  Treppen- 
zugänge zu  den  sog.  MesskataJcomben  oder  Tunnels  (TyHHeu»),  d.  h. 
Aborte,  sind  durch  niedrige  Thürmchen,  welche  sich  über  ihnen 
erheben,  zugänglich.  Diese  Katakomben  werden  allnächtlich  mittelst 
einer  Dampfmaschine,  welche  das  Flusswasser,  zugleich  für  LÖsch- 
zwecke,  in  das  Reservoir  eines  Wasserthurms  (EaniHii  «pMapoHHaro 
BOAonpoBOAa,  PI.  B  4;  *schÖne  Aussicht  über  den  Jahrmarkt) 

•)  Eine  stehende  Verbindung  beider  Ufer  wird  mit  der  Vollendung 
der  im  Bau  befindlichen  Bahn  von  Nishny- Nowgorod  nach  Kasan  her- 
gestellt sein. 


Jahrmarkt  NISHNY-NOWGOROD.        25.  Boute,     335 

hinaufhebt,  gespült,  eine  für  die  sanitären  Verhältnisse  der  Messe, 
welche  zu  Zeiten  100,000  bis  200,000  Fremde  hier  versammelt, 
äusserst  heilsame  Einrichtung.  Für  die  Sicherheit  gegen  Feuersge- 
fahr ist  durch  eine  trefflich  organisirte,  auf  3  Stellen  vertheilte  Feuer- 
wehr ausreichend  gesorgt.  —  Die  Yerkaufsstäude  der  inneren  Messe, 
die  Läden ,  Lagerräume  und  Boden  der  Ambarren  werden  von  der 
Regierung  vermiethet  und  werfen  im  Ganzen  jährlich  300,000  B. 
ab.  Dagegen  sind  freilich  auch  die  Unterhaltungskosten ,  da  der 
ganze  Messplatz  in  der  Zeit  des  hohen  Wasserstandes  von  den 
Fluthen  der  Oka  und  "Wolga  überschwemmt  wird,  nicht  unbe- 
deutend. Im  Ganzen  zählt  man  auf  der  Messe  5000  Yerkaufsstände 
und  Läden.  Indessen  hat  sich  dieser  eigentliche  Markt,  die  innere 
Messstadt,  nicht  als  ausreichend  erwiesen  und  zu  beiden  Seiten 
haben  sich  dann  noch  andere  Strassen  und  Gebäude  in  Massen, 
wenn  auch  weniger  regelmässig  angesetzt  —  die  äussere  Mess- 
stadt, der  interessanteste  Theil  der  Messe.  In  den  imposanten 
Waarenmassen ,  welche  wir  auf  den  grossen  Lagerplätzen  nach  der 
Wolga  hin  erblicken,  tritt  uns  so  recht  die  Eigenthümllchkeit  dieser 
Messe  entgegen,  dass  hier  nicht  sog.  Bestellwaare  oder  nach  Proben  ge- 
handelt wird,  sondern  dass  die  Waaren  zum  grössten  Theil  auch  wirk- 
lich zur  Stelle  sind  und  in  allen  Theilen  besichtigt  werden  können. 
Eine  zuverlässige  Statistik  der  Hesse  gibt  es  nicht,  doch  ist  das  all- 
jährlich zur  Ueberwachung  des  Marktes  eingesetzte  Jahrmarkts  -  Gomite 
bemüht,  den  ungefähren  Werth  und  die  Mengen  der  zur  Messe  gebrachten 
Waaren  festzustellen.  Im  J.  1881  wurde  der  Umsatz  auf  rund  270^000,000  R. 
geschätzt.  Eine  Aufzählung  aller  zu  Markt  gebrachten  Artikel  ist  unmög- 
lich ;  man  kann  sagen ,  dass  Alles ,  vom  rohen  Bodenerzeugniss  bis  zum 
raffinirten  Luxusgegenstand  hier  zu  haben  ist.  Ebenso  wenig  lässt  sich 
hier  angeben,  wo  diese  oder  jene  Artikel  zu  finden  sind.  Wer  daran 
ein  weitergehendes  Interesse  hat,  muss  mit  einem  Dolmetscher  den  Markt 
besuchen. 

Das  Haupt-  oder  OouTemementsgebäude  (FjaBHiiiil  ^ohi,  PI.  B  3) 
ist  ein  grosser  steinerner  Bau ,  in  welchem  während  der  Messe  der 
Gouverneur ,  der  Messdirector ,  die  Polizeibehörde ,  die  Post-  und 
Bankfiliale  ihren  Sitz  haben.  Das  Erdgeschoss  enthält  einen  Bazar 
für  Luxusartikel  (Bijouterie-  und  Seidenwaaren,  Edelsteinen,  s.w.), 
namentlich  auch  kaukasischer  und  sibirischer  Herkunft.  Verhält- 
nissmässig  ruhig  geht  es  auf  dem  Boulevard  zu ,  dem  Tummelplatz 
der  eleganten  Welt.  Hier  und  an  dem  Platz  vor  dem  Hauptgebäude 
überwiegen  die  ganz  europäischen  Mode-,  Galanterie-  und  Juwelier- 
läden der  russischen  Kauf  leute ;  weiter  zurück  liegen  die  Läden  mit 
Pelzen,  Seidenwaaren  und  anderen  reichen  Zeugen.  Es  ist  dies  die 
Region  der  grosseren  Handelsgeschäfte.  Am  Ende  des  Boulevards  er- 
hebt sich  die  Jahrmarkts-Kathedrale (flpMapo^Hutt Coöcpi,  PI.  A3). 
Vor  derselben  eine  Fontäne,  an  den  Ecken  umgeben  von  vier  Ge- 
bäuden in  chinesischem  Stil.  Dieselben  bilden  den  Anfang  der  nach 
beiden  Seiten  hin,  [quer  zum  Boulevard,  sich  erstreckenden  chine- 
sischen Reihe  (KHTaHcKiä  pnfi'h),  wo  vorzugsweise  die  (russischen) 
Theehändler  ihre  Comptoire  haben.  Die  grössten  Theelager  befinden 
sich  am  sibirischen  Landungsplatze  (s.  unten). 


336    JSoute  25.  NISHNY-NOWGOROD. 

Während  1.  von  der  Kathedrale  die  armeniiclie  Xirelie  (UepK. 
ApHHHCKafl,  PI.  A  3)  liegt,  erblicken  wir,  wenn  wir  den  Umfassungs- 
kanal auf  der  Brücke  am  östlichen  Ende  der  chinesischen  Reihe 
überschritten  haben ,  gleich  1.  die  tatarische  Moschee  (UepK.  Ma- 
roxeTaHCKafl  oder  TarapcKafl  Hener-B,  PL  B3),  aus  dem  J.  1852 
stammend.  Gegen  ein  kleines  Trinkgeld  kann  man  diese  Moschee 
leicht  betreten.  Sie  enthält  im  ersten  Stockwerk  einen  Saal  mit 
der  Gebetsnische;  der  Boden  ist  mit  Strohmatten  und  Teppichen 
belegt,  auf  welchen  die  Muslimen  ihre  Gebete  verrichten.  Der  Mo- 
schee gegenüber  der  sog.  Karawan-  Ssarai  (KapaBaHicapafi)  mit 
grossem  Lager  persischer  Teppiche. 

In  einiger  Entfernung,  am  Theater  vorbei,  kommen  wir  zur  per- 
sischen Reihe  (IlepcHACKiü  pSAi»).  In  Säcken  und  Kisten  stehen  hier 
die  Landesprodukte  der  reichen  Provinzen  Persiens :  Rosinen  und 
Mandeln,  Pistazien  und  Wallnüsse,  Datteln  und  Korinthen  und  die 
in  Russland  besonders  beliebten  Tschapdalla  (getrocknete  Pfirsiche) 
zum  Verkauf;  ferner  sehr  dauerhafte,  in  Matten  verpackte  gewirkte 
Teppiche,  wahre  Kunstwerke  (l(X)-200  R.  p.  Stück),  Tücher,  Sticke- 
reien im  Kleinverkauf,  wie  im  Karawan-Ssarai.  Der  Besuch  eines 
der  äusserlich  unscheinbaren  persischen  Läden  ist  lohnend. 

Vorüber  an  Transportanstalten,  Versicherungsgeschäften,  Agen- 
turen aller  Art,  den  Bureaux  von  Notaren,  an  russischen,  deutschen 
Restaurants,  selbst  einem  persischen  Wirthshause,  gelangen  wir  zu 
einem  weiten  offenen  Platze,  der  sich,  begrenzt  nach  der  Wolgaseite 
durch  eine  lange  Reihe  niedriger  Holzgebäude  ^  die  Comptoirs  der 
Dampfschiffgesellschaften,  am  ^Ssibirskaja-Landungsplati  (CHÖnpc- 
Kafl  npHcraHfc,  PI.  A  B  2)  ^  vor  uns  ausdehnt.  R.  einige  Holzhäuser, 
die  von  aussen  und  innen  mit  Matten  aus  gedrehtem  Lindenbast 
(Zinowka)  belegt  sind.  Diese  originellen  Lindenbasthäuser  {Bala- 
gan,  EaJiaraHu)  enthalten  die  Comptoirs  der  Theelager  (der  Werth 
des  1876  zur  Messe  gebrachten  Thees  wird  mit  8V2  Mill.  Rubel  an- 
gegeben, die  Zahl  der  jährlich  hier  aufgestapelten  Theeballen, 
grosse  Würfel  in  Papier ,  Holz ,  Bastgeflecht  und  Hundefell  ver- 
packt, beträgt  weit  über  100,000);  die  Lindenbastmatten,  die 
feineren  wie  die  gröberen,  bilden  als  Verpackungsmaterial  an  sich 
einen  wichtigen  Artikel  der  Messe.  Der  Besuch  eines  dieser  Ba- 
lagans,  die  für  jede  Messe  neu  gebaut  werden,  ist  interessant  und 
wird  gern  gestattet.  —  Von  der  Landzunge  Strjälka  (Crp-feiKa, 
PI.  02)  schöner  Blick  auf  die  gegenüberliegende  Stadt. 

An  derW.-Selte  des  Jahrmarktstheils  liegt  die  Vorstadt  Xnnawino 
(KyHaBHHO  oder  AaeKcaHApoBCKafl  CioöoAa,  PI.  B  5),  das  Absteige- 
quartier der  meisten  Besucher  der  Messe,  wodurch  der  Ort  mit  seineu 
Gast-  undWirthshäusern,  Kirchen,  Buden  und  Fabriken  das  Ansehen 
einer  von  Nishny  getrennten  Stadt  gewinnt.  —  Bemerkens  werth 
durch  ihre  originelle  Architektur  und  ihre  glänzende  Farbenpracht 
die  Kapelle  des  Qorodez-Feodorowsky'schen  Klosters  (MacoBHfl 
ropoxeitKaro  «eAopoBCKaro  MOHacTupa),  von  Dalja  erbaute 


DIE  WOLGA.  26.  Route.    337 

Gegenüber  von  Kunawino  in  der  Oka  erstreckt  sieb  der  Pesi- 
ky,  eine  lange  Sandinsel,  über  welcbe  mehrere  Brücken  sowie 
Schienengeleise  führen.  Wir  überschreiten  die  auf  Pfahlwerk 
ruhende  Brücke  gleich  r.  von  der  KreatowoadioishenBkaJa-Kapelle 
(HacoBHfl  KpecTOBOSABHseHCKftfl,  Pi.B  4).  Hier  auf  dem  Pessky  lagern 
zwei  wichtige  Artikel :  Siuf  dem  Shdjämaja- Landungsplatze  {7ReAt3- 
Hau  üpHCTaHB ,  PI.  B  C  4)  in  ausgedehnten  Schuppen ,  die  eben- 
falls für  Jede  Messe  neu  errichtet  werden ,  ungeheure  Massen  von 
Eisen  (von  22  Privatgesellschaften  im  Gewicht  von  öVs  Mill.  Pud, 
im  Werth  von  ca.  10  Mill.  R.  zur  Messe  gebracht);  auf  dem  Greh- 
nowskaja- Landungsplatz  (FpcÖHOBCKaH  npHCTaHb,  PI.  G5)  in  zahl- 
reichen Fahrzeugen  (sog.  Borgen)  enorme  Quantitäten  von  gedorrten 
und  gesalzenen  Fischen  und  von  Kaviar  (jährlich  ca.  10,000  bis 
20,000  Pud).  Auch  lebende  Fische  sind  in  zahllosen  Fischbehältem 
vorhanden.  Ein  Besuch  sowohl  der  Eisenschuppen  wie  der  Borgen 
ist  nicht  ohne  Interesse. 

Auf  dem  Rückwege  vom  Pessky  zur  Jahrmarktsbrücke  haben 
wir  noch  Gelegenheit,  die  Volksküchen  (S.  333)  zu  sehen.  Auch 
führt  uns  der  Weg  an  der  Verkaufsstelle  der  bekannten  russischen 
Theemaschinen  (Ssamovar)  und  an  dem  Lager  von  Eirchenglocken, 
einer  Specialität  des  Marktes,  vorüber. 


26.  Wolga-Fahrt  von  Bybinsk  über  Nislmy-Nowgorod 

und  Kasan  nach  Ssysran. 

Die  Wolga  (Boxra,  von  den  Mordwinen  Ra  „grosses  Wasser",  von 
den  Tscheremissen  Jul  d.  i.  Fluss,  von  den  Kalmüeken  und  Tataren  Edel, 
Idel^  Atyl,  von  den  Slaven  Wolga  —  von  Bxara  Feuchtigkeit  —  armenisch 
Tarnar.ixa  Alterthum  Bhaa  oder  Oarus  genannt)  entspringt  unter  57° 
nördl.  Breite,  6V*  westl.  Länge  im  Kreise  Ostaschkow,  Gouvernement 
Twer ,  2  W.  oberhalb  des  kleinen  Werchita  -  Sees  in  einer  Sumpfebene  auf 
den  alaunisehen  Hohen  oder  dem  ehemals  sog.  Wolchonsky -Walde  in  c. 
210  m  Höhe.  Als  eigentliche  Quelle  der  Wolga  gilt  eine  Lache,  in  der 
Umgegend  der  Jordanbrunnen  genannt,  in  der  Nähe  des  Dorfes  Wolgo- 
WerehoiBJe.  Zwischen  dem  kleinen  und  grossen  Werchita -See  hat  die 
Wolga  keinen  zusammenhängenden  Lauf  mehr  und  besteht  im  Som- 
mer nur  aus  einer  Beihe  von  Lachen  oder  kurzen,  unter  sich  getrennten 
Wasserläufen  inmitten  von  Sümpfen  oder  dichtem  Walde.  Eine  fort- 
laufende Strömung  hat  sie  erst  vom  grossen  Werchita  an,  fliesst  darauf 
in  den  Sstersh  (Oa.  Orepnrb)  von  diesem  in  den  See  OiesseluJt  (Oa.  OBcejrpcb), 
in  dem  auf  einer  Insel  das  Neussolowjezkische  Kloster  steht,  dann  in 
den  Pono-  und  schliesslich  in  den  Wolgo-Bee.  Die  Wolga  durchfliesst  auf 
ihrem  3295  W.  langen  Laufe  acht  Gouvernements;  ihr  Stromgebiet  über- 
trifft Frankreich  fast  dreimal  an  Grosse;  bei  Asstrachan  geht  sie  in  das 
Kaspische  Meer.  Fün&nal  ändert  ihr  Lauf  seine  Hauptrichtung.  —  Das 
Gefälle  der  Wolga  ist  im  Verhältniss  zu  ihrer  Länge  nur  gering;  der 
4.72  QM.  grosse  Sseliger-See,  aus  dem  die  Sselisharowka  —  oft  irriger 
Weise  als  Quelle  der  Wolga  angenommen  —  kommt,  hat  252  m  Höhe, 
Kasan  85.4,  Tschorny-Jar  2.6 ,  Asstrachan  —  11  m  Hohe.  —  Die  mittlere 
Tiefe  Ist  bei  Twer  0.4,  zwischen  Twer  und  Ryhinsk  c.  0.4.  zwischen 
Bybinsk  und  Mündung  der  Oka  Vs-^/lO  m,  zwischen  den  Mündungen  der 
Oka  und  Kama  von  1/2-18  m,  von  der  Einmündung  der  Kama  bis  Asstra- 
chan 4-82  m;  die  Breite  vom  Pono -See  abwärts  bis  Bshew  c.  50-65  m, 

Bussland.     2.  Aufl.  22 


338    Boute  26.  DIE  WOLGA.  Von  Ryhinak 

bei  7wer  200-290,  bei  UgUtseh  320  m,  stellenweise  6  und  mebr  Werst, 
bei  Kosstroma  620-600,  bei  Nisbny  740  m,  im  Frübjabr  bis  zu  19  Werst, 
bei  Ssaratow   1950-4870  m,  bei  Asstrachan  der  Hauptstrom  730-1950  m. 
TJeberschwemmungen  bedecken  unterhalb  Asstracban  häufig  ein  Terrain, 
von  200  Werst.    Während  der  Lauf  der  Wolga  sonst  regelmässig  und 
ruhig  ist,  richtet  sie  im  Frühjahr  zu^r  Zeit  der  Schneeschmelze  Ueber- 
schwemmungen  und  Verwüstungen  an,  während  gleichzeitig  der  seeartig 
verbreiterte  Strom  vom  hohen  Ufer  aus  einen  unvergleichlichen  Anblick, 
gewährt.  —  Der  Fluss  omschliesst  eine  Heoge  grösserer  und  kleinerer 
Inseln  (Osstrowy),  welche  völlig  von  der  Beschaffenheit  der  Ufer  sind 
und  im  Frühjahr  meist  überschwemmt  werden.    Im  Sommer  bildet  die 
Wolga,  wenn  die  Wärme  den  Fluss  austrocknet,  an  vielen  Stellen  san- 
dige Untiefe»^    die  nach  der  nächsten  Ueberschwemmung  nicht  immer 
wieder  an   derselben   Stelle   erscheinen.     Die  Wolga  würde  von  noch 
grösserer  Bedeutung  für  den  Handel  werden,  wenn  es  gelänge,  der  fort- 
schreitenden Veränderung  des  Fahrwassers  wirksam  entgegen  zu  treten. 
So  aber  haben  sieh  Sandbänke  vor  die  Ausmündungen  vieler  Seitenflüsse 
gelagert,  Barren  hemmen  den  Stromlauf  and  die  Schi£ffahrt.    Im  Frühjahr 
namentlich,  wenn  der  Strom  in  Folge  der  Regengüsse  und  der  schmelzen- 
den Schneemassen   sich  oft  10-20  m  über  sein  gewöhnliches  Niveau  er- 
hebt, und  alle  einmündenden  Gewässer  Erde,  Sand,  Thon  und  Schlamm 
der  Wolga  zuführen,  lagern  sich  der  schwere  Kieselsand,  sowie  Geröll 
und  Steine  im  Flussbette  und  steigen  als  Sandbänke  empor,  während 
die  leichtem  Bestandtheile  der  schwarzen  Erde,  sowie  der  aufgelöste 
feine  Thon  und  Kalkgehalt  dem  Meere  augeführt  werden.    In  dieser  Zeit 
ist   auch   das   Wasser   der  unteren   Wolga  trübe,  sonst  in   der   Regel 
ausserordentlich  klar  und  rein.  —  Was  die  Uferlandschaft  anlangt,  so 
wechseln   von  Twer  bis  zur  Oka  Höhen  (ysaxb)  aus  Thon,  Lehm  und 
Sand  mit  endloser  sumpfiger  Niederung  und  Waldland  ab.    Von  der  Ein- 
mündung der  Oka  in  die  Wolga  bei  Nishny  an  wird  das  ganze  rechte 
Ufer  weithin  bis   in  die  Kaspische  Tiefebene  von  steilen  Gehängen  und 
Bergen  begleitet,  dem.  Bergvtfer^  wälirend  in  derjelben  Ausdehnung  das 
linke  Ufer  aus  Ebenen  besteht,  dem  W^e$en^fer.    Das  ganze  ungeheure 
(210  deutsche  Meilen  von  Nishny   nach  Ssarepta)  Wolgaische  Bergufer 
ist   hauptsächlich   aufzufassen    als    der   östliche ,   von    der  Wolga   um- 
säumte Abfall  des  Central  -  FIateau*s  Busslands,  einer  durchschnittlich 
150-250  m  hohen  Platte ,  die  sich  von  der  Wolga  im  O.  bis  zum  Dnjepr 
im  W.,  von  den  Ebenen  des  Asow'schen  Meeres  im  S.  bis  zu  den  Waldai- 
Höhen  im  N.  ausdehnt.  —  Schiffbar  wird  die  Wolga  bei  Rshew.     Die 
gefährlichste  Strecke  ist  die  von  Twer  bis  Rybinsk^   denn  obwohl  hier 
das   Fahrwasser   nur  für  0,50 -0,70  m  tief  gehende  kleine    Schiffe   fahr- 
bar ist  und  eine  abgesteckte.  Nachts  durch  schwimmende  Laternen  mar- 
kirte  Fahrstrasse  existirt,  so  verirren  sich  doch  bei  niedrigem  Wasser- 
stande die  Fahrzeuge  förmlich  zwischen  den  Sandbänken  und  bleiben 
bald  auf  diesen,  bald  auf  den  zahlreichen  Felsblöcken,  von  welchen  der 
Grund  des  Flussbettes  besät  ist,  festsitzen.    Von  Rybinsk  bis  Nisbny  ist 
die  Wolga  schon  für  schwerere  Fahrzeuge  geeignet;  die  untere  Wolga 
ist  selbst  für  die  grössten  Barken  zugänglich.   Jedoch  hemmen  der  niedrige 
Wasserstand  im  Sommer  und  die  Monate  dauernde  Eisdecke  des  Flusses 
die  Schiffahrt}  trotzdem  ist  die  Wolga  die  Hauptverkehrsader  im  Innern 
Russlands.    Drei  Kanalsysteme,  die  von  Wyschny-Wolotschok,  Tichwin 
und   der  Marien -Kanal   bewirken   die  Verbindung   mit   St.   Petersburg, 
während  der  nördliche  Katbarinen-Kanal  und  der  Kanal  des  Herzogs  von 
Würtemberg  die  Wolga  auch  mit  der  Dwina  in  Verbindung  setzen,  der 
Wolga  -  Moskau  -  Kanal  aber  der  Abkürzung  des  Weges  zwischen  Moskau 
und  St.  Petersburg  dient.    Man  kann  annehmen,  dass  sich  auf  der  oberen 
Wolga  jährlich  im  Durchschnitte  14,000  Schiffe  mit  ca.  300.000  Menschen 
bewegen ,  auf  der  unteren  und  mittleren  Wolga  8,000  Schüre  mit  225,000 
Menschen,  im  Ganzen  durchschnittlich  ca.  22,000  Fahrzeuge  mit  einer 
Ladung  im  Werthe  von  180-200  Mill.  R.  Silber.  —  Gleichfalls  wichtig  ist 
die  Fischerei,  im  Grossen  betrieben  von  den  Oesellscha/ten  oder  Watagi 
(BaTara)  unterhalb  Ssimbirsk,  gegen  eine  Pacht  von  jährlich  c.  750,000  R. 
Die  häufigsten  Fischarten  der  Wolga  sind:    Die  Störarten  oder  roihen 


nach  Ssysran.  DIE  WOLGA.  26.  Route.     339 

Fische^  wie  sie  das  Volk  nennt:  der  grosse  Hausen  (BsJiyra,  Aeipenser 
Huso),  bis  zu  600  kg  Gewicht  und  bis  zu  6  m  Länge ;  der  gemeine  Hausen 
(Aeipenser  Gyldenstsedtii) ,  bis  100  kg  und  bis  3  m  Länge;  der  Scherg 
oder  Sternhausen  (Acip.  stellatus),  besonders  reichlich  in  der  Kura  vor- 
kommend, 7-20 kg;  der  Schip  oder  Sewruge  (Acip.  Schypa),  am  Ural, 
30  kg;  der  Sterlett  (Acip.  ruthenus),  der  feinste  und  delicateste  Fisch, 
7-10  kg  schwer,  bis  0,60  m  lang.  Der  Wels  (Siluris  glanis),  Hauptfang- 
ort die  Kura,  bis  2  m  lang.  Der  Sander  (Lueioperea  sandra),  6-10  kg 
schwer.  Mehrere  Gattungen  Karpfen^  wie  Abramit  und  Pelecus ;  der  pon- 
tische  (Clupea  pontica)  und  der  kaspische  Häring  (Clupea  caspica),  welche 
bis  Twer  hinaufsteigen  (1-lVa  I^gi  0,50  m),  und  andere  wie  das  Fluss- 
neunauge (Petromyzon  fluviatilis),  erst  neuerdings  von  Bedeutung  ge- 
worden ;  seit  1871  besteht  in  Zarizin  eine  Salzerei,  welche  1873  c.  1,200,000 
Neunaugen  nach  St.  Petersburg  lieferte.  —  Was  die  klimatischen 
Verhältnisse  des  Wolga -Gebiets  in  den  Gouvernements  Kasan,  Ssa- 
mara  und  Ssaratow  anbetrifft,  so  haben  die  oberen  Theile  im  allge- 
meinen das  Klima  Hoskau*s  und  Nishny*s;  die  unteren  Theile  des 
Wolgathals  von  Kasan  an  sind  zwar  dem  Einfluss  der  trockenen,  kalten 
Steppenwinde  des  benachbarten  Asiens  ausgesetzt,  jedoch  wird  dieser 
Einfluss  wieder  durch  warme  Südwinde  bedeutend  gemildert,  welchen  die 
beträchtliche  nach  Süden  hin  offene  Vertiefung  des  Wolgathals  freien 
Durchgang  gestattet.  Deshalb  findet  man  hier  auch  häufig  Gewächse  und 
Früchte  südlicher  Breiten  und  die  Gouvernements  Ssamara  und  Ssaratow 
tragen  einen  durchaus  südlichen  Charakter. 

Man  hört  in  Russland  so  viel  von  der  „Matuschka  Wolga"  („Mütterchen 
Wolga")  sprechen,  dass  man  sich  hüten  muss,  mit  falschen  Vorstellungen 
eine  Fahrt  auf  derselben  vorzunehmen.  Grossartige  Katurschönheiten 
darf  man  nicht  erwarten;  was  man  auf  dem  Rhein  in  wenigen  Stunden 
erblickt,  sieht  man  auf  der  Wolga  nicht  in  einer  Woche.  Von  Interesse 
ist  aber  auf  der  Wolga  immerhin  der  reiehe  Wechsel ,  den  der  Strom 
nicht  nur  in  seinen  einfachen  Landsehaftsbildern,  die  mit  der  eigenthüm- 
lichen  und  intensiven  Färbung  des  Abendhimmels  an  Xillandschaften 
erinnern,  sondern  auch  in  der  Natur  und  Lebensart  der  Bevölkerung  an 
seinen  Ufern  gewährt.  Während  der  Bewohner  der  Wolga- Ufer  im  Nor- 
den, mit  der  Unfruchtbarkeit  des  Bodens  kämpfend,  nur  mit  Mühe  seinen 
Lebensunterhalt  findet,  erfreut  er  sich  in  den  Niederungen  des  Südens 
am  Duft  der  Mandelbäume  und  erntet  Berge  von  Weintrauben.  Auf  ein- 
förmige, sumpfige  Niederungen  und  düstere  Fichten-  und  Tannenwälder 
folgen  Linden-  und  Eichengehölze,  grüne  Wiesen,  lachende  Fluren  und 
Gärten  und  an  diese  schliessen  sich  die  weiten  Steppen  des  Südens.  Mit 
dem  Wechsel  der  Natur  ändert  sich  auch  die  Industrie  der  Wolga -An- 
wohner. Bis  zum  Einfluss  der  Oka  bei  Nishny,  wo  Grossrussen  sitzen, 
treiben  sie  Gewerbe  und  Manufactur,  von  hier  bis  Ssarepta  Ackerbau 
und  Fischfang,  weiterhin  Viehzucht.  Bei  Nishny  beginnt  jedoch  das 
eigenthümliche  Völkergemisch ;  das  bunte  Durcheinanderwohnen  der  ver- 
schiedenen Stämme  der  uralisch  -  altaisehen  Völkerfamilie. 

Die  Wolga  wird  von  e.  6-600  Passagierdampfern  (Jerxie  naccaaupcRie 
HapoxoAu)  verschiedener  Gesellschaften  und  Privatunternehmer  befahren. 
Die  gedruckten  Fahrpläne  werden  in  Folge  des  schwankenden  Wasserstan- 
des selten  eingehalten :  es  wird  dann  auf  rothen  Zetteln  in]  den  Hotels  Ab- 
fahrtszeit und  Name  des  betr.  Schiffes  bekannt  gemacht.  1.  Wolga- 
Dampfschifffahrt  von  A.  A.  Sevecke  zwischen  Nishny-Nowgorod 
und  Ryblnsk  einerseits,  Nishny  und  Astrachan  andererseits.  Zweimal 
wöchentlich  von  Eröffnung  der  Schifffahrt  an.  —  2.  Dampfschiff- 
fahrtsgesellschaft Kawkas  und  Merkur  nach  Asstrachan  und 
den  Kaspischen  Häfen  sowie  nach  Perm,  2mal  wöchentlich.  —  Preise  s. 
bei  Nishny.  Die  nach  amerikanischem  System  eingerichteten  Dampfer 
dieser  beiden  Gesellschaften  sind  die  besten  und  komfortabelsten :  grösste 
Sauberkeit,  bequeme  Kabinen,  vorzügliche  Küche,  gute  Weine,  massige 
Preise  (feine  Bettwäsche  30Kop.,  Diner  60Kop.)i  die  I.  Kajüte  ist  vorn 
gelegen.  Besonders  interessant  ist  auch  das  Treiben  der  unteren  Volks- 
klassen auf  diesen  Dampfern.  —  3.  Postdampfs chif ff ahrt^geseH- 
schaft  Ssamoljot  (GaKOJEero)  auf  der  Usha,  Oka,  Kama,  Bjälaga  und 

22* 


340     Route  26.  RYBINSK.  Von  Byhinak 

Mologa.  Aus  Twer  nach  Bybinsk  Mo.,  Di.,  Do.  und  Sa.  Mgs.  9  U. ;  nach 
Uglitsch  täglich  7  U.  llgs.  Billets  auf  allen  Halteplätzen,  auf  den  Eisen- 
bahnstationen und  den  Dampfern ,  im  Gomptoir  zu  St.  Petersburg ,  Haus 
Palkin,  Ecke  des  Kewsky  und  der  Wladimirskaja  (10-2  U.),  zu  Moskau 
in  der  kleinen  Lubjanka  zu  jeder  Zeit.  Anzurathen  ist  ein  Billet  zur  Kajüte 
1.  GL,  in  der  man  recht  gut  schläft.  Gute  Küche  (Diner  zu  80Kop.).  — 
4.  Die  Wolga-Dampfschifffahrtsgesellsehaft  (Hapoxo^Hoe  06- 
n^ecTBo  no  Bojura)  von  Nishny  nach  Astrachan;  aus  Kishny  Mo.,  Mi., 
Fr.  u.  Sa.  10  U.  30  M.  Mgs.  Oute  Schiffe,  ziemlicher  Gomfort,  I.  und  II.  Cl. 
Herren  -  und  Damenkajüten  (ohne  Bett),  III.  Cl.  Deckplatz.  —  5.  Ausser- 
dem ezistiren  dieDampfschifffahrtsgesellschaft  Drushina  (Apy- 
acHHa),  für  kleinere  Touren  auf  der  Wolga,  die  Dampfschifffahrts- 
gesellschaft für  Eama  und  Wolga,  von  Bybinsk  bis  Zarizin  und 
Perm  fahrend,  und  andere  Privatgesellschaften.  Leidlicher  Gomfort,  aber 
keine  Bettwäsche  und  Kopfkissen.  —  Gemeinschaftliche  Dinerzeit  existirt 
auf  den  Wolgadampfern  nicht. 

«Bybinsk  (Puöhhcki). 

Gasthöfe.  Majak,  am  Dampfbootquai  ^  Simin,  Stolby,  auf  der 
Kresstowaja. 

Tbaktih  in  der  Xähe  der  Börse. 

Dampfschiffe.  Comptoire  der  Dampfschifffahrtsgesellschaften  am 
Quai,  nahe  dem  Landungsplatze. 

Bahnhop  am  Westende  der  Stadt;  tägl.  2  Züge  nach  Bologoje^  280  W. 
für  10.Ö0,  7.88,  4.08  B.  *,  von  hier  nach  St.  Petertburg  S.  256. 

Bybinak,  Kreisstadt  des  Gouverneineiits  Jarosslawl ,  mit  15,047 
Elnw.j  gegenüber  der  Mündung  der  Schekma  in  die  Wolga  an  bei- 
den Ufern  der  von  S.  her  einmündenden  Tscheremcha  auf  leicht 
hügeligem  Terrain  gelegen,  ist  eine  reiche  und  lebhafte,  aber  keines- 
wegs schöne  oder  interessante  Stadt.  Die  überwiegende  Zahl  der 
Häuser  (auch  das  Theater)  besteht  aus  Holz;  steinerne  Gebäude 
finden  sich  an  dem  mit  Granit  eingefassten  und  mit  eisernem  Gitter 
umgebenen  Quai  (HaöepexHafl).  An  diesem  liegt  auf  einem  kleinen 
Platze  auch  die  schon  von  weitem  sichtbare  und  durch  ihre  Bauart 
interessante  Kathedrale  Kirche  der  Verklärung  Christi  (CoöopH. 
UepKOBbllpeoöpaxceHiflrocnoAHfl) ;  daneben  der  hoheGlockenthurm. 
Nicht  weit  davon  der  Gostinny  -Vwor,  am  Ufer  die  Börse  (Enpsa), 
der  OhshornyBJäd  (06»opHUÜ  pflAi»)  oder  die  Garkochsbuden. 
Hauptstrassen  sind  die  Kresstowaja,  welche  am  Kathedralenplatz 
beginnt,  und  die  Kasanskaja.  Auf  dem  Kathedralenplatze  liegt  auch 
das  Qesellschafts^Haus  (OömecTBeHHuä  AoHi),  in  dem  der  Magistrat 
seine  Sitzungen  hält.  Von  hier  führt  eine  Strasse  nach  dem  städtischen 
Boulevard,  am  1.  Ufer  der  Tscheremcha,  wo  der  Gostinny-Dwor  für 
die  Zeit  der  Jahrmärkte  (22.  Juni,  5.  Juli  und  6.  December).  Die 
Stadt  hat  8  Kirchen ,  ein  Gerichtshaus ,  Zeughaus ,  viele  Fabriken 
und  lebhaften  Handel.  —  Bybinsk  erscheint  urkundlich  unter  dem 
Namen  Bybansk  oder  Bybanko  zuerst  1137.  1660  zählte  Rybinsk 
erst  88  Häuser  und  350  Einw. ,  hatte  sich  aber  schon  Mitte  des 
xviii.  Jahrh.  bedeutend  gehoben.  1778  erhielt  die  Rybnaja  Ssloboda 
den  jetzigen  Namen  Bybinsk. 

Die  Umgebungen  von  Rybinsk  sind  ohne  Reiz ;  auch  auf  der 
Weiterfahrt  ist  die  Uferlandschaft  einförmig.    Im  breiten  flachen 


«}  Bezeichnet  die  Haltestellen  der  Dampfschiffe. 


nach  Ssysran,  KOSSTROMA.  26,  Route.     341 

Strome  viele  Sandbänke,  von  Möven  bewohnt.  ~  21  W.  (von  Ry- 
binsk)  die  Insel  Bogojawlensky. 

42  W.  (r.)  *Bomanow-Boris80gljAb8k,  Kreisstadt  mit  5571  Einw., 
auf  beiden  Ufern  der  Wolga.  Die  Stadt  hat  2  Kathedralen  (auf 
jedem  Ufer  eine),  8  andere  Kirchen  und  zahlreiche  Fabriken. 

Jenseit  Romanow   werden  die  Ufer  malerischer.    Woloschkls 

(todte  Flussarme)  zeigen  sich  in  grösserer  Anzahl.  —  63  W.  Norskaja 

(HopcKafl),  hübsch  gelegenes  grosses  Dorf.  — •  69  W.  (1.)  das  Tolgsky- 

Mönchs -Kloster  (TojrcKÜi  HyjKecKlÜ  HOHacTupb) ,  ein  kolossales 

Gebäude ,  umgeben  von  hoher  steinerner  Mauer  und  beschattet  von 

einem  alten  Hain. 

Das  Tolgsky -Kloster  wurde  1314  vom  Rosstow'schen  Bischof  Pro- 
chorns  gegründet,  1609  von  den  Polen  zerstört,  aber  noch  im  xvii.  Jahrh. 
wieder  aiiufgebaut.  —  In  der  Umgebung  grosse  Eisen-  und  Kupferwerke. 

Haben  wir  das  Kloster  passirt,  so  zeigen  sich  bald  die  Kuppeln 
und  Thürme  der  höchst  malerisch  gelegenen  Stadt 

76  W.  (r.)  «Jaroulawl  (HpociaBJB,  s.  S.31d)  mit  der  Eisenbahn- 
brücke der  Bahn  Moskau-Wologda  (S.  322). 

Nicht  weit  unterhalb  Jarosslawl  ist  das  Strombett  durchsetzt  mit 
mächtigen  Steinblöcken ;  man  nennt  diese  Stellen  OgrudH  (OrpyxKH). 
—  88  W.  Doif  Saapelki  oder  Ssapelkino  (CaneJKHHo),  wo  sich  Ende 
des  ZYiii.  Jahrh.  eine  Sekte  der  Raskolniks  (s.  Elnl.  S.  xlvi)  bildete, 
die  sog.  Bjagunen ,  Stranniken  oder  Sekte  zur  Ssapelkowskischen 
Eintracht.  —  89  W.  Schwefel-  und  Vitriolfabriken.  —  91  W.  (r.) 
Dorf  Tunoschna  (TyHomHa) ;  gegenüber  eine  namenlose  Insel.  — 
102  W.  (1.)  Die  grossen  verlassenen  Gebäude  ehemaliger  kais.  Tuch- 
fabriken. Nicht  weit  davon  das  grosse  Dorf  Dijewa  Gorodischtscha 
Uiesa  ropoAHma)  mit  Ruinen  eines  Schlosses.  —  114  W.  (r.) 
*Kloster  des  wunderthätigen  heil.  Nikolaus  (MoHacTupb  csaTaro 
HHKOiaa  HyxoTBopaa  Ha  EaöaÖKaxi),  bereits  im  Gouvernement 
Kosstroma,  ein  mächtiges  steinernes  Gebäude,  von  einer  Mauer  um- 
geben.   Viele  Passagiere  steigen  aus,  um  in  dem  Kloster  zu  beten. 

Es  folgen  mehrere  Sandinseln.  —  146  W.  (r.)  Sselischt  seh  je 
(CejHme),  grosses  Dorf.  Bald  darauf  erreichen  wir  (1.)  die  Mündung 
der  Kosstroma. 

148  W.  (1.)  •KoBStroma  (KocipoMa).   Längerer  Aufenthalt. 
Gasthöpb.    »London  und  Kosstroma,  beide  auf  dem  Ssussanins- 
kaja-Platz  (Z.  von  60Kop.  anj. 

Kosstroma  liegt  terrassenförmig  am  l.üfer  der  hier  550m  breiten 
Wolga  unterhalb  des  Einflusses  der  Kosstroma ,  an  der  grossen  si- 
birischen Handelsstrasse  von  St.  Petersburg  über  Jarosslawl ,  Kos- 
stroma und  Makarjew  nach  Wjatka,  und  an  der  Poststrasse  nach 
Nishny-Nowgorod.  Die  Stadt,  mit  28,000  E.,  ist  Sitz  des  Civilgou- 
verneurs,  des  Bischofs  von  Kosstroma  und  Galitsch,  hat  eine 
Kathedrale,  39  Kirchen,  ein  Nonnenkloster,  ein  geistliches  Seminar, 
ein  Knaben-  und  ein  Mädchen-Gymnasium,  zahlreiche  Fabriken, 
einen  Schiffsbauplatz  und  lebhaften  Handel. 


342    Route  26,  KOSSTROMA.  Von  Byhintk 

Im  Mittelpunkt  der  Stadt  liegt  der  Central-  oder  Smisaninakaja 
( Ssussanin)- Piafa,  von  dem  die  Hauptetrassen  der  Stadt  radien- 
förmig  auslaufen.  In  der  Mitte  das  Denkmal  Ssu4sanin*s  (IlaHflT- 
HHKi  KpecTbAHHBy  ÜBaEy  CycaHHHy) ,  eine  Granitsäule  auf  Tier- 
eckigem Granitsockel ;  auf  der  Spitze  der  Säule  die  Bronzebüste 
Michael  Feodorowitschs ;  auf  dem  Piedestal ,  an  die  Säule  gelehnt, 
die  Bronzestatue  Ssussanin's.  Am  Sockel  ein  Basrelief,  die  Ermor- 
dung Ssussanin's  darstellend ,  auf  der  andern  Seite  eine  Inschrift. 
Das  Denkmal  wurde  unter  der  Regierung  des  Kaisers  Nikolaus  I. 
nach  einem  Entwürfe  von  Demuth-Malinowsky  errichtet. 

An  der  Einmündung  der  Kosstroma  in  die  Wolga  erhebt  sich 
die  ^Kathedrale  lu  Maria  Himmelfahrt  (CoÖGpi  iiepKBH  YcneHifl 
BoxcieJi  MarepH),  1239  durch  den  Grossfürsten  WassUy  Kos- 
stromsky,  dem  bei  Kosstroma  auf  der  Jagd  das  Bild  der  heil. 
Jungfrau  erschien ,  erbaut  und  seit  jener  Zeit  nur  wenig  verändert 
(1773  durch  Brand  beschädigt).  Die  Altäre  der  Kathedrale  sind  nicht 
nach  Osten  gerichtet,  sondern  nach  Norden,  wo  die  Erscheinung 
stattfand.  •  Das  Innere,  durch  eine  Gallerle  in  zwei  Theile  getrennt, 
ist  reich  verziert  mit  Holzschnitzereien,  Fresken,  Heiligenbildern, 
an  den  Wänden  Fahnen  der  Opoltschenije  von  1812  und  1853-1856. 
Bemerkenswerth  ist  der  Altar  und  unter  den  Heiligenbildern  das  Bild 
der  Feodorowtkischen  Mutter  QoUeSy  dessen  Werth  auf  25,O0OR.  taxirt 
wird ;  ferner  der  mächtige  silberne  Kronleuchter ,  alte  Evangelien 
(1698) ,  die  Schatzkammer  mit  Gefä&sen  von  Ssasikow  gearbeitet, 
einem  Tuche  mit  der  Grablegung  Christi ,  kostbaren  Mitren  u.  s.w. 
In  der  Kapelle  des  h.  Feodar  Stratilat  ein  schöner  Ikonostas  mit 
dem  Grabmal  des  Grossfürsten  Wassily  Jarosslawitsch  (f  1277). 

SüdÖstl.  von  der  Kathedrale  liegt  der  Murawyetü  ^Boulevard 
(MypaB.  öyttsapi)  mit  dem  Oeuvemementsgebäude  und  dem 
Theater;  nordöstl.  der  BchÖne  dtädtiseke  Ctarten^  und  nocdwestl., 
zwischen  dem  Garten  und  der  Kathedralenmauer,  ein  schöner  freier 
Platz  am  Rande  einer  steilen  Schlucht.  Auf  diesen  Platz  gelangt 
man  vom  Gostinny-Dwor  (s.  oben)  vermittelst  einer  über  einen 
alten  Graben  geschlagenen  Brücke,  oder  von  der  Nishnedebrinskaja- 
und  Iljinskaja- Strasse,  die  zwischen  Murawjew- Boulevard  und 
städtischem  Garten  steil  ansteigt. 

Vom  Ssussanin-Platz  führt  ostl.  die  Nowinskaja  ab,  an  welcher, 
beinahe  in  der  Mitte,  der  Mjädny-  (Kupfer-)  Teich  und  der  PatD- 
lowakaja -Platz  mit  dem  Borowkow -Teich  liegen.  Die  weiteren 
Radialstrassen  des  Platzes  sind  die  Marinskaja,  die  Nikolskaja  mit 
dem  Gerichtshof,  endlich  (gegenüber  der  Zarewskaja)  die  Mura- 
wjewskaja,  benannt  nach  dem  vom  Gouverneur  Murawjew  angeleg- 
ten Boulevard  (s.  oben). 

An  der  Mündung  der  Kosstroma  in  die  Wolga,  nahe  der  Kathe- 

*)  Auf  der  Stelle  der  Erscheinung  liegt  heute,  in  der  Nähe  des 
städtischen  Kirchhofs,  die  Erlöser-Kirche  CQepR.  CnaccHafl  3anpyAHeHCKaa). 
Ehemals  befand  sich  hier  (1239-1764)  ein  Mönchskloster. 


Ssyaran,  KOSSTROMA.  26,  Route,     343 

4i'ale  zu  Maviä  Himmelfahrt  (S.  342),  ist  noch  zu  erwähnen  die 
'^Bogojawlensky-Kirche  (Xpam  EoroABJeHCidä) ,  erbaut  1776-91, 
mit  nur  einer  Kuppel,  Das  Innere  ist  kostbar  mit  Marmor  aus- 
gelegt; schöner,  8m  hoher  Ikonostas.  Mit  der  Kirche  verbunden 
ist  der  64  m  hohe  Glockenthurm.  Vom  zweiten  Stockwerk  des- 
selben gelangt  man  über  eine  Stiege  jnit  Eisengitter  in  die  Laterne 
der  Kirche.  An  klaren  Sommertagen  hat  man  von  dem  Glocken- 
thurm  eine  prachtvolle  *Aüssicht;  man  sieht  von  hier  das  60  W. 
entfernte  Jarosslawl.  Näher  dem  Ufer  die  geistliche  Schule  und  das 
Seminar,  Schule  und  Kirche  sind  von  einem  eisernen  Gitter  um- 
geben ;  der  Eingang  zur  Kirche  liegt  auf  der  N.  Seite. 

Die  Dörfer  auf  dem  r.  Ufer  der  Wolga  (Nikolskoje  u.  a.)  werden 
mit  zur  Stadt  gerechnet;  ihre  Bewohner  beschäftigen  sich  mit 
Barkenbau,  Lootsendienst  u.  s.  w.  Auf  dem  1.  Ufer  liegt  ein  tata' 
risehes  Dorf  (TaTapcKaii  CjioöOAa),  im  xvii.  Jahrh.  von  Nogai-Tataren 
gegründet ;  die  Bewohner  halten  fest  an  ihren  Sitten  und  ihrer  Spra- 
che, treiben  Handel  und  verfertigen  Spitzen,  die  den  Brabanter  nicht 
nachstehen.  —  Am  r.  Ufer  der  Kosstroma,  nicht  weit  von  der  Ipa- 
tiewsky-  und  Andrej ewsky-Ssloboda,  das  berühmte  *Ipatiöw-Klo8ter 
{HnarieBCKiä  MoHacTupt). 

^  Das  Ipatiew-Kloster  soll  im  Anfange  des  xiv.  Jahrh.  von  dem 

I  tatarischen  Fürsten  Zacharias  Tsehet,  dem  Stammvater  der  Godunow^s, 

feeründet  worden  sein.  Tschet,  vom  Metropoliteft  Petras  getauft,  kam 
330  aus  der  goldenen  Horde  naeh  Moskau.    Au£  der  Beise,  an  der  Mün- 

'  <lun9  der  Kosstroma  in  die  Wolga,   erkrankte  er  und  blieb  hier  zurüek. 

i  Auf  den  Tod  vorbereitet,  erblickte  er  am  Merski-See  die  Erscheinung  der 

,  Mutter  Gottes  mit  dem  heil.  Ipatiew.    Von  d«r  Zeit  an  gesundete  Tschet 

und  gründete  in  der  Nähe  des  Merski-  (jetzt  heiligen)  Sees  das  Ipatiew- 
Kloster.  1586  wurde  es  mit  einer  steinernen  Mauer  umgeben  und  zur  Zeit 
der  Zwischenregiening  bildete  es  eine  kleine  Festung,  in  die  sich  1613 
Michatl  FeodorotDiUch  Boman&tp  flüchtete,  als  er  in  Folge  seiner  Zarenwahl 
von  den  Polen  verfolgt  wurde.     Hier  empfing  er  «die  Abgeordneten  der 

>  Geistlichkeit  und  Bojaren  des  ganzen  moskowitischen  Landes,  die  ihn  zur 

Annahme  der  Wahl  bewogen.  —  Von  den  Kirchen  wurde  die  des  heil. 
Feodor  Stratilat  1591,  die  Kirche  der  heil.  Dreifaltigkeit  von  Tschet  ge- 
gründet, aber  während  eines  Sturmes  zerstört,  auf  derselben  Stelle  während 
der  Regierung  Miehaers  zum  Gedaehtniss  seiner  Zarenwahl  neu  erbaut. 

Die  im  Kloster  gelegene  ^Kathedrale  der  heil.  Dreifaltigkeit 
(Coöopx  xpaHa  cbatoB  TpoHKU)  ist  von  bedeutendem  Umfange  und 
mit  Eisen  eingedeckt.  In  ihr  bemerkenswerth :  ein  Heiligenbild  aus 
dem  XIV.  Jahrh. ,  die  dem  Fürsten  Tschet  erscheinende  Mutter 
Gottes  darstellend ;  ein  Bild  der  heil.  Dreifaltigkeit  (r.  von  der 
Zarenthür) ,  Geschenk  des  Bojaren  Dmitry  Iwanowitsch  Godunow 
(1593) ,  dem  Michael  zum  Gedächtniss  des  Stolbower  Friedens  3 
goldene  Medaillen  widmete ;  Reliquien  MichaePs  u.  s.  w.  In  der 
Schatzkammer:  zwei  Cruciflxe,  den  Godunows  1593  angeh5rig, 
desgl.  Evangelien  von  1432  und  1593,  Psalter  von  1591,  Ge- 
fässe  u.  s.  w.  aus  dem  xvi.  und  xvii.  Jahrb.,  das  Heiligenbild  der 
Mutter  Gottes  (ÜROHa  UpocBAToH  BoropoAimu),  mit  dem  die  Mutter 
Michael's,  Marfa  Iwanowna,  ihren  Sohn  bei  der  Zarenwahl  seg- 
nete, 90  andere  verschiedene  Heiligenbilder,  Gefässe,  Gewänder, 


344    Route  26.  KINESCHMA.  Von  Ryhiruk 

Mitren  u.  s.  w.  Ferner  befinden  sich  hier  die  Oräber  einiger  Go- 
dunows  (Vater  und  Mutter  des  Zaren  Boris  Feodorowitsch) ,  des 
Fürsten  Zacharias  Tschet  u.  a.  Auch  Iwan  Ssussanin  (S.  342)  soll 
hier  beigesetzt  sein ,  doch  ist  sein  Begräbnissplatz  nicht  bekannt. 
Unter  der  Kathedrale,  in  den  1786  erbauten  6eT\olben,  die  Kirche 
des  h.  Lazarus  (UepK.  Jasaps  MeTsepoxHeBHaro),  in  der  nur  der 
Ikonostas  sehenswerth  ist.  —  Im  Klostergebäude  die  Zarenzimmer, 
in  denen  Michael  Feodorowitsch  zur  Zeit  seiner  Zarenwahl  wohnte, 
im  damaligen  Zustande  erhalten.  —  Auf  dem  Hofe  des  Klosters  ein 
Denkmal  in  Gestalt  eines  viereckigen  Pfeilers ,  auf  dem  die  wich- 
tigsten Daten  aus  der  Geschichte  des  Klosters  verzeichnet  sind ;  der 
sog.  Pulverthurm  {dexe^uan  6amHfl),  Geschütze  und  Feuerrohre  aus 
dem  XVI.  Jahrh.  u.  s.  w.  —  Im  Patriarchenhaus  (ApxiepeiicKÜi  AOWh) 
die  Wohnung  des  Erzbischofs ,  die  Verwaltungsbehörden  des  Koss- 
troma'schen  Eparchats ,  und  eine  kleine  Kirche ,  vom  Kaiser  Ni- 
kolaus I.  bei  seinem  Besuche  des  Klosters  am  7.  Oct.  1834  gegründet. 


Unterhalb  Kosstroma  gewinnen  die  Ufer  an  landschaftlichem 
Reiz.  185  W.  Poshnja  (üosha),  auf  dem  r.  Ufer  des  Flüsschens 
Schatscha,  —  192  W.  Die  Wasserschwelle  Jarun;  ober-  und  unter- 
halb Inseln. 

197  W.  (r.)  »PleM  (üjeci),  altes  Städtchen  mit  2500  Einw., 
einer  Kathedrale  und  8  anderen  Kirchen. 

199  W.  Koldomskimi  (Komomckumh),  an  der  Mündung  der  Kol- 
doma,  ehemals  kaiserl.  Besitzthum. 

218  W.  (r.)  Bogorodskoje  (EoropoxcKoe)  od^i  Borschtschowka; 
219  W.  (r.)  Strjelka  (CipfiaKa)  oder  Petropawlowskoje^  beide  hübsch 
gelegen  im  Schatten  dichter  Gehölze,  ersteres  mit  einer  steinernen 
Kirche  der  Mutter  Gottes  von  Wladimir  und  einer  hölzernen. 

226  W.  Insel  Ssoldogsky;  gegenüber  (1.)  die  Ssloboda  Ssoldoga 
(CoJAOra).   Weiter  abwärts  (r.)  das  Dorf  Matweicha. 

244  W.  (r.)  *Eineschma  (KHuemiia);  längerer  Aufenthalt;  gutes 
Bier  belKronowsky),  Kreisstadt  mit  4000 Einw.,  liegt  malerisch  am 
Einflüsse  der  Kineschma  in  die  Wolga.  Unter  den  (8)  Kirchen  sind 
bemerkenswerth :  die  Usspensky-Kathedrale  (YcneHCKlM  coöcpi)  mit 
hohem  Glockenthurm ;  die  Himmelfahrtskirche  (Uepx.  BosHeceHui 
FocnoABfl),  Ende  des  xviii.  Jahrh.  an  Stelle  eines  Klosters  erbaut ; 
die  Kirche  Maria  Verkündigung  (Uepx.  EiaroBtmeHia) ,  aus  dem 
Ende  des  xvii.  Jahrh.  —  Auf  dem  Platze,  wo  1608  die  Schlacht 
zwischen  den  Polen  und  den  Bewohnern  von  Kineschma  stattfand, 
steht  eine  steinerne  Kapelle,  in  der  alte  Geschütze  aufbewahrt  wer- 
den ;  am  Schlachttage  (26.  Mai)  wird  alljährlich  in  ihr  ein  Hochamt 
gehalten.  —  In  der  anmuthigen  Umgebung  der  Stadt  liegt  auf  hohem 
bewaldeten  Berge  eine  viel  besuchte  Einsiedelei  (IlycTUHbKa). 

Eisenbahn  von  Kineschma  nach  Schuja^  Iwanowo  und  Nowki  (Linie 
Hoskau-Nishny-l^owgorod)  s.  S.  324. 

262  W.  Dorf  Nikolskoje  (HHKOiBCKoe)  mit  grosser  Leinenfabrik. 


nach  Ssysran.  GORODEZ.  26.  Boute.    345 

—  269W.  (r.)  RJäschma  (PtniHa),  hübsch  gelegenes  Dorf  mit  einer 
alten  Kirche  der  heil.  Dreifaltigkeit.  Die  Bewohner  von  Rjäschma 
und  Umgegend  verfertigen  geschätztes  (Rjäschemskisches)  Tuch. 
Jahrmarkt  im  Juli. 

298  W.  (l.)  Gegenüber  einer  Insel  mündet  die  aus  dem  Galitscher 
Kreise  kommenden  Nemda  (HeMAa).  —  Bald  darauf  (1.)  die  Mün- 
dung der  XJnscha.  Unweit  auf  dem  1.  Ufer  der  See  Kriwoje  (Osepo 
KpHBOe),  in  der  Nähe  das  YLeinQ  Kriwosersky* sehe  Kloster,  1644 
erbaut.  —  Die  Wolga  macht  eine  scharfe  Biegung  nach  S.  und  wir 
sehen  vor  uns  (r.)  die  Thürme  und  Kuppeln  von 

306  W.  *JiiijeweK-PawolsliBky  (H)piieBem-naB0JUKCRi8),  Kreis- 
stadt mit  7262  Einw.  und  lebhaftem  Schiffbau. 

Bei  der  Weiterfahrt  werden  die  Inseln  häufiger.  311  W.  die 
grosse  Warwarinsky' sehe  Sandinsel. — 322  W.  (1.)  Dorf  üstje  (VcTLe) 
an  der  Mündung  der  Ssmudenza.  Der  Legende  nach  soll  hier  der 
heil.  Makarjew  von  Sheltowodsk  gewohnt  haben ;  die  Kirche  von 
Ustje  trägt  seinen  Namen. 

346  W.  (r.)  *Pat80heili  (üyneKi) ,  malerisch  gelegener  Flecken 
mit  2410  Einw.  und  6  Kirchen,  von  denen  die  Kathedrale  am  Qual 
sich  besonders  gut  präsentirt.  Lebhafter  Handel ;  Jahrmärkte  am 
26.  Juni  und  8.  Juli. 

Das  Flussbett  breitet  sich  immer  mehr  aus ,  von  langen  Inseln 
durchsetzt ;  der  Contrast  zwischen  dem  hohen  rechten  und  niederen 
linken  Ufer  tritt  stärker  hervor. 

361  W.  (r.)  *Katunki  (Katynioi),  hübsch  gelegenes  Dorf  an  der 
Grenze  der  Gouvernement«  Kosstroma  und  Nishny-Nowgorod,  mit  c. 
3000  Einw.  und  zahlreichen  Fabriken  (Leder  und  Wachstuch). 

369  W.  *Wa8silj€wa  (BacHJBeBa) ,  grosses  Dorf  mit  6  Kirchen, 
ehemals  Erbgut  der  Familie  Schuisky. 

387  W.  (1.)  *Gorode2  (Fopo^ei^'B) ,  ein  aus  mehreren  Ssloboden 
und  Vorwerken  bestehendes  grosses  Dorf  mit  ca.  8000  Einw.,  welche 
Leinwand  und  Garn  fabriciren,  Leder  und  Eisen  bearbeiten  und 
starkeA  Handel  bis  tief  nach  Asien  hinein  treiben.  In  der  Nähe 
der  Berg  Apolsen  {Oaoizewb)  mit  Resten  alter  Befestigungen. 

Von  den  Kirchen  in  den  Ssloboden  von  Gorodez  sind  bemerkens- 
werth:  die  Kathedrale  des  h.  Nikolaus,  1644  erbaut,  mit  dem 
wunderthätigen  Bilde  des  Erlösers  (1679),  demBUde  des  h.  Johanne» 
des  Täufers  (1721)  u.  a. ;  die  TroiAkaja- Kirche  (1673)  mit  vielen 
Alterthümern,  darunter  ein  von  Posharsky  (S.  289)  geschenktes  Hei- 
ligenbild. In  dem  Feodorowsky- Kloster  (OeoAopoBCKiü  HOHacTupb), 
welches  zugleich  mit  der  Stadt  gegründet,  von  Baty  zerstört  und 
dann  wieder  1700  und  1767  aufgebaut  wurde,  verbrachte  Alexander 
Newsky ,  Grossfürst  von  Wladimir ,  seine  letzten  Tage  als  Mönch 
und  starb  hier  am  14.  Nov.  1263;  in  dem  Kloster  3  Kirchen,  aus 
dem  XVIII.  und  xix.  Jahrh.  stammend.  Da  Gorodez  ein  Hauptort 
der  Altgläubigen  ist,  so  befindet  sich  hier  auch  eine  Kathedrale  der 
Altgläubigen  (PacKOUBH^bfl  lacoBHfl),  von  Holz,  1711  erbaut. 


346     Baute  26.  DIE  OKA.  Von  Ryhinsk 

403  W.  (1.)  NikoUky  Polost  und  (r.)  Kuhenxewo,  beides  Dörfer, 
deren  Bewohner  sich  mit  Schiffbau  beschäftigen. 

406  W.  (r.)  *BaIachnA  (BaiaxHa),  Kreisstadt  des  Gouvernements 
Nishny  -  Nowgorod,  sehr  weitläufig  gebaut,  mit  12  Kirchen  und  ca. 
4000  Einw.,  welche  Schiffbau»  Ziegelbrennerei,  Salzsiederei  u.  s.  w. 
treiben,  auch  die  berühmten  Balacbninskischen  Spitzen  und  Blon- 
den verfertigen. 

An  Sehenswürdigkeiten  sind  zu  erwähnen:  die  Pokrowikaja- 
Kirche  (IIoKpoBCKafl  uepKOBfc),  Ueberrest  eines  ehemaligen  Mönchs- 
klosters, 1600  erbaut,  und  das  *Stadtkau8  C3AaHie  FpaACKoM  i(yMu), 
eines  der  wenigen  Denkmäler  der  russischen  Baukunst  desxvii.  Jahrb. 

Je  weiter  wir  stromabwärts  kommen ,  desto  schöner  wird  das 
Panorama  der  Uferlandschaften,  desto  belebter  der  Strom  selbst. 

417  W.  (r.)  Kosino  (Ko3HHo),  grosses  Dorf  mit  2000  Einw.,  meist 

Gemüsegärtner  und  Schiffbauer.  —  427  W.  Konossowo  (Kohocobo), 

reiches  Dorf  mit  viel  Schiffbau.  —  431  W.  Ssormowo  (CopHOBo), 

mit  der  1849  gegründeten  Maschinenfabrik  vonBenardak&Co.,  eine 

Art  Vorstadt  von  Nishny  -  Nowgorod ,  welches  bald  darauf  höchst 

malerisch  unseren  Blicken  sich  darbietet.  B.  mündet  hier  die  Oka. 
Die  Oka,  deren  Ge8aiumtläng;e  1400  W.  beträgt,  wird  für  Barken 
schiffbar  bei  Orel,  für  grosse  Schiffe  bei  Kaluga,  für  die  grÖssten  unter- 
halb Sserpuchow.  Breite  des  Flusses  bei  Orel  60,  bei  Kolomna  420^ 
weiterhin  bis  600m.  Die  Ufer  sind  nieht  ohne  landschaftliche  Schönheiten. 
—  Dampfer  (Ssamoljot- Gesellschaft)  aufwärts  am  Mo.,  Mi.  u.  Fr.  11  U. 
Vorm. :  nach  Murom  (S.  324)  in  24  St.  für  4  B. ;  nach  Eassimow  in  40  St. 
für  8  R.  50  Kop.;  nach  Rjäsan  in  68  St.  für  ca.  16  B. 

438  W.  (r.)  »Vishny-Nowgovod  (ühshIü  HoBFopoxi)  s.  S.  325. 

Eisenbahn  von  Nishny -Nowgorod  Aach  Moskau  (Eilzog  Abends 
8V2  U.)  s.  S.  823.  —  Dampfer  s.  S.  325.. 

Die  Oka  ist  eine  ethnographische  Grenze;  die  Anwohner  der 
"Wolga  bis  zu  ihr  sind  reine  Slaven,  jenseits  beginnt  das  Gebiet  fin- 
nischer und  tatarischer  Volksstämme  (Mordwinen,  Tschuwaschen, 
Tscheremissen,  Tataren ,  "Wotjaken,  Baschkiren),  welche  Kleidung, 
Sitten,  Gebräuche  und  theilweise  ihren  Glauben  rein  bewahrt  haben 

und  neben  den  Bussen  die  Hauptbevölkerung  ausmachen. 

Die  Mordwinen  oder  Mordwa  (Mopi^a),  die  im  Gouvernement 
Nishn^-Nowgorod  nicht  auf  einem  zusammenhängenden  Territorium,  son- 
dern Oasenartig  zerstreut  wohnen,  sind  der  südlichste  Zweig  des  ehemals 
das  ganze  nördliche  Europa  bewohnenden  Volksstammes  der  Finnen 
oder  Tschuden.  Heute  rechnet  man  die  Mordwinen  Im  Verein  mit  den 
Tscheremissen  und  Wotjalcen  als  Wolga  -  Finnen  zu  der  östlichen  Grunpe 
der  finnischen  Völker  (baltische  Finnen  \  die  karelische  Gruppe  s.  S.  201). 
Schon  in  ältester  Zeit  hatten  die  Mordwinen,  die  als  sehr  kriegerisch  ge- 
schildert werden,  die  Ebenen  Busslands  inne.  Sie  theilten  sich  in  drei 
Hauptstämme :  Mokschanen,  Ersanen  und  Karatajen.  Die  MoktchaMn  (Mok- 
manu)  bilden  heute  den  zahlreichsten  Stamm  \  sie  wohnen  hauptsächlich 
an  der  Oka,  Mokscha  und  Ssura.  Die  Karaiajtn  (Kaparaa)  sind  sehr  zu- 
sammengeschmolzen und  sollen  einige  Dörfer  in  Kasan'schen  bewohnen. 
Die  Ersanen  (SpsaHBi)  wohnen  an  der  Oka,  im  Nishny- Nowgorod'schen, 
Kasan'schen  und  Orenbnrg'schen  Gouvernement,  vermischt  mit  den  Mok- 
schanen^ doch  unterschieden  von  ihnen  hinsichtlich  der  Sprache,  einiger 
Gebräuche  und  der  Kleidung  des  weiblichen  Geschlechts. 

Heutzutage  sind  die  Mordwinen,  jetzt  sehr  friedliche  Leute,  in  mehr 
oder  minder  zahlreichen  und  ausgedehnten  Gruppen  über  die  Gouverne- 


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nach  Ssysran.  ARSAMASS.  26.  Soute,    347 

xnents  Ssamara,  Ssaratow,  Ssimbirsk,  Pensa,  NisIiny>Nowgorod,  Tambow, 
Kasan,  Ufa,  Orenburg  und  Asstracban  vertheilt  und  zahlen  im  Ganzen 
ca.  800,000  Seelen.  Sie  sind  etwas  schwerfällige,  aber  überaus  sanfte, 
ehrliehe,  gastfreie,  fleissige,  umgängliche  Menschen  von  schönem,  kräf- 
tigem Schlage,  die  fleissig  Ackerbau,  Vieh-  und  Bienenzucht,  sowie  man-- 
cherlei  Gewerbe  treiben.  Die  Ersanen  zeigen  die  finnische  Eörperbildung 
noch  unvermischt  und  sind  durchschnittlich  blonden  oder  röthlichen 
Haares;  die  Mokseharen  haben  dunkle  schlichte  Haare  und  dünne  Barte; 
man  erkennt  die  Zumischung  von  tatarischem  Blute.  Sie  bewohnen 
Häuser,  die  nach  russischer  Art  gebaut  sind;  ihre  Dörfer  liegen  aber 
nicht,  wie  bei  den  Russen,  in  gerader  Linie  an  einer  Seite  der  Strasse, 
sondern  bilden  Gruppen  von  Gehöften  inmitten  dichter  Haine. 

Am  besten  lernt  man  die  Mordwinen  kennen  in  dem  100  W.  (Post- 
verbindung) südlich  von  Nishny- Nowgorod  gelegenen  Araamast  (Apaa- 
Haci),  der  alten  Stadt  der  Ersanen,  an  der  Ttscha^  mit  10,400  Einw., 
34  Kirchen,  3  Klöstern,  34  Fabriken,  unter  denen  allein  19  bedeutende 
Lederfabriken  (vortreffliche  Juchten).  Das  Alexejew^tehe  Nonnenkloster, 
unter  Michael  gegründet,  unter  Katharina  II.  aufgehoben,  1777  restaurirt, 
geniesst  eines  grossen  Rufes;  seine  Einrichtungen  weichen  von  denen  der 
übrigen  russischen  Klöster  ab.  Innerhalb  der  Umfassungsmauer  von  1800  m 
Länge  befinden  sich  ca.  80  Gebäude,  darunter  3  Kirchen,  sodass  das  Kloster 
eine  kleine  Stadt  für  sieh  bildet.  Die  innere  Einrichtung  der  Kirchen, 
die  Altäre,  das  Sehnitzwerk,  die  Vergoldunge;n ,  die  Heiligenbilder,  sind 
sämmtlich  von  den  Nonnen  verfertigt.  Letztere,  in  drei  Artells  (Gesell- 
schaften) getheilt,  beschäftigen  sich  theils  mit  Kunst,  theils  mit  Fabrik- 
und  Handwerks- Arbeiten,  theils  mit  Garteneultur  u.  s.  w.  Ihre  Gold-  und 
Silberstickereien  sind  durch  ganz  Russland  berühmt  und  werden  weit  nach 
Asien  hinein  versandt.  Die  Tracht  der  Nonnen  ist  ein  langes,  schwarzes 
Kleid,  unter  der  Brust  gegürtet.  Die  Mädchen  haben  eine  hohe,  spitze 
Kapuze  auf  dem  Kopfe,  die  Wittwen  und  Frauen  eine  schwarze  enge  Haube 
wie  ein  gewundenes  Tuch.  Die  Kathedrale  des  Klostert  ist  1812-lSl  durch 
Korinski  nach  dem  Muster  der  Peterskirche  in  St.  Petersburg  von  der  Kauf- 
mannschaft erbaut.  Die  Gemälde  sind  von  einheimischen  Malern  (Ssere- 
brakow  u.a.),  die  des  Ikonostas  im  russischen  Kirchenstil,  die  übrigen 
Gopien  westeuropäischer  Bilder;  die  Fresken  nach  Rubens. 

Die  Dampfer  der  Gesellscliaft  Ssamoljot  fahren  vom  Landungs- 
platz auf  der  Jahrmacktseite  (PJ.  C  3),  die  der  anderen  Gesell- 
schaften vom  Dampfschifflandeplatz  (PL  E  2)  ab.  Wir  passiren  den 
Kreml ,  den  Wasserleitungsthurm  (S.  329) ,  die  Fabrik  Koltschin, 
beide  am  Fusse  des  Atkoss  (S.  329)  liegend ,  dann  am  Östlichen 
Ende  der  Stadt  das  Petschorsky- Kloster  (S.  329)  und  die  Ssloboda 
Sstarqja  Fetschora  mit  ihrer  alterthümlichen  Kirche.  Ebenso  schon 
wie  diese  Sslobode  liegt  das  Dorf  Podnowje  (noAHOBbe) ,  dessen 
Bewohner  berühmte  Garteneultur  (Gurkeuhau)  treiben.  —  Der 
Strom  verbreitert  sich  dann,  nachdem  wir  mehrere  Sandinseln 
(Podnowje,  Teljatachi  Brodf  SaobcUschi  Prorok)  hinter  uns  gelassen 
haben  ,  immer  mehr  und  dehnt  sich  in  der  Folge  wie  ein  See  aus. 

486  W.  (r.)  Kadnizy  (KaAHUUu),  grosses  Dorf,  dessen  Bewohner 
Schiffbau  (Schiffe  mit  reichem  Schnitzwerk)  treiben. 

496  W.  *Rdbotök  (PaöOTOKi),  in  der  Nähe  eines  Eichenwaldes. 
—  Hinter  der  gelben  Sandfläche  des  linken  Ufers  zieht  sich  das 
bläulichschimmernde  Dickicht  einer  Weidenart  hin,  die  hier  überall 
die  Flussufer  säumt.  —  515  W.  (L)  Einmündung  des  Korsckenez, 

516W.  (r.)  Lysskowo  {ÄucKOBO),  Dort  im  Kreise  Makarjew,  mit 
8  Kirchen,  unter  denen  besonders  die  Sspassopreobrashensky-Kathe- 
drale  bemerkenswerth ,  einer  geistlichen  Schule  (bis  1799  Gymna- 


348    Route  26,  KOSMODEMJANSK.  Von  Rybinsk 

sium),  ca.  200  Mühlen,  lebhaftem  Handel  mit  Getreide,  Leinwand 

und  den  Fabrikaten  des  Kreises. 

Lysskowo,  aaf  der  Stelle  der  alten  BUdt  Ssundoteit  erbaut,  welche 
unter  Dmitry  III.  KonAtantinowitseb  (1369-1363)  von  den  Tataren  zerstört 
wurde,  wird  im  zv.  Jahrb.  ala  Besitsung  der  Toehter  des  Fürsten  G.  A. 
Orusinsky,  der  Gräfin  Tolstoy,  und  als  Krondorf  erwähnt.  Ala  Stenka 
Roiin^  Anführer  der  aufrührerischen  Kasaken ,  1670  den  Tod  des  ältesten 
Sohnes  des  Zaren  Alexei  Hiehailowitseb,  AlexelAlexeöewitsehv  benutzte,  um 
das  ganze  Wolgagebiet  bis  Arsamass  zur  Empörung  zu  reizen,  erhoben 
sich  auch  im  Beginn  des  Herbstes  die  Bauern  von  Lysskowo  unter  An- 
führung des  kasakisehen  Hetman  J£aximu$  Ouipov^  wurden  aber  Ende  Sep- 
tember 1670  dureh  die  Truppen  des  Zaren  Alexei  unter  Fürst  Jury  Alex. 
Dolgoruky  gesehlagen. 

Unweit  Lysskowo  1.  das  in  Verfall  begriffene  Kloster  Makar^eWf 
die  Stelle  bezeichend,  wo  früher  der  Jahrmarkt  (jetzt  in  Nishny)  ab- 
gehalten wurde  (S.  333). 

519  W.  (1.)  *]Cakujew  (MaKapbeBi),  Kreisstadt,  flach  gelegen, 
ehemals  lebhafte  Handelsstadt,  seit  der  Verlegung  der  Messe  wie  das 
Kloster  (s.  oben)  im  Verfall.  Die  Bewohner  fertigen  besonders  Kasten 
und  Koffer,  roth  oder  blau  lackirt,  welche  durch  ganz  Russland,  ja 
bis  nach  Asien  hinein  Absatz  finden. 

Gegenüber  Makarjew,  auf  dem  r.  Ufer,  das  Kloster  Bogomolotoo 
mit  5  Kirchen. 

525  W.  »Dorf  Usady  (McaAH).  Guter  Traktir ;  berühmte  Apo- 
theke und  botanischer  Garten.  —  936  W.  (r.)  Ssamowka  (CaMOBKa), 
grosses  Dorf  mit  vielen  hübschen  Gärten,  am  Abhänge  gelegen. 
Nicht  weniger  schon  liegt  auf  demselben  Ufer  das  Dorf  Fokino 
(^ORHHO),  gegenüber  der  430  m  lange  Fokin'schen  Sandinsel.  —  Von 
Fokino  bis  Wassil-Ssurssk,  das  weithin  sichtbar  ist,  sind  beide  Ufer 
flach ;  die  Wolga  theilt  sich  hier  in  -viele  Arme. 

594  W.  (r.)  *Wa8sil  oder  Wasiü-Siorsgk  (BacHibOypcKi),  Kreis- 
stadt im  Nlshegoroder  Gouvernement,  liegt  anmuthig  inmitten  von 
Gärten  und  Gehölzen  auf  dem  Bergufer  unweit  der  Mündung  der 
600  W.  langen,  ans  dem  Ssysran'schen  Kreise  kommenden  Ssura. 
Die  Stadt  hat  mit  ihren  beiden  Vorstädten  (Chmjälewka  und  Pa- 
chotna)  2500  Einw.,  welche  Matten-  und  Tuchfabrikation ,  Fisch- 
und  Getreidehandel  sowie  SchifiTbau  treiben. 

631 W.  (r.)  Possad'Troizky  (IIocaA'B  TpoHUKÜi),  eine  der  ältesten 
russischen  Niederlassungen  im  alten  Zarthum  Kasan,  gegenüber 
der  Mündung  derWetluga  (610  W.  lang). 

636W.  (r.)  *Xosmodemja&sk(Ko3bHOAeMbflHCRi),  gegenüber  der 
Mündung  der  Rudka  gelegen ,  Anfang  des  zvi.  Jahrh.  gegründete 
Kreisstadt  des  Kasan'schen  Gouvernements,  mit  7869  Einw. 

In  der  Gegend  von  Kosmoden^nsk  beginnen  die  Wohnsitze  der 
Tseheremissen  und  Tsehuwasehen.  Die  ersteren,  bu  den  Wolga-Finnen, 
wie  die  Mordwinen  (S.  346)  gehörend,  leben,  in  einer  Stärke  von  ca. 
260,000  Köpfen,  auf  beiden  Seiten  der  Wolga  zwischen  den  Flüssen  'Wjatka 
und  Wetluga  und  um  die  Hündung  der  Ssura,  jedoch  weniger  unmittelbar 
am  Strom,  als  gegen  das  Innere  des  Landes  zu. 

Die  Tseheremissen  (HepeiaiCH),  die  sich  selber  Meri  oder  Mari  (d.  h. 
Männer)  nennen,  gehören  zu  den  ältesten  Bewohnern  dieser  Gegenden.  Man 
unterscheidet  Berg-  und  Wiesen-Tscheremissen  •,  erstere  wohnen  auf  dem 


nach  Ssysran,  TSCHEBOKSSARY.  26.  Route.     349 

r.  Wolgaufer  und  treiben  Ackerbau,  Vieh-  u.  Bienenzucht;  letztere,  in 
den  Wäldern  und  Steppen  des  1.  Ufers,  beschäftigen  sich  meist  mit  Jagd 
u.  Fischfang.  Ihre  Dörfer  (Asbar  oder  Okolotsch')^  alle  an  und  in  den 
kleinen  Thaleinsehnitten  des  hügeligen  Landes  gelegen,  bestehen  aus 
20-30  baumumgebenen  Gehöften ,  die  unordentlich  durcheinander  gebaut 
sind;  eigentliche  Strassen  existiren  nicht.  Der  Menschenschlag  ist 
unter  allen  hiesigen  Völkerschaften  der  schönste.  Im.  allgemeinen  sind 
die  Tscheremissen  mittelgross,  aber  schlank  und  kräftig  gebaut ;  das  Ge- 
sicht ist  breit,  meist  mit  einer  Stumpfnase,  Haar  und  Bart  glänzend 
schwarz,  der  Ifund  gross,  die  Augen  meist  tief  schwarz;  braunes  Haar 
ist  selten ,  blondes  findet  sich  auf  dem  1.  Wolgaufer.  Die  Weiber,  klein 
und  brünett,  sind  meist  hässlich  und  werden  durch  geschmacklose  Tracht 
noch  mehr  entstellt.  Die  Kleidung  der  getauften  Tscheremissen  ist 
meist  russiflcirt.  —  Die  Sprache  der  Tscheremissen  ist  ein  finnischer 
Dialekt,  aber  stark  mit  tatarischen ,  weniger  mit  russischen  Worten  ge- 
mischt, dem  Esthnisehen  sehr  ähnlich.  Bussisch  verstehen  die  wenigsten 
von  ihnen. 

Fast  die  Hälfte  des  Bodens  im  Gouvernement  Kasan,  in  dem 
■wir  uns  nun  befinden,  bedecken  dichte  Wälder.  Daneben  wird  Acker- 
bau getrieben ,  den  die  fruchtbare  schwarze  Erde  begünstigt. 

Bei  ca.  660  W.  mündet  r.  das  Flüsschen  Ssundirka  (CynAupKa), 
am  Fusse  des  gleichn.  Berges,  dessen  Gipfel  Reste  von  Befestigungen, 
angeblich  der  Festung  Tschelimsky  Gorodok,  krönen.  —  689  W. 
(1.)  Das  kleine  Sspaaso-OerontewsJcaja- Kloster  bei  dem  gleichn. 
Fischerdorfe. 

690  W.  (r.)  ^Tflohebokflsary  (HeöoKcapiii) ,  Kreisstadt  im  Gou- 
vernement Kasan,  mit  6420  Elnw.,  welche  Handel  mit  Getreide, 
Mehl,  Holz  u.  s.  w.  treiben.  Die  Stadt  liegt  malerisch  in  einem 
schönen  Thale,  auf  drei  Seiten  von  hohen  bewaldeten  Hügeln  um- 
geben, und  wird  durchflössen  von  der  kleinen  Tscheboksaarka. 
Das  Innere  des  Ortes  ist  wenig  anziehend,  nur  der  mit  einer 
Baumallee  bepflanzte  Hauptplatz  macht  einen  freundlichen  Ein- 
druck. Unfern  des  Ufers  das  Mönchskloster  der  heil.  Dreifaltigkeit 
(Troizky  -  Kloster)  mit  einem  vielbesuchten  wunderthätigen  Bilde 
des  h.  Nikolaus,  und  ein  verfallener  Glockenthurm.  Unter  den  12 
Kirchen  ist  die  bemerkenswertheste  die  Kathedrale  zu  Maria 
Darstellung  (Coöopi  BeAeniH  BOxpaHi  IIpecBJiTofi  EoropoAHUH),  in 
welcher  sich  ein  Bild  der  Wladimir'schen  Mutter  Gottes  (1.  von 
der  zarischen  Thür) ,  eines  der  Mutter  Gottes  von  Ssmolensk  und 
Grabmäler  Kasan'scher  Heiliger  befinden. 

Eine  Fahrt  nach  dem  90  W.  südöstl.  von  Tschebokssary  gelegenen 
Woronowka  (BopoHOBKa)  führt  uns  mitten  in  eine  ausschliesslich  von 
Tschuwaschen  bewohnte  Gegend,  die  in  compacter  Masse  auf  dem 
rechten  Wolga -Ufer  um  die  Ssura  herum,  zerstreut  auch  in  den  Gou- 
vernements Ssimbirsk,  Ssamara,  Ufa  u.  a.  sitzen  und  im  Ganzen  570,000 
Köpfe  stark  sein  sollen.  Von  den  Bussen  werden  sie  Wynäu^  von  den 
Tataren  Totar^  von  den  Mordwinen  WJätke^  von  den  Tscheremissen  Kurk- 
mari  (Bergmänner)  genannt.  ITeber  ihre  Abstammung  ist  viel  gestritten ; 
gegenwärtig  glaubt  man  sie  nach  ihrem  Aeussern  und  ihrer  Sprache  — 
die  übrigens  viele  finnische  und  slavische  Wörter  aufgenommen  hat  — 
dem  türkisch  -  mongolischen  Stamme  zurechnen  zu  dürfen,  obgleich  sie 
in  Lebensart,  Sitten,  Tracht  und  Aberglauben  den  Tscheremissen  sehi 
nahe  stehen,  mit  denen  sie  sich  aber  nicht  vermischen. 


350    Route  26. 


KASAN. 


Von  JRyhinsk 


721  W.  (r)  *Marinsky  Possad  (Mapi^HCKiS  IIocaAi),  malerisch 
am  Abhang  gelegener  Flecken  mit  alter  Kirche  und  c.  700  Einw. 

771  W.  *Koslowka  (KosiOBKa).  —  Beim  Weiterfahren  werden 
r.  die  Thürme  und  Kuppeln  des  hochgelegenen  Sswijashsk  sichtbar. 

796  W.  '^aswijashsk  (CBiflSCKi),  Kreisstadt  mit  2553  Einw.  im 
Gouvernement  Kasan,  1551  von  Iwan  IV.  Wassiljewitsch  als  Stütz- 
punkt in  seinen  Kriegen  gegen  Kasan  gegründet,  liegt  einige  Werst 
vom  Ufer  der  Wolga  entfernt  an  der  Sswijaga  und  der  Schtachuka. 
Die  Stadt  hat  10  Kirchen,  worunter  eine  Kathedrale,  und  zwei 
Klöster :  das  Mönchskloster  der  h,  Mutter  Qottes ,  von  dem  ersten 
Archimandriten  German  gegründet,  dessen  Grabmal  sich  in  dem 
Kloster  befindet,  und  das  Nonnen -Troizky ^Kloster  mit  der  alten 
Troizkaja- Kirche,  zur  Zeit  Iwan's  IV.  aus  Holz  erbaut;  am  Iko- 
nostas alte  Malereien. 

806  W.  Morkwasch  (MopHBami),  hübsch  gelegenes  Dorf.  —  Wei- 
terhin bis  Ober-  Usslon  (Bepx.  Yc^oht.)  ist  das  r.  (Berg-)  Ufer  reich 
an  hübschen  Landschaftsbildern.    Bald  darauf  r.  der  Berg  Usslon. 

816  W.  (1.)  *Landungsplatz  für  Kasan  (Kasanskaja  Pristany), 
mit  Traktirs  (2  St.  Aufenthalt).  Die  Stadt  liegt  7  W.  landeinwärts. 
Iswoschtschiks  am  Landeplatz  (Fahrt  in  die  Stadt  75Kop. ;  Gepäck- 
wagen 25-50  Kop,).  Auf  dem  Wege  zur  Stadt  1.  vom  Damm  die 
sog.  Schädelpyramide  (S.  357). 

Kasan  (KaaaHb,  tatar.= Kessel;  tscherem.  Oson). 

Gasthöfe.  Hotel  de  TEai-ope^  de  Franee;  Wolga-Eama, 
alle  drei  in  derWosskressenskajaCPl.DS),  Z.  1-2 K.;  Nummern  :  Michai- 
loff am  Nikolaus-Platz  (PI.  E  2) ;  M  u  s  u  r  o  f  f  am  Fischmarkt  ^  N  i  k  o  1  s  k  y , 
Ssibirskaja  auf  der  Prolomnajastrasse,  Schtscherbakow,  Ti- 
chanow  u.  a. 


1.  Adelsklub  .  .  .  .  E2 

2.  Adl.  Institut  (Ro- 
dionowsky)  .  .  .  E2 

3.  Admiralität  .  .    B34 

Denkmäler. 

4.  ZurErinnerung 
andenSiegüber 
die  Tataren  .  .  C2 

6.  Dersbawin    .  .  E2 

6.  Gasfabrik  .  .  .  .  F4 

7.  Geistl.  Akademie  F2 

8.  Gerichtshof  .  .  .  D3 

9.  Gostinny     Dwor 
(Kaufhaus)    .  .  .  D2 

10.  I.  Gymnasium   .  £2 

11.  II.  Gymnasium.  D3 
12.SIäd  eh.  Gymnasium  E3 

Kirchen  u.  Klöster. 
18.  Cyprian-K.    .  .  D2 

14.  Dmitry-K.  .  .  .  B2 

15.  Erlöser-Mönchs- 


Plan  von  Kasan. 

Kl.(Sspaßso-Pre- 
obrashensky)  .  D  2 

16.  Erlöser-K.(Preo- 
brashenskaja) .  ES 

17.  Freitags -K.. 
(Pjatnitzkaja)    D2 

18.  Georgs-K.  .  .  .  E3 

19.  Iljinskaja-K.  .  D8 

20.  Johann     Pred- 
tetsch-Kl.  .  .  .  D2 

21.  Kathedrale 
(Ssobor).  .  .  .  D2 

22.  Katholische-K.  E2 

23.  Kisitschesky- 
Kl Cl 

24.  Lutherische  K.  E2 

25.  Maria  Himmel- 
fahrts-K.    .  .  .  D2 

26.  Moschee(tatar.)E3 

27.  Nonnen -Kl. 
(Bogoroditzky)  D2 

28.  Pakrowskaja-K.  E2 


29.  Peter-Pauls-K.  D2 

30.  Silantowsky-Kl.  B2 

31.  Troitzkaja-K. 

32.  Wosdwifihen- 
skaja-K D2 

33.  Kreisgericht    .  .  D3 

34.  Lehrer  -  Seminar  E3 

35.  Mil.-Bezirk8-6tabD2 

36.  Pferdebahnstationen 

A4,  B3,D3,EF3 

37.  Telegraph  .  .  .  .  E2 

38.  Schloss  (Gouver- 
nement)   D2 

39.  Ssumbeka-ThurmD2 

40.  Stadthaus  .  .  .  .  D2 

41.  Post E2 

42.  Universität 
(kaiserl.)    .  .  .  .  E3 

43.  TJniversitäts-Kli- 
nik E2 

44.  Theater E2 

45.  Wasserthurm  .  .  £  4 


i 


nach  Ssysran,  KASAJ^.  26.  Raute,     351 

Restaurahts  in  den  genannten  JTot eis  und  am  *TschornojeOsero 
(S.  354),  gute  Küche. 

VERGNueunasLOCALB.  Im  Sommer  der  Festung 8 -Boulevard  beim 
Kreml  (S.  352),  der  «Tschornoje  Osero  (S.  354),  Tivoli  in  der  Ad- 
miralitäts-Vorstadt (PL  B8)j  Panajewscher  Garten  (neu)  mit  Som- 
mertheater, die  Deutsche  und  die  Bussische  Schweiz  (S.  354).  -— 
Theatsb  (im  Winter)  am  Theaterplatz. 

Badeakstaltbh  bei  dem  in  der  19^ähe  der  tatarischen  Vorstadt  ge- 
legenen Kaban-See  (Volksbad  öKop.),  und  in  der  Ka  sanka. 

Waoek.  Iswoschtschiks  (Tataren)  für  eine  einfache  Fahrt  in  der 
Stadt  15  Kop.,  1  St.  40  Kop. ;  zum  Landungsplatz  (e.  8/4  St.)  75  Kop.  Für 
längere  Fahrten  accordiren. 

PFERDEBAH2I  vom  Dampfboot-Laudeplatz  bis  in  die  Stadt,  Fahrt  zur 
Stadt  15  Kop.,  Theilstrecke  5  Kop. 

Post  am  Theaterplatz  und  am  Heumarkt.  Preise  für  Postfahrten  4  Kop. 
pro  Werst  und  Pferd.  —  Tblbobaph  in  der  Nähe  des  Theaters. 

Dahppschiffb.  Gesellschaft  Ssamoljot:  nach  NUhny-Nowgorod 
täglich  8  U.  Vorm.  s  nach  Ssysran  tägUch  (576  W.  in  32  St.  für  9  B.  20  Kop.) ; 
nach  Zarizin  Di.,  Do.  u.  Sa. ;  nach  Asstrachan  So.  \  nach  Perm  (1000  W. 
für  9  B.  60  Kop.)  Mi.  u.  Sa.;  nach  Ufa  Do.  u.  So.  —  Gesellschaft 
Kawkas  und  Merkur  nach  Ptrm  und  Ä$itrachan  und  A.  A.  Seveke 
nach  Asstrachan  s.  S.  325. 

Fbste  der  Ssmolenskischen  Mutter  Gottes  25.  und  26.  Juni,  2.,  20.,  27. 
und  28.  Juli;  interessant  durch  die  Anwesenheit  der  vielen  fremden 
Völkerschaften. 

Kasan  j  Hauptstadt  des  ehemaligen  Zarthums  Kasan  und  des 
jetzigen  gleichn.  Gouvernements,  mit  c.  150,000 Elnw.,  Sitz  des  Erz- 
bischofs von  Kasan  und  Sswijashsk,  Hauptquartier  des  IX.  Militär- 
bezirks ,  liegt  unter  55°  48'  nördl.  Br.  und  66°  47'  östl.  Länge  in 
85  m  Meereshöhe  auf  dem  linken  Ufer  der  Kasanka  auf  mehreren 
Hügeln  Inmitten  einer  Ebene,  die  im  Frühjahr  weithin  von  Wolga 
und  Kasanka  überschwemmt  wird.  Kasan  hat  54  orthodoxe  Kirchen, 
daneben  1  römisch-katholische,  1  protestantische,  ausserdem  2  Sy- 
nagogen und  9  Moscheen ;  an  Bildungsanstalten  eine  Universität, 
eine  Akademie  für  orientalische  Sprachen,  eine  geistliche  Akademie 
u.  s.  w.,  an  Wohlthätigkeitsanstalten  ein  Krankenhaus  und  3  Ho- 
spitäler. Per  Handel  ist  sehr  bedeutend;  die  Industrie  (c.  125 
Fabriken)  erstreckt  sich  auf  die  Fabrikation  von  Leder  (berühmte 
Juchten),  Seife ,  Pulver,  Tuch,  Kattun,  Glocken,  Heiligenbildern, 
Schiffsbau  u.  s.  w. 

Auf  den  Hügeln  (s.  oben)  liegt ,  im  N.  von  der  Kasanka  be- 
spült, die  eigentliche  Stadt  mit  fünf  verschiedenen  Stadttheilen ;  im 
nordwestlichen  Theile  der  Kreml,  umgeben  von  dem  sog.  Festungs- 
Boulevard.  Nach  S.,  W.  und  0.  verflachen  sieh  die  Höhen,  um 
dann  wieder  anzusteigen.  Im  W.  die  Admiralitäts-Ssloboda,  ver- 
bunden mit  der  eigentlichen  Stadt  durch  einen  hohen ,  über  die 
Niederung  und  die  Itschka  führenden  Damm ,  und  das  Silantow- 
Kloster ;  auf  dem  rechten  Ufer  der  Kasanka  die  Vorstädte  (Sslo- 
boden)  Igumnowa,  Jagodnaja,  Porochowskaja  (Pulverfabrik),  KUit- 
acheskaja  mit  Kloster ,  von  einem  Fichtengehölz  umgeben.  Im  0. 
der  eigentlichen  Stadt  liegt  das  Arsskoje  Pole  (ApcKoe  noie,  Arssker 
Feld)  mit  den  schönen  Gebäuden  des  adligen  Töchter -Instituts, 
des  Militär-Hospitals  und  der  geistlichen  Akademie.   An  das  Feld 


352     BouteSe.  KASAN.  Von  Ryhinsk 

grenzen :  der  Kirchhof,  die  Kasan^sche  Schweiz,  die  Vorstädte  Pod- 

lushnaja  (im  N.),  Ssoldatskaja,  Ssukonnaja  und  AtchangeUkaja. 

Weiter  im  S.,  jenseit  des  unteren  (O3.  Hhsh.  KaöaHi)  und  mittleren 

Kdban-Sees  (O3.  CpexH.  Kaöasi)  die  beiden  Tataren- Vorstädte.  Die 

Kaban-Seen  sind  mit  der  Kasanka  durch  den  die  Stadt  durcli- 

scbneidenden  Kanal  Bulak  (ByiaKi)  verbunden.  —  Die  Häuser  der 

eigentlichen  Stadt  sind  überwiegend  von  Stein.  Die  Hauptstrassen 

sind  gepflastert  und  mit  Trottoirs  versehen.    Dagegen  sind  die 

meisten  Vorstadtstrassen  nicht  gepflastert  und  überaus  schmutzig. 
Zur  Oesehiehte  Kasans.  Wann  und  von  wem  Kasan  gegründet 
wurde,  ist  mit  Sicherheit  nicht  bekannt.  Unter  den  bulgarischen  Städten, 
welche  der  Mongole  Batu-Chan  im  xxii.  Jahrh.  unterwarf,  wird  Kasan 
nicht  genannt.  Im  J.  1996  wurde  es  durch  den  Grossfürsten  Wassily  Dmi- 
triewitsch  zerstört,  hob  sich  aber  bald  wieder  und  wurde  die  Hauptstadt 
eines  selbständigen  Tatarenreiches,  welches  Ulu -Machmet -Chan  143841 
auf  den  Trümmern  der  in  sich  zerfallenen  goldenen  Horde  ge^pründet 
hatte,  dessen  Geschichte  aber  nur  von  Revolutionen  und  bestandigen 
Kämpfen  mit  den  russischen  Grossfürsten  zu  berichten  weiss.  Iwan  III. 
eroberte  1469  Kasan,  wo  damals  Ibrahim -Chan  herrsehte;  nach  dessen 
Tode  mischte  er  sich  in  die  Thronstreitigkeiten,  unterstützte  Ibrahim's 
jüngsten  Sohn  Machmet- Amin  gegen  dessen  älteren  Bruder,  sehlug  letzteren 
1487  bei  Kasan  und  setzte  Amin  als  Herrscher  ein,  nahm  aber  selbst,  um 
sein  Recht  der  Oberherrschaft  über  das  Land,  das  ehemalige  bulgari- 
sche Reich,  zu  beweisen,  den  Titel  eines  Fürsten  von  Bulgarien  an.  1504 
setzte  Maehmet-Amin  in  Kasan  eine  Christenverfolgung  in  Scene,  liess 
sämmtliche  in  der  Stadt  anwesenden  Russen  massacriren  und  fiel  selbst 
mit  einem  Heere  in  Rassland  ein,  belagerte  aber  Nishny-Kowgorod  ver- 
gebens und  kehrte  nach  Kasan  zurück,  unbelästigt  durch  das  grossfürst- 
liche Heer,  weil  eben  damals  (1505)  Iwan  III.  starb.  Neue  Thronstreitig- 
keiten nach  Machmet -Amines  Tode  (1519)  und  fortgesetzte  Empörungen 
in  Kasan  führten  mehrmals  die  bewaffnete  Intervention  Iwan^s  IV.  her- 
bei ,  der  schliesslich  die  völlige  Unterwerfung  Kasans  beschloss.  Die 
Belagerung  der  Stadt  1550  misslang  zwar,  und  Iwan  selbst  verhalf  1551 
dem  schon  mehrmals  vertriebenen  astrachanschen  Zarewitsch  Sehich- 
Alei  wieder  auf  den  Thron  von  Kasan;  als  aber  derselbe  bald  darauf 
abermals  verjagt  wurde,  rückte  1569  Iwan  vor  Kasan  und  eroberte  es  nach 
längerer  Belagerung  am  1.  Oct.  1552,  um  nun  das  ganze  Zarthum  Kasan 
mit  seinem  Reiche  zu  vereinigen.  —  1774  wurde  Kasan  von  dem  Rebellen 
Pugatschew  erobert  und  zerstört,  aber  von  Katharina  II.  wieder  aufge- 
baut.   Seit  1714  ist  Kasan  Gouvernementshauptstadt. 

Wir  beginnen  den  Besuch  der  Sehenswürdigkeiten  Kasans  mit 
dem  *Kreinl  (KpeMib,  PL  D  2),  welcher  im  xv.  Jahrh.  vom  Chan  Ulu- 
Machmet  gegründet  und  mit  Palisaden  umgeben  wurde ;  nachdem 
letztere  durch  Feuer  zerstört  waren,  wurde  unter  Iwan  IV.  die  heute 
noch  bestehende  steinerne  Mauer  errichtet,  1568  m  im  Umfang. 
Zur  Zeit  des  Kasakenaufstandes  unter  Pugatschew  hatte  die  Mauer 
noch  mehrere  Thürme  mit  Thoren ,  von  denen  heute  nur  noch  drei 
sichtbar  sind :  der  Sspaaskaja  (CnaccKafl),  durch  den  man  aus  dem 
Kreml  in  die  Wosskressenskaja -  Strasse  gelangt;  der  Tainixkaja 
(TaÜHHitKaü) ,  welcher  zur  Kasanka  und  über  eine  Brücke  in  die 
Vorstädte  Griwka  und  Jagodnaja  führt,  und  der  Pjatnizkaja  (Hät- 
HHUKafl)  auf  der  nordöstlichen  Seite. 

Auf  einer  steinernen  Brücke  über  den  alten  Graben  und  durch 
das  Erlöserthor  (CnaccKiii  sopora),  bei  dem  1.  der  mächtige  Sspass- 
kaja-Thurm,  gelangen  wir  in  das  Innere  der  Festung,  welche  an 


nach  Ssysran.  KASAN.  26,  Boute^     353 

den  Kreml  von  Moskau  erinnert  und  in  der  die  hauptsäcMichsten 
Gebäude  Kasans  vereinigt  sind.  Vor  allem  bemerkenswert!!  ist  die 
Kathedrale  der  Verkündigiuig  Kariä  (PL  21 :  D2),  nach  der  Einnahme 
der  Stadt  1552  von  Iwan  IV.  in  Holz,  1562  von  dem  ersten  Erz- 
bischof Jury  in  Stein  erbaut.  Auf  der  Stelle,  wo  Iwan  nach  dem 
Sturme  auf  Kasan  das  Kreuz  aufpflanzte ,  befindet  sich  der  Altar. 
Die  Kirche  enthält  einen  Schrein  mit  den  Reliquien  des  Erzbischofs 
Jury ;  in  der  Schatzkammer  reiche  Messgewänder,  Kirchengeräthe  etc. 
— -  Das  SspassO'Preöbrashensky- Kloster  (PI.  15:  E3)  wurde  1556 
gegründet;  die  Kirche,  ebenfalls  1556  von  Iwan  IT.  in  Holz,  1596- 
1640  in  Stein  erbaut,  enthält  die  Grabdenkmäler  verschiedener  Me- 
tropoliten und  Bischöfe.  Ganz  in  der  Nähe  des  Klosters  die  Kirche 
des  h.  Cyprian  und  Justinus  (UepKOBb  KflnpiflEa  h  lOcTHHiflHa, 
PI.  13:  D 2)  und  die  Kirche  des  Budes  des  Erlösers,  beide  1552 
zum  Andenken  an  die  Einnahme  der  Stadt  erbaut. 

Das  sUtiiichBSegierungsgehäudeiU^HCyTCTBeESUBV.'hCTSL)  steht 
angeblich  auf  der  Stelle  des  Palastes  der  bulgarischen  Zaren.  Das 
Schloss  (^opeui,  PL  38)  ist  Wohnung  des  Gouverneurs. 

Eines  der  interessantesten  Bauwerke  im  Kreml  ist  der  *Sfum- 
beka-Thnrm  (BamHa  CioHÖeKa,  PL  39 :  D  2),  e.  80  m  hoch,  in  4  Stock- 
werken, aus  Backsteinen  erbaut,  angeblich  ein  Ueberrest  tatarischer 
Baukunst,  wahrscheinlicher  aus  dem  zviii.  Jahrh.  stammend.  Der 
Thurm  ist  sehr  verwahrlost  und  die  Besteigung  (Erlaubniss  des  Gou- 
verneurs erforderlich)  nicht  besonders  angenehm,  die  «Aussicht  von 

oben  aber  höchst  lohnend. 

Die  Sage  erzählt,  dass  sich  von  der  Spitze  des  Thurms  Ssumbeka, 
eine  tatarische  Prinzessin,  in  Verzweiflung  über  den  Untergang  ihrer 
Vaterstadt  herabgestürzt  habe.  In  Wirklichkeit  verhielt  sich  die  Sache 
anders.  Ssumbeka,  die  Tochter  des  Nogaier-Chan's  Jussuf,  kam,  13  Jahre 
alt,  1532  nach  Kasan,  um  mit  dem  kaum  14jährigen  Zaren  En-Älei^ 
Bruder  Schieh  Alei's  (S.  352),  vermählt  zu  werden.  Die  Ehe  hatte  kaum 
ein  Jahr  gedauert,  als  eine  Empörung  ausbrach,  der  Zar  En-Alei  er- 
mordet und  der  vor  3  Jahren  aus  Kasan  vertriebene  Chan  Sapha-Girai 
aus  der  Krim  auf  den  Thron  zurückberufen  wurde.  Sapha-Girai  zwane 
Ssumbeka,  seine  Gemahlin  zu  werden.  Nach  seinem  plötzlichen  Tode  1549 
setzten  die  Gewalthaber  den  erst  zweijährigen  Sohn  Ssumbeka*s,  Utemisch- 
Oirai^  auf  den  Thron  ^  andere  wählten  einen  Chan  aus  der  Krim,  andere 
den  Geliebten  Ssumbeka's,  den  Krim'schen  Ulan  Koschtschak.  Letzterer 
wurde  auf  Betreiben  des  Moskauer  Grossfürsten  gefangen  genommen  und 
in  Moskau  hingerichtet,  Ssumbeka  musste  für  sieh  und  ihren  Sohn  dem 
Throne  entsagen,  wurde  nach  Moskau  geschleppt  und  dort  1551  an  Schieh 
Alei,  den  entthronten  Zaren  von  Kasan,  vermählt. 

In  des  Nähe  der  Kreml  das  Nonnenkloster  der  Kasan' sehen  Mutter 
Qottes  oder  Bogorodizky- Kloster  (BoropoAimKiM  KasaHCKÜi  a^buhIM 
KOHacTupb;  PI.  27:  D  2),  1579  erbaut.  Auf  der  Stelle,  wo  jetzt  die 
Winterkirche  des  Klosters  steht,  ward  einer  Legende  nach  ein  Bild 
der  Maria  in  der  Erde  gefunden,  welches  seitdem  als  wunderthätig 
hohe  Verehrung  geniesst.  Ihm  ist  u.  a.  die  Kasan^sche  Kathedrale 
in  St.  Petersburg  (S.  156)  geweiht.  Das  Bild  befindet  sich  in  der 
mächtigen ,  von  einer  Kuppel  gekrönten  Kathedralkirche ,  welche 
1791-1816  erbaut  wurde.    Die  Nonnen  beschäftigen  sich  mit  der 

Russland.    2.  Aufl.  23 


354    JRoute  2$.  KASAN.  Van  Ryhintk 

Verfertigung  von  Heiligenbildern ,  Webereien ,  Goldstickereien  an 
geistlichenOmaten  und  mit  derErziehung  yerwaisterPopentöchter.  — 
Nicht  weit  davon  das  Mönchskloster  des  heU.  Johannes  des  Täufers 
(MyxecKÜi  MOHacrupb  loftHHO-IIpeATe^eHcidft,  PI.  20).  Die  Haupt- 
kirche ähnelt  der  Wassilija  Blashennaja  in  Moskau.  Sie  soll  vom 
Bischof  German  erbaut  worden  sein,  dessen  Bild  sich  in  ihr  befindet. 

Von  hier  durch  die  Pokrowskaja  an  dem  schönen  steinernen 
Theater  (PI.  44 ,  E  2)  vorbei  zum  Nikolausplatz  mit  dem  Denkmal 
des  Dichters  Derschawin  (geb.  in  Kasan  1743,  f  1816;  PL  5)  und 
durch  die  Grusinskaja  nach  der  *XMMUi*tGlien  Sehweii  (lÜBeiiiiapi«, 
PI.  E  2),  nordöstl.  der  Stadt,  nahe  dem  Kirchhofe  und  dem  Arssiker 
Feld  gelegen ,  einem  schonen  ausgedehnten  Park ,  in  dem  einzelne 
Punkte  interessante  Aussichten  bieten. 

Zurück  nach  dem  Tichornoje  OMro  (4äpHoe  Osepo,  PL  B  E  2), 
dem  Hauptspaziergange  Kasans,  einem  mitten  in  der  Stadt  gelegenen 
Teich,  umgeben  von  hübschen  Garten-  und  Promenadenanlagen,  die 
Abends  beleuchtet  werden.  Daselbst  ein  RestatM'ant  im  russischen 
Stil  mit  Kegelbahn  und  Schiessbude. 

Eine  der  schönsten  Strassen  von  Kasan  ist  die  Wosskressenskaja 
(BocxpeceHCKaji),  die  am  Kreml  beim  Erloserthor  (S.  352)  beginnt. 
Am  Ende  derselben  r.  die  stattlichen  Gebäude  der  1804  gegründeten 
Universität  (YHJiBepcHTeT'fc ;  PL  42 :  E  3).  Mit  der  Universität,  deren 
Hauptbedeutung  in  den  Lehrstühlen  für  die  orientalischen  Sprachen 
liegt,  und  die  von  ca.  900  Studenten  besucht  wird,  sind  verbunden 
eine  Sternwarte,  ein  botanischer  Oarten,  ein  ethnoffraphisehes  Mu- 
seum, eine  Münzsammlung  u.  s.  w.  Die  Bibliothek,  deren  Grund- 
stock die  Büchersammlung  des  Fürsten  Potemkin  bildet,  enthält 
c.  80,000  Bände. 

An  der  Wosskressenskaja  liegt  auch  der  Ooitinny  Swor  (Fo- 
CTHHHUÜ  ^Bopi,  PL  9),  der  ebenso  wie  der  Bazar  (Basapi)  eines  Be- 
suches werth  ist.  Nicht  nur  das  Durcheinander  der  verschiedenen 
Völkerschaften  gewährt  Interesse,  auch  die  feilgebotenen  Waaren  ver- 
dienen Beachtung  (treffliche  Ledersachen,  tatarische  Zeuge  u.  s.  w. ; 
berühmt  ist  die  aus  Stutenmilch  bereitete  Kasan*sche  Seife). 

Der  interessanteste  Theil  von  Kasan  aber  ist  die  sog.  ^Tataren- 

stadt  (TarapcKafl  Cioöoxa  3a  KaöanoMi,  PL  E  4)  mit  niedrigen,  von 

Gärten  und  Buschwerk  umgebenen  Häusern,  mehreren  Moscheen  mit 

schlanken  Minarets,  engen  und  ungepflasterten  Strassen,  auf  denen 

eine  bunte  Menschenmenge  sich  durcheinander  schiebt. 

Die  Kasan^schen  Tataren,  deren  Zahl  im  Gonvernement  Kasan 
ea.  480,000  beträgt ,  leben  meist  getrennt  von  den  Bussen  und  den  anderen 
Volksstämmen,  von  denen  sie  sich  als  Huhamedaner  und  auch  sonst  in 
mannigfaeher  Weise  unterscheiden.  Ihre  Körperbildung  anlangend« 
so  sind  sie  von  mittlerer  Statur,  schlank  gebaut,  ihre  Bewegungen  sind 
gewandt  und  zierlich.  Das  Oesicht  ist  oval,  die  langgesehlitsten  sehwarxen 
Augen  haben  schiefe  Lage,  die  Nase  ist  edel  gebogen,  der  Mund  fein 
geformt,  die  Zähne  sind  vortrefflich,  der  Teint  ist  bei  den  Männern  bräun- 
lich. Der  Bart  ist  spärlich,  das  Kopfhaar  wird  rasirt.  Die  Frauen  sind 
meist  klein  und  neigen  stark  zur  Corpulenz,  namentlich  in  den  besseren 


nach  Ssysran.  KASAN.  26*  Route,     355 

Ständen.    Sie  lieben  es,  sieb  roth  und  weiss  zu  schminken,  schwärzen  die 
Zähne,  nach  orientalischer  Art  auch  die  Augenlider  und  Augenbrauen 
und  färben  die  Nägel  gelbbraun.  —  In  der  Tracht  fällt  namentlich  die 
Kopftracht  auf.    Zunächst  kommt  auf  den  Hinterkopf  ein  Käppchen  (Jer- 
molka,  Takja,  auch  Kollabusch  genannt),  welches  oei  den  vornehmeren 
Tataren  mit  allen  Farben  reich  gestickt  und  mit  Gold,  Silber  und  Perlen 
besetzt  ist.    Ueber  dem  Käppchen  wird  von  dem  gemeinen  Manne  ein 
weisser  Filzhut  oder  eine  Mutze  von  grauem  oder  schwarzem  Pelz  (Bur- 
nik)  getragen.    Die  hintere  Krempe  des  Hutes  ist  oftmals  aufgeschlagen 
und  dann  noch  mit  aufgenähtem  schwarzem  oder  rothem  Tuch  verziert, 
unter  dem  Hute  ist  stets  am  Hinterkopfe  noch  ein  Theil  der  Jermolka  sicht- 
bar.   Die  wohlhabende  Glasse  trägt  über  dem  Käppchen  eine  feinere  Pelz- 
mütze in  grau  oder  schwarz,  unten  eng,  oben  weiter  auseinander  gehend. 
Die  sonstigen  Kleidungsstücke  des  gemeinen  Mannes  sind  entweder  das 
lange  blaue  Hemd  (Kulmak)  oder  eine  weisse  Blouse  resp.  Jacke  und  weite 
baumwollene  Beinkleider  (Slan) ;  erstere  ist,  wie  bei  den  Tscheremissen, 
mit  rothen  Stickereien  an  Hals  und  Aermel  oft  sehr  geschmackvoll  und 
reich   versehen.      Die  vornehmere  Classe   der  tatarischen  Bevölkerung 
trägt  meist  über  dem  Hemd  ein  bis  zum  Knie  reichendes  Kamisol  (Ar- 
schaluk)  ohne  Aermel,  von  buntem  Seidenzeug,  vorn  mit  Schleifen  zu- 
sammengebunden und  mit    einem   seidenen  Gürtel  (Poda)    oder  Shawl 
(Kusehak)  gegürtet ',  darüber  wird  noch  eine  zweite  Jacke  mit  Aermeln 
(Basaki-Edres)  oder  ein  offener,  langer,  weiter  Kaftan  (Chalat,  Tschekmen), 
der  meist  von  hellem  Nankin,  oft  ganz  türkisch  ist.    An  den  Füssen 
bunte  Saffianstiefel  ohne  Sohlen,   darüber  Pantoffeln  mit  niedrigen  Ab- 
sätzen (Baschmak)  oder  Ueberscbuhe  von  gewöhnlichem  Leder,  die  auch 
im  Zimmer  nicht  abgelegt  werden.   —  Originell   ist   die  Kleidung   der 
weiblichen  Bevölkerung,  besonders  die  Kopftraeht:   entweder  eine  Pelz- 
mütze oder,  bei  Mädchen,  ein  bunt  gesticktes  Mützchen  resp.  bunte  Kappe, 
oft  mit  Goldstücken  behangen,  wie  bei  den  Tschuwaschenfrauen,  oder 
eine  Art  Stirnbinde  von  Seide  oder  Sammt,  mit  Perlen  u.  s.  w.  gestickt. 
Ueber  alle  diese  Arten  von  Kopfbedeckungen  wird  ein  grosses,  gewöhnlich 
seidenes   Tuch   (Janar  Tschaulik)  mit  gestickten  Kanten  (Arme  tragen 
dies  allein)  geschlagen,  so  dass  vom  Gesicht  nur  ein  kleiner  Theil  sicht- 
bar bleibt.    Die  sonstige  Kleidung  besteht  aus  einem  bis  auf  die  Fersen 
reichenden  Hemd  von  buntem  Kattun  oder  einer  Blouse  und  Beinkleidern ; 
die  Reicheren  werfen  darüber  eine  seidene  Jacke,  reich  mit  Gold  verziert 
oder  einen  Chalat   von  Seide  oder  Kattun  mit  langen  herabhangenden 
Aermeln;  dieser  Chalat  wird  auch  über  den  Kopf  gelegt  und  dient  zu- 
gleich als  Schleier.    Die  Beine  der  Frauen  sind  statt  der  Strümpfe  auch 
im  heissen  Sommer  mit  dickem  Woilachzeug  oder  leinenen  Tüchern  um- 
wickelt und  zusammengeschnürt ;  an  den  Füssen  tragen  sie  Pantoffeln  aus 
Saffian  (Tsehiknik).    Den  Hauptschmuck  bildet  der  Brustlatz,  mit  bunten 
Schnüren  und  Goldstickereien  besetzt  und  rings  herum  mit  Geldstücken 
behangen.     Reiche  Frauen  lieben  es,  Schmucksachen,  Armbänder,  lange 
silberne  oder  goldene  Ohrringe  (Alka-Kaschti-Tseherderli) ,  Halsbänder 
u.  dergl.  anzulegen,  flechten  Gold-  und  Sibermünzen  in  die  langen,  oft 
falschen  Zöpfe,  tragen  Ringe  an  den  Fingern  und  über  der  linken  Schulter 
einen  mit  Perlen  und  Steinen  besetzten  Riemen  (Buti),  an  welchem  ein 
kleines  Täschchen  hängt,  in   dem  sieh  eine  Miniaturausgabe  des  Koran 
befindet.    Einige  Frauen  tragen  auch  Münzen,  schnurartig  aufgehangen, 
bandoliert  über  die  Schulter;  andere  haben  vollständige  Schilde  auf  der 
Brust,   die  sehuppenartig  mit  kleinen  Silbermünzen  besetzt  sind  u.  s.  w. 
Der  Charakter  der  Tataren  ist  liebenswürdig;  sie  sind  verträglieh, 
ehrliebend,  freundlieh,  offen^  zutraulich,  ordentlieh  und  reinlich.    Gegen 
die  Russen  hegen  sie  noeh  häufig  alte  Antipathie  und  grosses  Misstrauen, 
doch  sind  sie  der  Regierung  ergeben  und  gehorsam.    Gegen  Fremde  sind 
sie  offen,  herzlich  und  ungemein  gastfrei.    Sie  haben  einen  Adel,  der  in 
hohem  Ansehen  steht,  und  viele  Murun  (Adlige)  leiten  ihre  Abstammung 
von  Tschingis-Chan  her.    Ihre  Schulen  sind  gut,  fast  alle  Tataren  können 
lesen,  schreiben  und  rechnen  auf  dem  russischen  Rechenbrette.    In  ihren 
höheren   Schulen  wird  Arabisch   und  Persisch   gelehrt.      Ihre  Mullahs 
(Priester)  bilden  sieh  meist  in  Oargali,  zwei  Meilen  von  Orenburg,  wo 

23* 


356    Boute  26.  KASAN.  V<m  Eyhinsk 

eine  berühmte  tatarische  Sehule  ist,  viele  auch  in  Buchara,  wo  nach 
ihrer  Behauptung  der  Sitz  grosser  Gelehrsamkeit  sein  soll.  —  Die  tata- 
rische Sprache  ist  ein  Dialekt  des  Türkischen.  Die  Literatur  ist  nicht 
unbedeutend,  Volkslieder  giebt  es  in  grosser  Zahl  und  von  poetischem 
Werlh,  wenn  auch  der  Vortrag  unseren  Ohren  unmelodiseh  klingt.  — 
Pferdefleisch  gilt  bei  den  gemeinen  Tataren  als  die  grösste  Leckerspeise, 
Honig  und  Milch  lieben  sie  sehr  und  bereiten  aus  Honig  guten  Meth.  Drei 
treffliche  empfehlenswerthe  tatarische  Gerichte  sind  der  Blöw,  Düsh  und 
Kahk.  Thee  wird  viel  consumirt  und  spielt  bei  Empfang  von  Gästen  die 
Hauptrolle.  Da  in  den  Händen  der  Tataren  auch  ein  grosser  Theil  des 
Theehandels  liegt,  so  trinkt  man  bei  ihnen  die  vortrefflichsten  Sorten. 
—  Der  kriegerische  Sinn  der  Tataren  hat  sich  seit  ihrer  Unterwerfung 
durch  die  Russen  ganz  verloren;  sie  sind  jetzt  friedliche  und  fleissige 
Handelsleute,  Gewerbtreibende  und  Ackerbauer  geworden.  Der  Tatare 
in  den  mittleren  und  nördlichen  Gegenden  Busslands  ist  ein  gebomer 
Handelsmann  und  steht  an  List  wie  Verschlagenheit  dem  Juden  nicht  nach, 
dessen  Stelle  er  in  Ostrassland  (Hausirer)  einnimmt.  Als  Pferdedieb 
sucht  er  seines  Gleichen.  Handel  treiben  die  Tataren  meist  mit  ein- 
heimischen Fabrikaten.  Die  kasanschen  Lederarbeiten,  Stiefel,  Seife, 
Gold-  und  Silberstickereien  haben  bedeutenden  Ruf.  Die  Tataren  auf 
dem  Lande  sind  sehr  arbeitsam,  fleissige  Bauern  und  vortreffliche  Bienen- 
züchter. Die  Tatarendörfer,  von  denen  die  meisten  zwischen  der 
Kama  und  Wjatka  östlich  Kasan  liegen,  sind  von  den  russischen  durch 
ihre  Anlage  leicht  zu  unterscheiden.  Sie  bestehen  aus  unordentlich  durch- 
einander liegenden  Gruppen  von  Häusern  und  Gehöften.  Ein  tatarisches 
Gehöft. besteht  aus  3  Höfen;  im  ersten  (Haushof,  Ischigolde)  das  Wohn- 
haus (Üi) ,  mehrere  Schuppen  (Auslik ,  Ssarai) ,  Badstube  (Huntschuh), 
Kammern  für  Mehl  und  Getreide  (Aon-Klet),  Magazin  (Klet) ;  im  Pferde- 
hof (Obsarolde)  der  Pferdestall  (Otssarai),  Kellerhaus  (Basklet);  im  Vieh- 
hof (Utar)  die  Ställe.  Das  Haus  eines  wohlhabenden  Tataren  ist  in  zwei 
Hälften  getheilt,  in  eine  rechte  und  linke  sowie  vordre  und  hintere. 
Beide.Hälften  sind  durch  eine  Flur  getrennt.  Die  vordre  Hälfte  der  Isba 
oder  Üi  besteht  aus  den  Wohnstuben  (Tau  bulma),  r.  das  Männer-,  1.  das 
Frauengemach;  zu  ersterem  führt  die  weisse  (Agi  baskisch),  zu  letzterem 
die  schwarze  Treppe  (Aschi  baskisch).  An  den  Wänden  stehen  Divans, 
auch  breite  Pritschen,  hinter  denselben,  von  einem  Vorhange  bedeckt, 
Federbetten.  Bei  anderen  findet  man  besondere  Schlafgemächer,  in  denen 
auf  Bänken  an  der  Fensterseite  die  ganze  Familie  schläft,  oder  Männer- 
schlafstellen (Skinaskeleti)  für  den  Sommer.  Schränke  mit  verschiedenem 
Geschirr,  Wasehkrüge  von  Messing  oder  Eisenblech  (der  eine  für  den 
Hausherrn,  der  andere  für  die  Hausfrau,  da  das  Gesetz  verbietet  sich 
eines  und  desselben  zu  bedienen)  und  bucharische  Teppiche  vollenden  die 
Einrichtung  der  Zimmer.  Selbst  bei  den  Aermeren  ist  hinter  dem  grossen 
Ofen  nach  russischer  Art  ein  Plätzchen,  wo  die  Hausfrau  bei  Anwesenheit 
von  Gästen  hinter  einem  Vorhang  verborgen  bleibt.  Hinter  den  Wohn- 
stuben befinden  sich  die  Kammern  (Skina  bulma). 

Die  tatarischen  Metschett  (Moscheen)  sind  sehr  einfache  Gebäude  mit 
in  der  Mitte  aufgesetztem  Minaret.  Das  Betreten  des  Inneren  ist  nur 
nach  Ablegung  der  Schuhe  (in  der  Vorhalle)  gestattet.  Der  Hauptan- 
dachtsraum ist  ein  grosser,  aber  niedriger  und  einfacher  Betsaal,  in  dem 
eine  Kanzel  errichtet  ist. 

Von  der  Tatarenstadt  lohnt  es,  noch  den  *Teieh  Kabaa  ((hepo 
KadaHi,  PI.  E  3,  4)  zu  besuchen.  Der  Weg  an  dem  Teiche  entlang 
gestattet  einen  freien  und  schönen  Blick  auf  die  interessante  Stadt. 
Hier  verschiedene  Badeanstalten ;  am  interessantesten  ein  Besuch 
des  öffentlichen  Tatarenbades  (5  Kop.). 

In  der  unteren  Stadt  die  Kirche  des  Festes  der  Erscheinung  (Uep- 
KOBT.  EorojiBieHiji) ,  zwischen  grünen  Bäumen  gelegen  und  von  der 
Strasse  durch  ein  hübsches  Gitter  (Eingang  1.)  geschieden.  Dieselbe 


nach  Ssysran.  KASAN.  21,  Route.    357 

kann  in  ihrer  niedrigen  Bauart  mit  den  grellen  Freskomalereien, 
den  5  dicken  runden  Kuppeln  und  hohen  vergoldeten  Kreuzen  als 
ein  Muster  des  griechisch-russischen  Kirchenhaustils  gelten. 

Von  hier  über  den  Damm  nach  dem  Admiralitäts  -  Stadttheil. 
Gleich  r.  vom  Damm  ^/j  W.  von  der  Stadt  auf  einem  Hügel  ein 
Denkmal,  die  sog.  „Schädelpyramide  Iwan's'^  (üaHfiTHHK'L  HaAi» 
MOFHiaHH  yÖHTUxi  DO  AI  KasaHb»  BOHHOB'B ;  PL  4,  C  2).  Das  Mo- 
nument ist  zum  Andenken  der  Tapferen  errichtet,  welche  -während 
der  Belagerung  durch  Iwan  lY.  vor  den  Mauern  von  Kasan  ihren 
Tod  fanden?  Es  wurde  von  dem  Architekten  Alferow  1812  be- 
gonnen und  1823  beendet.  Eine  breite  steinerne  Treppe  in  vier 
Absätzen  führt  hinauf  zu  dem  Monument,  einer  Pyramide  von 
10  Ssashen  Grundfläche  und  10  Ssashen  Hohe.  Auf  den  vier  Seiten 
Frontons,  auf  weissen  Säulen  ruhend  und  den  Eingang  bildend, 
lieber  denselben  Inschriften  in  russischer  Sprache.  In  dem  un- 
teren ,  mittleren  Theile  des  Denkmals  ist  eine  Kirche ,  in  welcher 
jedes  Jahr  am  2.  Oct.  zum  Andenken  der  Gebliebenen  eine  Todten- 
messe  gelesen  wird.  Auf  einer  dunkeln  Treppe  steigt  man  in  ein 
Gewölbe  hinab,  in  welchem  ein  grosser  Sarkopliag  die  Knochen  und 
Schädel  enthält ,  die  man  bei  Errichtung  der  Pyramide  auf  dem 
Grabhügel,  wo  ehemals  das  Silantowsky  -  Kloster  stand  (s.  unten), 
ausgegraben  hat. 

L.  die  Admiralität  (AAMHpaiTeäcTBO ;  PI.  3,  B2, 3),  von  Peter  I. 
1718  auf  dem  Grund  und  Boden  des  Silantowsky-Klosters  und  des 
Dorfes  Beshbalda  gegründet  und  allmählich  zu  einer  eigenen  Vor- 
stadt herangewachsen.  Zur  Zeit  Peter's  wurde  hier  eine  Flotille 
für  die  Wolga  und  das  Kaspische  Meer  erbaut.  In  einem  Schuppen 
wird  die  mit  Schnitzwerk  reich  verzierte  Galeere  Twer  aufbewahrt, 
in  der  die  Kaiserin  Katharina  II.  ihre  Reise  auf  der  Wolga  machte. 
Jetzt  ist  die  Admiralität  sehr  heruntergekommen  und  werden  hier 
keine  Schiffe  mehr  gebaut. 

Unweit  der  Admiralität,  auf  dem  Silantow- Berge  das  Silan- 
towiky-Xloiter  (BHjaHTOBCKÜi  YcneHcxiä  MoHacTupb ;  PI.  30,  B  2), 
in  schöner  Lage ,  von  Iwan  IV.  gegründet.  Seinen  Namen  hat  das 
Kloster  von  einem  Einsiedler  Silais ,  der  in  einer  der  Höhlen  des 
Berges  gelebt  haben  soll.  Das  Kloster  ist  von  einer  Mauer  umgeben 
und  umschliesst  mehrere  Kirchen.  Die  Kathedrale  zu  Maria 
Himmelfahrt  (YcneHCKift  Ccöopi)  wurde  1625  erbaut. 

Auf  dem  rechten  Ufer  der  Kasanka,  gegenüber  der  Admiralitäts- 
Ssloboda,  diel776-1787  eTha^ntePidver- Fabrik  (IIopoxoBoä  saBOAi) ; 
bei  derselben  hat  sich  eine  kleine  Vorstadt  (Ci.  IIopoxGBCKafl)  an- 
gebaut. Die  Fabrik  ist  noch  jetzt  in  Thätigkeit.  —  Weiterhin  in 
einem  hübschen  Gehölze  das  Kisitacheskische  Kloster  (KH3HHecKHX'& 
qyAOTBopueB'B  MoHacTupi»;  PL 23,  Gl),  bei  der  Kisitscheskischen 
Sslobode. 

Bei  der  Weiterfahrt  nach  dem  Landungsplatze  haben  wir  zu 
beiden  Seiten  Teiche,  in  denen  im  Sommer  Weiber  und  Mädchen, 


358     Rontt  fle.  DIE  KAMA.  Von  Ryhinsk 

oft  dicht  mit  den  Männern  zusammen ,  baden.  —  In  der  Nähe  des 
Landungsplatzes  (S.351)  führt  r.  ab  die  Moskauer  Chaussee  mittelst 
einer  Tatarenfahre  oder  Brücke  über  die  Kasanka  zu  dem  auf  hohem 
Berge  gelegenen  Militärlager,  in  dem  im  Sommer  gewohnlich 
4  Infanterie -Regimenter  in  Holzbaracken  liegen.  Schöner  Blick  r. 
auf  die  Wolga,  1.  auf  Kasan.   Dauer  der  Fahrt  hin  u.  zurück  2^/2  St. 


Abfahrt  der  Dampfer  nach  Ssamara  und  Perm  s.  S.  339.  Nach 
wenigen  Minuten  r.  das  am  Abhänge  des  Ussloner  Berges  gelegene 
Dorf  Unter -Usslon  (HmshIH  yciOHi),  auf  dessen  Friedhof  die 
Fürstin  Menschikow  (f  1727)  begraben  liegt. 

884  W.  'Dorf  Bogorodskoje  (EoropoACKoe).  —  V2  St.  weiter 
1.  Einmündung  der  mächtigen  Kama,  nach  deren  Zufluss  die  Wolga 
eine  ausserordentliche  Breite  annimmt. 

Die  Kama.  von  den  Tataren  Ttchülan  Idtly  d.  h.  der  Weisse  Fluss 
genannt,  ist  1650  W.  lang,  wird  schiflTbar  bei  Ssergijewsk  und  dureh- 
fliesst  die  Gouvernements  Perm,  Ufa,  Wjatka  und  Kasan.  An  ihren 
Ufern  zeigt  sich  ein  ebenso  reiches  Völkergemisch  wie  an  der  Wolga 
zwischen  Kishny  und  Ssamara.  Es  finden  sieh  hier  zu  beiden  Seiten 
der  Kama  neben  den  Russen  Baschkiren,  Heschtscherjäken ,  Teptjären, 
Wogulen ,  Wotjäken  u.  a.  Die  Baschkiren  sind  ein  noch  wenig  be- 
kannter Volkflstamm  \  ihr  Ursprung  ist  ebenso  wenig  klar  wie  ihre 
Sprache  mit  Sicherheit  zu  dassificiren.  Kaeh  der  Zerstörung  des  Chanats 
von  Kasan  begaben  sie  sich  unter  russischen  Schutz  und  wurde  aus  ihnen 
nach  mehreren  Aufständen  das  sog.  Baschkiren  -  Heer ,  eine  kasaken- 
«rtige  Formation,  gebildet.  Sie  sind  jetkt  ein  friedliches,  sorgloses 
und  träges  Volk,  das  nur  noch  von  den  Nachbarn  wegen  seiner  Neigung 
zum  Pferdediebstahl  gefürchtet  wird.  Ihre  militärische  Organisation 
wurde  in  letzter  Zeit  aufgehoben  und  augenblicklieh  befinden  sie  sich  in 
der  Phase  des  Ueberganges  vom  Komadenthum  zum  sesshaften  Leben. 
Sie  wohnen  in  einer  Stärke  von  750,000  Köpfen  in  ihrer  uralten  Heimath 
auf  beiden  Seiten  der  Bjelaja,  die  reinsten  im  Kreise  Burjansk  im  Oren- 
burger  Gouvernemeni.  Sie  leben  in  gebirgigen  Gegenden,  sind  hoch  von 
Wuchji,  gut  gebaut,  kräftig,  haben  dunkles  Haar,  oft  mit  einem  bräun- 
lichem Anfluge  und  durchaus  nicht  unangenehme  Gesichtszüge.  Sie  sind 
ausgezeichnete  Reiter.  Diese  sog.  Gebirgtbazchkiren  unterscheidet  man 
von  den  Mischlingen  mit  den  Heschtscherjäken  und  Teptjären,  den 
Sieppenhaschkiren.  Die  nomadisirenden  Baschkiren  leben  im  Winter  in 
festen  Häusern,  im  Sommer  in  der  Jurte.  Nahrung  während  dieser  Zeit 
ist  besonders  Kumyss  (Stutenmilch,  S.  366) j  im  Winter  essen  sie  mehr 
Fleisch,  am  liebsten  ein  Gemisch  von  Rind-  und  Pferdefleisch.  Die  an- 
sässigen Baschkiren  beschäftigen  sich  mit  Ackerbau,  der  jährlich  mehr 
an  Ausdehnung  gewinnt,  und  mit  der  Bienenzucht.  —  Die  Hesch- 
tscherjäken, ein  ursprünglich  finnisches,  jetzt  vollständig  tatarisches 
Volk,  das  früher  mit  zur  Heeresorganisation  der  Baschkiren  gehörte, 
leben,  196,000  Köpfe  stark,  unter  den  Baschkiren  und  unterscheiden  sich 
von  letzteren  durch  grössere  Betriebsamkeit  und  Reinlichkeit.  Dem 
Typus  nach  sind  sie  den  Wogulen  (s.  u.)  sehr  ähnlich.  —  Die  ansässigen 
Teptjären,  136,000  Köpfe  stark,  sind  hoch  von  Wuchs,  dunkelhaarig, 
kräftig,  thätig  und  arbeitsam  una  dem  Charakter  nach  den  Baschkiren 
durchaus  unähnlich.  Sie  sind  augenscheinlieh  ein  Gemisch  von  einge- 
wanderten Tataren,  Wolgafinnen,  Tschuwaschen  u.  s.  w.  mit  den  Basch- 
kiren, das  sich  in  der  Folge  fest  angesiedelt  hat.  „Tepterja**  bedeutet 
eigentlich  der  Zuletztgekommene,  Neueingewanderte:  die  nomadisirenden 
Baschkiren  behandeln  sie  verächtlich.  —  Die  Wotjäken  (Wot  =  Wasser), 
welche  in  Hassen,  250,000  Köpfe  stark,  auf  dem  rechten  Ufer  der  Kama 
nördlich  und  westlieh   von  Isehewsk  wohnen,   gehören  zu  den  Wolga- 


nach  Ssyaran.  PERM.  2ß.  Baute.    359 

finnen,  nennen  sieh  selbst  TJt-mort  (Mort  =  Mensch),  sind  friedlieh, 
sehwäehlich,  geizig  und  dennoch  gastfrei,  den  Bussen  im  Feldbau  über- 
legen. Die  Dörfer  bauen  sie  planlos.  ~  Die  Wogulen  sind  zu  den 
nordischen  Finnen  zu  rechnen,  die  echtesten  Repräsentanten  der  ugrischen 
Völker  und  l^aehkommen  der  Bewohner  des  einst  blühenden  Ugriens, 
eines  Landes,  das  schon  der  Handelsrepublik  Gross-Nowgorod  durch  den 
Beichthum  an  Pelzthieren  bekannt  war.  Sie  sind  jetzt  ein  einfaches  Natur- 
volk, das  sich  in  den  Wäldern  und  Sümpfen  seiner  verkommenen  Heimath 
kümmerlieh  durch  Jagd  und  Fischerei  ernährt.  Sie  sind  zum  Theil  no- 
minell Christen,  im  Norden  hängen  sie  aber  noch  dem  Schamanismus  an. 
Die  Tracht  der  Wogulen  nähert  sich  mehr  der  russischen. 

Die  Dampfer  von  Bogorodskoje  nach  Perm  biegen  links  in  die  Kama 
ein.  Die  Fahrt  geht  langsam  von  statten,  da  das  Fahrwasser  seicht  ist 
und  die  Schiffe  trotz  fortwährender  Messungen  und  des  Fahrens  mit  halber 
Kraft  häufig  aufsitzen.  Ueber  Tst^isstopol,  Jelabuga  (mit  grossen  Leder- 
und  Seifefabriken),  Ssarapttl^  Ischeteskoi  (25  W.  landeinwärts,  mit  grosser 
Eisenhütte  und  Maschinen-,  Gewehr-  und  Waffenfabrik  mit  25,000  Arbei- 
tern), Ochatui  erreichen  wir  am  Abend  des  4.  Tages, 

1000  W.  Perm  (Hepm).  —  Botel  Petrow^  dem  Adelsklub  gehörig,  zwar 
der  beste  Gasthof  der  Stadt ,  aber  gleichwohl  sehr  massig  ^  man  bleibt 
am  besten  auf  dem  Schiffe. 

Permy  Hauptstadt  des  Gouvernements,  am  rechten  Ufer  der  Kama, 
mit  33,000  Einw. ,  besteht  meist  aus  Holzhäusern ,  hat  3  Kirchen ,  breite 
ungepflasterte  Strassen,  bedeutenden  Hafen,  lebhaften  Verkehr.  Wenig 
Sehenswerthes.  Etwa  3  W.  nördlich  der  Stadt  eine  grosse,  1863  gegrün- 
dete GescMtzgieuerei  (Gussstahl),  in  der  das  uralische  Elsen  von 
Kuschwa  verarbeitet  wird. ' 

Eisenbahn  von  Perm  nach  Jekaterinenburg ,  468  W.  in  21  resp. 
23  St.  für  17  R.  55  Kop.  resp.  13  B.  16Kop.  —  Dampfer  von  Perm  nach 
Nishny-Nowgorod  (direet;  nach  der  unteren  Wolga  keine  directen  Schiffe) 
Di.  u.  Fr.  10  U.   Vorm.,  Mi.  u.  So.  9  U.  Vorm. 

Die  Kama  bildet  eine  Grenze  in  dem  geognostischen  Bilde  der 
Wolga-Ufer:  an  Stelle  der  bisherigen,  der  Formation  des  Keupers. 
angehorigen  Mergelschichten  tritt  erst  der  Jurakalk,  später  die 
Kreide  auf.  Aus  solchen  Kalksteinschichten  bestehen  die  SchUchut- 
schischen  (Hecht-),  Undarischen und  Oorodüchtschenskischen  Berge, 
welche  30  -  40  m  hoch  bei  Tetjuschi  beginnen.  Sonst  ist  das  Land 
südlich  Kasan  mit  Wald,  besonders  Fichten,  Kiefern  und  Eichen 
hedeckt;  eigenthümlich  sind  die  ungeheuren  Haselnussgebüsche, 
deren  Früchte  vielfach  im  Wolgagebiete  zu  Oel  geschlagen  werden. 
Zu  beiden  Seiten  der  Wolga  sind  treffliche  Weiden ;  die  Wolle  aus 
hiesiger  Gegend  ist  besonders  gesucht.  Der  Gewerbfleiss  der  Ein- 
wohner ist  nicht  ohne  Bedeutung.  Die  Gerberei,  zu  der  die  Eichen 
die  Borke  liefern,  und  die  Seifensiedereien  sind  mit  Recht  berühmt, 
die  Tuchmanufacturen  stehen  ebenfalls  in  Blüthe. 

896  W.  (r.)  Kirehkoje  (KapeibCKoe)  oder  Wosskressenskoje^  Dorf 
in  schöner  Lage  am  Abhänge  des  Berges  Ssokol,  nahe  dem  Flüsschen 
Kljara,  mit  1200  Einw.,  die  Getreidehandel  treiben  und  als  Bur- 
laken ausziehen. 

Nicht  weit  vom  Dorfe,  am  Ufer  der  Wolga,  bei  den  Vorwerken 
des  südlicher  gelegenen  Dorfes  Roshdestwenakoje  befinden  sich 
zwei  bemerkenswerthe  Höhlen  (üemepu),  die  Ledjaniache  und  die 
Wodjaniache  genannt.  Beide ,  c.  8  m  über  dem  Ufer  gelegen ,  be- 
stehen aus  regelmässigen  Gewölben  und  Kammern,  innen  mit 
kleinen  Seen.  Ueber  ihre  Entstehung  u.  s.  w.  ist  nichts  bekannt.  — 


360    Route  26.  BULGARY.  Von  Byhin9k 

Weiterhin  beim  Dorfe  Ssukejew  Schwefelquellen,  welche  jetzt  nicht 
mehr  benutzt  werden.  —  Auf  915  W.  in  den  Felsen  des  r.  Ufers 
neue  Höhlen,  noch  mächtiger  und  schöner  als  die  ersteren  (75-150  m 
Länge  und  10  m  Höhe). 

929  W.  (r.)  *Tetjuiehi  (TenomH),  Kreisstadt  im  GouTemement 
Kasan,  mit  3300  Einw.,  welche  Schiffbau  und  Getreidehandel  trei- 
ben; Jahrmarkt  am  8.  Juli.  Unweit  Tetjuschi  die  höchste  Er- 
hebung des  Gouvernements  Kasan  (150  m). 

Tetjuschi  gegenüber  auf  dem  1.  Ufer,  12  W.  vom  Strome  ent- 
fernt, die  Buinen  der  Stadt  Bulgary  (Eojrapi)  bei  dem  Dorfe 
Usapenskoje  (VcneHCKoe)  oder  Bolgary.  Am  Ende  des  Dorfes  eine 
ehemalige  Klosterkirche ,  Usspensky ;  kaum  100  m  davon  ein 
leidlich  erhaltenes,  aber  etwas  auf  die  Seite  geneigtes  mohammeda- 
nisches Minaret,  von  dessen  Spitze  man  eine  Aussicht  auf  die  wal- 
dige Umgegend  hat.  Die  Mauern  sind  mit  Namen  von  Besuchern 
bedeckt,  darunter  auch  der  Alezander  von  Humbold t's.  Die  Ruinen 
wurden  erst  unter  Peter  d.  Gr.,  vom  Walde  überwuchert ,  wieder 
entdeckt,  zum  Thell  zum  Bau  des  Klosterdorfes  verwandt  und  ver- 
schwinden beim  Fortschreiten  des  Ackerbaus  immer  mehr.  Der 
Boden  ist  eine  ergiebige  Fundgrube  von  Münzen,  Ringen  und 

anderen  Alterthümern. 

Die  Bulgaren  sind  ein  ugriseh - flnnisehes  Volk^  dessen  früheste 
Sehicksale  in  Dunkel  gehüllt  sind.  An  die  Wolga  kamen  sie  wabr- 
seheinlicb  um  die  Zeit  von  Christi  Geburt,  als  die  Bewegungen  der 
Hunnen  in  Mittelasien  begannen.  Ein  Theil  des  Volkes,  die  sog.  schwarzen 
Bulgaren^  gründete  im  v.  Jahrb.  an  der  unteren  Donau  das  bulgarische 
Reich,  ging  aber  in  der  slavischen  Bevölkerung  völlig  auf  und  hinter- 
liess  nur  den  Namen.  Von  den  an  der  Wolga  zurückgebliebenen  Kama 
oder  weissen  Bulgaren  (B«jnie  Eo^rapu)  wanderte  ein  Zweig,  der  sich 
Chwalissen  nannte,  an  die  untere  Wolga  und  gründete  dort  einen  Staat 
mit  der  Hauptstadt  Atel  (Asstraehan) ;  die  anderen  erbauten  in  nicht  ge- 
nau bestimmbarer  Zeit  die  Stadt  Bulgary,  die  bereits  im  x.  Jahrb.  zur 
Blüthe  gelangt  war.  Ausser  Bulgary  werden  von  Städten  der  Bulgaren 
genannt  Brächimow  und  Ascbli,  beide  an  der  Mündung  der  Kirelka  in 
die  Wolga,  Balymata  u.  a.  Gegen  die  Mitte  des  x.  Jahrb.  traten  die 
Wolga-Bulgaren  zum  Islam  über.  Sie  wurden  von  Chanen  regiert,  denen 
wahrscheinlich  die  slavischen  Anwohner  der  Wolga  Tribut  zahlten, 
wenigstens  nannte  sich  der  Chan  der  Bulgaren  auch  Zar  der  Slaven  (Malek 
el  Ssaklal).  Nichtsdestoweniger  lagen,  nachdem  sich  die  Herrschaft  der 
russischen  Fürsten  über  die  Slaven  befestigt  hatte,  diese  in  beständigem 
Kriege  mit  den  Bulgaren.  Der  Mongolensturm,  der  im  xiii.  Jahrh.  über 
Osteuropa  hinwegfegte,  erschütterte  das  bulgarische  Reich  in  seinen 
Grundfesten;  doch  behielt  es  seine  eigenen  Fürsten.  Von  neuem  erblühte 
es  unter  den  Chanen  der  goldenen  Horde,  bis  Timur  (Ende  des  xiv.  Jahrh. > 
ihm  ein  Ende  machte.  An  die  Stelle  des  bulgarischen  Reiches  trat  dann 
später  unter  Ulu-Machmet  das  Chanat  von  Kasan  (S.  S62). 

946  W.  Nikolskaja  Poljanka  (HHKOJbCKafl  IIoiAHKa) ,  Dorf  mit 

einer  1778  erbauten  Kirche. 

Etwas  oberhalb  Nikolskaja  das  Dorf  Balymer  (BaJDuxepi)  auf  der 
Stelle,  wo  ehemals  die  bulgarische  Stadt  Balymata  (s.  oben)  gelegen 
haben  soll.  TJeberreste ^ines  Walls  sind  aus  dieser  Zeit  noch  erhalten. 
Unweit  Balymer.  nahe  dem  Ufer,  liegt  ein  mächtiger  Erdaufworf  von 
20m  Höhe  und  430m  im  Umkreise,  Schelom  genannt;  nach  dem  Volks- 
glauben birgt  er  Schatze  aus  der  Zeit  des  bulgarischen  Zarenthums.  — 
e  W.  weiter  ein  neuer  Erdwall,  der  sog.  Mordwinsehe  Kirchhof. 


nach  Ssysran,  SSIMBIRSK.  SS.  Route,    361 

Bei  c.  956  W.  folgt  eine  ganze  Reihe  von  hübsch  bewaldeten 
Inseln :  die  Kleine,  Rein^  Orchowsky,  Ssergiewsky  und  Sumer,  An 
derselben  Stelle  der  Wolga ,  auf  dem  linken  oder  Wiesenufer ,  am 
Flüsschen  Maina,  das  Dorf  Nikolskoje  oder  Grjasnucha  (FpiisHyxa), 
1699  von  polnischen  Schlachtzizen  gegründet.  Nicht  weit  davon 
das  Dorf  WoloBnikowa,  in  dem  ein  mächtiger  Kurgan  (S.  2Ö5)  von 
150  m  Länge  und  Breite.  In  ihm  wurden  bei  einer  Nachgrabung 
eiserne  Pfeile,  Lanzen  und  Topfe  aus  rothem  Thon  gefunden.  Das 
Flüsschen  Maina  bildet  die  Grenze  der  Gouvernements  Kasan  und 
Ssimbirsk. 

953  W.  *DoTt  Alt- Maina  (Crapafl  MattHa).  Unterhalb  besehreibt 
die  Wolga  einen  weiten  Bogen  nach  W.  hin. 

1018  W.  (r.)  ♦Ssimbirsk  (Chmöhpckx).  Die  Dampfer  haben  2- 
5  St.  Aufenthalt,  was  zur  Besichtigung  der  Stadt  genügt. 

17UMMEBK  (HoMepa)  —  eigentliche  Hotels  existiren  nicht  —  meist  auf 
der  grossen  Strasse  (Bolsehaja);  zu  empfehlen  das  Haus  Weissa;  aueh 
*Andrejew  am  Karamsin-Platz. 

CApi-RESTAURAKTS :  Pltz  Und  Ssemetschkin,  beide  auf  der  Bol- 
schaja. 

PROMBM ADBH.  Alezander-Qarteu  beim  Krankenhause,  mit  Vanx- 
hall;  Nikolaus- Garten  auf  dem  Wjänez. 

Ssimbirsk,  Gouvernementshauptstadt  mit  37,000  £inw.,  erhebt 

sich  amphitheatralisch  am  steilen  r.  Wolga-Ufer  und  bietet  einen 

höchst  malerischen  Anblick.   Die  c.  125  m  hohe  Erhebung,  auf  und 

an  der  die  Stadt  sich  ausdehnt,  liegt  zwischen  der  Wolga  und  der 

in  diese  mündenden  Ssvdjaga,    Die  Stadt  ist  Sitz  des  Civilgouver- 

neurs  und  eines  griechischen  Bischofs ,  hat  24  Kirchen,  darunter 

2  griechisch-katholische  Kathedralen,  eine  römisch-katholische  und 

eine  lutherische  Kirche,  eine  Moschee,  femer  2  Klöster,  zahlreiche 

Fabriken,  viel  Fischerei,  bedeutenden  Handel  (berühmter  Jahrmarkt 

in  der  ersten  Woche  der  grossen  Fasten). 

Ssimbirsk  wurde  1648  nach  dem  Plane  des  Bojaren  Bogdan  Matie^'etritsch 
Chitrow  erbaut;  dieser  umgab  die  Stadt  zum  Schutze  gegen  die  Einfälle 
der  Tataren  mit  Palisaden  und  errichtete  ö  W.  von  ihr  eine  kleine  Festung 
mit  7  Thürmen ,  welche  mit  der  Stadt  durch  einen  Erdwall  u.  Graben 
(Ssimbirskische  Linie)  verbunden  war.  1670  wurde  die  Stadt  von  dem 
Wolgaräuber  Stenka  Rasin  verbrannt.  1780  wurde  Ssimbirsk  Gouveme- 
mentsstadt;  1864  brannte  es  fast  vollständig  ab. 

Ssimbirsk  ist  eine  moderne  Stadt,  mU  geraden,  breiten  Straasen, 
zum  grossen  Theil  hölzernen  Häusern,  schönen  Parkanlagen  und 
Gärten.  Die  Mitte  der  Stadt,  zwischen  Wolga  und  Swijaga,  wird 
von  einer  tiefen  Schlucht  (Owrag)  durchzogen ,  auf  deren  Sohle  die 
Marischka ,  innerhalb  der  Stadt  Ssimhirakoi  genannt ,  fliesst.  Die 
Stadt  wird  so  in  einen  östlichen  Theil,  nach  der  Wolga  zu ,  und 
einen  westlichen,  nach  der  Swijaga  hin,  getheilt.  Der  mittlere 
höchste  (c.  140  m)  wird  der  Wjänez  (BtHem)  genannt  (^Aussicht) ; 
von  ihm  fällt  die  sog.  untere  Stadt  stufenweise  zur  Swijaga  und 
Wolga  ab ;  der  tiefste,  an  der  Wolga  liegende  Stadttheil  heisst  Pod- 
gornoi.  Mit  letzterem  und  der  Wolga  parallel  führt  am  Abbange 
entlang  ein  chaussirter  Weg,  die  Peter-PaiU-Strasse  (üeTponaBiOB- 


362    Baute  26.  SSÜfBIRSK.  Von  Byhinak 

ciift  mocceMHuii  cnycKi),  die  am  städtischen  Theater  endigt.  Tom 
Theater  führt  durch  die  ganze  Stadt  die  Haupt8trasse,  BoUchaJa 
(BoiBmafl,  Grosse  Strasse) ;  in  ihrer  Mitte  der  mit  Bäumen  bepflanzte 
Boulevard.  Am  nördlichen  Ende  der  grossen  Strasse  der  Platz,  an 
dem  der  Qoetinny  Dwor  und  andere  Öffentliche  Gebäude  liegen. 
Von  der  Bolschaja  nach  S.W.  geht  die  Lissinaja  (JbiCHHaji)  nach 
der  Ssaratowschen  Chaussee  und  der  Vorstadt  Tut  (Tyrb),  die  Po- 
krowakaja  und  Moskowikaja  nach  der  Moskauer ,  die  Dworzowaja 
(ABopaoBafl)  nach  der  Kasaner  Strasse.  Die  Dworzowaja  über- 
schreitet die  Marischka  auf  einem  Damme  und  einer  Bracke  (Cyxo8 
Mocn)  und  führt  westlich  zum  Qefängnias,  Östlich  auf  den  *Ka- 
ramtin-Platz  (KapaM3HHCKag  niomaAb)*  auf  dessen  Mitte  das  Denk- 
mal dei  Oeiehiohtachreiban  Xaramsin  (IlaMiiTHHKi  H.M.  KapaiiaHHy), 
auf  granitenem  Pledestal,  c.  10  m  hoch,  die  Bronzeflgur  der  Muse 
der  Geschichte,  Klio,  auf  der  einen  Seite  des  Piedestals  die  Büste 
Nikolaus  Karamsin's  (geb.  13.  Sept.  1766  zu  Bogorojeldza  im  Gou- 
Temement  Ssimbirsk,  gest.  3.  Juni  1826)  und  eine  Inschrift  in 
russischer  Sprache.  Das  Denkmal  ist  Ton  der  Wittwe  des  im  Krim- 
kriege gefallenen  Sohnes  Karamsin^s  gesetzt  und  von  einem  bron- 
zenen Gitter  umgeben. 

Auf  der  nördl.  Seite  des  Platzes  das  städtische  Oesellschafts- 
haus ,  auf  der  südl.  das  Gymnasium  und  der  Oesellschaft sparten, 
an  den  sich  das  Gebäude  des  Gerichtshof  es  j  mit  der  Front  nach  der 
Wolga,  anschliesst.  Senkrecht  zum  Gymnasium  steht  das  Gott- 
vernementshaus  (ryöepHaTopcKift  AoMi),  in  der  Nähe  das  Gebäude 
des  Adelskluhs,  in  dem  die  öffentliche  sog.  Karamsin'sche  Bibliothek. 
Nach  dem  Karamsin  -  Platz  geht  auch  die  eine  Front  des  Erlöser- 
Nonnenklosters  (CnaccKi8  A'^bhüS  HOHacTiip&,  Eingang  von  der  Bol- 
schaja aus),  gegründet  bei  der  Erbauung  Ssimbirks  1648,  umgeben 
von  einer  steinernen  Mauer  mit  mehreren  Thürmen.  Ein  schöner 
und  origineller  Bau  ist  die  Nikolaus  -Kirche  (UepKOBb  CBHTaro  Hh- 
Kojaa  Hy/toTBopaa),  nahe  dem  Platz,  neben  dem  Gouvernement,  in 
den  sechziger  Jahren  restaurirt. 

Tom  Karamsin-Platz  gelangt  man  in  südlicher  Richtung  durch 
eine  Gasse  auf  den  Kathedralen- Platt  (CoöopHa«  nJomaAB) ;  in  der 
Mitte  desselben  die  ^Kathedrale  (CoöopHHÜ  xpavB  cbatoü  HCiiBOHa- 
qajbHofi  TpoHiiu),  vom  Ssimbirskischen  Adel  zum  Gedächtniss  an 
die  Vertreibung  der  Franzosen  1812  erbaut.  In  ihr  werden  Fahnen 
der  Opoltschenije  von  1812  und  1856  aufbewahrt. 

Die  andere  Kathedrale  des  h.  Nikolaus  (Xpavi  ob.  ÜRKOiaa 
MyAOTBopKa),  ehemals  Kathedrale  der  h.  Dreifaltigkeit,  auf  dem 
Wjänez  (S.  361),  wurde  im  xvii.  Jahrh.  in  Holz  erbaut. 


Für  die  Weiterfahrt  thut  man  gut,  den  am  späteaten  von  Ssimbirsk 
thalwärts  gehenden  Dampfer  zu  benutaeen,  um  die  schönste  Strecke  der 
Wolga -Fahrt,  den  Bogen  von  Ssamara  (S.  364),  möglichst  bei  Tage  zu 
sehen.  Die  Dampfer  von  Seveke  verlassen  Ssimbirsk  mit  Tagesanbruch, 
die  der  Gesellschaft  Wolga  um  6  U.  30,  die  der  Oesellschaft  Ssamoljot 


naehSsysran,  SSTA\¥ROPOL.  26.  Boute.    363 

um  8  U.  Abends;  sie  passiren  diese  Strecke  ca.  3-8  U.  Morgens.    Man  lasse 
sieh  also  auf  diesen  in  aller  Frühe  weeken. 

Auf  der  nun  folgenden  Strecke  ist  der  Unterschied  zwischen 
dem  hohen  rechten  Ufer  und  der  Steppe  auf  dem  Unken  besonders 
scharf  ausgeprägt. 

1066  W.  (r.)  «SsengUej  (CeHrHiefi),  Kreisstadt  mit  3500  Einw., 
zwischen  den  Flüssen  Ssengüenka  und  Tumenka,  ist  mit  einem  £rd- 
wall  umgeben;  im  N.,  W.  und  S.  Kreideberge,  die  sog.  „Ssengilej- 
8chen  Ohren''  (CeHriueficKie  ymH).  Das  heryorragendste  Gebäude 
der  meist  aus  Holz  gebauten  Stadt  ist  die  Kathedrale  der  h.  Mutter 
Oottes  (Co6.  uepK.  üpecs.  BoropoAiniu) ,  1814  auf  dem  höchsten 
Punkte  der  Stadt  erbaut. 

Die  H6hen  unterhalb  SsengUej  heissen  die  IlJintkUchen  und 
weiterhin  die  NowodJewÜsche- Berge 

1112  W.  (r.)  »Dorf  Nowodjewitsche  in  einer  Schlucht,  mit  1500 
£inw.  Das  Dorf  hat  seinen  Namen  von  dem  Nowodjewitschy-Kloster 
in  Moskau,  dem  es  ehemals  gehörte. 

1136  W.  (r.)  Nadjeschkino  (HaAtmKHHo)  oder  Ussolje  (Ycoibe), 
Dorf  auf  dem  Gipfel  der  hier  beginnenden  Shegulewsklschen  Berge 
(s.  unten),  4  W.  vom  Ufer,  mit  Schloss  des  Grafen  Orlow-Demidow, 
des  Eigenthümers  des  ganzen  Landes  im  sog.  Bogen  Ton  Ssamara 
(s.  S.  364);  im  Park  ein  steinerner  Thurm,  der  sog.  üssolskische 
Pavillon  oder  Sswätolka,  mit  prächtiger  Bundsieht. 

Die  ganze  Gegend  war  früher  eingenommen  von  der  Horde  Nogai^aeher 
Tataren,  welche  zahlreiche  Kurgane  (Grahhügel,  6.  355)  ihrer  Helden  und 
Vornehmen  (Mursen)  hinterlassen  haben.  Gewaltige  Erdwälle  in  3  Reihen 
ziehen  an  den  Ufern  der  Ussa  von  der  Wolga  über  Waly  (Baxu)  nach 
Perewalowka,  an  der  gegenüberliegenden  Seite  des  Bogens  von  Ssamara, 
entlang.  Bei  Perewalowka  die  Ruinen  einer  kleinen  Festung.  Viele  Orte 
haben  noch  die  tatarischen  Namen,  wenn  aneh  russiflcirt,  behalten.  Ussolje 
und  Umgebung  wurde  1633  von  Michail  Feodorowitsch  dem  Kaufmann 
Nadja  geschenkt  und  erhielt  nun  den  Namen  Ussolje-Nadjäinsky.  Später 
gelangte  es  in  den  Besitz  des  Ssawinsky  -  Sstoroshewsky^schen  Klosters, 
Peter  I.  schenkte  es  1710  dem  Fürsten  Mensehlkow :  dann  wurde  es  Krön- 
dorf,  bis  es  unter  Katharina  II.  in  die  Hände  des  Grafen  Orlow  gelangte. 

Es  folgen  nun  die  h6chst  romantischen  *Berge  von  Skegulew 
(3(eryjeBCKifl  ropu),  weiterhin  OretschulewdBisehe  und  Markwa- 
schenskische  Höhen  genannt,  dicht  bewaldet,  bis  200  m  steil  sich  erhe- 
bend, mit  den  wunderlichsten  Felsbildungen  und  zahlreichenHÖhlen. 

1149  W.  (l.)  Sstawropol  (CTaBponoju).  Die  Dampfer  halten  auf 
dem  gegenüberliegenden  Ufer  2  W.  abwärts  beim  Dorfe  Morkwcuchi 
{HopKBaniH). 

Sstatpropolj  Kreisstadt  im  Gouvernement  Ssamara  und  ehe- 
malige Kalmückencolonie,  mit  4500  £inw.,  liegt  auf  niedrigem  und 
sandigen  Ufer,  auf  der  einen  Seite  vom  Bache  Kun  ^  Waloschke, 
auf  den  andern  Seiten  von  den  Ausläufern  des  Uralischen  Berg- 
rückens (SsokoFscherBerg)  begrenzt.  Die  Stadt  zerfällt  in  3  Theile : 
die  SstawropoPsche  Festung  (Ueberreste  derselben  noch  sichtbar), 
die  Ssoldatskaja  und  die  Kupjetscheskaja-Ssloboda.  —  Handel  und 
Industrie  der  Stadt  sind  unbedeutend. 


364    Botae  26.  SSAMARA.  Von  Byhinak 

1209  W.  Mündung  des  Ssok  in  die  Wolga.  Auf  dem  linken  Ufer 
derselben  dis  Dorf  Zarewschtschina,  von  dem  südlich  der  weithin 
sichtbare  Zarevo  Kurgan  (Ilapesi  KypraHi),  auf  zwei  Seiten  vom 
Ssok ,  auf  der  dritten  vom  Kurul  umflossen ,  angeblich  mit  reichen 
Schwefellagern ,  die  aber  nur  in  geringem  Umfange  von  den  Dorf- 
bewohnern ausgebeutet  werden. 

Bei  Sstawropol  hatte  die  Wolga ,  durch  die  sich  vorbiegenden 
Shegulewskischen  Berge  gezwungen,  sich  nach  0.  gewandt;  60  W. 
weiter  läuft  sie  südlich  und  geht  von  Ssamara  an  in  westlicher 
Richtung  auf  Ssysran  zu  (150  W.).  Die  Sehne  dieses  sog.  Bogens  von 
Ssamara  (CavapcKitf  lyxi)  hat  von  Sheguli  bis  Perewalowka  (S.  366) 
eine  Länge  von  15  W.  Das  Terrain  behält  den  Charakter  der  She- 
gulowski'schen  Berge,  die  Hügel  erheben  sich  auf  200-300m. 

1222  W.  (1.)  »Stamara  (Canapa).   Mehrere  Stunden  Aufenthalt. 

Iswoschtschiks  am  Landungsplatz  (die  Stunde  25-30  Kop.). 

Gasthöpk.  H6tel  am  Landungsplatz  der  Ssamo^ot-Dampfer.  In  der 
Stadt:  *Anajew  am  Alexejewskaja -Platz. 

Rbstaubants  in  den  Hotels. 

YssoitüouKosLocALB.  Gcsellschaftsgarten  (OfintecTBCHHuft cax&) 
beim  Theater,  die  beliebteste  Promenade  der  Bewohner;  Sstrukowsky- 
G arten  (GTpyKOBOMiJk  caAi)«  benannt  naeh  dem  ehemaligen  Besitzer, 
General  Sstrukow,  am  nördlichen  Ende  der  Kasanskaja,  mit  Vauzhall, 
hübsehe  Aussicht.  —  In  der  Umgebung:  der  Malakonsky-Frueht- 
garten  (MaxaaoBCKift  •pynTOBiii  cax&),  Hn.  Grats chew  gehörig.  Weiter 
oberhalb  an  der  Wolga  auf  dem  sog.  hängenden  oder  WiMly-Stein  (Bf  jh* 
BaneHii)  die  Villa  Apajew  mit  Garten,  dem  Publicum  geöffnet. 

Thbatbh  in  der  Kasanskaja  nahe  der  Ssamara. 

Bahiihof  auf  der  Ostseite  der  Stadt,  ca.  V2  St.  vom  Alexejewsky- 
Platz.  Von  Ssamara  nach  Orenburg,  393  W.  in  14  St.  für  14  B.  74  resp. 
11  R.  05  Kop. ;  nach  Ssysran,  115  W.  in  6  St.  für  4  B.  31  resp.  3  R.  34  Kop. ; 
nach  Rjashk  (S.  385)  799  W.  für  27.57,  19.59,  10.58  R.;  nach  Tula  (S.  378) 
921  W.  für  34.58,  25.95,  13.27  R. 

Ssamara,  am  r.  Ufer  der  Ssamara  und  dem  1.  der  Wolga  ge- 
legen ,  Gouvernementshauptstadt  und  blühender  Handelsplatz  mit 
c.  75,000  Einw.,  ist  Sitz  eines  Civilgouverneurs  und  eines  Bischofs, 
hat  13  Kirchen,  darunter  die  schöne  lutherische  Kirche,  2  Klöster, 
ein  Gymnasium,  verschiedene  Wohlthätigkeitsanstalten,  bedeutende 
Fabrikthätigkeit  und  lebhaften  Handel  als  einer  der  Hauptpunkte 
auf  der  grossen  sibirischen  Handelsstrasse  über  Orenburg ;  beson- 
ders wichtig  ist  der  Handel  in  Getreide,  Holz,  Talg,  Salz  und  Schaf- 
pelzen. Für  den  Getreidemarkt  ist  eine  Reihe  grosser  hölzerner 
Speicher  an  der  Ssamara  erbaut.  Die  Märkte  für  den  inneren  Handel 
finden  statt  auf  dem  Bazar,  im  Gostinny  Dwor,  auf  dem  Alexe- 
jewskaja- Platz,  auf  dem  sog.  Burlazky-Pristan  am  Wolga -Ufer. 
Jahrmärkte  der  sog.  Ssbomaja-Markt ,  Beginn  in  der  3.  Woche  der 
grossen  Fasten,  Dauer  14  Tage;  der  Kasanskaja -Markt,  Beginn 
8.  Juli,  Dauer  12  Tage;  der  Wosdwishenskaja- Markt,  Beginn  am 
14.  September,  Dauer  14  Tage. 

lieber  die  Gründung  Ssamara's  ist  nichts  Oenaues  bekannt.  Dieselbe 
soll  Ende  des  xvi.  Jahrh.  zum  Schutz  der  russischen  Grenze  gegen  die 
Einfälle  der  Kalmücken,  Baschkiren  und  Nogaischen  Tataren,  sowie  zur 
Sicherung  der  Handelsstrasse  von  Kasan  nach  Asstraehan  und  dem  Ural 


nach  Saysran.  SSAMARA.  26.  Boute.     365 

angelegt  worden  sein.  Zu  jener  Zeit  stand  an  der  Mündung  der  Ssamara 
ein  befestigtes  Schloss  (Kreml)^  an  welches  sich  nach  und  nach  die  Stadt 
ansetzte.  1780  wurde  Ssamara  Kreisstadt,  1798  erfolgte  die  Verlegung  der 
Kasaken  nach  der  Orenburg'sehenLinie,  die  Aufhebung  der  ssamarischen 
Festungslinie,  welche  sich  von  Ssamara  über  Alexejewsk  bis  Orenburg 
erstreckte,  1850  die  Erhebung  Ssamara^s  zur  Gouvernements-Hauptstadt. 
—  Durch  grosse  Feuersbrünste  litt  die  Stadt  1848,  1850,  1854,  187t. 

Der  Weg  vom  Landungsplätze  der  Dampfer  in  die  Stadt  führt 
stell  bergauf.  Die  Strassen  und  Plätze  sind  nicht  gepflastert  und 
unsauber ,  zwischen  den  steinernen  Bauten  stehen  noch  zahlreiche 
kleine  alte  Holzhäuser.  Der  Gesammteindruck  der  Stadt  ist  kein 
günstiger,  die  Zahl  ihrer  Sehenswürdigkeiten  gering. 

Yom  Hotel  am  Alexejewskaja-Flatz  (S.  364),  den  wir  durch  die 
Sawodskaja  erreichen ,  begehen  wir  uns  zunächst  nach  dem  süd- 
lichen Theil  der  Stadt,  der  Altstadt  (Crapuä  ropoA'B),  an  der  Mün- 
dung der  Ssamara  in  die  Wolga.  Hier  lag  ehemals  der  Kreml  (s. 
oben),  auf  derselben  Stelle,  wo  jetzt  das  Theater  und  die  Gebäude 
der  Feuerwehr  (IIosapHuä  CapaÜ)  erbaut  sind.  Nur  geringe  Ueher- 
reste  der  Festung  sind  noch  an  der  Ssamara  zu  bemerken.  Sie  be- 
stand aus  dem  Wolga-Quai  und  der  Bolschaja,  nachher  wurde  die 
sog.  „Strasse  auf  dem  Berge'',  die  jetzige  KasarUkaja  erbaut.  In 
diesem  Theile  der  Stadt  die  alte  Kathedrale  der  Kasan' sehen  Mutter 
Gottes  (UepK.  KaaaHCKoM  Bosieü  MarepH),  angeblich  auf  der  Stätte 
der  Kirche  und  des  Kirchhofs  der  Festung  erbaut.  Nicht  weit  vom 
Gesellschaftsgarten  das  Nonnenkloster  (2ReHCKi8  MoHacTupi»).  In 
der  Nähe  der  Kathedrale  die  1785  erbaute  Kirche  der  Verkündigung 
der  heil.  MutterGottes  (IIepK.EiaroBlimeHianpecBaToSBoropoAHUH). 
Nördlich  der  Altstadt  die  Keustadt  (HobuH  ropcAi»),  der  bestgebaute 
Theil  der  Stadt.  —  Am  Wolga-Quai,  nahe  beim  Burlazky-Bazar, 
die  Kirche  des  heü,  Metropoliten  Alexei  und  die  Alexei -Kapelle 
mit  ewiger  Lampe. 

Ton  den  Strassen,  welche  von  N.  nach  S.  die  Stadt  durchziehn, 
sind  die  hauptsächlichsten:  nahe  dem  Wolga -Ufer  die  Preobra- 
shenskaja ,  weiter  die  Kasanskaja ,  an  deren  nördlichem  Ende  der 
Sstrukowsky  -  Garten,  dann  die  Wosnessenskaja,  diQ  Dworjanskaja 
und  Ssaratowskaja.  Die  Sawodskaja  verbindet  das  Wolga-Ufer  mit 
dem  Alezejewskaja-Platz.  An  letzterem  im  Centrum  der  Stadt  der 
Gostinny  Dwor  und  die  Hauptmagazine ;  auf  dem  Troizkaja- Platz 
findet  der  Bazar  statt ;  andere  Plätze  sind  der  Pschenitschnaja-  und 
der  SJännaja-Platz, 

Interessant  ist  der  Besuch  einer  der  "'Kninyss- Anstalten  (Ky- 
MUCOieneÖHoe  saaeAeHle) ,  die  meist  alle  auf  den  Hügeln  liegen, 
welche  Ssamara  umgeben.  Durch  dieselben  ist  die  Stadt  berühmt 
und  mit  dem  Namen  Ssamara  verknüpft  sich  für  den  Bussen  etwa 
die  gleiche  Vorstellung,  wie  mit  Meran.  Dort  wie  hier  suchen 
Schwindsüchtige  Linderung ,  wo  nicht  Heilung  ihrer  Leiden ,  nur 
dass  man  hier  den  Einfluss  der  milden  Luft  thatkräftig  mit  Kumyss 
unterstützt.   Wer  es  noch  ernster  mit  seiner  Cur  nehmen  will,  der 


366    Boute  26.  SSYSRAN. 

geht  in  die  Steppe,  lebt  in  der  leichten  Hütte  der  Nomaden,  ge- 
niesst  ihre  Kost  und  nährt  sich  fast  ausschliesslich  mit  Kumyss. 
Der  Kumyss,  auch  Tr««nmt7cA  genannt,  ist  ein  sehr  angenehm,  säuer- 
liches, mildes,  kohlensäurehaltiges,  leicht  verdauliches  und  nahrhaftes 
Getränk.  Er  wird  aus  Stutenmilch  bereitet  und  muss  klar  sein;  käsige 
Absonderungen  zeugen  von  schlechter  Zubereitung.  Durch  Gährung  der 
Milch  entwickeln  sich  Milchsäure,  Kohlensäure  und  Alkohol.  Die  Stuten- 
milch ist  von  allen  Milehsorien  die  gehaltvollste ;  sie  übertrifft  an  Butter* 
und  Zuckergehalt  noch  die  Schafmilch;  die  Verdaulichkeit  wird  durch 
die  genannten  Säuren  erhöht,  während  der  Weingeist  leicht  erregend 
wirkt.  Man  unterscheidet  eine  starke,  mittlere  und  schwache  Sorte.  —  Bei 
jugendlichen  und  bei  schwächlichen  Personen,  nach  Blut-  und  Säftever- 
lusten steht  der  Kumyss  als  Kräfte  hebendes  Kahrungsmittel  obenan. 
Gewöhnlich  beginnt  man  mit  3  Gläsern  und  erhöht  die  Zahl  allmählich. 
Manche  Kranke  trinken  6-8  Flaschen  täglich.  Die  beste  Zeit  ist  im  Mai 
und  Juni  t  später  wirkt  die  grosse  Hitze,  welche  in  Ssamara  herrscht,  naeh- 
theilig. 

Die  besuchteste  und  am  schönsten  gelegene  Kumyss-Anstalt  ist 

die  von  Annajcw;  namentlich  Abends  schone  Aussicht  auf  die 

Wolga. 

Ungefähr  21  W.  von  Ssamara  (c.  8  W.  von  SmyicUjäwka^  Stat.  der 
Orenburger  Bahn)  das  Schwefelbad  Altxejewke.  >-  120  W.  nordöstlich  von 
Ssamara  liegt  das  mit  der  Post  zu  erreichende  Städtchen  Bsergiewak  (Cep- 
rieBCsiA  anaep.  boku),  am  Einflüsse  des  Ssurgut  in  den  Stokt  berühmt  durch 
seine  Mineralwasser,  hauptsächlich  Schwefel-Quellen,  die  besonders  gegen 
Bheumatismus  Verwendung  finden.  1703  erbaute  Peter  der  Grosse  lüer 
eine  Schwefelfabrik,  l^o wo  - Ssergiewsk  genannt.  iT20  ging  diese  ein;  aber 
1808  wurden  durch  den  Gutsbesitzer  Gl(uau>  die  Quellen  dem  Kurgebrauch 
zugänglich  gemaeht.  Die  Bäder  kosten  15-25  Kop.,  die  Nummern  in  dem 
Staatsgebäude  für  den  ganzen  Sommer  45  B. 

20  "W.  hinter  Ssamara ,  auf  dem  rechten  Ufer  der  Wolga ,  bei 
der  Datsche  des  Grafen  Panin  ein  nicht  unbedeutender  Schwefel- 
herg  (CtpHiji  ropu),  ehemals  von  der  Krone  ausgebeutet,  jetzt  dem 
Betriebe  einer  Ziegelei  dienend. 

Weiterhin  hören  die  Waldungen  auf,  die  Hohen  verflachen  sich 
bis  auf  40 -50m,  doch  bleibt  der  geologische  Charakter  der  Ufer 
derselbe :  Kreide-  und  Kalksteinberge  mit  starken  Höhlenbildungen. 
Auf  der  Wiesenseite  der  Wolga  leicht  gewellte  Flächen,  grösstentheüs 
mit  üppigem  Grase,  hie  und  da  mit  Buschwerk  oder  verkrüppelten 
Eichen  bestanden. 

1266  W.  *Jekaterinowki  (EKaTepHHOBKH).  —  1286  W.  Perewa- 
lowka  (IlepeBaJOBKa),  Dorf  mit  TOOElnw.  und  bedeutendemGetreide- 
handel.  —  1296  W.  (r.)  PetschersJcoje  (HeHepcKoe),  grosses  Dorf  mit 
1250  Einw.,  amphitheatralisch  am  hohen  Ufer  gelegen. 

1  St.  vor  Ssysran  passiren  wir  die  grosse  Eisenbahnbrücke  der 
Bahn  Rjashk-Ssysran-Ssamara-Orenburg  (S.  375). 

1329  W.  ^Batraki,  Stat.  der  Bahn  Ssysran-Ssamara. 

1332  W.  (r.)  »Siysran  (Cuapanb). 

Gasthöfe:  Ljundin  und  Ssussujew  (genügen  nur  massigen  An- 
sprüchen)^ —  *Bahnreitaur. 

Bahnhof  im  Norden  der  Stadt,  20  Min.  von  derselben  entfernt.  Kach 
Ssamara  und  Bjashk  s.  S.  875. 

Dampfschiffb.  Nach  Ssaratow,  Asstrachan  und  den  Häfen  des  Kas- 
pischen  Heeres  alle  Sa.  u.  Di.  mit  Tagesanbruch  und  1217.  Mittags;  nach 


SSYSRAN.  26,  Route,     367 

Ssam&ra,  Kstfan  und  Nishny-Nowgorod  alle  Hi.  a.  So.  9  U.  90  Min.  Vorm. ; 
Do.  u.  So.  3  U.  Kaebm. 

Ssysran,  Kreisstadt  im  Gonvernement  Ssimbirsk  mit  24,500 
Einw.,  liegt  etwas  vom  r.  Ufer  der  Wolga  entfernt  an  der  Ssys- 
ran*8chen  Woloschke  und  dem  Flüsschen  Krymsa,  dessen  Schlucht 
(Owrag)  die  Stadt  in  zwei  Hälften  theilt.  Gegründet  wurde  Ssysran 
1683  durch  den  Ssimbirskischen  Woiwoden  Gregor  Koslowski  und 
bestand  ursprünglich  nur  aus  dem  Kreml,  von  dem  jetzt  nur  noch 
Reste  auf  dem  höchsten  Punkte  der  Stadt  am  Ufer  der  Woloschke 
vorhanden  sind.  Die  Stadt  hat  7  Kirchen  und  3  Klöster ,  einige 
Fabriken  und  nicht  unbedeutenden  Getreidehandel  (am  Landungs- 
platze zahlreiche  hölzerne  Ambarren) ;  auch  wird  Schiffbau,  Gärt- 
nerei und  Fischfang  betrieben. 

Das  älteste  Gebäude  der  Stadt  ist  das  Mönchsidoster  (MysecKiS 
MouacTupfc  Bo3Heceflifl  fbcnoxHA)  auf  der  sog.  Strjälka  (Crptiia), 
unter  Peter  d.  Gr.  erbaut;  die  anfänglich  hölzerne  Kirche  des 
Klosters  wurde  1738  durch  eine  steinerne  ersetzt.  Aus  dem  Anfang 
des  XVIII.  Jahrh.  stammt  die  *  Kathedrale  (XpacToposAecTBeHCKiM 
Coöopi) ,  mit  welcher  eine  Bibliothek  verbunden  ist.  Die  Käthe- 
dralen-Kirche  (CoöopHafl  UepKOB&  EareHHaii)  wurde  1753,diei!rtrcAe 
der  Kasan'schen  Mutter  Qottei  1832  erbaut.  —  Lohnend  ist  der 
Besuch  des  Lednew* sehen  Qartene  {C^Kh  ilexHesa),  Vz  ^i^  '^om  Bahn- 
hof, mit  schöner  Aussicht  auf  die  Wolga  und  Umgegend. 

18  W.  südl.  an  der  Wolga  das  Stimeon-Kloilery  in  Bchöner  Lage;  in 
der  Umgegend  auch  für  den  Laien  inteiressante  Lager  von  Jura-Petre- 
fakten.  —  13  W.  n.  an  der  Wolgabrücke  (S.  875)  Batraki  (BaTpaxH)  Stat. 
der  Orenburger  Bahn,  mit  grossem  Asphalt-Lager  und  Werk. 

Eisenbahn  von  Ssysran  nach  Tula  und  Orenhurg  s.  R.  27. 


27.  Ton  Eiga  über  Ssmolensk  und  Orel  nach  Orjasi 
und  ttber  Tula  nach  Ssamara  nnd  Orenbnrg. 

Abfahrt  vom  Centralbahnho/  in  Biga  (6. 49).  Direete  Züge  nach  Kaluga, 
Tula,  Ssamara,  Orenbnrg,  Orel,  Orjasi,  Ssaratow,  Zarizin.  Von  Riga  nach 
Orjasi  über  Orel:  1225  W.  in  4^/2  St.  für  45.62,  34.48,  17.62 B.:  von  Biga 
über  Tula  nach  Ssamara:  2322  W.  in  m/2  St.  für  72.34,  54.30,  27.18 B. 

Von  Riga  nach  Dünäburg  s.  S.  49-48 ;  3-5  St.  Aufenthalt.  Bei  der 
Weiterfahrt  sind  die  Waggons  dieselben ,  wie  auf  der  Dünabürger 
Bahn ;  die  Bahnrestaurants  sind  massig  und  wenig  reinlich. 

Die  Gegenden ,  welche  wir  durcheilen ,  bieten  einen  traurigen 
Anblick.  Niedriges  Gestrüpp  wechselt  hier  und  da  mit  gänzlich 
vernachlässigten  Waldstrecken.  Durch  den  morastigen  Boden  ver- 
krüppelte Birken  und  Ellem  sind  vorherrschend.  Fast  nirgends 
bebaute  Felder,  in  grossen  Zwischenräumen  elende  Hütten.  — 
(16  W.  von  Dünäburg)  Josef  owo,  —  36  W.  Kreselawka.  —  64  W. 
Balhinowo. 

90  W.  Drif sa  (4pHCca) ;  Bahnrestaur.,  10  Min.  —  4  W.  s.w.  die 
gleichn.  Kreisstadt  im  Gouvernement  Witebsk ,  am  Einflüsse  der 


368     Baute  27.  POLOZK.  Von  Riga 

Driisa  in  die  Düna  (Duma)  gelegen,  mit  lebhaftem  Handel  u. 
4361  Einw.  Durch  die  erste  Theilung  Polens  kam  Drissa  an  Russ- 
land.   1812  war  es  Sammelpunkt  der  I.  russischen  Westarmee. 

101  W.  Ssufolna  (CBOiraa),  Pfarrdorf  und  Vorwerk  an  der 
Sswolna.  Am  11.  Aug.  1812  fand  hier  ein  Gefecht  zwischen  den 
Franzosen  und  den  Bussen  statt.  —  117  W.  Borkowitschi,  —  127  W. 
Adamowo,  —  136  W.  Barawucha,  Dorf  an  der  Strasse  von  Polozk 
nach  Ssebesch,  an  der  1812  die  Gefechte  yon  Kljcustiizi  (31.  Juli), 
OolawicMsehitza  (1.  Aug.),  Sttvolna  (s.  oben),  zur  Deckung  St.  Peters- 
burgs stattfanden. 

Nachdem  wir  die  Sumpfwälder  auf  dem  rechten  Düna -Ufer 
nordöstlich  Polozk  verlassen,  erblicken  wir  zur  Rechten  Polozk 
hoch  auf  dem  nördlichen  Rande  der. Uferhöhen,  in  prächtiger  Lage. 
—  Bahnrestaur.,  20  Min.  Aufenthalt. 

151  W.  PoIOBk  (ÜCJOUKI) ,  Kreisstadt  im  Gouvernement  Wi- 
tebsk,  auf  einem  bergigen  Plateau  zwischen  der  Düna  (r.)  und  der 
Polota  (1.)  gelegen,  Sitz  des  griechisch -unirten  Erzbischofs  von 
Polozk  und  Witebsk,  mit  einem  alten  Kreml,  im  äussersten  Winkel 
der  Düna  und  Polota,  mehreren  Kirchen  und  Klöstern  (2  km  n. 
von  Polozk  das  durch  die  Kämpfe  von  1812  berühmte  Sspiisikif- 
oder  Erlöser  Kloster),  Kadettenhaus  (ehem.  Jesuitenkollegium), 
mehreren  Fabriken ,  lebhaftem  Handel ,  12,200  Einw.  —  Sehens- 
werth  das  alte  Schloss  im  Kreml  undT  das  zu  Ehren  der  1812  bei 
Polozk  gefallenen  Russen  errichtete  Denkmal^  auf  dem  Platz  gegen- 
über der  Kathedrale. 

Zur  Geschichte.  Polozk  existirte  schon  lange  vor  der  Ankanfl 
Rurik's  in  Russland  -,  es  war  damals  ein  befestigtes  Dorf  der  PoloUchanen. 
Im  IX.  Jahrh.  herrsehte  dort  Rogwold  (Rogvolod,  Ragnvaldr),  einer  der 
Genossen  Ruriks.  Später  standen  die  Fürsten  von  Polozk  stets  in  einer 
gewissen  Unabhängigkeit  und  bewiesen  sich  feindlich  gegen  die  re- 
gierende grossfürstliehe  Familie.  1128  stürzte  Af»tislau>  WlacUmirinritMch 
den  Fürsten  David  von  Polozk  und  gab  die  erledigten  Färstenthümer 
Minsk  und  Polozk  seinem  Sohne  J9j<Uilaw.  Unter  dessen  Kaehfolgern 
fanden  vielfache  Kampfe  mit  den  Litauern,  den  Ordensrittern,  den  Für- 
sten von  Ssmolensk  und  Pskow  statt  \  in  denselben  dehnte  sich  das  Für- 
stenthum  bis  nach  Livland  hinein  aus.  1238  kam  Polozk  an  das  Fürsten- 
thum  Ssmolensk,  bald  darauf  an  Litauen.  Unter  litauischer  und  polni- 
scher Herrschaft  erhielt  Polozk,  wo  Statthalter  und  Verwandte  der  Könige 
yon  Polen  und  Grossfürsten  von  Litauen  regierten,  grosse  Privilegien  und 
übertraf  selbst  Wilna  an  Reiehthum.  Im  litauisch-schwedisch-russischen 
Kriege  1562-1563  griff  Iwan  IV.  am  21.  Jan.  1563  Polozk  an  und  eroberte 
es  am  15.  Febr.,  doch  kam  es  16  Jahre  später  wieder  an  Litauen.  Stephan 
Bathory  eroberte  es  1579  und  machte  es  zu  einer  litauischen  Woiwod- 
schaft. 1654  fiel  Polozk  nebst  Borogobusch  und  Ssmolensk  in  die  Ge- 
walt Alexei*s ,  wurde  aber  16€r7  im  Frieden  zu  Andrussow  wieder  abge- 
treten und  erst  unter  Katharina  II.  bei  der  ersten  Theilung  Polens  1772 
definitiv  mit  Russland  vereinigt.  1778  wurde  Polozk  die  Hauptstadt  eines 
neugebildeten  russischen  Gouvernements.  1812  erreichte  die  erste  rus- 
sische Westarmee  auf  dem  Rückzuge  von  Drissa  (S.  867)  am  18.  Juli  Po- 
lozk, am  23.  Juli  besetzte  Hurat  die  Stadt;  als  die  grosse  Armee  auf 
Witebsk  vorrückte,  blieb  Oudinot,  später  durch  das  Corps  St-Cyr  unter- 
stützt, zu  den  Operationen  gegen  das  1.  detachirte  russische  Corps  unter 
Wittgenstein  und  zur  Bedrohung  St.  Petersburgs  zurück.  Kach  den  Ge- 
fechten von  Kljasstitzi,  Golowschtsehitza  und  Sswolna  griff  Wittgenstein 


nach  Orenburg.  WITEBSK.  27.  Boute,     369 

Polosk  am  17.  Aug.  an.    Der  Angriff  misslang  jedoch,  und  erst  in  den 
Kämpfen  am  IS.  und  19.  October  fiel  es  in  die  Hände  Wittgenstein^a. 

Hinter  Polozk  und  je  mehr  man  sich  Witebsk  nähert,  nimmt 
4as  Land  einen  cultivirteren  Charakter  an :  das  Terrain  wird  hügelig 
und  bietet  mehr  Abwechselung ,  Bauernhäuser  und  Felder  werden 
häufiger;  auch  erscheint  der  Wald  (meist  Tannen,  Kiefern  und 
Birken)  hier  noch  in  gutem  Bestände.  Die  flachen  Bodenwellen  sind 
zum  Thell  mit  Granitmassen  bedeckt ;  die  Umgegend  von  Witebsk 
besteht  aus  Kalkfelsen. 

183  W.  Ohol.  —  205  W.  Ssirotino  (Bahnrestaur. ;  10  Min.).  — 
223  W.  Sstaroje  Sselo.  —  233  W.  KnäsUza.  —  Bald  darauf  er- 
scheint malerisch  auf  den  Kalkfelsen  des  linken  Düna- Ufers 

244  W.  Witehsk  (BHieöCKi).  Bahnrestaurant.  —  Bei  dem  Aufent- 
halt von  2  St.  10  Min.  kann  man  sich  einen  Iswoschtschik  nehmen 
und  die  Stadt  besichtigen. 

Witebsk  [Qrand  Hotel;  Hotel  Brost,  am  Marktplatz),  die  Haupt- 
stadt des  gleichn.  Gouvernements,  hat  c.  54,700 Einw.,  darunter  zahl- 
reiche Juden.  Die  dem  Bahnhofe  zunächst  gelegeneu  Stadttheile,  fast 
ausschliesslich  von  Juden  bewohnt,  machen  einen  verkommenen, 
schmutzigen  Eindruck.  Erst  wenn  mau  auf  der  schönen  steinernen 
Diina-Briicke  den  stolzen  Strom  überschreitet,  ändert  sich  das  Bild. 
Der  Stadttheil  jenseit  der  Düna  zeigt  noch  Ueberreste  von  alten 
Festungsmauern,  ansehnliche  Häuser,  gerade  und  gut  gebaute 
Strassen.  In  diesem  Theile  vom  Witebsk  liegt  das  grosse,  gelbange- 
strichene Qouvernemtntigehäude^  in  dem  der  Grossfürst  Konstantin 
Pawlowitsch,  Generalgouverneur  von  Polen  während  der  polnischen 
Revolution,  1831  an  der  Cholera  starb.  Andere  hervorragendeGebäude 
der  Stadt  sind  der  Adelsklub,  das  Gymnasium,  Theater,  Hospital, 
die  Kaufhallen.  Sehenswerth  sind  die  Kathedrale  des  h.  Nikolaus, 
die  Maria  -  Himmelf  ahrt  -  Kirche ,  das  schöne  Basilianerkloster, 
Ausser  diesen  zählt  Witebsk  14  Kirchen  und  8  Klöster. 

Zur  Geschichte.  WUebsiy  im  Lande  der  Drogowitschen  gelegen, 
ist  eine  Grflndiing  der  Waräger.  Bis  Eum  xii.  Jahrb.  gehörte  die  Stadt 
bald  zum  Färstenthum  Ssmolensk,  bald  cum  Fürstenthum  Polozk,  bildete 
dann  ein  selbständiges  Theilfürstenthum  und  wurde  im  xxv.  Jahrb.  mit 
Litauen  vereinigt.  Die  Stadt,  welche  viele  Privilegien  erhielt,  blühte 
unter  litauisch-polnischer  Herrschaft  rasch  auf.  1435  wurde  es  von  Wla- 
dislaw  Jaglello  nach  sechs  wöchentlicher  Belagerung  erobert.  Die  Bussen 
nahmen  die  Stadt  1563  und  1Ö69,  aber  Stephan  Bathory  eroberte  sie  wieder 
zurück.  Als  Grenzstadt  blieb  dann  Witebsk  ein  Zankapfel  zwischen 
Polen  und  Bussland;  erst  1773  kam  sie  für  immer  an  Russland.  1778 
wurde  Witebsk  als  Statthalterschaft  organisirt,  1796  mit  Hohilew  sur 
Stadthalterschaft  Weissrussland  vereinigt,  1802  aber  wieder  davon  getrennt 
und  als  eigenes  Gouvernement  constituirt.  —  1812  war  Witebsk  das  Ziel 
der  mittleren  Kolonne  der  grossen  Armee  auf  dem  Marsche  nach  Ssmo- 
lensk-Moskau.  Am  28.  Juli  rückte  Kapoleon  in  Witebsk  mit  den  Garden 
ein.  Er  blieb  hier  14  Tage,  um  seine  Armee  zu  retabliren.  Erst  am 
13.  Aug.  verliess  er  Witebsk  um  die  bei  Ssmolensk  vereinigte  russische 
Armee  anzugreifen. 

Die  wellige  Gegend  zwischen  der  Düna  und  dem  Dnjepr ,  das 
grosse  „VÖlkerthor^  nach  Westen  hin  (c.  200  m  ü.  M.),  ist  auf  weite 
Strecken  flach  und  sumpfig  und  im  allgemeinen  wenig  angebaut. 

Bussland.     2.  Aufl.  24 


370    Route  27,  BRJANSE.  Von  Riga 

Wald  herrscht  vor ;  doch  auch  hübsche  Landschaftsbilder  werde» 
zeitweise  von  der  Bahn  aus  sichtbar.  —  278  W.  Bohrowka,  — 
307  W.  Rudnja.  —  350  W.  Kuprino, 

372  W.  Simolenik  (CMOieHCKi),  s.  S.  246.  Bahnrestaur.  (der 
Wartesaal ,  im  altrussischen  Stil  dekorirt ,  beachtenswerth),  V2  St.. 
Aufenthalt.  Durch  waldreiche  Gegenden  nach  dem  ersten  bedeu- 
tenden Orte 

483  W.  Bofilawl  (PociaBib),  Kreisstadt  an  der  Osster,  mit 
6700  Einw.  Die  Stadt  wurde  von  Wladimir  Monomachus  gegründet^ 
später  stark  befestigt  und  häufig  von  den  Litauern,  Polen  und 
Russen  belagert. 

Hinter  (505  W.)  Jwanowskaja  tritt  die  Bahn  in  das  Gouverne- 
ment Orel.  Der  Wald  hört  auf  und  endlose,  wellenförmige  Flächea 
zeigen  sich  zu  beiden  Seiten.  Wir  sind  in  eine  der  Kornkammern 
Busslauds  gelangt.  Unabsehbare  Kornfelder  wogen  im  Sommer  in 
mächtigen  Flächen.  Roggen ,  Buchweizen ,  Flachs  sind  auf  grossen 
Strecken  angebaut.  Nur  an  einzelnen ,  besonders  feuchten  Stellen 
erscheint  Baumwuchs,  niedrig  und  verkrüppelt.  Die  Dörfer  folgen 
viel  dichter  auf  einander,  als  in  den  vorhergehenden  Gouvernements ; 
die  Häuser  sind  wohlgebaut  und  reinlich,  auch  grösser,  wohlhabender ; 
an  ihren  Holzfa^aden  hat  die  Schnitzkunst  des  Volkes  ihre  origi- 
nellen, oft  zierlichen  Muster  angebracht;  dazwischen  sieht  man 
kleine,  weisse,  grüngekuppelte  Kirchen.  Einen  besondern  Cha- 
Takterzug  empfängt  die  Landschaft  durch  die  oft  In  langen  Reihen 
aufgepflanzten  Windmühlen ,  in  den  ungeschicktesten  und  primi- 
tivsten Formen.  Eigenthümlich  ist  die  Tracht  der  Bauern,  ein  Ge- 
misch der  gross-  und  kleinrussischen.  Die  Bäuerinnen  tragen  ein 
langes,  bis  zu  den  Füssen  reichendes  Hemd  mit  rothem  Saum, 
darüber  eine  rothe  Filzjacke ;  um  den  Kopf  sind  turbanartig  zwei 
verschiedenfarbige  Tücher  geschlungen.  —  531  W.  Duhrowka.  — 
555  W.  Shvkowka.  —  584  W.  Oorodez. 

607  W.  Bxjansk  (EpflHCKi;  Bahnrestaur.,  20 Min.),  Kreisstadt  im 
Gouvernement  Orel,  auf  dem  r.  Ufer  der  l>es8na  gegenüber  dem 
Einflüsse  des  Ssnjäschet,  mit  14^657  Einw.  Im  zu.  Jahrb.  ge- 
gründet ,  gehörte  Brjansk  anfangs  zum  Fürstenthum  Tschernigow, 
bildete  dann  ein  eigenes,  von  Litauen  abhängiges  Fürstenthum,  das 
Ende  des  xiv.  Jahrb.  mit  dem  Grossfürsten thum  Wladimir-Moskau 
vereinigt  wurde,  später  wieder  abwechselnd  bald  an  Polen,  bald  an 
Russland  fiel,  bei  dem  es  seit  1667  verblieb.  1783  wurde  daselbst 
ein  Arsenal  und  eine  Oeschützgiesserei  gegründet ,  die  heute  noch 
existiren.  Es  werden  in  derselben  Geschütze,  Lafetten  und  Artillerie- 
Bedürfnisse  gefertigt.  Von  den  18  Kirchen  ist  die  alterthümliche 
Kathedrale  der  heil,  Jwngfrau  sehenswerth.  In  dem  Mönchskloster 
Sswinskoj  ein  Priesterseminar  und  2  Kirchen ,  in  einer  derselben 
das  Grab  Oleg's,  des  Fürsten  von  Tschernigow  und  Brjansk.  Bei 
dem  Kloster  findet  jährlich  eine  14tögige  Messe  statt,  die  sehr  be- 
sucht ist.   Die  Stadt  treibt  bedeutenden  Handel  nach  Riga  und  St. 


nach  Orenhurg,  JELEZ.  27.  Route.     371 

Petersburg,  Moskau  und  dem  Schwarzen  Meer.   In  der  Nähe  viele 

Olashütten ,  Tuchfabriken ,  Oelmühlen ,  Theerhütten ,  Eisen-  und 

"Waggon -Fabriken  und  Branntweinbrennereien. 

Am  berühmtesten  und  sehenswerthesten  sind  die  nördlicb  von  Brjansk 
gelegenen  Glashütten,  Hasehinen-  und  Waggon -Fabriken  des  General 
Maltssow  bei  den  Dörfern  (10  W.)  RodischUcha  (PoÄHnta),  (30  W.)  Dar- 
towiUehi  (AapKOBHHH),  (90  W.)  Lubochna  (JlyGoxHa)  und  (40  W.)  Djadkotoo 
(^aABKOBo)  u.  a.,  alle  auf  dem  rechten  Ufer  der  Bolwa,  einem  Nebenfluss  der 
Dessna  gelegen.  Sehifffahrt- Verbindung  nach  denuDuepr.  —  Unterkunft 
in  allen  Dorfern,  am  besten  in  Djadkowo,  wo  das  Sehloss  des  General 
Maltssow,  dessen  Erlaubniss  zur  Besichtigung  der  Fabriken  einzuholen. 

616  W.  Ssnjäshetakaja.  —  626  W.  Bjelije-Bjerega.  —  637  W. 
Myllinka. 

648  W.  Karatschew  (KapaneBi»),  Kreisstadt  am  Smjäshet,  mit 
11,267  Einw.,  wurde  schon  im  xi.  Jahrh.  gegründet  und  war  die 
Hauptstadt  des  Fürstenthums  Karatschew  im  Sewerischen  Lande  an 
der  Grenze  Litauens.  Karatschew  hat  ebenso  wie  Brjansk  bedeu- 
tenden Handel  nach  der  Ostsee ;  in  der  Nähe  viele  Oelmühlen  und 
Theerhütten. 

690  W.  Schachawo.  ~  718  W.  Ssachanskaja.  Eine  unendlich© 
Menge  von  Waggons  und  Maschinen ,  ein  (Jewirr  sich  kreuzender 
Schienenstränge  verkündet  die  Nähe  von  Orel ,  dem  Centralstapel- 
piatze  des  russischen  Getreidehandels. 

732  W.  Orel,  Kreuzungspunkt  der  Bahn  Moskau  -  Kurssk ,  s. 
S.  380.  —  Bahnrestaur.,  1  St.  40  Min.  Aufenthalt. 

755  W.  Salotarewo.  —  779  W.  ArchangeUkaja.  —  791 W.  Sale- 

goschtsch,  Dorf  im  Gouvernement  Tula;  14  W.  davon  die  Kreisstadt 

N0WO88Ü,  an  der  Suscha,  mit  mehreren  Fabriken,  4500  Einw.  — 

818  W.  Werchowje  {Be^xoBhe).  Bahnrestaur.,  10  Min. 

Von  Werchowje  nach  Liwny,  57  Werst,  Zweigbahn  in  3  St.  für 
2.14, 1.60, 0.83  B.  Liwny  (Jhbhu),  Kreis-  und  wichtige  Handelsstadt  im  Gou- 
yernement  Orel ,  liegt  sehr  hübsch  auf  dem  r.  Ufer  der  Liwenka ,  eines 
ITebenflüsschens  der  Ssossna,  und  zählt  25,(XX)  Einw.  Die  Stadt  wird  schon 
im  XII.  Jahrh.  erwähnt,  gehörte  bis  zum  xiv.  Jahrh.  zumFürstenthum  Jelez, 
dann  eum  Fürstenthum  Bjäsan  und  wird  in  den  Kosakenkriegen  und  den 
Kämpfen  mit  den  falschen  Dmitry  häufig  genannt. 

S^W,  Schatüowo,  —  Sd7Vr. Kasaki.—  diSy^.Jelezkaja  Plat" 

form, 

Zweigbahn  nach  üsslowaja  (180  W.  in  7  St.  für  6.83,  5.13,  2.62  R.);  an 
ihr  die  Stationen  Je/remow  und  Bogorodizt^  Kreisstädte  im  Gouvernement 
Tula,  ebenso  wie  Jepifan  Gentralpunkte  für  den  Kohlentransport  aus  dem 
Moskauer  Kohlenbecken  (S.  380).    Üsslowaja  s.  S.  373. 

915  W.  Jelei  (Eiem),  Kreisstadt  mit  37,000  Einw.,  am  1.  Ufer 
der  Ssossna  freundlich  gelegen,  mit  vielen  Fabriken  (berühmt  wegen 
seines  Weizenmehls  und  seiner  Buchweizengrütze) ,  ansehnlichem 
Getreide-  und  Vieh-Handel.  Die  alterthümliche  Stadt  existirte  be- 
reits im  XII.  Jahrh.  und  gehörte  zum  Fürstenthum  Rjäsan.  Im 
XIII.  Jahrh.  stand  sie  unter  eigenen  Fürsten;  später  wurde  es 
wieder  mit  dem  Fürstenthum  Bjäsan,  dann  mit  dem  Grossfürsten- 
thum  Wladimir-Moskau  vereinigt.  1618  wurde  die  Stadt  von  den 
Ssaporogischen  Kosaken  genommen  und  den  Polen  übergeben,  später 

24* 


372    Route  27.  GBJASI.  Von  ftiga 

den  Russen  zurück  geliefert.  —  Sehenswerth  sind  von  den  16  Kirchen 
die  KcUhedrale  der  heU.  Mutter  Gottes  mit  sehr  alten  Heiligen- 
bildern ;  das  festungsartige  lionnenkloUeT  zur  Erscheinung  der  heil. 
Jungfrau  mit  schönem  Glockenthurm;  das  ehemalige  Mönehakloster 
der  heil.  Dreieinigkeit  (xii.  Jahrh.) ,  dessen  Kapellen  über  den  Grä- 
bern der  bei  der  Yertheldigung  der  Stadt  gegen  die  Tataren  1395 
•Gefallenen  erbaut  worden  sein  sollen. 

Zwischen  SUtionen  (940  W.)  Don  (ÄOHx)  und  (964  W.)  Techi^ 
rikowo  auf  schöner  Gitterbrücke  über  den  Don.  Nicht  lange  hinter 
Sajänzowo  r.  der  malerisch  auf  Hohen  gelegene  Badeort  Lipezk. 

987  W.  Lipesk(<lHnei|Ki;  Bahnrestaur.,  10  Min.),  Kreisstadtim 

Gouvernement  Tambow,  mit  14,250  £inw. 

ÖA.STHÖFB.  *Poljakow  in  der  Dworjanskaja,  gut,  aber  theuer.  — 
Zum.  Goldenen  Löwen  (T.  SoJKoraro  Jbsa)  am  Katbedralen-  (CoöopBaa) 
Platz.  —  Hoskau  (MocsBa),  London  in  der  Woroneshskaja.  —  Ku- 
tina  am  Sstarobaflamaja-Piaitz. 

Wagsh  am  Baknhof  und  auf  dem  Kathedralen-Platz. 

Badbamstalt  (Kyiiajn>Hoe  aasexeme),  Vauzhall ,  Park,  Bibliothek.  In 
der  Badeanstalt  oder  dem  Gesundbrunnen  der  Gasthof  „*Minüral- 
Wasser"  (rocTHHHJOvi  MiiEepa.i&Hur&  boai»)  gegenüber  dem  Unteren  Park. 
Kummern  (i,  2,  3  und  4  Zimmer  mit  Bett)  von  90  Kop.  bis  3  B.  täglich. 
Table  d'höte  von  3  Gerichten  60  Kop.,  von  4  Ger.  75  Kop.  (im  Abonne- 
bient  von  10  Diners).  Saison  -  Billets  für  den  Besuch  des  Parks  und  des 
Vauzhall  für  1  Person  5  B.,  pro  Familie  10  B.  Für  Benutzung  der  Bib- 
liothek p.  Saison  2  B.  exel.  Pfand  (5  B.). 

Die  kohlensauren  Eieenquellen  bei  l^lpezk  soll  Peter  I.,  als  er 
einst  die  hiesigen  Eisenschmelzen  und  Elsenlager,  die  jetzt  wegen 
Holzmangels  stillstehen ,  besuchte ,  entdeckt  haben.  Dem  grossen 
Zaren  verdankt  also  die  Stadt  ihr  Emporkommen.  Die  reiche  Familie 
Butin  hat  ihm  desshalb  im  Park  der  Badeanstalt  einen  gusseisemen 
Obelisk  als  Denkmal  errichtet.  Das  Wasser  von  Lipezk  soll  eine 
ähnliche  Wirkung,  wie  das  von  Schwalbach  und  Spa  äussern  und 
gegen  Lähmungen,  Rheumatismen  etc.  von  Erfolg  sein.  —  Einige 
Stunden  von  Lipezk  in  hübscher  Lage  eine  Centralmusterfarm. 

1020  W.  Gijasi  (FpuH) ,  Flecken  an  der  Matira  (2500  Einw.), 

einer  der  wichtigsten  Knotenpunkte  des  Russischen  Bahnsystems, 

ist  erst  mit  letzterem  entstanden.    Die  Bedürfnisse  des  Verkehrs 

Hessen  bald  um  die  in  einer  städtelosen  Fläche  angelegte  Eisen* 

bahnstation  eine  Menge  von  Gebäuden  entstehen ,  die  den  Keim  zu 

der  jetzigen  Stadt  bildeten.    In  derselben  befinden  sich  schon  eine 

beträchtliche  Anzahl  von  Gasthöfen  zweiten  Ranges  (Nummern). 

Traktlrs,  Magazinen  u.  s.  w.  Bahnreataurant  gut,  aber  theuer  (gute 

Weine). 

Von  Griasi  gehen  östlich  die  Züge  cur  Wolga  nach  Ssaratow  und 
Zarizin  (Aufenthalt  in  Grjasi  c.  3  St.),  südlich  na«h  Woronesh  uad 
Bosstow. 


Von  Ssmolbnsk  nach  Tula  und  Ssabcaiia.  Srniolensks.  S.  246; 

für  die  Züge  nach  Wjasma  Vf  St.  Aufenthalt.    Von  Ssmolensk  bis 

537  W.  Wjaima  (Bubaa) ,  s.  S.  247  (»BahnresUur.,  Aufenthalt 


nach  Orenhurg,  KALUGA.  27.  Route.     373 

tis  zum  Abgang«  des  Zuges  nach  Tula  3V2  St.).  —  Stat.  Issäkowo, 
MjatUwikaja  (Bahnrestaur.) ,  Pjatowskaja, 

691  W.  Kalnga  (Kajyra;  Bahnrestauraut ,  45  Min.  Aufenthalt; 
Hot.  8t.  Petersburg),  mit  40,000  Einw.,  Haupt-  und  Kreisstadt  des 
gleichnam.  Gouvernements,  am  1.  Ufer  der  hier  200  m  breiten  Oka 
und  der  Kalusehka,  ist  Sitz  eines  Civilgouvemeurs  und  des  Bischofs 
Ton  Kaluga  und  Borowsk,  hat  35  Kirchen ,  ein  Nonnenkloster ,  ein 
grosses  Arsenal  und  viele  Fabriken ,  besonders  Leder-  und  Segel- 
tuchwebereien. Die  schöne  alte  befestigte  Stadt  wird  schon  im 
XII.  Jahrh.  erwähnt.  1610  wurde  der  falsche  Do^^y  in  der  Nähe 
von  dem  tatarischen  Fürsten  Urussow  auf  der  Jagd  erschossen. 
1860-68  war  Kaluga  der  Verbannungs-  und  Aufenthaltsort  des 
bekannten  Anführers  der  aufständischen  kaukasischen  Völker^ 
Schamyl  (f  1871  in  Medina). 

Von  Kaluga  geben  im  Sommer  an  bestimmten  Tagen  Dampfer  die 
Oka  abwärts  nach  Sserpuchow  (S.  377)  und  Rjäsan  (S.  3^). 

Zwischen  (754  W.)  Aleksin  (Bahnrestaurant,  15  Min.),  unweit 
des  Fleckens  Alek$in ,  und  (763  W.)  DanÜowka  überschreitet  die 
Bahn  auf  schöner  Gitterbrücke  die  Oka,  tritt  dann  in  das  fruchtbare, 
gut  bebaute  und  fabrikreii^e  Gouvernement  Tula  und  erreicht  nach, 
längerm  Aufenthalte  an  Stat.  Protopopowo  (Bahnrestaurant) 

814  W.  Tula  (Tyja),  s.  S.  378  (Bahnrestaur.).  Bei  der  directen 
Tour  von  Riga  nach  Ssamara  ist  der  Aufenthalt  (17  Min.)  zu  gering^ 
um  die  Stadt  besichtigen  zu  können.  Wohl  ist  dies  aber  möglich 
bei  einer  Tour  von  Rjashsk  (S.  385)  nach  Orel  (6  St.).  Omnibus  und 
Iswoschtfichiks  am  Bahnhof. 

850  W.  Us$lowaja  (Bahnrestaurant).  —  875  W.  Stat.  Jepifan, 
15  W.  von  der  gleichn.  Kreisstadt.  —  948  W.  Sskopin  (Bahnrestau- 
rant), Kreisstadt  im  Gouvernement  Bjäsan,  auf  dem  1.  Ufer  der 
Werda,  mit  mehreren  Fabriken  (9500  Einw.).  —  970W.  Sheltuekino, 

992  W.  Bjashsk  (Piiscn),  s.  S.  385.  Bahnrestaurant ;  über  6  St. 
Aufenthalt. 

Auf  der  Strecke  von  Rjashsk  nach  Morschansk  wird  sehr  lang- 
sam gefahren  und  daher  die  vorgeschriebene  Zeit  von  4  Stunden 
häufig  überschritten.  Sehr  wohlhabende  Gegend;  der  Bau  der 
schönen  grossen  Dörfer  erinnert  an  die  südrussischen.  Berühmte 
Pferdezucht.  —  Die  einzige  nennenswerthe  Station  ist  (1052  W.) 
Werda  (Bahnrestaur.,  14  Min.  Aufenthalt). 

1114W.  Morsohansk  (MopmancKi;  Bahnrestaur.,  2  St.  Aufent- 
halt). —  Morschansk  (Hotel  Sddaki) ,  Kreisstadt  im  Gouvernement 
Tambow,  auf  dem  1.  Ufer  der  Zna  gelegen,  mit  c.  20,000  Einw., 
stammt  aus  dem  Ende  des  xvi.  Jahrh.,  wurde  aber  unter  Katha- 
rina II.  und  1875  durch  Brand  fast  völlig  zerstört.  Von  den  Kirchen 
sind  die  neuerbaute  Erlöser -Kathedrale  und  die  Kathedrale  der 
h.  Sophie  (xviii.  Jahrh.)  sehenswerth.  Der  Handel  in  Getreide, 
Vieh  u.  s.  w.,  durch  die  Lage  der  Stadt  im  Mittelpunkt  reicher  Gou- 
vernements begünstigt,  ist  bedeutend.   Besonders  besucht  sind  die 


374    B<mte  27.  PENSA.  Von  Riga 

Märkte  von  Morschansk  im  Winter.  Für  den  lebhaften  Mehlhandel 
zeugen  die  zahllosen  Windmühlen  auf  den  die  Stadt  nmgebenden 
Anhöhen. 

Weiter  durch  weite,  fruchtbare  Ebenen  mit  niedern  Hügelreihen ; 
prächtige  Eichenwälder  wechseln  mit  reichen  Feldern ,  stattlichen 
Dörfern ,  grossen  Landgütern  und  Parks.  Zwischen  WemadAywka 
und  (1131  W.)  Fatschelma  (Bahnrestaurant)  erblickt  man  fast  aus- 
schliesslich Tatarendörfer  (S.354);  hinter  Patschelma  tauchen  auch 
gelegentlich  Dörfer  der  Mordwinen  (S.  346)  auf. 

1364  W.  Fenaa  (IleHaa ;  *Bahnrestaurant ,  20  Min.  Aufenthalt; 
*  Hotel  Warenzov) ;  auch  ein  deutscher  Gasthof  ist  vorhanden).  — 
Pensa,  Haupt-  und  Kreisstadt  des  gleichn.  Gouvernements^  mit 
42,000  Kinw.,  liegt  an  der  Einmündung  der  Pensa  in  die  Sswra, 
ist  Sitz  des  Civilgouverneurs  und  eines  Bischofs.  Die  Stadt,  um 
die  Mitte  des  zvii.  Jahrh.  zur  Unterdrückung  der  Aufstände  der 
Mordwinen  gegründet  und  bei  den  Zügen  Pugatschew's  oft  genannt, 
liegt  sehr  freundlich  auf  einem  Hügel ,  so  dass  man  fast  überall 
hübsche  Blicke  auf  eine  fruchtbare ,  hier  und  da  von  Waldhügeln 
belebte  Ebene  hat,  der  nur  Gewässer  fehlen,  um  sehr  anmnthig 
zu  sein.  Die  Stadt,  mit  18  Kirchen  u.  2  Klöstern,  besteht  aus  einem 
schönen,  neuen  Theile  mit  der  prächtigen  Kathedrale  auf  einem 
grossen  Platze,  mit  neuen  Palästen  und  Häusern,  darunter  ein  Gym- 
nasium, Seminar  und  Hospital,  und  aus  der  altrussischen  Stadt  mit 
Holzhäusern  in  breiten  geraden  Strassen.  Der  nördliche  Theil  der 
Stadt  wird  fast  ausschliesslich  von  Deutschen  bewohnt  *,  hier  die 
protestantische  Kirche.  Pensa  besitzt  einen  berühmten  botanUehen 
Qarten,  hübsch  auf  einer  Anhöhe  gelegen  und  vortrefflich  gehalten ; 
dabei  eine  Gartenbauschule.  Viele  Fabriken  (Leder ,  Seife ,  Lein- 
wand u.  s.  w.).  Berühmt  sind  die  hier  angefertigten  Baskliks  aus 
Kameel-Haaren. 

90 W.  n.w.  die Kreisatadt Kokachani (MonnaHu), die  ihren TTrsprung 
und  Kamen  dem  Mordwinenstamm  der  Mokschanen  verdanken  soll  (S.  346). 

Auf  der  nun  folgenden  Strecke  herrschen  zunächst  W&lder  vor 
{meist  Birken,  Pappeln,  Weiden  und  Eiclran) ;  später  überwiegen 
Ackerfelder.  Das  Land  auf  der  Bergseite  der  Wolga,  auf  dem  hier 
Grossrussen  mit  Tataren ,  Mordwinen  (S.  346) ,  Tscheremissen 
•(S.  348)  vermischt  wohnen,  trägt  ebenfalls  den  Charakter  der  grössten 
Fruchtbarkeit.  Zunächst  lichte  Hügelreihen ,  meist  bis  zum  Gipfel 
beackert ,  hin  und  wieder  mit  Wald  und  Gebüsch  bekrönt.  Bald 
hinter  (1476  W.)  Kibsnezk  (KyaneiiKi)  überschreitet  die  Bahn  die 
Grenze  des  Gouvernements  Ssimbirsk  und  den  Fluss  Saysranf  an 
dessen  1.  Ufer  sie  dann  entlang  führt;  r.  in  der  Ferne  die  Tscher- 
nosatonsklschen  Berge. 

1599  W.  Ssysran  (CuspaHb),  s.  S.  366.  —  »Bahnrestaurant ; 

IViSt.  Aufenthalt. 

Der  Bahnhof  von  Ssysran  liegt  c.  20  Min.  von  der  Stadt  entfernt. 
Will  man,  nach  einer  Wolgafahrt  von  Ssamara  oder  Astrachan  kam- 


nach  Orenhurg,  ORENBÜRG.  27.  Route.     375 

onend,  nach  Horschansk  und  Tula  fahren,  so  hat  man  3-4  St.  für  die  Be- 
fliehtigung  der  Stadt. 

Die  Bahn  überschreitet  die  Wolga  auf  der  imposanten  Eisen- 
•hahnbrücke,  welche  vom  Dorf e  Nowo -Kostitscki  nach  Stary- 
J[o8tit8cki  geführt  ist.  Sie  hat  eine  Länge  von  1485  m  und  über- 
schreitet den  Strom  in  13  Bogen.  Der  Bau  begann  am  17.  August 
1877  und  wurde  im  September  1880  YoUendet.  Die  Pläne  lieferte 
^er  Professor  Belelubsky,  die  Baukosten  betrugen  4,630,000  B. 
Weiter  über  mehrere  unbedeutende  Stationen  (meist  Tataren-  oder 
Jifordwinen-Dörfer),  nach 

1714  W.  Ssamara  (Gaiiapa),  s.  S.  364.  —  Bahnrestaur. ;  45  Min. 
Aufenthalt. 

Die  Obvnbüboeb  Bahn  (von  Ssamara  nachOrenburg  14.74, 1 1.05, 
Ö.65  R.)  führt  meist  im  Thale  der  Ssamara  entlang,  an  deren  rechtes 
Ufer  Bergketten  treten ,  die  ihren  gemeinschaftlichen  Ursprung  in 
4em  Plateau  haben ,  das  die  Wasserscheide  zwischen  den  Flüssen 
Ssamara  und  Ural  bildet ;  von  Süden  her  begleiten  das  linke  Ufer 
die  Ausläufer  des  Obsehtschy  Ssyrt  (06iai8  CupTi) ,  dessen  Yor- 
Iköhen  th eilweise  von  der  Ssamara  selbst  durchbrochen  werden.  Das 
-Oouvernement  Ssamara  hat  einen  ausgezeichnet  fruchtbaren  Boden, 
■ausgebreitete  Strecken  der  bekannten  hochgeschätzten  Schwarzerde, 
Tschomasjom  (der  russische  technische  Ausdruck  für  die  schwarze 
Erde  des  südlichen  Russlands),  dazu  einen  warmen  Sommer.  Wir 
begegnen  abwechselnd  herrlichen  Feldern  und  unermesslichen, 
■«teppenartigen,  frischen  Grasfluren,  von  Blumen  und  stauden- 
förmigem  Unkraut  unterbrochen;  die  Schluchten  der  wellenför- 
migen Hügel,  mit  langen,  meist  sanften  Abhängen  sind  von  Erlen, 
Birken,  Eichen  und  Linden  ausgefüllt.  Städte  und  Dorfer  sind 
seltener ,  als  auf  dem  rechten  Wolga-Ufer.  Das  ganze  Gebiet  zwi- 
.-fichen  Wolga  und  Ural  wird  von  zahlreichen  Stämmen  bewohnt, 
welche  sich  durch  Religion,  Sitten,  Sprache  und  Ursprung  von 
■«inander  unterscheiden,  und  theilweise  schon  den  südrussischen 
SteppenvÖlkem  angehören:  ausser  Russen,  Baschkiren  (S.  358), 
Teptjären  (S.  358) ,  Tataren  (S.  354) ,  Meschtscherjaken  (S.  358), 
Tscheremissen  (S.  348),  Tschuwaschen  (S.  349),  Mordwinen  (S.  346), 
Kalmücken  und  Kirgisen. 

1876  W.  Busuktk  (BysyiyKx ;  Bahnrestaurant ;  25-35  Min. 
Aufenthalt),  Kreisstadt  am  linken  Ufer  des  Busuluk  und  am  rechten 
•dbT  Domasehka,  mit  14,500  Einw.  —  1997  W.  Nowo  -  Ssergiew- 
^kaja  (Bahnrestaurant,  12  Min.  Aufenthalt).  —  2087  W.  Kargal. 

2207  W.  Orenburg  (Openöypr'B)  {Hotel  de  l'Europe;  Hdt,  Oren- 
i>urg,  ziemlich  gut;  besser  Nummern  im  Adels-Klub),  die  Hauptstadt 
•des  gleichnamigen  Gouvernements,  Residenz  des  Generalgouverneurs 
und  des  Bischofs  von  Orenburg  und  Ufa,  mit  42,000  Einw.,  besteht 
4kU8  der  eigentlichen,  in  einer  weiten  Ebene  am  r.  Ufer  des  Ural  ge- 
legenen Stadt  und  dem  festungsartig  angelegten  Kaufhofe  mit  einem 
Asiatischen  und  einem  europäischen  Thore.    Die  Stadt  hat  breite. 


376    R<mte  28.  ORENBURG.  Van  Moskau 

regelmässige,  zamTheil  nn gepflasterte  Strassen,  einen  grossen  Markt-^- 
platz,  12  griechisch-orthodoxe,  eine  lutherische  und  eine  römisch- 
katholische Kirche,  vier  Moscheen,  ein  Theater,  einen  Stadtgarten, 
ein  GouTemements-Hans ,  Arsenal ,  Kasernen ,  verschiedene  Lehr* 
anstalten,  darunter  das  Nikolajew'sche  Institut,  ein  klassisches,  eii> 
Militär-  und  Mädchen  -  Gymnasium ,  ein  Militär-Progymnasium. 
Die  Industrie  ist  nicht  von  Belang ;  von  grosser  Wichtigkeit  aber 
der  Handel,  der  durch  die  Eisenbahn  noch  an  Bedeutung  gewinnt» 
Orenburg  ist  Hauptstapelplatz  für  den  russischen  Handel  mit 
Mittelasien  und  Hauptort  ,der  orenburgischen  Militärgrenze  gegen 
die  Kirgisen.  Der  interessante  ^Kaufhof,  5  km  von  der  Stadt  an» 
1.  Ufer  des  Ural ,  giebt  ein  vollkommenes  Bild  des  heimatlichem 
Lebens  der  Normaden.  Jährlich  kommen  bis  über  100  Karawanen 
aus  Bochara,  Chiwa,  Chokand  und  Taschkend,  welche  die  Produkte 
dieser  Länder,  wie  Edelsteine,  Gold,  Seidenzeuge,  besonders  aber 
Baumwolle,  Seide,  Pferde,  Schafe ,  feine  Lammfelle  u.  s.  w.  gegen 
gewebte  Stoffe,  Metallwaaren,  Zucker,  Getreide  u.  s.  w.  umtauschen,, 
ja  selbst  aus  China  und  Indien  finden  sich  Kaufleute  ein.  Meilen- 
weit herum  ist  dann  das  Land  für  die  Pferde-,  Rinder-,  Schaf-  und 

Kameelheerden  der  Steppenbewohner  reservirt. 

Orenburg  wurde  ursprünglich  1735  auf  der  Stelle  des  jetzigen  Ortk 
am  Or  als  Grenz-  und  Hauptfestung  der  sog.  Orenburgischen -Linte  ange- 
legt, 1740  zuerst  190  km  weiter  nach  den  Rothen  Bergen  zu  (j^tzt  Krass- 
nogorik)  und  von  da  1743,  des  ungesunden  Klimas  halber,  auf  den  jetzigen 
Standpunkt  verlegt.  Ende  des  xviii.  Jahrh.  wurde  Orenburg  zur  Oou» 
vernementsstadt  erhoben^  von  1803  an  war  es  nur  Kreisstadt,  1865  wurde 
es  wieder  zur  Gouvernementsstadt  erhoben.  Bis  zu  dieser  Zeit  gehörte 
Orenburg  auch  noeh  zu  den  Festungen  2.  Classe;  mit  der  Erweiterung 
der  Russischen  Grenzen  nach  Centralasien  (seit  1862)  hat  Orenburg  al» 
Festung  wohl  seine  Bedeutung  verloren. 

68  W.  südl.  von  Orenburg  (gute  Poststrasse)  Iletsk  mit  enormen  Stein- 
salzlagern,  die  früher  durch  Tagebau  ausgebeutet  wurden.  Der  brom-,  jod- 
und  schwefelhaltige  Schlamm  der  benachbarten  Salzseen  dient  zu  Bädern  ^ 
guter  Kumyss. 


28.    Von  Moskau  über  Tnla  und  Orel  nach  Knrssk» 

503  W.  Schnellzug  in  16,  Postzug  in  23  St.  für  18.85, 14.  U,  7.23  B.  Von 
Eurssk  weiter  nach  Kiew,  Charkow,  Odessa,  Ssewastopol  etc.  s.  R.  32  u.  34. 

Abfahrt  vom  Kurssker  Bahnhof  (PI.  £F4).  Die  Bahn  passirt 
zunächst  die  anmuthigen  Umgebungen  Moskau's.  *—  10  W.  LjuhUna 
(S.  310).  —  18  W.  Zarizino  (S.  310).  —  Im  Süden  von  Moskau  zeigt 
sich  im  Ganzen  mehr  Bodencultur  als  im  Norden.  £ine  weite  Aus- 
sicht bietet  die  Bahn  freilich  nicht ,  denn  die  wellenförmigen  Er- 
hebungen des  Bodens  begrenzen  fast  nach  jeder  Richtung  hin  den 
Blick ,  und  die  Waldungen ,  in  denen  hier  die  £iche  vorherrscht^ 
sind ,  wenn  sie  auch  gegen  den  Norden  sehr  abgenommen  haben,, 
doch  noch  ausgedehnt  genug ,  um  die  Landschaft  überall  in  engen 
Bahmen  zu  schliessen.  Ausser  dem  Wald  sieht  man  fast  nur  ange- 
bautes Land,  ausgedehnte  Getreidefelder  und  weidende  Viehheerden  j 


nach  Kurssk,  SSERPUCHOW.  28.  Route.     377 

die  Dörfer  mit  reinlichen,'  gut  gebauten  Bauernhäusern  liegen  dichter 
an  einander.  —  29  W.  Butowo, 

40  W.  Podolsk  (ÜOAOJBCK'B ;  Bahnhofsrestaurant),  Kreisstadt  im 
Gouvernement  Moskau,  hübsch  an  der  Pachra  gelegen,  noch  anfangs 
dieses  Jahrhunderts  ein  blosses  Dorf,  dem  Danilowschen  Kloster 
zu  Moskau  (S.  307)  gehörig,  mit  altem  kaiserlichen  Schloss,  Fabriken, 
10,975  Einw.  —  Im  Kreise  Podolsk  das  Dorf  Duhrowizi  mit  einer 
prachtvollen  Kathedrale,  vom  Fürsten  GolizynzuPeter's  des  Grossen 
Zeit  erbaut. 

70  W.  Lopassnja  (JonacHfl),  an  der  Lopassnaja  und  einem  See 
schön  gelegen  (an  der  Lopassnaja  1.  Aug.  1572  grosser  Sieg  der 
Russen  über  die  Tataren). 

92  W.  Stat.  Sserpuchow  (CepnyxOBi ;  Bahnrestaur. ,  20  Min. 
Aufenthalt),  nicht  weit  von  der  gleichn.  Kreisstadt  (Hotel)  an  der 
Grenze  des  Gouvernements  Moskau,  an  dem  Flüsschen  Nara,  das 
sich  unweit  s.  in  die  Oka  ergiesst.  Der  grössere  Theil  der  Stadt 
(16,720  Einw.)  liegt  malerisch  auf  Hügeln  am  1.,  nördlichen  Ufer 
der  Oka,  mit  demkleineren  Stadttheil  am  r.  Ufer  durch  eine  Schiff- 
brücke verbunden.  Die  Stadt  ist  weitläufig  gebaut,  hat  Ueberreste 
alter  Befestigungen  aus  dem  zvi.  Jahrh.,  eine  Kathedrale  mit  alten^ 
berühmten  Freskomalereien,  21  Kirchen,  bedeutende  Industrie  und 
Handel. 

Dampfer  gehen  im  Sommer  anf  der  Oka  aufwärts  nach  Kaluga 
(6.  373),  abwärts  naeh  Bjäsan  (S.  386). 

Nicht  weit  hinter  Stat.  Sserpuchow  überschreitet  die  Bahn  auf 
schöner  Brücke  die  Oka ,  welche  hier  schon  eine  Breite  von  200  m 
hat.  Sie  bildet  zugleich  die  Grenze  des  Gouvernements  Tula,  welches 
höchst  fruchtbar,  reich  an  Yiehheerden  und  voller  Fabrikthätig- 
keit,  daher  eines  der  bevölkertsten  Gouvernements  ist.  —  In  der  Nie- 
derung jenseits  der  Oka  bemerkt  man  einige  künstliche  Erhebungen, 
welche  die  Bewohner  „Todtenhügel"  (MorHiU)  nennen ;  hier  sollen 
die  in  der  Schlacht  gegen  Dewlet  Girai  im . J.  1570  Gefallenen  be- 
graben sein. 

.  98  W.  Ssvnnakaja.  —  116  W.  Iwanowa.  —  130  W.  Fachomowo. 
17  W.  westl.  von  Iwanowo  an  der  Oka  und  der  Strasse  nach  Kaluga- 
die  alterthümliehe  Kreisstadt  Tarussa  (Tapyca),  ehemals  Hauptstadt  de» 
Tbeilfürstenthums  Tarussa.  —  15  W.  n.ö.  von  Pachomowo  die  gross- 
artigen Werke  der  Dmitrijewskischen  Fabrik  beim  Dorf  Dmitrietctkoje 
(^(KHTpieBeKoe,  CoAoit&Bahik  sasoffB). 

Je  mehr  man  im  Tulaschen  Gouvernement  nach  Süden  kommt,, 
desto  mehr  unterscheidet  sich  die  Bauart  der  Dörfer  von  derjenigen 
der  nördlicheren  Gouvernements.  Das  freundliche ,  reinliche  Aus- 
sehen ,  das  im  Süden  von  Moskau  einen  so  angenehmen  Eindruck, 
macht,  verschwindet.  Die  Häuser  sind  noch  ausschliesslich  aus 
Holz  erbaut,  aber  es  zeigt  sich  unverkennbar,  dass  die  grossen 
Wälder  des  Nordens  fehlen  und  die  Kunst,  in  Holz  zu  schnitzen,, 
verloren  gegangen  ist.  Besonders  schlecht  ist  dieDachung^  diemeist 
aus  Stroh  besteht.   Sonst  enthalten  alle  Dörfer  eine  einzige  breite 


378    Route  28.  TÜLA.  Von  Moskau 

Strasse,  an  der  die  Häuser  in  zwei  langen  Reihen  dicht  nebeneinander 
stehen.  Hinter  den  Wohnhäusern  stehen  die  Wirthschaftsgehäude, 
die  mit  jenen  zusammen  quadratisch  den  Hofraum  umschliessen.  — 
Die  meisten  Besitzungen  dieser  Gegenden  gehören  den  Familien 
der  Naryschkin,  Dolgoruky,  Golizyn,  Scheremetjew ,  Truhezkoi, 
Bobrinsky  u.  a. 

Auf  den  Stationen  vor  Tula  wird  der  Verkauf  von  Tula-Waaren 
immer  häufiger.  —  149  W.  Lantewo.  —  171 W.  Sskobelewo.  —  Schon 
vor  dem  Ueberschreiten  der  Upa  wird  Tula  sichtbar ,  das  aus  der 
Ferne  einen  imposanten  Anblick  gewährt. 

I8IV2W.  Tula  (Tyja).  —  Bahnrestaurant;  15 Min.  Aufenthalt. 

Gasthofs.  *Hötel  London,  gute  Table  d'höte.  Zimmer  75  Kop.- 
IR.  —  Hotel  deRussie,  unfern  des  Bahnhofs,  zu  empfehlen.  —  Wagen 
der  Hdtels  warten  am  Bahnhof. 

Bahnhof  auf  der  Westseite  der  Stadt  V4  St.  vom  Hotel  London.  Tula 
ist  Kreuzungspunkt  der  Bahnen  Wjasma-Bjashsk  (S.  372)  und  Hoskau- 
Orel-Kurssk. 

Badbakstalt  an  der  Upa,  empfehlenswerth. 

Tula  (250  m) ,  Haupt-  und  Kreisstadt  des  gleichn.  Gouverne- 
ments, mit  63,500  Einw.,  darunter  viele  Deutsche,  Polen  und  Juden, 
liegt  malerisch  auf  beiden  Seiten  der  Upa,  eines  NebenfLüsschens 
der  Oka.  Es  ist  Sitz  eines  Militär-  und  Civilgouverneurs,  sowie  des 
Bischofs  von  Tula  und  Bjälew,  hat  25  Kirchen,  darunter  2  Kathe- 
dralen ,  2  Klöster ,  das  Alexander  -  Cadettencorps,  ein  Arsenal ,  ein 
^Museum  von  Industrie- Producten ,  ein  Theater  und  viele  Fa- 
briken (vgl.  S.  379).  Es  theilt  sich  durch  die  Upa  und  die  an  ihr 
liegenden  Wiesen ,  Gebüsche  und  Gründe  in  zwei  völlig  geschie- 
dene Hälften:  die  eigentliche  Stadt,  auf  dem  1.  Ufer,  und  die 
Tschulkowsche  und  Moskwasche  oder  Oewehrfabrik-Vorstadt  auf 
•dem  r.  Ufer.   Durch  die  Stadt  geht  ausserdem  der  Kanal,  der  das 

Dongebiet  mit  den  Wolgaländern  verbindet. 

Zur  Geschichte.  Tula  wird  zuerst  unter  dem  Namen  Taidula 
im  zu.  Jahrh.  erwähnt.  Wie  alle  Städte  im  Süden  der  Oka  hatte  es  viel 
von  den  Tataren  der  Goldenen  Horde  und  der  Krim  zu  leiden.  Tula 
bestand  imxvii.  Jahrh.  (die  älteste  Stadt  soll  nördlicher  von  der  jetzigen 
neuen  Stadt  gelegen  haben)  aus  der  steinernen ,  hölzernen  und  Erdstadt. 
Die  steinerne  Altstadt,  der  KrerrU^  hatte  einen  Umfang  von  c.  2000  m.  und 
war  von  der  hölzernen  umgeben.  Die  Erdstadt  gründeten  Bojarenkinder 
und  Dienstleute  1649.  ~  Die  Stadt  wurde  zum  letzten  Male  von  den  Ta- 
taren 1553  angegriffen,  aber  nicht  genommen.  Nach,  der  Befreiung  vom 
Tatarenjoch  wurde  Tula  und  sein  ganzes  Gebiet,  der  südliche  Theil  des 
-Grossfürstenthum  Moskau,  eine  Freistätte  für  die  Ansiedelung  von  Ver- 
bannten, Räubern  und  Verbrechern.  Auch  Fremde,  besonders  Holländer 
.siedelten  sich  hier  an,  die  ]f aschinenfabriken ,  Eisenschmelzen  u.a.  w. 
gründeten.  —  Das  Emporkommen  der  Stadt  schreibt  sieh  von  der  Zeit 
her,  wo  Peter  I.  seine  Aufmerksamkeit  diesem  Theil  seines  Landes, 
meiner  Industrie,  zuwendete.  Schon  im  xvi.  Jahrh.  (s.  oben)  war  der 
Eisenreichthum  der  Gegenden  um  Tula,  besonders  bei  Djädlowo,  Ö8tl. 
der  Stadt,  aufcedeckt,  doch  noch  nicht  zur  Waffenfabrikation  verwen- 
det worden;  1633  wurde  von  dem  Hollander  Vierius  die  erste  Gewehr- 
fabrik angelegt,  und  bereits  vor  Peter  I.  gab  es  in  Tula  kaiserliehe 
^chmiedearbeiter,  welche  auf  Verordnung  der  Zaren  Feodor  Iwanowitsch 
und  Boris  Godunow  sich  eine  besondere  Vorstadt  (wahrscheinlich  Taehul- 
Icowa)  erbauten.  Die  erste  kaiserliche  Waffenfabrik  wurde  in  Folge  eine« 
Ukases  Peter^s  I.  von  1712  errichtet.    Alte  Geschütze,  In  Tula  verfertigt. 


nach  Kurssk.  TÜLA.  2S,  Baute,    379 

«ind  noch  in  den  Museen  von  St.  Petersburg  und  Moskau  zu  sehen.  Einen 
neuen  Aufschwung  nahm  die  Fahrikthätigkeit  von  Tula  durch  die  Auf- 
deckung der  Steinkohlenlager  (s.  unten)  im  Moskauer  Becken  und  die  Er- 
bauung der  Bahnen. 

Wer  Tula  auf  der  Purchreise  von  Ssamara  oder  Ssmolensk  besucht, 
thut  am  besten,  sich  einen  Iswoschtschik  zur  Besichtigung  der  spär- 
lichen Sehenswürdigkeiten  zu  nehmen.  Tula  trägt  die  Physiognomie 
fast  aller  russischen  Gouvernementsstädte :  grosse  Plätze  und  Märkte, 
breite  Strassen  mit  schlechtem  Pflaster  und  viel  Staub ,  niedrige 
Häuser  von  Holz  oder  Ziegelstein ,  auffallend  viele  Kirchen  (c.  30), 
von  denen  sich  mehrere  in  dunkelgrüner  Farbe  besonders  auszeich^ 
nen.  Abwechselung  bringen  hier  die  zahlreichen  Magazine,  die  nur 
mit  Gewehren,  Revolvern,  Ssamowaren  und  dergleichen  Sachen, 
den  sog.  Tulaschen  Waaren,  handeln. 

Die  ganze  Stadt  kann  als  eine  Fabrik  angesehen  werden  und  hat  in 
dieser  Beziehung  Aehnliehkeit  mit  Lüttich,  Sheffield  u.  a.  Die  Haupt- 
beschäftigung der  Einwohner  machen  nämlich  Metallarbeiten  mannig- 
faltiger Art  aus ,  welche  theils  in  Hausindustrie ,  theils  (wie  die  Ssamo- 
wäre  u.  dergl.)  fabrikmassig  gefertigt  werden.  Dasselbe  gilt  von  den 
BarmofUken,  die  grösstentheils  nach  Irbit  in  Sibirien  auf  die  Messe ,  und 
von  da  nach  China  gehen.  Die  weiteren  Tulaschen  Waaren  aus  Stahl 
und  Eisen  (physikalische  und  mathematische  Instrumente,  Messer,  Lieht- 
scheeren, Ostereier),  aus  Weisskupfer  und  anderen  Gompositionen ,  be- 
sonders dem  sog.  "Tula -Metall,  eine  Mischung  von  Silber,  Kupfer,  Blei, 
Schwefel  und  Salmiak,  aus  welchem  Theekessel,  Dosen,  Uhrzi£ferblätter, 
G^alanteriewaaren  aller  Art  gefertigt  werden,  sind  selbst  im  Auslande 
berühmt.  Die  sog.  Tula-Arbeity  schwarze  Emaille  mit  silberner  Einlage 
(Tschornet)  wird  jetzt  vielfach  nachgeahmt  und  am  besten  in  den  Gou- 
vernements Wologda  (Uss^ug  und  Totma)  und  Moskau  gemacht.  —  Die 
grössten  Fabriken,  Eiaengiessereien,  Schmieden,  Rothgiessereien  zur  Ssa- 
mowar-Fabrikation  liegen  am  r.  Ufer  der  Upa.  —  Einzelverkauf  in  den 
vielen  Magazinen  und  im  Gostinny  Dwor. 

Der  *Xreml,  im  xyi.  Jahrb.  erbaut  und  unter  Katharina  II.  re- 
staurirt,  nimmt  nur  einen  sehr  beschränkten  Raum  dicht  am  1.  Ufer 
der  Upa  ein.  Er  ist  von  hohen  Mauern  umgeben,  durch  Graben  und 
Glacis  eingeschlossen ;  innerhalb  befinden  sich  an  hervorragenden 
Gebäuden  besonders  zwei  grosse  Kathedralen,  von  denen  die  Himmel- 
fahrtskirche  (Coöopi  ycnen.  BoropoAimiii)  durch  ihre  Grösse  und 
Schönheit  und  durch  ihren  Thurm  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  zieht. 

Vom  Kreml  fahren  wir  nach  den  Vorstädten  Tschulkowa  und 
Gewehrfabrik.  Eine  schöne  eiserne  *Hänge1>rftcke  führt  über  die 
dpa ,  die  hier  zur  Beschaffung  des  Wassers  für  die  Gewehrfabrik 
gestaut  ist  und  einen  kleinen  See  bildet.  Das  Wehr  unter  der  Brücke 
ist  so  angelegt,  dass  es  bei  Eisgang  niedergelegt  werden  kann. 

Die  ^kaiserliche  Oewehrfahrik  (ÜMnepaTopcKiM  opyaeäHtiä  sa- 
BOA'B ;  Besichtigung  nur  mit  Erlaubniss  des  Kriegsministers  gestattet, 
die  also  vorher  einzuholen  oder  durch  den  Direktor  telegraphisch 
zu  erbitten  ist)  liegt  am  r.  Ufer  der  Upa ,  der  eigentlichen  Stadt 
gegenüber.  Der  Direktor  der  Fabrik  wohnt  in  derselben,  die  Arbeiter 
meist  in  der  Nähe  der  Fabrik,  in  der  Vorstadt  Tschulkowa,  Augen- 
blicklich sind  8-10,000  beschäftigt.  Die  meisten  Gebäude  der  Ge- 
wehrfabrlk  sind  neu  und  stammen  aus  den  40er  Jahren  dieses  Jahr^ 


380    Beute  28.  OREL.  Von  Moskau 

hundert«  (s.  oben).   Zur  Beseitigung  von  Feuersgefahr  ist  an  den 

Gebäuden  fast  alles  von  Stein  und  Eisen. 

Um  einen  Einbliek  in  die  Kohlenlager  des  Moskauer  Beekens  zu 
gewinnen,  kann  man  eine  Tour  nach  den  Gütern  des  Qrafen  Alexei  Bobrinsky 
an  der  TJsslowaja  -  Jelez  -  Bahn ,  zwischen  den  Kreisstädten  Bogorodizk 
und  Jefremow  (S.  371)  machen.  Von  Tula  mit  der  Sskopinschen  Bahn 
bis  Ü»sl<no<nja  (46  W.  in  2  St.  für  1.38  resp.  1  B.)  ^  yon  Usslowaja  mit  der 
Jelezschen  Zweigbahn  bis  Ma^owka  (MaucBKa;  73  W.  in  e.  3  St.  für 
1.38  resp.  1.04  B.).  Bei  dem  dem  Grafen  Bobrinsky  gehörigen  Dorf 
JiälJotBka  liegen  die  Kohlenbergwerke.  —  In  der  Kähe  von  Ma^owka  das 
demselben  Besitzer  gehörige  Dorf  Michailowskoje  (Miixa&iOBCKoe) ,  freund« 
lieh  in  einer  weiten  Vertlerang  des  wellenförmigen  Bodens  gelegen,  welche 
ein  grosses  flaches  Thalbeeken  bildet.  In  der  Nähe  des  Herrenhauses  die 
Gebäude  der  grossen  Runkeimbenzuckerfabrik^  vielleicht  der  grössten  in 
Bussland.  Betrieb  mit  Dampfkraft.  Die  Runkelrüben  werden  auf  dem 
Gute  selbst  gebaut.  16  W.  ö.  von  Michailowskoje  das  Dorf  Kutikowka 
(KyjuoBKa);  in  dem  Bogen  des  Don  das  sog.  Kulikowtehe  Feld^  auf  wel- 
chem der  Grossfürst  Dmitry  Iwanowitsch  Donskoi  die  Mongolen  unter 
ihrem  Chan  Mamai  1380  sehlug  und  wo  seit  1860  ein  Dtnkmal  errichtet 
worden  ist. 

Jenseit  Tula  bleibt  der  Charakter  der  Gegend  ziemlich  derselbe : 
eine  hügelige^  gut  bebaute  und  bevölkerte  Landschaft.  Tannenwälder 
sind  selten,  Laubbäume  häufiger ,  selbst  Birkenwald cheu  kommen 
noch  hin  und  wieder  vor.  —  203  W.  Jassenki  (HceHKH).  —  241  W. 
Ssergiewo  (CepriCBO),  grosses  Dorf,  der  Hauptmarkt  für  ländliche 
Erzeugnisse ,  auch  von  ausländischen  Kaufleuten  besucht. 

266  W.  Sskuratowo  (CKypaTOBO,  Bahnrestaur.),  Dorf  im  Kreise 
Tschern,  mit  Steinkohlenlagern.  —  288  W.  Tschern  (HepHi),  Kreis- 
stadt mit  3975  Einw. 

310  W.  Mienik  (MaeHCKi),  Kreisstadt  mit  14,159  £.,  mit 
13  Kirchen,  schöner  hochgelegener  Kathedrale,  mehjeren  Fabriken 
und  lebhaftem  Handel.  Die  alte  Stadt,  deren  befestigte  Burg  schon 
im  XII.  Jahrb.  erwähnt  wird,  an  der  Suscha  gelegen,  gewährt  durch 
ihre  Lage  und  ihre  vielen  thurmreichen  Kirchen  einen  malerischen 
Anblick.  Die  Thalgehänge  der  Suscha  sind  hier  sehr  hoch,  und 
allerlei  Hügel ,  Kegel  und  Rücken  sind  durch  das  arbeitende  6e- 
Wässer  herausgeschnitten,  in  deren  Thäler  und  Einschnitte  sich  die 
Stadt  einschmiegt. 

Die  Bahn  überschreitet  die  Suscha.  —  322  W.  Dumtaehino.  — 
333  W.  Otrada.  —  342  W.  Optucha.  —  Bald  darauf  fahren  wir  in 
den  weitläufigen  Bahnhof  von  Orel  ein. 

359  W.  Orel  (Opeii,  spr.  ArjoU.)  —  Bahnrestaur.,  10-48  Min. 

Aufenthalt 

Gasthof:  Stadt  Berlin. 

Bbst ADRAHT:  Vorsügliche  Küche  im  Versammlungshause  des  Gou- 
vemementsadels,  Kasino,  in  dem  Stadttheile  auf  dem  1.  Ufer  der  Oka. 
Einführung  durch  ein  Mitglied. 

Bahnhof  auf  der  Ostseite  der  Stadt,  12  W.  von  dieser  entfernt,  und 
auf  dem  r.  Ufer  der  Oka.  Orel  ist  Kreuzungspunkt  der  Bahn  Ssmolensk- 
Grjasi  (8.  372). 

Orel  (137  m).  Haupt-  und  Kreisstadt  des  gleichnamigen  Gouver- 
nements, mit  c.  77,000  Einw.  ist  eine  grosse,  ausgedehnte  Stadt,  in 
schöner  Lage  an  der  Einmündung  des  Orlik  in  die  Oka,  Sitz  eines 


nach  KurssTc.  OREL.  28,  Boute,    381 

Oivilgouvemeurs  und  des  Bischofs  von  Orel  und  Ssjewssk,  mit 
24  Kirchen  (darunter  1  lutherische  und  1  römisch- katholische) , 
2  Klöstern ,  einem  Seminar ,  2  Gymnasien  (Militär  -  Gymnasium), 
grossem  Gostinny-Dwor,  Theater,  vielen  Fabriken,  bedeutendem 
Korn-  undYiehhandel.  Märkte  vom  6.  bis  20.  Jan.,  vom  8.  bis  31.  Sept. 
und  in  der  5ten  und  6ten  Woche  nach  Ostern.  Die  Gewässer  der 
Umgegend  ergiessen  sich  alle  in  den  Don  und  Dnjepr  und  eröffnen 
keinen  Handelsweg,  weder  nach  Norden,  nach  Moskau  und  St.  Peters* 
bürg,  noch  zu  dem  reichen  Binnenlande.  Nur  die  Oka,  die,  hier  120  m 
breit,  nach  Norden  fiiesst,  setzt  die  fruchtbare  Ukraine  mit  den  beiden 
Metropolen  und  ganz  Grossrussland  in  Verbindung.  Bei  Orel  ist 
der  südlichste ,  der  Ukraine  nächste  Punkte  wo  die  Oka  schiffbar 
wird  (für  kleine  Barken)  ]  dorthin  strömen  daher  die  Producte  dieser 
reichen  Provinz ,  dort  werden  alle  Güter ,  die  von  Moskau  und  St, 
Petersburg  kommen,  für  den  ferneren  Landtransport  umgeladen. 
Durch  SchUibsenwerke  (beim  öffentlichen  Garten)  wird  der  Wasser- 
stand der  hier  noch  ziemlich  seichten  Oka  von  Zelt  zu  Zeit  erhöht, 
und  es  können  dann  immer  mehrere  hundert  Barken  zugleich  ex- 
pedirt  werden.  Noch  mehr  ist  Orel  aufgeblüht  seit  es  Mittelpunkt 
verschiedener  Eisenbahnen  geworden  ist.  Es  wurde  damit  der  Cen- 
tralstapelpunkt  des  russischen  Getreidehandels. 

Orel  tat  eine  noch  neue  Stadt.  Erst  im  xvi.  Jahrb.  siedelten  sieb 
hier  die  ersten  Kolonisten  an.  Im  xvii.  Jahrh.  war  es  bereits  eine  blühende 
Handelsstadt,  stark  befestigt  mit  Erdwällen  und  hölzernen  Tliürmen. 
Bis  in  die  Mitte  des  xyii.  Jahrh.  schickte  die  Regierung  ihre  Verbrecher, 
wie  jetzt  nach  Sibirien,  in  die  Gouvernements  Orel  und  Eurnsk,  als  in 
die  damals  unwirthbarsten ,  an  die  Ukraine  grenzenden  Gebiete.  Von 
diesen  unfreiwilligen  Ansiedlern  sollen  die  Ortler  Diebe  stammen. 

Orel  ist  eine  Gouvernementsstadt ,  wie  die  meisten  russischen, 
mit  einzelnen ,  ganz  modernen  Strassen ,  vielkuppeligen  Kirchen, 
Palästen  mit  Baikonen  und  Säulen ,  aber  auch  ganzen  Stadttheilen, 
wo  nur  echt  russische  Holzhäuser  zu  finden  sind.  Der  nach  dem 
Bahnhof  zu  gelegene  Stadttheil  auf  dem  r.  Ufer  der  Oka  macht 
einen  ganz  verfallenen  Eindruck.  —  Jenseit  der  Orel  in  zwei  Theile 
zerschneidenden  Oka ,  zu  beiden  Seiten  des  Orlik ,  liegt  der  vor- 
nehmste Stadttheil.  Die  Plätze  und  Strassen  sind  in  ihrer  Art  schön 
und  gut  bebaut;  die  meisten  Privatgebäude  aber  verlassen  und  ver- 
wahrlost. Das  Gouvernement  Orel  ist  der  Stammsitz  vieler  der  äl- 
testen und  vornehmsten  russischen  Adelsgeschlechter,  die  früher 
die  Wintermonate  in  der  Gouvernementsstadt  zubrachten.  Ausser 
den  Privatpalästen  des  Adels  befinden  sich  in  diesem  Stadttheile 
zahlreiche  Krongebäude,  die  Feter -FauU -Kathedrale^  1795  vom 
Adel  des  Gouvernements  erbaut,  1860  vollendet,  der  Bischofspalast, 
früher  ein  Klostergebäude,  das  Cfouvemements-Haus,  der  Gerichts- 
hofj  das  Ver8amml^mgshaus  des  Oonvemementsadels,  der  Qostinny 
Dwor,  ein  hübsches  und  ausgedehntes  Gebäude,  das  Theater  und, 
am  Bande  des  über  30  m  hohen  Flussufers  der  öffentliche  Garten^ 
der  hübsche  Aussichten  auf  Stadt  und  Umgegend  darbietet,  und  in 
welchem  zuweilen  Öffentliche  Feste  stattfinden. 


i 


382    Raute  28.  KURSSK.  Von  Moskau 

370  W.  Michaüow,  —  379  W.  Sstanowoi-Kolodjes,  —  387  W. 
JeropHno.  —  Der  südliche  Theil  des  GouTernemeiits  Orel  liegt  auf 
der  alten  Steppenlinie;  diese  Landstriche  heissen  noch  jetzt  das 
Steppenland.  Dort  ist  wenig  Wald ,  während  die  nordlichen  und 
nordwestlichen  Striche  waldreich  sind.  Die  Gegend  ist  fruchtbar 
und  sehr  bevölkert,  die  hübschen,  wohlgebauten  und  reinlichen 
Dörfer  folgen  sich  in  Entfernungen  von  3-4  W.  Die  Bauern  tragen 
eine  Art  cylindrischer  Mütze  mit  rundem  platten  Deckel;  dieselben 
bestehen  aus  dickem  Filze  von  Kuhhaaren ,  sind  immer  grau  oder 
weiss  und  haben  unten  einen  schwarzen  Rand.  —  408  W.  Koku" 
jewka,  —  429  W.  Stat  Malo-Arehangehk^  12  W.  von  der  gleichn. 
Kreisstadt. 

Wir  verlassen  nun  das  Quellgebiet  der  Oka  und  das  Gouverne- 
ment Orel ,  um  in  das  von  Kurssk  überzugehen.  Es  beginnt  das 
Stromgebiet  des  Dnjepr,  die  Hügel  verlieren  sich  mehr  und  mehr 
und  machen  der  vollkommenen  Ebene  Platz.  In  der  Nähe  von  Kurssk 
ändert  sich  die  Physiognomie  der  Dörfer  und  Bewohner,  das  Holz- 
werk der  Häuser  ist  mit  Lehm  beworfen,  Geflecht  aus  dünnen  Zweigen 
ersetzt  häufig  die  dicken  Holzstämme. 

439  W.  Ponyri  (IIoHupH;  Bahnrestaur.,  10-20  Min.),  ein  grosses 
Dorf  von  Reichsbauern,  in  einiger  Entfernung  von  der  Bahn,  5-6  W. 
lang  an  einem  Bergabhange  sich  erstreckend.  —  452  W.  Karassewka 
(KapaceBKa),  ebenfalls  ein  grosses  Dorf  von  alten  Kronbauem, 
Odnodwortzen ,  früher  freie  Bauern,  die  der  Krone  nur  die  ge- 
wöhnlichen Abgaben  leisteten.  Sie  stammen  meist  von  EdeUeuten 
her ,  die  Peter  der  Grosse  und  andere  Zaren  zur  Strafe  in  entfernte 
Gegenden  versetzten. 

466W.filoZo*McWno.—  A80W,Budanou>ka.—  l9iW.  Bukräjewka. 

503  W.  Stat,  Kurf  sk  (KypcKi) ,  3  W.  von  der  Stadt.  —  ♦Bahn- 
restaur.; 1-1  Vi  St.  Aufenthalt. 

Während  des  kurzen  Aufenthalts  ist  eine  Pahrt  (Iswosehtschiks  an 
der  Bahn)  naeh  der  Stadt  unmöglich,  da  dieselbe  von  der  Station  zn  weit 
entfernt  liegt,  ein  Spaziergang  auf  der  Strasse  nach  der  Stadt  hin  aber 
zu  empfehlen. 

Gasthofs,  ffötel  Poltoratzky  in  der  Moskowskaja,  in  centraler 
Lage,  das  beste  der  Stadt,  aber  kaum  empfehlenswerth.    Z.  7öKop. -IB. 

Kurssk,  Gouvernementshauptstadt  mit  45,000  Einw.  (Gross-  und 
Kleinrussen,  Polen,  Juden,  Deutsche),  Sitz  eines  Civilgouvemeurs 
und  des  Bischofs  von  Kurssk  und  Bjelgorod,  mit  23  Kirchen  (dar- 
unter eine  lutherische),  1  Kloster,  mehreren  Gymnasien,  vielen 
Fabriken ,  liegt  an  der  Mündung  des  Kur  (Kura)  in  die  Tusskara, 
nahe  der  Vereinigung  der  letzteren  mit  dem  Sseim^  auf  eiaem  Berg- 
rücken und  im  Thale  zwischen  der  Tusskara  und  dem  Kur.  Inmitten 
einer  reichen,  fruchtbaren,  hauptsächlich  Ackerbau  treibenden  Land- 
schaft, begünstigt  durch  ihre  Lage,  treibt  die  Stadt  einen  ansehn- 
lichen Handel  mit  Getreide,  Leinen,  Pelzwerk,  Vieh  und  besonders 
mit  ihrem  berühmten  Obst  (Melonen,  Arbusen,  eingemachte  Früchte) 
nach  Nowgorod,  Moskau,  St.  Petersburg,  ja  bis  an  die  Grenzen  von 


nach  Kurssk.  KURSSK.  28,  Baute.    383 

China.  Die  bekannten  grossen  Märkte  won  Enrssk  finden  am  23.  April 

und  in  der  10.  Woche  nach  Ostern  statt.  Auf  dem  grossen  Jahrmarkte 

"bei  der  Korenschen  Einsiedelei  (s.  unten)  am  9.  Freitag  nach  Ostern 

"Wird  ein  Umsatz  im  Werthe  von  3-4  Mill.  Rubel  erzielt.    • 

Knrssk  wurde  erst  nacli  glückliehen  Kriegen  mit  den  Polowzern  unter 
Jftrosslaw  I.  gegründet.  Im  xv.  Jahrb.  kam  Kurssk  an  Litauen,  später 
-wieder  an  das  Grossfürstenthum.  Moskau.  Beim  ersten  Einbruch  der  Ta- 
taren, der  hauptsächlich  Südrussland  traf,  wurde  Eurssk  zerstört.  Der 
Kreml,  von  dem  heutzutage  in  dem  Winkel  zwischen  Kur  und  Tuss- 
kara,  am  Bothen  Platz  (KpacHaa  oion^aAb)  Ueberreste  vorhanden,  wurde 
im  XVI.  Jahrb.  erbaut. 

Der  schönste  Theil  von  Eurssk  liegt  auf  dem  1.  Ufer  des  Kur ;  hier 
der  ehemalige  Kreml,  dessen  ausgefüllter  Graben  in  den  Krassnaja- 
Platz  verwandelt  worden  ist,  die  Kathedrale,  der  Gostinny  Dwor, 
und  das  1834  errichtete  Denkmal  des  Dichters  J.  F.  Bogdancywitsch 
(1743-1803).  Weniger  schön  ist  der  südlich  und  an  der  Tusskara 
gelegene  Stadttheil.  Im  Ganzen  macht  das  Aeussere  der  Stadt,  die 
mit  frischen  Farben  angestrichenen  Kirchen,  die  gelben  Häuser  und 
grünen  Dächer  einen  wohlthuenden  Eindruck ,  der  noch  verstärkt 
wird  durch  die  vielen  Gärten ,  darunter  der  öffentliche  oder  Demi- 
dowsche  Garten  beim  Besserungshaus.  Auf  den  meist  mit  Sand- 
steinen gepflasterten  Strassen  herrscht  reges  Geschäftsleben.  Die 
Kathedrale  (Coöopi»)  am  Hauptplatz  stammt  aus  dem  xyiii.  Jahrb. 
und  enthält  alte  Heiligenbilder ;  unter  den  anderen  Kirchen  sind 
erwähnenswerth  die  Kirche  Maria  Verkündigung  (UepKOBb  Ejaro- 
BftnieHiji),  die  des  h,  Elias  u.  a.  Das  Kloster  zur  Erscheinung  der  h, 
Jungfrau  (EoropcAHUii  MoHacnipb)  wurde  Anfang  des  xvii.  Jahrb. 
zur  Erinnerung  an  die  Befreiung  von  den  Polen  erbaut,  im  zweiten 
Kriege  mit  Polen  aber  durch  Feuer  zerstört  und  Ende  des  xvii.  Jahrb. 
restaurirt.  Die  Hauptkirche  des  Klosters  enthält  das  sehr  heilig  ge- 
haltene Bild  der  Erscheinung  der  heil.  Jungfrau,  aus  dem  xiii.  Jahrb., 
der  Sage  nach  bei  Rylsk  aufgefunden. 

In  der  Nähe  von  Kurssk  (27  W.)  liegt  die  Korensche  Einsiedelei 
(Kopennafl  nycT£iHfl),  1596  gegründet,  jetzt  ein  reiches  Kloster  mit  3  Kirchen. 
Zur  Zeit  des  grossen  hier  stattfindenden  Jahrmarkts  (s.  oben)  wird  das 
Bild  der  heil.  Jungfrau,  deren  Erscheinung  hier  stattgehabt  haben  soll, 
aus  dem  oben  genannten  Kloster  in  feierlicher  Procession  hierhergebracht, 
wo  es  bis  zum  24.  Sept.  verbleibt. 


29.  7on  Moskau  ttber  Bjäsan  nach  Eoslow  nnd  Oijasi. 

Diese  Fahrt  bildet  die  Anfangstour  für  die  Routen  nach  Ssamara^  Oren," 
hurg  über  Bjashsk  (S.  373),  nach  Ssaratovo  über  Koslow  (S.  9B5),  nach  Zarizyn 
und  RotsUM  über  Grjasi.  Directe  Billets  nach  den  genannten  Orten.  Von 
Moskau  über  Bjäsan  nach  Koslow  883  W.  in  10-11  St.  für  14.41,  10.80, 
6.52  B. ;  nach  Gijasi  4^  W.  in  13i/2-17i/a  St.  für  16.66,  13.49,  6.38  B. 

Auf  der  ganzen  Fahrt,  die  im  allgemeinen  der  von  Moskau-Eurssk 
(s.  vorige  Route)  ähnelt,  ist  die  Yerschiedenheit  im  Charakter  der  auf- 
einanderfolgenden Landschaften  eine  kaum  nennenswerthe.  Lang 
gedehntes  Hügelland  und  unübersehbare  Ebenen  wechseln  mitein- 


384    Baute  29.  KOLOMNA.  Von  Moskau 

ander  ab.  Häufig  sind  die  Waldungen  (Nadel-  und  Birkholz)  in  den 
Gouvernements  Moskau  und  Rjäsan,  seltener,  und  dann  aus  Bichen 
und  Obstbäumen  bestehend,  im  Gouvernement  Tambow.  Die  Städte, 
die  wir  passiren ,  haben  ein  gleichartiges  Gepräge :  eine  aus  nie- 
drigen, meist  ein- ,  höchstens  zweistöckigen  Häusern  mit  blendend 
weissem  Anstrich  und  hellgrünen  Dächern  bestehende  innere  Stadt 
umgeben  von  hölzernen  Vorstädten,  das  Ganze  überragt  von  zahl- 
reichen Kirchen  und  Klöstern  im  byzantinisch-russischen  Stil,  mit 
vergoldeten  und  versilberten  Kuppeln.  Bemerkbare  Veränderungen 
in  der  Bauart  der  Dörfer  u.  s.  w.  beginnen  Jedoch  am  Südpunkte 
der  Tour,  bei  Koslow.  der  früheren  Grenze  (im  xv.  Jahrh.)  des  alten 
moskowitischen  Grossfürstenthums  gegen  die  Tataren.  Die  Dörfer 
nehmen  allmählich  einen  freundlicheren  südlichen  Charakter  an. 

9  W.  Perowo.  —  19  "W.  LJubertzy.  —  42  W.  Ramenskoje.  —  53  W. 
Bronnizkajai  10  W.  von  der  Kreisstadt  Bronnizy  (BpoHHHiiti),  am 
See  Bjeloga  und  an  der  Moskwa  gelegen ,  mit  grossen  Tuch-  und 
Talglichtfabriken,  Baumwollspinnereien,  Seifensiedereien  (3425  E.). 
—  63  W.  Fausstowo,  Bahnrestaurant;  15  Min.  Aufenthalt.  — 
84  W.  Wosskressenskaja.  Büffet;  kurzer  Aufenthalt.  Zweigbahn  nach 
der  Fabrikstadt  Jegorjewsk  (EropbeBCKi)  mit  grossen  Baumwollen- 
spinnereien, 5100  Einw.  (22  W.  in  1  St.  für  66  resp.  49  Kop.).  — 
95  W.  Pesskow.  —  107  W.  I^owo  'Kolomna. 

109  W.  Eolomna  (KojiOMHa)  (Bahnrestaur.,  15  Min.  bis  1  St.), 
Kreisstadt  mit  28,000  Einw.,  am  Elnfluss  der  Moskwa  in  die  Oka 
gelegen,  mit  12  Kirchen,  2  Klöstern  u.  mehreren  geistlichen  Schulen, 
Seidenfabriken  u.  s.  w.  Kolomna  besitzt  als  Sehenswürdigkeit 
einen  ziemlich  gut  erhaltenen  Kremlj  in  dem  die  schöne  Kathe- 
drale Maria  Himmelfahrt,  im  xvii.  Jahrh.  erbaut,  und  die 
Auferstehungs-Kirchej  aus  dem  xiv.  Jahrh.  Die  Mauern  des  Kreml 
haben  einen  Umfang  von  c.  2200  m ,  eine  Höhe  von  16  m  und  eine 
Stärke  von  5  m.  Einige  Thore  und  Thürme  sind  in  diesem  Jahr- 
hundert restaurirt  worden.  —  Von  Kolomna  gehen  Dampfer  die 

Oka  aufwärts  bis  Kaluga,  abwärts  bis  Rjäsan  und  Nishny  (S.  325). 
Kolomna  wurde  um.  die  Mitte  des  xxi.  Jahrh.  gegründet  und  war 
die  Hauptstadt  des  Fürstenthums  Kolomjen^^  gehörte  bis  zum  Ende  des 
xiY.  Jahrh.  zum  Fürstenthum  Bjäsan  und  wurde  dann  mit  dem.  Grosse 
fürstenthum  Moskau  vereinigt.  Die  starken  Befestigungen  des  Kreml 
stammen  aus  der  Zeit  Iwan^s  des  Schrecklichen,  der  Kolomna  als  Con- 
centrationspunkt  seiner  Truppen  in  den  Feldzügen  gegen  die  Tataren 
benutzte. 

Gleich  hinter  Kolomna  überschreitet  die  Bahn  nicht  weit  vom 
Einflüsse  der  Moskwa  in  die  Oka  letztere  auf  schöner  Gitterbrücke. 
■—  USW.  Schtschurowo.  —  128  W.  Luchowizy.  Bahnrestaur.  5Min. 

Von  Luchowizy  Zweigbahn  (26  W.  in  1  St.  für  78  oder  58  Kop.)  nach 
Saraiak  (dapailcKb),  Kreisstadt  am  r.  Ufer  der  Ossetrp^  eines  Kebenflüsschens 
der  Oka,  mit  9  Kirchen,  darunter  die  Kathedrale  mit  berühmten  Heiligen- 
bildern, grossartigem  Gartenbau,  bedeutendem  Viehhandel.  Der  alte 
steinerne  Kreml  ist  noch  wohl  erhalten.  —  10  W.  nordöstl.  von  Luchowizy 
an  der  Oka,  da  wo  sich  zwei  Arme  der  Zna  vereinigen,  das  grosse  Kireh- 
dorf  Djädnowo  (ä*ähobo);  unter  Zar  Alexei  Michailo witsch  wurde  hier 
die  erste  Admiralität  errichtet. 


nach  Qrjasi.  KOSLOW.  29.  Route.    385 

143  W.  Qorok,  —  155  W.  Diwowo.  —  169  W.  Sybnoje, 

185  W.  Bjäsan  (PiisaHb).   Bahnrestaur. ,  ^/j  St.  Aufenthalt  bis 

zum  Abgange  des  Zuges  nach  Koslow. 

Gasthof.  ^Steuert  in  der  Asstraehanskaja ;  gute  Table  d^höte.  Z. 
75  Kop.-2  B.  —  Ausserdem  mehrere  kleinere  Hotels  und  Nummern. 

Dampfbb  der  Ssamoljot  -  Gesellschaft  Di.,  Fr.  u.  So.  Vorm.  8  U.  nach 
Kasgimow  in  23  St.  für  5.50  R.  (S.  324) ,  Jelatma  (S.  324) ,  Murom  (S.  324), 
mshny-Noufgorod  (8.  325)  in  58  St.  für  14  B. 

Rjäsan ,  mit  30,000  Einw. ,  Haupt-  und  Kreisstadt  des  gleichn. 

Gouvernements ,  Sitz  der  Gouvernementsbehörden ,  des  Erzbischofs 

von  Bjäsan  und  Saraisk,  am  Einfluss  der  Lebeda  in  den  Trubesch, 

hat  26  Kirchen,  darunter  3  Kathedralen,  2  Klöster  (andere  berühmte 

liegen  in  der  nächsten  Umgebung),  Priesterseminar,  bedeutende  Me- 

tallwaarenindustrie,  lebhaften  Handel  als  Mittelpunkt  eines  reichen 

Gouvernements.  Der  schönste  Theil  der  Stadt,  die  mit  zahlreichen 

Gärten  geschmückt  und  umgeben  ist ,  liegt  auf  dem  Hügel  an  dem 

Zusammenfluss  des  Trubesch  und  der  Lebeda,  dem  früheren  Kreml, 

von  dessen  Befestigungen  jedoch  nichts  mehr  vorhanden  ist.  Schöne 

Kathedrale  Maria  Himmelfahrt  aus  dem  zvii.  Jahrh. ,  mit  alten 

vrunderthätigen  Gemälden  und  reicher  Schatzkammer.  Nahe  dabei  das 

Erzbischöfliche  FaXais  und  das  ehem.  Kloster  des  h,  Geistes  aus  dem 

XY.  Jahrh.  Die  Qeburtskirche  enthält  Grabdenkmäler  alter  Bischöfe 

von  Bjäsan  und  Murom ,  sowie  mehrerer  Fürsten  und  Fürstinnen 

von  Bjäsan. 

Lohnend  ein  Ausflug  nach  dem  (48  W.)  Dorfe  Ält-Rjäson  (Cr.  PflsaHB), 
auf  dem  r.  Ufer  der  Oka,  gegenüber  dem  Dampfsehiflfs-Landungsplatz  der 
Kreisstadt  Sspassk.  Hier  die  Ueberreste  der  alten  Hauptstadt  und  Festung 
Bjäsan^  auf  der  Höhe  des  bergigen  Ufers  ein  alter  Erdwall.  Die  in  der 
Umgegend  in  neuerer  Zeit  vorgenommenen  Ausgrabungen  haben  zahl- 
reiche russische  Alterthümer  zu  Tage  gefördert. 

294  W.  BjashBk  (Phxckx). 

Gasthop:  Hotel  mit  Nummern  gegenüber  der  Bahn,  schlecht  und 
unreinlich ;  besser  das  Hotel  in  der  Stadt. 

Bahxhof  auf  dem  r.  Ufer  der  Ghupta ;  Kreuzung  der  Bahnen  nach 
Tula,  Pensa,  Bjäsan  und  Koslow  (s.  unten). 

Rjashsk^  Kreisstadt  im  Gouvernement  Bjäsan,  mit  2931  Einw., 
auf  dem  1.  Ufer  der  Chupta^  eines  Nebenflusses  der  Rakowa  (Oka), 
wurde  im  xv.  Jahrh.  gegründet.  Von  seinen  ehemaligen  Befestigungen 
sind  noch  Ueberreste  sichtbar.  Mehrere  Fabriken,  lebhafter  Handel 
nach  Bjäsan,  Tula  und  Morschansk  in  Getreide,  Talg  u.  s.  w. 

319  "W.  Stat.  Ranenburg,  25  W.  von  der  durch  Menschikow  be- 
kannt gewordenen  Stadt  Banenburg  mit  alten  Befestigungen.  — 
355  W.  Jlowai,  —  372  W.  Kotschetowka,  —  Bald  darauf  erblicken 
wir  die  Thürme  des  auf  einer  Anhöhe  hübsch  gelegenen 

383  W.  Koslow  (Ko3JOBx).  Wagen  Wechsel.  Bahnrestaur.,  2  St. 
Aufenthalt. 

Gasthofs:  H/^tel  Bogow,  ziemlich  gut. 

Dkoschkbii  auf  dem  Bahnhofe.  Die  Wagen  sind  nach  altem  Hos- 
kauisehen  Schnitt,  ohne  Federn,  sehr  lang;  man  sitzt  seitwärts. 

Bahhhof  (unschön  und  unisauber)  auf  der  Kordseite  der  Stadt;  Ab- 
zweigungen der  Bahn  nach  Tambow  und  Ssaratow. 

Bussland.     2.  -Aufl.  25 


386    Route  30.  ORJAST. 

Koilofv,  Kreisstadtim  GtouTernement  Tambow,  mit  28,000  Cinw., 
im  Beginn  des  xyii.  Jahrh.  gegründet ,  ist  eine  reiche ,  schön  am 
Leawioj  -  Woronesh  gelegene  Stadt.  Die  älteste  Kirche  stammt  von 
1772;  die  KathtdraU  wurde  1840  erbaut.  Die  Stadt  hat  viele  Fa- 
briken, bedeutender  Handel  in  Getreide,  Vieh  und  Pferden. 

Nach  der  Abfahrt  von  Koslow  zieht  das  Panorama  der  frucht- 
baren Tschornasjom- Landschaft  (375)  an  den  Waggonfenstem 
vorüber.  So  weit  das  Auge  reicht,  nur  weUige  Ebene ,  alles  Feld, 
wenig  Wald.  Das  ganze  Land  gewinnt  schon  einen  anderen  Cha- 
rakter, der  sich  dem  Südrusslands  nähert. 

443  W.  Oijasi  (FpflSH),  s.  S.  372.  Kreuzung  der  Bahnen  nach 
Zarizyn  und  Woronesh. 


VI.  SÜD -KÜSSLAND. 


Route  Seite 

30.  Von  Breslau  (Berlin,  Wien)  über  Sbmerinka  nach 
Odessa •     .  387 

Bar  388. 

31.  Von  Warschau  über  Shmerinka  nach  Odessa  .     .     .  388 

1.  Die  Polesie  388.  —  2.  Luzk  389.  —  3.  Shitomir  389. 

32.  Von  Moskau  über  Kiew  und  Shmerinka  oder  Char- 
kow und  Birsula  nach  Odessa 390 

a.  Von  Moskau  über  Kurssk ,  Kiew  und  Shmerinka 

nach  Odessa 390 

1.  Von  Woroshba  nach  Charkow  390.  —  2.  Von  Fass- 
tow nach  Snamjenka  397. 

b.  Von  Moskau  über  Kurssk ,  Charkow  und  Birsula 

nach  Odessa 397 

1.  Von  Marjlno  nach  Obojan  39T.  —  2.  Von'  Snamjenka 
nach  Xikolajew  399. 

33.  Odessa  und  Umgebungen 401 

Die  Limane  von  Odessa 407 

34.  Von  Charkow  nach  Ssimferopol   .......  408 

1.  Von  Ssinelko wo  nach  Jekaterinoslaw  409.  —  2.  Plawni. 
Saporoger  409.  —  3.  Genitschesk  410. 

35.  Die  Krim 411 

A.  Von  Ssimferopol  nach  Ssewastopol 

1.  Mamak.  Höhle  Eisil-Eoba.  Kosmo-Demian^sche 
Einsiedelei  412.  —  2.  Tepe  Kerman  415.  —  3.  St.  Oeorgs- 
kloster.    Cap  Fiolente.    Mangup-Kaleh  417. 

B.  Von  Ssewastopol  nach  Kertsch.  Die  Südküste  der 
Krim 417 

1.  Der  Tschatyr-Dagh.  Die  Ssalgirquelle  422.  —  2.  Kar 
rassu  -  Bazar  423.  —  3.  Marienthal.  Die  Kubanische 
Küste  424. 


30.  Von  Breslan  (Berlin,  Wien)  über  Shmerinka 

nach  Odessa. 

Von  Breslau  nach  Odessa  (Gourierzüge  nur  bis  zur  russischen  (s^renze). 
1403  km,  Courierzug  in  c.  51  St.  für  Jc  76.10,  57.50  u.  19  R.  47,  14  B. 
62  Kop.;  Personenzug  «^  65.20,  49,  28  u.  19  B.  47,  14  R.  62,  7R.  46Kop. 

Von  Berlin  über  Breslau  nach  Odessa  Gourierzug  in  58  St.  für  «A  105.80, 
79.50  und  19  R.  47,  14  R.  62  Kop. 

Von  Wien  über  Oderberg-Krakau  nach  Odessa,  Schnellzug  in  c.  45  St. 
für  52  fl.  04 ,  40  fi.  25  kr.  und  19  R.  47,  14  R.  62  Kop.  i  Personenzug  für 
42  fl.  80,  32  fl.  15,  18  fl.  64  kr.  und  19  R.  47,  14  R.  62,  7  R.  46  Kop. 

Von  Breslau  nach  (181km)  Oderherg  (Fahrzeit  Gourierzug 
35/4  St.,  Personenzug  5  St.)  s.  Baedeker*  8  Nord -Deutschland,  — 
Von  Oderherg  hia  (658  km)  Lemberg  (Courierzug  IIV47  Personen- 
zug I6V4  St.)  8.  Baedekers  Oesterreich.  —  Die  Bahn  geht  östlich 
durch  dünnbevölkertes  Gebiet  am  PeHewj  einem  Zufluss  des  Bug 

25  ♦ 


388     Route  31,  BREST  -  LITOWSK. 

entlang.  —  709km  Krame  (Bahnrest.),  Knotenpunkt  der  Bahn 
RadziwiUÖW'Kiew  (S.  4).  —  799  km  Tamopol  (Bahnrest.),  ge- 
werb reiche  Stadt  von  26,000  Einw.  —  850  km  Podwoloczyska,  letzte 
Osten.  Station;  Zollabfertigung  für  die  aus  Russland  kommenden 
Reisenden.  Ein  besonderer  Zug  (Ueberfahrtsgebühr  34, 28, 15  Kop.) 
bringt  die  Reisenden  nach  dem  gegenüber  am  1.  Ufer  des  Podhorce 
gelegenen  Woloczyska  (Boio<ihck'b;  Bahnrest,)^  der  russischen 
Grenzstation.  —  Pass-  und  Zollrevision  s.  S.  1. 

Die  Bahn  durchschneidet  das  fruchtbare  Gouvernement  Podo- 
lien.   Stationen  meist  unbedeutend :  18  "W.  Woitowzy  (BoäroBiiu). 

—  38  W.  Tachomy-Oatrow  (lepHuB-OcTpoBi)  am  Bug.  —  59  W. 
Prösakurow  (IIpocKypoBi) ,  unsaubere  Kreisstadt  mit  7000  Einw., 
darunter  viel  Juden ,  an  der  Mündung  der  Ploakaja  in  den  Bug. 

—  68  W.  Bogdanowzy  (BorAaROBDu).  —  92  W.  Derashnja  (4e- 

paxHii).  —  113  W.  Wolkaunnzy  (BoiKOBHimu) 

16  W.  südl.  am  BoWf  einem  l^ebenfluss  dea  Bug ^  liegt  B«x,  an  Stelle 
der  von  den  Tataren  zerstörten  Stadt  Bow  von  Sigismund  I.  von  Polen  za 
Ehren  seiner  Gemahlin  Bona  Sforza  nach  Bari  in  Unteritalien  benannt, 
bekannt  durch  die  Gonföderation  des  polnischen  Adels  vom  29.  Febr. 
1768  (S.  8). 

133W.  Saerhinowzy  (CepÖHHOBau).  —  152  W.  Shmerinka  (JKmc- 
pHHKa;  Bahnreat.)^  an  einem  Zufluss  des  Bug,  Knotenpunkt  der 
Bahn  nach  Kiew  (S.  391).  Durch  waldreiches  wohlangebautes 
Land  läuft  die  Bahn  an  dem  Landrücken  hin,  der  die  Wasserscheide 
zwischen  Dnjeatr  und  Bug  bildet. 

170  W.  Jaroachenka  (flpomeHKa).  —  190  W.  Bachny  (PaxHu). 

—  204  W.  Jwrk&wka  (lOpKOBKa).  —  227  W.  Waji^n^'arfca  (BanHapia). 

—  248  W.  Kryahopol  (KpiiÄonoit;  Bahnrest.).  —  268  W.  Popel- 
juchi  (IIoneiiDXH).  —  288  W.  Kodyma  (KoKimsL),  —  301 W.  Krutyje 
(KpyTue).  —  312  W.  Salobodka  ^CioöOÄKa).  —  324  W.  Borschtschi 
(BopntH).  Dann  über  die  Grenze  des  Gouvernements  Cherson  nach 
(337  W.)  Birsula  (Enpsyia) ,  Knotenpunkt  der  Bahn  nach  Charkow 
(S.400).   Von  hier  nach  Odeasa,  s.  R.  32. 


31.  Von  Warschan  über  Shmerinka  nach  Odessa. 

1147  W.  Postzus  in  85—38  St.,  gewöhnlicher  Zug  in  44  St.  für  42  B. 
30,  31  B.  84,  16  B.  lä  Kop. 

Von  Warachau,  Tereapoler  Bahnhof  (S.  9)  bis  (200  W.) 
Brest »Litowflk,  s.  R.  20.  Die  Bahn  durchzieht  den  südlichsten 
Theil  des  Gouvernements  Grodno.  Stationen :  223  W.  Alexandria 
(AjeKcaHApifl).  —  242  W.  Maloryto  (MaiopHTO).  Die  Bahn  tritt  in 
das  Gouvernement  Wolhynien  und  nähert  sich  dem  Pripet  (Ilpa- 
niT-B ,  poln.  Priypec) ,  dessen  grosses  Wald-  und  Sumpfgebiet  sie 
in  seinem  westlichen  Theile  durchschneidet. 

Die  Wälder  and  Sümpfe  des  Pripet,  nach  dem  Orte  Bokitno  und 
seiner  etwa  60  D  Heilen  umfassenden  Umgebung  auch  Rokitnosümpf«  ge- 
nannt, bedecken  eine  Fläche  von  100000  qkm  und  bilden  die  sogen. 
PoUci«  (S.  243),  d.  h.  Waldland  (noncie),  das  grosse  Dreieck  swlsehcn 


BERDITSCHEW.  3L  Route.    389 

Brest -Litowsk,  Kohilew,  Kiew.  Nachdem  im  J.  1764  Johann  Casimir 
Oginski ,  Grosshetman  von  Litauen ,  die  Entwässerung  des  nördlichen 
Theiles  durch  den  Bau  des  c.  50  km  langen  OginskikanaU  zwischen  Nie- 
men  und  Jassiolda  begonnen,  hat  die  Begierung  1873  eine  systematische 
Entsumpfung  in  Angriff  genommen  und  durch  Kanäle  und  Flussregulie- 
rungen  das  Land  urbar  gemacht,  soweit  die  climatischen  Verhältnisse 
dies  zulassen.  Bis  1883  wurden  so  190000  Dessjatinen  Weide  und  Wiesen, 
35000Dessj.  Ackerland,  370000  Dessj.  für  Forstcultur  gewonnen,  ausser- 
dem für  120000  Dessj.  guten  Wald  Absatzwege  geschaffen,  welche  durch 
den  Bau  der  Bahn  Kobrin-Gomel  verToUständigt  werden. 

263  W.  Saholotje  (3a6oiOTbe).  Bei  (276  W.)  Krymno  (KpHMHo) 
überscliTeitet  die  Bahn  den  oberen  Pripet.  —  297  W.  Mysowo 
(M11130BO).  —  317  W.  Kowel  (KoBen.;  Ba/inrc«^),  Kreisstadt  mit 
gegen  5000  Einw.,  Knotenpunkt  der  Bahn  über  Lublin  nach  War- 
schau (S.  34) ,  an  der  Turija,  einem  Nebenfluss  des  Pripet,  welche 
hinter  Kowel  überbrückt  wird. 

326  W.  Ljuhitowka{Ä¥)6HTOBVi2L).  —  341  W.Ooloby{ToAo6hi).  — 

355  W.  Peresspa  (Üepecna).   Bei  (366  W.)  Roskice  (Po»Mue)  über 

den  Styr,  einen  der  grössten  Zuflüsse  des  Pripet.  —  382  W.  Ki- 

werzy  (KHBepuu;  Bahnrest.). 

3oW.  s.  w.  liegt  Lusk,  russ.  Michailogrod^  die  alte  Hauptstadt  Wol- 
hyniens  am  Styr^  befestigte  Kreisstadt  mit  e.  13000  Einw.  und  einem 
malerischen  alten  Schloss;  Sitz  eines  griechisch-unirten  Bischofs. 

402  W.  Olyka  (OiHKa).  —  421 W.  Klewan  (KieBani,).  —  442  W, 

Bowno  (PoBHO),  alte  Stadt  mit  c.  7000  Einw.,  in  freundlicher  Lage 

Ton  Gärten  umgeben ;  das  alte  Schloss  gehörte  den  Fürsten  Lubo- 

mirski.  Handel  mit  Holz,  Vieh,  Getreide;  Knotenpunkt  der  neuen 

Bahn  von  Wilna  über  Luninez  (S.  241).  —  254  W.  Sdolbunowo 

(3AOj6yHOBO;  Bahnrest). 

Zweigbahn  nach  Radziwillow  (S.  4)  und  Brodjf  in  Galizien 
(s.  BcBdeker's  OesUrreich).  86  W.  in  31/a  St.  für  3R.  33,  3  E.  43,  1  E. 
24  Kop. 

474  W.  Oshenin  (OseEHHi).  Die  Bahn  überschreitet  den  Ooryn, 

einen  Nebenfluss  des  Pripet.  —  479  W.  Mogiljany  (MonuiiHu).  — 

490  W.  iTntoin  (KpHBHHi).  —  504  W.  Stlamuta  (CjaByia),  mit 

grossem  Gestüt  des  Fürsten  Sanguszko.  —  522  W.  Polonno  je  (Oo- 

iOHHoe).  —  566  W.  Miropol  (MHponojx).  —  575  W.  Petschanowka 

(üeqaHOBKa).  —  586  W.  Romanow  (PoHanoB-B).    Dann  über  den 

Teterew ,  einen  Nebenfluss  des  Dnjepr ,  nach  (599  W.)  Ohchanka 

(OibmaHKa). 

40  W.  n.  ö.  von  Olschanka  liegt  SMtomir  (ISKetohhpi  ;  ffötel  de  France)^ 
die  Hauptstadt  des  Gouvernements  Wolhynien,  gegründet  und  benannt 
von  einem  der  Genossen  Askold's  (S.  391),  mit  (1884)  54847  Einw.,  Sitz 
eines  Erzbischofs,  eines  römisch -kathol.  Bischofs  u.  a.  Behörden,  mit 
zahlreichen  Kirchen  und  Schulen,  einem  schönen  Theater,  Handel  in  Ge- 
treide und  Holz,  Tabakfabriken  u.  s.  w.    In  der  Umgegend  Eisengruben. 

607  W.    Michailenki  (MuxaäieHKH).   —    619  W.  Vemtschln 

(AeMTOHl). 

636  W.  BerditBchew  (BepAHneBi;  Focka;  Bahnreet.)^  wohl- 
gebaute Stadt  mit  breiten  Strassen  und  Plätzen ,  vielen  stattlichen 
Gebäuden,  wie  der  Kaufhof y  das  Thtatttf  zwei  ffoapitäleri  Mittel- 
punkt des  wolhynischen  Handels ,  der  über  Brody  (s.  oben)  nach 


390    32.  Route.  BACHMATSCH. 

Deutschland  geht,  mit  56980  Einw.,  davon  über  90%  Juden. 
Haupthandelsartikel  sind  Seide,  Pelze,  Eisen,  Glas,  Holz,  Getreide, 
Zucker ,  Tabak ,  Vieh.  —  Die  Stadt  gehört  durch  Erbschaft  den 
Fürsten  Radziwill. 

648  W.  Oluchowzy  (riyxoBitu).  —  661  W.  Kasatin  (KasaTHHi; 
Bahnrest.),  Knotenpunkt  der  Bahn  nach  Kiew.  -—  670  W.  Kordy- 
schewka  (KopxumeBKa).  —  681  W.  Oolendry  (FoieHApu).  Dann, 
an  der  Grenze  des  Gouvernements  Podolien  (692  W.)  Oulewny 
(ryjcBHH)  und  (700  W.)  KaXinowka  (KaiHHOBKa).  —  721 W.  Winniia 
CBHHHHila;  Hotel  Getz,  sehr  bescheiden;  Bahnrest.) y  alte  Stadt  am 
Bug  mite.  19000  Einw.,  darunter  sehr  viele  Juden,  und  einem 
Kapuzinerkloster  mit  grosser  Kirche.  —  731 W.  TJuschki  (TiomKH). 
Bei  (745  W.)  Gntman  (FEHBaH-B)  wird  der  fischreiche  Bug  über- 
schritten. —  758  W.  Branlow  (EpaRJOBi»).  —  763  W.  Shmerinka 
(s.  S.  388).   Von  hier  nach  Odessa,  s.  R.  32. 


32.    Von  Moskau  über  Kiew  und  Shmerinka  oder 
Charkow  und  Birsula  nach  Odessa. 

Von  Moskau  über  Eurssk  nach  Kieto  945  W. ,  Schnellzug  in  e.  30,  ge- 
wöhnlieher  Zug  in  63  &t.  für  35  B.  43,  26  B.  58,  13  B.  06  Eon.;  nach 
Odessa  1557  W.,  Sehnellsug  in  46  St.,  gewöhnlicher  Zug  in  76  St.  für 
5S  B.  41,  43  B.  83,  22  B.  40  Kop. ;  nach  Charkow  731  W. ,  Schnellzug  in 
23  St.  für  27  B.  44,  20  E.  58,  10  B.  51  Kop.;  üher  Birsula  nach  Odessa 
1558  W.  in  58  St. 

a.  Von  Koskan  über  Knrssk,  Kiew  und  Shmerinka  nach  Odesaa. 

Von  Moskau  his  Kurssk  (503  W.)  s.  R.  28.  —  Die  Bahn  geht 
auf  dem  Plateau,  dessen  Höhepunkt  (250  m)  Kurssk  bezeichnet,  ab- 
wärts, anfänglich  am  Sseim,  einem  Zufluss  der  Dessna,  entlang. 
Die. Stationen  sind  unbedeutend;  527  W.  Djäkowo  {ibHKOBo).  — 
550  W.  Jwanino  (HsaHHEO).  —  577  W.  Lgow  (jBroBi),  Städtchen 
von  c.  4000  Einw.  mit  mehreren  Fabriken.  —  591  W.  Kolonta-- 
jewka  (KoioHTaeBKa).  —  615  W.  Korenewo  (KopeaeBo).  —  633  W. 
Qluschkowo  (FiyrnKOBo).  Dann  über  die  Grenze  des  Gouverne- 
ments Charkow  nach  (669  W.)  Woroshba  (Bopomöa ;  Bahnrest.). 

Zweigbahn  nach  Charkow  234  W.  in  91/2  8t.  für  8  B.  66,  6  B. 
61,  SB.  38.  Die  wichtiesten  Stationen  sind:  50  W.  Ssumy  (CyMu;  Bahn- 
rest.), Kreisstadt  (c.  27000  Einw.)  mit  alten  Befestigungen,  Getreidehandel, 
Branntweinbrennereien  und  einer  der  grössten  Zuckerfabriken  Busslands. 
—  125  W.  Acfityrka  (AxTKpRa),  Kreisstadt  (20000  Einw.)  mit  Obstbau, 
Wollenweberei  und  -Färberei.  —  161  W.  Bogoduchoto  (BoroAyxoB'K  \  Bahn- 
rest.), Kreisstadt  (9800  Einw.),  mit  bedeutenden  Gärtnereien  und  Handel 
mit  Vieh ,  Lederarbeiten ,  Fellen.  —  210  W.  Ljübotin  (JlK>6oTaBi ;  Bahn- 
rest.) ,  Knotenpunkt  der  Bahn  nach  Birsula.  —  284  W.  Charkow  (S.  398). 

Die  Bahn  tritt  in  das  Gouvernement  Tschernigow.  —  739  W. 
Konotop  (KoHOToni;  Bahnrest.),  Kreisstadt  mit  c.  15000  Einw. 
in  sumpfiger  Umgebung  an  dem  Jesutsch.  —  765  W.  Baobmataeh 
(EexMaii ;  Bahnrest.) ^  unbedeutendes  Städtchen ,  Knotenpunkt  der 
Bahn  Wilna-Bomny  (S.  242).  -  789  W.  TlUski  (IIihckh).  —  809  W. 


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19, 6Udmi0f  Thor 
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25  .Irme^l>aütmal 

26  .  IWttJbrFlBntUOtM' 

DcclieiL  und  Söster . 
29 .  JOerkeii^mf'I^aU'. 

31 .  Jtt/entthoi^'JSrdk» 
32  .Ettehedo'MAfvMm^ 

M.BratgH'JOiOtUr  .     .     . 

36 .  Jiwrw»  KapetUir  . 
^l.JSUai»  (Mu,  StaUmttfJBnkt 

39 .  JZwirvifrrXZMtfcr. 


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IT  .BämudirludhaU»dt»  WMi^ 
W .  SaphUnrKlal^aärale/ 

60  JVStoIou^-XZatrto* 

62  .IfZadbmr-J&vA«' 

63.ZeAMt0i>dt&elk«'  . 
64.ZZ<nnr]b£-$dklPM  . 
65.JRinil^>iikt^-'JE!iizw  . 

67. 
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69.X^rmBR«~.SWaDWR/  .    . 

71.  JfiUldhat-i^pnoMMäaN'' 
TZ.JBntvDhtast^Autalb 

"n.Fßttgtatioiv 

77 .  StadäuuM  .    . 
1B, Theater.    .     . 

78 .  I^t^tmiat 
80.12 
Sl.WZaiüta^- 


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F.3. 
F.3. 
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T.5. 


KIEW.  32.  Route,     391 

Kruty  (KpyTH).  —  828  W.  Kjeshin  (H^jrhh'b;  Bahnrest.)  ^  Kreis- 
stadt an  der  Osster^  mit  (1880)  30  490  Einw.  und  einem  Denkmal  des 
Dichters  Gogol,  welcher  hier  das  Lyceum  besuchte.  Weiter  durch  das 
Flachland  am  1.  Ufer  der  Dessna  nach  (851 W.)  Nossowka  (HocOBKa), 
kleinrussisches  Dorf  von  c.  23  000  Einw-  —  873  W.  Bobrowizy 
(EoöpoBHmi).  —  898  W.  BobHk  (BoöpHKi).  —  918  W.  Browary 
(EpoBapu).  Dann  auf  mächtiger  eiserner  Brücke  über  den  hier 
c.  750  m  breiten  Dnjepr  nach 

945  W.  Kiew  (Kieai). 

Gasthöfe:  «Grand  Hotel,  Z.  von  U/Q-iOB,.-^  Hot.  d'Europe; 
*Hdtel  Bellevue,  viel  von  Geschäftsleuten  besucht;  Hotel  de 
France;  diese  vier  ersten  Ranges  und  am  Kresehtsehatik  gelegen.  — 
Gr.-H6t.  National,  am  Kresehtsehatik,  wird  gelobt;  Hot.  Metro- 
pole; Höt.  d*Angleterre;  H^t.  San  Remo  u.  a.,  sämmtlieh  nahe 
dem  Hittelpunkt  der  Stadt. 

Rbstaubants:  in  den  genannten  Hotels ;  im  Ghäteau  des  Fleurs, 
in  der  Alexandrowskaja  (s.  unten);  im  Eremitagegarten  (s.  unten). 

Yesokügungslocalb :  Ch&teau  des  Fleurs  (S.  392),  mit  Garten, 
Sommertheater,  Feuerwerk,  im  Sommer  starkbcsuehte  Concerte ;  Eintritt 
zum  Ahendconcert  (7  Uhr)  40  Kop.,  Sa.  15  Kop. ;  im  Winter  Sehlittschuh- 
bahn.  —  Mineralwassergarten,  am  Zarskaja-Platz  (PI.  F  5);  Ere- 
mitagegarten, auf  der  Tumchanow-Insel  (PI.  F  6),  gegenüber  der 
Podoler  Dampfschiffstation  (gute  Krebse),  beide  mit  ähnlichen  Unter- 
haltungen. 

Thbatbb:  Stadttheater  (PI.  78,  F3),  in  der  Teatralnaja,  nur  im 
Winter;  Setow-Theater,  am  Bessarabka  (PI.  F  4),  Operetten,  Ballet, 
Feerien,  mehr  besucht  als  das  Stadttheater. 

Wagen  :  vom  Bahnhof  zur  Stadt  Einsp.  90-35  Kop.,  Zweisp.  65-75  Kop. ; 
Zeitfahrten:  Einsp.  (offHOKOHHuft)  1  St.  40— 50 Kop..  Zweisp.  (napoKOHHufi 
oder  «aaTOHi)  7ÖKop.-lR. ;  elegantere  Wagen  (1  St.  ll^  R. )  vor  dem 
Gr. -Hotel  und  hinter  dem  Stadthause.  —  Reitpferde  (in  der  Michailowsky- 
Man^ge,  Michailowskaja,  und  in  der  SsuUschewsky-Manege,  schräg  gegen- 
über dem  Chäteau  des  Fleurs)  für  Herren  1  St.  I-IV2  R-i  V2  Tag  6  B.. 
für  Damen  2  u.  8—10  R. 

Konsulate  :  Deutsches  Reich :  Konsul  Raffauf  ^  Lewaschewskiüa.  Oester- 
reich-Ungarn:  Konsul  E.  Filtsch.    Frankreich:  Konsularagent  Terrier. 

Kiew,  befestigte  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Gouvernements, 
Sitz  des  Generalgouverneurs,  des  Generalcommandos  des  xii.  Armee- 
corps, eines  Civilgouverneurs ,  eines  Metropliten  u.  a.  Behörden, 
mit  c.  170000  Einw.  und  bedeutendem  Handel,  liegt  höchst  ma- 
lerisch auf  den  hier  100-130  m  ansteigenden ,  meist  jäh  zum  Fluss 
abfallenden  bewaldeten  Höhen  am  r.  Ufer  des  Dnjepr..  Die  Stadt, 
„  das  Jerusalem  Russlands  "  erhält  ihr  eigenthümliches  Gepräge 
durch  die  Menge  ihrer  Kirchen ,  kirchlichen  Institute  und  Geist- 
lichen. Ausser  c.  60  orthodoxen  Kirchen  zählt  man  1  der  Ras- 
kolniks  (S.  XLvi),  1  römisch-katholische ,  llutherische,  4 jüdische 
Bethäuser  u.  s.  w.  Neben  der  weltberühmten  Lawra  (KieBO-IleHepcRafl 
JaBpa)  existiren  in  der  Stadt  7  andere  Klöster.  In  architektoni- 
scher Beziehung  stehen  die  Kirchen  Kiews  hinter  denen  Moskau's 
zurück. 

Kiew  „die  Mutter  aller  Städte  Russlands'',  wird  zuerst  im  iz.  Jahrh. 
erwähnt,  wo  Askold  und  Dyr,  Waräger  aus  Rurik's  Gefolge,  hier  ein 
Fürstenthum  gründeten.  Als  Wiege  des  russischen  Ghristenthums ,  in- 
dem unter  Olga  hier  die  ersten  christliehen  Kirchen  erbaut,   und  unter 


392    BotUe  32.  KIEW.  Von  Moskau 

ihrem  Enkel  Wladimir  dem  Heiligen  das  Christenthnm  Staatareligion 
wurde,  erlangte  Kiew  grosse  Bedeutung;  bis  115Ö  war  es  Residenz  der 
Grossfürsten;  schon  im  xi.  Jahrh.  (1124  sollen  bei  einem  Brande  400 
Kirchen  zerstört  worden  sein),  angeblieh  nach  Konstantinopel  die  volk- 
reichste Stadt  Osteuropas.  Der  Metropolit  von  Kiew  war  der  erste  Geist- 
liche der  russischen  Kirche,  bis  in  Folge  politischer  Ereignisse  diese 
Würde  auf  den  Patriarchen  von  Moskau  (s.  S.  285)  überging.  —  Der 
Verfall  Kiews  begann  mit  der  Vernichtung  durch  die  Tataren  1240,  bei 
der  die  Stadt  völlig  ausgeplündert  und  durch  Feuer  zerstört  wurde.  Seit 
1386  gehörte  Kiew  zu  Polen  und  theilte  dessen  Schicksale ,  bis  es  1686 
definitiv  an  die  Moskowiter  zurückgegeben  wurde. 

Die  Stadt  zerfällt  historisch  und  ihrer  Lage  nach  in  drei  ge- 
sonderte Theile :  im  Südosten  die  Petscbebsei'sche  oder  Höhi^en- 
STADT  (üe^epcKi),  mit  der  von  der  Festung  umschlossenen  Lawra, 
Im  Nordosten  die  in  der  Ehene  hart  am  Fiuss  gelegene  Handels- 
stadt, PoDOL  (noACjn),  an  welche  sich  Vorstädte  anschliessen,  und 
im  Nordwesten  das  hochgelegene  Stabo-  oder  Alt-Kibw  (Crapo- 
Kiesi).  Die  Verbindung  zwischen  Petschersk  und  der  Altstadt 
stellt  der  schöne,  von  der  Aristokratie  und  dem  reichen  Kaufmanns- 
stand bevorzugte  Stadttheil  Ldpki  («IiinKH,  Lindenstadt)  her.   -j 

Den  Mittelpunkt  des  Lehens  und  Verkehrs  bildet  der  etwa 
1 V4  km  lange  Kresehtiehatik  (KpemarHKi ,  Kreuzesstadt) ,  die  ele- 
ganteste Strasse  der  Stadt,  mit  yielen  öffentlichen  Gebäuden ,  wie 
das  Stadthaus  (FopDACKaji  Ayma,  PI.  77 :  F  4),  das  äusserlich  wenig 
hervortretende  Adelsgehäude  {Aowh  ABopiiHCTBa,  PL  1) ,  die  Börse 
(EHp)Ka,  PI.  8),  die  Post  (üo^iTOBaii  KOHTopa,  PI.  74),  den  vornehm- 
sten Hotels ,  Bankhäusern ,  eleganten  Läden  u.  a.  y  in  der  Schlucht 
zwischen  Lipki  und  Alt- Kiew  sich  hinziehend.  Westlich  mündet 
er  am  Bessarahisehen  Platz,  kurz  Bessaräbka  genannt,  Östlich  am 
Zarskaja  -  Platz  (UapcKaji  niomaAi» ,  PL  F  5). 

Von  der  Bessaräbka  führt  rechts  der  Bihikowsky  -  Boulevard 
(BuÖHKOBCKiü  EyjibBapi»)  zur  Wladimir -Universität  (PL  79:  F  3) , 
einem  mächtigen  dunkelrothen  Gebäude  mit  grossem  Portikus.  Die 
Universität,  1884  von  Wilna  nach  Kiew  verlegt,  besitzt  werthvolle, 
namentlich  naturwissenschaftliche  Sammlungen.  1881  war  sie  von 
1475  Studenten  besucht,  darunter  am  stärksten  die  Mediziner.  — 
Gegenüber  das  Palais  Tertschtschenko ,  mit  Gemäldegallerie  (im 
Sommer  zu  bestimmten  Stunden  zugänglich). 

Hinter  der  Universität ,  gleichfalls  am  Bihikowsky  -  Boulevard 
der  grosse  botanische  Qarten.  Weiterhin,  wo  1.  die  Besakowskaja 
zum  Bahnhof  ahzweigt,  das  Denkmal  des  Grafen  Bobrin^y  (PL  7, 
G  3),  des  Begründers  der  russischen  Zuckerindustrie,  von  Schröder. 

Vom  Zarskaja- Platz  (s.  ohen)  führt  südl.  die  Alexandrowskaja 
AieKcaHApoBCKafl ,  PL  G ,  F ,  £  ö)  hinauf  zu  dem  sehenswerthen 
Kaisergarten  (UapcidS  caAi,  PL  F,  £5).  Gleich  im  Anfang  der 
Strasse  1.  das  Ch&teau  des  Fleors,  das  beliebteste  Vergnügungs- 
local  der  Kiewer  (s.  S.  391),  mit  Sommertheater  (PL  76).  Am  Ende 
der  Alexandrowskaja  1.  das  Kaiserliche  SefUoss  (PL  28) ,  ein  zwei- 
stöckiger Bau  im  Stil  französischer  Keuaissance. 


nach  Odessa.  KIEW.  3^,  Route,    393 

Hinter  dem  Schloss  durch  den  Schloss-Park  (^opuOBHÜ  Oaxi) 
zum  Nikolaus-Thor  (HnKOjbCKifl  Bopora ,  PI.  E  5) ,  von  welchem 
man  eine  wundervolle  Aussicht  auf  das  Dnjeprthal  hat.  Jenseit 
des  Thores  beginnt  die  Nikolskaja.  In  dieser  befindet  sich  zunächst 
1.  das  Nikolaus- Kloster  (HHKOJfcCKiü  MonacTupfc,  PL  60 :  D5),  neben 
welchem  ein  Fussweg  zum  Askoldshügel  (s.  unten)  abbiegt.  Weiter- 
hin, etwas  zurück  gelegen,  ebenfalls  links  die  Nikolaus-Kathedrale 
(HHKOjbCKiü  coöcpi,  PI.  52).  Gleich  darauf  zweigt  links  der  zum 
Dnjepr  herabführende  Nikolajewski-Spussk  (HHKOjaoBCKiä  cnycKi»), 
rechts  die  Esplanadenstrasse  (EcniaHaAHaji)  ab,  welche  zu  dem 
nahen  (1.)  Petscherski- Platz  (IXenepcKaH  nJomaAi»)  führt ,  auf  wel- 
chem im  Herbst  Wettrennen  stattfinden ,  und  der  sonst  als  Exer- 
cierplatz  dient.  Die  gerade  Fortsetzung  der  Nikolskaja  heisst  Weg 
zur  Lawra  (^opora  Kl  JiaBpl») ;  wo  derselbe  eine  Biegung  nach  links 
macht,  steht  die  kleine  Kirche  des  Erlösers  im  Birkenwalde  (Uep- 
KOBb  Cnaca  aa  EepecTOBt).  Durch  das  Thor  an  der  Ostseite  der 
Festung  gelangt  man  zunächst  in  einen  mit  Privatgebäudeu  und 
Buden  bedeckten  Theil,  hinter  welchem  ein  Graben  und  eine  hohe 
Mauer  das  Kloster  umschliessen. 

Als  Stifter  des  Höhlenklosters  gilt  der  Busse  Hilarion,  der  vor  seiner 
Berufung  zum  Metropoliten  von  Kiew  (1051)  als  Einsiedler  in  einer 
selbstgegrabenen  Höhle  auf  dem  bewaldeten  Hügel  am  Dnjepr  lebte. 
Sein  Nachfolger  in  der  Einsiedelei  war  der  vom  Athos  eurückgekehrte 
Höneh  Antonius,  dessen  Frömmigkeit  neue  Genossen  herbeizojg^,  wie  den 
h.  Theodosius  und  den  Chronisten  Nestor  (c.  1050-1115);  später  waren 
viele  der  Honehe  fürstlleher  Abkunft.  Erster  Abt  war  ein  Bojarensohn, 
Warlaam,  darauf  der  erwähnte  Theodosius  (t  1074).  Unter  ihm  gelangte 
das  Höhlenkloster  zu  grösstem  Ansehn  und  Reiehthum,  und  hat  noch 
heute  seine  Stellung  als  das  erste  Busslands  behauptet.  Im  xii.  Jahrh. 
wurde  es  zur  Lawra  erhoben;  als  solche  stand  es  direkt  unter  dem  Pa- 
triarchen, zuerst  von  Konstantinopel,  dann  von  Moskau.  Der  Igumen 
erhielt  den  Titel  Archimandrity  welchen  jetzt  der  jeweilige  Metropolit 
von  Kiew  führt,  dem  das  Kloster  seit  1786  unierstellt  Ist. 

Gegenüber  dem  Arsenal  (PI.  5:04)  führt  das  heilige  Thor 
(PI.  24:  C  5),  ein  langer  Thorweg  mit  Fresken  aus  dem  Leben  der 
hh.  Antonius  und  Theodosius  in  den  Klosterhof.  Dieser ,  zur  Zeit 
der  grossen  Feste  (3.[15.]  Mai,  10.[22.]  u.  15.[27.]  Juli,  15.[27.] 
August)  der  Lagerplatz  der  Pilger,  deren  Zahl  1886  angeblich  1  Mill. 
betrug  und  alljährlich  200000  erreicht,  wird  rechts  und  links  Ton 
den  zu  ebener  Erde  belegenen  Zellen  der  Mönche  eingeschlossen ; 
in  der  Mitte  erhebt  sich  der  c.  98  m  hohe  Olockenthurm  (PL  18)  in 
vier  sich  verjüngenden  Stockwerken.  Von  oben  weite  Rundsicht. 
L.  vom  Thurm  die  üwpenaky-  oder  Hari&-Hi]nm0lfiüirt8- Kathe- 
drale (ycneHCKiÜ  coöopi,  PL  47 :  05)  mit  7  Kuppeln,  auf  der  Stelle 
einer  älteren  Kirche  des  zi.  Jahrh.  errichtet,  1729  nach  einem 
Brande  erneuert  und  im  Inneren  äusserst  prächtig  im  Rococostil 
ausgestattet.  Der  Ikonostas  aus  vergoldetem  Silber ,  ein  Geschenk 
Peters  des  Grossen,  füllt  fast  die  ganze  Höhe  der  Kirche  aus. 
In  der  Mitte  oben  ein  von  Goldstrahlen  und  Edelsteinen  umgebenes 
Marienbild,  angeblich  das  älteste  in  Russland;  an  hohen  Festen 


394    Route  32.  KIEW.  Von  Motkau 

herabgelassen ,  wird  es  von  den  Wallfahrern  beschenkt.  In  Noth- 
Jahren,  besonders  auch  bei  Epidemien,  wird  das  Bild  in  feierlichem 
Aufzuge  um  die  Klostermauern  herum  getragen.  Rechts  in  der 
Kirche  ein  beachtenswerther  Sarkophag  mit  den  Reliquien  des  h. 
Theodosius  (s.  oben).  Ein  überreich  mit  Silber  verzierter  Sarg  aus 
Cypressenholz  birgt  den  Schädel  des  h.  Wladimir. 

Die  übrigen  Kirchen  und  Kapellen  des  Klosters  sind  wenig 
bemerkenswerth ;  in  einer  Kapelle  neben  dem  Refektorium  wird 
wie  in  Moskau  (S.  285)  an  den  drei  ersten  Tagen  der  Oharwoche 
alle  drei  Jahre  das  Chrisam  bereitet.  Ausserdem  besitzt  das  Kloster 
eine  Druckerei  für  religiöse  Werke  und  eine  Bäckerei  für  geweihte 
Brote  und  Hostien,  von  denen  die  erstere  jährlich  über  100000,  die 
letztere  über  50000  R.  einbringt.  Der  Klosterschatz  (Risniza)  ent- 
hält zahlreiche  Reliquien ,  Kostbarkeiten  und  Curiositäten. 

In  der  Kirche  der  Kreuzerhöhung  (Führung  durch  einen  Mönch) 

gehen  an  der  Nordseite  zwei  Thüren  hinab  zu  den  näheren  Peseht- 

seheren  oder  Höhlen  dei  h.  Antonius  (EiHSHifl  nemepu  IIpenoAoö- 

naro  AHTonifi),  in  den  weichen  Kalkstein  gehauene  Gänge  von  etwa 

2m  Höhe  und  so  schmal,  dass  nur  eine  Person  hindurchgehen  kann, 

sowie  kleine  rechteckige  Räume ,  die  früheren  Zellen  der  Mönche, 

jetzt  theilweise  Kapellen,  in  denen  täglich  Messe  gelesen  wird. 

Nisehen,  seitwärts  in  den  Fels  gehauen,  dienen  als  Begräbnissplätse 
von  Heiligen,  deren  78  hier  bestattet  sind,  darunter  Michael y  der  erste 
Metropolit  Kiews,  Antoniui^  der  Gründer  der  Lawra,  dessen  Zelle  mit 
srmlieher  Lagerstätte  auf  Stein  noch  gezeigt  wird ,  und  der  Chronist 
Nestor.  Die  Leichen  liegen  mumienartig  in  kostbare  Gewänder  gehüllt, 
in  offenen  Särgen.  —  Als  Merkwürdigkeit  werden  noch  die  jetzt  ver- 
mauerten Oeffnungen  bu  den  Höhlen  asketischer  Einsiedler  und  ein  ans 
dem  Erdboden  hervorragendes  Haupt,  mit  einer  Mitra  bedeckt,  gezeigt, 
dessen  Träger,  Joann  der  Leidensreiche,  bis  zum  Hals  in  der  Erde  be- 
graben, der  Legende  nach  80  Jahre  so  lebte,  und  dessen  Leichnam  in 
derselben  Stellung  erhalten  blieb. 

Aus  den  Höhlen  führt  eine  hohe  Treppe  zum  Klosterhof  em- 
por. Der  Ausgang  ist  von  unzähligen  Bettlern  und  Krüppeln  in 
allen  Stellungen  belagert,  deren  Bitten  um  Almosen  man  unbe- 
achtet lasse,  da  sie  vom  Kloster  reichlich  bedacht  werden. 

Die  entfernteren  Höhlen  des  h.  Theodosius  sind  bei  gleicher 
Anlage  weniger  ausgedehnt  und  interessant.  Der  Eingang  ist  in 
der  Kirche  der  K  Anna, 

Den  Weg  zur  Lawra  wieder  hinabgehend  gelangen  wir  r,  zum 
Nikolajewiky-Spussk  (HüKOjaeBCKlü  cnycKi),  einem  schönen  Wege 
am  hohen  Dnjepr-Ufer,  dem  beliebtesten  Spaziergange  der  vor- 
nehmen Welt  Kiew's.  Diesem  folgend  erreichen  wir  den  Askolds- 
Hügel  (AcKoi&xoBa  Horaja),  mit  einer  Kapelle  über  dem  angeb- 
lichen Grabe  Askolds,  und  Begräbnissstätte  vornehmer  Adliger. 
Von  hier  prächtige  Aussicht  auf  den  Fluss ,  die  Brücken  und  das 
niedrige  1.  Ufer.  Weiter  entweder  auf  dem  Fahrwege  oder  eine 
Holztreppe  von  etwa  300  Stufen  hinab  an  der  Nikolaus- Kapelle 
(HüKOjaeecKaA    «lacoBHn)  vorüber   zur   Vikolant  -  Brüeke  (Hhko- 


nach  Odessa,  KIEW.  32.  Route.     395 

jaeBCKiä  U'^hhoM  mocti)  ,  1080  m  lang ,  wie  die  stromabwärts  ge- 
legene Eisenbahnbrücke  (S.  391),  ein  hervorragendes  Werk  der 
Ingenieurkunst ,  1848-1855  mit  einem  Aufwand  von  2V2  Hill.  R. 
erbaut  (Brückengeld :  Einsp.  20,  Zweisp.  40  Kop.  hin  und  zurück ; 
Rauchen  verboten).  Von  der  Brücke  hat  man  den  besten  *Blick  auf 
die  hochgelegene  Stadt,  ihre  silbernen  und  goldenen  Kuppeln  und 
Thürme ,  weissen  Häuser  und  grünen  Dächer. 

Am  r.  Ufer  des  Dnjepr  aufwärts  führt  durch  das  Podol'scke 
Nikolaus-Thqr  (no^oibCKiii  HuKOJibCKifl  Bopbra)  die  für  Wagen  meist 
unfahrbare  PodoVsche  Chaussee  (IIoAoibCKoe  mocce)  zum  Stadtteil 
Podol,  dem  Sitz  des  Handels  und  Wohnort  der  ärmeren  Bevöl- 
kerung. Inmitten  des  Podol,  am  Alexandrowsky - Platx  (Aiex- 
caHApoBCKaii  njomaAb)  das  Kontractenhaus^  in  welchem  früher  die 
Geschäftsschlüsse  der  im  Februar  abgehaltenen  sogen.  Kontracten- 
Messe,  der  bedeutendsten  Zuckermesse  Russlands,  stattfanden.  Da- 
neben der  Oostinny-Dwor  oder  Bazar  (rocTHHHufi  ABopi,  Fl.  20 : 
G  5) ;  gegenüber  das  Bratsky- Kloster  (BpaTCKiü  m osacTupi»,  PI.  34 : 
G  5)  mit  grosser  Kathedrale.  Dahinter  im  früheren  JesuitencoUe^ 
gium  die  geistliche  Akademie  (^yxoBHa«  aKaAemiA ,  PL  14 :  G  5), 
1588  gegründet,  die  älteste  Russlands.  In  der  Bibliothek  (Sonntags 
geöffnet)  einige  Portraits,  darunter  Mazeppa,  der  bekannte  Kosaken- 
hetman  (1646-1710). 

Dem  Podol  gegenüber  erstreckt  sich  ö.  im  Dnjepr  die  flache 
Turuchanow-\Insel  (TypyxaHOBT»  ocTpOBt)  mit  dem  Eremitage- 
Garten  (S.  391),  einem  beliebten  Vergnügungslocal. 

Südl.  führt  vom  Alexandrowsky-Platz  die  Alexandrowskaja, 
an  dem  Wasserpumpwerk  (PI.  80 :  F  5)  und  der  Kapelle  zur  Be- 
zeichnung der  Quelle,  an  der  die  Taufe  der  Kinder  Wladimir*s  I. 
stattfand,  vorüber  hinauf  nach  Alt-Kiew  (CTapo-KieBCKiR  yia- 
CTOKi) ,  zum  Zarskaja  -  Platz  (S.  392).  Von  diesem  führt  r.  ein 
Promenadenweg  zu  dem  nahen  Wladimir  -  Denkmal  von  Klodt 
(HaMaTEHKi  CB.  BjaxHiiipa ,  PI.  81 :  F  5)^  22  m  hoch,  bei  welchem 
jährlich  am  Tage  des  Heiligen  eine  militärisch-kirchliche  Feier 
unter  zahlreicher  Betheiligung  des  Volkes  stattfindet.  Von  der 
Höhe  des  Denkmals  prachtvolle  Aussicht  auf  den  Dnjepr. 

Vom  Zarskaja-Platz  n.w.  an  der  römisch-katholischen  Kirche 
(Phkcko  -  KaTOJH^ecRiM  KOCTejb,  PL  57:FÖ)  vorüber  hinauf  zur 
Kosstelnaja,  in  welcher  r.  das  Kichaels  -  Kloster  (MmaMiOBCRiü 
MOHacTHpb,  PL  50 :  E  5) ,  vielleicht  das  älteste  Russlands.  In  der 
Kirche  mit  7  Kuppeln  ein  altes  reich  mit  Edelsteinen  verziertes  Bild 
des  Erzengels  Michael,  von  Alexander  I.  im  französischen  Kriege 
getragen,  ein  Geschenk  des  Kaisers  Nikolaus  I.  In  einer  Seiteu- 
kapelle  das  silberne  Grabmal  der  h.  Warwara  (Barbara),  deren  Re- 
liquien um  1100  nach  Kiew  kamen;  über  dem  offenen  Sarge  ein 
Baldachin  mit  zahlreichen  Medaillen  und  Kreuzen  an  rothen 
Bändern. 


396     Baute  32.  KIEW.  Van  Motkau 

Weiter  in  der  Kosstelnaja  zum  Mithatitplatz  j  an  welchem  r. 
die  Dreiheiligen-Xirelie  (UepKOBb  rpexi  cBATHTOjeü,  PL  35 :  G  5) 
an  der  Stelle  der  alten  Basiliuskirche  auf  der  ehemaligen  Oultstätte 
des  Slavengottes  Permi  erbaut.  R.  führt  die  Andrejewskaja  zur 
Andreaikirehe  (UepioBb  ÄHApefl  IlepBOSBaHHaro,  PI.  30:  G5),  unter 
der  Kaiserin  Elisabeth  Yon  Rastrelli  auf  dem  höchsten  Punkte  Alt> 
Kiews,  dem  steil  zum  Podol  abfallenden  Andrejewtkyberge  an  der 
Stelle  erbaut,  wo  nach  der  Legende  der  h.  Andreas,  der  erste  Yer- 
kundiger  des  Eyangeliums  in  Russland,  ein  Kreuz  errichtete.  Von 
der  die  Kirche  umgebenden  Terrasse  wunderYOlle  ^Axtssicht  auf 
den  Podol,  den  Fluss  und  die  Ebene  im  Osten. 

Wir  wenden  uns  von  hier  w.  in  die  Dessjatinajaf  in  welcher 
gleich  r.  die  Dessjatinaja  oder  Zehntenkirche  (^ecüTHHHafl  Uep- 
KOBb,  PI.  63:G5),  1842  an  Stelle  einer  älteren,  1240  von  den  Ta- 
taren zerstörten,  erbaut,  und  gelangen  in  gerader  Richtung,  die 
Bolschaja  Shitomirskaja  kreuzend  zum  Sofienplatz  mit  der 

*Sofl6iikathedrale  (Co«iücKiii  co6op'&,  PI.  58:  G  4),  von  einer 
Mauer  umschlossen  und  wie  die  Lawra  von  zahlreichen  Pilgern 
und  Bettlern  umlagert.  Aeusserlich  verbaut,  ist  die  Kirche  im  In- 
neren das  architektonisch  werthvoUste  Gebäude  Kiews ,  eine  der 
ältesten  Kirchen  Russlands ,  1037  vom  Grossfursten  Jaroslaw  für 
den  hier  erfochtenen  Sieg  über  die Petschenegen  erbaut;  imponirend 
ist  auch  der  mächtige  Thurm  mit  goldener  Kuppel. 

Das  Innere  mit  seinen  Mosaiken  auf  Goldgrund  und  alten  Fresken 
erinnert  an  die  Markuskirche  in  Venedig ;  beaehtenswerth  sind  besonders 
wegen  der  Trachten  die  wohl  ursprünglich  für  einen  Profanbau  bestimm- 
ten *Fresken^  vielleicht  noch  aus  dem  XI.  Jahrb.,  im  Hintergrund  der 
Kathedrale  an  der  Wand  einer  zur  Gallerie  führenden  Doppeltreppe,  mit 
Jagd-  nnd  Tanzseenen.  —  Am  reich  vergoldeten  Ikonostas  ein  kostbares 
Heiligenbild,  zum  Herablassen  eingerichtet.  —  In  der  WlacUmirkapelU  der 
angebliche  Sarkophag  Jaroslaw's  I.  aus  weissem  Marmor  mit  Reliefs  aus 
der  christlichen  Symbolik.  Ein  ähnlicher  Sarg  an  einem  Pfeiler  der 
Kirche.  —  In  der  Kathedrale  liegen  22  Metropoliten  von  Kiew  begraben^ 
ausserdem  wurde  hier  Wladimir  II.  Monomaeh  gekrönt. 

Neben  der  Kathedrale  befindet  sich  die  Wohnung  d€$  Metro- 
politen. W.  führt  vom  Soflenplatz  die  schmale  Solotoworotskaja 
an  dem  Irene^Denkmal  (naMflTHHKi  ob.  HpHHH,  PI.  25:  G  4)  und 
den  unter  einem  Schutzdach  befindlichen  spärlichen  Resten  des 
"  Irenenklottera ,  sowie  der  Oeorgscapelle  (UepKOBb  CB.  Teoprifl, 
PI.  41 ;  G4)  vorüber  zum  goldenen  Thor  (3ojotuii  Bopora,  PI.  19 : 
F4),  einem  der  ältesten  Bauwerke  Kiew's,  einst  das  Hauptthor, 
jetzt  nur  noch  Trümmer,  die  einen  Bogenansatz  erkennen  lassen. 

Von  hier  aus  entweder  durch  die  grosse  Wladimirskaja  zum 
Theater  (PI.  78:  F3;  s.  S.  391),  oder  links  durch  die  Wassütichi- 
kowtkaja,  meist  Proremaja  genannt,  mit  stattlichen  Gebäuden  zum 
Kreschtschatik  zurück. 


Die  Bahn  geht  in  s.  w.  Richtung  durch  das  fruchtbare  und 


nach  Odessa,  BJELQOBO.  32.  Raute,     397 

wohlangebaute  Gouvernement  Kiew ,  dessen  Eichen-  und  Buchen- 
wälder der  Bedarf  der  Eisenbahnen  und  Zuckerfabriken  schon  stark 
gelichtet  hat.  Die  Bewohner  sind  überwiegend  Weissrussen  (S.242), 
stark  untermischt  mit  Juden  (c.  7%).  —  Stationen :  957  W.  8hul- 
jany  (TRyinnu).  —  968  W.  Bojarha  (BoiiapKa),  hübsch  gelegene 
Sommerfrische  der  Kiewer,  die  hier  zahlreiche  Datschen  haben.  — 
979  W.  Wassilkow  (BacHAKOB'i),  Stadt  an  der  Stugna  mit  circa 
17  000  Einw.  —  Die  folgenden  Stationen  sind  unbedeutend.  988  W. 
Motowilowka  (MoTOBHJOBKa).  1005  W.  Fasstow  (^acxoBi ;  ♦Bahn- 
restauration). 

Zweigbahn  nach  Snamjenka  (S.399),  282  W.  in  II1/4-I6  St. 
für  10  B,  58,  7  B.  96,  4  B.  6  Eop. 

1024  W.  Ko8hanka(KoxRwsi&);  1040  W.  Popelnja  (UoueÄhm); 
1056  W.  Broti7fci(BpoBKH);  1073W.  Tschemorudka  {HepRO^yAKR); 
1082  W.  Wemigorodok  (fiepRHTopoAOVi'b);  1092  W,  Kasatin,  Von 
hier  nach  Odessa  s.  R.  31. 

b.  Von  KoBkau  über  Kunsk,  Charkow  und  Birsula  naoh  Odessa. 

Von  Moskau  nach  Kurssk  (503  W.)  s.  R.  28.  —  Die  Bahn  geht 
durch  die  Ebene  des  Tschornasjom  (S.  375) ,  von  dessen  dunklen 
Flächen  sich  bei  Sonnenschein  die  ärmlichen  grauen  Dörfer  eigen- 
thümlich  abheben.  Ueberrascht  wird  der  Reisende  hier  wie  in  an- 
deren Theilen  dieser  Zone  durch  den  auffälligen  Gegensatz  zwischen 
dem  dürftigen  Aussehn  der  Saaten  und  der  fast  sprichwörtlichen 
Fruchtbarkeit  dieser  Landstriche,  eine  Folge  der  wenig  rationellen 
Bewirthschaftung  des  Bodens  durch  den  „Mushik^'  (Bauer).  Die 
Stationen  sind  meist  unbedeutend.  503  W.  Mlodat  (MjOAaTi.) ; 
529  W.  Polewa  Ja  (ÜoieBas);  544  W.  Schumakowo  (lIIyMaKOBo) ; 
6Ö6W .Ssolizewo  (CoiHueBO).—  576W.  Afar^'2no(Map&iiHO. Bahnrest.) 

Zweigbahn  90  W.  in  31/2  St.  für  1  B.  20  und  60  Eop.  naeh  Obojan^ 
Kreisstadt  mit  6500  Einw.  am  Psioly  mit  Wollwäschereien  und  Frodueten- 
handel. 

589  W.  Jelnikowo  (Eibhhkobo)  ;  600  W.  Prochorowka  (IIpoxo- 
pOBKa) ;  614  W.  Bjelenichino  (B*ieHiiXHHo) ;  625  W.  Kustarnaja 
(KyoTapnas) ;  644  W.  Bjelomjestnaja  (BtiOMlicTHaH) ;  653  W.  Bjel- 
gorod  (EliiropoA'B,  die  weisse  Stadt;  Bahnrest.),  Kreisstadt  mit 
17000  Einw.,  vielen  Gerbereien  und  lebhaftem  Handel.  Die  Stadt, 
welche  ihren  Namen  nach  der  Menge  weissgetünchter  Häuser  mit 
Recht  führt,  Hegt  malerisch  an  und  auf  den  Kalkfelsen  am  r. 
Ufer  des  Donez ;  sie  besitzt  auffällig  viel  Kirchen ,  darunter  zwei 
Kathedralen ;  in  der  einen  die  Graber  der  früheren  Bischöfe  von 
Bjelgorod.  Hier  wie  überall  auf  den  Hauptstationen  sind  in  den 
Wartesälen  WalFen  aller  Art  und  andere  Tulawaaren  (S.  379),  nament- 
lich auch  Ssamowars  ausgestellt;  nicht  billig.  —  672  W.  Wesselaja- 
Lopan  (BecejaH-ionaHii) ;  653  W.  Naumowka  (HayHOBKa) ;  694  W. 
Ka8atscha'Lopan(J!iiiZ9mhnrÄOB«ah)',  708  W.  Kamysehewka  (Ka- 
HumeBKa);  730  W.  Dergatschi  (4epra«iH). 


398    Soute32.  CHARKOW.  Von  Moskau 

732  W.  Charkow,  XapuoBi  (Bahnrest,)  —  Gastsöpb:  Gr.  Höt. 

de  TBurope  (Bes.  2>elj»«cA);  *Belle-Vae,  Ecke  der  Universitäta-  und 
Fischstrasse  (Besitzer  Proiper  frh'es^  deutsche  Wirthin) ,  Z.  von  li/j  R. 
an,  H.  1-2 B.  —  II.  Ranges:  Bossia,  Jekaterinoslawer  Strasse,  neben 
der  Oper^  Rnf,  Universitätsstrasse;  Sslawiansky-Bazar,  gans  ras- 
sisch (der  Wirth  spricht  fransösisch).  —  Während  der  grossen  Märkte  sind 
die  Hotels  überfüllt  und  die  Preise  höher.  —  Komnurtseheu>$kif-Klub  (Einfüh- 
rung durch  ein  Hitglied),  in  der  Rymarskaja,  elegantes  Lokal  mit  Sommer- 
theater u.  8.  w.  —  Tbamwat  durch  die  meisten  neueren  Hauptstrassen.  — 
Bahuix  :  Russische  Staatsbank  \  Städtische  Bank  \  Wolga-Kama-Bank  n.  v.  a. 
Charkow,  die  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Gouvernements 
mit  c.  160000  £inw.,  Sitz  des  Geneialcommandanten  des  Militär- 
bezirks Charkow,  eines  Civilgouverneurs,  des  Erzbischofs  der  £p- 
archie  Charkow  und  Achtyrkan  u.  a.  Behörden,  liegt  grösstentheiis 
auf  dem  Plateau  (230  m),  welches  den  Qürtei  des  Tschornasjom 
durchbricht,  c.  30m  über  dem  üdy,  einem  Nebenflüsschen  des 
Donezy  und  den  beiden  Bächen  Lopan  und  Charkowka,  die  sich 
hier  vereinigen.  Wasserstauungen  machen  im  Sommer  die  unteren 
Stadttheile  häufig  ungesund.  —  Wie  seiner  Lage  nach  durch  die 
drei  Flüsse,  zerfällt  Charkow  auch  nach  seiner  Bauart  in  drei  Theile. 
Aus  einer  Kosakenniederlassung  um  das  Jahr  1650  entstanden,  er- 
innern die  äusseren  Stadttheile  mit  ihren  Lehmhütten  noch  voll- 
ständig an  die  alten  Slohoden  (Torstädte),"  während  andere  Theile 
in  den  breiten  ungepflasterten  Strassen  meist  Holzhäuser,  die  neuen 
dagegen  ganz  moderne  Bauten  aus  Stein  und  weite  Plätze  auf- 
weisen. Durch  Zuzug  von  Kleinrussen  schnell  gewachsen,  wurde 
Charkow  1765  Hauptstadt  der  Ukraine  und  verdankt  seinen  ra- 
schen Aufschwung  in  neuerer  Zeit  seiner  günstigen  Lage  am  Ost- 
rande des  grossen  Don^zer  Kohlenbeckens  und  am  Knotenpunkt 
der  grossen  Handelsstrassen  vom  Schwarzen  und  Kaspischen  Meer 
und  von  der  Donau  her.  Daher  hat  die  Stadt  lebhafte  Industrie, 
besonders  auch  Wollhandel;  jährlich  vier  grössere  Märkte.  An 
hervorragenden  Gebäuden  sind  zu  nennen :  die  Kathtdrale  mit  95  m 
hohem  Glockenthurm ,  der  Oostinny-Dwor  oder  Bazar,  dessen 
Mittelpassage  elektrisch  beleuchtet  und  bei  rauher  Witterung  ge- 
heizt wird;  die  1805  gestiftete  Universität  mit  einer  Bibliothek 
von  60  000  Bänden  und  reichhaltiger  zoologischer  Sammlung.  Vor 
der  Universität  eine  hübsche  Terrasse  mit  guter  Aussicht  auf  die 
Stadt  und  Umgegend,  an  Sommerabenden  ein  beliebter  Spaziergang. 
Am  Fusse  der  Terrasse  eine  Kapelle  zur  Erinnerung  an  Alezander  II., 
ein  auch  im  Inneren  prächtig  ausgestatteter  Bau.  In  der  Nähe  noch 
die  Börse,  —  Ausserdem  besitzt  die  Stadt  17  Kirchen ,  darunter 
1  lutherische,  2  Klöster,  2  Gymnasien,  ein  Veterinär -Institut, 
Theater  u.  s.  w.   Sehenswerth  ist  auch  der  Stadtgarten. 

Die  Bahn  durchschneidet  in  s.  w.  Richtung  das  Gouvernement 
Charkow,  wie  das  benachbarte  Poltawa,  ein  Theil  der  alten  Ukraine 
(„Grenzland''  d.  h.  gegen  die  Türkei),  beide  wohlbewäasert  und 
sehr  fruchtbar.  DieBewohner  sind  überwiegend  Kleinrussen  (S.  242). 
Stationen :  739  W.  Nowaja  Bawarija  (Hosaa  Baaapiji),  mit  grosser 


nach  Odessa.  POLTAWA.  32,  Boute,     399 

'bairischer  Bierbrauerei ;  an  der  Station  wird  Bier  in  Seideln  feil- 
geboten. —  742  W.  Byshow  (Puäobx).  —  756  W.  L^ubotin  (S.  390; 
Bahnrest.).  —  769  W.  WalH  (BaiKH),  Stadt  an  der  Mischa,  mit 
8000  Einw.  —  783  W.  Kowjagi  (KoBiirH).  —  796  W.  Wodjanaja 
(BoAflHafl).  —  810  W.  Kolomak  (KojOMaKi).  Die  Bahn  tritt  in  das 
Gouvernement  Poltawa.  816  W.  Isskrowka  (UcKpoBKa).  —  831  W. 
Kotsehubejewka  (KoHy6eeBsa).  —  847  W.  Boshkow  (Eojkkobi). 
Dann  über  die  Worskla,  einen  Zufluss  des  Dnjepr,  nach 

864  W.  Poltawa (IIojiTaBa;  Hotel  St.  Petersburg;  Italie;  Bahn- 
restaur.),  Hauptstadt  des  Gouvernements  gleichen  Namens,  am  Zu- 
sammenfluss  von  Poltawka  und  Worskla,  von  Eirschplantagen  um- 
geben, mit  breiten  Strassen  und  Boulevards.  Die  Stadt  (41 280 
Einw.)  hat  ein  Fort,  19  Kirchen,  darunter  1  lutherische,  verschie- 
dene höhere  Unterrichtsanstalten,  2  Theater,  ein  Gewerbemuseum, 
lebhafte  Industrie  und  Handel  mit  Vieh,  Getreide,  Flachs,  Hanf; 
die  Iljinsklsche  Messe,  vom  10./22.  Juli  bis  10./22.  Aug.,  ist  eine  der 
grössten  Südrusslands.  —  An  die  Schlacht  vom  9.  Juli  (27.  Juni) 
1709  erinnern  eine  17  m  hohe  Säule,  welche  einen  Adler  aus  Bronze 
trägt,  1809  auf  dem  Alexanderplatz  errichtet,  und  ein  Denkstein 
mit  kriegerischen  Emblemen  an  der  Stelle  des  Hauses,  in  welchem 

Peter  der  Grosse  nach  der  Schlacht  wohnte. 

Das  Schlachtfeld,  auf  welchem  das  Schicksal  des  nordischen  Krieges 
entschieden  und  die  Stellung  Busslands  in  Europa  begründet  wurde, 
liegt  6  km  von  der  Stadt.  Die  Stelle,  an  welcher  die  siegenden  Schwe- 
den die  Verfolgung  abbrachen  und  dadurch  den  Bussen  Zeit  gaben  sich 
zu  sammeln,  bezeichnet  das  Sehwedengrab ,  ein  e.  20  m  hoher  Erdhügel, 
der  ein  Kreuz  trägt. 

887  W.  Malaja  Pereschtschepinskaja  (Ma4afl-nepemeniiHCKafl). 

—  907  W.  Bjeliki  (BtiHKH).  —  921  W.  Kobeljaki  (Koöeimoi),  Stadt 
von  c.  13  000  Einw.  an  der  Worskla.  —  937  W.  Qanowka  (FaHOBKa). 

—  950  W.  Oaleschtschina  (FaiemHHa).  Bei  (960  W.)  PotoH  (IIo- 
tokh)  über  den  Psiol,  einen  Nebenfluss  des  Dnjepr.  —  980  W.  Kre» 
mentschng  (KpeiieHHyri ;  Post;  Bahnrest.),  in  der  Ebene  am  1.  Ufer 
des  Dnjepr  gelegen  und  häufig  von  Ueberschwemmungen  helm- 
gesucht, mit  lebhaftem  Handel  in  den  Landesprodukten,  die  hier 
auf  der  Bahn  und  dem  Dnjepr  verfrachtet  werden.  Jährlich  drei 
grosse  Märkte.  Von  dem  1765  erbauten  Potenikin' sehen  Palast  sind 
nur  noch  Ruinen  übrig.  Eine  auf  10  Pfeilern  ruhende  eiserne 
Brücke  verbindet  die  Stadt  mit  dem  am  andern  Ufer  des  Dnjepr 
gelegenen  Krjukow  (KpuKOBi;  beide  Städte  haben  zusammen 
47  473  Einwohner.) 

1000  W.  Pawlisch  {UsiBÄum'b).  —  1017  W.  Borowakaja  (BopoB- 

CKafl).  —  1030  W.  Proiopopowka  (DpoTonoHOBKa)  am  Don^z.  — 

1004  W.  Snangenka,  Knotenpunkt  der  Bahnen  nach  Nikolajew  (s. 

unten)  und  nach  Fasstow,  s.  S.  397. 

Von  Snamjenka  nach  Nikolajew,  232  W.  in  71/4  St.  für  SB. 
33  Kop.,  6  B.  25,  3B.  20Kop.  —  124  W.  Notßyi-Bug  (HoBwft-ByrLi  Bahn- 
rest.), am  Jngul;  an  diesem  abwärts  nach  (222  W.)  KIkolajew  (HHKOJiaeBi> ; 
Oasth. :   Orianda-y  Europa ;  St.  Petersburg ;  Bahnrest.)  ^  befestigter  Kriegs- 


400    Route  3^.  BIBSULA. 

hafen,  1789  ▼on  Potemkin  angelegt,  und  Handelsstadt  mit  66325  Einw., 
an  der  Vereinigung  des  In^l  mit  dem  Bug.  Der  letztere  durehfliesst 
unterhalb  Nikolajew  den  Liman  de»  Bug  und  mündet,  mit  dem  Dnjepr 
vereint,  bei  Otsehakow  in  das  Sehwarae  Meer.  —  15  W.  südl.  die  Ruinen 
der  milesisehen  Colonie  Olhia. 

1089  W.  Trepowka  (TpenoBKa);  1113  W.  Jeliatawetgrad  (Ejih- 
caBerrpaAi;  Hotel  Wetzel;  Bahnrest.),  Kreisstadt  des  Gouverne- 
ments Chersson,  auf  Befehl  der  Kaiserin  Elisabeth  1754  gegründet, 
mit  51  774  £inw.  und  starker  Garnison,  wohlgebaut  mit  hübschen 
Boulevards  und  breiten  Strassen  wie  der  Bolachoi  Prospekt,  In  der 
Stadt  ein  kaiserlicher  Palast;  in  der  Vorstadt  Kowalewska  viele 
Häuser  des  Landadels.  Jährlich  vier  grosse  Märkte;  Handel  in 
Tabak,  Leder  u.  s.  w.  —  2  W.  entfernt  ein  grosser  kaiserlicher  Park ; 
in  der  Umgegend  viel  Kurgane  (S.  255). 

1135  W.  SchestaJcowka  (UlecraKOBKa).  —  1158  W.  Pletenyi- 
Taschlyk  {TLseTemt^'TtimAhai'b).  —  1180  W.  Nowo-Ükraitika  {Hobo- 
YxpaHHKa;  Bahnrest.).  —  1193  W.  Pomoschnaja  (IIoifoniHafl).  — 
1208  W.  QlinjanaJa{TimimM),  —  1226  W.  Bandurka  (BaHAypKa). 
—  1252  W.  Golta  (roira,  Bahnrest.),  Station  für  Olvnopol,  an  der 
Mündung  der  Ssinjucha  in  den  Bug,  wichtiger  Getreidemarkt  mit 
5397  Einw.  Die  Bahn  überschreitet  den  Bug  auf  schöner  Brücke. 
1272  W.  Katennowka  (KarepHBOBKa).  —  1287  W.  Wradijewka 
(BpaxieBKa).  —  1311  W.  I^jubasehewka  (JlioöameBKa).  —  1321  W. 
Saplasy  (3anja3u).  —  1343  W.  Sherebkowo  (IRepeÖKOBO). 

1362  W.  Balta  (Eaira;  Bahnrest.),  Kreisstadt  mit  18,842  Einw. 
und  lebhaftem  Handel;  grosser  Pferdemarkt  im  Mai.  Die  Ver- 
wüstung der  Stadt  durch  die  Kosaken  gab  im  J.  1768  der  Pforte  An- 
lass  zur  Kriegserklärung  an  Russland. 

13^  W.  Binnila  (s.  S.  388).  In  der  Nähe  das  Schloss  des  be- 
kannten sächsischen  Diplomaten  von  Seebach.  —  Der  Charakter 
der  Gegend  ändert  sich,  die  Wälder  verschwinden;  vereinzelte 
Gruppen  verkrüppelter  Elchen  und  Felder  von  Arbusen  (Wasser- 
melonen) erscheinen ,  letztere  um  so  häufiger ,  je  mehr  man  sich 
der  eigentlichen  Steppe  nähert.  Der  Boden  ist  fruchtbar ,  Baum- 
wuchs aber  zeigt  sich  nur  an  den  Flüssen.  Das  Land  wird  v611ig 
flach.  348  W.  Tsehuhowka  (MyöoBBa).  —  365  W.  Mardarowka 
(MapxapoBKa).  —  377  W.  Perekrestowo  (Jie^eti^ecTOBo).  —  389  W. 
Satischje  (BaTHnue).  In  der  Nähe  einige  deutsche  Colonien ,  dicht 
an  der  Bahn  Michaelsthal, 

407  W.  /iranot&fca  (ÜBaHOBKa).  -- 416W.  Wessely-KutiBeceihA" 
Kyn).  -  430  W.  Migaewo  (MHraeBo).  —  445  W.  Bas^elnaja  (Pas- 
A'ftAHaa;  Bahntest,),  Knotenpunkt  der  Bahn  nach  Kischlnew.  — 
465  W.  Kolonta^wka  (KoiOHraeBRa).  —  471  W.  Karpowo  (Kap- 
noBo).  —  480  W.  Wyffoda  (BiiroAa).  —  491 W.  Qniljakowo  {Tbjub- 
KOBo).  Dann  zieht  sich  die  Bahn  in  weitem  Bogen  an  der  Vorstadt 
Moldawanka  (S.  407)  und  dem  Güterbahnhof  vorüber  um  die  Stadt 
herum  nach  Odessa,  s.  S.  401. 


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S3.    Odessa  und  TTmgebimgen. 


Bahnhdfe:  Odessa  hat  2  Bahnhöfe  für  den  Personenverkehr:  den 
Neuen  Bahnhof  auf  dem  Kulikowo  Pole  (PI.  D  8),  für  die  Südwest- 
bahnen (lOro-sanaxHUB  sejnsioifl  ffoponi)  und  den  Hafen-Bahnhof 
(PI.  £  5),  für  die  Züge  naeh  dem  Kujalnik-Liman  (S.  4(T7)  und  für  den  An- 
schluss  an  die  Dampfschiffe. 

Gaatiböfe:  London,  am  BouleTard  11  (P1.D4),  Z.  von  1-15  B.,  M.  m. 
W.  U/iB..,  Bäder  im  Hause ;  *E  ur  o p  a ,  Puschklnskaja  4  (PL  D  5),  deutsche 
Bedienung ,  Z.  von  II/4  R.  an,  H.  I-IV4  R«i  Bäder  im  Hause ;  d  u  K  0  r  d  , 
Teatralny-Pereulok  12  (PI.  D5),  Z.  von  1-6  R.,  2.  Fr.  i'aR.,  M.  von  2  R. 
an^  St.  Petersburg,  Ecke  der  Jekaterinskaja  und  des  Boulevard,  Z. 
von  1-löR.,  M.  von  75 Kop. -II/3  R.  ^  Hdt.  de  Paris;  Puschkinskiga  8, 
Z.  von  7ÖKop.-10R.,  M.  m.  W.  von  'A-liAß-;  Suisse,  Lansherons- 
kaja  21,  Z.  von  1-4  R.,  M.  m.  W.  1  u.  IV4  »•  5  Central  (PI.  05),  Preo- 
brashenskajaSi;  Krim,  Ssabanjejew-BrückeS;  France,  Deribassows- 
kaja  31;  Gr.-Hdtel  (KiM&wsky)^  Gherssonskaja;  Victoria;  u.  v.  a. 

Eestavranta:  Fran^ais,  Jekaterinskaja-Platz,  nahe  dem  Boulevard, 
gute  Küche,  nicht  billig;  Kissowsky,  im  Gr. -Hotel  (9.  oben);  Hiel- 
8  eh  er,  Alexanderprospect ,  Haus  Taljansky,  deutsehe  Zeitungen,  nicht 
theuer;  Joseph  Wehrwag  („Joseph^O^  Polizeiskaja,  Haus  Trftchten- 
berg,  gutes  Bier,  viel  von  Kaufleuten  besucht;  H.  Bruhns,  Deribassows- 
kaja,  Haus  Wagner,  einfach.  —  Caft-BMtauranta :  Richelieu,  Ecke 
der  Lansheronskaja  und  RischeljewskajA  (l^eue  Fr.  Presse  u.  fremde  Zei- 
tungen), besonders  im  Sommer  istark  besucht;  Palais  Royal,  Lanshe- 
ronskaja im  Palais  Royal,  viel  von  Franzosen  besucht;  Griechisches 
Cafe -Rest.,  Ecke  Gretseheskaja  und  Krassny  Pereulok,  Curiosität; 
etwas  reinlicher  Hör aia  Hellas  (Uoata  EXXaOf  Ecke  Gretseheskaja  und 
Gretschesky  Rynok,  Vorsicht  beim  Rauchen  des  Nargileh  (türk.  Wasser- 
pfeife) ist  rathsam.  —  Weinstuben :  Talla  (Bremerhafen- Keller) ,  Ecke 
Rischeljewskaja  und  Deribassowska^a;  J.  Fuchs,  Polizeiskaja,  Haus 
Kirejewsky.  —  Oafts  und  Oonditoreien :  Zambrini,  Deribassowskaja, 
Haus  Barmas  -  Puritz ,  und  im  Palais  Royal  No  8,  Eingang  vom  Garten 
aus,  im  Sommer  auch  Pavillon  am  Boulevard,  1.  von  der  Freitreppe; 
Robin at.  Ecke  Teatralny  Pereulok  und  Jekaterinskaja,  deutsehe  Zei- 
tungen; Klas,  Rischeljewskaja,  Haus  Barshansky,  viel  von  deutschen 
Kaufleuten  besucht.  —  Theehtuser  (Tschainy  TrakUr)^  von  den  elegantesten 
bis  KU  den  primitivsten*.  Jermakow,  Ecke  der  grossen  Arnautskaja 
und  Usspensky- Pereulok;  Schermajewsky,  Ecke  Polizeiskaja  und 
Kolodesny  Pereulok,  beide  mit  grossen  Orchestrlons. 

Yergnülpm^aloeale :  Des ir off,  im  Stadt-  oder  Kronsgarten  (Con- 
certe);  Tivoli,  Hielscfaers  Sommergarten,  beide  auf  dem  Kuli- 
kowo Pole;  Datsehe  Livie  (früher  Lüders);  Bell  evue  oderLanshe- 
ron  (Grocholsky),  dicht  am  Meer;  in  den  drei  Fontänen  (s.  S.  407). 

Bentaohe  XInba:  Harmonia,  Lansheronskaja  34,  Einführung  durch 
Hitglieder;  Handwerker-  und  Gewerbe  verein,  Jewreiskaja, 
eigenes  Haus,  gute  bürgerliche  Gesellschaft;  Hänner-Turnverein; 
ausserdem:  Englischer  Klub,  Puschklnskaja  2,  gegenüber  der  Biblio- 
thek, von  seiner  inneren  Ausstattung  so  benannt,  Versammlungsort  der 
Aristokratie. 

Srotchken  (Iswostschiks) :  einfache  Fahrt  innerhalb  der  Stadt  20,  nach 
dem  Neuen  Bahnhof  und  den  Vorstädten.  30  Kop.  und  mehr,  je  nach 
Entfernung  und  Wetter;  nach  dem  Praktischen  und  dem  Neuen  Hafen  30, 
naeh  dem  Quarantänehafen  40,  nach  dem  Güterbahnhof  60  Kop. ;  nach 
dem  Alexanderpark,  den  Fontänen,  Lustdorf,  den  Limanen  u.  s.  w.  accor- 
diren.  —  Wagen:  (Landauer,  sapeTa),  ein-  und  zweispänn. ,  mit  Halte- 
stelle am  griechischen  Bazar  und  in  der  Gavannaja  gegenüber  dem  Krons- 
garten ;  eine  Taxe  existirt,  jedoch  ist  aecordiren  rathsam. 

Tramways ,  Hauptlinien :  vom  Kulikowo  Pole  (PI.  D  8)  zum  Ende  der 
Chergsonskaja  (PI.  B  3) ;  vom  Hafen  (PL  D  4)  zum  Güterbahnhof  (PI.  A  9) ; 
eingleisig  durch  die  übrigen  Hauptstrassen:  Theilstrecke  5  Kop.  Ferner 
zum  Alexanderpark,  Neuer  Boulevard,   Lansheron  (Abfahrt    Ecke  der 

Russland.  2.  Aufl.  26 


402    Boute  33,  ODESSA.  Verkehrsmittel. 

Potflchtowaja  und  RiBeholiewaktja)  ^  nach  Klein-Fonian  (Abfahrt  Seke 
der  Gr.-Arnautskaja  und  Rtscheljewskaja)  lOKop.;  nach  dem  Chadslii- 
weisky-Liman  (Abfahrt  Ecke  der  Torgowaja  und  Jelisawetinskajü,  nur  im 
Sommer)  15Kop.  —  Damp/strassenbahn  (Im  Sommer  stündlieh)  vom  Ku- 
likowo  Pole  zum  Lager  10  Kop.  ^  nach  der  tnittltren  Fontäne  15,  nach,  der 
Grossen  !20  Kop. 

Lineiken  (Omnibus),  nur  von  den  niederen  Yolksklassen  benutzt. 
Fahrt  ö  Kop. ;  im  Sommer  nach  Klein'Li^>€nthal  (Abfahrt  Ecke  der  Riscliel- 
jewskaja  u.  6r.  Arnautskaja)  60  Kop. 

Post  (PI.  26:  D 6),  Ecke  der  Jekaterinskaja  und  Potschtowaja,  geöffnet 
von  8  U.  Vm.  bis  8  U.  Ab. ,  So.  u.  Festtags  von  12-2  ü.  Nm.  —  Tele- 
graphenamt: Ecke  der  Kjeshinskaja  und  Gulewaja  (PI.  C5). 

Buohhandlungen :  L.  Rudolph  (E.  Berndt),  Deribassowskaja,  Haus 
Wagner^  /.  Deubner  (G.  Schleicher)  *,  Rousseau (französ.)t  Rischeljewskaja  6. 

Banlien  und  Sankiera :  Kaiserliche  Bank  in  der  Lansheronskaja  (PI.  D  5) ; 
Raffalowitsch;  Drejifuss;  Mahs  A  Co.  —  Weohaalttuben:  /.  Oruber^  Deri- 
bassowskaja,  Baus  Wagner-,  Sonntchein^  ebenda,  Haus  der  griech.  Schule; 
MünZf  Jekaterinskaja,  grieeh.  Schule. 

BAder :  Warme :  ausser  in  den  Hotels  (s.  oben) :  Issakowitseh, 
Preobrashenskaja,  eigenes  Haus;  Warschauer  Harmorbad,  Gavan- 
naja, Haus Choto witzky .  —  Seebäder :  StädtiseheBadeanstalten  am 
Hafen  (PI.  D4);Is8akowit8eh,  im  Hafen  an  der  Freitreppe \  in  Lau- 
sheron,  den  Fontänen,  Lustdorf  (stärkster  Wellenschlag),  in  den  Limanen 
(S.  40T)  u.  s.  w. ;  warme:  Soiko  witsch  am  Hafen,  1.  von  der  Freitreppe. 

Aerate:  Dr.  Meyer,  Jelisawetinskaja  13;  Dr.  Wagner  (auch  Augen- 
arzt), am  Boulevard  1;  Dr.  Fricker,  Ssabanjejewbrücke,  Haus  Gagarin; 
Dr.  Donath,  Jamskaja  69;  Mere^re  (Franzose),  Jekaterioskig^ ^• 

Apotheken:  Deribasapotheke«  Deribassowskaja;  Hajewaky, 
ebenda,  31;  K estner,  Jekaterinskaja  7;  Pokorny,  ebeuda,  31;  Ka- 
tanson,  Rischeljewskaja  12;  Smolikow,  Poschkinskaja  25;  Saide - 
mann,  Jamskaja  59;  Pisskorsky^  Guljewiga  4;  von  Jung,  Alexan- 
derprospect  6;  Lemme,  Potschtowaja,  eigenes  Haus. 

Xonauln:  Deutsches  Reich:  General-Konsul  Dr.  J.  Lührssen.  Belgien  : 
Gteneral-Konsul  P,  ffagenMns.  Frankreich :  Konsul  £.  A.  Cassas.  Groas- 
britannien:  General-Konsul  0.  R.  Perry,  Oesterreieh-Ungarn :  RiUer  von 
Piombazzi.    Schweiz:  Konsul  0.  A.  Freudenreich. 

Theater :  Stadttheater  am  Theaterplatz  (PI.  27 :  D  5).  Preise  bei 
Dramen:  Logen  15*3 B.,  Parquet  4-1  B.,  Amphitheater  75-50 Kop.,  Gallerie 
40-15  Kop. ;  bei  Opern  20-4  B.,  5-1  B.,  1  R.  -60  Kop.,  50-20  Kop. ;  bei  beson- 
deren Vorstellungen  erhöhte  Preise.  Russki-Theater,  für  ruaaisehe 
Oper  und  Schauspiel,  an  der  Ecke  der  Gretscheskaja  und  Kolodesny- 
Pereulok  (PI.  d5);  Marientheater,  für  französische  Operette,  am 
Theaterplatz  (PL DD). 

Poliaeiamt  (zugleich  Auskunftsstelle  für  Adressen),  PreobrashenskaJaSS. 

Dampfer  der  Russischen  Gesellschaft  für  Dampfschifffahrt  und  Bändel 
von  Mai  bis  October  3mal  wöcbentUeb  (im  Winter  2mal  wöchentl.)  über 
EupatorialÜO  B.  50,  7  R.  50,  2  R.  80  Kop.),  ^Sewastopol  (in  c.  21  Stunden  für 
12  R.  50,  9  R.,  3  R.  20  Kop.) ,  Jalta  (15  R. ,  11  R.,  3  R. ,  60  Kop.) ,  Feodosia 
(17  R.  50,  13  R.,  4  R.  40  Kop.),  nach  Kertsch  (in  48-50  St.  für  21,  15,  ö  B. 
20  Kop.)  und  Batum  (in  c.  90  St.  für  39,  30  R.  50,  9  R.  80  Kop.). 

Kach  Nikolajew  im  Sommer  täglich  ausser  Sa.  (im  Winter  3mal 
wöchentlich)  in  8  St.  für  3,  1  R.  80,  80  Kop. ;  nach  Chersson  in  9  St.  für 
3  R.  60,  2  R.  40  Kop.,  1  R. 

Xach  Constaniinopel:  Bamp/er  der  russischen  Gesellschaft  für  Dampf- 
schifffahrt 3mal  wöchentl.  in  38-48  St.  für  23  u.  15  R.  \  Oesterr.  Lloyd  und 
Florio-Rubattino  im  Sommer  Imal  wöchentlich,  im  Winter  alle  14  Tage. 
Fahreeit  e.  36  St.,  Fahrpreis  45  u.  32  fl.  resp.  23  und  15  R. 

Odessa,  Hauptstadt  des  Gouvernements  Chersson,  mit  einem 

eigenen  Stadtgebiet  von  462,5  qkm,  Sitz  eines  Generalgouvemeurs, 

des  Generalcommando*s  des  VIII.  Armeecorps,  eines  Appellgerichts. 

eines  Erzbischofs  u.  s.  w. ,  viertgrösste  Stadt  Russlands  mit  c. 


Kirchen.  ODESSA.  33.  RouU.     403 

220,000  Einw.,  daranter  gegen  8000  Deutsclie ,  zahlreiche  andere 
Ausländer,  fast  Vs  Juden,  wichtigste  Handels-  und  Fahrikstadt 
am  Schwarzen  Meere  (bes.Eisengiesserelen,  Seifen-,  Leim-,  Stärke-, 
Malz-  und  Tabakfabriken,  Spiritusbrennereien,  Salzsiedereien 
(S.  408)  u.  6.  w.  Am  bedeutendsten  ist  der  Getreidehandel :  die  Aus- 
fuhr an  Kornfrüchten  betrug  im  J.  1863 :  60  Mill.  Pud ,  der  Ge- 
sammtwerth  derselben  betrug  60  Mill.  R. ;  die  Einfuhr  überstieg 
44  Mill.  R.  —  2146  Seeschiffe  liefen  1883  den  Hafen  von  Odessa  an. 
Die  Rhederei  ist  grösstentheils  in  den  Händen  der  ,, russischen  Ge- 
sellschaft für  Dampfschififfahrt  und  Handel.'^ 

An  Kirchen  besitzt  Odessa  mehr  als  20  orthodoxe ,  2  deutsche 
evangelische,  je  eine  englische  presbyterianische,  römisch-katho- 
lische, armenische,  2  Klöster,  6  Synagogen,  wovon  eine  karaitisch, 
zahlreiche  Wohlthätigkeitsanstalten  wie  das  städtische  Hospital 
(PI.  9:03)  mit  2000  Betten  u.  s.  w.  Von  gelehrten  und  Bildungs- 
anstalten sind  vorhanden  eine  Universität  mit  guten  Laboratorien, 
Sternwarte  und  Bibliothek ,  geistliche  Semlnarien ,  mehrere  Gym- 
nasien und  andere  Schulen,  ein  deutsches  Realgymnasium,  eine 
Stadtbibliothek)  ein  Alterthumsmuseum   hauptsächlich  für  pon- 

tische  Alterthümer  u.  s.  w. 

Das  Beseript,  durch  welches  Katharina  II.  die  Gründung  der  Stadt 
befahl,  datirt  vom  27.  Mai  1794.  Den  Namen  erhielt  die  neue  Stadt, 
welche  aus  dem  kleinen  tatarisch-türkischen  Ort  Chadjibey  erwuchs,  ver- 
muthlich  von  dem  bei  Arrian,  Per.  Pont.  Eux.  XX,  2  erwähnten  sarma- 
tischen  Hafen  Odessus,  der  in  der  l^ähe  gelegen  haben  soll.  Von  [1817 
bis  1847  war  Odessa  Freihafen ;  grosse  Verdienste  um  die  Stadt  erwarben 
sich  als  Generalgouverneure  der  Herzog  von  Bichelieu  und  Fürst  Woron- 
zow  (s.  S.  405).  Seit  1874  besitzt  die  Stadt  eine  gute  Wasserleitung,  die 
ihr  das  Wasser  des  Dnjestr  aus  e.  40  W.  Entfernung  zufährt.  Den  leb- 
haften Aufschwung  in  neuerer  Zeit  verdankt  Odessa  seinem  Anschluss 
an  das  Centralrusslsche  Eisenbahnnetz.  —  1854  wurde  die  Stadt  erfolglos 
von  der  französisch  -  englischen  Flotte  angegriffen  ^  ebenso  wirkungslos 
war  1876-77  die  Blokade  durch  türkische  Kriegsschiffe, 

Odessa  liegt  etwa  30  W.  nördlich  von  der  Mündung  des  Dnjestr 
an  einer  gegen  Versandung  geschützten,  weiten  und  tiefen  Bucht: 
c.  47  m  über  dem  Spiegel  des  Schwarzen  Meeres  auf  dem  hier  meist 
steil  abfallenden,  mehrfach  von  tiefen  Hohlwegen  (Owiagi  oder 
Balki)  durchschnittenen  Plateau  der  pontischen  Steppe,  an  dessen 
Bande  es  sich  c.  6  km  lang  hinzieht.  Breite  sich  rechtwinklig 
schneidende  Strassen  mit  gutem  Granitpflaster,  vielfach  mit  Baum- 
reihen versehen,  steinerne  Gebäude,  unter  denen  besonders  die 
Getreidespeicher  durch  ihre  Grösse  auffallen,  machen  die  Stadt 
zu  der  regelmässigsten  und  stattlichsten  Russlands,  der  andrer- 
seits das  Meer  und  die  südliche  Lage  wie  das  orientalisch  -  süd- 
liche Bevölkernngsgemiseh  einen  eigenthümlichen  Reiz  verleihen. 
Das  Baumaterial  für  Odessa  lieferte  der  weiche  Muschelkalkstein, 
welcher  sich  unter  der  Lehmschicht  des  Steppenbodens  findet ,  so- 
dass ein  Theil  der  Stadt,  namentlich  die  Moldawanka  (S.  407)  voll- 
ständig unterhöhlt  ist ;  die  Steine  für  das  Strassenpflaster  wurden 
aus   Alexandrowsk  am  Dnjepi  (S.  409)  bezogen.    Durch  grösste 

26* 


404    Baute  33,  ODESSA.  BouUvard. 

A\)sdauer  und  sorgfältigste  Pflege  wurden  dem  undankbaren  Boden 
Anpflanzungen  abgerungen,  die  bei  der  völlig  baumlosen  Um- 
gebung mit  Becbt  der  Stolz  der  Odessaer  sind,  so  im  Südosten  der 
Stadt,  der  AUxanderpark  mit  dem  neuen  Boiüevard,  Prlvatgärten 
mit  Landhäusern  (Datschen)  ziehen  sich  an  der  Ostseite  auf  dem 
Abhang  zum  Meere  hin.  Alle  freilich  haben  unter  dem  Erbübel 
Odessa's,  dem  unsäglichen  Staub  zu  leiden. 

Den  schönsten  Theil  der  Stadt  bildet  der  BoideTftrd  (PI.  D  £ 
4, 5),  der  sich  am  Rande  des  Abhangs  oberhalb  der  Häfen  hinzieht, 
auf  der  einen  Seite  von  palastähnlichen  Gebäuden,  auf  der  anderen 
von  vier  Reihen  Bäumen  und  Anlagen  begrenzt,  überall  mit  pracht- 
voller Aussicht  auf  das  Meer,  im  Sommer  der  Sammelplatz  der 
vornehmen  Welt  Odessa's,  wie  im  Winter  die  Deribassowskaja.  Er 
erstreckt  sich  genau  von  N.  nach  S.  ungefähr  450  m  lang.  Im  Nor- 
den bildet  das  Woronxow^aehe  Falais  den  Abschluss  der  imposan- 
ten Häuserreihe.  In  der  Mitte  derselben  das  kaiserliche  Schloss 
(^BOpem),  ehemals  den  Naryschkin  gehörig,  zugleich  Wohnung 
des  General-Gouverneurs  (PL  D  4,  5 ;  unzugänglich).  Fast  in  der 
Mitte  des  Boulevard,  vor  dem  Eingang  zur  Katharinenstrasse,  steht 
die  Statue  desHerzogB  vonBichelien,  Generalgouverneur  180S-1814 
(S.  403),  auf  das  Meer  blickend.  Am  Sockel  des  an  sich  unschein- 
baren Denkmals,  ausser  der  Inschrift  Reliefs  mit  allegorischen 
Darstellungen  (Handel,Wohlstand,  Gerechtigkeit)  und  eine  Kanonen- 
kugel ,  welche  bei  der  Beschiessung  der  Stadt  durch  die  Engländer 
das  Denkmal  beschädigt  haben  soll.  Vor  dem  Denkmal  führt  eine 
mächtige,  über  20  m  breite  Granittreppe  von  193  Stufen,  an  deren 
unterem  Ende  sich  eine  hübsche  Kapelle  befindet,  zum  Meere  hinab. 
Die  Treppe  hinabsteigend  erblicken  wir  r.  den  trefflich  eingerich- 
teten, völlig  isolirten  Quarantänehafen,  für  alle  vom  Ausland 
kommenden  Schiffe.  Auf  dem  1*/? km  langen  Molo,  welcher  den 
Hafen  s.  abschliesst ,  läuft  ein  vom  grossen  Güterbahnhof  (PL  A  9) 
ausgehender  Schienenstrang  entlang;  auf  der  Ostspitze  ein  Leucht- 
thurm  mit  mehrfarbigem  Licht.  Daneben  1.  der  PlatonowskVsche 
( IIiaTOHOBCKafl  raBaHb)  und  der  Praktische  (Handels-)  Hafen 
(IIpaKTHqecKafl  raBaeb),  in  welchem  die  städtischen  Badeanstalten, 
beide  für  die  aus  russischen  Häfen  kommenden  Schiffe  bestimmt 
und  durch  mächtige,  über  1  km  lange  Molen  nach  dem  Meere  zu 
abgeschlossen.  Am  weitesten  1.  der  Androssowski'ache  Hafen  (Ah- 
ApacoBCKaii  raBanb).  Am  Nordrande  der  Bucht  zieht  sich  die  Vor- 
stadt Pereasyp  entlang. 

Am  Südende  des  Boulevard  erhebt  sich  das  stattliche,  in  grie- 
chischem Styl  mit  breitem  Porticus  erbaute  Stadthaus  (Duma ;  PL  3 : 
D  5)  mit  der  Börse  (Di.  und  Fr.  Börsentage) ,  1871  bedeutend  er- 
weitert; der  prächtige  grosse  Saal  wird  im  Winter  auch  zu  Con- 
certen  u.  a.  benutzt. 

An  den  Boulevard  grenzt  w.  von  der  Duma  ein  massig  grosser 
asphaltirter  Platz,  in  welchen  die  Puschkinskaja  (S.  406)  einmün- 


Häfen.  ODESSA.  33,  Route,    405 

det.  An  der  Ostseite  die  Stadtbibliothek  (PL  E5),  geöffnet  täglich 
von  10-2  und  4-7  (im  Winter  bis  8)  Uhr,  in  weicher  auch  das  itf«- 
seum ,  hauptsächlich  Funde  aus  den  altgriechischen  Oolonien  an 
der  Nordkäste  des  Schwarzen  Meeres  enthaltend ,  untergebracht  ist 
(Eintritt  30  Eop.).  —  ]>6r  Bibliothek  gegenüber  auf  der  anderen 
Seite  der  Lansheronskaja ,  welche  ö.  zum  Hafen  hinabführt,  das 
grosse  Gebäude  der  russischen  Oesdlschaft  für  Dampfschiffahrt 
und  Handel  (S.  402). 

Der  Lansheronskaja  in  w.  Richtung  folgend  gelangen  wir  am 
(r.)  Englischen  Klub  (PI.  4;  s.  S.  401)  voioiber  zum  Theaterplatz 
(TearpaJirHaii  njornaxb)  mit  dem  neuen,  1887  eröffneten  Stadttheater 
(PI.  27),  nach  dem  Vorbild  des  Dresdner  Hoftheaters  erbaut.  Rei- 
cher Figurensehmuck  ziert  Porticus  und  Attica  des  Hauptportals 
an  der  Südseite  des  Gebäudes.  Die  Deckengemälde  des  auf  2000  Per- 
sonen berechneten  Zuschauerraums  (nur  Sitzplätze)  und  der  Vor- 
hang mit  Scenen  aus  Puschkin's  „Russlan  und  Ludmilla"  rühren 
von  Lefler  aus  Wieu  her.  —  An  der  Ecke  des  Theaterplatzes  das 
Haus  Bellino  mit  grossen  Magazinen,  gegenüber  das  sogen.  FcUais- 
Royal,  welches  Läden,  Restaurant,  Garten  u.  s.  w.  enthält. 

Von  hier  führt  r.  die  Deribassowskaja ,  mit  den  glänzendsten 
Läden  der  Stadt ,  in  welcher  r.  an  der  Ecke  der  Jekaterinskaja  das 
mächtige  Gebäude  der  griechischen  Schule  (Fpe^ecKoe  KOMMep- 
HecKoe  jHBinme) ,  zum  StadtiMhen  oder  Xrons-Garten  (FopoACKofi 
HiH  Kaaesitiiiä  ca^i ,  PI.  0  D  5) ,  trotz  seiner  neuerdings  erfolgten 
Umgestaltung  noch  einer  der  besuchtesten  Yergnügungsorte  der 
Odessaer.  Daselbst  ein  Restaurant  und  eine  Mineralwasserfabrik, 
verbunden  mit  Kumyss-  und  Kephiranstalt.  Im  Sommer  finden 
Abends  häufig  Concerte  statt,  im  Winter  ist  hier  eine  Eisbahn. 

Weiter,  die  Preobrashenskaja  (s.  unten)  kreuzend ,  zum  Ssobor- 
Flatz  (PI.  0  5),  mit  hübschen  Anlagen,  Springbrunnen,  Spiel- 
plätzen u.  s.  w.  An  der  Westseite  des  Platzes  die  Kathedrale  (PI.  13 : 
0  5),  104  m  lang ,  42  m  breit,  50  hoch ,  mit  81  m  hohem  Glocken- 
thurm;  äusserlich  unschön,  z.  Th.  noch  aus  Holz  erbaut,  im  Inneren 
glänzend  ausgestattet.  R.  vom  Haupteingang  das  Grabmal  des 
Fürsten  Woronzow  (s.  unten),  daneben  eine  18218  erbeutete  Türken- 
fahne. In  den  Anlagen  vor  der  Nordseite  der  Kirche  steht  das 
Senkmal  des  Fürsten  WoronBOW,  des  Generalgouverneurs  von 
Odessa  von  1823-1856.  Den  Sockel  aus  grünem  poliertem  Granit 
zieren  ausser  der  Inschrift  Reliefs  mit  Darstellungen  aus  dem  Leben 
des  Fürsten. 

Vom  Ssoborplatz  führt  n.  die  Koblewskaja ,  in  welcher  r.  der 
Circus  Salamonsky,  zum  Neuen- Bazarplatz  ( HoBOÖaaapaafl 
DioniaAb;  PL  04),  auf  welchem  täglich  Markt  stattfindet.  Die  un- 
schönen Kaufbuden  überragt  die  grosse  Ssrjetinskaja  oder  Nowo- 
bazarnaja  Kirche  (CplTHECKaa  aepKOBb;  PL  20),  ein  mächtiger 
Bau  mit  fünf  Kuppeln;  im  Inneren  kaum  sehenswerth.  —  Zurück 
durch  die  Koblewskaja  zur  Dworßanska^a ,  in  welcher  sich  r.  (w.) 


406    Rofäe  33.  ODESSA.  Neuer  Bahnhof. 

am  Ereuzungspunkt  mit  der  Jamskaja  (Fahrmannsstrasse)\  einer 
der  ältesten  Odessa's,  die  einfache  lutherische  Kirche  (PI.  15) ,  ge- 
wöhnlich. NJemetzkaja  (deutsche)  -Kirche  genannt,  befindet.  Hinter 
der  Kirche  die  der  lutherischen  Gemeinde  gehörigen  Gebäude:  das 
Pfarrhaus,  »Schule,  die  St.  Pauli-Realschule,  Waisen-  und  Siechen- 
haus ;  ein  Krankenhaus  ist  im  Bau.  —  L.  (ö.)  führt  die  Dworjans- 
kaja  auf  die  an  der  Ecke  der  Cherssonskaja  gelegene  NeuTU$fi8che 
Universität  (HoBopycKiä  yEHBepcHTeT-B ,  PI.  28 :  C  4) ,  welche  zu- 
gleich archäologische,  naturwissenschaftliche  u.  a.  Sammlungen 
(geöffnet  Sonntags  12-2  Uhr)  enthält.  Die  Universität  zählte  1883 : 
45  Docenten  und  c.  400  Studirende.  —  Am  n.  Ende  der  Cherssons- 
kaja die  grossen  Hospitäler  (PI.  8,  9:  BC  3).  S.  führt  die  Cherssons- 
kaja zur  Preohrashenskaja,  der  längsten  Strasse  Odessa's  (c.2V2km), 
mit  Baumreihen  und  Anlagen.  Nahe  dem  n.  Ende  der  Strasse  das 
hellrothe  Gebäude  der  Handelsaehule  (KoHMepiecKoe  y«iHiHiiie, 
PI.  D  4).  Kurz  vor  derselben  führt  der  Kasarmenny  Pereulok  zur 
NadjeshdinikajOy  einer  kurzen  aber  prächtigen  Strasse,  von  welcher 
ebenfalls  eine  Treppe  zum  Hafen  hinabführt.  R.  zweigt  von  der 
Nadjeshdinskaja  die  Ssabanjejewbrücke  ab  zum  Katharinenplat», 
der  mit  Anlagen  geziert  ist.  Von  hier  gelangen  wir  1.  zum  Richelieu- 
denkmal und  dem  Boulevard  (S.  404),  während  s.  die  Jekaterinskaja 
einmündet ,  ebenfalls  eine  der  Hauptstrassen  Odessa's.  Dieser  fol- 
gend gelangen  wir  zur  römisch-katholiachen  Kirche  (PI.  19:  D  6), 
neuerdings  restaurirt  und  im  Inneren  reich  geschmückt.  Gegen- 
über das  Hauptpostamt  (PI.  26)  y  an  der  Ecke  der  Fotschtowaja, 
welche  r.  zu  dem  w.  mit  der  Jekaterinskaja  parallellaufenden  Ale- 
xandrowski-Prospect  führt ,  einer  breiten  Strasse  mit  Baumreihen, 
Springbrunnen  und  zahlreichen  Läden ,  meist  im  Besitz  jüdischer 
Kaufleute.  Ungefähr  in  der  Mitte  der  Strasse  die  grosse  Pokrows- 
kaja- Kirche  (PL  16:  D  6).  N.  schliesst  der  griechische  Bazar 
(FpeqecKiM  Öasapi ;  PL  24),  s.  der  alte  Bazar  (Crapuft  öasapi)  den 
Prospect.  Von  hier  durch  die  Usspenskaja  mit  der  Vsspentka^a- 
Kirche  (ycnencKafl  iiepKOBfc ;  PL  22:  C  6)  zurück  zur  Jekaterinskaja, 
in  welcher  sich  1.  am  Schnittpunkt  mit  der  Trtyitzka^a  die  Troitz- 
ka Ja- Kirche  (Tpo^UKaa  KepKOBfc;  PL  21:  D  6)  erhebt,  während  Ö. 
das  Nonnenkloster  (^'bsM^iä  MOHaoHupfc ;  PL  E  6)  den  wirkungs- 
vollen Abschluss  dieser  breiten  und  schönen  Strasse  bildet.  Ihr 
Ende  erreicht  die  Jekaterinskaja  am  Priwosnaja- Platz  (IIpiiBOSBaji 
HiODiaAb ;  PL  D  7) ,  von  welchem  der  Weg  zum  Kulikowo  Pole 
(Schnepfenfeld)  führt.  Hier  erhebt  sich  der  Neue  Bahnhof,  1884 
eröffnet ,  ein  monumentales  Gebäude  im  Stil  italienischer  Renais- 
sance. Auf  der  (r.)  Abfahrtsseite  befinden  sich  die  Diensträume 
und  Wartesäle,  auf  der  (1.)  Ankunftsseite  die  Gepäckexpedition, 
Restaurants,  Wartesäle  u.  s.  w.  —  Zur  Osterzeit  findet  auf  dem  Ku- 
likowo Pole  ein  Jahrmarkt  mit  allerlei  Volksbelustigungen  statt. 

Vom  Bahnhof  gelangen  wir  durch  die  Puschkintkaja ,  früher 
Italianskaja  genannt,    in  welcher  r.  zwischen  Polizeiskaja   und 


Limant.  ODESSA.  3d.R(mte,    407 

Gretscheskaja  an  dem  Hanse  Siccard  eine  Tafel  an  den  Aufenthalt 
Puschkin's  (3AlCb  SHib  DyiiiKHH'B  bt»  1823  roAy :  hier  wohnte  Pusch- 
kin im  J.  1823)  erinnert,  zur  Duma  und  dem  Boulevard  (S.  404) 
zurück. 

Die  Vorstädte  Odessa's,  Peressyp  im  N. ,  Nowaja  Sslohodka  im 
N.-W. ,  Moldawanka  und  Melnizy  im  S.-W. ,  sind  meist  von  der 
Arbeiterbevölkerung  bewohnt  und  für  den  Fremden  ohne  Interesse. 

In  unmittelbarer  Nähe  Odessa's  liegen  s.  die  beliebten  Ver- 
gnügungsorte :  der  Alezanderpark  und  der  neue  Boulevard  (Pferde- 
bahn 10  Kop.,  s.  S.  401),  mit  einem  Restaurant;  im  Sommer  finden 
hier  bei  günstiger  Witterung,  Concerte  statt.  Etwa  10  Min.  weiter 
Laasheron  oder  Bellevu^f  wo  sich  eine  Gartenwirthschaft  und  ein 
gutes  Seebad  befinden.  —  Von  Lansheron  führt  ein  schöner  Fuss- 
weg  am  Meere  entlang  an  zahlreichen  Datschen  und  Privatgärten 
vorbei  über  Xlein^Fontan  oder  die  kleine  Fontäne  (Pferdebahn ,  s. 
S.  402)  mit  Gartenrestaurant  (Concerte)  und  Seebädern,  und  Mittel- 
Fontan  (Dampfstrassenbahn ,  s.  S.  402) ,  ausgezeichnet  durch  vor- 
trefflichen Badegrund,  nach  QroM-Fontaa,  einem  russischen  Dorfe 
mit  grossem  Kloster,  zu  welchem  alljährlich  am  22.  Aug.  eine  Wall- 
fahrt stattfindet.  Hinter  dem  Kloster  auf  einem  Vorsprung  ein 
hoher  Leuchtthurm  mit  elektrischem  Licht.  -—  Den  Namen  führen 
die  drei  Orte  von  einer  Quelle ,  welche  früher  Odessa  mit  Wasser 
versorgte. 

Die  Limane  von  Odessa. 

Die  Limane  von  Odessa  sind  nicht  mehr  ais  eigeniliehe  Limanet) 
anzusehen,  weil  sie  völlig  vom  tfeere  abgeschnürt  und  nicht  von  einem 
Süsswasserlanf  dnrchflossen  sind.  Ihr  Wasser  besitzt  daher  einen  er- 
heblieh höheren  Salzgehalt  als  das  der  speciflseh  so  benannten  Wasser- 
hecken an  der  Küste  des  Schwarzen  Heeres,  wennschon  ihre  Entatehungs- 
art  zweifelsohne  die  gleiche  ist.  —  Die  Wirkungen  der  Limanbäder  sind 
denen  der  Seebäder  des  schwachsalzigen  und  wenig  bewegten  Schwarzen 
Meeres  ziemlich  gleich.  Die  Temperatur  des  Wassers  schwankt  im 
Sonmier  je  nach  den  Monaten  von  il-dOP  C.  —  Von  besonderer  Wichtig- 
keit sind  die  Moorbäder,  welche  aus  dem  den  Boden  der  Limane  0,9-3,25  m 
hoch  bedeckenden  Schlamm  bereitet  werden.  —  Auch  der  an  den  Ufern 
in  grosser  Ausdehnung  angehäufte  feine  Sand,  von  der  Sonne  oft  bis  zu 
ö^*'  G.  erhitzt ,  wird  zu  Sandhädem  benutzt.  Bndlich  findet  der  an  den 
Ufern  sich  ansetzende  Schaum,  getrocknet  als  Friktionsmittel  oder  als 
Ersatz  für  Moorbäder  Verwendung.  Wirksam  sind  die  Limanbäder  vor- 
züglich bei  Skrofeln,  Gicht ^  Rheumatismus,  nervösen  Affectionen  und 
Hautkrankheiten. 

Der  Kujalnik-Liman  (KysibUHUKitt  iHMani.  —  Zweigbahn  vom 
Hafenbahnhof  s.  S.  401 ;  Züge  während  der  Saison  fast  stündlich 
in  35  Min.  für  45,  37,  13  Kop.)  n.  ö.  von  Odessa  ist  c.  30  km  lang, 

f)  Unter  Liman  (vom  griech  A'fjfjv  Hafen)  versteht  man  einen  Meeres- 
einschnitt an  einer  Flussmündung,  durch  einen  aus  Sinkstoffen  des  Flus- 
ses gebildeten  schmalen  Landstreifen,  Peresspp  (Hepecbin-b)  genannt,  his 
auf  eine  oder  mehrere  geringe  Oefinungen  vom  Meere  getrennt.  Die  Ge- 
winnung des  beim  VerduDsten  des  Wassers  im  Sommer  den  Boden  des 
Liman  bedeckenden  Salzes  bildet  ein  wichtiges  Regal. 


40d    Route  33.  ODESSA.  lAmane. 

über  2  km  breit ,  durcbschnittlicb  3  m  tief  und  liegt  etwas  über 

3  m  unter  dem  Spiegel  des  Schwarzen  Meeres ,  von  welchem  er 
durch  einen  fast  2  km  breiten  Landstreifen  getrennt  ist.  Am  s.-w. 
Ende  des  Liman ,  an  der  ihn  vom  Ghadshiweisky-Liman  (s.  unten) 
trennenden  Bodenanschw^llung  liegt  die  HeüanstcUt  des  Dr.  Brusi- 
lowsky,  mit  Einrichtungen  für  Moor-,  Sand-,  warme  und  kalte 
Bäder  (Preis  für  ein  Moorbad  IV2  R«,  warmes  Bad  ^/^-i  R.,  Seebad 
15  Kop.  incl.  Handtuch).  Am  gegenüberliegenden  s.  ö.  Ufer  ein 
grosses  ScUzwerk, 

Der  Chadiluweisky-Limaii  (XaiSHBeeBcntt  iHiiaHi.  —  Pferde- 
bahn in  40  Min.  8.  S.  402)  c.  7  W,  (n.-w.)  von  der  Stadt  entfernt, 
ist  c.  33  km  lang ,  2^/t  km  breit  und  c.  4  m  unter  dem  Spiegel  des 
Schwarzen  Meeres  gelegen ;  sein  Peressyp  (s.  unten)  ist  schon  über 

4  km  breit.  An  der  Westseite  befinden  sich  Datschen  für  Sommer- 
gäste und  Badehäuser.  —  Etwa  1  km  s.-w.  vom  Liman  liegt  eine 
Filiale  des  städtischen  Hospitals  in  Odessa  (S.  403) ,  von  einem 
grossen  Park  umgeben,  in  welcher  c.  3Ö0  Kranke  Aufnahme  finden 
können.  Eine  Dampfmaschine  pumpt  das  Wasser  des  Liman  in 
die  im  Park  belegene  comfortable  Badeanstalt. 

Der  Liman  tob  Klein  -  Liebenthal  (Llneiken  s.  S.  402),  15  W. 
s.-w.  von  Odessa  bei  der  deutschen  Colonie  Klein-Liebenthal  ge- 
legen ,  hat  noch  am  meisten  seine  ursprüngliche  Natur  bewahrt. 
Er  ist  11  km  lang,  1  km  breit,  aber  nur  IVg  m  tief,  und  vom  Meere 
nur  durch  einen  60  m  breiten  Peressyp  getrennt.  Die  Temperatur 
seines  Wassers  beträgt  im  Sommer  25-31*  C.  —  Die  Heilanstalt 
der  Ddr.  Meyer  und  Wagner  befindet  sich  im  s.  Theile  des  Dorfes 
und  besitzt  Einrichtungen  für  Moor-,  Saud-  und  Limanbäder.  Im 
Dorf  sind  auch  Sommerwohnungen  zu  haben.  ^  Das  Wäldchen  in 
der  Nähe  ist  ein  beliebtes  Ausflugsziel  der  Odessaer. 


34.  Ton  Charkow  nach  SsünferopoL 

629  W.  Schnelleug  in  231/4  St. ,  Posteug  in  381/3  St.   für  28  B.  50, 
17  R.  69,  8  E.  4  Kop. 

Die  Bahn  durchschneidet  den  südlichen ,  noch  zur  Zone  des 

Tschornasjom  (S.  375)  gehörigen  Theil  des  Gouvernements  Charkow. 

Stationen  meist  unbedeutend.  10  W.  Karat8eheu>ka{K9ipikHeBEei).  — 

21  W.   Merefa  (Mepe*a) ;  Zweigbahn  nach  Ljubotin  (S.  390).  — 

89  W.  Borki  (ßopKH).  —  58  W.  Taranowka  (TapaHOBKa).  —  83  W. 

Alexejewka  (AieKcIteBKa ,  Bahnrest.).  —  97  W.  Bjeljajewka  (Bti- 

AeBKa).  —  110  W.  Krassnopawlowka  (KpacHonaniOBKa).  Die  Bahn 

tritt  in  das  Gouvernement  Jekaterinoslaw  ein ,  die  Getreidefelder 

verschwinden ,  Weideflächen  leiten  allmählich  zur  Steppe  über.  — 

112W.  Neljuhowka  (HeinöOBKBi).  —  132  W.  Loiowo  oder  Lo4(nra>a 

(ioeoBafl,  Bahnreat.)^  Knotenpunkt  der  Bahn  nach  Rostow  (Rötel 

Tachollokoiv;  Grand  Hotel)  am  Don;  etwa  l*/«  St.  Aufenthalt.  -^ 


JEKATERTNOSLAW.  34.  Route,    409 

160  W.  SsamoilowJca  (CaHoMiOBKa).  —  169  W.  Warwarowka  (BsLp- 

BapOBKa).  —  189  W.  Pawlograd  (naBiorpaAi,  Bahnreat)  an  der 

Woltschja,  einem  Nebenfluss  des  Dnjepr,  Kreisstadt  mit  11391 

Jlinw. ,  lebhafter  Getreide-  und  Viehbandel.  —  208  W.  Saitzewo 

(SaüiieBo).  —  224  W.  SHnelnikowo  (CHHeibHHKOBo). 

Zweigbahn  41  W.  in  e.  2  St.  für  1  R.  58,  1  E.  19,  61  Kop.  naeh  Je- 
katerinoslaw  (ERaxepHHOcjiaBi ;  Hotel  d'Europe) ,  Bauptstadt  des  gleieh- 
namigen  Gonvernements  mit  c.  41 000  Einw.  (viel  Juden)  und  lebhaftem 
Handel  in  Getreide,  Vieh,  Wolle.  Die  Stadt  wurde  von  Katharina  II. 
gegründet,  welche  hier  im  J.  1787  im  Beisein  Jo8ei)h's  II.  den  Grund- 
stein zur  Kathedrale  legte,  —  Im  Sommer  3  mal  wöchentlich  Dampfer 
auf  dem  Dnjepr  naeh' JTteu).  Unterhalb  Jekaterinoslaw  die  Stromschnellen 
„Porogen"  des  Dnjepr  (s.  unten). 

Die  Bahn  geht  weiter  auf  dem'Granitplateau  am  1.  Dnjepr-Ufer, 
fast  ununterbrochen  durch  Weideland,  in  welches  nur  die  zahl- 
reichen Kurgane  Abwechslung  bringen,  kegelförmige  Aufschüttun- 
gen Yerschiedener  Grosse,  die  sich  vom  südlichen  Sibirien  westlich 
bis  Bessarabien  und  Ton  den  pontischen  Steppen  bis  Nordschweden 
hinziehen,  wahrscheinlich  von  finnischen  Völkern  herrührend,  aber 
auch  Fundstücke  slavischer  Abkunft  aufweisend  (s.  S.  2Ö5).  — 
246  W.  Sslawgorod  (CjiaBropoA%).  —  271  W.  Ssofi^wka  (CoweBKa). 
—  296  W.  Alexandrowsk  (AieKcaH/tpoBCKi),  dorfähnliche  Distrikts- 
hauptstadt (4500  Einw.)  am  Dnjepr ,  Stapelplatz  für  die  aus  dem 
Inneren  zum  Dnjepr  kommenden  Waären.  In  der  wohlbewässerten 
Stromniederung  „Plawni"  (s.  unten)  im  Gegensatz  zur  Steppe  üppiger 
Gras-  und  Baumwuchs.  —  Im  Strom  die  Insel  Chortiza,  einst  Haupt- 
sitz der  Saporoger  Kosaken  (s.  unten) ,  jetzt  Niederlassung  west- 
preussischer  Mennoniten. 

Plawni  (ojiaBHiie)  finden  sieh  am  Dnjepr  mehrfach,  z.  Th.  his  zu20  W. 
breit,  mit  Birken,  Weiden,  besonders  aber  Schilf  bestanden,  im  Sommer, 
wenn  in  der  Steppe  alles  verdorrt,  von  Wild  und  HeefÄe  aufgesucht.  — 
Oberhalb  Alexandrowsk  liegen  die  Granitschwellen,  welche  die  Strom- 
sohnellen  (Porogen)  des  Diyepr  erzeugen,,  der  trotzdem  die  wichtigste  na- 
türliche Verkehrsader  vom  Schwarzen  Meere  nach  dem  Inneren  Buss- 
lands ist.  In  neuerer  Zeit  können  die  Stromschnellen  auf  den  Brücken 
bei  Kiew  und  Kreinentsehug  umgangen  werden,  auch  hat  man  durch 
Sprengungen  das  Fahrwasser  zu  vertiefen  |;esueht;  indessen  kommen 
doch  jährlich  noch  Unfälle  vor.  Hier  hat  sich  noch  der  Gebrauch  er- 
halten, dass  die  Schiffer  vor  und  nach  der  Fahrt  über  die  Stromschnellen 
ein  gemeinsames  Gebet  sprechen. 

Von  den  Porogen  hatten  die  Saporoger  (d.  h.  jenseits  d^er  Strom- 
schnellen) den  Namen,  die  angebl.  im  x.  Jahrh.  sieh  auf  Chortiza  und 
anderen  Dnjeprinseln  bis  zum  Liman  des  Flusses  niederliessen,  wo  sie 
anfangs  dem  Fischfang,  dann  den  Kämpfen  gegen  die  Tataren  oblagen. 
In  den  Befestigungen  auf  den  Inseln,  8tjet$chi  (Ob^h)  genannt,  fanden  nur 
IJnverheirathete  Aufnahme.  Ihren  Vorsteher  (Ataman,  Hetman)  wählten 
sie  sieh  selbst.  Später  führten  Plünderungszüge  zu  Kämpfen  mit  den 
Folen.^  so  besonders  unter  dem  Ataman  Tarau  Bulhay  dessen  Thaten 
Gogol  s  gleichnamiger  Dichtung  zu  Grunde  liegen.  Unter  dem  Ataman 
Bogdan  ChmelnUzkiy  um  die  Mitte  des  xvii.  Jahrb.,  führten  die  Kämpfe  mit 
den  Polen  zum  Anschluss  an  Bussland,  nicht  ohne  dass  spätere  Versuche 
die  Unabhängigkeit  herzustellen,  folgten.  Der  letzte  hervorragende  Ata- 
man war  Mazeppa  (S.  395),  dessen  Abfall  von  Peter  dem  Grossen  seinen 
Sturz  herbeiführte.  Seitdem  der  Dnjepr  aufhörte  Grenzfluss  zu  sein,  ver- 
loren die  Saporoger  allmählich  den  Rest  ihrer  Selbständigkeit,  ein  Tbeil 


410    Route  34.  MELITOPOL. 

wurde  an  den  Kaukasus  verpflanzt,  der  letzte  Ssjetteh  1775  aufgekoben. 
Eiji  Theil  war  nach  Dunajetz  an  der  Donau  ausgewandert,  wo  ihre  'Nieder- 
lassung bis  1838  bestand. 

Die  Bahn  geht  noch  eine  Zeitlang  an  einem  Arm  des  Dnjepr 
und  dessen  wasserreicher  Niederung  entlang  und  überschreitet  dann 
die  Konskaja,  einen  kleinen  Nebenfluss  des  Dnjepr,  hier  die  Grenze 
des  Gouvernements  Taurien.  Bei  den  folgenden  Stationen :  312  W. 
Krassnokutowka  (KpaCHOKyTOBKa) ,  333  W.  WasHljewka  (BacHJb- 
eBKa),  359  W.  Michaüowka  (MirxaüiOBRa),  378  W.  Fedarowka  (Be- 
AopoBKa)  berührt  die  Bahn  das  Gebiet  der  deutschen  Colonisten, 
meist  Mennoniten  aus  Süddeutschland ,  diß  sich  im  Thal  der  Ma- 
lotachnaja  angesiedelt  haben.  Grosse  weisse  Häuser  mit  Ziegel- 
dächern, Bäumen  vor  den  Häusern,  Leit^wagen  mit  Kummet- 
geschirr  in  den  graden  Strassen,  Sauberkeit  und  Waldparzellen  an 
gegen  den  Nordwind  geschützten  Stellen  lassen  diese  Dörfer  leicht 
von  denen  der  übrigen  Bevölkerung  unterscheiden.  Grosse  Schaf*  und 
Schweineheerden  sind  ausserdem  für  die  Gegend  charakteristisch. 

400  W.  ICelitopol  (Bf eiHTOnojb ;  Bahnreet,)^  Kreisstadt  an  der 
Malottchnaja  mit  4852  Einw.,  ist  Mittelpunkt  der  colonialen  Ad- 
ministration und  des  Handels  der  umliegenden  deutschen  Gemein- 
den. —  Bei  der  folgenden  Station  (425  W.)  AJUmowka  (AmvoBKa) 
erblickt  man  zuerst  Tataren  in  grösserer  Zahl.  Die  Gegend  wird 
völlig  öde,  wo  der  Graswuchs  fehlt,  ist  der  Boden  mit  zahllosen 
Versteinerungen  bedeckt,  aus  denen  auch  der  Bahndamm  grössten- 
theils  besteht.  —  Es  folgen  unbedeutende  Stationen.  450  W.  Nowa- 
Origorjewka  (HoBO-rpiiropbeBKa).  —  472  W.  Bykotoo  (Pukobo).  — 
485  W.  Nowo-Alexejewka  (HoBO-AjeKcteBia). 

Zweigbahn,  14W.  in  ViBt.  für  59,40,  21  Kop.  nach  Genüaehesk 
(FeHEHecRi},  fester  Platz  mit  2000  Einw.  an  der  Kinfahrt  vom  Asow 'sehen 
zum  Faulen  Meer. 

Die  Bahn  geht  auf  der  Halbinsel  Tschongar  entlang  und  fiber- 
schreitet auf  schmalem  Damm  das  Faule  Meer,  Saiwasch  (CHBami) 
genannt,  einen  150  km  langen,  3-22  km  breiten  stagnirenden  See, 
der  die  frühere  Insel  und  jetzige  Halbinsel  Krim  vom  Festlande 
trennt.  In  der  Nähe  des  Bahndammes  sind  Pyramiden  des  aus  dem 
Ssiwasch  gewonnenen  Salzes,  Skirde  (Ckhpai)  genannt,  aufgeschich- 
tet. —  510  W.  Tschongar  (HoHrapi»).  —  516  W.  Ssiwasch  (CiiBaim), 
beide  auf  der  Landenge.  —  525  W.  Taganasch  (Taranami ;  Bahn- 
rest.), erste  Station  auf  der  Halbinsel.  Durch  völlige  Steppe  über 
534  W.  Dshankoi  (^»aHKott) ,  566  W.  Kurman  -  Kemeltschi  (Kyp- 
MaHb-KeHeiMH) ,  591  W.  ß/}wfc-Ow?ar  (BiroKi-OHiap-B),  611  W. 
Ssarabus  (Capaöyai)  nähert  sich  die  Bahn  allmählich  dem  Hügel- 
lande,  in  welchem  sich  das  Jailagebirge  (s.  unten)  nach  Norden 
abdacht.  Frische  Wiesen  und  miteleuropäischer  Baumwuchs  er- 
freuen das  Auge.  —  Am  Ssalgir  (Caarupi»),  dem  grössten  Flusse 
der  Krim ,  der ,  im  Sommer  wasserarm ,  im  Winter  als  Giessbach 
dahinbraust,  entlang  erreicht  die  Bahn  (629  W.)  Ssimferopol  s.  S.  412. 


411 


35.   Die  Krim. 

Eine  Ausdehnung  der  Reise  auf  die  Krim  mit  ihren  landschaftlichen 
Schönheiten  und  ethnographischen  Eigenthümliehkeiten  ist  mit  ^em  Be- 
such von  Moskau  (Eisenbahn  s.  B.  38.  82.  34)  oder  Odessa  (Dampfschiffe' 
8.  S.  402)  unschwer  zvl  verbinden,  vgl.  Einleitung  8.  xi.  Ebenso  wird, 
wer  etwa  vom  Kaukasus  herkommt  und  über  Odessa  Rusäland'  zu  ver- 
lassen gedenkt,  leicht  und  mit  Genuss  diese  Gegenden  aufsuchen, 
vgl.  S.  417. 

Die  Krim  oder  Taurische  Halbinsel  liegt  zwischen  dem  44.  und 
46.  Parallelkreis  n.  Breite  und  dem  50.  bis  54.  Meridian  ö.  von 
Ferro.  Ihr  Flächeninhalt  beträgt  25  727  qkm;  Ö.  wird  sie  vom 
Asow'schen,  w.  und  s.  vom  Schwarzen  Meer,T)eide  durch  die  Strasse 
von  Kertsch  oder  Jenikale  verbunden,  n.  vom  Faulen  Meer  oder 
Ssiwasch  bespült.  Eine  landfest  gewordene  Insel ,  hängt  sie  nur 
durch  die  4  km  breite  Landenge  von  Perekop  mit  der  Festlandküste 
zusammen,  mit  der  sie  aber  durch  fortdauernde  Anschwemmung 
immer  mehr  verwächst.  Der  n.  Theil  der  Halbinsel  ist  völlig  eben 
und  wasserleer,  reich  mit  Kurganen  (S.  255)  besetzt,  belebt  nur 
durch  grosse  Schafheerden  und  Pferdetabuue,  zu  denen  sich  das 
Kamel  als  Lastträger  gesellt.  Beim  45.  Parallelkreis  beginnt  ein 
hügeliges  Vorland,  welches  zu  dem  s.  Gebirgsdrittel  der  Halbinsel, 
dem  Jaila  (d.  h.  Alpen)  -Otbirgt  überleitet,  welches  sich  vom  Cap 
Ssaritsch  bis  über  die  Bai  von  Ssudak  hinaus  an  der  c.  160  km 
langen  Südküste  entlangzieht,  und  in  seinen  höchsten  Erhebungen, 
dem  Kernel  Agerek  und  Tschatyr  Dagh  zu  1519  m  ansteigt.  Frucht- 
bare, wohlbewässerte  Thäler,  wie  das  der  Alma,  des  Belhek,  der 
Tschomaja  und  des  Sscdgir ,  des  grössten  Flusses  der  Halbinsel, 
durchziehen  das  durch  Reichthum  an  Wäldern  ausgezeichnete  Ge- 
birge. Während  aber  die  sich  allmählich  abdachende  Nordseite 
desselben,  im  Jahresmittel  der  Temperatur  der  steilabfallenden  Süd- 
seite um  fast  2^  C.  nachsteht  und  ganz  mitteleuropäischen  Pfianzen- 
wuchs  zeigt,  gedeihen  an  dem  vor  den  eisigen  Steppenwinden  ge- 
schützten Südabhang  immergrüne  Laubgewächse  und  Südfrüchte. 
Südliche  Vegetation  und  hohe  landschaftliche  Schönheit,  auf  der 
Vereinigung  von  Meer  und  Gebirge  beruhend,  machen  die  Südküste 
der  Krim  zu  einem  der  Ibevorzugtesten  Landstriche  Europas. 

Die  ältesten  Bewohner  der  Halbinsel,  von  denen  wir  Kunde  haben, 
waren  die  TaurieTy  ein  barbarisches  Volk,  von  den  die  pontische  Steppe 
bewohnenden  Skythen  hierher  zurückgearängt.  Später  siedelten  sieh 
griechische  Golonisten  an,  Dorler  aus  Herakleia  in  Chenontius  (S.  417), 
Jonier  aus  Milet  in  Theudosia  (S.  422)  und  Pantieapaeum  (S.  423),  von  den 
Griechen  auch  einfach  Bosporus  genannt.  Das  bisher  seiner  rauhen  Ufer- 
landschaften wegen  als  das  „ungastliche"  (d^stvoc)  bezeichnete  Meer  hiess 
nun  das  „gastliche'^  (tö^sivoc).  Die  Arehonten  von  Pantieapaeum  nannten 
sich  seit  dem  iv.  Jahrh.  v.  Chr.  Könige  des  Bosporus ;  ihr  Beieh  fiel  im 
II.  Jahrb.  v.  Chr.  an  Hithridates  VI.  von  Pontus  (120-^  v.  Chr.),  welcher 
seine  Herrschaft  aber  die  ganze  taurische  Halbinsel  und  die  Küsten  der 
Maeotis  ausdehnte.  Seit  Augustus  ein  römischer  Glientelstaat,  wurde  das 
pontische  Reich  um  die  Mitte  des  iv.  Jahrh.  n.  Chr.  dem  oströmischen 
Reich  völlig  einverleibt.    Die  Stürme  der  Völkerwanderung  vernichteten 


412    Route  35.  SSIMFEROPOL.  Die  KHm, 

zwar  aueh  hier  die  grieehisehen  Ansiedelungen,  aber  eine  Nachblütlie 
ward  diesen  Ländern  zu  Theil,  als  während  der  Kreuzzüge  der  Handel 
mit  Indien  den  Weg  von  Tana  an  der  Hündung  des  Don  (an  der  Stelle 
des  heutigen  Asow),  an  diesem  entlang,  dann  an  der  Wolga  abwärts  zum 
Kaspisehen-  und  Aralsee,  und  am  Oxus  aufwärts  über  den  Hindukuscb 
einsehlug.  Dies«  Handelsinteressen  Venedigs  führten  wesentlich  zur 
Gründung  des  lateinischen  Kaiserthums  (1204).  Bald  aber  wurden  die 
Venetianer  durch  die  Genuesen  verdrängt,  welche  Eupatoria,  Balaklava 
u.  a.  Orte  gründeten,  und  besonders  Kaffa  (Feodosia)  cur  blühendsten 
Handelsstadt  erhoben-,  Gleichzeitig  aber  nahmen  die  Tataren  den  nörd- 
lichen Theil  der  Halbinsel  in  Besitz,  während  das  Vordringen  der  Türken 
und  Kämpfe  mit  Venedig  der  genuesisdien  Herrschaft  ein  schnellea  Ende 
bereiteten. 

Die  Krim^schen  Tataren  waren,  nachdem  das  Reich  Dsehin- 
gischan^s  zerfallen,  bald  von  der  Goldenen  Horde,  bald  von  den  !Nogai- 
Tataren  (blaue  Horde)  abhängig.  Erst  1411  maehte  sich  Edigei  unab- 
hängig, später  herrschte  die  Dynastie  Hadschi-Gerai^s.  Palastrevolutio- 
nen, auswärtige  Kriege  und  Raubzüge  füllen  die  Geschichte  des  Chanat*s 
ans.  Ende  des  xvi.  Jahrb.  geriethen  die  Krim^schen  Tataren  in  Abhängig- 
keit von  der  Pforte;  1783  zwuig  Bussland  den  letzten  Chan  zur  Ab- 
dankung. Xach  dem  Krimkrieg  wanderte  ein  beträchtlicher  Theil  der  Ta- 
taren nach  der  Türkei  aus-,  die  zurückgebliebenen  sind  friedliehe  and 
fleissige  Ackerbauer,  als  Moslemin  aber  jedem  Fortschritt  abgeneigt.  Der 
äussere  Typus  derselben  ist  in  Folge  der  starken  Mischong  mit  griechischen 
und  anderen  Elementen  von  dem  ihrer  mongolischen  Stammverwandten 
nicht  unwesentlich  verschieden  :  wenig  schrägstehende  Augen,  Adiema5e, 
schlanke  Gestalt  zeichnen  den  Krim^schen  Tataren  aus.  —  Die  Tracht  der 
Tataren  ist  schon  erheblich  von  der  westeuropäischen  beeinfiusst,  eigen- 
thümlich  ist  den  Männern  die  blaue  Jacke  mit  Silberlitze:  bei  den  Frauen, 
welche  im  Gegensatz  zu  ihren  Stammverwandten  in  Kasan  und  Kaukasien 
selten  verschleiert  gehen,  bildet  den  Kopfputz  der  DsehigesSj  ein  längliehea 
weisses,  an  dem  Ende  mit  Seide  -  und  Silberstickerei  verziertes  WoUen- 
tuch ;  ein  langes  weites  Kleid  wird  über  den  bis  zu  den  Knöcheln  reichen- 
den Pumphosen  getragen,  über  welches  häufig  noch  ein  zweites  geworfen 
wird.  —  TJebrigens  macht  das  Grossrussenthum  in  der  Krim  schnelle 
Fortschritte,  und  die  Zahl  der  Tataren  verringert  sich  mehr  und  mehr. 

A.   Vom  Ssimfebopoii  nach  Ssewastopol. 

73  W.  Eisenbahn  in  2l/t  St.  für  2  R.  74,  2  R.  06,  1  B.  60  Kop. 

Sgimferopol,  GHM*eponoib(Gasth. :  Steiner  ^  Livadia^  St.Peter»- 
bwg^  Besitzer  Hr.  Schneider ;  Bahnrest.),  die  aus  dem  tatarischen 
Ak-  Metschet  (Weisse  Moschee)  hervorgegangene  Hauptstadt  des 
Gouvernements  Taurien,  am  SscUgir  in  malerischer  Umgebung,  Sitz 
der  Regierungsbehörden,  eines  Bischofs  und  eines  Mufti,  mit  29,028 
£inw.,  wovon  kaum  ein  Drittel  Tataren.  Die  russische  Stadt,  1784 
nach  Annexion  der  Krim  angelegt,  hat  einen  wohlgepflegten  Stadt- 
garten, breite  ungepflasterte  Strassen  mit  stattlichen  modernen  6e- 
bäaden,  eine  grosse  Kathedrale  und  lÖ  andere  orthodoxe,  eine  ar- 
menische, eine  romisch  -  katholische  und  eine  lutherische  Kirche. 
Die  Tatarenstadt  mit  dem  grossen  Bazar  und  10  Moscheen ,  engen 
und  schmutzigen  Strassen ,  zieht  sich  zum  Ssalglr  hinab.  —  Vor 
der  Zerstörung  durch  die  Russen  1736  war  hier  der  Sitz  des  Kalga- 
Sultans,  des  Obergenerals  der  Krim'schen  Tataren. 

5  W.  östl.  von  Stimftropol  im  Thal  des  kMnm  Stalgir  mit  intereaaaa- 
ten  Felsbildungen  und  reicher  Vegetation  in  der  Nähe  des  Dorfes  Mm- 
mak  (MaMaKi^)  die  Tropfsteinhöhle  KUü^Koba  (Roihe  mhU).  ~  45  W.  aüd- 


Die  Krim.  BAGHTSOHI  -  SSABAI.         36,  Route,     413 

Ö6tl.  die  KosmO'DemianUcfie  MinsUdeUif  in  wildromantischer  Gebirgsfegead 
am  Ssatoluk-Ssu  (Oeiundes  Wtu»er).  Etwa  gleieb  weit  entfernt  nach  Bach- 
Uchi-Ssarai  (s.  unten)  bu  eine  empfehlenswerthe  Enmyis-Anstalt.  —  Nach 
dem  Tschaiifr-Dugh  und  Aluschta  8.  S.  432. 

Die  Bahn  tritt  in  das  Jaüa-Qehirge,  17  W.  Alma  (AjbHa),  be- 
kannt durch  die  Schlacht  am  24.  September  1854.  Das  Schlacht- 
feld liegt  etwa  30  W.  w.  you  der  Station. 

30 W.  Bachtschi-Ssarai  (EaxHHcapaü).  —  Oasthopb:  Khan-Ssa- 
rai  (tatarisch)  in  dem  kleinen  Ort  AiUi  (AaHCi),  1  W.  r.  von  der  Sta- 
tion; Tsehumbuktschi  -  Gostinniza  (jenseit  der  Stadt  belegen), 
von  dem  Vupeniky-Kloiter  (s.  unten)  unterhalten,  beide  unreinlich.  Die 
beste  Unterkunft  ündet  man  im  Bahnrestaurant  (einige  Zimmer; 
Vorausbestellung  nothwendig),  wo  auch  Beköstigung  (massig)  zu  haben 
ist.  —  Tatarische  Cafes:  gegenüber  dem  Palast,  u.v.a. 

Waobm  an  der  Station:  vom  Bahnhof  ^naeh  der  Stadt  40kop. ;  nach 
Tschufutkaleh  muss  man  genau  aecordiren,  event.  die  Vermittlung  das 
im  Palastgarten  wohnenden  russischen  Polizeimeisters  (versteht  in  der 
Begel  deutsch)  nachsuchen;  für  einen  Einzelnen  genügen  4B.  hin  und 
zurück.  —  Nach  Ttckufut-Kdleh  und  Tepe-Kermau  ist  es  der  steilen  Wege 
halber  rathsamer  zu  reiten;  auch  ein  Spaziergang  von  Bachtschi-Ssarai 
nach  (3/4  St.)  Tschufut-Kaleh  in  der  Morgenfrühe  ist  lohnend. 

BachUehi^Siarai y  das  „Haus  der  Gärten^,  bis  1783  Residenz 
der  Chane,  das  „Mekka*'  der  Krim,  mit  zahlreichen  (35)  Moscheen 
und  schlanken  Minarets,  fast  ausschliesslich  von  Tataren  bewohnt, 
liegt  an  dem  der  Katscha  zufliessenden  Bache  Tschurjük-'Ssu  (Hyp*- 
iDKi-Gy)  in  einem  engen  7  km  langen  Felsenthal.  Die  Häuser  liegen 
unregelmässig,  von  Wein-  und  Fruchtgärten,  Cypressen  und  anderen 
Baumgruppen  unterbrochen ,  z.  Th.  dicht  an  die  Felsen  gebaut  an 
der  langen ,  kaum  6  m  breiten  Hauptstrasse ,  von  welcher  nur 
wenige  Seitengassen  ausgehen.  Die  Stadt  hat  ein  echt  orienta- 
lisches Gepräge ,  welches  man  am  besten  in  etwas  späterer  Mor- 
genstunde beobachten  kann,  da  der  Tatar  frühes  Aufstehen  nicht 
besonders  liebt.  Dann  drängen  sich  in  der  engen  Strasse  Käufer 
und  Verkäufer,  Schaulustige,  Männer  einen  Hammel  mit  zusam- 
mengebundenen Beinen  auf  den  Schultern  tragend,  Esel  mit  Kör- 
ben und  Wasserschläuchen  durcheinander,  alles  oft  momentan  in 
undurchdringlichen  Staub  gehüllt.  Die  Häuser  werden  dabei  in 
der  einfachsten  Weisein  Werkstätten  und  Läden  verwandelt,  indem 
man  die  hölzernen  Yorderwände  auf  klappt  und  so  als  Verkaufs- 
und Arbeitstisch  benutzt,  worauf  Leder-,  Pelz-  und  Stahlwaaren, 
Waffen  aller  Art,  Früchte,  Fleisch  (oft  von  zweifelhafter  Beschaf- 
fenheit) u.  s.  w.    in  bunter  Mannigfaltigkeit  feil  geboten  werden. 

Ungefähr  in  der  Mitte  der  Stadt ,  auf  drei  Seiten  von  Häusern 
umgeben  und  hinter  einer  hohen  Mauer  liegt  der 

ChaxL-Siarai,  der  Palast  der  Chane,  im  J.  Iöl9  von  Chan  Abdul 
Sahel-Gerai  erbaut,  sorgfältig  erhalten  und  einem  höheren  russi- 
schen Ofßzier  unterstellt.  Am  Eingang  eine  Säule  zur  Erinnerung 
an  den  Besuch  Katharina's  II.  Durch  einen  Rundbogen ,  überragt 
von  einem  Pavillon,  betritt  man  den  rechteckigen,  etwa  130  m  lan- 
gen und  38  m  breiten  Hof,  rechts  Ton  dem  Palast,  links  von  der 


414    Route  35.  TSOHüFüT-KALEH.  DieKHm, 

Moschee  eingeschlossen ,  an  welche  sich  zwei  achteckige  Kuppel- 
bauten, die  Mausoleen  der  Chane,  anschliessen. 

Die  Moschee  ist  ein  etwa  900  Personen  fassender  Kiemlich  düsterer 
Baum  mit  vergitterten  Fenstern,  der  Boden  mit  Teppiehen  belegt;  an 
der  Decke  hängen  2  achteckige  Sterne  aus  Holzstäben  zum  Anbringen 
von  Lampen.  Die  Wände  sind  mit  Koransprüchen  bedeckt.  Rechts  von 
der  Nische,  MihrcUt^  führt  eine  steile  Holztreppe  auf  die  Mimbtr^  eine  Art 
Kanzel,  von  welcher  Freitags  das  Gebet  gesprochen  wird;  daneben  ein 
Emporium  für  den  Chan. 

Der  Palast  enthalt  eine  grosse  Anzahl  Säle  und  Zimmer,  die  alle 
besondere  Namen  führen,  wie  der  Z>ivan,  Oeriehismal^  In  welchem  hinter 
hölzernem  Gitter  ein  erhöhter  Sitz  für  den  Chan,  Audienxtaal^  goldener 
iSoal,  Est'  und  Rcuirzimmer  u.  s.  w.  Die  prächtige  Ausstattung  der  Zimmer 
entschädigt  nicht  für  den  unharmonischen  Eindruck,  welchen  die  gprellen 
Farben  der  tatarischen  und  orientalischen  Ornamente  an  den  Wänden 
hinterlassen.  Unter  den  Quellen  ist  berühmt  die  ThränenqueUe  ^  deren 
Wasser  in  15  Halbsehalen  fällt,  die  in  eine  Harmortafel  eingelassen  sind ; 
die  von  den  Führern  erzählte  Sage  von  dem  Tode  der  Gräfin  Maria  Po- 
tocka,  die  ungerührt  von  dem  Liebeswerben  des  Chans  Mengli -Gerat  als 
Kriegsgefangene  hier  ihr  Leben  vertrauerte,  ist  völlig  unbegründet.  Be- 
sonders schön  ist  ein  Gartensaal  mit  Harmorbassin  und  und  Springbrunnen. 
Der  Harem  weist  ausser  dem  Badezimmer  nichts  besonderes  auf.  —  Das 
Mausoleum  enthält  die  Gräber  der  Chane  und  ihrer  Frauen,  jene  an 
einem  Turban,  diese  an  einer  Mütze  kenntlich.  Die  russische  Ueber- 
setzung  der  Grabschriften  giebt  ebenfalls  die  mohamedanisehe  Zeitrech- 
nung an.  —  In  einem  Garten  hinter  den  Mausoleen  befinden  sieh  die 
Gräber  einiger  Chane  und  ihrer  Hofbeamten. 

Nach  Nordosten  schliesst  sich  an  die  Tatarenstadt  ein  schmutzi- 
ges Zigeunerdorf,  durch  welches  der  Weg  nach  Tsohufat-Kaleh  führt. 
Etwa  */2  W.  hinter  dem  Dorf  liegt  hart  am  Wege  das  Gasthaus  des 
Usspensky  -  Klosters  (S.  413).  Das  Kloster  selbst,  erst  Ende  des 
xvni.  Jahrh.  gegründet,  liegt  (r.)  hoch  oben,  in  die  Felshänge  hinein- 
gezwängt, nur  auf  Leitern  zugänglich.  Die  Zellen  der  Mönche  sind 
in  den  Fels  gearbeitete  Höhlen  und  untereinander  nur  durch  hölzerne 
Gallerien  verbunden.  Grosse  Wallfahrt  am  15./27.  Aug.  —  Weiter- 
hin zweigt  sich  das  Thal  Josaphat  ab  mit  uralter  jüdischer  Begräb- 
nissstätte. Der  letzte  Theil  des  Weges  steigt  steil  zu  dem  600  m 
hohen ,  kaum  V4  ^*  breiten  Felsplateau  empor ,  auf  welchem  die 
jetzt  verlassene  Stadt  liegt.  Nur  der  Chacham  (Rabbiner)  mit  seiner 
Familie,  dem  der  Gottesdienst  in  der  Synagoge  obliegt^  wohnt  noch 
hier ;  die  Bewohner ,  der  jüdischen  Secte  der  Karäer  (d.  h.  Schrift- 
getreue  oder  Jünger  der  Schriftforschung)  angehörig,  welche  im 
vin.  Jahrh.  nach  Chr.  als  Reaction  gegen  den  Talmud  entstand, 
haben  sich  in  anderen  Städten  Südrusslands,  besonders  in  Odessa 
niedergelassen ,  wo  sie  durch  Redlichlteit  und  Fleiss  sich  Ansehen 
erworben  haben.  —  Bei  dem  verfallenen  Mausoleum  der  Neneked- 
shan-Chanim,  einer  Tochter  des  Chan's  Tochtamüjsch  (1379— 
14Q^),  welche  sich  angeblich  aus  unglücklicher  Liebe  hier  von  dem 
Felsen  stürzte,  prächtige  ^Aussicht  auf  das  Jailagebirge,  den  Tscha- 
tyr-Dagh  und  das  Meer.  In  der  Nähe  zwei  Gemächer,  halb  in  den 
Felsen  gehauen,  als  Gerichts-  and  Richtstätte  ausgegeben.  Im 
Felsen,  unterhalb  der  Stadt  Höhlen  unbekannter  Herkunft 


Jr 


Die  KHm,  SSEWASTOPOL.  36.  Route.    415 

4  W.  8üdl.  von  Tachufat^K«leh  (Beitveg)  interesMnte  Höhlen  und 
Ruinen  auf  dem  Felsen  von  Tepe  Kerman. 

Weiterhin  interessante  Fahrt  (man  benatzt  am  besten  den  Tages- 
zug ,  der  Vormittags  von  Bachtschissarai  abgeht).  Die  Bahn  geht 
durch  hügeliges  Land,  überschreitet  hinter  einem  Tunnel  auf  leichter 
Eisenbrücke  den  Belhek  und  tritt  bei  (46  W.)  Belbek  (Beiböexi) 
in  das  enge  Felsenthal  dieses  Flusses.  Beim  Austritt  aus  demselben 
wendet  sie  sich  südlich  nach  (64  W.)  Jnkjerman  (ÜHKepMaHi)),  östl. 
der  Bucht  von  Ssewastopol,  in  welche  hier  die  Tschomaja  mündet, 
in  ungesunder  Gegend ,  bekannt  durch  die  Schlacht  vom  5.  Nov. 
1854.  Von  den  genuesischen  Befestigungen  sind  noch  einige  wohl- 
erhaltene Thürme  und  Reste  der  ümwallung  sichtbar.  In  den  Felsen 
zahlreiche  Höhlenwohnungen  aus  alter  Zeit.  —  Weiter  in  grossem 
Bogen  mit  prächtigen  Ausblicken  auf  die  Bucht,  den  Malakow  und 
das  Meer,  dann  am  Vorgelände  entlang  und  durch  einen  Tunnel  zur 
Südbucht  und  an  dieser  entlang  zum  Bahnhof  (c.  20  Min.  von  der 
Stadt)  von 

73  W.  Ssewastopol  (CeBacTonoib). 

Gasthöfb:  *WetBel)  am  Boulevard  nahe  dem  Hafen,  mit  schöner 
Aussicht ;  Ki  8 1 ,  am  Orafskaja  Pristan,  aufmerksamer  Wirth,  beide  deutsch  ^ 
Grand  Hotel,  am  Boulevard,  gegenüber  dem  Hotel  Wetzel. 

Waoev,  aeeordireni  nach  Jalta  s.  S.  420.  —  Boox:  UeberseUen  über 
die  Bucht  20-90  Kop.,  weitere  Fahrten  accordiren. 

BÄDBB,  am  Grafskaja  Pristan  (gut).  —  Photographien  bei  Luchter- 
handt  (deutsch),  am  Boulevard. 

Ssewastopol ,  an  einer  etwa  7  km  von  W.  nach  0.  in  das  Land 
einschneidenden  Bucht,  die  von  mehreren  südlich  abzweigenden 
kleineren  im  Alterthum  den  Namen  Kammbueht  führte  und  mit 
einer  mittleren  Tiefe  von  15-18  m  den  besten  Hafen  am  Schwarzen 
Meer  bildet,  1784  an  Stelle  des  tatarischen  Dorfes  Achtiar  an- 
gelegt ,  war  unter  Kaiser  Nikolaus  Hauptkriegshafen  Südrussiands 
und  ist  namentlich  denkwürdig  durch  die  Belagerung  1854-65. 
Die  damals  fast  gänzlich  zerstörte  Stadt  beginnt  sich  seit  1870  die 
ihre  Entwickelung  hemmenden  Verträge  aufgehoben,  und  die  Eisen- 
bahn sie  mit  dem  Iimera  verbindet,  rascher  zu  erholen  und  zählt 
jetzt  26,000  Einw.  Zahlreiche  neue  Gebäude,  meist  in  gelbem  Sand- 
stein aufgeführt ,  breite  mit  Baumreihen  versehene  Strassen  geben 
der  Stadt  trotz  der  noch  nicht  völlig  verschwundenen  Trümmer- 
haufen ein  freundliches  Ausehen.  Das  Pflaster  von  Ssewastopol  ist 
nächst  dem  von  Odessa  das  beste  in  Russland. 

Von  dem  Landungsplatz,  dem  Orafskaja  Pristan  Crpa«CKafl 
npHCTaHB)  führt  eine  steinerne  Treppe  mit  Porticus,  1787  zu  Ehren 
Katharina's  II.  errichtet }  zu  dem  Hause,  in  welchem  damals  die 
Kaiserin  wohnte ,  Jetzt  die  Post.  Links  zieht  sich  der  höher  ge- 
legene Boulevard  hin,  von  dem  man  den  besten  Blick  auf  die  Stadt 
und  das  Meer  hat ;  hier  ein  Denkmal  zu  Ehren  Kosarsky's ,  eines 
russischen  Seeoffiziers  ^  der  sich  1828-29  im  Türkenkriege  aus- 


416    B<mte35,  SSEWASTOPOL.  Die  Krim. 

zeichnete.  —  Auf  dem  Platz,  den  das  während  der  Belagerung  zer- 
störte Fort  Constantin  einnahm,  sind  sorgfältig  gepflegte  Anlagen 
geschaffen.  Von  der  Veranda  des  Bestaurant  (gut)  hat  man  einen 
schönen  Blick  auf  das  Meer ;  Abends  besuchte  Militärconcerte. 

Gleich  hinter  dem  Boulevard  erhebt  sich  die  Kathedrale.  Gegen- 
über das  Museum  Totlehen  ^  welches  Geschütze  und  Geschosse, 
Karten ,  Pläne  und  Bilder  aus  der  Zeit  der  Belagerung  sowie  Er- 
innerungen an  Totleben  enthält.  Das  Gebäude  wurde  dem  General 
von  der  Stadt  geschenkt  und  ist  noch  im  Besitz  seiner  Familie. 

Vom  Museum  r.  aufwärts  gelangen  wir  zu  der  auf  dem  höchsten 
Punkte  der  Stadt  gelegenen  neuen  Kirche,  von  der  man  eine  schöne 
Aussicht  auf  die  Stadt  und  das  Meer  geniesst.  Landeinwärts  führt 
die  Hauptstrasse  zu  den  hochgelegenen  Buinen  des  sogen.  Thtseus- 
tempelSy  welcher  angeblich  nach  dem  Vorbild  der  Kirche  Madeleine 
in  Paris  erbaut  war. 

Vom  Orafskaja  Pristan  bringt  uns  ein  Boot  nach  dem  gegen- 
überliegenden Ufer  mit  der  Schiff ervoratadt ,  ausschliesslich  von 
Matrosen  und  Schiffern  bewohnt.  Hier  befinden  sich  die  neuen 
Marineetablissements,  an  deren  Vollendung  eifrig  gearbeitet  wird. 
Von  hier  erreicht  man  in  V2  St.  den  MalakowhOoel  ,  einen  alten 
Kurgan,  jetzt  ein  c.  350  m  langes  und  150  m  breites  Plateau,  von 
einer  weissen  Mauer  umschlossen,  der  höchste  Punkt  der  Umgebung, 
dessen  Erstürmung  das  Schicksal  der  Stadt  entschied.  Von  den 
Festungswerken  sind  nur  noch  Trümmer  übrig;  eine  Steintafel  er- 
innert an  den  hier  gefallenen  Admiral  Nachimow.  Unmittelbar  am 
Fusse  des  Hügels  die  weitläufigen  Gebäude  des  neuen  Marine- 
HospitckU  und  eine  Statue  des  Admirals  Lasar ew.  Von  oben  weite 
Aussicht  auf  die  Stadt,  die  Bucht  und  das  Meer ;  landeinwärts  auf 
die  „grünen  (Steppen*)  Hügel".  Südlich,  seitwärts  der  Strasse  nach 
Balaklawa  (S.  418)  liegt  der  französische  Kirchhof,  wohin  1863  die 
Gebeine  von  28,CKX) Franzosen  übertragen  wurden;  ^\^  englischen 
Kirchhöfe  sind  in  der  Nähe. 

Kachdem  das  französich- englische  Heer  bei  Eupatoria  gelandet  war 
und  die  Russen  unter  Menscbikow  an  der  Alma  (S.  413)  zum  Rückzug 
gezwungen  hatte,  begann  am  10.  Oot.  1854  die  Belagerung  der  Stadt, 
epochemachend  in  der  neueren  Kriegsführung  und  eine  der  merkwür- 
digsten aller  Zeiten.  Der  Angriff,  auf  die  Südseite  der  Stadt  gerichtet, 
machte  Anfangs  geringe  Fortschritte,  da  die  Vertheidiger  ihre  ursprüng- 
lich meist  unfertigen  Werke  unter  Todlebens  genialer  Leitung  rasch  ver- 
stärkten und  gleichzeitig  Entsatzversuehe  |(emaeht  wurden .  die  zu  den 
Schlachten  von  Balaklawa  (25.  Oct.)  und  Inkjerman  (5.  Nov.)  führten.  Da 
die  Nordseite  Ssewastopols  frei  blieb,  konnte  die  Verbindung  mit  dem 
russischen  Heere  ausserhalb  unterhalten  werden.  Der  Winter  und  Krank- 
heiten brachten  die  Operationen  der  Belagerer  zeitweilig  ganz  ins  Stocken. 
Erst  nach  der  Ankunft  des  französischen  Ingenieur-Generals  Niel  wur- 
den sie  lebhafter  aufgenommen  und] der  Angri£P  der  Franzosen  haupt- 
sächlich auf  den  Malakow  und  den  grünen  Bt^el^  der  der  Engländer  auf 
den  grouen  Redan  gerichtet.  Im  Mai  1655  übernahm  der  energische  General 
Pelissier  an  Stelle  Ganrobert's  den  Oberbefehl,  aber  seinen  stürmischen 
Angriffen  setzten  die  Vertheidiger  die  zäheste  Ausdauer  entgegen.  Der 
Sturm  vom  18.  Juni  (dem  Tage  von  Belle-Alliance)  hatte  so  wenig  Er 


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Die  KHm.  SSEWASTOPOL.  35,  Baute.     417 

folg  wie  am  16.  Aug.  ein  Angrifif  des  Fürslen  Gortschakow  von  der 
T»€hom<^a  aus  auf  die  Stellungen  der  Verbündeten.  Erst  nachdem  durch 
fortgesetztes  furchtbares  Bombardement  die  Festungswerke  zum  Theil 
in  formlose  Erdhügel  verwandelt  waren,  gelang  es  am  8.  Sept.  1856  den 
Franzosen,  den  Malakow  zu  erstürmen  und  zu  behaupten,  während  der 
Angriff  der  Engländer  auf  den  Redan  gänzlich  misslang.  Trotzdem  war 
damit  die  Stadt  unhaltbar  und  Fürst  Gortschakow  zog  die  Besatzung  auf 
das  nördl.  Ufer  der  Bucht  zurück.  —  Die  Belagerer  hatten  zusammen  700 
Kanonen  in  ihren  Trancheen  und  Batterien,  aus  denen  während  der 
349  Tage  der  Belagerung  im  ganzen  1600000  Schuss  abgegeben  wurden. 

Den  grossen  russischen  Kirchhofe  auf  welchem  nach  den  amt- 
lichen Angaben  c.  100000  Gefallene  aus  den  Kämpfen  bei  Sse- 
wastopol  begraben  liegen,  besucht  man  am  besten,  indem  man  sich 
vom  Grafskaja  Pristan  nach  dem  Fori  ConstarUin  übersetzen  lässt 
und  Ton  da  auf  der  Strandhöhe  entlang  geht.  Schon  von  weitem 
wird  die  hochgelegene  Kapelle  des  Kirchhofs  sichtbar.  Am  Ein- 
gang die  Inschrift :  EpaTCKafl  MorHia  (Bruderkirchhof).  Die  sorg- 
fältig gehaltenen  Gräber  und  dunklen  Alleen  machen  einen  ernsten 
und  würdigen  Eindruck.  Von  hervorragenden  Führern  des  russi- 
schen Heeres  ruhen  hier  Fürst  Gortschakow  und  am  Hauptwege 
oben  1.  Graf  Totleben.  Jedes  der  zahlreichen  Massengräber  soll 
200  Todte  bedecken.  Auf  der  Hohe  des  Kirchhofs  steht  eine  Ka- 
pelle y  in  Gestalt  einer  c.  20  m  hohen  Pyramide ,  auf  welcher  sich 
ein  Kreuz  erhebt.  Auf  den  Seitenwänden  sind  die  Truppentheile 
unter  Angabe  ihrer  Verluste  (einzelne  bis  zu  4000)  verzeichnet, 
welche  an  den  Kämpfen  Theil  genommen  haben. 

Unmittelbar  im  Westen   (angenehmer  Spaziergang)   zwischen 

der  heutigen  Stadt  und  der  Quatanrtainebucht  lag  die  im  v.  Jahrh. 

V.  Chr.  von  Herakleia  in  Bithynien  aus  gegründete  Stadt  Cherso- 

nesus,  später  Korssun  (S.  251)  genannt,  in  welcher  sich  Grossfürst 

Wladimir  988  taufen  liess.  Nur  ganz  unbedeutende  Trümmer  sind 

noch  vorhanden. 

Etwa  10  W.  südl.  von  Ssewastopol  liegt  hart  am  Meere  zum  Theil  auf 
künstliehen  Terrassen,  das  St.  Georgs-Kloster  (Gbat.  Teopris  MOHacTupi»)  in 
der  Nähe  des  Cap  Fiolente^  des  alten  Vorgebirges  Par<Aeni«m,  wohin  man 
das  Heiligthum  der  Artemis,  in  welchem  Iphigenie  („das  Land  der  Grie- 
chen mit  der  Seele  suchend **)  Priesterin  war,  verlegt.  —  Oestl.  über 
Inkjerman  (S.  414)  nach  Mangup-KcUeh  ^  hochgelegene  Ruinenstadt. 


B.   Von  Ssewastopol  nach  Kebtsch.   Die  SOdküste  deb  Kbim. 

Vgl.  die  ndtenstefunde  Kctrte  m  1 :  600^000. 

Bbi8bpi/Ak:  Für  die  von  Westen  und  Norden  kommenden  Beisenden 
ist  Saetcastopol  der  geeignetste  Ausgangspunkt  zu  einem  Besuch  der  Süd- 
küste der  Krim  Den  schönsten  Theil  derselben,  die  Strecke  von  Sse- 
wastopol bis  (83  W.)  Jalta,  bereist  man  am  besten  zu  Wagen;  die  Fahrt 
beansprucht  etwa  11  St.,  mit  Mittagsrast  15  St.;  frühzeitiger  Aufbruch 
ist  rathsam,  damit  man  vor  Eintritt  der  Dämmerung  Jalta  erreicht.  Sehr 
lohnend  ist  auch  eine  Ausdehnung  der  Fahrt  bis  (1124  W.)  ^<tMcAto,  womit 
sich  die  Besteigung  des  Tschatyr  Dagh  verbinden  lässt.  Bsudak^  Feodoaia 
und  Kertseh  besucht  man  mit  dem  Dampfschiff  (s.  unten);  ebenso  ist  es 
rathsam,  falls  die  Bückkehr  über  Ssewastopol  geplant  ist,  diese  zu  SchitV 

Bussland.    2.  Aufl.  «* 


418    Route  35.  BAID  AR-THAL.  JHeKHm. 

zn  machen,  wo  dann  das  ganze  herrliclie  Efistenbild  noeh  einmal  am 
Auge  vorüber  zieht;  die  Dampfsehifffahrt  von  Jalta  nach  Ssewastopol 
dauert  etwa  5  St.  Wer  von  Osten  mit  dem  Schiff  kommt  und  hei  Kertsch 
beginnt,  wird  umgekehrt  die  Landreise  von  Jalta  nach  Ssewastopol  vor- 
ziehen. —  Die  günstigste  Reisezeit  sind  April  und  Hai,  wenn  selbst  die 
Steppe  im  Blüthenschmuck  prangt;  in  den  späteren  Sommermonaten  ist 
die  Hitze  oft  unerträglich  und  die  Vegetation  erstorben.  Das  Meer  ist 
im  Winter,  Frühjahr  und  Herbst  sehr  stürmisch,  vom  Juni  an  dagegen 
meist  völlig  still. 

Die  Gasthöfe  in  Ssewastopol,  Jalta  und  ürsuff  sind  gut,  in  Alusehta 
und  in  anderen  Orten  leidlieh.  Wer  während  der  Fahrt  mit  kalter  Kost, 
wie  sie  in  den  Gasthäusern  zu  haben  ist,  fürlieb  nimmt,  braucht  keinen 
Proviant  mitzunehmen. 

Ein  Waobn  (bequeme  Troika  mit  3-4  ausdauernden  Steppenpferden) 
von  Ssewastopol  nach  Jalta  kostet  20-25  R. ;  Rüekfuhren ,  während  der 
Saison  meist  zu  finden,  18  R.  Die  Benutzung  eines  solchen  Privatwagens 
ist  der  der  Po$t  vorzuziehen,  weil  der  Reisende  auf  den  Stationen  häufig 
zu  längerem  Warten  verurtheilt  ist,  wenn  höhere  Beamte  die  Bezirke 
bereisen,  denen  unbeschränkte  Verfügung  über  alle  Vorspannpferde 
zusteht. 

Die  Damppbb  der  Rttisischen  Oesellsehctft  für  Damp/achijffyahrt  und  Han- 
del in  Odessa  sind  durchaus  reinlich  und  comfortabel,  haben  geräumige 
und  luftige  Cabinen  und  ordentliche  Verpflegung;  die  Hauptmahlzeiten 
werden  gemeinsam  eingenommen.  —  Fahrpreise  von  Sseuxuiopol  naeh 
Jalta:  3  R.  15^  2  R.  30,  80  Kop. ;  nach  Ssudak  4  R.  30,  2  R.  60.  1  R.  50  Kop. ; 
nach  Feodosia  6  R.  30,  4  B .  50,  1  R.  80  Kop. ;  nach  Kertteh  ll  R.,  8  R.,  2  R. 
50  Kop.    Abfahrtszeiten  s.  die  Gursbücher. 

Die  Strasse  von  Ssewastopol  (S.  415)  nach  Jalta  geht 
anfänglich  südwärts  über  die  Steppe,  deren  eigenthümliche  Schön- 
heit sich  mehr  in  sternenklaren  oder  mondhellen  Nächten  als  bei 
Tage  zeigt.  R.  Hegt  der  französische  Kirchhof;  dann  folgt  1.  einer 
der  englischen ,  endlich  hochgelegen  ebenfalls  1.  der  Italienische. 
Bald  biegt  der  Jämschtschik  (Fuhrmann)  von  der  Strasse  ab,  wohl  um 
Weg  zu  sparen,  aber  auch  um  seinen  Ortssinn  zu  zeigen.  Nur  Step- 
penkräuter, namentlich  Kletten  (Xanthium  splnosum)  und  vereinzelt 
niedriges  Gestrüpp  bedecken  den  Boden ,  während  nur  der  Knall 
der  Peitsche  und  der  einförmige  Gesang  des  Fuhrmanns,  sowie  das 
Tönen  der  harmonisch  abgestimmten  GlÖckchen  der  Troika ,  ohne 
welche  nach  der  Volksmeinung  keine  Steppenfahrt  glücklich  ver- 
läuft, allein  die  völlige  Stille  unterbrechen.  Schon  bei  der  ersten 
Station  nimmt  die  Vegetation  zu.  Hinter  einem  engen  Thal ,  der 
Kamarskaja  Dolina,  beginnt  die  Wobonzow-Stbassb,  die  schönste 
Kunststrasse  Südrusslands,  nach  ihrem  Erbauer,  dem  General- 
gouverneur Fürsten  Woronzow  (S.  405)  l^enannt.  Allmählich  senkt 
sich  der  Weg  hinab  nach  (12  W.)  BcUaklawa  (EajiaKjiaBa) ,  einem 
unbedetitenden  Ort ,  aber  malerisch  an  einer  bis  auf  eine  schmale 
Einfahrt  ganz  von  Felsen  umschlossenen  Bucht  von  etwa  l'/t  km 
Länge  und  1  km  Breite  gelegen ,  im  Krimkriege  Hauptstutzpunkt 
der  Engländer,  deren  Stellung  am  25.  Oct.  1854  von  den  Russen 
erstürmt,  aber  von  den  Franzosen  wiedergenommen  wurde.  Ein 
grosses  A  an  der  Felswand  bezeichnet  die  Stelle,  wo  1854  das 
französische  Transportschiff  Antilope  mit  600  Mann  versank. 

Auf  die  Bucht  von  Balaklawa  bezieht  man  Homer^s  Schildemng  der 


Die  KHm,  ALÜPKA.  35.  EotUe.     419 

Lästrygonenbacht  Odyss.  X,  86-94.  Im  Alterthum  hiess  sie  Symbolon 
portuSf  als  genuesische  Golonie  Cembalo;  von  letzterer  sind  noch  Ruinen 
erhalten- 

Durch  Elchen-  und  Buchenwälder  ahwärts  biegt  nun  die  Strasse 
ö.  in  das  Baidarthal  (Baä^apcKafl  /(ojiHHa)  ein,  wo  anfangs  zwischen 
den  steilen  Felswänden  nur  für  den  Bach  und  die  Strasse  Raum 
bleibt.  Später  erweitert  sich  das  Thal  zu  einem  unregelmässigen 
Oval  von  17km  Länge  und  8-10 km  Breite,  berühmt  und  viel- 
besungen wegen  seiner  fruchtbaren  Felder,  seiner  grünen  Wälder 
Matten,  die  es  den  zahlreichen  Quellbächen  der  Tschornaja  (Mep- 
Haaj  verdankt.  Zahlreich  finden  sich  hier  prähistorische  Bauten, 
die  sogen.  Dolmen  oder  Steintische,  welche  noch  nicht  mit  Sicher- 
heit erklärt  sind.  An  dem  grössten  der  12  tatarischen  Dörfer  im 
Thal ,  (34  W.)  Baidar  (BaSAapi> ;  c.  500  Einw.)  entlang  steigt  die 
Strasse  langsam  durch  schattigen  Wald  zur  Höhe  hinauf,  wo  eine 
kleine  russische  Goatinniza  (kalte  Kost,  Eier  u.  s.  w.,  guter  Krim- 
scher Wein  sind  hier  zu  haben ,  auch  einige  Zimmer  zum  Ueber- 
nachten)  steht,  bei  welcher  in  der  Regel  Mittagsrast  gehalten  wird. 

Eine  kurze  Strecke  oberhalb  des  Gasthauses  erreicht  man  das 
in  die  Granitfelsen  gesprengte  Baidarthor  (Baü^apcRifl  Bopora; 
c.  900  m),  von  welchem  sich  plötzlich  eine  unvergleichliche  ♦Aus- 
sicht öffnet.  Vor  dem  Beschauer  dehnt  sich  das  endlose  Meer  aus  ; 
zu  seinen  Füssen  zieht  sich  ein  wildzerklüftetes  Trümmerfeld 
hinab ;  1.  die  blauen  Abhänge  der  Jaila  und  die  fernen  mit  süd- 
licher Vegetation  bedeckten  Gestade.  Von  hier  führt  die  Strasse 
in  grossen  Kehren  und  durch  einen  50  m  langen  Felsentunnel ,  r. 
das  Meer  und  das  Cap  Ssaritsch ,  der  südlichste  Punkt  der  Krim, 
1.  wildzerklüftete  Kalkfelsen  hinab  nach  (56  W.)  Kikineia  (Khkh- 
HeHSi») ,  wo  der  etwas  breitere  Küstensaum  zwischen  den  Felsen 
und  dem  Meere  eine  üppige  Vegetation  sich  entfalten  lässt;  Nuss- 
bäume  von  enormer  Grösse  stehen  in  der  Nähe  der  Strasse,  und 
die  Abhänge  sind  mit  HaselnussstraxLchern  bedeckt,  deren  Früchte 
durch  ganz  Russland  versandt  werden.  In  den  Wäldern  wechseln 
Eichen  und  Buchen  von  kräftigstem  Wuchs  mit  Terebinthen  und 
Pinien,  Cypressen  und  Myrten  mit  Granat-,  Maulbeer-  und  Feigen- 
bäumen. Hier  beginnen  auch  schon  die  Weinberge ,  welche  sich 
bis  über  Alupka  (s.  unten)  hinaus  hinziehen ,  während  Aluschta 
(S.  422)  den  Mittelpunkt  des]^Welnbaus  der  Krim  bildet ,  welcher 
vortreffliche  Producte  liefert. 

Die  Strasse  steigt  abermals  zu  ziemlicher  Höhe  empor  und  ent- 
sendet dann  einen  Zweig  nach  */Llapka  (wer  mit  der  Post  fährt, 
muss  in  Klkineis  den  Abstecher  nach  Alupka  beim  Posthalter  aus- 
bedingen, 80  Kop. -1  R.),  das  Schloss  des  Fürsten  Woronzow 
(Schloss  und  Park  sind  gegen  Abgabe  der  Karte  oder  Vorzeigung 
des  Passes  zugänglich ;  fürstl.  Gasthaus  im  Park ,  Z.  1  R.  pro  Tag ; 
auch  in  dem  tatarischen  Dorfe  Alwpka  ein  bescheidenes  russisches 
Gasthaus)  mit  einem  Aufwand  von  fast  3  Mill.  Silberrubel  erbaut. 

27* 


420     ßoute  35,  JALTA.  Die  Krim. 

Ton  dem  am  Fusse  des  Aghi  Petri  (s.  unten)  53  m  über  dem  Meere 
gelegenen  Schloss,  bei  welchem  gothiscber  und  maurischer  Stil  auf 
das  glücklichste  vereinigt  sind  und  dessen  Südfa^ade  besonders 
imposant  ist,  zieht  sich  der  Park  stundenlang  am  Meere  hin..  Ausser 
mehreren  Pavillons,  einer  Orangerie,  einer  Moschee  und  den 
Wasserkünsten  zieht  besonders  die  Fülle  seltener  subtropischer  Ge- 
wächse den  Besucher  an  j  der  Gartencatalog  weist  277  Gattungen 
auf.  Unten  am  Strande  gedeihen  einige  kleinere  Palmenarten ;  eine 
schöne  Allee  von  Cedern,  prächtige  Cypressen,  darunter  im  Schloss- 
hof zwei  von  Potemkin  gepflanzt ,  von  welchen  alle  in  der  Krim 
befindlichen  abstammen,  wundervolle  Bosquets  und  Blumenbeete 
laden  zu  eingehendem  Besuche  ein.  An  den  Park  schliessen  sich 
die  ausgedehnten  Weinberge  des  Fürsten ,  in  denen  vortrefflicher 
Wein  gedeiht.  —  Von  dem  oberhalb  des  Schlosses  aufragenden 
Aghi  Petri  (Hagios  Petros,  1316  m),  in  dessen  schwer  zugänglichen 
Felsklüfteu  wie  bei  Kikineis  (s.  oben)  hoch  oben  das  Edelweiss  der 
Krim,  das  gelbe  Helychrysum  graveolens,  wächst,  prächtiger  Blick 
auf  die  unten  liegende  Landschaft. 

Wieder  hinauf  zur  grossen  Strasse  nach  (71  W.)  Mischor  und 
weiter  an  dem  (r.)  tiefgelegenen  Cap  Ai  Todor  mit  einem  Leucht- 
thurm  und  zahlreichen  Datschen  vorüber,  während  1.  die  schroffen 
Felswände  schönbewaldeten  Yorbergen  weichen,  nach  Orianda,  der 
Besitzung  des  Grossfürsten  Gonstantin  Nikolajewitsch ,  mit  einem 
prachtvollen  Schloss  im  italienischen  Stil ,  1843  nach  SchinkePs 
Plänen  erbaut,  1881  zum  Theil  durch  Feuer  zerstört.  Der  Park 
mit  zahlreichen  seltenen  Pflanzen  zieht  sich  zum  Strande  hinab ; 
von  einem  Felsen  mit  einem  Kreuz  hart  am  Meere  schöne  *Aus- 
sieht  auf  die  Bucht  von  Jalta,  das  Cap  Ai  Todor  und  die  Felsen 
oberhalb  Orianda. 

Von  der  Hohe  der  Strasse  prächtiger  Blick  auf  die  Bucht  von 
Jalta ,  dann  abwärts  durch  dichten  Wald  nach  dem  auf  sanft  ab- 
fallender Kuppe  gelegenen  Dorfe  Livadia ,  mit  der  In  weitem  Um- 
kreis abgesperrten  kaiserlichen  Villa.  Hinter  Livadia  senkt  sich 
der  Weg  hinab  nach 

83  W.  Jalta  (Äjira). 

Gastböfo:  Hotel  de  Russie,  grossartiger  Bau  mit  entsprechenden 
Preisen ;  *H6tel  de  Franee,  gute  Küche ^  beide  am  Boulevanl ,  mit 
z.  Th.  deutscher  Bedienung;  Hdtel  Edinburg,  etwas  höher  gelegen 
am  Wege  nach  Aluschta,  mit  schöner  Aussicht,  u.  a. 

Waobn:  pro  Tag  13  B.  —  Post:  nach  Aluschta:  Coap^  2B.  75Kop., 
Fahrteit  4  St. 

Photooraphibh :  bei  Orlowa^  am  Boulevard,  neben  Hotel  de  France. 

Badbr:  gegenüber  dem  Hotel  de  France,  gut. 

Jalta,  kleine  Kreisstadt  mit  c.  1400  Einw.,  höchst  malerisch  am 
Fuss  c.  1300  m  hoher  Berge  an  einer  grossen  Bucht  gelegen,  hat 
durchaus  den  Charakter  eines  vornehmen  westeuropäischen  Bade- 
ortes, und  ist  im  Sommer  von  der  russischen  Aristokratie  stark  be- 
sucht.  An  der  breiten ,  z.  Th.  schattigen  Promenade  liegen  grosse 


DU  Krim.  ALüSCHTA.  35.  Route.     421 

Hotels,  T7ie  das  palastähnliche  Hotel  de  Kussie,  zahlreiche  Läden 
meist  persischer  Kaufleute  (sprechen  französisch),  mit  theuren  und 
nicht  immer  preiswerthen  Waaren,  besonders  auch  grosse  Obstläden 
mit  Südfrüchten  aller  Art,  unter  denen  Weintrauben  durch  Grösse 
und  Qualität  hervorragen.  Die  Anhöhen  von  Jalta  sind  mit  zahl- 
reichen eleganten  Datschen  fast  durchweg  in  tatarischer  Bauart  be- 
setzt ;  auch  eine  Villa  des  Kaisers  Alexander  lU.  befindet  sich  hier. 
Die  Strassen  Jalta's  sind  namentlich  Sonntags  sehr  belebt,  Gefährt 
aller  Art,  berittene  Tataren  und  Tatarinnen  jagen  in  schnellem 
Trabe  dahin.  Den  stattlichsten  Eindruck  macht  Jalta  vom  Meere 
aus.  Bei  der  geringen  Tiefe  der  Bucht  müssen  die  Dampfer  c.  1  km 
vom  Ufer  Anker  werfen  und  Böte ,  mit  Matrosen  in  der  kleidsamen 
russischen  Marineuniform  bemannt ,  vermitteln  den  Verkehr  mit 
dem  Lande. 

Das  Thal  von  Jalta  mit  seiner  üppigen  südlichen  Vegetation 
bietet  Gelegenheit  zu  lohnenden  Ausflügen  ,  wie  nach  dem  100  m 
hohen  Wasserfall  Ütschan-Ssu  („fliegendes  Wasser";  nur  mit 
Führer).  Sehr  zu  empfehlen  sind  ferner  der  Besuch  von  Livadia 
(s.  oben)  und  Aluschta  (s.  unten). 

Von  Jalta  steigt  die  Strasse ,  anfänglich  durch  Wald  wieder  zu 
ziemlicher  Höhe  empor.  Beim  Austritt  aus  dem  Walde  prächtiger 
Blick  1.  auf  die  Jaila  mit  dem  Kernel  Agerek,  r.  auf  das  Meer,  rück- 
wärts auf  das  Thal  und  die  Bucht  von  Jalta;  in  der  Ferne  Li- 
vadia u.  s.  w.  Weiter  an  Tabakpflanzungen  und  Weinbergen,  dann 
an  steilen  Felswänden  vorüber  nach  Massandra  (Macanxpa) ,  mit 
einer  Datsche  und  schönem  Park  des  Fürsten  Woroiizow.  Seit- 
wärts die  berühmten  Weinberge  von  Maharadsch  (Marapa<ii).  Es 
folgt  Nikita  (ÜHRHra) ,  mit  grossem  kaiserlichen  Acclimatisations- 
garten  und  einer  seit  1812  bestehenden  Weinbauschule.  Hinter 
der  (94  W.)  nur  aus  wenig  Häusern  bestehenden  Poststation  Ai 
Danü  (Aä  4&hhj'b)  zieht  sich  die  Strasse ,  immer  noch  in  mehr  als 
300  m  Meereshöhe  der  Küste  folgend  nach  dem  tatarischen  Dorfe 
TTrsuff  (rypcy*^),  welches  sich  mitten  unter  grotesken  Felsbil- 
dungen angesiedelt  hat.  An  das  Dorf  grenzt  der  berühmte  ♦Park 
des  Hrn.  Fundukley,  vom  Herzog  von  Richelieu  (S.  403)  angelegt. 
Grossartiger  Gasthof.  Jenseit  des  Dorfes  ragt  weithin  sichtbar 
und  nach  dieser  Seite  steil  ansteigend  der  Aju  Dagh  (Aio  Aar'b; 
600  m)  auf,  von  seiner  Gestalt  „der  Bär"  genannt;  oben  pracht- 
volle Aussicht. 

Die  Strasse  umzieht  den  Aju  Dagh  und  die  östl.  gelegene  kleine 
Bucht.  Bei  (111  W.)  Bitjvk  Lamhat  (BywKi  JaHsaTi),  an  einem 
Felsvorspning  mit  hübscher  Capelle ,  öffnet  sich  der  Blick  auf  die 
weite  Bucht  von  Ssudak  (s.  unten).  Bei  der  (r.)  alten  Feste  Temir 
Kapu  (TeHupi  Kany)  senkt  sich  die  Strasse  allmählich  und  führt 
durch  schattigen  Wald,  der  schon  wieder  mitteleuropäische  Formen 
zeigt  (1.  prächtiger  Blick  auf  den  Tschatyr  Dagh) ,  nach  (124  W.) 


422    35.  Route.  SSUDAK.  Die  Krim. 

AluBchta  (AiyniTa,  jüdisches  Gasthaus,  leidlich,  Z.  1V4-5  R- ;  Ver- 
pflegung gut  aber  theuer.  —  Badeeinrichtungen  noch  sehr  einfach), 
der  Hauptort  für  den  Weinbau  der  Krim.  Die  Weinberge ,  zuerst 
von  deutschen  Ansiedlern  angelegt  und  noch  jetzt  nach  deutscher 
Art  mit  an  Stocken  gezogenen  Reben  bepflanzt ,  sind  meist  im  Be- 
sitz des  Fürsten  Galitzin.  Die  Zahl  der  Sorten  erreicht  3-400  ,  die 
jährliche  Weinproduction  123000  hl. 

Ausflug  auf  den  Tsohatyr  Sagh  OlaTupi  A^n,  Z«lU>erg  ^  töi9xn),  un- 
schwierig  und  sehr  lohnend,  zu  Pferde  in  3-4  St. ;  Pferd  mit  Führer  (Ta- 
tar) 7  B. ,  mit  Einschluss  der  Höhlen  (Lichter  mitnehmen)  und  Ssalgir- 
quelle  15  B.  Man  bricht  am  besten  früh  (4-5  Uhr)  Morgens  von  Älusehta 
auf,  da  dann  die  Aussieht  am  freiesten  ist;  der  Sonnenaufgang  ist  der 
Nebel  halber  wenig  lohnend.  —  Der  Weg  führt  zuerst  durch  den  frucht- 
baren Thalboden,  dann  auf  einförmigem  Bergland,  zuletzt  ziemlieh  steil 
zum  Doppelgipfel  des  Berges.  Oben  grossartige  Bundsicht:  n.  über  das 
hügelige  Vorland  der  Jaila  und  die  Steppe,  w.  bis  zur  Bucht  von  Sse- 
wastopol  und  Tsehufut-Kaleh,  s.  und  ö.  das  Meer.  —  Am  n.  Abhang  des 
Berges  die  Höhle  mit  der  Ssalgirquelle  (Hcto'ihhk:^  Ca^rnpa). 


VonAluschta  nach  Ssimferopol  geht  nordwärts  die 
Fortsetzung  der  Woronzow  -  Strasse.  Durch  die  Laubwälder  des 
Thaies  Demirdshi-  Us^n  (^eMepASH  YseHi»)  steigt  sie  bei  der  Ku- 
tusowquelle  (<l>OHTaH'&  KyrysoBCKiä) ,  benannt  nach  dem  Feldmar- 
schall Kutusow,  der  hier  1774  Im  Kampf  mit  den  Türken  verwun- 
det wurde,  an  der  Ostseite  des  Tschatyr  Dagh  fast  bis  zu  halber 
Höhe  des  Berges  hinauf.  Dann  geht  es  abwärts  nach  (19  W.) 
Tawschan  -  Bazar  (TasmaHi-Basapi;  Unterkunft  im  Stations- 
gebäude oder  in  einem  der  tatarischen  Häuser),  inmitten  herr- 
licher Buchenwälder.  Weiter  am  Ssalgir  (S.  410)  entlang,  der  mehr- 
mals überbrückt  wird ,  erreicht  die  Strasse  über  (34  W.)  Mahmu- 
Sultan  (MaMy  -  CyaTaHi) ,  in  dessen  Umgebung  mehrere  ansehn- 
liche Sitze  tatarischer  Edelleute  (Mursen),  4iB  W.  Ssimferopol 
(S.  412). 


Die  Poststrasse  von  Aluschta  nach  Ssudak  an  der 
Südküste  entlang  bietet  weniger  grossartige  Scenerie;  die  Berge 
treten  zurück  und  nehmen  an  Höhe  ab ;  die  südliche  Vegetation 
verschwindet  schon  diesseit  Aluschta.  Bis  Tuak  (TyaKi)  folgt  der 
Weg  der  Küste;  1.  erhebt  sich  der  Karadagh  noch  zu  1100m. 
Dann  allmählich  ansteigend  entfernt  sich  die  Strasse  von  der  Küste, 
um  sich  in  das  anmuthige  Thal  von  Ssudak  hinabzusenken.  60  W. 
Ssudak,  in  fruchtbarer  Umgebung,  rings  umkränzt  von  Weinbergen, 
die  einen  der  besten  Weine  der  Krim  liefern.  Trotz  seiner  ge- 
schützten und  gesunden  Lage  und  des  zum  Baden  vorzüglich  ge- 
eigneten Strandes  ist  Ssudak  in  Folge  seiner  Abgeschlossenheit 
nur  ein  unbedeutender  Ort.  —  In  der  Nähe  eine  alte  Genuesen- 
festung.  —  Im  nahen  Ai-Ssawathale  das  Sanatorium  des  Dr.  Ehr- 
hardt.  —  In  der  Umgebung  wohnen  zahlreiche  deutsche  Golonisten. 


Die  KHm,  KERTSCH-JJENIKALE.  35.  Rmte,     423 

Die  Fortsetzung  der  Strasse  Ton  Ssudak  nacli  Feodosia  gelit 
durch  das  fruchtbare  jSsudofe^/^a^  (Cy^aKCKBA  AOJHHa)  am  Taraktasch- 
ßusse  aufwärts  durch  die  Östlichsten  Ausläufer  des  Jailagehirges. 
Bei  (20  W.)  Stat.  Elbualy  (Eiböyam)  biegt  die  Strasse  nach  Nord- 
osten und  berührt  Staraja-  oder  Eski-Krim  (Crapafl  KpHHi»),  nach 
der  Eroberung  der  Krim  durch  die  Tataren  eine  Zeitlang  Haupt- 
stadt derselben,  jetzt  ein  unbedeutender  Ort,  am  Fusse  des  Agar- 
myach  (ArapMunii»,  700  m),  mit  alten  Befestigungen.  Bei  Krinitschki 
(KpifHH<iim)  mündet  die  Strasse  in  die  Foststrasse  von  Feodosia 
nach  Ssimferopol  ein  (s.  unten). 

63  W.  Feodosia  (BeOAOcifl).  —  Oasth. -.  Moskau;  Feodosia; 
St.  Petersburg.  —  Bestauravt:  Ku  tschuk-Bey  (deutscher  Wirth). 
—  Dampfer  nach  KerUch  3'mal  wöchentl.  in  etwa  8  St.  für  4R.  50,  3E.  50, 
IB.  20Kop. 

Feodosia,  an  der  gleichnam.  Bucht  gelegene  Kreisstadt  mit  c. 
10000  Einw.,  wird  als  Seebad  stark  besucht  (auch  Kumyssanstal- 
ten) ;  die  zahlreichen  Weinberge  sind  für  Traubenkuren  -werthvoll. 

Im  VI.  Jahrh.  y.  Chr.  als  milesische  Colonie  Theodosia  erbaut, 
wurde  die  Stadt  im  xni.  Jahrh.  von  den  Genuesen  neu  gegrün- 
det und  Kaffa  genannt;  im  xiv.  Jahrh.  zählte  sie  angeblich  150000 
Einw.,  1475  wurde  sie  von  den  Tataren  erobert.  Von  den  Bauten 
der  Genuesen  sind  einige  Thürme,  darunter  der  nach  Papst  Cle- 
mens YI.  benannte,  die  jetzige  armenische  Kirche  vl.  a..  erhalten. 
Der  Palast  der  Chane  ist  verfallen,  die  Öffentlichen  Bäder  dienen 
als  Magazin.  In  einer  früheren  Moschee  ist  jetzt  ein  AlterthumS' 
museum.  —  Im  öffentlichen  Garten  ist  zweimal  wöchentlich  Con- 
cert;  in  die  Rotonda  am  Boulevard,  wo  Bälle  u.  s.  w.  stattfinden, 
kann  man  sich  durch  ein  Mitglied  oder  den  Direktor  einführen 
lassen  (1  R.  50  Kop.,  Saisonbillet  6  R.) 

Von  Feodosia  führt  eine  PoaUircuse  105  W.  über  Kareusu-Bazar  nach 
Ssimferopol  (S.  412). 

Dem  Landweg  nach  Kertsch  (Poststrasse  97  W.)  ist  die  Seefahrt 
vorzuziehen.  Der  Dampfer  passirt  Opuk,  dessen  Hügel  mit  mäch- 
tigen Felstrümmern  bedeckt  ist,  biegt  dann  nordöstl.  in  die  Strasse 
von  Kertsch  oder  Jenikale,  im  Alterthum  der  Kimmerische  Bos- 
porus genannt,  ein  und  landet  in  der  geräumigen  Bucht  von  Kertsch. 

Kertsch-Jenikale  (Kepii-EaHKOji»).  —  Gasth.  :  St. Petersburg; 

Europe  (Besitzer  Franzose).  —  Dampfer  HAch  Batum  dreimal  wöchentl. 
in  e.  60  St.  für  21  B.  50,  16  B. ,  5R.  20  Kop.;  nach  Taganrog  für  16  B., 
12  B.  50,  4  B.  Der  von  Batum  kommende  Dampfer  hat  5-6  St.  Aufenthalt, 
welche  zur  Besichtigung  der  Stadt  völlig  genügen. 

Kertsch,  wichtiger  Handelshafen  am  Eingang  zum  flachen  Asow- 
schen  Meer,  steigt  amphitheatrallsch  am  Meeresufer  auf.  Massive 
meist  helle  Gebäude,  der  geräumige  Markt,  breite,  meist  gepflasterte 
Strassen  und  schöne  Anlagen  bezeugen  den  Wohlstand  der  Han- 
delsstadt. Mit  der  nahen  Festung  Jenikale,  welche  die  Meerenge 
beherrscht,  zählt  die  Stadt  22500  Einw.  —  An  die  alte  milesische 
Colonie  Panticapaeum,  auch  Bosporus  genannt,  die  Residenz  der 


424     35.  Boute.  KERTSCH-JENIKALE.  Bit  Krim, 

bosporanischen  Könige,  erinnert  noch  der  Mithridatesberg  mit  dem 

angeblichen  Grab  Mithridates' VI.  (120-63  v.  Chr.),  auf  halber  Höhe 

des  Berges ,  zu  welchem  man  in  kurzer  Fahrt  gelangt.   Die  Akro- 

polis  lag  etwas  tiefer.   Auf  der  Hohe  ein  kleiner  Aussichtstempel, 

von  welchem  man  die  Bucht  und  das  Meer,  sowie  das  Sommerlager 

der  russ.  Besatzung  überblickt.  Von  der  Anhöhe  hinter  dem  Mithri- 

datesberg  hat  man  eine  gute  Aussicht  auf  die  Steppe  mit  den  hier 

besonders  zahlreichen  Kurganen,  von  denen  der  des  Königs  Kul 

Oba  (etwa  6  W.  an  der  Strasse  nach  Feodosia)  den  Goldschmuck 

enthielt,  welcher  sich  mit  den  im  Grabe  des  Mithridates  gefundenen 

Goldsachen  jetzt  in  der  Eremitage  in  St  Petersburg  befindet  — 

Am  Fusse  des  Berges  ein  Museum,  welches  von  den  Alllirten  im 

Krimkrieg  geplündert  wurde 

Lohnend  ist  von  Kertsch  aus  der  Besuch  der  deutsehen  Golonie 
Ifarienthal  (Mapionojn) ,  aus  16  Dörfern  bestehend .,  und  der  reichbewal- 
deten Kubanischen  Küste. ' 


REGISTER. 


(Ausser  den  Ortsnamen  enthält  das  Register  eine  Anzahl  von  Saehwörtern, 
die  entweder  in  der  Einleitung  oder  im  Text  des  Handbuchs  eine  £rklä> 

rung  finden.) 


Aa,  die  Eurische  59.  63. 
Aavaaaksa  238. 
Abborfors  216. 
Abo  226. 
Aehtyrka  890. 
Adamowo  368., 
Ämmä  214. 
Agarmysch  423. 
Aggelby  218.  223. 
Aghi  Petri  420. 
Ahkionlaks-Kanal  214. 
Ai  Danil  421. 
Aijälä-Sund  217. 
Ai-Ssawathal  422. 
Ai  Todor  420. 
Aju  Dagh  421. 
Aimisvesi  213. 
Aittasaari  209. 
Akimowka  410. 
Ak-Hetsehet  412. 
Alaharmä  237. 
Alandsbaeh  41. 
Alands -Inseln  233. 
Alatskivi  73. 
Alaunisehe  Hochebene 

337. 
Alavö  285. 
Aleksin  373. 
Alezandrla  184.  388. 
Alexandrowo  1.  318. 
Alezandrowsk  195. 
— ,  am  Dnjepr  409. 

Alexandrowskaja  88. 
Alexejewka  406. 
Alexe^ewke  366. 
Alexejewskoje  314. 
Alexoten  38. 
Allschwangen  43. 
Alma  413. 
— ,  die  411. 
Altgläubige  xLTi. 
Alt-Maina  361. 
Alt-Rjäsan  885. 
Alt-Wasa  236. 
Alupka  419. 
Aluschta  422. 
Aminne  281. 
Ammat,  die  66. 
8t.  Andrea  209. 


Angelniemi  231. 
Aniküla  79. 
Anjala  217. 
St.  Anne  212. 
Ännikänniemi  212. 
Antonopol  86. 
Apolsen  345. 
Archangelskaja  871. 
Archangelskoje  313. 
Arensbure  60. 
Arkadia  8. 
Arsamass  347. 
Aseheraden  49. 
Ass  74. 
Assem  65. 
Auerochsen  45. 
Augustowo  47. 
—  Kanal  47. 
Aura  226. 
^urajoki  227. 
Ayräpäänjärvi  209. 

Baby  8. 
Babygon  185. 
Bachmatseh  243.  890. 
Baehtschi-Ssarai  413. 
Baidar  419. 

Thal  419. 

■  -Thor  419. 
B&kholm  234. 
Bäder  xxix. 
Balachna  346. 
Balaklawa  418. 
Balbinowo  867. 
Balta  400. 
Baltischport  74. 
Balymer  860. 
Bandurka  400. 
Bar  888. 
Barawucha  868. 
Barbara  64. 
Baschkiren  358. 
Batraki  366. 
Bauske  64. 
Behrse  44. 
Beisagola  40. 
Belbek  415. 
— ,  der  411. 
Bendzin  5. 


Berditsehew  389. 
Berendjawo  318. 
Beresina  242.  243. 
Besdani  47. 
Bethanien  318. 
Biala  240. 
— ,  die  46. 
Bialolenka  28. 
Biatowicza  45. 
Bialystok  46. 
Bielany  26. 
Bijuk-Onlar  410. 
Bilderlingshof  65. 
Birsula  WS. 
Bitschi  244. 
Bjelaja  88. 
Bjelejewna  810. 
Bjeleniehino  897. 
Bjelgorod  397. 
BjelCJe-Berega  371. 
B^eliki  399. 
Bjeljajewka  406. 
Bjely  Ostrow  198.  222. 
B^eloga,  See  384. 
Bjelom^estnaja  897. 
Bielowjesche  45. 
Björkboda  231. 
Björnebore  233. 
Bobäck  2l3. 
Bobrik  391. 
Bobrowizy  391. 
Bobrowka  870. 
Bobrowniki  33. 
Bobruisk  242. 
Bochotnitsa  41. 
Bockholm  230. 
Bogdanowzy  388. 
Bogoduehow  390. 
Bogojawlensky  841. 
Bogomolowo  348. 
Bogorodizk  871. 
Bogorodsk  328.  824. 
Bogorodskoje    302.    814. 

m.  358. 
Bojarka  397. 
Bolderaa  59. 
— ,  die  65. 
Bolgary  360. 
Bologoje  256. 


426 

Bomarsund  334. 
Borg&  218. 
Borisflogljäbsk  341. 
Boriflsow  243. 
Borki  406. 
Borkowitflchi  368. 
Borobeika  254. 
Borodino  247. 
Borowitsehl  255. 
Borowskaja  999. 
Borsehtsehi  388. 
Borsehtsehowka  344. 
Boshkow  399. 
Botby  223. 
Bottniseher     Meerbusen 

232. 
Brahelinna  206. 
Brahestad  237. 
Brändö  223.  236. 
Brändöholm  223. 
Branlow  390. 
Brest -Kujawfiki  3. 
—  Litowsk  241.  388. 
Briefpost  xxi. 
Brigittenfluss  84. 
Brigittenraine  84. 
Brili  244. 
Brjansk  241.  370. 
Broby  215. 
Bromarf  225. 
Brönnboda  231. 
Bronnizkaia  384. 
Bronnizy  384. 
Browary  391. 
Browky  397. 
Brwinow  4. 
Brzese-Litewski  241. 
Bsin  5. 

Budanowka  382. 
Bug,  der  34.  45.  241.  388. 
Bujuk  Lambat  421. 
Bukräjewka  382. 
Bulgaren  360. 
Bulgary  360. 
Buller -Aa  59. 
Burakow  26. 
Busuluk  375. 
Butowo  377. 
Butterwoehe  xxviii. 
Byrstany  38. 
Bystrzyca  34. 
Bzura  3.  32. 

Chambres  garnies  xxiv. 
Chapilowsky  -  Bach ,  der 

306. 
Charkow  896. 
Charkowka  398. 
Charlottenhof  74. 
Chatkowo  315. 
Chausseen  xix. 
Chelm  34. 
Chersonesus  411.  417. 


REGISTER. 

Ghimki  259. 
Ghoroszez  46. 
Chortiza^  Insel  ^)9. 
Chronologie  xxx. 
Chupta  385. 
Ciechanow  31. 
Gieehanowiez  46. 
Giechoeinek  2.  33. 
Colonien.  deutsche  188. 

410. 
Commissionäre  xxi. 
Goncerte  xxvi. 
Creditbriefe  xii. 
Czarna  Wies  46. 
Gzepetowa  46. 
Gzerniaköw  27. 
Gzerwinsk  32. 
Gzyiew  46. 

Sahlsbruck  231. 
Danilow  322. 
Danilowka  373. 
Darkowitsehi  371. 
Datnow  40. 
Datsehen  106.  176  etc. 
Dayidstad  217. 
Dawidkowa  311. 
Degerby  216.  234. 
Degerö  222. 
Dembe  Wielkie  240. 
Demirdshi  Us^n  422. 
Demtsehin  389. 
Derashnja  388. 
Dergatschi  397. 
Derpt  74. 
Dessna  370.  390. 
Deutsch  -  Eylau  31. 
Diekursby  218. 
Dijewa    €k)rodischtsch* 

341. 
Diwensk  88. 
Diwowo  385. 
Djadkowo  371. 
Djädnowo  384. 
D^akowo  390. 
Djakowskoje  310. 
Dmitriewskoje  377. 
Dnjepr  245.  991  eie. 
Dnjestr  388. 
Dobikina  41. 
Dohlen  44. 
Dobrschin  32. 
Dobrzyniew  46. 
Domaschka  375. 
Dombrowa  5. 
Domesnäs  44. 
Don  372. 
— ,  der  372. 
Dondangen  44. 
Donez  ^7. 
Dorogobush  247. 
Dorohuska  34. 
Dorpat  74. 


Drissa  367. 
Droschken  xx. 
Druskieniki  46.  47. 
Dshankoi  410. 
Dubbeln  65. 
Dubi^ka  34. 
Duboziwi  254. 
Dubrowizi  377. 
Dubrowki407O. 
Duchowisna  30. 
Duderaowka  187. 
Duderhofsche  Berge  187. 
—  Seen  187. 
Dujnowo  46. 
Dumtachino  380. 
Düna  48.  56.  60.  368. 
Dünaburg  48. 
Dünamünde  52.  59. 
Dünarücken,  der  48. 
Duninow  32. 
Dwinetz,  See  48. 

jXckau  64. 
Edinburgh  65. 
Edwahlen  43. 
Eisenbahnen  zvii. 
Ekenäs  224. 
Ekstensholm  232. 
Elbusly  422. 

Embach,  der  68.  73.  75. 
Empfehlungen  xiv. 
Enonvesi  213. 
Eriksnäs  223, 
Ersanen  346. 
Erstan- Fjord  232. 
Eski  Krim  423. 
Esten  68.  72.  78. 
Estikülla  68. 
Estland  72. 
Etkany  38. 
Etsäri  235. 
Eurisioki  232. 
Ewja  38. 
Ewst  49. 
Eydtkufamen  35. 

Factoren  xxi. 
Fagervlk  224. 
Fähner  85. 
Fall,  Schloss  85. 
Fasstow  397. 
Faules  Meer  410. 
Fausstowo  384. 
Fedorowka  410. 
Fellin  78. 
Feodosia  423. 
Feste.,  russ.  xbvixi. 
Fili  311. 
Filppula  235. 
Finnen  201. 
Finnischer  Meerbuten 

179 
i—  Sehweil  211. 


Finnland  199. 
Finns  223. 
Fiolente,  Gap  417. 
Fiskars  224. 
Fokino  348. 
Forsby  216. 
Forssa  226. 
Fredrikshamn  215. 
Friedenthal  192. 
Friedriehslust  64. 
Friedriehstadt  49. 

Oaisingkaln  67. 
Gajshuny  40. 
Galesehtsehina  399. 
Oalitzina  203.  209. 
Galjewo  813. 
Gamla  Karleby  237. 
Gammelstaden  218.  219. 
Ganowka  399. 
Gargali  356. 
Gastfreundsehaft  xit. 
Gasthöfe  xi.  xxiv. 
Gatschlna  187.  88. 
Geistliehen )  die  russ. 

XLVII. 

Geld  XII. 
Genitsehesk  410. 
Gensdannen  xyi. 
St.  Georgskloster  O^ow- 

gorod)  254. 
—  (Ssewastopol)  417. 
Geschichte  xxxvii. 
Gesundheitspflege  xxiix. 
Gethsemane  317. 
Gewichte  xxx. 
Glimiza  315. 
Glinjanaja  400. 
Gluchowzy  390. 
Gluschkowo  390. 
Gniljakowo  400. 
Gniwan  380. 
Godby  234. 
Goldingen  43. 
Golendry  390. 
Golizyno  248. 
Goloby  389. 
Golowschtschiza  368. 
Golta  400. 
Gomel  241.  242. 
Gonsoezyn  31. 
Gorbatow  324. 
Gorochowez  324. 
Gorodez  345.  370. 
Gorodischtsehenskische 

Berge  359. 
Gorodnisehanka  46. 
Gorodowois  xvi. 
Gorok  385. 
Gorsehkowitz  8. 
Goryn  389. 

Gouvernements  xxxiii. 
Granboda  234. 


REGISTER. 

Granitza  4. 
Gretsehulewskisehe 

Berge  368. 
Gr^ady  255. 
Grjanueha  361. 
Grjasi  372.  386. 
Grjasowez  322. 
Grobin  41. 
Groehow  28. 
Grodziee  6. 
Grodisk  4. 
Grodno  46. 
Grönvik  215. 
Gross -Mytischtschi  315. 

—  Nowgorod  249. 

—  Ochta  178. 
Grünhof  64. 
Grusina  253. 
Gshatsk  247. 
Gulewny  390. 
Gu\janien  xxviir. 
Gumtägt  223. 
Gustafsborg  236. 
Gustafssyäm  225. 
Gut^jew -Insel  101.  182, 
Guzow  4. 

Haapakoski  217. 
Halikko-Busen  ßSl. 
Hallis  230. 
Haminanlaks  213. 
Hangö  225. 
Haparanda  238. 
Harjus  215. 
Harrien  79. 
Hasenpot  43. 
Hatanpää  234.  235. 
Hattelma  225. 
Hatula  209. 
Haukiniemi  214. 
Haukivesi  207.  212. 
Haukkavuori  216. 
Heiliger  8ee  310. 
— ,  (Livland)  68. 
Heiig  oki  209. 
Heinola  217. 
Belsingfors  218. 
Henriksdal  218. 
Hermanow  4. 
Herrala  217. 
Hikiä  217. 
Hintzenbei^  66. 
Hirvaskoski  238. 
Hirvijärvi  214. 
Hirvensalo  230. 
Högfors  215. 
Hofzumbergen  64. 
Högholm  223.  233. 
Hogland  216. 
Honkasaari  208. 
Hoplax  223. 
Horstenhof  67. 
Hortana  205. 


427 

Hdtels  XXIV. 
Hottakka  209. 
Houtskär  233. 
Hovinmaa  216. 
Humikkala  232. 
Humppila  226. 
Hungerburg  72. 
Häningoberg  44. 
Huta  Bankowa  5. 
Hyvinge  217.  224.  225. 

Zdensalmi  214. 
Iggafer  73. 
Ignalino  47. 
I^inskische  Berge  363. 
Iljinskoje  313. 
lUby  218. 
Illowo  31. 
Umensee  251.  254. 
Uowai  385. 

Imatra- Fälle  207.  206. 
Impilaks  212. 
Ingermanland  69. 
Ingul  399. 
Inkjerman  415. 
Ipatiew- Kloster  343. 
Isehewskoi  359. 
Isenhof  74. 
Ishora  196.  248. 
— ,  die  187. 
Ishorskaja  Semlja  69. 
Ismailowo  309. 
Ispois  229. 
Issady  348. 
Issakowo  373. 
Isskrowka  899. 
Iswoschtschiks  XX. 
Itlar  318. 
Ivaskala  209. 
Iwangorod  33. 
—  (Ingermanland)  71. 
Iwanino  390. 
Iwanowka  85.  182.  400. 
Iwanowo  324.  377. 
Iwanowskaja  370. 
Iwanowskoje  196. 
Iwersky  -  Kloster  256. 

Jääskis  209. 
Jablonna  30.  32. 
Jagd  XXVI II. 
Jägelfluss  66. 
Jägelsee  66. 
Jaila  411.  413. 
Jakobstad  237. 
Jakobstadt  49. 
Jakosenranta  207. 
Jaktorowa  4. 
Jalta  420. 
Jamagrod  69. 
Jamburg  69. 
Jämsä  217. 
Jämschtsehiks  xix. 


428 

Janow  40. 
Jarosehenka  388. 
Jaro88lawl  318.  341. 
Jarun  344. 
Järvelä  217. 
Jasnagora  6. 
Jassenki  380. 
Jausa,  die  266.  301.  314. 
Jefremow  371. 
Jegorjewsk  384. 
Jekaterinenburg  359. 
Jekaterinoslaw  409. 
Jekaterinowki  366. 
Jelabuga  359. 
Jelatma  324. 
Jelez  371. 

Jelissawetgrad  400. 
Jelissawetingkaja  69. 
Jelnikowo  397. 
Jendrzejow  5. 
Jenikale  423. 
— ,  Strasse  von  433. 
Jepifan  333. 
Jeppo  237. 
Jeropkino  382. 
Jesutseh  390. 
Jewe  72. 
Joala  70. 
Joensau  212. 
Jokela  218. 
Jokiaaari  238. 
Jorois  213. 
Jose  fo wo  367. 
Joutseno  206. 
Joutsenvesi  207. 
Jukasjärvi  238. 
Julias  230. 
Jungfru-Sund  231. 
Juri  ewez  -  Pawolshsky 

Jurköwka  388. 
Juustila  206. 
Juustilanjäryi  207. 
Jyrankö  -  Strom  217. 
Jywäskylä  217. 

Kääntymä  209. 
Kääpabach,  der  73. 
Kadnizy  347. 
Kaipiais  217.. 
Kaivants-Sund  226. 
Kagana  214. 
Kajaneborg  214. 
Kakskerta  230. 
Kalajokl  237. 
Kalasehnikowo  256. 
Kalinowka  380. 
Kalkkisstrom  217. 
Kalkuhnen  47. 
Kallavesi  207.  213. 
K&llby  237. 
Kalotsehar  247. 
Kaluga  373. 


REGISTER. 

Kalusehka  373. 
Kama,  die  358. 
K&märä  203. 
Kamarskaja  Doli  na  418. 
Kamiensko  8. 
Kamjenska  247. 
Kampen -A  219. 
Kamysehewka  397. 
Rangasala  226. 
Kangasala-As  226.  235. 
Kangerkalns  62. 
Kankas  232. 
Kännel  74. 
KannuB  237. 
Kanyas  237. 
Käpinkoski  209. 
Karabanowo  318. 
Karadagh  422. 
Karassewka  382. 
Karassu-Bazar  423. 
Karelien  204. 
Karatajen  346. 
Karatsehew  371. 
Karatschewka  408. 
Karelier  88.  201. 
Kargal  375. 
St.  Karins  230. 
Karinais  226. 
Karls  m. 
Karls -A  224. 
Kärkis  230. 
Karlö  238. 
Karlsbad  66. 
Karlsruhe-Ramotzky  66. 
Karosta.,  die  181. 
Karpowo  400. 
Kärsämäki  230. 
Karuna  231. 
Kasaki  371. 
Kasan  360. 
Kasanka.  die  351. 
Kasatin  390.  397. 
Kasatscha-Lopan  397. 
Kaskinen  232. 
Kaskö  233. 
Kassimow  324. 
Kastelholm  234. 
Katerinowka  400. 
St.  Katharinen  74. 
Katharinenthal  84. 
Katseha  413. 
Kattowitz  4. 
Katunki  346. 
Kauen  37. 
Kaufläden  xi. 
Kauhava  237. 
Kaukola  210.  236. 
Kausala  217. 
Kauttua  232. 
Kawetsehyn  240. 
Kegel  74. 
Keitele  217. 
Kejdany  40. 


Keltisstrom  217. 
Kelviä  237. 

Kernel  Agerek  411.  421. 
Kemi  238. 
Kemmern  65. 
Kempele  238. 
Kertseh  423. 
— ,  Strasse  von  423. 
Kervo  218. 
Kesälaks  213. 
Kettareen-Fall  233. 
Keuru  235. 
Kexholm  210. 
Kibitken  xtiii. 
Kielte  6. 
Kiew  391. 
Kiiskinkylä  216. 
Kikineis  419. 
K^illo-StrömUnge  42.  78. 
Kimito  231. 
Kineschma  324.  344. 

-,  die  344. 
Kintegesinde  43. 
Kirche,  die  russ.  xlvi. 
Kirchenfeste  xlvixi. 
Kirchholm  49. 
Kirelskoje  359. 
Kirilo  -  Bjelo  -  Osersky- 

sches  Kloster  323. 
Kirilow  323. 
Kirjakkala  231. 
Kisa  79. 
Kisil  Koba  412. 
Kiveräkoski  206. 
Kivinieml  210. 
Kiwerzy  389. 
Kiwisalmi  210. 
Klarenberg  6. 
Kleidung  xxiii. 
Klein-Liebenthal  406. 

-  -Pungem  72. 
~  Wischera  256. 
Kiew  an  389. 
Klima  xxiii.  xxxi. 
Klin  259. 
Kljara  359. 
Kljasma  323. 
Kljasstlzi  368. 
Klomnltz  8. 
Klubs  XXVI. 
Knäshiza  369. 
Knekten  223. 
Kobeljaki  399. 
Kobrin  241. 
Kodyma  388. 
Koiruvesi  207. 
Köivikko  238. 
Koivisto  226. 
Koivukoski  214. 
Kokenhusen  49. 
Kokkisaari  206. 
Kpkujewka  382. 
Koldoma  3^- 


Koldomskimi  844. 

Kolho  235. 

Kolodisehtsehi  243. 

Kolomak  399. 

Kolomenskoje  810. 

Kolomjagi  197. 

Kolomna  884. 

Kolon tajewka  390.  400. 

Kolpino  248. 

Kolusehki  8. 

Konewez  210. 

Konnus  213. 

Kononselkä  226. 

Konopki  31. 

Konossowo  346. 

Konotop  390. 

Konskaja  410. 

Konflka-Wola  33. 

Konsuln  xvi. 

Kontsehura  316. 

Koptewo  313. 

Kordysehewka  390. 

Korenewo  390. 

Koren'sehe  Einsiedelei 
383. 

Koristo  230. 

Korkeakoski  235. 

Korkuli  182. 

Korpi  224. 

Korpilahti  217. 

Korpo  233. 

Korsehenez  347. 

Eorsholm  236. 

Korssowka  85. 

Korssun  417. 

Kortsehmino  196. 

Kosch  84. 

Koschedary  38.  40. 

Koscblau  31. 

Koshanka  397. 

Kosino  846. 

Koslow  385. 

Eoslowka  350. 

Ko8modemjansk818. 348. 

Kosmodemian^sehe  Ein- 
siedelei 413. 

Kossino  309. 

Kosstroma  841. 

•Koszlowa  Buda  37. 

Kotka  215. 

Kotlin  180. 

Kotorost,  der  318. 

Kotschetowka  385. 

Kotschubejewka  399. 

Kotun  240. 

Kouvola  217. 

Kovjoki  237. 

Kowal  8. 

Kowel  34.  389. 

Kowjagi  399. 

Kowno  37. 

Kowrow  324. 

Küyliojäryi  233. 


REGISTER. 

Krasne  388. 
Krassnogorsk  376. 
Krassnoje  245. 
Krassnoje  -  Sselo  187. 
Krassnokutowka  410. 
Krassnopawlowka  406. 
Krementschug  399. 
Kremon  66. 
Kresslawka  367. 
Kreutzburg  49. 
Kreuzberge,  die  5. 
Krim,  die  411.  410. 
Krinitscbki  423. 
Kristinestad  233. 
Kriwin  389. 
Kriwoje,  See  345. 
Kriwitsehen  246. 
KriwoserskisebesKloster 

345. 
Krjukow  ^9. 
Krolikarnia  28. 
Kronoborg  211. 
Kronoby  237. 
Kronslott  180. 
Kronstadt  179. 
Kronstädter  Bucht  179. 
Krukowo  259. 
Kruty  391. 
Krutyje  388. 
Krymno  389. 
Krymsa  367. 
Kryshopol  388. 
Kubanisehe   Küste,   die 

424. 
Kubenzewo  346. 
Küehe,  die  russ.  xzt. 
Küchenmeistereien  xxv. 
Kuhankoski  217. 
Kuikatz  68. 
Kigavien  2. 
Kukkarokivi  232. 
Kulho  230. 
Kulikowka  880. 
KulikowQ-?eld  380. 
Kulizk«ja  259. 
Kümo -Elf  288. 
Kumyss- Anstalten  365. 
Kunawino  325.  336. 
Kun-Waloschke  363. 
Kunzewo  248.  311. 
Kuopio  213. 
Kuorenkoski  209. 
Kuppis  230. 
Kuprino  370. 
Kur,  der  382. 
Kuren,  die  42. 
Kurgane  255.  363. 
Kurkinemi- Kanal  208. 
Kurland  41. 

Kurman-Kemeltsehi  410. 
Kurpie  37.  45. 
Kursehany  41. 
Kurssk  SS3. 


429 

Kurtenhof  49. 
Kuru  235. 
Küskilä  214. 
Kusminka  259. 
Kusmino  190. 
Kusminski  310. 
Kusnezk  874. 
Kusniza  46. 
Kusskowo  309.  323. 
Kustarnaja  397. 
Kutno  3. 
Kuukauppi  209. 
Kuurila  226. 
Kuusa  209. 
Kuustö  230. 

—  -Sund  230. 
Kwass  xxY. 
Kymijoki  215. 
Kymmene  217. 
-,  der  215.  217. 
Kymmeneg&rd  215. 
Kyrö  226. 
Kyröjoki  235. 
Kyröskoski  235. 
Kyrösjärvi  235. 
Kyrö-Wallinkoski  209. 
Kyrönvirta-8und  212. 
Kyyrölä  209. 

Laaksberg  84. 
Lachta  198. 
Ladoga- Kanal  197. 

—  See  197. 
Lahtis  217. 
Laiheia  236. 
Lais  74. 
Laisholm  74. 
Lampsijoki  209. 
Landwarowo  38.  47. 
Längelmänvesi  226. 
Lanskoi  203.  197. 
Lantewo  378. 

Lapi  46. 
Lappdal  231. 
Lappi  237. 
Lappila  217. 
Lappo  237. 
Lappvesi  206. 
Lapprik  225. 
LapuaQJoki  237. 
Lauritsala  207. 
Lautta-Suvanto  206. 
Lavola  206. 
Lawra  167.  393. 
Lazy  6. 
Lebeda  385. 
Ledjanische  Höhle  359. 
Lemberg  387. 
Lembois  234. 
Lemo  230. 
Lemo-Sund  290. 
Lempäalä  234: 
Leonowo  314. 


430 

Lepons  36. 
Leppäkoski  225. 
Leppävirta  213. 
Lessnoi -Woronesh  386. 
Lestijoki  237. 
Letten  42. 
LettiküUa  68. 
Leväis  213. 
Lewaaehewa  198.  2Q2. 
Lgow  390. 
Libau  41. 
Liewenhof  49. 
Ligowka  182. 
Ligowo  182.  187. 
Liksna  49. 
Lill-Heikkilä  229. 
Lillikanlampi  209. 
Limane  407. 
Limingo  238. 
Linna  233. 
Linnankoski  206. 
Linnansaari  200. 
—  (Wibore)  204. 
Lipezk  372. 
Lissy-'Koss  179. 
Literatur  xi.viii. 
Livadia  420. 
Liyen  42. 

Livländ.  Schweiz  66. 
Liwietz  45. 
Liwny  371. 
Liuban  248. 
Ijubaachewka  400. 
Lnuberzy  384. 
Ljubitowka  389. 
L^ublino  310.  376. 
L^uboml  34. 
Ljubotin  390.  399. 
Locbow  45. 
Lodensee  74. 
Lodz  8. 
Loimlioki  226. 
Lojo  224. 
Lojo-See  224. 
Lopan  398. 
Lopassnpa  877. 
Losowaja  406. 
Losowo  406. 
Lounatkorkia  216. 
Lounatkylä  216. 
Lovisa  216. 
Lowitseh  3. 
Lublin  33. 
Lubochna  371. 
Lüchow  izy  384. 
Luga  88. 
~,  die  68. 
Lukow  240. 
Luudo  226. 
Luonamaa  232. 
LuBcha  41. 
Lusö  223. 
Luzk  389. 


REGISTER. 

Lyly  235. 
Lysa  Oora  8.  31. 
Lysskowo  347. 
Lyszkowiee  3. 

Kaaniaka  214. 
Maanselkä  227. 
Haasae  zxx. 
Maeiowie  34. 
Mäenkylä  232. 
MaharadBch  421. 
Mahmu-Sttltan  422. 
Maina  361. 
Majorenhof  66. 
Makarjew  348. 
Makslaks  203.  205. 
Malaj  aPereschtsehepins- 

kaja  399. 
Malakowhügel  416. 
Maljowka  SSO. 
Malkin  46. 
Mallasvesi  226. 
Malm  218. 

Malo-ArehangelBk  382. 
Maloryto  388. 

MalotaehntgA  ^10. 
Mamak  412. 
Mangup  Kaleh  417. 
Mäntyharju-Strasse  217. 
Mäntyniemi  213. 
Marcinkance  47. 
Mardarowka  400. 
Bt.  Maria  Macdalenen  74. 
Marie  hamn  234. 
Marienbiu^  31. 
Marienthal  424. 
Marymont  26. 
Marinsky  Possad  350. 
Marjino  397. 
Maryampol  36. 
Marynki  33. 
Masovien  2.  45. 
Massandrs  421. 
Mathildedal  231. 
Matira  372. 
lUttelmäki  230. 
Matweicha  344. 
Mauruzi  37. 
Melitopol  410. 
Melloniahti  206. 
Meltola  206. 
Merefa  406. 
Mereika  245. 
Mereküll  72. 
Merikoski  238. 
Merimasku  232. 
Merski-See  343. 
MeachtBcherjäken  358. 
Meylans  223. 
MiehaeUthal  400. 
Miehailenki  389. 
Michailogrod  388. 
Miehailow  382. 


MiehaUowka  182. 

—  (Südrussland)  410. 
Miehailowskoje  380. 
Michalowo  46. 

St.  Michel  206. 
Miechow  5. 
Miendsirsehetaeh  240. 
Migaewo  400. 
Miikinlahti  209. 
Miloczyn  33. 
Miloana  240. 
Minsk  242.  243. 

—  bei  Warschau  240. 
Miropol  389. 
Mischa  399. 
Mischor  420. 

MiUu  62. 
B^atlewskaja  i373. 
Mtawa  31. 
Mlecewo  31. 
Mlociny  32. 
Mlodat  397. 

Möblirte  Zimmer  xzit. 
Modlin  30. 
Mogiljany  389. 
Mogily  255. 
Mohilew  245. 
Mohla  209. 
Moikoa-Sund  229. 
Mokotow  28. 
Mokachanen  346. 
Mokachani  374. 
Moloakowitz  69. 
Monrepoa  205. 
Montowo  31. 
Mordwinen  346. 
Morachanak  373. 
Morkwaaeh  350. 
Morkwaachenakisehe 

Höhen  363. 
Morkwaaehi  363. 
Moryain  28. 
Moacheikl  41. 
MoBhaiak  248. 
Moakan  261. 
Ableitungakanal  306. 
Adelaklub  298. 
Adreaa>Gomptoir  263. 
Alexandergarten  292. 
Alexander  -  Kriega- 

aehule  294. 
Annenhof  304. 
Apotheken  264. 
Archiv  dea  Juatiz- 

miniateriuma  303. 
—  dea  Miniat.  dea  In- 
nern 293. 

Armentiäuser. 
Alexejewaky  307. 
BürgerUchea  307. 
Katharinen-  302. 
Kurakin*aohea  901. 
Xabilkow'achea  300. 


KOSKAÜ. 

Armenhäuser. 

Scheremetj  ew^sehea 
300. 
Arsenal  287. 
Aente  264. 
Augenklinik  297. 
Ausstellung   TOn   1883 

312. 
Bäder  264. 
Bahnhöfe  263.  298.  301. 

306. 
Banquiers  264. 
Bjeloigorod  267. 
Börse  1291. 
Botan.  Garten  300. 
BoulewMTds  268. 

Blumen-  299. 

Nowinsky  296. 

Pretsehistensky  269. 

Ssmolensky  295. 

Strastnoi  297. 

Subowsky  295. 

Tschissio  -Prudsky 
269.  301. 

Twerskoi  297. 

Zwetnoi  299. 
Brücken. 

Borodinsky  296. 

Dorogomilowsky 
296. 

Jausky  306. 

Kamenny  306. 

Krymsky  306. 

Lefortowsky  304. 

Moskwarezky306. 

Pokrowsky  308. 

Pressnensky  296. 

Schloss-  9C4. 

Tsehugunny  306. 
Buchhandlungen  264. 
Butyrki  313. 
Cafes  261. 
Cireus  266.  299. 
Civilgouvemement 

297. 
Chodynka-Feld  312. 
Concerte  266. 
Gonditoreien  261. 
Consistorium  80O. 
Gonsulate  263. 
Dampfboote  262. 
Djewitsehje  Pole  295. 
Ermitage  -  Charten  299. 
Feldmesser-  Institut 

303. 
Feuerwehr  295. 
Findelhaus  304. 
Friedhöfe. 

Armenischer  297. 

Deutscher  304. 

Wagankowscher297. 
Gasthöfe  261. 


REGISTER. 

MOSKAU. 

Gemälde  -  Ausstellung, 

perm.  298. 
General  -  Gouverne- 
ment 297. 
Geriehtsgebäude  286. 
Gestütsdireetion  297. 
Gorochowoje  Pole  303. 
Gostinny  Dwor  291. 
Gymnasium,  drittes 

299. 
Hofeomptoir  281. 
Hotels  261. 

Iberische  Kapelle  288. 
—  Pforte  287. 
Jungfemfeld  295. 
Junkerschule  304. 
Iwan  Weliky  271. 
Kameralhof  293. 
Kiuemen. 

Alexander-  306. 

Artillerie  (Kreml) 
284. 

Gensdarmerie  299. 

Krutizky  305. 

Pokrowsky  308. 

Bothe  304. 
Kathedralen. 

Arehangelsche  275. 

Basilius-  289. 

Blagowjesehtschen- 
sky  276. 

Himmelfahrts-  274. 

Kasan'sehe  292. 

Usspensky  274. 

Verkündigungs-  276. 

Wassily  Blashenny 
289 
Kaufläden  263. 
Kaufmannsklub  298. 
Kirchen. 

Armenische  302. 

Chram  Sspassitelja 
294. 

Erlöser-  294. 

Himmelfahrts-  303. 

Iberische  Kap.  288. 

Ludwigs-  265.  299. 

Michaelis-  303. 

Nikita-  303. 

Peter-  u.  Pauls,  kath. 
265.  299. 

— ,  luth.  302. 
Kitaigorod  267.  287. 
Klöster. 

AlexCjjewsky  301. 

Altgläubigen  308. 

Andronow  305. 

Bogojawlensky    292. 

Danilowsky  307. 

Donskoi-  307. 

Heilands-,  neues  305. 

Johannes-  303. 


431 

MOSKAU. 

Klöster. 
Jungfern-  295. 
Iwanowsky  303. 
Metropolitenkl.  286. 
Nikolaus-,  griech. 

292. 
No  wodj  ewitsohy295. 
Nowosspassky  305. 
Pokrowsky  306. 
Roshdestwensky  299. 
Sa  -  Ikono  -  Sspassky 

292. 
Satschatejewsky  295. 
Snamensky  291. 
Ssimonowsky  305. 
Ssretensky  299. 
Strastnoi  297. 
Tsehudow  286. 
Wosnessensky  271. 
Wunder,  Kl.  der286. 
Wyssoko-Petrowsky 

298. 
Klubs  265. 

Kolymashny  Dwor  294. 
Kommerzschule  295. 
Krankenhäuser. 
Golizyn'sches  307. 
Jermakow*sches  302. 
Katharinen-  298. 
Marien-  299. 
Pauls-  306. 
Preobrashensky  302. 
Städtisches  307. 
Wladimir  (Kinder) 

302. 
Krassny  Prud  301. 
Kreml  269. 
Arehangelsche  Kath. 

275. 
Arsenal  287. 
Belyedere-Palast280. 
Blagowjeschtschen- 

sky-Kath.  276. 
Bureau  des  Polizei- 
meisters 284. 
Erlöserthor  270. 
Granowltaja    Palata 

279. 
Himmelfahrtskloster 

271. 
Himmelfahrt  Maria, 

Kath.  274. 
Iwan  Weliky  271. 
Kaiserplatz  284. 
Kaserne  284. 
Kathedralenplatz 

273. 
Kommandanten- 

strasse  284. 
Kikolansthor  287. 
Orushetnaja  Palata 

281. 


432 

MOSKAU. 

Kreml. 
Pftlais,  grosses  !277, 
— ,  kleines  (Nikolai) 

271. 
Parade-Hofplatz  284. 
Patriarehenhaus  285. 
Potescbny  Dworez 

284. 
Biesengloeke  273. 
Rothe  Treppe  280. 
Büstkammer  281. 
Sehatzkammer  281. 
Senatsgebäude  286. 
Senatsplatz  284. 
Sspass  na  boru, 

Kirebe  281. 
Sspassky-Tbor   270. 
Synodalbibliotbek 

285. 
Synodalgebäude  285. 
Terem  im. 
Thore  270. 
Troizky-Thor  284. 
Tscbudowkloster 

286. 
.  Usspensky  -  Katb. 

VerkündigungMariä, 

Katb.  276. 
Wosnessensky  Klos- 
ter 271. 
Zarenplatz  271. 
Zar -Kanone  284. 
Zar  Kolokol  273. 

Kriegsbospital  304. 

Künsilersebule  301. 

Kusnezky  Host  298. 

Kutscbko-Feld  299. 

Land-  u.  forstwirtbscb. 
Akademie  313. 

Lazarewsebes  Inst.  303. 

Lefortowsky  -  Sebloss 
303 

Lisin'-Teicb  306. 

Lobnoje  Hjesto  289. 

Lomonnossows  Stand- 
bild 293. 

Mädebenscbule,  Niko- 
lai- 305. 

— ,  Alexander -Marien- 
295. 

Mädcbenstift ,  Alezan- 
der- 299. 

—,  Elisabetb-  303. 

— ,  Katbarinen-  299. 

Mamonowsebe  Villa 
307. 

Marina  Boscbtseba  314. 
Märkte  269. 
Blumen-  269. 
Bolotnaja  306. 
Deutseber  303. 


BEGISTER. 

MOSKAU. 

Märkte. 

Konnaja  306. 

OebotnyBjäd269.297. 

Ssmolensky  269.  296. 

Staraja  269.  291. 

Tolkutscbka269.292. 
Matwejew  -  Mausoleum 

302 
MilitärgefangnUs  304. 
Militärgymnasien  304. 
Militärlager  312. 
Minin  u.  Posbarsky^s 

Denkm.  289. 
Museen, 

Historiscbes  288. 

Kunst  u.  Gewerbe 
300 

OelfentUcbes  293. 

Polyteebnisebes  303. 

Rumjanzow  293. 
KesskutscbnyPark  307. 
Nikolai-Invalidenbaus 

309. 
—  Lyceum  295. 
Oebotny  Rjäd  269.  297. 
OrienUl.  Institut  302. 
Paläste. 

Alexandrinen  307. 

Oolowin  304. 

Kreml,  grosser  277. 

— ,  kleiner  (Nikolai) 
271. 
Panorama  265.  299. 
Passagen  298. 
Petrowsky  -  Park  u. 

Sebloss  312. 
Pferdebabnen  262. 
Pbilantbrop.  Ges.  302. 
Plätze, 

Arbatskv  296. 

Bolota  S06. 

I^inka  302. 

Jeloebowskv  303. 

Kalusbsky  906. 

Krassnaja  287. 

Krymsky  295. 

Kudrinsky  296. 

Lubjanka  299.  302. 

Basguljai  303. 

Rotber  287. 

Ssucbarew-  299. 

Stanga  291. 

Tbeaterplatz  298. 

Truba  !«9. 

Warwarka  304. 
Polizei  263. 
Post  263.  301. 
Preobrasbenskoje  308. 
Preobrasbensky  sebe 

Kapelle  302. 
Pressnensky  -  Teiebe 

490. 


MOSKAU. 
ProYlantokagazin  295. 
Pulvermagazin  306. 
Pusebkin  -  Denkmal 

297. 
Reiben,  die  290. 
Rennbabn.  312. 
ResUurants  261. 
Rjädy  290. 
Bk)gosbskaja  305. 
Romanowbaus  291. 
Rotbe  Pforte  301. 
Samoskwaretsebje  306. 
Sapassny  -  D wor  901. 
Sarjadje  291. 
Sebmiedebrüeke  298. 
Seminar,  geistl.  299. 
— ,  Lebrer-  303. 
Sem^janoi-Gorod  267. 
—  Wall  303. 
Senat  286. 
Sopbienquai  270. 
Sperlingsberge  307. 
Ssadowaja  269.  296. 
Ssasikow(Datscbe)302. 
Ssokolniki -Park  dOl. 
Ssoljanoi-Dwor  306. 
Ssuebarewtburm  299. 
Stadtbaus  293. 
Stadt -Manage  292. 
Stadttbeile  266. 
Sternwarte  297. 
Strauen  269. 

Arbat-  296. 

Armjansky  -  Pereu- 
lok  303. 

Basmannaja  301. 308. 

Deutsche  303. 

Dmitrowka,   Bol- 
scbaja  298. 

— ,  Malfja  298. 

Dolgoruwsk^a    296. 

DonskiO»  ^' 
Gasetny-Per.  297. 

Jämsk^a  297. 

Jeloebowa  308. 

Iljinka  291. 

Kalantsebewskaj  a 

301. 
Kalusbskaja  306. 
Karetny  Rjäd  299. 
Kommandanten-284. 
Kosmo  -Damiansky 

308. 
Kusnezky  Most  396. 
Leon^ewsky  Pereu- 

lok  297. 
Lubjanka  299. 
Marosseika  302. 
Mestacbenski^a  300. 
IQassnizkaja  300. 
Moehowaia  2^. 
Mytn^a  306. 


MOSKAU. 

Straxuen. 

NeglinnyPro.iesd299, 

Nikolo-Jamsksija 

Nikolskaja  292. 

Njemezkaja  303. 

Ostoshenka  295. 

Petrowka  298. 

Pjatnizkaja  906. 

Pokrowka  302. 

Powarskaja  297. 

Pressnenskaja  297. 

Pretsehistenka  295. 

Roshdestwenka  299. 

Schmiedebrücke  298. 

Snamenka  293. 

Ssadowaja  269.  296. 

Ssmolenskaja  296. 

Ssokolnizkaia  301. 

Ssoljanka  304. 

Ssretenka  299. 

Teatralny  Projesd 
299. 

Twerskaja  297. 

Warwarka  291. 

Wolehonka  294. 

Woronja  305. 

Wosdwishenka  293. 
Synodalgebäude  286. 
Synodal  -  Typographie 

292. 
Technische  Schule  303. 
Theater  264. 

Theater,  grosses  264. 
298. 

—,  kleines  264.  298. 

— ,  Narodny-  265. 

— ,  Puschkin-  265. 
Theaterscbule  298. 
Thore. 

Butyrka  298. 

Iberisches  287. 

Iljinsky  302. 

Kalushsky  307. 

Krassnija  301. 

Krestowsky  «300. 

Pokrowsky  305. 

Preobrashensky  308. 

Rogoshsky  305. 

Pretsehistenka  295. 

Sserpuchowsky   306. 

Ssimonowsky  305. 

Ssokolniker  301. 

Twerskoi  297. 

Wladimir  292. 

Wosskressensky  287. 
Tolktttschka  269.  292. 
Traktire  261. 
Tramways  262. 
Transport  -  Gefängniss 

298. 
Tretjakow  -  Gallerie 

306. 

Busaland.     2.  Aufl. 


REGISTER. 

MOSKAU. 

Tretjakow  -  Passage 
292. 

Triumphpforte  297. 

Trödelmarkt  292. 

Universität  293. 

Universitätsdruekerei 
298. 

—  -Klinik  299. 

Vormundschaftsrath 
304. 

Wagen  262. 

Wasserthurm  299. 

Winny-Dwor  306. 

Wittwenhaus  296. 

Wodootvvodny  -  Kanal 
306. 

Zigeuner-Colonien  297. 

Zoolog.  Garten  296. 
Moskauer  Kanal  259. 
—  Kohlenbecken  380. 
Moskwa,  die  2i7.  248  etc. 
Motowilowka  397. 
Mrozy  240. 
Msehinsk  88. 
Mssta  255. 
Mstow  8. 
Muchawiez  241. 
Muddais  230. 
Mukkilänniemi  208. 
Mukös  214. 
Munksnäs  223. 
Münzwesen  xii. 
Muolaanjärvl  209. 
Murino  198. 
Murole -Kanal  285. 
Murom  324. 
Mursinka  94. 
Murtomäki  214. 
Mustamäki  203. 
Mustasaari  236. 
Mustlanöm  79. 
Muuruwesi  213. 
Myllinka  371. 
Myllymäki  235. 
Mylly-Suvanto  208. 
Myschkow  6. 
Mysowo  389. 
Mytischtschi  315. 
Mzensk  380. 

K&dendal  232. 
ÜTadjeschkino  363. 
Kagu  233. 
Xapoleonshügel  38. 
Nara  377. 
Karew  30.  45. 
Narowa  69.  70.  71. 
Narwa  70. 
Nasielsk  31. 
l^äsijärvi  235. 
Nationaltänze  xxviii. 
lITatoliQ  28. 


433 

Naumowka  397. 
Neicküla  78. 
Neitsvtniemi  207. 
Neljubowka  408. 
Nemda  345. 
Nennal  73. 
Nerkkojärvi  214. 
Nero -See  318. 
Netta  47. 
Neuermühlen  66. 
Neu- Jerusalem.  Kl.  259. 
Neu-Ssaratow  196. 
Newa  101.  etc. 
Newka  101.  etc. 
Nieborow  3. 
Niemen  37.  46. 
Nieszawa  3.  33. 
Niewiaza  40. 
Nikita  421. 

Nikitskoi- Kloster  318. 
Nikolaiken  31. 
Nikolaistad  236. 
Nikolajew  399. 
Nikolaus  -  Kloster  341. 
Nikolskaja  Poljanka  360. 
Nikolskoje  344.  361. 
Nikolsky- Polost  346. 
Nilsiä  207. 
Nisalaks  214. 
Nishny- Nowgorod  325. 
Niskakoski  207. 
Nizgal  49. 
Njeshin  391. 
Noisniemi  210. 
Nordeckshof  69. 
Norskaja  341. 
Nossowka  391. 
Nöteborg  196. 
Notsjö  226. 
Nowa  -  Alexandria  33. 
Nowaja-Bavarija  398. 
Nowgorod  249. 
Nowki  324. 

Nowo  -  Alexandrowsk  47. 
Nowo-Alexejewka  410. 
Nowodjewitsche   Berge 

363. 
Nowo  -  Georgiewsk  30. 
Nowo  -  Grigorjewka  410. 
Nowo-Kolomna  384. 
Nowo  -  Kostitschi  375. 
Nowosselje  88. 
Nowo-Ssergiewskaja  375. 
Nowossil  371. 
Nowo-Ukrainka  400. 
Nowy-Dwor  30.  31. 
Nowyi-Bug  399. 
Nuasjärvi  214. 
Nukö  82. 
Nummela  224. 
Nummern  xxiv. 
Nurmiss  216. 
Nurmo  237. 
28 


434 

Nyby  217.  238. 
Ny-Karleby  237. 
Nykyrka  203. 
Nyslott  212. 
Nystad  232. 

Obersee  79. 
Ober-UsBlon  350. 
Obiralowka  323. 
Obojan  397. 
Obnl  369. 

Obschtsdby  Ssyrt  375. 
Ochansk  359. 
Ochta,  die  198. 
Ochwat  -  Skadenje  48. 
Odenpäh  68. 
Oderberg  387. 
Odessa  ^1. 

Aerzte  402. 

Alexanderpark  404. 406 

Apotheken  402. 

Bader  402.  406. 

Bahnhöfe  401.  406. 

Banken  402. 

Bazar,  alter  406. 

— ,  griech.  406. 

Bellevue  407. 

Bibliothek  404. 

Börse  404. 

Boulevard  404. 

— ,  Neuer  404.  406. 

Dampfschiffe  402. 
Denkmäler. 
Bichelieu  404. 
Woronzow  406. 

Droschken  401. 

Englischer  Klub  405. 

Freitreppe  404. 

Gasthöfe  401. 

Griech.  Schule  405. 

Gross-Fontan  407. 

Häfen  404. 

Handelsschule  406. 

Hospital,    Stadt.    403. 

— ,  liith.  406. 
Kirchen. 

Kathedrale  405. 

Luther.  406. 

Njemetzkaja  406. 

Nowobazarnaja  405. 

Pokrowskaja  406. 

Rüm.-kath.  406. 

Ssrjetinskaja  405. 

Troitzkaja  406. 

Usspenskiga  406. 
Klein-Fontan  407. 
Klein -Liebenthal  408. 
Klubs  401. 
Konsulate  402. 
Kronsgarten  405. 
Kulikowo  Pole  406. 
Lansheron  407. 


REGISTER. 

ODESSA. 

Limane  407. 
Chadshiweisky  406. 
Klein  -  Liebenthaler 

Kiijainik  407. 
Lineiken  402. 
Mittel-Fontan  407. 
Museum  404. 
Nonnenkloster  406. 
Paläste. 
Kaiserl.  Schloss  404. 
Palais  Royal  405. 
Woronzow  404. 
Pferdebahnen  401. 
Plätze. 
Katharinen-  406. 
Neuer  Bazar-  4^. 
Priwosnaja  406. 
Ssobor-  406. 
Theater-  405. 
Post  406. 

Praktischer  Hafen  404. 
Quarantäne-Hafen  404. 
Restaurants  401. 
Salzwerk  408. 
Stadtbibliothek  404. 
Stadthaus  404. 
Städtischer  Garten ^!I5. 
Stadttheater  405. 
Strassen. 
Alexandrowski- 

Prosp.  406. 
Cherssonskaja  406. 
Deribassowskaja404. 
Dworjanskaia  405. 
Jamskaja  406. 
Jekaterinskaja  406. 
Koblewskaja  405. 
Lansheronskaja  405. 
Nadj  eshdinBkaJa406. 
Potschtowaja  iOß. 
Preobrashenskaja 

406. 
Puschkinskaja  406. 
Ssabanj  ej  ewbrücke 

406. 
Troitzki^a  406. 
Usspenskaja  406. 
Theater  402. 
Tramways  401. 
Universität  406. 
Vorstädte. 
Melnizy  407. 
Moldawanka  407. 
Nowaja  Sslobodka 

407. 
Peressyp  407. 
Odinzowo  248. 
Oesel,  Insel  61. 
Oger  49. 

Oginski-Kanal  389. 
Ogrodzienitz  6, 


Ogrudki  341. 

Ois  217. 

Oka,   die  324.   346.  373. 

etc. 
Okhna  3. 
Okulowka  255. 
Olbia  400. 
Oley  62. 
Olkieniki  47. 
Olkijoki  238. 
Olkuseh  5. 
Olschanka  389. 
Olschtyn  8. 
Olwiopol  400. 
Olyka  389. 
Oininedo  73. 
Onkivesi  207.  214. 
Onkkala  226. 
Optneha  380. 
Opuk  423. 
Oranienbaum  181. 
Orany  47. 
Oraväkytä  209. 
Oravais  237. 
Orchowsky,  Insel  361. 
Ordeseh  £6. 
Orechow  196. 
Orel  371.  380. 
Orenbuig  375. 
Orianda  420. 
Orihvesi  235. 
Orismala  236. 
Orivirta-Pass  207. 
Orlik  380. 
Orscha  245. 
Orsk  376. 
Oryschew  4. 
Oserki  197. 
Oshenin  389. 
Osiek  27. 
Ossetry  384. 
Osstankino  314. 
Osstaschkowo  256. 
Osster  370.  391. 
Östermyra  236.  237. 
Ostrolenka  45. 
Ostrow  86. 
Ostrowets  9. 
Ostrowy  3. 
Otawa  206. 
Otlotsehin  1. 
Otrada  380. 
Otwoexk  33. 
Oulais  287. 
Ouluiärvi  214. 
Oulnjoki  214. 
Owsseluk-See  337. 
Oyzöw  5. 
Ozorkow  9. 

Paakkola  209. 
Pabianiee  9. 
Pachomowo  377. 


Paehra  377. 
Padiskloster  85. 
Päljänne  217. 
Pälkäne  236. 
Pappilanniemi  213. 
Parehatka  33. 
Pargas  230. 
Pargolowo  198.  202. 
Parola  226. 
Pasfl  XIII.  1.  2.  36. 
Pasuri  209. 
Patsehelma  374. 
Pawlisch  399. 
Pawlograd  409. 
Pawlowo  323.  324. 
Pawlowgk  192. 
Pawsebino  313. 
Pedersö  237. 
Peipus  -  See  73. 
Pella  196. 
Peltew  387. 
Pelzwerk  xxiii. 
Pemar- Fjord  231. 
Pensa  373. 
Perekop  411. 
Pereritiza  254. 
Perekrestowo  4ßO. 
Pererwa  310. 
Perejsslawl-Saljesky  318. 
Peresspa  389. 
Pereterka  254. 
Perewalowka  366. 
Perhonjoki  237. 
Perkjärvi  203. 
Perm  359. 
Pernau  60. 
Perno  216. 
Perovesi  214. 
Perowo  384. 
Perse,  die  49. 
Pesskow  384. 
Peterhof  181. 
— ,  Alt- und  Neu  182. 
St.  Petersbnrg  91. 

Admiralität  106. 

— ,  neue  112. 

Akademie  der  Künste 
170. 

—  der  Wissenschaften 
169. 

— -,  geistl.  (katholische) 
174. 

— ,   medizin.  -  Chirurg. 
178. 

Alexandergarten  106. 

Alexander  II.  Kirche 
121. 

Alexanderpark  175. 

Alexandersäule  112. 

Apotheken  96. 

ApothekerinseIlOl.176. 

Arsenal)  altes  163. 

— ,  neues  178. 


REGISTER. 

ST.  PETERSBURG. 
Arcadia  177. 
Artelschtschiks  95. 
Artillerie  -  Akademie 
178. 

—  Departement  163. 

—  Museum  175. 
Aerzte  96. 
Augenklinik  162. 
Bäder  96. 

Bahnhöfe  91. 

Baltischer  165. 

Finnländiseher  178. 

Moskauer  168. 

Warschauer  165. 

Zarsko  -  Sseloscher 
163. 
Bairdsche  Fabrik  164. 
Bank,  kais.  160. 
Bankiers  96. 
Bavaria  177. 
Bazar  157.  174. 
Bergakademie  173. 
Besborodko,  Villa  178. 
Bezirksgericht  163. 
Bibliothek,  kais.  158. 

—  d.  Akademie  169. 
Blumenausstellung  99. 

107. 
Börse  169. 
Botan.  Qarten  176. 

—  Sammlung  170.  176. 
Boulevard   der   Garde 

zu  Pferde  108. 
Brautschau  120. 

Brücken  103. 

Aegypt.  Ketten- 
brücke 166. 

Anltschkow-  160. 

Dworzowy  169. 

Eremitage-  118. 

Kalinkin-  165. 

Karpinsky-  176. 

Kasansche  157. 

Ketten-  120. 

I^jetny  120. 

Nikolaus-  112. 

Neue  Kalikin-  165. 

Palast-  169. 

Panteleimon-  120. 

Petersburger  119.174. 

Stroganow-  177. 

Schlossbr.  169. 

Ssutugina  165. 

Ssamssoniew  178. 

Theater-  121. 

Troizky  119.  174. 

Tutschkow-  174. 

Winter-  121. 
Buchhandlungen  95. 
Gadettencorps,  Marine- 

173. 
Circus  97. 


435 

ST.  PETERSBURG. 
Commerzschule  164. 
Gonditoreien  92. 
Consulate  96. 
Datschen  106.  176. 
Demidow  -  Garten  164. 
Denkmäler, 

Alexander  I.  112. 

Barclay  de  Tolly  157. 

Katharina  II.  159. 

Krusenstern  173. 

Krylow  120. 

Kutusow  157. 

Nikolaus  I.  111. 

Peter  d.  Gr.  107. 121. 

Rumjanzow  170. 

Ssuworow  119. 

Wylie  178. 
Derewnja,  Nowaja  u. 

Staräja  177. 
DeutscheBotschaft  111. 
Dienstmänner  95. 
Droschken  93. 
Druckerei,  kais.,  von 

Werthpapieren   lOö. 
Duma  1d7. 
Dworniks  156. 
Eisrutschberge  98. 
Englischer  Quai  112. 
Eremiiage  122. 

Aegypt.    u.    assyr. 
Alterthümer  124. 

Altruss.  Alterth.  148. 

Bronzen  131.  139. 

Gameen  1^. 

Eremitage,  alte  149. 

— ,  zweite  153.      , 

Gallerie  der  Kostbar- 
keiten 150. 

—  Peters  d.  Gr.  149. 

—  Romanow  153. 
Gemälde  -  Gallerie 

134. 

Geschn.  Steine  148. 

Griech.-röm.   Scul- 
pturen  124. 

Guarenghi,  Gab.  153. 

Handz  eichnungen 
131. 

Kertsch,Saal  von  126. 

Kupferstiche  132. 

Münzsammlung  147. 

Pfauencabinet  149. 

RafTael- Gallerie  148. 

Silberarbeiten  131. 

Skyth.u.sibir.  Alter- 
thümer 133. 

Terracotten  131. 

Treppenhaus  133. 

Vasensammlung  130. 
Fabriken  105. 
Festungsinsel  101.  174* 
Findelhaus  157. 

28* 


436 

ST.  PETERSBURG. 
Fluss- Yachtclub  177. 
Füutanka  102. 
Forstinstitut  198. 
Friedhöfe  97.  174. 
Gärte7t. 

Alexandergarten, 
neuer  106. 

Demidüvv  164. 

Isaaks-  111. 

31ichailowsky  121. 

.lussupow  161. 

Sumiuergarten,  kais. 
119. 

— ,  kleiner  121. 
Garten^trasse  ItiO. 
Gasanstalt  164. 
Gassners  Museum  158. 
Gasthöfe  91. 
Gemälde  -  O'ailerien . 

Akademie  171. 

Eremitage  134. 

Leuchtenberg  111. 

Ssemenow  172. 

Stroganow  163. 
Gcneralstabs  -Akade- 
mie 112. 
Generalstabsgebäude 

118. 
Gesandtschaften  96. 
Oesellscha/ten, 

Frei   Ökonom.  164. 

<t  artenbau-  157. 

Geographische  160. 

Menschenfreund- 
liche 162. 

Meteorologische  160. 

Mineralogische  ILO. 

Technologische    163. 
Glasfabrik,   kais.  168. 
Golodai- Insel  101. 
Gostinny-Dwor  157. 
Gross-Ochla  178. 
Guljanien  98. 
Gutu.je\v-Insell79.  182. 
llcumarkt  161. 
llol'sängerschule  118. 
Hospitäler. 

Alexander-H.i62.167. 

Kvangelisches  168. 

Marine,  zweites  165. 

Militär-Landh., zwei- 
tes 178. 

Obuchowsches  16-i. 

Maria -Magdal.-  174. 

Peter -Pauls  176. 
Ingenieurschule  120. 
Inseln,  die  (Xewa)  101, 
Inblitut    (Ut  Bergin- 
genieure Vi'd. 
--    der    Ingenieure    f. 

Wege   u.    Communi- 
•        cationen  161. 


KEGISTER. 

ST.  PETERSBURG. 
Institut,  technol.  164. 
Intendantur  161. 
Irrenanstalt  182. 
Isaaksgarten  111. 
Iswoschtsehiks  93. 
Jämsehtschlks  93. 
Jelagin- Insel  101.  177. 
Jussupow  -  Garten  161. 
Kamenny  -  Insel  101. 

177. 
Kanäle  102. 
Kanonier -Insel  182. 
Karpowka,  die  101. 
Kasernen. 
Araktschejewskv 

167. 
Ismailowsky  166. 
Leibgarde  163.  176. 
Marine  111.  165. 
Mil.-Telegr.-Abth. 

121. 
Pawlowsky  121. 
Ssemenowsky  163. 
Katharineuhof  165. 
Katharinen  -  Institut 

162. 
Katharinenkanal  102. 
Kathedralen. 
Auferstehuugs-  167. 
Isaaks-  109 
Dreieinigkeit  167. 
Kasansche  156. 
Nikulaus-  161. 
Peter -Pauls-  174. 
Sspasso  -Preobra- 
shensky  162. 
Kaufmannsklub  157. 
A'trcÄe/j,  kath.  l'Jü. 
— ,  Protest.  196. 
Armenische  158. 
Auferstehungs  165. 
—  des  h.  Lazarus  168. 
Dmitry  (griech.)  168. 
Dreifaltigkeits  166. 

175. 
Englische  112. 
I        Erlöser-  176. 
'        Geburt  Johannes  des 
;  Täufers  178. 

Heilands  175. 
Himmelf.  Mai-iä  161. 
j         Holländische  156. 
I         Katharinen-,  kath. 
157. 
■  — ,  lulh.  174. 
— ,  schvved.   156. 
— ,  russ.  165. 
Marien-,  linn.  156. 
Malrosen-  161. 
Methodi.s(eu  111. 
Panteleimun  162. 
Peters-  156. 


ST.  PETERSBURG. 
Kirchm. 

Reforrairte  111.  156. 

Sergius  163. 

Simeon  u.  Anna  162. 

Snamcnskaja  163. 

Troizy  166. 

Verkündigung  Maria 
111.  168. 

Wladimir  163.  176. 
Kirchhöfe  97. 
Klima  104. 
Klinik,  Universitäts- 

178. 

Klöster.  ' 

Alexander  -  Ne  wsk  v- 
167. 

Nowo  -Djewilschv- 
164. 

Ssmolnv  167. 
Klubs  92.' 
Krestowsky- Insel  101. 

177. 
Kriegsministerium  108. 
Kronwerk  174. 
Kunstausstellung,  pcr- 

man.  99. 
Landwirthschafts  -  Mu- 
seum 163. 
Lebensweise  104. 
Ligowsky- Kanal  102. 
LitauischesSchloss  164. 
Livadia  177. 
Ljetny  Ssad  119. 
Lyceum,  kais.  176. 
Manege  der  Garde   zu 

Pferde  108.  111. 
—  des  Grossf.  Michael 

121. 
Marine  -  Invalidenhau^i 

178. 

Märkte. 

Apraxin  16U. 

Heumarkt  161. 

Krugly  121. 

Marien-  160. 
Marmorpalais  118. 
Marsfeld  119. 
Marstall,  kais.  156. 
Michailowsky  -  Garten 

121. 
Militärgymnasium  176. 
Militärschule,  Constan- 

tins-  164. 

— ,  Paul-  170. 

Millionnaja  121. 

Ministtriev. 

Auswärtige  Ange- 
legenh.  118. 

Fin<%nzen  118. 

Inneres  112.  160. 

Justiz  158. 

Unterricht  160. 


ST.  PETERSBURG. 
Moika  102. 
Münzcabinet  (Akade- 
mie) 170. 
Münze  174. 

Muieen. 

Altchristliches  171. 

Anatomisches  158. 
170. 

Artillerie-  175. 

Botanisches  170.  176. 

Eremitage  122. 

Ethnograph.  169. 

Landwirt  lisch.  Iü3. 

Marine-  107. 

Mineralog.    170.    173. 

Pädagog.  163. 

Unifornis-    u.   Equi- 
pirungs  105. 

Wagen-  156. 

Wt'gecomumni- 
cations-  161. 

Zoll-  174. 

Zoologisches  170. 
Newa,  die  101  etc. 
— ,  Eisgang  der  103. 
Newka,  die  101. 
Newsky-Prospect  154. 
Nikolai -Reitbahn  108. 

111. 
Nowo  -  Obwodny  -  Ka- 
nal 102. 
Nummern  92. 
Orientirungsfahrt  98. 
Paa:encorp8  160. 
Paläst'. 

Anitschkow  160. 

Konstantin  118. 

-  Michael  118. 

—  Nikolaus  112. 

—  Ssergei  156. 

-  Wladimir  118. 
Bjelosersky  177. 
Jelaginsky  177. 
Jussupow  156. 
Lenchtenberg  111. 
Michailow.  alter  120. 
— ,  neuer  i21. 
Nikolai  160. 
Stroganow  168. 
Taurischer  166. 
Winterpalast  113. 

Passage  Stenboek  158. 

Patriot.  Institut  172. 

Paul-Militärschule  170. 

Pawlowskv'sches     In- 
stitut 162. 

Perjeulki  103. 

Peters  des  Grossen 
Haus  176. 

-  Schloss  120.  177. 

Peter -Pauls -Festung  i 
174.  i 


REGISTER. 

ST   PETERSBURG. 
Peterhoische  Strasse 

182. 
Petersburger  Seite  101 

176. 
Petrowsky- Insel  101. 

177. 
Pferdebahnen  94. 
Pflaster  104. 
Physiolog.  Laborato- 
rium 176. 

Plätze  103. 

Admiralitäts-  106. 

Alexandra-  159. 

Börsen-  169. 

Isaaks-  108. 

Marien-  111.  161. 

Michaels-  121. 

Nikolaus-  161. 

Palast-  112. 

Peters-  103.  107. 

Kasvvüdnv-  106. 

Senats-  106.  107. 

Ssuworow-  119. 

Theater-(grosser)161 

Troizky  166. 

Tschernischow-   160, 
Pointe  177. 
Polizei  96. 
Porzellanfabrik  195. 
Possilny  95. 
Post  95.  111. 

ProspecU  103. 

Bülschoj  172. 

Ismailowskv-  165. 

Liteiny-  162. 
•  Maly  174. 

Neu  -  Peterhofscher 
165. 

Newsky-  154. 

Sabalkansky  164. 
Ilechtsakademic.  milit. 

161. 
Rcchtsschule  163. 
Reitbahn,  Nikolai- 108. 
Restaurants  92. 
Rumjanzow  -  Obelisk 

170. 
Salzniederlage  162. 
Schlittenfahrten  98. 
Senat  108. 
Shdanowka  101. 
Sjännaja  Ploschtschad 

161. 
Sommergarten,  kais. 

119. 
— ,  kleiner  121. 
Sommertheater  178. 
Schpalernoi  -  Manufac- 

tur  163. 
Speisehäuser  92. 
Ssamssonie wasche  Fa- 
brik 105. 


437 

ST.  PETERSBURG. 
Ssmolny- Kloster  167. 
Stadtcommandantur 

121. 
Stadthaus  157. 
Stadttheile  102. 
Stadtthurm  164. 
Sternwarte  188. 
Strassen  103. 
Strassenlcben   155. 
Strjelka  160. 
Stroganow.  Villa  177. 
Synod,  heil.  U8. 
Taurischer  Palast  lu'!. 
Technolog.InstilullU. 
Telegraph  95.  111. 
Temperatur  i04. 
Theater  97. 
Alexandra  159. 
Eremitage  118. 
Grosses  161. 
Marien-  161. 
Michaels-  121. 
Panajew'sches  97. 
Renaissance  164. 
Theaterschule  159. 
Traktire  92. 
Tramways  94. 
TriugolnijaWorotalüö. 
Triumphpforte,     Mos- 
kauer 164. 
— ,  Narwa'sche  165. 
Troiken  93. 
Tschassti  102. 
Ulizen  103. 

Umfassungsgraben  102. 
Uniforras-    u.   Equipi- 
rungs  -  Museum    1U5. 
Universität  170. 
Vauxhall  195. 
Vereine  92. 
Viehhof  164. 
Wasserleitungsthurm 

167. 
Wassily  Ostrow  101. 

168. 
Winterpalast  113. 
ZoUgebaude  174. 
Zoolog.  Garten  175. 
PetersburgerSchweizl98. 
Petrikau  8. 

Petropawlowskoje  344. 
Petrowsk  318. 
Petrowsko.je  -  Rasumow- 

skoje  259.  313. 
Petschanowka  389. 
Petscherskoje  366. 
Pielisjärvi  208. 
Pielisjoki  213. 
Pielisstrasse  206. 
Pihlajavesi  207.  212.  235. 
Piikkiö  230. 
Pikku-Imatra  207, 


m 

Pilawa  33. 
Piliza  6. 
Pilten  43. 
Pilwlschki  37. 
Pina,  die  241. 
Pinsk  241. 
Pirisaar  73. 
Plsavuori  213. 
Pitkäranta  212. 
Pjatowskaja  373. 
Pjätuschki  323. 
Plawni  409. 

Pleschtschesswo-See  318. 
Pleskau  86. 
Pleskau'scher  See  73. 
Pless  344. 

Pletenyi-Taschlyk  400. 
Piisski  390. 
Ploskaja  388. 
Plozk  32. 
Plussa  88. 
Plyzjwa  9. 
Pnjewo  3. 
Podbrodse  47. 
Podhorce  388. 
Podlachien  45. 
Podnowje  347. 
Podolsk  377. 
Podoroshna  xix. 
Podssolnjetschnaja    259. 
Podwotoczyska  388. 
Pohjaküla  78. 
Pohjaskorkia  216. 
Pohjaskyla  216. 
Pojo  225. 

PoklonnajaGora  198. 312. 
Pokrow  323. 
Pokrowskoje  311. 
Polesien  242.  38S. 
Polewaja  397. 
Polista  254. 
Polizei  XIII.  XVI. 
Polnische  Schweiz  5. 
Polonn^e  389. 
Polota  368. 
Polozk  368. 
Poltawa  399. 
Poltawka  399. 
Pomiechowo  30. 
Pomoschnaja  400. 
Ponjemuni  38. 
Pono  -  See  337. 
Ponyri  382. 
Popeljuchi  388. 
Popelnja  397. 
Popowka  248. 
Poraj  6. 
Poretsche  47. 
Porka  73. 

Porogen  des  Dnjepr  409. 
Porovesi  207. 
Porussja  254. 
Poshivja  344. 


REGISTER. 

Possad  -  Troizky  348. 

Post  XXI. 

Postfahrten  xviii. 
Potinnieml  209. 
Potok  26. 
Potoki  399. 
Powiiski  26. 
Prästholm  230. 
Prekuln  41. 
Preobrashensk  88. 
Pripet  388. 
Prochorowka  397. 
Prondnik  5. 
Prosskurow  388. 
Protopopowka  399. 
Protopopowo  373. 
Prowienischki  38. 
Pruschkow  4. 
Psiol  397. 
Pskow  86. 
Pskowa,  die  86. 
Pskowscher  See  73. 
Puhois  212. 
Pujomäki  213. 
Putawy  33. 
Pulkowa  188. 
Pulsa  216. 
Pultusk  45. 
Punkaharju  212. 
Pupe  65. 
Puruvesi  207. 
Puschkino  315. 
Putschesh  345. 
Puumala-Sund  207.  212. 
Pyehlau  66. 
Pyhäjoki  237. 
Pyhäjärvi  235. 
Pyhäkylä  210. 
Pyynika  235. 
Pyttärlaks  214. 
Pyttis  216.  217. 
Pyydössaari  206. 

Quidja  231. 

Rami  210. 
Babotok  347. 
Rachny  388. 
Radelma  230. 
Radomsk  8. 
Radziwilisehki  40.  47. 
Radziwillow  4.  389. 
Räfsö  233. 
Räisälä  209. 
Raivola  203. 
Rajowice  34. 
Rakke  74. 
Rakkolajoki  214. 
Rakowa  385. 
Ramenka  312. 
Ramenskoje  384. 
Ranenbui^  385. 
Rannapungem  72. 


BäschliKa  86. 
Rasdjelnaja  400. 
Baseborg  334. 
Rasik  74. 
Baskolniks  xlvi. 
Rastokino  314. 
Ratschenka  246. 
Ratsehki  47. 
Rättijärvi  207. 
Rauchverbot  xxix. 
Rauhalinna  230. 
Rauma-Snnd  232. 
Raumo  232. 

Rautalampi-Strasse  217. 
Rautavesi  235. 
Rautunselkä  326. 
Bawka  4. 
Bein,  Insel  361. 
Reisekosten  xi. 
Reisezeit  x. 
Restaurants  xxv. 
Betu-Sari  180. 
Beval  79. 
Bevonkorva  206. 
Biesenburg  31. 
Biga  49. 

Bigaseher  Meerbusen  60. 
Biihimäki  217.  225. 
Biilaks  225. 
Bingen  68. 
Bingmundshof  49. 
Bittikkakorva  207. 
Bjäsan  385. 
B^asanzewo  318. 
B^eschetnikowo  259. 
Bjasehma  345. 
Bjashsk  373.  385. 
Bodenpois  66. 
Bodisehtscha  371. 
Bogöw  9. 
Boinesee  226. 
Bokitnosümpfe  388. 
Bokiziny  8. 
Bomanow  389. 
Romanow  -  Borisso- 

gljäbsk  341. 
Römershof  49. 
Bonneburg  67. 
Bopseha  186. 
Bosenberg  31. 
Boshdestwenskoje  359. 
Boshiee  389. 
Bosprza  8. 
Bospuda  47. 
Bosslawl  370. 
Rosstow  318. 
— ,  am  Don  408. 
Rouheala  209. 
Rouhealankoski  209. 
Row,  der,  388. 
Rowno  389. 
Rflhew  256. 
Ruda  26. 


Buda  Guzowskaja  4. 
Rudka  348. 
Budniki  8. 
BudD,)a  370. 
Rudziszki  47. 
Ruha  337. 
Ruhenthal  64. 
Runebergs  stuga  237. 
Runö  59. 
Runsala  230. 
Rüokovirta  214. 
Ruotsalaineu-See  217. 
Ruovesi  235. 
Ruschona  85. 
Ruskeala  212. 
Ruuki  238. 
Ryblnsk  340. 
Rybno  31. 
Rybnoje  385. 
Rykowo  410. 
Ryshow  399. 
Ryttylä  225. 
Rzaza  45. 

Saarenhof  273. 
Saarenkorva  206. 
Saarijärvi-Strasse  217. 
Sabolotje  389. 
Saima-See  206. 
Säiniö  203. 
Sairala  210. 
Saitzewo  409. 
Säkkijärvi  214. 
Sakrotschim  32. 
Saksby  218. 
Salegoschtseh  371. 
Salo  231.  238. 
Salotarewo  371. 
Salpausselänne  207.  217. 
Salpausselkä  206. 
Saltanowka  245. 
Samogitien  40. 
Sandö  231. 
—  (Insel)  236. 
Sandomirer  Gebirge  8.31. 
Saplasy  400. 
Saporoger  409. 
Saraisk  384. 
Särkijärvi  207. 
Sassenhof  59.  65. 
Satisehje  400. 
Sawilowo  259. 
Sehaehowo  371. 
Sehanjawa  240. 
Schären  233. 
Sehatilowo  371. 
Sehatseha  344. 
Schawli  41. 
Scheksna  340. 
Sehelepieha  262. 
Sehelkowka  248. 
Seheion  254. 
Sehestakowka  400. 


REGISTER. 

Schimsk  254. 
Schlittenfahrten  xxviii. 
Schlock  65. 
— ,  der  44. 
Sehlüsselburg  196. 
Schmarden  65. 
Schtsehuka  350. 
Schtschurowo  384. 
Schtschutschische  Berge 

359 
Schuja  324. 
Sehumakowo  397. 
Schuwalowa  182. 197.202. 
Schwarzhäupter  55.  83. 
Schwedengrab  399. 
Sdolbunowo  389. 
Segäwold  66. 
Sembin  244. 
Semgallen  48. 
Semstwo  xxxiii. 
Severien  5. 
Shabinka  241.  242. 
Shegulewsk.  Berge  363. 
Sheltuchino  373. 
Sherebkowo  400. 
Shigin  33. 
Shitomir  389. 
Shmerinka  388. 
Shodino  243. 
Shosli  38. 
Shukowka  370. 
Shuljani  397. 
Sibbo  218. 

Sicherheit,  öffentl.  xvi. 
Sievänjoki  237. 
Sievi  237. 
Siikajoki  238. 
Simola  206.  216. 
Sjedlez  240. 
Sjölaks  231. 
Skälö  233. 
Skarpans  234. 
Skempe  32. 
Skiernlewitz  3.  9. 
Skiftet-Sund  233. 
Skinnarwik  231. 
Slawehk  67. 
Sluzew  28. 
Smyschljäwka  366. 
Snamenskaja  182. 
Snamjenka  399. 
Sobolowo  33. 
Södemäs  223. 
Sokolka  46. 
Sokanlinna  209. 
Soldau  31. 
Solotuehino  382. 
Sordavala  211. 
Sosnowitz  4. 
Sowserje  255. 
Spirowo  256. 
Ssablino  248. 
Ssaburowo  310, 


439 

Ssachanskaja  371. 
Ssalgir  410.  411. 
Ssalgirquelle  422. 
Ssamara  364. 
— ,  Bogen  von  364. 
Ssamoilowka  409. 
Ssamowka  348. 
Ssapegino  247. 
Ssapelki  341. 
Ssarabus  410. 
Ssarapul  359. 
Ssaratow  372. 
Ssaritsch,  Gap  419. 
Ssawia-Kloster  248. 
Ssawluk-Ssu  413. 
Sseim,  der  382.  390. 
Sseliger-See  337. 
Sselischtschje  341. 
Sseliwanowo  324. 
Ssemibratowo  318. 
Ssengilej  363. 
Ssengilenka  363. 
Sserbinowzy  388. 
Sserebranka  88. 
Sserebrowka-Bach  309. 
Ssei^iewo  182. 
Ssergiew- Kloster  186. 
Ssergiewka  181. 
Ssergiewo  182.  380. 
Ssergiewsehe  Insel  361. 
Ssergiewsk  366. 
Ssergiewsky  Possad  315. 
Sserpuchow  377. 
Ssestra  259. 
Ssestroräzk  198.  202. 
Ssewastopol  415. 
Ssimbirsk  361. 
Ssimeon-Kloster  367. 
Ssimferopol  412. 
Ssinelnikowo  409. 
Ssinjucha  400. 
Ssirotino  369. 
Ssiwasch  410. 
Ssiwersk  88. 
Ssjänzowo  372. 
Ssjerozk  31. 
Ssjetsehi  409. 
Sskobelewo  378. 
Sskopin  373. 
Sskuratowo  380. 
Sslawgorod  409. 
Sslawianka  192. 
Sslawuta  389. 
Sslobodka  388i 
Ssmolensk  246.  370. 
Ssmudenza  345. 
Ssnjäshet  371. 
Ssnjäshetskaja  370. 
Ssofia  192. 
Ssofiewka  409. 
Ssok  364.  366. 
Ssokol  359. 
Ssoldoga  344. 


440 

Ssoldogsche  Insel  344. 
Ssoli'-tewo  397. 
Ssormowo  346. 
Ssossenka  306. 
Ssossna  371. 
Sspassk  385. 
Sspasskoje  313. 
Sspasso  -  Gerontewskaja- 

Kloster  349. 
Sstanowoi  -  Kolodjes  382. 
Sslaroje  Sselo  3ö9. 
Sstawropol  363. 
Sßtersh-See  337. 
Ssudak  422. 

Ssudalskiseher  See  197. 
Ssuida  88. 
Ssukejew  360. 
Ssumv  390. 
Ssundirka  349. 
Ssundowit  348. 
Ssura  348.  374. 
Ssurgut  366. 
Sswenigorod  248. 
Sswijaga  350.  361. 
Sswijahsk  350. 
Sswinskaja  377. 
Sswirlowo  314. 
Sswolna  368. 
Ssysran  366. 
Stachow  244. 
Stackein  68. 
Staffansby  223. 
Staraja  Krim  423. 
—  Russa  254. 
Stary  Kostitschi  375. 
Stintsee  66. 
Stockmannshof  49. 
Storkyro  236. 
Stradra  8. 
Strante-See  67. 
Strassen  xix. 
Strelka,  die  182. 
Strelna  185.  182. 
Strjelka  344. 
Strjemieschitz  5.  6. 
Strömdal  213. 
Studjänka  243.  244. 
Stugna  397. 
Styr  389. 
Suinula  235. 
Sumer,  Insel  361. 
Sumparn  223. 
Sand  234. 
Suojärvi  212. 
Suomenselkä  217. 
Suonion-Saari  203. 
Suotniemi  210. 
Suprasl  46. 
Suscha  380. 
Suurkylä  216. 
Suvanto  -  See  210. 
Suwalki  36. 
6vart&  224. 


REGISTER. 

Svartholm  216. 
Sveaborg  223. 
Svensksund  215. 
Swentziany  47. 
Swethof  64. 
Swi^ty  Krzyz  31. 
Swislotsch  243. 
Sydänmaa  235. 
Sykowo  312. 
Synod,  heil.  xlvj.  106. 
Sysmä  217. 
tSysterbeck  198.  202. 
Syvälaks  230. 
Szezakowa  4. 
Szopy  28. 

Tabak  xxviii. 
Tabbifer  74. 
Taganasch  410. 
Tainionkoski  207. 
Taipale  210.  213. 
Taliby  223. 
Talizy  315. 
Talsen  44. 
Tammerfors  234. 
Tampereenkoski  235. 
Taninskoje  314. 
Taps  74. 
Taraktasch  423. 
Taranowka  408. 
Tarnopol  388. 
Tarussa  377. 
Tarvala-Fors  217. 
Tataren  354.  412. 
Taulumäki  217. 
Tavastehus  225. 
Tavasten  201. 
Tavastkyro  235. 
Tawschan  Bazar  422. 
Tebber  43. 
Teisko  235. 
Telegraph  xxii. 
Temir  Kapu  421. 
Tengeli  238. 
Tepe  Kerman  415. 
Tep^ären  358. 
Terespol  240. 
Terijoki  203. 
Tervaioki  214.  236. 
Tesa  324. 
Tescha  347. 
Teterew  389. 
Tetjuschi  360. 
Teufelssteine  208. 
Tewli  242. 
Thermopylae  235. 
Thorn  1. 

Thorensberg  69.  65. 
Tiseher  84. 
Tjuschki  390. 
T^uszez  45. 
Tmaka  257. 
Toby  236. 


Toijala  226.  234. 
Tokssowo  198. 
Tolgsky -Kloster  341. 
Tomaszow  9. 
Tonschina  1. 
Toppila  -  Sund  238. 
TorhonjärvL  210. 
Torma  73. 
Torne&  238. 
Torne&-Elf  238. 
Toroschino  88. 
Torshok  256. 
Tossna  88.  248. 
Töysä  23Ö. 
Traktire  xxv. 
Tr&ngsund  203. 
Träskända  218.  223. 
Trepowka  400. 
Treiden  60. 
Treppenhof  Ad. 
Trikaten  68. 
Trinkgelder  xii. 
Troiken  xx. 
Troiza- Kloster  315. 
Troizkoje  -  Golenischt- 

sehewo  312. 
Troki  38. 
Trubesch  385. 
Tsehatyr  Dagh  422. 
Tschebokssary  349. 
Tschenstochau  6. 
Tseheremcha  340. 
Tseheremissen  34B. 
Tscherkisowo  306. 
Tsehem  380. 
Tschernorudka  397. 
Tseherskaja  86. 
Tschesma  188. 
Tschirlkowo  372. 
Tschisstopol  359. 
Tschongar  410. 
Tschornaja  411.  415.  419. 
TschornajaDerewnJa273. 
Tschornasjom  375. 
Tschorny-Ostrow  388. 
Tschubowka  400. 
Tschudowo  248. 
Tschufut-Kaleh  414. 
Tsehuchny's  88. 
Tschurilowka  246. 
Tschurjuk-Ssu  413. 
Tschuwaschen  349. 
Tuak  422. 
Tuekum  44.  65. 
Tula  378. 
Tumenka  363. 
Tunoschna  341. 
Tuorila  2:i0. 
Tuovinlaks  213. 
Turenki  225. 
Turholm  223. 
Turija  389. 
Tuschlno  313. 


Tusskara  982. 
Twer  256. 

TwerezkY- Kanal  256. 
Twerza  257. 
Tykö  231. 
Tyrul  62. 
Tytärsaari  216. 

Vddern  68. 
Udjelnoi  197.  202. 
Udy  398. 
Uezküll  49. 
Uglowka  255. 
Uittamo  229. 
TJker  34. 
Ule&borg  238. 
\Jle&-Elf  238. 
Ulwilankyla  233. 
Umgangsregeln  xv. 
Undarisehe  Berge  369. 
TJnnukkavesi  207. 
Unnunkoskl  210. 
Unscha  345. 
Unter- Usslon  358. 
Upa,  die  378. 
Ural,  der  375. 
Urdiala  226. 
XJrpala  214. 
Ursuff  421. 
Uskela  231. 
Usmaiten  44. 
U88lon,Ober-u.Unter3ö8. 
— ,  der  350. 
Usslowaja  373.  380. 
Ussolje  363. 
XJBspenskoje  360. 
Uslije  345. 
TJttis  217. 
TJuraan-Saari  203. 
Uuras  203. 
Utscban-Ssu  421. 
Uurdiala  226. 
TTwarowka  247. 
Uwoda  324. 

Vagia  73. 
Vägsjö-KanaL  217. 
V&nä-Strom  226.  226. 
Varälö  215. 
Vargö  224. 
Vergnügungen  xxvi. 
Vesijärvl  217. 
Vuokatti  214. 
Vuosalmi  209. 

Waala  214. 
Waarniemi  230. 
Wäggewa  74. 
Wait  79. 
Walamo  211. 
Waldai  255. 
Waldai- Höhen  255. 
—  See  255. 
Waldaika  255. 


REGISTER. 

Walk  68. 
Walkeasaari  202. 
Walki  399. 
Wallinsaari  209. 
Wanda  223. 
Wanha-Wiipuri  205. 
Wapnjarka  388. 
Wargsehären  222. 
Warkaus  213. 
—  -Kanal  213. 
Warkausstrom  207. 
Warppisaari  208. 
Warachau  9. 

Alexander-Gitadelle24. 
Alexander- Platz  18. 
—  -Park  25. 
Altstadt  23. 
Arsenal  22. 
Bäder  10. 

Bahnhöfe  9.  23.  25. 
Bazar  17. 

Blinden-  u.  Taubstum- 
men-Inst.  19. 
Börse  17. 
Botan.  Garten  19. 
Brücken  24. 
Gitadelle  24. 
Credit  foncier  17. 
Denkmäler. 
Kopernikus  18. 
Paskewitsch  16. 
Sigismund  III.  14. 
Sobieski  19. 
Findelhaus  18. 
Frascati-Park  19. 
Friedhöfe  22.  27. 
General  -  Gouverne- 
ment 16. 
Gesellschaft,  Wohl- 

thätige  16. 
Junkerschule  20. 
Kasernen  22.  24. 
Kaufmanns  -  Ressource 
22. 

Kirchen  10. 
Alex. -Newsky  18. 
Allerheiligen  20. 
Anna  16. 
Antonius  22. 
Basilianer  21. 
Borromäus  22. 
Evangelische  17. 
Franziskaner  24. 
Griech.-kath.  25. 
Griech.-russ.  21.  27. 
Heilige  Geist  33. 
Heilige  Kreuz  18. 
St.  Jacek  23. 
St.  Johann,  Kath.  23. 
Kapuziner  20. 
Karmeliter  22. 
St.  Kasimir  24. 
Katbolisehd  27. 


441 

WARSCHAU. 

Kirchen. 

Lutherische  17. 

Marien  24. 

Peter-Paul  23. 

Reformirte  22. 

Römisch -kathol.  22. 

Wisytki  18. 
Klubs  10. 
Konsulate  10. 
Kosakenställe  15.     . 
Krasihski-Garten  21. 

—  Platz  21. 
Manöverfeld  26. 
Marktplatz^ltstadt  23. 
— ,  neuer  l7. 
Militär -Hospital  19. 
Mokotow  -  Feld  20. 
Museum  für  Industrie 

u.  Ackerbau  16. 
Musikeonservator.  18. 
Neue  Welt  18. 
lieustadt  23. 
PaUUte, 

Belvedere  19. 

Blaues  Palais  22. 

Erzbisehöflieher  20. 

Fürst -Primas  20. 

Kazanowski  16. 

Krasinski  21. 

Kronenberg  17. 

Lazienki  19. 

Namienistkowski  16. 

Ordynacki  18. 

Pac  20. 

Podblachoi  15. 

Potozki  16. 

Sachs.  Schloss  17. 

Zamojski  18.  22. 
Post  10. 

Pow^skysches  Militär- 
lager 26. 
Praga,  Vorstadt  25. 
Bathhaus  21. 
Reichsbank  22. 
Rennplatz  20. 
Sächsischer  Garten  17. 

—  Platz  16. 

—  Werder  25. 
Saska  Kepa  25. 
Schloss,  königl.  15. 
Schweizerthal  19. 
Sommertheater  17. 
Ssliwitzky,  Fort  24. 
Sternwarte  19. 

Strassen, 
JerusalemerAllee  22. 
KrakauerVorstadtl6. 
Marschallstr.  23. 
Miodowastr.  20. 
Nowy  Swiat  18. 
Senatorska  20. 
Ujazdow- Allee  19. 


442 

WARSCHAU. 

Strassenleben  13. 

Synagoge  22. 

Telegraph  10. 

Theater  10.  21. 

Theaterplatz  21. 
Thore. 
Belvedere  19. 
Czerniakowski  27. 
Jerusalemer  22. 
Marymont  26. 
Mokotow  20. 
Moskauer  28. 
Petersburger  24.  28. 
Wola  22. 
Wilnaer  25. 

TJjazdowska-Flatz  19. 

Universität  18. 

Wahlebene  26. 

Zamkowy-Platz  14. 

Zoologischer  Garten20. 
Warschau,  Qeneral-  Gou- 
vernement 2. 
Warstsala  231. 
Wasa  236. 
Wartha  6. 

Warwarinsky  -  Insel  345. 
Warwarowkä  409. 
Wassiljewa  345. 
Wassiljewka  410. 
Wassiljewo  323. 
Wasßilkow  397. 
Wassklot  236. 
Wassil-Ssurssk  348. 
Watulanhariu  235. 
Wawer  28.  33. 
Wawrzyszew  26. 
Wedenjakama  217. 
Wehmainen  235. 
Weichsel,diell.24.31.ete. 
Weissenburg  81. 
Weissenstein  79. 
Weiss -Bussland  37.  242. 
Weisser  See  309.  187. 
Weisse  Warte  45. 
Wekkelaks  215. 
Wekkoski  218. 
Welikaja  73.  86. 
Weliky- Nowgorod  249. 
Wemgallen  42. 
Wenden  66. 
Werchita-Sec  337. 
Werchowje  371. 
Wcrda  373. 
Weresehtsehino  254. 
Wernadowka  37L 
Wernigorodok  397. 
Wesenberg  74. 


REGISTER. 

Wesselaja-Lopan  397. 
Wessely-Kut  400. 
Westankär  231. 
Wetluga  348. 
Wiborg  203. 
Widzow  8. 
Wieprz  33. 
Wierzbno  28. 
Wihandi  237. 
Wiiala  234. 
Wijataipale  205. 
Wik  231. 

Wiks-Ladugird  223. 
Wilanow  27. 
Wilejka  38. 
Wileiskaja  47. 
Wilga  33. 
Wiliende  78. 
Wilija  37.  38. 
Wilkowischki  37. 
Willinge  223. 
Willmanstrand  206. 
Wilna  38. 
Windau  44. 
— ,  die  41^. 
Winniza  a90. 
Wirballen  36. 
Wirtzjärw  68. 
Wirtzsee  75.  78. 
Witebsk  369. 
Wittgenstein  243. 
WiurUa  231. 
Wjasma  277.  372. 
Wjasniki  324. 
Wjökssa  318. 
Wkra-Fluss  30. 
Wladimir  323. 
Wlochi  294. 
Wloclawsk  3.  32. 
Wodianaja  399. 
Wodjanische  Höhle  359. 
Wogulen  359. 
WÖhma  79. 
Woitowzy  388. 
Woiwala  230. 
Wola  26. 

Wolchonsky-Wald  337. 
Wolchow  255. 
— ,  der  249.  255. 
Wolga,  die  256.  337  etc. 
Wolgo-See  337. 
Wolgo- Werchowje  337. 
WoliBskoje  311. 
Wolkowinzy  388. 
Wolmar  68. 
Wotoczyska  388. 
Wolodomer  323. 
Wologda  322. 


Wolomin  45. 
Woloflchki  341. 
Wolosnikowa  361. 
Woloßowo  69. 
Wolska  26. 
Woltschja  409. 
Worobjewo  308. 
Worok  254. 
Woronesh  372. 
Woronowka  349. 
Woronzow-Strasse  418. 
Woroshba  390. 
Worskla  399. 
Wörtzjärw  75. 
Wosskressensk  259. 
Wosskressenskaja  384. 
Wosskressenskoje  359. 
Wotjäken  358. 
Wradijewka  400. 
Wschodna,  die  313. 
Wsjesswjatskoje  313. 
Wuoksen  207.  210. 
Wuoksenniska  207. 
Wuorentaka  231. 
Würzau  64. 
Wybutska  88. 
Wygoda  29.  400. 
Wyschki  85. 
Wyschny  -  Wolotschok 

256. 
Wyszogrod  32. 


Ylä-Suvanto  207. 
Ylistaro  236. 
Ylivieska  237. 
Ylöjärvi  235. 
Yrösjoki  235. 

Zakroczym  SO.  32. 
Zarewschtschina  364. 
Zargrad  49. 
Zarizin  372. 
Zarizino  310.  376. 
Zarskoje -Sselo  189. 
Zawiercie  6. 
Zejmy  40. 
Zelestinow  33. 
Zgierz  9. 
Ziegelkoppel  85. 
Zielenice  45. 
Zierau  43. 
Zigeuner  201. 
Zna  256.  376. 
Zoll  XIII.  1.  36. 
Zombkowitz  6. 
Zyrardöw  4. 


Druck  von  F.  A.  Broekhaua  in  Leipsig. 


1^ 


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