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BAEDEKER'S REISEHANDBÜCHER.
DEUTSCHLAND. — MITTEL- und NORDDEÜTSCHLAND,
WESTLICH BIS zcM RHEIN. Mit 38 Karten und 47 Plänen. 2?. Auflage.
1887 ur. 7.
SÜD-DEUTSCHLAND (OBERRHEIN, BADEN, WÜRTTEM-
BERG, BAYERN UND DIE ANGRENZENDES ThEILE VON ÖSTERREICH).
Mit 16 Karten und 24 Plänen. 22. Auflage.' 1888 Jf.ö.
BERLIN UND UMGEBUNGEN. Mit 3 Karten^ 5 Plänen
und-~^ — ^ *-^ '^ «-^'••>- ^iÄfl7 . . . J(.3.
E OLLÄNDI-
scHi ^ 1886. U5f.6.
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LÄIJ iN, KRAIN
UND _A^ *anoraiuen.
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6 Karten,
FLORENZ
d27Plänen.
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lies Forum.
• . . Ut' 6.
I" , NEBST
N, MALTA,
. 1887. MJo.
-^OM CON-
1. 1887. JIJ6.
1, 1 Pano-
. a/ff. ID.
nd Grund-
RUSSt 38. .y/. 10.
RUS! . • . Jl. 1.
SGHW; -. IN DURCH
DÄNEMARK. Mit 25 Karten und 14 Plänen. 4. AuH. 1883 . . Uff. 9.
SCHWEIZ, DIB, NEBST DEN ANGRENZENDEN ThEILEN VON OBER-
ITALIEN, 8AV0YEN UND TIROL. Mit 36 Karten, 10 Stadtplänen und
11 Panoramen. 22. Auflage. 1887 . . ^. 7.
UNTER-AEGYPTEN BIS ZUM FAYT^M UND DIE SINAI-HALB-
INSEL. Mit 15 Karten, 30 Plänen, 7 Ansichten und 76 Textvignetten.
2. Auflage. 1885 UJT. 16.
OONVERSATIONSBUCH für Reisende in vier Sprachen,
DEUTSCH, FRANZÖSISCH, ENGLISCH, ITALIENISCH. Stereotyp-Ausgabe M. 3.
Juni 1888.
ßUSSLAND
\
Vergleichende Geldtabelle (vgl. S. xm);
Bussland.
Deutsehland.
Finnland.
Oesterreieh.
Bub.
Kop.
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Pfenn.
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zur Übersicht der
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HANDBUCH FÜR R|:ISENDE
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MIT 9 KARTEN UND 15 PLÄNEN
ZWEITE AUFLAGE
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LEIPZIG
VERLAG VON KARL B^DEKER
1888
Recht zu Ueber Setzungen vorbehalten.
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HARVAR
LIBRARY
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VORWORT.
Jliine Reise nach Russland gehört seit der Yervollsttndigung
des russischen Eisenbahnnetzes nicht mehr zu den schwierigen
Dingen. Mehr und mehr wenden auch einfache Touristen ihre Auf-
merksamkeit dem Lande zu , das dem Bewohner der alten Cultur-
länder des Westens in so vielfacher Hinsicht Neues und Interessantes
bietet. Das vorliegende Reisebuch , welches hiermit in 2. Auflage
erscheint, verfolgt dieselben Zwecke, wie die in weiten Kreisen be-
kannten andern Handbücher des Herausgebers ; es will die Unab-
hängigkeit des Reisenden fordern und ihn in den Stand setzen, mit
möglichst geringem Zeit- und Geldaufwand alles Sehenswürdige zu
überblicken. Die Darstellung der ersten Auflage wurde fast durch-
weg von sachkundigen Mitarbeitern durchgesehen und den augen-
blicklichen Yerhältnissen gemäss berichtigt. Ganz neu ist der Ab-
schnitt über Südrussland. Die Beschaffung zuverlässigen Materials
ist indess in Russland, wo es an guten neuen Publikationen
über Handel , Verkehr und Industrie fast ganz fehlt , mit grossen
Schwierigkeiten Verbunden. Mehr als sonst ist der Herausgeber
daher genöthigt die Nachsicht des reisenden Publikums in Anspruch
zu nehmen , und um so dringender wiederholt er hier seine Bitte
an die Benutzer des Buches , ihn auf Irrthümer und Auslassungen
in demselben auftaierksam machen zu wollen. Denjenigen Herren^
welche ihn mit derartigen Beiträgen bereits unterstützt haben, ins-
hesondere den Herrn Mitarbeitern in Moskau, Warschau, Riga,
Helsingfors , Kasan , Kiew , Odessa , sowie in Berlin und Bonn sei
auch an dieser Stelle der Dank des Herausgebers ausgesprochen.
Die Karten und PlänedesBuches sind nach dem besten
zugänglichen Material bearbeitet.
lieber Gasthöfe vgl. S. xxiv.
Die Erlernung der russischen Sprache ist nicht ganz
leicht, doch ist eine oberflächliche Kenntniss derselben immerhin
wünschenswerth , für längere Reisen sogar unentbehrlich. Gute
Dienste wird der gleichzeitig mit vorliegendem Buche erschienene
kurze Sprachführer leisten, welcher die wichtigsten gramma-
tischen Regeln , eine Sammlung von Gesprächen und ein ausführ-
liches Yocabular enthält. In den Hotels und Bädern der grossen
TI
Städte kann man in der Regel Kenntniss der deutschen und franzö-
sischen Sprache voraussetzen. Im übrigen bedient man sich mit
y ortheil eines Gommissionärs (S. xxi).
Ueber die Transskription der russischen Worte im Text ist auf
S. 3-5 des Sprachführers das Nöthige gesagt, u ist meist durch y,
uM und iM durch y (auf den Plänen durch ij) , c durch ss oder s
nviedergegeben. Einzelne andre Inconsequenzen , welche bei häufig
vorkommenden Wörtern aus der Beibehaltung der im Deutschen
bereits feststehenden Schreibart entstehen j werden nicht stören.
INHALTS -VEßZEICHNISS.
Seite
EinleitUDg x
I. Praktische Yorbemerkangen z
' A. Reisezeit. Reiserouten x
6. Reisekosten. Münzwesen xi
C. Pass - und Zollwesen. Empfehlungen. Gast-
freundschaft xm
D. Umgangsregeln xt
E. Konsulate. Oeffentliche Sicherheit. Polizei . xti
F. Reisegelegenheiten. Droschken. Gommissio-
näre xvn
G-. Briefpost und Telegraph .....,, xxi
H. Ausrüstung zur Reise. Gesundheitspflege . . xxni
I. Gasthöfe. Ghambres gamies. Restaurants.
Klubs xxiT
K. Theater. Goncerte. Vergnügungen .... xxyi
L. Tabak , xxtiii
M. Bäder xxix
N. Gewichte und Maasse. Zeitrechnung . . . xxx
II. Geographisches und Historisches xxxi
Klima xxxi
Eintheilung und Verwaltung xxxin
Die heutigen Russen xxxiy
Ghronolog. Uebersicht der russischen Geschichte xxxtii
III. Die russische Kirche xlyi
Verzeichniss der russischen Kirchen- u. Staats-
feste XLYIII
Zur Literatur über Russland XLyiii
Das russische Alphabet l
Route I* Bas Oeneralgouyemement Wanchan.
1. Von Berlin nach Warschau 1
2. Von Breslau oder Wien nach Warschau 4
3. Warschau und Umgebungen 9
4. Von Warschau nach Nowo-Georglewsk, Mlawa (Marien-
bürg) und Giechocinek 30
5. Von Warschau über Iwangorod und Lublln nach Kowel 33
n. Die OstieeprovixLsen und West-Busiland.
6. Von Berlin nach Wilna und Libau über Wirballen . . 35
7. Von Warschau nach Riga über Wilna und Dünaburg . 44
VIII INHALTS -VERZEICHNISS.
Boute Seite
8. Biga und Umgebungen 49
9. Von St. Petersburg nach Reval, Baltisch-Port, Dorpat . 69
1 0. Von Berlin (Königsberg, München, Wien) uacb St. Peters-
burg 85
III. St. Petersburg und Umgebungen.
11. St. Petersburg 91
12. Umgebungen von St. Petersburg 179
ly. Bu OroMfftntentliiim Finnland.
13. Von St. Petersburg nach Wiborg 202
14. Von Wiborg über Willmanstrand nach dem Imatra, Wa-
lamo, SordaTala 206
15. Von Willmanstrand nach Nyslott, Kuopio, Idensalmi . 212
16. Von Wiborg nach Fredrikshamn (Lovisa, Borg* und
Insel Hogland) . 214
17. Von Wiborg nach (Borgi) Helsingfors (und Sveaborg) . 216
18. Von Helsingfors nach Tavastehus und Abo .... 225
19. Von Tavastehus über Tammerfors nach Nikolaistadt-
Wasa und Uleiborg 234
V. Gentral-BuMland.
20. Von Warschau über Brest, Ssmolensk nach Moskau . 239
21. Von St. Petersburg nach Moskau . * 248
22. Moskau 261
23. Umgebungen von Moskau 308
24. Von Moskau nach Jarosslawl und Wologda. Trolza-
Kloster 315
25. Von Moskau nach Nishny-Nowgorod 323
26. Wolga-Fahrt von Bybinsk über Nishny-Nowgorod und
Kasan nach Ssysran 337
27. Von Riga über Ssmolensk und Orel nach Grjasi und über
Tula nach Ssamara und Orenburg 367
28. Von Moskau über Tula und Orel nach Kurssk . . . 376
29. Von Moskau über Rjäsan nach Eoslow und Grjasi . . 383
VI. Süd-BuMland.
30. Von Breslau (Berlin, Wien) über Shmerinka nach Odessa 387
31 . Von Warschau über Shmerinka nach Odessa .... 388
32. Von Moskau über Kiew und Shmerinka oder Charkow
und Blrsula nach Odessa . 390
33. Odessa und Umgebungen 401
34. Von Charkow nach Ssimferopol 408
INHALTS -VERZEICHNISS. IX
Boute Seite
35. Die Krim 411
A. Yon Ssimferopol nach Ssewastopol .... 412
B. Von Ssewastopol nach Kertsch. Die Südküste
der Krim 417
Register 425
Veneiohniss dar Karten und Pläne.
Karten.
1. Das General ^ Gouvernement Wardchau (Polen) im Masst.
1 : 2,000,000, vor dem Titel.
2. Umgehung von Warschau (1 : 150,000), auf S. 26.
3. Umgebung von Reval (1 : 150,000), S. 83.
4. Umgebung von 8t, Petersburg (1 : 380,000), S. 179.
5. Karte von Peterhof (1 : 34,500), S. 182.
6. Karte der Wolga von Nishny ^Nowgorod bis Kasan (1:
1,000,000), S. 346.
7. Karte der Wolga von Kasan bis Ssysran (1 : 1 ,000,000), S. 358.
8. Karte der südlichen KHm (1 ; 500,000), S. 417.
9. Central-Eussland (1 : 8,000,000), hinter dem Register.
Pläne.
1. Warschau^ S. 8. — 2. Warschau (innere Stadt) f S. 14.
— 3. Riga (innere Stadt), S. 54. — 4. St, Petersburg , S. 89. —
5. St. Petersburg (innere Stadt), S. 106. — 6. Die Eremitage in
St. Petershurg, S. 122. — 7. Helsingfors, S. 218. — 8. Gross -Now-
gorod, S. 249. — 9. Moskau, S. 260. — 10. Der Kreml zu Moskau,
S.270. — ii. Der grosse Kreml-Palast, S. 271. — 12. Nishny-Now-
gorod, S. 325. — 13. Kasan, S. 350. — 14. Kiew, S. 391. -
15. Odessa, S. 401.
EINLEITUNG.
I. Praktische Yorbemerkangen.
A. Beiieseit. Beiseplan.
Reisezeit. Die Wahl der Reisezeit wird wesentlicli durch die
klimatischen Verhältnisse Russlands (S. xxxi) bedingt. Für eine
Tour von drei bis vier Wochen , dem Besuche von St. Petersburg,
Moskau und Nishny-Nowgorod gewidmet , ist es freilich leicht , die
Reisezeit den klimatischen Verhältnissen anzupassen. Diese Tour
würde aber nur einen sehr allgemeinen Begriff von dem Zarenreiche
und seiner bunten Bevölkerung geben. Ueber die günstigste Jahres-
zeit für den Besuch von St. Petersburg und Moskau wird ein
bestimmtes Urtheil nicht möglich sein. Allerdings entfaltet sich
das nationale Leben , besonders in Moskau , erst im Winter , auch
St. Petersburg hat dann seine Saison. In diese Jahreszeit fallen
auch die grossen religiösen Festtage (S. xlviu), deren Feier wieder-
um echt russisch ist. Allein ein russischer Winter ist nicht Jeder-
manns Sache. Wir würden mehr rathen , denselben in Moskau zu-
zubringen, als in St. Petersburg. Letzteres ermangelt auch der
Gleichmässigkeit des Klimas , wie sie Central-Russland besitzt [in
St. Petersburg im Sommer bis + 30°, im Winter bis — 30** ; die
Differenzen von einem Tage zum andern betragen zuweilen 12-18°
(S. xxxi)]. In St. Petersburg ist daher der Aufenthalt von Ende
April bis Anfang Juni zu empfehlen. Man sieht dann die Mai-
paraden , lernt die sehr guten Theater (Schluss Ende Mai) kennen
und hat schliesslich noch Gelegenheit die Umgebungen der Haupt-
stadt mit ihren reichen Parkanlagen im russischen Frühlingsanfang,
in der herrlichen Beleuchtung der nordischen hellen Sommernacht
zu sehen (schon im Mai bringt die Nacht keine Dunkelheit mehr
und die Abende können bis Mitternacht zum Aufenthalt im Freien
benutzt werden). — Nishny-Nowgorod muss man womöglich während
der Messe (Anfang August bis Mitte September) besuchen. — Für
die Krim sind Mai und Juni die günstigsten Monate.
Für den Besuch von Moskau und St. Petersburg würde sich
die Zeit von 4 Wochen folgendermassen vertheilen lassen :
Von Berlin nach Warschau 1 Tag
In Warschau 3
Eisenbahnfahrt von Warschau nach Moskau 3
In Moskau 5
Eisenbahnfahrt von Moskau nach St. Petersburg 1
In St. Petersburg 6
Ausflüge in die Umgebungen (Finnland) 8
Rückreise nach Berlin (Abstecher nach Riga 2-3 Tage) ... 2-5
28-31 Tage.
REISEZEIT. XI
Beabsichtigt man weiter nach dem Osten Torzudringen, und die
baltischen Provinzen zu besuchen, so kann man folgende Zeitein-
theilung wählen (5-8 Wochen) :
Von Lübeck nach Finnland (per Dampfer, nicht nach Mitte
September) 2 Tage
Helsingfort, W&>orff^ Imatra-Fall 5-8 »
Eisenbahnfahrt von Wiborg nach 8t, Peiertburg Vs *
8t. Petersburg 5-ö »
Umgebungen von St. Petersburg 6-8 »
Ausflüge nach Reval, Baltitchport^ Dorpat 4-6 »
Eisenbahnfabrt von St. Petersburg nach Moskau 1 >
Moskau (Ausflug nach Troizky-Klaster) 5-8 *
Eisenbahnfahrt von Moskau nach Mshnp-Nowgorod .... Va *
Nishnf' Nowgorod 1-3 »
Bückfahrt nach Moskau Vs '
Eisenbahnfahrt von Moskau nach Warschau 3 »
Wttrschau 3-8 »
Eisenbahnfahrt nach Berlin 1 >
36-56 Tage.
Eine Ausdehnung der Reise auf Südrusslaud würde ungefähr
2 Wochen beanspruchen und sich folgende Zeiteintheilung em-
pfehlen :
Eisenbahnfahrt von Moskau nach Kieto oder Charkow .... 1 Tag
Cfiarkow 1/2-I
Kiew 1-2
Eisenbahnfahrt von Charkow nach Ssewastopol l-i^/4
Ssewastopol und Umgebung 2-3
Südküste der Krim bis Aluschta und der Tschatyr-Dagh . . 3-4
Seefahrt nach Odessa 1-2
Odessa 1-2
Eisenbahnfahrt von Odessa nach Kiew 8/<
Eisenbahnfahrt von Odessa oder Kiew nach Berlin ....
i
14-17 Tage
B. Beisekoiten. Münsweten.
Das materielle Leben ist in Russland, wenn man den Rubel
zum Durchschnittskurse der letzten 5 Jahre rechnet, also 1 R. =
etwa 2 o^j kaum theurer als in Deutschland. Nur Wohnungspreise
sind etwas hoher. Die täglichen Gasthofsausgaben belaufen
sich incl. Diner (IVs-^ R.) durchschnittlich auf 6-10 R.; dazu
kommen die Kosten für Iswoschtschiks , Commissionär , Trink-
gelder etc. Man wird daher gut thun, die täglichen Ausgaben nicht
unter 15-20 R. anzunehmen; im Innern und im Süden eher noch
höher. In den Petersburger und Moskauer Hotels, sowie auf den
Schiffen des Schwarzen Meeres findet man Table-d'hote ; man kann
dabei Bier trinken (5-10 Kop.). Ausländische Weine sind sehr
theuer, die inländischen aus der Krim und dem Kaukasus gut und
billig.
Bei Einkäufen ist eine gewisse Vorsicht zu empfehlen und
man scheue sich nicht, besonders in Läden die nicht den Charakter
vollster Solidität tragen , einen etwas (10-20^/o) niedrigem Preis zu
bieten. Fertige Kleider kosten in St. Petersburg und Moskau wenig
mehr als in Berlin; Pelzsachen sind theurer, aber auch wärmer
XII MÜNZWESEN. Praktische
und solider gearbeitet als in Deutschland. Stiefel sind billig und
gut (Galoschen, ausser im Hochsommer, unentbehrlich). Cigarren
sind durch den hohen Zoll theuer und es empüehlt sich den Yor-
rath von 100 Stück, der zollfrei eingeführt werden darf, mitzu-
nehmen. Oeffentliche Vergnügungen (S. zzyni) sind theuer; in
Concerten (die besten meist vorher ausverkauft) kostet ein Sperrsitz
meist 3 R., in den ersten Reihen 5 R. und mehr ; ein Parketplatz in
der Oper SVj-lO R. (vgl. S. 97).
Das Reisegeld nimmt man am besten in Form eines von einem
grossen Bankhause ausgestellten Creditbriefs mit. Grössere
Geldsummen bei sich zu führen , ist bei den in Russland häufigen
Diebstählen nicht anzurathen; dagegen versehe man sich in Deutsch-
land mit einigen hundert Rubeln Papiergeld , um nicht gleich auf
der Grenzstation (wo ein Wechseln in den dortigen Wechselbuden
zu vermeiden) oder bei der Ankunft in den grossen Städten in Ver-
legenheit zu kommen.
Wegen der in Russland sehr gebräuchlichen Trinkgelder ist
es rathsam, immer mit kleinem Gelde (15-20 Kop.-Stücken) ver-
sehen zu sein. Namentlich in Sammlungen , durch welche man
geführt wird, bilden sie einen unangenehmen aber unvermeidlichen
Tribut. Unternimmt man Postfahrten in das Innere von Russ-
land , so muss man sich ebenfalls mit kleinem Gelde versehen , da
es auf den Poststationen zuweilen schwer hält, grössere Werth-
scheine zu wechseln.
Münzwesen. Man rechnet nach Rubeln ( Rubl oder Rubli)
zu 100 Kopeken (Kopejki), und zwar sind geprägt an Goldmünzen:
Imperiais == 10 R. 30 Kop. und ^/t Imperiais = 5 R. 15 Kop. ; an
Silbermünzen Stücke zu 1 und Vt K* ^i^^ ^^ *^^i ^^ ? ^^ ? ^^ "^^^
5 Kop.; an Kupfermünzen Stücke zu 5 (Pjatak), 3, 2 (Grosch) und
1 Kop. Gegenwärtig aber kursirt in Russland mit Ausnahme der
kleineren Silber- (von 20 Kop. abwärts) und der Kupfermünzen
ausschliesslich Papiergeld in Scheinen von 100, 25, 10, 5, 3 und 1 R.
zu sehr gedrücktem Kurse (Werth des Rubels 3.20 o^, Kurs des
Papiergeldes 1888 1,70 cM). Da der Kurs ausserdem starken
Schwankungen unterworfen ist, so unterrichte man sich beim Wech-
seln jedesmal über den Tageskurs. — Ausser diesem Papiergelde
(den sog. Creditbülets) begegnet man im Verkehr den Reichsschatz'
billets (sog. Serien) zu 50 R., einem zinstragenden (4^/t5%) Papier,
und (überwiegend in Polen) den Noten der Polnischen Bank in
Warschau.
In den Grenz-Districten trifft man gelegentlich auch deutsche
Goldstücke, Thaler und Kassenscheine, österreichische Banknoten,
holländische Ducaten etc., die natürlich die Schwankungen des
Kurses mitmachen.
Vorbemerkungen. PASS- UND ZOLLWESEN. XIII
C. Pasi- und ZoUwesen. EmpfeUuigeii. OMtfireundiohaft.
Ein Ton einem russischen Gesandten oder General-Konsul gehörig
TisirterPass ist ein unumgängliches Erforderniss zum
Eintritt in das russische Reich und sein Abhandenkommen auch
im Innern des Landes sehr störend, da man in jeder Stadt, ja selbst
auf jeder Poststation in die Lage kommen kann, ihn vorweisen zu
müssen; auch erleichtert er bisweilen den Zutritt zu den Sehens-
würdigkeiten : man trage ihn daher stets bei sich. — Reist man zur
See, so wird der Pass bei der Agentur, wo man das Billet löst,
abgenommen und bei der Landung zurückgestellt; überschreitet
man die Grenze mit der Bahn , so werden auf den Grenzstationen
Alexandrowo, Wirballen etc. (S. 2 und 63) die Pässe revidirt.
Bei der Ankunft an dem Orte , wo man längern Aufenthalt zu
nehmen gedenkt , ist die Abgabe des Passes bei der Polizeibehörde
innerhalb der ersten 24 Stunden geboten. Eine AufenthaltsbewU-
ligung bis zu 6 Monaten wird ohne Umstände ertheilt. Für längern
Aufenthalt wird der ausländische Pass im Passbureau deponirt,
wogegen man dann einen russischen Aufenthaltsschein IBhai, Wid)
auf 1 Jahr und für das ganze Reich gültig erhält (2 R.).
Bei einer Reise im Innern Russlands ist ferner beim jedesmaligen
Uebernachten die Einsendung des Passes an die Polizeibehörde bald
nach der Ankunft nothwendig. Rechtzeitige Erneuerung des etwa
ablaufenden Passes oder der Aufenthaltsbewilligung ist selbstver-
ständlich geboten. Beim Verlassen des russischen Reiches hat
man sich bei der Polizeibehörde abzumelden ; der Abmeldung ist
die AufenthaltsbewiUigung und eine Bescheinigung von dem Polizei-
bezirke der betreffenden Wohnung, dass der Abreise nichts im Wege
stehe, beizufügen. Da die Ausfertigung der Abmeldung einige
Stunden erfordert , thut man gut, sie in dem Ort vornehmen zu
lassen, wo man zuletzt einen Aufenthalt beabsichtigt. An den
Pass, den man zurückerhält, wird dann ein Zettel mit der Be-
willigung , die Grenze ungehindert passiren zu dürfen , angeklebt
(25 Kop.). Die Besorgung dieser Papiere bietet, selbst wenn man
der russischen Sprache nicht mächtig ist , keine Schwierigkeiten
und wird von den Hoteliers oder Wirthen der Nummern (S. xziv)
vermittelt. Auf den Grenzstationen wird der Pass abverlangt, aber
nach Lostrennung des Abmeldungszettels zurückgegeben. — Wer
über Polen nach Russland reist, muss seinen Pass „ins Innere von
Russland^' visiren lassen.
Zollwesen. Beim Passiren der Grenze oder beim Landen in
einem russischen Hafen findet eine meist oberflächliche , zuweilen
jedoch sehr strenge Zollrevision in Gegenwart der Passagiere statt,
ebenso beim Uebertritt von Russland nach Finnland und umgekehrt.
Auf besonderes Verlangen des Passagiers werden die Effecten oder
ein Theil derselben nicht im Grenzzollamte revidirt, sondern an
einem der Innern Zollämter, wohin sie plombirt vom Grenzzollamt
XIV PASS- UND ZOLLWESEN. Praktische
gesandt und wo sie dem Eigenthümer oder dessen Bevollmächtigtem
nach erfolgter Besichtigung gegen Vorzeigung der Bescheinigung
über die Zahlung der Transportkosten (in den Land-Zollämtern)
oder einer Gopie des Gonnossements (in den Hafen -Zollämtern)
ausgeliefert werden ; doch ist dies sehr weitläufig und dem Reisen-
den daher die Zollrevision an der Grenze anzurathen. Zollfrei sind
alle im Gebrauch gewesenen und auf der Reise unentbehrlichen
Gegenstände, ebenso die zur Ausübung einer Kunst oder Profession
als Arzt, Maler, Handwerker etc. erforderlichen Instrumente oder
Utensilien, aber in beschränkter Menge : z. B. Kleidungsstücke in
einer Anzahl, welche den gewohnlichen Bedarf eines Reifenden
nicht übersteigt; Kissen, Matratzen, Bettwäsche etc. in sehr geringer
Anzahl; Pelze, Muffen etc. je ein Stück, goldene und silberne
Gegenstände im Gewicht bis zu 3 Pfund ; Reisenecessaires pro Per-
son ein Stück ; neue Handschuhe bis zu 1 Dutzend ; Cigarren bis
zu ein Hundert; Rauch- und Schnupftabak je ein angebrochenes
Packet; Lebensmittel in geringer Quantität. — Für alle in grösserer
Anzahl vorhandenen nicht zollfreien Gegenstände werden die Zoll-
gebühren nach dem Tarif erhoben (Cigarren 2 R. 20 K. pro Pfund)
und zwar von den meisten "Waaren nach dem Gewicht. Contre-
bande*) wird conflscirt und ausserdem für zollpflichtige Waaren
der fünffache Zoll, für verbotene Waaren (Schiesspulver, Spiel-
waaren, Betten, Branntwein etc.) der doppelte Betrag ihres Werthes
bezahlt. Zollgebühren, welche zusammen unter 3 R. betragen, wer-
den nicht erhoben. — Die Zollgebühren sind in Oold zahlbar, dem-
nach bei Zahlung in Papierrubeln (die zu vermeiden ist) die Diffe-
renz zwischen Gold- und Papierwährung (c. 40®/o) hinzuzurechnen.
Fast ebenso wichtig, wie der Pass, sind gute Empfehlungen
an die Behörden des Landes und Private ; besonders je mehr man
nach Osten und Süden vordringt und je mehr man sich von den
grossen Eisenbahnrouten entfernt. Während dort dem wohlempfoh-
lenen Reisenden alle Wege möglichst geebnet werden, ist derjenige,
der nicht über Empfehlungen verfügt , ganz auf sich angewiesen,
findet oft kaum ein Unterkommen und wird überall hingehalten
(S. xvii). Freilich haben die Empfehlungen seitens bedeutender
Persönlichkeiten leicht die Unbequemlichkeit, dass man in den
Städten oft nicht einen Augenblick unbeobachtet gelassen und mit
lästigen Dienstanerbietungen überhäuft wird; auch nehmen die
Einladungen — weil man überall in den Gouvernementsstädten als
willkommener Gast aufgenommen wird — die beste Zeit hinweg.
Denn in Russland herrscht grosse Gastfreundschaft. Nicht
allein, dass der Russe dem Gaatfreund sein ganzes Haus und seine Zeit
zur Verfügung stellt ; er schafft seinetwegen besondere Vergnügungen,
wie Jagden, Bälle etc. Diese Gastfreundschaft erhält dadurch noch
*) Mit Büchern politisch - socialen , geschichtlichen Inhalts u. dergU
wird sehr streng verfahren.
Votbemerkungen, UMGANGSREGELN. XV
einen höheren Werth , dass der Fremde sie auf keine andere Weise
erwidern kann , als indem er seinen Dank ausspricht, d. h. den be-
mittelten Klassen gegenüber. Unbemittelte gewähren ihresgleichen
ebenfalls Gastfreundschaft im vollsten Sinne des Wortes, von Besser-
gestellten aber erwarten sie ein Geldgeschenk.
B. ümgangiregeln.
Was die gesellschaftlichen Verhältnisse betrifift, so
lebt in Russland selbst der Mittelstand in St. Petersburg und Moskau
mit mehr Behaglichkeit und Aufwand als in den meisten grossen
Städten Europa's. Viele Häuser stehen täglich zum Besuch offen;
in andern sind gewisse Wochentage der Gesellschaft bestimmt. Die
Regeln beim Abstatten von Besuchen sind dieselben wie bei uns.
Ist man durch einen Bekannten irgendwo eingeführt und vorgestellt
worden, so thut man gut, seine Karte dort am nächsten Tage ab-
zugeben, welche Höflichkeitsformel alsbald erwidert wird.
Der in den russischen Gesellschaften herrschende Ton ist der
einer liebenswürdigen Ungebundenheit. Dass derselbe leicht einen
familiären Anstrich bekommt, hat meinen Grund darin, dass im
Bussischen die Anrede „Herr'' und „Frau'' nicht gebräuchlich ist.
Gleichstehende nennen sich gewöhnlich nur bei dem Taufnamen,
dem der Name des Vaters beigefügt wird, wie z. B. Paul Petrowitsch,
d. h. Paul Peter's Sohn, oder bei Frauen : Maria Nikolajewna, d. h.
Maria Nikolaus' Tochter ; Rang und Familiennamen werden im ge-
selligen Verkehr bei der Anrede nicht genannt. Beamte und Militärs
und ihre Frauen werden von der dienenden Klasse mit „Euer
Wohlgeboren** oder „Excellenz** unter Beifügung des Tauf- und
Vateniamens angeredet.
In den feineren Gesellschaftskreisen ist die Kenntniss der
französischen Sprache fast allgemein. In den mittleren Ständen
versteht man eher deutsch, verleugnet dies in neuerer Zeit jedoch
bisweilen. Im Gespräch vermeide man ausserhalb des nächsten
Bekanntenkreises jegliches Eingehen auf politische oder religiöse
Fragen. Der Russe bietet allerdings gern die Gelegenheit dazu,
indem er Fremden gegenüber von dem geringen Fortschreiten der
Gultur des Landes spricht. Doch ist dies selten ernst gemeint,
durch die scheinbare Selbstanklage soll vielmehr der Widerspruch
des Fremden erregt werden , dass er das Lob Russlands anstimme.
Wer dies nicht mag, beschränke sich auf die nothwendigsten Höf-
lichkeitsphrasen.
Was dem Ausländer auf russischem Boden anfangs besonders
auffallen wird, sind die Förmlichkeiten des griechischen Ritus, das
vielfältige Bekreuzen, die Verbeugungen vor jeder offenen Kirchen-
thür, wie auch in der Kirche das Küssen des Bodens und der an
den Altären unter Glas eingelassenen Reliquien. So streng jedoch
der Russe auf diese Gebräuche seiner Kirche hält , so wenig wird
dem Fremden der Besuch der Gotteshäuser erschwert ; ebenso wenig
XVI KONSULATE. Prdktüehe
-versucht jemand , ihm das Umhergehen und Betrachten der in den
Kirchen änfbeirahrten Schätze, selbst während des Gottesdienstes,
zu verwehren. Es fällt auch niemand ein, von dem Fremden eine
Nachahmung der religiösen Formen zu verlangen; doch wird es
angenehm empfunden , wenn man sich freiwillig der Beobachtung
derselben unterzieht. — Zu beachten ist, dass die Gemeinde dem
ganzen Gottesdienst stehend beiwohnt.
Was dieBegrüssung betrifft, so war es ehemals in allen Ständen
üblich, sich beim Empfange und Abschiednehmen oder bei der
Begegnung zu küssen. Bei der Begegnung kommt dieser Brauch,
ausser beim Osterfeste , jetzt mehr und mehr ab und Ündet nur
noch unter intimen Bekannten statt. Beim Aufstehen von der
Tafel ist es in Bekanntenkreisen auch Sitte , der Frau vom Hause
die Hand zu küssen; dafür empfängt der betreifende Herr einen
Kuss auf die Wange. Dem Hausherrn wird als Zeichen des Dankes
die Hand gereicht.
Kommt man im gewöhnlichen Verkehr mit Höflichkeit meist zum
Ziel , so ist doch mitunter eine gewisse Bestimmtheit gegen Post-
halter, Polizisten, Iswoschtschiks, Bauern etc. von guter Wirkung,
besonders in der Provinz und wenn man Empfehlungen (S. xrv)
hinter sich hat.
X. Konsulate. Oeifentliohe Sicherheit. Polisei.
Bei ernsteren Verlegenheiten , namentlich bei Differenzen mit
den russischen Behörden, wird der Reisende gut thun, sich an den
Konsul seines Landes zu wenden. Bei längerm Aufenthalt in einer
Stadt ist es überhaupt anzuempfehlen, auf dem Konsulat bald nach
der Ankunft einen Besuch zu machen ; höhere Beamte etc. machen
in St. Petersburg beim Botschafter ihre Aufwartung , Offiziere (in
Uniform) bei den Militärbevollmächtigten und Militär -Attaches.
Die öfEentUohe Sicherheit lässt in Russland wenig zu wünschen.
Waffen bei sich zu führen, ausser zur Jagd, erscheint durchaus
überflüssig und kann sogar den Reisenden angesichts der in vielen
Städten herrschenden Ausnahmegesetze grossen Unannehmlich-
keiten aussetzen (Waffenpass erforderlich). Die Polizei ist gut
organisirt, die Polizisten oder OorodowoU (ropoxoBOÜ) wenigstens
in den grösseren Städten sind artig und zuvorkommend, besonders in
Finnland. Erleben kann man es allerdings gelegentlich, dass der
Polizist unthätig in irgend einer Ecke schläft und bei Fragen sich
widerwillig zeigt. In diesem Falle setzt man nur durch energische
Begegnung etwas durch.
Sobald es darauf ankommt, wirklich Ordnung zu halten, wie bei
Leichenbegängnissen , Corsofahrten , bei den Theatern , auf Bahn-
höfen etc., sind stets berittene Gensdarmen thätig und versehen
hier die Stelle der Gorodowois.
Vorbemerkungen. EISENBAHNEN. XVII
X*. BeuegelegezÜLeiten. Drotoliken. Gonuniisionäre.
Eiflenbalmeii (ffieitamui xopom, S. 36). Die Fahrgeschwindig-
Mt ist auf den russischen SchiMienwegen durchgängig eine nur
massige (25-30 Werst in der Stunde). Den Namen „Courierzug''
verdient eigentlich nur der St. Petersburg -Moskauer Abendzug.
Stellenweise mögen daran die schlechte Beschaffenheit der Bahnen
und des Materials die Schuld tragen, besonders bei manchen Bahnen
im Süden des Reichs , im Winter auch klimatische Hemmungen.
Der Dienst auf den Bahnen wird ziemlich lax gehandhabt. Ver-
spätungen sind nicht selten. Dabei sind die Zelt an gaben sehr
verschieden weil sie nach den Ortszeiten der wichtigsten Städte,
von denen die Bahnen ausgehen, St. Petersburg, Warschau, Moskau
gerechnet wird; die Differenz ist immer eine bedeutende (zwischen
Warschau und St. Petersburg 37 Min., zwischen St. Petersburg und
Moskau 30 Min.), so dass man stets genau das Kursbuch prüfen
muss und gut thut zur Abfahrt früh zur Stelle zu sein. — Eine grosse
Unbequemlichkeit ist die fast ausnahmslos grosse Entfernung
der Bahnhöfe von den Städten, welche ihren Grund in der An-
lage der Bahnen nach militärischen Rücksichten hat. Die Bahn-
stationen Pskow, Ostrow, Nowgorod, Orel etc. sind mehr als 2 Werst
von den betreffenden Städten entfernt angelegt worden, ja einer der
grössten Knotenpunkte für die Bahnen nach dem südlichen Russ-
land, Grjasi , befindet sich in meilenweiter Entfernung von jedem
bewohnten Orte.
Die polizeiliche Aufsicht auf den Bahnhöfen und Stationen
versehen Leute der Gensdarmerie oder Militärs der Distrlcts- und
Etappen-Commaudos. — Das Bahnpersonal ist in russische National-
tracht gekleidet.
Die innere Einrichtung der Waggons ist ganz wie bei uns ; nur
auf einigen längeren Strecken sind die Waggons I.Klasse Durch-
gangswagen und mit Fauteuils, welche Nachts zu einem Lager um-
gestaltet werden können , versehen. Die 2. Wagenklasse ist schon
unbequemer, besonders zum Schlafen, da die Seitenpolster fehlen ;
die Russen führen stets ihr Kopfkissen bei sich ; von der 3., meist,
wie die 2. überfüllt, ist abzurathen (Ungeziefer). Die russischen
Waggons, länger und breiter als die unsem, sind etwas schwerfällig,
aber sehr bequem gebaut. In den Schlafcoup^ , für die ein Zu-
schlags-Billet zu lösen ist, wird dem Reisenden ein vollständiges
Bett mit Bettwäsche bereitet ; da nur wenige Plätze in denselben
verfügbar sind, thut man gut, das Billet einige Tage vor der Reise
zu lösen.
Die Waggons laufen auf ihren doppelten Ressorts mit geringer
Erschütterung. Im Winter gibt es überall doppelte Thüren und
Fenster; die Waggons sind alsdann durch Oefen geheizt, oft frei-
lich so, dass die Hitze im oberen Theil des Raumes kaum er*
träglich ist, während an den Füssen eiaige Zugluft durchstreicht.
Die Fenster werden der grossen Kälte wegen nicht geöffnet, auf
BuBSland. 2. Aufl. ^
XVni POSTFAHRTEN. Prdktüche
langen Tomen herrscht daher infolge des unaufhörlichen Cigarren-
und Cigarrettenrauchens eine fast unerträgliche Luft.
Auf den meisten Routen sind wirklich lobenswerth die Bahn-
hofsgebäude und Speisesäle der Hauptstationen ; die Verpflegung
ist durchgehends ausgezeichnet und nicht theuer (die Preise , die
von der Bahnverwaltung bestimmt werden , sind meist an den betr.
Schüsseln angegeben). Ueberall ist genügender Aufenthalt; vor den
grösseren Stationen nennt der SchaiFher in den Wagen den Namen
derselben und die Dauer des Aufenthalts.
Die Preise für Passagiere und Ueberfracht sind billig im Ver-
gleich zu andern Ländern. Das Fahrgeld beträgt im allgemeinen
für die Werst: 1. Kl. 3, 2. KL 2V4, 3. KL IV4K0P.; Courierzug
15-20% Zuschlag; dazu kommt die Billetsteuer von 25% des Fahr-
preises. Das Freigepäck beträgt im inneren Verkehr 16 kg (bei
directen Billets aus dem Auslande 25 kg) ; die Ueberfracht wird
pro Pfund nach der Entfernung bezahlt.
PoBtfahrten (IIohtobha t3Ai>i). Die russische Personenpost ist
von unseren Posten durchaus verschieden ; sie bietet dem Reisenden
nicht regelmässig abgehende und ankommende Personenwagen, son-
dern gibt ihm nur die Möglichkeit , für eine feste Taxe Pferde zu
miethen und stellt ihm , wenn er sich nicht seines eigenen Wagens
bedient,, ein wagenähnliches Fahrzeug (s. unten), im Winter einen
Schlitten (Klbitka , bis Odessa zu bekommen ). Am. schlechtesten
sind die Wagen in Polen.
Die Telega (Tejmra) ist ein einfacher, niedriger Kastenwagen, bestehend
aus 4 plumpen Bädern, von denen die hintern 11/2 nial so hoch sind als
die vorderen, und 2 Aehsen, deren jede eine Art Bock trägt; auf beiden
Böcken ruht ein Kasten. In diesem, der kaum für 2 Personen Platz lässt,
sind keine eigentlichen Sitze \ diese werden in dem hintern Theile durch
quer übereinander gebundene Stricke (Perepljet) und darauf gelegtes
Heu, Decken oder Kissen hergestellt. Von Ausstrecken der Beine, Unter*
bringen vielen Gepäcks ist nicht die Rede; für letzteres braucht man
daher immer eine besondere Telega. Das Fahren auf diesen urwüchsigen
Wagen , zu dem der Reisende aber nur selten genöthigt sein wird , ist
ungemein angreifend. — Eine Modifleation der Telega ist die Tarantau-
Telega (üepeKiaj^aa Teji^ra). Bei ihr sind Vorder- und Hintergestell un-
gewöhnlich weit auseinander gestellt, beide verbunden durch 2-4 neben-
einanderliegende Stangen von 2 m Lange, in deren Mitte auf zwei Böcken
ein flacher Kasten oder (wie im Kasan^schen Gouvernement) ein aus
Korbgeflecht bestehendes Gestell sitst. Dia vier Bäume federn und lassen
Stösse weniger spüren, wie bei der Telega. Die Tarantass-Telega ist
fast auf allen Stationen zu finden und wird häufig einfach Tarantass
genannt. Der eigentliche Tarantass ist eine Chaise mit Halbverdeck,
welche auf einem Stangengestell wie oben erwähnt ruht. Er ist auf den
wenigsten Poststationen anzutreffen, meist nur in grösseren Städten leih-
weise zu erhalten.
Die Tarataika (TapaTaftaa) ist vierrädrig, wie die Telega, oder zwei-
rädrig; die zweirädrige ist besonders häufig in Finnland.
Sind die Wagen schlecht, so sind die Pferde um so besser, trotz-
dem man ihnen ihre Leistungsfähigkeit nicht ansieht. Die flinken,
kleinen russischen , polnischen und finnischen Pferde bringen den
Keisenden mit grosser Schnelligkeit von einem Ort zum andern (die
Vorbemerkungen, POSTFAHBTBN. XIX
KutscheT sind im Sommer zu 10, im FrälUing und Herbst zu 8 Werst
in der Stunde verpflichtet).
Wer früher die Post zu benutzen wünschte , musste sich vor
allem durch den Gouverneur etc. einen Postpass , die Podoroshna
(flo^oposHafl)) verschaffen. Seit 1874 sind indess diese Postfahr-
scheine ia den meisten Gouvernements abgeschafft.
Das Postpersonal besteht auf den grösseren Stationen aus dem
Posthalter, dem Aufseher (Smatritjel, CMOTpHTejib) — auf kleineren
Stationen ist nur einer von beiden vorhanden — und den Postil-
lonen (Jämschtschiks , HmmiEi). Der Posthalter steht zum Fiscus
(die Poststationen werden in den Ostseeprovinzen von den Grund-
besitzern unterhalten) meist lediglich in contractlichem , nicht
dienstlichem Yerhältniss, während der Aufseher Postbeamter ist.
Beide sind um die Wette bemüht, durch Indolenz , falsche Aus-
kunft etc. dem Reisenden das Leben zu verbittern. Selten ist höfliche
und prompte Bedienung; Prellereien sind häufig; nur die Posthalter
in den Ostseeprovinzen zeichnen sich durch Gewissenhaftigkeit und
Genauigkeit aus.
Das Fahrgeld (Progon, IIporoHHaji oiaxa) beträgt durchschnitt-
lich 4-5 Kop. pro Werst und Pferd.
Wer keinen Wagen hat, muss für die Telega gewöhnlich 1 Kop.
pro Werst entrichten , bisweilen ist dieselbe auch frei. Die Telega
wird auf jeder Station gewechselt und jedesmal das Fahrgeld nur
bis zur nächsten Station bezahlt. — In den meisten Fällen werden
3 Pferde vor den Wagen gespannt ; grössere , viersitzige Wagen er-
halten 5-6 Pferde , bei ungünstigem Wetter und schlechten Wegen
noch mehr, wenn es der Postmeister für nöthig hält.
Der Jämschfschik erhält stets ein kleines Trinkgeld (je nach
der Höhe desselben steigert sich die Schnelligkeit des Fahrens), ist
aber nicht berechtigt , es zu fordern. Auch den beim Anspannen
behülflichen Knechten kann man 5 Kop. geben.
An Strassen unterscheidet man:
1. Die Chausseen (4opora mocceäHaH), früher sämmtlich vom
Staate unterhalten und mit festem Grundbau. — 2. Poststraseen,
staatlich, verbinden die Y erwaltungssitze in möglichst gerader Rich-
tung. — 2. Die sog. grossen Wege (Boibmaji Aopora, KoiecHan
TOpHaji Aopora), zur Verbindung der Kreisstädte mit den grösseren
Märkten ; sie sind von geringerer Breite, ohne Grundbau , mit nie-
derem Erdwall und Bäumen zu den Seiten. — 3. Die sog. Natur-
wege (Lopera BbioHHaii h npoeeJOHHaii, xopora nUma«) ohne Werst-
zeichen (1 Werst = 1,067 km). — Zur Winterszeit sind alle Wege
am besten.
Die Brücken sind meist Holzbrücken und, ausser bei den Chaus-
seen , von schlechter Beschaffenheit.
Die Poststationshäuser (DoHTOBafl CTaniiiji, 15-30 Werst
von einander) auf den Hauptstrassen Rasslands sind theilweise vor-
züglich gebaut , mit schön eingerichteten Sälen und guten Restau-
b •
XX. DROSCHKEN. PtcOcHsche
rationen , zum Theil aber auch elende Hütten , in denen nichts zu
bekommen ist , ausser Ssamowar und Wasser. So haben besonders
die finnischen Privat-Poststationen sehr 'v^enig Comfort und ausser
Schwarzbrot keine Nahrungsmittel ; hier, wie überhaupt auf Post-
reisen, thut man wohl, sich mit Nahrungsmitteln zu versehen. In
jeder Poststation liegt ein Beschwerdebuch aus; ausserdem finden
sich Tafeln mit den Entfernungen der Stationen und Preisen der
Fahrt, Brückengelder u* s. w.
Drosehken (4posKH). Das Fuhrwesen in den Städten Russlands
macht äusserlich einen ungünstigen Eindruck, ist aber, besonders in
den Hauptstädten, in den Ostseeprovinzen und in Finnland besser, als
es auf deTi ersten Blick erscheint. Die Pferde sind klein und meist
von elendem Aussehen, aber schnell. Die Fuhrwerke werden bald
Karete, bald Droschka, bald Iswöschtachik etc. genannt; am ge-
bräuchlichsten ist der Name Iswoschtschik (Hsbod^hki), der zugleich
Gefährt und Kutscher bezeichnet. Die meisten Fuhrwerke sind
Einspänner mit dem bekannten russischen Angespann (Krummholz,
Duga); die Kareta (Kapera), der Zweispänner, hat, im Gegensatz
zu dem tagsüber auf den Strassen nomadislrenden Einspänner, feste
Standorte, ebenso wie die Dreispänner {Troiken, TpofiKa). Letztere
sind ziemlich bequem, aber verhältnissmässig theuer; der Ein-
spänner — ein dachloser Sitz, auf dem nur zur Noth zwei Personen
Baum haben — ist meist geradezu erbärmlich.
Der Iswoschtsehik (Ktttseber) iflt eine für alle russiseben Städte
typische und charakteristische Figur. Im Verkehr mit ihm muss man
höchst vorsichtig sein. Mit bestimmtem Auftreten und möglichst wenig
Worten kommt man am besten aus. Man ruft „Iswöschtsehik*' und nennt
kurz die Strasse oder den Stadttheil, wohin man fahren will. Er nennt
seinen Preis Rubl^ tridzatj (90) oder tsorok (40) Kop., worauf man je nach-
dem 20-25 Kop. bietet mit dem Zusatz: bolsehe ni dajü (mehr gebe ich
nicht), und ruhig weiter geht, wenn der Kutscher mit dem Kopf schüttelt
oder lacht. In kurzer Zeit wird er nachkommen und zu dem angebotenen
Preise fahren. . Zweispänner und feinere Iswoschtschiks (Lichatisch) sind
natürlich theurer. Unverschämt wird der Iswoschtschik höchst selten;
man kann ihn schelten und sehimpfen, er wird immer vergnügt und
freundlich bleiben und sieh zu jedem Dienst bereit erweisen.
Die Preise sind für die Fahrt von 1Ö-20 Min. mit Einspänner
fast in ganz Russland 20-40 Kop. Die Nachtfahrten sind nicht
theurer als die Tagfahrten ; dagegen macht sich ein merkbarer Unter-
schied in den Fahrpreisen bemerkbar an Sonn- und Festtagen, sowie
wenn bei eintretendem Thauwetter das Fahren erschwert wird (50-
60 Kop.). Die kleinen einspännigen Schlitten (CaHH) in den Städten
sind breiter und bequemer als die Räderdroschken. Bei dem
schnellen Fahren hat man achtzugeben, dass man nicht heraus-
geschleudert wird. Bequemer sind die Winter - Troiken , Schlitten
in meist hellen, bunten Farben, mit 3 Pferden breit nach russischer
Manier bespannt. Schlitten für längere Fahrten sind entweder die
auf Kufen gesetzten Telegen oder sog. Ro8iwaln,i (Po3BaJbHB), die
man grösstentheils im Winter auf den Landstrassen auch als Fracht-
fuhrwerke sieht. Diese Roswalni mit 3 oder 4 Pferden (Tschetwerka)
Vorbemerkungen. POST. XXI
sind sehr zweckmässig eingerichtet, innen nussschalenartig aus-
gehöhlt und so niedrig , dass sie selbst heim stärksten Schleudern
nicht umfallen können. — Das Fahren in den offenen Schlitten ist
oft unangenehm , besonders wenn bei grosser Kälte starker Wind
dem Reisenden entgegenweht; bedeckte Schlitten sind aber nur
selten zu bekommen.
CottmiiiioiUlre (in Polen Faetoren genannt) finden sich in
vielen H6tels der russischen Städte und sind für 4-5 R. täglich
(VjTag 2-3 R.), zu miethen; sie sind meist recht brauchbar und
verständig und leisten besonders dann gute Dienste, wenn man durch
ihre selten fehlschlagende Vermittlung zu den im Sommer vielfach
sonst unzugänglichen Sehenswürdigkeiten Zutritt erhält. Die Stelle
der Commissionäre vertreten auch die Potsylnie (IIoeiU&HHe), welche
unseren Dienstmännem oder Packträgern entsprechen (man zahlt
ihnen für einen Gang oder eine Besorgung 20-40 Eop.) ; sie sind
durchaus zuverlässig, besorgen auf den Bahnhöfen das Lösen der
Billets und die Expedition des Gepäcks ; in Podolien und Wolhy-
nien sind sie unentbehrlich zur Beaufsichtigung des Handgepäcks,
wenn man den Wagen verlässt.
0. Brie^HMt und Telegraph.
In den Haupt- und den meisten Gouvernementsstädten ist
die Post umständlich aber ziemlich zuverlässig, in kleinen Städten
und anderen Poststationen dagegen oft jammervoll. Auf dem Lande
wird der Brief von Bauern ins Haus gebracht, denen man dafür
eine Kleinigkeit gibt. Briefe , welche irgendwie die Aufmerksam-
keit der Postbehörde erregen , werden regelmässig von dieser ge-
öffnet , solche von mehr als gewöhnlichem Gewicht, In denen Geld
oder Werthsachen vermuthet werden, kommen nicht selten ab-
handen. Grosse Schwierigkeiten macht beim Landaufenthalt die
Empfangnahme eines eingeschriebenen Briefes. Wohnt man z. B.
auf einem Dorfe bei St. Petersburg oder Moskau, so wird man durch
einen Meldeschein (s. unten) benachrichtigt, dass ein eingeschrie-
bener Brief auf dem Postamt (IIoHTaiTi) ^in St. Petersburg oder
Moskau liegt. Man muss sich dann durch die Polizeibehörde des
Ortes bescheinigen lassen , dass man der richtige Empfänger sei,
und mit der Bescheinigung nach St. Petersburg oder Moskau fahren,
um den Brief in Empfang zu nehmen. — Die Bureaux sind meist
von 8 U. Morgens bis 4 XJ. Nachmittags geöffnet.
Portotaxe: a. Briefe (sanpuToe iiHCfcxo). im Iniande für jedes Loth
7 Kop. ; für die Staaten des Weltpostvereins (15 Gramm = IVe russ. Loth)
7Kop.; nach anderen Ländern 19-96 Kop. — b. Postkarten (offene Briefe,
OTKpuToe QBCuco) fürs Innland wie für die Staaten des Weltpostvereins
3 Kop. — e. Reeommandirte Sendungen (SaxaaHoe nncbKO), ausser dem Porto
noch 7 Kop. ; nach Orten ausserhalb des Weltpostvereins 27-56 Kop. \ bei
Verlust 10 Rubel resp. 1 2.50 Bubel Entschädigung. — d. Kreuzbtmdsendungen
(Drucksachen, Muster, nichts Handschriftliches ; öasfifipoxtKua ornpaKiemA)
für je 4 Loth (50 Gramm) 2 Kop. ; nach Orten ausserhalb des Weltpostvereins
4-5 Kop. — e. Packetsendungen ohne und mit Werth (üockukh 6evh i(«hu
H x(ftHH£u)^ Maximum des declarirten Werthes einer Sendung 5000 Rubel,
XXII TELEGRAPHEN. Praktiiche
im Inlande pro Pfand auf Strecken bis 900 Werst 3 Kop.'; über 900 Werst
für je 100 Werst 1 Eop. mehr (Büchersenduneen geniessen bei Strecken über
1500 Werst eine Preisermässigung). — f. Oelct- und Werthpackete (J^eaeiKShie h
q^HHBie naxeTu). Geldsendungen müssen der Post ojff^n übergeben und dort
mit Siegeln versehen -werden. Werthsendungen, die offen der Post.übergeben
werden, können ein Oewieht von 20 Pfund, einen Werth von 15,000 Rubel
haben-, Werthsendungen, die geschlossen der Post tibergeben werden, dürfen
höehstens 10 Pfund wiegen und 500 Rubel Werth haben. Geldbriefe zahlen
7 Kop. pro Loth, plus 7 Kop. Einschreibegebühr und VsVo "^o^ Inhalte.
Für die Richtigkeit der Versendung der Correspondenz mit Adressen
in nicht russischer Sprache übernimmt die Post keine Verantwortung. Auf
einen eingeschriebenen Brief ist zu schreiben : „Einschreiben (saKasHoe)'',
auf ein Geldpaeket in die rechte obere Ecke: „Geldpacket (xCHesBiift)'-*;
auf ein Werthpaeket : „Werthpaeket (i^ftEHufl)" ; auf Werthsendungen oben
links : „Werthsendung O^NmAs)^ \ bei Büchersendungen : „mit Büchern (c%
KHHraHH)''. Werthpackete ins Ausland oder nach Orten des Inlandes, die
nicht an einer Bahn liegen, oder solche die Über 5 Pfund wiegen, müssen
in Leinwand verpackt sein, auf die auch die Adresse zu schreiben ist ; für
Packete ins Ausland ist ausserdem ein Begleitschein erforderlich. Soll
ein eingeschriebener Brief nur auf der Post ausgehändigt werden, so ist auf
dem Gouvert die Aufschrift: „auf Meldeschein auszuhändigen (no noffftcnt«)"
zu machen; soll der Brief (bis 4 Monate) aufbewahrt werden, so schreibt
man darauf: „bis auf Verlangen (ao socxpeGoBaHix)". Alle Aufschriften
müssen in russischer Sprache oder wenigstens in lateinischer Schrift ge-
macht werden. — Postmarken (IIohtobiiIa HapRH) werden zum Werthe von :
1 , 2, 3, 5, 7, 10 und 20 Kop. angefertigt ; gestempelte Blankets für Post-
karten (BjiasKH OTBpamix'b nsceia c% nireiai.) «u 3 Kop. Blankets und
Marken zum Nominalpreise; Stempelcouverts V2 Kop. theurer. Post-
karten ohne Stempel 4 Stück für 1 Kop.
Behufs Empfangnahme von Geld- und Werthpacketen und recomman-
dtrten Sendungen empfängt der Adressat einen Meldeschein (noBSCTKa);
ist der Empfänger dem Postbeamten nicht persönlich bekannt, so ist auf
dem Meldeschein seine Identität von der Ortspolizei zu beglaubigen (s.
oben). — Schickt man Geld in anderen als der Post offen übergebenen
Werthpacketen, so wird dasselbe als verheimlichte Einlage im Ent-
deekungsfalle conflseirt. Ebenso darf man keinen geschlossenen Brief in
ein einfaches Geld- oder Werthpacket legen. Strafe 1 Rubel pro Loth.
Telegraphen. AllgemeineBestimmungen. Bei der Beförderung
von Depeschen sind in den grösseren Städten fast alle Sprachen zulässig ;
alle müssen, wenn nicht in russischer Sprache, mit lateinischen Buchstaben
geschrieben sein. Man kann direct nach der Wohnung des Empfängers
oder bureau restant telegraphiren i eine Wiederholung kostet die Hälfte
der Depeschentaxe. Worte mit mehr als 7 Silben zählen für 2 Worte.
Nach Orten ohne Telegraphenstationen kann die Weiterbeförderung ge-
schehen : 1) durch die Post (Tarif s. oben) ; 2) durch Estafette; 3) per Ex-
pressen.; 4) durch den Eisenbahn-Telegraphen.
Telegraphentarif für das Inland* Russland zerfällt in 3 Tele-
graphen-Gebiete : 1. das europäische Russland bis Jekaterinenburg
(einschliessl. Kaukasus): 2. das asiatische bis zum Meridian von
Sstretinsk (einschliessl. Turkestan) und 3. von dort bis zum Ufer
des Grossen Oceans. Jedes Gebiet ist in 3 Zonen (IloflC^) getheilt
und kostet eine einfache Depesche von 10 Worten innerhalb jedes
Gebiets : für die 1. Zone (bis 200 Werst) 30 Kop. , für die 2. Zone
(bis 1000 Werst) 60 Kop., für die 3. Zone (über 1000 Werst) 90 Kop.
Jedes weitere Wort (über 10) kostet in der 1. Zone 2V2 Kop., 2. Zone
5 Kop., 3. Zone 10 Kop. Bei Uebergangsdepeschen aus einem Ge-
biet ins andere werden die beiderseitigen Zonen zusammengezählt.
Yorbemetk. AUSRÜSTUNG ZUR REISE. XXIII
Stftdt-Xelegramme kosten 20 Kop. für 20 Worte, jedes weitere
Wort 1 Kop.
Telegraphentarif fiir das Ausland, Nach Deutschland Grund-
taze 35 Kop., jedes Wort 7 Kop. ; Oesterreich Grundtaxe 40 , jedes
Wort 8 Kop. ; Schweiz, Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich,
Norwegen Grundtaxe 55, jedes Wort 11 Kop. ; Schweden 50 und 10 ;
Italien 65 und 13; England, Spanien, Portugal 80 und 16 Kop.
H. Autriittnng inr Beiie. Gtoinndlieitfpflege.
Das Haupthedürfniss für Winterreisen im nördlichen Russ-
land ist ein guter Yorrath warmen Pelzwerks , welches man zwar
nicht am hilligsten , aber am besten gearbeitet in Russland selbst
kauft. FroQide ^versehen os in Russland in Bezug auf wanne Kleider
häufig , besonders in St. Petersburg , wenn ein plötzlicher Wechsel
der Temperatur wärmere Witterung bringt ; man lasse sich dadurch
ja nicht verleiten , den warmen Winteranzug abzulegen , weil sonst
unfehlbar Erkältungen herbeigeführt werden.
Beim Reisen im Sommer braucht man natürlich weniger für
'^arme Oberkleider zu sorgen ; man fährt aber im nördlichen Russ-
land niemals aus, ohne einen leichten Ueberzieher oder Mantel mit-
zunehmen , und geht auch auf der Strasse nie ohne Paletot.
Beabsichtigt man Reisen in das Innere des Landes , die Wolga
hinunter, besonders weiter nach Süden zu machen, so gehören dazu
besondere Vorbereitungen. Denn die Gasthöfe In den kleineren
Städten (S. xxiv) bieten noch sehr wenig Comfort; Aän thut also
gut , Nahrungsmittel (Wein Conserven) , Tischbesteck , Bettwäsche,
Handtücher etc. mitzunehmen.
Zur Oesundheitspflege. Die ganze Mitte der Monarchie, die Ost-
seeprovinzen, Finnland, Gross-, Klein- und Westrussland haben im
-allgemeinen ein gesundes Klima (S. xxxn). Gleichwohl thut man
gut, auf seiner Hut zu sein und sich namentlich vor den zu gewissen
Jahreszeiten allgemein herrschenden Krankheiten in acht zu neh-
men. Während des Frühlings sind die rheumatischen und Erkäl-
tungskrankheiten, Entzündungen des Halses und der Brust, be-
sonders Diphtheritis etc.. sehr verbreitet; zu dieser Jahreszeit hält
in St. Petersburg der Tod seine reichste Ernte, wozu die ungesunde,
abgesperrte Zimmerluft während des langen Winters , der häufige
und plötzliche Wechsel der Temperatur, ferner die langen strengen
Fasten, der unmässige Genuss des Branntweins und andere Umstände
viel beitragen. Im Sommer treten, veranlasst durch glühende Hitze
und Dürre , die plötzlich eintretende Abendkühle und die Nacht-
fröste, welche bisweilen schon Anfang September beginnen, Gallen-
und Wechselfleber, Diarrhöe, Ruhr etc. auf. Von Diarrhöe werden
die im Sommer nach St. Petersburg kommenden Fremden leicht be-
fallen, besonders nach dem Genuss des Newa-Trinkwassers.
Für alle Fälle hat man sich bei längerem Reisen im Innern RusslanA
mit einer dem Klima angepassten ReUeapoiheJce zu versehen. Dieselbe hat
XXIV CHAMBRBS GARNIES. PraktUche
unter anderem zu enthalten: Opiate., ein abführendes Ulttel, Thees, Chi-
nin (Ch. muriaticum), abgetheilt in Dosen zu 1/3 Gramm, etc. ~ Die
besten Vorbeagmittel gegen das überaus lästige Fieber sind warme Klei-
dung, auch im Sommer, guter Wein, Schutz vor der Abendkühle nach
heissen Tagen, Vermeidung von Erkältungen und Indigestionen (nieht
zu viel Gemüse und Früchte!) und Enthaltung von Wasser. Ein Wodlti
(Komschnaps) thut oft gute Dienste. — Diarrhöe darf man nicht ver-
nachlässigen , da sie leicht in Dysenterie übergehen kann. — Gegen Er-
kdltunfye» ist der Gebrauch der russischen Bäder sehr zu empfehlen; jedoch
hat man sich beim Verlassen derselben, im Winter sogar noch am folgenden
Tage vor scharfer Luft sehr in acht zu nehmen. — Äerzte sind in Russ-
land sehr theuer, vorzüglich in grossen Städten (Besuch S^ B.). Die-
jenigen in kleinen Städten sind grosse Freunde des Aderlassens und hef-
tiger Purgirmittel ; man nehme sich daher vor ihnen in acht i Um das Hono-
rar muss man mit ihnen handeln.
I. Ckuithöfe. ChambrM gamiei. Bettanraati. Klubs.
Russische Küche.
Die GkuithÖfe sind in Russland, mit Ausnahmen, meist gut. Die
Hotels in St. Petersburg (s. R. 11) und in'Moskau (R. 22) stehen
den westeuropäischen nicht nach ; die Gasthöfe der grössern Pro*
vinzialstädte genügen durchschnittlich mittleren Anforderungen,
etwa die in den Ostseeprovinzen ausgenommen. In den anderen^
besonders den nicht an Bahnlinien gelegenen Städten sind die
Hdtels meist sehr zweifelhafter Natur; namentlich lassen sie es an
der wünschenswerthen Reinlichkeit nur zu oft fehlen. Dazu kom-
men noch andere Unannehmlichkeiten. Selbst in den besseren
nationalrussischen Oasthöfen (Gostinnizy , rocTHHHHuu) muss man
über alle Leistungen vorher handeln und accordiren und dabei auch
die kleinsten Erfordernisse sorgsam im Auge behalten. Bei Be-
rechnung des Preises für das genommene Zimmer darf man z. B.
nicht in allen Gasthöfen unbedingt voraussetzen, dass auch die
Kosten für die Benutzung von Bett sammt Zubehör inbegriffen sind.
Wohl ist dies in der Regel mit der Bettstelle der Fall; Bettwäsche
dagegen, Kissen, Decken, Handtücher wird der Reisende, der kleine
Städte besucht, entweder selbst mitzubringen oder für deren Ent-
lehnung besonders zu bezahlen haben. Ueber Gasthofspreise vgl.
S. XI und 91.
Chambres garaies (MeöiHpoBaHHUfl KoHHaru) sind allen Rei-
senden zu empfehlen, welche lange in einer grösseren Stadt zu
bleiben wünschen und denen das Hötelleben auf die Dauer zu theuer
wird. Gewöhnlich liegen die Chambres gamies (sog. Nummern,
HyHepa) im Gentrum der Stadt, von Theater, Vergnügungen etc.
nicht weit entfernt. Der Wirth und die Diener verstehen meist
mehrere Sprachen. Der Preis beträgt durchschnittlich 20-30 R.
pro Monat (excL Bettwäsche und Trinkgeld). Eine nicht zu unter-
schätzende Annehmlichkeit ist, dass man einen Gorridordiener und
Portier stets zu kleinen Dienstleistungen und Gängen zu seiner Ver-
fügung hat ; dieselben übernehmen auch die Reinigung des Zimmers,
der Kleider und Stiefel. Der Ssamowar wird auf Wunsch nach
Vorhemerkungen. RESTAURAKTS. XXV
Belieben oft gereiclit , desgleiclien Teller, Gläser, Messer und Ga-
beln. Wein, Bier und Schnaps im Hause sich zu halten, ist erlaubt.
Seftamaati {Tracteure, Tpasnipi) sind in den russischen
Städten tahlreich. Je nach Beschaffenheit und Grosse unterschei-
det man : Restaurants ersten und zweiten Ranges, Bier- und Thee-
stuben , Eüchenmeistereien etc.
In den meiaten Städten ist die Art des Loeals schon äusserlich an be-
stimmten Abseiehen erkennbar, welche zur Erleiehterung für die Controle
der Polizei eingeführt sind. Die Traktire, in denen zum Essen auch
Spirituosen versehenkt werden, haben rothe Behilder, die Sehnapslokale
blaue, die Bierhäuser halb rothe halb blaue. Es sind dies aber alles
Schenken niederer Art, deren Besuch dem Fremden nicht anzurathen ist.
Zu den billigsten und einfachsten Restaurants gehören die sog.
Kückenmeietereien (KyxHeücT^pcKaa), in denen man fär 30-40 Kop.
zwei Speisen reinlich und schmackhaft servirt bekommt. Bier und
Schnaps wird nicht verabreicht. — Die Bestauranta zweiten Ranges
empfehlen sich am meisten zur Einnahme des Mittagsessens. Küche,
Bedienung u. s. w. sind wie in den feinen Restaurants, nur ist
das Aeussere weniger glänzend , das Publikum minder vornehm.
Man kann hier zu 50, 75 und 100 Kop. zu Mittag speisen ; Schnaps,
Bier und "Weine werden verabreicht. Zu dieser Gattung von Re-
staurants müssen auch die einzelnen deutschen Gasthäuser und
Bierstuben gerechnet werden. In denen man meist nur Deut-
sche antrifft (vgl. S. 261). — Die Restaurants ersten Banges sind
höchst luxuriös eingerichtet und werden nur vom reichsten und
vornehmsten Publikum frequentirt. Küche, Bedienung und ganzes
Arrangement iät meist echt national; hier kann der Fremde die
russische Küche in ihrer Vollendung kennen lernen (besonders in
Moskau ; in St. Petersburg machen französische und deutsche Küche
schon vielfach ihren Einfluss geltend). Charakeristisch für viele
russischen Restaurants sind die Orgeln (oft im Werthe von 30,(X)0-
60,0(X) R.) in den grossen Speisesälen. Auffallend ist für den Frem-
den ferner die überaus grosse Zahl der KeUner ; in einigen Peters-
burger Restaurants fast sämmtlich Tataren. Man ruft den Kellner
durchweg: tschellöwjek (Mensch)! In jedem Restaurant befindet
sich eine Garderobe, in der die Sachen der Gaste aufbewahrt wer-
den (Trinkgeld nicht obligatorisch, 5-10 Kop.).
In der niMisehen SUohe ist alles fest geregelt ; jede Jahreszeit hat
ihre eigenen Suppen, ihr eigenes Geflügel und ihr eigenes Gebäek. Von
manehen Gerichten kann man das Datum angeben, wo ihr Erscheinen
beginnt : das Obstessen fängt mit dem 8. August, das Eisessen und Trinken
des kühlen Kwass mit dem OMersonntage an. Auch die Religion übt
Einfluss auf die Gestaltung des Küchenzettels : der Sonnabend hat andere
Gerichte als der £k>nntag, der Freitag und Vittwoeh (als Fastentage)
andere als der Montag und Donnerstag. Leidtragenden wird die Kutja
(Byria, d. i. Reisbrei mit Pflaumen und Rosinen) beim Todtenschmause
vorgesetzt, dem Geburtstagskinde ein Kolibak (ein mit süssen Säften ge-
füllter Kuchen) über dem Kopfe zerbrochen. Hoehzeftsschmäuse , Ver-
lobungsfeste, die Butterwoehe , Weihnachten , Ostern — alle haben ihre
besonderen Gerichte. Der Koch sieht es nicht ungern, wenn man selbst
das Fleisch aussucht und der Zubereitung beiwohnt.
Zu den charakteristischen Speisen (die man sich am besten in einem
XZTI THEATER. Praktische
Moskauer Restaurant serviren lässt), gehört z. B. eine Botwinja und ein
Porassonok (Spanferkel mit Meerrettig und saurer Sauce). An den Tables
d^höte der Hfitels Ton St. Petersburg und Moskau ist die sog. SeUtiuska
(Zubiss, 3aKycsa, s. unten) abgesehafil und beginnt das Diner gewöhn-
lich mit der Suppe (Cym), wie bei uns. Ein ruasisches Familien-Diner
oder die Table d böte auf den Dampfern der Wolga etc. besteht eigentlich
aus zwei Mahlzelten: der Sakusska und dem eigentlichen Diner (Objäd,
OG^Xb). Bei Beginn wird nämlich ein Glas Branntwein beramgereicht,
welehes aber nie ohne Sakusska getrunken wird; selbst im Restaurant
erhält man zu jedem Glas Branntwein ein Stückehen Brod, Fleisch und
Gurke. An der feinen Table d'höte besteht die Sakusska aus Wurst,
Kaviar, Häring, Laehs, Sterlet etc. mit pikanter Sauce. Dieses Entr^e
soll den Appetit anregen. Das Diner (<njä^ beginnt mit einer kalten
oder warmen Suppe, die dem Westeuropäer zuerst nicht recht munden
wird; alsdann folgt ein Fisehgericht (Sterlet, Forellen vom Don, Stein-
butte aus dem Peipus-See oder der Wolga, selten Seefisch); darauf Con-
fitüren oder gleich ein Fleischgerleht (Kalb- oder Ochsenfleiseh mit Salat,
gesalzenen Kirschen oder Aepfeln), schliesslich ein Pudding, Eis etc.
Das Dessert besteht aus Feigen, Nüssen, Oliyen ; nach dem Dessert folgen
Kaffee oder Thee mit Gitronenscheiben und Liqueur. Morgens früh wird
in den meisten russischen Familien Thee genossen; zum Frühstüek (13 U.)
gibt es Fleischspeisen, Caviar, dazu Branntwein oder Bier.
Klubf. Der Russe liebt es wenig, Abends Bierlocale zu be-
suchen; diese sind daher meist von Ausländern, namentlich
Deutschen, frequentirt. Dagegen gehört fast jeder gut situirte Russe
einem „Klub'' als Mitglied an. Die Zahl dieser geselligen Vereine
ist daher überaus gross, und sie finden sich in allen Städten. Einige
derselben sind sehr exclusiy (besonders die sog* englischen Girkel)
und rekrutiren sich nur aus dem hohen Geburts- und Dienstadel.
K. Theater. Concerte. Vergnügungen.
Die Theater in den grösseren Städten Russlands gehören zu den
glänzendsten und Torzüglichsten Öffentlichen Belustigungen. Die
Theater der Hauptstädte, sehr luxuriös ausgestattet, sind fast
sämmtlich kaiserlich und beziehen aus Staatsmitteln einen be-
deutenden Zuschuss. Ausser russischen Vorstellungen weiden zeit*
weilig auch solche in deutscher, französischer und italienischer
Sprache gegeben.
Am wirkungsvollsten zeigt sich das Talent des Bussen im nuaisehen
Lustspiel^ wie denn überhaupt das Eigenthümlichste und Bedeutendste,
was die russische Bühne hervorgebracht hat, dem Gebiete des Lustspiels
angehört. Koch interessanter und charakteristiseher sind die rtusuehen
komi$chen Operr^ oder Vaudevilles, welche meist vortrefflich dargestellt und
vom Publicum entschieden bevorzugt werden. — Vollendet ist die russi$elu
i^Vi die ihre Stoffe meist der älteren Geschichte Busslands entnimmt.
Die Pracht der Aufführung lässt alles hinter sieh, was man in anderen
Städten Europas sieht. Die BalleU entsprechen dem Glänze der Oper,
ohne indessen die grossen westeuropäischen Bühnen zu übertreffen; dem
Fremden werden die russischen Kationaltänze das meiste Interesse erregen.
Die Preise der Plätze sind sehr verschieden, am theuersten in der
ital. Oper. In den russischen, franz. und deutschen Theatern kostet
der Sperrsitz, je nach der Nähe zur Bühne, 2-5 R.; für Benefiz-
Vorstellungen sind die Preise erhöht. Um sicher BiÜets zu erhal-
ten, thut man gut (besonders bei aussergewöhnlichen Gelegen-
heiten), sich solche Tags zuvor im Theatercomptoir zu besorgen.
Vcrhemerk. CONCERTE. VERGNÜGUNGEN. XXTn
Concerte von Militär- oder Givilkapellen für ein geringes Entr^e
findet man im Winter nur in sehr -wenigen Städten. Dagegen Ter-
säume der Fremde nicht, falls ei die Kosten eines theuren Soupers
und das Zusammentreffen mit möglicherweise lockerer Gesellschaft
nicht scheut, die russischen und die Zigeuner-Sängerchöxe anzuhören,
die ihre sehr originellen Vorträge meist in den eleganten ausser-
städtischen Restaurants zum hesten geben, welche im Winter das
Ziel der nächtlichen Troiken (Schlitten)*Fahrten der Jeunesse dor^e
sind. Im Sommer findet man täglich Gelegenheit, Concerte in den
Parks und Sommerlokalen der Umgehungen der Hauptstädte zu
hören , von denen manche, z. B. die in Pawlowsk , Oserki , Hervor-
ragendes bieten ; auf den Inseln hei St. Petersburg dauern die Con-
certe und Schaustellungen bLs spät in die Nacht hinein. Concerte
der Militärkapellen finden in Peterhaf den Sommer hindurch täglich
im untern Park statt ; sie zeichnen sich , besonders wenn der Hof
in Peterhof anwesend ist , durch den dort entfalteten Pferde- und
Equipftgen-LuxuB der vornehmen Welt aus.
Sehr ausgeprägt ist bei den Russen die Liebe zur Musik. Fest-
liche Zusammenkünfte ohne Gesang sind kaum denkbar; auch die
tägliche Arbeit begleitet der Russe gern mit Gesang. Bei passenden
Gelegenheiten ertönen zum Gesänge auch einfache Instrumente:
die Balalaika, eine Art Zither tatarischen Ursprungs mit drei
Saiten, welche selten einem Bauer fehlt, der Quddock, eine drei-
saitige Geige, die Qu$slij eine liegende Harfe mit Drahtsaiten, die
Pandura , eine Art Laute. Auch der Torhaat , eine Guitarre mit
27-36 Saiten, die Dudka (Flöte), das Boshok (Hörn) und die Matd"
trommel sind beliebte Instrumente. Am meisten verbreitet ist die
Hand'Harmonika, die Sonntags vor j eder Hütte ertönt. Eigenthüm-
lich ist die Jagdmusik: 50-60 kupferne oder messingene Hömer,
deren jedes nur einen Ton hat. — Die Volkslieder der Russen
haben überwiegend einen einförmigen, melancholischen Charakter.
Lebhafter sind die kleinrussischen Nationallieder und Tänze.
Die russischen Hationftltänse (meist Reigentänze , Chorowody,
xopoBOAu) haben ein stark ausgeprägtes dramatisches Element.
Durch Mimik, Gesticulaüon , Bewegungen wird eine Reihe von
Scenen dargestellt, in welchen sich in stetem Wechsel Leidenschaft,
Schmollen, Betrübniss, Geringschätzung, Flehen und Versöhnung
ausdrücken. Hierzu tont auf den Instrumenten ein« monotone
Melodie, welche diese verschiedenen Gemüthserregungen anzu-
deuten sucht. Die Zuschauer begleiten den Tanz und die Musik
im Chor. — Russische Nationaltänze sind : der Wessn^anka (d. h.
Frühlingstanz) ; der Oölubex (d. h. Taubentanz) , den Streit und
die Versöhnung zweier Liebenden darstellend; der Kamarinska,
Kasatsckka (Kosakentanz) etc. Auch polnische Tänze, wie die
Mcuitbrka , sind in Russland sehr beliebt. — Charakteristisch ist
allen russischen Tänzen die eigenthümliche Manier, auf das Knie
zu sinken , das sogenannte w'prissadku (von npHctxftTb , ein Knie
XXVIII TABAK. Praktische
machen). — Tanzgesellschaften in den Klubs, Theatern, sind sehr
häufig (aber nicht für Nationaltänze).
Ausser den gewöhnlichen Vergnügungen , die man bei anderen
europäischen Völkern findet, haben die Bussen noch besondere
Hationalverg&fifinuig«!!. Dahin gehören Schaukeln, Eisrutschen,
Guljanien, Wettfahrten, besonders Schlittenwettfahrten im Winter.
Am besten lernt man das alles in der Fastnachts- oder Butter-
woche kennen. Das ganze Land ist dann ein weiter Schauplatz
von Vergnügungen und Lustbarkeiten : auf dem Lande festlich ge-
kleidete Gruppen, auf den Strassen überall Gesang und Reigentänze
(Ohorowody , s. oben) unter dem Klange der Balalaika , Schellen-
geklingel und Schlittenfahrten ; in den Städten, namentlich in Mos-
kau, herrscht ein gleich buntes Treiben in grösserem Massstabe:
auf allen Öffentlichen Plätzen stehen Reihen von Buden , in denen
Künstler aller Art Vorstellungen geben, Schaukeln, Theater, Rutsch-
berge u. s. w. , alles umgeben von dem Gedränge einer bunten auf-
und abwogenden Menge. Die QtUjanien (ryjflHie, von ryiflTb,
spazieren gehen) sind schwer zu beschreiben ; es ist weniger ein
Spazierengehen, als Spazierenfahren ; ersteres liebt der Russe über-
haupt nicht. An hohen Festtagen finden Guljanien (auf den feineren
keine Iswoschtschiks) statt, die dem Corso in unseren Städten ent-
sprechen. Damit ist zugleich auf den betreffenden Plätzen ein Markt
verbunden, wo sich das niedere Volk drängt. Auch in den Dörfern
finden Guljanien an Sonn- und Festtagen statt. Jeder Bauer , der
Pferde hat, spannt an und 6-8 Mädchen in einem Schlitten jagen
im tollsten Tempo und unter Gesang und Gekreisch die Doristrasse
auf und ab. Die ScJUittenwettfahrten (ölin) sieht man am schönsten
auf den Teichen bei Moskau (S. 296) oder während der Fastenzeit
auf dem Semenow'schen Platze in St. Petersburg.
Zur Jagd bietet das waldreiche Terrain in der Nähe der Haupt-
städte, besonders bei Moskau, Liebhabern die beste Gelegenheit
und zwar hat man hier ein Jagdterrain , wie es an Wildreichthum
in ganz Europa nicht wiedergefunden wird. Wenn man sich bei
Bekannten zu Besuch befindet, wird man leicht im Winter oder
Sommer irgend eine Jagd mitmachen können. Ist man unbekannt,
so kann man bei der ungemeinen Liebenswürdigkeit und Gastfreund-
schaft des Russen leicht die Bekanntschaft eines nahe der Haupt-
stadt wohnenden Fabrik- oder Gutsbesitzers machen. Die Jagd ist
nur in den Privat-, nicht in den Krons Wäldern gestattet; doch
wird es Fremden mit specieller Erlaubniss der Förster gegen ein
kleines Trinkgeld auch gestattet, in den kaiserlichen Wäldern zu
jagen (niedere Jagd).
L. Tabak.
Die Sitte des Rauchens ist in Russland unter allen Ständen und
bei beiden Geschlechtem verbreitet. Der Tabaksgenuss ist eine Lei-
denschaft für den männlichen Theil der russischen Bevölkerung ;
Vorbemerkungen, BÄDER. XXIX.
auch der Finne raucht stark , schnupft und kaut Tabak. Nur die
Altgläubigen enthalten sich des Tabaksgenusses , die Nachkommen
jener Leute, welche sich gegen die kirchlichen Reformen Nikons
und die weltlichen Reformen Peters des Grossen erhoben und die
Neuerungen, welche letzterer in Russland eingeführt hatte — und
darunter befand sich auch der Tabak — verdammten. In den
mittleren und höheren Gesellschaftsklassen werden vorzugsweise
Papyro$ (naniipocH, Gigaretten) geraucht. Der Russe raucht fort-
während, auch beim Diner zwischen den einzelnen Gerichten.
Dass die Russinnen rauchen, ist allbekannt; selbst jüngere Damen
rauchen nicht allein in ihren Zimmern , sondern ungenirt auch in
öffentlichen Localen, Eisenbahncoup^s etc.
Die Tabake zu den Papjros liefert hauptsächlieh das Inland: die
Ukraine, das Gebiet der Wolga und die Krim. Krim'scher Tabak wird
IN'iehtkennem sehr häufig für türkischen verkauft. Der Tabak von
Kertseh ist allerdings so müde, duftig und wohlschmeckend, dass eine
Verwechselung leicht möglich ist.
Das Verbot des TdbaJkrauchens (Kypenie Taöaxa BOcnpeniaeTCR)
erstreckt sich nur auf die Umgebungen bestimmter Gebäude, Zoll-
amt, hölzerne Brücken etc. An manchen Orten ist das Verbot, auf
Brücken nicht zu rauchen , in Kraft geblieben , obwohl die alten
Holzbrücken längst eisernen Gitterbrücken haben weichen müssen.
Auf den Bahnhöfen darf nicht geraucht werden in den Damen-
und Zimmern für Nichtraucher (KOMHaru /(Ja HeKypnmixi) , in den
Gepäckwagen , in den Gepäckräumen und Magazinen etc. , in den
Bahnzügen selbstverständlich nicht in den Waggons, in und an
denen sich das Verbot des Rauchens angeschlagen findet (BaroHU
oder OTAUJeHifl aja Aani und AJf HeKypmiHxi).
M. Bäder.
Die Badstuben (Eanii) gehören zu den Yergnügungslocalen der
Bussen. Ohne Bad kann kein Russe leben ; doch lieben alle die
heissen Bäder mehr als die kalten. Die heissen oder Dampfbäder
sucht sich auch der ärmste Bauer auf dem Dorfe allwöchentlich zu
verschaffen ; in grösseren Dörfern , Flecken und Städten sieht man
fast in jeder Strasse Badstuben, von den allereinfachsten bis zu den
elegantesten.
In St. Petersburg , Moskau und den grösseren Gouvernements-
städten gibt es Badstuben, die nur grosse Säle für das einfache
Volk haben (npocTOHapoAHe) und zwar eine Abtheilung für Männer
und eine für Frauen ; sodann feinere Badstuben , die neben all-
gemeinen Sälen (o6iiUfl) noch Privatcabinette (nyMepa) besitzen,
wo man allein oder mit der Familie baden kann. Am Eingange
kann man einen Banschtschik (Bademeister, 20-25 Kop. Trinkgeld)
oder für Frauen eine Banschtschitza wählen. In dem allgemeinen
Bade ist es um vieles billiger (von 5 Kop. an) als in den Nummern
(50 Kop. bis 3 und mehrR.); aber in ersteren auch um vieles
schmutziger. Die Nummern bestehen gewöhnlich aus drei Räumen :
XXX GEWICHTE UND MAASSE.
dem h5ch«t komfortabel eingerichteten Ankleidezimmer, eistm klei-
nen Vorzimmer mit einem Wannenbade , und dem eigentlichen
Dampf bade, welches mehrere Reihen Holzbänke in amphitheatra^
lischer Form zum Liegen enthält, denen gegenüber der eine Gluth-
hitze aussprühende hohe und breite Steinofen sich befindet. Die
Art und Weise des Badens ist bekannt. Am besuchtesten sind die
Bäder an den Sonnabenden, wo sich die Frequenz nach Tausenden
berechnet. Aber auch an anderen Tagen (ausser Mittw. u. Freit., wo
die Anstalten meist geschlossen sind) ist der Zuspruch bedeutend.
K. Gewichte und Uaasse. Zeitreohnungf.
Gewichte (Btci).
1 Berkowez (BepKOBem) oder Schiffspfund = 10 Pud =
163.80 kg.
1 Fud (HyA-B) = 40 Pfund = 16.38 kg.
1 Pfund (4>yHTi) = 32 Loth = 96 Solotnik = 9216 Doli =
409 gr.
1 Loth {JLoTh) = 3 Solotnik = 12.80 gr.
1 Solotnik (3010THHKT.) = 96 Doli = 4.2656 gr.
Längenmaasse (jHHeiimiii al^pu).
1 WerBt (Bepcia) = 500 Ssashen = 1.067 km (7 W. = c.
1 geogr. Meile).
1 SaasTien (Casenb) oder Faden = 3 Arschin = 48 Werschok=:
2.134 m = 7 engl. Fuss.
1 Arschin (ApümHi) = 16 Werschok = 711 mm = 28 engl. Zoll.
1 Werschok (BepmoKi) = 44.45 mm.
Flächenmaasse (IIoseifeibHiifl Mftpu).
1 DessjoHna (4ecHTHHa)=2400 Quadrat-Ssashen (ökon. 3200) :=
1.0925 Hectar (ökon. 1.4567 ha).
1 Quadrat- Werst (KnaftpaTHafl BepcTa) = 1.138 qkm.
Höhlmaasae (Mtpii cmkocth).
1 Bo^scAfta(BoqKa),Fass oderTonne = 40Wedro =4.92Hectoliter.
1 Wedro (Bexpo) oder Eimer = 10 Kruschka oder Stoof =
12.298 Liter.
1 Tschetwert (MexBepTi.) oder Kul =: 2 Osmin = 4 Pajok =
8 Tschetwerik = 64 Garnez =: 2.099 Hectoliter.
1 Tschetwerik (HeTsepHKi) als Getreidemaass = 2Vi5 Wedro=
8 Garnez = 26.237 Liter.
1 Kubik'Ssashen = 343 Kubikfuss = 9.26 Kubikmeter.
Zeitrechnung,
In Russland gilt der Julianische Kalender (durch Julius Cäsar
46 Y. Chr. eingeführt), welchen 325 n. Chr. dieKirchenversammlung
zu Nicäa der christlichen Aera zu Grunde legte. Unsere Zeitrech-
nung (Gregorianischer Kalender, Ton Papst Gregor XIII. 1582 ein-
GEOGBAFHISOHES.
XXXI
geführt, in Deutschland seit 1700 allgemein im Gebrauch) ist der
russischen um 12 Tage voraus. Der 1. Januar nach dem Julianischen
Kalender ist der 13. Januar nach der in den anderen Ländern
üblichen Zeitrechnung.
n. Oeog^phisches und Historisches.
Das Klima des grossen osteuropäischen Tieflandes zeigt bei der
weiten Ausdehnung desselben natürlicher Weise eine bedeutende
Verschiedenheit ; doch ist diese , in Folge der Gleichförmigkeit der
Bodenverhältnisse , weniger gross als nach den klimatischen Unter-
Torne&. . . .
Archangelsk . .
Ibo
Helsingfors . .
St. Pietersbnrg .
Moskaa . . .
Warschau. . .
Eurssk. . . .
Poltawa . . .
Nikolajew . .
Ssewastopol . .
Nordi.
Breite
Grad Min.
co>9iftoiltea«co09cooaeooo00
co<r4cooceip*t.*a»00-^oi^
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• •••«•••••■••
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5 B B
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• •«■•* « _ • 1. * • • •
im
Herbst
+ II 1 11 1 1 1 II
im
kältesten
Monat
im
wärmsten
Monat
P
•
I
n
ts
p
lar
B
schieden des westlichen Europa zu erwarten wäre , und die lieber-
gange sind überall allmählich und unmerklich.
XXXII GEOGRAPHISCHES.
Für das in vorliegendem Buche behandelte Gebiet kommen von
den klimatischen Zonen Russlands nur die nördliche bis zum 57.
und die mittlexe vom 57. bis zum 4&. Breitengrade oder der kalte
und gemässigte Landstrich in Betracht. Im allgemeinen kann man
die ost-westlichen Höhenlinien, welche den Nord- und Südrand des
grossen Centralpbiteaus von Bussland begrenzen, als Scheide an-
sehen zwischen Nord-, Mittel- und Südrussland. NordriMdand
würde danach die flnnisch-tschudischen Länder , sowie Theile der
Ostseeprovinzen und altrussischen Gebiete (Nowgorod, Pskowj,
Mittelrussland die polnischen, litauischen und eigentlich russischen
(grossrussischen) Länder sowie das ehemalige tatarische Zarthum,
Südrussland das pontische Gtebiet umfassen. .
Den Charakter des Klimas des nördlichen Landstrichs
bezeichnet ^n langer, harter Winter, bisweilen bis -— 40^ R. , ein
kurzer, glühender Sommer, oft über 30° R.^ ein Frühling und Herbst,
die schnell wieder verschwinden, so dass man beide kaum als Jahres-
zeiten bezeichnen kann. Die Luft ist im allgemeinen rein und ge-
sund , besonders in Finnland ; wenn grosse Epidemieen ihre Ver-
heerungen in Russland beginnen, so berühren sie, meist im Verein
mit Misswaohs, nur stark bevölkerte Gegenden. Vermehrte Boden-
cultur und Austrocknung der Sümpfe haben Veränderungen her-
vorgebracht, indem die Winter kurz und milde, die Frühlinge mehr
winterlich und länger, die Sommer weniger warm, die Herbste länger
und milder geworden sind. Dagegen haben sich die Nebel und
Regengüsse des Herbstes vermehrt. An den Küsten Finnlands und
in den Gouvernements der Ostseeprovinzen ist das Klima gleich-
massiger, der Sommer kuhler, die Winter milder , Frühling und
Herbst veränderlicher, als im Innern, das seinen Charakter als
Continentalklima bis hoch nach Lappland hinauf aufrecht erhält.
Der Winter beginnt in den südlichen Gegenden um Mitte November,
oft noch später, und dauert bis Mitte April ; in den nördlichen fällt
der Schnee schon Anfang September und der Winter weicht nicht
vor Juni. Im Januar fällt das Thermometer bis auf 26, oft 33**. Die
Waldgegenden im Innern erblicken den Frühling eher als die Kü-
sten. Die Nachtfröste dauern nicht selten bis in den Sommer
hinein. Charakteristisch sind die hellen, warmen Juninächte;
in Petersburg z. B. geht am 21. Juni die Sonne 2 Uhr 36 Min. auf
und 9 Uhr 28 Min. unter. Je weiter nach Norden^ desto mehr wir-
ken die langen Sommertage auf die Beschleunigung der Vegetation.
Unter dem 60. Breitengrade ist die mittlere Temperatur des Jahres
-j- 3V2 > des Winters — 5V21 des Sommers + 13 . Bald nach dem
längsten Tage treten, schon wieder kühle Abende, Nachtfröste oft
schon Ende Juli ein; Ende August fällt das Thermometer auf-
fallend schnell. Im Mai und Juni ist es gewöhnlich sehr trocken,
im August und September regnet es am meisten (mittlere jährliche
Regenmenge 17.3'^); September und October sind die Zeit der
Stürme. Diemittlere, gemäs8igteZone(biszumÖ0. Breiten-
EINTHEILÜNG UND VERWALTUNG. XXXIII
grade) ist die wichtigste in Bevölkerung, Bebauung (im Süden und
an der Wolga) und Fabrikthätigkeit (Norden und Nordwesten).
Dieser Landstrich liegt zwischen den beiden Randerhebungen des
mittelrussischen Centralplateau's. Die Winter sind länger und
rauher, als im westlichen Europa unter gleichen Breiten ; das Gre-
frieren des Quecksilbers (—32**) kommt in Moskau und Kasan noch
häufig vor ; die Wolga ist bei letzterem Orte von Mitte November bis
MitteApril zugefroren. Frühling und Herbst treten deutlicher her-
vor, als im nördlichen Landstriche ; doch sind beide immer noch
kurz und von raschem Verlauf. Der Sommer ist trocken und heiss
und die Witterung in ihm sowohl als im Winter meist sehr beständig.
West- und Ostwinde sind vorherrschend, wie in den nördlichen
Regionen , und das VerhSltniss der Niederschläge stimmt mit dem
in den letzteren (Warschau 20", Moskau 15"). Mittlere Jahres-
wärme des ganzen Strichs 4V2** ; in Nishny 2.Ö", in Moskau 3.6°, in
Warschau 5.9°. In den westlichen Gouvernements ist das Klima
gesunder und die Vegetation günstiger, als in den östlichen, welche
Gegenden unter dem Einfluss der rauhen Temperatur der asiati-
schen Ebene stehen.
Eintheilung und Yerwaltimg. Das ganze russische Reich incl.
Polen und Finnland wird in Gouvernements (ryöepHifl) getheilt,
von denen einzelne zu Qeneralgouvemements (FeHepaii-ryöepHij!)
zusammengelegt sind. An der Spitze der einzelnen Generalgouverne-
ments resp. Gouvernements steht ein Generalgouvemeur resp. Gou-
verneur (ryöepHaxopi). Die Städte St. Petersburg, Moskau und
Warschau haben ausserdem einen Militärgouvemeur ; der Stadt-
bezirk von St. Petersburg steht dann noch unter einem Statthalter
oder Stadthauptmann (Gradonatschalnik, FpaAOHaqaibHHKi).
Jedes Gouvernement zerfällt in Kreise oder Bezirke (üjäsd,
y^bSAi) , die an Zahl und Grösse verschieden sind. Die baltischen
Provinzen und Finnland haben ihre eigenen Kreiseintheilungen.
In Kurland nennt man die Kreise Oherhauptmannschaften^ in Liv-
land Ordnungsgeriehtekreise, In Finnland zerfallen die Gouverne-
ments oder Läns in Härader unter Kronvögten und diese wieder
in Länsmana-Diatrictej welche oft dasselbe sind, wie die Kirch-
spiele (Socknar).
Den GouvemementsbehÖrden als der executiven Gewalt zur Seite
stehen im eigentlichen Russland (in 33 Gouvernements) sog. „Land-
schaftsinstitutionen" als Vertretungen der drei Stände: Grund-
besitzer, Städter, Bauern. Diese Land- oder Provinzialinstitutionen
(Semstwo , Scmctbo) sind Ins Leben gerufen zur näheren Betheili-
gung des Volkes an der Verwaltung derjenigen Geschäfte , welche
die ökonomischen Interessen jedes Gouvernements und jedes Kreises
betreffen; zu ihrer Competenz gehören lediglich die wirthschaft-
lichen Bedürfnisse , theilweise auch die Gesundheitspflege (Wohl-
thätigkeitsanstalten) und die Volksschulen. Es gibt demnach Kreis-
Bussland. 2. Aufl. c
XXXIV EINTHEILUNG UND VERWALTüNa.
und Gouvernements-Sena^twos. Die ersteren bestehen aus der Kreis«
landversammlung , die von den Gutsbesitzern, den Stadt- und
Bauerngemeinden gewählt wird und unter dem Präsidium des
Adelsmarschalls tagt, und aus dem ein Ausschuss, das Kreisamt,
bestehend aus 2-6 Mitgliedern , auf 3 Jahre gewählt, wird. Das
Gouvernements- Semstwo besteht aus der Gouvernements-Landver-
sammlung, deren Mitglieder von den Kreis - Landversammlungen
auf 3 Jahre gewählt werden und in welcher in der Begel der Gou*
vernements- Adelsmarschall präsidirt ; die Geschäfte führt das Gou-
vernements-Landschaftsamt; das letztere bilden 6 von der Gou-
vernements-Landversammlung gewählte Personen unter einem Vor-
sitzenden. Kreis- wie Gouvernements-Semstwos tagen einmal im
Jahr. Dieselben sind für ihre Beschlüsse gesetzlich verantwortlich ;
der Gouverneur hat das Recht, gegen jede Verfögung des Semstwo
einzuschreiten, welche über deren Competenz hinausgeht oder gegen
die Staatsgesetze verstösst.
Die städtische Verwaltung in den russischen Gouvernements
wurde durch die am 16. Juni 1870 erlassene neue Städteordnung
geregelt ; die Organe der Verwaltung sind : die städtischen Wahl-
versammlungen, der Stadtrath(GorodskajaDuma,ropoÄCKaflÄyMa),
d. h. Stadtverordnete, und das Stadtamt (von der Duma ernannt),
mit dem Stadthaupt an der Spitze. — Die russische Gemeinde-^
VerwaZtungihehörde besteht aus der Orts-Gemeindeversammlung
und dem Starosten (CTapocTa), d. h. dem gewählten Aeltesten
einer Bauemgemeinde mit gemeinsamem Grundbesitz (Mir). Die
unterste und kleinste administrative Einheit bildet die Gesammt-
gemelnde, Wolost (BoJOCTb), welche aus zwei oder mehr Orts-
gemeinden besteht, die in einem und demselben Bezirke, Kirchspiele
oder Amt belegen sind und aneinandergrenzen (300-200Ö Seelen).
Die WolostbehÖrden bestehen aus der Wolostversammlung (je
10 Höfe senden einen Abgeordneten), dem Starschina (CTapmHHa)
oder Wolostältesten , dem Wolostrath und dem Wolostgerichte.
Die Versammlung besteht aus den Beamten der Ortsgemetnden und
der Wolost. Wo die Wolost nur eine Gemeinde ist, tritt die Ge-
meindeversammlung in die Stelle der Wolostversammlung. Der
Starschina ist für die Ordnung etc. in der Wolost verantwortlich
und in dieser Beziehung sind ihm die Starosten untergeordnet.
Beide mit ihren Beigeordneten bilden den Wolostrath, welcher auch
Verträge der Bauern registrirt.
Die heutigexL Bossexi. Die Grossrussen (ca. 35 Millionen an
Zahl) bilden die eigentliche j^rmsüche Nation" {Ruasky, FycKiö).
Sie haben überall das Geschäft und die wichtigsten Posten in Hän-
den, ihre Sprache ist die des Staates, der Literatur und der ge-
bildeten Gesellschaft. Durch Spr^iche und Religion verbinden sie
4as ganze russische Volk zu einem mächtigen Ganzen von so grosser
DIE HEUTIGEN RUSSEN. XXXV
Gleichförmigkeit, dass demKeieenden zuAnfang kaum einUnterschied
in Physiognomie, Sprache, Sitten und Lebensweise auffallen wird.
Die Grossrussen sind im allgemeinen ein derher Menschenschlag
von auffallend gedrungenem, muskulösem Körperbau^ kurzem Hals,
starkem Nacken , breiten Schultern und kurzen Beinen ; im Gegen-
satz hierzu stehen die wohlgeformten Hände und Füsse. Neigung
zu Fettleibigkeit findet sich namentlich bei den Frauen. Das Ge-
sicht mit der kleinen starken Nase^ den rothen Wangen, blauen
oder braunen Augen und dem lockigen starken Bart bekundet im
allgemeinen Ernst und Gutmüthigkeit, aber auch Verschlagenheit ;
offene freie Gesichtszüge sind selten. Das helle, meist kastanien-
braune, oft blonde Haar weist auf eine Mischung mit den Urein-
wohnern, den Finnen, hin, wählend den Kleinrussen schwarzes
oder dunkelbraunes Haar kennzeichnet. Der gemeine Kusse lässt
den Bart wachsen und trägt nur das Haupthaar geschoren. Der
Gang und jede Körperbewegung wird mit einer charakteristischen
Schnelligkeit, oft sogar mit leidenschaftlicher Lebhaftigkeit ausge-
führt, zeigt jedoch grosse Gewandtheit und viel Grazie. Fast dieselben
Grundzüge findet man verfeinert bei dem weiblichen Geschlecht,
nur vermisst man bei diesem oft die schönen Zähne, durch die sich
die Männer auszeichnen, eine Folge des massenhaften Genusses von
Süssigkeiten.
Ausser den grossen Hauptstädten tragen alle russischen
Städte (ropoAi, rpa^i, Gorod) den gleichen Charakter ; hat man
zwei oder drei gesehen, so kennt man sie alle. Fr. Bodenstedt
behauptet, dass viele grossrussische Städte nach dem Muster der
mongolischen Besidenzen angelegt seien , von welchen uns Marco
Polo (1256-1323), der 18 Jahre am Hofe des Grosskhans verweilte,
eine anschauliche Beschreibung giebt. Die Städtegründer aber
haben ihrer Zeit einen sehr gewählten Geschmack bewiesen, male-
rische Lage war in erster Linie massgebend für die Wahl eines
Platzes.
Die grossrussischenDÖrfer ziehen sich zu beiden Seiten
der Landstrasse hin, welche auf diese Weise die einzige Strasse des
Orts ist und nur selten Nebengassen hat. Die Häuser , im Grunde
genommen nichts als Baracken, die kaum dem Allernoth dürftigsten zu
genügen scheinen, stehen unregelmässig und schief neben einander.
Im allgemeinen fallen nur auf die häufig massive , innen reich ge-
schmückte Kirche (uepKOBb) mit grauen oder vergoldeten Kup-
peln und einzeln stehendem Glockenthurm (koiokouhji), und die
Schenke, Kahah (KaöaKi), an einem Schilde erkennbar. Die Wohn-
häuser, meistens mit dem Giebel nach der Strasse gelegen, sind aus
wagerecht über einandergelegten Baumstämmen erbaut, deren Fugen
mit Werg (naKi«) und Stroh luftdicht verstopft werden, und oben
mit Dielen gedeckt. Geschnitzte Bretterverzierungen , mit grellen
Farben bemalt, verleihen den Häusern ein freundliches Aussehen.
Die Innern Räume bestehen aus Hausflur und zwei Wohnstuben,
n*
XXXVI DIE HEUTIGEN RUSSEN.
der Sommer«Isba und der Winter-Isba. In letzterer spielt der in
der Mitte stehende Ofen (ne<ib) eine Hauptrolle, er ist Heiz-, Koch-
und Backapparat und dient ausserdem als Ausruhplatz. In keinem
Zimmer fehlt das Heiligenbild (oöpaai), mit der davor immer
brennenden Lampe. Der am Hause gelegene Hofraum ist ringsum
von einem überdachten , nach dem Hofe zu offenen Schuppen um-
geben , hierzu kommen noch die Ställe , Scheunen und die Riege
(Dreschtenne). Das Jungvieh wird im Winter in die Stube ge-
nommen, da die Ställe wenig Schutz gegen die Kälte gewähren. In
dem leeren Raum (nycToe MtcTo) unter den Wohnräumen, der auch
als Yorrathskammer dient, wird das Federvieh untergebracht.
Die Kleidung des grossrussischen Bauern besteht in dem
bunten Hemde, Ruhaschka (pyöaniKa), das über den ebenfalls bunten
Pluderhosen, Portki (nopTKH), getragen wird. Diese stecken bis
zum Knie in weiten Stiefeln , Ssapogi (canorH) oder in den Onu-
tschi (oHyiH), Tüchern, die anstatt der Strümpfe um Füsse und
Waden gewickelt und von dünnen^ an den Schuhen jBa^cAmofci (6am-
HaKH) befestigten Schnüren zusammengehalten werden. Eine andere
Fussbekleidung sind die Lapty (lanru), sandalenartige Bastschuhe
mit Ledersohlen. Im Winter trägt man Pelzstiefel oder sehr zweck-
mässige Ueberstiefel von Filz. Der eng anschliessende, auf der Brust
mit einer Klappe versehene Rock, Kaftan (KatTaHi), hat einen
Kragen und wird mit einem Gürtel oder shawlartigen bunten Tuch
zusammengehalten. Im Winter wird er mit d&m Schafpelz {my6A
oder Tyiyni») vertauscht. Die Kopfbedeckung besteht in deiSchapka
(manKa) oder dem schwarzen niedrigen Filzhut, im Winter in dem
Kolpak (KOinaKi), der hohen Pelzmütze. Die Hände hat auch der
geringste Russe im Winter stets bedeckt; Pertschatky (nep^arKu)
sind Fingerhandschuh, RukavHzy (pyKaBHUu) Fausthandschuh
(meist gross und unforinlich).
Das Hauptkleidungsstück der Grossrussin ist der Ssarafan (ca-
pa^aHi), ein Rock von greller Farbe, und an Festtagen der oft mit
Perlen verzierte Kakoschnik. Das Haupt wird mit einem seidenen
Tuche umschlungen , welches das Haar der verheiratheten Frauen
bedeckt , während die Mädchen ihr Haar in einer langen Flechte
(Koca) herabhängen lassen. Als Oberkleid dient der Schugai (niy-
raH), ein Rock, welcher im Sommer kürzer als im Winter getragen
wird ] ferner kurze, oft mit Pelz gefütterte Jäckchen, Dttschegrejka
(Herzwärmer) oder Katsaweika, im Winter auch lange Pelze, in
der Form von denen der Männer wenig abweichend. Das Schuh-
werk besteht aus Lapty oder auch aus Ba^chmaki. Die kleinen
Kaufleute tragen anstatt der Schapka Tuchmfitzen, im übrigen ist
die beschriebene Tracht die sämmtlicher einfachen Yolksklassen.
Der gebildete Russe hingegen huldigt der Pariser Mode, wenn-
gleich in der Kleidung der Damen sich überall ein nationaler Ein-
fluss geltend macht.
XXXVII
Chronologische Vebersicht der russischen Geschichte.
i. Das alte Mussland.
Von dem weiten Gel>iet, welches das heutige europäische Bussland
einnimmt, bewohnten den Norden, von der Grenze Skandinaviens bis nach
Asien hinein, in alter Zeit die Jäger- und Fiseherstämme der Finnen
und Tschuden. Im S. , in den Ebenen n. vom Schwarzen Meer, am Don
und an der Wolga, hausten unstete Komadenvölker, die von den Griechen
und Bömern unter dem Kamen Skythen (w. vom Don) und Sarmaten
(ö. vom Don) zusammengefasst werden. Von der frühern Geschichts-
forschung den Mongolen zugetheilt, hält man sie neuerdings nach den Ab-
bildungen der Denkmäler und den geringen Sprachresten für Iranier,
Verwandte der Medo-Perser. Die Skythen vertheidigten ihre Unabhängig-
keit siegreich gegen den König Darius, wurden aber später von den
Sarmaten unterjocht und ihr Käme verschwindet aus Europa. In der
römischen Kaiserzeit begriff man unter Sarmatien alles Land zwischen
Weichsel und Wolga. Seit dem iii. Jahrb. n. Chr. sassen in den Ge-
bieten zwischen Don und Donau die Gothen, an der untern Wolga die
Alanen. Beide Stämme wurden aus ihren Sitzen verdrängt, als 375 n. Chr.
die Hunnen sich über das östliche Europa ergossen. Als diese sich nach
kaum hundertjähriger Herrschaft nach Osten zurückziehen und aus der
Geschichte verschwinden, werden als Bewohner der Gebiete zwischen
der Ostsee und dem Schwarzen Meer, zwischen den Karpathen und der
Oka -Mündung seit dem vi. Jahrb. n. Chr. slawische Stämme (Polänen,
Drewlänen, Kriwitschen etc.) genannt; ihre ältesten Hauptstädte waren
im S. Kiew, im K. Nowgorod. Im ix. Jahrb. gründeten Normannen (die
Waräger der russischen Annalen) das erste russische Reich in „Gardarike'^ ;
sie blieben lange die herrschende Basse, gingen aber, als die Zuzüge von W.
her aufhörten, allmählich in der slawischen Bevölkerung auf. Von ihnen
stammt der Name Rüsten (finnisch ruotsen, Ruderer, d.h. die von Schweden
nach Bussland herüberrudernden Normannen).
862 Berufung der normannischen Waräger Burik, Sineus und
Truwor durch die slawischen Gemeinden. Nach dem
Tode seiner Brüder wird Rurik Alleinherrscher.
879-912 Oleg, Begent für Rurik's unmündigen Sohn Igor, erobert
882 das Fürstenthum Kiew.
912-945 Igor. 945 Vertrag mit dem byzantinischen Kaiser. —
Christliche Kirchen zu Kiew.
945-972 Swätoslaw I. Igorewitsch. — Theilung des Beichs unter
Swätoslaw's Söhne. — Bürgerkriege.
980-1015 Wladimir I. Swätoslawitteh. 988 das griechische
Christenthum Staatsreligion in Russland. Nach Wladi-
mir's Tode Thronstreitigkeiten.
1019-1054 Jarosslaw I. Wladimirowitsch. Ausdehnung des Reichs
bis zum Bnjestr, zu der Mündung der Dwina und zur
Kama. Viele Städtegründungen. Das erste geschriebene
Recht. — Nach seinem Tode beständige Theilungen und
Kriege im Innern wie nach aussen.
1113-1125 Wladimir IL Honomach, Sieger über die Polowzer,
Petschenegen u. a.
1125-1132 Mstisslaw L, Grossfürst von Kiew. — Mehrere Gross-
fürsten im Reiche , Spaltungen und endlose Kriege. —
Weliky Nowgorod wird unabhängiger Freistaat, später
Sitz der russischen Herrschaft.
XXXVIII CHRONOLOGISCHE ÜBERSICHT
2. Die Zeit der Mongolen-Berrschaft.
1223 Erster Einfall der Mongolen unter Tschingis-Chan's Sohn,
OktaL — Fürst Mstisslaw von Halitsch 1224 an der Kalka
geschlagen.
1237-1242 Zweiter Einfall der Mongolen unter Tschingis-Chan's
Enkel, Baty-Chan, — Die Reiche der Bulgaren, Polowzer
etc. vernichtet. — G«or^///. Wsewolodowitsch, örossfürst
von Wladimir (1219-1238) fällt in derSchlacht am Ssit. —
9. April 1241 Niederlage der Tataren bei Liegnitz.
1238-1247 Jarosslaw II. Wsewolodowitsch^ Grossfürst von Wladi-
mir und ganz Russland unter tatarischer Oberherrschaft.
1252-1263 Alezander Kewsky, Grossfürst von Wladimir, der rus-
sische Nationalheld und Heilige. — Sein Sohn Daniel
wird als Theilfürst von Moskau (zuerst 1147 genannt)
Begründer der Moskau'schen Linie der Rurik'schen Dy-
nastie. — 1240 Alexander's Sieg an der Newa (daher
der Beiname Newsky) über die Schweden, 1242 auf dem
Eise des Peipussees über den Deutschen Orden.
1328-1340 Iwan I. Danilowitsch Kälita^ Grossfürst von Moskau,
Wladimir und Nowgorod. — Der Metropolit verlegt sei-
nen Sitz nach Moskau.
Ssimeon der Stolze (f 1353) führt das Erstgeburtsrecht
ein.
Dmitry IV. Donskoi (f 1389) schlägt am 8. Sept. 1380
die Tataren auf dem Kulikowschen Felde. Wassily II.
Wassiljewitsch (f 1462), der erste russische Grossfürst,
der auch in Moskau gekrönt wird.
1462-1505 Iwan III. Wassiljewitsch, Grossfürst vonMoskau, der
eigentliche Gründer des russischen Reiches. 1471 Now-
gorod unterworfen, 1472 Perm tributpflichtig, 1480 die
goldene Horde zersprengt, 1483-1499 Unterwerfung der
Volker am Ob und Irtysch, 1487 Kasan für kurze Zeit
erobert, 1496 Kardien genommen, 1501-1503 unglück-
liche Kämpfe gegen den livländischen Orden.
3. Die Moskowitische Zeit.
Einigung des russischen Reichs.
1505-1534 Wassily III. Iwanowitsch vereinigt die meisten Theil-
fürstenthümer mit Moskau.
1534-1584 IwanlV. Grosny (der Schreckliche) regiert zuerst unter
dem Einflüsse Schuisky's und der Bojaren , dann unter
dem Beirathe des Mönchs Sylvester und Alexei Ada-
schew's. Kasan 1552, Astrachan 1554 erobert. ~ 1583
Beginn der Eroberung Sibiriens durch die Stroganows
und kühne Kosakenführer (Jermak). — Russisches Recht
(der Stoglawnik) ; Bücherdruck In Moskau.
DER RUSSISCHEN GESCHICHTE. XXXIX
1584-1598 Feodor T. Iwanowitsch , der letzte aus dem Mannes-
stamme Rurik's. — Nach Ermordung aller Verwandten
Feodor's und auch seines Stiefbruders Dmitry herrscht
der Tatar Boris G-odunow, Bruder von Feodor's Ge-
mahlin, unumschränkt.
Auflösung und Zwis^benregiet'ung.
1598-1605 Boris Feodorowitsoh Godunow. Auftreten der falschen
Dmitry.
Der erste falsche Dmitry (1605-6) wird am 17. Mai
1606 ermordet. — Unter dem zum Zaren erwählten Bo-
jaren Wassily Schuisky (1606-10) Auftreten des zwei-
ten falschen Dmitry. — Schuisky, von dem Heerführer
der- polnischen Krontruppen, Stanislaus Zolkiewski, ge-
schlagen, entsagt der Krone.
1610-1613 Zwischenreieh. — Kosma Minin und Fürst Posharsky
(S. 289).
Die Erhebung der Romanow.
1613-1645 Michael reodorowit«chEomftnow, Verwandter des Zaren
Feodor I., Gründer des heutigen Kaisergeschlechts. —
Friede zu Stolhowo 1617 (Abtretung von Ingermanland
all Schweden); Waffenstillstand von Dewulino 1618 und
Friede an der Poljänowka 1634 (Gebietsabtretungen an
Polen, Verzicht auf die Ansprüche an Livland, Kurland
und Estland).
1645-1676 AlttzeiMiohailowitseh. — Aufstellung des neuen Gesetz-
buches (Uloshenije) 1649. — 1667 Friede zu Ssmolensk
(Besitz von Ssmolensk , Sewerien , Tschemigow und der
Ukraine sowie Oberherrschaft über die Kosaken und
Kiew). — Berufung von Ausländern nach Russland. —
Spaltung der russischen Kirche, durch Nikon veranlasst.
1676-1682 Feodor Aleicejewitsch. — Beseitigung des Vorrangstreits
(Mjästnitschestwo). — Nach Feodor's Tode kurze Re-
gentschaft der Grossfürstin Sophia Alextjewna (1682-
1689) für ihre Stiefbrüder, die Zare Iwan und Peter.
4. Die Fetersbur^ische. Zeit.
1689-1725 Peter I. der Grosse, verbannt Sophie Alexejewna ins
Kloster und führt als Selbstherrscher die Regierung, die
Iwan (t 1696) ihm willig überlässt. Gewaltsame Re-
formen, Einführung europäischer Cultur. — Nordischer
Krieg (1700-1721) im Verein mit Friedrich IV. von
Dänemark und August II. von Polen gegen Karl XII.
von Schweden. 1709 Peter's Sieg bei Poltawa, 1711
Verlust von Asow. 1721 Friede zu Nystad (Abtretung
der schwedischen Ostseeprovinzen ausser Finnland an
XL CHRONOLOGISCHE ÜBERSICHT
Russland). — 1703 Gründung von St. Petersburg. —
Krieg mit Persien, Ausdehnung der russischen Herr-
schaft bis zum Südufer des Kaspischen Meeres. — Pe-
ter's Sohn Alexei stirbt 1718.*)
1725-1727 Katharina I., Peter's Gemahlin, regiert unter dem Ein-
fluss des Fürsten Menschikow.
1727-1730 Peter IL Alezejewitach, Peter's I. Enkel, verlegt den
Hof nach Moskau und regiert (minderjährig) unter dem
Einfluss der Dolgorukis.
1730-1 740^ Anna Iwanowna, geleitet durch ihren Günstling Biron
und den Feldmarschall Münnich, betheiligt sich am
polnischen Erbfolgekriege (1733-38) und gewinnt im
Kriege mit der Türkei (1735-1739) Asow zurück.
1740-1741 Iwan VI., besteigt minderjährig unter der Regentschaft
seiner Mutter Anna (Elisabeth) Leopoldowna den Thron,
wird aber verdrängt (f 1764 zu Schlüsselburg).
1741-1762 Eliiabeth Petrowna. 1742 Nachfolgeacte, durch welche
Elisabeth's Neffe Carl Peter Ulrich von Holstein - Got-
torp zum Thronerben bestimmt wird. Krieg mit Schwe-
den (1741-1743), der im Frieden zu Ibo 1743 Finnland
bis an den Kymmene-Elf an Russland bringt. — 1746
Bündniss mit Oesterreich gegen Frankreich und Spanien
(1748 zweiter Friede von Aachen). 1756 Bündniss mit
Oesterreich und Frankreich gegen Preussen (Sieben-
jähriger Ejrieg). — Gründung der Universität Moskau
(1755) und der Akademie der Künste (1757).
1762 Peter III., nach sechsmonatlicher Regierung abgesetzt;
stirbt gleich danach.
1762-1796 Katharina U. Russland Grossmacht. — 1764 Nieder-
werfung des Aufstandes des Kosaken Pugatschew. —
Theilnahme an den drei Theilungen Polens und be-
deutende GebietsvergrÖsserung Russlands. — ■ 1768-1774
erster Türkenkrieg (Abtretung türkischen Gebiets am
Kaukasus , Befreiung der Krym'schen Tataren von tür-
*) ÄUxej Jiichailotoitteh
Feodor. Iwan Peter I.
^ >>— .
Katharina., ^nna, Kaiserin, verm. Alexis Anna, Elisabeth^
verm. mit Carl Kaiserin.
Friedrieb, Hzg.
von Holstein.
verm.mitHzg. mitHzg.Fr. Wilh.von
Karl Leop. von Kurland.
Mecklenburg
Anna, Regentin, Peter II.
verm. m. Anton Peier III.
Ulrich, Prinz v. verm. mit Katha-
Braunschweig rina (II.), Prinz.
I von Anhalt-Zerbst
Iwan VI. I
Paul I.
DER BÜSSISCHEN GESCHICHTE. XLI
kischer Oberherrschaft, Sehutzrecht über die Donau-
fürstenthümer). — 1783 Eroberung der Krym. — 1788-
1792 zweiter Türkenkrieg (Erwerbung des Landes bis
zum Dnjestr im Frieden zu Jassy). — 1788-1790 erfolg-
loser Krieg gegen Schweden.
1796-1801 Faul I. Petrowitich, Katharina's Sohn,, verwickelt Russ-
land 1798 in einen Krieg mit Frankreich.
1801-1825 Alezander I. Pawlowitfch, Sohn PauPs I. — Krieg mit
Frankreich durch den Tilsiter Frieden (25. Juni 1807),
mit Oesterreich durch den Wiener Frieden (1809) , mit
Schweden durch den Frieden zu Fredrikshamn (5. Sept.
1809), mit den Türken durch den Frieden zuBukurescht
(16. Mai 1812) beendigt. — 21. April 1815 Friede zu
Paris. — 14. Sept. 1815 Stiftung der heiligen Allianz.
— Alexander f 1825 zu Taganrog.
5. Die (neue) Reform-Zeit.
1825-1855 Nikolaus I. Pawlowitseh» der dritte Sohn PauFs. —
1830 Ausgabe der Tollständigen Sammlung der Gesetze.
— 1835-1838 Errichtung der Rechtsschule zu St. Peters-
burg, des Ministeriums der Reichsdomänen, der Stern-
warte (s. St. Petersburg). — 1851 Eröffnung der Nikolai-
Bahn. — Beginn des Krimkrieges (1853-1856).
1855-1881 Alexander II. Hikolajewitseh. — 1856 Friedensyeitrag
zu Paris.
1861 Das Emancipationsgesetz (Aufhebung der Leibeigen-
schaft).
1862 Justizreform.
1863 Aufhebung des Systems der Branntweinpacht. — Re-
gelung der Bauernverhältnisse.
1866 Einführung der neuen Gerichtsinstitutionen. 28. Juni
neue Ausgabe des Strafcodez.
1870 Neue Städteordnung (1877 auf die baltischen Provinzen
ausgedehnt).
1874 Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht.
1877-1878 Russisch-türkischer Krieg, beendet durch den Frieden
zu S. Stefano und den Berliner Congress.
2.Ap.l879 Erstes Attentat der Nihilisten. — f 13. März 1881 beim
vierten Attentat der Nihilisten.
Seit 1881 Alexander III. Alexandrowitsoh.
Polen.
Unter den slavischen Völkerschaften an der Weichsel gewannen
im IX. Jahrb. allmählich die Polanen oder Polen die Oberhand ; über
sie herrschte der Sage nach im iz. Jahrb. Piast, der Gründer der
nach ihm benannten Dynastie.
XLII OHRONOLOGISCHE ÜBERSICHT
963 Hieczyslaw I., der vierte Nachfolger Piasts , wird vom
Markgrafen Gero besiegt und nimmt das Christenthum
an (964).
992-1025 Bolealaw I. Clirobry (der Kühne) , der Gründer des
polnischen Reichs, erobert Danzig und Pomerellen,
Schlesien, Mähren und AVeissrussland bis zum Dnjepr.
1139 Wladiglaw Krummaul (1102-1139) theilt die polnischen
Länder (Schlesien, Polen, Sandomir, Krakau) unter
seine vi^r Söhne.
1230 Mongolenelnfall. 1241 Schlacht bei Liegnitz.
1296 Wladislaw Lokietek (dem Kurzen) gelingt die Wieder-
vereinigung der polnischen Länder, Krakau (1320-
1609) Residenz und auch -weiterhin Krönungsstadt.
1334-1370 Kasimir HI., der Grosse.
1386 Wladifllaw Jagello, Grossfürst von Litauen, Gemahl
Hedwig'«, der Tochter Ludwig's von Ungarn (f 1382).
Das litauische Volk, die nördiieiiAn ICachbarn deivPolen, blieb
am längsten imHeidenthum. Die entstehendea rassischen Fürsten-
thümet erstreckten anfangs ihre Macht auch auf litauisches Gebiet,
doch da dieselbe später abnahm , erhielten die Litauer (S. 38)
wieder die Oberhand. 1235 herrscht der erste litauische Grossfürst
Ringold. 1320 erobert der Grossfürst öedtmwiWolhynien, Sewerien,
Tschernigow. Olgerd (1342) dehnt sein« Fdldzüge bis. Moskau aus.
Sein Sohn Jagello, der das Christenthum in Litauen verbreitet,
wird König von Polen.
1410 Sieg über den Deutschen Orden in der Schlacht bei
Tannenberg.
1507-1548 Sigismund I., der vierte Sohn Kasimir's IV.
1548-1572 Sigismund II. 1569 Union zwischen Litauen und Polen,
der Llvland (schon 1561) beitritt.
1572-1574 Interregnum.
1577-1586 Stephan Bathory, einer der besseren und stärkeren Kö-
nige Polens. Siegi'eicher Feldzug gegen die Russen;
Friede zu Sapolje 1582. Gegenreformation.
1586-1632 Sigsimund III., Sohn des schwedischen Königs Johann
Wasa (verm. mit Katharina, Tochter Sigmund's II.).
1674-1696 Johann Sobieski.
1696-1733 August II., Kurfürst von Sachsen. Nordischer Krieg, —
Beim Tode August's II. 1733 entsteht ein kurzer Erb-
folgestreit zwischen den Prätendenten Stanislaus Lesz-
czynski und Kurfürst August Ill.y in dem letzterer siegt.
1733-1763 August III. (Minister Brühl).
1763-1798 StasislauB August Poniatowski.
1772 Erste Theilung Polens. — Aufstand 1792.
1793 Zweite Theilung Polens. — Aufstand 1794.
DER RUSSISCHEN GESCHICHTE. XLIII
1795 Dritte Theilung Polens. Polen hört auf zu exlstiren ;
zu einer Scheinexistenz Terhilft ihm die Zeit Napoleon*s
(1806-1812).
1815 Vereinigung des Herzogthums Warschau mit Russland.
1867 Aufhebung des Reichsraths. Gouvernementsver-
waltung.
Die OstseeproTinzen.
1186 Beginn der Niederlassung von Deutschen die Düna auf-
wärts; Einführung des Christenthums.
1200 Bischof Albert von Apeldern gründet den Orden der
Brüderschaft des Heeres Christi (Schwertorden). 1202
vom Papst bestätigt. 1206 sind die Liven unterworfen ;
Bischof und Ritter theüen sich in die Eroberungen.
1219 Der von Albert gegen die Esten zu Hülfe gerufene
Dänenkönig Waldemar II. gründet Reval. Die Ritter
unterliegen in demselben Jahre den Nowgorodern.
1237 Vereinigung der Schwertritter mit dem Deutschen Orden
zu Viterbo.
1242 Der Deutsche Orden von Alexander Newsky auf dem
Eise des Peipus-Sees entscheidend geschlagen.
1268 Schlacht bei Wesenberg zwischen dem Deutschen Orden
und den Russen und Litauern.
1284 Das unter dänischer Herrschaft aufblühende Reval tritt
dem Hansabunde bei.
1341 Der Orden erwirbt ganz Estland; das sog. Livland reicht
von der Narwa bis zur Memel. Livland besteht aus zwei
Theilen: aus dem der Bischöfe (Riga, Dorpat, Kurland)
und dem des Ordens (Theile Livlands, Semgallens, Kur-
lands und ganz Estland).
1494-1535 Die Glanzzeit des Deutschen Ordens unter dem Heer-
meister Walter von Plettenberg.
1556-1557 Bürgerkriege. Einmischung des polnischen Königs, der
den Heermeister Fürstenberg zu Poswol den Frieden zu
erbitten zwingt (7. Sept. 1557).
1558-1561 Einfall Iwan's IV. Wassiljewitsch. Der alte Ordens-
staat zerfällt in Trümmer. Der Ordensmeister Gotthard
Kettler wird von König Sigismund August von Polen
zum Erblehns-Herzog von Kurland und Semgallen er-
nannt; Estland mit Reval begeben sich durch freie Wahl
der Stände unter schwedischen Schutz und huldigen
dem Könige Erich XIV. Riga behält seine Selbständig-
keit bis 1582.
1582 Stephan Bathory (1577-1586) erobert Livland, ändert
die Verfassung (Constitutiones Livoniaej. Gegenrefor-
mation. Krieg zwischen Russland und Schweden.
XLIV CHRONOLOGISCHE ÜBERSICHT
1600-1617 Krieg zwischen Polen und Schweden. Im Friedens-
schluss zu Stolbowo 1617 wird das nördliche Livland
mit Estland vereinigt und zu schwedischem Besitzthum
gemacht ; 1621 erst Riga von Gustav Adolf erobert.
1632 Errichtung der Universität Dorpat.
1700-1718 Der Nordische Krieg. Der Friede tu Kystad 1721 bringt
die Herzogthümer Estland und Livland an Russland.
1783 Aenderung der Verfassung der Herzogthümer durch
Katkarina II. (das sog. Statthaltersystem).
1796 Wiederherstellung der alten Verfassung durch Kaiser
Paul.
1795 Nach einem Aufstande zwingt der kurländische Adel
der Herzog Ftter Biron (seit 1769) zum Rücktritte und
huldigt Katharina II. Seitdem sind die drei Herzog-
thümer vereinigt, wie zur Zeit der Kreuzherren.
1866 Ukas über die Bezirks - Communalverwaltung in den
Ostseeprovinzen. Gewerbefreiheit.
1877 Einführung der Stadteordnung in den baltischen Pro-
vinzen.
Finnland.
1157 Erik IX. Bonde (1155-1161) landet an der finnischen
Küste, verbreitet das Christenthum ( Bischof Heinrich
von Upsala) , baut Abo (S. 226). 1164 Feindücher Zu-
sammenstoss der Schweden und Russen (Nowgoroder).
Wiederholte Kämpfe der Tavaster mit den Kareliern und
Russen.
1248 Birger Jarl, aus dem Geschlecht der Folkunger, erobert
Tavastland ; gründet Tavastehorg (Tavastehus , S. 225).
1293 Der schwed. Reichverweser Torkel Knudson erobert
Karelien, baut Wyborg, vertheidigt Finnland gegen die
Russen.
1323 Friede zu Orechowez (schwed. Nöteborg, heute Schlüs-
selburg).
1495 Einfall Iwan's L in Finnland. Belagerung von Wiborg
(S.203). Reichsverweser Sten Sture; Waffenstillstand
mit Russland, 1504 erneuert. — 1509 Plünderung Abo's
durch die Dänen.
1523-1560 GhiBtaY Wasa. 1548 erste finnische Uebersetzung des
Neuen Testaments durch Bischof Michael Agricola.
Gründung von Helaingfors (S. 218).
1560-1568 Der Bruderzwist zwischen Erik XIV. und Johann III.
zieht auch Finnland in Mitleidenschaft; ebenso der
litauisch-schwedisch-russische Krieg (1561-1583). 1572
und 1590 Einfälle der Russen und Verwüstung des Lan-
des bis Abo. 1595 Friede zu Twäsin (Teusina).
DER RUSSISCHEN GESCHICHTE. XLV
1596-1599 Bauernaufstand (Kolbenkrieg) in Finnland zu Gunsten
des Herzogs Carl von Südermanland, Oheim Sigismund's
(III.), König in Polen und Schweden, durch Claus Flem-
ming unterdrückt.
1600-1611 Karl IX. gründet Wasa, üleiborg etc.
1611-1617 Schwedisch -russischer Krieg unter Gustav II. Adolf
(1611-1632). Schweden erhält im Frieden zu Stolbowo
Karelien und Kexholm. — Während der Minderjährig-
keit Chri«tina's (1632-1654) wird Graf Peter Brake
Statthalter in Finnland und es beginnt eine der glück-
lichsten Perioden in der Geschichte Finnlands. Univer-
sität zu Abo. Erste vollständige gedruckte Bibel in fin-
nischer Sprache 1642. Gründung von Willmanstrand,
Brahestad u. a.
1654-1660 Karl X.aa8taY. Schwedisch - russischer Krieg (1655-
1661), der erst nach dem Tode KarFs 1661 durch den
Frieden zu Kardis (Bestätigung des Friedens von Stol-
bowa) beendigt wird.
1660-1697 Karl XI. Zunehmende Blüthe Finnlands.
1697-1718 Karl XII. Während des Nordischen Krieges wird Finn-
land vollständig verwüstet. 1710Wiborg und Kexholm,
1713 Helsingfors erobert. 1714 Schlacht bei Storkyro
(Napue). Ganz Finnland wird die Beute der Russen, die
nach der Seeschlacht von Hangö-Udd bis Aland vor-
dringen.
1721 Friede zu Nystad. Schweden tritt ausser den Ostsee-
provinzen , Karelien und Wiborgs-Län an Russland ab.
1741 Der Reichstag beschliesst Russland anzugreifen. (Krieg
der „Hüte"). Der Friede von Abo 7. Aug. 1743 rückt die
russische Grenze bis zum Kymmene-Fluss vor. Um die
Grenze zu schützen, wird Sveaborg (S. 223) erbaut.
1771-1792 GuBtay III., Qraf Sprengporten' s Aufstand. 1776 Kno-
pio, 1779 Taramerfors gegründet. 1788 greift Gustav
Russland an. Belagerung von Frederikshamn und See-
schlacht bei Hogland (S. 216). Verschwörung zu Anjala.
Gustav setzt im Reichstage die „ Vereinigungs - und
Sicherheits-Acte " durch , die ihm das Recht des An-
griffskrieges verleiht. — 1789 neuer Beginn der Feind-
seligkeiten. Seeschlacht im Svensksunde (S. 215).
Der Friede zu Werelä am 14. Aug. 1790 bestätigt die
Grenzen von 1788 und 1743.
1792-1809 Oastav IV. Adolf tritt dem Frieden von Tilsit nicht
bei. Am 21. Febr. 1808 überschreitet das russische Heer
die Grenze ; Sveaborg (S. 223) fällt durch Verrath. See-
schlacht bei Hangö-Udd. Gefechte bei Sikajoki, Rewo-
laks, Jutas, Orawais. 17. Sept. 1809 schliesst Karl XIII.
den Frieden zu Frederikshamn , der ganz Finnland bis
XLVI DIE RUSSISCHE KIRCHE.
an den Tornei und Muonio - Fluss, sowie die Alands-
inselu an Russland bringt.
1816 9. (20.) Febr. Ukas Alexander^B L, der die Erhaltung
der von Schweden überkommenen Verfassung und Reli-
gion bestätigt. Das Grossfürstenthum Finnland erhält
eine Selbstverwaltung unter einem Generalgouveineur.
1863 Erster Landtag seit 1809.
m. Die russische Kirche.
Die Einführung des Christenthums fällt etwa in die Mitte des
X. Jahrh. (S. 88). Nachdem schon Olga, Gemahlin des Fürsten
Igoi von Nowgorod , 957 in Constantinopel die Taufe empfangen,
brachten unter dem Fürsten Wladimir I, Swäto^lawUsch^ der selbst
in Cherson getauft war, 988 griechische Mönche den christlichen
Glauben ausByzanz nach der Hauptstadt Kiew, wo Wladimir durch
Massentaufen im Dnjepr sein Volk dem Christenthum zuführte. „Die
Einführung und Ausbreitung des neuen Glaubens vermochte sich ohne
alle Erschütterung zu vollziehen, besonders deshalb, weil das alte,
russisch-slavischeHeidenthum — im wesentlichen eine Anbetung der
Natur — , keinen bestimmten Priesterstand hatte'' (Kostomarow).
Unter der Herrschaft der Mongolen, welche den Russen ihre an-
gestammten Fürsten und ihren Glauben Hessen ^ übersiedelte der
Grossfürsten Iwan Kaiita 1828 nach Moskau und dieses ward
der volksthümliche und religiöse Mittelpunkt , wo sich das mosko-
witische Zaren- und Patriarchenthum entwickelte. Der Staat er-
starkte , das Mongolenjoch fiel ; die Kirche hatte schon lange die
Oberhoheit des Patriarchats von Byzanz nicht mehr anerkannt und
sonderte sich von der allgemeinen geistigen Bewegung des abend-
ländischen Christenthums ab. 1589 erkannten die orientalischen
Patriarchen auch den Moskauer Metropoliten als fünften Patriarchen
an . In der Mitte des xvii. Jahrh. stellte sich unter dem Zaren Alexei
Michailowitsch der Moskauer Patriarch Nikon (S. 285) an die
Spitze einer Bewegung zur Revision der äusseren Ceremonien und
liturgischen Bücher der russischen Kirche. Ein in Moskau 1667
abgehaltenes Concil billigte auch diese liturgische Reform und be-
schloss, dieselbe in die Kirche einzuführen, nachdem sie 1672 zu
Jerusalem bestätigt war. Diejenigen, welche sich wegen der neuen
Bücher von der Mutterkirche loslösten, nennen sich noch heute
Raskolniki (Geschiedene) und Staiowjerzi (Altgläubige). Später
wurde das Schisma noch bedeutender. Peter der Grosse knüpfte
die Kirche eng an den Staat, indem er 1702 die höchste geistliche
Würde mit der kaiserlichen vereinigte und 1721 in dem „heiligen
Synod'' an die Stelle der personellen obersten Leitung der Kirche
eine coUegiale, im Grunde eine Staatsbehörde, setzte. Der heilige
Synod besteht gegenwärtig nur aus fünf Mitgliedern (Metropoliten
und Bischöfen) und dem Generalprocurator nebst dessen Gehülfen.
Katharina II. zog 1764 das ganze Kircfaengut ein und warf dafür
DIE RUSSISCHE KIRCHE. XL VII
feste Besoldungen aus. Das Reich zerfällt in 62Epa'i*chieen
oder bischöfliche Sprengel, an deren Spitze je ein Erzbischof (Archie-
piskopy) oder Bischof (Episkopy) steht; drei dieser Eparchieen
(St. Petersburg, Moskau, Kiew haben Geistliche vom höchsten Rang,
Metropoliten, zu Verwaltern. In jeder Eparchie besteht ein Con-
sistorium, dessen Präsident der Bischof ist. — Die gesammte Oeist-
lichkeit, nicht durch Gesetz, wohl aber durch Herkommen von der
Laienwelt streng geschieden, zerfällt in zwei ganz gesonderte Theile,
die schwarze oder Kloster geistlickkeit , die Vertreterin der griechi-
schen Tradition, und die weisse oder Weltgeistlichkeit (aber mit
brauner oder blauer Kleidung), die Vertreterin des nationalen Ele-
ments. Aus dpr eratöifiß werden ausschli esslich die zum Coa-
libat gezwungenen höheren Geistlichen: Archieri (Metropoliten,
Erzbischöfe und Bischöfe), Archimandriten (Äbte) und Igumenen
(Prioren) entnommen. Die Zahl der Mönche und Nonnen betrug
1886: 28,786 in 497 Klöstern. Die Weltgeistlichkeit besteht aus
den Protoierei oder Protopopen (dem Range nach unter den Igu-
menen stehend) und den lerei oder Popen , zu denen mit einer Art
von Weihe, aber keiner priesterlichen, noch die Protodiakonen
u. s.w. treten. Die Weltgeistlichen müssen verheirathet sein, stirbt
aber die Frau, so sind sie zum Eintritt in ein Kloster gezwungen.
Der Gegensatz und die Feindschaft zwischen Mönchen und Welt-
geistlichen ist eine charakteristische Eigenthümlichkeit der russi-
schen Kirche. Die Klostergeistlichkeit hat als herrschender Stand
fast 'ausschliesslich die Leitung der Kirche durch Besetzung der
obersten Würden , durch die Censur und Unterstellung der geist-
lichen Lehranstalten (Seminarien, Akademieen); sie wahrt eifer-
süchtig ihren Besitz. — Eine der russischen Kirche elgenthümliche
Erscheinung ist das ausgebreitete Sectenwesen , das hauptsächlich
durch die liturgischen Reformen Nikon's (s. oben) und die von Peter
dem Grossen durchgeführten Veränderungen entstand. Wie der
Gottesdienst nur aus einer Reihe äusserer Handlungen besteht, deren
Verständniss für die Masse lange verloren ist , so sind auch die
Secten von der Mutterkirche und unter sich nur durch Aeusserlich-
keiten unterschieden ; aus der Wichtigkeit , die sie gewonnen haben,
erkennt man , wie stark der religiöse Trieb im Volke ist , zugleich
aber auch, wie wenig die Formen der herrschenden Kirche im
Stande waren, das religiöse Bedürfniss zu befriedigen. — Die Stel-
lung der Geistlichen zum Volke ist in Russland eine von unseren
Verhältnissen wesentlich verschiedene. Der Geistliche ist hier nicht
der Seelsorger seiner Gemeinde, sondern nur der Träger des Cultus,
der Spender der heiligen Sacramente. Er wird mehr in seiner Würde
als in seiner Person geachtet. In der guten Gesellschaft ist nur
selten ein Geistlicher der griech. Kirche sichtbar.
Die remiseh-katholifiche Kirche hat in Russland nächst der
griechischen Kirche die meisten Bekenner; ihr Hauptsitz ist in
Polen und den angrenzenden Gouvernements.
XLVIII
ZUR LITERATUR ÜBER RÜSSLAND.
Die protestantisehe Kirehe, und zwar vorwiegend die luthe-
rische, ist hauptsächlich in Finnland verbreitet, ferner in den balti-
schen Provinzen, in Polen, Litauen und in den deutschen Colonien
Südrusslands.
Unter den Jaden gibt es Talmudisten (in Polen) und KaraUen
(in Taurien). — In den südlichen und ostlichen Provinzen wohnen
auch viele Mohammedaner^ in Asien Anhänger des Brahma^ etc.
Yeneichnisi der russlBohen Eirohen- und Staatsfeste (1888).
t Feste, bei denen die Behörden Sitzungen halten, die Schulen meist
nieht geschlossen sind.
1. Jan.
6. .
2. Febr.
26. >
2. März
4. u. 5. >
25 »
21.'-23.April
24.-25. .
6. Mai
18. >
2. Juni
12.U.13. »
24.
29.
Keujahr.
Erscheinung Christi.
Christi -Darstellung im
Tempel.
Geburtsfest des Kaisers.
Thronbesteigung des
Kaisers Alexander III
Freitag und Samstag in
der Butterwoche.
Maria Verkündigung.
Donnerstag , Freitag,
Samstag der Marter-
(Char-)Woche.
Osterfest.
Geburtsfest des Grossf.
Thronfolgers.
Wasserweihe.
Christi Himmelfahrt.
Pfingsten (zwei Tage).
Geburt Johannes d. T.
Fest der Apostel Petrus^
und Paulus.
t20. Juli
122.
6. August
15.
29.
30.
8. Septbr.
^4.
26.
1. Oetbr.
i22. *
14. Novbr.
6. Decemb.
25.-27. .
Fest des heil. Elias.
Namensfest derKaiserin.
Verklärung Christi.
Maria Himmelfahrt.
Johannis Enthauptung.
Namensfest des Kaisers.
Maria Geburt.
Kreuzes-Erhöhung.
Fest des Evangelisten
Johannes.
Maria Schutz und Für-
bitte.
Fest des Kasan'schen
wunderth. Bildes der
heil. Mutter Gottes.
Geburtsfest derKaiserin.
Maria Opfer.
Fest des heil, wunderth.
Nikolaus.
Weihnaehtefest.
Zur Literatur tlber Enssland.
Historisches.
Karamsin, Geschichte des russischen Reichs (deutsch, Leipzig 1820-
33, 11 Bde.).
Ustrialow, Geschichte Busslands (deutsch. Stattgart 1839-43, 2 Bde.).
Kostomarow, Russische Geschichte in Biographien, St. Petersburg 1873.
Strahl, Geschichte des russischen Staats, fortgesetzt von Herrmann
(Hamburg u. Gotha 1832-66, 7 Bde.).
T. Bernhard!, Geschichte Russlands und der europäischen Politik yon
1814-31 (Leipzig 1836-77, Bd. 1-3).
Beitzke, Geschichte des russischen Krieges von 1812. 2. Aufl. Leip-
zig 1862.
Bulgarin, Russland in histor. Beziehung, Riga und Leipzig 1839 (das
alte Russland).
Röpell, Geschichte Polens, Hamburg 1840 (fortgesetzt von Caro).
Rühs, Finnland und seine Bewohner, Leipzig 1809.
Schnitzler, L^Empire des Tsars au point actuel de la seienee. 4 vols.
Paris 1856-69.
Uerrmann, Zeitgenössische Berichte zur Geschichte Russlands, Leip-
zig 1875.
ZUR LITERATUR ÜBER RUSSLAND. XLIX
Koskinen, Finnisebe Geschichte von den frühesten Zeiten bis auf die
Gegenwart, Leipzig 1874.
Leroy-Beaulieu, L^empire des Tsars. Paris 1883.
Das russische Reich in Europa, eine Studie. Berlin 1884.
Sarmaticus, Von der Weichsel zum Dnjepr. Hannover 1886.
Biermann, Ans baltischer Vorzeit. Vorlesungen über die Geschichte
der Ostseeprovinzen, Leipzig 1875.
Ueber die Oeichiehte der rusnschen Literatur s. Schewirew (1606-1866),
4 Bde. •, Buslajew, Historischer Abriss , 2 Bde. ; Tichonrawow, Jahrbuch ;
Galachow; Pekarsky Cf 1873), Geschichte der Akademie der Wissen-
schaften, 2 Bde., etc.
Land und Leute.
Erdmann, Beiträge zur Kßnntniss des Innern von Bussland, Riga und
Leipzig 1822-1825.
Kohl, Die deutsch-russischen Ostseeprovinzen, Leipzig 1841.
Kohl, Reisen im Innern von Russland und Polen, Leipzig 1841 (Keue
Auflage).
V. Haxthausen, Studien über die inneren Zustände etc., Berlin 1847-1852.
Galltzin, La Finlande etc., 1852.
Castr^n's Reisen im Norden. Aus dem Schwed., Leipzig 1853.
G. Retzius, Finnland, deutseh von G. Appel, Berlin 1885.
Eckardt, Russlands ländliche Zustände, Leipzig 1875.
Russland am 1. Jan. 1871. Von einem Russen, Leipzig 1871.
Eckardt, Baltische und russische Culturstudien etc. 2. Aufl., Leip-
zig 1876.
Eckardt, Die baltischen Provinzen Russlands. 2. Aufl., Leipzig 1869.
Walker, Die russische Agrarfrage, Berlin 1874.
Das neue Russland, Berlin 1878.
V. Lengenfeldt, Russland im 19. Jahrhundert, Berlin 1875.
Hoffmeister, Das europäische Russland, Berlin 1876.
The Russians of To-day, London 1878.
Sehmeidler, Das russische Reich unter Alexander II., Berlin 1878.
Wallaee, Russland. Aus dem Englischen, Leipzig 1879.
Reisewerke.
Willkomm, Streifzüge durch die baltischen Provinzen, Dorpat 1672.
Proctor, A Russian joumey, Boston 1873.
Weber, F., Reiseerinnerungen aus Russland, Leipzig 1873.
Guthrie, Through Rnssia, London 1874.
Aubel, Ein Polarsommer. Reise nach Lappland und Kanin, Leip-
zig 1874.
Hunfalvy, Reise in den Ostseeprovinzen Russlands, Leipzig 1873.
Wahl, The land of the Czar, London 1875.
Hiljukow, Sommerfahrt durch Russland, St. Petersburg 1874 (Russ.).
Graf V. LeublEng, Wanderungen im westliehen Russland, Leipzig 1875.
Heyking, Reisebilder aus dem europ. Russland etc., Leipzig 1878.
Zschokke, Reisebilder aus Finnland und Russland, Wien 1878.
Owsjannikow, Geogr. Bilder «nd. Skizzen, St. Petersburg 1878.
Th. von Bayer, Reiseeindrüeke und Skizzen aus Russland. Stutt-
gart 1886.
Topelius, Eine Reise in Finnland (Prachtwerk). Leipzig 1874.
Unterhaltungsliteratur.
V. Lengenfeldt Skizzen aus Russland, Berlin 1877.
Aus der Petersburger Gesellschaft, 5. Aufl., Leipzig 1880. Keue Folge,
3. Aufl., ebenda 1881.
Golowin, Russland unter Alexander II., Leipzig 1871.
Ueber die geistigen Strömungen im heutigen Russland, insbesondere
über den Nihilismus, handeln die trefflichen Romane von Iwan Tur-
genjew (namentlich Väter und Söhne, Rauch, Neuland u. a.).
Russland. 2. Aufl.
DAS RUSSISCHE ALPHABET.
Vgl. d€n Sprachführer.
Ointelr. Scbieilisclii.
ummsL
Dinctsclir.
scHiettscliT.
Beneimiuis
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Cl>y4JU
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I. DAS GENERALGOUVERNEMENT WARSCHAU.
Boute Seite
1. Von Berlin nach Warschau 1
1. Gieeboeinek 2. —3. Brest. Die Badziwiirschen Schlös-
ser Arkadia und !Nieboröw 2.
2. Ton Breslau oder Wien nach Warschau .... 4
1. Von Dombrowa nach Iwangorod. Die polnische
Schweiz 5. — 2. Von Eolusehki nach Lodz. Von
Kolusehki nach Ostrowetz 8.
3. Warschau und Umgebungen 9
1. Marymont; Bielany; Militär - Lager bei Pow%ski;
Wahlebene 5 Wola 26. — 2. Gzerniaköw; Wilanow ; Mo-
rysin ; Katolin ; Krolikarnia ; Wierzbno ; Mokotow 27.
— 3. Bialolenka; Grochow und Wawer 28.
4. Von Warschau nach Nowo - Georgiewsk , Mtawa
(Marienburg) und Giechocinek 30
1. Eisenbahnfahrt von Warschau bis Hiawa. 90. —
2. Weichselfahrt von Warschau nach Giechoeinek 31.
5. Von Warschau über Iwangorod und Lublin nach
Kowel ..33
1. Von Berlin nach Warschau«
629 km. Abfahrt von Berlin Schlesischer Bahnhof (täglich 2 Züge) ;
Fahrzeit bis Warschau (durchgehende Wagen) Gourierzug 15 St., Personen-
zug 22 St. Schlafwagen von Berlin u. Alezandrowo. Von der Benutzung
der 3. Gl. der Personenzüge ist selbst dem weniger bemittelten Beisenden
abzurathen. Bis zur russischen Grenze (Alexandrowo) Preis: Gourierzug
«4( 36.90, 27.50^ Personenzug »#33.30, 34.90, 19.20; von Alexandrowo bis
Warschau Gourierzug 1. Gl. 9 Rubel 16 Kopeken, 2. Ol. 6.89 B. ; Personen-
zug 7.95, 5.9(3, 3.15 B., welche nach dem Tagescurse in Mark umgerechnet
werden. Directe Billets, 6-10 Tage gültig; 25 kg Freigepäck. Zollrevision
nach Bussland in Alexandrowo \ von Bussland : Handgepäck in Otlotschin,
grösseres Gepäck in Thorn. Gepäck von Alexandrowo bis Warschau 6 kg
361/2 Kop. — Die Warschauer Zeit ist gegen Alexandrowo 10 Min. vor.
Bufi'ets auf den russisehen Hauptstationen meist gut.
Von Berlin bis (386 km) Thorn (Fahrzeit Courierzug 8 St.,
Personenzug 9V2"i4r St.) s. Badeker*$ Norddeutschland. Der Zug
passirt die letzte preuss. Station (400 km) Otlotschin, poln. Ot-
loezyn , und fährt langsam über die russische Grenze , welche hier
durch ein Nebenflüsschen der Weichsel, die Tonschina (poln.
Tqszynä) gebildet wird.
404 km Alexandrowo (AjeKcaHxpoBo). c. 1 St. Aufenthalt.
Sobald der Zug hält , werden den Reisenden die Pässe abgefor-
dert; vorheriges Aussteigen ist nicht gestattet. Dann erfolgt die
Zollrevision. Längs des Perrons stehen in gleichen Abständen
8-10 Gensdarmen, die hier, wie auf allen russischen Bahnstationen,
die polizeiliehe Aufsicht führen und die Stelle der Polizeisoldaten
Bussland. 2. Aufl. 1
2 Route 1, ALEXANDROWO. Van Berlin
oder Gorodowois (ropoxoBoS) vertreten. Der Eintritt in das russisch»
Beicli ist leider immer noch mit vielen Formalitäten verknüpft.
Alle CoHp^s werden durchsucht, das ausgestiegene Reisepuhlikum
von den Gensdarmen in Empfang genommen und in einen grossen
Saal (Zollkammer) zur Gepäckrevision dirigirt. Hinter den Ein-'
tretenden wird die Thür geschlossen und von 2 Gensdarmen besetzt-
Mit der russischen Sprache hat man hier noch keine Schwierig*
keiten. Die Revision geschieht unter Aufsicht von höheren Beamten
des Zoll- und Polizeifachs, Offizieren der Gensdarmerie etc. Ob*
gleich das im Saal anwesende niedere Hülfspersonal ebenso zahl*
reich ist wie die ankommenden Reisenden, nimmt die sehr gründ*
liehe Revision geraume Zeit in Anspruch, gewohnlich eine Stunde«
Nachsicht wird weder gegen den Inländer, selbst nicht gegen rus*
sische Offiziere, noch gegen den Ausländer geübt. Verdächtige
Leute werden bis auf das Hemde untersucht und müssen zuweilen
die Stiefel ausziehen, weil es namentlich bei jüdischen Handels-*'
leuten vorgekommen ist, dass sie Spitzen, Diamanten oder sonstig»
Contrebande darin versteckt hatten.
Es wird hier nochmals daran erinnert (0. Einleit. 8. xiii), dass man
nicht vergessen darf, in Berlin, Danzig ete. den PaM mit dem Visa des
russischen Gesandten oder Generalconsuls versehen zu lajsusen, weil man
sonst in die unangenehme Lage versetzt wird, in der Grenzstation warten
zu müssen, bis der nach Berlin geschickte Pass mit dem Visa zurückkommt.
Der preussische Zug wartet, um event. Beisende, deren Pass nicht in
Ordnung ist, zurück zu befördern.
Ist der Stempel mit dem kaiserlichen Adler auf die Reisetasche
geklebt, so hebt sich vor dem Reisenden die eiserne Fallstange, welche
den Ausgang nach dem Büffet schliesst. Es bleibt noch Zeit genug,,
um sich hier durch eine Tasse Theo zu erwärmen und einen Imbis»
zu sich zu nehmen, resp. Geld zu wechseln, wenn man das noch
nicht gethan haben sollte (s. Einl. S. xu).
Xaeh Giechocinek, 7 km., Zweigbahn von Alezandrowo in 11 Hin.,
für 26, aO, 10 Kop. Oieohoeinek, I|ftxoipBon (Gasth. : MülUr^ nicht billig v
Warichaißtki)^ mit Salzquellen und Salinen, am 1. Ufer der Weichsel, wird
wegen seiner Soolbäder im Sommer viel besucht.
Nach V» St. fährt der russische Zug am Perron vor. Sobald die
Reisenden Platz genommen, werden die Pässe zurückgegeben. Die
Bahn durchschneidet bis Warschau die Ebenen des jetzigen General*-
Gouvernements Warschau, das alte Kujavien undMasovien; nur
der südliche Theil, die Heimat der Piasten, ist wellig ; leichte Er*
hebungen, meist von umfangreichen Wäldern bedeckt, begleiten
die Ufer der Weichsel (Wisla) und Piliza (Pilica). W. von Warschau,^
an der Bzura , dem Ner und der Warthe , beginnen ausgedehnte,..
meist mit Erlenwäldern bedeckte Sümpfe, die sich bis an die Grenze
Posens ziehen. Streckenweise sieht man den Wald auf c 100 Schritt
zu beiden Seiten der Bahn abgehauen, wozu die russische Regierung
während des polnischen Aufstandes 1863 schritt, um die Insur*
genten zu verhindern, aus dem Hinterhalte der Wälder die Eisen»
bahnzüge anzugreifen. Wegen des meist ungünstigen Bodens in
diesem Gouvernement ist der Feldbai^ schlecht bestellt, mit Aus*
nach Warschau. SKIERNIEWITZ. 1, Route. 3
nähme der an der Weichsel gelegenen Theüe, namentlich desweizen-^
berühmten Kujayiens zwischen der mittlem Netze und Weichsel.
Fetter Lehmhoden wechselt hier mit Sandstrecken. Ah und zu
zeigen sich elende, unfreundliche Dörfer mit jammervollen , meist
schiefstehenden, grauschwarzen Holzhütten, yon Stroh- oder Schilf-
dächern bedeckt.
Die Bahn führt längs des 1. Weichselufers , dessen Hohen von
denen des r. Ufers dominirt werden , über (14 Werst) Nieazawa
(Htmasa, S. 33) nach
3Ö Werst WioohiWf k, BjomascKi (Bahnrestaur., 8 Min. Aufent-
halt; Hdt.: Drei Kronen, theuer; Poltki; *Maaowietzki)y Kreis-
stadt mit 20,662 Einw., durch seine Lage am 1. Ufer der Weichsel
auf fruchtbarem Weizenboden ein Hauptstapelplatz für den Getreide-
handel (Jahresumsatz ca. 15 Hill. oM\ mit einer Kathedrale und
3 Kirchen.
14 km s.w. liegt Brett (poln. Sr«e«c)^le ehem. Hauptstadt Eujaviens>
daher mit dem Beinamen JTt^atfffiH (2750 Einw.), in einer Ebene zwischen
Morästen, mit alten Mauern, Wällen und Gräben umgeben.
ÖO W. Kowal (KoBajb) , ö W. von dem gleichn. Städtchen —
73 W. Ostrowy (OcTpoBH) , Dorf mit grossen Rübenzuckerfabriken
(das Gouvernement Warschau hat 20 Rübenzuckerfabriken, welche
7% allen russischen Zuckers liefern). — 86 W.Kutao (Kyino, •Bahn-
restaur.), Stadt an der Okhna, mit 13,300 Einw. — 104 W. Pnjewo
(ÜHtBO). — Dann über die Bzura und deren Sumpf nie derung nach
129 W. Lowitsohy Lowiez (Jonmi), Kreisstadt von 3800 Einw.,
auf dem r. Ufer der Bzura, ansehnlicher Ort mit stattlichen Strassen,
einer schönen Stifts- und vier andern Kirchen, altem Schloss mit
schönem Park und grosser Kavalleriekaseme. Bedeutende Pferde-
und Viehmärkte, Gerbereien, Lein Webereien.
14 km südl. von Lowiez, in der Richtung auf Brzezin, das Dorf
Lyizltowice (JbdUDDROBHi^) mit einer grossen Bübenzuekerfabrik. — Oestl.
an der Strasse nach Bolimöw, Arkadia, ein dem Fürsten Radziwill ge-
höriges prachtvolles Schloss mit reichen Eunstschätzen und grossem Park
mit reizend gelegenem See. Weiter östlich Kieboröw, ein anderes altes
Schloss der Radziwill, mit werthvollen Gemälden, Bibliothek, schönen
Gartenanlagen und grosser Orangerie.
150 W. Skiemlewiti, <Sfci€mi«t&ic€, GKepHCBHiui (*Bahnrestaur.),
Knotenpunkt der Wien- Warschauer Bahn (s. S. 9). Die unweit der
Bahn gelegene Kreisstadt (3716 Einw.) treibt ansehnlichen Handel
und besitzt grosse Xuchmachereien. Schönes Schloss , zu den Be-
sitzungen der aus Kleinrussland stammenden Familie Paskewitsch
gehörig, deren berühmtestes Mitglied, Iwan Fedorow itsch, Graf von
Eriwan, Fürst vonWarschau (1782-1856) durch die Erstürmung von
Warschau 1831 (S. 27) den polnischen Aufstand beendete. 1884
vom 15. bis 18. September fand hier die Zusammenkunft der drei
Kaiser statt.
Skierniewitz war ehemals die Residenz des Erzbischofs von
Gnesen, Fürsten Primas von Polen und wurde neb st ausgedehnten
Domänen , welche von der preussischen Regie rung nach der
1*
4 Boute 2. SOSNOWITZ.
Theilung Polens eingezogen worden waren, vom Kaiser Alexander I.
der polnischen Gräfin Johanna Grudzinska verliehen, welche 1820
die Gattin des Grossfürsten Constantin Gäsarewitsch Pawlowitsch,
zweiten Sohnes des Kaisers Paul 1., und bei dieser Gelegenheit zur
Fürstin von fcowicz erhoben wurde (+ 1831).
Die Bahn überschreitet die Rawka, einen Nebenfluss der Bzura,
und führt dann geradeaus in n. Ö. Richtung nach Warschau. 159 W.
Radziwillöw (Paii3HBHJJ0Bi). — 171 W. Bada Gusowskaja (Py^a
rysoBCKaii), mit einer grossen durch den Franzosen G^rard gegrün-
deten Wollfabrik. In der Nahe befinden sich die grössten Zucker-
fabrik^i Polens (s. S. 3): Ouxow, Hermanow und Orysckew; ferner
Zyrardöw, mit grosser Leinenfabrik.
178 W. Jaktorowa (flKTOpOBa). — 184 W. Orodisk (rpoxHCKi).
mit schönem Park. — 190 W. Brwinow (EpBHHOBo). — 196 W.
Pruschkow (IIpymKOB'B). — 204 W. Wlochi (Bjoxh). — Aus-
gedehnte Nadel- u. Laubwälder, zahlreiche Sommervillen. Die
Bahn führt durch das Jerusalemer Thor {Rogatki Jerozolimskie,
lepycojHHCKaii sacraBa) und mündet Im Wien -Warschauer Bahn-
hofe, an der Marschall - Strasse (MapmaiKOBCKafl), fast im Gentrum
der Stadt.
212 W. Warschau, s. S. 9.
2. Von Breslau oder Wien nach Warschan.
Von Breslau nach Wartchau (505 km) Gourierzug in I41/2 St., Sehnell-
zug in 16 St. Abfahrt vom Obersehlesisehen Bahnhof (Schlafwagen). Von
Breslau bis zur russ. Grenze (Sosnowitz) Gourierzug eK 17.10, 12.80; Per-
sonenzug «^ 17, 12.70, 8.70; von Sosnowitz bis Warschau (291 Werst =310 km)
Courierzug 12.66, 9.51 B. , Personenzug 11.01, 8.27, d.37 B. Gepäck pr.
6 kg 36.4 Kopeken. Die Warschauer Zeit ist gegen Sosnowitz 8 Min. vor.
Von Wien nach Warschau (712 km) Eilzug in 2IV2 St., Personenzug in
24 St. Abfahrt vom Kordbahnhof (durchgehende und Schlafwagen) ; Fahr-
preise bis zur russischen Grenze (Granitza) Eilzug 23 fl. 71, 17 fl. 38 kr.,
Personenzug 19 fl. 80, 14 fl. 91, 9 fl. 88 kr. ; von Granitza bis Warschau
(288 Werst = 305 km), Gourierzug 12.55, 9.43 B. , Personenzug 10.91, 8.19,
4.31 B.
Das russische Generalgouvernement Warschau oder Polen be-
treten wir von Breslau resp. Dresden kommend, nach dem Verlassen
der letzten preussischen Station Kattowitz, bei Sosnowitz {Sosno-
wictj CocHOBHiiu), von Wien kommend über Szczakowa bei Granitza
{Granica, FpaHHKa). Auf beiden Stationen Revision der Pässe und
des Gepäcks, vgl, S. 1 (lV2-2St. Aufenthalt; gute Restauration).
Die Gegenden, durch welche die Bahn führt, sind nicht ohne
Interesse; einmal durch landschaftliche Schönheit, wenigstens
bis Tschenstochau, ferner weil das Gouvernement Petrikau das
industriereichste Polens ist (Baumwollwebereien, Wollspinne-
reien, bedeutende Bergwerke u. s. w.). Die Bahn durchschneidet
zunächst das im Durchschnitt 200— 300 m Über dem Meeresspiegel
erhabene oberschlesisch -polnische oder kleinpolnische Plateau,
DOMBROWA. 2. Route. 5-
welchem tief eingeschnittene Thäler und Flussläufe oft einen 6e-
birgscharakter yerleihen. Zwischen Zombkowitz und Tschenstochau-
erreicht dieses Plateau seine höchste Erhebung, die Wasserscheide
zwischen Weichsel, Oder und Wartha. Es ist das alte Herzogthum
Severien mit der Hauptstadt Siewierz, welches 1473 von dem Her-
zoge Yon Xeschen an das Bisthum Krakau verkauft wurde und somit
an Polen kam. lieber [dem Plateau, das hier aus höhlenreichem
Jurakalkstein besteht, thürmen sich an 30m hohe isolirte Felsen
auf, welche , von Krakau an sich n. n. w. bis in die Gegend von
Wielun hinziehend, die sog. polnische Schweiz (s. unten) bilden.
Yon Tschenstochau ab senkt sich das Plateau mehr und mehr, und
n. von Badomsk betreten wir das polnische Tiefland. — Der Boden,
grosstentheils fruchtbarer Weizenboden, vielfach von Wiesen, Moo-
ren und Wäldern unterbrochen, ist mehr der Kultur zugänglich ge-
macht, während n. von Petrikau die grossen Sümpfe und undurch-
dringlichen Waldflächen beginnen , in welchen zahlreiches Raub-
wild, der Bär, Wolf und Luchs Schutz finden. In allen kleinen an
der Bahn gelegenen Städten stehen russische Truppen, namentlich
Infanterie.
Die erste Station von Sosnowitz aus ist (9 Werst) Dombrowa
{Dqbrowa, Ao^^posa; man übernachtet besser in Sosnowitz oder
Bendzin, s. unten), in dem grossen polnischen*Kohlenbecken (S. 9)
mit einer jährlichen Production von 2 Mill. Tons Steinkohlen (das
Flötz hat eine Mächtigkeit bis zu 14 m und wird z. Th. zu Tage
bearbeitet), dem Eisen- und Stahlwerk Huta Bankowa, welches
die Schienen für die russichen Eisenbahnen liefert, Zinkhütten,
Maschinenfabriken und Ziegeleien.
Von Dombrowa naeb Iwangorod 278 W. in 16 St. für 10 B. 46,
7 B. 85, 4 B. 1 Kop. Die wichtigsten Stationen sind : 6 W. Strjemietchitz
(s. unten), Kreuzungspunkt der Warschau -Wiener Bahn. — 27 W. 01-
Jnuch mit alter CJollegialkirche und Galmei-Gruben. — Lohnender Aus-
flug nach (20 km) dem Dorfe Opxöw (Oyeöw) , am Eingang des ca. 15 km
langen engen Felsenthales des forellenreichen Prondnih^ welcher bei
Krakau in die Weichsel mündet, der sogen. Polnxaehen Schweiz. Nadel-
wälder, wohlerhaltene Burgruinen und grosse Tropfsteinhöhlen im Jura-
kalkstein, welche reiche Ausbeute an Fossilien gewähren, machen das
Thal EU einem beliebten Sommerfrischort der Bewohner von Krakau
und Warschau; in dem breitesten Theile desselben das Hotel Pod Lo-
kietkiem und zahlreiche Villen und Sommerwohnungen.
63 W. Xiech^w (M«xobi>), Kreisstadt etwa 6 W. von der Station ent-
fernt, dessen Lage der von Jerusalem ähnlich sein soll; in der Kirche
des ehemaligen Besurrectionistenklosters eine grosse Orgel. — Hinter
Miechow 1. die schönbewaldeten Kreuzberger die letzten n. Ausläufer
der Karpathen; auf der höchsten Kuppe ein alterthümliches Mönchs-
kloster. — 105 W. Jendrzejöw (J^drzejötD^ An^peeBoJ , mit grossen Gefäng-
nissgebäuden. — 145 W. Kielce (KeJ^.^e) , Gubernialstadt (8000 Einw.) in
Schöner Lage mit zahlreichen Eisengruben und Hohöfen. — 167 W. Bsin^
Knotenpunkt der Bahn Koluschki - Ostrowetz (S. 9). — 278 W. Itmn-
gorod (S. 33).
Die erste Haltestelle an der Linie von Granitza ist Bendzin
(BeHASHHl), Kreisstadt mit 8000 meist jüdischen Einw. und einer
ansehnlichen Burgruine. In der Nähe die grosse Cementfabrik
6 Boute 2. TSCHENSTOCHAU. Von Wien
Orodziec und bedeutende Ealköfen. — ßW. Strjemieschitz (Strzt-
mieszyce, CrpseHtniHae). Beide Bahnlinien yereinigen sich bei
16 W. (17 km) Zombkowits {Zqbkoudce, doHÖKOBHue; Bahn-
restaur.) , bekannt durch die reichen Kohlen- , Eisen- und Zinn-
gruben der Nachbarschaft.
Folgen die kleinen Stationen Lazy, Zawiercie, Myschkow und
Poraj.
11 W. ö. von Lazy liegt Ogrodxienieiz y die Stammburg der mäehtigen
Firleji \ 20 W. Piliza , früher im Besitz der Fürsten Zbarawski.
Die Bahn überschreitet die Wartha und ihre sumpfige Niede-
rung und erreicht
75 W. TsehexLBtochan {Cz^stochovsa, HeHCTOxoBi), auch Jama-
göra genannt (•Bahnrestaur. — Ziemlich guter Gasthof in Alt-
Tschenstochau) , Kreisstadt und berühmter Wallfahrtsort (15,522
Einw.), Die Altstadt mit c. 8000 Einw., auf beiden Seiten der
Wartha, brannte im J. 1770 fast ganz ab und wurde später zum
grössten Theile neu und regelmässig aufgebaut. Eine prachtvolle
Allee führt von der Vorstadt 8t. Barbara nach Neu-TschenstochaUj
c. 2km von der Altstadt, am Fusse desKlarenberges gelegen. Haupt-
erwerbszweig der Einwohner ist die Verpflegung der zahlreichen
Pilger (jährlich 50-60,000), sowie der Handel mit Heiligenbildern,
Rosenkränzen etc. Das Ziel der Pilger ist das auf dem steilen
Klarenberge oder Jasnagöra 1. von der Bahn liegende Paulaner~
Kloster, von den Mönchen des h. Paul des Eremiten bewohnt, ehe-
mals berühmt durch seine für unermesslich erachteten Schätze,
auch jetzt noch sehr reich. Das Kloster, durch seine hohe Lage
weithin sichtbar, gleicht einer kleinen Festung und ist von einer
hohen fünfeckigen Mauer umgeben. Es umschliesst den herrlichen
Dom mit dem berühmten Muttergottesbilde (Regina RegniPoloniae).
Das Eremitenkloster y von König Wladislaus Jagiello gestiftet, war einst
so reich, dass ihm der 15. Theil sämmtlicher Güter in Polen gehörte
oder verpfändet war. 1430 überfielen und plünderten die Hussiten das
Kloster; 1500 wurde der Anfang mit seiner Befestigung gemacht, welche
mit der Zeit immer mehr verstärkt wurde. Ein Ordensgeistlieher war
zugleich Festunsscommandant •, doch seit der polnischen Reichstagseon-
fltitution von 1760 wurde ein weltlicher Commandant vom Könige in-
stallirt. 1655 wurde das Kloster durch seinen Prior Kordetz (S. 8) glor-
reich gegen die Schweden vertheidigt. Zweimal (1655 und 1657) flüch-
tete sich König Johann Kasimir hinter seine Hauern. 1704 belagerten
10,000 Schweden von neuem das Kloster, welches die Mönche mit Erfolg
hielten. 1773 erlag es, trotz muthiger Vertheidigung durch Kasimir Pu-
lawski, einen der Urheber der Gonföderation von Bar (S. 8), dem Angriff
der russischen Truppen , 1793 dem der Preussen. — Am 19. Xov. 1806
ergab sich das befestigte und mit 500 Mann und 33 Geschützen besetzte
Kloster den Franzosen. Auch 1809 wurde es arg mitgenommen und 1813
die Wälle geschleift; gleichwohl galt es später bei politischen Demon-
strationen als Hort der Polen.
Beim Besteigen des Klarenberges erblickt man zwischen dem
Kloster und der Neustadt lange Reihen von Buden mit Victualien,
Heiligenbildern , Rosenkränzen und andern Artikeln. Schon von
weitem ist der hohe Thurm, welcher das Kirchendach in sieben
nach Warschau. TSCHENSTOCHAU. 5. Route. 7
Absätzen überragt , sichtbar. Bie drei letzten sind von Holz ; am
dritten und vierten Absatz sind Gallerien. Auf der Spitze drei
Kugeln über einander, die eine Fahne tragen, anf weleher ein Rabe
mit einem Brote im Schnabel sitzt. (Dem h. Faul dem Einsiedler,
der im in. Jahrh. in Aegypten lebte, soll nach der Legende ein Rabe
täglich einen halben Laib Brot zu seiner Nahrung gebracht haben.)
Der zweite kleinere Thurm (Dachreiter) tragt an der Spitz« eine
Messingkrone mit Stern und Kreuz ; ausserdem sind noch 5 kleine
Thürme vorhanden. — Ueber dem ersten Thor ein Muttergottes-
bild und der h. Michael mit Schwert und Schild, daneben die
h. h. Paul und Antonius. Unter dem Bilde die Worte : „Sub tuum
praesidium** und das Wappen Oeorg Lubomlxski's , vrelcher 1723
dieses Thor bauefn Hess. Dann über eine Zugbrücke zum zweiten
Thore mit dem Marmorbilde des polnischen Königs 'Stanislaus
August. Das dritte Thor ist mit dem Bilde der schmerzhaften
Mutter Gottes geziert. Dann folgt eine zweite Brücke und das
vierte Thor mit dem Bilde Wladislaus', Herzogs von Oppeln , wie
«r das Heiligthum den München des h. Paul übergiebt <s. unten).
Das Innere der Kirche ist sehr geräumig (Bauu für Ö - 6000 Xen8ehe&>.
Zu beiden Seiten des bis an die Decke reiehenden HoehaUars^ der Him-
melfahrt Maria geweiht, stehen die vier Evangelisten. Ausserdem be-
sitzt die Kirche viele Altäre und vier Kapellen, welche dem Einsiedler
Paul, dem h. Antonius, den h. Schutzengeln und den R^lquien der
Heiligen gewidmet sind. (Die vierte Kapelle befindet sieh unter der
dritten, in der Eweiten und dritten einige Marmordenkmäler.) An der
Evangelienseite ist die grosse und geräumige Sakristei, daneben die
JSchatzkammer, In letzterer: ein alter rother Ornat nach orientalischem
Schnitt, ein Geschenk des Beravogs WladisUus, ein Stuhl au« Eiohenholz
von Kasimir d. Gr. (1333-1370)^ ein Ornat von der polnischen Königin
Hedwig (1393), ein Altar, vor welchem der heilige Konig Kasimir betete,
Schwerter, Uhren und Bilder, grösstentheils Weihgeschenke, besonders
kostbar eine ffolden« Uonttrant^ mit 2366 Edelsteinen und 213 Perlen
besät, in Fonn eines Weinstockes; auf den goldenen mit Brillanten
reich besetzten Strahlen entfalten sich die Blätter und Trauben, die
einzelnen Beeren sind Bubinen. Auch preussisehe Könige, wie Friedrich
Wilhelm II., haben Weihgeaehmke dargebracht.
Das berühmte Onadenbild, die *chtDarze Madonna ^ ein auf Cypressen-
holz gemaltes, schwarzbraunes und sehr unscheinbares, aber kostbar ge-
schmücktes Bild der Mutter Gottes mit dem Jesuskinde*, befindet sich in
einer eigenen Kapelle im Klostergange. Dasselbe soU von dem Evange-
listen JLucas herrühren und im Besitze der Kaiserin Helena gewesen sein.
Durch den russischen Fürsten Leon kam es nach Beiz in Galizien und
wurde endlich durch Wladislaus, Herzog von Oppeln, 1382 nach Tschen^
atochau gebracht, um es vor den. Tataren zu sichern. Wladislaus hatte
aus Buda (Ungarnj die Paulaner-Könche berufen und ihrer Obhut das Bild
übergeben. 1430 raubten die Hussiten dasselbe und brachten ihm eine
noch sichtbare Verletzung bei ; auf wunderbare Weise soll eB wieder nach
Tsehenstoehau zurückgekommen sein. Der Gnadenaltar^ der das Bild ent-
hält, ist von Ebenholz mit vier Pfeilern und seeha silbernen Engeln geziert
und mit unzähligen Votivtafeln behängt. Von 6 Uhr Morgens bis Mittags
und von 3 Uhr bis Abends wird das Bild von seiner Hülle befreit. Un-
aufhörlich liegen vor demselben Andächtige auf den Knleen, besonders
zur Zeit des Ifamensfestes Maria (September) ist die Kirche gedrängt voll.
Die Mehrzahl der Pilger sind polnische Landleute in Ihren eigenthüm-
lichen Trachten.
An der Aussenseite dieser Kapelle hinter dem Altare, schon
6 Route 2. PETRIKAÜ. Von Wien
in weiter Ferne sichtbar , eine Copie der schwarzen Madonna in
Biesengrösse. Sobald die Pilger am Fusse des Klarenberges der-
selben ansichtig werden, werfen sie sich auf ihr Antlitz nieder;
ebenso nehmen sie bei ihrer Rückkehr wieder Abschied.
Ausserhalb ist die Klosterseite mit einem Garten umgeben.
Yor dem Gebäude steht ein Denkmal, welches 1861 Kaiser Alexan-»
der II. dem tapfern Prior Kordetz (S. 6} setzen Hess.
ypm Klarenberge Öffnet sich eine weite ^Aussicht über das um-
liegende Land. Nach N. blickt man in die Niederungen , welche
dem Laufe der Wartha folgen ; nach W. ziehen sich die Hügelebenen
Schlesiens zur Oder hin; nach 0. liegt eine Landschaft, welche»
Ton oben gesehen, zwar als Plateau erscheint, in der That jedoch
wegen der steilen und engen , von den Gewässern überall einge-
rissenen Schluchten eher als ein vielfach zerspaltenes Hügelland
zu bezeichnen ist. Weiter 6. steigt der Westrand des Sandiymirer
Gebirges mit den scharf ausgezackten Felsenkämmen der 6-700 m
hohen LyaaOöra (kahler Berg) empor. — Unweit ö. von Tschensto-
chau die alte Burg (11km) Olsztyn (OibrnTUHi) und (10 km) das
Kloster Mstow {McroB'h),
Jenseit Tschenstochau begleiten uns links die Ausläufer des
Berglandes , rechts die Sumpfniederungen der Wartha. — 85 W.
Budniki (PyAHHKH). — 95 W. Klomnitz (KiOMHHqe). — 102 W.
Widzow (Bhasobi). — Vor (113 W.) Radomsk (Pa^OHCKi), Kreis-
städtchen (3853 Einw.) mit schönem Rathhaus und Franziskaner-
kloster, tritt die Bahn wieder auf das r. Ufer der Wartha.
lieber Kamiensko, Oorschkowitz, Rosprza nach
155 W. Petrikau {Petrokow, Piotrkow, UeTpOKOBi. — Bahn-
restaur.) , Gouvernements- und Kreisstadt (25,000 Einw.) , an
dem kleinen Fluss Stradra, Nebenfluss der Piliza, eine herunter-
gekommene Stadt mit schönem Rathhaus, vier alten Klöstern und
9 Kirchen (1 luth. , 1 griech. , 7 kath.) , verfallenem Schloss und
einer ausschliesslich von Juden bewohnten Vorstadt. Petrikau ist
eine der ältesten Städte Polens. Im xv. und xvi. Jahrh. wurden
unter den Jagellonen hier die Reichstage abgehalten und die Könige
gewählt; später war Petrikau der Sitz des Oberlandesgerichts (des
alten Krontribunals) für die grosspolnischen Provinzen. König
Kasimir der Grosse Hess die Stadt mit einer Mauer umgeben.
1702 wurde sie von den Schweden gebrandschatzt, welche jedoch,
von einem polnischen Corps überfallen , ihre mit Gold beladeneh
Wagen den Siegern lassen mussten. 1769 wurden hier die Anhänger
der Bar'schen Gonföderation, geschlossen zum Schutz der Einheit
und Reinheit der heil. Kirche (S 6), von den Russen geschlagen.
Stationen Baby, Rokiciny,
192 W. KoluBchki {Koluszki, KojnmKH. ~ Bahnrestaur.).
Zweigbahn in 24 Min. (für 98, 74 oder 39 Kop.) nach (28 km) lods
(JIoASb. — *Qrand Hötel^ ersten Ranges, Bes. Pet. Schwarz, Petrikauerstr.,
nahe dem Bahnhof), sehr schnell emporgewachsene Fabrikstadt (gegen
113,(X)0 Einw., davon 1/4 Arbeiter, allein die Carl Scheibler^sche Baum-
nach Warschau, WARSCHAU. .3. Route. 9
woUen-ManufMtur beschäftigt über 8000), sehr hübsch awisehen WÄldern
gelegen, mit mehreren hundert Webereien. Der Kohlenconsum von Lodx
hat sieh in den Jahren 1875-1882 mehr als verdreifacht. Ueberhaupt hat
die Xähe des Kohlenbeckens an der oberen Weichsel hier eine dichtere
Bevölkerung hervorgerufen; ganz nahe bei Lodz die meist von Deutsehen
bewohnten Fabrikstädte Zgierty Ozorkow^ TonuuzoWf Pabianice. — Von War-
schau nach Lodz, 126 W., Eisenbahn in 3Vs St., für 4.69, 3.53, 1.86 B.
Von Koluschki nach (151 W.) Ostroweti (Ostratciec^ OcrpoBei^) über
Bsin (8. 5), Eisenbahn in c. 10 8t. für 5 B. 66, 4B. 25, 2B. 17 Eop.
Weiter über Bogöw und Plyqjwa nach
228 W. Skierniewiti, Knotenpunkt der Bromberg- Warschauer
Bahn (S. 3).
291 W. Warschau.
3. Warschan und TTingebimgen.
Ankunft» Die meisten Hotels haben beim Eintreffen der Zuge Hotel-
wagen und deutsehsprechende Ck>mmissionäre am Bahnhof, welche das
Gepäck der Beisenden besorgen. — Den Droschkenkutschern gegenüber
ist Vorsicht geboten, da diese die höheren Taxen von den Bahnhöfen zur
Stadt (S. 10) noch zu steigern suchen.
Bahnhöfe. Warschau hat 4 Bahnhöfe. Auf dem linken Weichselufer :
1. der Warschau -Wiener Bahnhof (Dworzec drogi ielaznej War-
zawskiej Wiedenskiej, BapmascKas BftHCKan xejnsHaji j(opora) nir die
Bahnen nach Krakau, Wien und Thorn, Bromberg, Berlin, sowie auch
für die Weichselbahn (P1.D4). — 2. Der Bahnhof detr Weichsel-
bahn (Dworzec drogi zelaznej yadwistanskiei, npHBHCJtaHCRaa aieji«3Haa
xopora. 8. 33), für die Züge nach Mlrawa und Danzig, bei der Gitadelle (PI. G7).
— Auf dem r. Ufer der Weichsel in Praga: der Warschau-Peters-
burger Bahnhof (Droga 2eiazna S. Petersburg. Warsz. ; CaHBinerep-
GypcKO-BapmascKaH xe.i«8Bafl xopora) für die Bahn nach Wilna, Dünaburg
und St. Petersburg und der Warschau-Terespoler Bahnhof (Dr.
Zel. Wa^sz. Terespolska *, Bapm. TepecnOiibCKaa mex. xop.) für Brest-
Litowsk, Moskau, Kiew, Lublin, Kowel (PI. G 6). Verbindung der beiden
TJfer durch Pferdebahn.
Hotels. *Höt. del'Euro|»e (PI. a : F 4) , Krakauer Vors tadt 13 (Kra-
kowskie Przedmie^cie) , das grös$te Hotel in Warschau (250 Z.) , mit ent-
sprechenden Preisen, vorzügliche Küche, Bäder u. s. w. ; *Höt. Bry-
1 o w s k i (PI. b : E 4) , Kotzebuestrasse 14 (ülica Hrabia Kotzebue) , gute
Küche; *Hdt. Bzymski (PI. F4), Kowo Senatorska •, «Hot. Victoria
(PI. c: F5), Jasna 8, deutsch, nicht theuer (Z. von 80 Kop.-8 B.). — Mehr
zweiten Banges: Hot. Paryski, Bielanska 9; Francuski, Zielony
Plac 11; Niemiecki, Dtuga 31 , alle drei empfehlenswerth ; Hot.
Angielski, Wierzbowa 6; Drezdenski, Dluga 38; Krakowski,
Bielanska 7 ; P o 1 s k i , Dluga 29 ; S a s k i , Krakauer Vorstadt 33.
Beatanraats. In den meisten Hotels z. B. Cafe de l'Europe,
hübsch gelegen an der Ecke des Hotel de TEurope (Krakauer Vorstadt),
viel besucht aber nicht billig; Bocquet im Hot. Bzymski; Hot. Bry-
lowski u. a. ; femer Best. d^Angleterre; Pierre (gegenüber dem
Bdtel de TEurope); *Beiner, Jerusalemerstr. ; *Stepkowski, am
Theaterplatz (Plac teatralny); SehwechaterBierhalle von A.Dreher,
Trembazka (Trebacka); Foukier am Altstadtplatz (Stare Miasto), alte
Weinhandlung (Ungarweine); Sporkert, deutsches Local auf der Dluga,
Sutes Bier. —■ Schweizerthal und Bagatelle an der Allee von Ujaz-
ow (8. 19).
Conditoreien (Gukiernia) : Cafe Lourse im Hot. deTEurope; Bott,
Krakauer Vorstadt bei der Trebacka; im Sächsischen Garten u. a. Das
Warschauer Gebäck ist berühmt.
10 B<nae 3, WARSCHAU. Theater.
Bftdeftiutalteii. Aetien-Badeanstalt an der Alexander -Brücke
(von der Krakauer Vorfitadt kommend r.);*Haximilian Fajana in
der Krakauer Vorstadt« elegant, theuer: l>ianabad, Chmelnia, sowie
in mehreren Hotels; zahlreiche kleinere Badeanstalten, an der Aufschrift
KqpieU kenntlich j Flussbäder im Sommer in der Kähe der Alexander*
brücke.
Xluba. K a u f m anns-Bessource (Resursa kujpiecka), in der Sena-
torstrasse 38 im früheren Palast Mniszchowski j Bürger-Ressource
(polnisch) in der Krakauer Vorstadt 04; RussischerClub (Club ruski,
S. 18) ; J a g d e 1 u b (Club myiliwski) in der Krölewska 4; Harmonia,
z. Z. Hot. de TEurope, deutsche Oesellschaft , Fremde durch Mitglieder
einzuführen; Yachtklub (Warszawski Yacht-Klub, viel Beulsche), im
Winter in der Krölewska neben dem Teatr nowy, im Sommer im eignen
Gebäude an der Weichselbrücke.
Theater. Stadttheater (S. 21) in der Senatorstr. (Theaterplatz, PI. 25:
E,F4):(}ros8esTheater (Teatr Wielki) für Opern (bisweilen Italien.),
Ballet berühmt; Kleines Theater (Teatr Rozmaitoici) im 1. Flügel für
Schauspiele u. s. w. I. Rang 1-1.50 R., IL R. 6QKop.-l R., Park. 50-
60 Kop. Anf. g«w. 7 TT. Im Sommer gesehloisen, dU Trut^pe spielt dann
im Sommertheater des Sächsischen Gartens (s. unten). — II. Ranges:
Neues Theater (Teatr Nowy) in der Krölewska (P1.E5) u. Kleines
Theater (Teatr maty), in der Danielewiczowskaja (PI. E4), Operette,
Lustspiel, bisweilen deutsche Stücke, Preise verschieden. — Sommer-
t h e a t e r'im Sachs. Garten (S. 17), Parket 40-80 Kop. — Theater IIL Ranges :
Eldorado in der Dluga neben dem Polnischen Hdtel; Alhambra in
der Miodowa, beide nur für Herren, u. a.
Yergnü^ngsorte. Schweizerthal (Dolina swajcarska) an der Ujaz-
dowska-Allee (PI. F, GS); Zoologischer Garten (Ogröd zoologiczny)
Bagatela, Promenada Belvederska, im Süden der Stadt (PI. G 8); Mar-
een in und Sielanka am s. Ende der Belvederska. — Einfacher: Die
Sächsische Kempe (Saska k^pa) auf dem r. Weichselufer.
Bankiers. Polnische Bank am Bankplatz (PI. £4); Credit fon-
cier. Ecke der Mazowiecka und Erywanska (PI. E5); Commerzbank
in der Wlrodzimirska ;Discontobankin der Krakauer Vorstadt ; G e g e n -
seitige Creditgesellschaft im Börsengebäude in der KrölewsRa.
Konsulat«. Deutsches Reich: General -Konsul Freiherr von Rechen'
berff. Geh. Legationsrath, Mazowiecka 11. Oesterreich-tTngam : General-
Konsul Baron Kraus ^ Jasna 6. Grossbritannien: General - Konsul F. C,
Maudet Smolna 25. Frankreich: General-Konsul F. /. AT. Bayardy Mazo-
wiecka 20. Italien: General - Konsul Miecislow von Epstein. Belgien:
General -Konsul cT Epstein ^ Mazowiecka. 9. Niederlande: Konsul Willekei
Mae Donald, Nowogrodzka 29. Schweden und Norwegen : Konsul /. Blocke
Marszatkowska 154. Schweiz: Konsul ffanselmann, Sto. Krzyzka 1.
Amerika: Konsul /. Ravicr, Erywa&ska 12.
Kirchen. Lutherische Kirche (PI. 10: F5) in der Mazowletzka (S. 17);
Re/ormirte Kirche (PI. 16: E 4) in der Lescbnostr. (S. 22). — Griechisch'
russische Kirche: Russische Kathedrale (PI. 12: ES) am Kraslnski- Platz
(S. 21). — Rifmisch-katholische Kirche: Kathedrale St. Johann (PI. 17: F 3)
in der St. Johann-Strasse (S. 23). Kath. Kirche in der Senatorstr. (PI. 16a,
E4; S. 23). — Griechisch-unirte Kirche: Basillaner-Kirehe (PI. 6: FS, 4) in
der Miodowa-Strasse (S. 21). — Englische Kirche Bergstr. S. — Israelitischer
Kultus in der Synagoge in der Tlomatzkajastrasse.
Post (PI. 24: F5) am Waretzkiplatz. — Telegraph im Palais Brühl,
an der Hrabia Kotzebue. — Polixei und Passbureau im Rathhaus in det
Senatorska , gegenüber dem Theater (PI. E 4).
Bampftchifle. Kleine Passagier -Dampfboote, die Weichsel auf- und
abwärts, von der Alexanderbrücke, Mo. Mi. Fr. 51/3 Uhr Morg., nach
Nowa-Alexandria-Sandomir , an denselben Tagen 9 IJhr Vorm. nach der
preussischen Grenze, Nowo-Georgiewsk, Piock, Nieszawa, Thorn, Danzig
(s. R. 4).
Wagen. Droschken (Tpoftsa, Doroiki) stehen in allen Strassen. Die
Kutscher sprechen meist Deutsch. Preis für eine Fahrt innerhalb der
Sehensumrdigkeiten, WARSCHAU. 3. Route» 11
Sehlagbäume (Bogt^ki) Zweisp. 35, Nachts (13 Uhr N. bia 7 TJhr Morg.)
AO'Sop., Einsp. 30 u. 35Kop.; 1 St. 65 u. 80, Einsp. 55 u. 70 Kop., jede
folg. St. 40 u. Ki Eop., Einsp. 35 u. 50 Kop. Von den Bahnhöfen zur
Stadt Zweisp. 75 Kop. u. i B., Einsp. 55 u. 75 Kop.; nach den Bahnhöfen,
nach Praga, Gytadelle, {«azienki, Gzemiakowska , Solce 35 u. 55, Einsp.
35 und 50 Kop. — Gepäck pro Pud 15, Einsp. 10 Kop. I>ie Fuhrwerke
machen im ersten Augenblick einen recht schlechten Eindruck \ die Pferde
(Polaken) entbehren fast gänzlich der Pflege, laufen aber sehr schnell,
wie die stehende Frage des Kutschers an den Fahrgast »gdzie poleoiemy*^
(wohin fliegen wir ?) bezeugt. — Equipagen sind in allen Hotels zu haben.
Pferdebahnen in allen Hauptstrassen und nach den Bahnhöfen, Fahr-
J>reis für eine Theilstreeke I. Gl. 7, II. Gl. ö Kop. Die Hauptlinien sind
ölgende: 1. Mokotow-Wolaler Schlag, Fahne blau-, — 3. Moko-
tow-Zamkowy platz, Fahne grün; — 3. Mokotow-Pow^zki, Fahne
weiss; — 4. Aleicanderplatz-Sto-Jeroka, Fahne roth; — 5. Po-
w^zki-Warschau-Wiener Güterbahnhof, Fahne hellbraun; —
6. Warschau- Wiener -Personenbahnhof • Muranowplatz,
Fahne gelb und roth; — 7. Zamkowyplatz-Terespoler Bahnhof,
Fahne grün und roth ; — 8. Zamkowyplatz-St-PetersburgerBahn-
hof, Fahne grün und weiss; — 9. Muranowplatz-Grzybowska-
Strasse, Fahne gelb.
Omnibus vom Krasinsky- u. Zamkowy platz nach Praga , dem War-
schau-Wiener Bahnhof, zum Alexanderplatz und Wolaer Schlag, nur von
den niederen Klassen benutzt (Fahrt 5 Kop.) und nicht zu empfehlen.
Bei beaehrAnkter Zeit genügen für Warschau 3 Tage.
Hauptsehenswüdigkeiten: Strassenleben (S. 13) auf der Kra-
kauer Vorstadt und Keuen Welt, Sächsischer Garten (8. 17), Altstadt
(S. 33), Kathedrale St. Johann (S. 33), Allee von Vjazdow (S. 19), Kaiser-
liches Lustsehloss Lazienki (S. 19) und Belvedere, Königliches Schloss
(S. 15) , Alexanderbrücke (S. 34). — Besondere Erlaubniss zur Besichti-
gung der Sehenswürdigkeiten ist nicht nothwendig; selbst das Innere
der Gitadelle lässt man den Beisenden, entgegen den sonstigen russi-
schen Gebräuehen, meist ungehindert betreten.
Warschau {Warszawa, Bapmasa), die Hauptstadt des General-
goaTomements Warschau oder Polen, liegt unter 62^ iA' nSrdl.
Breite und 38^ 41^ östl. Länge am 1. Ufer der Weichsel auf dem 20-
30 m hohen Thalrande , der sich nach W. hin allmählich in eine
-weite hügelige Ebene abdacht, nach 0. stolz auf die jenseit des hier
400-800 m breiten Stromes gelegene und mit Warschau durch zwei
stattliche eiserne Brücken verbundene Vorstadt Praga herabschaut.
Die Stadt erstreckt sich von N. nach S. in einer Ausdehnung von
c. 6 km , ihre Breite beträgt über 4 km , ihr Umkreis incl. Praga
c. 20 km. Nach der Zählung von 1872 hatte Warschau 275,999,
Anfang 1885 ; 432,000 Einw. (V3 Juden, angeblich 7000 Deutsche,
jedoch ist die Zahl der deutsch redenden Bewohner erheblich
grösser). Die mittlere Jahrestemperatur beträgt -f 5° 9', doch sind
schroffe Temperaturwechsel nicht selten. Warschau ist Sitz des
General-Gouverneurs, des Civil-Gouverneurs, eines Erzbischofs der
griechisch - russischen und römisch-katholischen Kirche, eines
Bischofs der griechisch-unirten Kirche , des Kommandirenden des
Militärbezirks Warschau und der General-Kommandos des V. und
VI. russ. Armeekorps. Die Stadt einschliessL Praga in zwölf Polizei-
bezirke eingetheilt, besteht aus der Altstadt {Stare Miasto, Cxapoe
HftCTo), der Neustadt {Nowe Miasto, HoBoe Mtcxo) nördlich von
jener , und aus den Vorstädten : Krakowskie Przedmieicie (Kra^
12 JRouU 3. WARSCHAU. Geschichte,
kauer Vorstadt; KpaKOBCKoe npeAHtcrie), mit ihren gradlinigen
Fortsetzungen , der Nowy Swiat (Neue Welt , HobuM cv%Th) und
JJjazdowtika, femer Solez,Qrzyhow,Le8chno u. a. ; rechts der Weichsel
Praga (die Schwelle). Eng und winklig ist die Altstadt gebaut; im
Uebrigen jedoch sind die Strassen breit und luftig, besonders Kra-
kowskie PrzedmieScie und Nowy Swiat. Die Anlage einer neuen
Wasserleitung und einer Canalisation sind auf Besserung der sani-
tären Verhältnisse berechnet. Warschau besitzt, abgesehen von
kleineren Haus- und Institutscapellen , 5 griechisch-russische, 27
römisch-katholische, 1 lutherische und 1 reformirte Kirche , nicht
wenige Mönchs- und Nonnenklöster, mehrere Synagogen. Eine
Menge (gegen 60) fiskalische und Privatpaläste zieren die Stadt.
Die ehemals blühenden wissenschaftlichen Anstalten haben seit
1830 viel von ihrer Bedeutung verloren. Die Universität (Glawnaja
Schkola) zählt c. 80 Lehrer und c. 1 100 Studenten. Ausserdem besitzt
Warschau 11 Gymnasien, 3 Progymnasien, 2 Realschulen, eine
Thierarzneischule u. s. w. Warschau zeichnet sich durch blühende
Industrie aus. 1881 waren 258 Fabriken und gewerbliche Anstalten
vorhanden mit 12,831 Arbeitern. Dabei sind Maschinenbau, Holz-,
Leder- und Tabakindustrie besonders betheiligt. Warschauer
Lederwaaren trifft man in ganz Russland. Ueberhaupt vereinigt sich
in Warschau ein grosser Theil des russisch - polnischen Gewerb-
fleisses und der ganze polnische Binnenhandel (Getreide-, Vieh- und
Pferdemärkte, 2 Messen und Wollmarkt).
Seit lange fast eine offene Stadt, wird Warschau jetzt durch
einen Kranz von 15 Forts geschützt. Am Nordende liegt die Ale-
xander - Citadelle mit ihren 6 Forts und dem Brückenkopf zum
Schutz der grossen neuen Eisenbahnbrücke ; vgL S. 24.
Die Gesehiehte Wsrsehau's füllt einen grossen Theil der Geschichte
Polens aus. Es soll im xii. Jahrb. durch Kasimir den Gerechten gegründet
worden sein. Der Name deutet auf slav. uerszem oder warszam „auf der
Höbe". 1207 wird es zuerst genannt. Bis 1526 residirten hier die Herzoge
von Masovien. Die Stadt bestand damals nur aus der Altstadt; das her-
zogl. Sehloss (S. 15) stand am südlichen Ende, von weiten Vorstädten um-
geben, die nach und nach mit der Stadt vereinigt wurden. 1526 fiel das
Feudal -Herzogthum Masovien und mit ihm Warschau an Polen zurück.
Bereits um 1550 von König Sigismund II. August zur Residenz er-
hoben, war es seit Sigismund III. faktisch die Hauptstadt Polens. Nach
dem Aussterben der Jagellonen 1572 fanden auf dem Felde bei Wola,
einem Dorfe westlich von Warschau (S. 26), alle Wahlreichstage statt.
Zur Zeit des Niedergangs der polnischen Macht wurde Warschau im August
1655 durch Carl X. Gustav, König von Schweden, genommen ; am 1. Juli 1656
musste jedoch die schwache, kaum aus 2500 Mann bestehende schwedische
Besatzung gegenüber der bis auf 70,000 Mann angewachsenen polnischen
Belagerungsarmee kapituliren. Am 28.-30. Juli 16to wurde hier die 3tägige
Schlacht von Warschau (s. Grochow, S. 28) zwischen der schwediseh-bran-
denburgischen Armee und den Polen geschlagen, und die Stadt am 31. Juli
von Schweden und Brandenburgern besetzt. — August IL und III. Hessen sich
die Verschönerung Warschau' s sehr angelegen sein. Während des nor-
dischen Krieges wurde die Stadt am 24. Hai 1702 von Carl XII. erobert.
Im Jan. 1704 sprach der Cardinal -Primas auf einer Stände Versammlung in
Warschau die Entthronung des Königs August II. aus und im Juli wurde
auf der Ebene von Wola zur Wahl des Woiwoden von Posen, Stanislaus
Geschichte, WARSCHAU. 3. Route. 13
Leszczynski, geschritten, während schwedische Truppen den Wahlplatz
umstellt hatten. Im Sept. 1704 bemächtigte sieh August durch XJeberrasehung
Warschau^s und des Schlosses, konnte dasselbe aber gegen den in Eil-
märschen von Lemberg anrückenden Carl nicht behaupten (Friede von
Warschau am 24. "Sov. 1705). 1711 wurde in Warschau der Friede zwischen
August und den €k>nföderirten unter russischer Vermittelung geschlossen
und am 90. Jan. 1717 durch den grossen Paciflcationsvertrag vollzogen.
ITach dem Tode August III., Oet. 1763, wurde Warschau der Schauplatz
unaufhörlicher Unruhen, bis die Küssen unter dem Fürsten Bepnin 1764
die Stadt besetzten, mit preussischer Hülfe die Wahl des charakter-
schwachen Stanislaus Poniatow8ki,desGünstlings der Kaiserin Katharina II.,
zum Könige erzwangen und so die Buhe auf kurze Zeit herstellten. Den
nachfolgenden Wirren, welche die Theilungen Polens zur Folge hatten,
machte die Erstürmung Praga's (S. 25) durch Ssuworow am 5. ^ov. 1794
ein Ende. Warschau selbst ergab sich einige Tage darauf. Nach Ponia-
towski*» Abdankung (25. Nov. 1796) fiel Warschau an Prenssen und ward
Hauptstadt der Provinz Südpreuuen. — Am 28. Nov. 1806 rückten die
Franzosen unter Davoust und Hurat in Warschau ein; später war es
das Hauptquartier Napoleon^s. Im Frieden zu Tilsit (7. Juli 1807) wurden
Warschau und ganz Südpreussen von Preussen abgetreten und ersteres
die Hauptstadt des Sachsen zugefallenen OrossherzogthufM Wiirschau. —
Am 81. April 1809 zogen die Oesterreicher ohne weiteren Kampf in die
Hauptstadt ein und hielten sie bis zum 2. Juni besetzt. Unter sächsischer
Aeglde bestand das Grossherzogthum nach dem Frieden von Wien fort
bis zum 8« Febr. 1813, wo es die Russen besetzten; letzteren wurde es
durch den Wiener Gongress zugesprochen und von ihnen zur Hauptstadt
des Königreichs Polen erhoben. 1830 begann die grosse polnische Re-
volution mit dem Aufstande in Warschau; sie endete am 6. und 7. Sept.
1831 mit der Erstürmung der Stadt durch die Russen unter PaikewiUeh
(S. 27). Am 8. Sept. zog Orossfürst Michael, der jüngste Bruder des
Kaisers, an der Spitze des russischen Heeres in Warschau ein. Auch
1861-64 war Warschau der Heerd der Aufstände gegen die russische Herr-
schaft. Dem Grafen Berg gelang es schliesslich, dieselben zu unterdrücken,
und seit dem Wiedereintritt der Ruhe ist Warschau in stetigem Wachs-
thum begriffen.
Das elegante, beitere und animirte Strassenleben. in Warschau
bietet Interessantes in Fülle. Die eleganten Equipagen des russi-
schen und polnischen Adels, die russischen Gespanne , häufig von
Offleieren gelenkt und an der Duga, dem Bogen mit dem Glockchen
kenntlich, die zahlreichen Droschken, deren Führer jedes Hemmnlss
mit lauten Flüchen , unter denen der Ausdruck Pia krew (Hunde-
blut) am beliebtesten ist , zu beseitigen suchen , die Pferdebahn-
wagen und daneben die dürftigen Gefährte des Landvolks geben ein
ebenso buntes und an Gegensätzen reiches Bild wie die Fussgänger,
-wozu nach neuester Mode gekleidete, elegante Flaneurs, die zahllosen
Uniformen der Beamten, die starke Garnison und das Landvolk mit
seinen verschiedenen Trachten beitragen. Unter dem männlichen
Theil der Landbevölkerung fallen die meist grossen und starken
Gestalten auf, mit dem langen , auf der Stirn gerade geschnittenen
Haar, bedeckt von der viereckigen Mütze aus schwarzgrauem Schaf-
fell oder einem kleinen niedrigen Hut , dem grauen , weissen oder
dunkelblauen Tuch-Eaftan (Sukman), mit bunten Schnüren an den
Nähten und mit wollenem Gürtel umwunden , den langen Stiefeln
mit hohen Absätzen oder Schuhen aus Leder, auch Lindenbast
(Kurpje) . Charakteristisch ist ihnen die kurze Oberlippe, die stumpfe
kurze Kosciuszko-Nase, der sog.stumpfe, d.h. nicht hervorspringende
14 Route 3. WARSCHAU. Zamkovy-Ftatü.
Hacken, der sprichwörtlich gewordene starke und kurze Nacken und
die parallel gestellten Füsse. Die Polinnen , welche einen hervor-
stechenden Hang haben zu glänzen und Eindruck zu machen,
zeichnen sich im allgemeinen weniger durch Schönheit des Ge-
sichts als durch schönen Wuchs, schmiegsame feine Taille und
graziösen Gang aus. Bemerkenswerth ist der gute Geschmack, mit
dem jede Polin sich zu kleiden versteht. Die weihliche Bevölkerung
übertrifft übrigens in Warschau, wie in Polen überhaupt, an Zahl
die männliche bedeutend, während in Petersburg das umgekehrte
Yerhältniss stattfindet. Die polnische Sprache, die man trotz des
äusserlich ganz russischen Anstrichs der Stadt fast ausschliesslich
zu hören bekommt, gefällt unserm Ohre besser als der Zunge, welche
mit der Häufung der Gonsonanten zu kämpfen hat. Sie übertrifft
aber an Reichthum und Biegsamkeit, sowie treffender Kürze alle
anderen slavischen Mundarten.
Zu dem fashionablen Treiben stehen in unangenehmem Gegen-
satz die vielen, äusserst unsauber aussehenden Juden, welche ganze
Stadtviertel (besonders n. vom Krasinski-Garten , s. unten) in An-
spruch nehmen.
Die Anzahl der Juden im ganzen Königreich Polen beträgt etwa
Vs der Gesammtbevölkerung; 1/3 aller Juden der ganzen Erde wohnt
innerhalb der Orenzen des alten Polens. Das ßlaventhum ist der Aus-
bildung des dritten Standes, des Bürgerthums , niebt günstig, und die
Anfänge desselben datiren in Eussland erst aus neuerer Zeit. In Polen
aber war die Kluft zwischen Adel und Bauern eine so grosse, dass bei
dem Bedürfniss nach Gewerben und Handel man kein 'anderes Mittel fand,
als Deutsehe und Juden ins Land zu rufen. Das Judenthum in Polen
hat somit in gewissem Sinne eine culturgesehiehtliche Berechtigung. So-
weit das polnische Scepter reichte, drangen auch die Juden vor ; bei dem
abwehrenden Verhalten des Bussenthums ihnen gegenüber war so ihre
Ausbreitung enge mit der ihres Gönnerstaates verbunden und noch heute
sind auf der alten Grenzlinie der Polen gegen Osten , längs des Dnjepr,
auch die Grenzstationen der Juden deutlich erkennbar. — Der Kleinhandel
in Polen wird fast ausschliesslich von Juden betrieben; viele von ihnen
besitzen Landgüter, Fabriken u. s. w. und der verschuldete polnische
Adel ist zum grossen Theil in ihren Händen. Xeuerdings sind innen viel-
fache Beschränkungen auferlegt.
Bei dem lebhaften Treiben, dem bedeutenden Geschäftsverkehr
erinnert nichts an die trüben Schicksale Warschau^s noch in neuerer
Zeit. Zahlreiche Locale, die man sonst in russichen Städten so sehr
vermisst, dienen dem Vergnügen der Bewohner. Das Strassenpflcuter
freilich ist fast durchweg sehr schlecht, selbst die Hauptstrassen
gleichen mehr mangelhaft gepflasterten Chausseen.
Im Mittelpunkt der Stadt und des Verkehrs , zwischen der Alt-
stadt und den jetzt zum Haupttheil der Stadt gewordenen Vor-
städen, liegt der iSamkowy-Plats (PI. F4). In der Mitte die Bronze-
Statue des Königs Sigismund HL ( Wasa), in der rechten Hand das
Schwert, in der linken das Kreuz haltend, auf 8 m hoher Monolith-
säule aus schwarzem Krakauer Marmor. Die Säule , mit Bronze-
Kapitell, trägt ein etwas zu schweres Gebälkstück aus Marmor,
r
I Schloss, WARSCHAU. 3. Raute. 15
, dai^ber das würfelförmige Postament mit der Statue. Das Denk-
mal wurde 1643 von Sigismunds Sohn, Wladislaw IV., errichtet.
1854 wurden am Fuss der Säule Tritonen, von Kiss modellirt, auf-
gestellt und 1887 das ganze Denkmal restaurirt. Im J. 1861 war
der Platz Zeuge der bedeutendsten revolutionären Kundgebungen.
An der Ostseite des Platzes, nach der Weichsel zu , erhebt sich
das ehemalige ^Königliche Schloss {Zamtk Krölewski, KopoieBCKiü
daHOKiyPl. F 3, 4 ; Erlaubniss zur Besichtigung, auch für die übrigen
kaiserl. Schlösser, ist bei der Verwaltung der kaiaerl, Schlösser, im
Haupteingang 1. einzuholen) , von den masovischen Herzogen ge-
gründet , durch Sigismund III. und Wladislaw IV. umgebaut und
zum Besidenzschloss eingerichtet, durch August II. und Stanislaus
Poniatowskl bedeutend verschönert. Poniatowski Hess das Schloss
nach eigenen Plänen ausbauen und mit Werken der Sculptur und
Malerei schmücken. Jetzt dient es als Besidenz des Kaisers, wenn
er in Warschau ist ; den Östlichen Theil in der Nähe der Gärten
und der Weichsel, mit den ehemaligen polnischen Königszimmern,
bewohnt der General-Gouverneur von Polen , der westliche Theil
wird von den Militärbehörden benutzt. Sehenswerth sind der ehe-
malige Thronsaal , die ehem. Säle des Senats und der Deputirten-
kammer, der marmorne Ballsaal mit Büsten berühmter Polen u. s. w.
Die Säle enthalten noch mancherlei Gemälde und Sculpturen (Por-
traits polnischer Könige , Ansichten von Warschau von Canaletto»
Bilder aus der poln. Geschichte von Bacciarelli) , wenn auch die
meisten Kunstgegenstände und andern Kostbarkeiten aus früherer
Zeit 1831 nach St. Petersburg und Moskau geschafft worden sind.
Aus den oberen Fenstern des Schlosses geniesst man eine schöne
Aussicht auf die Weichsel, die Vorstadt Praga und die weite frucht-
bare, mit Ortschaften und Fabriken bedeckte Niederung am 1. Ufer.
Geht man vom Zamkovyplatz die Strasse {Zjazd, 3t8Ai, PI. F 4)
zur Alexanderbrücke (S. 24) hinab, so gewinnt man einen hübschen
Blick auf das Schloss von der Wasserseite, an welcher terrassen-
förmig angelegte Gärten sich hinziehen. Unter den die Terrassen
tragenden Pfeilern befinden sich die Ställe der zum Gonvoi des Ge-
neral-Gouverneurs gehörigen Kosaken-Sotnie (Bezeichnung für eine
geschlossene Abtheilung von hundert Pferden) , als Soutien für die
nahe Schlosswache angelegt.
Zur Besichtigung der Kosaken-Ställe lohnt es wohl, die Kampe
links von der Brücke hinunterzusteigen. Der Posten verwehrt zwar
den Eintritt dureh das Hauptthor der Ställe; man hat aber Gelegen-
heit, durch andere Thüren hineinzukommen, um einen Einblick in die
Stalleinriehtungen zu gewinnen. Auch lockt das Treiben der Kosaken,
die Gewandtheit, mit der sie sattel- und bügellos reiten, stets zahlreiche
Zuschauer an.
In der Nähe , unterhalb des Schlosses , der kleine Palast Pod-
hlachoi CAoM'B noAiÖMXofl ; PI. 23 : F 4) , früher den Grafen Lu-
bomirski gehörig, dann vom Könige Stanislaus August gekauft und
seinem Neffen Joseph Poniatowskl geschenkt. Jetzt befindet sich
darin die Kanzlei des Gouvernements.
16 Soute 5. WARSCHAU. Krakauer Vorstadt,
Vom Zamkovy- Platz verfolgen wir in s. Richtung die
kowskie Priedmiescie {Krakauer Vorstadt, KpaKOBCKoe npeAK'bc-
xie, PI. F 4, 5) , eine der schönsten und belebtesten Strassen War-
schaus, mit glänzenden Magazinen, grossartigen Palästen und statt-
lichen Kirchen. — L. zunächst gegenüber der verlängerten Miodowa
die stattliche Kirche der hl. iUina (PL 7: F4), ehemals zu einem
Bernhardinerkloster gehörig. Von dem Bau des xv. Jahrh. ist noch
ein Thell des Kreuzganges auf der Südseite und die Sakristei
(schöne Intarsien) übrig; das wirkungsvolle Innere wurde 1749 aus-
gemalt, die Fagade 1788 aufgeführt, vor kurzem die ganze Kirche
renovirt.
Neben der Kirche das 1875 begründete Museum für Industrie u.
Ackerhau (Muzeum przemystu i rolniciwa) , Ausstellungszwecken
dienend; gleich darauf I., an der Ecke der Bednarska , das Haus
der wohlthätigen Gesellschaft mit der Inschrift: „Res sacra miser^S
während seines Exils von Ludwig XVIII. zeitweise bewohnt ; davor
eine kleine Statue der Jungfrau Maria. In der Bednarska selbst
ein anderes Haus der Gesellschaft, ein Theil des alten prachtvollen
Palastes Kazanowski.
Es folgt 1. die Kirche des h, Josef, ursprünglich eine Karme-
literkirche (PI. 15), 1672-1701 erbaut, dann das sogen. Palais
Namienistkowski, jetzt Sitz des Oouvemements (Rz%d Gubernialny
W., AoHi B^AOHOCTBa MüHHcrepcTBa BnyTpeHHHxi A'l^ii») , Ende
des xviii. Jahrh. im Besitz der Radziwills.
Die grossartige Pracht, welche Fürst Karl Radziwill (f 1790) in seinem
Palaste in der Krakauer Vorstadt entfaltete ^ überstrahlte Alles, was
andere Magnaten zu leisten vermochten. Sein Palast übertraf alle andern an
Grösse. Im obern Stock befand sich früher das Theater, dann versammel-
ten sich darin während der Reichstage bunte Schaaren zu grossen Be-
douten. Als erklärter Feind alles Fremdländischen hatte Radziwill auch
in der Ausstattung seiner Paläste den westeuropäischen Geschmack fern
gehalten : getünchte Wände , roh und schwer gearbeitetes Geräth , aber
massiger Goldschmuck, edles Gestein umgaben ihn. Kur wo er gegen-
über dem modernen Warschau glänzen wollte, konnte er den europäi*
sehen Luxus nicht umgehen. Berüchtigt ist die verschwenderische Her«
richtung dieses Palastes 1786 zur Feier des. Jahrestages der Vereinigung
Litauens mit Polen.
Vor dem Palast ein Denkmal des Fürsten Paskewitsch (S. 27),
gegenüber das Potochi'sche Palais, im J. 1792 erbaut ; auf dem Hof
ein provisorisches Gebäude für die permanente Gemäldeausstellung ;
dann r. , Ecke der Crysta , das Hotel de PEurope (S. 9). Rechts
Öffnet sich hier der an 2*/{ Hectaren grosse Säehsisehe Plats (Plae
Saski, CaKCOHCKaH njomaAb, P1.F4), auf dem früher häufig die Pa-
raden und sonstige militärische Schauspiele abgehalten wurden.
Die Mitte des Platzes ziert ein Denkmal, von Kaiser Nikolaus zum
Gedächtniss der am 29. Nov. 1830 gefallenen treugebliebenen pol-
nischen Generale errichtet: ein abgestumpfter Obelisk aus Guss-
stahl auf einer achteckigen Marmorbasis, an deren Fuss 8 ruhende
Löwen.
An der Westseite des Platzes erhebt sich das von König August II.
SächsUcher Garten. WARSCHAU. 3. Honte. 17
erbaute sog. Säduisclie Schloss (PI. F4, 5), einst Residenz der
polnisch -sächsischen Konige und damals berühmt durch die Ele-
ganz seines Baustils, später abgerissen und durch zwei durch
eine Cölonnade verbundene unschöne Gebäudemassen ersetzt. An
der N.- Seite desselben liegt das Telegraphenamt, das ehemalige
BrühVsche Palais (PI. 20), von dem Grafen Brühl (1700-1765), dem
Günstlinge August'sIII., erbaut, dann von 1815-30 von dem Gross-
fürsten Konstantin , dem Bruder des Kaisers Nikolaus und Statt-
halter von Polen, bewohnt.
Hinter dem Sächsischen Schloss, durch die Colonnaden an der
Südseite sowie von der Krölewska aus zugänglich, liegt der •Säch-
sische Garten {Ogröd Saski, CaRcoHCKiä ca/cB^ PI. E 4, 5) , ein vom
Konige August (II.) dem Starken angelegter öffentlicher Spazier-
gang , fast 7 Hect. gross , der mit seinen schattigen Alleen, mäch-
tigen alten Bäumen, Statuen, Pontänen u. s. w. für einen der schön-
sten Parks in Europa gilt. Der Garten ist eine vielbesuchte Pro-
menade, besonders an Concert- Abenden der Versammlungsort
aller derer, welche sehen und gesehen werden wollen (an der Kr6-
lewska zwei Conditoreien) ; Juden ist der Eintritt verboten. Im
n. w. Theil des Gartens befindet sich ein Sommertheater (Teatr
letni, Ji'bTHiS reaipi, s. S. 10), und am Ausgang nach der Kiecata
auf einer kl. Anhohe das reizend gelegene Wasser- Reservoir der
alten Wasserleitung. Durch den westlichen Ausgang gelangt man
auf den neuen MarTctplatz, (^elazna Brama, XejtcHafl EpaHa, PI.
E 5) mit dem Bazar , dessen geschäftiges Treiben sehenswerth ist.
Die S. W.-Ecke des Gartens an der Krölewska schliesst die Börse
mit mächtigem Portikus ab.
Südl. vom Schloss, auf der andern Seite der Krölewska , erhebt
sich die lutherische oder evangelische Kirche {Kosciöl Ewangie-
Ucki, IforepaHCKÜi ROCT^Jib; PI. 10: F5), eines der am meisten
hervortretenden, aber nicht gerade geschmackvollsten Gebäude der
Stadt, unter König Johann Sobieski begonnen, 1799 vollendet, mit
hoher, mächtiger Kuppel und Laterne, von welcher man die beste
^Uehersicht über Warschau und Umgegend geniesst. Von hier er-
blicken wir den Zamkovy- Platz und die hauptsächlichsten Ver-
kehrsadern Warschau's : zwei von N. nach S. fast parallel laufend,
die eine von der Altstadt über den Zamkovy-Platz zur Krakowskie
PrzedmieScie , Nowy Swiat und Aleja üjazdowska, die andere von
der Nalewki durch Przejazd , ^abia und Graniczna zur Krolewska
und Marszalkowska, die dritte in w. ö. Richtung durch Chlodna,
Elektoralna und Zjazd zur Alexanderbrücke und nach Praga. —
Oestl. der Kirche gegenüber an der Ecke der Krolewska und Mazo-
wiecka das prachtvolle Palais Kronenberg, 1869 nach Hitzig's Ent-
wurf mit einem Aufwand von 2 Mill. R. erbaut. S. von der Kirche
an der Erywanska das Gebäude des Credit foncier, nach venezian.
Vorbildern von Marconi aufgeführt.
Wir kehren durch die Krolewska zur Krakowskie PrzedmieScie
Bussland. 2. Aufl. 2
18 Route 3. WARSCHAU. Univer$ität.
zurück. In derselben 1., die Kirche des k, Josef (PI. 18), gewöhnlich
Wisylkikirche genannt (xvii. Jahrb.).
Daneben die UnlTenität, in dem ehemaligen Palais Kazimie-
rowski, vom Könige Johann Kasimir erbaut und bewohnt, später
vom Könige Stanislaus Poniatowski den Kadetten geschenkt. Die.
Universität wurde 1832 aufgehoben und in eine Hauptschule ver-
wandelt, 1861 wieder eingerichtet. Ihre berühmte Bibliothek wurd»
zum grossen Theil schon 1794 nach St. Petersburg gebracht ; ein
anderer Theil und viele Sammlungen gingen 1832 dorthin. Hinter
der Universität ein schöner Garten mit Blick auf die Weichsel.
Schräg gegenüber eine der grössten Kirchen Warschau's, die-
Heilige-Kreuzkirche {Kosciöl ä^'^Krzyia, Kocreai» CBATaroKpecTa,.
PI. 13 : F5), von dem Lazarusorden unter Johann Sobieski 1682-96-
erbaut, mit prachtvollem Hochaltar.
Am Ende der Krakowsk. PrzedmieScie, zwischen Aleksandrya.
und Nowy Swiat, liegt das Oehäude der Gesellschaft der Freunde,
der Wissenschaft (S. 23), jetzt Sitz eines Gymnasiums. Vor dem-
selben steht die bronzene Statue des Xopemikus (geb. 1473 zu
Thorn, f 1543 zu Frauenburg), nach Thorwaldsen's Modell 1822
durch National - Subscription errichtet. In der einen Hand ein
Tellurium, in der anderen einen Zirkel haltend, sitzt der grosse
Astronom auf einem Würfel, der auf einem Sockel von grauem
Marmor ruht. Die einfache Inschrift in poln. und latein. Sprache
lautet : „Dem Nikolaus Kopernikus das dankbare Vaterland 1822'^.
— Gegenüber dem Gymnasium steht der ehemalige Pa{a«^Zamo^'d]ii;{,.
ehemals den Branizki's und Sapieha's, bis 1863 dem Grafen Andrzei
Zamojski gehörig, dann nach dem Attentat auf den Statthalter
Grafen Berg, welches von einem Fenster des Palastes aus verübt
wurde, von der Regierung confiscirt und der Militärverwaltung über-
wiesen. In einem Hintergebäude der Russische Klub (S. 10). Ö.
von dem genannten Gymnasium , in der Aleksandrya das Kinder-
krankenhaus. — In der Nähe am Warecki-Platz (PI. F 5) das Findel-
haus zum Kinde Jesu, eins der grössten Hospitäler Warschaus;,
hinter demselben, an der Zgoda, das anatomisch-pathologische In-
stitut (AnaTOHO IlaTOiorHHecKifl HHCTHTyTi).
Zurück durch die Warecka zu der südl. Fortsetzung der Kra-
kowsk. PrzedmieScie , der Nowy Swiat {Neue Welt, Hobuü CbIti^
PI. F 5, 6). L. zweigt hier die Ordynacka ab, Sonntags von schachern-
den Juden angefüllt , in welcher ein Gircus und das Palais Ordy-
nacki, im J. 1597 begonnen, jetzt Conservatorium der Musik. Über
die Aleja Jerozolimska (Jerusalemer Allee, S. 22) hinweg führt di&
Nowy Swiat auf den Alexander -Platz {Plac S^** Aleksandra, IIjo-
maAb CatTaro AieacaHApa; PI. F 6), auf dem die vor kurzem präch-
tig hergestellte Kirche des h. Alexander Newsky (PI. 5) steht , voa
Alexander I. zur Erinnerung an die Vereinigung Polens mit Russ-
land erbaut. Von den drei Kreuzen , die früher als letzte Station,
der längst verschwundenen 28 Kapellen der Aleja Ujazdowska vor
Schlosa Lazünki. WARSCHAU. 5. Baute. 19
der Kirche sich befanden, sind nur noch zwei vorhanden, zwischen
.denen eine Statue des h. Nepomuk steht. An demselben Platze 1.
das Blinden" u, Tauhatummen 'Institut (ÜHCTHTyT'B TiyxoB.tva'h
H Cstnuxi, PI. G 6). Etwas ö. in der Ksi%zQca r. das Krankenhaus
aum h, Lazarus j 1. der Eingang zu dem schönen Frasoati-Park»
der sich nach dem Ujazdowska-Platz (s. unten) hin erstreckt.
Von den drei Strassen (Mokotowska, Ujazdowska, Wiejska),
welche vom Alezander-Platz in südlicher Richtung ausgehen , ver-
folgen wir die mittelste , die Aleja Ujazdowska (yfla^OBCKafl A4efl,
PI. F G 6-8), eine stattliche Linden- Allee, mit schöner Promenade,
Reit- und Fahrwegen. Sie bildet mit ihren zahlreichen Yillen,
Öffentlichen Yergnügungslokalen und der waldigen Umgebung den
Prater oder die Champs Elys^es von Warschau. An dem grossen
Ujazdowska 'Platz {Plac Ujaz., YflaxoBCKafl niomaAi», PI. G6, 7)
r. eine Anzahl Yergnügungslokale , wie das Schweizerthal (Dolina
Szwajcerska) , in dem Concerte stattfinden; 1. das Militärhospital
mit seinem Park , früher königl. Sommerpalast. Auf dasselbe folgt
links der sehenswerthe Botanische Oarten mit der Sternwarte {Ob-
serwatoryum astronomiczne , Oöcepsaropifl) , dann die herrlichen
Parks der Lustschlösser Belvedere und Lazienki.
Das elegante Lustschloss *Lazienki oder Bäder {Lazienki Krö-
lewskie, JaseHKOBCKlä ^Bopem», PI. G8, Erlaubniss zur Besich-
tigung des Inneren s. S. 15) , im italienischen Stil vom Könige
Stanislaus Poniatowski Ende des xvni. Jahrb. erbaut, 1817 von
Alexander 1. erworben, gewährt, namentlich von dem durch Kunst
geschaffenen Weiher gesehen, einen reizenden Anblick und hebt
sich in seiner weissen Farbe allerliebst aus der schönen Parkum-
gebung, den mannigfaltigen Baumgruppen heraus. Im Schloss sind
sehenswerth das Badezimmer mit Reliefs und der sogen. Salomons-
saal, dessen Plafond (Scenen aus der Geschichte Salomos) von
Bacciarelli gemalt ist; an den Wänden hängen viele Portraits be-
rühmter Schönheiten Warschau's aus der Zeit des Königs Stanis-
laus ; in anderen Räumen Bilder polnischer Könige und berühmter
Männer sowie wichtiger Ereignisse aus der Geschichte Polens. Auf
der Westseite, durch eine Brücke mit dem Schloss verbunden, die
Alexander -Newski-Oapelle, 1876 erbaut. In dem einzig schönen
Park befinden sich viele kleine lauschige Yillen , ein chinesisches
Palais, ein wunderhübsches *Natur- und ein Winter-Theater, eine
Rotunde mit Marmorbüsten polnischer Könige , eine Kapelle mit
Mosaikgemälden etc. Gegenüber dem Schloss auf der Brücke der
Agrykola Dolina ein barockes Reiterstandbild Johann Sobieski'a,
errichtet von Stanislaus Poniatowski am hundertsten Jahrestage des
über die Türken bei Wien 1683 erfochtenen Sieges.
Dicht neben dem Lazienki-Park das Lustschloss Belvedere, mit
seinen schönen Gärten im englischen Geschmack bis zum Belvedere^
Thore (Bogatki Belwederskie, EeibBeAepcKaa sacraBa) reichend. Das
Schloss (Eintritt s. S. 15), an der Stelle eines ehemaligen Kirchhofs,
2*
20 Route 3. WARSCHAU. Büvtdete,
war die Residenz des Grossfürsten Konstantin Pawlo witsch, auf
den daselbst am 29. Nov. 1830 ein Attentat versucht wurde. Die
vom Grossfürsten und seiner Gemahlin, der Fürstin Lo witsch (S. 4),
bewohnten Gemächer sind grösstentheils noch so wie zu ihren Leb-
zeiten eingerichtet. Von dem Baicon im obern Stockwerk prächtige
Aussicht.
Von Belvedere w. durch die Bagatela, an dem zoologischen Oarten
(Restaurant, Concerte) vorbei, gelangen wir zum Mokotowski-Tkor
{Rogatki Mokotowakie , MoKOTOBCKa« sacTasa , PI. F G 8). Gleich
rechts das weite Mokotow'iche Militär- üehungs- Feld ( Mokotowskie
Wojenne Pole, HoKOroBCKoe BoenHoe noje) mit dem Ren/nplate
{Miejace wyicigöv) konnych, MtCTO AJ> kohhoM CKaHKH, P1.E7, 8),
auf dem jährlich im Juni Rennen abgehalten werden. Auf dem
Mokotow-Felde finden die Inspicirungen der in und um Warschau
concentrirten Truppen durch den Kaiser statt.
Der Marszalkowaka bis zur Swi^to Krzyzka (PI. E 5) folgend
gelangen wir 1. abbiegend zum Orzyhow -Platz (P1.E5) , an dessen
Südseite sich die Allerheiligen - Kirche , eine der grossten War-
schau's, im Aeusseren noch unvollendet, erhebt. Von hier durch
die Krölewska zur Krakowskie Przedmie^cie (S. 16) zurück.
Vom Zamkovy - Platz führt 8.w. die Senatorska, Elektoralna-
und Ghlodna zum Wola-Thor. In der Senatorska (GeHaTopcKafl,
PI. £F4), mit schonen Magazinen und lebhaftem Verkehr, liegt
zunächst 1. die Jtmkerachtde (BapmaBCKOe ülixoTHoe lOiutepcKoe
y<iHJHme), eine Art Kriegsschule, das ehem. Palaia des Fürsten
Primas, Die Erzbischöfe von Gnesen, Primaten der polnischen
Kirche, unabhängig in ihrer geistlichen Stellung, waren auch die
ersten Senatoren des Königreichs und standen während der vielen
Interregnen an der Spitze des Reichs. Nach der Theilung Polens
wurde ihr Palast in Warschau so wie andere Besitzungen von der
preussischen Regierung confiscirt. Bis 1831 war der Palast Sitz
des Kriegsministeriums und dient seit 1870 seinem jetzigen Zweck.
Dem Palais gegenüber zweigt r. ab die gleichfalls belebte Mio-
dowa- Strasse (Ml^AOBaff, PI. EF4). In derselben zunächst 1. die
Kirche der Yerklämng Oottei, gewöhnlich Kaputinerkirehe ge-
nannt (PI. 14; F4) , von Johann Sobieski zum Dank für den Sieg
über die Türken bei Wien 1683 erbaut. In einer Kapelle ein Sarko-
phag aus grauem Marmor , das Herz Sobieski's enthaltend und von
Kaiser Nikolaus nach seinen Türkensiegen 1829 errichtet. Eine
Graburne in derselben Kapelle ist dem Andenken des Königs
Stanislaus August Poniatowski gewidmet und trägt die Inschrift :
„Morte quis fortior? Gloria et amor.** — Anstossend das Palais
Pac, jetzt Sitz des ersten Gerichts (OKpyacHiiifi Cy^i) für den War-
schauer Kreis, dann folgt der Palast des Erzbischofs von Warschau,
zuletzt von dem Erzbischof Felinski bewohnt , der wegen Begün-
Qr. Theater, WAKSCHAÜ. 3. RoxUe, 21
stigung der revolutionären Kundgebungen verbannt wurde. Gegen-
über r. die griecMscb - unirte Kirche der Basilianer (PI. 6) , mit
schönen Altargemälden.
Die Miodowa - Strasse mündet auf den Krasinski- Platz (Plac
KrasinSki, KpacHHCKafl Uiomüf}», PI. Eä). An demselben r., Ecke
der Miodowa- und Dluga (Langen)-Str., die griecMsch - rassische
Kathedrale {Sobor Katedralny ä^^ Tröjcy, KaeexpaibHufi coöopx,
PI. 12: C3), bis 1832 dem Collegium der den Jesuiten verwandten
Fratres scholarum piarum (Piaristen) gehörig, 1837 im Renaissance-
stil umgebaut, mit fünf vergoldeten Kuppeln und reichem Ikonostas.
Gegenüber das Oerichtsarchiv. — An der Westseite des Krasinski-
Platzes der alte Krasinski - Palast (CyAeönafl näiaxa), eines der
schönsten Gebäude Warschaus , im italienischen Stil , drei Stock-
•werke hoch , ausgezeichnet durch grossartige und edle Verhältnisse
und reiche architectonische Zierathen. Von der Familie der Grafen
Krasinski (namhafte politische und historische Schriftsteller) Ende
des XVII. Jahrh. erbaut und dann dem Staate Polen vermacht, wurde
er im xvni. Jahrh. zur Abhaltung des Reichstags benutzt, brannte
1782 ab, wurde neu aufgebaut und enthält jetzt das höchste Gericht
des Weichsellandes. — Hinter dem Palast der Krasinski- Oarten
[Ogröd Krasinski, KpacHHCKiä caAi»), von einem Eisengitter um-
geben und dem Publikum geöffnet (fast nur von Juden besucht) ; er
enthält schöne Promenaden und Springbrunnen.
Wir kehren am Arsenal vorüber durch die Bjelanska oder die
Miodowa in die Senatorska zurück. Dieselbe erweitert sich bald
zu einem schönen Platz, dem Theaterplatz {Hac Teaträlny,
TearpaibHaii niomaAB , PI. E F 4) mit Gartenanlagen und Spring-
brunnen. An ihm liegt r. das Bathhaus {Ratusz, Paryma), ehemals
Palast der Fürsten Prusz Jablonowski. 1863 brannte es ganz nieder
und wurde sehr stattlich neu aufgebaut. Am Thurm optische Sig*
nale für den Feuermeldedienst ; Thürme mit gleichen Apparaten
sind durch die ganze Stadt vertheilt. Gegenüber links das Grosse
Theater {Teatr wielki, Eoibmoft rearpi ; PI. 25 ; E F 4) , zwei Theater
(Bühnen) enthaltend, die durch die Regierung unterhalten werden.
Die Vorstellungen sind aus Nationalgefühl von den Polen stets
stark besucht. Nationale Dramen werden ausgezeichnet gegeben;
zuweilen auch italienische Opern. Das Warschauer Ballet ist noch
heute berühmt; Vorzügliches leistet es in den polnischen National-
tänzen, wie Mazurka, Krakowiak, Sawierucha, Gaiduk , Kasat-
schek. Berühmt sind die an den Sonntagen des Januar im Theater
stattfindenden Öffentlichen Redoutenbälle.
Der Tanz wird Ton den Polen mit einer Anmuth und Leichtigkeit,
aber aueh mit einer Koketterie und zum Theil mit einer Wildheit be-
handelt, die man nirgend in gleichem Grade findet. Seit Wladislaus IV.
war das Ballet indess von der polnischen Bühne verschwunden, lebte
aber unter Poniatowski wieder auf. Die Anfänge dazu legte der Unter-
sehatzmeister von Litauen, Tiesenhausen, in einer Truppe, die er durcji
einen französischen Balletmeister Le Doux aus seinen Leibeigenen ge-
bildet und dem Könige Stanislaus zum Geschenk gemacht hatte. Dieser
22 Route 3. WARSCHAU. Wola-Thor.
gab der Trappe die Freiheit, vergrösserte sie und schuf aus ihr ein Ballet,
in dem die bekanntesten Tanzkünstler Europa^s , ein Vestris , eine Pie
dem Enthusiasmus der tanzgewandten polnischen Welt Genüge thaten.
Seit den Zeiten Wladislaw's hörte Warschau auch zum ersten Haie
wieder italieniseheOpernmusik während des Reichstages 1791. Die
Kunstliebe des Königs Stanislaus zog gute Opernkräfte herbei, berühmte
Sängerinnen wie die Banti traten auf. Zu einem Schauspielbause war
damals die alte Reitschule am Sächsischen Garten (s. S. 17) umgewandelt.
Weiter in der Senatorstr. 1. die Antonius- oder Reformaten-
Kirche (PL 16 a), ein schönes Gebäude nacb dem Vorbilde des Pan-
theon ; es enthält ein Denkmal des Grossmarschalls Bilinski. Vor
der Kirche eine Statue der h. Jungfrau. Gegenüber die Kauf-
manns Ressource (Resursa Kupiecka) in einem Palaste, welcher
ehemals der Familie Mniszchowskl gehörte. Das jetzige Gebäude
■wurde 1829 errichtet; vor demselben eine Statue des h. Nepomuk.
Neben der röm,-kathoL Kirche am Bank platz 1. der Palast der
Grafen Zamojski (PI. 22: E 4) oder das Blaue Palais j von König
August II. für seine natürliche Tochter, die Gräfin Orzelska , in
wenigen Wochen gebaut , jetzt Eigenthum der reichen und in der
Geschichte Polens oft genannten Familie Zamojski; er enthält
•werthvolle Kunstsammlungen. — Gegenüber das Comptoir der
Reichsbank f der ehemaligen Polnischen Bank,
Verfolgen wir vom Bankplatz rechts (nördl.) die Rymarska und
Przejazd, so gelangen wir zu dem mit Säulen verzierten Gebäude
der Finanz -Verwaltung j dem Qefängniss und dem alten Arsenal
{Cekauz, EuBmiM Apceaaii, PI. E 4). Hier fand am 29. November,
dem Beginn der Revolution von 1830, der blutigste Kampf statt.
Auf der nahen Tlomackle die grosse Synagoge (PI. E 4).
Bis zur Leszno - Strasse (JeiUHO yiHiia, PI. CDE4,5) zurück-
gehend und in diese einbiegend , erb^Iicken wir r. die Reformirte
Kirche (PI. 16 : E 4) und die Kirche der Karmeliter (UepKOBb Kapiie-
iHTOBi, PI. D 4). Auf der Thür des Ciborium am Hochaltar ein Ge-
mälde von Correggio. In der nahen Karmelicka das Evangelische
Krankenhaus (PL E 4).
Durch die Ssoina - Strasse auf die Elektoralna OieRTopajbHafi,
PI. D E 4, 5). Am Ende derselben auf einem kl. Platze in der Nähe
der grossen Wielopolski- Kasernen die hübsche Kirche des h.
Borromäus (PI. 8 : D 5), deren zierliche Thürme in Verbindung mit
dem fernen Rathhausthurm (1.) und einem nahen Feuerwachtthurm
von der ^lazna aus ein interessantes Bild geben. — Die Chlodna-
Strasse führt von hier direct zum Wola-Thore (Rog. Wolskie,
BoibCKafl sacTaea, PL 0 5), vor welchem die Vorstädte Wola
und Czyste (S. 26) liegen. R. in der Nähe der Reformirte und
Evangel. Friedhof (PL C 4, 5).
Durch das Jerusalemer Thor (Rogatki Jerozolimskie , lepy-
caiHHCKafl sacT., PL D 6) zurückgehend, gelangen wir in die Aleja
Jerozolimska (lepyc. Ajea, PL D E F G 5, 6), welche, die Nowy
Swiat (S. 18) kreuzend, sich bis zur Weichsel hinabzieht. SüdÖstl.
Altstadt. WARSCHAU. 3. Route. 23
^om JerusalemeT Thor am Kozyki die Filterstation der neuen
städtischen Wasserwerke (PL D E7), 1884—1887 erbaut. Weiter-
liln 1. der Pomologische Garten und die neue Peter-PatUskirchef
1886 erbaut ; daneben eine ältere Kapelle, St. Barbara.
Am Warsohan- Wiener Bahnhof Fl. £ F 6) biegen vir 1. in die
schone breite Marszalkowska (MapmajiKOBCKaii), und gelangen ent-
weder geradeaus- zum Sächsischen Garten (S. 17), oder r. durch die
Krölewska in die Krakowsk. PrzedmieScle (S. 16).
Unmittelbar nordlich an den Zamkowy - Platz schliesst sich die
Altitadt {Stare Miasto, Ct. Mucto, PI. F 3), die mit ihrem Labyrinth
«nger, krummer Gassen , namentlich auf dem von hohen schmalen
Häusern umgebenen Marktplatz, den alten Städten Deutschlands
gleicht. Rechts in der Swi^to Jahska {St. Johann-Strasse, Cbato
HncKaa), die durch einen Korridor mit dem Schloss verbundene
ICathedrale 8t. Johann {Katedralny Koiciöi S^^ Jana, KaeeApaiaifi
koctS» CBflTaro loanHa; PL 17:F3), eine gothische Hallenkirche
Ton angemessenen Yerhältnissen, aber durch spätere Zuthaten etwas
entstellt. Sie wurde um die Mitte des xni. Jahrb. von den maso-
Tischen Herzogen gegründet und besonders durch den König Johann
Sobieski ausgeschmückt (über dem konigl. Kirchenstuhl sein Wap-
pen und eine Fahne, welche er den Türken abgenommen). An
weiteren Sehenswürdigkeiten enthält die Kathedrale ein treffliches
Altarbild von Palma d. J., das Napoleon trotz seiner gerühmten Vor-
liebefür Polen 1807 nach Paris, Alexander aber 1815 wieder zurück-
schickte ; am ersten Pfeiler links ein Mosaik - Porträt des Fürsten
Primas Michael Poniatowski, Bruder des Königs Stanislaus August ;
ein Porträt des Kardinals Jffosius, Bischofs von Ermeland, und
viele Grabmonumente berühmter Polen; das Denkmal des Reichs-
tagsmarschalls Grafen Stanislaus Malachowski (1736-1809), des
Haupturhebers der Konstitution vom 3. Mai 1791, mit der Inschrift :
„Przyiacielowi ludu** (Dem Freunde des Volkes), von Thorwaldsen ;
endlich das Grab des gelehrten Bischofs Albertrandi (f 1808), des
Gründers und ersten Präsidenten der „Gesellschaft der Freunde der
Wissenschaf t**, welche nach der Theilung Polens unter preus-
sischer Regierung entstand und 1831 aufgelöst wurde.
Die Kirche verlassend überschreiten wir den Altstadtplatz
{Stare Miasto , PL F 3) mit seinen alterthümlichen Gebäuden , wie
besonders das Haus an der (n.w.) Ecke der DunaJ , an denen man
noch die Wappen der alten Besitzer, Sinn- und Wahlsprüche,
Heiligenbilder und Reliefs, die an die alte polnisch - katholische
Zeit erinnern, sieht (SOOjährige Weinhandlung von Fukier , beste
Ungarweine). Dann gelangen wir über die Dluga (Lange Strasse,
Joiraa) in die Fretastrasse (4»peTa, PL E 3), wo die sog. Kenstadt
(Nowe Miasto) beginnt. An der Ecke der Dluga die h. Geist-Kirche,
auch Paulinerkirche genannt, aus dem Anfang des xviii. Jahrb.;
gegenüber die Dominikanerkirche St. Jacek (PL 9, E F 3) In der
24 Route 3, WARSCHAU. CitadeUe.
Kapelle 1. vom Eingang reiche Marmoxsculpturen. Weiter rechts
der Neustadtplatz (Nowe Miasto) mit der SaJcramentenkirche St.
Kasimir (PI. E F 3) und dem angrenzenden Kloster. — N. in der
nahen Koäcielna die Kirche der h. Jungfrau Maria, ein gothischer
Bau aus dem J. 1411 und am meisten von den Kirchen Warschau'»
in ursprünglicher Form erhalten.
Dujch AiQ Zakroczymska-Strasse (SuK^omsMCKiui, PI. 2, 3), vor-
bei an der Franziskanerkirche, an der Ecke der Franciszkans](;a;
den Sapieha' und Sieräkowski-Kaaemen, auf Kosten dieser Fa-
milien gebaut , zwischen den Forts Alexei und Wladimir hindurch
und über die Eisenbahn erreichen wir die Alftzander-GitadeUe
{Cytadella Aleksandroweka, AjeKcaHApoBCKaiiUHTsgiejb, PI. E 1,2),
am Nordende von Warschau an der Weichsel gelegen, 1832-35 auf
Kosten der Stadt als Strafe für den Aufstand von 1830 erbaut.
Im Innern derselben (der Zutritt wird selten verweigert) bilden die
zahlreichen Militärgebäude einen vollständigen StadttheiL Ausser
den Kasernen , Arsenal, Lazareth und Y orrathshäusern, welche für
12,000 Mann ausreichen sollen, befinden sich darin das Gefängniss
für politische Verbrecher und eine russische Kirche. Ein 20 m
hoher Obelisk von Bronze ist dem Kaiser Alexander I. zu Ehren
errichtet. Unmittelbar oberhalb der Festung überschreitet die
1876 erbaute EiBenbahnbrücke den 400 m br. Strom, dessen 1. Ufer
hier steil abfällt; am r. Ufer ein Brückenkopf, das Fort Sliwitzky;
r. das Petersburger Thor und die Vorstadt Praga (S. 25).
Wiederum vom Zamkovy- Platz (S. 14) ausgehend, verfolgen
wir ö. die schone, zur Weichsel führende Strasse Zjazd (3^3^%^
PI. F 4) und gelangen zur iJezanderbrücke (PI. F Gß), einer von
5 Strompfeilern getragenen eisernen Gitterbrücke (Zelazny most,
IRejLtsEU^a HOCTi), 508m lang, von dem Ingenieur Kierbedz 1865
mit einem Aufwand von über 6 Millionen Rubel erbaut, und eine
der schönsten und grossten in Russland. Die Brücke hat einen
Fahrdamm von c. 8 m Breite und an beiden Seiten Gallerien für
Fussgänger, von denen man einen herrlichen Blick auf die tief
unten dahinschäumende Weichsel geniesst. Das Rauchen auf der
Brücke ist verboten.
Am r. Weichselufer öffnet sich nach W. die Aussicht auf War-
schau, am besten von dem Hause des Yacht- Klubs (S. 10) aus.
Weit r., die Weichsel beherrschend, gewahren wir die Citadelle und
oberhalb derselben die Eisenbahnbrücke (s. oben) , dann die Neu-
und Altstadt, deren Gebäude sich bis zum Flusse hinabziehen; an
der Alexanderbrücke gleich r. das imponirend auf der Höhe lie-
gende königliche Schloss mit dem bis zur Weichsel reichenden
Schlossgarten , im Verein mit der Bernhardinerkirche auch archi-
tektonisch ein reizvolles Bild ; oberhalb der Brücke 1. die schön ge-
bauten neuen Vorstädte, dann die Promenaden und Gärten, welche
das kaiserliche Schloss Lazienki umgeben.
Vorstadt Fraga, WABSCHAU. 3, Boute. 25
Die Erueke führt in die am r. Weichselufer gelegene Vorstadt
Praga, ehemals befestigt und am 4. Nov. 1794 durch Ssuworow er-
stürmt , jetzt offen.
Die Theile des polnisehen Heeres, welehe der Sehlaeht bei Haeiejo-
wiee am 9. Oct. 1784 etttkomuen waren, hatten sich zum letzten, bltt-
tigen Entacheidungakampf nach Warachau und Praga zurückgezogen,
von Ssuworow verfolgt. £ine fortlaufende Linie von verschanzungen zog
sieh bei Praga eine deutsche Heile lang von dem Sächsischen Werder bis
aar Weichsel; «tellenweise waren doppelte Schanzen angelegt und Praga
gelbst, mit einem besonderen Wall umgeben, diente als Beduit. Mehr als
100 Qeschütze standen auf den Wällen, aber nirgends waren starke Batte-
rieen eoneentrirt. Am 4. Nov. 1794, gleich nach Mitternacht, legten die
Süssen, 25,000 M. stark (ixt Praga standen c. 35,000 M. Truppen und 3000
Bürger aus Warschau), 3 grosse Batterieen an, von 23, iB und 48 Ge-
schützen, und eröifneten Morgens 3 TJhr ein furchtbares Feuer gegen die
polnischen Verschanzungen und gegen Praga. Unter dem Schutze des-
selben eoncentrirten «ich russischerseits 3 groase Massen zum Sturmangriff,
von denen die eine die nördliche Seite der Vorstadt, die andere die west-
licbe erstfeigen sollte. Die Polen, schlecht verpflegt und matt vor Hunger,
-Fr^st und Niedergeschlagenheit, wurden durch den Sturm Moz^euB 3 Uhr
voUatändig überrascht. Nach zw ölfstündigem Kampfe wa^flf»g», in den
Händen der Russen: nach zwei T^en capitulirte Warschau. Die Verluste
polnischerseits wurden auf 13,000 Gefallene , 14,000 Gefangene, 700 £r-
-trankenegeacbätet. — Auf den kürten Bericht Ssuwerow'a an die Kaiserin :
„Hurrab, Praga 1 Sauworew^^ antwortete diese ebenso .k«rz.: „Bravo, Feld-
marscball! Kf^tharina.^^
Abgesehen Ton seinem historischen Interesse, den wenigen
Uebeiresten yjon Verschanzungen aus früherer Zelt bietet Praga.
wenig Sehenswerthes. Unweit des Wünaer Thores (PI. G 3) die
kleine, 1869 erbaute griech,-kath, Kirche mit 5 vergoldeten Kup-
peln. Am w. und s. w. Ende liegen die Bahnhöfe (BoKcaxi) der
Warschau-Petershurger (PI. H 2, 3) und Warschau - Terespoler-
Bahn (PI. H J 3). Im N. vor dem Petersburger Thor (PI. F 2) das
S. 24 gen. Fort Ssliwitzky, An der Weichsel entlang zieht sich der
Alexander-Park.
Eine Brücke über die sogen. Lachü südlich vom Warschau-Te^
respoler Bahnhof (PI. H4) führt uns auf die in üppigem Grün lie-
gende SMka K^pa, {Sächsischer Werder, CacKafl KeHna), früher eine
lotsel in der Weichsel, deren Nebenarm längst versandet ist. Die
Kempe selbst mit ihren vielen Sommervergnügungslokalen ist ein
Lieblingsaufenthalt der mittleren und niederen Klassen. Deutsche
Colonisten haben hier ihre Häuser mit schönen Gärten. Unfern
ostlich davon liegt das Dorf Grochow (4 km vom Warschau-Teres-
jpoler Bahnhof), berühmt durch die Schlacht vom 25. Febr. 1831
(8. S. 29).
17iiig«bimgen von Wanohau.
Wenn die Umgegend von Warschau sich nicht gerade durch land-
schaftliche Seize auszeiebnet, so bietet sie um so mehr Interesse iüi den
Historiker und Militär. Kach welcher Richtung man auch die Thore von
Warschau verlassen mag, man tritt auf historischen Boden, auf irgend
ein durch die Kriegsgeschichte bekanntes Gefechtsfeld. Es lohnt daher
wohl, dass d«r Reisende einige Tage dem Besuch, der Umgebung widmet,
um die hauptsächlichsten der vielen historisch merkwürdigen Punkte in
26 Route 3. MARYMONT. Umgehungen
Augensohein zu nehmen (Wagen in allen Hotels, 5-8 B. täglieh ; aueb mit
den DrosehUenkutaeliern kann man aecordiren).
Beginnen wir unsere Wanderung auf dem linken We i c h s e 1 -
uf er bei der Git&delie und scblagen, nacbdem wir das MaTymont-
Thor (PI. GDl) passirt haben, in n.-w. Richtung die Modliner
Strasse ein , so erreichen wir in ^/^ St. von dem genannten Thore
(1,2 km; von der Stadt aus 3,e km) Marymont (HapuHOHT'B) mit
Schloss und Park, einst Sommeraufenthalt der Königin Marie,
Gemahlin Johann Sobieskfs , jetzt ganz verfallen und an Private
vermiethet, auf einer vorspringenden Hohe gelegen, an deren s.
Fusse ein hübsches Wäldchen mit Teichen.
Verfolgen wir den Landweg, welcher n. über Potok und an dem
Gehöft Buda vorbei führt, so betreten wir bald den prachtvollen
Wald von BUlany. Der schattige Weg führt am Ufer der Weichsel
entlang und am Hauptausfluss der Warschauer Canalisatlon vor-
über zum s. Fuss einer Höhe, auf der das stattliche Schloss Bie-
lany (EIuahiii) liegt, ehem. Kloster und Kirche der Gamaldulenser.
Blelany, 7,5 km von Warschau, mit seinem Park und Wald ist be-
sonders zu Pfingsten sehr belebt , wo dann von den niederen Klas-
sen stark besuchte Volksfeste stattfinden. W. von Blelany zwischen
Wald und Chaussee lagert im Sommer ein grosser Theil der Trup-
pen des Warschauer Bezirks; auf der andern Seite der Strasse,
zwischen dieser und dem Dorfe Wawrzyszew (BanpSMineBi) das
grosse Manöverfeld (BtinncKoe BoeHHoe noie).
Auf der Modliner Strasse nach Warschau zurückkehrend und
bei Burakow von derselben r. abbiegend , erreichen wir das grosse
Hilit&r- Lager bei Powqski. Im Dorfe Pow%skl selbst eine grosse
Tabaksfabrik, am s. Ende das glelchn. Schloss (roAHuK nom») mit
Park , einst ein Landsitz der Familie Czartoryski.
In s. Richtung weiter wandernd gelangen wir am kath. Kirch-
hof vorbei auf die grosse Walil-Ebene (Pole Elekcji Krolöw) , auf
der im xvi., xvii. und xviii. Jahrhundert die Könige von Polen
unter oft stürmischen und blutigen Scenen gewählt, und auch die
berühmten und berüchtigten polnischen Reichstage abgehalten
wurden.
Das historisch denkwürdige Feld erstreckt sich w. von der Vor-
stadt Wola und den Kirchhöfen etwa bis zur Wolaschanze (s. unten)
hin. Von S. nach N. wird das ganze Terrain von der Verbin-
dungsbahn durchschnitten. — An den Kirchhöfen vorüber ge-
langen wir der Wolska in w. Richtung folgend in Vs St. nach dem
Dorf Wola (Bom). Hier und auf der ganzen West- und Südseite der
Stadt ist der Schauplatz, auf dem das Nachspiel des polnischen
Dramas, dessen Held Paskewitsch (S. 3) war, vor sich ging. Die
Trümmer der damals in den September - Tagen des Jahres 1831
errichteten Werke, namentlich die Schanze und die Kirche von
Wola, sind sprechende Zeugen desselben. In ersterer, welche
ebenso wie der Evangel. Kirchhof (S. 22) damals ein wichtiges
von Warschau. WILANOW. 3. Route. 27
Kampfobject war, befindet sich jetzt der russische Kirchhof. Dicht
an der Wolsker (K&Uscher) Strasse, im s. Theile der berühmten
Schanze j steht die ehem. katholische Kirche, die jetzt in eine
russisch - griechische verwandelt worden ist. Zahlreiche Kugeln
stecken noch in den Wänden. Das Innere ist mit militärischen
Emblemen geschmückt; die Kronleuchter sind aus Gewehrläufen
zusammengesetzt. Auf marmornen Piedestalen ruhen sechs Kupfer-
platten , auf denen in schwarzen Lettern die Daten dieses Krieges
Terzeichnet stehen (s. unten).
Am 19. Juli 1831 ging PMkewitseh mit der russisehen Hauptarmee
bei Osiek nahe der preussisehen Grenze auf 5 Brücken über die Weichsel.
Die damals zur Deckung des TJebergangs angelegten Werke sind noch
^eute in der Nähe des kleinen polnischen Soolbades decko (Giechocinek,
S. 2) SU erkennen. Von Osiek rückte er auf dem linken Weiehselufer
über Lowitsch vor und concentrirte 70,000 Mann zur Einschliessung von
Warschau auf demselben tJfer. Am 4. Sept. wurde beschlossen , die pol-
nischen Verschanzungeu zwischen der Krakauer und Kalischer Strasse zu
stürmen, und Wola als Hauptpunkt des Angriffs ausersehen. — In dem
durch 3 Schanzenlinien stark befestigten Warschau stand General Jfala-
ehowsü an der Spitze von 33,000 M., mit 92 Geschützen. Am 6. Sept. früh
«etzten sich die russischen Kolonnen zum Sturm in Bewegung und Kacfa-
mittags war die erste Linie der Verschanzungen genommen, worauf der
Angriff eingestellt wurde. Die Kacht wurde von den Polen mit Truppen-
concentrirungen und fruchtlosen Debatten in dem im Schlosse tagenden
Reichstage hingebracht. Am 7. Sept. stürmten die Russen die 2. Ver-
sehanzungslinie und den Stadtwall, ohne dass Reichstag und Regierung
sich geeint. Am 8. Sept. früh 5 Uhr zog die polnische Armee aus War-
schau und Praga ab und um 7 TJhr erfolgte der Einzug der Sieger in
die Hauptstadt. Der russische Verlust in den Kämpfen um Warschau
betrug 10,500 M.; derjenige der Polen 11,000 M.
** Von der Agrykola Dolna (PI. G 6) gelangen wir s. durch die
Czerniakowskä zum Czerniakowski-Thor {Rogatki Czernidkowskie,
P1.H8), von wo die Chaussee zum Dorfe Gzemiaköw führt, mit
prächtiger kleiner Wallfahrtskirche, 1691 vom Fürsten Stanislaus
liUbomirski erbaut ; die Gebeine des Heiligen befinden sich in einem
gläsernen Schrein unter dem Hochaltar.
Der Weg führt weiter in s.o. Richtung an einem der neuen Forts
vorbei nachWllanöw (BhiahobIi), (8,« km Landweg, 10 km Chaussee
von Warschau). Das auf terrassenförmig ansteigender Hohe in-
mitten schöner Parkanlagen gelegene 8chlo9Sy einen eleganten, mit
Fresken und Basreliefs geschmückten Flügelbau im Italien. Villen-
stil , Hess König Johann Sobieski zum Theil durch türkische Ge-
fangene aufführen. Nach Sobieski's Tode (f 1696) wurde das
•Schloss verkauft; später wurde es Eigenthum Stanislaus Ponia-
towski^s, der es ausbaute, kam dann an die Fürsten Lubomirski und
fichliesslich die Grafen Potocki. Im Innern (Zutritt für Fremde ge-
stattet) zahlreiche Kunstgegenstände , u. a. das Originalmodell des
Moses von Michelangelo, Emaillen von Limoges, eine kleine Ge-
mäldesammlung mit z. Th. grossen Namen, kostbare Möbel, chine-
sische Sachen u. s. w. — Die prachtvolle neue Kuppelkirche am
28 Route 3, BIALOLENKA. Umgehungen
Eingang des Dorfes wurde 1857*1870 von Graf August Potocki und
seiner Qemahlin Alexandra erbaut. Gegenüber ein gutes Wirthshaus.
1 km n.5. Ton Wilanow Jenseit des am Park vorbeifliessenden
Weichselarmes liegt das gleichfalls der Familie Potocki gehörige
Koryiln mit grossem Wildpark (IlapKi HapycHHeKi).
Von Wilanöw führt südl. eine Strasse, von welcher r. eine Allee
abzweigt nach dem Wildpark von Katolin (HaroiHHi) , 9 km von
Warschau, einer reizende Villa, ebenfalls den Grafen Potocki
gehörig, mit schonen Gärten , auf den schroif zur Weichsel -Nie-
derung abfallenden Höhen gelegen (4 km vom Strom entfernt). Im
Wildpark berühmte Fasanenzueht.
Ueber Slusew gelangen wir bei Szopy auf die Lubliner Strasse.
An dieser liegen nach der Stadt zu die beliebten Vergnügungsorte :
Xrolikarnia (KpyjHKapBfl, d. h. Kaninchengarten, 3,4 km von
Warschau), mit altem Schloss und Gartenanlagen; dann Wiersbno
(BtpsÖHO, 2 km TOn Warschau) und Kokotow (Mokotobi, 1 km),
beide sehr malerisch auf den zur Weichselniederung abfallenden
Höhen gelegen. Von hier erreichen wir entweder durch das (Vi St.)
Mokotow-Thor (S. 20) die Stadt, oder vor Mokotow r. den Ab-
hang hinabgehend, die Belwederska, welche an den besuchten Ver-
gnügungsorten MarceUin und Fromenada Belwedertka vorüber zum
(Vj St.) Belvedere-Thor und der Aleja XJjazdowska (S. 19) führt.
Auf dem rechten Weichselufer verdienen die Schlacht-
felder von Bialolenka, Orochow und Wawer einen Besuch (vor-
zugsweise für Militärs von Interesse). Um zu ersteren zu gelangen,
folgen wir, nachdem wir am N.-Ende der Vorstadt Praga (S. 25)
das Petersburger Thor {Rogatki Peterburgskie , PI. F 2) und die
Weichselbahn (S. 30) passirt, am Fort Ssliwitzky (S. 24) vorbei der
Modliner Strasse und erreichen zwischen Praga und (7 km) Bialo-
lenka das Feld, auf dem sich in den Tagen vom 28. bis 30. Juli 1656
die dreitägige Schlacht von Warschau abspielte , in welcher das
verbündete schwedisch -brandenburgische Heer unter der Führung
des Königs Karl X. Gustav und des Grossen Kurfürsten das 60,000
Mann starke polnische Heer zersprengte und Warschau eroberte.
Thell weise auf denselben Gefilden , sowie namentlich um die
Vorstadt Praga wurde zu Ende des XTiii. Jahrb. gekämpft. Den
Kämpfen daselbst, dem berühmten Sturm Ssuworow's auf Praga
am 4. Nov. 1794 (S. 25) folgte die dritte Theilung Polens. Ueber
das Gefecht bei Bialolenka am 24. und 25. Februar 1831 s. unten.
Kehren wir durch die Vorstadt Praga zurück und passiren
in östlicher Richtung das Moskauer Thor (Rogatki MoakiewskUj
PI. J4), so nähern wir uns den Schlachtfeldern von Orochow (Fpo-
xoBi) und Wawer (BaBepi). 1 km von dem gen. Thore erhebt sich
I., 200 m von der Strasse, ein schönes Derikmal, von Kaiser Nikolaus
an der Stelle errichtet, wo in der Schlacht bei Grochow die Prinz-
von WuTBchau. GROCHOW. 3, Route. 29
Albrecht-Kürassiere unter Oberst Meyendorf ihren Todesritt antra-
ten (s. unten). 5 Min. weiter steht 1. ein Ohtliak^ unter Alexander I.
errichtet. Weiterhin breitet sich die grosse Ebene aus, die den
Schauplatz des Sieges Jos. Poniatowski's über die Gestenreicher am
25. April 1809 und des Nachspiels des polnischen Pramas im Jahre
1831 bildete, eine um Praga halbkreisförmig liegende Niederung,
20 km im Umfang, ein conpirtes Terrain, Yon GrShen, Gebüschen,
Sümpfen, Sandhügeln durchzogen, mit einzelnen Dörfern und Ge-
höften (heutzutage vornehmlich Fabriken, welche die Rohproducte
des Landes verarbeiten). Begrenzt ist dieser Halbkreis von weit-
läufigem Waldgelände, mit dem sich das Terrain nach 0. aus der
Niederung erhebt. 3 km 6. von Praga beginnt das langgestreckte
Doii Qrochow'j wo die Strasse von Okuniew in die Chausee ein-
mündet, liegen die Häuser von KL-Orochow , an ersterer der Krug
Wygoda (Buroxa), an letzterer das Wirthshaus Wawer. Nördlich
der Chaussee und Kl.-Grochow befand sich das nur zum Theil noch
vorhandene Erlenwäldchen , in der Schlacht von Grochow der
Schlüssel der polnischen Stellung (s. unten).
Am 17. Fehr. 1831 rückte die rassische Hauptarmee unter General
DMritseh gegen Praga tot; General SchcKhowskoi über Ssjerozk, Zegrze,
Bialolenka; General Roten über Wegrow, Dobre, Stanislawow; General
Pakten über Ealuszyn, Hinsk, Wawer. Die Polen, nominell unter Fürst
BadtiwiUy thats'achlich unter CMopizü^ hatten eine beobachtende Stellung
im Halbkreise um Warschau genommen. Kach einigen Rückzugsgefechten
fanden sich die Polen auf die Niederung östlich Praga^s zurückgeworfen.
Am 19. Febr. wollte Biebitsch die auf den beiden Strassen anmarschirenden
Corps Pahlen und Rosen ausserhalb des Waldgeländes vereinigen. Dabei
kam es zu dem unbeabsicbtigten Reneontre-Gefeeht von Wawer;
mit starkem Verluste nahmen am Kaehmittage, nach dem Eintreffen des
Bosen^schen Corps auf dem rechten Flügel, die Russen Gozlaw, Wawer,
Wygoda, Kawenczyn; ein weiteres Vordringen gegen Grochow und das
Erlenwäddchen war bei der eingetretenen Dunkelheit und der Erschöpfung
der Truppen nicht mehr möglich. — Diebitsch fühlte sich zu weiteren
AngriiTen zu schwach und erwartete die Hitwirkung Schaehowskoi's auf
dem«äussersten rechten Flügel bei Zabki. Schachowskoi rückte jedoch,
vom Courier verfehlt, zunächst nicht auf Zabki, sondern auf Bialolenka,
das von dem polnischen General MalaehowM besetzt war. Am Nach-
mittage des 24. Febr. wurde in dem nun entstehenden Gefechte von Bia-
lolenka das Dorf genommen, am 25. Morgens aber wieder zurückerobert.
Schachowskoi führte nun einen Linksabmarseh über Grodzisk und Marki
aus, ohne darin von den Polen gehindert zu werden. Diebitsch änderte in
Folge dieses Gefechts seinen Plan und beschloss, die erst für den 26. be-
fohlene Schlacht schon am 25. zu schlagen. Die Russen verfügten über
69,000 H., die Polen über 56,000 M. Um 9 Uhr schritt Rosen zum Angriff
auf das den Schlüssel der polnischen Stellung bildende Erlenwäldchen.
Der Kampf schwankte lange hin und her, bis es zuletzt von 8 frischen
russischen Grenadier - Bataillonen genommen wurde; gleichzeitig langte
Schachowskoi zur Verstärkung an. Den Polen fehlte dagegen von jetzt
ab die einheitliche Leitung, langsam wichen sie in eine letzte Stellung,
westlich von Grochow, zurück. Gegen die hier befindlichen Reste der
polnischen Divisionen fand nun auf der Stelle des jetzigen Denkmals
(s. oben) der grossartige russische Kavallerieangriff statt, der die
Sehlussscene der mörderischen, für die Russen siegreichen Schlacht bil-
dete. Diebitsch beraubte sich aller Vortheile des errungenen Sieges, der
nur durch die Erstürmung Pragas ein vollendeter gewesen wäre. Er ging
zur Reorganisation seiner Armee bis an den Wieprz zurück, Rosen bei
30 Route 4, GROCHOW. Von Warschau
Wawer zurücklassend; letzterer erlitt am 31. März bei Dembe Wielkie
(20km östlich von Wawer) durch die Polen eine Niederlage, nachdem
sein Uniergeneral Geismar Tags zuvor geschlagen war.
4. Von Warschau naoh Nowo-Oeorgiewsk, Mlawa
(Marienburg) und Ciechocinek.
Eigenbakn von Warschau bis Nw90-OtorgUvD$k (31 Werst) in U/s St.
(1.43, 1.07, 0.55 B.); bis zur deutschen Grenze bei mawa (119 W.) in 4r5 8t.
(4.33, 3.26, 1.63 B.); von Mtawa bis Marienlmrg (149 km) in 6I/4 St. (12.10^
9.10, 6.10 tA). Kürzeste Linie zwischen Banzig (Elblng, Königsberg) und
Warschau (Abfahrt in Warschau vom Warschau- Wiener BahnhoQ.
Die Dampfbootfahri auf der Weichsel (kleine Passagier- Dampfboote
von Warschau nach Neu-Georgiewsk und Ciechocinek im Sommer 3 mal
w., S. 10) hat vor der kürzern Eisenbahnfahrt den Torzug der grössern
Abwechselung und ist bei ausreichender Zeit zur Büekfahrt nach der
deutsehen Grenze (Thorn) zu empfehlen.
a. Eisenbahnfahrt von Warschau bis Miawa,
Die Bahn überschreitet die Weichsel auf der neuen Eisenbahn-
brücke unterhalb Praga (S. 25) und wendet sich alsbald nach N.
Sie durchschneidet unweit des r. Ufers der selten sichtbaren Weichset
einen Theil der" Schlachtfelder von 1656, 1794 und 1831 ; weiterhin,
jenseit der Station Jablonna{fl6iORR9)^ einem beliebten Ausflugsort
der Warschauer mit prachtvollem altem Park und sehenswerthem
Schloss, der Familie Potocki gehörig, beginnen ausgedehnte Wal-
dungen. Bei Nowy-Dwor (Hob. ^Bopi, S. 31) führt die Bahn auf
eiserner Gitterbrücke über den Narew (Hapesi) und erreicht alsbald
32 W. Stat. Kowo-Oeorgiewsk (HoBO-reoprieBCKi).
Nowo-Georgiewskf bis 1831 Modlin genannt, nach den n. Ö. der
Festung gelegenen Ddrfern KoL- und Stary-Modlin, ausschliesslich
Festung da es keine Ortschaft umschliesst, 1807 von Napoleon I.
angelegt , seitdem bedeutend erweitert und wichtiger Depotplatz,,
liegt an der Mündung des Narew in die Weichsel und a cheyaL
dieser beiden Flüsse, 112 m ü. M., 30 m über der Weichsel auf einem
welligen Plateau, welches sich im S.O. allmählich nach dem Narew
zu senkt und gegen diese und die Weichsel mit sehr steilen Rändern
abfällt, dann aber von ersterer sich entfernt und, in n.w. Richtung
ziehend , bei Pomiechowo an den tiefeingeschnittenen Wkra-Fluss-
tritt. Die hierdurch entstehende, ziemlich ausgedehnte Niederung
ist von Wasseradern durchzogen, sumpfig, mit Tümpeln erfüllt und
wird bei Hochwasser jedesmal vollständig überschwemmt. Im N»
undN.O. steigt das Terrain sanft an und weist namentlich in letzterer
Richtung einige, die Festung dominirende Punkte auf. W. bleibt
das Plateau bis zum Städtchen Zakroczym (3aKpo«iHMi, »^ unten)
hart an der Weichsel, um von da halbkreisförmig (mit einem Radius
von 1500 Sehr.) zurückzutreten und bei Duchowisna den Fluss
wieder zu erreichen. Das Plateau ist mit Wald bedeckt, die un-
mittelbare Umgebung der Festung aber baumlos. Am 1. Ufer des.
nach Ciechocinek. MEAWA. d, Route. 31
Narew auf der Schwedenimel , der flachen, zum Theil versumpften
Halbinsel zwischen Weichsel und Narew, liegt die Vorstadt Nowy-
Dwor (Hob. i(Bopi, deutsch Neuhof), Zal^roczym und Nowy-Dwor
haben je 6*800 meist hölzerne Häuser und 4-5000 grösstentheils
jüdische Einwohner. Von der Festung führt s. eine Brücke über
die Weichsel ; Ö. über den Narew ausser der Eisenbahnbrücke eine
TOn 4 Pfeilern getragene Drahtseil-Hängebrücke nach Nowy-Dwor.
30 km wesilieb von Nowo - Oeorgiewsk Hegt Stjeroak (Cftpoivrb), am
ZusammenfluBS des ÜTarew und des Bug, Vereinigungspunkt der grossen
Strassen von Kowno und Orodno.
Folgen die Stationen : 46 W. NasieUh (HaceiBCKi) ; 65 W. Gon~
soc2i/n (roHCoaHHi») ; 82 W. Ciechanow (UtxaHOBi) ; 97 W. Konopki
(KoHonKH) ; dann die russ. Grenzstation
113 W. (120 km) Miawa (Mjasa). ~ Bahnrestaur. ; bei der
Fahrt in umgekehrter Richtung Zollabfertigung.
Nach Uebersehreitung der preuss. Grenze (preuss. Grenzstation Illouio)
berührt die Bahn die (Stationen SoldaUy Koschlau^ RjfbnOy JfontoieOf Weiuen-
bwg, (80km) Deutsch -Eplan ^ Knotenpunkt der Thorn-Insterburger Bahn;
weiter Rotenberg, RUgenburg, Nikolaiktn^ MUctteo^ (149 km) Marienburg,
Von hier naeh Dangig oder Königsberg ^ s. Badeker^s Norddeutschland.
b. Weichselfahrt von "Warschau nach Ciechocinek.
Die Weiehaal (lat. Vistula oder Visulla^ Albula^ poln. Wisia^ russ.
BkcjoO , 151 geogr. Meilen lang (davon TH/s M. in Polen) , entsteht im
österreichisehen Schlesien, im Jablunka- Gebirge aus der weissen und
schwarzen Weichsel. In dem poln. Plateau und den Yorbergen der Kar-
pathen, mit ihren tiefen Flussthälern , ihren steil aufsteigenden Felsen
und Höhen , ihren Wäldern und Wiesen, finden sieh eine Fülle von histo-
rischen Orten, Ruinen von Burgen und Stammschlössern berühmter Ge-
schlechter. Auf dieser Strecke auf der Grenze zwischen Oesterreich und
Bussland (Polen) , Ist die Weichsel 120-900 m breit und 1-5 m tief. Bei
Sandomir wird sie für grössere Fahrzeuge schiffbar.
Von Sandomir an durchbricht die Weichsel in 'S. Richtung die süd-
liche Landhöhe und wird bis zur Wieprz-lf ündung von hohen, mit Wald
bedeckten Rändern eingefasst. Westlieh erhebt sieh hier das 14-20 km
breite Sundomirer Gebirge^ mit scharf ausgezackten Felskämmen, welche
über die zum Theil aus Kalkstein bestehenden, rückenförmig gestalteten
Berge emporragen. Nordwärts von der Lysa Qora^ auf deren höchstem
Punkte das von Boleslaw Chrobry gegründete älteste Kloster Polens, Swi^ty
Krtyi (heiliges Kreuz) liegt, ist der Abfall des Gebirges flach und lang.
Kleine, immer niedriger werdende Hügelzüge bilden den TJebergang zur
Piliza, jenseit deren die eigentlichen Tieflandsehaften Polens sich aus-
breiten (8. R. 2).
Auf dem r. Ufer des Stromes liegen fruchtbare Hügelebenen der frühern
Woiwodschaft Lublin. Jenseit des Wieprz wird die Landschaft nach dem
Bug hin flacher. Sandiger Boden beginnt mit dem fruchtbaren Lehm abzu-
wechseln und bei Ghelm erheben sich die letzten Kreideberge, von welchen
man nach Osten in die Fluren Wolhyniens hinabsieht. In einer breiten
Thalebene fliesst der 300-700 m breite, 2-6 m tiefe Strom mit ruhigem Laufe
nach Norden und erst in der Gegend von Nowo - Georgiewsk erscheint
wieder an seinem r. Ufer ein hoher Thalrand, während das linke niedrig
bleibt. Von Krakau bis Warschau fällt der Strom auf 1 Meile 1,7 m, von
Warschau bis Thorn 1,6 m. — Ueberschwemmungen, besonders aus-
gedehnt an den Mündungen der Nebenflüsse, treten jahrlich dreimal ein :
die erste und schlimmste im ersten Drittel des März, das grosse Hoch-
wasser beim Eisgang, welches 2 Wochen und länger dauert; die zweite
um den Johannistag: die dritte 4 Wochen später, die sog. Janöwka und
Jakuböwka, durch das Schmelzen des Schnees auf den Karpathen ent-
32 Route 4, PLOZK. V<m Warschau
stehend. Die Eisdecke des Flussös pflegt vor Weihnachten' zu stehen
und wenigstens 3 Honate aussuhalten. Die Schifffahrt, gewöhnlich von
April bis October dauernd, ist trotz genügender Tiefe schwierig, da die
Weichsel eine Menge mehr oder weniger zu Tage liegender Sandbänke
bildet, welche sich fast naeh jeder Ansehwellung des Flusses Yerändem.
Ausserdem unterspült sie die Ufer meilenweit in einer Weise, dass förm-
liche Erdstürze entstehen, die dann die Strömung nach einer andern
Richtung drängen. Grosse Strecken der Uferdämme werden beim Hoch-
wasser weggerissen und überschwemmt, sodass ganze Landschaften unter
Wasser gesetzt, gan&e Dörfer hin weggespült werden. Ifamentlieh die
Gegenden unterhalb der Festung Iwangorod (s. 8. 8S) waren sehon die
Stätten der schrecklichsten Verwüstungen, besonders beim Bisgang durch
ausserordentliche Stauungen, die sog. ^Zatory". Seit 1848 ist auf der
Weichsel von Warschau aus Dampfsch^/ahrt im Betriebe, die durch den
Grafen Andreas Zamoyski eingerichtet wurde und von einer Actiengesell-
schaft fortgesetzt worden ist.
Die Fahrt auf der Weichsel von Warschau stromabwärts
(Abfahrt unterhalb der Alexanderbrücke) führt uns unter der neuen
Eisenbahnbrücke hindurch, an der Citadelle, dem Kloster Bielany,
Schloss Mlociny Torbei. Halbwegs Nowo - Qeorgiewsk passiren
wir (15 W.=16 km) Schloss Jahlovma, den Grafen Potocki gehörig;
das gleichn. Dorf (Eisenbahnstation , s. S. 30) wird in der Kriegs-
geschichte des J. 1656 genannt (S. 28).
31 W. Kowo-Georgiewsk s. S. 30.
34 W. Zakroczym, Sakrotschim (daKpOTHMi) , Städtchen mit
4790 E. (vgl. S. 30), auf dem r. Ufer der Weichsel. Hier tagte nach
dem Falle von Warschau 1831 eine Zeit lang der polnische Reichstag.
55 W. Czerwinsk mit den Ruinen eines alten Schlosses der Her-
zoge von Masovien, 1410 TJebergangspunkt des poln. Heeres unter
Wladislaw Jagiello bei dem Zuge gegen den deutschen Ritterorden.
64 W. WyszogrodiBumTO^poA-b), Städtchen (4423 Einw.) mit leb-
haftem Handel, gegenüber der Mündung der Bzura in die Weichsel.
101 W. Flozk, Plock {TLiow-b), eine der ältesten Städte Polens,
ehemals Residenz masovischer und polnischer Herzoge sowie Bi-
schofssitz, jetzt eine ansehnliche, emporstrebende Gouvernements-
stadt mit 22,000 £inw. (viel Juden), am r. Ufer der Weichsel auf
einer Anhöhe hübsch gelegen, besteht aus der Alt- und der Anfang
dieses Jahrhunderts angelegten Neustadt und hat viele Kirchen,
darunter die alterthümliche Domkirche aus dem xu. Jahrh. mit
Grabmälern der polnischen Herzoge und KSnige Wladislaw, Her-
mann und Boleslaw III.
117 W. Duni/now., auf dem 1. Ufer der Weichsel, mit grosser
Zuckerfabrik und Brauerei.
129 W. Dobrachln, Dobrzyn (AoöpxHHi), Stadtchen am r. Ufer
der Weichsel, mit den Ruinen einer alten, in den Kämpfen zwischen
dem deutschen Orden und den Polen vielumstrittenen Burg auf den
von der Wasserseite unzugänglichen Höhen an der Weichsel.
25km n. von Dobrzyn, bei Skempe, befindet sich ein berühmtes
Gnadenbild, wohin viele Wallfahrten geschehen.
143 W. WiocUwsk (BiomaBCKi), am 1. Ufer, JHauptemporium
des polnischen Getreidehandels (Eisenbahn - Station , s. S. 3). —
POTAWY. ö. Route. 33
158 W. Bobrovmiki^ Dorf am r. Ufer, mit den Ruinen eines alten
Schiosses auf einem in den Fiuss vorspringenden Hügel, ehem. Re-
sidenz der Herzoge von fcfczyc und Pobrzyn (s. o.). — 164W. Niet"
%awd (Htmana), Städtchen am 1. Ufer (2650 Einw.), (Eisenbahn-
station, s. S. 3). ^ 174 W. Ciechoüinek, s. S. 2.
S. Von Warschau über Iwaiigorod und Lnblin nach
Kowel.
EiSBHBAHv (Weiefuelbahn) von Warsohau bis Jwangorod (92 W.) in 38/4-
4Va St. (4.63, 3.11, l.ö8E.)i bis Koael (314 W.), Postaug in IO8/4, gew. Zug in
121/4 St. (11.65, 8.73, 4.46 B.). — Von Warschau nach Iwangorod und Nowa-
Älezandria die Weichsel aufwärts fahren im Sommer kleine Damp/booU
3 mal wöchentlich; doch bietet die Fahrt geringes Interesse.
Die Weickselhahn durchsehneidet die hügelige Tiefebene auf
dem r. Ufer der Weichsel; viel Wald, untermischt mit Korn- und
Weizenfeldern. Die ersten (unbedeutenden) Stationen sind
11 W. Wawer (BaBepi); 24 W. Otwoczk {Oibojim%) ; 36 W. Zc-
testinow (UeiecrmtOB'L) ; 49 W. Pilawa (IlRiJtBa); 61 W. Wilga
(BHjira) ; 74 W. Soholowo (Co6ojeBi) ; 87 W. Shigin {JRuritB%).
92 W. Iwangorod (HBanropoA'b), Eestung an der Mündung des
Wieprz in die Weichsel. Die Befestigungen liegen auf beiden
Uiern der hier 200 m breiten Weichsel. Iwangorod bildet mit
Nowo-Gkorgiewak u. Brest-Lito^sk das wichtige polnische Ftittmgs'
dreitek* Von Iwaogorod nach Dombrowa s. S. 5.
117 W. Kowa^^Alezandria (Honax-AieKcaaxpi«) oder Pniawy,
nicht w^t von dem Marktflecken Puiavfy und dem Stadtchen
Kofiska - Wola (6 Werst östlich).
Pulawy (2200 Einw.) , am r. Ufer der Weichsel gelegen , ehe-
mals Landsitz und glänzende Residenz der Familie Czartoryaki^
wurde 1831 conflscirt und thells zur Reichsdomäne Neu-Alezandria
gemacht, thells an russische Grosse verschMikt. Das grosse, pracht-
volle SclUoa», von schönen Gärten umgeben, beherrscht die ganze
Umgebung. Von den bedeutKiden Sammlungen, die sich vor 1831
hier befanden, wurde während des polnischen Insurrectionskriegs
viel zerstört, der Rest nach St. Petersburg gebracht. Im Park an
der Weichsel steht auf hohem festungsartigen Unterbau der Sibyl-
lentempel (Nachahmung des Tempels von Tivoli) , der eine Samm-
lung polnischer und slavischer Alterthümer etc. enthielt. Im
Schlosse befindet sich seit 1843 das aus Warschau dorthin ver-
setzte Kaiaer -Alexander ^Institut zur Erziehung von Mädchen,
sowie eine landwirthschaftllche Schule. In der Umgebung von
Pi^awy liegen der schöne Pavillon von Marynki und 5 W. südl.
das Schloss Parckatka mit Anlagen und freundlichen Tillen.
Von Pulawy wendet sich die Bahn s.o., das Bergland von Eazi-
mierz r. lassend , über Müoczyn (Miuoiihhi) nach
162 W. Lnblin (JI»6jihhi; Hot. Victoria), ansehnliche Gouver»
Bussland. 2. Aufl. 3
34 Route 5, CHELM.
nements -Hauptstadt mit 39,000 Einw. (in der Unterstadt nur
Juden), in fruchtbarer Gegend auf einer Anhöhe an der Bystrzyca,^
einem Nebenflüsschen des Wieprz, von Hügeln, Seen und Morästen
umgeben. Die Stadt enthält alte Paläste berühmter Adelsgeschlech*
ter (der Czartoryski, Potocki u. a.), eine Kathedrale aus dem zin»
Jahrh. und 11 andere Kirchen, ein grosses Militärhospital (früher
Radziwill'sches Schloss), einen Tribunalspalast, ein schönes Rath-
haus, Theater etc.< Yon den alten Befestigungen, deren Umfang;
ehemals -weit grösser war, sind noch vier Thore und eine Schanze
ausserhalb der Stadt übrig. Lublin besitzt ansehnliche Tuch-
fabriken und treibt lebhaften Handel, namentlich mit Getreide.
Lublin ist eine sehr alte Stadt, angeblich von Julia, der Gemah-
lin des Sohnes des Fürsten Lesehek gegründet. TJnter den Jagelionen
eoneentrirte sieh hier der Handel von Podolien, Wolhynien, Galizien;
Lublins Märkte waren weit berühmt; seine Einwohnerzahl stieg bis auf
70,000 Seelen; es war der Sitz des alten polnisehen KrontribuniJs und
mehrere Keieiistage wurden innerhalb seiner Mauern abgehalten, so 166&
unter Sigismund August der ein ganzes Jahr dauernde Beiehstag, auf
welchem die Vereinigung Polens und Litauens zu Stande kam. Int
XVIII. Jahrh. war Lublin eine der bedeutendsten Städte Polens, als MitteU
punkt des reichsten Landstriches im Winter der Aufenthidtsort eines be«^
güterten Landadels, wo viele der grossen Magnaten und Pane ihre Paläste
hatten und Fest auf Fest sich drängte.
Eine lange eiserne Gitterbrücke führt über den Wieprz und
seine sumpfigen Ufer. — 209 W. Bajowice (PeioBem»).
230 W. Ghelm [Chotm, Xom), Kreisstadt mit 5594 Einw., an
der Ufter, einem Nebenflüsschen des Bug, in getreidereicher Gegend.
Die Stadt, angeblich Tom Fürsten Daniel gegründet und ehemals
zum Fürstenthum Halicz gehörig, ist Sitz eines unirten Bischofs
undPiaristen-KoUegiums und besitzt mehrere katholische und grie-
chische Kirchen.
Bei (248 W.) Dofohuilta (^oporvcKi») über den Bug,
16 Werst (16 km) südl. am Bug das Städtehen Dubi^ka (Dubjienka),
bekannt durch die Schlacht vom 17. Juli 1793, in welcher Kodciuszko^
der „Held von Dubi^ka**, durch seinen tapfern Widerstand gegen die
XJebermacht der Russen wenigstens die Ehre der polnischen Waffen rettete.
Ueber Ljuboml, Madowie nach (313 W.) Kowel (KoseiB),
Knotenpunkt der Linie Brest<-Klew bez. Odessa (S. 3S9).
n. DIE OSTSEEPROVINZEN UND WEST-RUSSIAND.
Roate Seite
6. Von Berlin nach Wilna und Libau über Wixballen . 35
7. Von Warschau nach Riga über Wilna und Dünaburg 44
1. Pultusk. Ostrolenka 45. — 2. Augustowo. Batsehki.
Boapuda 47. — 3. Die Buna 48.
8. Riga und Umgebungen . 49
1. Bolderaa. Dünamünde 59. -^ 2. Insel Rtin$ 60. »
3. Arensburg und Pernau 00. ~- 4. Hitau 62. — 5. Dub-
beln, Schloek und Kemmern 66. — 6. Von Riga naeb
Dorpat über Wenden. Livländiscbe Schweiz 66.
9. Von St. Petersburg nach Reval, Baltlsch-Port, Dorpat 69
1. Der Peipus-See. 73. — 2. TTnAgebungen Ton Re-
val. Katbarinenthal. Eoseb. Brigittenruine. Tiseher.
Ziegelkoppel. Padis-Eloster. Sehloss Fall 84.
10. Von Berlin (Königsberg y München, Wien) nach St.
Petersburg 85
6. Von Berlin nach Wilna und Libau über Wirballen.
Vaoh der raatitohen Orente (Eydtkuhnen) fährt man per Bahn:
Von Berlin (Sehlesischer Bahnhof) über Birschau-Königsberg (742km) :
Personenzug in 2Si/a St. für 59.40, 44.60, 29.70 «€ \ Courierzug in löVa St.
für 67.20, 49.80 ^
Von Berlin (Schlesiseber Bahnhof) über Thorn - Insterburg (745 km) :
Personenzug in 23 St. für 59.40, 44.60, 29.70 <^; Courier- und Sehnellzug
in I68/4 St. für 66.90, 49.60, (von Bromberg an) 31.30, 23.20 ««
Von Posen über Thorn-Insterburg (503 km) : Personenzug in I71/4 St.
für 32.50, 24.40, 16.20 c€ ; Courierzug in 12 St. für 44.00, 32.50, 19.10 c^
Von KOnigwerg über Gumbinnen (152 km) s Personenzug in 41/3 St. für
12.20, 9.20, 6.10 fA% Courierzug in 28/4.31/8 St. für 14.20, 10.50 »«
Sämmtliehe durehgehenden Züge zwisehenlpSerlin und Eydtkuhnen
führen direkte Wagen. Kaeht-Courierzüge führen Schlafwagen I. und II.
Kl. von Berlin aus (Zusatz-Billets vom Condueteur zu lösen, bis Eydtkuhnen
I. Kl. 12, II. Kl. 10 0«).
Von Eydtkuhnen nach Wirballen (2 km) in 10 resp. 20 Hin.
Von Wirballen nach Wilna (178 Werst = 189 km), Personenzug in
51/3 Bt. für 6.68, 5.01, 2.56 R. ; Gourierzug in 41/2 St. (150/o Zusehlag).
Von Wirtailen über Koschedarp nach libav (410 Werst = 487 km), Per-
sonenzug in 151/2 St., für 15.34, 11.52, 5.89 R.
Von der Benutzung der III. Klasse ist abzurathen ; womöglich Billets
I. Kl. (in Russland) nehmen. Falls die ganze Reise zu ermüdend , kann
ma.n in Königsberg, Eydtkuhnen oder Wirballen (sehr gut) übernachten.
Auf den grössern russischen Stationen wird, wie gewöhnlich auf den
Bahnen Russlands, 20-30 Hin. gehalten. Bie Bahnbofrestaurants sind durch-
gehends gut.
Bie Reise aus Beutschland nach Libau kann man bei Gelegenheit
auch zur See von Swinemünde , Stettin, Königsberg machen. Bie Ostsee
feniesst aber der Stürme wegen nicht des oesten Rufes, so dass der
>eatsehe meist die Eisenbahnfabrt vorziehen wird.
Eydtknhiien (Welters Hotel, Z, 3cM; HÖtel de Russie) ist die
3*
36 Route 6. WIRBALLEN. Von Berlin
letzte preussische Station. Wer es versäumt hat, sein deutsches Geld
in russische Banknoten umzusetzen, dem bietet sich in der Wechsel-
hude des Bahnhofs noch die Oeiegenfaeit dazu; besser ist es, vorher
daran zu denken. Der Zug hält in Eydtkuhnen c. ^/^ St. (in un\-
gekehrter Richtung über 1 St.) ; kaum hat er sich in Bewegung ge-
setzt, 60 erfolgt auch schon wieder das Signal zum Langsamfahren.
Ein Gotteshaus mit Kupp^ und vier Thürmen ragt vor uns auf; zur
Linken zeigt sich ein stattliches Bahnhofsgebäude, schwarz-weiss-
orangefarbene Barrieren, fremde Uniformen — „Wirballen, Alles
aussteigen I ". — Wir sind im russischen Kaiserreich,
2W, Wirballen (Wi6ar2y, Wierzholow, BepsöoiOBO), am Grenz-
flüsschen Lepona, einem Neb«nflus8 der Szeszupa (Niemen), 84(X
Werst von St. Petersburg, 179 Werst von Wilna, 410 Werst von
Libau. Hier verlassen wir , nachdem die Pässe abgefordert , den
preussischen Waggon, um in den russischen überzusteigen, an die
Stelle der deutschen Sprache tritt als Amtssprache die russische.
Der nicht rujssisch sprechende Reisende tröste sich damit, dass viele
Beamte auch franzosisch und deutsch sprechen.
In Wirballen findet die zollamtliche Revision des Ge-
päcks statt, wobei der Reisende selbst zugefgen sein muss. Man
wird in eine grosse Halle gewiesen , in der in weitem Viereck ein
niedriger Tisch lauft, auf welchem Mann neben Mann seine Habe
niederzulegen hat (für jedes Stück zu tragen erhalten die Gepäck-
träger 5 Kop.). lieber Revision s. Einl. S. xm und R. 1. Ist man
fertig, so begibt man sich in das Büffet (von einem Franzosen ge-
halten und sehr gut) ; man hat genügend Zeit sich zu erfrischen
(im Bahnhof auch Z. zum üebernachten.)
Nach einer weitern halben Stunde fährt der russische Zug an
dem Perron vor. Die Conducteure tragen das Nationalkostüm : einen
dunkelblauen Rock ohne Kragen, weite Pluderhosen in Waden-
stiefeln, dazu eine Pelzmütze ohne Schirm, der Zugführer silberne
Schnüre. — Wer kein directes Billet hat, muss jetzt dasselbe lösen
(womöglich I. Klasse). Die Reisenden nach St. Petersburg (Fahrzeit
26 St.) besteigen durchgehende Wagen.
Während der Fahrt befinden wir uns bis Kowno noch im
Generalgouvernement Warschau (Polen) und zwar im Gouvernement
SwwalHj dem nördlichsten Zipfel Polens , im n. Theile von Li-
tauern, im s. von Polen bewohnt, gemischt mit Russen, Deutschen,
Tataren, Zigeunern und Juden (besonders in den Städten) . Die Region
nördlich xon Maryampol (MapiaMTOjii»), die wir mit der Bahn durch-
eilen , ist fast völlige Ebene , im Ö. Theil waldig , ganz am Niemen
auch leicht hügelig, sumpfig und von sumpfigen Flussbetten durch-
zogen, im w. Theile ohne Wald , fruchtbar und verhältnissmässig
gut bebaut. Welt in der Ferne, rechter Hand, zieht der ostpreussl-
sche Landrücken als Augustowo-B^rgkette quer hindurch. Je näher
wir dem Niemen kommen, d^sto reicher wird d.6r Boden, desto vor-
nach Lüfau. KOWNO. 6. Route, 37
herrschender d^r Latihwald, besonders aus Linden bestehend, daher
der berühmte weisse Honig von Kauen (s. unten).
'17W. Stat. Wilkowischki ( Wükowyszki, BHjbKOBuniKM), 2 Werst
von dem gleiehn. Städtchen entfernt, welches am 22. Juni 1812,
-vor dem üebergang über den Niemen, das Hauptquartier Napoleons
war. Ton hier erliess er die bekannte Proclamation, in der er seiner
Armee den Beginn eines „zweiten polnischen Krieges'^ ankündigte.
üeber Station (29 W.) Püwischki (IliUbBHmKH), (47 W.) Koszlowa
Ruda (RosjOBa Py^a) > (64 W.) Mauruzi (Manpyim) erreichen wir
den Niemenj den die Bahn auf eiserner Gitterbrücke überschreitet
(Schiffbrücke in der Nähe).
Der Kiemen (H^MeRi) beginnt bei Grodno (S.46) den Durchbrach
durch die nördliche, die Tiefebenen Polens und Litauens von der Ostsee
trennende Landhöhe. Von Grodno bis Kowno fassen hohe Bander von
Lehm , Thon , Kreide und hier und da herv(nrtretenden Felsgesehieben
die etwa SOOm breite Thalsohle ein, in weleber d«r Strom in häufigen
kleinen 'Windungen raschen Laufes dahinfliesst. Herrliche Wälder von
Linden, Eichen und andern Laubhölzern krönen die Höhen und bedecken
die Abhäng» der zahlreiehen Seitenthäler , aus welchen kleine Bäche
hervorbrechen. Dazwischen liegen in den Thalweitungen freundliche Ort-
schaften und kleine Städte. Das ganze Thal gewährt einen anmuthig ro-
mantisehen, oft weehselnden Anblick. Ost-- und westwärts vom Strom
dehnen sich wdltfe Hngelebenen aus.
Jenseits des Nlemen befinden wir mnsin West- oder WeUs-
Ruadand und zwar in der südlichsten Ecke des GouYernements
Kowno (s. unten). Nach kurzer Zeit fahren wir in den südlich der
Stadt Kowno liegenden Bahnhof ein (Restaur. ; in der Stadt Hot,
Bellevue).
81 W. Komiot (Katten, Kobho), Hauptstadt des gleiehn. Gou-
vernements, auf der überaus fruchtbaren Landzunge am Einfluss
der Wilija (BHjiii) in den Niemen gelegen , mit c. 50,000 £inw.,
zur Hälfte Juden. Die Stadt besitzt 7 Klöster und 10 Kirchen,
darunter die St. Peter- und die St. PauUkirchey aus dem zy. Jahrb.,
die grössten römisch-katholischen Kirchen Litauens; die Kirche
des h. Georg j von 1471, und die Kapelle derh. Gerirttd, die schon
1503 ezistirte. Auf dem Marktplatze, gegenüber dem schönen Rath-
haus und den in einer alten polnischen Kirche befindlichen Kasernen
eine gusseiserne Pyramide, zum Andenken an die Befreiung von
den Franzosen 1812 errichtet. Das Denkmal trägt die Inschrift:
„Im Jahre 1812 wurde Russiand durch eine Armee von 700,000 Mann
überftkllen. Dieselbe kehrte über die Grenze zurück mit nur 70,000
Mann/ Kowno besitzt Leinenwebereien und grosse Methbrauereien
(Meth, ^Lippitz** genannt, berühmt), und treibt bedeutenden Handel
(Oetfedde, Honig, Mehl etc.). Der Honig kommt besonders aus dem
südlichen Theil des .Gouvernements Suvalki , wo die ursprünglich
offenbar von fremder Abstammung ausgehenden Kurpie (S. 45),
t "SMih Kowno gehen im Sommer von Tilsit auf dem Niemen (Memel)
Dampfschiffe über Ragnit, Schmalleningken, Georgenburg. Fahrzeit 13-
leet., 1.01. 9»«, 3. Gl. 6.^
38 Boute 6. WILNA« Von Btrlin
Yielleicht Geüchteto, in den Grünen Urwald (jetzt Urwald von Nowo-
grod) Geflüchtete , Bienenzucht und Jagd treiben.
Eowno machte einen Theil des alten Herzogtimms Litauen aus.
t)ie Stadt soll schon 'im z. Jahrh. gegründet worden sein. Im xir. und
xv. Jahrh. wurde sie nach und naeh der Mittelpunkt des Orenzhandels
von Polen nach Litauen und fiussland. Später verarmte jedoch die Stadt
derartig, dass Ihr 1654 die Abgaben erlassen wurden. 1^ wurde Kowno
von einem russisches Heer unter dem Zaren Alexei geplündert und yer-
brannt. In der dritten Theüung Polms 1794 kam Kownd deftnitir zu
Bussland. Am 22. Juni 1812 erreichte die französische Armee das Unk«
Ufer des Niemen gegenüber Kowno. Am 23. Juni früh reeognoscirte
Kapoleon bei Alexoten^ Kowno gegenüber. Eine Höhe in der Nähe des
Dorfes Ponjtmuni (IIoBaxoHU) heisst noch heute der if^poleonth'Qiftl und
ist mit einem Denkmal geschmückt. Am 24. Juni wurde Koif^no be*«
setzt. Während der französischen Besetzung hatte die Stadt Viel zu
leiden. — Am 26. Juni 1831 fand bei Kowno ein Treffen zwischen Bussen
und Polen statt.
Die Bahn führt eine Strecke am Niemen entlang und durch-
schneidet dann den waldreichsten Theil des Gouvts. Kowno (die
Wälder sind auch hier zu beiden Seiten der Bahn vielfach ausge-
hauen; vgl. S. 2). Vor Stat. ProwUniichki (IIpoBeHHiiiKH) ein langer
Tunnel.
116 W. Koiehedary (KomeAapu) oder Etkany^ Knotenpunkt
der Bahn nach Libau (s. S. 40). Weiter (125 W.) Shoüiy (140 W.)
Ewja, (163 W.) Landwarowo (JaHXBapoBo; Büffet), mit hübschem
Schloss, Knotenpunkt der Petersburg -Warschauer Bahn (s. B. 10
und S. 47).
low« südw. das Städtchen Treki (H. Tnoan) mit altem Schloss an
einem grossen See, in dem 1440 Gross fürst Sigismund von Litauen von
den Woiwoden Dolgierd von Wilno , Lelusz von Troki und dem Fürsten
Cssartoryski ermordet wurde. 40 W. südl. von Kosehedary (32 W. von
Eowno) das jod- und bromhaltige Mineralbad Byntany (BoporraHu), in
schöner Umgebung. Gasthaus mit Nummern^ Bestaurant. Badehäuser
am Niemen.
Wir nähern uns nun dem Thale der dem Niemen zufliessenden
Wilija und erreichen
179 W. Vüna {Wilnoy BiuiiHa).
*BdknreitaurQHon; 20-30 Kin. Aufenthalt. — Gasth. in der Stadt:
Hotel de TEurope, an der Ecke der (ausschliesslich von Juden be«
wohnten) deutsehen Strasse \ zweifelhafte Reinlichkeit, hohe Preise.
Hot. Continental; H6t. Dagmar. ~ Gepäekträger u. Droschken am
Bahnhof, die Fahrt 20-25 Kop.
Wilnüf Hauptstadt des gleichn. Gouvernements, früher Haupt*-
stadt von Litauen , liegt mit seinen Vorstädten Antokole und Bu-
daischka anmuthig an der Einmündung der Wil^ka In die Wilija
und hat c. 94,000 Einw. (hauptsächlich Polen, c. öO^/q Juden). Be^
sonders zahlreich ist in Wilna der polnische Adel vertreten. Die
Stadt, Sitz des Generalgouvemeurs und des Commandeurs des Mili-
tärbezirks Wilna, des commandirenden Generals des II. Corps, eines
Civilgouverneurs, des Metropoliten und eines katb. Bischofs^ist eng
gebaut und schmutzig, besitzt jedoch mehrere Paläste vornehmer
polnischer Familien, ein sch5nesRathhauSj zahlreiche alterthümliche
Gebäude u. Kirchen (35 katholische, 3 griechische und 2 protestan*
nach Libau. WILNA. 6, Route, 39
tische, eine Moschee, 2 Synagogen), mehrere katholische und grie-
chische Kldster. Wilna war früher von Bedeutung für Polen durch
seine wissenschaftlichen Anstalten. Die 1576 gestiftete üniveraität
wurde 1832 aufgehoben und von der Bibliothek und sonstigen
Sammlungen vieles nach Kiew und St. Petersburg gebracht. Das
Museum der Alterthümer wild den Reisenden noch jetzt interessiren.
Unter den zahlreichen Unterrichtsanstalten sind zu nennen: die
'Orthodoxe theologische Akademie, das PiarlstencoUeglum , ein
Seminar , die Schifferschule. Wilna besitzt Tabakfabriken, Brannt-
weinbrennereien u. a. Fabriken und treibt lebhaften Handel.
Wilna*s Qiesehlehte reicht Ms in die ältesten Zeiten, wo es der
Mittelpunkt heidnischer Gottesverehrung war. Ein heiliges Feuer wurde
am Fusse des Hügels unterhalten, auf dem Grossfürst Guedimin von
Litauen die Burg erbaute. 1305 bereits wurde es zur Stadt und Resi-
denz erhoben. In dem Kampfe Wladislaw Jagiello's, Grossfürsten von
Litauen , mit seinem Oheim Kieystiot spielt Wilna eine grosse Rolle.
Im J. 1382 ergab sieh dem erstem Stadt und Burg ohne Widerstand.
Nach seiner Verheirathung mit Hedwig, Tochter Ludwig's von Ungarn
und Polen, liess Jaglello 1387 das Christenthum einführen und auf der
Stelle des heidnischen Haupttempels (s. unten) die Kathedrale errichten ;
Wilna wurde der Sitz des ersten Bischofs von Litauen. In den Kämpfen
der vereinigten Dynastien (Convention von Wilna 1401, Reichstag von
.Lublin 16G9; S. 83) mit den deutschen Ordensrittern, den Tataren u. rus^
sischen Grossfürsten wird Wilna oft genannt. Im xvii. und xviii. Jahrh.
hatte die Stadt durch Plünderungen und Verwüstungen der Schweden,
Russen und Kasaken schwer zu leiden und verlor dadurch viel von ihrem
Glanz und ihrer Grösse. Während des russisch-polnischen Krieges 1794
wurde die Stadt am 19. Juli von dem polnischen General Georg Grabowski
mit Hülfe der Bürger tapfer vertheidi0, aber nach vorgängiger Beschies-
sung, bei welcher die Vorstädte niederbrannten , am 12. Aug. genommen.
Bei Beginn des Krieges Frankreichs gegen Russland 1812 bestimmte Ka-
poleon den Nlemen zu seiner Operationsfront und Wilna, der Kreuzungs-
punkt der Strassen von Königsberg und Warschau nach St. Petersburg und
Moskau, wurde das Centrum der französischen Disposition. Am 26. Juni
sog Kapoleon in Wilna ein und nahm sein Quartier im ersbischöfllehen
Palais, in denselben Zimmern, welche Kaiser Alexander Tags vorher
verlassen hatte. Auf dem Rückzüge nach dem Brande Moskaus weilte
Kapoleon wieder in Wilna. Hier verliess er in der Kacht zum 6. Dec. 1812
verkleidet das Heer. Die Franzosen konnten Wilna nicht halten und zogen
sich unter Zurücklassung von 20,000 Kranken und Verwundeten zurück,
nachdem sie die Magazine geplündert hatten. Am 22. Dec. traf Kaiser
Alezander in Wilna ein. Wahrend der polnischen Revolution von 1830-31
war Wilna der Heerd mehrerer Verschwörungen, die aber rechtzeitig
unterdrückt wurden. — - Während der polnischen Insurreetion von 1868
und 1864 leitete der russ. General Murawiew von Wilna aus die Repres-
isivmassregeln.
Wilna, das sog. „ Kleine Paris'', ist auf unebenem, hügeligen
Terrain erbaut, die meist engen Strassen steigen bergauf und bergab.
Manche bemerkenswerthe Häuser in alterthilmllcher Bauart fallen
auf diese Weise wenig In die Augen. In einer engen Gasse das
Schloss des Oeneralgauvemewra , ehemals Oginski'sches, dann erz-
bisehöfliches Palais , ein stattliches (Gebäude mit schönem Garten.
An einem grossen Platze erhebt sich ein umfangreiches, neues Ge-
bäude, in welchem sich der Kctmeralhof und andere Regierung»*
behörden befinden. Gegenüber die katholische Kathedrale im grie-
ehischen Stil, 1387 an der Stelle des dem heidnischen Llchtgotte
40 Soute 6. KOSOHEDARY. Von Berlin
Ferkunas gewidmeten Tempels erbaut (s. obeiD). In derselben in
einer Marmorkapelle der 150 kg schwere, silberne Sarg des b. Kasi^
mir y ausserdem Grabmonumente von Mitgliedern berühmter pol-^
nischer Familien. Die übrigen alten und neuen Kirchen und Kloster
liegen meist in engen Strassen und an unbedeutenden Plätzen. Se
sieht man nur wenig von der berühmten ^Oatra-Bfama-Kirche, zu
welcher eine enge Strasse nahe dem Bahnhofe hinaufführt. Letztere
ist, bis hart an den Durchgangsthorweg, über welchem das wunder-
thätige Muttergottesbild sich befindet , stets mit einer Menge An-
dächtiger gefüllt. Auf dem grossen Platze in der Nähe erhebt sich
die prachtvolle russische Stanidatu »Kathedrale, Auch die Erlö-
simgsJcirche, 1364 Erbaut, enthält manche Grabdenkmäler. Auf dem
Kathedralen-Platz das unbedeutende Theater, In der Vorstadt An"
tokole das grosse Hospitdt, ursprünglich ein dem Fürsten Sapieha
gehörendes Gut nebst schönem Park, dann kais. Kadetteninstitut,
das 1863 aufgelöst wurde. — Beachtenswerth sind noch auf wald-
bedeckter , 50 m hoher und sehr steiler Bergkuppe die Ruinen des
alten Schlosses der Ja^ellonen, 1323 von Guedimin von Litauen er-
baut, mit sehr schöner •Aussicht; dann die Villa des General'^
gouverneurs mit prächtigem schattigen Garten , an der reissenden,
mit Flössen bedeckten "Wilija.
Von Wilna geht in n,w. Richtung die Bahn weiter nach Püna-
burg, Riga und St. Petersburg (s. B. 7 und S. 47).
Von Kosehedftrj nach Xibau.
294 W. Eisenbahn in 11 St, für I1.Ö3» 8.38, 4.23 E. Für den Zug von
Wirballen ist in Kosehedary 1 St. 8 Min., für den von Wilna 2 St. 20 Hin.
Aufenthalt.
Die Fahrt geht durch das Gouvernement Kowno, das alte Sa^
mogiiien, dessen Areal Flachs- und Hanffelder, aber in noch weit
grösserer Ausdehnung Wälder bedecken. Der waldreichste District
ist der von Kowno, der waldärmste d«r von Telsch. Die schönsten
Nadelhölzer sind im Kurtowjansker Walde, im Kreise Schawli;
durch Linden ausgezeichnet ist der Datnowsker Wald , Kreis Ros-
sieny ; Eichen und Eschen vorzüglich an den Ufern des Niemen
und der Dubissa. Längs der Flüsse hat man am meisten gelichtet.
Die Hauptstrasse zum Transport des Holzes ist der Niemen mit
seinen Nebenflüssen.
Xoiehedwry (116 W. von WirbaUen, 61 W. von Wilna) s. S. 38.
Die folgenden Stationen sind meist unbedeutend: 22 W. von
Kosehedary ^ajshuny; jenseits auf kunstvoll gebauter Brücke über
die Wilyaj weiter (29 W.) Jan&w; 37 W. Zejmy; 58 W. Kt^dany,
auf dem r. Ufer der Mewana. Hinter K^dany wird das Land im-*
mer bergiger. Die Bahn überschreitet die Wasserscheide zwischen
der Aa, der Windau und dem Niemen. Der Wald herrscht noch über^
aU vor. 70 W. Datnow; 9ö W. Beisagota; 118 W. BadziwiUschky^
(Restauration , meist längerer Aufenthalt) , wo sich die Bahn nach
Dünaburg (S. 47) abzweigt.
n€tch Idbau. LIBAU« 6. BouU;, 41
137 W. Sehawli(IIIaBiH; Bahnrest&ur.), Kieisstedi im Gouyer-
sernent Kowno, mit 15,451 Einw. (viel Juden), irufde von den
Polen am 13. Juni 1831 unter Szymanovski und am 7. Juli unter
Dembinski angegriffen , indess beidemal yergeblicb. Bei Schavll
kreuzt die Bahn die grosse Strasse von Tilsit nacb Riga und St.
Petersburg. — 162W. Kurschanyj 185 W. Dohikina,
200 W. Mosheiki (MoseÜKH; Babnrestaur.), wo die BabA nach
MUau u. Riga <S. 62) r. abzweigt. Gleich hinter Mosheiki über-
schreitet die Bahn die Windau und tritt hinter Station (229 W.)
Luseha in das Gouvernement Kurland. 257 "W. Prekuln,
278 W. Grobin (FpoÖKfii), Städtchen am Alandshach mit
1858 Einw., hauptsächlich Juden. Zur Zeit des deutschen Ordens
war die Stadt bedeutend. Auf dem Schlosse Grobin , das jetzt, in
Trtimmem liegt , wohnte ein Ordenscomtur , die Stadt hatte einen
Hafen am Meere (jetzt versandet) und trieb Seehandel , wie Libau.
Die Märkte von Grobin sind nicht unbedeutend.
294 W. Liban (lettisch Leepaja, JEnÖaBa).
Gasthöfe. Hot. deRome; Kurhaus; Hot. Hamburg; ^Hot».
Petersburg; Z. von 75Kop. an.
Bbstadrahts in den Hotels (Petersburg mit Garten; in Hamburg im
Sommer tagl. Concert) und im grossen Stadtpark (Concerte).
Droschkbn vom Bahnhof in die Stadt: Einsp. 40, Zweisp. 60 Kop.',
INaefats 45 und 66Kop., für jedes Stück Gepäck lOKop. ; in der Stadt die
Fahrt V^ und 90, die Stunde 60 und 70Kop.
Damppboot von Libau nach Riga und Königsberg monatlieh, nach
L^jtek 2-3 mal monatlieh.
OoK^uLH. Dänemark: S- T. OhrisUansen^ Cons. Deutsches Reicht
«. Zimmtrmßm^ Cons. ITiederlande : /. W. StelUng^ Cons. Oesterreich-Un-.
garn: W. Rosenkranz ^ Cons. Schweden und l^orwegen: B. Wells ^ Vie.
Cons. Frankreich: E. Barmsen^ Cons. -Agent. Grossbritannien: B. WellSy
Vice-CoBfl.
Zvr Geschichte. Libau war schon im xiv. Jahrh. als Hafen bekannt,
wurde IQfiOpreussisch, kam 1609 an Kurland und erhielt 162^ vom Herzog
Friedriftb (Kettler) Btadtgerecht^keit. Am 13. Sept. 1701 wurde Libau
von Carl XII. besetzt und auf Kosten der Stadt befestigt; ebenso 181^
von den Fransosen reap. Preussen.
lAbau^ die bedeutendste See- und Handelsstadt des Gouverne-
ments Kurland, mit 27,400 £inw., liegt auf einer schmalen sandigen
Nehrung zwischen dem sog. Klevnen See und der Ostsee. Die Stadt
ist gross und luftig und hat eine Anzahl schöner Neubauten aus
den letzten Jahren aufzuweisen. Die altern Häuser sind von Holz
und meist einstöckig, daher lang und niedrig, von einfachem aber
freundlichen Aeussern. Von den vier Kirchen ist die Hauptkirthe
am ältesten j die neueste (1758) ist die luth. Vreifaltigkeüskirche
mit schöner Orgel. Allenfalls besuchenswerth das sog. HaiM dn
Herzoge mit hübschem Park {Stadtpark), Die Stadt hat ein Theater
(Schauspiel leidlich), ein Gymnasium und eine Navigationsschule.
Neuerdings ist durch den Bau der Eisenbahnen Libau nament-
lich auf Kosten Königsbergs zu einem wichtigen Handelsplatz ge-
worden. In seinen Hafen (den „kleinen See", s. oben) liefen 1868
250 Schifte ein, 1878 bereits 1300 ; der Werth der Ausfuhr bezifferte
42 B(mte 6. LIBAU. Kurland.
sich 1868 auf weniger als 1 MiU., 1883 auf fast 48 MUl., die Ein-
fuhr stieg im gleichen Jahre auf c. 17 Mill. Rubel. — Die libau^schen
Schiffswerften haben grossen Buf , das kurische Schiffbauholz ist
weltberühmt.
Libau ist auch ein besuchtes Seebad; das ganze Terrain zwischen
der Stadt und dem Strande ist mit Villen besetzt, die zur Aufinahme
der Badegäste eingerichtet sind. Preise massig; Saison Anfang
Juli bis Ende September. Unmittelbar am Strande das Nikolai-
Bad und ein JDamenhad, beide bequem eingerichtet, ersteres auch
für warme Bäder. In dem eleganten Kurkause 30 Zimmer für Kur-
gäste (Herren), Lesezimmer, Restaurant etc. ; Concert täglich, Ball
zweimal wöchentlich.
Interessant ist der Fischfang auf dem Lande. Die Fische wer4en bei
Fackelsehein harpunirt, worin die lettischen Bauern eine grosse de-
achicIUiehkeit besitzen, oder sie werden, wie die springenden Wemgallen
bei Goldingen (S. 43), durch an Felsriffen befestigte Netze gefangen. Be->
sonders delikat sind die Strömlinge, eine Art kleiner silbergesehuppter
Fische, die an den kurischen und estnischen Küsten gefangen werden.
Die besten heissen Killo - Strömlinge. Sie werden mit Pfeffer, Salz und
Essig eingemacht und weit und breit versandt, namentlich nach Bussland
(Kilki — KojaKH). Auf den Tafeln der kurländischen Gasthäuser und
Gutsbesitzer fehlen weder sie, noch die fetten Benthierzungen aus Finn-
land, der litauische weisse Honig, eingemachte Beeren, sowie der be-
rühmte kurische Schmandkuchen.
Wer Land und Leute Kurlands näher kennen lernen will, muss
die grosse Strasse verlassen und seitab wandern. Eine solche Tour
mit der Post oder Privatfuhrwerk von Libau über Goldingen, Don-
dangen , Tuckum, Dohlen etc. ist empfehlenswerth, da das Tolk in
seinen Sitten und Gebräuchen besonders dem Deutschen vieles In-
teressante bietet. Für Postpferde wird auf den Poststationen 5 Kop.
pro Werst und Pferd erhoben ; Privatfuhrwerk (Dreigespanne, meist
mit jüdischen Fuhrleuten) theurer.
Die ursprungliehen Einwohner Kurlands sind Kuren, Livea
und Letten, die hier mit den Litauern sich berühren und vermischen.
Die Kuren sind fast ganz ausgestorben; ein kleiner Best wohnt noch in
hieben dorfähnlichen Häuserhaufen zwischen Hasenpot und Goldingen;
lAven leben noch etwa 3000 an der Kord»pU£e von Kurland; die übrigen
Ureinwohner sind Letten. Aber die meisten Grossgrundbesitzer und Ad-
ligen, sowie die Bürgerschaft der Städte sind auch hier Deutsche. — Der
Volksstamm der Letten ist eingekeilt zwischen germanischen, slavisehen
und finnischen Völkern. Ihre hölzernen Wohnungen mit den grossen
Trockenhäusern (Bigen). den Eleeten, Badehäusern und Brunnen sind die-
■selben, wie sie der driecne Pytheas im rit. Jahrh. v. Chr. fand. Xie bilden
die einzelnen Gehöfte ein förmliches Dorf; die üf atur des Landes, so reich
an undurchdringlichen Wäldern und unbenutzbaren Sümpfen, veranlasste
die Zerstückelung. Um die umfangreichen Edelsitze dreht sich der ge-
sellige Verkehr, die ganze Industrie, die Bildung und der Handel des
Landes. — Die lettische Sprache^ ein Zweig des Litauischen und somit
eine der alterthümlieluten unter den indogermanischen in Europa, fallt
nicht sehr angenehm ins Ohr; auffallend ist ihr ungewöhnlich reicher
Sehatz von Volksliedern (Dainos). Den Vortrag derselben begleiten die
Männer mit der Eohrpfeife (Swilpe) und Cither (Kohkle). — Die lettisehen
Qebrättche bei Geburt , Verlobung, Hochzeit , Begräbniss , haben manchM
Interessante. Wie die Braut zu Pferde, so wird auch der Gestorbene nicht
selten im Wagen, Schlitten und zu Pferde entfuhrt. Die Letten lieben es
nicht zu Fusse zu gehen; jeder lettische Hausvater hat sein Leibpferd ^
Kurland. GOLDINGBN. 6. B&uie, 45
«neb di« Frau«ii reiten «Hgemein und verstehen sieh auf dM Zügeln,
Fahren und Tummeln der Pferde, wie die Männer. Seblebkarren, Kiepen,
Tragkörbe, Handwagen kennt der Lette nicht. — Für den Alterthums-
forscher bietet Kurland ein reiches Feld. An heidnischen Ofäbem, antiken
Äehmueksachen und Münzen, sowie an Ueberresten alter Bauwerke aus
der heidnischen Zeit (Skandinavier oder Finnen?) und der .chriatliehen
Bitterzeit haben die Ostseeprovinzen keinen Mangel. Erstere bestehen in
Srddammen aus Stein, BanemwäUe^ bei den Letten insbesondere Pills-
kalns (Sehlossberg), bei den fisthen „Linna müggi*^ (Stadthügel) genannt.
Man hält sie zum "Hieil für die alten in den Chroniken erwähnten Festungen
der Letten und Esten, welche die deutschen Ritter bei ihrem Eindringen
ins Land eroberten. Die zahlreichsten und für uns Interessantesten Ruinen
«Mkounen aus dM Ordeneaeit her ; fast alle die alten Sitze der Herrmeister,
Komture, etc. sind noch in mehr oder weniger bedeutenden Ueberresten
vorhanden.
Von Qrobin (S. 4i) führt n.ö. die grosse StrASse uach Haaenpot
(s. unten). Für AUerthumsforscher empfiehlt sich ein Abstecher auf
einem der 1. abzweigenden Landwege nach dem reichen £deisitze
Zierau (45 W.). Die kurländischen Landwege sind nicht gerade
schlecht, aber sehr schmal und wegen der 3ümpfe meist etwas er-
höht (daher „Dämme^ genannt).
Bei Zierau befindet sich das dureh den Lettenkenner .Watson bekannt
gewordene Kintegesinde , eine heidnische Steinsetzung aus Blöcken von
ö-A m Länge und 1-2 m Breite und Dicke, das ganze Feld 900 Schritt lang,
170 Schritt breit. Andere ebenso grosse Steine stehen unter alten Eichen^
bäumen im Kreise umher. Man glaubt, dass sieh hier ein alier heidnischer
Kampf-, Opfer- oder Versammlungsplatz befunden habe. Auf einen ge-
weihten Ort deuten die das Ganze überschattenden uralten Elchenbäume.
Das Volk schreibt den Bau einem eichenstarken Manne Kinte zu. — Der>
f laichen Steinsetzungen finden sich auch im Walk- und Wendensehen
Preise (Livland), am Strante-See u. a. O. (S. 67). Gesinde nennt man in
Kurland, wo die eigentlichen Dörfer fehlen, die hier und da sich zeigen-
den Gruppen von Bauerhäusern.
48 W. Hasenpot (lettisch AUhputte)^ Städtchen von 3450 Elnw.,
meist Juden, malerisch im Thale der Tehher gelegen, mit der Ruine
eines ehem. Deutschordensschlosses.
85 W. Goldingen, Stadt an der Windau mit c. 9000 Einw., hat
enge Strassen , hohe Häuser und ein halbverfallenes Schloss. Die
TVindau hat in der Nähe der Stadt ein quer durchsetzendes Felsenriff
(Wasserfall = «ßonimel*) durchbrochen und gibt hier Gelegenheit
zu dem S. 42 erwähnten merkwürdigen Betriebe des Fischfanges
(Wemgallen). Behufs Umgehung des Riffes wurden vergebliche Ver-
suche zur Kanalisirung der Windau gemacht.
In der Nähe von Goldingen (14 Werst) der alte berühmte Edelsitz
Xdwahlen, ehemals den Bischöfen von Pilten gehörig. Das wohlerhaltene
alterthümliche Schloss bildet ein mit Thürmen versehenes Viereck, auf
drei Seiten von Wasser umgeben. Auf der vierten Seite ein uralter Hain
von Eichen, einen Theil des grossen schönen Parks ausmachend. An
dem Wasser liegen Mühlen, die Kirche und sonstige Gebäude. In der
Kirehe altorthümtiehe ftttsMngen, Wappen etc. — Ö km s.w. von Bdwahlen
daa SehlQss ÄlUchwangen^ früher Grafensitz, jetzt Kroneieenthum. — Im
Kreise Goldingen liegen verschiedene Freidörfer der sog. ivri$c1ien Künig*
(Freibauern mit gewiasen, aus dem llittelalter überkommenen Vor-
rechten; ihre Sprache ist die lettische).
117 W. Filten, Städtchen am r. Ufer der Windau, einst Haupt'"
44 Sautee. POBI/£N. Kurland.
8t4dt und Residenz dts in vielfacher Hinsicht von der Ordensherr^
Schaft und dem Hefzogtliuni getrennten Bisthums Kurland.
141 W. Windau, Hafenort an der Mündung der Windau mit
5700 Einwb, günstig gestellt durch den schiifbaten Fluss, der durch
den Windau -Kanal mit der Dubissa (Niemen) verbunden ist; un-
günstig durch die Sandbänke vor dem Hafen , die auch den Ge*
danken, den Ort zu einem russ. Ostset «Kriegshafen zu machen,
vereitelten.
50 W. n.o. von Windau liegt (191 W.) Schloss Dondangen^ das
nördlichste von Kurland, umgeben von grossen Waldungen, in denen
das Eltonthier gejagt wird. N. davon spitzt sich Kurland zu einer
ins Meer hinausragenden Zunge zu, deren äusserstes Ende Domeinftf
helsst; hier befindet sich ein Leuchtthurm, wie auf der gegenüber-
liegenden Insel Oesel. Die Passage zwischen beiden ist zu Zeiten
nicht ohne Oefahr und Jährlich verunglücken einige Schiffe , deren
Ladung nach altem Recht den Grundbesitzern gehörte (Strandrecht).
Fahrt nach der Insel SunÖ zur Seehundsjagd, s. S. 59.
Von Dondangen führt die Strasse s.Ö. Über Talsen (25 W. w. der
waldumschlossene 8ee von Utmaittn^ der grösste Kurlands) nach
(256 W.) Tncknm, Kreisstadt (6100 £inw.) mit Schloss in anmuthiger
Gegend am Schlock. In der Nähe n.Ö* der Hunimgoberg (140 m),
der höchste Berg Kurlands , mit einem 13 m hohen Thurm. Von
diesem weiter Blick über die Wälder und das Meer bis zu den
Thürmen Riga's und Mitau's sowie dem Leuchtthurm in Düna*
münde. — Von Tuckum entweder ö. mit der Eisenbahn in 2*/4 St.
(2.29 , 1.71 , 0.87 R.) nach (60 W.) Riga (S. 49) ; oder s.o. mit der
Post weiter über (40 W.) Dohlen nach (68 W.) Mitau,
Dabl^n ist ein anmuthig an der Behr$e gelegener Flecken von
2000 Einw., mit gut erhaltener Burgruine aus der Zeit des deutschen
Ordens auf einer schroff zum Fluss abfallenden Anhöhe. Das Schloss
ist zunächst von einer stellenweise sehr hohen und starken Mauer
umgeben, 800 Schritt im Umfange; durch dieselbe führt ein Thor
in den Hof und Ringplatz. Zur Linken des letzteren die Ruinen der
Hauptgebäude , der Kirche , der Wohnung des Vogtes , eines Ver-
sammlungssaales der Ritter und anderer Hausabtheilungen; rechts
die Ueberreste der Zellen (?) der Ritter. 1620 ward das Schloss von
Gustav Adolf erobert; 1701 diente es Carl XII. zum Aufenthalt.
Später war das Gut Dohlen der letzten Herzogin von Kurland, Anna
Charlotte Dorothea, «Is Wittwensitz angewiesen. — Von hier nach
(28 W.) Müau, s. S. 65.
7. Von Warschau nach Biga über Wilna und DUnabnrg«
Von Berlin tiiid Wien naeh Wanehäu , s. B. 1 , 3. Von Warschau
nach Riga, 797 Werst (80Qkm>. Gourierzug in 21 St. 30Xin., Personen-
zug in 95 8t. 40 Min. für 28.48, 21.33, 10.90 R. (Gonrierzug Ifio/o Zuschlag).
[Von Warschau nach Wilna. 388 Werst (411 km), Courierzug in 11 Va,
Personenzug in 15V4 8*' für 14.Ö0, 10.91, 5.68 R. — Von Wilna nach Düna^
MASOYXEN. Routt 7. 46
IWfVi 102 W. (175 km) Courieraug; ia 4 St. SS^Hin., PersoneMug In SIA 8t.
für 6.04, 4.53, 2.32 B. — Von Diiii&burg nach Riffa^ 204 W. (216 km)«
PoBtzus in 5 St. 66 Hin^ Perionensug in 61A St für 7.66, 5.74, 2.93 B.]
Von Berlin n&eh Biga ttber W<t*balUn\ Koichedary ^ Uoscheiki^ Mitau
g. B. 6.
WarBchau 8. S. 9. Wenn wir die Vorstadt Praga und die Ufer
der Weichsel nach Osten Tdrlassen , so treten sehr bald schon in
ifoBovien, den jetzi^n €k>avem»ments Warschau, Sjedletz und
Lomza umfangreiche Wälder an die St^le der Kornfelder. Am Bug
und seinen Zuflüssen , der Muchairiza , dem Karew mit dem Bohr
bedecken weite Strecken von hohem SdiUf und kurzem Weidenge-
strdpp die FlSchen und wechseln mit ebenso ausgedehnten Urwildem
▼an Eichen (Yereinzelt, nirgends in grösseren Massen), Linden, Tan*
nen und Fichten. Vornehmlich ist die frühere Woiwodschaft Pod-
lachten am mittlem Bug und Narew , die alte Heimath der wilden
Jaczwige , von ihnen erfüllt. Am Narew , um Ostrolenka herum,
wohnen ebenso wie weiter nordöstlich (S. 37) die Kurpie , ein von
Osten her eingewandertes Jägervolk. Einer der grössten Waldcom-
pleze ist die Puschtscha oder Heide von BJelowjeiche oder Bialo-
füie»aj s.o. von Bialystok (Gouv. Grodno). Sie ist 40 GM. gross und
bedeckt eine Hochebene (183m ü. M.), die im Norden viele Sümpfe
hat Der Krone gehören davon 22 QH. Ihren Namen hat sie wahr-
scheinlich von der Weissen Warte (Bftiaji Btxa) , welche seit 600
Jahren an der Ljesna und Bjelaja steht, wo der Grossfürst Jaros-
law dlB Stadt Kamjenez - Litowsky gründete. Zur Erhaltung der
wenigen noch darin hausenden Sabren od«r Auerochsen wurde die
Heide von Blaiowicza 1803 für unantastbar erklärt. 1872 wurden
noch 528 Auerochißn gezählt. In die Biatowiczer Wälder gingen
nach der Niederwerfung der Insorrection 1831 die polnischen Bauern
und legten sich bandenweise aufs Rauben und Plündern. Der Ur-
wald blieb noch Jahre lang nach 1832 unsicher.
Zwischen den Stationen WiOamin {Bojnmmn) und (32 W.)
Tluatet (Tiyii|%) überschreitet die Bahn die Bzatüy vor (51 W.)
Loehou) («loxoBi; Büffet) den lAnriei».
39 W. n.w. Ton Loebow (66 W. voa Warachau, 44 W. voa Kowo-
berühmte Pultnak
am r. Ufer des
und ein grosses
SeUoss a«f der Höbe, in den ekemals die Bischöfe tod Ploak residirten.
Im J. 1703 besiegte hier Karl xn. von Schweden ein sächsisches Heer
unter dem General v. Steinau und nahm es fast ganz gefangen. Am
26. Dee. 1806 Sieg der PvanEOsen über die Bussen.
64 W. Zielenice &%iewnn) ; dann Über den Bug nach (78 W.)
M€tikin (SfaiKnni, MaXkyny).
63 W. m.w. yon Malkin liegt Ostrolsaka (Osfr^ffte, OcTpoxesBa), von
Warschau 110 W.^ von Nowo-Qeorgiewsk 105 W., am 1. Ufer des JVorets,
Über den eine schöne Brücke führt, mit 4866 Einw., Schloss, Bernhardiner-
kirehe und Kloster, Tuchfabriken etc. Die fast ganz aus Holz gebaute
Stadt liegt in einer sumpfigen l^iederung, die nach 0. durch wald-
bewachsene Anhöhen begrenzt wird. — Hier am 16. Tebr. 1807 Sieg der
Franzosen unter Savary über die Bussen unter Essen und am 26. Hai
1831' Sieg der Bussen Unter Diebitsch über die Polen unter Skrzyneeki.
46 Boute 7. GRODMO. Von Warschau
Bin Kloster in der l^ähe der Stadt birgt die Begräbniesstatten Tidler im
der Seblaeht gefallenen rasaisehen Offieiere.
Stat. CzyUw (Mhsobi), Czepctowa (UtenoTOBo), dann (141 W.)
Lapi (Janii). Die Bahn überscliieitet den Narew, der hier die Grenze
zwischen den Gouvernements Lomza und Grodno bildet und erreicht
i&iy^. Bialyitok {Bieloatokj B'Ijoctok'l), Kreuzung«punkt der
Bahn yon Königsberg nuch Brest-Litowsk (S. 241). Gute Restau-
ration; 20-30 Min. Aufenthalt. Di« Stadt {Hotel Victoria; Pt-
traschaj Orand Hotel), mit c. 40,000 Einw., liegt in einiger £nt*
fernung yon der Bahn an der BitUa. Sie besteht aus zwei langen,
sich rechtwinklig schneidenden Strassen mit steinernen Häusern
und einem Gewirr yon Holzbaracken, hat ein altes Schloss, 4 Kirchen
und ein grosses Mädchenerziehungsinstitut. Bedeutend ist die Woll-
industrie , besonders in dem in der I9ähe gelegenen Ciechanotoidy
mit grossen Fabriken, in CJioro$zcz, Supraal, Vobrzyniew, DvJnmvOy
Michalowo.
Das Schlot» mit herrlichem Park, weshalb Bialystok wohl auch das
„Podlachische Versaillea" genannt wird, gehört den Grafen Bramthi. Graf
9an Elemens Branizki, polnischer Krongrossfeldherr und Senator, fasste
nach dem Tode August III. 1763 den Gedanken, durch französische Unter«
Stützung König yon Polen zu werden. Katharina II. war jedoch seinen Plänen
entgegen und Branizki musste ihren mit Waffengewalt unterstützten Ab>
sichten weichen. Erst als er den von Katharina den Polen aufgedrungenen
König Poniatowski 1764 anerkannt hatte , durfte er auf seine Güter zu
Bialystok zurückkehren.
182 W. Czama Wiei (Hepsa Bftck). -- 201 W. <SoftoZfta(CoxoiKa).
— 216 W. Ku^niza (Kysiuma). lieber den Giemen nach
240 W. Grodno (FpoxHc) , Gouvernementshauptstadt mit circa
40,000 Einw. (V4 Juden), am r. Ufer desNlemen, der hier den
Durchbruch durch die nördliche Landhöhe beginnt und ein präch-
tiges Thal mit hohen Rändern bildet. Die Stadt (H6t, Slawjanskaja,
Moskowskaja, Hdt, de Paris), von wenig einnehmendem Aeussern,
besteht meist aus schwarzen Holzhütten, zwischen denen sich einige
stattliche Paläste erheben. Das alte Schloss, jetzt MUitärspital, ge-
hörte früher dem deutschen Orden ; daneben das neue £le^to«8, Ton
Kdnig August II. für den Reichstag erbaut. Die Stadt hat 5 russisch-
griechische und 5 römisch-katholische Kirchen, 2 griech. und 2 kath.
Klöster (das Bernhardiner-Kloster HQ^ gegründet), eine lutherische
Kirche, 2 Synagogen, eine medicinische Akademie mit botanischem
Garten, eine Kadettenschule etc. Ansehnliche Fabriken (Tuch^
Baumwolle, Seide, Gewehre) und blühender Handel (Getreide, Bau-
holz). — 32 W. unterhalb Grodno, ebenfalls am r. Ufer des Niemen,
der schön gelegene Badeort Druskieniki (4py8KtHHHUi), mit Mineral-
quellen, die jährlich von etwa 300 Badegästen besucht werden.
Saison vom 1. Mai bis 1. Oct. Wirkung wie Kreuznach (S. 47).
Grodno ist eine alte slavische Stadt und existirte schon im tu. Jahrh.
1041 wurde sie von den Mongolen, ld9i von den deutschen Ordensrittern
fast vollständig zerstört. Der Wahlkönig von Polen, Stephan Baihory^
machte Grodno zu seiner Residenz und starb hier am 13. Dec. 1586. Er
erbaute eine steinerne Burg an der Mündung der Gorodnischanka, deren
nach Riga, WILEISKAJA. 7. Route. 47
Vanera noch siehtbar sind. Seit 1673 yersammelte sieh dort jedesmal der
dritte polnisebe Beiehstag. Auf dem Beiehstage von 1793 wurde die zweite
Theilnng Polens unterzeichnet, auf dem vom 25. ITov. 1790 die Abdankung
des Königs Stanislaus Poniatowski angenommen. — Am 18. Juni 1812
wurde die Stadt von den Franzosen besetzt; König Jeröme nahm daselbst
sein Hauptquartier. — 1880 wurde die Befestigung von Qrodno begonnen.
Von Grodno kann man per Post (s. S. 6Ö) einen Ausflug nach Au-
gnstowo, Baczki und Gut Bospuda machen. ~- Oute Chaussee.
Aufiiitowo (ABrycTOBii) , Kreisstadt im Gouvernement Ssuwalki (940O
Einw.) , liegt 60 W. (63 km) w. von Grodno an dem sumpfigen Ufer des
gleichn. Sees, aus dem die IfeUa fliesst. Der Auguttowo*sehe Kanals der die
Nett* mit dem Kiemen verbindet, beginnt hier. Durch diese Verbindung
mit dem Heere hat Augustowo einen nicht unansehnlichen Handel mit
Landesprodukten, besonders mit Holz, und sein äusseres Ansehn zeugt
von Wohlhabenheit. Die Stadt, welche ihren Kamen nach ihrem Erbauer
Sigismund August (August I.) seit 1647 führt , hat mehrere Kirchen , an-
sehnliche Vieh- und Pferdemärkte (meist jüdische Handelsleute, kleine
dauerhafte Pferde, sog. Litauer) und Fabriken. — 20 W. (31 km) n.w. von
Augustowo liegt
80 W. (84 km) Batschki (Raetki^ Pann), Flecken im Gouvernement
Ssuwalki, auf dem r. Ufer der Ketta, ehemals der Familie Pac gehörig.
Bemerkenswerth daa im gothischen Stil erbaute Ralhhaut mit seinem
•ehlanken, zierlichen Thurm und die schöne, mit Bildwerken ete. reich
geschmückte Kirefu, beide von dem ehem. polnischen General Lvdmig Pac
erbaut. Kaum 1/4 St. von der Stadt das ebenfalls einst den Pac gehörige
Gut Xoapuda mit prachtvollem Behlou^ am Abhänge eines Hügels schön ge*
legen. In der gothischen Kapelle die Grabmäler von Gliedern der Familie
Fae. 1815 führte General Ludwig Pac eine €k>lonie betriebsamer Schotten
nach Bospuda und richtete eine weit und breit gerühmte Husterwirth»
Schaft dort ein.
Von (270 W.) Stat. Portt9cht {Porjeczje^ DopftHie) führt eine
Poststrasse n.w. nach (17 W.) Ba^ä Druskieniki (S. 46; Omnibus
am Bahnhof). Wir betreten nun das Gouvernement Wilna. Ostwärts
des Niemen dehnen sich weite wellenförmige Ebenen aus ; der Bo-
den ist nur theilweise bebaut ; ausgedehnte Waldstriche yon Laub-
holz und Kiefern unterbrechen häufig die Felder; tiefe Flussthäler
durchschneiden das Plateau nach allen Richtungen.
294 W. Jfarcinfcanc«.- 315 W. Oratiy (Büffet).— 333 W. Olkie-
nOH, — 3ö2 W. RudzUzki, — 371 W. Landwarowo (iaHÄBapoBo),
Knotenpunkt der Bahn nach Wirballen (s. S. 36). — 388 W. Wiliut;
8, S. 38.
398 W. WUeiskaja (BHjieficKafl. — Restauration; 10 Min. Auf.),
Knotenpunkt der Linie nach Minsk, Ssmolensk, Moskau und
Romny (651 W. von Wileiskaja). Folgen die Stationen Beadani,
Podbrodae, dann (461 W.) Swentnany (CbIihiuihh; gutes Büffet);
11 Werst s. o. die gleichn. alte befestigte Stadt mit 5850 Einw.
Bald nach der Station Jgnalino befinden wir uns im alten Samo-
gitien, die o. Ecke des Jetzigen Gouvernements Kowno abschnei-
dend, und erreichen (527 W.) Stat. Kowo-Alezaadrowsk, 20 W.
6. Ton der gleichn. alterth^mlichen Stadt (HoBO-AieKcaHXpoBCKi),
an der Grenze Yon Kurland, im alten Semgallen gelegen.
Die letzte Station vor Dünaburg ist (547 W.) KaUrahnen
(KaiiyHii ; Restaur.) , Knotenpunkt der Linie nach RadzitoilUchki
(186 W.) und Lihau (363 W. ; S. 40). Die Bahn überschreitet auf
48 Baute 7. DUNABURG. Von Warschau
«isernoT Gitterbrücke die Düna (s. u.) und erreicht bald den von
der Stadt weit abliegenden Bahnhof von Dünahurg (Restaur., Vs'
1^/t St. Aufenthalt), Knotenpunkt der Bahnen nach St. Petersburg
(R. 10) und Ssmolensk (R. 27).
553 W. Dftnabnrg, ^HHaöypn {Hot. St, Peter »bürg, Bot. Lon-
don ^ auch im Bahnhof Logirzlmmer); Kreisstadt und Festung
im Gouvernement Witebsk, mit 60,000 Einw. (Russen, Juden,
Deutsche), auf dem r. Ufer der Düna, ist ein grosser wohlgebauter
Ort mit zwei katholischen u. einer griechischen Kirche , ansehn«
liehen Fabriken und Handelsmagazinen. Als Handelsstadt u. wich*
tiger Eisenbahnknotenpunkt liimmt Dünabutg einen der ersten
Plätze unter den Städten Westrusslands ein. Der Handel mit Flachs^
Getreide , Bauholz (nach Riga zum Schiff- u. Wagenbau) ist be-
deutend ; auch der eigene Schiffbau ansehnlich.
Dünaburg wurde 1377 von dea deutschen Ordenirittwn gegründet
und war in polniiciher Zeit die Hauptstadt der Woiwodschaft Livland
und des DistrietS Dfinaburg. Die Stadt wurde 1572 und 1677 von Iwan
dem Schreckliohen (Iwan Wassiljewitseh II.) zerstört, durch Stephan
Bathory Wieder aufjgebaut und mit dem polnischen Reiche rereinigt, dann
1600 von den Schweden besetzt. Im Kriege der Eussen mit den Polen
und Schweden wurde Dünaburg vom Zaren Alexei Michailowitsch am
80. Juli 16fi6 erobert. Zwei Jahre später wurde die Stadt durch die Polen
wieder genommen und gehörte sammt dem polnischen LitAuen zur pol-
nischen Krone bis 1772, wo Weissrussland dem russischen Reiche ein-
verleibt wurde. — Während des polnischen Aufstandes 1868 , als Michael
Kurawiew zur Bewältigung desselben in Litauen schaltete, war Dünaburg
der Schauplatz zahlreicher Hinrichtungen.
Die Bahn nach Riga führt stets am r. Ufer der Düna durch vor-
wiegend Waldige Gegenden. Aus den Wäldern blicken die kleinern
und grössern Gastelle der Grundbesitzer hervor; auch die Stationen
tragen die Namen der Besitzer: Liewenhof, Treppenhof, Stock-
mannshof, Römershof, Ringmundshof etc. Am 1. Ufer der Düna er-
streckt sich dad Bruderland Kurland , in diesem seinem mittleren
Theile Semgallen genannt.
Die Düna (Duna, westliche Dwina, ßanaxaaa ffssHa, lettisch Dau-
gawa) entspringt, wie die Wolga und der Dnjepr, aur der Hochebene des
Waldai im Kreise Ostasehkuw, Gouvernement Twer, aus dem kleinen
See Dtoinetz und fällt bald nachher in den sehmalen Doppelsee Ochwat-
Skadenje. Unterhalb Dünaburg durchbricht sie den Düncirücken^ einen
Höhenzug, der von hier bis gegen Estland hin die nördliche Grenze dea
DUna^ebiets bildet. Der flache Thalboden zu beiden Seiten des Stroms
ist grosstentheils fruchtbares, für Korn- und Hanfbau wohl geeignetes
Ackerland; weiter entfernt vom Strome finden sich häufig bedeutende
Hoorstriche (Düna-Moore). Im Frühjahr finden gewöhnlich weitreichende
Uebcrschwemmungen statt, die das Land befruchten. Der Strom an sich
(70 Heilen directe, 140 Meilen Stromentwickelungslänge) hat zahlreiche
Inseln und noch mehr Sandbänke sowie die Schififahrt erschwerende Stru-
del; Stromsehnellen und sogenannte Falle, auch Porogi oder Schwellen
sind häufi|;. Bei Riga hat er eine Breite von 1000 m, eine Tiefe von AS m.
Das itundungsland der Düna ist nicht, wie das der übrigen baltischen
grossen Flüsse, ein üppiges Fruchtland, sondern ganz uncultlvirtes Dünen-'
land; das gelobte Land für den Jagdliebhaber. Namentlich im Frühjahr
sind alle Oewässer mit Sehaaren von Sumpf- und Wasservögeln bedeckt;
die Seen mit Schwänen und wilden Gänsen, die Sümpfe mit Störehen,
Schnepfen, Kibitzen und Kranichen.
naehBiga. UEXKÜLL. 7, Route. Ad
Stationen Likana, Nizgal, Zargrad, (56 W.) JUewenhof; weiter
Treppenhof und (83 W. = 88 km) Kreutibnrg (20 Min. Aufenthalt ;
gutes Büffet). Kreutzburg ist eine alte Besitzung der Familie Korff;
von der Herrschaft hingen früher 8(X)0 männliche Seelen ab ; von
hier gehen jährlich Massen von Getreide, Holz und Flachs nach Riga.
— Gegenüber, auf dem andern Ufer der Düna (4W.) Jakobatadt, ^eizt
fast nur von Juden bewohnt, mit Riga in enger Verbindung stehend.
Die Bahn überschreitet die Ewst^ den 5stl. Grenzfluss Livlands.
99 W. Stockmarmthof, der freundliche Wohnsitz der Familie Löwen-
Stern; 116W. i^olc«nAtMcn (gutes Wirthshaus, auehZ., an der Düna),
mit malerischen Ruinen eines Schlosses, einst Residenz der Rigaer
Erzbischofe. Lohnend ein Ausflug in das schöne *Thal der Perse,
welche hier in die Düna mündet. — 136 W. Bömerthof (15 Min.
Aufenthalt); in der Nähe Ascheraden und Friedrichstadt, wie Ja-
kobstadt von Juden untermischt mit Deutschen und Letten be-
wohnt. Die Güter Römershof u. Ascheraden sind die Fundstätten
interessanter Alterthümer.
Im Frühjahr 1837 sebwoll die Düna besonders hoch an und über-
schwemmte weitbin die Uferlandsehaften. Oewaltlge Eismassen wurden
namentlich über die Felder der Oüter Bömershof und Aseheraden hin-
gesehleift und von ihnen der Boden tief aufgerissen. Es kamen bei dieser
Gelegenheit interessante Alterthümer, bronzene, silberne und eiserne
Schmucksachen, Waffen und Geräthsehaften zu Tage, mit denen man
nach dem Ablaufen des Wassers den Boden übersäet fand. Die gefun-
denen Schätze kamen nach Mitau an das Museum , nach Biga an die Qe-
sellschaft für livländische AUerthumskunde und an verschiedene Privat-
sammlungen. Die Alterthümer rühren entweder von den finnischen Liven
oder von den skandinavischen Kormannen oder endlich von beiden zu-
gleich her. Auch sonderbare Steinsetzungen, wie sie in Skandinavien,
Dänemark und Grossbritannien sich finden, hat man an den Ufern der
Düna nach der obenerwähnten Wasserfluth entdeckt, bestehend aus lauter
ziemlieh kleinen Feldsteinen, die paarweise zu Quadraten zusammenge-
legt waren. Die Zusammensetzung jedes I^nares war so, dass die Linia
der Steine nicht rechtwinkelig, sondern schief auf den Seiten des Quad-
rats stand. Jede Quadratseite war 10-15 Schritt lang und in jedem Quad-
rate befanden sich 4-5 Kreise, aus einfach nebeneinanderliegenden kleinen
Steinen gebildet. Unter jedem Kreise war ein Grab ^ das Ganze also ein
Begräbniss- oder Opfer-Platz (s. S. 43).
156 W. Ringmtmdshof. — 172 W. Oger, — 179 W. Uexküll,
mit der Ruine eines Schlosses des Bischofs Meinhard (erb. 1184,
das älteste Steinhaus Livlands) , später Festung der Ordensritter.
— 185 W. Kurtenhof,
An dem alten Kirchholm vorüber, ehemals befestigt, 1656 von
den Schweden geschleift, nähern wir uns Riga und fahren durch
die Moskauer Vorstadt und über einen grossen Platz in den s. Ö.
der Altstadt gelegenen Bahnhof ein.
204 W. Riga,
8. Biga nnd TJmgebimgen.
Ankunft. Biga hat 2 Bahnhofe: 1. Bahnhof für die Züge der Riga-
Dünaburger und jrftiA{0rra&€n«r Eisenbahn in der Moskauer Vorstadt (P1.C6,6) ;
9. für die Bolderaaer^ Tuckumer und Uitautr Eisenbahn an der Düna, am
Ende der Karlsstrasse (PL B 5). An beiden Bahnhöfen warten Droschken
Bussland. 2. AuQ. 4
50 BotUe S.
RIGA.
a^ela.
(s. 6. 61) , gewöhalieh zweispännige , noeb mit deatseher Bespannung,
sowie auch Privatfuhrwerke. Auf Station Oger der Eiga-Dünaburger Bahn
(S. 49) gelangen Blankets zur Vertheilung , für deren Vorzeiger bei der
Ankunft in Riga Wagen bereitstehen. Bei Fahrten vom Bahnhof in die
Stadt wird die Taxe (s. unten) erhöht um 10 Kop. für ^Sinspänner, 20 Kop.
für Zweispänner, bei Nachtfahrten um 20 resp. 30 Kop.
Hdtels. *Höt. de Bome (PI. b:C4), gegenüber dem Theater, mit
Restaurant im Erdgeschoss und im Keller, schöne Aussieht; Z. 1-4, H.
1-2 B.; »St. Petersburg (Pl.a:A3), Sehlossplatz 4 •, Bellevue (PI. d*.
B4), an der Ecke des Thronfolger - Boulevard und der Marienstrasse. —
StadtLondon (PI. e : B 4), Kalkstrasse 11 ; d e S a z e (PL f : B. 4), Scheu-
nenstrasse 19, bei der Börse; Alexander (PL g: GS), Alexander-Boule-
vard ; StadtDünaburg (PL h : D 4), Ecke der Elisabeth- und Ssuworow-
Strasse (Petersburger Vorstadt); zum Deutschen Hause (PL i: D8),.
Ecke der Mühlen- und Alexanderstrasse (Petersburger Vorstadt) ; 'Stadt
Frankfurt a. Main, Alexanderstrasse 28, am weitesten in der Peters-
burger Vorstadt gelegen (Erlanger Bier); vis-ä^vis der Goldene Adler.
— Auf dem linken Ufer der Düna (Mitauer Vorstadt) : Hotel Gourlande
in der Steinstrasse auf dem Oross-Klüversholm ; Stadt Mitau am Markt
ebenda.
BestMiranta und Caf^a. *K r ö p s c h , gegenüber der Börse, gute deutseh»
Küche; Joh annis-undKlosterkeller im Hause der kleinen u. grossen
Gilde (S. 56); Ertack im Wöhrmann*8chen Park (Mineralwasser-
Anstalt, nur im Sommer); ferner in fast allen Hotels und Conditoreien.
Badeanstalten (meist russische Badestuben) : *D r. S. K r o e g e r s Bade-
und Heilanstalt, mit Schwimmbassin etc., Zugang vom Hot. Frankfurt
(s. oben); Tusow und Pimenow in der Moskauerstrasse (Moskauer
Vorstadt) an der Düna; Muraschew, Ssuworowstrasse (Petersburger
Vorstadt) ; Beresow, Hiltstrasse , sowie Ecke der Neu- und Schmiede-
strasse; Badeanstalt in der Petersholmstrasse in der Nähe des Kaiser-
lichen Gartens; in der Mitauer Vorstadt: Tusow auf dem Gross-Klüvers-
holm (Flussbad am Badeholm).
Bankiers. Miram A Smolian^ Heimann d: Zimmermann^ Sehaetf, WoUonw
A Co. , C. 8. Salzmann ; auch vermitteln Geld- u. Wechsel - Geschäfte die
Börsenbankf Commerzbank^ Zweite Qetellscha/t gegenseitigen Credits^ u. s. w.
Konsulate. Dänemark: Konsul Ä. F. Kriegsmann ; Deutsches Reich:
Generalconsul für Livland und Kurland -ff*. Helmsing; Frankreich: Konsul
A. E. Boysset; England : Konsul Ä. Raby ; Niederlande : Konsul E. W. Müller ;
Oesterreieh-Üngarn : Konsul if. Lübeck; Schweden, und Norwegen: Konsul
Dr. 0. ISfz ; Schweiz : Konsul Dr. R. Caviezel,
Post (PL 24 : A B 5) in der Karlsstrasse, nahe dem Bolderaaer Bahnhof.
Telegraphen-Bureau (PL 29 : B 4) an der Ecke der Kalkstrasse und des
Theaterboulevards, Haus Minus.
1. Alezander-Gym-
nasium C45
2. Börse A4
Denkmäler.
3. Alexander I. . A3
4. Herder A4
5. Gallerie, städt.. . CS
6. St. Georgen-Hospi-
tal B5
7. Gilde, grosse . . . B 4
8. „ kleine . . . B4
Kirchen.
9. Alexei-K. ... A3
10. Anglikanische A3
11. Gitadell-K. St.
Peter & Paul
(griech.) . . . . A2
Plan von Riga,
12. Dom od. Ma-
rien-K A4
13. St. Jakobi-K. A3
14. St. Johannis-K. B5
15. Kathedrale
(grieeh.-kath.) D3
16. St. Petri-K. . . B5
17. Beformirte K. B5
18. Röm.-kath. K. A3
19. KronsgymnasinmAS
20. Lomonossow-
Gymnasium . . . G5
21. Mineralwasser-
Anstalt C4
23. Polytechnikum . G4
23. Post AB 5
24. Rathhaus . . . . A5
26. Bitterhaua . . ABS
. Schloss, kaiserl. A3
27. Sehwarzhäupter-
Haus A4
28. Stadt-Gymnasium GS
29. Telegraph . . . . B4
30. Theater, städt. G46
31. Waisenhaus . . . B4
Oaathöfo.
a. St. Petersburg . . A3
b. de Rome G3
d. Bellevue B4
e. Stadt London . . B4
f. de Saxe B 4
g. Alexander . . . . G3^
h. Stadt Dünaburg . D4
i. Z.Deutschen Haus D3
Sehennüiirdigheiten. RIGA* 8, Bouie, 51
Waf en. Die Stftdt ist in vier Rayons gethellti von denen der für die
Fremden am meisten in Betracht kommende I. Bayon die innere Stadt
bis 2ur Elisabetiistrasse nnd deren Verlängerung bis zur Düna umfasst.
Sinfaehe Fahrt innerhalb eines Bayon Einsp. 10, Zweisp. 15 Eop. *, aus
einem Bayon in den nächsten 15 u. 30Kop.; durch den angrenzenden in
den dritten 20 u. 25 Kop. ; durch zwei andere in den vierten 25 u. 30 Kop.
Zeitfahrten: innerhalb des Bayon l/aSt. 20 u. 90 Kop., ausserhalb 30 u.
aOKop.; 8/4 St. 90 Q. 45 resp. 45 u. 75 Kop.; 1 St. 40 u. 60 resp. 60 Kop.
u. 1 B. — Die Taxe ^ilt für 1-2 Personen; jede weitere Person zahlt sowohl
für Distance-, als für Zeit -Fahrten die Hälfte der Taxe. Für Nachtfahrten
(11 U. Nachts — 7 U. Morgens) gilt die doppelte Taxe. Brückengeld ist für
hin und zurück zu entrichten. Handgepäck ist frei; jedes grössere Ge-
päckstück zahlt Vs d®' Fahrtaxe.
Pfbrdebahnen in der Alexanderstrasse, der grossen Strasse der Mos-
kauer Vorstadt und zur Verbindung beider Linien.
Theater. Stadtfheater (S. 56).
Vereine und Klub«. M u s s e in der grossen Königssfrasse ; Ressource,
Bathhauaplatz ; K a u f m ünnisch er Verein, im Börsengebäude, gegen-
über der Börse; Euphonie, grosse Jakobstr.; Bussischer Klub,
grosse Königsstr.; Lettischer Klub, Parkstrasse 3; Gewerbe-Ver-
ein, Weberstr. ; Sefawarzhäupter, vis-ä-vis dem Rathhause; Turn-
verein, am Nicolai-Boulevard. -^ Fremde können überall von Mitglie-
dern eingeführt werden.
Bei beaohränkter Zeit genügt für Biga ein Tag.
Hänptuhenswttrdiifkeiten: Schloss (S. 54), Domkirche (8. 54), Stadt-
bibliothek (an den Wochentagen 1-3 IJ., ganz geschlossen Im Monat Juli)
und städtisches Museum (S. 55, Sonnt. 12-2 U.), Bathhaus (S. 55), Schwarz-
häupter-Haus (S. 55), Museum (geolog. u. archäol. Sammlung, S. 55), St.
Petri- Kirche (6. 55), Gemäldesammlung der städt. Gallerie (S. 57), die
Häuser der grossen und kleinen oder St. Johannis - Gilde (S. 56) , die
Börse (S. 57), das Bitterhaus des livländischen Adels (S. 57); Kaiserlicher
Garten (S. 57), Wöhrmann'scher Park (S. 57).
Riga (lettisch Rihga, estnisch Rigalin, Riig, Ria Linn, Riolvn
oder auch Righo, russ. Para) , Hauptstadt des Gouvernements Liv-
land oder eigentlich Hauptstadt der sog. Ostseeprovinzen, d. h. von
Est-, Liv- und Kurland, nach St. Petersburg die bedeutendste rus-
sische Handelsstadt am Baltischen Meere , Hauptort des III. Mili-
tärbezirks, Standquartier des III. Armeecorps, Sitz des Gouver-
neurs, des griechisch-russischen Erzbischofs für Riga und Mitau, des
römisch-katholischen Bischofs, des Landes-Consistoriums u. s. w.,
mit 170,000 Einw., davon 66,775 Deutsche, 31,976 Russen, 49,974
Letten , 3197 Polen , 14,222 Juden , c. 3000 verschiedene andere
Nationalitäten , worunter Polen und Engländer am zahlreichsten.
Die Deutschen, Letten und Esten sind mit wenig Ausnahmen Prote-
stanten (Lutheraner) , deren Zahl im Ganzen sich auf 107,300 be-
läuft; die Russen gehören natürlich zur griechischen Kirche; doch
befinden sich unter ihnen auch viele Raskolniks , Abtrünnige (s.
Einl., S. XLYi) , die seit langer Zeit hier wohnen , wo sie ein Asyl
vor Verfolgungen fanden. Yerhältnissmässig gering Ist die Zahl
der Katholiken und Juden , was sich aus den überaus zahlreichen
Versuchen , die letzteren zu vertreiben (zuletzt noch 1840) erklärt.
Die Stadt liegt in einer sandigen Gegend, zu beiden Seiten der
DUna (1500 Schritt breit), 15 km von ihrer Mündung in den Ri-
gaischen Meerbusen , wo auch die Festung und der Hafen i>t«na-
4»
52 Route 8, BIGA. H<jfen,
münde sich befindet, obgleich die Seeschiffe bis Riga selbst gehen
können. Mit den beiden tJferorten an der Mündung, Bolderaa
und Mühlgraben ist Riga durch Elsenbahnen verbunden , ebenso
wie mit Tuckum, Mitau, Libau und Dünaburg.
An ünterrichtsanatalten besitzt Riga ein Polytechnikum , drei
Gymnasien, eine Navigationsschule und viele andere öffentliche und
private Schulen; an gelehrten Gesellschaften: die Gesellschaft für
Geschichte und Alterthumskunde der Ostseeprovinzen und die na-
turforschende Gesellschaft; gemeinnützige Zwecke verfolgt die
literarisch -praktische Bürgerverbindung. Die Stadt ist reich an
müdthätigen Anstalten, deren viele schon in alten Zeiten gegrün-
det sind ; unter denselben befindet sich ein ausgezeichnetes Wai-
senhaus und mehrere Asyle für arme Bürgerwittwen.
Auf den Bau des Hafens wurden von 1850-1861 über 2 Mill. Rb.
verwendet. Auch mehTeie Schiffs -Werfte sind vorhanden. Die In-
dustrie ist durch eine grosse» Zahl von Fabriken vertreten. Von grosser
Wichtigkeit ist der Handel, welcher namentlich durch deutsche und
englische Handelshäuser betrieben wird. Die Einfahr betrug 1886 :
24,000,000 Rubel (Salz, Härlnge, Steinkohlen, Petroleum, Soda,
Eisenbahn- Schienen, Mauersteine etc.). Ein Drittel der Einfuhr
kam aus Deutschland , etwa */4 aus Grossbritannien ; dann folgen
Belgien, Norwegen, Frankreich, Portugal u. s. w. In den Hafen liefen
1886 ein 1940 Schiffe mit 387,866 Lasten, darunter über die Hälfte
Dampfer. Die Ausfuhr hatte einen Werth von 42,100,000 Rubel
(Flachs, Hanf, Leinsamen, Oel, Tabak, Getreide, Schiffbauholz aus
Weissrussland und Wolhynien). Ein Drittel der Ausfuhr geht nach
Grossbritannien, Vio ^^ach Deutschland ; dann folgen Belgien, Frank-
reich, Niederlande, Norwegen u. s. w.
Geschieh te. Deutoehe Kaufleute, welche um das J. 1158 nach der
Hündung der Düna verschlagen waren, aollen durch ihre Ansiede-
lungen auf der Insel Kirchholm und bei Uezküll (S. 49) die erste Ver-
anlassung zur Gründung der Stadt gegeben haben. Kachdem dann der
Augustiner Meinhard 1184 seine Bekehrungsversuehe begonnen hatte und
der erste Bisehof von Livland geworden war, erbaute der dritte Bisehof,
Albert von Apelderen, 1201 an einem jetzt vertrockneten Arme der Düna,
der Bige, die Stadt Blga und gründete einen Ritterorden , den Orden
der Brüderschaft des Heeres Christi (fraternitas milltiae Christi) oder
Sehwertorden; Riga, wohin Albert aus Bremen und Lübeck Einwohner
lockte, erhielt grosse Privilegien und Besitzungen und wurde rasch ein
Platz von hoher Wichtigkeit. Die Bürger erhielten frühzeitig Hamburger
Beeht. Im ziv. Jahrh. entstanden die grosse Oxide (Verein der Kaufleute)
und die kleiiM Oilde (Verein der Handwerker-Zünfte) sowie die ScbwarX'
häupter (8. 65) ^ auch der deutschen Bansa trat Riga bei. Der Schwert-
brüderorden , dessen Meister in Wenden residirte (S. 66) , vereinigte sich
1387 mit dem deutsehen Ritterorden in Preussen. Sowohl der Orden wie
die Bisehöfe schafften sich Vasalien , von denen die jetzigen adeligen
Familien stammen. In der Folgezeit lagen die Bürger Riga^s. die Bischöfe
und (seit 1255) Erzbischöfe der Stadt und der Ritterorden nicht selten in
Streit, wobei die Bürger es gewöhnlich mit der geistliehen Gewalt hielten,
die Ritter aber meistentheils die Oberhand behaupteten. In der Fehde
des Erzbischofs Friedrich mit den Rittern gelangte die Stadt 1390 in die
Gewalt des Ordens, welcher, um sie leichter zähmen zu können, die
Festung Dünamünde kaufte. 1485 rissen die Rigaer dieselbe nieder; aber
Qeaehiehte. BIGA. 8, Route, 63-
sehn Jahre darauf stellte der Orden die Festung wieder her. — Nach'
dem sieh Riga schon 1523 für die JUiformaUon erklärt hatte, entzog es
sieh lÄ^ der bisehöflichen Herrschaft und errichtete ein Gonsistorium als
erste geistliche Behörde. Als 1561 das übrige Livland polnisch wurde, be-
hauptete Biga noch eine gewisse Selbstäudi^eit, bis lw3 Stephan Bathory
die Stadt zur Unterwerfung zwang. Das Erzstift war schon nach dem Tode
des letzten Erzbischofs, Wilhelm (t 1563), eines Bruders des Herzogs
Albrecht von Preussen mit Polen vereinigt worden. In den sehwediseh-
polnisehen Kriegen widerstand Biga lange den sehwedisehen Wafifen und
wurde von Gustav Adolph erst am 15. Sept. 1631 nach langer Belagerung;
erobert. In den Kriegen Polens und Schwedens mit Bussland wurde
Riga 1656 von dem Zaren Alexei Miehallowitsch vergeblich belagert. Für
die energische Yertheidignng erhob der sehwlBdisehe König 1660 die Mit-
glieder des Bigaer Baths in den Adelsstand und maehte die Stadt zur
zweiten des Beichs nach Stockholm. Am meisten hatte Biga durch die
Belagerung von 1710 zu leiden. Am 14. Kov. 1709 wurden, nachdem die
sdiwedische Macht in den russischen Steppen ihr Grab gefunden, vor
Biga durch General Scheremetjew die Laufgräben eröffnet; Peter der
Grosse selbst warf die ersttti Bomben in die Stadt (8. 55). Zu Anfang
1710 war schon der unzureichende Vorrath an Lebensmitteln in der Stadt
aufgezehrt ; Hunger und Pest nöthigten schliesslich am 4. Juli die Stadt
zur Gapitulatlon, und der Friedenssehluss zu I/fstäcU 1731 brachte Livland
und Biga für immer an Bussland. Seit dieser Zeit genoss Biga fast ein
volles Jahrhundert des tiefsten Friedens. Bedeutungslos waren die Er-
eignisse von 1812 (Abbrennen der hölzernen Vorstädte) und von 1854
(Blokade durch die Engländer). Kach dieser Zeit aber hat Biga sieh
mächtig erweitert, eine Beihe grossartiger Hafenbauten geschaffen, die
alten Wälle geschleift, öffentliche Gebäude neu aufgeführt, die russische
Städteordnung eingeführt, das alte Zunftwesen beseitigt, die erste bal-
tische Eisenbahn gebaut, ein über alle Städte Livlands und Kurlands ver*
zweigtes Genossenschaftswesen ins Leben gerufen, aus eigenen Mitteln
ein städtisches Gymnasium, eine Navigationsschule, endlieh mit Unter-
stützung der baltischen Stände eine grosse polytechnische Schule ge-
gründet und erhalten.
Die Stadt besteht aus dem alten Stadtkern, bis 1858 mit starken
Festungswerken umgeben, und aus drei Vorstädten, die beständig
an Ausdehnung zunehmen: der Petersburger Vorstadt (nördlich und
östlich der alten Stadt) , der Moskauer Vorstadt (südlich) und der
theils auf dem 1. Düna-Üfer (Flecken Tkorensherg) , theils auf den
Düna - Inseln (ir{«i/i- und. Oross- Klüvers -Holm, Kiepen- Holm,
Mucken' und Boenkens-Holm) gelegenen Mitauer Vorstadt. Die
innere Stadt und die Vorstädte bilden ziemlich schroffe Gegen-
sätze in ihrer Bauart. Der alte Stadtkern Riga*s mit den ältesten
Häusern, zum Theil noch engen, finsteren 0assen, nur zwei einiger-
massen freien Plätzen , ist klein und hat kaum ^J^ Werst im Halb-
messer. Hier wohnten die alten deutschen Patrizier-Familien, hier
liegt noch das Rathhaus (s. unten), von dessen Balkon herab früher
aUjährllcb am Michaelis-Tage, nach einem feierlichen Gottesdienst
in der Petri- Kirche die „Bursprake'' oder die alten Gesetze der
Stadt verlesen wurden. In diesem ¥heile der Stadt hielten die
grosse und die kleine Gilde ihre Versammlungen , der Rath seine
„offenbaren Recht«tage^, seine Ober- und Handelsgerichte, seine
Kieder- und Wettgerichte ab. Um diesen altfränkischen Kern
schliessen sich nun Jenseit der Boulevards , wie eine buntfarbige,
lockere , geräumige Schale die neuen Vorstädte und die Moskauer
54 Boute 8. RIGA. Kais. Schloss.
Vorstadt^ mehr nach Art der russischen Städte gebaut. — Die
niedere BevÖllcerang Riga's besteht meist aus Russen , Letten und
Esten, Yon denen die Stadt immer mehr überschwemmt wird. Be-
sonders an Markt-, Sonn- und Festtagen , auf der Dünabrücke zu
Jobanni am „Blumenfest', am 6. August, dem (Preobrashenije
Gospodne s. S. xltiu) russischen Kirchfest der „Obstweihe'', und
an den sog. drei „Hungerkummer-Tagen'', am 1., 3. und 5. Montage
nach der Obstweihe, kommen alle in Bezug auf ihre Abstam*
mung und Sprache so grundTerschiedenen Nationalitäten, die sich
grösstentheils sehr schroff gegenüber stehen , besonders Letten von
indogermanischer Race, Esten vom finnischen Stamme — beide
den Deutschen, letztere wieder den Russen feindlich — , in Riga
zusammen.
Die Merkwürdigkeiten Rigas lassen sich rasch übersehen, da sie
fast alle in dem inneren kleinen Kerne zusammengedrängt liegen.
Nehmen wir das H6t«l St. Petersburg zum Ausgangspunkt un-
serer Wanderung, so erblicken wir zunächst ihm gegenüber das
Kaiserliche Bohloss (PI. 26: A3), in welchem jetzt der Gouverneur
wohnt. Es ist eins der ältesten Gebäude der Stadt (1494-1515 er-
baut) und war ehemals dieResidenz eines Ordenscomturs. Ursprüng-
lich im gothischen Stil erbaut, im xviii. Jahrh. ganz umgebaut, be-
steht es aus einem massiven Gebäude mit 2 Tfaürmen ; im Innern,
mit einem Bogengang , der zum Hofe führt , sieht man noch eine
Statue der helligen Jungfrau , der Beschützerin des Ordens , und
neben ihr die Statue des Erbauers des Schlosses, des Ordensmeisters
Walter von Plettenberg (1494-1535) , unter dem der llvländische
Foederativ-Staat seine höchste Blüthe erreichte.
Auf dem Schlossplatze (3aHK0Bafl niomaAb), dem grdssten
und schönsten der Altstadt, ist dem Kaiser Alexander I. eine 8 m hohe
Granit 'Sätde (PL 3: A3) errichtet; auf der Spitze eine bronzene
Victoria mit Siegeskranz, am Sockel auf der einen Seite der Reichs-
adler, auf der andern das Wappen von Riga. Eine lateinische
und russische Inschrift besagt, dass die dankbare Kauftnannschaft
Riga's dieses Monument 1S17 dem Kaiser Alexander (Paclficatori
Europae) und der zurückkehrenden Armee gesetzt habe.
Wenden wir uns, das SchloBs verladsend, rechts, so sehen wir zur
rechten Hand die Katholische (PI. 18 : A3), dann die AnplikaTiische
Kirche (PL 10: A3) *, letztere, ein eleganter Bau im engL-goth. Stil,
wurde 1857-59 von den in Riga Ansässigen englischen Kaufleuten
errichtet. Die grosse Schloss- und MönchMistrasse verfolgend, ge-
langen wir zur *Dom- oder Karienkirohe (PL 12 : A 4), einem go-
thischen Bau mit viereckigem Glockenthurm und sehenswerthem
Innern. Der Bau derselben wurde nach der Gründung der Stadt
1215 begonnen und war bereits 1226 soweit vorgeschritten , dass
der päpstliche Gesandte , Wilhelm von Modena, dort eine Synode
abhalten konnte. 1547 und 1883 wurde der Dom renovirt; die
Sehwarzhäupter-Haus. RIGA. 8, R<mte, 55
neue Orgel ist vlelleiciht die grosste der Welt. Im Innern viele
Wappen und die Grabmäler des ersten Bischofs und des letzten
Erzbischofs yon Riga, Wilhelm von Brandenburg (f 1563) — Dicht
bei der Domkirche der Herder -Platz mit dem Herder -Denkmal
<P1.4: A4), Nachbildung des Weimarischen Herderdenkmals (von
Schaller).
In dem schönen Kreuzgang des Domes (Domsgang) befindet sich
dieStadtbibliotlMk (an Wochentagen 1-3 U. zugänglich; geschlossen
im Juli). Sie besitzt ausser zahlreichen Incunablen interessante Merk-
wärdigkeiten aus Riga*s Geschichte, unter anderen einen Lehnstuhl
Garl's XII., einen Brief Luther' s an den Rath von Riga, einige
Autographen von Herder (der 1764-69 hier Lehrer und Prediger
war) und, in der Mauer des Saals, eine Kugel , welche bei der Be-
lagerung Ton 1710 Peter der Grosse selber in die Stadt schleuderte
(S. Ö3); femer die sogenannte Brotze - Sammlung livlandischer
Alterthümer, Portraits, Landschaften u. s. w.
Durch die Neustrasse erreichen wir nach wenigen Schritten den
Rathhausplatz mit dem Bathhaua (PL 24 : A 4, 5), welches die itäd-
tiseften Archive enthält. Gegenüber das *Bekw»rxhftiipt«r - Hau«
(PL 27: A4), ebenfalls eines der ältesten Gebäude der Stadt, schon
im xiT. Jahrb. erbaut, später oft restaurirt. Das Gebäude ist sehr
interessant, nicht allein wegen seines sonderbaren Baustils mit alt-
fränkischer Fa^ade und den Reliefbildern der Jungfrau Maria und
eines Schwarzhäupters zu den beiden Seiten des Eingangs, sondern
auch wegen der Schätze, welche sein Inneres birgt : Bücher, *Silber-
geschirr, Waffen , Portraits schwedischer und russischer Herrseher.
Die Sebwarchäupter waren eine Gtoaellaohaffc der jungen nn^er-
heiratbeten Bürger B.iga*8, die im J. 1413 zuerst ersebeint; ihre Ent-
stebung ist dunkel, steht aber wohl mit der Hansa in Zusammenhang.
Im Anfang nur eine Art Klub, besassen sie doch durch ihr Ansehen^
nicht verfassungsmässig, bedeutenden Einflnss. Die „Sehwarshäupter''
in den kleinen livländiachen Städten dagegen sind Landsknechts - Ge-
nossenschaften im Dienst des Ordens, welche erst im xvi. Jahrh. nach-
weisbar sind, und mit dem Untergang des Ordens (1561) versehwinden.
Die Oesellschaft in Biga ist jetxt nur ein Klub der vornehmsten und
reichsten jungen Kaufleute, die sobald sie sich verheirathen , aus dem
Klub austreten. — Die Sehwarzhäupter wählten sich den h. MaurHiut^
der immer als ein Mohr dargestellt wird, zum Schutzpatron; daher der
Käme. In den Kirchen, %. B. dem Dom und der Petrikirehe (s. unten)
hat die Brüderschaft wie der Bath eigene Sitze, die überall mit aus
Holz geschnitzten Mohrenköpfen geschmückt sind. Eines ihrer Haupt-
feste fällt auf den 14. Februar, wo sie noch nach uralter Sitte jedes Jahr
die „Faslnachitdrtmken** feiern.
In der Nähe, Scheunenstr. 7, im Hause der Steuerverwaltung
(Eingang von der GUdestubenstr.) das HuMum mit sehenswerthen
geologischen und archäologischen Sammlungen des natur- und alter-
thumsforschenden Vereins (wegen Besichtigung wende man sich an
Hrn. Apoth. Buchardt, Kalkstr. 16).
Vom Rathhausplatz über die Herren-Strasse fortschreitend, be-
treten wir den Petri*Platz, auf dem die *St. Petri-Xirehe (PI. 16 : B 5).
1408 und 1409 wurde der Chor nach dem Muster des Schweriner
56 B<mte*8. KIGA. DUna.
Doms , 14Ö6 das plampe Langhaus vollendet. Die Sitzreihen im
Innern zeugen von dem mittelalterlichen Ursprung Rigas. Hier
sitzen die Y&ter der Stadt , dort die Glieder der grossen , hier die
der kleinen Gilde; schwarze Statuen bewachen hier, wie in der
Domkirche , die Plätze der Schwarzhäupter. — Unter den Thürmen
Ton Riga ragt der *Olockenthurm von St, Peter (140 m) herror ; er
soll nach dem Olaithurm in Reyal (S. 82) der h5chste im ganzen
russischen Reich sein. Seine jetzige yon Gängen durchbrochene
Kuppelform hat er nach 1666 erhalten. Von der ersten Gallerie
bietet sich ein prächtiger Blick auf die Stadt und darüber hinaus
auf die Sanddünen des Meeres und auf Dünamünde.
Tom Petriplatz gelangen wir durch die Sünderstrasse (Fl. A 5)
an die Dtna. Ueber dieselbe führt eine 800 Schritt lange FtoM<*
brücke und eine 745 m lange Eisert- Oitterhrüeke (Fl. A 6) in die
Mitauer Vorstadt. Letztere, für die Bolderaaer Eisenbahn erbaut,
ruht auf 8 mächtigen Ffeilem und ist auch für Fassgänger und
Wagen eingerichtet.
Die Düna (s. S. 48), ein breites, mächtiges, trübes Gewässer, in
MülionMi durcheinander greifender Wirbel und Strudel zum Meere
gleitend, bietet einen grossartigen Anblick. Die Stadt selbst yer-
schwindet fast in diesem grossen Bilde. Der Fluss ist ihr zu mächtig
und die Gebäude an seinen Ufern sind noch dazu sonderbarerweise
unbedeutend ; nur am Düna-Markt steht eine Reihe hoher Häuser.
Auf den Brücken , an den Ufern des Flusses bewegt sieh eine
grosse Mensch enmasse. Am meisten Leben ist unterhalb der Floss-
brücke am ZoUhafen (Fl. A 1, 2) und ferner oberhalb der Eisen-
bahnbrücke, da, wo sich die sog. Anibarren (d. h. Waarefimagazine)
befinden. Hier liegen auch Schiffe ; bei den Ambarren besonders die
Hanf- und Flachsschiffe; ausser diesen auch die eigenthümlichen
DünaflSsse, die sog. Struten,
Die Sehifffahrt beginnt, sofern nieht milde Winter Ansnahnieii
bedingten, in der Begel mehrere Wochen später als in Liban, die ersten
Schiffe und Flösse langen Ende April in Riga an nnd der Mai ist der an
Geschäften reichste Monat. Die einlaufenden Fahrzeuge haben an der
Mündung der Düna zunächst die Festung Dünamünde und den Zollort
Bolderaa zu passiren. Die 15 km von Dünamünde bis Riga lassen sieh
nicht ohne Lootsen zurücklegen, da die besonders durch den Eisgang
sich stets ändernde Lage der Sandbänke die Fahrt unsicher macht. Die
Düna 'Wird daher alljährlich von der Regierung ausgemessen (Pegelung
der Düna, Leuchtthurm).
Wir kehren durch die Ambarrenstrasse und die Bahnhofsstrasse
in die Altstadt zurück. Am Theaterbouleyard das Städtische Thea-
ter (PI. 30: G4,Ö). Weiter durch die Kalk- und Fferdestrasse.
Links in der Schmiedestrasee das Haus d%T*gro98en oder St, Marien^
Oilde (Eoibmafl nihnin ; F1.7 : B 4), daneben die kleine oderJohannis»
Qilde (Maia« rHJb/iiA, Fl. 8 : B 4), hübsche moderne Gebäude im go-
thischen Stil, mit vielen Gnriositaten aus dem Mittelalter. Sehens-
werth ist die „Stube'' der grossen Gilde. Das Deckengewdlbe ruht
auf schlanken Säulen. An dem oberen Ende eines der gothischen
Polytechnikum. RIOA. 8» Moutt. 57
Pfeiler erblickt man eine alte BUcU&ule der heiligen Jungfrau«
Diese Bildsäule wird in Riga die „Docke'' (hochdeutsch Puppe) ge*
nannt, und weil der Vorsteher der Gilde bei öffentlichen Versamm-
lungen an jenem Pfeiler unter dem Bilde seinen Platz hatte, so
bekam er den Namen: ,Dockmann^, den er noch allgemein sowohl
im gewöhnlichen Leben wie in Öffentlichen Aktenstücken führt.
Die Scheunenstrasse passirend, stossen wir direct auf die
prächtige *Börte (BHpsa;P1.2: A4), von dem Livländer Harald
Bosse im Renaissance - Stil erbaut, an der Ecke der Jakobs- und
Gr. Schlossstrasse. In ersterer weitergehend , linker Hand in der
Klosterstrasse, die Jacobikirche (PL 13: A3), wo der Nachmittags-
Gottesdienst für die estnische Gemeinde stattfindet. Ihr gegenüber
das BitterhauB (PI. 25 : A B 3) im Stil des Palazzo Strozzi in Flo-
renz, mit dem schönen Ritter - Saale, welcher die Wappen sämmt-
licher adeligen Familien Livlands enthält. Auf dem Rückwege
zum Hotel, durch die Jakobs - Easernenstrasse können wir noch
einen Blick in das dQutschQ Krons-Gymnasium (PI. 19: A3) werfen.
Vom Schlossplatz durch die Peter -Paulstrasse, an der Kathe-
drale des h, Petrus und Paulus oder Citadellenkirche (PL 11 : A2)
in der ehem. Gitadelle vorbei , kommen wir in den *Kaiserl. Oarten
(PL A B 1), einen Park mit schönen alten Bäumen, der schon unter
Peter dem Grossen angelegt wurde. Peter pflanzte hier mit eigenen
Händen eine Ulme, die im Laufe der Zeiten herrlich gediehen
ist. Man hat sie mit einem Geländer umgeben und mit einer In-
schrift versehen. Von hier besuchen wir den Schutzengarten (PL B
01,2), dann die Nikolaistrasse entlang an der Esplanade (Exer-
cierplatz) mit der neuen russ.-ffriech, Kathedrale (PL 15) vorbei
den WÖhnnann^iehen Park (PL CD 4), von Frau Consul Wöhrmann
der Stadt geschenkt, eine Anlage im englischen Stil mit Mineral--
Vfoseeranstdlt (PL 21 : 04; im Frühjahr morgens von Trinkgästen
sehr besucht) und einer eleganten Restauration (im Sommer an
den Wochentagen, im Winter täglich im Wintergarten Ooncerte).
Dicht beim Wöhrmann'schen Park an dem schonen Thronfolger-
Boulevard liegt das Polyteohniknm (PL 22: 04), zu dem die Stadt
den Grund und Boden , sowie 100,000 Rubel geschenkt hat. Die
früher hier befindliche etädtische Qemäldt-Qallerie , Bilder russi-
scher und fremder Künstler enthaltend (täglich 1-4 U. geöffnet,
Eintr. 20 Kop.), befindet sich jetzt im Hause von Eerkovius, Espla-
naden-Boulevard 3 (PL 5:0 3).
Nachdem wir von hier eine Fahrt durch die Koikaner Vorstadt
(Kaufhof y Hoehdruck-Basiin , Jesuskirehe) gemacht, passiren wir
die Eisenbahnbrücke zur Besichtigung der Mitaner Vorstadt, in
welcher der Mitauer Qüterhahnhof, die Ambarrens^asse , die
Schiffswerfte auf dem Gross- Klüvers -Holm und die alte Koburn-
8ehan%e sehenswerth sind. Empfehlenswerth ist ein Besuch des
58 RouttS. RIGA. Petersburger Vorstadt:
Sommertheaters im Hagensherger Park; auch im Thorensberger
Park spielt eine Truppe. Hart an der Düna in schöner Lage das
grosse Seemannshaus, 1883-84 neu erbaut.
Die Peterf burger Vorstadt im N. und 0. der alten Stadt zeichnet
sich besonders durch lange breite Strassen aus ; sie ist reich an
Anlagen aller Art, und das Ganze gleicht eher einem Garten. Die
Alexanderstrasse herunterfahrend und 1. in die Ritterstrasse ein-
biegend, haben wir r. das vorzüglich eingerichtete Stadt- Kranken^
haus. Dicht daneben, in der Nikolaistrasse, der Wagnerische
Kunstgarten Charlottenthal (tägl. ausser So. bis 7XJ. Nm. geöffnet),
eine der grossten Blumen- und Pflanzenhandlungen , durch ganz
Russland bekannt und besuchenswerth.
Sehenswerth ist ferner der Stadt- Kirchhof mit hübschen Grab-
monumenten und das Kriegshospital, in der Nähe, in der Hospital-
strasse. An der Düna, c. 7 km von der Stadt, AlexandenhÖhe, mit
Arbeits-, Armen- 1 Kranken- und Irrenhaus und der neuen luthe-
rischen Trinitatiskirche. Die ausgedehnten Garten- und Parkan-
lagen, an der rothen Düna gelegen und ehemals Alexander-Schanze
oder äusserer kaiserlicher Garten (im Gegensatz zum vordem kais.
Garten, S. 67) genannt, sollen von Peter dem Grossen angelegt
-worden sein. Alexander I. schenkte den schonen Park der Stadt,
die ihn zur Errichtung von verschiedenen mildthätigen Stiftungen
benutzte. Von Alexandershohe kann man dann per Wagen oder per
Bahn zur Stadt zurückkehren, da sich an der Peterstrasse ein Halte-
platz der Mühlgrabener Eisenbahn befindet (für 23 oder 12 Kop.).
TTmgebuigeii Ton lUga.
Sand, Heide und Sumpf sind die wichtigsten Dinge in der
Umgegend von Riga und namentlich im Sommer verleidet der uner-
trägliche Staub allen Naturgenuss. Vieles ist neuerdings geschehen,
um die Sandberge zu bepflanzen und die unfruchtbare Heide zu
cultiviren, das alte ITrbett des Stromes Jenseit der Düna ist bebaut
und bepflanzt worden, aber die Dünenkette zieht sich noch kahl und
ode von der Bolder-Aa aus weit ins Land hinein , und diesseit des
Stromes bieten nur wenige Punkte einen freundlichen Anblick.
Gleichwohl finden sich bei näherem Zusehen zwischen Wäldern, Seen
und Sümpfen anziehende Orte. Die Rigaer haben alle trockenen Stel-
len in dem Dünadelta mit jenen kleinen, gewöhnlich sehr bescheide-
nen, doch gleichwohl reizenden Landhäuschen besetzt, den sog.
yfHöfchen*^, deren Namen meist auf „Hof und „Holm'' endigen und
zum Theil noch an die älteren Ansiedler erinnern (Libetsholm,
Vegesacksholm). — Von den Orten, welche mit Riga In lebhaftem
Verkehr stehen , Ist die nahe Schwesterstadt Mitau der wichtigste.
Durch ihr« Vermittelung gelangt der grösste Theil der Producte des
östlichen Kurlands nach Riga zur Ausfuhr. Die Producte der nörd-
lichen Gebiete Kurlands kommen auf einem anderen Wege über
Umstebimffßn v. Riga. DÜNAMÜND£. S, Rmie, 59
Tuekum nnd Schlöck (s. S. 65) hetan. Für die livlandischen TTaaren
ist eine Eisenbahnverbindung projektirt; die Hauptstrassen sind
Mer noch : die alte Poststrasse von Dorpat über WaXk und Wolmarf
und die Küstenstrasse , welche sich von Femau her um den Riga-
sehen Meerbusen herumzieht. Die Strassen aus dem Inn«rn Polens
und Busslands gehen zu beiden Seiten der Düna herab; an ihr
finden wir viele mit Riga in enger Verbindung stehende Städte, in
deren Nahe noch manche interessante Buinen und Wahrzeichen
einstigen deutschen Lebens.
BOLDESAA, Dt^NAMÜKDE.
Die Tour kann man per Bahn (Abfahrt vom Bolderaaer Bahnhof,
täglich 4Zi^e hin und zurück, Entfernung 16 r«ap. 18 Werst) in 66 Min«
oder per Dampfboot in 1 St. machen. — Die Bahn geht bis Hafendamm)
Kwei Brücken führen nach Dünamünde. Die Züge halten erforderliehen
Falls am Alexander-Perron (zwischen Sassenhof, 6 Werst, und Kordeeks-
hof, 8 Werst) und bei Dünamünde.
üeber Thorenaherg (2 Werst) , Scusenhof (6 W.) , Nordeckihof
(8 W.), Bolderaa (16 W.) erreichen wir Pfinamündc, am Binfiuss der
JDüna in den Bigaischen Meerbusen und an der sich hier mit der
Düna vereinigenden breiten und schiffbaren Kurischen Aa (an ihrw
Mündung Buller- oder Bolder-Aa genannt). Dünamünde ist ein
Küstenfort, welches die Mündung der Düna zum Schutze der ent-
festigten Stadt Biga deckt. Die Gebäude im Innern, darunter das
schone Commandanturgebäude , dienen fast lediglich Zwecken der
Garnison. Gegenüber, auf der linken Stromseite am Einflüsse der
Bolderaa liegt das Kometenfort und Dorf Bolderaa* Zur Erhaltung
des tiefen Fahrwassers nördlich Dünamünde die Mole (Hafendamm)
mit Leuchtthurm. Besonders wichtig wurde Dünamünde, seit 1850-
1852 in der Bolderaa ein Winterhafen angelegt wurde, der seitdem
beträchtliche Erweiterungen erhielt (Tiefgang 5-6 m, bei Riga 3-4 m).
Dies hat zur Anlage grosser Magazine, Speicher, Schiffswerften bei
Bolderaa und Dünamünde geführt und auch die Einwohnerzahl be-
trächtlich yermehrt.
Dünamünde verdankt seinen Ursprung einem auf dem r. Ufer 1204
vom Bisehof Albert I. gegründeten CHsterzienserkloster^ welches der Orden
1306 ankaufte und in eine Burg verwandelte. Um das J. 1600 wurde die
Festung auf dem 1. Ufer angelegt Im nordischen Kriege war Dünamünde
ein Zankapfel zwischen Sachsen , Schweden und Russen. 1700 wurde es
von August II. von Polen erobert und nach ihm Augu§kuburg genannt,
1701 von den Schweden genommen, 1710 aber von den Bussen, in deren
Besitz es blieb.
Insel Bt7No.
Der Ausflug nach der Insel Runö ist besonders Jagdliebhabern zu
empfehlen. Eine regelmässige Verbindung zwischen Biga und der Insel
besteht nicht. Kur zweimal im Jahr wird die Post befördert; ausserdem
fährt nur einige Val der Zollkutter um dßn Leuchtthurm und seinen
Wächter zu versorgen. Es werden jedoch Öfter Vergnügungsfahrten von
Privaten und Vereinen auf gemietheten Dampfern unternommen, Fahr-
preis {gewöhnlich 3 B. Sonst mlethet man ein Segelboot (Preis c. 10 B.)
für 2-3 Tage (am besten vor einem Sonntage). Dauer der Fahrt verschie-
den , je nach der Witterung (Stürme nicht selten) c. 12 St. Entfernung
100 Werst (106 km). Mit Getränken, besonders KafiTee, Thee, Zucker hat
60 Route 8. RTJNÖ. Umgebungen
man sieh su versoi^eii. — Unterkommen Termitielt in liebenswittdlgster
Weise der Paator Dreyer (Pastor oeh Kyrsherder pa Bunö).
Für die Fahrt auf der Düna (c. 15 km) ist wegen der ylelen Sand-
bänke ein Lootse nöthig (S. 56). Langsam und yorsichtig fährt das
Boot den Strom hinab , besonders vor der sog. Pegelung. Der An-
blick des Stromes ist grossartig (vgl. S. 56) ; desto einförmiger sind
die Ufer: Sand, Sumpf, Heide, unterbrochen von den „Höfchen*
der reichen Bigaer Kaufleute. Bald erreichen wir die Kurländische
Aa, gleich darauf sehen wir Dünamünde (s. S. 59). An der gewal-
tigen Sanddüne vorbei, dem Magnus-Holm, durch die jetzt die Ein-
fahrt sichernden Molen hindurch gelangen wir ins offene Meer.
Bei unserer Annäherung (nach c. 6 stund. Dampfbootfahrt) er-
blicken wir ein flaches , mit grossen , erratischen Blocken besätes
Eiland, das kaum merklich sich über das Niveau des Meeres erhebt,
das Ziel unserer Reise, die Insel Bunö. Der Dampfer ankert in
einer der wenigen kleinen Buchten an der geschützteren Ost- oder
Südostseite, etwa i^Ji'W, von der Küste entfernt; im kleinen Boot
fahrt man an den Strand. Hat man ein Segelboot benutzt, so muss
das Boot schon 50 Schritt vom Ufer Anker werfen und das einzige
Mittel, den Strand zu erreichen, ist, durch das etwa knietiefe Wasser
zu waten oder sich ans Land tragen zu lassen. Von den gewohnlich
zahlreich erschienenen Insulanern werden wir nach dem Dorfe ge-
leitet, das aus etwa 25 Höfen bestehend, etwa 4 W. vom Landungs-
platz in einem Tannenwalde liegt , der es trefflich vor den rauhen
Winterstürmen schützt. Ein Gasthaus befindet sich nicht daselbst;
aber in jedem Hause des Dorfes findet man gastliche Aufnahme. In
der Regel kommt der Pastor Dreyer Besuchern in der freundlichsten
Weise entgegen. Der Pastor repräsentirt auf der Insel zugleich die
höchste Polizeibehörde, ohne seine Erlaubniss, d. h. ohne einen von
ihm ausgestellten Pass darf kein Bewohner die Insel verlassen. —
Einen Besuch lohnt vor allem der hohe Leuchtthurm (s. unten) und
das Inmitten des Friedhofes stehende hölzerne Kirchlein, 1641 er-
baut und 1851 restaurirt. Zur Besichtigung des Fisch- und Robben-
fanges werden Partien von den Insulanern mit der grössten Zuvor-
kommenheit arrangirt.
AiiBNSBURa (In^tl Oetel) Pbbnau.
Bnssisehe Dampfer, zweimal wöehentlieh in ea. 13 St.
Das Schiff fährt zunächst flussabwärts in der Richtung auf Düna-
münde zwischen flachen Ufern. Von der Festung Dünamü&de er-
blicken wir vom Dampfer aus nur einige Wälle und Mauern (vgl.
S. 59). Nachdem wir die Dünamünder Molen und die schwarzen
und rothen Fahrwasser-Tonnen, die Grenzlinie der Dünamündung
und des Meeres passirt, tritt das Dampfboot in den Kigaüchen Mttr^
htMen (PflscKÜi saiiiBi). Die Küsten treten immer mehr zurück,
endlich verschwinden sie ganz. Rechts lassen wir den yerlornen
Posten im Meer, die Insel Runö (s. oben). Dann landet das Schiff
bei Artnsburg auf Oesel.
vonUiga, ARENSBÜBG ÜNX> PERNAÜ. 8. Baute. 61
Arenibnrg (estnisch Kurresare^ ApeHCÖypri), die einzige Stadt
der zum Gpavernement Livland gehörigen Insel Oesel, an der Süd-
küste derselben und am Rigaischen Meerbusen, hat 3460 Einw. und
wird als Seebad besucht (See- u. Salzschlammbäder; jährl. 3(X)-50Ö
Badegäste). Der Handel ist trotz der guten Rhede unbedeutend.
Die Stadt ist Sitz des Yicegouverneurs ; auch halt hier der Oeselsche
Adel alle drei Jahre seine Landtage.
Pie Insel Oesel (estn. Kurre-Saari^ d. h. EranicMnsel oder Saari-
JWa, d. h. Insell&nd, OcTp. dse^n), zwiselieii 58^ und 59^ nördl. Breite, wird
dureh den kleinen Sund von der Insel Mohn, durch die 28 km breite Heer-
enge bei Domeanäs (Leuehtthurm Domesnis und Leuchtthurm Swalferort
auf Oesel) von Kurland, durch den SÖla-Sund von der Insel Dago getrennt^
Mldet mit dem nordöstlich vorgelegenen Hohn, Runö und andern Inseln
den Kreis Arensburg und hat 2618 qkm Flaehenraum. Die Oberfläche ist
ziemlieh eben, zum Tbeil bewaldet. Die Insel hat mehrere Seen und
zahlreiche Flüssehen. Das Klima ist milder als auf dem benachbarten
Festlande. Die Einwohner, 42,000, gehören mit Ausnahme des Adels, der
Geistlichkeit und Bürger, welche deutscher, schwedischer und russischer
Abkunft sind, zur Urbevölkerung der Esten, die Oe»el, wie fast den
ganzen Oeselschen Insel-Archipelagus (Mohn, Dago u. a.) besetzt hatten,
ie beschäftigen sieh mit Ackerbau, Viehzucht, Fisch- und Seehundsfang,
Jagd (besonders Sehwäne), Handel u. s. w. — Gegen Anfang des xiii. Jahrh.
wurde die Insel Oesel (Osilia mit Valdia, der stärksten Stadt der Osilianer)
von dem dänischen Könige Waldemar besetzt; doch wurde das von ihm
etbaute Sehloss von den Esten wieder zerstört. Nachdem 1221 aber die
Insel von den Sehwertrittern erobert worden war, nahmen die Esten bald
(1227) nachdem ihre heidnischen Gottheiten (Tharapita) von den Christen
zerstört waren, die christliehe Religion an und erhielten einen Bischof.
Der letzte Bischof, Johann von Hüncbhausen, verkaufte 1550 die Insel an
Dänemark und sie blieb dänische Provinz, bis sie 1646 an Schweden ab-
getreten ward. 1721 kam sie mit Livland an Bussland.
Von Riga nach Pernau (Dampfer zweimal wöchentlich;
I. PL 5 R., IL PL 3 R., DeckpL 2R.).
150 W. (159 km) Pernau {PernoUn, UepHOBi»), Kreisstadt
(13,000 E.) in sandiger Heide an der Pernau - Mündung und am
Rigaschen Busen, regelmässig und gut gebaut, ehemals Festung und
bedeutender Kriegshafen, zerfällt in Alt-Pemau (diesseit) und Neu-
Pernau (jenseit des Flusses), hat verfallene Wälle und drei Kirchen
(zwei luth. und eine grlechO und wird als Seebad ziemlich be-
sucht. Durch die Verbindung des Pernau -Flusses mit dem Em-
hach sind zugleich die Hauptbedingungen der Handelsverbindungen
Pernau*s gestellt. Die Stadt setzt das nördliche Livland (Dorpat
und Pskow) sowie auch, mit Narwa rivalisirend, die Peipus-Land-
schaften mit dem Auslande in Verbindung. Die Ausfuhr besteht,
namentlich in Leinsaat, Flachs, Getreide, Holz. [Dexttscheb Kon-
BTTL : N. M. Bremer.'] Pernau war in älterer Zeit befestigt ; 1699
ward hierher für einige Zeit die Universität von Dorpat verlegt.
1710 flüchteten sämmtliche Professoren mit allen Büchern und
Sammlungen vor der nahenden Armee Peter's des Grossen nach
Schweden ; in demselben Jahre wurde die Stadt von dem russischen
General Bauer den Schweden abgenommen.
62 Boute S, MITAU. ümgebwtgen
Von Ri€^a nach Mitau.
40 W. Eisenbalin (Abfahrt vam Bolderaaer Bahnhof (S. 49), tägl.
3 Züge in 1 St. 10 Min. für 1.66, 1.25, 0.64 E. — Von Riga naeh Libmu über
Mitau und Mosheiki (S. 41), 214 W. in 9Va-12 St. für 8.21, 6.28, 3,16 B. (von
Riga über Mosheiki naeh Kosehedary, 338 W., in I41/4 St. für 12.83, 9.64»
4.93 R.).
Zur Rechten Sumpf, zur Linken Morast, dann ebene Sand-
fläche oder Dünen, spärlich von Birken und Tannen besetzt, Wüstenei
und Oede weit und breit — so ist das Mündungsland der Düna be-
schaffen, das sich zwischen Mitau , Riga und dem Meere erstreckt.
— Zwischen Riga und (21 W.) Oley {Olai^ Oiafi) liegt r. der grosse
Sumpf von Kangerkalns, 1. der an Grosse u. Trostlosigkeit mit ihm
wetteifernde Morast Tyrul, Oley, mit einer Kirche, welche an der
Stelle der dem h. Olaus (?) geweihten Capelle steht, bezeichnet den
eigentlichen Anfang des Mündungslandes der Düna. Von hier an
war wahrscheinlich früher alles Meer und wurde erst durch die
tausendjährige Arbeit des Flusses in Land verwandelt. — Gleich
hinter Oley überschreitet die Bahn die kurländische Grenze , führt
Tor Mitau über die Aa und umzieht die Stadt an der Südseite.
40 Werst Hitau (lettisch Jelgawa, MHiasa).
Gasthöfb: «Linde, Z. 60Kop. bis 1 R. Zehr, Z. 60 Kap. bis 2B.
Geringere Gasthöfe, jedoch auch gut, sind : St. Petersburg, Warschau,
Moskau. — Rbstauratiokbv : Sanssouci im Schlossgarten. «Schir-
kenhöffer in der Stadt. Weiter im Endry es-Garten und Villa
Medem. — Cokditorbib» : Torchiani (auch Restaurant) und Leut-
zinger, beide gut. — DRoscHKBif. Einsp. Stadtfahrt lOKop., nach oder
von dem 6-8 Min. entfernten Bahnhof 20 Eop., die Stunde 40 Eop. Mit
Zweisp. Stadtfahrt 15 Kop., Bahnhof 30 Eop., Stunde 60 Eop. — Dampf-
scHiFFB täglich zwischen Mitau, Schlock und Dubbeln (Badeort S. 65).
Mitau, Hauptstadt des Gouvernements Kurland, mit 30,000 £^in-
wohnern (über 6000 Deutsche , dann Letten , Russen , Polen und
6300 Juden), liegt an der schiffbaren Aa, in flacher, sandiger, aber
fruchtbarer Gegend.
Zur Geschichte. Schloss Mitau wurde 1265 durch den Landmeister
Eonrad von Mandern gegründet, die Stadt ist erst nach 1561 entstanden.
Die Aa konnte früher, bevor die Schweden, welche als Herren von Riga
auf Mitau^s Handelsblüthe eifersüchtig waren, durch versenkte Steine und
Schiffe das Fahrwasser verdarben, bis Mitau hinauf mit kleinen Seeschiffen
befahren werden, sodass die Stadt als Hafenplatz rasch zu Bedeutung ge-
langte. Sie war ursprünglich befestigt, mit hohen, jetzt grösstentheils ab-
getragenen Wällen umgeben und lange Zeit die Hauptstadt von Semgallen
und Residenz der fierzoge von Eurland. Im J. 1658 bemächtigten sich die
Schweden der Stadt, gaben sie aber im Frieden von Oliva 1660 wieder
heraus. 1706 nahmen die Russen dieselbe ein und zerstörten die alte
Ordensburg grösstentheils, an deren Stelle später das neue Schloss Biron*8
(s. S. 63) entstand. Unter russischer Herrschaft (seit 1795) ist Mitau der
Sitz des Gouverneurs und der obersten Behörden geblieben. 1812 war Mitau
auf der Strasse nach St. Petersburg der äusserste Punkt, bis zu dem der
linke Flügel der französischen Armee (Macdonald) gelangte.
Mitau erhält sein eigenthüm'liches Gepräge durch die Beamten der
Gouvernementsregierung und die adeligen Familien , welche entweder
wegen der Erziehung ihrer Einder beständig hier wohnen oder doch
während der Wintermonate hierher übersiedeln. Die Gelehrten, Eauf-
leute, Advocaten, Beamten der Stadt sind noch meist Deutsche. Die Leiten
von Riga. MITAU. 8. Boute. 63
sind meist Arbeiter oder Dieastboten, die ärmste und elendeste Klasse der
Bewohnerschaft aber bilden die Juden. Zu den Deutschen, Letten und
Juden gesellten sich seit der Vereinigung des Landes mit der pointsehen
Bepublik auch einige Polen^ besonders polnische Edelleute. In neuer und
neuester Zeit kamen zu diesen älteren Bewohnern der Stadt die Bussen^
die, wie in allen Städten der Ostseeprovinzen, auch hier eine immer mehr
und mehr um sich greifende Kolonie (mit der Garnison 3685) gründeten.
Mitau ist der Sitz des Gouverneurs, des ständigen Ausschusses
des kurländisehen Adels, der Rltterschaftscommission und des
Oberhofgerichts , der obersten Instanz für kurische Rechtsstreitig-
keiten. Wie Mitau in der Zusammensetzung und Lebensweise der
Bevölkerung einen grossen Kontrast zu der Kaufmannsstadt Riga
bietet, so auch in seiner Bauart. Riga mit zum Theil hohen , alten
Häusern und engen , altreichsstädtischen Gassen, das Ganze com-
pact zusammengedrängt und aus Stein gemeisselt; Mitau da-
gegen mit breiten , regelmässigen Strassen , mit niedrigen , meist
einstockigen, aus Fach werk und Holz gebauten Häusern. Man
sieht es der Stadt an , dass sie von Herzogen und EdeUeuten ge-
gründet wurde, die von ihren Landgütern her an weite Räume
gewöhnt waren; sie blieb auch die echte Adelskapitale mit Ge-
burtsaristokratie and feiner vornehmer Geselligkeit. Das hervor-
ragendste Gebäude ist das herioglicheSohlou, ein weltläufiger, nicht
ganz vollendeter Bau im Rococostil, ausserhalb der Stadt auf einer
von der Aa umflossenen Insel gelegen, 1738 auf Befehl des Herzogs
Ernst Job. Biron von dem bekannten Architekten und Maler Grafen
Rastrelli, dem Erbauer des Winterpalastes in St. Petersburg (S. 113),
auf der Stelle der von 1265 herstammenden Ordensburg (s. oben)
begonnen, 1772 vollendet. Die nordw. Front brannte 1788 ab und
wurde nicht wieder hergestellt. Ludwig XVIII. von Frankreich resi-
dirte hier 1798-1801 während seines Exils ; jetzt dient es dem russi-
schen Gouverneur und den Beamten des Gouvernements, sowie den
Mitgliedern des russischen Kaiserhauses hei ihrer Durchreise zur
Wohnung. Der Schlossvogt - Gehülfe (Trinkg.) zeigt das Schloss.
Sehenswerth sind die (jetzt kaiserlichen) Räume, welche einst Her-
zog Biron bewohnte: der ehemalige Billardsaal, eines der reichsten
Zimmer des Schlosses; das grosse Eckzimmer, von dem man eine
herrliche Aussicht auf den schönsten Theil der Gegend um Mitau hat ;
Schlafzimmer mit schon gestickter , chinesischer Tapete ; Saal (im
Hauptgebäude) mit einer sehr artigen und mit Säulen verzierten
Kanzel von Stuckarbeit; die grosse und hequeme Haupttreppe. In
einem Gewölbe unter dem südl. Eckflügel des Schlosses ruhen die
Herzoge aus dem Kettler'schen und Biron'schen Hause (mit Aus-,
nähme des Herzogs Peter, 1769-9Ö, und seiner drei Gemahlinnen)
In c. 30 thells zinnernen, theiis kupfernen Särgen neben einander,
zwei Fürsten-Dynastien , die zweihundert Jahre lang das Land be-
herrschten , und von denen die eine mit einem einfachen Ritter
(Meister Gotthard Kettler) begann, zehn Mitglieder zählte und mit
dem elften in männlicher Linie 1737 ausstarb ; die andere aber nur
64 Baute 8, MITAU. Ümgebimgen
ans zwei gekrönten Mitgliedern bestand und noch jetzt in ihren
Nachkommen existirt.
Mitau besitzt sieben Kirchen, wovon vier {Trinitatis, JohannU,
Armen, St. Annen , letztere lettisch) den Lutherischen, je eine den
Katholiken, Beformirten und Russen gehört, sowie drei Synagogen.
Das Provinzial - Museum enthält die Porträts aller kurischen
Herzoge und sonstiger berühmter Männer , sowie Sammlungen von
Naturalien, Alterthümern, Münzen etc. Es wird beabsichtigt, hier
ein ausschliesslich kurländisches Provinzlal-Museum zu bilden. Be-
achtenswerth sind die ürkimden aus den herzogl. Zeiten, namentlich
die Dokumente betreffs der Gründung des Lyceums (s. unten); eine
interessante Sammlung in Kurland erschienener Zeitschriften; eine
Sammlung aller Holzgatttmgen, die in Kurland wachsen, in Bücher-
form; in der Gemäldesammlung ein schönes Bild der Herzogin Doro-
thea, geb. Gräfin Medem, und ihrer Tochter Johanna, der im J. 1876
verstorbenen Herzogin von Sagan. — Das Museum verdankt sein
Entstehen der ktbrländischen Gesellschaft für Literatur und Künste,
deren Stifter 1816 der hochverdiente Staatsrath von der Recke war.
— Auch an sonstigen Sammlungen ist die Stadt nicht arm. Be-
deutende Privat-Gemäldesammlungen sind die des Grafen Medem
und des Barons von der Ropp. Ausser der Stadtbibliothek von 7500
Bänden ist die viel reichere zu dem ehem. herzoglichen Gymnasium
aeademicwm gehörige Bibliothek zu nennen (35,000 Bände).
Das Oymnaiium wurde von Herzog Peter von Kurland 1775
gestiftet und als eine Art von Lyceum oder Universität {Lyceum
Ülustre) constituirt. Es besitzt reiche Sammlungen, ein physi-
kalisches Kabinet mit vorzüglichen Instrumenten und eine Stern-
warte, und gehört zu den ausgezeichnetsten Lehranstalten des
russischen Reichs.
Im Sommer jeden Jahres findet in Mitau ein vierwöchentlicher
grosser Markt statt. Am Joha^rmistag , dem 24. (12.) Juni, an wel-
chem das neue Geschäftsjahr beginnt , kommt hier der Adel des
Landes zusammen, um seine Geschäfte abzumachen, sich zu treffen
und sich Gesellschaften und Banquette zu geben.
Die nächste Umgegend von Mitau bietet nicht viel Sehenswerthes
(* Vüla Medem mit Park u. Restauration). Dicht vor den Thoreu
der Stadt fangen die weitläufigen Gebiete der Edelsitze an, die sich
hier dichter als sonst in Kurland zusammendrängen ; unter ihnen
sind mehrere ehemals herzogliche, jetzt kaiserliche Schlösser. Ge-
nannt seien hier Eckau (Gefecht am 19. Juli 1812 zwischen Russen
und Preussen), Swethof, Friedrichslust, BuhentluU (früher der
Familie Subow , jetzt dem Grafen Schuwalow gehörig) , Würzau,
Hofxumbergen , Grunhof. — 8 km': von Mitau das Dorf Barbara
(Barbern) mit einer Schwefelquelle (Dorotheenbrunnen in Mitau).
Die für Mitau wichtigsten städtischen Ansiedelungen in der Um-
gegend sind Bauske , 35 km südlich, und Schlock , 35 km nördlich
an der Aa (per Bahn 33 Werst von Riga , s. unten). Bauske liegt
von Riga. DÜBBELN. «. Route, 65
maleriscb auf einer Anhohe am Zusammenfluss der Memel und
Müsse, die vereinigt die Eurische Aa bilden. Am 29. September
1812 fand hier ein heftiges Gefecht zwischen dem York'schen Corps
und den Russen statt. — 28 W. westl. DobUn (S. 44).
Von Riga nach Dubbeln, Schlock und Eemmebn.
Eisenbahn (Abfahrt vom Bolderaaer Bahnhof} nach Dubbeln (23 W.)
Tom Mai bis Sept. 9 mal tägl. in ISt. 3 Hin. für 90, 68, 35Kop.; naeh
Sehlock (33 W.) 5 mal tägl. in 11/2 St. für 1.24, 0.93, 0.47 B. s naeh Kemmern
(41 W.) 4 mal tägl. in 1 St. 52 Hin, für 1.58, 1.19, 0.61 B. ; nach Tuckum
(60 W.) 3 mal in 2i/a St. für 2.29, 1.71, 0.87 B. Gepäck 20 kg frei. —
Dampfschiffe täjglich Nachm. von Biga, Morg. von Dubbeln.
lieber (2 W.) Thorensberg, (6 W.) Sassenhof, (12 W.) Pupe^
{18 W.) Bilderlingshof, (20 W.) Edinburgh, (22 W.) Majorenhof,
alles Landsitze und Yergnügungsorte , erreichen wir das nordöst-
lich von Schlock am Meere liegende Seebad Dubbeln (4y66ejbffB),
23 W. von Riga (täglich auch Dampfer in 2 St. für 40 und 25 Kop.),
Dubbeln ist während der Saison (Juli bis September) sehr besucht.
Das Dorf, aus kleinen ^ meist hölzernen Häusern und Villen be-
stehend, liegt dicht am Meere, von letzterm nur durch eine mit
Fichten bewachsene Hügelgruppe getrennt. Grosses neues Gesell-
schaftshaus mit 36 Logirzimmern , Ballsälen etc. Während der
Saison hier und in Majorenhof täglich gute Concerte. — 26 W.
Karlsbad; 29 W. Assern; dann
33 W. Schlock , ein von Juden , Letten und Russen bewohnter
Flecken (1359 Einw.) an der unteren Aa, die hier einen Arm ins
Meer sendet, während der andere, die Bolderaa, sich noch 25 Werst
hinter den Dünen an der Meeresküste hinzieht und In die Düna
mündet.
Die nächste Station ist (41 W.) Xemmem (ReMHepHi), Badeort
mit Schwefelquellen, 5"W. vom Meere gelegen und jährlich von 1000-
1200 Kranken besucht (gegen Gicht , Rheumatismus etc. wirksam).
Schoner Park; Gesellschaftshaus mit Nummern; Bibliothek etc.
Weiter über (50 W.) Schmarden nach (60 W.) Tuckum, Endstation
der Bahn, in angenehmer Gegend (s. S. 44).
Von Riga nach Do&pat übbb Wbndbn. Livländischb Schweiz.
Liebhaber von anmuthigen LandBehaftsbildern, welche Land und Leute
in den Ostseeprovinzen vollständig kennen zu lernen wünschen, müssen
die Liv ländische Schweiz besuchen (s. S. 66). Die im Sommer
treffliche Poststrasse über Boop und Wolmar lässt diesen schönsten
Theil Llvlands reehts Uegen (S. 50). Man thut daher gut, den Weg über
Segewold und Wenden (85 Werst), jetzt die Hauptpoststrasse, einzuschlagen
Ca. Einl. S. xix). Einen Wagen kann man leicht erhalten i für ein Postpferd
zahlt man auf dem Lande 4Kop. pro Werst und Pferd, für zwei Pferde
■also 8 Kop. \ in Städten etwas mehr. Wer keinen Wagen hat, findet solche
Auf der Poststation, für die er ca. 1 Kop. pro Werst zu entrichten hat. Dem
Kutscher giebt man 15-50 Kop. Trinkgeld. — Dieselbe Boute über Wolmar
oder Wenden muss mAn wählen, wenn man von Biga direct nach Dor-
p at (246 W.) fahren will. Man kann diese Beise au^ per Bahn und zwar
über Dünaburg bis Pskow (S. 86) machen^ von da mit dem Dampfschiff
Di. Do. Sa. in 10 St. für &, 4, 8 B. auf dem Pskow* sehen See, dem Peipusr
Bussland. 3. Aufl. ^
66 Boute 8, LIVLÄND. SCHWEIZ. Umgebungen
See und dem Embacb hi» Dorpat (s. S. 74); manehem wird jedoeh die
Seefahrt von Riga nach Baltischport resp. Reval und von da die Eisen-
bahnfahri nach Dorpat (s. 8. 74) interessanter wie aneh bequemer sein.
Nachdem wir Riga mit seinen Vorstädten und Fabriken hinter
uns gelassen , haben wir zunächst die einförmige Landschaft des
Mündungsdelta's der Düna (S. 62) vor uns.
Die vielen Sümpfe, die Seen, Hoorgrunde, Sandstriche und Dünen
entziehen viele Strecken des Landes der Bebauung. Doch ist das Land,
im Ganzen genommen, nicht unfruchtbar ^ vielmehr scheint es mancher
Kulturpflanze, namentlich dem Roggen, der Gerste, dem Flachs zuzusagen.
Die Fruchtbarkeit nimmt jedoch von Süden nach IKorden zu ab; im
umgekehrten Verhältniss steht die Ackerwirthschaft in Livland auf höherer
Stufe als in Litauen. — Die Einwohnerschaft ist gemischt. Eine durch die
Stadt Walk (zwischen Porpat und Riga) von West nach Ost gezogene Linie
bildet die Grenze zwischen den nördlieh wohnenden Esten (S. 72) und
den Letten im Süden. — Auch dieses Land hat seine Reize und seine eigene
Schönheit. Nichts gleicht dem Anblicke der Wildniss in den hohen Fichten-,
Kiefern- und Birkenwäldern Livlands. Im Frühling, wenn Alles grünt
und treibt und besonders in den hellen, sauberisehen, an allerlei Leben
so reichen Juninächten sind diese Wälder mit ihrer eigenthümlichen Thier-
welt, dem Wolf, dem Bär und Elen, den Auer- und Birkhühnern, den
Adlern und Falken, am schönsten. Auch die von dunkeln Wäldern um-
schatteten Sümpfe und Seen haben ihr Interessantes. Schlösser und Städte
liegen oft mitten in den Seen auf Inseln.
Halbwegs zwischen Riga und der Poststation (20W.) Neuermühlen
(Rodenpois) führt ein langer Damm und eine Brücke über den
Jägel-Fluaa, welcher den Jägel- und Stint-See y erbindet (letzterer
am 2. Pflngsttage viel besucht). R. am Jägel-See die grossen Woll-
mühlen, Baumwoll- und Twist -Fabriken von Pycklau, berühmt
durch ganz Bussland. W. von Hintzenberg von der grossen Strasse
abbiegend, betreten wir dann die sog. *liyl&ndisclie Sohweis, die
romantischen TJferlandschaften der Aa in der Mitte ihres Laufes.
43 W. Schloss Begewold. Auf dem Wege nach Bamotzky das
der Familie v. Borch gehörige Schlots Segewold, auf dem 1. Ab-
hang des Aa-Thales die Ruinen des alten Schlosses gl. N. ; gegen-
über auf dem r. Ufer das fürstl. Lieven'sche Schloss Kremon und
das dem Baron Kampenhausen gehörige Schloss Treiden mit einer
Ruine aus dem xiii. Jahrb. Diese drei Schlösser, auf c. 70 m hohem
Ufer gelegen, bilden den Mittelpunkt der livländischen Schweiz.
Schon 87 W. hinter Riga erreichen wir die grosse Strasse Pleskau-
Riga, die hier r. abzweigt; bei dem lieblichen Thale der Ammai,
eines Nebenflusses der Aa, angelangt, wenden wir uns nordwärts,,
die Windungen des Flüsschens verfolgend.
67 W. Xarlmüie Bamotiky (FavoQKiii) , prachtvoller Landsitz
der Grafin Sievers , an der Ammat schon gelegen. Das Schloss, im
holländischen Stil , wurde von einem englischen Bankier Pearsou
erbaut, der auch den Park anlegte. Die Ammat ist berühmt wegen
ihrer Lachse , Forellen und Aeschen ; sie ergiesst sich c. 8 km von
Karlsruhe in die Aa , die 70 km w. in den Rigaischen Meerbusen
mündet. — Auf anmuthigem Wege am 1. Ufer der Aa nach
85 W. Wenden (lettisch ZcAse«). — Gasth. -. Schloss-Traiteur
von Riga. WENDEN. 8. Haute. 67
beim Schlosse; Deutsches Haus und Posthaus (wo die Pferde ge-
wechselt werden) in der Stadt. — Post und Telegraph gleich im ersten
Hause am Ausgange nach Dorpat zu.
Wenden, Kreisstadt mit 4300 Einw. , meist deutsche Prote-
stanten, liegt anmuthig unfern der Aa, aus deren malerischem Thal
sich das 260m hohe Aa-Plateau zu dem 325m hohen Qaisingkdln
(Luftberg) erhebt. In der Protestantischen (früher katbol.) Kirche,
nicht weit von der Post, befinden sich die Grabsteine mehrerer
Meister des Deutschen Ordens , u. a. der Walters von Plettenlerg,
dessen Bronze -Büste, eine Copie der Büste in der Walhalla bei
Begensburg, ein Geschenk des liyländischen Adels, gleichfalls hier
steht j ferper das Grabmonument des kathol. Bischofs Patricius,
dessen Name an die fruchtlosen Versuche des polnischen Königs
Stephan Bathory erinnert, durch Herstellung der katholischen Hier-
archie (Bisthum Wenden 1582) das Land dem Katholicismus wieder-
zugewinnen (s. unten). Ueber dem Altar ein schönes Gemälde von
dem Petersburger Maler Keller, die Kreuzigung Christi , Geschenk
des Grafen Sievers (s. unten).
Dicht bei der Stadt, vo;i derselben nur durch einen alten
Wall getrennt, liegen die interessanten und wohl erhaltenen
Ruinen des alten berühmten *Obdensschlos8es, welches , so lange
der Scbwertritterorden existirte, der Hauptsitz desselben, später die
Residenz der livländischen Land- oder Herrmeister des Deutschen
Ordens war. Die Ruinen befinden sich inmitten eines Parks, welcher
zum Besitzthum des Grafen Sievers gehört und dem Publikum ge-
öffnet ist. In der Nähe ein hübscher künstlicher Wasserfall, zu
dem das Wasser in Röhren aus einer Entfernung von V2 Meile her-
geleitet wird.
Schon 1207, kurze Zeit, nachdem Bischof Albert I. „einigen Brüdern
des Kreuzes Christi" ein Drittheil von Livland verliehen hatte (s. S. 52),
wafT Wenden Hauptfeste des Sehwertordens. Der folgende Ordensmeister
Yolkwin erbaute 1224 Schloss Wenden, „das Haus der heiligen Maria
und ihrer Ordensbrüderschaft** genannt, und seit dieser Zeit bewohnten
es alle Landmeister. Unter dem „berühmtesten und glückseligsten" aller
hier residirenden Meister, Walter von Plettenberg, wurde das Bchloss
1496 beträchtlich erweitert, 1577 sprengte sich die Besatzung mit einem
Theil der Bürgerschaft in die Luft, um nicht in die Hände des Zaren
Iwans (IV.) des Schrecklichen zu fallen; aber im December desselben
Jahres kam die Stadt wieder in die 0ewalt der Deutsehen und Litauer:
im Oet. 1678 belagerten sie die Schweden. Das Schloss blieb seit 1577
Ruine ; ein Theil wurde später vom katholischen Bischof Patricius , den
Stephan Bathory in diese Gegenden schickte, wiederhergestellt. Gustav
Adolph (oder Christina) schenkte dann das Schloss an den Reichskanzler
Axel Oxensljerna und endlich gab es die russische Kaiserin Elisabeth
ihrem Minister, dem Grafen Bestuschew, von dem es an die Familie
Bievers kam. Der jetzige prachtvolle Park, welcher das alte Sehloss um-
sehliesst, wurde durch den russischen General (1812) und Senator Grafen
Sievers angelegt.
Ö. von Wenden , über Schloss Konneburg mit grosser Ruine
eines erzbischöfl. Schlosses , Horstenhof, Slawehk liegt in einer
Bodensenkung zwischen ziemlich bedeutenden Höhen der Strante-
See. An seinen Ufern und in seiner weitern Umgebung finden sich
5*
68 B<mte 8. WALK.
Steinsetzungen, Gräber, Grabdenkmäler unter dem Namen Träfels-
Qrdb ( W€Uakappene)jOräherwaldj Kappusils, etc. Die darin auf-
gefundenen Gegenstände lassen erkennen, dass liier ein uralter Sitz
hormännisclier (?) Herrschaft und Opferdienstes zu suchen ist. Der
russischeHistorikerUstrjalow verlegt hierher den Stammsitz Rurik's,
der von hier aus seine Herrschaft gründete.
Von Wenden kehren wir entweder nach Riga zurück oder setzen
die Reise nach Dorpat über Stadt Wolmar oder Gut Trikaten (Stamm-
Schäferei u. Wiesenbauschule) fort. Weimar (BojbHapi, 108 Werst
von Riga) ist ausser Walk (s. unten) das einzige Städtchen (2598Einw.),
das wir auf der 246 Werst langen Strasse von Riga nach Dorpat fin-
den (in Livland auf circa 100 0«"^. eine Stadt). Durch endlose
Wälder erreichen wir überPoststation Stackein das Städtchen (156W.)
Walk (4200 Einw.). Hier wird noch lettisch gesprochen. Dicht hinter
der Stadt (8 km) überschreiten wir aber den Emhach (s. unten), jen-
seit dessen die Wohnsitze der Esten beginnen. Das letzte lettische
Dorf hinter Walk heisst Lettikülla {killla estnisch Dorf), ihm gegen-
über zur Linken des Weges liegt EstiküUa (Estendorf). — Der
Unterschied in der Lebensweise beider Yolksstämme macht sich
sofort bemerklich.
Letten u. Esten treten überall gesondert, nicht mit einander ver-
mischt hervor. Beide Nationalitäten stossen sieh ab, hassen sich, wie
sich Kachbarvölker nur hassen können. Selbst an der Qrenze ihrer beiden
Länder hat sieh nirgends ein Mischvolk gebildet und auch die nach Liv-
land zersprengten Enelaven der Esten halten sich fern von den Letten.
.r^ Der Emhach (estn. Emmajöggi, dvöaxi) , an dessen Ufern sich
ein neues YÖlkerleben zuerst zeigt, fliesst durch den Wirtzjärw (Os.
BHpm; Järw estnisch See, S. 78) an Dorpat (S. 75) vorbei nach
demPe*2>w8-S««(03epoHyÄCKoe), demgrössten See Livlands (S.73).
Wir lassen die südlichste Spitze des Wirtzjärw nicht weit zur Linken
und erreichen Dorpat auf directerem Wege als der Emhach, durch
Wald und Heide , Sand und Sumpf. Zwischen den Poststationen
(190 W.) Kuikatz und (217 W.) Uddern w. Schloss Ringen^ ehemals
eine der grössten Burgen Livlands, jetzt eine wenig ansehnliche
Ruine. S.w. von Ringen bei *Odenpäh, der malerische heüige See,
— Die Gegend behält überall ihren einförmigen Charakter bei. Die
Nadelwälder, in denen noch vereinzelt Wölfe hausen, werden zahl-
reicher und dichter, der Boden steriler, und das nördliche Klima
macht sich mehr und mehr geltend.
Bald hinter der Poststation Uddern erblicken wir in der Feme
die Ruinen des hohen verfallenen Dorpater Domes , des einzigen
Gebäudes der in der Tiefe versteckten Stadt , das man von weitem
her gewahr wird.
246 W. (260 km) Dorpat (S. 74).
69
9. Von St. Petersburg nach Beval, Baltischport, Dorpat.
Die Biga'sehen und Finnifiehen Dampfboote^ welche den Beizenden
lur See naeh Beval bringen, haben ihren Anlegeplats am Quai der
»ossen Newa, Wassily-Ottrow 14. bes. 13. Linie. Preiae der Platze von
Petersburg nach Beval I. PI. 6B., 11. PI. 4B., Deckpl. 3 B. Kinder
unter zehn Jahren zahlen die Hälfte. Die Abfahrt der Dampfboote wird
mdirere Tage vorher durch die Zeitungen und durch Ansehlag am Lan-
dungsplatze bekannt gemacht.
Eisenbahn von St. Petersburg über Krassnoje-Sselö-Gatsehina
nach Beval, 347 W., 3 Züge tägL in UVsSt. für 13.01, 9.76} 4.99 B.; von
Beval nach Baltischportytö W., 1 mal tagl. in 2 St. für 1.69, 1.26, 0.64 B.
— Von St. Petersburg über Taps nach Dorpat , 381 W., Eisenbahn 3 mal
tägl. in 14 St. (Inirzeste Boute nach Dorpat) für 14.36, 10.70, 5.47 B.
Von St. Petersburg über Kra88noje''Stlo bis (44 km) Oatschina,
8. S. 88.
Die Gegenden, welche wir durcheilen, bieten nicht viel des In-
teressanten. Vorläufig hat alles noch einen durchaus russischen
Charakter. Die Dörfer an der Bahn sind ganz russisch gebaut ; die
russischen Liehlingsfarhen ziegelrothund dunkelgelb, womit Wände,
Thüren und Fenster angestrichen sind, leuchten überall durch das
Grün der Wälder. D&s ehemalige Ingermanland, jetzt Gouvernement
St. Petersburg, ist von jeher, obgleich es zeitweise im Besitz der
Schweden und des Ritterordens war, weit mehr russischen Ein-
flüssen ausgesetzt gewesen , als irgend eine andere Ostseeprovinz.
Besondere tritt das an den grossen Strassen und Eisenhahnlinien zu
Tage ; seitab freilich in den unwlrthsamen Gegenden, den Sümpfen
und endlosen Ürwaldungen , welche vom Gouvernement Pskow ins
Ingermanländlsche hineinreichen und in denen Bär, Wolf, Elen und
Auerochs hausen, wohnen noch viele Samen und Ingren oder Ijoren
finnischen Stammes und auf den zahlreichen EdelhÖfen gebietet
noch mancher Edelmann alten deutsehen oder schwedischen Ge-
schlechts, sowie das Land selbät, wenigstens im Munde ^es Volks,
noch seinen alten Namen fragt. Die Russen nennen es auch Ishor-
skaja Semlja, das Land der Ishoren oder Ingren.
68 W. Stat. JeUssawetinskaja (EmcaBeTHHCKaji). L. die schSne
Besitzung der Fürstin Elisabeth Trubetzkol.
81 W. Wolosowo. — 103 W. Moloskowitt, Der erste grössere
Ort, den wir in Ingermanland erreichen, ist
130 W. Xamburg (fluöypri) , auch Jamagrod genannt , in den
Chionilien als Stadt, Schloss und Festung häufig genannt, jetzt nur
«in wenig anmuthiger Flecken (8972 E.) am hohen r. Ufer der Lfiga,
Es wurde 1383 von den Nowgorodern gegründet, 1812 von den
Schweden erobert , 1703 von den Russen wieder genommen und
1783 von der Kaiserin Katharina II. zur Kreisstadt erhoben.
Gleich hinter Jamburg passirt die Bahn die Luga auf einer
schönen Brücke von 2 Bogen, jeder von 73 m Länge, dicht vor Narw«
die Naroiüa auf einer ähnliehen Brücke In 2 Spannungen von je
63 m Länge, 20 m über dem Flusse. — Rechts erblicken wir die alte
Feste Iwangorod , vor uns Narwa mit seinen Zinnen ujid Thurm-
70 BotUe 9. NARWA. Von St. Petersburg
spltzea, seinen Kirclidächern und altfränkischen dunkeln Häusern.
Der Bahnhof liegt auf der Südseite der Stadt an der Narowa.
151 W. (160 km) KaTwa (Hapsa).
Gasthof: H6tel St. Petersburg, mitten in der Stadt gelegen, ge-
nügt bescheidenen Ansprüchen. — Waobn auf dem Markt; Preis für
grössere Touren nach Uebereinkunft. — Dakpfschiffb gehen häufig nach
den Badeorten Hunfferburg und ifereküll. — Eovsuln: Belgien: /. La ffaye;
Deutsches Keich: ÜT. Dieekhoff; Niederlande: E. DUckhoff.
Narwa, Stadt im Gouvernement St. Petersburg, Kreis J&mburg,
auf der Grenze zwischen Ingermanland und Estland , liegt an der
Narwa oder Narowa ^ die, aus dem Peipus-See kommend, 12 W.
unterhalb in den Finnischen Meerbusen fällt. Die ehemals starken
Befeetigungen sind aufgelassen , seit Narwa durch die Festungen
Kronstadt und Sveaborg seine strategische Bedeutung verloren hat.
Die eigentliche Stadt ist meist von Deutschen bewohnt; eine schöne,
steinerne Brücke führt hinüber zu der auf dem r. Ufer liegenden Vor-
stadt Iwangorod mit überwiegend russischer Bevölkerung. Narwa
hat 5 Kircheji (lutherischer und griechischer Confession), Arsenal,
altes Schloas, Hafen, berühmte Fischereien (Bricken und Lachse)
und 6482 £. Durch seine günstige Lage an einem schnellAiessenden
und wasserreichen Flusse ist es das Centrum einer ansehnlichen
industriellen Thätigkeit geworden. In der unmittelbaren Nachbar-
schaft der Stadt befinden sich chemische Fabriken, Sägemühlen, auf
dem KränhoVm, einer Insel zwischen den beiden Katarakten, welche
die Narowa 1 W. oberhalb der Stadt bildet (s. unten), eine in grossem
Stile betriebene Actien- Baumwollspinnerei mit 18,000 Spindeln.
Auch der Handel Narwas, einst sehr bedeutend, dann lange Zeit
darniederliegend, hat sich durch den Bau der Baltischen Bahn wiedw
gehoben. Uebrigens ist die Narowa der Schifffahrt nicht günstig. An
ihrer Mündung hindern Sandbänke das Einlaufen grösserer Schiffe,
die demgemäss auf einer faat offenen Rhede vor Anker gehen und
den Transport der Waaren bis zur Stadt kleineren Schiffen über-
lassen müssen ; oberhalb Narwas machen die erwähnten Wasserfälle
die Schifffahrt unmöglich, so dass die vom Peipus-See kommenden
Flussschiffe oberhalb des Fabrikortes Joala (15 km von der Mün-
dung der Narowa in den Finnischen Meerbusen) ihre Waaren aus-
laden und diese durch Landfuhren zur Stadt befördern.
Karwa wurde 1223, wie Beval, von dem danlsehen Könige Waldemarll.
gegründet, aber fast ausschliesslich von Deutschen bevölkert und erfreute
sich einer ähnliehen Verfassung und ähnlicher Privilegien, wie Riga und
Reval (». S. 02, 80). Di« Hansa hatte in Karwa ihre Factorei und
trieb von hier aus einen bedeutenden Handel in das Innere Busslands,
der zu Zeiten den von Biga und Beval übertraf. Die Stadt gehörte zu
Estland und fiel mit diesem an Dänemark, nachdem die eisentliche
Stadt auf dem 1. Ufer des Flusse« von den Kowgorodern 1294 bis auf
den Grund zerstört worden war, kam 1347 mit der Provinz Estland an
den deutschen Orden und hatte als Grenzstadt besonders unter den
Kämpfen des Ordens und später der Schweden mit den Busaen (Kowgorod)
zu leiden. 1668 wurde Karwa von den ruasisehen GvossfüMten Iwan
Wassiljewitsch IV. eingenommen; 1583 kam es durch Vertrag, wie ganz
Estland, unter schwedische Herrschaft. Keue Belagerungen durch die
Bussen hatte die Stadt 1590, 1658 und 1700 zu erdulden, im letsteren Falle
nach Beval. NARWA. 9. Route, 71
brachte ihr Karl XII. von Schweden Entaats ; 170i wurde sie endlich durch
Feter den Grossen erobert und blieb fortan in russischem Besitz.
Die Stadt, voa durchaus mitteLalterlichem Ausseheu , ist durch
die FestuugsweFke auf einen sehr kleinen Baum zusammengedrängt ;
erst in neuester Zeit sind ausswhalb der alten BefestigUB^en kleine
Anbauten im W., S. und 0. entstanden. Der Fluss , üher den beim
Wasserthor der Stadt die bereits erwähnte, unter Kaiser Alexander II.
gebaute steinerne Brücke führt, wird durch sdiroffe, schluchtartige
Felsen bis auf c. 150 m eingeengt. Gegen das Ufer hin erheben
sich die Festungswerke zu besonderer Höhe und Stärke; ihnen
g^enüber, auf der andern Seite des Flusses, liegen auf einem noch
höheren Felden die Ruinen der alten Festung Iwangorod ( Johannis-
Stadt) mit dem alten Schlosse Iwangorodok ^ welche die Bussen
1492 erbauten, als das andere Ufer noch schwedisch war. Die ganze
malerische Lage übersieht man gut von der schon genannten Eisen-
bahnbrücke sowie vom öffentlichen Oarten, Ein Gang durch die
Stadt ist bei dem alterthümlichen Charakter derselben von Interesse,
wenngleich es an hervorragenden Gebäuden fehlt.
Yom Hotel St. Petersburg haben wir nicht weit zum Rathhaus,
einem aus dem Jahre 1683 stammenden Gebäude mit hohem Thurm ;
im Innern einige Kuriositäten. Auf dem Marktplatz ein Obelisk,
1874 zu Ehren Peters des Grossen errichtet, dem bereits früher ein
kleineres ähnliches Denkmal auf der Insel Ghrosihoi/m, 5 W. von
der Stadt, gewidmet worden war. Die sog. Batacken wurden von
Peter dem Grossen erbaut und sollten als ein Stapelplatz für per-
sische Waaren dienen » welche damals von hier nach Europa über-
führt wurden. Auf dem Wege südo9twärts nach den Wasserfällen
passiren wir das Petersthor, bei dem das sog. ff aus Peter's des
{jhrossen liegt; Peter nahm es selbst bei der Belagerung und dem
Sturme 1704. In demselben werden noch verschiedene Gegen-
stände gezeigt , welche Peter gehörten. Ein Thwrm , welcher auf
der Südseite der Festung zu sehen, datirt aus dem ziv. Jahrh. und
wurde ehedem die Hetmawn-Stuhe genannt. Oestl. von Narwa liegt
das Schlachtfeld, auf dem am 20. Nov. 1700 Karl XII. seinen
grossen Sieg über den Narwa belagetnd^n Peter den Grossen erfocht
(am besten vom fftrmanns-Berg zu übersehen).
Die berühmten Wasserfälle der llTarowa liegen nur 1 W. ober-
halb der Stadt. Zu Wagen (50 Kop.) erreicht man schnell das Ziel.
Die Narowa stürzt sich hier , in zwei Arme getheilt , deren jeder
einen 8-lOm hohen Wasserfall bildet , von dem Plateau herat), in
eine c. 1V2^* lange Felsenrille , in der sich beide Arme alsbald
wieder vereinigen. Die zwischen beiden Armen liegende c. 500 m
breite Insel ist mit hübschen Tillen , Gärten und Bäumen besetzt,
an den Wasserfällen selbst liegen Sagemühlen , Fabriken , Fischer-
hütten und andere Ansiedelungen. Der westliche Wasserfall , vor
dem in geringer Entfernung eine Brücke zur Insel vorüberführt, ist
am bequemsten zu besichtigen, doch ist der Östl. wasserreicher und
72 Rouie 9. NARWA. Von St. Petersburg
maleriBcher. Durch Felsen eingeengt, stürzen die grünen, hier
und da fast goldgelben Wogen in bedeutenden Massen herab ; das
unten zu dichter Wolke zerstäubende Wasser ist zwischen dem Grün
der Büsche und Bäume von besonders schöner Wirkung. Unten
in der engen Felsenrille verwandelt sieh der Wasserfall in eine
Stromschnelle , und als solche braust der Fluss noch fort , bis er
sich in der Nähe des Felsenthores , auf dessen HShen die Festungs-
werke Narwa's und Iwangorods liegen , v511ig beruhigt und langsam
zum Meere weiter fliesst.
Am Meere die Badeorte Hungerhurg und MerektlU , von Narwa
mit Wagen oder Dampfer zu erreichen. Mereküll, das jüngste der
am Finnischen Meerbusen angelegtMi Seebäder, wird von St. Peters-
burg aus viel besucht.
Jenseit Narwa ändert sich der Charakter der Landschaft voll-
ständig. Wir sind in Estland.
Die Esten leben nicht wie die Letten in einzelnen Gehöften ge-
sondert , sondern sie legen ihre Wohnungen neben einander xu grossen
und weitläufigen Dörfern , doeh nicht planmässig , wie die Bussen ^ viel-
mehr reiht sieh ohne Ordnung und wie es der Zufall fügt ein Gehöft an
das andere. Die Dorfkirehen stehen nieht in der Mitte der Ortschaften,
sondern, wie in Finnland, ganz einsam; in der Nähe HoUbuden als Zu-
fluchtsort der entfernteren Klrehenbesucher bei rauhem Wetter. Das
Innere eines estnischen Gehöftes besteht aus dem Hauptgebäude, dem
gegenüber zwei oder drei kammerartige Häusehen liegen; auf der einen
eite die Sommerküehe oder das Sommerhaus , auf der anderen die Ställe.
Das Hauptgebäude ist ein aus mehreren Theilen bestehendes hölzernes
Haus mit hohem Strohdach. Die Theile, auch von aussen unterscheidbar,
sind: die Vorstube (toa ednie) mit dem Webestahl (te\jed), die erste
Kammer mit der Handmühle (vesk-kivi), die zweite Kammer oder das
Schlafgemaeh , die eigentliche Stube (tubba), im Sommer nicht bewohnt.
Die dem Hauptgebäude gegenüberliegenden Kammern (ait, alda) sind
Kleider» und Speisekammern, höher gebaut. Die ßommerkOche (hoda>
ist eine enge, hölzerne Hütte.
Auffallend ist auch die Umzäunung der Ackerfelder, die wir weiter-
hin treffen. Im allgemeinen , vielleicht nur mit Ausnahme der nächsten
Umgebung der Städte führen nicht nur die Feldwege, sondern auch die
Hauptstrassen zwischen Einzäunungen hin. Letztere werden von liegenden,
an Hecken oder Holzstämme gebundenen Stangen gebildet.
190 W. Jewe (FeBe) (Bahnrestaur,), Haltestation für Reisende,
welche nicht die Bahnlinie von Taps nach Dorpat, sondern die
alte St. Petersburg-Rigaer Heerstrasse einschlagen und dem Peipua-
See einen Besuch abstatten wollen.
[Ausflug nach dem Peipus-See. Im Postgebäude zu
Jewe zahlt man pro Werst für ein Pferd 2V2 Kop., für 2-3 Pferde
5-6 Kop. Die Pferde sind fast durchgehends starke, muskulöse
Thiere von grosser Ausdauer. Die Wagen sind bequem. Für di»
Tour von Jewe bis Dorpat (133V4 W.) versehe man sich mit aus-
reichendem Proviant , da auf den Stationen nur nothdürftig Kssen
und Trinken zu haben ist.
Von Jewe nach (21 W.) Stat. jnein-i\in^«rn, ^weiter nach
(26 V4 W.) Rannaptmgem, Auf der Höhe der Düne_ V4 St. östU
nach BevaL PEIPUS-SEE. 9. Soute. 73
Tom Stationsgebäude, bei der Mündung des Flüsschens Ranna-
pungern , schöne *Aussicht (besonders bei Sonnenuntergang) über
den Peipns-See (s. unten). Es folgt (40 W.) Stat. Nennal (HeHHaib),
dann (47 W.) das Dorf Tschomaja Derewnja (Schwarzflecken), von
altgläubigen Russen bewohnt, die man als Fischer und Schiffer
überall an den Ufern der Seen und Flüsse antrifft. Bei Tschornaja
biegt die Strasse vom Peipus - See rechts ab.
Aus Aeok kleinen See Wjas entspringt bei Ljuzin die Welikuja (Ben-
saa), welche, naehdem sie an der Mündung naeh 43 Meilen Lauf ein
Delta Ton 5Cf Inseln , 4 km breit (Hauptarm Worona) gebildet , in den
P«fcot0MAef» oder PleAautchtn See (Ob. IIcBOBCBoe) fliesst. Dieser See (36 km
lang, 18 km breit), in welchem die Insel P^n'ka odev Firi$aar liegt, ist
durch eine 26 km lange '^ 3-8 km breite Enge (der Warme See genannt) mit
dem Feipus-See verbunden (Oa. HyxcHoe). Der Peipus-See, 38 km lang,
16km breit, 14m tief, 3613 qkm gross, liegt e. 30m höher als der fin-
nische Meerbusen , mit dem er durch die Karowa (S. 70) verbunden ist,
hat fast ovale Form, 4 Inseln, im forden sumpfige, im Uebrigen flache,
mit Wiesen und Wäldern bedeckte tJfer; er ist fischreich und wird viel
beftkhren (s. Dorpat , 8. 74). Von W. fliesst in ihn der Embach (estn.
Ema-Jöggi, d. i. Mutter der Flüsse), s. 8.75. Der Feipus-See diente
als Hauptwasserweg zwischen den Hansestädten der Ostsee und den
inneren Städten des russischen Reichs. Im Uferland des Feipus-8ee8
haben sich die Beste der e«<m'«cAen Sagen am besten erhalten.
Wenn wir bei der Poststation (66 W.) Torma ( Topsa ; südl.
davon der Flecken Torma) Halt machen, befinden wir uns im
Mittelpunkt der Heimath der Kalev* Sagen. Oestl. davon, auf
dem westlichen Ufer des Peipus , etwa in der Mitte , liegt das alte
Vagia. Dort im nordöstlichen Winkel des heutigen Livland , auf
einem Gebiet von mehreren Quadratmeilen sind die Betten oder
die Lager des Sohnes Kalev's (Ealevi poja sängid; s. unten) in nicht
grosser Entfernung von einander. Es sind fünf grosse, langgestreckte,
zum Theil künstliche Hügel, welche insbesondere durch ihre zwei
erhöhten Endpunkte, sowie durch ihre gut gewählten Standorte
von den gewöhnlichen Hünengräbern sich unterscheiden. Die fünf
Hügel bilden eine Ellipse , deren Spitze den Peipus-See erreicht \
der Längendurchmesser beträgt 40 Werst. In der Mitte dieser El-
lipse befindet sich der Bach Kääpa, der aus dem Jägel-See kommend,
sich mit dem Rojel- oder Kiava-Bach vereinigt und bei Ommedo,
Östl. Torma , in den Peipus ergiesst. In diesem Kääpa - Bach , in
der Gegend der Brücke, welche bei SaareriAo/ hinüberführt, liegt
das berühmte Schwert des Sohnes Kalev^s , das in der Sage eine so
grosse Rolle spielt. Das südlichste Lager ist neben Alatskivi (Unter-
stein) , am Peipus östl. von (89 W.) Station Iggafer (IIrra*epi).
Nach der Sage trug der Riese Kalev von den Ufern des Peipus Sand
herbei, um sich ein Bett zu machen. Während des Tragens fiel ein
wenig davon aus den Falten seines Kleides herab , und so entstand der
Alatskivi-Hügel, der jetzt noch 14m hoch und oben 80 Schritt lang
und 60 Schritt breit ist. Die zwei Erhebungen am Ende werden päitse
(Hauptende von päa oder pea Kopf) und jaluts (Fussende von jalg, jala
Fuss) genannt.
Die übrigen vier Lager sind von gleicher Form; die Richtung
aller zeigt nach Nord -West.
112 W. Dorpat, s. S. 74.]
74 Soute 9. DORF AT. Von St, Pet€r$burg
Die Eisenbahn führt welter über Isenhof (Hsesrofi) und
Kännel (KaHHeib) nach
250 W. Wesenberg (BeaeHÖepn) , Kreisstadt mit 4171 Einw.,
am Soli gelegen, mit schönen Schlossruinen. Hier erfochten 1568
die Russen einen Sieg über den deutschen Orden.
Von Weaenberg führt südl. eine Strasse naeh Dorpat, besonders
den Reisenden zu empfehlen , welche Bitten und Sprache des estnischen
Volkes studieren wollen. Pro Werst sahlt man für 1 Pferd 21/3 Kop.,
für 3-3 Pferde 5'6 Kop. , für den Wagen pro Werst 1 Kop., wenn man
üieht vorzieht , sich In Wesenberg und später Borpat einen Wagen zu
miethen (tägl. e. 1 B.) ; man hat dann die Vortheile bequemeren Beisens.
Im Üebrigen s. Einl., S. zviii. Die Wege sind gut und es wird ausseror-
dentlich schnell gefahren. Ausser den Poststatioaen sieht mah wenig
Dörfer, häufig dagegen einzelne ärmlich aussehende Häuser und noch
öfter riesige erratische Blöcke. Die Gegend ist im allgemeinen hübseh
und gut bebaut.
Folgt Stat. St. Katharinen (RarepiuieHi), dann (274 km) Tape
{Tanci) y Knotenpunkt der Bahn nach Dorpat (s* unten). Weiter
^94 W. CÄarioWenÄof (niapiOTeiiro#x), 318 "W. RaHk (Pasm),
345 W. aeval (S. 79).
Von Reval geht Imal täglich ein Bahneug über Kegel und
Loden9€e nach
390 W. Baltisehport (BairiMcrii nopri) , früher Rogerwyk ge-
nannt , Flecken an der Westküste von Estland , in baumloser Ge-
gend, mit 935 Einw. Ausser dem vortrefflichen Hafen bietet
Baltischport keinerlei Anziehungspunkte für den Reisenden. Dieser
Hafen , der tiefer , geschützter und früher vom Eise frei ist als der
von Reval, wurde von Peter dem Grossen zum Kriegshafen bestimmt,
aber erst unter Katharina II. durch den Generalfeldmarschall Mün-
nlch, den Erbauer des Ladoga-Kanals (S. 197), 1764 vollendet.
Von Taps nach Dorpat (106 W. ; 2 Züge täglich in 5 St.,
fi. S.69). Die Bahn geht zunächst durch den alten Järwer- und Wir-
lander Bezirk Estlands. 23 W. Ass ; 32 W. Rakke ; 43 W. Wäggewa,
fichon in Livland gelegen; In der Nähe St. Maria Magdalenen,
grosse Besitzung der Familie Barclay de Tolly, mit herrlichen Bir-
kenalleen, Gartenanlagen und prachtvollen Wohn- und Wirth-
schaftsgebäuden. Weiter (61 W.) Laisholm (4 W. ostl. Lais, die
schönste Ruine Livlands, ehem. Schloss des deutschen Ordens).
Jenselt der letzten Station (85 W.) Tabhifer gewahren wir bereite
in der Ferne die Ruinen des Dorpater Domes , während die tief ge-
legene Stadt erst später sichtbar wird.
107 W. Dorpat {Derpt oder Dörpt, lettisch Tehrpato^ estnisch
Tarta oder Tartalin , russlseh ehemals Jurjew, jetzt iepm%),
G^sTHÖFB: Stadt London am Barelayplate ; St. Petersburg am
Dampfbootlandeplatz ^ Bellevue am Embaeh; Commerz-Hotel un-
weit der Post, alle ganz gut. Frühstüeksloeale : die Oonditoveien von
Luchsinger und Bork (beide in der Nähe des Rathhauses).
Clubs (hier mehrfach .Hasse*' genannt , Fremden leicht zugänglich) :
Akademische Müsse (S. 76)-, Bürgermusse; Ressource (vom
nach Beval. DOBPAT. 9. Route, 75
Sommerlocftl derselben auf dem Unken Embacbufer scböne *Au8«i6ht
«uf die Stadt); ^Handwerkervereln in der Käbe des Bahnhofs
{grosses Gesellschaftslocal , wo sieb alle Scbichten der Gesellschaft zu-
aanunenftnden ; schöner Garten, gutes Sommertheater).
DaoscHUx (im Winter SefMttem). Einspänner (für 3 Pers.) die Fahrt
10 Eop. , Zweispänner 15 Kop. ; vom und eum Bahnhof 30 und 90 Kop.
(bei der Ankunft der Züge werden Drosehkenmarken ausgegeben). Man
fahrt in Dorpat sehr viel \ bis If acht« 3 und 3 Uhr kann man sieher sein,
überall noch Droschken zu finden. -^ D^mpvbootb swJAehen Doipat und
Pskoto 8. S. 65.
Dorpat , Kreis- und Universitätsstadt des Gouvernements Liv-
l&nd , ist nacli Riga eine der ansehnlichsten und bestgebauten Städte
des Landes, inmitten freundlicher Hügel zu beiden Seiten des
schiffbaren Embachs gelegen , mit 30,000 Einw., vorwiegend Esten
und Deutsche, aber auch Russen, Letten, Juden. Man unter-
scheidet drei Stadttheile: der erste (der auch die ältesten Theile,
die innere Stadt, umfasst) und zweite liegen auf dem rechten , der
dritte auf dem linken Ufer des Embachs. Ueber letztern führen
zwei Brücken : eine breite alte aus Granit , deren mächtiger Zug-
brückenbogen als Wahrzeichen von Dorpat gilt , und weiter ober-
halb eine hölzerne.
Der Bmbach kommt als oberer Embach, e. 78 km lang aus dem
Ledia • See und ergiesst sieh in den 85 km langen , 10 km breiten Wirts-
oder Wdrtt-Järtp (Wirtasee). Letzterer hat eine birnförmige Gestalt , das
breite Ende gegen Korden gerichtet; er bildet mit dem oberen Embaeh
die Grenze zwischen dem Dorpater und Felliner Kreise. An der nord-
Sstliehen Spitze tritt der grosse oder untere Bntbaeh (106 km lang ; meist
über 3 m tief, bei Dorpat von Anfang STovember bis Mitte März, ii^loo
131 Tage zugefroren) als mächtiger Fluss heraus (Jöe-suu, d. h. Fluss-
mund) und nimmt seine Richtung abwärts in den Peipus-See (S. 73).
Zwischen beiden Seen, beinahe in der Mitte liegt die Stadt Dorpat.
In das aber den bedien Grenzseen erhabene Plateau Liviands
hat sich der Emhach ein tieCbs Thal eingeschnitten. Der rechte
oder südliehe Abhang dieses Thaies ist höher (c. d5*40 m hoch) als
der nördliche und tritt gerade an dem Punkte, wo sieh das ,»nor-
dische Heidelberg^ aufbaut, sehr markirt hervor. Die Kunst hat
die Herauslösung der schroffen Stelle mit tiefen Gräben vollendet
und 80 einen festen Anhaltepunkt für dio Stadt gebildet. Der da-
durch entstandene Berg, der l>om- oder Sehlotibergy trug früher
die alte Bussuifeste und war dann die Citadelle der Stadt. Hier
blanden sich die bedeutendsten und angesehensten Gebäude der-
eelb^i : der dem heil. Dionysius geweihte gothisohe Dom mit swei
mächtigen Thürmen, das Schlots des Bisohofs von Dorpat, zwischen
der jetzigen Sternwarte und der sog. Engelbrücke belegen , Wohn-
häuser des Adele, Klöster u. s. w. Yon alledem ist heute nichts
übrig als die schöne Buiae det Domi mit ihren massigen Back-
steinmauern und ragenden Pfeilern, von allen Seiten frei stehend
und dahM schon aus der Ferne sichtbar; das prächtige Gotteshaus
brannte am 24. Juni 1596 in Folge unvorsiehtigen Gebahrens mit
dem Johannisfeuer nieder, und bei der damaligen Armuth und Ver-
kommenheit der Stadt war an einen Neubau nicht zu denken. Die
Ruine sowie der ganze Domberg ist durch Schenkung Kaiser
76 Boute 9. DORPAT. Von St Petenburg
Alezander'8 1. in den Besitz der Universität gekommen ; so stehen
jetzt auf dem Domberg die Bibliothek, die Sternwarte, die Klinik,
die Anatomie , die (chirurgischen) Baracken u. a. medizin. Lehr-
anstalten. Zwischen allen diesen meist stattlichen Gebäuden blei-
ben grosse jireie Plätze, deren gut gepflegte Oartenanlagen und
Fromenctden den Domberg zum anmuthigsten Platze Dorpats
machen , der ausserdem durch eine prächtige Femsicht auf Stadt
und Umgegend, besonders von der nördlichen Seite des Domberges,
ausgezeichnet ist. Kördl. von der Bibliothek in den neuerdings
wesentlich verschönerten Theilen der Dompromenaden das Denk-
mal des bekannten russischen Academikers und Naturforschers
Karl Ernst von Baer, von Opekuschin.
In einem Theile der Domruine, die zu diesem Zwecke ausgebaut
ist, befindet sich die Bibliothek der Universität, mit gegen 200,000
Bänden.
Die Sternwarte steht wahrscheinlich auf der Stelle der alten
Schlosskirche, unter bedeutenden Directoren (F. 6. W. v. Struve
1820-39, J. H. V. Mädler 1840-66) hat sie Namhaftes geleistet.
Unter ihren Instrumenten ist das interessanteste der 1825 von
Alezander I. angekaufte Biesenrefraktor von 5 m Länge, neuerdings
freilich durch grössere Refraktoren an anderen Orten in den Schatten
gestellt.
Die Stadt selbst liegt zu beiden Seiten des Embachs , doch ihr
grösserer Theil auf dem r. Ufer, und von diesem der wichtigste auf
dem Baume zwischen Fluss und Domberg : hier befinden sich der
Haupt- oder Marktplatz, an ihm das BathhatM, das stattliche Ge-
bäude der Dorpater Bank und das alte ÜniverHtätsgebäude (Ecke
der Ritterdtrasse, der Hauptstrasse Dorpats). In letzterm befinden
sich das Pharmaceutisehe Institut, die Sitsungs- und Bibliotheks-
räume sowie die Sammlungen (beachtenswerth) der Dorpater Natur^
forsehergesellschaft und der Oelehrten Estnischen Gesellschaft (1838
zur Erforschung der Alterthümer des estnischen Volkes gegründet).
Durch eine kurze aber breite , nach SO. weiterfuhrende Strasse ist
der Markt verbunden mit dem Barelay- Platz, Mitten in den hier
befindlichen Promenadenanlagen das Denkmal (Büste) des Feld*-
marschalls Fürsten Barclay de Tolly (f 1818). Ihm gegenüber d«r
Kaufhof (Qostinny Dwor), Verlassen wir den Markt in der
Richtung nach NW., so gelangen wir, vorüber an dem grossen Ge-
bäude der AkadenUsehen Müsse (eines aus Professoren , Studiren-
den u. A. bestehenden Glubs ; gutes Lesezimmer), zu dem stattliehen
VaiTersititigebäiide^ das sich nach dem Donberg zu in zwei Seiten-
flügeln fortsetzt; zwischen letzteren die Universitätskirche. In dem
Gebäude der Universität befinden sich ausser den Hörsälen das
Kunstmuseum (gute Sammlung vonGypsabgüssen, Terracotten etc.),
das chemische, physikalische, oekonomische , mineralogische und
zoologische Cabinet nebst den entsprechenden Sammlungen und
Laboratorien. Die medizin. Institute befinden sich , mit Ausnahm»
nach Meval, DORF AT. 9. Eoute, 77
der neuen Irrenanstalt (auf dem linken Embachufer) , sänxmtlicli
auf dem Dome (s. oben); der hotan, Garten (gut angelegt und ge-
pflegt) liegt in der Nähe der Holzbrücke.
Die Unlversiät ist eine Schöpfung Gustav Adolph's. 1633 im Feld-
lager von Kürnberg ordnete der König auf Vorstellung des verdienst-
vollen Generalgouverneurs Skytte die Begründung derselben an (tTni-
versitas Gustaviana). Während der kurzen Dauer ihres ersten Bestehens
(1632-1664) war sie eine rein schwedische Anstalt; der livländische Adel
hatte gegen dieselbe eine entschiedene Abneigung, die Kurländer zogen
die Königsberger Hochschule vor. Beim Ausbruch des russischen Krieges
1656 ging ein Theil der Professoren nach Reval, wo eine Zeit lang Vor-
lesungen gehalten wurden. 1665 begannen die Verhandlungen wegen
Wiederherstellung der aufgelösten Uiüversität, dieselbe erfolgte aber erst
am 21. Aug. 1690 durch den Generalgouverneur Hastfer. 1699 floh
wiederum bei Annäherung der Russen die gesammte Universität naeh
Pemau, wo sie noch 11 Jahre ihr Dasein fristete und glanzlos erlosch,
als auch hierher die Bussen kamen (s. S. 61). Peter der Grosse versprach
zwar die livländische Universität -zu erhalten, aber die baltischen Pro-
vinzen blieben doch bis zu Ende des vorigen Jahrhanderts ohne Universität.
Brat Kaiser Paul nahm 1798 die Wiedererriehtvjig der Hochschule ernst-
lich In Angriff; sein Nachfolger Alexander I. bestätigte am 5. Jan. 1802 die
Schenkungen seines Vaters und am 21. April ISOQ konnte die Universität
eröffnet werden. Die Zahl der ordentlichen Professoren, die sich naeh
25jähriger Amtsführung mit vollem Gehalt in den Ruhestand versetzen
lassen können, beträgt 44, die der Studenten gegenwärtig (1888) 1693. Die
Professoren sind zu 1/3 aus Deutschland berufen, zu s/s eingeborne Deutsche
aus den Ostseeprovinaen.
Dorpat besitzt mehrere Kirchen: die der deutschen Stadtge-
meinde gehörige JohannUkirche (auch lettischer Gottesdienst) ; die
üniveraitätsTcirche (gleichf. deutsch , s. oben) ; die St, Petrikirche
(estnische Stadtgemeinde) und die Marienkifehe (estnische Land-
gemeinde ; in beiden letztern auch deutscher Gottesdienst) ; ferner
die orthodox - griech. Kirche zu Maria Himmelfahrt und deren
Filiale zu St. Georg (1. Embachufer) ; endlich eine röm.-kath. Kapelle
der h. Jungfrau. An Schulen besitzt die Stadt ausser den Universi-
tätsanstalten (s. oben) ein Veterinärinstitut, ein (Krons-) Gymnasium
mit Progymnasium (über 1700 Schüler), ein Privat* Gymnasium
mit Vorschule, Realschule, 3 höhere Töchterschulen etc.
Am Nordende der Stadt die gut gehaltenen Friedhöfe, In der
Nähe das der Familie v. Liphart gehörige Gut Rathihof^ mit sehens-
werther Gemäldesammlung.
Dorpats Handel war vormals nicht unbedeutend, er wurde
hauptsächlich zu Wasser über Pexnau und Naiwa betrieben. Seit
dem Bau der neuen Bahnlinie Taps -Dorpat hat er sich wieder
gehoben (überwiegend Flachshandel). Alljährlich vom 7.-28. Januar
findet der grosse sog. deutsche Jahrmarkt statt.
ZurGesehichteDorpats. Der rnsaisehe Grosaf örst Jury Jaroslaw
soll 1030 Dorpat gegründet haben; er nannte seine V«8te Jurjew-Liwonskv
oder Jurjewsorod, in den Chroniken kommt sie als ^eastrum Tarbatum^
vor. Im J. 1224 gelangte die Stadt in die Macht der deutschen Bitter.
1225 siedelte Hermann, Bisehof von Leal, naeh Dorpat über und erbaute
auf dem bei der Stadt gelegenen, kleinen befestigten Berge seine bischöf-
liche Kirche, den Dom, und das bischöfliche Schloss. Bis Kum Ausgang
disa ZV. Jahrh. sah Dorpat kaum einen äusseren Feind vor seinen Thoren.
In den Kämpfen zwischen Ordensritterschaft und Domkapitel, zwisehea
78 Monte 9. FELLIN. Von St, Petersburg
dem Dorpater Bisehof und dem Ordensmeister hielt Dorpat grösstentheils
zum Rigaisehen Erzhischof. Religiöse Unruhen erregten in der Stadt 1525
die Lehren Hofmanns oder Laijenpelzer^s, eines Anhängera Thomas If änzer'a.
1558 gerieth die Stadt in ruMisehe Hände, wurde 15S3 von den Bussen
geräumt und dem Könige von Polen, Stephan Bathory. übergeben. Durch
den Friedensschluss von Stolbowo gelangte sie 1617 unter schwedische
Herrschaft, wurde aber erst 1625 nach harter Belagerung und theilweiser
Einäscherung von dem Grafen de la Gardie genommen. Kaeh kurzer
Glanzzeit unter Karl XII. sah Dorpat 1704 die Bussen von neuem, nach-
dem Karl "Sil. die Ostseeprovinzen verlassen hatte j am 14. Juli 1704 kapitu-
lirte der tapfere Commandant der Stadt, Skytte. 1721 kam Dorpat durch
den I^ystädter Friedensvertrag für immer an Bussland.
Von Dorpat nachBeval über Fellin. Wer Land und
Leute Liv- und Estlands näher kennen zu lernen wünscht , mag
die Tour von Dorpat nach Reval durch den FelUner Bezirk machen
(Privatfuhrwerk von Dorpat nach Fellin 12 B.). Die Strasse folgt
dem südl. Ufer des Embachs (hinter Pohja-küla durch ausgedehnte
Waldungen) bis zum Wirti-See (S. 75) , dem an der Nordostspitze
der Embach als mächtiger Fluss entströmt. Am Flussmunde {Joe-
atMi) bedeutender Fischfang (besonders von Strömlingen , S. 42).
Eine lange, auf Pfählen und grossen Kähnen ruhende Holzbrücke
führt hinüber ; am andern Ufer ein grosses Whs, (Eörtz). ,
Die estnische Bevölkerung dieser Gegend maebft einen sehr an-
genehmen Eindruck. Männer, Frauen und Mädchen sind meist auffallend
hübseh. Der Wuchs der ersteren ist etwas mehr als mittelgross; man
findet sogar sehr hochgewachsene Gestalten unter den Männern. Blonde»
Haar und blaue Augen sind vorherrschend. Die Frauem lieben die bvnten
lebhaften Farben in der Kleidang; die Tracht der Mädodien ist von der-
jenigen der Frauen nicht unterschieden. Die estnische Sprache^ ein Zweig
der finnischen Familie des altaischen Sprachstammes, in Livland und
Estland von etwa 600,000 Menaehen gesprochen, iat im G«nc«n wohl-
tönend; sie hat weder den rauhen, vollen, tiefen Ton in dem. die Rusaen,
noch den metallossen, weinerlichen und pipenden Accent , in welchem
die Letten und Litauer sprechen. Vielmehr haben die Esten ein kräftiges
klaoffiiviehes, aber angenehmes und geschmeidig«» Organ.
Die Strasse umzieht das flache n^rdl. Ufer des See» und erreicht
über Neie-Mla (Mädchendorf)
84 W. Fellin (estn. Wüland, ^etmn ; gutes Gasthaus) , kleine
Stadt mit 3420 meist deutschen Einir. , am Flüsschen und See
gleichen Namens, auf einer fruchtbaren, c. 140 m hohen Hochebene
gelegen, am Fuss des sog. Sehloaaberges , welcher die Ruinen eines
alten Ordensschlosses trägt. Die Stadt hat zwei evangelische (eine
deutsche und eine estnische) und eine russische Kirche, femer
ein 1797 von Paul I. gegründetes FrSuleinstift.
Fellin, bei den Chronisten Wiliende genannt, war schon im heid»
niachen Alterthume eine bedeutende Festung im alten Saeeala. 121Q
nahmen die deutaehen Eitter sie mit Hülfe der unterworfenen und nun
mit ihnen verbündeten Liven und Letten ein und befestigten sie aufa
neue; die Festung befehligte vor Zeit des Ordens ein Komtur. 1660 wurde
die Stadt von den Russen eingeäsohert und der Komtur Fürsteaberg ge-
fangen nach Moskau eebraeht. — Später fiel Fellin in die Hand« der
Polen, welche es 1600 den Schweden überliessen. 1602-8 war Fellin
wieder polnisch, 1606-1710 aufa neue schwedisch und fiel dann für immeir
an Bussland.
nach Beval. REYAL. 9. Moute, 79
Auf dei Route nordwärts von Fellin bis Weissenstein ist kein
regelmässiger Postverkehr und es herrschen hier demgemäss andere
Preise. Pro Werst wird man hier für 1 Pferd bis 4 Eop. (Post
2Vt Kop.) bezahlen müssen. Ueber Wökma (30 W. Ton Fellin,
114 W. Ton Dorpat), wo wir im Gasthause vom Wirth (körtz-mees)
für 6 R. einen Vorspann yon 3 Pferden erhalten, geUngen wir nach
der Poststation Ani-kfäia {QttnsedoTf, 157 W. von Dorpat), mit
einem leidlichen Gasthof, und erreichen die ordentliche Poststrasse.
Das unweit von hier an der Paida gelegene Städtchen Weissentteiri'
(estn. Paide-lin = ^t9.dt an der Paid, russ. BeficeiiiDTeftHi) lassen
wir 1. liegen. Die nächste Poststation (187 W.) Mustkmöm (MycT-
jaHen) liegt an der Grenze der alten Bezirke Harrlen und Järwen.
Von MustUnom bis (200 W.) Kiea (KHaa Heutopi) ist die Gegend
waldig (meist Fichten und Birken). Auch hier erblicken wir
nirgends Ortschaften, nur hier und da zerstreute Weiler. Die Station
(226 W.) Wait liegt auf dem Gute des Baron Pahlen. Didit vor Re-
Tai breitet sich links von der Strasse der ansehnliche Ohtnee aus.
247 W. Beral {Kevel, Seffel [dän. eine lange schmale Sandbank],
estn. Tällin oder Tannilin (Dänenstadt), lett. DanepiUs, alt-russ.
Kolywan, jetzt Peseii»).
HoTBLS. St. Petersburg, das beste; Goldener Löwe; Gol-
dener Adler; de Eussie; du Nord, sämmtUeh in der Unterstadt.
Ebstaubaht. Petenberg^s Weinhandlung (nur Getränke) im
BOrtenkelUrf Langstr. — Bei der grossen Strandpforte Wieke's Pavil-
lon (8. S. 81) und Dangull-Pavillon (Goneerte).
Klubs. Der Aetien- oder Adelsklub, der Sehwarshäupter-
k 1 u b und der BevalerKlub. Fremde erhalten durch Hitglieder Zutritt.
Bahnhof. Der Bahnhof liegt im westliehen Theile der Stadt, vor
der Systempforte. Von hier Verbindung nach St. Petersburg, Baltisch-
port (8. S. 74); Beisende, welehe St. Petersburg nicht zu sehen wünschen,,
können direete Billets nach Tosna, Station der Moskauer Linie via Gat-
sehina (Zweigbahn für Gütertransport) nehmen.
Post in der Unterstadt.
Tbbatbb: Vorstellungen vom Sept. bis April.
Damppschiffb gehen in 20 St. nach St. Peteribung (ß resjp. 4B.), in
5 St, nach Helslngfors.
KovsuLB. Dänemark und Niederlande: Vic. Kons. W. Mayer; Belgien :
Kons. C. Rotermann; Deutsches Reich, Kons. A.Koch; Oesterreich: Kons.
Dr. 0. Schedl ; Schweden und Norwegen : Vic. Kons. C. J. B. Oahlnbäck,
Rtvaly Hauptstadt des gleichn. Kreises (des alten Harrien) und
des Gouvernements Estland, die zweite Stadt der russischen Ostsee>
Provinzen , in einer Bucht des finnischen Meerbusens , mit 50,500
£inw., deren Kern ebenso wie in Riga und Dorpat deutsch ist, ist
Sitz der Provinzial- und Kreis - Behörden , des Gouverneurs von
Estland, und des Consistoriums. Die Stadt zerfällt in die obere
Stadt, den sog. Domy auf dem hohen Saume der Felsenküste,
dem Schlossberge , liegend , meist vom estländischen Adel und den
kais. Oberbehörden bewohnt; in die eigentliche oder Vnttritadt,
an dem niedrigen sandigen Ufer des Hafens sieh hinziehend , den
Sitz der städtischen Behörden, des Handels und der Industrie,
i^iid In die weitläufigen Vorstädte, ausserhalb der Stadt und längs
80 Route 9, BEVAL. Oeschichte.
des Meerbusens , von rassischen Eaufleuten und der ärmeren Be-
völkerung (meist in Holzhäusern) bewohnt. Der Dom (s. oben) be-
sitzt seine eigene politische und kirchliche Verwaltung, mit der
die eigentliche Stadt nichts zu thun hat. Die Stadt besitzt 14
Kirchen (6 griechisch-russische, 2 estnische, 3 deutsch-lutherische,
je eine römisch-katholische, reformlrte und schwedische) ; ausserdem
1 Synagoge. Die St. Olaus- und St. Nikolaus-Kirche sind deutsch,
die St. Michaels-Kirche schwedisch. Den städtischen Esten wurde
die Kirche zum h. Geist oder die sog. Rathskapelle überlassen ,* es
ist dies die älteste Kirche, in deren Hof der Geistliche der est-
nischen Gemeinde wohnt. Als die estnische Gemeinde sich yer-
grösserte, baute die Stadt ihr die St. Johannis^ Kirche (unter dem
Schmiedethor) und die Dom ^ Karls -Kirche (S. 83). — An Schulen
sind in Reval gegenwärtig 3 Gymnasien , das Gouvernementsgym-
nasium, von Gustav Adolf gegründet; das Domgymnasium, welches
die Ritterschaft des Herzogthums erhält, und das russische (Krons-)
Alexander -Gymnasium. — Der Handel Revals blühte bis zur Er-
bauung St. Petersburgs theils durch Verschiffung von Korn nach
Schweden und Holland, theils durch den Transit nach dem Innern
Russlands. Mit dem Jahre 1710 wurde jene alte Verbindung mit
Schweden unterbrochen , der Krieg richtete das Land zu Grunde,
und nachdem die Verhältnisse der entvölkerten Provinz unter rus-
sischem Scepter wieder geordnet waren , fand sich Reval durch die
übermächtige Nebenbuhlerin an der Newa in den Schatten gestellt.
Doch haben sich seit der neuen Städteordnung von 1871 die Be-
völkerungsziffer wie der Handel wieder bedeutend gehoben, na-
mentlich durch die directe Eisenbahnverbindung mit der grössten
russischen Fabrikstadt Moskau. Hauptgegenstände desselben sind
Baumwolle (nächst Havre hat Reval den grössten Baumwollen-Im-
port des Continents) , Getreide , Flachs , Spiritus , Häute , Wolle,
Leim, Borsten u. s. w. Fabriken gibt es für Spiritus, Papier,
Spiegel, Fayence, Glas, Leder, Kattun, Strumpf waaren. Stocken, s. w.
Einen besondern Erwerbszweig bildet Fang und Zubereitung von
Killoströmlingen , einer Art Sardellen , die sich nur in der Bucht
von Reval finden und in grossen Massen versandt werden.
Zur Gesehiehte BevaTs. AU 1211 der Bigaer Bischof Albert
und seine Schwertritter ihre Macht schon bis Fellin ausgedehnt hatten,
riefen die Esten die benachbarten russischen Fürsten gegen die Deutschen
SU Hülfe ; Albert dagegen 1218 Waldemar II, von Dänemark , der im Jahre
1219 mit dem Slavenfürsten Wenseslaw in der Bucht von Beval laadete.
Die hier liegende Festung der Esten Lindaniua wurde von Örund aus
zerstört und an ihrer Stelle eine neue erbaut. Während des Kampfes
fiel eine rothe Fahne mit weissem Kreuz vom Himmel, welche dann da«
dänische Reichsbanner (Danebrog) wurde. Unterhalb der leteteren ent-
stand von 1219-1237f eine Stadt, die schon 1248 vom dänischen Könige lübi-
sches Recht und lübische Verfassung erhielt, nachdem sie 1240 zur bischöf-
lichen Residenz erhoben worden war. Seit seiner Oründung bestand Reval
auA dem Dam und der eigentUch4n Stadt ^ in jenem herrsehten in früher Zeit
die königl. Hauptleute, später die Komture, in dieser die städtischen
Behörden. Je mehr das Deutschthum erstarkte, wurde die Stadt durch
Handel mächtig, -während die dänische Einwohnerschaft allmählich in
D(m, REVAL. 9, Route. 81
die Festung, den Dom, zurückgedrängt wurde. Letztere wurde als nicht
zur Stadt gehörig betrachtet und hatte auch nicht Theil an den Privi-
legien, welche Hargarethe Sambiria, Königin -Wittwe von Dänemark,
Bevsl ertheilte. Wie in Riga und Dbrpat zerfiel auch in Reval das
Bürgerthum in zwei Gilden, die bis heute existiren, ebenso bestand, wie
in Biga^ das Schwarzhäupter - Corps. Xaehdem Estland und mit ihm
Eeval noch in verschiedenen Händen gewesen , wurde es 1347 durch den
deutschen Orden von den Dänen gekauft; damit kam auch der Revaler
Bisehof, der früher dem Erzbischof von Lund unterstanden hatte , unter
das Bigaer Ersbisthum, 1624 nahm die Stadt die Refpfmaiian an, der
Dom aber und das Land blieben noch dem alten Bekenntniss treu. Mit
dem Jahre 1558 traf die schreckliche Zeit des russischen Krieges und der
Bauemaufttände ein, welche die eigenthümliche politische Verfassung der
baltischen Provinzen, die Konföderation der Bischöfe und Bitter auüöste.
Von den Bittern im Stich gelassen, übergab Morits Wrangeil, der letzte
katholische Bischof des Bevaler Doms, sein Bisthum dem dänischen
Herzoge Magnus, der abef niemals in den faetischeu Besitz des letzteren
gelangte. Die Stadt Beval begab sich 1561 unter schwedischen Schutz; der
Dom wurde nach einer 6wöchentlichen Belagerung und Besichiessung durch
die Schweden vom Komtur des Ordens, Gaspar Oldenbocktim, übergeben ;
damit hörte auch auf demselben der katholische Gottesdienst auf. Beval
und das estländische Herzogthum standen somit seit 1561 unter schwe-
discher Herrschaft. 1569 wurde die Stadt durch lübische und dänische
Kriegsschiffe bombardirt; 1570-71 30 Wochen lang, und 1577 7 Wochen
Hing, wenn auch vergeblich, von den Bussen belagert, und ihr Handel
arg geschädigt. — Der nordische Krieg brachte Beval und das estlän-
dische Herzogthum unter russische Herrschaft. Beval unterhandelte am
29. Sept. 1710 mit Peter dem Grossen und an demselben Tage übergab
Patkul, CSommandant der Festung, letztere durch Oapitulation. Peter
der Grosse that viel zur Hebung Bevals, dessen 1713 angelegten Hafen
er seiner Flotte bestimmte. Die Goncurrenz St. Petersburgs schädigte
zwar den Handel Bevals lange Zeit hindurch in bedenklicher W^ise, aber
der Bau der Baltischen Eisenbahn und die VerlMsserung 'des Hafens
paralysirten in neuerer Zeit die Nebenbuhlerschaft der Hauptstadt.
Wenn wir Tom Hafen die Richtung nach der Stadt einschlagen
und den nach reehts führenden. Weg wählen, so gelangen wir auf
eine kleine Anhohe oder -mlmehr einen Erdrücken , der das west^
liehe Ufer des Hafens bildet. Von hier ( WUkt'9 Pavülon s. oben)
prächtige ^AusHcTU auf die Stadt und das Meer und die weithin
offene Landschaft.
Von hier uns r. wendend kommen wir durch belebte Strassen
und steile schmale Gassen zum Dom- oder SehlotBberge , auf dem
die obere Stadt steht. Wie der Domberg von Dorpat ist auch
der -von Reval ein uralter Sitz menschlicher Ansiedelung und ein
heiliger Ort, an den sich mancherlei Sag^i knüpfen. I>ie Esten
halten den Berg für den Grabhügel des Gottes Kalev , des Vaters
ihres sagenberühmten Helden Kalevi-poeg (d.h. Ealev's Sohn);
ihre alte Festung auf diesem Platze benannten sie nach Linda,
Kalev'ff Gattin, Lindanissa (d. h. Linda's Brust). — In dieser obern
Stadt liegt die Dornkirche , das Schloss mit seinem alten Thurm,
das Mittm'hmiSj die Donuchule; die PrivathSuser gehören grSssten-
theils estländischen Edelleuten, die ehemals allein das Privilegium
hatten, auf dem Dom zu wohnen. — Auf dem weiten SchlossplcUz
herrscht Stille , weil die ihn umgebenden Häuser nur im Wintei*
von den Besitzern bewohnt werden«
Bussland. 2. Aufl. 6
82 Route 9. BEVAL. Olauskirche,
Eine heirliche Aussieht auf die Umgegend und besonders auf
das Meer hat man -von dem Garten des Generalsuperintendenten
jenseit der Domkirche. Letztere, als Bauwerk unbedeutend, ist
Eigenthum des Adels und wird ¥on der Ritterschaft des Landes
unterhalten, wekhe auch den Generalsuperintendenten wählt. Im
Innern befinden sich viele Wappen und Grabsteine, unter anderen,
das des Generals Pontus de la Gardie (1Ö8Ö), Matthias von Thurn
(1640), des schwedischen Generals Carl Hoi;n , des Weltumseglers:
Krusenstem und des Admirals Grey (1788), eines Schotten, der an
dem Seesieg über die Türken bei Tschesme 1770 wesentlichen An^
theil hatte (seine in RussUnd lebenden Nachkommen nennen sich
Greigh). — ♦Altarbild von Eduard von Gebhardt.
Am süddstl. Ende des Doms liegt das SeUots, jetzt Residenz
des Gouverneurs. Der Schlosshof zeichnet sich durch den alten
dänischen Schlossthurm (»der lange Hermann'') aus. Die Räum»
des Schlosses, zu denen vom Hof aus eine finstere, aus grossen
Steinplatten bestehende und wahrscheinlich auch aus der Dänen-
zeit stammende Treppe führt, sind gross und sehenswerth. Eben-
falls auf dem Domberg liegt das Bitierhaut, in welchem der Land-
tag des Herzogthums in jedem dritten Jahre abgehalten wird.
Das Innere ist mit den Wappen des estländischen Adels geschmückt f
in dem grossen Yersammlungs* Saale sind auf Mazmortafeln di»
Namen der adligen Estländer verzeichnet, die im französisch-russi-
schen Kriege 1812 dienten resp. fielen. Ferner liegt hier die Ritter-
schule oder das Domgymna9iwn, 1319 gegründet, seit 1845 in dem
jetzigen Gebäude.
Nachdem wir vom Domberge herabgestiegen , schlagen wir den
Weg 1. durch die engen Klostergässchen längs der haushohen, alters-
grauen Stadtmauer ein, um zur 8t. Olau-Xirehe zu gelangen. Der
erste Bau dieser Kirche stammt aus dem Jahre 1329; der Blitz
schlug neunmal in dieselbe ein ; nach dem letzten Brande von 1820
wurde sie erst 1841 wiederhergestellt. Die Kirche, eine der grössten
und schönsten der Ostseeprovinzen , im gothischen Stil, ist dem h.
Olaus geweiht, dem Könige von Norwegen, welcher im Anfang»
des ZI. Jahrh. in seinem Lande das Christenthum einführte. Der
145 m h. Olai'Thurm ist nicht nur der höchste in den baltischen
Ländern , sondern im ganzen russischen Reiche (von der Galleri»
schöne Aussicht). — In der Kirche sind sehenswerth : das Archiv,,
die Bibliothek und die alten schönen Sculpturstücke, welche man
beim Brande der früheren Kirchen gerettet hat.
Die Unter-Stadt enthält die Wohnungen und Waarenmagazin»
der Kaufleute, das Rathhaus, das Gildehaus, das Haus der Schwarz-
häupter, die Bank, Kaserne, das Theater etc. Wir besuchen zunächst
die Hil(9Um-Ki7«be, ein dreischifflges gothisches Gebäude mit
massivem viereckigen Thurm, bereits 1316 erwähnt. Gleich am^
Eingange der Kirche r. ein Todientan», ähnlich d«m in der St..
Marien-Kirche zu Lübeck. Im Innern viele Ueberreste aus römisch-
i
Heiligengeistkirchc, REVAL. 9. Soute, 83
katholisöhor Zeit; in einer Seitenk^peUe 9wel Qemälde ausHolbein's
Zeit und in seiner Manier; ferner eine Kreazigung Christi aus der
Schuld Raffael's« Pas Altargemälde stajQamt aus neuer Zeit. Be-
merkenswerth sind di€( grdsstentheils dem Adel gehörigen Kapellen
und Grabgewölbe, von massiTen eisernen Gittern umgeben und mit
Wappen reich geschmttekt, aber sehr vernachlfissigt.
Die älteste Kirche ist die Heiliffeiiffeittkirclie, gleichfalls im
gothischen Stil, bereits 1284 erwähnt. Die Kirche wird auch Batht-
kapeile genannt und war die erste der estnischen Gemeinde. — Das
alte BatUuret , mit goth* Fenstern , ist jetzt grSsstentheils renovirt.
Dex elegante schlank« RcOhhausthurm gilt als ein Meisterwerk der
Architektur; im lunern interessante Holzschnitzereien und ein sehr
reichhaltiges, namentlich für die Geschichte der £[ansa werthyoUes
Archiv.
Das Saut der CantUi^OUde, einer Yereinigung der Zünfte, die
auch dort einen Club haben, enthält ein Museum haltUcher Alter-'
thümer. Der Saal, der auch twt Abhaltung von Concerten dient,
hat eine gewölbte Decke, die auf zwei Säulen ruht. (Die ffrosae
€fild€ besteht au« Kaufleuten , deren Vertretung auch an der Ver-
waltung der Stadt betheiligt war.) — Das Sehwafthäupter^Haua ist
an der Fa^ade mit einem Mohrenhaupt und mehreren Wappen in
Skiilpturarbeit geschmückt. Innen enthält es ein Archiv und die
Pprtöäts verschiedener gekrönter Häupter. Das Altargemälde aus
dem Kloster der h. Brigitta (s. unten), ein Werk der altvlämischen
SchuU, hat hier ebenfalls seinen Platz gefunden. — In dem Ge-
bäude befinden sich auch die Räume des Sehwarthäupter ^Cluh$y
Portraits schwedischer Könige, Waffen und Alterthümer enthaltend.
Die Schwarzhäupter-Gesellschaft in Beva) (s. auch S. 56)
wurde von auswärtigen vorzüglich lüblschen Kaufleuten, deren Handel
nach Nowgorod über Beval führte , im xiv. Jahrh. gegründet, am ein
Gegengewicht gegen dm Sevaler Bath zu schaffen, dessen Bescblüsae
ihre Interessen oftmals verletzten. Uebrigens bildeten auch in Beval
die Sehwarzhäupter eine kriegerische Körperschaft, trugen eine besondere
Uniform, hatten speeielle Ceremonien und Gebräuche und kämpften unter
ihrem Banner »aut vineendum aut moriendum** oft g^gen die zahlreichen
Feinde der reichen Stadt Beval. — Alle russischen Kaiser von Peter dem
Grossen an waren lihrenmitglieder der Verbindung.
Die Schmiedepforte durchschreitend , gelangen wir in die Vor-
stadt. Hier erhebt sich die neue Johanniskirche , ein grosses Ge-
bäude mit stattlichem Thurm und drei Schiffen, von denen das
mittlere höher als die beiden Seitenschiffe ist und auf jeder Seite
von 4 Säulen getragen wird, und die Karh- oder Dom- Karlskirche,
die neueste estnische Kirche , mit zwei Thürmen,
ÜMOBBTTNOBN VON RevAL.
Ein Ausflug nach Katharinenthal , Kosch und zur Brigittenruine
kann sowohl zu Lande (m Fuss oder zu Wagen), wie zu Wasser unter-
nommen werden. Die Brigittenruine ist so interessant, dass es wohl
verlolmt, nach einer Landfahrt noch einmal eine Waaserparti« dorthin
zu untemehmeii. XJeberall .Gaüüiäuser.
6*
^ Raute 9, KOSGH. Umgebungen v. Reval,
Von Reval, dessen Umgebung zahlreiche, geschmackvolle Land-
häuser zieren, führt in Östlicher Richtung eine besuchte Promenade
nach (Vt Bt.) Kathftrinentäal , einem kaiserlichen Lustschloss, von
schönem Park, Gärten, Anlagen und Villen umgeben. In den
Sommermonaten bildet Katharinenthal (Kursaal) den Mittelpunkt
der Lustfahrten, Bälle etc. der fashionablen Gesellschaft, besonders
des estlandischen Adete mmt der Petersburger FümiUen , welche
das Seebad bei Reval und bei Eatharinenthal besuchen (elegante
Badesalons).
Di« kaiserlich« Residenz Katharineilthal ^ eine UeblUhe ' Oäse
in einer Sandvrüste, wurde schon von Peter dem Grossen gegründet.
Ein häufiger Besucher Revals , erbaute er zuerst am Fusse des fel-
sigen LaalUber^es (oben ein Aussichtsthurm) ein bescheidenes
Häuschen, aus dessen Fenstern er seine junge , im Revaler Hafen
vor Anker liegende Flotte überblicken könnte. Einige Jahre vor
seinem Tode erbaute er das jetzige SchlOM, nicht weit von dem
ersten Hause , umgab es mit Pe^rkanlagen und machte es seiner Ge-
mahlin Katharina zum Geschenk. Das anspruchslose Häutchen
Peter's, in Bäumen versteckt, wird nebst einigen Andenken an den
Zaren von einem Aufseher gezeigt.
Ein etwas weiteres Ausflugsziel (7W.) ist Xoseh, das jenseit des
Leuchtthurms auf der Nordseite des Hafens liegt (Eintrittskarteti
sind beim Besitzer, Hrn. Konsul A, Koch, zu 15sen). Der Brigitten'
fluss hat sich hier ein tiefes Thal gegraben , welches interessante
Landschaften zeigt. Von der sog. Zuckerfabrik zwischen Katha-
rinenthal und Kosch schöner Blick auf Reval mit seinem Hafen ;
am jenseitigen Ufer die Brigittenruine.
Um zur *Brigitten-Buine zu gelangen, muss man sich über den
Brigittenfiuss setzen las&en. Am Ufer warten auf den Aussteigenden
estnische Kinder, welche Thore u. s. w. zu Öffnen eilen, um einige
Kopeken zu verdienen. Von dem 1407-36 zu Ehren der h. Brigitta
erbauten Kloster, 1577 von den Russen zerstört , haben sich noch
die vier Steinwände der Kirche und der ganze Vordertheil mit dem
hohen Giebel und den bogenförmigen Fenstern erhalten. Der Platz
vor der Kirche ist jetzt der Gottesacker der Umgegend; mehrere
Häuser umgeben ihn, darunter ein Restaurant, Die spitzbogige
Thür der Kirchenruine ist niedrig, als ob das Fundament tief in der
Erde sässe. Der Boden ist mit hohem Gras bewachsen ; die starken
Wände zeigen noch die Fensteröffnungen und die Bogen der ver-
schwundenen Gewölbe. In einem Winkel ist ein steinerner Treppen-
aufgang , der vielleicht zu den Klosterzellen führte, von denen aber
wenig Ueberbleibsel zu erblicken sind. Eine andere Thür führt in
eine estnische Bauernwohnung. — Das Kloster soll nach einer alten
Sage mit der Stadt durch einen unterirdischen Gang in Verbindung
stehen.
Einen Tag kann der Reisende auch in angen^mer Weise verbringen
durch einen Ausflug nach dem hübschen Dorfe Tiaeher, 10 W. w. von Beval
DÜWABURG. 10, Route. 85-
an einer Meeresbucht gelegen, nach dem OiUe Ziefelkopp«!, 4 W., und
nach Padia-Xloster, 40 W. von Beval und 15 W. von Baltischport, einer
der schönsten Buinen Estlands.
I>er reizendste Punkt in der Umgebung ven Beval Ist 'das 90 W. w.
an dn Mündung eines Flusses ins Xeer gelegene SeUsa« Fall, ein neuerer
Bau im goth. Stil, umgeben von umfangreichen wohlgepflegten Parkan-
lagen mit schönem Wasserfall. Auf dem Wege nach Fall das Gut Fähner
mit einer sehenswerthen Gemäldegallerie.
10. Von Berlin (Königsberg, München, Wien) nach
St. Petersbapg.
Von Berlin (Sehlesischer BahnhoO nach St. Petersburg^ Courierzug über
Sifdttuhnen* in 43 St. (direete Billets mit fi-lOtÜgiger Gültigkeit ; die Preise
setzen sich zusammen ans de^en bis zur Grenze und von da bte zur betr.
russischen Station). Von Berlin bis zur Grenze bei Bvdtkuhnen (743 km),
Courierzug in le»/^ St. (67.30, 49.80 ««), Personenzug in 33 St. (59.W, 44.60,
29.70 e«); s. B. 5-, von der Grenze bis St. Petersburg (8t2 W. = 892 km),
Courierzug in 25, Personenzug in 39 St. für 31.35, 23.61, 13.10 B. (Gourier-
mg lö»/o Zusehlag). — Von Berlin nach Warschau s. B. 1, S. 1-4-, von
Warschau nach St. Petersburg (1050 W. s 1113 km), Ck>uriersugin 33, Per-
sonenzug in 38-41 St. ftr 39,19, 39.39, 16.03 B. *- Von DMnabwrg bis St.
Petersburg (497 W. = 626 km), Courierzug in 14i/j, Personenzug in 17 St.
für 18.64, 13.98, T.14B. (Courierzug 150/o Zuschlag). -^
Von Königsberg bis Wirbeaien (s. BL 6), 156 km, Courierzug in 8S/4 St.
(13.70, 10.10, 7.10 ««), Pereonenzug in 5-7 St. (13.30, 9.20, 6.10 «>«). Von
WirbaUen bis St. Peter^urg (839 W. « 889 kmj, Personenzug 31.36, 33.61,
12.07 B. (Courierzug lÖP/o Zuschlag).
Von München über Dresden , Breslau , Warschau nach St. Petersburg,
Ch»urierzug in 78 St.
Von Wien über Warschau (s. B. 2) nadi St. Petaraborg, Eilzug in
56 St., Personenzug 63 St. ; Fahrpreise bis zur Grenze bei Qraniita (407km)>
Eilzug 23 fl. 71, 17 fl. 38 kr., Personenzug 19 fl. SO, 14 fl. 91, 9 fl. 88 kr.&von
Granitza bis St. Petersburg (1293 W. = 1418 km), Personenzug 50.10, 37.51,
19.32 B. (Courierzug I50/0 Zuschlag).
Von WirbaUen bis (179 W.) Wilna ß. S. 36-38; von WUna
bis (346 W.) DftnabQrg s. S. 47. Der atisgedehnte Bahnhof
(Kreuzungspunkt der Riga-Ssmolensker Bahn, R. 27) liegt von der
Stadt weit ab ; meist längerer Aufenthalt (Vs'l^/2 ^^•)*
Die Weiterfahrt durch das Gouvernement Witebsk über "Wyichki
(BumKH), Ruschona (Pyrnona), Antonopol (AHTOHonojL; Restaura-
tion), Räschitta (Pliiniiita ; Restauration), Itoanotoka (HaanoBKa) und
Korssowka (KopcoBKa ; Restauration) bietet wenig Abwechselung.
Mit dem Eintritt in das Gouvernement Pskow kommen wir erst
In das eigentliche Gross - Russland und kennen unser Auge daran
gewohnen , Stunden und Stunden in gerader Linie durch Wälder
zu fahren , aus denen nur äusserst selten ein rassisches Dorf auf->
taucht — Haufen unordentlich durcheinander geworfener, schief
nebeneinander stehender Hütten, die kaum dem Allernothdürf-
tigsten zu genügen scheinen (vgl. R. 20). Diese unwirthsamen
* Die St. Petersburger Zeit ist 30 Min. vor gegen Eydtkuhnen, 37MiD.
gegen Warschau.
86 Soute 10, PSKOW. Vm Berlin
Gegenden mit endlosen Waldungen reichen unverändert hinein bis
ins Ingermanland, das jetzige Gouvernement Petersburg.
531 W. Oitrow (OcrpoBi; Restauration). Die einige Werst von
der Station entfernte Stadt (3884 Einw.) , an der Welikaja (BeiH-
Kafl), erhielt ihren Namen („Insel') von einer Insel in der Welikaja,
auf welcher im xiv. Jahrh. eine Festung lag. Ueberreste derselben,
drei alte steinerne Thürme , sind noch heute sichtbar ; mitten auf
der Insel die aus dem J. 1582 stammende St. Nikolaus- Kirche,
Beisende thun gut, bereits von Stat. Ostrow aus telegraphisrti einen
fidtelwagen in St. Petersbuirg zu bestellen.
Ton Ostrow führt die Bahn über Stat. Tacherskaja nach Pskow
(10-15 Min. Aufenthalt; gute Bahnrestauration).
580 W. (616 km) Pskow, Pleskow, Pleskau (Dckobi), alte Stadt
mit 21, 0(X) Einw. (Russen, Deutsche, Polen, Letten und Esten),
Hauptstadt des gleichn. Gouvernements , liegt 3 km von der Bahn
auf beiden Seiten der Welikaja , an der Einmündung der Pskowa,
Gasth. : Hdt. St. Petersburg, mittelmässig. — - Wagen am Bahn-
hof: einf. Fahrt 90-ÖOKop.; die St. I R. Führer oder Ck>mmi8aionäre im
Hotel. — Dampfboote nach Dorpat g. 8. 66.
Pskow ist Sitz der Qouvernementsbehörden and eines griech.
Erzbischofs , hat eine Kathedrale . 41 Kirchen und 4 Klöster , ein
Priesterseminar, Gymnasium, etc. Gewerbe sind hauptsächlich Ger-
berei, Leinweberei, Segeltuchfabrikation ; auch als Handelsstadt ist
Pskow nicht unwichtig (grosser Markt 5.-15. Febr.) ; von besonderer
Bedeutung der Handel mit Flachs, der in d^r Umgegend viel gebaut
wird. Die Stadt, die von ihrer ehemaligen Grösse viel verloren hat,
zerfallt in den befestigten Kreml, die mittlere, die grosse Stadt und
die Vorstädte (auf dem linken Ufer der Welikaja).
Zur Geschichte. Kach alten Chronisten soll Pskow bereits unter
Oleg^s Regierung bestanden haben-, nach dem fabelhaften ^Stufenbuche"
wurde es von Olga^ der Gemahlin Igors (8.88), 975 gegründet. Gleich
Nowgorod eine Bepublik, erhob sieh Pskow im Hittelalter zu einem be-
deutenden Handelsplatz (besonders mit Deutschland) und gehörte suf
Hansa. Die Bürger von Pskow wählten in der durch eine (Blocke zu-
sammengerufenen WJeUche (Yolksversammlung, Bete) ihre Fürsten (Pouaä-
nik) und setzten dieselben naeh eigenen Gutdünken ab. Ihre Selbständig-
keit behauptete die Stadt ebenso wie Nowgorod (S. 249) auch unter der
mongolischen Herrschaft. Vor Pskow wurde am 14. Sept. 1503 Iwan I.
von dem livländiechen Ordensmeiste^ Walther von Plettenberg besiegt.
Nach Iwan's Tode (1605) brach sein Nachfolger WaasUy I. die Selbständig-
keit der Stadt. Die Republik wurde dem Grossfürstenthum Moskau ein-
verleibt , 900 der angesehensten Familien nach Moskau geschleppt, dafür
300 Kanfmannsfamilien aus 10 an der Wolga gelegenen Städten naeh
Pskow übergeführt. — Ein angstvoller Tag erschien für die Stadt im J. 1570.
Iwan IV., der Schreckliche, zog gegen Pskow, dessen Bewohner er im
Verdacht verrätherischer Pläne hatte. Die auf das äusserste gefasste Stadt
wurde aber auf wunderbare Weise gerettet. Nachdem Iwan die Dreifaltig-
keitskirche besucht, erschien er auch in der Zelle des Mönthes Nikolaus
Salos, welcher unter dem Schilde seines Blödsinns dem Tyrannen ins Ge-
wissen redete ; er bot dem Zaren ein Stück rohen Fleisches, und als dieser
antwortete : „Ich bin ein Christ und esse in den grossen Fasten kein Fleisch'',
entgegnete Salos : „Du thust Schlimmeres, Du nährst Dich vom Fleische
und Blute der Menschen, nicht nur der Fasten, sondern auch Gottes ver-
gessend. Wenn Du aueh nur gegen einen der Bewohner dieser gott-
geweihten Stadt Deine Hand aufhebst , so wird Dich der Höchste mit
nach St. Petersburg. PSKÖW. lÖ. Route. 87
-seinem BliUe verzehren.** Iffteh die«en Worten soll sieh plötzlich der
'bis dahin heitere Himmel mit Wetterwolken umzogen haben. Parauf habe
Iwan, dureh die Beden des Mönches in höchste Furcht versetzt, unver-
j&äglich die Stadt verlassen.
Wer für Pskow Z«it erübrigen kann , besichtigt innächst den
^edil , welcher auf einer c. 400 m langen und 30 m breiten An-
Mhe in dem Winkel zwischen der Welikaja und Fskowa liegt. Seine
«teinernen Mauern stammen aus dem J. 1323. Südwärts geht von
der Anhöhe des Kreml der Ende des xin. Jahrh. erbaute Downumt-
WäU aus , welcher einen freien Platz umfasst, auf dem ehemals
das Schloss des Fürsten Von Pskow stand; Jetzt befindet sich auf
demselben ein grosses steinernes GebSude, Anf. des xv. Jahrh. von
Macarius, Metropoliten von Russland erbaut. In ihm residirten die
£rzbischöfe von Nowgorod, wenn sie Pskow besuchten. Inmitten
des Kreml und dessen Inneres fast ganz ausfüllend, erhebt sich die
^Xsihedrale der h. Dreifaltigkeit, ein gewaltiger Bau im russisch-
byzant. Stil. Auf der Stelle der jetzigen Kathedrale soll die Gross-
fürstin Olga (s. unten) 957 eine Kirche erbaut haben. 1138 wurde
an Stelle der alten hölzernen Kirche ein steinernes GebSude auf-
geführt; in demselben wurde Dowmont , ein berühmter Heerführer
der Litauer, später Fürst von Pskow, 1266 mit seiner Familie
und Gefolge getauft; 1363 wurde die Kirche zerstört, aber zum
dritten Male an derselben Stelle 1368 aufgebaut. Während der Be-
lagerung durch Stephan Bathory brannte die Kathedrale theilweise
ab. Die heutige Kathedrale entstand zur Seite der älteren Gebäude
1682 , wurde in der Folge mehrfach restaurirt, besonders nachdem
sie 1770 durch einen Brand grossentheils zerstört worden war.
Das Innere enthält merkwürdige Heiligenbilder und Reliquien. Das
Interessanteste der letzteren ist das aus Silber gearbeitete €fTdh de» h.
W*€W0lo4 Gabriel , des vertriebenen Färsten von Nowgorod und späteren
Beherrschers von Pskow (t 1138). Man zeigt auch ein Schwert Wsewolod's
mit der Inschrift: „Honorem meum nemlni dabo**. — Am zweiten Pfeiler
rechts vom Ikonostas befindet sich das Orueißx der h. Olga. Die bren-
nende Lamt»e davor ist ein Oesehenk des Orofisfürsten Constamtln Kiko-
l^ewitsch. Das Orahmal des h. Dowmonty von SichenhoU, ist in einer
Kapelle zur Bechten der Bilderwand. Sein Sehwert hängt in der ITähe
des Grabmals. Die Bürger von Pskow hielten dasselbe in hoher Ver-
ehrung, alle ihre Fürsten wurden bei der Krönung in der Kathedrale
damit bewehrt. — Seitwärts von dem Grabmal Dowmont's befindet sich
das des h. Nikolaus Salos (S. 86). — In der Sakristei der Kathedrale einige
kirchl. Alterthümer, alte Stadtsiegel und Münzen der Stadt Pskow.
Ton den übrigen Kitchen erweckt keine ein hervorragendes
Interesse. Die kleine Kapelle am Markte wurde zum Gedächtniss
der während des Aufstandes 1650 gefallenen Opfer errichtet.
Von den alterthümlichen Häusern der Stadt verdienen be-
sondere Erwähnung das Gebäude der Intendantur -Verwaltung,
ehemals den Pogankin, einer nun erloschenen reichen , gefürsteten
Kaufmannsfamilie, gehörig, und das Trubinsky-Haus in altrus-
sischem Stil, 1856 theilweise durch Feuer zerstört. Von neueren
Bauten sind besonders das grossartige Oouvemementsgebäude und
das palastartige Priesteraeminar hervorzuheben.
88 BouttlO. LUOA.
5 km an der Welikaja aufwärts liegt das Dorf W]pbutika (Bh-
öyrcKafl), der Geburtsort der h. Olga.
Olga, ein einfaches Bauermadehen, wurde vom Grossfiirsten Igor
▼on Kiew, der sie auf einem Jagdausfluge kennen gelernt hatte, zu seiner
Gemahlin erhoben. Als Igor 945 im Kampfe gegen die Drewlier gefallen
war, führte Olga, eine Frau von hoher geistiger Begabung, bis 955 die
Regierung für ihren minderjährigen Sohn Swjätoslaw, Hess sieh dann
in Konstantinopel ^om Patriarehen Theophylaktes taufen, wobei sie den
Namen Helena erhielt, und wurde naeh ihrem Tode (969) heilig ge-
sprochen. Die russische Kirche feiert ihr Gedächtniss am 11. Juli.
Hinter Pskow folgen die unbedeutenden Stat. Toroichino, No^
woaselje und (644 W.) BJelaJa (BtMii ; Restaurant) weiter Pliissa,
Sserehranha und (708 W.) Loga (Jyra; ^Restaurant, 20 Min. Auf-
enthalt), Kreisstadt des Gouvernements St. Petersburg mit 1550 £inw»
Dann über Preohra$hensk , Mschiruk, Diwenak (Büffet), Ssiwerak
(Dorf Neu- und Alt-Saiwersk liegen r. von der Bahn am Flüsschen
Ordesch, das in den Luga fliesst) und Ssuida nach Gatachina.
Auf der ganzen Strecke von Dünaburg bis Gatschina bleibt dl»
Bahnlinie in der Nähe der grossen Wilna-St. Petersburger Chaussee^
welche durch Moräste und dichte Waldungen angelegt wurde, eines
der grössten Strassenwerke Russlands. Die Dörfer im St. Peters-
burger Gouvernement haben meist ein freundliches und wohlhaben-
des Aussehen ; die Bauernhäuser sind meist gelb angestrichen , mit
dunkelrothen Dächern und grünen Fensterläden. — Vielfach findet
man in den Dörfern Bewohner finnischen Stammes. Einige von
ihnen nennen sich Tschuchny's; sie sind erkennbar an ihrer hohen
ledernen pelzgefütterten Kopfbedeckung, die sie besonders im
Winter tragen ; auch Karelier haben sich hier angesiedelt.
Kurz bevor wir in den Bahnhof von Gatschina, am Südostende
der Stadt, einfahren, schneiden wir die Baltische Bahn, welche einen
Bahnhof auf der Westseite der Stadt hat. Eine Zweigbahn führt von
Gatschina nach (48 W.) Tossna, Station der Nikolai- (St. Petersburg-
Moskauer) Bahn (S. 248; Fahrzeit c. IV4 St.).
795 W. Chtttehina (FariHHa; s. S. 187), Knotenpunkt der Bahn
nach Reval (S. 69). Restauration, 6-10 Min. Aufenthalt. — 816 W.
Alcxandrowakaja, Nachdem die Bahn dann einen grossen Bogen
beschrieben, steigt 1. ein entfernter Höhenzug auf, welcher am Fin-
nischen Meerbusen gegen St. Petersburg verläuft und auf dessen
einer Kuppe die kaiserliche Sternwarte Pulkowa liegt (S. 188). L.
und r. einige reinlich aussehende Ortschaften (Pulkowa- und Niko-
laus-Colonie), Niederlassungen deutscher Golonisten. — Bald sehen
wir das goldene spitze Dach des Admiralitätsthurmes ; r. und 1.
mehren sich die Geleise, endlich halten wir im weiten Warschauer
Bahnhofe.
836 W. (886 km) St. Petersburg, s. S. 91.
G««^i^3ulmsfa3t^«Tr
f
89
Erklärung der Zahlen zum Plan von St. Petersburg.
1. Admiralität.,neue D 6
41.
2. „ , Haupt-
4. Adressen-Bureau
5.
6.
7.
9.
10.
11.
12.
D6
04
16.
17.
18.
Akademien*
Geistliche . . .
n , Röm.-kath.
Generaist. (Ni-
kolaus-) ....
8. Juri8tisehe( Mi-
litär-) E6
„ d. Künste . D 5
Hediziniscli •
Chirurg G3
„ d. Wissen-
schaften . . . . D5
„ „ (Museum
&Bibl.) . . . . E5
13. Armenhaus
(Stadt.) D7
14. Arsenal, Altes . G4
15. „ , Neues Artlll. H3
15a Artillerie -De-
partement ....
Bahahttfe.
Finnland!-
seher H3
Nikolai- (Mos-
kauer) H6
Peterhof (Bal-
tischer) . . . . E8
19. Zarskoje -
Sselo F7
20. Warschauer . E8
21. Bankfkaiserliche F6
22. Bibliothek, kais. G5
23. Börse £5
24. Botaniseher Gar
ten (Orangerie). F2
Benkmftler.
2d. Alexander I. . F5
26. Katharina II. . G6
27. Kutusow&Bar
clay de ToUy . F5
28. Krylow . . . . G4
29. Nikolaus I. . . £6
30. Peter I £5
31. PeferX Gö
32., Runganzow. . D5
33. Ssuworow. . EF4
34. Triumphpforte,
Moskauer : F9
35. „ Narwa'sche D9
36. Eremitage .... FS
37. Findelhaus . . . F6
38. Gasfabrik . . . . F8
39. Gefängniss (Li-
tauisch. Sehlofls) D 6
40. General - Gouv. . E 5}
4&
46.
£6
£6
Gerichtshof d.
£5 Mint. Bez.
£7 42. „ d. Marine
(Petersbg.Hafen) E6
17 43# Glasfabrik, kais. K7
rki44. Gouvernement . E6
„ (Civil-) . D67
Gostinny - Dwor
(Bazar) .... FÖ6
OeaeUaohaften.
47, Frei -Ökono-
misehe . . ,
Menschen-
freundliche ,
Wohlthätige
Hauptstab . . .
Holland, Neu- .
Intendantur -
Verwalt. (milit.)
Institute.
Inst, der Berg-
ingenieure,
Museum ....
Forst- Gl
Historisch -
philologisches £5
66. Chirur^sches . F2
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
65.
. F7
. G5
. ]>6
EF5I
. D6
£6
C6
67. Katharina- . . G5
58 Marien -
(weibl.) ... 14
Patriotisches . D5
Pawlowsky- . H5
Prinz Olden-
bnrg £ 3
62. Technologi-
sches F7
Thierärzt-
liches G3
Wegeverbin-
dungen . . . . F6
Xaaernen.
Araktsche-
jewsche .... 14
Artill. (I.Brig.) Gö
Ataman-Eegt. HI7
Chevalier -
Garde H4
Finnländ.Begt. C6
Gatschinsky-
sches-Regt. . . F7
Gendarmerie -
Div H5
Ismailow-Eegt. £7
Kasaken
(Garde-Eelter) 17
Konvoi .... H4
Krlm-Tataren
Eskadron ... 17
59.
60.
61.
63.
6).
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
73.
74.
75.
76.
77. Lokal-Truppen
78. Marine L . . . B6
79. „ n. .... D7
80. Invaliden ...El
81. Moskau -Eegt.
(Garde) . . . . G2
82. Pawlowsky-
sches Eegt. . . F5
83. Preobrashen-
skysches
Eegt. I. . H5
84. „ , n. . F5
85. I. Eeit. Art.
Brig. (Garde) . E7
86. Sapeur- Ba-
taillon (Leib-
Garde) . . . . H4
87. Ssemenowsky-
sches-Eegt. . . F7
Kathedralen.
88. Alezander
Newsky .... 17
89. Andreas- . . . D5
90. Erlöser (Preo-
brashensky). . G5
91. Kasansche . . . F5
92. Isaaks- . . . . E5
93. Nikolaus- ... £7
94. Petropawlow-
sky- F4
95. Spiridon- ... £5
96. Troizky- . . . F4
Kirchen.
97. Armenische . . F5
98. Auferstehung
Chr , D7
99. Englische . . . D6
100. Erlöser .... BS
101. Finnländische F5
102. Griechische
(Dmitry-K.) . H5
103. Himmelfahrt^ £6
104. Holländische F5
105. Katharinen D78
105a Grossmär-
tyrerin Ka-
tharina .... D 4
106. Katholische . D7
107. Kath. Katha-
rinen F6
108. Lutherische
109. „ h. Anna .
110. „ h. Katha-
rina . . .
111. „ Peter &
Paul . .
112. Maria Ver-
kündigung .
. P6
G.4
. F5
. D6
90
113. Methodisten
CAmerikan.) . E6
114. 17ikolaus . . . G6
„ H4
115. Panteleimon Gö
116. Reformirte
(franz.) . . F5
117. , (deutseh). E6
118. Sehwedisehe. F5
119. Ssmolensk.
Matter Gottes B4
120. Ssergius . . . G4
121. Ssimeon . . . G5
122. Troizkaja . . B6
123. Wladimir.
Mutter Gottes Q6
124. Fürst Wladi-
mir E4
Slöit«r.
125. Alezander
Newsky ... 17
126. Ssmolny . . IK4
127. Kollegium,
rom. kath. . . . E7
128. Kommandantur G5
129. Konsistorium
(geistl. recht-
glaub.) 16
130. Kontrolle, kais. £6
KrankenhAnaer.
131. Alexander- , GS
132. Augen-. . . . G5
133. d. deutseh.
Gesellseh. . . 14
134. Evangelisch. G4
135. Entbindungs- D7
136. Kalinkin- . CD7
137. Kinder -
(städt.) . . . . E7
138. Klinik . . . . G3
139. Marien- . . . G5
140. Maria Magda-
lena D4
141. Maximilians- E6
142. Kikolaus(Gei-
steskranke) . D6
143. Obuchow- . . F7
144. Heil. Olga- . 14
145. Petropaw-
lowskysches . F2
146. Städtisches . K4
147. Manage d.
Garde-Beit.
Artillerie . . H5
148. „.Chevalier-
Garde .... H4
149. „ Garde-Beit.. E5
150. „ Michael- . . GS
151. Markt Alexan-
drowsky . . H6
152. „ Andrejew- {
sky D5
ST. PETERSBURG.
153. Markt Apraxin. F6
1Ö4. „ Krugly . . . FÖ
155. „ Litowsky . DE6
156. „ Mjasnoi
(Jamskoi). Gd7
157. „ Nikolsky . . B7
158. „ Pustoj . . . . H5
159. „ Schuklm
(Marien-) . . F6
160. „ Sj&nnaja
(Heumarkt). F6
161. Ministerium d.
Auswärtigen F5
162. „ d. kais. Do-
mänen . . » E6
168. K d. Finanzen. F5
164. „ d. Innern . . F6
166. „ d. Justiz . . G5
166. ft d. Krieges . E5
167. ,, d. Unter-
richts . . . . F6
168. „ d. Wegever-
bindungen . E7
169. Münze F4
170. Museum
(Artillerie). . EF4
171. Pageneorps . . F6
Pauste.
172. Anitsohkow . G6
173. Helena Paw-
lowna . . . . F5
174. Jelaginsky . . Cl
175. Kamenno-
Ostrow ....El
176. KatharinenhofC8
177. Konstantin-
Nikolaje-
. witsch (Mar-
mor) F4
178. Maria Kikola-
jewna .... £6
179. Michael-
(alter) . . . . G5
180. Michael,
(neuer) .... F 5
18t. Michael mko-
laje witsch . F45
182. Nikolaus Ni-
kolajewitsehD£6
183. Peter d. Gr.
(Haus) . . F4
184. „ (Schlöss-
chen) . . . G4
185. „ (in Pe-
trowsk) . . B3
186. Taurisch^r. HI4
187. Winter- . . EF5
183. Wladimir
Alexandro-
witsch .... F5
189. Postamt
(Haupt-) .... £6
190. Post (Filiale) . H5
Schulen.
191. Alexan-
drowsky
(k. Lyceum) . F3
192. Art. Techni-
sche G4
193. Baumeister . F7
194. Bereiter . . . G5
195. I. u. II. Milit.
Gymnasium . D3
193. I. Gymnas. G67
197. II. „ . . . F6
198. III. - . . . G5
199. IV. ^ (La-
rinsky) .... D 5
200. Handels-. . . G6
201. Junker- . . . D3
202. Konstantin
(MiUtär) . . . F7
203. Marine- . . . D5
204. Michael-
Artillerie . G34
205. Nlkolaus-Ka-
vallerie . . . E8
206. Pawlowsky
(Militär) ... £5
207. Bechts- . . . G4
t?08. Seminar(geistl.) 17
209. Senat E5
210. Stab d. Petersb.
Militärbezirks . F5
211. Stadthaus
(Duma) F 5
212. Synod, heil. . . £5
213. Telegraph
(Hauptstat.) . . E6
Theater.
214. Alexandra. . G6
215. Kleines . . . F6
217. Cirkus . . . , G 5
218. Eremitage- . F5
219. Grosses ... £6
220. Kamenno-Os-
trow Dl
221. Marien- ... £6
222. Michael- . . . F5
223. Theatersehule . G6
224. Universität . . £5
225. Viehhof . . . . F8
226. Waisenhaus
Alex. Nikola-
^jewitsch ... £8
227. „ Ismailowsky-
sches £7
228. „ Prinz Olden-
bürg £8
229. Wasserlei-
tungsthurm . . 14
230. Werft K45
231. Zollamt, altes £45
232. Zollhof 16
III. ST. PETERSBURÖ UND UMGEBüMEN.
Boute Seite
11. St. Petersburg 91
Bahnhöfe. Guthöfe. Restaurant» 91. — Droschken
93. — Pferdebahnlinien 94. — Post und Telegraph
96. — Konsulate 96. '— Besuehsordnnng der SaMun-
' lungen ete. 98. — Tageseintheilung 100. — a. Admi-
ralitiit. Westlicher Admiralitätstheil 106. ^ b. Oest-
lieher Admiralitätstheil 113. — e. Efemitage 123. —
d. Kewski - Prospect 154. — e. Spass^scher und Ka-
san'scher Theil 160. — f. Liteinaja- und Koskauer
Theil 162. — g. Kolomenskaja- und Narwa-Theil 164.
— h. Roshdestwenfrkaj«- und Alexander-Newsky-Theil
166. — i. Wassily-Ostrow 168. — k. Die Festungs-
Insel und der Petersburger Theil 174. — 1. Die Inseln.
Staraja und JTowaja Derewnja. Der Wyborg'sche und
Oehta'sche Theil 176.
12. UmgebHngen von St. Petersburg . . . . . . . 179
1. Kronstadt 179. — 2. Oranienbaum 181. — 3. Peter-
hof 181. — 4. Skrelna und Ssergiew . Kloster 185. —
5. Krassnoje-Sselo und Gatschlna 186. — 6. Tscbesma.
Pulkowa 188. — 7. Zarskoje-Saelo. Pawlowsk 188. —
8. Schlüsselburg. Der Ladoga-See 195. — 9. Parga-
lowo. Forstinstitut. Tokssowo 197.
11. 8t. Petersburg.
Ankunft. Am Landeplatz der Dämpfboote, sowie an den Bahnhöfen
stehen die Wagen der besseren Hotels bereit. Die Gonducteure spr€|<chen
meist deutsch und übernehmen auch die Besorgung des Qepäeks. Über
Abfahrt und Ankunft der Eisenbahnen und Dampfschiffe orientirt man
sich bei dem häufigen Wechsel der Fahrzeiten am besten in einem der
kleinen JSpuinik (GnyTHKK'b, Führer) ivl 10*15 Kop.
Bahnhöfe. St. Petersburg hat 5 Bahnhöfe :
1. Baltischer Bahnhof (auch Peterhof scher genannt, PI. 16, E 8)
auf dem südl. Ufer des neuen IJmfassungsgrabens (Xowo Ofowodny-Kanal))
für {Reval, Baltischport, Dorpat (s. B. 9), sowie für Peterhof und Oranien-
bäum (s. R. 13, S. 181), für Krassnoje-Sselo, Gatschina (8. 186, 187) und
weiter nach Tossna (s. R. 10, S. 88).
2. Warschauer Bahnhof (PI. 20, E 8), in der Verlängerung des Is*
mailowsky-Prospects, neben dem Baltischen Bahnhof, für Warschau (Riga,
Libau) und Deutsehland s. S. 1 und 85).
3. Zarsko-Sselo*scher Bahnhof (P1.19, F7), am Sagorodny«
Prospect, für die Bahn St. Petersburg^Zarskoje-Sselo-Pawlowsk (s. S. 188).
4. ITikolai-Bahnhof (PI. 17, H6) am Snamensky-Platz, Newsky-
Prospect, für Nowgorod, Ryblnsk, Twer, Rshew und Moskau.
5. Wiborger oder Finnländischer Bahnhof (PL 16, H 3) auf
der Wiborger Seite nahe der Aleicander-Brücke , für Wiborg , Helsingfors,
Hangö, Abo und Tammerfors.
Oail^öfe (vgl. Einl. S. xxiv): »Hot. de TEurope, im Centrum der
Stadt, Ecke des Ifewsky-Prospects und der Michaelstr. (PI. F5), I. Ranges,
mit entsprechenden Preisen, M. I1/2 R- Lesezimmer mit vielen Zeitungen.
*H6t. de France, Bolsehaja Horskaia-Str. 6 und Moika-Quai 51, gute
Küche. *Belleyue, gegenüber von dem Hot. de France. GrandHötel,
Halaja Morskaja-Str. 1», wird gelobt. »Gr. Hot. de Paris, in der-
92 Route 11. ST. PETERSBURG. Restaurant»,
selben Strasse vP 23, viel von Franzosen besucht. *Hdt. d^Angleterre,
Wosnessensky-Prospectr gegenfibtr der Isaalcskathedrale , nicAi theuer,
z. Th. deutsche Bedienung, Z. I1/2 B., F. 40 Kop., H. von 1 B. an. Hotel
de l*Ours, Newsky-Prospeet. Hdt. Dagmar, Bolschaja Ssadowiga-
Str. nahe dem Newsky - Prospeet , nicht theuer, wird gelobt. Hot. de
Bus sie, Moika-Quai bei der Bothen Brücke (Krassny Most, PI. F6},
nicht theuer. Hotel Kaiser, auf Wassily O trow. deutsch. Gr.-Höt.
du Kord, am Nikolaibahnhof. — Ganz russische Hotels sind : Moskwa,
Balabin u. a.
OhambrM farniea (sog. Nummern^ vgl. Einl. S. xxiv) findet man in
St. Petersburg in grosser Anzahl, die billigsten 6-10 B., elegantere bis zu
100 B. monatlich. Die besten auf dem Newsky-Prospect (Haus des Fürtien
Mj€»ehUchersk^j Longiinn» in der Nähe der Passage, Gtaiun<n» Nr. 60 gegen-
über dem Anitsehkow -Palais, JT. Oonet Nr. i4, Haus LichaUeheff bei der
Anitsehkow-Brüeke).
Beatanrants (vgl. S. xxv). Die Petersburger Bestaurants sind meist
in den Händen von Franzosen oder Deutsehen und entbehren ganz der natio*
nalen Eigenthümlichkeiten, welche die Moskauer sog. Traktirs (TpaKTHpi,
s. Einl. 8. xxv) auszeichnen. Die meisten werden morgens erst um
8-81/2 Uhr geöffnet. Die namhaftesten sind : Cubat^ Poncet und P i -
vato (ital. Küche) in der Bolschaja Morskaja, sehr gut aber sehr theuer ;
Benault im Hot. de France. — Auf dem Newsky - Prospect : Bestaur.
Tatare Nr. 3, theuer. II. Banges: *Le inner, bei der Polizeibrücke,
nicht theuer, deutsche Bedienung ; daneben Lejeune, Aussieht auf den
Newsky- Prosp. ; Dominique, gegenüber der Kasanschen Kathedrale,
besuchtes Frühstückslocal ; ^Mildbrett, Kirpitschny Pereulok , unweit
der Moika ; Solowiew, kl. Stallhofstrasse ; D o n 0 n , an der Moika, un-
weit der Sängerbrücke, gut aber theuer. Von kleineren deutschen
Bestaurants sind zu empfehlen: Spangenberg, Bolschaja Morskaja,
Haus Thur \ S i e b e r t , Kasanskaja, gegenüber Stolärny-Pereulok ; Wild,
in der Ssadowaja, am Newsky-Prospect.
Die einzigen kussischbk Speisbhausbr (Traktirs), in denen bessere
Gesellschaft verkehrt, sind: Maly Jarosiawea, neben Hdt. de France;
Palkin senior. Ecke des Newsky- und Wladiinirsky-Prospects, präch-
tig eingerichtet, mit zwei grossen russischen Orgeln.
Oonditoreien. Auf dem Newsky-Prospect: Bormann und Conrad!
an der Pölizeibrücke^ Babon an der Kasanschen Brücke ; Ballet, Ecke
der Malaja Ssadowaja-Str. (gute Ghocolade)^ Wickel, gegenüber der
Anitsehkow-Brücke (Kuchen und Torten). Kotschkurow, Ecke der
Bolschaja Italianskaja-Str. und des Michaelplatzes, bestes Gonfect. B errin,
Malaja Morskt^a-Str. (Eis).
vereine nna Klnbe. Um sieh für den Mangel öffentlicher Vergnügungs-
lokale schadlos su halten, haben die Petersburger eine Menge Klubs er-
riehtet, die nach der Zahl und dem Bange ihrer Mitglieder in grösserem
oder geringeren Ansehen stehn (s. S. xxvi).
1. Der Englische Klub (AnrnftcxiA njryfo) , Grosse Italjanakaja
n^. 13, gegründet 1770 durch einen englischen Kaufmann Gardener mit
Autorisation der Kaiserin Katharina II. Klub der Aristokratie, der hohen
Beamten u. s. w. ; französische Sprache vorherrschend. Einführung von
Gästen gestattet. Gute Diners.
2. Der Bürgerklub (Bioprepi K4.), im Demidow-Pereulok, auch
Sehuster-Klub nach seinem Gründer (1772) genannt: Vereinigungsort der
Deutschen , gute , nicht theure Küche , vorzügliche Weine ; deutsehe Zei-
tungen und Zeitschriften. Nur für Herren.
3. Der Tanz -Kl üb (I Gr. Her. oÖoiecTBeHHoe coCpanie), an der Blauen
Brücke, Haus Jakuntschikow , von den Deutsehen 1789 organlsirt; im
Winter Bälle, im Sommer gesellige Zusammenkünfte in einem hübschen
Garten auf Kamenny-Ostrow. Dreimal in der Woche Concert; Abends
ist der Garten lUuminirt. Der Klub verfolgt auch Wohlthätigkeitszwecke.
4. Der Commerz-Klub (KoMxep^ecuJi u.), am Englischen Quai,
zwischen der Englischen Kirche und der Nikolaus-Brücke, 1785 gegründet,
Sammelplatz der reichen Kaufleute : häufig Bälle, vorzügliche Diners und
Droschken. 8T. PETERSBURG. 11, Route, 93
Table d*hdte an Börsen^Tagen (Di. 7r.). Eingeführte Fremde können gegen
einen Beitrag von 15 R. für die ganze Zeit ihres Aufenthalts in St. Peters-
burg alle Vergnügungen des Klubs mitmachen. Deutsehe, englische und
französische Zeitungen im Lesezimmer. Hohe Preise.
5. Der Adels^Klub (^BopaHCRoe coöpanie), in der Michailowskaja:
1836 gegründet. Ebendaselbst der landvfirihschafilicheKlvh. — 6. Die Adels-
geseilschaft (BJKaropoffHoe coGpanie), am I^ewsky - Prospect , Haus
Jelissejew, 1783 gegründet vom Fürsten Dolgomky. — 7. Der Klub der
russischen Kaufleute (Kyne^zecKifi KiyOi) am Kewsky-Prospect, nahe
der Kasan-Brücke, Haus Olehin. Hohe Preise. — 8. Der Yachtklub
(MopCRoft Amiury&b}, an der Gr. Horskaja, Haus Labanow. — 9. Der
Fluss-Yaehtklub (Ps^noft flxri rji.) hat seine Winterstation im Jussu-
powo Garten (8. 161), seine Sommerstation auf der Krestowsky - Insel
(8. 177). Der Klub besitzt 150 Tackten, Boote, etc. Im Juli Regatten. —
Ausserdem exlstirt ein Dentseh«r>Handwerker-Klub, „die Palme%
der aber die veraehiedensten Stünde umfasst, in der Maximilianowskaja
n° 30 (im Sommer in der Bavaria, 8. 177); ein Commis-Klub, am
Wladimir-Prospect, etc.
DvMokken (vgl. S. xx). In 8t Petersburg glebt es ungefähr 25,000
öffentliöhe Fuhrwerke iltw&$ehuehik^ HsBon^mca, was der Name sowohl für
das Gefährt wie für den Kutscher ist). Allerdings ist in St. Petersburg
das Fahren nicht Sache de« Vergnügens und des Luxus allein , sondern
bedingt durch die ausserordentlichen Entfernungen ; selbst die vom Markte
heimkehrenden Dienstboten, die zur Arbeit ausgeschickten Handwerks-
gesellen sind zur Benutzung von Fuhrwerken gezwungen. Wie aleo viel«
leicht nirgends so viel gefi^en wird wie in St. Petersburg, so wird auch
gewiss in wenig anderen Städten so schnell gefahren. — Die Petersburger
Droschki^s haben trapezoidale Sitze und nur für knapp 3 Personen
Baum, in der Regel auch kein Verdeck zum Aufschlagen bei Regen-
wetter. Daneben giebt es aber auch kleine Kutschen und Kaleschen
nach Art der Moskauer, bequemer und bei schlechtem Wetter Schutz ge-
während, sowie zwei- und viersitzige Zweispänner. Die eigentlich na-
tionale Troika (Dreigespann, TpoftKa; der Kutscher helsst Jäm$chUchik^
Sban^vh) findet man besonders im Winter, wo alles auf Schlitten fahrt:
das Mittelpferd, ein kräftiges Thier, lauft In der Gabel und dem
Bügel, die beiden Aussenläufer, mittelst des verkürzten äusseren Zügels
scharf ausgebunden, dagegen in der Wildbahn und galopplren fortwährend
rechts und links, während das Mittelpferd nie aus dem schärfsten Trabe
fallen darf.
Eine obrigkeitliche Taxe für die Benutzung der öffentlichen Fuhr-
werke vom Bahnhof in die Stadt ist zwar an den Bahnhöfen angeschlagen,
wird aber selten eingehalten \ für Fahrten in der Stadt existirl eine Taxe
zur Zeit nicht, so oft sie auch in Aussicht gestellt wurde. Eine Ver-
ständigung mit den Iswoschtschiks , die durchweg nur russisch sprechen,
ist trotzdem nicht schwierig (s. S. xx). In der Regel erhält eine ein-
tiizige Petersburger Droschke für eine kurze Fahrt in der Stadt 20^30 Kop.
Beisende, welche viel Gepäck haben und sich nicht der Hotelwagen be-
dienen wollen, accordiren am besten mit dem Iswoschtschik einer vier-
sitzigen Equipage oder überlassen noch besser die Bezahlung dem Por-
tier des Hotels. Moskauer Kutschen und Kaleschen sind theuerj pro Tag
zahlt man für sie nach Uebereinkommen 21/2-3 und mehr R. Für längere
Fahrten in der Stadt, wie für Excursionen kann man zweispännige Equi-
pagen in der Stadt erhalten (c. 10 B. pro Tag). Vom Standplatz eenom-
mene Zweispänner fordern für eine Fahrt diesseit der Kewa l-iVsR«>
jenseit der Kewa II/3-2 B., zu den Inseln 2-3 B., für 4-6 St. 3-5 B., für
den ganzen Tag 6-10 B., für die Nacht 3-5 B., excl. 20-25 Kop. Trinkeeid
bei längeren Touren, für die Woche 35-50B. — Die Trotken^ gewohn-
lich nur an Sonn- und Festtagen an bestimmten Standorten anzutreffen,
•ind erheblich theurer Qe nach Dauer der Fahrt 5-15 B. und Trinkgeld für
den Jämsehtsehik). — Im allgemeinen sind die Preise starken Schwan-
kungen unterworfen, je nach der Jahres- und Tageszeit und dem Wetter,
auch steigt der Preis an Sonn- und Festtagen.
94 Route 11. ST. PETERSBURG. Tramways.
Tr^mwayt* Die Stadt ist fast naeh allen Richtungen von Tramway-
Linien durebsehnitten und mit den Inseln und der Umgegend verbunden.
Die Hauptlinien sind folgende (vgl. die blauen Zahlen auf dem Plan S.91.):
I. Vom Snamenskff- Platz (PL H6) über den Kewsky- und Sehlüssel-
burg^schen Prospeet am Alexander-Kewsky-Kloster vorbei nach Muf^nka
(Fl. K8)i Interieur 30, Imperiale 12 Kop.
9. Vom BaUisehen Bahnhof (PL £8) am Warschauer Bahnhof vorbei
über den Ismailowsky- und Obuchowsky-Prospect zum Sewnarkt (PL F6);
6 u. 4 Kop.
3. Vom Michaeltplatz (PL F5) durch die Ingenieurstr. , Ssimeonow^
skaga, Basseinaja, Konnogwardejskaja bis zum Smolnjf -Klo$t«r (PL K4s)(
6 u. 4 Kop.
4. Vom Bolichoi^Prosptet auf Wassily-Ostrow, Erste Linie (PL D 5) bis
zum QaUerMhafen (PL B6); 6 u. 4 Kop.
5. Vom NetPtkif ' Proipect (PLH6) über die Snamjenskaja<8tr. und
Wosskressensky-Prospect bis zum Quai Oagari» (PI. H 4) ; 6 u. 4 Kop.
6. Von der Miehaetstratte (PL F6) über die Tlroizky- Brücke bis zum
Zoologitchen Garten (PL E4)-, 13 u. 8 Kop.
7. Vom Kalasehnikov-Hinfen (PL 16) am Ligowka - Kanal entlaag über
die Basjeskaja-8tr. bis zur Ecke der Jioil^tnkaja und Kabinetttt^a-Str»
(PL G6); 6 u. 4 Kop.
8. Vom Alexanderpark (PL £4) bis zum Kreetowekp -Traitir (PL C^\
6 u. 4 Kop.
9. Von der Oehta'eehen üeberfahrt (PL K4) am Ligowsky- Kanal ent-
lang bis zur Zarskoje'Sselo • Bt^n (PL G 7) ^ 6 u. 4 Kop.
10. Von der Wfborger Seite bei der Älexanderbrüeke (PL G4) über den
Liteiny-, Wladimirsky- und Sagorodny-Prospeet bis zum Technolog. Institut
(PLP7)5 6 u. 4 Kop.
II. Vom Villi4*$ehen Honpital (PL G 3) durch den Ssamssoniewsky-pro-
spect bis zum ForttinttUut (Liäsnoj Korpus); 8 u. 6 Kop.
13. Von der Narwa* sehen Triumphpforte (PL CD 9) über den Peterhofer
und Katharinenhofer Prospeet bis zum Nikolausplatz (PL £6, 7) ; 6 u. 4 Kop.
13. Von der AdmirnHUlt (PL E5) den Xewsky-Prospect hinauf bis zur
Nikolaihahn (PL HB); ö u. 3 Kop.
14. Von der Admiralität (PL £5) über den Admiralitätsplatz, Konno-
Gwardejsky- Boulevard, Ifikolaibrücke bis zum Ifewa-Quai auf WastUy-
Ostrow (PL D 5) : 5 u. 3 Kop.
15. ist aufgenoben.
16. Von der Zarskoje -Sselo -Bahn (P1.F7) am 29'owo-Obwodny-Kanal
entlang bis zur Estlandskaja (PL G8); 6 u. 4 Kop.
17. Vom Heumarkt (Sjannaja Ploschtschad, Fl. F6) über den Obuchow-
schen und Sabalkansky -Prospeet bis zur Moskauer Triumphpforte (PL F9);
6 u. 4 Kop.
18. Vom Ädmiralitätsplais (PL £5) über die Palaisbrücke, Erste Lini«,
Tutschkowbrttcke, Bolschoj -Prospeet der Petersburger Seite bis zum JTa*
mennO'Ostrowsky- Prospeet (PL £3); 6 u. 4 Kop.
19. Von der Michaelstrasse (PL F 5) beim Harsfeld vorbei über die
Troizky-Brücke , Alexanderpark, Kamenno-Ostrowsky-Prospect, Stroga-
nowbrücke bis Notoqja Derevmja (PL £ 1) ^ 13 u. 8 Kop.
30. Von der Finnland. Bahn (PL H 3) längs der Xewa bis zur Ochtensky-
Überfahrt (PLK4)-, 6 u. 4 Kop.
31. Vom Moskauer Bahnhof (PL 17 : H6) nach dem Sehlilsselburg-Prospekt
(PLIK7);20u. 18 Kop.
33. Von der NartoßUchen Triun^hpforte (PL CD 9) bei der Putilow*schen
Eisenfabrik vorbei bis zum Dorfe Emilianowka% 6 u. 4 Kop.
33. Von der Estlandskaja -Str. (PL G7) über den Rishsky-Prospeet bis
zum Technolog. Institut (PL F 7) ; 6 u. 4 Kop.
34. Vom Newsky 'Prospeet (PL G5) durch die Bolschoj a Ssadowig«^ 1>^
zur NikolßjetfbrUcke (PL £ 7) ; 5 u. 3 Kop.
35. Von) SsmoUnsker Friedhof (PL C4) über den Maly-Prospect, Erste
Linie, Palaisbrücke bis zum Admiralitmplaiz (PL £5); 6 u. 4 Kop.
Post u, Tütgraph. ST. PETERSBURG. 11, Route. Ö5
26. Vom Simolentker Friedhof (PI. G4) über die 8. und 9. Linie bifl zur
NikQlaibrücke (PI. D5)^ 6 u. 4Kop.
37. Von der KeUvtBtkaiß (FL 1)3) auf der Petersburger Seite über die
Sspasskaja-Str. bis zum Grossen Fro$peet (PI. B3, 4); 6 u. 4Kop.
28. Von Nowßja Derew^ja (PI. B 1) bis SUsrßjtt Dtrtwns^ (PI. 0 1) ; 6 u. 4 K.
29. Von der BlagowjäsehUfihenikßitk'Kirehe (PI. 6: D4) beim Warsebauer
Bahnhof yorbei zum BoMzehtn Bahnhof (Pl.Ed}^ 6 u. 4Kop.
30. Vom MichatUplatt (PI. F5) über die Troitzky- und Ssamstoniew-
sky-Brüeke auf die Wyborger Seite, beim Villi^^sehen Hospital vorbei bis
zur Finnland. Bahn (PL H3); 12 u. 8Kop.
81. Von ^ax Stroganouibmeke (PL El) längs der Tscbornaja BJätscbka
bis zur Station Lanfioi; 6 u. 4 Eop.
Die Tramways fahren Ton 8 U. Vm. bis 10X7. Ab.^ im Sommer und an
Feiertagen auch später. Ausser denselben gehen OmnUmt in fast allen
Strassen; beide werden von den besseren Ständen wenig benutzt.
Sampfbeote* Die wichtigsten regelmässigen Dampfverbindungen sind
folgende :
1. Vom linken Newa-üfer unterhalb der Nikolaibrüeke zur 11. Linie
auf Wassily-Ostrow; 2 Eop.
2. Vom Senat zur 1. Linie auf Wassily - Ostrow ; 2 Eop.
3. Von der Palaisbrücke zum Mutnij-Pristan (Zoolog, darten); 2 Eop.
4. Von der Palaisbrücke zur Tutsehkow- Brücke; 5 Eop.
5. Von der Gagarinskaja zum Häusehen Peter^s des Grossen (Peters-«
burger Seite); 2 Eop.
6. Von der Finnländisehen Bahn im Anschluss an Abgang und Ankunft
der Bahnzüge zu der 11. Linie Wassily-Ostrow : 20 Eop. ; zum Alexander-
Garten, Börse: 15 Eop. ; zum Sommergarten u. Hoschkow-Pereulok : 10 Eop.
7. Vom Sommergarten aus stündlieh nach der Apothekerinsel (S. 176),
Tschornaja Bjätschka, l^owaja Derewnja (Arcadia), Eresstowaky-Ostrow
(Yachtclub) : 20 Eop.
8. Auf der Fontanka, von der Sommergarten- und Kewa-Ecke zur
Ealinkinbrücke, alle 10 Hin. (Haltepunkte: Panteleimon-, Ssimeonowski-,
Obuchowski-, Ismailowski-, Egipetski-Brücke) : 5 Eop.
9. Auf dem Eatharinenkanal, von der Easan^schen bis zur Ealinkin-
Brücke, von 7 U. Vm. bis 10 U. Ab. fast alle 5 Min. (Haltepunkte: Ea-
mennlj-, Wossnessensky*, Charlamow-, Kikolski-Brücke) : 3 Eop.
Die Abfahrtszeiten der Dampfer nach Peterhof (S. 181), Eronstadt
(S. 179), Schlüsselburg (S. 195), Lachte (S. 198), Strelna (S. 185), wechseln
sehr häufig; man findet die betr. Angaben in der (russ.) Polizei-Zeitung,
die in jedem Restaurant ausliegt.
Fett und Telejrraph. Das Hauptpostamt in der Postamtstrasse (Potscht-
anUsky Pereulok; PL 189, E 6) nahe der Isaaks - Kathedrale : geöffnet an
Wochentagen 8-4 Uhr, Sonn- und Festtags (mit Ausnahme des Oster-
sonntags) 9-1 Uhr. Die Nebenpostämter in den verschiedenen Stadttheilen
sind nur 8-2 Uhr, Sonn- und Festtags 8-11 Uhr geöffnet. Briefbestellung
findet bis Abends 6 Uhr statt. — Das ffaupitelegraphenamt (PL 213, £ 6),
gleichfalls in der Potschtamtskaja, ist geöffnet von 9 Uhr Morg. bis 9 Uhr,
im Sommer bis 11 Uhr Abends (Stadttelegramme bis zu 20 Worten 20 Eop.)«
Ausserdem gibt es Telegraphenstationen in allen Stadttheilen.
^ienatmAnaer (Possilnpy Artelschtschtk) in der Nähe aller grossen Gast'
höfe und in den Hauptstrassen. Die /. St. Petersburger IHenstmänner haben
schwarzen Paletot, gelbes Bronzeschild und gelbe Knöpfe, die städtischen
JHenstmänner dunkelblaue Easaka, weisses Metallschild an der rothen
Mütze. Gewöhnlicher Gang oder kleines Packet 20Kop., bei weiteren Ent-
fernungen 40 Eop. — Bureaux in der Nadeshdinskaje Nr. 20 resp. Ma-
neshny-Pereulok Nr. 1.
Dentaehe Svehhandlongea : A. Beübner (R. Hoenniger), Newsky-Pro>
speet 28; Sg^ers ds Co, (Th. Stenge), ebenda 11, zwischen Bolschija und
Maliga Momki^a; iTraits, Liteiny - Prospeet 25; französische: Meüier A
Co., an dar Polizelbrüeke ; deutseh, französisch und russisch ; F, BieUspag*,
am Gostinny^Pwor; B. Jt» Wolff, ebenda 18-20; Krvg, Wassily-Ostrow,
Kadetsk^a Linie.
96 Route IL ST. PETERSBURG. Oesandtschaften,
Bankaa «ad BMüden: Kaiseriiehä Bank in der BolsehajA Ssadowaja
(PI. 21, F 6) ; PeUnburger Handelsbank^ Engl. Qvai 18 ; Gegenseitige Creditbetnk,
Kasansche Brücke u. v. a. E. M, Meyer * Co., Engl. Quai SO; Wpneken^ Co.,
Ebenda 36 ( Junker ä: Co.^ Newsky - Prospeet , Ecke der Grossen Stallhof-
strasse; Oüntbwrg, Boulevard der Garde su Pferde, 17; Internationale Bank,
En^l. Qnal, Oridit JLyonnais, Moikaqnai an der Polixelbrücke u. v. a. Ge-
schaftsstunden durchgehends 10-4 Dhr, Kaiserliehe Bank 11-3 Uhr.
Bäder t Woroniny Fonarnij Pereulok u. Basseinaja, sowie in allen
Strassen ; vergl. Elnl. S. xxix.
Aente (Wratschi, BpaiH): Bartsch, OfflzerskaJ« - Str. Nr. 3; Bester,
Sagorodnjr-ProBpeetOe; Boikin, Galernaja-8tr. 77; Biehwadt, Basseinaja 8;
Zdekauer, Liteiny-Prospect 43. — Brast und Halskrankheiten: Ettinger,
Fontanka-Quai 2; Karrik, Ecke des Kewsky-PrMpeets und derBolsehaja
XorskaJa, Haus Pastuehow; Bauch/uss^ im Hospital des Prinsen v. Olden-
bürg ; Moritt, Newsky-Frospeet 5. — Ein ErktmcUgungeeomptoir für Kranken-
häuser, gegründet xu schnellerer Beschaffung freier Plätze für Kraaike,
befindet sieh im Gebäude des Obuchow^schen Krankenhauses (S. 164). —
Evaamelisehes Krankenhaus, s. S. 168.
Apotheken (Anrexa, kenntlich an grossen, mit farbigen Flüssigkeiten
gefüllten Vasen) : Schapiro, Ecke Kewsky-Prospect und Grosse Morskaja ;
Oeiseler, Newsky- Prospekt 107, an der Anitsohkow « Brücke ; Borgmann,
l^ewsky - Prospekt 28, an der Kasan • Brücke ; Kronenapotkeke , Theater-
Strasse; Wulff, Liteiny-Prospect 5 ; Bomöopathische Apotheke: Gorochowaja,
nahe derBolsehaja Morskaja: Friedländer, Gorochowaja, bei derSteinernen
Brücke, u. v. a.
Gesandtschaften und Censulate. Deutches Reich: Ecke der Bolsehaja
Horski^a (n^ 41) und des Isaaksplatzes CF1-S6); Consulat: Galeeren-
Strasse 8; Yiceconsulat : Foststrasse 6. — Baitm: Poststrasse 8. — Belgien:
Harsfeld n^l; Consulat: Bolsehaja Morskaja 37. — Frankreich-. Dwortzo-
waja Nabereshne 18; Consulat: Ssergijewskaja 19. — Qrosibritannien :
Palast -Quai, Haus Soltikow 4; Consulat: Wassily-Osstrow I.Linie 28. —
Niederlande: Engl. Quai 76; Consulat: Wassily - Ostrow , Mittlerer Pro-
spectSO. — Oesterreich-Ungam: Englischer Quai 52; Generalconsulat : Sser-
gijewskaja 10. — Schweden und Norwegen: Potschtamtskaja 11; General-
consulat: Wassily- Ostrow, 8. Linie, Haus Sterki. — Schweiz: Troliky Pe-
reulok 3. — Würtemberg: Quai Gagarin 18.
Polisei. Oberpolizeimeisier (GGepi-nojmfeftxeficTepi), Erbsenstr. (Go-
rochowaja) 2. — Polixei-Äbtheilungen : I. Bolsehaja Ssaaowaja 48 ; II. Katha-
rinenhof-Prospect. — Politeiseetionen : I. Offizierstrasse 13; II. Furschtadt-
skaja 17; Ill.Wassily-Ostrow, 8. Linie. — TJeber Pass, Aufenthaltsschein etc.
8. Einl. S. XIII (Passbureau: Moika 113).
Kirohen. Griechisch-katholische Kirchen finden sich fast in jeder
Strasse. Die sehenswürdigsten sind weiter unten beschrieben. TJeber
den russischen Gottesdienst und die dabei zu beobachtenden Formalitäten
sowie über das Benehmen Fremder in russischen Kirchen s. Einl., S. xv.
Protestantische Kirchen: Luth. St. Peterskirche am Newsky-
ProBpect zwischen der Bolsehaja und Malaja KonjuschenmO^ C^' ^^U
F5 u. 8. 156). — Holländische reform. Kirche am Newsky-Prospect 30 (PI.
104, F5 u. S. 156). — Sehwedische evang. Kirche, Malaja KonjuschennlÖ» 1
(PI. 118, FÖ u. S. 156). — Finnische evang. Kirche, Bolsehaja Konjuschen-
naja 4 (PI. 101, F5 u. S. 156). — Estnische Kirche in der Offizierstrasse
(PI. E6). — Lettische Kirche in der Nähe des Zarsko-Sseloschen Bahnhofs
(PI. F7). — Französ.-reform. Kirche, Bolsehaja Konjusehennaja 4 (PI. 116,
F5 u. 8. 156). — Neue deutsche reform. Kirche in der Bolsehaja Morskaja,
an der Moika in der Nähe der Postamtbrücke (PI. 117, E6 u. S. 111). — Luth.
Pfarrkirche zur heil. Anna zwischen der Furschtadtskaja und Kiroisehnua
(PI. 100, &4). — Luth. Katharinen -Kirche auf Wassily-Ostrow, 1. Linie 20
(PI. 110, D5). — Englische Kirche am Englischen Quai (PI. 99, D6 u. S. 112) ;
Gottesdienst So. 11 u. 4 Uhr. — AmerikanUeh-englische Methodistenkirehe in
der neuen Isakjewskaja unweit der Post (PI. 118, E6; 8. 111).
Komisch • katholische Kirchen. Die kath. Pfarrkirche
dor
Theater, . ST. PETERSBUBG. Ih Raute. 97
A. Katharina am Newsky-Proapeet unweit der Kasan-Brücke (Fl. 107, F5
a. 8. 167). — Pfarrürehe tum h, StamOaus im Kolomjenskaja-Stadttheil,
Ecke der Ualaja Masterskaja und Torgowaja (PI. 106, I>7). — Kaih. Pfarr-
kirche im römisch-katholischen Collegium an der Fontanka bei der Ismai-
lowsky^Brüeke (PI. £7). — Die Ptioratskirche des Malteserordens vom h.
Johannes zu Jerusalem (PI. F6 u. S. 160) im Pagenkorps, in der Grossen
Ssadowaja, gegenüber dem Gostlnny-Dwor. — Kath. Kapelle auf dem katho-
lischen Friedhofe auf dem Kulikowo-Felde (Wyborgskaja).
Armenische (Gregorianische) Kirche der h. Katharina am
Kewsky-Prospeet gegenüber dem Gostinny-Dwor (PI. 97, F6u. S. 168).
Kirohhöfe besitzt St. Petersburg 35, theils innerhalb der Stadt, theils
in der Nähe derselben. Jede Confession hat ihre eigenen Friedhofe.
In neuester Zeit sind in einer Entfernung von 12-17 Werst (mit Eisen-
bahnverbindung) drei grosse Central/riedhöfe angelegt.
Theater. In Petersburg sind 4 kaiserliche Theater, welelie einen be-
deutenden Zaschuss aas Staatsmitteln beziehen. Die Vorstellungen dauern
in der Regel von 7 bis 1 oder von 8 bis IU/2 Uhr. Im Sommer, von Mitte
Hai an sind die kais. Theater geschlossen. Zu besondern Vorstellungen
kann man sieh bereits mehrere Tage vorher Billets losen; an der Kasse
tritt dann bedeutende Preiserhöhung ein; die Preise wechseln nach der
Art der Vorstellungen , vgl. die Tagesanzeigen. Am Billetschalter wird
fransösiseh gesprochen.
1. Das Kais. Grosse Theater (PI. 219, E6 u. 8. 161), bis auf weiteres
geschlossen.
2. Das Kais. Marien- Theater (PI. 221, E6 u. 8. 161), für russische
Opern und Ballet. Es zeichnet sieh durch luxuriöse und geschmack-
volle Ausstattung aus und fasst 2(X)0 Personen. — Logen: 1. Bang. No. 1-14
gewöhnliche Preise 15, erhöhte Preise 18 R., die übrigen Plätze 14 u. 17 R.
Baignoire: 10, 12 u. I41/2 R., Bel-Etage: 14, 15resp.l7u. 18 B. ; 2. Bang:
10 oder Ti R. ; 3. Bang: mit Avant-Logen 71/2 u. 9 R., ohne Avant-Logen
6 u. 7 R.; Litera 8 u. 10 R.; 4. Rang: 6 u. 6 R.; Parket (je nach zu-
nehmender Entfernung vom Orchester) : & R.-2 R^ , resp. 7-2 B-. 50 Kop. ;
Baieon 8. Rane: 1 R. 56 Kop. u. 2R.; Seitenplätze: 1 R., 76, 50, 20 Kop.
resp. 1 R. 20, 90, 60, 25 Kop. Bei Benefizvorstellungen bedeutend erhöhte
Preise (Parket bis zu 25 R.).
8. Das Kais. Alexandra- Theater (PI. 214, G6 u. 8. 189), für russische
Dramen, an bestimmten Tagen auch deutsche Vorstellungen. Das Haus
fasst 1700 Personen. — Logen: 1. Rang und Bel-Etage: 9-l4 R. ; 2. Rang:
7-9 R.; S.Rang: 6-lOR.-, 4. Rang: 4-6 R. 50 Kop.; Parket (je nach Ent-
fernung vom (Jrchester): 6R. 50Kop.-2R.; Balcon: 1-2 B.
4. Das KaisJiichael- Theater (PI. 222, F 5 u. S. 121)^r deutsches und fran-
zösisches Drama n. Lustspiel. Das Haus fasst 1000 Personen. — Logen:
I.Rang: bei französischen Vorstellungen 16-24 R., bei deutschen Vorstel-
lungen 18-25 R. ; Bel-Etage : 16-24 R. resp. 9-16 B.; 2. Rang: 10-15 R. resp.
6 -IIB.; 3. Rang: 6-lOR. resp. 6-10 R.; 4. Rang: 6-7 R. resp. 4R.-7R.
50 Kop. ; Parket (je nach Entfernung vom Orchester) : 2-7 R. resp. 1 R.-
6R. 60 Kop.
Das Kaii. Kleine Theater (PI. F6), an der Fontanka, ist jetzt Privat-
nnternehmen. Operetten. Preise der Plätze t Logen : 1. Rang: 9 R. 50 Kop.-
36 R. 60 Kop. ; Bel-Etege: 10 B. 60 Kop. -30 R. 50 Kop.; 2. Rang: 4R.
60 Kop.-8 R. 50 Kop. ; 3. Rang: 4 R. 50 Kop.-6 R. ; Parket: 1-6 R. ; Balkon :
30 Kop.-l R. 76 Kop.
Panajew^sehes Theater (PI. E 6), an der Newa zwischen Senat und Palais-
brüeke, ausschliesslich für italienische Oper ; hohe Preise. — Theatervor-
stellungen finden ausserdem im Sommer statt: in Arcadia und Livadia
(8. 177) in Nowaja Derewnja', in der Bavaria (S. 177), Im Zoologischen
Garten (8. 176), in Oserki (S. 197), am Newsky-Prospect, u. v. a.
Oiroua Ciniaelli (PI. 217. G6) an der Fontanka, bei der Ssimeon-Brücke,
Litera-Logen für 6 Pers. 16 R. , Barriere-Logen für 4 Pers. 10 B., Logen
I.Rang für 4 Pers. 8R., Lehnstuhl 4 u. 3R., Stuhl 2 R., Balcon 1 B. 25,
75 u. 30 Kop.
Russland. 2. Aufl. "7
98 Boute 11. ST. PETERSBURG. Sehenswürdiffheiten.
Corsofahrten (Ouljanien^ ryxflHie) sind herkömmlieh am 1. Mai in
Katharinenhof (S. 165) , sowie während des Garnevals der Butterwoche
(s. Einl., S. xxviii) auf dem Marafeld (S. 119) und auf dem ScMoss-Quai ^an
der Kewa.
Besonders beliebte Vergnügungen während des Winters sind die
Sehlittenwettfahrten, Ssemenow • Platz , auf einer besonders abge-
steckten Bahn (3 Werst = l/v Meile) und die M9rut$eM}erge. Es werden
nämlich schmale Holzgerüste l0-15m hoch errichtet, die oben eine Gallerie
tragen, zu welcher man auf einer Seite auf hölzernen Treppen hinauf-
steigt, während auf der anderen Seite die Rutschbahn sich anlegt. Die-
selbe ist anfangs sehr steil, nimmt aber dann gegen den Boden zu an
Steilheit ab, und besteht aus zusammengefügten Bohlen, die mit grossen,
regelmässig zugeschnittenen Eisquadern belegt werden. Darüber giesst
man Wasser, so dass die einzelnen Schollen zusammenfrieren und die
Oberfläche spiegelglatt wird. Man setzt sich nun auf der Höhe des G-e-
rüstes auf einen schmalen Schlitten , der von einem rückwärts sitzenden
Führer geleitet wird und blitzschnell hinabschiesst. Am Ende der Bahn
ist Sand gestreut, welcher die Schlitten nach und nach hemmt. Die be-
suchtesten sind auf dem Marsfelde.
Orientirungafahrt. Für Fremde, die einen Ueberblick über die Stadt
in weitern Sinne, die Wyborgsche Seite, die Inseln etc. gewinnen wollen,
empfiehlt sich nachstehende Fahrt. Von der Admiralität (S. 106) über den
Newsky-Prospect (S. 154) bis zum Liteiny-Prospect (S. 162), 1. durch diesen
über die Alexanderbrüeke (S. 107) nach der Wyborger Seite, durch den
Ghrossen Ssamssoniewsky-Prospect bis zur Tlugow-Gasse, durch letztere am
Ufer der Grossen Kewka entlang^ vorbei am Stroganow-Park (S. 177), über
die Stroganow - Brücke nach Eamenny-Ostrow (S. 177), auf dieser durch
die Hauptallee (Restaurant *F6vre^ nicht billig) am Theater (S. 178) vorbei
über die 1. Jelagin- Brücke nach Jelaein - Ostrow (S. 177), über die neue
Brücke nach Krestowsky-Ostrow (S. 177), am russischen Traktir (S. 177)
vorbei über die Krestowsky-Brücke nach der Petersburger Seite, durch die
Gr. Grün-Sk-asse nach dem Grossen Prospect, über die Tutschkow-Brücke
nach Wassily-Ostrow (S. 168). Auf Wassily-Ostrow durch die 1. Linie, den
Grossen Prospect und die 17. Linie zur Kewa herunter, an dieser entlang,
vorüber am Seekadetten - Corps (S. 173) und über die Nikolaus - Brücke
(S. 112) zum Admiralitäts - Stadttheil zurück \ dann durch die Blagowjä-
sehtschenskaia (Maria Verkündigungsstrasse), den Boulevard der Garde zu
Pferde (S. 108), vorüber an der Isaaks-Kathedrale (S. 109) zum Admiralitäts-
platz. — Diese Fahrt beansprucht 3-4 St.
Betuchsordnung der Sammlungen und anderer Sehenswürdigkeiten t
Akademie der Küntte (S. 170) ; an heiteren Tagen 11-4 U. mit Erlaub-
niss des Conservators des akademischen Museums, im Hauptgebäude der
Akademie. — Kuiutaiuttellungen ^ worüber Genaueres in Betreff Dauer
und Besuch in den Zeitungen.
Akademie der Wissenschaften (S. 169) : SSoolo^isches Museum Mo. 11-3 U.
ohne Erlaubnisskarte. — Bibliothek täglich ausser Sonn- u. Festt. 11-3 V. :
im Juli nur Mi. 11-3 U.
Arsenal (S. 178) täglich, mit Erlaubniss des Artillerie-Departements.
Artillerie-Museum (8. 175) : Di., Mi. u. Fr. 2-3 ü. Erlaubnisskarte vorher
vom Artillerie-Departement (S. itö) einzuholen. Fremdländische Offiziere
müssen hier längere Zeit warten.
Bibliot?uk^ kaiserliche öffentliche (S. 158): zur Beschäftigung im allge-
meinen Lesezimmer^ täglich mit Ausnalime hoher Kirchenfeste, an Wochen-
tagen 10-9 U., an So. u. Festt. 12-3 U., ohne besondere Erlaubniss. Lese-
karten von dem dienstthuenden Beamten, gültig für das laufende Ka-
lenderjahr. Zutritt zu den Innern Sälen der Bibliothek und Beschäftigung
in den Bibliotheksabtheilungen behufs Benutzung von Handschrifteui, In-
cunabeln, Kupferwerken u. s. w. nur nach schriftlicher Entscheidung
durch den Director gestattet. Beim Lesesaal eine permanente Bibliothek
von Kachschlagebüchem. — Das Lesezimmer für Zeitschriften nur mit Er-
laubniss des Directors oder der Biblipthekare zugänglich. Im Journal-
Sehentwürdigkeiten, ST. PETERSBURG. 11. Route. 99
Eimmer erhalt man eine Karte, ohne welche keine Zeitschriften verab-
folgt werden. — Besichtigung der Bibliothek Di. u. So. ausser an hohen
Kirchenfesten unter Führung eines Beamten } Versammlung der Besucher
um 1 U. im Empfangssaal : man wird sehr rasch hindurchgefiihrt, Erklä-
rungen nur in russischer Sprache.
Bibliothek der IL Abtheüung der Kamlei de» KaiserM^ für Schriften
juristischen und kameralwissenschaftlichen Inhalts: Di., Hl., Do. und
8a. 11-8 U., Ho., Di., Fr. und Sa. 4-9 U. Zutritt gestattet.
Blumenautstellung im Admiralitätsgebäude (S. 107) alljährlich im Früh-
jahr. Bekanntmachung durch die Zeitungen.
Botamseher OarUn (S. 176) : täglich von 7 IT. Vm. bis 10 tJ. Nm. ; die
<]feipäehshäu$er in Begleitung eines der diensthabenden Gärtner von 10 Ü.
Vm. bis Sonnenuntergang. Das Museum und Herbarium sowie die Biblio-
thek täglich ausser So. u. Festt. (Bibliothek auch ausser So.) 11-3 U. mit
Erlaubniss des Gonservators.
Eremitage (S. 123) täglich ausser Fr. und der hohen Feiertage Februar
bis Juli 11-3, September bis Februar 10-317. Ferienmonate Juli -August
<alten Stils), Fremde erhalten während derselben Mo. u. Do. gegen Vor-
zeigung des Passes Eintritt (Trinkg.). — Einlasskarten für die alte Eremi-
tage iOallerie Peters des Grossen und Kronjuwelen)^ täglich 11-1 U. in der
Kanzl^ der Eremitage. — Kataloge beim Schweizer der Eremitage.
Glasfabrik, kaiserliche (8.168), täglich ausser So. u. Festt. 7-12U.
und 2-717.; Sa. nur Vormittags.
Kunstausstellung y permanente, Grosse Morskaja 40, täglich ausser Mo.
9-5 ü., Juni und Juli (a. St.) geschlossen. Eintritt 90Kop.
Landwirihsehaftliches Museum des Ministeriums der Keichsdomänen
(S. 163): unentgeltlich Mo., Mi., Do. u. Fr. 11-317., So. 1-3 U.; gegen Entr^e
(20 Kop.) Di. 11-3 U.
Marine 'Museum (Schiffsmodelle u. s. w.) in zwei grossen Sälen des
Admiralitätsgebäudes (S. 107) DL, Do. u. Sa. 10-217. Eingang vom Ad-
miralitätsplatz durch das grosse Mittelthor.
Jf ar«(a22 (S. 156) , Konjuschennaja (Stallhof) -Strasse, gegenüber dem
Museum der kaiserlichen Wagen: nur mit besonderer Erlaubniss und in
Abwesenheit des Kaisers zugänglich.
Miner<aogiKhes Museum der Bergakademie (B. 173) : täglich ausser So.
u. Festt. 10-2 V.
Museum des Technologischen Instituts (S. 167), tägl. 10-3 ü.
Pädagogisches Museum (S. 163) an der Fontanka gegenüber dem Sommer-
garten : täglich ausser an hohen Festtagen 11-3 ü. ; Bibliothek 10-3 17. Eintritt
ins Museum Di. 30 Kop. , an andern Wochentagen 15 Kop. , So. 5 Kop.
Volksvorlesungen So. 2-31/3 U., Eintritt 5 Kop. Bibliothek gratis.
Portellanfabrik, kaiserliche (S. 195): täglich ausser So. u. Festt. 9-12
und 2-7 U.; So. 9-2 U.
Pulkowa, Nikolai-Hauptstemwarte (s. S. 188) : täglich 10-4 17. ; Abends
nur mit Erlaubniss des Directors.
Sammlung Basilewsky und des Arsenals von Zarskoje- Sselo rS. 189) im
Winterpalais (Zugang von der Eremitage, S. 130) : Billets bis i Uhr beim
Hoffourier.
Technische Gesellschaft , kaiserlich russische (S. 163), Museum täglich
ausser an hohen Festtagen 11-3 Ü.
Uniforms- und Equipirungsmuseum (S. 165) : täglich ausser So. u. Festt.
10-2 U.
<»w Wagen-Museum, kaiserliches (S. 156) : täglich ausser So. u. Festt. 10-2 U«
Wegecommunication, Museum des Instituts der Ingenieure der (S. 161) :
So. 10-3 U. Gesehlossen Mai-August. Katalog am Eingange des Instituts
für 60 Kop.
Tfinterpalast (S. 113), bis auf weiteres geschlossen.
Zoll-Museum (S. 174), an Wochentagen 124, So. 2-5 17. (10 Kop.).
Zoologischer Garten (S. 175) im Alexanderpark: täglich 10 U. Morgens
bis zur Dämmerung. Eintritt 30 Kop. , Kinder 15 Kop. Im Sommer Con«
certe, Theater etc.
Zoologisches Mifseum, s. Akademie der Wissenschaften.
7*
100 BoiUe 11. ST. PETERSBURG. Sehmswürdiffkeiten.
Stnndensettel. (Das vorstehende alphabetische Verzeiehniss ist zu
vergleichen.)
Täglich: Akademie der Künste, ii-4k U. — Neues und alUs Arsenal. —
Bibliothek, kaiserliche, 10-9 U., an So. u. Festt. 12-3 U. — Bibliothek der
2. Abtheilung der Kanzlei des Kaisers, 11-3 U. resp. ^9 U. — * Bota/niseher
Garten, 7-10 U. — Permanente Kunstausstellung, 9-0 U. (25 Kop.). — Land-
wirthsehaftliehes Museum , 11-3 U. (So. 1-3 U.). — MarstaU, 10-2 U. — Mu-
seum des Technolog. Instituts-, 10-3 IJ. — Zoologischer Garten, 10 U. bis zur
Dämmerung (SO Kop.).
Täglich ausser So. u. Festt. : Bibliothek der Akademie der Wissen-
schaften, 11-3 U. — Museum und Herbarium des botanischen Gartens^ 11-3 U.
— Eremitage, alte, 11-1 U. — Kaiserliche Glarfabrik, 7-12 U. und 2-7 U. —
Mineralogisches Museum, 10-2 U. — Pädagogisches Museum (ezcl. hoher
Feiertage), 11-3 U. (20 Kop.). — Kaiserliche Porzellanfabrik, 9-12 und
2-7 TJ. 5 So. 9-2 U. — Sternwarte von Pulkowa, 10-4 TJ. — Technische Gesell-^.
Schaft (excl. hoher Festtage), 11-3 U. — üniformsmuseum, 10-2 U. — Mtueum
der kaiserlichen Wagen, 10-2 Ü.
Täglich ausser Fr. und der hohen Feiertage: MremitagCy
11-4 U.
Sonntag: Kais. Bibliothek, 1 U. — Vorlesungen im pädagogischen
Museum, 2-373^. (5 Kop.). ~ Museum des Instituts für Wegebau d: Com-
municationen, 10-3 U.
Montag: Zoologisches Museum der Akademie der Wissenschaften,
11-3 U. — Bibliothek der frei-ökonomischen Gesellschaft, 11-3 U.
Dienstag: Artilleristisches Museum, 2-3 U. — Kais. Bibliothek, 1 U. —
Marine - Museum , 10 - 2 XJ. -
Mittwoch: Bibliothek der Akademie der Wissenschaften (Monat Juli),
11-3 U. — Artilleristisches Museum, 2-3 U. — Frei - ökonomische Gesellschaft y
Museum und Bibliothek, 10-3 U.
Donnerstag: Marine -Museum , 10-2 U.
Freitag: Artilleristisches Museum,2-^V. — ^remttaae geschlossen.
Samstag: Museum der frei-ökonomischen Gesellschctft, 10-3 U. — Marine-
Museum, 10-2 U.
Tageaeintheilung bei beschränkter Zeit:
1. Tag. Vormittags: St. Isaaks- Kathedrale, Besteigung der Kuppe
(S. 109)^ Kasan -Kathedrale (S. 156)^ Akademie der Künste (8.170). —
Nachmittags: Fahrt über den Newsky-Prospect (S. 154) nach dem Alexander-
I^ewsky- Kloster (S. 167).
2. T a g. Vormittags: kaiserliche, öffentliche Bibliothek (S. 158). — Nach-
mittags : Museum der kais. Wagen (S. 156) \ Fahrt nach dem Botanischen
Garten (S. 176).
3. Tag. Vormittags: Eremitage (S. 122; Besuch zu wiederholen). —
Nachmittags: Fahrt nach der Nikolai-Hauptsternwarte in Pulkowa (S. 188)..
4. Tag. Vormittags: Festungs - Insel (g. 174); Peter - Pauls - Kirche
(S. 174) ; Artillerie-Museum (S. 175) ; Peter's des Grossen Haus (S. 176). —
Nachmittags: Alexander-Park (S. 175) ; Zoologischer Garten (6. 175); Spazier*
fahrt auf den Inseln (S. 176 u. 177), nach, der Glas- (S. 168) oder Porzellan-
fabrik (S. 195).
5. Tag. Vormittags: Akademie der Wissenschaften (S. 169); Institut
der Bergingenieure (S. 173); Troizky-Kirche (S. 166). — Nachmittags: Neuer
und alter Miehael-Palaat (S. 110 u. 121) ; Taurischer Palast (S. 166) ; Ssmolny-
Kloster (S. 167). Der Best der zur Disposition stehenden Tage ist zur Be-
sichtigung der Umgebungen von St. Petersburg (S. 179) zu verwenden.
St. Ptff ers&ur^ (CaHKTi üerepöyprB), zweite Hauptstadt und erste-
Residenz des russischen Reiches, die bedeutendste Handelsstadt am
Baltischen Meer, Sitz des Reigierungsapparates , Hauptstadt des
I. Militär -Bezirkes, Standquartier des Garde- und I. Armeecorps,
mit 929,500 Einwohnern, liegt unter dem 59'' 57' nördl. Br. und
47^ 59' Östi. L. in c. 15 m Meereshöhe in einer vollkommenen Ebene,.
StadtthtiU. ST. PETERSBURG. 11. Route, 101
durch welche die Newa in mehreren Armen in den Finnischen
Meerbusen flieset, theils auf ingermanländischem theils auf Ann-
landiscbem Boden.
Die Jfma (Patt Heaa) , die bei SehlüMelburg (S. 196) aug dem La-
dogasee autfliesstind nach einen Laufe von 58 km in den Finnisehen
Meerbusen mündet, gehört zu den mächtigsten Strömen Europas. Ihre
Breite weehself Ton !l60 bis 660 m , die Tiefe Ton 3 bis 16 m ; die Wasser-
masse, welche «i« dem Meere anführt, wird auf 3900 cbm in der Sekunde
esehätzt. Innerhalb der Hauptatadt, die sie beim Alexander-Newsky-
iig<
theilt sie sieh in mehrere Arme : die Ctrosse Newa^ Kleine Neiea und Newkd
^
oster erreicht und in einem grossen Bogen von 13 km Länge durehfliesst,
iß. unten). Der Sehiflfsverkehr bewegt sieh hauptsäehlieh auf der Grossen
Ifewa^ vor den Mündungen liegen Untiefen und Sandbänke, welche nur
Schiffen von geringem Tiefgang die Einfahrt gestatten. Ueberschwem-
mungen sind selten, da das grosse Becken des Ladogasees den Stromlauf
regelt, doeh kdnneu anhaltende heftige Westwinde, die das Wasser an den
Mündungen aufstauen und zurücktreiben, der tiefliegenden Hauptstadt
verderblich werden (so im J. 1824 u. 1879). Von Anfang November bis
Ende MSrz (durehschnittlleh 138 Tage im Jahr) ist die iHewa zugefroren
(S. 104).
Der Haupttkeii der Stadt liegt auf dem linken Ufer der Newa,
andere Stadttheile bedecken die Inseln des gethelUen Stromes.
Zwischen der Grossen und Kleinen Newa liegt Wa^Uy Ostrow
(Basilius^Insel, BacuittOcTpoBi), ÖW. lang und 4 W. breit; von ihr
schneidet im N. ein schmaler Arm der Kleinen Newa (Ptia HepHaa)
ein Stück ab, die Oolodai- I-Mel (Tojoxaii OcrpOBi). Die Newka,
105-!20O m bieit, theilt sich nach kurzem n.w. Lauf« in eine kleine
südliche (P. Maiaa HeBaa) und eine gro96e nördliche (F. BoAmaa
HeBKa) ; aus letzterer zweigt wiederum die mittlere Newka (F. Cpex-
HffH lieBaa) in s.w. Richtung ab, um sich später wieder mit der
grossen zu vereinigen. Die Kleine Newa, die Newka und die Kleine
Newka umschliessen die sog. Petersburger Seite (S. 176), ein 4 km
1. InseUand , von welchem w. durch die Shdanowka (Ptva SRxa-
bobul) die P«^rotDsJE(i/~Jnse{(neTpOBCKiil OcrpOBi), n. durch die Kar-
p«i0fca(F.KapnoBKa) dleA|>o^fcellter-/me{(AnTeKapcKlfiOcTpoBi) ab-
getrennt wird. Die Kleine und Grosse, resp. Mittlere Newka fassen
zwischen ihren Armen n. von der Apotheker -Insel die Kamenny-
<KaifeBbHft Ocrposi) und, von dieser durch die Krestowka getrennt,
die Kr€st<nü$ky"In$el(fipeoTOBcM OcTpOBi). Die grosse u. mittlere
Newka umschliessen eirdlleh gtaiiz Im K. die Jelagi^-^Ingel (EianiHi
OcTp<»i), w&hrend im S. der Petersburger Seite von dieser noch
die Feetimgs'Insel (üeTpoiniBioBOKaii Kp1»iioCTb) dureh den Kron-
werks-Kanal (KpOBBepKckiii-HpoiHBi) abgeschieden wird. S. Tom
Ausfluss der Grossen Newa liegen mehrere Inseln , die Gutujew-,
RJSswy-, Kanonier-, Krugly-, Truchtanow-Insel, von denen aber
aur die beiden erstttren zum Theii l^ewohnt sind ; ebenso sind die sog.
„freien Inseln*' an der Mündu&g der Kleinen Newa ganz unbewohnt.
Peter der Grosse hatte urspruiiglich Wassily-Ostrow zum Haupt-
Stadttheil bestimmt , gab aber sp&ter diesen Plan wieder auf und
gründete die neue Stadt am 1. Ufer der Newa. Um das tiefliegende
Terrain zu entsumpfen und zug&nglich zu machen, baute er zunächst
102 Boute IL ST. PETEBSBUBG. StadttUüe,
halbkreisförmige, aus der Newa kommende und wieder in sie mün-
dende K a n ä 1 e , die von andern senkrecht durchschnitten werden und
80 eine Beihe von künstlichen Inseln bilden. Die jetzt meist mit
schönen Granitquais eingefassten Hauptkanäle (bez. Flüsse) sind : die
Jtfoifca(PtKaMoMKa), mit derGrossen Newa den Admiralitätstheil um-
schliessend, den wichtigsten der Stadt (S. 106), der aber durch die auf
ihm befindlichen Kanäle (Neuer Admiralitäts-, Winter-, Lebjashy-,
Priaschka-Kanal) wieder in fünf kleinere Yiertel getheilt wird ; der
Katharinen 'Kanal (EKaiepHEiiHCKifi KaHaii), unter Katharina II.
1790 vertieft und erweitert; die Fontanka (Pftua ^OHTaua), nach
den Fontänen im Sommergarten benannt, ursprünglich ein sumpfiger
Bach , unter Elisabeth und Katharina erweitert und ausgemauert ;
endlich der neue Umfassungagraben (Hobo-OöboaühH Kanaji), der
sich vom Alexander-Newsky-Kloster bis Katharinenhof erstreckt
und beim Ssemenowsky- Platz vom Ligoioaky -Kanal («iHroBCui
xanaji) durchschnitten wird , einem 20 W. langen Kanal , welchen
Peter I. aus dem Flüsschen Ligowka bei Krassnoje-Sselo bis zum
Taurischen Garten führen liess.
St. Petersburg zerfällt in 13 Stadttheile {T$cha$sti)f die sich
in 38 Polizeibezirke theilen. Die Stadttheile sind: 1. DerAdr?»»
ralität8theil (AxuipaiTeMcKafl vacTb) zwischen der Grossen Newa
und dem Moika-Kanal, der Mittelpunkt der Stadt, mit den kaiserl.
Palästen u. s. w. 2. Der Kaaan'Bche Theil (KasaHCKaii nacTb), s.
von ersterem, zwischen der Moika, dem Katharinen- und Krakow*
Kanal , wo die Kanzleien der Beamten , viele Paläste und Maga-
zine sich befinden. 3. Der Sspass^sche Theü (CnaecKas «lacTb}
zwischen Katharinen- und Krukow-Kanal und Fontanka, das Cen-
trum des gewerblichen Lebens. 4. Der Kolomna'^ Theil (Kojo-
MOHCKafl «lacTb), im W. der drei genannten, zwischen Moika, Fon-
tanka und Krakow -Kanal. 5. Der Narwa'ache Theil (Hapsciaji
nacT&)^ südlich von der Fontanka und dem Kolomna- Theil, west-
lich vom Sabalkansky-Prospect, bis über Katharinenhof hinausrei-
chend. 6« Der Moikau'iche Theü (MocKOBCxas lacTb)) zwischen
Fontanka, Umfassungs- und Ligowsky-Kanal, sowie Sabalkansky-
und Newsky-Prospect, südlich und südöstlich vom Sspass'schen
Theil. 7. Der XAteiny Theü (ineifaia« lacn), östlich vom Sspass-
schen- und AdmiraUtäts -Theil , nördlich vom Newsky-Prospect,
zwischen Fontanka und Ligowsky-Kanal, mit stattlichen breiten
Strassen. 8. Der BoBhdeeiwenakaja-TheU (PoxxecTBeHCKaii nacn),
zwischen der Grossen Newa, demLigowsky- und Umfassungs-Kanal,
meist von den unteren Klassen bewohnt. 9. Der Alexander- Neweky^
oder JämskaJa^Theü (AjeKcasApo-HescKaB nacrO) südlich vom
Boshdestwenski^a-Theil, Östlich vom Moskau*schen Theil und Sa-
balkansky-Prospect. 10. Der Wassüjewskaja Theü (BacojbeB-
CKaH Hacn) auf der gleichn. Insel (Wassily - Ostrow) , zwischen
der Grossen und Kleinen Newa, mit stattlichen Gebäuden, grossen
wissenschaftlichen Instituten etc., vielfach von Gelehrten u. Kunst-»
Brücken. ST. PETERSBURG. 11. Route, 103
lern bewohnt. 11. Der Ptttrsburger Theü (DeTepöyprcKa« nacn)
auf dem grossen Insellande, das von der Kleinen Newa und der
Newka eingeschlossen wird; zu ihm gehören die Festungsinsel,
Kamenny-, Jelagin-, Krestowsky- und Petrowsky-Ostrow. 12.
Der Wyhorg'iche Theil (Bnöoprcia« nacTb), am r. Ufer der Grossen
Newa und der Newka, mit vielen Fabriken. 13. Der Ochta'sche
Theü (OzTeHCKaji ^acn), auf dem r. Ufer der Newa im S.O. des
Wyborger Theils, aus den früheren Dörfern Gross- und Klein-Ochta
bestehend.
Das ganze Stadtgebiet umfasst einen Raum von 90 Qu.-W. (c.
2 Ou.-Meilen) ; die grösste Länge beträgt 12 W., die grösste Breite
11 W. Den Verkehr über die New^ sammt ihren Armen und
die 21 Kanäle vermitteln 150 Brücken. Ton den ersteren, den
Brücken über die Newa und deren Arme, bilden aber nur die Niko-
hius- und Alexander- Brücke das ganze Jahr über bestehende feste
Passagen; die übrigen Brücken sind Schiffbrücken, welche während
des Eisganges abgenommen werden. Die Palais -Brücke wird im
Winter aufgestellt, die Petersburger aber erst nach vollständigem
Ablauf des Eises. Nach dem Zufrieren des Stromes, welches ausser-
ordentlich schnell erfolgt , dient die weite Eisfläche der Newa als
bequeme Verbindung für die verschiedenen Stadttheile. Wenn im
Frühjahr die Sonne ihre Wirkungen äussert, sammelt sich Schnee-
wasser auf dem Eise. So lange dieses sichtbar bleibt ist keine Ge-
fahr ; aber wenn das Wasser verschwindet und die Oberfläche grau
wird, ist der Eisbruch nahe, der gewöhnlich bei Westwind erfolgt.
— Ueber die Kanäle führen meist Granit- und Eisengussbrücken.
Die Brücken der Fontanka sind alle aus Granit; sie ruhen meist auf
2 Bogen, zwischen welchen Zugbrücken angebracht sind. Besonders
prachtvoll ist die Aegyptische Brücke (S. 166).
Die Strassen St. Petersburgs sind ohne Ausnahme breit (15-
30m) und bequem, Winkel- und Sackgässchen sind unbekannt.
Die Strassen ersten Ranges werden Prospecte (IIpocDeKm) oder Per-
spectiven genannt; zu ihnen gehören die vom Admiralitätsgebäude
ausgehenden Radien: der Newsky- und Wosnessensky - Prospect,
femer der Liteiny-, Wladimirsky-, Sagorodny-, Sabalkansky-Pro-
spectetc. Strassen zweiten Ranges sind die Ulizen (Yjhiih), darunter
die Gorochowaja (Erbsenstrasse), die Bolschaja undMalajaMorskaja
(grosse und kleine Seestrasse), die Millionnaja, die S6adowaja(Garten-
strasse) , die Kasanskaja, Karawannaja, Konjuschennaja (Stallhof-
strasse), OfFlzerskaja (Offlzierstrasse) u. s. w. ; Strassen dritten Ranges
die Perjeulki (Quergassen, DepeyjKH). — An öflentliGhen Plätzen,
auf einigen von denen sich 6(3-100,000 Mann bewegen können, be-
sitzt die Stadt 64. — Die hervorragende Schönheit St. Petersburgs
beruht hauptsächlich auf den richtigen Verhältnissen zwischenStrom,
Strassen und Plätzen , auf einer grossartigen, schon im ersten Ent-
wurf enthaltenen Raumverschwendung, welche die Riesenbauten,
104 Boute IL ST. P£TERSBUBG. KUtml
an denen die Stadt so reich ist, für das an grosse Verhältnisse ge-
wohnte Auge erst hervortreten und würdigen lässt.
Die meisten Strassen sind mit Granitsteinen gepflastert, die aher
unregelmässig gelegt , meist nur auf die hohe Kante nebeneinander
gestellt und dann mit Sand bedeckt sind ; in Folge dessen ist schon
das Gehen , noch mehr das schnelle Fahren auf diesem Pflaster un-
angenehm. Auch die schmalen Trottoirs lassen zu wünschen übrig.
Holz- und Asphaltpflasterung ist namentlich in den Hauptstrassen
vielfach angewandt.
Die Privatgebäude in St. Petersburg ruhen gleich den öffent-
lichen zum grossen Theil auf Pfählen, wie es der morastige Boden
bedingt. Trotz der bedeutenden Baukosten wird mit dem Räume
nicht gegeizt ; selbst die grossen Mlethkasernen, die man in St. Peters-
burg in einer Ausdehnung antrifft, wie kaum in einer andern Gross-
stadt, zeigen eine ungewöhnliche Weitläufigkeit der Anlage. Einen
specifisch national-russischen Charakter trägt übrigens das Peters-
burger Wohnhaus so wenig wie die ganze Stadt; in dieser Beziehung
bietet Moskau des Eigenthümlichen und Interessanten weit mehr.
Klima und Lebensweise in St. Petersburg. In Bt. Petersburg
ist die mutiere Temperatur des Winters {iöi Tage, 28. Oet. bis 28. März)
— 6.°4 E.^ des Frühlings (71 Ta«, 28. März bis 7. Juni) + l.*r E.i des
Sommers (66 Tage, 7. Juni bis 12. Aug.) + 12.<^^ des Herbstes (77 Tage,
12. Aug. bis 28. Oct.) + 8.«^. Jahresmittel + 3*. I>m Klima von St. Peters-
burg ist demnach kalt und, in dem sumpfigen Kewa*- Delta, feueht, da-
neben sehr unbeständig (vgl. S. xxxiii). Der F r ü hl i n g fängt spät an ; oft
sieht man im Mai noch Schnee, gegen Mitte Mai zeigen sich die ersten
Spuren des Grüns, das freilich oft wieder unter erneutem Schnee oder bei
dem eisigen Xordostwind zu Grunde geht. Trotzdem eignet sich für einen
Besuch von St. Petersburg am besten die Zeit von Ende April bis Anfang
Juni (vgl. S. x). Juni und Juli bringen angenehme Sommertage , ebenso
der August, doch ist zuweilen schon die zweite Hälfte dieses Monats rauh
und unangenehm. So hat eigentlich St. Petersburg nur vom 16. Mai bis Ende
August eine für den Aufenthalt im Freien geeignete Witterung. Indessen
ist das Petersburger Leben im Sommer angreifend, weil es der eigentlichen
Ifacht entbehrt und der Schlaf auf das unumgänglich Nöthigste beschränkt
wird. Wenn auch das die regelmässige Kacht in den Sommermonaten ver-
tretende Dämmern nicht gerade den ScUaf beeinträchtigt, so ist doch die Art
<ler Tageseinth^uüg, welche durch keine Dunkelheit in Grenzen gebannt
ist, eine so hinausgerückte, dass für die Morgenruhe nicht viel übrig bleibt.
Zwischen Tag und Nacht wird wenig unterschieden. Vor allem die hellen
Juni-Kächte am Strande der grossen Newka, während das Thermometer
nicht leicht unter -{- 15° fällt und von einer eigentlichen Nacht keine
iBede ist, werden in St. Petersburg gründlich ausgenutzt. Flussdampfer,
Pferdebahnen, Omnibus und Iswoschtschiks fahren unaufhörlich hin und
her, bis tief in die Xacht hinein sind die Restaurants geöffnet, bis Mitter-
nacht dauern die Goncerte in den Gartenlocalen.
St. Petersburg ist nicht nur Haupt- und Residenzstadt, sondern
auch neben Moskau eine der wichtigsten Fabrikstädte des russi-
schen Reichs. In und bei St. Petersburg concentrirt sich die Fabri-
kation von manchen Kunstproducten, welche Russlaud früher fertig
vom Auslande bezog. Die bedeutendsten Privatfabriken sind Baum-
wollenspinnereien und Webereien, Eigengiessereien und chemische
Fabriken; die grossartigen kaiserlichen Fabriken (S. 168) liefern die
ausgezeichnetsten Glaswaaren und yorzügliches Porzellan. Zu den
Oetchichte. ST. PETERSBURG. Jl. Route. 105
grössten Etablissemdnts Russlands gehören ferner: die kais. Ma-
schinenfabriken zu Alexandrowsk (S. 195) ; die kais. Druckerei von
Werthpapieren auf der Eolomna, bei der Aegypt. Brücke (S. 166) ;
die Ssamssonjew'sche Manufactur , welche jährlich c. 60,000 Pud
■SchweisawoUe verarbeitet ; die einer Actien- Gesellschaft gehörige
Stearin- u. Seifenfabrik auf der Gutujewschen Insel; die Eönig'sche
Zuckerfabrik; etc. — Der Handel ist in den letzten Jahren zurück-
gegangen.
Zur Geschichte St. Peterabargs. Ingermanland , das Land
zwischen dem Peipus-See, der ^arowa und dem Ladoga-See , ehemals
Ingrien genannt und zunächst zu Kowgorod , dann zu Moskau gehörig und
16i7 von Schweden erobert, wurde IrOQ von Peter dem Grossen zurück-
gewonnen. Am 11. Oct. 170S pflanzte er seine Fahnen auf den Wällen der
kleinen schwedischen Festung Nöteborg auf, die auf einer Insel am Aus-
flusse der Newa aus dem Ladoga-See liegt, und nannte sie 8cMü$selhurg ;
am 1. Mai 1708 fiel auch die kleine Festung Nyenschant ^ an der Mündung
der Newa ins Meer gelegen , in seine Hand , und schon am 16. Mai 1703
wurde der Grundstein zu einer neuen Festung am Finnischen Busen ge-
legt, der jetzigen Peter-Paula-Festung, der Gitadelle der Stadt. Während
Peter persönlich den Bau derselben leitete, faaate er den Plan, hier eine
neue Hauptstadt Kusslands zu bauen, obwohl er angeblich noch kurz
luYor beahsichtigt hatte, dieselbe am Asow^schen Meere anzulegen, dessen
Gestade er 1696 den Tataren entrissen hatte, und schon 1704 erhoben sich
die ersten Häuser der neuen Stadt , an deren Herstellung 40,000 Menschen
aus allen Gegenden des Reiches mehrere Jahre arbeiteten , häufig decimirt
durch die verderblichen Ausdünstungen der Sümpfe und die übermensch-
lichen Anstrengungen, wiederholt beunruhigt durch die Angriffe der
Schweden. Zum Schutze gegen dieselben liess Peter noch eine kleine
Insel, unweit jener grösseren Insel Betusari (jetzt Kottil- oder Kotlin-
Insel), die heute Kronstadt trägt , durch Menschikow befestigen und nannte
sie Kronslott. Sein erstes Häuschen baute der Zar auf dem r. Kewa-Ufer
unfern der Troizky- Kirche (S. 176), dann das sog« Sommerpalais im
fiommergarten (S. 120). Später erbaute er sieh ein „Winterhaus", erst
aus Holz, dann aus Ziegeln, in der Grossen Deutschen Strasse, mit Haupt»
fa^ade nach der Newa (Peter starb hier am 28. Jan./7. Febr. 1725, Ka-
tharina I. 1727). -> Die ältesten Stadttheil« von St. Petersburg, noch jetzt
Alt -Petersburg genannt, sind diejenigen am nördlichen Ufer der Newa.
Sie waren meist aus Holz gezimmert, aber schon 1703 wurden durch die
deutsche Golonie dem Winterpalais gegenüber auf der Millionnaja Häuser
gebaut, wo heute die Bremltage liegt (an der Stelle der Alten Bremitage
im Hofe des Vice- Admirals Cruys stand die erste, aus H0I2 gebaute
deutsehe Kirche); auf Wasslly - Ostrow siedelte sich das Gefolge Men-
achikow*s sowie eine französische Golonie an, 1706-7 zogen zahlreiche
Kaufleute und Handwerker von Nowgorod nach St. Petersburg. Eine Be-
lagerung der neuen Stadt duräi die Schweden im Jahre ITOB verlief resultat-
los, da die strenge Kälte die Belagerer zum Abzüge zwang , und die Nieder-
lage der Schweden bei Poltawa (ITOB) beseitigte endgültig die von dort her
drohende Gefahr. Mit verdoppelter Bnergie wurde nun an der Vergrösaerung
St. Petersburgs gearbeitet, schon 1710 konnte hier die Vermählung der
Nichte Peter^s Anna Iwanowna (später Kaiserin) mit dem Herzoge von
Kurland mit aller Pracht gefeiert werden , 1712 erfolgte die feierliche Ef-
hebung St. Petersburgs zur Besidenzstadt, nicht ohne heftigen Widerstand
der echten Moskowiter, deren nationale Sympathieen sich an den Kreml
von Moskau knüpften. Doch wusste Peter diesen Widerstand zu brechen :
«einen Grossen befahl er, in seiner neuen Schöpfung steinerne Häuser und
Paläste Bu bauen; je nach der Ansabl von Seelen, über die seine Bdelleute
geboten, bestimmte er selbst die Grösse der Häuser, und da trotsdem
seinem hastigen Vorwärtsdrängen die Fortschritte der Stadt nicht genügten,
untersagte er 1714 „für einige Jahre und bis den Bauten in St. Petersburg
genügt sei" alle Steinbauten im ganzen Gebiet seines Beiches, bei Strafe
106 RouU 11. ST. PETERSBURG. Admiralität.
der Vermögenseonflscation und Verbannung nach Sibirien. Um der Stadt
aaeh die Weihe eines Nationalheiligthums zu verleihen., liess Peter 1724
die Qebeine des heil. Alexander Newsky nach St. Petersburg bringen« über
seinem Grabe eine Eirehe und ein riesiges Kloster (sog. Lawra, d. h.
Kloster mit geistl. Akademie) erbauen, ohne freilieh seinen Zweek ganz zu
erreichen, da das Höhlenkloster in Kiew und das Troiza-Kloster des h.
Sserge'i bei Moskau (S. Slö) die gefeiertsten Heiligthümer der Bussen ge-
blieben sind. Wichtiger erwiesen sich andere Massregeln zu Gunsten von
St. Petersburg, z. B. die Sperrung des Hafens Ton Arehangel und die Ver-
legung aller höchsten Beichsbehörden in die neue Hauptstadt, die 1735
bereits 76,000 Einw. zählte. Allerdings trat nach Peter*s Tode bald ein
Stillstand ein. Katharina I. (1725-27) und Peter II. (1727-90) bevorzugten
Moskau, erst Anna Iwanowna (1790-40) nahm ihre Besidenz wieder in
St. Petersburg und unter ihr und ihrer Kachfolgerin Elisabeth Petrowna
(1741-61) wuchs die Stadt schnell. Anna liess durch eine eigne Com-
mission einen Stadtbebauungsplan ausarbeiten, die Moskauer Seite und
Fontanka stellten bald Wassily • Ostrow , bis dahin den dominirenden
Stadttheil, in den Schatten. Freilich wurde auch um jene Zeit St. Peters-
burg vom ersten grossen Brande heimgesucht (1796) ; die Folge war, dass
die Regierung für alle Keubauten eine isolirte Stellung vorschrieb und
dass von 17w an auf der Admiralitätsseite nur noch aus Ziegelsteinen
errichtete Gebäude aufgeführt werden durften. Damals entstanden auch
die ersten Datschen^ jene für St. Petersburg charakteristischen Villen zur
ausschliesslichen Benutzung im Sommer; später, zumal seit der Hof für
die Sommermonate seinen Aufenthalt in Peterhof nahm, fand man es an-
gemessen, die Landsitze aus den sumpfigen Umgebungen der Kanäle weg
an die Peterhofsche Strasse zu legen. Die meisten und zum Theil gross-
artiesten öffentlichen Bauten stammen aus der Begierungszeit Katharina*s II.
(1762-96) und auch der Kaiser Paul (1796-1801) entfaltete eine reiche Bau-
thätigkeit. Ihre Nachfolger haben zwar das Bestreben, St. Petersburg zu
erweitern und zu verschönern , alle gleichfalls gehabt, aber sie sind mit
mehr Mässigung vorgegangen und haben der Entwicklung der Stadt ihren
naturgemässen Gang gelassen.
Das Leben von St. Petersburg bewegt sich vorzugsweise in den
Stadttheilen des linken Newa-Ufers. Hier sind die verkehrreichsten
Strassen, die breitesten und längsten Protpecte, mit ihren glänzen-
den Kaufläden , Restaurants und Gaf^s. Hier sind die kaiserlichen
Paläste, die Admiralität, die kaiserlichen Theater, die Bank, der
Oostinny-Dwor (Kaufhof) und das Stadthaus (AyHa). Hier end-
lich liegt auch die Eremitage , in der von ihrer Stiftung an^die
wichtigsten Kunstsammlungen vereinigt wurden.
a. Admiralität. WeBÜieher AdminOiUtitlieil.
Die «Admiralität (TiaBHoe AAHHpaj&TeMcTBO ; PI. 2: E5) liegt
im Centrum der Stadt, am 1. Ufer der Newa. Der yreitb Admiralität»-
platz j einer der schönsten Plätze Europa^s, dessen ganze Nordseite
das Admiralitätsgebäude einnimmt, bildet mit dem Peters- oder
Senatsplatz (S. 107) , sowie den östlich angrenzenden Basroodny-
und Palast 'Platz ein grosses Ganze, welches auf der Südseite von
ansehnlichen Gebäuden abgeschlossen wird. Früher umgab nur ein
hübscher Boulevard mit Lindenallee das Admiralitätsgebäude, der
Platz selbst war f^ei ; in neuerer Zeit ist er von der Gartenbauge-
sellschaft durch prachtvolle Gartenanlagen, den * Neuen Alexander-
Oarten, verschönert worden. Das Admiralitätsgebäude bildet^ein
r
Admiralität. ST. PETERSBURG. U, Route, 107
ungeheures Parallelogramm tou 4!20 m Länge und 180 m Breite,
das jetzt auch nach det Newa durch Neubauten geschlossen ist.
Den Grund zu dem Admiralitätsgebäude legte Peter der Grosae am
1. Oet. 1704 nach Vollendung der Peter - Pauls - Festung. Die ersten Ge-
' bände waren hölzerne Vorrathshäuser mit einem hölzernen Thurm in der
Mitte, von einem kleinen Erdwall und Palissaden umgeben. 1711 wurde
über der Pforte das Gebäude für das Admiralitäts-GoUegium von Stein mit
einem Thurm von Faehwerk errichtet. Alle übrigen Gebäude innerhalb
der Admiralitätswerke waren ebenfalls von Fachwerk, den ganzen Com-
plex umzog ein mit Stein ausgemauerter Kanal. Von 1717 an erfolgte erst
eine regelmässige Befestigung. 1727 wurden auch die Gebäude von Faeh-
werk abgetragen und in Stein neu aufgeführt, 1734-36 Hess die Kaiserin
Anna den Admiralitätsthurm erbauen. 1718 war bereits die kleine oder
sog. Partieulär- Werft angelegt worden, auf der kleine Kriegs- und Privat-
Fahrzeuge gebaut wurden. Kaiser Paul I. versehönerte die Admiralität
und umgab sie mit neuen Wällen, die aber eben so wie die Gräben
unter Alezander I. verschwanden und durch schöne Trottoirs und mit
Lindenalleen gezierte Boulevards ersetzt wurden; Alezander Hess auch die
Fa^ade restauriren und mit Harmorfiguren und Reliefs schmücken.
Das Gebäude macht trotz der grossen Dimensionen einen ge-
fälligen Eindruck. Der ganze Bau hat etwas überaus Leichtes und
Geschmackvolles. Die Fa^ade in hellgelber Farbe ist durch weisse
Säulenreihen getheilt, das Gesims zieren Basreliefs (u. a. Engel die
Reichsfahne an die Newa tragend, Peter der Grosse, den Dreizack
aus den Händen Neptun's empfangend). Neben dem Eingangsthor
rechts und links je drei weibliche Figuren, die 'Weltkugel tragend ;
über dem Thor erhebt sich der mit Säulen und Statuen geschmückte
Admiralitätsthurm, 75 m hoch , in eine dünne vergoldete Spitze
endigend ; darüber eine Krone und ein Schiff als Wetterfahne. Von
den Gallerien des Thurms vortreffliche ^Aussicht über Stadt
und Umgegend. Die weitläufigen inneren Räume enthalten das
Marineministerium, die Seekadettenschule, eine Bibliothek von
über 30,000 Bänden und das * Marine -Museum (MopcKofi Myseft,
S. 99) mit einer werthvollen Sammlung von Schiffsmodellen , Kar-
ten, Zeichnungen von Peter I., Maschinen aller Art, das Porträt
Peter's , in Zaandam gemalt, die Fahne, welche Peter's Schiff In der
Asow'schen Seeschlacht führte u. s. w.
Im Admiralitätsgebäude findet gewöhnlich die alljährlieh Im Früh-
jahr veranstaltete Blumenausstellung statt, vom Publikum stark
besucht und sehr sehenswerth (S. 99).
An der Newa-Seite, wo sich früher die Schiffswerfte befanden
(jetzt in der Neuen Admiralität , S. 112), ist ein Quai und eine
Strasse angelegt, so dass man jetzt von der Nikolaus - bis zur Ale-
xander-Brücke in gerader Linie an der Newa entlang gehen kann. —
Durch den Hof der Admiralität geht der Meridian von St. Petersburg.
An der Westseite der Admiralität erhebt sich in den Anlagen
des Peterfplaixes (s. oben), dem Senatsgebäude (s. S. 108) gegenüber
nicht weit vom Ufer der Newa die berühmte *]l«iterwtatae Peters
dei Orofsen (IlaMjmnnineTpy I.; PI. 30: E 5; nicht zu verwechseln
mit jener vor der Ingenieur- Akademie, S. 121) : der mit einem Lor-
beerkranz gekrönte Kaiser einen Felsen hinansprengend, das Antlitz
der Newa zugewendet , mit der kraftvoll erhobenen Rechten nach
108 Boute IL ST. PETERSBURG. Westlicher
dem Schauplatz seiner Thaten hinweisend. Das Pferd raht auf den
Hinterfüssen und dem Schweife ; um seine Füsse windet sich eine
YOn den Hufen zertretene Schlange.
Die Statue ist gegen 3 m, mit dem Pferde 5 m hoch. Der fran-
zösische Bildhauer Faleonet, den Katharina nach St. Petersburg
berufen hatte , verfertigte das Modell und leitete auch den Guss,
der 1775 beendet wurde; speciell das Haupt des Kaisers arbeitete
Marie Collot, welche die Schwiegertochter Falconet's wurde. Um
der Statue den ricbtigen Schwerpunkt zu geben, ist der Bronzeguss
am Yordertheil des Pferdes nur 1 cm dick, verstärkt sich aber nach
hinten bis auf c. 3 cm ; ausserdem wurden noch 5000 kg Eisen in
den hintern Theil und den Schweif des Pferdes eingegossen. Der
mächtige Oranitblock, welcher das Piedestal bildet, stammt aus
dem karelischen, 12 W. von St. Petersburg entfernten Dorfe Laehta ;
«r ist 14m lang, 6m breit und 5m hoch und trägt auf der einen
Seite die stolze Inschrift: IleTpy IlepBOHy EKaTepHHa Bropan 1782;
auf der andern lateinisch: „Petro Primo Oatharina Secunda
MDOCLXXXII'*. Das Denkmal wurde am 7. Aug. 1782 enthüllt
und kostete 430,000 R.
Die ganze Westseite des Petersplatzes zwischen dem Englischen
^uai(S.112)und demBoulevard derGarde zuPferde (s. unten) wird
von dem grossen Senatsgebände (üpaBHTlijibeTByiomtä CenaTi ; PI.
"209 : E5), in strengem Stile iiach Rossi's Plänen erbaut, und dem
;griech.-kath. heil. Synod (CBarbämiÜ IIpaBMTtjbCTByiomlfi Chhoa'b ;
PI. 212: E5) eingenommen, beide durch einen hohen Bogengang
über die Galeeren-Strasse {Oalernaja) verbunden, auf welchem die
Göttin der Gerechtigkeit mit der "Wage sitzt.
Der Senat oder oberste Gerichtshof ist nach dem Beichsrath die höchste
^Behörde. Vor Erricbiang des letztern, der General-Controle und de^ Gehei-
men Kanslei des Kaisers war in dem Senate die Direction alier Angelegen-
heiten (Gesetzgebung, Gontrole, oberste Justiz u. s. w.) vereinigt. Gegen-
wärtig zerfällt der Senat in Departements und seine Befugnisse bilden die
Veröffentlichung und Begistrirung der Gesetze , Ukase u. s. w. , die Be-
stätigung von Adelstiteln, die Feststellung von Grundbei^tz-G^nzen, die
letztlnstanzliohe Entscheidung über Staatsverbrechen, Civil- und Criminal-
sachen , die Revision der durch die Provinzial-Tribunale gefällten richter-
lichen Entscheidungen u. s. w. An der S-pitze des Senats sieht der Ge-
neral- oder Oberprocttrator des Senats, dessen Amt mit dem des Justiz-
ininisters verbunden ist.— Der heilige Synod (s. 8. xlvi), gestiftet
den 35. Jan. 1731 , hat dieselbe Bedeutung für die geistlichen Atagelegen-
heiten wie der Senat für die weltlichen. Alle Beschlüsse des Synod
werden dem Kaiser unterbreitet. Vgl. S. 265.
Auf der Südseite des breiten Boulevards der Oarde %u Ff erde
iK<yfino Owardejsky BtUwar, PI. E 4, 5), der sich mit seinen neu ge-
pflanzten Alleen w. bis zur Yerkündigungsstrasse (S. 111) erstreckt
<am Beginn zwei kleine Siegessäulen) , liegt die Manege dw Garde
zu Pferde oder Nikolai -Eeithahn, in der häufig Mittags 1 U. Pa-
raden stattfinden.
Anstossend der Isadka-Platt (PI. E 5), an der Ostseite begrenzt
▼om Kriegsministerium (BoeHHoe MHHHCTepTBO, PI. 166), einem
AdmircUitätstheü. ST. PETERSBURa. U. R(yute. 109
grossen Dreieck (die beiden andern Fagaden nach dem Admiralitäts-
Platz und dem Wosnessensky-Prospect). In der Mitte des Platzes
erhebt sich die
*Ifaa]Di- Kathedrale oder KathedaraU des h. Uaak von Dal-
maxien (Coöopi Cb. HyAor. HcaasiA 4ft4MaTiiB€Karo ; PL 92: So),
die.grösste und prachtvollste Kirche St. Petersburgs. Schon Peter
der Grosse hatte 1710 an dieser Stelle den Bau einer hölzernen
Kirche begonnen, die 1727 vollendet wurde, aber 1735 vom Blitz
getroffen abbrannte. Katharina II. begann 1748 einen Neubau aus
Marmor, der indess bei ihrem Tode nur bis zum Gesims gediehen
war und durch Kaiser Paul 1801 einen übereilten Abschluss erhielt.
Alexander I. legte am 26. Juni 1819 den Grundstein zu der jetzigen
Kathedrale, deren Bau, nach den Plänen des franz. Baumeisters
Ricard de Monferrand , trotz eifriger Förderung durch Kaiser Ni-
kolaus, fast 40 Jahre in Anspruch nahm und erst 1868 unter
Alexander II. vollendet wurde. Um ein festes Fundament zu
schaffen , mussten ganze Wälder von Masten in die £rde getrieben
werden; auch später noch machten sich wiederholt die kostspie-
ligsten Unterbauungen nöthig, um eine Senkung nach der Newa-
Seite zu verhindern. Die Gesammtkosten des Baues nebst der Innern
Ausschmückung beliefen sich schliesslich auf mehr als 23 Mill. R»
Die ganz aus Granit und Marmor in verschwenderischer Pracht
aufjgeführte Kathedrale hat die Gestalt eines griechischen Kreuzes
von 105,4 m Länge und 90,am Breite, das von einer mächtigen weit-
hin sichtbaren Kuppel überragt wird. An allen vier Seiten befinden
sich Eingänge, zu denen breite je aus einem Stück bestehende Gra-
nittreppen emporführen. Die Haupteingänge , an der breitern N.-
und S.-Seite, bilden prächtige, der Vorhalle des Pantheon in Rom
nachgebildete Portiken mit je sechzehn gewaltigen , 17 m hohen,
über 2 m dicken Monolithsäulen aus polirtem rothen finnländischen
Granit, mit Bronze -Basen und Kapitalen; an den Schmalseiten
(0. ufid W.) kleinere Portiken von je acht Säulen. Auf den Säulen
ruhen mächtige Frontons, an den Hauptseäten je 36m lang; in den
Giebelfeldern kolossale Bronzereliefs , die Geschichte der Religion
darstellend, von Vitali, Klodt und Lemaire.
Die Hauptkuppel, 26,« m im Durchmesser , ruht auf einer von
24 je 9 m hohen Granitsäulen umgebenen Trommel und wird von
einer Laterne mit gleichfalls 24 Säulen überragt , die eine Wieder-
holung der ganzen Kuppel im kleinen ist; auf der Spitze ein
5,8 m h. Kreuz. Die innere Scheltelhöhe der Kuppel über dem
Fussboden beträgt 82 m (Peterskirche in Rom 123 m, Paulskirche
in London 68 m), die Höhe des ganzen Gebäudes bis zur Kreuzspitze
102m. Die Kuppel besteht aus Guss- und Schmiedeeisen, ist mit
Kupfer überdeckt und nebst Laterne und Kreuz stark vergoldet.
Sieben kolossale Bronzethüren mit reichem Sculpturenschmuck
von Yitali (f 1865) u. a. führen in das durch die 12 Fenster der
Kuppel und wenige Seitenfenster matt beleuchtete Inneub. Das-
HO B(mtt 11. ST. PETERSBURG. Westlicher
selbe erinnert in seiner Anordnung an St. Peter in Rom , doch ist
die Wirkung durch die im Yerh'ältniss zu den mächtigen Pfeilern
geringen Dimensionen eine ungleich schwächere. Wände und Fuss-
boden sind mit den prachtvollsten geschliffenen Marmorarten in ge-
schmackvoller Zusammensetzung belegt (ein Geschenk Demidow^s
an den Kaiser Nikolaus), erstere ausserdem mit zahlreichen (an 200)
Gemälden russischer Künstler geschmückt. Das kolossale Decken-
gemälde der Hauptkuppel ist von Brülow begonnen , von Bassin
beendigt. Zwischen den Fenstern der Kuppel kolossale Engelflguren,
in Erz und vergoldet.
Der Ikonottas , die hohe bis zur Decke reichende Bilderwand,
welche in russisch - griechischen Kirchen das AUerheiligste vom
Schiff trennt, 56 m breit, Marmor mit reichster Vergoldung, ist mit
33 grossen Heiligenbildern in 3 Reihen über einander geschmückt,
dabei viele kostbare Mosaikbilder. Zu beiden Seiten der ins AUer-
heiligste führenden Hauptthür („Kaiserpforte^), prachtvoller Bronze-
guss nach Vitali, 8 m hoch, 4 m br., stehen zehn Säulen, je eine aus
Lapislazuli, 4,8 hoch, 0,6 m im Durchmesser, und Je vier aus Malachit,
9 m hoch, und 0,75 m im Durchm., mit reich vergoldeten Basen und
Kapitalen (die Säulen sind nicht massiv , sondern bestehen aus ei-
sernen mit Malachit und Lasurstein verkleideten Gylindem). Im
Sanctuarium (Zutritt für Frauen nicht gestattet) der Hochaltar aus
weissem Marmor mit einer Nachbildung der Kathedrale in Silber als
Tabernakel ; darüber ein farbenprächtiges Glasgemälde der Aufer-
stehung Christi, in München gefertigt. In dem Halbrund hinter dem
Altartisch sind die Sitze für den Metropoliten u. die Domgeistlichen.
Auch die beiden Nebenaltäre, in Marmor u. Malachit, sind prachtvoll.
Die dem Gultus dienenden Gegenstände bestehen mit Ausnahme
der sieben kolossalen Bronze-Kronleuchter durchweg aus Gold und
Silber u. sind von Gliedern des kaiserlichen Hauses gestiftet. Ihrem
ungeheuren materiellen Werthe (die von den Hoflieferanten Nicholls
und Plincke gelieferten Goldarbeiten wiegen über 40 kg, die Silber-
arbeiten haben ein Gesammtgewicht von mehr als 1100 kg) entspricht
die vorzügliche Arbeit. Unter der Masse von kostbaren Gegenstän-
den erwähnen wir 15 gewaltige silberne Oandelaber, ein prächtiges
Evangeliarium, auf dessen Einband allein 20 kg Gold verwandt sind,
sowie ein aus Silber gefertigtes z. Th. vergoldetes Grab Christi.
Wenn kein Gottesdienst (d. h. vor */2l0 und nach 12 U.) ist,
kann man unter Führung eines Kirchendieners (20 Kop.) alle Räume,
auch das auf Wunsch geöffnete Sanctuarium, besichtigen. Doch ver-
säume man nicht, auch einem Gottesdienste (besonders feierlich am
Geburtstage des Kaisers, 26. Febr./lO. März) beizuwohnen. Grossen
Eindruck macht namentlich an Festtagen der von ausgesucht schönen
Stimmen ausgeführte Männergesang, vorzugsweise das „Gospodi
pomilui'' (Herr erbarme dichl).
Di^Kuppel, zu welcher 530 Stufen hinaufführen (Führer SOKop.),
bietet eine prächtige «Aussicht über die Stadt und die Newa.
AdmiralitätatheiL ST. PETERSBURG. 11. Route, 111
Südl. der Kathedrale am Wosnesseusky-Prospect liegt der laaäks-
Oarten, Jenseit desselben auf dem Marienplatz erhebt sich das 18Ö9
errichtete Denkmal des Kaiseri Kikolaiu I. (IlaiiflTHiiKi HHSOJiaji I.,
PI. 29, E 6), nach dem Entwürfe von Monferrand, die Reiterstatue
des Kaisers von Klodt, Der Kaiser, in der Uniform seiner Chevalier-
Garde, ist auf feurig sich aufbäumendem Rosse dargestellt. Die ganze
Last des Reiters ruht lediglich auf den Hinterfüssen des Pferdes. Der
hohe ovale Sockel aus Granit und Marmor ist mit Bronze-Trophäen
und Basreliefs, Ereignissen aus des Kaisers Leben, geschmückt ; am
besten gelungen 'der Moment, wo der Monarch durch sein Erscheinen
auf dem Heumarkte (S. 161} einen Aufstand beschwichtigt und die
Rebellen ihm zu Füssen fallen. An den Ecken die Figuren der Ge-
rechtigkeit, Stärke, Weisheit u. des Glaubens (Porträts der Gemahlin
und dreier Töchter des Kaisers). Inschrift: „HHKOjaioL — Hiinepa-
Topy BcepocciäGKOMy" (,»Dem Nikolaus I., Kaiser aller Reussen'').
Gerade vor dem Denkmal , jenseit der Blauen (Ssiny-) Brücke,
an der Ecke ides Wosnessensky-Prospects der Leuehtenberg'iohe
Palaat (PL 178: E6), 1844 durch Kaiser Nikolaus für seine älteste
Tochter Maria, Herzogin von Leuchtenberg, und deren Gemahl im
italienischen Stil erbaut, jetzt vom Staat für den Reichsrath (S. 108)
angekauft.
Die G-allerie des Herzogs v. Leuchtenberg kam durch die Vermäh-
lung des Herzogs Maximilian (f 1852) mit der Grossfürstin Marie von Mün-
chen nach St. Petersburg. Sie wurde durch den Grossvater der jetzigen
Besitzer, den Vicekonig von Italien, Eugen Beauharnais, zusammengebracht
und enthält daher namentlich italienische Bilder, besonders der venezia-
nischen Schule.
Wenden wir uns von dem Denkmal r. (w.) in die belebte Gr o s s e
Morskaj a fBoZscAaia Morskaja, PL EF6,5), so haben wir zu-
nächst r. an der Ecke die Deutsehe Botschaft (PI. E6); weiter, L,
die Beformirte Xirehe (Pe«op][aTCKafl UepiOBb ; PI. 117: E6), von
den deutschen Beformirten 1863-65 gebaut. Im Erdgeschoss die
Wohnung des Predigers und eine Schule ; im ersten Stock die ein-
fach gehaltene Kirche. Der viereckige Glockenthurm hat eine acht-
eckige durchbrochene Laterne. — Der Kirche schräg gegenüber r.
die Kanzlei des Ministeriums des Innern, Durch die hier abgehende
Seitenstrasse, quer über Postamt-Strasse (Potschtamtskaja), in der
r. das Post- Departement (IIoqTOBiiii AenapTaHeHTi), 1. das Haupt-
Poitamt (FiaBEHfi-IIoiTaHrB ; PI. 189: E6), und weiter am Ende r.
das Haupt ' Telegraphenamt (PI. 213), gelangen wir in die Neue
iBSkikB^StrsLasQ (Nowo-Isakjewskc^a), Am Ende dieser Strasse , in
der die Manege (s. oben), die Ställe und Kasernen der Oarde zu
Pferde, die amerikanische Methodistenkirche (PL 113), dieser Secte
von Katharinall. 1767 eingeräumt, und die Jfamie-£^aseme(MopcKlii
KasapHH, PL 78) liegen , erhebt sich auf freiem Platze an der Yer-
kündigungs - Strasse (Blagowjeschtsehenskaja) die Kirehe Maria
Verkfindigang (UepxoBL BiaroB'bmeHHoü üpecBATofl Eoropo^Eim ;
PL 112: D6), in Form eines griechischen Kreuzes, mit vergoldetem
112 Route 11, ST. PETERSBURG. Oestlicher
Thurm. R. mündet der Bouleyard der Garde zu Pferde (s. oben)^
südl. begrenzt von den oben genannten Kasernen. An der Nordseit»
desselben erhebt sich , mit der Hanptfa9ade nach der Y erkündi-
gnngsstrasse , der elegante Palast des Orossfiinrten Nikolaus Kiko*
hgewitsoh des Aeltern (^opem BeiMKaro Khjiss ÜHKOjaii Hhko-
laeBHHa; PI. 182: DE 6), 1861 von Stakenschneider erbaut. Der
Haupteingang ist von einem geschmackvollen Gitter umgeben und
mit Säulen geschmückt; im Innern ein schönes Treppenhaus.
Wir folgen, die Galeerenstrasse CG^a^ema^aj kreuzend, der Ver-
kündiguugsstrasse zur Newa {Nikolatuhrüeke s. unten). An dem
eleganten EnglischenQuai (Anglijskaja Nabereshnaja) 1. (ström-
abwärts) die Xnglisehe Kirche (UepKOSi AHriificEaH; PI. 99: D6),
ein hübscher Bau , zu dessen Kosten die englischen Kaufleute St^
Petersburgs 1813 25,000 R., die englische Regierung 1850 40,000 R.
spendeten. Das Altarbild ist eine Kopie der Kreuzabnahme von
Rubens. Gottesdienst Sonntags 11 und 4 U. — Weiter (Eingang von
der Galeerenstrasse) die Hena Admiralität (Hoeoe AAiiHpajbTeücTBO ;.
PL 1 : E 5) , mit den von der alten Admiralität hierher verlegten
Docks und Schiffswerften.
Rechts, oberhalb der Nikolaibrücke, die Hikolaus-Oeneralstabi-
Akademie (HnKOjaliBCKaji AKaxeiiifl FeHepaibHaro Uliaöa; PI. 7:
D 5, 6), eine höhere militärische Lehranstalt, in der in einem zwei-
jährigen Cursus (in der geodätischen Abtheilung vierjährig) schon
im activen Dienst stehende Offiziere für eine specielle Fachbildung
vorbereitet werden (Haupteingang von der Galeerenstrasse).
Die *Nikolans-Bräeke (HuKOjatBCKitt hocti , PI. D 5), welche
von der'Blagowjeschtschenskaja-Str. und dem Englischen Quai nach
Wassily-Ostrow (S. 168) führt, wurde 1851 an Stelle der früheren
Schiffs (l8aake)-Brüoke vom Ingenieur-General Kerbeds aus Granit
u. Eisen erbaut, ruht auf 7 Pfeilern und wird durch 22 grosse Can-
delaber erleuchtet Am nördl. Ende ist ein* Durchlass für Schiffe.
Das schwerfällige Eisengitter ist in der Baird'schen Fabrik in St.-
Petersburg gegossen. Kurz vor dem Durchlass steht eine hübsche
kleine Marmorkapelle, dem h. Nikolaus gewidmet, mit dem Mosaik-
bilde des Heiligen nach Neff. Die *Au88icht von der Brücke ist
interessant.
b. OestUoher AdmiralitAtaÜiett.
Oestl. stosst an den Admiralitätsplatz (S. 106) der Palast-
Platz (PI. F5), an der Nordseite begrenzt vom Winterpalast (s.^
unten), an der Süd- und Ostseite in weitem Bogen von dem grossen
Generalstabsgebäude (S. 118). In der Mitte des Platzes steht die
*Ala«aader- Saale (AieKcaiiApoBcxaa KoiOBHa; P1.25:F5), zum
Gedächtniss Alexander 's I. 1834 nach Monferrand'B Entwurf voa
Kaiser Nikolaus errichtet. Auf einem 8 m h. Piedestal, aus einem
einzigen Granitblook, erhebt sich die gewaltige S&ule, der grösste
Monolith der Neuzeit, 25 m hoch, 4 m im Dur ehm., aus polirtem^
Admiralüätstheil, ST. PETERSBURO. ü. Boute. 113
rothen flnnländ. Granit, mit 4 m h. Bronze-Kapital. Auf der Spitze
auf einer Kugel ein 4 m h. bronzener Engel , der in der 1. Hand
ein 3 m h. Kreuz hält, die rechte zum Himmel erheht und mit dem
Fuss eine Schlange zertritt. Die Hohe des ganzen Denkmals beträgt
42m. Inschrift: „AieKcanxpy üepsoMy EjaroA&pHafl Poccifl*' (Ale-
xander I. das dankbare Russland).
Der »Winteipalast (3HMHiä ^Bopem; P1.I187: £F5), die Resi-
denz des kaiserlichen Hofes während des Winters, bildet ein weites
Rechteck, TOn 137 m Länge und 106 m Breite, mit der n.w. Front
gegen die Newa — und zwar da, wo diese ihre grösste Breite erreicht
hat — , mit der s.o. gegen den Palastplatz, mit der s.w. gegen die
Admiralität gerichtet , von letzterer durch einen freien Platz (Ras-
wodny-Platx) zur Auffahrt für die Wagen getrennt. Zur Grösse des
Schlosses steht die Höhe (24 m) nicht im richtigen Yerhältniss ; der
Unterbau ist sehr niedrig, der Barock-Stil etwas zu schwülstig, die
Verzierung mit Statuen u. s. w. überladen. Die braungelbe Grund-
farbe steht in hübschem Gontrast zu dem rothen , eisernen Dache.
Auf der Stelle des heutigen Winterpalastes, so benannt im Gegensatz
zu dem ehemaligen Sommerpalais der Kaiserin Elisabeth auf dem Terrain
des Miehailow^sehen Palastes (S. 130}, stand zur Zeit Peters des Orossen
ein Haus des Grossadmlrals Grafen Apraxin, das dieser dem Kaiser
Peter II. vermaehte. Die Kaiserin Anna bewohnte es nach ihrer Krönung
in Moskau, Hess es aber 17S3 niederreissen und den Bau eines grossen
Sehlosses naeh BtutrelWs Plänen beginnen, der nach ihrem Tode längere
Zeit stockte, 1T54 von Elisabeth wieder aufgenommen und 1763 unter
Katharina IL beendet wurde. Elisabeth hatte zu diesem Zweck mehrere
Paläste angekauft, welche zwischen dem Apraxin-Palais und dem Hause
des Vice-Admirals Gruys, also zwischen der Newa und der deutschen Go-
lonie lagen. Am 7. December 1837 wurde ein grosser Theil des Winter-
palastes ein Baub der Flammen^ speciell gingen zu Grunde der berühmte
„weisse Saal**, der „Saal des heil. Georg", der „Saal der Feldherren'' mit
den 40O Portraits russischer Heer- u. Flottenführer, die Zimmer der Kaiserin
mit allen ihren Kunstschätzen u. s. w. ; der Schade wurde auf 35 Mil-
lionen E. geschätzt. Den Wiederaufbau nach Bastrelirs Plan leitete dea
Kaisers Generaladjntant Graf Kleinmichel , schon Anfang 1839 war der
Palast neuhergestellt.
Die Haupteingänge befinden sich am Palastquai (Jordan -Ein-
gang) und am Palastplatz, Nebeneingänge am Palast- u. Raswodny-
Platz (ScUtikow- Eingang). Vom Jordaneingange am Newa -Qual
führt die prachtvolle Parasb- oder Botschaiteb-Tbbppe, aus
carrarischem Marmor, hinauf zu den kais. Staatsgemäcbern. Die
Vorhalle ist im Renaissancestil stuckirt und mit Statuen geschmückt ;
unten eine schöne, mit Marmorgruppeu (von Falconet, Pigalle etc.)
und Büsten geschmückte Gallerie. — Der Eingang für das Publi-
kum (Zutritt nicht gestattet, s. S. 99) ist am Palastplatz , r.
neben der grossen Durchfahrt. Wir geben nachstehend die Beschrei-
bung der Zimmer in der Reihenfolge, wie sie früher gezeigt wurden.
Man betritt zunächst über die Commandanten - Treppe den
AL£XAND£B-SAAL(AieKcaHApOBCKafl3aja), wie die folgenden sieben
Zimmer mit Schlachtenbildern geschmückt.
Alexander- Saal. 1. Porträt Alexander' s I. von Geore Dawe. 2. Ein-
nahme von Paris (1814). 8. SchUcht bei Kulm (1813). 4. Treffen bei La
Fire-Champenoise (1814). 5. Schlacht bei Leipzig (1813>, von 8av4rw»id.
Russland. 2. Aufl. 3
1 14 Route 11, ST. PETERSBURG. Oestlicher
Zweites Zimmer. 1. Oefecht bei Baßch - Kadyk - Lar (1853) von Wille-
walde. 2. Gefecht bei Kürük-Par (1854) von Baikovo. 3. Aus der Belagerung
von Varna (1828), von Saiterusaid. 4. Einnahme von Achaltzich (1828),
von Suchodolsky. 6. Erstürmung des Gunib und Gefangennahme Scha-
myrs (1859) von OruHmki. 6. Schlacht bei Poltawa (1700) von Kotzebve. 7.
u. 8. Kämpfe in der Nähe von Sewastopol (1855) von Willewalde u. Baikote.
Drittes Zimmer. Seeschlachten, von Attocuotesky : 1. Beval (1790);
2. Hogland (1790); 3. Wyborg (1790): 4. Navarin (1827); 5. Sinope (1853).
6. Seetreffen beim Berge Athos (180t), von Sogoliubote. 7. Schlacht bei
Tscheleti, von Makutt^to.
«Viertes Zimmer. Schlachtengemälde aus dem Feldzuge 1812 von Peter
Heu: 1. Schlacht bei Kljastitzy. 2. Bückzug des Generals l^ewjerowsky
nach dem Gefecht bei Krasnoi. 3. Schlacht bei Ssmolensk. 4. Schlacht
bei Walutina-Gora. 5. Schlacht bei Borodino. 6. Schlacht bei Tarutino.
7. Schlacht bei Polozk. 8. Schlacht bei Malo-Jaroslawez. 9. Schlacht bei
Losmin. 10. Schlacht bei Wiasma. 11. Treffen bei Krasnoi. 12. TJeber-
gang über die Beresina (S. 244).
Fünftes Zimmer. Gemälde von Kotxehue: 1.-3. Ssuworow auf seinem
Zuge über die Alpen (1799). 4. Einnahme von Berlin (1760). 5. Ein-
nahme von Kolberg (1761). 6. Schlacht an der Trebia (1799). 7. Schlacht
bei Novi (1799).
Sechstes Zimmer. 1. Schlacht bei Karwa (1700). 2. Einnahme von
l^öteborg (Schlüsselburg, 1702). 3. Schlacht bei Grossjägemdorf (1752). 4.
Schlacht bei Zorndorf (1758). 5. Gefecht bei Zülliehau (1759). 6. Schlacht
bei Kunersdorf (1759). 7. Ssuworow und Grossfürst Konstantin auf dem
Panizer Pass; sämmtlich von Kotzebue.
Siebentes Zimmer. 1. Eroberung von Otschakow (1788). 2. Schlacht bei
Elisawetpol (1826), beide von SuchoStUky. 3. Aus dem ungarischen Feldzuge
1848 (Kosaken überschreiten die Theiss), von Willevoalde. 4. Einnahme von
Erzerum (1829), 5. Einnahme von Kars (1829), beide von Suchodohky.
Achtes Zimmer. 1. Schlacht bei Leipzig, von Reuehlin. 2. Tod des
Generals Moreau in der Schlacht bei Dresden, von Steuben, 3. Schlacht
von Balaklawa (1854), von Sucliodolsky.
Es folgt der prachtvolle Weisse Saal (Speisesaal), mit schönen
Marmorstatuen (in einem Ausbau nach dem Platze goldene und
vergoldete Schüsseln , in denen dem verst. Kaiser Brot und Salz
dargereicht wurden) ; dann der Gonversations- oder Goldene Saal
(3oJOTafl saia) imbyzantin. Stil, mit herrlichem Mosaik (Ansicht der
Tempel von Pästum) über dem Kamine. In einer Ecke die sitzende
Marmorflgur der Kaiserin Alexandra Feodorowna von Wichmann. Im
folgenden Zimmer einige kleinere Gemälde und eine Pendeluhr,
welche nur einmal im Jahre aufgezogen wird. — In dem Durchgangs-
Zimmer nach dem sog. dunklen Corridor (S. 116) Bildnisse russischer
Staatsmänner, dabei mehrere von Krüger, SimrrUer u. a.
1. Fürst Woronzow. 2. General Graf ^enlrendor/, 1832 in den erblichen
Beichsgrafenstand erhoben, Polizeiminister und Mitglied des Reichsrathes.
3. Graf Orlote (s. S. 187). 4. Feldmarschall Fürst Bariatinsky. 5. Fürst Victor
Kotzclmbeyy unter Kaiser Paul Vicekanzler, unter Alexander I. Minister des
Innern, unter Kikolaus Reichskanzler, von letzterm in den Fürstenstand
erhoben. 6. General Fürst Alexander TtchernitscheWy unter Kaiser Nikolaus
Kriegsminister. 7. Feldmarschall FnrstLudmg v.Sayn- Wittgenstein, russischer
Feldherr 1812, 1828 Oberbefehlshaber gegen die Türken,- 1834 in den preus-
sischen Fürstenstand erhoben (+ 1843). 8. Admiral Fürst Menschikow. 9.
General Graf Kleinmichel^ unter Kaiser Kikolaus Generaldirector der Wege-
verbindungen. 10. Feldmarschall Graf Berg (s. S. 13). 11. Feldmarschall
Fürst Peter Wolkonsky^ 1812-1813 Chef des Generalstabes, unter Kikolaus Hof-
Minister, 1860 FeldmarschaU. 12. General Graf Paul Kisseleu, leitete 1828
die Operationen im türkischen Feldzuge, nach dem Kriege Gouverneur der
.Moldau und Walachei, 1833 Gorpscommandeur , 1838 Domänenminister,
Admiralitätstheil, ST. PETERSBURG. U. Route, 115
1866-63 Botsehafter in Paris (f 1872). 13. Graf Neiselrode^ erst Vicekauzler,
dann Kanzler des rassischen Reichs. 14. General Graf Rüdiger^ Mitglied
des Belchsraths und interimistischer Gouverneur von Polen. 15. Fürsten
A. und 8. Gcüitzyn.
An das Pompejanische Zimmeb schliesst sich der prächtige
ehem. Empfangs- Saal der Kaiserin Alexandra Feodorowna, mit
stuckirten Wänden (auf denselben allegor. Gemälde nach Raffael),
reich vergoldetem Plafond und Thüren, Säulen, Kamin und Yasen
von Malachit, Candelahern von Lapislazuli und vergoldeten Möbeln ;
dann das Weisse Cabinet. Der Rothe Saal, an der Newa -Ecke,
und das daranstossende Cabinet gewähren hübsche Aussichten auf
Wassily-Ostrow , die Petersburger Seite , die Nikolai - Brücke und
Isaaks - Kathedrale.
Es folgen die Wohnräume und das Sterbezimmer der Kaiserin
Alexandra Feodorowna , fast unverändert , wie am Tage ihres Ab-
lebens. Gleiche Einfachheit charakterisirt die Räumlichkeiten (nach
dem Admiralitätsplatz gelegen) , welche der Kaiser Alexander II.
hewohnte. Schlaf- und Arbeitszimmer des Kaisers sind im selben Zu-
stande wie an seinem Todestage; grüne Tapete, einfache Mahagoni-
Möbel. In einer Nische das eiserne Feldbett auf welchem Alexander IL
starb. — Durch das Schlatzimmeb des Kaisebin Alexandba
mit herrlichem Fries gelangt man In das Ankleidezimheb, von da
mittelst einer Tapetenthür in das Babeoemach in maurischem Stil,
dann in ein kleines Zimmer mit den Porträts der Grafen Kleln-
michel (s. o.) und Adlerberg, sowie des Lieblingshundes des Kaisers
Nikolaus. In diesem Zimmer brachte die kaiserliche Familie im
engen Familienkreise häufig die Winterabende zu. Eine mit Blu-
men bestellte Marmortreppe führt hinab zu einer Grotte , wo unter
tropischen Gewächsen ein zweiter Cirkel Raum fand. — In dem
sehr einfachen Stebbezimmsb des Kaiser Nikolaus (im untern
Stock) dessen Uniform auf dem harten Feldlager, ferner sein Degen,
Helm , die geflickten Pantoffeln und der Wandkalender , der auf
seinen Todestag (2. März 1855) zeigt.
Nach dem Rundgange durch diese Zimmer gelangen wir in die
Pompe janische Gallebie (noiineftcKaflrajJepefl), nach dem inneren
Hof und einem schönen Garten mit marmornem Wasserbassin ge-
legen. An diese Gallerie stösst der riesige Nikolai-Saal (1 6 Fenster
Front nach der Newa) , wo die grossen Hofbälle stattfinden , mit
einem ^Porträt des Kaisers Nikolaus zu Pferde von Krüger. In den
Ecken vier kolassale Büffets mit goldnen oder vergoldeten Schüsseln,
Krügen und Salzfässern. Anstossend ein Goncertsaal. Dann folgt das
Mohrenzimmer (Apa6cKaff KOHHara), welches r. zum Malachit^
Salon der Kaiserin Alexandra Feodorowna führt, geradeaus in das
Fompejanische Vorzimmer und die Rotunde, welche als Vorsaal
der kleinen Palastkirche dient, mit den lebensgrossen Portraits von
Nikolaus L, Alexander L u. IL von Angeli, sowie der Kaiserinnen
Alexandra Feodorowna und Marie Alexandrowna.
116 Route IL ST. PETERSBURG. Otsüicher
Auf die Rotunde mündet der ,,dunkle Corridor^, welcher die
Gemäclier Kaiser Alexanders II. von den sog. „ersten Reserve-
Räumen " trennt. Im dunkeln Gorridor lebensgrosse Porträts von
russischen Feldmarschällen (darunter Erbherzog Albrecht, Graf
Radetzky, Graf Moltke , Kaiser Friedrich III. als Kronprinz) uu4
Staatsmännern.
Der Nikolai -Saal schliesst sich auf der andern Seite an einen
Vorsaal , in welchem sich ebenfalls in den Ecken vier kolossale
Büffets mit Schüsseln und Salzgefässen befinden , Geschenke von
Städten und Corporationen zur Krönung Kaiser Alexanders II.
Von diesem Saale gelangt man durch die pompejan. Gallerie in
den Feldmabschallssaal (^eibAMapuiaacKaii aaja), mit den lebens-
grossen Porträts russ. Marschälle, welche einen ehrenden Beinamen
haben, und anderen Gemälden.
1: Feldmarschall Alexander Ssuvoraw Rpmnikskp (gemalt von Frost)^
geb. 1727 in Moskau , nach der Sehlacht bei Bymnik 1789 rusBischer und
Reichagraf, nach seinen Erfolgen in Italien sardinischer Fürst , von Paul
in den russischen Fürstenstand erhoben. 2. Graf Paskevfitseh Eriwansky^
später Warsehavskp (von Fr. Krüger), aus kleinrussischem Adel, 1831 in
den Fürstenstand erhoben (s. S. 3). 3. Graf Rumjanxow Badunauk^ (von
Ries} s. S. 170). 4. Fürst PoUmkin Tawrittcheiky (s. S. 166). 5. Fürst
Michael Oolenittscheto - Ktttusow Ssmolen$ky (von Bachtin), f 1813 (S. 157).
6. Graf Hom Diebitseh Sabalkansky (von Bachtin) , aus Schlesien gebürtig,
berühmt durch die Eroberung Varna's und den Uebergang über den Bal-
kan (1828). 7. Uebergabe der ungarischen Armee durch General Görgel
bei Viligos (von Willewalde). 8. Episode aus der Schlacht bei Wola
(1831) , von Horace Yernet.
Yon hier zum Thbonsaal Petebs des Gbossen (3aia üerpoB-
CKafl), dessen rothe Sammetwände mit goldgewebten russischen
Adlern übersät sind. Im Nebensaal in einer Nische zwischen Jas-
pissäulen ein Gemälde von Amiconi : Peter der Grosse vom Ruhme
geführt; über ihm schweben Genien, welche die Kaiserkrone tragen.
Auf einer Erhöhung steht der kaiserliche Thron. Kronleuchter,
Candelaber und Tische sind von Silber. Am Neujahrstage bringt
da9 diplomatische Corps in diesem Saale dem Kaiser seine Glück-
wünsche dar.
Es folgt der grosse Wappensaal (FepöOBafl 3aia) mit vergol-
deten Säulen ; in den vier Ecken Gruppen altrussischer Krieger^
welche Feldzeichen halten, auf denen die Wappen der russ. Gouver-
nements dargestellt sind. Auf der Fensterseite die Wappen aller
Provinzen des Zarenreiches.
Die Gallebie von 1812 enthält Brustbilder von Fürsten und
Feldherren (250), die sich 1812 und in den folgenden Kriegen aus-
gezeichnet haben , von Dawe mit Hülfe seiner Verwandten gemalt;
sowie verschiedene Fahnen (u. a. polnische und die der Palast^
Grenadiere).
1. Alezander I. zu Pferde. 2. Grossfürst Konstantin Pawlowitsch, Statt'
halter von Polen (s. S. 20). 3. Friedrich Wilhelm III., Konig von Preussen,;
2u Pferde. 4w Franz I., Kaiser von Oesterreieh, zu Pferde. 5. Herzog von
Wellington. 6. Fürst Barclay de ToUy, 1812 Befehlshaber der 1. russischen
Armee. 7. Fürst Kutusow (S. 157). 8. Fürst Blücher von Wahlstatt, u. s. w..
AdmiralitätsthtiL ST. PETERSBÜRO. 11. Uoute. 117
- Per St. Geobgs-Saäl (reopritBCKafl saia), 4Ö m lang und 20 m
breit , ist mit korinth. Säulen und 10 prachtvollen Kronleuchtern
geschmückt; in der Mitte der Thron; dahinter* das grosse Reichs-
:wappen in Gold auf rothem Sammet gestickt. In diesem Saale -wird
das Georgenfest am 26. Noy./8. Dec. gefeiert.
Der Winterpalast umschliesst zwei Kirchen, die oben gen. Palast-
kapelle und die Kathedrale des nicht von Händen gemachten
Heiligenhildts (€o6opi> Cnaca HepyKOTBopeHHaro Oöpasa), in der
n. w. Ecke. Beim Ikonostas das dem Evangelisten Lucas zugeschrie-
bene Muttergotteshüd aus Malta und in einem Glaskasten die andern
Reliquien des Malteserordens, welche der letzte Grossmeister Kaiser
Paul aus Malta erhielt: die Hand Johannes des Täufers, und ein
Armknochen der h. Magdalena. Reiche Schatzkammer.
Am Epiphanienfest (6. Januar) findet von hier naeb dem Gottesdienst
«ine Prozession , welcher der Kaiser, die kaiserliehe Familie, die hohe
Geistlichkeit und die Spitzen der Behörden beiwohnen, nach der Newa
statt, auf deren Eise eine Kapelle errichtet und die Wasteneeihe vorgenom-
men wird.
Den Glanzpunkt des Winterpalastes bildet die *Sohatzeammbb,
in einem Saale des zweiten Stockwerks gelegen. Durch eine eiserne
Thüi, die von zwei Unteroffizieren der Garde bewacht wird (letztere
zeigen auch die Kleinodien) , treten wir in das Qemach der Krön-
Juwelen, Hinter und wird die Thür wieder verschlossen.
Der Glaskasten in der Mitte enthält die Kroninsignien. Am kostbarsten
ist das JSeepter (Cxjmerpi) mit dem berühmten Diamanten Orlow. Ueber
seine Schicksale giebt es verschiedene Traditionen \ nach der gangbarsten
soll er das eine Auge des goldenen Löwen vor dem Thron des Gross-
moguls in Delhi gewesen sein, dessen anderes Auge der Kohinur Qetzt
im brit. Kronsehatz) war, und wurde von einem Sepoy geraubt. Auf Ma-
labar angekommen, verkaufte dieser den Stein für 3000 Guineen an einen
Schiffskapitän, von dem ihn wieder ein Jude um 12,000 Guineen (c. 100,000 B.)
erstand. Hierauf kam er in die Bande eines armenischen Kaufmanns,
Lazarew, von welchem ihn Graf Orlow in Amsterdam kaufte und der
Kaiserin Katharina II. schenkte. Er zahlte 450,000 B. , verschaffte dem
Kaufmann überdies eine Leibrente von 2000 B. und das Adelsdiplom. Der
Diamant wiegt 186 Karat und ist der grosste in Europa. — Die prachtvolle
Kaiserkrone^ in byzantin. Form zur Krönung der Kaiserin Katharina II.
1762 von dem Hof juweller Pauzi^ (Genfer) hergestellt, wird auf 1,100,000 B.
geschätzt. Auf der Spitze ein Kreuz aus 5 prachtvollen Diamanten, das
auf einem sehr grossen, ungeschliffenen blassrotlren Bubin ruht und von
einem goldenen, mit elf grossen Diamanten besetzten Beif getragen Wird.
Zu beiden Seiten des Beifs geben Halbbogen von je 38 grossen Perlen
dem Diadem die Gestalt einer Mitra, als Symbol der Oberhoheit des rus-
sisehen Kaisers über die Kirche. Der Stirnreif der Krone ist mit 28
Brillanten besetzt. — Die Krone der Kaiserin ist gleichfalls mit den kost^
barsten Diamanten, Perlen und Edelsteinen übersät. Der Knopf des
Reichsapfels bildet ein grosses Diamantenkreuz auf einem herrlichen grün>
blauen Saphir. In andern Kästen liegen Schmtitck'Oarnituren^ Diademe u. s. w.
Der ungefasste Sehahdiatnant ^ von einem persischen Prinzen dem Zaren
geschenkt, von länglicher Gestalt, wiegt 36 Karat und hat eingravirte pers.
Buchstaben. Diamantfeder Ssuworows, vom türk. Sultan diesem geschenkt.
Femer sind bemerkenswerth ein prachtvoller blassrother RuMn^ ein An-
dreas-Orden mit 5 Bosendiamanten und zwei sibirischen Beryllen^ und
die diamantenen Ordensketten des Andreas - Ordens , welche Kaiser .und
Kaiserin am Krönungstage tragen; etc.
118 Beute IL ST. PETERSBURG. Oestlicher
Dem Winterpalast gegenüber an der Südostseite des Palast-
platzes (S. 112) erhebt sich das
Goieralstabiffebäude (FjaBHHft HItböi; PI. 50: F5), dessen ko-
lossale Front (drei Stockwerke mit 768 Fenstern) von einem Halb-
bogen unterbrochen wird , durch welchen ein Durchgang nach der
Bolschaja Morskaja und dem Newsky-Prospeot führt. Das Haupt-
Thor, 22 m h. und 18 m br., ziert ein ehernes Sechsgespann mit der
Figur des Kriegsgottes. Das Gebäude , nach MosH's, Plänen unter
Kaiser Nikolaus aufgeführt, enthält reiche Sammlungen von Büchern
und Karten, eine Druckerei, kartographische Anstalt u. a. Im
grossen Lesesaal der Bibliothek, einer herrlichen Säulenrotunde, das
lebensgrosse Bild des Kaisers Nikolaus -von Fr. Krüger und zahl-
reiche Büsten. Das grosse Archiv enthält die auf die Geschichte der
russischen Armee seit den letzten 70 Jahren bezüglichen Aktenstücke,
das geheime Archiv die Berichte der russischen Generale an deU
Kaiser und den Kriegsminister aus allen Kriegen, welche Russland
seit Peter dem Grossen geführt hat. — Die Ministerien der Finanzen
(PI. 161) und des Auswärtigen (PI. 163), sowie verschiedene andere
ministerielle Bureaux sind in demselben Gebäude untergebracht.
In der Nähe, jenseits der Sängorbrücke (PI. F5), die Hof sang er schule
(üpaj^opHiui n-KB'vecxaH Baneua)., in der die für die kaiserliche Kapelle
bestimmten Sänger ausgebildet werden.
Oestlich stossen an den Winterpalast die beiden Eremitagen
(S. 122). Ueb erschreiten wir östlich von der neuen Eremitage am
Palast (Dworzowy) - Quai den Winter- Kanal bei seiner Mündung
in die Newa auf der Eremitage-Brücke (9pHHTaiKHiii8 mocti), so
haben wir r. das Xremitage-Theater (PI. 218: F 5), von Guarenghi
(S. 122) nach dem Muster des röm. Theaters zu Ylcenza erbaut, nur
selten bei grossen Hoffestlichkeiten benutzt. Das Gebäude ist mit
Säulen und Statuen geschmückt; das Innere fasst 500 Personen.
Im Rücken des Theaters, Front nach der Millionnaja, liegt die
Kaserne des 1. Bat, des Preohrashensky' sehen Regiments (KasapMU
lIpeodpaseHCKaro noJKa; PI. 84: F5). — Weiter, mit der Haupt-
fagade nach der Newa, das geschmackvolle neue "'Palais des Qross'
färsten Wladimir Alexandrowitsch (PI. 188: F 5), im florentiner Stil,
das schönste unter dea Schlössern der Grossfürsten; dann der Palast
des Orossfärsten Michael Nikolajevdtsch (PI. 181 : F 4, 5), von Sta-
kenschneider 1863 erbaut, mit überreicher Ornamentik; an der Newa-
Seite eine ^ircÄc im Rococostil. — Eine Strecke weiter, an der Newsky-
Ueberfahrt zur Festungsinsel vorbei, das sog. Marmorpalais de*
Orossfürsten Konstantin Nikolajewitsch (MpaMopHtitt ^Bopeiici 5e-
jUKaro KHfl3fl KoHCTantHHa HHKOjatBHqa ; PI. 177: F4).
Dieses burgähnliche, nicht besonders freundlich aussehende Gebäude
wird selten von Beisenden besucht, ist aber wegen seiner prachtvollen
Einrichtung sehenswerth. Es wurde im Laufe von 90 Jahren aus Granit,
Marmor, Eisen und Bronze von Katharina II. nach Plänen de la Hothe's
für den Fürsten Orlow gebaut und nach dessen vor der Vollendung er-
folgtem Tode durch die Kaiserin von den Erben Orlow^s zurückgekauft.
Mit Erlaubniss Paulis bewohnte das Behloss dann König Stanislaus Ponia-
AdmiralitätsthtiL ST. PETERSBURG. IL Route. 119
towski bis zu seinem Tode. 1832 wurde es Bigenthum des Grossfürsten
Konstantin, Bruders des Kaisers Nikolaus. Das Palais bildet ein länglicbes
Viereck, dessen eine schmalere Seite durch zwei vorspringende Flügel
einen Hofplatz erhält. Die beiden Flügelseiten stehen nach der Newa und
nach der Millionnaja; die Hinterseite ist durch eine Quergasse von den
übrigen Gebäuden getrennt ; die Vorderseite hat einen zweiten geräumigen
Hof, der an der Flügelseite mit vergoldetem Gitter eingeschlossen, vorne
durch die Manage des Palastes (Basrelief von Baron Klodt) begrenzt ist.
Der untere Theil der Hauern ist aus grossen Granitblöeken zusammen-
gesetzt, der obere mit grauem Marmor bekleidet und mit Pfeilern von
rÖtblichem Marmor, Vasen und Urnen verziert. Alles ist Stein und Metall^
selbst die Fensterrahmen; das Dach ruht auf eisernen Sparren und ist mit
Kupferplatten gedeckt. Im Erdgeschoss nach der Newa die KaptlUy der
Darstellung Maria im Tempel gewidmet.
Oestllch vom Marmorpalais an der Newa liegt der kleine Ssu-
worow'Platz (PI. F4). In der Mitte das Denkmal Ssuworow*» (P1.33),
die von Koslowsky modellirte Bronze - Statue des Feldberrn in rö-*
mlscher Tracht, in der Rechten das Schwert, mit der Linken den
Schild über die Kronen des Papstes, Sardiniens und Neapels haltend.
Inschrift: „Fürst Italiisky, Graf Ssuworow Rymniksky 1801."
Zwölf Qeschütze, durch Ketten verbunden, fassen das zopfige Denk-
mal ein , das Paul I. nach dem Italienischen Feldzuge Ssuworow
setzen Hess (f 1800 in Petersburg).
Südlich vom Marmorpalais, vom Sommergarten durch einen
Kanal getrennt , dehnt sich bis zur Moika das weite Hanfeld aus
(MapcoBoe noie, PI. FG4,5), früher Zarizyn Lug („Wiese der
Kaiserin ''), bis auf Kaiser Paul ein prächtiger Garten, an welchem
das kleine Palais der Zarewna (spätem Kaiserin) Elisabeth lag. Seit
1818 werden hier die grossen Paraden, namentlich die berühmte
Maiparade abgehalten.
An der Petersburger (Troizky)- Brücke (TpoSaxiS mocti, PI. F4)
vorbei gelangt man nach dem Quai vor dem Sommergarten {Oaga-
rinakaja Nabereshnaja) , der Hauptstation der kleinen , nach den
Inseln fahrenden Dampfer (S. 95).
Der kaiserliche Sommergarten (JftTHiä chai, PI. FG4,5), der
besuchteste der Gärten und Spaziergänge St. Petersburgs, wurde
von Peter d. Gr. 1711 im franz. - holländ. Geschmack angelegt
und bildet ein längliches Rechteck von c. 300 ha Flächeninhalt.
Ein schönes Eisengitter schliesst ihn nach der Newaseite ab. Am
Haupteingang eine Kapelle in grauem Marmor und reichem Gold-
schmuck , zum Andenken der Errettung Kaiser Alezanders II. aus
Mörderhand errichtet (Attentat des Karakosow 4/16. April 1866).
Der mit schönen alten Bäumen, meist Linden und Eichen bestandene
Park wird von zahlreichen Alleen, mit Rondelen und Blumenbeeten
untermischt, durchschnitten und ist mit vielen Marmor-Bildwerken,
Statuen und Vasen geschmückt (z. Th. aus Warschau stammend).
An den Ecken eines Kreuzganges die Büsten der Könige Michael
Korybut und Johann Sobieski mit ihren Gemahlinnen.
Der Sommergarten ist insbesondere der Tummelplatz der St. Peters-
burger Jugend; auch Volksfeste sum Besten öffentlicher Anstalten (Ein-
trittspreis 20 Kop. bis 1 Bub.) werden hier abgehalten. Die Sitte der sog.
120 Route 11. ST. PETERSBURG. Oestlieher
Brautsehau , am 2. PfingBttag im Sommergarten abgehalten , ist fast ganz
ausser Gebrauch gekommen. Früher rersammelten sieh hier alle jungen
Kaufmannstöchter und -Söhne, diese, um zu beschauen, jene in den Al-
leen in einer Reihe aufgestellt, hinter sich die Mütter, alle im grössten
Putz, um sich beschauen zu lassen. Die heirathslnstigen jungen Kaufteute
gingen auf und ab und suchten sich eine Braut aus. Die Verhandlungen
wurden durch eine Swacha , d. i. Heirathsvermittlerin (wie jetzt noch
auf dem Lande), eingeleitet und geschäftsmässig betrieben.
Gleich 1. vom Haupteingange, an der Fontanka, das sog. Palaü
Peters I. (^Bopeui IleTpa I; PL 184: G4), 1711 von dem Zaren
als „ Sommerpalais ^ erbaut, ein anspruchsloses, zweistöckiges Haus
von weisser Farbe, mit zahlreichen gelb angestrichenen Verzierungen.
In demselben eine von Peter aus Holland mitgebrachte Wanduhr,
sein Portrait in LebensgrÖsse , ein Schrank von Nussbaumholz und
zwei Rahmen , vom Zaren eigenhändig gearbeitet, sowie zahlreiche,
meist mittelmässige Bilder (Eintr. 28 Kop.).
Weiterhin , unweit der Hauptallee , auf dem Kinderplatze das
Denkmal des Fabeldichters Iwan Krylow (MonyM. Kpuiosa, PL 28,
G4), des russischen Geliert (1768-1844), von Klodt (1851). Am
Sockel vier Relieftafeln in Erz mit charakteristischen Figuren aus
seinen Thiergeschichten. ~ An der Südseite des Gartens ein Teich,
vor dem eine vom König von Schweden geschenkte rosafarbige
Porphyrvase aufgestellt ist.
Verlässt man den Sommergarten durch das südliche Gitterthor,
so gelangt man links auf der Panteleimon -Brücke über die Fon-
tanka zur Panteleimon - Kirche und den östlichen Stadttheilen
(S. 162). Rechts führt die Ljetny- Brücke zum Marsfeld (S. 119)
und von hier gleich 1. über die Moika die hübsche Kettenbrücke
(U'bnHOÜ HOcrB, PL F 5) an das
Alte Hichailow'sche Palais, jetzt Ingenieurschule (ÜHseHepHuä
daHOKi, PI. 179, G5; Erlaubniss zur Besichtigung in der Kanzlei).
Es ist ein massives Viereck im gothischen Stil von burgähnlichem,
etwas flüstern Aussehen ; in der Mitte ein grosser achteckiger Hof. Die
südl. Hauptfagade gegen den grossen Platz ist von russischem rothen
und grünen Marmor, mit ionischen Säulenstellungen; zu beiden
Seiten des Haupteingangs Pyramiden mit Trophäen, am Giebel
historische Darstellungen in Relief und das kais. Wappen; am
Hauptfries die Inschrift in altslavischer Sprache: „Heiligkeit sei
die Ziel de deines Hauses ewiglich*^. Eine prachtvolle Marmortreppe
führt zum ersten Stock. Seit das Schloss 1819 als Ingenieurschule
eingerichtet wurde (Nikolajew'sche Ingenieur-Akademie), sind die
meisten Räume Schul-, Hör- und Schlafsäle geworden. Elrhalten ist
noch der Thronsaal und das runde Zimmer, wo jetzt die reiche
Sammlung der Schriften (ükase und militärische Verordnungen in
Bezug auf Festungsbauten), Karten und Pläne des Geniecorps, Mo-
delle aller befestigten Plätze Russlands u. s. w. aufbewahrt werden.
Kaiser Paul I. begann bald nach dem Antritt seiner Regierung mit
dem Bau des Michailow'schen Samoks auf der Stelle des alten an
der Fontanka stehenden, von der Kaiserin Elisabeth bewohnten Sommer-
palastes (S. 113) ; den Kamen erhielt das Schloss nach seiner dem heil.
Admiralitätstheil, ST. PETERSBURG. IL Route. i21
Michael geweihten Kapelle. Der Vorliebe des Kaisers für das Mittelalter
Bechnung tragend, versah der Architekt Brenna den Bau mit Gräben,
Bastionen V Brustwehren, Zugbrücken; die Thüren waren von Gusseisen
mit Fallgittern-, auf den Bastionen standen 20 Geschütze. Ende 1800
bezog Paul mit seiner Familie das neue Gebäude, dessen Kosten 18 Mil-
lionen B. betrugen; seine Zimmer lagen in der zweiten Etage. Paul I.
fttarb hier am 24. März 1801.
Auf dem Platz hinter demselben steht ein Benkmal Peters* des
Grossen (PI.3i:G5) von Rasfrelli, das aber dem ersten (S. 107)
nicht ebenbürtig ist. Der Kaiser, in Imperatorentracht , mit dem
Lorbeer bekränzt, sitzt zu Pferd, in der Rechten den Feldherrnstab
haltend. An dem Marmorsockel befinden sich Basreliefs und die
Inschrift : „Dem ürgrossvatet der Urenkel 1800** (HpaAliAy IIpaBHyKi
IBOO). Die Statue wurde unter Elisabeth gegossen und unter Paul I.
hier aufgestellt.
Vom Denkmal führt der Weg geradeaus zu den Stallungen, der
Bereiterschule {hepe^to^cmsm mKOja, PL 194: G5) und der Manege
des Grossfürsten Michael (MHxaHJOBCKiü Hanesi, PI. 150). Letztere
ist von solcher Grösse , dass darin ein ganzes Infanterieregiment
exerciren kann. Von hier an den Kasernen der Militär - Tele-
graphen - Ahtheilung und dem an der Ecke der Inshenernaja (In-
genieurstJrasse) und grossen Gartenstrasse gelegenen Hause des
Stadtcommandanten (KoMeHAaHTCKoe YnpaBJeHie , PI. 128 : G 5)
vorüber zum Micha eis -PI atz (PI. F5; von hier zum Newsky-
Prospect s. S. 158). In der Mitte desselben neue Anlagen; 1. das
Michael-Theater (S. 97) , 1835 von Brülow erbaut. An der Nord-
seite das
Nene Miohailow'sche Palais (^opem Beiintott Khhfhhh Exa-
TepHHiii HHxaÜjOBHU, PI. 180: FG5), eins der schönsten Gebäude
St. Petersburgs, 1809-25 im toscanischen Stil nach Rossi's Plänen
für den Grossfürsten Michael erbaut , jetzt Eigenthum von dessen
Tochter, der Grossfürstin Katharina Michailowna, verw. Herzogin
von Mecklenburg- Strelitz. Die Fa^ade der Rückseite (118 m lang)
geht nach dem Michailowsky- oder kleinen Somm^rgarten (im Som-
mer dem Publikum geöffnet), mit hohen Bäumen und Laubpartien,
der bis an die Moika reicht.
Auf der Westseite des Michailowsky - Gartens am Quai des
Katharinen-Kanals , "wird an der Stelle , wo Kaiser Alexander IL
bei dem nihilistischen Attentat vom 1./13. März 1881 tödtlich ver-
wundet wurde, eine Sühnungs-Kirehe erbaut.
Vom Michailowsky-Garten über die Theater -Brücke und weiter
am Wasser entlang gelangen wir auf den runden oder Krugly-Markt
CKpynuS puHOXi, P1.F5), einen der kleineren Märkte St. Peters-
burgs. Nördlich die Kasernen des Pawlowskyschen Regiments
(KaaapMU üaBiOBCKaro nojKa ; PL 82: F 5). Durch die Millionnaja
und über die Winterbrüeke (ShmbUI hocti) an der Hauptfagade der
Eremitage vorbei (s. unten) kehren wir auf den Palastplatz zurück
(S. 112),
122 StnUe IL ST. PETERSBURG. Eremitage.
e. Eremitage,
Die **Eremitage (HHnepaTopcKiA dpMHiajKi ; PL 36 : F 5) , in
der die wichtigsten kaiserlichen Kunstsammlungen vereinigt sind
(Eingang von der Millionnaja; Besuchszeiten etc. s. S. 99; neuer
Katalog in Vorbereitung) , mit dem Winterpalast durch die kleine
(erste) Eremitage der Kaiserin Katharina (s. unten) verbunden,
bildet ein Rechteck von 156 m Länge und 113,7 ^ Breite mit zwei
grossen Höfen. Das Gebäude hat zwei Haupt-Fagaden, nördl. nach
der Newa, südl. nach der Millionnaja ; am schönsten die letztere mit
vorspringendem Yestibül , von 8 Pilastern getragen, an die sich
zehn 6 m hohe Atlanten lehnen, aus dunkelgrauem Granit von
Sserdobol. Zu beiden Seiten des Vestibüls befinden sich Nischen
mit Zinkguss - Statuen der berühmtesten Künstler und an beiden
Fa^aden (S. und N.) Gruppen, welche die Künste unter der Pro-
tektion des Staates und der Kirche darstellen. In der Vorhalle
16 Säulen aus braunem finnländischen Granit mit Marmorkapitälen,
8 prachtvolle Kandelaber aus Manganit (Orletz) und anderem kost-
baren Gestein , eine Vase aus seltenem flnnländ. Granit (grau mit
Rosa - Flecken). Prachtvoll ist das Treppenhaus ; die Stufen sind
von weissem, die Wände von gelbem (imitirten) Marmor, die das
obere Geschoss einfassenden Säulen von grauem flnnländ. Granit.
Auch die übrigen 104 Säulen, sowie Wände und Fussboden im In-
nern sind von Marmor, Granit oder anderm kostbaren Material, wie
überhaupt Reichthum und geschmackvolle Ausstattung die Eremi-
tage in hohem Grade auszeichnen.
Gbschichtb des Ebbmitaob. Katharina II. liess im J. 1765 durch den
Hofarehiteeten Valiin de la Mothe beim Winterpalaat an der Stelle des
Hauses des Vieeadmirals Gruys und der im Hof desselben gelegenen ersten
deutschen (hölzernen) Kirche, ein zweistöckiges Gebäude aufführen , das
zuerst „kleines Winterpalais" hiess, später den Kamen Eremitage erhielt.
Dasselbe lag dieht neben den von der Kaiserin bewohnten Gemächern
und war mit diesen durch eine fliegende Brücke (wie heute noch) ver-
bunden. Bs bildete ein Parallelogramm mit 8 Wohnzimmern gegenüber
der deutsehen Colonie, drei Bildergallerien an den Langseiten und einer
Anzahl von Prachtgemächern nach der Newa ; in der Mitte lag ein Garten
mit Menagerie, zu welchem breite Thüren aus den Gallerien führten. Den
Haupteingang aus dem Winterpalais zu dieser ersten (alten) Eremitage
bildet der Apollo-, jetzt Poltawa-Saal.
Durch die Erwerbung neuer Kunstschätze und VergrÖBserung des kais.
Hofes wurden die Räumlichkeiten der alten Eremitage bald unzureichend und
der kais. Akademiedirector Veiten begann iT73 den Bau der zweiten (grossen)
Eremitage, Dieselbe erstreckte sich an der Newa mit einer 83,5 m langen
Front bis zum Winterkanal und bestand aus zwei Seihen von Zimmern, nach
der Newa und nach dem Hofe. Nach Ankauf der Copieen der Baffaerschen
Loggien 8. 148) erbaute der nach Petersburg berufene Architect Oiaeomo
Ouarenghi aus Bergamo 1779-85 die Gallerte der Lagen^ längs des Winter-
kanals, welche die grosse Eremitage mit dem von Poten^n erbauten Sche-
pelewschen Hause verband (unter Nikolaus I. niedergerissen zum Bau der
neuen Eremitage). Guarenghi erbaute auch 1780 das Eremitage- Theater y
auf derOstseite des Winterkanals an Stelle des baufälligen „Wlnterbauses"
Peters des Grossen, und verband dasselbe durch einen kühnen über den
Winterkanal geworfenen Bogen mit der grossen Eremitage.
Unter Kaiser Nikolaus wurden endlich die beiden Schepelew*schen
Häuser in der grossen Millionnaja, welche dem Hofe schon längst gehorten,
/
/
Eremitage. ST. PETERSBURG. IL Soute, 123
abgebrochen und im J. 1840 begann ein vollständiger Um- und Neubau
der Eremitage im grieeh. Stil unter Leitung des berühmten Münchner
Baumeisters Leo von Klenze und des talentvollen Hofarchiteeten Andreas
IwanowiUch Stakentchneider (f 1866 zu Moskau), der 1852 vollendet wurde.
Die GsM ALDB - Oallbrxb wurde von Peter dem Grossen gegründet,
der mit Ausnahme seiner ersten Beise 1697, welche nur politischen
Zwecken galt, keine Gelegenheit versäumte um im Auslande Gemälde
und andere Kunstwerke zu erwerben. Die werthvollsten Bereicherungen
erhielt die Gallerie durch Katharina II. Sie erwarb 1763 die Samm-
lung des preuss. Patrioten Joh. Ä. Ootzkowski^ der seit 1755 für Friedrieh II.
Bilder gekauft hatte, welche der König in Folge des Krieges nicht nehmen
konnte. Gotzkowski wurde durch eine Kornspecnlation bankerott und
überliess seiner Hauptgläubigerin, der russ. Regierung, 317 Bilder im
Werthe von 180,000 Thlr. , von denen sich gegenwärtig noch 67 in der
Eremitage befinden (darunter 7 Bembrandt, 5 Honthorst, 3 A. v. Ostade,
ferner Bilder von Buben«, Van Dyek, Jordaens, v. d. Helst, F. Hals u. a.).
Ferner wurden erworben: 1766 die Gallerie des Grafen MrüM^ Ministers
Augusts III. von Sachsen und Polen, für 180,000 fl. ; 1773 die Gallerie des
Marquis de Orozat^ Maltre des requetes und Vorleser Ludwigs XV.; 1779
die Gallerie des Sir Robert Walpole in Houghton Hall mit der berühmten
Beihenfolge von Bildern Van Dyeks, für mehr als 700,000 «€ Dann kaufte
die Kaiserin durch ihre Diplomaten und Gorrespondenten Baph. Mengs
und Beifenstein in Bom, Baron Grimm, Diderot und Falconet in Paris u. a.
werthvoUe Gemälde aus den Sammlungen des Herzogs von Choiseul, des
Malers Baudouin, Gerret Braamcamp, Tronchin, Banden de Boisset, Sir
Bobert Udney, Dezalier d*Argenville etc., und bestellte Bilder bei den
berühmtesten Malern ihrer Zeit (Baph. Mengs, Beynolds, Lossenko, Mat-
wejew etc.). — Paul I. erwarb den Tigris (Nr. 554), eines der schönsten
Bilder von Bubens , Landschaften von Jos. Vernet etc. — Alexander I.
kaufte 1814 von der Exkaiserin Josefine zu Malmaison, wenige Tage vor
ihrem Tode, 88 ihrer besten Bilder und 4 Statueu von Ganova für 940,000 fr.,
darunter 12 Italien., 22 fläm. und hoUänd., unter denen die „Schützen
von Antwerpen« von D. Teniers (Nr. 872), die Kuh von P. Potter (Nr. 1051),
die 4 Tageszeiten von Claude Lorrain (Nr. 1429-1432) , sämmtlich früher
in der Gallerie , dem Palais , der Akademie und der Residenz (Altstadt)
in Kassel. Im J. 1814 wurden femer 67 Bilder aus der berühmten Samm-
lung des Bankiers Goesvelt in London für 8700 ^, und 1815 andere 7 Bilder
aus derselben Sammlung gekauft. Im J. 1816 kaufte der kunstliebende
Generaladjutant Fürst Wassily Trubetzkoy in Frankreich und Italien eine
Anzahl z. Th. werthvoller Bilder; andere erwarb der als Galleriedirector
Napoleons I. bekannte und berüchtigte Baron Denen. — Nikolaus I..
ein grosser Liebhaber und Beschützer der Künste, kaufte zunächst 1826
die kleine Sammlung des Grafen Miloradowitseh ; 1829, 30 Bilder aus der
Sammlung der Herzogin v. St. Leu (Königin Hortense), für 280,000 fr. ;
1881 , 33 Bilder aus der Gallerie des Don Manuel Godoy, des bekannten
„Principe de la Paz", für 567,935 fr. ; 1834 durch Gen.- Ck>nsul v. Gesslcr
in Gadix 32 meist spanische Bilder; Ende desselben Jahres aus der
Sammlung des span. Gesandten in St. Petersburg Paez de la Gadeüa 41
meist spanische Bilder. 1836 wurden ans der Gallerie Coesvelt (s. oben)
wiederum 7 Bilder erworben, dabei die berühmte Madonna Alba Bafi'aels
(Nr. 38), für den geringen Preis von 9400 ± ; 1851 die Gallerie Barbarigo
für 525,(aX) fr. (nur 10 brauchbare Bilder) ; in demselben Jahre mehrere
werthvoUe Bilder auf der Versteigerung der Gallerie des Königs der
Niederlande, dabei umfangreiche Meisterwerke von Velazquez, Seb. del
Piombo und B. van der Helst. Im J. 1845 vermachte der Oberkämmerer
Tatistschew der kais. Gallerie 182 Bilder. In neuester Zeit sind u. a. die
schöne Madonna Litta von Lionardo (Nr. 13 a) und die berühmte kleine
Madonna Gonestabile, ein Jugendwerk Bafi'aels (Nr. 86 a) hinzugekommen.
Zur Orient irung. Die Neuordnung der Kunstwerke, na-
mentlich der durch den Ankauf des Golitzyn-Museums vermehr-
ten Gemäldegallerie ist noch nicht vollendet; wir geben nach-
124 Route 11, ST. PETERSBURG. Eremitage,
stehend die bisherige Anordnung, welche im grossen und ganzen
noch zutreffend sein wird. Das Parterre enthält vorzüglich Sculp-
turen. L. vom Eingang : 1. Die ägyptischen und assyrischen Alter-
thümer. 2. Die antiken griechischen und römischen Sculpturen.
3. Die Alterthümer von Kertsch , die skythischen und sibirischen
AUerthümer. R. 4. Vasen, Bronzen, Silbersachen. 5. Handzeich-
nungen, Kupferstiche. 6. Theil der Bibliothek. — Das erste Stock'
ijoerk enthält: 1. Die Gemäldegallerie. 2. Die Münzsammlung.
3. Geschnittene Steine, Gemmen u. s. w. 4. Sculpturen der Neuzeit.
Aus dem prächtigen Vestibül , welches mit zwei Obelisken und
zwei Gandelabern aus Orletz , d. i. Manganit (rosa mit schwarzen
Flecken) geschmückt ist, treten wir 1. in den
I. Saal. Aegpyptische und asssrrisclLe Alterthümer. Die ägypt.
Alterthümer bestehen aus den Sammlungen des Grafen Castigllone
und des türk. Gesandten Khalil-Bey. Die beiden grossen Sarko-
phage aus dunkelgrauem Granit wurden in Gegenwart des Herzogs
von Leuchtenberg ausgegraben und von ihm seinem Schwiegervater
Kaiser Nikolaus geschenkt. Vgl. Treu, Ueber die ägyptische Samm-
lung der Eremitage, St. Petersburg 1871.
1. Granitstatue der katzenköpfigen Pcuiht aus der Zeit Amenophis III.
(zvi. Jahrb. v. Chr.). 3. Zwei Sarkophage aus schwarzem Granit, welche
laut Inschrift die Mumien des Befehlshabers der königlichen Bogenschützen
Ahmet (Amasis) und seiner Mutter Sehast (vii. Jahrh. v. Chr.) enthielten.
3. Zwischen beiden ein aus grobem Rosagranit gearbeiteter Sarkophag des
Nachi^ Oberpriesters des Ptah in Memphis. — In den Wandschränken
ägyptische Götterfiguren, und zwar 4. im 1. Sehrank Ämmon^ der grosse
Gott von Theben, daneben Muih mit Doppelkrone, der widderköpflge Kata-
raktengott Chnum^ Ptäh^ der grosse Gott von Memphis, die Liebesgöttin
Pachte ferner Statuetten des Götterarztes Imhotep^ der Göttin Neith von Sais,
des ibisköpfigen Toth. Es folgen dann 5. Die Götter der Unterwelt, Osiris
mit Scepter und Geissei in den Händen, seine Gattin Isis mit der Mond-
scheibe zwischen den Hörnern auf dem Kopfe. 6. Im 4. Schrank der böse
Seih (Typhon) und der Seelengebieter AnubU mit dem Schakalkopfe, der
Apis und die dem Sonnengott Ra heiligen Sperber. 7. Im 5. Schrank
heilige Thiere und Scarabäen^ die als wirksame Amulette galten. 8.
Knieende Statue eines hohen Beamten aus der Zeit Bamses II. (xiv. Jahrh.
V. Chr.) mit Opfertisch. 9. Kleine Granitstatue des Königs Amenemha III.
(um 2300 V. Chr.), Erbauers des Labyrinthes und Schöpfers des Sees MÖris.
10. Unter den Fenstern Orabstelen aus Kalkstein, auch Keil - Inschriften
aus Khorsabad. 11. Bemalte Holzsärge; Fragmente von Papyrusrollen,
theils mit demotischen, theils mit hieratischen Schriftzügen und nur eine
mit hieroglyphischer Schrift bedeckt. Ferner (12.) Gerathe, Waffen, Cande-
laber und Gefasse aus Stein, Holz, Bronze und Thon.
Die assyrischen Basreliefs^ aus Nimroud am Euphrat, wurden von
ihrem Entdecker Sir H. Layard 1862, die kleineren im selben Jahr in
Paris erworben. L. vom Eingang: König Assardanbal (Sardanapal), hinter
ihm der Dämon Ahuramasda mit den Emblemen des Feuers und Wassers.
B. : assyrische Krieger und Priester aus Khorsabad. — Der Dämon Xesroch
mit Adlerkopf (Itimroud). — Der Lebensbaum, dem Gotte Saoma ge*
weiht. — An der Wand gegenüber zwei Basreliefs, den Marut vorstellend
(Prototyp der Cherubim und Seraphim), grauer Alabaster, durch Feuer
geschwärzt.
Es folgen 7 *Sftle mit grieehiio]i - römisehen Scnlptnren. Der
Ursprung dieser Sammlung datlrt aus der Zeit Peters des Grossen,
der in Rom 1719 die taurische Venus ankaufen Hess. Unter Katha-
Eremitage. ST. PETERSBURG. 11. Boute, 125
rina kamen die Sammlungen Schuwalow und Lyde-Brown (1787 fax
23,000 L. St. gekauft) hinzu ; Kaiser Nikolftus machte kostbare Er-
werbungen (Sammlungen Demidow, Laval) und unter Alexander II.
wurden 1861 aus der berühmten Gampana-GallerifrinRom78 werth-
Yolle Sculpturen angekauft, unter denen sich 43 Eolossalstatuen be-
finden. Yergl. den ^Gatalogue du Mus^e de Scuipture antique''
(25Kop.)..
JI. Saal. G&iechisch-bomische Sculptuben. — Stcauen: 7.
Schlafender Silen; 11. Schlafender Satyr, nach Praxiteles (sehr
häufig nachgebildet; in Petersburg allein noch vier Repliken n® 21.
159. 165. 316.); *iS. Schlafender Endymion; 17. Venus-Torso. —
Büsten: 25. Cäsar; 33. Hermes; 38. 43. Alexander d. Gr.; *44.
Juno ; 45. Silen ; 47. Bacchus und Ariadne ; *60. Antinous ; *67.
Germanicus (?); 70. Plotina, Gemahlin Trajaus; *71. Julia,
Tochter des Titus; 72. Antoninus Pius ; *73. Apollonius von Tyana.
Kandelaber, Basreliefs, Yotivfüsse etc.
III. Saal dbs Jupitbs Nikbphobos. — StaUuen: *147. Om-
phale; *148. Griech. Jüngling (?) ; 150. Athena; ♦152. Jupiter Nike-
phoros; 153. Ephebe; 154. Venus Genitrix; '136. Bacchus ijnd
Venus; 138. Hirt; 162. Ceres; »163. Mercur; 166. Hercules: —
Büsten: 168. Venus; 171. Mars oder Achilles; *173. Bacchus;
♦174. Jupiter; ^175. Niobe; 176. Athena. — Sarkophage: *191.
Hippolyt und Phädra; *192. röm. Hochzeitsfeier.
IV. Saal. Bildnisse. — Statuen: ♦193. Sitzender Augustus^
194. Marius (mit Inschr.) ; ^195. sitzende Agrippina d. Aeltere (?) ;
♦196. Socrates; ^197. sitzender Demosthenes (aus Ciceros Villa bei
Tusculum) ; ^198. Sabina, Gemahlin Hadrlans. — Büsten: 199.
Faustina die Jüngere ; ^200. Arsinoe, Gem. Ptolemäus Philopators ;
201. L. Com. Sulla; ^202. P. Scipio Africanus; 203. Marcellus
d. J. ; 204. Brutus d. J. ; 205. M. Claudius Marcellus ; 206. Agrippaf
207. Sallust ; 208. Marc Anton. Dann eine Vase von schwarzem
Jaspis aus dem Chersonnes und ein Mosaik -Fussbo den, Quell-
nymphen darstellend.
V. Saal. Bildnisse. — Statuen: 213. Cajus Cäsar? (nicht Com-
modus) ; 214. Hadrian ; 215. Marc Aurel ; 216. Antoninus Pius ; 217.
sitzende Faustina d. Ae. ; 219. Aelius Verus. — Büsten : ^227. Julia.
i)omna; 236. Sextus Pompejus; 239. Balbinus (Kaiser Mal -Juli
238); 240. T. Quinctius Flamininus; 241. Philippus Arabs; 242.
Didia Clara , Tochter des Didius Julianus ; 248. L. Aelius Caesar ;.
251. Marcellus d. J. — Basreliefs; in der Mitte: grosse Vase aus
schwarzem Marmor.
VI. Saal. Statuetten und Büsten. — Statuetten: ^263. Mer-
cur ; 266. Satyr und Pan ; ^267. sitzender Mercur ; 271 . Tyche (Stadt-
göttin) von Antiochia , zu ihren Füssen der Orontes ; 274. Pappo-
silen. — Wir lassen hier zunächst den Saal von Kertsch (s. unten}
1. und wenden uns rechts in den
VIII. Saal deb Musen. — Statuen : ^303. Karyatide mit ganz
126 Route IL ST. PETERSBURG. Eremitage.
modernem Bach in der Hand ; 304. Mercur ; *305. Urania ; 306.
Euterpe; 307. Klio; »308. Terpsichore; 309. Melpomene; 310.
Thalia; 311. Erato; 312. Polyhymnia; 313. Kalliope; »314. Aes-
culap ; ♦316. Satyr nach Protogenes ; 317. Papposilen ; 318. Mar-
syas; ^321. griechische Priesterin ; ^323. sitzende Terpsichore. —
Bfu$ten: »324. Jupiter Ammon ; *325. Athena; »326. Virgil; •327.
Sappho; *328. Herodot (mit Inschrift). — Basreliefs: 329. Die
Parzen ; *330. Poseidon , Athena , Artemis (archaisch) ; 334. 336.
Musensarkophag ; *337. die Niobiden.
IK. Saal deb Yentjs dbb EBEicrrAOE. — Statuen: ^340. Hya-
cinth ; *341. Nymphe mit der Muschel ; 342. sogen. Eros des Praxi-
teles ; *343. die Venus der Eremitage , 1859 in Rom ausgegraben,
Yortre£Fllch erhalten, rechte Hand, Finger der linken Hand und ein
Halsstück neu ; *344. Bacchus ; *345. Jugendliche FackeltrSgerin ;
*347. Die Taurisehe Venus , Geschenk des Papstes Clemens XI. an
Peter den Grossen; 348. Leda; *349. Hermaphrodit; *3Ö0. Nymphe
auf dem Schwane; 351. Venus und Amor. — Büsten: 352. In-
discher Bacchus ; •355. Venus ; *359. Laocoon. — Vasen, — Zurück
durch den VIII. und VI. Saal in den
VII. **Saal Yon Kertioh, einen grossen von 20 dunkelgrauen
Granitsäulen getragenen Saal, welcher die Kunstwerke und Alter-
thümer des kimmerischen Bosporus enthält*). Sie nehmen unter allen
Kunstwerken der Eremitage den ersten Rang ein ; denn keine Samm-
lung der Welt besitzt so viele Gegenstände griechischer Kleinkunst,
und zwar aus der besten Zeit derselben, dem iv. und iii. Jahrb.
V. Chr. Die grösste und interessanteste Ausbeute boten die Aus-
grabungen in der Krim in der Nähe von Kertsch , dem alten Pan^
tikapaion (1831 u. ff.), sowie auf der gegenüberliegenden asiati-
schen Küste von Taman, in den Ruinen von Phanagoria {Agripias),
Theodosia etc. Andere Ausgrabungen fanden in den Ruinen der
Städte Chersonesos und Olbia, ferner an der Mündung des Don, im
alten Tanals u. a. 0. statt. Die Gegenstände (darunter viele Gold-
sachen) sind theils von griechischer Herkunft, theils in den Colonieen
von griechischen oder einheimischen Künstlern gearbeitet und be-
weisen einerseits in wie engem Zusammenhang die Colonieen mit
dem Mutterlande standen, andrerseits wie tiefen Eingang griechische
Cultur und Kunst bei den skythischen „Barbaren '^ gefunden hatten.
An der Eingangsthür zwei grosse Holzsarkophage , 1859 ausge-
graben. — Wir beginnen mit den Fenstern. Unter jedem Fenster
befindet sich eine Vitrine , in den Fensternischen je 2 hohe Glas-
schräuke, den Fenstern gegenüber Obelisken, Vitrinen, Tische,
Piedestale.
I.Fensteb. VitrineB. Goldene geprägte leichte Bleche, einst auf
*) Vergl. das Prachtwerk: ,^iitiquiU« du Boaphore Oimm^rieii, con«
serväes au Musee imp. de TEr^mitage , ouvrage publik par ordre de S.
M. rEm^ereur". St. Petersburg 1854. 3 Vol. Ferner die Publikationen
der archäolog. Gommisslon.
Eremitage. ST. PETERSBURG. IL Monte. 127
Gewänder aufgenäht , in Form von Hirschen , Widderköpfen , Pal-
lasköpfen mit und ohne Helm im alten Stil , Eulen , Flussgötter-
köpfe y Bukrane (Ochsenschädel) u. s. w. Prachtvolles Halshand.
Goldene Köcherspitze u. a.
Schrank 7. Terracotta-Figuren : Kinder, welche mit Hähnen,
Hunden , Böcken spielen. Kinderspielzeug. — Schrank 10, Desgl. ;
Masken ; Niohidengruppe.
Obdi$k 7. Silbersachen. 542. Yase mit Eros und Medusen-
köpfen. 544. Yase mit Medusenkopf. 536. Kylix (Schale) mit Helios
auf einem Yiergespann. — Obelisk 2. Silbersachen. »ÖTÖ. Rhyton
(Trinkhorn) in Form eines Stierkopfes: Polydor, des Priamos Sohn,
von Polymestor, König von Thracien, ermordet ; Hekuba dem Poly-
mestor die Augen auskratzend. Darüber 531. Becher mit Eberjagd.
II. Vitrine U. Halsbänder aus Achat, Glasperlen, Würfel,
Astragalen u. s. w. 757. Hand aus Chalcedon (Rüekenkratzer). —
Nüsse , Mandeln.
Schrank 12. Glassachen. *796c. Glasbecher desEnnion. Schalen
aus Mosaikglas. — Schrank 15. Glassachen.
Obelisk 3, Goldene Kränze : n^ 4, in der Mitte Portrait und In-
schrift des M. Antonius in dünnem Goldblech.
III. Vitrine 19. Goldschmuck verschiedener Art. Goldne
Schwertgriffe mit ChalcedonknÖpfen. Holzsachen, dabei ein Kamm
mit der Aufschrift ; AAEA^HO AOPON (Geschenk der Schwester).
Farbenkasten, Schminktöpfchen u. s. w.
Schrank 17. Yasen. *Lekane (grosse Schüssel) im asiat. Stil,
mit schwarzen Thierflguren auf weissem Grunde. — Schrank 20.
Yasen. H:ydria mit leierspielender Frau. Bacchische Scenen. Gold-
schmuck.
Vergoldeter Qlastisch I. Goldne Schmucksachen: Armbänder,
Fibeln (um Gewänder auf der Schulter zu befestigen) Schnallen,
Knöpfe u. s. w.
Piedestal X. SUberner stark oxydirter Helm.
lY. Vitrine 24. *Goldsachen zum Besatz von Kleidern in Form
von Meduswköpfen , Greifen , Pallasköpfen , Lotosblumen u. s. w.
(nach den mitgefundenen Münzen aus Alezanders des Grossen Zeit).
— Elfenbein-Fragmente mit trefflichen Graffiti.
Schramk 22. Yasen: *81. Vase mit Goldverzierungen, Frauen
bei der Toilette, von Eroten umgeben. *36a. Hydria^ Paris und
Helena. *78a. Lekane, junge Mädchen badend und spielend (pracht-
volle Arbeit). — Schrank 25. Yasen : badende Frauen , Poseidon
und Thetis, Bacchantinnen u. s. w.
Piedestal XIII. *Lekytho8, mit Figuren (Perser auf der Jagd,
Arimaspen und Greife) in Relief, in Farben und Yergoldung, Arbeit
des Xenophantes aus Athen (Prachtstück).
Glastische XIV, JF/ (meist verdeckt). Interessante, sehr sel-
tene »Zeugproben mit eingewebter Inschrift: I0KA2T. Die Dar-
128 Boute IL ST. PETERSBURG. Eremitage.
Stellung war also det Oedipussage entlehnt. — Vetgoldeter Olastiseh
IL Halsbänder, Ohrgehänge in Gold, von besonderer Schönheit.
V. Vitrine 28, Goldsachen. Prachtvolles grosses *HaIsband
mit zwei Skythen zu Pferde. *Armbänder mit je zwei Sphinxen.
Platten mit Skythen zu Pferde, Pegasus u. s. w. Skythische Bogen-
schützen. — 'Fragmente einer Elfenbein-Lyra mit schSnen einge-
ritzten Zeichnungen (Urtheil des Paris, Pelops und Oenomans etc.).
* Vergoldeter Olastisch 27 (in der Nische). Goldarbeiten. Grosser
Schildbuckel mit Gorgonenköpfen (in der Mitte war wahrscheinlich
ein Karfunkel eingelassen). — Elektron' Vase mit Skythen, von
denen einer einem Kameraden den Fuss verbindet, ein anderer
einem Genossen den Pfeil aus der Wunde zieht , ein dritter seinen
Bogen spannt u. s. w. Silbernes Rhyton. Goldener Wagenbeschlag
mit einem Hippokampen (Seepferd) und Thierfiguren. Fussschiene,
Gold mit Eisen bedeckt. Silbernes Scepter.
* Vergoldeter Olastisch 29 (gegenüber). 'Grosse goldene Ohr-
gehänge mit Pallasköpfen. Arladneköpfe welche auf Kleider aufge-
näht waren. Spiegel mit Goldgriff. Merkwürdiges goldenes Schmuck^
stück, einen liegenden Steppenhirsch darstellend, auf welchem ein
Greif, und verschiedene andere Thiere (skythische Arbeit).
Tisch XIX, *Lekane, Frauen und Eroten. Dahinter : Obelisk IV,
*Goldschmuck.
* Vergoldeter Olastisch III, Goldschmuck. Goldkette mitbogen-
spannenden Skythen. Eros auf einem Zweigespann. Ringe in Eisen
und Gold. *296. Chalcedon mit goldener Kette : Aphrodite , treff-
liche Arbeit des iv. Jahrh. v. Chr. *295. Persischer Cylinder in
Kornalin , mit goldener Kette ; unter dem Ferwer (Schutzgeist) der
König mit zwei Löwen ringend ; vielleicht das Siegel des grossen
Mithradat / welcher in Kertsch (Pantikapaion , s. S. 423) starb. —
*292b. Chalcedon mit goldenem Ringe, fliegender Reiher ; schöne
Arbeit des Dexamenes von Chios. — •294. Chalcedon mit gol-
denem Ringe : zwei sitzende geflügelte Löwen mit gekröntem Men-
schenhaupte. *246b. Goldener Ring, Skythe seinen Bogen iinter-
suchend (Arbeit des Athenades, it. Jahrb.). ^45. Goldring mit
der Aufschrift ^^^X^ („liebe Seele*), andere mit x^P^ („Gruss").
YI. Vitrine 32, Goldarbeiten. Massives 'Halsband, Böcke und
Schafe, von vollendeter Arbeit. Diademe in Gold, Nachahmung
natürlicher Haare. Goldene Platten : Nike, Frauen auf einem Greif,
Panther, Mänaden, Satyrn, Drachenköpfe u. s. w. ~ Stoffe, Stiefeln.
Schrank 30. Thongefasse. 17. Jhroehous (Kanne), Dionysos
und Ariadne. Bacchische Scenen u. s. w. — Schrank 33. Thonge-^
fasse. Amazonenkämpfe. KomÖdienscene : Arimaspen (mythisches
einäugiges Volk) und Kraniche.
Säule XXII. Amphora mit Goldverzierungen, Geburt des
Bacchus. — Tische XXIII-XXV. Kleiderstoffe.
Vergoldeter Olastisch IV. Goldarbeiten. Masken, Löwen, Ohr-^
Eremitage. ST. PETERSBURG. IL Route, 129
^ehänge in Form von Eroten , Kopfe der Kora (Demeter) , Sirenen,
Köpfe von Löwen , Luchsen u. s. w.
YII. Vitrine 37, Zwei goldene Todtenmasken , die eine aus
dem Grabe Kul-Oba (s. S. 423), die andere aus der Gegend von
Odessa. 577. Silberne Schüssel eines bosporanischen Königs
Rheskuporis.
Schrank 35, Thongefässe , Amazonenkämpfe. -^ **Schrank 38,
Wundervolle Thongefässe in Form von Figuren , mit Farben und
Vergoldung, *Sphinx, badende Venus , Flügelflgur mit Krotalen
(Klappern), aus Lotos auftauchende Venus, Attys.
Piedestal XXV JII. Goldener durchbrochener Helm (xuv^i)).
Zwei Vasen sonderbarer alter Form. Goldmünze Alexanders des
Grossen, mit diesen Gegenständen gefunden.
Vin. Vitrine 42. Bleisachen. Disken mit Wagenrennen und
Kämpfenden. Holzsachen.
Schrank 40, Bronzesachen. Schöner Löwenkopf. Sich aufrich-
tende Schlange. *Bacchus auf einem Gefässgriff. — Knemiden
{Beinschienen). — Schrank 43, Phalarai (Pferdegeschirr) , Bronze
mit Karneol- Verzierungen und Vergoldungen.
Säule XXX. Lekane , Symposion (Gastmahl).
Obelisk 5, *Goldene Lorbeerkränze.
IX. Vitrine 47. Goldarbeiten. Prachtvolles Halsband. Diadem,
Nachahmung von Haar. Zwei Armbänder mit Löwen. Zwei Ohrge-
hänge : Thetis mit den Waffen des Achilles. — Tänzerinnen, Jugend-
liche HerculeskÖpfe zum Aufnähen auf Gewänder. Spiegeldeckel
AUS Bronze : Bacchus mit einem Panther.
Schrank 45, Terracotten. Karikaturen. — Sehrank 48. Terra-
cotten. Priapusopfer. Kinderspielzeug.
Obelisk 6. Goldene Lorbeerkränze. Schöner Kopfputz (Kala-
thos). Arimaspen mit Greifen kämpfend.
An der Schmalwand, der Thür gegenüber: Marmorsarkophag
aus Kertsch, Achilles bei den Töchtern des Lykomedes. Der
Deckel aus späterer Zelt, mit zwei liegenden Figuren, auf der
Halbinsel Taman gefunden. — Davor : Bronzene Kline (Bett) und
Kandelaber, aus den letzten Ausgrabungen.
Zwischen den Säulen :
XXXIU. Amphora , Apollon Kitharödoä. — XXIX. Amphora,
Geburt der Pallas. — XXVII. Goldener Helm (xuv^r.). — XX. Pan-
Athenäische Preisgefasse , Wettlauf. — XVIII. Bronzehelm mit
Backenklappen. — X. Knemiden mit Medusenköpfen, Bronze. —
VIII. Amphora, Nessus raubt die Deianira.
An der Wand Grabsteine unbekannter Personen. 98. Piedestal
«iner Cybele-Statue , aus der Zeit des Königs Paerisades II. (284
V. Chr.). — *22b. Statue, wahrscheinlich einer Archontenfrau,
1850 bei Kertsch gefunden; schöne Arbeit des i. Jahrh. n. Chr. ~~
101. Telamon zu Ehren des K. Tiberius Julius Telranes und seiner
Oemahlin Aelia. — ♦973. Sarkophag aus Sykomorenholz mit den vor-
Bussland. 3. Aufl. 9
130 Soute IL ST. PETERSBURG. Eremitage.
trefflichen Figuren des Apollo und der Hera. —- ♦l^T. Inschrift zu
Ehren der Königin Dynamis, von den Bewohnern der Stadt Agripia»
(Phanagoria). — Zwei liegende Löwen mit unentzifferten Inschrif-
ten. — 2%, Statue eines Archonten, Pendant zu 22b. (s. oben). —
*88. Piedestal für zwei Statuen des Sanerges und der Astara, unter
König Paerisades I. — »70. Kapital eines Tempels , welcher auf
dem Platze des Tempels der taurischen Artemis gestanden haben soll.
Viele zum Theil kostbare Gegenstände , dabei eine Anzahl aus
dem Siebenbrüderhügel, sollen hier eingeschaltet werden, u. a.
drei goldene Rhyta, Goldschmuck u. s. w., mit einer goldenen
Münze des Königs Paerisades II. gefunden.
Aus dem Saal von Kertsch gelangt man zu den bisher vom
Reichsrath (S. 111) innegehabten Räumen des Winterpalais , in
welchen die früher im Arsenal von Zarskoje-Sselo (t9. 189) befind-
lichen Waffen, historischen Erinnerungen, Kunstgegenstände und
Kostbarkeiten aller Art, sowie die ähnliehe Sammlung Basüeivsky
Aufstellung gefunden haben (Eintritt, s. S. 99).
Wir kehren durch die Sculpturen-Säle zum Vestibül zurück und
betreten zunächst r. vier Säle , welche die reiche *ya8en8ammlang
enthalten (hauptsächlich hervorgegangen aus den Sammlungen des
Dr. Pizzati , der Gräfin Laval und des Marchese Gampana).
XVin. Saal. Aelteste Gefässe. Hauptwand Nr. 29. 107. Grosse Thymia-
terien (BÄucbergefässe)., von besonderer Seltenheit. 6, 44. Amphoren asiat.
Styls mit Thierfiguren (gleichfalls sehr selten). 66. Deckel-Amphora mit
geflügelten Pferden. 76. Panathenälsche Amphora mit Bingern. Vasen
verschiedener Formen mit schwarzen Figuren auf gelbem Grunde, meist
bacchische Scenen darstellend.
XVII. Saal. In der Mitte die berühmte *Hydria von Cwnä^ im J.
1853 gefunden (Samml. Gampana), Figuren in Hochrelief, bemalt und
vergoldet : Eora aus dem Hades zu ihrer Mutier Demeter zurückkehrend ;
Eubulea ein Ferkel opfernd^ Athena, Artemis und Aphrodite als Be>
gleiterinnen der Kora^ Dionysos neben Demeter; Triptolemos, Hekate,
Bhea. — 349. Krater (grosses Mischgefäss), Orest von den Furien verfolgt.
*350. Apulische Amphora, Triptolemos und Dionysos. 355. Apollo und
Marsyas. 406. Amphiaraos von seinen Söhnen Abschied nehmend. 420. Orest
und Pylades von Iphigenia empfangen. ^2. Priamus um Hectors Leich-
nam bittend. *424. Der Palast des Hades, die Danaiden etc. *523. Giganten-
kampf, Orest im Delphischen Tempel. Rückseite: Tod des jungen (>pheltes.
Die Sieben vor Theben. — Antiker Fuuboden einer der ältesten Kirchen,
aus Chersonesos (Sewastopol), von Jfalchos und seinen Freunden (Inschrift
r. vom Eingang) geweiht.
XVI. Saal. Vasen mit gelben Figuren auf schwarzem Grunde. ^830«.
Kylix (Trinkgefass) mit dem Namen des Malers Hieron. Im Innern:
Theseus und seine Mutter Aethra. Diomedes und Odysseus mit dem
Palladium etc. 847. Krater, Kadmos den Drachen tödtend. In der Mitte-
grosse ovale Schale aus grünem Jaspis.
XV. Saal. Vasen von Nola. *1271. Grosser Krater, Krieger von.
seinem Vater Abschied nehmend, Rückseite derselbe zurückkehrend.
*1S67. Amphora , Akrisius lässt den Koffer vorbereiten , um seine Tochter
Danae und ihren Sohn Perseus einzusperren. *1588. Hydria, Achill auC
Polyxena wartend. *1609. Krater, Perseus der Medusa den Kopf ab-
schneidend. Ueber 700 Vasen verschiedener Formen, meist mit Malereien)
ohne historische Bedeutung. — In der Mitte zwei prachtvolle Schalen-
in Rosso antico aus der Braschi^schen Sammlung und eine grosse ovale
Schale aus Diorit schiefer.
Eremitage. ST. PETERSBURG. i/. Route. 131
Aus dem folgenden Saal X, die Terrakotten der Sammlung Sa-
burow enthaltend (Katalog beim Portier), wenden wir uns 1. in den
XI. Saal. Antike Bronsen, Silberarbeiten, Terracotten, aus den
Sammlungen Pizzati, Campana etc., sowie Gegenstände aus Pompeji,
während der Anwesenheit des Kaisers Nikolaus ausgegraben.
/. Schrank. Hausgeräthe, Lampen u. s. w. — //. Sehrank. 96. Prochous
(Schenfckanne) des Pomponius Zoticus, zu Viterbo gefunden. Vasen
verschiedener Formen. Hausgeräthe, ehirurg. Instrumente u. s. w. —
///. Schratt. An d«r hinteren Schmalwand Figuren von Thieren und Ken*
sehen. Oötterfiguren : *536a. ApoUon (?) mit Aufschrift nOArRPAT£2
ANE6EKE, älteste griech. Kunst (aus der ehem. Sammlung des Grafen
Pourtal^s zu Paris). *551. Satyr, am Ufer des Don gefunden. *5fi2.
Ghrosser silberner Spiegel. 563. Dionysos , mit 'christl. Inschriften und
Honogrammen (ebenfalls am Don gefunden).
Auf der FensteneiU: *373. Silberne Vase mit Vergoldung, Centauren
als Ori£fe, Amazonenkampf, Jagdseenen, Nereiden (um 350 v. Chr.), in
der Moldau am Ufer des Pruth gefunden. *481. Silber-Eimer, Leda, Daphne,
Hylas, schone Arbeit aus der Zeit der Antonine, ebenda gefunden (s. Eöhne,
H^m. de la eoci^t^ d'arch. de St. Pätersbourg, I.). Zwischen den Fenstern
auf Gonsolen 6 Bronze-Helme. Gegenüber : *423. Etruskischer Helm, mit
drei goldnen Kränzen geachmückt. *364. Etrusk. Silberhelm mit zwei Hip-
pokampen. Ftenoplie (volle Rüstung) aus Schilden, Panzern und Lanzen.
Auf besondern Fussgestellen :
*Ö55. Sieger im Wagenrennen, lebensgrosse Bronzestatue aus Makri
in Kleinasien. 437. Vorderer Theil einer Ghimära, etrusk. Arbeit. 379.
Liegender Etrusker mit beweglichem Halssehmuck, aus Perugia. 33S.
Etrusk. Dreifuss, ältesten Stils : Hercules, Achelous, Eurystheus. 937. Cista
in cylindr. Form, Meleager, auf dem Deckel Satyrn und Mänaden, aus
Palestrina.
Vürine I. *339. Rhyton in Form eines Widderkopfes , Silber. «346.
Bhyton mit einem Pferdekopf, Silber. *346. Patera (Opferschale), Ajax
den todten Achilles tragend, Bronze.
VÜrint IL *406. Etrusk. Spiegel, Venus und Adonis. *409. Spiegel-
deckel, weibl. Kopf, vortreffl. Arbeit. *413. Grosse silberne Schüssel,
Centaurenjagd, am Pruth gefunden. *420. Spiegel, Eos mit dem Leich-
nam Hemnons.
Vürine JII. Spiegel.
Sechs Schränke mit Terraeotten. A. Flasche mit der Scylla. Gläser.
— B. 316. Sphinx. 184. Affe. Rhyta. Unten verschiedene Thiere. —
C. Lampen, darunter 3 grosse mit Darstellung des Jupiter. — D. Lam-
pen. — E. Lampen, Spielzeug. Kopfe. — F. Fragmente von Fresken.
Votivtafel, Bacchus auf einem Altar stehend, daneben zwei Bacchantinnen.
Alte Bronzewaffen, namentlich Speere.
Aus dem V. Saal betreten wir den unter der Gallerie der Raffael-
schen Logen (S. 148) gelegenen
XII. Saal. Handieiobnungen (Katalog von Baron v. KÖhne,
20 Kop.). Den Grundstock derselben bildet dieBrühl'sche Samm-
lung , zu der mannigfache einzelne Erwerbungen hinzukamen. Im
Ganzen 11,880 Nummern. Reich vertreten sind die Franzosen : allein
von Gallot 1067 Zeichnungen; 132 Porträts franz. Grossen von
Franz I. bis Karl IX., von Dumoutier und seinen Schülern. Ferner
hervorzuheben : Lionardo da Yinci's Abhandlung über die Theorie
der Malerei, mit Zeichnungen von N. Poussin; 167 Ansichten Roms
von Manocchi und 1148 ital. Ansichten von Gl^risseau (f 1820 in
Paris, 99 Jahre alt), 300 Zeichnungen von Guarenghi, 112 Ansichten
9*
132 Baute IL ' ST. PETERSBURG. Eremitage.
aus Finnland , der Krim etc. von K. Ferd. v. Kügelgen , u. s. w«
Ausgestellt sind u. a. folgende Blätter :
Mantegna^ 1. Orablegune, 3. Raechisehes Opfer. 4. Lionardo da Vinci
Maria mit dem Kinde. IfitAel Angelo^ 8. die eherne Sehlange, 12. Frag-
ment aus dem jünjesten Gericht der Sixtin. K&pelle. 15. Titian^ Landsehafk
mit h. Familie; io. Oiorgione^ h. Barbara; 21. Oarofalo^ Vision des h. Am-
brosius. Bandinelliy 38. Tod eines Freundes ; 39. ein Abend beim Heister.
40. A. del Sarto (Perugino f)^ Besuch Marias bei Elisabeth. — CHuUo RomanOy
41. Gott Vater, 47. Gefangennahme Sejans und seiner Familie. Caravag-
giOt 68. römiselies Opfer, 60. Prozession. 66. Jnnocento da Imola, Christus
Im Hause des Lazarus; 67. Perino del Vaga^ Anbetung der Hirten. Par-
meggianinoy 72. h. Jungfrau mit h. Katharina und ApoUonia, 75. Faust-
kampf. PrimatieciOy 11 Zeichnungen, dabei 67. Einnahme von Trma. 93.
Tintoretto^ Himmelfahrt Christi; 98. Farinato^ Grablegune; 106. L. Com-
bia$o^ Abnahme vom Krens; 111. ^rocdo, Grablegung; ll7. Zueearo^ die
Zeichen der Evangelisten; 127. L. Carraeei^ Wunder des h. Benedict; 139.
An. Carracci^ Anbetung der Hirten ; 164. Domenichino^ Maria Empfängniss ;
165. OuereinOy Madonna: 174. Pietro da Cortona^ Jacob und Laban; 181. 8alv.
JtotUy Grab Christi; 184. Maratta, Tod des h. Joseph; 188. Giro Ferri^
Bacchanal ; 202. OuarengM^ die Thore der Kasanschen Kirche in Moskau.
207. M. Schön (?), Enthauptung Johannes des Täufers ; 206. Israel v€M
Meckenem^ h. Jungfrau; 209. Holhein d. Ä.y männl. Bildniss; HoU>ein d. /.,
210. desgl.; 211. Ecce Homo. 214. Franken d. Ä.y Anbetung der Weisen;
217. OoltziuSy Koli me tangere; 224. Ferg^ Eberjagd; Lucas v. Leyden,
242. Geburt Christi (1517), 244. h. Jungfrau; 246. Roelandt Savery, Markt-
scene ; 248. ßonthorst^ Schachspieler. Bembrandt^ 248. Abraham u. d. Engel ;
259. Jesus u. Kikodemus: 261. Sitzende Frau; 264. Maler in der Werkstatt.
Aart van der Neer^ 277-79. Landschaften. 282, 283. Ph. Wovwerman^ Reiter.
289. Potter, Kuh; 296. Ruudael, Maierhof; 305. &chalcken, Dame; 813. Net-
scher ^ Eünstlerportrait; 320. F. van Mieris d. /..Susanna im Bade; 325,
326. Pieter van Aalst , Glasfensterzeichnungen; 334. Sammt -Brueghel ^ das
Reich Xeptuns. Rubens, 338. Magdalena, 339. h. Stefan, 340. Neptun,
341. Tomyris, 342. Helena Fourment, des Malers zweite Frau. 348. Snyders,
Bäreigagd; F. Hals, 349. männl. Portrait; 340. alte Frau; Diepenbeck, 351.
fa. Familie, 355. Marterthum Japan. Christen; Jordaens, 360. Jesus bei
Simon, 362. Christus am Kreuz ; AnUmvan Dyek, 371. Pauli Bekehrung ; 378-83.
Bildnisse von Marquis Moncade, Jan Brueghel, G. de Crayer, Th. Bom-
bouts, Simon de Vos und Seb. Vranez; 3Im. zehn Portraitskizzen. Quel-
Kntf«, 390. Triumph des Papstthums, 391. Karl V. vor Tunis. Teniers d.
J.y 392. Versuchung des h. Antonius, 393. Plünderung eines Dorfes. 396.
Van der Meulen, Ludwig XIV. auf der Reise.
D. Dumoutier, 403, 404. Franz I. und Karl IX. von Frankreich. Callot,
409. Plünderung einer Stadt, 426. Scaramouche auf der Bühne. N. Poussin,
439. Taufe Christi, 440. Vermählung der h. Jungfrau, 441. h. Familie.
449. Ph. de Champaigne, ein Cardinal; 457. Le Sueur, die Pest in Born;
458. Lebrun, Triumph Josephs; ^. Nanteuil, Damenportrait ; 473. Jou-
venet, Anbetung der drei Könige; 479. Ooypel, Erzengel Gabriel; 480.
Watteau, die Liebes-Galeere; Lancret, junge Frau; 487 ff. Ifatoir e, Skijaen
für die Kapelle des Pariser Findelhauses. Boucher, 492. Bathseba, 496.
Junges Mädchen. 517 ff. De Velly, Scenen aus der Krönung Katharinas II.
532. Jarkote, Katharina II. ; 533. Schubin, desgl. ; 534. Kasakow, Moskau
im Triumphschmuck bei der Friedensfeier 1775; 545. J/. /wanow , Sturm
von Otschakow.
Zwischen den Fenstern auf Piedestalen Marmorbüsten, und zwar:
1. Voltaire, 2. Orlow Tschesmensky, 3. Napoleon als Consul, 4. Elisa-
beth (Gem. Alezanders I.), 5. Alexander I., 6. SuUy, 7. Katharina II.,
8. Peter I., 9. Katharina II., 10. Statuette Potemkins, 11. Nikolaus als
Grossfürst, 12. Elisabeth (Gem. Alexanders I.), 13. Grossfürstin Maria
Feodorowna, 14. Ch. J. F02, 15. Potemkin, 16. Heinrich IV. von Frankreich.
Nördl. stösst an den Y. Saal der grosse
YIII. Saal der Kupferstiehe. Derselbe enthält über 200,000
Eremitage. ST. PETERSBURG. 11. Route. 133
Blätter, und zwar die Kupferstiche aller grösseren Meister, darunter
die französischen , englischen und deutschen Stecher des xtii. und
ZTiii. Jahrh. von besonderm Interesse. Zahlreiche Porträts russischer
Fürsten und berühmter Männer Europas, Karten, Kostüme etc. Die
schönen Schränke, in welchen die Blätter aufbewahrt werden, sind
mit Vasen von Porphyr und Jaspis geschmückt.
Aus dem Halbrund am Eingang zur Kupferstichsammlung ge-
langt man 1. in den
IX. Saal. Skythisehe und libiriiche Alterthümer. Funde aus
den Grabhügeln der skythischen Könige im Gouv. Jekaterinoslaw etc.
Orouer Schrank dem Fenster gegenüber: Verschiedene Sachen von
Gold, ein Schwein, vielleicht ein Feldzeichen, vier runde Seheiben, Thieiv
figuren, schöne asiat. Arbeit. Bronze - Greife als Feldzeichen. — KMner
Schrank daneben: Pferdegeschirr und Hausgeräth. — Grosse Vitrine Ä:
Grosse silberne Schüssel und Schöpfkelle, griech. Arbeit. ^ Orosse Vi-
trine B: Goldsachen, durch Feuer beschädigt, der Schatz eines skythischen
Königs. Dabei ein grosser Koryt (Köcher- und Bogen -Etui) mit zwei
Seenen aus der Sage des Theseus und der Alope, die halbe Einfassung
eines Wagens, Sehwertgriffe, kleine Platten in Form von Rosetten, Drei-
ecken u. a., die auf Gewänder aufgenäht waren, etc.
In der Mitte die berühmte *Silbervase von Nikopol (Zeit Alexanders
des Grossen), welche Fang und Zähmung des Steppenpferdes darstellt •, die
Männer mit rein slavisohem Typus (von Stefani besehrieben).
In einem kleinen Schrank der 1863 in dem Kurgan von Koksletseh,
bei Nowotscherkask , gefundene Schatz eines Nomadenfürsten, vielleicht
eines Hunnen oder Alanen, namentlich 3 goldne Kronen, die grössere
oben mit Steppenhirschen besetzt, vom ein männl. Porträt in Ghalcedon,
byzantin. Arbeit aus der Zeit Justinians I. Zwei goldne Vasen, die Henkel
aus Thierfiguren gebildet \ Fettbüchsen um die Klingen einzureiben, kleine
Goldplättchen zum Kleiderbesatz.
In einem andern grossem Schrank daneben die Beute eines Mongolen-
Chefs , zur Zeit Peters des Grossen in Sibirien gefunden (s. Monfaucon,
Suppl. V und die Monumenta Sibiriae) : Goldne Halsringc, dicke Platten
von massivem Gold, Bären darstellend. Gruppen, eine mongol. Familie
unter einem Baum ausruhend^ Pferde, mit Türkisen besetzt.
N. Fenster -Vitrine,' Assyrische Dolchscheide, Gold. Zwei sassanidische
Silberschüsseln mit Darstellung des Königs auf der Jagdj römische in
Russland gefundene Silberschalen, die eine mit dem Kilmesser, die andre
mit einem Seegreifen.
Schrank F. Sachen aus Fayence. — Sehrank Q. AUmexikanisehe
Schlange. — Schrank B. Asiatische Bronzespiegel, Sachen aus Knochen,
Terracotten etc.
Auf dem erwähnten grossen Mittelschrank : Sechs goldne Vasen zum
Theil mit Henkeln aus den Ruinen von Nowo-Ssarai, mongol. Arbeit
des XIV. Jahrh.
Dieser Saal wird einen Theil der in der letzten Zeit gefundenen
antiken Sachen aufnehmen.
Zu den Räumen im I. Stookwebx (s. S. 124) gelangt man durch
das schöne Treppenhami (S. 124). Die zur Seite der Treppe befind-
liehen Gallerien sind mit 17 modernen *Marmorstatuen (von Dupr^j
Tenerani, Wolf, Stawasser, Orlowsky, Imhof u. a.) geschmückt;
dazwischen schöne Vasen aus Jaspis und Marmor , in russischeik
Steinschleifereien hergestellt (auf der Schmalseite eine prachtvolle
Vase aus dunkelgrünem Jaspis , mit Köpfen statt der Henkel , aus
der kais. Steinschleiferei zu Jekatherinenburg 1873).
134 Boute IL ST. PETERSBURG. Eremüage,
Der an die Treppe zunächst anstossende £intrittMaal (I.) ist
mit Ornamenten nach Klenze'schen Zeichnungen decorirt. An den
Wänden 86 auf Bronzetafeln in Wachsfarben von Hiltensperger in
München 1843 ausgeführte Wandgemälde, welche die Entwickelung
der griechischen und römischen Malerei darstellen. Acht moderne
Statuen : Gräfin Dubarry als Diana , von Houdon , Bacchantin von
Göthe (schwed. Bildhauer) , Venus von Vitali , Tänzerin von Ca-
nova ; andere Statuen von E. Wolf, Stawasser u. a. Auf der Lang-
seite Büsten d'Alemberts und Voltaires von Houdon, Diderots und
Falconets von der Collot, zwei Hochreliefs (Ende des xvi. Jahrh.)
Alexander der Grosse und Kampaspe, seine Gemahlin. Tische, Kan-
delaber, Vasen aus Malachit. — Aus dem Eintrittssaal gelangt man
in die
**Gemftldegallerie.*) — Der Gallerie der Eremitage gebührt
unbestritten ein Platz unter den ersten Gallerien Europa's ; nicht
«twä wegen ihrer Anzahl (sie zählt etwa 1690 Bilder) oder wegen
der Vollständigkeit in der Vertretung der Meister oder nur der
Schulen — die Kunst des xiv. und xv. Jahrh. und die ganze
deutsche Malerei sind fast gar nicht vertreten — , sondern weil sie
eine so hervorragende Zahl von Meisterwerken aus der Blüthezeit
der verschiedenen Schulen besitzt , dass sie für spanische Meister
nur der Gallerie von Madrid nachsteht , für Franzosen nur durch
den Louvre übertroffen wird , für vlämlsche Künstler mit einigen
Hauptgallerien mindestens auf gleicher Stufe steht und für die
holländische Schule, namentlich Rembrandt, unbestritten die erste
Sammlung ist.
In der italienisohbn Schule ist die ältere Zeit nur durch
ein gutes Werk , die Anbetung der Konige von Sandro Botticelli,
veitreten. Besser steht es um die Blüthezeit der Kunst. Dem
Lionardo schreibt der Katalog drei Gemälde zu, unter denen die
berühmte Madonna Litta. Von seinem Schüler Luini besitzt die
Sammlung mehrere treffliche Bilder, namentlich die sog. Colombina
und einen heil. Sebastian. Von Correggio ist die kleine Madonna del
Latte ein echtes und schönes Werk. Die heil. Familie von A. del
Sarto (aus Malmaison) ist eine ebenso ansprechende wie malerische
Schöpfung des Meisters. Raffael werden vier , von einigen Ken-
nern nur drei Gemälde als zweifellos zugeschrieben: die Madonna
Alba, ein gutes Werk seiner ersten römischen Zeit, und drei Perlen
«einer Jugend. Von seinem Nebenbuhler Sebastian del Viombo, der
in seiner Gegnerschaft gegen Raffael in Michelangelo seine Stütze
fand, kann die Eremitage drei echte Gemälde aufweisen, welche
jedes in seiner Art zu den Hauptwerken des seltenen Meisters ge-
hören. Tizian ist fast ausschliesslich in Werken seines hohen Alters
vertreten, unter denen wenigstens eines, die heil. Magdalena, ein
Hauptwerk genannt zu werden verdient. Unter seinen Zeitgenossen
*) Katalog von Baron ▼. Köhne, in 3 Bänden, rosa, und frans.
EremUage. ST. PETERSBURG. 11. Route. 135
und 14 aclif olgern in Venedig sind namentlich einige Bilder des altern
Bonifacio, des Bordone, Lotto, Pordenone, die Geburt Jobannis
von Tintor^to und eine Abnahme vom Kreuz von Veronese hervor-
zuhebra. ^ Dem Geschmacke des xtiii. und des Anfangs unseres
Jahrhunderts entsprechend sind die italienischen Meister des
XTU. Jahr h., die Akademiker wie die Naturalisten, fast YoUständig
vertreten, und unter den zahlreichen Bildern derselben finden sich
verhäitnissmässig viel gute und bedeutende Werke. Beschlossen
werden die italienischen Schulen noch durch einige Meisterwerke
decorativer Farbenpracht von Tiepolo und Canaletto.
Die SPANISCHE ScHOLE (mit 115 Bildern), die man hier auch in
ihrer (wenig erfreulichen) Entwicklung während des xvi. Jahrh.
verfolgen kann , fesselt durch ausgezeichnete Werke ihrer Haupt-
meister , y^zquez und Murillo. Velatque%* Bildnisse König Phi-
lipp's IV. und seines gefürehteten Ministers Olivarez , in ganzer
Figur, zahlen unter den zahlreichen Darstellungen derselben zu den
hervorragendsten; des Kopf des Papstes Innocenz X. ist eine gross-
artige Naturstudie zu dem berühmten Bilde im Palazzo Doria zu
Rom. In 15 oder 16 echten Gemälden kann man Murillo nach
«Uen Richtungen und zum Th«il in der vortheühaftesten Weise
kennen lernen : in einer Reihe umfangreicher und deeorativer Werke
wie als saubersten Kleinmeister, in jenen zauberhaften Darstel-
lungen irdisober Schönheit in himmlischer Verzückung wie in den
heitern gemüthlichen biblischen Schilderungen und den derben
Scenen aus dem spaniseheii Volksleben, Die Himmelfahrt Maria
<Nr. 371), die Ruhe auf der Flucht (Nr. 367) und St. Peter im
<>efängni88e (Nr. 372) würden selbst in Sevilla und Madrid zu den
Perlen der Kunst MuriUo*s zählen.
Dass die dbcüscxb Sohvlb in der Eremitage so gut wie gar
nicht vertreten ist -** nur ein Jugendbildniss von H. Holhein d, J,
ist wirklich nennenswertfa ^ , wurde bereits erwähnt. Dagegen
ist die ÄiiTSEs NXBDBltEJUcDisoHE SoHULs durch verhältnissmässig
neuere Erwerbungen wenigstens in einigen charakteristischen Bei-
spielen vorhandMi , namentlich in der Verkündigung von Jom van
E^ckj in «nem Diptyehon seines Schülers Pf^fu« CHfitw und dem
Hauptwerke des Lucas van Leydtfa. Die im Ganzen so wenig
•fffteuliehe Sntwickelung der niederländischen Kunst durch das
Eindringen der italienischen Renaissa&ce und die missverstandene
Nachahmung derselben zeigt sieh in der Eremitage gerade nach
Ihrer günstigsten, originellsten Seite dur«h eine Reihe trefflicher
Bildnisse ^on'ScKoreeli JHoro, den Ponrhu9 u. s. w. ; zugleich besitzt
die Sammlung aber auch wohl das schönste historische Gemälde
dieser ganzen Zeit in einer Anbetung der Könige von Suiterman,
die auf den Altmeister der ylämiscbsn Sohulb , auf P. P. Ruhena
würdig yorbereitet. Von ihm wie von sämmtlichen Hauptmeistern
der Schule, von van Dyek, Teniers, Snydera, Jordaen$ besitzt die
Eremitage eine so bedeutende Zahl von Bildern , wie im Ganzen
136 Boute* IL ST. PETERSBURG. EremUage.
keine andere Gallerie der Welt , wenn auch München für Ruhens^
Madrid für Teniers u. s. w. noch bedeutender sein mögen. Und der
Zahl entspricht auch der Werth der Bilder , die Zahl der Meister-
werke, die Mannigfaltigkeit der Darstellungen und die Vertretung-
der Terschiedenen Epochen jedes einzelnen Künstlers. Von 62 Bil-
dern, die den Namen Rubens tragen, mögen etwa ein Dutzend
keinen Anspruch darauf haben ; unter den fünfzig übrigen Bildern
befinden sich aber, Ton einer Anzahl tüchtiger und zum Theil aus-
gezeichneter biblischer und mythologischer Gemälde abgesehen,
eine Reihe so trefflicher Bildnisse (Toran die seiner beiden Frauen>
und mehrere Folgen von Skizzen (namentlich die für den Einzug
des Cardinal -Infanten in Antwerpen), dass die Eremitage darin
selbst der Münchener Pinakothek gleichkommt ; auch zwei der sel-
tenen Landschaften des Meisters sind von hervorragender Schön-
heit. — Die Sammlung -von Gemälden van DycVs (34) wird yoib
keiner anderen, die englischen Sammlungen eingeschlossen, irgend
erreicht: unter den biblischen Bildern befindet sich vielleicht seine
schönste Leistung, die Ruhe auf der Flucht ; unter den zahlreichen
Bildnissen werden manche der berühmten Folge von Portraits der
Familie Wharton sowie der königlichen Familie aus der Sammlung
Walpole eine Reihe von Bildnissen seiner früheren Zeit, wie di»
Familie Snyders und die junge Dame mit dem Kinde, noch vor-
ziehen. Auch unter Jordaen^ Bildern aller Art sind namentlich zwei
Portraits ausgezeichnet. Bei den zahlreichen Werken des Frans
Snyders, von dem übrigens In den kaiserlichen Lustschlössern
(Gatschina) eine noch weit grössere Zahl aufgespeichert sind , wird
man Rubens* Ausspruch Recht geben müssen, dass die Stärke diese?
Meisters das Stillleben war und nicht seine Darstellungen des be-^
wegten Thierlebens. Unter einigen vierzig Werken des jüngeren
Teniers seien hier nur die beiden unübertroffenen Meisterwerke,
das Fest der Armbrustschützen und die Wachtstube genannt.
Umfangreicher und bedeutender noch, von keiner anderen Samm-
lung erreicht, ist die Abtheilung der hollandischen Schuls. Auch
hier liegt der Werth wieder nicht in der historischen Vollständigkeit
— die früheren Meister mit Ausnahme des Frans Hals fshlen oder
sind massig vertreten — , sondern in der Vollzähligkeit der Haupt-
meister und In der Zahl und dem Werthe ihrer Bilder , vor allen
des Altmeisters £«m&ra9ld^ Von 41 ihm zugeschriebenen Gemälden
lassen sich wenigstens 36 wohl mit Sicherheit ihm beimessen, dar-
unter (mit Ausnahme der äusserst seltenen Landschaften) Werke
aller Art, von jedwedem Umfange und aus jeder Zeit, fast aus
jedem Jahre seiner künstlerischen Thätigkeit. Als Werke aller-
ersten Ranges seien nur genannt: Abraham, der die Engel be-
wirthet; der blutige Rock Josephs; die heil. Familie; die Rückkehr
des verlornen Sohnes ; Petrus verleugnet Christum ; die Kreuzab-
nahme; die sog. Danae; unter den Bildnissen die sog. Mutter
Rembrandt's mit der Bibel; der sog. Sobleski und verschiedene
Eremitage, ST. PETERSBURG. IL B(mte. 137
Bildnisse alter Männer und Frauen. — Auch von seinen Schülern
fehlt kaum Einer ; doch iv erden die Bildnisse yon Bol, Flinck u. A.
in der Eremitage weit übertroffen durch verschiedene Werke des
Bart, van der Helat, namentlich die köstliche „Vorstellung der
Braut^ . Unter der reichen Zahl von Werken der ersten holländischen
Kleinmeister seien hier nur die seltensten Perlen genannt: das
Olas Limonade von Ter Borch und das Frühstück von Meint (beide
einst in Gassei). Steen. A. van Ostade und 6. Dou, die zahlreich
vertreten sind, haben doch nicht derartige eigentliche Kapitalwerke
aufzuweisen. Unter bS echten Ph, Wouwerman sind der umfang*
reiche Katzenritt und die Dünenlandschaft von ganz aussergew6hn*
lieber Schönheit , wie unter 14 Bildern Ja^ob van Buisdael's der
Sandweg und der Bergsee, das früheste und eines der letzten Werke
des Meisters, beide von ungewöhnlicher Grösse. Andere Land-
schafter wie A. van der Neer, A, CtUjp, Wijnants, J, van der
Heyde (8 Bilder) , Berchem u. s. w. sind kaum weniger zahlreich,
aber nicht in so hervorragenden Werken vertreten. Dass die Ere-
mitage von Faul Potter unter 7 echten Gemälden sein Meistei^
werk , den Meierhof (einst nebst 2 anderen tr^flichen Bildern des
Künstlers in der Gallerie zu Cassel) , und darin einen der Hauptr
anziehungspunkte der Gallerie birgt, ist allgemein bekannt.
Die Gemälde der bussisch^n Schule sind naturgemäss dieser
Sammlung eigenthümlich.
Aus dem Eingangssaal betritt man zunächst den
II. Saal der itaUeniielien Meiit«r. Riesige Yasen von Malachit
und 4 Candelaber von grauem Jaspis decoriren hier , wie in den
benachbarten Sälen, die Räume, die für die Bilder entschieden zu
hoch und ungünstig beleuchtet sind, namentlich der Saal der Nieder-
länder. In der Mitte des Saales : Büste des Kaisers Nicolaus L, des
Gründers des Museums, in slavischer Rüstung, von Pimenow. An
der Eingangswand, rechts vom Eintretenden: <?. Beni, *185. Ent-
zückung des heil. iVanciscus ; 189. Raub der Europa ; 187. die sechs
Kirchenväter ; *191. Maria in der Nähschule, durch seine sittenbild-
lich« AufEassung voll eigenthümlichen Reizes. -*- 198. 8. Cantarmi,
Ruhe auf der Flucht. — *172. Ann. Carraed, Abnahme vom Kreuz ;
edel in der Gomposition und von seltener Farbenkraft. — *166. L.Car^
racet, Grablegung Christi, gross gedacht, an Yeronese erinnernd; — ^
*73. Bern. Luini, h. Sebastian (angeblich mit den Zügen des Max.
Sforza). — *98a. Tifsian , h. Sebastian (das letzte Bild des Meisters).
— •224. 8alv, Bo$a, Portrait eines Biehters. — Links von der Thür :
*220. 8. Boea, Der verlorene Sohn. — *216. Caravaggio, Kreuzigung
Petri (gab Rubens die Idee zu seiner gleichen Darstellung in Köln).
— 239. Ouereino, Himmelfahrt MariB. —240. Der«., Martyrium der
heil. Katharina. — An der rechten Schmalwand: *121. A. Sekiä^
vone , Jupiter und lo , in herrlicher Landschaft. — •132. Tintc^
rettoy Geburt Johannis d. T. ; ebenso reich und blühend in der
Farbe wie liebenswürdig in der Erfindung. — An der linken
138 Soute IL ST. PETERSBURG. Eremitage,
Schmalwand : 249. O. Fagani, Madonna mit vier Heiligen. — Breit-
wand gegenüber dem Eingang: 119. Bern, Lidnio, Anbetung der
Könige. — 21. M. AlhertinelU, Verlobung der beil. Katharina. —
29. Bugiardmi (Rid. Ghirlandajo gen.), HeUlge Famüie. — ♦♦18.
Seb, del Fiombo, Abnahme TOm Kreuz (1516); ein Hauptbild des
Meisters , von grossartiger Gomposition und trotz der Dunkelheit
(es ist Nacht I) klar und leuchtend in der Färbung. — ♦146. P. Ve-
ronese, Abnahme vom Kreuz, eines der tiefst empfundenen Werke
des Meisters , von feinster Färbung und seltenem Helldunkel. —
61. Oarofalo, Kreuztragung. — ♦SIS und 319. Canale, Empfang
des Grafen Gergi und Vermählung des Dogen mit dem Meere, sehr
umfangreiche Werke. —.♦317. Tiepolo, Antonius und Cleopatra,
grosses Hauptwerk in engem Anschlüsse an Veit>nese. •— ♦314.
C. Marattif Bildniss Papst Clemens' IX., Hauptwerk in Anlehnung
an RafTaePs Bildnisse. — 313 und 314. O, M, Crespi, Heilige Fa-
milie und Tod des heil. Joseph. — 236. 2>. Feti, Bildniss eines
Schauspielers. — 246. Cigoli, Beschneidung Christi. — Ueber der
Thär: 308. Cignani, Mutterliebe. — 27i. Sehidone, Diana im
Bade. — 320. Beiotto, Ponte di Bialto in Venedig. — Aus dem
Saale führt eine dem Haupteingang gegenüberliegende Thür in die
italienisehMi Oabiiiete (V-X) und zwar zunächst in das
VIII. Cabinbt. ♦llö. L, Lotto, Männliches Bildniss; von
grosser Energie. — 112. Moretto{f), Judith. — ♦90-92. Bonifacio
d. A. (irrthüml. Palma genannt) , Anbetung der Hirten und heilige
Familie ; von grosser Farbenwirkung. — 97. Tizian, Grablegung ;
letzte Zeit des Meisters. -^ ♦HO. Paris Bordone, Heilige Familie.
— ♦Hl. Ders. , Bildniss einer Jungen Dame mit ihrem Kinde. —
♦113, Moreito, der Glaube. — 120. Bern, Lidnio, Familienbüdnlss.
— In der Mitte prachtvoller Mosadktisch mit den Bmblemea der
Musen, Geschenk des ersten Königs von Italien.
IX. Cabimet. Tizian, 95. Segnender Christus; ♦99. Toilette
der Venus (1563) ; ♦98. Büssende Magdalena (Portrait der Toditer des
Meisters), Hauptbild Tizian' s in der Eremitage; 100. Danae; ähnlicli
auch in Neapel, Wien und Madrid ; 99a. des Meisters Sohn mit sdner
Wärterin. — *i(yi, Moretto, Cardinal Ant.Pallaviclni. — P. Veronese,
139. Anbetung der Könige; ♦143. Lazarus beim reichen Manlie; 144.
Kreuzigung, Skirae ; 142. Jesus als Knabe im Tempel, Skizze.
X. Cabinet. 178. Lod, Carraed, der Wasserfall. — 175. Ann.
Carracei, das Urtheil des Cyrus. — 202. Alhani, Verkündigung
Maria. — 179. Domeniekino , Maria Magdalena von Engeln gen
Himmel getragen. — 218. Caravaggio, Bildniss eines jungen Mannes.
ZI. and ZU. Gabinet der älteren Hiederländer «nd Deatseken.
♦461. L. Cranach derAeltere, Venus und Amor, gutes umfangreiches
Werk der ersten Zeit. — ^443. Jan van Eyck, die Verkündigung
Maria (um 1433). — ♦444. Petrus OHstus, Diptychon mit der Kreu*
zigung und dem Jüngsten Gericht. — ^468. Lucas van Leyden,
die Heilung des Blinden; durch Umfang und helle flüssige Färbung
EremUage. ST. PETEESBÜRa. IL Route. 139
dafi henrorragendste Werk des als Maler seltenen Altmeisters der
nördlichen Niederland«. — 476 und 477. Altholländische Meister
um 1530 : Zwei Sohützenstücke ; derbe aber tüchtige Charakteristik
und malerische Behandlung. — 474. B, v, Orley, Abnahme vom
Kreuz. — •491. L. Lombard, Anbetung der Könige (um 1550),
einst in Gassei. — 470 und 471. B. Bruyn, Familienbildnisse. —
•466. H. Holbein der Jüngere, Bildniss eines jungen Mannes ; datirt
1518, also aus seinra frühesten Zeit. — 454. J. Mostaert, Verlobung
der heil. Catharina. — ♦487-489. F, Pourbus der Jüngere, Theile
eines grossen iPorträtstücks, Hauptwerk des Malers. — *&5 und 486.
F, PotMrbvs derAelteret Bildnisse einds Herrtl und seiner Gemahlin ;
einlach aber charakteryoU« — 478 und ^479. J. Schoreel, Bildnisse
eines jungen Mannes und seiner Frau; yon feiner Charakteristik und
heller Färbung. — 623. L, v, Vaikenborüh, die Dorfkirmess. — ♦480-
482. A. Mor, treffliche Bildnisse seiner englischen Zeit.
Nun zuiüek durch d^s VIII. Cabinet in das
VII. Oabinbt. *74. B. Liiini, die sog. Oolombina; einst unter
dem Namen Lionatrdo's berühmt. — 68. Fr. Francia, Madonna. —
♦27« Bronsdno* Männllckes BHdniss. — Buffael, 40. Bildniss eines
alten MannM (Sannasaro?); ♦^36aw Madonna Conestabile, aus Peru-*
gia (1503); ♦38. Madonna aus dem Hause Alba (nach 1508). — *Ö8.
6^. Bomcmo, Dame »bei der Toilette (Fomarina genannt). -^ •♦39.
Baffael , h. Georg, 1506 im Auftrage d«8 Herzogs Ton Urbino für
Heinrich VII. von England gemalt. -*- CorreggU>, ♦dl. „Madonna del
latte^ (ähnlich in Lond^b und Neapel) ; 82. Skizze der Kuppel von
Parma ; 82a. Apollo und Marsyas, auf einen OlaTierdeckei gemalt.
-* Der todte Knabe auf dem Delfln, Mamtorgruppe von Lorenxetto
nach einer Zeichnung Raffaols.
VI. Cabdibt. Fra Ai^ilico, Freske aus Florenz : Maria mit dem
Kinde und den HH. Dominicus und Thomas von Aquino. ^3. San-
dro BotHeelH, Anbetung der Könige; Predella yon reicher, reiz-
Tollfiter Gompoisitionund Färbung. — ^19. Beb. del Piomho, Bildniss
des GardinaLs^ Pole; Ton grossartiger Auffassung. -^ 22. CHranacci,
Anbetung des Kindes. — ♦14. Sehute desIAonnrdO) Heilige Familie.
— ♦17. Sed. dei Ptonibo, Christus mit dem Kreuz ; ähnliche Wieder-
holung in Madrid , Copien in Dresden und au andern Orten. — 1.
Schule des Verrocchio, Maria mit dem Kinde. -* ^24. A. del Sarto,
Verlobung der heil. Katharina. — 15. Schule des Lionardo, Weib-
liches Bildniss. ^ An der Fensterwand : ♦13ä. Lionardo da Vinci
<Ton Orowe dem Zenale zugeschrieben), Madonna aus dem Hause
liitta, von höchstem Reiz. — Marmor- Skizze eines Knaben von
Michel AngüOk
V. Oabinbt. Fresken aus der Schule Raffael'e, Bronzen der
Renaissance und epaleren Zeit. In der Mitte Reiterstatue Ludwigs
KIV. Ton Girardon (Modell der Statue auf der Place Vend6me in
PmtIb, welche 1791 zerstört wurde). Alte Kopie des capitoUn. Dorn-
ausziehers. Majoliken. In den Vitrinen eine Auswahl antiker und
140 Eoute IL ST. PETERSBURG. Eremitage.
moderner Cameen, u. a. der Cameo Gonzaga, mit den Brustbildern
Ptolemäus' I. und seiner Gemahlin und Schwester Arsinoe ; ein
anderer grosser Cameo den Kaiser Trajan und die Tyche von An-
tiochia darstellend. Treffliche Gameen mit Paul I., Alexander I.,
Arbeiten der Kaiserin Maria Feodorowna u. s. w. — Die Haupt-
sammlung der geschnittenen Steine (Cameen u. Intaglien) befindet
sich in dem anstossenden Saal XXYI (s. S. 14S).
Von hier zurück durch Gabinet YIII in den II. Saal und durch
die Thüre 1. in den
lY. Saal der ipaniiehen Meister. An der Eingangswand : 400.
MorcdeSf Madonna. — 332. Ribera (SpagnoltUo)^ heil. Hieronymus.
— A. Cano, *354. Yision eines Dominikaners ; 355. Selbstbildniss. —
402. CoeUo, Bildniss der Margaretha von Parma. — Rechte Lang-
wand: 416. Pereda, Stülleben (1621). — *331. Bibera, Martyrium
des heil. Sebastian, selten edel aufgefasst. — Velaxquez, *418<
Papst Innocenz X. , Studienkopf zu dem Bilde im Palazzo Doria,
breites malerisches Meisterstück ; *419. Philipp lY. von Spanien,
noch jung; *421. Herzog von Olivarez, Minister Phüipp*s; beide in
ganzer Figur,verh%ltnissm)issig fleissig vollendet, malerische Meister-
werke ersten Ranges. — 432. CoeUo , Magdalena. — MurÜlo, 374.
Tod des Peter Arbuez; **371. Himmelfahrt Maria; durch naiven
Jugendreiz, Feinheit des Helldunkels und Erhaltung dem berühmten
Bilde des Louvre noch überlegen. — Schmalwand gegenüber dem
Eingänge : 390. Romero (?), Zechende Bauern. — 435. Ani. Fuga^
der Scheerenschleifer. •— *362. MtiriUo, die Conception ; Bild der
spätem Zeit. — 349. Zurbaran, der hell. Lorenz. -— Linke Lang-
wand: MurÜlo, 363. Anbetung der Hirten (zu dunkel); *3ö9. Ders.,
der Traum Jakobs; ein heiteres Treiben der Engel in goldigen
Lüften ; **372. Ders., der Engel befreit Petrus aus dem Gefängniss.
— 415. Pereda, Stillleben (1621.). — MuHllo, *377 und *378.
Betteljunge und Bettelmädchen ; derb und farbig, im feinsten Ton ;
**367. Ruhe auf der Flucht; Gompositioin an Palma erinnernd,
selten schöne Gestalten in der tiefen Gluth leuchtendster Färbung ;
368. Ruhe auf der Flucht, kleiner; 360. der Segen Jakobs; von
inniger Empfindung; 361. die Yerkündigung; *369. Heilige Familie,
kleine Perle durch Feinheit der Gomposition, innige Auffassung und
vollendete Durchführung.
Nun durch den grossen Italienischen Saal (II) zurück in
III., den grossen Hiederländiadhea Saal, der besonders empfind-
lich an Lichtmangel leidet. An der Eingangswand : *62d. A. van
Dyck, Bildniss eines schönen jungen Mannes (um 1626). — **576.
Rubens, Bildniss seiner zweiten Frau, Helena Fourment; als Maleroi
eine der vollendetsten, durchgebildetsten Leistungen aus der letzten
Zeit des Künstlers. *578. Dere,, Bildniss einer alten Dame in
einem Sessel; von ähnlicher Meisterschaft (um 1628). — ; A,.van
Dyek, *634. zwei junge Engländerinnen ; 622. Jan van den Wouwer ;
*623, 624. N. Bosschaert und Gattin (1629) ; .*631, *632. zwei junge
Eremitage. ST. PETERSBURG. IL Boute. 141
Männer; treffend indlvidualisirt , früh und in der leachtendeji
Färbung noch ganz unter italienischem Einflüsse. — **575. Ruhene,
Bildniss seiner ersten Gemahlin Isabella Brandt (um 1620) , Knie*
stück, in jeder Beziehung da» würdige Gegenstück zu 576. —
Linke Langwand : *653. J. Jordaena , Selbstbildniss \ voll Humor
und Lebensfrische (um 1660). — ♦609 und ♦610. A. van Dyck,
Bildnisse Karls I. und seiner Gemahlin ; ganze Figuren von höchster
Noblesse (um 1638). — 555. Bttbens, Raub der Sabinerinnen, aus
seiner letzten Zeit. — A. van Dyck , ^615. Henry Danvers , ganze
Figur, Meisterwerk der letzten Zeit; 611. Wilhelm II. von Oranien
als Knabe ; *GS6, junge Dame mit Kind, Meisterwerk der frühesten
Zeit im Charakter seines Lehrers Rubens (um 1620). — ^651. J.
Jordaena, des Malers Familie (?) im Garten. — Rechte Langwand:
♦♦627. A. van Dyck, der Maler Snyders und seine Familie ; vollen-
detstes Werk seiner frühesten, von Rubens beeinflussten Zeit (um
1618). — ♦ÖiS. Bubena, Jesus bei Simon; Hauptwerk unter den
grossen biblischen Gompositionen in der Eremitage (um 1620). ~
^535. Dera., Abraham entlässt dieHagar; kleines Farbenjuwel (um
1618) , fast unverändert wiederholt in London (Grosvenor House).
— ^536. Dera,, Anbetung der Konige; grosse Composition, von der
ganzen Frische und Breite seiner frühern Zeit (um 1614). — ^646.
Dera. (Jordaens gen.) , Studienkopf des Petrus. — A. van Dych,
♦607. der ungläubige Thomas ; ^616. Lord Philipp Wharton ; Haupt-
werk (1632). — Bubena, ♦579. junge Dame (um 1618); ♦584, 585.
Mönche; ^586. Greisenkopf (um 1625); ♦580, ^581. Mann und Frau
(um 1615, leuchtend und breit). — 642. C. de Voa, Familienbild-
niss; klein. •— Schmalwand, dem Eingang gegenüber : A. van Dyck,
♦614. die FamiUe Montgomery (Skizze); ♦620. Büdniss des Sir
Thomas Chaloner. — Bubena, 551. Bacchanal; ♦552. Perseus befreit
die Andromeda (um 1615, ähnlich in Berlin und Madrid); ^554.
Tigris und Abundantia , dem Bilde der „Vier Erdtheile * in Wien
nahe verwandt (um 1610).
Durch die Thür dieser Wand gelangt man in das erste mit
Seitenlicht beleuchtete Zimmer, den sog.
XVI. Buben8*tehen Skiisensaal. An der Eingangswand : 544.
Bubena, Abendmahl, Skizze zu dem Bilde der Brera in Mailand. —
♦603. A. van Dyck, Ruhe auf der Flucht („la Vlerge aux perdrix") ;
eines der ergreifendsten, farbenprächtigsten Bilder religiösen Gegen-
standes von van Dyck. — ♦♦561 - 566. Bubena , Skizzen zu dem
Triumphbogen für den Einzug des Cardinalinfanten Ferdinand in
Antwerpen (1635) ; zeigen in glänzendster Weise Rubens' eminente
Erfindungsgabe, Compositionstalentund malerischesKönnen (an ver-
schiedenen Wänden vertheilt). — Fensterwand ; ^513. Jan Brueghel,
Waldige Landschaft; Meisterwerk (1607). — Linke Seitenwand:
537. Bubena, Anbetung der Könige ; durchgeführte Skizze zu dem
Bilde im Brüsseler Museum. — 572 und 573. Dera. , Skizzen zu
den Deckenbildern in Whitehall zu London (1630). — 524. D,
142 Eoute 11. ST. PETERSBURG. Eremitage.
Yinckhoons, Waldinterieur (1618). — 647. Bubens' Schule (nicht
Jordtens), Paulus zu Lystra. — *660. QuellPmM, Heilige Familie in
einem Blumenkranz von Z>. Seghert, — *Ö9Ö. Rubens^ der Regen*
bogen ; farbenprächtige Landschaft der letzten Zeit. -— 5Ö3. Ders.j
Kampf der Lapithen und Centauren ; Skizze. — *593. Ders. , die
Statue der Ceres von Putten bekränzt ; Blumen von J, Brueghel, —
*574. Ders. , Bildniss des Carl von Longaeval ; geistreiche grosse
Skizze. — *650. Jordaen$, der Satyr beim Bauer. — 605. A. van
Dyck, Christus am Kreuz; Skizze. — 558. Rubens, Skizze der
Statuen von fünf deutschen Kaisern; gleichfalls fär den Ant*
werpener Triumphbogen (1635). — 532. P. Brü, bergige Land-
schaft. — Rechte Seitenwand: **557. Rüben$, Skizze zum Altar
des heiL Ildefonso, jetzt in Wien (1609). — 567-570. Den., Skizzen
zu der Galerie des Luxembourg, jetzt im Louvre (1620-1624). —
527, 52d. A. Mirou, der Brand und der Hafen ; Hauptwerke dieses
Nachfolgers von Brueghel. — 546. Ruhens, Abnahme vom Kreuz;
von Schülern ausgeführt. — 590. Ders., die L5wenjagd; flüchtige
Skizze zu dem berühmten Münchener Bilde. — *594. Ders., Fracht-
fuhrmann; Landschaft bei Abendbeleuchtung (um 1615). In der
Mitte prachtvolle grosse Vase aus Orletz (Manganit).
Nun durch die Thür r. in das
XIII. Zimmer. Eine ganze Reihe der früher beliebten, hSss-
lichen Brustbilder des leidenden Christus, der Mater dolorosa, Mag-
dalena, heiligen Familie u. s. w. von Carlo Datei, Sassoferrato und
Guido Reni, sowie einige gute Landschaften von 8. Rosa, Zuccha-
rdli u. a. Zwischen den Fenstern kolossale Büste des Todesgenius,
nach Canova.
Von hier aus führt die Thür an der Schmalwand in die Italieni-
schen Cabinette (V-X , s. oben), während wir uns durch die Thür
der Langwand geradeaus in die Bembraadt-Oallerie (XT) wenden,
welche durch kleine Querwände in fünf Cabinette getheilt ist. *)
XV. A. Rembrandt, »792. Opfer Abrahams (1635), in lebens-
grossen Figuren; *812. Saskia Uilenburg, die Frau des Malers
(1634), von ausserordentlicher Durchführung. — ♦847. F. Bot, der
Gelehrte ; unter den zahlreichen Bildern dieses Meisters in der Ere-
mitage wohl das beste. — Rembrandt, »799. Petrus verleugnet
Christus (um 1656); umfangreiche grossartige Composition der spä-
tem Zeit; »SOS. der Kalligraph Copenol,RembrandfsFreund(1631);
**811. Bildniss eines moldauischen oder walachischen Bojaren (sog.
Sobieski, 1637), von ganz ausserordentlicher Lichtwirkung ; ♦829.
Bildniss einer alten Dame (um 1642); 801. der ungläubige Thomas
(1634); ♦807. die Mutter Rembrandt's (um 1638); 815. männL
Portrait.
*) Wir zählen in den folgenden, meist kleinen, dureh Seitenlicht beleuch-
teten Zimmern, die Bilder stets in der Reihenfolge auf, dass zuerst die der Ein-
gangswand, dann die der gegenüberliegenden und —wo eine solche vorhanden
ist — die der dem Fenster gegenüberliegenden Wand besprochen werden.
Eremitage. ST. PETERSBURG. 11, Route, 143
XV. B. Rembrandt, 794. Potiphar's Weib verklagt Joseph (1655) ;
*800. Abnahme vom Kreuz (1634) , grosses Hauptwerk der frühern
Zeit. — 837. S, Koninck (irrthümlich Eeckhout genannnt), CrÖsus
zeigt dem Solon seine Schätze. — Remhrandty *791. Abraham be-
wirthet die Engel (um 1650) ; ♦•796. Heilige FamUie (1645), IdyU
baulichen Glücks ; ♦798. die Parabel von den Arbeitern im Wein-
berge (1638); trefflich belebte kleine Composition ; 814. Bildniss
eines alten Erlegers ; ganz früh (um 1630) ; 817. die Toilette (1654) ;
reizendes Genrebild; ♦der verlorene Sohn (unvollendet). — 831.
J. V, Cappelle, Flussansicht. — 840. O, v. d. Eeckhout, der Gelehrte
(1648) ; erfreulicher als zwei grössere Gemälde desselben Künstlers.
~ 867. A, de Gelder, Bildniss eines jungen Offiziers.
XV. C. Rembrandt, 809. Minerva; ♦820. Rabbiner (1645); ^805.
Bildniss einer alten Frau (1654), von grossartig breiter Behandlung
und tiefer Empfindung ; ^793. die Sohne Jakob' s bringen ihm das
blutige Kleid des Joseph (um 1650) ; umfangreiches Werk von tief
ergreifender Wirkung; ♦SlO, ♦SIS. Bildnisse alter Männer (1654);
von ausserordentlicher Breite und Wirkung; ♦819. Bildniss einer
jungen Frau (1656). — 703. F, HaU, Brustbild eines Schützen (um
1635).
XV. D. ♦770-772. F. Hals, Bildnisse junger Männer; von der
meisterhaften Breite der letzten Zeit. -- Rembrandt , ♦♦804. Bild-
niss einer Alten, die Bibel im Schoosse (1654) ; 821, 825. Männliche
Bildnisse (um 1660) ; ^^802. sogen. Danae (1636) ; eine lebensgrosse
nackte Gestalt von seltenem Geschmack und einem durch das Hell-
dunkel und die weiche malerische Behandlung einzigen Reiz ; ^806.
Brustbild einer alten Frau (um 1654) ; ^827. Männliches Bildniss
(1666).
XV. E. 775. J, 0, Cuijp, Diebeiden Kriegsmänner (um 1620). —
863. Jan Victors, Enthaltsamkeit des Scipio (1640). — 748, 749.
JBonthorst, Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz und sein Bruder
Rupert. — 788. Th. deKeyser, Männliches Brustbild (1632). — 868.
Moeijaert, Clölia entflieht aus dem Lager des Porsenna (1640). —
♦797. Rembrandt, Rückkehr des verlorenen Sohnes; grosste bi-
blische Composition des Meisters aus der letzten Zeit, von tiefster
Empfindung und grösster Breite. — 869. /. Coningh, die Gold-
wägerin. — Es folgt der englische Winkel: Reynolds, 1391.
Herkules die Schlangen erstickend (von Kath. II. beim Meister be-
stellt) ; 1390. Amor und Venus ; 1392. die Grossmuth des Scipio.
* Walker, Portr. Cromwell's. Dobson, 1387. Portr. Abr. v. d. Dort,
Aufseher ^er Kunstsamml. Karls I. Kneller, 1388, 89. Portraits
des Philosophen Locke und des Bildhauers Gibson.
Von hier aus führt eine Thür in die schmale mit der Rem-
brandt-Gallerie parallel laufende Gallerie (XIV), welche in fünf ent-
sprechenden Cabinetten namentlich Gemälde von Ph. Wouwerman,
D. Teniers und P. Potter birgt.
XlVe. Ph, Wouwerman, 1012. die Schmiede; ♦1040. Kleiner
144 Route IL ST. PETERSBURG. EremUage.
Winter; bei düsterer Beleachtnng ; 1042. die Fürth; frühe Land-
schaft; *99&. der „Katzenritt''; ausserordentlich reiches und maleri-
sches Hauptwerk der besten Zeit (c. 1655) ; *1044. Am Strande ; sehr
stimmungsvoll ; *1017. die Rast der Reiter ; einer feinen Landschaft
Ton Wljnants nahe verwandt; *1027. der Halt am Marketendeizelt ;
**1043. In den Dünen; vollendete atmosphärische Stimmung. —
*1133. A. V. Everdingen, Norwegischer Wasserfall (1647). — Ph.
Wouwerman, *998. die Reitschule ; 1023. Vorpostengefecht.
XIY d. Fast ausschliesslich Ph. Wouwerman ; daruntw hervor-
ragend: 1006. Auf der Landstrasse. — 1025. Ein Reitervorposten. —
♦1031 und »1032. Aufbruch zur Falkenjagd und Rückkehr von der-
selben. — 1039. Tanz vor der Kneipe ; aus früherer Zeit. — 1080.
Der Pferdestall. ~ 1020. Türkenschlacht. —♦1029. Aufbruch zur Jagd.
XIY c. Enthält fast ausschliesslich Werke des jüngeren David
Teniers: 676. Vor der Kneipe (1654), — ^674. Die Kirmess (1646).
— ♦677. Der Hochzeitsschmaus (1650). — ^673. Die Wachtstube
(1642); von ausserordentlich kräftiger und reicher Färbung.
XIV b. D. Teniers, ♦♦672. Schützenfest auf dem Platz vor dem
Rathhause in Antwerpen (1643) ; schönstes und grösstes Bild des
Meisters in der Eremitage. — 688. Die Kartenspieler. — ^699. Affen
in der Küche. — ^969. C. Bega, Die Weberfamilie.
XIV. a. 1059 (wie 1060 und 61) G. CamphuUen, Tüchtige
Viehstücke. - P. Potter, ^1054. Vieh auf der Weide (1651) ; ♦1053.
Halt von Reitern (1650) ; Meisterwerk in feiner Färbung und Be-
leuchtung ; ♦1052. das Leben des Jägers ; in 12 kleineren Abtheilungeu
sind leicht und zum Theil sehr geistreich die verschiedenen Arten
der Jagd , in der Mitte das Urtheil der Thiere über den Jäger und
der Vollzug der Strafe an demselben dargestellt; ♦1051. der Meier-
hof (1649) ; durch Umfang , zumal aber durch die feine Morgen-
stimmung und die köstliche Charakteristik der zahlreichen Thiere
das vollendetste aller „Viehstücke'' ; ^1055. der Kettenhund (1650) ;
meisterhaftes Hundeporträt in Lebensgrösse. — 1107. A. Cuyp,
grosse Landschaft mit Vieh ; leider verputzt.
Nun zurück durch die Zimmer XIII. und XVI. und Zimmer
XVII. t welches die Gemälde der deutschen Künstler des xvii. und
xvin, Jahrb., wie Lingelhach, Roos, Denner, Dietrich, Mengsn.s.yr.
enthält, In die lange
.; Gallerie der hoUändischen Kleinmeister (XVIII), welche, da sie
beiderseits Fenster hat, durch einen Gang in der Mitte in je
5 Cdbinette getheilt ist.
I. Cabinet, links vom Eingang: B. v. d. Helst, ^78. Hol-
ländische Familie (nach Burger die Familie Potter genannt) ; ♦779.
Grosses Famüienbildniss (1652); 782. Männliches Bildniss in ganzer
Figur (1670). — 740-742. /. M. MUrevelt, Büdnisse. — 761.
C. Poelenburg, Diana und Callisto. — 766. Breenhergh, Opfer
in einer Landschaft. ~ ♦777. B. van der HtUt, die Vorstellung
EremUage, ST^ PEir|»SßüßG» lU lioute, 145
der Braut ; em junges Shepaar begtüsst ein älteres in einem Parke ;
nach seinen Schützenstücken in Holland wohl sein Meisterwerk.
— Rechts: 601 . Th. Mombout$, die Karten spieler. — G. Ttr Borch,
**d70. das Glas Limonade ; Hauptwerk Yon schönster Erhaltung ;
*873u der Bote; *874. das Concert; leider verputzt.
H. Cabiiost, links: il. Brouwer, *938. Bauern in der Kneipe;
939. der Streit; 940. der Flötenhläser. — A, van Oitade, *947-94d.
einzelne Bauern in halber Figur (Gegenstücke, 1648); 950. der
Bäcker; 952. die Kneipe. — *962. /• van Oiiade, Grosse Winter-
landschaft. — ♦860. P. deHooch, der eingekaufte Fisch; treff-
liches sonniges Werk des Meistens. — Fr, Mitrü, *915. der Schoss-
hund; **916. das Austernfrühstück (1650); obgleich das früheste,
doch vielleicht das vollendetste Werk des Meisters ; *918. kleines
Dameuportiät (1665). — ^945. A, van Ostade, der Tanz vor dem
Wirthshaus (um 1642). — Rechts:, O. Dou, »909. die Garn-
winderin; 910-912. Actstudien in Landschaften ; ^913. die Bibel-
lectüre. — (?. Metm, ♦878. die Kranke; ♦♦SSO. das Frühstück;
köstliches Meisterwerk; ♦SSI. Beim Mahle; vor einer schlechten
Restaurirung dem vorigen vielleicht noch überlegen. -^ 882-887.
C, NeUcher, meist gute Bildnisse. — Jan Steen, ♦897. das Garten-
fest; ♦898. die lustigen Zecher; von grösster Feinheit in dem
eigenthümlich schwärzlichen Ton; ^900. die Trictracspieler (1667).
— 871. ß. T^r Borch, der Yiolinspieler. — 858. N, Mae», die
Garnhasplerin ; leider verdorben.
in. Cabinet, links: ^1138. J, RuUdael, der Wald; treff-
liche Gomposition der späteren Zeit. — ♦1142. Jjert, , der Wald"
weg. ^ ♦1143. Ders, , der Sandweg (1646) ; sehr umfangreiches,
frühes Werk, kaum übertroffen in der treuen Wiedergabe des
kleinsten anspruchslosesten Stückes Erde. — ♦1125. A. van der
Neer, holländische Gracht bei Mondschein. — ^1104. A. Cuijp,
Kühe auf der Weide; frühere Zeit. — Rechts: ♦♦1147. /. Ruia-
dael, der einsame Bergsee; durch die poetische grossartige Gom-
position und elegische Stimmung das Meisterwerk der letzten Zeit.
— ^1148. Ders., holländische Landschaft (1647) ; sehr wirkungsvoll.
— ^1153 und 1154. J. van der Meer v. Haarlem, der Waldes-
rand. — ♦llOe. A. CuiJp, stiUer See bei Mondschein. — ^1117.
A. van der Neer^ die Windmühle; einziges hervorragendes Bild
unter beträchtlicher Zahl. — J. BuUdael, ♦1145. der Wasserfall;
grosse reiche Gomposition; ^1140. heranziehendes Gewitter.
IV, Gabikbt, links: ♦1111. J. Wv«an*«und A. van de Velde,
Landschaft mit Heerde. — ♦1101. A. Ouijp, Vieh am Ufer der
Maas. — 1252 und ♦1253. Jac. v, Loo, das Goncert und der Be-
such. — Rechts: 1062. A. van de Velde, die Heerde (1671); um-
fangreiches Bild. — ♦1208. Jan van der Heyde, die Harlemer Poort
in Amsterdam; von höchster Vollendung. — ^1209 und ♦1210.
Ders., das Schloss. — ^889. J", Ochtervelt, der Fischkauf (1669).
— 892. Ders., das Frühstück.
Eussland. 3. Aufl. 10
146 Boute IL ST. PETERSBURG. Eremitage.
V. Cabinet, links: Everdingen, 1134. Norwegische Land-
schaft; **1135. Seesturm im Hafen von Alkmar, von grossartig-
ster Wirkung. — 1204. Dirk vanDelen, Eingang eines Palastes
(1667). — *dli, Bega, die Bauernfamilie. — Rechts: Unter den
sehr zahlreichen (16) und umfangreichen Bildern des N. Berchem
wie auch des K, Dujardin ist keins ersten Ranges ; beachtenswerth
-von ersterm 1075. Halt auf der Jagd, und *1081. Italienische Land-
schaft (1656). — S. de Vlieger, 1184. Kleine bewegte See (1624);
•1183. Ankunft des Prinzen von Oranien in Ylissingen (1642). —
In der Mitte eine prachtvolle Jaspisvase' mit Henkeln von vergol-
deter Bronze, zweiAchatvasen deren Henkel von vergoldeten Panthern
gebildet sind, u. andere Vasen.
In dem folgenden Eckiaal (XIX) sind hauptsächlich die Still-
leben der holländischen und vlämischen Schule aufgestellt. Wir
heben daraus als die Hauptwerke hervor : von Fr, Snydera , 1312.
1314. 1315. 1317. und *1320, sämmtlich grosse Stillleben von
todtemWild, Gemüse, Speisen u. s. w. Von M. irond«co«f«r •1339.
Ausländische Wasservögel im Park. — /. Weenix, 1347 und ♦1348.
Todtes Wild. — /. D. de Heem, 1355. Blumenbouquet. — itfigr-
noUy 1359. Blumenbouquet. — Verendael, 1377. Blumenkranz.
— Amor u. Psyche von Canova, — Zwei grosse Malachitvasen.
Saal XX. enthält die Meisterwerke der finuuötifohen Schule.
An der Eingangswand: •1520. /. B. Oreuxe, der Tod des Gicht-
brüchigen; ein Hauptwerk des Meisters. — •1513. Chardirij das
Tischgebet. — 1514. Ders., die Wäscherin. — 1538. Rigaud, Bild-
niss von Fontenelle. — Linke Langwand: ^^1413 und 1414.
N. Pouarin, italienische Gebirgslandschaft mit Polyphem und ita-
lienische Plusslandschaft (v. J. 1649), Gegenstücke; in grossartigem
und stilvollem Aufbau der Landschaft, wie in Feinheit der Färbung
seine Meisterwerke und kaum von einem anderen Meister erreicht.
— 1490. Valentin, die Spieler. — •1402. N, Poussin, Satyr und
Nymphe. — 1406. Ders., Enthaltsamkeit des Scipio. — ••1428.
••1429 und 1430-1431. Claude Lorrain, die sog. vier Tageszeiten:
ital. Landschaften im zarten Duft der verschiedensten Beleuchtung,
Abend und Nacht leider sehr nachgedunkelt. — ^1394. N. Potissin,
Moses schlägt Wasser aus dem Felsen (1649). — ^1400. Dert., Tri-
umph der Amphitrite ; in Lust der Bewegung und Farbe und Schön-
heit der Gestalten ein Hauptwerk. — •1399. Ders., Abnahme vom
Kreuze. — 1506. Laneret, das Goncert. — Clouefsche Schule, Por-
trät der Maria Stuart , im Schloss Fotheringhay gemalt (das einzige
authentische), Vermächtniss des Fürsten Lobanow. ~ •1424. (7.
Dughet, kleine ital. Landschaft. — Rechte Langseite: •1423.
Ders., itaL Winterlandschaft. — ••1435. Claude Lorrain, ital.
Seehafen. — ^1438. Ders., ital. Waldlandschaft mit Apoll und
Marsyas. — 1537. Largillüre, die Schöffen von Paris. — •1516.
Fragonard , die Kinder des Landmanns. — Ohne Nummer : Bou-
eher, Jupiter und Callisto. — Sculpturen: Hebe von Canova,
Eremitage. ST. PETERSBURG. 11. Saute. 147
Amor von Falconet. Zwei grosse Vasen aus Lapis lazuli , mit ver-
goldeten Bronze - Verzierungen.
Die l)eiden folgenden Säle (XIX und XX) enthalten Haupt-
werke der älteren und modernen niMiielLen Maler: 1566. A. M.
Matwejew (1704-1736), Porträt Peter's des Grossen. — 1567.
A. P. Lossenko (f 1773), der wunderbare Fischzug. — 156S. O. J.
Ugrjumow (1764-1825), Einnahme von Kasan. — 1569. Ders.,
Thronbesteigung Mich. Feodorowitsch Romanows. — 1571. A. J.
Iwanow (1775-1887), Episode aus der Belagerung von Kiew (933).
— 1572. D. J. Iwanow, Marfa Possadnitza (S. 252). — 1573.
A. Ö. Wenezianow (1775-1847), junger russischer Bauer , sym-
pathische Darstellung aus dem Leben. — 1574. A. E. Jegorow,
heilige Familie ; an Raffael erinnernd. — 1575. Ders., die Geisse-
lung Christi; correcte Zeichnung; schwache, aber harmonische
Farben. — 1579. W. K. Ssaionow, Dmitry Donskoi auf dem Kuli-
kowo- Schlachtfelde (S. 380). — 1580. K. P.BriUow (1799-1852),
der letzte Tag Pompeji's ; das Hauptwerk des Künstlers. ^ 1582.
O. A. Kiprenski (Adam Schwalbe, 1783-1836), Porträt Thor-
waldsens; ein Meisterstück. — 1585. P. W. BcuHn, Susanna im
Bade. — 1590. F. A. Bnmi (1801-1875), diiy eherne Schlange;
eines der kolossalsten Gemälde der Welt , flgurenreich, mit grosser
Sorgfalt ausgeführt. — 1593. A. A. Iwanow (1806-1858), Christus
und Magdalena. — 1594. T. A. von Neff (1805-1877), badende
Mädchen. — 1597. F. J. Alexejew (1753-1824, der russ. Canaletto),
Ansicht von Moskau (Kreml, S. 269). — 1598. F. M, Matwejew
(1758-1826), Umgebungen von Bern. — 1604. Der»,, der Lago
Maggiore. — 1611. A. 0. Orlowsky (1777-1832), Meeresufer. —
1618. M. N. Worobjew (1787-1855), das Innere der Kirche auf
Golgatha; ausgezeichnete Perspective. — 1619. Syl. F. Schtschedrin
(1791-1830), Ansicht von Rom; voll Kühnheit. — 1622. J. K.
Aiwasowtky (geb. 1817), Ansicht von Odessa. — *0. N. Makowsky,
Nächtlicher Tanz der Nymphen. — 1626. Aiwasowiky, das Schwarze
Meer. — 1631. Q. P. Wülewalde (geb. 1817), Ansicht von Wladi-
kawkas. — 1632. A. P. Bogoliuhow (geb. 1824), Jahrmarkt in
Amsterdam. — 1633. F. A. von Moller, die Kreuztragung. — Scul-
pturen. Im XXI. Saal: ♦Paris von Canova. Die Koketten, Kinder-
gruppe von Paveretzky. — XXII. S. In der Mitte : der erste Schritt,
Marmorgruppe von Kamensky. — Zwei Kandelaber aus dunkel-
grauem Jaspis.
Die folgenden Säle (XXIII-XXV) enthalten die sehr reichhal-
tige Münssammliing (im Ganzen etwa 200,000 Stück).
Saal XXIII , mit von zwölf Honolithsäulen aus grauem fluni. Granit
getragenem Chor, zu dem eine eiserne Treppe führt. Glas -Tische mit
den ältesten russ. Münzen, unter denen 5 Goldstücke des h. Wladimir;
Xowgoroder Stangengeld; Eiew^sehe Rubel. Auf einem andern Tisch kup-
fernes Plattengeld aus Jekatherinenburg, 2 Buhelplatten von Katharina I.,
ein Polupoltinnik (1/4 Rubel), Zehnkopekenstüeke u. s. w. Probemünzen
von Eisen. Die Tsehernigow*sche Griwna (grosses goldenes Schmuck-
stück). Ferner an 8000 russ. Münzen vom Grossf. Dmitry Iwanowitseh
10»
148 Route IL ST. PETERSBURG. EremUagt,
an. Solehe der Republiken Kowgorod undPskow, der Fürsten von Twer,
der Theilfürsten von Sewerien, Galicz u. 8. w. Der ungatrische Dukaten
von Joan III. Vollständigste Reibe der Münzen von Peter dem Grossen
an. Prachtvolle Hedaillen, mehr durch Grosse als dureh Kunst werth aus-
gezeichnet. Sammlung der russ. Ordenszeieben und Kriegsmedaillen.
Reiche Reihenfolge von Münzen von Polen und den Ostseeprovinzen. Süd-
slawische,, namentlich serbische Münzen. Die Beulä^scbe Sammlung athe-
nischer Münzen. Die baktrischen Münzen des Grafen Perowsky. In dem
Langrund r. skandinavische Folgen, in der Mitte deutsche, 1. niederländ.
und holländische. Der Stein von Tmutoraken mit Inschrift, welche be-
sagt, dass Fürst Gleb im J. 6576 (1068 n. Chr.) das Meer auf dem Eise hat
messen lassen, von Tmutoraken bis Kertscb, 8064 Faden. In der Mitte
Münzen des Bosporischen Reichs.
Saax. XZIV. Links in hohen Glaspulten : Portugal, Spanien, Schweiz,
Frankreich , alles reiche Folgen , meist aus der berühmten Reicherschen
Sammlung. Rechts : Preussen , Oesterreich , Grossbritannien , wobei über
1000 in Russland gefundene Stüeke aus Ethelreds II. Zeit. An den Fen-
stern : Münzen des Malteser-Ordens und von Privatpersonen. Gegenüber :
Bayern und Württemberg.
Saal XXV (halbdunkel). In der Mitte Pontusländer, an den Wanden
amerikanische Münzen.
Die reichen Folgen der oriental. Münzen befinden sich vor den
Fenstern der anstossenden
XXVII. BalEael-Gallerie, welche die von dem Tiroler Maler
Christoph Unterberger um 1770 gefertigten Copieen der RaffaeVschen
Loggien im Vatikan enthält (von Katharina II. für 45,000 fl. gekauft).
Saal XXVIIa. AltruMisehe Alterihümer.
Vitrine 22. Terichowskv'' scher Fund (Gouv. Orel), aus dem J. 1876.
Griwnen (gegossenes Geld zu einem halben Pfunde) aus Kiew. Warägi-
scher Silberschmuck, emaillirte Armbänder, Ohrgehänge, Ketten u. s. w.
(x. Jahrb.).
Schrank 64. Kieu^icher Fundy aus dem J. 1880. Goldene emaillirte
Schmucksachen (cloisonne)i byzant. Arbeit des x. Jahrb. Zwei Barmi
(Medaillons mit Heiligenbildern), Halskette, Ohrringe, Ringe, bronzenes
Trinkgeschirr in Form eines Thieres u. s. w. — Fund von Tschulak^
bei Tagaurog, aus dem J. 1868. Byzantin. Sehmucksachen, Ghold mit
rothem Glase und Cameol , Halsketten (eine mit Medaillon), Medaillons,
Ringe u. s. w.
Vitrine 19. Fund von Onätdow (Gouv. Ssmolensk). Merkwürdige sum
Theil arabische Silbersachen: Halsbänder, Medaillons etc. Dabei, wich-
tig für die Zeitbestimmung, zwei Sassaniden - Münzen von 582 und 595,
eine Omajaden -Münze von 748, Samaniden von 906-953.
An der Fensterwand in einer Vitrine: Wladimir' scher Fund ^ ans dem
J. 1865. Emaillirte Goldsachen , namentlich Barmi (Medaillons) , Stoffe.
Etwa 1150. — Ein Waräger Schwert mit breiter Klinge, der Griff mit
Silber eingelegt, einzig in seiner Art. Emaillirter Goldschmuek aus Kiew.
Zwei goldene Griwnen u. s. w.
Sspassky' scher Fund (Gouv. Kasan). Silbersachen, zum Theil alt-
bulgarischer Arbeit. Viereckige Kästchen , vielleicht für den Koran , an
Kettchen , zum Tragen , Armbänder u. s. w. Fragmente einer grossen
Silberröhre, zum Theil geschmolzen.
Hierher kommen die in Russland gefundenen Tschudischtn ^ttertilümer.
Saal XXVI. OesohnitteEe Steine.
Den Hauptbestand bildet die dureh Katharina II. erworbene berühmte
Sammlung des Herzogs von Orleans. Intaglien und Cameen, in pyra-
midenförmigen und flachen Glassehränken (neben den Intaglien die Gyps-
abdrücke^. Glasobelisken mit werth vollen Gefässen, Armbändern mit
Cameen u. s. w. Prachtmöbel, z. Tb. Keuwieder Arbeit der Gebr. Röntgen,
aus den Gemächern Katharina*s II. Im Hintergrunde eine grosse Spiel-
uhr , welche die Ouvertüre der Oper „la Glemenza di Tito^ und andre
Eremitage. ST. PETERSBURG. XL Route. 149
Stücke von Mozart spielt, von J. G. Strasfier 1793-1801 verfertigt und von
Kaiser Alexander I. für 60,000 B. erworben. In den Feneternisehen zwei
Vitrinen mit kostbaren oriental. Steinen.
Alte Eremitage der Kaiserin Katharina II. Eingang vom
XIX. Saal (Niederländer) über einen Bogen.
J. QvBR - Gallbrib mit Ansichten von St. Petersburg : a. von Oitu.
Valeriani aus der Zeit der Kaiserin Elisabeth, u. a. 1. das Winterpalais
Peters des Grossen (heute das Theater der Eremitage), die von Wällen
umgebene Admiralität und das grosse hölzerne WinterpalaiSf welches 1754
abgerissen wurde; die beiden Kewa-TJfer u. s. w. — b. Von B. Paterson^
aus der Zelt Pauls I. und Alexanders I., u. a. da& Michael -Sehloss. — e.
Von AUxejevf^ u. a. die Isaaksbrücke von Wasaily-Ostrow aus.
II. Laitob Gali«esib, rechts, zerfällt in drei Abtbeilüngen. Ä. Oallerie
Peters des Grossen. An der Fensterwand von Peter erworbene Ge-
mälde, meist hoUänd. und deutscher Meister. Gegenüber die Bilder der
Vorfahren Peters, welche sich früher in seinem Winterpalais befanden;
ferner Katharina I., der unglückliche Zarewitseh Alexe! Petrowitsch, di&
Kronprinzessin Charlotte Sophie, die andern Kinder Peters des Grossen ;.
seine Ztitgenosseu, u. a. Menschikow, Wass. Dolgoruky, Scheremetjew,
Gordon u. s. w. In der Mitte ein grosser Elfenbein-Kronleuchter, eigene
Arbelt des Zaren. B. am Eingang Femrohre, sonderbar gewachsene Hölzer,.
Glaskasten mit Münzen und Medaillen. Holland. Schrank mit der Ge-
schichte des Ahasverus und der Esther, worin des Zaren Schlafröcke.
Giasschrank, in der Mitte Drechselarbeiten Peters in Holz und Eifenbein^
wobei ein hölzernes Pferd. Glasgeschirr des Zaren. In Holland erworbene
Elfenbeinsachen. Ein anderer Glasschrank mit astronom., mathemat. und
Chirurg. Instrumenten. Eine Sammlung Zähne, welche der Zar selbst aus*-
gezogen. Viele Spazierstöcke, dabei ein eiserner.
Mitte der Wand. Wachsfigur Peters, von Rattrelli^ auf einem
Stuhle unter einem Thronhimmel. Die Kleider unter Aufsicht Katharinas
für ihre Krönung (am 7/18. Mai 1724) gestickt, hellblauer Gros de Tours,
Silberstickerei; rothe Strümpfe, Halstuch und Manschetten von feinen
Spitzen. Jagdmesser, Geschenk Augusts II. von Polen. -
Daneben zwei Todtenmasken, auch zwei Bilder Peters auf dem Todten-
bette von seinem Hofmaler Tanhauer. An der Wand Emailgemälde, Peter
von seiner Familie umgeben, vom preuss. Gesandten Mardefeld gemalt.
Glasschrank mit Silbergeschirr, auch ein Goldbecher mit dem Wappen
von Wiborg, ein Geschenk der Stadt an den Zaren. — Glasschrank mit
der Bibliothek Peters d. Gr.
An der Thür wieder Fernrohre. An der Thür grosser ovaler Tisch,
darauf die Wachsbüste Peters, welche er dem Cardinal Ottobuoni schenkte.
Seine Reiseapotheke.
Verschiedene Drehbänke und auf denselben verfertigte Medaillons.
Cyllnder, meist mit Darstellungen von Kriegsseenen. Auf einem Schrank
eine Puppe, die Wirthin Peters in Zaandam darstellend. Das Arbeitspult
des Zaren (darüber sein Porträt in Mosaik, eine Arbeit des berühmten
Lomonossow). In einem Glaskasten das schlecht ausgestopfte Pferd von
Poltawa, ein Wolfshund und zwei dänische Doggen, unter denen die be-
rühmte Lisette mit dem Halsband, unter welches Katharina die im Namen
des Hundes geschriebenen Bittschriften zu stecken pflegte. Die schön lackirte
Droschke mit sehr breiten Bädern, in der der Zar spazieren zu fahren
pflegte. Elastischer Stuhl. Modell des Hauses in Zaandam, in welchem
Peter wohnte. Am Ende der Gallerie ein niedriger Glasschrank mit zuni
Thell von Peter gearbeiteten Sachen in Holz und Elfenbein.
Die meisten dieser Sachen stammen aus der Kunstkammer, welche Peter
1714 anlegte und 1723 der Akademie übergab. Sie befana sieh im Ge-
bäude des „Theerhofs** (Smolny Dwor), da wo heute das Smolny-Kloster
(S. 167) steht und erhielt der Conservator Schumacher, ausser seinem
Gehalt, jährlich 400 B. um die Besucher zu tractiren.
B. In der Mitte das Pftraen-Cabinet, so benannt von einem Auto-
maten in Bronze, Arbeit eines preuss. Mechanikers in London, nach dessen
Tode von Potemkin gekauft und der Kaiserin Katharina II. verehrt.
150 Monte 11. ST. PETERSBURG. Eremitage,
Wenn das Werk aufgezogen, dreht sich der Pfau, sehlägt ein Kad; der
Hahn daneben kräht dreimal und die Eule bewegt die Augen und schlägt
auf Glöekchen. Die Uhr ist in einem Pilze verborgen.
An den Wänden grosse Bahnen mit zahlreichen Miniaturen. Vom
Eingange r., u. a. Emailportrait Kurfürst Friedrichs in. von Brandenburg,
Peter dem Grossen bei seinem Aufenthalt in Königsberg 1697 geschenkt.
Napoleon I. im Kronungsanzug, Gustav Adolf und Karl Johann XIV. von
Schweden, viele Fürstlichkeiten von Preussen, Hessen, Brannschweig etc. —
Rahmen 1. von der Thür: Kaiser und Erzherzoge von Oesterreich.
August II. und August III. von Polen. — Rahmen zwischen den Fenstern
nach dem Garten : 1. L'Estoeq und Gem., die Präsidentin der Akadonie
Fürstin Dasehkow, Salv. Rosa, C. Netseher, Adrienne Leeouvreur, Sai.
Gessner u. a. — lUihmen r. : u. a. der grosse Kurfürst von Brandenburg
auf einem von vier weissen Rossen gezogenen Siegeswagen ; der Tod des
Germanieus, beides Arbeiten der Brüder Huaut in Berlin, u. a. m.
Rahmen 1. neben der Ausgangsthür , u. a. der grosse Kurfürst,
Ludwig XIV., Karl XI. von Schweden, Menschikow, Moritz von Sachsen
u. s. w. — - Rahmen r., u. a. Karl I. und Henriette von England, Cromwell,
General Moreau auf dem Todtenbette u. s. w.
Grosser Rahmen dem Fenster gegenüber : Portraits der Regenten Russ-
lands aus dem Hause Romanow, erste Hälfte, von Benner. — Rahmen 1.
neben dem Fenster : Peter d. Gr., Kaiser Paul als Grossmeister des Malteser-
ordens, Alezander I. und sein Bruder Konstantin als Knaben, nach Brompton.
Rahmen r. ; die Gemahlin und Töchter des Kaisers Paul. — Grosser Rahmen,
die zweite Hälfte der Portraits des Hauses Romanow von Benner.
Sechs Vitrinen mit Tabatieren. In der Mitte (15) kostbare Taba-
ti^ren, mit Diamanten und Rubinen verziert, Portraltdosen u. a. ; eine
welche Friedrich II. einem seiner Generale schenkte, darin ein vom
Könige geschriebener Zettel („Hier schenk ich ihm was , heb er es wohl
auf, denn es ist kein Dreck*^). Dose Btarambergs ^ mit Darstellung der
Festlichkeiten bei der Vermählung des Orossfürsten Paul Petrowitsch
mit der Prinzessin Natalie von Hessen. Dose, welche Ludwig XVI. auf
dem Schafott seinem Kammerdiener Glery schenkte, mit Miniaturen von
Spada^ Marie Antoinette mit ihren Kindern; an den Seiten die franzö-
sischen Könige und Königinnen seit Heinrich IV. Dose mit den in Sachsen
gefundenen Edelsteinen.
Rechts davon (11) Dosen aus Gold, Lack, Bergkrystall u. s. w., mit
Portraits und Miniaturen, wobei eine in Form der Mütze (Schapka) der
berühmten Leibcompagnie. — Links (10) Dosen mit Miniatur- Darstel-
lungen, darunter eine von Blaramberg ^ mit der kleinen holsteinschen
Armee Peters III. Blau emaillirte Prachtdose mit dem Brustbild des Sul-
tans Mahmud II., der Kaiserin Alexandra Feodorowna verehrt (darin lag
ein Shawl).
Beim Fenster verschiedene Dosen aus Elfenbein , Porphyr etc. Da-
neben (14) Dosen aus Halbedelsteinen, z. B. mit einem prachtvollen,
dunkelrothen Karneol, aus Flussspath, Amethyst, Adular (Mondstein) etc.
— Gegenüber (IS) Dosen und Stockgriffe aus Porzellan, Jaspis mit Edel-
steinen u. s. w.
0. *Oallerie der Xostbarkaitea, alter Besitz der kaia. Familie. Die
auf den Zwischenpfeilern früher beflndliehen kostbaren Miniaturen sind
vorläufig fortgenommen.
Am Eingang zwei hohe silberne Toiletten, Augsburger Arbeit, welche
der Zarewna Sophia Alexejewna (Schwester Peters d. Gr ) gehörten.
Auf der r. Seite:
Sehrank 20. Silbergeschirr, Schüsseln, mit Niello gezierte Schalen
Becher von Kokosnüssen. Nautilus mit eingeritzten Zeichnungen. Grosse
Sehüssel (Schlacht Alezanders d. Gr. gegen Darius). Zwei Krüge, einer
mit dem Radzlwillschen Adler (aus dem Schlosse Nieswiez). Zwei grosse
silberne Trinkflaschen, Geschenke der Niederländer an den Zaren Alexis
Michailowitseh, und vier Salzfässer in Form von Schiffen.
Schrank 19. Silbergeschirr. Brett 1 : Sehüssel mit Begegnung Esaus und
Jakobs. Schüssel mit dem Wappen von Riga. Vier Trinkgefässe in Form
von Straussen. Zwei Salzfässer in Form von Schiffen, deutsche Arbeit. —
Eremitage, ST. PETERSBURG. IL Soute. 151
firett 3 : Wasehbecken und Kanne des 1714 in Konstantinopel hingerichteten
Holdauisehen Woiwoden Johann Scherban Kantakuzen. Polnisehes Trink-
horn. Glas-Trinkhom des Job. Drolsehagen, mit den vier Evangelisten
und arab.-kuflsehen Worten. — Brett 3: Schöner mit Huscheln besetzter
Pokal, ein Geschenk des dänischen Königs Friedrich IV. an Peter d. Gr.
Prachtvoller Pokal mit Reiter auf dem Deckel. Zwei eylinderförmige
Henkelbecher, deutsche Arbeit xvi. Jahrb. Unten : zwei prachtvolle flache
Trinkflaschen, Ende xvi. Jahrh.
Sehrank 18. Silbergeschirr. Zwei prachtvolle Amphoren, deutsche
Arbeit Ende xvi. Jahrh. Grosse Schüssel, Kampf der Götter mit den
Titanen; desgl. mit Salomon und der Königin von Saba. Zwei hohe
Henkelbecher in Cylinderform, deutsche Arbeit xvi. Jahrh. Vergoldetes
Trinkgefäss in Form eines Hahnes, Krüge, Waschkannen u. s. w.
Schrank 17. Die eoldnen Toiletten der Kaiserinnen Katharina I.,
Anna Iwanowna, Elisabeth I. und Katharina II. In der Hitte Spiegel in
gold. Rahmen, von der Kaiserin Anna. Kästchen, Büchsen, Leuchter u. a.
Schrank IS. Prachtkasten aus Vermeil, deutsche Arbeit, in Krakau 1533
gefertigt, mit Gameen, Perlen und Edelsteinen reich geziert, vom Könige
Sigismund I. seinem Freunde, dem Kurf. Joachim I. v. Brandenburg ge-
schenkt, mit Beider Wappen. Schmuckkasten, Krystall mit Türkisen,
Almandinen u. s. w., Augsburger Arbeit. Trinksehale, Muschel mit grosser
emaillirter Schnecke, mit Wappen und Titel des grossen Kurfürsten.
Figuren aus Monstre-Perlen, Arbeiten der Dinglinger in Dresden. Sizl-
lianische Korallensachen.
Schrank 16. Limusiner Email. Grosse Schüssel von P. Raymond,
Moses und der Pharao am Bothen Meere. Schüssel, Apoll und die Musen,
audi 6 Teller (die Monate) von Jehan Court. Medaillons aus Lapis lazuli.
Vase aus Lapis lazuli und Email.
Schrank 14. Bergkrystall. Pokale mit Wappen und Ifamenszug der
Könige Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. von Preussen. Geschenke
an Peter d. Gr. Trinkgefäss in Form eines Krokodils. Schone Pokale.
Krystall -Pokal der Königin Anna v. Gleve, Gem. Heinrichs VIII. von
England. Grosse mit Edelsteinen gezierte Fruehtsehale aus Mariazeil.
TÖnnchen mit Bacchanal, ital. Arbeit. Schmuckkästchen mit Halbedel-
steinen, Augsb. Arbeit.
Schrank 13. Klfenbeinsachen. Sehaehflguren , franz. Arbeit aus der
Zeit Karls IX. Belief, die mütterliche Liebe. Rahmen aus Lapis lazuli.
fieeba prachtvolle Krüge. Grosse Schüssel mit Jagdscenen, deutsche Arbeit,
Anf. XVII. Jahrh.
Sehrank li. Oriental. Sachen. Kleiner Tisch mit Bubinen und Perlen
besetzt. Arm- und Fussbänder mit Smaragden und Bubinen. Tassen-
halter mit dem emaillirten Bilde Feth-Ali Schahs. Bäuchergefässe mit
Smaragden und andern Steinen geziert. Zwölf Fächer mit Diamanten
und Miniaturen verziert, aus verschiedenen Zeiten.
Schrank 11. Email. Porzellan. Sachs., Sfcvres u. a. Tassen^ pracht-
TOlles Email auf Gold, angeblich aus dem Besits des Prinzen Eugen v.
fiavoyen. Elephant, von Knaben, welche Tassen halten, umgeben, altes
l^ümberger Fayence. Zwölf gemalte Fächer.
Sehrank 10. Glassaehen. Kunkelsches und ital. Rubinglas. Venezian.
Milchglas. Sehr feine deutsche Gläser mit Malerei. Kelchgläser mit Bi-
ron's Wappen.
Schrank 9. Sachen aus kostbaren Steinen. Diamant-Federbüscbe, Ge-
flehenke des Sultans und des Schah an Potemkin und Ssuworow. 5 Bou-
quets von farbigen Edelsteinen und Brillanten. Silberne Statuette Katha-
Yina*s II. Kleiner Divan von Heliotrop, Geschenk des Stanislaus August
Poniatowski, nachmaligen Königs von Polen, an Katharina II. Schreib-
zeug in Gestalt eines Schiflisspiegels , von der Kaiserin bei de Mailly zu
Paris bestellt für den Sieger von Tschesme, Orlow. Daneben der Katha-
rinenordens • Becher und der Hochzeitsbecher für die kais. Familie mit
Chiffre der Kaiserin Elisabeth Alexejewna, Gemahlin Alexanders I. Pracht-
volle Spazierstöcke von Katharina II. und Paul I. — Daneben Modell der
von Stakensehneider auf Wassily-Ostrow erbauten Kapelle des heil. Ale-
xander Newsky.
152 Boutell. ST. PETERSBURG. ErtmUagt.
Schrank 8. Uhren. Zwei schöne Schrankuhren, Äuggb. Arbeit. Zwei
Stutzuhren, auf Säulen von Herfordshirer Puddingstone. Bär, welcher eine
Trommel rührt, um die Stunden anzuzeigen. Uhr, Ei, von dem berühmten
russ. Mechaniker Kolibin. Unten, grosse Uhr, von einem Hercules getragen,
Geschenk des Kurf. Friedrich m. an den Zar Joan Alexejewitsch, 1688.
Schrank 7. Uhren, meist mit Ghatelaines, mit Rubinen, Diamanten, Sma-
ragden, Saphiren u. a. Steinen besetzt. Aebtissin-Uhr in Form eines Kreuzes.
Schrank 6. Chinesische Sachen. Zwei sitzende Philosophen. Vase und
zwei Theekannen mit Filigrannetz auf vergold. Grunde mit Email etc. —
Schrank 6, Fortsetzung. Zwei goldene Theekannen. VierprachtvoUe mit
rohen Edelsteinen gezierte goldene Untertassen. Sllb. Theekannen mit
Email. Zwei goldene Figuren von Philosophen.
Schrank 4. Silber - Filigran. Grosser Spiegel. Zwei Körbchen mit
Deckeln, sehr feine Japan. Arbeit. Bäuchergefasse etc. — Schrank 3.
Fortsetzung. Prachtvolle kolossale Schüssel u. Kanne, ital. Arbeit. Sehreib-
zeug des Prinzen Horitz v. Oranien, in demselben ein Petschaft des ersten
Königs V. Preussen (stammt aus der oranischen Erbschaft ; wahrscheinlich
ein Geschenk K. Friedrich Wilhelms I. an Peter I. bei seinem Aufenthalt
in Berlin 1717).
Schrank 3. Silbersaehen , meist Arbeiten des Dänen Sehliek, u. a.
grosse Schüssel mit Hereules u. Wappen der russ. OouTernemeats am
Bande. — Daneben : Porphyrsäule mit Medaillon, die Kaiserin Katharina II.
im Helme darstellend, Cameo, Arbeit der Grossf., naehherigen Kaisarin
Maria Feodorowna.
Sehrank J. Vermeil-Schreibzeug des Königs von Westfalen, 1813 von
Tschernitschews Kosaken zu Kassel erbeutet.. Sachen aus Stein; Spina
des röm. Gircus Maximus. Tafelaufsatz aus russ. Steinen u. a. Daneben:
Säule mit behelmter Büste des Generals Kamensky, Venneil.
Im Hintergrund der Gallerie , neben der Thür nach den Guarenglii-
Zimmer, Statuette Peter« d. Gr.
Fensterwand: In der Ecke Bronze-Modell des DeakmaU von Poltawa.
— Bunde Vitrine mit einer Sammlung gesehliffener Edelsteine und Imi-
tationen. Auf derselben eine schöne Vase in Bauehtopaa. — Am Fenster :
Elfenbein -Modell des Denkmals von Poltawa.
VUrint 1, Toilette einer Japan. Dame. Beiefaer Japan. Sehmuek aus
GoldfiUgrau. — <SSeAf*onik 2€. Bus«. Blfenbelnarbeiten (meist ausArehangel).
Basrelief aus Mammuthknochen , Mutter Gottes nach Vitali , von Seherr
in Moskau. Zwei Vasen in durchbrochener Arbeit, einst von Kaiser Paul
an den Taikun geschenkt, aber nieht angenommen.
Viirin§ 2, Medaillons von Kaiser Paul u. Gressfürst Alexander, Onyx.
Die ältesten seehs Kinder des Kaisers Paul, Marmorrelief. Arbeiten der
Ohrosefürstin Maria Feodorowna. Alexander I., Waehimodell von Poseli.
Königin Luise v. Preussen. Gusseisen; u, a. — Schrank 26, Beise- und
Campagne* Service des Kaisers Alexander I. Lampe aus Blfenbein und
Bernstein, Art)6it der Kaiserin Maria Feodorowna.
Vitrint 9, Spielzeug der kais. Kinder In Silber. 40 Knöpfe, von der
Grossfürstin (nachher. Kaiserin) Maria Feodorowna auf Pergament ge-
malt. Ansichten von Zarskoje Sselo, „ik la plus eh^re des mires, ie 25. juin
1790^ dargebracht. — Sehrank 24. Bus«. Blfenbeinarbeitea. Ital. Figuren
aus Holz und Elfenbein. — Daneben zwei Statuetten Peter« d. Gr.
Vitrine 4. Handspiegel in goldenem, mit Diamanten u. Bubinen bes.
Bahmen, Geschenk des Sultans an die Kaiserin Elisabeth Petrowna. Etui«
aus Gold, Silber, Flussspath, versteinertem Holz, Perlmutter, Porzellan ete.
In der Mitte der Wand : Kolossaler silb. Weinkühler, «ehöne engl. Arbeit
aus der Zeit Katharinas II. Daneben auf Gonsolen zwei Tempelehen von
der Spina des Circus Maximus in Born. — Sehrank 23. Arbeiten aus Stein.
Goldener Beeher, Geschenk des Fürsten von Serbien an Xikolaus I.
Cassette, in welcher die City von London dem Kaiser Alexander II. eine
Adresse überreichte.
Vitrine 6. Brillantringe mit den Portrats von Friedrich d. Gr., Katha-
rina II., Paul und Maria Feodorowna. Armbänder mit Miniatur-Porträts.
Notizbuch der Kurfürstin Sophie Charlotte, nachherigen Königin von
^Eremitage. ^ST. MTERSRÜRG. 11. Xüute. 163
Prensseii. Kostbare Samniluiig von Bingen, xl. b. w. — Sdirank ü.
Arbeiten aus Statal (meist aus Tula). Cassetten, Sebacbflguren n. s. w.
Vitrine 6. Nadelbüchsen und Etuis, ans Gold, Perlmutter, Por-
zellan u. s. w. Flaeons. — Daneben , auf Gonsolen , die glelcbeeitigen
Basten Carls von Anjott und seiner Gemahlin Margaretbe von Flandern.
— Schrank 21. Filigransaehen. Hahn, aus Peru. Holland. Kinderspielzeug,
Imitationen antiker Sachen von Schlick.'
Vitrine 7. Album (Stammbuch) der GFemahlin des Kurfürsten Georg
Wilhelm von Brandenburg und der beiden Gemahlinnen des grossen
Kurfürsten, emaillirt und mit kostbaren Steinen geziert, mit Autographen
Gustav Adolphs von Schweden und vieler Fürstlichkeiten aus der Zeit
des 30jährigen Krieges. — Prachtvolle Faveurs (fürstliche Geschenke)
aus dem xvi. Jahrb. Bijou des Hosenbandordens mit St. Georg. Sou-
venir mit dem emaillirten Portrait Gustavs III., von ihm der Kaiserin
Katharina II. verehrt.
Auf den Vitrinen indische und chines. Figuren und Vasen aus Mar-
mor, Pagodit, Ifephrit u. a. Steinen.
An diese Gallerie schliesst sich das Gabinet Onareaghl, von diesem
berühmten Architecten (S. 122) angelegt. Schöne Mosaiken nach Ge-
mälden der Eremitage und BaffaelB Transflguration von Weckler. An
der Hauptwand, Kaiserin Elisabeth, Peter III. und Katharina II. von
Lomonossow. Tulaer Stahlarbeiten aus dem xviii. Jahrh. Bronze-
statuette Blüchers von Rauch.
III. Lakgb Gallerie, 1^ auch die Somanow'aehe Oallerie genannt.
Portraits der Mitglieder des Hauses Romanow, vom Patriarchen Philaret
l^ikititsch, dem Vater des Zaren Michael an. (Vgl. Bar. v. Köhne, La
Galerie Romanow.) L. Michael Feodorowitsch. — Alexei Michailowitsch,
von einem holländischen Maler. — Sophia Alexejewna, als Regentin,
mit Krone, Scepter und Reichsadler, vom Titel umgeben, auf der Brust
des Reichsadlers (das Bild spielte im Prozess der Zarewna eine Rolle).
— Peter der Grosse, verschiedene Originalportraits von Nattier, Rigaud,
Kupetzky u. a. — Katharina I. als Kaiserin. — Iwan, der ältere Bruder
Peters , in deutscher Rüstung. — Alexei Petrowitsch und Sophie Charlotte
von Braunschweig, seine Gemahlin.
R. die Regentin Anna Leopoldowna und der junge Johann III. —
Elisabeth I. von Tocqu^. — Peter ni. — Katharina II. von Erikson (in
der Uniform des Preobrashenskischen Regiments auf einem Schimmel
nach Oranienbaum reitend), von Lampi u. a. — Paul Petrowitsch mit
seiner ersten Gemahlin l^athalie von Hessen und der zweiten, Maria von
Württemberg, von Faleonet, Roslin u. a. Die Kinder des Kaisers Paul.
Derselbe als Grossmeister des Ifalteserordens. — Alexander I. mit Ge-
mahlin. — Grossfürst Konstantin Pawlowitsch. — Kaiser Nikolaus und
Gemahlin und ihre Kinder. — Grossfürst Alexander Nikolajewitseh als
Hetman der Kosaken; derselbe als Kaiser. -^ Kaiserin Maria Alexan-
drowna. Königin Anna Pawlowna mit Gemahl Konig Wilhelm II. der
Niederlande, von de Keyser. Die Sohne und Töchter des Kaisers Niko-
laus , Ton Mme. Robertson , u. s. w.
Am Ausgang das Reglement für die Eremitage, von Katharina erlassen,
nach welchem sich jeder zu richten hatte. Jeder. Besucher hatte am Ein-
gang seinen Titel und Degen abzulegen u. s. w.
Aus dieser Gallerie kommt man durch ein kleines Cabinet in einen
schönen Marmorsaal imbyzant. Stil nach der Newa, von Stakenschneider er-
baut, mit den Portraits der Kaiserin Katharina 11. von Lampi und der Gross-
fürstin Maria Feodorowna von Mme. Vigee-Lebrun. Daneben der WinUr-
garten mit Statuen und einer seit Katharina II. bestehenden Voliere.
Diesweite, auch neue odergrosse Eremitage der Kaiserin Katha-
rina II. besteht aus zehnZimniern (xxTiil-xzxiy, xxxvii-xxxix) nach
der Newa und vier Zimmern nach dem Hofe. Alle Zimmer haben grüne
Wände, französische und niederländischeGemälde,prachtvoUeMöbel.
XXVIII. Prachtsaal mit 6 Dioritsäulen , mit schöner Aussicht auf
die Newa«, Mosaik-Möbel altflorcntinischer Arbeit. Vier Vasen von Rosa-
154 UouUll. ST. PETERSBURG. Newiky-Proaptet.
Aehat u. s. w. Hauptwand: 1444. Lt Sueur^ Aussetsung Mosii; 1449. Ders.,
Steinigung des Stephanus; 1443. Vouet. Tod der Lueretia.
XXIX. Gabinet. 1488a. Mme. Vigie-Lebrwn ^ Friedensgenius (Portrait
«ines junffen Fürsten Lubomirski). 1468. Dt la Foste^ Hagar in der Wüste ;
Ders., 14o4. Der auferstandene Christus, 1465. Christus erscheint den drei
heil. Frauen. 1430. S. Bourdon^ heil. Familie. — Labrador-Tisch.
XXX. 787. BloetMUy Landsehaft \ 1108. WijnanU nnd Wijntrack. Heier-
hof ; 14Ö9. La Hire^ Abrahams Abreise. — Prachtvoller florentiner Sehrank
In Pietra dura. Mosaiktisch aus werthvoUen sibirischen Steinen.
XXXI. 1535, HalU^ Sehlacht \ 1205. Dirk van DeeUn, Tempel zu Jerusalem;
1050. PieUr Wouioerma»^ Hirsehjagd; 965. Molenaar, Zugefrorener Canal.
1455. Mignard, Jephthas Bückkehr. — Zwei prachtvolle florentiner Schränke.
XXXII. 1167. Moucherony Berglandsehaft ; 1069. Van der Doee, Gewitter.
XXXIII. (Halbrundes Gemach). 1395, 1396. Poutsiny Sieg der Juden über
die Amalekiter und dieAmoriter. 1412, 1415. Poutein, Landschaften. 1532, 1533.
Bourguignon^ Sehlaehtstücke. 1536. Le Pivre^ Esther und Ahasverus. 1416,
1417. SMla, Himmlischer Gruss und heU. Familie. 1446, 1448. Le Sueur, heil.
Anna und Maria, Tod der Maria. — Mosaiktisch aus sibirischen Steinen.
XXXIV. P. de Voty Bärenjagd; 13U. ff<mdm$y Eberjagd; 1493, 1493. Le
ilTato (Brüder), Familienscenen ; 1405. Poweiny Testament des Eudamides;
1423. Bourdm, Landschaft; 1651, 1552. Jos. Vemet. Hafen und Schiffbruch.
XXXV. (Boudoir, nach dem Hofe). 1451, 1452. CKoperon, Kinder-
Bacchanale t 1432, 1437. Claude Lorrain , der Golf von Bajä und der
Abend ; 1604, 1505. Pater^ Truppen auf dem Marsche.
Daneben 1. Sehla/zimnur in blauer Seide; über der Thür /. B. tan Loo,
türkische Damen. — Weiter Badeximnur: Plafond von /. B. van Loo, Genien
der Venus huldigend. Ueber der Badewanne, Venus im Bach, von demselben.
Zurück durch XXXV nach
XXXVI. Cabinet. Kleinere Bilder von Chardin^ Lancrety de Marne ^
L^AlUmagne u. s. w.
XXXVII. Grosser Prachtsaal, durch eine doppelte Beihe Fenster
erleuchtet, mit 6 Fenstern nach der Kewa, 8 Säulen aus schwarzem weiss-
geaderten Marmor, auf hohen Basen von braunem Marmor mit Blattwerk
aus vergoldeter Bronze. Zwei Kamine von Säulen aus Bandjaspis ein-
gefaast, die Mäntel aus weissem Marmor mit Verzierungen aus Lapis
lazuli; Deckengemälde aus der venezian. Schule; Sehränke in florentiner
Mosaik. 1456. Mignardy Alexander d. Gr. im Zelte des Darius; 1497,
1496. De Tropy Lot mit seinen Töchtern; Susanna im Bade.
XXXVIII. 1331, 1332. De Fos, Hirsch- und Leopardenjagd; 1335.
Bloemy Speisekammer ; 1342. Hondecoetery Jagdtrophäen. Zwei alte floren-
tiner Mosaiktisehe.
XXXIX. Eckzimmer. 1461. Coypely Venus Anadyomene ; 1542. PaUly
Landschaft; 1419. £otfrdon,bethlehemit. Kindermord. Vier Seelandschaften
'S on J, Vemet. 1494. Brüder Le Ifain, Bauernversammlung; 1473. Le
Moyne, Apollo und Daphne; 1440. Vouet^ Maria mit dem Kinde; 1539.
Bileocq, jüdiseher Arzt. — Prachtvolle Marmortisehe, ital. Mosaik.
Diese Zimmer, eingerichtet für den verstorbenen Thronfolger,
"wurden zuerst vom Prinzen von Wales bewohnt, dann zweimal vom
Schah, vom Kaiser Franz Joseph, vom deutschen Kaiser und Ge-
mahlin etc.
Vom letzten Saal XXXIX führt ein Corridor L zu dem Bogen
über dem Winterkanal (mit Gemälden von Platzer, Rotari u. a.) in
das Theater der Eremitage (S. 118).
d. K«WBky-Proipeet.
Nach Osten läuft vom Admiralitätsplatz der *Kewsky-Proipeet
(HeBCKHÜ npocneKn) aus , 35 m breit , fast 5 km lang, die längste,
schönste und belebteste aller grossen Petersburger Strassen ; er führt
Netosky-Prospect. ST. PETERSBURG. JL Saute. 155
Ton der Admiralität in schnurgerader Richtung bis zum Snamjensky-
Platz (P1.H6); TOn da mit geringer s. Biegung auf das Alexander-
Newsky-Kloster (S. 167} zu und durchsclineldet alle Yerschiedenen
Ringe der Stadt, die vornehmen und eleganten Quartiere wie die
ärmeren Viertel auf der Peripherie. Die belebteste Seite ist die nörd-
liche (die Sonnenseite), die auch die glänzendsten Läden und Maga-
zine enthält ; die ganze Strasse hat jetzt elektrische Beleuchtung.
EineEigenthümlichkelt besonders dieser Strasse, die vereinzelt auch
in anderen Strassen gefunden wird, bilden die von Eisen leicht er-
bauten Schutzdächer, welche fast vor jeder Hausthür quer über das
breite Trottoir zum Fahrdamme führen. Ursprünglich dazu be-
stimmt, bei Regen- und Schneewetter den Insassen der Equipagen
einen geschützten Zugang zu den Häusern und Magazinen zu er-
möglichen, dienen sie zugleich zum Anbringen jeder Art von Schil-
dern und Reclamen.
Das Strassenlebea auf dem Newsky-Prospect ist überaus lebhaft
\ind mannigfaltig. Alle Arten von Wagen , von den eleganten Equipagen
der kaiserliehen Familie (kenntlich an dem Diener in hellrother Livree)
und der Vornehmen und Reichen bis herab zu den verschiedenen
Sorten der Lohnfuhrwerke (S. 93) drängen sich mit den Tramways und
Omnibus auf den Fahrwegen in raschester Bewegung durch einander,
dazwisehen zahlreiche Heiter der sehr bunt und glänzend uniformirten
St. Petersburger Garnison. Auf den Trottoirs tummelt sich, besonders an
Feiertagen, eine aus Vertretern aller Bacen und Völkerschaften zusammen-
gesetzte, in den verschiedensten Nationaltrachten und Uniformen (denn fast
ein Zehntel der männlichen Bevölkerung St. Petersburgs, bis zu den Subal-
tembeamten und Schülern herab, trägt Uniform) einherstolzirende Menge.
Unter den charakteristischen Figuren fallen zuerst die Basnosentsehiks
(Hausirer) auf, die zwar in allen russischen Städten, besonders zahlreich
aber in St. Petersburg vertreten sind und sich hier namentlich in der Nähe
des Gostinny-Dwor herumtreiben. Zu ihnen gesellen sich im Winter
die Strassenverkäufer, Verkäufer von Thee oder Ssbiten (warmes Getränk
aus Heth mit Ingwer oder spanischem Pfeffer), die an allen Strassenecken
ihre Tische mit dem grossen kupfernen Ssamowar aufgestellt haben oder
die Getränke in handtuchumwickelten Glaskrügen umhertragen und mit
dem Bufe „Kipjät! kipjät!" (er kocht) ihren Thee und mit „Prikusska"
(HjpucycKa) einen Imbiss anpreisen. Im Sommer werden sie abgelost durch
die Verkäufer von Eis und Kwass (ein aus Welkmalz gebrautes und ge-
gohrenes alkoholisches, angenehm kühlendes und durstlöschendes Ge-
tränk), die, ihre schönen Glaskrüge auf dem Kopfe tragend, mit gellender
Stimme ihr „Ewass mjodowoi" (Honigkwas) oder JS^wass malinowy"
(Himbeerkwas) anpreisen und massenhaft absetzen. Ferner machen sich
die wandernden (Garkoche bemerklieh, deren Piroggen oder Pasteten,
mit gehacktem Kohl, Buben, Fleisch und Fisch gefüllt, so wenig zu ver-
achten sind wie ihre verschiedenen Pürees (namentlich Kissel gorochowy,
Erbsen-, Kissel malinowoi, Himbeerpuree) , und die zahllosen Pfann-
kuchenverkäufer (Hpoxasqu (Sjkhobi). Mit „Gorätshija! gorätshija ! '^
(warme, warme, PopH^ifl) bieten die einen „Gräsehnewiki'', kleine, cylinder-
förmige Kuchen, mit „Wjäsemsky pranniki (WjäsemskischePfefTerkuchen) !
ssami luischiji! (allerbeste)" die Honigkuchen von Wjasma, besonders be-
rühmt, an. Andere oft zu hörende Stratsenru/e sind : „Gowjadina I gowjad ! '^
(Rindfleisch, Fleisch, roBAAHHa, roBajp»); „Molodija ziplata!" (junge Küch-
lein, xojioffue AunJflTa) ; „Kapusta, Shlnderi, Petruschka ! " (Kohl, Sellerie,
Petersilie, Kanycra u. s. w.) ; „Zwjäti zwjätotschki!'^ (Blumen, Blümehen);
„SsapogiKasanskijal" (Stiefeln aus Kasan); »Chalati Bueharskiji l'* (bu-
chariscbe Schlafröcke); „KartinkiMoskowskije 1 " (Bilderbogen aus Moskau);
„Stekli wstawatjl" (Fenster einsetzen); „Igrusehki djätskija!" (Kinder-
spielzeug) ; „Moloko, swäsheje moloko ! " (Milch, frische Milch) u. s. w.
156 Bimte 11. ST. PSTEBSBURG. Nemky-Pro$p6ct.
Unter dem weiblichen Oesehleeht sind aaffaU^id die Ammen in ihren
bunten und reichen Nationalkostümen ; die Hauptfarben sind hellroth (für
Jungen) oder blau (für Kadchen); darüber gewöhnlich ein mit silbernen
Troddeln reich verzierter TJeberwurf ^ die kleidsame Haube in derselben
Farbe (Kokosehnik), wie ein Diadem mit vielen Perlen und Silber ver-
siert, sitzt ganz auf dem Hinterkopfe und sieht allerliebst aus. :Kaeht8
fallen die vielen Hausknechte (Bworniks, ffBopmix'b) auf, welche, in ihren
Poluschubok (Halbpelz) gehüllt, an den Hausthüren auf dem Steinpflaster
oder auf hölzernen Pritschen liegen. Die Aufsicht über das Strassenpub*
likum führen die Oorodoweis (Polizisten, früher Butschniks genannt, weil
sie in kleinen Buden oder Butken auf der Strasse campirten).
Die über die Fontanka führende Anitschkow -Brücke (S. 160)
schliesst den schönsten und lebhaftesten Theil des Newsky-Prospects.
An der Fontanka, die am Sommergarten (S. 119) von der Newa sich
abzweigt und unfern der Mündung sie wieder trifft, hinabblickend,
gewahrt man eine Reihe von grossen Gebäuden und Palästen, unter
ihnen das Palais der Fürsten BiaZoselsky -Bialosersky , jetzt dem
Orossfvrsten Ssergei Alexandrowitsch gehörig, im reichsten Barock-
stil, weiter zur Linken das Haus des Fürsten Jussupow (ehem. JBra-
niekij dann Benarddki),
Jenseit der Polizeibrücke an der Ostseite des Molka-Kanals liegt
am Newsky-Prospect 1. die 1834 erbaute hoUändisohe Kirche (Ilep-
KOBbroiiaHACsafl; PL 104 : F5); Inschrift : „Deo et Salvatorisacrum^.
Gegenüber auf der andern Seite der Qrossen Stallhofstrasse (s. u.)
die 1838 vollendete lutherische Peters-Kirche (UepKOBb JtiOTepaHCKafl
Ilerpa h Dasia ; PI. 111|: F5), im gothischen Stil mit zwei Thürmen;
schöne Orgel, Altarbild von Brülow, Christus am Kreuze.
In der vom Newsky-Pros]^ect nach 17. auslaufenden Grossen Stall-
hofstrasse (BoUefuva Konjuschennaja ^ PI. F5) 1. die 1780 umgebaute
reformirte Xirohe (PI. 116 : F 5), in ihr ein Stuhl , auf dem laut Inschrift
Peter der Grosse am 31. Juli 1724 einer Taufe beiwohnte. *- Gegenüber
r. die Finnländische St. Marienkirche (PI. 101), von 1804; femer die 1767
und 1864 restaurirte Sehweditche St. Kaiharinenkirche (PI. 118). Unterhalb
derselben das Huseum der kaiserlichen Wagen (^BopqoBBruji KonromHH) in
den zum alten Harstall gehörigen Gebäuden (PI. Fö). Bie Erlaubniss
zur Besichtigung erhält man in dem Gebäude des Ober-Stallmeisters neben
dem Marstall (vgl. S. 99). Prachtvolle Gobelins, Tapeten von Arras,
1574 für Sigismund August v. Polen angefertigt ; der KrÖnungswagen, ein
Geschenk Friedrichs des Grossen an Elisabeth Petrowna, Schlitten u. a. ;
verhüllt auch der bei dem Attentat am. 1.(18.) März 18ol zertrümmerte
Wagen Kaiser Alexander*s IL Gegenüber der neue kaiserliche MarstaU
(PI. F5; Eintritt s. S. 99).
Schräg gegenüber der Peterskirche, frei auf grossem Platze ge-
legen, in dem belebtesten Theile der Stadt erhebt sich dieKftsan'tohe
Kathedrale oder Kathedrale der Kasan' sehen Mutter-Oottes (Ccöopi
KasaacKofi Bosieä MarepM ; PL 91 : F 5) , kenntlich an ihrer halb-
kreisförmigen , der Peterskirche in Rom nachgebildeten Colonnade
von 132 korinthischen Säulen. Die Kirche, auch durch ihr Inneres
imponirend, gleich der Isaaks- Kathedrale auf Pfählen ruhend,
1802-11 mit einem Kostenaufwande von 2ViMill. R. erbaut, hat
Kreuzesform , ist 70 m lang , 33 m breit und wird überragt von
einer bronzenen, 20 m im Durchmesser haltenden Kuppel ; die Höhe
NewjikyPrespect ST. PETERSBURG. IL Route, 157
bis zar Spitze des die Kuppel krönenden Kreuzes beträgt 66 m. An
den Aussenvpänden stehen in Nischen die Koloss&lstatuen der Hei-
ligen Wladimir, Alexander Newsky, Johannes und Andreas. Die
mit Reliefs geschmückten Bronzethüren der Haupteinginge sind
Gopien der Thore des Doms von Florenz.
Im lanem zieht sich eina vierfache SauUnreihe korinthiMher Ord-
nung Yon den die Kuppel tragenden 4 Pfeilern zum Hauptaltar und den
drei Hauptthoren der Kirehe. Die Säulen (56) sind Monolithe von finn-
ländischem Granit , 11 m hoch , Basen und Kapitale von Bronze. Der
Ikonostas, sowie die gegenüberliegende Balustrade sind von Bilher, das
wie die Inschrift der Balustrade sagt, von den Donischen Kosaken nach
dem Kriege von 1812 gespendet wurde. — Das wunderthätige JfuttergotUi-
Hld^ 1679 von Kasan nach Moskau, von dort 1731 nach St. Petersburg ge-
bracht und in der Dreifaltigkeitskirche aufgestellt, bis es 1811 in die Ka^
san'sche Kathedrale gelangte, hängt mitten in der Kirche und ist stets von
Andächtigen umlagert \ es ist geziert mit Gold und Edelsteinen von enormem
Werthe; der kostbare Sapphir ein Geschenk der Grossfürstin Katharina
Pawlowna. — Von den übrigen Schätzen der Kirche erwähnen wir das
Bild des heil. Basilius (von Schebujew), die 4 riesigen silbernen Gande-
laber vor dem Hochaltar, das vom Grafen Stroganow geschenkte Tabernakel
mit 16 Säulen aus kostbaren Steinen u. s. w.
Einen militärischen Anstrich geben der Kirche die an den Pfeileru und
Wänden angebrachten eroberten franzosischen, türkischen und persischen
Fahnen, die Schlüssel eroberter Städte (Hamburg, Leipzig, Dresden, Reims,
Breda, Utrecht u. s. w.) und der Marsehallstab Davoust s. — Mitten unter den
Trophäen das Orabmal det Fürsten Kutmow (f 1818), an. der Stelle, wo er
sein Gebet «verrichtete, bevor er 1813 nach Ssmolensk zur Armee abging.
Auf dem Platze vor der Kathedrale die Denkmäler der Feldmar-
schälle Kutuaow und Barclay de Tolly (PL 27 : F ö), nach Entwürfen
von Orlowsky 1837 errichtet; an den Sockeln vorn die Widmungs-
Inschriften („Dem Feldmarschall Fürsten Kutusow-Ssmolensky
1812'' und „Dem Feldmarschall Fürsten BarcUy de Tolly 1812'').
Südwestl. von der Kasan^sehen Kathedrale dehnt sieh zwischen der
Kasanskaja, der Erbsenstrasse (Gorochowaja) und der Moika der zum
i^^ndelAatMe (QimepaTopcsiA BocnnraTejiBHuft ^OJTB ; PL 37: F5, 6) gehörende
Oebäudeeomplex aus , der mit seinen Dependenzen (Schulen , Kranken-
häuser, Entbindungsanstalt u. s. w.) fast den ganzen Baum vom Newsky-
Prospect bis zur Gorochowaja einnimmt. Besuch für Fachmänner von
Interesse.
Jenseit der Kasan' sehen Brücke links das Gebäude des Kauf-
manns' Klubs, daneben die katholische Xatharinenkirche (PL 107 :
F5), 1783 von de la Mothe erbaut Im Innern die Orabmäler des
Polenkonigs Stanislaus August Poniatowski (f 1789) und des Gene-
rals Moreau (f bei Dresden 1813).
Gegenüber der Katharinenkirche r. das Stadthans (rpaACKan
Ayva; PI. 211: F5), ein wenig ansehnliches Gebäude, in dessen
Bäumen u. a. die Oartenhau^Oesellschaft sich versammelt. Da-
neben, Front nach dem Newsky-Prospect und gegenüber der Michael-
strasse (s. unten) , steht eine kleine Kapelle (HacoBHfl), stets von
zahlreichen, Gaben spendenden Andächtigen besucht. Zwischen
dieser Kapelle und der Grossen Gartenstrasse der Ctostiuny-Dwor
oder Bazar (FocTHEHuä Aaopi; PL 46: F 5, 6) , in seiner jetzigen,
Ton Katharina II. herrührenden Gestalt ein grosses Trapezoid mit
158 Soute IL ST. PETERSBURG. New$ky-Pro8pect.
mehreren Höfen , das sich bis zur Tschernischowstrasse (s. unten)
hinzieht. In Bogengängen und lauter kleinen Einzelwölbungen reiht
sich Laden an Laden, welche jedoch in Hinsicht auf Raum und Ele-
ganz hinter den übrigen Magazinen des Newsky-Prospects zurück-
stehen.
Oleich jenseit der Katharinenkirche mündet 1. die Michael
( Michaüoicskaja)' Strasse, mit hübschem Durchblick nach dem
neuen Michailow-Palast (S. 121). Weiter am Newsky-Prospect L
die armenische Kireha der h. Katharina (Aphhhckrii UepKOBbCBJiToM
EKarepHEiii ; PI. 97 : F 5) , 1779 nebst den anstossenden Gebäuden
auf Kosten Lazarew's (S. 117) erbaut. Dicht daneben die Passage
des Grafen Steenhock, mit Magazinen, Restaurants, dem berühmten
Oassner' sehen anatomischen Museum u. s. w., ein Durchgang nach
der Italianskaja (PI. FG5). In dieser r. zwischen der Grossen und
Kleinen Gartenstrasse das Jtutiz- Ministerium (PL 165). — Gegen-
über r. in dem Dreieck zwischen der Grossen Gartenstrasse (S. 160),
dem Alezandraplatz und dem Newsky-Prospect erhebt sich die
kaiiarlieho ölfentliehe Bibliothek (PL 22: FG5,6), deren Besuch
kein Fremder versäumen sollte.
lieber Benutzung und Besichtigung der Bibliothek a. S. 96. Die
Besucher versammeln sieh um i Uhr im Empfangssaale und werden durch
Bibliothekare herumgeführt. Eingang vom Alexandra-Platz. — Vgl. die
Broschüre des Oberbibliothekars Dr. Minzlow : „Ein Gang durch die Kaiser-
liche öffentliche Bibliothek'' (Verlag von H. Schmitzdorff ; 40 Kop.).
Katharina II. bestimmte bereits den jetzigen Platz, auf welchem
sich die Ställe des Anitschkow'schen Palais befanden, für eine öffent-
liche Bibliothek ; doch begann der Bau derselben erst im J. 1794,
nachdem die Warschauer Bibliothek nach St. Petersburg gebracht
war, unter Ssokolow's Leitung. Bis 1810 war der Eckbau vollendet ;
1828-30 kamen die am Alexandra -Platz nach den Plänen Rossi*8
aufgeführten Räumlichkeiten hinzu. In den letzten 20 Jahren wurden
für den Ausbau und neue Einrichtungen grosse Summen verwendet.
Im J. 1867 besass die Bibliothek bereits 1,044,045 Bände, 34,178
Handschriften und 85,691 Kupferstiche, Karten u. s.w. ; französischer
Katalog von Muralt. Der grosse vortrefflich eingerichtete Lesesaal
im Obern Stock, 1862 eröffnet, wird jährlich von weit über 100,000
Lesern benutzt (Eintritt s. S. 99).
Im ersten Saale r. vom Eingange, mit Porträts von Derschawin und
Ifowikow, die moderne schöneLiteratur. Im nächsten kleinen (Portr.
des Dichters von Wisin und Büste Alexanders von Humboldt) und dem
1. anstossenden Saale naturwissenschaftliche Werke^ in Vitrinen
kirchenslavische und altrussisehe Drucke, nach ihrer Herkunft
geordnet (Bibelübersetzung des Dr. Fr. Skorina in Prag 1616-1519 ; das erste
in Bussland gedruckte Buch, die Apostelgeschichte, Hoskau 1. März 1564);
astronomische Instrumente Wallenstein^s. Der folgende Ovale Saal mit
fünf tiefliegenden Bogenfenstern (HarmorbQste Alezander^sl.) enthält alte
kirchenslavische Drucke (bis 1735) und die kara'itischen Handschrif-
ten (u. a. 47 Schriftrollen des Pentateuch aus dem 1. Jahrtausend n. Chr.).
Dann folgen 2 Säle mit Handschriften (Porträt des Kaisers Nikolaus) :
Autographen berühmter Männer und Frauen , dabei wichtige Staatsdoeu-
mente frans, u. a. Herrscher, Thronbesteigungs- Adressen jüd. Gemeinden
Newshy-Prospect. ST. PETERSBURG. 11. Boute, 1Ö9
in Originftleinbänden , kostbare Handschriften in den altelaMischen, ro-
manischen und germanischen Sprachen (den Grundstock der lateinischen
bilden die berühmten Zaluskrschen und Dubrowski'schen Sammlungen) ;
angebl. Koran des Khalifen Osman in kuflscher Schrift ; orientalische (pers.,
kurd.,, samaritan.) Handschriften ; italienische, französische und deutsehe
Hiniaturen (Gebetbücher der Königinnen Anna von Bretagne, Louise von
Savoyen u. Maria Stuart; Evangelienbuch des Demetrius Paläologus mit
griech. u. ital. Miniaturen, wobei das Brustbild des Kaisers Manuel II.
Paläolog.); musikalische Handschriften; der berühmte Codex Sinaiticns,
der Zweitälteste griech. Bibeltext, aus dem iv. oder v. Jahrb., von Prof.
Tischendorf im Sinaikloster gefunden ; das Ostromir^sche Evangelienbuch
(1066) ; und vieles andere. — Nun zurück : im Treppenhause die Statue Vol-
taire^s (von Houdon, 1781) inmitten seiner 7000 Bände zählenden Biblio-
thek (von Kath. II. angekauft). Im Gentrum der Bibliothek in dem grossen
zweistöckigen Hauptsaal oben Theologie, unten in Vitrinen Sehreib-
werke u. Schreibmaterial aller Zeiten (Lumpenpapier 1380, Reispapier,
Wachstafeln, flnnländischer Bunenkalender , xvix. Jahrb.); femer eine
Sammlung von interessanten und kostbaren Einbänden. Zur Linken des
ovalen Bauptsaals die neuere russische Literatur und Journa-
list i k ; zur Rechten allgemeine Literaturgeschichte und Polygra-
phie. In den 5 grossen Gallerien des III. Stocks theologische Werke ;
die Abtheilung der schönen Künste und Technologie mit einer Aus-
wahl von Kupferstichen und Proben aller bekannten Druckarten vom
XV. Jahrh. ab (an den Wänden gegen 400 Porträts Peters d. Gr.). Die
langen Säle desneaern Gebäudes enthalten Geschichte und ihreHülfs-
wissenschaften; der mittlere Korfsche Saal eine Sammlung aller über
Busslandin fremdenSprachen geschriebenen Werke (über 90,000) ;
der nächste Larin'ieht Saal Raritäten aller Art. Dann folgt die Abtheilung
der Rechtswissenschaft (Renaissancevase mit Amor u. Psvche, ein
Geschenk des Grafen Rostoptschin; kais. Krönungsalbum von 1863). Zu-
rück und in den Vorsaal des obern Stockwerks; links der 1862 errichtete
L esesaal (Bildniss Alezander's II., *Katharina'8 II., von Lewitzki, u. a. ;
s. oben). Die Treppe hinab in das Vorhaus und folgende Säle: im 1. Saal
griechische und lateinische Glassiker, allgemeine Linguistik,
orientalische Sprachen (Bibelsammlung, Imitatio Christi in Pariser Pracht-
ausgabe 1865); im 2. Saal Druckedesl6. undl7. Jahrh. (Aldinen, Elze-
vire) ; im 3. Saal, 1867 im Stile des Mittelalters umgebaut und möblirt, an
eine Klosterbibliothek des xv. Jahrh. erinnernd, an 7000 Ineunabeln
(vor 1600 gedruckte Bücher).
Auf dem anstossenden Alexandra-Platz (AieKcaHApHHCKiä
Cuepi, PI. GÖ, 6), einem schönen mit Anlagen geschmückten
Square, erhebt sich das Denkmal Katharina'! II. {ÜVMaTEum EKare-
pHHU II ; PL 26), von Alexander II. nach Entwürfen von Mikeschin
und Opekuschin 1873 errichtet.
Am Sockel, mit mehreren Stufen von verschiedenfarbigem Granit,
die lebensgrossen Bronzefiguren berühmter Zeitgenossen der Kaiserin:
vorn Potemkin, Bumianzow, Ssuworow (Heer), an der Rückseite Orlow
und Tschitschagow (Flotte), rechts Derschawin und die Fürstin Daschkow
(Kunst und Wissenschaft), links Besborodko und Betzki (Yolkserziehung).
Darüber erhebt sich auf einer kuppelartigen Wölbung die 4 m hohe Figur
der Kaiserin im Hermelinmantel, um den Hals die Kette des Andreas-
ordens, in der Rechten das Reichsscepter, in der Linken einen Kranz.
An der Südseite des Platzes das Alexandra -Theater (AieKcaH-
ApHHCKiJi Tearpi ; PI. 214 : G 6 ; s. S. 97), 1828 unter Nikolaus nach
RosH's Plan erbaut und nach der Gemahlin des Kaisers benannt. Die
Hauptfa^ade bildet ein Peristyl Ton 10 korinth. Säulen ; auf dem
Giebel eine Quadriga von Erz. -— Weiter südl. die ThtateT-Schult
(PI. 223: G6), 1785 gegründet, 1829 reorganisirt. — Die Theater-
460 Route lU ST, PETKRSpUBa Nfmky-Ffo^ect,
Strasse (Teatralnaja) führt von. luer 6. auf den T » ch<erni s «h ow*
Platz an der Fontanka (PI. F G6), an demT. die Ministerien des
Innern (PI. 164) und des öffentlichen Unterrichts (PI. 165) ; in letz-
term die werthvollen Bibllotkeken und Sammlun^eB der peo^
graphischen, mineralogischen und meteorologischen Qes'ellsehaft,
Am Newsky-Prospect folgt r. an der Fontanka das Anitf oUcow-
oder Nikolai-Palait (AHmKOBCKiM^Bopea'» ; PL 172 : G 6), 1744 naeh
den Plänen Rastrellfs von Blisabeth für den Grafen Rasumowski
(f 1771) erbaut, dann an Potemkin übergegangen, 1794 von der Krone
zurückerworben, 1S04 von Alexander I. umgebaut, seit 181 7 von dem
jeweiligen Thronfolger bewohnt, zur Zeit Residenz des regierenden
Kaisers Alexander IXI. Der neuerdings sehr erweiterte Bau um-
schliesst die 1817 gegründete Kirche des h, Alexander Newsky mit
interessanten Reliquien und Bildern, sowie in einem besondem Pa-
villon eine Sammlung von Ausrüstungsstücken der russischen und
fremder Armeen.
An der Ost -Seite des Palastes führt über die Fontanka die
Anitachkow - Bräeke (Abühkobi Mocti, PI. G 5, 6), geschmückt mit
4 kolossalen Bronzegruppen von Pferdebändigern , nach den Mo«
dellen des Baron Klodt in St. Petersburg gegossen.
Jenseits der Brücke bietet die Strasse nichts hervorragend Be-
merkenswerthes. Das Alexander- Newsky »Kloster s. S. 167.
e. SspasB'scher und Kasan'seher Theil.
Von der Bibliothek (PI. 22: FG5,6) am Newsky-Prospect wen-
den wir uns in die von einer Pferdebahnlinie durchzogene Grosse
Gartenstrasse {BolschaJ^a Ssadowaja, PI. DG 5, 6, 7) und ver-
folgen dieselbe in s.w. Richtung. L. an der Ecke der Tschernischow-
strasse das prächtige Gebäude des Pagen-Corpi (IlaxecKili Kopnycb ;
PI. 171 : F6), von Rastrelli erbaut.
Das Haas umfasst ausser der katholischen Prioratstirehe d£s Malteter-
ordern vom heil. Johannes ku Jerusalem^ auch die HauMreht des heil.
Johannes des Täufers, Erstere ist 1799 nach den Plänen G. Ouarenghi*s
erbaut, als Paul I. Grossmeister wurde; 1838 renovirt. Die jetzige Fa(ade
hat vier korinthische Halbsäulen und zwei kleine Säulen mit Giebel als
Thürsehmuck, mit der Insehrift: nDivo Joanni Baptistae Paulus Imp.
Hospit. Magister.** Das Innere, ganz nach dem Stile der alten Johanniter-
kirchen ausgeschmückt, ist in Basilikenform , mit einer grossen Apsis
endend, angelegt. Zwei Reihen Säulen aus gelbem Marmor theilen die
Kirche in 3 Schiffe von eirca 2Qm Höhe. In ihr ist der 1852 verstorbene
Herzog Maximilian von Leuehtenberg beigesetzt; vergoldeter Thron, auf
dem Paul den Versammlungen des Ordens beiwohnte. — Die Handtirche
wurde 1800 von Paul erbaut und 1810 dem Pagen -Corps eingeräumt.
Inneres bunt ausgestattet; an den Wänden 15 Malteserkreuze. — Im
Pagen-Corps werden 400 junge Leute , deren Väter oder Grossväter min-
destens Generallieutenantsrang haben müssen , erzogen.
Weiter r. die kaiierliehe Bank (Focy^apcTBeHHHJi Banm ; PI. 21 :
F6), ein grosser hufeisenförmiger Bau, unter Alezander I. auf-
geführt; gegenüber 1. der Xarien- und Apnudn-lCarkt (MapiÜHCKitt,
AnpaKCHHi puHOK-b), vor dem Brande von 1862 Tschukin» Dwiyr
Sspass^acher Theil. ST. PETERSBURG. IL Route. 161
genannt, eine Art Trödelmarkt. Dann, jenseit der in n.w. Richtung
zur Admiralität führenden Erbsenstrasse {Oorochowaja, S. 157), die
Pfarrkirche der Himmelf ahrt Maria (PI. II: F6), 1753-65 an Stelle
«iner hölzernen Kirche erbaut, 1826 vergrössert. Es folgt der na-
mentlich vor Weihnachten überaus belebte Eeitmarkt {Sjännaja
Ploschtschad; PI. 160: F6), 1831 zur Zeit der Cholera Schauplatz
•eines Aufruhrs , der nur durch das persönliche Dazwischentreten
des Kaisers Nikolaus gestillt wurde (S. 111).
Vom Heumarkt 1. den Obuchowsky-Prospect (OöyxoBCKiä npoc-
nexTi, PI. F 6, 7) verfolgend, erreichen wir dicht vor der Obuchow-
Brücke das Instifat der Ingenieure für Wege und Communiostionen
{ÜHCTHTyT'b Ilyreft CcoömeHÜi; PI. 64), welches 1810 gegründet
wurde und besonders die mathematischen , physikalischen und an-
deren einschlägigen Wissenschaften cultivirt. Mit der Anstalt ist
ein Museum (Modelle von Bauten u. s. w.) verbunden, dessen Besuch
für Kenner von Interesse ist (vgl. S. 99).
Zur Bolschaja Ssadowaja zurückkehrend, erreichen wir zur
Linken den Jassupow-Oarten (H)cynoBi caAi, PI. EF6, 7), einen
im Sommer wie im Winter beliebten Volksbelustigungsort (besuch-
teste Schlittschuhbahn auf dem Teiche des Gartens).
Etwa 8 Min. weiter dn der Bolschaja Ssadowaja führt r. eine
Brücke zum Nikolaus-Platz (ÜHKOJifcCKaii IIjOBiaAfc, PI. E 6, 7).
Auf ihm liegt inmitten hübscher Gartenanlagen die „ Matrosen-
kirche" oder Kathedrale des h. Kikolans (Codopi ÜHKOiafl-Hopcxaro ;
PL 93 : E7). Der Bau wurde bereits von Peter I. 1722 nach dem
Muster der Kathedrale in Astrachan geplant, aber erst von Elisa-
beth 1753 unter Rastrelli'aheitving begonnen und 1762 unter Katha-
rina II. vollendet. Die Kirche hat 5 vergoldete Kuppeln und 2 Stock-
werke , deren oberes im Sommer , das untere im Winter benutzt
wird. In der Nähe ganz freistehend der mächtige, 70m hohe O^ocft^n-
thurm , der eine schöne Aussicht gewährt.
Ton der Kathedrale nördlich durch die Nikolausstrasse (Nikol-
fikaja) gelangen wir auf den Grossen Theaterplatz (üiomaxb
EoiBmaro Teaipa, PI. E6). R. die Militär, Rechts- Akademie (BoeHHO-
X)piiAinecKafl AKaAeniii; PI. 8: E6) und die Intendantur (PI. 52).
In der Mitte des Platzes das grosse 37iea^«r (BojamoftTearpi, PI. 219,
S. 97), unter Katharina II. 1784 aufgeführt, 1803 erneuert, 1811
vom Feuer verzehrt und nach der Wiederherstellung 1834 umgebaut.
An der Hauptfa^ade ein Porticus von 8 ionischen Säulen, im Giebel-
feld ein Relief, Apoll und die Musen. Das Dach ist von Eisen und
mit Wasserbehältern gegen Feuersgefahr versehen. — Gegenüber das
Marien-Theater (^^Apii^Rcti^ Tearpi; PI. 221, S.97), 1860 an der
Stelle eines Circus erbaut. Von hier durch die Offizierstrasse {Ofßter-
skafa) und den Wosnessensky - Prospect zum Marienplatz S. 111 ;
2um Litauischen Schloss S. 164.
Bussland. 3. Aufl. 11
162 Route lU ST. PETERSBURQ. lAtevna^aund
f. Der Liteiniga- und Moikaaer-Theil*
Wenn wir auf dem Newsky-Proepect die Anitschkow- Brücke
(S. 160) überschreiten und uns links wenden, gelangen wir in den
Liteiny-Prospect (iHTeÜHuft npocnein, PL G 6, 5, 4), die
Hftuptstrasse des Liteinaja-Theils, des Stadttheils der Kasernen^
Exercierhäuser, Manegen, Arsenale u. s. w.
Unweit des Eingangs ein Complex von Gebäuden und Gärten,
die Ton der Fontanka bis zur Snamenskaja reichen und ausschliess-
lich Wohtthätigkeitsanstalten angehören : das KathaHnen- Institut
(PI. 57), das Marien,' Krankenhaus (PI. 139: G 5); ein prachtvolles
Gebäude mit2 Seitenflügeln, 1803 von der Kaiserin Marie für einhei*
mische und fremde Arme errichtet ; das Alexander-Hospitdl (PI. 131 )
und das Pawlowsky'sche Institut (PI. 60 : H 5) für Ofilzierssöhne.
Links vom Liteiny-Prospect In der Ssimeon-Strasse (Snmeo^
nowskaja) die Kirehe des h. Simeon und der h. Anaa (PI. 121), 1712
von Peter dem Grossen zu Ehren der Patronin seiner Tochter Anna
in Holz erbaut , später von der Kaiserin Anna als Kuppelbau in
Stein errichtet.
In der Liteinaja weiter nördl. 1. die Augenklinik (PI. 132), zur
Universität gehörig , und das Gebäude der Menschenfreundlichen
Gesellschaft (PL 48). Rechts führt eine kurze Seitenstrasse zu der
freigelegenen SdpMso-Preobratheiitkj- Kathedrale (Cnaco Ilpeo*
öpaseHCiiü Co6opi; PL 90: G5), einer der angesehensten Kirchen
St. Petersburgs, 1742-54 nach den Plänen Tresin's gebaut auf dem
Grundstück , welches bis dahin die Kasernen des Pieobrashensky-
sehen Regimentes einnahmen. Die Truppe ist bekannt durch ihre
der Kaiserin Elisabeth bei der Thronbesteigung (1741) bewiesene
Treue. Zum Andenken daran entstand diese „Kathedrale aller
Garden'. 1825 brannte sie ab und wurde 1829 erneuert.
Daa den Hof der Kirche amgebende 0iU4r iai aus türkiaehexi und
französischen Kanonenläufen gefertigt. Innerhalb der Einfassung 13 türkis
sehe Oesehütze auf Lafetten; an der Hauptfront zwei Geschütze^ Eigen-
thum des Preobrashensky^ sehen Regiments. Im Innern zahlreiche türkische
u. poaisehe Fahnen, Bossschweife, Festungs-Schlüssel. Altarloreuz von
Alexis Michailowitsch, Vater Peter's des Grossen; Bild der Mutter Qottea
von Kursk, 1813 von der Stadt dem Fürsten Kutusow überreicht; am.
Hauptaltar 1. ein silberner Becher, von den Böhmen dem Grafen Cfster-
mann-Tolstoi verehrt, darauf die Namen der bei Kulm gefallenen russi-
sehen Stabsoffiziere; Kaiser Alexander'a I. Uniform des Preobrashensky-
sehen Begiments; die letzte Uniform Kaiser Alexanders 11. und der Degen^
den er bei seinem Tode trug ; Uhrwerk, von vielen Bauern gearbeitet und
der Kaiserin Katharina II. geschenkt u. s. w.
Der Preobrashensky- Kirche gegenüber führt vom Liteiny-Pro-
spect westl. diePanteleimonskaja (naHTejeSHOHCiafl yjHiia, PI. G5>
direct zur Brücke über die Fontanka (S. 120). An derselben r. die
Kirohe des h. Xftjrtyrers PABteleimon (UlepKOBi» Csnaro IlaKTejeft-
MOHa, PI. 115), von Peter dem Grossen zum Dank für die Siege über
die Schweden 1714 und 1720 erbaut, 1836 zum Theil umgebaut. —
Nordlich von der Kirche an der Fontanka dem Sommergarten gegen-
über das kolossale Oebäude der alten Salzniederlage (CouBofi ropo-
Mo6kauer-Theü, ST. PETEBSBÜRÖ. 11, Route. 163
AOJd) und der Manufacturausstellang vom J. 1870; in ihm das päda-
gogische Museum (Eintr. s. S. 99) und das Mtueum der hais. tech-
ni$dien OeselUchaft (Eintr. s. S. 99) , neuerdings aucb das Ja^Ar
wirthiehaftUehe Mntenm des Ministeriums der Beichsdomänen
(Eintr. s. S. 99) , mit Modellen landwirthsclialtl. Oeräthe und Ma-
schinen, Sammlungen von landw. Erzeugnissen , Früchten u. s. w.
Weiter nördlich, ebenfalls an der Fontanka, die Bechtotehnle (Yhh-
iniie üpaBOBtAeiiui ; PI. 207 : G 4) , 1835 von dem Prinzen Peter
von Oldenburg gegründet (300 Zöglinge).
In der Nähe, Ecke der Machowaja und Ssergiewski^a, das Haut
de« Chrafm Paul Strosranow mit der *OenuUdegallerie des Qrafen
Ssergei Strogaoow, welche hervorragende Werke niederländischer
und italienischer Meister aufweist ; unter den antiken Bronzen ist
am berühmtesten der Apollo Stroganow, eine Replik des Belvede-
rischen Apollo, dessen richtige Ergänzung (linke Hand mit der
Aegis) dadurch möglich wurde (Eintritt für das Publikum nicht
gestattet).
Durch die Ssergiewskaja zum Liteiny-Prospect zurück. B. an
der Ecke die Kirche des h. Sergius (PL 120) ; gegenüber mit der Haupt-
fa^ade nach dem Litelny-Prospect das schöne Gebäude des Ar-
tiUerie^Departements (Einlasskarten für das Artilleristische Mu-
seum, S. 175, hier zuhaben), vor der Front 20 alte Geschütze.
Rechts , Ecke des Liteiny-Prospects und der Sachariewskaja, das
alte Anenal, jetzt Bezirks- Qerichtthof (OKpysHiifi CyAi h Öaiaia ;
PL 14: G4), ein grosses freistehendes Viereck von 3 Stockwerken,
vom Grafen Orlow erbaut , der es der Kaiserin Katharina II. zum
Geschenk machte, mit prächtigem Portal nach dem Liteiny-
Prospect; am Gesims Trophäen und allegorische Figuren. In der
Nähe des Arsenals verschiedene Kasernen und Gebäude für die
Behörden der Artillerie, u. a. die Artüleristiach^ technische Schule
(PL 192) an der Newa (100 Schüler). In der Bichtung auf den Tau-
rischen Pala8t(S.166) die mächtigen Kasernen der Leibgarde (PL 68 :
H4) mitEzercierhausund der Beitbahn der Garde-Kavallerie (PLi48).
— In der Wosskressenskaja lag ehemals die 1716 von Peter dem
Grossen gegründete, jetzt eingegangMie Gobelintapeten-Fabrik oder
Sehpcdernoi- Manufaettbr (ihre Erzeugnisse jetzt im Museum der
kaiserlichen Wagen, S. 156). Die Gebäude dienen theils zu Kasernen
des Convoi, theils zur Unterbringung der Hofequipagen. Am Ende
der Schpalernaja der Taurisehe Palast, s. S. 166.
Nun mit der Pferdebahn den Wosskressensky-Prospect und die
Snamenskaja entlang bis zur Snamenskaja- Kirche am Newsky
(PL H 6) , dann durch den Newsky- und Wladimirsky-Prospect bis
zur Wladimir -Kirohe (UepKOBb BiaxinipcKoft Bcaieü MaiepH; PL
123: G6), von weisser Farbe mit Ö mächtigen vergoldeten Kuppeln.
Von hier r. in den Sagorodny-Prospect, an dem zur Linken die Ka-
sernen und der ungeheure Exercierplutz des Ssemenow'schen'Regi'-
ments (CeiieBOBCRitt njaui, PL F G 7), sowie der Bahnhof der
11*
164 Boute IL ST. PETERSBURG. Kolomenskaja-
ZarBko-SselO'Bahn (PI. 19), zur Rechten die Commerz-Schule , im.
goth. Stil 1871 erbaut, und das Obuohow'fehe Stadthoipltal (FopoA-
cxaii OöyxoBCKafl 6ojbHHKa, PI. 143, F7, vgl. S. 96), 1780 von
Katharina II. gegründet. Jenseit des Hospitals an der Fontanka,
Ecke des Sabalkansky - Prospects , die Conatantins - Kilitärsehule
(PI. 202); die säulengeschmückte Fa^ade ist über 200m lang; an
der Rückseite drei grosse Flügel. — Weiter, gleichfalls r., an der Ecke
der Sagorodny- und Sabalkansky-Prospects das tachnologiaoke In-
stitut (TexHOiorHHecKiü HHcraTyn, PI. 62, F 7), 1828 begründet,
mit einem tägl. 10-3 U. geöffneten Mtueum (S. 99).
Links in den Sabalkansky-Prospect biegend erblicken wir r. das
Gebäude der firei-Öko]iomitolienOeBell8€haft(BoibHO-9KOHOHBHecKoe
06mecTB0, PI. 47: F 7) mit Bibliothek u. Museum (S. 99). An der-
selben Strasse jenseit der alten Moskauer Brücke über den Obwodny-
Kanal r. der Viehhof (CKOTonpHroHHüM 4Bopi ; PI. 225 : F8), dessen
Haupteingang mit zwei kolossalen bronzenen Ochsen von Demuth-
Malinowsky geziert ist, 1. die Oasanstalt (PI. 28) ; weiter, gleichfalls
L, das grosse Nowo^Dewitichy (Nonnen)' Kloster (PI. F9), endlich
am äussersten, ziemlich entlegenen Ende (Tramway Linie 17) jenseit
der Zarskosselsky-Brücke die Moskauer Trinmphpforte (TpiyH«ajb-
HUfl Bopora; PI. 34: F9) 1833-39 nach Stassows Plänen erbaut.
Zwölf dorische Säulen von 1 Vt t^ Durchmesser und 22 m Höhe tragen
ein Gesims, das mit zwölf Engeln in Basrelief geschmückt ist und eine
Inschrift zur Erinnerung an die Feldzüge von 1826-31 in Persien,
der Türkei und Polen in russischer und lateinischer Sprache trägt.
g. Der Xolomenskiga- und Karwa-Theil.
Den Kolomenskaja-Theil kann man mit der Pferdebahn vom Admirali-
tätsplatz, sowie vom Newsky-Prospeet (Gostinny-Dwor) erreichen. Der
Stadttheil selbst ist von mehreren Linien durchschnitten , die naeh dem
Narwa'schen Theil führen.
An der Ecke der Offtzierstrasse (PL D 6) jenseit des Theater-
platzes (S. 161) am Krukow-Kanal erhebt sich 1. der alta Stadtthurm
(ropoACKafl TM>pfcHa) oder das lotauiache Sohlosa (PL 39: D E 6),
welches bereits unter Katharina IL erbaut wurde , aber erst unter
Nikolaus seine jetzige Gestalt erhielt. Hier sass KoSciuszko, wurde
hier von Kaiser Paul I. besucht und erhielt seine Freiheit. Es bil-
det ein verschobenes Viereck, ist zweistöckig, massiv und mit star-
ken Mauern versehen. Nur eine einzige doppelte eiserne Pforte führt
von der Strasse in das Innere. Der der Offlzierstrasse zugewandte
Flügel , dessen Fa^ade zwei kolossale Engel mit dem Kreuz zieren,
wird von der schönen Oefangenhauskirche eingenommen (ausswdem
existirt eine Kapelle für Katholiken und ein Betsaal f ürProtestanten).
Gleich daneben (n^ 35) der Demidow'sche Famüiengarten (Aeva-
AOBHÜ oaxi, PLD6) mit dem Benai88ance~ Theater (Operetten).
Von hier können wir der Baird'sehen Fabrik (dasoAi Bepxa, PL D 6)
einen Besuch abstatten. Sie liegt unmittelbar hinter der neuen Ad-
miralität (S. 106), besteht aus einer Eisengiesserei und Maschinen-
und Narwa-ThHL ST. PETERSBURG. IL Boute. 165
fabrik nnd hat einen eigenen Hafen , mehrere Dampfschifife (Passa-
giertransport zwischen St. Petersburg nnd Kronstadt) n. s. w.
Zurück durch die Mjassnaja- und Witebsker Strasse, an der
AuferstehtmgütiTehe (PL 98 , D 6) yorbei nach dem Katharinenhof-
Prospect (PL DE76), in dem das Uniforme und Equipiru/ngs-Mu-
aeum der russischen Armee (MyBefi raasHaro HBTeBAftHTcxaro ynpa-
BieHifl) , für Militärs von Interesse (Eintr. S. 99). In einem Glas-
spind eine Porträtflgur Peters des Grossen in LebensgrÖsse, angethan
mit den letzten vom Zaren getragenen Kleidern.
Wir überschreiten auf der Kalinkin- Brücke (Mocix Eojbmaro
KajHHKima, PL D 7) die Fontanka, an der rechts das zweite Marine-
Hosfitalf auch Marine-Kalinkin-Hospital genannt (PL 136) liegt,
links die zweite Marine -Koierne (PL 79). Weiter, gleichfalls 1. an
der Ecke der Kurlandskaja die Xatbarinan-Xirehe (UepKOBb Cbatoü
EKaTepHHU; PL 105: D7, 8), 1721 zum Andenken an den 1703 bei
Kalinkin über die Schweden erfochtenen Sieg erbaut, in ihrer jetzigen
Gestalt aus dem J. 1837 herrührend.
Nun mit der Pferdebahn über die Neue Kalinkin 'Brücke bis an
das Ende des Neu-Peterhofer Prospects (HoBO-neTepro«CKiM npocn.),
wo sich, kurz vor der Brücke über die Tarakanowkaj an der nach Riga
führenden Strasse der nach Stassows Plänen 1834 erbaute Karw&*iohe
Triiimphboge]i(TpiyM«a»HHaBopoTa ; PL 35 : CD 9) an demNarwaer
Thor (HapBCKaii sacTasa) erhebt, imVolksmunde THuj^oZni^a Worota
(dreiwinkelige Pforte). Er ist im Stil eines römischen Triumph-
bogens aus Granit erbaut ; an der Aussenseite Krieger in altrussischer
Tracht , Kränze haltend ; auf der Plattform eine Victoria mit Lor-
beerkranz auf einem Sechsgespann ; an jeder Seite der Attika vier
lorbeerbekränzte Genien. Inschrift: „Der siegreichen kais. Garde
von dem dankbaren Vaterlande 18. Aug. 1834". Früher stand hier
ein zum Einzüge Alezanders I. 1815 erbauter hölzerner Triumph-
bogen , an dessen Stelle durch freiwillige Beiträge , namentlich ein
sehr bedeutendes Legat des damaligen Commandirenden der Garde,
General Uwarow, der jetzige Thorweg errichtet wurde.
Die von hier westlich abbiegende Liflandskaja-Strasse führt über
die Ssutugina- Brücke (MocTi CyTyrHHa) nach dem im äussersten
Südwesten St. Petersburgs gelegenen Katharinenhof(£KaTepHHro*i,
PL C8), von Peter dem Grossen 1703 nach dem ersten Seesiege über
die Schweden erbautund seiner Gemahlin zu Ehren benannt. Das vom
Grafen Miloradowitsch angelegte, von einem Garten umgebenejScft^oss
birgt ein Museum von Erinnerungen an den Erbauer. Im Garten ein
Traktir, Kaffehaus u. s. w. Am Troizy-Tage und am 1. Mai findet
in Katharinenhof ein glänzender Gorso der vornehmen Welt , zu-
gleich ein Volksfest für die unteren Klassen der Bevölkerung statt.
Mit Pferdebahn längs des Obwodny-Kanals am Baltischen Bahn-
hof (PL 18) vorbei bis zum Warschauer Bahnhof (PL 20, E8), dann
L in den Ismailowsky-Prospect, die südl. Fortsetzung des
Wosnessensky-Prospects (S. 161). Rechts und links die KoAemen
166 Route IL ST. PETERSBÜBG. Roshdestwenskaja-u.
des Ismaüow' sehen Regiments (PL 13); dannl. auf demTroizy-
Platz fiVsnih&lier als dieser) die Kathedrale der Ismaüovj' sehen
Garden, auch BreifUtigkeits- oder Troisy-Sirche (UepsoBb CbhtoS
TpoMau; PI. 122: E 7), von der Kaiserin Marie, Wittwe Pauls I.,
nach Stassows Plänen erbaut und 1835 eingeweiht. Die fünf hell-
blauen, besternten Kuppeln (die mittelste bis 80 m ansteigend) sind
auf weite Entfernung sichtbar.
Das Ikvbkb der Kirche, die ihr Licht nur durch die fünf Kuppeln
erhält t ist glänzen^ und bietet manches Herlcwürdige , ist aber gegen-
wärtig sehr Ycrwahrlost. Der von einem Gitter umgebene Ikonostas ist
k jour gearbeitet; der Hauptaltar der heil. Dreifaltigkeit zeichnet sieh
durch feine Arbeit und Reichthum der Vergoldung aus; die Kebenaltäre
Bind dem heil. Johann und der Maria Magdalena geweiht. Die Gemälde
sind von Markow und Jegorow, das Tuch, welches das heil. Sacrament
vei'hüllt, ist von der Kaiserin Elisabeth gestickt. Andere bemerkens-
werthe Gegenstände sind das mit Krystall gezierte Tabernakel aus der
kaiserlichen Fabrik , und der Kronleuchter in der Mitte für 800 Kurzen.
An den Wanden zu beiden Seiten des Hauptaltars Marmortafeln mit den
19'amen der auf verschiedenen Schlachtfeldern bis zur Einweihung der
Kirche gefallenen Offiziere des Ismailow''schen Regiments. — Von den
18 Glocken der Kirche wiegt die grösste 10,000 kg, eine zweite 6000 kg.
Wir kehren über die von General B^tancourt erbaute Adgjrp-
tiiche Kettenbrücke (ntiraoü ErHneTCRitt Mocti , PI. £ 7) , die mit
Sphinxen Hieroglyphen u. s. w. verziert ist und ein Gegenstück zu
der Brüche am Somtnergarten (S. 120) bildet, zur Bolschaja Ssado-
waja und dem Newaky-Prospect zurück (S. 160).
h. Der Rofhdestwentkaja- und Alezander-Hovtky-aüiail.
Zum Besuch des Boshdestwenskaja-Theils kann man die Tramway-
Linien 3 (Miehaelsplatz-Ssmolnykloster) u. 9 (Zarsko-'S8elobahn-Ochta*Behe
Ueberfahrt) benutzen; oder auf dem Kewsky-Prospect bis zur Snamen-
skaja fahren, dann 1. (Linie 5) bis in die Nahe des Taurischen Palastes.
— Zum Alexander -Kewsky- Kloster durch den Newsky-Prospect führen
Xinie 13 und 1. Vgl. S. 94.
Am Ende der vom Wosskressensky - Prospect (S. 163) Östil. ab-
zweigenden Sehpalemaja' 8tr, liegt der Tanrische Palast (Taspi-
^ecKiM ABopem; PI. 186: H4), von Katharina II. 1783 erbaut und
nach der Eroberung der Krim, d«m ^Helden von Taurien^, Potemkin,
geschenkt. Nach dessen Tode 1791 fiel das Palais an die Krone zu-
rück, wurde von Pauli, 1797 der ^G««de zu Pferde* überwiesen, von
Alexander I. aber in seinen frühem Zustand versetzt und diente
wiederholt fremden Fürsten zur Wohnung (u. a. Friedrich Wil-
helm III. 1817). Jetzt sind nur wenige R&um« für den Kaiser Teser-
virt , die meisten sind Ten Hofbeamten eingenommen. Im Innern
interessiren besonders der von 64 Säulen getragene, 82m lange und
Ö5m breite Hauptsaal und der riesige Wintergarten. Was das Palais
an Gem&lden, Statuen und sonstigen Kunstwerken enthielt, ist ent-
weder in den Winterpalast geschafft oder den Sammlungen der Eremi-
tage einverleibt. Im Park , den man vom Wintergarten aus betritt
und der Teiche, Fontänen, Grotten, Orangerien, Pavillons u. s. w.
enthält, finden im Sommer besuchte Militär-Ooncerte statt.
Alex.'NetDskyTheU. ST. PETERSBURG. 11. Baute. * 167
Nördlich vom Tauriscben Paiast der Wasserleitungs -Thurm
<BoAonpoBOiiHaH ÖauiHJi, PI. 229). Weiter nach Osten in der Jeka-
terininskaja die Araktschtjtvo' sehen Kasernen (PI. 65) und am nord-
9stl. Ende des Bogens, den die Newa hier beschreibt, das Alexander-
Hospital (PI. 146 : 1 K 4). Südlich von letzterem das SsmQlny-Kloster
<CMOj&Hiili MoHacnipb ; PL 126: IK4).
Früher stand hier ein von Peter I. erbauter Palast, an dessen Stelle
die Kaiserin Elisabeth 1748 den Bau eines Klosters für Waisenmädehen
begann. Katharina II. gab demselben neue Statuten und fügte 1765 eine
Erziehungsanstalt für Mädchen hinzu. Die Kaiserin Maria, Gemahlin
Panrs I., erweiterte 1797 das Institut; zu ihrem Gedäehtniss ist in der
Kirehe ein einf. Denkmal errichtet. Mit der Anstalt ist eine Versorgungs-
anstalt für adelige Wittw«n verbunden.
Die ausgedehnten Gebäude des Ssmolny- Klosters liegen male-
risch auf dem hier etwas erhöhten linken Newa -Ufer; die dazu
gehörige Kathedrale der Auf erstehimg des Erlösers, auf welch« eine
schöne Allee zuführt , mit ihren fünf hellblauen Kuppeln ist fast
von allen Punkten der Stadt sichtbar. In der Hauptkuppel mehr
•als 20 Glocken, deren grösste 12,000 kg wiegt.
Das Ihkbrk ist bei aller Einfachheit von grosser Wirkung. Die Grund-
farben sind Weiss und Gold, nur die Stufen der drei von krystallenen
Balustraden (aus den Fabriken des Gouvernements Orel) umgebenen Al-
täre sind von gelbem Ural-Marmor, der Fussboden von dunklem Marmor,
aus Jekaterinenburg. Den Sitzen der kaiserlichen Familie gegenüber die
mit Seulpturen geschmückte Kanzel. Unter den durchweg modernen Ge-
mälden ragt niebt bloss durch ihre Grosse (6 m hoeh) die Auferstehung
auf dem Hauptaltar hervor; auch eine Erscheinung der heil. Jungfrau,
von Venetzianow, verdient Erwähnung. Alle Kirchengeräthe sind von
massivem Silber; hervorzuheben ist ein Tabemadtel in Form einer Bundes-
lade , getragen von 34 Jaspissäulen.
Vom Ssmolny * Kloster führt uns die Pferdebahn (Linie 3) zum
Snamenaky-PlatiLund von da den Newsky-Prospect entlang (Linie 1)
zum Alezander -Kewiky-Kloftter (Cbato - Tponfio AiexttHjipo-
HeBCia« iaBpa ; PL 12Ö : 1 7). Unter den sog. Lawren*), dem Bange
nach die dritte, Sitz dee Metropoliten von St. Petersburg*, ähnelt
das Kloster mit seinen von Mauecn und Graben umgebenen Ge-
l>äuden, Kirchen und Kapellen einer Festung und Imponlit haupt-
sächlich durch seinen kolossalen Umfang.
Das Kloster steht der Sage nach auf der Stelle, wo Groesfürst Alexan-
der (1218-53), der Schutzpatron Busslands, am 18. Juli l34^ einen grossen
Sieg Über die Schweden und Ordensritter errang. Peter der Grosse, um
jeiner neuen Hauptstadt die Weihe eines Kational • Heiligtbums su ver-
leihen, erbaute hier 1713 eine hölzerne Kirehe mit Klostersellen , der er
1724 die Reliquien des heil. Alexander ^ewsky , bis dahin im Kloster
Wladimir, schenkte und grosse Güter und Einkünfte vermaobte.
Die erste Kirche des Klosters ist die Kathedrale der h. Dreieinig-
keit (1716 durch Peter begonnen, 1779-90 durch Katharina II. neu
auf)B;eführt), flanklrt von 2 ThÜrmen mit goldenen Kreuzen.
*) Lawra ist der Käme der Kloster I. Banges, die sugleich Sitze der
Hetropoliten sind und in denen sieh höhere gästl. Seminarien befinden.
Es sind in Russland ihrer drei: das Troiza •Kloster des h. Sergius bei
Jfoskau (8. 315), das Höhlen-Kloster bei Kiew (8. 399) und das Alexander-
Kewsky- Klostert ausserdem beanspruchen diesen Bang: St Sawwa in
Jerusalem, die Klöster auf dem Athos und Sinai.
168» Boute 11, ST. PETERSBURG. WassUy-
Im Innern r. vom Ikonostas derBeliquienkasten, weleber die Gebeine de»
heil. Alexander Newsky umsehliesst, eine 5 m h. Pyramide aus massivem
Silber^ darüber ein silberner, von Engeln gestützter Katafalk, an den
Seiten zwei Basreliefs, Seenen aus dem Leben des Heiligen. Zur Her-
stellung des Ganzen bestimmte die Kaiserin Elisabeth 1752 den ersten Er-
trag des Koliwan'schen Silberbergwerkes , 90 Pud (1800 kg.). Vor dem
Katafalk ein Pult mit einem Reliquienschrein und einem Gandelaber»
alles von Silber, 1806 von Alexander I. geschenkt. Die Schatzkammer
enthält eine grosse Menge von Kostbarkeiten, u. a. vier kostbare goldene
Kelche, zwei von Katharina, einer von Elisabeth und einer von Fürsten
Menschikow geschenkt; die Krone des h. Alexander; den Stern dea
Alexander-Newsky-Ordens, welchen Katharina II. trug; reich mit Perlen
u. Edelsteinen besetzte Hitren ; einen von Peter d. Or. gedrechselten Bi-
schofsstab, das Bett auf welchem er starb,. etc. Unter den Bildern ein
Altarbild, Verkündigung Maria, von Baphael Menge; einige Ck>pien nach
Bubens, van Dyck u. a, ; dem Altar gegenüber an zwei Pfeilern die über-
lebensgrossen Porträts Peters I. u. Katharinas II.
Die Krypta der Kirche der Verkündigung Maria, gleich 1. an
der Brücke gelegen , enthält die Grabmäler mehrerer Angehörigen
der kais. Familie, sowie berühmter russischer Familien. Hier rnhen
n. a. Natalie, die Schwester Peters d. Gr.; Natalie, die erste Ge-
mahlin Pauls I.; Graf Rasumowski; Ssuworow (»Hier liegt Ssuwo-
row*', lautet die von ihm selbst bestimmte Inschrift) ; Graf Panin,
der Erzieher Pauls I. ; Fürst Besborodko u. a. Auch in der Kirche
der Auferatehtmg des h, Lazarus (1716-18 von Peter I. erbaut) und
den dazu gehörigen weitläufigen Friedhöfen liegen viele Mitglieder
des höchsten russischen Adels begraben, die Seheremetjew , Tru-
bezkoi , Chitrow , Schuwalow etc. Die kostbaren Monumente der-
selben, vielfach nicht eben geschmackvoll, sind z. Th. vollständige
Capellen.
Mit dem Kloster ist eine geistlicheAkademie (ilyxOBHaii AKaxeififi^
PI. 5) mit 120 Schülern und ein geistliches Semvnar (ityzoBHafl Ce-
VHBapui, PI. 208) mit 240 Zöglingen verbunden.
Gleich in der Nähe des Alexander-Newsky-Klosters , ebenfalls
an der Newa, auf der andern Seite des Obwodny-Eanals die kaiser-
liehe Glasfabrik (HMnepaTopcKÜl KaseHHuii CTeKiaHHiiü SaBO^i;
P1.43: K7), mit der eine Kry Stallschleiferei und Glasbrennerei ver-
bunden ist. Die Krystallschlelferei ist vielleicht die grösste der
Welt und sehr sehenswerth (für Schwachnervige angreifend).
Auf dem Rückwege können wir die amLigowsky-Quai, nördlich
vom Snamensky * Platz (an demselben 1. der Moskauer 'Bahnhofe
PI. 17, H 6) gelegene Orieehisehe Dmitry-Xirche (rpenecKan iiepKOBb.
GBHTäro J^HMHipis; PI. 102: H 5) besuchen, 1865 im byzantin. Stil
nach Kusmins Plänen vollendet, von gefälligem Aeussern, das
Innere in Gold und Farben reich decorirt. — L. von der Kirche da»
stattliche EoangtUsche Hospital mit seinen Thürmen und Zinnen»
i. Wassily-Ostrow.]
Kach Wassily-Ostrow führen vom Admiralitätspiatz über die Palais-
brüeke die Linien 26 u. 18 (letstere über die Tutsehkowbrüeke weiter
naeh dem Petersburger Theil) ; femer über die Nikolaibrüeke die Linie 14,
an die sieh die an der Brüeke mündenden Linien 4 u. 26 ansehliessen.
Vgl. S. 177.
Oitrow. ST. PETERSBURG. Ih Beute. 169
Vom Palastplatz führt die Schloss- oder Dworzowy- Brücke
(PI. E 5) zur Ostspitze von Wassily-Ostrow , wo auf schönem freien
Platz in erhöhter aussichtsreicher Lage die sog. hoUändiBche BÖrfle
(PI. 23 : £5) sich erheht, im griech. Stil nach den Plänen des Archi-
tekten Thomon 1783 begonnen, 1816 vollendet. Ein Peristyl von
44 dorischen Säulen umgieht das Gebäude ; über der vorderen Säulen-
reihe die Statuen des Fleisses, der Hoffnung und der Gerechtigkeit.
Der grosse Saal erhält sein Licht von der Decke ; an der Wand dem
Eingang gegenüber auf reich geschmückten Sockeln die Büsten der
Kaiser Alezander I. und Nikolaus I. Börsenstunden 3-5 U. Nachm.
Vor der Börse stehen in einiger Entfernung zwei mächtige, über
30 m hohe Rostral-Säulen aus rothen Granitblöcken, das Piedestal
mit je zwei Golossalstatuen, der Schaft mit metallnen Schiffsschnä-
beln geziert. Der ♦Blick von der Strjelka (PI. E4,5), dem durch
mächtige Quadern gegen den Anprall des Stromes geschützten Halb-
rund zwischen den Säulen , ist einer der schönsten in ganz Peters-
burg. L. sieht man die Werke der Peter-Pauls-Festung , überragt
von dem riesigen vergoldeten Thurm (S. 174), r. die Quais der Newa,
mit einer Palastreihe, die ihres gleichen sucht; über ihnen er-
glänzen die goldene Nadel der Admiralität (S. 107) und die gewal-
tige Isaakskuppel. Vor dem Beschauer der imposante Strom ; den
Hintergrund bilden die fernen Häuserreihen der nordöstlichen
Stadttheile.
Hinter der Börse der halbkreisförmige Börsenplatz mit Garten-
anlagen. An der S.O.-Seite desselben ^ am Newaquai w. von der
Schlossbrücke liegt die Akademie der Wissenseliaften (ARaxeiiis
HayKi) mit dem Muienm und der Bibliofhek (PI. E5). Der Plan für
die Gründung der Akademie wurde von Peter dem Grossen 1724 unter
dem Beirath von Chr. v. Wolff und Leibnitz entworfen und das In-
stitut nach dem Tode des Kaisers 1726 durch Katharina I. ins Leben
gerufen. Als Heimstätte wurde der jungen Akademie das Palais
der Zarewna Prascovia Feodorowna, der Gemahlin von Peter*s
Halbbruder, angewiesen, ein dreistöckiges Gebäude, dessen Dach
ein runder Thurm, das ehemalige Observatorium (die jetzige Stern-
warte ist in Pulkowa), krönt. Nach einer Zeit tiefen Verfalles unter
Peter II. hob sich die Akademie erst wieder unter Anna und Elisa-
beth , noch mehr unter Katharina IL, welche für wissenschaftliche
Bestrebungen ein reges Interesse hatte und die Einkünfte des In-
stituts erheblich vermehrte. Heute besteht die Akademie , mit der
seit 1841 auch die 1783 von der Regierung gegründete Akademie
für die russische Sprache verbunden ist, aus 3 Klassen : für mathe-
matische Wissenschaften, für russische Sprache und Literatur , für
Geschichte und Philologie. Sie zählt 21 ordentliche (besoldete)
Mitglieder, 55 Ehrenmitglieder und gegen 200 correspondirende
Mitglieder. Die jährliche Dotation der Akademie beträgt 300,000 R.
Mit der Akademie sind verbunden: 1. Eine Bibliot?iek (im Qebäude
der kleinen Sternwarte, nahe der Börsen Besuchszeit s. S. 98) von e.
900,000 Bänden und wertkvollen Handschriften. — 2. Das ßthnograpMaehe
170 Soute IL ST. PETERSBURG. WaaaÜy
Museum der Völker des rassischen Reiches (Kostüme). — 3. Das Munt-
eäbinet, von Peter dem Grossen gegründet, mit altgrieehisehen und rö-
mischen, ferner russischen Münzen von der ältesten Zeit bis auf die Gegen-
wart, dann der einst dem Grafen Suchtelen gehörigen Sanunlung von Me-
daillen. — 4. Die Botaniiehe Sammlung^ c. 60,000 Pflanzen, besonders aus
Sibirien, gesammelt von Steller, Gmelin, Pallas u. a.; Sammlungen der
Grafen Basumowski, Uwarow, Sivers u. a. ^ 5. Das Anatomische Museum.
— 6. Das Mineralogische Cäbinety an Werth dem des Instituts der Bergin-
genieure (S. 173) nachstehend, aber mit bemerkenswerthen Meteorsteinen
und einem von Euler eonstruirten kolossalen Globus. — 7. Das ZoologUehe
Museum in 14 Sälen, besonders interessant wegen seiner vorweltlichen
Thiere (Mammuth, Schädel des Megatherium oder Riesenfaulthiers u. s. w.).
Am Quai der Grossen Newa fortschreitend , erreichen wir die
XTniyenität (UMnepaTopcKiÜ VfiMBepcHTeTi ; P1.224: E5) im grossen
ehemaligen Gebäude der 12 Reichscollegien, 1819 von Alexander I.
gegründet. Sie hat 4Facultäten: eine historisch -philologische,
physikalisch -mathematische, juristische und der orientalischen
Sprachen. Die Zahl der Studirenden beträgt c. 1200. Vorlesungen
vom 1. Sept. -31. Mal.
An der langen Paul' Militärschule vorbei gelangen wir zum
Rumjanzow- oder Ssolowiewschen - Sq^uare (PyiUHKOBCKifl CxBepi
oder CoJOBieBCKiS ca^i). In der Mitte der c. 25 m hohe Eunganiow-
ObeliBk (naHflTHHKi PyHflHaoBy, PI. 32 D5), 1790 nach den Ent-
würfen des Hofarchitekten Brenna vom Kaiser Paul auf dem Mars-
feld (S. 119) errichtet, 1820 hierher versetzt. Der Obelisk, von
schwarzem Granit , auf viereckigem Marmorsockel, trägt auf seiner
Spitze eine vergoldete Kugel mit darüber schwebendem zweiköpfigen
Adler. Inschrift: ^Den Siegen Rumjanzow's'' (Rumjanzowa pobje-
dam ; PyMJiHUOBa uo6tiaKh).
Der Marschall Bumjanzow zeichnete sieh im türkischen Kriege als
Feldherr Katharina's II. aus. Er errang am Kagul einen grossen Bieg
und umzingelte jenseit der Donau das ttirkisebe Heer bei Sehumla,
worauf die Pforte den Frieden von Kutschuk-Kainardsche 1774 schliessen
musste. Rumjanzow erhielt den Beinamen Sadunaisky (von jenseit der
Donau).
Nicht weit davon erhebt sich am Ufer der Newa , bewacht von
zwei schönen Sphinxen^ die 1832 aus Aegypten hierher gebracht
wurden , die Akademie der Künste (Hvnep. AKaxenii XyxosecTBi,
PI. 9, D 5) , von Katharina II. 1765 gestiftet. Das Gebäude , eines
der schönsten der Stadt, 1765-68 nach den Plänen von de la Mothe
und Veiten erbaut, bildet ein Quadrat, dessen Seiten 130m lang
sind, und besteht aus zwei Stockwerken , von einer Attlka gefront.
Die Hauptfa^ade gegen die Newa (grandiose Anfahrt) schmücken
Säulen und Pilaster. Der mittlere Portikus ist mit den Statuen des
farnesischen Hercules und der farnes. Flora geschmückt und von
einer Kuppel mit einer kolossalen Minerva überragt. Die ausge-
dehnten Räumlichkeiten enthalten nicht nur die Sammlungen und
Ausstellungssäle, sondern auch die Wohnungen der Zöglinge, sowie
von Professoren und Künstlern. Auf der Gartenseite eine Kirche. —
Für den Besuch des Museums der Akademie (vergl. S. 98), in deren
oberem Stockwerk alljährlich eine Gemälde-Ausstellung stattfindet
Ottrow. ST. PETERSBURG. IL Route, 171
^näheres in den Zeitungen ; Eintrittspreis 1 R.). empfehlen sich als
Kataloge : Dobbert, „Ein Gang durch die kais. Akademie der Künste^
<im 2. Theile des St. Petersburger Kalenders für 1872) und G. Treu :
^Das Museum der Akademie der Künste'^. St. Petersburg 1871 . Zur
Orientierung hilft der im Vestibül feilgebotene Plan der Akademie.
Im Erdgesehoss da« altohriitliche Xusenm (Saal 33-36) mit Denkmälern
der altrussisehen und byzantinischen Kunst, theils Originale^ theils
Gopten. Saal 33: An den Wanden und Pfeilern russische Heiligenbilder
aus dem xvi., xvii. und xtiii. Jahrh. — Saal 34: Interessante Denkmäler
russiseher Architektur und Holzsculptur, Qypsabgüsse von Säulen, Relief-
platten, Friesen alter Kirchen (x. und xii. Jahrh.) ^ heilige Pforten (I(apcxix
XBeps), aus Hols geschnitzt; Fragmente alter Schnitzwerke (Wurzel Jesse) \
Chaldäiseher Ofen, bei den Cultushandlungen des xti. Jahrh. in Gebrauch.
— Saal 36 (Griechischer Saal): Photographieen der von Ssewas^anow
vom Berge Athos mitgebrachten Sammlung, Aquarellcopien nach einem
Gyklua evangelischer Darstellungen aus einem griechischen Codex des
IX. Jahrh. (im Gestell am Fenster), Photographieen und Abgüsse altchrist-
licher Kunstwerke des Abendlandes, slavonische Handschriften mit rus-
sischen Miniaturen. <-Saal 36: Heiligenfiguren, aus Holz geschnitzt, aus
der Sophienkirche in Nowgorod (S. 251). ^ Das
MvsBUM DBK AKTiKBK vvi> Rkmaissangb-Sculptdebv, in den Sälen 2-32
des Erdgeschosses, den Bäumen des Hauptaufganges und den Sälen 57 und
66 des Hauptstocks, enthält wenig Originale, aber eine reiche Sammlung
▼on Gyi^Dgüseen (s. Treues Katalog). Im Treppenaufgang bei Saal 39
ein Gemälde von TintorettOf Christus Kranke heilend. Im Hauptstockwerk
fiaarl 57 (I. antike Gallerie oder Baffael-Saal) : antike Sculpturen; Ge-
mälde, namentlich Copien nach Raffael. — Im kleinen Conferenzsaal
58 Gobelin« nach JoupwH; Kolossalstatue Katharina*s II. von Mälbtrg. -^
Saal 66 (II. antike Gallerie oder Tizian -Saal): Copien nach venetia-
nischen Meistern.
RussiscBB GbmIldb vkd Sgulpturbk (in den Sälen 40-54 und 77 des
Hauptstocks). Saal 40 : Löuenko^ Tod des Adonis, Apostel Andreas, Wla-
dimir und Rogneda: 8*okolow^ Venus und Amor; Landschaften von Petrov
und Matteijevo. — 4f : Landschaften von PhiMmowtw^ Tankwa^ Alexfjevf. —
iü: Ivanoto. Adam und Eva: (>rIotf4iky, Kosaken; <9cA<«cA«<2Wn, Abendland-
schaft. — 43: A. TarcusotnUch^ Fortuna und der Bettler; Brülow^ Nardss,
Ines de Castro; 3. F. Schtschedrin^ St. Petersburg; Seulpturen von Orlovfsky
(Paris) und Bar. P. Klodt (bäum. Pferd). — 44: iwanotr, Jan TTssmo witsch ;
Wiil0woldej Jäger; Susakawy Lager bei Silistria; Landschaften von Mord-
trtnow, Nijeanor (Tiflis), Worohjevo^ Auferstehungskirche zu Jerusalem;
Sculptur von Demuth-Malinoiesky. — 4A: ShurawletD^ Fuhrmann; Oromme^
Lazareth; BoffcUubow^ Sturm bei Beval, u. a. voa Kügelgtn^ Kortialin
COhina), IfiiwKtr; ffalberg^ Dankmal Karamsin's (8.363); Faleonet und Ba-
mtutmow. MUo von Kroton und der Löwe. — 46: PUtchanow^ Iwan der
Schreckliehe; TschUljakotß y Hochzeitsfest; Riztone, Wirthshausscene ;
Aquarellen von Willte u. a. ; Hälb«rg , Modell der Kolossalstatue Katha-
rina*« II. (s. o.). — 47 : IfoUer , Johannes auf Patuos ; Genrebilder von
Reimers und i>m<tr(;>tr , Orenburg ; Seulpturen von Batberg (Knabe), Sta-
toauer (Nymphe). — 48: Flawitzkyy Märtyrer. — 49: iO'<u$oj'edoto , Flucht
Otrepjew's. — 51: LottenkOy Porträt Wolltow'ss MatwtjeWy Selbstporträt. —
In den Sälen 52-54 : Porträts herrorragender Künstler, sowie einige Seulp-
turen. ^77: Bastrelliy Statue der Kaiserin Anna; Z)emti(A-i/a{tnow«iy. Büste
Ssuworow's ; Tolsioiy Reliefs aus der Odyssee; Medaillen aus dem J. 1812-14;
SchuUn^ Büste Katharina*« II. — Im mittleren Theile der Hauptfa^ade
(«. 0.) die
MuBBBiT- ii»D MBDAiLLBir - SaMKLimo, unbedeutend , enthält ru«8i«ehe
Medaillen, byzantin. und hebräische Münzen. Plafond (Apollo und die
9 Xumb) von Bauint Skizzen von Jagden und Waldlandsdhaften von
Buben$ u. a. — Die
SaüMLUKO VOM OaioiMAiioaiilLDBN AutLÄMDisoHBB Mbisvbr besteht aus :
1. der KMe«hele%ci*Khm OaUerie (ältere und neue Meister) in d«n Sälen 70, 71,
172 Route 11, ST. PETEBSBÜBG. WmHly-
72. 75; 2. ältere ausländisehe Bilder in denBälen 67,68,69^ 3. moderne aus-
ländische und russisehe Bilder. Katalog beim Aufseher. — Italienisehe
Sehule: Paolo Veronese, Hochzeit zu Kana und Anbetung der Könige;
Bassano (O. da Ponte)^ Anbetung der Könige ; Ouido Reni, der heil. Joseph
und ein Heiliger im Gebete; CaravaggiOt Nymphen; Canaletto^ Ansicht Ton
Venedig; Botariy Köpfe; C<uanova^ Joseph IT. — Aeltere niederlän-
dische Schule: MetsUy die Kähterin (verdorben); Ph. BombouU^ das
Coneert; V. v€m Ruitdael^ der Weg; A. Petier» (?), Strandlandschaft;
*^. TenitTi d. Ae.y Teufelsspuk in einer Gebirgslandschaft; i2i«den<, Ecee
Homo; Werk der frühesten Zeit, wohl noch Tor seiner italienischen Reise;
*/. Jordaentf das Bohnenfest , eine der besten Darstellungen dieses häufig
von ihm wiederholten Gegenstandes; Jan Victors ^ Salbung Dayid*s und
Quacksalber; /. v. OHad€y Halt am Wirthshause; O. B. Weenix^ Reisende
in italienischer Landschaft und Italienischer Hafen (Hauptbilder des Künst-
lers, auch ihrem Umfange nach); *Ph. Wonwemumf Reiter am Wirths-
hause. — Aeltere fransösische Schule: If. Poutrin^ Rückkehr des
verlorenen Sohnes; OA. A. van Loo^ Hariä Himmelfahrt; J. Verneig die
Nacht, ein Schiffbruch; J. M. Vien^ Minerva; 0re«f«, Mädchen; WcMea«,
Tanz. — Aeltere deutsehe Sehule: L. OonoeA, (Thristus und die
Ehebrecherin; ffolbein (?), Mann und Frau: /. B. Bdedinger, Jagdstücke;
J. Ph. Hadert, Wasserfälle; Kartons von A. R^fael Mengt. — Die aus-
ländische Malerei des 19. Jahrb. ist in der Kusehelew- Gallarie
reich vertreten, besonders die moderne Französische, Belgische und
Deutsche. Von neueren Franzosen sind u. a. zu nennen: Arg Seheffer,
zwei Gemälde ; C. Hoguet , zwei Seestücke ; */ta6«y, Rückkehr von der Jagd ;
*Meitsonier, der Raucher u. a.; Waldlandsehaften von IHom; fforaee Vemety
der Todesengel des Malers Tochter entführend; *Paul Delaroche, Crom-
well am Sarge Karrs I. ; Delaeroix, marokkanische Seenen ; ferner Tauaert^
Breucaeeaty Cfvdiny Couture, Leopold Robert; Oirofne, das Duell nach dem
Maskenball u.a. Unter den Belgiern sind OäfMt, 1**9* y Steven», unter
den Deutschen Bedter, Knaus («Brand in einem Bauernhause), SUdebrand,
Andreas AcJienbach gut vertreten. Aus der russischen Schule ist zu be-
merken : Aiwasotoskg, Mondnacht in Neapel; BogoUubow^Bchlwiht bei Sinope.
Vergl. Katalog der Kuschelew-Gallerie.
Die BiBLioTHiK, mit Lesesaal, ist reich an Kupferstichen, Photo-
graphieen, kunstgeschichtlichen Büchern, lllustrirten Prachtwerken. —
Im Versammlun^s-Saal mit grossem Deckengemälde von Schebujeto
die Bildnisse der früheren Präsidenten der Akademie.
Auf dem Newaquai weitergehend , lassen wir 1. die Nikolau»-
brücke (S. 112), r. ein von der Akademie der Wissenschaften (s. o.)
benutztes Gebäude (Fl. 11). In der r. mündenden 9. Linie I. am
Bolschoj {Grossen) Prospect (S.174) das Tatriotische Institut (PI. 59).
Weiter, in der 8. Linie n^ 39, befindet sich im Hause des Geh.
Raths Peter von Si emenow die umfangreiche und namentlich für
das Studium der vlämisehen und holländischen Malerei sehr inter-
essante Gallerie , welche derselbe in der Absicht zusammengebracht
hat , ein Bild der geschichtlichen Entwickelung Insbesondere der
holländischen Malerei zu geben , welches die Eremitage hei ihrem
grossen Reichthum an Meisterwerken nicht zu bieten im Stande
ist. Wir müssen uns hier auf die Namhaftmachung der hervor-
ragendsten und seltensten Meister beschränken.
Die Gruppe der Lehrer und unmittelbaren Vorgänger Rembrandi^s
ist vertreten durch Gemälde von P. Lastman (Abraham und die Engel,
1631), Moeißaert (Beschneidung Mosis, 169&), Bremer und P. de Grebber.
Von den Naehfolgern der italienischen yatnralisten ist G. Bontharet durch
4 zum Theil sehr gute Werke (Esau verkauft sein ErstgeburUreeht, Die
Lautenspielerin u. a.) und durch ein Bild der seltene Maler O. Snit ver-
treten. Die Meister der idyllisch- arkadischen Landschaft, deren Haupt
OBtrow. ST. PETERSBURG. IL Route, 173
Elsheimer war, die Poelwburg^ ÜiUnhroede^ Breenbergy Vertanghen u. s. w.,
«ind faat so vollzählig als die älteste nationale Richtune der hollän-
dischen Landschaftsmalerei: die JB. van de Velde^ Ooijen^ llolijny Sal. v.
Ruifsdealy Poreellüy S. d« Vlieger und die selteneren Meister Jleerhwtty
I. 8dt09ff^ W. Knüffe W. Kool^ Ph. de BooU u. a. m. Unter den älteren
Bildnis smalem der Sammlung nennen wir Vertpronck^ Miereveit ^ Th. de
XeiJser und D. Beeek^ von späteren das schöne Damenporträt von A. v.
d. Tempel (1670); unter den frühesten Genremalern Hollands Dirk HaU^
Codde, Pieter Potter und Jan Kiek^ Bowie Bloot und Drooch-Slöot. Fehlt
auch Bembrandt seihst, so finden wir doch Rembrandf» Schule in seltener
Vollständigkeit: Poorter^ J. de Wet^ Bol, Flineky J. Saeker^ Ovens^ B. Fa-
^rtttu«, ffoogstraeten, Äldetpeereld^ Baldent^ Livene, Knüpf er ^ G. und 8. de
Braif. Von den Oenremaiern der Blüthezeit Netsehery Jan äuen in einem
grossen Bilde mit seiner eigenen Familie, /. Ochtervelt^ Slingelandy Vermlt
u. A. ; die elassischen Heister der Landschaft J. v. Ruisdaely VrieSy Oteh^
Hagen^ J. v. Meer van Haarlemy O. du Boi$ , Sehellink , Looten , Everdingeny
Bakhuiseny 0. de Beuechy Pünacker^ K. Dujardin^ Anelih^, A. Cu^p (aus
frühester Zeit) ; P. de Laar und L. de JongJie (1668). Ihnen schliessen sich
die Stillleben-Maler 2>. de Heemy Pierson u. s. w. in beträchtlicher Zahl an.
tJnter den gleichfalls zahlreichen Gemälden der vlämischen Schule
seien nur die Hanpt«iüeke : das Bildnlss des Ciardinal-Infanten Ferdinand
von Süden«, eine heilige Familie von Jordaenty eine Anbetung der Konige
von /. Brueghel und eine Waldlandschaft von C. Huysman erwähnt.
Wir kehren zum Newa -Quai zurück. R. zwischen der 11. und
1 3.Linie das Cadettencorps der Marine (MopcKoS KaxerciUi Kopnyci ;
PL 203 : D 5) ; davor am Newa-Quai die Statue des AdmiraU Krusen-
stern^ des ersten russischen Weltumseglers (tl846), 1873 errichtet.
Weiter am Ende des Quais das Institut der Bergingenieure oder die
*Bergakademie (FopHufll HHCTHTyn ; PI. 53 : C 6), eine der sehenswer-
thesten Anstalten in St. Petersburg, 1773 von Katharina II. gegrün-
det, 1834 reorganisirt. Die Akademie zählt 600 Hörer, welche dem
Ingenieurstabe des russischen Bergwesens zugetheilt werden. Das
imposante Gebäude bedeckt c. 12,000 qm. Eintritt s. S. 99 ; Füh-
rung der mit Billets versehenen Fremden durch Beamte.
Interessant namentlich in den KodelliAlen die Sammlung der Bergbau-
Instrumente und Bergwerksmodelle, durch welche die verschiedenen
Arten des Vorkommens und der Ctewinnung der Metalle und Steine ver-
ansehaulieht werden.
Das überaus reiche ^Kineralonsoh« Xnaeum enthält prachtvolle Exem-
plare namentlich der Mineralien Kusslands (im Naturzustände, geschliffen
und in ihrer verschiedenen Verwendung). Die werthvollsten Stücke in
der Regel in den niedrigen Glaskästen unter den Fenstern. Wir sehen
eanze Blöcke von Malachit (135,000 B. Werth) , Platin (30,000 B.) , die
160 (3k>ldarten Busslands (100,000 B.) ; einen prachtvollen Beryll aus dem
Ural, ganz durchsichtig, im Werthe von 43.000 B., auf einer grossen Sehale
in der, Mitte des 2. und 3. Zimmers; schöne Exemplare von Schwefel-
kry stallen. Bergkrystallen , Türkisen, Saphiren und andern Edelsteinen
aller Art (Alexandrit), Modelle der grössten Diamanten ; grosse in Holz ein-
gewachsene Knochen , schöne Perlmuttermuscheln u. s. w. — Im letzten
Zimmer ein Kasten mit Münzen ^ darunter interessante russische Platin-
münzen in der Grösse eines Silberrubels (= 13 B.); ein Nephritblock von
7 kg aus der Kirgisensteppe.
Kaeh der Besichtigung der oberen Baume leitet ein Führer mit Lieht
durch das unterirdische, künstlieh im Hofe zum Unterricht angelegte Bei^-
werk mit den mannigfachsten Arten von Stollen, Schachten, Wasser-
leitungen u. s. w.; die verschiedenartigen Gebirgsarten sind durch die
Farben der Sehaehtwände anschaulieh gemacht.
Nun am Ufer der Newa zurück bis zur 17. Linie , dann mit der
174 Baute 11. ST. PKTERSBÜRQ. Festungsintel u.
Pferdebahn (Linie 26) bis zur Tscbornaja. Auf der Fahrt schneiden
wir den breiten und sch6nen Grossen (Bolschoj) Prospectj durchweg
mit kleinen Gärten vor den Häusern. Gleich westlich der Endstation
der Pferdebahn an der Tschornaja liegt der Friedhof von Ssmolenik
(CMOjeHCKoe Kia^ÖHme, PI. B 4, 5), rechts vom Eingange die Kirche
der Muttergottes von Ssmolensk (UepKOBfc CMOjeECKofi Eosieft
MarepH, PI. 119), gleichzeitig mit der Anlage des Friedhofs 1756
errichtet, erst in Holz, 1783 in Stein. Nördlich von dem Ssmolensker
der armenische, rechts davon der deutsche und englische Friedhof.,
D^u Kleinen (Maly)Prospect bis zur Tutschkouf^Brücke {VlocTb
TyiKOBi , PI. D 4) , welche über die Kleine Newa führt , verfolgend,
treffen wir auf das Maria- Magdalena- Krankenhaus (PI. 140 : D 4) ;
es folgen in der ersten Linie die katholische geistliehe Akademie
(PI. 6) , gegenüber die Kirche der Orossmärtyrerin Katharina
(PI. lOöa) , 1811 im röm. Stil erbaut. Längs des Quais gelangen wir
zum alten und neuen Bazar mit dem ZoU- Museum (tägl. 12^4,
So. 2-5 U., Eintritt 10 Kop.-l R.), sodann zum grossen Zollgehäude
(TaMOMHfl; PI. 231 : D4,5) und zur Börse (S. 169).
k. Die Feitangsimel nnd der Petersburger Theil.
Vom Ssuworowplatz (S. 119) führt die Troizky- oder Peters-
burger Brücke (PI. F4) über die Newa, die hier, bevor sie sich in
Kleine und Grosse Newa theilt, ihre grösste Breite (650 m) erreicht,
zum Petersburger (Peterburgskaja) Stadttheil (Pferdebahn vom
Michaelsplatz, PI. F5). Vom Troizkajaplatz (s. unten) führt eine
Holzbrücke über den Kronwerks - Kanal zur Peter-Panls-Festnng'
(IleTponaBJOBCKafl KptnocTi», PI. EF4; auch vom Schlossquai
unterhalb der Troizkybrücke mit Dampffähre zu erreichen).
Die Festung, zu welcher der Grund bald nach dem ersten See-
siege über die Schweden (7. Mai 1703) durch Peter den Grossen
gelegt wurde, bedeckt die Petersinsel {Kronwerk) und zwei kleiner»
Ö. und w. gelegene Inseln. Sie umschliesst die Staatsgefängnisse,
die Münze, das Arsenal, das Artillerie- Museum, die Peter-Pauls-
Kathedrale und die Militärverwaltungen,
Die *Peter-PanlB-Xathedrale (üeTponaBJOBCKiM Coöopx, PI. 94,
F4; den ganzen Tag geöffhet, einer der in der Regal anwesenden
Unteroffiziere der Garde dient gern als Führer, Trinkgeld 20 Kop.),
gleichzeitig mit der Festung gegründet, wurde 1712-33 erbaut. E»
ist ein Kuppelbau; westlich neben der Kirche ein 128 m hoher sehr
spitzer Glockenthurm, einer der höchsten in ganz Russland, dessen
Pyramide von vergoldetem Kupfer ein 7 m hohes Kreuz trägt. Im
Thurm ein Glockenspiel, 1759 unter Elisabeth an Stelle eines altern
angebracht, welches Peter der Grosse in Amsterdam für 45,000 R.
kaufte , das aber später durch den Blitz zerstört wurde. Die helle
und freundliche , mit kriegerischen Trophäen wie mit Blumen und
mächtigen Topfpflanzen geschmückte Kirche enthält in einem mit
einem Gitter verschlossenen Anbau (Eingang in der Nähe des AI-
Petersburger TheÜ. ST. PETERSBURG. ü. Baute, 175
tars) die Oruft der rusaiscken Kaiser aus dem Hause Romanow seit
Peter dem Grossen (mit Ausnahme des Kaisers Peter U. s. S. 275).
Hellgraue Marmorsarkophage bezeichnen die unter der Erde befind-
lichen Gräber; vor dem Ikonostas, am weitesten r. vom Eingang,
ruhen Peter der Grosse und Katharina U., gegenüber Nikolaus und
Alezander II. lieber den Gräbern brennen beständig Lampen. —
Mehrere eigenhändige Arbeiten Peter's werden hier gezeigt , so ein
aus Elfenbein geschnitzter Kronleuchter , 3 m hoch und 2 m im
Durchmesser ; in der Mitte vier aus Schildpatt gearbeitete Medaillons,
von denen eins die Inschrift trägt: ,, Mühevolles eigenhändiges Werk
Peter's des Grossen, Selbstherrschers aller Reussen, 1723. '^
üeber die Brücke zurück gelangen wir am Kronwerks-Kanal ent-
lang in das Kronwerk, in welchem das sehenswerthe * Artillerie- Mu-
seum (KpoBBepKCKiü Apceaai'L, PI. 170, S. 98 ; der herumführende
Diener giebt gute Auskunft, Katalog nur in russischer Sprache).
Im Bof und im untern Saal eine 8«hr reiehbaltige Sammlung von rus-
sischen und andern Oesebützen aller Art vom XV. Jabrh. bis auf die
Gegenwart; femer alte WaflFcn, Büstungen, Fahnen, alte und neue Kriegs-
maaehinen, Soldatenflguren aus versch&denen Perioden in Uniform (Stre-
litzen zu Fuss and zu Pferde); Paukenwagen für die Artillerie, in St.
Petemburg gefertigt und vom Orafen Schuwalow der Kaiserin Elisabeth
geschenkt. In der Mitte des Saals in einem abgeschlossenen Baum zahl-
reiche Erinnerungen an russische Herrscher: Filzhut, Uniform, Kaftan
und Spontons Peters des Grossen; Strelitzenfahne von 1681, Sl/sm lang,
3 m hoch ; mehrere Schränke mit Uniformen russischer Begenten ; Ordei:^
Alexanders I. und Nikolaus I. ; Todtenmaske Ssuworows etc. Im I. Stock
die Bu?imeshaUe -. eroberte Fahnen, Waffen und andere Trophäen, darunter
zahlreiche schwedische, preussische (120 Fahnen, u. a. auch die für Eriegs-
fahnen gehaltenen der Berliner Gewerke, grÖsstentheils bei der Einnahme
Berlins l760 aus dem dortigen Zeughause entführt, u. 20 aus der Schlacht
von.Kunersdorf, wo auch Uniform, Leibwäsche etc. Friedrichs des Gr. er-
beutet wurden) ; viele türkische Trophäen, darunter die vergoldete Kuppel
der Moschee von Bender, 1770 erobert; Schlüssel und Modelle eroberter
Festungen etc. ; endlich Erinnerungan und Trophäen (prachtvolle Waffen)
aus den Feldzügen gegen Chiwa und Buchara.
W. vom Kronwerk jenseit des Festungsgrabens liegt der Zoplo-
giBOhe Garten OooJorHiiecKiM Ca^i, P1.E4, S. 99), den man auch
von der Stadt aus mit Boot oder Dampfschiff erreichen kann. Er ent*
hält ausser einer nicht unbedeutenden Thiersammlung ein Theater,
in welchem auch Goncerte, gymnast. Vorstellungen etc. stattfinden.
Eintr. 30 Kop.
Oestlich vom Zoologischen Garten an der Nord- und Ostseite
des Kronwerks der Alezander -Park (AieKcaHApoBCKÜ IlapKi, PI.
EF3, 4), von den unteren Yolksklassen viel besucht). Unweit des
5. Ausgangs auf dem Troizkajaplatz die alte hölzerne Heilands-
oder Dreifftltigkeits (Troisy) - Kirche (€o6op'& €b. Tpoftnu; PI. 96:
F4), 1703 von Peter dem Grossen erbaut, der hier häufig dem
Gottesdienst beiwohnte und sich hier im J. 1707 mit Katharina
trauen Hess. Kaiserin Elisabeth versetzte 1746 den Holzbau nach
dem Sommergarten und begann den Bau einer neuen steinernen
Kirche; als dieselbe durch eine Feuersbrunst vernichtet wurde,
brachte man das hölzerne Gebäude wieder an seinen alten Platz.
176 Route 11. ST. PETERSBURG. Die InsHn.
In der Schatzkammer ein elfenbeinerner Kronleuchter und ein
Weibrauchkästchen , beide von Peter selbst gefertigt.
Mit wenigen Schritten erreichen wir von hier das Hanf Peters
def Oroifen (^ohhki Derpa I. ; PI. 183: F4), in einem Garten an
der Newa gelegen, kenntlich an einem grünen, reich mit G-old ver-
zierten Eisengitter. Peter baute sich dieses Haus, das erste auf der
Petersburger Seite, 1703, von hier aus leitete er den Bau seiner neuen
Stadt. Es ist von Holz (aber um es vor dem Verfall zu schützen,
von Katharina II. mit einem Steinmantel umgeben), einstöckig, nur
circa löm lang, 6m breit, und enthält ausser einem Flur nur zwei
Zimmer und eine kleine Kammer. Auf dem Flur ein von Peter selbst
gezimmertes Boot, der „Vater der russischen Flotte^. Das Zimmer 1.
ist in eine Kapelle umgewandelt und birgt in einem reichverzierten
Rahmen ein wunderthätiges Bild des Erlösers, das der Kaiser stets
bei sich trug. Im Zimmer r. mehrere von Peter selbst verfertigte
Gegenstände, ein von ihm viel benutzter hölzerner Stuhl mit Leder-
polster, ein Schemel u. s. w. Im Garten eine Büste des Kaisers.
Wir durcheilen zu Wagen oder mit der Pferdebahn den Peters-
burger Theil, der nichts besonderes bietet, ausser vielleicht noch,
ö. vom Kaanenno-Ostrowsky -Prospect, das kais, Lyceum (PL 191 :
F3), das Peter -PaiUi'Kranktnhaui (PL 14Ö; F2), die Kasernen
des Leih -Öarde- Grenadier 'Regiments (PL 72: F2); w. des Pro-
spects das /. imd IL Milüärgymnasium (PL 195: D3), dieW^adt-
mtr- (PL 124 : E 4) und Erlöser- Kirche (PL 100 : 0 D 3). Jenseit der
Karpinsky -Brücke (PL E 2) über die Karpowka führt r. ab die
Pessotschnaja (neco«iHaii yji.) zum Botaniachen Garten (6oTaHH«iecKiJI
Caxi ■ Opaasepifl; PL 24, F 2; S. 99) auf der Apotkekerinsel (An-
TCKapcKiM OcrpoBi), dem n. Theil der Petersburger Seite. Der
Garten, 1714 von Peter dem Grossen zum Anbau von Apotheker-
kräutern angelegt, wird von der Grossen Newka und der Karpowka
begrenzt und bedeckt eine Fläche von c. 12 Hectaren. Er dient
jetzt nur wissenschaftlichen Zwecken und enthält ausser einer sehr
reichen Sammlung von Pflanzen (theils im Freien , theils in den in
grosser Zahl vorhandenen Gewächshäusern) eine Bibliothek von
18,000 Bänden ; ein Herbarium von 6000 Bänden ; ein botan. Mu"
seum in 3 Abtheilungen (dendrologische, karpologische und paläon-
tologische Sammlung) und ein physiolog. Laboratorium» Vgl. die
Schrift des Bibliothekars Dr. v. Herder: „Der kais. botanische
Garten auf der Apothekerinsel^.
1. Die Ineeln, Stanga und Kowsja Derewnja, der Wyborg'sche
und Ochta'sche TheiL
Die kurze Zeit des Sommers (vergl. S. 104, Klima) verbringt der Peters-
burger, wenn irgend möglich, in einem jener kleinen hölzernen Land-
häuser, DaUchen genannt (datsche = Ghabe; der Name entstand dadurch,
dass Katharina II. jene Grundstücke mit Villen u. s. w. an verdiente Per-
sonen verschenkte), welche in grosser Zahl über die Kewa-lnseln aus-
gestreut sind und mit vollständiger Einrichtung vermiethet werden. Die
eigentlichen Oarteninseln unter den e. 40 Eilanden des Newa-Deltas, von
DU Inaein. ST. PETERSBURG. 11. Baute, 177
denen einige noch heute in ursprünglicher Wildniss sieh präsentiren,
sind Petrowsky, Krestowsky, Jelagin, Eamenny - Ostrow , l^owaja und
Staraja Derewnja, im Yolksmunde kurzweg „die Inseln** genannt, im
Winter meist überschwemmt, im Beginn des Frühjahrs wieder zu lachen-
den Parks umgeschafTen. Den Verkehr mit der Stadt unterhalten zahlreiche
Dampfboofe (S. 95) , Gondeln , Pferdebahnen , Omnibus u. s. w. Auch
findet man fast überall, Tag und Kaeht, auf den Inseln Iswoschtsehiks.
Wir fahren mit Pferdebahn vom Admiralitätsplatz über Wassily-
Ostrow bis zur Tutschkow- Brücke (PL D4) und betreten von hier
die Pstrowsky^Insel (HeTpoiicKiS OcrpoBi, PI. B CD 3, 4), die Lieb-
lingsinsel. Peter's des Grossen, der hier den Pefratosfty-Parik anlegte
und ein Haus baute, das als Peter^s ScMosa heute noch vorhanden
ist (^opem Ilerpa L; PL 185 : B3). Man erblickt es sofort, venn
man den Petrowsky-Prospect herunterkommt. Links von letzterm
eine grosse Taufabrik, rechts in einer Seitenstrasse die Actien'
Bierbrauerei Bavaria (PL C3), im Sommer viel besucht.
Auf der Petrowsky- Brücke (PL C 2, 3) gelangen wir über die
Kleine Newka nach der Krestowsky- Insel (KpecTOBCKÜi OcTposi,
PL A-C 2) mit dem herrlichen Schloss und Park des Fürsten Bjelo-
sersky. Die Insel ist der Belustigungsort der untern Yolksklassen ;
hier sind zahlreiche Restaurationen, Carrousels, Schaukeln, Rutsch-
berge. Das grösste sog. Traktir liegt an der Nordseite der Insel, am
Ostende von Neu-Krestowsky; hier der Endpunkt der Pferdebahn
(Linie 8). — In der N.W.-Ecke die Etablissements des Fluss- Yacht-
Klubs (PftHHoS flxn.-Kjy6i, im Winter im Jussupow-Garten, S. 161).
Die neue Krestowsky -Brücke führt über die mittlere Newka
nach der Insel Jelagin (EjarHHt OcrpoBi); hübscher Blick auf die
Erestowsky-Datschen am Ufer der Newka. Auf Jelagin, der nörd-
lichsten Insel , ist für Privatansiedelungen kein Raum ; nur einige
kaiserliche Paläste , malerisch im Grünen gelegen , zieren die Ufer.
Kaiser Alexander kaufte 1817 die Insel für 350,000 R. vom Grafen
Orlow und Hess nach dem Plane Rossi's für die Kaiserin das jetzige
Jelaginslgr-Palais (EjarHHCKiM ^Bopem; PL 174: Gl) erbauen; es
zeichnet sich durch die mächtigen Eichen in dem dazu gehörigen
englischen Park aus. Auch die übrigen Parkanlagen der Insel sind
gut gehalten; die Wege sind in vorzüglichem Zustande, mit weissen
Pfählchen begrenzt. Die sog. y^Pointe'^ am Westende der Insel ist
das gewöhnliche Ziel der Equipagen ; besonders an Sommerabenden
prächtiger Blick auf das Meer.
Von Jelagin auf der Jelaginsky-Brücke über die Grosse Newka
nach Stari^a- und ITowiga-Berewiga. Die Pferdebahn führt am Ufer
an zahllosen Yergnügungslocalen und Datschen vorüber bis zu den
Yergnügungs-Etablissements Arcadia und Livadia, wo Abends
Vorstellungen aller Art stattfinden, beide sehr besucht (Pferde-
bahn vom Michaels-Platz). Oestlich davon, an den Ufern der
Rätschka Tschornaja, der schöne Landsitz der Gräfin Stroganow,
dem Publikum geöffnet.
Auf der Stroganow-Brücke (PL E 1) über die Grosse Newka nach
der Kamenny-Insel (KaMenHuft OcrpoBi)^ dem Hauptsitz der Insel-
Bussland. 2. Aufl. 12
178 Route 11, ST. PETERSBURG. Wyborg'scher Theü.
datschen der reiclien Petersturger. Auf der O.-Spitze das von Pauli,
1775 erbaute Palais (PI. 175), später Eigenthum des Grossfürsten
Michael. Am W.-Ende des Schlossgartens die Kirche der Oeburt
Johannes des Täufers (UepK. Ob. loaH. üpeATeHH), 1778 erbaut, einst
Begräbnissplatz der Johanniter-Ordensritter. Weiter w. das Marine^
Invalidenhaus (KaaapMU MopcKHxi ÜHBaiHAOBi», PI. 80) und ganz
an der Westspitze der Insel das kais. Sommertheater (KaMeHHO-
OcTpoBCKiä Tearpi; PI. 220: D 1), in dem im Juli deutsche, franzö-
sische und russische Yorsteliungen stattfinden (s. S. 98).
Von Kamenny-Ostrow können wir entweder mit der Pferdebahn
(Linie 19) nach der Stadt zurückkehren; oder wir besteigen, um der
Wyborger Seite einen Besuch abzustatten, oberhalb der Stroganow-
brücke am r. Ufer der Grossen Newka einen der kleinen Dampfer
(S. 95). Derselbe legt in der Nähe des Feuerwachtthurmes , dann
bei der Leib-Garde-Grenadier-Kaserne (S. 176) an der Petersburger
Seite an und passirt die Ssamssoniewsky 'Brücke (PL G3) über die
Newka. Wir verlassen ihn auf der Wyborger Seite, in der Nähe des
2. Militär-Landhospitals.
Das zweite Militär-LandhoBpital*) (2. BoeHHO CyxonyTHiifi roc-
nHTaji ; PL 10 : G 3), von Peter I. gegründet, unter der Kaiserin Anna
erweitert und unter Alexander I. umgestaltet , ist die älteste der
Petersburger Heilanstalten. Es enthält eine akademische Klinik,
deren Zöglinge auf Kosten der Regierung hier studieren, dafür
1 Jahr praktische Dienste im Hospital leisten und dann mindestens
10 Jahre in der Armee dienen müssen , ein anatomisches Museum,
Lazarethe u. s. w. Rechts davon und von der Alexander -Brücke
die Michailow'sche Artillerie- Akademie (MmaüiOBCKoe ApTMie-
piScKoe YHHimne ; PL 204: G3,4), nördlich von ihr die mediciniseh-
chirorgische Akademie (MexHKoXjipyprH^ecKafl ARaAeHifl; PL 138 :
G3), 1799 von Paul I. gegründet, 1835 reorganisirt. Auf dem Hofe
das 1859 errichtete Denkmal des ehem. Präsidenten der Akademie,
Baron Wylie , der der Anstalt 2 Millionen R. hinterliess , sitzende
Statue auf grauem Marmorsockel. ~ Die Ssimbirskaja (CHHÖHpcKan
yji.) führt von hier Ö. am Finnland, Bahnhof (PL 16 : H 3) vorbei
zu den grossartigen Gebäuden und Anlagen des Neuen Arsenals
(HoBuS Apcenaii; PL 15 : H3, 4), auf beiden Seiten der Strasse, die
Geschützgiesserei , Patronenfabrik u. s. w. enthaltend (S. 98). Mit
der Pferdebahn (Linie 20) fahren wir bis zu dem herrlichen Land-
sitze des Grafen Beshorodko (4aia KyracieBa-^BeaöopoÄKO, PL K 3).
Von hier eine kurze Strecke zu Fuss bis Oross-Ochta und der Ueber-
fahrtsstelle nach dem Ssmolny-Kloster (S. 167; PL K 4). Zurück
mit der Pferdebahn (Linie 3) nach der Michailowskaja-Strasse.
.*) Das 1. Hilitär-Ltfndhospital befindet sich in der !Näfae des Ssmolny-
Klosters (S. 167).
12. ümgebimgen von St. Petersburg.
a. Kronstadt.
Danypfboot yon St. Petersbars (Abfahrt Wassily - Ofitrow neben der
Nikolaibrücke) nach Kronstadt 4-5 mal täglich in I8/4 St. für 60 oder
90 Kop. ; vgl. S. 95.
Bei sehr beschränkter Zeit lassen sich Kronstadt, Oranienbaum,
Peterhof, Strelna und Ssergiew - Kloster nöthigenfalls , rechtzeitigen An-
sehluss überall vorausgesetzt, in nachstehender Reihenfolge an einem
Tage besuchen: von St. Petersburg nach Kronstadt; von Kronstadt nach
Oranienbaum ; von Oranienbaum (ohne Aufenthalt zur Besichtigung des
Schlosses) mit Iswoschtschik C/4-I St. für 1 R.) nach Station Alt-Peter-
hof; mit der Bahn von Alt-Peterhof nach Neu-Peterhof (15 Kop.); von
Neu-Peterhof nach Station Sscrgiewo (15 Kop.) ; Abfahrt von Station Sser-
giewo nach St. Petersburg 10 U. 45 Min. (55 Kop.), Ankunft in St. Peters-
burg 11 U. 50 Min. Nachts. — Minder EUigen ist die Vertheilung der
Excursion auf 3 Tage (Kronstadt - Oranienbaum und Peterhof - Strelna-
Ssergiew) zu empfehlen.
Etwa 30 W. (32 km) westlicb von der Mündung der Newa ver-
engt sich der Finnische Meerbusen bis auf 3 Meilen und bildet die
Kronstädter Bucht. Fast in der Mitte der Stelle , wo das finnische
(nördl.) und das ingermanländische (südl.) Ufer sich näher rücken,
liegt Kronstadt. Seine auf Rosten erbauten Batterieen, welche auf
dem Meere zu schwimmen scheinen, beherrschen nördl. die Wasser-
fläche bis Lissy Noss , welche , ohnehin ihrer geringen Tiefe wegen
für grosse Schiffe unpraktikabel, durch künstliche Sperrungen
es in noch höherem Grade geworden ist ; der südliche breite Arm
zwischen Kronstadt und der hügeligen Küste Ingermanlands , wo
uns aus dunklem Q-rün die Schlösser Oranienbaum und Peterhof
entgegenleuchten, hat nur ein schmales Fahrwasser •CCi'rosde Strasse,
Kleine Strasse, Oranienhaum-Spiess) ^ welches alle passirenden
Fahrzeuge unter die Kanonen der Festung , der Forts Alexander,
Peter I. und Menschikow einerseits , Forts Risbank und Kronslott
andrerseits bringt. Das Wasser zwischen Kronstadt und der Newa-
Mündung ist durchgehends seicht (Tummelplatz zahlloser Seemöven
und wilder Enten) , daher ist , um grossen Seeschiffen den Zugang
nach Petersburg zu ermöglichen, von der Gutujew-Insel an ein
Ganal von etwa 29 km Länge , mit einer durchschnittlichen Breite
von 115 m und 7 m Tiefe in einer Entfernung von 4-5 km von der
südl. Küste angelegt. Im Winter ist die Kronstädter Bucht , die
übrigens nicht Meer-, sondern süsses Newa- Wasser hat, mit festem
Eis bedeckt; über dieses bahnt man von Kronstadt drei Wege : südl.
nach Oranienbaum, Östl. nach St, Petersburg und nördl. nach
Systerbek oder Ssestroräzk mit bedeutender Gewehrfabrik, Giesserei
u. Ankerschmiede (S. 198).
Der Dampfer landet an der Nordwestspitze der Insel, am Peters-
burger Thor, mit weit ins Meer hinausgehender Landungsbrücke.
XroiiBtadt (KpoHniTaAr&) (Gasthof: British Hotel; Restaurants:
im Sommergarten in der Nähe des Mittelhafens , im Marine- und
Kaufmannsklub bei vorgängiger Einführung durch ein Mitglied ;
12»
180 Boute 12. ORANIENBAXJM. Umgebungen von
man thut am besten , auf dem ScMff etwas zu geniessen) , Stadt
mit 48,000 Einw. , liegt auf der 12km langen, 2km breiten Insel
Kotlin und ist zugleich der Hafen und das Bollwerk von St. Peters-
burg, Station der Ostseeflotte.
Die Insel Kotlin hiess früher (finnisch) Retu-Sari. Eine ihr vorge-
lagerte kleine Schäre liess Peter 1. 1703 durch Menschikow befestigen und
nannte sie Kronslott. Die ersten Festungswerke auf der bis dahin wüsten
Insel Betu-Sari datiren von 1710, von 1721 der Name kotlin (d. h. Kessel-
insel). Unter den späteren Regierungen wurde das System von Be-
festigungen ausgebaut und erweitert, unter Pauli, auch Risbank (Paul)
mit einem Fort versehen. Kaiser 17ikolaus tbat besonders viel für Kron-
stadt , doch erlebte er nicht mehr die Genugthuung , die darin lag , dass
während des Krimkrieges im Hai 1855 die vor Kronstadt erscheinende
französisch-englische Flotte unter Admiral Napier nach einigen Becog-
noseirungen auf jeden 'Angriff verzichtete.
Die nach der Feuersbrunst im J. 1875 regelmässig angelegte Stadt
macht einen sauberen, freundlichen Eindruck ; nur das Pflaster, mit
Ausnahme der wenigen Strassen, welche Eisenpflasterung haben (aus
dicht an einander in den Boden getriebenen Keilen bestehend), lässt
sehr zu wünschen. Man unterscheidet zwei Stadttheile : den Gou-
verneurs- und den Admiralitäts- Theil. In letzterem liegen die
Staatsgebäude, die Admiralität (ÄAMHpaiTeücTBo) , 1785 unter
Katharina II. gegründet, Kasernen, Laboratorien, Arsenale, Schiffs-
bauanstalten, die Marineschule, das Marinehospital, die Proviant-
ämter u. s. w. In einem Häuschen am Eingange zur Admiralität
ein Modell von Kronstadt mit Befestigungen. Im allgemeinen bietet
sonst die eigentliche Stadt, in der übrigens die vielen englischen
Schilder auffallen und in der man viel englisch sprechen hört, wenig
Sehenswerthes. Die Kirchen (zahlreiche russische, darunter die An-
drecLS- Kathedrale , von Sacharow erbaut, und die Troizky -Kirche,
zwei lutherisch-deutsche, eine katholische und eine englische) sind
keine besonders hervorragenden Bauwerke ; einen Besuch lohnt der
Sommergarten, schon von Peter I. angelegt, in dem sich ein höl-
zernes Häuschen befindet, welches Peter der Grosse bewohnte ; auch
ein Gang an den Häfen ist nicht ohne Interesse. An der Südwest-
spitze der Insel liegt der Kriegshafen {BoGiiBtji raBanb), gleich neben
ihm der Mittelhafen (CpeAHafl rasaHb), für die Ausrüstung der
Kriegsschiffe bestimmt und von dazu gehörigen Etablissements aller
Art umgeben (die Erlaubniss zur Besichtigung dieser beiden Häfen
sowie des Arsenals und der Kriegsschiffe ist schwer zu erlangen),
gegenüber in einer etwas vereinsamten Anlage, dem Petrowskigarten,
ein Standbild Peter^s von Klodt ; der Kanal Peter" s des Grossen
(KaHa43b üerpa BeiHKaro) führt von hier zu den Docks, welche 10
Schiffe\ auf einmal aufnehmen können. Am meisten nach Westen
der Käufmannshafen (KynenecKaA raBaHb) , der für 1000 Schiffe
Raum bietet. Die Promenade auf den Wällen, welche den letztern
gleich den anderen Hafen umgeben , ist die angenehmste in Kron-
stadt. Ein 1782 begonnener, aber erst unter Alezander I. vollendeter
Kanal, von Granitquadern, schönem Eisengitter und Alleen einge-
fasst und seiner ganzen Länge nach mit Waarenmagazlnen besetzt.
St. Petersburg. PETERHOF. 12, Route. 181
führt von hier ins Innere der Stadt. Ein Hafendamm (Moi'b), nach
der Seeseite zu mit schweren Geschützen armirt, führt weit in
das Meer hinaus ; von seinem äussersten Ende (auch zu Boot quer
durch den Hafen zu erreichen) hühsche^ Blick auf die 3 Häfen und
die Forts.
b. Oranienhaum.
Eisenbahn von St. Petersburg (Baltischer Bahnhof) : 99 W. für 1.50,
1.13, 0.58 B.; von Alt-Poterhof^ 8 W. für 31, 25, 13 Kop. — Wagen von Alt-
Peterhof bis Oranienbaum : V4-1 8t. für IE.— Dampf schif von Kronstadt :
1/2 St. für 20 Kop. ; nach Petersburg 55 Kop. (s. S. 95). — Tramwap vom
Bahnhof zum Landungsplatz.
Oranienbaum (OpaHieHÖayHi) (Bahnrestaur.) , Städtchen mit
4000 Einw., an devKarosta und dem Finnischen Meerbusen, in den
ein Molo des seichten Wassers wegen sehr weit hineinläuft, wurde
1711 Ton Menschikow angelegt, das Schloss 1714 erbaut. In der
Folge wurde es der Lieblingssitz der Kaiserin Elisabeth Petrowna
undPeter^s III., kam dann in den Besitz des Grossfürsten Michael,
Bruders des Kaisers Nikolaus , wurde nach dessen Tode (1849) von
seiner Wittwe Helene, Tochter des Herzogs Paul von Württemberg,
jetzt von der verw. Herzogin von Mecklenburg-Strelitz bewohnt.
Das hochgelegene Schloss ist in originellem Stil erbaut. Mit
dem weiss und gelben Mittelbau , welchen eine von einer Krone
überragte Kuppel deckt , sind zwei Pavillons durch Gallerien ver-
bunden ; von der grossen Terrasse vor der Front führt ein Kanal
zum Meere. Die Innere Einrichtung des Schlosses bietet nichts
besonders Sehenswerthes. In und nahe dem noch nicht sehr alten
Park (oberen und unteren) im holländischen Geschmack das sog.
chinesische Haus , von Elisabeth Petrowna gern bewohnt (die mit
Schmelz gestickten Tapeten sind ihre Arbeit), ein Haus Peter' s III.
und die von ihm angelegten Fortiflcationen, die Eremitage Katha-
rina's IL (4ascsiä aouhki) und der sog. Spcunierhogen mit Pavillon
auf dem Rutschberg (KaTaibHaa ropa). Besonders von letzterm
Punkte , wie übrigens an vielen Stellen des Parkes , öffnet sich ein
schöner Blick auf das Meer und Kronstadt.
Sehr anziehend ist die Wagenfahrt (s. S. 182) von Oranien-
baum nach Peterhof. Links hat man beständig den Blick aufs Meer,
rechts einen niedrigen Höhenzug mit einer ununterbrochenen Reihe
von Landhäusern. Unter den letzteren fällt besonders die Datsche
der Grossfürstin Marie, Ssergiewka (CeprieBxa), auf, sehr anmuthig
inmitten eines schönen Parks auf einer Höhe gelegen. Weiterhin
die hübsche Villa Mein Eigenthum (Moa CoöcTBeHHaa) , einst von
Kaiser Alexander II. bewohnt , die Villa des Prinzen von Olden-
bürg u. 8. w.
c. Feterhof.
Bisenbähn von St. Petersburg (Baltischer BahnhoO: 31 W. in 1 St.
15 Min. für 1 R. 19 Kop., 88 tind 46 Kop. — Dampfhoot (Abfahrt vom Eng-
lischen Quai) In I1/4 St. für 45 resp. 221/2 Kop. — Wagenfahrt von St.
Petersburg längs der Peterhofschen Küstenstrasse sehr lohnend (s. unten).
Am besten geeignet für den Aasflug ein Sonntag in den Monaten Juni und
182 Route 12. PETERHOF. Umgehungen von
Juli \ im Winter ist der Pftrk wüst. Iswoschtsehik in Stat. Alt- oder Keu-
Peterhüf auf e. 3 Stunden 1 B. 50 Kop.
Die Eisenbahn nach Peterhof (u. Oranienbaum) führt am Li-
gowsky-Kanal entlang bis zur (13 W.) Stat. Ligowo, wo 1. die Bahn
nach Krassnoje-Sselo abzweigt (s. S. 187) und wendet sich dann
westlich, parallel der einige Werst nördl. entfernten Peterhof sehen
Landstrasse (s. unten). 18 W. Stat. Ssergiewo (*Bahnrestaur. ; 2 W.
nördl. das Ssergiew-Kloster, S. 186) ; 21 W. S<rc2na (S.185);28W.
Neu-Peterhof; 31 W. Alt-Peterhof; 39 W. Oranienbaum (S. 181),
Weit lohnender als die Bahn ist die Fahrt zu Wagen auf der
Peterho f sehen Küstenstrasse, der belebtesten Strasse des
Petersburger Weichbildes (neben der nach Zarskoje-Sselo , S. 188).
Sie verlässt die Stadt durch das Narwa'sche Thor (S. 165) und führt
auf weiter Strecke zwischen Häusern und Datschen hin. 7 W. von
St. Petersburg 1. die Irrenanstalt, ein grosses von Gärten und Park
umgebenes Gebäude, unter dem Namen „das Haus auf der siebenten
Werst" in ganz Petersburg bekannt (Platz für 400 Kranke; Erlaub -
niss zur Besichtigung ertheilt der Director). Bei (9 W.) Ligowo,
wo 1. die Bahn nach Krassnoje-Sselo abzweigt, über die Ligowka ;
1. die Datschen yon Iwanowka, 15 W. Ssergiew-Kloster (S. 186);
18 W. Strelna, am 1. Ufer der Strelka (r. am Meere das gleichn.
Schloss, S. 185). L. treten die Uferhöhen näher an das Meer heran ;
zu beiden Seiten der Strasse eine Reihe von Villen , Palästen und
Parks: Korkuli, *Michailowka (Residenz des Grossfürsten Michael),
Schuwdlowa, Snamenskaja (Residenz des Grossf. Nikolaus) etc. —
26 W. Peterhof,
Das Dampf boot fährt vom Englischen Quai unterhalb der Ni-
kolaibrücke (S. 112) ab, die grosse Newa hinab ; 1. die neueAdmira*
lUät (S. 112) und die Baird'sche Fabrik (S. 164) , r. auf Wassily-
Ostrow die Bergakademie (S. 173) etc. An der Newamündung 1.
die bewaldete Kanonier- und die Qutttjew - Insel mit den neuen
Hafenanlagen (S. 179) ; dann erscheinen am südl. Ufer des finni-
schen Meerbusens nach einander das Ssergiew-Kloster (S. 186),
Strelna (S. 185), Michailowsky-Schloss, die Kreis'sche Ferme, Sna-
menskaja-Schloss ; weiterhin Cottage, Schloss Alexandria, Renella,
Monplaisir, der Kriegshafen, der Hafenkanal, Simson-Fontäne, das
grosse Schloss mit seinen glänzenden Kuppeln. Der Dampfer hält
am Kaufmanns-Hafen (KynenecKafl raBaHb) bei demselben 1. ein
Vauxhall mit Gastzimmern (PI. Y: B 1), nahebei Restaurant BeUevue
(nicht billig). Vorbei an der alten Steinschleiferei (PpaHiUbHaH
«aöpHKa), unter Peter I. angelegt (Büste Katharina's IL), nach
dem sog. Untern Park (HHJKHiü caAi»). In diesem zunächst 1.
mitten im Wasser Marly, ein zweistöckiges Häuschen, von Peter I.
zeitweilig bewohnt, in welchem des Kaisers Schlafzimmer mit seinem
Bett und Schlafrock gezeigt wird. Am Marly-Teich entlang gehend
gewahren wir r. die Menagerie -Fontänen, hinter denen die Marly-
Cascade (PI. M: C 1) über 20 vergoldete Stufen herabrauscht. Nach
st Petersburg. PETEBHOF. 12. Route. 183
Norden zu 1. am Strande liegt die von Peter dem Grossen erbaute
Sremitage, wo der Kaiser häufig speiste (in den Wänden des Speise-
saals 113 Gemälde von niederländischen Meistern; der Tisch ist
zum Versenken eingerichtet).
Von der Marly- Cascade einen der 1. hinaufführenden Wege
«inschlagend an der Eva- Fontäne vorüber gelangen wir zu dem
^grossen Sckloss'^.
Das kais.LnstflohlosB Peterhof (Eoibmoft üeTepro^cKifi ^Bopem),
126 W, von St. Petersburg, bei der auf einer Anhöhe liegenden Stadt
<7S75 £inw.) und der deutschen Colonle gleichen Namens , wurde
nach den Plänen Leblond^s 1720 von Peter dem Grossen erbaut,
später von Katharina II. erweitert, hat aber seinen ursprünglichen
Charakter, den der Nachahmung von Versailles, behalten* Ausser-
ordentlich viel hat Kaiser Nikolaus für Peterhof gethan. Das drei-
stöckige Hauptgebäude steht durch Gallerien mit den Pavillons in
Verbindung ; die Farbe, gelb und weiss, harmonirt mit dem Eisen-
blech des Daches und der reichen Vergoldung der Kuppeln. Die
c. 12 m hohe ^Scklossterrasse wird von der natürlichen Senkung des
Festlands zur Kronstädter Bucht hinab gebildet; besonders wenn
die Wasserkunst in Thätigkeit ist (im Sommer tägl. 7-9 V2 U. Nm.),
bietet sie einen prächtigen Anblick : eine mächtige, rauschende Cas-
cade fällt über sechs breite , rothe Stufen in ein weites Bassin, in
dessen Mitte die sog. ^Simson - Fontäne (CaucoHi. «oHTaHx) steht :
ein aus vergoldetem Erze gefertigter Simson (von Rostowsky) , dem
Löwen den Kinnbacken aufreissend, aus dessen Rachen ein reicher;
armdicker Wasserstrahl c. 25 m hoch emporsteigt. Etwa 50 zum Theil
vergoldete Statuen, Vasen etc. stehen zu beiden Seiten auf den Ab-
sätzen der herabführenden Treppen , die reichsten Blumenbeete in
Teppichmanier fällen die Zwischenräume aus. Der c. 1000 Schritt
breite Raum bis zum Strande ist durch Parkanlagen ausgefüllt, die
neben der Terrasse laufenden Wege sind mit hohen Tannen be-
wachsen. Im Hintergrunde erblickt man das Meer, in der Ferne die
Unnländische Küste.
Das Indbbb (die Erlauhniss zur Besichtigung ertheilt der Intendant
bei Abwesenheit der kaiserliehen Familie; dem führenden Diener ein
Trinkg.) enthält im 1. Stock die Paradezimmer. Man betritt zunächst das
Portraitzimmer mit 368 Portraits von jungen Mädchen und Frauen aus
allen Theilen Busslands, während einer Beise Katharina^s II. vom Grafen
C. Botari gemalt. Von hier r. in das trsU chinetisehe Zimmer, Wände u.
Möbel in schwarzem chines. Lack mit Ooldverzierungen. Im Bmpfangs-
mmI vier Portraits von jungen Damen, die zur Zeit Katharinas im ad-
ligen Institut den ersten Preis erhielten, von Lewitzky. Im Diwanzimmer
swei Portraits der Kaiserin Elisabeth Petrowna. Toileitenzimmer der Kaiserin
ÄlexandraFeodoro¥fna mit schönem Sehrank inSchildpatt mit vei^old.Bronze,
ital. Arbeit des xvi. Jahrh. Cabinet mit Portrait der Kaiserin Elisabeth
Petrowna. von Botari. Standartenzimmer in gelber Seide. Empfangszimmer
in rother Seide. Portr. Peters des Grossen von G. Bothmann (aus Lübeck).
Speitetaal mit Namenszug der Kaiserin Elisabeth Petrowna. Es folgen
die elf Gemächer der Königin Olga von Württemberg^ in modernem Geschmack
glänzend eingerichtet. Kronenzimmer^ wo zur Zeit Pauls I. die Krone des
Malteserordens aufbewahrt war (jetzt in der Moskauer Orusheinaja Palata
184 Soutel2. PETERHOF. Umgebungen von
S. 281). CtOHnet Peters des Grossen in geschnitztem Eichenholz. Portrait
Peters d. Qr. in Mosaik, von Junewitsch (1855). Fortr. Kaiser Nikolaus* I.,
nach Krüger von Bothmann. Parade der Gardeeavallerie unter Kikolaus,
mit vielen Portraits, von den beiden Sauerwaid. — Zum Portraitzimmer
zurückgekehrt, betreten wir 1. das zweite chines. Zimmer, wie das erste (s.
oben) decorirt. Emp/angtsaal, in weissem Stuck mit 5 schönen Lustres
in Bergkrystall. In einer Bcke das Modell einer Gruppe von Oustralow
(1864), Peter d. 6r. auf dem Ladogasee Fischern das Leben rettend (26. Mai
1690). Saal der Palastdamen, weiss mit reicher Vergoldung. Saal Peters
des Or,ossen. Gobelin nach Steuben, Peter d. Gr. auf dem Ladogasee (s. oben).
Peter d. Gr. und die Kaiserinnen Katharina I., Anna u. Elisabeth, vier
Portraits in ganzer Figur von Buchholtz. 12 kl. ovale Portraits von Prin-
zessinnen u, a., L Hälfte d. xviii. Jahr. Dem Gobelin gegenüber 4 Scenen
aus der Seeschlacht von Tschesme (1770) von Frieh. Oardensaal. Xoch
12 Scenen aus der Sehlacht von Tschesme, davon 2 von Frich, 10 von dem
bekannten Maler /. Ph. Hackert 1772 in Rom gemalt. (Graf Orlow, der
Sieger von Tschesme, welcher damals mit einem Theil seiner Flotte vor
Livorno lag, \ie&B, um dem Maler eine Anschauung zu gewähren, vor
dem Hafen eine seiner Fregatten in die Luft sprengen.) Es folgt der
Kau/mannssaal y der grösste von allen, im Bococostil; endlich ein Vor-
zimmer mit 2 Bildern von Tanneur. — Im Erdgeschoss die sog. Preus-
tischen Zimmer, so benannt weil sie von preuss. Prinzen zeitweise bewohnt
waren, mit Bildern von Laueret, Bobert, Kügelgen u. a.
An der 1. Ecke des Palastes der Pavillon de$ Orossfürsten Michael
Pawlowitsch mit Bildern von Tanneur (1860) ; an der r. Ecke die
Kirche mit 5 vergoldeten Kuppeln, 1751 von Rastrelli erbaut, mit
den goldnen Schlüsseln von Taschkend u. Eokand (1865 u. 66 von
den Russen erobert). Unter dem Schloss eine schöne Muschelgrotte,
von Elisabeth 1760 angelegt, 1860 erneut und mit Bronzeflguren ge-
schmückt. Um das Schloss erheben sich Häuser, welche vom Hof-
personal bewohnt werden ; dabei die kleine Winterkirche (von 1832).
Unterhalb des Schlosses r. die Triton- Fontäne und die Orangerie;
nördl. von dieser am Ende einer breiten Allee die Adam-Fontäne,
R. von letzterer am Strande Monplaisir, ein von Peter I. im hollän-
dischen Qeschmack erbautes und mit zahlreichen Qemälden ge-
schmücktes Landhaus ; in der in holländischer Art mit Zinngeräth
u. chines. Tellern ausgestatteten Küche pflegte Elisabeth Petrowna
zuweilen eigenhändig das Mahl für ihre Gäste zu bereiten. Der r.
Flügel von Monplaisir ist zu Bädern eingerichtet; im 1. Flügel die
einst von Katharina I. bewohnten Gemächer , mit ihrem Bett und
andern Erinnerungen ^ werthvoUem alten Porzellan etc. Von der
Terrasse malerische Aussicht auf das Meer. Oestllch grenzt an den
Untern Park Alexandria, worin dieFermei ursprünglich Oekonomie-
gebäude, 1826 zur kals. Villa umgestaltet und von dem verst. Kaiser
Alexander II. mit Vorliebe bewohnt. Das einfach eingerichtete
Innere enthält zahlreiche Gemälde (v. H. Vemet, P. Hess, Bellang^,
Ch. Müller, Steuben , Alwasowsky u. a.). Dar hübsche Garten ist
mit Statuetten , Büsten , Vasen etc. geschmückt. In der Nähe das
kais. Lustschloss Alezandria^ ursprünglich für die Kaiserin Alexan-
dra Feodorowna im goth. Stil erbaut, jetzt von Kaiser Alexander III.
bei seiner Anwesenheit in Peterhof bewohnt, mit vielen Bildern mo-
derner russischer u. ausländ. Maler. Im obern Stock die einfachen
Gemächer des Kaisers Nikolaus I. — Unweit Alexandria einige kleine
st, Petersburg. STKELNA. 12, Route. 185
Villen, von den Grossfürsten vor ihrer Yerheiratlinng bewohnt, die
hübsche kleine Kirche des h, Alexander Newsky, von Schinkel 1832
im goth. Stil erbaut, das Lnsthaus ReneUa, im Tudorstil (von Sta-
wasser), u. a. — Die kais. Stallungen bilden einen ansehnlichen Ge^
bäudecomplex im Tudorstil. Bemerkenswerth die Reitbahn mit
schöner Eichenholzdeeke.
Südlich der Petersburger Chau8s<$e bis zur Station Neu-Peterhof
(S. 182) erstreckt sich der Alexandrinen^Park, in welchem mitten
im Birkengehölz das Schweizerhalts liegt.
Auf der Südseite des grossen Schlosses befindet sich der Berg^
Oarten (BepxHift ca^i), in dessen Mitte sich die Neptun »Fontäne
erhebt , während man jenseit der Petersburger Strasse den Reioh-
thum an Wasser benutzt hat, um grosse mit Inseln versehene Seen
zu bilden , welche von Baumgruppen und hübschen Datschen um-
geben sind. Auf der Olga- und Kaiserin -Jnsel zierliche Pavillons
im italienischen Stil.
Westl. vom Schloss liegt zwischen Alt-Peterhof und der Bahn-
station der Englische Oarten (AHriiäcxiä caAi) mit dem Palais-
Anglais (von Guarenghi), der Fasanerie und grossen Teichen.
In dem südlich der Eisenbahn sich bis in die Duderhof sehen
Berge weithin erstreckenden Parke liegen ebenfalls zwischen Seen,
Wiesen und Wald zerstreut verschiedene Landhäuser in den mannig-
faltigsten Stilarten, aber meist nur aus Holz erbaut, und mit man-
cherlei Kunstschätzen angefüllt. Das interessanteste ist das von
Kaiser Nikolaus für seine Gemahlin erbaute Gartenschloss Babygon
(EadiSroHi) oder Belv€dere , auf einem weite Aussicht bietenden
Hügel in kahler, theilweise sumpfiger Umgebung gelegen. Das
Schloss selbst, von geringem Umfang, ist 1853 von Stakenschneider
im klassischen Stil erbaut. Auf einem Fundament aus behauenen
Granitquadern erheben sich zwei Stockwerke , jedes umgeben von
einer Säulenhalle , unten korinthischer , oben dorischer Ordnung ;
die Säulen sind Monolithe aus schwarzem Granit, die Kapitale aus
weissem Marmor ; die Karyatiden des Porticus von Terebeivjew ge-
arbeitet. Etwas seitwärts der prächtigen , mit Marmorstatuen ge-
schmückten Freitreppe die beiden Pferdebändiger des Baron Klodt,
in der Mitte der Treppe, vor dem Porticus , eine Bronzegruppe von
Kiss, Skythe von einem Panther überfallen, ein Geschenk Friedrich
Wilhelm's IV. an Kaiser Nikolaus. Am Fusse des Babygon die
Mühle des Zaren und Nikolskoje,
d. Strelna und Ssergiew-Klotter.
Eisenbahn von St. Petersburg (Baltischer Bahnhof) bis Stat. Ssergiewo,
18 W. für 69,60, 29 Kop., s. S. 183. An der Station Droschken nach dem
2W. entfernten Kloster. — Damp/schiJJ^ Won St. Petersburg (Englischer
Quai) nach Strelna 1 mal tägl., 40 resp. 35 Eop. — Bei reichlicher Zeit die
Fahrt zu Wagen auf der Peterhofschen Strasse zu empfehlen (s. oben).
Strelna (CrptiLna), 18 W. von St. Petersburg, Lustschloss des
Grossfürsten Konstantin Nikolajewitsch , auf dominirender Höhe
186 Boute 72. SSERGIEW-KLOSTER. Umgehimgen von
an den Ufern des Meeres und der Strelka gelegen, Hess Peter 1. 1711
durch den Arcbitekten Leblond bauen und schenkte es 1722 seiner
Tochter Elisabeth. Zweimal wurde dann das Schloss yon Feuer
heimgesucht; 1804 erhielt es durch den Architekten Busko seine
jetzige Gestalt (Im gothlschen StU) , war Lieblingssitz des Gross-
fürsten Konstantin , Bruders des Kaisers Nikolaus , und kam nach
dessen Tode an seinen jetzigen Besitzer , der hier eine Gatallerle-
Kaserne und ein Mllitarhospltal bauen Hess. Das wohlgebaute
Dorf Strelna hat c. 350 Einw. Sehens werth sind die reizenden
Parkanlagen im holländischen StU mit ihren Inseln, Kanälen,
Badehaus u. s. w. ; In dem einfachen Innern des Schlosses der sog.
Kriegssaal, in welchem 1806 die Uebungen der aus Leibeigenen der
kaiserlichen Familie gebildeten Miliz , die den Stamm zum Finn-
ländischen Schützen-Bataillon abgab , stattfanden ; in der Nähe des
Palastes die von Peter I. erbaute kleine hölzerne Kirche.
Von Strelna führt in südwestlicher Biehtung eine gute Strasse nach
<18 W.) Bopsoha (Pomna). Das gleichn. Schloss^ in welchem Peter III. 1762
«tarb , von Peter I. im holländischen Geschmack erbaut , kam später an
den Fürsten Orlow, dann in andere Hände. Bedeutend versehönert, wurde
es von Kaiser Paul zurückgekauft und gelangte schliesslich in den Besitz
der Kaiserin Alexandra, Gemahlin des Kaisers Vikolaus. Ropscha mit
seinem Park, seinen Seen, seinem Belvedere gehört jetzt su den schönsten
Punkten in d«r Umgebung der Hauptstadt. — IntereMant sind auch die
▼ollständig finnischen Dorfer in der Umgegend. — Bopscha ist 10 W. yon
KrcuMOje-Sulo (s. unten) entfernt, von wo aus man die Bahn nach St.
Petersburg (25 W. für 75 iresp. 60 Kop.) benutzen kann.
Das Stergiew-Xloiter (CeprieBCKaji DycTUU ; wegen der Besich-
tigung, am besten Sonntags oder Sonnabend Nachmittags, wende man
«ich an den Archimandriten ; für das Kloster selbst genügt ^1^ St.)
steht auf der Stelle eines Landhauses, das die Kaiserin Anna 1781
ihrem Beichtvater, dem Archimandriten Warlaam Im Oonvente des
h. Sergius zu St. Petersburg, schenkte. Es ist ein grosses Viereck,
auf drei Seiten mit Alleen und Teichen, auf der vierten mit Wällen
umgeben. Im Innern Hof stehen die 4 Hauptkirchen ^ die KathC'
drale der h, Dreifaltigkeit, 1702-58 erbaut, hat acht Altare, auf
deren einem das wunderthätige Bild des h. Sergius. Berühmter Kir-
chengesang. In den Kirchen und auf dem sauber gehaltenen Kirch"
hofe ruhen viele hervorragende Persönlichkeiten. Bas mit dem
Kloster verbundene InvalidenhatM für 30 Invaliden ist eine Stif*
tung der Familie Zubow.
e. Krassnoje-Sselo und Gatsehlxia.
Eisenbcihn (Zweigbahn der Peterhofer Linie, bei Gatschina an die
Baltische und die Warschauer Bahn sich anschliessend), Abfahrt vom
Baltischen Bahnhof. Kach Krassnoje-Sselo (95 W.) 8 Züge täglich in e. 1 St.
für 94, 75, 40 Kop.; nach aatsehina (44 W.) 3 Züge in e. 3 St. für 1.65,
1.24, 0.63 R.
Der Ausflug nach Krassnoje-Sselo , wo in den Monaten Juni bis Au-
gust die gesammten Gardetruppen im Lager eoncentrirt sind und Ende
August vom Kaiser inspicirt werden, Ist überwiegend für Militärs von
Interesse. Fremdländische Offitiere in Un\form (Zuschauer in Civil spie-
len hier eine untergeordnete Rolle) finden zuvorkommendste Auftiahme
im Lager, wenn von den betreffenden Militärbevollmächtigten empfohlen.
St. Petersburg. KRASSNOJE-SSELO. 12. Boute, 187
13 W. Stat. Ligowo UiiroBO ; nach Peterhofs. S, 182). Die Fahrt
geht über das ebene und einförmige Manöverterrain.
25 W. Xrassnoje - Stelo (KpacHoe Ceio ; Bahnrestanr.) , an der
Dudergowka und den Duderhof sehen Seen anmuthig gelegenes
stadtähnliches Dorf mit vielen Villen , welches sich um die in der
Mitte gelegene, von Katharina II. erbaute Kirche der h, Drei-
faltigkeit gruppirt.
Im S.W. des Dorfes erhebt sich der Duderhof $che Berg*), inmitten
des Hanoverterrains. Kachdem wir den Yerbindungsk&nal der beiden
Duderhofsehen Seen übersehritten haben, erreichen wir die am Fuss
des Berges und am See gelegene kaiserliche Meierei (^pva). Ein höchst
angenehmer, schattiger und hübsche Aussichten gewährender Weg führt
hinauf auf den Berg, dessen Gipfel das sog. Schiost Qffiopevh) im Stil
eines Schweizerhäuschens, gleich der Meierei und den ganzen Anlagen
eine Schöpfung der Kaiserin Alexandra Feodorowna (1828). Von den
um das Schloss herumlaufenden Gallerien weite Aussicht. — Am nord-
lichen Fusse des Berges beginnt das ausgedehnte Zeltlager^ zu dem man
am schnellsten auf dem Wege gelangt, der dicht beim Bahnhof über die
Oeleise führt.
44 W. GatBohina (FariHHa ; *H6tel ^ Restaurant Werjowkin),
Stadt mit 9000 Einw., zu beiden Seiten des von der Ishora (Hsopa)
gebildeten Weissen Sees(Btioe Oaepo) anmuthig gelegen. Die freund-
liche Stadt , mit meist im Villenstil gebauten Häusern und baum-
bepflanzten Strasse , Ist Privateigenthum der kaiserlichen Familie
(s. unten) und hat ein kais. Lustschloss, 2 Kirchen und ein Findel-
haus mit Erziehungsanstalt für c. 600 Waisen.
Zur schwedischen Zeit war Oatschina ein Ueierhof , den Peter d. Gr.
nach der Eroberung Ingermanlands nebst den umliegenden Dörfern seiner
Schwester Katalie zum Geschenk machte } nach deren Tode 1732 fiel er an
die Krone zurück. Katharina IL schenkte Gatschina dem Fürsten Gregor
Orlow, kaufte es nach seinem Tode zurück und gab es nebst Pawlowsk
und einigen Dörfern ihrem Sohne, dem Grossfürsten Paul; es wurde der
Lieblinj^aufenthalt Paul's, der es, Kaiser geworden, 1799 zur Stadt erhob
und 1800, kurz vor seinem Tode, seiner Gemahlin, der Kaiserin Maria
Feodorowna, die zugehörigen Dörfer ihren Kindern schenkte.
Das Schlois von Gatschina, von Rinaldi 1770 für den Fürsten
Gregor Orlow erbaut , liegt im W. der Stadt und des Sees , nahe
den Quellen der ihres Forellenreichthums wegen berühmten Ishora,
am Fusse der Marienburger Höhen, umgeben von prachtvollen Park-
anlagen. Das Schloss , ein dreistockiges Gebäude in einfach edlem
Stil , ist durch Colonnaden mit einstöckigen Flügelbauten verbun-
den , die einen grossen viereckigen Hof umschliessen. Das Innere,
welches gegen 600 Zimmer, 3 Thronsäle, ein Theater, eine Reit-
bahn etc. enthält , ist einfach eingerichtet , enthält aber zahlreiche
werthvoUe Gemälde und Sculpturen. Vor dem Schloss ein Stand-
bild des Kaisers Paul. — Der Park erstreckt sich bis an den See,
in dessen klares und durchsichtiges Wasser mehrere Bäche sich er-
giessen und in welchem mehrere durch Brücken mit einander ver-
*) Mit dem Gesammtnamen der Duderhofsehen Berge (Dudergowskija
Gori) belegt man auch wohl das ganze mit Birken und Tannen bestan-
dene hügelige Gelände, auf dem Krassnoje-Sselo, Zarskoje-Sselo, Paw-
lowsk u. s. w. liegen.
188 Boute 12. PÜLKOWA. Umgehungen von
bundene Inseln liegen. — Seit Gatschina neben Peterbof die Lieb-
lings-Residenz des jetzigen Kaisers Alexander III. ist, sind Schloss
nnd Park durcbans unzugänglich.
f. Tieheima. Polkowa.
Den Ausflug nach Pulkowa (20 W.) macht man am besten zu Wacen,
besonders wenn man unterwegs Tschesma besichtigen will. Andernfalls
benutzt man die Bahn bis Zarskoje -Sselo (S. 189) und nimmt dort einen
Iswoschtschik nach Pulkowa.
"Wir verlassen St. Petersburg durch den Moskauer Triumph-
bogen (S.164) und befinden uns auf der schnurgeraden Zarskoje-
Sselo^schen Strasse , die ebenso trefflich gehalten ist wie die Peter-
hof sehe (S. 182), doch stehen die sie begrenzenden Gärten und
Villen denen der letztern an Schönheit und Mannigfaltigkeit er-
heblich nach.
7 W. Ticheima (HecMa) , yon Katharina II. zur Erinnerung an
den über die Türken bei Tschesme am 5. und 6. Juli 1770 erfoch-
tenen Sieg nach den Plänen des Architekten Veiten als Lustschloss
erbaut , das Schloss wie die auf dem Platze davor gelegene Kirche
im gothischen Stil. Nach Katharina's Tode vernachlässigt , wurde
das Gebäude 1830 durch Kaiser Nikolaus zum Invalidenhospital
bestimmt und durch eine zweite Kirche und einige Nebenbauten
erweitert.
Die Strasse durchschneidet weiterhin einige deiU$che Colonien
mit sauberen Häuschen und zierliehen Gärten und erreicht bald
den Pulkowa- Berg ^ den höchsten der Gegend.
15 W. Pulkowa (IlyiKOBa), Dorf von 700 Einw. Nahe dem
Dorfe auf einer Anhöhe, welche einen herrlichen Blick auf die
Hauptstadt gewährt, die kaiserliche NikolaiStemtvarte (OöcepBa-
Topia ; S. 99) , 1838 mit einem Kostenaufwand von fast 2 Mill. R.
erbaut, nachdem bis dahin der Thurm der Akademie (S. 170) als
Observatorium gedient hatte. Von Pulkowa aus wird auf elek-
trischem Wege in der Peter-Pauls-Festung ein Kanonenschuss ab-
gefeuert, welcher der Hauptstadt den Eintritt der Mittagszeit ver-
kündigt. Die vorzüglich eingerichtete Sternwarte, die unter der
Direction des berühmten Astronomen Otto Wüh, v. Struve steht
und eine jährliche Subvention von 40,000 B. bezieht, hat sich
durch die von ihr publicirten Arbeiten weltbekannt gemacht.
Den Bückweg kann man dlrect nach St. Petersburg oder über
Zarskoje-Sselo (s. unten) nehmen.
g. Zarikoje-Saelo. Pawlowsk.
Eiienhdhn bis Zarskoje-Sselo (20 W.) in l/a ^t. für 1 B., 70 oder
45Kop.; bis Pawlowsk (2ö W.) in 40 Min. für 1.^, 85, 50 Kop. 11 Züge
täglich. — Zarskoje-Sselo ist mit St. Petersburg durch eine eigene, später
bis Pawlowsk fortgesetzte Bahn, die erste des russischen Reiches (eroflhet
1888), verbunden, ausserdem Station der Warschauer Bahn. Vom Stations-
gebäude der letzteren gelangt man direet in den Park; vom Bahnhof der
ersteren muss man, um zum Schlosse su kommen, die ganze Stadt durch-
wandern. Die kais. Schlösser in Zarskoje-Sselo sind nur in Abwesenheit
St. Petersburg, ZARSKOJE -SSELO. 1^, Route, 189
der kaiserlichen Familie KUgängliehH Eintrittpakarten werden in der Inten-
dantur neben dem Sehloss ausgegeben ; dagegen ist der Besuch des Parks
jederzeit gestattet.
Die Bahn durchschneidet erst Gärten, passirt dann ein paar von
Deutschen bewohnte Dörfer, weiterhin flache reizlose Haidestrecken,
im Hintergrunde begrenzt von einem Höhenrücken , auf dem Zar-
skoje-Sselo liegt. Bald nachdem man die vergoldeten Thürme und
Kuppeln der Schlosskirche aus den Bäumen auftauchen sieht , ist
die Station erreicht.
20 W. Zankoje-Sielo (UapcKoe Ceio; leidl. Hotel, M. 1 R.),
Stadt mit 15,000 Einw. , Lieblingsresidenz des kaiserlichen Hofes,
mit zwei Schlossern, 8 Kirchen, mehreren Kasernen, Hospitalern,
Wohlthätigkeitsanstalten u. s. w. Der Ort macht mit seinen breiten
geraden Strassen und seinen hübschen, meist hölzernen einstöckigen
Häusern einen freundlichen, sauberen Eindruck.
Schon Peter I. besass hier auf dem Gute «Saort ein Haus und eine
Orangerie nebst einem Thiergarten. Das allmählich sich anschliessende
Dorf, Zarskoje genannt, erhielt 1716 die erste hölzerne Kirche und zugleich
den l^amen Zarskoje - Seelo (Kaiserdorf). Unter Katharina I. und Elisa-
beth erweitert und verschönert, wurde es Residenz; seine Vollendung und
den grössten Theil seiner jetzigen Pracht verdankt es Katharina II.
Der Park (Iswoschtschiks werden nicht zugelassen I ) von Zars-
koje-Sselo theilt sich in den sog. groMtn oder alten Qarten mit dem
kaiserlichen Sehloss und in den kleinen, neuen oder Alexander*
Oarten mit dem Alezander - Palast u. s. w. Wir beginnen die Be-
sichtigung mit dem*Alexander-Sehl08S(AjeKcaHApoBCKi8 ^Bopem),
von Katharina für ihren Enkel Alezander I. erbaut, durch geschmack-
volle Einfachheit ausgezeichnet. Die Einrichtung der massig grossen
Zimmer macht einen gemüthUchen anheimelnden Eindruck. Viele
schöne Gemälde von AitocMOtr«XBy und BriUow schmücken die Wände.
Unter den für die Qrossfürsten bestimmten Zimmern befindet sich
ein Turnsaal, In der nicht unbedeutenden Bibliothek unter Glas
viele Modelle aller Gattungen russischer Reiterei, bei denen in einer
Grösse von c. Vs m die Ausrüstung von Mann und Pferd mit mi-
nutiöser Genauigkeit nachgebildet ist, sowie aller im russischen
und in fremdländ. Heeren eingeführten Geschütze und Fahrzeuge.
Der Alezandergarten erhält ausser dem ehemaligen Arsenal,
einem rothen Backsteinbau im englisch-goth. Stil mit 4 Thürmen,
dessen Sammlungen sich Jetzt im Winterpalais (S. 130) befinden,
und der Meierei die Eremitage, ein hellgrünes Gebäude mit weissen
Säulen und reicher Vergoldung, von origineller altfränkischer Bau-
art. Es hat nur ein Stockwerk, dessen Hauptsaal in 4 erkerartige
Zimmer ausläuft, und war einst Lieblingsaufenthalt Elisabeth's und
Katharina's.
Von hier wenden wir uns zu der vorzüglich eingerichteten
Meierei (^»epica) , 1820 erbaut. Daneben ein sehr geschmackvoll
eingerichtetes Wohnhaus für Glieder der kaiserlichen Familie, mit
Aussichtsthurm. In dem grösseren Zimmer dieses Hauses einige
Gemälde von Potter, Du Jardin, Berchem, Does, meist Viehstücke.
190 Boutt J2. ZARSKOJE - SSELO. Umgebungen von
Die oberen Oemächer sind zeltartig ausgemalt und eingerichtet und
gestatten einen Blick auf das Dorf Kusmino (KysbiiHHO). In dem
Alexandergarten steht ferner das sehr geräumige , im chinesischen
Qeschmack erbaute Theater,
Nun zum grossen kais. Schlosse (Crapufi ABopem) im «grossen
Garten'', einem Prachtbau Katharina's II., Lieblingsaufenthalt Or-
low's. Nach Vollendung des Baues soU Katharina den französischen
Gesandten eingeladen haben, denselben mit ihr zu durchwandern.
Genau betrachtete dieser jedes einzelne Wunderwerk und blieb dann,
wieder herausgetreten, plötzlich vor dem Palaste stehen und sah
sich forschend nach allen Seiten um. Auf die Frage der Monarchin,
„was er suche", antwortete der gewandte Hofmann : „Kaiserliche
Majestät, ich suche nur nach der Glasglocke, dies kostbare Kleinod
zu bedecken". Treten wir durch den Eingang von der Petersburger
Seite, zwei von Moostuffsteinen in der Form von Ruinen aufge-
führte Portale, deren eins ein chinesisches Wachthaus hat, auf den
Schlossplatz, so haben wir zur Rechten den Park, zur Linken ein c/ii-
nesischesDorfiS. 191), durch welches der Weg über eine chinesische
Brücke in den sog. Thiergarten führt; vor uns die Strasse nach der
kleinen benachbarten Stadt Ssofla (S. 192), welche durch ein kolos-
sales eisernes Thor geht. Der Schlossplatz selbst bildet ein grosses
Halbrund von Gebäuden und wird durch zwei eiserne Gitter an
jeder Seite geschlossen. Das umfangreiche ScJUoss im Rococostil ist
245m lang und hat nach der Gartenseite zwei grosse Flügel, von
welchen einer nebst der nahen Schlosskirche 1860 durch Brand stark
beschädigt wurde. Die Grundfarbe des Schlosses ist weiss und gelb,
während die überreichen Stuckarbeiten dunkelgrün bemalt sind,
ursprünglich waren die sämmtlichen Statuen, Vasen, Piedestale und
Kapitale der Säulen , sowie das Dach mit Blattgold vergoldet (mit
einem Kostenaufwand von angeblich über 3 Millionen Ducaten), doch
ist die Vergoldung längst der Witterung zum Opfer gefallen ; jetzt
sind nur die Kuppeln der Schlosskirche noch vergoldet. Das Innere
des Palastes, die Schlosskirche , die Säle und zahllosen Gemächer
zeigen bei aller blendenden Pracht doch viel Geschmack.
Die SefUoukireh« ist in Oold und Farben (Lapislaznli) reich deeorirt;
gegenüber dem Ikonostas die Gallerie der kais. Familie. Von den prunk-
voll eingerichteten Räumen des Schlosses sind die prachtvollsten die von
der Kaiserin Katharina selbst einst bewohnten Zimmer. Besonders ge-
schmackvoll ist das ScMa/gemaeh der Kaiserin ^ in weissem Porzellan
mit dunkelblauen gläsernen Säulen ; der Parquetboden ist mit Perlmutter
eingelegt. Ein anderes von Katharina bewohntes Gemach ist ganz mit
Agat belegt. Endlos ist dann die Perspective der vielen Paradesäle,
die ein Blick durch die geöffheten Doppelthüren zeigt. Einer der merk*
würdigsten BÄume ist das Berruteinzimmer ^ früher im Berliner Schloss,
ganz mit Bernstein getäfelt, auf Tischen und an den Wänden schöne Bern-
steinarbeiten — Geschenke Friedrich Wilhelm*s I. an Peter den Grossen
und Friedrich *8 des Grossen an Katharina; der tiU^eme Shtal schimmert
von Silber, der BalUaal (43m lang, 16m breit) in Spiegelglas und Gold;
im Laptslazuli-Saal sind die Wände mit Lasurstein belegt ; der Fussboden
besteht aus Ebenholz mit grossen Perlmutterblumen ; der cMneeisehe ScmI^
ist im chinesischen Geschmack (schwarz mit Gold) deeorirt. Ein Saal
st Peterahurg. ZARSKOJE - SSELO. 12, Boute, 191
ist ganz mit Bildern aus der niederländischen Schale behängt ; an sonstigen
Gemälden hervorzuheben: Willewalde, *ünterwerfung Sehamyrs, Tod
Raffaers ; die Krönung Alexander^s II. in Moskau, Gonfirmation der beiden
Grossfürsten ; in fast allen Zimmern Seestücke von Aiwasowsky u. Brülow ;
von letzterm besonders bemerkenswerth die Ck)pie der *Decke der Isaaks-
Kathedrale. — Von den Praehtsälen gelangen wir in die prunklosen, aber
gesehmackvoU eingerichteten frühern Wohngemächer der Kaiterin Maria
Feodorowna, des Kaisers Alexander I. und der Kaiserin Elisabeth^ den Turn-
saal der jungen Grossfürsten (mit Rutschbahn) u. s. w. — Eine der grössten
Merkwürdigkeiten des Schlosses ist die mit ihm an einem Flügel in Ver-
bindung stehende, wegen ihres leichten Baues berühmte * Marmor gallerie
(8Q m lang), deren bedeckte Halle bei schlechtem Wetter als Wandelbahn
dient. Von dem Architekten Gameron ausgeführt, gewährt sie mit ihren
zahlreichen Bronzebüsten berühmter Männer des Alterthums in einiger
Entfernung den Anblick einer schönen Theaterdecoration ; von oben präch-
tige Ausssicht auf die Anlagen des Parks. Eine mit geschmackvollen Gitter-
pforten verschlossene Steintreppe führt von dieser Gallerie in den Park
hinunter; an den untersten Stufen zwei kolossale Bronzefiguren. Auch
das vordere Treppenhaus y welches in das zweite Stockwerk führt, von
weissem Marmor mit hübschen Verzierungen, ist sehenswerth.
Nach Besichtigung des Schlosses nehmen wir einen Wagen und
lassen uns zu den bemerkenswerthesten Punkten des *Parfc6« führen.
Derselbe ist im englischen Stil angelegt, musterhaft gehalten und
birgt eine Unzahl von Glorietten, Triumphbogen, Statuen, ge-
schmackvollen Brücken über die von Schwänen belebten Teiche,
von Grotten, Ruinen u. s. w.
Dem Schlosse zunächst die sog. chinesische Brücke ^ deren Geländer
eine Nachahmung der Eorallenpflanze bildet; vier Chinesen von Stein
mit Sonnenschirmen sitzen auf demselben; nicht weit davon eine ge-
wölbte Hängebrücke y ein Kreuz vorstellend, auf deren Mittelpunkt eine
mit Glasfenstern geschlossene, geschmackvolle chinesische Oforiette. In
einiger Entfernung zwei elegante und prächtig eingerichtete Ottrten-
pavillonSy der eine nur aus einem grossen Saal bestehend, das sog.
Kaffeehaus^ der andere früher als Concertraum dienend. In einem andern
Theile des Parkes das sog. ^chinesische Borf^ eine Reihe vom kaiserlichen
Gefolge bewohnter Häuser, alle im chinesischen Geschmack gebaut.
Zwei künstliche Ruinen befinden sich Im Park ; von der einen , die einen
alten Thurm nachahmt, hat man auf der einen Seite eine weite Aussicht
auf den grossen Manöverplatz; von der andern Seite erblickt man die
vergoldeten Kuppeln der Schlosskirche, sowie die Dächer des chinesischen
Dorfes. In einer Halle der andern Ruine steht der herrliche, marmorne
^Christus von Dannecker und eine ägyptische Badewanne von Granit.
ITicht fern davon die weitläufigen * Orangerien und Treibhäuser. — • Eine
der schönsten Partieen ist der grosse */Sf«e, eigentlich aus zwei, durch
einen Kanal verbundenen Theilen bestehend ; über den Kanal führt eine
mit Säulen geschmückte Brücke von blauem sibirischen Marmor; an
seinen waldigen Ufern steht die auf Granit ruhende, 3dm hohe gelbe
Marmorsäule , die , mit dem russischen Doppeladler gekrönt und mit
Schiffsschnäbeln von vergoldeter Bronze geschmückt, dem siegreichen
Fürsten Orlow - Tschesmensky (S. 184) gesetzt wurde. Ein marmorner
Obelisk erinnert an den Sieg beim Kagul und an den Sieger Rumjanzow-
Sadunaisky; eine QraniPpyramide in ägyptischer Form, im Gebüsch ver-
steckt, dient als Denkmal auf der Begräbnissstätte der drei Lieblings-
hunde Katharina^s. — In einem nahe dem See gelegenen Gebäude sind
verschiedene Kähne und Modelle von Fahrzeugen aller Völker, die dem
Grossfürsten Konstantin zum Studium dienten, aufbewahrt, darunter das
reich vergoldete Boot Katharina'' s und das Modell einer Popowka, jener
vom Admiral Popow erfundenen runden Panzer-Kriegsschiffe. In dem
Obern Stock des Hauses ein grosser Saal mit Ansichten aus England.
Von hier *^«MtcA< auf den See, links nach der Orlow- Säule und der
192 Route IS. PAWLOWSK. Umgebungen von
freundlichen Insel des Sees, auf der die kaiserliche Familie häufig früh-
stückt; reehts im Hintergrunde die Marmorgallerie (s. oben). In der
Nähe des Sees, in einem schattigen Wäldehen, erblickt man auf grossem
Granitblocke die berühmte *Broru!e/igur Hmb Mädchen» (Najade) mit zer-
brochenem Wasserkruge, woraus eine Quelle hervorströmt. Prachtvoll
sind fast sämmtliche Thore^ die in den Park führen. Vor allem der
grosse Triumphbogen von Marmor, durch Katharina II. dem Andenken
des Fürsten Gregor Orlow gewidmet, der sieh während der Pest in
Hoskau grosse Verdienste erwarb; einige andere Thore von Gusscisen
sind durch ihre kunstvolle Arbeit gleichfalls ausgezeichnet. Besondere
Erwähnung verdient der "^Triumphbogen^ den Kaiser Alexander der rus-
sischen Armee errichten liess; er trägt die Aufschrift: ^Meinen lieben
Waffenbrüdern." Durch das sog. Thor von Babalowa fährt man durch
hübsche Anlagen nach dem eine Viertelstunde vom Parke gelegenen Schlöss-
chen gleichen Namens , mit kolossaler Veue von rothem polirten Granit.
In der Nähe von Zarskoje - Sselo und Pawlowsk liegen viele
deutsche Colonien; die namhafteste darunter ist die Schwaben-
colonie Friedenthal (<^pHAeHTaji»cKaji KojoHifl) , 1820 von Kaiser
Alexander angelegt. Die Bewohner dieser betriebsamen Colonie,
Rheinländer, Badenseru. s. w., sind ausschliesslich Bandfabrikant«n.
Es lohnt , sich in den Fabriken , wo auch Baumwollenzeuge , far-
bige Servietten , Tücher u. s. w. gefertigt werden , herumfahren zu
lassen. — Südlich von Zarskoje- Sselo und dessen Park das Städt-
chen (eigentlich nur ein neuer Stadttheil) Ssofia (Co*U) mit einer
Anzahl Villen im' griechischen und türkischen Stil , ein beliebter
Sommeraufenthalt reicher und vornehmer Petersburger.
Am Ende des Parks, jenseit des Triumphbogens Alexander's I.,
bei der Kaserne eines Garde-Cavallerie-Regimentes , beginnt die
schnurgerade breite Allee, welche an hübschen Landhäusern vorbei
nach dem 5 W. entfernten Pawlowsk führt. Kurz vor Pawlowsk 1.
die schonen eisernen Qitterpforten des grossfürstlichen Parks , in
welchem die Restauration (s. unten).
25 W. Pawlowsk (üaBiOBCKi), Stadt mit 3000 Einw. , darunter
nicht wenig Deutsche, ehemals ein Dorf, welches Katharina II. 1775
ihrem Sohne Paul bez. seiner Gemahlin Feodorowna schenkte, jetzt
Privateigenthum der kaiserlichen Familie, besteht aus zwei Theilen,
die durch das Flüsschen Sslawjanka (CiaBHESa) getrennt sind. Die
hübschen hölzernen Häuser, von Gärten und Bäumen umgeben,
dienen grösstentheils den Petersburgern zum Sommeraufenthalt.
Pawlowsk hat eine griechische und eine protestantische Kirche,
Kasernen, Reitschule, Bürger- und Militärhospital , Erziehungs-
anstalt, Invalidenhäuser etc.
Von der Stadtkirche führt in südöstlicher Richtung der Weg
über eine stattliche Granitbrücke nach dem ScJUoase. Von der
Brücke hübsche Aussicht nach beiden Seiten. Zur Rechten bildet
die Slawjanka einen See , bedeckt mit Gondeln , die gegen Trink-
geld jedem zu Gebote stehen. Die freundlichen Ufer des Sees, die
waldigen Anhöhen , die vielen Datschen , der im Hintergrunde des
Sees hervorragende Thurm von Pawlowsks kleiner Festung, die
jenseits zwischen Bäumen sich erhebende Kuppel des Schlosses
St. Petersburg. PAWLOWSK. 12. Baute. 193
und endlich die verschiedenartigen hier und da zerstreuten Tempel
und Gartenhäuser gewähren einen malerischen Anblick. — Die
schönste *Aussicht bietet die auf der höchsten Anhöhe gelegene
Critterlauhe , von der 70 mit Statuen geschmückte Stufen bis zum
See hinunterführen. Nicht weit davon ein Obelisk, zur Erinnerung
an die Erbauung Pawlowsks (1777) errichtet.
Das dreistöckige SohloM, Eigenthum des Grossfürsten Kon-
stantin, wurde 1777-80 von Pauli, erbaut; seine jetzige Gestalt
erhielt es nach dem Brande von 1803. Die Fagade, mit einem
Porticus von 16 ionischen Säulen und mächtiger Kuppel, bildet zu
beiden Seiten halbrunde Golonnaden. An der Rückseite des Schlosses
an einem Basenplatz eine concav geformte Gallerie mit architecton.
Perspectiven eines reichgegliederten Prachtbaues, von Gonzaga
täuschend gemalt und mit antiken Marmorstatuen geschmückt.
Bei einer Besielitigung des Innern -des Schlosses werden wir
zuerst in die Bibliothek geführt. Sie enthält e. 30,000 Bände in hohen,
eleganten Schränken (zwischen denselben Marmorstatuen der neun Husen) \
ierner eine Münxtammlung ^ worunter Münzen aus der Zeit der alten
bosporanisehen Könige, bei Olbia in der Krim gefunden, Cameen von
Hastyx und Elfenbein, von der Kaiserin Maria gearbeitet; ein Mosaik-
bild Pawlowsks von Meckler; die Hoehzeitskleidung Alezander* s I. In
einer Nebenhalle der Bibliothek einige Gegenstände aus Canton in China :
Alterthümer aus Hereulanum und Pompeji. Im Vorzimmer der Bibliothek
die Statue einer der sieben Töchter des Lykomedes; vor derselben ein
mit Blumen bemaltes Tischchen, das Peter I. aus Holland mitbrachte;
daneben das Herbarium der Kaiserin Maria. Von der Bibliothek in
den unteren Stock des Schlosses, in die Gemächer der Kaiserin Maria
Feodoroicnaj deren Lieblingsaufenthalt Pawlowsk war. Grossfürst Michael
Hess in ihnen alles so, wie Maria es ordnete. Das Gabinet der Kaiserin
enthält einige schöne Gemälde von Krüger; in dem anstossenden Schlaf-
zimmer hängt über dem Bette das Bild Paul's I.; ein Service von blauem
Porzellan, Geschenk Ludwig^s XVI.; Gemälde von Albani und van Weiden;-
Teppich, von der Kaiserin eigenhändig gestickt. Das anstossende Zimmer
bildet ein Rondel mit dem Arbeitstisch der Kaiserin und Aussicht auf
schattige Laubgänge, den einstigen Privatgarten Maria Feodorownas. In dem
folgenden weissen Marmortaat schöne Mosaikbilder (Jesus in der Krippe
und das Innere einer Kirche), Geschenke des Papstes an den Kaiser
Nikolaus, ferner einige Porzellanvasen. Wir betreten dann die Gemächer
PauVs /., in dessen Cabinet Familienbilder, ein von Pius VII. an Faul
geschenktes Mosaik, ferner Malereien und Mosaikstücke,Arbeiten Maria^s etc.
Im Billardztmmer grosse Oelgemälde und eine Kreidezeichnung der Gross-
fürstin Anna, Prinzessin von Oranien. — In den Oemäclurn der Orou-
fürstin Helene (t 1873), Gemahlin des Grossfürsten Michael, schöne Oel-
gemälde (Nachtstück von Rubens) ; im Gabinet Stickereien und Krystall vasen.
Von dem Schlafgemach tritt man auf eine mit Blumen dekorirte Gallerie.
In den Gemächern det Gros^ürzten Michael (f 1849), Bruders des Kaisers
Nikolaus, einige Phantasiestücke vonBobert; kostbare Glasseheiben (Stück
2000 B.). In dem kleinen Tanzsaal gestickte Möbel, ein Geschenk Lud-
wig^s XVI.; in den folgenden Zimmern ein Porzellan -Service, Geschenk
Ludwig's XVI., mit seinem und Marie Antoinette's Porträt auf den Tassen.
— Wir treten dann in die GemäldegalleHe ^ die zwar einige ihrer besten
Sachen an die Eremitage hat abgeben müssen, aber immer noch werthvolle
Stücke enthält. Mit dem BallztMli von ungeheurem Umfange, und der Kapelle
mit einigen guten Gemälden schliessen wir unsem Umgang im Schlosse.
Auf der andern Seite des Parks, von dem grossen Schlosse
ziemlich weit ab, liegt das kleine Konitantin'sohe Palais (Koh-
CTaHTHHOBCKiS ABopem), am Rande eines von Anlagen umgebenen
Bussland. 2. Aufl. 13
194 Baute 12, PAWLOWSK» Vmgthungtn v<m
Sees. In den anspruchslosen inneren Gemächern einige schone
Gemälde russischer Künstler (Russische Hochzeit, eine Karten-
legerin) , Landschaften von Yanloo , Ansichten von St. Petersburg
und der Newa. — Nicht weit davon das ehem. Palais Alexander'« I.,
ein langes, einstöckiges Gehäude von einfachem Aeussern, aher
eleganter innerer Einrichtung.
Von dem grossen Platz vor dem Hauptschlosse führen Alleen
zu dem am Anfange des Parkes gelegenen , kleinen Theater, Nahe
dabei ist eine Restauration. Der Park von Pawlowsk übertrifft den
von Zarskoje -Sselo. Er enthält eine überraschende Fülle von
malerischen Landschaften, freundlichen Thälern, waldigen An-
höhen, Aussichten auf Seen, rauschende Wasserfälle u. s. w. ; neben
schönen, statuengeschmückten, griechischen Tempeln und pracht-
vollen Monumenten stehen anmuthige Schweizerhäuschen, moos-
bedeckte Eremitagen, geschäftige Mühlen --' das alles umgeben
von herrlichen Bäumen der mannigfachsten Arten, durchzogen von
den reizendsten duftenden Blumenparterres, — eine der bedeu-
tendsten Leistungen der Landschaftsgärtnerei auf unholdem Boden.
Im hinteren Theile des Parks (30 Min. vom Bahnhof) das neue
magnetisch-meteorologische Observatorium, eins der besteingerich-
teten der Erde. Besichtigung Sa. 4-6 Nm.
Angesichts der Kenge interessanter Einzelheiten beschränken wir uns
auf die Hervorhebung des Bedeutendsten. — Ein originelles Bauwerk ist
der viereckige Pavillon Elitaheih (E<Hca6eTHH'& naBKiBOKb), Säulen und
Wandpfeiler des Peristyls von röthlichem Marmor, das Ganze auf beiden
Seiten mit Glasthüren geschlossen. Innen ein mit Eleganz eingerichteter
Saal; vom flachen Dach des Hauptgebäudes, auf welches eine breite
Treppe führt, hübsche Aussicht auf einen Wasserfall, das in einiger Ent-
fernung gelegene Dorf Glasowo (rjiaaoBo), auf die waldigen Anhöhen
und die untenliegende Schäferei. — Bei dem Konstantin*schen Palais
(S. 193) der allerliebste PaWiton des Roges^ früher von Rosengärten umgeben.
Die Wände des Saals sind mit Guirlanden künstlicher Rosen geziert, die
Säulen, Kronleuchter u. s. w. mit Guirlanden umwunden. Zur Zeit Maria
Feodorowna's fanden hier Th^s dansants, am 27. Juni 1814 ein grosses
Fest zu Ehren der Rückkehr Alexander's I. statt. ^ In der l^ähe dieses
Pavillons das Carrousel, die Schaukel, der Rutschberg für die jungen
Grossfürsten. — In der Richtung nach Zarskoje - Sselo hin die Fermty
auch Marienthal genannt, eine Stiftung der Kaiserin Maria, erst nach
ihrem Tode vollendet. Das Gebäude ist im gothischen Geschmack er-
baut und stilgemäss möblirt. In dem geräumigen Rondel schöne Porzellan-
service; kunstreich geschliffene Gläser gewähren einen überraschenden
Blick auf die umliegende Landschaft. Die eigentliche Meierei ist ein
in ländlichem Stile gebautes Häuschen, von dem Hauptgebäude durch
ein Gitter getrennt. Deutsche Colonisten haben die Aufsieht über die
Ferme. — Interessant die sog. Familienintel (GcKeÜHaa poma), ein kleines,
von Wasser umgebenes Wäldchen > dessen Bäume von Ifitgliedern der
kaiserlichen Familie gepflanzt wurden (Jahreszahl und Ifame befinden
sich an denselben); die Labyrinthe^ Rondele mit vielen Bronzefiguren,
von denen 6-8 verschiedene, ganz gleiche Alleen ausgehen. Unter den
Monumenten ist hervorzuheben dasjenige, welches Maria Feodorowna dem
Kaiser Paul I. 1809 setzen liess: ein Mausoleum, dessen Fa^ade vier
Grauitsäulen und ein schönes, schwarzes Gitter zieren; im Hintergrunde
in weissem Marmor die Büste PauFs, darunter die Statue Maria s von
Guarenghi, die trauernden kaiserlichen Kinder und Genien (von Martos).
lieber dem Eingange die Inschrift: „Die Gattin dem Wohlthäter.« ~
iS*. Petersburg, PAWLOWSK. 12, Route, 195
Bin andres Monument in der ITähe in einem kleinen Gehölze liefis Haria
ihren Eltern getzen: eine betende Gestalt an dem Altar eines Tempels,
auf dem zwei TJrnen mit den Bildnissen der Dahingeschiedenen. In
der I7ähe des Platzes, wo während der Anwesenheit der kaiserlichen
Familie die Flagge aufgesteckt wird, ein Monument zu Ehren der Gross-
fürstin Helene mit der Jahreszahl 1801. In einem dunklen Wäldchen
ein Honument mit der Inschrift: „Meiner Schwester Friederike "^ in
einem anderen Theile des Parkes das der in früher Jugend dahin ge-
schiedenen Grossftirstin Alexandra Pawlowna gesetzte Denkmal. In der
Nähe des Schlosses, auf der linken Seite der grossen Strasse, ein Tempel
mit den *drei Grazien (naBHjrbOHi xpext fpai^ifi) von Trescorni (40,000 R.).
In einer offenen Halle des Schlosses einige Statuen, gleichfalls Yon einem
italienischen Künstler, die vier Jahreszeiten darstellend^ eine Statue des
Kaisers Paul, deren Piedestal die Inschrift trägt: „Dem Kaiser Paul I.,
dem Gründer von Pawlowsk, 18T2." — Ausserdem zieren noch unzählige
Statuen, Büsten, ägyptische Vasen und sonstige Alterthümer den Garten.
Die zu dem grossfürstlichen Park gehörigen Treibhämer stehen mit der
Grossartigkeit und Pracht des Ganzen im Einklang.
Pawlowsk besitzt auch eine kleine Festung in der Nähe des
grossen Schlosses , mitThürmen, Bastionen und Geschützen, auf
drei Seiten von Wasser umgeben. Sie steht an Stelle einer von
Peter dem Grossen zerstörten schwedischen Schanze und präsentirt
sich besonders gut vom jenseitigen Stadttheil.
Wir begeben uns nun in das naheliegende , hochelegante Taw-
lowsk'sche Bestaurant, Vauzhall, den Sammelpunkt des bessern
Petersburger Mittelstandes. Im Sommer Concerte berühmter Ka-
pellen mit freiem Eintritt.
h. SoUüiielbargund der Ladoga-See.
Dan^/booiyon St.Petersburg (Abfahrt am Sommergarten) nach Sehlüssel-
burg V. 17.(29.) Mai -1.(18.) Aug. 5 mal, 1.(13.) Aug. -2.(14.) Sept. 4 mal.
2.(14.) Sept. -16.(28.) Sept. 8 mal tägl. In 41/2 St. für 75u. öOKop., zurück
in Si/a St. Der Aufenthalt der Dampfer (2-5 St.) genügt zur flüchtigen Be-
sichtigung von Schlüsselburg; dort eine Restauration aufzusuchen, ist
nicht rathsam , da die Gasthäuser unsauber sind ; gute Verpflegung ist
an Bord zu finden. — IT^ach dem Litdoga-See gehen wöchentlich dreimal
(gewöhnlich Mo. Do. Fr.) von St. Petersburg Dampfer (Abfahrt vom Ssmolny-
Kloster). Die Dampfer Mo. und Do. legen auch in Kexholm und Krono-
borg (S.f211) an. Fahrpreis : nach Sordavala 3-8 B. Die Tour bis Sorda-
vala und zurück erfordert 5-6 Tage ; in derselben Zeit kann, wer Finn-
land zu sehen wünscht, von Wiborg aus Walamo und Sordavala bei-
suchen (Post bis Kexholm, S. 210).
Die Fahrt nach Schlüsselburg, die Newa hinauf, ist nicht ohne
Interesse. Fabrikanlagen , Ansiedlungen , Landhäujser und Wald-
partieen wechseln beständig , dazu herrscht lebhafter Verkehr auf
dem Wasser.
9 W. Alexandrowsk (AaeKcaHApoBCKi) , Dorf am linken Ufer
der Newa, mit grosser Lokomotivenfabrik.
10 W. Am r. Ufer die "kaiserliche Porzellanfdbrik (^ap«opo6UÜ
aaBOA'B ; S. 99), ein sehenswerthes Etablissement, dessen Leistungen
den Yergleich mit ähnlichen Instituten des Auslandes nicht zu
scheuen brauchen.
12 W. Am 1. Ufer die AlexandrowskaJa'Manufaetur^ ehemals
mechanische Flachsspinnerei, jetzt hauptsächlich £isengiesserei und
Mas chlnenbauanstalt.
13*
196 Boute 12, SCHLÜSSELBÜRG. Umgehungen von
15 W. Am r. Ufer die deutsche Colonie Neu-Ssaratow (Hobo-
caparoBCKafl KojiOHifl). — Die Ufer Ti^erden Tvaldig und hoch, die
Breite des Flusses geringer ; nur hier und da treten Dörfer , urie
hhora (Hsopa), Kortschmino (KopiMHHo), Iwanowakoje (UBaHOBC-
Koe), und hübsche Sommervillen an sie heran. Ton letzteren haben
die meisten, seit sich der Hof nach Zarskoje -Sselo und Peterhof
gezogen, yiel von ihrem ehemaligen Glänze verloren. So erblicken
wir zu unserer Rechten , an der Mündung der Tosna , 27 W. von
St. Petersburg, die ruinenhaften Ueberreste des ehemaligen kaiser-
lichen Lustschlosses Pella, Gleich dahinter das Uebungslager der
Sappeure (GanepcKiS larepi). Endlich erreichen wir Schlüsselhurg,
welches sich, vom Dampfer ausgesehen, sehr gut präsentirt: zur
Rechten am Ufer die kleine, eigentliche Stadt, auf einer von der
Newa gebildeten Insel die kleine Festung mit ihren in der Sonne
glänzenden hohen weissen Mauern.
54 W. Schlüsselburg (liljHcceiböyprx), Festung und Kreisstadt
(7900 Einw.), am Ausfluss der Newa aus dem Ladoga-See, in 18 m
Meereshöhe, treibt bedeutenden Handel und Schifffahrt auf dem
Ladoga-See, der Newa und dem Ladoga-Kanal, dessen letzte sehens-
werthe Schleusen (s. unten) am Ö. Ende der Stadt liegen. Alle
Schiffe, welche von dem Kaspischen Meer resp. der Wolga über Neu-
Ladoga (HosaH Ja^ora) am Aussfluss des Wolchow in den Ladoga-
See nach St. Petersburg oder zurück gehen , müssen Schlüsselburg
passiren, dessen Bedeutung und Einwohnerzahl sich seit Anlage
des genannten Kanals sehr gehoben hat.
Die l^ewa und der Ladoga - See bildeten achon den Wasserweg der
Waräger und später der Hanseaten nach dem Wolchow und Nowgorod.
Die Gründung der Stadt SchlüsseWurg schreibt man den Nowgorodern (S. 249)
zu. 1323 legten sie im Kriege mit den Schweden (Wiborgern), zu dem sie
mit Georg Danllowitsch, seit 1319 Grossfürst von Moskau, ausgezogen, eine
Befestigung auf der Schlüsselburg gegenüberliegenden Insel Orechoto an,
wodurch sie die ganze Newa und das Land zu beiden Seiten dieses Stro-
mes beherrschten. Im Sept. 1323 kam hier der berühmte Friede von
Orechowetz zu Stande. (Orechowetz ist das Diminutiv von opex-b,
orech, Nuss, die Schweden übersetzten es daher wörtlich in ihre Sprache
mit Miehurg^ d. i. Nussburg.) 1318 eroberte und brandschatzte Magnus
Erichsson^ König von Schweden, Orechowetz, wurde jedoch in der Schlacht
an den Ufern der Ishora, südwestlieh von Schlüsselburg, von den Now-
?orodern und Pskowern geschlagen und Orechowetz wurde am 24. Febr.
350 von den Nowgorodern zurückerobert. Die Festung blieb aber in
der Folge ein Zankapfel zwischen Schweden und Eussen. Am 11. October
1702 musste sie sich nach 13stündiger Bestürmung an Peter I. ergeben,
noch ehe der schwedische General Gronhiort zum Entsatz herankam.
Die Eroberung der Feste NÖieburg war von der grössten Wichtigkeit für
die Bussen, da ihr Besitz Peter's Eroberungen am Finnischen Meerbusen
deckte. Peter verstärkte die Festung bedeutend, gab ihr den bedeutsamen
Namen Schlüsselburg und errichtete hier eine Schiffswerft. Schon unter
Peter und später mehrfach diente Schlüsselhurg als Staatsgefängniss.
Nachdem wir in der Stadt die Kirche der Altgläubigen in der
Preobrashenskaja-Strasse, sowie die Schleusen des Ladoga-KanaU
besichtigt, unternehmen wir einen *Spaziergang auf den Molen,
von wo man einen hübschen Blick auf die Festung und den Ladoga-
See (s. unten) hat. Die Ueberfahrt nach der Festung findet nur alle
st Petersburg. LADOGA-SEE. 12. Route, 197
Stunden in den zu diesem Zweck an den Molen liegenden Booten
unentgeltlich statt ; andere Fahrzeuge sind nicht zu erlangen.
Die Festung (KpftnocTB) selbst, jetzt wieder zum Staatsge-
fängniss bestimmt , bietet im Innern nichts Besonderes. Von den
hohen Mauern hat man ebenfalls eine prachtvolle Aussicht auf den
Ladoga- See.
Der Ladoga -SAe (JEaxoaccKoe Osepo, ehemals flnniscli ifetoo) ist der
frösste Binnensee Europa^s, 329 Qu.-Meilen gross, 28 Meilen lang und bis
1 Meilen breit, im Mittel ^38 m tief, hat aber gleiehwobl viele Klippen
und Sandbänke, welche im Verein mit den häufigen Stürmen die SchifiT-
fahrt gefährlich machen. Diese Gefahren zu umgehen, wurde längs seines
Süd -Bandes von Sehlüsselburg zur Wolchow - Mündung schon von Peter
dem Grossen 1718 der Bau des Ladoga -Kanals begonnen und derselbe
1734 vollendet; 1766-1801 wurde in seiner Verlängerung der Sjässische
Kanal gegraben, als seine Fortsetzung bis zum Swir 1802 der 7 Meilen lange
Swir-Kanal von Alexander I. begonnen. Der Ladoga-Kanal hat 32 Schleusen ;
die Schiffe wurden bei Neu-Ladoga auf die Höhe des Kanals, bei Schlüssel-
burg durch die Schleusen auf das Niveau der Newa gebracht. Durch
Dampfmaschinen und Wasserleitungen kann dem Kanal in 24 Stunden
bei herrschender Dürre Wasser zugeführt werden. Seitdem in neuester
Zeit des starken Verkehrs wegen ein zweiter parallellaufender Kanal
näher dem Seeufer angelegt ist, benutzen die nach dem Wolchow gehenden
Schiffe den altern, die dorther kommenden den neuen Kanal. Die Ufer
des Ladoga-Sees sind im Norden und Westen hoch und felsig, theils be-
waldet, theils kahl; Längs des Nord-Bandes finden sich zahllose zwischen
steilen, schroffen TJferfelsen eindringende Buchten und sind die Ufer mit
Ungeheuren Geschieben bedeckt.
1. Pargolowo. Fontinstitut. Tokssowo.
Die nördliche Umgebung St. Petersburgs ist erst in letzter Zeit für
den Sommeraufenthalt beliebt geworden. Viele von den Partieen nach
dieser Bichtung , wie Lanskoi, Kuschele wka, Forstinstitut sind mit Om-
nibus oder Pferdebahn (S. 94) zu machen; die meisten, wie Pargolowo,
Schuwalowa liegen an der Finnländüchen Eiset^ahn (Wyborger oder Fin-
nischer Bahnhof, S. 91). Die Vergnügungsfahrten der Petersburger er-
strecken sich mit letzterer von Lanskoi bis Bjelo-Ostrow, diese gleich
weit von Alexandrowsk und Systerbek oder Ssestrorjäzk (S. 198) ent-
fernt. Nach und von allen Stationen gehen täglich mehrere Züge. Fahr-
preise von St. Petersburg nach Lanskoi 25, 20, 15 Kop., Udjelnoi 35, 25,
15, Schuwalowa 45, 30, 20, Pargolowo 60, 40, 25, Lewaschewa 70, 50, 30,
Kop. Bjelo-Ostrow 1.15, 0.75, 0.50 B.
5 W. Lanskoi ( JancKafl), Besitzung der Gräfin Lanskoi , rechts
der grossen Strasse gelegen , mit schönem Park. Weiter die stetig
ansteigende Strasse hinauf liegt die Kumberg'sche Besitzung, mit
vielen Villen, hübschen Parkanlagen, Teichen, Spiel- und Turn-
plätzen — ein von den Umwohnern sehr besuchter Ort.
8 W. Udjelnoi (YAluiiHafl). Rechts und links der Station, westl.
der grossen Strasse nach Pargolowa, befanden sich ehemals die
Felder der Ackerbauschule, neuerdings zu Baustellen parzellirt.
Durch Garten und Park von Udjelnaja erreichen wir das anmuthig
gelegene Dorf und Gut Kolomjagi (KoiOHflrH). — 10 W. Oserki,
mit grossem starkbesuchten Yergnügungslocal (Concerte, Theater
u. s. w.), im Winter häufig Ziel von Schlittenfahrten.
11 W. Schuwalowa (UlysajOBa) , Gut der gräflichen Familie
198 Route li, PARGOLOWO.
Schuiralow mit schönem Park, Sommersitz vieler Petersburger
Familien, die sich an den hochgelegenen Stellen am Ufer des
grossen und kleinen Ssusdal^achen Sees angebaut haben; in der
Nähe auch eine deutsche Colonie, von russischen und finnischen
Dörfern umgeben , sowie die Poklonnaja Gora oder Petersburg-
Höhe , mit weiter Aussicht.
15 W. Pargolowo (naproiOBo), mehrere Dörfer , die sich von
der Colonie Ssusdalskaja nördl. an der grossen Strasse nach Wi*
borg entlang ziehen; viele Sommersitze und Tillen Petersburger
Familien um den ÖsÜ. der Strasse gelegenen See herum. Von den
umliegenden Höhen schöne •Aussicht auf St. Petersburg.
18 W. Lewasohewa (JleBafflOBo), Östl. an der grossen Strasse und
einem See, die Besitzung des Grafen Lewaschew mit prächtigem
Schloss und Park.
30 W. Bjelo-Ostrow.
VOB hier kann man die kaiserliche Gewehrfabrik in (6 W.) SjfiUrhek
oder SaeatrorAxk (CecTpopsj«a'&, S. 202) besudien, wenn man es nicht
vorsieht, dorthin eine besondere Spazierfahrt längs der Küste des Finni-
schen Meerbusens über Lcuhta (JlaxTa) zu machen (26 W.). Ifach Lachta
kann man auch mit dem Dampfer (20 Kop.) gelangen.
Um das Forstinstitut zu erreichen , nehmen wir an der Alexan-
der-Brücke einen Iswoschtschik oder benutzen von hier die Pferde-
bahn (Linie 11).
6 W. Das *Forftiaftitat (jltCHofi Kopnyci) , mit Akademie und
Baumschule, ist einer der besuchtesten Yergnügungsorte in der
Umgegend St. Petersburgs. Zahlreiche Villen, schöner grosser Park,
Min eral Wasseranstalt , Sommertheater u. s. w.
Vom Forstinatitut fuhrt eine alte Strasse nach der Poklonnaja Ghora
und weiter nach Pargolowo (s. oben). An dieser Strasse viele hübsche
Landsitze, u. a. die *StolV»che Betüzung mit prächtigen Anlagen (Zutritt
gestattet).
12 W. Murine, hübsches Dorf an der Ochta, ebenfalls ein im
Sommer sehr besuchter Yergnügungsort.
26 W. *Toktsowo, zwischen Seen gelegenes Dorf, dessen Um-
gegend die romantische kleine St. Petershurger Schweiz bildet.
199
IV. DAS GROSSPÜESTENTHUM FINNUND.
Boute Seite
13. Von St. Petersburg nach Wiborg 202
14. Von Wiborg über Willmanstrand nach dem Imatra,
Walamo, Sordavala . . . 206
1. St. Miehel 206. —3. Salma-See 206. — 3. Konewes 210.
— 4. Die Finnische Schweiz 211.
15. Von Willmanstrand nach Nyslott, Kuopio, Idensalmi 212
1. Punkaharju. Joensuu 212. — 2. Kajana 214.
16. Von Wiborg nach Fredrikshamn (Lovisa, Borgä und
Insel Hogland) 214
17. Von Wiborg nach (Borgi) Helsingfors (und Sveaborg) 216
1. Der Kymmene 217. — 2. Heinola. Jyväskylä 217. —
8. Umgebungen you Helsingfors 223. — Von Helsing-
fors nach HangÖ 224.
18. Von Helsingfors nach Tavastehus und Abo. . . . 225
Ausflüge von Abo 230
A. SehlosB Kunstö; Tyköt Mathildedal: Kiriäkkala:
Balo m 231.
B. Von Abo nach Kystadt über N&dendal. Der Bott-
nische Meerbusen 231.
C. Die Alandsinseln 233.
19. Von Tavastehus über Tammerfors nach Nikolaistad-
Wasa und Uleiborg 234
1. Näsijärvi. Pyhajärvi. Kyröskoski 23Ö. — 2. Ky-
Karleby. Jacobstad. Brahestad 237. — 3. Tornei 238.
EiMBbahaea von St. Petersburg nach Wiborg 120 W. in 4 St. für
12, 8.40. 6 M. (4.50, 3.20, 1.90 R.(; nach HeUingfors 413 W. in 13Vs St. für
41.30. 28.95, 20.65 M. (12.40. 8.30, 6.20 R.); nditlxHangö 497 W. in 23 St.
für 49.70, 34.80, 24.85 M. (14.95. 10, 6.25 E.) ; nach Äbo 535 W. in c. 24 St. für
^.50, 37.45, 26.75 M. (19, 13.60, 8.10 E.); nach Tammtrfort 454 W. in c.
14 St. für 45.10, 31.80, 22.70 M. (13.60, 9.30, 5.60 E.)^ nach Wata^Nikolai-
stad 740 W. in c. 30 St. für 74.40, 51.80, 37 M.; nach üleAborg 982 W. in
43St. für II. Cl. 68.79, III. Cl. 49.1ÖM. — Eetourbillets mit 200/oPreifl-
ermässigung und 2-4tägiger Gültigkeit von Petersburg und den Haupt-
Stationen nach bestimmten näheren Orten. — Combinirbare Eund-
reisebillets (vom 26. Mai-31. August) auf sämmtlichen Bahnen für I. und
II. Cl. (auch für Dampfschiffe gültig) bei mindestens 900 W. *, 25 kg Frei-
gepäck ; sonst ähnliche Bestimmungen wie auf deutschen Bahnen. — Frei-
gepäck 25 kg; Gepäckträger lOPenniä für jedes Stück. — Droschken vor
den Stationen: Tagfahrt gewöhnlich 50 P., s. die einzelnen Stationen.
Post. Za Touren abseits der Eisenbahn- und Dampfsehiffrouten ist
man auf die Benutzung der finnischen Post angewiesen, 8i^uU (spr. Sehuss)
genannt, welche den ähnlichen Einrichtungen in Schweden und ]M'orwegen
entspricht. Man zahlt für jedes der kleinen finnischen Pferde auf dem
Lande 16 Penniä, von der Stadt aus 20 P. pro Werst ; ausserdem für den
sehr unbequemen Karren pro nordische Heile oder 10 W. 4P. In den
Städten kann man bessere Wagen miethen. — Die finnischen Privat-Post-
stationen haben meist wenig Comfort, doch sind Thee, Brot, Butter und
Fiseh .zu amtlich festgesetzten Preisen überall stu haben. Jeder Beisende
200 FINNLAND. VerkehrmiiUd.
muss sieh in das Dagbuk (finn. päivakirja) einsehreiben, in welehem sich
zugleich der Tarif findet.
Ein einfacher Brief kostet in Finnland 20 Pen., ins Ausland 25 Pen.,
Postkarte 10 Pen., Postanweisung bis zu 100 M. (nur im Inland) dO Pen. —
Ein Telegramm bis zu 10 Worten in Pinnland 1 H. 20 Pen., jedes weitere
Wort 10 Pen. \ nach dem übrigen Russland entsprechend den 3 Zonen
(S. XXII) 10 Worte 1 H. 20, 2 M. 40, 4 H. 80 Pen. ^ ins Ausland (mit 5 Worten
Zuschlag als Grundtaxe): 1 Wort nach Deutschland und Schweden 28 Pen.,
nach Oesterreich- Ungarn 32 , nach Dänemark 40, nach Frankreich 44>
nach England 64 Pen.
Dampfiohiffe: Ton 8t. Petersburg nach BeMngfors 1 mal wöchentl.
über Wiborg, Fredrikshamn, Kotka, Lovisa, Borei oder über Reval für
22 resp. 18 M. ; nach Äbo (und weiter nach Stockholm) über Helsingfors
und Hangö 3—4 mal wöchentl. für 34 resp. 28 M. ; nach üle^Uforg über
Helsingfors, Abo, Xystadt, Wasa u. s.w. 4-8 mal monatl. für 66 resp.
53 M. nach Torne& über Abo und Wasa 2 mal monatlich. — Sämmtliche
Dampfer gehen von Wassily-Ostrow, 14 Linie u. ff. ab ^ ebenda das Aus-
kunftsbureau. — Von Lübeck nach HeUingfors (circa 3 Tage) über Hangö
und Beval jeden Sonnabend I. Gl. 60, II. Gl. 45 H. ; von MieMn nach Hei-
tingfon alle vierzehn Tage. — Von Stockholm nach BAtingfori I. Ol. 45,
II. Gl. 36 H. ; über Mariehamn, Abo (I. Gl. 32, II. Gl. 26M.), Ekenäs,
Hangö nach Petersburg s. oben; nach JotMuu über Wiborg, Willman-
strand, Nyslott 3-4mal monatlich; nach Tomeä über Wasa, Nykarleby,
Jakobstadt u. s. w. mindestens Imal monatlich. — Directe I)ampfschifl*e
von Stockholm nach Hangö (mit Bahnanschluss nach St. Petersburg) nur
im Winjter, I. Gl. 16 Kronen. — In Abo und Helsingfors mehrstündiger
Aufenthalt. — Alles Nähere s. im Finlands KomuniJmioner (25 P.), auf
Bahnhöfen, Dampfschiffen u. s. w. ku haben. — Auskunft erhalt der
Beisende auch bei den in den meisten Orten vorhandenen Gommissio-
nären der Tourittenvereinigung in Helsingfors.
Die ungünstigste Jahreszeit für die Seefahrt ist der Herbst ; starke
Verspätungen werden dann zur Begel.
Wer in ausländischen Agenturen Billets nach Finnland lost, muss
gleichzeitig den mit Visa (8. 2) versehenen Ptu» abgeben, den er erst
nach der Ankunft in Finnland zurückerhält. In den finnischen Küsten-
städten findet bei der Landung leichte 2ktllrevision für Finnland, das eigene
Verwaltung hat, statt ; Zollabfertigung für die von Russland kommenden
Reisenden an der Grenzstation Ter^oki zwischen Wiborg und St. Peters-
burg.
Oeld. Finnland hat seine eigene Münze und rechnet nach Jfark (tf arkka)
zu 100 Pfennigen (Penni, Penniä) = 1/4 ßilberrubel = 0.80 Reichsmark =
1 Franc. Ausgeprägt sind in^ Silber Stücke zu 2, 1, I/2 und 1/4 Mark, in
Kupfer zu 10, 5 und 1 Pennia. Staatspapiergeld sind die Noten der Fin-
nischen Bank in Helsingfors. Es kursiren Appoints zu 5, 10, 20, 25, 100
und 500 Mark. Das bei der Finnischen Bank in Silber einlösbare fin-
nische Papiergeld ist vollwerthig und folgt fast genau dem Pariser
Franken-Kurs. — Russisches Geld wird zum Tageskurse und ohne dasa
der Reisende dabei Kachtheile zu befürchten hat, angenommen.
Ausflüge nach Finnland (Ann. Stwmi), dem „Land der Uusend
Seen", sind in den letzten Jahren in Aufnahme gekommen und in
hohem Grade lohnend. Mächtige düstere Granitfelsen, dichte
Nadelholz und Laubwälder, grosse Sümpfe neben stillen klaren Seen
und schäumenden Wasserfällen verleihen der Landschaft ein vor-
wiegend ernstes Gepräge, welches nur gelegentlich durch die kleinen
freundlichen Städte, die rothhemalten Hütten und spärliche Korn-
felder und Wiesengründe gemüdert wird. Bei einem Aufenthalt
von c. 2 Wochen würde sich folgende Zeiteintheilung empfehlen ;
1. Tag ; von Petersburg nach Wiborg und über Rättijarvi zumimatra
(vgl. Route 14); 2. und 3. Tag: nach Willmanstrand und Nyslott;
Bevölkerung. FINNLAND. 201
4. Tag : Nyslott und Umgegend (Punkaharju) ; 5. Tag : nach Will-
manstrand und Eisenbahnfahrt nach Helsingfors ; 6.'8. Tag : Hel-
singfors^ Fahrt nach Tammerfors und Umgebung (Kangasala) ; 9. und
10. Tag: Abo; 11. und 12. Tag: Seefahrt über Hangö und Helsingfors
nach Wiborg und von da mit der Bahn zurück nach Petersburg.
Politisch bildet Finnland (373,536 Dkm mit 2V4 MiUionen
fast durchgängig evang.-luther. Einw.) ein eigenes Grossfürstenthum
mit eigener Verwaltung und eigenen Gesetzen. Im xii. Jahrh. von
Schweden erobert und christianisirt, kam Finnland durch die Frie-
densschlüsse von Nystad 1721, Abo 1743 und Fredrikshamn 1S09
nach und nach an Russland. Finnland zerfällt in 8 Gouvernements
oder Län, die Staatsverfassung datirt von 1772 und 1789, ergänzt
durch die Landtagsordnung von 1869 ; die Volksvertretung liegt in
den Händen der 4 Stände: Adel,' Geistlichkeit, Bürger, Bauern.
Die höchste Behörde des Landes ist der Senat unter Vorsitz des
(russischen) Generalgouverneurs.
Der grösste Tbeil der Bevölkerung des Landes (c. 84 0/0) besteht aus
Finnen (Suomalaiset, d. h. Sumpfbewobner) , die besonders das Binnen-
land inne haben. Sie theilen sich in zwei Hauptstämme: Tavasten (Hämee-
laiset) und Karelen (Karjalaiset). Erstere bewohnen die südwestlichen,
letztere die nordostlichen Theile. Keben den Finnen finden sieh auch
Lappen (Sabme), vor den Finnen Bewohner des Landes und von ihnen
mehr und mehr nach Norden gedrängt; sodann viele Schweden (Ruot-
salaiset), circa 14 o/p, deren Sprache bis 1863 die offleielle war, wäh-
rend jetzt das Finnische ihr gleichberechtigt ist. Russen (Wenäläiset)
leben vorwiegend in Wiborgs-Län und bilden den Kaufmannsstand in
einigen Städten. Deutsche (Saksalaiset) waren früher zahlreicher. Zigeuner
(Mustalaiset) durchziehen spärlich die Einöden des Innern Landes und
wohnen in den entlegensten Walddistricten. — Die finnis^e Sprache ist
das entwickeltste Glied des baltischen Zweiges des ural-altaischen Spraeh-
stammes, überaus weich und wohlklingend, reich an Vocalen und Diph-
thongen und ungemein biegsam. Ihre beiden Hauptdialekte sind der tavas-
tische oder jämische, von den Liven, Tschuden, Woten, Esten, Süd-
westfinnen (um Abo), Tavastern und dem grössten Theil der finnischen
Bewohner am Bottnischen Meerbusen gesprochen, und der karelische der
Oesterbottnier, Savosalser, der eigentlichen Karelier im Grossfürstenthum
wie in den russifchen Grenzgebieten und der meisten Bewohner Inger-
manlands. Die Dialektgrence im Grossfürstenthum selbst geht etwa von
der Stadt Wasa am Bottnischen Busen bis zu dem in den Finnischen Busen
sich ergiessenden Kymi-Fluss. Die Finnen, besonders die baltischen, sind
ein hoch begabtes Volk ; Beweis dessen ist ihre reiche und schöne Volks-
poesie sowohl epischer wie lyrischer Gattung. Aeusserlich von starkem
Körperbau, mittlerer Statur, etwas eckiger Schädelbildung mit plattem
Gesicht und hervortretenden Backenknochen, von fahler, oft gelblicher
Gesichtsfarbe, hellblondem Haar, welches mit dem Alter häufig in Braun
übergeht, sind sie ausgezeichnet durch Biederkeit, Gastfreundschaft, Treue>
Tapferkeit, Ausdauer und Arbeitsamkeit ; Schattenseiten dieser Beanlagung
sind starrer Eigensinn und Widersetzliehkeit ; ihre kräftig ausgesprochene
Beligiosltät ist mit starker ITeigung zum Aberglauben verbunden. — In
Wohnart , Sitte, Tracht und Lebensweise ist der Elnfluss des Verkehrs mit
anderen Völkern deutlieh bemerkbar. Im Innern des Landes sieht mau
mehr Nationales. Die finnische Porte (Pitt!) gleicht einem amerikaniseben
Blockhaus. Wände und Dach sind mächtige Fichten- oder Tannenatämme ;
aus einer Oefinung des Daches steigt durch einen kleinen Rauchfang der
Bauch. Hier lebt der Finne mit seiner Familie, Hausthieren , Bettlern
und „Einwohnern". Doch macht die Porte allmählich der Tupa (Stube)
Platz, die statt des Rauchfangs einen Schornstein, statt der Luken Fenster-
Wl Route 13, TKRIJOKI.
"Öffnungen hat. Je mehr man sieh der XÜstengegend nÜhert, d^slo vor-
theilhafter verwandeln sieh diese „Stuben'*, desto zahlreicher werden die
Kammern, die IT^ebengebaude. Die Bauernhäuser stehen, wie vielfach in
!N^orddeutschland, immer einzeln, und in dem waldreichen Lande werden
hänfig die Grenzen der einzelnen Grundstücke durch Plankenwerk be-
zeichnet. In den südlichen Küstengegenden und auf den Sehären haben
die Bauernhäuser viel Aehnliches mit denen der Schweiz. Auffällt nur
der besonders beliebte, alles bedeckende braunrothe Anstrich. Die Lebens-
veise ist sehr einfach; Kartoffeln, Milch, Boggen- und Knäke-Brot^ Fische
bilden die tägliche Kost. Die Frau steht in hober Achtung; Zucht und
Sitte im Verkehr der Geschlechter werden sehr streng gehandhabt. Dainpf-
bäder, Tabak und Branntwein liebt der Finne leidenschaftlich. — Die
alte, höchst eigenthiknliehe Trauet der Männer ist heute gaas rersehwun-
den r, man sieht meist nur die sehUchte blaue Tudo&cke oder den langen,
grauen Kaftan ; bei altern Leuten die dicht auf dem Haar liegende Pit-
nilka, darüber den Hut mit schmälerer Krampe; auch das Beinkleid wird
eehon hier und da lang getragen ; die Halbstiefeln häufig .noch um die
Knöehel gesehnürt. Die vteibliche Tracht hat ein nationales Gepräge be-
halten , besonders im Kirchspiel Jääskis , S. 209. Im allgemeinen lieben
die finnischen Mädchen das Bunte und (Hänzende. Der Rock besteht aus
dunkelblauem Wollenstoff mit rothen Tuehleisten oder ist gr^ roth ge-
streift. Den Oberkörper deckt der sog. Tankki, eine Weste ohne Aermel ;
über dem Tankki eiike weisse leinene Jacke , Kostuli , welche die Brust
.unbedeckt lässt und die Solki, eine grosse silberne Sehnalle, zeigt. lieber
die Kostuli zieht die Finnländerin im Sommer den Tuchpaletot, im Winter
aber den Schafpelz und einen weissen wollenen Ueberzieher. Die Schürze
von heller Farbe mit weiss und rothen Verzierungen fehlt nie. Das Haar
!wird von den Mädchen einfach in Zöpfen oder langhängend, mit schwarzem
Stirnband getragen ; von Frauen wird der Kopfputz mit Weidenruthen
und rothen Bändern (Palmikko) ganz besonders zureeht gemacht und
Sykeröt genannt, worüber das Kopftuch (Huntu) kommt. — Eigentliche
Volksfeste gab es früher nicht. Erst seit einiger Zeit finden allgemeinere
Feste auf Veranlassung der Gesellschaft für Volksauf klärung alle drei
Jahre in Jyväskylä (S. 217) statt.
Zur Erklärung der Ortsnamen dienen folgende Ausdrücke : joJH Fluss ;
järvi See ; lahti Bucht ; mäki Berg ; niemt Vorgebirge, Landzunge ; taari
Insel; Bolmi Land; vesi Gewässer. — Der Accent ruht in finnischen Wör-
tern stets auf der ersten Silbe; die Verdoppelung des Vocals bezeichnet
die Länge des einfachen; h wird wie hartes cb gesprochen.
13. Ton St. Petersburg nach Wiboi^.
Finnischer Bahnhof (Wiborger Seite, S. 91) ; daselbst ein Wechselcontor.
Nachdem wir die Stsktionen Lanskaja^ XJdJetnaja, SchuwaXowa,
Pargolowo und Lewaschewa (S. 198) mit ihren zahlreichen Datschen
und Parks passirt haben, gelangen "wir in eine sehr einförmige Land-
schaft. Wälder mit spärlichem Banmwuchs wechseln mit weiten
Haidestrecken und Sümpfen.
30 W. Walkeasaari oder Bjelo - Oetrow (BtioocTpOBi , Bahn-
hofsrest.) , Station der grossen Poststrasse nach Wiborg. Gepäck-
revision für die aus Finnland kommenden Beisenden.
Zweigbahn C6W.) ntMh Sytterbäck ^ Sseeirorätk (Gecrpop^KBi), Hafen-
stadt mit kaiserl. Gewehrfaforik (vergl. S. 179, 198).
Bald hinter Walkeasaari überBchreiten wir die finnisch -rus*
sische Grenze und befinden uns im Gouvernement Wiborg.
46 W. Terijoki (Tepeiomi), 15 Min. Aufenthalt. Gepäckrevision
für die nach Finnland Reisenden.
WIBOHO: 13, RouU. 203.
Stationen Raivola mit schönem Lärchen^^ald in der Nähe,
Mustamäki, NyTcyrka (Restauration), PerÄ/ärvi, GaUtzina{S.20d),
Kämäräj Säiniö. Die bis dahin einförmige und öde Gegend be-
lebt sich, Villen, Parks und Dörfer zu beiden Seiten der Bahn
Terkünden die Nähe von
120 W. Wiborg (Ann. Wiipuriy Bi>i6oprx).
Oasthopb : *Societet8has, Kathedralenplatz, nieht ifaeuer -, *I m a -
tra, EommerzBlatz (im Hdtel Billets für die Tour naeh dem Imatra-Fall,
22 ]f .) ;Belvedere, nahe dem Babnfaaf an der nenen PrMitenade, thener ;
Walhalla, Torkelstirasfle; Helsing fors, Vega, beide nahe der Post
und dem Sohloss. — Rbstaubakts : Finnland (Diner 2-3 H.) \ *Kron St. Anne^
an der St. Anne -Promenade, Hanptvergnügangaort der Wiborger; ßel-
vedere^ a. oben (im Bommer Abends Coneert). -^ DBOscaKB«: die Fahrt
25 resp. SOPenni, die Stunde 1,50 X. — Dampfschippb : nach Sk. Peters-
burg 8. 8. 200; nach Kuopio Mo., Di., Do. u. 8a.; nach Bättijärvi (2 8t.)
am 8aima-Kanal (s. unten) täglich 2mal im Anschluss an die St. Peters-
burger Bahn. — Posten: nach Kexholm, 134 W. (s. 8.210); nach. Sorda-
vala, 241 W. (8. 211) ; nach Fredrikshamn, 111 W. (8. 215). — Deutscher
Konsul: W. Roth*. — Bavkbit: Finlands Banky Blskop»-Oatan ; Mrdüka
Aktiebunken för Handel oeh Induitri, nahe dem Salntorget; Föreniffens-
banke», Vakttorns-Oatan. ^ Thbateb: Stadttheater (selten Vorstellungen).
Wiborg, die alte Hauptstadt Ton Karetien , Jetzige GouTerne-
mentsstadt, liegt an der tief einschneidenden Wihorger Bucht und
an der Mündung des diese mit dem Saima-See verbindenden Sai-
ma-Kanal8,von der Seeseite geschützt durch eine Reihe malerischer
Inseln. Diese Küstengestalt bei Wiborg giebt uns bereits ein Bild
von der in ganz Finnland vorherrschenden Fjord-. und Schären-
Bildung. Der Theil der "Wiborger Bucht, welcher zwischen den
grossen Inseln Uuraan-Saari und' Suonion - 8aari sowie der
Mäkslaks- Halbinsel liegt, bildet die bequeme Rhede ^on Trängiund
oder üttras, den Aussenhafen von Wiborg , 10 W. von der Stadt
entfernt. Zu der Rhede gelangen die Schiffe von der Seeseite durch
den engen Knrkiniemi' Kanal ; mit der Hauptbucht steht sie durch
3 Kanäle in Verbindung.
Wiborg ist Station der russisch -baltischen Flotte; ihre Hafen-
befestigungen sind etwas verfallen, während die Werke der Alt-
stadt seit 1859 demolirt sind. Wiborg ist ausserdem die Residenz
des Län-Gouverneurs , Sitz eines Hofgerichts , eines griechischen
Erzbischofs u. s. w. Die Stadt hat 6 Kirchen, ein 1641 gegrün-
detes schwedisches und ein finnisches Lyeeum, eine Navigations-
Schule, eine landwirthschaftliche (seit 1847) und literarische Ge-
sellschaft (seit 1845), mehrere Fabriken (Giesserel, Masehlnenbau-
anstalt), 16,600 Elnw. und starke Garnison. Die Bewohner sind
Schweden, Finnen, Russen und Deutsche. Es wird viel Deutsch,
von den höheren Klassen, wie durchgängig im Lande, in der Unter-
haltung meist Schwedisch, von der Landbevölkerung Finnisch ge-
sprochen. Die Stadt treibt lebhaften Handel, hauptsächlich mit
Brettern, welche von den Sagemühlen im Kuopio^-Län herunter-
kommen. Bekannt in ganz Finnland sind die Wiborg'schenBretzeln,
Vrihorg^^KringloT,
204 Boute 13. WIBORG. Von Petersburg
Wiborg wurde 1293 von dem schwedischen Beichsverweser Tcrket
Knutson^ in demselben Jahre das Schloss (s. u.) auf einer kleinen Insel
bei der Stadt gegründet; seine Privilegien erhielt es 1403 von Konig
Erik XJII. Die wichtige Lage der Stadt auf der Landzunge, über welche
die Finnland mit Bussland verbindenden Strassen führen^ veranlasste
frühzeitig ihre Befestigung ; c. 1477 wurde Wiborg von Erik AxeUson Tott
mit einer Mauer umgeben, die noch lange in Ueberresten vorhanden war.
1495, im Kriege Schwedens unter dem Beichsverweser Sten Sture gegen
Bussland unter Iwan III. Wassiljewitsch, ward es von einer grossen rus-
sisehen Heeresmacht unter dem Woiwoden Fürst WastUy Schuiskif 3 Monate
lang vergeblich belagert. Knut Poue vertheidigte es mit glänzender Tapfer-
keit und soll durch die Sprengung einer Mine 16,000 Bussen beim Sturm
getödtet haben. Im Volke lebt noch die alte Sage vom Wiborg''schen
Knall (Wiborgska Smällen), weieher entweder von jener Minen-Explosion
oder dem Donner der kolossalen, 8m langen Kanonen, deren sich die
Bussen bei der Belagerung bedienten, herrühren mochte. Auch Peter der
Grosse machte 1706 den vergeblichen Versuch, Wiborg zu erobern, er-
neuerte ihn aber 1710 mit besserem Erfolg; am 14. Juni musste der
schwedische Kommandant kapituliren. Der Friede von l^ystad machte
die Wiborg'sche Provinz zu einem Bestandtheil des russischen Beiehes.
Am 6. Juni 1790 zog sich die schwedische Flotte unter Gttstav JIl.^ nach-
dem sie die Vereinigung der beiden russischen Flotten von Kronstadt
und Beval nicht zu hindern vermocht, in die Bucht von Wiborg oder
Björkö (Insel südl. von Wiborg, im Mittelalter ein von den Hanseaten
sehr besuchter Handelsplatz) zurück. Hier wurde sie, aus der Schären-
und Linienflotte bestehend, von der russischen Flotte unter Admiral
Tschitschagow und Knise (später unter Prinz von Nassau) eingeschlossen,
während sie selbst Wiborg blokirte. Endlich sehlug sich Gustav am
3. Juli nach Sveaborg und dem Svensk-Sund (S. 215) durch (Wiborg^sches
Ocusenlau/en). Unter russischer Herrschaft wurde Wiborg von der Land-
und Seeseite befestigt; 1659 wurden die Vorstädte mit der eigentlichen
Stadt vereinigt.
Die rings vom Wasser umgebene freundliche SUdt besteht aus
der eigentlichen Stadt, der früheren Festung, auf einer Insel und
den theils auf dieser, theils auf einer Landzunge, verbunden mit der
Insel durch eine Brücke, gelegenen Vorstädten Pantsarlaks, Ptters-
burg'sche und Wiborg'eche (Neitsytniemi) Vorstadt, Hiekka, Anina,
Repola, Die älteren Theile der Stadt haben krumme und enge, die
neueren regelmässige und breite Strassen. Unter den vielen alter-
thümllchen Gebäuden interessirt vor allem das alte, auf der kleinen
Granit -Insel Lin,nansaari erbaute, gothische *Schloss inmitten
der Stadt, nach der letzten Feuersbrunst eine Ruine, die Jetzt restau-
rirt wird. 1293 durch den schwedischen Reichsverweser Torkel
Knutson erbaut, bildete es den Ausgangspunkt der schwedischen
Macht und der christlichen Religion in Karelien und war in der
ganzen Zeit seines Bestehens der Zankapfel zwischen Russen und
Schweden. Mehrmals durch Feuersbrünste beschädigt, wurde das
Schloss später nur als Gefängniss benutzt; 1856, am Krönungstage
Alexander's II. (7. Sept.) , stürzte das Dach des Thurmes ein. Das
HoFGE&iOHT tagt in einem 1839 errichteten Gebäude am Kathe-
dralen-Platz; im Innern grosse Säle mit schönen Porträts und Ge-
mälden. An demselben Platz liegt das Haus des Gerichts-Präsi-
denten und das Rathhaus mit einem prachtvollen Ball- und Concert-
Saal, Bemerkenswerth durch sein Alter ist ferner das *Haus in der
nach Wiborg. MONREPOS. 73. Boute, 205
Bischof 8Str. Nr, 6, 1318 als Kloster erbaut, und die iinnUch-luthe-
Tische Kirche, ehemaliges Franciscaner-Kloster (1481). — Die grie-
chisch' russische Kathedrale ist, YfiB alle russischen Kirchen, mit
orientalischem Luxus ausgestattet; ausserdem existirt eine grie-
chische Kirche in der Petersburger and eine griechische Kapelle in
der TViborger Vorstadt. Die kleine römisch-katholische Kirche, ge-
schmackvoll in Stein erbaut, besitzt eine schöne Orgel und treffliche
Gemälde. Die protestantische Peter -Paul-Kirche ist sehr einfach
gehalten. Sehenswerth sind auch : die neue Esplanade, in der Neu-
stadt mit neuen prächtigen Volksschulen und die beiden Kirchhöfe :
der ältere, Sorwari, auf hochgelegener Insel mit prachtvoller Aus-
sicht, mit vielen schönen Monumenten ; der neuere, Bistimäki, mit
griechischer Kapelle im orientalischen Stil.
Seit Eröffnung der AViborger Bahn haben sich viele Petersburger
in Wiborg angesiedelt und durch hübsche Tillen und Gärten die
Umgebung der Stadt vresentlich verschönert. Hervorzuheben sind
besonders die Anlagen bei WiJataipaJe (2 W.) , Horttana (7 W.),
Mäksldks (11 W.), wohin Fahrten lohnen.
2 W. nördl. der Stadt liegt auf einer Tnsel der schönste Punkt
der Umgebung Wiborgs, ^Monrepos, Landsitz des Barons Paul
v. Nikolay.
Dem Reisenden ist der Besneh von Monrepos gegen ein Eintritts-
geld von 10 Kop., die dem Armenhause der Stadt zu Oute kommen, ge-
stattet. Das Volk nennt diese Insel noch immer Wanha Wiipuri fdas alte
Wiborg), weil angenommen wird, dass in alten Zelten hier die Stadt ge-
legen habe. Kur ein paar ärmliehe Bauernhäuser standen dort zwischen
den Felsenklüften, als am Ende des zvixi. Jahrb. der General und Kriegs-
Gouverneur von Wiborg, StupescMn^ die Anlage eines Parkes begann.
Sein Werk wurde später von der Kaiserin Harie fortgesetzt; 1811 kam
das Besitzthum durch Schenkung an den Dichter und Staatsmann Baron
Ludtoig von Nikolay^ in dessen Familie es bis heute blieb.
Eine schöne Lindenallee führt vom Eingang gerade auf das
Schloss zu, das inmitten eines Basenplatzes , umgeben von Baum-
und Blumenanlagen liegt. Eine Meeresbucht tritt tief in den Park
bis nahe an das Schloss heran. Der r. von der Bucht hinziehende
Weg führt auf einen stell abfallenden Felsen mit schöner 'Aussicht.
Hier ein Obelisk , ein Denkmal, welches Ludwig v. Nikolay seinen
bei Austerlitz und Kulm gefallenen Schwägern, den Herzogen von
Broglio, setzen liess. Links von der Bucht gelangen wir in ein ro-
mantisches Felsenthal; hier in einer Felsnische, in der Nähe einer
Einsiedelei, die weiss übermalte Statue Wäinämöinen's, des Sänger-
Gottes der alten Finnen , die Kantele auf dem Knie haltend ; das
Original dieser Statue aus Marmor, ein Werk des Dänen Borup, ging
leider zu Grunde und wurde durch eine Copie von dem finnischen
Bildhauer Johann Takanen ersetzt. — Nicht weit davon eine Quelle,
Sylvia's Brunnen, mit einem Narciss aus weissem Marmor. Weiter-
hin über eine Fähre zu einer kleinen, gothischen Burg, deiLudwigs-
hurg, dem Grabmal der Familie, auf einem in das Meer abfallenden
Felsen. Von den anderen hübschen Punkten des Parkes sei hier nur
206 Route U. WILLMANSTRAND. Von Wihorg
noch der Marienthurm erwähnt , dessen Inneres noch wie zur Zeit
der Kaiserin Marie eingerichtet ist.
14. Von Wiborg über WiUmaiuitrand nach dem Imatra,
Walamo, Sordavala.
Eisenbahn nach Simola 38W. in IV4 St. für 3.80, 2.66, 1.90 M.; von
Simola nach YTültnanstrand 18 W. in c. 1 St. für 1.90, 1.24, 0.86 M. —
Dampfer Mo. Di. Do. Sa. dureh den Saima-Kanal zum 8aima-See (s. unten)
und naeh Wülmanstrand ; Fahrzeit c. 9 St., langwierig wegen der vielen
Schleusen.
Wer von Petersburg aus hei beschränkter Zeit von Finnland nur Saima
(s. unten) und ImairafaU sehen will, kann diese Tour in 2 Tagen machen
(Rundreisebillet: I. Cl. 17.20 B.). Abfahrt 9 Uhr Vorm. vom Finnlän-
dischen Bahnhof (S. 91) nach Wihorg, Von hier mit Dampfboot (Abfahrt
um 2 V. Xm. gegenüber dem alten Sehloss am östl. Quai) durch den
Saima-Kanal (S. 201) nach Juutiila (GasthoQ und auf anderem Dampfer
weiter bis Rättijärvi (Restaurant). Von hier 51/2 ^^^ Nachm. mit Dili-
gence (34 W. in c. 4 St.) durch reizlose Gegend nach dem Imatra-B&tel.
Rückfahrt von hier 11 Uhr Vorm. nach Jakosenranta (S. 207) oder Wuok-
tenniska (S. 207), und von da mit Dampfer über den Saitna-See nach Will-
manstrand (s. unten), wo 4 Uhr 50 Min. Nachm. der Zug nach Simola ab-
geht. Ankunft in Petersburg IU/2 Uhr Nachts. ^ in den besseren Hotels in
Wiborg, erhält man Billets naeh dem Imatra (über Rättijärvi): Preis
11 M.
Bis Simola S. 216. Durch interessante Gegend nach
18 W. Willmanstraad (Ann. Lappeenranta). — Gasthof: Sode-
ieishWy Z. 3M.; Hot. Willmanstrand, billiger. — Post über Z^aun't-
sala und JouUeno zum Imatrafall (S. Ä)7) 37 W. — Dampfer auf dem
Saima-See: nach WuoksennUka (S. 207) tägl. 6Va U. Vm., zurück 4i/a U.
Nm. : nach Jakosenranta und weiter nach Wuoksenniska Mo. Di. Mi. Do.
Fr. 4U. Nrn., zurück am anderen Tage um 12 U. resp. 12^/4 U. Mitt.
nach S. Michel (s. unten) täglich 7 Uhr Morg.
Willmanstrand, alterthümliche kleine Stadt am Südufer des
Lappveai (Südfjord des Saima-Sees), im Lappyesi-Kirehspiel, mit
1500 Einw. Auf einem Vorgebirge liegt malerisch die zerfallene
ehemalige Festung^ 1656 angelegt, jetzt russische Kaserne und Bes-
serungs-Anstalt für Männer ; daselbst auch die russische Kirche.
Am Ufer des Saima-Sees die Badeanstalt nebst Wasserheilanstalt,
Unfern der Stadt das Feld für das Sommerlager des ganzen finni-
schen Militärs und die Fayencefabrik Lavola, — 1741 Sieg der
Russen über die Schweden ; 1770 Sieg der Schweden über die Russen.
Nach St-Xiohel (St. Mikkel, Mikkeli) (Gasthof: MÖiel St. Michel; Res-
tauration und Badeanstalt im Stadtpark) mit 1900 finn. Einw., an einem
westl. Busen des Saima prächtig gelegen. Seit 1831 Hauptort des Län,
erhielt es 1837 Stadtrecht. In der Nähe die Ackerbauschule Otatoa und
Brahelinna im Eristina-Eirchspiele , ehemals Krongut, mit den Ruinen
eines vom Grafen Brahe 1490 begonnenen, aber nicht vollendeten Schlosses.
Der Dampfer geht an der Südküste des vielbesungenen Saima-
Sees entlang.
Der Saima-See, der „See der tausend Inseln'', 76m über dem Meere,
umfasst eine ganze Anzahl durch Sunde und Strome unter einander ver-
bundener Seen und Fjorde. Der ostl. Quellarm oder die Pielis - Strasse
breitet sich auf finnischem Gebiet zu dem Pieli^ßärvi aus, von dem der
Pieliflyoki, indem er die Höhen des Karjalanselkä durchbricht, nach
nach dem Imatra. IMATRA, U» Rwitt, 207
dem Pyhäselkä fliesst. Dieser letztere bildet im Vereine mit dem OriTesi
den nordostl. Saima. Der w e s 1 1. Quellarm oder die Kallave*i-^rcus9
sammelt ihre Wasser zum PoroveH^ läuft nach Süden zum Onkivesi und
Källaveti. Der letztere See nimmt von K.O. die 2ri7«iä-WaMerstrasse auf;
er leitet sie ab durch den Puutossalmi zum Koirusvesi und weiter durch
den Eonnuskoski zum Unnitkkavesiy und endlich durch den Warkaus-
Strom (Enge) zum Amisvesi, welcher im Vereine mit dem JouUenvesi und
Baukiven nebst einigen anderen Seen den nordwestl. Saima bildet.
Der nordöatl. und nordwestl. Saima werden durch den On'eirto-Pass
verbunden. Ihre vereinigten Wassermassen strömen bei Xyslott vorbei zum
Pihlajav€si^ welcher mit dem Östl. Puruveti den mittlerenSaima bildet.
Von ihm führt der PuumaZa-Sund zu dem mit Felseniuseln überstreuten
stillen Wasser des südl. oder eigentlichen, 60 W. langen Saima.
Der Saima -Kanal verbindet den Saima -See mit dem Nordende der
Wiborger Bucht. £r wurde 1846 begonnen und am 7. September 1856
eröffnet. Er beginnt bei Laurittala^ durchschneidet den Scil^muulänne^
die südliche Strandhöhe des Saima, und berührt mehrere kleinere Seen
wie den Bättijärvi, Särkijärviy Jututüanjärvi u. a. Durch 28 Schleusen
(jede c. 40 m lang, 8 m breit und 3 m tieQ wird der c. 80 m betragende
Niveauunterschied überwunden. Fahrzeuge bis zu 3 m Tiefgang können
den Kanal befahren , dessen (Jesammtlänge 55V2 ^* ^^^ ®* ^^ ™ Breite
beträgt.
Per Dampfer berührt Lauritsala (Hotel und Brauerei) und lan-
det in Jdkosenranta, bald darauf in WuokaennUka, beide 6 W.
vom Imatra entfernt. Von bier bringt uns ein Wagen (von Wuok-
senniskft auch angenehmer Fussweg) in etwa 1 Stunde zu dem Was-
serfall.
Die Imatra -?älle liegen auf einem der finnischen Krone ge-
hörigen Terrain , welches aber für einen Zeitraum von ÖO Jahren
an eine Actiengesellschaft verpachtet ist. Von dieser Gesellschaft
sind seit 1871 die Anlagen geschaffen worden. Das neue *Hdtel
(z. Th. deutsche Bedienung; amtlich festgesetzte Preise: Z. 2Vs-8M.,
M. 3 M., grössere Logis bis zu 25 M.) liegt am r. Ufer des Wuoksen,
an der schmälsten Stelle eines grossen Parkes. Von der Veranda
vor dem grossen Saale und von den Balcons der Flügelbautcn präch-
tige Aussicht auf den Imatra und den Wuoksen hinab.
Der WuokMn (finn. Wuokii)^ der einsige natürliche Ausfluss des Saima-
Sees, entströmt dessen südl. Busen, dem Lappvesi, gegen Südosten, durch-
bricht c. 30 W. nordöstlich von dem Ende des Saimakanals die den
Saima umgebenden Bergrücken im Kirchspiel Buokolaks, durchströmt
in einem gegen Süden geöffneten Bogen, oft in grosse Fjorde sich aus-
breitend, die Kirchspiele Jääskis, St. Andrea, Mohla, Walkjärvi, B,äisälä
und fallt mit zwei Mündungsarmen bei Kexholm (S. 210) in den Ladoga-
see. Der starke Niveauunterschied zwischen Saima und Ladoga (80 m)
bedingt bei dem verhältnissmässig kurzen Laufe des Stromes (16 Meilen)
eine Ajizahl von Stromschnellen und Wasserfallen. Diese beginnen be-
reits zwischen der Insel Niskasaari und dem Felsen KiskakivI und bil-
den zunächst den I/iskako$ki {S5 m lang , 13 m tief) , auf den man vom
Kärmenmäki (Sehlangenberge) auf dem 1. Ufer einen hübschen Blick hat.
Die zweite bedeutende Stromschnelle liegt jenseit des Berges Muura-
haismäki : der Tainionkoski oder Pikku-Jmatra (kleiner Imatra) , 100-200 m
breit. Der Strom theilt sieh dann in drei Arme, von denen der mittlere
das sehäumende Wasser vorwärts treibt, während die beiden Seitenarme
im Halbkreise rückwärts gehen. An einer Bucht des linken Seitenarmes
auf einer Anhöhe das Landgut Neittytniemi'^ der breit und still fliessende
Strom heisst hier Tlä-8uvanto (oberes stilles Binnengewässer). Südl.
von den dann folgenden kleinen Stromschnellen Rittikkakorva (r.) und
208 U. Route. IMATRA. Von Wiborg
Revoniorva (\.) nimmt er den Namen Zfautta-Suvtmto an; hier werden
diejenigen, die von Siitola (2 W. oberhalb des Hotels) auf das 1. Ufer
des Imatra und umgekehrt wollen, mittelst Fährboot (Lautta) über den
Strom gesetzt (nieht ganz ungefährlieh). Von der Fähre hübscher Blick
auf die Ufer. Unterhalb der Fähre die kleine Stromsehnelle Kiveräkosbi.
1 W. südl. von Siitola die hübsche Insel Warppisaariy vom Lande durch
die Stromsehnelle Saarenkorva getrennt.
Ifach ruhigem Laufe (Ala Suvanto) bildet sich bei einer Wendung
nach rechts zwischen den Inseln Koivusaari (Birkeninsel) und Leppä- so-
wie Linnansaari eine neue aber grossere Stromsehnelle, lAnnankoski. In
das unterhalb gelegene stille Wasser Mylly-Suvanto dehnt sich die Land-
zunge MUkhilännietni vom Festlande hinaus; von hier schöne ^Fernsicht.
H^icht weit davon, ö W. vom Ausfluss aus dem Saima, beginnt nun
der Imatra I an der Grenze des Kirchspiels Ruokolaks. Bei der Insel
Kuusenkorva verengt sich die Breite des Stromes von 400 m auf 210 m.
ITach der Wiedervereinigung der beiden Stromarme durchbricht der
Wuoksen nun den Strandrücken Salpausselkä und stüntt sich mit furcht-
barem Toben durch eine enge Oeffnung, die er sich durch die Granitfelsen
Sebahnt hat. Der Imatra ist also nicht ein eigentlicher Wasserfall, son-
ern ein ungeheurer Wasserstrudel, der, 46 m breit , auf 900 m um 30 m
fällt. — Bis zum südl. Ende des Imatra fallt der Wuoksen 40 m unter den
Spiegel des Saima -Sees.
Vom Gasthofe auf schmalem Fusspfade mit Geländer längs dem
Felsenabhange des Wasserfalls und eine Treppe Ton 52 Stufen
hinab, kommt man an den Punkt, von wo aus früher ein Draht-'
seil eine Passage über den Imatra ermöglichte. Weiter südl. ge-
hend gelangt man an eine Klippe, den schönsten Punkt auf der
ganzen Strecke des Imatra , vom schäumenden Gischt fast über-
strömt. Zwischen Felsen und Wald hindurch führt der Pfad
dann an eine kleine Landzunge , auf der ein pilzförmiger PaviUon
steht, ebenfalls mit prächtigem Blick auf das tobende Gewässer. —
Einen Gesammtüberblick hat man von einem Hügel am Ende des
Birkenwaldes, wo sich der Imatra in das grosse Bassin des Mellon*
selkä stürzt; ebenso vom anderen Ufer des Imatra, auf welches wir
uns bei Station Siitola nach Pojanniemi übersetzen lassen, um dann
südwärts am 1. Ufer entlang zu wandern.
Auf dem andern Ufer, wo nordischer Wald die Felsabhänge be-
deckt, nach kurzem Gange ein dem jenseitigen ähnlicher Pavillon
auf einem Felsen. Den Fusssteig abwärts fortschreitend, haben wir
wieder einen fast noch grossartigeren Anblick des Falls von unten.
An dieser Stelle die Insel Pyydössaari und am jenseitigen Ufer in
der Bucht Mellonlahti, auf deren Uferhange das Dorf Meltola
steht , die Insel Kokkisaari ; weiter abwärts die mit Baumgruppen
besetzte Insel Honkasaari. Vom Pavillon führt ein Kiesweg in nörd-
licher Richtung in den Wald ; gleich zur Rechten sehen wir einen der
merkwürdigen sog. Teufelssteine, der Sage nach ein zerbrochenes
Butterfass des Teufels. Diese Steine, deren sich noch weitere seitab
in einem Thalkessel des alten Imatra (Wanha Imatra) sowie auf
dem rechten Ufer befinden, sollen dadurch entstanden sein, dass in
Urzeiten, als das Wasser noch höher stand, ein Wasserwirbel einen
kleineren Stein auf einem grösseren von weicherer Art so lange um-
hergedreht habe , bis In letzteren ein tiefes Loch gebohrt worden
nach Kexholm. ST. ANI>R£Ä. 14. Boute^ ^09
(wahrscheinlich sind es sog. Gletschermühlen aus der Zeit, wo die
skandinavischen Gletscher noch bis hierher reichten).
Die oft wunderlich gestalteten sog. Imatra-Steine, als Andenken
au den Imatra überall in der Umgebnng verkauft, findet man in der
Bucht Miikinlahli (in Miikinvieru)^ 1 W. vom Imatra, am linken Ufer des
Wuoksen, im Bach Lampsijoki unterhalb des WalUnkoski-Falls (s. unten),
auch am nördlichen Ufer des Ladoga-Sees u. a. O. Sie bestehen meisten-
theils aus Thoaachiefer ^ einige halten sie für petrifieirte Husoheln oder
auch Mollusken, andere für Gestein, dem das Wasser des Imatra durch
die rotirende Bewegung seine sonderbare Form verliehen.
Lohnend ist auch ein Besuch des Kleinen Imatra (S. 207).
Unter den Ausflügen von Imatra ist am lohnendsten eine
Tour den Wuoksen hinab bis zumLadoga-See, vorüber an zahlreichen
Wasserfallen^ Buchten, Seen, Inseln und malerischen Felspartieen.
5 W. Der Doppelfall *Kyfö^WaUmk08ki^, zwischen dessen
Armen die Insel Wallinsaari liegt. JDurch einen Park 1. zu. einem
Pavillon , dann r. um die Bucht hinab zu einem zw^ten mit dem
besten Blick auf den Fall. — Auf dem Wege zum KyrÖ-Wallinkoski
die Insel AittcuaaH mit bemerkenswerthen Grotten.
11 W. Bouheala, Dorf an einer Biegung des Wuoksen. —
Von hier auf einem Fusspfade Vi W. stromaufwärts wandernd,
erreicht man die Stromschnelle Eoi^ealankoski,
15 W. Jääskis, Poststation ^ guter Lachsfang. Die Kirche auf
dem 1. Ufer (neue Eisenbrücke) sehenswerth.
Der Landweg führt auf dem 1. Ufer nach
35 W. St. Andrett, auf einer Landzunge gelegen. Unterkunft
in der Poststation Hatula sowie im Pastorat des Andreä'schen
Kirchspieles , am Ende der Bucht Kuomalanlahti. — In der Nähe
die Wasserfälle Käpinkoski und Kuorenkoskiy die merkwürdige
Insel Linnansaari und schöne Fernsichten vom südl. Ende der
Landzunge Potinniemi und dem Berge Sokanlinna (Teufelsfeste,
mit interessanten Höhlen : Lichter mitnehmen) ; vor diesem (7 W.
von St. Andrea) der Binnensee Lillikanlampi,
Von der Poststation St. Andrea (Hatula) geht der Weg zunächst
längs der südöstl. sich hinziehenden schmi^en Landzunge. Am
westl. Ende derselben überschreiten wir den Fluss mittels Fähre bei
Kuukauppi. Von hier auf schlechter Strasse südwärts über Kään-
tymä nach Htinjoki, von dem man die (12 W.) nordöstl. bei Padk-
kola gelegene 50 m breite Stromschnelle Paakkolankoski des Wuok-
sen erreichen kann. Von Heinjoki weiter über Hottakka (10 W. n.ö.
von Galitzina, S. 203) , zwischen dem Muolaanjärvi (r.) und dem
Äyräpäänjärvi (1.) nach Kuasa mit schönem Herrensitz.
Von Euusa südlieh liegen Mohla (finn. Muolaa) und Kyyrölä^ letzteres
seit Peter I. fast ganz russische Kolonie, l^ördllch führt eine directe
Strasse über Ynosalmi (kurz vorher Fähre über den Wuoksen), Oraväkytä
und Ivaskala (prächtiger Laubwald) zur Kirche des sehr anmuthigen Kirch-
spiels Räisälä (66 W. von Galitzina, S. 203).
Von Kuusa in östlicher Richtung längs des r. Ufers des Wuoksen
über Pasuri nach
Russland. 2. Aufl. 14
210 ßoute 14, KEXHOLM. Von Wihorg
128 W. Xiviniemi, Dorf und Poststation. Hier der 1857
durch einen 250 m breiten Bergrücken gegrabene Kanal , der den
Wuoksen mit dem Suvanto-See (Oaepo CynaHTo) verbindet. Von
der Höhe des Bergrückens prachtvoll» Aussicht.
Auf der Strecke vom Ausfluss des Äyräpaänjärvi bis zur Landenge
beim Dorf Noüniemi fuhrt der Wuoksen , bald sich verengend , bald zu
breiten Bassins sich ausdehnend, verschiedene Namen. Bei Noisniemi
theilt er sich in zwei Arme. Der nördl. bildet bald darauf das weite
Becken des Torhonjärvi und fliesst dann, viele Inseln bildend, zwischen
romantischen Ufern, bei Kexholm vorbei in den Ladoga-See. Der von
Noisniemi direkt östl. laufende Arm, durchfliesst auf seinem Wege zum
Ladoga den engen Sund von Kiviniemi^ den Suvanto-See und den Taipale-
Sund.
Von Kiviniemi in nördl. Bichtung über Pyhäkylä am Pyhäj'ärvi,
dann auf grossartiger Kettenbrücke über den Wuoksen nach Ivas-
kala (S. 209). Von hier über Kaukola oder über XJnnunkoski
(Dampfer 3 mal wöchentl. in 2 St.) nach
176 W. Kezholm (flnh. Käkisalmi).
Gasthof: *SocietetshU8 (G-ästgifvarg&rden). — Post direct nach
Wiborg (134 W.) über Rami, Sairala, Kavantsaari^ nach JSordavala (123 W.)
über Kronoborg (Ann. Kurkijoki) Laahdenpohja, Otsois, am westl. Ufer
des Ladoga-Sees. — Dampfer nach Walamo^ Sordavala^ Schlüutlburgy St.
Petersburg j S. Id5; nach KoneweZj s. unten.
Kexkolm, freundliche Stadt mit c. 1200 Einw., auf einer Insel
der Mündungsarme des Wuoksen (S. 207) gelegen, aber durch eine
Brücke mit dem Festland verbunden, hat eine lutherische und eine
griechische Kirche. — Der Hafen am Ladoga, Kivfisalmi, liegt 5 W.,
am Wuoksen die Porzellanfabrik Suotniemi 6 W, entfernt.
Schon im 13. Jahrhundert stand hier eine Feste. Von den Bussen
1310 neu aufgebaut, hat sie viele Belagerungen durch Russen und Schweden
durchgemacht, diente später als Staatsgefangniss und ist noch als Ruine
sehenswerth ; der Bau einer Irrenanstalt an ihrer Stelle steht bevor. —
Im Frieden von Stolbowo (1617) kam Kexholm an Schweden ; am 9. Sept.
1710 aber üel es nach langer Belagerung in die Hände der Russen, an die
es 1721 definitiv abgetreten wurde.
Von Kexholm 30 W. s. liegt Konewes, Konevits (Ann. Kononsaari)^
Insel im Ladoga - See , zum Gouvernement Wiborg und Pyhajärvi-Kireh-
spiele gehörig, mit einem griechischen Kloiter 3. Ordnung, welches 1393
von dem Mönch Arsinius gegründet wurde, zu einer Zeit, wo fromme
Gemüther, von dem Siege der Tataren tief erschüttert, in den Wald-
öden des nördlichen Russlands Zuflucht suchten und hier Klöster und
Festen anlegten. Der heil. Arsinius , dessen silberne Statue im Kloster
jetzt von den Pilgern umlagert wird, fand auf der Insel noch heidnische
Finnen vor, die ihren Altvater XJkko und die Akka oder Bauni anbete-
ten und auf den Bergen der Insel ersterem ihre Opfer brachten (Thiere,
besonders Pferde, wovon Kloster und Insel den l^amen haben). Der
alte im Walde gelegene Opferstein ist jetzt von einer hölzernen Kapelle
überbaut worden. Von dem auf einem hohen Plateau gelegenen Kloster
sowie von der genannten Kapelle und anderen Punkten der Insel hat.
man eine prachtvolle Aussicht. — Im Kloster finden Fremde durch den
Igumen freundliche Aufnahme. Fischfang, die einzige, aber reiche Quelle
des Einkommens für die Mönche, sowie die Jagd in den schönen Fich-
ten- und Kiefern -Wäldern der Insel ist gestattet.
Der Dampfer (s. oben) nach Sordavala fährt durch den
gefährlichsten und klippenreichsten Theil des Ladoga - Sees. Von
fern schon gewahren wir die bewaldeten Felsen der Insel Walamo.
nach Sordavala, SORDAVALA. 14, Route, 311'
Der Dampfer landet auf der Ostseite in einer tiefen und engen ^
von GranitfelsQU eingezwängten Bucht. Links die Nikolauskapelle.
Walamo (Baiaam, c. 6 St. von Kexholm, c. 22 von Petersburg),
30 W. im Umfang , ist von vielen kleineren Inseln umgeben. Vom
Landungsplatz führt eine Treppe hinauf zum griechischen Kloster,
welches , schon vor 1000 n. Chr. gegründet , in den schwedisch-
russischen Kriegen viel zu leiden hatte , 1754 abbrannte und erst
1783 seine jetzige imposante Gestalt erhielt. 1811 erhob Kaisc*
Alexander I., der hier häufig weilte, das Kloster zu einem solchen
erster Ordnung und gab ihm ansehnliche Einkünfte. Das Gebäude,
prächtig gelegen, umschliesst 5 Kirchen von grossem Reichthum
und über 150 ober- und unterirdische Zellen. In der Hauptkirehe
die Silbersärge der Mönche Sse^gei und German , der Stifter des
Klosters. Von dem grossen Platz vor dem Kloster, wo eine Riesen-
glocke und Gedenktafeln des Besuches von Gliedern des russischen
Kaiserhauses, prächtige *Aussieht. Schöner Park und Garten. Auf
dem Kirchhofe der angebliche Grabstein von Magnus Erikson, König
von Schweden (S. 196) , der hier sein Leben als Mönch Gregorius
beschlossen haben soll (nach besser beglaubigten Nachrichten ertrank
er 1374 in der Nähe von Bergen in Norwegen). Sehenswerth sind
die Werkstätten der Mönche. — Auf den kleineren Inseln noch viele
Kirchen ; die Allerheiligenkirche ist Frauen nur am Allerheiligen-
tage zugänglich.
Zum Peter-Paulsfest (27-30. Juni) kommen Tausende von Pilgern (aber
auch Sehaaren von Bettlern) nach Walamo, deren bunte Trachten Inter-
essant sind ; es fehlt dann an Raum. — Unentgeltliche Unterkunft findet
man in der Herberge neben dem Kloster ; Lebensmittel bringe man selbst
mit. Vor der Besichtigung ist es rathsam dem Igumen einen Besuch zu
machen und die Führung durch einen Mönch zu erbitten ; letztere sprechen
fast nur rassisch. Zu rauehen und zu jagen ist auf der Insel verboten.
Sordavala (Ann. Sortavala, Cepxodoib), {Societetahus , billig),
Stadt im Gouvernement "Wiborg, c. 40 W. von Walamo am Nord-
ende des Ladoga-Sees hübsch gelegen, mit 1100 Einw. , hat eine
griechische und eine lutherische Kirche, ein finnisches Seminar, ein
historisch - ethnographisches Museum (im Stadthaas) , und treibt
lebhaften Handel nach St. Petersburg.
Sordavala wurde bald nach dem Frieden von Stolbowo (1617) gegründet
und als Grafschaft an Gustav Bauer, den Sohn des berühmten Feldherrn
Johann Bauer, geschenkt (f 1677 ohne Nachkommen). Durch Handels-
privilegien im Laufe der Zeit zu einer gewissen Bedeutung gelangt,
wurde Sordavala 1705 durch eine Feuersbrunst verheert.
Etwa 30 W. von der Stadt liegen die berühmten Steinbrüche,
die u. a. den schönen weissen und grünen Marmor liefern , welcher
zur Bekleidung der Aussenwände der Isaaks-Kathedrale verwandt
ist. Ferner findet sich hier der in St. Petersburg zu Gebäuden und
Monumenten viel benutzte treffliche Granit und der Serdobolit,
ein steinkohlenähnliches Mineral , aus welchem man vorzugsweise
Schmuckgegenstände fertigt.
Ausflüge: in die sog. finnische Schweiz zwischen Sordavala und
Kronohorg^ an der Strasse nach Kexholm gelegen (mit Post 90 W.) \ ferner
14*
t2l2 Boute 15. NYSLOTT. Von WUmanstrand
l
in die Kirchspiele Impilatu und St. Anne oder Sa(^ärvi, voll wilder und
üttoresker Landschaften, mit reichem Fischfang. Das Kirchdorf Impilaka
35 W. von Sordavala, am Östl. Ladoga-Ufer), zeichnet sich durch beson-
ders romantische Lage aus. Sudl. von Impilaks (30 W.), in demselben
Kirchspiel, Dorf Piikäranta (Dampfer von Sordavala Mittw. Mittag), mit
i:ros8en Kupfer- und Zinnbergwerken. Suojärvi oder St. Anne (CSyo-ApBH,
100 W. nordostl. von Sordavala), malerisch am See gelegen, mit Eisen-
hütten und Hochofen.
Von Sordavala nach Joenauu 129 W. — tjher Ruikeala oder über
^nikänniemi am Pyhäjärvi (von hier dmal wöchentlich Dampfer) nach
Puhoi» und mit Dampfer (2mal wöchentl.) nach JoeMuu^ s. unten.
Von Sordavala nach Kuopio (S. 213) 281 W.; nach St. Peters-
burg mit Dampfboot oder mit der Post über Kexholm (241 W.)
nach Wiborg (S. 203) und von da mit Eisenbahn (S. 202).
15. Von Willmanstrand nach Nyslott, Kuopio, Idensalini.
iNach Hyslotfc Dampfer täglich 81/2 Uhr Ab. •, vgl. ausserdem S. 200. —
Nach Kuopio Dampfer täglich ausser Fr. 81/3 Uhr Ab. in 21-24 St. (Bück-
fahrt täglich ausser Ho. 7 oder 8 Uhr Vm.) für 8-19 e4l^; an Bord gutes
Restaurant.
Der Dampfer windet sich durch die zahlreichen schon bewal-
deten Inseln, die über den ganzen See zerstreut sind. Der Eindruck
ist ein überaus idyllischer ; weiter nacli Norden hinauf wird jedoch
die Natur sehr düster und eintönig ; dichte Nadelwälder ziehen sich
stundenweit an dem schmalen Gewässer entlang.
(60 W. von Willmanstrand) Der Sund von Puumala, — Durch
den Fihlajavtsi erreichen wir nach 10 stündiger Fahrt
138 W. Kyvlotti Neuschloss (Ann. Savonlinna. — Gastbop: Gäst-
glfvarg&rden , bescheiden; Restauration: Hungerborg , mit schöner
Aussicht auf denPihlajavesi). — Nyslott, Städtchen mit 1500 Einw.,
im Kirchspiel Sääminge , liegt zum grösseren Theil malerisch auf
einer mit dem Festlande durch eine Brücke Yerbnudenen Insel , am
Kyrönvirta^Sundf der den Pihlajavesi (südl.) mit dem Haükivesi
(ttördl.) verbindet. Das Städtchen, ganz aus Holz gebaut, hat eine
lutherische und eine griechische Kirche. Gegenüber auf einer
kleinen Felseninsel, die 1475 von Erik Axelsson Tott angelegte
*Olofsburg, die schönste und besterhaltene mittelalterliche Burg
Finnlands, zur Zeit der russisch - schwedischen Kriege von Be-
deutung, neuerdings restaurirt. Sie hat drei massive, runde Thürme;
der Kirchthurm wurde früher als Staatsgefängniss benutzt. — Nyslott
kam durch den Frieden von Abo (7. August 1743) an Russland.
Ausflüge von l^yslott. 25 W. südöstL der Stadt liegt der sog.
königliche Park ^Punkaharju (Swinnij Chrebjet, d. h. Schweinerücken),
mit dem Dampfer (So., Mi. Morg., Mo., Di., Do., Sa. Ab. für 1-2 o^) zu er-
reichen. Der Landweg führt über Deiche, schwankende Flossbrückon und
Fähren ; ein Fährmannsboot bringt uns schliesslich auf die swischen dem
Pihlajavesi und dem Puruvesi im Kirchspiel Kerimäki gelegene, schmale
granitische Insel. Auf der Höhe des steilen bewaldeten, 7 w. langen,
c. 50 m hohen Kückens prächtige Aussicht (oben ein dem Staat gehöriges
Hotel und Qästgifvarg&rden). — Dampfschiff (Di., Sa. Morg., zurück So.,
Mi. 9U. Vm., in 9-10 St. für 5-10 0«) nach (177 W.) Joenauu (Pielisensuu,
nach IdenscUmL KUOPIO. 75. JRouU, 213
locHcy) (Gasthof: Societetshus), Centralpunkt Kareliens (jetzt Gouvernement
Kuopio}, im Kirchspiel Libelits, mit 2300 finn. Einw., an der Mündung
des Fielisjoki hübseh gelegen; der Ort, 1806 angelegt, 1860 mit Stapelreeht
ausgestattet, treibt bedeutenden Handel nach Bussland. In der Nähe
zahlreiche Fabriken und Eisenwerke. — Nach Sordavala (S. 212). Mit
dem Dampfschiff (So. und Mi. Morg.) über Punkaharju (s. oben) nach
Kesälaks am Peruvesi; dann Landweg nach (4 W.) irän<^nt«mt amPyhajärvi
und weiter mit Dampfer (2-3 St.) nach Ännikämtiemi^ s. 8. 212.i .0^ ^^ ]
Das Dampfschiff Ton Nysloit nach Kuopio geht zunächst über
den Haukivesi und den Aimisveai (Thell des nordwestl. Sälma
oder Enonvesi), dann durch den Taipaie oder WaT^avbs- Kanal
(Schleusenanlagen zwischen dem Aimisvesi und UnnukkaTesi).
Nicht weit von Taipale (Mittagsstation) rechts der alte Kanal, links
V4 St. entfernt, an dem gleichaamlgen Wasserfall
Wark&ufl (gutes Gasthaus), ein Complex von Elsenwerken, me-
chanischen Werkstätten, Sägemühlen, Docks. Die herrschaftliche
Besitzung ist schön gelegen Inmitten eines Parks. Jenseits der
Grenze des Gouvernements Kuopio , bald hinter Taipale,. einer der
schönsten Punkte der Fahrt, die Stationen Leppävirta, ein statt-
licher Ort, und Konnus (Schleusenanlagen zwischen dem Unnuk-
kavesi und Kallavesl). Ueber den c. 82 m hoch gelegenen KallavtH
mit seinen malerischen Ufern nach
285 W. Kuopio (Kvonio). ~ Gasthofe :Societet8hit8(Z. 2,50 M.) i^
Iwonen, billiger. — Drosghkbn: einfache Fahrt 25 F., pro Stunde IM.
50 P. (s. auch unten). — Dahpfschivfb : taglieh mehrere nach allen Punk-
ten des Kallavesl ; nach Jdensalmi täglich 8 Uhr Vm. in 8-19 St. Directe
Verbindung mit St. Petersburg, Stockholm, Lübeck — Postfahrtsv : nach
Jyväskylä (S. 217) 191 W. ; nach St. Michel (S. 206) über Jorois 188 W. ^
nach Joensuu (S. 212) 152 W. ; nach Kajana (S. 214) über Idensalmi 180 W. ;
nach üleäborg (S. 238) über Kajana 843 w:
Kuopio, Sitz der Läns- und Stiftsregierung, mit 8000 Elnw., in
schöner Lage auf der Halbinsel, welche den Kallavesl in zwei Fjorde,
verbunden durch den Pass zwischen Kellonieml (dleöseits) und Toi-
vola (jenseits), theilt, 1776 angelegt und seit 1858 Stapelstadt, bietet
mit seinen breiten, chaussirten, sich rechtwinklig schneidenden
Strassen nichts Bemerkenswerthes. Die steinerne Kathedrale , auf
einer Höhe inmitten der Stadt gelegen, wurde 1815 vollendet; das
Altarbild ist von dem finnischen Maler Godenhjelm. Vom Thurm
schöne Aussicht. In den Anlagen vor der Kirche eine Kolossal-
büste des finnischen Politikers W. Sndlmann^ früher Rector des
Lyceums in Kuopio. Sehr besuchter Markt vom 15.-25. Januar.
Stadt und Umgebung waren 1808 Schauplatz heftiger Kämpfe der
Russen und Finnen.
Umgebungen. Promenade oder Fahrt (50 P.) nach Pappilanniemi^
ganz nahe der Stadt; nach dem Berge Pujomäki (1,50 M.), mit schöner Aus-
sicht auf den See Kallavesi und die Stadt Kuopio. S. nach (3 W.) Leväis^
mit Aekerbauschule, und (14 W.) Haminanltiks ^ Besitzung der Familie
Wright. N.ö. nach Muuruvesi (Dampfer tägl. 3 U. Nm.) und weiter nach
Strömdal (Juvankoski), mit Eisenwerken, sowie nach dem Pwavuori^ einem
200m hohen Berg in Nilsiä, auf der Grenze zwischen Savolaks und Karelien,
4>ekannt durch sdne Höhle und seine Bergkrjrstalle. N.w. nach der präch-
tigen Bucht von Tuovinlaks (Dampfer tägl. 3 Uhr 17m. ; gutes Nachtquartier).
214 Route 15, IDENSALMI. Von Wihorg
Nach Idemalmi kann man mit Dampfboot (S. 213) oder Post ge-
langen. Die Gegend zwischen Euopio und Idensalmi heisst im
Yolksmunde „ das Paradies Finnlands ^. Von den prachtvollen
Scenerien bekommt man einen Begriff bei der Fahrt durch den
Ruokovirta (mit Eanalanlagen) , an dessen Ufern das Kirchspiel
Maaninka, Weiter geht di« Fahrt über den Maanninkavesi, durch
den Ahkionlaka - Canal zum Onkivesi und über den Nerkleojärvi
zum PerovesU
358 W. Flecken Identalmi (Ann. JUälmi, Gasthof: Qästgifvar-
gärden)^ prächtig am Haukiniemi^Kap gelegen. — 4 W. entfernt
an der Wirta-Brücke ein Denkmal für den Kampf am 27. Oct. 1808
zwischen den Russen unter Tutschkow und den Schweden unter
Sandeis ; in der Kähe bezeichnet auch ein ObtlUk die Stelle , wo
der russische General Fürst Dolgorucky fiel.
Von Idensalmi naeh Kajana^ 90 W. in 12-15 St. (Fahrgelegen-
heit meist am Hafen für 10-25 M.). Schlechter Weg über Eirvvärvi und
Muriomäki^ durch öde Gegend. Zahlreiche Theeröfen.
Kajana (Kajaani) (Gästgifvarg&rden) , kleine Stadt (1100 £.) am Ka-
jannänj^ki. Mitten in der Stadt die beiden malerischen Wasserfälle
Kaivukeiki und Ämmä; zwischen beiden auf einer Insel die Ruinen der
Kajaneborg^ c. 1600 erbaut., 1716 von den Bussen erobert und zerstört.
Johann Meueniut lebte c. 1620-35 hier als Gefangener und schrieb seine
Geschichte Finnlands. Auch der durch die Herausgabe des Kalewala um
die finnische Literatur hochverdiente LOnnrot (f 1884) wohnte in den
-40er Jahren in Kajana. — Die beliebteste Promenade ist die Brücke ; sehr
besucht ist ausserdem der Park Ky^pnätpää und die LyekMlighetsö (Glück-
seligkeits -Insel). Etwa 40 W. s.o. ron Kajana (Dampfer in 3 St.) am
Ntuujärvi bei der Kirche ron Sotkamo der Berg Vuokatii (c. 300 m) mit
schöner Aussieht.
VonKajana nachUle&borgl69W. Landweg bis (80 W.) Waala^
besser mit dem Dampfboot (3mal wöchentl. 7 Uhr Vm. ; an Bord keine
Verpflegung) in 7-9 St. für 5 o^ über den Oulujärvi. Von Waala interes-
sante aber nicht ungefährliche Fahrt im Theerboot über die Strom-
schnellen des Oult{;oki (bisweilen 2-3 Meilen in der St.) nach Mukös. Von
hier Dampfer (tägl. 7 Uhr Vorm.) nach (35 W.) üle&horg (S. 238). Die
Landungsstelle ist c. 3W. von der Stadt entfernt (Droschke 75 Pen.).
16. Von Wiborg nach Fredrikshamn (Lovisa, Borga
und Insel Hogland).
Dampfboot zwischen Wibo^g, Fredrikshamn, Lovisa und Borg& fast
täglich. — Post von Wiborg nach Fredrikshamn (111 W.).
Die PostStrasse fährt über Monrepos (S. 205) an der Eisen*
bahn entlang nördl. , überschreitet den Säkkolajoki und wendet
sich dann in südwestl. Richtung der Küste zu.
14 W. KUsHlä, Bei Tervajoki (Seifenfabrik) über denTervajoki.
— 28 W. Nisalaks. — 45 W. Säkkijärvi ; Postverbindung mit der
Bahnstation Pulsa (S. 216; 46 W.). — lieber mehrere kleine Flüsse.
— 60 W. TJrpala,
78 W. Pyttärlaks, Dorf an einer kleinen Bucht. Unweit da-
von die Felseninsel 1 deren berühmte Steinbrüche (grobkörniger,
nach Borgä. KYHMENEGARD. 16. Route, 215
rother Granit) das Material zu vielen Prachtbauten St. Petersburgs,
«uch zu Napoleon's Sarkophag bei den Invaliden in Paris, geliefert
haben. — In der Nahe Dorf und Gut Värälä (Friede zwischen
liussland und Schweden 1790).
Es folgt der hübsche Herrensitz Harjus (Fischereien , Leder*
fabrik), dann (94 W.) Poststation Orönvik. Von hier erblickt man
bereits die Festungswerke von
HO W. Fredrikflhamn (Ann. Hamina; Gasth. : Qästgifvargärden)^
kleine Hafenstadt mit 2760 Einw.^ liegt am Fuss eines Vorgebirges
in Wekkalahti. Die Stadt treibt nicht unbedeutenden Handel.
Die 1656 gegründete Stadt hiess ursprünglich fF<MetaJt«; ihren gegen-
wärtigen IT'&men erhielt sie 1723 zu Ehren des Gemahls der schwedischen
Königin Ulrike Eleonore, des Prinzen Friedrich von Hessen-Kassel, und
wurde 1724 mit Wällen und Bedeuten umgeben, später nach Vanban's
System befestigt, doch sind seit einigen Jahren die Festungswerke dem
Verfalle preisgej^eben. Am 24. Aug. 1789 wurde bei Fredrikshamn die
schwedische Schärenflotte geschlagen, 17. Sept. 1809 in einem (1840 durch
Feuer zerstörten) Thurme der endgültige Friede zwischen Schweden und
Bussland geschlossen, durch welchen ganz Finnland bis an den Torne&-
Eif an Russland kam.
Das Städtchen, dessen Strassen fächerförmig von dem auf einem
Hügel gelegenen Stadthause ausgehen, hat 4 Vorstädte : Wiborgska,
Sandby, Hletaniemi, Savinlemi. Das hervorragendste Gebäude ist
das von einem General geleitete finnische Kadettenhaus. — Die
alte gothische Manenkirche, zur Zeit der Gründung der Stadt er-
baut, ist jetzt die Kirche der finnischen Bevölkerung. Die 1728
errichtete schwedische Kirche brannte später ab , an ihrer Stelle
entstand 1832 die griechische Kirche. Die schwedische Johannis-
kirche datirt von 1839. In nächster Nähe der Stadt viele Land-
häuser und Fabrikanlagen.
Ausflug nach Lovisa und Borg&. Der Weg führt zu-
nächst um die Bucht, an der Fredrikshamn liegt, dann durch fel-
siges Land und dichte Nadelwälder nach (20 W.) Högfors mit
grossen Eisenwerken; in der Nähe ein hübscher Wasserfall des
östl. Mündungsarms des Kymmene (S. 217).
26 W. Xymmenegftrd, ehemals befestigter Ort an der östl. Mün-
dung des Kymmene (Kymijoki), in den russisch -schwedischen
Kriegen viel umstritten. Grosse Kasernen. — In der Nähe, eben-
falls an der östl. Mündung des Kymmene, Svensksund (Ann. Ruot-
sinsalmi) ; die Rhede von Ruotsinsalmi ist eine Station der russi-
schen Schärenflotte. Seeschlachten im Svenska- Sunde zwischen
Schweden und Russen 1. Sept. 1789 und 9-10. Juli 1790. Auf der
vorliegenden Insel Kotka ist seit einigen Jahren eine Stadt (2800
Einw.) gleichen Namens entstanden (Deutscher Konsul: M. Siidel)
mit lebhaftem Holzhandel und zahlreichen Dampfsägen; grösster
und tiefster Hafen an der finnischen Südküste.
34 W. Broby , bereits im Gouvernement Nyland. Die ganze
Gegend ist malerisch : tief in das Land eindringende Meerbusen,
216 SoutÄie. ■ HOGEAND.
felsige Kaps und Schären wechseln mit ftuchtb^ren Ebenen, an den
Ufern der TOh Lachsen belebten Flüsschen zahlreiche behäbige
rothe Bauernhäuser. — 45 "W. Pyttis mit hübscher Kirche. —
50 W. Abhorfors, Lachsfang.
66 W. Loviia (Ann. Loviisa, JoBH»a).
0AATHOP : So c i e 1 6 1 s h u s. — Bads ANSTALT (mit sehr besaehter Kalt-
wasserheilanstalt) am Seeufer, mit hübschem Park. — Yerbiuclung über
Kausala mit Helsingfors und Wiborg (S. 217).
Lovisa, Hafenstadt mit 2000 Einw., li^gt malerisch an einem
Meerbusen -und den ihn umgebenden Hohen hinauf; nach dem Brande
von 1855 wurde sie wieder aufgebaut und prSsentirt sich mit ihren
gelben und rothen Holzhäuschen zwischen schattigen Ahornbäumeu
sehr freundlich. Die 1745 gegründete Stadt hiess ursprünglich
Degtrby, wurde aber 1752 zu Ehren der Königin Louise Ulrike, der
Schwester Friedrich's des Grossen , umgetauft. — Sehenswerth die
Ton dem finnischen Architekten Chiewitz erbaute neue Kirche.
Gleich im Süden der Stadt die Ruinen der schwedischen Festung
Svartholm.
Die Strasse von Lovisanach Borgä durchschneidet sehr anmuthige,
von wohlhabenden Bauern meist schwedischer Abkunft bewohnte
Gegenden. (12 W. von Lovisa) Perno mit schöner, alterthümlicher
Kirche. — 21 W. Forshy^ mit alten, jetzt verlassenen Eisenwerken
und Silbergruben. - 34 W. Illhy. — 44 W. Borgi (S. 218).
Zu einem Ausfluge (65 W.) nacb der Insel Hogland, flnn. 8unrsaart\
findet man in Fredriksb-amn in der Regel Fahreeuge bereit. Die Insel,
10-11 W. lang , 2-3 W. breit , ist durchweg felsig und besteht in ihrem
östl. Theil aus Porphyr, im westl. aus Granit und Diorit. Pie höchsten
Erhebungen sind : der Pohjaskorkia (d. h. ITordhöhe), c. 110 m, mit schöner
Aussieht; der SanJtkavuoH^ c. 150m; der Lounaikorkia am Südende, e.
200 m. Auf der südl. Hälfte der Insel 5 Binnenseen ; einise derselben
senden Bäche ins Ueer, deren starkes Gefälle (die Seen liegen 30-50 m über
dem Heere) bei nur Icurzem Laufe man benutzen will , um bei dem jetzt
begonnenen Abbau des Porphyr Schleifmüblen u. s. w. zu treiben. —
Die Bewohner, c. iCXX). welche nur Finnisch sprechen, vertheilen sich auf
2 Dörfer an der Ostküste und die dicht dabei gelegene Insel Tptärfoari
(d. h. Tochterinsel). Das grössere h nördl. gelegene Dorf belsst <$w«r*
oder PohJa$kylä, das kleinere südl. KUskin- oder LounaÜbjflä. Die Bewohner
nähren sich vom Lootsendienst, Seehunds- und Haringsfang. Unterkunft
findet mam im Pastorat, auch bei mebreren Dorfleuten (gut, aber ttieuer). —
An der Ifordspitze der Insel hat die russische Marine eine Rettungsstation
angelegt. — Westl. von Hogland fand 1788 eine Seeschlacht zwischen
Busseh und Schweden statt.
17. Von Wiborg nacli (Bai^&) Hehingfora (nnd
Sveaborg).
Eisenbahn: 293 W. in Qi/s St. für 29.30, 20.55, 11.65 M,-, Gepäckträger für
jedes Stück 10 Pen. — Dampfschiffe über Fredrikshamn, Kotka^ Lovisä
3-4 mal wöchentlich.
Die Bahn folgt zunaebst der Poststraese. — 12 W. Hovinmaa
(XoBHHMa); — 17 W. Nwrmi$s{UjpuHC%).-'SS^.Simola{Cinoidi),
Zweigbahn nach (18 W.) Willmanstrand s. S. 206. — 48 W. Pul»a.
LAHTI&: 17, Boute\ 217
PostverWndung nach Säkkijarvi (S. 214). — Durch bergige und
seenreiche Gegend nach
70 W. Baviditad (Ann. Taavetti, ^aBHAtUTaAi) in Luumäki. Post*
rerbindung nach (44 W.) Pyitärlaks (S. 214).
93 W. Xaipiaii (KaHniaSci). Bahnrestaur. (Mittagessen 2.80 M.),
20 Min. Aufenthalt. Von hier an zeigen die Uhren Helsingforser Zeit.
103 W. üttis (yTTHCt), hübsch an einem See gelegen. Postver-
bindung nach Fredrikshamn (S. 215). — 115 "W. Kouvola, Eisen-
bahn (Savolaksbahn) über St. Michel nach Kuopio ist im Bau. Die
Bahn überschreitet auf hoher Eisenbrücke den Kymmene, zugleich
die Grenze des Gouvernements Nyland.
Der Kjmmene oder Kymijoki ist der Abfluss des grossen Wasser-
systems, das sieh über einen bedeutenden Theil des finnischen Hoclilandes
ausbreitet. Sein Hauptarm hat seine Quellen am JSuomemelkä und fliesst
ins nördl. Tavastland hinab, wo er sich in den Kettele in Wiitasaari
ausbreitet. Die von dort gegen Süden nach Laukkas ausströmende Wasser-
masse, welche westl. von der Saarifärvi- Strasse und von Osten durch die
Rautalampi - Strasse durch den Tturvckla-Fora verstärkt wird, fällt durch
den grossen Kuhanioski in den Leppäveai und weiter durch den ffaapa-
koski bis zu dem 12 finnische Meilen langen und S Meilen breiten P&ij&nne
(s. unten). Der Päijänne nimmt mehrere Zuflüsse auf und breitet sich
dann nach dem südöstl. Strand durch den Kalkkisstrom bis Kum Rvotsa-
lainen-See aus. Aus diessem fliesst der Kymijoki^ der bei Heinola (s. unten)
den Jyränkd- Strom bildet, von ^Norden die Mäntyharju- Strasse aufnimmt
und mittelst des Keltü - Stromes den Salpemsselänne durehbrieht, wonach
er, das Nyländisehe Tiefland durehfliesaend, den Wasserfall bei Anjala
bildet und sich bei Wedenjakama in zwei Arme spaltet, welche die Insel
Pyttis (PyhtäS) umsehliessen und mit 5 Mündungsarmen : Abborfors, Pyttis,
Snttila, Kymmene und HÖgfors (durch den Fall Korkiakoski ausgezeichnet
S. 215), in den Finnischen Meerbnsen fallen. — Länge (vom Huotsalainen-
See) iö5 W. Fall 80 m.
120 W. Kymmene. — 135 W. Kausala. Postverbindung mit
Lovisa (S. 216). — Kurz vor (152 W.) Nyby die Grenze des Gou-
vernements Tavastehus. Von Nyby Postverbindung nach (32 W.)
Heinola (s. unten).
171 W. lAhtii. Bahnrestaur., 10 Min. Aufenthalt.
Zweig bAhn nachYesijärvi. Von dort Dampfer nach Heinola
(3 mal wöchentlich) und nach Jyväskylä (täglich). Die Fahrt geht über
den inselreiehen, von Laubwaid umsäumteil Vesißärvi^ darauf durch den
Väffvö (finn. Vääksy) -Kanal zum Päijänne. Östlich durch den kanalisirten
Kalklistrom und den Ruottalainen-See nach (S^/g St.) Heinola, freundliches
Städtehen mit e. 1200 Einw. — Die nach Korden Gehenden besuchen östl.
die Sysmä-BnOcke^ weetl. die Brücken von Jämsä un^ Korpüahti und ge«
langen nach 11-12 stüadiger Fahrt durch den engen Atjälä-Sund nach Jy*
▼tekylA, Stadt mit 2900 Einw. am Jyväsjärvi hübsch gelegen (Gasthöfe:
Societetshus; Qirsits, Oäsigifvargärden]^ mit den\ ersten finnischen Lehrer-
seminar (18i88). Oberhalb der Stadt der Bergrücken Ta^luniäki mit schöner
Aussicht. Volksfeste s. S. 202. Post nach Kuopio (191 W.) ; nach Keuru^
Station der Wasabahn, 70 W. (S. 235).
Weiter durch eine an Abwechselung reiche Landschaft über
JSerrala, Järvela, Lappila, Ots, Hikiä,
226 W. Bühim&ki. Bahnrestaur., 10 Min. Aufenthalt. Abzwei-
gung der Bahnen nach Tavastehus, Tammerfors und Äbo (S. 226).
238 W. Hyvinge. Bahnrestaur. und Gasthof, 5 Min. Aufenthalt.
Nach Ekenäs und HangÖ s. S. 224.
218 Boute 17, HELSINGFORS.
Die Gegend wird einförmig. 248 W. Jokela, — 259 W. Träs-
kända , hübsches Dorf an einem See. — 266 W. Kerve, grosses
Dorf mit Herrensitz. B&hurestaur.
Zweigbahn in il/2 St. nach (SSW.) Boxgk (Ann. Porvoo, Bopro). —
Oasthöfb : Soeietetthus am neuen Platz ^ Jernvägs- Hotel nahe dem Bahnhof,
beide mit Restaurant. — Bbsta-Dbaiits : in den Gasthöfen; Ca/4 Juselius;
Cafi Lindberff. — Damvmcbtfpb täglich nach Helsingfors.
Bor^A^ 6tadt an der Mündung des Borgd-Ä in den Borg&-Fjord, mit
3900 meist schwedischen Einw., Sitz eines Bisehofs, mit lebhaftem
Handel, soll bereits 1346 gegründet sein; die noch heute vorhandenen
Reste von Befestigungen, der Citadelle oder Borghiiektn und bei Saktby^
der ehemaligen Niederlassung der Hanseaten, werden von Einigen ins
X. Jahrh. gesetzt. In den schwedisch - russischen Kriegen wurde Borg&
wiederholt stark mitgenommen. — Sehenswerth das Grab und Denkmal
des Dichters /. L. Runeberg y ^welcher lange am Lyceum in Borgä wirkte.
Die Stadt liegt hübsch auf den Höhen, welche Fluss und Fjord um-
säumen; der Dom stammt aus dem xv. Jahrhundert. In der Umgegend
eine Anzahl industrieller Etablissements. Von Interesse eine Fahrt
zwischen den Inseln, welche die Hündung des Flusses umgeben.
Poststrasse nach Lovisa s. S. 216. — Nach Helsingfors (55 W.) ist das
Dampfschiff vorzuziehen; die Fahrt zwischen immer neuen grünenden
Inseln ist sehr anmuthig. Die Post geht über Wekkoski^ Sibbo^ Henriksdal
und GammeUtaden , das alte Helsingfors, an der Hündung des Heisinge
oder Wanda-A in den Sömäs-Busen, 1550 erbaut, mit bedeutendem Lachs-
fang. Ein Aquäduct versorgt Helsingfors mit Wasser.
Stationen: Dickursby, Malm, Aggelby; dann durch die Anlagen
des DJurgdrden und über den langen Damm, welcher die Tölö-
Bucht westl. der Insel Broholm durchschneidet, nach
293 W. Helsingfors (Ann. HelHnki, re4i»CHHr*opci).
Gasthöfe: Hdt. Kamp (Z. 2-15 H., H. 2i/sH.); *Soeietetshus
(Pl.a), *Kleineh's Hotel (Pl.b), beide am Salutorget mit gleichen
Preisen (Z. 3-6 H., H. 21/3 H.); *Wilhelmsbad am Bahnhofsplatz (PI.
B3),Z. 2-4H.; ebenda Post und Jernvägshotel; Nyahotellet,
Glogatan n» 8 (PL B 3).
Restaurakts: *ThecUer im Centrum der Stadt, Ende der Esplanad-
Gatan; *Brunnshiu«t im Ulrikasborg-Park; *Kapellei auf der Esplanade;
Arkadiatheater ; Kaisaniemi (S. 221); Hesperia in Tölö (PL A2); *Alphydd<m
im Djurg&rden (S. 223); Cafi du Nord, Sofiegatan 2.
Cafes: Enquisi, Alexanders-Gatan 22; Heinstrom , TJnionsgatan 28. —
CoMDiTOREiB« : Lö/ström, Alexandersgatan40; Sundholmy Norra Esplanad-
gatan 31.
Badbb: Wilhelmsbad , (VI. A2)^ Wilhelmsgatan n<>il; warme, kalte und
russische Bäder: Harie-Gatan n° 13, Brunns-Gatan n° 8. — Im Sommer
Seebad im XJlrikasborg-Park, ferner auf Skatudden.
Waoev : Tour vom Bahnhof 75 Pen., in der Stadt 60 Pen. ; pro St. bei
Tage 2H., bei Nacht (11-6 U.) 4 H.; halber Tag 8 H., ganzer Tag (12 St.)
12 H. — Omvibus von der katholischen Kirche (PL 13, B 4) nach Tölö,
alle 1/2 St., 15 Pen. -~ Dienstmann: 25 Pen. ; nach ausserhalb 40-60 Pen.;
pro St. 60 Pen., halber Tag 3 H., ganzer Tae 5 H. 50 Pen.
Theatbb: Btadttheater (TeKterhviB , PL ^), Saison September > Juni;
Vorstellungen in schwedischer Sprache. •— Arkadia (PL 27), am Esbo-
Thor; Vorstellungen in finnischer Sprache. ^ ParkVuater in Ulrikasborg
(PLB4); Vorstellungen nur im Sommer, deutsche und schwedische Truppe.
Post: Nikolai - Gatan n° 6; geöffnet an Wochentagen 9-2 und 0-6,
Sonntags 8-11 U. — TsLEGBAPHEKBrREAU : Alexandersgatan 52.
Bakkev: Finlandsbank, Nicolaigatan 8; Hypothek»f6rening,'RMLAh.ThiisQi
(S. 220). — Wechselcontore : Obligations-oeh'Aktiehandel, Unionsgatan 22.
KoKsuLATB : Deutsches Reich : Konsul Dr. B. Qraser ; Frankreich :
Konsul E.Evenson; Grossbritannien: Vicekonsul C.J.Cooke; Oesterreich-
Ungarn: Vicekonsul C. M. Otto.
HELSINGFORS. 17. Boute. 219
BuBCAUx DER Dampvschipfe : L. Erogius, 8ödra Magazingatan 2, für
Fahrten nach Stoekholm, Abo, Hangö, Ekenäs, Wasa und den nördlichen
Küstesstädten, Reval; E. v. Gerieke, Haus Forsström , für Stockholm,
Beval, Lübeefc; Itindblad A Holmberg, für Lübeck, Reval; Donner,
für Borg&, Hüll; K je Hin, für Stettin, Lübeck und die Umgegend. —
Dampfer zum Verkehr in der Umgegend (Skärg&rd) täglich mehrmals
(25 Pen.) s. die Annoncen in den ^ettwifm.
Heliingfors, die Hauptstadt Finnlands , Site du General- und
Civil-Gouverneurs , des kaiserlichen Senats (seit 1819) sorwie aller
für die Regierung und Verwaltung des Landes eingesetzten Central-
ämter, des Generalcommandanten des II. Militär-Bezirks, der Alex-
ander-Uniyersität (seit 1826), mit 53,500 Einw. meist schwedischer
Nationalität, liegt am westl. und südl. Rande einer Bucht, mit
welcher das Meer in die von zahlreichen Schären umgebene Büdküste
Finnlands hineintritt, und bedeckt mit seinen Häusern auch eine
vielfach eingebuchtete Landzunge , welche sich hier in Östl. Rich-
tung ausstreckt und so links wie rechts eine Nebenbucht bildet.
"Wie die Hauptbucht von mehreren kleinen Felseilanden durchsetzt
ist, so auch das Meer ausserhalb ; hier ziehen sie sich von der einen
Landspitze bis zur anderen im Halbkreise, unterbrochen durch ein
schmales Fahrwasser, das nur an einer einzigen Stelle, dem Gustafs-
svärds-Sund , grösseren Schiffen die Einfahrt zu den Häfen von
Helsingfors gestattet. Auf einigen dieser Inseln erheben sich die
Wälle der Seefestung Sveaborg (S. 223). Die Stadt hat breite, gerade,
mit stattlichen Häusern besetzte Strassen , prächtige Kirchen und
Monumente , zwei vortreffliche durch Batterieen befestigte Häfen
Norra und Södrahamnen) mit schönen Granitquais, ausser der
Hochschule ein Polytechnicum, mehrere Lyceen, eine Navigations-
und Handelsschule, Irren- und Blinden-Institut und eine Anzahl
von Fabriken, obgleich Helsingfors im allgemeinen wenig industriös
ist. Der Handel ist nicht so blühend wie in Wiborg und Abo ; doch
repräsentirt der jährliche Waarenumsatz die Summe von 30-40 Mil-
lionen Mark, von denen nur etwa ^/j auf die Ausfuhr kommt. Seit
Eröffnung der Petersburger Bahn (1870) wird Helsingfors viel von
Fremden besucht ; in Folge dessen ist das Leben theuer geworden,
namentlich während der Saison der Seebäder. Am belebtesten ist
Helsingfors vom September bis Mai.
Zur Geschichte. Gustav I. Wa$a gründete 1550 an den Ufern des
Flusses Wanda, nicht weit vom Heisinger Wasserfall (Fors) zuerst eine Stadt
Helsingfors, deren Ueberreste heute noch sichtbar sind und von den Finn-
ländern Oammelstaden (d. h. Altstadt, S. 218) genannt werden. Die Umstände
waren ihrer Ent Wickelung als Handelsstadt nicht günstig und 1639 befahl die
Königin Christine, die Stadt an die Estnässpitze, nach dem Platze, den sie
heute einnimmt, zu verlegen. Pest, Brand und Krieg C17i3) veranlassten Xeu-
bau und Befestigung 1729. In der Nähe am Kamptn-Äy spielte der Schlussakt
des Krieges von 1741-42. Hier musste der schwedische General Löwen-
haupt am 35. Aug. 1742 mit 12,000 Schweden die Waffen strecken. 180S
wurden Helsingfors wie Sveaborg von dem russischen General Buxhöwden
besetzt und im Frieden zu Fredrikshamn (17. Sept. 1809) kam es, damals
noch eine unbedeutende Stadt, an Knssland. Seit 1812 Hauptstadt Finn-
lands, wurde es 1817 der Sitz der Regierung; 1827 ward auch die Uni-
versität von Abo nach Helsingfors verlegt; der von Alexander I. vor-
geschriebene Bebauungsplan bereitete grosse Schwierigkeiten.
230 Boute 27. HELSINGFOBS.
Die Mittelpunkte des Verkehrs in Helsingfors sind der von
Granltquais umsäumte Hafen (durcli die Halbinsel Skatudden in
Norra und Södrakamnen getheilt , vgl. S. 222) und der daran ge-
legene Commerzplatz (Salutorget, P1.B3), zugleich Markt. An
ihm rechts das kaiBerliche Palaifl (Kejserliga Palatset , PI. 19) mit
einer auf einem G-tanitfelsen stehenden rttasischen Kapelle. Das
Palais ist ein einfaches dreistockiges Gebäude, ehemals Privathaus ;
im Innern einige Gemälde finnischer Künstler und ein hübscher
Thronsaal. Nicht weit davon, am südl. Qual das Alexandra*'
Monument (PI. 1) , eine kegelfö^rmige Denksäule , deren Spitze ein
Doppeladler auf vergoldeter Kugel ziert, laut Inschrift zur Erin-
nerung an den Besuch der Kaiserin Alexandra Feodorowna 1833
errichtet.
Eine Fortsetzung des Commerzplatzes bildet in westl. Kichtung
dieEsplanade (£splanad*Gatan), die schönste Strasse der Stadt,
mit einer vierfachen Reihe von Ahornbäumen besetzt, unterbrochen
von zahlreichen Squares. Hier 1. die meist von Kaufleuten besuchte
Restauration Kapeilet. Rechts an der Ecke der Fabiansgatan die
Wohnung des Generalgouverneurs. In der Mitte der Esplanade ein
Denkmal des Dichters Runeherg, von seinem Sohne Walther ver-
fertigt; am Ende das schöne neue Stadttheater (PI. 26), 1858-60
vom finnischen Architekten Chiewitz aus Granit erbaut , 1863 aus-
gebrannt und von dem Petersburger Baumeister B4noit restaurirt.
Von hier geht die Henriksgatan in nordwestl. Richtung bis zum
Esbo-Thor (Esbo-Tull, PI. A3) , in dessen Nähe das hölzerne Ar-
kadia- Theater (PI. 27; für c. 500 Personen) liegt.
Auf den Commerzplatz stösst in rechtem Winkel die nördl.
laufende lange Unions-Gatan, die zweite Hauptstrasse von Hel-
singfors. Die Nebenstrassen sind meist unansehnlich, mit Ausnahme
etwa der der Esplanade parallel laufenden Alexanders-Gatan.
In dieser, Ecke der Marie -Gatan, das ^Bitterhans (Riddarhuset,
PL 23), im italienischen Palaststil von Chiewitz erbaut. In dem im
ersten Stock gelegenen schönen, mit Wappenschilden des finnischen
Adels geschmückten Rittersaal tagt während des finnischen Land-
tages der Adel; in einem der Yorsäle ein Gemälde von Ekman, die
Eröffnung des Landtags durch Alexander II. 15. Sept. 1863. Ausser-
dem enthält das Ritterhaus noch die Localitäten der Hypotheken-
Bank, einige Bureaux, das Atelier des Malers Becker (Eingang von
der Regerings -Gatan) u. s. w.
Am Ende der Alexanders-Gatan das 1876 eröffnete Studenten-
haui (PI. 25), mit Bibliothek und Lesesaal, Musik- und Billard-
Salon , Restauration u. s. w.
Die Unions-Gatan hinunterschreitend kommen wir auf den
Senatsplatz (Senats-Torget, PI. B 3), begrenzt im N. von der Nikolai-
Kirche, im W. vom Universitätsgebäude, im S. vom Rathhaus und
einigen stattlichen Privathäusern, im 0. vom Senatsgebäude.
Die lutherische St. »ikolai-Kirche (PI. 12), 1830-52 auf einem
HELSINGFORS. 17. RouU, *221
den Platz um 10 m überragenden Oranitfelsen im byzantinischen
Stil erbaut, hat 5 hellblaue Kuppeln; zu beiden Seiten zwei
völlig abgesonderte hohe und schmale Nebenflügel. Vom Platz aus
führt eine fast die ganze Breite desselben einnehmende Granit-
treppe (50 Stufen) zu dem mächtigen Portal der Kirche. Vor dem-
selben der beste Blick auf die Stadt und das Meer. In dem von
Pfeilern getragenen Innern ein Altarbild , Grablegung Christi , von
NeflF. Schöne Orgel. — Bei Eröffnung und Schluss des finnischen
Landtages findet hier feierlicher Gottesdienst statt.
Das stattliche Senatshaus (Senatshuset, PI. !24), 200 m lang und
100 m tief, umschliesst die Bureaux der meisten fttr Regierung und
Verwaltung Finnlands eingesetzten Centralämter. Im ersten Stock-
werk der prächtige Thronsaal mit dem Porträt Nikolaus' I. ; in an-
deren Räumen die Porträts Alexander's I. und'Alexander's II., frü-
herer Generalgouverneure Finnlands (Barclay de Tolly, Menschikow,
Berg u. s. w.), auch Ekman's Gemälde „der Landtag von Borgi".
Die Universität (Alexanders Universitet; PI. 29) ist ein palast-
artiges Gebäude , zu dem eine schöne Freitreppe aus Granitstufen
emporführt. Das durch drei Stockwerke gehende Treppenhaus
schmücken Sculpturen von SjÖstrand („Gesang Wäinämöinen's'').
Dem Eingang gegenüber die grosse Aula; über dem mit goldenen
Löwen gezierten Katheder die Bronzebüste Alexander's I. In anderen
Sälen die Marmorbüste der Königin Christine von Schweden, Por-
träts russischer Kaiser, die als Thronfolger meist Kanzler der Uni-
versität sind, berühmter Finnländer u. s. w. — Die Universität hat
alle 4 Facultäten und einen Lehrkörper von c. 40 Professoren ; die
Zahl der Studenten beträgt gegen 1000, eingetheilt in sechs Na-
tionen ; ihr Abzeichen ist eine weisse Mütze mit schwarzem Bande
und Lyra. .
In demselben Gebäude aueh das zoologische Museum (geöffnet Mi. 12-
1 U.)i die Münzsammlung (Do. 11-12 U.), das physikalische Cabinet (Do.
11-12 U.), die Archive (täglich 11-2 U.) und im Hofe der Tumsaal. Andere
Universitätsinstitute sind in besonderen, der Anstalt gehörigen Gebäuden :
die Bibliothek (s. u.), das chemische Laboratorium (l^icolai-Gatan 5), das ethno-
graphische Museum (ebenda; Hi. und Sa. 1-2 TJ.), das anatomische Museum
(Fabians-GatanSö; Sa. 1-2 U.), das magnetische Observatorium (Berg-Gatan
24; täglich geöffnet), das ethnographische Museum des JStudentencorps (Unious-
gatan 20; So., Mo., Mi., Fr. 12-2 U. ; 50 Pen.).
Das BaihhauB (Rädhus ; PI. 22) enthält die Bureauz der Stadt- und
Polizeiverwaltung und (im ersten Stock) das Stadtarchiv (10-12 ü.).
Die Unions - Gatan vom Senatsplatz in nördl. Richtung verfol-
gend haben wir links die schöne ÜniverHtäts^ Bibliothek (PI. 2, ge-
öffnet an Wochentagen von 11-2 U., in den Ferien nur Mi. und Sa.),
rechts die alte griechische Kirche (PL 9), dem gegenüber gelegenen
russischen Militär- Hospital (PI. 4) dienend. Weiterhin die Uni-
versitätS' Klinik (Kliniska Institutet, Unions-Gatan 33-37). Ihr
gegenüber der Eingang zum Stadtpark, gewöhnlich Kaisaniemi ge-
nannt, eine schöne und besuchte Promenade (*Restaurant) ; vom
222 17. Route. HBLSINGFORS.
Pavillon SJöaalongen (stündlich ein Dampfer nach T51Ö ; im Som-
mer Abends oft Goncerte) prächtige Aussicht.
In der Unions-Gatan n 44 auch der Eingang zum Botanischen
Garten der Universität (Botaniska Trädgirden ; PI. 3), hübsch an
der TölÖ-Bucht gelegen, mit Orangerien und Treibhäusern (geöffnet
Di. und Fr. 11-1, So. 10-1 U.).
Vom Societetshus in 5stl. Richtung den Commerzplatz über-
schreitend , und über eine Brücke , welche einen die beiden Häfen
der Stadt verbindenden Kanal überwölbt, gelangen wir in die Vor-
stadt Skatudden (PI. C 3, 4). Nördl. davon der tiefe Nordhafen
(Norrahamnen), in dem die Kriegsschiffe anlegen.
Auf den Hohen von Skatudden die *nene ruMiiche Kirche
(PI. 10), 1870 vollendet, deren weisse Thürme und goldene Kuppeln
weithin leuchten. Gegenüber die Münze (PL 17, nur mit beson-
derer Erlaubniss zugänglich), das Oefängniss und an der äussersten
Spitze der Landzunge die stattlichen Kasernen der finnischen See-
Equipage (PL 5).
Wendet man sich, über die Brücke zurückkehrend, links nach
der südl. Spitze der Halbinsel, so gelangt man , an Yestra und Ma-
gasins Kajen mit ihren Werften und Lagerhäusern entlang, r. an
der deutschen Kirche (PL 8) und dem hochgelegenen astronomischen
Observatorium (PL 18, geöffnet Do. 12-1 ü.) vorbei zu der 1860
vollendeten römisch-katholischen Kirche (PL 13) am Eingange des
*Ulrika8borg-Parkes (auch Brunnsparken genannt; PL B C4, 5),
mehr eine Vorstadt von Helsingfors mit zahlreichen Villen. Am
südlichsten Ende des Parkes das Badehaus (Seebäder und Mineral-
wässer; gutes Restaurant, wo Abends häufig Concerte stattfinden).
Im Park selbst ein kleines Theater.
Von der Südspitze der Halbinsel hübsche Aussicht auf die
Inseln: links, zunächst dem Festlande, Degerö, dann Sandhamn-
stand, endlich eine Gruppe kleinerer Inseln, ehemals Wargschären
(Wolfsinseln) genannt , jetzt Bestandtheile der Festung Sveaborg
(S. 223).
Am südl. Ende der Unionsgatan , bei der deutschen Kirche das
schwedische , in der Nähe , Bangatan 2-4 , das finnische Normal-
lyceum. Weiter durch die Kaserngatan zur Kaserne des finnischen
Gardebataillons (PL 6); auf dem Hof ein Monument für die im
letzten türkischen Kriege gefallenen Soldaten.
Durch den weiter westl. liegenden neuen Stadttheil zieht sich
die breiteste Strasse der Stadt , der von Alleen beschattete Boule-
varden, mit stattlichen Schulgebäuden auf der Südseite. — Am
Kyrko-Torget und der Andree-Gatan die von Anlagen umgebene alte
ItttheriBohe Kirche (PL 11), 1826 in Holz erbaut; im Innern eine
schöne Orgel und ein Altargemälde von Ekman, Christus die Kind-
lein segnend.
Von den Kirchhöfen liegt der lutherische nördL der Lappviken-
Gatan, der griechisch -russische südlich. Auf ersterem eine kleine
SVEABORG. 17. Boute, 223
Kapelle und einige bemerkenswerthe Denkmäler. Zwischen beiden
bindurcb führt der Weg nach der Irrenanstalt Lappviken, einem
kolossalen Gebäude an der Lappviken-Bucht, umgeben von grossem
Park (Besichtigung nur mit Erlaubniss des Directors).
Durch das £sbo-Thor , am Ende der Henriks-Gatan , erreichen
wir den Djurg&rden oder Tölö-Park (2 km; Wagen 80 Pen.), male-
risch an der Tölö-Bucht gelegen , eine hübsche neue Anlage (Res-
taurant Alphyddan s. S. 21S). Tölö, ehemals Zuckerfabrik, ist jetzt
eine Vorstadt von Helsingfors geworden.
Umgebungen ton Helsingfobs.
Helsingfors kann sich nicht so schöner Umgebungen rühmen wie Wi-
borg und Abo. Bemerkenswerth und interessant ist Indessen die Fahrt durch
den schönen Inselarchipel, besonders auf der Seite nach Borgä hin.
Die von den Bewohnern von Helsingfors meist besuchten Inseln (Dampf-
boote stündlich, gutes Restaur. an Bord; s. 6. 218) sind: KndkUnt Brän-
döJiolmy Sumparn, Högkolm^ Tur?u>lmt Degerö^ Willinge ^ Sveaborg. — Zu
Lande besucht man auf der Borgä-Seite : Södernäs^ Oumtägt^ Oammelsiaden^
Wiks-Ladugärd, Brändö^ Boihy^ Busö^ Eriksnäs ; im Korden Staßarubp, Ltnna^
Äggelby; zum Esbo-Thor hinaus gelangt man nach: Meylam^ Munksnäs^
Talibi/, Hoplax; weiter (13 W.) führt der Weg nördl. "nach dem Hohofen
von Wanda^ nach Trä$kända^ der Familie Karamsin gehörig, mit schönem
Park und grossartigen Treibhäusern; westl. auf dem Wege nach Ekenäs
zur Poststation Finnt, in deren Nähe reizende* Besitzungen CBobäckvi. a.).
Nach Sveaborg fahren kleine Dampfboote im Sommer stündlich
von Södrahamn (in c. V2 St., hin und zurück bequem in 1^/4 St. ;
im Winter mit Fuhrwerk über das Eis). — Besondere Erlaubniss
zur Besichtigung der Festung ist nicht erforderlich, ein Soldat
dient als Führer.
Sveaborg (finn. Viapori; H5tel), starke Festung und Kriegs-
hafen, „das Gibraltar des Nordens", 1000 Einw., 6000 Mann Gar-
nison im Frieden , Station für einen Theil der russischen Kriegs-
flotte, ist ein Ort ganz russischen Charakters. Die Befestigungen
liegen auf einer Inselkette , die sich in einer Ausdehnung von c.
1 Meile von der Insel Sandhamn in nordwestlicher Richtung zum
Vorgebirge Ulrikasborg erstreckt und die geräumige Bucht von Hel-
singfors abschliesst. Die beiden Haupteingänge in die Bucht liegen
östlich und westlich der Inseln Gustavssvärd, VargÖ und Stora-
Öster-Svartö.
Zur Geschichte. Nach dem Frieden von Äbo 1743 wurden Lovisa
mit dem davor liegenden Svartholm (S. 216) und Helsingfors zu Festungen
für den bei Schweden gebliebenen Theil von Finnland bestimmt. Zum
Schutz nach der Seeseite wandelte man die Wolfsinseln (s. oben) in einen
befestigten Hafen um. Die schwierigste Arbeit bei der Erbauung Svea-
borgs war nicht die Herstellung der 15 m hohen Wälle, sondern die An-
lage der Docks. — Im Frühjahr 1808 wurde die Festung von den Bussen
cernirt und fiel binnen kurzem durch angeblichen Verrath des Comman-
dantcn Admiral Cronstedt ihnen in die Hände. Bei dem Angriff der eng-
lisch-französischen Flotte, 7. August 1855, wurden durch das heftige Bom-
bardement nur sämmtliche Gebäude im Innern der Festung zerstört; ein
gleichzeitiger Landungsversuch auf den Inseln Drumsö und Sandhamn
hatte gleichfalls kein Resultat, und am 14. zog sich die feindliche Flotte
nach Beval zurück. Seither sind die Werke von Sveaborg noch sehr ver-
stärkt worden.
224 Itoute 27. EKENÄS.
■ ■ . Die Hauptgruppe der Befestigungen befindet sich, auf 4 Inseln.
Vargöf die eigentliche Festung mit der Stadt Sveaborg , enthält
die Wohnung des Admirals und des Commandanten , Matrosen-
schule, Arsenale, Zeughäuser, Magazine f ftr Ausrüstung der Schiffe,
eiii grösseres und zwei kleinere, in Felsen gesprengte, hinter
einander liegende Schiffsdocks; 8ti>ra^Ö9ter^SvaTtö, nordöstlich
von Vargö, lAlla^Öster »Svartö und Vtster-SvartÖf beide nördlich
und nordwestlich Vargö; zwischen den beiden letzteren liegt die
kleine Gitadelle Löven, Südlich Yargö das • «tärkste der Forts,
Oustav88värd. Die Inseln sind sämmtlich durch. Brücken mit ein-
ander verbunden. — Isolirt liegen ganz im Norden die befestigte
Insel Ldngöm und im Süden Bdkholm.
Der Anblick Sveaborgs ist, wie der fast aller derartigen Felsen-
festungen, ein ernster, düsterer. Der Kriegshafen liegt zwischenVargÖ
und Stora-Öster-SvartÖ. Am Ufer sieht man ausser Dienst gesetzte
und mit Ketten festgeschmiedete Kriegsschiffe , die Wohnung der
Invaliden und Festungsgefangenen.
Ton dem Hafen gelangen wir (in militärischer Begleitung) über
tiefe Gräben auf den Hauptplatz der Festung Yargö. Dem Com-
mandantenhause gegenüber das auf dem Grabe des Feldmarschalls
Orafen Ehrensvärd errichtete Denkmal: auf einem Granitfelsen
mit der Bronzearmatur eines Schiffes erhebt sich eine Trophäe aus
Ritterwaffen; Inschrift: „Hier ruht Ehrensvärd, umgeben von
seinen Werken, Sveahorgs Festung und des Heeres Flotte.* Andere
Gedenktafeln feiern die Verdienste des Architecten Thunberg und
anderer Theilnehmer an dieser Schöpfung.
Von Helsingfors nach Hangö, 194 W. in 8 St. für 19.40, 13.60,
9.70 M. — Bis Hyvingt (Wagenwechsel) 8. S. 217. — Die Bahn tritt- in
den bevülkertsten und best angebauten Tlieil von Nylands-Län und ganz
Finnland. Zahlreiche Fabriken. — 77W. Korpi. — 102 W. Nummela. —
115 W. Lojo , Dorf (3 W. von der Station) mit hübscher Kirche am Lojo-
See. -^ Am Südende desselben und am Karis-Ä (138 W.) Svartä. Der Bahn-
hof liegt unfern des gleichnamigen Herrensitzes der Familie Linder, mit
schönem Park und den ältesten Eisenwerken Finnlands. — 147 W. Sta-
tion Karts '^ in der Nähe r. der gleichn. Flecken mit ansehnlicher Kirche,
an der grossen Poststrasse von Helsingfors nach Abo. — (10 W. nordwestl.
die grossen Kupfer- u. Eisenwerke von Fiskar» (Hotel), 1649 gegründet,
seit 1832 im Besitz der Familie Julin.) — Auf hohen Dämmen oder am
Fusse bewaldeter Hügel hin, durch eine Reihe anmuthiger Landschaften
nach
162 W. Ekenfta (finn. Eikneesi,Tammisaarl). (Gasthofs : G ä s t g i f v a r -
g&rden und Hangö, beide mit Restaurant. — Rbstauravt: Ha/en^
nahe dem Landungsplatz, mit Bad; Tuppen^ bei der Kirche. — Cap£:
Kräkan. — Konsul des Deutschen Reichs: C. Hultmann. — Ekenäs^ altes
Städtchen mit 1700 Einw., im Pojo- Kirchspiele, liegt auf einer weit ins
Meer sich erstreckenden Landzunge. Viel Handel und Gewerbthatigkeit
(Handschuhe und Sprotten von EkenSs berühmt). Massive alte Kirche
mit werthvoUem Altarbild, wahrscheinlich einem Beutestück des SOjäh-
rigen Krieges. Am östl. Eingange der Stadt der Slottsbacken mit schöner
Aussicht auf das Meer und seinen Inselkranz. — Die Umgebungen von
Ekenäs sind besonders hübseh. Oestl. der Stadt (10 W.) im Kirchspiel
Snappertuna die interessanten Ruinen der Bure Raseborg ; 18 W. davon
im Ingo-Kirchspiel das Eisenwerk Fagtreik^ 1646 gegründet, jetzt im
Besitz der Familie Hisinger. Bei dem auf einem Granitfelsen am Rande
TAVASTEHÜS. 18. Soute. 225
«ines Sees gelegenen Herrenhaus grosse Treibhäuser und Orangerien. Auf
einer Insel im See der Park.
Hinter Ekenäs überschreitet die Bahn auf langer Brücke den breiten
Golf von Pojo und hält sich dann auf dem hohen r. Ufer desselben.
Schöner Blick auf Stadt und Busen. — 177 W. Lappvik auf schmaler Land-
zunge. Unfern der Station ein OMisk cur Erinnerung an den am 25. Juli
(7. Aug.) 1714 von Peter dem Orossen über die Schweden bei Kap Hangö
erfoehtenen Seesieg. Von der Bueht von Lappvik kann man zu Boot
in 2 St. die Kapelle von Bromarf erreichen, eine der schönsten Finnlands.
Kicht weit von Bromarf die Besitzung der Grafen Aminoff, Riil<Mks^ Schloss
im engl. Stil mit Gemäldegallerie und schönem Park. — Durch waldige
und felsige Gegend nach
194W. Hani« (Hangö-Udd, Ann. Haukonnitmi) (Gästgifvargirden), im
Entstehen begriffene Stadt (lOOO E.) mit Seebad auf einer weit ins Meer
reichenden sandigen Landzunge, der südlichste Punkt des finnischen
Festlandes. Die von Gustav UI. hier angelegten Befestigungen wurden
nach' dem Falle von Bomarsund (S. 234) 1864 gesprengt. Zum Gedächt-
niss der im Kriege 1853-56 gefallenen Offiziere und Soldaten ist ein
Denkmal errichtet.
Kach Hangö geht seit 1871 eine directe Damp/erlinU von Stockholm
aus (Fahrpreis 1. Gl. ohne Verpflegung 16 Kronen, Dauer der Fahrt
19 St.). Der Dampfer durchkreuzt den Bottnisehen Meerbusen und passirt
kurz vor Hangö die Insel OtuUtfstvärn mit den Trümmern einer li80 er-
bauten, 1854 zerstörten Festung. Vor der Landung erhalten die Beisenden
die in Stockholm abgenommenen Pässe zurück. Am Landungsplatz, wo
kurze Zollrevision, steht ein Zug bereit, der die Passagiere zur eigent-
lichen Station führt. Billets für die Eisenbahnfahrt nach St. Petersburg
(2. CI. 22 Kronen 97 Oere) werden in Stockholm ausgegeben.
18. Von Helaingfon nach Tavaatehns und Abo.
EUei^ahn von Helsingfors nach Ibo, 266 W. in lOVs 8t. für 25.60,
17.95, 12.80 M.: nach Tavastehus, 100 W. in 4 St. für 10, 7, 5 M.; nach
Tammerfors, 175 W. in 71/4 St. für 17.50, 12.25, 8.75 M.
Von Helsingfors bis (55 W.) Hyvingt (Wagenwechsel nach
Hangö) s. S. 217.
Bis (67 W) Riihimäki (Wagenwechsel) s. S. 217.
Gleich hinter Riihimäki betreten wir das Gouvernement Ta-
vastehus, das In seinem südl. Thelle trefflich angebaut Ist. Flaclis-
bau und Ylehzucht sind Hauptbeschäftigung der Bewohner.
75 W. Ryttylä. — Hinter (81 W.) Leppäkoski über den Vänd-
Strom, — 87 W. Turenki,
100 W. Tavastelias (finn. Hämeenlinna),
Gasthofs : *N o r d i n , am grossen Platz (im Hotel auch ein Theater) ;
Gästgifvarg4rden, in der Strasse zwischen Bahnhof und dem grossen
Platz; Soeietetshus, in der Sehlossstrasse, in beiden auch Bestaurant.
— RxsTAUHAHTS : SocteteUhuSy s. oben ; ^Park-Rettattrant^ besonders im Som-
mer; Pavillon, auch Caf^, auf der Hospital-Insel. — Dampfbr von der
Stadt naeh dem Park mehrmals täglich.
Tavastehus, Stadt mit 4300 Einw. , als Handelsplatz unbedeu-
tend, liegt anmuthig am Väna-Stiom. im Süden von den waldigen
Höhen des ^Taf^elma-Rückens begrenzt. Die breite baumbepflanzte
Hauptstrasse macht einen freundlichen Eindruck. Die hervor-
ragendsten Gebäude sind das Oouvernementshausj die 1798 erbaute
Kirche und das gut erhaltene Schloss Kronoborg oder Tavastehorg,
Bussland. 2. Aufl. 15
226 Boute 18. IbO.
mit gewaltigen Thürmen , jetzt Untersuchungsgefängniss und Bes-
serungsanstalt für Frauen.
Die Kronoborg wurde 1349 von Birger Jarl angelegt, war zeitweilig
Residenz des Statthalters von Tavasteland, wurde 1559 durch Herzog
Johann erweitert, 1659 durch Feuer vernichtet, aber bereits 1660 wieder
aufgebaut. — Die Stadt wurde erst um 1639 gegründet.
In der näheren Umgebung der Stadt ist besonders hervorzu-
heben der auf -waldiger Anhöhe über dem seeartigen V&ni- Strom
gelegene Fark mit Pavillons, Tempeln, künstlichen Ruinen u. s. w.
Von mehreren Punkten prächtige Fernsicht ; beliebter Spaziergang
über die Brück© nach Dorf V4ni, mit sehenswerther alter Kirche.
Lohnend ist folgender Ausflug (e. 2 Tage) : mit dem Ruderboot den
V&nä-Strom hinab iiber den Vanajavesi (s. unten) und Raututuelkä nach
Pälkäne am Mallcuveti (in Ontkala ein Gasthaus). Von hier zu Lande
zum KaivanU'Sund und auf den Kangcuala-Äs , einen hohen schmalen
Bergrücken zwischen Länffelmänveii und Romesee ; oben vom Thurm präch-
tige Aussicht. Abwärts über Dorf Kangatäla nach ((20 W.) Tammerfors
(S. 234).
Die Bahn von Tavastehus nach Tammerfors geht am westl. Ufer
des Vanajavesi und KononMlkä entlang. Die begleitenden Berge
sind niedriger als auf dem östl. Ufer, ohne indess des malerischen
Beizes zu entbehren.
108 W. Parola^Dorf am Vinft, Sommerlager der russischen Trup-
pen. Inmitten des Uebungsfeldes ein Denkmal , eine Bronzeflgur
des finnischen Löwen, errichtet zur Erinnerung an den Besuch
des Kaisers Alexander II. (1863). — Ueber] (127 W.) KuuHla nach
137 W. Toijala, Knotenpunkt (Mittagsstation) der Bahn nach
Tammerfors und Wasa (s. S. 234).
Von Toijala geht die Bahn in südwestl. Richtung nach
154 W. ITrdiala, Kirchspiel; 10 W. davon die grosse Glashütte
Notijö (Nuutajärvi). Ueber (167 W.) Forssa, Baumwollspinnerei,
nach (176 W.) Koivisto im Kirchspiele Humppüa, Dicht vor der
nächsten Station (195 W.) Lomugoki überschreitet die Bahn, nun
mehr im Abo-Län, den Loimijoki. Jenseits wird die Gegend immer
gebirgiger; die Bahn durchschneidet den Arm des Salpausselkä,
der von Süden her auf dem 1. Ufer des Loimijoki und Kümo bis
nach Björneborg läuft. Von Karinaü ab werden die Höhen wieder
niedriger ; wir betreten den fruchtbarsten Theil des Läns Abo und
ganz Finnlands.
217 W. Kyrö. — 228 W. Aura. — 239 W. Lundo , Kirchspiel.
Yon hier an hält sich die Bahn an den aumuthigen Ufern des Aura
bis zur Einfahrt in den Bahnhof von
256 W. Abo {ünn.Turku, von dem schwed. torg, d.h. Markt).
Bei der Akkuhft zub See findet am Bollwerk des inneren Hafens Ge-
päckrevision durch die an Bord kommenden Zollbeamten, auch Prüfung
der Pässe statt. Die Besorgung des Passes übernimmt der Bdtelwirth
(PoliKeikammer 2 M. ; Gonvernementskanalei 1,40 M.).
OASTHörB: "Phoenix, am Alexanders-Torget, nahe dem Landunga-
platz der Dampfer; Jernyägshotel, am Bahnhof.
Rbstacbahts: Samppalinna, hübsch am Abhang eines Hügels am
Landungsplatz der Dampfer gelegen, mehrmals in der Woche Coneert;
Abo. 18. Route, 227
Teaterschweizeriet am Alexanders-Torget ; *Pinellan in den An-
lagen des }^ieolai - Torget ; auf dem Vird-Berget; Kuppis, bei der
St. Heinrichs - Heilquelle (S.229); Allmänna Promenaden, auf der
Insel Runsala (S. 230 ; Dampferverbindung) ; Bockholm, auf einer Insel
im Bunsala - Sunde (Dampferverbindung).
Gaf^s ukp Gokdjtobcisn : Lehtinen, Arseniigatan 2; Lemberg,
Hofr'ättsgatan 2.
Bädbr: in Allmänna Promenaden und Euppis (s. oben).
Wa.«ii: die Fahrt 40-50 Pen,
Post vv.j> Tblbobaph: im Gouvernement am Nikolai-Torget.
Wechselcoittore : Finlandtbank ^ Köpmansgatan 9; Föreningensbank^
Westra Auragatan 1; Nordfor» A Co., am Hafen.
Kossub des Deutsehen Beiehes : G. F. Y o 8 s , Slottsgatan 45.
Dampfschiffe : Bureaux : Nordfors A Co.^ am Landungsplatz ; L. Otstrin,
Vestra Strandgatan lö; Th. Nyström^ Ostra Strandgatan 6 u. a. — nach
aalo (viermal wöchentlieh) \ naeh Nyttad und BJömeborg (fünfmal wöchent-
lich); nach den Eisenwerken von Tpkö^ Mathildedal und KprjaOcala über
Salo \ nach Reso^ Rimito^ Nidendal und Lemo (täglich) ; nach Runsala^ Bock-
hölih u. 8. w. (fast stündlieh).
Äbo (spr. Obu), in der Niederung am Fasse des Maanselkä, an
der Mündung des AuraJoH und am Scklossfjord gelegen , ehemals
Hauptstadt von Finnland , ist die älteste und historisch merkwür-
digste Stadt des Landes , Sitz des Län-Gouverneurs und des Erz-
bischofs Yon Finnland , mit 26,500 Einw. Die Haupteinfuhr be-
steht in Manufacturen , Zucker, Kaffee, Salz; die wichtigsten Aus-
fuhrgegenstände sind Getreide, Mehl, Eisen, Holz, Holzwaaren,
Butter. Der Hafen für grössere Schiffe ist Bockholm auf der Insel
Hirvensalo (S.230); kleinere Fahrzeuge kommen durch einen Kanal
his zur Stadt. Auf den Werften (Krono-, Stads-Varf u. a.) an beiden
Ufern des Aui*ajoki werden nicht allein Kauffahrer , sondern auch
Kriegsschiffe erbaut.
Zur Geschichte. Das Emporkommen Abos datirt von der Zeit,
da die Schweden und das Ghristenthum im Lande Fuss fassten (1157). Da-
mals wurde das Schloss (Abo Slott, Abohus, 8. unten) von dem schwe-
dischen Eroberer Erich dem Heiligen erbaut. Anfangs von geringer Be-
deutung, auch mehrmals geplündert und verbrannt, hob sich die Stadt
im ziii. Jahrh. ; Bisehof Magnus I. begann den Bau der Kathedrale, welche
1900 vollendet wurde. Aber sehon 1318 wurde die Stadt von den Bussen
verbrannt und die Kathedrale geplündert. 1323, naeh dem Frieden von
Nöteborg, beginnt die Blüthe der Stadt. Mit der Einführung der Refor-
mation verschwand das Dominikanerkloster (1293 gegründet) : der Bisehofs -
sitz blieb (1817 protestantisches Erzbisthum). 162» legte Gustav Adolph
durch Stiftung eines Gymnasiums, das Ghristine 1640 zur Hochschule er-
weiterte, den Grund zu der später so berühmten Universität. Am 17. Aug.
1743 wurde zu Abo der Friede geschlossen, welcher den auf Frankreichs
Betrieb 1741 zwischen Bussland und Schweden ausgebroehenen Krieg
endete. iOOS besetzte der russische General B«xhöwden nach dem Falle von
Sveaborg (S. 223) Stadt und Schloss Abo. 1809 fiel Abo mit ganz Finnland an
Busslana ; bald wurde der Sitz der obersten Regierungsbehörden, nach dem
furchtbaren Brande von 1827 auch die Universität nach Helsingfors verlegt.
Die Stadt wurde naeh dem Brande von 1827 nach einem neuen
Plane mit geraden, breiten Strassen wieder aufgebaut. Die Häuser
sind noch vielfach aus Holz , nur im Gentrum überwiegen Stein-
bauten. Die frühere Altstadt lag auf dem 1. Ufer des Aurajoki ;
heute ist das r. Ufer, mit dem 1. durch drei Brücken verbunden,
in gleicherweise bebaut; die Yorstädte haben sich bis Lill Heik-
15*
228 Boute 18, ÄBO.
kilä, Kuppis, St. Karins und Stör Heikkilä ausgedehnt. Aucb die>
Yillenstadt Runsala, auf der gleicbnaniigen Insel, die mit der
Stadt durch eine Brücke verbunden ist, gehört mit zur Stadt.
Gleich beim Eintritt in dieselbe von der Seeseite bemerken wir auf
dem äussersten Ende des r. Fiussufers das hochgelegene Abo-Schlosa
(Abohus , Slottet) , einen umfangreichen , schwerfälligen Bau. Es
besteht aus zwei parallellaufenden Gebäuden , in den Endpunkten
durch zwei niedrige, viereckige Thürme verbunden; heutzutage
dient es als Kronmagazin und als Untersuchungsgefangniss. Einige^
Räume sind für das historische Museum der Stadt bestimmt. Im
Innern sonst nichts Merkwürdiges, als die Zelle, in der Erik XIY»
von Schweden von seinem Bruder Johann eingekerkert war.
Von dem Vorgebirge, auf dem das Schloss liegt, hat man einer
schöne * Aussicht auf die Insel Runsala , die felsigen Küsten des
Festlandes und auf das Meer mit seinen tausend Schären.
Yom Schloss läuft die Slotts-Oatan aus, eine der Hauptstrassen,
mit hübschen Kaufläden und Magazinen. Am Ende derselben der
Alexandera-Torgetf in der Nähe der Aura-Brücke, an welchem dasr
Theater, das H6tel Phoenix und die griechisch -russische Kirchs
mit Gemälden des russ. Malers Godenhjelm liegen. — R. am Aura-
joki die meisten Werften und Fabriken , 1., auf dem Kakolaberge
das Zuchthaus (Korrektionshuset). Weiterhin die Westra-Espla-
naden; von hier über die Söder-Brücke zur Östra-Esplanaden,
Wenn wir den Quai , Östra-Strand-Gatan, hinabwandern, kom-
men wir an die Aura-Brücke, an der die Zollkammer und die Dam-
pfer liegen ; weiter über die Stora Tavast-Gatan r. einbiegend , ge-
langen wir auf den ^Yird-Berget mit hübschen Parkanlagen und
einer Restauration. Von den beiden steinernen Gebäuden ist das
grössere das frühere Observatorium , jetzt Navigationsschule , das
kleinere Signalthurm. Am Fusse des Värd- Berget, in der Stora
Tavast-Gatan, das Gebäude der ökonomischen Gesellschaft, 1797
gegründet zur Hebung der Landwirthschaft , der Künste und In-
dustrie. Im unteren Stock eine permanente Industrie- Ausstellung,
Zum Quai zurück und diesen entlang gehend, kommen wir auf
den Nikolai- oder Domkyrko-Torget, mit freundlichen Promenaden.
In diesen ein Denkmal des finnischen Geschichtschreibers Porthan
(f 1804) ; am Sockel bildliche Darstellungen, die Porträts des Bischof
Tengström und des Dichters Franz^n, sowie die finnische Inschrift:
„Dem , der Finnland und Finnlands Yolk zu Ehren brachte , hat
dies Denkmal das gesammte Yolk Finnlands errichtet**. Ferner an
dem Platze das Gymnasium, bereits 1628 gegründet, und das Stadt-
haus. Auf der anderen Seite das Gouvemements-Haus und die
*Domkirehe (Domkyrkan, früher St. Henriks -Kathedrale), ein
massiger Backsteinbau spätromanischer Zeit (1300 geweiht) , maje-
stätisch inmitten des früheren Begräbnissplatzes, auf dem Unikan- .
kari-Hügel gelegen. Ein nicht sehr grosses Portal an der Westseite
führt in das sehenswerthe Innere.
Abo. 18, Route. 229
Der hohe Chor^ mit einem Ait&rgemälde von dem schwedifichen Maler
Westin, enthält Fresken von Ekman; rechts: Bischof Heinrich von Vpsala
•die Finnen an der Qnelle Kuppis (s. unten) taufend ; links : Bischof Agricola,
der Schüler Luther^s und Melanehthon^s , dem König Gustav Wasa das
in die finnische Sprache übersetzte Ifeue Testament überreichend. Die
kleinen Fresken stellen Episoden ans dem Leben des Heilands dar. Dem
Chor gegenüber die grosse Anderson*sehe Orgel ^ die schönste Finnlands.
Jm Chor die Grabkapellen schwedischer Adelsgesehlecbter. B. zunächst
die der Totti. Das Marmorbild des Bitters in voller Büstung in einer
Nisehe ist Ate Tbft, sehwedischer General im 90jährigen Kriege ; ihm zur
•Seite s^ne Gemahlin Sigrid Bjelke. In der tiefen Gruft unter dem Chor
Uegen Ake Tott, Sigrid Wasa, die Tochter König £rik*s XIV. und der
Katharina M&nsdotter (s. u.) u. a. Westl. von der südliehen Kirchenthür
die Grabkapelle der Familie Stälhandske; östl. vom Eingang zur Sakristei
die der Familien Hörn und Kurck (gewöhnlich KanktWech« genannt, s.
S. 232), die schönste in der Kirche. Hier auch der 1866 errichtete präch-
tige Sarkophag der vielgeprüften Konigin Katharina M&nsdotter, eines
armen Soldatenkindes, welches Erik XIV. zu sich auf den Thron erhob
<t 1612 zu Liuksiala). In den Kapellen einige schöne Kirchen/enHer von
Wladimir Schwertskow^ das eine stellt Katharina Mänsdotter dar, wie
sie, einem sch«redisch gekleideten Pagen die Krone übergiebt und ge-
stützt 9xd einen blonden Pagen aus Tavastland, vom schwedischen
Thron hemiedersteigt^ das zweite Gustav II. Adolf am Lager des ster-
benden ^eldmarschalls Hom. In der Kapelle zwischen der Sakristei und
der grossen nördl. Kirchenthür das Grabdenkmal des Erzbischofs Magnus
Tavatt und des ersten evangelischen Bischofs Marie» SOtytte (f 1560). —
Die Sakristei umschliesst nur noch einige wenige sehenswerthe Ueberreste.
Das Oonvernemontshaiu, ia der ehemaligen Universität, enthält
-die Wohnung des Län-Gouverneurs , das Hofgericht , die Briefpost,
OouTernements-Archiv u. a. Dts Qebäude, von Gustav IV. Adolf
zur Aufnahme der Universität erbaut, entging zwar dem Brande von
1827, doch wurde letzterer die Ursache der Verlegung der Hoch-
■schule nach Helsingfors.
Sehenswerth ist die frühere Aula mit sechs Hochreliefs vom schwe-
dischen Bildhauer Kaimberg. Das erste, links vom Eingange : Wäinämöinen,
di& Kantele spielend \ Menschen, Thiere, die ganze Natur lauscht seinem
Gesänge. Das zweite zur Linken : Graf Peter Brahe und Bischof Botovius
In Berathung über Gründung einer Universität (1640) für Finnland. Das
dritte, rechts vom Eingänge : Bischof Heinrich von Upsala. die heidnischen
f innen taufend. Das vierte zur Bechten: Axel Oxensgema überreicht
der Königin Ghristina das Decret der Universität-s-Gründung zur Unter-
schrift. Schliesslich links : Gustav IV. Adolf und seine Gemahlin Frie-
derike Dorothea bei der Grundsteinlegung der Universität ; rechts die vier
F'acultäten.
Die Stora Tavast-Gatan führt weiter zum Tayastthor; hier das
•allgemeine Krankenhau» des Län; in der Nähe zwei Kasernen.
Nähere Umgebungen. Der Weg vom Nicolai-Platz, durch
die Arsenii-Gatan und das Nylands-Thor führt uns durch hübsche
Parkanlagen zu dem Gesundbrunnen und Caf^-Restaurant kuppis.
Die St. Heinrichs- Heilquelle (Ruppis-Helso- Brunnen) war schon
in der Vorzeit berühmt ; mit ihrem Wasser sind der Sage nach die
ersten christlichen Finnen getauft worden. Jetzt befindet sich dort
der botanische O arten der flnnländischen Gartenbau-Gesellschaft.
Weiter hinaus die Kirchhöfe. — S.-w. von Kuppis, dicht bei der
fitadt der Landsitz IAH Heikkilä und weiter s. , am Moikos-Sund
entlang über Uittamo, der Landsitz Iipois mit schönem Park.
230 Boute 18, ABO. Ausfluge
Nordöstl. auf dei Strasse nach Tavastehus die Stadt yerlassend,
kommen wir nach Bt. Karins, am 1. Ufer des Aurajoki (1 km). Di&
kleine, steinerne Kirche soll ehemals eine Kapelle des Franzis-
kaner-Klosters gewesen sein. In der Nähe am Aurajoki die Mahlen
von HaUü sowie der gleichnamige 'Kreidebruch und Wasserfall.
Auf dem anderen Ufer des Aurajoki das Kirchspiel St, Marie. Die
wohl erhaltene St. Marien-Kirohe, ein bemerkenswerther Backstein-
bau, ähnlich der Aboer Domkirche, soll 1161 bei dem Dorf»
Räantämäki auf Geheiss des Bischofs Heinrich von Upsala als erst»
christliche Kirche erbaut worden sein und war bis 1300 Kathedrale.
Nahe St. Marien die Porterbrauerei Kärsämäki,
Westwärts ist die Stadt in der Nähe des Schlosses durch eine
lange Pfahlbrücke (Brückenzoll), mit der Insel *Buifala (Ruissalo)
verbunden. Ehemals war diese reizende 9 W. lange Insel Krongut
mit Jagdpark ; später wurde sie die Sommerresidenz der Län-Gou-
verneure von Abo-BjÖrneborg , 1845 mit der Stadt vereinigt , der
Boden parcellirt. Runsala ist berühmt durch seine reiche Flora und
seine in Finnland seltenen Eichenwaldungen. Inmitten der Insel
eine Quelle mit Inschrift zur Erinnerung an den Dichter Ghoräus,
der eine Zeit lang hier weilte. Auf dem schönsten Punkte der An-
lagen das Restaurant Allmänna Promenaden (S. 227). — Von Run-
sala oder der Stadt fährt man auch nach dem Hafen und dem Yer-
gnügungsort Boekholm, gegenüber Runsala, auf der Insel HirvensaZo.
Ausflöge von Abo.
A. Schloss Kuustö, Die Eisenwerke TykÖ, Mathildedal und Kir~
JakkcUa. Salo,
Abfahrt von der Aura-Brücke. Nachdem wir den Lauf des Aura-
joki bis zur Mündung verfolgt, wendet der Dampfer sich links in
den Moikoa^Sundj zwischen dem Festlande und der Insel Hir-
vensalo. Auf letzterer rechts der Landsitz Syväldks, auf dem Fest-
lande links Lill Heikkilä, Ispoi», Park Katharinedal und Waar-
niemi. Beim Eintritt in den Lemo-Sund links das Landgut -Xemo
(low.), rechts die Inseln Präd^Ao^m, Kulho u. a., weiter die Kirche
von Kdkskerta. Dann links in den Kuustö^Sund einbiegend, er-
blicken wir theils auf dem Festlande, theils auf der Insel Kuustö
die Landsitze, Gärten und Parks von Koristo, Mattelmäki, Kärkis,
die Besitzungen Rauhalinna, Woiwala, Tuorila und das reizende
Radelma ; im tiefsten Einschnitt des Kuustö - Sundes die Kirche
von Piikkiö, Rechts um die Kuustö- Insel biegend, haben wir auf
einem Hügel vor uns
28 W. KuiiBtö (Ann. Kuusluoto, Kycra), mit der Ruine eines deot
ehem. katholischen Bischöfen von Finnland gehörigen Schlosses.
Der Dampfer geht von Lemo (s. oben) direct südl. in den Wan-
naren-Sund, nach JuUas und Muddais (Station), dann immer
durch enge malerische Sunde. Im Kirchspiele Pargas das schöne
von
Äbo. SALO. IS. Route. 231
Schloss Qni^ja mit Park, einst der Familie Fleming gehörig, jetzt
im Besitz der Familie Heurlin. Das alte ScWoss der Fleming, heute
als Kommagazin benutzt, ist noch gut erhalten und weist Reste von
Wandmalereien auf. Aus dem engen Sunde gelangen wir iA den
grossen Femar-fjord^ an der Grenze des Kirchspiels Kimito. Rechts
der Landsitz Sandö, in dessen Nähe, im Sandöström, sowie in dem
weiter südl., westlich der Insel Kimito, gelegenen Jungfru - Sund
1808 eine Seeschlacht geliefert wurde. Links zwischen Baum-
gruppen Schloss Karuna im Kirchspiel Sagu , ehenfalls ehemals
Eigenthum der Familie Fleming. Weiterhin rechts das prächtige
und trefflich bewirthschaftete Landgut Westankärr.
Auf der Insel Kimito (3 Heilen nordwestl. von Hangö), der grössten
der Schären, und andren in der Kähe gelegenen Inseln wird viel Kalk
gebrannt und Eisenerze gebrochen. Bemerken^werth sind auf ihr die
i<andgüter Sjölaks^ Brönni>oda und SJnnnanoUt, ferner die Hohöfen und
Eisenwerke DahUbruk und Björkhoda.
In dem engen Sunde zwischen dem Festlande und der Insel
Kimito passiren wir rechts die hübsche steinerne Kirche von Läpp-
daX, in dessen Nähe das Landgut Wik mit schönem Park und reizend
gelegenen Inseln , die kleine , auf einem Hügel erbaute Kirche von
Angelniemi. — Bei der Insel WartscUa wenden die Dampfer, welche
die Eisenwerke Tyko u. s. w. besuchen , rechts nach Süden in den
engen Sund: (86 W.) Xiijakkala, Eisenwerk, Mathildedal, Eisen-
werk, Tykb (Teijo), Hohofen.
Die Dampfer nach Salo treten in den Halikko-Busen ein. Links
zunächst das wohlerhaltene alte Schloss Wuorentaka, ehemals der
Familie Hörn gehörig; weiterhin die Domäne Wiurila, Stammgut
eines Zweiges der Familie Armfeit, mit hübschem, modernen Schloss
und schöner Aussicht vom Magazins-Berget. Dann das Majorat der
Familie Armfeit, *A2iiixuLe. Sehenswerth das alterthümliche Wohn-
gebäude, in dem Gemälde von Kaufman und Breda , Marmorwerke
von Sergel, die Bibliothek, der Park, die Obstgärten, Treibhäuser,
Orangerien u. s. w. Den Fluss üskela hinauffahrend, hält der Dampfer
an der Brücke von Salo.
84 W. Salo (Caio; kleines Hotel), Marktflecken im Kirchspiel
Salo oder IJskela , mit ansehnlichem Handel ; es hat nur das Privi-
legium eioes Marktfleckens (1860), weil es auf dem Grund und
Boden der Domäne Äminne erbaut ist, welche letztere auch die Ab-
gaben erhebt. Südl., auf der Strasse nach Ekenäs, kommen wir zur
schön gelegenen Kirche von Uskela; westl., am Ufer des Halikko-
Busens entlang, zur Domäne Aminne ; durch den Park der letzteren
zur Domäne Wiurila (s. oben) ; nördl., auf der Strasse nach Abo,
in das Kirchspiel Halikko.
Ein Dampfer kehrt denselben Tag nach Abo zurück; andere fahren
südwärts die obengenannten Eisenwerke Tykö u. b. w. an.
JB. Von Abo nach Nystad über Nddendal.
Mit der Post nach N4dendal 17 W., nach Nystad (s. unten) 76 W. -^
Interessanter ist die Seefahrt. Die Dampfer nach N&dendal gehen täglich.
232 Boute 18, NYSTAD. Ausflüge
die nach Kystad (Björneborg) fünfmal in der Woche von Abo ab. Letzteie
kehren den folgenden Tag nach Abo surüek.
Durch den Runsala-Sund, zwischen der Insel Hirvensalo uAd
Runsala, bei der Insel Bockholm vorbei, kommen wir in den Ersten-
Fjord, Der Dampfer wendet sich dann nordwärts; rechts Runsala,
links eine grössere Insel mit dem Landsitz Ekstensholm. An den
Felseninseln Kukkarokivi und Kaskinen vorbei in den KuklarO'
kivi-Fjord, der nördl. mit dem Reso Vik tief in das Festland ein-
schneidet. Der Ran/ma-Sund zwischen dem Festlande und der Insel
Luonamaa verengt sich immer mehr bis dicht vor N&dendal , wo
wir ein förmliches Felsenthor passiren.
18 W. N&dendal (Ann. Naantali, d. i. Gnadenthal.
Gasthof: Toivo; mehrere Badehäuser (ScBlamjnbäder) mit einer
Jtfusikhalle, in der morgena Mineralwässer getrunken werden (5-8 U.).
Nädendal, alte, einst ansehnli&he, jetzt heruntergekommene
Stadt; mit 600 Einw., erhielt schon 1443 Stadtrecht und errichtete
zum Dank ein Brigitten- Kloster , seiner Zeit hochangesehen. Die
-sehr alte, nördl. der Stadt am Meere gelegene Kirche, neuerdings
restaurirt, enthält noch einige Grabdenkmäler, Gdmälde, Sculp-
turen etc. N&dendal ist als Badeort sehr besucht. Der Handel ist
unbedeutend; N&dendaler Honigkuchen berühmt.
22 W. von X&dendal, zwischen den Poststaiionen MvmOckala und Mäen-
kylä, im Kirchspiel Masku, liegt links von der Strasse »TfanVai, Stamm-
gut der Familie Hom^ deren Mitglieder in der schwedischen und fluni*
sehen Geschichte eine so grosse Bolle gespielt haben. Das Schloss, ein
steinerner, viereckiger Bau, wurde im xiv. Jahrh. erbaut. Das Gut ge-
hört jetzt der Familie Aminow.
Jenseit N&dendal passiren wir den Sund und die Kirche von
Merimasku (Station des Dampfers). Dann windet sich das Boot
-durch den sich westwärts erstreckenden Archipel.
8d W. Ifyitad (Ann. Uusi kawpunki, HflCTaAi).
Ziemlich gutes H ö t e 1 mit Bestaurant, und Rest. Odotus am Hafen.
— Am Markt ein Garten, Barnträdsg&rden (Lastentarha). — Sub-
marine Eabelverbindung mit Schweden.
Nystad, Hafen- und Handelsstadt mit 3800 Einw., hat Schiffs-
werften, Tabakfabriken und Gerbereien. Die Nystader Orgeln sind
l)erühmt. Sehenswerth die gothische neue Kirche, in der Nähe des
Hafens , auf weitem Platze , mit Gemälden von dem hier gebornen
MaJer Ekman (f 1873 zu Abo). — Die Stadt wurde 1617 unter
<}ustav II. Adolf gegründet und hat viel von Bränden (zuletzt 1855)
zu leiden gehabt. In Nystad wurde am 30. Aug. 1721 der Friede
igeschlossen, welcher die Russen im Besitze von Ingermanland, Esth-
land, Livland und einem Theile von Karelien bestätigte.
Von Nystad kann man mit den von Ibo kommenden Dampfern die
Eüstenstädte des Bottnischen Meerbusens besuchen, vgl. S. 200.
(100 W. von ibo) Baumo (Bauma) (Post; Best. Suoja am Hafen), alte
Stadt am Meere (3500 £.) , angeblich schon 1287 gegründet. 1441 erhielt
sie Stadtprivilegien und legte zum Danke ein Franziskanerkloster an, das
1&38 von Gustav I. Wasa geschlossen wurde. Altes interessantes Bath-
haus. — 38W. östl. am Ausflusse des Burajoki aus dem Pyhyärvi, im
^ura-Kirchsjpiele, KauUtta, Geburtsort der Bomanschriftstellerin Friederike
JBremer (f 1866), mit sehönem Park. An dem in der Nähe gelegenen See
von
Äho, . BJÖRNEBOBG. 18. Raute. 233
JSSyliöJärvi wurde der Sage nach der Bisehof Heinrich von Upsala, der
^rste Verkündiger des Cli^istenthums in Finnland, ermordet.
168 W. Bidmeborg (Ann. Fori). — Hötbls: Ottuea^ zugleich Gesell-
sehaftshaus, in dem Bälle, Theater u.s. w. stattfinden; KanctwaUMo^ im
Hittelpunkt der Stadt ; HÖtel mit Restaurant auf der Insel Räfsö (Seebad)
•an der Mündung des Eumo-Elf (Dampferverblndung mehrmals täglich;
nach XJle&borg einmal wöehentl.)- — umuTBCBmn Kohsüx.: O. Wenttel.
Bjömehorg^ am Südufer des Kumo-El/^ 3 Meilen von dessen Mündung,
im Ulfsby-Eirehspiele, mit 9000 Einw., ist eine der ältesten und wichtig-
■sten Handels- und Fabrikstädte Finnlands. IHe* auf Pontons rahende
ÖMrloiten-Brücke ^ 1854 erbaut, verbindet die beiden Ufer des Kümo (im
3ommer lebhafte Promenade). Die gothisehe Kirche mit hübschem Glocken-
thurm ist nach Plänen des Architekten Ghiewitz 1863 erbaut; Altarge-
mälde von Ekman, Orgel aus Ifystad. Das SiadihatM ist ein imposantes,
modernes Gebäude auf einer Höhe am Flussufer; von hier hübscher
Anblick der Stadt. Neues Theater. Der Hafen ist auf Rc^sö (ViUen und
Sommerwohnungen für Badegäste, s. oben). — 1365 erhielt Ulmlankytä
<Gammelby, d. i. das alte Dorf) Stadtprivilegien. 1853 wurde die neue
Stadt durch Feuersbnmst serstört, 185o nach ihrem jetzigen Standort auf
dem Krongute von Bjömehorg verlegt und neu aufgebaut.
In der Umgegend viele Industrielle Etablissements ; bedeutender Lachs-
fang längs der Ufer des Kümo. Im Ä'vmo - Kirchspiele, c. 4 Meilen ober-
halb Bjömeborg, ein altes Gebäude, in welchem der Sage nach Bischof
Heinrich (s. oben) gepredigt haben soll. Dieses Haus ist 1857 mit einem
steinernen Bau umgeSen worden. Oberhalb Kümo bildet der Kumo-Elf,
der sich zwischen dem Satakuntaselänne und dem Bonkkakaup^as aus-
breitet, den Kettareen-Fall zwischen dem Hochlande und Tieflande
Bei der Fortsetzung unserer Seereise passiren wir Räfsö (s. oben).
231 W. Xristinattad (finn. Kristiina). Hötbl: Fonteil, am Grossen
Platz. DAMPrBS (besonders Sonnabends und Sonntags) nach dem Ver-
gnügnngsort und Restaurant auf der Insel Högholm; nach Ule&borg 3mal
wöchentlich. Dxutschbr Kokscl : C. CarUtröm.
Mrittineitad, Hafen- und Fabrikstadt auf einer Landzunge im Lapp-
Qords-Kirehspiel, mit 2720 Einw., wurde 1649 vom Grafen Brahe angelegt
und ist seit lo45 durch eine schöne Brüdte mit dem Festlande verbunden.
Bemerk enswerth das Stadthaue^ die Brauerei Nord (vorzügliches Bier). —
Xaekö^ kleine Stadt auf einer Insel, die durth eine c. 250 m lange Brücke
Verbindung mit dem Festlande (Narpes) hat.
844 W. Wata (S. 29^.
C Die Alands -Inseln.
Dampfer von Ibo (S. 226) nach Stockholm via Alands-Inseln in 17 St.
für 28-w M. ohne Verpflegung. Einige Dampfer legen in Mariehamn
<S. 284) an.
Wenn der Dampfer seine gefahrliche Bahn durch die Aboer
Schären^ an den Inseln und Kirchspielen SMlö (Irrenanstalt), Nagu,
Korpo, HouUkär Torbei, glücklich zurückgelegt hat, trifft der vor-
wärts gerichtete Blick, über den schmalen Skiftet - Sund hinweg-
gleitend, von neuem auf eine Reihe TOn Inseln, in ihrer äusseren
Erscheinung den eben gesehenen gleich , aber zahlreicher und sich
weiter ausdehnend: die Alands -Inseln.
Die Alands-Inseln (Aländska Skärg&rden, ftnn. Ahvena, Ahvena-
maa, Axamcaie 0.), 5eo4y und 60O40^ nördl. Breite und 36040^ und 89040^
•östl. Länge, mit einem Flächeninhalt von 22 O Meilen, sind von Finnland
4urch das 8/4-4 Meilen breite Skiftet, von Schweden dureh das 5 Meilen
breite Alands Haf getrennt. In sich sind die Inseln wiederum durch zwei
234 Route 18. TAMMERFORS. Von Tavastehus
ehemals seine eignen Oouverneure hatte und zu der Diöcese TJpsala ge-
hörte, fällt heute in politischer Beziehung unter das Gouvernement Aho-
Bjömeborg und wird in 8 Kirchspiele und 7 Kapellen getheilt.
(116 W. von Abo) Mariehamn (Mapiexan), auf der Südküste vom
Festland Aland, am Swiby-Busen, mit 4Ö0 Einwohnern. -^ 20 W.
Yon Mariehamn liegt Xastelholm, Flecken mit den schönen Ruinen
eines Schlosses. — 2W. entfernt Sund, Kirchspiel mit der alter-
thümlichen steinernen St. Johanniskircke , der grössten auf den
Alands 'Inseln. Ueber dem Altar sehr alte Sculpturen , den Hei-
land, die Jungfrau Maria und die 12 Apostel darstellend. Vor der
Kirche der „Stein der Königin'' an der Stelle, wo Königin Katharina
vom Pferde gestiegen , nm sich in die Messe zu begeben ; dieser
Fürstin verdankt die Kirche ihren Glockenthurm.
(8 W. von Kastelhokn) Skarpans (Bomarsund) , 1854 zerstörte
Festung im Sunds-Kirchspiele am Bomarsund.
Die Werke von Bomarsund lagen auf einer Landzunge der ITordost-
küste der Hauptinsel nahe dem Flecken Skarpans. Am 21. Juni 1854 be-
gannen die Engländer unter Kapier das Bombardement der noch un-
vollendeten und nur mit c. 2200 Mann und 109 Geschützen belegten Fes-
tung und zwangen dieselben im Verein mit einem 11,000 Mann starken
französischen Expeditionscorps unter Baraguay-d*Hilliers nach fast zwei-
monatlicher Belagerung am 16. August zur Gapitulation. Die Werke
wurden nach der Einnahme gesprengt (27. August) und dürfen laut dem
Pariser Frieden nicht wieder hergestellt werden.
c. 24 W. östlich von Mariehamn, Begerby, im Kirchspiel FöglÖ,
besuchtes Seebad. Auf dem Wege von Mariehamn nach Degerbiy auf
Lemland das ansehnliche Dorf Oranboda,
c. 8 W. westlich von Mariehamn , Godhy, im Kirchspiel Fin-
ström , Hospital und technische Schule.
19. Von Tavastehns über Tammerfors nach Nikolaistad-
Wasa und ine&borg.
EisxxBAHN nach Waia^NikolaitUu» 361 W. in c. 21 St. für (II. Kl.) 26.35,
an. Kl.) 18.05 H. i nach Oamla-Karleby 416 W. in e. 25 St. für 21.50, 14.3011. ;
nach üleäborg QCA W. in c. 34 St. für 31.30, 21.70 M. -> Übernachten in
Östermyra (8. 236).
Tava9tehu8 s. S. 225. — Bis (37 W.) ToiJ(aa s. S. 226.
Ueber (44 W.) WiicUa geht die Bahn auf schmaler Landenge
zwischen zwei Seen bei der Kirche von Lempäalä vorbei , passirt
(55 W.) Lemhoia und das Landgut Hatanpää und erreicht
175 W. Tammerfors (finn. Tampere),
Gasthöfe: Wasa (deutscher Wirth), dicht am Bahnhof; Soele-
tetshns, auf dem grossen Platz (Z. 3M.). — Bbstausaktb: in den Hotela
nnd auf der Commerz-Strasse. — Waobm : auf der Post und bei JAndbtrg
in der West-Strasse. — Damptschiftb : nach Ruovtti^ Wisuvesi^ Wirdoit,
Wochentags für SlA-S M. in 8-9 St. ; nach Filppula Mo. für 2—4 M. — Post:
nach Kuopio (8. 213) über Jyväskylä (368 W.).
Tammerfora, die grösste Fabrikstadt des Landes und namhafter
Handelsplatz, mit 16,800 Einw., liegt anmuthig im Messuby-Kirch-
spiel am Tampfreenkoßki (Wasserfall) bei der Vereinigung des
nach Wasa. ÖSTERMYRA. 19. Route, 235
Näaijärvi und Pyhäjärvi, Per Ort wurde 1779 angelegt und er-
hielt 1821 Stadtprivilegien. — Die steinerne Kirche liegt im Westen
der Stadt jenseits der Promenade auf einer Höhe; sie so wenig wie
die englische Kapelle bieten besonderes Interesse. Das Sehens-
wertheste in Tammerfors sind der WMserfaU und die ihn umgeben-
den Parks.
Der Tampereenkoski^ mitten in der Stadt gelegen, ist eine den oberen
Käsijäryi mit dem unteren Pybäjärvi verbindende Stromsclinelle , mit
20m Fall auf die Strecke von S W. Seit dem Besnehe Kaiser Alezander^s I.
{1819} hat man begonnen, die Wasserkraft des Tampereenkoski der In-
dustrie dienstbar zu machen^ auf beiden Ufern Fabriken errichtet und
über den Strom swei lange Brücken gesehlagen •, an der oberen, für Fuss-
gänger, die interessanteste Stelle des Falles.
Zum Besuch der Fabriken (Baumwollenspinnerei, Papiermühle
u. s. w.) bedarf es besonderer £rlaubniss der Besitzer. Wer kein
Fachinteresse hat, wird sich mehr angezogen fühlen durch den Be-
such des NottbecJ^ sehen und des FrenckeWschen Parks. ^ Unter-
halb der Brücke dicht am Fluss eine Wasserheilanstalt, — Beliebte
Promenaden in der Nähe der Stadt sind der Park von JSatanpää
(s. oben) und gegenüber der Bergrücken Pyynikkä (Restaurant) mit
prächtiger Aussicht.
Ausflüge: Auf dem Kisijärvi. Per Dampfer erreicht (bei der Aus-
fahrt 1. das hübsche Kirchspiel Tlöjärviy r. die Kapelle von TeiAo) in 2i/a St.
Kuru, Weiter durch den Mur ole Spinal (in der Nähe r. der Murole-Fors)
in den schönen See Ruoveri.
Koch mehr ist ein Spaziergang in westl. Bichtung nach dem PyhSjlrvi
anzurathen. Hinter der neuen Kirche über den Kirchhof und dann links
durch den Wald gelangt man zu einem Wegweiser, welcher zu der schönen
Felspartie , Thermopylae genannt , weist (3 W. von der Stadt). Sehr be-
liebt ist die Tour zu Lande nac^ dem berühmten]Wasserfall Xyrdskoski
(50 W.), im Kirchspiele 7av<uttyro, an der Stelle, wo der Abfluss des
85 m hoch liegenden Kvrövärvi den W(Uulanharju-tinQ)ten durchbrechend,
in den Rautavesi herabstürzt. In der Xähe des Falles einige Fabriken
(Baumwollfabrik u. s. w.).
Die Bahn führt in n. d. Richtung durch anmuthige Gegend nach
(83 W) Wehmainen; c. 10 W. ö. der Kangasala-As (S. 226),
Weiter die Stationen (93 W.) Suinida und (114 W.) OHhvesi (5 Min.
Aufenthalt). Die Landschaft wird Öde und einförmig, auf Meilen
erblickt man nur Sümpfe und Heiden. Vor (132 W.) Korkeakoski
überschreitet die Bahn auf langem Viadukt den Yrösjöki, weiter
zwischen (142 W.) Lyly und (157 W.) Filppula die breite Keuruu-
Wasserstrasse. Bei (168 W.) Kolho über eine tiefe Bucht des Keu-
ruunsselkä-Sees. Von (181 W.) Keuru fährt ö. eine Strasse (Elsen-
bahn im Bau) nach (c. 70 W.) Jyväskylä (S. 217). — 192 W. Pih-
laJaveH, — 212 W. MyllymAki (25 Min. Aufenthalt: Mittagessen).
Weiter in n. w. Richtung, viel durch Wald; 219 W. EtsäH, an
einem buchtenreichen, langgestreckten, von Nadelwäldern umgebe-
nen See. 233 W. Töysä, — 249 W. Alavo, — 279 W. Sydänmaa,
291 W. Öftermyrs (Ann. Seinä^cki)^ in weiter Ebene, Knoten-
punkt der Bahn nach Uleäborg (s. unten). In der Kähe Eisenwerk
und Pulvermüfale mit stattlichem Herrensitz.
Die^ahn überschreitet den Kyröjoki, Die Gegend nimmt einen
236 Boute 19. WASA. Von Tavastehut
freundlichen Charakter an, nur Tereinzelt zeigen sich noch Sümpfe
zuvischen den Feldern und Wiesen Österbottniens. Dann über die
Storkyro nach (311 W.) Kaukola, in der Ebene von Ylistaro (4 W.
n.w. auf einer Anhöhe die Kirche). Die folgenden Stationen (321 W.)
Orismala und (331 W). Tervajoki liegen in dem durch seine Korn-
felder berühmten Kirchspiel Storkyro. — 341 W. Laiheia,
348 W. Tohy (Ann. Tuovlla), im Kirchspiel Mustasaari, dessen
Mittelpunkt Alt- Wasa (Gamla Wasa) bildet.
Die jetzige Kirche iii Alt -Wasa i«t ein Umbau des früheren Hof*
geriehtsgebäudes« mit Altarbildern Ton Sandberg und S<in ; die Buinen
4er alten, durch Brand zerstörten Kirche (erbaut c. 1650) sind in einiger
Entfernung sichtbar.
Die Bahn durchschneidet die Strassen der alten Stadt und läuft
dann zwischen niedrigen Steinhügeln durch früheren Seeboden.
Auf einer Landspitze liegt
311 W. Waia oder Nikolaittad (Ann. Nikolaihkaupv/nki).
> Gasthöfb : .*L i n d g r e n am Bahnhof; E rn s t am KircheabculeTard. —
Bbstadbavts : Österblath, in der Schulstrasse ; Grönroos, am Markt;
^Pavillon, nahe der Brücke für Dampfer, Abends Concert ; Sandviken,
am Sundom-Oolf, mit hübschem Park und Garten; Bad€?Mits. — Post in
der Schulstrasse (bei Granfeit) ; Telkoraph im Haus Blom (offen 7 U. Vorm.-
3 U. Nachm.). — Dbutschbb Kohsui,: 0. Fre€$e. — Postfahbtbv nach
Björneborg (S. 223) u. Brahestad (S. 237).
Wana , im Mustasaari - Kirchspiel , ehemals selbst Mustasaari
genannt, an einem Meeresfjord, Sitz eines Hofgerichts, des Län-
Oouverneurs und mehrerer höherer Bildungsanstalten, die erste
Handelsstadt Österbottens mit 8500 Einw., hat mehrere Fabriken
und nicht unbedeutenden Handel. Die Stadt, gegründet 1606, er-
hielt ihre Privilegien sowie Namen und Wappen der Wasa 1611. Am
3. August 1852 brannte die Stadt ab und wurde unter dem Namen
Nikolaistad (1855) nach dem KlemetsÖ-Yorgebirge, näher dem Hafen
BrändÖ verlegt. — Sehenswerth sind die lutherische ^Dreieinig-
keits - Kirche j im gothischen Stile nach Plänen des Architekten
Sätterberg (1862) mit Altargemälde von Ekman; die griechisch-
russische Kirche, hoch gelegen auf weitem Platze, mit schöner Aus^
«icht auf das Meer ; das Oouvernementshaus, in dem das Hofgericht,
schönes, grosses Gebäude, von einem Park umgeben, am Meer^ das
netie Stadthaus, von dem Stockholmer Architekten Isaeus erbaut j
jder neu« Kirchhof, das *Finska Industri-Magasinet, in dem man
billig Erinnerungen (Gegenstände der Nationaltracht in Österbotten)
erwerben kann.
Die Umgebungen von Wasa , besonders nach dem Meere hin,
sind sehr anziehend. Hier vor allem die Insel Brändö mit Docks,
Fabriken, Niederlagen, durch eine Brücke mit der Stadt verbunden;
Insel Sandö, Yergnügungsort der Wasaer, Wassklot mit vielen
Villen, Gustaf shorg , Sandviken, Caprera u. a. — In der Nähe der
Stadt mehrere Glas- und Eisenhütten , Pulvermühlen und Eisen-
werke u. s. w. Korsholm, beim alten Wasa, war ehemals königliche
Meierei mit einem befestigten Schlosse, Sitz des Oberlandesgerichts
nach Wa9a, GAMLA-KARLEBY. 19, Boute. 237
von Österbotten 1674-1773, jetzt Ackerbauschiüe. — Das Fahr-
wasser zwischen Finnland und Schweden, „der grosse Quarken'' ist
hier nur 6 Meilen breit; im Winter geht gewohnlich die Strasse
über das Eis. Am 17. März 1809 marschierte Barclay de Tolly von
hier nach Ume&w .
Von östebmyba nach üleabobo. Östermyra s. S. 23Ö. Die
Bahn durchschneidet zunächst in n. Richtung die ebenen Fluren
ÖsterbottQiens und erreicht weiterhin, je mehr sie sich Östlich wen-
det, in massiger Steigung wieder das Qebiet der Wälder und Seen.
6 W. Nurmo; 15 W. Buha; dann zweimal über den Lappo (Ann.
Lapuanjoki) nach (22 W.) Lappo (Ann. Lapua). — 36 W. Kauhava
(70 m ü. M.; 10 Min. Aufenthalt). 62 W. Alahärmä, — Dann am
Lapuanjoki abwärts bis (73 W.) Jeppo (finn. Jepua) und mit ge-
ringer n. 0. Biegung nach (85 W.) Kovjoki,
.8V2 W. w. liegt Vy-Xwrlabj (ann. Uusi-Kaarlepyy) (aästgifTarEärden),
an der Mündung des Lapuanjoki in den Bottnischen Busen, mit 1100 Einw.,
Geburtsort des Dichters Z, Topelius (1814). Südlich davon das Dorf Ora-
vait mit Hammerwerk (Entseheidungssehlacht am 14. Sept. 1806).
Die Bahn nähert sich wieder der Küste. — 94 W. Pedersö mit
einer der ältesten Kirchen Finnlands, im J. 1200 aus Oranitquadem
erbaut , mit Denkmälern aus dem xni. und xiv. Jahrh. und altem
Altarbild.
Zweigbahn nach (IW.) Jakobitad, *flnn. PMarsaari, (Hotel MonHn
oder Post; Bestaurant Alholm')^ Fabrik- und Handelsstadt mit 2100 Einw.,
im Pedersö' Kirchspiele. Der Hafen ist S W. von der Stadt entfernt.
Sehenswerth die alte hölzerne ^EtrcA« und die Schaumannschen Orangerien.
— 3 W. von der Stadt die Buni^>*rgU Stuga, die Geburtsstätte des Dich-
ters Joh. Ludw. Buneberg (1804-77)i 1851 ihm von der Stadt geschenkt.
Weiter mehrfach über Küstenflüsse. ~ 100 W. KdUby; 112 W.
Kronöby.
125 W. Ga]iila-Karleb7(Alt-KarIeby, ünn. Kokkola) (Hotel:
Po8t oder Societetshus, — Restaurant: Barnträdgärden)^ 1610 ge-
gründete Handelsstadt mit 2400 Einw. Der Hafen liegt 4 W. von
der Stadt.
Auf dem Kirchhofe die Gräber einiger eugliBchen Soldaten, die am
7. Juni 1854 bei einem Landungsversuch fielen ; eine bei der Gelegenheit
eroberte Schaluppe wird noeh gezeigt.
Die Bahn überschreitet auf 296 m. langer Eisenbrücke den
Perhonjcki und wendet sich bei (140 W.) Kelviä ösüich. — 162 W.
Kannua (20 Min. Aufenthalt), hier über den Leatijoki; weiter bei
(183 W.) Sievi über den SievänjoH, dann bei (199 W.) Ylivieska
über den Kalajoki. Bei (210 W.) Kanyaa wendet sich die Bahn
nachN. und überschreitet vor (224 W.) Oulais den Pyhäjoki. Weiter
an (249 W.) Wihandi in bergiger Umgebung und (262 W.) Lappi
(10 Min. Aufenthalt) vorüber.
Etwa 50 W, w. liegt Srabeatad (finn. Praahe) (Hotel : Oättgiftarffdr-
den. — Badxhads am Meere), saubere Stadt im Salo-Kirchs^iele, 1649 vom
Grafen Peter Brahe gegründet, mit gutem Hafen (Malwaperä), Handel und
Fabriken, 9000 Einw. Bemerkenswerth ist die sehr alte hölzerne ITtrcA«,
vor der unter einem einfachen Denkmal der tapfere Armand Fleming
238 Route 19. ULEIbOEG.
(i 1806) ruht. — Südlich von Brahestad in 8alo (5 W.) eine alterthüm-
liche Kirche, die eine grosse Zahl Beliouien aus der katholischen Zeit
enthält; nördlich Olkvoitiy bekannt durch die Convention vom 19. l^ov.,
welche den Krieg 1806 beendete, und die Ackerbauschule Jokisaari.
Vor (268 W.) Rutiki auf grosser eiserner Brücke über den Sükct^
joki. Bei (290 W.) Limingo erreicht die Bahn ^ie Küste und dieser
folgend (302 W.) Kempele; dann auf langer Brücke über den Uled-
Elf nach
312 W. üle&borg (Ann. Oulu), (Gasthöfe: SocUtetshus; Gast-
gifvargärden)^ lebhafte Handels- und Fabrikstadt (Leder) mit
11,300 £inw. an einem Vorgebirge zwischen dem KempeU- Busen
und Uleä-Elf (Ann. Ouligoki) gelegen, welcher hier durch den
Merikoski in den Ule&busen stürzt (s. unten). Zwischen der Kirche
und dem Lyceum eine Büste des Dichters Franz^n (t 1847) , an
der Kirche das Grab des Messenlus (s. S. 214). Hübsche Anlagen
auf den FreiheitHnaeln und im Gouvernements-Garten. Dampf-
bootfahrten nach dem ToppUa-Suaide , dem eigentlichen Hafen
der Stadt (alle V2 St.) , der Insel Karlö (Hailuto) , der Ackerbau-
schule Koivikko, der Glashütte Nyhy (in Jijo), dem Gebläsewerk
Hirva$ko8ki in Pudasjärvi; auch Promenade über die neuen Brücken
nach Toppila (Rest. Bellevue).
Für Touristen sehr lohnend eine Hinabfahrt auf dem Btromsturz des
Uleä-Elf (c. 40 W. s.o. von Ule&borg, zu Wagen zu erreichen ^ weiter nach
Kajana S. 214.
VonUle&borg nach Tom el, Dampfschiff Mo. Mi. Fr. 6 Uhr Vm.
(zurück Di. Do. Sa. 6 Uhr Vm.) in 10 St. für 12 M. über Jr«fm\ die jüngste
Stadt Finnlands, 450Einw. — 915 W. TomU (finn. Tornio; easth. Oätt-
gifvargärden\ die nördlichste Stadt Finnlands (1000 E.), liegt am 1. Ufer
des breiten und reissenden Tom«ä-Elf (Ann. Tomicooki)^ der schwed. Stadt
Haparanda^ wo man besseres Unterkommen flnd«t, am r. Ufer des Stromes
gegenüber (Dampfer 10 Pen-)- In der Tome&-£lf sehr bedeutender Lachs-
fang. 67 W. nördl. von Torne& liegt auf der finnischen Seite an der Ein-
mündung des Tengeli in den Torneät-Elf der berühmte Berg Aavasaksa,
um Johanni (24. Juni) jeden Jahres von Touristen aller Kationen besucht,
um dort die Mitternachtssonne zu sehen. Poststrassen führen dureh das
schöne Torne&-Thal an beiden Ufern des Elf hinauf (Wagen 18-20 M.);
Kahrungsmittel auf den Poststationen einfach (überall vortremicher Lachs),
aber nicht billig. Auf dem Gipfel des Aavasaksa (Pavillon, schlecht ge-
halten) finden sieh zahlreiehe Vamen von Besuchern in die Steine ein-
gemeisselt; im Kirchenbuch des nahen Dorfes Juka^ärvi die Kamen
mancher Berühmtheiten aus dem xviii. Jahrh.
239
V. CENTRAL -RUSSLAND.
Route Seite
20. Von Warschau über Brest, Ssmolensk nach Moskau
1. Von Brest-Litowsk naeb Orel 241. -—2. Von Hinsk nach
Bachmatsch 242. — 3. Von Orseha nach Mohilew 245.
— 4. Bas Ssawia-Kloster 248.
21. Yon St. Petersburg nach Moskau 248
1. Von Tsehttdowo nach Nowgorod und Staraja Bussa
249. — 2. Kurgane 255. — 3. Von Uglowka nach Boro-
witschi 255. — 4. Waldai 255. — 6. Von Osstaschkowo
nach Torshok und Rshew 256. — 6. Von Krukowo
nach Wosskressensk 259.
22. Moskau 261
Gasthöfe. Restaurants 261. Zeiteintheilung265. a. Der
Kreml 269. — h. Innere Stadt 287. — c. Südwestliche
Stadt. Jungfernkloster 292. — d. Nordwestlicher Stadt-
theil 297. — e. Nordöstlicher Stadttheil 299. — f. Oest-
licher Stadttheil 302. — g. Südöstlicher Stadttheil 304.
— h. Südlicher Stadttheil. Sperlingsberge. Worob-
jewo 306.
23. Umgebungen von Moskau 308
1. Tscherkisowo. Ismailowo 308. ■— 2. Kusskowo.
Eossino 309. — 3. Ljublino. Zarizino. Eolomens-
koje310. — 4. Kunzewo. Pokrowskoje. TroizkojeSll.
— 5. Petrowsky-Park. Petrowsko-Rasumowskoje. Tu-
sehino. Archan^elskoje. Iljinskoje 312. — 6. Osstan-
kino. Taninskoje. Alexejewskoje 314.
24. Von Moskau nach Jarosslawl und Wologda-Troiza-
Kloster 315
25. Von Moskau nach Nishny-Nowgorod ..... 323
1. Von Nowki nach Kinesehma. 324. — 2. Von Eow-
row nach Murom 324.
26. Wolgafahrt von Rybinsk bis Ssysran 337
1. Die Wolga 338. — 2. Mordwinen 346. — 3. Arsamass
347. — 4. Tseheremissen 348. — 5. Tschuwaschen 359.
— 6. Die Kama. Perm 358. — 7. Ssergiewsk 366. —
8. Ssimeonkloster. Batraki 367.
27. Von Riga über Ssmolensk und Orel nach Grjasi und
über Tula nach Ssamara und Orenburg .... 367
1. Von Werchowje nach Liwny. Von Jelezkaja nach
Usslowaja 371. — 2. Mokschani 374. — 3. Iletzk 376.
28. Von Moskau über Tula und Orel nach Kurssk . . 376
1. Tarussa. Dmitriewskoje 377. — 2. Eorensche Ein-
siedelei 383.
29. Von Moskau über Rjäsan nach Eoslow und Grjasi . 383
1. Saraisk. Djädnowo 384. — 2. Alt-Rjäsan 385. .
I 1 -I
20. Von Warsohan liber Brests Ssmolensk nach Moskau.
1223 W. Courierzug in 40, Personenzug in 48 St. für 45.86, 34.39, 17.58 B.
(bU Brest 200 W. in 58/4-7 St. für 7.S0, 5.63, 2.88 B. •, bis Ssmolensk 381 W.
in 26-32 St. für 31.16, 23.37, 11.94 B.). — Wagenwechsel für alle Züge in
Brest. Auf allen grösseren Stationen längerer Aufenthalt.
240 BouU 20, BREST-LITOWSK. Von Warschau
Von Berlin (Sehlesiseher Bahnhof) sicherster Ansehluss nach Moskau
(da man in Warschau nicht immer den Zug erreicht) über £ydtkuhnen>
Wirballen- Wilna (bis hierher Schnellzug) -Minsk. Wagenwechsel einmal
in Wileiskaja, sweimal in Minsk« wo ein Separatzug Yom einen Bahnhof
zum andern bringt: hier erreicht man den Warschauer Zug. Fahrzeit
Berlin -Moskau 58-60 St. (directe Billets mit 50 Pf. Zusehlag).
Die zu durchfahrende Strecke bietet kein hervorragendes In-
teresse. Wald herrscht im ostl. Theil des Gouvernements War-
schau, Wald neben weiten mit Schilf und Weidengestrüpp bedeckten
Strecken im Gouvernement Sjedlez und mit fruchtbarem Weizen-
hoden wechselnd im nordl. Theil des Gouvernements Luhlin. Man
passirt zunächst das Schlachtfeld von Grochow (S. 29). Stationen
(5 W.) Kawctschyn^ (17 W.) Müosna, (25 W.) DtmU WielkiCr
(35 W.) Minsk (Hobo-Mhhcki), Städtchen mit 1200 Einw., an der
Srebmai nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Hauptstadt
des Gouvernements Minsk (S. 243). Am 27. April 1831 fand hier
ein Gefecht zwischen Polen und Russen statt. -- 52 W. Mrozy, —
70 W. Kotun, — 84 W. Sjedlez, SjedXce{Otfi,iea,'h)^ Gouvernements-
hauptstadt und Bischofssitz, mit grossem Schlosse und schönem Bath-
hause, 13,700 Einw. Berühmtes Weizenbrot.
JSifedlez war. ehemals .die Hauptstadt der Woiwodschaft Podlachien
am mittleren Bug und Narew, die alte Heimath der räuberischen Jacx-
viffi. — 1706 kam es bei Sjedlez zu einem Rückzugsgefecht zwischen
Russen und Schweden. Mitte Febr. 1831 fanden weBtIich von Sjedlez die
ersten Gefechte zwischen den Russen und den aufständischen Polen statt.
IIOW. Lnkow(J3rKOB%), Stadt mit Schloss, 11,028 Einw. —
*Bahnrestaur., 15-20 Min. Aufenthalt.
Zweigbahn nach (58 W.) Iwangorod zum Ansehluss an die Bahn
von Warschau nach Kowel (s. S. 33) und von Iwangorod nach Dombrowa
(8. S. 5).
120 W. Schanjawa. ~ 136 W. Miendsirschetsch (MesHpImbe,
poln. Mi^dzyrzecz), Stadt von 9000 Einw. In der Nähe eine schöne
Besitzung der Grafen Potocki, früher der Fürsten Czartoryski.
159 W. Biala <6tja), Stadt am Sna (Zna, Krzna), alte Besitzung
der Fürsten Badziwill, deren verfallenes Schloss noch ezistirt. Die
Stadt hat 5 Kirchen , ein Nonnenkloster und 4200 Einw. , welche
Gärtnerei und Getreidehandel treiben.
193 W. Terespol (Tepecnou), Vorstadt von Brest (s. unten)
mit c. 3000 Einw.
Die Bahn läuft nun längs der nordl. Front der Festung Brest
hin; rechts haben wir zunächst den Brückenkopf, die Terespoler
Befestigungen , dann die Cltadelle „Graf Berg*' ; die eingeleisige,
eiserne Eisenbahn -Gitterbrücke führt 500 Schritt nordwestl. der
Kobrin'schen Befestigungen über den Bug. Wir fahren dann in
den nördl. der Stadt gelegenen Bahnhof von Brest ein. Gutes
Bahnreetaurant ; 2 - 2Vt Stunden Aufenthalt ; Wagenwechsdl. Alles'
spricht Russisch.
Brest ist Knotenpunkt für die Bahnen nach Warschau, Kiew, Odessa
und OraJewo zum Ansehluss an die Ostpreussische Linie Lyk-Königaberg.
Die Entfernung von Königsberg über Grajewo - Bialystok - BJelsk beträgt
nach Moskau, BREST -LITOWSK. 20^ Rovte. 241
von Orckjewo bis Brest 198 W. ; Personenzug in 12 St. (inel. lV2-2i/s St.
Aufenthalt in Bialystok, S. 46) für 30.11, 22.59, 11.55 B.
Von Brest-Litowsk nach Orel (Polesskia - Bahn) 881 W. in
B8 St. für E. 37. 16, 27. 86, 14. 24. Bei (24 W.) Shabinka (S. 242) zweigt
die am 1. Pripetufer entlang führende Bahn ron der Linie nach Minsk
ab. Es folgen: 46 W. KobHn^ wo am 27. Juli 1812 ein heftiges Gefecht
zwischen den Russen und den Sachsen unter Beynier stattfand. — 157 W.
Pinsk (nHHCK'b), Kreisstadt an der Pina, in einer grossen Sumpfebene, mit
12 Kirchen und starker Fabrikation von Juchten. Dampfboote sehen
auf dem Pripet und Dx^epr gew. Montags für 13 B. nach Ki«%B, 213 W.
Luninez^ Kreuzungspunkt der Linie Wllna-Eowno. — 492 W. Qomel (ToMejrb),
Kreuzungspunkt der Linie Libau-Romny (S. 242). — 756 W. Brjansk^ Knoten-
punkt der Linie Biga-Orel s. 8. 370.
200 W. Breit-LitowBk (Bpecri- Jhtobcki, litaniscli Brest, poln.
Brzeic Litewski ; Gasth. : Hdtel de Saxc), Kreisstadt und Festung im
Gouvernement Grodno, am Zusammenfluss des Bug und der Mucha'
tpies, Sitz eines griechischen und armenisch-katholisclien Bischofs,
unter welch letzterem alle unirten Armenier des russischen Reiches
stehen, mit 3 Kirchen, einem Kloster, Kadettencorps, mehreren Fa-
briken, 38,000 Einw., die aus Russen , Polen , Armeniern und (fast
zur Hälfte) Juden bestehen. Letztere besitzen in Brest eine Syna-
goge und berühmte hohe Schule (Akademie). Die Stadt, welche
am rechten Bug- und Muchawiez-Ufer , c. 1 km Östl. von der am
Zusammenfluss dieser beiden Flüsse gelegenen Festung liegt, ist seit
1831 ganz neu erbaut, in welchem Jahre die alte Stadt Brest, die an
Stelle der heutigen Festung stand, vollständig rasirt wurde. Sie hat
regelmässige, aber — mit Ausnahme der Chausseestrasse — bei an-
haltend nassem Wetter meist grundlose Strassen und überwiegend
hölzerne Häuser. Lebhafter Handel (speciell mitDanzig) in Bauholz
(27,-3 MiUionen B. jährlich), Tuch, Talg, Seife, Getreide. ^
Brest, Brzei$6 oder Berestow wird schon im x. Jahrh. erwähnt;
es gehörte zu den Flecken det kleinen Slavenstämme des waldreichen
Wolhyniens, welche Grossfürst Wladimir 981 unterwarf. Boleslaw Chrobry
eroberte es dann wieder e. 1012. Seit dem xii. Jahrh. wechselte Brzeäd
häufig seine Herrseher und stand bald Unter polnischer, bald unter rus-
sischer, dann wieder unter galizlscher oder litauischer Hoheit, bis Kasimir
der Grosse nach dem Tode Boleslaw^s von Masovien (1340) Galizien und
Wolhynien mit Polen vereinigte. Erst durch die zweite Theilung Polens
(1793) kam Brest an Russland. — Der Bug^ hier 40-80 m breit, theilt sich
unmittelbar oberhalb der Festung in swei Arme, von denen der grössere
Hauptarm, der alte Bug^ durch die Festung fliesst, der kleinere, neuer
Bug genannt, aber westlich sieh wendend bei Terespol vorbeifliesst und
900 m unterhalb der Festung in den Hauptarm mündet. Die Eisenbahn-
brücke führt 150 m nordwestlich der Festung über den Bug; ausserdem
besteht noch innerhalb der Festung eine dem gewöhnlichen Verkehre
dienende Drahtseil-Hängebrücke. Die Muchawiet^ 20-30 m breit, bildet
durch ihre Theilung unmittelbai' vor der Mündung die sog. grosse und
kleine Muehawiez-Insel, welche unter sich und mit den beiden Haupt-
ufem durch 4 Brücken in Verbindung stehen.
Ton Brest geht die Bahn ostwärts durch die einförmigen Gou-
yemements Grodno und Minsk. Am Bug und der Muchawiez
wechseln zunächst weite Strecken Ton hohem Schilf und kurzem
Weidengestrüpp mit endlosen "Wäldern von Eichen, Linden, Tannen
und Fichten , ungeheure Holzniederlagen an der Bahn mit elenden
Bussland. 3. Aufl. 16
242 Route 20, WEISS-RUSSEN. Van Warschau
Dörfern. Die Wälder nehmen ihren grossartigsten Charakter in der
früheren Woiwodschaft Brest-Litowsk am Pripet und dessen zahl-
reichen Zuflüssen an. Hier dehnt sich eine solche Sumpfwaldung aa
400 km von Norden nach Süden and 200 km von Osten nach Westen
breit aus. Sie verwandelt sich alljährlich bei dem Eintritt periodi-
scher Ueberschwemmungen in einen gewaltigen Binnensee , dessen
Wassermassen die nach verschiedenen Seiten abmessenden Gewässer
reichlich versorgen. Auch die nördlich der Bahn gelegenen Theil»
dieser Gouvernements, dasfrüherePalatinatNowogrudok, in welchem
um die einst prächtigen Schlösser Nieswicz und Buzanna die Ordinats-
güter der Fürsten Badziwill und die weiten Besitzungen der Fürsten
Sapieha lagen, dann die Palati nate von Minsk und Mstisslaw, sind
reich an Wäldern, Seen, Torfmooren und Sümpfen, aus welchen
mächtige Felsblöcke emporragen. Erst jenseit des Dnjepr ändert
sich allmählich der Charakter der Landschaft.
Mit dem Goavernement Grodno betreten wir die Wohnsitze der Weiss«*
Bussen, so von ihren spitzzulaufenden weissgrauen Filzmützen be>
nannt, des kleinsten der drei russischen Haupstämme, die Gouvernements
Grodno , Kowno , Witebsk , Wilna, Minsk, Mohilew, Wolhynien und Po*
dolien umfassend. Ihre Gesammtzahl beträgt ungefähr 31/2 Millionen; sie
haben sich am wenigsten ausserhalb ihres Hauptsitzes verbreitet. Sie bil-
deten die Fürstenthümer Polozk , Mstisslawsk, Minsk u.a., welche unter
Wladimir dem Heiligen an Kiew, später an Litauen, dann an Polen
kamen. Erst 1773 wurde ganz Weiss-Bussland dem russischen Reiche
einverleibt. Die Jahrhunderte dauernde Herrschaft der Litauer und Polen
konnte nicht verfehlen, dem Weissrussischen Stamme neben polnischen
auch zahlreiche litauische Elemente zuzuführen. Ursprünglich nur ein
Zweig des kleinrussischen Volkes haben sich die Weiss-Russen in Folge
der Beeinflussung durch Polen und Litauer zu einer grösseren ethnischen
Selbständigkeit entwickelt, sodass sie trotz ihrer Sprache nicht für Mos-
kowiter gehalten sein wollen. Der Druck der Polnischen ^^ane'^ sowie
der verderbliche Einfluss der jüdischen Hausirer und Wucherer und die
Unfruchtbarkeit des Bodens brachten die Verarmung und das Elend dieses
Volksstammes zu Wege. Der Weiss-Russe ist, besonders in den Gegenden
der Polesie, verkümmert an Leib und Geist. Hier ist der Weichselzopf
eine ganz gewöhnliche Krankheit. Die Mehrzahl der Dörfer besteht nur
aus wenigen Gehöften; meist sieht man einzelne Gehöfte in den öden
Waldgegenden umher liegen. Die Häuser sind ohne Ausnahme klein, eng
und haben ein düsteres Aussehen. Ackerbau und Viehzucht sind die Er-
werbsquellen des Landes.
224 W. Shahinka (ffiaÖHHKa) , wo die Bahn nach Gomel ab-
zweigt. — 244 W. Tewli (TeBJH).
Weiter eine Reihe unbedeutender Stationen. Nach neunstündiger
Fahrt hält der Zug bei der ziemlich entfernt, links auf unbedeuten-
der Höhe liegenden Stadt Minsk, Kreuzungspunkt der Bahnen Brest-
Moskau und Libau-Romny.
Von Libau (8. AI) kann man directe Billets nehmen nach Minsk über
WUna (S. 38), sowie bis Losowig» (1465 W. in 71 St., S. 408) über Baeh-
matsch, Charkow (S. 398), und bis Ssewastopol (2035 W. in 96 St., 8. 415).
Auf der Tour von Minsk nach Bachmattch (466W. in 15 St. für 23.96, 17.96,
9,19 R.) passiren wir (140 W. von Minsk) die Kreisstadt und Festung II. GL
Bobruüik (BoGpyftcifb) , auf dem reohten dominlrenden Ufer der c. l(X)m
breiten Beresina inmitten der Wälder Polesiens gelegen, mit 54,928 Einw.,
welche die grosse Strasse von Brest nach Moskau und den wichtigen
Vebergang über die Beresina deckt. — 281 W. Gomel, s. S. 241.
nach Moskau. MINSK. 20. Route. 243
521 W. Minsk (Mhhckx) (Bahnrestaur., 2-2 V2 Stunden Aufent-
halt; Hdtel de Paris und Si. Petersburg, beide unsauber), Gou-
vemementshauptstadt , am Swislotsch , einem Nebenfluss der Be-
resina, anmuthig gelegen, Sitz eines Civilgouverneurs , eines
griecbiscb-russischen und römisch-katholischen Bischofs, hat meist
enge, unregelmässige Strassen, viele hölzerne Häuser, 14 Kirchen,
mehrere Fabriken und bedeutenden Handel (jährliche Messe oder
Josephscontracte im März). Die Stadt zählt 54,300 Einw., wovon
^/g Juden, dann Polen, Russen, Deutsche, Tataren. — Minsk wurde
im XI. Jahrh. gegründet und war später die Hauptstadt des Fürsten-
thums Minsk. Ende des xiv. Jahrh. kam dasselbe an Litauen , im
XV. an Polen, bei der zweiten Theilung Polens 1793 an Russland.
1812 wurde Minsk , an der Hauptoperationslinie der französischen
Armee gelegen und wegen seiner Magazine wichtig, von den Fran-
zosen unter Bronikowski, am 4. Nov. aber von dem russischen
General Graf Lambert besetzt.
538 W. Kolodischtschi. — 558 W. Wittgenstein. — 578 W.
Shodino.
596 W. BorlBSOW (EopHCOBi), nicht weit von der auf dem linken
Ufer der Ber^stna gelegenen Kreisstadt d.N. (7400 E.), mit 4 Kirchen,
darunter eine auf dem Hauptplatz neuerbaute griechische Kathe-
drale. Westl. der Stadt, deren Gebäude sich auf dem Westabhange
einer nach Kostritza ansteigenden Erhebung hinziehen , liegen auf
dem linken Ufer die Ueberreste alter Befestigungen, auf dem
rechten, auf dem höchsten Punkte einer nicht unbedeutenden Höhe,
der Brückenkopf, welcher 1812 zum Brennpunkte des Kampfes
zwischen Franzosen und Russen wurde. — NÖrdl. von Borissow,
ebenfalls auf dem linken Ufer der Beresina und an der Strasse nach
Schiskowo das Edelgut Alt- Borissow , dem Fürsten Radziwill ge-
hörig, noch weiter nördl. das Dorf Sindjänka, wo der Uebergang
der Franzosen 1812 (s. S. 244) stattfand.
Am Morgen des 20. ^ov. 1612 erreichte der russische General Lambert
mit 5 Infanterie-Begimentern, 8 Escadronen Gavallerie und 3 Batterien das
rechte Beresina-Ufer, ohne dass die in Borissow stehenden französischen
Abtheilungen (Wörtemberger und Polen unter Dombrowski) die Annähe-
rang bemerkten; Dombrowski hatte den grössten Theil der Truppen in
Buhe auf dem rechten Ufer gelassen ; der Brückenkopf war nur von 6 Ba-
taillonen und 4 Feldgeschützen besetzt. Nach mehrstündigem Kampf wurde
der Brückenkopf und durch die, den Franzosen über die 140O Schritte
lange Brücke nachfolgenden russischen Jäger -Regimenter auch die Stadt
Borissow genommen. Damit war der französischen Hauptarmee die ein-
zige Brücke über die Beresina entrissen.
Von Borissow an fällt die Reise mit der Bückzugsmarschroute
der grossen französischen Armee 1812 zusammen. Dadurch ge-
winnt die an landschaftlichen Schönheiten nichts bietende Fahrt
ein gewisses Interesse.
Gleich hinter Station Borissow passiren wir auf langer Brücke
die Beröslna (EepesHHa). Dieselbe entspringt aus einem Sumpfe bei
Doktschitzl im Borissow'schen Kreise, durchfliesst das Gouverne-
16*
244 Boute 20. BERESINA. Von Warschau
ment Minsk von N. nach S., wird von Borissow an 53 Meilen lang
schiffbar und ergiesst sich unterhalb Horwal in den Dnjepr. Mit
bedeutenden Krümmungen windet sich der träge Fluss , höchstens
30 m breit, durch ein einige hundert Meter breites, sumpfiges Wiesen-
land. Die niedrigen Erhebungen des Terrains, welche das nicht be-
deutende Gewässer begleiten, sind vorherrschend mit Wald bedeckt.
Das c. 15 W. n. von Borissow entfernte Dorf Studjänka (s. unten),
liegt auf einem Abhänge des 1. Ufers, c. 50 m vom Flusse entfernt.
Die Höhen des linken Ufers dominiren das rechte. Der Höhenzug
auf dem 1. Ufer deckt den von Borissow nach Alt-Borissow und weiter
über Bitschi nach Studjänka führenden Weg; auf dem r. Ufer aber
befindet sich eine Strasse, welche, von Bobruisk kommend, bei dem
Brückenkopfe von Borissow vorüber und weiter über Balschoi-
Stachow durch den Wald von Stachow geht. 5 km vom Dorfe Brili
macht die Strasse ziemlich einen rechten Winkel und führt durch
einen grossen Wald und schwer passirbare Defil^s, von der sumpfigen
Gaina gebildet, nach den Ortschaften Sembin und Molodetschna,
wo sie auf die Wilnaer Heerstrasse ausmündet.
Am Abend des 25. Kov. 1812, dem Vorabende desUeberganges der
Franzosen über die Beresina, stand die Hauptmaclit Kapoleon's
zum Theil in Borissow, um Theil befand sich dieselbe noeh auf dem
Harsche, und zwar auf der Orschaer Strasse, in der Umgegend Losch-
nitza^s. Marschall Victor hatte nördl. der Heerstrasse bei Ratulitschi
Stellung genommen, um die Armee gegen Wittgenstein zu sichern. In
Summa hatte Napoleon 33,000-50,000 Mann mit 250 Geschützen unter den
Waffen ; ausserdem isolirte und unbewaffnete Mannschaften gegen 45,000-
50,000 Mann. Bussischerseits stand die Donau-Armee (Tschitschagow) bei
Sehabaschewitsehi und Borissow auf dem rechten Ufer der Beresina; die
Armee des Grafen Wittgenstein bei Baran; Detachements unter Graf
Platow bei Katscha (im Rücken), unter Jermolow bei Maljäwka, unter
Miloradowitseh in Tolotschin. Der Feldmarsehall Kutusow befand sieh
mit den übrigen Truppen seiner Armee bei Eopis. — Am 36. Nov. , als
die retirirende Armee den Uebergang begann, war die Beresina theilweise
über ihre niedrigen Ufer getreten und wälzte, da nach kurzem Thauwetter
am 24. wieder Frost gekommen war, Massen von Treibeis daher. Kapoleon
wusste die russische Donauarmee, welche das rechte Ufer der Beresina
bewaehte, vortrefflich über den gewählten Uebergangspunkt bei Stu4fänka
zu täuschen, so dass Tsehitsehagow sein Hauptaugenmerk auf den Theil
der Beresina südl. Borissow richtete. Zum Scheine Hess hier Napoleon
alle Anstalten, welche auf ein Ueberschreiten des Flusses schliessen
Hessen, treffen, während bei dem oberhalb gelegenen Studjänka unter
unsäglichen Anstrengungen der Pontonniers und des Marine^Corps der
Garde zwei Holzbrüeken zu Stande gebracht wurden. Das Corps Oudinot,
welches zuerst übergegangen war, hatte gleich Gelegenheit, die jenseit
der Beresina ihr den Weg verlegende Division TschapUtz anzugreifen
und zurückzuschlagen. Auf Oudinot' s Corps folgte in der Naeht vom.
26. zum 27. Nov. Ney und die junge Garde, dann das Corps Victor, mit
Ausnahme einer Division, welche die Waffen strecken musste. Am 27. Nor.
folgte Napoleon mit der alten Garde und dem Rest der Truppen. Am
28. Nov. wurden die Franzosen zu gleicher Zeit auf dem linken Ufer CVictor)
von Wittgenstein, auf dem rechten (Oudinot und Ney) von Tschitschagow
angegriffen. Der Kampf war blutig, aber von Seiten der Franzosen, die
sieh in ihren Stellungen südl. StndLjänka und am Walde von Staehow
hielten, erfolgreich. Während dieser Gefechte marsehirte der Haupttheil
der französischen Truppen auf Sembin \ in der Nacht vom 28. zum 73. Nov.
ging Victor auf das rechte Beresina-Ufer über. Danach hörte jede Ordnung
auf, dazu verbreitete sich die Nachrieht, dass Kutusow^s Armee im Rücken
nach Moskau. MOHILEW. 20, Route, 245
anmarschire \ es begann nun jenes fürchterliehe Gedränge , in welchem
die Unglücklichen , nur noch den einen Gedanken der Selbsterhaltung
im Auge, sich gegenseitig in den Tod stürzten. Als am 29. Xov. die
Brücken abgebrannt wurden, blieben zahlreiche Verwundete und Kranke,
der grosse Tross und Wagenpark auf dem linken Ufer zurück. Die mörde-
rische Schlacht an der Beresina hatte der französischen Armee
nochmals 15,000-20,000 an Todten und Verwundeten gekostet, wie auch
der ganze Tross mit 20,000 Mann in die Hände der Bussen fiel. — Von den
sämmtlichen Armeeeorps, mit welchen Napoleon bis. Hoskau vorgedrungen
war, wälzte sich nur noch ein ungeordneter Haufe von 40,000 Köpfen in
regelloser Flucht auf Wilna zu.
Oestl. Borissow beginnt das eigentliche Waldland , welches V4
des Gouvernements Mohilew, die Hälfte des Gouvernements Ssmo-
lensk bedeckt. Nur selten bebaute Ebenen, hügelige Kulturgegend^
Meine Bahnstationen, auf denen stets unabsehbare Massen zu
Scheiten verarbeiteten Brennholzes aufgeschichtet sind, kleine Ort-
schaften aus verwitterten Balken und Brettern gezimmert, — fort-
während eilen V7ir durch schnurgerade ausgehauene FÖhrenschläge
oder über schwärzliche Sandmeere , die Stätten ungeheurer Wäld-
brände, dem Osten zu.
720 W. Orscha (Orsza, Opma) (Bahnrestaur., 10 Min. Aufenthalt),
Kreisstadt im Gouvernement Mohilew, hübsch auf beiden Ufern de»
Dnjepr gelegen, mit 5500 Einw. Eine alte Stadt der Kriwitschen,
wird Orscha oft in den Kriegen Polens mit Litauen und Russland
genannt. Beim Vormarsche der Franzosen 1812 auf Moskau wurde
Orscha besetzt und mit Magazinen belegt. Am 21. Nov., einen Tag
nachdem Napoleon auf dem Rückzuge Orscha verlassen, griff Platow
die Stadt an, die von den Franzosen geräumt und in Brand gesteckt
wurde, doch ward das Feuer bald geloscht.
75 W. aüdl. von Orscha liegt Xohilew (MoraseBi), in sehönef, frucht-
barer, hügeliger Gegend am Dnjepr, eine der hübschesten Gouvernements-
Städte Busslands, mit 41,000 Einw., darunter viele Juden. Mohilew ist Sitz
eines Givilgouverneurs, des griechisch-russischen Erzbischofs von Mohilew
und Mstisslaw, eines römisch-katholischen Erzbischofs, hat eine Kathe-
drale des heil. Joseph (1780 unter Katharina II. erbaut) und 21 andere
Kirchen, darunter 4 katholische und 1 lutherische, mehrere Synagogen,
ansehnliche Häuser, zahlreiche Fabriken, starken Handel, welcher den
der Ostsee und des Schwarzen Meeres vermittelt, Gartenbau und Obstzucht,
l^ahe der Stadt der Jantschin^sche Park mit Schloss, in dem 1780 die Zu-
sammenkunft Katharina^s II. mit Joseph II. stattfand. — Am 19. Juli 1812
besetzte die Avantgarde Davoust's nach hartnäckigem Kampfe die Stadt.
Am 23. Juli Schlacht bei Salianoioka (südl. Mohilew) zwischen dem Corps
Davoust und Theilen der zweiten russischen Armee unter Bagration, in
Folge deren letzterer auf Nowo-Bischow zurücksing. — Dampfer gehen
auf dem Dnjepr von Mohilew nach Kiew (S. 39l).
767 W. Krassnoje (KpacHoe), hübsch gelegener Flecken an der
Mereika, Nebenflüsschen der Swinaja. Hier fand am 14. Aug. 1812
ein Qefecht zwischen der Kavallerie Murat's und einem russischen
Jnfanterie-Detachement unter Newsherowsky statt. Während des
Rückzuges der französischen Armee wurden die Corps Ney und
Davoust bei Krassnoje in den Qefechten am 15. und 18. Not. fast
'Vernichtet.
Nach c. 2 St. von Krassnoje gewahren wir rechts auf der Höhei
246 Route 20. SSMOLENSK. Von Warschau
die weissen Mauern und Zinnen , die Kuppeln und Thünne von
Ssmolensk, Bald darauf fahren wir in den , In der St. Petersburger
Vorstadt, auf dem rechten Ufer des Dnjepr liegenden, ausgedehnten
Bahnhof ein. *Restaurant; V2-IV2 St. Aufenthalt.
831 W. Ssmolensk (CHOieHCK'B ; * Hotel Ratachensky) liegt male-
risch auf beiden Ufern des Dnjepr , der Haupttheil auf dem linken
Ufer , welches hier mitten in der Stadt steil nach dem Dnjepr , der
Ratschenka und Tschurüowka hin abfällt. Umgeben ist der eigent-
liche befestigte Kern der Stadt von den Vorstädten Krassnenskoje,
Mstisslawskoje, Rosslawskoje, Nikolskoje und Ratschenka. Die ge-
räumige St. Petersburger Vorstadt mit dem Bahnhof liegt auf der
rechten Flussseite, die zwar weniger steil ist als die linke, aber diese
vollständig dominirt. — Ssmolensk Ist Gouvernementshauptstadt
und Sitz eines Civilgouverneurs, hat eine stark befestigte Gitadelle
und mehrere Aussenwerke, 25 Kirchen, 3 Klöster, mehrere Fabriken,
bedjButenden Getreidehandel, grosse dreitägige Messe und c. 36,000
Einw. Ssmolensk ist Kreuzungspunkt der Bahnen Moskau-Brest
und Witebsk-Orel (S. 370).
Ssmolensk, der -Schlüssel und das Thor Russlands", war nach
üTestor die Hauptstadt des slavischen Stammes der Kriwitsehen (Krewos
oder Krews), welche um die Quellen der Wolga, der Düna und des Dnjepr
wohnten. Ende des ix. Jahrh. zog Oleg den Dnjepr hinab und eroberte
auf seinem Zuge nach Kiew alle slavischen Städte, die an jenem Flusse
lagen: Ssmolensk, Tschernigow u.a. Bis 1064 gehörte die Provinz Ssmo-
lensk zum Fürstenthum Kiew. Zur Zeit der Theilfürsten wechselte sie
häufig den Herrn und hatte wiederholt Belagerungen auszubauen^ so
1340 durch ein moskowitisch-tatarisches Heer^ 1406 ergab sich die Stadt
nach 7 wöchentlieher Belagerung den Litauern. 1514 wurde sie^ die im
XVI. Jahrhundert ihre Blütheseit und angeblich 200 000 £. hatte, von dea
Moskowitern erobert; 1610 von den Polen, denen es bis 1654 gehörte.
1686 wurde Ssmolensk definitiv an den russischen Zaren abgetreten. —
1812 fand bei Ssmolensk in den ersten Tagen des August die Vereinigung der
beiden russischen Westarmeen unter Bagration und Barclay de ToUy statt,
zur Vertheidigung der „heiligen Stadt". Am 14. Aug. rückten die Franzosen
gegen die Stadt von Basassna her vor. Die Stadt selbst wurde von Rajewsky,
später von dem heldenmüthigen Dochturow befehligt. In dem zweitägigen
Kampfe um den Besitz von Ssmolensk (17. und 18. Aug.) war der grösste
Theil der Stadt in Flammen aufgegangen. — Am 12. "Sor. betraten die
ersten französischen Rüekzugstruppen des Vicekönigs, am 18. Kov. Kapo>
leon die Stadt , wo er 4 Tage lang verweilte , vergeblich bemüht , das
Heer neu zu organisiren. Am 15. Kov. rückte das Corps "Sej^ welches die
Arri^regarde Napoleon^s bildete, in Ssmolensk ein. Erst am 17. Nov. früh
verliess Key die Stadt; eine Anzahl von Gebäuden Hess er durch seine
Nachhut in die Luft sprengen. — Nach 1812 wurde die Stadt regelmässiger
und mit meist steinernen Gebäuden wieder aufgebaut; auch die Festungs-
werke wurden theilweise restaurirt.
Die Ueberreste der alten * Mauer, welche die Stadt umgab, zur
Zeit Boris Godunow's (1598—1600) aus Steinen und Ziegeln erbaut,
^ind c. 5 W. lang, 10-15 m hoch und 3-6 m dick. Der obere Theil
Ist in Zinnen ausgeschnitten und hinter denselben läuft ein c. 2 m
breiter "Wallgang ; von der inneren Seite ist die Mauer durch Wider-
lager Terstärkt. Um eine Flanklrung zu erzielen , waren 36 vier-
und mehreckige Thürme erbaut worden, von denen aber schon 1812
nur noch 17 in brauchbarem Zustande sich befanden. Nach der Ein-
nach Moskau. WJASMA. 20. Boute. 247
nähme der Stadt durch die Polen 1611 liess Sigismund III. auf der
Westseite, zwischen den Vorstädten Krassnenskoje und Mstislaws-
skoje, eine Citadelle, die sog. Königsbastion erbauen.
DieMauer hat dreiHauptthore : durch dtisMalachowskysche führen
die Strassen aus Krassnoje, Mstisslawl und Rosslawl hindurch ; die
Nikolskoje-Yorstadt hat mit der Stadt durch das Nikolskysche Thor
Verbindung ; das dritte Thor , das Dnjeprowskysche, liegt nach der
Flussseite zu. Ausser diesen Thoren befinden sich noch zwei Ein-
gänge in der Stadtmauer : der eine links vom Dnjeprowskyschen
Thore, ebenfalls der Dnjeprowskysche genannt, und der andere nahe
der nordÖstl. Ecke der Stadtmauer beim Flusse, der sog. Batschens-
li;ische. Diese beiden Eingänge wurden durch die Mauer gebrochen,
als die Kaiserin Katharina II. nach Ssmolensk kam und die vor-
handenen Thore sich für die Hofequipagen zu schmal erwiesen.
Auf dem rechten Dnjepr-XJfer die Ueberreste des Brückenkopfes,
der auf Befehl Peters des Grossen von Erde erbaut wurde.
Im Uebrigen sind bemerkenswerth in Ssmolensk : das Denkmal
(ÜaHflTHHK'B) des hier erschossenen Obersten v. Engelhard und das
Denkmal von 1812^ eine Pyramide von Gusseisen, am 17. Aug. 1838
zur Erinnerung an die Schlachttage von Ssmolensk errichtet. Die
Kathedrale zu Maria Himmelfahrt (ycneHCKÜi Coöopi), von den
25 Kirchen der Stadt die schönste , wurde bereits im xii. Jahrh.
erbaut, 1611 bei der Einnahme der Stadt durch die Polen zerstört,
später restaurirt. In ihr alte Kirchengeräthe , Merkwürdigkeiten
und das wunderthätige Bild der Mutter Gottes , der Sage nach vom
Evangelisten Lukas gefertigt und durch eine griechische Prinzessin
nach Bussland gebracht. Eine Copie desselben befindet sich in der
Dnjeprowskyschen Kapelle am Dnjeprowsky-Thor. Neben der
Kathedrale verdienen Erwähnung die alterthümlichen Kirchen
St. Peter und Paul, St. Johannes der Täufer und besonders die
* Kirche des Erzengels Michael, alle aus dem ziii. Jahrh. stammend.
863 W. Kamjenska ; hier über den Dnjepr. — 927 W. Dorogo-
bttsh, bei der gleichn. Kreisstadt. Bahnrestaur., 8 Min. Aufenthalt.
— 975 W. Ssapegino.
996 W. Wjasma (BflSbHa), Kreisstadt an der Wjasma, mit
22 Kirchen, vielen Fabriken und nicht unbedeutendem Handel
<13,000Einw.). Bahnrestaur., Vz St. Aufenthalt. — Wjasma war im
Mittelalter eine befestigte Stadt,zum Fürstenthum Ssmolensk gehörig,
und spielte eine nicht unbedeutende Bolle in den Kriegen zwischen
Polen, Litauen und Russland. Am 29. August 1812 wurde die
Stadt von den Franzosen besetzt.
Von Wjasma Zweigbahn über Kaluga nach Tula^ Station der Bahn
Moskau-Kurssk (S. 372).
1054 W. Gihattk (FsaTCKi), Kreisstadt im Gouvernement
Ssmolensk, mit 8000 Einw. Bahnrestaur., 5 Min. Aufenthalt. —
1093 W. üwarowka. — 1109 W. Borodino.
Etwa 4 W. nördl. von der Station, von der Bahn aus nicht sichtbar,
liegt an der KalotMcha^ einem ^ebenfluss der Moskwa , das Dorf Borodino
248 Boute 21. KOLPINO. Von St, Petersburg
(BopOABHo), am 7. Sept. 1812 Sehauplatz jener grossen Schlacbt. welche die
Bussen „Sehlacht hei Borodino", die Franzosen „Sehlacht an aerHoskwa'*
nennen. Hier hatte nach den Schlachten hei Ssmolensk und Luhina Eutu-
sow, um dem Feinde den Weg nach Moskau zu versperren, Stellung ge-
nommen und Verschanzungen aufwerfen lassen. An diesem Tage, an
welchem l^apoleon, Morgens aus dem Zelte tretend, die Worte gesprochen
hahen soll: „Es ist heut ein wenig kalt, aher klar: das ist die Sonne
von Austerlitz i ^ standen sich 120,000 Bussen mit 640 Geschützen unter
Kutusow^s Oherbefehl und ebenso viel Franzosen mit 587 Geschützen
gegenüber. Am A)>end dieses blutigen Tages hatten die Franzosen den
grössten Theil des Schlachtfeldes inne, doch konnten die Bussen unver-
folgt sich in guter Ordnung zurückziehen. Die Franzosen nannten die
Schlacht „la bataille des g^neraux": 18 französische und 23 russische
Generale blieben in diesem Kampfe, in welchem sich der Marschall l^ey
den Titel eines „Fürsten von der Moskwa" erwarb.
Bei Borodino betreten wir das GouTernement Moskau ; der Acker*
bau nimmt zu, die Fabriken mehren sich.
1120 W. HoBhaisk (MosaucKi»), Kreisstadt an der Mündung der
Jtfoahaisfta in die Moskwa, mit 4200 Einw., 10 Kirchen und lebhaftem
Handel. Ehemals befestigt (Ueberreste alter Mauern sind noch vor-
handen), war Moshaisk ein viel umkämpfter Punkt in den Kriegen
Russlands mit Polen und Litauen. Die Stadt wurde 10. Sept. 1812
von den Franzosen nach zweitägigen Gefechten genommen und war
bis zu Napoleon^s Rückkehr aus Moskau vom Corps Junot besetzt.
1142 W. Schelkowka. — 1182 W. Qolizyno. — 1201 W.
Odinzowo. —
20 W. w. bei Siwenigorod inmitten der herrlichsten Ulmen das ge-
schichtlich merkwürdige Ssateia-Kloiter mit reichem Schatz und schöner
Aussicht auf das Thal der Moskwa. — Zahlreiche Pilger.
1212 W. Kunzewo (S. 311). Die Bahn überschreitet auf schöner
Brücke die Moskwa. Schon aus der Ferne sieht man die zahlreichen
Kuppeln und Thürme von Moskau ragen. Ankunft auf dem Ssmo-
lensker Bahnhof an der Nordost-Seite der Stadt (S. 263).
21. Ton St. Petersburg nach Moskan.
609 W. CJourierzug (nur I. Cl.) in 14 St. für 27.50 B. ; Postzug in
iSlU St. für 20. 16.99 B. ; Personen-Zug in 23 St. für II. Kl. 12.60, III. KL
8.60B. — Da die Fahrt wenig Interesse bietet, so thut man gut, sich
einen Platz im Schlafwaggon zu nehmen (2 B. extra).
Abfahrt vom Nikolai -Bahnhof (PI. H 6, S. 91 ; gute Restaura-
tion). Sobald man die Umgebung von St. Petersburg hinter sich,
hat, wird die Gegend überaus öde und einförmig. -- Gleich hinter
der Stadt überschreitet die Bahn die hhora (Hxopa), ein sumpfiges
Wasser, welches mit seinen Nebenflüsschen die Parks von Paw-
lowsk (S. 192) und Zarskoje-Sselo (S. 189) "bewässert.
24 W. Kolpino (Koinrao), Flecken mit 5000 E. auf beiden Ufern
der Ishora gelegen, mit schöner Kirche und Eisengiesserei. — 33 W.
Popowka, — 38 W". Ssahlino. — 60 W. Tossna. Zweigbahn nach
Gatschina (S. 88), 55 W. für 1 R. 38 oder 1 R. 4 Kop. — 78 W.
Ljuban (JhoöaHi). ^/^ St. Aufenthalt. Bahnhofs restauration. —
111 W. Tschudowo (4yÄOBo).
nach Moskau,
NOWGOROD.
21. Route. 249
Zweigbahn nach Kowgorod, 68 W. in Sl/sSt. für 2.59, 1.94,
0.99 B., nachStaraja Russa, 156 W. in 88/4 St. für 5.89, 4.41, 2.25 E. —
Dampf8chi£ffahrt nach Nowgorod und Staraja Rnssa s. S. 255.
Kowgorod {Orosa- oder Weliky Nowgorod; HoBropoA'B BeiHKiä).
— Hdtel Ssolowiew in der Moskowskaja, Z. 1-2 R. Im Hotel Dienst-
männer (Artelschtschiks), die als Führer dienen. — Bestaurant im Stadt-
garten (TopOACKoft caffL, PI. D3) auf der Sophienseite, nördl. vom Kreml ^
häufig Concert. — Post (üo^TOBafl KoHTopa ; PI. 35, F 1) auf der Handelsseite,
nahe der Snamensky-Eathedrale. Telegraphensiation schräg gegenüber.
Nowgorod (21,000 Einw.), Hauptstadt des Gouvernements Now-
gorod, Sitz eines GiTÜgouverneurs und des Metropoliten von Now-
gorod, St. Petersburg und Finnland (residirt gewohnlicb in St. Pe-
tersburg), liegt zu beiden Seiten des Wolchowy der die Stadt in die
Sophien- (Co«iäcKafl CTopona) und Handels-Seite (ToprosaH cto-
poHa) tbeilt und über den eine auf 12 Granitpfeilern ruhende
Brücke führt. Die Sophien -Seite, auf dem 1. Ufer des Wolchow,
enthält den Kreml, die Kathedrale, das kais. Palais und die Bureaux
der meisten Behörden ; auf der Handelsseite der Gostinny Dwor und
das Gouvernementsgebäude. Die Stadt hat mehrere Fabriken und
nicht unbedeutenden Handel mit Getreide, Flachs, Bauholz, Brenn-
holz, Fischen u. s. yf.
Zur Geschichte. In den frühesten christlichen Jahrhunderten
Sassen am Umensee die Slovenen mit der Hauptstadt Nowgorod. Die
Stadt auf dem r. Ufer des Wolchow blühte schon, als die Waräger unter
Rurik (c, 862) in das Land kamen \ diese nahmen das 1. Ufer ein , wo
heute der Kreml steht. 880 schon verlegte Oleg den Sitz seiner Herr-
schaft nach Kiew, und ITowgorod wurde durch Statthalter (Namjestnik,
HaxftCTHHxi) der in Kiew residirenden Grossfürsten verwaltet. Durch
seinen Handel gelangte Kowgorod bald zu Bedeutung und nahm als
19'ebenbuhlerin Kiews eine unabhängige Stellung ein. Jarosslaw I.
(1019-1054) verlieh der Stadt grosse Freiheiten und 1020 ein geschrie-
benes Reclit, die älteste Rechtsurkunde Russlands (HpasAa pycRaa). Von
einem Sohne Jarosslaw^s wurde der Kreml befestigt und die Sophien-
1. Adelsklub .... £4
SenkmAlert
2. Rurik-Denkm. ES
3. Denkm. derBe-
freiung von der
Franzosen-
Herrschaft(1812)D4
B4
£3
£2
4. Gefängniss
5. Gouv. Gericht
6. Stadt. Gericht
7. Gostinny Dwor
(Kaufhaus) . .
8. Gouvernement
9. Gymnasium
(Gouv.) £2
10. Hospital (mili-
tair. I.)
11. Hospital
tair. II.)
12. Hospital
£2
£2
D3
(mili-
.... CS
(städt.) C3
Plan von Nowgorod.
14. Kaserne der rei-
tenden Garde-
Artillerie .... GS
15. Kaserne, Wege-
Verbindung . . . C2
16. Katharina*s II.
Haus F4
Kirchen.
17. Boris u. Gljeb-
Kirche Gl
18. Erzengel Mi-
chael-K £4
19. Geburt Maria K.DI
20.
21.
22.
23.
24.
25.
18. Ka8erne,Sappeur-B3| 26
Georgs-K. ... £2
Joan Pred-
tetscha-K. ... £2
Lazarus-K. . . BS
Nikolaus-K. . . F2
Peter-Pauls-K. Dl
Prokop-K. . . . F2
Sophien -Kath. £3
27. Snamensky-
Kath Fl
28. Troiakaja-K. . FS
Klfttter.
29. Antonius-Klos-
ter AI
SO. Dessjatinnoi-Kl. £4
31. Heil. Geist-Kl. B3
32. Konsistorium
(geistl.) £3
33. Manege A3
34. Polizei £2
35. Post Fl
36. Schloss(kai8erI.) D3
37. „ (erzbi-
schöfl.) D3
38. Kommandantur
(Divis. -Stab) . . £2
39. Telegraph . . . £F2
40. Thurm, Jaross-
law- F2
41. Thurm, weisser G4
250 Route 21, NOWGOROD. Von St. Petersburg
kathedrale ausgebaut. In diesem und dem folgenden Jahrhundert wuchs
die Haeht der Stadt ansehnlich; sie machte nach Norden hin bis zuxa
Finnischen Meerbusen Eroberungen, zugleich lockerte sich das Band der
Abhängigkeit von Kiew mehr und mehr; es bildete sich ein republika-
nisches Gemeinwesen^ die Wolchow-Bepublik. Der Hoheit der wechseln-
den Statthalter gegenüber hob sich die Herrschaft der Volksversammlung,
Wjetsche (B^qe), die Macht des erwählten Volksoberhauptes, des Potsadnik.
Bei ihren Eroberungszügen bis zur Ostsee kamen die Nowgoroder in Be-
rührung mit Wisby, wo damals der baltische Handel seinen Sitz aufge-
schlagen hatte; sie hatten dort, wie die deutsehen Städte, ihre Factorei
sowie ihre Kirche und Hessen umgekehrt Anfangs des xii. Jahrh. eine
deutsche Niederlassung in Nowgorod zu. Anfänglich traten nur Wisby,
Biga und Lübeck mit Nowgorod in Verbindung; später bildete sieh ein
allgemeines grosses hanseatisches Etablissement, der Deutsche Hof. Auch.
Schweden, Gotländer, hatten im xii. Jahrh. in Nowgorod eine Oildenhalle,
eine warägische Kirche u. s. w. Gegen die Mongolen, welche im xiii. Jahrh.
ganz Bussland überschwemmten, war Nowgorod glücklich. Kein Mongole
betrat das Gebiet und die Stadt Nowgorod, die aber aus Politik mit dem
Oross-Chan der goldenen Horde in gutem Vernehmen blieb.
Wie die Nowgoroder gegen Westen zur Ostsee vorschritten, so brei-
teten sie sich über die Stromlandschaften des nördl. Eismeeres und des mitt-
lem Russlands aus. Schon 1170 ging eine Freibeuterschaar von Nowgorodern
die Wolga hinab ; später folgten andere. Viele blühende Städte bis nach
Asstrachan wurden geplündert, die Einwohner als Sklaven fortgeführt. An
die bahnbrechenden Flibustier-Züge schlössen sich militärische Expeditio-
nen der Wolchow-Bepublik, welche den Jassak (Steuer) von den tributpflich-
tigen Völkern erhoben. Aus dieser Zeit stammt der Spruch: „Kto pro-
tiw Boga i welikawo Nowgoroda?" (Wer kann wider Gott und Gross-
Nowgorod?) Die Stadt soll damals 4(X),(XX) Einw. gehabt haben; ein
mächtiges Kriegsheer kämpfte mit Glück an der Wolga mit den Mon-
golen , an der Narowa mit den Schwertrittern , an der Newa mit den
Schweden, an der Dwina und Petschora mit den Biarmiern, Syrjänen
und den Permischen Häuptlingen. — Aber das grosse Beich dauernd zu-
sammenzuhalten , erlaubte den Nowgorodern die Nachbarschaft der rus-
sischen Fürsten nicht. Nowgorod wurde von den Theilfürsten des Dnjepr-
landes in ihre endlosen Fehden hineingezogen, zur Heeresfolge genöthigt
und zugleich unausgesetzt von den kräftigen staatsklugen SsusdaPschen
(Wladimir'schen) Fürsten bedrängt. Als es endlich in Nowgorod zur
socialen Auflösung kam, die Wjetsche schliesslich entschied, die Stadt solle
sich unter den Schutz und Schirm des römisch-katholischen Polenkönigs
stellen, war es um Nowgorods Selbständigkeit geschehen. 1471 erzwang
Iwan I/J.t Grossfürst von Moskau, die Anerkennung seiner richterlichen
Oberhoheit durch die Sehlachten am Ilmensee (Juni und Juli). Als es
6 Jahre später zu neuen Zerwürfnissen kam, schloss des Grossfürsten
Heer Nowgorod ein, die Stadt wurde 1478 erobert, die Nowgoroder hul-
digten Iwan als ihrem souveränen Herrn, die grosse Glocke „Wjetschewoj
Kolokol**, welche die Volksversammlungen einzuläuten pflegte, ward nach
Moskau abgeführt (wo sie noch ist, S. 2^1), ebenso wurden die alten Bojaren-
Familien dorthin verpflanzt, die verödete Stadt ward mit moskowitisch-
russischen Familien bevölkert. Den letzten Best der ehemaligen Blüthe
Nowgorods vernichtete Iwan IV. 1570. An einen Verrath an Polen glaubend,
eilte er an der Spitze seiner Leibgarde, der Opritschniki, nach Nowgorod
und hielt hier ein schreckliches Blutgericht. dO,000 Menschen sollen nach
Angabe der Chronisten am heiligen Dreikönigstage ums Leben gekommen
sein, die Kirchen und Gebäude wurden geplündert, alle Schätze nach Moskau
abgeführt. Während der Zwischenregierung und 1650 unter dem Zaren
Alexe! machte Nowgorod die letzten Versuche zur Wiedererlangung seiner
alten Freiheit. Die Gründung St. Petersburgs und vielfache Feuersbrünste
vollendeten den Buin der einst so blühenden Freistadt.
Von der schonen, unter Kaiser Alexander III. an Stelle einer alten
hölzernen erbauten steinernen Wolohow-Bräcke (PI. E 3), Ton der sich
nach Moskau, NOWGOROD. 21, Route, 251
s. ein hübscher Blick auf den 40 W. langen und 30 W. breiten Ilmen-
see Öffnet , führt in westl. Richtung eine etwas ansteigende Strasse,
Yorbei an einer kleinen Kapelle und einem Thurm, in den Djetinei
oder *Kr6inl (^tTHHem; PI. DES), die am 1. Ufer gelegene Cita-
delle. Hier wohnte in alten Zeiten der Wladyka (d. h. Herrscher,
Yolksbenennung des Metropoliten), hier waren und sind der Ge-
richtshof, das erzbischöfliche Palais und vor allem die der Patronin
Nowgorods, der h. Sophie, geweihte Kirche. Die jetzigen Mauern
mit den 9 runden und viereckigen Thürmen stammen aus den Jah-
ren 1302 und 1490; restaurirt wurden die Befestigungen 1698 und
1818.
Auf dem grossen Kreml- Platze wurden ehemals die Volksver-
sammlungen (Wjetsche) abgehalten. Die Mitte desselben nimmt das
von Mikeschkin entworfene ^Burik- Denkmal (üaMflTHHK'L Tucflna-
ji'bTlfl Pocciü, PI. 2) ein, 1862 zur Feier des tausendjährigen Bestehens
des russischen Reichs errichtet. Auf rundem reliefgeschmückten
Sockel ruht eine Erdkugel , die oben ein kolossales Kreuz trägt ;
ringsum Bronzestatuen, welche verschiedene Perioden der russischen
Geschichte darstellen (Rurik, Wladimir, Peter I. u. s. w.).
Auf der nördl. Seite des Platzes, dem Denkmal gegenüber, links
das geistliche Consistorium (AyxOBHafl KoHCHCTopifl, PI. 32), dahin-
ter der erzbischöfliche Palast (S. 252) mit der Kirche des h. Johann,
Erzbischofs von Nowgorod (f 1186) ; rechts di^ Sophien- Kathedrale
und die Kirche des Erlösers (UepHOBb Bora CnacHTejfl).
Die »Sophien-Kathedrale (Coöop-B CbätoM Co*!« ; PI. 26), 989
zuerst in Holz, 1044-1051 in Stein nach dem Muster der Sophien-
Kirche in Konstantinopel erbaut, ist ein glänzendes Denkmal rus-
sischer Baukunst aus der Zeit Jarosslaw's I. In ihr wurden die er-
wählten Fürsten gekrönt und wurde dieWjetsche-Glocke aufgehängt,
wenn besondere Feierlichkeiten stattfanden. Die Kathedrale wurde
1067 von dem wilden und blutdürstigen Wsesslaw Brätscheslawitsch,
Fürsten von Polozk, 1570 von der Leibwache Iwan'sIV. (S.250) und
1611 von den Schweden geplündert; restaurirt wurde sie innen und
aussen vor c. 50 Jahren. Die Fresken sind aus dem xn. Jahrh.
Besonders bemerkenswerth sind im westl. Haupteingang die berühm-
ten Kontumehen Bronzep/orten ^ aus Eichenholz bestehend, welches mit
einer dicken Lage Bronze übersogen ist. Die Bronzetafelo 9ind in viele
Felder getheilt , deren jedes eine grosse Menge kleiner Figuren enthält,
anseheinend Darstellungen sowohl biblischer wie auch mythologischer
Scenen, daneben Köpfe lateinischer Heiligen und Bischöfe mit römischen
Inschriften neben slawischen. Einer Sage zufolge soll Wladimir d. Gr.
die Thüren 983 aus der Stadt Korssun (Cherson) in der Krim entführt
haben ; nach andern sind sie ein Werk des Meisters Rufin von Magdeburg
und befanden sich früher in einer röm.-kath. Kirche in Posen (?), wohin
•ie von Bole«law II. gebraeht und von wo sie später nach Nowgorod als
Kriegsbeute entführt wurden*, wahrscheinlich sind sie ein Geschenk der
Hanseaten an die Stadt l^owgorod. — Das Iwerb der Kathedrale wird durch
das von der Mittelkuppel des Doms nur spärlich einfallende Licht unge-
nügend erhellt und macht einen eigenthümlieh ernsten und finsteren Ein-
druck. Die 8 ungemein starken Pfeiler, welche die Kuppel tragen, beengen
den ohnehin kleinen Baum noch mehr. Einige der Pfeiler sind von unten
252 Boutt2L NOWGOROD. Von St, Petersburg
bis oben vergoldet, andere mit Freskobildern heilig gesprochener Fürsten
und Erzbischöfe bedeckt. Alle Wandgemälde sind auf Goldgrund gemalt^
der die sämmtliehen Hauern Überzieht. Die Kirche hat 5 Kapellen und
Altare; das kolossale Mosaik -Bild hinter dem Hauptaltar, aus gefärbten
Gläsern auf Goldgrund gearbeitet, soll byzantinische Arbeit aus der
Zeit Jarosslaw's I. sein. Der Ikonostas (xit. Jahrh.) ist reich mit Gold
und Silber inkrustirt. Die kaiserlichen Pforten sind aus Hetall von durch-
brochener Arbeit. Ihnen gegenüber steht an dem einen Pfeiler der 1%ron
des Zaren^ an dem anderen der Thron des Metropoliten^ beide aus Metall
gearbeitet. Die Gemälde des Ikonostas (18) sind meist alte byzantinische
Arbeiten; bemerkenswerth ist das wunderthätige Muttergottesbild, das
„Thränen vergoss, wenn Nowgorod gekränkt wurde". — Endlieh zeigt
man in der Kirche noch die Reliquien von verschiedenen Grossfürsten
und deren Gemahlinnen, sowie des Gründers der Kathedrale, Wladimir,
Sohnes Jarosslaw^s I., Mstisslaw^s des Tapferen, Annans, der Tochter König
Olars von Schweden und Gemahlin Jarosslaw^s I. ; femer die Grabmäler
verschiedener Fürsten und Erzbischöfe, darunter das des Erzbisehofa
Johann von IT^owgorod (1186) u. a. — Sehenswerth sind ausserdem in der
Kathedrale : die mächtigen Kronleuchter und die sog. schwedischen Thüren
am Eingange zur Geburts-Kapelle , welche die l^owgoroder auf einem
Kriegszuge gegen Schweden aus der alten Hauptstadt Sigtuna entführten,
eigentlich nur eine bronzene Täfelung der eichenen Thorflügel und jüngeren
Ursprungs als die Korssun'sehen Thüren. Die Sehatxkammer der Kathedrale
bewahrt manche interessante Alterthümer. — Von der ehemals ansehn-
lichen Bü>liothek wurde der grösste Theü 1859 nach St. Petersburg gebracht.
Links von der Sophien-Kathedrale das erEbischÖfliolieliLlaiB (Ap-
xiepe^CKiü ^omi ; PI. 37), ein wunderlicher Bau, 1433 errichtet. Im
Innern ein Saal, die Qranowitaja PaZata, wo sich die Erzbiscböfe
nach ihrer Ernennung und Wahl durch das Volk (die Ernennung
und Absetzung der übrigen Bischöfe geschah durch den Fürsten ihrer
Diöcese) von der Bürgerschaft huldigen u. Salz u. Brot reichen liessen.
Aus dem Bjetinez gelangen wir über den Graben und Kanal
durch das sog. Preussische Thor beim Geistlichen Gonsistorium auf
einen grossen freien Platz, der rings den Kreml umgiebt.' Hier
gleich links das *Deiikxnal (PL 3, D 4) zum Andenken an die Be-
freiung von der Franzosenherrschaft, gegenüber dem stattlichen
Gebäude des Adelskluhs (^omi ^BopAHCKaro CoöpaHifl; PL 1). Auf
der Südseite des Kremls auf einer Höhe das Gebäude , in dem das
Haus Katharina' s IL (^OMi EKaTepHHuH; PL 16, F 4) vor Zer-
störung bewahrt wird. Hier wohnte Katharina II. bei einem Besuche
Nowgorods ; in ihm eine alte Galeere, welche sie der Stadt schenkte.
Um die ganze Nordseite des Kremls zieht sich der Stadtgarten (Fo*
poACKoä caAi, PL D 3), der einen Besuch lohnt. In ihm ein Restau-
rant (S. 249) und dicht am Kreml-Graben ein kleiner Pftyillon auf
der Stelle , wo einst das Haus der Mar ja Possadniza stand.
Als Iwan HL Wassiljewitsch vor den Nowgorod*schen Gesandten in
Moskau die Bepublik sein Vatererbe nannte, entstand in Nowgorod ein
Aufruhr, in dem die republikanische Partei, von einer ehrgeizigen und
kühnen Frau geleitet, einen vollständigen Sieg davontrug. Diese Frau,
Marfa Borezka, die Wittwe des Possadniks Borezkoi, desshalb Ifarfa
Possadniza genannt, veranlasste im Verein mit ihren beiden Söhnen, dass
Nowgorod sich wirklich durch förmlichen Vertrag unter den Schutz des
Königs Kasimir von Polen stellte. Doch Iwan rückte 1471 mit einem
Heere heran, Nowgorod erkannte ihn (s. oben) als Herrscher an, Marfa
endete ihr Leben als Gefangene in Nishny Nowgorod und ihr Vermögen
wurde conflseirt.
nach Moskau. NOWGOROD. 2/. Boute. 253
An der Hauptstrasse (Bolschaja Peterburgskaja) gleich rechts
das einfache kais. Schloss {ÜMue^RTopctiiä ABopem; PI. 36, D 3),
weiterhin das Militär ^Hospital (PI. 11). Später führt die Strasse
durch den ^alten Stadtwall und auf einer Brücke über den die
Sophien - Seite abtrennenden Graben oder Kanal.
Erhalten sind von dem Wall nur noch TJeberreste, von seinen Thür-
inen der sog. Weisse l%urm (Biuaa Bamsui: PI. 41, G 4) auf der Südseite
der Stadt, an der Brücke, welcbe zur Ssloboda Jamskaia führt. Ein
breiter Graben trennt noch heute fast unmittelbar hinter dem Wall das
Stadtgebiet von den Vorstädten und dem offenen Lande.
An der oben genannten Brücke über den Stadtgraben r. das
Nonnen 'Kloster des h, Geistes (MoHacTHpb CBflTaro ^yxa; PI. 31,
B 3) , Kirchen und Gebäude mit Gold und Schnitzwerk überladen ;
1. das Qefängniss (TiopeMHuM saMOKi, PI. 4).
Ueberschreiten wir wieder die Wolchow - Brücke (S. 250) , so
gelangen wir auf die Handels-Seite (S. 249). Hart an der Brücke lag
südl. die sog. slavische Pjatina, der Hauptsitz des commerziellen
und politischen Lebens. Der grosse weite Platz, auf den man von
der Brücke tritt , war im Osten und Süden von den verschiedenen
Kaufstätten , dem deutschen und pleskau'schen Hofe eingerahmt,
an welche sich nach rechts ein hoher schlanker Thurm schloss , in
dem die Wjetsche-Glocke hing. Im zi. Jahrh. befand sich auf dem
Platze, wo der Thurm stand, Jarosslaw's Burg, weshalb der freie Platz
um den Thurm Jarosslaw-Hof (PI. E2) genannt wurde. Heute steht
hier rechts , auf der Südseite des Platzes , ein kolossales Gebäude-
Viereck, in dem der Qostinny Dwor (rocTHHHUÜ ^Bop'B, PI. 7), das
JStathhaus (ropoACEoe npHcyrcTBeHHoe Mtcro), mit einem Museum
russischer Alterthümer, ferner der verfallene Jarosslaw- oder Wje-
tsche-Thtmn (flpociaBa 6amHfl,P1.40), dieMetropolitan-Kirehe u. a.
Gegenüber auf der 1. (n5rdl.) Seite des Platzes, inmitten eines kleinen
Parks das neue Palais des Corps-Commandanten (PL 38).
Die Handels - Seite zerfällt eigentlich in zweiTheile, welche
durch einen Graben und Kanal getrennt werden. In dem südLTheile,
in der von der Brücke direct östl. abgehenden Hauptstrasse (Bol-
schaja Iljinskaja), die Gebäude der Polizei (PL 34), der Telegraphen-
Station (PL 39) und Post (PL 35) ; am Ende der Strasse die zweite
Hauptkirche Nowgorods, die Snamensky- Kathedrale (PL 27, Fl),
rechts davon die Kirche des h. Nikolaus (UepK. Ca. HuKOja«;
PL 23 F 2). Bei der Post das alte Haus der Marfa Possadniza
(S. 252). In der beim Polizeigebäude 1. (nördl.) abzweigenden grossen
Moskauerstrasse 1. das Gouvemementsgebäude (AoMi ry6epHaT0-
pa; PL 8, E2), weiter das Gymnasium (PL 9). — Durch die gr. Mos-
kauer Strasse gelangt man n. über die Brücke in den n. Theil der
Handels-Seite und durch die Vorstädte nach dem am Wolchow-Üfer
gelegenen, einst sehr reichen Kloster des h, Antonius (MoHacmpb
CeaTaro Ahtohiii; PL A 1), 1106 gegründet.
In der Nähe von Nowgorod liegt das Schloss des Grafen Alexe! An-
drejewitsch Araktschejew, Orusina^ mit einer Sammlung russischer Alter-
thümer. — Einige W. südl. von Kowgorod, an den Ufern des Wolchow,
254 B<mte 21, STARAJA RUSSA. Von St. Petersburg
in hübscher Lage das Kloster des heil. Georg (lOpieBCKifi MoHacTup&), eines
der ältesten und angesehensten Russlands j 1030 durch Wladimir, Sohn
Jarosslaw*8 I., gegründet, mit 3 Kirchen.
Von Nowgorod führt die Bahn, anfangs meist am Westufer des
Urnen -Sees entlang, über Stat. Borobeika, Worok, ßckimsk (hier
über den Schelon), Wereschtschino, Pereterka nach
88 W. (156 W. von Tschndowo) Staraja Basea (Crapaff Pyca).
Gasthöfe: Knoeh in der innem Stadt. — ^Gasthof mit Num-
mern bei den Soolquellen. — Uöblirte Wohnungen und Datsehen mit
Zubehör (excl. Bett- und Leinenzeug) 50-300 B. für die Saison.
Wagen am Bahnhof; Fahrt ohne Gepäck 50Kop.
Badbavstaltei« , den höchsten Anforderungen entsprechend (Biblio-
thek, Lesezimmer, Theater, Goneerte u. s. w.). Saison 26. Hai bis 20. August.
Preise : Soolbäder 4^ Kop., Moorbäder 70 Kop., Fiehtennadelbäder 50 Kop.,
Sool- und Fiehtennadelbäder 60 Kop., kaltes Bad im See mit Mineral-
wasser 10 Kop., Saisonkarte 25 B.
Staraja Russa, berühmtes Soolbad mit 13,000 Einw., liegt am
Abhang des Waldai'schen Plateau's und am Zuammenfluss der Po-
rusBja, PolUta und Pereritiza im Kreise Demjansk des Gouverne-
ments Nowgorod. Russ, der Bruder des Fürsten Slowen, gründete der
Sage nach die Stadt Russa 50 Stadien von Alt-Nowgorod ; seine Ge-
mahlin Porussjaund seine Tochter Polista sollen den gleichn. Flüssen
ihren Namen gegeben haben. Die Stadt war oft Residenz der Gross-
fürsten. 1471 wurde sie von Iwan III. zerstört.
Die Atmosphäre in der Stadt ist häufig, namentlich bei Nordwest-
wind, geschwängert mit den heissen Dämpfen der Gradirwerke. Diese
Chlor -Brom -Luft erschwert das Athmen sehr, vorzüglich Abends, auf
Skrophulöse jedoch übt sie den günstigsten Einfluss. — Das Flusswasser
der Stadt ist brackig, von gelber Farbe und übelriechend. Die in die
Flüsse mündenden Salzquellen, der Abfluss der Salinen, und die durch
das Wasser geleiteten Bohren derselben machen es ungenlessbar. Das
Trinkwasser wird mittelst eines 2 W. langen Aquäducts aus dem Dorfe
Duboziwi zum Stadtbrunnen geführt. Doch wird auch aus den Flüssen
oberhalb der Stadt Wasser zum Trinken geschöpft und Morgens von den
Bauern kübelweis verkauft.
Die langgestreckte Stadt hat überwiegend hölzerne Häuser , re-
gelmässige, breite, meist gepflasterte Strassen. Fast vor jedem Hause
ist ein Gai-ten. Der schönste Stadttheil liegt auf beiden Ufern der
Polista. Das 1. Ufer derselben ist von der Alexander - Brücke an
bis zum kais. Palais mit einer 1 W. langen Lindenallee eingefasst.
Die Stadt besitzt 19 Kirchen und Kloster. Unter den ersteren ist die
Auf er stehunga -Kirche die schönste, die Peter -Pauls -Kirche die
reichste und die des Märtyrers Nyl die älteste (xiii. Jahrb.).
Die Salinen liegen im N.W. der Stadt an der Polista. Den von
Katharina II. 1771 angelegten 19Gradirwerken wird das Wasser aus
dem Salzsee und seinem Reservoir durch Röhren 2V2 W. weit zuge-
führt. Die Gradirsoole liefert jährlich 150,000 Pud Salz, welches
aber gypshaltig und unrein ist.
Die Badeanstalten (s. oben) befinden sich theils bei den Salinen,
theils am Ostende der Stadt. Das Bad , dessen Wirkung die von
Franzensbad und Kreuznach vereinigen soll , ist im Sommer sehr
besucht , besonders von Damen. Mit den Bädern ist eine Kumyss-
und Molkenanstalt verbunden.
nach Moskau, WALD AI. 21, Route. 255
Die Soolquellen befinden sich am Ostende der Stadt, in der Nähe der
Osstaschko waschen Strasse; Metall wird durch die Salzdämpfe oxydirt,
Silber gelblieh. Zwei Quellen, die Directorial- und die JUttrawJeto^ »che- Quelle
(beides artesische Brunnen) werden benutzt. Das Wasser der ersteren,
1819-31 erbohrt, ist klar, färb- und geruchlos und schmeckt bittersalzig;
Temperatur 9 und 10^ B. Auch die Murawjew^sehe Quelle, 1867-69 gebohrt,
liefert farbloses, bittersalziges Wasser, doch ist dasselbe weniger scharf
von Geschmack, hat mehr Kohlensäure und riecht nach Schwefelwasser-
stoff; Temperatur 10.8<* E.
Wbitebfahet vonTschttdowo nach Moskau (vgl. S. 248). Gleich
hinter (118 W.) Stat. Wolchow (BoixoBi») überschreitet die Bahn auf
hoher Gitterbrücke den etwa 300 m breiten Wolchow, der oberhalb
Nowgorod aus demllmen-See tritt und nach einem Laufe von C.225W.
in den Ladoga - See mündet.
Dn/mpftehüfffahiri (nur im Sommer) von Wolchow nach Nowgorod
in 4 St. für 3B., nach Staraja Bussa in 8 St. für 3 B. 20 Kop.
133 W. Qrjady. — 152 W. Klein - Wischera (Maiafl BHmepa).
Auf zwei langen Brücken über eine c. 60 m tiefe Schlucht , dann
über die Mssta^ die unweit des Ausflusses des Wolchow in den
Ilmen-See mündet Mehr Abwechselung kommt in die Gegend, wenn
wir uns den Waldai -Höhen (BsLinsAcKia ropu) nähern, die wir
jenseit (219 W.) Station Sowserje vor uns haben ; die grosse Was-
ser- und Völkerscheide, die das baltische vom Wolga -Russland
trennt, aber von unscheinbarem Ansehen , eine Reihe zusammen-
hängender niedriger Waldrücken. Die neue Sphäre der russischen
Welt, in welche wir mit den Waldai -Bergen eintreten, wird auch
bald durch zahllose Kurgane (s. unten) gekennzeichnet, die äussersten
Vorposten des alten Mongolenreiches.
Kurgane (BpyrjEua nacBrnH oder KypraHu), in Kleinrussland iTo^rtJy,
nennen die Bussen jene kegelförmigen, den in slavischen Ansiedelungen
oft den Kern der Stadt bildenden Hügeln COorodisehUch«^ d. h. Stadt, Burg)
ähnlichen Erdaufwürfe oder Hügel, die man in bestimmten Begionen, be-
sonders in den südl. Steppen Busslands vorfindet. Hier tragen einige
wenige noch merkwürdige alte steinerne Bildsäulen. Das Wort „Kurgan**
«oll aus dem Tatarischen herrühren, wo Oür, Kyr, Kür in Grab oder
einen Hügel, und Chan ein Haus bedeutet, also wörtlich ein Grabhaus.
Hogila, Hohila ist aus dem Arabischen herzuleiten und bedeutet Hügel
oder Bast. Kachgrabungen haben allerdings bewiesen, dass es Gräber
sind. Kan fand darin gewöhnlich Urnen von roher Töpferarbeit, verrostete
Waffen, Knochen von Menschen und Thieren, manchmal Sehmuck von
Gold und Silber, auch Medaillen mit Inschriften. Andere südrussische
Kurgane, besonders hohe und hochgelegene, enthalten indessen keine
Spuren von Knochen und Kohlen u. s. w. Sie dienten vermuthlich reli-
giösen Zwecken als Gultusstätten , oder hatten militärische Bedeutung
als Orientirungs - oder Beobaehtungspunkte.
229 W. Okulowka, — 248 W. Uglowka.
Zweigbahn (39 W. in 26 Min. für 1.09, 0.81, 0.41 B.), nach Borowitsohi
Kreisstadt an der Mssta mit 10,000 Einw. Die Stadt hat 9 Kirchen, mehrere
Klöster, einen Kaufhof etc. In der l^ähe Steinkohlen.
265 W. Waldaika,
87 W. westl. die Kreisstadt Waldai (Baji^afi), umgeben von Bergen,
am südl. Ufer des hübschen, beinahe 1 Quadrat-Meile grossen Waldai-SeeSy
aus dem sich mehrere bewaldete Inseln erheben , mit 8784 Einw., zum
Theii von polnischen und schwedischen Kriegsgefangenen abstammend.
256 Route 21, WYSCHNY-WOLOTSCHOK. Von St, Peter ihurg
welche Zar Alexei Hiehailowitseh hier ansiedelte. Waldai ist berühmt
durch seine Kringel (Baranki) und durch seine Glocken, welche in allen
Grössen an der Station zum Kauf angeboten werden; auch die Fuhr-
leute, Schmiede und Wagenbauer von Waldai werden gepriesen.
Auf einer Insel im Waldai -See das vom Patriarehen Kikon 1652 er-
baute Jwersky -Kloster^ ein besuchter Wallfahrtsort.
295 W Bologoje (Bojoroe). Zweigbahn nach Ryhinsk (S.340),
280 W. in 10-11 St. — Bahnrestaur., 10-20 Min. Aufenthalt
337 W. WyBchny-Wolotseliok (BumHift Boioqex'B), Kreisstadt
mit 12,000 Einw., an der Zna und dem Twerezky- Kanal gelegen,
regelmässig gebaut, mit altem kais. Schloss, mehreren Kirchen und
schönem Kaufhaus. Bedeutender Stapelplatz besonders für Getreide.
Die grossartigen Bauten des Kanalsystems von Wyschny-
Wolotsehok erregen die Bewunderung des Sachkundigen. Schon in
einiger Entfernung vor der Stadt ziehen sich Bahn und Strasse wie auf
einem Damm zwischen gewaltigen Wasserbehältern hin, den Beservoirs
zur Speisung des Kanals bei niedrigem Wasserstande. Weiterhin grosse
Häfen und Wasserbecken mit einer Einfassung von Granit und Schleusen
mit eisernen Thoren. In ersteren liegen im Sommer oft 500-800 Fahrzeuge,
um den Durchgang durch die Kanalschleuse gemeinschaftlich zu bewerk-
stelligen. — Bei Wysehny-Wolotschok vereinigen sich die Wasserverbin-
dungen zwischen dem Kaspischen Meer und der Ostsee, gebildet durch
Ober- Wolga, Twerza, Zna, Mssta, Wolchow und Newa. Peter I. ver-
suchte zuerst den Dnrehbrueh des Waldai-Rtickens durch den 4 km langen.
Kanal zwischen Mssta und Twerza (1704-1713). Ein Jahrhundert lang ist
dieses Kanalsysten^ erweitert und vervollkommnet worden. Die hydrau-
lischen Werke wurden erst unter Katharina II. 1793 vollendet.
368 W. Spirowo (CnnpoBO). Bahnrestaur., 8-15 Min. Aufenthalt.
— 387 W. Kalaschnikowo, — 408 W. Osstaschkowo (OcTamKOBo).
Zweigbahn nach Torshok, 33 W. in 1 St. für 1.34, 0.93, 0.47 B.:
nach Rshew, 128 W. in 5 St. für 4.60, 3.80, 1.84 B.
Torthok (TopsoKi, Marktstadt), freundlich an der Twerza gelegene
Kreisstadt im Gouvernement Twer, mit 30 Kirchen, deren Kuppeln und
Thürme die Stadt von weitem ansehnlich und malerisch erscheinen lassen,
breiten Strassen, grossen Plätzen und 13,000 sehr betriebsamen Einw.
Haupthandelsgegenstände sind Getreide, Mehl, Seife u. s. w. Berühmt ist
die Stadt durch ihre feinen Lederwaaren (Schuhe und Stiefel aus mehr-
farbigem Leder zusammengesetzt; Damenschuhe aus Sammt mit Gold-
und Silberstickerei werden auf den Stationen ausgeboten, theuer). — Tor-
shok ist eine der ältesten Städte des Innern Bnsslands. Schon zu der
Zeit , wo die Nowgoroder zur Hansa gehörten , betrieben sie einen
schwunghaften Handel in dieser ihrer Grenzfestung. Weit ins Wolga-
gebiet vorgeschoben, war Torshok ein steter Zankapfel zwischen dem
Freistaate Nowgorod und den SsusdaVschen und Twer sehen Fürsten und
hatte in Folge dessen vielfach durch Verwüstung zu leiden. — Rshew
(PmeBi), Kreisstadt im Gouvernement Twer, an der Wolga, mit 27,000
Einw., hat 13 Kirchen, bedeutende Garnspinnereien, Schififswerfte und
lebhaften Handel in Salz, Getreide etc. Im xiii. und ziv. Jahrb. Sitz
selbständiger Fürsten, gehörte die Stadt im xv. Jahrb. zu Litauen. — >
Dampfer von Bshew nach Twer in 10 St. für 4,60 B.
428 W. Kulizkaja. ^ Je mehr man sich Twer nähert, desto
mehr überwiegen Wiesenflächen über die Wälder. Die Bahn über-
schreitet die Wolga, die schon hier auf ihrem Oberlaufe einer leb-
haften Schifffahrt dient. Bald darauf Station Twer (»Restauration,
10-20 Min. Aufenthalt). Die Stadt selbst bleibt 1. liegen.
448 W. Twer (TBepk).
Gasthöpb: «Müller am Postplatz; Andrej ew (Z. von 1 B. ab-
wärts). — Bbstadrants OMD Gaf^s: Müller, Weiss (Beftci), •Tscha-
nach Moskau, TWEB. 2L Raute, 257
plin. — WA.OBK ftm Bahnhof, am Landungsplätze der Dampfschiffe und
auf dem Postplatz.
Pbombkadbh am Wolga-Quai^ beim Vauxhall, im Stadlgarten^ auf dem
Camiugolnßfa -PUUt.
Post- und TBLBftBAPHBHAMT auf dem Postplatz.
Dampfscbiffb : der Gesellsehaft Ssamoljot naeh Kasan (8. 350), Asttrachan
und Perm täglich, nach Rybinik (8. 340) Ho., Di., Do. und Sa ; der Gesell-
schaften Polsa und DrusMna nach Rpbintk und Ashtte (s. oben).
Twer, Hauptstadt des gleicbn. Gouvernements, mit 39,000 Einw.,
Sitz eines CivilgouTerneurs und des Erzbiscliofs von Twer und
Kaschin , liegt am Einflüsse der Twtrza und Tmäka in die Wolga
sowie auf den von diesen Flüssen gebildeten Inseln, lieber die
Tmaka föhrt eine feste Brücke , während auf Wolga und Twerza
der Verkehr durch Fähren unterhalten wird. Die eigentliche Stadt,
Oorodowaja (FopoxoBaii) , zwischen Wolga und Tmaka , zieht sich
vom Quai am bergigen Ufer der Wolga hinauf; hier eine Menge
stattlicher, meist gelber Häuser (weshalb Twer auch wohl die „gelbe
Stadt'' genannt wird), grosstentheils unter Katharina II. entstanden,
welche nach dem verheerenden Brande vom 12. Mai 1763 (dem
jüngsten unter den vielen , unter denen Twer zu leiden hatte) die
Stadt nach einheitlichem Plane wieder aufbauen liess. Auf der-
selben Seite der Wolga , am 1. Ufer der Tmaka , der Satmatkaja
{ZfkThMtiHVinii) ' Stadttheü , auf dem 1. Wolga -Ufer zu beiden Seiten
der Twerza das SawoUhskaja (3aB0jscKaii) - und Satwerezkaja
{3n.'nepeuBi9in)' Viertel. In allen Stadttheilen breite, regelmässige
und gepflasterte Strassen, ansehnliche Häuser, grosse Plätze. Die
Fabriken in Twer (Baumwollspinnerei, Eisengiesserei , Stärke-
fabriken u. s. w.) gehören zu den bedeutendsten Russlands; auch
als Handelsplatz und durch ihre Werft ist die Stadt von Bedeutung.
Zur Geschichte. Twer wurde 1183 von dem Grossfürsten Wladimir
Wssewolod GeorgietriUch ron Ssusdal gegründet. Der Haupttheil der Stadt
lag damals auf der Wiesenseite der Wolga; erst 1340 erbaute Grossfürst
Jarosslaw Wssewolodowitsch die Festung (s. unten). Zu dieser Zeit war
Twer die Besidenzstadt eines eigenen Fürsten, abhängig vom SsusdaPschen
Fürstenthum. Nach der Begierung des Michail Borissowitsch (1434-90)
fiel Twer dem moskowitischen Staate zu. 1570 kam Iwan JV. auf seinem
Zuge gegen Nowgorod auch durch Twer, dessen Bewohner er seinen Sol-
daten preisgab. Zur Zeit der falschen Dmitry (1606) wurde Twer von
den Polen gestürmt und grosstentheils niedergebrannt.
Von Denkmälern seiner Yergangenheit hat Twer wenig bewahrt.
Wo am bergigen Wolga -Ufer, an der Mündung der Tmaka, der
Qarodawaja'Stadttheil (s. oben) beginnt, bezeichnet ein unregel-
mässiges, wallartiges Dreieck die Stelle, wo ehemals der Kreml
oder die Featwng (Kptnoen) gestanden hat. Dieser Wall wird auf
zwei Selten von der Tmaka und Wolga, auf der dritten von einem
Graben umgeben , in dem ein Boulevard angelegt ist. In der Nähe
erhebt sich, angeblich an der Stelle der von Alexei Mlchailowitsch
(s. oben) niedergebrannten Burg , das ehem. bischSfl. Sehloii , von
Kaiser Alexander I. restaurirt, umgeben von einem schönen Park, der
zum Theil als öffentlicher Garten (IlyöiHWÜ Can) benutzt wird.
Die *Xath«dral« der VerkUning Chiiiti (Co6op% Ilpeoöpaseaui
Bussland. 3. Aufl. 17
258 RouU 2L TWER. Von St. Petersburg
rocnoAHfl), eine der schönsten unter den 40 Kirchen der Stadt, mitfanf
Kuppeln, wurde nach Abtragung einer altern Kirche 1682 erbaut; die
Wandgemälde stammen vom Erzbischof Piaton (xvin. Jahrb.). Der
Ikonostas ist prachtvoll mit Gold, Silber und Steinen geschmückt.
R. in reichgeschmücktem silbernen Sarkophag die Reliquien des h,
MichailJarosslawitsch (s. oben). Die Wandgemälde stellen Episoden
aus dem Leben des Grossfürsten dar. Die Kathedrale enthält di&
Grabmäler zahlreicher Grossfürsten, Fürsten u« s. w. Der dreistöckig»
Qlockenthurm wurde im xviii. Jahrb. vom Erzb. Mitrofan erbaut.
Die schönste Strasse der Stadt, die MUlionnaja, läuft parallel
der Wolga und endigt westlich an der Tmaka, östlich an d^n schon
ausserhalb der Stadt liegenden VauxhaU ; an derselben liegen di»
schönsten Gebäude und Magazine der Stadt, u. a. das stattliche
QymnoMum (EHMHaalfl), der Oostinny-Dwor, der Adelsklub und
das adlige (Dworjansky) Institut. In der Nähe des Schlosses der
Katharinen-Platz (EKaTepHBOBCsafi nioma4b), auf dem das Denkmal
Katharina' 8 IL aus sibirischem Marmor, der Gerichtshof xmd andere
öffentliche Gebäude. Darauf folgt im Centrum der Stadt der Post-
platz (IIoqTOBaH niom.) , an dem das mächtige Qouvemementsge-
bäude, die Post u. s. w. ; ferner der Ossmiugolnaja-Platz (OcfrMHy-
FOJbHaa niom.) , mit Bäumen bepflanzt , die Hauptpromenade von
Twer. Von hier gelangt man nördl. zum Wolga- Quai, südl. zum
Bahnhof. Erwähnenswerth ist noch die Mironossizkaja (BfHpoHO-
cHUKaii yiHua), nach der an ihr liegenden Mironossizky-Kirche be-
nannt, und der immer belebte Chfjebnaja- Platz (Xj^dflaa naooi.)»
südl. hinter dem Gostinny-Dwor.
Jenseit der Tmaka die '^'Troizy- Kirche (UepK. ^HBOHaHauHoä
Tpoäau), mit 7 Kuppeln , 1584 von einem Twer'schen Bürger Tu-
schinsky erbaut ; im Innern bemerkenswerth die schönen Zaren-
Thiiren des Ikonostas. Im oberen Stockwerk geheime Zimmer (Ila-
jaTKH), mit kaum bemerkbaren Spalten anstatt der Fenster ; in ihnen
verbargen ehemals die Geistlichkeit und die Bürger ihre Schätze
bei feindlichen Einfällen.
Auf dem erhöhten 1. Ufer der Tmaka, nahe ihrer Mündung, das
1854 erbaute Dock nebst Masehinenwerkstätten (^OKi, MacrepcKiii)
der Ssamoljot-Gesellschaft, deren Dampfer hier überwintern. Etwas
weiter oberhalb an der Tmaka die sog. Owrag Lasur (Oapanb Jasypi»),
eine Art Werft in einer weiten Schlucht, welche im Sommer trocken,
Im Frühjahr mit Wasser gefüllt ist.
Ebenfalls am Tmaka -Ufer, nahe Twer, das Boshdestwensky-
Nonnenklostar (Pos/iecTBeHCKifi a^bhvü MoHacrapfc), seit Beginn des
XVI. Jahrb. erwähnt. Die ehemals hölzernen Kirchen wurden 1765
durch steinerne ersetzt. Die Kaihedrdte liess 1812 Alexander I.
erbauen ; in ihr das wunderthätige Büd der Tichwin^ sehen Mutter
Oottes, 1703 von einem Mönch in das Kloster gebracht.
4 W. von Twer inmitten eines Gehölzes das ummauerte *Skei*
Ukow-Hönoha-XloBterCSKeiTHROiii Y cneHCRiü HysaecKiö MoHacrapi»)
nach Moskau, WOSSKRESSENSK. 21. Route. 259
mit Beinen vergoldeten Kuppeln , der schönste Punkt in der Um-
gebung, 1400 vom h. Arsenius (f 1409) erbaut. Die jetzigen steiner-
nen Kirchen stammen aus der Zeit Peter's d. Or. In der Befestigungs-
Mauer über dem Thorwege zwei Zimmer , welche als Wohnräume
für den Zarewitsch Alezei, Sohn Peter's I., bestimmt waren.
7 W. von Twer, nahe den Ufern der Malizka, das Kikolajewsky-
Kloiter (HHKoaaeBCKiä Moh.), 1676 von Owzin, Oberjägermeister des
Zaren Feodor Alexejewitsch gegründet ; die Wohnungen der Mönche
erbaute Graf P. J. Schuwalow 1753 als Erinnerung für die wunder-
bare Heilung seiner Gemahlin. In der Kirche ein Mosaikbild des
Erlösers und kostbare Geräthe , Geschenke der Grafen Schuwalow.
Schliesslich auf der andern Seite der Wolga , am Einflüsse der
Twerza, das berühmte Otrotsch- Kloster (OxpoMb - ycneHCKiÜ Hy».
Moh.), jetzt geistliche Schule und Seminar.
Eine Sage erzählt, dass der Grossfürst Jarosslaw III. Jarosslawitseh
in Twer die Braut seines Pagen oder Adjutanten, Grigor, im Augenblick
der Trauung mit demselben vom Altare fortgerissen und sieh mit ihr ver-
bunden habe. Grigor wurde Möneh und gründete 1265 das später so
blühende Otrotsch-KIoster, das nach anderen zur Zeit der Gründung der
Stadt Twer erbaut wurde. Bis 1764 hatte das Kloster grossen Besitz an Land
und Leibeigenen. In ihm die Grabmäler der Twer'schen Erzbischöfe des xiii.
und xiT. Jahrh. ; hier Mrlrd auch die Zelle des ehemaligen Metropoliten von
Moskau, Philipp^ der während der Anwesenheit Iwan's IV. in Twer ermor-
det wurde, gezeigt. Seine Reliquien wurden 1584 nach dem Ssowjezkischen
Kloster, wo Philipp als Mönch gewesen, 1651 nach Moskau gebracht.
Nach Ueberschreitung der Sschoscha - Brücke gelangen wir in
das fruchtbare und industriereiche Gouvernement Moskau. Statio-
nen Kusminka, Sawüowo, RJeschetnikowo.
521 W. Klin (KiHHi), Kreisstadt an der Ssestra^ mit 7000 Einw.,
der alte Stammsitz der Romanow , 1885 fast gänzlich durch Brand
zerstört. — Bei (544 W.) Podssolnjetschnaja mündet der Moskauer
Kanal (MocKOBCKiü Kanaii) zwischen Isstra und Ssestra. — 568 W.
KrvJcowo.
21 W. westl. von Krukowo (Postverbindung) liegt an der Isstra die
Stadt WoMkresMnak. Unfern derselben das berühmte *Klo$ter Neu-Jeru-
salemj mit seinen hohen Mauern einer Festung ähnlich (Unterkunft im
Gasthause des Klosters^ keine Bezahlung, doch wird eine freiwillige
Gabe erwartet). Das Kloster wurde 1655 vom Patriarchen Nikon (S. 285) ge-
gründet, der Zar Alexei verlieh ihm den Namen Neu- Jerusalem. Die
Kirche zum Juiligen Orab*^ welche die Klostermauern umsehliessen, liess
Nikon in scrupulöser Nachahmung der Grabeskirehe in Jeruaalem erbauen ;
in der Kirche befindet sich auch sein Grabmal (t 1681) in der sog. Melchi-
sedek-Kapelle am Fusse von Golgatha. Die Hauptkuppel stürzte 1750
ein und das Gebäude wurde in der Folge durch SastrelU restaurirt. —
1698 war das Wosskressensky -Kloster der Schauplatz blutiger Kämpfe
zwischen den aufrührerischen Strelitzen, welche das an der litauischen
Grenze stehende Heer verliessen und auf Moskau zogen , and den ihnen
entgegenrückenden Truppen des Generalissimus Schein. General Patrick
Gordon besetzte das Kloster. In der dann sich entwickelnden Schlacht
wurden die Strelitzen gesehlagen und im J. 17(X) in grosser Zahl hingerichtet.
587 W. Chirnki. — 596 W. Petrowsky-Rasumowsky (S. 312). —
604 W. MoskaQ (MocKBa).
17*
Erkl&raDg der Zablen zum Plan von Hoskaa.
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MidebenBtifl,
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261
22. Moskau.
Anknnft. Wer im Gasthofe zu bleiben beabsichtigt, wende sieh gleich
bei der Ankunft an den mit Wagen oder Omnibus auf dem Bahnhofe
anwesenden Gommissionär des gewählten Hotels, kenntlich am Schild an
der Mütze. Dies ist besonders denen anzurathen, die des Russischen nicht
mächtig sind.
GaathSfe. Sslawjansky Bazar (CiaBflHCKift Baaapi), in der 17i-
kolskaja (PI. D 4) /grosses Haus, mit 190 Z. von IV2 ^- ^n^ mit schö-
nem Speise- und Goncert-Saal. ^*Hdt. Dusaux ^nco) am Theater-
platz (PI. D 4 , Bes. Jfiersch , ein Deutscher) , Z. von 1 B. 90 K« an , M.
1 B. 50 und 2 B. 50 E. auch Restaurant. — Hot. Stadt Berlin (Bepr
jiHHi) in der Roshdestwenka (PI. D3,4, Bes.* CUnusen)^ im Mittelpunkt
der Stadt gut gelegen, von Kaufleuten viel besufelit, Z. u. B. Von 1 R.
25 K. an. — *Hot. Fuchs (früher Billo, Bkxjto) in der Grossen Lubjanka
(PI. D 3, 4), Haua Popow. Diese vier mit bewährten, deutsch und russisch
sprechenden Gommissionären. — Bolschaja Moskowskaja Gostin-
niza, I. Ranges, aber ganz russisch, am Woskressensky - Platz gegen-
über der Iberischen Pforte Gwersk^ja Worota, S. 287; P1.D4), Z. 1-8 R.,
mit vortrefflichem Restaurant, M. 1 R. 25 K. u. 2R. — Hdt. de France
(4»paHuia>, Twerskaja, Haus Philippow, russisch, Z. von 1 R. an. — Hdt.
Dresden (Apeaxeni), Twerskaja, Haus Andrej ew, Z. von I1/2 R., M. von
2 R. an. — Mamontowa oder Loskutnaja Gostinniza in der
Twerskaja, in der Nähe der Iber. Kapelle (S. 2iS8), ganz russisch, F. u.
M. von IR. an. — Kokorew, in der Sofliskaja (PI. D5), gegenüber dem
Kreml, ganz russisch; Z. 60Kop. — 4R. pro Tag, 10-1()0R. monatlich.
Traktir« (s. unten) mit NumtMrn (d. i. Zimmern) für Fremde: Asant-
schewsky in der NikolskaJa, Haus Tsehishow. >- Lopasehow in der
Warwarka. — Tsehassowikow am Kamenny-Most (Steinerne Brücke).—
Winogradow an der Petrowsky - Worota (PI. D3) u. a.
Ohambres garaiet (MeöjHpoBaHHux KOKnaTu) in grosser Anzahl. Durch-
schnittSDreise monatlich mit Bettwäsche 15-25 R. ohne Pension , 40-70 R.
und mehr mit Pension (man zahlt pro Monat pränum.; Trinkg. monatl.
e. 1 R.). Maison meubl6e (Versailles)^^ Ecke der Gr. Dmitrowka und
Stoleshnikow-Gasse (PI. D3, 4), Haus Tschuksin, in bester Lag.e. — Rud-
new, Ecke der Twerskaja und Gasetny- Gasse, Raus Goljaschkin, gleich-
falls gute Lage. — Ssawostianow, in demselben Gebäude nach dem
Twerskoi zu. — W argin, dem Twerskoi, Haus Wargin. — Louvre,
ebenda, Haus Poljakow. — Etschk^in auf dem Trubnaja- Platz u. a.
^ Restaurants (Traktire, Tpasrapi ; vgl. Einl. S. xxv). «Ermitage (9pMH-
Tascii), Neglinny-Projesd (PI. D3, 4), theuer aber gut. Cabinets separ^s,
Kellner in russ. Tracht. — 'Sslawjansky Bazar (s. oben) in der "Ni-
kolskaja, grosses Etablissement, nicht billig. — 'Patrikejew (J. /.
TJestöw) , Wosskressensky-Platz , nahe dem Grossen Theater (PI. D 4),
um die Mittagszelt von der vornehmen Kaufmannschaft viel besucht. -—
Troizky auf der Iljinka, viel Kaufleute. — Ssaratow (GaparoBi)
Ssretenka, Ecke des Mjassnizky-Boulevard. Gute russ. Küche. — Mps-
kowsky (MocxoBCKift), Wosskressensky-Platz, s. oben. — Zweiten Ranges:
«Schtschellowa (U^ejiJiOBa), Ecke Schmiedebrücke u. Gasetny Pereülok.
Diner V2'l- ^- — Ssatschkow (Ca^KOBtb) , Twerskoi - Boulevard. Auch
jfummern. -— Jegorow, Ochotny Bjäd (PI. D4), viel von altgläubigen
Kaufleuten besucht. — Deutsche Restaurants .'Hdt. StadtBerlin,s. oben ;
«Alpenrose auf der Ssofeika; Walde, hinter dem Grosseh Theater;
Dusaux, Roshdestwenka; Braus, Gr. Dmitrowka; Beck, Kl. Kisselnaja.
Konditoreien (KoHAHTopcxia MaraBHRu), in denen man Kaffee, Choko-
lade. Eis u. s. w., aber keine geistigen Getränke bekommt, mit Zeitungen :
^Einern, vier Magazine: am Iljinsky-Worot , Petrowka, Twerskoi und
Marosseika; Abrikossow, vier Magazine: Iljinsky-Worot, Ssolodowni-
kow-Passage, Twerskoi und T werskoi-Boulevard ; Albert, Siou, Filip-
pow, alle Twerskoi.; Tremblay, Schmiedebrücke (HyaueKKÜk mocti);
Bartels, ebenda, bestes Gebäck. — Dtf/tVatewen:. Bjelo w, Marosseika;
Generalow, gr. Lubjanka, Arbat und Twerskoi.
262 Boute 22. MOSKAU. Praktische
Wagen. 1. Droschken (2sitzig mit beweglichem Verdeck). Eine Taxe
existirt nicht, für jede einzelne Fahrt muss mit dem Iswoschtschik ver-
handelt werden, s. S. xx und Leitfaden der russ. Sprache 8. 44. 45.
Einfache Fahrt 10-30 Kop., Nachts etwas theurer^ in der Stadt für den
ganzen Tag ^/s-S B. ; ausserhalb 3-4 B. — 2. Feinere Wagen (1 u. 28itoig),
lAchatsch (JlHxa^i) genannt, im Winter elegante Schlitten, mit gut ge-
kleidetem Kutscher (verstehen z. Th. deutsch u. französisch) u. brillantem
Pferd , halten nur vor den feinsten Bestaurants ; kurze Fahrt nicht unter
1-2 B., besonders beliebt zu Fahrten nach den ausserhalb gelegenen Ver-
gnügungslocalen, 10-15 B., für den Abend u. die Xacht hindurch 20-30 B.
— 3. Kaleschen (2 u. 4sitaig), auf dem Lubjanka-, Börsenplatz u. a.^ die
Stunde 60Kop.-lB., pro Tag 4-5 B.^ dreispännig, Troiken, beliebt zu
Ausflügen, je nach Zeit und Entfernung 10-25 B. — 4. Equipagen (Lan-
dauer) 1/2 Tag 5-8 B., pro Tag 8-10, nach ausserhalb 9-12 B., bei Makaroto^
Gr. Lubjanka neben dem Ssretensky- Kloster; TtchuhajeWy Mjasnizky,
Emiljanou)^ Twerskoi-Boulevard. — Trinkgeld bei besseren Wagen 30 Kop.-
1 B. An Festtagen, bei Gorsofahrten etc. steigen die Preise aller Fuhrwerke
leicht auf das doppelte. Scharfes u. genaues Handeln ist überall geboten.
Pferdebahnen (vgl. die blauen Zahlen auf dem Plan) in verschiedenen
Bichtungen von 8 U. Vm. bis 10 oder 12 U. Abends; Preis pro Station im
Innern (Bauchen untersagt) 5 Kop., Imperiale (nur für Männer) 3 Kop.
Im Winter fahren auf einigen Linien statt der Wagen 6reihige Schlitten.
Bathsam kleines Geld zur Hand zu haben, da der Gonducteur mehr als
1 B. nicht zu wechseln braucht.
1. Vom IljiMky Worot (Thor) (PI. D4) durch die Bolschaja Lubjanka,
Ssretenka zum Ssucharewsky-Thurm (1. Stat.); über die Ssadbwaja an der
Bothen Pforte vorbei zum Rjäsan-y Jaroslaw- und Nüeolai-Bcthnho/ (2. Stat.) ;
am Bothen (Krassny) Teich vorbei auf der Ssokolniker Chaussee Kum
Ssokolniker Park (PI. F 2 ; 3. Stat.). und weiter nach Bogorodskojt (S. 302).
2. Vom Iljinsky -Worot (PI. D4) über die Marosseika, Pokrowka kum
Semljanoi-Wall (1. Stat.); über die Ssadowaja zum Rjäsan-^ Nikolai- und
Jaroslatc - Bahnhof (2. Stat.); auf der Ssokolniker Chaussee (s. Linie 1)
zum Ssokolniker Park (PI. F2; 3. Stat.) und weiter nach Bogorodskoje
(s. Lin. 1).
3. Vom Iljinsky -Worot zum Semljanoi- Wall (1. Stat.) s. oben Linie 2;
dann über Staraja Basmannaja, Pokrowka bis Qawrikow Pereulok (2. Stat.);
weiter zur Pokromky -Brücke (PI. G2; 3. Stat.).
4. Vom Iljinsky - Worot über den Warwarskaja-Platz, SsoJjanka, Jausky-
Brücke zum Tag anskaja -Platz (1. Stat.); durch die Taganka zum Pokrotv-
skaja-Sastawa (PI. F5; 2. Stat.). Unmittelbar vor demselben liegt der Nish-
ny- Nowgoroder Bahnhof (S. 305).
5. Vom Iljinsky -Worot über Ssofeika, Neglinnaja, den Petrowsky- u.
Strastnoi-Boulevard zum Sirasinoi (Nonnen) -Kloster' (Fl. C3; 1 Stat.).
6. Vom Strastnoi- Kloster (PI. C3) über die Twerskaja zum Triumfalny-
Worot (PI. B C2, 3; 1. Stat.; daneben der Ssmolensker Bahnhof); dann
auf der Petersburger Chaussee bis zum Petrowsky -Park (PI. AI; 2. Stat.).
Nur im Sommer.
7. Vom Strastnoi -Kloster über den Twerskoi- u. Nikitsky- Boulevard'
zum Arbatsky -Worot (PI. C4; 1 Stat. ; Anschluss an Linie 9).
8. Vom Strastnoi -Kloster über den Strastnoi- und Petrowsky -Boule-
vard, durch die Neglinnaja an den Theatern vorbei zur Iberischen Kapelle
(PI. D4; 1. Stat.); dann am Alexandergarten, an der Manege vorbei bis
zum Bolotnaja 'Platz (PI. D5; 2. Stat.).
9. Von der Iberischen Kapelle (PI. D4) am Alexandergarten u. der
Manege vorbei durch die Wosdwishenka bis zvit Arbatsky -Pf orte (1. Stat.);
über die Arbatskaja zum Ssmolensky-Bvnok, durch die Pljuschtschioha
zum DeutiUchje Pole (Jungfern - Feld ; *P1. *B 5; 2. Stat.).
10. Vom Semljanoi'Wall (PI. E3) über die Ssadowaja zur Nikolojamskaja
(PI. E 5; 1. Stat.); über die Woronja- Strasse zum Ragoshskaja-Sastatoa
(P1.F5; 2. Stat.).
11. Von der Jausky - Brücke (PI. E4; s. oben No. 4) über die Nikolo-
jamskaja u. Woronja zum Ragoshskaja-Sastatoa (PI. F5; 1 Stat.).
Vorbemerkungen. MOSKAU. 22. Route. 263
12. Vom Kalushkaja-Sastavoa (PI. C7) nach den Sperlingibergen (S. 307).
13. Von der Truha (P1.D3) zum Butyrka-Sastawa (Pl.Cl).
14. Von der TYuba dureh. die Ssadowaja und 1. i^eschUchanskaja zum
Kreitowsky-Sastawa (PI. Dl).
Dampfboote im Sommer von der Tschugunny-Brücke (PL Dd) nach
den Sperlingshergen (S. 307) u. weiter nach Schelepicha alle 2 St. (an Feier-
tagen alle St.); bis zu den Sperlingsbergen 20Kop., Dorogomilowsky-
Brüeke 40, Schelepicha 60Kop. — Buderboote (an der Moskwarezky-
und Kamenny - Brücke u. a. O.) pro Stunde 30-50 Kop.
Bahnhdfb (Stanzia „Station'', vom Volke, den Iswosehtschiks u. a: w.
meist Woksal „Vauxhall'' genannt). Hoskau hat 6 Bahnhöfe:
1. Der Nikolai- oder St.Petersbüroer B ahhhof (Nikoläj ewsky Woksal),
an der N.O. -Seite der Stadt am Nikolaiplatz (PL E2, 3), für die Bahn
nach Twer, Ostaschkowo (Rshew), Bologoje (Bybfnsk), Tschudowo (Now-
gorod und Staraja-Bussa), Tossna (Gatschina, Reval, Baltischport, Dorpat)
und St. Petersburg (E. 21).
2. Der Jarosslawer Bahnhof (Jarosaldtosky Woksdl)^ ö. unmittelbar
neben dem Nikolai-Bahnhof (PL E 2), für die Bahn nach Ssergij-Troizk,
Jarosslawl und Wologda (B. 24).
3. Der BjIsaver Bahnhof (RJäsansky Woksdl)^ a. gegenüber dem Nikolai-
Bahnhof (PL E3), für die Bahn nach Bjäsan und Bjashsk, sowie weiter
über Pensa und Ssamara nach Orenburg, für Koslow-Ssaratow, Grjasi-Za-
rizin, Woronesh - Bosstow u. s. w.
4. Der Kursskbr Bahnhof (Kurssky Woksäl)y unweit der Ssadowaja,
Nikolajewsky Pereulok.(PL £ F4), für die Bahnen nach Tula (Kaluga,
Ejäshsk), Orel (Brjansk), Kursk, Kiew, Charkow, Odessa, Ssewastopol.
ö. Der Nishnt-Nowoosodsr Bahnhof (Nithegwodaky Woksal), im O.
der Stadt vor dem Pokrowskaja-Sastawa (PL F5, S. 305), für die Bahn
nach Wladimir (Schijja, Eineschma) und Nishny- Nowgorod (R. 25).
6. Der Ssholbnskbr Bahnhof CSmolensky Woksäl) an der W. -Seite der
Stadt vor der Triumphpforte (PL B3), für die Bahn nach Ssmolensk
(Dünaburg, Biga, Libau), Minsk (Wilna, Königsberg), Brest, Warschau etc.
Post. Das Haupt -Postamt (HocKOBCRift noiTaim, PL 128: E 3) befindet
sieh in der Mjassnizkaja , Ecke des Tsehissty - Prud Boulevards (S. 301).
Städtische Filialen (ropOACKia oxABJieHia) : 1. in der Malaja Bronnaja, Haus Ja-
kowlew; 2. auf der Pluschtschicha, Orusheinaja, Haus Syrewoi; 3. in der
Grossen Jakimanka, Haus Klimenkow; 4. in der Ssadowaja, Semljanol-
Wall, Haus Tschitschulin ; 5. in der Njemezkaja, HausAndrejew; 6. Inder
Pimenowskaja, Haus Graf Ghamborant; 7. in der Iljinka, im Börsenge-
bäude. — Für städtische Gorrespondenz bezahlt man: 1. für den einfachen
Brief bis ILoth 5 Kop.; 2. für den eingeschriebenen Brief 12 Kop.; 3. für
eine Postkarte 3 Kop.; 4. Streifbandssendungen für jeden Bogen 1 Kop.;
5. für eine Visitenkarte in offenem Couvert 1 Kop., für 2 Karten 2 Kop.
Telegraph. Haupt- Telegraphen- Amt (PL 142: E3), Tag u. Nacht geöffnet,
neben dem Hauptpostamt in der Mjassnizkaja (S. 301). Ausserdem bestehen
/ahlreiche städtische Telegraphen-Stationen (im Sommer 9 ü. Vm.-ll U. Nrn.,
im Winter 9-9 U. geöffnet). — Die Stadttelegramme kosten 1 Kop. das
Wort, mindestens 15 Kop.
Consulate. Belgien: Spiridonow ka, Haus Turshansky . — Deutsches
Reich: Generalconsul £art«2«, Boshdestwensky-Boulevard, Haus Soro-
koumowshy (Dienststunden : ll-o U.) ; Viee-Consul Marc. — Frankreich:
Georgiewsky-Pereulok, Haus Naloitschenko. — Niederlande: War-
warka, Comptoir von Wogau & Cie. — Oesterreich-Ungarn: Gene-
Talconsul von Osüler (Kanzlei Ssadowaja, Haus Sokolowa). — Schweden
lund Norwegen: Bolschaj a Lubjanka, Haus Bauer. — Schweiz: Con-
jiul Luchnnger (Kanzlei im alten Gostinny-Dwor No. 24).
Polizei-Bureau (PL 127,04) beim Oberpolizeimeister, Twerskoi-Boule-
vard. — Adress-Comptoir (AxpecH&iik Gtojh'b), Gnjesdnikowsky-Pereu-
lok, im Hause der Polizei« Typographie. Geöffnet 9 U. Vorm. bis 9 U.
Abends; Vergütung für Nachschlagen 2 Kop. für jede Adresse.
KauflAden. Nach orientalischer Art sind häufig gleichartige Gegen-
stände in einer Strasse vereinigt, z. B. Möbel -auf der Ssretenka , .Pelz^
264 Route 2S, MOSKAU. FrtOaiiche
waaren auf der Schmied ebrücke und Iljinka . Tbee auf der fiehmiede-
brücke u. s. w. Die elegantesten Xagadne sind auf der Schmiedebräcke
(Kusnezky Most, S. 296), and den benachbarten Strassen, Lubjanka, Sso-
feika, Petrowka, Twerskoi etc., und in den Passagen (Ssolodownikow-,
Golowtejew-, Lubjansky-, Popow-, Postnikow- u. Alexander -PassAge).
— Gigarren hti J . Argtlandtr , Oasetny Pereulok; Albert JStritt^ Sto-
lesehnikow Pereulok; russische: La Ferme, F. Seinhardi^ beide Sehmiede-
brüeke. — Papierhandlung: Th, Bogen, Grosse Lubjanka ; Jüetm, Rosh-
destwenka; Kunumint Ifikolskaja. ~ Bijouterien (nicht billig): Krum-
bügel^ Gr. Lubjanka; Fulda^ Gazetny PereuL; russische Arbeiten: Fatd
Otcsttehinnikow^ Schmiedebrtteke , Haus Wargin. Parfumerien: Rollet y
L, Bauis ie Co , beide auf der Sohmiedebrucke ; Broeard, KikoUkaja u.
Petrowka. — Modewaaren: Ballett O. Morety Schmiedebräcke. — P e 1 s -
waaren: P. Scrokoutnowütg 4s Bohne, Iljinka; 8. J. Bjelktn, Schmiede-
brücke. — Wäschen. Strümpfe: Jinim 4b MerriKer, L. KreuU^ Petrowka.
— Schuhe: /. Firtmet, Twerskoi; Schumacher Söhne ^ Keglinnaja. —
Schirme: Kulikow, Marosseika. — Hüte: Yandroigue, Letnercier, beide
Petrowka. — Herren u. Damenkleider: ffermon Korpus, Twerskaja^
Hielte d: Diederichs, Sofeika. — Photographien: Daxiaro , Schmiede-
brücke ; Avanto, Schmiedebrücke, Ecke der Petrowka. — Photographen:
Scherrer de Nabholx, Gazetny Pereulok; Thiele, Schmiedebrücke. — Asi-
atische Gewebe aller Art in Seide und Wolle: in den Golowtejew-
Passagen, Käufe nur rathsam in Begleitung eines Einheimischen oder
Gommissionärs. — Bussische Alterthümer: Rodianow, Pokrowka,
sowie auf dem 8onniag$markt auf dem Ssueharewplats und in den Neben-
Strassen, wo man zuweilen billig kauft.
Aerxte. Deutsche und deutsch sprechende russische Aerzte sind in Mos-
kau zahlreich vorhanden ; bei Erkrankungen wende man sich um Auskunft
an den Wirth des Hotels. In den meisten Hotels und in allen Apotheken
■ündet man das offteielle Adrettbueh der Aerzte mit Wohnungsangabe.
Empfohlen werden die DDr. Ooldendaeh, von Knoblok, Klin^ 0. Prevaux,
— Augenärzte ifaklakow , Braun, Krjukow. — Chirurg : A. Knie, — Zahn-
ärzte: Adelheim^ Bemardo -Berkmeer, Bräsch, Karrer, Konradi.
Apotheken in allen grösseren Strassen ; überall wird deutsch gesprochen.
Zu empfehlen W. K. Ferrtin, Kikolskaja; König ds Keller, Mjasnizky;
Hefter, Schmiedebrücke.
Buehhandlun^n, deutsche: /. Detdmer, A. Lang, E. Kunth, alle drei
auf der Schmiedebrücke (Kusnezky Most) ; B. Po$t, Keglinnaja ; M. Wolffy
Petrowka ; Qrostmann de KnObel , Petrowsky-Linie ; französische : Oautier,
Marsehallsbrücke, Haus Torletsky. Deutsche Leihbibliothek: OroeM-
mann d: Onöbel; B. Post.
Deutsche Wehlthiticktita-Anstalten. Evangel. Hilfsverein, im Evang.
Armenhaus, Njemezkaja Uliza. Verein deutscher Reichsangehörigen zur
Unterstützung hilfsbedürftiger LandslcMle im Friedrieh - Wilhelm- u. Victoria-
Stift, Nowaja Boshedomskaja (im Sommer Wohlthätigkeitsfeste, Eintr.
IB.) — Oesterr. -Ungar. Hilfsverein, im österr. -ung. Consulat.
Banauiars. Junker Jb Co,, Kusnezky Most; Wolkow A Söhne , Petrowka;
Wogau d: Co., Warwarka. Wertheimer, Iljinka Uliza; Zenker ds Co., Bosh-
destwensky-Boulevard.
S&der (BaRH) in den meisten Gasthöfen und Nummern. Russische
Badstuben in jeder Strasse, meist sehr elegant, aber theuer (1-3 B. die
Stunde). SsandunowskijeBani, die Bäder beim Bestaur. Ermitage
und die Kitaiskije Bani, alle drei in der Keglinnaja, im Centrum der
Stadt gut gelegen. *Poltawskije Bani auf der Ssadöwaja, Lepesch-
kinskije Bani^ Nowinsky- Boulevard (PI. B4), u. a. Der Abreiber
(Banstschik) erhält 15 Kop. Trinkgeld. — Die Volksbäder (npocTOHapoffBue^
SOKop.) sind im allgemeinen nicht zu empfehlen (unsauber).
Theater (sämmtlich im Sommer geschlossen). Die Vorstellungen be-
ginnen meist um 7 oder 7i/s Uhr und dauern bis Mitternacht. Billets
kauft man am besten Vm. von 11 U. ab an der Kasse; Abends verlangen
die Zwischenhändler unverschämte Preise. Die besten Plätze sind die
Lehnstühle 1.-4. Reihe 1. von der Bühne.
Vorbemerkungen, MOSKAU. 22. RotUe, 265
1. Du Kaiserliche Grosse Theater (PI. 143, D4), am Theater-
platz (S. 296). Opern und Ballets. Preise der Plätze : Loge 1. Rang und
Beletoge 10 R. , Loge 2. Rang 6 R. ., Loge 3. Rang 4 R. ÖO Kop., Loge
4. Rang 3 R. , Loge Lit. 3. Rang 8 R. , Loge Lit. 4. Rang ö R. ; Lehn-
stühle je nach der Entfernung von der Bühne 4 R. bis 1 R. 50 Kop. ; Bal-
kon 3. Bang 1 R., Balkon 4. Rang 70 Kop., etc. Bei Benefiz-Vorstellungen
werden die Preise sowohl im Grossen wie im Kleinen Theater bedeutend
erhöht \ so kostet z. B. eine Loge im 1. Rang statt 10 B., 25 R., im 3. Rang
anstatt 4 R. 50 K., 8 B., u. s. w.
2. Das Kaiserliche Kleine Theater (PI. 144, D4), gegenüber dem
Grossen Theater, zwischen Petrowka und Neglinnaja (S. 298). Russische
Schauspiele. — Preise : Loge Lit. A 15 B. ; Loge und Beletage 10 R. ; Loge
1. Reihe 6 B. ; Loge Lit. 1. Reihe 12 B. \ Loge 2. Reihe 4 R. ; Lose Lit.
2. Reihe 6 R. ; Lehnstuhl Je nach Entfernung von der Bühne 3 R. 60 Kop.
bis 1 R. 50 Kop. •, Amphitheater 1. bis 5. Reihe 2 R., 6. Reihe 1 B. 50 Kop.
3. Das Puschkin-Theater, Twerskaja, Haas Xalkiel. Bussische
Schauspiele. Preise: Loge im Parterre 10 B., Beletage 8B., Balkon 8 B.,
Litera 12 R., Lehnstühle von 3 R. 50 K. bis 2 R., AmphiOieater Ton 1 R. 50 K.
bis 50 Kop., Balkon von 1 R. 50 Kop. bis 50 Kop.
4. Das Vaudeville-Theater, auf der Petrowka, gegenüber dem
Ssoltikow Pereulok. Französische Operetten, Yaudevilles u. s. w. —
Preise : Lehnstuhl Orchester und 1. Reihe 3 R. ; 2. Reihe 2 R. 50 Kop. ; 3.
und 4. Reihe 2 R. ; die übrigeh Reihen 1 R. 50 Kop. ; Amphitheater 1 R. ;
Loge Lit. F 15R. ; Loge Lit. H und Kr. 1 : 11 und 10 R. bis SR., die übrigen
Logen 6 R.
5. Das Sskomoroch (Volks) - Theater, am Ssretinsky Boule-
vard. Possen, Lustspiele u. s. w. für die unteren Volksklassen.
Theatervorstellungen ausserdem: im Artisten -Club (s. unten), imPetrow-
»ky-Park (S. 312), im Zoolagischen Garten (S. 296), im Ermitage-O arten (S. 299).
Circus Salamonski (I^apai CJajiaxoHCKaro) am Zwetnoi (Blumen)-
Boulevard (S. 299). Täglich Vorstellung ; Preise : Loge an der Barriere 10 B. \
Lehnstuhl 3 R. \ Stuhl 2 R. •, 1. Platz 1 R.
Kluhi (KjryGu). Englischer Klub (AHraiHcKift KKy6%) auf der Twer-
skaja, Haus Sehablykin; sehr vornehm. Fremde können von Hitgliedern
eingeführt werden. — Adels-Klub (ABopoHcxift iury6% oder BtaropoxBoe
Co^panie; PI. 1, D4) in der Grossen Dmitrowka, gegenüber dem Ochotny
Rjäd, im eigenen fiiause mit prächtigem Saal. Sehr besuchte Bälle, Ck)n-
certe etc. — Kau f m a n n s - Kl u b (Kyne^ecxiil luyßii) in der Grossen Dmi-
trowka, Haus Hjätlew, nahe dem Sstrastnoi- Boulevard. — Deutseher
Klub (H^jiepmft sjyfta snonft), in der Ssofeika, Haus Torlezky. Sommer-
local im Petrowsky-Park, Datsehe Mergulow (S. 312). — Artisten -Klub
(ApTHcnraecKift Kpyscoicb) am Theater -Platz. — Moskauer Lieder-
tafel, im Sslawjansky Bazar, Nikolskaja. Coneerte, Bälle ete.
Cenoert«. Die berühmten von Nik. Bubinstein (t 1881) gegründeten
Symphonie-Coneerte sowie die meisten von fremden Künstlern veranstal-
teten Coneerte finden im Saale des Adelselubs statt. Im Sommer im
^Ermitage-Garten, Boshedomskaja Uliza ; Coneerte, Feerien, Theater
etc., Eintr. 1 B. — Im Zoolog. Garten (8. 296); Benaissanee-
Garten, beim Ssokolniker Park (8. 301), u. v. a.
Kirchen. Bömiseh- katholische: St. Peter und Paul; St. Ludwig
(s. S. 299). Gottesdienst Wochentags 8, 9 u. 10 Uhr, So. 10 u. 11 U. Vorm.
— Evangelische: Peter-Pouls-Kirche (S. 302) und MichaeUhirche (S. 803) :
So. 10 ü. Vm. — Englische Kapelle. Tsehernischewsky-Gasse (PI. C4): So.
11 ü. Vm. u. 7 U. Nm.
Zeiteintheilnaf . Bei beschränkter Zeit genügt es , wenn man den
Kreml (S. 269) besucht und vom Iwan Wellky (S. 271) einen Ueberblick
über die Stadt geniesst, eine Bundfahrt (2-3 St. ; auch minder Eiligen zu
empfehlen) vom Ssueharewthurm (8. 299) r. durch die ganze Ssadowaja
(S. 269), über die Krassnoeholmlsky- und Krymsky-Brücke (S. 306), den
Ssmolenky- Boulevard (S. 295) u. s. w. zum Zwetnoi -Boulevard fS. 299)
tind weiter durch die Neglinnaja (S. 299) und Kusnezky-Kost (S. 196) zum
266 Soute 22, MOSKAU. Topographie,
Rothen Platz (S. 287) macht und vielleicht noch eine Fahrt auf der Hosicwa
nach den Sperlingsbergen unternimmt.
Ein Aufenthalt von 4-5 Tagen würde etwa folgendermassen einzu-
theilen sein :
1. Tag. Strassenleben (S. 269), Besteigen des Iwan Weliky (S. 271),
Kreml (S. 269). — Ausflug nach dem Petrowskv-Park (S. 312).
2. Tag. Kreml (S. 2^), Rother Platz (S. 287), Wassilya Blashennaja
(S. 289), Gostinny Dwor (S. 291), Romanow -Haus (S. 291), Museum für
Kunst und Gewerbe (S. 900). — Ausflug nach den Sperlingsbergen (S. 307).
3. Tag. Kreml (S.2e9).Kapelle derIberischenMutterGottes(S.2B8),Theater
(S.298), Stadt-Manege (S.292), Universität (S.293), Zoologischer Garten(S.296).
4. T a g. Findelhaus (S. 304, Sonntags l^achm.). Polytechnisches Museum
(S. 303), Krassnna Worota (S. 301), Wasserthurm (S. 299). — Ausflug nach
Ssokolnizky Park (S. 301). — Auf der Rückfahrt Alexejewsky-Kloster und
Kirchhof (S. 304).
ö. Tag. Chram Sspassitelja (S. 294), Gallerie Tretjakow (S. 306),
Alexandrinen- Palais (S. 307), Nesskutschny-Garten (S. 907), Djewitsche
Pole (S. 295) und Kloster (S. 295), Rumjanzow-Museum (S. 293), Botanischer
Garten der Universität (S. 300).
Die Abende sind zum Besuche der Theater (S. 264) und Vergnügungs-
lokale (S. 265) zu benutzen. Stehen weitere Tage zur Disposition, so kann
man Ausflüge nach Osstankino, Ismailowo, Zarizino, Archangelskoje, Aqua-
duct Mytischtschi, Ssergei-Trojzkykloster (an der Bahn nach Jarosslawl)
und Wosskressensk (Neu- Jerusalem, S. 259) unternehmen.
Besondere Erlaubniss ist nothwendig sur Besichtigung der meisten
Staatsgebäude (kaiserliches Schloss, Orusheinaja Palata u. s. w.) im
Kreml (Billets unentgeltlich im Bureau des Polizeimeisters im Kreml,
S. 284), Romanow-Haus, Alexandrinen-Schloss im IT^esskutsehny-Park, Pe-
trowsky-Schloss (S. 312), ebendaselbst. Für den Besuch des Findelhauses
ist ausserhalb der gewohnlichen Besichtigungszeit (S. 304) die Erlanbniss
der Directoren einzuholen.
Moskau (MocKBa) , alte Hauptstadt des Reiches und erste Resi-
denz, in M elcher bis auf Peter den Grossen die Zaren Hof hielten,
die heilige Stadt der Russen, das Rom der russisch-griechischen
Kirche, die Stadt des grossen Adels und der reichen Kaufmann-
schaft, ist Hauptort des VIII. Militärbezirks (Moskau), Stand-
quartier des VIII. Armeecorps, Sitz des Generalgouverneurs, des Me-
tropoliten von Moskau und Kolomna und eines geistlichen Consis-
toriums. Die Stadt liegt an beiden Ufern der Moskwa und Jausa,
in einer fruchtbaren wellenförmigen Ebene unter 55°45'n6rdl. Breite
und 55°14'Östl. Länge, 168 m über dem Meere, zwischen und auf (7)
freundlichen Hügeln. Die Einwohnerzahl betrug nach der Zählung
vom Januar 1884 c. 754,000 , darunter 15,000 Deutsche. Moskau
ist die bedeutendste Handels- und Fabrikstadt Russlands. Die Stadt
hat 400 Kirchen, 21 Klöster , 454 Schulen u. andre Lehranstalten,
127 Armenhäuser und 23 Friedhöfe.
Moskau ist administrativ in 17 Stadttheile (Tschassti) ein-
getheilt; am 1. Ufer der Moskwa: I. Gorodskaja, II. Twerskaja,
III. Mjassnizkaja, VI. Pretschistenskaja , VII. Arhatskaja , VIII.
Ssretenskaja , IX. Jauskaja, X. Basmannaja, XI. Bagoshskaja,
XIII. Chamownitscheskaja, XIV. Pressnenskaja, XV. Ssuschtschew-
sfc<ya,XVI. Me8cht8chanskaJa,X.Yll, LefortowskaJaTschasst; am r.
Ufer der Moskwa: IV. Pjatnizkaja, V. Jäkimanskaja, XII. Sser~
Geschichte, MOSKAU. 22. Itoute. 2ö7
puchowskaja Tschasst, Dieselben bilden 3 Polizei -Rayons mit
40 Polizei-Revieren.
Nacb der alten historischen, jetzt mehr und mehr in Vergessen-
heit gerathenden Eintheilung zerfällt Moskau, das in concentri sehen
Kreisen um seinen Mittelpunkt, den Kreml, herangewachsen ist.
in 5 Haupttheile, welche durch Mauern oder Boulevards von einan-
der getrennt sind: 1. Den Kkeml (S. 269), die Akropolis und den
ältesten Theil der Stadt. -— 2. Kitaigokod (S. 287), die »Chinesen-
stadt'', gedrängt und unregelmässig gebaut, den Hauptsitz des Ver-
kehrs , mit der Börse , dem Gostinny-Dwor , den Rjädy (Marktbu-
den) etc. Kreml und Kitaigorod werden jetzt unter Gorodskaja
Tschasst („städtischer Theil") zusammengefasst. Diese innere Stadt,
gewöhnlich einfach Gorod (Stadt) genannt, wird von einermäch-
tigen weissgetünchten Mauer umgeben , die mit vielen Thürmen in
meist grün schillernden Farben, unzähligen Thürmchen und Ver-
zierungen geschmückt ist. — 3. Um die innere Stadt legt sich
im Halbkreise Bjeloioobod, die „Weisse Stadt", der eleganteste
Stadttheil, mit breiten, vom Kreml radienförmig auslaufenden
Strassen, vielen Palästen und öffentlichen Gebäuden und den glän-
zendsten Magazinen. Die „Weisse Stadt" umfasst jetzt den Twer^
skaja (II) und Mjassnizkaja Tschasst (III) und wird von einem
breiten Gürtel stattlicher Boulevards umgeben. — 4. An sie schliesst
sich als dritte Zone Semljanoioobob {Erdstadt), so benannt nach
den Erdwällen , welche Zar Michael Feodorowitsch aufführen Hess
und an deren Stelle jetzt die boulevardartige Gartenstrasse (Ssado-
waja) die „Erdstadt" einschliesst. Semljanoigorod, mit vielen Gärten
und grossentheils hölzernen Häusern, ist weit weniger dicht bevölkert
als die innern Stadttheile; sie umfasst den IV., V., VI., VII., VIII.
u. IX. Stadttheil. — 5. Um den ganzen Kreis liegen die mit der
innern Stadt jetzt zu einem Ganzen verschmolzenen Voestädte,
welche den weitaus grössten Theil (c. 3/4) des Flächenraums von
Moskau einnehmen, umgeben von einem 1742 errichteten Wall, der
die 18 Aussenthore der Stadt enthält. Sie umfassen die Stadttheile
X., XI., XII., XIII., XIV., XV., XVI., XVII. , enthalten viele
Fabriken (namentlich an den Ufern der Jausa), Kasernen, die Bahn-
höfe etc. und werden vorzugsweise von dem ärmeren Theil der Be-
völkerung bewohnt.
Zur Geschichte. Moskau wurde 1147 durch den Grossfürsten von
Kiew, Jury WladimirowUsch Dolgoruip^ der hier seine Lagerfestung auf-
schlug, gegründet .blieb aber ein unbedeutender Ort, bis der Grossfürst
Itoan Danilowitsch Kaiita (1328-1340), der seit 1333 vom Gross-Chan als
Oberhaupt von Russland anerkannt war, seine Residenz von Wladimir (an
der Kljäsma) hierher verlegte. Seinem Beispiele folgte alsbald der Metro*
polit Theognost (+ 1353); 1347 wurde die erste Moskauer Kathedrale er-
baut. 1339 liess Iwan die Stadt mit Palisaden umgeben und gah der so
befestigten Burg den tatarischen Namen Kreml (d. h. Festung). In der
Folgezeit mehrmals durch mongolische Horden verwüstet, gelangte die
Stadt zur Blüthe erst unter der Regierung ItoaiVs 111. yVassiljewUsch
(1462-1505) , der Moskau zum Mittelpunkt des nunmehr geeinigten Reiches
machte und mit zahlreichen Prachtbauten schmückte. Seitdem wurde
26S Route 22. MOSKATT. Geschichte,
die kräftige Weiterentwickelnng der Stadt nur noch vorübergehend durch
Feuersbrünste (so besonders 1m7) und Feindeshand (Einnahme Moskaa*s
durch Dewlet-Girei, den Chan der Krimschen Tataren, 1571) unterbrochen.
Zwar wurde 1711 die Besidens nach dem neu erbauten 6t. Petersburg ver-
legt, aber Peter's nächste Nachfolger bevorzugten wieder den Kreml vor
der noch unwirthliehen Stadt an der Newa. 1748 wurde Moskau zum
Eparchat erhoben , 1755 erfolgte die Gründung der Universität. Moskau's
Schicktal im Jahre 1812 ist weltbekannt. Nach den blutigen Niederlagen
von Borodino und Koshaif k wurde im russiachen Hauptquartier beschlossen,
die Stadt preiszugeben. Am 14. Sept. verliess der Gk>uvemeur, Graf
Rostoptschin , mit dem weitaus grössten Theile der Bewohner die Stadt,
nachdem , so weit es möglich war, schon alles Wichtige und Kostbare in
Sicherheit gebracht und alles, was dem Feinde hätte Votsehub leisten
können, vernichtet, dafür aber aller Orten Brennstoff aufgehäuft war. Noch
an demselben Tage betraten die französischen Vortruppen, denen Napoleon
sogleich folgte, die verödete Stadt, in der aber alsbald das Feuer zu
wüthen begann. Als am 19.-32. October die Franzosen, durch die Noth ge-
zwungen, Moskau räumten, lagen zwei Dritthelle der Stadt in Trümmern ;
der am letzten Tage gegebene Befehl, den bis dahin ziemlich unversehrten
Kreml in die Luft zu sprengen, gelangte nur cum Theil zur Ausführung.
Andrerseits waren von den 150,000 Mann, welche mit dem Kaiser in
Moskau eingerückt waren, 40,000 dem Mangel erlegen. Schon 1813 begann
der Wiederaufbau der Stadt, die schnell meder aufblühte, nur noch ehr-
würdiger durch den sie umgebenden Nimbus eines grossen Schicksals.
Wenn je eine Stadt den Charakter und die Eigenthümlichkeit
ihrer Bewohner ausgedrückt hat, so ist es Moskau, in welchem jene
mupoKafl Harypa (schirokaja natura), die „breit angelegte Natur**,
aus der die Russen ihre Tugenden wie ihre Fehler herleiten, zum
Ausdruck gelangt. So wenig man Moskau den Charakter einer
Weltstadt absprechen kann, so fehlt ihr doch Jede äussere Aehn-
lichkeit mit irgend einer der europäischen Orossst&dte, Tor allem
das Princip der Concentration. Mit Ausnahme einer Anzahl ele-
ganter Strassen besteht Moskau grösstentheils aus ein- und zwei-
stöckigen Häusern ; die von geräumigem Hof, Garten und Wirth-
Schaftsgebäuden umgeben und von Mauer oder Zaun umschlossen
sind. Die schon dadurch bedingte ausserordentliche Ausdehnung
der Stadt wird noch vergrössert durch den Umstand, dass um den
Innern Kern derselben weitläufige unbebaute Plätze und park&hn-
liehe Gärten liegen, deren Zahl sich erst in neuerer Zeit durch
Neubauten verringert.
Die Strassen Moskau's sind fast durchgehends breit, am breitesten
die BouUvards^ die sich in drei weiten concentrischen Kreisen um
die Stadt ziehen. Der dicht am Kreml liegende Boulevard (Alexander-
Garten, S. 292) wird begrenzt von zahlreichen prächtigen Öffentlichen
Gebäuden. Die Bjeloigorod (S. 267) umgebenden Boulevards bilden
eine zusammenhängende Kette von Lindenalleen mit Ruhebänken.
Die hübschesten und besuchtesten derselben sind der ^Twefsche
(Fl. C3,4), mit dem Denkmal Fuschkin's^ der Tschissto-Prudsky-
Boulevard (PI. E3, 4), von dessen Bänken aus man dem Kahn-
fahren (im Winter Schlittschuhlaufen) auf dem dortigen Teiche zu-
schauen kann, und der Pretschistensky" Boulevard (PI. C4, 5), wo
im Sommer einmal wöchentlich von 4-10 Uhr Nachm. starkbesuchte
Militärconcerte stattfinden. Die reizendste Umfahrt , die man in
StrasBenverkehr, MOSKAU. 22. Route, 269
Moskau (im östlichen Theile per Pferdebahn) machen kann, ist die
um Semljanoigorod durch die Oartenstrasse oder *S8adowaJa (Ca-
AOBaii). Von imposanter Breite und einer Länge von 15 km, bald
ansteigend , bald wieder sich senkend , schlingt sie sich in einem
grossen Kreise um den ganzen Innern Stadtkern herum, an einigen
Stellen mit dichten Häuserreihen besetzt, meist aber mit Gärten
und Gärtchen vor den Häusern. Auf der breiten Strasse selbst
haben sich hier und da Märkte etablirt.
Der Strassenverkehr ist äusserst lebhaft. Moskau ist unter den
Binnenstadten Europas wohl die einzige, wo sich eine gleiche Zahl
verschiedener Nationalitäten im bunten Gewirre durcheinander
treibt. Allerdings überwiegt die sog. französische Tracht; daneben
aber erblicken wir auf demselben Trottoir den bärtigen Mushik in
Bastschuhen und geflicktem Kaftan, im grauen Armjäk oder im
Schafpelz; den russischen Priester (Swjastschennik) in langem brau-
nem Rock, schwarzem Barett, langherabhängendem Haar und Bart,
neben dem Kaufmann in altrussischer Pelzmütze und seiner mit
echten Perlen geschmückten Frau ; Xscherkessen in ihrem National-
kostüm neben heidnischen Tataren und Kalmücken; Türken und
Griechen in rothem Fez und Perser mit hoher kegelförmiger
schwarzen Schaffellmütze u. s. w. Die Damenwelt Moskau's richtet
sich fast ausschliesslich nach der Pariser Mode, d. h. was Form und
Schnitt anlangt , während in der Farbenzusammenstellung häufig
bedenkliche Geschmacklosigkeiten unterlaufen. Gute Beobach-
tungspunkte für die verschiedenen Trachten des niederen Volkes
bieten besonders die Volksfeste und die Märkte, deren sich in
allen Stadttheilen befinden. Am interessantesten ist der Markt
für Gemüse, Eier, Vögel, Wild u. s, w., der Ochotny^Rjäd (Jäger-
linie), auf dem Platze gl. N. (PI. D 4, S. 297), in der Nähe der kais.
Theater, sowie die Trödelmärkte, z. B. der Staraja Ploschtachad
(S. 291) und Tolkutschy Bynok (S. 292) in Kitaigorod. Der be-
deutendste Frucht- und Obstmarkt ist auf Bolotnaja Ploachtschad
(PI. D 5, S. 306) ; BhimQnmair\t auf d^mZwetnoi- Boulevard (P1.D,3,
S. 299); Pferdemarkt auf Konnaja Ploschtschad (P1.D6, S. 306) ;
Vögel- u. Hundemarkt Sonntags auf der Truba, am Ende des Rosh-
destwensky-Boulevard (PI. D 3, S. 299).
a. Der Kreml.
Unser erster Gang gilt dem im Mittelpunkt der Stadt, auf
einem ganz Moskau beherrschenden , 30 m hohen Hügel gelegenen
**Xreml (Kpexib; PI. D 4), in welchem sich alle Erinnerungen aus
Moskau's Vergangenheit vereinigen. Für den Russen ist derselbe
eine geheiligte Stätte : im Kreml erst erhält die Gewalt des Zaren
ihre priesterliche Weihe, die Glocken des Iwan Weliky verkünden
den Russen , dass ihr Zar den Thron seiner Väter bestiegen hat.
„Ueber Moskau", sagt das Sprichwort, „geht nur der Kreml, über
den Kreml nur der Himmel.''
270 Baute 22. MOSKAU. KrenU,
Der alte, festungsartige Kremljr) umfasst einen ganzen Stadttheil
und ist eine grosse Vereinigung von kirchlichen Bauten , Palästen
und Staatsgebäuden , eingeschlossen von einer 20 m h. zinnenge-
krönten Mauer von c. 2 km Umfang, mit vielen schlanken Thürmen.
Die für ganz Russland charakteristische Vereinigung von Cäsaris-
mus und Kirche kommt nirgends greifbarer zum Ausdruck als
hier , wo zahlreiche Kirchen den Kaiserpalast umgeben ; die beste
•Totalansicht hat man von der Moskwaretzky^Brücke (S. 306) und
dem gegenüberliegenden Sophienquai (Ssofiiskaja Näher esh-
naja). Die gewaltige, weissgetünchte Mauer, welche, den Hebungen
und Senkungen des hügeligen Bodens folgend, sich um den Kreml
schlingt , bildet ein unregelmässiges Fünfeck. Fünf Thore führen
in den Kreml, fast alle merkwürdig durch Baustil oder historische
Erinnerungen : das Sspassky (Erlö$er)'Thor oder die heilige Pforte
(CnaccKift Bopora, s. unten) im 0.; das Mkolaui-Thor (S.287) im
N.O. ; das Tröizky-Thor (S. 284) im W. ; das BorawizkyThor im
S.W. und das Tainisky-Thor im S. An Thürmen (CTpftjbHBiiu oder
öamHH) zählt die Mauer achtzehn : 1) Ugolnaja, 2) Arsenal, 3) Troiz-
kaja, 4 und 5) Konjuschennija, 6) Borowizkaja, 7) Wodootwodnaja,
8) Tainizkaja, 9undlO)Besimjannija, 11) Petra Mltropolita, 12) Be-
klemischewskaja, 13) Konstantin-Elenskaja, 14) Nabatnaja, 15) Zars-
kaja, 16) Sspasskaja, 17) Senatskaja, 18) Nikolskaja. An Plätzen
enthält der Kreml vier : Jden KaiserplcUz am Borowizky-Thor , den
Zarenplatz zwischen Iwan Weliky und Erlöser-Thor, den Senats^
platz gegenüber dem Senate, den Kathedralenplatz zwischen den
Kathedralen.
Wir betreten den Kreml, vom Krassnaja- (Rothen) Platze (S. 287)
aus, durch das Sspassky- oder Erlöser -Thor, das merkwürdigste
aller Thore Moskau*s. Auf byzantinischen Bogen erhebt sich ein
Thurm, an dessen Spitze der russische Adler. Der untere Theil des
Thurmes wurde 1491 von dem Mailänder Pietro Solari, der Glocken-
thurm von dem englischen Architecten Gallowey 1626 erbaut ; die
jetzige Uhr ist neueren Datums. Zu beiden Seiten ausserhalb des
Thores kleine Betkapellen ; über dem Eingange das von dem Zaren
Alexei Michailo witsch 1647 angebrachte Bild des Erlösers von
Ssmolensk, das eigentliche Palladium des Kreml. Vor dem Bilde
hängt eine unförmliche ewige Lampe in einer massiven, metallenen
Verhüllung an einer dicken Kette. Alexei gebot, dass kein Russe
bedeckten Hauptes durch das Thor gehen solle, und heute noch passirt
kein Russe das Thor, ohne die Kopfbedeckung abzunehmen. Fremde
thun gut; diese Sitte mitzumachen, wenn sie vermeiden wollen,
dass sie von den Vorübergehenden oder durch den das Bild und
die ewige Lampe Beaufsichtigenden bald höflich , bald durch den
lauten Zuruf: „Hut ab" (Schljapa, Schljapal) daran erinnert werden.
J) S.FabrictuSyLeKremVmät'Sioscou. Mit 90 Abbildungen. Moskati,
1883. Hagen. Bussisch und französisch.
Krtml, MOSKAU. 22. Route. 271
Nachdem wir das Erlöser-Thor passirt, betreten wir den weiten
Hauptplatz des Kreml , den Zaren -Platz (UapcKan IIjoiiiaAfc) t auf
dem man gleich r. das Wosnessensky - Kloster gewahrt; nach 1.,
wenige Schritte vorwärts auf der sich längs der Moskwa hinziehen-
den Terrasse^ die schönste Aussicht über den südlichen Tbeii des
heiligen Moskau. Auf dem Zarenplatz soll dem Kaiser Alexan-
der II. von sämmtlichen Städten Russland? ein prachtvolles Denk-
mal errichtet werden.
Das Wotneisensky-Konnenklotter ( Himmelf ahrti- Kloster, Bos-
HeceHCKiü »encKiä MoHacTups, P1.86, D4) ist ein mächtiges Gebäude,
im XIV. Jahrh. gegründet, nach mehrfachen Feuersbrünsten im
J. 1721 in seiner jetzigen Gestalt erbaut, 1737 und nach der fran-
zösischen Occupation restaurirt, mit zwei Kirchen, der „Sommer'^- u.
„Winter"- Kirche. Die Sommerkirche (Ljetny ssobor), mit 5 merk-
würdig geformten Kuppeln, in der Mitte der Klostergebäude, wurde
angeblich 1393 von Eudoxia, der Gemahlin des Grossfürsten Dmi-
try lY. Donskoi, gegründet, die nach dem Tode ihres Gemahls
(1389) sich in das Kloster zurückzog und 1407 in demselben starb.
Sie und nach ihr sämmtliche Grossfürstinnen und Zarinnen bis auf
Natalia Alexejewna, die Schwester Peter'g II. (f 1728), sind hier
beigesetzt. In der Risniza (Kleiderkammer) werthvolle alte Ge-
wänder und zahlreiche Kostbarkeiten. — Die Winterkirche „zum
h. Michael Malein '', an der S.-Seite, im xvii. Jahrh. erbaut, enthält
das hochverehrte Bild der Muttergottes von Kasan und ein Basrelief
des h. Georg mit dem Drachen (das Wappen von Moskau) , früher
über dem Frolow'schen (jetzt Erlöser-) Thor.
B. vom Himmelfahrtskloster erhebt sich das Kleine Nikolai-
FalMB (HHKOiaeBCKiü/iBopeit'B, MajuM KpeMieBCKiü ^Bopem,P1.122),
von Katharina II. erbaut, vom Metropoliten Piaton 1817 dem Kai-
ser Nikolaus geschenkt, 1876 restaurirt (Besichtigung nur mit
besonderer Erläubniss des Präsidenten des Hofcomtoirs , S. 284).
Alexander II. wurde in diesem Schlosse geboren.
Die innere Einrichtung ist sehr einfach. Bemerken swerth das Schlaf-
zimmer Nikolaus^ /., ein schmuckloser Raum mit kahlen gegypsten Wänden,
in einer Ecke das Feldbett des Kaisers. In dem Gabinette des letzteren
alle in russischer, deutscher und französischer Sprache über Moskau er-
schienenen Bücher. In einem andern Zimmer unter einem Glase mehrere
geweihte Brote, die dem Kaiser von dem „Golowa'^ oder Haupt der Stadt
Hoskau überreicht wurden, von eigenthümlicher Form. Im Speisezimmer
Gemälde mit Seenen aus der polnischen und russischen Geschichte; so
ein Gemälde von Beiotto : Wahl Stanislaus Poniatowskrs auf der Ebene
von Wola 1764 (S. 26). Dann zwei von einem ehem. Unteroffizier Bruisehka
gemalte Bilder, Hinin, den Fürsten Fosharsky zum Ergreifen der Waffen
auffordernd, und Hinin und Fosharsky siegreich im Kampfe mit den Polen.
Im Zimmer der Kaiserin ein sehr zierlich aus Elfenbein und Bernstein
verfertigtes Blumenkörbchen, unter einem kleinen. Tempel aus denselben
Stoffen stehend, das Ganze von dem Senator Poliwanow gearbeitet und
der Kaiserin geschenkt. In einem andern Zimmer zwei Gemälde Aiwft-
sowsky's: der Brand Hoskau^s und die Erlöserkirche (S. 294).
Gerade gegenüber der Glockenthurm *Iwan Weliky (KoiOKOAHff
HsaHa BeJHKaro, Johanns des Grossen, PI. 42, D 4). Der mächtige
272 Baute 22. MOSKAU. Iwän Weliky.
Thunn, yon Job. Villiers unter Feodor Iwanowitsch begonnen, von
Bori8 Godunow 1600 vollendet , oft abgebrannt , zuletzt 1813 er*
neuert, erhebt sich 82m hoeh in 5 Stockwerken, die 4 unteren
achteckig, das fünfte rund. Auf der Spitze eine yergoldete Kuppel
(10 m im Durchm.), darüber ein angeblich 16 m hohes yergoldetes
Kreuz, an Stelle des frühern errichtet, welches die Franzosen im
J. 1812 unter starker Beschädigung der oberen Theile des Thurmes
herunterrissen, weil sie es für Gold hielten. Im Erdgeschoss zwei
Kapellen, die eine dem h. Johannes (russ. Iwan),*nach welchem auch
der Thurm benannt ist, geweiht , die andere dem h. Nikolaus von
Golstunsk, dem Schutzpatron der Verlobten, beide unbedeutend. —
Zu der (sehr zu empfehlenden) Besteigung des Iwan Weliky muss
man sich einen heitern Tag aussuchen, auch nicht einen Feiertag
wählen, wenn die Glocken des Thurmes geläutet werden. Dem Beglei-
ter 20-25 Kop. Trinkgeld. Die Besteigung ist nur bis zu der c. 30 m
unter der Kuppel befindlichen Gallerie geatattet. Man hat 450 be-
queme Stufen zu ersteigen und passirt 34 Glocken von verschiedener
Grosse. Die grosste, die sog. Himmelfahrts- oder Festglocke, 1819
aus dem Material mehrerer aus dem Schutt des Brandes von 1812
ausgegrabenen Glocken gefertigt, wiegt 4175 Pud (c. 68,390 kg); sie
ist verziert mit Porträts des Kaisers Alexander , seiner Gemahlin
Elisabeth, seiner Mutter Maria Feodorowna und seiner Brüder
Konstantin und Nikolaus. Sie wird in der Regel jährlich nur zwei-
mal, in der Christ- und in der Osternacht geläutet. Am 19. Februar
(3. März) 1855, beim Läuten anlässlich des Todes des Kaisers Niko-
laus, stürzte die Glocke herab und verletzte 18 Menschen, während
sie selbst nur unbedeutend beschädigt wurde. Eine Etage hdher
hing vormals die berühmte Nowgoroder WJetschewoP'Qloeke, unter
Iwan III. nach Besiegung der Stadt 1471 nach Moskau gebracht
(S. 250) , jetzt in der Orusheinaja Palata. Im obersten Stockwerk
zwei kleine silberne Glocken , ein Geschenk der Kaiserin Katha-
rina II. — Sehr lohnend ist die ^Aussicht von oben, namentlich
bei Abendbeleuchtung. Von hier betrachtete Joseph II. Moskau
im J. 1780, Napoleon mit seinen Marschällen 1812. Als Frau von
Stael von der Höhe des Kreml auf Moskau hinabsah, brach sie in
die Worte aus : „ Voila Rome tatare ! * »Wer die Stadt von hier aus
an einem warmen, sonnigen Tage betrachtet, dem wird es sicher
nicht einfallen, daran zu denken, dass er sich hier unter demselben
Breitengrad befindet, unter welchem die Renthiere in Sibirien
grasen und die Hunde in Kamschatka die Schlitten über die Eis-
flächen ziehen. Moskau macht unbedingt den Kindruck einer Stadt
des Südens ; aber auch dass man vor etwas Fremdem, bisher Un-
gesehenem steht. Man glaubt sich nach Ispahan, Bagdad oder
einem ähnlichen Ort versetzt, wo sich die Erzählungen der Sul-
tanin Scheherezade ereignen, diesen Städten, welche man sich in
Gedanken vorstellt, aber welche man nicht In Wirklichkeit zu
sehen bekommt.'' (Moltke.) Der Anblick ist in der That eigen-
ßiesenglocke, MOSKAU. 22. Boute, 273
artig und barock, wie wohl kein zweiter. Es ist , als babe eine
mächtige Hand alle Curiositäten und bizarren Bauten orientalischer
Völker gesammelt und sie hier in grossem Stile zu einer riesen-
haften Baritätenausstellung vereinigen lassen. Nicht nur die ganze
Stadt mit ihren Vorstädten , sondern auch ihre weitere Umgebung
in einer Entfernung bis zu 30 W. können wir überblicken. Zu
unseren Füssen liegt der Kreml , umgeben von mächtigen Mauern,
welche Ihn von der Stadt trennen ; im Innern die Kathedralen mit
ihren Kuppeln , 1. das mächtige kaiserliche Schloss mit den zuge«
hörigen Gebäuden, r. der weiss glänzende Gerichtshof. Dann auf
allen Seiten das unübersehbare Häusermeer, in dem gleich Leucht-
thürmen die vergoldeten Kuppeln zahlloser Kirchen flammen, bis
sich Alles in die hügelige und waldige Umgebung und den bläu-
lichen Horizont verliert.
Einen besonders interessanten Anblick geniesst man vom Iwan We-
liky in der Osternaeht. Der illaminirte Kreml, die mit Lieht bedeckten
Kappeln sämmtliefaer Kirchen, dazu eine unübersehbare Menge von
Menschen, alle mit Lichtern versehen, — das ist ein zauberhaftes Bild.
Punkt 12 u. beginnt die grösste Glocke im Iwan Weliky zu lauten; so-
fort fallen alle Glocken Moskau's ein, aecompagnirt von 101 Kanonen-
schüssen, die vom Kreml aus abgegeben werden. Gleichzeitig setzen
sieh von sämmtlichen Kirchen Proeessionen zu feierlichem Umgang um
die Kirche in Bewegung, wobei die Priester zum ersten Male wieder in
buntem Sehmuck und in goldgestickten Gewändern erscheinen.
Am Fusse des Thurmes , auf der linken Seite nach der Moskwa
hin, steht auf einem ca. 1 m hohen Granitsockel die ^Biesengloeke
(Uapb-KOJOKOi'B ; Zar-Kolokol), die grösste der Welt: sie ist 7 Ar-
schin iSVs Werschok (c. 8 m) hech und hat einen Durchmesser von
7 Arsch. 9*/2 Wersch. (c. 7V2 m), einen Umfang von 23V2 m, so
dass c. 20 Menschen darin Platz finden ; ihre Dicke beträgt oben
27, unten 56 cm. Auf der Aussenseite Reliefs und Inschriften ; die
ersteren , über den Verzierungen am untern Rande , stellen dar :
den Erlöser , die Mutter Gottes , Johannes den Täufer, den Zaren
Iwan Alezejewitsch, den von Cherubim umgebenen Apostel Petrus
und Anna Prorotschitz, den Zaren Alexei Michailowltsch und die
Kaiserin Anna Iwanowna.
Auf Befehl der Kaiserin Anna wurde die Glocke, wie die Inschrift
nachweist, 1731 von dem moskauer Glockengiesser Iwan Feodor Matorin
aus älterem Material gegossen und zwar in einem Gewicht von 1^,000
Pud (195,000 kg) und 1737 an einem hölzernen Gerüst aufgehängt. Doch
war es von Anfang an ein Fehlguss, wie das Missverhältniss in der Stärke
der Glockenwände unten und oben, sowie die Beschaffenheit der Bruch-
stelle beweisen. Noch in demselben Jahre stürzte sie von dem Gerüste
herab, wobei ein grosses Stück von 11,000 kg Gewicht von ihr absprang,
und lag fast 100 Jahre in der Erde, in welche sie sich 6 m tief eingebohrt
hatte, bis sie 1836 auf Befehl des Kaisers Nikolaus von dem Architecten
Montferrand gehoben und an ihre jetzige Stelle gebracht wurde. — Das
herausgesprungene Stück liegt am Fusse des Postaments; auf der Spitze
der Glocke ist eine Kugel mit einem Kreuz angebracht.
Der Iwan Weliky und die Kathedralen der Üimmelfahrt Maria
und des h. Michael umschliessen drei Seiten des von einem eiser-
nen Gitter begrenzten Katkedralen-Platzes (CoöopHafl njon<aAb),
dessen vierte Seite die Kathedrale zur Verkündigung Maria, die
Bussland. 2. Aufl. 18
274 Eoute 22. MOSKAU. Usspensky'sche Kaih.
Rothe Treppe , die Schlosswache und die Granowitaja Palata ein-
nehmen.
Die ^Kathedrale der Himmelfahrt Maria oder TTsspensky^sche
Kathedrale (yeneHCKift coöopi», PI. 67, D 4), die Krönungskirche der
Zaren und Begräbnissstätte der früheren Patriarchen, wurde an Stelle
eines älteren Gotteshauses 1475-79 durch den Baumeister Fiora-
vanti aus Bologna nach dem Vorbilde der Kathedrale des h. Dmi-
try zu Wladimir im byzantin.-lombard. Stil erbaut. Mehrfach
(1612, 1737,1812) durch Plünderung oder Brand heimgesucht, wurde
sie immer wieder in ihrer früheren Form hergestellt. Sie steht un-
gefähr im Mittelpunkt des Kreml und bildet beinah ein gleichseitiges
Viereck, in der Mitte überragt von einer mächtigen Kuppel von 42m
Höhe, an den vier Ecken von kleineren Kuppeln. Die Mauern und
Pfeiler sind von aussen und von innen mit Heiligenbildern ge-
schmückt.
Das durch hohe und schmale Fenster nur spärlich erleuchtete
Innebb mit seinen beschränkten Räumen, den bunten und kleinlichen
Verzierungen und seiner Ueberladung mit geschmackloser Pracht
macht keinen wohlthuenden Eindruck.
Wir betreten dasselbe durch den Haupteingang auf der Westseite. Zu
beiden Seiten des Eingangs an den Wänden Fresken, das jüngste Gericht
darstellend. An der Wand links (Nordseite) Episoden aus dem Leben der
heil. Jungfrau, rechts (Südseite) die sieben Coneilien der griechischen Kirche.
Die Pfeiler gerade vor uns sind mit Bilderreihen auf Goldgrund umwun-
den — ein buntes Gemisch von Engeln, Heiligen, Mönchen und kämpfenden
Bittern. Weiter hinauf sind Wände und Säulen bis zur obersten Kuppel
mit Vergoldung bedeckt; aus den vier Kuppeln schaut je ein kolossales
Ghristusbild herab. Zwischen den Pfeilern im Hauptschiff der Platz, auf
dem der Kaiser gekrönt wird. Von den Patriarchen (S. 285) ruhen 9 hier;
der 10., der Patriarch Nikon, ist im Neu - Jerusalemer Kloster in Woss-
kressensk begraben (S. 259). Die einfachen Grabmonumente, aus gewöhn-
lichen Ziegelsteinen aufgebaut, sind mit rothen Decken belegt. Links vom
Eingange in der Ecke der Metropolit Jonas^ rechts stehen nebeneinander
der Sarkophag des Metropoliten ffermogenes (1606-1612), der bei dem Ein-
falle der Polen 1611 im Gefängniss starb, und Sarkophage der heil. PhoHtu
und Gjfprian. Ein 61/210 b. viereckiger Behälter aus vergoldetem Kupfer,
durchbrochen, mit spitzem Dach, enthält das Leichentuch u. Gewand der
Mutter Gottes, im J. 1626 von dem persischen Schah Abbas dem Zaren
Michael Feodorowitsch geschickt, und einen Nagel des h. Kreuzes, Geschenk
des grusinischen Zaren Artschil 1686. In der Pfeilerreihe nach dem Iko-
nostas zu rechts ein grosser schwarzer Thronsessel aus Nussbaum aus der
Zeit Iwans III. Wassilje witsch; vor dem Pfeiler rechts der steinerne
Thron des Patriarchen ^ links der Thron der Kaiserin.
Steigen wir die mittlere Plattform herauf, auf der die Salbung
des Kaisers (Bestreichung von Stirn, Augenlidern, Nase, Lippen,
Ohren, Brust und Händen mit dem heiligen Oel) stattfindet, so be-
finden wir uns vor dem Ikonostas , einer hohen Vermeilwand von
kunstvoll durchbrochener Arbeit mit 5 Reihen von Heiligenbildern
über einander, die mit Edelsteinen auf das reichste geschmückt sind.
L. von der ins Allerheiligste führenden Pforte das berühmte Kor-
ssun'seJie MtUUrffottesbild von Wladimir, welches dem Evangelisten Lucas
zugeschrieben wird. Es stammt ursprünglich aus Konstantinopel, kam
1164 nach Kiew, dann 1395 nach Moskau, wo es, als der Tataren-(3han
Timur heranrückte, auf den Kreml gebracht wurde, um die Stadt zu schützen
Usspensky'Bche Katk, MOSKAU. 22. Route, 275
(S. 299). Die Einfassung des Bildes soll über 200,000 B. werth sein, der
Smaragd auf der Stirn der h. Jungfrau wird auf 30,000 B. geschätzt. B.
das Bild des Erlösers^ angeblieh 1143 vom griechischen Kaiser Manuel
gemalt, bis 1478 in der Sophien > Kirohe zu Nowgorod beflndlieh. — Das
blosse Goldgewieht des Ikonostas sowie der Altargeräthe und andern Hei-
ligthümer soll sich auf 330 Pud (c. 5400 kg) belaufen. Die Franzosen
nahmen alles mit, aber die Beute wurde ihnen von den Kosaken wieder
abgenommen, die aus Dank dafür der Kirche noch einen 400 kg schweren
silbernen Kronleuchter mit 46 Armen, der von der Kuppel herabhängt,
schenkten.
Durch den Ikonostas hindurch sieht man in das Sancttuabium.
Im Vordergründe der Berg Sinai in Belief, von reinem Dukatengolde,
ein Geschenk Potemkin's. Ein goldener Moses mit den Gesetzestafeln
steht auf seinem Gipfel ; in dem Berge eine Höhle mit kleinem goldenen
Sarge zur Aufbewahrung der Hostie, zeitweilig auch zur Aufbewahrung
wichtiger Staats Urkunden benutzt. Das Ganze soll 120,000 Dukaten
werth sein. Im Hintergrunde sieht man den Thron des Metropoliten von
Moskau, zu dessen Seiten an den Wänden Gemälde der Patriarchen und
Kirchenväter. In den Kapellen links vom Ikonostas (Eingang vom Chor)
der Peter -Paul 'Altar, die Sarkophage der Metropoliten Theognost und
Peter (erster Metropolit von Moskau, i 1325), sowie ein Schrein mit Beli-
quien. In der dritten Kapelle (des h. Märtyrers Dmltry des Metropoliten)
wurde 1547 Fürst Jury Glinsky, der Grossvater Iwans des Schrecklichen,
ermordet. — Vor dem Chor rechts der silberne Schrein des Metropoliten
Philipp, der 1568 auf Betreiben Iwan's des Schrecklichen entsetzt und zu
ewigem Gefängniss verurtheilt wurde. In den Kapellen der Hauptaliar
und der Aliar des h. Demetrius.
Von hier gelangt man auch auf Treppen in die Kapelle der h,
Mutter Gottes f wo ehemals die Patriarchenwahl stattfand, und in
die Saksistbi (PH3HHaa) mit den Reliquien und Kuriositäten der
Kirche: mehrere Evangelien (das grösste, Gewicht 4 Pud, Einband
200,000 R., von Natalie Naryschkin, der Mutter Peter'sl., der Kirche
geschenkt), von Zarinnen und Grossfürstinnen geschrieben, alte
Manuscripte, darunter Handschriften Peter's I., die vom griechischen
Kaiser Konstantin XII. Monomachos (?) stammenden reichen Krö-
nungsgewänder , die Votivkelche Katharina's II. und Maria Feodo-
rowna's , die den Griff und Fuss selbst aus Elfenbein schnitzten,
Kelch und Patene von Boris Godunow und Potemkin, goldenes
Sacramentshäuslein von Iwan dem Schrecklichen , die Oelgefässe
(ovale Schale aus grünem Jaspis mit Gold und Email , edelste ita-
lienische Arbeit des xvi. Jahrb.) zur Salbung der Kaiser , 2 grosse
massiv-silberne Kessel, in denen das Chrisma (MopHaaMasb, S. 285)
bereitet wird, ein Kreuz Peter's I., das er in der Schlacht von Pol-
tawa getragen, kostbare Priestergewänder, von Katharina II. ge-
stickte Kelchdecken etc., andre von der Zarin Irina, Gemahlin des
Zaren Feodor Iwanowitsch u. a.
Der Usspensky-Kathedrale gegenüber an der S.-Seite des Kathe-
dralen-Platzes liegt die Arohangelsky • Kathedrale oder Kath. des
EnengelB Michael (ApxaHrejbCKlfi Coöop'B ; PI. 54, D 4), in Bau und
Ausschmückung der Usspensky-Kathedrale ähnlich, die Gruftkirche
der Zaren aus dem Hause Ruiik und der Romanows vor Peter dem
Grossen (S. 175), seines geistesschwachen Bruders Iwan, sowie Pe-
ters II. Siö wurde an Stelle einer Yom Grossfürsten Iwan Kaiita zu
18*
276 BotOe 22. MOSKAU. AtchcMgeUky-Kath.
Ebren des h. Michael 1333 gegründeten Kirche, die durch Feuer
mehrmals beschädigt worden war, im J. 1505-9 von dem mai-
länder Architekten Alevisio Novl erbaut und 1772 wie nach 1812,
wo sie als Fourage-Magazin u. s. w. diente, restaurirt.
Die Wandgemälde^ 1680 u. 1681 unter Feodor Alexejewltseh von Jermo-
lajew ausgeführt (1743 und 1773 erneuert), stellen die Zaren in Lebens-
grösse und das jüngste Gericht dar^ zu ihren Füssen an den Wänden
ihre einfachen, mit Teppichen bedeckten Sarkophage (47 ; ausserdem ruhen
hier der ehem. Zar von Kasan Alexander, f 1566, und der Zarewitsch
von Kasan Peter, f 1609). In der kleinen Kapelle Johannes des Täufers
neben dem Altäre der Sarkophag Iwan^s des Schrecklichen mit einem
schwarzen Tuche bedeckt, zum Zeichen, dass er als Mönch (Jonas) ge-
storben, sowie zweier seiner Söhne. Wassily Schuisky ruht als Usurpator
in einer kleinen, an der Kirche hängenden separirten Kapelle, in der
auch sein Bild sich befindet. Boris Godunow (s. unten) und der falsche
Dmitry sind als Usurpatoren ganz ausgesehlossen. In verschiedenen
kleinen Abtheilungen die SargkatUn der Heiligen (Monta). Die ange-
sehensten sind der h. Miehael Wsewolodowitseh und Dmüry Uglitkp. Der
erstere war Fürst von Tsehernlgow zur Zeit der Tatarenherrschaft. Als
er 1246 seine Huldigungsreise zur Horde des Chan Baty machte, weigerte
er sich, durch das heilige Feuer zu gehen und wurde ermordet. Gleiches
Schicksal traf seinen Begleiter, den Bojar Feodor. Der Körper wurde
nach Moskau gebracht und Michael heilig gesprochen. Der kostbare Sarg
wurde 1774 von Katharina gewidmet. Dmitry, Burik*8 letzter Sprössling,
wurde als sechsjähriger Knabe auf Anstiften von Boris Godunow in
Uglitsch ermordet, von wo seine Gebeine 1630 nach Moskau gebracht
wurden. Sein festlich geschmückter Sarg wird an Festtagen geöffnet.
Ueber dem Sarkophage an dem Pfeiler sein Blldniss in halberhabener
Arbeit aus dem feinsten Dukatengolde, und einige von ihm getragene
Sachen; daneben ein Gandelaber von Silber. -^ In dem reichen Kirchen-
schatz (nicht immer zugänglich) sind beachtenswerth die Einbanddecke
eines Evangeliars, im xvi. Jahrb. aber mit Benutzung altbyzantin. Email-
platten des X. u. XII. Jahrb. verfertigt, die älteren Stücke Theile einer
Krone-, ein Weihrauchfass und ein Madonnenbild, mit Goldpli^ten be-
deckt, beide im Charakter russ. Stils, aber vielleicht nach Zeichnungen
des Alevisio Novi (s. oben).
W. von der Archangelschen Kathedrale auf dem höchsten
Punkt des Kreml erhebt sich die Kathedrale der Yerkündigiing
Maria oder Blagowjeschtschensky - Kathedrale (EjaroBluiieHCKifi
Coöop'B; PL 68, D 4), zuerst im J. 1291 von Andreas III., Sohn
Alexander Newsky's , aus Holz erbaut , 1489 unter Iwan III. neu
gebaut, 1547 abgebrannt und wiederum 1554 unter Iwan dem
Schrecklichen neu gebaut und 1863-67 restaurirt. Sie war die Tauf-
und Trauungskirche der alten Zaren. Mit ihren 9 Kuppeln , von
denen die mittlere ein goldenes Kreuz trägt, mit ihrem vergoldeten
Dach, ihrer offenen Treppe und kreuzgangartigen Gallerie macht sie
einen originellen, eleganten Eindruck.
Eine bedeckte Treppe führt zum Eingangtthor ^ über welchem ein
Bild des Erlösers und eines des Teufels. Durch das Thor gelangen wir
in einen Gang mit Fresken aus dem xv. und xvi. Jahrhundert, 1883
restaurirt, der die innere Kirche auf 2 Seiten umgiebt und aus wel-
chem zwei Thüren in die Kirche selbst führen. Von diesen Thüren
ist die eine von Bronze, mit vielen Reliefs geschmückt, ähnlich den
Korssun'schen Thüren der Sophien-Kirche von Nowgorod (S. 251). Der
Fussboden der Kirche besteht aus farbigem Jaspis und ist ein Geschenk
des Schah von Persien an den Zaren Alexei. An den Pfeilern zahl-
reiche goldene und silberne, mit Edelsteinen verzierte Kreuze, welche
Verkündig. -Kathedr. MOSKAU. 22. Rmie, 277
ehemals die Zaren an goldenen Ketten vor der Bmst tragen. Hoehst
merkwürdig sind die Fresken der Wände und Kuppeln: Patriarchen,
Propheten und griechische Philosophen (auch diese aufgefasst als Herolde
des kommenden Messias), Apostel und Märtyrer im Verein mit allerlei
Unthieren. Durch die Oentralkuppel föUt schwaches, gedämpftes Licht
in die Kirche und heleuchtet diese sonderbaren Malereien. Die Kirche
ist reich an Reliquien (Mou^h) fast aller Heiligen des Kalenders. Sie liegen
in verschiedenen kleinen Abtheilungen in schmutzigen Särgen, ehemals
mit Glas bedeckt. Der Ikonostas ist 1812 von den nach Qold suchenden
Franzosen fast ganz zerstört und später neu hergestellt worden. Neben
der ins Allerheiligste führenden massiv silbernen Thür die hochver-
ehrten Bilder (r.) des Erlösers ^ im xiv. Jahrh. gemalt, und der Verkün-
digung Maria mit kostbarer Einfassung (aus Griechenland), 1. das Bild
der Donischen Mutter Gottes^ das Dmitry Donskoi auf seine grossfürstliche
schwarze Fahne während der Schlacht auf der Kulikowo - £bene 1380 ge-
heftet hatte, und welches auch Boris Godunow in die Tatarensehlacht
unter den Mauern Moskau* s 1591 begleitete (auf der Bückseite die Himmel-
fahrt Maria). Der Rahmen aus gediegenem Golde weist noch einige Bisse
auf , welche von den Franzosen 1812 herrührten ; sie hielten das reine
Dukatengold für vergoldetes Kupfer. Der kleine und enge Site der alttn
Zaren in dieser Kirche ist aus Holz, mit vergoldetem Silber belegt; die
jetzigen Kaiser stellen sich neben den Sessel auf das Achatpflaster und
wohnen stehend dem Gottesdienste bei. — Die Sakristei enthält reiche
Sehätze und Beliquien.
Wir betreten nunmehr, und zwar von der südl. nach der Moskwa
gerichteten Hauptfa^ade her (vgl. den Plan S. 270), das
*OroMe Kreml -Palais (EojbraoM KpeHieBCKlä Asop^m), ein
stattliehes Gebäude, 121m lang, 128 m tief, nach den Planen des
Architecten Const. Thon 1838-49 erbaut. Das Hauptgebäude be-
steht aus zwei terrassenförmig aufgebauten Stockwerken , das obere
mit 2 Reihen Fenster; an der N.- Seite liegt der Belvedere- Palast
(S.280), an der O.-Seite die Granowitaja Palata (S. 279), an der W.-
Seite die Orusheinaja Palata (S. 281). Bas Palais ist in Abwesen"
heit der kuserl. Familie tägl. mit Ausnahme der Sonn- und Festtage
11-3 U. geöffnet (Billets unentgeltlich im Bureau des Polizeimeiaters,
S. 284 ; dem herumführenden Hoflakaien 1 R., Sonn- und Festtags
12-2 U. ohne Blilet, Massenbesuch der niederen Klassen.)
Das Palais ist auf derselben Stelle erbaut, wo vor 1737 die alten
hölzernen und steinernen Paläste der Zaren standen, von welch letz-
tern nur noch die Oranowitaja Palata und das Terem existiren. 1749
beauftragte die Kaiserin Elisabeth Petrowna den Grafen Bastrelli., im
Kreml ein neues steinernes Schloss zu erbauen, Winterschloss (Kpeic-
jicbckIh sHMHitt ABopeifi) genannt. Dasselbe existirte bis zur Erbauung
des jetzigen „grossen** Schlosses. Katharina II. beabsichtigte nach den
Projeeten des Architekten Bashanow ein neues kolossales Schloss zu
errichten, Hess aber den kaum begonnenen Bau wieder einstellen. Das
Modell zu diesem Schloss, welches 90,000 B. kostete, befindet sich in
der Orusheinaja Palata (S. 283). Das Bastrelli'sche Schloss der Kaiserin
Elisabeth, in dem Napoleon L 1812 wohnte, verbrannte während der
französisciien Occupation, der Neubau begann unter Nikolaus I. 1838.
Am 3. April 1849 empfingen der Kaiser und seine Familie in dem neuen
Paläste nach russischer Sitte Salz und Brot vom Volke. Die Kosten des
ganz»! Schlossbaues beliefen sich auf 12 Millionen R.
Von dem durch graumarmorne Monolithsäulen getrageneu
schönen Vestibül („Parade-Flur'^) führt die prächtige graititne
Paradetreppe (IlapaAHaji itCTHHaa, PL b), mit 66 Stufen und 5 Ab-
sätzen, hinauf zum obern Stock. Im Treppenhause ein grosses Qe-
278 Route 22. MOSKAU. Grosses Kreml 'FcAats.
mälde des franz. Malers Yvon (1850), die Schlacht auf dem Kulikowo-
Felde. Oben z^ei kolossale Krystall-Kandelaber im Renaissancestil.
Durch den kleinen Vorsaal (PI. c) betritt man r. den Oeorgtfi'Saal
(PI. d), den grössten des Kreml (61 m 1., 21 m br., 17 m h.), ganz
in Weiss und Gold gehalten ; 18 Pfeiler und 18 gewundene Säulen
stützen den Plafond, über den Kapitalen Yictorien mit Schilden,
auf denen die Eroberungen Russlands und die Wappen der erober-
ten Provinzen verzeichnet sind. An den Wänden stehen auf Mar-
mortafeln in goldnen Lettern die Namen und Gründungsjahre der
Regimenter, die sich in russ. Feldzügen ausgezeichnet, sowie die
Namen sämmtlicher Offiziere, die mit dem Orden des h. Georg, dem
höchsten russ. Orden für kriegerisches Verdienst, dekorirt wurden.
Am Ende des Saales eine Gruppe in Silber, die Kosakenführer
Jermak (Eroberer Sibiriens) und Platow , vom Donschen Kosaken-
heere geschenkt. Daneben zwei vergoldet« Bronzekasten mit den
Statuten und den Namen der Ritter des St. Qeorgenordens.
Es folgt der in Roth und Gold reich decorirte Alexander - Saal
(Pl.e), 31ml.,21mbr., bis zur Kuppelwölbung 21 mh., zu Ehren des
von Katharina I. 1725 gestifteten Ordens des h. Alexander Newsky
so benannt. Den 14 Fenstern gegenüber befinden sich koloss&le
Wandspiegel, die das Bild des vor dem Palais gelegenen Stadttheils
wiedergeben ; ausserdem enthält der Saal 6 bemerkenswerthe Ge-
mälde aus dem Leben des h. Alexander Newsky von Prof. Müller.
Bei festlichen Gelegenheiten wird der Saal durch 4500 Kerzen er-
leuchtet ; der Fussboden besteht (wie der des Georgensaals) aus mehr
als 20 Holzarten in kunstreicher Zusammensetzung.
Der AndreaS'Throneaal (PI. f), 49m 1., 21 m br., 18m h., nach
dem 1697 von Peter dem Gr. gestifteten St. Andreas-Orden benannt,
in Blau und Gold, von 10 mächtigen Pfeilern getragen, enthält dem
Eingang gegenüber, unter einem im russ. Stil gehaltenen Thron-
himmel mit spitzem Dach und Kronen aus Strass, den kaiserl.
Thron , von zwei Greifen (das Romanow'sche Familienwappen) ge-
tragen. An den Wänden und Pfeilern die Wappen des kaiserl.
Titels. — Diese drei Säle werden bei der Kaiserkrönung benutzt.
In dem anstossenden Chevalier gar de -Saal (PI. g) zwei schöne
Marmorkamine und ein Gemälde von Sswertschkow, ^Truppenrevue
Alexe! Michailowitschs auf dem Jungfernfelde". — Der folgende
Katharinensaal (PI. h), nach dem 1714 gestifteten St. Katharinen-
orden benannt, ist weiss und roth dekorirt , mit Malachitpfeilern ;
an der Hauptwand der Thron der Kaiserin. Hier empfängt die
Kaiserin nach der Krönung die Huldigung der Damen.
Weiter wird man durch eine Reihe glänzend ausgestatteter, sog.
„innerer Gemächer'' geführt, die bei Anwesenheit der Kaiserin von
den Hotdamen bewohnt werden, zunächst das Parade-'Oastximmer,
Schlaf' und Toilettezimmer, Es folgt die 1393 gegründete , 1514
von Alevisio umgebaute Kirche der Geburt Maria, die frühere
Hauskirche der Zarinnen, mit Silber-Ikonostas. L. führt eine
ßrosses Kreml -Palais. MOSKAU. 22. Route, 279
Treppe durch den die Commandantenstrasse überbrückenden Win-
tergarten, zu den im Seitenflügel belegenen Gemächern des Qross-
fürsten Thronfolgers. Im Empfangszimmer („Silber-Zimmer'^,
mit 7 silbernen Tischen, silbernen Spiegelrahmen, Kronleuchtern
etc., gute Augsburger Arbeiten aus dem Anfang des xviu. Jahrb.)
vier Gobelins mit Scenen aus Cervantes Don Quixote ; am mittlem
Fenster Modell des 1862.zu Nowgorod errichteten Denkmals (S. 252).
Im Schlafzimmer Plafondbilder nach Zeichnung von Thorwaldsen,
die vier Jahreszeiten. Es folgen das Arikleidezimmer , und die
Wohngemächer mit Copien nach- Bildern der Dresdner Qallerie,
von Seydelmann (f 1829) in Sepia ausgeführt , und dem grossen
Bilde Sswertschkoio'Sf „Iwan der Schreckliche besucht den Rothen
Platz". Dahinter die Bildergallerie, in welcher 6 grosse Bilder von
BacciarelU (früher im königl. Schloss in Warschau) , Scenen aus
der polnischen Geschichte darstellend, sowie eine Anzahl anderer
Bilder, aus der Petersburger Eremitage und aus Warschau hierher
gebracht.
Nun zurück , durch den Wintergarten in den achteckigen Wla-
dimir-Saal (Pl.n),nach dem 1782 von Katharina II. gegründeten Wla*
dimir- Orden benannt. Die anstossende Goldene Kammer (3ojOTafl
Daiara), unter der Kirche des Erlösers hinter dem goldenen Gitter,
r. von der Granowitaja*Palata, aus dem Anf. des xvi. Jahrh.
(nach andern vom Metropoliten Jonas 1451 erbaut), war die Au-
'dienzstttbe der Patriarchen, seit Iwan III* die Kammer der Zaritza,
wo sie Audienzen gab. Die Malereien auf Goldgrund, unter Niko-
laus I. hergestellt, stellen dar die Auffindung des h. Kreuzes durch
die h. Helena, Scenen aus der Gesch. der h. Olga u. s. w. Hier
findet am .Krönungstage das Bankett des diplomat. Corps statt.
Vom Wladimirsaal führt 1. eine Thür in den „Heiligen Flur**
(Swjätyje sseni, PI. o), von dem man einerseits auf die Rothe Treppe
(s. unten), andrerseits in die Oranowitaja PcUata gelangt.
Die Granowittga Palata (FpaHOBHTafl Ilaiara, PL p), der
„FacettenpaJa^t^ (so benannt nach der Form der Steine an der
-Fagade nach dem Kathedralenplatz zu), unter Iwan III. 1491 durch
die ital. Architecten Marco Ruffo und P. Antonio erbaut, nach den
Bränden von 1547, 1571, 1626, 1737 und zuletzt von Nikolaus I.
restaurirt, besteht aus einem einzigen niedrig gewölbten Saal, der
in der Mitte von einem gewaltigen viereckigen Pfeiler getragen wird.
Vergoldete eiserne Gurten laufen von demselben an den Wölbungen
hin, während die Bogenbänder slavonische Sprüche enthalten.
In alten Zeiten war dieser Saal Audienzzimmer der Zaren; jetzt dient
er als Bankett*^aal, in dem der Kaiser naeh der Krönung mit den Reiehs-
insignien bekleidet mit den fremden Gesandten speist. Neuerdings ist
der Saal in der Weise, wie er 1590 war, ausgestattet. Den Pfeiler um-
geben Etageren, auf welchen am Krönungstage Silberger'ath aus der kais.
Sehatzkammer aufgestellt wird. Die Wände sind jetzt wie zur Zeit Feodor
Iwanowitseh^s mit Fresken bemalt, welche symbolisch in Geschichten
aus dem alten Testament die Weisheit und Tugend der Orossfürsten und
Zaren darstellen. Kronleuchter in dunkler Bronzefärbung naeh alten
280 Raute 22, MOSKAU. Terem.
Modellen. An den Seiten Bänke, mit Beidenen bnntgostickten Geweben
bedeckt; unter einem schweren, einem Muster in der Usspensky -Kathe-
drale nachgebildeten Thronhimmel vorn r. ein Thron von Holz mit ge-
sticktem Wappen auf der Bückwand. Den Fusaboden bedeckt ganz ein
Teppich, aus grellfarbigen Tuehstücken zusammengesetzt. Ueber der
alterthümlichen Eingangsthür der vergoldete Hahmen des Fensters (Tainiky
„Versteck*'), von dem ehemals die Zarinnen und Zarewnen den Fest-
lichkeiten im Oranowiti^a-Saal zusahen.
Die Sothe Treppe (KpacHoe xpiubiio, PI. q), nach den auf den
Treppenabsätzen angebrachten Löwen auch Löwen treppe genannt,
führt von dem „Heiligen Flur^ auf den Kathedralenplatz (S. 273).
Die Treppe hatte früher ein spitzes buntes Holzdaeh, welchea 1685
Fürst Wassily Golizyn durch ein vergoldetes Eupferdach ersetzte; seit
dem Brande 1737 ist sie ohne Dach. Hier empfing Iwan der Schreckliche
Boten, und wenn sie schlechte Xaehrichten brachten, stiess er ihnen
seinen scharfen Eisenstab durch einen Fuss und nagelte sie am Boden
fest. Hier empfing der falsche Dmitry die Bittsteller; hier ermordeten
1682 die Strelitzen die treuen Diener des Zaren, Matwejew, 3 Naryschkin
und 69 andere. Die Rothe Treppe hinab gehen heute noch die Kaiser,
um sich in der Himmelfahrts-Kathedrale krönen und salben zu lassen.
Der Belyedere - Palast oder das Terem (TepeiiHuä ABopeiCB,
PI. r) f besteht aus vier nach oben sich verjüngenden Stockwerken,
die beiden untern (die Zaren Werkstatt, Masterskaja Palata, jetzt als
Magazin benutzt unter Iwan III. Anfang des xy. Jahrh., die obern
(der eigentliche Belvedere-Palatt) 1636 von Michael Feodorowitseh
für seiAe Söhne erbaut und von den Zaren Feodor und Alexei
bewohnt. Dieser Palast, von seltsam barockem Aeusisern , enthält
eine Reihe kleiner und niedriger, alterthümlich eingerichteter Zim-
mer , grösstentheils in dem Zustande wie sie beim Tode Feodors
(f 1682) waren (1836-40 restaurirt).
I. Speisezimmer, Wandgemälde : der Heiland und die 4 Evangelisten,
Konstantin d. Grosse und seine Mutter Helena, h. Wladimir, h. Olga.
In der Mitte: Siegel. — II. Empfangszimmer; in der Mitte: Urkunden. —
III. Thronzimmer des Zaren Alexei. In den Glaskästen: Münzen. Wahl*
Urkunde des Zaren Michael Feodorowitsch Romanow. In der Kcke am
Fenster Stuhl des Zaren; davor ein von seinei^ Töchtern gearbeiteter
Teppich. Kasten, in welehen unten die Bittschriften gelegt wurden und
welchen der Zar selbst hexaufzog um sie zu lesen. '-<- IV. Schlafzimmer. —
V. Kleines Betzimmer des Zaren Michael Feodorowitsch. — VI. Grosses
Zimmer, für die Staatsraths - Sitzungen. Hier lebte Peter d. Gr. vor
seiner ersten Reise, später sein Sohn Alexei. Von der obersten Gallerie
prächtige Aussicht auf die Stadt (dem Führer 20 Kop.).
Vom ersten Treppenabsatz des Terem tritt man in die kleine
Hauskapelle oder Erlöserkirche hinter dem goldnen Gitter (Cnaca
3OJOTOI0 p'bmoTKOH), PI. s), nach dem daneben befindlichen »gQld-
nen Gitter" (1670 aus Kupfer gegossen) so benannt, 1636 gegrün-
det, 1812 geplündert, durch die Kaiser Alexander und Nikolaus
aber wieder auf das prächtigste mit goldenen und silbernen Kirchen-
geräthen ausgestattet. Sie enthält die Reliquien Stephan's von Perm,
des Apostels der Sirjänen, der 1396 in Moskau starb. Auf dem
Dache 12 kleine goldene Kuppeln.
t Terem, ein den Russen von den Tataren überkommenes Wort, be-
deutet Dachstube, Erker, Belvedere, bezügl. das Frauengemaeh im oberen
Stock, wie der tatarische Harem*
Sehaisikammer, MOSKAU. 22. Routt, 281
Der Grosse Ereml-Palast umschliesst zugleich das älteste Bau-
werk Moskau's , den Urtypus aller russisch-griechischen Kirchen,
die Kirche Sspass na horu {Erlöser im Walde, PL u), im xiii. Jahrh.
erhaut, als der Hugel, auf welchem heute der Kreml steht, noch mit
dichtem Wald bedeckt war. Im J. 1380 liess Iwan Banilowitsch
Kaiita die ursprüngliche Holzkirche niederreissen und errichtete
eine Kirche aus Stein. Die Wände der Kirche , in der mehrere
Grossfürstinnen von Moskau und Iwan, der Sohn Dmitry Don-
skoi's begraben liegen, zeigen hübsche Fresken (Leben des heil.
Stephan von Perm).
Ein Seitenflügel des Kreml-Palastes, anderW.-Seite des Parade-
hofplatzes (von wo der Haupteingang), enthält die «Sehatskammer
(eigentlich Rüstkammer, Orushemaja Paiata), in der die Schätze
der kaiserl. Familie und die Kronjuwelen aufbewahrt werden. Be-
sichtigung Mo., Mi. u. Fr. 11-2 XJ. gestattet; Kataloge („Guide du
Palais des Armures") am Eingange, 20 K.
Die ältere sog. Schatzkammer (KaseeHuM ABopi) enthielt Gold-
und Silbergeschirr, Kostbarkeiten, Juwelen u. s. w. ; zu ihr gehörte
die eigentliche Orusheinaja PcUata, Höfe wo die Waffen verfertigt
wurden, der Marstallkof {KomomemiviÄ üpHKasi»), die Yerwaltungs-
kammer der zarischen Equipagen, Pferdegeschirre u. s. w., der Sa-
pa^sny Dwor (3anacHu8 ^Bopi), ein grosses dreistöckiges Gebäude
gegenüber dem neuen Schlosse (S. 277). Unter dem Zaren Aleiei
Michailowitsch 1645-76 bestand eine Moskauer Rüstkammer (BpoH-
uiM MocKOBCKiä HpHKaai), die von der Schatzkammer getrennt war;
unter Peterl., als allesBedeutende in die Sammlungen nach St.Peters-
burg ging, eine Garderobe- und Rüstkammer (MacTepcKaflOpyxeÜHaii
DaiaTa), welche von Alexander 1. 1806 in der jetzigen Artillerie-
kaserne (S.284) unterbracht wurden. Unter Nikolaus I. wurde 1849-
51 die jetzige Orusheiniga Palata auf dem Platze der alten Marstall-
hofes erbaut und die Schatzkammer dorthin verlegt.
Am Eingang nnten sswei Sturmglocken; die eine aus der ITowgo-
rod*8ehen Wjeteche umgegotsen (25. Juli 1663). Daneben «wei in Eisen
gegOMene Tafeln mit Inschriften, welche sich auf die Hinrichtung von
itrelitsen unter Peter d. Or. beziehen, Gopien (auf Befehl Katharinas II.
1771) der Inschriften, welche 168(2 auf dem Bothen Platze, wo die Exe-
eution stattfand, errichtet wurden. — Im Treppenkaue Rttstungen und
Waffen ; oben auf der Treppe : Kinderrüstung des Zarewitseh AlexeiMiehailO'
taiiach. Gemälde: Krönung des heil. Wladimir und Schlacht auf dem
KuUkowo-Felde.
I. Saal. Bojaren-Rüstungen des xvi. und xvii. Jahrh. An den
Wänden Waffen der Ritter des liv^nd. Ordens, von Iwan dem Schreck-
lichen bei der Eroberung Livlands erbeutet, und Armaturen. — Panzer
und *Helme der Grossfürsten und Zaren, u. a. : der Kutschums , Zar von
Sibirien, des Grossf. Jarouiaw WMevwlochwitteh (f 1263), und seines Sohnes
des h. Alexander Newik^f (Copie); Helm italienischer Arbeit, Geschenk
Signmiund» IL von Polen an den Zaren Feodor IwoHOWiUch.
II. Saal. Waffen aller Art der verschiedensten Völker und Zeiten,
namentlich interessante Gewehre aus dem xviii. Jahrh. Dem Eingang
gegenüber Bild der Kaiserin Katharina IL zu Pferde, von Erikson
(8. 8. 153, III). — Ck)mmando8täbe aus der Zeit Katharina*s II. Zahl-
reiche Prachtschwerier. — Schöner Jagdspiess des Fürsten Bvri» von
282 Route 22. MOSKAU. Orusheinaja Palata,
Twer (1425). — Schwerter der Qrossf. Wamly des Blinden u. Ivan III. —
Fahnen Iwans des Schrecklichen. — Zwei Fahnen des Eroberers von Si-
birien Jermak TtmofejewiUch. — Verschiedene Waffen des Königs Stephan
Bathorp. — Sattel des Zaren Boris Qodunote. » Köcher nebst Bogenseheide,
griech. Arbeit aus Konstantinopel, mit goldnen emaillirten Verzier angen
u. Edelsteinen (gehörte Iwan III. Wassiljewitsch, fälschlich dem Qrossf.
Wladimir Monomach zugeschrieben). — Fahne des Befreiers Russlands
vom polnischen Joche, Fürsten Potharsky (1612), sein Säbel und Sattel;
Säbel des Bürgers von Kishny-Kowgorod KosmaUinin (s. S. 289). — Ver-
schiedene Waffen des Zaren Michael Feodorowiiseh^ z. Th. Geschenke des
Sultans und des Schahs. — Waffen und 16 Fahnen des Zaren Älexej Michailo-
vfitsch^ wobei ein Schild und Panzerhemd, Geschenke des Zaren von Ime-
retien (Kaukasus). — Fahnen und Waffen der Brüder Iwan u. Peter, Dreh-
gewehre Peters zu 6 Läufen. — Kostbarer Pferdeschmuek und Sättel, (be-
schenke türkischer Sultane. — Fahnen u. Waffen aus der Zeit Peters des
Chrossen^ letztere aus der Olonetzsehen Fabrik.
III. Saal: Gold und Silbergerätb, weit über 1(X)0 Stück, obwohl nur
ein Theil dessen, was beim Brande am Pfingstfeste 1737 gerettet werden
konnte, neuerdings nach der Herkunft in Gruppen geordnet. Es ist der
Zahl nach die reichhaltigste Sammlung deutscher Gold-
schmiedearbeiten, welche es giebt, überwiegend aus Nürnberg, Augs-
burg und Danzig stammend, aber auch zahlr^che holländische, dänische
und englische Arbeiten. Die ältesten Stücke gehören der zweiten Hälfte
des xYi. Jahrh. an. Die russischen Arbeiten reichen schwerlich
über das Jahr 1480 hinauf, obschon die Stabilität ihrer Formen eine Alters-
bestimmung erschwert. Es sind meist Geräthe zu wirklichem Gebrauch,
ausserdem eine grosse Zahl flacher Schüsseln und Salzmetzen, die den
Zaren auf ihren Beisen mit Brot und Salz überreicht werden. Von älteren
Stücken sind hervorzuheben : 2. Schrank: Silberne Trinksehalen des Fürsten
von Tsehernigow,WladimirDavidowitsch (11^-51) und des Fürsten Ssimeon
Iwanowitsch (1340-53); drei kleine Schalen des Bojaren Dmltry Iwano-
witsch Godunow. — 2. Schrank: Trinkschale des Grossfürsten Wassily
Iwanowitsch (1605-34); gold. Kowsch (Trinkschale) des Zaren Boris Go-
dunow; 2 gold. Teller des Zaren Alexis Hichailowitsch, Best eines gold.
Service von 120 Stück. — 3. Schrank: Drei vergoldete, mit Edelsteinen
besetzte Schüsseln des Zaren Michael Feodoro witsch. — 4. Schrank: Kleine
Trinkschale, gold. Tellerchen, gold. mit Edelsteinen besetzte Wasch-
schüssel und Kanne, Geschenke der Zarin Natalie Kirllowna an ihren
Enkel Alexei , den unglücklichen Sohn Peters d. Gr. ; der berühmte sil-
berne *Hahn Iwans IV. des Schrecklichen vom J. 1480. — 6-10. Schranck :
Nichts von Bedeutung. — > In einem besonderen Schrank Gegenstände aus
dem Besitz Peters des Grossen, z. Th. von ihm selbst verfertigt.
Weniger durch Kunstwerth als durch Grösse ragen die deutsehen
Stücke hervor, die ältesten, Nürnberger Arbeit aus dem xvi. Jahrh.
Von dem berühmten Goldschmied Wenzel Jamnitzer (f 1585 in Nürnberg)
ist ein kleiner Becher vorhanden, wunderlich durch Sitberplatten von
russischer Arbeit verdeckt; von seinem Sohn Christoph ein grosser sil-
berner vergoldeter Adler, das Wappen von Oesel^ von der Landschaft zu
Oesel 1594 an Christian IV. von Dänemark und von diesem 1640 dem Zaren
geschenkt, sowie ein grosser traubenformiger Pokal; von ihrem eben-
bürtigen Zeitgenossen Hans Päizold rühren ein Doppelpokal in rein gothi-
schen Formen, ein Traubenpokal und ein Riesenbecher in Renaissance-
stil, besonders interessant durch Nachbildung italienischer Bronseplaketten
her. Durch ihre colossale Grösse (über 2 m hoch) fallen 2 Nürnberger
Deekelpokale (xvii. Jahrh.) auf, 6 andere (1,30m hoch) und Dutzende
von Meterhöhe stammen gleichfalls aus Nürnberg. — Augsburger Ar-
beiten, meist aus dem xvii. Jahrh.; einiga Schalen gehören noch dem
XVI, Jahrh. an. Grosser Trinkbecher, Geschenk des Königs Johann So-
bieski; grosse ovale Schüssel mit der Darstellung der Befreiung Wiens
von den Türken, vom Kaiser Leopold I. Ifc84 geschenkt. — Aus Däne-
mark rühren 3 grosse silbere Räuchermaschinen, drei dänische Königs-
schlösser darstellend, her, Geschenke des Königs Christian IV. (Sehrank
Orusheinaja Palata, MO^AÜ. 29, Saute. 1283
16-18). — Von englischen Arbeit &n verdienen 2 silberne Panther in
natürl. Grösse, obwohl roh gearbeitet (Sehrank 14, 15) Erwähnung, ausser-
dem Kannen u. Flaschen z. Th. meterhoch. — Unter den niederlän-
dischen Sachen ragt hervor eine *Kanne mit eingelassenen Perlmutter-
schalen, aus Antwerpen, der dorther stammenden berühmten Kanne des
Lottvre gleichwerthig.
Von den Qeschenken, welche die brandenburgischenGesandten
darbrachten, sind nur noch 5 sehr zierliche Fruehtschalen, sämmtlich aus
Bernstein vorhanden (Schrank 21). — Die Elfenbein- und Glassachen ent-
halten nichts von Bedeutung.
IV. Saal. Krönungsbaldachin und Prachtmöbel. — Sanfte Karls XIL^
aus der Schlacht von Poltawa 1709. — Silb. Kommandostab Otulav Adöl/s
von Schweden. — Schlüssel der poln. Festung Zamosez und der türk.
Festung Braila 1809. — Fahne von Vama 1828. ~ 74 polnische Fahnen. —
Ungar. Fahnen von 1848. — Portraits russ. Herrscher und ihrer Zeit-
genossen aus dem xviii. Jahrh.
V. Runder Saal. Die Krone des h. ffZa^ttim'r, fälschlich die „Mütre
Afonomaeha^ genannt (968). — Barmi, d. h. mit kostbaren goldemaillirten
Medaillons belegter Halskragen. — Scepter u. Reichsapfel, schöne griecb.
Arbeit aus Konstantinopel, wahrscheinlich für Iwan III., fälschlich
Wladimir Monomach zugeschrieben. — Sl/enbtin- Thron des letzten Kaisers
lu Konstantinopel, welcher durch die Gemahlin Iwans III., Sophie
Paläol., nach Moskau kam und dessen sich Kaiser Alexander II. bei
seiner Krönung bediente. — Thron des Zaren Iwan IV. des Schrecklichen^
mit fast 9000 kleinen Edelsteinen, namentlich Türkisen verziert, ein Ge-
schenk des Schahs von Persien. — Die Kasan^sche Krone ^ auf Befehl
Iwans IV. für den letzten Zar von Kasan, Ediger (nach seiner Taufe Simon)
hergestellt; Kaftan desselben. — Thron des Zaren Boris Godunow^ mit Gold-
blech besehlagen und mit 2«00 Edelsteinen u. Perlen besetzt, Geschenk
des Schah 1604. ~- Die Astrachan^ sehe Krone des Zaren Michael Feodoro-
witsch; prachtvolle goldne Halskette desselben, u. a. Sachen.
Zar Alexei Michailoioitseh : Krone, Scepter u. Reichsapfel, Arbeit des
Griechen JuHew (Georgios) aas Konstantinopel. — Thron mit 876 Dia-
manten u. 1233 andern Steinen, mit latein. Widmung, Geschenk der armen.
Kaufleute zu Ispahan (dient bei den Krönungen für die Kaiserin). —
Wams, Stiefel, Schuh, Handschuh, mit eleganten Stickereien.
Die Zaren Itoan u. Peter I. : Doppelsitziger Thron aus vergold. Silber,
hamburger Arbeit. -- Diamanten-Kronen beider Zaren. — Die Attaibasnafa
(d. h. aus Goldsto£E)i mit Edelsteinen besetzte Krone, jetzt die Sibirische^
vom J. 1684. — Goldnes emaillirtes Scepter.
Peter d. Or. (allein) : Tattrisehe Krone. Erstes Hemdchen, das er getragen.
Verschiedene Kleider. — Katharina I. Krönungsgew ander (karmoisin mit
Silber gestickt) j Krone. — Peter II. Scepter, Krönungakoatüm u. a. —
Anna Jwanowna. Prachtvolle Krone, heisst jetzt die polnische, — Elisabeth^
Katharina II. Krönungsgewänder. -- Patü I. u. Maria Feodorovma desgl. ;
Malteser Krone. — Alexander I. u. Elisabeth Alexejewna. Krönungsgewän-
der; die Grusinische Krone. — Nikolaus I. u. Alexandra Feodorowna.
Krönungskostüme von Moskau u. Warschau. Der polnische Thron. —
Alexander II. u. Marie Alexandrowna. Krönungskostüme»
In der Mitte: ReuAssdaoert und Reichsschild ^ persische Arbeit, mit
Xephrit u. Edelsteinen reich besetzt. Reich^ahne^ für jede Krönung neu
gemacht, mit allen Wappen des kais. Titels und blauen Fahnenbändern,
auf denen die Hauptepochen der russ. Geschichte angegeben, nämlich 862
(Gründung durch Rurik), 988 (Annahme des Christenthums durch den h.
Wladimir), 1487 (das bfzantin. Erbe, Qrossf. Iwan WassiljewiUeh) , 1731
(Kaiserwürde Peters d. Gr.). — Alle drei Stücke bilden eine Gruppe.
Baldachine der letzten Krönung. Krone des letzten Königs v. Polen,
Stanislaus August Poniatowski (für sein Begräbniss 1788 hergestellt).
UvTBiES Stookwbbk. I. Saal. Modelle des Kreml - Palastes vom
Architekten Bashanow vom J. 1769, nach dem Plane Katharinas II. (nicht
zur Ausführung gelangt), des alten Zarensehlosses in Kolomna bei Moskau
und (Porzellan) ägyptischer Tempel. — Throne des Chans von Chiwa
284 Raute 22. HOSKAU. Kreml -Caseme.
(1873 erbeutet), des persisehen Prinzen Abbss Mirza (1827 erbeutet) ; Bett
Petera des Grossen ; Reisebett Alexander*s I. — In den Vitrinen kostbarer
Pferdesehmuck.
II. Saal. Olobus, der Kaiserin Elisabeth von der Akademie der
Wissensehaftea 1746 dar^braeht. — Jagello und Hedwig, Marmorgruppe
von Ssosnowski. — Silbernes Relief: Sieg der Polen über die Kosaken.
— Portraits und Büsten polnischer Könige und berühmter Männer, wie
Kopernikus, Zamojski, Potemkin u. s. w.
III. Saal. Alte Equipagen: 1. des Patriarehen PhUara (Vaters des
Zaren Michael Feodorowitsch), aussen und innen mit rothem Sammi, im
Innern Plats für ein Heiligenbild. 2. Wagen des Zaren Boria Godunote^
Oesehenk der Königin Elisabeth von England, mit Vergoldung und
Sehnitxerei) Sehlaehten u. Jagdscenen darstellend; innen mit Sammt aus-
gesehlagen. 3. Zwei kleine hoUänd. Kinderwagen, in denen Peter d. Gr.
als Kind spazieren fuhr. 4. Prachtwagen der Kaiserin Anna, St. Peters-
burger Arbeit von 1739. 0. Gartenwagen derselben Kaiserin, gleicher Zeit
und Arbeit. 6. Wintersehlitten in welchem Eli$abeih su ihrer Krönung nach
Moskau fuhr; enthalt ein mit grünem Tuch auBgeschlagenes Zimmer mit
Tisch und Divanen, 2 Thüren u. 14 Fenstern. 7. Prachtwagen derselben
Kaiserin, 9 m lang , mit Malereien von Watteau, vom Grafen A. Rasu-
mowski 175B geschenkt. Andre Wagen, in Wien, Berlin u. a. O. gebaut,
vergoldet, mit schönen Malereien (werden noch jetzt bei feierlichen Ge-
legenheiten benutzt). Zwei Feldbetten Napoleons I., an der Beresina er-
beutet. Napoleons I. Bild, in Brüssel erbeutet. Historische Gemälde
auf den falschen Dmitry u. a. bezüglich.
Die Südwestecke des Kreml bildet der bis zur Borowizky-Pforte
slcli erstreckende Kaiser-Platz (Imperatorskaja Ploschtachad), an
den sich n. zwischen dem Grossen Palais und der Schatzkammer
der von einem gusseisernen Gitter umschlossene Parade '-Hofplaiz
schliesst Vonletzterm führt ein Durchgang unter der den kais. Win-
tergarten (S.279) tragenden Arkade hindurch in die Kommandanten-
Strosse y die einzige Strasse des Kreml. R. (erste Thür, PI. P) das
Bureau des Polizeimeisters (S. 266), wo die Eintrittskarten zum Be-
such des Kremlpalastes, der Schatzkammer etc. ausgegeben werden ;
weiter 1. das sog. Poteschny Dißorex (s. unten) , ein wunderliches
grün angestrichenes Gebäude, jetzt Sitz der Moskauer Gomman-
dantur ; r. der KavaUer- Flügel des kais. Schlosses , mit den Woh-
nungen für das kais. Gefolge und die Dienerschaft.
Das Poie$efmf Dwtret („Vergnügungs-Palais"), das alte Haus derMilos-
lawsky, kam mit der Vermählung des Zaren Alexei Michailowitsch mit
Maria Illtschna Miloslawskaja 1648 in den Besitz des kais. Hauses. Hier
war unter Alexei das erste Hoftheater, geleitet von dem berühmten Bo-
iaren Artamon Matwejew (S. 303; ein grösseres Theater war im Dorfe
Preobrashensk). — Im Poteschny-Dworez , das Feodor Alexejewitseh für
seine Töchter umbauen liess, soll auch Peter der Gr. seine Erziehung
durch Sotow erhalten haben. Die Wände seines Studirtimmers waren
mit instructiven Bildern beklebt.
Am Ende der Strasse r. (l. die Troizky-Pforte, S. 270) gelangen
wir auf den grossen iSena^«j)2a^2, s. begrenzt von der Kreml-Kaserne,
n.w. vom Arsenal, o. vom Gerichtshof und Tschudow-Kloster.
Die stattliche Kreml-Caserae (RpeMjeBCKifl Kasapiu, PI. 48, D 4)
steht angeblich z. Th. an der Stelle des alten hölzernen Palastes des
Zaren Boris Godunow. An der Hauptfa^ade eine Anzahl alterthüm-
lieber Geschütze; bemerken swerth die beiden an den Ecken der
Caserne stehenden Monstregeschütze : 1. die *Zaren-Kanone (Zar-
Synodalgebäude. MOSKAU. 22. BofUe 285
PiMchka), der „König der Kanonen^, gegossen unierFeodorl. Iwano-
witsch von Andreas Tschochow 1586^ äberreich an Verzierungen
und in einer von Baird in St. Petersburg gegossenen Lafette liegend,
5,3 m lang, 2400 Pud (c. 40,000 kg) schwer, Durchmesser der Öff-
nung c. 1 m , Geschoss 2000 kg ; und das Einhorn (EAiiHopori)«
gegossen unter Alezei Michailowitsch 1670 von Meister Martian
Ossipow, 60 pfünd. Kaliber und 779 Pud (c. 13,000 kg) schwer.
Hinter der Kreml-Kaserne, n. von der Usspensky-Kathedrale,
liegt das Synodalgrebände, früher Patriarckenham (PI. 138 ; D 4).
Dasselbe enthält die Kirche der Zwölf Apostel, die Hauskirche des
Metropoliten Philipp, die Schatzkammer und die Bibliothek des Pa-
triarchen und das Comptoir der Synode ; zur Besichtigung ist die Er-
laubniss des Sacristans nothwendig (Katalog der Schatzkammer 1 R.).
In der Mitte des xvi. Jahrb. wurde dem ersten Prälaten Russlands,
dem Metropoliten von Moskau, der Titel „Se. Heiligkeit** beigelegt und
der fromme Zar Feodor I. Iwanowitsch verlieh ihm 1589 mit Zustimmung
des gesammten griechischen Episkopates den Patriarehentitel ; am 23. Jan.
desselben Jahres wurde der erste Patriarch Hieb (1Ö89-1605) feierlich in-
stallirt. Das Patriarchat erhielt sieh bis zum Jahre 1700 und hörte mit
Errichtung des heiligen Synod (S. 106) auf. Während dieser Zeit regierten
10 Patriarehen; der bedeutendste war yikon^ am 25. Juli 1652 nach dem
Tode Jossiph's zum Patriarchen von ganz Russland geweiht. Er genoss
das höchste Vertrauen des Zaren Alexei Michailowitsch als dessen Seel-
sorger und Freund, als Lenker der Kirche wie des Staates. Aus der Zeit
des Gipfelpunkts seiner Macht 1654 stammen die meisten im Patriarchen-
bause aufbewahrten Kostbarkelten. Schliesslich gelang es der gegen ihn
verschwornen Aristokratie, ihn zu stürzen. 1666 berief Alexei ein förm-
liches Coneilium in seinen Palast auf dem Kreml und l^ikon wurde durch
dieses seiner Würden entsetzt (s. unten). Nach Hadrian (1690-1700) wurde der
Patriarchenstuhl nicht mehr besetzt ; bis 1742 verblieb die moskowitische
Eparchie unter directer Leitung des Synod ohne Oberhirten ; im genannten
Jahre bestätigte die Kaiserin Elisabeth den Beschluss des Synod über die
Errichtung eines Erzbisthums in Moskau.
Die Kirche der Zwölf Apostel enthält ein Bild der Apostel
Peter und Paul aus dem zu. Jahrh. sowie einige wunderthätige
Heiligenbilder. In der anstossenden Myrowarennaja Pcdata wird
alljährlich in der Fastenzeit unter grossem Zudrange des Volks das
h. Salböl (Chrisma) in silbernen Kesseln bereitet (vgl. S. 275). —
In der ehem. Hauskirche der Patriarchen , der Kirche des Apostels
Phüipp wird (in der Sakristei) ein Stück vom Gewände und vom
Kreuze Christi aufbewahrt; anstossend die ärmliche Wohnung der
Patriarchen. — Die Bibliothek der Patriarchen (jetzt Synodal^
Bibliothek) enthält c. 500 griech. und c. 1000 slavon. Schriftstücke,
darunter mehrere aus dem vn.-xir. Jahrh. Sie wurde zuerst auf
Iwans IV. Befehl von dem Dorpater Pastor Westermann geordnet
und die hier vorhandenen Bücher des Llvius und Sueton von Wester-
mann und T. Brakel ins Russische übersetzt (die Uebersetzung ist
verloren gegangen). Der Handschriften - Katalog , zuerst 1723 in
nur 50 Ex. gedruckt, wurde später mehrfach , zuletzt von Matthiae
(Leipzig 1805) und Sabas (Moskau 1858) herausgegeben.
Die ^Schatzkammer (im III. Stock, davor eine Schildwache)
umschliesst eine äusserst reichhaltige Sammlung von alterthümlichen
286 Rmte, 22. MOSKAU. Taehudow- Kloster.
Kreuzen, Kirchenparamenten, Mitren und Kronen der Patriarchen,
kostbaren Ornaten , Reliquien u. s. w. , darunter der Sakkos des
Metropoliten Photios, 1409 aus Konstantinopel gebracht ; das Ala-
bastergefass , in welchem das h. Salböl aus Konstantinopel nach
Kiew gebracht worden sein soll; Hirtenstäbe, aber auch zahlreiches
Silbergeräth für den täglichen Gebrauch der Patriarehen, darunter
Yiele Stücke deutschen Ursprungs , z. Th. von hohem Kunstwerth
(xvi. Jahrh.) u. v. a.
Der Kreml - Kaserne ö. gegenüber erhebt sich das Tschudow-
( Mönchs'JZXoBtBT (HyAOBi HysecKoä MonacTupi», PI. 85, D 4) oder
Kloster der Wunder, das reichste und berühmteste Mojskaus. Das-
selbe wurde im J. 1365 von dem Metropoliten Alexius gegründet,
nachdem er den Grund und Boden von dem im Kreml herrschen-
den Tataren Chan Dshani-Bek geschenkt erhalten hatte. In der
Folge wiederholt durch Brand zerstört und wieder aufgebaut, wurde
es das Katedralnoi-Monastyr der Kparchie Moskau, d. h. der Sitz der
Moskauischen Metropoliten, und heisst noch Immer das Residenz^
Kloster des Metropoliten, trotzdem derselbe nicht mehr in ihm wohnt.
In das Tscbudow-Kloster musste sich der Zar Wassily Schuisky nach
seiner Thronentsagung am 17. Juli 1610 zurückziehen^ der falsche Dmitry
lebte, bevor er seine Prätendentenlaufbahn antrat, als Ittönch Gregor in
ihm \ im Dee. 1666 wurde hier das letzte Goncil, an welchem die griechische
Kirche sich durch die persönliche Gegenwart ihrer vornehmsten Würden-
träger betheiligte, eröffnet und auf demselben der Patriarch Kikon (s. oben)
zum Verlust seiner Würde verurtheilt und zu lebenslänglicher Busse in
das Therapontow-Kloster verbannt; die Kinder Iwan's IV. sowie der Zar
Alexis, Peter I. und Kaiser Alexander II. wurden im Tschudow- Kloster
getauft. 1771 wurde das Kloster nebst der Kathedrale und St. Michaela-
Kirche während eines Aufstandes geplündert. Vor Zeiten wurden alle
Kinder, bevor sie die Schule besuchten, in das Kloster gebracht, um ein-
gesegnet zu werden.
Ueber dem Eingänge zum Kloster ein sonderbares aus Papier
gefertigtes Heiligenbild; von links gesehen stellt es Christus, von
rechts den heil. Geist und von vorn Gott dar. DiQ St. Alexiv>skirche,
14S3 erbaut, enthält seit 1686 in einem silbernen Sarkophag den
wunderthätigen Leichnam des h. Alexius. In der St, Michaels^
Kirche, 1365 erbaut, mehrmals restaurirt und reich dotirt von den
Kaiserinnen Anna und Elisabeth, schöne Wandgemälde, Scenen aus
allen ökumenischen Concilien. Zur Schatzkammer des Klosters ge-
langt man durch einen langen Gang , an dessen Ende eine starke,
mit Eisen beschlagene Thür zur Risni&a, einem kleinen, nicht sehr
hellen Baum führt. In derselben u. a. 12 persische Fahnen, ein Ge-
schenk des Kaiser Nikolaus; ferner mehrere Schränke voll Kirchen-
gewänder und Kostbarkeiten , u. a. ein vom h. Alexe! selbst ge-
schriebenes Evangelium, in kostbarem Einbände. Auf dem Kirchhof
sind viele Metropoliten, Bischöfe etc. begraben, auch der letzte Chan
von Kasan Ediger, sowie viele russische Fürsten.
Das n. neben dem Kloster liegende Senatdgebftnde (PI. 136) ent-
hält die Bureaux des Bezirksgerichts, die Messkanzlei und das Archiv
des russ. Grundbesitzes. Das Gebäude, 1776-87 unter Katharina II.
Arsenul, MOSKAU. 22. Route. 287
von Kasakow erbaut, nach 1812 und 1866 restaniirt, gehört zu den
sehönsten Moskau's ; die mächtige weisse Fa^ade macht einen ma-
jestätischen Eindruck. Oben läuft der Palast in eine Kuppel aus, auf
welcher ein viereckiger Pfeiler mit einer Krone sich erhebt; auf jeder
der vier Seiten steht mit goldnen Buchstaben das Wort „SaKOHi^
(Gesetz). Sehenswerth der runde *Saal (Kpyriaji aaaa) mit schonen
Basreliefs, die Thaten der Kaiserin Katharina II. darstellend.
Das Arsenal (Apcenaji, PI. 13), 1701-36 nach dem Muster des Ar-
senals in Venedig erbaut, ist ein kolossales Gebäude ohne aUe archi-
tektonische Gliederung. Vor der Front desselben liegen auf einfach
gemauerter Unterlage, terrassenförmig abwechselnd, die 1812 erbeu-
teten Geschützrohre , laut einer an der Mauer befestigten Messing-
tafel mit Legende 875 Stück ; unter ihnen befinden sich 36ö franzö-
sische, 189 österreichische, 123 preussische, 70 italienische u. s. w.
Viele der Geschützrohre sind beschädigt. — In den innern Räumen
befinden sich die Magazine fertiger Waffen, Gewehre, Säbel u. s. w.,
sowie einige historische Andenken. Der Eintritt ist nicht gestattet.
Wir verlassen den Kreml durch das Nikolaus -Thor (HHKOJiBCKifl
BopoTa, PI. D4), welches ebenfalls nach dem Krassnaja-Platze führt
und dem ErlÖser-Thor ähnlich ist. Es hat seinen Namen nach dem
über dem Thore hängenden Mosaikbilde des heil. Nikolaus von
Moshaisk , welcher als Patron der Betrübten gilt. Der Thurm über
dem Eingange wurde 1491 von dem italienischen Architekten Pietro
Antonio erbaut. Bei der Sprengung durch die Franzosen litt nur
der obere Theil; der Riss, welcher den Thurm spaltet, setzt sich
bis an den Rand des Heiligenbildes fort , beschädigte aber weder
dessen Glasbedeckung noch die davor hängende Lampe. So besagt
eine Inschrift am Thore, die Alexander I. anbringen Hess. Der merk-
würdige Riss ist durch eine ihn vom übrigen Gestein auszeichnende
Farbe verewigt. Der Thurm wurde von dem Architecten Rossi
nach dem Vorbilde des Thurmes der Marienkirche zu Stargard (in
Pommern) erneuert und enthält jetzt das Hof- Archiv.
b. Die innere Stadt (Xltaig^orod).
Zwischen dem Kreml und der innern Stadt liegt der weite Xrass-
niga oder Bothe Fiats (KpacHaH IlioniaAi», PI. D4), der grÖsste und
berühmteste Moskaus (288 m 1., 160 m br.), w. begrenzt von der
Zinnenmauer des Kreml, ö. von dem alten Gostinny-Dwor , n. von
dem Histor. Museum (S. 288) und der Iber. Kapelle , s. von der
Kathedrale des heil. Basilius (S. 289).
Den Haupteingang zur innern Stadt bildet von W. her das dem
Ausgang der Twerskaja gegenüber gelegene Iberische oder Wosskres-
sensky -Thor (BocKpeceHCiüii sopora , PI. D 4). Dasselbe hat zwei
Thorwege dicht neben einander ; über jedem ein spitzer Thurm.
Zwischen den beiden Thorwegen am Fusse des Hügels , der zum
Krassnaja-Platze ansteigt, steht die 1669 erbaute
288 Route 22, MOSKAU. Iberische KapeUe.
Xaptlle der Ib«riio]i6& Hutter Gottes {Iwergikaja Ttehauoffin^,
4acoBHii ÜBepcKoH Boxiefi Marepu; PI. 59, D 4), eine der berühm-
testen Basslands, welche die Kaiser jedesmal bei der Ankunft in
Moskau vor dem Betreten des Kreml aufsuchen. Kein Russe geht
vorbei, ohne einen Augenblick einzutreten und das Zeichen des
Kreuzes zu machen. Wer sich nicht dazu verstehen mag, dem allg<y-
meinen Brauche gemäss sich zu bekreuzigen und die Füsse des Jesus-
kindes zu küssen, lässt die KapeUe besser unbesucht. Dieselbe ist meist
gefüllt ; täglich Gottesdienst. Am Eingang in der Kegel zahlreiche
bettelnde Nonnen und andere Bettler ; man hüte sich vor Taschen-
dieben.
Das IvMEBE bildet nur einen einzigen sehr kleinen Raum; im Aller»
heiligsten das berühmteste Heiligenbild Moskau*s, das der wunderthätigen
(Tsehudotwomy) Iberisehen MuUer Gottes. Es ist eine genaue, im J.
1648 feierlich (unter Fasten und Beten) angefertigte Copie des wunder-
thätigen Marienbildes (Portaitissa oder Wratarniza) des Iberischen Klosters
auf dem Berge Athos und wurde durch den Arehimandriten Pachomios
und die Brüderschaft dem Zaren Alexei Hichailo witsch verehrt. Das
BUd hat die dunkelbraune Färbung aller russischen Heiligenbilder, auf
der rechten Wange den berühmten Riss, von einem Tataren herrührend.
Um den Kopf tragt es ein Xetz von echten Perlen ; auf der einen Schulter
und auf der Stirn grosse Edelsteine; darüber eine brillantene Krone. In
der Ecke des Bildes auf einem Silbersehild eine griechische Inschrift.
Rund herum und auf den Seiten hängen goldbrokatne Gehänge herab ;
zur Seite Schubladen mit Lichtern, Büchern u. s. w. Das Bild f&hrt fast
täglich mit 6 Pferden und barhäuptigen Livr^ebedlenten in den Strassen
Hoskau^s herum und besucht, ehrerbietig vom Volke begrüsst, Kranke,
Familienfeste u. s. w. Es wird dann durch sämmtliche Zimmer des Hauses
getragen und fährt, nach Empfang einer Geldvergütung (je nach Stand
und Vermögen von 6 bis 100 R.) darauf zu einer andern Familie, die seinen
Besuch erbeten hat. Während dieser Besuche hängt eine (k>pie der Iwer-
skaja Mater an ihrer heiligen Wohnstätte.
W. von der Iberischen Kapelle das neue Historische MoBeum
(PL 115, D4), ein mächtiges , barockes Gebäude im indischen Stil,
1873-85 nach Sherwood's Plänen für mehr als 2 Mill. R. errichtet.
Eine Treppe mit bronzenen Löwen wie bei der rothen Treppe (8. 280)
führt in den Vorsaal. Hier der Stammbaum der russischen Herrscher:
unten die HH. Wladimir, Olga, Boris, Glebj darüber in zehn Reihen
68 Fürsten bis auf den jetzt regierenden Kaiser. — Die Verzierungen der
Wände im Stil der Sophienkathedrale zu Nowgorod (S. 251). I. und II.
Saal: Stbiuzeit. Waffen und Oeräthe aus Stein und Thon; Knochen
vom Mammuth , Höhlenbär u. s. w. aus Sibirien , den Gouvernements
Wladimir, Rjäsan, Woronesh und dem Dongebiet stammend. — Fries
von Basnetzow mit Darstellungen dieser Periode. — III. und IV. Saal:
Bronzezeit. Lanzen- und Pfeilspitzen \ Gefässe, Schmucksachen , in den
Glaskästen auch solche aus Gold und Silber; meist Gräberfunde aus
Finnland, Gross-Russland , Sibirien. — Sieben steinerne sog. Mte Weiber
(Baöbi), aus dem Dongebiet. — Beginn des Eisens. — Im III. Saal an
den Wänden russische Karten, im IV. Begräbniss eines Russen und Epi-
sode aus dem Kriege Swätoslaws mit Johann Tzimiscee von Siemiradsky. —
V. Saal: Eisbnseit. Neun steinerne Figuren aus Südrussland. — In den
Glasskasten Funde aus Central- und Nordrussland. — VI. Saal. A. Ab-
Süsse christlicher Alterthümer bis zum X. Jahrhundert. — An den Wan-
en Gopien von Malereien der römischen Katakomben ; darunter Mosaiken
nach den in der Kirche der HH. Nazarius und GeUus in Ravenna be>
findlichen. — B. Vasen und Figuren aus Terracotta; Gold- und Bronze-
sachen; Münzen aus Südrussland. — An der Wand: die Bucht von Kertseh
mit dem Königsgrabhügel (Zarsky Kurgan), von Aivrasowsky. — C. Alter-
BaHlius Kathedrale. MOSKAU. 22. Boute, 289
thümer des Chersonnes und Kaukasus bis zum XL Jahrh. — Kamin und
Ornamente nach Motiven der Kathedrale von Kutais (c. 980) : an der
Hauptwand: Taufe des h. Wladimir von Bronnikow. — VII. Saal.
Hellenisch - Skythisehe Alterthümer. — Die Decke mit Motiven aus den
Qräbem von Kertsch. — VIII. und IX. Saal. Altrussische Alterthümer:
Abgüsse von Sarkophagen ; Gopien von Mosaiken, Zeichnungen des Prof.
Martynow u. s. w. — Wandmalereien nach denen der Kirchen in Kiew
und Nowgorod.
In der Mitte des Rothen Platzes das Denkmal Minin's nnd Po-
Bharsky's (na]fflTHHK'& BiHHHHy h üoiKapcKOHy, PL 26), nach Marios'
Modell auf Befehl Alexander's I. errichtet und 1818 enthüllt. Die
kolossalen Bronzefiguren Minin's und Posharsky's in antiker Tracht
stehen auf einem Granitsockel, der über schönen Reliefs, die Opfer-
willigkeit des russischen Volkes darstellend, die Inschrift trägt:
„Dem Bürger Minin und dem Fürsten Posharsky das dankbare
Russland." Der links stehende Minin giebt dem sitzenden und sich
auf einen Schild stützenden Posharsky das Schwert in die Hand.
Während des Zwischenreichs (1606-1613) rief in Nishny Nowgorod
der Fleischer Kosma Minin Ssuchorukow das Volk zur Befreiung
des Vaterlandes und zum Kampfe für den Glauben auf. Das Aufgebot von
Kishny, zu dem die Mannschaften der Städte an der Wolga, in der Ukraine
und am Meere eilten, stellte Minin unter den Befehl des Knäsen Dmitry
Michailo witsch Posharsky. Am 20. Aug. 1612 erschien das Heer Po-
sharsky^s vor Moskau, die Polen wurden in Stagigem Kampfe geschlagen,
Sigismund musste sich zurückziehen und 1612 feierten Moskau und das
ganze mittlere Bussland ihre Bettung. Posharsky war 1578 geboren,
unterzeichnete 1598 unter den Hofbeamten den Wahlbrief über die Er-
hebung Boris Godunow's auf den Thron, schlug 1608 bei Kolomna den
dritten falschen Dmitry aufs Haupt« zerstreute 1609 die Bäuberschaar des
Ataman Ssalkow, erhielt 1610 bei dem allgemeinen Aixfstande Ssaraisk
in der Treue gegen Wassily, stritt 1611 unter den Mauern Moskau^s und
wurde verwundet in das Troizky- Kloster, dann nach seinem Erbgute,
dem District Purez gebracht, wo Minin zu ihm kam. Er war Stolnik und
wurde unter Michael Feodorowitsch unmittelbar zum Bojaren erhoben.
Neben der Basilius - Kathedrale der Lobnoje Mjeito (JoÖHoe
hActo, PI. 105, D 4), d. h. Schädelstätte, eine tribünenartige, von
einer steinernen Balustrade umschlossene runde Erhöhung.
Auf dem Platze vor dem Lobnoje Mjesto fanden ehemals die Hinrich-
tungen statt; die Leichname blieben liefen, die Köpfewurden auf Pfählen
aufgesteckt (erst Peter II. Hess 1727 Pfahle und Galgen beseitigen). Im
J. 1570 kündigte von hier Iwan der Schreckliche mit fürchterlicher Stimme
neue Hinrichtungen an. Im J. 1605 wurde der falsche Dmitry hier feier-
lich empfangen^ 1606 schleppte das wüthende Volk den ermordeten Dmitry
hierher; in demselben Jahr wurde hier Iwan Schuisky, und nach ihm
1613 Michael Feodorowitsch als Zar prjoklamirt. Zum Lobnoje Mjesto
kamen die feierlichen Prozessionen, bei welchen der Zar den Esel, auf
welchem der Patriarch sass , bis zur Kathedrale der Himmelfahrt Maria
leitete; hier fanden auch Sonntags religiöse Disputationen statt und von
hier wurden die Ukase der Zaren ausgerufen.
Am Südende des Platzes die Kathedrale des heil. BasiliuB oder
Wassily Blaahenny £*., eigentlich K, zu Maria Schutz und Fürbitte
(IIoKpoBCKiM coöopiBaciuiHEjiaiKeHHaro ; PL Ö6, D 4), ein höchst bi-
zarrer Bau, ursprünglich in Holz von Iwan dem Schrecklichen .1554
zum Andenken an die Eroberung von Kasan begonnen. Der Sage
Aach liess er nach der Vollendung dem Architekten die Augen aus-
steche!), damit er nicht noch ein solches Meisterwerk schaffen könne;
Bussland. 2. AuQ. 19
290 Boute 22. MOSKAU. Reihen oder R^ädy,
thatsachlich wurde der Bau erst Ende des xvi. Jabrh. beendet, spater
Öfter durch Feuer beschädigt, aber stets restaurirt. 1812 gab Napo-
leon dem Art.-General Lariboissier den (nicht zur Ausführung ge-
langten) Befehl, die „Moschee** zu zerstören. Die Kathedrale besteht
aus 11 kleinen dunkeln Kapellen in zwei Stockwerken über einander,
die in wunderlichster Art zu einem Ganzen vereinigt sind und yon
einem Dutzend verschieden geformter Kuppelthürme gekrönt werden.
Die in allen Farben schimmernden Kuppeln, theils in Ananas- und
Zwiebelform, theils gewunden, theils zackig, facettirt oder mit
Schuppen bedeckt, weit über die schlanken Trommeln hinausquel-
lend und von schweren Kreuzen überragt , machen in Yerbindung
mit der überschwänglich reichen Decoration, bei der mehrfach Re-
naissance-Motive benutzt zu sein scheinen, einen seltsamen, phan-
tastischen Eindruck.
Die ii Kajpellen des Innern (Besuch wenig interessant) sind jede von
einer Kuppel überragt und mit Ikonostas, Altären, Heiligenbildern und
Kirchengeräthen ausgestattet. Einige sind zur ebenen Erde, zu andern
muss man auf Treppen hinaufsteigen ; alle verbindet ein Labyrinth engster
Gänge. In einer derselben ist der h. Wassily Blashenny („der Gesegnete**)
begraben. — 1611 wurde die Kirche von den Polen, 1812 von den Franzosen
geplündert und in einen Stall verwandelt, neuerdings aber vollständig in
ihrer ursprünglichen Form wieder hergestellt.
An der Ostseite begrenzen den Krassnoi Platz die sog. Beihen
oder Bjädy (ToproBue pjiAu), ein ungeheurer, aus lauter Läden und
Kaufbuden bestehender und von den drei Hauptstrassen der Innern
Stadt, Warwarka, IljinkaundNikolskaja durchschnittener Gebäude-
complex (obere , mittlere und untere Reihen ; am belebtesten die
ersteren, hinter dem Minin -Denkmal). Ueberdachte enge Gänge
(„Linien*') führen an unabsehbaren Reihen dumpfer, finsterer Läden
vorüber, an deren Thüren die feilgebotenen Waaren als Aushänge-
schilder hängen. Unzählige Quergänge schneiden die Hauptreihen ;
Heiligenbilder mit brennenden Lampen, Käfige mit Singvögeln tra-
gen zur Ausschmückung der Gänge bei. Die sonstige Ausstattung
der Läden, hauptsächlich Artikel der Manufacturen der Moskauer
Fabriken und für den Gonsum der mittleren Gesellschaftsklassen
bestimmt, ist die denkbar einfachste; trotzdem ist der Verkehr un-
gemein lebhaft. Alle Waarengattungen sind hier zu finden, und
zwar in der Regel jede in einer besondern Reihe. Bemerkenswerth ist
die Heiligenbilder-, Silber-, Papier-, Buchhändler-, Wechsler-,
Wachskerzenreihe. — Die feilgebotenen Waaren sind nicht etwa
durchweg gering , sondern auch das Beste und Feinste ist hier zu
haben und zwar viel wohlfeiler , als in den grossen Magazinen der
Schmiedebrücke und Twerskaja. Nur ist beim Kaufen Vorsicht
dringend geboten (man biete höchstens die Hälfte des geforderten
Preises). In einer Reihe befinden sich auch ErfrischungalokaU,
wo man sämmtliche national - russischen Getränke durchprobiren
kann. Auch Strassenverkäufer bieten Getränke und Esswaaren fort-
während an. Rauchen ist in den Kaufhallen streng verboten. Die
meisten sind jetzt übrigens geschlossen oder im Abbruch begriffen,
GosHnnyDwor. MOSKAU. 22. Boute, 291
um durch neue, in Stein und Eisen aufgeführt, ersetzt zu werden.
ProTisorisch sind während des Umbaus die Budenbesitzer in den
auf dem gegenüberliegenden Platz eingerichteten Reihen unterge-
bracht.
Hinter den mittleren Rjädy zwischen Iljinka und Warwarka der
Oostinny-Bwor (Hobo rocTHHHuM JBop'B, PI. 35, D 4), ein mächtiges
zwei- und dreistockiges Gebäude mit ungeheuren Waarenvorräthen,
aus drei breiten Gängen mit Magazinen über einander bestehend, die
durch Treppen und Gänge mit einander in Verbindung stehen. —
Dem Gostinny - Dwor s. w. gegenüber mündet das Sarjadje (d. h.
„hinter den Reihen^), das Moskauer Judenviertel.
In der Warwarka folgt r. das Snamensky-Klotter (Kl. zur
Erscheinung der h. Jungfrau ; SHaMencKiä MoHacTupb ; PL 81, D 4),
1613 von dem Zaren Michael Feodorowitsch gegründet; nebenan
das *Hau8 der Bojaren Bomanow (Aomi öoHpii PoMaHOBUxi;
PI. 131, D 4), ein auf einer Erhöhung liegendes einstöckiges (nach
dem Hofe vierstöckiges) Gebäude mit 17 m breiter Front (Besich-
tigung Mont u. Donnerst. 11-5 U. gestattet; Billets im Bureau des
Polizeimeisters, S. 284; dem Diener 50 Kop.). Dasselbe giebt dem
Besucher ein treues und hochinteressantes Bild der Einrichtung
reicher jaltrussischer Wohnhäuser aus der Zeit des Bojarenthums.
In ihm wurde Michael Feodorowitsch Bomanow geboren ; als Zar
schenkte er es dem Snamensky^Kloster (s. oben). Später war es von
andern Gebäuden ganz umgeben , wurde 1812 von den Franzosen
geplündert und 1856, zum Theil auf Grund alter Documente, von
Snegirew und Baron von Köhne wieder aufgefunden. Kaiser Alexan-
der II. liess es ankaufen und durch den Hofarchltecten Richter im
Stil altrassischer Wohnhäuser des xvi. u. xvii. Jahrh. wieder-
herstellen und mit altem Hausrath ausschmücken. Werth volle
Möbel des xvii. Jahrh. ; zu beachten auch die silberne Reiterstatue
Karls I. von England , Augsburger Arbeit , Geschenk des Königs
an den Zaren. Im Erdgeschoss die Keller u. Yorrathsräume ; dar-
über die Küche und Dienstbotenzimmer; im zweiten Stock die
Bojaren-Zimmer mit der Kreuzkapelle oder Krestotoßja^ dem Em-
pfangszimmer der Hausherrn, einem überwölbten Raum mit dem
Familien - Tafelgeschirr u. a. Merkwürdigkeiten. Im obersten
Stock das Terem oder Frauengemach (vgl. S. 280). Auffallend sind
im ganzen Gebäude die kleinen Thüren und engen Treppen.
In der Iljinka, der mittleren fast ausschliesslich von Gross-
handelshäusem besetzten Hauptstrasse von Kitaigorod, r. die Börse
(Kyne<iecKaii Enpsa ; PI. 21, D 4), mit Hauptfa^ade nach dem kleinen
Karunlnsky - Platze ; gegenüber das stattliche Hatis des Troizky"
Klosters zu Ssergiewsk, mit reichen Magazinen, starkbesuchtem
Traktir und Wohnungen für fremde Kaufleute. Vom Ende der
Strasse am Iljinsky-Thor erstreckt sich dicht an der Mauer von
Kitaigorod r. der Staraja Ploschtschad oder Trödelmarkt bis zur
19*
292 Route 22, MOSKAU. Alexandergarten.
Warwarka, 1. die Tolkutachka, der Markt der Hehler und Diebe, zur
Nikolskaja.
In der Nikolskaja, der dritten Hauptstrasse der Innern Stadt,
erbebt sieb gleicb 1. am Eingang yom Rotben Platz ber die Kasan'solie
Kathedrale (PL 60, D 4), 1630 vom Fürsten Posharsky zum Dank für
die Befreiung Russlands von den Polen erbaut, aber ganz moderni-
sirt. Daneben das Sa-Ikono-Sspassky (Mönchs) - Kloster oder Hei-
landskloster hinter den Bildern (3a-HK0H0 cnaccKiä MysecKoä
HOHacTupi» ; PI. 79, D 4), in welchem 1679 die erste russ. Gelehr-
tenschule gegi-ündet wurde, zu deren Zöglingen u. a. der berühmte
Lomonossow gehörte.
Weiter das Oriechische {Mönchs-) Kloster des h. Nikolaus (Hh-
KOjaeBCKiS rpeqecKiM HysecKoS MonacTupi»; PI. 73, D 4), von Iwan
dem Schrecklichen 1556 für die nach Moskau gekommenen griech.
Mönche vom Berge Athos erbaut und vom Patriarchen von Kon-
stantinopel abhängig (Gottesdienst in griech. Sprache) ; in der Ka-
pelle ein wunderthätiges Bild des h. Nikolaus. Gegenüber an der
Ecke der gleichn. Strasse das Bogcjawlexisky- (Epiphanias-Mönchs)-
Kloster, das älteste Moskaus, 1296-1304 erbaut, 1812 gänzlich um-
gebaut, mit 5 Kirchen und einer Kapelle mit den Gebeinen des
h. Panteleimon.
Weiterhin 1. zwischen dem Griech. Kloster und der Passage Tret-
jakow die Synodal-TTpographie (CHHOAajbHafl THnorpa«ifl ; PL 139,
D4), die ältesteRusslands,1562 unter Iwan dem Schrecklichen gegrün-
det, 1812 grösstentheils zerstört, aber in ihrer frühern Gestalt wieder
aufgebaut. Die Druckerei beschäftigte sich früher hauptsächlich mit
dem Druck von kirchenslawischen Büchern , neuerdings auch mit
dem anderer geistlicher Werke. In der Bibliothek u. a. das erste in
Russland gedruckte Buch (»die Thaten des Apostels Paulus", 1533) ;
daneben ein typograph. Museum.
Neben der Synodaldruckerei führt 1. die belebte Tretjdkowsky-
Durchfahrt zum Teatralny- Platz (S. 298). Vom N.O.- Ende der
Nikolskaja gelangt man durch das Wladimir-Thor ^ nach der gleichn.,
1691 zum Andenken der Befreiung Russlands vom Tatarenjoche erb.
Kirche so benannt, auf den Lubjanka - Platz (S. 299).
c. Südwestliche Stadt. Jangfemkloster.
Längs der Westseite des Kreml erstreckt sich von der Iberischen
Kapelle bis zur Moskwa der von Alexander I. angelegte Alexander-
garten (AiexcaHApOBCKie capi, PL D4), ein beliebter Spaziergang
der Moskauer. Derselbe wird durch eine steinerne Brücke, welche
die Troizky-Pforte des Kreml mit ihrem Yorthurm Kutafla verbin-
det, in zwei Hälften getheilt und ist der Länge nach von einer Lin-
denallee durchschnitten, die meist sehr belebt ist. An schonen
Sommerabenden sowie an Sonn- u. Festtagen häufig Militärmusik«
Westl. zwischen Alexandergarten und Mochowaja erhebt sich
die Stadt-Manege {Qorodskoi manesh; PL 113, D4), ein kolossales
Universität. MOSKAU. 22. Boute. t293
Gebäude, 170m lang, 45 m br., 12m h., im Jahre 1817 von den
Generalen B^tancourt und Garbonier erbaut. Sie dient als Exercier-
haus für die Moskauer Garnison (wird im Winter geheizt), sowie zu
Ausstellungen, Volksfesten, grossen Concerten etc.
Hinter der Manege in der Mochowaja liegt die kais. Universität
(PI. 146, D 4), 1755 von der Kaiserin Elisabeth, Tochter Peters d. Gr.,
auf Veranlassung des Kammerherrn Iwan Schuwalow gegründet (im
Vorhof dessen Büste), gegenwärtig mit 85Docenten und c. 3(X)0 Stu-
denten. Sie besteht aus zwei, durch die Nikitskaja getrennten Ge-
bäudecomplexen : r. dem neuen Universitätsgebäude (1786 erb.) mit
dem Hauptgebäude, einem säulengeschmückten Kuppelbau mit zwei
Flügeln, von der Mochowaja durch Eisengitter und Hof getrennt;
1. der alten Universität (im Hof der letzteren ein missrathenes
Standbild Lomonossows). Die neue Universität enthält die Audi-
torien, die Universitätskirche und das bedeutende und sehenswerthe
Zoolog. Museum (Sonnt. 11-2 Öffentlich); in der alten Universität
die Aula, die Bibliothek (172,(X)0 Bde.), die mineralog. , anatom.,
archäolog. und botan. Sammlungen.
Die Mochowaja mündet n. beim Ochotny Rjäd (S. 297) auf die
Twerskaja, während sie s. mit ihren Fortsetzungen, der Wolchonka
und Pretschistenka , bis zum Jungfernfelde (s. unten) führt. Wir
folgen ihr in s. Richtung. R. in der Wosdwishenka das Stadthaus
{Duma) , aus dem vor. Jahrh. ; gegenüber 1. auf dem Platze eines
ehemals der Zarin Natgilie Naryschkin gehörigen Hauses das Haupt'
archiv des Ministeriums des Aeussem (PI. 5, 04, geöffnet Montag
bis Freitag von 12-3 U., Eintrittskarten in der Kanzlei. Direktor;
Wirkl. Geheimrath Baron von Bühler) mit reichen Schätzen von
Urkunden aus der Zeit der Grossfürsten und Zaren vom J. 1265
an , Bibliothek , Handschriften , Staatssiegel , Autographen u. s. w.,
und der Kameralhof (Kasennaja Palata; PI. 43, C4). — Durch die
Wosdwishenka führt die Pferdebahn (Linie 9, S. 262) zum Arbatsky-
Platz (S. 296).
In der nächsten von der Mochowaja durchschnittenen Querstrasse,
der Snamenka, erhebt sich gleich r. an der Ecke das öffentliche
und das Bnmjansow-Musenm (MockobckIM HyöiH^HuH m Pyian-
uescKiM Myseü; PI. 118, 04), ein auf einer Anhöhe gelegenes statt-
liches Gebäude in heiterem Renaissancestil, die säulengeschmückte
Hauptfa^ade nach der Mochowaja; am Portikus der Südseite die
Inschrift: „Dem Wohle der Aufklärung'^. Das Museum ist tägl.
11-3 U. geöffnet (20 Kop., Sonnt, frei); Eingang von der Wagan-
kowsky - Gasse. Die am Eingang ausgebotenen Kataloge sind ver-
altet und unbrauchbar.
Den Haupttheil des Museums bilden die vom Grafen Rumjanzow
1828 dem Staate vermachten Sammlungen , die in der Folge durch
Schenkungen und Käufe erweitert wurden. In den unterenRäu-
m e n die c. 200,000 Bände umfassende Bibliothek mit Lesezimmer,
vorzüglich reich an historischen Werken, kirchenslavischen und
294 Boute 22. MOSKAU. Erlöserkircke.
altrussischen Drucken; unter den Handschriften ein Manuseript
des Giordano Bruno. Im Mittelsaal (a) ein Marmorstandbild des
Feldmarschalls Grafen Bumjanzow-Sadunaisky (f 1796) und ein
Portrait des Gründers des Museums Grafen Nik. Rumjanzow , von
Dawe (1828); in einem anstossenden Zimmer eine Marmorstatue
des Friedens von Canova und Portraits des Reichskanzlers Grafen
Alexander Rumjanzow (f 1749) und seiner Gemahlin. — In einem
Corridor die Archive der Freimaurer-Loge, die Freimaurerinsignien
der früheren russischen Kaiser. —Weiterhin eine bedeutende MünZ'
Sammlung und das Daachkow^sche ethnographische Museum, ent~
haltend die Sammlungen des Weltumseglers Otto y. Kotzebue (f 1846)
u. die ausserordentlich rbichhsltifiQ Ahtheilung der NationaUrach"
ten der Bewohner des russischen Reichs , Hunderte von Figuren,
trefflich ausgeführt, mit Originalgewändern bekleidet. In den
oberen Räumen befinden sich die Trachten der Russland nicht
unterworfenen slavischen Stämme etc. ; dann die Modellkammem
mit Modellen von Geräthen und Wohnhäusern slaw. Völker, eine
Sammlung slawischer Alterthümery die unbedeutende minera"
logische und zoologische Sammlung. Die QemäldegalUrie enthält
c. 200 Bilder älterer Meister, die Prof. Waagen auf Befehl des Kaisers
Alexander II. aus der Petersburger Eremitage auswählte , darunter
einige gute Niederländer, bei den Italienern manche unechte ; dann
die Prjänischnikow'sche Qallerie russischer Bilder, in der fast alle
namhaften neuern Meister vertreten sind (hervorzuheben das grosse
Gemälde Iwanowas , Christi Erscheinung vor dem Volke, sowie die
Bilder von Aiwasowsky, C. BrilUow u. a.).
In der Snamenka liegt weiterhin L, an der Ecke des Snamensky
Pereulok, die Alexander Kriegsschule (PI. 2, G4), von Alexander I.
zur Ausbildung von Infanterie-Offizieren gegründet.
ZurMochowaja zurückgekehrt, nehmen wir durch die Wolehonka
die s. Richtung wieder auf. R. an der Ecke der Antipjewsky-Str.
der Kolymashny Dwor (KojiiiMaxHuH ABopi, PI. 88, 05), das ehem.
Wagenhaus, unter Alexei Michailowitsch als Remise für die Hofequi-
pagen erbaut, später in ein jetzt aufgehobenes Transportgefängniss
verwandelt.
L. zwischen Mochowaja und Moskwa erhebt sich auf einem von
einem Gitter umgebenen freien Platz die *ErlÖ8erkireh6 (XpaMi
XpHcra CnacHreJH ; PI. 57, 0 Ö), zur Erinnerung an die Befreiung von
den Franzosen 1812 von Kaiser Nikolaus im J. 1839 nach Thon's
Plänen begonnen , im Mai 1883 eingeweiht. Die Kirche , wie die
Isaakskirche (S. 109) ganz aus Stein und Metall aufgeführt (Ban-
kosten c. 20 Mill. R.), hat die Form eines grlech. Kreuzes und wird
von fünf vergoldeten Kuppeln gekrönt, von denen die mittelste Haupt-
kuppel 30 m im Durchmesser hat (Höhe bis zur Spitze des Kreuzes
105 m). 36 gewaltige Marmorsäulen tragen das Hauptgesimse ; breite
Granittreppen führen an Jeder der vier Fa^aden zu den kunstreich
in Bronze gegossenen Portalen. Der reiche Sculpturenschmuck der
Jungfernfeld, MOSKAU. 22. Baute, 29Ö
Außenseite (Figuren und Beliefs) ist von Laganowsky, Ramasanow
und den beiden Klodt. Das Innere , in Gold und Marmor auf das
reichste und durchaus harmonisch ausgestattet, enthält an den
"Wänden des Korridors unter der Hauptkuppel auf Marmortafeln
die Namen der Schlachten und Gefechte der Freiheitskriege, sowie
der in denselben gefallenen Offiziere. Die Gemälde der Kuppel sind
von Markow und Koschelew , die des Chors von Wereschtschagin
und Ssorokin ; am Ikonostas Heiligenbilder von T. Neff, am Haupt-
altar Gemälde von Wereschtschagin und Ssemiradski. In der obern
Galler ie die Kapellen des heil, Nikolaus und des h. Alexander
Newski/y beide reich geschmückt, mit zahlreichen Heiligen- u. an-
dern Bildern. Schöner Kirchengesang.
Die Errichtung eines Obelisken und der Standbilder russischer
Feldherren zur Erinnerung an das Jahr 1812 auf dem Platz w. von
der Kirche, ist geplant. — Die breite Freitreppe s. ö. von der
Kirche führt zur Moskwa hinab , in welcher ein steinerner Vorbau
ein Bassin für die am Jordanstage stattfindende Wasserweihe ein-
schliesst, zu welcher eine zahlreiche Volksmenge zusammenströmt.
Die Wolchonka endet s.w. von der Erlöserkirche an der Pretschia-
tenka -Pforte^ von wo sich nördl. der gleichn. Boulevard (PI. 0 Ö) zum
Arbatsky-Platze (S. 296) zieht. S.w. laufen von der gen. Pforte zwei
stattliche Strassen aus : r. die PreUchUtenka (in derselben r., Ecke
der Obuchowstr., das General -Depot der Feuerwehr, PI. 30, 1. die
Alexander- Marien -Slädchemchulef PI. 107); 1. dAtOstoshenka. In
letzterer r., Ecke der Jeropkinsky-Gasse, die 1804 von der Moskauer
Kaufmannschaft gegründete Kommerzschule (PI. 90, € 5) ; weiterhin
am Ende der Strasse, Ecke des Krymsky-Platzes, 1. das Lyceum des
Cäsarevfitseh Nikolai (PI. 106, 05), nach dem 1865 verstorbenen
Grossfürsten Nikolaus benannt, eine höhere Schulenach demVorbilde
des Eton College bei London. — Zwischen Ostoshenka und Moskwa
liegt das 1590 vom Zaren Feodor gegründete Satschatejewsky-
Nonnenkloater (PI. 80, C 5), eins der ärmsten Klöster Moskaus, mit
drei Kirchen ; in der Schatzkammer ein mit Edelsteinen besetztes
Bernsteinkreuz des Zaren Alexei Miehailowitsch. Von hier griff Fürst
Posharsky (S. 289) 1612 das von den Polen besetzte Moskau an.
Vom Krymsky-Platz führt n.w. der breite baumbepflanzte Su-
bowsky- Boulevard (r. das Proviant- Magazin der Moskauer Garni-
son, PI. 129, C 5) bis zum Ende der Pretscbistenka, wo sich n. der
Ssmolensky- Boulevard (PI. B C5) anschliesst. Die 8.w. Fortsetzung
der Pretschistenka mündet auf das Jungfern-Feld {HtBtnhe Hoie,
PL B 5 , 6), auf welchem während der Mongolenherrschaft die Mus-
terung der ausser dem jährlichen Tribut an Geld noch an den Chan
zu liefernden Jungfrauen stattfand. Während der Butter- und
Osterwoche (S. xxvui) findet hier ein Corso statt, zu dem die ge-
wöhnlichen Iswoschtschiks nicht zugelassen werden.
Ganz am Ende des Jungfern -Feldes das historisch merk-
würdige Vowo Bjewitsohy- oder Jangfern-SlOBter (Hobo- A^BHiiä
296 Route 22. MOSKAU. Zoologischer Garten.
MoHacTupb, PL 76, A 6), ein Conglomerat von Kirchen und Gebäuden,
vrelches von einer mit Thürmen (16) , Zinnen und Scbiessscliarten
versehenen Mauer umgeben ist.
Das NotBo^eteiUchy ' Kloiter wurde vom Zaren Wassily Iwanowitsch
1524 zum Andenken an die Wiedervereinigung von Ssmolensk mit dem
Grossfürstenthum Hoskau gegründet. !Kach dem Tode des Zaren Feodor I.
Iwanowitseh 1598 nahm seine Wittwe, die Zarin Irene, eine Schwester
Godunow^s, in diesem Kloster unter dem Namen Alexandra den Schleier.
Vor den Pforten desselben erschien dann der Patriarch Hiob an der
Spitze der Geistlichkeit und bewog Boris Godunow, der sich ebenfalls in
das Kloster zurückgezogen hatte, zur Annahme der Krone. Im J. 1610
fanden hier blutige Kämpfe mit den Polen statt, welche die theilweise
Zerstörung des Klosters herbeiführten, das aber vom Zaren Michael wieder
hergestellt wurde. Peter d. Gr. Hess hier seine herrschsüchtige Schwester
Sophie unter dem Kamen Susanna als Nonne einkleiden. Das von ihr
bewohnte Haus ist jetzt Wohnung der Aebtissin oder Igumena. Noch
heute zeigt man das Fenster ihrer Zelle, vor welchem der Zar nach der
Unterdrückung des Strelitzen- Aufruhrs oOO derselben aufknüpfen Hess.
Die Hand des Fürsten Ghowansky, der ihr besonders nahe gestanden
hatte, war in dem Fenster festgenagelt. Gegenüber liess Peter den hohen
Glockenthurm bauen, dessen Uhr die Minuten schlägt. Von oben schöne
Aussicht auf die Sperlingsberge und die Umgebungen Moskaus. — 1812
besuchte Napoleon das Kloster ; eine Sprengung der Kirche beim Abzüge
der Franzosen wurde von den muthigen Nonnen verhindert.
Das Hauptthor, durch ii^elches wir den Klosterhof betreten, hat
einen etagenförmig aufgebauten Thurm mit fünf Spitzen; dicht
dahinter ragt die Hauptkirche mit ihren 5 Kuppeln , hier und da
kleine Thürme von Nebenkirchen oder Kapellen, 1. der grosse Thurm
mit den Glocken hervor. Gleich beim Eintritte bemerken wir (um
die Hauptkirche herum , bei den Kapellen und an der Mauer ent-
lang), den Kirchhof mit schönen Grabdenkmälern. In der Haupt-
kirche (Ssobor) ist wenig Merkwürdiges , ausser den Gräbern der
ersten Gemahlin Peter's d. Gr., Eudoxia und seiner Schwester
Katharina. In der 1. gelegenen Nebenkirche das Grab seiner
Schwester Sophie , welche hier im J. 1704 im Rufe grosser Gottes-
furcht starb.
Wer nicht zu Wagen gekommen ist, kann vom Jungfernfelde
über den Ssmolensky-Boulevard mit Pferdebahn (Linie 9, S. 262)
in die Stadt zurückkehren. Dieselbe schneidet vor dem Ssmolensky-
Rynok {Ssmolensker Markt PI. B 05) den Heumarkt und führt über
die helobtb Arbat -Strasse zum Arbatsky -Platz (PI. 04), am W.
Ende der Snamenka und Wosdwishenka (S. 293). — W. führt vom
Ssmolensky Kynok die Ssmolenskaja zur Borodinsky- oder
Dorogomilow- Brücke (AoporoMHJOBCKiä hocti, PI. Bö), an wel-
cher die grosse Strasse von Moshaisk und Borodino einmündet und
über welche Napoleon 1812 in Moskau einzog.
N. gelangt man vom Ssmolensky Rynok über den Nowinsky-
Boulevard zum Kudrinsky-Platz (PI. B04) am Beginn der Ssa-
dowaja oder Gartenstrasse (S. 269). Von hier w. an dem 1803 erb.
Wittwenhauae (PI. 150, B 3) vorbei durch die Kudrinskaja zu der
Brücke (Pressnenaky Most) über die Preksnenaky-Teiche {Pressnen-
skije Prudy, P1.B4). R. der Zoologr« Gerten (3ooaorHiecKift ca/cb,
Triumphpforte. MOSKAU. 22. JRoute, 297
PI. 151 , B3,4), als solcher unbedeutend, als Vergnügungsort von
den unteren Klassen sehr besucht (Gaf^ chantant, Sommertheater,
im Winter Eisrutschbahnen etc. ; s. S. 265).
In dem Stadttheil n. vom Zoolog. Garten (Griuinflkaja, Fl. BC3), be-
finden sieh die Moskauer Zigeuner-Golonien. Die Zigeuner in Mos-
kau sind ansässige Kleinbürger der Stadt, haben russiscbe Tracht ange-
nommen und bekennen sieh zur orthodoxen Kirche. Die Männer beschäf-
tigen sieh fast ohne Ausnahme mit dem Pferdehandel ; Männer und Frauen
treiben aber auch so manches Gewerbe, welches das Tageslicht scheut.
Von der Pressnensky-Brücke führt w, die Bolschaja Press-
nenskajazu dem gleichnam. Thor (PL B 4), vor welchem der Arme-
nische und der Wagankowsche Friedhof. Südl. in der Nischnaja
Pressnenskaja liegt die TJniversitäts-Stemwarte (PL 137, B4).
Wir kehren vom Kudrinsky - Platz durch die Powarskaja,
eine fast ausschliesslich von Adelshäusern besetzte Strasse (in der-
selben r. die DirecHon des Reichsgestiitswesens , PL 34), zum Ar-
batsky- Platz zurück, von hier mit Pferdebahn (Linie 9) durch die
Wosdwishenka zur Iberischen Pforte (S. 287).
d. NordwetÜicher Stadttheil.
Von der Iberischen Pforte läuft n.w. die über 2km lange T wer-
8 k a j a (TsepCKaii yjima, PL C D 3, 4) aus, die Hauptstrasse Moskaus,
mit z. Th. glänzenden Magazinen. Die erste Querstrasse r. ist der
Ochotny Rjäd (S. 269), der Geflügel-Markt ; 1. mündet die Mocho-
waja (S. 293). Auch die weitern Querstrassen , welche die Twers-
kaja r. mit der Bolschaja Dmltrowka (S. 298), 1. mit der Nikitskaja
verbinden, sind sehr belebt, unter letztern namentlich Gasetny-
und Leontjewsky FereuXok. L., dem kleinen Twerskoi-Platz gegen-
über an der Ecke der Tschemischewsky-Str., das Palais def General-
Oonyemeiin (AoMiBoeiuiaro reHepaii-ryöepHaTopa ; PL33, CD3).
An der Twerskoi-Fforte (TbopckIa BopOTa), nach einem früher hier
befindlichen Thor benannt, schneidet dieStrasse die die„ weisse Stadt''
umgebenden Boulevards. Nach S.W. läuft von hier der schöne,
fast 1 km L Twerskoi-Boulevard (PL C3,4) bis zum Nikit-
skaja-Thor. Gleich am Anfang das Pneehkin-Benkmal (PL 27), auf
einem Granitsockel die Bronze -Statue des Dichters nach Opoku-
schin's Modell. Weiterhin 1. das Haus des Moskauer Oberpolizei-
meisters (PL 127, C4). — R. vom Twerskoi-Thor auf dem Strast-
noi-Boulevard das Strastnoi - Monastyr (Märtyrer - Nonnen-
kloster, PL 84, C3), 1654 vom Zaren Alezei Mi chailo witsch ge-
gründet , mit drei Kirchen und schöner Aussicht vom Thurm ; da-
hinter das Erste Mädchen^/ymnaHum (PL 40: G 3).
In der Twerskaja, deren elegante Läden z. Th. in neu eröffnete
Passagen verlegt sind, folgt r. das Haus des CivÜgouvemeurs
(PL 24), dann 1. die Augenklinik (PL 14). Jenselt der Ssadowaja
(L Bolschaja-, r. TriumfcUnaJa Ssadowaja) nimmt die Strasse den
Namen Bolschaja Twerskaja Jämskaja an und endet ander
neuen TiiTunphpforte (TpiyM«aji>HUfl BOpora, PL BC3), nach der
Inschrift unter der Plattform „zur Erinnerung an die Thaten Kaiser
298 Route 22. MOSKAU. KaU. Theater.
Alexanders I. 1812'' errichtet , einem mit Statuen von Kriegern,
Basreliefs und einer Quadriga geschmückten röm. Triumphbogen
mit drei Thoren. Vor der Triumphpforte liegt 1. der Ssmolensker
Bahnhof (PI. 20, B 3 ; S. 263) ; geradeaus führt die Pferdebahn zum
PetrowskyPark (S. 312).
Die 0. Parallelstrasse der Twerskaja zwischen Ochotny Rjäd
und Strastnoi-Boulevard (s. oben) ist die B o 1 s c h a j a D m i t r o w k a
(PI. D3,4). Gleich 1. an der Ecke des Ochotny Rjäd dei Adels-
klub {Dworjansskoje asohranje, S. 265), weiter der Kaufmannsklub
(S. 265) ; r. (am Kusnezky Pereulok) die Theaterschule (PI. 145) und
am Ende der Strasse am Strastnoi-Boulevard die Universitäts-Buch-
druckerei (PI. 147). Jenseit des Boulevards setzt sich die Strasse
als MalajaDmitrowka fort (in derselben gleich vorn die per-
manente Oemälde -Ausstellung mit meist verkäuflichen Bildern
lebender russ. Künstler, tSgl. 11-3 U. geöffnet; 30 K.). Sie kreuzt
dann die Ssadowaja und führt als Dolgorukowskaja bis zum
Butyrka-Schlagbaum (PI. C 1) ; vorher 1. an der Ecke der Ljäsnaja
das grosse Centräl-Transport-Gefängniss (PI. 23, C2), in welchem
die zur Arbeit in den Bergwerken verurtheilten Sträflinge bis zu
ihrer Weiterbeförderung untergebracht werden, mit Baum für 2000
Mann.
Ö. mündet der Ochotny Rjäd (s. oben) auf den weiten The-
aterplatz (TeaTpaii»Hafl niomaAi» oder Ilxam - napaxi , PI. D 4),
330 m lang, 160 m br., einen der grössten Plätze Moskaus, auf dem
die Kaiser-JParaden der Moskauer Garnison stattfinden. An der N.-
Seite erhebt sich das Kaiserliche Grosse Theater (EoiLuioä Tearpi,
PI. 143, S. 264), 1824 eröffnet, nach dem Brande von 1853 von
Cavos neu erbaut, eines der grössten und schönsten in Europa. Die
Fa^ade mit ionischer Säulenvorhalle; den reliefgeschmückten Fron-
ton krönt eine kolossale Quadriga, Phöbus auf dem Sonnen wagen.
Das Innere, weiss mit reicher Vergoldung, hat 6 Ränge und Plätze
für 4000 Zuschauer. — Schräg gegenüber das weit bescheidnere
Kais. Kleiae Theater (Majiiiä Teaipi, PI. 144), 1841 erbaut, mit
Raum für 1000 Zuschauer. N. vom Kleinen Theater zwischen Pe-
trowka und Neglinny Projesd die belebten Alexandrow'sehen und
Ssolodownikow'schen Passagen, der Mittelpunkt des Mode- und
Galanteriewaarenhandels (S. 264).
Nach N. läuft vom Theaterplatz diePetrowka (DeTpoBKa) aus,
eine der belebtesten Geschäftsstiassen der Stadt, mit eleganten Ma-
gazinen (S. 264), die ihren höchsten Glanz in der ersten Querstrasse r.,
der bis zur Roshdestwenka reichenden Schmiedebrücke(Kus-
nezky Most, PI. D4) erreichen. Am Ende der Petrowka, vor dem
Petrowsky Boulevard , liegt r. das Wyasoko - Fetrowsky - Kloster
(PI. 87, D 3), 1380 von Dmitry Donskoi gegründet , mit 6 Kirchen
und vielen Grabstätten adliger Familien. N. von der Petrowsky-
Pforte (zwischen 1. Strastnoi-, r. Petrowsky-Boulevard) 1. das grosse
Katharinen -Hospital (EKaTepüHUBCKaji öoibHHtta; PI. 94, D3),
Ermitage-Garten. MOSKAU. 22, Route, 299
weiter r. die Qensdarmerie-Cateme (PL 46). Die Strasse lieisst
Yon hier bis zur Ssadowaja von den yielen Wagenfabriken Karetny
Rjäd. Jenseit der Ssadowaja das geistliche Seminar (Mock. CeMH-
napifl; PL 134, D3), von wo r. der Boshedomsky Pereulok zum
Ermitage-Oarten (Cax'bdpHHTaxi; PL 28, D 2) führt, dem besuch-
testen Sommergarten Moskaus (s. S. 265 ; Eintr. 1 R.)> In der Nähe,
Nowaja Boshedomskaja , das Katharinen-Mädchenatift (PL 111),
das Marien- Krankenhaus (PL 97) ^md d&a Alexander -Mädchen-
sHft (PL HO).
Ueber die Ssa-motetschnaja zur Ssadowaja zurück, dann s. über
den Zwetnoi (Blumen)-Boulevard (PL D3), einen der
schönsten Moskaus (Blumenmarkt s. S. 269) , am (r.) Cireus Sola-"
monski (S. 265) vorbei zur T r uba {Trubnaja Ploschtschad, PL D3),
einem Sonntags äusserst belebten freien Platze zwischen Petrowsky-
und Roshdestwensky - Boulevard , mit dem eleganten und sehr be-
suchten Ermitage -Restaurant (S. 266). Von hier entweder r. über
den belebten Neglinny Projesd (PL D 3, 4), oder 1. durch die
Roshdestwenka zum Theaterplatz zurück. In letzterer gleich 1.
das Roshdestwensky -Nonnenkloster (PL 78, D3), angeblich schon
1386 gegründet, mit 3 Kirchen; weiterhin r. die 1846 gegründete
UniversUäts-Klinik (PL 102) mit Gebäranstalt.
e. HordÖBtlioher Stadttheil.
Vom Theaterplatz (S. 298) führt ö. der TeatrcUny Projesd, am
s. Ende des Neglinny Projesd und der Roshdestwenka (s. oben) 1.
und an der Passage Tretjakow (S. 292) r. vorbei auf den vor dem
nörd. (Wladimir-) Thor von Kitaigorod gelegenen Lubjanka-
Platz (.lyöflHCKaa njOBiajib, PL D4). Nach N. bez. N.O. laufen
von hier zwei grosse Strassenzüge aus, die Lubjanka und Mjassniz-
kaja. InderBolschajaLubjanka (PL D 4, 3), dem Hauptsitz der
Versicherungsgesellschaften, r. das kais, dritte Gymnasium {Vl.Sl)]
am Ende der Strasse 1. das Ssretensky{M6nchs)-Kloster oder Kloster
der Begegnung (CptTCHCKiM Mysecnüi MoHacmpb; PL 83, D3), auf
dem früher ausserhalb der Stadt gelegenen Kutschko- Felde, dem
ehem. Richtplatz, an der Stelle erbaut wo 1395 das berühmte
Wladimir'sche Marienbild (S. 274) mit grosser Feier empfangen
wurde. — In der mit der Grossen Lubjanka Ö. parallel laufenden
Malaja Lubjanka (PL D4,3) liegt r. die franz. St, Ludvngs-
Kirche (PL 61), 1791 gegründet; dann am Ende der Strasse r. im
Miljutinsky- Pereulok die kath. St, Peter- u, Paulskirche (FL 64).
Die n6rdl. Fortsetzung der Gr. Lubjanka jenseit des schSnen
Roshdestwensky-Boulevards heisst S s r e t e n k a. Am Ende dersel-
ben auf dem Ssucharew- Platz in der Ssadowaja erhebt sich eins der
merkwürdigsten Bauwerke MoskanjSy der Sineharew- oder Waster-
thnm (Cyiapena öanufl, PL 149), 1695 von Peter dem Grossen
zu Ehren des Ssucharew'schen Regiments erbaut, unter dessen
Schutz der junge Zar mit seiner Mutter während des Strelitzen-
300 Route 22. MOSKAU. Waaaertkurm.
Aufstandes 1682 nach dem Troiza-Kloster sich retten konnte. Später
hielt Peter hier Staatsraths-Sitzungen ; auch soll er als Grossmeister
der Loge „Neptun-Gesellschaft'' hier Sitzungen gehalten haben.
Das Gebäude diente bis 1715 als Navigationsschule, dann bis 1806
als Sitz des Admiralitäts - GoUegiums und wurde 1829 für seine
jetzige Bestimmung als Wasser-Reservoir eingerichtet. Es besteht
aus einem viereckigen , 40 m 1., 24 m br. Unterbau in zwei Stock-
werken , unter welchem ein Thorweg hindurchführt , der die Ssre-
tenka mit der Ersten Mestschanskaja verbindet, und in dessen oberm
Stock sich zwei kolossale Wasserbecken befinden ; über demselben
erhebt sich der 65 m h. achteckige hölzerne Thurm in 4 Etagen.
Von der Plattform, zu der eine Wendeltreppe emporführt, entfaltet
sich eine prachtvolle Rundsicht über die Stadt. — Das Wasser
(täglich c. 70,000 Hectoliter) wird von Oross-Mytischtschi (S.315),
17 W. von Moskau, durch einen Aquäduct bis Alexejewskoje (S.314)
geführt, durch Dampfmaschinen in den Ssucharew-Thurm getrieben
und von hier über die Stadt vertheilt. — An der N. -Seite des
Ssucharew-Platzes liegt das grosse Scheremet jew* sehe Kranken' und
Armenhaus (PL 100), vom Grafen Nik. Scheremetjew 1803 gegründet.
N. läuft vom Ssucharew-Thurm die breite Erste (Perwoja) Mest-
schanskaja (PL D 3, 2, 1) bis zumKrestowsky -Thor (PL Dl ; s. S. 305).
R. am Grocholsky Pereulok der Botanische Garten der Universität
(PL 22), schon von Peter dem Grossen angelegt (täglich zugänglich,
Eintrittskarten beim Director) ; weiter am Protopopowsky Pereulok
das Nabilkow'sche Armenhaus (PL 11, £2).
Wir kehren zum Lubjanka - Platz zurück. In. der Mjassniz-
k a j a gleich 1. das Geistliche Consistorium (4yxoBHaA KoBCHCTOpiH ;
PL 25, D 4), zwischen den Kirchen der Grebenskyschen Mutter Gottes
und des h. Johannes des Täufers gelegen. Im xvi. Jahrh. befand
sich auf der Stelle, wo jetzt die Kirchen und das Consistorium
liegen , Wald ; die Kirche der Grebenskyschen Mutter Gottes hatte
daher den Zunamen Pod Borom (unter dem Walde, HoAi öopOM'b).
Unter dem Grossfürsten Wassily lY. Iwanowitsch soll das Gebäude
des Consistoriums gebaut worden sein und als erzbischöfliche
Residenz (PjiaaHCKoe crapoe noABopbe) gedient haben. Ende des
zvii. Jahrb., unter Feodor III. Alexejewitsch, wurde es in ein Hos-
pital für Verwundete, 1742 in ein Archiv umgewandelt; 1774-1801
was es Sitz der „Geheimen Expedition^, der gefürchteten Unter-
suchungsbehörde für politische Verbrecher; später wurden darin
Invaliden, 1812 Verwaltungsbehörden, 1819 die Biblische Gesell-
schaft, 1833 endlich das Geistliche Consistorium untergebracht.
Weiter in n.Ö. Richtung durch die Mjassnizkaja. Nach 5 Min.
liegt r. das durch seine bunte Fa^ade auffallende Xosenm für Kunst
imd Gewerbe (XyAO«ecTBeHHO-IIpoMiimieHHiifi MyseM ; PL 116, £3),
1868 gegründet, mit Mustersammlungen russischer Architector,
Malerei , Ornamentik , Fayencen , sowie altruss. und griech. Hand-
schriften (tägl. 11-5., an Feiertagen 11-3 U. geöffnet, 10 Kop.).
Rothe Pforte, MOSKAU. 22. Route. 301
Weiterhin 1. die Ktmst ' Akademie oder Künstlerschule (PL 104);
gegenüber das Haupt -Postamt (PL 128; S. 263) und nebenan das
Haupt- Telegraphenamt (PL 142), an der£cke derMjassnizkaja und
des Tschisaty-Prud Boulevard (nach dem ,,reinen Teich" am s. Ende
so benannt). Die Mjassnizkaja endet, an der Ssadowaja (Garten-
strasse, S. 269); kurz vorher zweigt die eigentliche Hauptstrasse
r. ab zu der Bothen Pforte (KpacHUfl BopoTa; PL 132, E3), einem
geschmacklosen Triumphbogen mit 3 Durchgängen , im Krönungs-
jahr der Kaiserin Elisabeth Petrowna 1742 auf Kosten der Mos-
kauer Kaufmannschaft errichtet. Das Thor, roth, Ornamente und
Säulen weiss angestrichen, ist mit Reliefs geschmückt und von
einer vergoldeten Bronze-Statue des Ruhmes gekrönt.
Der Pforte gegenüber liegt r. der Sapasany-Dwor (PL 133, D3),
ein weitläufiges Gebäude im ital. Stil, von der Kaiserin Elisabeth
Petrowna erbaut, früher von dem kais. Hof halt während der An-
wesenheit des Kaisers in Moskau, jetzt von Beamten des Hof-
ministeriums bewohnt. Daneben das Armenhaus des Fürsten Ku-
rakin (PL 10). Die von hier nach 0. auslaufende Nowaja Bas-
mannaja, eine der stattlichsten Strassen Moskaus, ist vorzugs-
weise von reichen Kaufleuten bewohnt.
N. führt von der Rothen Pforte die Kalantschewskaja auf den
gleichnam. Platz, mit den Bahnhöfen der Nikolai-, Jarosslawer und
RJäsaner Bahn (vgl. S. 263 ; im Nikolai-Bahnhof gute Restauration).
Von hier mit Pferdebahn (Linie 1 u. 2, S. 262) über die S s o k o 1 -
niker Chaussee, an dem grossen Krassny Prud (Rother Teich ;
PL EF2) und dem nahen Alezejewsky -Kloster (1.) vorbei bis zum
Ssokolniker Thore (S. 314). Unmittelbar vor dem Thore beginnt
der Park von Seokolniki {Ssokolnitscheskaja Roschtscha, PL EF G 1),
ausgezeichnet durch prächtige Tannen und Wiesen, der beliebteste
Spaziergang der Moskauer. Früher Urwald, das Jagdrevier der
Zaren, die auf dem anstossenden , früher ebenfalls mit Wald be-
deckten Ssokolniker Felde (s. unten) ihre Falkenjagden hielten, ist
derselbe jetzt bis zu dem Flüsschen Jausa (s. unten) von zahlreichen
Spazierwegen durchschnitten und mit anmuthigen Landhäusern im
SchweizerstU (Datschen) besetzt. Viele reiche russische Kaufmanns-
familien ziehen die Waldluft des Ssokolniki dem eleganteren, aber
kleineren und waldlosen Petrowsky-Park vor , sodass die Zahl der
Sommergäste 30-40,000 beträgt. Vom Thor führt eine kurze, breite
Allee zur Neuen Promenade {Nowoje QtUänie), einem von Gebüsch
umgebenen Rondel mit Musikpavillon in der Mitte, wo an Som-
merabenden (gewöhnlich Doun.) Tanzvergnügungen und Concerte
(Eintr. 30 Kop.) staittfinden. Von hier laufen nach N. fächerartig
strahlenförmig sieben Durchhaue (Prossjeki) aus, die unter sich
wieder durch Querwege verbunden sind ; die elegantesten Datschen
finden sich im sechsten Prossjeka. W. vom Pavillon führt der Weg
zur Alten Promenade (Star oje €hdänie)j in welcher an Sonn- und
Festtagen die unteren Volksklassen an den zahlreichen weiss-
302 Route 22, MOSKAU. Polytech, Museum,
gedeckten Tischen der SsamoYar-yermietherinnen bei Musik ti. s. w.
sich belustigen, für den Fremden ein ergiebiges Feld zu Volks-
Studien. Auch das am 1. Mal in Ssokolniki stattfindende Volksfest
verbunden mit einem Oorso , an welchem sich hauptsächlich der
höhere Kaufmannsstand betheiligt, und anderen z. Th. wilden Ver-
gnügungen lockt Nachmittags Tausende heraus. — Auf dem Ssokol-
niker Felde, s.o. vom Park, yerschiedene Wohlthitigkeits-Anstalten :
das Jermakow'sche Spital^ das KathaHnen-ArmenTiaus (PI. 8, G 1),
das Preohrashensky' Krankenhaus mit Irrenanstalt (PI. 99, Gl, 2),
das grosse Wladimir- Kinderhospital (PI. 103, G2), tou Baron Der-
wis gegründet. — An der Jausa längs des Ssokolniki eine Anzahl
Fabriken.
Von dem Ssastawa führt die Pferdebahn (Linie 2, S.262) weiter
an der (r.) eleganten Datsche Ssasikoto und darauf (1.) an der eigen-
artigen hölzernen Kirche vorbei zur Jausabrücke und dem (V4 St.)
mitten im Walde belegenen Dorfe Bogorodsk, einem beliebten Aus-
flugsziel der Studenten, Schauspieler, kleinen Beamten u. s. w.
f. Oeiüicher StadttheU.
Von der Iljin8ky-Pforte(Pl.D4; S. 291), einem wichtigen
Knotenpunkt der Pferdebahnen (S. 262) , erstreckt sich längs der
Mauer von Kitaigorod nach S.O. der Iljinka- Platz, nach N.W. der
Lubjanka -Platz (S. 299). An letzterem liegt unweit der Iljinsky-
Pforte das PolyteclmiMhe Mnieüm oder Mibstum der praktischen
Wissenschaften (noiiiTexHH<ieCKifl Myseü, PL 117), mit reichen
technischen Sammlungen, zum grössten Theil von der Polytech-
nischen Ausstellung von 1872 herstammend (tagl. ausser Mont. ge-
öffnet, Di., Do., Fr., So. frei, Mi. Sa. gegen 15 Kop.). Sonnt. Nrn. 5 U.
im Auditorium unentgeltliche Vorträge für das Volk. Rechts vor
dem Iljinsky-Worota, am Iljinsky-Boulevard eine 1887 vollendete
Kapelle in russ. Stil, von dem Preobrashensky'schen Regiment zum
Gedächtniss der bei Plewna gefallenen Kameraden erbaut. Gegen-
über (1.) hässliche Magazinbauten.
Nach 0. läuft von der Iljinsky-Pforte diePokrowka aus, ein
6 km langer Strassenzug , der sich unter verschiedenen Namen bis
zur Jausa hinzieht (Pferdebahn s. S. 262). Der Anfang der Strasse
bis zum Armjansky Pereulok heisst Marosseika, nach den im
XVII. Jahrh. hier angesiedelten Eleinrussen (Malorossy) benannt (in
derselben 1. das Haus der Philanthropischen OesellscKaft, PI. 125).
In der Armenischen Gasse 1. das Mausoleum des Bojaren
Matwejew (f 1682) , des Oheims und Erziehers der Zarin Natalie
Naryschkin, Mutter Peters d. Gr. ; daneben das Latarew'sche In--
stitut für oriental, Sprachen (PI. 120), von den Brüdern Lazarew
1815 gegründet, und gegenüber die 1771 erb. Armenische Kirche
(PI. 55, E4). Auf der Südseite der Marosseika imKosmo-D&-
mianskyPereulok erhebt sich 1. die Intherisehe 8t. Peter n.
Paulikirehe (Herpa h IlaBia JinTepftBCKaii nepioBb, PL 65, E4), im
Himmelfahrtskirche, MOSKAU. 22. Route. 303
goth. Stil 1817 erbaut, mit Altarbildern von Wach (dabei eine
deutsch-luther. Knaben- u. Mädchenschule) ;- "weiter am Ende der
Strasse das Iwanowsky Monastyr oder (Nonnen-) /TZos^er Johannes
d. Täufers (PI. 75, E4), im xvi. Jahrh. gegründet, 1812 von den
Franzosen niedergebrannt, 1861 neu gebaut, mit einer Waisen-
schnle für Mädchen.
Die Fortsetzung der Marosseika von der Armenischen Gasse bis
zum Semljanoi-Wall ist die eigentliche Pokrowka. Links die
hübsche HimmelfUirtskirclie (PI. 58, £ 4), aus rothen Backsteinen
erbaut und daher auch die „rothe Kirche* genannt , mit 13 pyra-
midenförmig zusammengestellten Kuppeln ; sie erregte im J. 1812
die Bewunderung Napoleons und wurde desshalb vor dem Brande
geschützt. Weiterhin r. am Pokrowsky- Boulevard die grosse Po-
krowsky -Kaserne (PI. 50) für 2500 Mann.
Jenseit des SenUjanoi - Walls , in dessen Nähe r. der Kurssker
Bahnhof (PI. 16, £ F 4 ; S.265), erhält die Strasse den Namen S t a r a -
ja Basmannaja. In derselben gleich r. die Kirche des h, Märtyrers
Nikita (PI. 63, F3), 1517 vom Grossf. Wassüy gegründet, 1751 re-
staurirt ; dann 1. das Archiv des Justizministeriums (PI. 4, F 3). Der
von hier bis zur Jausa sich hinziehende Stadttheil heisst nach den
ehemals hier befindlichen ausgedehnten Erbsenfeldern heute noch
Gorochowojepole (Erbsenfeld). An hervorragenden Gebäuden
sind zu nennen : s. von der Nikitakirche im Gorochowsky Pereulok
das Konstantinow'sche Feldmesser -Institut (PI. 29, F 3) ; weiter in
der Gorochowaja das Lehrer-Seminar (PL 135) und eine Ähtheilung
des Findelhauses (PL 32, S. 304) ; in der Wosnessenskaja das Eli-
sabeth-Mädchen -Institut (PL 109) und gegenüber die lutfaer. iS^.
Michaeliskirehe (PL 62), 1576 im goth. Stil erbaut, später mehrfach
restaurirt.
Am Basguljai-Platz mündet 1. die von der Rothen Pforte kom-
mende Ntmaja B<umannaja (S. 301). Die Fortsetzung der Strasse bis
zum Jelochowsky-Flati (PL F 3) heisst Jelochowa, von da bis zur
Fokrowsky -Brücke (PL G 2) erhält sie den Namen Pokrowskaja
Uliza. Weiter 6. am 1. Ufer der Jausa liegt die Arbeitervorstadt
Freobrashenskoje mit grossen Fabriken.
Die erste Querstrasse welche von der Pokrowskaja in s. Richtung
abzweigt, ist die Deutsche S ti SkB b e (Njemezkaja Vliza), einst
der Mittelpunkt der früher hier gelegenen Deutschen Vorstadt, an
die noch einzelne Namen erinnern. Ö. davon liegt der belebte
Deutsche Markt {Njemezky Rynok, PL F3), der wichtigste in
den ostl. Stadttheilen. In der Nähe s. auf einem freien Platz an der
Jausa erhebt sich das Lefortowsky-Sehloti (Je«opTOBeKi8 /^Bopem;
PL 124, F G3), ursprünglich von Peter dem Gr. für seinen berühmten
Gehülfen Franz Lefort erbaut, von Paul I. umgebaut und jetzt von
Militärbeamten bewohnt. Daneben die kalt. tediBische Sehnle
(PL 141 F3), 1832 von der Kaiserin Maria Feodorowna gegründet
304 Route 22. MOSKAU. Findelhau«.
und für den Unterricht in den technischen Wissenschaften Tortreft-
lieh eingerichtet, die vornehmste techn. Lehranstalt in Rassland.
Wir üherschreiten die Jausa auf der steinernen SdUostbrücke
(Abopkobhü uocTb , PI. F 4). R. die Eothe Kaserne (KpacHiu xa-
sapMu; PI. 51, G 4), ehem. ein Theil des Golowin'schen Palastes,
mit der Infanterie 'Junkerschule und dem IV. Müitär 'OymnoMum
(PI. 39) ; dann 1. an dem grossen Kadettenplatz das Qolowin'sche Pa-
lais mit dem I. XL, IL KilitärgjrmnaBinm (PI. 38). Ursprünglich hatte
hier die Kaiserin Anna Iwanownasich eine Sommerresidenz, Annen-
hoff gebaut ; dieselbe brannte zweimal ab und Katharina II. liess dann
1767 durch den Architekten Rinaldi das jetzige stattliche Schloss
mit einem Kostenaufwand von 15 Mill. R. aufführen. Der Schloss-
garten , früher ein beliebter Spaziergang , ist jetzt ganz verwildert.
Gegenüber auf der 0. - Seite des Kadettenplatzes das Annenhof-
Wäldchen mit dem neuen Militär -Oefängniss (PI. 119).
N. vom Golowin-Palast am Lefortowo - Platz erhebt sich das
grosse Kriegshospital (BoenHiiü FocnHTaib ; PI. 96), ein mächtiges
Gebäude mit Raum für 2000 Kranke, von Peter I. gegründet, unter
Alexander I. nach Ssemenows Plänen umgebaut. In der Nähe 6.
der gut gehaltene Deutsche Friedhof (HlmenKoe KiaAÖimte, PL G 3).
— Wir kehren über die hölzerne Lefortowsky -Brücke (PL G3) zur
Pokrowskaja zurück (Pferdebahn s. S. 262).
g. Sfidöf tHoher StadttheU.
Vom Warwarka-Platz, vor dem gleichn. 6. Thor von Kitai-
gorod (S. 291; PL D4) führt die Ssoljanka s.o. zur Jausky-
Brücke (PL £ 4). In derselben ist r. der mit zwei Gruppen von
Yitali (Barmherzigkeit und Erziehung) geschmückte Haupteingang
zum grossen kaiserl. Findelhanae [Wosspitaielny Dom; PL 31,
E 4 ; Besichtigung So. 2 U. Nm. gestattet , an andern Tagen nur
mit specieller Erlaubniss des Directors), ein kolossales weisses
Häusercarr^. Dasselbe wurde 1763 von Katharina II. gegründet ;
später kamen der Yormundschaftsrath (s. unten) u. a., endlich die
Nikolai "Erziehungsanstalt für Waisenmädchen (s.u.) hinzu. Im
J. 1812 diente das Findelhaus als Hospital ; über 5000 Franzosen
liegen im Hofe begraben. Die Anstalt erhält einen Jährlichen Staats-
zuschuss von über 1 Mill. R., der hauptsächlich aus dem Ertrag des
Spielkarten- Verkaufs in ganz Russland herrührt. Die Einrichtungen
sind musterhaft. Die Zahl der jährlich aufgenommenen Kinder be-
trägt c. 14,000. Die Aufnahme erfolgt ohne dass nach den Namen
der Eltern gefragt wird; der Ueberbringer erhält eine Nummer,
unter der das Kind in das Empfangsregister eingetragen und gegen
deren Vorweisung es zurückgegeben wird. Das Hauptgebäude ent-
hält im ersten Stock die Empfangssäle, im zweiten die Speise- und
Schulsäle, im dritten und vierten die Schlafsäle.
Neben dem Haupteingang des Findelhauses in der Ssoljanka er-
hebt sich 1. der oben gen. Vommndsehaftsrath (PL 148), in welchem
Ssimonow -Kloster, MOSKAU. 22. Route, 305
Werthsachen, wichtige Papiere und Documente etc. aufbewahrt
werden; dann die Nikolai - Mädchenschule (PI. 108). Am s. Ende
der Ssoljanka führt die Jausky -Brücke (s. unten) in den am 1. Ufer
der Jausa gelegenen , meist von den ärmeren Klassen bewohnten
Rogoshskaja-Stadttheilj der nur wenig Sehenswürdigkeiten enthält.
Von der Brücke gelangt man 1. durch die Nikolo-Jam-
skaja und Woronja (Pferdebahn, Linie 10) zum Bogoshsky-
SsastawaiThoi) (PI. FÖ). In der Nähe n.w. auf dem hohen Ufer
der Jausa in malerischer Lage das Andronow^ oder Androniew-
( Mönchs-)KlosteT (Cnaco-AHApoHieBi MoHacTupb, PI. 70, F 4), 1361
vom Metropoliten Alexius erbaut, nach der Zerstörung 1812 neu
aufgebaut. Das Kloster hat 5 Kirchen; von dem 80 m h. Glocken-
thurm schone Aussicht.
Geradeaus , dann 1. abbiegend führt von der Brücke ein gleich-
falls von der Pferdebahn befahrener Strassenzug (Schwiwogor-
skaja, BcUwanowka, Taganka, Ssemenowskaja) zum Pokrowsky-
S(M^au7a(Thor) (PI. F 5). Innerhalb des Thores liegt r. das unter
dem Zaren Alexei gegründete Pokrowsky -Kloster (PI. 77); 8 Min.
jenseit des Thores L der Nishny- Nowgoroder BahnJwf {PI, 18, F5;
S. 263 u. 323).
Zurück zur Taganka, dann 1. durch den Ssemenowsky-Pereulok zu
dem unweit der Moskau hübsch gelegenen Vowosspassky-Monastyr
oder n6aenHeiland8kloBter(HoBOcnaccKifi ifOHacTupb;P1.74,E6), mit
5 Kirchen und 72 m h. Glockenthurm. Dasselbe wurde im xv. Jahrh.
von Iwan III. erbaut, 1570 mit hölzernen, 1640 mit steinernen Mauern
umgeben, in der Folge wiederholt durch Feuer zerstört, aber stets
wieder hergestellt. 1812 wurde es von den Franzosen geplündert, die
Kirchen in Baracken und Ställe verwandelt. Seinen Namen verdankt
das Kloster dem in der Kathedrale befindlichen wunderthätigen
Heiligenbilde, einem „Obras njerukotworennoi **, d.h. „nicht mit
Händen gemacht*, das durch Iwan III. aus Wjatka hierher kam.
Im Thorweg grosse biblische Gemälde ; hinter dem Altar der Haupt-
kirche die Portraits der 10 Patriarchen. Die Freskomalereien stellen
die Genealogie des Zaren Alexei Michailo witsch von der h. Olga
an , dann griech. Philosophen dar. In dem Kloster sind mehrere
Mitglieder des Hauses Romanow, u. a. Marfa. Mutter des Zaren
Michael Feodorowitsch , sowie zahlreiche Angehöriger andrer vor-
nehmer Familien begraben. Die Schatzkammer (Risniza) enthält
viele Kostbarkeiten, prächtige Kirchengewänder u.a. Auf dem Kirch-
hof der Grabstein der Nonne Dosythea Daragan, Tochter der Kaiserin
Elisabeth aus ihrer heimlichen Ehe mit dem Grafen Rasumowski.
Weiter nach S. gelangt man an der Krutizky- Kaserne (PI. 49)
und dem Pulvermagazin (PI. 130) vorbei zum Ssimonow - Kloster
(CMMOHOB'BlIIoHacTupb; P1.82,E7), am Ssirjfionowsky-Thor auf hohem
Ufersaum unweit der Moskwa gelegen. Im xiv. Jahrh. gegründet,
wurde das Kloster 1591 mit einer Mauer umgeben , trotz derselben
aber 1610 von den Polen und Litauern erobert. 1812 von den Fran-
Bussland. 3. Aufl. 20
306 Boute 22, MOSKAU. Samoskwarttichje,
zosen in ein Militär-Hospital yerwandelt, brannte es zum Theil ab
und wurde dann neu aufgebaut. Unter den 6 Kirchen ist die der
Mutter Gottes geweihte Hauptkirche besuchenswerth ; berühmter
Kirchengesang, namentlich an den Vorabenden der Festtage; reiche
Schatzkammer. Von dem 100 m h. Olockenthttrm prächtige Aus-
sicht über die Stadt. — Vor dem Ssimonowsky-Thor liegt der Ldain-
Teich (PI. £ 7), durch Karamsin's „arme Lisa^ bekannt.
h. Südlicher Stadttheil. Sperlingsberge. Worobjewo.
Der am s.Ufer derMoskwa gelegene Stadttheil, Samoskwaretsclge,
schon in früher Zeit wegen der Nähe des Kreml bevölkert, einst das
Tataren viertel Moskaus, ist jetzt' vorzugsweise von altrussischen
Kaufleuten bewohnt, die hier in stillen Strassen, kleinen von Gärten
umgebenen Häusern in der Weise ihrer Väter leben. Der Sehens-
würdigkeiten giebt es hier nur wenige; der Verkehr ist gering, im
Frühjahr bei Thauwetter in manchen Strassen kaum möglich.
Fünf Brücken führen über die Moskwa, der Kr ymsky, Kamenny,
Moskwarezky , üstinsky und Krassnocholmaky Most, Die Ka-
menny-Brücke {Bolschoi Kamenny- Mo st , „Grosse Steinerne
Brücke'',Pl.D5),1634-82erbaut und als eine der grössten und ältesten
Steinbrücken Busslands von jeher berühmt , wurde 1859 beträcht-
lich erweitert und der Steinbau durch eine von drei Pfeilern ge-
tragene gusseiserne Bogenbrücke ersetzt. ~ Die Moskwarezky-
Brücke (PL D4), 1830 vollendet, führt in gerader Linie über
die durch den Ahhitungs (Wodootwodny)-Kanal vom s. Stadttheile
getrennte Insel und die Gusseiserne Brücke {Tschugunny^
PL D5), dem Abfahrsort der Dampfer nach den Sperlingsbergen
(S. 262 u. 307), zur Pjatnitzkaja Uliza, die am Sserpuchowsky-Platz
(s. unten) mündet. In der Pjatnizkaja die Qalltrie Tretjakow, die
grösste Sammlung moderner russischer Gemälde (c. 2000 Nummern)
(Eintritt von 11-4 Uhr unentgeltlich).
Vom Bolschoi Kamenny-Most ausgehend, haben wir r. die aus-
gedehnten, Gebäude des früheren Winny und Ssoljanoi Dwor
(Branntwein- und Salz-Depot , PL D 5), jetzt theils den Bureaux
der Friedensrichter -Versammlung dienend, theils als Niederlage
vermiethet, 1. den Bolota-Platz {Bolotnaja Ploschtschadj S. 269),
den grössten Obst- und Fruchtmarkt Moskaus. Von hier auf der
Kleinen Steinernen Brücke über den Kanal ; dann r. über die Bol-
schajaJakimanka zum Kalushsky-PIatz (PLD6), wo r. der
von der Krymsky-Brücke (s. oben) kommende Krymsky- Wall ein-
mündet. Nach S. laufen von hier vier grosse Strassen aus, die
Kalushskaja, Donskaja, Schah olowskaja und Mytnaja, Durch die
letztere gelangt man am Konnaja Ploschtschad (Pferdemarkt,
S. 269) vorbei s. zum Sserpuchowsky-Sastawa (Thor) (PL D 7),
in dessen Nähe die grosse neue Alexander -Caseme (PL 44), das
PaulS'Hospital (PL 98) und das angeblich 1272 von dem Gross-
Alexandrinen -Palais, MOSKAU. 22. Route. 307
fürsten Daniel Alexandrowitsch gegründete DanilowBky {.Mönchs-)
Kloster (PL 71), das älteste der Stadt.
Am Ende der Donskaja erhebt sich das yon einer mächtigen
viereckigen Mauer umgebene Donskoi - Kloster oder Kloster der
Mutter Gottes vom Don (^ohckoS HysecKoä MOHacTupb, PI. 72, 07),
1592 vom Zaren Feodor I. Iwanowitsch zum Gedächtniss des von
Boris Godunow über die Tataren unter Kasa Girej erkämpften
Sieges erbaut und nach dem Bilde der h. Mutter vom Don, unter
dessen Schutz die Russen sich begeben hatten, so benannt. Inner-
halb der 1712 vollendeten hohen rothen Mauern liegen 9 Kirchen
und Kapellen , ein Birkenwäldchen , mehrere Gehöfte und Woh-
nungen für den Archimandriten und die Mönche, sowie der Fried-
hof mit den Grabmälern vieler vornehmen Familien und hervor-
ragender Personen. Die Hauptkirche, 1684 von Katharina, der
Schwester Peters I. erbaut, enthält eine Anzahl von Freskobildern,
meist Darstellungen aus der biblischen Geschichte, sowie den
höchsten Ikonostas in Moskau ; neben der heil. Thür ein Bild des
Erlösers und das mit vielen Edelsteinen verzierte Bild der heil.
Mutter vom Don. Im J. 1812 wurde das Kloster von den Franzosen
geplündert, erhielt aber aus der Feldzugsbeute der Donschen Ko-
saken reichen Ersatz.
In der Kalushskaja eine Reihe von Wohlthätigkeitsanstalten :
d&s Bürger- Armenhaus (PI. 6), das Stadt- Krankenhaus (PI. 101) und
das Qolizyn'sche Krarikenhatbs (PL 93), 1802 für Kranke aller Natio-
nalitäten gegründet. Dann folgt r. das auf einerAnhÖhe an derMoskwa
gelegene Alezandrinen-Palais (AjeKcaHxpHHCKiM Asopem, PL 123),
einst Eigenthum des Grafen Orlow-Tschesmensky, seit 1817 hin
und wieder kais. Sommerschloss (Erlaubniss zur Besichtigung im
Bureau des Polizeimeisters, S. 284). Das Innere ist]J einfach ein-
gerichtet; vom Dach prächtige Aussicht.
Der zum Schloss gehörige ^Nesskatsclmy (Sanssoaei)-Fark (He-
cKy^Hurä ca^i, PL 07) ist der schönste und bestgehaltene der Mos-
kauer öffentlichen Parks (tägl. 9 U. Vm. bis 9 ü. Nm. geöffnet). Die
reizenden Anlagen des mit prächtigen Baumgruppen, Blumenbeeten,
Teichen , Pavillons etc. geschmückten Gartens ziehen sich an dem
ansteigenden s. Ufer der Moskwa bis zum Flusse hinab und ge-
währen von verschiedenen Punkten reizende Aussichten auf die
Stadt. In der Orangerie schöne tropische Pflanzen.
Vom KaZushsky-Sastawa (Thor) (PL 0 7) kann man, wenn man
zu Wagen gekommen ist, den Ausflug bis zu den noch SVs km
entfernten Sperlingsbergen ausdehnen (Dampfschiffe von der Tschu-
gunny-Brücke und Pferdebahn, Linie 12, s. S. 262). R. das Alexe-
Jewsky-Armenhaus (Bogadjelnaja , PL 9) , weiter das hochgelegene
ehemalige Landhaus des Sonderlings Grafen Mamonow (PL 112),
jetzt Heilanstalt für Geisteskranke. Von hier führt ein schlechter
lehmiger Fahrweg in */4 St. auf die **Sperll]i9sberge ( Worohjewy
Gory), welche eine unvergleichliche Aussicht auf das Thal der
20*
308 Route 23. TSCHERKISOWO. Umgehungen
yielgewundenen Moskwa und die von zahllosen TMrmen und
Kuppeln überragte Zarenstadt darbieten , besonders hervor tritt die
ErlÖserkirche (S. 294; Besuch nicht zu versäumen). Der Anblick
ist gleich grossartig bei Sonnenuntergang wie in einer klaren Voll-
mondnacht oder an einem hellen üVintertage , und erinnert ganz an
den Orient. An der Stelle, von wo Napoleon am 14. Sept. 1812 vor
dem Einzug die Stadt beobachtete , befindet sich jetzt ein Restau-
rant (gut) mit Aussichtsveranda.
Das am s. Bergrande sich hinziehende Dorf Worobjewo (Bo-
po6i>eBO) ist eine besuchte Sommerfrische. Hier wohnten alljähr-
lich während einiger Monate die Vorfahren Iwan's des Schreck-
lichen und dieser selbst. Au der Stelle des heutigen Schlosses (3a-
uoKi) stand noch zu den Zeiten der Kaiserin Elisabeth das alte
hölzerne Dworez, in dem auch der Zar Boris Feodorowitsch zu-
weilen wohnte. Das Birkengehölz soll Peter d. Gr. mit eigenen
Händen gepflanzt haben. — Von hier nach Troizkoje, Pokrowskoje
etc. s. S. 311.
Ein Fussweg führt den steilen Abhang der Sperlingsberge hinab
zur Moskwa und dem Landungsplatz der Dampfschiffe und Ruder-
boote. Ebenda die Fähre nach dem jenseitigen Ufer, von wo der
Fahrweg über das Jungfernfeld (S. 295) zur Stadt führt.
23. Umgebungen von Moskau.
Wie Moskau das Andenken an den Glanz des alten Zarenthums be-
wahrt, so erinnern die vielen prächtigen Schlösser und Edelsitze seiner
Umgebung an die Zeit eines reichen, prachtliebenden Bojarenthums. Was
landschaftliche Schönheit anlangt, kann sich Moskau sehr wohl mit St. Peters-
burg messen. Am schönsten ist es im Frühjahr^ im Juli ist am Tage die
Hitze erdrückend, oft bis zu 37° C, die Abende dagegen sind kühl.
Die meisten interessanten Oertlichkeiten der Umgebung von Moskau
liegen unweit der Bahnen. Doch ist es bequemer, für eine bestimmte
Zeit mit einem Iswoschtschik (S. 262) ein Abkommen zu treffen. Nach
den besuchteren Ausflugsorten gehen mehrmals täglich Lineiken^ 6-8 sitzige
Wagen in der Art der Omnibus, nur von den niederen Volksklassen be-
nutzt; dieselben fahren ab sobald alle Plätze besetzt sind, stellen aber
Abends ihre Fahrten ein.
1. TscherkiBowo. Ismailowo.
Wir verlassen Moskau durch den am n.ö. Ende der Stadt ge-
legenen Preohrashensky-Sastawa (PI. Hl). Vor demselben r. am
Chapüowsky-Bach das Kloster und der Kirchhof der Altgläubigen.
8 W. Tseherkisowo (HepKHSOBO) , uraltes Dorf, ehemals Fa-
rn ilienstammgut des Metropoliten Alezius (S. 286) , Ist heute noch
Sommer -Residenz der Moskauer Metropoliten. In dem 1764 er-
bauten, eihfach eingerichteten erzbischößichen Haus (ApxiepeHcKÜi
XOMi») unter andern alten Bildern ein Portrait Peters des Gr. mit
Spuren franz. Kugeln. Am ö. Ufer des Sees , in den die Ssossenka
fiiesst, ein 1819 von Bischof Serapion erbautes Armenhaus.
von Moskau. KOSSINO. 23, Route. 309
10 W. l8]nailowo(4Bop]tOBoe iiapcKoe ceioHsiiaHJOBo), das alte
Stammgut der Familie Romanow, ehemals eine Musterfarm der Zaren
und häufig Aufenthalt derselben. Alexei Michailowitsch erbaute die
JSTircÄe, welche von Feodor III. Alexejewitsch 1679 umgebaut wurde.
Das von Alexei auf der Insel zwischen dem Sserebrowka-Bach
und dem Winogradny-Teich errichtete Schloss existirt nicht mehr;
auf seiner Stelle erhebt sich inmitten von Parkanlagen das 1849
nach Thon's Plänen (f 1881) erbaute neue Nikolai-Ismailowsky-
Invalidenhaus (HHKOjaeBcxafiHsiiaHJOpcKaa BoraA'biBHfl), ein ziem-
lich regelmässiges Viereck bildend. In dem an jeder Seite von
Thürmen flankirten Hauptgebäude die Wohnungen der Pensionäre
(Offiziere , Unteroffiziere und Mannschaften). Neben demselben 1.
das Maschinenhaus, welches alle Räume mit Wasser versorgt, hinter
ihm die Kellereien ; r. vom Hauptgebäude das zweistöckige Haus
für die Pensionäre des ehem. Generalgouverneurs Grafen Sakrews-
ky, mit prächtigem Einfahrtsthor. — Auf dem andern Ufer des
Teiches der Winogradny-Oarten (BHHorpaAHUü ca^i) , zum kais.
Familiengute Ismailowo gehörig ; einen Theil desselben überwies
1865 Kaiser Alexander II. dem Hospital als Küchengarten. — Der
Wald von Ismailowo^ „Swerinez" (Thierpark) genannt, enthält
viele malerische Partien und bedeutende Bienenzüchtereien, auch
eine Versuchsstation für Seidenzucht, wird aber nur selten besucht.
2. Kusskowo. Kossino.
Zu Wagen oder mit der Bahn. In letzterm Falle benuzt man ent-
weder die Bahn Moskau - Nishny (S. 323) bis zur (7 W.) Stat. Kusskowo
(26, 19, 9Kop.), oder die Bahn Moskau ^Bjäsan (S. 383) bis zur (9 W.)
Stat. Perowo, in der !Nähe von Kusskowo und Kossino (34, 25, 13 Kop.).
12 W. XuBBkowo (KycKOBo) ist ein altes Familiengut der Grafen
Scheremetjew. Das prächtig eingerichtete Herrenhaus enthält eine
Anzahl reich decorirter Zimmer und eine Gemälde- Gallerie (500
Bilder); in der Nähe die Eremitage, zuweilen als Speisesaal ge-
braucht, und eine Muschelgrotte. In dem gut gepflegten Garten eine
Orangerie sowie zahlreiche Marmorstatuen, Büsten u. s. w. Die
Büsten und zwei Säulen schenkte Katharina II. dem Grafen Peter
Scheremetjew; die metallnen Inschrifttafeln wurden 1812 von den
Franzosen, welche sie für Gold hielten, geraubt.- In der Kirche
einige kostbare Gerät he.
Yon Kusskowo führt ein Fussweg durch den Wald südl. nach dem
Weissen See (Btioe Osepo), an welchem in anmuthiger Lage das Dorf
15W. KoBBino (KocHHo). Dicht am Seeufer dieKirche des wunder-
thätigen heü. Nikolaus (UepKOBb CnfiTaro HHKOiafl MyAOTSopua),
167Ö erbaut , mit Thürmen , Schiessscharten u. s. w. ; in derselben
ein Bild des heil. Nikolaus, welches der Sage nach am heiligen See
(s. u.) aufgefunden wurde, Gegenstand der Verehrung für zahlreiche
Wallfahrer. Die zweite Kirche des Ortes, die Troizkaja- Kirche,
1823 erbaut, bewahrt in einem diamantbesetzten Schrein ein aus
Modena stammendes Madonnenbild, welches Peter d. Gr., der zeit-
310 Rouie 23. KOLOMENSKOJE. Umgehungen
weilig in Kosslno sich aufhielt, im J. 1717 schenkte. Das alte
Schloss (EapcKitt Aom) und der Garten sind verfallen.
Der Heilige See (CßaToe Osepo), IV2 W. s.o. von Kosslno, ist ein
klares, tiefes Gewässer von c. 420 m Durchmesser. An der N.W.-Seite
dicht am Ufer eine alterthümliche kleine Kapelle mit 2 Kuppeln,
die Stätte des wunderthäti gen Bades bezeichnend, zu dem alljährlich
im Sommer Tausende von Pilgern nach Kossino kommen.
8. Ijublino. Zaridno. Kolomenikoje.
Moskau -Kurssker Eisenbahn (S. 376): bis Ljublino in 16-31 Xin. für
88, 29, 15 Kop. ; bis Zarisino in 90-40 Min. für 66, 60, 25 Kop.
9 W. Ljublino (Jioöjhho), mit zahlreichen freundlichen Datschen,
liegt in waldigerUmgebung amRandeu.denUferhügeln eines hübschen
Sees. Das Herrenhaus mit reich dekorirten Zimmern, früher im Besitz
der Familie Durassow, ist nur mit specieller Erlaubniss des Jetzigen
Besitzers Hrn. Golowtejew zugänglich. Schöner Garten u. Park ; neue
hölzerne Kirche im altruss. Stil. — 2V2 W.o. von Ljublino liegt Kns-
minski, gleichfalls mit zahlreichen Villen ; das dem Fürsten Golizyn
gehörige Schloss, mit Bildern von Rubens u. a., ist nicht zugänglich.
Weiter über (11 W.) Pererwa^ Haltstelle für Kolomenskoje
(s. unten), dann über die Moskwa.
16 W. Zarizino (UapiuHHo), ein von Peter d. G. an den Moldau-
ischen Fürsten Kantemir geschenktes , 1774 von der Kaiserin Ka-
tharina II. zurückgekauftes und mit seinem jetzigen Namen belegtes
Dorf. Es befindet sich hier ein halbvollendetes und jetzt als Ruine
dastehendes Schloss, dessen Bau Katharina sistiren liess, weil es ihr
den Eindruck eines von Candelabern (den Thürmchen) umgebenen
Sarges machte, worauf sich der Architekt des in der That düstern
bizarren Gebäudes erhängte. Neben dem Schlosse das gleichfalls
unvollendete Schlosstheater und ein ausgedehnter Park im engl.
Stil mit Teichen, Brücken, Grotten, Pavillons u. s. w. — Der Weg
von der Eisenbahnstation zur Schlossruine (V2 W.) führt an dem
sog. Orlowschen Garten (Restaur. u. Theater) vorbei, dann über den
Damm , welcher den grossen Teich von Zarizino in zwei Hälften
(Zarizinsky- u. Borissowsky-Teich) schneidet.
Von der Stat. Zarizino führt n.w. ein Weg an den steilen üfer-
höhen der Moskwa entlang über die Dörfer Ssäburowo, Bjelejetena
und DJakotjpskoje nach (2 W., 10 W. von Moskau)
Kolomenskoje (KoiOHeHCKoe), grosses Dorf in hübscher Lage am
r. Ufer der Moskwa, von Bewohnern der Stadt Kolomna gegründet,
die beim Einfall des tatar. Chans Baty (1237) aus ihrer Heimat
flohen und sich hier niederliessen. Der Grossfürst Wassily Iwano-
witsch baute die 1533 eingeweihte Kirche zur Himmelfahrt und
den alten Sommerpalast, einst Lieblingsresidenz Iwans des Schreck-
lichen, häufig besucht auch von Peter d. Gr., der beim ersten Auf-
stand der Strelitzen (1. Sept. 1682) hierher in Sicherheit gebracht
wurde. Auf der Stelle des baufällig gewordenen alten Palastes er-
^on Moskau. DAWIDKOWA. 23. Route, 311
baute 1767 Katharina 11.^ ein neues Schloss, von dem aber nur ver-
fallene Ruinen noch übrig sind. Im Schlosspark wird eine alte Eiche
gezeigt, unter der Peter d. Gr. lesen gelernt haben soll.
4. Kunsewo. Pokrowtkoje. Troiikoje.
Tour zu Wagen (dareh den Dorogomilow - Sastawa, PI. A5) odermit
BenutBung der Bahn Moskau -Brest (8. 348) bis (11 W.) Stat. Kunaewo.
9 W. Ximiewo (KyniieBo) ist ein anmuthiges Yillendorf (kein
Whs. vorhanden), ehemals Eigenthum des Zaren Alexei Michailo-
witsch , der es seinem Schwiegervater Eyrill Poliewktowitsch Na-
ryschkin schenkte. Es gehört seit 1849 zum Theil dem Moskauer
Handelsherrn Ssolodownikow, welcher einige Villen erbaute und
einen Park mit grossem Geschmack anlegte; ein anderer Theil sowie
ein altes Herrenhaus wurde 1865 vom Commerzienrath Ssoldatenkow
erworben. Im Garten des letztern der sog. verwünschte Platz (Dpo-
KiflToe MliCTo), angeblich ehemals ein tatarischer Begräbnissort; ein
hier gefundenes mongol. Götzenbild (sog. steinerne Bdba) ist im
Garten aufgestellt. Dem Herrenhaus gegenüber ein Obelisk aus sibir.
Marmor, 1841 errichtet, nach der Inschrift 1769 von Katharina II.
dem Leo Naryschkin gewidmet. Nahe der Orangerie steht eine Oranit~
Pyramide mitDoppeladler und dem Namenszuge Alexander'sl. sowie
der (russischen) Inschrift: „Am 4. Juli 1818 dankte der preussische
König Friedrich Wilhelm III., als er Moskau von Kunzewo aus sah,
der Stadt für die Rettung seines Reiches.'' Die 1730 erbaute Kirche
enthält einige alte Bibeln, 1500 und 1570 in Wilna gedruckt, und
eine von Natalie Naryschkin , der Mutter Peters des Grossen ge-
stickte Kelchdecke.
10 W. Dawidkowa (^aBHAKOsa AepesHi) , hübsches Dörfchen,
südl. von Kunzewo, beliebter Sommeraufenthalt der Moskauer. Auf
dem andern Ufer des Flüsschens, an welchem Dawidkowa liegt, das
dem Moskauer Bürger Chwoschtschinsky gehörige Gut Wolmskoje
(Bojuacioe) mit vielen Villen und Gärten. — Auf der grossen Peters-
burger Strasse nach Moskau zurückkehrend, erreichen wir
(Ö W. von Moskau) Fokrowskoje (DoxpoBCKoe), ein grosses Kirch-
dorf, vordemjdem Oheim Peter's d.Gr., Leo Kyrillowitsch Naryschkin,
gehörig, der 1693 nach Niederwerfung des Strelitzen- Aufstandes die
Kirche zu Maria Schutz und Fürbitte erbaute. Der Sage nach soll
Peter mehrfach Pokrawskoje besucht und auf dem Chore der durch
ihre bizarre Bauart wie durch ihre alten Heiligenbilder bemerkens-
werthen Kirche gesungen haben. Der Zaren -Platz auf der westl.
Seite der Kirche bezeugt, dass die zarische Familie hier zuweilen dem
Gottesdienste beiwohnte. 1812 wurde die Kirche von den Franzosen
geplündert, der untere Theil in Ställe für die Pferde, der obere in
eine Schmiedewerkstatt umgewandelt. In dem ^/^ St. entfernten
Dorfe Fili (<&hjh) bezeichnet eine Tafel das vor einigen Jahren re-
novirte Häuschen , in welchem 1812 nach der Schlacht bei Boro-
dino der russische Kriegsrath abgehalten wurde, welcher die Räu-
312 Route 23. PETBOWSKT-PARK. Vmpebimgen
miing Moskaus beschloss. >— Auf dem andern Ufer des Eamenka-
Flüsschens
(7 W. von Moskau) Troiskpje Golanitektseliewo (Tpoimoe-roje-
HHmeBO), altes Dorf, einst Lieblingsaufenthalt der Metropoliten und
Patriarchen Moskau's, jetzt der kaiserlichen Familie gehörig. Aus
früherer Zeit noch die Kirche der belebenden Dreifaltigkeit (Xpan
3KiiBOHa<iajifcHu8 TpoMnu), 1644 erbaut. — Von hier über die Po--
klannaja Qara (ÜOKiOHHafl Fopa) nach Worobjewo s. S. 308.
5. Fetrowiky-Park. Petrowsko-Baramowskoje. TubcUbo.
Archangelskoje. I^inskoje.
Der Petrowsky-Park ist am besten mit Pferdebahn (6. 263, Linie 6)
zu erreichen. Zu der weitern Tour nach Sykowo etc. nimmt man am
besten einen Wagen oder benutzt allenfalls die vom Strastnoi - Kloster
mehrmals täglich nach Petrowsko-Rasumowskoje fahrenden Lineiken (Fahr-
zeit 1 St., Fahrpr. 35 Kop.). Zu Wagen ist dieser Ausflug leieht mit der
vorigen Tour zu verbinden. Gute Chaussee von Moskau über Tuschino
längs der Moskwa bis Iljinskoje; von hier Brücke über die Moskwa
zur Strasse Moskau -Swenigorod, auf der wir direct Kunzewo (8. 311)
erreichen. — Kikolai-Kisenbahn i>is zur ersten Station (8 W.) Petrowsko-
Rasumowskoje (U. Gl. 50, IIL Gl. 26 Kop.); s. S. 259.
Von der Triumphpforte (S. 297) führt die grosse St. Petersburger
Chaussee an zahlreichen hübschen Datschen und der Kunst- u, Ge-
werbe-Ausstellung von 1682 vorüber zum ^Petrowiky-Fark (üerpoB-
CKift üapKi, PL A B, 1, 2). L. dehnt sich das ungeheure Chodynka-
Feld aus , jenseit dessen man in der Ferne die welsssohimmemden
Militär -Sommerlager der Moskauer Garnison erblickt; näher an der
Stadt die Rennbahn, auf welcher mehrmals jährlich sehr besuchte
Pferderennen abgehalten werden.
Das Fetrowsky -Schloss , 1776 unter Katharina II. erbaut, 1812
von Napoleon I. bewohnt, nach seinem Abzüge von den Franzosen
geplündert und in Brand gesteckt, 1840 im lombard.-gothischen Stil
neu gebaut, ist ein stattliches zweistöckiges Gebäude mit Säulen-Peri-
styl (Besichtigung des Innern interessant; £rlaubnis8 imHofcomtoir
S. 284). Von dem das Hauptgebäude überragenden Thurm hübsche
Aussicht. Den Schlosshof umgiebt eine mächtige, mit Thürmen,
Zinnen und Schiessscharten versehene Mauer , wie das Schloss aus
rothen Ziegelsteinen mit weissen Verzierungen aufgeführt. — Im
Petrowsky - Schloss steigen die russischen Herrscher vor der KrÖ*
nung ab , um von hier aus in feierlichem Aufzug in den Kreml zu
ziehen.
Der Petrowsky-Park, 1834 von Kaiser Nikolaus angelegt, aber
jetzt etwas verwahrlost, war mit seinen Datschen, Alleen und Bos-
quets früher der Haupt-Schauplatz des Moskauer fashionablen Le-
bens und Treibens. Jedoch sind die Landhäuser des hohen Mos-
kauer Adels jetzt meist im Besitz von Kaufleuten oder in Yer-
gnügungslocale verwandelt. Der Park enthält ein Sommertheater
(S. 265); mehrere Restaurants {Mauritanien, Gartenlaube u. a.) und
van Moskau, ARGHAN6ELSK0JE. 23, Route. 313
das Sommerlokal des deuUchen Clu^s (S. 265) ; in der Östl. Hälfte
ein Teich mit Badehäusern.
N.ö. vom Petrowsky - Park vor dem Butyrskaja-Sastawa liegt
Butyrki (PI. B C 1), Vorstadt von Moskau mit zahlreichen Som-
mervillen.
Den Park in n. Bichtung durchwandernd , gelangen wir üher
(7 W.) Sykowo (Sukobo), mit niedlichen Datschen, nach
10 W. Petrowskoje-Basumowskoje (neTpoBCKoe-PasyHOBCKoe).
Das Schloss wurde von dem Bojaren Naryschkin für seinen Enkel,
den spätem Zaren Peter I., erhaut. Peter hielt sich in seiner Jugend
häufig hier auf und arbeitete eigenhändig mit an der Verschönerung
des Parks ; mehrere alte Linden soll er selbst gepflanzt haben. 1776
schenkte Katharina II. das Besitzthum dem Grafen Basumowski ;
dieser verschönerte Q arten und Park und erbaute ein prächtiges
Schloss, das später von der Regierung angekauft wurde. Jetzt be-
findet sich hier die land- tmd forstwirthschaftliche Akademie , die
bedeutendste landwirthsch. Lehranstalt in Bussland (c. 260 Stud.),
mit reichen Sammlungen, Bibliothek, botan. Garten, Baumschule
und Musterfarm. Hinter dem botan. Garten ein grosser gut gehal-
tener Park (unweit des Eingangs SommertDirthsch,).
lieber Koptewo (KomeBO), einen beliebten Sommeraufenthalt der
Moskauer, nach dem Dorfe
(7 W. von Moskau) W8esswjat8koje(Bc1icBflTCKoe), an der Chaus-
see nach Tuschino gelegen. Hier befindet sich ein Asyl für kranke
und verwundete Krieger ; im Sommer wohnen hier viele Familien
der in dem Militärlager auf der Ghodynka liegenden Offiziere.
15 W. Taschino und Sspaaskoje (TymHHO h CnacKoe), Dörfer an
der grossen Strasse nach Wolokolamsk , am Einflüsse der Wschodna
in die Moskwa gelegen, gehörten bis 1764 dem Troiza-Kloster und
stehen jetzt unter der Verwaltung des Ministeriums der kaiserlichen
Domänen. Tuschino, aus einer Hauptstrasse bestehend, war das
Hauptquartier des falschen Dmitry IL (1607-1609) ; noch ist ein
Theil des Walles übrig, welcher sein Zelt umgab. — An der Moskwa
entlang, über Pawschino und Qaijewo gelangen wir nach
23 W. Archangelskoje (ApzaHrej^CKoe), grosses Dorf mit vielen
Datschen der Moskauer, an der Moskwa reizend gelegen. Auf einer
Anhöhe das von Bastrelli erbaute Herrenhaus (BapcKifi AOiii) mit
Säulenfa^ade , einst dem Grafen Basumowski, jetzt dem Fürsten
Jossupow gehörig. Das glänzend eingerichtete Innere (reiche Bi-
bliothek) ist unzugänglich; prachtvolle Bundsicht. Der schöne
Park , am Abhang nach der Moskwa hin , enthält zahlreiche Mar-
morstatuen und eine Orangerie mit riesigen Orangenbäumen.
27 W. Ujinikoje (HibHHCKoe), in hübscher Lage an der Moskwa,
früher dem Fürsten Gollzyn gehörige, jetzt kais. Lustschloss mit
schönem Park (Karten zur Besichtigung des Schlosses tägl. 10-3 U.
im Apanagencomptoir , Pretschistensky-Boulevard in Moskau) be-
rühmter Musterfarm.
314 Route 24. ALEXE JEWSKO JE.
Von Iljinskoje über Kanzewo , durch den Dorogomilo^^Ssas-
tawa oder besser auf der neuen Chaussee und dem Twer'schen Weg
zurück nach Moskau.
6. Osstankino. Taninskoje. Alexejewskoje.
Tour zu Wagen. Na«h Oastankino fahren im Sommer Lineüen (&. 306;
Abfahrt stündlich vom Trubnaja-Plats dem Reataur. Ermitage gegenüber,
35 Kop.). — Taninskoje liegt 5 km s.w. Ton der Eisenbahn-Station Gross-
Mytisehtsehi (S. 315).
Die Jarosslawer Strasse führt vom Krestowsky-Ssastawa n. am
Rande der Marina l^osc^^^cAa (M apiHHa Poiua , ^Marien-GehSlz'')
vorbei nach
4 W. (von dem Ssastawa) OBBtankino (OcTaHKHHo), alte Besitzung
der Grafen Scheremetjew , mit vielen Sommervillen , ist einer der
schönsten Punkte in der Umgebung von Moskau. Das an einem
künstlichen See gelegene Schloas (Erlaubniss zur Besichtigung beim
Verwalter), Ende des vor. Jahrh. im röm. Villenstil aus Holz erbaut,
enthält eine Reihe hübsch eingerichteter Zimmer und ein Haus-
theater (im Obern Stock). Aus den Fenstern des Schlosses ♦Aussicht
auf Moskau durch einen Durchhau der Marina Roschtscha (s. oben),
der während eines Besuches des Kaisers Paul in einer einzigen
Nacht durch Tausende von Arbeitern hergestellt wurde , um den
Zaren zu überraschen. — Neben dem Schlosse die 1668 im rus-
sischen Stil erbaute * Kirche, neuerdings renovirt.
Zum Schlosse gehört ein grosser Park mit stattlichen Bäumen
(darunter die angeblich von Peter d. Gr. selbst gepflanzte Peters-
oder Helden - Eiche) , Marmorstatuen u. s. w. Am Ende desselben
ein Teich u. eine Wiese mit Ständen von Ssamowar-Vermietherinnen.
Die Jarosslawer Strasse führt von Osstanklno n. weiter nach (1 W.)
Ra^tokino', hier auf 356 m 1. Brücke (von Katharina II. mit Unge-
heuern Kosten erbaut) über die Jausa, dann 1. über (1 W.) Leonowo
(JeoHOfio), der Familie Demidow gehörig, nach (1 W.) Sswirlowo
(CBHpiOBO), an der Jausa gelegenes Gut des Hrn. Ghalatow, mit
Fabriken u. hübschem Park. — N. führt von Leonowo ein Fahrweg
längs der grossen Moskauer Wasserleitung (s. unten) nach
5 W. Taninskoje (TaHHHCKoe), Dorf am 1. Ufer der Jausa. Das
ehemalige Lustschloss der Zaren ezistirt nicht mehr. Die alter-
thümliche Kirche verdient einen Besuch. — Von hier zur Stat.
Mytiichtschi (S. 315) 5 W.
Von Rastokino (s. oben) nach Moskau zurück führt eine Strasse
über (2V2W.) Alezejew8koje(AieKC1ieB€KOe), einst Lieblingsaufent-
halt des Zaren Alexei Michailowitsch , dessen Schloss im J. 1812
wegen Verfalls abgebrochen wurde, mit den beiden Dampfmaschinen
für die Gr.-Mytischtschi-Moskauer Wasserleitung (S. 315) ; weiter
über den Datschenort Bogorodskoje (BoropoxcRoe) und durch den
Ssokolniker Wald (S. 301).
315
24. Von Moskau nach Jarosslawl und Wologda.
Troiza- Kloster.
Eisenbahn, nach Trolza-Kloster 67 W. in 2l/i St. für2.ö0, 1.88,0.92B.;
nach JaroMlawl 261 W. in 11 St. für 9.79, 7.34, 3.45 B.; von Jaroulawl
nach Wologda 192 W. in II1/3 St. für 7.20, 5.40, 2.76 B.
Für die Tour von Moskau nach l^ishny-Kowgorod wird nicht selten
der Weg über Jarosslawl gewählt, der zwar mehr Zeit beansprucht, aber
wegen der Dampfschifffahrt auf der Wolga (S. 337) interessanter ist als
die directe Eisenbahnfahrt.
Abfahrt vom Jarosslswer Bahnhof (PL E 2, 3). Die Bahn durch-
schneidet den Ssolcolniker Wald, welter bei Alexejewskoje über die
Jausa, durch hügeliges Ackerland ; 1. die grosse Moskauer Wasser-
leitung.
17 W. MytisehtBchi (Huthiiih}, Station für Oross-Mytiachtschi,
Dorf und Datschenort, ehemals den Zaren gehörig, bekannt durch die
grossartigen Moskauer Wa8$erwerke, 1779 unter Katharina II. vom
General Baier begonnen, 1853-58 mit einem Kostenaufwand von
1^/2 Mill. R. hergestellt. Aus 43 Quellen wird das Wasser (tägl.
550,000 Eimer) durch den Aquäduct (BoAonpoBOAHafl Tpy6a) nach
Alexejewskoje (S. 314) geleitet und von hier durch Dampfkraft In
den Ssucharew-Thurm (S. 299) getrieben.
28 W. Paschkino (nyinniHo), grosses Dorf mit zahlreichen
Datschen u. Fabriken (Webereien , Rothgarnfärbereien u. s. w.),
schönem Fichtenwald und kleinem See.
lieber (42 W.) Talizy durch anmuthige Gegend nach
56 W. Chatkowo (XatbKOBo), hübsch gelegen, mit 1308 gegrün-
detem Nonnenkloster (interessante Wandgemälde ; am Eingange ein
kleines Qasthaus),
66 W. Stat. Ssere^ewsky-PoBsad (CeprieBCKÜi üocaAi; Bahn-
restaur.; 15 Min. Aufenthalt). An der Station Wagen (30-50 Kop.) in
die Stadt (zwei mittelmässige Gasthäuser, beide vom Kloster unter-
halten; Z. 75 Kop.-3 R.). Ssergiewsky-Possad , an der KonUchura
und Qlimiza in malerischer Umgebung gelegen, ist ein nicht unbe-
deutender Ort, der alljährlich von über 100,000 Wallfahrern besucht
wird ; dreimal jährlich grosse Messen. Wer nur das Kloster besuchen
will, geht direct vom Bahnhof dorthin; Zweisp. vom Bahnhof nach
dem Kloster und nach Gethsemane oder Bethanien u. zurück 1^/2 R.
Das Troiza-Ssergiewskaja- Kloster (Ceprta TpoHUKaa Jaapa),
das Dreifaltigkeitskloster des h. Sergius, auf massiger Anhohe ge-
legen, ist nächst dem altberühmten Kloster zu Kiew das vornehmste,
reichste und historisch bedeutendste des Landes. Die hohe gezackte
und mit 8 Thürmen versehene Ringmauer des Klosters umschliesst
12 Kirchen und Kapellen in allen möglichen Baustilen mit unzäh-
ligen Thürmen und Kuppeln, die in Gold und Farben glänzen,
einen kaiserl. Palast, eine theolog. Akademie mit werthvoUer Bi-
bliothek , die Wohnung des Archimandriten und eine Menge an-
derer grosser Gebäude, in welchen sich Refectorium uiid Zellen der
Mönche, Wohlthätigkeitsanstalten, ein Kaufhaus u. s. w. befinden.
316 Route 24, TROIZA- KLOSTER. Von Moikau
Zur Geflchichte. Abt Sergiu»^ der Sobn eines verarmien Rosstow-
schen Bojaren, legte 1338 den Grand 2U dem Troiza - Kloster auf einem
kleinen Berge, 60 W. von Moskau, erbaute hier mit eigenen Händen die
hölzerne Dreifaltigkeits - Kirche und sammelte Mönche um sich, die der
Buf seiner Tugend und Gottesfurcht aus weiter Ferne herbeirief. Sergius
erwarb sich bald ein so hohes J^nsehen, dass der Metropolit Alexius bei
seinem Tode ihn für den würdigsten Nachfolger auf dem Metropoliten-
stuhle erklärte. Wenige Jahre nach seinem 1393 erfolgten Tode verheerte
eine Horde Tataren Moskau und zerstörte auch das Troiza-Kloster. Kaeh
dem Rückzüge der Tataren fand der Nachfolger Ssergei^s, Nikon, unter
den Trümmern des Klosters den unversehrten Leichnam seines Vorgängers.
Die Kunde von der wunderbaren Erhaltung des Körpers des h. Ssergei
verbreitete sich weithin, und die Gläubigen strömten herbei, um an seinem
Grabe zu beten. Bald war das Kloster von neuem entstanden und in der
Mitte des xvi. Jahrh. wurde es mit einer steinernen Ringmauer umgeben.
Iwan der Schreckliche erbaute daselbst zwei prächtige Kathedralen, einen
steinernen Palast und einige Wohnungen für die Mönche, und gewährte
dem zur Würde eines Archimandriten erhobenen Igumen ausserordent-
liche Bereehtigungen. 9 Mönchs- und 2 Nonnenklöster befanden sich in
einer gevvissen Abhängigkeit von dem Dreifaltigkeits-Kloster. Viele Dörfer
und etwa 120.000 Leibeigene gehörten ihm und es vermochte angeblieh
20,000 wehrhafte Leute zu stellen. Eine der ruhmvollsten Thaten in der
Geschichte Busslands ist die heldenmüthige Vertheidigung des Klosters
durch die Mönche während der 16monatliehen Belagerung durch das
30,000 Mann starke Heer der Polen unter Sapieha und Lissowski (1608-9). Bei
der allgemeinen Erhebung des russ. Volkes unter Minin und Posharsky
(S. 289) gegen die Polen waren es Mönche aus Troiza , welche , wie Abt
Viimpsius und Abratnp PaUMin^ das Land durchzogen und die Bauern
zum Kampfe aufriefen. 1618 belagerte der polnische Prinz Wladislaw
wieder vergebens das Kloster. 1685 wurde dasselbe während der Empö-
rung der Strelizen ein Zufluchtsort der beiden jungen Zaren Iwan und
Peter. Im xviii. Jahrh. waren die Reichthümer der Lawra an Geld und
Ländereien so gross, dass Katharina II. dem Kloster letztere nahm und
sie in Staatsdomänen umschuf. Dass die Franzosen das Kloster 1813
nicht betraten (es lag allerdings ganz ausserhalb der Richtung von Na-
poleon^s Operationen), ist von den Russen nur dem wunderthäUgen Bilde
des h. Sergius augeschrieben worden. Dasselbe wurde auch, wie man
sagt, während des Krim-Krieges nach Ssewastopol gebracht, konnte aber
den Fall der Festung nicht verhindern.
Die älteste der Kirchen ist die Dreifaltigkeits- Kirche {Troizky
Chram)y auf dem Platze der hölzernen , von Sergius gegründeten,
1422 vom Patriarclien Nikon erbaut, klein und niedrig, im byzan-
tinischen Stil. Das Innere ist mit Gold, Silber und kostbaren
Steinen, sowie mit merkwürdigen alten Fresken und Heiligenbildern
reicb geschmückt. Beim Ikonostas unter silbernem Baldachin der
silberne, mit Juwelen besetzte, geöffnete Sarkophag des h. Sergius,
mit dem auf Holz gemalten Bildniss desselben, das Peter d. Gr. auf
allen seinen Feldzügen mit sich führte. Die Gebeine des Heiligen
deckt ein kostbares rothes Sammettuch, auf demselben liegt ein
goldenes Kreuz, welches von den Andächtigen geküsst wird.
Bei den Gottesdiensten im Kloster überrascht der in der Kirche wäh-
rend der Ceremonien getriebene Handel mit Lichtern und heiligem Brote.
Letzteres wird in einer eignen Bäckerei im Kloster selbst hergestellt. Die
Andächtigen lassen es in einer besonderen Kapelle weihen , d. h. es wird
unter Gebeten aus jedem Brötchen ein kleines dreieckiges Stückchen her-
ausgeschnitten. Auch eine Malschule existirt im Kloster, deren Heiligen-
bilder sich vor den conventionellen durch künstlerische Auffassung aus-
zeichnen.
nach Wologda. TROIZA- KLOSTER. ^4. Route, 317
Die grosste und schönste der Kirchen ist die Usspensky-Kcttke'-
drale (VcneHCKiä €o6opi) oder Kathedrale zur Himmelfahrt Maria,
im byzantin. Stil, 1585 eingeweiht, mit 5 mächtigen Kuppeln; die
Frescogemälde sind jüngeren Datums (xvii. Jahrh.)' Vor dem w.
Eingang der Kathedrale die Grahmäler des Zaren Boris Qodunouf
(t 1605 ; s. S. 276), seiner Gemahlin und seiner 5 Kinder.
Dicht bei dieser Kirche der ca. 88 m hohe vierstöckige Olocken-
thurm mit zahlreichen Glocken (die schwerste angeblich 70,000 kg
wiegend), nach den Plänen Rastrelli's im Zopfstil erbaut und 1769
vollendet. Zwischen dem Thurm und der Kathedrale ein 11 m h.
Obelisk, auf dem die hauptsächlichsten Ereignisse aus der Ge-
schichte des Klosters verzeichnet stehen (1792 vom Metropoliten
Piaton errichtet). Neben dem Obelisk in einer Kapelle der wunder-
thätige heil, Brunnen, aus dem alle Besucher des Klosters zu
trinken pflegen.
Von den übrigen Kirchen sind eines Besuches werth : die Peters-
kirche, im Vorhofe das «Bild der Versuchungen* ; die Sspassky- oder
Erlöser -Kirche mit dem in Russland viel verbreiteten Bilde: die h.
Sophia (göttliche Weisheit) und ihre drei Tochter Wjera, Nadjeshda,
Ljubow (Glaube, Hoffnung, Liebe) ; die Kirche der Ausgiessung des
h. Geistes, nach der Eroberung Kasans durch Iwan III. gegründet,
mit dem Grabe des Metropoliten Philaret (f 1867) ; die Kirche des
h. Sergius, 1692 erbaut, mit einer Sammlung alter Handschriften.
Von den Gebäuden ist zunächst sehens werth der alte Zaren-
palast ^ in dem sich die berühmte geistliche Akademie befindet,
1749 von der Kaiserin Elisabeth eingerichtet. Die Wohngebäude
der Mönche sind prächtig eingerichtet. Der Speisesaal (Refec-
torium) , mosaikartig decorirt und in den buntesten Farben pran-
gend , ist , auch wegen des schonen Gesanges , am besten um die
Speisestunde der Mönche (Nachm. 5-6 U.) zu besichtigen. Die
Sakristei mit den Klosterschätzen befindet sich in einem besondern
Gebäude. Der Schatz (tägl. zugänglich) ist von unermesslichem
Werth (angeblich 650 Mill. R.). In grossen Glasschränken stehen
die Kirchengeräthe, Mitren und Bischofsstäbe, meist von gediegenem
Golde mit kostbaren Edelsteinen besetzt ^ Evangelien und Mess-
bücher in goldnem Einbände, Messgewänder, Altardecken, Grab-
decken , buchstäblich mit Perlen übersät. An Curiositäten werden
gezeigt : ein gelber Jagdrock Iwan's des Schrecklichen ; das härene,
geflickte Gewand und der hölzerne Becher des heil. Sergius ; ein
von Katharina II. gesticktes Messgewand ; ein geschliffener Achat,
in dessen Innerm die Natur ganz deutlich das Bild eines Kreuzes,
vor dem ein Mönch kniet, gebildet hat; endlich eine Schüssel mit
Zählperlen von enormem Werthe.
In der Bibliothek u. a. eine Anzahl werthvoller alter Hand-
schriften, einige mit Miniaturen , für den Kenner von Interesse.
21/s km vom Kloster in schönem Walde die Eituiedelei (GKRrb) und
Kirche Oethtemane^ 1845 vom Moskauer Metropoliten Philaret gegründet.
Merkwürdig einige anterirdische ausgemauerte Zellen; die hier freiwillig
318 Route 24, TROIZA- KLOSTER. Von Moskau
Eingeschlosaenen erhalten ihre Nahrung dureh eine Oeffnung in der Thür.
— 3 km vom Troizakloster daa 1783 vom Metropoliten Piaton gegründete
Kloster Bethanien ^ mit der Kirche der Verklärung Christi (Inneres sehens-
werth), sowie Piatons Wohnhaus und Grab.
Gleich hinter Station Ssergiewsky-Possad betritt die Bahn das
Gouvernement Wladimir, nächst Moskau das industriereichste Russ~
lands; auch die Gartencultur dieser Gegenden ist berühmt.
lOÖW. A{«xan({rot0o(Bahnrestaur. ; 15 Min. Aufenthalt). Zweig-
bahn nach den Fabriken von Karahanowo (10 W. in ^/^ St. für
37, 28, 11 Kop.). — 136 W. Berendjatvo,
153 W. Bjasanzewo (PflsaHaeBo).
20 W. westl. Peretglawl - Saljesky CQepecJiaBJb 8aji«CKift) , alte Kreis-
stadt mit 7310 Einw.. 1152 gegründet, früher bedeutende Handelsstadt, jetzt
siemlich öde. Die Stadt hat 36 Kirchen und 1 Kloster. In der ITähe daa
Wallfahrtskloster Nikittkoy^ dem heil. Nikolaus Stylit geweiht, mit den
Beliquien des Heiligen. Auf der Strasse naeh Jarosslawl ein steinernes
Jfontiment. Iwan der Schreckliehe Hess es errichten, weil er an dieser Steile
die Nachricht von der Geburt seines Sohnes erhielt. Nicht weit von hier
der Fletchticheitwo-See (Os. XLien^ecBo), über 1 Meile lang und 1 Heile breit,
auf dem Peter I. als Knabe die Elemente des Seewesens kennen lernte
und seine ersten Schiffe baute. Zum Andenken an Peter wird auch jähr-
lich auf dem See selbst ein Gottesdienst abgehalten.
Jenseit Bjasanzewo überschreitet die Bahn die Grenze des
Gouvernements Jarosslawl, dessen Boden von geringer Fruchtbar-
keit , aber durch angestrengten Fleiss seiner Bewohner doch treff-
lich cultivirt ist. Viel Handel und Industrie.
170 W. Itlar, — 186 W. Petrowtk,
209 W. BoMtow (PocTOBi). Bahnrestaur. ; 15 Min. Aufenthalt.
Rosstow (10,257 £.), eine der ältesten Städte Russlands, bis 1474
Hauptstadt eines selbständigen Fürstenthums , berühmt durch das
harmonische Glockengeläut , liegt nahe am Ausfluss der Wjokisa
(Kotorost) aus dem fischreichen salzigen Nero 'See, ist Sitz eines
Erzbischofs, hat einen alten Kreml, über 30 Kirchen, Leinen-
und Lichterfabrikation und »lebhaften Handel (auf Email gemalte
Heiligenbilder).
223 W. Ssemihratowo. — 245 W. Kosmodemjansk,
261 W. JarostUwl (flpocjaBjfc).
Gasthofs: «KokujewiJarosslaw im Hause Pastnehow am Bosh-
destwenskaja-Platz, Z. von 75 Kop. an, russische Küche und Bedienung.
— Die übrigen Gasthöfe (Nowy Dwor u. a.) sind kaum zu empfehlen.
Waobk: Tourfahrt im Winter 10, im Sommer 15, im Herbst 30 Kop. ;
für den ganzen Tag 2 B.
Dampfschiffe (Landungsplatz gegenüber dem Seminar) : Dampfer von
A. A. Seveke und der Gesellschaft Polsa verkehren zwischen Jarosslawl
Rybinsk; Bsamoljot- und Drushina- Dampfer gehen aufwärts bis Twer,
abwärts bis Kishny-Nowgorod und Asstraehan.
Pbombmadbn : in der Stadt am Wolshskaja- und Kotorostnaja-Quai. auf
dem Strelitzen-Boulevard und im Stadtgarten (TopoxcKOi ca^i) ; ausserhalb
der Stadt im Poluschkina- Gehölz (no^iyrnKnaa pon^a) und naeh dem
Tolgsky-Kloster (ToJcrcaUt Mob.), letztere besonders belebt am 1. Juli.
Jaro8$lawl, Gouvernementshauptstadt mit 23,000 Einw., am
r. Ufer der hier bereits gegen 700 m breiten Wolga, ist Sitz eines
Erzbischofs, hat 77 Kirchen, ein grosses Priesterseminar, Lyceum
nach Wologda. JAROSSLAWL. 24. Route. 319
u. 8. w. und zahlreiche industrielle Etablissements (Jarosslawler
Manufactur, Seiden-, Tabak-, Bleiweiss- u. s. w. Fabriken). An
die regelmässig gebaute Stadt mit breiten Strassen schliessen sich
längs der Wolga 5 Vorstädte an. — Die Deutschen in Jarosslawl
bilden eine kleine besondere Gemeinde und haben eine lutherische
Kirche sowie ein eigenes Schulhaus.
ZurGesehiehte. Jarosslawl soll e. 1090 von Jarosslaw WladimirowiUeh
(1020-1(^) gegründet sein. Der zuerst erbaute Theil der Stadt zwischen
der Wolga, der Kotorost und der Schlucht Medwjeditz wurde y^RuMenny
Oorod^ genannt. 1149 wurde die Stadt bereits von den Nowgorodem im
Kriege gegen Jury Dolgoruky zerstört. 1237 plünderten und verbrannten
die Tataren die Stadt. 1471 wurde das Fürstenthum Jarosslawl mit dem
Grossfürstenthum Moskau durch Iwan III. vereinigt. 1588 wurde der
Stadttheil Stmljancigorod erbaut. Ende des xvi. Jahrh. war Jarosslawl
eine bedeutende Handelsstadt. — Durch Peter d. Gr. wurde Jarosslawl
zur Provinzial-Hauptstadt, durch Katharina II. zur Gouvernementsstadt
erhoben. 1743 wurde Biron, Herzog von Kurland, hierher verbannt; er
lebte in Jarosslawl mit seiner Familie bis 1761. 1748 gründeten Wolkow
und Poljuschkin hier das erste russische Theater.
Die Stadt gewährt, besonders von der Wolga her, einen male-
rischen Anblick. Die hohen Uferränder liegen wie ein Festungs-
gürtel rings um dieselbe, und sind nur durch sechs Einschnitte,
die den Zugang ins Innere öffnen, unterbrochen. Aus diesem na-
türlichen Wall blicken Baumpflanzungen, schöne Gebäude und mehr
als die Hälfte sämmtlicher Kirchen, links die Rublenny, rechts
die Semljanoi Gorod, nach der alten historischen Eintheilung (jetzt
zerfällt die Stadt in 3 Polizeibezirke und 12 Quartiere) hervor.
Die Bublenny Oorod (PyöieHHiiiS ropoAi) liegt auf dem süd-
östl. Ende, in dem Winkel zwischen Wolga, Kotorost und Schlucht
Medwjeditz. Sie erhielt ihren Namen , weil sie ursprünglich als
hölzerne Stadt aufgebaut und mit Palisaden umgeben war. Im
XYi. Jahrh. wurden diese durch einen hohen Erdwall mit drei
steinernen Thürmen ersetzt , von denen einer noch vorhanden ist.
Dieser Stadttheil umschloss die Kathedrale, das fürstliche Schloss,
den Patriarchen-Palast, 8 Kirchen und andere Öffentliche Gebäude.
Die Sen4Janoi Oorod (3eHJUiHoäropoA%), nach dem sie umgeben-
den Erdwall benannt, erstreckte sich von der Wolga bis zur Sseme-
nowsky-Durchfahrt (S. 321), von hierüber den Strelitzen-Boulevard,
Sspassky Monastyr, Kotorost - Quai bis zum Podselenskoi (S. 321)
am Medwjeditz. Auf dem Erdwalle standen 8 Thürme , von denen
7 aus Stein erbaut. Ton letzteren ist heute noch der Wladiüaw-
Thurm (BiacbeBCKaA öaiUHji) und ein anderer , beide in der Nähe
des Sspassky Monastyr liegend, erhalten. Die Semljanoi Gorod bildet
das Centrum der Stadt und umschliesst 2 Klöster, 12 Kirchen, das
Gerichts- und das Gouvernementsgebäude, den Parade (Iljinskaja)-
Platz , den Gostinny Dwor und Haupt (GUwny)-Bynok. Die hier
liegenden Hauptstrassen sind: die Moskowtkaja, Boihdestioen-
Bkaja, WlcLS^ewskafa, dli^Romanowskajaj Dwarjanskaja und JPetro-
pawlow8kaJa, welche quer durchschnitten werden von der Duchow-
akaja, der Strjelezkaja und grossen Linija. An den Kreuxungs-
320 Route 24. JAROSSLAWL. Von Moskau
punkten der Strassen liegen Plätze, von denen der Paradeplatz
der grösste ist ; alle sind gepflastert, auch die Strassen oder Durch-
fahrten, welche von der Stadt zur Wolga hinabführen.
Der nordwestl. Theil Jarosslawl wird Tabor (Ta6opx) genannt,
eine Bezeichnung, die aus dem xvii. Jahrh. stammt ; auf dem Platze
dieses Stadtthells hatten angebl. die Polen ihr Lager aufgeschlagen.
Die Besichtigung der Stadt beginnen wir mit dem Wolshskaja
Quai (BoiSCKaH HaöepexHaa), 1820-1827 durch den Gouverneur
Besobrasow angelegt. Der Quai erhebt sich c. 68 m über den Wasser-
spiegel der Wolga; zu letzterer fällt terrassenförmig ein breiter Bou-
levard ab, der mit prächtigen Bäumen bepflanzt und nach dem Ufer
zu mit eisernem Gitter versehen ist. An verschiedenen Stellen führen
die oben erwähnten Durchfahrten oder Einschnitte , welche im Ni-
veau der Boulevards überbrückt sind, zur Wolga hinab. — Amnördl.
Ende des Quais die Peter-Pauls-Kirche (UepKOBb üeTponaBiOBCKafl
Ha Boirli) im byzantinischen Stil , mit 5 Kuppeln und Grabdenk-
mälern alter Jarosslawler Fürsten.
Wenden wir uns südl., so gelangen wir zur Wossdwishensky-
Durchfahrt (BoaABHxreHCKiS C'B'bsA'B), an der rechts ein neues Ge-
bäude, das Seminar für Priestertöchter {Ym/umuye A'bBini'B AJxoBHaro
SBaHifl). Jenseit der Durchfahrt liegt die Kirche Maria Verkfiindi-
piin^ (UepKOBb BiaroBtmeHia IIpecBflToä EoropoAHmii). Weiterhin
jenseit einer kleinen Durchfahrt, an der Mauer der Nikolo-Nad-
jäinkaja- Kirche, das Haus Biron's, in welchem dieser während
seiner Verbannung (S. 319) wohnte. An derselben Mauer das Schloss
(^BopeiCB), für den Besuch hoher Personlichlceiten eingerichtet, und
das Gouvernement {lf.om> na^aibHHKa ryöepmS). Weiterhin, dicht
am Quai, der Wolgskaja-Thurm (BoirCKaa öamna).
Rechts haben wir nun den Iljinsky 'sehen Parade- Platz (IlapaA-
Hafl HjbHHCKafl nioniaxb) , an den sich der Garten des Gouverneurs
schllesst. Im Centrum des Platzes eine Bronzesäule zu Ehren Demi-
dow's, des Gründers des Jarosslawler Lyceums. Der Platz ist um-
geben von schonen, massiven Häusern, meist Staatsgebäuden, dar-
unter der Gerichtshof (IIpHcyTCTBeHHoe m*cto), neben dem ein
Denkmal aus Geschützen und anderen Geräthen, mit denen die
Jarosslawler sich gegen die Polen und Anhänger Dmitry's ver-
theidigten. Nicht weit vom Platze liegen das alte und das neue
Kaußaus (CrapuM h Hobuü rocTHHHue ^Bopu). Nahe dem Wolg-
skischen Thurm das von einem Garten umgebene Lyceum (^eMHXOB-
CKiÜ iHaeä), die eine seiner Fa^aden demKotorost-Quai zuwendend.
Es wurde 1805 von Demidow als Rechtscollegium gegründet und
reich dotirt.
In dem Winkel, welchen die Wolga am Einfluss der Kotorost
bildet, lohnt es, einen Augenblick Halt zu machen, um einen
♦Blick auf den Fluss und seine Umgebungen zu werfen. Gerade
vor uns fliesst die Wolga, an ihrem wiesenreichen Ufer hat sich die
Tweriikaja Ssloboda (TBepHUKaii cioöoAa) , eine Vorstadt Jaroiss-
nach Wologda. JAROSSLAWL. 2rf. Route. 321
lawls, angebaut ; etwas rechts der Landungsplatz der Schiffe , der
sog. Wolga-Hafen, am Kotorost-Quai , der sich 3 W. lang bis zu
den Schleusen, an denen die grosse Manufactur, entlang zieht.
Weiter rechts die hängende Brücke (BhcahIü kocti), an der Mün-
dung der Kotorost über den Fluss geworfen. Neben dem Landungs-
platz, am Kotorost-Quai, liegen die russischen Bäder, Podaelen ge-
nannt ; ihnen gegenüber, auf der andern Seite der Podselenskyschen
Durchfahrt, ein altes steinernes Gebäude, welches aus den Ueber-
resten des Podselenskyschen Thurmes erbaut wurde und Jetzt
Schmiede- und Schlosserwerkstätten enthält. Rechts vom Lyceum
die Kathedrale (s. unten) und der Ersbiflchöfliehe Palait (Apxie-
peäcKiü AOHi), 1787 aus dem Sspasso-Preohrashensky-Kloster^ einem
der ältesten Russlands, zu seiner gegenwärtigen Bestimmung herge-
richtet. In ihm verdienen Erwähnung : die Kirche der Verwandlung
des Herrn, 1216 erbaut, mit sehr alten Heiligenbildern , mit den
Gräbern einiger Erzbischofe von Rosstow , einer reichen Sakristei,
Bibliothek u. s. w., und die Kirche der Heil, Feodor, David und
Konstantin, 1831 auf dem Platze einer alten Kirche vom J. 1218
erbaut ; in silbernen Schreinen die Reliquien der helligen Fürsten
u. a. Weiterhin am Quai andere Kirchen, das adlige Pensionshaus,
Kasernen und einige Privatgebäude.
Von der Mitte des Wolga-Quais führt die Ssemenowsky- Durch-
fahrt zum Flusse; am Rande desselben zieht sich ebenfalls ein
Boulevard entlang. Dieser setzt sich in das Innere der Stadt als
Strjälezkaja- Strasse oder -Boulevard fort ; er ist fast seiner ganzen
Länge nach mit schönen Linden besetzt. An ihm liegen das Ka-
san'sche Kloster (s. unten), der Ssemenowsky- Platz und öffentliche
Gebäude. Am Ende des Strelitzen-Boulevards das Theater und der
Wassiljewsky - Platz.
Ton den 77 Kirchen der Stadt , von denen 42 allein aus dem
zviii. Jahrh. stammen, sind die bemerkenswerthesten :
Die Kathedrale Uariä Himmelfahrt (Coöcpi YcneHifl Eo2Rieft
MarepH), 1215 vom Grossfürsten Konstantin Wssewolodowitsch ge-
gründet; das gegenwärtige Gebäude stammt von 1646. In ihm die
Beliquien (Momn) der heilig gesprochenen Jarosslawler Fürsten
Wassily und Konstantin Wsewolodowitsch. Links von der Zaren-
Thür des Ikonostas das angeblich aus dem xu. Jahrh. stammende
Bild der heil. Mutter Gottes; gegenüber links vom Chor das Büd des
Erlösers. Am Hauptaltar die Bilder der obengenannten heiligen
Fürsten , mit reichem Silber- und Goldschmuck. Die Kathedrale
besitzt reiche und alterthümliche Klrchengerathe, die Bibliothek alte
Evangelien. Hier werden auch die Fahnen der Opoltschenije (Miliz)
von 1812 und 1853-56 aufbewahrt.
DieKirche des h. Michael (UepKOBb CBHiaro ApxaHreia MHxaHia),
1213 vom Grossfürsten Konstantin Wssewolodowitsch erbaut, 1657
restaurirt, enthält werthvoUe alte Gemälde.
In der Vorstadt Korownik (KopoBHHKi) , am Flusse Kotorost,
Bussland. 2. Aufl. 21
322 Boute 24, WOLOGDA. Von Moskau
stehen die Kirche des h, Johann Chrysostomus (IlepK. Cb. loanna
3iaToycTaro), mit 'werthyollen Heiligen'bUdern, und die Kirche der
Wladimir' sehen MvMer Oottes (UepK. Bia^HHipcKoft Boxieft Ma-
TepH), beide aus dem xyii. Jahrh. Am 20. Juli jeden Jahres findet
eine Prozession nach der Johannes «Kirche statt. — In ToUschkow
die Kirche Johannes des Täufers (IlepK. loaima npexreqH), 1680-86
erbaut, eine der architektonisch bedeutendsten von Jarosslawl. Sie
ähnelt der Moskauer Wassilija Blashennaja, nur dass sie nicht 12,
sondern 15 symmetrisch vertheilte Kuppeln hat.
Die 1872 erbaute schmalspurige Bahn von Jarosslawl nach Wo-
logda überschreitet die Wolga und führt ztinächst durch wohlbebaute
Gegenden des Gouvernements Jarosslawl. Im Gouvernement Wo-
logda , in dessen südl. Theile viele adelige Güter und reiche Dorfer
liegen, werden die bisher zahlreichen Espenwälder durch Nadelholz-
wälder verdrängt. Die Bewohner, theilweise finnischen Ursprungs,
wenngleich russisch redend , sind als Zimmerleute und Ofensetzer
berühmt. Das Gouvernement Wologda liefert auch einen Theil der
sog. Tula -Waaren und Arbeiten in Silberflligran.
Stationen unbedeutend. — 62 W. Danilow (AamnOBi). Bahn-
restaur. — 148 W. Gr^'asotr^s (FpiisOBem ; Bahnrestaur.), Kreis-
stadt mit lebhaftem Handel (Hanf, Flachs, Hopfen), in sumpfigem
Terrain (rpiisb Schmutz).
192 W. Wologda (BojorAa; guter Gasthof), Gouvernementsstadt
mit c. 18,(X)0 Einw., auf beiden Seiten ^tiWologda gelegen, macht
aus der Ferne einen sehr stattlichen Eindruck. Zwei Kathedralen, 54
Kirchen mit zahlreichen Thürmen und Kuppeln zieren sie; die näch-
sten Umgebungen sind mit parkartigen Anpflanzungen bedeckt. Das
Innere der Stadt entspricht aber keineswegs den Erwartungen , die
dadurch geweckt werden. Sie hat überwiegend hölzerne Häuser,
die in den breiten, meist ungepflasterten Strassen so weit voneinander
entfernt liegen , dass der Ort über 1 St. im Durchmesser hat. Wo-
logda ist der Hauptstapelplatz des von Nowgorod nach Nordasien ge-
richteten Handels ; bedeutende Fabrikthatigkeit in Segeltuch, Leder,
Glas, Filigran (Tula)- Arbeiten, ^j^ St. von der Stadt eine der
Musterfarmen des Gouvernements Wologda.
Wolog4a war die erste Handelsstation der Xowgoroder (S. 349) in
der y^Sawototsehkaja Tichudy^. 1147 gründete der heil. Jerassim hier das
DreifalügkeiWiloiUr^ das später in eine Pfarrkirche umgewandelt wurde.
Die Stadt, die sich um das Kloster ansetzte, wird 1264 zuerst erwähnt
und stand unter der Oberhoheit Nowgorods. Die Moskowitischen Herrseher
benutzten sie vor der Eroberung Sibiriens zum Verbannungsort. Am Kreu-
zungspunkte der Verkehrslinien zwischen dem Kaspischen, Baltischen
und Weissen Meere gelegen wurde die Stadt im zvi. Jahrh. der Haupt-
Stapelplatz für die nach Archangelsk gehenden und von dort und Si-
birien kommenden Waaren. Iwan IV. liess 1669 3 Kanäle in der Stadt
graben; die ausgegrabene Erde bildet noch jetzt die Tatariaehen Hügel^ so
genannt, weil die gefangenen Tataren dort begraben wurden. Die von
Iwan begonnene Steinmauer blieb unvollendet. Seit der russisch-euro-
päische Handel sieh in St. Petersburg concentrirte, schrumpfte Wologda
nach Wologda. WLADIMIR. 25, Route. 323
zum Stapelplatz für die örtliche Production zusammen, die hier ver-
frachtet und nach Archangelsk resp. St. Petersburg verschifft wird.
Bei Wologda endigt nordwärts die Eisenbahn und der Reisende
ist auf Post- oder DampfschifPfahrt angewiesen. Lohnend, doch mit
Schwierigkeiten verknüpft , ist eine Fahrt in der Tarantasse nach
dem berühmten , 1398 von dem nordischen Apostel Cyrill gegrün-
deten Kirilo-Bjelo-Osersky-Kloster, 104 W. von Wologda, bei der
Kreisstadt Kirilow (Ehphiob-b).
25. Von Moskau nach Nishny-Nowgorod.
410 W. Courierzug in 121/2 St., Postzug in 16 St. für 15.38, 11.53, 5.89 R.
Abfahrt vom Nishny-Nowgoroder Bahnhof (PI. F, 5), fast 1 St. vom Cen-
tram der Stadt.
Die Gegend östl. von Moskau bis znr Wolga (Gouvernements
Wladimir, Kosstroma, Nishny- Nowgorod, zum Theil Rjäsan) ist
überwiegend Waldland. In den Städten wird viel Industrie getrieben.
Die Bewohner haben sich von fremden Elementen ziemlich rein ge-
halten und sind die besten Vertreter des grossrussischen Typus.
7 W. Stat. Eusskowo (KycKOBO), S. 309. — 20 W. Ohiralowka,
— 32 W. Wassüjewo.
48 W. Stat. Bogorodsk (EoropoACKi), 10 W. von dem gleichn.
Kreisstädtchen, an der Kljasma, mit einigen Fabriken.
61 W. Pawlowo (IlaBjiOBO). Bahnrestaur., 15-20 Min. Aufent-
halt. — Im Flecken, mit 4500 Einw., viele Fabriken von Seiden- und
BaumwoUwaaren, Färbereien, Ziegelbrennereien. — 100 W. Pokrow.
1 15 W. Q'ätuBchki (n-bTymKH). Bahnrestaur., 15-20 Min. Aufent-
halt.
Die Gegend gewinnt ein freundlicheres Ansehen. Die Bahn zieht
sich am 1. Ufer der Kljasma an einer Hügelkette hin. Mehrere un-
bedeutende Stationen, dann
177 W. Wladimir (BiaAHHipi. — Bahnrestaur., 25 Min. Aufent-
halt) , auch Wolodomer genannt , ehemals Hauptstadt des gleichn.
Grossfürstenthums , jetzt Sitz des Oivilgouverneurs und des Erz-
bischofs von Wladimir und Ssusdal, mit 16,422 Einw., am hohen
1. Ufer der Kljasma malerisch gelegen. Viel Fabrikthätigkeit, aus-
gedehnter Obstbau.
Die Stadt wurde 1116 von Wladimir II. Wssewolodowitseh Honomachus
gegründet, von Andrei I. Jurjewitsch (1169-1174) zur Residenz erhoben,
verschönert und vergrössert^ sie dehnte sich schon wenige Jahrzehnte
später bis zum Flecken Bogoljubowo aus, der heute mehrere Werst ent-
fernt liegt. 1238 vvurde Wladimir von den Tataren unter Baty-Ghan er-
obert und zerstört. Die Gemahlin des Grossfürsten Georgs III. suchte mit
ihren 3 Söhnen und ihrer Tochter, dem Bischof Hitrophan und vielem
Volk Zuflucht in der Kathedrale, Baty - Chan aber Hess dieselbe anzünden
und alle kamen in den Flammen um. Als im J. 1838 die Tataren unter
TJsbek, dem Chan der goldenen Horde, abermals vor Wladimir erschienen,
flüchtete der Grossfürst Alexander Michailowitsch nach Pskow, worauf
TJsbek das Grossfürstenthum an Iwan, den Bruder des Grossfürsten Georg
von Moskau, schenkte. Seitdem blieb Wladimir unter moskowitischer
Herrschaft.
21*
324 Boute 25. WJASNIKI.
Wladimir ist ähnlich angelegt wie Moskau: um den Kreml als
Mittelpunkt lagern sich ringförmig, durch Wälle von einander ge-
schieden, die Vorstädte Kitaigorod und Bjeloigorod, Der Kreml ist
zum Theil verfallen, auch die Erdwälle beginnen zu verschwinden.
Die Strassen sind breit und gerade; hervorragende moderne Gebäude
sind der Adelskluh und das Gymnasium. Von den 28 Kirchen ist
die bemerkenswertheste die Kathedrale zu Maria Himmelfahrt oder
Usspensky -Kathedrale, vom Grossfürsten Andrei Jurjewitsch im
XII. Jahrh. erbaut, nach der Zerstörung durch die Tataren (s. oben)
prächtig wieder aufgebaut und lange Zeit die erste Kathedrale Russ-
lands , Grabkirche der Grossfürsten von Wladimir und Krönungs-
kirche der Grossfürsten von Moskau (bis 1432). — Aus der Glanzzeit
der Stadt stammen ferner die schöne Kathedrale des h. Dmitry von
SaUont im Kreml, 1194 gegründet, mit merkwürdigen Sculpturen
an den Aussenwänden, und das sog. Goldene Thor (Sojeotha Bopora),
eine Triumphpforte aus dem J. 1 158 mit darangebauter Kirche, 1238
zerstört, später neu erbaut.
223 W. Nowki (Hobkh). Bahnrestaur., 15 Min. Aufenthalt.
Von Nowki nach Kineschma 171 W., Eisenbahn in 7 resp. OVaSt.
für 6.41, 4.81, 2.46 R.
56 W. Schuja (IHya), Fabrikstadt mit c. 12,000 Einw., an der Tesa, einem
Nebenflüsschen der Kljasma. Haupterzeugnisse der Industrie sind Kattun
und Schafpelze.
84 W. Iwanowo (HBaHOBO-BosHeceHCKi ; Bahnrestaur., 20 Hin. Aufent-
halt), an der Uwoda^ bildet mit der auf dem andern Ufer liegenden Sslobode
Wo$neBientk und einigen andern Dörfern eine G-ruppe von Fabrikorten, die
unter dem Namen Iwanowo zusammengefasst wird und etwa 17,000 Einw.
zählt. In e. 150 Fabriken werden hier jährlich über 1 Mill. Stück Kattun
im Werthe von gegen 10 Mill. Silberrubel gefertigt.
171 W. Kineschma (KHHemxa) , Kreisstadt an der Wolga (s. S. 344).
Dampfschiffverbindung nach Rybinsk (S. 340) und Twer (S. 256) sowie
nach Nishny -Nowgorod (S. 325).
237 W. Kowrow (KoBpoBi), Kreisstadt an der Kljasma, mit
5000 Einw. Bahnrestaur., 12 Min. Aufenthalt.
Zweigbahn in 5 St. 20 Min. (3.83, 2.88, 1.47 R.) über Sseliwanowo
nach (82 W.) Hnrom (Mypowb), alte Stadt an der Oka^ angeblich schon im
IX. Jahrh. gegründet, mit 18 Kirchen, 2 Klöstern, mehreren Fabriken und
lebhaftem Handel. — Von hier Dampfbootverbindung stromaufwärts nach
der alten interessanten Mordwinenstadt Jelatma (EjiaTBua) und weiter nach
Kousimoiß (KacHMOffB), einst Residenz des Tataren-Chans Kasim, und BJäsan
(S. 385) i stromabwärts (18 St.) nach Nishny-Nowgorod (S. 32ö).
293 W. Wjasniki (Bhshhkh), Kreisstadt an der Kljasma, mit
4500 Einw. Viel Kornhandel und bedeutende Leinenfabrikation.
337 W. Gorochowez (FopoxoBeii'B). Bahnrestaur., 10-20 Min.
Aufenthalt. — 356 W. Gorbatow (ropöaTOBi) ; die gleichn. Kreis-
stadt (2700 Einw.), mit Tau-, Stahl- und Ziegelfabriken, liegt 9W.
von der Station an der Oka.
12 W. Ton der Stat. Gorbatow liegt das Dorf Bogorodsk (BoropoxcRoe),
einst Besitzthum von Kosma Minin (S. 289) , jetzt nebst seiner Umgebung
voller Gerbereien. — 25 W. von der Stadt Gorbatow liegt Paalowo (üas-
jiOBo), an der Oka, Mittelpunkt einer sehr bedeutenden Metallwaaren-
fabrikation.
Je mehr man sich der Wolga nähert , desto häufiger werden die
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Lage, NISHNY-NOWGOROI>. 25, Route, 325
stattlichen Dörfer , oft mit hübschen Kirchen. Statt der endlosen
Wälder beginnen Wiesen und Ackerland.
410 W. Nislmy-Nowgorod (HnsHiä HosropoA'B).
ANKinjFT. Der Bahnhof (PL A4, 5) liegt auf der Jahrmarktseite (Hnse-
ropoACKaa flpuapRa) bei der Sslobode Kunawino , so das^ man , um zur
eigentlichen Stadt zu gelangen, die Fähre über die Oka zu passiren hat.
Zur Messezeit nehme man einen Wagen und fahre über die Oka-Brücke
(S. 334) zur eigentlichen Stadt hinüber.
Gasthofs (zur Zeit der Hesse meist überfüllt und bedeutend theurer
als zu gewöhnlichen Zeiten). In der Unterstadt : die Nummern von Bub-
now und Baschkirow (PI. D 3). — In der Oberstadt: Hotel de la
P o s t e oder Ssmirnow (guter Mittagstisch) ; die Nummern in der
Alexej ewskaj a (PI.E3), Zimmer vonBOEop. an, monatlich 4-15 Rubel.
— Auf der Jahrmarktsseite: Hotel Germania (Besitzer Fauldraih)^
nicht billig, Z. von 31/2 K* ^t^\ Sobolew (während der Messe nicht em-
pfehlenswerth). Nomera Wischnjakow (PI. C3). Traktir mit Num-
mern, unfern des Bahnhofs und am Landungsplatz der Ssamoljot-Dampfer
an der Oka; von der Veranda prächtige Aussicht.
Bbstaurants (Traktire) in allen Hotels und Nummern. Jermolajew
(TpaKTupi EpMOJiaeBbLx:b, PI. D 2) in der Mininskaja (Unterstadt).
Post im Kreml und in der oberen Stadt (PI. E 3). — Tblbgbaph im
Kreml, im Unteren Bazar und in der Shukowskaja, Haus Sstogow.
Waoek. Es giebt Droschken und Schlitten I. u. II. Cl. Vom Bahnhof
nach der untern Stadt : Droschke I. Cl. 4ö, II. Gl. 30, Schlitten I. Gl. 25, II. Cl.
51 Kop. ; vom Bahnhof nach der oberen Stadt : Droschke I. C\. 50, II. Cl. 35,
Schlitten I. Gl. 30, II. Gl. 20 Kop. ; vom Bahnhof nach der Kunawin^sehen
Fähre oder Brücke: Droschke I. Cl. 25, II. Cl. 15 Kop. Zeitfahrten: iSt.
Droschke I. Gl. 40, II. Gl. 30, Schlitten I. Gl. 30, II. Cl. 20 Kop.-, für den
ganzen Tag (10 St.) Droschke I. Cl. 3B., Zweispänner 4 R. ^ Kop. —
Für Gepäck: Droschke 10, Schlitten 5 Kop. — Bin etwas höherer Tarif
gilt für Ein- und Zweispänner I. und II. (31. während der Jahrmarktszeit
(27. Juli bis 10. Sept.).
FÄHBOBLD auf Wolga und Oka von Nishny nach den Landungsplätzen
von Kunawino und Borowsk: Fussgänger im Frühling und Herbst 2, im
Sommer 1 Kop. ; für Einspänner 25 resp. 20, Zweispänner 30 resp. 25 Kop.
Dampfschiffe (Landungsplatz PI. E): nach Kasan 8 R. 50; nach
Ssaratow (täglich ausser Samstags) I. Cl. 21 B. 60, II. Gl. 14 R. 10; nach
Zarizin (täglich ausser Samstags) I. Cl. 27R. 40, II. Cl. 18 R. 10; nach
Assirachan (4 mal wöchentlich) I. Cl. 35 R., II. Gl. 23 R., III. Cl. 10 R.;
nach Perm I. Cl. 27 R. 40, II. Cl. 21 R. 30 Kop. Gepäck je nach Gewicht.
Thbatbb. Stadttheater am Theaterplatz (PI. E 3). Loge 3 R. 50 Kop.,
Parket 1 R. Oper, Ballet, Schauspiel, vorzüglich russische Volksstücke.
Im Winter auch musikalische Aufführungen. — Jahrmarkts - Theater
während der Messe.
Photooraphibh am besten bei Ä. Karelin , Ossypnaja Nr. 12, gegen-
über Hotel Lopaschew.
Badbb : Badeanstalt von Ssobolevo in der Roshdestwenskaja (PI. D 2),
auch Nummern. — Flussbäder im Juli bei der Jahrmarktsbrücke.
Rauchsit auf der Jahrmarktsseite in den Marktstrassen bei 25 R.
Strafe verboten.
Für flüchtige Besichtigung der Sehenswürdigkeiten der Stadt genügt
ein Tag, doch wird man namentlich während der Messe auch 3 Tage gut
ausfüllen können.
Nishny -Nowgorod (d. h. Unter - Nowgorod) , so genannt zum
Unterschiede von Nowgorod am Ilmensee (S.249), ist Hauptstadt
des gleichn. Gouvernements, Sitz des Militär- und Civil-Gouver-
neurs und eines Bischofs und hat ca. 69,000 Einwohner sehr ge-
mischter Nationalität.
Unter den Bewohnern fallen am meisten die Kasaner Tataren auf.
Charakteristisch ist neben dem unverkennbaren Typus der mongolischen
326 Route 25. NISHNY-NOWGOROD. Geschichte,
Rasse auch die Tracht : lange blaue oder rothe Hemden und Beinkleider,
im Winter dazu der Schafpelz; Bast- oder Filzschuhe, auf dem ge-
schorenen Kopfe ein kleines rundes Tuchkäppchen , Welches gerade den
Hinterkopf bedeckt, darüber hauAg der weisse spitze. Filzhut. Die
Frauen kleiden sieh fast eben so; die Gesichter sind nach tatarischer
Sitte meist verhüllt.
NishTiy-Nowgorod zerfällt in zwei ganz getrennte undTcrschiedene
Theile, in die eigentliche Stadt, malerisch auf dem Hügel zwischen
Wolga und Oka (S. 346), die hier zusammenfliessen, gelegen ; und in
den Jahrmarkt (S. 333) auf der flachen und niederen Landzunge
am linken Oka-Üfer, den Schauplatz der weltberühmten Messe, die
Strjälka (Crp'bjiKa) mit der Sslobode Kunawino, Die eigentliche
Stadt tbeilt sich in eine obere und eine untere. Die Oberstadt {Bepx"
Hift ropoÄi») liegt auf 3 Hügeln, von denen derjenige, der den Kreml
trägt, der TschassowoJ-Berg {HsiCOBAa ropa), die andern, mit diesem
in einer Linie liegend, der Iljinskische und ßuschew-Berg genannt
werden. Mehrere Punkte der obern Stadt haben noch besondere Be-
zeichnungen : der Greheschok, die Djatlow-Berge u. a. Die Unter-
stadt (HhahIÜ ropoAi) liegt zwischen dem Ufer der Wolga und den
genannten Bergen ; sie ist mit der oberen Stadt durch serpentinen-
artig ansteigende Hohlwege {cvbsf.'h) verbunden, von denen die
wichtigsten sind ; die Pochwalinsky- Schlucht, von der Jahrmarkts-
brücke, zwischen den Ujinskischen und Buschew-Bergen hindurch,
nach dem mittleren Theile der obern Stadt (Kl. Pokrowskaja) füh-
rend ; die Selensky-Schlucht, sich durch den Potschainka-Owrag den
Weg bahnend und auf den Blagowjeschtschenskaja-Platz nahe beim
Kreml mündend. Durch diesen Hohlweg (Owrag) fliesst der Bach
Potschainka (Potschaina), der im Sommer meist ausgetrocknet ist.
Quer durch den Potschainka-Owrag zieht die Lykowa Damha
(S. 332), in entferntere Theile der oberen Stadt leitend. Eine dritte
Schlucht führt durch das Iwanowsky-Thor direct in den Kreml.
Vom Wolga -Quai aus durchschneiden den Atkoss (S. 329) zwei
Schluchten : die Qeorgiewsky- und die Fetschorsky- oder Kasansky-
Schlucht, erstere zum Kreml, letztere zum Petschorsky - Kloster
führend.
Die Stadt hat 43 Kirchen und Klöster der Rechtgläubigen , 2
der Altgläubigen; dazu kommen 1 römisch-katholische, 1 pro-
testantische, 1 armenische Kirche, 2 Moscheen, 1 Synagoge,
8 Hauskapellen.
Nishny-Nowgorod ist reich an Fabriken, seine Hauptbedeutung
aber hat es als Handelsstadt ; die vorzüglichsten Gegenstände des
Handels sind Getreide, Eisen, Salz, Fische, Manufacturwaaren.
Zur Geschichte. Nishny-Nowgorod wurde zwischen 1219-1222
von dem Wladimir'schen Grossfürsten Oeorg oder Jury Wssewolodowitsch ge-
gründet, nachdem sein Bruder Swätoslaw die Bulgaren gesehlagen und
die Grenze des russischen Reiches gegen Osten erweitert hatte. Die
Stadt , mit Palisaden umgeben , sollte als Schutz gegen die Einfälle der
Mordwinen und Bulgaren dienen. Seit 1232 hörten die Einfälle der Mord-
winen auf und Nishny blühte, die Vortheile seiner Lage für Handel und
Schifffahrt ausnutzend, schnell auf. Unter Konstantin WaisiljetoiUch (1340-
1355) wurde Nishny selbständig und 1350 die Hesidenz der Grossfürsten.
GebuTt$kirche, NISHNY-NOWGOROB. 25. Route, 327
Unter dem Sohne Eonstantin's , Andrei (1355-1365), wurde die Stadt
theilweise mit Mauern und Thürmen befestigt 5 die "Vollendung der Ar-
beiten verhinderfe das Auftreten der Pest. 1377 wurde Nishny-Nowgorod
Ton tatarischen Horden verbrannt, die Einwohner in Gefangensehaft ab-
geführt. 1392 bemächtigte sieh der junge Grossfürst von Moskau, Wassily
Dmitriewitsch , begünstigt von den Tataren, Kishny^s, welches damit
aus der Reihe der unabhängigen Theilfürstenthümer schwand und mit
dem Grossfürstenthum Moskau vereinigt wurde. Im J. 1506 drang der
vom Grossfürsten hvan II J. Watsiyemtsch 1487 eingesetzte Zar von Kasan,
Machmet Amin^ mit Heeresmacht bis Nishny-Kowgorod vor, verwüstete
auch die Vorstädte, vermochte aber die Stadt selbst nicht zu nehmen.
Bald darnach wurde unter Wcutily IV. lufanoieitseh der Kreml erbaut und
diente Iwan IV. als trefilicher Stützpunkt in seinen Kriegen gegen Kasan
(1547-1560), nachdem er bereits 1520 dem Tataren -Chan Girai wider-
standen hatte. 1606 und 1608 belagerten die Mordwinen vergeblich die
Stadt. Das Unternehmen Kosma Minin's (S. 289) nahm seinen Ausgang
von Nishny- Nowgorod. Die letzten kriegerischen Ereignisse, deren
Zeugin die Stadt wurde, war im J. 1613 der Versuch des Kosakenhet-
mans Iwan Sarutzky und des Eäubers Stenka Rasin, sich Nishny-Now-
gorods zu bemächtigen; der Angriff wurde aber zurückgewiesen. 1708
wurde die Stadt dem Kasan'schen Gouvernement zugetheilt; seit 1719
ist sie Gouvernementsstadt.
Mit der Fähre oder (zur Zeit der Messe) über die Plaschkoutny-
Brücke (PI. C3) in die Stadt gelangt, betreten wir den Platz, der die
Blagowjeschtschenskaja Ssloboda von der Unterstadt trennt. Hier,
zur Rechten der Brücke, erhebt sich an steilem Abhänge die Aleoois-
Kapelle (HacoBHA AjieKCbeBCKaH, PL 4) , zu Ehren des Metropoliten
Alexis (xiY. Jahrh.) benannt, als Holzbau 1370 errichtet, in ihrer
jetzigen Gestalt 1846 durch Schenkungen des Kaufmanns Wereninow
gebaut. Von hier führt r., am Eingange zur genannten Ssloboda, ein
Weg zu den DJ atlow- Bergen hinauf; auf einem Vorsprunge dersel-
ben, nach der Oka zu, liegt das Kloster Maritt Verkändigungr (Bia-
TOBtisieHCKiM HyiKecKiM HOHaciupi», Fl. 27), nach einigen gleichzeitig
mit der Gründung der Stadt, nach anderen 1371 vom Metropoliten
Alexis erbaut, mehrmals durch Feuer zerstört. Die älteste der ö
Kirchen des Klosters, die Kathedrale (Co6opHaH, öaarOBluueHCKafl),
stammt aus dem J. 1647. In ihr sind bemerkenswerth : das Bild der
heiL Mutter Qottes (ÜKOHa KopcyHCKoft üpecBAToä BoropoAUiiu),
eines der ältesten Gemälde Russlands, laut der griechischen Inschrift
993, also 5 Jahre nach der Einführung des Ghrlstenthums in Russ-
land (988), von Jeromonach Ssimeon gemalt; ferner die Evangelien
(EBanreiie) aus dem Ende des xi. Jahrh. mit einer dem griechischen
Alphabet ähnlichen Zeichenschrift, uralten Typen (aBaüeHi).
Von der Blagowjeschtschenskaja Ssloboda gelangen wir, die
Oka abi/värts, in eine der schönsten Strassen der Stadt, die Roih-
deetwenskaja (FoKAecTBeHCKaa) oder Geburtsstrasse, auch Nish-
nebasamaja genannt. Hier gleich r. die auf mächtigem Unterbau
ruhende Boshdestwensky- oder Geburtakirche (UepROBb Fo»AecT-
sa npecB. EoropoAHau, PI. 21), auch Stroganowskaja genannt,
1719 Yon dem Grafen Gregor Dmitriewitsch Stroganow erbaut.
Von den 5 mit mächtigen goldnen Kreuzen gezierten Kuppeln ist
die mittelste mit Sternen in allen Farben übersät. Der Ikonostas
328 Routt 26. NISHNY-NOWGOROD. BlagowjeschtschemkaL
stammt aus dem J. 1806. Unter den Heiligenbildern sind bemer-
kenswerth die des Erlösers (CnacHTei«) und der Mutter Ootte»
(BoropoAHUii)» Sie waren angeblich für die Peter-Pauls-Kathedrale
in St. Petersburg (S. 174) bestimmt und wurden auf Bestellung Pe-
ter's d. 6r. von Karawak gemalt. Während Peter sich aber im Aus-
lande befand , kaufte Stroganow sie für die Nishegoroder Kirche,
welche zu jener Zeit im Bau war. Als Peter nun 1722 bei seinem
Besuche Nishny's die Bilder sah, befahl er die Kirche zu versiegeln
und versprach, die Angelegenheit zu ordnen, wenn er aus dem
Persischen Feldzuge zurückkehre. Die Kirche blieb in Folge dessen
bis zur Thronbesteigung Katharina's I. (1727) geschlossen.
Ueber den Ssafronowskaja -Platz (PI. D 3), an dem Gebäude der
Mininschen Brüderschaft , der Vorschule (in der Mininskaja), der
Kosmodemjansky-Kirche (PL 17.) 1., der Troizkaja- Kirche (PI. 23) r.
und dem Traktir Jermolajew vorbei, gelangen wir am Durchschnitts-
punkt der Selensky- Schlucht, die sich bis zum Wolga- Quai fort-
setzt, mit derRoshdestwenskaja auf einen kleinen Platz, den Tolkut-
schy Rynok (ToiKy«iili pUHOKi), auf dem ehemals der Nishegoroder
Krammarkt abgehalten wurde. Von hier führt die Roshdestwenskaja,
von mehreren Querstrassen durchschnitten, geradeaus bis zur Wolsh-
skaja Nahereshnaja, 1. zur Nishnaja Nahereshnaja ^ r. in die Se-
lensky-Schlucht, an der gleich 1. die Diwjäjewskaja-Kapelle (PI. 5),
die Iwanowskaja- Kirche (PI. 15) und diekatholische-Kirche (PI. 16) ;
weiterhin ebenfalls r. führt von. der Roshdestwenskaja das Iwa-
nowsky-Thor in den Kreml.
Steigen wir den abschüssigen Weg der Selensky- Schlucht (3e-
jeHCKifi ci'bSA'B, PI. E 3) hinauf und machen auf halber Höhe Halt,
so haben wir den Blick 1. aaf den steil über uns liegenden Kreml,
r. in diQ Potschainsky-Schlucht {UoHdMECisi^OB^^T'b). DieSelensky-
Schlucht hat ihren Namen von einem Pulvermagazin (3eie8Hu8,
nopoxoBoS ABopi), das in alten Zeiten hier gelegen haben soll ; der
Durchstich in seiner jetzigen Gestalt wurde 1834 vollendet. An der
Potschainka liegt das Haus Polza (^om rocnoAHHa Ilojfciia), in dem
Peter d. Gr. zur Zeit seines Feldzuges gegen Asow (1698) wohnte.
Die Selensky-Schlucht mündet auf den schönsten Platz der Stadt,
den^Blagowjesehtschenskoi (BjarovbmeHCKafl oder BepxHeöasapHaa
nJomaAb, PI. E3). Hier liegen das geistliche Seminar, das Gym-
nasium, die Post, das Kreisgericht und das Theater ; von hier gehen
radienförmig die Hauptstrassen aus : in der Mitte die Warwarskaja
(BapBapcKafl), in der auf dem Ascharskaja-Platz die Warwarskaja-
Kirche (UepK. BapBapcKaH, PI. 8); r. die grosse Pokrowskaja (Boib-
maa IIoKpoBCKafl, 8. 332) und die Alexejewskaja (AieKCteBCKaa), 1.
die Tichanowskaja (THxaHOBCKaji). Die ganze Nordseite des Platzes
wird von den alten Kreml-Mauern und -Thürmen begrenzt. Mitten
auf dem Platze die Kathedrale der Verkündigung Maria, die Alexe-
jewskaja-Kirche und ein mächtiges Wasserhassin (PeaepByap'i) mit
prächtigem Springbrunnen.
PetsckorskyKloster, NISHNY-NOWGOROD. 25, Route, 329
Um dem Wassermangel der oberen Stadt abzuhelfen, erbaute 1847
der Gouverneur, Fürst Jurussow, am Ufer der Wolga, unterhalb des
Atkoss (s. unten), den Wasser 1 ei tun gs-Thurm (BoAonpoBOAl'B, PL 33),
ein grosses Gebäude im gothisehen Stil. In ihm treibt eine Dampf-
maschine das Wasser vermittelst eiserner Röhren in die obere Stadt und
den. Kreml.
Nach dem Theaterplatz zu haben wir zunächst das Theater,
(Tearpi, PL 32; vgl. S. 325) in der Nähe der Nikolaus -Kirche
(UepK. HUKOIbCKEfl, PI. 20).
Vom Theater an der Fost (Üo^TOBafl KOHTopa, PL E3) vorüber
zur Alexejewskaja-Kirche (UepK. A jeKCbescKaA , PL 10), Ende des
XYii. Jahrh. durch den Diakon Joseph Bulgakow gegründet^ 1823 um-
gebaut, mit vielen Heiligenbildern am Ikonostas, Fresken von dem
Nishegoro der Künstler P. A. Wedenetzky und reicher Schatzkammer.
Unter der Kirche eine Höhle , in der eine Quelle und das Grabmal
des Erbauers.
Die Kathedrale der Verkündig^mg Maria (EiaroB^meHcidfi Co-
öopi, PL 12), früher ITircÄc des Dmitry Ssolunsky genannt, eine der
ältesten Nishny's, wurde Ende des xiv. Jahrh. gegründet, seitdem
mehrfach umgebaut. Bemerkenswerth in ihr einige silberne Kelche
(noTHpi) mit alten Inschriften, welche noch nicht entziffert sind.
Weiterhin das Gymnasium (MyxecKaa iHMHasifl, PL 29) und das
geistliche Seminar (4yxoBHafl ceMHHapifl, PL E F 2) , beide mit werth-
voUen Bibliotheken. Hinter dem geistlichen Seminar beginnt die
Shukowskaja (PL F G2), mit welcher der obere Quai, die Werch-
naja Nabereshnaja (BepxHafl HaöepexHafl) parallel läuft ; zwischen
beiden gleich r. die *Oeorg8-Kirche (UepK. cb. Teoprifl, PL 13), in
gothisch-florentinischem Stil 1702 erbaut.
Den Berg hinab vom Anfange des oberen Quai zieht sich eine
Reihe von Dampfschiff-Comptoiren; auch gewahrt man die Röhren
der Wasserleitung, deren Gebäude (s. oben) am Fuss der Höhe sicht-
bar ist; ebenso erblicken wir von hier aus das Schloss der Erben
Koltschina's, der Eigenthümer einer grossen mechanischen Fabrik
(SaBOAi KojLHHHa, PL G 2).
Vom oberen Quai biegen wir links in den sog. ^AtkoBS, den
englischen oder Alexander-Garten (Otkoci, AsriiäcKiS oder AieK-
caHApiäcKiä ca^'B, P1.F2), eine künstlich angelegte Terrasse am
Abhänge nach der Wolga, mit ausgedehnten, gut gehaltenen Garten-
anlagen (^Restaurant). Von den hoher gelegenen Punkten prächtige
*Aussicht, Abends am schönsten.
Auf den oberen Quai zurückgekehrt und ihn weiter verfolgend
haben wir r. in einem Garten das Martinowsche Krankenhaus
(MapTHHOBCKafl öouHHua) und das weibliche Marien-Institut (Ma-
pi&HCKiä »eHCKiä HHCTHTyTi>,Pl.G2) ; amEnde desQuais, an derStrasse
nach Kasan , das ^Petsehorsky-Kloiter (üe^iäpcKiM MyiRecKiä MOHa-
CTUpb, PL H 2) auf einem der schönsten Punkte des abschüssigen
rechten Wolga -Ufers. Wenn man den Weg zum Kloster hinaufsteigt,
so schimmern zur Rechten die freundlichen weissen Häuschen der
330 Boute25. NISHNY-NOWGOROD. Kreml.
Ssloboda Koschelewka durch das grüne Gebüsch ; über denselben
zeigt sich auf einem Felsvorsprung die weisse Klostermauer, hinter
welcher sich die Kuppeln der Kirchen und die Wohngebäude der
Mönche erheben. Um den Felsen biegend hat man die Kloster-
pforte vor sich.
Der Bau des Petschorsky - Klosters wurde unter dem Gross-
fürsten Alexander Wassiljewitsch durch den h. DionysiuSy Erzbischof von
Ssusdal und l^ishny-Nowgorod (1328-1330) auf der Stelle ausgeführt, wo
heute die Kirche der alten Pets^orskiga-Ssloboda, I/2 W. unterhalb des
Klosters, liegt. Ein Theil der Mauern des alten Klosters, dessen Ueber-
reste noch sichtbar sind, rutschte am 18. Juni 1597 den Abhang des Berges
hinunter. Der Wiederaufbau auf dem jetzigen Platze wurde vom Zaren
Feodor I. Iwanowitseh begonnen und unter Michael Romanow beendet.
Die Hauptkathedrale des Klosters, die Himmelfahrtskirche
(UepK. BosHeceflifl) , in der Mitte des Klosterhofs und mit der an-
deren Kirche durch eine bedeckte Gallerie verbunden, wurde 1631
von dem Baumeister Lawrenti Wosojulin erbaut. In ihr bemerkens-
werth das wunderthätige Bild der Petschorskischen h. Mutter Gottes
(HyAOTBopHuä oöpasiÖe^epcKoäBoKieäMaTepH) aus dem xiv.Jahrh.
und einige alte Kirchengeräthe. In der ehemals reichen Kloster-
bibUothek^ deren Schätze nach St. Petersburg gebracht sind, werden
7 Manuscripte , die sog. Ssinodik (Chhoahki») aufbewahrt , aus den
Jahren 1552-1595 stammend ; in ihnen sind auf Befehl Iwans des
Schrecklichen die Namen der von ihm hingerichteten Bojaren u. s. w.
verzeichnet worden (381) ; ferner ein Gemälde (KapTHHa), das Pet-
schorsky-Kloster um 1598 nach seiner Zerstörung darstellend. Merk-
würdig sind auch die Glocken ; die eine derselben ist 1492 zu Hagenow
in Mecklenburg gegossen und von Iwan dem Schrecklichen in Dorpat
erobert worden. Das Glockenspiel ist für 5 Melodien eingerichtet.
Der Kirchhof des Klosters war ehedem der Begräbnissplatz der aus-
gezeichnetsten Bürger Nishny's, wie heutzutage der des Kresto-
wosdwishenskischen Nonnenklosters (PI. 8), und enthält viele alte
interessante Grabmäler.
Von dem Petschorsky-Kloster auf die Kasaner Strasse zurück-
kehrend, gelangen wir in die Grosse Petschorskaja (Eojbman DeHOp-
CKafl), eine der schönsten und breitesten Strassen Nlshny's, mit Villen
und Gärtien ; zur Seite der Strasse alte merkwürdige Steinbauten mit
Heiligenbildern u. s. w. In ihr die KuUbinsche Gewerbeschule, ge-
gründet 1872, mit dem Kulibinschen Museum,, Am Ende der Strasse
dasPatriarclienhauB oder erzbischöfliche Schloss (Apxiepe8cKi8AOHi,
PI. 31) mit grossem Park ; im Hofe sind noch die Ueberreste des alten
Erd Walles zu sehen, welcher ehemals Nishny umgab.
Durch die kleine Petschorskaja und die Tichanowskaja gelangen
wir durch das Dmitriewsky'sche Thor in den *Xreinl (Kpeirjb,
PI. E2, 3).
Die ersten Bauten des Kreml begannen unter dem Groasfürsten Bmitrv
Konstantinowitsch (1365-1384)^ unter ihm wurde 1372 der Jhniiriewskßf'a
Thurm (AvHTpieBCRaa ÖauiH«) erbaut. Demnächst entstand unter Iwan III.
1500 der Twerskaja^ jetzt Iwanowskaja Thurm. Den vollständigen Neubau
des Kreml leitete 1508- 1511 der italienische Baumeister Peter Frcmano.
mnin'8 Denkm. NISHNY-NOWGOROD. 25. Route, 331
In der Folge erfuhr aber der Bau beträchtliche Veränderungen. 1838 wurde
ein grosser Theil des alten Grabens , über den hölzerne und steinerne
Brücken führten, zugeschüttet und so entstand der Kreml-Boulevard (KpeM-
jreBCKifl 6yjii>Bap'b). 1843 stürzte ein Theil der unterhalb des Gouvernements-
hauses gelegenen Kremlmauer ein und verschüttete die hölzerne Kirche
des heiligen Geistes (I^epR. cb. Pjxa)', eine andere Kirche, die „des be-
lebenden Quells" (I|epK. ^HBOHOcnaro ncTOHHHKa), unterhalb des Berges
gelegen, wurde beschädigt und musste umgebaut werden.
Der Kreml Hegt auf dem höchsten Punkte der oberen Stadt;
er ist TOn einer 20-30 m hohen Mauer umgeben, die von 11 (ehe-
mals 13) Thürmen fiankiit wird. An der äusseren Seite der Mauer
zieht sich ein schattiger Boulevard, welcher den Kreml in einer
Ausdehnung von l^/g W. umfasst. Die Aussicht vom Kreml ist am
schönsten vom runden nördlichen Ssjäwernaja-Thurm. Im Kreml
befinden sich das Gouvernementshaus, der oberste Gerichtshof, die
Kasernen, das Arsenal, das Militärgymnasium, das Telegraphen-
bureau; femer die Hauptkirchen Nishny 's : die Kathedrale zur Ver-
klärung Christi, die Erzengelkathedrale u. a.
Nach dem Passiren des Dmitriewsky-Thores zur Rechten das
lange Gebäude des Arsenals (ApceHajn, PI. 1); vor demselben die
^Kathedrale der Verklttnmg OhriBti (Cnaconpeo6paseHCKiü Kare-
ApaJbHufi Co6opi, PI. 22), 1221 unter dem Grossfürsten Jury
Wssewolodo witsch gegründet , in der Folge aber häufig umgebaut ;
ihre gegenwärtige Gestalt erhielt sie 1830-1834 durch den Archi-
tekten Jeflmow.
Im Imsebm sind bemerkenswerth : die Wandgemälde , 1837 von d«m
Nishegoroder Künstler Sheljäsnow ausgeführt ; ein grosses Bild des Erlösers
(HRona BceifEJiocTHBaro Gnaca-HepyROTBopeHRaro), durch den Grossfürsten
Konstantin WassiljewitBch aus Ssusdal hierher gebracht: das Bild der
Iwerskitchen Mutter Gottes (Hk. HsepcsiA IIpecB. BoropoAHi^), 1672 von Simon
XJschakow gemalt ; das Bild der heil. Mutter Gottes (Hr. Bo&. Mar. OffHinTpiä),
1381 aus Konstantinopel durch den Erzbischof von Ssusdal und Nishny,
Dionyslus, gesandt, mit byzantinischen Inschriften; Evangelien (Hanpe-
CTOJiBHoe EBanrejiie), 1408 auf Pergament geschrieben ; der Bischofsstab des
ersten Nishegoroder Metropoliten Philaret; zwei alte Prozesaionsf ahnen
(XopyrBH), welche den Fürsten Posharsky und Minin nach Moskau beglei-
teten u. s. w. Unter der Kathedrale eine Krypta mit 3 Altären , deren
mittlerer der Kasan'^schen Mutter Gottes zum Gedächtniss der Befreiung
Kusslands von der Herrschaft der Polen gewidmet ist 5 ferner die Grab-
mäler und Särge von 10 Nishegoroder Grossfürsten, Fürsten u. s. w. und
7 Metropoliten. L. vom Eingange das Grabmal des Kosma Minin (f 1616),
umhüllt von einer sammtenen Decke , darauf ein Kreuz von künstlichen
Blumen und eine Widmungsschrift.
In der Nähe der Kathedrale das Gouvernementshaus und das
Denkmal Minin's. Das OonvernementshauB (ryöepHaTopcKiä aohi
oder ^opem», PL 3) ist ein schönes Gebäude am Rande der Hohe,
an der sich der Qouvemementsgarttn hinzieht. In letzterem einige
Kapellen} wohl Reste des ehemaligen, später abgebrochenen Klo-
sters des h. Geistes (ityxoBi MoHacTupi»), welches 1574 von dem
Mönch Porflrius unter der Regierung Iwan's des Schrecklichen ge-
gründet wurde.
Das Denkmal Minin's und Fosharsky's (üaxHTHHK'B MHHHHy h
nosapCKOMy), von einem Gitter umgeben, besteht aus einem c. 20 m
332 Boute 25. NISHNY-NOWGOROD. MurawJewThurm,
hohen Granitobelisk auf einem Sockel mit Reliefs und Inschriften.
Das Denkmal stammt aus dem J. 1826 ; es wurde aber vernach-
lässigt , die Tafel mit dem Namen des Fürsten Posharsky fiel her-
unter und wurde später (1861) am Grabmale Minin's befestigt. Auf
der anderen, am Denkmal befindlichen Tafel die Inschrift: „Fpas-
AaHHHy MHHHHy öaaroAapHoe dotomctbo 1826 r^ (Dem Bürger Minin
die dankbare Nachwelt 1826).
Auf dem Wege nach dem Iwanowskaja-Thurm die *Arehangel8ky-
Kathedrale (Coöopi ApxaHreiiiCKiM oder Co6. ApxHcTpanira Mh-
xaHia, PI. 11), 1222 als Schlosskirche Ton dem Grossfürsten Jury
Wssewolodowitsch errichtet, 1620 neu gebaut. Im Innern ein Bild
des Erzengels Michael aus dem xy. Jahrh. und die Grabdenkmäler
der Nishegoroder Grossfürsten , welche nach 1392 unter moskowi-
tischer Oberherrschaft regierten. — In dem zur Kathedrale gehörigen
Glockenthurm hängen einige alte Wjetsehen (S. 250) , unter ihnen die
sog. fürstliche (KiusecKifi) , eine Legirung von Kupfer und Silber,
aus Rüstungen Nishegoroder Grossfürsten gegossen. — Zwischen dem
Glockenthurm und der Kathedrale (Eingang durch die Kirche) steht
ein Tiereckiger Wacht -Thtwm (CropoxoBafl öanma).
An der Kirche zu Maria Himmelfahrt (UepK. YcneHCKair, Fl. 25),
dem Müitärgymnasium (BoeHHafl rpa«a ApaxqeeBa rHiraaaiji),
welches 1866 aus Gross - Nowgorod hierher verlegt wurde, dem
obersten Gerichtshofe und anderen Gebäuden vorbei , erreichen wir
wiederum die DmitriewskajaWorota und den Werchnaja-Basarnaja-
Platz. Von hier die Alexejewskaja (AjeKceteBCKaa) hinunterschrei-
tend, kommen wir auf den Mytny Dwor (MuthuH ^Bopi) mit einigen
alterthümlichen Gebäuden aus dem Beginn des xviii. Jahrb., im rus-
sischen Stil ; im schönsten derselben ein Traktlr.
Von dem Mytny Dwor gelangen wir r. durch eine enge Gasse nach
d^T Grossen Pokrowska ja (BoibmaifiUoiii^OBCKSiB)^ einer der breitesten
und schönsten Strassen der oberen Stadt, obgleich sie noch nicht stark
bebaut ist (in derselben die Lutherische Kirche, PI. E4), und biegen
kurz vor dem Theaterplatz 1. in die Lykowa Damba ( JuKOBa Ji,Ru6a)
ein, einen die Potschainka durchsetzenden Damm , 1839 erbaut;
letztere ist jetzt fast trocken, ihr weniges Wasser wird durch Röhren
abgeleitet. Von der Mitte des Dammes hübscher Blick auf die Wolga
und den Kreml.
Vorüber an der schönen Mironossizkaja Kirche (Uepx. MHpo-
HocimKafl, PI. 18), die, im xiii. Jahrh. gegründet, ihre jetzige Gestalt
1649 erhielt, gelangen wir die grosse Iljinskaja-Strasse kreuzend auf
den sog. Grebeschok (rpoöemoKi), auf dessen Gipfel an einer jäh
abfallenden Schlucht der riesige MurawjewThurm und das nicht
weniger bemerkenswerthe Ogarewsky Terem (OrapeBCKift Tepevi).
Der MurawjewThurm (MypaBi,eBCKaH 6amHn) , zu Ehren des
Nishegoroder Gouverneurs A. N. Murawjew erbaut, ist leider sehr
schadhaft, doch wird man sich , wenn man die vielen wackeligen
Jahrmarkt. NISHNY-NOWGOROD. 25. Route. 333
Stufen erklommen hat, durch die oben sich öffnende ♦Aussicht für
<die Mühe reich belohnt finden.
Von hier durch die Pochwalinsky - Schlucht zur Jahrmarkts-
brücke; wir überschreiten dieselbe oder lassen uns in einem Boote
ans andere Ufer fahren , um den Jahrmarktstrassen einen Besuch
2U machen.
Die Messe oder der Jahrmarkt (ffpMapKa)."^
Der Besuch der Jahrmarktstrassen ist besonders um die Zeit der Peter-
Pauls-Hesse vom 15. (27.) Juli bis 25. August resp. 6. September interessant.
Am 10. September wird die nur für die Dauer der Hesse erbaute Jahr-
marktsbrücke abgebrochen ^ die Läden werden gesperrt und es darf von
diesem Tage an kein Licht sieh mehr auf dem Markte zeigen. Im Frühjahr
ist der ganze Platz in der Regel überschwemmt. Während der Hesse ist
auf dem Jahrmarktsplatz das Bauehen bei 25 B. Strafe untersagt (s. S. 325).
An Restaurants fehlt es während der Hesse nicht \ zu empfehlen ist be-
sonders N.E. Je gorow, danndiesehrbesuchtenBörsentraktireBubnow,
Ssmirnow, Barbatenko, Werenikow, Gorinow u. a. Aueh spe-
zielle persische, tatarische u. s. w. Restaurants sind vorhanden, ebenso
zahlreiche Volkshüchen^ die dem Unbemittelten für 4Kop. eine'Portion Thee
mit Zucker, für 8Kop. Sehtschi, Kohlsuppe, Brot und gekochte Grütze
mit Oel, so viel man davon zu bewältigen im Stande ist, liefern.
An Vergnügungen hat man ausser den gewöhnlichen Hesssehens-
würdigkeiten ein russisches Theater (in der äusseren Hessstadt, nahe
der tatarischen Hoschee), einen eleganten Goncert- und Balls aal im
Hauptgebäude, zahllose Gafes ehantants (naeh dem Kamen des Be-
sitzers kurzweg „Nikita" genannt).
Post und Telegraph im Hauptgebäude.
Pferdebahn in den Haui>tstrassen bis zum Ssibirskaja-Landungsplatz.
Dolmetscher (Artelschtschik) für die Hesse in den Hdtels.
Die Hesse von Kishny-Nowgorod verdankt ihren Ursprung
der Eifersucht der moskowitischen Grossfürsten auf den grossen Handel
von Kasan, der Residenz der Tataren-Chane, wo schon in der Mitte des
XIV. Jahrh. im Hochsommer auf dem Felde von Arsk eine grosse Hesse
gehalten wurde. Wassily IV. Iwanowitseh richtete 1523 auch auf seinem
Gebiete, an der Hündung der Ssura in die Wolga, hei Wassil-Ssurssk (S. 348),
eine Hesse ein, indem er gleichzeitig seinen Unterthanen den Besuch der
Kasan^sehen verbot. Nachdem auch Kasan unterworfen war und der
Jahrmarkt auf dem Felde von Arsk aufgehört hatte, verlegte Hichael
Romanow 1624 die Hesse in. die Nähe des im xv. Jahrh. erbauten, dem
russischen Schutzheiligen Hakarius (geb. 1849) gewidmeten Hakariew-
Klosters am See Sheltuja Wodu (S. 348). Der Sterbetag des Heiligen
(25. Juni) , zu dessen Feier zahlloses Volk von allen Seiten zusammen-
strömte, war auch der Eröffnungstag des Harktes. Indessen war die
Messe hier sehr den Ueberfluthungen der Wolga ausgesetzt, und man
ging schon lange mit dem Gedanken um, den Hessplatz zu verlegen. Der
Plan gelangte zur Ausführung, als im J. 1816 ein Brand sänmitliche Ma-
gazine und Buden zerstörte, und Nishny - Nowgorod ward zum neuen
Messort ausersehen. 1824 wurde der vom Ingenieur -General Bdtancourt
geleitete und mit einem Kostenaufwand von über 3 Hill. Rubel herge-
stellte Bau (damals 60 Hagazine und über 2500 Buden) vollendet. Seit-
dem ist der offizielle, durch Aufhissen der Flagge auf dem Jahrmarktsplatze
und durch Gottesdienst bezeichnete Anfang der Hesse der 15. (27.) Juli,
der Sehlusstag der eigentlichen Hesse der 2o. August, der Nachmesse nach
dem Zahltage der 6. September.
Die weitverbreitete Vorstellung, als finde man auf dem Jahrmarkt
von Nishny-Nowgorod alle Volksstämme des nördlichen und centralen
* Der Name wird aus den Zeiten der Hansa datiren.
334 Route 25, NISHNY-NOWGOROD. Jahrmarkt,
Asiens versammelt, ist eine irrige. Es ist keine internationale « Bondern
eine russische Hesse, die hier abgehalten wird; die Hehrzahl der Besucher
sind russische Kaufleute und Bauern, denen sich allerdings die Vertreter
der unter russischer Herrschaft stehenden Länder des Kaukasus, Ost-
Russlands und Asiens anschliessen. Seltenere Gäste sind Chinesen, Perser
und Indier. Immerhin aber ist das Völkergemisch ein überaus buntes.
Vom Ssafronowskaja-Landungsplatz, in der Unterstadt, am Ende
der Roshdestwenskaja, führt die Jahrmarktsbrücke (flpMapHHuä
IIiainKoyTHufi mocti, PI. C3) über die Oka. Die Brücke, 900 m
lang und 25 breit, wird, wie erwähnt, nur zur Jahrmarktszeit*)
erbaut. Der hölzerne Oberbau ruht bis zu einer Sandinsel (an
diesem Punkte r. das Flussbad) auf Flusskähnen oder Pontons;
von hier geht die Brücke auf Pfeilern über eine Untiefe , Land-
fläche und Niederung bis auf die weite Landzunge des Jahrmarkts.
Am jenseitigen Ufer fällt zuerst in die Augen das eiserne Gebäude
der Börse (Eiip)Ka). Es bezeichnet die Stätte des Jahrmarkts.
Der Jahrmarkt nimmt eine unabsehbare Fläche ein, welche erst
künstlich erhöht werden musste , und enthält eine förmliche Stadt
von Magazinen und Kaufläden. Diese Messstadt zerfällt in eine in-
nere und eine äussere. Der innere Markt besteht aus ein- und
zweistöckigen , meist ^steinernen Hallen , die in rechtwinklig sich
schneidenden Strassen errichtet und von einem Umfassungskanal
(OÖBOAHuA KaHEJi) umgeben sind. Wir zählen 12 Längsreihen, recht-
winklig auf den Strom stossend , und 6 Querreihen ihm parallel.
Die mittlere, breite und mit einer Weideuallee verschönte Längs-
strasse, der Boulevard^ trifft an der Flussseite auf den Qlawnii Dom.
das Hauptgebäude (FjaBHuS ^OMi) und an ihrem anderen Ende auf
die Ssobor oder Kathedrale (S. 335). Die Längsreihen oder Linien
sind nach dem Alphabete bezeichnet; ausserdem haben die einzelnen
Hallen-Parallelogramme oder Blöcke (Kopnycx) Namen nach den
darin feil gebotenen Waaren , wie z. B. die Armenische , die Jaros-
slawer , die Iwanower, die Leder-, die Rauchwaaren-, die Leinen-,
die Tuch -Hallen oder Linien. Diese Namen treffen aber jetzt
nicht immer mehr zu. Die Querreihen sind nicht offiziell benannt.
Die steinernen Lagerhäuser der inneren Messstadt , die Ambarren,
sind Eigenthum der Krone, welche überhaupt alle Einrichtungen
zur Abhaltung der Messe geschaffen hat. Zu ihnen gehört namentlich
auch das Netz gemauerter unterirdischer Kanäle , welche die ganze
innere Jahrmarktsstadt durchziehen. Die verschiedenen Treppen-
zugänge zu den sog. MesskataJcomben oder Tunnels (TyHHeu»), d. h.
Aborte, sind durch niedrige Thürmchen, welche sich über ihnen
erheben, zugänglich. Diese Katakomben werden allnächtlich mittelst
einer Dampfmaschine, welche das Flusswasser, zugleich für LÖsch-
zwecke, in das Reservoir eines Wasserthurms (EaniHii «pMapoHHaro
BOAonpoBOAa, PI. B 4; *schÖne Aussicht über den Jahrmarkt)
•) Eine stehende Verbindung beider Ufer wird mit der Vollendung
der im Bau befindlichen Bahn von Nishny- Nowgorod nach Kasan her-
gestellt sein.
Jahrmarkt NISHNY-NOWGOROD. 25. Boute, 335
hinaufhebt, gespült, eine für die sanitären Verhältnisse der Messe,
welche zu Zeiten 100,000 bis 200,000 Fremde hier versammelt,
äusserst heilsame Einrichtung. Für die Sicherheit gegen Feuersge-
fahr ist durch eine trefflich organisirte, auf 3 Stellen vertheilte Feuer-
wehr ausreichend gesorgt. — Die Yerkaufsstäude der inneren Messe,
die Läden , Lagerräume und Boden der Ambarren werden von der
Regierung vermiethet und werfen im Ganzen jährlich 300,000 B.
ab. Dagegen sind freilich auch die Unterhaltungskosten , da der
ganze Messplatz in der Zeit des hohen Wasserstandes von den
Fluthen der Oka und "Wolga überschwemmt wird, nicht unbe-
deutend. Im Ganzen zählt man auf der Messe 5000 Yerkaufsstände
und Läden. Indessen hat sich dieser eigentliche Markt, die innere
Messstadt, nicht als ausreichend erwiesen und zu beiden Seiten
haben sich dann noch andere Strassen und Gebäude in Massen,
wenn auch weniger regelmässig angesetzt — die äussere Mess-
stadt, der interessanteste Theil der Messe. In den imposanten
Waarenmassen , welche wir auf den grossen Lagerplätzen nach der
Wolga hin erblicken, tritt uns so recht die Eigenthümllchkeit dieser
Messe entgegen, dass hier nicht sog. Bestellwaare oder nach Proben ge-
handelt wird, sondern dass die Waaren zum grössten Theil auch wirk-
lich zur Stelle sind und in allen Theilen besichtigt werden können.
Eine zuverlässige Statistik der Hesse gibt es nicht, doch ist das all-
jährlich zur Ueberwachung des Marktes eingesetzte Jahrmarkts - Gomite
bemüht, den ungefähren Werth und die Mengen der zur Messe gebrachten
Waaren festzustellen. Im J. 1881 wurde der Umsatz auf rund 270^000,000 R.
geschätzt. Eine Aufzählung aller zu Markt gebrachten Artikel ist unmög-
lich ; man kann sagen , dass Alles , vom rohen Bodenerzeugniss bis zum
raffinirten Luxusgegenstand hier zu haben ist. Ebenso wenig lässt sich
hier angeben, wo diese oder jene Artikel zu finden sind. Wer daran
ein weitergehendes Interesse hat, muss mit einem Dolmetscher den Markt
besuchen.
Das Haupt- oder OouTemementsgebäude (FjaBHiiiil ^ohi, PI. B 3)
ist ein grosser steinerner Bau , in welchem während der Messe der
Gouverneur , der Messdirector , die Polizeibehörde , die Post- und
Bankfiliale ihren Sitz haben. Das Erdgeschoss enthält einen Bazar
für Luxusartikel (Bijouterie- und Seidenwaaren, Edelsteinen, s.w.),
namentlich auch kaukasischer und sibirischer Herkunft. Verhält-
nissmässig ruhig geht es auf dem Boulevard zu , dem Tummelplatz
der eleganten Welt. Hier und an dem Platz vor dem Hauptgebäude
überwiegen die ganz europäischen Mode-, Galanterie- und Juwelier-
läden der russischen Kauf leute ; weiter zurück liegen die Läden mit
Pelzen, Seidenwaaren und anderen reichen Zeugen. Es ist dies die
Region der grosseren Handelsgeschäfte. Am Ende des Boulevards er-
hebt sich die Jahrmarkts-Kathedrale (flpMapo^Hutt Coöcpi, PI. A3).
Vor derselben eine Fontäne, an den Ecken umgeben von vier Ge-
bäuden in chinesischem Stil. Dieselben bilden den Anfang der nach
beiden Seiten hin, [quer zum Boulevard, sich erstreckenden chine-
sischen Reihe (KHTaHcKiä pnfi'h), wo vorzugsweise die (russischen)
Theehändler ihre Comptoire haben. Die grössten Theelager befinden
sich am sibirischen Landungsplatze (s. unten).
336 JSoute 25. NISHNY-NOWGOROD.
Während 1. von der Kathedrale die armeniiclie Xirelie (UepK.
ApHHHCKafl, PI. A 3) liegt, erblicken wir, wenn wir den Umfassungs-
kanal auf der Brücke am östlichen Ende der chinesischen Reihe
überschritten haben , gleich 1. die tatarische Moschee (UepK. Ma-
roxeTaHCKafl oder TarapcKafl Hener-B, PL B3), aus dem J. 1852
stammend. Gegen ein kleines Trinkgeld kann man diese Moschee
leicht betreten. Sie enthält im ersten Stockwerk einen Saal mit
der Gebetsnische; der Boden ist mit Strohmatten und Teppichen
belegt, auf welchen die Muslimen ihre Gebete verrichten. Der Mo-
schee gegenüber der sog. Karawan- Ssarai (KapaBaHicapafi) mit
grossem Lager persischer Teppiche.
In einiger Entfernung, am Theater vorbei, kommen wir zur per-
sischen Reihe (IlepcHACKiü pSAi»). In Säcken und Kisten stehen hier
die Landesprodukte der reichen Provinzen Persiens : Rosinen und
Mandeln, Pistazien und Wallnüsse, Datteln und Korinthen und die
in Russland besonders beliebten Tschapdalla (getrocknete Pfirsiche)
zum Verkauf; ferner sehr dauerhafte, in Matten verpackte gewirkte
Teppiche, wahre Kunstwerke (l(X)-200 R. p. Stück), Tücher, Sticke-
reien im Kleinverkauf, wie im Karawan-Ssarai. Der Besuch eines
der äusserlich unscheinbaren persischen Läden ist lohnend.
Vorüber an Transportanstalten, Versicherungsgeschäften, Agen-
turen aller Art, den Bureaux von Notaren, an russischen, deutschen
Restaurants, selbst einem persischen Wirthshause, gelangen wir zu
einem weiten offenen Platze, der sich, begrenzt nach der Wolgaseite
durch eine lange Reihe niedriger Holzgebäude ^ die Comptoirs der
Dampfschiffgesellschaften, am ^Ssibirskaja-Landungsplati (CHÖnpc-
Kafl npHcraHfc, PI. A B 2) ^ vor uns ausdehnt. R. einige Holzhäuser,
die von aussen und innen mit Matten aus gedrehtem Lindenbast
(Zinowka) belegt sind. Diese originellen Lindenbasthäuser {Bala-
gan, EaJiaraHu) enthalten die Comptoirs der Theelager (der Werth
des 1876 zur Messe gebrachten Thees wird mit 8V2 Mill. Rubel an-
gegeben, die Zahl der jährlich hier aufgestapelten Theeballen,
grosse Würfel in Papier , Holz , Bastgeflecht und Hundefell ver-
packt, beträgt weit über 100,000); die Lindenbastmatten, die
feineren wie die gröberen, bilden als Verpackungsmaterial an sich
einen wichtigen Artikel der Messe. Der Besuch eines dieser Ba-
lagans, die für jede Messe neu gebaut werden, ist interessant und
wird gern gestattet. — Von der Landzunge Strjälka (Crp-feiKa,
PI. 02) schöner Blick auf die gegenüberliegende Stadt.
An derW.-Selte des Jahrmarktstheils liegt die Vorstadt Xnnawino
(KyHaBHHO oder AaeKcaHApoBCKafl CioöoAa, PI. B 5), das Absteige-
quartier der meisten Besucher der Messe, wodurch der Ort mit seineu
Gast- undWirthshäusern, Kirchen, Buden und Fabriken das Ansehen
einer von Nishny getrennten Stadt gewinnt. — Bemerkens werth
durch ihre originelle Architektur und ihre glänzende Farbenpracht
die Kapelle des Qorodez-Feodorowsky'schen Klosters (MacoBHfl
ropoxeitKaro «eAopoBCKaro MOHacTupa), von Dalja erbaute
DIE WOLGA. 26. Route. 337
Gegenüber von Kunawino in der Oka erstreckt sieb der Pesi-
ky, eine lange Sandinsel, über welcbe mehrere Brücken sowie
Schienengeleise führen. Wir überschreiten die auf Pfahlwerk
ruhende Brücke gleich r. von der KreatowoadioishenBkaJa-Kapelle
(HacoBHfl KpecTOBOSABHseHCKftfl, Pi.B 4). Hier auf dem Pessky lagern
zwei wichtige Artikel : Siuf dem Shdjämaja- Landungsplatze {7ReAt3-
Hau üpHCTaHB , PI. B C 4) in ausgedehnten Schuppen , die eben-
falls für Jede Messe neu errichtet werden , ungeheure Massen von
Eisen (von 22 Privatgesellschaften im Gewicht von öVs Mill. Pud,
im Werth von ca. 10 Mill. R. zur Messe gebracht); auf dem Greh-
nowskaja- Landungsplatz (FpcÖHOBCKaH npHCTaHb, PI. G5) in zahl-
reichen Fahrzeugen (sog. Borgen) enorme Quantitäten von gedorrten
und gesalzenen Fischen und von Kaviar (jährlich ca. 10,000 bis
20,000 Pud). Auch lebende Fische sind in zahllosen Fischbehältem
vorhanden. Ein Besuch sowohl der Eisenschuppen wie der Borgen
ist nicht ohne Interesse.
Auf dem Rückwege vom Pessky zur Jahrmarktsbrücke haben
wir noch Gelegenheit, die Volksküchen (S. 333) zu sehen. Auch
führt uns der Weg an der Verkaufsstelle der bekannten russischen
Theemaschinen (Ssamovar) und an dem Lager von Eirchenglocken,
einer Specialität des Marktes, vorüber.
26. Wolga-Fahrt von Bybinsk über Nislmy-Nowgorod
und Kasan nach Ssysran.
Die Wolga (Boxra, von den Mordwinen Ra „grosses Wasser", von
den Tscheremissen Jul d. i. Fluss, von den Kalmüeken und Tataren Edel,
Idel^ Atyl, von den Slaven Wolga — von Bxara Feuchtigkeit — armenisch
Tarnar.ixa Alterthum Bhaa oder Oarus genannt) entspringt unter 57°
nördl. Breite, 6V* westl. Länge im Kreise Ostaschkow, Gouvernement
Twer , 2 W. oberhalb des kleinen Werchita - Sees in einer Sumpfebene auf
den alaunisehen Hohen oder dem ehemals sog. Wolchonsky -Walde in c.
210 m Höhe. Als eigentliche Quelle der Wolga gilt eine Lache, in der
Umgegend der Jordanbrunnen genannt, in der Nähe des Dorfes Wolgo-
WerehoiBJe. Zwischen dem kleinen und grossen Werchita -See hat die
Wolga keinen zusammenhängenden Lauf mehr und besteht im Som-
mer nur aus einer Beihe von Lachen oder kurzen, unter sich getrennten
Wasserläufen inmitten von Sümpfen oder dichtem Walde. Eine fort-
laufende Strömung hat sie erst vom grossen Werchita an, fliesst darauf
in den Sstersh (Oa. Orepnrb) von diesem in den See OiesseluJt (Oa. OBcejrpcb),
in dem auf einer Insel das Neussolowjezkische Kloster steht, dann in
den Pono- und schliesslich in den Wolgo-Bee. Die Wolga durchfliesst auf
ihrem 3295 W. langen Laufe acht Gouvernements; ihr Stromgebiet über-
trifft Frankreich fast dreimal an Grosse; bei Asstrachan geht sie in das
Kaspische Meer. Fün&nal ändert ihr Lauf seine Hauptrichtung. — Das
Gefälle der Wolga ist im Verhältniss zu ihrer Länge nur gering; der
4.72 QM. grosse Sseliger-See, aus dem die Sselisharowka — oft irriger
Weise als Quelle der Wolga angenommen — kommt, hat 252 m Höhe,
Kasan 85.4, Tschorny-Jar 2.6 , Asstrachan — 11 m Hohe. — Die mittlere
Tiefe Ist bei Twer 0.4, zwischen Twer und Ryhinsk c. 0.4. zwischen
Bybinsk und Mündung der Oka Vs-^/lO m, zwischen den Mündungen der
Oka und Kama von 1/2-18 m, von der Einmündung der Kama bis Asstra-
chan 4-82 m; die Breite vom Pono -See abwärts bis Bshew c. 50-65 m,
Bussland. 2. Aufl. 22
338 Boute 26. DIE WOLGA. Von Ryhinak
bei 7wer 200-290, bei UgUtseh 320 m, stellenweise 6 und mebr Werst,
bei Kosstroma 620-600, bei Nisbny 740 m, im Frübjabr bis zu 19 Werst,
bei Ssaratow 1950-4870 m, bei Asstrachan der Hauptstrom 730-1950 m.
TJeberschwemmungen bedecken unterhalb Asstracban häufig ein Terrain,
von 200 Werst. Während der Lauf der Wolga sonst regelmässig und
ruhig ist, richtet sie im Frühjahr zu^r Zeit der Schneeschmelze Ueber-
schwemmungen und Verwüstungen an, während gleichzeitig der seeartig
verbreiterte Strom vom hohen Ufer aus einen unvergleichlichen Anblick,
gewährt. — Der Fluss omschliesst eine Heoge grösserer und kleinerer
Inseln (Osstrowy), welche völlig von der Beschaffenheit der Ufer sind
und im Frühjahr meist überschwemmt werden. Im Sommer bildet die
Wolga, wenn die Wärme den Fluss austrocknet, an vielen Stellen san-
dige Untiefe»^ die nach der nächsten Ueberschwemmung nicht immer
wieder an derselben Stelle erscheinen. Die Wolga würde von noch
grösserer Bedeutung für den Handel werden, wenn es gelänge, der fort-
schreitenden Veränderung des Fahrwassers wirksam entgegen zu treten.
So aber haben sieh Sandbänke vor die Ausmündungen vieler Seitenflüsse
gelagert, Barren hemmen den Stromlauf and die Schi£ffahrt. Im Frühjahr
namentlich, wenn der Strom in Folge der Regengüsse und der schmelzen-
den Schneemassen sich oft 10-20 m über sein gewöhnliches Niveau er-
hebt, und alle einmündenden Gewässer Erde, Sand, Thon und Schlamm
der Wolga zuführen, lagern sich der schwere Kieselsand, sowie Geröll
und Steine im Flussbette und steigen als Sandbänke empor, während
die leichtem Bestandtheile der schwarzen Erde, sowie der aufgelöste
feine Thon und Kalkgehalt dem Meere augeführt werden. In dieser Zeit
ist auch das Wasser der unteren Wolga trübe, sonst in der Regel
ausserordentlich klar und rein. — Was die Uferlandschaft anlangt, so
wechseln von Twer bis zur Oka Höhen (ysaxb) aus Thon, Lehm und
Sand mit endloser sumpfiger Niederung und Waldland ab. Von der Ein-
mündung der Oka in die Wolga bei Nishny an wird das ganze rechte
Ufer weithin bis in die Kaspische Tiefebene von steilen Gehängen und
Bergen begleitet, dem. Bergvtfer^ wälirend in derjelben Ausdehnung das
linke Ufer aus Ebenen besteht, dem W^e$en^fer. Das ganze ungeheure
(210 deutsche Meilen von Nishny nach Ssarepta) Wolgaische Bergufer
ist hauptsächlich aufzufassen als der östliche , von der Wolga um-
säumte Abfall des Central - FIateau*s Busslands, einer durchschnittlich
150-250 m hohen Platte , die sich von der Wolga im O. bis zum Dnjepr
im W., von den Ebenen des Asow'schen Meeres im S. bis zu den Waldai-
Höhen im N. ausdehnt. — Schiffbar wird die Wolga bei Rshew. Die
gefährlichste Strecke ist die von Twer bis Rybinsk^ denn obwohl hier
das Fahrwasser nur für 0,50 -0,70 m tief gehende kleine Schiffe fahr-
bar ist und eine abgesteckte. Nachts durch schwimmende Laternen mar-
kirte Fahrstrasse existirt, so verirren sich doch bei niedrigem Wasser-
stande die Fahrzeuge förmlich zwischen den Sandbänken und bleiben
bald auf diesen, bald auf den zahlreichen Felsblöcken, von welchen der
Grund des Flussbettes besät ist, festsitzen. Von Rybinsk bis Nisbny ist
die Wolga schon für schwerere Fahrzeuge geeignet; die untere Wolga
ist selbst für die grössten Barken zugänglich. Jedoch hemmen der niedrige
Wasserstand im Sommer und die Monate dauernde Eisdecke des Flusses
die Schiffahrt} trotzdem ist die Wolga die Hauptverkehrsader im Innern
Russlands. Drei Kanalsysteme, die von Wyschny-Wolotschok, Tichwin
und der Marien -Kanal bewirken die Verbindung mit St. Petersburg,
während der nördliche Katbarinen-Kanal und der Kanal des Herzogs von
Würtemberg die Wolga auch mit der Dwina in Verbindung setzen, der
Wolga - Moskau - Kanal aber der Abkürzung des Weges zwischen Moskau
und St. Petersburg dient. Man kann annehmen, dass sich auf der oberen
Wolga jährlich im Durchschnitte 14,000 Schiffe mit ca. 300.000 Menschen
bewegen , auf der unteren und mittleren Wolga 8,000 Schüre mit 225,000
Menschen, im Ganzen durchschnittlich ca. 22,000 Fahrzeuge mit einer
Ladung im Werthe von 180-200 Mill. R. Silber. — Gleichfalls wichtig ist
die Fischerei, im Grossen betrieben von den Oesellscha/ten oder Watagi
(BaTara) unterhalb Ssimbirsk, gegen eine Pacht von jährlich c. 750,000 R.
Die häufigsten Fischarten der Wolga sind: Die Störarten oder roihen
nach Ssysran. DIE WOLGA. 26. Route. 339
Fische^ wie sie das Volk nennt: der grosse Hausen (BsJiyra, Aeipenser
Huso), bis zu 600 kg Gewicht und bis zu 6 m Länge ; der gemeine Hausen
(Aeipenser Gyldenstsedtii) , bis 100 kg und bis 3 m Länge; der Scherg
oder Sternhausen (Acip. stellatus), besonders reichlich in der Kura vor-
kommend, 7-20 kg; der Schip oder Sewruge (Acip. Schypa), am Ural,
30 kg; der Sterlett (Acip. ruthenus), der feinste und delicateste Fisch,
7-10 kg schwer, bis 0,60 m lang. Der Wels (Siluris glanis), Hauptfang-
ort die Kura, bis 2 m lang. Der Sander (Lueioperea sandra), 6-10 kg
schwer. Mehrere Gattungen Karpfen^ wie Abramit und Pelecus ; der pon-
tische (Clupea pontica) und der kaspische Häring (Clupea caspica), welche
bis Twer hinaufsteigen (1-lVa I^gi 0,50 m), und andere wie das Fluss-
neunauge (Petromyzon fluviatilis), erst neuerdings von Bedeutung ge-
worden ; seit 1871 besteht in Zarizin eine Salzerei, welche 1873 c. 1,200,000
Neunaugen nach St. Petersburg lieferte. — Was die klimatischen
Verhältnisse des Wolga -Gebiets in den Gouvernements Kasan, Ssa-
mara und Ssaratow anbetrifft, so haben die oberen Theile im allge-
meinen das Klima Hoskau*s und Nishny*s; die unteren Theile des
Wolgathals von Kasan an sind zwar dem Einfluss der trockenen, kalten
Steppenwinde des benachbarten Asiens ausgesetzt, jedoch wird dieser
Einfluss wieder durch warme Südwinde bedeutend gemildert, welchen die
beträchtliche nach Süden hin offene Vertiefung des Wolgathals freien
Durchgang gestattet. Deshalb findet man hier auch häufig Gewächse und
Früchte südlicher Breiten und die Gouvernements Ssamara und Ssaratow
tragen einen durchaus südlichen Charakter.
Man hört in Russland so viel von der „Matuschka Wolga" („Mütterchen
Wolga") sprechen, dass man sich hüten muss, mit falschen Vorstellungen
eine Fahrt auf derselben vorzunehmen. Grossartige Katurschönheiten
darf man nicht erwarten; was man auf dem Rhein in wenigen Stunden
erblickt, sieht man auf der Wolga nicht in einer Woche. Von Interesse
ist aber auf der Wolga immerhin der reiehe Wechsel , den der Strom
nicht nur in seinen einfachen Landsehaftsbildern, die mit der eigenthüm-
lichen und intensiven Färbung des Abendhimmels an Xillandschaften
erinnern, sondern auch in der Natur und Lebensart der Bevölkerung an
seinen Ufern gewährt. Während der Bewohner der Wolga- Ufer im Nor-
den, mit der Unfruchtbarkeit des Bodens kämpfend, nur mit Mühe seinen
Lebensunterhalt findet, erfreut er sich in den Niederungen des Südens
am Duft der Mandelbäume und erntet Berge von Weintrauben. Auf ein-
förmige, sumpfige Niederungen und düstere Fichten- und Tannenwälder
folgen Linden- und Eichengehölze, grüne Wiesen, lachende Fluren und
Gärten und an diese schliessen sich die weiten Steppen des Südens. Mit
dem Wechsel der Natur ändert sich auch die Industrie der Wolga -An-
wohner. Bis zum Einfluss der Oka bei Nishny, wo Grossrussen sitzen,
treiben sie Gewerbe und Manufactur, von hier bis Ssarepta Ackerbau
und Fischfang, weiterhin Viehzucht. Bei Nishny beginnt jedoch das
eigenthümliche Völkergemisch ; das bunte Durcheinanderwohnen der ver-
schiedenen Stämme der uralisch - altaisehen Völkerfamilie.
Die Wolga wird von e. 6-600 Passagierdampfern (Jerxie naccaaupcRie
HapoxoAu) verschiedener Gesellschaften und Privatunternehmer befahren.
Die gedruckten Fahrpläne werden in Folge des schwankenden Wasserstan-
des selten eingehalten : es wird dann auf rothen Zetteln in] den Hotels Ab-
fahrtszeit und Name des betr. Schiffes bekannt gemacht. 1. Wolga-
Dampfschifffahrt von A. A. Sevecke zwischen Nishny-Nowgorod
und Ryblnsk einerseits, Nishny und Astrachan andererseits. Zweimal
wöchentlich von Eröffnung der Schifffahrt an. — 2. Dampfschiff-
fahrtsgesellschaft Kawkas und Merkur nach Asstrachan und
den Kaspischen Häfen sowie nach Perm, 2mal wöchentlich. — Preise s.
bei Nishny. Die nach amerikanischem System eingerichteten Dampfer
dieser beiden Gesellschaften sind die besten und komfortabelsten : grösste
Sauberkeit, bequeme Kabinen, vorzügliche Küche, gute Weine, massige
Preise (feine Bettwäsche 30Kop., Diner 60Kop.)i die I. Kajüte ist vorn
gelegen. Besonders interessant ist auch das Treiben der unteren Volks-
klassen auf diesen Dampfern. — 3. Postdampfs chif ff ahrt^geseH-
schaft Ssamoljot (GaKOJEero) auf der Usha, Oka, Kama, Bjälaga und
22*
340 Route 26. RYBINSK. Von Byhinak
Mologa. Aus Twer nach Bybinsk Mo., Di., Do. und Sa. Mgs. 9 U. ; nach
Uglitsch täglich 7 U. llgs. Billets auf allen Halteplätzen, auf den Eisen-
bahnstationen und den Dampfern , im Gomptoir zu St. Petersburg , Haus
Palkin, Ecke des Kewsky und der Wladimirskaja (10-2 U.), zu Moskau
in der kleinen Lubjanka zu jeder Zeit. Anzurathen ist ein Billet zur Kajüte
1. GL, in der man recht gut schläft. Gute Küche (Diner zu 80Kop.). —
4. Die Wolga-Dampfschifffahrtsgesellsehaft (Hapoxo^Hoe 06-
n^ecTBo no Bojura) von Nishny nach Astrachan; aus Kishny Mo., Mi.,
Fr. u. Sa. 10 U. 30 M. Mgs. Oute Schiffe, ziemlicher Gomfort, I. und II. Cl.
Herren - und Damenkajüten (ohne Bett), III. Cl. Deckplatz. — 5. Ausser-
dem ezistiren dieDampfschifffahrtsgesellschaft Drushina (Apy-
acHHa), für kleinere Touren auf der Wolga, die Dampfschifffahrts-
gesellschaft für Eama und Wolga, von Bybinsk bis Zarizin und
Perm fahrend, und andere Privatgesellschaften. Leidlicher Gomfort, aber
keine Bettwäsche und Kopfkissen. — Gemeinschaftliche Dinerzeit existirt
auf den Wolgadampfern nicht.
«Bybinsk (Puöhhcki).
Gasthöfe. Majak, am Dampfbootquai ^ Simin, Stolby, auf der
Kresstowaja.
Tbaktih in der Xähe der Börse.
Dampfschiffe. Comptoire der Dampfschifffahrtsgesellschaften am
Quai, nahe dem Landungsplatze.
Bahnhop am Westende der Stadt; tägl. 2 Züge nach Bologoje^ 280 W.
für 10.Ö0, 7.88, 4.08 B. *, von hier nach St. Petertburg S. 256.
Bybinak, Kreisstadt des Gouverneineiits Jarosslawl , mit 15,047
Elnw.j gegenüber der Mündung der Schekma in die Wolga an bei-
den Ufern der von S. her einmündenden Tscheremcha auf leicht
hügeligem Terrain gelegen, ist eine reiche und lebhafte, aber keines-
wegs schöne oder interessante Stadt. Die überwiegende Zahl der
Häuser (auch das Theater) besteht aus Holz; steinerne Gebäude
finden sich an dem mit Granit eingefassten und mit eisernem Gitter
umgebenen Quai (HaöepexHafl). An diesem liegt auf einem kleinen
Platze auch die schon von weitem sichtbare und durch ihre Bauart
interessante Kathedrale Kirche der Verklärung Christi (CoöopH.
UepKOBbllpeoöpaxceHiflrocnoAHfl) ; daneben der hoheGlockenthurm.
Nicht weit davon der Gostinny -Vwor, am Ufer die Börse (Enpsa),
der OhshornyBJäd (06»opHUÜ pflAi») oder die Garkochsbuden.
Hauptstrassen sind die Kresstowaja, welche am Kathedralenplatz
beginnt, und die Kasanskaja. Auf dem Kathedralenplatze liegt auch
das Qesellschafts^Haus (OömecTBeHHuä AoHi), in dem der Magistrat
seine Sitzungen hält. Von hier führt eine Strasse nach dem städtischen
Boulevard, am 1. Ufer der Tscheremcha, wo der Gostinny-Dwor für
die Zeit der Jahrmärkte (22. Juni, 5. Juli und 6. December). Die
Stadt hat 8 Kirchen , ein Gerichtshaus , Zeughaus , viele Fabriken
und lebhaften Handel. — Bybinsk erscheint urkundlich unter dem
Namen Bybansk oder Bybanko zuerst 1137. 1660 zählte Rybinsk
erst 88 Häuser und 350 Einw. , hatte sich aber schon Mitte des
xviii. Jahrh. bedeutend gehoben. 1778 erhielt die Rybnaja Ssloboda
den jetzigen Namen Bybinsk.
Die Umgebungen von Rybinsk sind ohne Reiz ; auch auf der
Weiterfahrt ist die Uferlandschaft einförmig. Im breiten flachen
«} Bezeichnet die Haltestellen der Dampfschiffe.
nach Ssysran, KOSSTROMA. 26, Route. 341
Strome viele Sandbänke, von Möven bewohnt. ~ 21 W. (von Ry-
binsk) die Insel Bogojawlensky.
42 W. (r.) *Bomanow-Boris80gljAb8k, Kreisstadt mit 5571 Einw.,
auf beiden Ufern der Wolga. Die Stadt hat 2 Kathedralen (auf
jedem Ufer eine), 8 andere Kirchen und zahlreiche Fabriken.
Jenseit Romanow werden die Ufer malerischer. Woloschkls
(todte Flussarme) zeigen sich in grösserer Anzahl. — 63 W. Norskaja
(HopcKafl), hübsch gelegenes grosses Dorf. — • 69 W. (1.) das Tolgsky-
Mönchs -Kloster (TojrcKÜi HyjKecKlÜ HOHacTupb) , ein kolossales
Gebäude , umgeben von hoher steinerner Mauer und beschattet von
einem alten Hain.
Das Tolgsky -Kloster wurde 1314 vom Rosstow'schen Bischof Pro-
chorns gegründet, 1609 von den Polen zerstört, aber noch im xvii. Jahrh.
wieder aiiufgebaut. — In der Umgebung grosse Eisen- und Kupferwerke.
Haben wir das Kloster passirt, so zeigen sich bald die Kuppeln
und Thürme der höchst malerisch gelegenen Stadt
76 W. (r.) «Jaroulawl (HpociaBJB, s. S.31d) mit der Eisenbahn-
brücke der Bahn Moskau-Wologda (S. 322).
Nicht weit unterhalb Jarosslawl ist das Strombett durchsetzt mit
mächtigen Steinblöcken ; man nennt diese Stellen OgrudH (OrpyxKH).
— 88 W. Doif Saapelki oder Ssapelkino (CaneJKHHo), wo sich Ende
des ZYiii. Jahrh. eine Sekte der Raskolniks (s. Elnl. S. xlvi) bildete,
die sog. Bjagunen , Stranniken oder Sekte zur Ssapelkowskischen
Eintracht. — 89 W. Schwefel- und Vitriolfabriken. — 91 W. (r.)
Dorf Tunoschna (TyHomHa) ; gegenüber eine namenlose Insel. —
102 W. (1.) Die grossen verlassenen Gebäude ehemaliger kais. Tuch-
fabriken. Nicht weit davon das grosse Dorf Dijewa Gorodischtscha
Uiesa ropoAHma) mit Ruinen eines Schlosses. — 114 W. (r.)
*Kloster des wunderthätigen heil. Nikolaus (MoHacTupb csaTaro
HHKOiaa HyxoTBopaa Ha EaöaÖKaxi), bereits im Gouvernement
Kosstroma, ein mächtiges steinernes Gebäude, von einer Mauer um-
geben. Viele Passagiere steigen aus, um in dem Kloster zu beten.
Es folgen mehrere Sandinseln. — 146 W. (r.) Sselischt seh je
(CejHme), grosses Dorf. Bald darauf erreichen wir (1.) die Mündung
der Kosstroma.
148 W. (1.) •KoBStroma (KocipoMa). Längerer Aufenthalt.
Gasthöpb. »London und Kosstroma, beide auf dem Ssussanins-
kaja-Platz (Z. von 60Kop. anj.
Kosstroma liegt terrassenförmig am l.üfer der hier 550m breiten
Wolga unterhalb des Einflusses der Kosstroma , an der grossen si-
birischen Handelsstrasse von St. Petersburg über Jarosslawl , Kos-
stroma und Makarjew nach Wjatka, und an der Poststrasse nach
Nishny-Nowgorod. Die Stadt, mit 28,000 E., ist Sitz des Civilgou-
verneurs, des Bischofs von Kosstroma und Galitsch, hat eine
Kathedrale, 39 Kirchen, ein Nonnenkloster, ein geistliches Seminar,
ein Knaben- und ein Mädchen-Gymnasium, zahlreiche Fabriken,
einen Schiffsbauplatz und lebhaften Handel.
342 Route 26, KOSSTROMA. Von Byhintk
Im Mittelpunkt der Stadt liegt der Central- oder Smisaninakaja
( Ssussanin)- Piafa, von dem die Hauptetrassen der Stadt radien-
förmig auslaufen. In der Mitte das Denkmal Ssu4sanin*s (IlaHflT-
HHKi KpecTbAHHBy ÜBaEy CycaHHHy) , eine Granitsäule auf Tier-
eckigem Granitsockel ; auf der Spitze der Säule die Bronzebüste
Michael Feodorowitschs ; auf dem Piedestal , an die Säule gelehnt,
die Bronzestatue Ssussanin's. Am Sockel ein Basrelief, die Ermor-
dung Ssussanin's darstellend , auf der andern Seite eine Inschrift.
Das Denkmal wurde unter der Regierung des Kaisers Nikolaus I.
nach einem Entwürfe von Demuth-Malinowsky errichtet.
An der Einmündung der Kosstroma in die Wolga erhebt sich
die ^Kathedrale lu Maria Himmelfahrt (CoÖGpi iiepKBH YcneHifl
BoxcieJi MarepH), 1239 durch den Grossfürsten WassUy Kos-
stromsky, dem bei Kosstroma auf der Jagd das Bild der heil.
Jungfrau erschien , erbaut und seit jener Zeit nur wenig verändert
(1773 durch Brand beschädigt). Die Altäre der Kathedrale sind nicht
nach Osten gerichtet, sondern nach Norden, wo die Erscheinung
stattfand. • Das Innere, durch eine Gallerle in zwei Theile getrennt,
ist reich verziert mit Holzschnitzereien, Fresken, Heiligenbildern,
an den Wänden Fahnen der Opoltschenije von 1812 und 1853-1856.
Bemerkenswerth ist der Altar und unter den Heiligenbildern das Bild
der Feodorowtkischen Mutter QoUeSy dessen Werth auf 25,O0OR. taxirt
wird ; ferner der mächtige silberne Kronleuchter , alte Evangelien
(1698) , die Schatzkammer mit Gefä&sen von Ssasikow gearbeitet,
einem Tuche mit der Grablegung Christi , kostbaren Mitren u. s.w.
In der Kapelle des h. Feodar Stratilat ein schöner Ikonostas mit
dem Grabmal des Grossfürsten Wassily Jarosslawitsch (f 1277).
SüdÖstl. von der Kathedrale liegt der Murawyetü ^Boulevard
(MypaB. öyttsapi) mit dem Oeuvemementsgebäude und dem
Theater; nordöstl. der BchÖne dtädtiseke Ctarten^ und nocdwestl.,
zwischen dem Garten und der Kathedralenmauer, ein schöner freier
Platz am Rande einer steilen Schlucht. Auf diesen Platz gelangt
man vom Gostinny-Dwor (s. oben) vermittelst einer über einen
alten Graben geschlagenen Brücke, oder von der Nishnedebrinskaja-
und Iljinskaja- Strasse, die zwischen Murawjew- Boulevard und
städtischem Garten steil ansteigt.
Vom Ssussanin-Platz führt ostl. die Nowinskaja ab, an welcher,
beinahe in der Mitte, der Mjädny- (Kupfer-) Teich und der PatD-
lowakaja -Platz mit dem Borowkow -Teich liegen. Die weiteren
Radialstrassen des Platzes sind die Marinskaja, die Nikolskaja mit
dem Gerichtshof, endlich (gegenüber der Zarewskaja) die Mura-
wjewskaja, benannt nach dem vom Gouverneur Murawjew angeleg-
ten Boulevard (s. oben).
An der Mündung der Kosstroma in die Wolga, nahe der Kathe-
*) Auf der Stelle der Erscheinung liegt heute, in der Nähe des
städtischen Kirchhofs, die Erlöser-Kirche CQepR. CnaccHafl 3anpyAHeHCKaa).
Ehemals befand sich hier (1239-1764) ein Mönchskloster.
Ssyaran, KOSSTROMA. 26, Route, 343
4i'ale zu Maviä Himmelfahrt (S. 342), ist noch zu erwähnen die
'^Bogojawlensky-Kirche (Xpam EoroABJeHCidä) , erbaut 1776-91,
mit nur einer Kuppel, Das Innere ist kostbar mit Marmor aus-
gelegt; schöner, 8m hoher Ikonostas. Mit der Kirche verbunden
ist der 64 m hohe Glockenthurm. Vom zweiten Stockwerk des-
selben gelangt man über eine Stiege jnit Eisengitter in die Laterne
der Kirche. An klaren Sommertagen hat man von dem Glocken-
thurm eine prachtvolle *Aüssicht; man sieht von hier das 60 W.
entfernte Jarosslawl. Näher dem Ufer die geistliche Schule und das
Seminar, Schule und Kirche sind von einem eisernen Gitter um-
geben ; der Eingang zur Kirche liegt auf der N. Seite.
Die Dörfer auf dem r. Ufer der Wolga (Nikolskoje u. a.) werden
mit zur Stadt gerechnet; ihre Bewohner beschäftigen sich mit
Barkenbau, Lootsendienst u. s. w. Auf dem 1. Ufer liegt ein tata'
risehes Dorf (TaTapcKaii CjioöOAa), im xvii. Jahrh. von Nogai-Tataren
gegründet ; die Bewohner halten fest an ihren Sitten und ihrer Spra-
che, treiben Handel und verfertigen Spitzen, die den Brabanter nicht
nachstehen. — Am r. Ufer der Kosstroma, nicht weit von der Ipa-
tiewsky- und Andrej ewsky-Ssloboda, das berühmte *Ipatiöw-Klo8ter
{HnarieBCKiä MoHacTupt).
^ Das Ipatiew-Kloster soll im Anfange des xiv. Jahrh. von dem
I tatarischen Fürsten Zacharias Tsehet, dem Stammvater der Godunow^s,
feeründet worden sein. Tschet, vom Metropoliteft Petras getauft, kam
330 aus der goldenen Horde naeh Moskau. Au£ der Beise, an der Mün-
' <lun9 der Kosstroma in die Wolga, erkrankte er und blieb hier zurüek.
i Auf den Tod vorbereitet, erblickte er am Merski-See die Erscheinung der
, Mutter Gottes mit dem heil. Ipatiew. Von d«r Zeit an gesundete Tschet
und gründete in der Nähe des Merski- (jetzt heiligen) Sees das Ipatiew-
Kloster. 1586 wurde es mit einer steinernen Mauer umgeben und zur Zeit
der Zwischenregiening bildete es eine kleine Festung, in die sich 1613
Michatl FeodorotDiUch Boman&tp flüchtete, als er in Folge seiner Zarenwahl
von den Polen verfolgt wurde. Hier empfing er «die Abgeordneten der
> Geistlichkeit und Bojaren des ganzen moskowitischen Landes, die ihn zur
Annahme der Wahl bewogen. — Von den Kirchen wurde die des heil.
Feodor Stratilat 1591, die Kirche der heil. Dreifaltigkeit von Tschet ge-
gründet, aber während eines Sturmes zerstört, auf derselben Stelle während
der Regierung Miehaers zum Gedaehtniss seiner Zarenwahl neu erbaut.
Die im Kloster gelegene ^Kathedrale der heil. Dreifaltigkeit
(Coöopx xpaHa cbatoB TpoHKU) ist von bedeutendem Umfange und
mit Eisen eingedeckt. In ihr bemerkenswerth : ein Heiligenbild aus
dem XIV. Jahrh. , die dem Fürsten Tschet erscheinende Mutter
Gottes darstellend ; ein Bild der heil. Dreifaltigkeit (r. von der
Zarenthür) , Geschenk des Bojaren Dmitry Iwanowitsch Godunow
(1593) , dem Michael zum Gedächtniss des Stolbower Friedens 3
goldene Medaillen widmete ; Reliquien MichaePs u. s. w. In der
Schatzkammer: zwei Cruciflxe, den Godunows 1593 angeh5rig,
desgl. Evangelien von 1432 und 1593, Psalter von 1591, Ge-
fässe u. s. w. aus dem xvi. und xvii. Jahrb., das Heiligenbild der
Mutter Gottes (ÜROHa UpocBAToH BoropoAimu), mit dem die Mutter
Michael's, Marfa Iwanowna, ihren Sohn bei der Zarenwahl seg-
nete, 90 andere verschiedene Heiligenbilder, Gefässe, Gewänder,
344 Route 26. KINESCHMA. Von Ryhiruk
Mitren u. s. w. Ferner befinden sich hier die Oräber einiger Go-
dunows (Vater und Mutter des Zaren Boris Feodorowitsch) , des
Fürsten Zacharias Tschet u. a. Auch Iwan Ssussanin (S. 342) soll
hier beigesetzt sein , doch ist sein Begräbnissplatz nicht bekannt.
Unter der Kathedrale, in den 1786 erbauten 6eT\olben, die Kirche
des h. Lazarus (UepK. Jasaps MeTsepoxHeBHaro), in der nur der
Ikonostas sehenswerth ist. — Im Klostergebäude die Zarenzimmer,
in denen Michael Feodorowitsch zur Zeit seiner Zarenwahl wohnte,
im damaligen Zustande erhalten. — Auf dem Hofe des Klosters ein
Denkmal in Gestalt eines viereckigen Pfeilers , auf dem die wich-
tigsten Daten aus der Geschichte des Klosters verzeichnet sind ; der
sog. Pulverthurm {dexe^uan 6amHfl), Geschütze und Feuerrohre aus
dem XVI. Jahrh. u. s. w. — Im Patriarchenhaus (ApxiepeiicKÜi AOWh)
die Wohnung des Erzbischofs , die Verwaltungsbehörden des Koss-
troma'schen Eparchats , und eine kleine Kirche , vom Kaiser Ni-
kolaus I. bei seinem Besuche des Klosters am 7. Oct. 1834 gegründet.
Unterhalb Kosstroma gewinnen die Ufer an landschaftlichem
Reiz. 185 W. Poshnja (üosha), auf dem r. Ufer des Flüsschens
Schatscha, — 192 W. Die Wasserschwelle Jarun; ober- und unter-
halb Inseln.
197 W. (r.) »PleM (üjeci), altes Städtchen mit 2500 Einw.,
einer Kathedrale und 8 anderen Kirchen.
199 W. Koldomskimi (Komomckumh), an der Mündung der Kol-
doma, ehemals kaiserl. Besitzthum.
218 W. (r.) Bogorodskoje (EoropoxcKoe) od^i Borschtschowka;
219 W. (r.) Strjelka (CipfiaKa) oder Petropawlowskoje^ beide hübsch
gelegen im Schatten dichter Gehölze, ersteres mit einer steinernen
Kirche der Mutter Gottes von Wladimir und einer hölzernen.
226 W. Insel Ssoldogsky; gegenüber (1.) die Ssloboda Ssoldoga
(CoJAOra). Weiter abwärts (r.) das Dorf Matweicha.
244 W. (r.) *Eineschma (KHuemiia); längerer Aufenthalt; gutes
Bier belKronowsky), Kreisstadt mit 4000 Einw., liegt malerisch am
Einflüsse der Kineschma in die Wolga. Unter den (8) Kirchen sind
bemerkenswerth : die Usspensky-Kathedrale (YcneHCKlM coöcpi) mit
hohem Glockenthurm ; die Himmelfahrtskirche (Uepx. BosHeceHui
FocnoABfl), Ende des xviii. Jahrh. an Stelle eines Klosters erbaut ;
die Kirche Maria Verkündigung (Uepx. EiaroBtmeHia) , aus dem
Ende des xvii. Jahrh. — Auf dem Platze, wo 1608 die Schlacht
zwischen den Polen und den Bewohnern von Kineschma stattfand,
steht eine steinerne Kapelle, in der alte Geschütze aufbewahrt wer-
den ; am Schlachttage (26. Mai) wird alljährlich in ihr ein Hochamt
gehalten. — In der anmuthigen Umgebung der Stadt liegt auf hohem
bewaldeten Berge eine viel besuchte Einsiedelei (IlycTUHbKa).
Eisenbahn von Kineschma nach Schuja^ Iwanowo und Nowki (Linie
Hoskau-Nishny-l^owgorod) s. S. 324.
262 W. Dorf Nikolskoje (HHKOiBCKoe) mit grosser Leinenfabrik.
nach Ssysran. GORODEZ. 26. Boute. 345
— 269W. (r.) RJäschma (PtniHa), hübsch gelegenes Dorf mit einer
alten Kirche der heil. Dreifaltigkeit. Die Bewohner von Rjäschma
und Umgegend verfertigen geschätztes (Rjäschemskisches) Tuch.
Jahrmarkt im Juli.
298 W. (l.) Gegenüber einer Insel mündet die aus dem Galitscher
Kreise kommenden Nemda (HeMAa). — Bald darauf (1.) die Mün-
dung der XJnscha. Unweit auf dem 1. Ufer der See Kriwoje (Osepo
KpHBOe), in der Nähe das YLeinQ Kriwosersky* sehe Kloster, 1644
erbaut. — Die Wolga macht eine scharfe Biegung nach S. und wir
sehen vor uns (r.) die Thürme und Kuppeln von
306 W. *JiiijeweK-PawolsliBky (H)piieBem-naB0JUKCRi8), Kreis-
stadt mit 7262 Einw. und lebhaftem Schiffbau.
Bei der Weiterfahrt werden die Inseln häufiger. 311 W. die
grosse Warwarinsky' sehe Sandinsel. — 322 W. (1.) Dorf üstje (VcTLe)
an der Mündung der Ssmudenza. Der Legende nach soll hier der
heil. Makarjew von Sheltowodsk gewohnt haben ; die Kirche von
Ustje trägt seinen Namen.
346 W. (r.) *Pat80heili (üyneKi) , malerisch gelegener Flecken
mit 2410 Einw. und 6 Kirchen, von denen die Kathedrale am Qual
sich besonders gut präsentirt. Lebhafter Handel ; Jahrmärkte am
26. Juni und 8. Juli.
Das Flussbett breitet sich immer mehr aus , von langen Inseln
durchsetzt ; der Contrast zwischen dem hohen rechten und niederen
linken Ufer tritt stärker hervor.
361 W. (r.) *Katunki (Katynioi), hübsch gelegenes Dorf an der
Grenze der Gouvernement« Kosstroma und Nishny-Nowgorod, mit c.
3000 Einw. und zahlreichen Fabriken (Leder und Wachstuch).
369 W. *Wa8silj€wa (BacHJBeBa) , grosses Dorf mit 6 Kirchen,
ehemals Erbgut der Familie Schuisky.
387 W. (1.) *Gorode2 (Fopo^ei^'B) , ein aus mehreren Ssloboden
und Vorwerken bestehendes grosses Dorf mit ca. 8000 Einw., welche
Leinwand und Garn fabriciren, Leder und Eisen bearbeiten und
starkeA Handel bis tief nach Asien hinein treiben. In der Nähe
der Berg Apolsen {Oaoizewb) mit Resten alter Befestigungen.
Von den Kirchen in den Ssloboden von Gorodez sind bemerkens-
werth: die Kathedrale des h. Nikolaus, 1644 erbaut, mit dem
wunderthätigen Bilde des Erlösers (1679), demBUde des h. Johanne»
des Täufers (1721) u. a. ; die TroiAkaja- Kirche (1673) mit vielen
Alterthümern, darunter ein von Posharsky (S. 289) geschenktes Hei-
ligenbild. In dem Feodorowsky- Kloster (OeoAopoBCKiü HOHacTupb),
welches zugleich mit der Stadt gegründet, von Baty zerstört und
dann wieder 1700 und 1767 aufgebaut wurde, verbrachte Alexander
Newsky , Grossfürst von Wladimir , seine letzten Tage als Mönch
und starb hier am 14. Nov. 1263; in dem Kloster 3 Kirchen, aus
dem XVIII. und xix. Jahrh. stammend. Da Gorodez ein Hauptort
der Altgläubigen ist, so befindet sich hier auch eine Kathedrale der
Altgläubigen (PacKOUBH^bfl lacoBHfl), von Holz, 1711 erbaut.
346 Baute 26. DIE OKA. Von Ryhinsk
403 W. (1.) NikoUky Polost und (r.) Kuhenxewo, beides Dörfer,
deren Bewohner sich mit Schiffbau beschäftigen.
406 W. (r.) *BaIachnA (BaiaxHa), Kreisstadt des Gouvernements
Nishny - Nowgorod, sehr weitläufig gebaut, mit 12 Kirchen und ca.
4000 Einw., welche Schiffbau» Ziegelbrennerei, Salzsiederei u. s. w.
treiben, auch die berühmten Balacbninskischen Spitzen und Blon-
den verfertigen.
An Sehenswürdigkeiten sind zu erwähnen: die Pokrowikaja-
Kirche (IIoKpoBCKafl uepKOBfc), Ueberrest eines ehemaligen Mönchs-
klosters, 1600 erbaut, und das *Stadtkau8 C3AaHie FpaACKoM i(yMu),
eines der wenigen Denkmäler der russischen Baukunst desxvii. Jahrb.
Je weiter wir stromabwärts kommen , desto schöner wird das
Panorama der Uferlandschaften, desto belebter der Strom selbst.
417 W. (r.) Kosino (Ko3HHo), grosses Dorf mit 2000 Einw., meist
Gemüsegärtner und Schiffbauer. — 427 W. Konossowo (Kohocobo),
reiches Dorf mit viel Schiffbau. — 431 W. Ssormowo (CopHOBo),
mit der 1849 gegründeten Maschinenfabrik vonBenardak&Co., eine
Art Vorstadt von Nishny - Nowgorod , welches bald darauf höchst
malerisch unseren Blicken sich darbietet. B. mündet hier die Oka.
Die Oka, deren Ge8aiumtläng;e 1400 W. beträgt, wird für Barken
schiffbar bei Orel, für grosse Schiffe bei Kaluga, für die grÖssten unter-
halb Sserpuchow. Breite des Flusses bei Orel 60, bei Kolomna 420^
weiterhin bis 600m. Die Ufer sind nieht ohne landschaftliche Schönheiten.
— Dampfer (Ssamoljot- Gesellschaft) aufwärts am Mo., Mi. u. Fr. 11 U.
Vorm. : nach Murom (S. 324) in 24 St. für 4 B. ; nach Eassimow in 40 St.
für 8 R. 50 Kop.; nach Rjäsan in 68 St. für ca. 16 B.
438 W. (r.) »Vishny-Nowgovod (ühshIü HoBFopoxi) s. S. 325.
Eisenbahn von Nishny -Nowgorod Aach Moskau (Eilzog Abends
8V2 U.) s. S. 823. — Dampfer s. S. 325..
Die Oka ist eine ethnographische Grenze; die Anwohner der
"Wolga bis zu ihr sind reine Slaven, jenseits beginnt das Gebiet fin-
nischer und tatarischer Volksstämme (Mordwinen, Tschuwaschen,
Tscheremissen, Tataren , "Wotjaken, Baschkiren), welche Kleidung,
Sitten, Gebräuche und theilweise ihren Glauben rein bewahrt haben
und neben den Bussen die Hauptbevölkerung ausmachen.
Die Mordwinen oder Mordwa (Mopi^a), die im Gouvernement
Nishn^-Nowgorod nicht auf einem zusammenhängenden Territorium, son-
dern Oasenartig zerstreut wohnen, sind der südlichste Zweig des ehemals
das ganze nördliche Europa bewohnenden Volksstammes der Finnen
oder Tschuden. Heute rechnet man die Mordwinen Im Verein mit den
Tscheremissen und Wotjalcen als Wolga - Finnen zu der östlichen Grunpe
der finnischen Völker (baltische Finnen \ die karelische Gruppe s. S. 201).
Schon in ältester Zeit hatten die Mordwinen, die als sehr kriegerisch ge-
schildert werden, die Ebenen Busslands inne. Sie theilten sich in drei
Hauptstämme : Mokschanen, Ersanen und Karatajen. Die MoktchaMn (Mok-
manu) bilden heute den zahlreichsten Stamm \ sie wohnen hauptsächlich
an der Oka, Mokscha und Ssura. Die Karaiajtn (Kaparaa) sind sehr zu-
sammengeschmolzen und sollen einige Dörfer in Kasan'schen bewohnen.
Die Ersanen (SpsaHBi) wohnen an der Oka, im Nishny- Nowgorod'schen,
Kasan'schen und Orenbnrg'schen Gouvernement, vermischt mit den Mok-
schanen^ doch unterschieden von ihnen hinsichtlich der Sprache, einiger
Gebräuche und der Kleidung des weiblichen Geschlechts.
Heutzutage sind die Mordwinen, jetzt sehr friedliche Leute, in mehr
oder minder zahlreichen und ausgedehnten Gruppen über die Gouverne-
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nach Ssysran. ARSAMASS. 26. Soute, 347
xnents Ssamara, Ssaratow, Ssimbirsk, Pensa, NisIiny>Nowgorod, Tambow,
Kasan, Ufa, Orenburg und Asstracban vertheilt und zahlen im Ganzen
ca. 800,000 Seelen. Sie sind etwas schwerfällige, aber überaus sanfte,
ehrliehe, gastfreie, fleissige, umgängliche Menschen von schönem, kräf-
tigem Schlage, die fleissig Ackerbau, Vieh- und Bienenzucht, sowie man--
cherlei Gewerbe treiben. Die Ersanen zeigen die finnische Eörperbildung
noch unvermischt und sind durchschnittlich blonden oder röthlichen
Haares; die Mokseharen haben dunkle schlichte Haare und dünne Barte;
man erkennt die Zumischung von tatarischem Blute. Sie bewohnen
Häuser, die nach russischer Art gebaut sind; ihre Dörfer liegen aber
nicht, wie bei den Russen, in gerader Linie an einer Seite der Strasse,
sondern bilden Gruppen von Gehöften inmitten dichter Haine.
Am besten lernt man die Mordwinen kennen in dem 100 W. (Post-
verbindung) südlich von Nishny- Nowgorod gelegenen Araamast (Apaa-
Haci), der alten Stadt der Ersanen, an der Ttscha^ mit 10,400 Einw.,
34 Kirchen, 3 Klöstern, 34 Fabriken, unter denen allein 19 bedeutende
Lederfabriken (vortreffliche Juchten). Das Alexejew^tehe Nonnenkloster,
unter Michael gegründet, unter Katharina II. aufgehoben, 1777 restaurirt,
geniesst eines grossen Rufes; seine Einrichtungen weichen von denen der
übrigen russischen Klöster ab. Innerhalb der Umfassungsmauer von 1800 m
Länge befinden sich ca. 80 Gebäude, darunter 3 Kirchen, sodass das Kloster
eine kleine Stadt für sieh bildet. Die innere Einrichtung der Kirchen,
die Altäre, das Sehnitzwerk, die Vergoldunge;n , die Heiligenbilder, sind
sämmtlich von den Nonnen verfertigt. Letztere, in drei Artells (Gesell-
schaften) getheilt, beschäftigen sich theils mit Kunst, theils mit Fabrik-
und Handwerks- Arbeiten, theils mit Garteneultur u. s. w. Ihre Gold- und
Silberstickereien sind durch ganz Russland berühmt und werden weit nach
Asien hinein versandt. Die Tracht der Nonnen ist ein langes, schwarzes
Kleid, unter der Brust gegürtet. Die Mädchen haben eine hohe, spitze
Kapuze auf dem Kopfe, die Wittwen und Frauen eine schwarze enge Haube
wie ein gewundenes Tuch. Die Kathedrale des Klostert ist 1812-lSl durch
Korinski nach dem Muster der Peterskirche in St. Petersburg von der Kauf-
mannschaft erbaut. Die Gemälde sind von einheimischen Malern (Ssere-
brakow u.a.), die des Ikonostas im russischen Kirchenstil, die übrigen
Gopien westeuropäischer Bilder; die Fresken nach Rubens.
Die Dampfer der Gesellscliaft Ssamoljot fahren vom Landungs-
platz auf der Jahrmacktseite (PJ. C 3), die der anderen Gesell-
schaften vom Dampfschifflandeplatz (PL E 2) ab. Wir passiren den
Kreml , den Wasserleitungsthurm (S. 329) , die Fabrik Koltschin,
beide am Fusse des Atkoss (S. 329) liegend , dann am Östlichen
Ende der Stadt das Petschorsky- Kloster (S. 329) und die Ssloboda
Sstarqja Fetschora mit ihrer alterthümlichen Kirche. Ebenso schon
wie diese Sslobode liegt das Dorf Podnowje (noAHOBbe) , dessen
Bewohner berühmte Garteneultur (Gurkeuhau) treiben. — Der
Strom verbreitert sich dann, nachdem wir mehrere Sandinseln
(Podnowje, Teljatachi Brodf SaobcUschi Prorok) hinter uns gelassen
haben , immer mehr und dehnt sich in der Folge wie ein See aus.
486 W. (r.) Kadnizy (KaAHUUu), grosses Dorf, dessen Bewohner
Schiffbau (Schiffe mit reichem Schnitzwerk) treiben.
496 W. *Rdbotök (PaöOTOKi), in der Nähe eines Eichenwaldes.
— Hinter der gelben Sandfläche des linken Ufers zieht sich das
bläulichschimmernde Dickicht einer Weidenart hin, die hier überall
die Flussufer säumt. — 515 W. (L) Einmündung des Korsckenez,
516W. (r.) Lysskowo {ÄucKOBO), Dort im Kreise Makarjew, mit
8 Kirchen, unter denen besonders die Sspassopreobrashensky-Kathe-
drale bemerkenswerth , einer geistlichen Schule (bis 1799 Gymna-
348 Route 26, KOSMODEMJANSK. Von Rybinsk
sium), ca. 200 Mühlen, lebhaftem Handel mit Getreide, Leinwand
und den Fabrikaten des Kreises.
Lysskowo, aaf der Stelle der alten BUdt Ssundoteit erbaut, welche
unter Dmitry III. KonAtantinowitseb (1369-1363) von den Tataren zerstört
wurde, wird im zv. Jahrb. ala Besitsung der Toehter des Fürsten G. A.
Orusinsky, der Gräfin Tolstoy, und als Krondorf erwähnt. Ala Stenka
Roiin^ Anführer der aufrührerischen Kasaken , 1670 den Tod des ältesten
Sohnes des Zaren Alexei Hiehailowitseb, AlexelAlexeöewitsehv benutzte, um
das ganze Wolgagebiet bis Arsamass zur Empörung zu reizen, erhoben
sich auch im Beginn des Herbstes die Bauern von Lysskowo unter An-
führung des kasakisehen Hetman J£aximu$ Ouipov^ wurden aber Ende Sep-
tember 1670 dureh die Truppen des Zaren Alexei unter Fürst Jury Alex.
Dolgoruky gesehlagen.
Unweit Lysskowo 1. das in Verfall begriffene Kloster Makar^eWf
die Stelle bezeichend, wo früher der Jahrmarkt (jetzt in Nishny) ab-
gehalten wurde (S. 333).
519 W. (1.) *]Cakujew (MaKapbeBi), Kreisstadt, flach gelegen,
ehemals lebhafte Handelsstadt, seit der Verlegung der Messe wie das
Kloster (s. oben) im Verfall. Die Bewohner fertigen besonders Kasten
und Koffer, roth oder blau lackirt, welche durch ganz Russland, ja
bis nach Asien hinein Absatz finden.
Gegenüber Makarjew, auf dem r. Ufer, das Kloster Bogomolotoo
mit 5 Kirchen.
525 W. »Dorf Usady (McaAH). Guter Traktir ; berühmte Apo-
theke und botanischer Garten. — 936 W. (r.) Ssamowka (CaMOBKa),
grosses Dorf mit vielen hübschen Gärten, am Abhänge gelegen.
Nicht weniger schon liegt auf demselben Ufer das Dorf Fokino
(^ORHHO), gegenüber der 430 m lange Fokin'schen Sandinsel. — Von
Fokino bis Wassil-Ssurssk, das weithin sichtbar ist, sind beide Ufer
flach ; die Wolga theilt sich hier in -viele Arme.
594 W. (r.) *Wa8sil oder Wasiü-Siorsgk (BacHibOypcKi), Kreis-
stadt im Nlshegoroder Gouvernement, liegt anmuthig inmitten von
Gärten und Gehölzen auf dem Bergufer unweit der Mündung der
600 W. langen, ans dem Ssysran'schen Kreise kommenden Ssura.
Die Stadt hat mit ihren beiden Vorstädten (Chmjälewka und Pa-
chotna) 2500 Einw., welche Matten- und Tuchfabrikation , Fisch-
und Getreidehandel sowie SchifiTbau treiben.
631 W. (r.) Possad'Troizky (IIocaA'B TpoHUKÜi), eine der ältesten
russischen Niederlassungen im alten Zarthum Kasan, gegenüber
der Mündung derWetluga (610 W. lang).
636W. (r.) *Xosmodemja&sk(Ko3bHOAeMbflHCRi), gegenüber der
Mündung der Rudka gelegen , Anfang des zvi. Jahrh. gegründete
Kreisstadt des Kasan'schen Gouvernements, mit 7869 Einw.
In der Gegend von Kosmoden^nsk beginnen die Wohnsitze der
Tseheremissen und Tsehuwasehen. Die ersteren, bu den Wolga-Finnen,
wie die Mordwinen (S. 346) gehörend, leben, in einer Stärke von ca.
260,000 Köpfen, auf beiden Seiten der Wolga zwischen den Flüssen 'Wjatka
und Wetluga und um die Hündung der Ssura, jedoch weniger unmittelbar
am Strom, als gegen das Innere des Landes zu.
Die Tseheremissen (HepeiaiCH), die sich selber Meri oder Mari (d. h.
Männer) nennen, gehören zu den ältesten Bewohnern dieser Gegenden. Man
unterscheidet Berg- und Wiesen-Tscheremissen •, erstere wohnen auf dem
nach Ssysran, TSCHEBOKSSARY. 26. Route. 349
r. Wolgaufer und treiben Ackerbau, Vieh- u. Bienenzucht; letztere, in
den Wäldern und Steppen des 1. Ufers, beschäftigen sich meist mit Jagd
u. Fischfang. Ihre Dörfer (Asbar oder Okolotsch')^ alle an und in den
kleinen Thaleinsehnitten des hügeligen Landes gelegen, bestehen aus
20-30 baumumgebenen Gehöften , die unordentlich durcheinander gebaut
sind; eigentliche Strassen existiren nicht. Der Menschenschlag ist
unter allen hiesigen Völkerschaften der schönste. Im. allgemeinen sind
die Tscheremissen mittelgross, aber schlank und kräftig gebaut ; das Ge-
sicht ist breit, meist mit einer Stumpfnase, Haar und Bart glänzend
schwarz, der Ifund gross, die Augen meist tief schwarz; braunes Haar
ist selten , blondes findet sich auf dem 1. Wolgaufer. Die Weiber, klein
und brünett, sind meist hässlich und werden durch geschmacklose Tracht
noch mehr entstellt. Die Kleidung der getauften Tscheremissen ist
meist russiflcirt. — Die Sprache der Tscheremissen ist ein finnischer
Dialekt, aber stark mit tatarischen , weniger mit russischen Worten ge-
mischt, dem Esthnisehen sehr ähnlich. Bussisch verstehen die wenigsten
von ihnen.
Fast die Hälfte des Bodens im Gouvernement Kasan, in dem
■wir uns nun befinden, bedecken dichte Wälder. Daneben wird Acker-
bau getrieben , den die fruchtbare schwarze Erde begünstigt.
Bei ca. 660 W. mündet r. das Flüsschen Ssundirka (CynAupKa),
am Fusse des gleichn. Berges, dessen Gipfel Reste von Befestigungen,
angeblich der Festung Tschelimsky Gorodok, krönen. — 689 W.
(1.) Das kleine Sspaaso-OerontewsJcaja- Kloster bei dem gleichn.
Fischerdorfe.
690 W. (r.) ^Tflohebokflsary (HeöoKcapiii) , Kreisstadt im Gou-
vernement Kasan, mit 6420 Elnw., welche Handel mit Getreide,
Mehl, Holz u. s. w. treiben. Die Stadt liegt malerisch in einem
schönen Thale, auf drei Seiten von hohen bewaldeten Hügeln um-
geben, und wird durchflössen von der kleinen Tscheboksaarka.
Das Innere des Ortes ist wenig anziehend, nur der mit einer
Baumallee bepflanzte Hauptplatz macht einen freundlichen Ein-
druck. Unfern des Ufers das Mönchskloster der heil. Dreifaltigkeit
(Troizky - Kloster) mit einem vielbesuchten wunderthätigen Bilde
des h. Nikolaus, und ein verfallener Glockenthurm. Unter den 12
Kirchen ist die bemerkenswertheste die Kathedrale zu Maria
Darstellung (Coöopi BeAeniH BOxpaHi IIpecBJiTofi EoropoAHUH), in
welcher sich ein Bild der Wladimir'schen Mutter Gottes (1. von
der zarischen Thür) , eines der Mutter Gottes von Ssmolensk und
Grabmäler Kasan'scher Heiliger befinden.
Eine Fahrt nach dem 90 W. südöstl. von Tschebokssary gelegenen
Woronowka (BopoHOBKa) führt uns mitten in eine ausschliesslich von
Tschuwaschen bewohnte Gegend, die in compacter Masse auf dem
rechten Wolga -Ufer um die Ssura herum, zerstreut auch in den Gou-
vernements Ssimbirsk, Ssamara, Ufa u. a. sitzen und im Ganzen 570,000
Köpfe stark sein sollen. Von den Bussen werden sie Wynäu^ von den
Tataren Totar^ von den Mordwinen WJätke^ von den Tscheremissen Kurk-
mari (Bergmänner) genannt. ITeber ihre Abstammung ist viel gestritten ;
gegenwärtig glaubt man sie nach ihrem Aeussern und ihrer Sprache —
die übrigens viele finnische und slavische Wörter aufgenommen hat —
dem türkisch - mongolischen Stamme zurechnen zu dürfen, obgleich sie
in Lebensart, Sitten, Tracht und Aberglauben den Tscheremissen sehi
nahe stehen, mit denen sie sich aber nicht vermischen.
350 Route 26.
KASAN.
Von JRyhinsk
721 W. (r) *Marinsky Possad (Mapi^HCKiS IIocaAi), malerisch
am Abhang gelegener Flecken mit alter Kirche und c. 700 Einw.
771 W. *Koslowka (KosiOBKa). — Beim Weiterfahren werden
r. die Thürme und Kuppeln des hochgelegenen Sswijashsk sichtbar.
796 W. '^aswijashsk (CBiflSCKi), Kreisstadt mit 2553 Einw. im
Gouvernement Kasan, 1551 von Iwan IV. Wassiljewitsch als Stütz-
punkt in seinen Kriegen gegen Kasan gegründet, liegt einige Werst
vom Ufer der Wolga entfernt an der Sswijaga und der Schtachuka.
Die Stadt hat 10 Kirchen, worunter eine Kathedrale, und zwei
Klöster : das Mönchskloster der h, Mutter Qottes , von dem ersten
Archimandriten German gegründet, dessen Grabmal sich in dem
Kloster befindet, und das Nonnen -Troizky ^Kloster mit der alten
Troizkaja- Kirche, zur Zeit Iwan's IV. aus Holz erbaut; am Iko-
nostas alte Malereien.
806 W. Morkwasch (MopHBami), hübsch gelegenes Dorf. — Wei-
terhin bis Ober- Usslon (Bepx. Yc^oht.) ist das r. (Berg-) Ufer reich
an hübschen Landschaftsbildern. Bald darauf r. der Berg Usslon.
816 W. (1.) *Landungsplatz für Kasan (Kasanskaja Pristany),
mit Traktirs (2 St. Aufenthalt). Die Stadt liegt 7 W. landeinwärts.
Iswoschtschiks am Landeplatz (Fahrt in die Stadt 75Kop. ; Gepäck-
wagen 25-50 Kop,). Auf dem Wege zur Stadt 1. vom Damm die
sog. Schädelpyramide (S. 357).
Kasan (KaaaHb, tatar.= Kessel; tscherem. Oson).
Gasthöfe. Hotel de TEai-ope^ de Franee; Wolga-Eama,
alle drei in derWosskressenskajaCPl.DS), Z. 1-2 K.; Nummern : Michai-
loff am Nikolaus-Platz (PI. E 2) ; M u s u r o f f am Fischmarkt ^ N i k o 1 s k y ,
Ssibirskaja auf der Prolomnajastrasse, Schtscherbakow, Ti-
chanow u. a.
1. Adelsklub . . . . E2
2. Adl. Institut (Ro-
dionowsky) . . . E2
3. Admiralität . . B34
Denkmäler.
4. ZurErinnerung
andenSiegüber
die Tataren . . C2
6. Dersbawin . . E2
6. Gasfabrik . . . . F4
7. Geistl. Akademie F2
8. Gerichtshof . . . D3
9. Gostinny Dwor
(Kaufhaus) . . . D2
10. I. Gymnasium . £2
11. II. Gymnasium. D3
12.SIäd eh. Gymnasium E3
Kirchen u. Klöster.
18. Cyprian-K. . . D2
14. Dmitry-K. . . . B2
15. Erlöser-Mönchs-
Plan von Kasan.
Kl.(Sspaßso-Pre-
obrashensky) . D 2
16. Erlöser-K.(Preo-
brashenskaja) . ES
17. Freitags -K..
(Pjatnitzkaja) D2
18. Georgs-K. . . . E3
19. Iljinskaja-K. . D8
20. Johann Pred-
tetsch-Kl. . . . D2
21. Kathedrale
(Ssobor). . . . D2
22. Katholische-K. E2
23. Kisitschesky-
Kl Cl
24. Lutherische K. E2
25. Maria Himmel-
fahrts-K. . . . D2
26. Moschee(tatar.)E3
27. Nonnen -Kl.
(Bogoroditzky) D2
28. Pakrowskaja-K. E2
29. Peter-Pauls-K. D2
30. Silantowsky-Kl. B2
31. Troitzkaja-K.
32. Wosdwifihen-
skaja-K D2
33. Kreisgericht . . D3
34. Lehrer - Seminar E3
35. Mil.-Bezirk8-6tabD2
36. Pferdebahnstationen
A4, B3,D3,EF3
37. Telegraph . . . . E2
38. Schloss (Gouver-
nement) D2
39. Ssumbeka-ThurmD2
40. Stadthaus . . . . D2
41. Post E2
42. Universität
(kaiserl.) . . . . E3
43. TJniversitäts-Kli-
nik E2
44. Theater E2
45. Wasserthurm . . £ 4
i
nach Ssysran, KASAJ^. 26. Raute, 351
Restaurahts in den genannten JTot eis und am *TschornojeOsero
(S. 354), gute Küche.
VERGNueunasLOCALB. Im Sommer der Festung 8 -Boulevard beim
Kreml (S. 352), der «Tschornoje Osero (S. 354), Tivoli in der Ad-
miralitäts-Vorstadt (PL B8)j Panajewscher Garten (neu) mit Som-
mertheater, die Deutsche und die Bussische Schweiz (S. 354). -—
Theatsb (im Winter) am Theaterplatz.
Badeakstaltbh bei dem in der 19^ähe der tatarischen Vorstadt ge-
legenen Kaban-See (Volksbad öKop.), und in der Ka sanka.
Waoek. Iswoschtschiks (Tataren) für eine einfache Fahrt in der
Stadt 15 Kop., 1 St. 40 Kop. ; zum Landungsplatz (e. 8/4 St.) 75 Kop. Für
längere Fahrten accordiren.
PFERDEBAH2I vom Dampfboot-Laudeplatz bis in die Stadt, Fahrt zur
Stadt 15 Kop., Theilstrecke 5 Kop.
Post am Theaterplatz und am Heumarkt. Preise für Postfahrten 4 Kop.
pro Werst und Pferd. — Tblbobaph in der Nähe des Theaters.
Dahppschiffb. Gesellschaft Ssamoljot: nach NUhny-Nowgorod
täglich 8 U. Vorm. s nach Ssysran tägUch (576 W. in 32 St. für 9 B. 20 Kop.) ;
nach Zarizin Di., Do. u. Sa. ; nach Asstrachan So. \ nach Perm (1000 W.
für 9 B. 60 Kop.) Mi. u. Sa.; nach Ufa Do. u. So. — Gesellschaft
Kawkas und Merkur nach Ptrm und Ä$itrachan und A. A. Seveke
nach Asstrachan s. S. 325.
Fbste der Ssmolenskischen Mutter Gottes 25. und 26. Juni, 2., 20., 27.
und 28. Juli; interessant durch die Anwesenheit der vielen fremden
Völkerschaften.
Kasan j Hauptstadt des ehemaligen Zarthums Kasan und des
jetzigen gleichn. Gouvernements, mit c. 150,000 Elnw., Sitz des Erz-
bischofs von Kasan und Sswijashsk, Hauptquartier des IX. Militär-
bezirks , liegt unter 55° 48' nördl. Br. und 66° 47' östl. Länge in
85 m Meereshöhe auf dem linken Ufer der Kasanka auf mehreren
Hügeln Inmitten einer Ebene, die im Frühjahr weithin von Wolga
und Kasanka überschwemmt wird. Kasan hat 54 orthodoxe Kirchen,
daneben 1 römisch-katholische, 1 protestantische, ausserdem 2 Sy-
nagogen und 9 Moscheen ; an Bildungsanstalten eine Universität,
eine Akademie für orientalische Sprachen, eine geistliche Akademie
u. s. w., an Wohlthätigkeitsanstalten ein Krankenhaus und 3 Ho-
spitäler. Per Handel ist sehr bedeutend; die Industrie (c. 125
Fabriken) erstreckt sich auf die Fabrikation von Leder (berühmte
Juchten), Seife , Pulver, Tuch, Kattun, Glocken, Heiligenbildern,
Schiffsbau u. s. w.
Auf den Hügeln (s. oben) liegt , im N. von der Kasanka be-
spült, die eigentliche Stadt mit fünf verschiedenen Stadttheilen ; im
nordwestlichen Theile der Kreml, umgeben von dem sog. Festungs-
Boulevard. Nach S., W. und 0. verflachen sieh die Höhen, um
dann wieder anzusteigen. Im W. die Admiralitäts-Ssloboda, ver-
bunden mit der eigentlichen Stadt durch einen hohen , über die
Niederung und die Itschka führenden Damm , und das Silantow-
Kloster ; auf dem rechten Ufer der Kasanka die Vorstädte (Sslo-
boden) Igumnowa, Jagodnaja, Porochowskaja (Pulverfabrik), KUit-
acheskaja mit Kloster , von einem Fichtengehölz umgeben. Im 0.
der eigentlichen Stadt liegt das Arsskoje Pole (ApcKoe noie, Arssker
Feld) mit den schönen Gebäuden des adligen Töchter -Instituts,
des Militär-Hospitals und der geistlichen Akademie. An das Feld
352 BouteSe. KASAN. Von Ryhinsk
grenzen : der Kirchhof, die Kasan^sche Schweiz, die Vorstädte Pod-
lushnaja (im N.), Ssoldatskaja, Ssukonnaja und AtchangeUkaja.
Weiter im S., jenseit des unteren (O3. Hhsh. KaöaHi) und mittleren
Kdban-Sees (O3. CpexH. Kaöasi) die beiden Tataren- Vorstädte. Die
Kaban-Seen sind mit der Kasanka durch den die Stadt durcli-
scbneidenden Kanal Bulak (ByiaKi) verbunden. — Die Häuser der
eigentlichen Stadt sind überwiegend von Stein. Die Hauptstrassen
sind gepflastert und mit Trottoirs versehen. Dagegen sind die
meisten Vorstadtstrassen nicht gepflastert und überaus schmutzig.
Zur Oesehiehte Kasans. Wann und von wem Kasan gegründet
wurde, ist mit Sicherheit nicht bekannt. Unter den bulgarischen Städten,
welche der Mongole Batu-Chan im xxii. Jahrh. unterwarf, wird Kasan
nicht genannt. Im J. 1996 wurde es durch den Grossfürsten Wassily Dmi-
triewitsch zerstört, hob sich aber bald wieder und wurde die Hauptstadt
eines selbständigen Tatarenreiches, welches Ulu -Machmet -Chan 143841
auf den Trümmern der in sich zerfallenen goldenen Horde ge^pründet
hatte, dessen Geschichte aber nur von Revolutionen und bestandigen
Kämpfen mit den russischen Grossfürsten zu berichten weiss. Iwan III.
eroberte 1469 Kasan, wo damals Ibrahim -Chan herrsehte; nach dessen
Tode mischte er sich in die Thronstreitigkeiten, unterstützte Ibrahim's
jüngsten Sohn Machmet- Amin gegen dessen älteren Bruder, sehlug letzteren
1487 bei Kasan und setzte Amin als Herrscher ein, nahm aber selbst, um
sein Recht der Oberherrschaft über das Land, das ehemalige bulgari-
sche Reich, zu beweisen, den Titel eines Fürsten von Bulgarien an. 1504
setzte Maehmet-Amin in Kasan eine Christenverfolgung in Scene, liess
sämmtliche in der Stadt anwesenden Russen massacriren und fiel selbst
mit einem Heere in Rassland ein, belagerte aber Nishny-Kowgorod ver-
gebens und kehrte nach Kasan zurück, unbelästigt durch das grossfürst-
liche Heer, weil eben damals (1505) Iwan III. starb. Neue Thronstreitig-
keiten nach Machmet -Amines Tode (1519) und fortgesetzte Empörungen
in Kasan führten mehrmals die bewaffnete Intervention Iwan^s IV. her-
bei , der schliesslich die völlige Unterwerfung Kasans beschloss. Die
Belagerung der Stadt 1550 misslang zwar, und Iwan selbst verhalf 1551
dem schon mehrmals vertriebenen astrachanschen Zarewitsch Sehich-
Alei wieder auf den Thron von Kasan; als aber derselbe bald darauf
abermals verjagt wurde, rückte 1569 Iwan vor Kasan und eroberte es nach
längerer Belagerung am 1. Oct. 1552, um nun das ganze Zarthum Kasan
mit seinem Reiche zu vereinigen. — 1774 wurde Kasan von dem Rebellen
Pugatschew erobert und zerstört, aber von Katharina II. wieder aufge-
baut. Seit 1714 ist Kasan Gouvernementshauptstadt.
Wir beginnen den Besuch der Sehenswürdigkeiten Kasans mit
dem *Kreinl (KpeMib, PL D 2), welcher im xv. Jahrh. vom Chan Ulu-
Machmet gegründet und mit Palisaden umgeben wurde ; nachdem
letztere durch Feuer zerstört waren, wurde unter Iwan IV. die heute
noch bestehende steinerne Mauer errichtet, 1568 m im Umfang.
Zur Zeit des Kasakenaufstandes unter Pugatschew hatte die Mauer
noch mehrere Thürme mit Thoren , von denen heute nur noch drei
sichtbar sind : der Sspaaskaja (CnaccKafl), durch den man aus dem
Kreml in die Wosskressenskaja - Strasse gelangt; der Tainixkaja
(TaÜHHitKaü) , welcher zur Kasanka und über eine Brücke in die
Vorstädte Griwka und Jagodnaja führt, und der Pjatnizkaja (Hät-
HHUKafl) auf der nordöstlichen Seite.
Auf einer steinernen Brücke über den alten Graben und durch
das Erlöserthor (CnaccKiii sopora), bei dem 1. der mächtige Sspass-
kaja-Thurm, gelangen wir in das Innere der Festung, welche an
nach Ssysran. KASAN. 26, Boute^ 353
den Kreml von Moskau erinnert und in der die hauptsäcMichsten
Gebäude Kasans vereinigt sind. Vor allem bemerkenswert!! ist die
Kathedrale der Verkündigiuig Kariä (PL 21 : D2), nach der Einnahme
der Stadt 1552 von Iwan IV. in Holz, 1562 von dem ersten Erz-
bischof Jury in Stein erbaut. Auf der Stelle, wo Iwan nach dem
Sturme auf Kasan das Kreuz aufpflanzte , befindet sich der Altar.
Die Kirche enthält einen Schrein mit den Reliquien des Erzbischofs
Jury ; in der Schatzkammer reiche Messgewänder, Kirchengeräthe etc.
— - Das SspassO'Preöbrashensky- Kloster (PI. 15: E3) wurde 1556
gegründet; die Kirche, ebenfalls 1556 von Iwan IT. in Holz, 1596-
1640 in Stein erbaut, enthält die Grabdenkmäler verschiedener Me-
tropoliten und Bischöfe. Ganz in der Nähe des Klosters die Kirche
des h. Cyprian und Justinus (UepKOBb KflnpiflEa h lOcTHHiflHa,
PI. 13: D 2) und die Kirche des Budes des Erlösers, beide 1552
zum Andenken an die Einnahme der Stadt erbaut.
Das sUtiiichBSegierungsgehäudeiU^HCyTCTBeESUBV.'hCTSL) steht
angeblich auf der Stelle des Palastes der bulgarischen Zaren. Das
Schloss (^opeui, PL 38) ist Wohnung des Gouverneurs.
Eines der interessantesten Bauwerke im Kreml ist der *Sfum-
beka-Thnrm (BamHa CioHÖeKa, PL 39 : D 2), e. 80 m hoch, in 4 Stock-
werken, aus Backsteinen erbaut, angeblich ein Ueberrest tatarischer
Baukunst, wahrscheinlicher aus dem zviii. Jahrh. stammend. Der
Thurm ist sehr verwahrlost und die Besteigung (Erlaubniss des Gou-
verneurs erforderlich) nicht besonders angenehm, die «Aussicht von
oben aber höchst lohnend.
Die Sage erzählt, dass sich von der Spitze des Thurms Ssumbeka,
eine tatarische Prinzessin, in Verzweiflung über den Untergang ihrer
Vaterstadt herabgestürzt habe. In Wirklichkeit verhielt sich die Sache
anders. Ssumbeka, die Tochter des Nogaier-Chan's Jussuf, kam, 13 Jahre
alt, 1532 nach Kasan, um mit dem kaum 14jährigen Zaren En-Älei^
Bruder Schieh Alei's (S. 352), vermählt zu werden. Die Ehe hatte kaum
ein Jahr gedauert, als eine Empörung ausbrach, der Zar En-Alei er-
mordet und der vor 3 Jahren aus Kasan vertriebene Chan Sapha-Girai
aus der Krim auf den Thron zurückberufen wurde. Sapha-Girai zwane
Ssumbeka, seine Gemahlin zu werden. Nach seinem plötzlichen Tode 1549
setzten die Gewalthaber den erst zweijährigen Sohn Ssumbeka*s, Utemisch-
Oirai^ auf den Thron ^ andere wählten einen Chan aus der Krim, andere
den Geliebten Ssumbeka's, den Krim'schen Ulan Koschtschak. Letzterer
wurde auf Betreiben des Moskauer Grossfürsten gefangen genommen und
in Moskau hingerichtet, Ssumbeka musste für sieh und ihren Sohn dem
Throne entsagen, wurde nach Moskau geschleppt und dort 1551 an Schieh
Alei, den entthronten Zaren von Kasan, vermählt.
In des Nähe der Kreml das Nonnenkloster der Kasan' sehen Mutter
Qottes oder Bogorodizky- Kloster (BoropoAimKiM KasaHCKÜi a^buhIM
KOHacTupb; PI. 27: D 2), 1579 erbaut. Auf der Stelle, wo jetzt die
Winterkirche des Klosters steht, ward einer Legende nach ein Bild
der Maria in der Erde gefunden, welches seitdem als wunderthätig
hohe Verehrung geniesst. Ihm ist u. a. die Kasan^sche Kathedrale
in St. Petersburg (S. 156) geweiht. Das Bild befindet sich in der
mächtigen , von einer Kuppel gekrönten Kathedralkirche , welche
1791-1816 erbaut wurde. Die Nonnen beschäftigen sich mit der
Russland. 2. Aufl. 23
354 JRoute 2$. KASAN. Van Ryhintk
Verfertigung von Heiligenbildern , Webereien , Goldstickereien an
geistlichenOmaten und mit derErziehung yerwaisterPopentöchter. —
Nicht weit davon das Mönchskloster des heU. Johannes des Täufers
(MyxecKÜi MOHacrupb loftHHO-IIpeATe^eHcidft, PI. 20). Die Haupt-
kirche ähnelt der Wassilija Blashennaja in Moskau. Sie soll vom
Bischof German erbaut worden sein, dessen Bild sich in ihr befindet.
Von hier durch die Pokrowskaja an dem schönen steinernen
Theater (PI. 44 , E 2) vorbei zum Nikolausplatz mit dem Denkmal
des Dichters Derschawin (geb. in Kasan 1743, f 1816; PL 5) und
durch die Grusinskaja nach der *XMMUi*tGlien Sehweii (lÜBeiiiiapi«,
PI. E 2), nordöstl. der Stadt, nahe dem Kirchhofe und dem Arssiker
Feld gelegen , einem schonen ausgedehnten Park , in dem einzelne
Punkte interessante Aussichten bieten.
Zurück nach dem Tichornoje OMro (4äpHoe Osepo, PL B E 2),
dem Hauptspaziergange Kasans, einem mitten in der Stadt gelegenen
Teich, umgeben von hübschen Garten- und Promenadenanlagen, die
Abends beleuchtet werden. Daselbst ein RestatM'ant im russischen
Stil mit Kegelbahn und Schiessbude.
Eine der schönsten Strassen von Kasan ist die Wosskressenskaja
(BocxpeceHCKaji), die am Kreml beim Erloserthor (S. 352) beginnt.
Am Ende derselben r. die stattlichen Gebäude der 1804 gegründeten
Universität (YHJiBepcHTeT'fc ; PL 42 : E 3). Mit der Universität, deren
Hauptbedeutung in den Lehrstühlen für die orientalischen Sprachen
liegt, und die von ca. 900 Studenten besucht wird, sind verbunden
eine Sternwarte, ein botanischer Oarten, ein ethnoffraphisehes Mu-
seum, eine Münzsammlung u. s. w. Die Bibliothek, deren Grund-
stock die Büchersammlung des Fürsten Potemkin bildet, enthält
c. 80,000 Bände.
An der Wosskressenskaja liegt auch der Ooitinny Swor (Fo-
CTHHHUÜ ^Bopi, PL 9), der ebenso wie der Bazar (Basapi) eines Be-
suches werth ist. Nicht nur das Durcheinander der verschiedenen
Völkerschaften gewährt Interesse, auch die feilgebotenen Waaren ver-
dienen Beachtung (treffliche Ledersachen, tatarische Zeuge u. s. w. ;
berühmt ist die aus Stutenmilch bereitete Kasan*sche Seife).
Der interessanteste Theil von Kasan aber ist die sog. ^Tataren-
stadt (TarapcKafl Cioöoxa 3a KaöanoMi, PL E 4) mit niedrigen, von
Gärten und Buschwerk umgebenen Häusern, mehreren Moscheen mit
schlanken Minarets, engen und ungepflasterten Strassen, auf denen
eine bunte Menschenmenge sich durcheinander schiebt.
Die Kasan^schen Tataren, deren Zahl im Gonvernement Kasan
ea. 480,000 beträgt , leben meist getrennt von den Bussen und den anderen
Volksstämmen, von denen sie sich als Huhamedaner und auch sonst in
mannigfaeher Weise unterscheiden. Ihre Körperbildung anlangend«
so sind sie von mittlerer Statur, schlank gebaut, ihre Bewegungen sind
gewandt und zierlich. Das Oesicht ist oval, die langgesehlitsten sehwarxen
Augen haben schiefe Lage, die Nase ist edel gebogen, der Mund fein
geformt, die Zähne sind vortrefflich, der Teint ist bei den Männern bräun-
lich. Der Bart ist spärlich, das Kopfhaar wird rasirt. Die Frauen sind
meist klein und neigen stark zur Corpulenz, namentlich in den besseren
nach Ssysran. KASAN. 26* Route, 355
Ständen. Sie lieben es, sieb roth und weiss zu schminken, schwärzen die
Zähne, nach orientalischer Art auch die Augenlider und Augenbrauen
und färben die Nägel gelbbraun. — In der Tracht fällt namentlich die
Kopftracht auf. Zunächst kommt auf den Hinterkopf ein Käppchen (Jer-
molka, Takja, auch Kollabusch genannt), welches oei den vornehmeren
Tataren mit allen Farben reich gestickt und mit Gold, Silber und Perlen
besetzt ist. Ueber dem Käppchen wird von dem gemeinen Manne ein
weisser Filzhut oder eine Mutze von grauem oder schwarzem Pelz (Bur-
nik) getragen. Die hintere Krempe des Hutes ist oftmals aufgeschlagen
und dann noch mit aufgenähtem schwarzem oder rothem Tuch verziert,
unter dem Hute ist stets am Hinterkopfe noch ein Theil der Jermolka sicht-
bar. Die wohlhabende Glasse trägt über dem Käppchen eine feinere Pelz-
mütze in grau oder schwarz, unten eng, oben weiter auseinander gehend.
Die sonstigen Kleidungsstücke des gemeinen Mannes sind entweder das
lange blaue Hemd (Kulmak) oder eine weisse Blouse resp. Jacke und weite
baumwollene Beinkleider (Slan) ; erstere ist, wie bei den Tscheremissen,
mit rothen Stickereien an Hals und Aermel oft sehr geschmackvoll und
reich versehen. Die vornehmere Classe der tatarischen Bevölkerung
trägt meist über dem Hemd ein bis zum Knie reichendes Kamisol (Ar-
schaluk) ohne Aermel, von buntem Seidenzeug, vorn mit Schleifen zu-
sammengebunden und mit einem seidenen Gürtel (Poda) oder Shawl
(Kusehak) gegürtet ', darüber wird noch eine zweite Jacke mit Aermeln
(Basaki-Edres) oder ein offener, langer, weiter Kaftan (Chalat, Tschekmen),
der meist von hellem Nankin, oft ganz türkisch ist. An den Füssen
bunte Saffianstiefel ohne Sohlen, darüber Pantoffeln mit niedrigen Ab-
sätzen (Baschmak) oder Ueberscbuhe von gewöhnlichem Leder, die auch
im Zimmer nicht abgelegt werden. — Originell ist die Kleidung der
weiblichen Bevölkerung, besonders die Kopftraeht: entweder eine Pelz-
mütze oder, bei Mädchen, ein bunt gesticktes Mützchen resp. bunte Kappe,
oft mit Goldstücken behangen, wie bei den Tschuwaschenfrauen, oder
eine Art Stirnbinde von Seide oder Sammt, mit Perlen u. s. w. gestickt.
Ueber alle diese Arten von Kopfbedeckungen wird ein grosses, gewöhnlich
seidenes Tuch (Janar Tschaulik) mit gestickten Kanten (Arme tragen
dies allein) geschlagen, so dass vom Gesicht nur ein kleiner Theil sicht-
bar bleibt. Die sonstige Kleidung besteht aus einem bis auf die Fersen
reichenden Hemd von buntem Kattun oder einer Blouse und Beinkleidern ;
die Reicheren werfen darüber eine seidene Jacke, reich mit Gold verziert
oder einen Chalat von Seide oder Kattun mit langen herabhangenden
Aermeln; dieser Chalat wird auch über den Kopf gelegt und dient zu-
gleich als Schleier. Die Beine der Frauen sind statt der Strümpfe auch
im heissen Sommer mit dickem Woilachzeug oder leinenen Tüchern um-
wickelt und zusammengeschnürt ; an den Füssen tragen sie Pantoffeln aus
Saffian (Tsehiknik). Den Hauptschmuck bildet der Brustlatz, mit bunten
Schnüren und Goldstickereien besetzt und rings herum mit Geldstücken
behangen. Reiche Frauen lieben es, Schmucksachen, Armbänder, lange
silberne oder goldene Ohrringe (Alka-Kaschti-Tseherderli) , Halsbänder
u. dergl. anzulegen, flechten Gold- und Sibermünzen in die langen, oft
falschen Zöpfe, tragen Ringe an den Fingern und über der linken Schulter
einen mit Perlen und Steinen besetzten Riemen (Buti), an welchem ein
kleines Täschchen hängt, in dem sieh eine Miniaturausgabe des Koran
befindet. Einige Frauen tragen auch Münzen, schnurartig aufgehangen,
bandoliert über die Schulter; andere haben vollständige Schilde auf der
Brust, die sehuppenartig mit kleinen Silbermünzen besetzt sind u. s. w.
Der Charakter der Tataren ist liebenswürdig; sie sind verträglieh,
ehrliebend, freundlieh, offen^ zutraulich, ordentlieh und reinlich. Gegen
die Russen hegen sie noeh häufig alte Antipathie und grosses Misstrauen,
doch sind sie der Regierung ergeben und gehorsam. Gegen Fremde sind
sie offen, herzlich und ungemein gastfrei. Sie haben einen Adel, der in
hohem Ansehen steht, und viele Murun (Adlige) leiten ihre Abstammung
von Tschingis-Chan her. Ihre Schulen sind gut, fast alle Tataren können
lesen, schreiben und rechnen auf dem russischen Rechenbrette. In ihren
höheren Schulen wird Arabisch und Persisch gelehrt. Ihre Mullahs
(Priester) bilden sieh meist in Oargali, zwei Meilen von Orenburg, wo
23*
356 Boute 26. KASAN. V<m Eyhinsk
eine berühmte tatarische Sehule ist, viele auch in Buchara, wo nach
ihrer Behauptung der Sitz grosser Gelehrsamkeit sein soll. — Die tata-
rische Sprache ist ein Dialekt des Türkischen. Die Literatur ist nicht
unbedeutend, Volkslieder giebt es in grosser Zahl und von poetischem
Werlh, wenn auch der Vortrag unseren Ohren unmelodiseh klingt. —
Pferdefleisch gilt bei den gemeinen Tataren als die grösste Leckerspeise,
Honig und Milch lieben sie sehr und bereiten aus Honig guten Meth. Drei
treffliche empfehlenswerthe tatarische Gerichte sind der Blöw, Düsh und
Kahk. Thee wird viel consumirt und spielt bei Empfang von Gästen die
Hauptrolle. Da in den Händen der Tataren auch ein grosser Theil des
Theehandels liegt, so trinkt man bei ihnen die vortrefflichsten Sorten.
— Der kriegerische Sinn der Tataren hat sich seit ihrer Unterwerfung
durch die Russen ganz verloren; sie sind jetzt friedliche und fleissige
Handelsleute, Gewerbtreibende und Ackerbauer geworden. Der Tatare
in den mittleren und nördlichen Gegenden Busslands ist ein gebomer
Handelsmann und steht an List wie Verschlagenheit dem Juden nicht nach,
dessen Stelle er in Ostrassland (Hausirer) einnimmt. Als Pferdedieb
sucht er seines Gleichen. Handel treiben die Tataren meist mit ein-
heimischen Fabrikaten. Die kasanschen Lederarbeiten, Stiefel, Seife,
Gold- und Silberstickereien haben bedeutenden Ruf. Die Tataren auf
dem Lande sind sehr arbeitsam, fleissige Bauern und vortreffliche Bienen-
züchter. Die Tatarendörfer, von denen die meisten zwischen der
Kama und Wjatka östlich Kasan liegen, sind von den russischen durch
ihre Anlage leicht zu unterscheiden. Sie bestehen aus unordentlich durch-
einander liegenden Gruppen von Häusern und Gehöften. Ein tatarisches
Gehöft. besteht aus 3 Höfen; im ersten (Haushof, Ischigolde) das Wohn-
haus (Üi) , mehrere Schuppen (Auslik , Ssarai) , Badstube (Huntschuh),
Kammern für Mehl und Getreide (Aon-Klet), Magazin (Klet) ; im Pferde-
hof (Obsarolde) der Pferdestall (Otssarai), Kellerhaus (Basklet); im Vieh-
hof (Utar) die Ställe. Das Haus eines wohlhabenden Tataren ist in zwei
Hälften getheilt, in eine rechte und linke sowie vordre und hintere.
Beide.Hälften sind durch eine Flur getrennt. Die vordre Hälfte der Isba
oder Üi besteht aus den Wohnstuben (Tau bulma), r. das Männer-, 1. das
Frauengemach; zu ersterem führt die weisse (Agi baskisch), zu letzterem
die schwarze Treppe (Aschi baskisch). An den Wänden stehen Divans,
auch breite Pritschen, hinter denselben, von einem Vorhange bedeckt,
Federbetten. Bei anderen findet man besondere Schlafgemächer, in denen
auf Bänken an der Fensterseite die ganze Familie schläft, oder Männer-
schlafstellen (Skinaskeleti) für den Sommer. Schränke mit verschiedenem
Geschirr, Wasehkrüge von Messing oder Eisenblech (der eine für den
Hausherrn, der andere für die Hausfrau, da das Gesetz verbietet sich
eines und desselben zu bedienen) und bucharische Teppiche vollenden die
Einrichtung der Zimmer. Selbst bei den Aermeren ist hinter dem grossen
Ofen nach russischer Art ein Plätzchen, wo die Hausfrau bei Anwesenheit
von Gästen hinter einem Vorhang verborgen bleibt. Hinter den Wohn-
stuben befinden sich die Kammern (Skina bulma).
Die tatarischen Metschett (Moscheen) sind sehr einfache Gebäude mit
in der Mitte aufgesetztem Minaret. Das Betreten des Inneren ist nur
nach Ablegung der Schuhe (in der Vorhalle) gestattet. Der Hauptan-
dachtsraum ist ein grosser, aber niedriger und einfacher Betsaal, in dem
eine Kanzel errichtet ist.
Von der Tatarenstadt lohnt es, noch den *Teieh Kabaa ((hepo
KadaHi, PI. E 3, 4) zu besuchen. Der Weg an dem Teiche entlang
gestattet einen freien und schönen Blick auf die interessante Stadt.
Hier verschiedene Badeanstalten ; am interessantesten ein Besuch
des öffentlichen Tatarenbades (5 Kop.).
In der unteren Stadt die Kirche des Festes der Erscheinung (Uep-
KOBT. EorojiBieHiji) , zwischen grünen Bäumen gelegen und von der
Strasse durch ein hübsches Gitter (Eingang 1.) geschieden. Dieselbe
nach Ssysran. KASAN. 21, Route. 357
kann in ihrer niedrigen Bauart mit den grellen Freskomalereien,
den 5 dicken runden Kuppeln und hohen vergoldeten Kreuzen als
ein Muster des griechisch-russischen Kirchenhaustils gelten.
Von hier über den Damm nach dem Admiralitäts - Stadttheil.
Gleich r. vom Damm ^/j W. von der Stadt auf einem Hügel ein
Denkmal, die sog. „Schädelpyramide Iwan's'^ (üaHfiTHHK'L HaAi»
MOFHiaHH yÖHTUxi DO AI KasaHb» BOHHOB'B ; PL 4, C 2). Das Mo-
nument ist zum Andenken der Tapferen errichtet, welche -während
der Belagerung durch Iwan lY. vor den Mauern von Kasan ihren
Tod fanden? Es wurde von dem Architekten Alferow 1812 be-
gonnen und 1823 beendet. Eine breite steinerne Treppe in vier
Absätzen führt hinauf zu dem Monument, einer Pyramide von
10 Ssashen Grundfläche und 10 Ssashen Hohe. Auf den vier Seiten
Frontons, auf weissen Säulen ruhend und den Eingang bildend,
lieber denselben Inschriften in russischer Sprache. In dem un-
teren , mittleren Theile des Denkmals ist eine Kirche , in welcher
jedes Jahr am 2. Oct. zum Andenken der Gebliebenen eine Todten-
messe gelesen wird. Auf einer dunkeln Treppe steigt man in ein
Gewölbe hinab, in welchem ein grosser Sarkopliag die Knochen und
Schädel enthält , die man bei Errichtung der Pyramide auf dem
Grabhügel, wo ehemals das Silantowsky - Kloster stand (s. unten),
ausgegraben hat.
L. die Admiralität (AAMHpaiTeäcTBO ; PI. 3, B2, 3), von Peter I.
1718 auf dem Grund und Boden des Silantowsky-Klosters und des
Dorfes Beshbalda gegründet und allmählich zu einer eigenen Vor-
stadt herangewachsen. Zur Zeit Peter's wurde hier eine Flotille
für die Wolga und das Kaspische Meer erbaut. In einem Schuppen
wird die mit Schnitzwerk reich verzierte Galeere Twer aufbewahrt,
in der die Kaiserin Katharina II. ihre Reise auf der Wolga machte.
Jetzt ist die Admiralität sehr heruntergekommen und werden hier
keine Schiffe mehr gebaut.
Unweit der Admiralität, auf dem Silantow- Berge das Silan-
towiky-Xloiter (BHjaHTOBCKÜi YcneHcxiä MoHacTupb ; PI. 30, B 2),
in schöner Lage , von Iwan IV. gegründet. Seinen Namen hat das
Kloster von einem Einsiedler Silais , der in einer der Höhlen des
Berges gelebt haben soll. Das Kloster ist von einer Mauer umgeben
und umschliesst mehrere Kirchen. Die Kathedrale zu Maria
Himmelfahrt (YcneHCKift Ccöopi) wurde 1625 erbaut.
Auf dem rechten Ufer der Kasanka, gegenüber der Admiralitäts-
Ssloboda, diel776-1787 eTha^ntePidver- Fabrik (IIopoxoBoä saBOAi) ;
bei derselben hat sich eine kleine Vorstadt (Ci. IIopoxGBCKafl) an-
gebaut. Die Fabrik ist noch jetzt in Thätigkeit. — Weiterhin in
einem hübschen Gehölze das Kisitacheskische Kloster (KH3HHecKHX'&
qyAOTBopueB'B MoHacTupi»; PL 23, Gl), bei der Kisitscheskischen
Sslobode.
Bei der Weiterfahrt nach dem Landungsplatze haben wir zu
beiden Seiten Teiche, in denen im Sommer Weiber und Mädchen,
358 Rontt fle. DIE KAMA. Von Ryhinsk
oft dicht mit den Männern zusammen , baden. — In der Nähe des
Landungsplatzes (S.351) führt r. ab die Moskauer Chaussee mittelst
einer Tatarenfahre oder Brücke über die Kasanka zu dem auf hohem
Berge gelegenen Militärlager, in dem im Sommer gewohnlich
4 Infanterie -Regimenter in Holzbaracken liegen. Schöner Blick r.
auf die Wolga, 1. auf Kasan. Dauer der Fahrt hin u. zurück 2^/2 St.
Abfahrt der Dampfer nach Ssamara und Perm s. S. 339. Nach
wenigen Minuten r. das am Abhänge des Ussloner Berges gelegene
Dorf Unter -Usslon (HmshIH yciOHi), auf dessen Friedhof die
Fürstin Menschikow (f 1727) begraben liegt.
884 W. 'Dorf Bogorodskoje (EoropoACKoe). — V2 St. weiter
1. Einmündung der mächtigen Kama, nach deren Zufluss die Wolga
eine ausserordentliche Breite annimmt.
Die Kama. von den Tataren Ttchülan Idtly d. h. der Weisse Fluss
genannt, ist 1650 W. lang, wird schiflTbar bei Ssergijewsk und dureh-
fliesst die Gouvernements Perm, Ufa, Wjatka und Kasan. An ihren
Ufern zeigt sich ein ebenso reiches Völkergemisch wie an der Wolga
zwischen Kishny und Ssamara. Es finden sieh hier zu beiden Seiten
der Kama neben den Russen Baschkiren, Heschtscherjäken , Teptjären,
Wogulen , Wotjäken u. a. Die Baschkiren sind ein noch wenig be-
kannter Volkflstamm \ ihr Ursprung ist ebenso wenig klar wie ihre
Sprache mit Sicherheit zu dassificiren. Kaeh der Zerstörung des Chanats
von Kasan begaben sie sich unter russischen Schutz und wurde aus ihnen
nach mehreren Aufständen das sog. Baschkiren - Heer , eine kasaken-
«rtige Formation, gebildet. Sie sind jetkt ein friedliches, sorgloses
und träges Volk, das nur noch von den Nachbarn wegen seiner Neigung
zum Pferdediebstahl gefürchtet wird. Ihre militärische Organisation
wurde in letzter Zeit aufgehoben und augenblicklieh befinden sie sich in
der Phase des Ueberganges vom Komadenthum zum sesshaften Leben.
Sie wohnen in einer Stärke von 750,000 Köpfen in ihrer uralten Heimath
auf beiden Seiten der Bjelaja, die reinsten im Kreise Burjansk im Oren-
burger Gouvernemeni. Sie leben in gebirgigen Gegenden, sind hoch von
Wuchji, gut gebaut, kräftig, haben dunkles Haar, oft mit einem bräun-
lichem Anfluge und durchaus nicht unangenehme Gesichtszüge. Sie sind
ausgezeichnete Reiter. Diese sog. Gebirgtbazchkiren unterscheidet man
von den Mischlingen mit den Heschtscherjäken und Teptjären, den
Sieppenhaschkiren. Die nomadisirenden Baschkiren leben im Winter in
festen Häusern, im Sommer in der Jurte. Nahrung während dieser Zeit
ist besonders Kumyss (Stutenmilch, S. 366) j im Winter essen sie mehr
Fleisch, am liebsten ein Gemisch von Rind- und Pferdefleisch. Die an-
sässigen Baschkiren beschäftigen sich mit Ackerbau, der jährlich mehr
an Ausdehnung gewinnt, und mit der Bienenzucht. — Die Hesch-
tscherjäken, ein ursprünglich finnisches, jetzt vollständig tatarisches
Volk, das früher mit zur Heeresorganisation der Baschkiren gehörte,
leben, 196,000 Köpfe stark, unter den Baschkiren und unterscheiden sich
von letzteren durch grössere Betriebsamkeit und Reinlichkeit. Dem
Typus nach sind sie den Wogulen (s. u.) sehr ähnlich. — Die ansässigen
Teptjären, 136,000 Köpfe stark, sind hoch von Wuchs, dunkelhaarig,
kräftig, thätig und arbeitsam una dem Charakter nach den Baschkiren
durchaus unähnlich. Sie sind augenscheinlieh ein Gemisch von einge-
wanderten Tataren, Wolgafinnen, Tschuwaschen u. s. w. mit den Basch-
kiren, das sich in der Folge fest angesiedelt hat. „Tepterja** bedeutet
eigentlich der Zuletztgekommene, Neueingewanderte: die nomadisirenden
Baschkiren behandeln sie verächtlich. — Die Wotjäken (Wot = Wasser),
welche in Hassen, 250,000 Köpfe stark, auf dem rechten Ufer der Kama
nördlich und westlieh von Isehewsk wohnen, gehören zu den Wolga-
nach Ssyaran. PERM. 2ß. Baute. 359
finnen, nennen sieh selbst TJt-mort (Mort = Mensch), sind friedlieh,
sehwäehlich, geizig und dennoch gastfrei, den Bussen im Feldbau über-
legen. Die Dörfer bauen sie planlos. ~ Die Wogulen sind zu den
nordischen Finnen zu rechnen, die echtesten Repräsentanten der ugrischen
Völker und l^aehkommen der Bewohner des einst blühenden Ugriens,
eines Landes, das schon der Handelsrepublik Gross-Nowgorod durch den
Beichthum an Pelzthieren bekannt war. Sie sind jetzt ein einfaches Natur-
volk, das sich in den Wäldern und Sümpfen seiner verkommenen Heimath
kümmerlieh durch Jagd und Fischerei ernährt. Sie sind zum Theil no-
minell Christen, im Norden hängen sie aber noch dem Schamanismus an.
Die Tracht der Wogulen nähert sich mehr der russischen.
Die Dampfer von Bogorodskoje nach Perm biegen links in die Kama
ein. Die Fahrt geht langsam von statten, da das Fahrwasser seicht ist
und die Schiffe trotz fortwährender Messungen und des Fahrens mit halber
Kraft häufig aufsitzen. Ueber Tst^isstopol, Jelabuga (mit grossen Leder-
und Seifefabriken), Ssarapttl^ Ischeteskoi (25 W. landeinwärts, mit grosser
Eisenhütte und Maschinen-, Gewehr- und Waffenfabrik mit 25,000 Arbei-
tern), Ochatui erreichen wir am Abend des 4. Tages,
1000 W. Perm (Hepm). — Botel Petrow^ dem Adelsklub gehörig, zwar
der beste Gasthof der Stadt , aber gleichwohl sehr massig ^ man bleibt
am besten auf dem Schiffe.
Permy Hauptstadt des Gouvernements, am rechten Ufer der Kama,
mit 33,000 Einw. , besteht meist aus Holzhäusern , hat 3 Kirchen , breite
ungepflasterte Strassen, bedeutenden Hafen, lebhaften Verkehr. Wenig
Sehenswerthes. Etwa 3 W. nördlich der Stadt eine grosse, 1863 gegrün-
dete GescMtzgieuerei (Gussstahl), in der das uralische Elsen von
Kuschwa verarbeitet wird. '
Eisenbahn von Perm nach Jekaterinenburg , 468 W. in 21 resp.
23 St. für 17 R. 55 Kop. resp. 13 B. 16Kop. — Dampfer von Perm nach
Nishny-Nowgorod (direet; nach der unteren Wolga keine directen Schiffe)
Di. u. Fr. 10 U. Vorm., Mi. u. So. 9 U. Vorm.
Die Kama bildet eine Grenze in dem geognostischen Bilde der
Wolga-Ufer: an Stelle der bisherigen, der Formation des Keupers.
angehorigen Mergelschichten tritt erst der Jurakalk, später die
Kreide auf. Aus solchen Kalksteinschichten bestehen die SchUchut-
schischen (Hecht-), Undarischen und Oorodüchtschenskischen Berge,
welche 30 - 40 m hoch bei Tetjuschi beginnen. Sonst ist das Land
südlich Kasan mit Wald, besonders Fichten, Kiefern und Eichen
hedeckt; eigenthümlich sind die ungeheuren Haselnussgebüsche,
deren Früchte vielfach im Wolgagebiete zu Oel geschlagen werden.
Zu beiden Seiten der Wolga sind treffliche Weiden ; die Wolle aus
hiesiger Gegend ist besonders gesucht. Der Gewerbfleiss der Ein-
wohner ist nicht ohne Bedeutung. Die Gerberei, zu der die Eichen
die Borke liefern, und die Seifensiedereien sind mit Recht berühmt,
die Tuchmanufacturen stehen ebenfalls in Blüthe.
896 W. (r.) Kirehkoje (KapeibCKoe) oder Wosskressenskoje^ Dorf
in schöner Lage am Abhänge des Berges Ssokol, nahe dem Flüsschen
Kljara, mit 1200 Einw., die Getreidehandel treiben und als Bur-
laken ausziehen.
Nicht weit vom Dorfe, am Ufer der Wolga, bei den Vorwerken
des südlicher gelegenen Dorfes Roshdestwenakoje befinden sich
zwei bemerkenswerthe Höhlen (üemepu), die Ledjaniache und die
Wodjaniache genannt. Beide , c. 8 m über dem Ufer gelegen , be-
stehen aus regelmässigen Gewölben und Kammern, innen mit
kleinen Seen. Ueber ihre Entstehung u. s. w. ist nichts bekannt. —
360 Route 26. BULGARY. Von Byhin9k
Weiterhin beim Dorfe Ssukejew Schwefelquellen, welche jetzt nicht
mehr benutzt werden. — Auf 915 W. in den Felsen des r. Ufers
neue Höhlen, noch mächtiger und schöner als die ersteren (75-150 m
Länge und 10 m Höhe).
929 W. (r.) *Tetjuiehi (TenomH), Kreisstadt im GouTemement
Kasan, mit 3300 Einw., welche Schiffbau und Getreidehandel trei-
ben; Jahrmarkt am 8. Juli. Unweit Tetjuschi die höchste Er-
hebung des Gouvernements Kasan (150 m).
Tetjuschi gegenüber auf dem 1. Ufer, 12 W. vom Strome ent-
fernt, die Buinen der Stadt Bulgary (Eojrapi) bei dem Dorfe
Usapenskoje (VcneHCKoe) oder Bolgary. Am Ende des Dorfes eine
ehemalige Klosterkirche , Usspensky ; kaum 100 m davon ein
leidlich erhaltenes, aber etwas auf die Seite geneigtes mohammeda-
nisches Minaret, von dessen Spitze man eine Aussicht auf die wal-
dige Umgegend hat. Die Mauern sind mit Namen von Besuchern
bedeckt, darunter auch der Alezander von Humbold t's. Die Ruinen
wurden erst unter Peter d. Gr., vom Walde überwuchert , wieder
entdeckt, zum Thell zum Bau des Klosterdorfes verwandt und ver-
schwinden beim Fortschreiten des Ackerbaus immer mehr. Der
Boden ist eine ergiebige Fundgrube von Münzen, Ringen und
anderen Alterthümern.
Die Bulgaren sind ein ugriseh - flnnisehes Volk^ dessen früheste
Sehicksale in Dunkel gehüllt sind. An die Wolga kamen sie wabr-
seheinlicb um die Zeit von Christi Geburt, als die Bewegungen der
Hunnen in Mittelasien begannen. Ein Theil des Volkes, die sog. schwarzen
Bulgaren^ gründete im v. Jahrb. an der unteren Donau das bulgarische
Reich, ging aber in der slavischen Bevölkerung völlig auf und hinter-
liess nur den Namen. Von den an der Wolga zurückgebliebenen Kama
oder weissen Bulgaren (B«jnie Eo^rapu) wanderte ein Zweig, der sich
Chwalissen nannte, an die untere Wolga und gründete dort einen Staat
mit der Hauptstadt Atel (Asstraehan) ; die anderen erbauten in nicht ge-
nau bestimmbarer Zeit die Stadt Bulgary, die bereits im x. Jahrb. zur
Blüthe gelangt war. Ausser Bulgary werden von Städten der Bulgaren
genannt Brächimow und Ascbli, beide an der Mündung der Kirelka in
die Wolga, Balymata u. a. Gegen die Mitte des x. Jahrb. traten die
Wolga-Bulgaren zum Islam über. Sie wurden von Chanen regiert, denen
wahrscheinlich die slavischen Anwohner der Wolga Tribut zahlten,
wenigstens nannte sich der Chan der Bulgaren auch Zar der Slaven (Malek
el Ssaklal). Nichtsdestoweniger lagen, nachdem sich die Herrschaft der
russischen Fürsten über die Slaven befestigt hatte, diese in beständigem
Kriege mit den Bulgaren. Der Mongolensturm, der im xiii. Jahrh. über
Osteuropa hinwegfegte, erschütterte das bulgarische Reich in seinen
Grundfesten; doch behielt es seine eigenen Fürsten. Von neuem erblühte
es unter den Chanen der goldenen Horde, bis Timur (Ende des xiv. Jahrh. >
ihm ein Ende machte. An die Stelle des bulgarischen Reiches trat dann
später unter Ulu-Machmet das Chanat von Kasan (S. S62).
946 W. Nikolskaja Poljanka (HHKOJbCKafl IIoiAHKa) , Dorf mit
einer 1778 erbauten Kirche.
Etwas oberhalb Nikolskaja das Dorf Balymer (BaJDuxepi) auf der
Stelle, wo ehemals die bulgarische Stadt Balymata (s. oben) gelegen
haben soll. TJeberreste ^ines Walls sind aus dieser Zeit noch erhalten.
Unweit Balymer. nahe dem Ufer, liegt ein mächtiger Erdaufworf von
20m Höhe und 430m im Umkreise, Schelom genannt; nach dem Volks-
glauben birgt er Schatze aus der Zeit des bulgarischen Zarenthums. —
e W. weiter ein neuer Erdwall, der sog. Mordwinsehe Kirchhof.
nach Ssysran, SSIMBIRSK. SS. Route, 361
Bei c. 956 W. folgt eine ganze Reihe von hübsch bewaldeten
Inseln : die Kleine, Rein^ Orchowsky, Ssergiewsky und Sumer, An
derselben Stelle der Wolga , auf dem linken oder Wiesenufer , am
Flüsschen Maina, das Dorf Nikolskoje oder Grjasnucha (FpiisHyxa),
1699 von polnischen Schlachtzizen gegründet. Nicht weit davon
das Dorf WoloBnikowa, in dem ein mächtiger Kurgan (S. 2Ö5) von
150 m Länge und Breite. In ihm wurden bei einer Nachgrabung
eiserne Pfeile, Lanzen und Topfe aus rothem Thon gefunden. Das
Flüsschen Maina bildet die Grenze der Gouvernements Kasan und
Ssimbirsk.
953 W. *DoTt Alt- Maina (Crapafl MattHa). Unterhalb besehreibt
die Wolga einen weiten Bogen nach W. hin.
1018 W. (r.) ♦Ssimbirsk (Chmöhpckx). Die Dampfer haben 2-
5 St. Aufenthalt, was zur Besichtigung der Stadt genügt.
17UMMEBK (HoMepa) — eigentliche Hotels existiren nicht — meist auf
der grossen Strasse (Bolsehaja); zu empfehlen das Haus Weissa; aueh
*Andrejew am Karamsin-Platz.
CApi-RESTAURAKTS : Pltz Und Ssemetschkin, beide auf der Bol-
schaja.
PROMBM ADBH. Alezander-Qarteu beim Krankenhause, mit Vanx-
hall; Nikolaus- Garten auf dem Wjänez.
Ssimbirsk, Gouvernementshauptstadt mit 37,000 £inw., erhebt
sich amphitheatralisch am steilen r. Wolga-Ufer und bietet einen
höchst malerischen Anblick. Die c. 125 m hohe Erhebung, auf und
an der die Stadt sich ausdehnt, liegt zwischen der Wolga und der
in diese mündenden Ssvdjaga, Die Stadt ist Sitz des Civilgouver-
neurs und eines griechischen Bischofs , hat 24 Kirchen, darunter
2 griechisch-katholische Kathedralen, eine römisch-katholische und
eine lutherische Kirche, eine Moschee, femer 2 Klöster, zahlreiche
Fabriken, viel Fischerei, bedeutenden Handel (berühmter Jahrmarkt
in der ersten Woche der grossen Fasten).
Ssimbirsk wurde 1648 nach dem Plane des Bojaren Bogdan Matie^'etritsch
Chitrow erbaut; dieser umgab die Stadt zum Schutze gegen die Einfälle
der Tataren mit Palisaden und errichtete ö W. von ihr eine kleine Festung
mit 7 Thürmen , welche mit der Stadt durch einen Erdwall u. Graben
(Ssimbirskische Linie) verbunden war. 1670 wurde die Stadt von dem
Wolgaräuber Stenka Rasin verbrannt. 1780 wurde Ssimbirsk Gouveme-
mentsstadt; 1864 brannte es fast vollständig ab.
Ssimbirsk ist eine moderne Stadt, mU geraden, breiten Straasen,
zum grossen Theil hölzernen Häusern, schönen Parkanlagen und
Gärten. Die Mitte der Stadt, zwischen Wolga und Swijaga, wird
von einer tiefen Schlucht (Owrag) durchzogen , auf deren Sohle die
Marischka , innerhalb der Stadt Ssimhirakoi genannt , fliesst. Die
Stadt wird so in einen östlichen Theil, nach der Wolga zu , und
einen westlichen, nach der Swijaga hin, getheilt. Der mittlere
höchste (c. 140 m) wird der Wjänez (BtHem) genannt (^Aussicht) ;
von ihm fällt die sog. untere Stadt stufenweise zur Swijaga und
Wolga ab ; der tiefste, an der Wolga liegende Stadttheil heisst Pod-
gornoi. Mit letzterem und der Wolga parallel führt am Abbange
entlang ein chaussirter Weg, die Peter-PaiU-Strasse (üeTponaBiOB-
362 Baute 26. SSÜfBIRSK. Von Byhinak
ciift mocceMHuii cnycKi), die am städtischen Theater endigt. Tom
Theater führt durch die ganze Stadt die Haupt8trasse, BoUchaJa
(BoiBmafl, Grosse Strasse) ; in ihrer Mitte der mit Bäumen bepflanzte
Boulevard. Am nördlichen Ende der grossen Strasse der Platz, an
dem der Qoetinny Dwor und andere Öffentliche Gebäude liegen.
Von der Bolschaja nach S.W. geht die Lissinaja (JbiCHHaji) nach
der Ssaratowschen Chaussee und der Vorstadt Tut (Tyrb), die Po-
krowakaja und Moskowikaja nach der Moskauer , die Dworzowaja
(ABopaoBafl) nach der Kasaner Strasse. Die Dworzowaja über-
schreitet die Marischka auf einem Damme und einer Bracke (Cyxo8
Mocn) und führt westlich zum Qefängnias, Östlich auf den *Ka-
ramtin-Platz (KapaM3HHCKag niomaAb)* auf dessen Mitte das Denk-
mal dei Oeiehiohtachreiban Xaramsin (IlaMiiTHHKi H.M. KapaiiaHHy),
auf granitenem Pledestal, c. 10 m hoch, die Bronzeflgur der Muse
der Geschichte, Klio, auf der einen Seite des Piedestals die Büste
Nikolaus Karamsin's (geb. 13. Sept. 1766 zu Bogorojeldza im Gou-
Temement Ssimbirsk, gest. 3. Juni 1826) und eine Inschrift in
russischer Sprache. Das Denkmal ist Ton der Wittwe des im Krim-
kriege gefallenen Sohnes Karamsin^s gesetzt und von einem bron-
zenen Gitter umgeben.
Auf der nördl. Seite des Platzes das städtische Oesellschafts-
haus , auf der südl. das Gymnasium und der Oesellschaft sparten,
an den sich das Gebäude des Gerichtshof es j mit der Front nach der
Wolga, anschliesst. Senkrecht zum Gymnasium steht das Gott-
vernementshaus (ryöepHaTopcKift AoMi), in der Nähe das Gebäude
des Adelskluhs, in dem die öffentliche sog. Karamsin'sche Bibliothek.
Nach dem Karamsin - Platz geht auch die eine Front des Erlöser-
Nonnenklosters (CnaccKi8 A'^bhüS HOHacTiip&, Eingang von der Bol-
schaja aus), gegründet bei der Erbauung Ssimbirks 1648, umgeben
von einer steinernen Mauer mit mehreren Thürmen. Ein schöner
und origineller Bau ist die Nikolaus -Kirche (UepKOBb CBHTaro Hh-
Kojaa Hy/toTBopaa), nahe dem Platz, neben dem Gouvernement, in
den sechziger Jahren restaurirt.
Tom Karamsin-Platz gelangt man in südlicher Richtung durch
eine Gasse auf den Kathedralen- Platt (CoöopHa« nJomaAB) ; in der
Mitte desselben die ^Kathedrale (CoöopHHÜ xpavB cbatoü HCiiBOHa-
qajbHofi TpoHiiu), vom Ssimbirskischen Adel zum Gedächtniss an
die Vertreibung der Franzosen 1812 erbaut. In ihr werden Fahnen
der Opoltschenije von 1812 und 1856 aufbewahrt.
Die andere Kathedrale des h. Nikolaus (Xpavi ob. ÜRKOiaa
MyAOTBopKa), ehemals Kathedrale der h. Dreifaltigkeit, auf dem
Wjänez (S. 361), wurde im xvii. Jahrh. in Holz erbaut.
Für die Weiterfahrt thut man gut, den am späteaten von Ssimbirsk
thalwärts gehenden Dampfer zu benutaeen, um die schönste Strecke der
Wolga -Fahrt, den Bogen von Ssamara (S. 364), möglichst bei Tage zu
sehen. Die Dampfer von Seveke verlassen Ssimbirsk mit Tagesanbruch,
die der Gesellschaft Wolga um 6 U. 30, die der Oesellschaft Ssamoljot
naehSsysran, SSTA\¥ROPOL. 26. Boute. 363
um 8 U. Abends; sie passiren diese Strecke ca. 3-8 U. Morgens. Man lasse
sieh also auf diesen in aller Frühe weeken.
Auf der nun folgenden Strecke ist der Unterschied zwischen
dem hohen rechten Ufer und der Steppe auf dem Unken besonders
scharf ausgeprägt.
1066 W. (r.) «SsengUej (CeHrHiefi), Kreisstadt mit 3500 Einw.,
zwischen den Flüssen Ssengüenka und Tumenka, ist mit einem £rd-
wall umgeben; im N., W. und S. Kreideberge, die sog. „Ssengilej-
8chen Ohren'' (CeHriueficKie ymH). Das heryorragendste Gebäude
der meist aus Holz gebauten Stadt ist die Kathedrale der h. Mutter
Oottes (Co6. uepK. üpecs. BoropoAiniu) , 1814 auf dem höchsten
Punkte der Stadt erbaut.
Die H6hen unterhalb SsengUej heissen die IlJintkUchen und
weiterhin die NowodJewÜsche- Berge
1112 W. (r.) »Dorf Nowodjewitsche in einer Schlucht, mit 1500
£inw. Das Dorf hat seinen Namen von dem Nowodjewitschy-Kloster
in Moskau, dem es ehemals gehörte.
1136 W. (r.) Nadjeschkino (HaAtmKHHo) oder Ussolje (Ycoibe),
Dorf auf dem Gipfel der hier beginnenden Shegulewsklschen Berge
(s. unten), 4 W. vom Ufer, mit Schloss des Grafen Orlow-Demidow,
des Eigenthümers des ganzen Landes im sog. Bogen Ton Ssamara
(s. S. 364); im Park ein steinerner Thurm, der sog. üssolskische
Pavillon oder Sswätolka, mit prächtiger Bundsieht.
Die ganze Gegend war früher eingenommen von der Horde Nogai^aeher
Tataren, welche zahlreiche Kurgane (Grahhügel, 6. 355) ihrer Helden und
Vornehmen (Mursen) hinterlassen haben. Gewaltige Erdwälle in 3 Reihen
ziehen an den Ufern der Ussa von der Wolga über Waly (Baxu) nach
Perewalowka, an der gegenüberliegenden Seite des Bogens von Ssamara,
entlang. Bei Perewalowka die Ruinen einer kleinen Festung. Viele Orte
haben noch die tatarischen Namen, wenn aneh russiflcirt, behalten. Ussolje
und Umgebung wurde 1633 von Michail Feodorowitsch dem Kaufmann
Nadja geschenkt und erhielt nun den Namen Ussolje-Nadjäinsky. Später
gelangte es in den Besitz des Ssawinsky - Sstoroshewsky^schen Klosters,
Peter I. schenkte es 1710 dem Fürsten Mensehlkow : dann wurde es Krön-
dorf, bis es unter Katharina II. in die Hände des Grafen Orlow gelangte.
Es folgen nun die h6chst romantischen *Berge von Skegulew
(3(eryjeBCKifl ropu), weiterhin OretschulewdBisehe und Markwa-
schenskische Höhen genannt, dicht bewaldet, bis 200 m steil sich erhe-
bend, mit den wunderlichsten Felsbildungen und zahlreichenHÖhlen.
1149 W. (l.) Sstawropol (CTaBponoju). Die Dampfer halten auf
dem gegenüberliegenden Ufer 2 W. abwärts beim Dorfe Morkwcuchi
{HopKBaniH).
Sstatpropolj Kreisstadt im Gouvernement Ssamara und ehe-
malige Kalmückencolonie, mit 4500 £inw., liegt auf niedrigem und
sandigen Ufer, auf der einen Seite vom Bache Kun ^ Waloschke,
auf den andern Seiten von den Ausläufern des Uralischen Berg-
rückens (SsokoFscherBerg) begrenzt. Die Stadt zerfällt in 3 Theile :
die SstawropoPsche Festung (Ueberreste derselben noch sichtbar),
die Ssoldatskaja und die Kupjetscheskaja-Ssloboda. — Handel und
Industrie der Stadt sind unbedeutend.
364 Botae 26. SSAMARA. Von Byhinak
1209 W. Mündung des Ssok in die Wolga. Auf dem linken Ufer
derselben dis Dorf Zarewschtschina, von dem südlich der weithin
sichtbare Zarevo Kurgan (Ilapesi KypraHi), auf zwei Seiten vom
Ssok , auf der dritten vom Kurul umflossen , angeblich mit reichen
Schwefellagern , die aber nur in geringem Umfange von den Dorf-
bewohnern ausgebeutet werden.
Bei Sstawropol hatte die Wolga , durch die sich vorbiegenden
Shegulewskischen Berge gezwungen, sich nach 0. gewandt; 60 W.
weiter läuft sie südlich und geht von Ssamara an in westlicher
Richtung auf Ssysran zu (150 W.). Die Sehne dieses sog. Bogens von
Ssamara (CavapcKitf lyxi) hat von Sheguli bis Perewalowka (S. 366)
eine Länge von 15 W. Das Terrain behält den Charakter der She-
gulowski'schen Berge, die Hügel erheben sich auf 200-300m.
1222 W. (1.) »Stamara (Canapa). Mehrere Stunden Aufenthalt.
Iswoschtschiks am Landungsplatz (die Stunde 25-30 Kop.).
Gasthöpk. H6tel am Landungsplatz der Ssamo^ot-Dampfer. In der
Stadt: *Anajew am Alexejewskaja -Platz.
Rbstaubants in den Hotels.
YssoitüouKosLocALB. Gcsellschaftsgarten (OfintecTBCHHuft cax&)
beim Theater, die beliebteste Promenade der Bewohner; Sstrukowsky-
G arten (GTpyKOBOMiJk caAi)« benannt naeh dem ehemaligen Besitzer,
General Sstrukow, am nördlichen Ende der Kasanskaja, mit Vauzhall,
hübsehe Aussicht. — In der Umgebung: der Malakonsky-Frueht-
garten (MaxaaoBCKift •pynTOBiii cax&), Hn. Grats chew gehörig. Weiter
oberhalb an der Wolga auf dem sog. hängenden oder WiMly-Stein (Bf jh*
BaneHii) die Villa Apajew mit Garten, dem Publicum geöffnet.
Thbatbh in der Kasanskaja nahe der Ssamara.
Bahiihof auf der Ostseite der Stadt, ca. V2 St. vom Alexejewsky-
Platz. Von Ssamara nach Orenburg, 393 W. in 14 St. für 14 B. 74 resp.
11 R. 05 Kop. ; nach Ssysran, 115 W. in 6 St. für 4 B. 31 resp. 3 R. 34 Kop. ;
nach Rjashk (S. 385) 799 W. für 27.57, 19.59, 10.58 R.; nach Tula (S. 378)
921 W. für 34.58, 25.95, 13.27 R.
Ssamara, am r. Ufer der Ssamara und dem 1. der Wolga ge-
legen , Gouvernementshauptstadt und blühender Handelsplatz mit
c. 75,000 Einw., ist Sitz eines Civilgouverneurs und eines Bischofs,
hat 13 Kirchen, darunter die schöne lutherische Kirche, 2 Klöster,
ein Gymnasium, verschiedene Wohlthätigkeitsanstalten, bedeutende
Fabrikthätigkeit und lebhaften Handel als einer der Hauptpunkte
auf der grossen sibirischen Handelsstrasse über Orenburg ; beson-
ders wichtig ist der Handel in Getreide, Holz, Talg, Salz und Schaf-
pelzen. Für den Getreidemarkt ist eine Reihe grosser hölzerner
Speicher an der Ssamara erbaut. Die Märkte für den inneren Handel
finden statt auf dem Bazar, im Gostinny Dwor, auf dem Alexe-
jewskaja- Platz, auf dem sog. Burlazky-Pristan am Wolga -Ufer.
Jahrmärkte der sog. Ssbomaja-Markt , Beginn in der 3. Woche der
grossen Fasten, Dauer 14 Tage; der Kasanskaja -Markt, Beginn
8. Juli, Dauer 12 Tage; der Wosdwishenskaja- Markt, Beginn am
14. September, Dauer 14 Tage.
lieber die Gründung Ssamara's ist nichts Oenaues bekannt. Dieselbe
soll Ende des xvi. Jahrh. zum Schutz der russischen Grenze gegen die
Einfälle der Kalmücken, Baschkiren und Nogaischen Tataren, sowie zur
Sicherung der Handelsstrasse von Kasan nach Asstraehan und dem Ural
nach Saysran. SSAMARA. 26. Boute. 365
angelegt worden sein. Zu jener Zeit stand an der Mündung der Ssamara
ein befestigtes Schloss (Kreml)^ an welches sich nach und nach die Stadt
ansetzte. 1780 wurde Ssamara Kreisstadt, 1798 erfolgte die Verlegung der
Kasaken nach der Orenburg'sehenLinie, die Aufhebung der ssamarischen
Festungslinie, welche sich von Ssamara über Alexejewsk bis Orenburg
erstreckte, 1850 die Erhebung Ssamara^s zur Gouvernements-Hauptstadt.
— Durch grosse Feuersbrünste litt die Stadt 1848, 1850, 1854, 187t.
Der Weg vom Landungsplätze der Dampfer in die Stadt führt
stell bergauf. Die Strassen und Plätze sind nicht gepflastert und
unsauber , zwischen den steinernen Bauten stehen noch zahlreiche
kleine alte Holzhäuser. Der Gesammteindruck der Stadt ist kein
günstiger, die Zahl ihrer Sehenswürdigkeiten gering.
Yom Hotel am Alexejewskaja-Flatz (S. 364), den wir durch die
Sawodskaja erreichen , begehen wir uns zunächst nach dem süd-
lichen Theil der Stadt, der Altstadt (Crapuä ropoA'B), an der Mün-
dung der Ssamara in die Wolga. Hier lag ehemals der Kreml (s.
oben), auf derselben Stelle, wo jetzt das Theater und die Gebäude
der Feuerwehr (IIosapHuä CapaÜ) erbaut sind. Nur geringe Ueher-
reste der Festung sind noch an der Ssamara zu bemerken. Sie be-
stand aus dem Wolga-Quai und der Bolschaja, nachher wurde die
sog. „Strasse auf dem Berge'', die jetzige KasarUkaja erbaut. In
diesem Theile der Stadt die alte Kathedrale der Kasan' sehen Mutter
Gottes (UepK. KaaaHCKoM Bosieü MarepH), angeblich auf der Stätte
der Kirche und des Kirchhofs der Festung erbaut. Nicht weit vom
Gesellschaftsgarten das Nonnenkloster (2ReHCKi8 MoHacTupi»). In
der Nähe der Kathedrale die 1785 erbaute Kirche der Verkündigung
der heil. MutterGottes (IIepK.EiaroBlimeHianpecBaToSBoropoAHUH).
Nördlich der Altstadt die Keustadt (HobuH ropcAi»), der bestgebaute
Theil der Stadt. — Am Wolga-Quai, nahe beim Burlazky-Bazar,
die Kirche des heü, Metropoliten Alexei und die Alexei -Kapelle
mit ewiger Lampe.
Ton den Strassen, welche von N. nach S. die Stadt durchziehn,
sind die hauptsächlichsten: nahe dem Wolga -Ufer die Preobra-
shenskaja , weiter die Kasanskaja , an deren nördlichem Ende der
Sstrukowsky - Garten, dann die Wosnessenskaja, diQ Dworjanskaja
und Ssaratowskaja. Die Sawodskaja verbindet das Wolga-Ufer mit
dem Alezejewskaja-Platz. An letzterem im Centrum der Stadt der
Gostinny Dwor und die Hauptmagazine ; auf dem Troizkaja- Platz
findet der Bazar statt ; andere Plätze sind der Pschenitschnaja- und
der SJännaja-Platz,
Interessant ist der Besuch einer der "'Kninyss- Anstalten (Ky-
MUCOieneÖHoe saaeAeHle) , die meist alle auf den Hügeln liegen,
welche Ssamara umgeben. Durch dieselben ist die Stadt berühmt
und mit dem Namen Ssamara verknüpft sich für den Bussen etwa
die gleiche Vorstellung, wie mit Meran. Dort wie hier suchen
Schwindsüchtige Linderung , wo nicht Heilung ihrer Leiden , nur
dass man hier den Einfluss der milden Luft thatkräftig mit Kumyss
unterstützt. Wer es noch ernster mit seiner Cur nehmen will, der
366 Boute 26. SSYSRAN.
geht in die Steppe, lebt in der leichten Hütte der Nomaden, ge-
niesst ihre Kost und nährt sich fast ausschliesslich mit Kumyss.
Der Kumyss, auch Tr««nmt7cA genannt, ist ein sehr angenehm, säuer-
liches, mildes, kohlensäurehaltiges, leicht verdauliches und nahrhaftes
Getränk. Er wird aus Stutenmilch bereitet und muss klar sein; käsige
Absonderungen zeugen von schlechter Zubereitung. Durch Gährung der
Milch entwickeln sich Milchsäure, Kohlensäure und Alkohol. Die Stuten-
milch ist von allen Milehsorien die gehaltvollste ; sie übertrifft an Butter*
und Zuckergehalt noch die Schafmilch; die Verdaulichkeit wird durch
die genannten Säuren erhöht, während der Weingeist leicht erregend
wirkt. Man unterscheidet eine starke, mittlere und schwache Sorte. — Bei
jugendlichen und bei schwächlichen Personen, nach Blut- und Säftever-
lusten steht der Kumyss als Kräfte hebendes Kahrungsmittel obenan.
Gewöhnlich beginnt man mit 3 Gläsern und erhöht die Zahl allmählich.
Manche Kranke trinken 6-8 Flaschen täglich. Die beste Zeit ist im Mai
und Juni t später wirkt die grosse Hitze, welche in Ssamara herrscht, naeh-
theilig.
Die besuchteste und am schönsten gelegene Kumyss-Anstalt ist
die von Annajcw; namentlich Abends schone Aussicht auf die
Wolga.
Ungefähr 21 W. von Ssamara (c. 8 W. von SmyicUjäwka^ Stat. der
Orenburger Bahn) das Schwefelbad Altxejewke. >- 120 W. nordöstlich von
Ssamara liegt das mit der Post zu erreichende Städtchen Bsergiewak (Cep-
rieBCsiA anaep. boku), am Einflüsse des Ssurgut in den Stokt berühmt durch
seine Mineralwasser, hauptsächlich Schwefel-Quellen, die besonders gegen
Bheumatismus Verwendung finden. 1703 erbaute Peter der Grosse lüer
eine Schwefelfabrik, l^o wo - Ssergiewsk genannt. iT20 ging diese ein; aber
1808 wurden durch den Gutsbesitzer Gl(uau> die Quellen dem Kurgebrauch
zugänglich gemaeht. Die Bäder kosten 15-25 Kop., die Nummern in dem
Staatsgebäude für den ganzen Sommer 45 B.
20 "W. hinter Ssamara , auf dem rechten Ufer der Wolga , bei
der Datsche des Grafen Panin ein nicht unbedeutender Schwefel-
herg (CtpHiji ropu), ehemals von der Krone ausgebeutet, jetzt dem
Betriebe einer Ziegelei dienend.
Weiterhin hören die Waldungen auf, die Hohen verflachen sich
bis auf 40 -50m, doch bleibt der geologische Charakter der Ufer
derselbe : Kreide- und Kalksteinberge mit starken Höhlenbildungen.
Auf der Wiesenseite der Wolga leicht gewellte Flächen, grösstentheüs
mit üppigem Grase, hie und da mit Buschwerk oder verkrüppelten
Eichen bestanden.
1266 W. *Jekaterinowki (EKaTepHHOBKH). — 1286 W. Perewa-
lowka (IlepeBaJOBKa), Dorf mit TOOElnw. und bedeutendemGetreide-
handel. — 1296 W. (r.) PetschersJcoje (HeHepcKoe), grosses Dorf mit
1250 Einw., amphitheatralisch am hohen Ufer gelegen.
1 St. vor Ssysran passiren wir die grosse Eisenbahnbrücke der
Bahn Rjashk-Ssysran-Ssamara-Orenburg (S. 375).
1329 W. ^Batraki, Stat. der Bahn Ssysran-Ssamara.
1332 W. (r.) »Siysran (Cuapanb).
Gasthöfe: Ljundin und Ssussujew (genügen nur massigen An-
sprüchen)^ — *Bahnreitaur.
Bahnhof im Norden der Stadt, 20 Min. von derselben entfernt. Kach
Ssamara und Bjashk s. S. 875.
Dampfschiffb. Nach Ssaratow, Asstrachan und den Häfen des Kas-
pischen Heeres alle Sa. u. Di. mit Tagesanbruch und 1217. Mittags; nach
SSYSRAN. 26, Route, 367
Ssam&ra, Kstfan und Nishny-Nowgorod alle Hi. a. So. 9 U. 90 Min. Vorm. ;
Do. u. So. 3 U. Kaebm.
Ssysran, Kreisstadt im Gonvernement Ssimbirsk mit 24,500
Einw., liegt etwas vom r. Ufer der Wolga entfernt an der Ssys-
ran*8chen Woloschke und dem Flüsschen Krymsa, dessen Schlucht
(Owrag) die Stadt in zwei Hälften theilt. Gegründet wurde Ssysran
1683 durch den Ssimbirskischen Woiwoden Gregor Koslowski und
bestand ursprünglich nur aus dem Kreml, von dem jetzt nur noch
Reste auf dem höchsten Punkte der Stadt am Ufer der Woloschke
vorhanden sind. Die Stadt hat 7 Kirchen und 3 Klöster , einige
Fabriken und nicht unbedeutenden Getreidehandel (am Landungs-
platze zahlreiche hölzerne Ambarren) ; auch wird Schiffbau, Gärt-
nerei und Fischfang betrieben.
Das älteste Gebäude der Stadt ist das Mönchsidoster (MysecKiS
MouacTupfc Bo3Heceflifl fbcnoxHA) auf der sog. Strjälka (Crptiia),
unter Peter d. Gr. erbaut; die anfänglich hölzerne Kirche des
Klosters wurde 1738 durch eine steinerne ersetzt. Aus dem Anfang
des XVIII. Jahrh. stammt die * Kathedrale (XpacToposAecTBeHCKiM
Coöopi) , mit welcher eine Bibliothek verbunden ist. Die Käthe-
dralen-Kirche (CoöopHafl UepKOB& EareHHaii) wurde 1753,diei!rtrcAe
der Kasan'schen Mutter Qottei 1832 erbaut. — Lohnend ist der
Besuch des Lednew* sehen Qartene {C^Kh ilexHesa), Vz ^i^ '^om Bahn-
hof, mit schöner Aussicht auf die Wolga und Umgegend.
18 W. südl. an der Wolga das Stimeon-Kloilery in Bchöner Lage; in
der Umgegend auch für den Laien inteiressante Lager von Jura-Petre-
fakten. — 13 W. n. an der Wolgabrücke (S. 875) Batraki (BaTpaxH) Stat.
der Orenburger Bahn, mit grossem Asphalt-Lager und Werk.
Eisenbahn von Ssysran nach Tula und Orenhurg s. R. 27.
27. Ton Eiga über Ssmolensk und Orel nach Orjasi
und ttber Tula nach Ssamara nnd Orenbnrg.
Abfahrt vom Centralbahnho/ in Biga (6. 49). Direete Züge nach Kaluga,
Tula, Ssamara, Orenbnrg, Orel, Orjasi, Ssaratow, Zarizin. Von Riga nach
Orjasi über Orel: 1225 W. in 4^/2 St. für 45.62, 34.48, 17.62 B.: von Biga
über Tula nach Ssamara: 2322 W. in m/2 St. für 72.34, 54.30, 27.18 B.
Von Riga nach Dünäburg s. S. 49-48 ; 3-5 St. Aufenthalt. Bei der
Weiterfahrt sind die Waggons dieselben , wie auf der Dünabürger
Bahn ; die Bahnrestaurants sind massig und wenig reinlich.
Die Gegenden , welche wir durcheilen , bieten einen traurigen
Anblick. Niedriges Gestrüpp wechselt hier und da mit gänzlich
vernachlässigten Waldstrecken. Durch den morastigen Boden ver-
krüppelte Birken und Ellem sind vorherrschend. Fast nirgends
bebaute Felder, in grossen Zwischenräumen elende Hütten. —
(16 W. von Dünäburg) Josef owo, — 36 W. Kreselawka. — 64 W.
Balhinowo.
90 W. Drif sa (4pHCca) ; Bahnrestaur., 10 Min. — 4 W. s.w. die
gleichn. Kreisstadt im Gouvernement Witebsk , am Einflüsse der
368 Baute 27. POLOZK. Von Riga
Driisa in die Düna (Duma) gelegen, mit lebhaftem Handel u.
4361 Einw. Durch die erste Theilung Polens kam Drissa an Russ-
land. 1812 war es Sammelpunkt der I. russischen Westarmee.
101 W. Ssufolna (CBOiraa), Pfarrdorf und Vorwerk an der
Sswolna. Am 11. Aug. 1812 fand hier ein Gefecht zwischen den
Franzosen und den Bussen statt. — 117 W. Borkowitschi, — 127 W.
Adamowo, — 136 W. Barawucha, Dorf an der Strasse von Polozk
nach Ssebesch, an der 1812 die Gefechte yon Kljcustiizi (31. Juli),
OolawicMsehitza (1. Aug.), Sttvolna (s. oben), zur Deckung St. Peters-
burgs stattfanden.
Nachdem wir die Sumpfwälder auf dem rechten Düna -Ufer
nordöstlich Polozk verlassen, erblicken wir zur Rechten Polozk
hoch auf dem nördlichen Rande der. Uferhöhen, in prächtiger Lage.
— Bahnrestaur., 20 Min. Aufenthalt.
151 W. PoIOBk (ÜCJOUKI) , Kreisstadt im Gouvernement Wi-
tebsk, auf einem bergigen Plateau zwischen der Düna (r.) und der
Polota (1.) gelegen, Sitz des griechisch -unirten Erzbischofs von
Polozk und Witebsk, mit einem alten Kreml, im äussersten Winkel
der Düna und Polota, mehreren Kirchen und Klöstern (2 km n.
von Polozk das durch die Kämpfe von 1812 berühmte Sspiisikif-
oder Erlöser Kloster), Kadettenhaus (ehem. Jesuitenkollegium),
mehreren Fabriken , lebhaftem Handel , 12,200 Einw. — Sehens-
werth das alte Schloss im Kreml undT das zu Ehren der 1812 bei
Polozk gefallenen Russen errichtete Denkmal^ auf dem Platz gegen-
über der Kathedrale.
Zur Geschichte. Polozk existirte schon lange vor der Ankanfl
Rurik's in Russland -, es war damals ein befestigtes Dorf der PoloUchanen.
Im IX. Jahrh. herrsehte dort Rogwold (Rogvolod, Ragnvaldr), einer der
Genossen Ruriks. Später standen die Fürsten von Polozk stets in einer
gewissen Unabhängigkeit und bewiesen sich feindlich gegen die re-
gierende grossfürstliehe Familie. 1128 stürzte Af»tislau> WlacUmirinritMch
den Fürsten David von Polozk und gab die erledigten Färstenthümer
Minsk und Polozk seinem Sohne J9j<Uilaw. Unter dessen Kaehfolgern
fanden vielfache Kampfe mit den Litauern, den Ordensrittern, den Für-
sten von Ssmolensk und Pskow statt \ in denselben dehnte sich das Für-
stenthum bis nach Livland hinein aus. 1238 kam Polozk an das Fürsten-
thum Ssmolensk, bald darauf an Litauen. Unter litauischer und polni-
scher Herrschaft erhielt Polozk, wo Statthalter und Verwandte der Könige
yon Polen und Grossfürsten von Litauen regierten, grosse Privilegien und
übertraf selbst Wilna an Reiehthum. Im litauisch-schwedisch-russischen
Kriege 1562-1563 griff Iwan IV. am 21. Jan. 1563 Polozk an und eroberte
es am 15. Febr., doch kam es 16 Jahre später wieder an Litauen. Stephan
Bathory eroberte es 1579 und machte es zu einer litauischen Woiwod-
schaft. 1654 fiel Polozk nebst Borogobusch und Ssmolensk in die Ge-
walt Alexei*s , wurde aber 16€r7 im Frieden zu Andrussow wieder abge-
treten und erst unter Katharina II. bei der ersten Theilung Polens 1772
definitiv mit Russland vereinigt. 1778 wurde Polozk die Hauptstadt eines
neugebildeten russischen Gouvernements. 1812 erreichte die erste rus-
sische Westarmee auf dem Rückzuge von Drissa (S. 867) am 18. Juli Po-
lozk, am 23. Juli besetzte Hurat die Stadt; als die grosse Armee auf
Witebsk vorrückte, blieb Oudinot, später durch das Corps St-Cyr unter-
stützt, zu den Operationen gegen das 1. detachirte russische Corps unter
Wittgenstein und zur Bedrohung St. Petersburgs zurück. Kach den Ge-
fechten von Kljasstitzi, Golowschtsehitza und Sswolna griff Wittgenstein
nach Orenburg. WITEBSK. 27. Boute, 369
Polosk am 17. Aug. an. Der Angriff misslang jedoch, und erst in den
Kämpfen am IS. und 19. October fiel es in die Hände Wittgenstein^a.
Hinter Polozk und je mehr man sich Witebsk nähert, nimmt
4as Land einen cultivirteren Charakter an : das Terrain wird hügelig
und bietet mehr Abwechselung , Bauernhäuser und Felder werden
häufiger; auch erscheint der Wald (meist Tannen, Kiefern und
Birken) hier noch in gutem Bestände. Die flachen Bodenwellen sind
zum Thell mit Granitmassen bedeckt ; die Umgegend von Witebsk
besteht aus Kalkfelsen.
183 W. Ohol. — 205 W. Ssirotino (Bahnrestaur. ; 10 Min.). —
223 W. Sstaroje Sselo. — 233 W. KnäsUza. — Bald darauf er-
scheint malerisch auf den Kalkfelsen des linken Düna- Ufers
244 W. Witehsk (BHieöCKi). Bahnrestaurant. — Bei dem Aufent-
halt von 2 St. 10 Min. kann man sich einen Iswoschtschik nehmen
und die Stadt besichtigen.
Witebsk [Qrand Hotel; Hotel Brost, am Marktplatz), die Haupt-
stadt des gleichn. Gouvernements, hat c. 54,700 Einw., darunter zahl-
reiche Juden. Die dem Bahnhofe zunächst gelegeneu Stadttheile, fast
ausschliesslich von Juden bewohnt, machen einen verkommenen,
schmutzigen Eindruck. Erst wenn mau auf der schönen steinernen
Diina-Briicke den stolzen Strom überschreitet, ändert sich das Bild.
Der Stadttheil jenseit der Düna zeigt noch Ueberreste von alten
Festungsmauern, ansehnliche Häuser, gerade und gut gebaute
Strassen. In diesem Theile vom Witebsk liegt das grosse, gelbange-
strichene Qouvernemtntigehäude^ in dem der Grossfürst Konstantin
Pawlowitsch, Generalgouverneur von Polen während der polnischen
Revolution, 1831 an der Cholera starb. Andere hervorragendeGebäude
der Stadt sind der Adelsklub, das Gymnasium, Theater, Hospital,
die Kaufhallen. Sehenswerth sind die Kathedrale des h. Nikolaus,
die Maria - Himmelf ahrt - Kirche , das schöne Basilianerkloster,
Ausser diesen zählt Witebsk 14 Kirchen und 8 Klöster.
Zur Geschichte. WUebsiy im Lande der Drogowitschen gelegen,
ist eine Grflndiing der Waräger. Bis Eum xii. Jahrb. gehörte die Stadt
bald zum Färstenthum Ssmolensk, bald cum Fürstenthum Polozk, bildete
dann ein selbständiges Theilfürstenthum und wurde im xxv. Jahrb. mit
Litauen vereinigt. Die Stadt, welche viele Privilegien erhielt, blühte
unter litauisch-polnischer Herrschaft rasch auf. 1435 wurde es von Wla-
dislaw Jaglello nach sechs wöchentlicher Belagerung erobert. Die Bussen
nahmen die Stadt 1563 und 1Ö69, aber Stephan Bathory eroberte sie wieder
zurück. Als Grenzstadt blieb dann Witebsk ein Zankapfel zwischen
Polen und Bussland; erst 1773 kam sie für immer an Russland. 1778
wurde Witebsk als Statthalterschaft organisirt, 1796 mit Hohilew sur
Stadthalterschaft Weissrussland vereinigt, 1802 aber wieder davon getrennt
und als eigenes Gouvernement constituirt. — 1812 war Witebsk das Ziel
der mittleren Kolonne der grossen Armee auf dem Marsche nach Ssmo-
lensk-Moskau. Am 28. Juli rückte Kapoleon in Witebsk mit den Garden
ein. Er blieb hier 14 Tage, um seine Armee zu retabliren. Erst am
13. Aug. verliess er Witebsk um die bei Ssmolensk vereinigte russische
Armee anzugreifen.
Die wellige Gegend zwischen der Düna und dem Dnjepr , das
grosse „VÖlkerthor^ nach Westen hin (c. 200 m ü. M.), ist auf weite
Strecken flach und sumpfig und im allgemeinen wenig angebaut.
Bussland. 2. Aufl. 24
370 Route 27, BRJANSE. Von Riga
Wald herrscht vor ; doch auch hübsche Landschaftsbilder werde»
zeitweise von der Bahn aus sichtbar. — 278 W. Bohrowka, —
307 W. Rudnja. — 350 W. Kuprino,
372 W. Simolenik (CMOieHCKi), s. S. 246. Bahnrestaur. (der
Wartesaal , im altrussischen Stil dekorirt , beachtenswerth), V2 St..
Aufenthalt. Durch waldreiche Gegenden nach dem ersten bedeu-
tenden Orte
483 W. Bofilawl (PociaBib), Kreisstadt an der Osster, mit
6700 Einw. Die Stadt wurde von Wladimir Monomachus gegründet^
später stark befestigt und häufig von den Litauern, Polen und
Russen belagert.
Hinter (505 W.) Jwanowskaja tritt die Bahn in das Gouverne-
ment Orel. Der Wald hört auf und endlose, wellenförmige Flächea
zeigen sich zu beiden Seiten. Wir sind in eine der Kornkammern
Busslauds gelangt. Unabsehbare Kornfelder wogen im Sommer in
mächtigen Flächen. Roggen , Buchweizen , Flachs sind auf grossen
Strecken angebaut. Nur an einzelnen , besonders feuchten Stellen
erscheint Baumwuchs, niedrig und verkrüppelt. Die Dörfer folgen
viel dichter auf einander, als in den vorhergehenden Gouvernements ;
die Häuser sind wohlgebaut und reinlich, auch grösser, wohlhabender ;
an ihren Holzfa^aden hat die Schnitzkunst des Volkes ihre origi-
nellen, oft zierlichen Muster angebracht; dazwischen sieht man
kleine, weisse, grüngekuppelte Kirchen. Einen besondern Cha-
Takterzug empfängt die Landschaft durch die oft In langen Reihen
aufgepflanzten Windmühlen , in den ungeschicktesten und primi-
tivsten Formen. Eigenthümlich ist die Tracht der Bauern, ein Ge-
misch der gross- und kleinrussischen. Die Bäuerinnen tragen ein
langes, bis zu den Füssen reichendes Hemd mit rothem Saum,
darüber eine rothe Filzjacke ; um den Kopf sind turbanartig zwei
verschiedenfarbige Tücher geschlungen. — 531 W. Duhrowka. —
555 W. Shvkowka. — 584 W. Oorodez.
607 W. Bxjansk (EpflHCKi; Bahnrestaur., 20 Min.), Kreisstadt im
Gouvernement Orel, auf dem r. Ufer der l>es8na gegenüber dem
Einflüsse des Ssnjäschet, mit 14^657 Einw. Im zu. Jahrb. ge-
gründet , gehörte Brjansk anfangs zum Fürstenthum Tschernigow,
bildete dann ein eigenes, von Litauen abhängiges Fürstenthum, das
Ende des xiv. Jahrb. mit dem Grossfürsten thum Wladimir-Moskau
vereinigt wurde, später wieder abwechselnd bald an Polen, bald an
Russland fiel, bei dem es seit 1667 verblieb. 1783 wurde daselbst
ein Arsenal und eine Oeschützgiesserei gegründet , die heute noch
existiren. Es werden in derselben Geschütze, Lafetten und Artillerie-
Bedürfnisse gefertigt. Von den 18 Kirchen ist die alterthümliche
Kathedrale der heil, Jwngfrau sehenswerth. In dem Mönchskloster
Sswinskoj ein Priesterseminar und 2 Kirchen , in einer derselben
das Grab Oleg's, des Fürsten von Tschernigow und Brjansk. Bei
dem Kloster findet jährlich eine 14tögige Messe statt, die sehr be-
sucht ist. Die Stadt treibt bedeutenden Handel nach Riga und St.
nach Orenhurg, JELEZ. 27. Route. 371
Petersburg, Moskau und dem Schwarzen Meer. In der Nähe viele
Olashütten , Tuchfabriken , Oelmühlen , Theerhütten , Eisen- und
"Waggon -Fabriken und Branntweinbrennereien.
Am berühmtesten und sehenswerthesten sind die nördlicb von Brjansk
gelegenen Glashütten, Hasehinen- und Waggon -Fabriken des General
Maltssow bei den Dörfern (10 W.) RodischUcha (PoÄHnta), (30 W.) Dar-
towiUehi (AapKOBHHH), (90 W.) Lubochna (JlyGoxHa) und (40 W.) Djadkotoo
(^aABKOBo) u. a., alle auf dem rechten Ufer der Bolwa, einem Nebenfluss der
Dessna gelegen. Sehifffahrt- Verbindung nach denuDuepr. — Unterkunft
in allen Dorfern, am besten in Djadkowo, wo das Sehloss des General
Maltssow, dessen Erlaubniss zur Besichtigung der Fabriken einzuholen.
616 W. Ssnjäshetakaja. — 626 W. Bjelije-Bjerega. — 637 W.
Myllinka.
648 W. Karatschew (KapaneBi»), Kreisstadt am Smjäshet, mit
11,267 Einw., wurde schon im xi. Jahrh. gegründet und war die
Hauptstadt des Fürstenthums Karatschew im Sewerischen Lande an
der Grenze Litauens. Karatschew hat ebenso wie Brjansk bedeu-
tenden Handel nach der Ostsee ; in der Nähe viele Oelmühlen und
Theerhütten.
690 W. Schachawo. ~ 718 W. Ssachanskaja. Eine unendlich©
Menge von Waggons und Maschinen , ein (Jewirr sich kreuzender
Schienenstränge verkündet die Nähe von Orel , dem Centralstapel-
piatze des russischen Getreidehandels.
732 W. Orel, Kreuzungspunkt der Bahn Moskau - Kurssk , s.
S. 380. — Bahnrestaur., 1 St. 40 Min. Aufenthalt.
755 W. Salotarewo. — 779 W. ArchangeUkaja. — 791 W. Sale-
goschtsch, Dorf im Gouvernement Tula; 14 W. davon die Kreisstadt
N0WO88Ü, an der Suscha, mit mehreren Fabriken, 4500 Einw. —
818 W. Werchowje {Be^xoBhe). Bahnrestaur., 10 Min.
Von Werchowje nach Liwny, 57 Werst, Zweigbahn in 3 St. für
2.14, 1.60, 0.83 B. Liwny (Jhbhu), Kreis- und wichtige Handelsstadt im Gou-
yernement Orel , liegt sehr hübsch auf dem r. Ufer der Liwenka , eines
ITebenflüsschens der Ssossna, und zählt 25,(XX) Einw. Die Stadt wird schon
im XII. Jahrh. erwähnt, gehörte bis zum xiv. Jahrh. zumFürstenthum Jelez,
dann eum Fürstenthum Bjäsan und wird in den Kosakenkriegen und den
Kämpfen mit den falschen Dmitry häufig genannt.
S^W, Schatüowo, — Sd7Vr. Kasaki.— diSy^.Jelezkaja Plat"
form,
Zweigbahn nach üsslowaja (180 W. in 7 St. für 6.83, 5.13, 2.62 R.); an
ihr die Stationen Je/remow und Bogorodizt^ Kreisstädte im Gouvernement
Tula, ebenso wie Jepifan Gentralpunkte für den Kohlentransport aus dem
Moskauer Kohlenbecken (S. 380). Üsslowaja s. S. 373.
915 W. Jelei (Eiem), Kreisstadt mit 37,000 Einw., am 1. Ufer
der Ssossna freundlich gelegen, mit vielen Fabriken (berühmt wegen
seines Weizenmehls und seiner Buchweizengrütze) , ansehnlichem
Getreide- und Vieh-Handel. Die alterthümliche Stadt existirte be-
reits im XII. Jahrh. und gehörte zum Fürstenthum Rjäsan. Im
XIII. Jahrh. stand sie unter eigenen Fürsten; später wurde es
wieder mit dem Fürstenthum Bjäsan, dann mit dem Grossfürsten-
thum Wladimir-Moskau vereinigt. 1618 wurde die Stadt von den
Ssaporogischen Kosaken genommen und den Polen übergeben, später
24*
372 Route 27. GBJASI. Von ftiga
den Russen zurück geliefert. — Sehenswerth sind von den 16 Kirchen
die KcUhedrale der heU. Mutter Gottes mit sehr alten Heiligen-
bildern ; das festungsartige lionnenkloUeT zur Erscheinung der heil.
Jungfrau mit schönem Glockenthurm; das ehemalige Mönehakloster
der heil. Dreieinigkeit (xii. Jahrh.) , dessen Kapellen über den Grä-
bern der bei der Yertheldigung der Stadt gegen die Tataren 1395
•Gefallenen erbaut worden sein sollen.
Zwischen SUtionen (940 W.) Don (ÄOHx) und (964 W.) Techi^
rikowo auf schöner Gitterbrücke über den Don. Nicht lange hinter
Sajänzowo r. der malerisch auf Hohen gelegene Badeort Lipezk.
987 W. Lipesk(<lHnei|Ki; Bahnrestaur., 10 Min.), Kreisstadtim
Gouvernement Tambow, mit 14,250 £inw.
ÖA.STHÖFB. *Poljakow in der Dworjanskaja, gut, aber theuer. —
Zum. Goldenen Löwen (T. SoJKoraro Jbsa) am Katbedralen- (CoöopBaa)
Platz. — Hoskau (MocsBa), London in der Woroneshskaja. — Ku-
tina am Sstarobaflamaja-Piaitz.
Wagsh am Baknhof und auf dem Kathedralen-Platz.
Badbamstalt (Kyiiajn>Hoe aasexeme), Vauzhall , Park, Bibliothek. In
der Badeanstalt oder dem Gesundbrunnen der Gasthof „*Minüral-
Wasser" (rocTHHHJOvi MiiEepa.i&Hur& boai») gegenüber dem Unteren Park.
Kummern (i, 2, 3 und 4 Zimmer mit Bett) von 90 Kop. bis 3 B. täglich.
Table d'höte von 3 Gerichten 60 Kop., von 4 Ger. 75 Kop. (im Abonne-
bient von 10 Diners). Saison - Billets für den Besuch des Parks und des
Vauzhall für 1 Person 5 B., pro Familie 10 B. Für Benutzung der Bib-
liothek p. Saison 2 B. exel. Pfand (5 B.).
Die kohlensauren Eieenquellen bei l^lpezk soll Peter I., als er
einst die hiesigen Eisenschmelzen und Elsenlager, die jetzt wegen
Holzmangels stillstehen , besuchte , entdeckt haben. Dem grossen
Zaren verdankt also die Stadt ihr Emporkommen. Die reiche Familie
Butin hat ihm desshalb im Park der Badeanstalt einen gusseisemen
Obelisk als Denkmal errichtet. Das Wasser von Lipezk soll eine
ähnliche Wirkung, wie das von Schwalbach und Spa äussern und
gegen Lähmungen, Rheumatismen etc. von Erfolg sein. — Einige
Stunden von Lipezk in hübscher Lage eine Centralmusterfarm.
1020 W. Gijasi (FpuH) , Flecken an der Matira (2500 Einw.),
einer der wichtigsten Knotenpunkte des Russischen Bahnsystems,
ist erst mit letzterem entstanden. Die Bedürfnisse des Verkehrs
Hessen bald um die in einer städtelosen Fläche angelegte Eisen*
bahnstation eine Menge von Gebäuden entstehen , die den Keim zu
der jetzigen Stadt bildeten. In derselben befinden sich schon eine
beträchtliche Anzahl von Gasthöfen zweiten Ranges (Nummern).
Traktlrs, Magazinen u. s. w. Bahnreataurant gut, aber theuer (gute
Weine).
Von Griasi gehen östlich die Züge cur Wolga nach Ssaratow und
Zarizin (Aufenthalt in Grjasi c. 3 St.), südlich na«h Woronesh uad
Bosstow.
Von Ssmolbnsk nach Tula und Ssabcaiia. Srniolensks. S. 246;
für die Züge nach Wjasma Vf St. Aufenthalt. Von Ssmolensk bis
537 W. Wjaima (Bubaa) , s. S. 247 (»BahnresUur., Aufenthalt
nach Orenhurg, KALUGA. 27. Route. 373
tis zum Abgang« des Zuges nach Tula 3V2 St.). — Stat. Issäkowo,
MjatUwikaja (Bahnrestaur.) , Pjatowskaja,
691 W. Kalnga (Kajyra; Bahnrestauraut , 45 Min. Aufenthalt;
Hot. 8t. Petersburg), mit 40,000 Einw., Haupt- und Kreisstadt des
gleichnam. Gouvernements, am 1. Ufer der hier 200 m breiten Oka
und der Kalusehka, ist Sitz eines Civilgouvemeurs und des Bischofs
Ton Kaluga und Borowsk, hat 35 Kirchen , ein Nonnenkloster , ein
grosses Arsenal und viele Fabriken , besonders Leder- und Segel-
tuchwebereien. Die schöne alte befestigte Stadt wird schon im
XII. Jahrh. erwähnt. 1610 wurde der falsche Do^^y in der Nähe
von dem tatarischen Fürsten Urussow auf der Jagd erschossen.
1860-68 war Kaluga der Verbannungs- und Aufenthaltsort des
bekannten Anführers der aufständischen kaukasischen Völker^
Schamyl (f 1871 in Medina).
Von Kaluga geben im Sommer an bestimmten Tagen Dampfer die
Oka abwärts nach Sserpuchow (S. 377) und Rjäsan (S. 3^).
Zwischen (754 W.) Aleksin (Bahnrestaurant, 15 Min.), unweit
des Fleckens Alek$in , und (763 W.) DanÜowka überschreitet die
Bahn auf schöner Gitterbrücke die Oka, tritt dann in das fruchtbare,
gut bebaute und fabrikreii^e Gouvernement Tula und erreicht nach,
längerm Aufenthalte an Stat. Protopopowo (Bahnrestaurant)
814 W. Tula (Tyja), s. S. 378 (Bahnrestaur.). Bei der directen
Tour von Riga nach Ssamara ist der Aufenthalt (17 Min.) zu gering^
um die Stadt besichtigen zu können. Wohl ist dies aber möglich
bei einer Tour von Rjashsk (S. 385) nach Orel (6 St.). Omnibus und
Iswoschtfichiks am Bahnhof.
850 W. Us$lowaja (Bahnrestaurant). — 875 W. Stat. Jepifan,
15 W. von der gleichn. Kreisstadt. — 948 W. Sskopin (Bahnrestau-
rant), Kreisstadt im Gouvernement Bjäsan, auf dem 1. Ufer der
Werda, mit mehreren Fabriken (9500 Einw.). — 970W. Sheltuekino,
992 W. Bjashsk (Piiscn), s. S. 385. Bahnrestaurant ; über 6 St.
Aufenthalt.
Auf der Strecke von Rjashsk nach Morschansk wird sehr lang-
sam gefahren und daher die vorgeschriebene Zeit von 4 Stunden
häufig überschritten. Sehr wohlhabende Gegend; der Bau der
schönen grossen Dörfer erinnert an die südrussischen. Berühmte
Pferdezucht. — Die einzige nennenswerthe Station ist (1052 W.)
Werda (Bahnrestaur., 14 Min. Aufenthalt).
1114W. Morsohansk (MopmancKi; Bahnrestaur., 2 St. Aufent-
halt). — Morschansk (Hotel Sddaki) , Kreisstadt im Gouvernement
Tambow, auf dem 1. Ufer der Zna gelegen, mit c. 20,000 Einw.,
stammt aus dem Ende des xvi. Jahrh., wurde aber unter Katha-
rina II. und 1875 durch Brand fast völlig zerstört. Von den Kirchen
sind die neuerbaute Erlöser -Kathedrale und die Kathedrale der
h. Sophie (xviii. Jahrh.) sehenswerth. Der Handel in Getreide,
Vieh u. s. w., durch die Lage der Stadt im Mittelpunkt reicher Gou-
vernements begünstigt, ist bedeutend. Besonders besucht sind die
374 B<mte 27. PENSA. Von Riga
Märkte von Morschansk im Winter. Für den lebhaften Mehlhandel
zeugen die zahllosen Windmühlen auf den die Stadt nmgebenden
Anhöhen.
Weiter durch weite, fruchtbare Ebenen mit niedern Hügelreihen ;
prächtige Eichenwälder wechseln mit reichen Feldern , stattlichen
Dörfern , grossen Landgütern und Parks. Zwischen WemadAywka
und (1131 W.) Fatschelma (Bahnrestaurant) erblickt man fast aus-
schliesslich Tatarendörfer (S.354); hinter Patschelma tauchen auch
gelegentlich Dörfer der Mordwinen (S. 346) auf.
1364 W. Fenaa (IleHaa ; *Bahnrestaurant , 20 Min. Aufenthalt;
* Hotel Warenzov) ; auch ein deutscher Gasthof ist vorhanden). —
Pensa, Haupt- und Kreisstadt des gleichn. Gouvernements^ mit
42,000 Kinw., liegt an der Einmündung der Pensa in die Sswra,
ist Sitz des Civilgouverneurs und eines Bischofs. Die Stadt, um
die Mitte des zvii. Jahrh. zur Unterdrückung der Aufstände der
Mordwinen gegründet und bei den Zügen Pugatschew's oft genannt,
liegt sehr freundlich auf einem Hügel , so dass man fast überall
hübsche Blicke auf eine fruchtbare , hier und da von Waldhügeln
belebte Ebene hat, der nur Gewässer fehlen, um sehr anmnthig
zu sein. Die Stadt, mit 18 Kirchen u. 2 Klöstern, besteht aus einem
schönen, neuen Theile mit der prächtigen Kathedrale auf einem
grossen Platze, mit neuen Palästen und Häusern, darunter ein Gym-
nasium, Seminar und Hospital, und aus der altrussischen Stadt mit
Holzhäusern in breiten geraden Strassen. Der nördliche Theil der
Stadt wird fast ausschliesslich von Deutschen bewohnt *, hier die
protestantische Kirche. Pensa besitzt einen berühmten botanUehen
Qarten, hübsch auf einer Anhöhe gelegen und vortrefflich gehalten ;
dabei eine Gartenbauschule. Viele Fabriken (Leder , Seife , Lein-
wand u. s. w.). Berühmt sind die hier angefertigten Baskliks aus
Kameel-Haaren.
90 W. n.w. die Kreisatadt Kokachani (MonnaHu), die ihren TTrsprung
und Kamen dem Mordwinenstamm der Mokschanen verdanken soll (S. 346).
Auf der nun folgenden Strecke herrschen zunächst W&lder vor
{meist Birken, Pappeln, Weiden und Eiclran) ; später überwiegen
Ackerfelder. Das Land auf der Bergseite der Wolga, auf dem hier
Grossrussen mit Tataren , Mordwinen (S. 346) , Tscheremissen
•(S. 348) vermischt wohnen, trägt ebenfalls den Charakter der grössten
Fruchtbarkeit. Zunächst lichte Hügelreihen , meist bis zum Gipfel
beackert , hin und wieder mit Wald und Gebüsch bekrönt. Bald
hinter (1476 W.) Kibsnezk (KyaneiiKi) überschreitet die Bahn die
Grenze des Gouvernements Ssimbirsk und den Fluss Saysranf an
dessen 1. Ufer sie dann entlang führt; r. in der Ferne die Tscher-
nosatonsklschen Berge.
1599 W. Ssysran (CuspaHb), s. S. 366. — »Bahnrestaurant ;
IViSt. Aufenthalt.
Der Bahnhof von Ssysran liegt c. 20 Min. von der Stadt entfernt.
Will man, nach einer Wolgafahrt von Ssamara oder Astrachan kam-
nach Orenhurg, ORENBÜRG. 27. Route. 375
onend, nach Horschansk und Tula fahren, so hat man 3-4 St. für die Be-
fliehtigung der Stadt.
Die Bahn überschreitet die Wolga auf der imposanten Eisen-
•hahnbrücke, welche vom Dorf e Nowo -Kostitscki nach Stary-
J[o8tit8cki geführt ist. Sie hat eine Länge von 1485 m und über-
schreitet den Strom in 13 Bogen. Der Bau begann am 17. August
1877 und wurde im September 1880 YoUendet. Die Pläne lieferte
^er Professor Belelubsky, die Baukosten betrugen 4,630,000 B.
Weiter über mehrere unbedeutende Stationen (meist Tataren- oder
Jifordwinen-Dörfer), nach
1714 W. Ssamara (Gaiiapa), s. S. 364. — Bahnrestaur. ; 45 Min.
Aufenthalt.
Die Obvnbüboeb Bahn (von Ssamara nachOrenburg 14.74, 1 1.05,
Ö.65 R.) führt meist im Thale der Ssamara entlang, an deren rechtes
Ufer Bergketten treten , die ihren gemeinschaftlichen Ursprung in
4em Plateau haben , das die Wasserscheide zwischen den Flüssen
Ssamara und Ural bildet ; von Süden her begleiten das linke Ufer
die Ausläufer des Obsehtschy Ssyrt (06iai8 CupTi) , dessen Yor-
Iköhen th eilweise von der Ssamara selbst durchbrochen werden. Das
-Oouvernement Ssamara hat einen ausgezeichnet fruchtbaren Boden,
■ausgebreitete Strecken der bekannten hochgeschätzten Schwarzerde,
Tschomasjom (der russische technische Ausdruck für die schwarze
Erde des südlichen Russlands), dazu einen warmen Sommer. Wir
begegnen abwechselnd herrlichen Feldern und unermesslichen,
■«teppenartigen, frischen Grasfluren, von Blumen und stauden-
förmigem Unkraut unterbrochen; die Schluchten der wellenför-
migen Hügel, mit langen, meist sanften Abhängen sind von Erlen,
Birken, Eichen und Linden ausgefüllt. Städte und Dorfer sind
seltener , als auf dem rechten Wolga-Ufer. Das ganze Gebiet zwi-
.-fichen Wolga und Ural wird von zahlreichen Stämmen bewohnt,
welche sich durch Religion, Sitten, Sprache und Ursprung von
■«inander unterscheiden, und theilweise schon den südrussischen
SteppenvÖlkem angehören: ausser Russen, Baschkiren (S. 358),
Teptjären (S. 358) , Tataren (S. 354) , Meschtscherjaken (S. 358),
Tscheremissen (S. 348), Tschuwaschen (S. 349), Mordwinen (S. 346),
Kalmücken und Kirgisen.
1876 W. Busuktk (BysyiyKx ; Bahnrestaurant ; 25-35 Min.
Aufenthalt), Kreisstadt am linken Ufer des Busuluk und am rechten
•dbT Domasehka, mit 14,500 Einw. — 1997 W. Nowo - Ssergiew-
^kaja (Bahnrestaurant, 12 Min. Aufenthalt). — 2087 W. Kargal.
2207 W. Orenburg (Openöypr'B) {Hotel de l'Europe; Hdt, Oren-
i>urg, ziemlich gut; besser Nummern im Adels-Klub), die Hauptstadt
•des gleichnamigen Gouvernements, Residenz des Generalgouverneurs
und des Bischofs von Orenburg und Ufa, mit 42,000 Einw., besteht
4kU8 der eigentlichen, in einer weiten Ebene am r. Ufer des Ural ge-
legenen Stadt und dem festungsartig angelegten Kaufhofe mit einem
Asiatischen und einem europäischen Thore. Die Stadt hat breite.
376 R<mte 28. ORENBURG. Van Moskau
regelmässige, zamTheil nn gepflasterte Strassen, einen grossen Markt-^-
platz, 12 griechisch-orthodoxe, eine lutherische und eine römisch-
katholische Kirche, vier Moscheen, ein Theater, einen Stadtgarten,
ein GouTemements-Hans , Arsenal , Kasernen , verschiedene Lehr*
anstalten, darunter das Nikolajew'sche Institut, ein klassisches, eii>
Militär- und Mädchen - Gymnasium , ein Militär-Progymnasium.
Die Industrie ist nicht von Belang ; von grosser Wichtigkeit aber
der Handel, der durch die Eisenbahn noch an Bedeutung gewinnt»
Orenburg ist Hauptstapelplatz für den russischen Handel mit
Mittelasien und Hauptort ,der orenburgischen Militärgrenze gegen
die Kirgisen. Der interessante ^Kaufhof, 5 km von der Stadt an»
1. Ufer des Ural , giebt ein vollkommenes Bild des heimatlichem
Lebens der Normaden. Jährlich kommen bis über 100 Karawanen
aus Bochara, Chiwa, Chokand und Taschkend, welche die Produkte
dieser Länder, wie Edelsteine, Gold, Seidenzeuge, besonders aber
Baumwolle, Seide, Pferde, Schafe , feine Lammfelle u. s. w. gegen
gewebte Stoffe, Metallwaaren, Zucker, Getreide u. s. w. umtauschen,,
ja selbst aus China und Indien finden sich Kaufleute ein. Meilen-
weit herum ist dann das Land für die Pferde-, Rinder-, Schaf- und
Kameelheerden der Steppenbewohner reservirt.
Orenburg wurde ursprünglich 1735 auf der Stelle des jetzigen Ortk
am Or als Grenz- und Hauptfestung der sog. Orenburgischen -Linte ange-
legt, 1740 zuerst 190 km weiter nach den Rothen Bergen zu (j^tzt Krass-
nogorik) und von da 1743, des ungesunden Klimas halber, auf den jetzigen
Standpunkt verlegt. Ende des xviii. Jahrh. wurde Orenburg zur Oou»
vernementsstadt erhoben^ von 1803 an war es nur Kreisstadt, 1865 wurde
es wieder zur Gouvernementsstadt erhoben. Bis zu dieser Zeit gehörte
Orenburg auch noeh zu den Festungen 2. Classe; mit der Erweiterung
der Russischen Grenzen nach Centralasien (seit 1862) hat Orenburg al»
Festung wohl seine Bedeutung verloren.
68 W. südl. von Orenburg (gute Poststrasse) Iletsk mit enormen Stein-
salzlagern, die früher durch Tagebau ausgebeutet wurden. Der brom-, jod-
und schwefelhaltige Schlamm der benachbarten Salzseen dient zu Bädern ^
guter Kumyss.
28. Von Moskau über Tnla und Orel nach Knrssk»
503 W. Schnellzug in 16, Postzug in 23 St. für 18.85, 14. U, 7.23 B. Von
Eurssk weiter nach Kiew, Charkow, Odessa, Ssewastopol etc. s. R. 32 u. 34.
Abfahrt vom Kurssker Bahnhof (PI. £F4). Die Bahn passirt
zunächst die anmuthigen Umgebungen Moskau's. *— 10 W. LjuhUna
(S. 310). — 18 W. Zarizino (S. 310). — Im Süden von Moskau zeigt
sich im Ganzen mehr Bodencultur als im Norden. £ine weite Aus-
sicht bietet die Bahn freilich nicht , denn die wellenförmigen Er-
hebungen des Bodens begrenzen fast nach jeder Richtung hin den
Blick , und die Waldungen , in denen hier die £iche vorherrscht^
sind , wenn sie auch gegen den Norden sehr abgenommen haben,,
doch noch ausgedehnt genug , um die Landschaft überall in engen
Bahmen zu schliessen. Ausser dem Wald sieht man fast nur ange-
bautes Land, ausgedehnte Getreidefelder und weidende Viehheerden j
nach Kurssk, SSERPUCHOW. 28. Route. 377
die Dörfer mit reinlichen,' gut gebauten Bauernhäusern liegen dichter
an einander. — 29 W. Butowo,
40 W. Podolsk (ÜOAOJBCK'B ; Bahnhofsrestaurant), Kreisstadt im
Gouvernement Moskau, hübsch an der Pachra gelegen, noch anfangs
dieses Jahrhunderts ein blosses Dorf, dem Danilowschen Kloster
zu Moskau (S. 307) gehörig, mit altem kaiserlichen Schloss, Fabriken,
10,975 Einw. — Im Kreise Podolsk das Dorf Duhrowizi mit einer
prachtvollen Kathedrale, vom Fürsten GolizynzuPeter's des Grossen
Zeit erbaut.
70 W. Lopassnja (JonacHfl), an der Lopassnaja und einem See
schön gelegen (an der Lopassnaja 1. Aug. 1572 grosser Sieg der
Russen über die Tataren).
92 W. Stat. Sserpuchow (CepnyxOBi ; Bahnrestaur. , 20 Min.
Aufenthalt), nicht weit von der gleichn. Kreisstadt (Hotel) an der
Grenze des Gouvernements Moskau, an dem Flüsschen Nara, das
sich unweit s. in die Oka ergiesst. Der grössere Theil der Stadt
(16,720 Einw.) liegt malerisch auf Hügeln am 1., nördlichen Ufer
der Oka, mit demkleineren Stadttheil am r. Ufer durch eine Schiff-
brücke verbunden. Die Stadt ist weitläufig gebaut, hat Ueberreste
alter Befestigungen aus dem zvi. Jahrh., eine Kathedrale mit alten^
berühmten Freskomalereien, 21 Kirchen, bedeutende Industrie und
Handel.
Dampfer gehen im Sommer anf der Oka aufwärts nach Kaluga
(6. 373), abwärts naeh Bjäsan (S. 386).
Nicht weit hinter Stat. Sserpuchow überschreitet die Bahn auf
schöner Brücke die Oka , welche hier schon eine Breite von 200 m
hat. Sie bildet zugleich die Grenze des Gouvernements Tula, welches
höchst fruchtbar, reich an Yiehheerden und voller Fabrikthätig-
keit, daher eines der bevölkertsten Gouvernements ist. — In der Nie-
derung jenseits der Oka bemerkt man einige künstliche Erhebungen,
welche die Bewohner „Todtenhügel" (MorHiU) nennen ; hier sollen
die in der Schlacht gegen Dewlet Girai im . J. 1570 Gefallenen be-
graben sein.
. 98 W. Ssvnnakaja. — 116 W. Iwanowa. — 130 W. Fachomowo.
17 W. westl. von Iwanowo an der Oka und der Strasse nach Kaluga-
die alterthümliehe Kreisstadt Tarussa (Tapyca), ehemals Hauptstadt de»
Tbeilfürstenthums Tarussa. — 15 W. n.ö. von Pachomowo die gross-
artigen Werke der Dmitrijewskischen Fabrik beim Dorf Dmitrietctkoje
(^(KHTpieBeKoe, CoAoit&Bahik sasoffB).
Je mehr man im Tulaschen Gouvernement nach Süden kommt,,
desto mehr unterscheidet sich die Bauart der Dörfer von derjenigen
der nördlicheren Gouvernements. Das freundliche , reinliche Aus-
sehen , das im Süden von Moskau einen so angenehmen Eindruck,
macht, verschwindet. Die Häuser sind noch ausschliesslich aus
Holz erbaut, aber es zeigt sich unverkennbar, dass die grossen
Wälder des Nordens fehlen und die Kunst, in Holz zu schnitzen,,
verloren gegangen ist. Besonders schlecht ist dieDachung^ diemeist
aus Stroh besteht. Sonst enthalten alle Dörfer eine einzige breite
378 Route 28. TÜLA. Von Moskau
Strasse, an der die Häuser in zwei langen Reihen dicht nebeneinander
stehen. Hinter den Wohnhäusern stehen die Wirthschaftsgehäude,
die mit jenen zusammen quadratisch den Hofraum umschliessen. —
Die meisten Besitzungen dieser Gegenden gehören den Familien
der Naryschkin, Dolgoruky, Golizyn, Scheremetjew , Truhezkoi,
Bobrinsky u. a.
Auf den Stationen vor Tula wird der Verkauf von Tula-Waaren
immer häufiger. — 149 W. Lantewo. — 171 W. Sskobelewo. — Schon
vor dem Ueberschreiten der Upa wird Tula sichtbar , das aus der
Ferne einen imposanten Anblick gewährt.
I8IV2W. Tula (Tyja). — Bahnrestaurant; 15 Min. Aufenthalt.
Gasthofs. *Hötel London, gute Table d'höte. Zimmer 75 Kop.-
IR. — Hotel deRussie, unfern des Bahnhofs, zu empfehlen. — Wagen
der Hdtels warten am Bahnhof.
Bahnhof auf der Westseite der Stadt V4 St. vom Hotel London. Tula
ist Kreuzungspunkt der Bahnen Wjasma-Bjashsk (S. 372) und Hoskau-
Orel-Kurssk.
Badbakstalt an der Upa, empfehlenswerth.
Tula (250 m) , Haupt- und Kreisstadt des gleichn. Gouverne-
ments, mit 63,500 Einw., darunter viele Deutsche, Polen und Juden,
liegt malerisch auf beiden Seiten der Upa, eines NebenfLüsschens
der Oka. Es ist Sitz eines Militär- und Civilgouverneurs, sowie des
Bischofs von Tula und Bjälew, hat 25 Kirchen, darunter 2 Kathe-
dralen , 2 Klöster , das Alexander - Cadettencorps, ein Arsenal , ein
^Museum von Industrie- Producten , ein Theater und viele Fa-
briken (vgl. S. 379). Es theilt sich durch die Upa und die an ihr
liegenden Wiesen , Gebüsche und Gründe in zwei völlig geschie-
dene Hälften: die eigentliche Stadt, auf dem 1. Ufer, und die
Tschulkowsche und Moskwasche oder Oewehrfabrik-Vorstadt auf
•dem r. Ufer. Durch die Stadt geht ausserdem der Kanal, der das
Dongebiet mit den Wolgaländern verbindet.
Zur Geschichte. Tula wird zuerst unter dem Namen Taidula
im zu. Jahrh. erwähnt. Wie alle Städte im Süden der Oka hatte es viel
von den Tataren der Goldenen Horde und der Krim zu leiden. Tula
bestand imxvii. Jahrh. (die älteste Stadt soll nördlicher von der jetzigen
neuen Stadt gelegen haben) aus der steinernen , hölzernen und Erdstadt.
Die steinerne Altstadt, der KrerrU^ hatte einen Umfang von c. 2000 m. und
war von der hölzernen umgeben. Die Erdstadt gründeten Bojarenkinder
und Dienstleute 1649. ~ Die Stadt wurde zum letzten Male von den Ta-
taren 1553 angegriffen, aber nicht genommen. Nach, der Befreiung vom
Tatarenjoch wurde Tula und sein ganzes Gebiet, der südliche Theil des
-Grossfürstenthum Moskau, eine Freistätte für die Ansiedelung von Ver-
bannten, Räubern und Verbrechern. Auch Fremde, besonders Holländer
.siedelten sich hier an, die ]f aschinenfabriken , Eisenschmelzen u.a. w.
gründeten. — Das Emporkommen der Stadt schreibt sieh von der Zeit
her, wo Peter I. seine Aufmerksamkeit diesem Theil seines Landes,
meiner Industrie, zuwendete. Schon im xvi. Jahrh. (s. oben) war der
Eisenreichthum der Gegenden um Tula, besonders bei Djädlowo, Ö8tl.
der Stadt, aufcedeckt, doch noch nicht zur Waffenfabrikation verwen-
det worden; 1633 wurde von dem Hollander Vierius die erste Gewehr-
fabrik angelegt, und bereits vor Peter I. gab es in Tula kaiserliehe
^chmiedearbeiter, welche auf Verordnung der Zaren Feodor Iwanowitsch
und Boris Godunow sich eine besondere Vorstadt (wahrscheinlich Taehul-
Icowa) erbauten. Die erste kaiserliche Waffenfabrik wurde in Folge eine«
Ukases Peter^s I. von 1712 errichtet. Alte Geschütze, In Tula verfertigt.
nach Kurssk. TÜLA. 2S, Baute, 379
«ind noch in den Museen von St. Petersburg und Moskau zu sehen. Einen
neuen Aufschwung nahm die Fahrikthätigkeit von Tula durch die Auf-
deckung der Steinkohlenlager (s. unten) im Moskauer Becken und die Er-
bauung der Bahnen.
Wer Tula auf der Purchreise von Ssamara oder Ssmolensk besucht,
thut am besten, sich einen Iswoschtschik zur Besichtigung der spär-
lichen Sehenswürdigkeiten zu nehmen. Tula trägt die Physiognomie
fast aller russischen Gouvernementsstädte : grosse Plätze und Märkte,
breite Strassen mit schlechtem Pflaster und viel Staub , niedrige
Häuser von Holz oder Ziegelstein , auffallend viele Kirchen (c. 30),
von denen sich mehrere in dunkelgrüner Farbe besonders auszeich^
nen. Abwechselung bringen hier die zahlreichen Magazine, die nur
mit Gewehren, Revolvern, Ssamowaren und dergleichen Sachen,
den sog. Tulaschen Waaren, handeln.
Die ganze Stadt kann als eine Fabrik angesehen werden und hat in
dieser Beziehung Aehnliehkeit mit Lüttich, Sheffield u. a. Die Haupt-
beschäftigung der Einwohner machen nämlich Metallarbeiten mannig-
faltiger Art aus , welche theils in Hausindustrie , theils (wie die Ssamo-
wäre u. dergl.) fabrikmassig gefertigt werden. Dasselbe gilt von den
BarmofUken, die grösstentheils nach Irbit in Sibirien auf die Messe , und
von da nach China gehen. Die weiteren Tulaschen Waaren aus Stahl
und Eisen (physikalische und mathematische Instrumente, Messer, Lieht-
scheeren, Ostereier), aus Weisskupfer und anderen Gompositionen , be-
sonders dem sog. "Tula -Metall, eine Mischung von Silber, Kupfer, Blei,
Schwefel und Salmiak, aus welchem Theekessel, Dosen, Uhrzi£ferblätter,
G^alanteriewaaren aller Art gefertigt werden, sind selbst im Auslande
berühmt. Die sog. Tula-Arbeity schwarze Emaille mit silberner Einlage
(Tschornet) wird jetzt vielfach nachgeahmt und am besten in den Gou-
vernements Wologda (Uss^ug und Totma) und Moskau gemacht. — Die
grössten Fabriken, Eiaengiessereien, Schmieden, Rothgiessereien zur Ssa-
mowar-Fabrikation liegen am r. Ufer der Upa. — Einzelverkauf in den
vielen Magazinen und im Gostinny Dwor.
Der *Xreml, im xyi. Jahrb. erbaut und unter Katharina II. re-
staurirt, nimmt nur einen sehr beschränkten Raum dicht am 1. Ufer
der Upa ein. Er ist von hohen Mauern umgeben, durch Graben und
Glacis eingeschlossen ; innerhalb befinden sich an hervorragenden
Gebäuden besonders zwei grosse Kathedralen, von denen die Himmel-
fahrtskirche (Coöopi ycnen. BoropoAimiii) durch ihre Grösse und
Schönheit und durch ihren Thurm die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Vom Kreml fahren wir nach den Vorstädten Tschulkowa und
Gewehrfabrik. Eine schöne eiserne *Hänge1>rftcke führt über die
dpa , die hier zur Beschaffung des Wassers für die Gewehrfabrik
gestaut ist und einen kleinen See bildet. Das Wehr unter der Brücke
ist so angelegt, dass es bei Eisgang niedergelegt werden kann.
Die ^kaiserliche Oewehrfahrik (ÜMnepaTopcKiM opyaeäHtiä sa-
BOA'B ; Besichtigung nur mit Erlaubniss des Kriegsministers gestattet,
die also vorher einzuholen oder durch den Direktor telegraphisch
zu erbitten ist) liegt am r. Ufer der Upa , der eigentlichen Stadt
gegenüber. Der Direktor der Fabrik wohnt in derselben, die Arbeiter
meist in der Nähe der Fabrik, in der Vorstadt Tschulkowa, Augen-
blicklich sind 8-10,000 beschäftigt. Die meisten Gebäude der Ge-
wehrfabrlk sind neu und stammen aus den 40er Jahren dieses Jahr^
380 Beute 28. OREL. Von Moskau
hundert« (s. oben). Zur Beseitigung von Feuersgefahr ist an den
Gebäuden fast alles von Stein und Eisen.
Um einen Einbliek in die Kohlenlager des Moskauer Beekens zu
gewinnen, kann man eine Tour nach den Gütern des Qrafen Alexei Bobrinsky
an der TJsslowaja - Jelez - Bahn , zwischen den Kreisstädten Bogorodizk
und Jefremow (S. 371) machen. Von Tula mit der Sskopinschen Bahn
bis Ü»sl<no<nja (46 W. in 2 St. für 1.38 resp. 1 B.) ^ yon Usslowaja mit der
Jelezschen Zweigbahn bis Ma^owka (MaucBKa; 73 W. in e. 3 St. für
1.38 resp. 1.04 B.). Bei dem dem Grafen Bobrinsky gehörigen Dorf
JiälJotBka liegen die Kohlenbergwerke. — In der Kähe von Ma^owka das
demselben Besitzer gehörige Dorf Michailowskoje (Miixa&iOBCKoe) , freund«
lieh in einer weiten Vertlerang des wellenförmigen Bodens gelegen, welche
ein grosses flaches Thalbeeken bildet. In der Nähe des Herrenhauses die
Gebäude der grossen Runkeimbenzuckerfabrik^ vielleicht der grössten in
Bussland. Betrieb mit Dampfkraft. Die Runkelrüben werden auf dem
Gute selbst gebaut. 16 W. ö. von Michailowskoje das Dorf Kutikowka
(KyjuoBKa); in dem Bogen des Don das sog. Kulikowtehe Feld^ auf wel-
chem der Grossfürst Dmitry Iwanowitsch Donskoi die Mongolen unter
ihrem Chan Mamai 1380 sehlug und wo seit 1860 ein Dtnkmal errichtet
worden ist.
Jenseit Tula bleibt der Charakter der Gegend ziemlich derselbe :
eine hügelige^ gut bebaute und bevölkerte Landschaft. Tannenwälder
sind selten, Laubbäume häufiger , selbst Birkenwald cheu kommen
noch hin und wieder vor. — 203 W. Jassenki (HceHKH). — 241 W.
Ssergiewo (CepriCBO), grosses Dorf, der Hauptmarkt für ländliche
Erzeugnisse , auch von ausländischen Kaufleuten besucht.
266 W. Sskuratowo (CKypaTOBO, Bahnrestaur.), Dorf im Kreise
Tschern, mit Steinkohlenlagern. — 288 W. Tschern (HepHi), Kreis-
stadt mit 3975 Einw.
310 W. Mienik (MaeHCKi), Kreisstadt mit 14,159 £., mit
13 Kirchen, schöner hochgelegener Kathedrale, mehjeren Fabriken
und lebhaftem Handel. Die alte Stadt, deren befestigte Burg schon
im XII. Jahrb. erwähnt wird, an der Suscha gelegen, gewährt durch
ihre Lage und ihre vielen thurmreichen Kirchen einen malerischen
Anblick. Die Thalgehänge der Suscha sind hier sehr hoch, und
allerlei Hügel , Kegel und Rücken sind durch das arbeitende 6e-
Wässer herausgeschnitten, in deren Thäler und Einschnitte sich die
Stadt einschmiegt.
Die Bahn überschreitet die Suscha. — 322 W. Dumtaehino. —
333 W. Otrada. — 342 W. Optucha. — Bald darauf fahren wir in
den weitläufigen Bahnhof von Orel ein.
359 W. Orel (Opeii, spr. ArjoU.) — Bahnrestaur., 10-48 Min.
Aufenthalt
Gasthof: Stadt Berlin.
Bbst ADRAHT: Vorsügliche Küche im Versammlungshause des Gou-
vemementsadels, Kasino, in dem Stadttheile auf dem 1. Ufer der Oka.
Einführung durch ein Mitglied.
Bahnhof auf der Ostseite der Stadt, 12 W. von dieser entfernt, und
auf dem r. Ufer der Oka. Orel ist Kreuzungspunkt der Bahn Ssmolensk-
Grjasi (8. 372).
Orel (137 m). Haupt- und Kreisstadt des gleichnamigen Gouver-
nements, mit c. 77,000 Einw. ist eine grosse, ausgedehnte Stadt, in
schöner Lage an der Einmündung des Orlik in die Oka, Sitz eines
nach KurssTc. OREL. 28, Boute, 381
Oivilgouvemeurs und des Bischofs von Orel und Ssjewssk, mit
24 Kirchen (darunter 1 lutherische und 1 römisch- katholische) ,
2 Klöstern , einem Seminar , 2 Gymnasien (Militär - Gymnasium),
grossem Gostinny-Dwor, Theater, vielen Fabriken, bedeutendem
Korn- undYiehhandel. Märkte vom 6. bis 20. Jan., vom 8. bis 31. Sept.
und in der 5ten und 6ten Woche nach Ostern. Die Gewässer der
Umgegend ergiessen sich alle in den Don und Dnjepr und eröffnen
keinen Handelsweg, weder nach Norden, nach Moskau und St. Peters*
bürg, noch zu dem reichen Binnenlande. Nur die Oka, die, hier 120 m
breit, nach Norden fiiesst, setzt die fruchtbare Ukraine mit den beiden
Metropolen und ganz Grossrussland in Verbindung. Bei Orel ist
der südlichste , der Ukraine nächste Punkte wo die Oka schiffbar
wird (für kleine Barken) ] dorthin strömen daher die Producte dieser
reichen Provinz , dort werden alle Güter , die von Moskau und St,
Petersburg kommen, für den ferneren Landtransport umgeladen.
Durch SchUibsenwerke (beim öffentlichen Garten) wird der Wasser-
stand der hier noch ziemlich seichten Oka von Zelt zu Zeit erhöht,
und es können dann immer mehrere hundert Barken zugleich ex-
pedirt werden. Noch mehr ist Orel aufgeblüht seit es Mittelpunkt
verschiedener Eisenbahnen geworden ist. Es wurde damit der Cen-
tralstapelpunkt des russischen Getreidehandels.
Orel tat eine noch neue Stadt. Erst im xvi. Jahrb. siedelten sieb
hier die ersten Kolonisten an. Im xvii. Jahrh. war es bereits eine blühende
Handelsstadt, stark befestigt mit Erdwällen und hölzernen Tliürmen.
Bis in die Mitte des xyii. Jahrh. schickte die Regierung ihre Verbrecher,
wie jetzt nach Sibirien, in die Gouvernements Orel und Eurnsk, als in
die damals unwirthbarsten , an die Ukraine grenzenden Gebiete. Von
diesen unfreiwilligen Ansiedlern sollen die Ortler Diebe stammen.
Orel ist eine Gouvernementsstadt , wie die meisten russischen,
mit einzelnen , ganz modernen Strassen , vielkuppeligen Kirchen,
Palästen mit Baikonen und Säulen , aber auch ganzen Stadttheilen,
wo nur echt russische Holzhäuser zu finden sind. Der nach dem
Bahnhof zu gelegene Stadttheil auf dem r. Ufer der Oka macht
einen ganz verfallenen Eindruck. — Jenseit der Orel in zwei Theile
zerschneidenden Oka , zu beiden Seiten des Orlik , liegt der vor-
nehmste Stadttheil. Die Plätze und Strassen sind in ihrer Art schön
und gut bebaut; die meisten Privatgebäude aber verlassen und ver-
wahrlost. Das Gouvernement Orel ist der Stammsitz vieler der äl-
testen und vornehmsten russischen Adelsgeschlechter, die früher
die Wintermonate in der Gouvernementsstadt zubrachten. Ausser
den Privatpalästen des Adels befinden sich in diesem Stadttheile
zahlreiche Krongebäude, die Feter -FauU -Kathedrale^ 1795 vom
Adel des Gouvernements erbaut, 1860 vollendet, der Bischofspalast,
früher ein Klostergebäude, das Cfouvemements-Haus, der Gerichts-
hofj das Ver8amml^mgshaus des Oonvemementsadels, der Qostinny
Dwor, ein hübsches und ausgedehntes Gebäude, das Theater und,
am Bande des über 30 m hohen Flussufers der öffentliche Garten^
der hübsche Aussichten auf Stadt und Umgegend darbietet, und in
welchem zuweilen Öffentliche Feste stattfinden.
i
382 Raute 28. KURSSK. Von Moskau
370 W. Michaüow, — 379 W. Sstanowoi-Kolodjes, — 387 W.
JeropHno. — Der südliche Theil des GouTernemeiits Orel liegt auf
der alten Steppenlinie; diese Landstriche heissen noch jetzt das
Steppenland. Dort ist wenig Wald , während die nordlichen und
nordwestlichen Striche waldreich sind. Die Gegend ist fruchtbar
und sehr bevölkert, die hübschen, wohlgebauten und reinlichen
Dörfer folgen sich in Entfernungen von 3-4 W. Die Bauern tragen
eine Art cylindrischer Mütze mit rundem platten Deckel; dieselben
bestehen aus dickem Filze von Kuhhaaren , sind immer grau oder
weiss und haben unten einen schwarzen Rand. — 408 W. Koku"
jewka, — 429 W. Stat Malo-Arehangehk^ 12 W. von der gleichn.
Kreisstadt.
Wir verlassen nun das Quellgebiet der Oka und das Gouverne-
ment Orel , um in das von Kurssk überzugehen. Es beginnt das
Stromgebiet des Dnjepr, die Hügel verlieren sich mehr und mehr
und machen der vollkommenen Ebene Platz. In der Nähe von Kurssk
ändert sich die Physiognomie der Dörfer und Bewohner, das Holz-
werk der Häuser ist mit Lehm beworfen, Geflecht aus dünnen Zweigen
ersetzt häufig die dicken Holzstämme.
439 W. Ponyri (IIoHupH; Bahnrestaur., 10-20 Min.), ein grosses
Dorf von Reichsbauern, in einiger Entfernung von der Bahn, 5-6 W.
lang an einem Bergabhange sich erstreckend. — 452 W. Karassewka
(KapaceBKa), ebenfalls ein grosses Dorf von alten Kronbauem,
Odnodwortzen , früher freie Bauern, die der Krone nur die ge-
wöhnlichen Abgaben leisteten. Sie stammen meist von EdeUeuten
her , die Peter der Grosse und andere Zaren zur Strafe in entfernte
Gegenden versetzten.
466W.filoZo*McWno.— A80W,Budanou>ka.— l9iW. Bukräjewka.
503 W. Stat, Kurf sk (KypcKi) , 3 W. von der Stadt. — ♦Bahn-
restaur.; 1-1 Vi St. Aufenthalt.
Während des kurzen Aufenthalts ist eine Pahrt (Iswosehtschiks an
der Bahn) naeh der Stadt unmöglich, da dieselbe von der Station zn weit
entfernt liegt, ein Spaziergang auf der Strasse nach der Stadt hin aber
zu empfehlen.
Gasthofs, ffötel Poltoratzky in der Moskowskaja, in centraler
Lage, das beste der Stadt, aber kaum empfehlenswerth. Z. 7öKop. -IB.
Kurssk, Gouvernementshauptstadt mit 45,000 Einw. (Gross- und
Kleinrussen, Polen, Juden, Deutsche), Sitz eines Civilgouvemeurs
und des Bischofs von Kurssk und Bjelgorod, mit 23 Kirchen (dar-
unter eine lutherische), 1 Kloster, mehreren Gymnasien, vielen
Fabriken , liegt an der Mündung des Kur (Kura) in die Tusskara,
nahe der Vereinigung der letzteren mit dem Sseim^ auf eiaem Berg-
rücken und im Thale zwischen der Tusskara und dem Kur. Inmitten
einer reichen, fruchtbaren, hauptsächlich Ackerbau treibenden Land-
schaft, begünstigt durch ihre Lage, treibt die Stadt einen ansehn-
lichen Handel mit Getreide, Leinen, Pelzwerk, Vieh und besonders
mit ihrem berühmten Obst (Melonen, Arbusen, eingemachte Früchte)
nach Nowgorod, Moskau, St. Petersburg, ja bis an die Grenzen von
nach Kurssk. KURSSK. 28, Baute. 383
China. Die bekannten grossen Märkte won Enrssk finden am 23. April
und in der 10. Woche nach Ostern statt. Auf dem grossen Jahrmarkte
"bei der Korenschen Einsiedelei (s. unten) am 9. Freitag nach Ostern
"Wird ein Umsatz im Werthe von 3-4 Mill. Rubel erzielt. •
Knrssk wurde erst nacli glückliehen Kriegen mit den Polowzern unter
Jftrosslaw I. gegründet. Im xv. Jahrb. kam Kurssk an Litauen, später
-wieder an das Grossfürstenthum. Moskau. Beim ersten Einbruch der Ta-
taren, der hauptsächlich Südrussland traf, wurde Eurssk zerstört. Der
Kreml, von dem heutzutage in dem Winkel zwischen Kur und Tuss-
kara, am Bothen Platz (KpacHaa oion^aAb) Ueberreste vorhanden, wurde
im XVI. Jahrb. erbaut.
Der schönste Theil von Eurssk liegt auf dem 1. Ufer des Kur ; hier
der ehemalige Kreml, dessen ausgefüllter Graben in den Krassnaja-
Platz verwandelt worden ist, die Kathedrale, der Gostinny Dwor,
und das 1834 errichtete Denkmal des Dichters J. F. Bogdancywitsch
(1743-1803). Weniger schön ist der südlich und an der Tusskara
gelegene Stadttheil. Im Ganzen macht das Aeussere der Stadt, die
mit frischen Farben angestrichenen Kirchen, die gelben Häuser und
grünen Dächer einen wohlthuenden Eindruck , der noch verstärkt
wird durch die vielen Gärten , darunter der öffentliche oder Demi-
dowsche Garten beim Besserungshaus. Auf den meist mit Sand-
steinen gepflasterten Strassen herrscht reges Geschäftsleben. Die
Kathedrale (Coöopi») am Hauptplatz stammt aus dem xyiii. Jahrb.
und enthält alte Heiligenbilder ; unter den anderen Kirchen sind
erwähnenswerth die Kirche Maria Verkündigung (UepKOBb Ejaro-
BftnieHiji), die des h, Elias u. a. Das Kloster zur Erscheinung der h,
Jungfrau (EoropcAHUii MoHacnipb) wurde Anfang des xvii. Jahrb.
zur Erinnerung an die Befreiung von den Polen erbaut, im zweiten
Kriege mit Polen aber durch Feuer zerstört und Ende des xvii. Jahrb.
restaurirt. Die Hauptkirche des Klosters enthält das sehr heilig ge-
haltene Bild der Erscheinung der heil. Jungfrau, aus dem xiii. Jahrb.,
der Sage nach bei Rylsk aufgefunden.
In der Nähe von Kurssk (27 W.) liegt die Korensche Einsiedelei
(Kopennafl nycT£iHfl), 1596 gegründet, jetzt ein reiches Kloster mit 3 Kirchen.
Zur Zeit des grossen hier stattfindenden Jahrmarkts (s. oben) wird das
Bild der heil. Jungfrau, deren Erscheinung hier stattgehabt haben soll,
aus dem oben genannten Kloster in feierlicher Procession hierhergebracht,
wo es bis zum 24. Sept. verbleibt.
29. 7on Moskau ttber Bjäsan nach Eoslow nnd Oijasi.
Diese Fahrt bildet die Anfangstour für die Routen nach Ssamara^ Oren,"
hurg über Bjashsk (S. 373), nach Ssaratovo über Koslow (S. 9B5), nach Zarizyn
und RotsUM über Grjasi. Directe Billets nach den genannten Orten. Von
Moskau über Bjäsan nach Koslow 883 W. in 10-11 St. für 14.41, 10.80,
6.52 B. ; nach Gijasi 4^ W. in 13i/2-17i/a St. für 16.66, 13.49, 6.38 B.
Auf der ganzen Fahrt, die im allgemeinen der von Moskau-Eurssk
(s. vorige Route) ähnelt, ist die Yerschiedenheit im Charakter der auf-
einanderfolgenden Landschaften eine kaum nennenswerthe. Lang
gedehntes Hügelland und unübersehbare Ebenen wechseln mitein-
384 Baute 29. KOLOMNA. Von Moskau
ander ab. Häufig sind die Waldungen (Nadel- und Birkholz) in den
Gouvernements Moskau und Rjäsan, seltener, und dann aus Bichen
und Obstbäumen bestehend, im Gouvernement Tambow. Die Städte,
die wir passiren , haben ein gleichartiges Gepräge : eine aus nie-
drigen, meist ein- , höchstens zweistöckigen Häusern mit blendend
weissem Anstrich und hellgrünen Dächern bestehende innere Stadt
umgeben von hölzernen Vorstädten, das Ganze überragt von zahl-
reichen Kirchen und Klöstern im byzantinisch-russischen Stil, mit
vergoldeten und versilberten Kuppeln. Bemerkbare Veränderungen
in der Bauart der Dörfer u. s. w. beginnen Jedoch am Südpunkte
der Tour, bei Koslow. der früheren Grenze (im xv. Jahrh.) des alten
moskowitischen Grossfürstenthums gegen die Tataren. Die Dörfer
nehmen allmählich einen freundlicheren südlichen Charakter an.
9 W. Perowo. — 19 "W. LJubertzy. — 42 W. Ramenskoje. — 53 W.
Bronnizkajai 10 W. von der Kreisstadt Bronnizy (BpoHHHiiti), am
See Bjeloga und an der Moskwa gelegen , mit grossen Tuch- und
Talglichtfabriken, Baumwollspinnereien, Seifensiedereien (3425 E.).
— 63 W. Fausstowo, Bahnrestaurant; 15 Min. Aufenthalt. —
84 W. Wosskressenskaja. Büffet; kurzer Aufenthalt. Zweigbahn nach
der Fabrikstadt Jegorjewsk (EropbeBCKi) mit grossen Baumwollen-
spinnereien, 5100 Einw. (22 W. in 1 St. für 66 resp. 49 Kop.). —
95 W. Pesskow. — 107 W. I^owo 'Kolomna.
109 W. Eolomna (KojiOMHa) (Bahnrestaur., 15 Min. bis 1 St.),
Kreisstadt mit 28,000 Einw., am Elnfluss der Moskwa in die Oka
gelegen, mit 12 Kirchen, 2 Klöstern u. mehreren geistlichen Schulen,
Seidenfabriken u. s. w. Kolomna besitzt als Sehenswürdigkeit
einen ziemlich gut erhaltenen Kremlj in dem die schöne Kathe-
drale Maria Himmelfahrt, im xvii. Jahrh. erbaut, und die
Auferstehungs-Kirchej aus dem xiv. Jahrh. Die Mauern des Kreml
haben einen Umfang von c. 2200 m , eine Höhe von 16 m und eine
Stärke von 5 m. Einige Thore und Thürme sind in diesem Jahr-
hundert restaurirt worden. — Von Kolomna gehen Dampfer die
Oka aufwärts bis Kaluga, abwärts bis Rjäsan und Nishny (S. 325).
Kolomna wurde um. die Mitte des xxi. Jahrh. gegründet und war
die Hauptstadt des Fürstenthums Kolomjen^^ gehörte bis zum Ende des
xiY. Jahrh. zum Fürstenthum Bjäsan und wurde dann mit dem. Grosse
fürstenthum Moskau vereinigt. Die starken Befestigungen des Kreml
stammen aus der Zeit Iwan^s des Schrecklichen, der Kolomna als Con-
centrationspunkt seiner Truppen in den Feldzügen gegen die Tataren
benutzte.
Gleich hinter Kolomna überschreitet die Bahn nicht weit vom
Einflüsse der Moskwa in die Oka letztere auf schöner Gitterbrücke.
■— USW. Schtschurowo. — 128 W. Luchowizy. Bahnrestaur. 5Min.
Von Luchowizy Zweigbahn (26 W. in 1 St. für 78 oder 58 Kop.) nach
Saraiak (dapailcKb), Kreisstadt am r. Ufer der Ossetrp^ eines Kebenflüsschens
der Oka, mit 9 Kirchen, darunter die Kathedrale mit berühmten Heiligen-
bildern, grossartigem Gartenbau, bedeutendem Viehhandel. Der alte
steinerne Kreml ist noch wohl erhalten. — 10 W. nordöstl. von Luchowizy
an der Oka, da wo sich zwei Arme der Zna vereinigen, das grosse Kireh-
dorf Djädnowo (ä*ähobo); unter Zar Alexei Michailo witsch wurde hier
die erste Admiralität errichtet.
nach Qrjasi. KOSLOW. 29. Route. 385
143 W. Qorok, — 155 W. Diwowo. — 169 W. Sybnoje,
185 W. Bjäsan (PiisaHb). Bahnrestaur. , ^/j St. Aufenthalt bis
zum Abgange des Zuges nach Koslow.
Gasthof. ^Steuert in der Asstraehanskaja ; gute Table d^höte. Z.
75 Kop.-2 B. — Ausserdem mehrere kleinere Hotels und Nummern.
Dampfbb der Ssamoljot - Gesellschaft Di., Fr. u. So. Vorm. 8 U. nach
Kasgimow in 23 St. für 5.50 R. (S. 324) , Jelatma (S. 324) , Murom (S. 324),
mshny-Noufgorod (8. 325) in 58 St. für 14 B.
Rjäsan , mit 30,000 Einw. , Haupt- und Kreisstadt des gleichn.
Gouvernements , Sitz der Gouvernementsbehörden , des Erzbischofs
von Bjäsan und Saraisk, am Einfluss der Lebeda in den Trubesch,
hat 26 Kirchen, darunter 3 Kathedralen, 2 Klöster (andere berühmte
liegen in der nächsten Umgebung), Priesterseminar, bedeutende Me-
tallwaarenindustrie, lebhaften Handel als Mittelpunkt eines reichen
Gouvernements. Der schönste Theil der Stadt, die mit zahlreichen
Gärten geschmückt und umgeben ist , liegt auf dem Hügel an dem
Zusammenfluss des Trubesch und der Lebeda, dem früheren Kreml,
von dessen Befestigungen jedoch nichts mehr vorhanden ist. Schöne
Kathedrale Maria Himmelfahrt aus dem zvii. Jahrh. , mit alten
vrunderthätigen Gemälden und reicher Schatzkammer. Nahe dabei das
Erzbischöfliche FaXais und das ehem. Kloster des h, Geistes aus dem
XY. Jahrh. Die Qeburtskirche enthält Grabdenkmäler alter Bischöfe
von Bjäsan und Murom , sowie mehrerer Fürsten und Fürstinnen
von Bjäsan.
Lohnend ein Ausflug nach dem (48 W.) Dorfe Ält-Rjäson (Cr. PflsaHB),
auf dem r. Ufer der Oka, gegenüber dem Dampfsehiflfs-Landungsplatz der
Kreisstadt Sspassk. Hier die Ueberreste der alten Hauptstadt und Festung
Bjäsan^ auf der Höhe des bergigen Ufers ein alter Erdwall. Die in der
Umgegend in neuerer Zeit vorgenommenen Ausgrabungen haben zahl-
reiche russische Alterthümer zu Tage gefördert.
294 W. BjashBk (Phxckx).
Gasthop: Hotel mit Nummern gegenüber der Bahn, schlecht und
unreinlich ; besser das Hotel in der Stadt.
Bahxhof auf dem r. Ufer der Ghupta ; Kreuzung der Bahnen nach
Tula, Pensa, Bjäsan und Koslow (s. unten).
Rjashsk^ Kreisstadt im Gouvernement Bjäsan, mit 2931 Einw.,
auf dem 1. Ufer der Chupta^ eines Nebenflusses der Rakowa (Oka),
wurde im xv. Jahrh. gegründet. Von seinen ehemaligen Befestigungen
sind noch Ueberreste sichtbar. Mehrere Fabriken, lebhafter Handel
nach Bjäsan, Tula und Morschansk in Getreide, Talg u. s. w.
319 "W. Stat. Ranenburg, 25 W. von der durch Menschikow be-
kannt gewordenen Stadt Banenburg mit alten Befestigungen. —
355 W. Jlowai, — 372 W. Kotschetowka, — Bald darauf erblicken
wir die Thürme des auf einer Anhöhe hübsch gelegenen
383 W. Koslow (Ko3JOBx). Wagen Wechsel. Bahnrestaur., 2 St.
Aufenthalt.
Gasthofs: H/^tel Bogow, ziemlich gut.
Dkoschkbii auf dem Bahnhofe. Die Wagen sind nach altem Hos-
kauisehen Schnitt, ohne Federn, sehr lang; man sitzt seitwärts.
Bahhhof (unschön und unisauber) auf der Kordseite der Stadt; Ab-
zweigungen der Bahn nach Tambow und Ssaratow.
Bussland. 2. -Aufl. 25
386 Route 30. ORJAST.
Koilofv, Kreisstadtim GtouTernement Tambow, mit 28,000 Cinw.,
im Beginn des xyii. Jahrh. gegründet , ist eine reiche , schön am
Leawioj - Woronesh gelegene Stadt. Die älteste Kirche stammt von
1772; die KathtdraU wurde 1840 erbaut. Die Stadt hat viele Fa-
briken, bedeutender Handel in Getreide, Vieh und Pferden.
Nach der Abfahrt von Koslow zieht das Panorama der frucht-
baren Tschornasjom- Landschaft (375) an den Waggonfenstem
vorüber. So weit das Auge reicht, nur weUige Ebene , alles Feld,
wenig Wald. Das ganze Land gewinnt schon einen anderen Cha-
rakter, der sich dem Südrusslands nähert.
443 W. Oijasi (FpflSH), s. S. 372. Kreuzung der Bahnen nach
Zarizyn und Woronesh.
VI. SÜD -KÜSSLAND.
Route Seite
30. Von Breslau (Berlin, Wien) über Sbmerinka nach
Odessa • . 387
Bar 388.
31. Von Warschau über Shmerinka nach Odessa . . . 388
1. Die Polesie 388. — 2. Luzk 389. — 3. Shitomir 389.
32. Von Moskau über Kiew und Shmerinka oder Char-
kow und Birsula nach Odessa 390
a. Von Moskau über Kurssk , Kiew und Shmerinka
nach Odessa 390
1. Von Woroshba nach Charkow 390. — 2. Von Fass-
tow nach Snamjenka 397.
b. Von Moskau über Kurssk , Charkow und Birsula
nach Odessa 397
1. Von Marjlno nach Obojan 39T. — 2. Von' Snamjenka
nach Xikolajew 399.
33. Odessa und Umgebungen 401
Die Limane von Odessa 407
34. Von Charkow nach Ssimferopol ....... 408
1. Von Ssinelko wo nach Jekaterinoslaw 409. — 2. Plawni.
Saporoger 409. — 3. Genitschesk 410.
35. Die Krim 411
A. Von Ssimferopol nach Ssewastopol
1. Mamak. Höhle Eisil-Eoba. Kosmo-Demian^sche
Einsiedelei 412. — 2. Tepe Kerman 415. — 3. St. Oeorgs-
kloster. Cap Fiolente. Mangup-Kaleh 417.
B. Von Ssewastopol nach Kertsch. Die Südküste der
Krim 417
1. Der Tschatyr-Dagh. Die Ssalgirquelle 422. — 2. Kar
rassu - Bazar 423. — 3. Marienthal. Die Kubanische
Küste 424.
30. Von Breslan (Berlin, Wien) über Shmerinka
nach Odessa.
Von Breslau nach Odessa (Gourierzüge nur bis zur russischen (s^renze).
1403 km, Courierzug in c. 51 St. für Jc 76.10, 57.50 u. 19 R. 47, 14 B.
62 Kop.; Personenzug «^ 65.20, 49, 28 u. 19 B. 47, 14 R. 62, 7R. 46Kop.
Von Berlin über Breslau nach Odessa Gourierzug in 58 St. für «A 105.80,
79.50 und 19 R. 47, 14 R. 62 Kop.
Von Wien über Oderberg-Krakau nach Odessa, Schnellzug in c. 45 St.
für 52 fl. 04 , 40 fi. 25 kr. und 19 R. 47, 14 R. 62 Kop. i Personenzug für
42 fl. 80, 32 fl. 15, 18 fl. 64 kr. und 19 R. 47, 14 R. 62, 7 R. 46 Kop.
Von Breslau nach (181km) Oderherg (Fahrzeit Gourierzug
35/4 St., Personenzug 5 St.) s. Baedeker* 8 Nord -Deutschland, —
Von Oderherg hia (658 km) Lemberg (Courierzug IIV47 Personen-
zug I6V4 St.) 8. Baedekers Oesterreich. — Die Bahn geht östlich
durch dünnbevölkertes Gebiet am PeHewj einem Zufluss des Bug
25 ♦
388 Route 31, BREST - LITOWSK.
entlang. — 709km Krame (Bahnrest.), Knotenpunkt der Bahn
RadziwiUÖW'Kiew (S. 4). — 799 km Tamopol (Bahnrest.), ge-
werb reiche Stadt von 26,000 Einw. — 850 km Podwoloczyska, letzte
Osten. Station; Zollabfertigung für die aus Russland kommenden
Reisenden. Ein besonderer Zug (Ueberfahrtsgebühr 34, 28, 15 Kop.)
bringt die Reisenden nach dem gegenüber am 1. Ufer des Podhorce
gelegenen Woloczyska (Boio<ihck'b; Bahnrest,)^ der russischen
Grenzstation. — Pass- und Zollrevision s. S. 1.
Die Bahn durchschneidet das fruchtbare Gouvernement Podo-
lien. Stationen meist unbedeutend : 18 "W. Woitowzy (BoäroBiiu).
— 38 W. Tachomy-Oatrow (lepHuB-OcTpoBi) am Bug. — 59 W.
Prösakurow (IIpocKypoBi) , unsaubere Kreisstadt mit 7000 Einw.,
darunter viel Juden , an der Mündung der Ploakaja in den Bug.
— 68 W. Bogdanowzy (BorAaROBDu). — 92 W. Derashnja (4e-
paxHii). — 113 W. Wolkaunnzy (BoiKOBHimu)
16 W. südl. am BoWf einem l^ebenfluss dea Bug ^ liegt B«x, an Stelle
der von den Tataren zerstörten Stadt Bow von Sigismund I. von Polen za
Ehren seiner Gemahlin Bona Sforza nach Bari in Unteritalien benannt,
bekannt durch die Gonföderation des polnischen Adels vom 29. Febr.
1768 (S. 8).
133W. Saerhinowzy (CepÖHHOBau). — 152 W. Shmerinka (JKmc-
pHHKa; Bahnreat.)^ an einem Zufluss des Bug, Knotenpunkt der
Bahn nach Kiew (S. 391). Durch waldreiches wohlangebautes
Land läuft die Bahn an dem Landrücken hin, der die Wasserscheide
zwischen Dnjeatr und Bug bildet.
170 W. Jaroachenka (flpomeHKa). — 190 W. Bachny (PaxHu).
— 204 W. Jwrk&wka (lOpKOBKa). — 227 W. Waji^n^'arfca (BanHapia).
— 248 W. Kryahopol (KpiiÄonoit; Bahnrest.). — 268 W. Popel-
juchi (IIoneiiDXH). — 288 W. Kodyma (KoKimsL), — 301 W. Krutyje
(KpyTue). — 312 W. Salobodka ^CioöOÄKa). — 324 W. Borschtschi
(BopntH). Dann über die Grenze des Gouvernements Cherson nach
(337 W.) Birsula (Enpsyia) , Knotenpunkt der Bahn nach Charkow
(S.400). Von hier nach Odeasa, s. R. 32.
31. Von Warschan über Shmerinka nach Odessa.
1147 W. Postzus in 85—38 St., gewöhnlicher Zug in 44 St. für 42 B.
30, 31 B. 84, 16 B. lä Kop.
Von Warachau, Tereapoler Bahnhof (S. 9) bis (200 W.)
Brest »Litowflk, s. R. 20. Die Bahn durchzieht den südlichsten
Theil des Gouvernements Grodno. Stationen : 223 W. Alexandria
(AjeKcaHApifl). — 242 W. Maloryto (MaiopHTO). Die Bahn tritt in
das Gouvernement Wolhynien und nähert sich dem Pripet (Ilpa-
niT-B , poln. Priypec) , dessen grosses Wald- und Sumpfgebiet sie
in seinem westlichen Theile durchschneidet.
Die Wälder and Sümpfe des Pripet, nach dem Orte Bokitno und
seiner etwa 60 D Heilen umfassenden Umgebung auch Rokitnosümpf« ge-
nannt, bedecken eine Fläche von 100000 qkm und bilden die sogen.
PoUci« (S. 243), d. h. Waldland (noncie), das grosse Dreieck swlsehcn
BERDITSCHEW. 3L Route. 389
Brest -Litowsk, Kohilew, Kiew. Nachdem im J. 1764 Johann Casimir
Oginski , Grosshetman von Litauen , die Entwässerung des nördlichen
Theiles durch den Bau des c. 50 km langen OginskikanaU zwischen Nie-
men und Jassiolda begonnen, hat die Begierung 1873 eine systematische
Entsumpfung in Angriff genommen und durch Kanäle und Flussregulie-
rungen das Land urbar gemacht, soweit die climatischen Verhältnisse
dies zulassen. Bis 1883 wurden so 190000 Dessjatinen Weide und Wiesen,
35000Dessj. Ackerland, 370000 Dessj. für Forstcultur gewonnen, ausser-
dem für 120000 Dessj. guten Wald Absatzwege geschaffen, welche durch
den Bau der Bahn Kobrin-Gomel verToUständigt werden.
263 W. Saholotje (3a6oiOTbe). Bei (276 W.) Krymno (KpHMHo)
überscliTeitet die Bahn den oberen Pripet. — 297 W. Mysowo
(M11130BO). — 317 W. Kowel (KoBen.; Ba/inrc«^), Kreisstadt mit
gegen 5000 Einw., Knotenpunkt der Bahn über Lublin nach War-
schau (S. 34) , an der Turija, einem Nebenfluss des Pripet, welche
hinter Kowel überbrückt wird.
326 W. Ljuhitowka{Ä¥)6HTOBVi2L). — 341 W.Ooloby{ToAo6hi). —
355 W. Peresspa (Üepecna). Bei (366 W.) Roskice (Po»Mue) über
den Styr, einen der grössten Zuflüsse des Pripet. — 382 W. Ki-
werzy (KHBepuu; Bahnrest.).
3oW. s. w. liegt Lusk, russ. Michailogrod^ die alte Hauptstadt Wol-
hyniens am Styr^ befestigte Kreisstadt mit e. 13000 Einw. und einem
malerischen alten Schloss; Sitz eines griechisch-unirten Bischofs.
402 W. Olyka (OiHKa). — 421 W. Klewan (KieBani,). — 442 W,
Bowno (PoBHO), alte Stadt mit c. 7000 Einw., in freundlicher Lage
Ton Gärten umgeben ; das alte Schloss gehörte den Fürsten Lubo-
mirski. Handel mit Holz, Vieh, Getreide; Knotenpunkt der neuen
Bahn von Wilna über Luninez (S. 241). — 254 W. Sdolbunowo
(3AOj6yHOBO; Bahnrest).
Zweigbahn nach Radziwillow (S. 4) und Brodjf in Galizien
(s. BcBdeker's OesUrreich). 86 W. in 31/a St. für 3R. 33, 3 E. 43, 1 E.
24 Kop.
474 W. Oshenin (OseEHHi). Die Bahn überschreitet den Ooryn,
einen Nebenfluss des Pripet. — 479 W. Mogiljany (MonuiiHu). —
490 W. iTntoin (KpHBHHi). — 504 W. Stlamuta (CjaByia), mit
grossem Gestüt des Fürsten Sanguszko. — 522 W. Polonno je (Oo-
iOHHoe). — 566 W. Miropol (MHponojx). — 575 W. Petschanowka
(üeqaHOBKa). — 586 W. Romanow (PoHanoB-B). Dann über den
Teterew , einen Nebenfluss des Dnjepr , nach (599 W.) Ohchanka
(OibmaHKa).
40 W. n. ö. von Olschanka liegt SMtomir (ISKetohhpi ; ffötel de France)^
die Hauptstadt des Gouvernements Wolhynien, gegründet und benannt
von einem der Genossen Askold's (S. 391), mit (1884) 54847 Einw., Sitz
eines Erzbischofs, eines römisch -kathol. Bischofs u. a. Behörden, mit
zahlreichen Kirchen und Schulen, einem schönen Theater, Handel in Ge-
treide und Holz, Tabakfabriken u. s. w. In der Umgegend Eisengruben.
607 W. Michailenki (MuxaäieHKH). — 619 W. Vemtschln
(AeMTOHl).
636 W. BerditBchew (BepAHneBi; Focka; Bahnreet.)^ wohl-
gebaute Stadt mit breiten Strassen und Plätzen , vielen stattlichen
Gebäuden, wie der Kaufhof y das Thtatttf zwei ffoapitäleri Mittel-
punkt des wolhynischen Handels , der über Brody (s. oben) nach
390 32. Route. BACHMATSCH.
Deutschland geht, mit 56980 Einw., davon über 90% Juden.
Haupthandelsartikel sind Seide, Pelze, Eisen, Glas, Holz, Getreide,
Zucker , Tabak , Vieh. — Die Stadt gehört durch Erbschaft den
Fürsten Radziwill.
648 W. Oluchowzy (riyxoBitu). — 661 W. Kasatin (KasaTHHi;
Bahnrest.), Knotenpunkt der Bahn nach Kiew. -— 670 W. Kordy-
schewka (KopxumeBKa). — 681 W. Oolendry (FoieHApu). Dann,
an der Grenze des Gouvernements Podolien (692 W.) Oulewny
(ryjcBHH) und (700 W.) KaXinowka (KaiHHOBKa). — 721 W. Winniia
CBHHHHila; Hotel Getz, sehr bescheiden; Bahnrest.) y alte Stadt am
Bug mite. 19000 Einw., darunter sehr viele Juden, und einem
Kapuzinerkloster mit grosser Kirche. — 731 W. TJuschki (TiomKH).
Bei (745 W.) Gntman (FEHBaH-B) wird der fischreiche Bug über-
schritten. — 758 W. Branlow (EpaRJOBi»). — 763 W. Shmerinka
(s. S. 388). Von hier nach Odessa, s. R. 32.
32. Von Moskau über Kiew und Shmerinka oder
Charkow und Birsula nach Odessa.
Von Moskau über Eurssk nach Kieto 945 W. , Schnellzug in e. 30, ge-
wöhnlieher Zug in 63 &t. für 35 B. 43, 26 B. 58, 13 B. 06 Eon.; nach
Odessa 1557 W., Sehnellsug in 46 St., gewöhnlicher Zug in 76 St. für
5S B. 41, 43 B. 83, 22 B. 40 Kop. ; nach Charkow 731 W. , Schnellzug in
23 St. für 27 B. 44, 20 E. 58, 10 B. 51 Kop.; üher Birsula nach Odessa
1558 W. in 58 St.
a. Von Koskan über Knrssk, Kiew und Shmerinka nach Odesaa.
Von Moskau his Kurssk (503 W.) s. R. 28. — Die Bahn geht
auf dem Plateau, dessen Höhepunkt (250 m) Kurssk bezeichnet, ab-
wärts, anfänglich am Sseim, einem Zufluss der Dessna, entlang.
Die. Stationen sind unbedeutend; 527 W. Djäkowo {ibHKOBo). —
550 W. Jwanino (HsaHHEO). — 577 W. Lgow (jBroBi), Städtchen
von c. 4000 Einw. mit mehreren Fabriken. — 591 W. Kolonta--
jewka (KoioHTaeBKa). — 615 W. Korenewo (KopeaeBo). — 633 W.
Qluschkowo (FiyrnKOBo). Dann über die Grenze des Gouverne-
ments Charkow nach (669 W.) Woroshba (Bopomöa ; Bahnrest.).
Zweigbahn nach Charkow 234 W. in 91/2 8t. für 8 B. 66, 6 B.
61, SB. 38. Die wichtiesten Stationen sind: 50 W. Ssumy (CyMu; Bahn-
rest.), Kreisstadt (c. 27000 Einw.) mit alten Befestigungen, Getreidehandel,
Branntweinbrennereien und einer der grössten Zuckerfabriken Busslands.
— 125 W. Acfityrka (AxTKpRa), Kreisstadt (20000 Einw.) mit Obstbau,
Wollenweberei und -Färberei. — 161 W. Bogoduchoto (BoroAyxoB'K \ Bahn-
rest.), Kreisstadt (9800 Einw.), mit bedeutenden Gärtnereien und Handel
mit Vieh , Lederarbeiten , Fellen. — 210 W. Ljübotin (JlK>6oTaBi ; Bahn-
rest.) , Knotenpunkt der Bahn nach Birsula. — 284 W. Charkow (S. 398).
Die Bahn tritt in das Gouvernement Tschernigow. — 739 W.
Konotop (KoHOToni; Bahnrest.), Kreisstadt mit c. 15000 Einw.
in sumpfiger Umgebung an dem Jesutsch. — 765 W. Baobmataeh
(EexMaii ; Bahnrest.) ^ unbedeutendes Städtchen , Knotenpunkt der
Bahn Wilna-Bomny (S. 242). - 789 W. TlUski (IIihckh). — 809 W.
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KIEW. 32. Route, 391
Kruty (KpyTH). — 828 W. Kjeshin (H^jrhh'b; Bahnrest.) ^ Kreis-
stadt an der Osster^ mit (1880) 30 490 Einw. und einem Denkmal des
Dichters Gogol, welcher hier das Lyceum besuchte. Weiter durch das
Flachland am 1. Ufer der Dessna nach (851 W.) Nossowka (HocOBKa),
kleinrussisches Dorf von c. 23 000 Einw- — 873 W. Bobrowizy
(EoöpoBHmi). — 898 W. BobHk (BoöpHKi). — 918 W. Browary
(EpoBapu). Dann auf mächtiger eiserner Brücke über den hier
c. 750 m breiten Dnjepr nach
945 W. Kiew (Kieai).
Gasthöfe: «Grand Hotel, Z. von U/Q-iOB,.-^ Hot. d'Europe;
*Hdtel Bellevue, viel von Geschäftsleuten besucht; Hotel de
France; diese vier ersten Ranges und am Kresehtsehatik gelegen. —
Gr.-H6t. National, am Kresehtsehatik, wird gelobt; Hot. Metro-
pole; Höt. d*Angleterre; H^t. San Remo u. a., sämmtlieh nahe
dem Hittelpunkt der Stadt.
Rbstaubants: in den genannten Hotels ; im Ghäteau des Fleurs,
in der Alexandrowskaja (s. unten); im Eremitagegarten (s. unten).
Yesokügungslocalb : Ch&teau des Fleurs (S. 392), mit Garten,
Sommertheater, Feuerwerk, im Sommer starkbcsuehte Concerte ; Eintritt
zum Ahendconcert (7 Uhr) 40 Kop., Sa. 15 Kop. ; im Winter Sehlittschuh-
bahn. — Mineralwassergarten, am Zarskaja-Platz (PI. F 5); Ere-
mitagegarten, auf der Tumchanow-Insel (PI. F 6), gegenüber der
Podoler Dampfschiffstation (gute Krebse), beide mit ähnlichen Unter-
haltungen.
Thbatbb: Stadttheater (PI. 78, F3), in der Teatralnaja, nur im
Winter; Setow-Theater, am Bessarabka (PI. F 4), Operetten, Ballet,
Feerien, mehr besucht als das Stadttheater.
Wagen : vom Bahnhof zur Stadt Einsp. 90-35 Kop., Zweisp. 65-75 Kop. ;
Zeitfahrten: Einsp. (offHOKOHHuft) 1 St. 40— 50 Kop.. Zweisp. (napoKOHHufi
oder «aaTOHi) 7ÖKop.-lR. ; elegantere Wagen (1 St. ll^ R. ) vor dem
Gr. -Hotel und hinter dem Stadthause. — Reitpferde (in der Michailowsky-
Man^ge, Michailowskaja, und in der SsuUschewsky-Manege, schräg gegen-
über dem Chäteau des Fleurs) für Herren 1 St. I-IV2 R-i V2 Tag 6 B..
für Damen 2 u. 8—10 R.
Konsulate : Deutsches Reich : Konsul Raffauf ^ Lewaschewskiüa. Oester-
reich-Ungarn: Konsul E. Filtsch. Frankreich: Konsularagent Terrier.
Kiew, befestigte Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements,
Sitz des Generalgouverneurs, des Generalcommandos des xii. Armee-
corps, eines Civilgouverneurs , eines Metropliten u. a. Behörden,
mit c. 170000 Einw. und bedeutendem Handel, liegt höchst ma-
lerisch auf den hier 100-130 m ansteigenden , meist jäh zum Fluss
abfallenden bewaldeten Höhen am r. Ufer des Dnjepr.. Die Stadt,
„ das Jerusalem Russlands " erhält ihr eigenthümliches Gepräge
durch die Menge ihrer Kirchen , kirchlichen Institute und Geist-
lichen. Ausser c. 60 orthodoxen Kirchen zählt man 1 der Ras-
kolniks (S. XLvi), 1 römisch-katholische , llutherische, 4 jüdische
Bethäuser u. s. w. Neben der weltberühmten Lawra (KieBO-IleHepcRafl
JaBpa) existiren in der Stadt 7 andere Klöster. In architektoni-
scher Beziehung stehen die Kirchen Kiews hinter denen Moskau's
zurück.
Kiew „die Mutter aller Städte Russlands'', wird zuerst im iz. Jahrh.
erwähnt, wo Askold und Dyr, Waräger aus Rurik's Gefolge, hier ein
Fürstenthum gründeten. Als Wiege des russischen Ghristenthums , in-
dem unter Olga hier die ersten christliehen Kirchen erbaut, und unter
392 BotUe 32. KIEW. Von Moskau
ihrem Enkel Wladimir dem Heiligen das Christenthnm Staatareligion
wurde, erlangte Kiew grosse Bedeutung; bis 115Ö war es Residenz der
Grossfürsten; schon im xi. Jahrh. (1124 sollen bei einem Brande 400
Kirchen zerstört worden sein), angeblieh nach Konstantinopel die volk-
reichste Stadt Osteuropas. Der Metropolit von Kiew war der erste Geist-
liche der russischen Kirche, bis in Folge politischer Ereignisse diese
Würde auf den Patriarchen von Moskau (s. S. 285) überging. — Der
Verfall Kiews begann mit der Vernichtung durch die Tataren 1240, bei
der die Stadt völlig ausgeplündert und durch Feuer zerstört wurde. Seit
1386 gehörte Kiew zu Polen und theilte dessen Schicksale , bis es 1686
definitiv an die Moskowiter zurückgegeben wurde.
Die Stadt zerfällt historisch und ihrer Lage nach in drei ge-
sonderte Theile : im Südosten die Petscbebsei'sche oder Höhi^en-
STADT (üe^epcKi), mit der von der Festung umschlossenen Lawra,
Im Nordosten die in der Ehene hart am Fiuss gelegene Handels-
stadt, PoDOL (noACjn), an welche sich Vorstädte anschliessen, und
im Nordwesten das hochgelegene Stabo- oder Alt-Kibw (Crapo-
Kiesi). Die Verbindung zwischen Petschersk und der Altstadt
stellt der schöne, von der Aristokratie und dem reichen Kaufmanns-
stand bevorzugte Stadttheil Ldpki («IiinKH, Lindenstadt) her. -j
Den Mittelpunkt des Lehens und Verkehrs bildet der etwa
1 V4 km lange Kresehtiehatik (KpemarHKi , Kreuzesstadt) , die ele-
ganteste Strasse der Stadt, mit yielen öffentlichen Gebäuden , wie
das Stadthaus (FopDACKaji Ayma, PI. 77 : F 4), das äusserlich wenig
hervortretende Adelsgehäude {Aowh ABopiiHCTBa, PL 1) , die Börse
(EHp)Ka, PI. 8), die Post (üo^iTOBaii KOHTopa, PI. 74), den vornehm-
sten Hotels , Bankhäusern , eleganten Läden u. a. y in der Schlucht
zwischen Lipki und Alt- Kiew sich hinziehend. Westlich mündet
er am Bessarahisehen Platz, kurz Bessaräbka genannt, Östlich am
Zarskaja - Platz (UapcKaji niomaAi» , PL F 5).
Von der Bessaräbka führt rechts der Bihikowsky - Boulevard
(BuÖHKOBCKiü EyjibBapi») zur Wladimir -Universität (PL 79: F 3) ,
einem mächtigen dunkelrothen Gebäude mit grossem Portikus. Die
Universität, 1884 von Wilna nach Kiew verlegt, besitzt werthvolle,
namentlich naturwissenschaftliche Sammlungen. 1881 war sie von
1475 Studenten besucht, darunter am stärksten die Mediziner. —
Gegenüber das Palais Tertschtschenko , mit Gemäldegallerie (im
Sommer zu bestimmten Stunden zugänglich).
Hinter der Universität , gleichfalls am Bihikowsky - Boulevard
der grosse botanische Qarten. Weiterhin, wo 1. die Besakowskaja
zum Bahnhof ahzweigt, das Denkmal des Grafen Bobrin^y (PL 7,
G 3), des Begründers der russischen Zuckerindustrie, von Schröder.
Vom Zarskaja- Platz (s. ohen) führt südl. die Alexandrowskaja
AieKcaHApoBCKafl , PL G , F , £ ö) hinauf zu dem sehenswerthen
Kaisergarten (UapcidS caAi, PL F, £5). Gleich im Anfang der
Strasse 1. das Ch&teau des Fleors, das beliebteste Vergnügungs-
local der Kiewer (s. S. 391), mit Sommertheater (PL 76). Am Ende
der Alexandrowskaja 1. das Kaiserliche SefUoss (PL 28) , ein zwei-
stöckiger Bau im Stil französischer Keuaissance.
nach Odessa. KIEW. 3^, Route, 393
Hinter dem Schloss durch den Schloss-Park (^opuOBHÜ Oaxi)
zum Nikolaus-Thor (HnKOjbCKifl Bopora , PI. E 5) , von welchem
man eine wundervolle Aussicht auf das Dnjeprthal hat. Jenseit
des Thores beginnt die Nikolskaja. In dieser befindet sich zunächst
1. das Nikolaus- Kloster (HHKOJfcCKiü MonacTupfc, PL 60 : D5), neben
welchem ein Fussweg zum Askoldshügel (s. unten) abbiegt. Weiter-
hin, etwas zurück gelegen, ebenfalls links die Nikolaus-Kathedrale
(HHKOjbCKiü coöcpi, PI. 52). Gleich darauf zweigt links der zum
Dnjepr herabführende Nikolajewski-Spussk (HHKOjaoBCKiä cnycKi»),
rechts die Esplanadenstrasse (EcniaHaAHaji) ab, welche zu dem
nahen (1.) Petscherski- Platz (IXenepcKaH nJomaAi») führt , auf wel-
chem im Herbst Wettrennen stattfinden , und der sonst als Exer-
cierplatz dient. Die gerade Fortsetzung der Nikolskaja heisst Weg
zur Lawra (^opora Kl JiaBpl») ; wo derselbe eine Biegung nach links
macht, steht die kleine Kirche des Erlösers im Birkenwalde (Uep-
KOBb Cnaca aa EepecTOBt). Durch das Thor an der Ostseite der
Festung gelangt man zunächst in einen mit Privatgebäudeu und
Buden bedeckten Theil, hinter welchem ein Graben und eine hohe
Mauer das Kloster umschliessen.
Als Stifter des Höhlenklosters gilt der Busse Hilarion, der vor seiner
Berufung zum Metropoliten von Kiew (1051) als Einsiedler in einer
selbstgegrabenen Höhle auf dem bewaldeten Hügel am Dnjepr lebte.
Sein Nachfolger in der Einsiedelei war der vom Athos eurückgekehrte
Höneh Antonius, dessen Frömmigkeit neue Genossen herbeizojg^, wie den
h. Theodosius und den Chronisten Nestor (c. 1050-1115); später waren
viele der Honehe fürstlleher Abkunft. Erster Abt war ein Bojarensohn,
Warlaam, darauf der erwähnte Theodosius (t 1074). Unter ihm gelangte
das Höhlenkloster zu grösstem Ansehn und Reiehthum, und hat noch
heute seine Stellung als das erste Busslands behauptet. Im xii. Jahrh.
wurde es zur Lawra erhoben; als solche stand es direkt unter dem Pa-
triarchen, zuerst von Konstantinopel, dann von Moskau. Der Igumen
erhielt den Titel Archimandrity welchen jetzt der jeweilige Metropolit
von Kiew führt, dem das Kloster seit 1786 unierstellt Ist.
Gegenüber dem Arsenal (PI. 5:04) führt das heilige Thor
(PI. 24: C 5), ein langer Thorweg mit Fresken aus dem Leben der
hh. Antonius und Theodosius in den Klosterhof. Dieser , zur Zeit
der grossen Feste (3.[15.] Mai, 10.[22.] u. 15.[27.] Juli, 15.[27.]
August) der Lagerplatz der Pilger, deren Zahl 1886 angeblich 1 Mill.
betrug und alljährlich 200000 erreicht, wird rechts und links Ton
den zu ebener Erde belegenen Zellen der Mönche eingeschlossen ;
in der Mitte erhebt sich der c. 98 m hohe Olockenthurm (PL 18) in
vier sich verjüngenden Stockwerken. Von oben weite Rundsicht.
L. vom Thurm die üwpenaky- oder Hari&-Hi]nm0lfiüirt8- Kathe-
drale (ycneHCKiÜ coöopi, PL 47 : 05) mit 7 Kuppeln, auf der Stelle
einer älteren Kirche des zi. Jahrh. errichtet, 1729 nach einem
Brande erneuert und im Inneren äusserst prächtig im Rococostil
ausgestattet. Der Ikonostas aus vergoldetem Silber , ein Geschenk
Peters des Grossen, füllt fast die ganze Höhe der Kirche aus.
In der Mitte oben ein von Goldstrahlen und Edelsteinen umgebenes
Marienbild, angeblich das älteste in Russland; an hohen Festen
394 Route 32. KIEW. Von Motkau
herabgelassen , wird es von den Wallfahrern beschenkt. In Noth-
Jahren, besonders auch bei Epidemien, wird das Bild in feierlichem
Aufzuge um die Klostermauern herum getragen. Rechts in der
Kirche ein beachtenswerther Sarkophag mit den Reliquien des h.
Theodosius (s. oben). Ein überreich mit Silber verzierter Sarg aus
Cypressenholz birgt den Schädel des h. Wladimir.
Die übrigen Kirchen und Kapellen des Klosters sind wenig
bemerkenswerth ; in einer Kapelle neben dem Refektorium wird
wie in Moskau (S. 285) an den drei ersten Tagen der Oharwoche
alle drei Jahre das Chrisam bereitet. Ausserdem besitzt das Kloster
eine Druckerei für religiöse Werke und eine Bäckerei für geweihte
Brote und Hostien, von denen die erstere jährlich über 100000, die
letztere über 50000 R. einbringt. Der Klosterschatz (Risniza) ent-
hält zahlreiche Reliquien , Kostbarkeiten und Curiositäten.
In der Kirche der Kreuzerhöhung (Führung durch einen Mönch)
gehen an der Nordseite zwei Thüren hinab zu den näheren Peseht-
seheren oder Höhlen dei h. Antonius (EiHSHifl nemepu IIpenoAoö-
naro AHTonifi), in den weichen Kalkstein gehauene Gänge von etwa
2m Höhe und so schmal, dass nur eine Person hindurchgehen kann,
sowie kleine rechteckige Räume , die früheren Zellen der Mönche,
jetzt theilweise Kapellen, in denen täglich Messe gelesen wird.
Nisehen, seitwärts in den Fels gehauen, dienen als Begräbnissplätse
von Heiligen, deren 78 hier bestattet sind, darunter Michael y der erste
Metropolit Kiews, Antoniui^ der Gründer der Lawra, dessen Zelle mit
srmlieher Lagerstätte auf Stein noch gezeigt wird , und der Chronist
Nestor. Die Leichen liegen mumienartig in kostbare Gewänder gehüllt,
in offenen Särgen. — Als Merkwürdigkeit werden noch die jetzt ver-
mauerten Oeffnungen bu den Höhlen asketischer Einsiedler und ein ans
dem Erdboden hervorragendes Haupt, mit einer Mitra bedeckt, gezeigt,
dessen Träger, Joann der Leidensreiche, bis zum Hals in der Erde be-
graben, der Legende nach 80 Jahre so lebte, und dessen Leichnam in
derselben Stellung erhalten blieb.
Aus den Höhlen führt eine hohe Treppe zum Klosterhof em-
por. Der Ausgang ist von unzähligen Bettlern und Krüppeln in
allen Stellungen belagert, deren Bitten um Almosen man unbe-
achtet lasse, da sie vom Kloster reichlich bedacht werden.
Die entfernteren Höhlen des h. Theodosius sind bei gleicher
Anlage weniger ausgedehnt und interessant. Der Eingang ist in
der Kirche der K Anna,
Den Weg zur Lawra wieder hinabgehend gelangen wir r, zum
Nikolajewiky-Spussk (HüKOjaeBCKlü cnycKi), einem schönen Wege
am hohen Dnjepr-Ufer, dem beliebtesten Spaziergange der vor-
nehmen Welt Kiew's. Diesem folgend erreichen wir den Askolds-
Hügel (AcKoi&xoBa Horaja), mit einer Kapelle über dem angeb-
lichen Grabe Askolds, und Begräbnissstätte vornehmer Adliger.
Von hier prächtige Aussicht auf den Fluss , die Brücken und das
niedrige 1. Ufer. Weiter entweder auf dem Fahrwege oder eine
Holztreppe von etwa 300 Stufen hinab an der Nikolaus- Kapelle
(HüKOjaeecKaA «lacoBHn) vorüber zur Vikolant - Brüeke (Hhko-
nach Odessa, KIEW. 32. Route. 395
jaeBCKiä U'^hhoM mocti) , 1080 m lang , wie die stromabwärts ge-
legene Eisenbahnbrücke (S. 391), ein hervorragendes Werk der
Ingenieurkunst , 1848-1855 mit einem Aufwand von 2V2 Hill. R.
erbaut (Brückengeld : Einsp. 20, Zweisp. 40 Kop. hin und zurück ;
Rauchen verboten). Von der Brücke hat man den besten *Blick auf
die hochgelegene Stadt, ihre silbernen und goldenen Kuppeln und
Thürme , weissen Häuser und grünen Dächer.
Am r. Ufer des Dnjepr aufwärts führt durch das Podol'scke
Nikolaus-Thqr (no^oibCKiii HuKOJibCKifl Bopbra) die für Wagen meist
unfahrbare PodoVsche Chaussee (IIoAoibCKoe mocce) zum Stadtteil
Podol, dem Sitz des Handels und Wohnort der ärmeren Bevöl-
kerung. Inmitten des Podol, am Alexandrowsky - Platx (Aiex-
caHApoBCKaii njomaAb) das Kontractenhaus^ in welchem früher die
Geschäftsschlüsse der im Februar abgehaltenen sogen. Kontracten-
Messe, der bedeutendsten Zuckermesse Russlands, stattfanden. Da-
neben der Oostinny-Dwor oder Bazar (rocTHHHufi ABopi, Fl. 20 :
G 5) ; gegenüber das Bratsky- Kloster (BpaTCKiü m osacTupi», PI. 34 :
G 5) mit grosser Kathedrale. Dahinter im früheren JesuitencoUe^
gium die geistliche Akademie (^yxoBHa« aKaAemiA , PL 14 : G 5),
1588 gegründet, die älteste Russlands. In der Bibliothek (Sonntags
geöffnet) einige Portraits, darunter Mazeppa, der bekannte Kosaken-
hetman (1646-1710).
Dem Podol gegenüber erstreckt sich ö. im Dnjepr die flache
Turuchanow-\Insel (TypyxaHOBT» ocTpOBt) mit dem Eremitage-
Garten (S. 391), einem beliebten Vergnügungslocal.
Südl. führt vom Alexandrowsky-Platz die Alexandrowskaja,
an dem Wasserpumpwerk (PI. 80 : F 5) und der Kapelle zur Be-
zeichnung der Quelle, an der die Taufe der Kinder Wladimir*s I.
stattfand, vorüber hinauf nach Alt-Kiew (CTapo-KieBCKiR yia-
CTOKi) , zum Zarskaja - Platz (S. 392). Von diesem führt r. ein
Promenadenweg zu dem nahen Wladimir - Denkmal von Klodt
(HaMaTEHKi CB. BjaxHiiipa , PI. 81 : F 5)^ 22 m hoch, bei welchem
jährlich am Tage des Heiligen eine militärisch-kirchliche Feier
unter zahlreicher Betheiligung des Volkes stattfindet. Von der
Höhe des Denkmals prachtvolle Aussicht auf den Dnjepr.
Vom Zarskaja-Platz n.w. an der römisch-katholischen Kirche
(Phkcko - KaTOJH^ecRiM KOCTejb, PL 57:FÖ) vorüber hinauf zur
Kosstelnaja, in welcher r. das Kichaels - Kloster (MmaMiOBCRiü
MOHacTHpb, PL 50 : E 5) , vielleicht das älteste Russlands. In der
Kirche mit 7 Kuppeln ein altes reich mit Edelsteinen verziertes Bild
des Erzengels Michael, von Alexander I. im französischen Kriege
getragen, ein Geschenk des Kaisers Nikolaus I. In einer Seiteu-
kapelle das silberne Grabmal der h. Warwara (Barbara), deren Re-
liquien um 1100 nach Kiew kamen; über dem offenen Sarge ein
Baldachin mit zahlreichen Medaillen und Kreuzen an rothen
Bändern.
396 Baute 32. KIEW. Van Motkau
Weiter in der Kosstelnaja zum Mithatitplatz j an welchem r.
die Dreiheiligen-Xirelie (UepKOBb rpexi cBATHTOjeü, PL 35 : G 5)
an der Stelle der alten Basiliuskirche auf der ehemaligen Oultstätte
des Slavengottes Permi erbaut. R. führt die Andrejewskaja zur
Andreaikirehe (UepioBb ÄHApefl IlepBOSBaHHaro, PI. 30: G5), unter
der Kaiserin Elisabeth Yon Rastrelli auf dem höchsten Punkte Alt>
Kiews, dem steil zum Podol abfallenden Andrejewtkyberge an der
Stelle erbaut, wo nach der Legende der h. Andreas, der erste Yer-
kundiger des Eyangeliums in Russland, ein Kreuz errichtete. Von
der die Kirche umgebenden Terrasse wunderYOlle ^Axtssicht auf
den Podol, den Fluss und die Ebene im Osten.
Wir wenden uns von hier w. in die Dessjatinajaf in welcher
gleich r. die Dessjatinaja oder Zehntenkirche (^ecüTHHHafl Uep-
KOBb, PI. 63:G5), 1842 an Stelle einer älteren, 1240 von den Ta-
taren zerstörten, erbaut, und gelangen in gerader Richtung, die
Bolschaja Shitomirskaja kreuzend zum Sofienplatz mit der
*Sofl6iikathedrale (Co«iücKiii co6op'&, PI. 58: G 4), von einer
Mauer umschlossen und wie die Lawra von zahlreichen Pilgern
und Bettlern umlagert. Aeusserlich verbaut, ist die Kirche im In-
neren das architektonisch werthvoUste Gebäude Kiews , eine der
ältesten Kirchen Russlands , 1037 vom Grossfursten Jaroslaw für
den hier erfochtenen Sieg über die Petschenegen erbaut; imponirend
ist auch der mächtige Thurm mit goldener Kuppel.
Das Innere mit seinen Mosaiken auf Goldgrund und alten Fresken
erinnert an die Markuskirche in Venedig ; beaehtenswerth sind besonders
wegen der Trachten die wohl ursprünglich für einen Profanbau bestimm-
ten *Fresken^ vielleicht noch aus dem XI. Jahrb., im Hintergrund der
Kathedrale an der Wand einer zur Gallerie führenden Doppeltreppe, mit
Jagd- nnd Tanzseenen. — Am reich vergoldeten Ikonostas ein kostbares
Heiligenbild, zum Herablassen eingerichtet. — In der WlacUmirkapelU der
angebliche Sarkophag Jaroslaw's I. aus weissem Marmor mit Reliefs aus
der christlichen Symbolik. Ein ähnlicher Sarg an einem Pfeiler der
Kirche. — In der Kathedrale liegen 22 Metropoliten von Kiew begraben^
ausserdem wurde hier Wladimir II. Monomaeh gekrönt.
Neben der Kathedrale befindet sich die Wohnung d€$ Metro-
politen. W. führt vom Soflenplatz die schmale Solotoworotskaja
an dem Irene^Denkmal (naMflTHHKi ob. HpHHH, PI. 25: G 4) und
den unter einem Schutzdach befindlichen spärlichen Resten des
" Irenenklottera , sowie der Oeorgscapelle (UepKOBb CB. Teoprifl,
PI. 41 ; G4) vorüber zum goldenen Thor (3ojotuii Bopora, PI. 19 :
F4), einem der ältesten Bauwerke Kiew's, einst das Hauptthor,
jetzt nur noch Trümmer, die einen Bogenansatz erkennen lassen.
Von hier aus entweder durch die grosse Wladimirskaja zum
Theater (PI. 78: F3; s. S. 391), oder links durch die Wassütichi-
kowtkaja, meist Proremaja genannt, mit stattlichen Gebäuden zum
Kreschtschatik zurück.
Die Bahn geht in s. w. Richtung durch das fruchtbare und
nach Odessa, BJELQOBO. 32. Raute, 397
wohlangebaute Gouvernement Kiew , dessen Eichen- und Buchen-
wälder der Bedarf der Eisenbahnen und Zuckerfabriken schon stark
gelichtet hat. Die Bewohner sind überwiegend Weissrussen (S.242),
stark untermischt mit Juden (c. 7%). — Stationen : 957 W. 8hul-
jany (TRyinnu). — 968 W. Bojarha (BoiiapKa), hübsch gelegene
Sommerfrische der Kiewer, die hier zahlreiche Datschen haben. —
979 W. Wassilkow (BacHAKOB'i), Stadt an der Stugna mit circa
17 000 Einw. — Die folgenden Stationen sind unbedeutend. 988 W.
Motowilowka (MoTOBHJOBKa). 1005 W. Fasstow (^acxoBi ; ♦Bahn-
restauration).
Zweigbahn nach Snamjenka (S.399), 282 W. in II1/4-I6 St.
für 10 B, 58, 7 B. 96, 4 B. 6 Eop.
1024 W. Ko8hanka(KoxRwsi&); 1040 W. Popelnja (UoueÄhm);
1056 W. Broti7fci(BpoBKH); 1073W. Tschemorudka {HepRO^yAKR);
1082 W. Wemigorodok (fiepRHTopoAOVi'b); 1092 W, Kasatin, Von
hier nach Odessa s. R. 31.
b. Von KoBkau über Kunsk, Charkow und Birsula naoh Odessa.
Von Moskau nach Kurssk (503 W.) s. R. 28. — Die Bahn geht
durch die Ebene des Tschornasjom (S. 375) , von dessen dunklen
Flächen sich bei Sonnenschein die ärmlichen grauen Dörfer eigen-
thümlich abheben. Ueberrascht wird der Reisende hier wie in an-
deren Theilen dieser Zone durch den auffälligen Gegensatz zwischen
dem dürftigen Aussehn der Saaten und der fast sprichwörtlichen
Fruchtbarkeit dieser Landstriche, eine Folge der wenig rationellen
Bewirthschaftung des Bodens durch den „Mushik^' (Bauer). Die
Stationen sind meist unbedeutend. 503 W. Mlodat (MjOAaTi.) ;
529 W. Polewa Ja (ÜoieBas); 544 W. Schumakowo (lIIyMaKOBo) ;
6Ö6W .Ssolizewo (CoiHueBO).— 576W. Afar^'2no(Map&iiHO. Bahnrest.)
Zweigbahn 90 W. in 31/2 St. für 1 B. 20 und 60 Eop. naeh Obojan^
Kreisstadt mit 6500 Einw. am Psioly mit Wollwäschereien und Frodueten-
handel.
589 W. Jelnikowo (Eibhhkobo) ; 600 W. Prochorowka (IIpoxo-
pOBKa) ; 614 W. Bjelenichino (B*ieHiiXHHo) ; 625 W. Kustarnaja
(KyoTapnas) ; 644 W. Bjelomjestnaja (BtiOMlicTHaH) ; 653 W. Bjel-
gorod (EliiropoA'B, die weisse Stadt; Bahnrest.), Kreisstadt mit
17000 Einw., vielen Gerbereien und lebhaftem Handel. Die Stadt,
welche ihren Namen nach der Menge weissgetünchter Häuser mit
Recht führt, Hegt malerisch an und auf den Kalkfelsen am r.
Ufer des Donez ; sie besitzt auffällig viel Kirchen , darunter zwei
Kathedralen ; in der einen die Graber der früheren Bischöfe von
Bjelgorod. Hier wie überall auf den Hauptstationen sind in den
Wartesälen WalFen aller Art und andere Tulawaaren (S. 379), nament-
lich auch Ssamowars ausgestellt; nicht billig. — 672 W. Wesselaja-
Lopan (BecejaH-ionaHii) ; 653 W. Naumowka (HayHOBKa) ; 694 W.
Ka8atscha'Lopan(J!iiiZ9mhnrÄOB«ah)', 708 W. Kamysehewka (Ka-
HumeBKa); 730 W. Dergatschi (4epra«iH).
398 Soute32. CHARKOW. Von Moskau
732 W. Charkow, XapuoBi (Bahnrest,) — Gastsöpb: Gr. Höt.
de TBurope (Bes. 2>elj»«cA); *Belle-Vae, Ecke der Universitäta- und
Fischstrasse (Besitzer Proiper frh'es^ deutsche Wirthin) , Z. von li/j R.
an, H. 1-2 B. — II. Ranges: Bossia, Jekaterinoslawer Strasse, neben
der Oper^ Rnf, Universitätsstrasse; Sslawiansky-Bazar, gans ras-
sisch (der Wirth spricht fransösisch). — Während der grossen Märkte sind
die Hotels überfüllt und die Preise höher. — Komnurtseheu>$kif-Klub (Einfüh-
rung durch ein Hitglied), in der Rymarskaja, elegantes Lokal mit Sommer-
theater u. 8. w. — Tbamwat durch die meisten neueren Hauptstrassen. —
Bahuix : Russische Staatsbank \ Städtische Bank \ Wolga-Kama-Bank n. v. a.
Charkow, die Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements
mit c. 160000 £inw., Sitz des Geneialcommandanten des Militär-
bezirks Charkow, eines Civilgouverneurs, des Erzbischofs der £p-
archie Charkow und Achtyrkan u. a. Behörden, liegt grösstentheiis
auf dem Plateau (230 m), welches den Qürtei des Tschornasjom
durchbricht, c. 30m über dem üdy, einem Nebenflüsschen des
Donezy und den beiden Bächen Lopan und Charkowka, die sich
hier vereinigen. Wasserstauungen machen im Sommer die unteren
Stadttheile häufig ungesund. — Wie seiner Lage nach durch die
drei Flüsse, zerfällt Charkow auch nach seiner Bauart in drei Theile.
Aus einer Kosakenniederlassung um das Jahr 1650 entstanden, er-
innern die äusseren Stadttheile mit ihren Lehmhütten noch voll-
ständig an die alten Slohoden (Torstädte)," während andere Theile
in den breiten ungepflasterten Strassen meist Holzhäuser, die neuen
dagegen ganz moderne Bauten aus Stein und weite Plätze auf-
weisen. Durch Zuzug von Kleinrussen schnell gewachsen, wurde
Charkow 1765 Hauptstadt der Ukraine und verdankt seinen ra-
schen Aufschwung in neuerer Zeit seiner günstigen Lage am Ost-
rande des grossen Don^zer Kohlenbeckens und am Knotenpunkt
der grossen Handelsstrassen vom Schwarzen und Kaspischen Meer
und von der Donau her. Daher hat die Stadt lebhafte Industrie,
besonders auch Wollhandel; jährlich vier grössere Märkte. An
hervorragenden Gebäuden sind zu nennen : die Kathtdrale mit 95 m
hohem Glockenthurm , der Oostinny-Dwor oder Bazar, dessen
Mittelpassage elektrisch beleuchtet und bei rauher Witterung ge-
heizt wird; die 1805 gestiftete Universität mit einer Bibliothek
von 60 000 Bänden und reichhaltiger zoologischer Sammlung. Vor
der Universität eine hübsche Terrasse mit guter Aussicht auf die
Stadt und Umgegend, an Sommerabenden ein beliebter Spaziergang.
Am Fusse der Terrasse eine Kapelle zur Erinnerung an Alezander II.,
ein auch im Inneren prächtig ausgestatteter Bau. In der Nähe noch
die Börse, — Ausserdem besitzt die Stadt 17 Kirchen , darunter
1 lutherische, 2 Klöster, 2 Gymnasien, ein Veterinär -Institut,
Theater u. s. w. Sehenswerth ist auch der Stadtgarten.
Die Bahn durchschneidet in s. w. Richtung das Gouvernement
Charkow, wie das benachbarte Poltawa, ein Theil der alten Ukraine
(„Grenzland'' d. h. gegen die Türkei), beide wohlbewäasert und
sehr fruchtbar. DieBewohner sind überwiegend Kleinrussen (S. 242).
Stationen : 739 W. Nowaja Bawarija (Hosaa Baaapiji), mit grosser
nach Odessa. POLTAWA. 32, Boute, 399
'bairischer Bierbrauerei ; an der Station wird Bier in Seideln feil-
geboten. — 742 W. Byshow (Puäobx). — 756 W. L^ubotin (S. 390;
Bahnrest.). — 769 W. WalH (BaiKH), Stadt an der Mischa, mit
8000 Einw. — 783 W. Kowjagi (KoBiirH). — 796 W. Wodjanaja
(BoAflHafl). — 810 W. Kolomak (KojOMaKi). Die Bahn tritt in das
Gouvernement Poltawa. 816 W. Isskrowka (UcKpoBKa). — 831 W.
Kotsehubejewka (KoHy6eeBsa). — 847 W. Boshkow (Eojkkobi).
Dann über die Worskla, einen Zufluss des Dnjepr, nach
864 W. Poltawa (IIojiTaBa; Hotel St. Petersburg; Italie; Bahn-
restaur.), Hauptstadt des Gouvernements gleichen Namens, am Zu-
sammenfluss von Poltawka und Worskla, von Eirschplantagen um-
geben, mit breiten Strassen und Boulevards. Die Stadt (41 280
Einw.) hat ein Fort, 19 Kirchen, darunter 1 lutherische, verschie-
dene höhere Unterrichtsanstalten, 2 Theater, ein Gewerbemuseum,
lebhafte Industrie und Handel mit Vieh, Getreide, Flachs, Hanf;
die Iljinsklsche Messe, vom 10./22. Juli bis 10./22. Aug., ist eine der
grössten Südrusslands. — An die Schlacht vom 9. Juli (27. Juni)
1709 erinnern eine 17 m hohe Säule, welche einen Adler aus Bronze
trägt, 1809 auf dem Alexanderplatz errichtet, und ein Denkstein
mit kriegerischen Emblemen an der Stelle des Hauses, in welchem
Peter der Grosse nach der Schlacht wohnte.
Das Schlachtfeld, auf welchem das Schicksal des nordischen Krieges
entschieden und die Stellung Busslands in Europa begründet wurde,
liegt 6 km von der Stadt. Die Stelle, an welcher die siegenden Schwe-
den die Verfolgung abbrachen und dadurch den Bussen Zeit gaben sich
zu sammeln, bezeichnet das Sehwedengrab , ein e. 20 m hoher Erdhügel,
der ein Kreuz trägt.
887 W. Malaja Pereschtschepinskaja (Ma4afl-nepemeniiHCKafl).
— 907 W. Bjeliki (BtiHKH). — 921 W. Kobeljaki (Koöeimoi), Stadt
von c. 13 000 Einw. an der Worskla. — 937 W. Qanowka (FaHOBKa).
— 950 W. Oaleschtschina (FaiemHHa). Bei (960 W.) PotoH (IIo-
tokh) über den Psiol, einen Nebenfluss des Dnjepr. — 980 W. Kre»
mentschng (KpeiieHHyri ; Post; Bahnrest.), in der Ebene am 1. Ufer
des Dnjepr gelegen und häufig von Ueberschwemmungen helm-
gesucht, mit lebhaftem Handel in den Landesprodukten, die hier
auf der Bahn und dem Dnjepr verfrachtet werden. Jährlich drei
grosse Märkte. Von dem 1765 erbauten Potenikin' sehen Palast sind
nur noch Ruinen übrig. Eine auf 10 Pfeilern ruhende eiserne
Brücke verbindet die Stadt mit dem am andern Ufer des Dnjepr
gelegenen Krjukow (KpuKOBi; beide Städte haben zusammen
47 473 Einwohner.)
1000 W. Pawlisch {UsiBÄum'b). — 1017 W. Borowakaja (BopoB-
CKafl). — 1030 W. Proiopopowka (DpoTonoHOBKa) am Don^z. —
1004 W. Snangenka, Knotenpunkt der Bahnen nach Nikolajew (s.
unten) und nach Fasstow, s. S. 397.
Von Snamjenka nach Nikolajew, 232 W. in 71/4 St. für SB.
33 Kop., 6 B. 25, 3B. 20Kop. — 124 W. Notßyi-Bug (HoBwft-ByrLi Bahn-
rest.), am Jngul; an diesem abwärts nach (222 W.) KIkolajew (HHKOJiaeBi> ;
Oasth. : Orianda-y Europa ; St. Petersburg ; Bahnrest.) ^ befestigter Kriegs-
400 Route 3^. BIBSULA.
hafen, 1789 ▼on Potemkin angelegt, und Handelsstadt mit 66325 Einw.,
an der Vereinigung des In^l mit dem Bug. Der letztere durehfliesst
unterhalb Nikolajew den Liman de» Bug und mündet, mit dem Dnjepr
vereint, bei Otsehakow in das Sehwarae Meer. — 15 W. südl. die Ruinen
der milesisehen Colonie Olhia.
1089 W. Trepowka (TpenoBKa); 1113 W. Jeliatawetgrad (Ejih-
caBerrpaAi; Hotel Wetzel; Bahnrest.), Kreisstadt des Gouverne-
ments Chersson, auf Befehl der Kaiserin Elisabeth 1754 gegründet,
mit 51 774 £inw. und starker Garnison, wohlgebaut mit hübschen
Boulevards und breiten Strassen wie der Bolachoi Prospekt, In der
Stadt ein kaiserlicher Palast; in der Vorstadt Kowalewska viele
Häuser des Landadels. Jährlich vier grosse Märkte; Handel in
Tabak, Leder u. s. w. — 2 W. entfernt ein grosser kaiserlicher Park ;
in der Umgegend viel Kurgane (S. 255).
1135 W. SchestaJcowka (UlecraKOBKa). — 1158 W. Pletenyi-
Taschlyk {TLseTemt^'TtimAhai'b). — 1180 W. Nowo-Ükraitika {Hobo-
YxpaHHKa; Bahnrest.). — 1193 W. Pomoschnaja (IIoifoniHafl). —
1208 W. QlinjanaJa{TimimM), — 1226 W. Bandurka (BaHAypKa).
— 1252 W. Golta (roira, Bahnrest.), Station für Olvnopol, an der
Mündung der Ssinjucha in den Bug, wichtiger Getreidemarkt mit
5397 Einw. Die Bahn überschreitet den Bug auf schöner Brücke.
1272 W. Katennowka (KarepHBOBKa). — 1287 W. Wradijewka
(BpaxieBKa). — 1311 W. I^jubasehewka (JlioöameBKa). — 1321 W.
Saplasy (3anja3u). — 1343 W. Sherebkowo (IRepeÖKOBO).
1362 W. Balta (Eaira; Bahnrest.), Kreisstadt mit 18,842 Einw.
und lebhaftem Handel; grosser Pferdemarkt im Mai. Die Ver-
wüstung der Stadt durch die Kosaken gab im J. 1768 der Pforte An-
lass zur Kriegserklärung an Russland.
13^ W. Binnila (s. S. 388). In der Nähe das Schloss des be-
kannten sächsischen Diplomaten von Seebach. — Der Charakter
der Gegend ändert sich, die Wälder verschwinden; vereinzelte
Gruppen verkrüppelter Elchen und Felder von Arbusen (Wasser-
melonen) erscheinen , letztere um so häufiger , je mehr man sich
der eigentlichen Steppe nähert. Der Boden ist fruchtbar , Baum-
wuchs aber zeigt sich nur an den Flüssen. Das Land wird v611ig
flach. 348 W. Tsehuhowka (MyöoBBa). — 365 W. Mardarowka
(MapxapoBKa). — 377 W. Perekrestowo (Jie^eti^ecTOBo). — 389 W.
Satischje (BaTHnue). In der Nähe einige deutsche Colonien , dicht
an der Bahn Michaelsthal,
407 W. /iranot&fca (ÜBaHOBKa). -- 416W. Wessely-KutiBeceihA"
Kyn). - 430 W. Migaewo (MHraeBo). — 445 W. Bas^elnaja (Pas-
A'ftAHaa; Bahntest,), Knotenpunkt der Bahn nach Kischlnew. —
465 W. Kolonta^wka (KoiOHraeBRa). — 471 W. Karpowo (Kap-
noBo). — 480 W. Wyffoda (BiiroAa). — 491 W. Qniljakowo {Tbjub-
KOBo). Dann zieht sich die Bahn in weitem Bogen an der Vorstadt
Moldawanka (S. 407) und dem Güterbahnhof vorüber um die Stadt
herum nach Odessa, s. S. 401.
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S3. Odessa und TTmgebimgen.
Bahnhdfe: Odessa hat 2 Bahnhöfe für den Personenverkehr: den
Neuen Bahnhof auf dem Kulikowo Pole (PI. D 8), für die Südwest-
bahnen (lOro-sanaxHUB sejnsioifl ffoponi) und den Hafen-Bahnhof
(PI. £ 5), für die Züge naeh dem Kujalnik-Liman (S. 4(T7) und für den An-
schluss an die Dampfschiffe.
Gaatiböfe: London, am BouleTard 11 (P1.D4), Z. von 1-15 B., M. m.
W. U/iB.., Bäder im Hause ; *E ur o p a , Puschklnskaja 4 (PL D 5), deutsche
Bedienung , Z. von II/4 R. an, H. I-IV4 R«i Bäder im Hause ; d u K 0 r d ,
Teatralny-Pereulok 12 (PI. D5), Z. von 1-6 R., 2. Fr. i'aR., M. von 2 R.
an^ St. Petersburg, Ecke der Jekaterinskaja und des Boulevard, Z.
von 1-löR., M. von 75 Kop. -II/3 R. ^ Hdt. de Paris; Puschkinskiga 8,
Z. von 7ÖKop.-10R., M. m. W. von 'A-liAß-; Suisse, Lansherons-
kaja 21, Z. von 1-4 R., M. m. W. 1 u. IV4 »• 5 Central (PI. 05), Preo-
brashenskajaSi; Krim, Ssabanjejew-BrückeS; France, Deribassows-
kaja 31; Gr.-Hdtel (KiM&wsky)^ Gherssonskaja; Victoria; u. v. a.
Eestavranta: Fran^ais, Jekaterinskaja-Platz, nahe dem Boulevard,
gute Küche, nicht billig; Kissowsky, im Gr. -Hotel (9. oben); Hiel-
8 eh er, Alexanderprospect , Haus Taljansky, deutsehe Zeitungen, nicht
theuer; Joseph Wehrwag („Joseph^O^ Polizeiskaja, Haus Trftchten-
berg, gutes Bier, viel von Kaufleuten besucht; H. Bruhns, Deribassows-
kaja, Haus Wagner, einfach. — Caft-BMtauranta : Richelieu, Ecke
der Lansheronskaja und RischeljewskajA (l^eue Fr. Presse u. fremde Zei-
tungen), besonders im Sommer istark besucht; Palais Royal, Lanshe-
ronskaja im Palais Royal, viel von Franzosen besucht; Griechisches
Cafe -Rest., Ecke Gretseheskaja und Krassny Pereulok, Curiosität;
etwas reinlicher Hör aia Hellas (Uoata EXXaOf Ecke Gretseheskaja und
Gretschesky Rynok, Vorsicht beim Rauchen des Nargileh (türk. Wasser-
pfeife) ist rathsam. — Weinstuben : Talla (Bremerhafen- Keller) , Ecke
Rischeljewskaja und Deribassowska^a; J. Fuchs, Polizeiskaja, Haus
Kirejewsky. — Oafts und Oonditoreien : Zambrini, Deribassowskaja,
Haus Barmas - Puritz , und im Palais Royal No 8, Eingang vom Garten
aus, im Sommer auch Pavillon am Boulevard, 1. von der Freitreppe;
Robin at. Ecke Teatralny Pereulok und Jekaterinskaja, deutsehe Zei-
tungen; Klas, Rischeljewskaja, Haus Barshansky, viel von deutschen
Kaufleuten besucht. — Theehtuser (Tschainy TrakUr)^ von den elegantesten
bis KU den primitivsten*. Jermakow, Ecke der grossen Arnautskaja
und Usspensky- Pereulok; Schermajewsky, Ecke Polizeiskaja und
Kolodesny Pereulok, beide mit grossen Orchestrlons.
Yergnülpm^aloeale : Des ir off, im Stadt- oder Kronsgarten (Con-
certe); Tivoli, Hielscfaers Sommergarten, beide auf dem Kuli-
kowo Pole; Datsehe Livie (früher Lüders); Bell evue oderLanshe-
ron (Grocholsky), dicht am Meer; in den drei Fontänen (s. S. 407).
Bentaohe XInba: Harmonia, Lansheronskaja 34, Einführung durch
Hitglieder; Handwerker- und Gewerbe verein, Jewreiskaja,
eigenes Haus, gute bürgerliche Gesellschaft; Hänner-Turnverein;
ausserdem: Englischer Klub, Puschklnskaja 2, gegenüber der Biblio-
thek, von seiner inneren Ausstattung so benannt, Versammlungsort der
Aristokratie.
Srotchken (Iswostschiks) : einfache Fahrt innerhalb der Stadt 20, nach
dem Neuen Bahnhof und den Vorstädten. 30 Kop. und mehr, je nach
Entfernung und Wetter; nach dem Praktischen und dem Neuen Hafen 30,
naeh dem Quarantänehafen 40, nach dem Güterbahnhof 60 Kop. ; nach
dem Alexanderpark, den Fontänen, Lustdorf, den Limanen u. s. w. accor-
diren. — Wagen: (Landauer, sapeTa), ein- und zweispänn. , mit Halte-
stelle am griechischen Bazar und in der Gavannaja gegenüber dem Krons-
garten ; eine Taxe existirt, jedoch ist aecordiren rathsam.
Tramways , Hauptlinien : vom Kulikowo Pole (PI. D 8) zum Ende der
Chergsonskaja (PI. B 3) ; vom Hafen (PL D 4) zum Güterbahnhof (PI. A 9) ;
eingleisig durch die übrigen Hauptstrassen: Theilstrecke 5 Kop. Ferner
zum Alexanderpark, Neuer Boulevard, Lansheron (Abfahrt Ecke der
Russland. 2. Aufl. 26
402 Boute 33, ODESSA. Verkehrsmittel.
Potflchtowaja und RiBeholiewaktja) ^ nach Klein-Fonian (Abfahrt Seke
der Gr.-Arnautskaja und Rtscheljewskaja) lOKop.; nach dem Chadslii-
weisky-Liman (Abfahrt Ecke der Torgowaja und Jelisawetinskajü, nur im
Sommer) 15Kop. — Damp/strassenbahn (Im Sommer stündlieh) vom Ku-
likowo Pole zum Lager 10 Kop. ^ nach der tnittltren Fontäne 15, nach, der
Grossen !20 Kop.
Lineiken (Omnibus), nur von den niederen Yolksklassen benutzt.
Fahrt ö Kop. ; im Sommer nach Klein'Li^>€nthal (Abfahrt Ecke der Riscliel-
jewskaja u. 6r. Arnautskaja) 60 Kop.
Post (PI. 26: D 6), Ecke der Jekaterinskaja und Potschtowaja, geöffnet
von 8 U. Vm. bis 8 U. Ab. , So. u. Festtags von 12-2 ü. Nm. — Tele-
graphenamt: Ecke der Kjeshinskaja und Gulewaja (PI. C5).
Buohhandlungen : L. Rudolph (E. Berndt), Deribassowskaja, Haus
Wagner^ /. Deubner (G. Schleicher) *, Rousseau (französ.)t Rischeljewskaja 6.
Banlien und Sankiera : Kaiserliche Bank in der Lansheronskaja (PI. D 5) ;
Raffalowitsch; Drejifuss; Mahs A Co. — Weohaalttuben: /. Oruber^ Deri-
bassowskaja, Baus Wagner-, Sonntchein^ ebenda, Haus der griech. Schule;
MünZf Jekaterinskaja, grieeh. Schule.
BAder : Warme : ausser in den Hotels (s. oben) : Issakowitseh,
Preobrashenskaja, eigenes Haus; Warschauer Harmorbad, Gavan-
naja, Haus Choto witzky . — Seebäder : StädtiseheBadeanstalten am
Hafen (PI. D4);Is8akowit8eh, im Hafen an der Freitreppe \ in Lau-
sheron, den Fontänen, Lustdorf (stärkster Wellenschlag), in den Limanen
(S. 40T) u. s. w. ; warme: Soiko witsch am Hafen, 1. von der Freitreppe.
Aerate: Dr. Meyer, Jelisawetinskaja 13; Dr. Wagner (auch Augen-
arzt), am Boulevard 1; Dr. Fricker, Ssabanjejewbrücke, Haus Gagarin;
Dr. Donath, Jamskaja 69; Mere^re (Franzose), Jekaterioskig^ ^•
Apotheken: Deribasapotheke« Deribassowskaja; Hajewaky,
ebenda, 31; K estner, Jekaterinskaja 7; Pokorny, ebeuda, 31; Ka-
tanson, Rischeljewskaja 12; Smolikow, Poschkinskaja 25; Saide -
mann, Jamskaja 59; Pisskorsky^ Guljewiga 4; von Jung, Alexan-
derprospect 6; Lemme, Potschtowaja, eigenes Haus.
Xonauln: Deutsches Reich: General-Konsul Dr. J. Lührssen. Belgien :
Gteneral-Konsul P, ffagenMns. Frankreich : Konsul £. A. Cassas. Groas-
britannien: General-Konsul 0. R. Perry, Oesterreieh-Ungarn : RiUer von
Piombazzi. Schweiz: Konsul 0. A. Freudenreich.
Theater : Stadttheater am Theaterplatz (PI. 27 : D 5). Preise bei
Dramen: Logen 15*3 B., Parquet 4-1 B., Amphitheater 75-50 Kop., Gallerie
40-15 Kop. ; bei Opern 20-4 B., 5-1 B., 1 R. -60 Kop., 50-20 Kop. ; bei beson-
deren Vorstellungen erhöhte Preise. Russki-Theater, für ruaaisehe
Oper und Schauspiel, an der Ecke der Gretscheskaja und Kolodesny-
Pereulok (PI. d5); Marientheater, für französische Operette, am
Theaterplatz (PL DD).
Poliaeiamt (zugleich Auskunftsstelle für Adressen), PreobrashenskaJaSS.
Dampfer der Russischen Gesellschaft für Dampfschifffahrt und Bändel
von Mai bis October 3mal wöcbentUeb (im Winter 2mal wöchentl.) über
EupatorialÜO B. 50, 7 R. 50, 2 R. 80 Kop.), ^Sewastopol (in c. 21 Stunden für
12 R. 50, 9 R., 3 R. 20 Kop.) , Jalta (15 R. , 11 R., 3 R. , 60 Kop.) , Feodosia
(17 R. 50, 13 R., 4 R. 40 Kop.), nach Kertsch (in 48-50 St. für 21, 15, ö B.
20 Kop.) und Batum (in c. 90 St. für 39, 30 R. 50, 9 R. 80 Kop.).
Kach Nikolajew im Sommer täglich ausser Sa. (im Winter 3mal
wöchentlich) in 8 St. für 3, 1 R. 80, 80 Kop. ; nach Chersson in 9 St. für
3 R. 60, 2 R. 40 Kop., 1 R.
Xach Constaniinopel: Bamp/er der russischen Gesellschaft für Dampf-
schifffahrt 3mal wöchentl. in 38-48 St. für 23 u. 15 R. \ Oesterr. Lloyd und
Florio-Rubattino im Sommer Imal wöchentlich, im Winter alle 14 Tage.
Fahreeit e. 36 St., Fahrpreis 45 u. 32 fl. resp. 23 und 15 R.
Odessa, Hauptstadt des Gouvernements Chersson, mit einem
eigenen Stadtgebiet von 462,5 qkm, Sitz eines Generalgouvemeurs,
des Generalcommando*s des VIII. Armeecorps, eines Appellgerichts.
eines Erzbischofs u. s. w. , viertgrösste Stadt Russlands mit c.
Kirchen. ODESSA. 33. RouU. 403
220,000 Einw., daranter gegen 8000 Deutsclie , zahlreiche andere
Ausländer, fast Vs Juden, wichtigste Handels- und Fahrikstadt
am Schwarzen Meere (bes.Eisengiesserelen, Seifen-, Leim-, Stärke-,
Malz- und Tabakfabriken, Spiritusbrennereien, Salzsiedereien
(S. 408) u. 6. w. Am bedeutendsten ist der Getreidehandel : die Aus-
fuhr an Kornfrüchten betrug im J. 1863 : 60 Mill. Pud , der Ge-
sammtwerth derselben betrug 60 Mill. R. ; die Einfuhr überstieg
44 Mill. R. — 2146 Seeschiffe liefen 1883 den Hafen von Odessa an.
Die Rhederei ist grösstentheils in den Händen der ,, russischen Ge-
sellschaft für Dampfschififfahrt und Handel.'^
An Kirchen besitzt Odessa mehr als 20 orthodoxe , 2 deutsche
evangelische, je eine englische presbyterianische, römisch-katho-
lische, armenische, 2 Klöster, 6 Synagogen, wovon eine karaitisch,
zahlreiche Wohlthätigkeitsanstalten wie das städtische Hospital
(PI. 9:03) mit 2000 Betten u. s. w. Von gelehrten und Bildungs-
anstalten sind vorhanden eine Universität mit guten Laboratorien,
Sternwarte und Bibliothek , geistliche Semlnarien , mehrere Gym-
nasien und andere Schulen, ein deutsches Realgymnasium, eine
Stadtbibliothek) ein Alterthumsmuseum hauptsächlich für pon-
tische Alterthümer u. s. w.
Das Beseript, durch welches Katharina II. die Gründung der Stadt
befahl, datirt vom 27. Mai 1794. Den Namen erhielt die neue Stadt,
welche aus dem kleinen tatarisch-türkischen Ort Chadjibey erwuchs, ver-
muthlich von dem bei Arrian, Per. Pont. Eux. XX, 2 erwähnten sarma-
tischen Hafen Odessus, der in der l^ähe gelegen haben soll. Von [1817
bis 1847 war Odessa Freihafen ; grosse Verdienste um die Stadt erwarben
sich als Generalgouverneure der Herzog von Bichelieu und Fürst Woron-
zow (s. S. 405). Seit 1874 besitzt die Stadt eine gute Wasserleitung, die
ihr das Wasser des Dnjestr aus e. 40 W. Entfernung zufährt. Den leb-
haften Aufschwung in neuerer Zeit verdankt Odessa seinem Anschluss
an das Centralrusslsche Eisenbahnnetz. — 1854 wurde die Stadt erfolglos
von der französisch - englischen Flotte angegriffen ^ ebenso wirkungslos
war 1876-77 die Blokade durch türkische Kriegsschiffe,
Odessa liegt etwa 30 W. nördlich von der Mündung des Dnjestr
an einer gegen Versandung geschützten, weiten und tiefen Bucht:
c. 47 m über dem Spiegel des Schwarzen Meeres auf dem hier meist
steil abfallenden, mehrfach von tiefen Hohlwegen (Owiagi oder
Balki) durchschnittenen Plateau der pontischen Steppe, an dessen
Bande es sich c. 6 km lang hinzieht. Breite sich rechtwinklig
schneidende Strassen mit gutem Granitpflaster, vielfach mit Baum-
reihen versehen, steinerne Gebäude, unter denen besonders die
Getreidespeicher durch ihre Grösse auffallen, machen die Stadt
zu der regelmässigsten und stattlichsten Russlands, der andrer-
seits das Meer und die südliche Lage wie das orientalisch - süd-
liche Bevölkernngsgemiseh einen eigenthümlichen Reiz verleihen.
Das Baumaterial für Odessa lieferte der weiche Muschelkalkstein,
welcher sich unter der Lehmschicht des Steppenbodens findet , so-
dass ein Theil der Stadt, namentlich die Moldawanka (S. 407) voll-
ständig unterhöhlt ist ; die Steine für das Strassenpflaster wurden
aus Alexandrowsk am Dnjepi (S. 409) bezogen. Durch grösste
26*
404 Baute 33, ODESSA. BouUvard.
A\)sdauer und sorgfältigste Pflege wurden dem undankbaren Boden
Anpflanzungen abgerungen, die bei der völlig baumlosen Um-
gebung mit Becbt der Stolz der Odessaer sind, so im Südosten der
Stadt, der AUxanderpark mit dem neuen Boiüevard, Prlvatgärten
mit Landhäusern (Datschen) ziehen sich an der Ostseite auf dem
Abhang zum Meere hin. Alle freilich haben unter dem Erbübel
Odessa's, dem unsäglichen Staub zu leiden.
Den schönsten Theil der Stadt bildet der BoideTftrd (PI. D £
4, 5), der sich am Rande des Abhangs oberhalb der Häfen hinzieht,
auf der einen Seite von palastähnlichen Gebäuden, auf der anderen
von vier Reihen Bäumen und Anlagen begrenzt, überall mit pracht-
voller Aussicht auf das Meer, im Sommer der Sammelplatz der
vornehmen Welt Odessa's, wie im Winter die Deribassowskaja. Er
erstreckt sich genau von N. nach S. ungefähr 450 m lang. Im Nor-
den bildet das Woronxow^aehe Falais den Abschluss der imposan-
ten Häuserreihe. In der Mitte derselben das kaiserliche Schloss
(^BOpem), ehemals den Naryschkin gehörig, zugleich Wohnung
des General-Gouverneurs (PL D 4, 5 ; unzugänglich). Fast in der
Mitte des Boulevard, vor dem Eingang zur Katharinenstrasse, steht
die Statue desHerzogB vonBichelien, Generalgouverneur 180S-1814
(S. 403), auf das Meer blickend. Am Sockel des an sich unschein-
baren Denkmals, ausser der Inschrift Reliefs mit allegorischen
Darstellungen (Handel,Wohlstand, Gerechtigkeit) und eine Kanonen-
kugel , welche bei der Beschiessung der Stadt durch die Engländer
das Denkmal beschädigt haben soll. Vor dem Denkmal führt eine
mächtige, über 20 m breite Granittreppe von 193 Stufen, an deren
unterem Ende sich eine hübsche Kapelle befindet, zum Meere hinab.
Die Treppe hinabsteigend erblicken wir r. den trefflich eingerich-
teten, völlig isolirten Quarantänehafen, für alle vom Ausland
kommenden Schiffe. Auf dem 1*/? km langen Molo, welcher den
Hafen s. abschliesst , läuft ein vom grossen Güterbahnhof (PL A 9)
ausgehender Schienenstrang entlang; auf der Ostspitze ein Leucht-
thurm mit mehrfarbigem Licht. Daneben 1. der PlatonowskVsche
( IIiaTOHOBCKafl raBaHb) und der Praktische (Handels-) Hafen
(IIpaKTHqecKafl raBaeb), in welchem die städtischen Badeanstalten,
beide für die aus russischen Häfen kommenden Schiffe bestimmt
und durch mächtige, über 1 km lange Molen nach dem Meere zu
abgeschlossen. Am weitesten 1. der Androssowski'ache Hafen (Ah-
ApacoBCKaii raBanb). Am Nordrande der Bucht zieht sich die Vor-
stadt Pereasyp entlang.
Am Südende des Boulevard erhebt sich das stattliche, in grie-
chischem Styl mit breitem Porticus erbaute Stadthaus (Duma ; PL 3 :
D 5) mit der Börse (Di. und Fr. Börsentage) , 1871 bedeutend er-
weitert; der prächtige grosse Saal wird im Winter auch zu Con-
certen u. a. benutzt.
An den Boulevard grenzt w. von der Duma ein massig grosser
asphaltirter Platz, in welchen die Puschkinskaja (S. 406) einmün-
Häfen. ODESSA. 33, Route, 405
det. An der Ostseite die Stadtbibliothek (PL E5), geöffnet täglich
von 10-2 und 4-7 (im Winter bis 8) Uhr, in weicher auch das itf«-
seum , hauptsächlich Funde aus den altgriechischen Oolonien an
der Nordkäste des Schwarzen Meeres enthaltend , untergebracht ist
(Eintritt 30 Eop.). — ]>6r Bibliothek gegenüber auf der anderen
Seite der Lansheronskaja , welche ö. zum Hafen hinabführt, das
grosse Gebäude der russischen Oesdlschaft für Dampfschiffahrt
und Handel (S. 402).
Der Lansheronskaja in w. Richtung folgend gelangen wir am
(r.) Englischen Klub (PI. 4; s. S. 401) voioiber zum Theaterplatz
(TearpaJirHaii njornaxb) mit dem neuen, 1887 eröffneten Stadttheater
(PI. 27), nach dem Vorbild des Dresdner Hoftheaters erbaut. Rei-
cher Figurensehmuck ziert Porticus und Attica des Hauptportals
an der Südseite des Gebäudes. Die Deckengemälde des auf 2000 Per-
sonen berechneten Zuschauerraums (nur Sitzplätze) und der Vor-
hang mit Scenen aus Puschkin's „Russlan und Ludmilla" rühren
von Lefler aus Wieu her. — An der Ecke des Theaterplatzes das
Haus Bellino mit grossen Magazinen, gegenüber das sogen. FcUais-
Royal, welches Läden, Restaurant, Garten u. s. w. enthält.
Von hier führt r. die Deribassowskaja , mit den glänzendsten
Läden der Stadt , in welcher r. an der Ecke der Jekaterinskaja das
mächtige Gebäude der griechischen Schule (Fpe^ecKoe KOMMep-
HecKoe jHBinme) , zum StadtiMhen oder Xrons-Garten (FopoACKofi
HiH Kaaesitiiiä ca^i , PI. 0 D 5) , trotz seiner neuerdings erfolgten
Umgestaltung noch einer der besuchtesten Yergnügungsorte der
Odessaer. Daselbst ein Restaurant und eine Mineralwasserfabrik,
verbunden mit Kumyss- und Kephiranstalt. Im Sommer finden
Abends häufig Concerte statt, im Winter ist hier eine Eisbahn.
Weiter, die Preobrashenskaja (s. unten) kreuzend , zum Ssobor-
Flatz (PI. 0 5), mit hübschen Anlagen, Springbrunnen, Spiel-
plätzen u. s. w. An der Westseite des Platzes die Kathedrale (PI. 13 :
0 5), 104 m lang , 42 m breit, 50 hoch , mit 81 m hohem Glocken-
thurm; äusserlich unschön, z. Th. noch aus Holz erbaut, im Inneren
glänzend ausgestattet. R. vom Haupteingang das Grabmal des
Fürsten Woronzow (s. unten), daneben eine 18218 erbeutete Türken-
fahne. In den Anlagen vor der Nordseite der Kirche steht das
Senkmal des Fürsten WoronBOW, des Generalgouverneurs von
Odessa von 1823-1856. Den Sockel aus grünem poliertem Granit
zieren ausser der Inschrift Reliefs mit Darstellungen aus dem Leben
des Fürsten.
Vom Ssoborplatz führt n. die Koblewskaja , in welcher r. der
Circus Salamonsky, zum Neuen- Bazarplatz ( HoBOÖaaapaafl
DioniaAb; PL 04), auf welchem täglich Markt stattfindet. Die un-
schönen Kaufbuden überragt die grosse Ssrjetinskaja oder Nowo-
bazarnaja Kirche (CplTHECKaa aepKOBb; PL 20), ein mächtiger
Bau mit fünf Kuppeln; im Inneren kaum sehenswerth. — Zurück
durch die Koblewskaja zur Dworßanska^a , in welcher sich r. (w.)
406 Rofäe 33. ODESSA. Neuer Bahnhof.
am Ereuzungspunkt mit der Jamskaja (Fahrmannsstrasse)\ einer
der ältesten Odessa's, die einfache lutherische Kirche (PI. 15) , ge-
wöhnlich. NJemetzkaja (deutsche) -Kirche genannt, befindet. Hinter
der Kirche die der lutherischen Gemeinde gehörigen Gebäude: das
Pfarrhaus, »Schule, die St. Pauli-Realschule, Waisen- und Siechen-
haus ; ein Krankenhaus ist im Bau. — L. (ö.) führt die Dworjans-
kaja auf die an der Ecke der Cherssonskaja gelegene NeuTU$fi8che
Universität (HoBopycKiä yEHBepcHTeT-B , PI. 28 : C 4) , welche zu-
gleich archäologische, naturwissenschaftliche u. a. Sammlungen
(geöffnet Sonntags 12-2 Uhr) enthält. Die Universität zählte 1883 :
45 Docenten und c. 400 Studirende. — Am n. Ende der Cherssons-
kaja die grossen Hospitäler (PI. 8, 9: BC 3). S. führt die Cherssons-
kaja zur Preohrashenskaja, der längsten Strasse Odessa's (c.2V2km),
mit Baumreihen und Anlagen. Nahe dem n. Ende der Strasse das
hellrothe Gebäude der Handelsaehule (KoHMepiecKoe y«iHiHiiie,
PI. D 4). Kurz vor derselben führt der Kasarmenny Pereulok zur
NadjeshdinikajOy einer kurzen aber prächtigen Strasse, von welcher
ebenfalls eine Treppe zum Hafen hinabführt. R. zweigt von der
Nadjeshdinskaja die Ssabanjejewbrücke ab zum Katharinenplat»,
der mit Anlagen geziert ist. Von hier gelangen wir 1. zum Richelieu-
denkmal und dem Boulevard (S. 404), während s. die Jekaterinskaja
einmündet , ebenfalls eine der Hauptstrassen Odessa's. Dieser fol-
gend gelangen wir zur römisch-katholiachen Kirche (PI. 19: D 6),
neuerdings restaurirt und im Inneren reich geschmückt. Gegen-
über das Hauptpostamt (PI. 26) y an der Ecke der Fotschtowaja,
welche r. zu dem w. mit der Jekaterinskaja parallellaufenden Ale-
xandrowski-Prospect führt , einer breiten Strasse mit Baumreihen,
Springbrunnen und zahlreichen Läden , meist im Besitz jüdischer
Kaufleute. Ungefähr in der Mitte der Strasse die grosse Pokrows-
kaja- Kirche (PL 16: D 6). N. schliesst der griechische Bazar
(FpeqecKiM Öasapi ; PL 24), s. der alte Bazar (Crapuft öasapi) den
Prospect. Von hier durch die Usspenskaja mit der Vsspentka^a-
Kirche (ycnencKafl iiepKOBfc ; PL 22: C 6) zurück zur Jekaterinskaja,
in welcher sich 1. am Schnittpunkt mit der Trtyitzka^a die Troitz-
ka Ja- Kirche (Tpo^UKaa KepKOBfc; PL 21: D 6) erhebt, während Ö.
das Nonnenkloster (^'bsM^iä MOHaoHupfc ; PL E 6) den wirkungs-
vollen Abschluss dieser breiten und schönen Strasse bildet. Ihr
Ende erreicht die Jekaterinskaja am Priwosnaja- Platz (IIpiiBOSBaji
HiODiaAb ; PL D 7) , von welchem der Weg zum Kulikowo Pole
(Schnepfenfeld) führt. Hier erhebt sich der Neue Bahnhof, 1884
eröffnet , ein monumentales Gebäude im Stil italienischer Renais-
sance. Auf der (r.) Abfahrtsseite befinden sich die Diensträume
und Wartesäle, auf der (1.) Ankunftsseite die Gepäckexpedition,
Restaurants, Wartesäle u. s. w. — Zur Osterzeit findet auf dem Ku-
likowo Pole ein Jahrmarkt mit allerlei Volksbelustigungen statt.
Vom Bahnhof gelangen wir durch die Puschkintkaja , früher
Italianskaja genannt, in welcher r. zwischen Polizeiskaja und
Limant. ODESSA. 3d.R(mte, 407
Gretscheskaja an dem Hanse Siccard eine Tafel an den Aufenthalt
Puschkin's (3AlCb SHib DyiiiKHH'B bt» 1823 roAy : hier wohnte Pusch-
kin im J. 1823) erinnert, zur Duma und dem Boulevard (S. 404)
zurück.
Die Vorstädte Odessa's, Peressyp im N. , Nowaja Sslohodka im
N.-W. , Moldawanka und Melnizy im S.-W. , sind meist von der
Arbeiterbevölkerung bewohnt und für den Fremden ohne Interesse.
In unmittelbarer Nähe Odessa's liegen s. die beliebten Ver-
gnügungsorte : der Alezanderpark und der neue Boulevard (Pferde-
bahn 10 Kop., s. S. 401), mit einem Restaurant; im Sommer finden
hier bei günstiger Witterung, Concerte statt. Etwa 10 Min. weiter
Laasheron oder Bellevu^f wo sich eine Gartenwirthschaft und ein
gutes Seebad befinden. — Von Lansheron führt ein schöner Fuss-
weg am Meere entlang an zahlreichen Datschen und Privatgärten
vorbei über Xlein^Fontan oder die kleine Fontäne (Pferdebahn , s.
S. 402) mit Gartenrestaurant (Concerte) und Seebädern, und Mittel-
Fontan (Dampfstrassenbahn , s. S. 402) , ausgezeichnet durch vor-
trefflichen Badegrund, nach QroM-Fontaa, einem russischen Dorfe
mit grossem Kloster, zu welchem alljährlich am 22. Aug. eine Wall-
fahrt stattfindet. Hinter dem Kloster auf einem Vorsprung ein
hoher Leuchtthurm mit elektrischem Licht. -— Den Namen führen
die drei Orte von einer Quelle , welche früher Odessa mit Wasser
versorgte.
Die Limane von Odessa.
Die Limane von Odessa sind nicht mehr ais eigeniliehe Limanet)
anzusehen, weil sie völlig vom tfeere abgeschnürt und nicht von einem
Süsswasserlanf dnrchflossen sind. Ihr Wasser besitzt daher einen er-
heblieh höheren Salzgehalt als das der speciflseh so benannten Wasser-
hecken an der Küste des Schwarzen Heeres, wennschon ihre Entatehungs-
art zweifelsohne die gleiche ist. — Die Wirkungen der Limanbäder sind
denen der Seebäder des schwachsalzigen und wenig bewegten Schwarzen
Meeres ziemlich gleich. Die Temperatur des Wassers schwankt im
Sonmier je nach den Monaten von il-dOP C. — Von besonderer Wichtig-
keit sind die Moorbäder, welche aus dem den Boden der Limane 0,9-3,25 m
hoch bedeckenden Schlamm bereitet werden. — Auch der an den Ufern
in grosser Ausdehnung angehäufte feine Sand, von der Sonne oft bis zu
ö^*' G. erhitzt , wird zu Sandhädem benutzt. Bndlich findet der an den
Ufern sich ansetzende Schaum, getrocknet als Friktionsmittel oder als
Ersatz für Moorbäder Verwendung. Wirksam sind die Limanbäder vor-
züglich bei Skrofeln, Gicht ^ Rheumatismus, nervösen Affectionen und
Hautkrankheiten.
Der Kujalnik-Liman (KysibUHUKitt iHMani. — Zweigbahn vom
Hafenbahnhof s. S. 401 ; Züge während der Saison fast stündlich
in 35 Min. für 45, 37, 13 Kop.) n. ö. von Odessa ist c. 30 km lang,
f) Unter Liman (vom griech A'fjfjv Hafen) versteht man einen Meeres-
einschnitt an einer Flussmündung, durch einen aus Sinkstoffen des Flus-
ses gebildeten schmalen Landstreifen, Peresspp (Hepecbin-b) genannt, his
auf eine oder mehrere geringe Oefinungen vom Meere getrennt. Die Ge-
winnung des beim VerduDsten des Wassers im Sommer den Boden des
Liman bedeckenden Salzes bildet ein wichtiges Regal.
40d Route 33. ODESSA. lAmane.
über 2 km breit , durcbschnittlicb 3 m tief und liegt etwas über
3 m unter dem Spiegel des Schwarzen Meeres , von welchem er
durch einen fast 2 km breiten Landstreifen getrennt ist. Am s.-w.
Ende des Liman , an der ihn vom Ghadshiweisky-Liman (s. unten)
trennenden Bodenanschw^llung liegt die HeüanstcUt des Dr. Brusi-
lowsky, mit Einrichtungen für Moor-, Sand-, warme und kalte
Bäder (Preis für ein Moorbad IV2 R«, warmes Bad ^/^-i R., Seebad
15 Kop. incl. Handtuch). Am gegenüberliegenden s. ö. Ufer ein
grosses ScUzwerk,
Der Chadiluweisky-Limaii (XaiSHBeeBcntt iHiiaHi. — Pferde-
bahn in 40 Min. 8. S. 402) c. 7 W, (n.-w.) von der Stadt entfernt,
ist c. 33 km lang , 2^/t km breit und c. 4 m unter dem Spiegel des
Schwarzen Meeres gelegen ; sein Peressyp (s. unten) ist schon über
4 km breit. An der Westseite befinden sich Datschen für Sommer-
gäste und Badehäuser. — Etwa 1 km s.-w. vom Liman liegt eine
Filiale des städtischen Hospitals in Odessa (S. 403) , von einem
grossen Park umgeben, in welcher c. 3Ö0 Kranke Aufnahme finden
können. Eine Dampfmaschine pumpt das Wasser des Liman in
die im Park belegene comfortable Badeanstalt.
Der Liman tob Klein - Liebenthal (Llneiken s. S. 402), 15 W.
s.-w. von Odessa bei der deutschen Colonie Klein-Liebenthal ge-
legen , hat noch am meisten seine ursprüngliche Natur bewahrt.
Er ist 11 km lang, 1 km breit, aber nur IVg m tief, und vom Meere
nur durch einen 60 m breiten Peressyp getrennt. Die Temperatur
seines Wassers beträgt im Sommer 25-31* C. — Die Heilanstalt
der Ddr. Meyer und Wagner befindet sich im s. Theile des Dorfes
und besitzt Einrichtungen für Moor-, Saud- und Limanbäder. Im
Dorf sind auch Sommerwohnungen zu haben. ^ Das Wäldchen in
der Nähe ist ein beliebtes Ausflugsziel der Odessaer.
34. Ton Charkow nach SsünferopoL
629 W. Schnelleug in 231/4 St. , Posteug in 381/3 St. für 28 B. 50,
17 R. 69, 8 E. 4 Kop.
Die Bahn durchschneidet den südlichen , noch zur Zone des
Tschornasjom (S. 375) gehörigen Theil des Gouvernements Charkow.
Stationen meist unbedeutend. 10 W. Karat8eheu>ka{K9ipikHeBEei). —
21 W. Merefa (Mepe*a) ; Zweigbahn nach Ljubotin (S. 390). —
89 W. Borki (ßopKH). — 58 W. Taranowka (TapaHOBKa). — 83 W.
Alexejewka (AieKcIteBKa , Bahnrest.). — 97 W. Bjeljajewka (Bti-
AeBKa). — 110 W. Krassnopawlowka (KpacHonaniOBKa). Die Bahn
tritt in das Gouvernement Jekaterinoslaw ein , die Getreidefelder
verschwinden , Weideflächen leiten allmählich zur Steppe über. —
112W. Neljuhowka (HeinöOBKBi). — 132 W. Loiowo oder Lo4(nra>a
(ioeoBafl, Bahnreat.)^ Knotenpunkt der Bahn nach Rostow (Rötel
Tachollokoiv; Grand Hotel) am Don; etwa l*/« St. Aufenthalt. -^
JEKATERTNOSLAW. 34. Route, 409
160 W. SsamoilowJca (CaHoMiOBKa). — 169 W. Warwarowka (BsLp-
BapOBKa). — 189 W. Pawlograd (naBiorpaAi, Bahnreat) an der
Woltschja, einem Nebenfluss des Dnjepr, Kreisstadt mit 11391
Jlinw. , lebhafter Getreide- und Viehbandel. — 208 W. Saitzewo
(SaüiieBo). — 224 W. SHnelnikowo (CHHeibHHKOBo).
Zweigbahn 41 W. in e. 2 St. für 1 R. 58, 1 E. 19, 61 Kop. naeh Je-
katerinoslaw (ERaxepHHOcjiaBi ; Hotel d'Europe) , Bauptstadt des gleieh-
namigen Gonvernements mit c. 41 000 Einw. (viel Juden) und lebhaftem
Handel in Getreide, Vieh, Wolle. Die Stadt wurde von Katharina II.
gegründet, welche hier im J. 1787 im Beisein Jo8ei)h's II. den Grund-
stein zur Kathedrale legte, — Im Sommer 3 mal wöchentlich Dampfer
auf dem Dnjepr naeh' JTteu). Unterhalb Jekaterinoslaw die Stromschnellen
„Porogen" des Dnjepr (s. unten).
Die Bahn geht weiter auf dem'Granitplateau am 1. Dnjepr-Ufer,
fast ununterbrochen durch Weideland, in welches nur die zahl-
reichen Kurgane Abwechslung bringen, kegelförmige Aufschüttun-
gen Yerschiedener Grosse, die sich vom südlichen Sibirien westlich
bis Bessarabien und Ton den pontischen Steppen bis Nordschweden
hinziehen, wahrscheinlich von finnischen Völkern herrührend, aber
auch Fundstücke slavischer Abkunft aufweisend (s. S. 2Ö5). —
246 W. Sslawgorod (CjiaBropoA%). — 271 W. Ssofi^wka (CoweBKa).
— 296 W. Alexandrowsk (AieKcaH/tpoBCKi), dorfähnliche Distrikts-
hauptstadt (4500 Einw.) am Dnjepr , Stapelplatz für die aus dem
Inneren zum Dnjepr kommenden Waären. In der wohlbewässerten
Stromniederung „Plawni" (s. unten) im Gegensatz zur Steppe üppiger
Gras- und Baumwuchs. — Im Strom die Insel Chortiza, einst Haupt-
sitz der Saporoger Kosaken (s. unten) , jetzt Niederlassung west-
preussischer Mennoniten.
Plawni (ojiaBHiie) finden sieh am Dnjepr mehrfach, z. Th. his zu20 W.
breit, mit Birken, Weiden, besonders aber Schilf bestanden, im Sommer,
wenn in der Steppe alles verdorrt, von Wild und HeefÄe aufgesucht. —
Oberhalb Alexandrowsk liegen die Granitschwellen, welche die Strom-
sohnellen (Porogen) des Diyepr erzeugen,, der trotzdem die wichtigste na-
türliche Verkehrsader vom Schwarzen Meere nach dem Inneren Buss-
lands ist. In neuerer Zeit können die Stromschnellen auf den Brücken
bei Kiew und Kreinentsehug umgangen werden, auch hat man durch
Sprengungen das Fahrwasser zu vertiefen |;esueht; indessen kommen
doch jährlich noch Unfälle vor. Hier hat sich noch der Gebrauch er-
halten, dass die Schiffer vor und nach der Fahrt über die Stromschnellen
ein gemeinsames Gebet sprechen.
Von den Porogen hatten die Saporoger (d. h. jenseits d^er Strom-
schnellen) den Namen, die angebl. im x. Jahrh. sieh auf Chortiza und
anderen Dnjeprinseln bis zum Liman des Flusses niederliessen, wo sie
anfangs dem Fischfang, dann den Kämpfen gegen die Tataren oblagen.
In den Befestigungen auf den Inseln, 8tjet$chi (Ob^h) genannt, fanden nur
IJnverheirathete Aufnahme. Ihren Vorsteher (Ataman, Hetman) wählten
sie sieh selbst. Später führten Plünderungszüge zu Kämpfen mit den
Folen.^ so besonders unter dem Ataman Tarau Bulhay dessen Thaten
Gogol s gleichnamiger Dichtung zu Grunde liegen. Unter dem Ataman
Bogdan ChmelnUzkiy um die Mitte des xvii. Jahrb., führten die Kämpfe mit
den Polen zum Anschluss an Bussland, nicht ohne dass spätere Versuche
die Unabhängigkeit herzustellen, folgten. Der letzte hervorragende Ata-
man war Mazeppa (S. 395), dessen Abfall von Peter dem Grossen seinen
Sturz herbeiführte. Seitdem der Dnjepr aufhörte Grenzfluss zu sein, ver-
loren die Saporoger allmählich den Rest ihrer Selbständigkeit, ein Tbeil
410 Route 34. MELITOPOL.
wurde an den Kaukasus verpflanzt, der letzte Ssjetteh 1775 aufgekoben.
Eiji Theil war nach Dunajetz an der Donau ausgewandert, wo ihre 'Nieder-
lassung bis 1838 bestand.
Die Bahn geht noch eine Zeitlang an einem Arm des Dnjepr
und dessen wasserreicher Niederung entlang und überschreitet dann
die Konskaja, einen kleinen Nebenfluss des Dnjepr, hier die Grenze
des Gouvernements Taurien. Bei den folgenden Stationen : 312 W.
Krassnokutowka (KpaCHOKyTOBKa) , 333 W. WasHljewka (BacHJb-
eBKa), 359 W. Michaüowka (MirxaüiOBRa), 378 W. Fedarowka (Be-
AopoBKa) berührt die Bahn das Gebiet der deutschen Colonisten,
meist Mennoniten aus Süddeutschland , diß sich im Thal der Ma-
lotachnaja angesiedelt haben. Grosse weisse Häuser mit Ziegel-
dächern, Bäumen vor den Häusern, Leit^wagen mit Kummet-
geschirr in den graden Strassen, Sauberkeit und Waldparzellen an
gegen den Nordwind geschützten Stellen lassen diese Dörfer leicht
von denen der übrigen Bevölkerung unterscheiden. Grosse Schaf* und
Schweineheerden sind ausserdem für die Gegend charakteristisch.
400 W. ICelitopol (Bf eiHTOnojb ; Bahnreet,)^ Kreisstadt an der
Malottchnaja mit 4852 Einw., ist Mittelpunkt der colonialen Ad-
ministration und des Handels der umliegenden deutschen Gemein-
den. — Bei der folgenden Station (425 W.) AJUmowka (AmvoBKa)
erblickt man zuerst Tataren in grösserer Zahl. Die Gegend wird
völlig öde, wo der Graswuchs fehlt, ist der Boden mit zahllosen
Versteinerungen bedeckt, aus denen auch der Bahndamm grössten-
theils besteht. — Es folgen unbedeutende Stationen. 450 W. Nowa-
Origorjewka (HoBO-rpiiropbeBKa). — 472 W. Bykotoo (Pukobo). —
485 W. Nowo-Alexejewka (HoBO-AjeKcteBia).
Zweigbahn, 14W. in ViBt. für 59,40, 21 Kop. nach Genüaehesk
(FeHEHecRi}, fester Platz mit 2000 Einw. an der Kinfahrt vom Asow 'sehen
zum Faulen Meer.
Die Bahn geht auf der Halbinsel Tschongar entlang und fiber-
schreitet auf schmalem Damm das Faule Meer, Saiwasch (CHBami)
genannt, einen 150 km langen, 3-22 km breiten stagnirenden See,
der die frühere Insel und jetzige Halbinsel Krim vom Festlande
trennt. In der Nähe des Bahndammes sind Pyramiden des aus dem
Ssiwasch gewonnenen Salzes, Skirde (Ckhpai) genannt, aufgeschich-
tet. — 510 W. Tschongar (HoHrapi»). — 516 W. Ssiwasch (CiiBaim),
beide auf der Landenge. — 525 W. Taganasch (Taranami ; Bahn-
rest.), erste Station auf der Halbinsel. Durch völlige Steppe über
534 W. Dshankoi (^»aHKott) , 566 W. Kurman - Kemeltschi (Kyp-
MaHb-KeHeiMH) , 591 W. ß/}wfc-Ow?ar (BiroKi-OHiap-B), 611 W.
Ssarabus (Capaöyai) nähert sich die Bahn allmählich dem Hügel-
lande, in welchem sich das Jailagebirge (s. unten) nach Norden
abdacht. Frische Wiesen und miteleuropäischer Baumwuchs er-
freuen das Auge. — Am Ssalgir (Caarupi»), dem grössten Flusse
der Krim , der , im Sommer wasserarm , im Winter als Giessbach
dahinbraust, entlang erreicht die Bahn (629 W.) Ssimferopol s. S. 412.
411
35. Die Krim.
Eine Ausdehnung der Reise auf die Krim mit ihren landschaftlichen
Schönheiten und ethnographischen Eigenthümliehkeiten ist mit ^em Be-
such von Moskau (Eisenbahn s. B. 38. 82. 34) oder Odessa (Dampfschiffe'
8. S. 402) unschwer zvl verbinden, vgl. Einleitung 8. xi. Ebenso wird,
wer etwa vom Kaukasus herkommt und über Odessa Rusäland' zu ver-
lassen gedenkt, leicht und mit Genuss diese Gegenden aufsuchen,
vgl. S. 417.
Die Krim oder Taurische Halbinsel liegt zwischen dem 44. und
46. Parallelkreis n. Breite und dem 50. bis 54. Meridian ö. von
Ferro. Ihr Flächeninhalt beträgt 25 727 qkm; Ö. wird sie vom
Asow'schen, w. und s. vom Schwarzen Meer,T)eide durch die Strasse
von Kertsch oder Jenikale verbunden, n. vom Faulen Meer oder
Ssiwasch bespült. Eine landfest gewordene Insel , hängt sie nur
durch die 4 km breite Landenge von Perekop mit der Festlandküste
zusammen, mit der sie aber durch fortdauernde Anschwemmung
immer mehr verwächst. Der n. Theil der Halbinsel ist völlig eben
und wasserleer, reich mit Kurganen (S. 255) besetzt, belebt nur
durch grosse Schafheerden und Pferdetabuue, zu denen sich das
Kamel als Lastträger gesellt. Beim 45. Parallelkreis beginnt ein
hügeliges Vorland, welches zu dem s. Gebirgsdrittel der Halbinsel,
dem Jaila (d. h. Alpen) -Otbirgt überleitet, welches sich vom Cap
Ssaritsch bis über die Bai von Ssudak hinaus an der c. 160 km
langen Südküste entlangzieht, und in seinen höchsten Erhebungen,
dem Kernel Agerek und Tschatyr Dagh zu 1519 m ansteigt. Frucht-
bare, wohlbewässerte Thäler, wie das der Alma, des Belhek, der
Tschomaja und des Sscdgir , des grössten Flusses der Halbinsel,
durchziehen das durch Reichthum an Wäldern ausgezeichnete Ge-
birge. Während aber die sich allmählich abdachende Nordseite
desselben, im Jahresmittel der Temperatur der steilabfallenden Süd-
seite um fast 2^ C. nachsteht und ganz mitteleuropäischen Pfianzen-
wuchs zeigt, gedeihen an dem vor den eisigen Steppenwinden ge-
schützten Südabhang immergrüne Laubgewächse und Südfrüchte.
Südliche Vegetation und hohe landschaftliche Schönheit, auf der
Vereinigung von Meer und Gebirge beruhend, machen die Südküste
der Krim zu einem der Ibevorzugtesten Landstriche Europas.
Die ältesten Bewohner der Halbinsel, von denen wir Kunde haben,
waren die TaurieTy ein barbarisches Volk, von den die pontische Steppe
bewohnenden Skythen hierher zurückgearängt. Später siedelten sieh
griechische Golonisten an, Dorler aus Herakleia in Chenontius (S. 417),
Jonier aus Milet in Theudosia (S. 422) und Pantieapaeum (S. 423), von den
Griechen auch einfach Bosporus genannt. Das bisher seiner rauhen Ufer-
landschaften wegen als das „ungastliche" (d^stvoc) bezeichnete Meer hiess
nun das „gastliche'^ (tö^sivoc). Die Arehonten von Pantieapaeum nannten
sich seit dem iv. Jahrh. v. Chr. Könige des Bosporus ; ihr Beieh fiel im
II. Jahrb. v. Chr. an Hithridates VI. von Pontus (120-^ v. Chr.), welcher
seine Herrschaft aber die ganze taurische Halbinsel und die Küsten der
Maeotis ausdehnte. Seit Augustus ein römischer Glientelstaat, wurde das
pontische Reich um die Mitte des iv. Jahrh. n. Chr. dem oströmischen
Reich völlig einverleibt. Die Stürme der Völkerwanderung vernichteten
412 Route 35. SSIMFEROPOL. Die KHm,
zwar aueh hier die grieehisehen Ansiedelungen, aber eine Nachblütlie
ward diesen Ländern zu Theil, als während der Kreuzzüge der Handel
mit Indien den Weg von Tana an der Hündung des Don (an der Stelle
des heutigen Asow), an diesem entlang, dann an der Wolga abwärts zum
Kaspisehen- und Aralsee, und am Oxus aufwärts über den Hindukuscb
einsehlug. Dies« Handelsinteressen Venedigs führten wesentlich zur
Gründung des lateinischen Kaiserthums (1204). Bald aber wurden die
Venetianer durch die Genuesen verdrängt, welche Eupatoria, Balaklava
u. a. Orte gründeten, und besonders Kaffa (Feodosia) cur blühendsten
Handelsstadt erhoben-, Gleichzeitig aber nahmen die Tataren den nörd-
lichen Theil der Halbinsel in Besitz, während das Vordringen der Türken
und Kämpfe mit Venedig der genuesisdien Herrschaft ein schnellea Ende
bereiteten.
Die Krim^schen Tataren waren, nachdem das Reich Dsehin-
gischan^s zerfallen, bald von der Goldenen Horde, bald von den !Nogai-
Tataren (blaue Horde) abhängig. Erst 1411 maehte sich Edigei unab-
hängig, später herrschte die Dynastie Hadschi-Gerai^s. Palastrevolutio-
nen, auswärtige Kriege und Raubzüge füllen die Geschichte des Chanat*s
ans. Ende des xvi. Jahrb. geriethen die Krim^schen Tataren in Abhängig-
keit von der Pforte; 1783 zwuig Bussland den letzten Chan zur Ab-
dankung. Xach dem Krimkrieg wanderte ein beträchtlicher Theil der Ta-
taren nach der Türkei aus-, die zurückgebliebenen sind friedliehe and
fleissige Ackerbauer, als Moslemin aber jedem Fortschritt abgeneigt. Der
äussere Typus derselben ist in Folge der starken Mischong mit griechischen
und anderen Elementen von dem ihrer mongolischen Stammverwandten
nicht unwesentlich verschieden : wenig schrägstehende Augen, Adiema5e,
schlanke Gestalt zeichnen den Krim^schen Tataren aus. — Die Tracht der
Tataren ist schon erheblich von der westeuropäischen beeinfiusst, eigen-
thümlich ist den Männern die blaue Jacke mit Silberlitze: bei den Frauen,
welche im Gegensatz zu ihren Stammverwandten in Kasan und Kaukasien
selten verschleiert gehen, bildet den Kopfputz der DsehigesSj ein längliehea
weisses, an dem Ende mit Seide - und Silberstickerei verziertes WoUen-
tuch ; ein langes weites Kleid wird über den bis zu den Knöcheln reichen-
den Pumphosen getragen, über welches häufig noch ein zweites geworfen
wird. — TJebrigens macht das Grossrussenthum in der Krim schnelle
Fortschritte, und die Zahl der Tataren verringert sich mehr und mehr.
A. Vom Ssimfebopoii nach Ssewastopol.
73 W. Eisenbahn in 2l/t St. für 2 R. 74, 2 R. 06, 1 B. 60 Kop.
Sgimferopol, GHM*eponoib(Gasth. : Steiner ^ Livadia^ St.Peter»-
bwg^ Besitzer Hr. Schneider ; Bahnrest.), die aus dem tatarischen
Ak- Metschet (Weisse Moschee) hervorgegangene Hauptstadt des
Gouvernements Taurien, am SscUgir in malerischer Umgebung, Sitz
der Regierungsbehörden, eines Bischofs und eines Mufti, mit 29,028
£inw., wovon kaum ein Drittel Tataren. Die russische Stadt, 1784
nach Annexion der Krim angelegt, hat einen wohlgepflegten Stadt-
garten, breite ungepflasterte Strassen mit stattlichen modernen 6e-
bäaden, eine grosse Kathedrale und lÖ andere orthodoxe, eine ar-
menische, eine romisch - katholische und eine lutherische Kirche.
Die Tatarenstadt mit dem grossen Bazar und 10 Moscheen , engen
und schmutzigen Strassen , zieht sich zum Ssalglr hinab. — Vor
der Zerstörung durch die Russen 1736 war hier der Sitz des Kalga-
Sultans, des Obergenerals der Krim'schen Tataren.
5 W. östl. von Stimftropol im Thal des kMnm Stalgir mit intereaaaa-
ten Felsbildungen und reicher Vegetation in der Nähe des Dorfes Mm-
mak (MaMaKi^) die Tropfsteinhöhle KUü^Koba (Roihe mhU). ~ 45 W. aüd-
Die Krim. BAGHTSOHI - SSABAI. 36, Route, 413
Ö6tl. die KosmO'DemianUcfie MinsUdeUif in wildromantischer Gebirgsfegead
am Ssatoluk-Ssu (Oeiundes Wtu»er). Etwa gleieb weit entfernt nach Bach-
Uchi-Ssarai (s. unten) bu eine empfehlenswerthe Enmyis-Anstalt. — Nach
dem Tschaiifr-Dugh und Aluschta 8. S. 432.
Die Bahn tritt in das Jaüa-Qehirge, 17 W. Alma (AjbHa), be-
kannt durch die Schlacht am 24. September 1854. Das Schlacht-
feld liegt etwa 30 W. w. you der Station.
30 W. Bachtschi-Ssarai (EaxHHcapaü). — Oasthopb: Khan-Ssa-
rai (tatarisch) in dem kleinen Ort AiUi (AaHCi), 1 W. r. von der Sta-
tion; Tsehumbuktschi - Gostinniza (jenseit der Stadt belegen),
von dem Vupeniky-Kloiter (s. unten) unterhalten, beide unreinlich. Die
beste Unterkunft ündet man im Bahnrestaurant (einige Zimmer;
Vorausbestellung nothwendig), wo auch Beköstigung (massig) zu haben
ist. — Tatarische Cafes: gegenüber dem Palast, u.v.a.
Waobm an der Station: vom Bahnhof ^naeh der Stadt 40kop. ; nach
Tschufutkaleh muss man genau aecordiren, event. die Vermittlung das
im Palastgarten wohnenden russischen Polizeimeisters (versteht in der
Begel deutsch) nachsuchen; für einen Einzelnen genügen 4B. hin und
zurück. — Nach Ttckufut-Kdleh und Tepe-Kermau ist es der steilen Wege
halber rathsamer zu reiten; auch ein Spaziergang von Bachtschi-Ssarai
nach (3/4 St.) Tschufut-Kaleh in der Morgenfrühe ist lohnend.
BachUehi^Siarai y das „Haus der Gärten^, bis 1783 Residenz
der Chane, das „Mekka*' der Krim, mit zahlreichen (35) Moscheen
und schlanken Minarets, fast ausschliesslich von Tataren bewohnt,
liegt an dem der Katscha zufliessenden Bache Tschurjük-'Ssu (Hyp*-
iDKi-Gy) in einem engen 7 km langen Felsenthal. Die Häuser liegen
unregelmässig, von Wein- und Fruchtgärten, Cypressen und anderen
Baumgruppen unterbrochen , z. Th. dicht an die Felsen gebaut an
der langen , kaum 6 m breiten Hauptstrasse , von welcher nur
wenige Seitengassen ausgehen. Die Stadt hat ein echt orienta-
lisches Gepräge , welches man am besten in etwas späterer Mor-
genstunde beobachten kann, da der Tatar frühes Aufstehen nicht
besonders liebt. Dann drängen sich in der engen Strasse Käufer
und Verkäufer, Schaulustige, Männer einen Hammel mit zusam-
mengebundenen Beinen auf den Schultern tragend, Esel mit Kör-
ben und Wasserschläuchen durcheinander, alles oft momentan in
undurchdringlichen Staub gehüllt. Die Häuser werden dabei in
der einfachsten Weisein Werkstätten und Läden verwandelt, indem
man die hölzernen Yorderwände auf klappt und so als Verkaufs-
und Arbeitstisch benutzt, worauf Leder-, Pelz- und Stahlwaaren,
Waffen aller Art, Früchte, Fleisch (oft von zweifelhafter Beschaf-
fenheit) u. s. w. in bunter Mannigfaltigkeit feil geboten werden.
Ungefähr in der Mitte der Stadt , auf drei Seiten von Häusern
umgeben und hinter einer hohen Mauer liegt der
ChaxL-Siarai, der Palast der Chane, im J. Iöl9 von Chan Abdul
Sahel-Gerai erbaut, sorgfältig erhalten und einem höheren russi-
schen Ofßzier unterstellt. Am Eingang eine Säule zur Erinnerung
an den Besuch Katharina's II. Durch einen Rundbogen , überragt
von einem Pavillon, betritt man den rechteckigen, etwa 130 m lan-
gen und 38 m breiten Hof, rechts Ton dem Palast, links von der
414 Route 35. TSOHüFüT-KALEH. DieKHm,
Moschee eingeschlossen , an welche sich zwei achteckige Kuppel-
bauten, die Mausoleen der Chane, anschliessen.
Die Moschee ist ein etwa 900 Personen fassender Kiemlich düsterer
Baum mit vergitterten Fenstern, der Boden mit Teppiehen belegt; an
der Decke hängen 2 achteckige Sterne aus Holzstäben zum Anbringen
von Lampen. Die Wände sind mit Koransprüchen bedeckt. Rechts von
der Nische, MihrcUt^ führt eine steile Holztreppe auf die Mimbtr^ eine Art
Kanzel, von welcher Freitags das Gebet gesprochen wird; daneben ein
Emporium für den Chan.
Der Palast enthalt eine grosse Anzahl Säle und Zimmer, die alle
besondere Namen führen, wie der Z>ivan, Oeriehismal^ In welchem hinter
hölzernem Gitter ein erhöhter Sitz für den Chan, Audienxtaal^ goldener
iSoal, Est' und Rcuirzimmer u. s. w. Die prächtige Ausstattung der Zimmer
entschädigt nicht für den unharmonischen Eindruck, welchen die gprellen
Farben der tatarischen und orientalischen Ornamente an den Wänden
hinterlassen. Unter den Quellen ist berühmt die ThränenqueUe ^ deren
Wasser in 15 Halbsehalen fällt, die in eine Harmortafel eingelassen sind ;
die von den Führern erzählte Sage von dem Tode der Gräfin Maria Po-
tocka, die ungerührt von dem Liebeswerben des Chans Mengli -Gerat als
Kriegsgefangene hier ihr Leben vertrauerte, ist völlig unbegründet. Be-
sonders schön ist ein Gartensaal mit Harmorbassin und und Springbrunnen.
Der Harem weist ausser dem Badezimmer nichts besonderes auf. — Das
Mausoleum enthält die Gräber der Chane und ihrer Frauen, jene an
einem Turban, diese an einer Mütze kenntlich. Die russische Ueber-
setzung der Grabschriften giebt ebenfalls die mohamedanisehe Zeitrech-
nung an. — In einem Garten hinter den Mausoleen befinden sieh die
Gräber einiger Chane und ihrer Hofbeamten.
Nach Nordosten schliesst sich an die Tatarenstadt ein schmutzi-
ges Zigeunerdorf, durch welches der Weg nach Tsohufat-Kaleh führt.
Etwa */2 W. hinter dem Dorf liegt hart am Wege das Gasthaus des
Usspensky - Klosters (S. 413). Das Kloster selbst, erst Ende des
xvni. Jahrh. gegründet, liegt (r.) hoch oben, in die Felshänge hinein-
gezwängt, nur auf Leitern zugänglich. Die Zellen der Mönche sind
in den Fels gearbeitete Höhlen und untereinander nur durch hölzerne
Gallerien verbunden. Grosse Wallfahrt am 15./27. Aug. — Weiter-
hin zweigt sich das Thal Josaphat ab mit uralter jüdischer Begräb-
nissstätte. Der letzte Theil des Weges steigt steil zu dem 600 m
hohen , kaum V4 ^* breiten Felsplateau empor , auf welchem die
jetzt verlassene Stadt liegt. Nur der Chacham (Rabbiner) mit seiner
Familie, dem der Gottesdienst in der Synagoge obliegt^ wohnt noch
hier ; die Bewohner , der jüdischen Secte der Karäer (d. h. Schrift-
getreue oder Jünger der Schriftforschung) angehörig, welche im
vin. Jahrh. nach Chr. als Reaction gegen den Talmud entstand,
haben sich in anderen Städten Südrusslands, besonders in Odessa
niedergelassen , wo sie durch Redlichlteit und Fleiss sich Ansehen
erworben haben. — Bei dem verfallenen Mausoleum der Neneked-
shan-Chanim, einer Tochter des Chan's Tochtamüjsch (1379—
14Q^), welche sich angeblich aus unglücklicher Liebe hier von dem
Felsen stürzte, prächtige ^Aussicht auf das Jailagebirge, den Tscha-
tyr-Dagh und das Meer. In der Nähe zwei Gemächer, halb in den
Felsen gehauen, als Gerichts- and Richtstätte ausgegeben. Im
Felsen, unterhalb der Stadt Höhlen unbekannter Herkunft
Jr
Die KHm, SSEWASTOPOL. 36. Route. 415
4 W. 8üdl. von Tachufat^K«leh (Beitveg) interesMnte Höhlen und
Ruinen auf dem Felsen von Tepe Kerman.
Weiterhin interessante Fahrt (man benatzt am besten den Tages-
zug , der Vormittags von Bachtschissarai abgeht). Die Bahn geht
durch hügeliges Land, überschreitet hinter einem Tunnel auf leichter
Eisenbrücke den Belhek und tritt bei (46 W.) Belbek (Beiböexi)
in das enge Felsenthal dieses Flusses. Beim Austritt aus demselben
wendet sie sich südlich nach (64 W.) Jnkjerman (ÜHKepMaHi)), östl.
der Bucht von Ssewastopol, in welche hier die Tschomaja mündet,
in ungesunder Gegend , bekannt durch die Schlacht vom 5. Nov.
1854. Von den genuesischen Befestigungen sind noch einige wohl-
erhaltene Thürme und Reste der ümwallung sichtbar. In den Felsen
zahlreiche Höhlenwohnungen aus alter Zeit. — Weiter in grossem
Bogen mit prächtigen Ausblicken auf die Bucht, den Malakow und
das Meer, dann am Vorgelände entlang und durch einen Tunnel zur
Südbucht und an dieser entlang zum Bahnhof (c. 20 Min. von der
Stadt) von
73 W. Ssewastopol (CeBacTonoib).
Gasthöfb: *WetBel) am Boulevard nahe dem Hafen, mit schöner
Aussicht ; Ki 8 1 , am Orafskaja Pristan, aufmerksamer Wirth, beide deutsch ^
Grand Hotel, am Boulevard, gegenüber dem Hotel Wetzel.
Waoev, aeeordireni nach Jalta s. S. 420. — Boox: UeberseUen über
die Bucht 20-90 Kop., weitere Fahrten accordiren.
BÄDBB, am Grafskaja Pristan (gut). — Photographien bei Luchter-
handt (deutsch), am Boulevard.
Ssewastopol , an einer etwa 7 km von W. nach 0. in das Land
einschneidenden Bucht, die von mehreren südlich abzweigenden
kleineren im Alterthum den Namen Kammbueht führte und mit
einer mittleren Tiefe von 15-18 m den besten Hafen am Schwarzen
Meer bildet, 1784 an Stelle des tatarischen Dorfes Achtiar an-
gelegt , war unter Kaiser Nikolaus Hauptkriegshafen Südrussiands
und ist namentlich denkwürdig durch die Belagerung 1854-65.
Die damals fast gänzlich zerstörte Stadt beginnt sich seit 1870 die
ihre Entwickelung hemmenden Verträge aufgehoben, und die Eisen-
bahn sie mit dem Iimera verbindet, rascher zu erholen und zählt
jetzt 26,000 Einw. Zahlreiche neue Gebäude, meist in gelbem Sand-
stein aufgeführt , breite mit Baumreihen versehene Strassen geben
der Stadt trotz der noch nicht völlig verschwundenen Trümmer-
haufen ein freundliches Ausehen. Das Pflaster von Ssewastopol ist
nächst dem von Odessa das beste in Russland.
Von dem Landungsplatz, dem Orafskaja Pristan Crpa«CKafl
npHCTaHB) führt eine steinerne Treppe mit Porticus, 1787 zu Ehren
Katharina's II. errichtet } zu dem Hause, in welchem damals die
Kaiserin wohnte , Jetzt die Post. Links zieht sich der höher ge-
legene Boulevard hin, von dem man den besten Blick auf die Stadt
und das Meer hat ; hier ein Denkmal zu Ehren Kosarsky's , eines
russischen Seeoffiziers ^ der sich 1828-29 im Türkenkriege aus-
416 B<mte35, SSEWASTOPOL. Die Krim.
zeichnete. — Auf dem Platz, den das während der Belagerung zer-
störte Fort Constantin einnahm, sind sorgfältig gepflegte Anlagen
geschaffen. Von der Veranda des Bestaurant (gut) hat man einen
schönen Blick auf das Meer ; Abends besuchte Militärconcerte.
Gleich hinter dem Boulevard erhebt sich die Kathedrale. Gegen-
über das Museum Totlehen ^ welches Geschütze und Geschosse,
Karten , Pläne und Bilder aus der Zeit der Belagerung sowie Er-
innerungen an Totleben enthält. Das Gebäude wurde dem General
von der Stadt geschenkt und ist noch im Besitz seiner Familie.
Vom Museum r. aufwärts gelangen wir zu der auf dem höchsten
Punkte der Stadt gelegenen neuen Kirche, von der man eine schöne
Aussicht auf die Stadt und das Meer geniesst. Landeinwärts führt
die Hauptstrasse zu den hochgelegenen Buinen des sogen. Thtseus-
tempelSy welcher angeblich nach dem Vorbild der Kirche Madeleine
in Paris erbaut war.
Vom Orafskaja Pristan bringt uns ein Boot nach dem gegen-
überliegenden Ufer mit der Schiff ervoratadt , ausschliesslich von
Matrosen und Schiffern bewohnt. Hier befinden sich die neuen
Marineetablissements, an deren Vollendung eifrig gearbeitet wird.
Von hier erreicht man in V2 St. den MalakowhOoel , einen alten
Kurgan, jetzt ein c. 350 m langes und 150 m breites Plateau, von
einer weissen Mauer umschlossen, der höchste Punkt der Umgebung,
dessen Erstürmung das Schicksal der Stadt entschied. Von den
Festungswerken sind nur noch Trümmer übrig; eine Steintafel er-
innert an den hier gefallenen Admiral Nachimow. Unmittelbar am
Fusse des Hügels die weitläufigen Gebäude des neuen Marine-
HospitckU und eine Statue des Admirals Lasar ew. Von oben weite
Aussicht auf die Stadt, die Bucht und das Meer ; landeinwärts auf
die „grünen (Steppen*) Hügel". Südlich, seitwärts der Strasse nach
Balaklawa (S. 418) liegt der französische Kirchhof, wohin 1863 die
Gebeine von 28,CKX) Franzosen übertragen wurden; ^\^ englischen
Kirchhöfe sind in der Nähe.
Kachdem das französich- englische Heer bei Eupatoria gelandet war
und die Russen unter Menscbikow an der Alma (S. 413) zum Rückzug
gezwungen hatte, begann am 10. Oot. 1854 die Belagerung der Stadt,
epochemachend in der neueren Kriegsführung und eine der merkwür-
digsten aller Zeiten. Der Angriff, auf die Südseite der Stadt gerichtet,
machte Anfangs geringe Fortschritte, da die Vertheidiger ihre ursprüng-
lich meist unfertigen Werke unter Todlebens genialer Leitung rasch ver-
stärkten und gleichzeitig Entsatzversuehe |(emaeht wurden . die zu den
Schlachten von Balaklawa (25. Oct.) und Inkjerman (5. Nov.) führten. Da
die Nordseite Ssewastopols frei blieb, konnte die Verbindung mit dem
russischen Heere ausserhalb unterhalten werden. Der Winter und Krank-
heiten brachten die Operationen der Belagerer zeitweilig ganz ins Stocken.
Erst nach der Ankunft des französischen Ingenieur-Generals Niel wur-
den sie lebhafter aufgenommen und] der Angri£P der Franzosen haupt-
sächlich auf den Malakow und den grünen Bt^el^ der der Engländer auf
den grouen Redan gerichtet. Im Mai 1655 übernahm der energische General
Pelissier an Stelle Ganrobert's den Oberbefehl, aber seinen stürmischen
Angriffen setzten die Vertheidiger die zäheste Ausdauer entgegen. Der
Sturm vom 18. Juni (dem Tage von Belle-Alliance) hatte so wenig Er
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Die KHm. SSEWASTOPOL. 35, Baute. 417
folg wie am 16. Aug. ein Angrifif des Fürslen Gortschakow von der
T»€hom<^a aus auf die Stellungen der Verbündeten. Erst nachdem durch
fortgesetztes furchtbares Bombardement die Festungswerke zum Theil
in formlose Erdhügel verwandelt waren, gelang es am 8. Sept. 1856 den
Franzosen, den Malakow zu erstürmen und zu behaupten, während der
Angriff der Engländer auf den Redan gänzlich misslang. Trotzdem war
damit die Stadt unhaltbar und Fürst Gortschakow zog die Besatzung auf
das nördl. Ufer der Bucht zurück. — Die Belagerer hatten zusammen 700
Kanonen in ihren Trancheen und Batterien, aus denen während der
349 Tage der Belagerung im ganzen 1600000 Schuss abgegeben wurden.
Den grossen russischen Kirchhofe auf welchem nach den amt-
lichen Angaben c. 100000 Gefallene aus den Kämpfen bei Sse-
wastopol begraben liegen, besucht man am besten, indem man sich
vom Grafskaja Pristan nach dem Fori ConstarUin übersetzen lässt
und Ton da auf der Strandhöhe entlang geht. Schon von weitem
wird die hochgelegene Kapelle des Kirchhofs sichtbar. Am Ein-
gang die Inschrift : EpaTCKafl MorHia (Bruderkirchhof). Die sorg-
fältig gehaltenen Gräber und dunklen Alleen machen einen ernsten
und würdigen Eindruck. Von hervorragenden Führern des russi-
schen Heeres ruhen hier Fürst Gortschakow und am Hauptwege
oben 1. Graf Totleben. Jedes der zahlreichen Massengräber soll
200 Todte bedecken. Auf der Hohe des Kirchhofs steht eine Ka-
pelle y in Gestalt einer c. 20 m hohen Pyramide , auf welcher sich
ein Kreuz erhebt. Auf den Seitenwänden sind die Truppentheile
unter Angabe ihrer Verluste (einzelne bis zu 4000) verzeichnet,
welche an den Kämpfen Theil genommen haben.
Unmittelbar im Westen (angenehmer Spaziergang) zwischen
der heutigen Stadt und der Quatanrtainebucht lag die im v. Jahrh.
V. Chr. von Herakleia in Bithynien aus gegründete Stadt Cherso-
nesus, später Korssun (S. 251) genannt, in welcher sich Grossfürst
Wladimir 988 taufen liess. Nur ganz unbedeutende Trümmer sind
noch vorhanden.
Etwa 10 W. südl. von Ssewastopol liegt hart am Meere zum Theil auf
künstliehen Terrassen, das St. Georgs-Kloster (Gbat. Teopris MOHacTupi») in
der Nähe des Cap Fiolente^ des alten Vorgebirges Par<Aeni«m, wohin man
das Heiligthum der Artemis, in welchem Iphigenie („das Land der Grie-
chen mit der Seele suchend **) Priesterin war, verlegt. — Oestl. über
Inkjerman (S. 414) nach Mangup-KcUeh ^ hochgelegene Ruinenstadt.
B. Von Ssewastopol nach Kebtsch. Die SOdküste deb Kbim.
Vgl. die ndtenstefunde Kctrte m 1 : 600^000.
Bbi8bpi/Ak: Für die von Westen und Norden kommenden Beisenden
ist Saetcastopol der geeignetste Ausgangspunkt zu einem Besuch der Süd-
küste der Krim Den schönsten Theil derselben, die Strecke von Sse-
wastopol bis (83 W.) Jalta, bereist man am besten zu Wagen; die Fahrt
beansprucht etwa 11 St., mit Mittagsrast 15 St.; frühzeitiger Aufbruch
ist rathsam, damit man vor Eintritt der Dämmerung Jalta erreicht. Sehr
lohnend ist auch eine Ausdehnung der Fahrt bis (1124 W.) ^<tMcAto, womit
sich die Besteigung des Tschatyr Dagh verbinden lässt. Bsudak^ Feodoaia
und Kertseh besucht man mit dem Dampfschiff (s. unten); ebenso ist es
rathsam, falls die Bückkehr über Ssewastopol geplant ist, diese zu SchitV
Bussland. 2. Aufl. «*
418 Route 35. BAID AR-THAL. JHeKHm.
zn machen, wo dann das ganze herrliclie Efistenbild noeh einmal am
Auge vorüber zieht; die Dampfsehifffahrt von Jalta nach Ssewastopol
dauert etwa 5 St. Wer von Osten mit dem Schiff kommt und hei Kertsch
beginnt, wird umgekehrt die Landreise von Jalta nach Ssewastopol vor-
ziehen. — Die günstigste Reisezeit sind April und Hai, wenn selbst die
Steppe im Blüthenschmuck prangt; in den späteren Sommermonaten ist
die Hitze oft unerträglich und die Vegetation erstorben. Das Meer ist
im Winter, Frühjahr und Herbst sehr stürmisch, vom Juni an dagegen
meist völlig still.
Die Gasthöfe in Ssewastopol, Jalta und ürsuff sind gut, in Alusehta
und in anderen Orten leidlieh. Wer während der Fahrt mit kalter Kost,
wie sie in den Gasthäusern zu haben ist, fürlieb nimmt, braucht keinen
Proviant mitzunehmen.
Ein Waobn (bequeme Troika mit 3-4 ausdauernden Steppenpferden)
von Ssewastopol nach Jalta kostet 20-25 R. ; Rüekfuhren , während der
Saison meist zu finden, 18 R. Die Benutzung eines solchen Privatwagens
ist der der Po$t vorzuziehen, weil der Reisende auf den Stationen häufig
zu längerem Warten verurtheilt ist, wenn höhere Beamte die Bezirke
bereisen, denen unbeschränkte Verfügung über alle Vorspannpferde
zusteht.
Die Damppbb der Rttisischen Oesellsehctft für Damp/achijffyahrt und Han-
del in Odessa sind durchaus reinlich und comfortabel, haben geräumige
und luftige Cabinen und ordentliche Verpflegung; die Hauptmahlzeiten
werden gemeinsam eingenommen. — Fahrpreise von Sseuxuiopol naeh
Jalta: 3 R. 15^ 2 R. 30, 80 Kop. ; nach Ssudak 4 R. 30, 2 R. 60. 1 R. 50 Kop. ;
nach Feodosia 6 R. 30, 4 B . 50, 1 R. 80 Kop. ; nach Kertteh ll R., 8 R., 2 R.
50 Kop. Abfahrtszeiten s. die Gursbücher.
Die Strasse von Ssewastopol (S. 415) nach Jalta geht
anfänglich südwärts über die Steppe, deren eigenthümliche Schön-
heit sich mehr in sternenklaren oder mondhellen Nächten als bei
Tage zeigt. R. Hegt der französische Kirchhof; dann folgt 1. einer
der englischen , endlich hochgelegen ebenfalls 1. der Italienische.
Bald biegt der Jämschtschik (Fuhrmann) von der Strasse ab, wohl um
Weg zu sparen, aber auch um seinen Ortssinn zu zeigen. Nur Step-
penkräuter, namentlich Kletten (Xanthium splnosum) und vereinzelt
niedriges Gestrüpp bedecken den Boden , während nur der Knall
der Peitsche und der einförmige Gesang des Fuhrmanns, sowie das
Tönen der harmonisch abgestimmten GlÖckchen der Troika , ohne
welche nach der Volksmeinung keine Steppenfahrt glücklich ver-
läuft, allein die völlige Stille unterbrechen. Schon bei der ersten
Station nimmt die Vegetation zu. Hinter einem engen Thal , der
Kamarskaja Dolina, beginnt die Wobonzow-Stbassb, die schönste
Kunststrasse Südrusslands, nach ihrem Erbauer, dem General-
gouverneur Fürsten Woronzow (S. 405) l^enannt. Allmählich senkt
sich der Weg hinab nach (12 W.) BcUaklawa (EajiaKjiaBa) , einem
unbedetitenden Ort , aber malerisch an einer bis auf eine schmale
Einfahrt ganz von Felsen umschlossenen Bucht von etwa l'/t km
Länge und 1 km Breite gelegen , im Krimkriege Hauptstutzpunkt
der Engländer, deren Stellung am 25. Oct. 1854 von den Russen
erstürmt, aber von den Franzosen wiedergenommen wurde. Ein
grosses A an der Felswand bezeichnet die Stelle, wo 1854 das
französische Transportschiff Antilope mit 600 Mann versank.
Auf die Bucht von Balaklawa bezieht man Homer^s Schildemng der
Die KHm, ALÜPKA. 35. EotUe. 419
Lästrygonenbacht Odyss. X, 86-94. Im Alterthum hiess sie Symbolon
portuSf als genuesische Golonie Cembalo; von letzterer sind noch Ruinen
erhalten-
Durch Elchen- und Buchenwälder ahwärts biegt nun die Strasse
ö. in das Baidarthal (Baä^apcKafl /(ojiHHa) ein, wo anfangs zwischen
den steilen Felswänden nur für den Bach und die Strasse Raum
bleibt. Später erweitert sich das Thal zu einem unregelmässigen
Oval von 17km Länge und 8-10 km Breite, berühmt und viel-
besungen wegen seiner fruchtbaren Felder, seiner grünen Wälder
Matten, die es den zahlreichen Quellbächen der Tschornaja (Mep-
Haaj verdankt. Zahlreich finden sich hier prähistorische Bauten,
die sogen. Dolmen oder Steintische, welche noch nicht mit Sicher-
heit erklärt sind. An dem grössten der 12 tatarischen Dörfer im
Thal , (34 W.) Baidar (BaSAapi> ; c. 500 Einw.) entlang steigt die
Strasse langsam durch schattigen Wald zur Höhe hinauf, wo eine
kleine russische Goatinniza (kalte Kost, Eier u. s. w., guter Krim-
scher Wein sind hier zu haben , auch einige Zimmer zum Ueber-
nachten) steht, bei welcher in der Regel Mittagsrast gehalten wird.
Eine kurze Strecke oberhalb des Gasthauses erreicht man das
in die Granitfelsen gesprengte Baidarthor (Baü^apcRifl Bopora;
c. 900 m), von welchem sich plötzlich eine unvergleichliche ♦Aus-
sicht öffnet. Vor dem Beschauer dehnt sich das endlose Meer aus ;
zu seinen Füssen zieht sich ein wildzerklüftetes Trümmerfeld
hinab ; 1. die blauen Abhänge der Jaila und die fernen mit süd-
licher Vegetation bedeckten Gestade. Von hier führt die Strasse
in grossen Kehren und durch einen 50 m langen Felsentunnel , r.
das Meer und das Cap Ssaritsch , der südlichste Punkt der Krim,
1. wildzerklüftete Kalkfelsen hinab nach (56 W.) Kikineia (Khkh-
HeHSi») , wo der etwas breitere Küstensaum zwischen den Felsen
und dem Meere eine üppige Vegetation sich entfalten lässt; Nuss-
bäume von enormer Grösse stehen in der Nähe der Strasse, und
die Abhänge sind mit HaselnussstraxLchern bedeckt, deren Früchte
durch ganz Russland versandt werden. In den Wäldern wechseln
Eichen und Buchen von kräftigstem Wuchs mit Terebinthen und
Pinien, Cypressen und Myrten mit Granat-, Maulbeer- und Feigen-
bäumen. Hier beginnen auch schon die Weinberge , welche sich
bis über Alupka (s. unten) hinaus hinziehen , während Aluschta
(S. 422) den Mittelpunkt des]^Welnbaus der Krim bildet , welcher
vortreffliche Producte liefert.
Die Strasse steigt abermals zu ziemlicher Höhe empor und ent-
sendet dann einen Zweig nach */Llapka (wer mit der Post fährt,
muss in Klkineis den Abstecher nach Alupka beim Posthalter aus-
bedingen, 80 Kop. -1 R.), das Schloss des Fürsten Woronzow
(Schloss und Park sind gegen Abgabe der Karte oder Vorzeigung
des Passes zugänglich ; fürstl. Gasthaus im Park , Z. 1 R. pro Tag ;
auch in dem tatarischen Dorfe Alwpka ein bescheidenes russisches
Gasthaus) mit einem Aufwand von fast 3 Mill. Silberrubel erbaut.
27*
420 ßoute 35, JALTA. Die Krim.
Ton dem am Fusse des Aghi Petri (s. unten) 53 m über dem Meere
gelegenen Schloss, bei welchem gothiscber und maurischer Stil auf
das glücklichste vereinigt sind und dessen Südfa^ade besonders
imposant ist, zieht sich der Park stundenlang am Meere hin.. Ausser
mehreren Pavillons, einer Orangerie, einer Moschee und den
Wasserkünsten zieht besonders die Fülle seltener subtropischer Ge-
wächse den Besucher an j der Gartencatalog weist 277 Gattungen
auf. Unten am Strande gedeihen einige kleinere Palmenarten ; eine
schöne Allee von Cedern, prächtige Cypressen, darunter im Schloss-
hof zwei von Potemkin gepflanzt , von welchen alle in der Krim
befindlichen abstammen, wundervolle Bosquets und Blumenbeete
laden zu eingehendem Besuche ein. An den Park schliessen sich
die ausgedehnten Weinberge des Fürsten , in denen vortrefflicher
Wein gedeiht. — Von dem oberhalb des Schlosses aufragenden
Aghi Petri (Hagios Petros, 1316 m), in dessen schwer zugänglichen
Felsklüfteu wie bei Kikineis (s. oben) hoch oben das Edelweiss der
Krim, das gelbe Helychrysum graveolens, wächst, prächtiger Blick
auf die unten liegende Landschaft.
Wieder hinauf zur grossen Strasse nach (71 W.) Mischor und
weiter an dem (r.) tiefgelegenen Cap Ai Todor mit einem Leucht-
thurm und zahlreichen Datschen vorüber, während 1. die schroffen
Felswände schönbewaldeten Yorbergen weichen, nach Orianda, der
Besitzung des Grossfürsten Gonstantin Nikolajewitsch , mit einem
prachtvollen Schloss im italienischen Stil , 1843 nach SchinkePs
Plänen erbaut, 1881 zum Theil durch Feuer zerstört. Der Park
mit zahlreichen seltenen Pflanzen zieht sich zum Strande hinab ;
von einem Felsen mit einem Kreuz hart am Meere schöne *Aus-
sieht auf die Bucht von Jalta, das Cap Ai Todor und die Felsen
oberhalb Orianda.
Von der Hohe der Strasse prächtiger Blick auf die Bucht von
Jalta , dann abwärts durch dichten Wald nach dem auf sanft ab-
fallender Kuppe gelegenen Dorfe Livadia , mit der In weitem Um-
kreis abgesperrten kaiserlichen Villa. Hinter Livadia senkt sich
der Weg hinab nach
83 W. Jalta (Äjira).
Gastböfo: Hotel de Russie, grossartiger Bau mit entsprechenden
Preisen ; *H6tel de Franee, gute Küche ^ beide am Boulevanl , mit
z. Th. deutscher Bedienung; Hdtel Edinburg, etwas höher gelegen
am Wege nach Aluschta, mit schöner Aussicht, u. a.
Waobn: pro Tag 13 B. — Post: nach Aluschta: Coap^ 2B. 75Kop.,
Fahrteit 4 St.
Photooraphibh : bei Orlowa^ am Boulevard, neben Hotel de France.
Badbr: gegenüber dem Hotel de France, gut.
Jalta, kleine Kreisstadt mit c. 1400 Einw., höchst malerisch am
Fuss c. 1300 m hoher Berge an einer grossen Bucht gelegen, hat
durchaus den Charakter eines vornehmen westeuropäischen Bade-
ortes, und ist im Sommer von der russischen Aristokratie stark be-
sucht. An der breiten , z. Th. schattigen Promenade liegen grosse
DU Krim. ALüSCHTA. 35. Route. 421
Hotels, T7ie das palastähnliche Hotel de Kussie, zahlreiche Läden
meist persischer Kaufleute (sprechen französisch), mit theuren und
nicht immer preiswerthen Waaren, besonders auch grosse Obstläden
mit Südfrüchten aller Art, unter denen Weintrauben durch Grösse
und Qualität hervorragen. Die Anhöhen von Jalta sind mit zahl-
reichen eleganten Datschen fast durchweg in tatarischer Bauart be-
setzt ; auch eine Villa des Kaisers Alexander lU. befindet sich hier.
Die Strassen Jalta's sind namentlich Sonntags sehr belebt, Gefährt
aller Art, berittene Tataren und Tatarinnen jagen in schnellem
Trabe dahin. Den stattlichsten Eindruck macht Jalta vom Meere
aus. Bei der geringen Tiefe der Bucht müssen die Dampfer c. 1 km
vom Ufer Anker werfen und Böte , mit Matrosen in der kleidsamen
russischen Marineuniform bemannt , vermitteln den Verkehr mit
dem Lande.
Das Thal von Jalta mit seiner üppigen südlichen Vegetation
bietet Gelegenheit zu lohnenden Ausflügen , wie nach dem 100 m
hohen Wasserfall Ütschan-Ssu („fliegendes Wasser"; nur mit
Führer). Sehr zu empfehlen sind ferner der Besuch von Livadia
(s. oben) und Aluschta (s. unten).
Von Jalta steigt die Strasse , anfänglich durch Wald wieder zu
ziemlicher Höhe empor. Beim Austritt aus dem Walde prächtiger
Blick 1. auf die Jaila mit dem Kernel Agerek, r. auf das Meer, rück-
wärts auf das Thal und die Bucht von Jalta; in der Ferne Li-
vadia u. s. w. Weiter an Tabakpflanzungen und Weinbergen, dann
an steilen Felswänden vorüber nach Massandra (Macanxpa) , mit
einer Datsche und schönem Park des Fürsten Woroiizow. Seit-
wärts die berühmten Weinberge von Maharadsch (Marapa<ii). Es
folgt Nikita (ÜHRHra) , mit grossem kaiserlichen Acclimatisations-
garten und einer seit 1812 bestehenden Weinbauschule. Hinter
der (94 W.) nur aus wenig Häusern bestehenden Poststation Ai
Danü (Aä 4&hhj'b) zieht sich die Strasse , immer noch in mehr als
300 m Meereshöhe der Küste folgend nach dem tatarischen Dorfe
TTrsuff (rypcy*^), welches sich mitten unter grotesken Felsbil-
dungen angesiedelt hat. An das Dorf grenzt der berühmte ♦Park
des Hrn. Fundukley, vom Herzog von Richelieu (S. 403) angelegt.
Grossartiger Gasthof. Jenseit des Dorfes ragt weithin sichtbar
und nach dieser Seite steil ansteigend der Aju Dagh (Aio Aar'b;
600 m) auf, von seiner Gestalt „der Bär" genannt; oben pracht-
volle Aussicht.
Die Strasse umzieht den Aju Dagh und die östl. gelegene kleine
Bucht. Bei (111 W.) Bitjvk Lamhat (BywKi JaHsaTi), an einem
Felsvorspning mit hübscher Capelle , öffnet sich der Blick auf die
weite Bucht von Ssudak (s. unten). Bei der (r.) alten Feste Temir
Kapu (TeHupi Kany) senkt sich die Strasse allmählich und führt
durch schattigen Wald, der schon wieder mitteleuropäische Formen
zeigt (1. prächtiger Blick auf den Tschatyr Dagh) , nach (124 W.)
422 35. Route. SSUDAK. Die Krim.
AluBchta (AiyniTa, jüdisches Gasthaus, leidlich, Z. 1V4-5 R- ; Ver-
pflegung gut aber theuer. — Badeeinrichtungen noch sehr einfach),
der Hauptort für den Weinbau der Krim. Die Weinberge , zuerst
von deutschen Ansiedlern angelegt und noch jetzt nach deutscher
Art mit an Stocken gezogenen Reben bepflanzt , sind meist im Be-
sitz des Fürsten Galitzin. Die Zahl der Sorten erreicht 3-400 , die
jährliche Weinproduction 123000 hl.
Ausflug auf den Tsohatyr Sagh OlaTupi A^n, Z«lU>erg ^ töi9xn), un-
schwierig und sehr lohnend, zu Pferde in 3-4 St. ; Pferd mit Führer (Ta-
tar) 7 B. , mit Einschluss der Höhlen (Lichter mitnehmen) und Ssalgir-
quelle 15 B. Man bricht am besten früh (4-5 Uhr) Morgens von Älusehta
auf, da dann die Aussieht am freiesten ist; der Sonnenaufgang ist der
Nebel halber wenig lohnend. — Der Weg führt zuerst durch den frucht-
baren Thalboden, dann auf einförmigem Bergland, zuletzt ziemlieh steil
zum Doppelgipfel des Berges. Oben grossartige Bundsicht: n. über das
hügelige Vorland der Jaila und die Steppe, w. bis zur Bucht von Sse-
wastopol und Tsehufut-Kaleh, s. und ö. das Meer. — Am n. Abhang des
Berges die Höhle mit der Ssalgirquelle (Hcto'ihhk:^ Ca^rnpa).
VonAluschta nach Ssimferopol geht nordwärts die
Fortsetzung der Woronzow - Strasse. Durch die Laubwälder des
Thaies Demirdshi- Us^n (^eMepASH YseHi») steigt sie bei der Ku-
tusowquelle (<l>OHTaH'& KyrysoBCKiä) , benannt nach dem Feldmar-
schall Kutusow, der hier 1774 Im Kampf mit den Türken verwun-
det wurde, an der Ostseite des Tschatyr Dagh fast bis zu halber
Höhe des Berges hinauf. Dann geht es abwärts nach (19 W.)
Tawschan - Bazar (TasmaHi-Basapi; Unterkunft im Stations-
gebäude oder in einem der tatarischen Häuser), inmitten herr-
licher Buchenwälder. Weiter am Ssalgir (S. 410) entlang, der mehr-
mals überbrückt wird , erreicht die Strasse über (34 W.) Mahmu-
Sultan (MaMy - CyaTaHi) , in dessen Umgebung mehrere ansehn-
liche Sitze tatarischer Edelleute (Mursen), 4iB W. Ssimferopol
(S. 412).
Die Poststrasse von Aluschta nach Ssudak an der
Südküste entlang bietet weniger grossartige Scenerie; die Berge
treten zurück und nehmen an Höhe ab ; die südliche Vegetation
verschwindet schon diesseit Aluschta. Bis Tuak (TyaKi) folgt der
Weg der Küste; 1. erhebt sich der Karadagh noch zu 1100m.
Dann allmählich ansteigend entfernt sich die Strasse von der Küste,
um sich in das anmuthige Thal von Ssudak hinabzusenken. 60 W.
Ssudak, in fruchtbarer Umgebung, rings umkränzt von Weinbergen,
die einen der besten Weine der Krim liefern. Trotz seiner ge-
schützten und gesunden Lage und des zum Baden vorzüglich ge-
eigneten Strandes ist Ssudak in Folge seiner Abgeschlossenheit
nur ein unbedeutender Ort. — In der Nähe eine alte Genuesen-
festung. — Im nahen Ai-Ssawathale das Sanatorium des Dr. Ehr-
hardt. — In der Umgebung wohnen zahlreiche deutsche Golonisten.
Die KHm, KERTSCH-JJENIKALE. 35. Rmte, 423
Die Fortsetzung der Strasse Ton Ssudak nacli Feodosia gelit
durch das fruchtbare jSsudofe^/^a^ (Cy^aKCKBA AOJHHa) am Taraktasch-
ßusse aufwärts durch die Östlichsten Ausläufer des Jailagehirges.
Bei (20 W.) Stat. Elbualy (Eiböyam) biegt die Strasse nach Nord-
osten und berührt Staraja- oder Eski-Krim (Crapafl KpHHi»), nach
der Eroberung der Krim durch die Tataren eine Zeitlang Haupt-
stadt derselben, jetzt ein unbedeutender Ort, am Fusse des Agar-
myach (ArapMunii», 700 m), mit alten Befestigungen. Bei Krinitschki
(KpifHH<iim) mündet die Strasse in die Foststrasse von Feodosia
nach Ssimferopol ein (s. unten).
63 W. Feodosia (BeOAOcifl). — Oasth. -. Moskau; Feodosia;
St. Petersburg. — Bestauravt: Ku tschuk-Bey (deutscher Wirth).
— Dampfer nach KerUch 3'mal wöchentl. in etwa 8 St. für 4R. 50, 3E. 50,
IB. 20Kop.
Feodosia, an der gleichnam. Bucht gelegene Kreisstadt mit c.
10000 Einw., wird als Seebad stark besucht (auch Kumyssanstal-
ten) ; die zahlreichen Weinberge sind für Traubenkuren -werthvoll.
Im VI. Jahrh. y. Chr. als milesische Colonie Theodosia erbaut,
wurde die Stadt im xni. Jahrh. von den Genuesen neu gegrün-
det und Kaffa genannt; im xiv. Jahrh. zählte sie angeblich 150000
Einw., 1475 wurde sie von den Tataren erobert. Von den Bauten
der Genuesen sind einige Thürme, darunter der nach Papst Cle-
mens YI. benannte, die jetzige armenische Kirche vl. a.. erhalten.
Der Palast der Chane ist verfallen, die Öffentlichen Bäder dienen
als Magazin. In einer früheren Moschee ist jetzt ein AlterthumS'
museum. — Im öffentlichen Garten ist zweimal wöchentlich Con-
cert; in die Rotonda am Boulevard, wo Bälle u. s. w. stattfinden,
kann man sich durch ein Mitglied oder den Direktor einführen
lassen (1 R. 50 Kop., Saisonbillet 6 R.)
Von Feodosia führt eine PoaUircuse 105 W. über Kareusu-Bazar nach
Ssimferopol (S. 412).
Dem Landweg nach Kertsch (Poststrasse 97 W.) ist die Seefahrt
vorzuziehen. Der Dampfer passirt Opuk, dessen Hügel mit mäch-
tigen Felstrümmern bedeckt ist, biegt dann nordöstl. in die Strasse
von Kertsch oder Jenikale, im Alterthum der Kimmerische Bos-
porus genannt, ein und landet in der geräumigen Bucht von Kertsch.
Kertsch-Jenikale (Kepii-EaHKOji»). — Gasth. : St. Petersburg;
Europe (Besitzer Franzose). — Dampfer HAch Batum dreimal wöchentl.
in e. 60 St. für 21 B. 50, 16 B. , 5R. 20 Kop.; nach Taganrog für 16 B.,
12 B. 50, 4 B. Der von Batum kommende Dampfer hat 5-6 St. Aufenthalt,
welche zur Besichtigung der Stadt völlig genügen.
Kertsch, wichtiger Handelshafen am Eingang zum flachen Asow-
schen Meer, steigt amphitheatrallsch am Meeresufer auf. Massive
meist helle Gebäude, der geräumige Markt, breite, meist gepflasterte
Strassen und schöne Anlagen bezeugen den Wohlstand der Han-
delsstadt. Mit der nahen Festung Jenikale, welche die Meerenge
beherrscht, zählt die Stadt 22500 Einw. — An die alte milesische
Colonie Panticapaeum, auch Bosporus genannt, die Residenz der
424 35. Boute. KERTSCH-JENIKALE. Bit Krim,
bosporanischen Könige, erinnert noch der Mithridatesberg mit dem
angeblichen Grab Mithridates' VI. (120-63 v. Chr.), auf halber Höhe
des Berges , zu welchem man in kurzer Fahrt gelangt. Die Akro-
polis lag etwas tiefer. Auf der Hohe ein kleiner Aussichtstempel,
von welchem man die Bucht und das Meer, sowie das Sommerlager
der russ. Besatzung überblickt. Von der Anhöhe hinter dem Mithri-
datesberg hat man eine gute Aussicht auf die Steppe mit den hier
besonders zahlreichen Kurganen, von denen der des Königs Kul
Oba (etwa 6 W. an der Strasse nach Feodosia) den Goldschmuck
enthielt, welcher sich mit den im Grabe des Mithridates gefundenen
Goldsachen jetzt in der Eremitage in St Petersburg befindet —
Am Fusse des Berges ein Museum, welches von den Alllirten im
Krimkrieg geplündert wurde
Lohnend ist von Kertsch aus der Besuch der deutsehen Golonie
Ifarienthal (Mapionojn) , aus 16 Dörfern bestehend ., und der reichbewal-
deten Kubanischen Küste. '
REGISTER.
(Ausser den Ortsnamen enthält das Register eine Anzahl von Saehwörtern,
die entweder in der Einleitung oder im Text des Handbuchs eine £rklä>
rung finden.)
Aa, die Eurische 59. 63.
Aavaaaksa 238.
Abborfors 216.
Abo 226.
Aehtyrka 890.
Adamowo 368.,
Ämmä 214.
Agarmysch 423.
Aggelby 218. 223.
Aghi Petri 420.
Ahkionlaks-Kanal 214.
Ai Danil 421.
Aijälä-Sund 217.
Ai-Ssawathal 422.
Ai Todor 420.
Aju Dagh 421.
Aimisvesi 213.
Aittasaari 209.
Akimowka 410.
Ak-Hetsehet 412.
Alaharmä 237.
Alandsbaeh 41.
Alands -Inseln 233.
Alatskivi 73.
Alaunisehe Hochebene
337.
Alavö 285.
Aleksin 373.
Alezandrla 184. 388.
Alexandrowo 1. 318.
Alezandrowsk 195.
— , am Dnjepr 409.
Alexandrowskaja 88.
Alexejewka 406.
Alexe^ewke 366.
Alexejewskoje 314.
Alexoten 38.
Allschwangen 43.
Alma 413.
— , die 411.
Altgläubige xLTi.
Alt-Maina 361.
Alt-Rjäsan 885.
Alt-Wasa 236.
Alupka 419.
Aluschta 422.
Aminne 281.
Ammat, die 66.
8t. Andrea 209.
Angelniemi 231.
Aniküla 79.
Anjala 217.
St. Anne 212.
Ännikänniemi 212.
Antonopol 86.
Apolsen 345.
Archangelskaja 871.
Archangelskoje 313.
Arensbure 60.
Arkadia 8.
Arsamass 347.
Aseheraden 49.
Ass 74.
Assem 65.
Auerochsen 45.
Augustowo 47.
— Kanal 47.
Aura 226.
^urajoki 227.
Ayräpäänjärvi 209.
Baby 8.
Babygon 185.
Bachmatseh 243. 890.
Baehtschi-Ssarai 413.
Baidar 419.
Thal 419.
■ -Thor 419.
B&kholm 234.
Bäder xxix.
Balachna 346.
Balaklawa 418.
Balbinowo 867.
Balta 400.
Baltischport 74.
Balymer 860.
Bandurka 400.
Bar 888.
Barawucha 868.
Barbara 64.
Baschkiren 358.
Batraki 366.
Bauske 64.
Behrse 44.
Beisagola 40.
Belbek 415.
— , der 411.
Bendzin 5.
Berditsehew 389.
Berendjawo 318.
Beresina 242. 243.
Besdani 47.
Bethanien 318.
Biala 240.
— , die 46.
Bialolenka 28.
Biatowicza 45.
Bialystok 46.
Bielany 26.
Bijuk-Onlar 410.
Bilderlingshof 65.
Birsula WS.
Bitschi 244.
Bjelaja 88.
Bjelejewna 810.
Bjeleniehino 897.
Bjelgorod 397.
BjelCJe-Berega 371.
B^eliki 399.
Bjeljajewka 406.
Bjely Ostrow 198. 222.
B^eloga, See 384.
Bjelom^estnaja 897.
Bielowjesche 45.
Björkboda 231.
Björnebore 233.
Bobäck 2l3.
Bobrik 391.
Bobrowizy 391.
Bobrowka 870.
Bobrowniki 33.
Bobruisk 242.
Bochotnitsa 41.
Bockholm 230.
Bogdanowzy 388.
Bogoduehow 390.
Bogojawlensky 841.
Bogomolowo 348.
Bogorodizk 871.
Bogorodsk 328. 824.
Bogorodskoje 302. 814.
m. 358.
Bojarka 397.
Bolderaa 59.
— , die 65.
Bolgary 360.
Bologoje 256.
426
Bomarsund 334.
Borg& 218.
Borisflogljäbsk 341.
Boriflsow 243.
Borki 406.
Borkowitflchi 368.
Borobeika 254.
Borodino 247.
Borowitsehl 255.
Borowskaja 999.
Borsehtsehi 388.
Borsehtsehowka 344.
Boshkow 399.
Botby 223.
Bottniseher Meerbusen
232.
Brahelinna 206.
Brahestad 237.
Brändö 223. 236.
Brändöholm 223.
Branlow 390.
Brest -Kujawfiki 3.
— Litowsk 241. 388.
Briefpost xxi.
Brigittenfluss 84.
Brigittenraine 84.
Brili 244.
Brjansk 241. 370.
Broby 215.
Bromarf 225.
Brönnboda 231.
Bronnizkaia 384.
Bronnizy 384.
Browary 391.
Browky 397.
Brwinow 4.
Brzese-Litewski 241.
Bsin 5.
Budanowka 382.
Bug, der 34. 45. 241. 388.
Bujuk Lambat 421.
Bukräjewka 382.
Bulgaren 360.
Bulgary 360.
Buller -Aa 59.
Burakow 26.
Busuluk 375.
Butowo 377.
Butterwoehe xxviii.
Byrstany 38.
Bystrzyca 34.
Bzura 3. 32.
Chambres garnies xxiv.
Chapilowsky - Bach , der
306.
Charkow 896.
Charkowka 398.
Charlottenhof 74.
Chatkowo 315.
Chausseen xix.
Chelm 34.
Chersonesus 411. 417.
REGISTER.
Ghimki 259.
Ghoroszez 46.
Chortiza^ Insel ^)9.
Chronologie xxx.
Chupta 385.
Ciechanow 31.
Gieehanowiez 46.
Giechoeinek 2. 33.
Colonien. deutsche 188.
410.
Commissionäre xxi.
Goncerte xxvi.
Creditbriefe xii.
Czarna Wies 46.
Gzepetowa 46.
Gzerniaköw 27.
Gzerwinsk 32.
Gzyiew 46.
Sahlsbruck 231.
Danilow 322.
Danilowka 373.
Darkowitsehi 371.
Datnow 40.
Datsehen 106. 176 etc.
Dayidstad 217.
Dawidkowa 311.
Degerby 216. 234.
Degerö 222.
Dembe Wielkie 240.
Demirdshi Us^n 422.
Demtsehin 389.
Derashnja 388.
Dergatschi 397.
Derpt 74.
Dessna 370. 390.
Deutsch - Eylau 31.
Diekursby 218.
Dijewa €k)rodischtsch*
341.
Diwensk 88.
Diwowo 385.
Djadkowo 371.
Djädnowo 384.
D^akowo 390.
Djakowskoje 310.
Dmitriewskoje 377.
Dnjepr 245. 991 eie.
Dnjestr 388.
Dobikina 41.
Dohlen 44.
Dobrschin 32.
Dobrzyniew 46.
Domaschka 375.
Dombrowa 5.
Domesnäs 44.
Don 372.
— , der 372.
Dondangen 44.
Donez ^7.
Dorogobush 247.
Dorohuska 34.
Dorpat 74.
Drissa 367.
Droschken xx.
Druskieniki 46. 47.
Dshankoi 410.
Dubbeln 65.
Dubi^ka 34.
Duboziwi 254.
Dubrowizi 377.
Dubrowki407O.
Duchowisna 30.
Duderaowka 187.
Duderhofsche Berge 187.
— Seen 187.
Dujnowo 46.
Dumtachino 380.
Düna 48. 56. 60. 368.
Dünaburg 48.
Dünamünde 52. 59.
Dünarücken, der 48.
Duninow 32.
Dwinetz, See 48.
jXckau 64.
Edinburgh 65.
Edwahlen 43.
Eisenbahnen zvii.
Ekenäs 224.
Ekstensholm 232.
Elbusly 422.
Embach, der 68. 73. 75.
Empfehlungen xiv.
Enonvesi 213.
Eriksnäs 223,
Ersanen 346.
Erstan- Fjord 232.
Eski Krim 423.
Esten 68. 72. 78.
Estikülla 68.
Estland 72.
Etkany 38.
Etsäri 235.
Eurisioki 232.
Ewja 38.
Ewst 49.
Eydtkufamen 35.
Factoren xxi.
Fagervlk 224.
Fähner 85.
Fall, Schloss 85.
Fasstow 397.
Faules Meer 410.
Fausstowo 384.
Fedorowka 410.
Fellin 78.
Feodosia 423.
Feste., russ. xbvixi.
Fili 311.
Filppula 235.
Finnen 201.
Finnischer Meerbuten
179
i— Sehweil 211.
Finnland 199.
Finns 223.
Fiolente, Gap 417.
Fiskars 224.
Fokino 348.
Forsby 216.
Forssa 226.
Fredrikshamn 215.
Friedenthal 192.
Friedriehslust 64.
Friedriehstadt 49.
Oaisingkaln 67.
Gajshuny 40.
Galesehtsehina 399.
Oalitzina 203. 209.
Galjewo 813.
Gamla Karleby 237.
Gammelstaden 218. 219.
Ganowka 399.
Gargali 356.
Gastfreundsehaft xit.
Gasthöfe xi. xxiv.
Gatschlna 187. 88.
Geistliehen ) die russ.
XLVII.
Geld XII.
Genitsehesk 410.
Gensdannen xyi.
St. Georgskloster O^ow-
gorod) 254.
— (Ssewastopol) 417.
Geschichte xxxvii.
Gesundheitspflege xxiix.
Gethsemane 317.
Gewichte xxx.
Glimiza 315.
Glinjanaja 400.
Gluchowzy 390.
Gluschkowo 390.
Gniljakowo 400.
Gniwan 380.
Godby 234.
Goldingen 43.
Golendry 390.
Golizyno 248.
Goloby 389.
Golowschtschiza 368.
Golta 400.
Gomel 241. 242.
Gonsoezyn 31.
Gorbatow 324.
Gorochowez 324.
Gorodez 345. 370.
Gorodischtsehenskische
Berge 359.
Gorodnisehanka 46.
Gorodowois xvi.
Gorok 385.
Gorsehkowitz 8.
Goryn 389.
Gouvernements xxxiii.
Granboda 234.
REGISTER.
Granitza 4.
Gretsehulewskisehe
Berge 368.
Gr^ady 255.
Grjanueha 361.
Grjasi 372. 386.
Grjasowez 322.
Grobin 41.
Groehow 28.
Grodziee 6.
Grodisk 4.
Grodno 46.
Grönvik 215.
Gross -Mytischtschi 315.
— Nowgorod 249.
— Ochta 178.
Grünhof 64.
Grusina 253.
Gshatsk 247.
Gulewny 390.
Gu\janien xxviir.
Gumtägt 223.
Gustafsborg 236.
Gustafssyäm 225.
Gut^jew -Insel 101. 182,
Guzow 4.
Haapakoski 217.
Halikko-Busen ßSl.
Hallis 230.
Haminanlaks 213.
Hangö 225.
Haparanda 238.
Harjus 215.
Harrien 79.
Hasenpot 43.
Hatanpää 234. 235.
Hattelma 225.
Hatula 209.
Haukiniemi 214.
Haukivesi 207. 212.
Haukkavuori 216.
Heiliger 8ee 310.
— , (Livland) 68.
Heiig oki 209.
Heinola 217.
Belsingfors 218.
Henriksdal 218.
Hermanow 4.
Herrala 217.
Hikiä 217.
Hintzenbei^ 66.
Hirvaskoski 238.
Hirvijärvi 214.
Hirvensalo 230.
Högfors 215.
Hofzumbergen 64.
Högholm 223. 233.
Hogland 216.
Honkasaari 208.
Hoplax 223.
Horstenhof 67.
Hortana 205.
427
Hdtels XXIV.
Hottakka 209.
Houtskär 233.
Hovinmaa 216.
Humikkala 232.
Humppila 226.
Hungerburg 72.
Häningoberg 44.
Huta Bankowa 5.
Hyvinge 217. 224. 225.
Zdensalmi 214.
Iggafer 73.
Ignalino 47.
I^inskische Berge 363.
Iljinskoje 313.
lUby 218.
Illowo 31.
Umensee 251. 254.
Uowai 385.
Imatra- Fälle 207. 206.
Impilaks 212.
Ingermanland 69.
Ingul 399.
Inkjerman 415.
Ipatiew- Kloster 343.
Isehewskoi 359.
Isenhof 74.
Ishora 196. 248.
— , die 187.
Ishorskaja Semlja 69.
Ismailowo 309.
Ispois 229.
Issady 348.
Issakowo 373.
Isskrowka 899.
Iswoschtschiks XX.
Itlar 318.
Ivaskala 209.
Iwangorod 33.
— (Ingermanland) 71.
Iwanino 390.
Iwanowka 85. 182. 400.
Iwanowo 324. 377.
Iwanowskaja 370.
Iwanowskoje 196.
Iwersky - Kloster 256.
Jääskis 209.
Jablonna 30. 32.
Jagd XXVI II.
Jägelfluss 66.
Jägelsee 66.
Jaila 411. 413.
Jakobstad 237.
Jakobstadt 49.
Jakosenranta 207.
Jaktorowa 4.
Jalta 420.
Jamagrod 69.
Jamburg 69.
Jämsä 217.
Jämschtsehiks xix.
428
Janow 40.
Jarosehenka 388.
Jaro88lawl 318. 341.
Jarun 344.
Järvelä 217.
Jasnagora 6.
Jassenki 380.
Jausa, die 266. 301. 314.
Jefremow 371.
Jegorjewsk 384.
Jekaterinenburg 359.
Jekaterinoslaw 409.
Jekaterinowki 366.
Jelabuga 359.
Jelatma 324.
Jelez 371.
Jelissawetgrad 400.
Jelissawetingkaja 69.
Jelnikowo 397.
Jendrzejow 5.
Jenikale 423.
— , Strasse von 433.
Jepifan 333.
Jeppo 237.
Jeropkino 382.
Jesutseh 390.
Jewe 72.
Joala 70.
Joensau 212.
Jokela 218.
Jokiaaari 238.
Jorois 213.
Jose fo wo 367.
Joutseno 206.
Joutsenvesi 207.
Jukasjärvi 238.
Julias 230.
Jungfru-Sund 231.
Juri ewez - Pawolshsky
Jurköwka 388.
Juustila 206.
Juustilanjäryi 207.
Jyrankö - Strom 217.
Jywäskylä 217.
Kääntymä 209.
Kääpabach, der 73.
Kadnizy 347.
Kaipiais 217..
Kaivants-Sund 226.
Kagana 214.
Kajaneborg 214.
Kakskerta 230.
Kalajokl 237.
Kalasehnikowo 256.
Kalinowka 380.
Kalkkisstrom 217.
Kalkuhnen 47.
Kallavesi 207. 213.
K&llby 237.
Kalotsehar 247.
Kaluga 373.
REGISTER.
Kalusehka 373.
Kama, die 358.
K&märä 203.
Kamarskaja Doli na 418.
Kamiensko 8.
Kamjenska 247.
Kampen -A 219.
Kamysehewka 397.
Rangasala 226.
Kangasala-As 226. 235.
Kangerkalns 62.
Kankas 232.
Kännel 74.
KannuB 237.
Kanyas 237.
Käpinkoski 209.
Karabanowo 318.
Karadagh 422.
Karassewka 382.
Karassu-Bazar 423.
Karelien 204.
Karatajen 346.
Karatsehew 371.
Karatschewka 408.
Karelier 88. 201.
Kargal 375.
St. Karins 230.
Karinais 226.
Karls m.
Karls -A 224.
Kärkis 230.
Karlö 238.
Karlsbad 66.
Karlsruhe-Ramotzky 66.
Karosta., die 181.
Karpowo 400.
Kärsämäki 230.
Karuna 231.
Kasaki 371.
Kasan 360.
Kasanka. die 351.
Kasatin 390. 397.
Kasatscha-Lopan 397.
Kaskinen 232.
Kaskö 233.
Kassimow 324.
Kastelholm 234.
Katerinowka 400.
St. Katharinen 74.
Katharinenthal 84.
Katseha 413.
Kattowitz 4.
Katunki 346.
Kauen 37.
Kaufläden xi.
Kauhava 237.
Kaukola 210. 236.
Kausala 217.
Kauttua 232.
Kawetsehyn 240.
Kegel 74.
Keitele 217.
Kejdany 40.
Keltisstrom 217.
Kelviä 237.
Kernel Agerek 411. 421.
Kemi 238.
Kemmern 65.
Kempele 238.
Kertseh 423.
— , Strasse von 423.
Kervo 218.
Kesälaks 213.
Kettareen-Fall 233.
Keuru 235.
Kexholm 210.
Kibitken xtiii.
Kielte 6.
Kiew 391.
Kiiskinkylä 216.
Kikineis 419.
K^illo-StrömUnge 42. 78.
Kimito 231.
Kineschma 324. 344.
-, die 344.
Kintegesinde 43.
Kirche, die russ. xlvi.
Kirchenfeste xlvixi.
Kirchholm 49.
Kirelskoje 359.
Kirilo - Bjelo - Osersky-
sches Kloster 323.
Kirilow 323.
Kirjakkala 231.
Kisa 79.
Kisil Koba 412.
Kiveräkoski 206.
Kivinieml 210.
Kiwerzy 389.
Kiwisalmi 210.
Klarenberg 6.
Kleidung xxiii.
Klein-Liebenthal 406.
- -Pungem 72.
~ Wischera 256.
Kiew an 389.
Klima xxiii. xxxi.
Klin 259.
Kljara 359.
Kljasma 323.
Kljasstlzi 368.
Klomnltz 8.
Klubs XXVI.
Knäshiza 369.
Knekten 223.
Kobeljaki 399.
Kobrin 241.
Kodyma 388.
Koiruvesi 207.
Köivikko 238.
Koivisto 226.
Koivukoski 214.
Kokenhusen 49.
Kokkisaari 206.
Kpkujewka 382.
Koldoma 3^-
Koldomskimi 844.
Kolho 235.
Kolodisehtsehi 243.
Kolomak 399.
Kolomenskoje 810.
Kolomjagi 197.
Kolomna 884.
Kolon tajewka 390. 400.
Kolpino 248.
Kolusehki 8.
Konewez 210.
Konnus 213.
Kononselkä 226.
Konopki 31.
Konossowo 346.
Konotop 390.
Konskaja 410.
Konflka-Wola 33.
Konsuln xvi.
Kontsehura 316.
Koptewo 313.
Kordysehewka 390.
Korenewo 390.
Koren'sehe Einsiedelei
383.
Koristo 230.
Korkeakoski 235.
Korkuli 182.
Korpi 224.
Korpilahti 217.
Korpo 233.
Korsehenez 347.
Eorsholm 236.
Korssowka 85.
Korssun 417.
Kortsehmino 196.
Kosch 84.
Koschedary 38. 40.
Koscblau 31.
Koshanka 397.
Kosino 846.
Koslow 385.
Eoslowka 350.
Ko8modemjansk818. 348.
Kosmodemian^sehe Ein-
siedelei 413.
Kossino 309.
Kosstroma 841.
•Koszlowa Buda 37.
Kotka 215.
Kotlin 180.
Kotorost, der 318.
Kotschetowka 385.
Kotschubejewka 399.
Kotun 240.
Kouvola 217.
Kovjoki 237.
Kowal 8.
Kowel 34. 389.
Kowjagi 399.
Kowno 37.
Kowrow 324.
Küyliojäryi 233.
REGISTER.
Krasne 388.
Krassnogorsk 376.
Krassnoje 245.
Krassnoje - Sselo 187.
Krassnokutowka 410.
Krassnopawlowka 406.
Krementschug 399.
Kremon 66.
Kresslawka 367.
Kreutzburg 49.
Kreuzberge, die 5.
Krim, die 411. 410.
Krinitscbki 423.
Kristinestad 233.
Kriwin 389.
Kriwoje, See 345.
Kriwitsehen 246.
KriwoserskisebesKloster
345.
Krjukow ^9.
Krolikarnia 28.
Kronoborg 211.
Kronoby 237.
Kronslott 180.
Kronstadt 179.
Kronstädter Bucht 179.
Krukowo 259.
Kruty 391.
Krutyje 388.
Krymno 389.
Krymsa 367.
Kryshopol 388.
Kubanisehe Küste, die
424.
Kubenzewo 346.
Küehe, die russ. xzt.
Küchenmeistereien xxv.
Kuhankoski 217.
Kuikatz 68.
Kigavien 2.
Kukkarokivi 232.
Kulho 230.
Kulikowka 880.
KulikowQ-?eld 380.
Kulizk«ja 259.
Kümo -Elf 288.
Kumyss- Anstalten 365.
Kunawino 325. 336.
Kun-Waloschke 363.
Kunzewo 248. 311.
Kuopio 213.
Kuorenkoski 209.
Kuppis 230.
Kuprino 370.
Kur, der 382.
Kuren, die 42.
Kurgane 255. 363.
Kurkinemi- Kanal 208.
Kurland 41.
Kurman-Kemeltsehi 410.
Kurpie 37. 45.
Kursehany 41.
Kurssk SS3.
429
Kurtenhof 49.
Kuru 235.
Küskilä 214.
Kusminka 259.
Kusmino 190.
Kusminski 310.
Kusnezk 874.
Kusniza 46.
Kusskowo 309. 323.
Kustarnaja 397.
Kutno 3.
Kuukauppi 209.
Kuurila 226.
Kuusa 209.
Kuustö 230.
— -Sund 230.
Kwass xxY.
Kymijoki 215.
Kymmene 217.
-, der 215. 217.
Kymmeneg&rd 215.
Kyrö 226.
Kyröjoki 235.
Kyröskoski 235.
Kyrösjärvi 235.
Kyrö-Wallinkoski 209.
Kyrönvirta-8und 212.
Kyyrölä 209.
Laaksberg 84.
Lachta 198.
Ladoga- Kanal 197.
— See 197.
Lahtis 217.
Laiheia 236.
Lais 74.
Laisholm 74.
Lampsijoki 209.
Landwarowo 38. 47.
Längelmänvesi 226.
Lanskoi 203. 197.
Lantewo 378.
Lapi 46.
Lappdal 231.
Lappi 237.
Lappila 217.
Lappo 237.
Lappvesi 206.
Lapprik 225.
LapuaQJoki 237.
Lauritsala 207.
Lautta-Suvanto 206.
Lavola 206.
Lawra 167. 393.
Lazy 6.
Lebeda 385.
Ledjanische Höhle 359.
Lemberg 387.
Lembois 234.
Lemo 230.
Lemo-Sund 290.
Lempäalä 234:
Leonowo 314.
430
Lepons 36.
Leppäkoski 225.
Leppävirta 213.
Lessnoi -Woronesh 386.
Lestijoki 237.
Letten 42.
LettiküUa 68.
Leväis 213.
Lewaaehewa 198. 2Q2.
Lgow 390.
Libau 41.
Liewenhof 49.
Ligowka 182.
Ligowo 182. 187.
Liksna 49.
Lill-Heikkilä 229.
Lillikanlampi 209.
Limane 407.
Limingo 238.
Linna 233.
Linnankoski 206.
Linnansaari 200.
— (Wibore) 204.
Lipezk 372.
Lissy-'Koss 179.
Literatur xi.viii.
Livadia 420.
Liyen 42.
Livländ. Schweiz 66.
Liwietz 45.
Liwny 371.
Liuban 248.
Ijubaachewka 400.
Lnuberzy 384.
Ljubitowka 389.
L^ublino 310. 376.
L^uboml 34.
Ljubotin 390. 399.
Locbow 45.
Lodensee 74.
Lodz 8.
Loimlioki 226.
Lojo 224.
Lojo-See 224.
Lopan 398.
Lopassnpa 877.
Losowaja 406.
Losowo 406.
Lounatkorkia 216.
Lounatkylä 216.
Lovisa 216.
Lowitseh 3.
Lublin 33.
Lubochna 371.
Lüchow izy 384.
Luga 88.
~, die 68.
Lukow 240.
Luudo 226.
Luonamaa 232.
LuBcha 41.
Lusö 223.
Luzk 389.
REGISTER.
Lyly 235.
Lysa Oora 8. 31.
Lysskowo 347.
Lyszkowiee 3.
Kaaniaka 214.
Maanselkä 227.
Haasae zxx.
Maeiowie 34.
Mäenkylä 232.
MaharadBch 421.
Mahmu-Sttltan 422.
Maina 361.
Majorenhof 66.
Makarjew 348.
Makslaks 203. 205.
Malaj aPereschtsehepins-
kaja 399.
Malakowhügel 416.
Maljowka SSO.
Malkin 46.
Mallasvesi 226.
Malm 218.
Malo-ArehangelBk 382.
Maloryto 388.
MalotaehntgA ^10.
Mamak 412.
Mangup Kaleh 417.
Mäntyharju-Strasse 217.
Mäntyniemi 213.
Marcinkance 47.
Mardarowka 400.
Bt. Maria Macdalenen 74.
Marie hamn 234.
Marienbiu^ 31.
Marienthal 424.
Marymont 26.
Marinsky Possad 350.
Marjino 397.
Maryampol 36.
Marynki 33.
Masovien 2. 45.
Massandrs 421.
Mathildedal 231.
Matira 372.
lUttelmäki 230.
Matweicha 344.
Mauruzi 37.
Melitopol 410.
Melloniahti 206.
Meltola 206.
Merefa 406.
Mereika 245.
Mereküll 72.
Merikoski 238.
Merimasku 232.
Merski-See 343.
MeachtBcherjäken 358.
Meylans 223.
MiehaeUthal 400.
Miehailenki 389.
Michailogrod 388.
Miehailow 382.
MiehaUowka 182.
— (Südrussland) 410.
Miehailowskoje 380.
Michalowo 46.
St. Michel 206.
Miechow 5.
Miendsirsehetaeh 240.
Migaewo 400.
Miikinlahti 209.
Miloczyn 33.
Miloana 240.
Minsk 242. 243.
— bei Warschau 240.
Miropol 389.
Mischa 399.
Mischor 420.
MiUu 62.
B^atlewskaja i373.
Mtawa 31.
Mlecewo 31.
Mlociny 32.
Mlodat 397.
Möblirte Zimmer xzit.
Modlin 30.
Mogiljany 389.
Mogily 255.
Mohilew 245.
Mohla 209.
Moikoa-Sund 229.
Mokotow 28.
Mokachanen 346.
Mokachani 374.
Moloakowitz 69.
Monrepoa 205.
Montowo 31.
Mordwinen 346.
Morachanak 373.
Morkwaaeh 350.
Morkwaachenakisehe
Höhen 363.
Morkwaaehi 363.
Moryain 28.
Moacheikl 41.
MoBhaiak 248.
Moakan 261.
Ableitungakanal 306.
Adelaklub 298.
Adreaa>Gomptoir 263.
Alexandergarten 292.
Alexander - Kriega-
aehule 294.
Annenhof 304.
Apotheken 264.
Archiv dea Juatiz-
miniateriuma 303.
— dea Miniat. dea In-
nern 293.
Armentiäuser.
Alexejewaky 307.
BürgerUchea 307.
Katharinen- 302.
Kurakin*aohea 901.
Xabilkow'achea 300.
KOSKAÜ.
Armenhäuser.
Scheremetj ew^sehea
300.
Arsenal 287.
Aente 264.
Augenklinik 297.
Ausstellung TOn 1883
312.
Bäder 264.
Bahnhöfe 263. 298. 301.
306.
Banquiers 264.
Bjeloigorod 267.
Börse 1291.
Botan. Garten 300.
BoulewMTds 268.
Blumen- 299.
Nowinsky 296.
Pretsehistensky 269.
Ssmolensky 295.
Strastnoi 297.
Subowsky 295.
Tschissio -Prudsky
269. 301.
Twerskoi 297.
Zwetnoi 299.
Brücken.
Borodinsky 296.
Dorogomilowsky
296.
Jausky 306.
Kamenny 306.
Krymsky 306.
Lefortowsky 304.
Moskwarezky306.
Pokrowsky 308.
Pressnensky 296.
Schloss- 9C4.
Tsehugunny 306.
Buchhandlungen 264.
Butyrki 313.
Cafes 261.
Cireus 266. 299.
Civilgouvemement
297.
Chodynka-Feld 312.
Concerte 266.
Gonditoreien 261.
Consistorium 80O.
Gonsulate 263.
Dampfboote 262.
Djewitsehje Pole 295.
Ermitage - Charten 299.
Feldmesser- Institut
303.
Feuerwehr 295.
Findelhaus 304.
Friedhöfe.
Armenischer 297.
Deutscher 304.
Wagankowscher297.
Gasthöfe 261.
REGISTER.
MOSKAU.
Gemälde - Ausstellung,
perm. 298.
General - Gouverne-
ment 297.
Geriehtsgebäude 286.
Gestütsdireetion 297.
Gorochowoje Pole 303.
Gostinny Dwor 291.
Gymnasium, drittes
299.
Hofeomptoir 281.
Hotels 261.
Iberische Kapelle 288.
— Pforte 287.
Jungfemfeld 295.
Junkerschule 304.
Iwan Weliky 271.
Kameralhof 293.
Kiuemen.
Alexander- 306.
Artillerie (Kreml)
284.
Gensdarmerie 299.
Krutizky 305.
Pokrowsky 308.
Bothe 304.
Kathedralen.
Arehangelsche 275.
Basilius- 289.
Blagowjesehtschen-
sky 276.
Himmelfahrts- 274.
Kasan'sehe 292.
Usspensky 274.
Verkündigungs- 276.
Wassily Blashenny
289
Kaufläden 263.
Kaufmannsklub 298.
Kirchen.
Armenische 302.
Chram Sspassitelja
294.
Erlöser- 294.
Himmelfahrts- 303.
Iberische Kap. 288.
Ludwigs- 265. 299.
Michaelis- 303.
Nikita- 303.
Peter- u. Pauls, kath.
265. 299.
— , luth. 302.
Kitaigorod 267. 287.
Klöster.
AlexCjjewsky 301.
Altgläubigen 308.
Andronow 305.
Bogojawlensky 292.
Danilowsky 307.
Donskoi- 307.
Heilands-, neues 305.
Johannes- 303.
431
MOSKAU.
Klöster.
Jungfern- 295.
Iwanowsky 303.
Metropolitenkl. 286.
Nikolaus-, griech.
292.
No wodj ewitsohy295.
Nowosspassky 305.
Pokrowsky 306.
Roshdestwensky 299.
Sa - Ikono - Sspassky
292.
Satschatejewsky 295.
Snamensky 291.
Ssimonowsky 305.
Ssretensky 299.
Strastnoi 297.
Tsehudow 286.
Wosnessensky 271.
Wunder, Kl. der286.
Wyssoko-Petrowsky
298.
Klubs 265.
Kolymashny Dwor 294.
Kommerzschule 295.
Krankenhäuser.
Golizyn'sches 307.
Jermakow*sches 302.
Katharinen- 298.
Marien- 299.
Pauls- 306.
Preobrashensky 302.
Städtisches 307.
Wladimir (Kinder)
302.
Krassny Prud 301.
Kreml 269.
Arehangelsche Kath.
275.
Arsenal 287.
Belyedere-Palast280.
Blagowjeschtschen-
sky-Kath. 276.
Bureau des Polizei-
meisters 284.
Erlöserthor 270.
Granowltaja Palata
279.
Himmelfahrtskloster
271.
Himmelfahrt Maria,
Kath. 274.
Iwan Weliky 271.
Kaiserplatz 284.
Kaserne 284.
Kathedralenplatz
273.
Kommandanten-
strasse 284.
Kikolansthor 287.
Orushetnaja Palata
281.
432
MOSKAU.
Kreml.
Pftlais, grosses !277,
— , kleines (Nikolai)
271.
Parade-Hofplatz 284.
Patriarehenhaus 285.
Potescbny Dworez
284.
Biesengloeke 273.
Rothe Treppe 280.
Büstkammer 281.
Sehatzkammer 281.
Senatsgebäude 286.
Senatsplatz 284.
Sspass na boru,
Kirebe 281.
Sspassky-Tbor 270.
Synodalbibliotbek
285.
Synodalgebäude 285.
Terem im.
Thore 270.
Troizky-Thor 284.
Tscbudowkloster
286.
. Usspensky - Katb.
VerkündigungMariä,
Katb. 276.
Wosnessensky Klos-
ter 271.
Zarenplatz 271.
Zar -Kanone 284.
Zar Kolokol 273.
Kriegsbospital 304.
Künsilersebule 301.
Kusnezky Host 298.
Kutscbko-Feld 299.
Land- u. forstwirtbscb.
Akademie 313.
Lazarewsebes Inst. 303.
Lefortowsky - Sebloss
303
Lisin'-Teicb 306.
Lobnoje Hjesto 289.
Lomonnossows Stand-
bild 293.
Mädebenscbule, Niko-
lai- 305.
— , Alexander -Marien-
295.
Mädcbenstift , Alezan-
der- 299.
—, Elisabetb- 303.
— , Katbarinen- 299.
Mamonowsebe Villa
307.
Marina Boscbtseba 314.
Märkte 269.
Blumen- 269.
Bolotnaja 306.
Deutseber 303.
BEGISTER.
MOSKAU.
Märkte.
Konnaja 306.
OebotnyBjäd269.297.
Ssmolensky 269. 296.
Staraja 269. 291.
Tolkutscbka269.292.
Matwejew - Mausoleum
302
MilitärgefangnUs 304.
Militärgymnasien 304.
Militärlager 312.
Minin u. Posbarsky^s
Denkm. 289.
Museen,
Historiscbes 288.
Kunst u. Gewerbe
300
OelfentUcbes 293.
Polyteebnisebes 303.
Rumjanzow 293.
KesskutscbnyPark 307.
Nikolai-Invalidenbaus
309.
— Lyceum 295.
Oebotny Rjäd 269. 297.
OrienUl. Institut 302.
Paläste.
Alexandrinen 307.
Oolowin 304.
Kreml, grosser 277.
— , kleiner (Nikolai)
271.
Panorama 265. 299.
Passagen 298.
Petrowsky - Park u.
Sebloss 312.
Pferdebabnen 262.
Pbilantbrop. Ges. 302.
Plätze,
Arbatskv 296.
Bolota S06.
I^inka 302.
Jeloebowskv 303.
Kalusbsky 906.
Krassnaja 287.
Krymsky 295.
Kudrinsky 296.
Lubjanka 299. 302.
Basguljai 303.
Rotber 287.
Ssucbarew- 299.
Stanga 291.
Tbeaterplatz 298.
Truba !«9.
Warwarka 304.
Polizei 263.
Post 263. 301.
Preobrasbenskoje 308.
Preobrasbensky sebe
Kapelle 302.
Pressnensky - Teiebe
490.
MOSKAU.
ProYlantokagazin 295.
Pulvermagazin 306.
Pusebkin - Denkmal
297.
Reiben, die 290.
Rennbabn. 312.
ResUurants 261.
Rjädy 290.
Bk)gosbskaja 305.
Romanowbaus 291.
Rotbe Pforte 301.
Samoskwaretsebje 306.
Sapassny - D wor 901.
Sarjadje 291.
Sebmiedebrüeke 298.
Seminar, geistl. 299.
— , Lebrer- 303.
Sem^janoi-Gorod 267.
— Wall 303.
Senat 286.
Sopbienquai 270.
Sperlingsberge 307.
Ssadowaja 269. 296.
Ssasikow(Datscbe)302.
Ssokolniki -Park dOl.
Ssoljanoi-Dwor 306.
Ssuebarewtburm 299.
Stadtbaus 293.
Stadt -Manage 292.
Stadttbeile 266.
Sternwarte 297.
Strauen 269.
Arbat- 296.
Armjansky - Pereu-
lok 303.
Basmannaja 301. 308.
Deutsche 303.
Dmitrowka, Bol-
scbaja 298.
— , Malfja 298.
Dolgoruwsk^a 296.
DonskiO» ^'
Gasetny-Per. 297.
Jämsk^a 297.
Jeloebowa 308.
Iljinka 291.
Kalantsebewskaj a
301.
Kalusbskaja 306.
Karetny Rjäd 299.
Kommandanten-284.
Kosmo -Damiansky
308.
Kusnezky Most 396.
Leon^ewsky Pereu-
lok 297.
Lubjanka 299.
Marosseika 302.
Mestacbenski^a 300.
IQassnizkaja 300.
Moehowaia 2^.
Mytn^a 306.
MOSKAU.
Straxuen.
NeglinnyPro.iesd299,
Nikolo-Jamsksija
Nikolskaja 292.
Njemezkaja 303.
Ostoshenka 295.
Petrowka 298.
Pjatnizkaja 906.
Pokrowka 302.
Powarskaja 297.
Pressnenskaja 297.
Pretsehistenka 295.
Roshdestwenka 299.
Schmiedebrücke 298.
Snamenka 293.
Ssadowaja 269. 296.
Ssmolenskaja 296.
Ssokolnizkaia 301.
Ssoljanka 304.
Ssretenka 299.
Teatralny Projesd
299.
Twerskaja 297.
Warwarka 291.
Wolehonka 294.
Woronja 305.
Wosdwishenka 293.
Synodalgebäude 286.
Synodal - Typographie
292.
Technische Schule 303.
Theater 264.
Theater, grosses 264.
298.
—, kleines 264. 298.
— , Narodny- 265.
— , Puschkin- 265.
Theaterscbule 298.
Thore.
Butyrka 298.
Iberisches 287.
Iljinsky 302.
Kalushsky 307.
Krassnija 301.
Krestowsky «300.
Pokrowsky 305.
Preobrashensky 308.
Rogoshsky 305.
Pretsehistenka 295.
Sserpuchowsky 306.
Ssimonowsky 305.
Ssokolniker 301.
Twerskoi 297.
Wladimir 292.
Wosskressensky 287.
Tolktttschka 269. 292.
Traktire 261.
Tramways 262.
Transport - Gefängniss
298.
Tretjakow - Gallerie
306.
Busaland. 2. Aufl.
REGISTER.
MOSKAU.
Tretjakow - Passage
292.
Triumphpforte 297.
Trödelmarkt 292.
Universität 293.
Universitätsdruekerei
298.
— -Klinik 299.
Vormundschaftsrath
304.
Wagen 262.
Wasserthurm 299.
Winny-Dwor 306.
Wittwenhaus 296.
Wodootvvodny - Kanal
306.
Zigeuner-Colonien 297.
Zoolog. Garten 296.
Moskauer Kanal 259.
— Kohlenbecken 380.
Moskwa, die 2i7. 248 etc.
Motowilowka 397.
Mrozy 240.
Msehinsk 88.
Mssta 255.
Mstow 8.
Muchawiez 241.
Muddais 230.
Mukkilänniemi 208.
Mukös 214.
Munksnäs 223.
Münzwesen xii.
Muolaanjärvl 209.
Murino 198.
Murole -Kanal 285.
Murom 324.
Mursinka 94.
Murtomäki 214.
Mustamäki 203.
Mustasaari 236.
Mustlanöm 79.
Muuruwesi 213.
Myllinka 371.
Myllymäki 235.
Mylly-Suvanto 208.
Myschkow 6.
Mysowo 389.
Mytischtschi 315.
Mzensk 380.
K&dendal 232.
ÜTadjeschkino 363.
Kagu 233.
Xapoleonshügel 38.
Nara 377.
Karew 30. 45.
Narowa 69. 70. 71.
Narwa 70.
Nasielsk 31.
l^äsijärvi 235.
Nationaltänze xxviii.
lITatoliQ 28.
433
Naumowka 397.
Neicküla 78.
Neitsvtniemi 207.
Neljubowka 408.
Nemda 345.
Nennal 73.
Nerkkojärvi 214.
Nero -See 318.
Netta 47.
Neuermühlen 66.
Neu- Jerusalem. Kl. 259.
Neu-Ssaratow 196.
Newa 101. etc.
Newka 101. etc.
Nieborow 3.
Niemen 37. 46.
Nieszawa 3. 33.
Niewiaza 40.
Nikita 421.
Nikitskoi- Kloster 318.
Nikolaiken 31.
Nikolaistad 236.
Nikolajew 399.
Nikolaus - Kloster 341.
Nikolskaja Poljanka 360.
Nikolskoje 344. 361.
Nikolsky- Polost 346.
Nilsiä 207.
Nisalaks 214.
Nishny- Nowgorod 325.
Niskakoski 207.
Nizgal 49.
Njeshin 391.
Noisniemi 210.
Nordeckshof 69.
Norskaja 341.
Nossowka 391.
Nöteborg 196.
Notsjö 226.
Nowa - Alexandria 33.
Nowaja-Bavarija 398.
Nowgorod 249.
Nowki 324.
Nowo - Alexandrowsk 47.
Nowo-Alexejewka 410.
Nowodjewitsche Berge
363.
Nowo - Georgiewsk 30.
Nowo - Grigorjewka 410.
Nowo-Kolomna 384.
Nowo - Kostitschi 375.
Nowosselje 88.
Nowo-Ssergiewskaja 375.
Nowossil 371.
Nowo-Ukrainka 400.
Nowy-Dwor 30. 31.
Nowyi-Bug 399.
Nuasjärvi 214.
Nukö 82.
Nummela 224.
Nummern xxiv.
Nurmiss 216.
Nurmo 237.
28
434
Nyby 217. 238.
Ny-Karleby 237.
Nykyrka 203.
Nyslott 212.
Nystad 232.
Obersee 79.
Ober-UsBlon 350.
Obiralowka 323.
Obojan 397.
Obnl 369.
Obschtsdby Ssyrt 375.
Ochansk 359.
Ochta, die 198.
Ochwat - Skadenje 48.
Odenpäh 68.
Oderberg 387.
Odessa ^1.
Aerzte 402.
Alexanderpark 404. 406
Apotheken 402.
Bader 402. 406.
Bahnhöfe 401. 406.
Banken 402.
Bazar, alter 406.
— , griech. 406.
Bellevue 407.
Bibliothek 404.
Börse 404.
Boulevard 404.
— , Neuer 404. 406.
Dampfschiffe 402.
Denkmäler.
Bichelieu 404.
Woronzow 406.
Droschken 401.
Englischer Klub 405.
Freitreppe 404.
Gasthöfe 401.
Griech. Schule 405.
Gross-Fontan 407.
Häfen 404.
Handelsschule 406.
Hospital, Stadt. 403.
— , liith. 406.
Kirchen.
Kathedrale 405.
Luther. 406.
Njemetzkaja 406.
Nowobazarnaja 405.
Pokrowskaja 406.
Rüm.-kath. 406.
Ssrjetinskaja 405.
Troitzkaja 406.
Usspenskiga 406.
Klein-Fontan 407.
Klein -Liebenthal 408.
Klubs 401.
Konsulate 402.
Kronsgarten 405.
Kulikowo Pole 406.
Lansheron 407.
REGISTER.
ODESSA.
Limane 407.
Chadshiweisky 406.
Klein - Liebenthaler
Kiijainik 407.
Lineiken 402.
Mittel-Fontan 407.
Museum 404.
Nonnenkloster 406.
Paläste.
Kaiserl. Schloss 404.
Palais Royal 405.
Woronzow 404.
Pferdebahnen 401.
Plätze.
Katharinen- 406.
Neuer Bazar- 4^.
Priwosnaja 406.
Ssobor- 406.
Theater- 405.
Post 406.
Praktischer Hafen 404.
Quarantäne-Hafen 404.
Restaurants 401.
Salzwerk 408.
Stadtbibliothek 404.
Stadthaus 404.
Städtischer Garten ^!I5.
Stadttheater 405.
Strassen.
Alexandrowski-
Prosp. 406.
Cherssonskaja 406.
Deribassowskaja404.
Dworjanskaia 405.
Jamskaja 406.
Jekaterinskaja 406.
Koblewskaja 405.
Lansheronskaja 405.
Nadj eshdinBkaJa406.
Potschtowaja iOß.
Preobrashenskaja
406.
Puschkinskaja 406.
Ssabanj ej ewbrücke
406.
Troitzki^a 406.
Usspenskaja 406.
Theater 402.
Tramways 401.
Universität 406.
Vorstädte.
Melnizy 407.
Moldawanka 407.
Nowaja Sslobodka
407.
Peressyp 407.
Odinzowo 248.
Oesel, Insel 61.
Oger 49.
Oginski-Kanal 389.
Ogrodzienitz 6,
Ogrudki 341.
Ois 217.
Oka, die 324. 346. 373.
etc.
Okhna 3.
Okulowka 255.
Olbia 400.
Oley 62.
Olkieniki 47.
Olkijoki 238.
Olkuseh 5.
Olschanka 389.
Olschtyn 8.
Olwiopol 400.
Olyka 389.
Oininedo 73.
Onkivesi 207. 214.
Onkkala 226.
Optneha 380.
Opuk 423.
Oranienbaum 181.
Orany 47.
Oraväkytä 209.
Oravais 237.
Orchowsky, Insel 361.
Ordeseh £6.
Orechow 196.
Orel 371. 380.
Orenbuig 375.
Orianda 420.
Orihvesi 235.
Orismala 236.
Orivirta-Pass 207.
Orlik 380.
Orscha 245.
Orsk 376.
Oryschew 4.
Oserki 197.
Oshenin 389.
Osiek 27.
Ossetry 384.
Osstankino 314.
Osstaschkowo 256.
Osster 370. 391.
Östermyra 236. 237.
Ostrolenka 45.
Ostrow 86.
Ostrowets 9.
Ostrowy 3.
Otawa 206.
Otlotsehin 1.
Otrada 380.
Otwoexk 33.
Oulais 287.
Ouluiärvi 214.
Oulnjoki 214.
Owsseluk-See 337.
Oyzöw 5.
Ozorkow 9.
Paakkola 209.
Pabianiee 9.
Pachomowo 377.
Paehra 377.
Padiskloster 85.
Päljänne 217.
Pälkäne 236.
Pappilanniemi 213.
Parehatka 33.
Pargas 230.
Pargolowo 198. 202.
Parola 226.
Pasfl XIII. 1. 2. 36.
Pasuri 209.
Patsehelma 374.
Pawlisch 399.
Pawlograd 409.
Pawlowo 323. 324.
Pawlowgk 192.
Pawsebino 313.
Pedersö 237.
Peipus - See 73.
Pella 196.
Peltew 387.
Pelzwerk xxiii.
Pemar- Fjord 231.
Pensa 373.
Perekop 411.
Pereritiza 254.
Perekrestowo 4ßO.
Pererwa 310.
Perejsslawl-Saljesky 318.
Peresspa 389.
Pereterka 254.
Perewalowka 366.
Perhonjoki 237.
Perkjärvi 203.
Perm 359.
Pernau 60.
Perno 216.
Perovesi 214.
Perowo 384.
Perse, die 49.
Pesskow 384.
Peterhof 181.
— , Alt- und Neu 182.
St. Petersbnrg 91.
Admiralität 106.
— , neue 112.
Akademie der Künste
170.
— der Wissenschaften
169.
— -, geistl. (katholische)
174.
— , medizin. - Chirurg.
178.
Alexandergarten 106.
Alexander II. Kirche
121.
Alexanderpark 175.
Alexandersäule 112.
Apotheken 96.
ApothekerinseIlOl.176.
Arsenal) altes 163.
— , neues 178.
REGISTER.
ST. PETERSBURG.
Arcadia 177.
Artelschtschiks 95.
Artillerie - Akademie
178.
— Departement 163.
— Museum 175.
Aerzte 96.
Augenklinik 162.
Bäder 96.
Bahnhöfe 91.
Baltischer 165.
Finnländiseher 178.
Moskauer 168.
Warschauer 165.
Zarsko - Sseloscher
163.
Bairdsche Fabrik 164.
Bank, kais. 160.
Bankiers 96.
Bavaria 177.
Bazar 157. 174.
Bergakademie 173.
Besborodko, Villa 178.
Bezirksgericht 163.
Bibliothek, kais. 158.
— d. Akademie 169.
Blumenausstellung 99.
107.
Börse 169.
Botan. Qarten 176.
— Sammlung 170. 176.
Boulevard der Garde
zu Pferde 108.
Brautschau 120.
Brücken 103.
Aegypt. Ketten-
brücke 166.
Anltschkow- 160.
Dworzowy 169.
Eremitage- 118.
Kalinkin- 165.
Karpinsky- 176.
Kasansche 157.
Ketten- 120.
I^jetny 120.
Nikolaus- 112.
Neue Kalikin- 165.
Palast- 169.
Panteleimon- 120.
Petersburger 119.174.
Stroganow- 177.
Schlossbr. 169.
Ssutugina 165.
Ssamssoniew 178.
Theater- 121.
Troizky 119. 174.
Tutschkow- 174.
Winter- 121.
Buchhandlungen 95.
Gadettencorps, Marine-
173.
Circus 97.
435
ST. PETERSBURG.
Commerzschule 164.
Gonditoreien 92.
Consulate 96.
Datschen 106. 176.
Demidow - Garten 164.
Denkmäler,
Alexander I. 112.
Barclay de Tolly 157.
Katharina II. 159.
Krusenstern 173.
Krylow 120.
Kutusow 157.
Nikolaus I. 111.
Peter d. Gr. 107. 121.
Rumjanzow 170.
Ssuworow 119.
Wylie 178.
Derewnja, Nowaja u.
Staräja 177.
DeutscheBotschaft 111.
Dienstmänner 95.
Droschken 93.
Druckerei, kais., von
Werthpapieren lOö.
Duma 1d7.
Dworniks 156.
Eisrutschberge 98.
Englischer Quai 112.
Eremiiage 122.
Aegypt. u. assyr.
Alterthümer 124.
Altruss. Alterth. 148.
Bronzen 131. 139.
Gameen 1^.
Eremitage, alte 149.
— , zweite 153. ,
Gallerie der Kostbar-
keiten 150.
— Peters d. Gr. 149.
— Romanow 153.
Gemälde - Gallerie
134.
Geschn. Steine 148.
Griech.-röm. Scul-
pturen 124.
Guarenghi, Gab. 153.
Handz eichnungen
131.
Kertsch,Saal von 126.
Kupferstiche 132.
Münzsammlung 147.
Pfauencabinet 149.
RafTael- Gallerie 148.
Silberarbeiten 131.
Skyth.u.sibir. Alter-
thümer 133.
Terracotten 131.
Treppenhaus 133.
Vasensammlung 130.
Fabriken 105.
Festungsinsel 101. 174*
Findelhaus 157.
28*
436
ST. PETERSBURG.
Fluss- Yachtclub 177.
Füutanka 102.
Forstinstitut 198.
Friedhöfe 97. 174.
Gärte7t.
Alexandergarten,
neuer 106.
Demidüvv 164.
Isaaks- 111.
31ichailowsky 121.
.lussupow 161.
Sumiuergarten, kais.
119.
— , kleiner 121.
Garten^trasse ItiO.
Gasanstalt 164.
Gassners Museum 158.
Gasthöfe 91.
Gemälde - O'ailerien .
Akademie 171.
Eremitage 134.
Leuchtenberg 111.
Ssemenow 172.
Stroganow 163.
Gcneralstabs -Akade-
mie 112.
Generalstabsgebäude
118.
Gesandtschaften 96.
Oesellscha/ten,
Frei Ökonom. 164.
<t artenbau- 157.
Geographische 160.
Menschenfreund-
liche 162.
Meteorologische 160.
Mineralogische ILO.
Technologische 163.
Glasfabrik, kais. 168.
Golodai- Insel 101.
Gostinny-Dwor 157.
Gross-Ochla 178.
Guljanien 98.
Gutu.je\v-Insell79. 182.
llcumarkt 161.
llol'sängerschule 118.
Hospitäler.
Alexander-H.i62.167.
Kvangelisches 168.
Marine, zweites 165.
Militär-Landh., zwei-
tes 178.
Obuchowsches 16-i.
Maria -Magdal.- 174.
Peter -Pauls 176.
Ingenieurschule 120.
Inseln, die (Xewa) 101,
Inblitut (Ut Bergin-
genieure Vi'd.
-- der Ingenieure f.
Wege u. Communi-
• cationen 161.
KEGISTER.
ST. PETERSBURG.
Institut, technol. 164.
Intendantur 161.
Irrenanstalt 182.
Isaaksgarten 111.
Iswoschtsehiks 93.
Jämsehtschlks 93.
Jelagin- Insel 101. 177.
Jussupow - Garten 161.
Kamenny - Insel 101.
177.
Kanäle 102.
Kanonier -Insel 182.
Karpowka, die 101.
Kasernen.
Araktschejewskv
167.
Ismailowsky 166.
Leibgarde 163. 176.
Marine 111. 165.
Mil.-Telegr.-Abth.
121.
Pawlowsky 121.
Ssemenowsky 163.
Katharineuhof 165.
Katharinen - Institut
162.
Katharinenkanal 102.
Kathedralen.
Auferstehuugs- 167.
Isaaks- 109
Dreieinigkeit 167.
Kasansche 156.
Nikulaus- 161.
Peter -Pauls- 174.
Sspasso -Preobra-
shensky 162.
Kaufmannsklub 157.
A'trcÄe/j, kath. l'Jü.
— , Protest. 196.
Armenische 158.
Auferstehungs 165.
— des h. Lazarus 168.
Dmitry (griech.) 168.
Dreifaltigkeits 166.
175.
Englische 112.
I Erlöser- 176.
' Geburt Johannes des
; Täufers 178.
Heilands 175.
Himmelf. Mai-iä 161.
j Holländische 156.
I Katharinen-, kath.
157.
■ — , lulh. 174.
— , schvved. 156.
— , russ. 165.
Marien-, linn. 156.
Malrosen- 161.
Methodi.s(eu 111.
Panteleimun 162.
Peters- 156.
ST. PETERSBURG.
Kirchm.
Reforrairte 111. 156.
Sergius 163.
Simeon u. Anna 162.
Snamcnskaja 163.
Troizy 166.
Verkündigung Maria
111. 168.
Wladimir 163. 176.
Kirchhöfe 97.
Klima 104.
Klinik, Universitäts-
178.
Klöster. '
Alexander - Ne wsk v-
167.
Nowo -Djewilschv-
164.
Ssmolnv 167.
Klubs 92.'
Krestowsky- Insel 101.
177.
Kriegsministerium 108.
Kronwerk 174.
Kunstausstellung, pcr-
man. 99.
Landwirthschafts - Mu-
seum 163.
Lebensweise 104.
Ligowsky- Kanal 102.
LitauischesSchloss 164.
Livadia 177.
Ljetny Ssad 119.
Lyceum, kais. 176.
Manege der Garde zu
Pferde 108. 111.
— des Grossf. Michael
121.
Marine - Invalidenhau^i
178.
Märkte.
Apraxin 16U.
Heumarkt 161.
Krugly 121.
Marien- 160.
Marmorpalais 118.
Marsfeld 119.
Marstall, kais. 156.
Michailowsky - Garten
121.
Militärgymnasium 176.
Militärschule, Constan-
tins- 164.
— , Paul- 170.
Millionnaja 121.
Ministtriev.
Auswärtige Ange-
legenh. 118.
Fin<%nzen 118.
Inneres 112. 160.
Justiz 158.
Unterricht 160.
ST. PETERSBURG.
Moika 102.
Münzcabinet (Akade-
mie) 170.
Münze 174.
Muieen.
Altchristliches 171.
Anatomisches 158.
170.
Artillerie- 175.
Botanisches 170. 176.
Eremitage 122.
Ethnograph. 169.
Landwirt lisch. Iü3.
Marine- 107.
Mineralog. 170. 173.
Pädagog. 163.
Unifornis- u. Equi-
pirungs 105.
Wagen- 156.
Wt'gecomumni-
cations- 161.
Zoll- 174.
Zoologisches 170.
Newa, die 101 etc.
— , Eisgang der 103.
Newka, die 101.
Newsky-Prospect 154.
Nikolai -Reitbahn 108.
111.
Nowo - Obwodny - Ka-
nal 102.
Nummern 92.
Orientirungsfahrt 98.
Paa:encorp8 160.
Paläst'.
Anitschkow 160.
Konstantin 118.
- Michael 118.
— Nikolaus 112.
— Ssergei 156.
- Wladimir 118.
Bjelosersky 177.
Jelaginsky 177.
Jussupow 156.
Lenchtenberg 111.
Michailow. alter 120.
— , neuer i21.
Nikolai 160.
Stroganow 168.
Taurischer 166.
Winterpalast 113.
Passage Stenboek 158.
Patriot. Institut 172.
Paul-Militärschule 170.
Pawlowskv'sches In-
stitut 162.
Perjeulki 103.
Peters des Grossen
Haus 176.
- Schloss 120. 177.
Peter -Pauls -Festung i
174. i
REGISTER.
ST PETERSBURG.
Peterhoische Strasse
182.
Petersburger Seite 101
176.
Petrowsky- Insel 101.
177.
Pferdebahnen 94.
Pflaster 104.
Physiolog. Laborato-
rium 176.
Plätze 103.
Admiralitäts- 106.
Alexandra- 159.
Börsen- 169.
Isaaks- 108.
Marien- 111. 161.
Michaels- 121.
Nikolaus- 161.
Palast- 112.
Peters- 103. 107.
Kasvvüdnv- 106.
Senats- 106. 107.
Ssuworow- 119.
Theater-(grosser)161
Troizky 166.
Tschernischow- 160,
Pointe 177.
Polizei 96.
Porzellanfabrik 195.
Possilny 95.
Post 95. 111.
ProspecU 103.
Bülschoj 172.
Ismailowskv- 165.
Liteiny- 162.
• Maly 174.
Neu - Peterhofscher
165.
Newsky- 154.
Sabalkansky 164.
Ilechtsakademic. milit.
161.
Rcchtsschule 163.
Reitbahn, Nikolai- 108.
Restaurants 92.
Rumjanzow - Obelisk
170.
Salzniederlage 162.
Schlittenfahrten 98.
Senat 108.
Shdanowka 101.
Sjännaja Ploschtschad
161.
Sommergarten, kais.
119.
— , kleiner 121.
Sommertheater 178.
Schpalernoi - Manufac-
tur 163.
Speisehäuser 92.
Ssamssonie wasche Fa-
brik 105.
437
ST. PETERSBURG.
Ssmolny- Kloster 167.
Stadtcommandantur
121.
Stadthaus 157.
Stadttheile 102.
Stadtthurm 164.
Sternwarte 188.
Strassen 103.
Strassenlcben 155.
Strjelka 160.
Stroganow. Villa 177.
Synod, heil. U8.
Taurischer Palast lu'!.
Technolog.InstilullU.
Telegraph 95. 111.
Temperatur i04.
Theater 97.
Alexandra 159.
Eremitage 118.
Grosses 161.
Marien- 161.
Michaels- 121.
Panajew'sches 97.
Renaissance 164.
Theaterschule 159.
Traktire 92.
Tramways 94.
TriugolnijaWorotalüö.
Triumphpforte, Mos-
kauer 164.
— , Narwa'sche 165.
Troiken 93.
Tschassti 102.
Ulizen 103.
Umfassungsgraben 102.
Uniforras- u. Equipi-
rungs - Museum 1U5.
Universität 170.
Vauxhall 195.
Vereine 92.
Viehhof 164.
Wasserleitungsthurm
167.
Wassily Ostrow 101.
168.
Winterpalast 113.
ZoUgebaude 174.
Zoolog. Garten 175.
PetersburgerSchweizl98.
Petrikau 8.
Petropawlowskoje 344.
Petrowsk 318.
Petrowsko.je - Rasumow-
skoje 259. 313.
Petschanowka 389.
Petscherskoje 366.
Pielisjärvi 208.
Pielisjoki 213.
Pielisstrasse 206.
Pihlajavesi 207. 212. 235.
Piikkiö 230.
Pikku-Imatra 207,
m
Pilawa 33.
Piliza 6.
Pilten 43.
Pilwlschki 37.
Pina, die 241.
Pinsk 241.
Pirisaar 73.
Plsavuori 213.
Pitkäranta 212.
Pjatowskaja 373.
Pjätuschki 323.
Plawni 409.
Pleschtschesswo-See 318.
Pleskau 86.
Pleskau'scher See 73.
Pless 344.
Pletenyi-Taschlyk 400.
Piisski 390.
Ploskaja 388.
Plozk 32.
Plussa 88.
Plyzjwa 9.
Pnjewo 3.
Podbrodse 47.
Podhorce 388.
Podlachien 45.
Podnowje 347.
Podolsk 377.
Podoroshna xix.
Podssolnjetschnaja 259.
Podwotoczyska 388.
Pohjaküla 78.
Pohjaskorkia 216.
Pohjaskyla 216.
Pojo 225.
PoklonnajaGora 198. 312.
Pokrow 323.
Pokrowskoje 311.
Polesien 242. 38S.
Polewaja 397.
Polista 254.
Polizei XIII. XVI.
Polnische Schweiz 5.
Polonn^e 389.
Polota 368.
Polozk 368.
Poltawa 399.
Poltawka 399.
Pomiechowo 30.
Pomoschnaja 400.
Ponjemuni 38.
Pono - See 337.
Ponyri 382.
Popeljuchi 388.
Popelnja 397.
Popowka 248.
Poraj 6.
Poretsche 47.
Porka 73.
Porogen des Dnjepr 409.
Porovesi 207.
Porussja 254.
Poshivja 344.
REGISTER.
Possad - Troizky 348.
Post XXI.
Postfahrten xviii.
Potinnieml 209.
Potok 26.
Potoki 399.
Powiiski 26.
Prästholm 230.
Prekuln 41.
Preobrashensk 88.
Pripet 388.
Prochorowka 397.
Prondnik 5.
Prosskurow 388.
Protopopowka 399.
Protopopowo 373.
Prowienischki 38.
Pruschkow 4.
Psiol 397.
Pskow 86.
Pskowa, die 86.
Pskowscher See 73.
Puhois 212.
Pujomäki 213.
Putawy 33.
Pulkowa 188.
Pulsa 216.
Pultusk 45.
Punkaharju 212.
Pupe 65.
Puruvesi 207.
Puschkino 315.
Putschesh 345.
Puumala-Sund 207. 212.
Pyehlau 66.
Pyhäjoki 237.
Pyhäjärvi 235.
Pyhäkylä 210.
Pyynika 235.
Pyttärlaks 214.
Pyttis 216. 217.
Pyydössaari 206.
Quidja 231.
Rami 210.
Babotok 347.
Rachny 388.
Radelma 230.
Radomsk 8.
Radziwilisehki 40. 47.
Radziwillow 4. 389.
Räfsö 233.
Räisälä 209.
Raivola 203.
Rajowice 34.
Rakke 74.
Rakkolajoki 214.
Rakowa 385.
Ramenka 312.
Ramenskoje 384.
Ranenbui^ 385.
Rannapungem 72.
BäschliKa 86.
Rasdjelnaja 400.
Baseborg 334.
Rasik 74.
Baskolniks xlvi.
Rastokino 314.
Ratschenka 246.
Ratsehki 47.
Rättijärvi 207.
Rauchverbot xxix.
Rauhalinna 230.
Rauma-Snnd 232.
Raumo 232.
Rautalampi-Strasse 217.
Rautavesi 235.
Rautunselkä 326.
Bawka 4.
Bein, Insel 361.
Reisekosten xi.
Reisezeit x.
Restaurants xxv.
Betu-Sari 180.
Beval 79.
Bevonkorva 206.
Biesenburg 31.
Biga 49.
Bigaseher Meerbusen 60.
Biihimäki 217. 225.
Biilaks 225.
Bingen 68.
Bingmundshof 49.
Bittikkakorva 207.
Bjäsan 385.
B^asanzewo 318.
B^eschetnikowo 259.
Bjasehma 345.
Bjashsk 373. 385.
Bodenpois 66.
Bodisehtscha 371.
Bogöw 9.
Boinesee 226.
Bokitnosümpfe 388.
Bokiziny 8.
Bomanow 389.
Romanow - Borisso-
gljäbsk 341.
Römershof 49.
Bonneburg 67.
Bopseha 186.
Bosenberg 31.
Boshdestwenskoje 359.
Boshiee 389.
Bosprza 8.
Bospuda 47.
Bosslawl 370.
Rosstow 318.
— , am Don 408.
Rouheala 209.
Rouhealankoski 209.
Row, der, 388.
Rowno 389.
Rflhew 256.
Ruda 26.
Buda Guzowskaja 4.
Rudka 348.
Budniki 8.
BudD,)a 370.
Rudziszki 47.
Ruha 337.
Ruhenthal 64.
Runebergs stuga 237.
Runö 59.
Runsala 230.
Rüokovirta 214.
Ruotsalaineu-See 217.
Ruovesi 235.
Ruschona 85.
Ruskeala 212.
Ruuki 238.
Ryblnsk 340.
Rybno 31.
Rybnoje 385.
Rykowo 410.
Ryshow 399.
Ryttylä 225.
Rzaza 45.
Saarenhof 273.
Saarenkorva 206.
Saarijärvi-Strasse 217.
Sabolotje 389.
Saima-See 206.
Säiniö 203.
Sairala 210.
Saitzewo 409.
Säkkijärvi 214.
Sakrotschim 32.
Saksby 218.
Salegoschtseh 371.
Salo 231. 238.
Salotarewo 371.
Salpausselänne 207. 217.
Salpausselkä 206.
Saltanowka 245.
Samogitien 40.
Sandö 231.
— (Insel) 236.
Sandomirer Gebirge 8.31.
Saplasy 400.
Saporoger 409.
Saraisk 384.
Särkijärvi 207.
Sassenhof 59. 65.
Satisehje 400.
Sawilowo 259.
Sehaehowo 371.
Sehanjawa 240.
Schären 233.
Sehatilowo 371.
Sehatseha 344.
Schawli 41.
Scheksna 340.
Sehelepieha 262.
Sehelkowka 248.
Seheion 254.
Sehestakowka 400.
REGISTER.
Schimsk 254.
Schlittenfahrten xxviii.
Schlock 65.
— , der 44.
Sehlüsselburg 196.
Schmarden 65.
Schtsehuka 350.
Schtschurowo 384.
Schtschutschische Berge
359
Schuja 324.
Sehumakowo 397.
Schuwalowa 182. 197.202.
Schwarzhäupter 55. 83.
Schwedengrab 399.
Sdolbunowo 389.
Segäwold 66.
Sembin 244.
Semgallen 48.
Semstwo xxxiii.
Severien 5.
Shabinka 241. 242.
Shegulewsk. Berge 363.
Sheltuchino 373.
Sherebkowo 400.
Shigin 33.
Shitomir 389.
Shmerinka 388.
Shodino 243.
Shosli 38.
Shukowka 370.
Shuljani 397.
Sibbo 218.
Sicherheit, öffentl. xvi.
Sievänjoki 237.
Sievi 237.
Siikajoki 238.
Simola 206. 216.
Sjedlez 240.
Sjölaks 231.
Skälö 233.
Skarpans 234.
Skempe 32.
Skiernlewitz 3. 9.
Skiftet-Sund 233.
Skinnarwik 231.
Slawehk 67.
Sluzew 28.
Smyschljäwka 366.
Snamenskaja 182.
Snamjenka 399.
Sobolowo 33.
Södemäs 223.
Sokolka 46.
Sokanlinna 209.
Soldau 31.
Solotuehino 382.
Sordavala 211.
Sosnowitz 4.
Sowserje 255.
Spirowo 256.
Ssablino 248.
Ssaburowo 310,
439
Ssachanskaja 371.
Ssalgir 410. 411.
Ssalgirquelle 422.
Ssamara 364.
— , Bogen von 364.
Ssamoilowka 409.
Ssamowka 348.
Ssapegino 247.
Ssapelki 341.
Ssarabus 410.
Ssarapul 359.
Ssaratow 372.
Ssaritsch, Gap 419.
Ssawia-Kloster 248.
Ssawluk-Ssu 413.
Sseim, der 382. 390.
Sseliger-See 337.
Sselischtschje 341.
Sseliwanowo 324.
Ssemibratowo 318.
Ssengilej 363.
Ssengilenka 363.
Sserbinowzy 388.
Sserebranka 88.
Sserebrowka-Bach 309.
Ssei^iewo 182.
Ssergiew- Kloster 186.
Ssergiewka 181.
Ssergiewo 182. 380.
Ssergiewsehe Insel 361.
Ssergiewsk 366.
Ssergiewsky Possad 315.
Sserpuchow 377.
Ssestra 259.
Ssestroräzk 198. 202.
Ssewastopol 415.
Ssimbirsk 361.
Ssimeon-Kloster 367.
Ssimferopol 412.
Ssinelnikowo 409.
Ssinjucha 400.
Ssirotino 369.
Ssiwasch 410.
Ssiwersk 88.
Ssjänzowo 372.
Ssjerozk 31.
Ssjetsehi 409.
Sskobelewo 378.
Sskopin 373.
Sskuratowo 380.
Sslawgorod 409.
Sslawianka 192.
Sslawuta 389.
Sslobodka 388i
Ssmolensk 246. 370.
Ssmudenza 345.
Ssnjäshet 371.
Ssnjäshetskaja 370.
Ssofia 192.
Ssofiewka 409.
Ssok 364. 366.
Ssokol 359.
Ssoldoga 344.
440
Ssoldogsche Insel 344.
Ssoli'-tewo 397.
Ssormowo 346.
Ssossenka 306.
Ssossna 371.
Sspassk 385.
Sspasskoje 313.
Sspasso - Gerontewskaja-
Kloster 349.
Sstanowoi - Kolodjes 382.
Sslaroje Sselo 3ö9.
Sstawropol 363.
Sßtersh-See 337.
Ssudak 422.
Ssudalskiseher See 197.
Ssuida 88.
Ssukejew 360.
Ssumv 390.
Ssundirka 349.
Ssundowit 348.
Ssura 348. 374.
Ssurgut 366.
Sswenigorod 248.
Sswijaga 350. 361.
Sswijahsk 350.
Sswinskaja 377.
Sswirlowo 314.
Sswolna 368.
Ssysran 366.
Stachow 244.
Stackein 68.
Staffansby 223.
Staraja Krim 423.
— Russa 254.
Stary Kostitschi 375.
Stintsee 66.
Stockmannshof 49.
Storkyro 236.
Stradra 8.
Strante-See 67.
Strassen xix.
Strelka, die 182.
Strelna 185. 182.
Strjelka 344.
Strjemieschitz 5. 6.
Strömdal 213.
Studjänka 243. 244.
Stugna 397.
Styr 389.
Suinula 235.
Sumer, Insel 361.
Sumparn 223.
Sand 234.
Suojärvi 212.
Suomenselkä 217.
Suonion-Saari 203.
Suotniemi 210.
Suprasl 46.
Suscha 380.
Suurkylä 216.
Suvanto - See 210.
Suwalki 36.
6vart& 224.
REGISTER.
Svartholm 216.
Sveaborg 223.
Svensksund 215.
Swentziany 47.
Swethof 64.
Swi^ty Krzyz 31.
Swislotsch 243.
Sydänmaa 235.
Sykowo 312.
Synod, heil. xlvj. 106.
Sysmä 217.
tSysterbeck 198. 202.
Syvälaks 230.
Szezakowa 4.
Szopy 28.
Tabak xxviii.
Tabbifer 74.
Taganasch 410.
Tainionkoski 207.
Taipale 210. 213.
Taliby 223.
Talizy 315.
Talsen 44.
Tammerfors 234.
Tampereenkoski 235.
Taninskoje 314.
Taps 74.
Taraktasch 423.
Taranowka 408.
Tarnopol 388.
Tarussa 377.
Tarvala-Fors 217.
Tataren 354. 412.
Taulumäki 217.
Tavastehus 225.
Tavasten 201.
Tavastkyro 235.
Tawschan Bazar 422.
Tebber 43.
Teisko 235.
Telegraph xxii.
Temir Kapu 421.
Tengeli 238.
Tepe Kerman 415.
Tep^ären 358.
Terespol 240.
Terijoki 203.
Tervaioki 214. 236.
Tesa 324.
Tescha 347.
Teterew 389.
Tetjuschi 360.
Teufelssteine 208.
Tewli 242.
Thermopylae 235.
Thorn 1.
Thorensberg 69. 65.
Tiseher 84.
Tjuschki 390.
T^uszez 45.
Tmaka 257.
Toby 236.
Toijala 226. 234.
Tokssowo 198.
Tolgsky -Kloster 341.
Tomaszow 9.
Tonschina 1.
Toppila - Sund 238.
TorhonjärvL 210.
Torma 73.
Torne& 238.
Torne&-Elf 238.
Toroschino 88.
Torshok 256.
Tossna 88. 248.
Töysä 23Ö.
Traktire xxv.
Tr&ngsund 203.
Träskända 218. 223.
Trepowka 400.
Treiden 60.
Treppenhof Ad.
Trikaten 68.
Trinkgelder xii.
Troiken xx.
Troiza- Kloster 315.
Troizkoje - Golenischt-
sehewo 312.
Troki 38.
Trubesch 385.
Tsehatyr Dagh 422.
Tschebokssary 349.
Tschenstochau 6.
Tseheremcha 340.
Tseheremissen 34B.
Tscherkisowo 306.
Tsehem 380.
Tschernorudka 397.
Tseherskaja 86.
Tschesma 188.
Tschirlkowo 372.
Tschisstopol 359.
Tschongar 410.
Tschornaja 411. 415. 419.
TschornajaDerewnJa273.
Tschornasjom 375.
Tschorny-Ostrow 388.
Tschubowka 400.
Tschudowo 248.
Tschufut-Kaleh 414.
Tsehuchny's 88.
Tschurilowka 246.
Tschurjuk-Ssu 413.
Tschuwaschen 349.
Tuak 422.
Tuekum 44. 65.
Tula 378.
Tumenka 363.
Tunoschna 341.
Tuorila 2:i0.
Tuovinlaks 213.
Turenki 225.
Turholm 223.
Turija 389.
Tuschlno 313.
Tusskara 982.
Twer 256.
TwerezkY- Kanal 256.
Twerza 257.
Tykö 231.
Tyrul 62.
Tytärsaari 216.
Vddern 68.
Udjelnoi 197. 202.
Udy 398.
Uezküll 49.
Uglowka 255.
Uittamo 229.
TJker 34.
Ule&borg 238.
\Jle&-Elf 238.
Ulwilankyla 233.
Umgangsregeln xv.
Undarisehe Berge 369.
TJnnukkavesi 207.
Unnunkoskl 210.
Unscha 345.
Unter- Usslon 358.
Upa, die 378.
Ural, der 375.
Urdiala 226.
XJrpala 214.
Ursuff 421.
Uskela 231.
Usmaiten 44.
U88lon,Ober-u.Unter3ö8.
— , der 350.
Usslowaja 373. 380.
Ussolje 363.
XJBspenskoje 360.
Uslije 345.
TJttis 217.
TJuraan-Saari 203.
Uuras 203.
Utscban-Ssu 421.
Uurdiala 226.
TTwarowka 247.
Uwoda 324.
Vagia 73.
Vägsjö-KanaL 217.
V&nä-Strom 226. 226.
Varälö 215.
Vargö 224.
Vergnügungen xxvi.
Vesijärvl 217.
Vuokatti 214.
Vuosalmi 209.
Waala 214.
Waarniemi 230.
Wäggewa 74.
Wait 79.
Walamo 211.
Waldai 255.
Waldai- Höhen 255.
— See 255.
Waldaika 255.
REGISTER.
Walk 68.
Walkeasaari 202.
Walki 399.
Wallinsaari 209.
Wanda 223.
Wanha-Wiipuri 205.
Wapnjarka 388.
Wargsehären 222.
Warkaus 213.
— -Kanal 213.
Warkausstrom 207.
Warppisaari 208.
Warachau 9.
Alexander-Gitadelle24.
Alexander- Platz 18.
— -Park 25.
Altstadt 23.
Arsenal 22.
Bäder 10.
Bahnhöfe 9. 23. 25.
Bazar 17.
Blinden- u. Taubstum-
men-Inst. 19.
Börse 17.
Botan. Garten 19.
Brücken 24.
Gitadelle 24.
Credit foncier 17.
Denkmäler.
Kopernikus 18.
Paskewitsch 16.
Sigismund III. 14.
Sobieski 19.
Findelhaus 18.
Frascati-Park 19.
Friedhöfe 22. 27.
General - Gouverne-
ment 16.
Gesellschaft, Wohl-
thätige 16.
Junkerschule 20.
Kasernen 22. 24.
Kaufmanns - Ressource
22.
Kirchen 10.
Alex. -Newsky 18.
Allerheiligen 20.
Anna 16.
Antonius 22.
Basilianer 21.
Borromäus 22.
Evangelische 17.
Franziskaner 24.
Griech.-kath. 25.
Griech.-russ. 21. 27.
Heilige Geist 33.
Heilige Kreuz 18.
St. Jacek 23.
St. Johann, Kath. 23.
Kapuziner 20.
Karmeliter 22.
St. Kasimir 24.
Katbolisehd 27.
441
WARSCHAU.
Kirchen.
Lutherische 17.
Marien 24.
Peter-Paul 23.
Reformirte 22.
Römisch -kathol. 22.
Wisytki 18.
Klubs 10.
Konsulate 10.
Kosakenställe 15. .
Krasihski-Garten 21.
— Platz 21.
Manöverfeld 26.
Marktplatz^ltstadt 23.
— , neuer l7.
Militär -Hospital 19.
Mokotow - Feld 20.
Museum für Industrie
u. Ackerbau 16.
Musikeonservator. 18.
Neue Welt 18.
lieustadt 23.
PaUUte,
Belvedere 19.
Blaues Palais 22.
Erzbisehöflieher 20.
Fürst -Primas 20.
Kazanowski 16.
Krasinski 21.
Kronenberg 17.
Lazienki 19.
Namienistkowski 16.
Ordynacki 18.
Pac 20.
Podblachoi 15.
Potozki 16.
Sachs. Schloss 17.
Zamojski 18. 22.
Post 10.
Pow^skysches Militär-
lager 26.
Praga, Vorstadt 25.
Bathhaus 21.
Reichsbank 22.
Rennplatz 20.
Sächsischer Garten 17.
— Platz 16.
— Werder 25.
Saska Kepa 25.
Schloss, königl. 15.
Schweizerthal 19.
Sommertheater 17.
Ssliwitzky, Fort 24.
Sternwarte 19.
Strassen,
JerusalemerAllee 22.
KrakauerVorstadtl6.
Marschallstr. 23.
Miodowastr. 20.
Nowy Swiat 18.
Senatorska 20.
Ujazdow- Allee 19.
442
WARSCHAU.
Strassenleben 13.
Synagoge 22.
Telegraph 10.
Theater 10. 21.
Theaterplatz 21.
Thore.
Belvedere 19.
Czerniakowski 27.
Jerusalemer 22.
Marymont 26.
Mokotow 20.
Moskauer 28.
Petersburger 24. 28.
Wola 22.
Wilnaer 25.
TJjazdowska-Flatz 19.
Universität 18.
Wahlebene 26.
Zamkowy-Platz 14.
Zoologischer Garten20.
Warschau, Qeneral- Gou-
vernement 2.
Warstsala 231.
Wasa 236.
Wartha 6.
Warwarinsky - Insel 345.
Warwarowkä 409.
Wassiljewa 345.
Wassiljewka 410.
Wassiljewo 323.
Wasßilkow 397.
Wassklot 236.
Wassil-Ssurssk 348.
Watulanhariu 235.
Wawer 28. 33.
Wawrzyszew 26.
Wedenjakama 217.
Wehmainen 235.
Weichsel,diell.24.31.ete.
Weissenburg 81.
Weissenstein 79.
Weiss -Bussland 37. 242.
Weisser See 309. 187.
Weisse Warte 45.
Wekkelaks 215.
Wekkoski 218.
Welikaja 73. 86.
Weliky- Nowgorod 249.
Wemgallen 42.
Wenden 66.
Werchita-Sec 337.
Werchowje 371.
Wcrda 373.
Weresehtsehino 254.
Wernadowka 37L
Wernigorodok 397.
Wesenberg 74.
REGISTER.
Wesselaja-Lopan 397.
Wessely-Kut 400.
Westankär 231.
Wetluga 348.
Wiborg 203.
Widzow 8.
Wieprz 33.
Wierzbno 28.
Wihandi 237.
Wiiala 234.
Wijataipale 205.
Wik 231.
Wiks-Ladugird 223.
Wilanow 27.
Wilejka 38.
Wileiskaja 47.
Wilga 33.
Wiliende 78.
Wilija 37. 38.
Wilkowischki 37.
Willinge 223.
Willmanstrand 206.
Wilna 38.
Windau 44.
— , die 41^.
Winniza a90.
Wirballen 36.
Wirtzjärw 68.
Wirtzsee 75. 78.
Witebsk 369.
Wittgenstein 243.
WiurUa 231.
Wjasma 277. 372.
Wjasniki 324.
Wjökssa 318.
Wkra-Fluss 30.
Wladimir 323.
Wlochi 294.
Wloclawsk 3. 32.
Wodianaja 399.
Wodjanische Höhle 359.
Wogulen 359.
WÖhma 79.
Woitowzy 388.
Woiwala 230.
Wola 26.
Wolchonsky-Wald 337.
Wolchow 255.
— , der 249. 255.
Wolga, die 256. 337 etc.
Wolgo-See 337.
Wolgo- Werchowje 337.
WoliBskoje 311.
Wolkowinzy 388.
Wolmar 68.
Wotoczyska 388.
Wolodomer 323.
Wologda 322.
Wolomin 45.
Woloflchki 341.
Wolosnikowa 361.
Woloßowo 69.
Wolska 26.
Woltschja 409.
Worobjewo 308.
Worok 254.
Woronesh 372.
Woronowka 349.
Woronzow-Strasse 418.
Woroshba 390.
Worskla 399.
Wörtzjärw 75.
Wosskressensk 259.
Wosskressenskaja 384.
Wosskressenskoje 359.
Wotjäken 358.
Wradijewka 400.
Wschodna, die 313.
Wsjesswjatskoje 313.
Wuoksen 207. 210.
Wuoksenniska 207.
Wuorentaka 231.
Würzau 64.
Wybutska 88.
Wygoda 29. 400.
Wyschki 85.
Wyschny - Wolotschok
256.
Wyszogrod 32.
Ylä-Suvanto 207.
Ylistaro 236.
Ylivieska 237.
Ylöjärvi 235.
Yrösjoki 235.
Zakroczym SO. 32.
Zarewschtschina 364.
Zargrad 49.
Zarizin 372.
Zarizino 310. 376.
Zarskoje -Sselo 189.
Zawiercie 6.
Zejmy 40.
Zelestinow 33.
Zgierz 9.
Ziegelkoppel 85.
Zielenice 45.
Zierau 43.
Zigeuner 201.
Zna 256. 376.
Zoll XIII. 1. 36.
Zombkowitz 6.
Zyrardöw 4.
Druck von F. A. Broekhaua in Leipsig.
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