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Full text of "saturae;"

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tOROHTO 


LL 
T974W* 


D.  IVNII IVVENALIS 


8  A  T  V  E  A  E. 


EUKLAItT 


VON 


ANDREAS    WEIDNER, 

DIKEKTOU    UKS    C.YMNAblUMS    ZTJ    DORTMUND. 


ZWEITE  DMGEARBEITETE  AUFLAGE. 


LETPZIG, 

DRUCK   UND    VEllLAG   VON    15.  G.  TEUBNKR. 

1889. 


D.  lYNII  IVVENALLS 

S  A  T  Y  R  A  R  V  M 


LIBRI  V 


P  coclex  Montepessulanus  125,  olim  Pithoeanus 
p  codicis  Pithoeani  manus  emendatrix' 
S  scholiorum  lectio  aut  ex  scholiis  ducta 
(o  codices  reliqni  omnes  ant  multi 
S^  codicum  reliquorum  pars 

B  Baecheler 

W  editoris  nomen 


Einleituug. 


I.    Juvoiials  Lebeii  uiid  Schriftstellerei. 

§  1- 

l  ber  Juvenals  ihifsore  Lebensumstande  sind  vvir  nur 
iuifserst  maui^elhaft  unterriclitet^).  Alle  sieliorn  Nachrichten 
iiber  sein  Leben  verdanken  wir  zum  grofsten  Teil  ihm  selbst, 
(1.  h.  zufalligen  Aufserungen  der  Satiren.  Aufserdem  ist  von 
Bedeutung  eine  \^  eihinschrift  Juvenals,  welclie  sicli  bis 
auf  unsere  Zeit  erhalten  liat"),  dazu  Erwahnungen  seines 
Xamens  bei  Martialis'')  und  Sidonius  Apollinaris*),  endlich 
einige  Notizeu  der  vorhandenen  Scholiensammlung,  deren  Glaub- 
wiirdigkeit  freilich  nur  eine  sehr  bedingte  sein  kann. 

In  verschiedenen  Handschriften  der  Satiren  finden  sich 
aufserdem  noch  verschiedene  Lebensskizzen,  welche  zwar  im 
wesentlichen  hach  Form  und  Lihalt  alle  aus  einer  Quelle  ge- 
flossen  zu  sein  scheinen,  doch  aber  in  Einzelheiten  sehr  von- 
einander  abweichen,  besonders  in  der  Nachricht  iiber  Ort  und 
Zeit  der  Verbannung  Juvenals "'). 


§  1- 
1)  Die  Hauptwerke  sind:  Francke,  Examen  criticum  D.  lunii  luve- 
nalis  Vitae,  Altona  1820.  C.  F.  Hermann,  de  luv.  satirae  VII  tempoi-i- 
bus,  Gottingen  1843.  Bart.  Borghesi,  intorno  all'  eta  di  Giovenale, 
Rom  1847,  jetzt  in  den  Oeuvres  completes  V  49  —  76.  (C.  A.  Bauer), 
Kritische  Bemerkungen  iiber  einige  Nactirichten  aus  dem  Leben  Juvenals, 
Re^ensburg  1833.  W.  Teuffel,  tStudien  und  Charakteristiken  p.  410  sq., 
Leipzig  1871,  und  in  Paulys  Realencykl.  V  1267  sq.  C.  F.  Hermann, 
Praef.  ed.  Teubn.  1862.  Die  weitere  Litteratur  bis  1880  s.  bei  Teuffel- 
Schwabe  R.-L.  §  331.  Unter  den  neuesten  Schriften  ist  am  meisten  er- 
wahnenswert  .Julius  Diirr,  das  Leben  .Juvenals,  Ulm,  Progr.  1888,  und  als 
Gegenstuck  dazu  Chrii3tian  Strack,  de  luvenalis  exilio,  Laubach,  Progr. 
1880.  2)   Bei    Mommsen,   Inscript.   Regni   Neapol.   n.   4312,    und    bei 

Henzen  n.  .5599.  C.  I.  L.  X  .5382.  3)  VII  24  u.  91.  XII  18.  4)  Carm. 
IX  270.  AUerdings  wird  hier  der  Name  Juvenal  selbst  nicht  genannt, 
aber  die  Beziehung  anf  ihn  ist  zweifellos.  Die  Nennung  des  Namens 
bei  Rutilius  Nam.  I  603,  loh.  Lyd.  mag.  I  41,  bei  loh.  Malala  chron.  X 
p.  341  oder  Suidas  ist  fur  die  Lebensgeschichte  des  Dichters  ohne  jede 
Bedeutnng.  5)  Bei:   D.   Innii   luvenalis   Satur.   libri   V   cum   scholiis 

veteribus  rec.   ot  emend.   0.  Jahn,   Borol.  1852,   p.  386  —  390,    und   bei 


VI  EINLEITT3NG. 

§2. 

Fiir  unseren  Zweck  sind  diese  Skizzen  samtlich  unbrauch- 
bar.  Denn  mag  auch  ihre  urspriingliche  Quelle  noch  so  rein 
uud  zuverlassig  gewesen  sein,  so  ist  diese  doch  im  Laufe  der 
Zeit  durch  willkiirliche  Kombination,  durch  Hinzufiigen  und 
Hinwegnehmen,  so  sehr  getriibt  worden,  dafs  wir  ihre  ver- 
stiimmelten  Nachrichten  unmoglich  fiir  historische  Thatsachen 
gelten  lassen  konnen^).  Eine  Quelle,  deren  Ursprung  und  Ver- 
lauf  unbekannt,  deren  Darstellung  zerrissen  und  verstiimmelt 
ist,  deren  Angaben  einander  vollig  widersprechend  sind,  darf 
und  kann  die  historische  Kritik  nicht  mehr  als  Autoritat  be- 
trachten;  solche  Notizen  erhalten  nur  dann  einen  gewissen 
sekundaren  Wert,  wenn  sie  mit  anderweitig  beglaubigten 
Nachrichten  zusammenstimmen-). 

G.  Valla  glaubte  allerdings  in  einem  seitdem  verlorenen 
Codex  die  Entdeckung  gemacht  zu  haben,  dafs  Juvenals  Leben 
uud  die  Scholien  zu  seinen  Satiren  den  Grammatiker  Probus 
zum  Verfasser  gehabt  hatten^).  Allein  diese  Nachricht  ist 
schou  an  und  fiir  sich  wenig  glaubwiirdig,  weil  im  Codex  Pi- 
thoeanus,  welcher  dieselben  Scholieu  fast  iibereinstimmend  ent- 
hiilt,  sich  von  einer  solchen  Angabe  nicht  die  geringste  Spur 
findet;  und  wenn  man  auch  die  Wahrheit  der  Angabe  von 
G.  Valla  nicht  in  Zweifel  ziehen  will,  so  scheint  es  doch  wohl 
unzweifelhaft,  dafs  die  von  ihm  erwahnte  Angabe  auf  eiuem 
Irrtum  beruht.   Da  namlich  von  dem  jiingeren  Valerius  Probus 


Dilrr  21  —  26,  wo  sich  auch  der  freilich  vergebliche  Versuch  einer  Re- 
konstruktion  der  alten  Biographie,  d.  h.  der  ursprunglichen  Quelle  der 
verschiedenen  noch  erhaltenen  Vitae,  vorfindet. 

§  2. 
1)  Das  erkennt  auch  Diirr  p.  6  sq.  an.  Wenn  er  aber  glaubt  die 
urspriingliche  Biographie  wieder  herstellen  zu  konnen,  so  ist  zu  er- 
widern,  dafs  subjektive  Annahmen  und  Unterscheidungen  des  Wahren 
und  Interpolierten  noch  lauge  nicht  objektive  Thatsachen  sind.  Es  ist 
dabei  gleichgviltig,  ob  der  Biograph  urspriinglich  aus  guter  alter  IJber- 
lieferuug  geschopft  hat  oder  nicht.  Was  uus  davon  iiberliefert  ist,  hat 
nur  Glaubwiirdigkeit  in  Verbiudung  mit  andereu  Zeugen.  2)  Dafs 
Sueton  nicht  der  Verfasser  der  urspriingUchen  Vita  sciu  kaun,  ergiebt 
sich  nicht  nur  aus  der  Unbestimmtheit  der  Angabeu,  soudern  auch  aus 
der  Lebenszeit  Juvenals.  Vgl.  ReifFerscheid  Q.  S.  371.  404.  422.  3)  Valla 
bemerkt  dariiber:  sane  comperti  mihi  sunt  nuper  Prohi  grammatici  in 
Juvenalem  commentarii  quantum  adhuc  audiverim  nuUi  alii  cogniti,  sed 
mirae  brevitatis:  alioquin  tamen  perquam  opportunos  aliquando  se  nobis 
obtulerunt:  obtulissent  vero  sese  adliuc  mayis  nisi  nobis  singula  rimanti- 
bus  codicis  nimium  cariosa  invidisset  vetustas:  et  si  in  omnes  libros 
coviperti  habeantur  qui  vix  tertii  libri  sccundfim  attigere  satyram.  In- 
vigilavimus  vero  ipsi  si  modo  id  consequi  potuimus:  ut  omnis  huius  podac 
pateret  cruditio:  Probi  intcrprctamtnta  cuitismodi  ea  fucrunt:  quuc  pJum 
perexigua  sunt  nc  in  minima  quidcm  partc  subtraximus :  aut  immutavimus. 


EINLEITUNG.  Vll 

eiu  Kommentar  inul  ein  Leben  des  Persius  vorliauden  war,  dio 
Satiren  des  Persius  aber  schon  friilizeitig  mit  dcnen  Juvenals 
iu  eiuem  Band  vereiuigt  zu  erscheinen  pHegteu,  so  kounte  es 
leicht  gescheheu,  dafs  man  die  Aufschrift  an  der  Spitze  der 
Scholien  zum  Persius  auf  die  vorhandene  Scholieusammhing 
zu  Juveual  iibertrug^j. 

§  3. 

Wie  dem  aber  auch  seiu  mag,  jedenfalls  darf  mau  sich 
nicht  den  beruhmten  Grammatiker  M.  Valerius  Probus  aus 
Berytos,  der  ja  viel  friiher  als  Juvenal  lebte,  als  Verfasser 
eines  solcheu  Kommentars  deuken.  Aber  auch  der  jiiugere 
Probus,  der  Verfasser  von  Kommentarien  zu  Vergil  und  Per- 
sius,  kauu  nicht  leicht  der  Autor  eines  Kommentars  zu  Ju- 
venal  sein,  den  er,  wie  es  scheint,  nicht  iiberlebt  hat.  Der 
jiingere  Probus  iiberlebte  kaum  das  Ende  des  Domitian,  wtih- 
rend  Juvcual  im  J.  127  sicher  noch  am  Lebeu  war.  Es 
bleibt  also  keiue  Zeit  iibrig,  iu  welcher  Probus  eiu  kritisch- 
exegetisches  Werk  iiber  deu  litterarischen  Nachlafs  Juveuals 
hiitte  schreibeu  konnen^). 

Wenu  man  indessen  die  iiberlieferten  Vitae  .Juvenals  als 
Pseudo-Quellen  beiseite  liifst  oder  doch  nur  als  sekundiir  be- 
trachtet,  so  verlieren  wir  darum  nichts  an  Nachrichten  iiber 
Juvenal.  Es  ist  in  ihnen  nichts  enthalten,  was  sich  nicht  auf 
andere  Weise  besser  und  zuverliissiger  gewinnen  liefse. 

§  4. 

Die  Geburtszeit  .Juvenals  steht  ebenso  wenig  wie  die  Zeit 
seines  Todes  fest.  Wir  wissen  nur  von  zwei  der  letzten  Sa- 
tiren,  dafs  die  dreizehnte  im  Jahr  127  n.  Chr.  und  die  fiinf- 
zehnte  nicht  vor  dem  Jahr  127  verfafst  ist,  uud  da  die  alteu 
Biographen  berichten,  dafs  Juvenal  etwa  achtzig  Jahre  alt  ge- 
worden  sei,  so  schlofs  man,  dafs  er  um  das  Jahr  47  n.  Chr. 
geboren  sein  konne^).    AUein  sicher  ist  es,  dafs  Juvenal  noch 


4)   I.  Steup,  de  Probis  grammaticis,  lenae  1871,  p.  128.     0.  Jahn, 
Prolegg.  Pers.  136. 

§  3. 

1)    Steup  127,  und  im  Rhein.  Mus.  XXVII  62  sqq.   gegen   Teuffels 
Einwendungen  in  den  Studien  und  Charakteristiken  p.  442  sq. 

§  4. 
1)  Die  Richtigkeit  der  Lesart  lunco,  womit  der  Konsul  Amilius 
.luncus  oder  richtiger  vielleicht  Ti.  Claudius  Juncus  gemeint  ist,  und 
damit  das  Jahr  127  n.  Chr.  hat  B.  Korghegi  erwiesen.  Dazu  vgl.  den 
Zusatz  von  Kegnier  in  den  Oeuvres  V  509  n.  und  Mommsen,  Ephem. 
epigr.  I  247  sq.  Borghe.si  beschaftigt  sich  nur  mit  dem  Konsulat 
des  Juncus  und  Fonteius  (13,  17),  auf  das  Geburtsjahr  selbst 
geht  er  nicht  niiher  ein. 


VIII  EINLEITUNG. 

nach  dem  Jalir  127  gelebt  haben  mufs.  Denn  wenn  er  15,  27 
sagt  nos  miranda  qtiidem,  sed  nuper  consule  lunco  gesta  .  .  . 
referemus,  so  kann  die  Satire  nicht  vor  128  geschrieben  sein. 
Es  ist  aber  auch  moglich,  dafs  hier  nuper  auf  einen  Zeitraum 
von  zwei  oder  mehr  Jahren  zuriickweist^).  Solange  also  das 
Todesjahr  nicht  bekannt  ist,  kann  daraus  das  Geburtsjahr 
nicht  berechnet  werden. 

Dafs  der  Dichter  ein  sehr  hohes  Alter  erreicht  hat,  konnen 
wir  den  alten  Lebensnachrichten  uubedenklich  glauben.  Da- 
fiir  spricht  zunachst  13,  16  stupet  liaec  qui  iam  post  terga  re- 
liquit  sexaginta  annos,  Fonteio  conside  (=  67)  natus?  Nur  ein 
alterer  Freund  konnte  ohne  Gefahr  der  Beleidigung  so  zum 
Freunde  reden.  Es  mufs  also  .Juvenal  im  J.  127  nicht  wenig 
iiber  60  Jahre  alt  gewesen  sein,  vielleicht  war  er  bereits 
ein  Siebziger^).  Andrerseits  ist  es  Thatsache,  dafs  er  erst 
im  spateren  Maunesalter  zu  dichten  oder  doch  wenigstens 
Satiren  zu  veroffentlichen  begonnen  hat.  Wenn  nun  diese 
Satiren  dennoch  nicht  aus  einem  Gusse,  sondern  zum  Teil 
von  sehr  verschiedenartigem  Charakter  sind,  so  mufs  man  an- 
nehmen,  dafs  der  Verfasser  zu  verschiedeneu  Zeiten,  wahr- 
scheinlich  bis  in  das  hochste  Alter  hinein,  gedichtet  hat,  zu- 
mal  sich  wenigsteus  in  der  fiiufzehnten  Satirp  Spuren  einer 
senectus  decrepita  ganz  von  selbst  aufdrangen.  Juvenal  ist 
also  gewifs  sehr  alt  geworden.  Andrerseits  war  er  ein  Freund 
des  Dichters  Martialis,  der  38 — 41  v.  Chr.  geboreu  ist.  Ist  es 
nun  auch  nicht  notwendig,  dafs  Freunde  immer  gleichaltrig 
sein  miissen,  so  ist  es  doch  auch  wiederum  natiirlich,  dafs 
zwischen  gleichstrebenden  Freunden  der  Unterschied  des  Alters 
nicht  gar  zu  grofs  zu  sein  pflegt.  Nehmen  wir  als  Geburts- 
jahr  fiir  Martial  40  n.  Chr.,  fiir  Juvenal  etwa  55  n.  Chrl  an, 
so  war  dieser  ungefahr  36  Jahre,  Martial  51  Jahre  alt,  als 
im  Jahr  91/92  Martial  (VII  24  u.  91)  den  Juvenal  offentlich 
als  Freund  begriifste^).  Unter  dieser  Voraussetzung  wiirde 
Juvenal   im  Jahr  127  bereits  72  Jahre  alt  crewesen  sein   und 


2)  Dvirr  p.  10  tindet  in  15,  140  sq.  eine  Anspielung  auf  clie  von 
Hadrian  in  Rom  eingefuhrten  (?)  eleusinischen  Mysterien,  und  da  diese 
erst  nacli  der  Riickkehr  des  Kaisers  von  seiner  zweiten  ileise  im  J.  134 
in  Rom  eingefiihrt  sein  konnten,  so  hatten  wir  damit  einen  Beweis,  dafs 
die  15.  Satire  nicht  gut  vor  dem  J.  135  verfafst  sein  kann.  AUein  die 
Beziehung,  welche  Diirr  der  Stelle  giebt,  ist  weder  notwendig  noch 
wahrscheinlich.  Auch  seine  Erklilrung  vou  Aurel.  Vict.  Caes.  14  ist 
keineswegs    sicher.  3)    Auch    L.  Schwabe    im    Rhein.    Museum  XL 

\).  25  sqq.  sagt  am  Schlufs  seines  Aufsatzes:  Juvenal  hat  nur  dann  ein 
Recht  zu  Calvinus  zu  sprechen  wie  er  spricht  (man  beachte  z.  B.  die 
recht  derben  Wendungen  V.  33.  35.  141),  wenn'  er  ziemlich  so  alt,  oder 
bosser    wenn    er   noch    iiltor   iat  als  jenor.  4)  Vgl.  Mart.  ed. 

Friodlaondcr  Bd.  I  58  sq. 


EINLEITDNG. 

in  einem  Alter  gestanden  haben,  in  dera  er  seinen  Freund 
Calvinus,  eineu  Sechzi«ior,  recht  wohl  auch  mit  derbereu  Worten 
zurechtweisen  konnte. 

§  5. 

Es  giebt,  wie  mir  scheint,  fur  die  anniihernde  Bestimmung 
der  Lebenszeit  Juvenals  eine  Greuze  uur  iu  der  Thatsache, 
dafs  der  Dichter  die  Regierungszeit  Domitians  rait  vollcm  und 
klarem  Bewurstsein  durchlebt  hat.  Denu  liir  diese  Zeit,  die 
den  Inhalt  der  Satiren  biklet,  ist  diese  Annahrae  eine  Not- 
wendigkeit  ')•  Die  Zeit  Neros  spielt  keine  so  grofse  Rolle, 
dafs  raan  auch  fiir  sie  dasselbe  voraussetzeu  raiifste.  Wer  dies 
wollte,  miifste  auch  annehraeu,  dafs  Juveual  bereits  die  Zeit 
des  Tiberius  im  kraftiojen  und  selbstaudigen  Jiinglingsalter 
durchlebt  hat-).  Diese  Zeiteu  konnte  Juvenal  ebenso  wie  Ta- 
citus  teils  durch  raiiudliche  Tradition  teils  durch  schriftliche 
Darstellungen  kennen  lerneu,  uud  er  besafs  Phautasie  genug, 
sich  rait  Lebhaftigkeit  in  die  Zustande  dieser  jiiugsten  Ver- 
gangenheit  zu  versetzen.  JuvenaJs  Geburtsjahr  kaun  von  dera 
des  Tacitus  nicht  sehr  fern  liegen.  Auch  Tacitus  reifte  unter 
Doraitian  zum  vollkraftigen  Maun  heran,  auch  er  hat  die 
Grausarakeit  des  Tyrauneu  durchgekostet  und  er  mufste  eben- 
falls  schweigen,  bis  rait  Nerva  und  Trajan  die  Hoffnuug  und 
die  Zuversicht  auf  eine  bessere  Zeit  sich  mehr  und  mehr  be- 
festigten. 

In  der  That  ist  neuerdings  in  einer  dera  15.  Jahrhundert 
angehorigen  Haudschrift  der  Barberinischen  Bibliothek  in  Rora 
eiue  Vita  gefuudeu  worden^j,  die  folgeude  raerkwiirdige  Notiz 
enthalt:  Iiinius  Iuvenalis  Aquinas  lunio  luvenale  patre,  matre 
vero  Septumuleia  ex  Aquinati  municipio  Claudio  Nerone  et  L. 
Antistio  consulihus  natus  est  (d.  h.  55  n.  Chr.).  Sororem  habuit 
SeptumuUiam ,  quae  Fuscino  (deu  Adressateu  der  14.  Satire) 
nupsit.  Man  raag  iiber  die  soustige  Glaubwiirdigkeit  dieses 
Huraanisten-Traktats,  denu  das  ist  die  angebliche  Vita,  urteilen 
wie  raan  will,  so  wird  raau  doch  zugesteheu  raiissen,  dafs  das 
Jahr  55  als  Geburtsjahr  des  Dichters  vortrefflich  gewahlt  ist, 
so  dafs  wir  iu  diesera  Falle  kaum  an  die  Vermutung  eines 
Humauisten,  sonderu  eher  an  das  Durchsickern  einer  alten, 
jetzt  verlornen,  Quelle  deukeu  diirfen'*). 


§  5. 
1)    Dies   hat  besonders   TeufFel  mit  Recht  betont.     Vgl.  A.  Widal, 
.Javenal  et  ses  Satires.     Paris  1870,  p.  XIV:   &est  le  siede  de  iJomiticn, 
c'e-<  VuniverseUe  perversite  romaine  sous  ect   effroyable   tyran,  qWattaque 
et  qiie  stigmatise  notre  poete.  2)   Zn  dieser  Annahme  ist  Bauer  ge- 

langt,  weil  er  glaubte,  .Jav.  miisse  den  10,  .06  sq.  geschilderten  Stnrz 
des  Sfjanns  mit  Angen  gfsehen  haben.  3)  Die  Entdeckung  verdanken 
wir  .J.  Drirr,  vgl.  Leben  ,Juv.  p.  28.         4)  Die  Verlieiratung  der  Schwester 


X  EINLEITDNG. 

§   6. 

Decimus  Junius  Juvenaiis  war  also  etwa  im  Jalir  55 
n.  Clir.  zu  Aquinum  im  Volskerlande  geboren^).  Von  seinen 
Eltern  wissen  wir  niclits  weiter,  als  dafs  der  Vater  dort 
eigenen  Grund  und  Boden  besessen  hat^).  Das  Praenomen 
Decmms  kommt  in  der  gens  lunia  ofter  vor  und  der  Gentil- 
name  neben  dem  Vornamen  und  Zunamen  berechtigt  zu  dem 
Schlufs,  dafs  der  Vater  Juvenals  ein  freier  romischer  Biirger 
war^).  Dafs  er  aus  niederem  Stande  war,  kann  aus  einzelnen 
Stellen  der  Satiren  des  Sohnes  nicht  geschlossen  werden*). 
Eher  ist  der  umgekehrte  Schlufs  erlaubt,  dafs  bereits  der  Vater 
ein  angesehener  Mann  in  Aquinum  gewesen  sein  mufs,  weil 
der  Sohn  die  hochsten  Amter  der  Municipalstadt  bekleidet  hat^). 
Ob  aber  bereits  der  Vater  die  Ritterwiirde  besafs,  oder  ob 
diese  erst  der  Sohn  durch  militjirische  Leistungen  sich  erwarb, 
wissen  wir  nicht.  Die  erstere  Annahme  hat  indessen  mehr 
Wahrscheiulichkeit*^).  Denu  vergteicht  sich  auch  Juvenal  nir- 
gends  mitden  Reichen  und  Vornehmen  Roms,  so  erwahnt  er 
doch  nicht  ohne  einen  gewissen  Stolz  sein  vaterliches  Besitz- 
tum^)  und  blickt  mit  Verachtung  auf  den  Ritter  Cinnamus, 
der  ihm  einst,  dem  Rittersohne,  den  Bart  geschoren  hat^). 

Auf  eine  gewisse  Wohlhabenheit  des  Vaters  lafst  auch 
die  Erziehung  des  Sohnes  schliefsen,  wodurch  dieser  sich  den 
gebildeten  Mannern  Roms  glaubte  gleichsteilen  zu  diirfen''). 
Er  genofs  in  Rom  nach  der  Sitte  der  Zeit  zuerst  den  Unter- 
richt  eines   Grammatikers,  dann  besuchte   er  die  vornehmere 


mit  Fuscinus  kann  ersonnen  sein,  um  ein  Motiv  fvir  den  ersten  Teil  der 
14.  Satire  zu  haben,  auch  der  Name  Septimuleia  kann  aus  septima^lux 
erdichtet  und  sowohl  der  Mutter  als  auch  der  Tochter  beigelegt  sein, 
aber  wie  sollen  wir  uns  die  exakte  Angabe  des  Geburtsjahres  deuten? 
Das  Geburtsjahr  des  Tacitus,  womit  man  das  des  Juv.  hatte  verwechseln 
konnen,  war  im  15.  Jahrh.  schwerlich  bekannt, 

§  6. 
1)  Sat.  3,  319:  quotiens  te  Eoma  tuo  refici  properantem  reddet 
Aquino.  2)  6,  57-  vivat  Fidcnis  et  agello  cedo  paterno.  3)  Dagegen 
Vita  I  u.  II:  libertini  locupletis  incertum  filius  an  alummis,  IV:  ordinis 
iht  fertur  libertinorum.  4)  Aus  1,  101  und  4,  98  ist  nur  zu  schliefsen, 
dafs  Jnvenal  nicht  zur  hochsten  rom.  Aristokratie  gehorte.  Aus  Mart. 
XII  18:  dum  per  limina  te  potentiorum  sudatrix  toga  ventilat  erkennen 
wir  auch  uur,  was  selbstverstilndlich  ist,  dafs  es  zu  Itom  potentiores 
gab  und  dafs  ihnen  Juv.  vielfach  seine  Aufwartung  machen  mufste. 
5)  Er  war  Censor  und  Flamen  divi  Vespasiani,  cf.  Marquardt,  Aitert. 
IV  425  n.  2920  uud  Paulys   Enc.ykl.  VI  1,  363.  6)    Juv.   diente    als 

tribunus  militum  wie  die  Sohne  der  Senatoren  und  liitter.  7)  6,  57. 
3,  319.    11,  65.    12,  89.  8)    Vgl.  zu  1,  24  und  10,  226.  9)  1,  15. 

Die  schola  grammatici  ist  mit  manum  fcrulae  subdiixiinus ,  die  des 
Rhetor  mit  comilium  dedimtis  Sullae  etc.  angedeutet.  Auch  Martial 
hat  dic  grammatische  uud  dic  Uhetorenschnle  durcligemacht,  vgl.  IX  73,  7. 


EINLEITUNG.  XI 

Rhetorschule.  Iii  der  That  zeigt  sich  Juveual  iu  seineu  Sa- 
tireu  als  eiueu  echteu  Schiiler  der  lihetorik:  er  heherrscht  die 
Kuust  der  iuveutio  uud  elocutio,  Sprache  uud  Metrik,  Mytho- 
higie  uud  Geschichte,  Kechtskeuutuis  und  Philosophie,  ohue 
etwa  mit  diesem  ^Vissen  mehr  zu  pruukeu  als  es  soust  Sitte 
der  rhetorisch  gehildeteu  Zeit  war^"). 


Den  weitereu  Verhiuf  seiner  Bildungsgeschichte  kenneu 
wir  nicht.  Nur  so  viel  steht  fest,  dafs  Juvenal  iu  vertrautcr 
Freundschaft  mit  Martial  gelebt^),  dafs  er  dem  Statius  viel- 
leicht  nicht  sehr  ferue  gestanden-)  und  wohl  auch  mit  Quin- 
tilian  in  niihere  Beriihruug  gekommeu  ist^). 

Ob  Juvenal  sich  je  um  eiu  Staatsamt  beworben  hat,  ist 
uugewifs.  Sicher  ist  es,  dafs  er  als  Tribunus  im  romischen 
Heere  gedient  hat,  wahrscheiulich  unter  Titus  oder  wllhreud 
der  ersten  Regieruugszeit  Domitians^).  In  seiner  Vaterstadt 
bekleidete  er  das  ehrenvolle  Amt  eines  Censors^)  und  wurde 
aufserdem  zum  Flamen  des  divus  Vespasianus  ernannt.  Die 
erstere  Wiirde  hat  er  iudessen  gewifs-nicht  vor  dem  40.  Lebens- 
jahr  erlangt. 

Nach  einer  Stelle  des  Martialis  scheint  es,  als  ob  Juvenal 
sich  eine  Zeitlang  uuter  Domitian  der  Poesie  oder  der  Bered- 
samkeit  gewidmet  hat;  denu  der  Ausdruck  facimdus  kaun  vom 
Redner  und'  Dichter  verstanden  werden*'),  vgl.  zu  7,  31. 


10)    13,  121:  et  qui  nec  cynicos  nec  stoica  dogmata  legit,  dagegen: 
non  Epicurum  suspicit,  dessen  Schriften  er  also  doch  wohl  gelesen  hat. 

§  7. 
1)  Mart.  Vn  24:  cum  luvendle  meo  quae  me  committere  temptas, 
quid  non  audebis,  perfida  lingua,  loqiii?  Te  fingente  nefas  Pgladen  odis- 
set  Orestes,  Thesea  PiritJioi  destituisset  amor,  tu  Siculos  fratrcs  et  maius 
nomen  Atridas  et  Ledae  poteras  dissociare  genus.  Bei  Juv.  dagegen  findet 
sich  Martial   nicht  erwahnt.  2)   7,  82.  3)  6,  75.  280.    7,  186  sq. 

4)  Die  Inschrift  lautet:  cereRI ■  SACRVM  \\  d.  iuNIVS.  IVVENA- 
LIS  U  trib.  Coli  ■  i  •  DELMATARVM  \\  II  ■  VIR  ■  Q  VINQ  ■  FLAMEN  \\ 
DIVI^  VESPASIANI  ||  VOVIT ■  DEDICAViPjVE  \\  SVA  PEC,  cf. 
sat.  3,  318.  Die  in  der  Inschrift  genannte  Kohorte  scheint  in  Britannien 
gestanden,  Juvenal  also  dort  gedient  zu  haben,  vgl.  zu  10,  14.  5)  d.ih.  er 
war  duumvir  quinquennalis,  der  mit  seinem  Kollegen  wie  in  Kom  den 
Census  zu  halten  und  die  Censusrollea  nach  Rom  einzuschicken  hatte; 
ferner  hatte  er  die  Aufsicht  iiber  die  offentlichen  Gebiiude  und  die  Fest- 
stellung  des  Decurioneu-Verzeichnisses.  Vgl.  auch  Henzen  Ind.  158. 
Nach  dem  ordo  honorum  mufste  er  vorher  (nicht  unter  dem  25.  Lebens- 
jahre)  die  Quastur  und  Adilitiit  in  Aquinum  bekleidet  haben,  vgl.  Diirr 
p.  13.  6)  VII  91:  de  nostro,  facunde,  tibi,  luvenalis,  agello  Saturna- 
licias  mittimus  ecce  nuces.  Rednerische  Bedentung  hat  facundus  Juv.  16,  45. 
Die  Neueren  begniigen  sich,  an  die  Thiltigkeit  des  declamare  zu  denken, 
weil    die   Vitae    bemerken:    ad   mediam    fere  attatem   declamavit   animi 


XII  EINLEITUNG. 

§   8. 

Die  Regierung  des  Domitian,  anfangs  niilde  und  vielver- 
heifsend^),  wurde  bald  zur  riicksiclitslosesten  und  blutigsten 
Tyranuei").  Die  Harte  und  Grausamkeit,  mit  welcber  dieser 
Fiirst  alles  Edle  unterdriickte,  alle  Regungen  eines  selbstandigen 
Charakters  zertrat^),  die  Ehre  des  Reiches  und  seiner  vornehm- 
sten  Manner  schandete'^),  die  vStimme  der  Freiheit  und  des 
Geistes  kuechtete  und  fesselte^),  lastete  wie  es  scheint  ebenso 
schwer  auf  Juvenal  wie  auf  Tacitus.  Beide  zogen  sich  von 
dem  offentlichen  Leben  zuriick  und  betrauerten  in  der  Stille 
des  Privatlebens  die  moralisch-politische  Vernichtuug  der  unter- 
gehenden  Romerwelt'').  Juvenal  nahm  au  dem  Geschick  seines 
Volkes  lebhaften  Anteil,  aber  wie  Tacitus  so  vergafs  auch  er 
die  Menschheit  iiber  der  Romerstadt,  und  in  der  Selbstent- 
ehrung  oder  Vernichtung  der  altromischen  Aristokratie  er- 
kannte  er  das  grofste  Ungliick  seiuer  Zeit'').  Aber  wahrend 
Tacitus  alle  Schuld  dem  Kaiser  allein  zuschrieb  und  nur  vor- 
iibergehend  die  ungeschickte  Haltung  der  Aristokratie  tadelt*'), 
sieht  Juvenal  den  Grund  alles  Ubels  in  der  socialen  Verkom- 
menheit  der  ganzen  Romerwelt^).  Von  allen  Seiten,  von  unteu 
und  oben,  sieht  er  das  Verderben  hereiubrechen,  iiberall  findet 
er  nur  Sittenlosigkeit  und  Scheintugend,  Stolz  u'nd  Kriecherei, 
Herrschsucht  und  Charakterlosigkeit,  Habgier  und  Verschwen- 
dung.     Unter   solchen   Jammerzustanden   bemachtigt    sich  der 


magis  causa  quam  quod  scholae  se  aut  foro  praepararet.  Aber  die  Ent- 
stehung  dieser  Notiz  erklart  Vita  IV:  declamavit  non  inediocri  fama,  ut 
ipse  scribit:  ' et  nos  consilium  dedimus  Sullae\  Wollte  man  auch  mit 
Widal  erkliiren:  c'€st  d  dire,  que  devant  auditoire  de  lettres  reunis  qliez 
lui,  ou  dans  quelque  salle  de  lectures  publiques,  il  s'etait  livre  d  cette 
cloqucnce  factice,  so  liifst  sich  aus  der  Behandlung  von  ''causes  imagi- 
naires'  doch  wahrlich  nicht  das  stolze  Pradikat  facundus  erklaren. 

§  8. 
l)  Suet.  Dom.  9:  inter  initia  adeo  ah  omni  caede  abhorrebat,  ut 
cdicere  destinarit,  ne  hovcs  immolarentur.  Cupiditatis  quoque  atque  ava- 
ritiae  vix  suspitionem  ullam  dedit,  immo  magna  sarpe  non  abstinentiac 
modo  sed  etiam  liberalitatis  experimerda.  Genauer  A.  Imhof,  T.  Flav. 
Dom.,  Halle  1857,  p.  35  sq.  2)  Juv.  4,  37.  49.  70.  80.  87.  147.  151  sq. 

3)  4,  84  sq.  4)  4,  99.  5)  Tac.  Agr.  2.  6)  Tac  Agr.  2:  memo- 
riam  qiioque  ipsam  cum  voce  perdidissemus ,  si  tam  in  nostra  potcstate 
esset  oblivisci  quam  tacere.  7)   2,  G5  sq.  wird  den    widernatiirlichsten 

Ausschweifungen  das  Tragen  eines  uniomischen  Gewandes  an  die  Seite 
gestellt  und  [143]  das  Auftreten  eines  Vornehmen  in  der  Arena  noch 
schlimmer  als  jene  Naturwidrigkeiten  bezeichnet,  cf.  1,  140  sq.  G,  33  sq. 
Daher  die  Verfolgnng  der  thlitigen  Griechen  und  der  geschickten  Froi- 
gelassenen!  Vgl.  3,  58  sq.  8)  Dies  bezeugt  schon  Agr,  3.  9)  2,  78: 
dedit  hanc  contagio  lahcm  ct  dahit  in  plures.  1,  149:  nmnc  in  praecijtiti 
vitium  stctif..  1,  94.  3,  313  sq.  G,  265.  28G— 300.  345.  8,  98  sq.  11,  42. 
120.    13,  28.  60  sq.  157.    14,  191.    15,  159. 


EINLEITUNG.  XIII 

Seele  gerade  vou  tieter  augelegteu  Natuieu  eiiie  Art  vou  Pes- 
simismus,  wolcher  deu  lu^leu  Pliutergruud  des  Lebeus  vor  deui 
sich  breit  uuicheudeu  Laster  vollstiludig  verduukelf^).  Zoru 
uud  Schmerz  steigerte  sich  um  so  mehr,  weil  das  geprefste 
Herz  sich  nicht  oHnen  konnte.  Deuu  die  Verzweifluug  oder 
der  Pessimismus  Juvenals  war  nicht  totes  Hiubriiteu  oder 
stumpfe  Resiguatiou,  souderu,  wie  bei  Tacitus,  lebeudiger  Zorn 
uud  L'uwille,  der  jederzeit  bereit  ist  loszuschlageu  uud  dem 
hereiubrecheuden  Verderbeu  sich  eutgegeuzustemmeu^').  Des 
Tacitus  Herz  wird  freilich  wieder  lebeusfroh  uud  hoffnungs- 
voU  durch  die  gliickliche  Regierung  des  Nerva  und  Trajau, 
seiu  Zorn  gilt  uur  der  Vergangenheit^^);  Juvenals  Zorn  ent- 
ladet  sich  auch  wohl  iiber  die  Vergangenheit,  aber  sie  bldbt 
ihm  immer  eiu  Spiegel  der  Gegenwart.  Die  socialen  Schadeu, 
welche  er  bekampft,  die  Lasterhaftigkeit  uud  Unuatiirlichkeit 
der  gesellschaftlicheu  Zustande  Roms  konnten  durch  den 
Wechsel  der  Regierung  nur  wenig  geandert  werden^^). 

§  9. 

Und  Juveual  war  nicht  etwa  der  Manu,  der  wie  Horaz 
mit  Gemiitlichkeit  und  Humor  begabt  sich  gemachlicli  auf 
sich  selbst  hatte  zuriickziehen  und  von  dieser  sichereu  Warte 
aus  iiber  das  thorichte  Treiben  der  ihn  umgebenden  Welt 
lachen  und  spotten  konnen*).  Was  ihn  umgab,  waren  eben 
uicht  Fehler  und  Thorheiten,  es  waren  fiir  die  Anschauung 
des  strengen  Romers  Verbrechen  und  Laster^).  Uber  das 
Laster  lafst  sich  jedoch  nicht  lachen,  mit  der  Gemeinheit 
iu  Staat  uud  Leben,  wie  sie  Juvenal  ziichtigt,  giebt  es  keine 
Versohnung,  lafst  sich  kein  Pakt  schliefsen,  man  mufs  sie 
verwerfen,  verurteilen,  verfluchen^).  Die  einzige  Moglichkeit, 
mit  dieser  Zeit  auszukommen,  ware,  sie  zu  ignorieren.  Es 
fehlte  auch  nicht  an  Manuern,  welche  auf  diese  Weise  mit 
ihrer  Zeit  sich  zurecht  fanden^).    Ebeu  die  Dichter,  deren  Herz 


10)  So  erklaren  sich  Ubertreibungen  wie  6,  29  sq.,  aber  auch  bittere 
Wahrheiten  wie  3,  145.  164.  11)  1,  30.  46.  51.  79:  si  natura  nef/at, 
facit  indignatio  versum.  139.  159.  63:  nonne  libet  medio  ceras  inplere 
capaces  quadrivio?  12)  Agr.  3:  nunc  demum  rediit  animus  etc.  13) 
Vgl.   1,   158  u.   159  mit  170. 

§9. 
1)  Pers.  1,  116:  omyie  vafer  vitium  ridenti  Flaccus  amico  tangit  et 
admissus  circum  jJi^uecordia  Judit,  callidus  excusso  populum  suspendere 
naso.  2)  1,  166:  cui  frigida  mens  est  criminibus  tacita  sudant  prae- 
cordia  eulpa.  3)  Widal  XLVI:  mais  la  satire,  par  sa  nature  mtme, 
s'attache  au  mal,  comme  la  comedie  au  ridicule;  lui  demander  de  faire  la 
part  du  bien,  ce  serait  peut-etre  lui  demander  ce  qui  n'est  ni  de  8on  do- 
maine  ni  de  son  essence;  la  satire  vit  de  scandales  et  de  vices,  et  non  de 
vertu.        4)  z.  B.  Statius,  Valerius  Flaccus,  Quintilian  und  Plinius. 


XIV  EINLEITDNG. 

und  Sinn  von  der  Wirkliclikeit  der  Gfegenwart  erfiillt  sein 
sollten,  waren  meistens  dieser  Realitat  entfremdet  und  lebten 
dafiir,  von  der  Sitte  ihrer  Kunst  so  geleitet,  in  den  abgelegen- 
sten  Gebieten  der  griechischen  Fabelwelt^).  Solchen  Dichtern 
gegentiber  erscheint  Juvenal  so  recht  als  kraftiges  und  natur- 
wiichsiges  Originalgenie.  In  den  fernen  Regionen  einer  aus- 
getretenen  Mythenwelt  zu  schwarmen  unter  dem  herzzerreifsen- 
den  Jammer  der  Gegenwart  war  ihm  lacherliche  Unnatur  und 
Genielosigkeit,  vielleicht  auch  Mangel  an  Patriotismus  ^).  Er 
lebt  und  fiihlt  in  und  mit  der  Gegenwart,  sie  drangt  sich  ihm 
mit  Gewalt  als  Objekt  seines  Denkens  und  Fiihlens  auf,  er 
bedarf  nur  des  Lichtes  der  Freiheit,  und  wie  diese  HofFnung 
durch  die  Regierung  des  Trajan  gesichert  war,  da  stromt  so- 
fort  die  ganze  Fiille  seines  emporten  Herzens  aus,  die  lange 
zuriickgehaltenen  Empfindungen  gestalten  sich,  aber  nicht  ge- 
lautert  und  verklart,  sondern  lebendig  und  unmittelbar,  fast 
mit  realistischer  Natiirlichkeit  brechen  sie  hervor,  mit  der 
ganzen  Indignation  einer  echten  Romerseele.  So  wird  Juvenal 
zum  Satiriker,  so  wird  das  Ferment  seiner  Satire  die  In- 
dignation.  Entriistung,  Emporung  iiber  die  Frechheit  und 
Unverschamtheit  des  Lasters  ist  der  Geist,  der  seine  Schwingen 
tragt.  Eine  Besanftigung  des  erregten  Gemiits^  mochte  auch 
die  Regierung  Domitians  und  damit  ein  Teil  seines  Zorns 
dahin  gegangen  sein,  war  jetzt  nicht  mehr  moglich,  bis  das  von 
Galle   schwellende  Herz  diese  vollstandig  ausgeschiittet  hatte. 

§  10. 

Fiir  den  Ausdruck  dieser  Erregung  des  Dichters  haben 
wir  das  I.  Buch^)  der  Satiren  zu  halten;  das  Programmr  ist 
in  starken  Umrissen  in  der  ersten  Satire  dargestellt^).  Von 
der  ersten  Satire,  in  welcher  ebenso  wie  in  der  achten  der 
im  Jahr  100  n.  Chr.  erfolgten  Verurteilung  des  Marius  Priscus 
Erwahnung  gethan  wird,  steht  es  fest,  dafs  sie  nicht  vor  100 
u.  Chr.  verfafst  sein  kann^).  Sie  fallt  also  unter  die  Regierung 
des   Trajan.     Ebenso   natiirlich  ist  es,   dafs    die  vierte  Satire, 


5)  Juv.  1,  162:  securus  licet  Aenean  Rutulumque  ferocem  committus 
etc.         6)  1,  1  —  14. 

§  10. 
1)  d.  h.  Sat.  1—5.  2)  Vgl.  1,  19  sq.  3)  Die  friihere  Annahme, 
z.  B.  von  Bauer  u.  W.  E.  Weber,  dafs  Juvenal  diese  Satire  zwar  schon 
unter  Domitian  verfafst,  spiiter  aber  durch  solche  Zusiitzo,  wie  die  Er- 
wahnung  des  Marius  Priscus  ist,  erweitert  habe,  ist  jetzt  allgemein  auf- 
gegeben  und  in  neuerer  Zeit  nur  von  Widal  reproduziert.  Alle  be- 
stimmten  Spuren  fiihren  eben  dahin,  dafs  Juvenals  Satiren  erst  unter 
Trajan  nnd  Hadrian  entstanden  sind;  fiiv  jene  Annabme  ist  ein  positiver 
Anhalt  nicht  vorhandcn.    Dies  hat  schon  Borjrhesi  im  Jahrc  1847  bervor- 


EINLEITUNG.  XV 

welche  am  Schlufs  der  Ermorduug  Domitians  gedeukt*),  ent- 
weder  unter  Nerva  oder  Trajan  verfafst  sein  mufs.  Dassclbe 
ist  der  Fall  mit  der  zweiten  Satire.  Weniger  entscheidend 
ist  hier  die  Erwahnuug  der  Orkadeu''),  dereu  Eroberung  iu 
die  letzteu  Kegieruugsjahre  Domitiaus  fiillt;  aber  dieEriunerung 
an  die  Blutschaude  Domitians  mit  Julia  setzt  entschieden  deu 
Tod  des  Kaisers  voraus^).  Und  weun  Borghesi  richtig  ver- 
mutet,  dafs  der  in  dieser  Satire  erwlihnte  Hispo  der  consul 
suffectus  des  Jahres  104  u.  Chr.,  Caepio  Hispo  ist'),  so  mufs 
die  zweite  Satire  nach  dem  Tode  des  Hispo  (105?)  verfafst 
sein.  Die  dritte  und  fiinfte  Satire  geben  allerdings  keinen  be- 
stimmten  Auhalt  fiir  eiue  sichere  Zeitbestimmung,  aber  ihrem 
ganzeu  Charakter  uach  mit  den  iibrigen  iibereiustimmend  uud 
mit  ihneu  zu  einem  Buche  vereiuigt  siud  sie  gewifs  ebenfalls 
unter  Trajan,  etwa  zwischen  101  und  107  n.  Chr.  verfafst. 

§  11. 
In  allen  Satiren  des  ersteu  Buches  herrscht  dieselbe  Bitter- 
keit  der  Stimmung  vor,  alle  sind  mit  Hafs  und  Verachtung 
erfiillt,  iiberall  gewahrt  der  Dichter  nur  schmutzige  Gemeiu- 
heit,  Kriecherei,  Kuickerei,  Servilismus,  Scheiutugend  und 
Sitteulosigkeit.  Dafs  die  Personen,  welche  er  geifselt,  der 
Vergaugeuheit,  meist  der  Zeit  Domitiaus  augehoreu,  ist  gleich- 
giiltig,  weil  die  Entriistuug  doch  mehr  den  Zustanden  als  den 
Personen  gilt.^).  Es  ist  uatiirlich,  dafs  diese  Satireu  vor  allen 
sich  durch  Kraft  und  Wahrheit  des  Gefiihls  auszeichnen.  Es 
ist  kaum  eine  grofsere  Ungerechtigkeit  deukbar  als  wenu  mau 
Juvenal  den  Vorwurf  raachen  will,  dafs  er  statt  der  Thor- 
heiteu  und  Verkehrtheiteu  des  Lebens  mit  Vorliebe  das  eigent- 
liche  Laster  behandelt,  weil  dieses  fiir  deklamatorische  Be- 
handlung  ein  ausgiebigeres  Thema  war^).  Als  weun  Juvenal 
uach  einem  Lehrbuch  der  Poetik  hatte  dichteu  sollenl  Hat 
er   uns   den   inuereu  Vorgang   seiues  Herzens  deun  uicht  klar 


gehoben,  und  dabei  mit  Recht  Gewicht  gelegt  auf  Juv.  1,  170.  4) 
4,  153:  sed  periit,  postquam  cerdonihus  esse  timendus  coeperaf.  5)  2, 
159:  arma  quidem  uUra  litora  luvernae  pjromovimus  et  vwdo  captas 
Orcadas  etc,  cf.  Tac.  Agr.  10  u.  38.  6)  2,  29-33.  7i  Borghesi, 

Ueuvres  V  511.  Juv.  2,  50:  Hispo  subit  iuvenes  et  morho  pallet  utroque. 
Mommgen,  Plin.  Ind.  p.  404  u.  Herm.  III 45.  Wenn  1, 33  sq.  M.  Aquilius  Regu- 
lu3  auch  nicht  namentlich  genannt  -wird,  so  ist  doch  die  Anspielnng  auf 
ihn  erst  nach  seinem  Tode  (105 — 107)  wahrscheinlich,  vgl.  Diirr  18. 

§  11. 

1)  1,  170:  experiar  quid  concedatur  in  illos ,  quorum  Flaminia  tegi- 

iur  cinis  atque  Latina.    Wenn  Marius  Priscus  noch  lebte,  so  war  er  doch 

burgerlich  tot,  wenn  aber  3,  74  der  noch  lebende  Isaeus  erwahnt  wird, 

.■■0  ist  gegen  ihn  ein  Angriff  nicht  beabaichtigt.       2)  So  urteilte  Teuffel. 


XVI  EINLEITUNG. 

und  deutlicli  geuug  in  der  ersten  Satire  gescliildert?  Ist  es 
nicht  genug,  dafs  er  selbst  versichert,  nur  die  indignatio  fiilire 
seine  Feder,  unbekummert  um  die  regelrechte  Form  der  Verse^)? 
Oder  ist  es  etwa  ein  Wunder,  wenn  die  Indignation  von  einem 
gewissen  rlietorischen  Pathos  getragen  wird? 

Auch  die  Obscenitaten  Juvenals  sind  in  diesen  Satiren 
am  wenigsten  anstofsig.  Er  zuchtigt  und  enthtillt  das  Laster, 
wo  es  immer  sich  findet,  ohne  alle  Prilderie:  was  in  seiner 
Nacktheit  hafslich  ist,  dem  wird  der  Schleier  abgerissen  und 
in  seiner  Nacktheit  hingestellt,  damit  die  ganze  Hafslichkeit 
Auge  und  Herz  erfiille.  Die  Nacktheit  des  Lasters  iibt  keinen 
Reiz,  weil  sie  uicht  um  ihrer  selbst  willen  enthiillt  wird,  weil 
iiber  sie  iiberall  der  gerechte  Zorn  des  Dichters  ausgegossen 
wird^).  Man  konnte  Juvenal  in  dieser  Beziehung  mit  einem 
sittlich-erregten  Prediger  der  Vergangenheit,  etwa  mit  Abra- 
ham  a  Santa  Clara  vergleichen. 

§  12. 
Das  zweite  Buch,  welches  die  sechste  Satire  enthalt,  kann 
nicht  vor  dem  Jahr  111,  aber  auch  nicht  viel  spater  veroffent- 
licht  sein^).  Die  sechste  Satire  nimmt  unter  den  Werken 
Juvenals  eine  auffallende  Stellung  ein.  Form  und  Charakter 
der  Darstellung  ist  zwar  ahnlich  wie  in  den  Satiren  des 
ersten  Buches,  aber  durch  das  Ganze  geht  kein  einheitliches, 
belebendes  Feuer  mehr  hindurch.  Der  Dichter  ziichtigt  die 
lasterhaftesten  Ausgeburten  des  weiblichen  Geschlechts,  aber 
dazwischen  finden  wir  die  unschuldigsten  Schwachen  und  Ge- 
brechen  mit  demselben  Zorn  und  derselben  Leidenschaft  ver- 
folgt^).  Wenn  irgendwo,  so  macht  hier  der  Dichter  den  Ein- 
druck  des  Griesgrams,  eine  Erscheinung,  die  einigermafsen 
erklarlich  wird,  wenn  man  bedenkt,  dafs  er  damals  bereits 
56  Jahre  auf  dem  Riicken  hatte  und  dabei,  wie  es  scheint, 
Junggeselle  geblieben  war^).  Auffallend  aber  ist  es  doch, 
dafs  so  viel  Verschiedenartig-es   in  dieser  Weibersatire  durch- 


3)  1,  89:  facit  indignatio  versum,  quahmcunque  potcst,  quahs  ego  vcl 
Cluvienus.  Allerdings  gehort  Juvenal  metrisch  zu  den  besseren  Dichtern 
der  Zeit,  aber  die  indignatio  hat  darum  nicht  minder  den  von  ihm  selbst 
empfundenen  Einflufs  geiibt.  Der  Ausdruck  ist  nicht  immer  gleich  ge- 
wjihlt,  die  Struktur  nicht  immer  regelmafsig.  4)  2,  121:  o  proceres, 

censore   opus   est   an    Jmruspice   nohis?     Zugleich  ein   Beweis,  dafs  der 
Satiriker  das  verwahrloste  Amt  der  Ccnsur  aufzunehmen  gedenkt. 

§  12. 

1)  Vgl.  zu  6,  407  sqq.         2)  Vgl.  6,    166  sq.    185  sq.   398  sq.    434  sq. 

511  sq.,   doch  wird  manches   durch   den   Gegensatz   und  die  altr6mi.-;che 

Anschauung  zu  entschuldigen  sein.       3)  Vgl.  zu  11,  187.    Vom  weiblichen 

Geschlecht  spricht  er  mit  Bitterkeit  auch  10,  .331  sq.  11,  IfiSsq.  13,  19l8q. 


EINLEITDNG.  XVII 

einander  geworfen  wircl,  dals  der  Zusammenhang  der  einzelueu 
Expektorationen  oft  unr  sehr  lose  uud,  was  damit  iu  Ver- 
biuduug  steht,  die  Cbergiiuge  uoch  viel  mecliauiseher  und 
iiufserlieher  siud  als  mau  es  soust  bei  Juveual  fiudet').  Auf- 
falleud  ist  jedeufalls  auch  der  merkwiirdige  Ujufaug  der  Satire 
uud   der  Umstaud,  dafs   sie   eiu   ganzes   Buch  fiir  sich  bildet. 

§  13. 

Alle  diese  Eigeutiimlichkeiten  miissen,  wie  mir  scheiut, 
zu  der  Vermutuug  fiilireji,  dafs  diese  Satire  uicht  aus  einem 
Guls  geschafteu  ist,  dafs  um  eiue  satirische  Epistel  herum 
sich  allmahlich  einige  Spottgedichte  gruppierteu,  welche  iu 
friiherer  oder  spiiterer  Zeit  auf  eiuzelne  bekanute  Stadtereig- 
nisse  hin  verfafst  iu  kiinstlicher  Weise  der  Epistel  eiugefiigt 
und  so  mit  ihr  zu  einem  Buch  vereinigt  ausgegeben  worden 
sind.  Wiire  diese  Vermutung  richtig,  so  wiirde  sich  sowohl 
der  miichtige  Umfang  als  auch  der  von  dem  ersten  Buch  ab- 
weichende  Charakter  sehr  einfach  erklaren.  Eiue  Thorheit 
oder  Schwache  des  Weibes,  wie  z.  B.  die  Affektation  von  Ge- 
lehrsamkeit,  giebt  unter  tJmstanden  einen  recht  passendeu 
Stoff  zu  eiuem  witzigen  Spottgedicht;  fiuden  wir  aber  ein 
solches  Gebrecheu  in  einer  scharfen  das  Weib  iiberhaupt  ver- 
urteilenden  Satire  mit  demselben  Pathos  vorgetragen  wie  die 
grofsten  uud  unuatiirlichsten  Laster  des  Geschlechts,  so  faugen 
wir  an,  an  dem  vollen  und  inneren  Ei-nste  des  Dichters  zu 
zweifeln,  so  dafs  er  uns  entweder  als  falscher  Eiferer  oder  als 
griesgramiger  Sonderling  erscheint. 

§  14. 

Mit  dem  dritten  Buche,  welches  die  siebente,  achte  und 
neunte  Satire  enthiilt,  beginnt  eine  neue  Periode  in  der  gei- 
stigen  Entwickehincr  des  Dichters.  Das  hiureifsende  Feuer  der 
Indignatiou  nimmt  hier  bereits  bedeutend  ab  uud  an  die  Stelle 
der  Unmittelbarkeit  der  Empfindung  tritt  mehr  die  Reflexion 
der  Uberlegung^).  Die  Fehler,  welche  jetzt  gegeifselt  werden, 
sind  mehr  als  in  den  ersten  Satiren  generell  erfafst  und  dar- 


4)  Vgl.  bei  0.  Ribbeck,  der  echte  iind  der  unechte  Juvenal,  die  dis- 
pntatio  de  satira  VI  p.  147  sq.  gegen  C.  F.  Kagelsbachs  Darstellung  dea 
Zusammenhanges  im  Philolog.  III  472  sq.  Doch  tritt  der  bemerkte 
Fehler  mehr  in  der  zweiten  als  in  der  ersten  Halfte  hervor. 

§'14. 
1)  Richtig  bemerkt  schon  Lupus,  Vind.  luv.  46:  idem  valet  ctiam  in 
satiris  VII  et  VI II  quarum  utraqiie  commentatio  potiusest  pcr  otium  excogi- 
tata,  quam  satira  ex  ardenti  iiidignatione  atque  ira  oriuvda. 

lVVEKAl.Ib    SaTVBAE.  \j 


XVIII  EINLEITUNG. 

gestellt,  so  dafs,  wenn  der  Dichter  sich  einmal  an  eine  be- 
stimmte  Person  wendet,  die  nach  seinem  Grundsatz  nicht  mehr 
unter  den  Lebenden  sein  durfte,  allerdings  eiu  Mifsklang  ent- 
steht,  man  weifs  nicht,  spricht  er  von  der  Zeit  des  Nero,  des 
Domitian  oder  Trajan,  wie  z.  B.  8,  39  sq.  Natiirlich  gelten 
die  Angriffe  auf  Personen  fruherer  Zeiten  nur  den  ahnlichen 
Zustanden  der  Gegenwart.  Diese  mehr  generelle  Behaudlung 
des  Stoffes  hat  dem  Dichter  vielfach  den  Vorwurf  zugezogen, 
dafs  er  mehr  nach  einem  rhetorischen  Schema  gearbeitet  als 
dem  unmittelbareu  Drang  seines  Gefiihls  und  seiner  Uberlegung 
Ausdruck  gegeben  habe^).  Nun  ist  nicht  zu  leugnen,  dafs 
wie  iiberhaupt  die  romischen  Dichter  der  Kaiserzeit  so  ganz 
besonders  Juvenal  die  Mittel  der  Rhetorik  stark  verwertet  hat, 
aber  man  geht  doch,  glaube  ich,  zu  weit,  wenu  man  ihm 
darum  die  Wahrheit  seiner  Empfinduugen  absprechen  wiU. 
Die  Klage  iiber  die  Not  und  das  Elend  der  Dichter  wegeu 
der  Knickerei  der  Patrone,  die  Klage  tiber  die  Verkommen- 
heit  des  alten  Adels  und  iiber  die  Verodung  der  Provinzeu 
ist  offenbar  nicht  gemacht,  sonderu  wirklich  empfunden,  aber 
sie  tritt  hervor  weniger  in  Einzelaugriffen  auf  eiuzelne  Per- 
sonen,  sondern  in  zusammenfassender  Anschauung  und  Ver- 
urteikmg  ganzer  Stande. 

§  15. 

Die  neuute  Satire,  so  hafslich  und  widerlich  sie  ihrem 
Inhalte  nach  sein  mag,  gehort  doch,  was  die  Behandlung  des 
Stoffes  anbetrifft,  zu  den  besten  Leistungen  Juvenals.  Nirgends 
findet  sich  eiue  Spur  vou  dem  polternden  Ton  der  Indiguation, 
sondern  der  Dichter  tritt  mit  seinem  Urteil  ganz  zuriick,  ja 
er  geht  scheinbar  auf  die  Klagen  des  Navolus  eiu  (90 — 91  j 
und  erinnert  ihn  nur,  dafs  gegeniiber  den  bosen  Zungen  der 
Sklaven  an  ein  Geheimhalten  des  Gemeinen  nimmermehr  zu 
denken  sei,  wenn  man  einmal  als  Sklave  des  Bosen  von  dem 
Wege  der  Sittlichkeit  abweiche.  Ja  selbst  dieser  Gedanke  ist 
so  gestellt,  als  ziele  er  weniger  auf  Navolus  als  auf  seinen 
Patron.  Uberhaupt  zieht  sich  durch  die  ganze  Satire  eine 
kruftige  Ironie,  Navolus  klagt  iiber  die  Undankbarkeit  seines 
Patrons,  merkt  aber  dariiber  uicht,  dafs  er  sich  nur  selbst  der 
Verachtung  preisgiebt.  Verachtung  ist  das  einzige  Mittel, 
womit  der  Dichter  einer  solchen  Gemeinheit  begegneu  zu 
durfen  glaubt'). 


2)  Vgl.  Teuffel,  Studien  420. 

§  15. 
1)   Doderlein    zu   Horat.   Sat.  I  fil— 07    bempikt:    'Dieses  Motiv   ist 


EINLEITUNG.  XIX 

Schliefslich  ist  zu  bemerkeu,  dafs  man  in  den  drei  Satiren 
dieser  Periode  fast  eine  gemeinsame  Tendenz  erkennen  kami. 
Deun  wie  iu  der  siebeuten  die  Knickerei  des  Adels  verurteilt 
wird,  so  wird  mit  der  achten  der  Abfall  desselben  von  der 
alten  Romersitte,  uud  eudlicli  iu  der  neunten  ein  Beispiel  der 
Versuukeuheit  in  bodenlose  Gemeiuheit  geschildert. 


80  leicht  es  ist,  in  dem  dritten  Buch  eine  Anderung  in 
der  Methode  dos  Dichters  zu  erkenuen,  so  schwer  ist  cs,  die 
Zeit  der  Abfassung  dieses  Buches  zu  bestimmen,  weil  be- 
stimmte  historische  Angaben  fehlen.  So  viel  allerdings  ist 
klar,  dafs  es  nach  dem  ersteu  Buch  verfafst  und  verotfentlicht 
seiu  mufs;  ob  es  aber  auch  spater  ist  als  das  zweite  Buch 
oder  die  sechste  Satire,  ist  bei  dem  eigentiimlicheu  Zustand 
dieses   Werkes  schwer  zu  sagen. 

Wahrscheiulich  ist  es,  dafs  die  siebente  Satire  ebenfalls 
noch  wie  das  erste  und  zweite  Buch  unter  Trajan  verfafst 
und  veroftentlicht  ist^).  Ist  diese  Voraussetzung  richtig,  danu 
steht  der  Auuahme  nichts  im  Wege,  dafs  auch  die  achte  uud 
ueunte  Satire  uoch  uuter  Trajau,  etwa  iu  deu  Jahreu  112 
bis  116,  entstauden  sind^). 

§  17. 

Von  den  Satiren  des  vierteu  uud  fiiufteu  Buches  ist  weuig- 
stens  vou  zweien  die  Zeit  jetzt  sicher  festgestellt.  Die  fiinf- 
zehnte  ist  geschrieben  nach  dem  Konsulate  des  Tiberius  Clau- 
dius  Juncus  im  Jahr  127  n.  Chr.,  und  die  dreizehnte  im  Jahr 
127  n.  Chr.^).  Da  uun  die  zehnte  Satire  im  Ton  und  iu  der 
Behandlung  mit  der  dreizehuteu  und  vierzehnteu  Satire  auf- 
fallend  iibereinstimmt,  die  elfte  und  zwolfte  aber  schon  in 
ihrer  Anlage  Spuren  des  Greisenalters  verraten,  so  ist  die 
Annahme  berechtigt,  dafs  diese  Satiren  nicht  ebeu  sehr  lauge 


nicht  ein  Verstandesirrtum,  der  Berichtigung  verdient,  sondern  er 
wurzelt  in  einer  Gemeinheit  der  Geainnung,  welche  unheilbar  ist.  Darum 
habeat  st6i." 

§  16. 
1)  Vgl.  die  Vorbemerkung  zn  Sat.  7.  2)  Es  scheint  in  der  That 

richtig  zu  sein,  dafa  die  Satiren  ira  allgemeinen  in  der  Reihenfolge  ver- 
fafst  sind,  in  der  sie  uns  uberliefert  sind.  So  kennen  wir  von  der  13. 
das  Jahr  127,  Ton  der  15.  das  Jahr  c.  129/130,  und  es  hindert  nichts  an- 
zunehmen,  dafs  die  14.  zwischen  127  und  129/130  entstanden  ist,  wahrend 
die  10.  sicher  vor  der  14.  verfafst  ist,  vgl.  zu  14,  31.5. 

§  17. 
1)   Vgl.  §  4,   1. 


XX  ETNLEITUNG. 

vor  dem  Jahre  127  verfafst  sind,  etwa  125  und  126.  Dann 
wiirde  zwischen  dem  dritten  und  vierten  Buche  ein  Zwischen- 
raum  von  circa  8 — 9  Jahren  liegen. 

Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  so  viel  ist  klar,  dafs  das 
Uberschreiten  der  Linie,  welche  das  siebzigste  Lebensjahr  bildet, 
auch  an  Juvenal  seine  Wirkung  vollzogen  hat.  Laster  und 
Yerkehrtheiten  der  Welt  behandelt  er  niclit  mehr  personlich, 
auch  nicht  generell,  wie  in  der  zweiten  Periode  seiner  Thatig- 
keit,  vielmehr  werden  einzelne  Erlebnisse  nur  die  Veranlassung 
zu  allgemeiuen  moralischen  Betrachtungen.  Der  Dichter  wird, 
wenn  man  will,  Philosoph,  nur  dafs  die  Grundlage  seiner 
Philosophie  nicht  ein  philosophisches  System  ist,  soudern  die 
Richtschnur  seiner  Lebensansichten  ist  die  Fulle  der  Lebens- 
erfahruug^).  Mit  dem  Doktrinaren  der  Ideen  verbindet  sich 
ofter  eine  gewisse  seuile  Breite  der  Darstellung^).  Die  Be- 
weise  fiir  seine  Behauptungen  findet  er  nicht  allein  iu  deu 
taglichen  Erscheinungen  des  Lebeus,  sondern  er  sucht  sie 
ebenso  sehr  in  der  Fiille  geschichtlicher  Beispiele^).  Aber 
trotz  der  vorwiegend  rhetoriscben  Behandlung  allgemeiner 
Themata  ist  doch  nicht  zu  verkennen,  dafs  sich  auch  noch  in 
diesen  Satiren,  z.  B,  in  der  zehnten,  dreizehnten  und  vierzehnten, 
nicht  wenige  Stellen  von  grofser  Kraft  und,Schonheit  fiuden. 
Man  vergleiche  nur  damit  die  fiinfzehnte  Satire  oder  in  der 
zehnten  die  lange  Klage  tiber  das  Elend  des  Alters,  uud  der 
Unterschied  wird  sich  sofort  bemerkbar  machen. 

§  18. 

Abweichend  von  den  iibrigen  Satiren  dieses  Abschnitts 
ist  die  elfte  und  zwolfte  Satire,  In  der  einen  Epistel  ladet 
Juvenal  seinen  Freund  Persicus  zu  einer  landlichen  Mahlzeit 
ein,  die  ein  Gegenbild  sein  soU  zu  der  verschwenderischen 
Grofsthuerei  der  Zeit;  in  der  andern  schildert  er  den  gliicklich 
iiberstandnen  Schifi^bruch  seines  Freundes  Catullus  und  ladet 
Corvinus  zur  Feier  der  Wiederkehr  des  Freundes  zu  einem 
frohlichen  Opferfest  ein,  mit  scharfen  Schlufsbemerkungen  iiber 
die  grassierende  Erbschleicherei  der  Gegenwart.  So  macht  in 
beiden  Episteln  der  Dichter  wieder  einen  Anlauf  zur  Satire, 
wie  er  sie  im  zweiten  Abschnitt  seiner  Schriftstellerperiode 
behandelt  hat,  aber  fast  scheint  es,  als  ob  diese  Art  der 
Satire,  diese  Scharfe  der  Auffassung  und  Kritik  ihm  nicht 
mehr  recht  gelingen  wollte.  Er  kniipft  an  besondere  Erleb- 
nisse  an,  kaun  aber  den  satirischen  Teil  damit  niclit  mehr 
recht  in  Verbindung  und  Zusammeuhang  briugen.    Es  ist  dies 

2)  Vgl.    13,    120—12.3    mit    181-187.      Vgl.    Ribbeck    IG  sq.  3) 

Ribbeck.  25  sq.         4)  Ribbeck  8. 


EINLEITUNG.  XXI 

auch  uatiirlicli,  deuu  die  friiliere  Bitterkeit  und  Lebhaftigkeit 
der  Eiui»tiudiing  war  der  kiihlereu  Lebensweise  und  Mauues- 
erfahruujjj  gewicheu:  dem  Dichter  felilt  gleichsaui  die  Geduld 
zur  Vertiefuug  uud  zum  Eiugeheu  iu  das  satirische  Thema 
uud  er  beguiigt  sich  mit  eiuer  satirischen  Vor-  oder  Hchkifs- 
bemerkuug '). 

§  19. 

t}ber  die  beideu  let/ten  Satireu  der  ganzen  Samrakiug 
ist  es  uumoglich,  ein  sicheres  Urteil  abzugeben.  So  gewifs  es 
ist,  dafs  die  fiinfzelmte  Satire  nach  dem  Jahr  127  verfafst  ist, 
so  bleibt  doch  die  Teudenz  derselben  ratselhaft.  Das  Duukel, 
welches  bisher  iiber  dem  Fragment  der  sechzehnten  Satire 
lag,  ist  jetzt  einigermafsen  erhellt.  Es  steht  fest,  dafs  im 
Pithoeanus  der  Schkifsvers  auf  der  letzten  Seite  eines  Quaternio 
steht  und  dafs  am  Eude  sich  keiue  Subscriptio  findet,  die 
sonst  am  Eude  der  iibrigen  Biieher  niemals  fehlt^).  Es  miisseu 
also  nach  dem  letzteu  Quaternio  ein  oder  zwei  Blatter  ver- 
loren  gegangen  sein,  die  den  iibrigen  grofseren  Teil  der 
Satire  euthielten.  Merkwiirdig  ist  nur,  dafs  auch  alle  Haud- 
schriften  der  zweiten  Klasse,  dereu  Urhandschrift  auf  das  fiiufte 
Jahrhundert  zuriickgeht,  denselbeu  Teil  der  Satire  vermissen 
lassen.  Diese  Erscheinung  kann  nur  dadurch  erkliirt  werden, 
dafs  der  Archetypus  unseres  Pithoeanus  im  vierten  Jahrhundert 
bereits  ebenso  verstiimmelt  war  und  dafs  die  Bearbeiter  des 
Archetypus  der  zweiten  Klasse  keine  andere  Handschrift  vor 
sich  hatten,  als  eben  den  Archetypus  des  Pithoeanus  oder  ein 
ihm  ahnliches,  jedenfalls  unvollstandiges  Exemplar^). 


§  18. 
1)  Wir  wissen  indessen  nicht,  ob  niclit  Juvenal  auch  hierin,  etwa  bei 
Lucilius,  Vorbilder  gehabt  bat,  vgl.  zu  11,  56 — 63.  Die  Satire  erlaubte 
sich  in  der  Komposition  merkwurdifre  Freiheiten.  So  herrliche  und  ge- 
schlossene  Dichtungen  wie  Hor.  s.  I  9.  II  1.  8.  6.  5  sind  auch  bei  Horaz 
selten;  die  meisten  Satiren  des  ersten  Buches,  besonders  I  1.  2.  3.  6.  10 
zeigen  doch  ein  recht  lockerea  Gefuge. 

§  19. 
1)  Vgl.  E.  Beer  Spicilegium  luven.  47.  2)  Es  war  im  Mittelalter 
nicht  selten  iiblich,  die  Abschriften  dem  Original  auch  in  der  iiufseren 
Form  genan  nachzubilden.  Wenn  der  Archetypus  in  Uncialen  geschrieben 
war,  80  konnte  der  Pithoeanus  in  die  karolingische  Minuskel  umge- 
schrieben  werden,  ohne  dafs  die  Zahl  der  Quat''rnionen  und  die  Zahl 
der  Verse  auf  jeder  Seite  verandert  wurde,  nur  wurde  fiir  die  Abschrift 
ein  kleineres  Format  gewahlt.  —  Wenn  iibrigens  die  Nicaische  Recension 
ein  Exemplar  der  Pithoanischen  Urhandschrift  korrigierte,  so  werden 
wohl  die  meisten  Anderungen  auf  Konjektur  beruhen;  es  ist  aber  immer- 
hin  moglich,  dafs  ihm  ein  weniger  durch  Schreibfehler  entstellter  Text 
zur  Hand  war,  so  dafs  nicht  notwendig  alle  Abweichungen  vom  Pithoe- 
anus  ■willkurliche  Anderungen  zu  sein  brauchen. 


XXII  EINLEITUNG. 

Ehe  clie  einzelnen  Bticher  offentlich  erschienen,  waren  sie 
gewifs  meist  schon  durch  Recitationen  oder  durch  Mitteilung 
an  vertraute  Freunde  bekannt  geworden. 

§  20. 

Wie  lange  Juvenal  nach  Abfassung  der  funfzehnten  Satire 
noch  gelebt  hat,  ob  er  wirklich  iiber  achtzig  Jahr  alt  ge- 
worden  und  die  Regierung  des  Autoninus  Pius  noch  gesehen 
hat,  dariiber  ist  eine  zuverlassige  Angabe  nicht  moglich,  weil 
es  uns  an  zuverlassigeu  Quellen  fehlt^).  Es  bleibt  uns  daher 
uur  noch  die  Untersuchung  iiber  die  Frage  von  Juvenals  Ver- 
bannuug  iibrig. 

Sidonius  Apollinaris^)  stellt  die  Verbannung  unseres  Dich- 
ters  zusammen  mit  dem_  Schicksal  Ovids  und  findet  in  beideu 
eine  iibereinstimmende  Ahnlichkeit.  Und  dafs  Juvenal  wirk- 
lich  eine  Verbannung  aus  Rom  erlebt  hat,  dafiir  diirfen  wir 
auch  das  Zeugnis  der  Scholien  gelten  lassen^).  Denn  dieses 
Faktum  an  sich  konuten  die  Schohasteu  aus  dera  Dichter 
nicht  herausinterpretieren,  weil  er  eines  solchen  iiberhaupt 
nirgends  Erwahnung  thut.  Auch  die  Veranlassung  zur  Ver- 
bannung  findet  sich  bei  Sidonius  uud  in  den  Scholien  im 
wesentlichen  iibereinstimmend  angegeben.  -Ein  Schauspieler 
war,  wie  es  scheint,  verletzt  worden,  weil  ihn  das  Volk  durch 
einige  Verse  Juvenals  gereizt  bei  seinem  Auftreten  mit  un- 
willigem  Zischen  empfing.  Zu  7,  92  bemerken  die  Scholien: 
propter  hunc  versum  missus  est  in  exilium  a  Claudio  Nerone. 
Und  dieselbe  Notiz  findet  sich  in  allen  Vitae,  nur  dafs  meistens 
nicht  Nero,  sondern  Domitian,  vereinzelt  auch  Trajan  als  der 
Kaiser  angefiihrt  wird,  welcher  jene  Bestrafung  des  Djchters 
habe  ausfiihren  lassen.  Zwischen  der  Thatsache  und  der  Ver- 
anlassung  der  Verbannung  miissen  wir  wohl  unterscheiden. 
Von  der  Thatsache  konnte  sich  eine  sichere  Tradition  bis  ins 
4.  oder  5.  Jahrhundert  erhalten,  dagegen  ist  es  recht  gut 
moglich,  dafs  von  der  Veranlassung  nicht  einmal  die  Zeit- 
genossen  Juvenals,  geschweige  die  Spateren,  eiue  sichere  Kennt- 
nis  hatten.  In  solchen  Fallen  werden  dann  Griinde  gesucht, 
und  ist  ein  plausibler  Grund  gefunden,  so  wird  er  nur  zu 
leicht  als  Thatsache  der  Nachwelt  iiberliefert,  besonders  in 
einer  Zeit,  die  an  strenge  Kritik  nicht  mehr  gewohnt  ist.  In 
den   Versen  7,  88 — 92    konnte   ein    solcher   Gruud   leicht  ge- 


§  20. 
1)  Vita  IV:  decessit  longo  senio  confectus  exul  Antonino  Pio  inpcra- 
tore.  2)  Carm.  IX  270:  non  qui  teniporc  Caesaris  secundi  aeferno  in- 
coluit  Tomos  reatu,  nee  qui  consimili  ileinde  casu  ad  vuhji  tenuem  strc- 
2)entis  auram  irati  fuit  histrionis  exul.  3)  Alle  Vitae  stiniinen  darin 
liberein,  dafs  Juvenal  verbannt  worden  ist. 


EINLEITUNG.  XXIII 

fuutleu  wertlen:  maii  klammerte  sicli  an  deu  Nauien  Paris  und 
erdiLhtete  sich  eiue  Gelegeuheit,  bei  der  dieser  Liebliug  Do- 
mitiaus  iu  Zoru  versetzt  war,  der  sich  nun  iiber  deu  Dichter 
eutlud.  Dafs  Paris  liiugst  tot  war'),  ehe  Juveual  dichtete, 
darau  dachte  man  nicht,  wohl  aber  hel  mauchem  ein,  dafs 
Juvenals  Dichtuugen  spiiter  erschieneu  seien;  da  half  mau  sich 
mit  der  Auskunft,  daJfs  jene  Verse  von  Juvenal  friiher  er- 
sonnen  im  Volke  von  Mimd  zu  Muud  gegangeu,  und  dafs  sie 
erst  spUter  vom  Dichter  in  die  siebente  Satire  eiugereiht 
worden  seieu'').  Die  Tradition  von  der  Veranhissuug  der 
Verbannuug  erweist  sich  durchaus  als  triigerisch  und  darf  des- 
halb  nicht  als  historische  Wahrheit  angeuommen  werdeu; 
denn  dieser  Tiiuscliung  konnte  auch  Sidonius  Apollinaris  leiclit 
verfallen*'j. 

§  21. 

Die  Scholien  zu  1,  1  bemerken:  lios  mdem  lihros  in  exi- 
Uum  missus  ad  civifafcm  nlfimam  Aegypti  Hoasini  ab  ipso  Do- 
mifiano  scriimt,  und  zu  4,  38:  Iwc  convicium  in  Fl.  Domitia- 
num  .  .  iactat,  qui  calvus  fuit,  propterea  quod  Iiwenalis  sid) 
spccie  lionoris  rclegatus  est  ad  cohortis  ciiram  in  Aegypto  Hoasa, 
uhi  mortuus  est.  Es  ware  hier  eutweder  an  die  "Occdg  ^lxqoc^ 
westlich  vom  See  Moeris,  iu  Mitteliigypten ,  oder  au  die 
24  Meileu  siidlicli  von  ihr  gelegene  "OaGis  ^eydXr}  {7t6XLg"Oa6ig 
Herod.  III  26),  welehe  zu  Oberiigypten  gehorte,  zu  denken. 
Sicher  ist  es,-  dafs  der  Dichter  in  Oberagypteu  gewesen  ist. 
Welcher  Grund  aber  auch  die  Veranlassung  zur  Verbannung 
des  Dichters  gegeben  haben  mag,  sicher  darf  angenommen 
werden,  dafs  er  nicht  von  Domitian  verbannt  worden  ist.    Wie 


4)  Nach  Cass.  Dio  LXVII  3  und  Suet.  Dom.  3  ist  Paris  bereits  im 
Jahre  83,  weil  er  dem  Kaiser  Grund  zur  Eifersucht  in  Bezug  auf  seine 
Gemahlin  gab,  auf  ofFener  Strafse  ermordet  worden.  5)  Vita  I:  inox 
magna  frequejitia  tantoque  successu  bis  ac  ter  auditiis  est  (sc.  auditorio), 
tit  ea  quocj[ue,  quae  prima  fecerat,  inferciret  novis  scriptis  (7,  90):  quod 
non  dant  proceres,  dahit  Idstrio.  tu  Camerinos  et  Bareus,  tu  nobilium 
magna  atria  curas?  pjraefectos  Pelopea  facit,  Philomela  tribunos.  6) 
Strack  de  luv.  exilio  16:  nam  Apollinaris  Sidonius  mortuus  cst  a.  484 
p.  Chr.;  illo  autem  tempore  cum  vitae  iam  diui?)  extarent  tum  fabula 
illa  de  luvenalis  exilio  adeo  sine  dubio{?)  pervulgata  erat,  ut  praesertim 
qui  rhetoricas  velut  ApoIIinaris  et  doctas  in  scribcndo  ampullasiy)  captaret 
cognitam  eam  habere  posset.  Das  triift  fvir  die  Nebenumstande  zu,  be- 
seitigt  aber  nicbt  die  Thatsache  des  Exils.  Auch  Vahlen  (Sitzungsber. 
der  preufs.  Akad.  1883  II)  kommt  S.  1192  doch  nur  zu  folgendem  R-j- 
sultat:  Als  ausgemacht  miisse  gelten,  dafs  die  Verse  7,  88—92  nicht  aus 
einem  alteren  Gedicht  entlehnt  seien,  sondern  der  siebenten  Satiro 
ursprunglich  angehoren,  und  weder  unter  Domitian,  unter  dem  sie  nicht 
existierten,  noch  auch,  unverfiinglich  wie  sie  seien,  unter  Trajan  oder 
Eadrian  jemals  den  Grund  zu  einer  Bestrafung  Juvenals  hatten  abgeben 
konnen. 


XXIV  EINLEITUNG. 

wjire  sonst  clie  Detailkenntnis  begreiflich,  welclie  er  von  den 
Zustanden  Ronis  in  seiuen  Dichtungen  bekundet^)?  Wie  wiire 
es  denkbar,  dafs  er  vor  oder  nach  der  Verbannung  in  seiner 
Vaterstadt  zu  den  hochsten  Ehrenamtern  gelangen  konnte^)? 
Und  wenn  er  dichtete,  als  er  bereits  eine  so  schwere  Ver- 
folgung  erlitten  hatte,  warum  sollte  er  dieser,  wo  er  doch 
Gelegenheit  dazu  hatte,  mit  keinem  Worte  Erwahnung  thun? 
Endlich  haben  wir  fiir  das  Jahr  91/92  das  doppelte  Zeugnis 
des  Martial,  dafs  sich  damals  Juvenal  zu  Aquiuum  oder  in  Rom 
befand^).  Noch  weniger  haben  wir  einen  Anhalt  zur  Annahme 
der  Verbannung  unter  Trajan.  Denn  die  Satiren  7 — 9  sind 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  den  letzten  Regierungsjahren 
dieses  Kaisers  gedichtet,  als  er  bereits  sich  in  Asien  befand. 
Auch  lag  dem  Trajan  jede  Verfolgungssucht  fern^).  Ware 
endlich  Juvenal  von  Trajan  verbannt  und  von  Hadrian  zuriick- 
berufen  worden,  so  diirften  wir  dariiber  eine  Andeutung  in 
den  uuter  Hadrian  gedichteten  Satiren  erwarteu. 

§  22. 
So  bleibt  also  uur  die  Moglichkeit  iibrig,  dafs  Juvenal 
unter  Hadrian  in  die  Verbaunung  wandern  mufste,  und  zwar 
wahrseheinlich  nach  Agypten.  Nur  darf  man  nicht  gfauben, 
dafs  Hadrian,  der  strenge  Regenerator  des  romischen  Militiirs 
und  besonders  des  Offizierstandes,  einem  achtzigjahrigeu  Greis 
das  Kommando  liber  eine  Kohorte  aufgezwungen  hat^).  Fiir 
eine  Verbannung  unter  Hadrian  sprechen  mehrfache  Griiude. 
Die  Altersschwiiche  und  der  gedriickte  Geist,  welcher  wenigstens 
in  der  fiinfzehnten  Satire  hervortritt,  lafst  sich  auf  keine  Weise 
gut  erklaren;  wohl  aber  ist  diese  plotzliche  Umstimmung 
erklarlich,  wenn  durch  einen  plotzlichen  und  harten  Schicksals- 
schlag  Juvenals  Mut  gebrochen  war.  Ferner  scheinen  die  Worte 
des  Sidonius,  dafs  Juveual  ein  dem  Ovid  _  ahnliches  Geschick 
gehabt  hat,  vorauszusetzen,  dafs  diese  Ahnlichkeit  in  dem 
aeternum  exilium  gesucht  werde.  Denn  wenn  es  von  Ovid 
heifst:  aeterno  incoluit  Tomos  reatu,  und  nun  von  Juvenal  ge- 


§  21. 
1)  Diesen  Umstand  betonte  mit  Reclit  schon  W.  Teuffel.  2)  Der 
cluoviratus  quinquennalis  setzt  voraus,  dafs  er  vorher  auch  die  Quiistur 
und  die  Adilitat  in  Aquinum  bekleidet  hat,  vgl.  Diirr  Leben  Juv.  13. 
3)  Mart.  VII  24  u.  91,  dagegen  ist  XII  18  sicher  nicht  vor  98,  wahr- 
scheinlich  crst  100/101  verlafst.  4)  Wenn  nach  Cass.  Dio  LXVIII  10 
Trajan  einen  Sobauspieler  Pjdades  liebte,  so  lag  es  doch  dem  Charakter 
dieses  Kaisers  ganz  fern,  dem  Schauspieler  das  Leben  odcr  die  Existenz 
eines  romischen  Biirgers  zu  opfern. 

§  22. 
1)  Ebenso  urteilt  Borghesi,  Oeuvres  V  512. 


EINLEITUNG.  XXV 

sagt  wird:  consiniili  casii  fuit  cxtd,  so  sehe  icli  iiur  iu  aetoruo 
reatu  die  beitleu  Begriffe,  welche  die  Ahnlichkeit  des  Verhlilt- 
uisses  enthalteu.  Juvenal  war  wie  Ovid  im  Zustande  des  reatus, 
d.  1).  beide  waron  nicht  nur  in  dor  eigentiimlichen  Lage,  dafs 
sie  augekhigt  und  woder  verurteilt  noch  freigesprochen  waren^), 
sondern  beide  hatten  auch  das  merkwiirdige  Schicksal  mitein- 
ander  gemein,  dafs  dieser  Zustaud  bis  zu  ihrem  Tode  wlihrte, 
dafs  der  reatus  ein  aeternus  war^).  Ist  diese  Erklarung  sicher, 
und  os  ist  bis  jet/t  kein  Grund  dagegen  vorgebraclit,  so  ist 
es  uuzweifolhaft,  dafs  Juvenal  von  Hadrian  im  Zustaude  des 
reatus  irgeud  wohin  relegiert  worden,  iihnlich  wie  Ovid  nach 
Tomi,  und  nieht  mehr  nach  Rom  zuriickgelangt  ist.  Ob  nun 
wirklich  fiir  Hadrians  Entscheidung  der  Eiuflufs  eines  Schau- 
spielers  mafsgebend  war,  oder  ob  er  sich  durch  irgend  welche 
Angrifle  auf  militiirische  oder  biirgerliche  Ordnungen  verletzt 
fiihlte,  konnen  wir  aus  Mangel  an  sicheren  Nachrichten  nicht 
ontscheiden.  Wahrend  seiner  letzten  Regierungsjahre  war 
Hadrian  aufserordontlich  launisch  und  nicht  selten  zur  Hiirte 
und  Grausamkeit  geneigt.  Er  konnte  deshalb  auch  leicht  dem 
Dichtor  seine  Ungnade  fiihlen  lassen*).  Die  Zeit  der  Ver- 
bannung  ist  freilich  nicht  sicher  zu  bestimmeu,  da  die  Zeit 
der  Abfassung  der  fiiufzehnten  Satire  nicht  feststeht,  sicher  ist 
uur,  dafs  beide  Ereignisse  nach  127  fallen  und  dafs  die  fiinf- 
zehnte  Satire  nach  der  Verbannung  gedichtet  ist. 

§  23. 

Wenn  zwei  der  vorhandenen  Vitae,  deren  Angaben  iiber- 
haupt  keine  Beriicksichtigung  verdienen,  ihn  nach  Britannien 
geschickt  werden  lassen,  um  hier  im  Kampfe  gegeu  die  Scoten 
den  Tod  zu  finden^),  so  konnte  diese  Sage,  wenn  auch  nicht 
aus  Sat.  2,  159 — 161,  wohl  aber  aus  der  Tradition  entstehen, 
dafs  Juvenal  dort  friiher  als  Militartribun  unter  Agricola  ge- 
dient  hat.  Wir  wissen  ja,  dafs  er  Tribun  der  dalmatischen 
Kohorte  war,  und  dafs  diese  wenigstens  spater  in  den  Jahren 
104,  106,  142  in  Britannien  gestanden  hat^).   Aus  der  Kunde, 


2)    cf.  Quint.  VIII  3,  34   und  Forcell.  s.  v.  3)    Diese  Erldarung 

fand  ich  bei  W.  Teuffel,  nachdem  ich  selbstandig  und  unabhangig  von 
ihm  darauf  gekommen  war.  4)  Ael.  Spart.  v.  Hadr.  23:   muUis  aliis 

interfectis  vel  aperte  vel  per  insidias,  c.  24  quamvis-alii  cognomcntum 
hoe  ei  (Antonino  Pio)  dicant  inditum,  quod  muUos  senatores  Hadriano 
iam  saevienti  abripuisset. 

§  23. 

1)  Vitae  V  u.  VI :  sub  honoris  praetcxtu  fecit  eum  praefectum  militis 
contra  Scotos ,  qui  heUuvi  contra  Bomanos  moverant,  ut  ihi  interficeretur 
luvenalis.  2)  W.  Hentzen  in  Jahrb.  t.  Altert.  im  Rheinl.  1848  XIII  87. 
E.  Huebner,  Rliein.  Mus.  XI  30. 


XXVI  EINLEITUNG. 

dafs  er  als  Tribuu  dort  gewesen,  war  die  Vermutung  sehr 
leicht  zu  gewinnen,  dafs  er  in  militarischer  Eigenschaft  dort- 
hin  verwieseu  wordeu.  Aus  der  vorhandeueu  Weihinschrift 
aber,  die  doch  vou  Juvenal  selbst  gesetzt  zu  sein  scheint,  geht 
mit  Gewifsheit  hervor,  dafs  er  aus  Britannien  gliicklich  in  die 
Heimat  zuriickgekehrt  war. 

§  24. 

Wie  Martial  der  begabteste  Dichter  des  ersten,  so  ist 
Juvenal,  wenn  auch  an  Geist  und  Witz  seinem  Freunde  weit 
nachstehend,  doch  immerhin  der  bedeuteudste  Dichter  des 
zweiteu  Jahrhunderts.  Seine  Sprache  ist  im  ganzen  einfach 
und  deutlich,  uicht  selten  eigeutiimlich  und  derbkraftig.  Das 
Studium  von  Cicero,  Horaz,  Ovid  und  Vergil,  ofter  auch  des 
Lucilius,  Catullus  uud  Persius,  tritt  deutlich  hervor,  doch  ver- 
liert  er  dabei  uirgends  seine  Selbstandigkeit.  Den  modernen 
Leser  storen  nicht  selten  tautologische  Haufungen  synonymer 
Worte^),  aber  in  deu  meisteu  Stelleu  der  Art  ist  ein  ge- 
wisses  Streben  nach  komischer  Wirkuug  unverkeunbar.  Auch 
die  hauiigen  Abbiegungen  und  Ausfalle  in  Parentheseu  ver- 
folgen  meisteus  einen  kunstlerischeu  Zweck:  bald  bricht  der 
Dichter  uber  etwas  iu  Gelachter  aus,  bald  sucht  er  das  be- 
gounene  Pathos  herabzustimmeu.  Seiue  schwachste  Seite  ist 
die  Erfindung  und  die  Komposition^).  Aber  um  uicht  unge- 
recht  zu  werden,  mussen  wir  bedeukeu,  dafs  iiberhaupt  _die 
Dichter  der  Kaiserzeit  hierin  deu  Dichtern  der  klassischeu  Ara 
weit  uachstehen,  und  dafs  insbesondere  die  Satiriker  sich  von 
jeher  in   der   Auorduuug  und   Behaudlung   des   Stoffes    grofse 


§  24. 
1)  Zusammerstellungen  bei  Haenicke  im  Pr.  des  Padag.  zu  Putbus 
1877  p.  7.  2)  Haenicke  1.  1.  5:  Seine  Satiren  sind  keine  kiinstlerisch 
aufgebauten,  in  sich  abgerundeten  Gebilde,  in  denen  um  eine  Figur,  die 
klar  und  plastisch  sich  vom  Hiutergrunde  abhebt,  eine  Fiille  andrer 
Gestalten  in  abgewogenem  Verhaltnis  sich  schart  und  zu  einem  organi- 
schen  Ganzen  mit  ihr  verschmiizt,  sie  geben  nichts  als  eine  meist  ganz 
iiufserlich  zusammenhangende  Eeihe  ilhnlicher,  vorzugsweise  dunklcr 
Gestalten,  auf  welche  einiges  Schlaglicht  vom  Hintergrunde  aus  filllt, 
in  dem  lichtere  Gestalten  dem  Auge  sich  zeigen.  Seine  Satireu  sind 
keine  Gedichte,  keine  schopferisch  gebarende,  freiwillig  gestaltende 
Fantasie  erzeugt  sie:  sie  sind  Piodukt  der  Refiexiou  uud  der  Schule  ('?), 
sind  nichts  (?)  als  Deklamatioueu.  Wie  schemenhaft  sind  meist  die  uns 
vorgefvihrten  Gestalten!  In  der  zweiten  Satire  geben  wir  uns  V.  36  der 
Hoffnung  hin,  Laronia  mit  einem  feinen  satirischen  Liicheln  wird  die 
Situation  beherrschen  und  in  geistvoller  Weise  die  Laster  des  miinn- 
lichen  Geschlechts  Revue  passieren  lassen.  Unsere  Hoffnung  ist  schon 
V.  65  getauscht,  V.  67  lafst  uns  von  neuern  hoften,  dafs  eine  Gestalt 
plastisch  hervortreten  wird,  dafs  wir  an  der  Erscheinung  des  Creticus 
eine  Verkorperuug  der  moralischen  Gebrechen  erblicken  werden.  Mit 
nichten!    Bald  ist  der  Satiriker  wieder  in  der  bequemen  Allgemeinheit! 


EINLEITDNG.  XXVIl 

Freiheiteu  erlaubten.  Weim  luau  encUich  Jas  rhetorische 
Pathos  tles  Dichters  streng  tatlehi  zu  miissen  «rhiubte,  so  ist 
so  viol  richtig,  dals  auch  hierin  Juveual  ein  Sohn  seiuer  Zeit 
war,  tler  ilie  Khotorschule  nicht  vorlouguet.  Aber  die  CJerechtig- 
keit  ertbrdert  doch  anzuerkeunen,  dafs  er  in  der  Auwendung 
der  rhetorischeu  Kunstmittel  weit  mehr  Mafs  zu  beobachten 
verstandon  hat  als  Lucau  oder  Sih"us,  als  Statius  oder  Valerius 
Flaccus'^^ 

AVelchen  Erfolg  die  Dichtungen  Juvenals  bei  seiuon  Zeit- 
genosseu,  ferner  in  der  letzteu  Hiilfte  des  zweiteu  Jahrhunderts 
oder  im  dritteu  Jahrhuudert  liatteu,  kouueu  wir  nicht  ermessen, 
weil  uns  dariibor  bestimmte  Nachrichten  fehlen.  Im  vicrten 
und  fiiufteu  Jahrhundert  aber  ist  Juvenal  viel  gelesen  worden^j. 
Das  bezeugen  nicht  nur  die  Nachahmuugeu  oder  Anspieluugen 
von  Dichteru  wie  des  Ausonius,  Claudiauus  und  Sidonius  Apol- 
liuaris,  sondern  auch  der  Historiker  Ammianus  Marcellinus 
XXVin  4,  14:  quidam  detcstantcs  td  venena  doctrinas  Invenalcm 
ct  Marium  3Iaximnm  cnratiore  stiidio  legunt,  nulla  volumina 
practcr  haec  in  ^n-ofundo  otio  contrectantes,  qnam  ob  causam  non 
iudicioli  est  nosfri.  Bei  deu  lateiuischen  Dichtern  des  Mittel- 
alters  finden  sich  immer  auch  Spuren  von  Kenntnis  des  Ju- 
venal,  und  die  spiitere  Zeit  hat  ihre  Vorliebe  fiir  ihn  durch 
die  zahlreicheu  Handschrifteu  bekundet,  die  noch  jetzt  vor- 
hantlen  sind. 

II.    Kritik  uud  Erkliiruug  der  Satiren. 

§  25. 

Unter  der  grofsen  Masse  der  Handschrifteu ,  welche  uns 
die  Satiren  Juvenals  erhalten  haben,  lassen  sich  leicht  zwei 
Klasseu  unterscheiden.  Von  der  alteren  Ilandschriftengruppe 
ist  uns  nur  der  Pithoeanus  erhalten,  welcher  friiher  tlem 
Kloster  Lorsch  gehorte,  dann  in  den  Besitz  von  Petrus  Pithoeus 
und  schliefslich  nach  Montpellier  in  die  Bibliothek  der  ecole 
de  medecine  gekommen  ist  (Nr.  125).  Die  Handschrift  ist  wahr- 
scheinlich  im  neuuten  Jahrhundert  geschrieben. 

Eine  ahuliche  Handschrift  besafs  G.  Valla  zu  seiuer  Aus- 
gabe  des  Juveual  v.  J.  1486,  die  aber  seitdem  spurlos  ver- 
schwunden  ist.  Leider  hat  Valla  bei  der  Feststellung  des 
Textes  auf  seine  Uandschrift  nur  wenig  Riicksicht  genommen. 
Zu    derselben    Klasse    sehorte    auch    eine  Handschrift    in   der 


3)  Die  Rhetorik  Juvenals  behandelt  Strule,  de  rhetorica  luv.  disci- 
plina,  1875,  und  L.  Bergmiiller,  Quaestt.  luv.  in  den  Acta  sem.  phil. 
Erlang.   IV  .395  —  440.  4)  Vgl.  R.  Beer,  Spicil.  40,    Th.  Birt,   zwei 

politische  Satiren  des  alten  Rom,  p.  52 — 63. 


XXVIII  EINLEITDNG. 

Bibliothek  zu_  St,  Galleu,  von  der  nocli  die  Scholien  er- 
halten  sind.  Anfserst  zahlreich  dagegen  sind  die  Handschrifteu 
der  zweiteu  Klasse.  Da  sie  samtlich  durch  willkurliche  Ande- 
rungen  und  luterpolationen  verdorbeu  siud,  so  ist  ihre  Auf- 
zahkmg  hier  nicht  notig;  denu  filr  die  Kritik  sind  sie  nur 
von  geringem  Werte.  Zu  dieser  Klasse  gehort  auch  die  zweite 
Hand  im  Pithoeanus  (p),  welche  eine  Rekognition  des  Textes 
nach  einem  Exemplar  der  zweiten  Klasse  durchgefiihrt  zu 
haben  scheint. 

Zwei  Handschriften  der  interpolierten  Klasse,  ein  Lauren- 
tianus  (34, 42)  uud  ein  Leideusis  (82),  beide  aus  dem  elften  Jahr- 
hundert,  haben,  der  eine  am  Ende  des  fiiuften  Buches,  der 
andere  am  Schlufs  der  sechsten  Satire,  die  Subscriptio:  Legi 
ego  Niceus  apud  31.  Servium  magistrum  Piomae  et  emendavi^). 
In  solchen  Subskriptionen  finden  sich  die  Ausdriicke  legere 
relegere  perlegere,  emendare  corrigere  recognoscere ,  conferre  und 
perconferre.  Die  Thatigkeit,  welche  damit  bezeichnet  wird,  war 
uatiirHch  sehr  verschieden.  Oft  wurde  ein  neu  geschriebenes 
Exemplar  mit  dem  Original  verglichen  und  durchkorrigiert. 
Dies  geschah  ofters  vom  Abschreiber  selbst,  bfters  aber  auch 
von  eiuem  gelehrteu  Kenuer  der  Litteratur.  Diese  verbesserten 
oder  veranderten  natiirlich  Stellen,  die  ihnen  verdorbeu 
schienen,  vielfach  auch  nach  ihrem  Gutdiinken.  Zuweilen  ver- 
glich  mau  auch  den  neu  geschriebenen  Codex  nicht  mit  dem 
Origiual,  aus  dem  er  abgeschrieben  war,  sondern  auch  mit 
audern  Handschriften  desselben  Autors,  welche  zu  Gebote 
standen^). 

Spatere  Abschreiber  gaben  der  zweiten  Hand  den  Vor- 
zug  vor  der  ersten,  oder,  was  dasselbe  ist,  sie  zogen  die 
lesbare  Korrektur  der  unleserlichen  Uberlieferung  vor.  So  er- 
hielten  diese  Rekognitionen,  wie  im  Juvenal  die  des  Nicaeus, 
die  weiteste  Verbreituug  und  fauden  allgemeine  Anerkeunuug, 
wahrend  die  reinere  und  unverfalschte  tJberlieferung  sich  nur 
in  wenigen  Exemplaren  erhalten  kounte^). 

Auf  dieselbe  Weise  eutstanden  auch  gemischte  Recensionen, 
welche  zum  Teil  die  echte  Uberlieferung  erhielten,  vielfach 
aber  auch  die  iibrigen  der  vorhaudeuen  oder  zuganglichen 
Handschriften  in  sich  aufnahmen.  Diese  Gattung  ist  fiir  die 
Kritik  am  wenigsten  nutzbar. 

Die  Receusion  des  Nicaeus   oder  Servius  ist   schou   sehr 


§.  25. 
1)   Vgl.  0.  Jahn,  ProU.  ad  Pers.  CXXVI,    Hosius,  App.  criticus    ad 
luv.  54  sqq.    Eiue  eingehende  Beschreibuug  des  Pitlioeanus  giebt  R.  Beer 
im  Spicil.  luv.  p.  9  sqq.         2)  Reifferscheid,  de  latinorum  codicum  sub- 
scriptionibus   commentariolum  p.  6  sq.  3)    Dais   es   aufser   der  Rec. 

des    Nicaeus    npch    andere    Revisionen  des   Textes   gegeben    hat,    zeigt 
Hosius  62  sq.   t)brigens  vgl.  §  19,  2. 


EINLEITDNG.  XXIX 

alt.  Denu  die  Grammatiker  des  funften  oder  seclisten  Jahr- 
liuuderts,  Serviu»,  Macrobius,  Priscian,die  Scholiasteu  des  Horaz, 
Lucan,  Per^ius  unil  Statius  citieren  Juvenal  meist  nach  ihr, 
selten  nach  dem  Text,  wie  er  im  Pithoeanus  erhalten  ist^j. 

§  26. 

Wie  der  Text,  so  sind  uns  auch  die  Scholieu  in  doppelter 
Gestalt  iiberliefert.  Die  iUtereu  uud  kiirzeren  Scholicn,  dereu 
Kern  vielleicht  bis  ans  Ende  des  vierten  Jahrliuutlerts  zuruck- 
reicht,  euthiilt  der  Pithoeauus  uud  Saugallensis  (D  47(3).  Zu 
derselben  Gattung  gehorteu  die  uoch  vollstaudigeren  Scholieu, 
welche  G.  Yalla  iu  seiuem  Kommeutar  (Venetiis  148G)  an- 
geblich  als  Werk  des  Probus  beuutzt  hat.  Diese  jetzt  niclit 
mehr  vorhaudeneu  Scholien  reichteu  bis  8,  107,  wo  Valla  be- 
merkt:  Jiic  nos  iam  deserit  Frohus  nec  ultra  Imnc  lociini,  quan- 
tum  ad  me  pervmerit,  interpretatus  est  quisquam  ^). 

Die  zweite  Klasse  der  Scholien  tragt,  wie  die  zu  Persius, 
deu  Namen  des  Cornutus,  Cormiti  expositio  siiper  toto  lihro 
Juvenalis.  Sie  scheineu  zu  gleicher  Zeit  mit  den  Persius- 
scholien,  etwa  iu  der  Karolinger-Zeit,  verfafst  zu  seiu^).  Ob- 
wohl  viel  wortreicher  als  die  der  ersteu  Klasse  siud  sie  doch 
fiir  Kritik  und  Erklaruug  ohue  alle  Bedeutuug"'). 

§  27. 

Was  nun  die  kritische  Feststelluug  des  Textes  aulaugt, 
so  siud  hier  zwei  Perioden  wohl  zu  unterscheiden,  Deu  W' ende- 
punkt  bildet  die  genauere  Erforschung  und  Wiirdigung  des 
Pithoeanus,  welche  wir  C.  Fr.  Hermauu^),  0.  Jahu-)  uud  R. 
Beer  verdanken. 


4)  Hosius  56  liommt  zu  dem  Ergebnis:  Servium  solius  recensionis 
honae  testem  adhibuisse ,  Priscianum  et  Miius  et  alterius  lihros  invenisse 
ac  secutum  esse.  Sed  restare  non  paucos  locos,  uhi  grammatici  illi  leciiones 
a  nuUo  nostrorum  codicum  traditas  praebeant.  Das  seien  Irrtiimer,  die 
durch  das  Citieren  aus  dem  Gedachtnis  entstanden  seien. 

§  26. 
1)  Vgl.  R.  Beer,  Spicil.  33  sq.,  Chr.  Sfcephan,  de  Pithoeanis  in  luv. 
scholiis,  Bonn  1882,  E.  Matthias,  de  scholiis  luv. ,  Halle  1875,  0.  Jahn, 
ProU.  ad  Pers.  CLIV  sq.  2)  Ibid.  CXXVIII  nnd  C.  F.  Hermann,   de 

aetate   et  usu  schol.  Persianorum  10  sq.         3)  Proben  bei  Schopen,  Un- 
edierte  Scholien  zu  Juv.  lU,  Bonn  1847. 

§  27. 

1)  C.  F.  Hermann,  de  codicibus  luvenalis  recte  existimandis,  Gottingen 
1847;  Vindiciae  luvenalianae,  Gottingen  1854.  2)  Aufser  in  der  schon 
erwabnten  Ausg.  von  1851  noch  in  der  von  1868  bei  Weidmann  erschie- 
nenen  Rekognition.  Beers  nene  Kollation  findet  sich  zum  Tcil  im  Spic. 
lav.  (Lips.  1885)  teils  in  der  zweiten  von  Fr.  Buecheler  besorgten  Ausg. 
von  Jahn,  Berolini  1886. 


XXX  EINLEITUNG. 

Die  friiheren  Herausgeber  iibten  der  Sitte  ihrer  Zeit  folgend 
nur  ein  eklektisches  Verfahren;  sie  fragten  kei  jeder  Lesart 
nach  der  Zahl  der  Handschriften,  welche  sie  verbiirgt,  allen- 
falls  legteu  sie  auf  einzelue  Handschriften  mehr  oder  weniger 
Gewicht,  jenachdem  die  Lesarten  ihrem  subjektiven  Geschmack 
entsprachen^).  Auf  diese  Weise  war  eiue  konsequente  Recen- 
sion  des  Textes  nicht  moglich. 

Als  man  aber  in  dem  Pithoeanus  die  urspriingliche  Quelle 
fand,  mit  welcher  sich  alle  Lesarten  auch  die  der  schlechtesten 
Haudschriften  leicht  erklareu  lassen,  suchte  zunachst  die  Kritik 
die  erste  Hand  dieses  Codexes  wiederherzustellen,  auch  wo  sie 
im  Laufe  der  Zeit  entweder  durch  Schreibfehler  unkenntlich 
gemacht  oder  durch  Rasuren  und  Korrekturen  verdrangt  wor- 
den  war.  Dieses  Unternehmen  forderte  die  Beriicksichtigung 
teils  der  Lemmata  in  den  alten  Scholien  (S),  teils  der  Er-. 
kliirung  der  Scholien  selbst  (2J),  welche  nicht  selten  auf  die 
urspriingliche  Lesart  zuriickfiihrf^).  In  vielen  Fallen  ist  es 
auch  gelungen,  aus  der  durch  Schreibfehler  oder  Mifsverstand- 
nisse  verdorbenen  Lesart  des  Pithoeanus  die  urspriingliche 
Lesart  durch  Konjektur  wiederzufinden.  Erst  wo  diese  Mittel 
nicht  ausreichen,  ist  es  gestattet,  entweder  die  Lesarteu  der 
zweiten  Hand  des  Pithoeanus  oder  die  Angaben  der  zweiten 
Handschriftenklasse  zu  beriicksichtigen.  Im  ersteren  Falle  ist 
es  mitunter  moglich,  dafs  die  scheinbar  zweite  Hand  doch 
dem  ersten  Schreiber  selbst  angehort  und  so  auf  das  reine 
Original  zuriickfiihrt,  oder  dafs  die  zweite  Hand  aus  demselben 
Original  Mitteilung  machte;  in  den  meisten  Fallen  jedoch 
lassen  die  Angaben  der  zweiten  Hand  des  Pithoeanus  oder 
die  Lesarten  der  zweiten  Klasse  nur  selten  auf  eine  altere 
richtigere  Quelle  schliersen,  souderu  sie  sind  als  richtige  Ver- 
besserungen  von  Schreibfehlern  zu  betrachten,  wie  deren  im 
Pithoeanus  selbst  genug  sind.  Der  vorhandene  Text  enthlilt 
der  Ratsel  noch  genug.  Um  aber  auf  dem  begonnenen  Wegc 
fortschreiten  zu  konnen,  ist  eine  neue  griindliche  Vergleichung 
des  Pithoeanus,  besonders  seiner  Rasuren  und  Korrekturen, 
notwendig.  Mit  der  Vervollstandigung  des  Apparats  ist  daun 
die  Wiederherstellung  mancher  verdorbenen  Stellen  zu  hoffen^). 

■'  3)  Diese  Art  der  Kritik  beherrschte  noch  C.  F.  Heinrich.  4)  In- 
teressant  sind  fiinf  im  Archiv  der  Stadt  Aarau  gefundene  Deckblatter, 
welche  eincm  Codex  des  .luvenal  entstammen ,  der  mit  dem  Pithoeanus 
aufs  engste  verwandt  war.  Vgl.  daruber  H.  Wirz  im  Hermes  XV  437  sqq., 
li.  Beer,  Spic.  25  sqq.  t}ber  das  St.  Galler  Florilegium,  das  293  Verse 
aus  Juvenal  enthalt,  berichtet  Wirz,  Herm.  XV  445  sqq.  und  Chr.  Stephan, 
das  prosodische  Florilegium  der  St.  Gallencr  Hdschr.  nr.  870  im  Rhein. 
Museum  XL  262—282.  Vgl.  zu  10,  35.  5)  Die.se  Voraussagung  im  J.  1873 
ist  durch  R.  Beer  gUinzend  erfiillt  vAorden.  Seitdem  hat  die  Verbessernng  de.s 
Textes  durch  Beer  und  Buecheler  (Ausg.  von  188G)  nicht  weuig  gewonnon. 


EINLEITUNG.  XXXT 

§  28. 

Die  Erkljiniii';-  dcs  scliwierigeii  Autors  ist  hinter  deu 
Leistungeu  der  Kritik  nicht  zuriickgebliel^en,  ja  in  friiherer 
Zeit  ist  sie  ihr  uicht  selteu  voraugeeilt^).  Die  Leistungeu  von 
Britauuicus,  Fr.  Pithoeus,  Rigaltius  uud  Graugaeus  falstc  die 
Ausgabe  vou  H.  0.  Heuuiuius  zusammen-j.  Noch  umfang- 
reicher  siud  die  Kommeutarieu  von  G.  A.  Ruperti,  eiu  fleifsiges 
uud  fur  jene  Zeit  uicht  unbedeutendes  Werk,  das  wegen  der 
Vollstiiudigkcit  nnd  Reichhaltigkeit  des  Materials  noch  jetzt 
unentbohrlich  ist'').  Mit  Kritik  uud  Erkliiruug  einzeluer  Stelleu 
beschliftigt  sich  die  Ausgabe  vou  E.  W.  Weber*).  Entscheidend 
aber  fiir  die  Methode  der  Interpretation  wurden  zwei  Abhand- 
lungeu  von  N.  Madvig''). 

Fast  zu  derselben  Zeit  erschienen  die  Komraentarien  vou 
W.  E.  Weber^')  und  von  C.  F.  Heinrich^).  Der  erstere  ist  be- 
sonders  fiir  die  Sacherkliirung  von  der  grofsten  Wichtigkeit. 
Noch  grijfser  aber  ist  die  Bedeutung  von  Heinrichs  Ausgabe. 
Heinrich  hat  sehr  viele  Stellen  zuerst  richtig  erklLirt,  hat 
Juvenals  Benutzuug  des  Cicero,  Ovid  uud  Vergil  nachgewiesen, 
iiberhaupt  aber  mit  Liebe  uud  Verstaudnis  sich  iu  deu  Geist 
des  Dichters  hineinversetzt :  er  ist  lehrreich,  auch  wo  er  irrt. 
Wenn  Heiurichs  Kommeutar  vieleu  Erwartungen  nicht  ent- 
sprach,  so  lag  dies  hauptsachlich  daran,  dafs  man  ihu  aus 
Vorlesungen  zusammeustellen  mufste  vom  J.  1811  — 1814,  in 
deneu  die  neueren  Leistungen,  besonders  Madvigs,  noch  nicht 
benutzt  sein  konnteu. 

Durch  Heinrichs  Kommentar  veranlafst  sind  'Beitriige  zur 
Kritik  und  Erkllirung  der  Sat.  des  Juveualis'  von  A.  L.  Dollen, 
Kiew  1846,  ein  griindliches  uud  verdienstvolles  Werk,  welches 
nur  durch  die  leider  allzu  breite  Darstellung  etwas  ungeniefs- 
bar  wird.  Hierher  gehort  auch:  C.  Kempfii  Observationes  in 
luv.  aliquot  locos  interpretandos,  Berol.  1843,  luv.  Satirae 
III  ed.  C.  L.  Roth,  Norimb.  1841,  die  Dissertation  von  W. 
Bogeu,  Boun  1849,  zu  Sat.  I  das  Programm  von  Matthias, 
Marburg  1844,  und  vou  Wolters,  Herzogenbusch  1853,  cf.  den 
Bericht  in  Mnemosyne  IV  281  —  290,  zu  I  und  II  von  Nic. 
Mohr,  Dorp.  1845,  Jan  Pol,  de  sat.  XIII,  Groningae  1851. 


§  28. 
1)  Vgl.  Teuffel,  Rom.  Litt.  313,  9,  wo  die  alteren  Ansgaben  aufge- 
zahlt   sind.         2)   Ultraiect.  1685.    4.    Lugd.    Bat.  1695.    4.  3)    Erate 

Ausg.  Lips.  1801,  zweite  Ausg.  ibid.  1819  —  1820,  beide  in  2  Bdn.  8. 
4)  Vimariae    1825.  5)   Madvig,   de  locis   aliquot  luv.  interpretandis, 

Opusc.  Acad.  29  —  63;  de  locis  aliquot  luv.  explicandis  disp.  II,  in  den 
Op.  Acad.  II  167  —  205.  6)  Die  Satiren  des  Juvenalis,  iibersetzt  und 

erlautert.  Halle  1838.  7)  Inv.  Satirae  cum  Commentariis  C.  Fr.  Hein- 
richii.  Acc.  Scholia  vetera  eiusdem  Heinrichii  et  L.  Schopeni  annota- 
tionibus  criticis  instincta,  2  Bde.,  Bonn  1839. 


XXXII  EINLEITDNG. 

Selir  reicli  an  Material  ist:  Thirteen  Satires  of  Juvenal, 
with  a  commeutary  by  Johu  E.  B.  Mayor,  IV  editiou,  London 
I.  Bd.  1886,  II.  Bd.  1878.  Gute  Bemerkungeu  fiuden  sich  in 
den  Erklaruugen  zur  Ubersetzuug  des  Juvenalis  von  Teuffel 
und  Hertzbergj  Tiibiugeu  1864  —  67. 

Entscheidend  weniger  fiir  die  Kritik,  woftir  es  bestimmt 
war,  als  ftir  die  Erklarung  und  Beurteilung  der  Satiren  Ju- 
veuals  wurde  das  geistreiche,  aber  hyperkritische  Werk  von 
Otto  Ribbeck:  Der  ecbte  uud  der  unechte  Juveual,  Berlin  1865- 
Daran  reihen  sicb  als  Gegenschriften:  B.  Lupus,  Vindiciae  lu- 
venaliauae,  Bonn  1864  (gegen  die  schou  vorher  erschieueue 
Ausgabe  Ribbecks  gerichtet)  und  0.  Meinertz,  Vind.  luvenal., 
Regimonti  1866,  feruer:  Zur  Kritik  und  Erklaruug  der  Satiren 
des  Juvenal.  Konitz  1871,  H.  Wirz,  zur  Kritik  der  V.  Satire, 
Aarau  1868,  Hauicke,  krit.  Untersuchungeu  uber  die  Echtheit 
der  12.  Satire  von  Juv.,  Putbus  1877,  M.  J.  Hofmann,  zur 
Kritik  u.  Erkl.,  Amberg  1878,  Dr.  Palm,  de  luv.  Sat.  XV, 
Nordhausen  1882,  Vahlen  im  Index  Lectionum  aest.,  Berol. 
1884,  A.  Weidner,  Emendationes  luven.,  Dortm.  1887,  uud  iu 
Fl.  Jahrb.  1887  p.  279 — 296,  endlich  die  Dissertationen  von: 
H.  Polstorff,  de  vv.  aliquot  male  suspectis,  Rostock  1882,  G. 
Schoenaich,  Quaest.  luv.,  Halle  1883,  R.  Weise,  Vindiciae 
luvenal.,  Halle  1884,  W.  Schulz,  Quaestionum  luv.  capita  tria, 
Berlin  1885  und  im  Hermes  XXI  179—192,  L.  Bergmueller, 
Quaestt.  luv.  in  den  Acta  Sem.  phil.  Erl.  vol.  IV,  Erlangen 
1886,  A.  Smit,  Annotatio  in  Saturas  luv.,  Utrecht  1886,  G. 
Moseugel,  Vind.  luv.,  Erlangen  1887,  A.  Scholte,  Observationes 
criticae  in  Saturas  luv.,  Utrecht  1873.  Deu  Sprachgebrauch 
behandeln:  Ludwig  Genther,  Uber  den  Gebrauch  der  Metaphern 
bei  Juvenal,  Progr.,  Wittenberg  1878,  und  Ludolph  Kiaer,  De 
sermone  D.  lunii  luvenalis,  Hauniae  1875,  wo  freilich  eiue 
sichere  kritische  Basis  uoch  vermifst  wird. 

Ein  vollstandiges  Lexicon  luvenalianum  wird  der  vor- 
liegenden  Ausgabe  nachfolgen. 


IVVENALIS 

S  A  T  V  E  A  R  V  M 

LIBER  PRIMVS 


SATVRA  I 

Semper  ego  auditor  tautum?  numquamue  reponam 
vexatus  totiens  rauci  Theseide  Cordi? 
inpune  ergo  mihi  recitaverit  ille  togatas, 


Sat.  I. 

1  — 18  Prootnium:  Die  quillen- 
den  Kecitationen  der  pedantischen 
und  unwahren  Diohter  unserer  Zeit 
zwingen  mich  zur  Rache,  d.  h. 
zur  eigenen  dichteiischen  Schrift- 
stellerei.  Dem  Inhalt  nach  ver- 
wandt,  in  der  Behandlung  freilich 
sehr  verschieden  sind  Hor.  s.  II  1 
und  Pers.  I. 

1  awUtor,  bei  den  offentlichen 
Recitationen,  welche  Asinius  Pollio 
in  Rom  eingefiihrt  hatte.  Die  Ab- 
nahme  des  politischen  Interesses 
und  der  staatsmiinnischen  Thiitig- 
keit  hatte  eine  Steigerung  des 
litterarischen  Interesses  d^T  Schon- 
geisterei  und  Schriftstellerei  zur 
Folge.  Die  Recitationen  dienten 
nur  zu  oft  der  Eitelkeit  und  Etfekt- 
hascherei.  Der  jiingere  PUpius  (1 13) 
sagt  vom  Jahr  97 :  toto  inenseAprili 
nullus  fere  dies,  quo  non  recitaret 
aliquis,  —  possum  iam  repetere  se- 
cessum  et  scribere  aliquid  quod  non 
recitem,  ne  videnr,  quoriim  recitatio- 
nihus  adfui,  non  aiiditor  fuisse  sed 
creditor.  Hor.  ep.  I  19,  o9  scrip- 
torum  auditor  et  ultor.  Ahnlichbeifst 
reponere  [aliquid  alicui)  es  einem 
heimzahlen,  sich  riichen,  uvxano- 
Sidovai:,  80  doIorem,iniuriam,scelus 
reponere  alicui.  Senec.  ep.  81,  9 
non  dicimus  'reposuit^  beneficium  aut 

IVVESALIS    SaIVEAB. 


'solvif,  nullum  enim  nobis  plaeuit 
quod  aeri  alieno  convenit  verbum. 

2  totiens,  weil  die  Vorlesung  des 
umfassenden  Werkes  mehrere  Tage 
erforderte,  Plin.  ep.  III  18,  4  per 
biduumconveneruntjCumquemodestia 
mca  finem  recitationi  facere  voluisset, 
ut  adicerem  tertium  diem  exegerunt, 
IV  27, 1  teHius  dies  est,  quod  audivi 
rccitantem  Sentium  Augurinum.  Wer 
viel  oder  laut  spricht,  ^vird  raucus, 
daher  Mart.  IV  8,  2  Beiwort  der 
causidici;  vgl.  8,  59  exultat  rauco 
victoria  circo,  G,  51.5  rauca  cohors. 
Ein  Dichter  Cordus  ist  sonst  nicht 
bekannt,  denn  auch  der  von  Mart. 
III  15  u.  83  oder  11  57,  V  23  u.  26 
erwiihnte  Cordus  scheint  mit  dem 
Dichter  der  Theseis  nichts  gemein 
zu  haben.  Diese  war,  wie  der  Name 
andeutet,  ein  episches  Gedicht  von 
den  Thaten  des  Thesens. 

3  recitaverit,  sollte  vorgetragen 
haben,  ist  Ind.  des  Fut.  exacti, 
wie  Verg.  IX  785  unus  homo  tanias 
strages  impune  pcr  urbem  edidcrit? 
iuvenum  primos  tot  miserit  Orco  ? 
II581  occiderit  ferroPriamus?  Troia 
arserit  igni?  IV  590  piro  luppiter ! 
ihit  hic,  ait,  et  nostris  inluserit 
advena  regnis?  Unter  den  fabulae 
togatae  sind  hier  wahrscheinlich 
iiberhaupt  Komodien ,  unter  den 
elegi  die  gesamte  kleinere  Dichtung, 

1 


IVVENALIS 


hic  elegos?  inpune  dieui  consumpserit  ingens 
Telephus  aut  sumnii  plena  iam  margine  libri 
scriptus  et  in  tergo  necdum  finitus  Orestes? 
nota  magis  nulli  domus  est  sua,  quam  mihi  lucus 
Martis  et  Aeoliis  vicinum  rupibus  antrum 
Vulcani;  quid  agant  venti,  quas  torqueat  umbras 
Aeacus,  unde  alius  furtivae  devehat  aurum 
pelliculae,  quantas  iaculetur  Monychus  ornos, 
Frontonis  platani  convulsaque  marmora  clamant 
semper  et  adsiduo  ruptae  lectore  columnae. 
expectes  eadem  a  summo  minimoque  poeta. 


10 


z.  B.  die  hendecasyllabi  des  jiingei-eu 
Plinius,  zu  verstehen;  so  werden 
nacheinander  Epeu ,  Komodien, 
Lyrik  und  Tragodien  erwahnt  bis 
V.  6. 

5  Telcplius,  Konig  von  Mysien, 
von  Achilles'  Speer  verwundet  und 
schliefslich  mit  dem  Schaft  des- 
selben  von  ihm  wieder  geheilt.  Der 
Stoff  gehort  zu  dem  Sagenkreis  der 
Cypria  uud  wurde  von  Aschylos 
und  Euripides  fiir  die  Tragodie  aus- 
gebildet.  Von  romischen  Dichtern 
bearbeiteten  den  Stoff  Ennius  und 
Accius.  Noch  haufiger  wurde  Orestes 
bearbeitet.  plena  margo  summi  libri 
=  plena  summa  margo,  d.  h.  die  Ko- 
lumnen  reichen  von  dem  obersten 
bis  uutersten  Ende  des  Pergaments, 
sodafs  am  Raud  oben  und  unten 
gar  nichts  mehr  iibrig  bleibt.  Ge- 
wohnlich  beschrieb  man  nnr  eine 
Seite  des  Pergaments,  hier  aberwird 
auch  die  Riickseite  (et  in  tergo)  be- 
schrieben  {libri  opisthographi),  aber 
dennoch  hat  er  noch  nicht  das  Ende 
erreichen  konuen,  vgl.  Plin.  III  5, 17. 

7  — 12  werden  nicht  neue  Dich- 
tungen,  sondern  nur  einzelne  Epi- 
soden  vorgefiihrt:  die  Sucht  der 
neueren  Dicliter  zu  beschreiben  und 
zu  schildern  verfiihrt  sie  dazu,immer 
wieder  altbekanute  Episoden  auf- 
zufrischen.  Hierher  gehort  der  Hain 
des  Mars  aus  der  Argonautensage, 
Mart.  XII  53  ut  magnus  draco  quem 
canunt  poetae  custodcm  Scythici 
fuisse  luci ,  die  Werkstiitte  des 
Vulkan  auf  den  Aolischen  Insehi 
(Verg.  VIII  370—453),  die  Schilde- 
rung  des  Sturms  und  der  Windburg 
des  Aolus  (Verg.  I  81  —  123),  vgl. 
12,  22,  die  Beschreibung  der  Unter- 


welt.  Zu  quid  agant  venti  vgL  6,  403 
quid  Seres  quid  Thraces  agant,  zu 
quastorqueatumhrasSfQvg.Nlb<c,l&c\<\. 

10  unde,  Schilderung  von  KoL 
chis.  alius  =  wieder  ein  anderer ; 
denn  vor  Arger  mag  er  den  Namen 
des  Jason  nicht  nennen,  10,  257 
atque  alius,  cui  fas  Ithacum  lugere 
natantem,  und  vieWeiclat  13,49.  Von 
dem  Kentaur  Monychos  {ficovvx^s 
tnjcoil)  sagt  Ov.  m.  XII  510  insani 
deiectam  viribus  austri  forte.  trabcm 
nanctus  validum  coniecit  in  hostem 
exemplumque  fuit. 

12  sq.  Unter  Fronto  ist  vielleicht 
hier  und  Mart.  I  55  1\  Catius 
Fronto,  Konsul  96  n.  Chr.,  zu  ver- 
stehen,  clarum  militiae  togaeque 
decus.  Er  lieh  armeren  Dichtern 
zur  Recitation  eine  Halle ,  deren 
Vorderseite  mit  Platanen  besetzt 
war  (einem  platanon  opacus),  Hier 
wm-de  so  angestrengt  deklamiert, 
daB  die  Halle  {marmora)  erschiittert 
und  dem  Einsturz  nahe  (convuha) 
wiederhallte  (clamant).  adsiduo 
lectore,  die  unaufhorliche  Leserei, 
wie  4,  47  multo  delatore,  Hor.  ep. 
11,94  inaequali  tonsore.  Die  Per- 
son  steht  fiir  die  geschaftsmillMge 
ThiUigkeit,  daher  der  Ablativ  ohne 
Priip.  ruptae,  wir  nur:  erzitteru, 
7,  86  cum  fregit  siibsellia  versu, 
Verg.  III  327  et  cantu  querulac  rum- 
pent  arbusta  cicadae,    durchdringt. 

14  Die  Manier  beherrsclit  alle, 
die  guten  wie  die  schlechten  Dich- 
ter,  iihnlich  6,  349  iamque  eadem 
summis  pariter  minimisque  lihido. 
Der  Vers  schliefst  die  bisherige  Ge- 
dankenreihe  ab,  bildet  aber  zugleich 
den  Ubergang  zu  dem  folgenden 
Entschlufs  des  Dichters. 


LIBRI  I     SATVRA  I 

et  nos  ergo  mauiim  ferulae  subduximus,  et  nos 
eoiisilium  dedimus  Sullae,  privatus  ut  altum 
dormiret.    stulta  est  clenientia,  cum  tot  ubiquo 
vatibus  oceurras,  periturae  parcere  chartae. 
eur  tamen  hoc  potius  libeat  decurrere  campo, 
per  quem  magnus  equos  Auruncae  flexit  alumnus, 
si  vacat  ac  placidi  rationem  admittitis,  edam. 
cum  teuer  uxorem  ducat  spado,  Mevia  Tuscum 


3 

15 


20 


1")  sq.  et  nos  ercio,  nun  gut  denn, 
ich  bin  anch  in  die  Schule  ge- 
gaugou.  Wenn  nlles  dichtet  und 
gegen  die  Folter  des  ewigen  Einer- 
lei  kein  anderes  Mittel  hilft,  so 
bleiht  nuriibrig  ebenfalls  zu  dichten 
und  so  sich  wenigsteus  zu  riichen. 
Zu  tt  nos  ergo  vgl.  14,  119  et  pater 
ergo  onimi  fclices  credit  araros.  Mit 
dem  wiedorholten  ct  nos  werdeu 
zwei  Thatcu  hervorgehoben,  der 
Besuch  der  Schnle  des  grammaticus 
und  der  des  rhctor.  Sprichwortlich 
steht  fcrulae  subduximns  manum  {se 
mettre  sous  Ja  ferule  cVun  mcvtre)  = 
auch  ich  bin  in  die  Schule  gegangen; 
wahrend  der  Besuch  der  Rhetor- 
schule  mit  dem  Beispiel  eiuer 
sunsoria  umschrieben  wird.  Der 
Schiiler  hatte  die  Vorteile  oder 
Nachteile  zu  entwickeln ,  welche 
SuUa  haben  wiirde,  wenn  er  nach 
wiederhergestellter  Ordnung  des 
Staatswesens  von  der  hochsten  Stufe 
der  Macht  (clictator  2'jet'liatuus)  in 
das  Privatleben  zuriicktreten  wiirde. 
Eine  ahnliche  deliheratio  liifst  DioC. 
im  J.  28  V.  Chi*.  im  Kabinett  des 
Oktavian  halten,  wo  Agrippa  die 
Wiederherstellung  derFreiheit,  Ma- 
cenas  die  Notwendigkeit  der  Mo- 
narchie  vertritt.  Vgl.7,  151.  162  sqq. 
10, 1 67.  privatus  subst.  wie  13, 41  ci«» 
privatus  adhuc  Idaeis  luppiter  antris, 
12,  107  Caesaris  armentum,  niilli  ser- 
vire  paratum  privato  (von  nemo  pri- 
vattis),  Hor.  s.  I  3,  142  privatusque 
magis  viram  te  rege  heatus.  Uber  den 
Obiectivns  nltum,  vgl.  zu  ?>,  107  und 
Plaut.  curc.  9  lautus   luces  cereum. 

18  Zur  Zeit  des  Ennius  war 
i;affs  verachtlich,  es  waren  die  alt- 
italischen  Dichter,  wahrend  poetae 
dieDichterder  neueren  griechischen 
Kunstschule  waren.  Von  der  Zeit 
des  Vergil  und  Horaz  an  hat  vates 


wieder  einen  hoheren  Klang,  wie 
Siinger  statt  Dichter,  aber  in  der 
Zeit  des  luvenalis  ist  die  Bedeutung 
des  Wortes  schon  wieder  abge- 
schwacht,  vgl.  6,  436.  7,  53.  89.  93. 
clemcntia ,  Schonung;  periturae, 
wie  ein  adjektivisches  Attribut  ge- 
braucht:  das  nun  doch  einmal  ver- 
braucht  wird,  ahnlich  11,  17  peri- 
turam  arcessere  summam,  ein  dem 
Untergang  geweihtes  Kapital,  4,  10 
terram  subitura  sacerclos,  eine  dem 
Untergang  geweihte  Priesterin. 

19 — 21.  Thema:  Warum  aher 
mufs  ich  als  Satiriker  auftreten? 

1 9  sq.  decurrere  erinnert  an  die 
Wettfahrten  im  Circus,  wie  Ov.  m. 
X  597  clecursa  novissima  meta  est 
et  tegitur  festa  victrix  Atalanta  co- 
rona.  Daher  equos  flectere  (um  die 
meta)  von  Lucilius,  der  148  v.  Chr. 
in  Suessa  Aurunca  geboren  der 
Schopfer  der  personlichen  Satire 
geworden  ist.  —  alumnus,  Sohn. 
Das  Gebiet  der  Aicrimci,  zwischen 
Tarracina  und  dem  mons  Massicus, 
grenzte  an  das  Gebiet  derVolsker: 
Lucilius  war  also  dem  Stamme 
nach  dem  luvenalis  verwandt. 

21  Plin.  ep.  III  18,  4  'si  commo- 
dum''  et  ' si  valde  vacaref ,  num- 
quam  porro  aut  valde  vacat  Romae 
aut  commodum  est  audire  recitantem. 
placicU  freundlich,  ohne  Zorn,  wie 
Hor.  c.  s.  33  condito  mitis  placido- 
que  telo  Apollo,  IV  3,  2  quem  tu 
Melpomene  nascentem  placido  himine 
videris.  Der  Dichter  mufs  fiirchten, 
dafsmanche  seineBegriindung  {rati- 
onem)  nicht  ohne  innere  Aufregung 
und    parteilos   hinnehraen   werden. 

22  —  80  Ausfiihi-ung:  Zur  Satire 
zwingt  1)  die  Unnatur  unserer  so- 
cialen  Verhaltnisse,  22 — 30. 

22  Unser  Leben  ist  bereits  so 
verdreht,    dafs    der   Verschnittene 


IVVENALIS 


figat  aprum  et  nuda  teneat  venabula  mamma; 
patricios  ,omnis  opibus  cum  provocet  unus, 
quo  tondeute  gravis  iuveni  milii  barba  sonabat; 
cum  pars  Niliacae  plebis,  cum  verna  Canopi 
Crispinus  Tyrias  umero  revocante  lacernas 
ventilet  aestivum  digitis  sudantibus  aurum 
nec  sufierre  queat  maioris  pondera  gemmae, 
difficile  est  saturam  non  scribere.    nam  quis  iniquae 
tam  patiens  urbis,  tam  ferreus,  ut  teneat  se, 


25 


30 


25  iuvenis  P  corr.  p 


heiratet  und  das  Weib  mit  ofFener 
Brust  in  der  Arena  auttritt.  Dig. 
XXIII  3,  39  si  spadoni  mulier  nup- 
serit,  distinguendum  arbitror,  castra- 
tusne  fuerit  necne,  ut  in  castrato 
dicas  dotem  non  esse,  in  eo  qui 
castratus  non  est  (d.  h.  von  Natur, 
nicht  durch  Kastration  der  Zeu- 
guugskraft  entbehrt),  quia  est  ma- 
trimonium,  et  dos  et  dotis  actio  est. 
Vgl.  6,  366.  Mevia  ist  nicht  weiter 
bekannt,  der  Name  Mevia  oder 
Macvia  kommt  ofter  vor.  Tac.XV  32 
feminarum  illustrium  senatorumque 
plures  per  arenam  foedati  sunt.  Stat. 
s.  I  6,  53  hic  sexus  rudis  insciusque 
ferri  ut  pugnas  capit  improbus 
viriles,  geradezu  wie  kiimpfende 
Amazoneu !  Evst  Septimius  Severus 
schaffte  diese  Unsitte  ab.  Tuscum, 
denn  nach  Stat.  s.  IV  6,  10  Tuscus 
aper  generosior   Umbro! 

24  provocet  herausfordert,  ist  in 
dieser  Bedeutuug  nachaugusteisch, 
Qnint.  X  1,  93  elegia  quoque  Graecos 
provocamus.  Der  V.  25  ist  10,  226 
wiederholt  percurram  citius  quot 
vilJas  possideat  nunc,  quo  tondente 
gravis  iuveni  (dem  Rittersohne) 
miJii  Jjarha  sonabat.  Der  Name  des 
Mannes  ist  unbekannt. 

26  pars  NiJiacae  pJebis,  8,  44  vos 
JiumiJes,  inquis,  voJgi  pars  uJtima 
nostri,  9,  120  Jingua  maJi  pars  pes- 
sima  servi.  In  pars  allein  liegt 
nichts  Verachtliches,  wie  Tac.  VI  8 
zeigt :  non  enim  Seianum  Vulsi- 
niensem  scd  CJaudiae  et  luJiae 
domus  partcm  (Angehorigen)  coJe- 
J)amus.  Verachtlich  heiist  Crispinus 
(zu  4,  1)  verna  Canopi,  da  diese 
Stadt  selbst  verrufen  war,  6,  84  u. 


15,  46,  Lucan.  VIII  542  et  PeJusiaci 
tam  moJlis  turba  Canopi.  Er  tragt 
einen  (Jacerna)  Mantel  aus  feinem  . 
Purpurstoff  {Tyria,  vgl.  dagegen 
9,  28  u.  3,  148)  und  zieht  ihn  unter 
geckenhatter  Bewegung  der  Schul- 
ter  (umero  revocante  ist  Abl.  abs.), 
als  wollte  er  abfallen,  immer  wie- 
der  von  hinten  nach  vorne;  ferner 
tragt  er  im  Sommer  einen  leichteren 
Ring  als  im  Winter  und  fachelt 
ihn,  d.  h.  liiftet-ihn,  in  Wahrheit 
nur  um  den  edeln  Stein  sehen  und 
in  der  Sonne  spielen  zu  lassen. 
Zu  ventiJare  3,  253.  pondera,  das 
schwere  Gewicht,  natiirlich  ironisch; 
Mart.  XI  37  non  eadem  digitis  pon- 
dcra  conveniunt. 

30-62:  Zur  Satire  zwingt  2)  die 
Unsittlichkeit  unserer  Zeit. 

30  nam  begriindet  das  Veraus- 
gehende;  insofern  aber  derBegriin- 
dungssatz  ein  neues  noch  starkeres 
Beispiel  enthalt,  schreitet  die  Er- 
orterung  vorwarts  und  erhiilt  eine 
Steigerung,  vgl.  137.  3,  200.  6,  415. 
487.  13,240;  ahnlieh  ist  5,  67  ecce 
aJius  und  12,  24  genus  ecce  aliud. 
Wie  hier  iniqua,  so  heifst  3,  8  die 
Stadt  saeva. 

31  ferreus,  gefvihllos,  wie  7,  150 
o  ferrca  pectora  Vetti,  Aschin.  Ill  166 
a  ncSg  nod''  viisi^s,  ra  OidrjQOt,  syiaQ- 
rtQSiT  Ky.Qoc6[i8voi,;  Statt  veniat  er- 
wartet  man  nach  cum  den  Indikativ, 
ebenso  37,  wie  46  wirklich  premit, 
49  J)ibit  folgt;  aber  der  Kouj.  ist 
durch  engenAnschhifsan  denPoten- 
tialis  de§  Hauptsatzes,  d.  h.  durch 
Attralvtion  veranlafst;  ahnlich  Plaut. 
pseud.  168,  Jinec  ceJerate,  ne  mora 
quae  sit ,  coquos  quom  vcniat. 


LIBRI  l    SATVRA  I 


causidici  nova  cum  veniat  lectica  Mathouis 

plena  ipso,  post  hunc  magni  delator  amici 

et  cito  rapturus  de  nobilitate  comesa 

quod  superest,  quom  Massa  timet,  quem  muuere  palpat 

Carus  et  a  trepido  Thymele  summissa  Latiuo? 

cum  te  summoveant  qui  testamenta  merentur 


35 


35  palpat  om.  P  add.  p 


32  lectica  ist  eine  Art  Trage- 
sola  oiler  Tragesessel ,  meist  mit 
eiuem  Verschlufi  (fenestrae)  ver- 
sebeu  (3,  242  clauaa  lcctica  fcnestra). 
Matho  war  Rechtsauwalt,  keiu  vor- 
ziiglicher  Redner  (11,  34  orator 
celieuiois  an  Curtiiis  et  Mutho  buc- 
cae),  suchte  durch  aufserePracht  des 
Lebens  sich  Geltung  zu  verschaffen, 
was  aber  nur  zum  Vermogensruin 
fiihrte  (7,  120  sic  Fedo  contiirbat, 
Matho  deficit).  Der  Name  kommt 
bei  Martial  oft  vor,  aber  ohne  dafs 
damit  immer  ein  und  dieselbe  Per- 
son  bezeichnet  zu  werden  scheint; 
auf  den  Redner  konnte  sich  X  46 
beziehen:  omnia  vis  belle,  Matho, 
dicere.  dic  aliquando  et  bene;  dic 
neutruw.dic  aliquando  male.  — plena 
ipso ,  denn  er  •  macht  sich  darin 
breit;  gewohnlich  hatte  die  lectica 
fiir  zwei  Personen  Raum,  Suet. 
Nero  9  ac  deinceps  eiusdem  {matris) 
saepe  lectica  per  publicum  simul 
vcctus  est. 

33  Der  hier  erwiihnte  Delator  ist 
nicht  bekannt,  doch  deutet  manches 
auf  M.  Aquilius.  Reguhis.  Plin.  ep. 
I  5,  14  uennt  ihn  omnium  bipedum 
neqtdssimum,  daun  curatur  a  muUis, 
timctur  a  plurihus.  Nach  Domitians 
Tod  war  seiue  Existenz  in  Rom  ge- 
fiihrdet,  Plin.  ep.  I  5. 

34  comesa  =  absumpta,  wie  138 
unu  comedunt  patrimonia  mensu, 
2,  155  Cannis  comumptu  iuventus. 
Zu  suiJcre.it  de  vgl.  zu  3,  259.  Der 
Adel  war  besonders  durch  die  Ver- 
folgungen  des  Nero  und  Domitian 
stark  gelichtet  worden,  vgl.  4,  85  sq. 
u.  97  prodigio  par  est  in  nobilitate 
senectus. 

35  Baebius  Massa,  im  J.  70  Pro- 
kurator  dt;r  Provinz  Afrika,  worde 
uuter  Domitian  einer  der  frechsten 
Delatoren,  Tac.  h.  IV  50  Baebius 


Massa  c  procuratorihus  Africae,  iam 
tum  optimo  cuique  exitiosus  et  inter 
causas  malorum,  quae  niox  (unter 
Domitian)  tidimus ,  saepius  redi- 
turiis.  Nach  seinem  Prokonsulat 
vou  Biitika  wnrde  cr  von  Herennius 
Seuecio  und  Plinius  repctundarum 
angeklagt  (vor  August  93,  Agr.  45) 
und  veiurteilt.  Nicht  minder  als 
Delator  beriichtigt  war  Mettius 
Carus.  Er  bewirkte  die  Verurtei- 
lung  des  Herennius  Senecio  (93 
n.  Chr.),  und  verdachtigte  auch 
den  Plinius  bei  Domitian,  Plin.  ep. 
VII  27,  14. 

36  Latinus  war  ein  unter  Domi- 
tian  sehr  einflufsreicher  mimischer 
Kiinstler,  nach  den  Scholien  zu  4, 53 
archimimus,  d.  h.  der  die  Haupt- 
rollen  im  mimus  spielende  Schau- 
spieler  (Th.  Mommsen  im  Hermes 
3,  462).  Vgl.  6,  44.  Thijmele  wird 
als  vorziigliche  mima  6,  66  u.  8, 
197  erwiihnt,  vgl.  Mart.  I  4  (an 
Domitian) :  qua  Thymelen  spectas 
derisoremque  Latinum,  illa  fronte 
precor  carmina  nostra  legas.  Lati- 
nu8  sendet  die  Thymele  heimlich 
ab  {submittit),  um  den  gefahr- 
lichen  Delator  zu  gewinnen  und 
zu  beschwichtigen ;  der  miichtige 
Giinstling  des  Kaisers  fiirchtet 
dennoch  den  noch  machtigeren 
Delator ! 

37  summoveant,  verdriingen,  vie 
3,  124  limine  (des  Patrons)  sum- 
moveor,  14,  186  jjero  qui  summovet 
euros  pellibus  inversis.  Es  ist  vox 
propria  vom  Liktor,  der  dem  Zuge 
seines  Herrn  freie  Bahn  macht, 
wurde  aber  vielfach  iibertragen  ge- 
braucht,  Hor.  U  16,  9  non  enim 
gazae  neque  consularis  summovet 
lictor  miseros  tunmltus  mentis,  die 
quiilende  Unruhe  deiner  Gesinnung 
(der  avaritia). 


6  IVVENALIS 

noctibus,  in  caelum  quos  evehit  optima  summi 
nunc  via  processus,  vetulae  vesica  beatae? 
unciolam  Proculeius  habet,  sed  Gillo  deuncem, 
partes  quisque  suas  ad  mensuram  inguinis  heres. 
accipiat  sane  mercedem  sanguinis  et  sic 
palleat,  ut  nudis  pressit  qui  calcibus  anguem, 
aut  Lugudunensem  rhetor  dicturus  ad  aram. 
quid  referam,  quanta  siccum  iecur  ardeat  ira, 

38  non  tib.  P  44  lug*diinensem  erasa  u  P 


40 


45 


38  sq.  evehit,  emporhebt,  Parodie 
von  Hor.  I  1,  5  palmaque  nobilis 
terrarum  dominos  evehit  ad  deos, 
nur  wird  mit  caelum  von  Juv.  nicht 
das  begluckende  Gefuhl  {caelum  ac- 
cepisse  videbor  Ov.  m.  XIV  844), 
sondern  die  Hohe  der  Lebens- 
stellung,  vielleicht  gar  in  der  Um- 
gebung  des  Kaisers,  angedeutet. 
summi  processus,  des  hochsten  Em- 
porkommens,  ist  wie  procedere  in 
diesem  Sinne  nachklassisch ,  Suet. 
Vesp.  1  ad  principatum  usque  pro- 
cessit,  Senec.  benef.  I  11,  5  lionor 
et  processus  ad  altiora  tendentium. 
—  vesica  6,  64. 

40—44  ist  satirische  Digression: 
Aufserung  der  Indignation  des  Dich- 
ters.  Die  mit  den  Namen  Procu- 
leius  und  Gillo  (Liv.  XXX21  ist  ein 
Q.  Fulvius  Gillo  Legat  des  Scipio) 
bezeichneten  Personen  sind  un- 
bekannt.  Proculeius  erhalt  ein 
lumpiges  Zwolftel  {unciolam  =  heres 
ex  uncia),  dagegen  Gillo  wird  heres 
ex  deunce,  er  erhalt  ^'/,'>-  Justin. 
instit.  II  14,  5  hereditas  plerumque 
dividitur  in  duodecim  uncias,  quae 
assis  appellatione  continentur  (d.  h. 
heres  ex  asse). 

41  Vgl.  9,  34.  Nur  scheinbar 
steht  (juisque  fiir  uterque,  denn  der 
Gedanke  gilt  nicht  allein  den  bei- 
den  Genannten,  sondern  hat  allge- 
meinere  Giiltigkeit.  Ironisch  ist 
sane,  wie  5,  123  nec  minimo  sane 
discrimine  refert,  quo  gestu  lepores 
et  quo  gallina  secetur,  10,  183  mitius 
id  sane,  quod  non  et  stiymate  di- 
gnum  credidit. 

42  Zu  merces  sanguinis  vgl.  14, 164 
merces  haec  sanguinis  atque  laboris. 

43  palleat,  infolge  der  voluptas 
enervis.     Der  Ausdruck   ist  witzig 


gewahlt,  weil  pallere  auch  von  der 
Farbe  des  Goldes  gebraucht  wurde, 
Ov.  m.  XI 110  saxum  quoque  palluit 
auro,  Mart.  VIII  44,  10  superba 
densis  arca  palleat  nummis.  Das. 
Gleichnis  ut  nudis  pressit  qui  calci- 
bus  anguem  war  gelaufig  aus  Hom. 
II.  III  33  «ng  8'  OTf  tiq  T£  SQCiv.ovTa 
tSav  naXivoQOoq  aTtiazr},  caXQOg  xb 
(iLV  sils  naQSiaq,  und  Verg.  II  379 
inprovisum  aspris  veluti  qtii  senti- 
bus  anguem  pressit  humi  nitens  tre- 
Xndusque  repente  refugit  etc- 

44  Der  hier  'erwahnte  Vorfall 
kann  mit  dem  Sangerkrieg  auf  der 
Wartburg  verglichen  werden.  Die 
Form  Lugudunum  (der  Hiigel  des 
Lugus,  des  keltischen  Merkur,  wie 
Campodunum  =  Feldhiigel)  ist  auch 
durch  die  Bamberger  Hdschr.  der 
Briefe  des  Seneca  gesichert.  Die 
ara  war  dem  Augustus  geweiht,  6 
xov  Avyovatov  Pco/xdg  Dio  C.  LIV  32, 
an  dem  Tage,  an  welchem  Claudius 
geboren  wurde,  Suet.  2.  Der  Wett- 
kampf,  an  den  Juv.  erinnert,  er- 
eignete  sich  unter  Caligula,  Suet. 
20:  Lugduni  certamen  Graecae  Lati- 
naeque  facundiae  edidit,  quo  cer- 
tamine  ferunt  victoribus  praemia 
victos  contulisse,  eorundem  et  laudes 
componere  coactos;  eos  autem  qui 
maxime  displicuissent ,  scripta  stia 
spongia  linguave  delcre  iussos,  nisi 
ferulis  obiurgari  aut  flumine proximo 
mergi  (untergetaucht  werden)  ma- 
luissent.  Es  geschah  dies  im  Winter 
39/40. 

45  Dafs  die  Leber  die  Galle  aus- 
scheidet,  weifs  schon  Archilochos, 
fr.  131  .%olriv  yuQ  ov%  'fx^iq  i cp' 
rinati.  Sonst  gilt  die  Leber  fiir  den 
Sitz  leidenschaftlicher  Erreguug 
iiberhaupt,    und    in    diesem   Sinne 


LIBRI  I     SATVRA  I 


cum  populum  gregibus  oomitum  premit  hic  spoliator 

pupilli  prostantis  et  hie  danmatus  inaui 

iudicio?  quiil  euiui  salvis  infamia  nummis? 

exul  ab  octava  Marius  bibit  et  fruitur  dis 

iratis,  at  tu  victrix  proviucia  ploras.  ^ 

haec  ego  non  credam  Venusina  digna  lucerna, 

haec  ego  non  agitem?  sed  quid  magis?  Heracleas 


50 


46  premat 


47  at  p 


hat  Horaz  iecur  zuerst  in  die 
Sprache  der  romischen  Poesie  eiu- 
gefuhrt.  Kiefsling  zu  Hor.  I  13,  4 
vae  meum  ferveus  (Juv.  siccum)  diffi- 
cili  bile  (=  ira)  tumd  iecur ,  Juv. 
6,648  rahic  iecur  incendcnte  feruntur 
praecipites.  —  gregihus  comitum,  mit 
eiuem  langen  Klieutenzug,  premit 
wie  3,  244  magno  populus  premit 
agminelumhos.  —  hic — 7nc,  hier  — 
dort,  auf  Jer  eineu  und  auf  der 
andern  Seite,  doch  ist  hic  nicht 
etwa  Adverb,  sondern  Subjekt: 
dieser  ein  spoliator,  jener  ein  dam- 
natus,  wie  10,  227  ille  umcro,  hic 
lumbis,  hic  coxa  debilis. 

47  Der  in  Pracht  und  Herrlich- 
keit  {turba  clientium  insignis)  ein- 
herziehende  Schurke  hat  seinen 
Mundel  um  das  Vermogen  gebracht 
(15,  135)  und  ihn  gezwungen,  sich 
unnatiirlicher  Lust  preiszugeben, 
Mart.  IX  59  inspexit  moJIes  pueros 
oculisque  comedit ,  non  hos  qiios 
primae  prostituere  cosae.  Domitian 
erliefs  ein  Edikt  gegen  die  Pro- 
stitution  von  Kindern,  Mart.  IX  6 
u.  8.  —  inani  iudicio,  weil  die  Ver- 
urteilung  dem  Ehrlosen  doch  nichts 
schadet. 

49  Das  letztere  Beispiel  erinnert 
den  Dichter  an  den  Marius  Priscus, 
deo  Riiuber  der  Provinz  Afrika, 
8,  120.  Er  wurde  im  J.  100  von 
Plinius  de  repetundis  angeklagt  und 
zu  einer  Bufse  von  700  000  Sest. 
und  zur  Verbannnng  aus  Rom  und 
Italien  verurt^ilt.  Er  ist  exul,  fuhrt 
aber  doch  ein  glanzendes  Leben, 
denn  er  verstand  es,  wie  Verres, 
den  grofsten  Teil  seines  Raubes  in 
Sicherheit  zu  bringen.  So  wurde 
auch  an  ihra  die  Verurteilung  zum 
Blendwerk.  Er  zecht  ab  oetava  hora, 
wahrend    sonst    Bchon    die   neunte 


Stunde  fiir  den  Beginn  eines  Ge- 
lages  fiir  friih  galt,  Hor.  ep.  I  7,  71 
ergo  jjost  nonam  venies.  Vor  dieser 
Stunde  erschien  ein  co^ivivium  als 
tcmpcstivum.  Der  Verbrecher  ist 
heiter  und  guter  Dinge,  aber  die 
Provinz  jammert,  wie  ein  geijeitsch- 
ter  Sklave  {plorare  wie  kXusiv  oder 
olfico^eiv).  Die  Apostrophe  {at  tu) 
ist  Ausdruck  der  herzlichsten  Teil- 
nahme  fiir  das  Geschick  der  Pro- 
vinz,  vgl.  zu  3,  134.  Marius  selbst 
hat  nur  Vorteil  {fruitur)  von  seiner 
Verurteilung ,  dem  Gotterzorn,  er 
ist  also  nicht  dis  iratis  oder  dis 
adversis  (10,  129)  genitus.  Viel- 
leicht  wird  mit  dis  iratis  auch  auf 
den  Unwillen  des  Kaisers  Trajan 
hingedeutet,  der  doch  nicht  stark 
genug  war,  den  Marius  fiihlbar  zu 
treffen. 

51  Die  lucerna  Venusina  (des 
Horaz)  ist  die  kritische  und  stra- 
fende  Beleuchtung  solcher  Frevel. 
Der  Ausdruck  erinnert  an  die  La- 
teme  des  Diogenes  von  Sinope. 

52  Gegeniiber  solchen  Erschei- 
nungen  des  Lebens  ware  es  Gefiihl- 
losigkeit  oder  Stumpfsinn,  wollte 
man  sich  in  die  alte  Fabelwelt 
vertiefen  (und  die  Gegenwart  ver- 
gessen). 

agitare,  wie  vexare  =  verfolgen, 
14,  284  non  unus  mentes  agitat 
furor,  5,  69  quae  gemunum  agitent, 
abmuhen,  10,  33  perpetuo  risu  pul- 
moncm  agitare,  in  Bewegung  setzen. 
Wie  aber  persequi  und  das  deutsche 
verfolgen,  so  wird  agitare  von  jeder 
Behandlung  einer  Aufgabe  gebraucht 
=  betreiben,  daher  sed  quid  magis 
agam  oder(archaisch)  agitem?  Sehr 
schon  urteilt  Mart.  X  4  quid  tibi 
raptus  Hylas,  quid  Parthenojjaeus  et 
Attis,  quid  tibi  dormitor  proderit 


8 


IVVENALIS 


aut  Diomedeas  aut  mugitum  labyrinthi 
et  raare  percussum  puero  fabrumque  volantem, 
cum  leno  accipiat  moechi  bona,  si  capiendi 
ius  nullum  uxori,  doctus  spectare  lacunar, 
doctus  et  ad  calicem  vigilanti  stertere  naso? 
cum  fas  esse  putet  curam  sperare  cohortis, 
qui  bona  donavit  praesepibus  et  caret  omni 
maiorum  censu,  dum  pervolat  axe  citato 
Flaminiam  puer  Automedon?  nam  lora  tenebat 


55 


60 


55  sit  capiendi  P 


Endymion?  Quid  te  vana  iuvant 
miserae  ludibria  chartae  (unwalire 
Gestalten  und  Traumereien)?  Hoc 
lege,  quod  possit  diccre  vita  'meum 
est\  Non  hic  Centauros,  non  Gor- 
gonas  Uarpyiasqiie  invenies:  homi- 
nempagina  nostra  sapit.  Sed  nonvis, 
Mamurra,  tuos  cognosccre  mores  nec 
te  scire:  legas  Aetia  Calliviachi. 
Juvenal  und  Martial  kampfen  gegen 
die  alexaudrinische  Gelehrsamkeit 
in  der  Dichtung,  konnen  aber  beide 
sich  nicht  ganz  davon  frei  machen. 
tJber  dieHerakleen  vgl.Welcker,  ep. 
Cykhis  I  214  sq.  iiber  die  Diomedea 
des  lulius  Antonius  die  Schol.  zu 
Hor.  IV  2.  Das  Labyriuth,  Dadalus 
und  Ikarus,  kann  an  eine  Theseis 
(V.  2)  denken  lassen. 

54  puero  =  pueri  corpore,  ist 
Ablativ,  vgl.  zu  V.  13. 

55  Wenn  der  maritus  die  Woh- 
nung  zu  strafbarem  Ehebruch  oder 
stuprum  einriiumt,  so  macht  er  sich 
des  lenocinium  schuldig  und  auf 
die  Frau  konnte  die  Bestimmung 
Domitians  Auwendung  finden,  die 
Sueton  c.  8  erwahnt:  prohrosis  fe- 
minis  lccticae  iisum  udemit  iusque 
capiendi  lcgata  hereditatesque.  Hier 
wird  aber  das  lenocinium  verheim- 
licht.  Es  trifft  deshalb  hier  nur 
der  von  Quint.  IX  2,  74  erwilhnte 
liechtssatz  zu:  jjfr  lcgcs  institui  uxor 
non  poterat  heres,  d.  h.  solange  die 
Frau  in  der  Ehe  ist.  Hier  ist  iiberdies 
die  Frau  des  leno  maritus  kinderlos 
zu  denken,  die  iiberhaupt,  wenn  sie 
iiber  20  Jahre  alt  ist,  nur  zur  Halfte 
erben  kann. 

67  Hor.  III  6,  26  sed  iussa  coram 
non  sinc  conscio  surgit  marito,  seu 


vocat  institor  seu  navis  Hispanae 
magister,  dedecorum  pretiosus  emptor. 
Rom  war  Welt-  und  Seestadt.  Schou 
bei  Plaut.  pseud.  386  findet  sich 
die  Verbindung  vigilans  dormit,  -und 
capt.  848  vigilans  somniat,  und  mil. 
820  wird  stertere  mit  sorbere  ver- 
glichen. 

58  cura  und  curare  sind  tech- 
nische  Ausdrticke  zur  Bezeichnung 
eines  militarischenKommandos.  Der 
cohors  steht  ein  praefectus  oder  tri- 
bimus  vor.  Auf solche  Stellen  machte 
der  junge  Adel  Roms  von  jeher 
Anspruch.  Der  Verschwender  hofft, 
um  wieder  zu  Vermogen  zu  ge- 
langen,  auf  die  Prafektur  eiuer  co- 
hors  sociorum  oder  gar  auf  ein  Le- 
gionsti-ibunat,  das  sehr  einkommlich 
war,  vgl.  zu  3,  132.  Er  hat  seiu 
Vermogen  dem  Sport  geopfert 
{donavit,  wie  6,  356)  und  den 
vliterlichen  Census  verloren  {caret 
ist  Perfektbegriff),  wahrend  er  unter- 
dessen  auf  dem  Kabriolett  mit  sei- 
ner  Geliebten  prunkte  als  Wageu- 
lenker  (8,  147  sq.),  aufserhalb  der 
Stadt  auf  der  via  Flaminia,  die  an 
den  Gilrten  des  Pompeius  und  Do- 
mitian  aufserhalb  der  7.  Region 
vorbeifiihrte  (Tac.  h.  11  64  oitata 
Flaminiae  viae  celebritate  devertit 
Interamnium). 

61  puer  Automedon.wie  ein  iuQgev 
Automedon,  Verg.  II  476  equorum 
agitator  Achillis,  armigcr  Autome- 
don,  vgl.  Hom.  II.  XVI  145.  Schon 
Cic.  Rosc.  98  sagt:  suis  manibus 
in  cur-ru  coUocat  Automedontcm 
iltum.  Automedon  hat  im  Wagen 
seine  Geliebte,  und  diese  selbst  er- 
scheint  im  miiunlichen  Mantel  {la- 


LIBRI  I    SATVRA  I 


ipse,  lacernatae  cum  se  iactaret  amicae. 
nonne  libet  medio  ceras  iraplere  capaces 
(luaclruvio,  cum  iam  sexta  cervice  feratur 
hinc  atque  incle  patens  ae  nuda  paene  cathedra 
et  multum  reterens  de  Maecenate  supino 
sii^nator  falso,  qui  se  lautum  atque  beatum 
exiguis  tabulis  et  gemma  fecerit  uda? 
occurrit  matrona  potens,  quae  molle  Calenum 
porrectura  viro  miscet  sitieute  rubeta, 


65 


70 


63  uon  me  P       67  falsi  to       68  fecerii  Sio:  fecerat  P      69  occur- 
rat   Heinrich         70  rubeta  P  Beer,  rubetam  (o. 


cernata  ,  al&o  ebciiso  fiecL  wie  er, 
der  sich  nicht  entblodet,  den  auriga 
zu  spielen.  Vgl.  Suet.  Cal.  25  das 
uber  Caesonia  Bemerkte. 

63 — 80  Zur  Satire  zwingt  3)  die 
Unverschumtheit  desLasters  unserer 
Zeit. 

63  Ja  wenn  man  notorische  Ver- 
brecher  im  uppig^iteu  Glanz  einher- 
ziehen  sieht,  mochte  man  nutten 
auf  der  Strafse  zum  riichenden  Gritfel 
greifen. 

64  iam  sexta,  schon  in  einer 
lectica  t^dcpoQog,  bald  vielleicht  in 
einer  octophoros,  Cic.  Verr.  V  27 
nam,  ut  mos  fuit  Bithyniae  regibus, 
lectica  octoplioro  fcrebutur.  sexta 
cervice  =  sex  cervicibus,  6,  351  quae 
longorum  vehitur  cervice  Syrorurn. 
In  der  Zahlung  ist  der  zuletzt  Hin- 
zugekommene  das  am  meisten  Be- 
merkenswerte,  er  cliarakterisiert  den 
Luxus.    Vgl.  zu  120. 

65  hinc  atque  inde,  links  und 
rechts,  nach  (auf)  beideu  Seiten, 
8,  195  inde  atque  hinc,  14,  12  inde 
—  hinc,  10,  44  iUinc  —  hinc,  15, 
48  inde  —  hinc,  7,  113  hinc  centum 
patrimonia  causidicorum,  parte  alia 
solum  russati  pone  Lacernae.  — 
patens,  freisitzend,  Mart.  IX  20  haec, 
quae  tota  patet  tegiturque  et  mur- 
more  et  auro,  infantis  domini 
conscia  terra  fuit,  XI  70  tunica 
patet  inguen  utrimque  levata.  — 
nuda  cathedra,  im  offenen  Pracht- 
sessel.  Er  sitzt  darin,  sich  bequem 
zurucklehnend,  wie  Macenas,  dessen 
nachliissige  Haltung  im  AuTseren 
oft  hervorgehoben  wird.  referre, 
darstellen,  zum  Ausdruck  bringen, 


Tac.  Gerni.  20  rohora  jiarentum 
liberi  reftrunt,  Verg.  V  565  nomen 
avi  referens  Priamus ,  XII  348  no- 
mine  avum  refcrens,  animo  mani- 
busque  parentem.  Zu  multum  de 
vgl.  3,  123  exiguum  de. 

67  signator  falso  (sc.  signo)  == 
qui  cum  falso  signo  testamentum 
signaverit,  hae  arte  {exiguis  tabulis) 
hominem  lautissimum  se  fecit,  vgl. 
Cic.  Cluent.  41  Oppianicus  digito 
legata  delevit  et,  ne  lituris  coargui 
j)Ofiset,  testamentum  in  alias  tabulas 
transcriptum  signis  aduUerinis  ob- 
signavit.  Der  Relativsatz  fiihrt  ana- 
lytisch  den  Inhalt  von  signator  falso 
weiter  aus,  bringt  ihn  zur  An- 
schauung,  daher  der  Konj.  fecerit 
und  qui  =  quippe  qui. 

68  exiguis  tabulis,  wir:  mit  einem 
Biatt  Papier.  Zu  gemmu  vgl.  13,  138. 

69  Mit  occurrit  tritt  die  Rede 
aus  der  Abhiingigkeit  von  cmn, 
V.  64,  heraus  und  erhebt  sich  zur 
Selbstandigkeit;  wie  _  im  Griechi- 
schen  so  hiiufig  der  Ubergaug  aus 
der  subjunktiven  in  die  paratakti- 
sche  Form  stattfindet:  ^  8b  ys 
TtccQLOvaa  xvyxuvn  ncAv  Svvaiiivt] 
yvvrj.  Die  Giftmischerei  wird  auch 
6,  659  hervorgehoben:  at  nune  res 
agitur  tenui  pidmone  rubetae,  und 
10,  25  sed  nuUa  aconita  hibuntur 
fictilibus. 

70  Das  Weib  thut,  als  wollte  sie 
ihrem  Manne,  der  vielleicht  kriln- 
kelt,  milden  Weiu  (als  Avznei,  5, 32) 
reichen,  mischt  ihn  aber  mit  feuri- 
gem,  verzehrendem  Gift  (rubeta). 
Gewohnlicher  ist  miseere  aliquid 
cum  aUquo  oder  nlif-ui  aUquid, 


10 


IVVENALIS 


instituitque  rucles  melior  Lucusta  propinquas 
per  famam  et  populum  nigros  efferre  maritos. 
aude  aliquicl  brevibus  Gyaris  et  carcere  dignum, 
si  vis  esse  aliquid.    probitas  laudatur  et  alget, 
criminibus  debent  hortos  praetoria  mensas 
argentum  vetus  et  stantem  extra  j)Ocula  caprum. 
quem  patitur  dormire  nurus  corruptor  avarae, 


75 


wird  aber  auch  im  Sinne  von  tem- 
perare  mit  dem  Ablativ  verbunden, 
Colum.  VI  4  nmlti  et  largo  sale 
miscent  pahida.  Zu  sitiens  vgl.  Ov. 
ars  II  231  nee  grave  te  tempus  si- 
tiensque  Canicula  tardet.  Vorbild 
war  Ovid.  ars  III  465  et  dare  mixta 
viro  tritis  aconita  cicutis. 

71  melior  Lucusta,  eine  zweite, 
noch  abgefeimtere  Lucusta,  Tac. 
XII  66  deligitur  (von  Agrippina) 
artifex  talium  vocabulo  (d.  h.  vulgo 
genannt)  Lucusta,  nuper  veneficii 
damnata  et  diu  inter  instrumenta 
regni  liahita,  XIH  15  Nero  parari 
venenum  iuhet,  ministro  Follione 
lulio  praetoriae  cohortis  trihuno, 
cuius  cura  aitinehatur  damnata  vene- 
ficii  nomine  Lucusta,  multa  scelerum 
fama.  Suet.  Nero  33  Lucustae  pro 
navata  opera  impunitatem  prae- 
diaque  ampla,  sed  et  discipulos 
dedit.  Die  Leichen  werden  mitten 
durch  das  Geriicht  und  mitten  durch 
das  Volk  hindurch  getragen ,  in 
Wahrheit  =  per  famam  popuU; 
Hor.  ep.  I  6,  59  differtum  iransire 
forum  popuhanque  iuhehat,  Cic.  Brut. 
331  per  medias  laudes  quasi  quadri- 
gis  velii,  durch  das  ihm  von  allen 
Seiten  zugerufene  Lob  hindurch. 

73 — 76  Die  Erwilhnung  der  aufser- 
sten  Frevel  zwingt  den  Dichter 
zum  Ausbruch  heftigster  Indigua- 
tion,  wodurch  er  scheinbar  von 
seinem  Thema  abkommt. 

73  In  aude  aliquid  ist  die  Elision 
der  langen  Silbe  in  der  ersten 
Thesis  zu  beachten,  wie  6,  50  paucae 
adeo,  8,  123  auri  atque  argenti, 
14,  76  illi  eadem,  in  der  zweiten 
Thesis  nur  10, 333  Messalinae  oculis, 
L.  Mueller  metr.  286  sq. 

hrevihus  Gyaris,  wie  11,  79  ipse 
focis  hrevihus  ponchat  holuscula,  von 
dem  kleinen  Umfang  solcher  (Plur.) 
Inseln  wie   Gyaros   oder  Seriphos, 


die  beide  als  Deportationsorte  ge- 
braucht  wurden,  10,  170  ut  Gyari 
clausus  scupulis  parvaque  Seripho, 

13,  246  et  nigri  patietur  carceris 
uncum  aut  maris  Aegaei  rupem 
scopulosque  frequentes  exulibus 
magnis. 

74  et  alget,  mit  et  wird  eiu  (XTtQOG- 
doHrjTov  eingefiihrt:  man  erwartet 
etwas  Gleichartiges  und  hndet  plotz- 
lich  das  Gegenteil,  7,  124  Aemilio 
dahitur  quantum  licet,  et  melius  nos 
egimus.  —  debent,  die  verbrecheri- 
schen  Besitzer.  hortos  Parkaulagen 
(7,  79.  6,  488.  10,  16.  334),  pirae- 
toria  Paliiste  und  Prachtgebilude, 
wie  sie  Fiirsten  haben,  10, 161  sedet 
ad  praetoria  regis,  Suet.  Aug.  72 
ampJa  et  operosa  praetoria  grava- 
hatur;  ?«msors^kostbare  Prunktische 
mit  wertvollen  Silbergefafsen  von 
hohem  Alter  und  kiinstlerischer 
Arbeit,  Hor.  ep.  I  6,  17  i  nunc,  ar- 
gentum  et  marmor  vetus  aeraque  et 
artes  suspice. 

76  stantem  —  caprum  ist  wohl 
als  haut  relief,  als  erhaben  ge- 
arbeitete  Figur  aufzufassen.  Der 
Bock  war  ein  dem  Bacchus  ge- 
weihtes  Tier.  Ov.  m.  V  80  sed  altis 
exstantem  signis  multaeque  in  pon- 
dcre  massae  ingentem  manibus  tollit 
cratera  duabus,  ib.  XII  235  signis 
exstantihus  asper  erater. 

77.  78  Das  Vprbrecheu  ist  so  all- 
gemein  geworden,  dals  man  im 
Hause  und  in  der  Familie  nicht 
mehr  sicher  ist.  Die  Schwieger- 
tochter  lafst  sich  verfiihren  und 
trachtet  dem  Schwiegervater  nach 
dem  Leben  (avarae),  die  Braut  des 
Sohnes  liifst  sich  entehren  (turpes) 
und  bedroht  das  Leben  des  Briiu- 
tigams,  ja  der  Unmiindige  {prae- 
textatus)  selbst  wird  zum  Ehebrecher 
und  konimt  dadnrch  auf  die  Bahn 
des  Verbrechens,  vgl.  3,  110  sq.  rait 

14,  260  sq. 


LIBRI  1     SATVi;.V  I 


11 


quem  spousae  turpes  et  praetextatus  adulter? 
^i  uatura  iiegat,  facit  iudignatio  versum, 
qualemcumque  potest,  quales  ego  vel  Cluvieuus. 

ex  quo  Deucaliou  nimbis  toUeutibus  aequor 
uavigio  moutem   ascendit  sortesque  poposcit, 
paulatimque  auiuui  calueruut  mollia   saxa 
et  maribus  uudas  osteudit  Pyrrba  puellas, 
quidquid  aguut  homiues,  votum  timor  ira  voluptas 


80 


85 


85  tiaior  add.  p 


80  Cluvienus  ist  sonst  nicht  bc- 
kannt.  Schneidewin  (Pbilol.  III  331) 
woUte  Mart.  VII  90  Cluvienus  fur 
Cahunus  emendiertn:  iactat  in- 
aequnhvi  Matho  me  fecisfe  hbeUum: 
si  reruni  est,  htudat  carmina  noatra 
Matho.  Aenuales  scribit  hbros  Cal- 
vinus  et  Lmber:  aequahs  hber  est, 
Critice,  qui  maluti  est.  Der  Seiten- 
hieb  Javenals  ist  ahnlich  wie  der 
des  Hor.  s.  I  1,  120  ne  me  Crispini 
scrinia  hppi  compdasse  putes.  Es 
scheint  iudessen,  als  will  Juv.  die 
vielfach  allzu  gezierte  Diktion  der 
nachauo^usteischen  Dichter,  die  auch 
Persius  bekrittelt,  mit  voUemErnste 
Ton  sich  ablehnen. 

81  —  146  ChaFakteristik  der  Ge- 
genwart  als  Substrat  der  Satire  im 
Vergleich  mit  der  Vergangenheit. 

Die  Unnatnr  der  sozialen  Ver- 
biiltnisse,  die  Unsittlichkeit  der  Zeit, 
die  Unverschamtheit  des  Lasters 
zwingen  auch  wider  Willen  zur 
Satire.  Damit  ist  der  Hohepunkt 
des  Pathos  erreicht;  nun  steigt  der 
Dichter  wieder  abwarts.  Aber  auch 
abgesehen  vom  Laster,  wenn  die 
Verkehrtheiten  (vitia)  der  Welt  Ge- 
genstand  der  Satire  sind,  so  bietet 
unsere  Zeit  verglichen  mit  der  Ver- 
gangenheit  ein  Ubermafs  von  Ver- 
kehrtheiten  aller  Art. 

81  Mit  Deukalion  und  Pyrrha 
bpginnt  fiir  den  Dichter  die  Mensch- 
heit,  15,  30  nam  scelus,  a  Pyrrha 
quamquam  omnia  syrmata  volvas, 
)tullus  apud  tragicos  popidus  facit. 
toUcntibus  ==  attoUentibus.  navi- 
(jium  =  Idgva^,  nicht  ohne  ironi- 
schen  Humor.  montem,  i.  e.  J*ar- 
nasum,  Ov.  m.  I  317.  Ibid.  320: 
fatidicamque  Themin  {adorant),  quae 
tunc  oracla  tenehat,  und  367  xj^acuit 


caeleste  precari  numen  ct  auxihum 
per  sacrus  quaerere  sortes,  hier  die 
Spruche  des  Orakels. 

83  moUiu  proleptisch.  Juv.  folgt 
genau  der  Schilderung  Ovids  400: 
saxa  ponere  duritiem  coepere  suum- 
que  rigorcm  moUiriciue  mora  (all- 
milhlich),  moUitaque  diicere  formam. 
Das  Epitheton  nudas  verrat  die 
SchalkhaftigkeitdesDichters  gegen- 
iiber  der  Sage,  ahnlich  wie  Hor.  s. 
I  3,  99  cum  prorepserunt  primis 
animaha  terris ,  mutum  et  turpe 
pecus. 

85  Der  Satz  cjuidcjuid — discursus 
ist  als  Subjekt  des  Hauptsatzes 
nostri  farrago  hbeUi  est  diesem  vor- 
geschoben,  und  zu  diesem  Gauzen 
bilden  V.  81  —  84  den  adverbialen 
Nebensatz  fiir:  quidquid  acjunt  ho- 
mines  inde  a  Deucahone.  Grofsere 
Perioden  sind  nicht  selten,  z.  B. 
14,  10—14.  10,75  und  3,172—179. 
Nicht  alles  TLiun  und  Treiben  der 
Menschen  ist  Gegenstand  der  Sa- 
tire,  sondem  nur  die  Fehler  und 
Verkehrtheiten  dieses  Thuns  und 
Treibens.  Diese  Beschrankung  liegt 
in  den  Worten  votum  timor  bis 
discursus,  imd  wird  klar  und  be- 
stimmt  aasgesprochen  in  V.  87  et 
quando  uberior  vitiorum  copia? 
Zwischen  Vergangenheit  und  Ge- 
genwart  werden  nicht  Tugenden 
und  Fehler,  sondern  die  geringere 
oder  grofsere  Masse  der  Verkehrt- 
heiten  vergUchen.  Der  Dichter  deutet 
es  bestimmt  genug  an,  dafs,  solange 
es  Menschen  gegeben,  es  in  der 
Welt  auchLeidenschaften  undThor- 
heiten  gegeben  hat.  Bei  der  Aaf- 
zahlung  der  Leidenschaften,  welche 
die  Vernunft  und  das  ruhige  Gliick 
des  Einzelnen  und  der  Gesamtheit 


12 


IVVENALIS 


gaudia  discursus  nostri  farrago  libelli  est. 
et  quando  uberior  vitiorum  copia?  quando 
maior  avaritiae  patuit  sinus?  alea  quando 
hos  animos?  neque  enim  loculis  comitantibus  itur 
ad  casum  tabulae,  posita  sed  luditur  arca. 
proelia  quanta  illic  dispensatore  videbis 
armigero.    simplexne  furor  sestertia  centum 
perdere  et  horrenti  tunicam  non  reddere  servo? 
quis  totidem  erexit  villas,  quis  fercula  septem 
secreto  cenavit  avus?  nunc  sportula  primo 


90 


95 


89  ioculis  P 


storen,  erstrebt  der  Dichter  die  Zu- 
sammenstellung  von  je  zwei  ent- 
gegengesetzten  Begriffen  zu  einer 
hoheren  Einheit,  vgl.  Nagelsbach 
Stil.  §  173. 

86  cUscursus,  das  unruhige  Rennen 
und  Jagen  (nach  Ehre  und  Gewinn), 
gehort  der  silbernen  Latinitat  au, 
Senec.  dial.  VIII  6,  5  invenerunt, 
quemadmodiim  plus  quies  ipsorum 
prodesset  hoininihus  quam  uliorum 
discursus  et  siidor,  ibid.  X  3,  2  offi- 
ciosa  per  urhem  discursatio. 

88  Sinn :  numquam  latius  patehat 
avaritia.  Die  avaritia  hat  eineu 
sinus,  einen  Bausch,  in  den  sie 
alles  aiifnimmt,  wir  sagen  einen 
geoffneten  Schlund,  in  den  alles 
fiillt.    Verschieden  ist  150. 

89  animos  Wut,  Leidenschaft, 
6,  285  iram  atque  animos  a  crimine 
sumunt,  Verg.  I  57  celsa  sedet 
Aeolus  arce  sceptra  tenens  mollitque 
anivios  et  temperat  iras.  Die  Ellipse 
von  habuit  in  der  erstamiten  oder 
entriisteten  Frage  findet  sich  ebeuso 
Lucan.  VIII  541  o  superi,  Nihisne 
et  harbara  Memphis  et  Pelusiaci 
tam  mollis  turba  Canopi  hos  animos  ? 
sic  fata  premunt  civilia  mundum? 
Senec.  Troad.  348  hos  Scyrus  ani- 
mos  ? 

90  ad  casum  tdbulae,  sc.  alea- 
toriae,  zur  gefiihrlichen  Spielbank, 
Verg.  IV  560  nate  dea,  potes  hoc 
siib  casu  ducere  somnos?  Die  arca 
ist  dcr  grofsc  schwere  Geldkasten, 
welcher  in  der  Regel  mit  Eisea 
beschlagen  war,  14,  259  aerata 
multus  in  arca  ftscus,  13,  74  sum- 
mam    quam   patulac    vix    ceperat 


amjulus  arcae ,  es  steht  fiir  Ver- 
raogen  iiberhaupt  10,  25  ut  maxima 
toto  nostra  sit  arca  foro,  3,  181 
aliena  sumitur  arca,  3,  143  quan- 
tum  quisque  sua  nummorum  scrvat 
in  arci. 

91  Zu  einem  reichen  Haushalt 
gehorte  auch  ein  besonderer  Zahl- 
meister  uud  Rechnuugsfiihrer,  dis- 
pensator,  wie  im  kaiserlichenHause. 
Es  war  dies  in  der  Kegel  ein  Sklave, 
nicht  selten  auch  ein  Freigelassener. 

93  tunicam  non  reddere:  erst 
darin  liegt  das  Unnatiirliche  und 
Verbrecherische  der  Spielwut.  Denn 
reddere  bezeichnet  die  Pflicht  des 
Herrn  fiir  den  Sklaven  zu  sorgen, 
9,  68  quid  dicam  scapulis  puerorum 
aquilone  Decembri  et  pedibus? 

95  avus  steht  von  den  •beideu 
quis  getrennt  signifikant=iu  friiherer 
Zeit,  in  den  Zeiten  der  Republik 
=  quis  veterum.  Jetzt  ist  es  fast 
eine  Schande,  nur  eine  Villa  zu  be- 
sitzen,  14,141  cui.rus  nunc  suffidt 
unum  ?  Augustus  begniigte  sich  mit 
drei  Gaugen,  nur  wenn  er  Gaste 
hatte,  liefs  er  sechs  Gange  auf 
die  Tafel  kommen,  Suet.  74;  jetzt 
verzehrt  man  bereits  sieben 
Giinge  allein  und  ohne  Giiste!  — 
nunc:  ehedem  speiste  der  Vor- 
nehme  weder  alllein  (secreto)  noch 
so  verschwenderisch  (fercuJa  septem) 
wio  heutzutage,  sondern  der  Patron 
pflegte  seine  Klienten  zu  Tische 
(cena)  zu  laden  uud  mit  ihnen  zu- 
sammen.  ein  frugales  Mahl  einzu- 
uehmen  (ccna  rccta).  Jetzt  aber 
Bchmaust  der  Vornehme  allein  uud 
iiber  die  Mafsen  verschwenderisch, 


LIBRI  I     SATVRA  I 


13 


limine  parva  sedet  turbae  rapienda  togatae. 
ipse  taiuen  faciem  prius  inspicit  et  trepidat,  ne 
suppositus  venias  ac  lalso  nomine  poscas: 
agnitus  accipies.     iubet  a  praecone  voeari 
ipsos  Troiugeuas,  nam  vexant  limen  et  ipsi 
nobiscum:  'da  praetori,  da  deinde  tribuno/ 
sed  libertinus  prior  est.    'prior'  inquit  *ego  adsum. 
cur  timeam  dubitemve  locum  defendere,  quamvis 

97  ipse   W:  ille  P  co         102  inquit  et  ego  P,  fort.  prior  en  ego. 


100 


wahrend  er  die  armen  Klienten 
gleich  vom  an  der  Schwelle  des 
Hauses  (2>rwno  Umine  ist  indessen 
hyperbolisch)  oder  des  Atrinms 
mit  einer  geringen  und  mit  seinem 
schwelgerischen  Mahle  in  gav  kei- 
nem  Verhiiltnis  stehenden  [parva) 
Geldspende  (spoitiila)  abfertigen 
lafst.  sportula  {sporta  vora  St.  spar 
flechteu,  GTictQTov,  urspr.  Korb)  hiefs 
die  Geldspende  von  100  Quadranten 
oder  10  Sesterzen,  welche  als  Er- 
satz  fiir  eine  Einladung  zur  cena 
recta  an  die  Klienten  ausgeteilt 
wurde.  Yor  der  Kaiserzeit  findet 
sich  diese  Sitte  nicht,  in  dieser 
selbst  wechselte  bis  zum  2.  Jahr- 
hundert  die  cena  recta  und  die 
sportula  nicht  selten.  Die  spoitula 
wurde  morgens  bei  der  salutatio 
viatutina,  wobei  die  Klienten  wie 
bei  jedem  officium  in  der  Toga  er- 
scheinen  mufsten  {turha  togata,  to- 
gatus  =  Klient)  von  dem  servus 
nomenclator  verteilt. 

96  sedf-t  steht  oder  liegt,  wie 
auch  im  alteren  Deutsch  sitzen 
statt  liegen  von  Sachen  gebraucht 
wurde,  ahnlich  2,  120  cena  sedet, 
4,  74  in  quorum  facie  magnae  mi- 
seraeque  sedebat  paUor  amicitiae, 
Verg.  IV  473  uUricesque  sedtnt  (lie- 
genj  in  limine  Dirae,  II  .517  hic 
Hecuba  et  natae  nequiquam  altaria 
circum  eondensae  et  divom  amplexae 
simulacra   sedebant,  sc.  prostratae, 

1-A.tZfVOVGai. 

rapere,  gierig  an  sich  reifsen.  Die 
Klienten  woUen  dariiber  herfallen, 
der  Herr  aber  {ipse)  halt  erst  ge- 
naue  und  angstliche  Mu.stemng, 
damit  ja  nicht  ein  Unberechtigter 
eine  Gabe  bekommt.  Er  ist  Ver- 
schwender  und  doch  ein  Filz! 


99  praeco  spottisch  fiir  servus 
nomenclator. 

100  Die  Troiugcnac  sind  vor- 
nehme  altadlige  Romer,  8,  181. 
11,95.  8,56  Teucrorum  prohs.  Auch 
Vornehme  und  selbst  Magistrate 
waren  Klienten  von  Milchtigeren 
und  Reicheren,  besonders  auch  von 
senes  orbi,  vgl.  3,  128  sq.,  Mart.  II 
32  und  II  18  capto  tuam,  pudet  heu, 
sed  eapto,  Maxime,  cenam,  tu  captas 
dliam:  iam  sumus  ergo  pares.  Mane 
salutatum  venio,  tu  diceris  tsse  ante 
saJutafum:  iam  sumus  ergo  pares. 
Schon  Hor.  II  18,  8  erwiihnt  ho- 
mstae  clientae.  nohiscum,  die  wir 
zum  volgus  gehoren,  8,  44  vos  hu- 
miles,  inquis,  vuJgi  pars  uJtima 
nostri.  Da  man  irrtiimlich  in  Tro- 
iugenae  Freigeborae  und  in  nobiscum 
Freigelassene  zu  finden  meinte,  so 
wurde  die  Stelle  die  Quelle  der 
Notiz  in  den  Vitae:  Ithertini  lo- 
cupJetis  fdius,  wie  man  ans  V.  15 
das  declamavit  ableitete. 

101  da  praetori,  da  deinde  tri- 
buno ,  80  rafen  die  vornehmen 
Klienten,  die  diese  Wfirden  beklei- 
deten,  sieh  vor  den  anderen  vor- 
drangend;  dagegen  sagt  5,  135  der 
dominus  convivii  zu  den  aufwarten- 
den  Sklaven:  da  Trebio,  pone  ad 
Trebium. 

102  ego  adsum:  die  Elision  an 
derselben  Stelle  noch  2,  23  Aethio- 
pem  alhus,  2,  159  arma  quidem  ultra, 
14,  202  Tiherim  uJtra,  15,  155  pro- 
tegere  armis,  15,  161  quo  nemore 
umquam.  Der  reiche  Libertine  hat 
Eile,  weil  er  vielleicht  daheim  selbst 
noch  Klienten  empfiingt,  vgl.  oben 
Mart.  II  18. 


14 


IVVENALIS 


natus  ad  Euphraten,  molles  quod  in  aure  fenestrae 
arguerint,  licet  ipse  negem?  sed  quinque  tabernae 
quadringenta  parant.    quid  confert  purpura  maior 
optandum,  si  Laurenti  custodit  iu  agro 
conductas  Corvinus  oves,  ego  possideo  plus 
Pallante  et  Licinis?'  expectent  ergo  tribuni, 
vincant  divitiae,  sacro  ne  cedat  honori, 
nuper  in  hanc  urbem  pedibus  qui  venerat  albis, 
quandoquidem  inter  nos  sanctissima  divitiarum 
maiestas,  etsi  funesta  Pecunia  templo 
nondum  habitat,  nullas  nummorum  ereximus  aras, 
ut  colitur  Pax  atque  Fides  Victoria  Virtus 


105 


110 


115 


106  purpurae  P         114  habitas  p 


104  molles  fenestrae,  denn  Ohr- 
gehange  aus  Perlen  wareii  orienta- 
lisch  und  wurden  in  Roni  nur  von 
Frauen  getragen.  Verachtet  waren 
in  Rom  die  Syrer  und  Juden  als 
ein  zur  Sklaverei  geborner  Volks- 
stamm,  aber  noch  verachteter  und 
gehafster  waren  die  Agypter,  vgl. 
26  u.    130. 

105  quinque  tahernae ,  fiinf  Ge- 
werbe-  oder  Wechslerbuden.  Sie 
bringen  quadringenta ,  d.  h.  den 
Rittercensus  ein,  und  dieVerleihung 
des  goldnen  Rings  an  Freigelassene 
war  keine  Seltenheit. 

106  purpura  maior,  das  Insigne 
der  hoheren,  d.  h.  curulischenWtirde. 
Den  Verfall  der  Familie  der  Cor~ 
vini  aus  der  gens  Valeria  kennen 
wir  aus  Tac.  XIII  34  nobili  familiae 
honor  (das  Konsulat)  auctus  est 
oblatis  in  singulos  annos  qiiingenis 
sestertiis,  quibus  Messala  pauper- 
tatem  innoxiam  sustentaret.  Als 
Neros  Geschenke  aufhorten,  verlor 
die  Familie  den  census  scnatorius 
und  bekleidete  nun  keine  Amter 
mehr. 

109  Pallas  ist  der  bekannte  Frei- 
gelassene  (Kammerdiener)  des  Kai- 
sersClaudius;  er  besaliSOOMilliouen 
Sesterzen.  Licinus  (14,  305  prac- 
dives)  war  aus  Gallien  gebiirtig  und 
zuerst  SkLave,  dann  Freigelassener 
des  Julius  Ciisar.  Er  wurde  Pro- 
kurator  in  Gallien  und  erwarb  sich 
dort  ungeheure  Summen. 

110  sq.  ne  cedat,V\m.  ep.  I  23,  2 
ipse    cum    tribunus  essem,   abstinui 


causis  agendis,  quod  deforme  arbi- 
trabar,  cui  adsurgere,  cui  loco  cedere 
omnis  oporteret,  hunc  omnibus  se- 
dentibus  stare.  —  Wiihrend  man  die 
wex'tvolleren  Sklaven  in  den  ta- 
bernae  der  mangones  kaufte,  wurden 
die  viliora  mancipia  entweder  in 
catasta  (auf  einera  holzeroen  Ge- 
riiste)  oder  de  lapide  (auf  einer 
Steinei-hohung)  zum  Verkauf  aus- 
gestellt.  Diesen  bestrich  man  die 
Fiifse  mit  Gips  oder  Kreide,  Plin. 
h.  35,  199  est  et  vilissima  (creta), 
qua  circum  praeducere  ad  victoriae 
notam  pedesque  venaUum  trans  maria 
advectorum  denotare  instituerunt 
maiores.  Ubrigens  findet  sich  eine 
ahnliche  Umschreibung  des'  homo 
vilis  3,  83. 

112  So  sagt  Staberins  bei  Hor. 
s.  II  3,  95  omnis  enim  res,  virtus 
fama  decus,  divina  Jiumanaque  pul- 
cliris  divitiis  parent,  quas  qui  con- 
struxerit,  ille  clarus  erit,  fortis, 
iustus,  Hor.  ep.  I  6,.  36  scilicet 
uxorem  cum  dote  ftdemque  et  amicos 
et  gcnus  et  formam  regina  Pecunia 
donat.  Die  Personifizierung  der  Fe- 
cunia  war  den  Komern  geliiufig,  ja 
man  verehrte  auch  die  gottliche 
Macht  des  Geldes  als  l)ea  Pecunia 
und  unterschied  eiuen  Dcus  Aescu- 
lanus  {aereae  pecuniac)  und  seinen 
Sohn  den  Deus  Argentinus  {argen- 
teae),  Preller  R.  M.  589.  Einen 
Terapel  .oder  eine  ara  hatte  man 
indessen  der  Pecunia  noch  nicht 
errichtet. 

115    Zuerst   erricbtete    der    Pax 


LIBRI  I     SATVRA  I 


15 


quaeque  salutato  cre})itat  Couconlia  nido. 

sed  cum  suuimus  houor  tiuito  computet  auuo, 

sportula  quid  referat,  quautum  rationibus  addat, 

quid  facieut  comites,  quibus  liinc  toga,  calceus  hinc  est 

et  panis  fumusque  domi?  deusissima  ceutum  120 

quadrautes  lectica  petit.  sequiturque  maritum 

lauguida  vel  praegnas  et  circumducitur  uxor. 

hic  petit  abseuti  nota  iam  callidus  arte 

ostendens  vacuam  et  clausam  pro  coniuge  sellam. 

'Galhi  mea  est'  inquit  'citius  dimittc.    moraris?  125 


Augustns  eine  ara  anf  dem  Mius- 
feld,  spiiter  baute  Vespasian  den 
priichtigen  Friedonstempel  in  der 
Niihe  des  Forums.  Kultiis  und 
Tempel  der  Fides  auf  dem  Kapitol 
wurde  auf  Numa  zuriick^efiihrt. 
Die  Victoria  hatte  mehrere  Tempel, 
Altiire  und  Bilder,  am  beriihmtesten 
war  der  Tenipel  der  Victoria,  den 
der  Konsul  L.  Fostumius  im  Sam- 
niterkriege  294  v.  Chr.  weihte,  und 
die  vergoldete  Bronzestatue  der  auf 
der  Weltkugel  sehwebenden  Vik- 
toria,  die  Augustus  in  der  Curia 
lulia  aufstellte.  Die  Virtus  hatte 
bald  allein,  bald  mit  dem  Honos 
gemeinsam  verschiedene  Heilig- 
tiimer  in  Rom , .  am  bekanntesten 
war  das  an  der  porta  Capena  und 
der  Tempel,  den  Marius  aus  der 
Kriegsbeute  der  Cimbern  und  Teu- 
tonen  errichtete. 

116  Es  gab  mehrere  Tempel  der 
Concordia  in  Rom.  Auf  einem  der- 
selben  mufs  ein  Storchnest  ge- 
wesen  sein.  Die  Concordia  wird  des- 
halb  mit  der  ciconia  identifiziert. 
Indem  diese  zuruckkehrend  ihre 
Jungen  {nido)  begriifst,  klappert 
sie  (crepitat)  und  damit  die  Con- 
cordia  selbst.  Diese  gehorte  zu  den 
Schutzgenien  des  Familienlebons, 
der  Storch  aber  hatte  mit  der  Con- 
cordia  nichts  zu  thun,  sondern  war 
Symbol  der  P^e^rts.  Petron.55  nennt 
die  ciconia  xnetaticuUrix,  gracilipes 
crotalistria. 

117  Mit  sed  kehrt  der  Dichter 
nach  langer  Digression  zu  V.  101  sq. 
zuriick:  verschmiihen  selbst  hohe 
Wiirdentriiger  das  Almosen  nicht, 
so  ist  es  nicht  zu  verwundern,  wenn 
der  arme  Klient,  der  davon  sich 
nnd   seine  Familie    erhalten    mnfs, 


wohl  gar  seine  Frau  mitbringt  oder 
auch  sich  zum  Betruge  hinreifsen 
liifst,  ura  den  doi^peiten  Betrag  des 
Almosens  zu  erlaugen. 

118  rntionibus,  den  Einkiinften, 
d.  h.  den  einzehien  Posten  der  Ein- 
uahme,  vgl.  Niigelsbach  Stil.  §  63. 
comites  sind  KHenten,  die  nicht 
wie  der  erwiihnte  praetor  und  tri- 
bumis  sich  allein  mit  der  Morgen- 
aufwartung  begniigen  und  dann  frei 
fiir  sich  leben,  sondern  den  Tag 
iiber,  wenn  es  gefordert  wird ,  das 
Gefolge  ihres  Herrn  bildon ,  vgl. 
46.  3,  284.  7,  44.  142.  10,  44.  quid 
facient,  wie  2,  65  quid  non  facient 
alii:'  6,  473  facies  dicetur  an  ulcus? 

120  densissivia  lectiea,  koUektiver 
Singular :  eine  Sanfto  hinter  der 
andern,  wie  14,  144  densa  oliva. 
Ara  hiiufigsten  wird  so  multus  (4, 
47  multo  delatore,  8,  7  multa  virga) 
und  plurimus  (zu  3,  232)  gobraucht. 
Ahnlich  ist  V.  64  sexta  cervice.  — 
fumus,  vgl.  134. 

123  hic  =  6  5p  xat,  mitunter 
einor,  im  Gegensatz  zu  dem  Voraus- 
gehenden,  in  dem  der  Begriff  von 
01  ixtv  ovv  TtoXXoC  onthalten  ist. 
sellam  clausam,  weil  die  Frau  lei- 
dend  sein  soU,  vgl.  auch  zu  3,  242. 

125  Der  Mann  sagt  zum  Ansteiler 
der  Sportula,  es  sei  seine  Frau,  er 
Bolle  sie  recht  bald  abfertigon.  Da 
dieser  zogert,  weil  der  Kunstgriff 
des  Klieuten  schon  bekaniit  ist, 
setzt  er,  ohne  aus  der  Fassung  zu 
kommen,  keck  hinzu:  ,,Wie  du 
zogorst?"  und  ruft  zur  Siinfte  ge- 
wendet:  „Frau,  zeige  dich  selbst!" 
Da  dies  nun  aber  nicht  geschieht, 
setzt  er  bittend  hinzu:  „Bitte,  store 
sie  nicht,  sie  schlummert  wahr- 
scheinlich." 


16 


IVVENALIS 


profer,  Galla,  caput.    noli  vexare^  quiescet/ 

ipse  dies  pulchro  distiuguitur  ordine  rerum: 
sportula,  deinde  forum  iurisque  peritus  Apollo 
atque  triumpliales,  inter  quas  ausus  liabere 
nescio  quis  titulos  Aegyptius  atque  Arabarches, 
cuius  ad  effigiem  non  tantum  meiere  fas  est. 
vestibulis  abeunt  veteres  lassique  clientes 
votaque  deponunt,  quamquam  longissima  cenae 
spes  homiui;  caulis  miseris  atque  ignis  emendus. 
optima  silvarum  interea  pelagique  vorabit 


130 


135 


126  quiescit  p 


131  me+gere  erasa  n  P:  meiere  co 


127 — 146  Uberbauptistdasganze 
Tagesleben  des  Klienten  und  noch 
mehr  das  des  Patrons  unnatiirlich 
und  unwiirdig.  Vgl.  damit  Mart. 
IV  8:  prima  salutantes  atque  altera 
continet  hora,  exercet  raucos  tertia 
causidicos,  in  quintam  varios  ex- 
tendit  Homa  lahores,  sexta  quies 
lassis,  septima  finis  erit;  sufficit  in 
nonam  nitidis  octava  palacstris, 
imj^erat  extructos  franyere  nona 
toros:  liora  libellorum  decima  est, 
Eupheme,  meorum. 

128  Auf  dem  forum  Augusti  be- 
fand  sich  das  pratorische  Tribuual 
und  daneben  eine  Statue  des  ApoUo 
aus  Elfenbein,  Plin.  h.  VII  183.  Da 
Apollo  taglich  Prozesse  und  Rechts- 
entscheidungen  anhoren  mufs,  wird 
er  rechtsgelehrt,  iurisperitus.  Wahr- 
scheinlich  ist  auch  Hor.  s.  I  9,  78 
sic  me  servavit  Apollo  (d.  h.  das 
Gericht)  von  jeuem  Apollo  ehoreus 
zu  verstehen.  In  den  Spazier- 
hallen  desselben  Forums  waren  die 
Triumphalstatuen ,  Suet.  Aug.  31 
statuas  omnium  triumphali  effigie 
in  utraque  fori  sui  porticu  dedi- 
cavit. 

130  Vgl.  Plin.  ep.  II  7,  1  here 
a  senatu  Vestricio  Spurinnae  prin- 
cipe  auctore  triumphalis  statua  de- 
creta  est,  non  ita  ut  multis,  qui 
numquam  in  acie  steterunt,  num- 
quam  castra  viderunt ,  numquam 
denique  tuharum  sonum  nini  in 
spectaciilis  audierunt,  verum  ut 
illis,  qui  decus  istud  sudore  et  san- 
guine  et  factis  assequebantur.  Ara- 
barches  (das  ist  die  beglaubigte 
Lesart,   nicht   dXcc^d^^xrjg)   war   ein 


Oberzoll-  oder  Steuerbeamter  bei 
den  alexandrinischen  .Juden  (Cic. 
ad  Att.  II  17,  3  wird  Pompejus 
spottisch  so  genannt).  Hier  denkt 
man  gewohnlich ,  freilich  ohne 
zwingeuden  Grund,  an  Tiberius  Ju- 
lius  Alexander,  den  Sobn  des  Ara- 
barchen  Alexander  Lysimachus.  Er 
war  von  Geburt  agj^ptischer  Jude, 
trat  aber  aus  der  Gemeinschaft 
seiner  Glaubensgenossen  aus,  wurde 
romischer  Ritter  und  Prokurator 
yon  Judiia  und  endlich  Prafekt  von 
Agypten.  Hier  machte  er  sich  ver- 
dieut  durch  kriiftige  Unterdriickung 
eines  blutigen  Zwistes  zwiscben 
Griechen  und  Juden.  Im  J.  69  trat 
er  sofort  zu  Vespasiau  iiber  und 
erhielt  im  jiidischen  Kriege  Von 
Titus  den  Oberbefehl  uber,  samt- 
liche  Truppen. 

131  Pers.  I  113  pinge  duos 
anguis:  'pueri,,sacer  est  locus,  extra 
meite\  Wiener  Antiken  Nr.  153 
quisquis  in  eo  vico  stercus  non  po- 
suerit  aut  non  cacaverit  aut  non 
meiaverit,  habeat  illas  propitias,  si 
neglexerit,  vidcrit.  Orelli  n.  4781 
hospes  ad  hunc  tmnulum  ne  meias, 
ossa  precontur  tecta  hominis. 

132  Trotz  des  Empfangs  der  Spor- 
tula  hofften  die  armeren  Klienten, 
wenn  sie  ihren  Herrn  nach  Hause 
zuriickgeleitet  hatten,  doch  noch 
auf  eine  Einladung  zur  cena.  Viel- 
fach  geschah  dies  auch,  wiewohl 
natiiilich  dic  Wiinsche  derKlienten 
nicht  immer  befriedigt  werden 
konnten. 

133  quamquam ,  sc.  sit,  vgl.  zu 
10,  34. 


LlBRl  I     SATVIJA  1 


17 


rex  horiim  vaoiiisquo  toris  tantum  ipso  iacobit. 
iiam  do  tot  }uilcliris  ot  latis  orbibus  et  tau\ 
autiquis  uiui  comeduut  patrimouia  meusa. 
nuUus  iam  parasitus  erit.    sed  quis  terat  istas 
luxuriae  sordes?  quauta  est  gula,  quae  sibi  totos 
pouit  apros,  animal  propter  convivia  uatum? 
poeua  tauiou  praosons,  cum  tu  dopouis  amictus 
turgidus  et  crudum  pavouem  iu  baluoa  portas. 
hiuc  subitae  mortes  atque  intestata  seuectus 
et  uova  nec  tristis  per  cuuctas  fabula  ceuas: 
ducitur  iratis  plaudeudum  fuuus  amicis. 


140 


14.5 


143  crudus  P;  crudum  ^)         144  infestata  Madvig,  fort.  intempesta 


136  rex,  zu  5, 14.  —  tantum  ipse, 
zu  95.  Cic.  in  Pison.  67  Gracci  sti- 
pati ,  qnini  in  lectis,  saepe  plures, 
ipse  solus.  Alles  im  Hause  ist  auf 
Gastfreundscbaft  eingericbtet,  aber 
die  Polster  bleiben  leer,  und  der 
Herr  streckt  sich  allein  hin,  iacebit 
wie  7,  79  contcntus  fama  iaceat 
Lucanus  in  horiis  marmoreis,  8,173 
inrenies  aliquo  cum percussore  iacen- 
tem,  15,  43  ist  iacere  anf  das  Polster 
{torus)  selbst  iibertragen; 

137  orhis  ist  die  runde  Tisch- 
platte  aus  kostbarem  Citrusholz, 
welche  auf  einem  Fufse  ruhte  {mo- 
tujpodia),  auch  mensae  citreae  ge- 
nannt,  Cic.  Verr.  IV  17.  Die  Piatten 
waren  Kunstwerke,  und  deshalb 
wurde  ihr  Wert  nicht  nur  nach 
Umfang  und  Arbeit,  sondern  auch 
nach  dem  Alter  bestimmt  {tam 
atitiquis),  obwohl  hier  aniiquis  zu- 
gleich  eine  satirische  Beziehung 
hat:  von  den  vielen  schonen  nnd 
breiten  Tischen,  an  denen  zur  Zeit 
der  Vater  Gaste  in  grofser  Zahl 
schmausten  —  zu  diesf^m  Zwecke 
hatten  sie  die  Vorfahren  erworben 
— ,  ist  heutzutage  bei  dem  Herrn 
nur  einer  {una  mcnsa)  imGebrauch, 
an  dem  dennoch  ein  solcher  Schlem- 
mer  ganz  allein  das  vaterliche  Ver- 
mogen  verprafst.  Es  ist  also  de 
totorhihus  partitiv  aufzufassen,  vgl. 
34.  66.  3,  123.  10,  28  de  sapienti- 
bus  ctUer  ridebat. 

139  nullus  —  erit,  Einwand  des 
reichen  Filzes,  at  enim  nemo  iam 
nohis  parasitus  molestus  erit. 

140  laxuriae  sordes  ist  6i,vyiWQ0v, 

IVTBKAI,IS    SaTVBAK. 


Knickerei  bei  der  grofsten  Ver- 
schwendung.  Plin.  ep.  II  6,  7  igitur 
memento  nihil  magis  esse  vitandum 
quam  istam  luxuriae  et  sordium 
societatem,  quae  cum  sint  turpissima 
discreta  ac  separata,  turpius  iun- 
guntur. 

141  sq,  Mart.  VII  59  non  eenat  sine 
apro  noster,  Tite,  Caecilianus:  bel- 
lum  convivam  Caecilianus  habet. 
—  prop)ter  convivia  wie  6,  469  illo 
lacte  fovetur,  propter  quod  secum 
comites  educit  ascllas.  —  praesens, 
auf  dem  Fufse  folgend,  Hor.  IV  5, 
24  culpam  poena  premit  comes. 

143  Peis.  3,  98  turgidus  hic  epuUs 
atque  albo  vcntre  lavatur,  gutture 
sulpjureas  lente  exalanie  mefites  etc. 

144  intestata  senectus,  das  Alter 
gelangt  nicht  zur  Abfassung  eines 
Testaments,  und  die  Kunde  davon 
verbreitet  sich  ohne  Teilnahme  von 
Tisch  zu  Tiscb,  von  Haus  zu  Haus. 
Es  ist  freilich  nicht  einzusehen, 
warum  der  Schwelger  iiberhaupt 
zur  senectus  gelangen  soll.  Oder 
soll  intestata  besagim,  dafs  er  zur 
eigentlichenseneciwsiiberhanptnicht 
gelangt?  Das  kann  in  den  Worten 
nicht  gefunden  werden.  Auch  Mad- 
vigs  infestata  senectus  hilft  der 
Schwierigkeit  nicht  ab. 

146  Der  Leichenzug  geht  dahin 
beklatscht  (indera  er  beklatscht 
wird)  von  den  in  ihrer  Hoffnung 
getiiuschten  Freunden.  Denn  das 
Vermogen  gelangt  nun  an  die 
natiirlichen  Erben  oder  an  den 
Fiskus. 


18 


IVVENALIS 


iiil  erit  ulterius  quod  nostris  moribus  addat 
posteritas,  eadem  facient  cupieutque  minores, 
omne  in  praecipiti  vitium  stetit.    utere  velis, 
totos  pande  sinus.    dices  hic  forsitam  "^unde 
iugenium  par  materiae?  unde  illa  priorum 
scribendi  quodcumque  animo  flagrante  liberet 
simplicitas?'    cuius  nou  audeo  dicere  nomeu? 


150 


149  stetis  P       150  dices  P:  dicas  pa 


147—171  Epilog:  der  Stolf  zur 
Satire  ist  reichlich  vorbanden, 
aber  ebenso  grofs  ist  die  Gefahr 
des  Dichters.  Dennoch  soU  der  Ver- 
such  gemacht  werden,  wie  weit  der 
Freimut  wenigstens  gegen  Verstor- 
bene  gehen  darf. 

147  ulterius,  dariiber  hinaus,  9, 
38  quod  tamen  ulterius  monstrum 
quam  mollis  avarus?  Die  Worte 
eadem  facierd  minores  (das  jiingere 
Geschlecht)  beziehen  sich  auf  Hor. 
in  6,  45  damnosa  guid  non  im- 
minuit  dies?  aetas  parentam  peior 
avis  tulit  nos  nequiores,  mox  datu- 
ros  progeniem  vitiosiorem.  Jetzt  ist 
eine  Steigerung  gar  nicht  mehr 
moglich,  —  aber  Untergang? 

149  in  praecijnti  auf  dem  Hohe- 
punkt,  von  dem  aus  nur  der  Ab- 
grund  folgt;  ebenso  substantivisch 
10,  107  unde  aJtior  esset  casus  et 
imimlsae  praeceps  immane  ruinae. 
Hor.  s.  II  3,  2'J3  casus  medicusve 
levarit  aegrum  expjraecipiti,  aua  der 
Krisis  der  Krankheit.  —  stetit,  ist 
zum  Stehen  gelangt,  sodafs  es  wegen 
des  Abgrunds  nicht  mehr  weiter 
kann,  nach  der  Analogie  von  pugna 
stetit.  —  Zu  utere  velis  vgl.  Plin. 
ep.  Vni  4,  5  proinde  iure  vatum 
invocatis  dis  et  inter  deos  ipso 
(Trajan,  dessen  bellum  Dacicum  er 
schildern  will),  cuius  res  opera  con- 
silia  dicturus  es,  inmitte  rudentes, 
pande  vela  (hier  sinus  velorum),  ac 
si  quando  aJias,  toto  ingenio  vehere. 

150  dices  neben  forsitan  oder 
forsan  ist  der  Dichtersprache  und 
der  silbernen  Latinitat  ganz  ge- 
laufig;  bei  Juv.  noch  12, 125  omnia 
soli  forsan  Pacuvio  dabit  und  14,  295 
infelix  hac  forsitan  ipsa  nocte  cadet 
fluctuque  premetur  obrutus,  sonst 
gebraucht  er  den  Konjunktiv,  5,  156 


forsitan  credas,  8,  113  forsitan  de- 
spicias,  11,  162  f.  expectes,  14,  34 
/.  haec  spernant.  Mit  dices  wird  bis 
zu  Ende  der  Satire  ein  formlicher 
Dialog  eingefuhrt,  aliquem  ex  ad- 
verso  dicere  fecit  (Pers.  I  44). 

151  materiae  .  unde ,  derselbe  Hia-' 
tus  wie  2,  26  Verri  .  homicida, 
5,  158  gula  .  ergoumnia.  Vgl.  zu 
3,  70. 

153  simplicitas  ist  der  natiirliche 
oder  naive  Freimut,  der  gar  nicht 
dariiber  nachdenkt,  wie  viel  zu 
aufsern  gestattet  ist,  Plin.  ep.  III  4, 9 
mihi  aeque  iucufu^a  erit  simpUcitas 
dissentientis  quam  comprobantis 
auctoritas,  IV  14,  10  a  simplicitate 
tua  (Ehrlichkeit)  peto,  ut  quod  de 
libello  meo  dicturus  es  alii,  mihi 
dicas,  vgl.  13,  35.  Unter  Domitian 
war  alle  freie  Meinungsilufserung 
unterdruckt,  Tac.  Agr.  3  adempto 
per  inquisitiones  etiam  loquendi 
audiendique  commercio  memoriam 
quoque  ipsam  cum  voce  perdidisse- 
mus,  si  tam  in  nostra  potestate 
esset  oblivisci  quam  tacere,  h.  I  1 
(von  Nerva  und  Trajan)  rara  tem- 
porum  felicitate,  ubi  sentire  quae 
velis  et  quae  sentias  dicere  licet.  — 
Die  Worte  cuius  non  audeo  dicere 
nomen  (wie  Lucilius,  der  sich  iihn- 
lich  geaufsert  haben  soll)  bis  Mu- 
cius  an  non  sind  Erwiderung  des 
Dichters,  der  aus  dem  Sinn  und 
""Geist  des  Lucilius  heraus  spricht, 
vgl.  Pers.  I  114  secuit  Lucilius 
urbem,  te  Liipe,  te  Muci,  et  genui- 
num  fregit  in  iJIis,  d.  h.  Milnner 
wie  L.  Cornelius  Lentuhis  Liipus 
(Konsul  156  V.  Cbr.)  und  P.  Mucius 
Scaevola  (Konsul  133  v.  Chr.),  deren 
Namen  noch  jetzt  in  einzelnen 
Fragmenten  erscheinen,  vgl.  Hor.  s. 
II  1,  62—70. 


LIBRT  T     SATS^ILV  [ 


19 


quid  refert,  dictis  ignoscat  Mucius  an   non? 

'pone  Tigelliuuui:  taeda  lucebis  iu  illa,  155 

qua  stantes  ardeut  qui  fixo  pectore  fuiuant, 

et  latum  ruedia  sulcum  deducit  hareua.' 

qui  dedit  ergo  tribus  patruis  acouita,  vehatur 

pensilibus  phimis  atque  ilhnc  despiciet  nos? 

'cum  veniet  contra,  digito  compesce  hibelhim:  160 

accusator  erit  qui  verbum  dixerit  "hic  est". 

securus  licet  Aenean  Rutulumque  ferocem 

committas,  nulli  gravis  est  percussus  Achilles 

aut  multum  quaesitus  Hylas  urnamque  secutus: 

155  lucebit  P         156  gutture  pco         157  deducis  j>ra         159  despi- 
ciaet  P  despiciat  5         161  versum  P  verum  p 


155 — 157  eothalten  die  Er- 
widerung  des  tingierten  Gegners: 
Was,-  einen  Mucius?  Versuche  es 
und  mache  es  wie  Lucilius  anch 
nur  mit  einem  Tigellinus,  dem 
schandlichen  Helff^rshelfer  des  Nero 
(Tac.  XIV  41.  57.  XV  50),  und  du 
wirst  sofort  unter  Martern  und 
Schmach  das  Leben  enden!  Der 
Dichter  befolgt  schon  hier  den 
170  sq.  ausgesprochenen  Grundsatz. 

155  ponere  vom  Schriftsteller, 
urspr.  vom  darstellenden  Kiinstler, 
Pers.  I  70  poncre  hicnm  artifices, 
Hor.  IV  1,  20  te  ^ionet  marrnM-eam, 
dann  Liv.  VII  2,  13  ludorum  prima 
orirfo  ponenda  visa  est. 

156  »qq.  Die  hiererwahnteStrafart 
bezieht  sich  auf  die  Verfolgung 
der  Christen  durch  Nero  nach  dem 
Brande  Roms,  Tac.  XV  44  et  pcr- 
euntibus  additd  ludibria,  ut  fera- 
riim  ttrgis  contecti  laniatu  canum 
interirent,  aut  crucibus  adfixi  ac 
(aut  M;  flcnnma  circumdati  taedaque 
(flammaruli  atque  M),  ubi  defeeisset 
dies,  in  nsum  nocturni  luminis  ure- 
rentur;  diese  tunica  molesta  (8,235) 
war  die  Strafe  fur  Mordbrenner. 
—  in  taeda  =  taeda  circumdatus, 
die  mit  Pech,  Harz  und  Talg  ge- 
trankt  war.  —  qua  =  in  qua,  qua 
circumdati  et  (quae)  media  harena 
deducit  sulcum,  da  die  Pfahle  der 
Reihe  nach  eingegraben  waren 
(defossis  crucibus  oder  corporibus), 
nnd  zugleich  das  schmelzende  Harz 
und  Pech  in  die  Gruben  herabflofs. 

158  — 159    spricht    der    emporte 


Diehter:  Ich  also  soli  wie  ein  Ver- 
brecher  behandelt  werden,  und  der 
Giftmischer  darf  auf  weichem  Pfiihl 
sich  behaglich  durch  die  Strafsen 
tragen  lassen? 

159  Cic.  Verr.  V  27  lectica  octo- 
plwro  ferebatur,  in  qua  pulvinus 
erat  perlucidus  Melittnsis  rosa  far- 
tus.  —  p>ensilis  schwebend,  vgl.  7,  46 
pendent  anabathra,  10,  134  buccula 
pendens,  11,  82  rara  crate  sicci 
terga  suis  pendentia. 

160—170  gehoren  dem  Gegner. 

161  accusator  erit,  sc.  ei  qui  ver- 
bum  dixerit  'hic  est^.  Dieselbe  El- 
lipse  bei  Cic.  de  dom.  51  poena  est 
{sc.ei),  qui  receperit,  de  legg.  II  21 
quique  non  paruerit,  (eij  capital 
esto.  Niigelsbach,  Stil.  §  90,  3a.  — 
Pers.  I  28  at  pulchrum  est  digito 
monstrari  et  dicier  'hic  est\  ovtos 
iy.etvog. 

162  Eine  Aneis,  Achilleis  etc. 
bringt  keine  Gefahr. 

163  sq.  committere  zum  B[ampf  zu- 
sammeubringen ,  vgl.  5,  29  pugna 
commissa.  Achilles'  Tod  (Hom.  II. 
XXII  358  sagt  der  sterbende  Hektor 
cpQu^fo  vvv  (irj  ToC  zi  ^iav  ^tJviuu 
yivcoaiiL  jjuati.  tw,  ozs  y.tv  aa  IIuQig 
y.al  ^ot§og  'AnoXXuiv  ic&lov  iovz' 
oliawGi  ivl  2Jy.ai7iGi  nvlrjGiv)  war 
eine  Episode  aus  den  die  llius  fort- 
setzenden  nachhomerischenEpen.  — 
Die  Trauer  des  Herkules  um  seinen 
von  den  Nymphen  in  Mysien  ihm 
geraubten  Liebling  Uylas  gehSrte 
zur  Argonautensage.  —  urnam  secu- 
tus,  zu  10,  58. 

2* 


20 


IVVENALIS 


ense  velut  stricto  quotiens  Lucilius  ai^dens 
infremuit,  rubet  auditor,  cui  frigida  mens  est 
criminibus,  tacita  sudant  praecordia  culpa. 
inde  irae  et  lacrimae.    tecum  prius  ergo  voluta 
haec  animo  ante  tubas,  galeatum  sero  duelli 
paenitet.'    experiar  quid  concedatur  in  illos, 
quorum  Flaminia  tegitur  cinis  atque  Latina. 


165 


170 


169    animaute    tuba  p    anime    ante    tubas    VaUa  170    qui    P 

171  legitur  P 


166  infremuit  steht  vom  Schlacht- 
ruf  des  Kriegers  {ense  stricto)  Val. 
Fl.  I  717  Minoia  frustra  infremuit 
manus.  —  rubet,  denn  allerdinga 
war  die  Satire  des  Lucilius  die 
eines  Censors ,  Hor.  s.  II  1 ,  64 
detrahere  et  pellem,  nitidus  qua 
quisque  per  ora  cederet,  introrsum 
turpis.  Von  Horaz  dagegen  sagt 
Persius  ganz  richtig:  omne  vafer 
vitium  ridenti  Flaccus  amico  tangit 
et  admissus  circtmi  praecordia  ludit, 
callidus  excusso  populum  suspen- 
dere  naso.  Juv.  folgt  mehr  dem 
Lucilius  als  Horatius. 

167  Vgl.  13,  220  et  quod  prae- 
cipuis  mentem  sudorihus  urguet,  te 
videt  in  somnis,  3,  50  et  cui  fer- 
vens  aestuat  occultis  ■animus  sem- 
perque  tacendis. 

168  inde  irae,  Anspielung  auf 
ein  bekanntes  Wort  des  Ter.  Audr. 
126  hinc  illae  lacrumae,  wo  aber 
die  Thriinen  wirklich  geweint  wer- 
den,  dann  Cic.  p.  Cael.  61  und  Hor. 
ep.  I  19,  41. 

168  sq.  Vgl.  Verg.  VI  157  Aeneas 
maesto  defixus  lumina  voltu  ingre- 
ditur  linquens  antrum  caecosque 
volutat  eventus  animo  secum.  So 
urspriinglich  cogitare  cum  animo, 
dann  animo  oder  jsectore,  auch  in 
animo ,  aber  dann  ohne  secum.  — 
galeatum,  wenn  einer  einmal  in 
den  Kampf  eingetreten  iat,    Caes. 


b.  g.  II  21  temporis  tanta  fuit 
exiguitas  hostiumque  tam  paratus 
ad  dimicandum  animus,  ut  ad  ga- 
leas  induendas  tempus  defuerit,  b. 
afr.  12  cum  procul  hostis  conspici 
posset,  milites  in  campo  iubet  galeari 
et  ad  pugnam  parari.  Denn  wah- 
rend  des  Marsches  hing  der  Helm 
um  die  Brust. 

170  experiar:  das  Asyndeton  er- 
setzt  eine  Konjunktion  =  ego  vero, 
quidquid  futurum  est,  experiar  etc. 

171  Die  via  Flaminia  f  ii  hrte  an  den 
Parkanlagen  des  Pompejus  und  des 
Domitian  voriiber  nach  Umbrien, 
die  Latina  fiihrte  nach  Siiden,  sich 
links  von  der  Appia  abzweigend. 
An  der  via  Flaminia  war  das  Grab- 
mal  des  Pantomimen  Paris,  Mart. 
XI  13;  von  Domitian  sagt  Suet. 
17:  cadaver  eius  Phyllis  nutrix  in 
suhurbano  suo  Latina  via  funera- 
vit,  sed  reliquias  templo  Flaviae 
gentis  clam  intulit.  An  diesen  und 
an  der  via  Appia  waren  die  se- 
pulcraJ}iQx  beriihmtesten  Geschlech- 
ter.  Ubrigens  verspricht  Juv.  mit 
dieser  Bemeikung  nicht  etwa  eine 
historische  Satire,  sondern  er  deutet 
an,  dafs  er  zur  Schilderung  der 
Zustande  seiner  Zeit,  statt  hervor- 
ragende  Manner  aus  ihr  zu  wah- 
len,  auf  entsprechende  Charaktere 
der  jiiugst  vergangenen  Zeit  znriick- 
greifen  wolle. 


LIBRT  I     SATVRA  II 


21 


SATVRA  II 

Vltra  Sauromatas  fugere  hinc  libet  et  glacialem 
Oceanum,  quotiens  aliquid  dc  moribus  audent 
qui  Curios  simulaiit  et  Bacchanalia  vivuut. 
iudocti  primimi,  quamquam  plena  omnia  gypso 


Sat.  II 
Die  zweite  Satire  ^s-ird  offc  das 
Gegenstiick  der  sechsten  genannt: 
wie  dort  die  Weiber,  so  wiirden 
hier  die  Miinner  verurteilt.  Allein 
wiihrend  iu  der  sechsten  moglichst 
alle  Feliler  und  Siinden  des  weib- 
lichen  Geschlechts  nacheinauder 
vorgefiihrt  werdeu  und  das  ganze 
Geschlecht  selbst  verworfen  wird, 
werden  in  der  Miinnergatire  haupt- 
siichlicli  nur  zwei  Ausartungen  ge- 
riigt,  uud  uicht  die  Miinner  selbst, 
sondern  uur  die  ausgearteten  Sub- 
jekte  verurteilt.  Die  erste  Klasse 
dieser  Siinder  sind  die  cynischen 
Tugendhelden ,  die  die  Tngend  im 
Aufseren  zur  Schau  tragen  und  im 
Verborgenen  {introrsum  turpes)  die 
schimpflichsten  Laster  veriiben. 
Selbst  der  niichterne  Quintilian 
pagt  im  Vorwort  zum  ersten  Buch 
§  15:  ac  vetenun- quidem  sapientiae 
professorum  multos  ct  honesta  prae- 
cepisse  et  ut  praeceperint  etiam 
vixisse  (z.  B.  Sokrates  und  Epikur) 
facile  concesserim :  nostris  vero  tem- 
porihus  sub  Jioc  nomine  maxima  in 
plerisque  tntia  latuerunt.  non  enim 
virtute  ac  studiis,  ut  haberentur 
philosophi ,  lahor.ahant ,  sed  vultum 
et  tristitium  et  dissentientem  a  ce- 
teris  hahilum  pessimis  morihus  ptrae- 
tendehant.  Dies  ist  das  Thema  des 
ersten  Teils  unserer  Satire  (1 — 63). 
Def  zweite  Teil  (64—143)  schildeit 
die  Verkommenheit  der  Weichlinge 
jener  Zeit.  Die  erste  Klasse  ist 
darch  ihre  innere  Unwahrheit  und 
aufrtere  Heuchelei  mit  der  zweiten 
verbunden. 

1—63  Erster  Teil:  die  Tugend- 
heuchler. 

1  Vor  diesen  Heuchlem  mochte 
man  fliehen  zu  den  Wilden  und 
an  das  Ende  der  erstarrten  Welt : 
sounertraglich  istdieUnwahrbaftig- 
keit  dieser  Menschen.  Die  Sauro- 
maten,    die    Bewohner    des    8pS,ter 


so  genannton  Sarmatiens,  unifafsten 
die  Volkerschafteu ,  welche  den 
u()rdlichen  Teil  Europas  und  Asiens 
bewohuten;  sie  werdeu  15,  125 
truces  uud  neben  den  terrihiles 
Cimhri  und  den  inmanes  Agathyrsi 
genannt.  Jeuseits  der  Sauromaten 
denkt  sich  Juv.  den  Oceanus  gla- 
cialis  oder  das  7nare  pigrum,  d.  h. 
das  Eismeer.  Der  Gedanke  ist  eine 
kraftige  Ausgestaltung  von  Hor.  HI 
4,  33  visam  Britunnos  hospitibus 
feros  etc. 

2  audere  aliquid  ohne  Inf.  ist 
hiiufig,  z.  B.  82.  10,  76.  6,  97. 
8,  165.  15,  122,  aber  bis  jetzt  un- 
belegt  ist  die  Verbindung  aliquid 
de  aliqua  re  audere,  doch  ist  der 
Ausdruck  klar  und  verstiindlich. 

3  Mart.  VII  58  quaere  aliquem 
(zur  Ehe)  Curios  sempcr  Fahiosque 
loquentem,  hirsutum  et  diira  rusti- 
citate  trucem:  invenies,  sed  habet 
tristis  quoque  turba  cinaedos;  diffi- 
cile  est  vero  nuhere,  Galla,  viro. 
tJber  M'.  Curius  Dentatus  als  Ur- 
bild  liindlicher  Einfachheit  vgl.  11, 
78  und  2,  153.  Der  ianatisch-my- 
stische  Bacchuskult  fiihrte  schon 
friihzeitig  zu  Privatmysterien,  den 
occulia  et  nociurna  sacra,  primo 
paucis  tradita,  deinde  volgari  coepta 
per  viros  mulieresque  additae  reli- 
gioni  voluptutes  vini  et  epularum. 
nec  unum  genus  noxae,  stupra  pro- 
misca  ingenuorum  feminarumque, 
scd  falsa  signa  testamentaque  et  in- 
dicia  ex  eadem  officina  exibant. 
Liv.  XXXIX  8.  Daher  das  bekannte 
sc.  de  Bacchanalibus  v.  J.  186  v.  Chr. 

4  Erstens  sind  sie  ungebildet 
(indocti),  obwohl  sie  ihre  Wohn- 
hiiuser,  Villen  und  Giirten  (plena 
omnia)  mit  der  Biiste  des  Chrysip- 
pus,  des  litterarischen  Vertrefcers 
der  Stoa,  allenthalben  schmiicken. 
Ungebildet  bleiben  sie  doch,  denn 
der  hSchste  Grad  ihrer  Gelehrsam- 
keit  int,  dafs  sie  aufser  Chrysippus 


22 


IVVENALIS 


Chrysippi  invenias-,  nam  perfectissimus  horum, 

si  quis  Aristotelem  similem  vel  Pittacon  emit 

et  iubet  archetypos  pluteum  servare  Cleanthas. 

frontis  nulla  fides;  quis  enim  non  vicus  abundat 

tristibus  obscaenis?  castigas  turpia,  cum  sis 

inter  Socraticos  notissima  fossa  cinaedos? 

hispida  membra  quidem  et  durae  per  bracchia  saetae 

promittunt  atrocem  animum,  sed  podice  levi 

caeduntur  tumidae  medico  ridente  mariscae. 

rarus  sermo  illis  et  magna  libido  taceudi 

atque  supercilio  brevior  coma.    verius  ergo 

et  magis  ingenue  Peribomius;  hunc  ego  fatis 


10 


15 


5  horum  est  2^00         16  peribomus  P 


sich  noch  die  Biiste  eines  Aristo- 
teles  oder  auch  Pittakos  kaufen, 
nicht  etwa  die  Werke  der  grofsen 
Philosophen  studieren,  in  sich  auf- 
nehmen  uud  verarbeiten. 

6  smilem,  sc.  vultu,  14,  51  si 
similem  tibi  se  non  corpore  tantum 
nec  vultu  dederit. 

7  arcJietypos  Cleanthas,  originale, 
d.  h.  Originalbiisten  des  Cleauthes, 
nnd  zwar  nicht  eine,  sondern  meh- 
rere,  wie  er  viele  Biisten  des  Chrysip- 
pus  besitzt.  Mit  Originalen  prunkte 
man  gern,  obwohl  sie  sehr  haufig 
unecht  waren,  Mart.  XII  69  sic  tam- 
quam  tabulas  scyphosque,  Paule, 
omnes  archetypos  habes  amicos. 
Cleanthes  war  Schiiler  und  Nach- 
folger  des  Zeno  und  wurde  durch 
seine  Vortrage,  sowie  durch  seine 
zahlreichen  Schriften  nachst  Chry- 
sippus  der  wichtigste  Vertreter  der 
stoischen  Lehre.  —  pluteus  ist  ein 
Untersatz  oder  Gestell  fiir  die  Biisten 
an  der  Wand. 

8  frontis,  auf  ihre  Stirue  (d.  h. 
ihr  Aussehen)  aber  ist  kein  Ver- 
lafs.  Das  Asyndeton  kntipft  an  V.  4 
indocti  primum  an,  statt  deinde 
frontis  nulla  fides.  Denn  in  jeder 
Strafse  findet  man  jetzt  solche 
tristes  {okv&qcotiol),  die  aber  obscaeni 
(==  cinaedi)  sind,  vgl.  6,  513  inyens 
semivir,  obscaeno  facies  reverenda 
minori,  11,  174  obscaenae  voces. 

9  castigas  ist  Ausbruch  des  Un- 
willens,  denn  die  Schilderung  selbst 
schreitet  V.  11  weiter. 


10  Vgl.  9,  45.  Die  cinaedi  sind 
Socratici,  weil  sie  aufserlich  einen 
Sokrates  darstellen  wollen,  fast  = 
philosophisch. 

11  Mart.  II  36  nunc  sunt  crura 
pilis  et  sunt  tibi  pectora  saetis  hor- 
rida,  sed  mens  est  volsa  tibi.  VI  56 
quod  tibi  crura  rigent  saetis  et 
pectora  villis. 

12  atrocem  animum,  d.  h.  einen 
Cato,  nach  Hor.  II  1  24  et  cuncta 
terrarum  subacta  praeter  atrocem 
animum  Catonis. 

13  mariscae  (av-nu)  Feigwarzen, 
Geschwiire. 

14  Das  Schweigen  ist  Zeichen 
des  Ernstes,  der  gravitas,  Hor.  ep. 
1  18,  6  asperitas  agrestis,  et  in- 
concinna  yravisque. 

15  supercilio,  die  Brauen.  Vgl. 
zu  5,  62. 

16  mayis  inyenue,  weil  er  sich 
nicht  verstellt.  Die  Heuchelei  ist 
ein  vitium  servile.  —  Peribomius: 
nomen  archiyalli  cinaedi,  qui  publicc 
impudicitiam  professus  est.  Schol. 
Die  GalU  bildeten  ein  colleyium 
sacerdotum  fiir  den  Kultiis  der  Cy- 
bele,  und  archiyallus  war  der  Vor- 
steher  (apj^iE^fug)  dieses  Kollegs. 
Diese  Priester  waren  vielleicht  ur- 
spriinglich  Hierodulen,  vgl.  6,  512. 
Solche  mit  den  schiindlichsten 
Lastern  behaftete  Menschen  sind 
immerhin  ertraglicher  als  jene 
Heuchler,  sie  wollen  wenigstena 
nichts  anderes  scheinen,  als  was 
sie  sind,  —  fatis  imputo,  rechne 
dem  Schicksal  an,  finde  die  Schuld 


LlBKl  1     SATVRA  11 


23 


iiiputo,  qui  vultu  morbum  iucessuque  fatetur. 

horum  simplicitas  miserabilis,  his  furor  ipse 

(hit  veuiam;  sed  peiores,  qui  talia  verbis 

Herculis  iuvailuut  et  de  virtute  locuti 

chmem  agitaut.    'ego  te  ceveutem,  Sexte,  verebor?' 

iufamis  Varilhis  ait  'quo  deterior  teV 

loripedem  rectus  derideat,  Aethiopem  albus. 

quis  tulerit  Gracchos  de  seditioue  quereutes? 

quis  caehim  terris  non  misceat  et  mare  caelo, 

si  fur  disphceat  Verri,  homicida  Miloni, 

Clodius  accuset  moechos,  Catihna  Cethegum, 

in  tabulam  SuHae  si  dicant  discipuli  tres?' 

qualis  erat  nuper  tragico  pollutus  adulter 

concubitu,  qui  tunc  leges  revocabat  amaras 


20 


25 


30 


17  vultum  P        30  revocabat  P:  revocarat  poo 


uicht  im  Mensclien,  sondern  in  sei- 
nem  Geschick,  vgl.  5,  14  impntat 
Jiunc  {cibiim)  rex  tt  quamvis  rarum 
tamen  imputat ,  G,  178  ut  se  tibi 
}yt»ipir  imputet,  15,  123  anne  aliam 
incidiam  facercnt  nolenti  surgere 
Nilo?  Pers.  I  33  caret  culpa,  nescit 
quid  perdat,  vorher  stupet  vitio. 

17  morbum  fatetur,  bekennt,  lafst 
erkenneu,  10,  172  mors  sola  fate- 
tur,  quantula  sint  hominum  corpu- 
scula.  15,  132  moUissima  corda  hu- 
matu)  generi  dare  se  natura  fatetur, 
quae  lacrimas  dedit.  Unter  morbus 
ist  die  Kastration  zu  verstehen, 
vgl.  6,  512. 

18  simplicitas,  Gegenssiiz  versutia. 
Ein  Beispiel  dafiir  giebt  der  Nae- 
volus  der  neunten  Satire. 

19  peiores,  14,  56  cum  facias 
peiora. 

20  sqq.  verbis  Herculis,  mit keulen- 
artigen  Krattworten.  Sextus  und 
Yarillus  sind  unbekannt;  infamis 
deutet  auf  eine  Verurteilung  des 
Varillu8,die  Infamie  zurFolge  hatte. 
—  deterior,  tieferstehend,  mehr  der 
Verachtung  wert,  9,  122  deterior 
tamen  hic  qui  liber  non  erit  iUis, 
verachtlicher  als  die  schlecbtesten 
Sklaven,  10,  323  sive  est  hacc  Oppia, 
sive  CatuUa  deterior.    Vgl.  3,  7. 

23  loripedem  krummbeinig,  zu 
10,  308.  —  Uber  Aethiopem  albus 
vgl.  zu  8,  33.    10,  150  =  Neger. 

25   Ausdruck  der  hochsten  Ent- 


riistung,  6,  284  clames  licet  tt  mare 
caelo  confundas,  Liv.  IV  3,  6  quid 
tandem  est  cur  caelum  ac  terras 
misceant,  cur  in  me  impctus  modo 
2)aene  in  senatu  sit  factus.  Der  Zu- 
satz  7nare  caeJo  neben  caelum  terris 
bezweckt  augenscheinlich  eiue  ko- 
mische  Steigerung:  das  eine  und 
wieder  das  andere! 

28  Die  Triumvim  Oktavian,  An- 
tonius  und  Lepidus  werden  witzig 
Lehrlinge  des  SuUa  in  der  Kunst 
der  Proskription  genannt:  Sulla 
verstand  es  doch  noch  besser! 

29  Ein  Beispiel  (qualis)  solch 
heuchlerischen  Widerspruchs  bietet 
Domitian.  Er  verfiihrte  seine  Nichte 
Julia,  als  sie  an  Flavius  Sabinus 
verheiratet  war,  und  da  sie  Witwe 
geworden,  unterhielt  er  offentlich 
rait  ihr  Umgang;  schliefslich  zwang 
er  ihr  ein  abortivum  auf,  woran  sie 
starb.  Gleichwohl  erneuerte  er  als 
Censor  die  lex  luJia  dc  aduJteriis, 
liefs  eine  Vestalin  lebendig  be- 
graben,  andere  streng  bestrafen, 
vgl.  Mait.  VI  2.  4.  7.  22.  45.  91. 
Suet.  XXII  8.  —  tragico ,  wie  die 
Greuel  des  Odipus  in  der  Tragodie, 
12,  120  etsl  non  sperut  tragieae 
furtiva  piacuJa  cervae,  Prop.  III  13, 
29  tum  me  vel  tragicae  vexetis 
Erinyes,  Liv.  I  46,  3  tuJit  enim  et 
JRomana  regia  tragici  sceJeris  exem- 
plum.  —  poUutus,  wie  8,  218  nec 
EJectrae  iuguJo  se  polJuit. 


24 


IVVENALIS 


omnibus  atque  ipsis  Veneri  Martique  timendas, 
cum  tot  abortivis  fecundam  lulia  vulvam 
solveret  et  patruo  similes  effunderet  offas. 
noune  igitur  iure  ac  merito  vitia  ultima  fictos 
contemnunt  Scauros  et  castigata  remordent? 
non  tulit  ex  illis  torvum  Laronia  quendam 
clamantem  totiens  "^ubi  nunc  lex  lulia?  dormis?' 
atque  ita  subridens:  -'felicia  tempora,  quae  te 
moribus  oppouunt.    habeat  iam  Roma  pudorem, 
tertius  e  caelo  cecidit  Cato.    sed  tamen  unde 
haec  emis,  hirsuto  spirant  opobalsama  collo 
quae  tibi?  ne  pudeat  dominum  monstrare  tabernae. 
quod  si  vexantur  leges  clamore,  citari 
ante  omnes  debet  Scautinia.    respice  primum 
et  scrutare  viros.    faciuut  hi  plura,  sed  illos 
defendit  numerus  iunctaeque  umbone  phalanges: 
magna  inter  molles  concordia.    non  erit  ullum 


35 


40 


45 


31  ipsi  p      38  ad  quem  ?      43  clamore  W,  acturae  P,  ac  iura  ra 


31  Anspielung  auf  die  komische 
Episode  bei  Hom.  Od.  VIII  267  sq. 

33  offa,  Embryo. 

34  vitia  ultima  fiir  homines  vitiis 
iiltimis  polluti,  wie  wir  sagen:  Das 
Laster  triumphiert,  14,  175  aut 
ferro  grassatur  saepius  ullum  hu- 
manae  mentis  vitium,  vgl.  zu  6,  413. 

35  Scauros,  6,  604  pontifices  salios 
Scaurorum  nomina  falso  corpore 
laturos,  11,  91  werden  die  Scauri 
neben  den  Fabiern,  dem  durus  Calo 
und  Fabricius  als  Muster  strenger 
Sitte  genannt. 

36  Es  folgt  eine  Scene  vor  Ge- 
richt:  Laronia  (unbekannt,  der 
Name  noch  Mart.  II  32)  repliziert 
ihrem  Anklager  {castigata  remordet). 
—  torviis  mehr  als  tristis  oder  te- 
tricus  =  grimmig,  wild,  schreck- 
lich,  4,  147  torvi  Sycamhri,  6,  643 
quidquid  de  Colchide  torva  dicitur, 
13,  50  torvus  Pluton. 

37  Cic.  Phil.  V  8  ubi  lex  Cac- 
cilia  et  Didia?  ubi  promulgatio, 
trinum  nundinum?  ubi  poena  re- 
centi  lege  lunia  et  Licinia? 

39  moribus,  sc.  labentibus,  der 
herrschenden  Sittenlosigkeit,  Cic. 
Sest.  20  habto  quem  opponam  labi 
illi  atque  caeno  (i.  e.  Gdbinio). 

41  sq.  haec,  was  ich  hier  an  dir 
sehe,  den  Balsam,  der   dir   da  am 


Halse  dnftet.  —  Der  dominus  ta- 
bernae  ist  der  Handler  der  Spe- 
zereien.  Schou  Cic.  Sest.  18  ver- 
urteilt  den  Gabinius  als  imguentis 
affluens,  calamistrata  coma. 

43  sq.  clamore  vexantur,  Anvch.  laa- 
tes  Geschrei  geweckt,  aus  dem  Schlaf 
aufgeriittelt  werden,  wie  oben  non 
tidit  clamantem.  —  Die  lex  Scantinia 
bedrohte  das  stuprum  cum  masculo 
{in  molles  et  effeminatos,  qui  ne- 
funda  venere  uterentur)  mife  einer 
kapitalen  Anklage,  Cic.  fam.  VIII 
12,  14,  und  von  Domitian  berichtet 
Sueton  (c.  8):  quosdam  ex  utroque 
ordine  lege  Scantinia  condemnavit. 

45  faciunt  plura,  sc.  contra  legem, 
Prop.  III  30,  44  si  contra  morcs 
una  puella  facit.  —  Der  Wechsel  von 
hi  —  illos,  obwohl  dieselben  Per- 
sonen  gemeint  sind,  entspricht  dem 
ungekiinstelten  Volkston  und  er- 
scheint  darum  am  hiiufigsten  im 
Komodiendialoge,  vgl.  Lorenz  za 
Plaut.  mil.  22. 

46  iunctae  umbone  =  densatac, 
wo  sich  Schild  an  Schild,  Mann 
an  Mann  reiht,  Hom.  II.  XVI  214  ©s 
aQGQOv  KOQvd'^?  T£  y.cci  ccaniSsg 
oficpccXosGCcci.  aanl$  cxq'  danid'  fQSidi, 
HOQVg   ■KOQVV,   dvsQcc   6'   dv^Q. 

47  molles,  hier  von  Mannern, 
6,  91  von  Frauen,  =  parxim  pudicos. 


LIBRI  I     SATVUA  II 


25 


exeiiiplum  in  nostro  tam  detestabile  sexu. 
Meilia  nou  lambit  Cluviam  uec  Flora  Catullani: 
Ilispo  subit  iuvenes  et  morbo  pallet  utroque. 
numquid  nos  agimus  causas,  civilia  iura 
novimus  aut  uUo  strepitu  fora  vestra  movcmus? 
luctantur  paucae,  comeduut  colyphia  paucae. 
vos  lauam  trahitis  calathisque  peracta  refertis 
veUera,  vos  teuui   praegnantem  stumine  fusum 
Penelope  melius,  levius  torquetis  Arachne, 
horrida  quale  facit  residens  iu  codice  paelex. 
notum  est,  cur  solo  tabulas  impleverit  Hister 
liberto,  dederit  vivus  cur  multa  puellae. 
dives  erit,  magno  quae  dormit  tertia  lecto. 
tu  nube  atque  taoe:  donant  arcaua  cylindros. 


50 


55 


60 


49  mevia  j)  tedia  co  Y edia  Herviann       50  hispo^m.-  hi+po  P  hippo  S 


49  Der  Name  Media  ist  unbe- 
kannt  und  schwerlich  romisch. 
Ebensowonig  wissen  wir  von  Cluvia 
(1,  80  Chivienus).  Flora  ist  dem 
Namen  nach  eine  meretrix,  Catulla 
dieselbe  wie  10,  322  und  vielleicht 
Mart.  VII[  53,  wo  sie  for^nosissima 
und  zugleich  vilissiina  quae  fucre 
vel  sunt  genannt  wird.  HisiJO  kaun 
rait  deni  Konsul  des  J.  104  nichts 
gemein  haben,-  da  er  zur  Zeit  der 
Abfassung  der  Satire  noch  gelebt 
haben  wiirde,  vgl.  Mommsen  im 
Herm.  IV  45. 

50  morbo  utroque,  er  mifsbraucht 
und  lafst  sich  mifsbrauchen ,  ist 
paedicator  und  pathicus.  Zu  pallet 
vgl.  1,  43. 

51  numquidnos  hat  zum  Gegen- 
aatz  vos  V.  54  —  iura:  doch  heifst 
es  6,  244  componunt  ipsae  per  se 
fonnantque  libeUos.  Aber  unsere 
Satire  zeigt  eben,  dafs  viele  der  in 
der  sechsten  erwahuten  Auswiichse 
nur  Ausnahmen  waren. 

53  colyjjhia  (ii(o).v(piov)  Hiiften- 
stucke,  kraftige  Fleischkost  der 
Athleten,  Mart.  VII  67,  12  cum 
colyphia  sedecim  comedit.  Dagegen 
wird  die  Neigung  zu  Fechtiibungen 
6,  246  sq.  hervorgehoben. 

54  An  Juv.  erinnert  Claud.  in 
Eutr.  I  497  eunuchi  si  iura  dabunt 
legesque  tenebunt,  ducant  pensa  viri 
mutatoque  ordine  rerum  vivat  Ama- 
zonio  confusa  licentia  sistro. 

bb     vellera  peracta   ist    die    ge- 


krempte  Wolle,  welche  in  einem 
Korbchen(ca/fl</ms)  in  Kniluel  iiber- 
einandergelegt  wurde.  —  praegna- 
tem  stamine  fusum,  die  vom  Faden 
schwellende  Spindel. 

56  Auch  10,  344  findet  sich  melius 
levixisque  verbunden,  aber  in  an- 
derem  Sinne.  Der  Chiasmus  ersetzt 
hier  que. 

hl  horrida  =  incuHa,  Qvnagag 
SiayiiLfiivr}.  Sie  ist  an  einen  Block 
{codex)  gebunden.  Die  anciUa  heifst 
paelex,  weil  der  dominus  Gefallen 
an  ihr  gefunden  hat;  sie  wird  da- 
fiir  von  der  matrona  bestraft. 

58  tabulas,  das  Testament.  Hister 
hat  mit  dem  Erbschleicher  Hister 
Pacuvius  12,  111  nichts  gemein. 
Hister  unterhiilt  mit  einem  libertus 
schandlichen  Umgang  und  macht 
ihn  dafiir  zum  Universalerben.  Er 
hat  eine  junge  Frau,  puella  (6,  258), 
aber  er  mufs  den  Umgang  mit  ihr 
dem  libertus  iiberlassen.  Die  Si- 
tuation  ist  genau  dieselbe  wie  9, 
74—80. 

60—61  Wenn  ihr  Frauen  hei- 
ratet,  so  seid  darauf  gefafst,  dafs 
eure  Manner  ver  brecherischenLiisten 
fronen;  lafst  es  euch  aber  gefal- 
len,  denn  dann  werdet  ihr  mit  Ge- 
schenken  iiberhauft!  Die  cylindri 
sind  edele  Steine  in  Cylinderform 
geschUSen;  sie  wurden  in  jener 
Zeit  besonders  gern  zu.  Halsketten 
verwendet.  Hier  iiberhaupt  = 
Schmuck  von  Edelsteinen. 


26 


IVVENALIS 


de  nobis  post  liaec  tristis  sententia  fertur? 
dat  veniaui  eorvis,  vexat  censura  columbas.' 

fugerunt  trepidi  vera  ac  manifesta  canentem 
Stoicidae;  quid  enim  falsi  Laronia?  sed  quid 
non  facieut  abi,  cum  tu  multicia  sumas, 
Cretice,  et  banc  vestem  populo  mirante  perores 
in  Proculas  et  Pollittas?  est  moecba  Fabulla; 
damnetur,  si  vis,  etiam  Carfinia:  talem 
non  sumet  damnata  togam.    ''sed  lulius  ardet, 
aestuo/    nudus  agas:  minus  est  insauia  turpis. 
en  babitum,  quo  te  leges  ac  iura  ferentem 


65 


70 


71  infamia  <5 


63  corvi  und  cdlumbae  werden 
sprichwortlich  wie  Schwarz  und 
Weifs,  Schuld  und  Unschuld  ein- 
ander  gegfeniibergestellt,  ohne  jede 
weitere  Nebenbeziehung. 

64  — 142  Die  unnatiirliche  und 
naturwidrige  Sittenlosigkeit  vor- 
nehmer  Manner. 

64  manifesta,  unleugbar,  weil  es 
wie  ein  crimcn  manifestum  tiiglich 
mit  Augeu  zu  sehen  und  mit  Hiin- 
den  zu  greifen  war,  14,  136  cum 
furor  haud  dubius,  cum  sit  mani- 
festa  phrenesis.  —  canentem,  often- 
barte,  denn  Laronia  sprach  in 
hoherer  Begeisterung,  wie  eine  Si- 
bylla,  8,  126.  VgL  zu  15,  26:  solus 
haec  Ithacus  canehat. 

65  Stoicidae,  Stoas  Sohne;  komi- 
sche  Bildung  nach  Analogie  von 
Aeacides.  —  quid  non  facient ,  zu 

1,  119. 

66  multicia,  TtoXvGna&rj  oder  Is- 
7iToa7ta&ri,  fein  gewebte,  weiche 
oder  durchsichtige  Stoffe,  vgl.  78  Gre- 
tice  perluces.  Zuerst  trugen  die 
vestis   Serica  Libertinen,   Hor.  s.  I 

2,  101.  C.  IV  13,  13,  dann  Matro- 
nen  und  endlich  Manner  (I  27),  zu- 
letzt  sogar  vor  Gericht.  Tiberius 
erliels  dagegen  einVerbot,  ne  vestis 
Serica  viros  foedaret,  Tac.  II  33. 

67  Cretice,  also  ein  Mann,  der 
einen  stolzen  grofsen  Namen  fiihrt. 
Daa  Volk  staunt  iiber  sein  Kleid, 
weil  cs  immer  nur  eine  Ausnahme 
von  der  Regel  bildete.  Die  Sitteu- 
verderbnis  herrschte  nur  in  den 
hoheren  Standen. 

68  in  Froculas  et  Pollittas,  d.  h. 


gegen  Ehebrecherinnen.  Creticus 
ist  effriger  Anklager,  seitdem  Do- 
mitian  die  lex  lulia  de  adulteriis 
erneuert  und  verscharft  hat.  Fa- 
hulla  und  Cdrfinia  waren  jeden- 
falls  veruiteilte  adulterae,  die  als 
feminae  prohrosae  (Suet.  Dom.  8) 
bekannt  waren.  Die  Namen  Fahulla 
und  Lahulla  kommen  bei  Martial 
ofter  vor,  die  eine  als  Kokette,  die 
andere  auch  als  moecha;  Carfinia 
dagegen  wird  nicht  erwiihnt. 

70  Die  romische  Matrone  tragt 
die  stola,  d.  h.  eine  tunica  mit  der 
instita.  Die  meretrices  dagegen  und 
die  prohrosae  feminae  (d.  h.  iudicio 
puhlico  damnatae)  mufsten  die  toga 
merctricia  tragen,  wie  zu  Athen 
die  Hetaren  durch  bunte  Kleider, 
av&Lva,  ausgezeichnet  waren.  Mart. 
II  39  coccina  famosae  donas  et  ian- 
thina  moechae:  vis  dare  quaemeruit 
munera,  mitte  togam.  —  sed  —  ardet, 
zu  6,  279.  lulius  ardet  wie  luppiter 
pluit. 

71  nudus  agas,  tritt  in  der  Tunika 
auf:  dann  wird  man  dich  fiir  in- 
sanus  halten,  aber  Tollheit  ist  nicht 
so  schiindlich  als  naturwidrige 
Weichlichkeit.  Ja  (72—74)  in  alter 
Zeit  war  diese  Tracht  sogar  ganz 
gewohnlich. 

72  en  hahitum,  6,  531  cn  animam 
et  mentem,  cum  qua  di  nocte  lo- 
quantur,  9,  50  en  ciii  tu  viridem 
umhellam,  cui  sucina  mittas  grandia. 
Es  ist  alsp  uach  en  (meist  mit  Acc. 
eines  Substautivs)  ein  relativischer 
Eigenschaftssatz  mit  Konjunktiv 
wesentlich,  daher  hier  audirct.   Zu 


LIHRI  1     SATVKA  U 


27 


vulueribus  crudis  iiopulus  moilo  victor  vt  illiul 
moutanuui  jtositis  luuliret  vulgus  aratris. 
(luid  uon  proclauies,  iu  corpore  iutlicis  ista 
si  videas?  quaero,  au   deceant  tuulticia  testeui. 
acer  et  indouiitus   libertatisque  magister, 
Cretice,  perluces.    dedit  hanc  coutagio  labem 
et  dabit  in  plures,  sicut  grex  totus  in  agris 
uuius  scabie  cadit  et  porrigine  porci 
uvaque  conspecta  livorem  ducit  ab  uva. 
toedius  boc  aliqiiid  quandoque  audebis  amictu; 
uemo  repeute  fuit  turpissimus.    accipient  te 
paulatim,  qui  longa  domi  redimicula  sumunt 


75 


80 


76  deceat  F        80  porrigiue  pw:  prurigine  P         82  audclit  F 


quo  ist  Jiabitic  zu  ergiinzen.  An  Me- 
ueuius  Agrippa  allein  ist  hier  nicht 
zu  denken,  es  wiid  vielruehr  eine 
Sitte  der  altesten  Zeit  uberhaupt 
hervorgehoben. 

74  mmtanum  vulgiis,  ursiir.  die 
Bewohner  der  drei  palatinischeu 
Bezirke,  gegenviber  den  coUini,  den 
Bewohnern  des  Quirinalis  und  Vimi- 
nalis,  dann  im  weiteren  Sinne  die 
ganze  Biirgerschatt  der  Urzeit,  die 
noch  den  Pflug  fiihrte,  vgl.  Hor. 
III  0,  37-44.' 

75  ijrodamare  um  Hiilfe  rufen, 
protestieren ,  weil  die  personliche 
Freiheit  bedroht  erscheint,  dann 
iiberhaupt  Ausdruck  heftiger  Ent- 
riigtung,  Petron.  81  verberabam 
aegrum  planctibus  pectus  et  inter 
tot  altissimos  yemitus  frequenter 
etiam  procJanXaham:  ergo  me  non 
ruina  terra  potuit  liaurire?  non 
iralum  etiam  innocentibxis  mare? 

76  Welche  Gewissenhaftigkeit 
liifst  sich  von  einem  Zeugen  er- 
warten,  der  im  Florkleid  erscheint? 
Du  trittst  in  solchem  Kleide  offent- 
lich  auf,  Creticus,  und  doch  ge- 
biirdest  du  dich  als  strengen  Moral- 
prediger  der  alten  Zeit  und  Sitte 
(Jibertatis).  Das  ist  Schamlosigkeit! 

78  dedit  et  dabit,  entspricht  dem 
Pathos  der  Volkssprache,  z.  B.  Plaut. 
merc.  446  numquam  edepol  fuit  ne- 
que  fiet,  ib.  539  neqtie  est  neque  erit, 
700  nec  fiet  nec  fuit. 

80  porrigine  'Grind',  genau  be- 
schrieben  von  Cels.  VI  2,  vgl.  Hor. 


s.  II  3,  120    caput    inpexa    foedum 
jiorriginc. 

81  conspectum,  dem  conspicuum 
verwandt,  ist  immer  das  in  die 
Augen  Fallende,  das  Auffalleude, 
leicht  Bemerkbare,  wie  8,  140  omne 
animi  vitium  tanto  conspectius  in 
se  crimen  liabet,  quanto  maior  qui 
peccat  habetur ,  denn  solche  Men- 
schen  tamquam  in  luce  collocati 
sunt,  Liv.  XXXIX  6  vix  tamen  illa 
quae  tum  conspjiciebanlur  (Aufsehen 
erregten) ,  semina  erant  futurae 
luxuriae.  So  i?t  hier  die  aufsen  am 
Weinstock  hervorragende  und  be- 
raerkbare  Traube  uvu  conspecta 
genannt,  tamquam  in  luce  posita; 
sie  reift  und  fiirbt  sich  zuerst,  nach 
ihr  folgt  eine  um  die  andere,  uva 
ab  uva  Uvorem  ducit. 

82  quandoque  =  quandocumque, 
vgl.  14,  51  nam  si  quid  dignum 
censoris  fecerit  ira  quandoque,  5, 
172  pulsandum  j)raebebis  quundoque 
caput.  Dieser  Gebrauch  ist  nach- 
klassisch. 

83  repjente,  'mit  eiuem  Schlage', 
Cic.  Sulla  69  neque  enini  potest 
quisquam  subito  /ingi,  neque  cuius- 
quam  rcpente  vita  muturi  aut  na- 
tura  converti. 

84  Es  waren  Milnner,  ein  form- 
licher  geheimer  Orden,  die  unter 
sich  das  Frauenfeet  der  Bona  Dea 
mit  allen  Ceremonieen  feierten. 
Diese  Miinner  wollen  als  Weiber 
erscheinen:  sie  umwinden  die  Stirn 
mit    Kopfbinden    (rrdimicula)    und 


28 


IVVENALIS 


frontibus  et  toto  posuere  monilia  eollo 
atque  bonam  tenerae  placant  abdomine  porcae 
et  magno  cratere  deam.    sed  more  sinistro 
exagitata  procul  non  intrat  femina  limen: 
solis  ara  deae  maribus  patet.    'ite  profanae' 
clamatur  'nullo  gemit  hic  tibicina  cornu.' 
talia  secreta  coluerunt  orgia  taeda 
Cecropiam  soliti  Baptae  lassare  Cotyto. 
ille  supercilium  madida  fuligine  tinctum 
obliqua  producit  acu  pingitque  trementes 
attollens  oculos;  vitreo  bibit  ille  priapo 
reticulumque  comis  auratum  ingentibus  implet 
caerulea  indutus  scutulata  aut  galbina  rasa 
et  per  luuonem  domini  iurante  ministro; 
ille  tenet  speculum,  patliici  gestamen  Othonis, 
Actoris  Aurunci  spolium,  quo  se  ille  videbat 
armatum,  cum  iam  tolli  vexilla  iuberet  — 
res  memoranda  novis  annalibus  atque  recenti 


85 


90 


95 


10.0 


92  cotyton  PS  Cotytto  volgo        93   tactum  oj         97  scutula  aut  P 


schmiicken  den  Hals  mit  Ketten 
{monilia). 

86  Das  Fest  begann  mit  einem 
Ferkel-  oder  Suhnopfer  und  auf 
dem  Tisch  stand  verdeckt  der  Wein- 
krug,  den  man  euphemistisch  Honig- 
krug  {mellariimi)  nanute,  weil  den 
romischen  Frauen  in  LUtester  Zeit 
der  Genufs  des  Weines  streng  ver- 
boten  war. 

88  exagitata  fortgescheucht.  Ein 
wirkliches  Weib  davf  nicht  die 
Schwelle  betreten,  sie  selbst  wollen 
Weiber  sein.  Das  Gegenbild  wird 
6,  314  sq.  geschildert. 

91  In  dem  orgiastischen  Kult 
und  in  der  Ausschliefsung  des  an- 
derenGeschlechts  warendieWinkel- 
mysterien  den  Orgien  der  thraki- 
schen  Kotys  oder  Kotyto  {Kozvtco) 
ahnlich,  deren  Anhang,  die  Bdnrai, 
von  Eupolis  in  einer  Komodie  glei- 
chen  Namens  verspottet  und  als 
TQLxcov  Ttldaxai,  molles  und  calami- 
strati,  als  geschniegelte  Lustbuben 
geschildert  worden  sind. 

92  Cecropiam,  weil  sie  iu  Athen 
Aufnahme  und  Verehrung  gefunden 
hatte. 

93  Mit  ille  —  ille  —  ille  werden 
nun    drei    Bilder    des    Thuns    und 


Treibens  dieser  unnatmiichen  Man- 
ner  vorgefiihrt.  Der  eine  Weichling 
sncht  auf  kiinstliche  Weise  seinen 
Augenbrauen  und  Augenwimpern 
durch  Bemalen  ein  stattlicheres 
Ansehn  zu  geben.  Er  bestreicht  sich 
das  obere  Augenlid  mit  Bleiglanz 
{fuligo)  und  bemiiht  sich  mit  einer 
Sonde  {acu  obliqua)  die  gefarbten 
Branen  zu  erweitern,  und  .  das 
zitternde  Auge  gewaltsam  auf- 
schliefsend  trankt  er  es  (d.  h.  die 
Augeuwimpern)  mit  Farbe. 

95  Ein  anderer  trinkt  aus  gla- 
sernem  Phallos  {'priapo  ist  abl. 
instrum.  wie  12,  47)  und  legt  das 
lange  Haar  in  ein  goldenes  Netz, 
zugleich  angethan  mit  dunkler 
wellenformiger  Seide  {scutulata  sc. 
veste)  oder  einem  glatten  griinlich- 
gelben  Gewande,  wahrend  der  Diener 
bei  der  Juno  seines  Herru  schwort. 

99  Ein  dritter  hillt  einen  Metall- 
spiegel  vor  das  Gesicht,  wie  ein 
solcher  der  stete  Begleiter  des  Otho 
war  —  Parodie  des  virgilischen 
(ITI  286)  clipeus  magni  gestamen 
Abantis  -7;  auch  Actoris  Aurunci 
spolium  ist  aus  Verg.  XII  94 ,  aber 
dort  validam  vi  corripit  liastam! 

102—109  ist  Parenthese,  veran- 


LIBRI  l     SATVRA  11 


29 


historia,  speculum  civilis  sarcina  belli. 
uimirum  summi  ducis  est  occidere  Galbam 
et  curare  cutem,  summi  coustantia  civis 
Bedriacis  campis  spolium  adfectare  Palati 
et  pressum  in  facie  digitis  exteudere   i)anem, 
quod  nec  in  Assyrio  pharetruta  Samiramis  orbe, 
maesta  nec  Actiaca  fecit  Cleopatra  carina  — . 
hic  nuHus  verbis  pudor  aut  reverentia  mensae, 
hic  turpis  Cybeles  et  fracta  voce  loquendi 
libertas  et  criue  seuex  fanaticus  albo 
sacrorum  autistes,  rarum  ac  memorabile  magui 
gutturis  exemplum  conduceudusque  magister. 


105 


110 


106  bebriacis  Pco:  correcit  B        107  facie*  P 


lafst  durch  die  Indignation  des 
Dichters  bei  der  Erinnerung  an 
dieses  Ereignis.  Othos  Charakter 
war  ein  seltsames  Gemisch  von 
Leichtsinu  und  Ehrgeiz,  von  cina- 
discher  ^Veichlichkeit  (Suet.  12 
fuisse  munditiarum  paene  mulie- 
bri^im,  vuJso  corpore,  galerico  capiti 
adaptatoetadnexo)Mndihoc\ih.Qxz\giiV 
Geistesstarke  (Tac.  h.  I  22). 

102  Die  annales  sind  novi,  wie 
sie  friiher  nicht  geschrieben  wur- 
den,  denn  ihr  Stotf  ist  mutato  re- 
rum  ordine  ein  ganz  anderer  ge- 
■worden,  und  sind  zugleich  {atque) 
die  Geschichte  der  jvingsten  Zeit 
{recem  Idstorid).  Da  Tacitus  das 
speculum  des  Otho  nicht  erwilhnt, 
80  ist  kein  Grund  zn  der  Annahme 
vorhanden,  dafs  Juv.  gerade  ihn 
vor  Augen  gehabt  babe. 

105  summi  comtantia  civis  er- 
innert  an  die  letzte  Ansprache 
Othos  an  seine  Olfiziere  (Tac.  h. 
II  47):  tiec  diu  moremur ,  ego  in- 
columitatem  vestram,vos  constantiam 
meam.  Und  dafs  er  Rom  vom  Biirger  - 
krieg  durch  eigene  Selbstaufopfe- 
rung  erlosen  will,  das  ist  die  Helden- 
that  honi  civis,  non  ducis. 

106  Bedriacis  campis,  in  der 
Umgegend  von  Bedriacum:  ititer 
Veronam  Cremonamque  situs  est 
vicus,  duahus  iam  liomanis  cladibus 
notus  infaustusque  Tac.  h.  II  2.3.  — 
spolium  Palati,  der  Gen.  bezeichnet 
den  Inhalt  von  spolium.  Dieses 
soUte  bei  Bedriacnm  erst  errungen 
werden. 


107  Eitle  Frauen  pflegten  abends 
vor  Schlafengehen  sich  iiber  das 
Gesicht  einen  Teig  von  Brot,  das 
in  Eselsmilch  aufgeweicht  war, 
legeu  zu  lassen,  vgl.  6,  461.  Otho 
ahmte  in  seiner  Eitelkeit  diese  Sitte 
nach,  Suet.  12  quin  et  facicm  co- 
tidie  rasitare  ac  pune  madido  linere 
consuetum,  idque  instituisse  a  prima 
lanugine,  ne  barbatus  umquam  esset. 

108  Semiratnis  war  als  weichliche 
Asiatin  dem  Romer  verachtlich,  da- 
her  Cic.  prov.  cons.  9  an  vero  in 
Syria  diutius  est  Semiramis  illa 
(d.  h.  A.  Gabinius)  retinenda?  Se- 
miramis  und  Cleopatra  treten  beide 
im  Kriege  auf,  jene  heiter  und  froh- 
lich,  rait  dem  Kocher  bewaifnet, 
wie  eine  Amazoue  oder  .Jagdge- 
fahrtiu  der  Diana,  diese  iiber  den 
schlimmeu  Ausgang  des  Kampfes 
betriibt  oder  die  Niederlage  ahnend. 
Vgl.  Ovid.  Trist.  IV  2,  44  et  ducis 
invicti  suh  pede  maesta  sedtt  Ger- 
mania,  Prud.  S.  II  354  quasdam 
victa  dedit  Gleopalra  effigies. 

110  —  114  Die  Darstellung  des 
Festes  geht  nunmehr  weiter,  aber 
nicht  in  Einzelbildern,  sondern  iu 
zusammenfassender  Schilderung. 

110  mensae,  des  Opfertisches  mit 
dem  grofsen  Mischkrug,  vgl.  zu  86. 

111  Cybeles  libertas,  es  herrscht 
die  Ungebnndenheit,  wie  sie  in  dem 
orgiastischen  und  leichtfertigen  Kult 
der  Cybele  mit  ihren  Galli  iiblich 
zu  sein  pflegt.  Daher  fiihrt  ein 
Archigallus  (6,  518)  den  Vorsitz. 

114  gutturis  exemplum,  eine  merk- 


30 


IVVENALIS 


quid  tamen  expectant,  Phrygio  quos  tempus  erat  iam 
more  supervacuam  cultris  abrumpere  carnem? 
quadringenta  dedit  Gracchus  sestertia  dotera 
corniciui,  sive  liic  recto  cantaverat  aere; 
signatae  tabulae^  dictum  4*eliciter'^  ingens 
cena  sedet,  gremio  iacuit  nova  nupta  mariti. 
o  proceres,  censore  opus  est  an  haruspice  nobis? 
scilicet  horreres  maioraque  monstra  putares, 
si  mulier  vitulum  vel  si  bos  ederet  aguum? 
segmenta  et  longos  habitus  et  flammea  sumit, 
arcano  qui  sacra  ferens  nutantia  loro 
sudavit  clipeis  ancilibus.    o  pater  urbis, 


115 


120 


125 


■wiirdige  Gurgel,  d.  b.  Trunkenbold, 
ahnlich  wie  1,  140  qtianta  est  gula, 
quae  sibi  totos  ponit  apros.  Vgl. 
Plaut.  mil.  835,  wo  Lucrio  sagt, 
er  habe  nicht  gehen  konnen,  qriia 
enim  opsorhui:  nam  nimis  calebat, 
amburehat  gutturem  (bei  Juv.  Neu- 
trum  13,  162).  Der  archigaUus  ver- 
diente  als  Lehrmeister  dieser  Kunst 
angestellt  zu  werden,  Plin.  ep.  IV 
13,  7  parentibus  solis  ius  conducendi 
{magistri  eloquentiae)  relinquatur, 
das  Anstenungsrecht. 

115 — 116  Solche  weibische  Man- 
ner  soUten  nur  auch  vollig  Galli 
werden  (Claud.  XVIII  280  inguinis 
et  reliquum  Phrygiis  abscindere 
cultris)  und  wie  diese  sich  kastrieren 
=  quid  exspectant :  iam  dudum  de- 
bebant  supervacuam  carnem  cultris 
abrumpcre,  wie  3,  163  debuerant 
olim  migrasse,  Mart.  IV  33  ^edent 
heredes  '  inquis  '  mea  carmina ' . 
Quando?  tempus  erat  iam  te,  Sosi- 
biane,  legi  (d.  h.  gestorben  zu  sein, 
mortmim  esse),  Hor.  I  37,  4. 

117 — 135  Ist  es  doch  bereits  so 
weit  gekommen,  dafs  sich  solche 
Menschen  in  aller  Form  an  andere 
verheirateu.  So  vermahlte  sich  Nero 
im  J.  67  mit  dem  entmannten  Spo- 
rus,  den  er  seine  Sabiua  nannte. 
Suet.  28. 

117  quadringenta ,  der  Ritter- 
census,  war  die  libliche  Mitgift  der 
Senatorentochter.  Eine  Million  er- 
wahnt  Mart.  XI  23  und  XII  75  nur 
im  hyperbolischen  Sinne. 

118  sive  hic,  wie  8,  26  salve  Gae- 
tulice,  seu  tu  Silanus,  Hor.  s.  II 
6,  20  Matutinc  pater,  seu  lane  li- 


bentius  audis.  Aus  diesem  Beispiel 
ergiebt  sich,  dafs  hier  der  Zusatz 
eine  komische  Wirkung  erstrebt, 
denn  das  rectum  aes  ist  die  tuba, 
der  tuhicen  aber  steht  nicht  hoher' 
als  der  cornicen. 

119  tabulae  der  Ehekontrakt,  10, 
336  venitt  cum  signatoribus  auspex. 
Wegen  eines  gliicklichen  Ereignisses 
begriifste  man  den  Freuud  mit 
dein  Zuruf  feliciter  oder  feliciter 
quod  agis,  Sen.  ep.  67,  13. 

120  cena  sedct,  zu  1,  96. 

124  segmenta  sind  Aufsatz-  oder 
Einsatzstiicke  von  rechteckigem, 
kreisformigem  oder  streifartigem 
Schnitt,  meistens  von  Purpur,  mit 
Gold  gestickt,  welche  auf  Zeuge 
aufgeniiht  oder  so  eingeniiht  wur- 
den,  dafs  die  Unterlage  ausgeschnit- 
ten  werden  konnte.  Hier  sind  vestes 
segmentatae,  wie  unter  den  longi 
habitus  die  stola  mit  der  instita 
zu  verstehen.  Das  flammeum  war 
ein  viereckiges,  feuerfarbenes  Kopf- 
tuch,  das  auf  den  Seiten  und  hinten 
herabfallend  das  Gesicht  freiliefs, 
und  von  der  Braut  am  Hochzeits- 
tage  getragen  wurde,  vgl.  6,  225. 

1 25  sq.  Umschreibung  des  salischen 
Priesteramtes.  An  deu  Kiemen  wurde 
der  Schild  {ancile)  uber  dem  Arm 
getragen.  Das  lorumheiki  arcanum, 
weil  es  ebenso  wie  das  ancile  ge- 
weiht  war.  Das  Priesteramt  der 
Salier  gehorte  zu  den  altehrwiirdig- 
sten  und  durfte  nur  von  Patriziern 
bekleidet  werdeu.  —  Die  Apostroi^he 
0  pater  urbis  wie  6,  393  dic  mUti 
nunc,  quaeso,  dic,  antiquissime  di- 
vu)u ,   respondes   his,    Jane  pater? 


LIBRI  I    SATVRA  II 


31 


imde  uefas  taiitum  Latiis  pastoribus?  uiule 

huee  tetigit,  Gradive,  tuos  urtica  uepotes? 

traditur  eece  viro  clarus  genere  atque  opibus  vir, 

nec  galeam  quassas,  uee  terram  cuspide  pulsas,  130 

uec  quereris  patri?  vade  ergo  et  cede  severi 

iugeribus  campi,  qtiem  neglegis.    'otfieium  cras 

primo  sole  mihi  peragendum  in  valle  Quiriui.' 

quae  causa  otticii?  'quid  Cjuaeris?  uubit  amicus 

nec  multos  adhibet."    liceat  modo  vivere:  tient,  135 

tient  ista  palam,  cupieut  et  in  acta  referri. 

130  nec  quereris  patri  nec  tervam  cuspide  quassas  Priscianus  GLK. 
III  p.  275  et  3.Q0        133  iu  valle  colle  Quirini  PS 


Der  pafer  urhis  ist  Quirinus;  zu 
ihm  gesellt  sich  Gradivus  oder 
Mars.  Wie  Komuhis  und  Remns 
Sohne  des  Mars  (Hor.  III  3,  31\  so 
sind  die  Romer  als  Nachkommen 
des  Romulus  Enkel  des  Mars.  Die 
Frage  nach  dem  Grund  des  Ubels 
wird  angeregt,  hior  aber  noch  nicht 
beantwortet.  Die  Antwort  ertolgt 
erst  6,  286—300. 

129  traditur  ecce ,  Vergegen- 
wiirtiguDg  eiues  ganz  auffallendeu 
Ereignisses,  wie  4,  1  ecce  iterum 
Crispinus,  5,  67  ecce  alius,  12,  24 
fjenus  ecce  aliml  discriminis  audi, 
5,  166  ecce  dahit  iam  semesnm  le- 
porem,  6,  511  ecee  furentis  Belhmae 
matrisque  deum  chorus  intrat,  8,  203 
movet  ecce  tridentem.  —  urtica, 
ubertragen  wie  11, 108  irritamentum 
Veneris  languentis  et  acres  divitis 
urticae. 

130  galeam  quassas,  denn  bei  sol- 
chem  Anblick  mufste  er  vor  Zorn 
autfahren  nnd  dabei  Haujjt  und 
Uelm  bewegen ,  Claud.  in  Eutrop. 
III  109  vom  Gradivus :  suhrisit  cru- 
dele  j)ater  cristisfiue  micuntem  ('AQTig 
v.OQv^aCoXoq)  quassahnt  galeum.  Im 
Zorn  stofst  femer  Mar.s  mit  dem 
Speer  auf  die  Erde.  Denn  cuspis 
wird  ftir  ha.sta  gebraucht,  auch  wo 
sie  nicht  als  verwundendes  Instru- 
ment  gedacht  wird,  Verg.  XII  386 
alternos  longa  nitentem  cuspide 
gressus,  Liv.  VIII  7,  11  excussit 
equitem,  qtiem  cu.^pide  parmaque  in- 
nixum,  attoUentem  se  ah  gravi  casu, 
Manlius  ah  iugulo  terrae  adftxit. 

131  patri,  dem  Jnppiter,  mit 
Rncksicht  auf  die  ahcliche  Situation 


in  der  Ilias  V  872  sq.  Der  Cam- 
pus  ist  dem  Mars  geweiht  als  denk- 
wiirdige  Stiitte  der  severitas,  welche 
die  alten  Romer  gegen  die  Tar- 
quinier  iibten,  deren  lihido  gegen 
Lucretia  doch  viel  geringer  war 
als  die  sittlicheu  Ausschreitungen 
des  jetzigen  Adels. 

132  Der  Vorfall  ist  so  monstros, 
dafs  der  Dichter  davon  nicht  los- 
kommen  kann.  Wie  er  eben  die 
i^achsicht  des  Gottes  tadelte,  so 
verurteilt  er  jetzt  die  Schwache  der 
Menschen,  die  sich  schnldig  machen, 
weil  sie  solchen  Frevel  dulden  und 
nicht  verabscheuen.  Er  begegnet 
einem  Romer,  der  ihm  mitteilt,  dafs 
er  morgen  in  aller  Friihe  ein  officium 
zu  besorgeu  habe.  AIs  ob  es  in 
diesem  Falle  ein  officium  geben 
konnte!  Als  ob  er  sich  daniit  nicht 
zum  Mitschnldigen  machte!  .la  der 
Mensch  fiihlt  sich  ob  derEinladung 
geschmeichelt  {nec  multos  adhihet, 
vgl.  5,  16),  als  ob  die  Beriihrung 
solchen  Frevels  nicht  Schmach  und 
Siinde  ware.  Selbst  das  unnatiir- 
liche  Wort  nuhit  amicus  bringt  er 
ohne  Bedenken  iiber  die  Lippen, 
als  ware  die  Sache  natiirlich  und 
iiblich.  Und  das  alles  geht  an  der 
Statte  vor  sich,  die  an  C^uirinus 
erinnert! 

135  liceat  modo  vivere,  wenn  mir 
nnr  das  Leben  vergonnt  ist,  so 
werde  ich  es  noch  erleben,  dafs  etc. 
Denu  Verbrechen,  denen  man  solche 
Nachsicht8chenkt,mu8senmitra8en- 
der  Schnelligkeit  um  sich  greifen. 

136  Familienereignisse,  die  den 
Personenstand    betrafen,    wie    Ge- 


32 


IVVENALIS 


interea  torraentum  ingens  uubentibus  Kaeret, 
quod  nequeant  parere  et  partu  retinere  maritos. 
sed  melius,  quod  nil  animis  in   corpora  iuris 
natura  indulget:  steriles  moriuntur,  et  illis 
turgida  non  prodest  condita  pyxide  Lyde, 
nec  prodest  agili  palmas  praebere  luperco. 
[vicit  et  hoc  monstrum  tunicati  fuscina  Gracchi, 
lustravitque  fuga  mediam  gladiator  harenam 
et  Capitoliuis  generosior  et  Marcellis 
et  Catuli  Paulique  minoribus  et  Fabiis  et 
omnibus  ad  podium  spectantibus,  his  licet  ipsum 
admoveas,  cuius  tunc  munere  retia  misit.] 


140 


145 


140  inorientur  a         146  catulis  j)aulisque  pco 


burten,  Verheiratungen ,  Eheschei- 
dungen,  liefs  man  durch  den  amt- 
lichen  A  nzeiger  {aeta  diurna,  publica, 
urbana,  populi)  bekannt  niachen, 
wenn  man  die  von  der  Lex  lulia 
und  Papia  Poppaca  bestimmten 
Belohnungen  oder  iiberhaupt  recht- 
liche  Autorisation  erstrebte,  vgl. 
9,  84  toUis  enim  {filios)  et  libris 
actorwn  spargere  gaudes  argumenta 
viri,  6,  483  longi  relegit  (die  Haus- 
frau)  transversa  diurni. 

137  interea,  inzwischen,  indessen 
doch,  ist  bei  Juv.  oft  zur  reinen 
Adversativpartikel  geworden,  z.  B. 
6,  508  nuUa  viri  cura  interea,  1,  135 
optima  silvarum  inferea  pelagique 
vorabit  rex  horum,  3,  261  domus 
interea  secura  pateUas  iam  lavat, 
5,  120  struetorem  interea  saltantem 
spectes,  6, 149  interea  calet  et  regnat, 
236  abditus  interea  latet  et  secretus 
adulter,  424  convivae  miseri  interea 
somnoque  fameque  urguentur,  .8,  155 
interea  iurat  Eponam  (im  Gegen- 
satze  zu  dum  more  Numae  inven- 
cum  caedit),  10,  342  interea  tu  ob- 
sequere  imperio,  11, 14  interea  gustus 
elementa  per  omnia  quaerunt,  193 
interea  Megalesiacae  spectacula  map- 
pae  colunt,  14,  138  intcrea  pleno 
dum  turgct  sacculus  ore,  crescit 
amor  nummi. 

138  nequeant,  der  Konjunktiv 
driickt  die  Gesinnung  der  mibentes 
aus.  Den  Juv.  ahmt  nach  Claud. 
in  Eutrop.  I  72  femina  cum  senuit, 
retinet  comibia  partu  uxorisque 
decus  matris  reverentia  pensat. 


141  turgida,  indem  auf  Lyde 
selbst  ubertragen  wird,  was  sie 
wirkt.  Die  Lyde  miissen  wir  uns 
nicht  als  tmguentaria,  sondern  als 
venefica  denken,  vgl.  6,  596  huius 
tantum  medicamina  possunt,  quae 
steriles  facit  atque  homines  in  ventre 
necandos  conducit,  denn  solche  Leute 
verstehen  die  eiqe  und  die'andere 
Kunst. 

142  Diebei  denLuperkaliennackt 
herumlaufenden  und  nur  mit  eiuem 
Schurz  bekleideten  Luperci  neckten 
die  Vorubergehenden  mit  Riemen 
vonrohenZiegenfellen.  Manglaubte, 
dafs  Schlage  auf  die  Hand  Frucht- 
barkeit  oder  leichte  Entbindung 
verliehen. 

143 — 148  sind  ein  fremd^artiger 
Zusatz,  der  dem  Inhalt  der  ganzen 
Satire  widerstrebt.  Diese  handelt 
nur  von  der  effeminata  libido  der 
stoischen  Heuchleu  und  der  gecken- 
haften  Aristokratie.  Das  Auftreten 
des  Gracchus  aber  in  der  Arena 
bekundet  keine  unnatiirliche  Ver- 
weichlichung  des  Korpers  und  des 
Charakters,  sondern  im  Gegenteil 
eine  gewisse  Stiirke,  Kraft  und 
Mut,  nur  dafs  diese  an  sich  guten 
Eigenschaften  einem  unwiirdigen 
Zwecke  dienen.  Das  Auftreten  des 
Mannes  ist  seiaer  Ehre  und  seines 
Standes  unwiirdig,  aber  er  selbst 
wird  darum  nicht  zum  Weibe,  er 
iiberbietet  nicht  die  scheufsliche 
Unnatuf,  dafs  ein  salischer  Priester, 
ein  Diener  des  Mars,  segmenta  et 
flammea  sumit.   Und  wenn  der  Dich- 


LIBRI  1     SATVIJA   11 


33 


esse  aliquos  maiies  et  subterrauea  regua 
et  poutum  et  Stygio  ranas  iu  gurgite  uigras 
atque  uua  trausire  vadum  tot  milia  cumba 
uee  pueri  creduut,  iiisi  qui  uouilum  aere  lavautur. 
sed  tu  vera  puta.    Curius  quid  seutit  et  auibo 
Scipiadae,  quid  Fabricius  mauesque  Camilli, 
quid  Cremerae  legio  et  Canuis  cousumpta  iuventus, 
tot  bellorum  animae,  quotiens  hinc  talis  ad  illos 
umbra  venit?  cuperent  histrari,  si  qua  darentur 
sulpura  cum  taedis  et  si  foret  umida  laurus 
illio.    heu  miseri,  traducimur.    arma  quidem  ultra 
litora  luveruae  promovimus  et  modo  captas 


150 


155 


160 


150  et  pontum  PS:  et  contum  pco   Cocytum  Liutprandus  antapo- 
dosis  5,  S        IGO  iuvernae  x>'  iuberna  S,  erasum  P 


ter  in  derselben  Satire  zwei  Miinner 
desselben  Naraeus  (Gracchns  117 
und  14.S)  vorfuhren  wollte,  so  mulste 
er  notwendig  entweder  die  Ver- 
schiedenheit  oder  die  Identitiit  der- 
selben  zum  Ausdruck  bringen.  Das 
ganze  Einschiebsel  scheint  durch 
den  Namen  Gracchus  und  die  Ei- 
innerung  an  8,  200  sq.  .  veranlafst 
zn  sein. 

1 -19— 170  Epilog:  Die  Unnatur 
und  die  Unsittlichkeit  des  Lebens 
uuberer  Aristokratiemufsdiegrofsen 
Miinner  der  romischen  Vorzeit  noch 
nach  dem  Tode  emporen,  wenn 
ihnen  ein  Fortleben  gestattet  ist, 
und  mufs  das  imperium  Hoviaiium 
trotz  seiner  militiirischen  Erfolge 
den  unterworfenen  Vcilkeru  veriicht- 
lich  machen. 

149  csse  aliquos  manes,  dafs  es 
irgend  welche  Manen  giebt,  dafs 
sie  als  irgendwelche  Peraonlich- 
keiten  nach  dem  Tode  fortdauern. 

150  et  pontiim,  und  Gewiisser, 
wovon  dann  die  Styx  ais  ein  Teil 
besonders  genannt  wird.  Nach 
Vergil  VI  259  sq.  mvindet  der  Ache- 
ron  in  den  Cocytus  und  umschliefst 
mit  der  Styx  den  Orkus, 

152  Kinder  unter  vier  .Jahren 
hatten  die  offentlichen  Biider  um- 
sonst,  d.  h.  sie  wurden  noch  nicht 
als  Personen   geziihlt. 

153  setitit  =  sentire  putamus  oder 
putabiimcs.  Dasselbe  Motiv  benutzt 
Claud.    in    Eutr.   I   450  —  460    zur 

IvvBjrAl.is  Satveae. 


Schilderung  seiner  Entriistuug  iiber 
die  Erhebung  des  Eunuchcn  Eutro- 
pius  zum  Kousulat. 

155  Cremerac  lcgio,  die  306  der 
gcns  Fabia,  476  v.  Chr.,  vgl.  die 
Schilderung  Ovids  in  fast.  II  195  sq. 

156  tot  bellorum  animae,  die 
Seelen,  d.  h.  die  Opfer  so  vieler 
Kriege. 

Ibl  cuperent,  denn  die  Annahme 
entbehrt  uberhaupt  der  Realitat. 
Schon  durch  den  Anblick  solcher 
Scheusale  wurden  sie  sich  befleckt 
fiihlen  und  nach  Reinigung  ver- 
langen,  wenn  nur  die  Mittel  dazu 
vorhanden  wiiren. 

159  traducimur,  wir  dienen  zum 
Gespott,  maohen  uns  liicherlich, 
wie  7,  16  altcra  quos  nudo  traducit 
gallica  talo ,  8,  17  squalentis  tra- 
ducit  avos,  11,  31  in  qua  {Achillis 
lorica)  se  traducebat  Vlixes.  Juv. 
hat  das  Verbum  traducere  nur  in 
diesem  Sinne  gebraucht. 

160  luverna  =  Jerne,  Jerneland 
oder  Irland.  Juv.  scheint  zu  er- 
innern  an  Tac.  Agr.  10  ac  simul 
incoynitas  ad  id  tempus  insulas, 
quas  Orcadas  {Orkney-isles)  vocant, 
invcnit  domuitque.  Juv.  sagt  nicht, 
dafs  luverna  (Tac.  Agr.  24  Uibernia) 
bezwungen  sei,  sondern  nur,  dafs 
die  romischen  Waffen  nordlich  iiber 
Irland  hinausgegangen  seien,  Tac. 
24  eamque  partem  quae  Ilibcrniam 
aspicit  copiis  instruxit ,  dann  folgt 
der  Vormarsch  nach  Caledonien 
(c.  25  sq.).    Agricola  wurde  im  J.  85 

3 


34 


IVVENALIS 


Orcadas  ac  minima  contentos  nocte  Britannos; 
sed  quae  uunc  populi  fiunt  victoris  in  urbe, 
non  faciunt  illi,  quos  vicimus.    et  tamen  unus 
Armenius  Zalaces  cunctis  narratur  ephebis 
mollior  ardenti  sese  indulsisse  tribuno. 
aspice,  quid  faciant  commercia:  venerat  obses, 
liic  fiunt  homines.    nam  si  mora  longior  urbem 
indulsit  pueris,  non  cuiquam  derit  amator. 
mittentur  bracae  cultelli  frena  flagellum: 
sic  praetextatos  refermit  Artaxata  mores. 


165 


170 


168  cuiquam   W:  numquam  P,  umquam  co 


abberufen.  —  modo,  unter  der  letzten 
Regierung,  unter  Domitian. 

161  Tac.  Agr.  12  nox  clara  et 
extrema  Britanniae  parte  brevis,  ut 
finem  atque  initium  lueis  exiguo 
discrimine  internoscas. 

162 — 163  Diese  Verse  konnten 
der  Germania  des  Tacitus  als  MottO 
vorgesetzt  werden;  sie  geben  die 
Stimmung  wieder,  unter  deren  Ein- 
druck  Tacitus  schrieb. 

163  et  tanien,  und  doch  wird  ein 
Fall  der  Verfuhrung  eines  Armeniers 
erwahnt  (nicht  ohne  Aufsehen). 
Dieser  Vorfall  zeigt  aber  nur  die 
Ansteckungskraft  des  in  Rom  herr- 
schenden  Lasters. 

164  cunctis  epliehis  ist  Ablativ 
der  Vei'gleichung,  von  mollior  ab- 
hangig.  Der  Tribun  gehorte,  wie 
es  scheint,  zu  den  Pratorianern  und 
war  dem  Prinzen  zur  Aufsicht  und 
Begleitung  beigegeben. 

166  aspice  ist  eine  dem  Juv.  recht 
gelaufige  Ubergangsform,  vgL  5,  80. 
6,  261.  10,  209.  13,  76.  14,  275.  15, 
56  aspiceres.  —  commercia,  vgL 
Suet.  Cal.  36  quosdam  obsides  di- 
lexisse  fcrtur  commercio  mutui  shi- 
pri.    Gegen   den   obses   hatte   raan 


ganz    besondere     moralische    Ver- 
pflichtungen. 

167  liomines,  freie,  wahre  Men- 
schen,  deren  humanitas  ausgebildet 
ist,  Oic.  Tusc.  III  77  cum  niJiil  lio- 
minis  esse,  nichts  von  einem  wahren 
Menschen.  Man  gewahre  nur  die 
notige  Zeit!  Denn  wonn  die  pueri, 
die  fremde  Jugend,  langer  in  Rom 
weilt  (auffallend  indulsit  fiir  in- 
dulserit) ,  dann  wird  kein  Einziger 
seinen  amator  vermissen. 

168  Zu  non  cuiquam  derit  vgL 
3,  119  non  est  Romano  cuiquam 
locus  hic,  8,  178  lectus  non  alius 
cuiquam,  14,  6  nec  melius  de  se  cui- 
quam  sperare  xjropinquo  concedet 
iuvenis,  15,  55  vix  cuiquam  aut 
nulli,  11,  148  non  a  mangone  peti- 
tits  quisquam  erit  Armenio.  In  Prosa 
wiirde  nur  neque  cuiquam  moglich 
sein. 

169  bracae,  als  armenische  und 
persische  Tracht,  cultelli  mit  kost- 
baren  manubria  (11,  133),  frcna 
und  flagellum  fiir  die  jungen  Reiter. 

170  praetextati  mores  =  ^jrae- 
textatae  iuventutis  mores.  Daher 
spiiter  (Gell.  IX  10,  4)  verba  prae- 
textata  (frivol,  liistern)  im  Gegen- 
satz  zu  den  verba  pura  honestaque. 


LIBUI   l     SATVUA   lU 


35 


SATVRA  111 

Quanivis  iligressu  veteris  confusus  amici, 
lauclo  tamen,  vacuis  quod  sedem  figere  Cumis 
destiuet  atque  uuum  civem  douare  Sibyllae. 
iauua  Baiarum  est  et  gratum  litus  amoeui 


Sat.  III. 

Sat.  III  bebiindelt  die  Unertrilg- 
licbkeit  des  lA'bens  in  Rom  fiir 
den  kleineren  Biirger.  Die  Scbil- 
derung  der  Zustiinde  pafst  leicbt 
auf  alle  Weltstiidte,  wesbalb  aucb 
die  Satire  vielfach  nacbgebildet 
worden  ist,  u.  a.  von  Boilcau  sat.  I 
'le  depart  du  poite'  und  sat.  VI 
'hs  cmbarras  de  Faris^. 

1 — 20  Einleitung:  Umbricius  bat 
den  Ent^cblufs  gefafst,  Rom  zu  ver- 
lassen  und  nach  Cumae  iiberzu- 
siedeln.  Bei  seiner  Abreise  trifft 
er  aufserhalb  des  Capenischen  Thores 
noch  einmal  mit  seinera  Freunde 
Juvenalis  zusammen,  um  ibm  den 
Grund  seines  Handelns  darzulegen. 

1  digressu,  das  Scbeiden  des  Um- 
bricius,  Verg.  III  482  nec  mimis 
Andromaclie  digressu  maesta  su- 
premo.  Dariiber  ist  Juv.  confusus, 
betriibt,  Plin.  ep.  V  5,  1  qui  nun- 
tius  me  gravi  dolore  confudit,  zu- 
mal  Freundschaft  die  beidenMiinner 
schon  seit  vielen  Jahren  verbindet, 
veteris  amici,  wie  1,  132  vestibidis 
abeiint  vcteres  lassique  clientes,  6,215 
iUe  excludatur  amicus  iam  senior, 
cuius  barbam  tua  ianua  vidit. 

2  laudo,  kann  esnicbtmifsbilligen, 
wie  10,  28  tamne  igitur  laudas 
kannst  du  es  also  noch  mifsbilligen  V 
Umbricius  will  in  dem  menscben- 
leeren,  stillen  {■■acuis,  wie  Hor. 
ep.  I  7,  45  vacuum  Tibur,  Prop. 
I  18,  2  vacuum  nemus)  Cttmae  (Vell. 
I  4  Clialcidenscs  Cumas  in  Italia 
condidcrunt  —  Cumanos  Osca  muta- 
vit  vicinia,  d.  h.  es  blieb  nicbt  so 
griechisch  wie  Neapolis)  aeinen 
festen  Wohnsitz  nehmen,  figere  se- 
dem,  wie  Tac.  XIII  54  iamque  fixe- 
runt  {Frisii)  domos,  batten  ihre 
Wohnungen  eingerichtet,  Priap. 
63,  1  Mc  cum  fixerint  mihi  sedem. 

3  destinure  mit  Inf.  ist  archaisch 
(Nep.  XVIII  2,  4  Leonnatus  Mace- 
doniam     prucoccupare     destinavit. 


danu  iiber  biiufig  in  der  silbernen 
Latinitiit,  Piin  ep.  III  5,  20  cum 
hoc  solum  quod  lequirehas  scribere 
destinasscm,  vgl.  10,  330  cui  nubere 
Caesaris  uxor  dediticd.  In  Cnmae 
hat  jede  Seele  noch  Wert,  daher 
donarc  =  dono  dare,  wie  etwa  14,  70 
gratum  est  quod  patriae  civcm  po- 
puloqm  dedisti.  Die  vates  Sibylla 
{8,  126)  war  auf  Verlangeu  des 
Apollo  von  der  Insel  Erythrae  nach 
Cumae  gezogen. 

4  Von  Cumae  fiihrte  die  via  Do- 
mitiana  nach  Puteoli  und  nacb 
Baiae,  es  war  also  die  ianua,  d.  h. 
das  Eingaugsthor  von  Baiae,  Verg. 
II  661  patet  istinc  ianua  leto.  Die 
ganze  einladende  (gratum)  Meeres- 
kiiste  bis  Puteoli  war  mit  Villen 
und  Giirten  be?etzt  und  bot  einen 
anmutigen  Aufenthalt  allen,  die 
Erholung  und  Rube  sucbten  {amoeni 
sec.  ist  Genetivus  der  Eigenschatt 
von  litus,  folglich  gratum  priidi- 
kativ),  Hor.  ep.  I  1,  83  nullus  in 
orbe  sinus  Bais  praelucet  amoenis. 
In  der  Niihe,  gegeniiber  dem  Vor- 
gebirge  Misenum ,  liegt  die  ode 
{aspera  und  sterilis  genannte)  Insel 
Prochyta,  das  heutige  Procida, 
etwas  weiter  entfernt  die  Insel 
Aenaria  oder  das  beutige  Iscbia, 
die  viel  reizender  und  fruchtbarer 
war.  Der  kleinen  einsamen  Insel 
wird  der  lebhafteste  Stadtteil  Roms, 
die  Subura,  gegeniibergestellt,  ge- 
wissermafsen  das  Herz  Roms,  10, 
156  actum  nihil  est,  sagt  Hannibal, 
nisi  Foeno  milite  portas  frangimus 
et  media  vexillum  pono  Subura, 
11,  51  Esquilias  a  ferventi  migrare 
Subura,  141  tota  sonat  ulmea  cena 
Subura,  Mart.  XII  18  dum  tu  forsi- 
tan  inquietus  crras  clamosa,  luve- 
nalis,  in  Subura,  VI  66  famae  non 
nimium  bonne  puellam,  quales  in 
media  sedent  Subura,  vendebat  modo 
gracco  Gellianus,  Pers.  V  32  cum 
blandi  comites  totaque  impvtne  Su- 
3* 


36 


IVVENALIS 


secessus.    ego  vel  Prochjtam  praepono  Suburae; 
nam  quid  tam  miserum,  tam  solum  vidimus,  ut  non 
deterius  credas  horrere  incendia,  lapsus 
tectorum  adsiduos  ac  mille  pericula  saevae 
urbis  et  Augusto  recitantes  mense  poetas? 
sed  dum  tota  domus  raeda  componitur  una, 
substitit  ad  veteres  arcus  madidamque  Capenam. 
hic,  ubi  nocturnae  Numa  constituebat  amicae, 
nunc  sacri  fontis  nemus  et  delubra  locantur 
ludaeis,  quorum  cophinus  faenumque  supellex; 
omnis  enim  populo  mercedem  pendere  iussa  est 
arbor  et  eiectis  mendicat  silva  Camenis. 


10 


15 


ante  12    lacunam  indicavit   cum   BibbecJcio   et  17- 
lahn        16  electis  P 


■20   transposuit 


bura  permisit  sparsisse  oculos  iam 
candidus  umbo. 

6  Der  elendeste,  einsamste  Aufent- 
halt  (Prop.  I  18,  4  sola  saxa,  III 
12,  7  solos  sxtectuhis  Cynthia  montes) 
ist  immer  noch  besser  als  clie  standige 
Angst  und  Unsicherheit  des  Lebens 
inRom.  Diemce»2rf^awerdenl97sqq., 
die  lapsus  tectorumldO — 196,  andere 
Gefahren  232—308  ausgefuhrt.  Die 
Stadt  ist  grausam  (saeva),  gefiihl- 
los,  wie  ein  Tyrann  oder  ein  Folter- 
knecht  (1,  30  nam  (xuis  iniquae  tam 
patiens  urbis).  Damit  werden  scherz- 
haft  die  Qualereien  der  Dichter 
(und  Schriftsteller)  verbunden,  die 
es  auch  im  heifsen  und  ungesunden 
Monat  August  (Hor.  ep.  I  7  Sex- 
tilem  totum  mendax  desideror)  nicht 
unterlassen  konnten  zu  ihren  Reci- 
tationen  (1,  13)  einzuladen.  Plin. 
ep.  I  13  magnum  proventum  poeta- 
rum  annus  hic  attulit:  toto  mense 
Aprili  nullus  fere  dies  quo  non  re- 
citaret  aliquis.  equidem  prope  ne- 
mini  defui;  erant  sane  plerique 
amici. 

10  Doch  um  zur  Sache  zuriick- 
zukehren  (sed),  wahrend  die  gauze 
Familie  sich  auf  dem  einen  Reise- 
wagen  einrichtete  (Plin.  ep.  V  18 
villa  amoenissima  in  qua  se  com- 
posuerat  homo  felicior),  liess  U.  am 
Capenischen  Thor  Halt  machen,  ad 
veteres  arcus  madidae  Capenae,  denn 
iiber  den  Schwibbogen  des  Thores 
ging  die  Leitung  der  aqua  Marcia 
hinweg,  sodafs  die  porta  unter  einer 


Art  von  Traufe  stand:  supra  portdm 
Capenam  aquae  ductus  est  quem 
nunc  ap)pellant  arcum  stillantem 
Schol.,  Mart.  III  47  Capena  grandi 
porta  qua  pluit  gutta. 

12  Tritt  man  aus  der  Porta 
Capena  auf  die  Via  Appia  heraus, 
so  liegt  zur  Linken  der  Lucus  Ca- 
menarum.  Dieser  wird  umschrieben 
durch  die  scherzhaften  Worte  ubi 
nocturnae  Numa  constituebat  amicae 
(zu  6,  487),  Liv.  I  21,  3  lucus  erat, 
quem  medium  ex  opaco  specu  fons 
perenni  rigabat  aqua;  quo  quia  se 
persaepe  Numa  sine  arbitris  velut 
ad  congressum  deae  inferebat,  Ca- 
menis  eum  lucum  sacravit.  ,Weil 
aber  dieser  Platz  jetzt  durch  das 
Treiben  der  Juden  einen  wider- 
lichen  Anblick  und  wenig  Ruhe 
bot,  so  gingen  Umbricius  und  Juve- 
nalis  wenige  Schritte  weiter  ab- 
seits  in  die  Vallis  Egeriae,  von 
wo  aus  sie  immer  noch  die  Via 
Appia  iibersehen  konnten. 

13 — 16  enthalten  eine  satirische 
Nebenbemerkung:  statt  der  Ca- 
menen  findet  man  jetzt  (alte) 
bettelnde  (mendicat)  Judenweiber! 
Korb  (cophinus)  und  Heu  dienten 
zur  Aufbewahrung  der  Speisen  und 
des  heifsen  Wassers  fiir  den  Sabbat, 
an  welchem  das  Fasten  und  doch 
auch  jede  Arbeit,  also  auch  das 
Kochen  verboten  war.  Daher  wer- 
den  hierund  6,  542  Korb  und  Heu 
als  augenfallige  Attribute  des  Juden- 
tums  hervorgehoben.    H.  Ronsch  in 


LllUU  I     SATVRA  111 


37 


in  vallem  Egeriae  tleseeiulimus  et  speluucas 
dissimiles  veris:  quauto  praeseutius  esset 
uumeu  aquis,  viridi  si  margiue  cluderet  uudas 
lierba  uec  iugeuuuui  violarent  marmora  tofum. 

hic  tuuc  Vmbricius  'quaudo  artibus'  iu(|uit  ^honestis 
uulhis  in  urbe  locus,  nulla  emohimeuta  hiborum, 
res  hodie  miuor  est,  here  quam  fuit,  atque  eadeni  cras 
deteret  exiguis  aliquid,  proi^ouimus  ilhic 
ire,  fatigatas  ubi  Daedahis  exuit  alas, 
dum  uova  canities,  dum  prima  et  recta  senectus, 

19  aque  pco       24  deterit  R-iscianus  GLK.  III  p.  71 


20 


25 


.T.  J.  123,  G92— 696.  An  eine  eigent- 
liche  Verpachtung  des  Haines  (Zo- 
caiitur)  ist  wohl  uicht  zu  denken, 
weil  V.  15,  der  V.  13  begriindet, 
nichts  weiter  uls  die  jiidische  Kopf- 
steuer  hezeichuet,  Suet.  Dom.  12 
praetcr  ctteros  ludaicus  fiscus  acer- 
bissime  actus  est,  ud  quem  defere- 
hantur  qui  vcl  inprofessi  ludaicavi 
vivercnt  vitam  rel  dissimulata  ori- 
gine  imposita  (jenti  trihuta  non 
pcpendisscnt.  Fiir  die  Bettelei  und 
zigeunerhafte  Thiitigkeit  der  da- 
maligen  Juden  war  der  Hain  in 
der  Nahe  der  Via  Appia  sehr 
gunstig  gelegen. 

18  In  dem  Thale  der  Egeria 
waren  zum  Teil  kiinotliche  Grotten 
angebracht,  dissimiks  veris,  dazu 
marmorne  Wasserbecken.  —  Zu 
praesentius  11,  111  templorum  quo- 
que  maitstas  praesentior,  erhabener 
und  wirkungsvoUer. 

20  in/jenuum,  natiirlich,  avtocpvfi, 
Lucret.  I  230  unde  mare,  ingenui 
fontes,  extentaque  longe  flumina 
i>ufjpeditant':f 

21—57 :  Ehrliche  Thatigkeitfindet 
in  Kom  keinen  Lohn  mehr;  nur 
SchamlosigkeitundSchurkereifiihrt 
zu  Ehre  und  Macht. 

21  Vmhricius  kann  schon  der 
Zeit  nach  nicht  der  bei  Tac.  h.  1  27 
und  Plin.  h.  X  19  erwahnte /««rMSjJCvC 
].eritissimus  sein;  aber  auch  der 
(Jharakter  und  die  biirgerliche  Stel- 
lung  des  Mannes  stimmt  nicht  zur 
Thiitigkeit  einesHaruspex,  cf.  41  sqq. 
Ubrigens  klagt  selbst  Plin.  ep.  11 
20,  12  aXXu  xi  diurtivouaL  in  ea 
civitate,  in  qua  iam  pridem  non 
minora  pratmia   immo  maiora  ne- 


quitia  et  improhitas  quam  pudor  et 
vi)-tus  hahent,  und  Charinus  in  Plaut. 
merc.  836:  cgo  mihi  alios  deos  pe- 
natis  pcrscquar,  alium  Larem,  aUam 
urhcm,  aJiam  civitatem:  ah  Atticis 
ahhorreo.  nam  iihi  mores  deteriores 
increhrescunt  in  dies,  uhi,  qui  amici, 
(lui  infideles  sint,  nec^ueas  pcrnoscere, 
uhique  id  eripiatur,  animo  tuo  quod 
placeat  maxumc,  ihi  quidem  si  re- 
gnum  detur,  non  cupitast  civitas. 
Dasselbe  Motiv  behandelt  Mart. 
IV  5  und  TII  38. 

23  res  {familiaris) ,  das  Ver- 
mogen,  der  Hausstand  ist  heute 
kleiner  als  gestern,  wird  tilglich 
kleiner.  Es  bleiben  nur  armselige, 
unbedeutende  Triimmer  {exigua) 
iibrig,  aber  auch  von  diesem  VVe- 
nigen  nimmt  der  Hausstand  morgen 
noch  etwas  hinweg,  d.  h.  reibt 
sich  selbst  auf,  indem  z.  B.  das 
Mobiliar  zerfilUt  und  erneuert  wer- 
den  mufs,  wird  durch  den  Haus- 
stand  das  kleine  Vermogen  iramer 
bedenklicher  geschildigt.  Kaum 
moglich  ist  die  Verbiudung  von 
eadem  mit  urhs  als  logischem  Sub- 
jekt  der  ganzen  Satire. 

24  pjroponimus  mit  Inf.  in  der 
eilbernen  Latinitat  nicht  selten  fiir 
propositum  mihi  est  mit  Inf.  la 
Cumae  betrat  Daedalus  nach  sei- 
nem  Fluge  wieder  die  Erde  uud 
errichtete  den  Tempel  des  Apollo, 
Verg.  VI 17  Chalcidicaque  levis  tan- 
dem  super  adstitit  arce;  redditus 
his  primum  terris,  tihi,  Phoehe, 
sacravit  remigium  alarum  posuitque 
inmania  tempda. 

26  Die  senectus  des  Umbricius 
ist  noch  uicht  curva,  gebeug^,  son- 


38 


IVVENALIS 


dum  superest  Lacliesi  quod  torqueat,  et  pedibus  me 
porto  meis  nullo  dextram  subeunte  bacillo. 
cedamus  patria.    vivant^Artorius  istic 
et  Catulus,  maueant  qui  nigrum  in  candida  vertunt^ 
quis  facile  est  aedem  conducere  fiumina  portus, 
siccandam  eluviem,  portandum  ad  busta  cadaver, 
et  praebere  caput  domina  venale  sub  hasta. 


30 


dern  recta,  aufrecht,  ungeschwlicht. 
Den  Gegeusatz  zur  Kranklichkeit 
bildet  rectus  10,  189  hoc  recto  voltii, 
solum  hoc  et  puUidus  optas.  Wer 
lebt,  dessen  Faden  (stamen  10,  252) 
■wird  von  der  Parze  weitergesponnen, 
diese  hat  noch  Stoif  zum  Fort- 
spinnen  {torquere)  des  stainen,  das 
selbst  kiirzer  oder  langer  sein  kann 
(10,  252  nimio  de  stamine).  Damit 
umschreibt  Juv.  scherzhaft  den  Ge- 
danken  des  Hor.  II  3,  15  dum  res 
et  aetas  et  sororum  fda  trium  pati- 
untur  atra,  eine  Stelle,  die  zeigt, 
tlafs  auch  bei  Juv.  nach  alas  kein 
Punkt  gesetzt  werden  darf. 

28  baciilo,  armseliger  Stock, 
Kriickstock. 

29  Die  Stellung  des  bitteren  ce- 
damus  am  Anfang  des  Verses  macht 
das  Pronomen  des  Gegensatzes  (nos) 
liberflussig.  tjberhaupt  lieben  die 
Dichter  es  nicht,  das  pron.  pers. 
besonders  auszudriicken.  Vgl.  41. 
Artorius  und  Catulus  sind  Re- 
prasentanten  solcher  Menschen,  die 
in  der  Wahl  der  Mittel  zum  Fort- 
kommen  im  Leben  nicht  eben  ge- 
wisseuhaft  siud.  Mihi  quidem  luve- 
nalis  sordidos  nobiles  et  ignobiles 
perstringere  videtur,  ex  illis  Catu- 
lum  cx  his  Artorium  eligens.  Strauch. 
Das  Bild  solcher  Menscheu  ist  vor- 
gezeichnet  bei  Ov.  met.  XI  313 
Autolycus  furtum  ingeniosus  ad 
omne,  qui  facere  assuerat,  patriae 
non  degener  artis,  candida  de  nigris 
et  de  candentibus  atra,  der  was 
und  wen  er  wollte,  gut  und  schlecht 
machen  konnte. 

31  Ausfiihrung  von  Hor.  ep.  I 
1,  77  ^^(^'''S  hominum  gestit  condu- 
cere  publiea,  sunt  qui  crustis  et 
pomis  viduas  venentur  avaras,  multis 
occulto  crescit  res  faenore  {dcpavFi 
X(}rj(ic(ro:).  Die  Pachtung  von  Tem- 
peln,  Fliissen  und  Hafen  bezeichnet 


die  Ausbesserung,  Regulierung,  Ent- 
sandung  oder  Erweiterung  der- 
selben,  welche  Arbeiten  an  den 
mindestfordernden  Unternehmer 
vergeben  wurden.  Das  Particip  sic- 
candam  gehort  nur  zu  eluviem,  wie 
portandum  zu  cadaver.  Mit  jenem 
wird  die  Reinigung  der  Kloaken,. 
mit  diesem  die  Besorgung  der  Be- 
griibuisse  bezeichnet,  ein  Geschaft, 
das  gewohtilich  die  Libitinarii  am 
Tempel  der  Libitina  iibernahmen, 
Marq.  V  1,  380,  oder  fiir  Geringere 
gedungene  Leichenbestatter  {sanda- 
pilarii  oder  vespillones) ,  Hor.  s. 
I  8,  8  huc  prius  angustis.  eiecta 
cadavera  cellis  conservus  vili  por- 
tanda  locabat  in  arca. 

33  sqq.  Solche  Unternehmungen 
fiihrten  nicht  selten  zum  betriige- 
rischen  Bankerott,  wodurch  der  Be- 
triiger  infamis  wurde  und  eine  ca- 
pitis  deminutio  erlitt,  wiihrend  sein 
Vermogen  subhastiert,  d.  h.  unter 
dem  Symboi  der  aufgesteckten 
Lanze  {sub  domina  hasta)  gffent- 
lich  versteigert  wurde.  Das  Ver- 
mogen  heif&t  hier  caput,  die  ganze 
Existeuz,  d.  h.  der  Inbegriff  der 
personlichen  Ehre  und  des  Ver- 
mogens,  die  beide  sub  hasta  offent- 
lich  vcrloren  gehen.  Solche  Leute 
waren  friiher  Musikanten  (10,  214,) 
spielten  in  den  Municipien  bei 
Gelegenheit  von  Gladiatorenspielen 
{harena)  auf,  und  waren  von  Ort 
zu  Ort  ziehend  allenthalben  als 
Backenblaser  {buccae,  cf.  11,  34) 
bekannt;  jetzt  geben  sie  bereits 
selbstGIadiatorenspiele,  Mart.  III 16 
das  gladiatorcs,  sutorum  regule, 
cerdo,  quodque  tibi  tribuit  subula, 
sica  rapit,  III  59  sutor  cerdo  dedit 
tibi,  culta  Bononia,  munus,  fullo 
dedit  Mulinae:  nunc  ubi  copo  da- 
bitY  Solche  Feste  galten  fiir  um 
30  gUinzender,  je  mehr  Menschen- 


l.li:Ul   1     SATVKA   III 


39 


quoiulain  lii  eornicines  et  munieipalis  harenae 
perpetui  comites  uotaeque  per  oppida  buccae, 
muuera  uuuc  eduut  et  verso  pollice  vulgus 
quem  iubet  oceidunt  populariter;  inde  reversi 
oonducuut  torieas,  et  eur  uon  omnia?  eum  sint, 
quales  ex  humili  magna  ad  fastigia  rerum 
extollit,  quotiens  vohiit  Fortuua  iocari. 
quid  Romae  faciam?  meutiri  uescio;  librum, 
si  mahis  est,  uequeo  laudare  et  poscere;  motus 
astrorum  iguoro;  fuuus  promittere  patris 
nec  volo  nec  possum;  rauarum  viscera  numquam 


36 


40 


34  mnnicipales  PS       37  quem  pco:  qum  P  cum  'S       38  poricas  P 
40  locari  P 


leben  sie  kosteten,  Friedl.  S.-G. 
II  382,  daher  occidunt  jwpulariter. 
Wenn  ein  Gladiator  von  dem  an- 
deren  schwer  verwundet  und  eine 
Fortsetzuu^  des  Kampfes  nicht 
mehr  moglich  war,  mufsten  beide 
sich  an  das  Volk  wenden.  Wollte 
das  Volk  den  Tod  des  Besiegten, 
80  driickte  es  den  ausgestreckten 
Danmen  gegen  die  Brust  {verso 
poUice)  und  rief :  recipc  ferrum  !  Der 
Besiegte  mufste  dann  sich  hinlegen 
{decumbere)  und  ohne  den  Hals  ein- 
zuziehen  {collum  contrahere)  den 
Todesbtreich  empfangen.  Im  Falle 
der  Begnadigung  wurde  der  Daumtn 
eingedriickt  {poUicem  premere)  und 
mittc  gerufen.  War  der  editor  mu- 
neris  zugegen,  so  hatte  er  die  letzte 
Entscheidung,  konnte  sich  aber  dem 
Willen  des  Volkes  nicht  leicht 
widersetzen.  Den  Acc.  quem  be- 
stiitigt  der  Ausruf  bei  Suet.  Dom. 
15  feriat  iam  quem  volet. 
-  37  Ebcn  noch  mtmeris  editores, 
deren  Vermogen  Prunk  und  Libe- 
ralitiit  gestattet,  gehen  sie  eine 
Stunde  darauf  hin  und  pachten  die 
foricae,  d.  h.  puhJicae  latrinae,  ubi 
alcum  praetereuntes  exonerarent, 
uiule  qui  conduxissent  foricarii 
apjpeUati  vectigal  exigehant  ah  eis 
qui  secedere  cogebantur.  Und  warum 
nicht  alles  Moglichev  Sie  diirfen 
es  ja  wagen,  da  sie  einmal  die 
Lieblinge  der  Fortuna  sind.  Die 
abschliefsende  Kraft  von  omnia 
zeigt   10.   70    nam    qui   duhut   oliin 


imperium  fasces  legioties  omnia,  Suet. 
Aug.  69  TertuUam  aut  TcrenliUum 
aut  RufiUam  aut  Salviam  Titise- 
niam  aut  omnes,  Senec.  dial.  III  3,  4 
sed  diccndum  est  feras  ira  carere 
et  omnia  praetcr  hominem,  wo  Vah- 
len  nnd  Gertz  animaUa  nach  omnia 
einsetzen    wollen,  Plaut.  Aul.  305. 

40  iocari,  wie  G,  608  von  der 
Fortuna:  secretumque  sibi  mimum 
2)arat,  und  7,  197  si  Fortuna  volet, 
fies  de  rhetore  consul,  si  volet  haec 
eadem,  fies  de  consule  rhetor. 

41  Vollstiindig:  ego  quid  liomae 
faciam?  Vgl.  zu  29. 

42  Unter  den  kaptatorischen 
Regeln  des  Tiresias  bei  Hor.  s. 
II  5,  74  scribet  mala  carmina  ve- 
cors:  laudato.  Plin.  ep.  VI  21,  7 
extorquebo  ei  {  Vergilio  liomano) 
lihrum  (=  comoediam)  legendumque, 
immo  edisccndum  mittam  tihi.  — 
Zur  iiblichen  Charlatanerie  gehorten 
die  Geheimnisse  der  Astrologie,  be- 
sonders  die  Stellung  der  Nativitiit 
(6,  56C),  die  Wahrsagekanst  des 
Mathematicus,  des  Haruspex  oder 
des  Privataugurs  (6,  550.  553.  576. 
581.  585j,  14,  248  nota  mathtmati- 
cis  genesis  tua,  scd  grave  tardas 
exspectare  colus,  morieris  stamine 
nondum  dbrupto,  denn  diese  Char- 
latauerie  fiihrte  sehr  oft  zu  Ver- 
brechen. 

44  Das  ranarum  viscera  inspicere 
ist  spottische  Wendung  (6,  551) 
fiir  rubetam  parare  oder  miscere, 
wie  1,  70. 


40 


IVVENALIS 


inspexi;  ferre  ad  nuptam  quae  mittit   adulter^ 

quae  mandat,  noruut  alii;  me  nemo  miuistro 

fur  erit,  atque  ideo  nulli  comes  exeo  tamquam 

mancus  et  exstinctae,  corpus  non  utile,  dextrae. 

quis  nunc  diligitur  nisi  conscius  et  cui  fervens 

aestuat  occultis  animus  semperque  tacendis? 

nil  tibi  se  debere  putat,  nil  conferet  umquam, 

participem  qui  te  secreti  fecit  lionesti: 

carus  erit  Verri,  qui  Verrem  tempore  quo  vult 

accusare  potest.    tauti  tibi  non  sit  opaci 

omnis  harena  Tagi  quodque  in  mare  volvitur  aurum, 


45 


50 


55 


48  exstincta  et  dextra  Eremita 


45  Auch  der  Vermittler  der  Ga- 
lanterieen  fand  seinen  Lohn,  6,  233. 
277.  14,  30  conscia  matri  viryo 
fuit,  ccras  nunc  liac  dictante  pu- 
sillas  implet  et  ad  moechum  dat 
eisdew,  ferre  cinaedis  den  Vertrau- 
ten.  Solcher  Menschen  giebt  es 
genug,  norunt  alii,  sind  immer  zur 
Hand. 

46  Weil  er  nicht  zu  Erpressungen 
oder  Raubereien  in  der  Provinz 
mithelfen  will,  folgt  er  keinem 
Statthalter  in  die  Provinz  als  Legat, 
Prafekt  und  Tribun  oder  als  amicus 
in  der  cohors  praetoria,  8,  127  si 
tibi  sancta  coJiors  comitum,  Nep. 
XXV  6,  4  multorum  consulum  prae- 
torumque  praefecturas  delatas  sic 
accepit,  ut  neminem  in  provinciam 
sit  secutus,  honore  fuerit  contentus, 
rci  familiaris  despexerit  fructum, 
cum  suspiciones  quoque  vitaret  cri- 
minum. 

48  exstinctae  dextrae  ist  Gen.  der 
Eigenschaft  und  ersetzt  neben  man- 
cus  das  Adjektiv  dehilis.  Zwischen 
den  Gen.  qual.  tritt  die  Bezeichnung 
der  Person,  wie  oder  was  sie  in- 
folge  des  mancum  et  dehile  ist:  ein 
unbrauchbarer  Rumpf,  ein  truncus, 
dem  zur  Bewcgung  die  Hande 
fehlen.  Wer  Einfiufs  und  Ein- 
kommen  erstrebt,  sei  es  in  Rom 
oder  in  der  Provinz,  mufs  Mit- 
wisscr  von  Schuld  und  Schmach 
sein  konnen  (conscius  absolut),  z.  B. 
Tac.  IV  10  von  Livia,  der  Ge- 
mahlin  des  jiingeren  Drusus:  deinde 
inter  conscios  uhi  locus  veneficii 
tempusque  composita  sint  etc,  Mart. 


VI  50  vis  fieri  dives,  Bithynice? 
conscius  esto ,  nil  tibi  vel  minimum 
basia  pura  dabunt,  Juv.  2,  58  no- 
tum  est  cur  solo  labulas  impleverit 
Hister  liberto,  dederit  vivus  cur 
multa  puellae.  Der  Relativsatz  et 
cui  —  taccndis  fiihrt  den  Inhalt 
von  conscius  aus  und  erforderte 
deshalb  in  Prosa  den  Konjunktiv. 
Eine  treflFende  Schilderung  des  bosen 
Gewissens  iindet  sich  13,  194  quos 
diri  conscia  facti  mens  habet  atto- 
nitos  ct  surdo  verbcre  caedit  occul- 
tum  quatiente  animo  tortore  flagellum, 
dem  Frevler  wird  es  siedend  heifs 
(fervet),  es  kocht  in  ihm  (acstuat), 
dafs  ihm  der  Schweifs  selbst  im 
Innern  herabrinnt,  tacita  sudant 
praecordia  culpa  1,  167. 

52  secretum  in  der  arg.  lat.  als 
Subst.  ganz  gelaufig,  sowohl  als  Ein- 
samkeit  wie  als  Geheimnis,  cf.  113 
secreta  domus  und  10,  337  haec  tu 
secreta  et  paucis  commissa  putabas; 
seltener  ist  der  Geri.  Sing.,  wie  hier 
oder  Plin.  ep.  I  12,  7  uxor  omnis 
secreti  eapacissima,  Ov.  her.  21,  21 
secreti  Jonyi  causa  optima. 

53  Verri  einem  Verres  =  furi, 
wie  2,  26  si  fur  displiccat  Verri, 
homicida  Miloni,  Clodius  accuset 
moechos,  Catilina  Gethegum,  anders 
8,  106.  Deu  Gedanken  erlautert 
Tac.  VI  4  metum  et  noxae  con- 
scientiam  pro  foedere  haheri,  at 
non  patribus  reticenda  quae  audi- 
vissent. 

55  sq.  Der  Tagus  war  beriihmt  we- 
gen  seines  Goldsandes  =  harena 
quodque  volvitur  aurum  (Hendiadys, 


LIBRI  I     SATVRA  IH 


41 


ut  somno  careas  poueudaque  praemia  sumas 
tristis  et  a  maguo  semper  timearis  amico. 

quae  uuuc  divitibus  geus  acceptissima  nostris, 
et  quos   praecipue  tugiam,  properabo  fateri, 
uec  pudor  opstabit.    uou  [lossuui  terre,  Quirites, 
graecam  urbem;  quamvis  quota  portio  taecis  Acbaei? 
iam  pridem  Syrus  in  Tiberim  detiuxit  Oroutes 


60 


61  acliaei  ?  schol.  Lxicani  I  2S4:  achaeae  P 


erkliirt  14,  299)  uud  wegeu  der 
scbattifjen  Walder,  welche  seine 
Ufer  umsaumten,  daher  opacus, 
Mart.  I  49,  16  aestus  screnos  aurco 
frangcs  Tugo  obscurus  umbris  arbo- 
rum.  Dasselbe  Epitlieton  gebraucht 
in  deoiselben  Siiine  Verg.  VTI  36 
vom  Tiberis:  et  laetus  {luvio  suc- 
cedit  opaco,  wegen  des  ingens  lucus 
oliiii  lauris  consitus.  Aber  alles 
Gold  der  Welt  soll  dem  ehrlichen 
Manne  nicht  so  viel  wert  sein,  dafa 
er  dafiir  seine  Seelenruhe  hingeben 
mochte.  Denn  der  Schlaf  steht 
symbolisch  fiir  die  Ruhe  des  Ge- 
wissens,  wie  Hor.  III  1,  21,  vgl. 
13,  198  nocte  dieque  suum  (jestare 
in  pectore  testem,  220  et  quod  prae- 
cipue  mentem  sudoribus  urguet,  te 
videt  in  somjiis.  —  Die  praemia 
mufs  er  doch  einmal  wieder  her- 
geben  (ponenda),  er  konnte  sie  nur 
mit  bosem  Gewissen  nehmen,  Hor. 
ep.  I  16,  35  pone,  meum  est,  inquit: 
pono  tristisque  recedo. 

58—125  Am  widerwilrtigsten  ist 
das  tjberhandnehmen  dt-r  Griechen : 
sie  drangen  sich  in  alle  Familien 
ein  und  verdriingen  den  armen, 
ehrlichen  romischen  Klienten. 

58  gens,  Stamm,  Gesellschaft, 
Klasse  von  Leuten,  cf.  86.  Der 
Zusalz  nec  pudor  opstabit  entspricht 
zuniichst  der  Bitte  um  Freiheit,  wie 
Dem.  VIII  32  xat  (iol  ngog  9twv 
iGtco  TtaQQrjaLu,  deutet  aber  zugleich 
an,  dafs  die  Besprechung  dieser 
Verhiiltnifcse  ohne  Verletzung  des 
Schamgefiihls  sehr  schwer  ist,  dafs 
ea  dem  ehrlichen  Romer  einige 
Uberwindung  kostet. 

61  quamvis  dient  wie  sonst  quam- 
quam  der  Einfiihrung  einer  Cor- 
rectio;  po-rtio  ist  nach  dem  Ge- 
brauch   der   silbemen   Latinitat  = 


pars,  wie  13,  157  zeigt:  liaec  quota 
jmrssceJirum?  AhnlichurteiltSenoc. 
dial.  XII  6,  2  aspice  agedum  hunc 
frequcntiam,  ctli  vix  urbis  immensae 
tecta  sufficiunt:  maxima  pars  istius 
turbae  patria  carct;  ex  municipiis 
et  coloniis  suis,  ex  toto  denique  orbe 
terrarum  confluxerunt.  Als  Motive 
nennt  er  amhitio,  necessitus  officii 
publici,  luxuria,  liberaUum  studi- 
orum  cupiditas,  spectacula,  amiciliu, 
industriu,  quidum  venalcm  formam  at- 
tu1erunt,(iuidumvencdeineloqueniiam. 
62  Das  Bild  des  Stroraes,  der 
sich  iiber  Rom  ergiefst,  fitidet  sich 
auch  6,  295  hinc  fluxit  ad  istos  et 
Sybaris  coUes,  hinc  et  lihodos  et 
Miletus,  9,  132  undiriue  ad  illos 
convenient  et  carpentis  et  navibus 
omnes,  (pii  digito  scalpunt  miocaput. 
Die  Syrer  waren  dem  iiomer  an 
und  fiir  sich  veriichtlich,  118.  6,  351. 
8,  159.  Der  Orontes  lliefbt  durch 
die  Hauptstadt  Syriens,  Antiochia. 
Schon  friihzeitig  kamen  griicisierte 
Asiatinnen  unter  der  Fiihrung  eines 
leno  oder  tibicen  nach  Rom,  welche 
entweder  bei  Symposien  oder  in 
den  cauponae  spielten  und  tanzten, 
pisaltriue  sambxicistriaeciue  bei  Liv. 
XXXIX  6.  Die  syrischen  Miidchen 
hiefsen  auch  umbubaiae,  Hor.  s.  I 
2, 1,  oder  wenn  sie  niit  Kastagnetten 
(■KQotaXu)  auftraten,  crotalistriae. 
Das  gewobnlichste  Instrument  war 
das  tQiycovov  oder  die  aaii^vKTj, 
eine  Art  dreieckiger  Harfe  (iidos 
Ki&ccQug  tQLycovov),  deren  Saiten 
schriig  gespannt  waren,  obliquae 
chordae.  Um  den  orgiastischeu  La-rm 
zu  erhohen,  schlugen  andere  das 
Ta,mhour'm(tv  iinavov),  einen  breiten 
Metall-  oder  Holzreifen,  der  mit 
einem  Fell  iiberzogen  war,  und  an 
dem  ringsum  Schellen  hingen.   Der 


42 


IVVENALIS 


et  liuguam  et  mores  et  cum  tibicine  chordas 

obliquas  nec  nou  geutilia  tympaua  secum 

vexit  et  ad  circum  iussas  prostare  puellas. 

ite,  quibus  grata  est  picta  lupa  barbara  mitra: 

rusticus  ille  tuus  sumit  trechedipua,  Quiriue, 

et  ceromatico  fert  niceteria  collo. 

hic  alta  Sicyone,  ast  hic  Amydoue  relicta, 

hic  Audro,  ille  Samo,  hic  Trallibus  aut  Alabandis 

Esquilias  dictumque  petunt  a  vimiue  coUem, 


65 


70 


66  tracta  est  Vindohohcnsis        68  feret  P        69  amicdone  P 


circus  maximus  bot  in  den  Gewolben 
unterhalb  der  Sitzreihen  und  der 
ihn  umschliefsenden  Halle,  neben 
Kauf buden  (^Tac.  XV  38)  und  Kneipen 
niedersten  Schlages,  allen  moglichen 
problematischen  Existenzen  Unter- 
staud,  wie  den  sortilcgi  (6,  582)  und 
den  astrologi  de  circo  (Cic.  div.  I 
132) ,  daher  heifst  er  Hor.  s.  I  6, 
113  fallax.  Suet.  Nero  27  cenitalat 
nonnumquam  et  in  puhlico,  nau- 
machia  praeclusa  vel  Martio  campo 
vel  circo  maximo,  intcr  scortorum 
totius  urhis  et  amhuhaiarum  mini- 
steria. 

66  Die  Asiatinnen  trugen  einen 
buuten  Kopfputz  mit  herabhangen- 
den  Bandern,  picta  mitra.  Sinn: 
Mochte  meinetwegen,  wer  da  Lust 
hat,  sich  den  Dirnen  zuwenden 
{ite  bez.  eiue  Auffordernng  ilhnlich 
wie  12,  83),  schlimmer  ist  es,  dafs 
der  friiher  landliche  unverdorbene 
Romer  {rusticus  wie  6,  66)  nun  gar 
zum  griechischen  Gecken  wird  und 
seinen  Ruhm  in  der  Gymnastik 
sucht. 

67  Die  Apostrophe  an  Quirinus 
wie  2,  127  sq.  an  Quirinus  und 
Mars.  Die  Romer  waren  urspriing- 
lich  ein  montanum  vidgus  (2,  74), 
Latii  pastores  (2,  127)  gewesen,  sie 
erarbeiteten  sich  ihren  Lebensunter- 
halt  mit  dem  Pflug  <14,  181),  und 
Curius  baute  im  eigenen  Garten 
sein  Gemvise  (11,78).  Jetzt  besucht 
der  Romer  die  griechische  Palastra 
{ceroma,  v.riQ(oyia,  eig.  Wachs-  oder 
Ringerhalle,  dann  Salb-  oder  Ring- 
platz),  prunkt  mit  dem  Siegespreis, 
den  er  dort  errungen  hut  und  am 
salbcngUinzenden  Hals  tragt  (riKr/- 
TTJptoi',  nur  hier),  und  erscheint  in 


dem  stutzerhaften  Modekleid  des 
griechischen  Parasiten  {xqbxsSsl- 
■jivog,  noch  nicht  sicher  erkliirt).  Der 
ganze  Abschnitt  von  61  quamvis 
quota  portio  bis  68  bildet  eine 
durch  Indignation  hervorgerufene 
Digression;  erst  69  hic  alta  Sicyone 
kniipft  an  Graecam  urhem  in  V.  61 
wieder  an. 

69  Vou  Sikyon  lag  die  illtere 
Stadt  in  der  Ebene,  Demetrios  Po- 
liorketes  aber  verlegte  sie  von  da 
auf  die  Hohen  unt«r  der  Akroj)olis, 
20  Stadien  vom  Meer  entfernt,  daher 
(dta,  Paus.  II  7,  1.  Amydon  am 
Axios  in  Makedonien  war  die  Haupt- 
stadt  der  Piionier,  Hom.  11.  II  849. 

70  Andros,  die  urafangreichste  der 
Kykladen  nachst  Naxos,  fiel  mit 
der  pergamenischen  Erbschaft  des 
Attalos  133  V.  Chr.  an  Rom.  — 
Samos  verlor  zugleich  mit  A^chaia 
Rhodus  und  Byzantium  seine  Selb- 
standigkeit  {lihertas)  unter  Vespa- 
sian,  Suet.  8.  Tralles  lag  nordlich 
vom  Miiander  an  der  grofsen  Strafse, 
die  von  Karien  naeh  Phrygien 
fiihrte.  —  Alahanda,  am  Marsyas, 
gehorte  ebenfalls  zu  Karien,  und 
vermittelte  den  Handel  nach  Mi- 
letos,  —  Der  Hiatus  vor  der  Haupt- 
casur  {Samo,  hic)  hat  in  einem 
griechischen  Worte  nichts  Auf- 
fallendes;  er  erscheint  sogar  dop- 
pelt  Verg.  III  74  Nereidum  matri 
et  Neptuno  Aegaeo.  Vgl.  1,  151. 
10,  281.  12,  36  (nicht  110). 

71  Der  Esquilinus  hatte  wobl 
einige  hervorragende  Palaste,  doch 
wohnte  im  allgemeinen  dort  ebenso 
wenig  wie  auf  dem  angrenzenden 
Viminulis  der  voruehmere  Teil  der 
rOmischenBevolkerung,  11, bOcedere 


LIBRI  1     SATVRA  III 


43 


viscera  maguarum  domuum  dominique  futuri. 

ingeuium  velox,  audaeia  perdita,  sermo 

{n-om})tus  et  Isaeo  torrentior.    ede,  quid  illuni 

esse  putes.    quemvis  liominem  secum  attulit  ad  nos: 

granimaticus  rhetor  geometres  pictor  alijites 

augur  sclioenobates  medicus  magus,  omnia  iiovit 

Ciraeculus  esuriens;  iu  caelum,  iusseris,  ibit. 

iu  summa  non  Maurus  erat  neque  Sarmata  nec  Tlirax, 

78  iusseris  pto:  miseiis  Aroviensis,  erasa  P 


75 


itamque  foro  iam  non  cst  deierius 
ijuam  Esquilias  a  ferventi  migrarc 
Subura,  und  5,  78  wandert  der 
arnie  Klient  friihmorgt^ns  per  mon- 
tem  advcrsum  gelidasipic  Esquilias. 
Der  Griecbe  sucht  also  zuniichst 
in  t-inem  billigt-ren  Stadtteil  Unter- 
kunft,  um  allmiiblich  von  dort  aus 
iu  die  grofseu  Hiiuser  einzudringen. 

72  viscira  (die  Seele  des  Hauses) 
ist  Nominativ.  Bedeutsam  tritt  fu- 
iuri  auskiingend  an  das  Ende  des 
Verses,  wie  Verg.  I  210  illi  se 
fraedae  accingunt  dapibusquc  fu- 
turis. 

73  Die  Wortstellung  zeigt,  dafs 
die  Adjektiva  relox  (gewandt),  j)^^'- 
dita  (nichtswiirdig),  promptus  (nie 
verlegen,  schlagfertig)  pradikativ 
zu  fasaen  sind. 

74  Zu  torrcntior  vgl.  296.  10,  9 
u.  128.  Die  Vergleichung  einer 
Eigenschaft  mit  einer  Person  statt 
rait  der  Eigenschaft  derselben  {quam 
sermo  Isaei)  ist  nicht  nur  dem 
Griech.  und  Lat. ,  sondern  selbst 
dem  Deutscben  recbt  geliiufig,  vgl. 
90.  7,  72.  10,  247  (313).  15,  68. 
Isatus  war  ein  beriihmter  Sopbist 
und  Stegreifredner  aus  Assyrien, 
zur  Zeit  des  Plinius  und  Juvenalis 
unter  Trajan  in  Rom.  Mit  begeister- 
ter  Anerkennung  spricht  von  ihm 
Plin.  ep.  II  3.  —  ede  wie  296  und 
edam  1,21  und  14,317  (immer  mit 
indirektem  Fragesatz)  setzt  Samm- 
Inng  und  Uberlegung  voraus:  wae 
ein  solcher  Mensch  eigentlich  ist, 
ist  scbwer  zu  sagen,  er  beherrscht 
eben  jede  Kolle. 

76  Der  aliptes  {u).Binrr]g)  war 
bei  den  Griechen  der  Ein.salber  der 
Athleten,  bei  den  Romern  meist 
ein  Sklave,  der  den  Herrn  oder 
auch  die  Frau  des  Hauses  im  Bade 


frottierto  und  salbte,  6,  422.  Vgl. 
Weise,  die  gr.  Worter  im  Latoin.  298. 
77.  Zu  augur  vgl.  44  imd  6,  585. 
Die  ersten  Seiltiinzer  (axoivo^iirai) 
traten  iu  Rom  364  v.  Ciir.  auf  der 
Tiberinsel  auf;  zur  Zeit  des  Terenz 
waren  diese  Auffiihrungen  schon  so 
belieljt,  dafs  das  zur  Vorstellung 
der  Hecyra  anwesende  Publikum 
sich  durch  die  Produktionen  eines 
Seiltanzers  verleiten  liefs  aus  dem 
Theater  wegzulaufen.  Unter  der 
Censur  des  Messala  und  Cassius 
finden  wir  die  Akrobatik  bereits 
im  Theater,  in  der  Kaiserzeit  im 
Programm  der  ludi  Romani.  Weise 
300  sq. 

78  iusseris  =  gesetzt  du  ver- 
langst  es  von  ihm,  wofiir  6,  526  es 
vollstiindig  beif&t:  si  candida  ius- 
serit  lo,  ibit  ad  Aegypti  finem  (den 
Gebrauch  von  iuhtre  beweist  auch 
das  komiscbe  tremulumque  eaput 
descendere  iussit  in  caelum  6,  622). 
Vgl.  Cbarit.  III  2,  5  %xoi.^oq  o^vvvai 
ilq  xhv  ovqavov  dva§ag  yiai  aipd- 
lisvog  avxov  xov  diog,  Ausdruck 
griechischer  Lebbaftigkeit.  Der 
verkiirzte  Potentialsatz  ist  der- 
selbe  wie  Hor.  s.  II  7,  32  iusserit 
ad  se  Maecenas  serum  venire  con- 
vivam:  'nemon  oleum  feret  ociusP 
cum  magno  blattras  clamore  furis- 
que,  Terent.  heaut.  487  darc  dene- 
garis,  ihit  ad  illiid  ilico,  Verg.  VI 
30  tu  quoque  magnam  partem  opere 
in  tanto ,  sineret  dolor ,  Icare,  ha- 
bcres,  auch  wobl  Ov.  amor.  I  4,  29 
quod  tibi  miscuerit,  sapias,  bibat 
ipse  iuheto,  oder  Pers.  V  167  euge, 
piuer,  supias,  dis  depellentibus  agnam 
pjercute,  Senec.  VI  16,  1  par  illis 
ad  Itonesta,  libeat  modo,  facultas  est. 

79  iyi  summa,  kurz  und  gut,  ist 
abschliefsend,  Pliu.  ep.  V  1,  3  re- 


44 


IVVENALIS 


qui  sumpsit  pinnas,  mediis  sed  uatus  Atheuis. 
liorum  ego  nou  fugiam  conchylia?  me  prior  ille 
siguabit  fultusque  toro  meliore  recumhet, 
advectus  Romam  quo  pruna  et  cottona  vento? 
usque  adeo  nihil  est,  quod  uostra  infantia  caelum 
hausit  Aveutini  baca  uutrita  Sabiua? 
quid  quod  adulandi  gens  prudentissima  laudat 
sermonem  indocti,  faciem  deformis  amici, 
et  longum  invalidi  collum  cervicibus  aequat 
HercuHs  Antaeum  procul  a  tellure  tenentis, 
miratur  vocem  angustam,  qua  deterius  nec 
ille  souat,  quo  mordetur  gallina  marito? 


80 


85 


90 


80  achivis  ^) 


spondeham  non  convenire  moribus 
meis  aliud  palatn  aliud  affcre  se- 
creto,  praeterca  non  csse  satis  ho- 
nestum  donure  et  locupleti  et  orho, 
in  summa  non  jyrofuturum  ei,  si 
donasscm,  schliefslich.  Mehr  Bei- 
spiele  giebt  Hosius  App.  crit.  80. 

80  sumpsit  pinnas,  anders  14,  76 
illi  eadcm  szimj)tis  quacrurd  a7ii- 
mcdia  pinnis.  Der  Tausendkiinstler 
DaedalusgehortezudemGeschlechte 
der  athenischen  Erechthiden  und 
warUrenkel  desErechtheus.  Wegen 
eines  Mordes  vom  Ai-eopag  ver- 
urteilt  mufste  er  nach  Kreta  zum 
Eonig  Minos  fliichten. 

81  concliylium (Dem.Yon  y,oyxvlri) 
ist  das  Muschel-  oder  Schaltier 
(Mart.  XI  52, 13),  dann  insbesonderc 
die  Purpurschuecke,  endlich  (wie 
Purpur)  das  Purpurkleid,  8,  101 
Sjjartana  cldamys,  conchylia  Coa, 
also  =  Prachtgewander.  horum,i.e. 
Gracculornm,  wiihrend  vorher  der 
generelle  Singular  gebraucht  war, 
wie  1,  138.  Auch  das  folgende  ille 
bezeichnet  nicht  ein  bestimmtes 
Individuum.  Beim  Unterschreiben 
und  Untersiegeln  von  Urkunden 
(cf.  10,  336)  wurde  eine  bestimmte 
llangordnung  beobachtet.  Die  Ord- 
nuQg  am  Triclinium  ist  aus  Horaz 
Sat.  II  8,  20— 25  bekanut.  Vgl.  5,17. 
Damascener  Pflaumen  und  kleine 
syrische  Feigen  {quas  v.6xxava  vo- 
cant)  wurden  meistens  viber  Alexan- 
dria  nach  Rom  eingefiihrt.  Plin.  h. 
XIII  51. 

84   usque  adeo   am  Anfang    des 


Satzes  noch  10,  201;  sonst  gehen 
einige  Worte  voraus  5,  129.  6, 182. 
15,  82.  —  Caclum  Aventini  wie  6, 
637  caeliim Latinum .  Caelum  haurire, 
Luft  trinken,  sich  an  ihr  laben, 
nach  Verg.  X  899  Tyrrhenus  ut 
auras  suspiciens  hausit  caelum  mon- 
temque  recepit,  wo  man  gewohnlich 
oculis  zu  hausit  ea-ganzt  nach  IV 
661.  Man  sagte  ocuJis  und  auribus 
oliquid  haurire,  aber  auch  auribus 
bihere.  Curt.  V  5,  19  alium  domi 
esse  caeli  haustum  (Genufs) ,  alium 
lucis  aspectum. 

86  Ein  Muster  ist  Gnatho  in  Ter. 
eun.  248  cst  genus  hominum,  qui 
esse  primos  se  omnium  rerum  vo- 
lunt,  nec  sunt.  hos  consector,  Jiisce 
ego  non  jjciro  me  ut  videant,  sed  eis 
idtro  adrideo  ct  eorum  ingenia  ad- 
miror  simid;  quidquid  dicunt,  laudo, 
id  rursum  si  negant,  laudo  id  quo- 
que.  negat  quis,  nego,  ait  aio,  jw- 
stremo  imj)eravi  egdmet  mihi  omnia 
adsentari.  is  quaestus  nunc  est  multo 
uberrimus. 

87  deformis,  mifsgestaltet. 

89  Der  Riese  Antaeus  herrschte 
iiber  Libyen  und  besiegte  alle  Frem- 
den  imRingkampf.  Dadie  Beriihrnng 
der  Erde  ihm  immer  wieder  neue 
Kraft  gab,  so  mufste  Herkules  im 
Kampf  ihn  iiber  dem  Bodeu  in  der 
Schwebe  halten  und  in  der  Luft 
erdriicken.  Es  war  dies  das  Meister- 
stiick  griechischer  Ringkunst,  das 
aucli  die'  plastische  Kunst  ofters 
darzustellen  suchte. 

91    ille  ==  vox  illius  {mariti).  Das 


LIBRI  I     SATVRA  Tll 


45 


haec  eadem  licet  et  nobis  lamlare,  sed  illis 
oreditur.    au  melior,  cum  Thaida  sustinet  aut  cum 
uxorem  comoedus  agit  vel  Dorida  nullo 
eultam  palliolo?  mulier  uempe  ipsa  videtur, 
uon  persoua  loqui;  vacua  et  plana  omuia  dieas 
iufra  veutricuhim  et  teuui  distantia  rima. 
nec  tameu  Antiochus  nec  erit  mirabilis  illic 
aut  Stratocles  aut  cum  molii  Demetrius  Haemo: 
uatio  couioeda  est.    rides,  maiore  cachinno 
coueutitur;  tiet,  si  lacrimas  conspexit  amici, 
nec  dolet;  ignicuhim  brumae  si  tempore  poscas, 
accipit  eudromidem;  si  dixeris  "aestuo",  sudat. 


95 


100 


94  pullo  Biichner         98  tautum  ? 


Nomen  ist  in  den  Relativsatz  ge- 
setzt  und  vom  Relativprouomen 
attrabiert,  wie  Hor.  s.  I  4,  2  atque 
alii  quorum  comoedia  prisca  viro- 
rumst,  I  10,  16  (7/^  scripta  quibus 
comoedia  prisca  viris  est,  II  2,  159 
vinum  et  cuius  odorem  olei  ncqueas 
perferre.  Vgl.  zu  10,  272.  Zur  Sache 
Quint.  XI  3,  51  vox  ultra  vires  nr- 
genda  non  est:  nam  et  suffocata 
saepe  et  maiore  nisu  minus  clara 
est  et  interim  elisa  in  illum  sonum 
erumpit,  cui  Graeci  nomen  a  gaUo- 
rum  inmaturo  cantu  dederunt. 

93  Es  kann  keine  besseren  und 
naturlicheren  Schauspieler  geben 
als  die  Griechen,  und  doch  finden 
diese  in  Griechenland  keine  beson- 
dere  Bewundening  (98  nec  tamen), 
weil  eben  jeder  Grieche  ein  wunder- 
barer  Scbauspieler  ist.  Die  weib- 
lichen,  den  mannlichen  Schauspie- 
lem  schwer  erreichbaren  Rollen 
sind  die  einer  feineren  Hetare 
{Tliais),  einer  Frau,  endlich  einer 
Sklavin  (Doris) ,  die  ohne  Uber- 
gewand  {nuUo  palliolo)  nur  leicht 
mit  der  Tunica  bekleidet  ist,  etwa 
wie  6,  491  nuda  umero  Psecas  in- 
felix  nudisque  mamillis.  Schon  der 
innere  Gegensatz  von  cujtam  und 
nullo  palliolo  verbietet  die  Anderung 
von  nullo  in  pjullo.  Zu  Thaida  sus- 
tinet  (=  Tliaidis  piersonam)  vgl. 
Cic.  or.  II  102  tres  pjersonas  unus 
sustineo,  meam  adversarii  iudicis. 
Dabei  erinnert  sustinet  an  die 
Schwierigkeit  (das  Driickende)  der 
Aufgabe.    Vgl.  zu  14, 127  u.  15,  88. 


98  sqq.  erit,  bei  seinem  Auftreten.  — 
Antiochus  ist  weiter  nicht  bekannt. 
Haemus  wird  auch  G,  199  dicas 
haec  mollius  Haemo  neben  Carpo- 
phorus  als  Darsteller  weiblicher 
Rollen  genaunt.  Ubcr  Demetrius 
vgl.  Quint.  XI  3, 178  maximos  actores 
cumoediarum,  Demetrium  et  Stra- 
toclea,  placere  diversis  virtutibus 
vidimus  (also  in  Rom).  sed  illud 
minus  mirum,  quod  alter  deos  et 
iuvenes  et  bonos  putrcs  servosque  et 
matronas  et  graves  anus  optime, 
alter  acres  senes,  callidos  servos, 
parasitos,  lenones  et  omnia  agita- 
tiora  melius.  fuit  enim  natura  di- 
versa:  nam  vox  quoque  Demetri  iu- 
cundior,  illius  acrior  erat.  —  Wah- 
rend  ridere  und  risus  ein  frohes 
und  gemafsigtes  Lachen  bezeichnet, 
enthalt  cachinnare  und  cachinnus 
(10,  31  rigidi  censura  cachinni, 
11,2  quid  enim.  maiore  cachinno 
excipitur  vulgi,  Pers.  I  12  sum  pe- 
tulanti  splene  cachinno)  ein  ausge- 
lassenes  und  gellendes  GelLichter, 
'vi'\%y.ayxttXuv.  —  Er  darf  nurThriinen 
sehen,  dann  weint  er,  d.  h.  er  ver- 
giefst  nicht  nur  Thriinen  {laa-imat), 
sondern  ist  auch  schmerzlich  er- 
griffen  {flet),  nec  dolet  ohne  doch 
im  Innern  des  Herzena  Teilnahme 
zu  empfinden. 

103  accipit  (uicht  arripit)  er 
nimmt  zu  dem  Kleid,  das  er  triigt, 
den  Flaus  noch  hinzu  (zu  Hiilfe), 
wirft  ihn  iiber,  wie  Mart.  II  praef. 
video  quare  tragoedia  atque  comocdia 
episttdam  accipiant,  quibus  pro  se 


46 


IVVENALTS 


Don  sumus  ergo  pares:  melior,  qui  semper  et  omnis 
nocte  dieque  potest  aliena  sumere  vultum 
a  facie,  iactare  manus,  laudare  paratus, 
si  bene  ructavit,  si  rectum  minxit  amicus, 
si  trulla  iuverso  crepitum  dedit  aurea  fundo. 
j^raeterea  sanctum  nihil  est  nec  ab  inguine  tutum, 
non  matrona  laris,  non  filia  virgo,  neque  ipse 
sponsus  levis  adhuc,  non  filius  ante  pudicus; 
horum  si  nihil  est,  aviam  resupinat  amici. 
scire  volunt  secreta  domus  atque  inde  timeri. 

104  omni  Pco,  corr.   W        109  est  nec  om.  P  add.  p 


105 


110 


loqui  non  licet,  epigrammata  curione 
non  egent  et  contcntn  sunt  sua 
lingua.  Die  ivdgouig  ist  ein  dicliter 
Uberwurf  aus  zottigem  Wollenzeuge, 
fiir  Frauen  mitunter  von  syrischem 
Purpurstoff.  Man  hiillte  sich  in  ihn, 
um  sich  gegen  Erkiiltung  zu  schiitzeD, 
besonders  nach  gymnastischen 
Ubungen,  wie  6,  246.  Mart.  IV  19 
quae  iMcedaemonium  barbara  no- 
vien  liabet. 

104  Das  melancholische  Selbst- 
bekenntnis  non  sumus  ergo  pares 
gewahrt  der  bisherigen  lebhaften 
Schilderung  einen  Ruhepunkt,  da- 
mit  diese  in  echt  juvenalischer 
Weise  sofort  wieder  von  neuem 
anheben  kann.  Der  Grieche  kann 
nicht  nur  bei  jeder  Gelegcnheit 
{semper),  sondern  auch  mit  jedem 
Teile  seines  Wesens  {omnis),  mit 
ganzer  Seele  eine  beliebige  Miene 
und  Stimmung  annehmen,  wie  Hor. 
ep.  I  1,  11  omnis  (sonst  totus)  in 
Jioc  sum,  s.  1  4,  6  liinc  omnis  pendet 
Lucilius,  c.  III  30,  6  non  omnis 
moriar.  Dagegen  ware  et  omni  nocte 
dieque  uicht  lateinisch,  denn  ganz 
verschieden  ist  Mart.  IX  62  tinctis 
murice  vestibus  omni  et  nocte  utitur 
et  die  Philaenis,  oder  Stat.  s.  I  4, 
117  quis  omni  luce  mihi,  quis  nocte 
timor. 

106  iactare  manus  als  Ausdruck 
leidenschaftlicher  Verwunderung, 
Quint.  XI  3,  179  manus  iactare  et 
dulces  exclamationes  theatri  causa 
j)roducere,  vom  Schauspieler  De- 
metrius,  VI  3,  54  Afer  enim  venuste 
Manlium  Suram,  midtum  in  agcndo 
discursantem ,  salicntem,  manus  iac- 
tantem,  togam   deicicntem   et  repo- 


nentem,  non  agere  dixit  sed  satagere, 
X  3,  21  tum  illa  quae  altiorem 
animi  motum  secuntur  quaeque  ipsa 
animum  quodammodo  concitant,quo-' 
rum  cst  iactare  manum ,  torquere 
vultum,  femur  et  latus  interim  ob- 
iurgare.  Verschieden  ist  4,  118 
iactare  basia. 

107  rectum  minxit,vfie  1, 16  altum 
dormire,  14,  295  aestivum  tonat.  Es 
ist  durch  nichts  angedeutet,  dafs 
der  hier  erwahnttj  Vorgangan  die 
Speisetafel  zu  verlegen  ist. 

108  Die  trulla  aurea  ist  die  gol- 
dene  matella  des  Reichen  (Mart.  I 
37  ventris  onus  misero,  nec  te  pudet, 
excipis  auro)\  er  hat  einen  fundiis, 
den  anus.  Indem  dieser  sich  um- 
dreht  {invertitur) ,  erfolgt  aus  der 
matella  der  crepitus.  Schon  die 
Scholien  richtig:  si  pepederit.  Ein 
ahnliches  Wortspiel  findet'  sich 
schon  Plaut.  capt.  178  profundum 
vendis  tu  quidem,  haud  fundum 
mihi:  er  denkt  an  den  venter ,  wie 
curc.  121  age  ecfunde  hoc  cito  in 
barathru  m ,  proluepropcre  cloacam. 

110  Der  Zusatz  laris,  virgo,  levis, 
ante  pudicus,  steigert  den  siind- 
haften  Frevel.  Der  sponsus ,  noch 
jung  und  bartlos,  ist  der  Tochter 
des  Hauses  verlobt.  Verlobung  und 
Heirat  erfolgten  mitunter  in  sehr 
friihem  Alter,  und  die  physische 
und  moralische  Reife  pflegte  sich 
nicht  immer  gleichmafsig  zu  ent- 
wickeln.  Der  Verfiihrung  war  also 
viel  Spielraum  gegeben. 

112  Zu  resupinat  vgl.  6,  126  et 
rcsupina:  iacens. 

113  Sie  wollen  eben  in  alle  Ge- 
hcimnisse  des  (vornehmen)  Hauses 


LlCUi 


.^Ar\  i;a  111 


47 


et  quoniam  cogit  Graecorum  mentio,  transi 
jrymnasia  atque  audi  taciuus  maioris  abollae. 
stoicus  occidit  Baream  delator  amicum 
discipulumque  senex  ripa  uutritus  in  illa, 
ad  quam  Gorgouei  delapsa  est  piuna  caballi. 
non  est  Romano  cuiquam   locus  liic,  ubi  regnat 
Protogenes  aliquis  vel  Diithilus  aut  Hermarchus, 
qui  gentis  vitio  numquam  partitur  amicum. 


115 


120 


114  cogit   11':  coepit  Pu)         117  discipulamque  Fr.  RUter 


eindringen :  daruni  sclienen  sie  kein 
Mittel,  auch  niclit  die  widerlichste 
Vertraulichkeit.  Tac.  lY  7  et  secreta 
quoqtte  eiiis  corrupta  uxare  pro- 
dihantur. 

114  Mit  innerem  Widerstreben 
erwiihnt  der  Dichter  die  ganz  aufser- 
ordentliche  Xiedertrachtigkeit  des 
meineidigen  Philosophen  Egnatius 
Celer:  weil  denn  die  Erwahnung 
der  Griechen,  das  Thema  selbst 
mich  dazu  zwingt,  so  ubergehe 
meinetwegen  die  kleineren  Sunden 
in  den  Gymnasien  und  vernimm 
dafur  einen  Frevel,  der  alles  uber- 
bietet,  einen  Frevel,  den  bereits 
ein  alterer,  ergrauter  Kopf  ersonnen 
und  ausgetuhrt  hat.  In  den  Gymna- 
aien  ist  die  Jugend,  die  minores. 
Ihr  gegenuber  steht  der  altere 
Mann  imaior).  Wie  die  griechische 
Jugend  die  x^-^fii'?,  gewissermafsen 
die  toga  praetexta,  trug,  so  erscheint 
der  iiltere  Mann  in  der  ahoUa,  der 
weiteren  chlamijs.  Es  wird  aber 
das  Epitheton  {viaior),  welches  die 
Person  bezeichnfet,  auf  die  Kleidung 
ubertragen.  Denn  dem  Philosophen 
an  sich  ist  die  ahoVa  nicht  eigen, 
wie  sie  uberhaupt  keinem  beson- 
deren  Stande  angehort.  Ebenso 
wenig  lafst  sich  in  der  ahoJla  ohne 
weiterea  der  zgi^cov  erkennen. 

116  Den  Prozefs  des  Paetus 
Tlirasea  und  des  Barea  Soranus 
berichtet  Tac.  XVI  21—33.  In  den 
Prozefs  verwickelt  und  verurteilt 
wnrde  auch  Servilia,  die  Tochter 
des  Soranus:  Thraseae  Soranoque 
et  Serriliue  datur  mortis  arbitrium. 
Die  Vernrteilnng  wnrde  bewirkt 
durch  das  Zeugnis  des  P.  Egnatius 
Celer,  von  dem  Tacitus  sagt:  cliens 
hic  Sorani,  et  iunc  emptus  ad  op 


primendum  amicum,  auctoritatem 
Stoicae  sectae  praeferebat,  habitu  et 
ore  ad  exprimendani  imagitiem  ho- 
nesti  exercitus,  ceterum  animo  per- 
fidiosus  suhdolus,  aiaritiam  ac  libi- 
dinem  occultans,  quac  postquam 
pccunia  rechisa  suni,  dedit  e.cem- 
plum  praecavendi,  quomodo  fraudi- 
bus  inioJutos  aut  flagitiis  comma- 
culatos,  sic  specie  bonarum  urtium 
falsoset  amicitiae  fallaces.  Egnatius 
wurde  nach  Neros  Tod  von  Muso- 
nius  Rufus  wegen  falschen  Zeug- 
nisses  belangt  und  verurteilt,  Tac. 
h.  IV  10  u.  40. 

V.  1 18  umschreibt  die  Stadt  Tarsos, 
deren  Namen  man  aus  dem  dort  er- 
folgten  Sturz  des  Bellerophon  er- 
klarte,  Dion.  Perieg.  869  Tagabv 
ivy.tiutvr,v,  Z&i  di^  nozs  nrjyuGog 
Lmro;,  ragaov  acpslg  xcoga»  —  linsv 
ovvoua.  Nach  Dio  C.  62,  26  stammte 
allerdings  Egnatius  aus  Berytns 
(Beirat)  in  Phonikien,  er  scheint 
aber  in  Tarsos  seine  Bildung  em- 
pfangen  zu  haben.  Denn  Juv.  sagt 
rijja  nutritus  in  illa,  nicht  natus. 
Der  riofs  ist  der  Kydnos,  mit  pinna 
erklarte  man  vielfach  auch  TUQOog. 
Der  Pegasns  war  eine  Geburt  der 
Gorgo  und  des  Poseidon. 

120  sq.  Protogenes  erklart  Stranch 
49  nach  Cic.  phil.  II  15  hodie  non 
descendit  Antonius.  Curi'  dat  nata- 
liciam  in  hortis.  Cui?  nemincm  %o- 
minaho :  putate  tum  Phormioni 
alicui,  tum  Gnathoni,  tum  etiam 
BaUioni.  Es  ist  also  ein  Mann  wie 
Protogenes  oder  Diphilos  oder  Her- 
marchos,  deren  Namen  in  irgend 
einera  Litteraturwerk  der  Zeit  eine 
Kollespielenmochten. —  Dieschroffe 
Gegeniiberstellung  von  numquam 
pnrtitur ,    solus    hahet    findet    sich 


48 


IVVENALIS 


solus  habet;  nam  cum  facilem  stillavit  in  aurem 
exiguum  de  naturae  patriaeque  veneno, 
limine  summoveor,  perierunt  tempora  longi 
servitii:  nusquam  miuor  est  iactura  clientis. 

quod  i)orro  officium,  ne  nobis  blaudiar,  aut  quod 
pauperis  hic  meritum,  si  curet  nocte  togatus 
currere,  cum  praetor  lictorem  impellat  et  ire 
praecipitem  iubeat  dudum  vigilantibus  orbis, 
ne  prior  Albinam  et  Modiam  collega  salutet? 
divitis  hic  servo  cludit  latus  ingenuorum 


125 


130 


127  curret  S         130  nec  P        aut  modiain  p         131  servi  pm 


ebenfalls  Lucan.  I  290  socerum  de- 
2)ellere  rcgno  decretum  est  genero; 
partiri  non  potes  orhem,  solus  habere 
potes! 

123  umscBreibt  den  BegrifF  ca- 
luninia;  die  Kunst  der  Verleumdung 
gehort  zum  Charakter  des  Griecheu 
und  der  Griecheu  iiberhaupt  (2J«- 
triae).  Damit  geht  die  Frucht  (tem- 
pora)  des  langen  Dienstes  (Hor.  s. 
JI  5,99)  verloren,  indem  derPatron 
uicht  mehr  au  die  lange  Zeit  {tem- 
pora)  der  aufopfernden  Klientel 
denkt  und  sie  in  Rechnung  zieht. 
In  dem  Hause,  in  dem  sich  der 
Grieche  eingedrangt  hat,  wird  der 
Verlust  eines  Klienten  leicht  ver- 
schmerzt.  Dieselbe  Phrase  an  der- 
selben  Versstelle  6,  91. 

126—189:  Es  ist  iiberhaupt  eitle 
Selbstverblendung,'  wenn  der  Arme 
noch  glaubt,  er  konne  dem  Patron 
einen  Dienst  leisten.  Nur  Reichtum 
wird  geachtet,  Armut  macht  lacher- 
lich.  Der  Arme  kann  in  Rom  auch 
nicht  emporkommen,  wie  etwa  in 
einer  kleinen  Stadt,  sondern  er  wird 
zu  Schulden  genotigt,  da  selbst  der 
Dienst  des  Klienten  nur  Ausgaben 
verursacht. 

126  porro  fast  =  vero:  iiberhaupt 
ist  fiir  den  Armen  ein  Dienst  gar 
nicht  mehr  moglich.  Ahnlich  steht 
porro  7,  98  vester  p)orro  labor  fe- 
cundior?  und  11,  9  muttos  iwrro 
vides,  6,  240  utile  porro  (=  vero) 
filiolam  turpi  vetulae  producere  tur- 
pcm.  Der  togatus  (hier  =  als  To- 
gatus,  in  der  Toga)  ist  der  Klient, 
Mart.  I  108,  7  sed  tihi  non  multum 
est,  unum  si  praesto  togatum,  d.  h. 


morgens  bei  der  salutatio  erscheine, 
zu  der  der  Klient  nur  in  der  Toga 
zugelassen  wurde. 

128  Der  Prator  treibt  den  voran- 
schreitenden  Liktor  zu  grofserer 
Eile  an,  da  er  fiirchtet,  die  unver- 
heirateten  oder  verwitweten  und 
kinderloseu  Frauen  {orhae,  vgl.  12, 
99),  denen  er  seine  Aufwartnng 
machen  will,  konnten  schon  langst 
ausgeschlafen  haben  und  ihm  sein 
Kollege  bei  ihnen  zuvorkommen, 
10,  162  mirandusque  cliens  sedet  ad 
praetoria  regis,  donee  Bithyno  liheat 
vigilare  tyranno. 

131  V7ie  der  Prator  und  sein 
Kollege  sich  um  des  lieben  Geldes 
willen  erniedrigen,  so  scheut  sich 
ein  andei'er  Qiic)  nicht,  mit  dem 
Sklaven  eines  Reichen  zu^  geheu 
und  ihm  die  rechte  oder  Waffen- 
seite  zu  iiberlaasen,  wiihrend  er  selbst 
zur  Linken,  der  Schildseite,  sich 
bewegt;  darum  cludit  latus  wie 
Hor.  s.II  5, 18  tegere  latus:  ne  tamen 
ilJi  tu  comes  exterior,  si  postulet, 
ire  recuses.  Utne  tegam  spurco 
Damae  latus?  Und  warum  diese 
Demutigung?  Der  Reiche  {alter, 
was  dem  hie  korrespondiert  wie 
246)  kann  den  ganzen  Tribunenge- 
halt  (25000  Sesterzen  =  5400  Mark) 
auf  einmal  an  eine  Cahina  \er- 
schweuden.  Nach  dem  Scholiasten 
{praetoris  cuiusdam  soror,  quae  se 
occidit  tamquam  infamis  in  fratre 
tcmporihus  Claudii)  ist  es  nicht 
uuwahrscheinlich,  dafs  an  Junia 
Calvina',  die  Schwester  des  Silanus, 
zu  denken  ist,  Tac.  XII  2  igitur 
ViteUius  ferre  crimina  in  Silanum, 


LIBKl   1     ^ATVKA   111 


40 


filius;  altor  enim  quiuitum  iu  logione  tribuni 
accipiuut,  douat  Calvinae  vel  Catieuae, 
ut  semel  aut  iterum  super  illam  palpitet;  at  tu, 
cum  tibi  Vestini  tacies  scorti  placet,  baeres, 
et  dubitas  alta  Cbionen  deducere  sella. 
da  testem   Komae  tam  sauctum,  quam  fuit  bospes 
numinis  Idaei,  procedat  vel  Numa  vel  qui 
servavit  trepidam  flagranti  ex  aede  Minervam: 
protinus  ad  censum,  de  moribus  ultima  fiet 
quaestio.     ''quot  pascit  servos?  quot  possidet  agri 
iugera?  quam  multa  magnaque  paropside  cenat?" 
quautum  quisque  sua  uummorum  servat  in  arca, 


135 


140 


135  Vestini  IT"":  vestiti  Pco 
142  iugera  om.  P  add.  pto 


136  asella  j^       14:1  agros  P.    agri  pca 


cuius  sayie  decora  it  procax  soror, 
lunia  Calvina,  haud  multo  ante 
VittUi  niirus  fuerat,  fratrumqtie 
iion  incestuni  sed  incustoditum  amo- 
rem  ad  infumiam  iraxit.  Silanus 
mortem  sibi  conscicit  (ib.  c.  8),  Cal- 
vina  Italia  pulsa  est.  Jnv.,  der 
strenger  als  Tacitus  urteilt,  fiigt 
hinzn:  vel  Caticnae  oder  auch  einer 
Catitna,  deren  Namen  eine  Abbil- 
dung  Ton  Catia  bei  Hor.  s.  I  2,  95 
zu  sein  scheint,  wozu  Porph.  be- 
merkt:  ob  pulchritudinem  crurum 
pudore  neglecto  alta  veUe  uttbatur. 
haec  autem  adeo  vilis  fuit,  ut  in 
aede  Veneris  theatri  Pompeiani  ad- 
uUerium  cum  Valerio  Aciscido  tr. 
pl.  obducto  velo  cammiserit.  Der 
Zusatz  deutet  an,  dafs  Calvina  nicht 
viel  besser  gewesen  ist  {decora  et 
procaxj. 

134  at  tu,  wie  264  und  1,  50. 
Dagegen  der  scblichte  ebrliche  Ko- 
mer  halt  an  sich  Qiaeres),  wenn  ihm 
das  Gesicht  eines  heimischen  (TV 
stini  ein  sabellischer  Volksstamm 
Mittelitaliens)  scortum  gerallt,  und 
tragt  voUends  Bedenken  eine  mcre- 
trix  wie  Chione,  die  auf  einer  sella 
oder  cathedra  sich  vornehm  ge- 
biirdet,  heriibsteigen  zu  lassen  {de- 
ducere).  Chione  wird  von  Martialis 
wegen  ibrer  Schonheit  geriihmtund 
al.s  Typus  einer  meretrix  i-.ahT  oft 
erwabnt:  I  34.  92.  Ul  30.  34.  83. 
87.  97.  XI  60.  Die  Ver.se  at  tu  .  .  . 
deducere   sella   enthalten    eine    Di- 

IvvKKAi.ig  Satv-kak. 


gression,  um  die  leichtsiunige  Ver- 
schwendung  der  Grofsen  Roms  in 
um  so  grellerem  Lichte  erscheinen 
zu  lassen. 

137  Der  arme  Klient  wird  also 
verdrangt,  die  unedle  nnd  leicht- 
fertige  Gesinnung  der  Grofsen  Uifst 
ihn  nicht  aufkommen  (126  —  134). 
Selbst  die  strengste  Redlichkeit  ist 
ohne  Vermogen  in  Rom  mifsachtet. 
Scipio  Nasica  wuvde  fiir  den  vir 
optimus  erkliirt  (205  v.  Chr.),  indem 
er  den  Auftrag  erhielt,  das  Bild 
der  phrj-gischen  Gottermutter  nach 
Rom  zu  fiihren;  denn  das  Orakel 
zu  Delphi  hatte  den  Bescheid  ge- 
geben:  cum  Romam  deam  devexis- 
sent,  tum  curarent,  ut  eam,  t/ui  vir 
optimus  Romae  esset,  hospitio  ac- 
ciperet  Liv.  XXIX  11,  6. 

139  L.  Caecilius  Metellus  rettete 
bei  einem  Brande  des  Vestatempels 
(241  v.  Chr.)  das  Palladium,  verlor 
aber  dabei  das  Angenlicht  (Caecus), 
6,  265  neptes  Lepidi  caecive  MeteUi. 
Die  EUipse  eines  verbum  dicendi 
wie  XI  4  omne  theatrum  tle  Rutilo, 
5,  107  ipsi  pauca  velim,  13,  181 
nempe  hoc  indocti,  Nagelsbach  Stil. 
§  183,  1. 

142  Tzaooiliig  bedeutet  zunachst 
eine  kleinere  kostbare  Schiissel  zum 
Auftragen  feiner  Gerichte,  dann 
kollektiv  das  silberne  Tafelgeschirr 
iiberhaupt;  mitunter  wird  es  von . 
jeder  Art  von  Schiisseln  gebraucht. 
Marquardt  V  2,  250. 
4 


50 


IVVENALIS 


tantum  habet  et  fidei.     iures  licet  et  Samotliracum 

et  nostrorum  aras,  contemnere  fulmina  pauper 

creditur  atque  deos  dis  ignoscentibus  ipsis. 

quid  quod  materiam  praebet  causasque  iocorum 

omnibus  bic  idem,  si  foeda  et  scissa  lacerna, 

si  toga  sordidula  est  et  rupta  calceus  alter 

pelle  patet,  vel  si  consuto  vulnere  crassum 

atque  recens  linum  ostendit  non  una  cicatrix? 

nil  habet  infelix  paupertas  durius  in  se, 

quam  quod  ridiculos  homines  facit.     "exeat"  inquit 

"^si  pudor  est,  et  de  pulvino  surgat  equestri, 

cuius  res  legi  non  sufficit,  et  sedeant  hic 

lenonum  pueri,  quocumque  ex  fornice  nati, 

hic  plaudat  nitidi  praeconis  filius  inter 

piuuirapi  cultos  iuvenes  iuvenesque  lanistae": 


145 


150 


155 


156  in  fornice  pco 


144  iurare  aliquem  oder  aliquid 
=  beim  SchworeH  anrufen,  oder 
beim  Schworen  anfassen,  14,  219 
Cereris  tangens  aramque  pedemque, 
Daher  der  Acc,  wie  Hor.  ep.  II  1,  16 
iurandasque  timm  per  numen  poni- 
mus  aras.  Abnlich  sagte  man  ter- 
ram  mare  sidera  und  numina  iurare. 
—  Die  samothrakischen  Mysterien 
wurden  in  der  Romer  Zeit  den  eleu- 
sinischen  gleich  geachtet,  Tac.  II 54. 

145  Der  Blitzschlag  wurde  ofters 
als  Aufserung  gottlichen  Zornes  und 
strafender  Gerechtigkeit  aufgefafst, 
13,  226  quasi  iratus  cadat  in  terras 
et  iudieet  ignis. 

146  dis  ignoscentibus  ipsis,  die 
Notlage  des  Armen  wiirdigend, 
iihnlich  wie  15,  100  und  105. 

*147  Zu  materiam  vgl.  10,  47  tum 
quocpie  materiam  risus  invenit. 

149  sordidula  nicht  ganz  blendend 
weifs,  Mart.  I  103  sordidior  multo 
post  hoc  toga,  paenula  peior,  cal- 
ceus  est  sarta  terque  paterque  cute. 
152  Asyndeton  summativum:  Ja 
das  ist  das  Traurigste  an  der  Armut, 
dafs  sie  liicherlich  macht.  Damit 
wird  wieder  der  Boden  bereitet  zu 
einer  neuen  Expektoration.  Es  folgt 
eine  Scene  im  Theater.  Die  lex 
Roscia  de  XIV  ordinibus  riiumte 
die  ersten  14  Sitzreihen  ausschliefs- 
lich  den  Rittern  ein.  Dieses  Gesetz 
scharfte  Domitian  wieder  in  seiner 


Censur  ein,  Suet.  8  suscepta  eor- 
rectione  morum  liccntiam  theatralem 
promiscue  in  equite  (in  den  14 
Reihen)  spectandi  inhibuit,  und  liefs 
durch  bestimmte  designatores  (wir 
kennen  aus  Martial  Leitus  und 
Oceanus)  streng  darauf  achten,  dafs 
sich  kein  Dnberechtigter  einschlich. 
Der  Rittercensus  betrug  400  000 
Sesterze  (14,  324),  der  in  jener  Zeit 
von  Emporkommlingen  aus  dem 
niedersten  Stande  sehr  haufig  er- 
reicht  wurde. 

156  Unter  den  lenones  sind  Eltern 
zu  verstehen,  wie  sie  1,  55  geschil- 
dert  sind.  Das  quocumque  ex  for- 
nice  nati  (stammend)  wird  durch 
6,  116sqq.  erklart,  denn  Messalina 
war  nicht  die  einzige  Frau  dieses 
Schlages. 

157  Der  praeco  ist  nitidus,  denn 
er  hat  viel  Geld  verdient,  Mart. 
V  56  artes  discere  vult  pecuniosas? 
fac  discat  citharoedus  aut  choraules; 
si  duri  puer  ingeni  videtur,  prae- 
conem  facias  rel  arcliitectum,  6,  8 
praetores  duo,  quattuor  tribuui,  sep- 
tem  causidici,  decem  poetae  cuius- 
dam  modo  nuptias  petebant  a  quo- 
dam  sene.  non  moratus  iUe  praeconi 
dedit  Eulogo  puellam. 

158  In  die  Schule  eines  beriihm- 
riihmten  pinnirapus  oder  lanista 
begaben  sich  die  aristokratischen 
Jiinglinge    {iuvenes),    um    hier    das 


LIBRI  I     SATVRA  111 


51 


sic  libitum  vaiio,  qui  iios  distinxit,  Otlioni. 

quis  ijjeuer  hic  placuit  ceusu  minor  atque  puellao 

sarciuulis  iuparV  quis  pauper  scribitur   heresV 

quaudo  iu  consilio  est  aedilibus?  agmine  facto 

debueraut  olim  teuues  migrasse  Quirites. 

haud  facile  emergunt,  quorum  virtutibus  obstat 

res  angusta  domi,  sed  Romae  durior  illis 

conatus:  maguo  hospitium  miserabile,  magno 

servorum  veutres,  et  frugi  ceuula  magno. 

tictilibus  cenare  pudet,  quod  turpe  negabis 

transhitus  subito  ad  Marsos  mensamque  Sabellam 

contentusque  illic  veneto  duroque  cucullo. 

pars  magna  Italiae  est,  si  verum  admittimus,  in  qua 


160 


165 


170 


164  mertjunt  P         168  necabis  P:  necravit  (o        170  Veneto  B 


Fechten  regelrecht  za  lernen,  Cic. 
or.  III  86.  Val.  Max.  II  3,  2.  Der 
pinnirapus  war  der  Gegner  des 
Samnis  {gladiator);  die.ser  trug  eine 
ijaUa  cristafa,  die  man  pinna  nannte, 
und  der  Geguer  suchte  diese  ihm 
zu  entreifsen.  Den  Typus  eines 
cultus  iuvenis  schildert  Mart.  III  63. 

161  sarcinuJae  VeriicbtUch  fiir  dos, 
vfie  6,  146  collige  sarcinidas  der 
libertus  bei  der  dimissio  ruft.  Die 
Adilen  hatten  .die  Jurisdiktion  in 
Angelegenheiten  des  Handels  imd 
Verkehrs.  Diese  Funktion  ubertrug 
Augustus  iin  die  Pratoren,  Dio  C. 
53,  2.  Die  Adilen  behielten  aber 
fiir  ihren  Amtskreis  das  Recht, 
Polizeistrafen  zu  verhangen ,  Tac. 
XIll  28.  In  wichtigeren  Fallen  um- 
gaben  sich  di^  Adilen,  wie  alle 
magistratus  oder  selbst  Private  (Plin. 
ep.  V  1,  5)  mit  einem  Beirat  icon- 
silium),  d.  h.  adhibere  aliquem  in 
cansilium. 

162  Der  Ausdruck  agmine  facto 
(10,  218  von  der  febriuni  oder  mor- 
borum  cohors)  =  in  Keih  ucd  Glied, 
Mann  an  Mann  gereiht,  hat  etwas 
Komiaches.  V^erg.  I  82  sagt  mil- 
dernd:  ac  vcntt  velut  agmine  facto, 
qua  data  porta,  ruunt,  sachlich 
VIII  595  it  clamr^r  et  agmine  facto 
quadrupedante  putrem  sonitu  quatit 
ungula  campum. 

163  Zu  olim  vgl.  10,  142.  —  te- 
nues,  diirftig,  arm,  13,  7  tenuis 
census,  7,  80  tenuique  Saleio,  145 
rara     in     tenui    facundia     panno, 


8,  120  cum  tenues  nuper  Marius 
discinxerit  Afros.  —  Das  Verb  mi- 
grare  steht  hier  in  seiner  Grund- 
bedeutung  weggehen. 

164  Armut  isttVeilichdemEmpor- 
kommen  uberall  hinderlich,  aber 
in  Rom  ist  der  Versuch  schwieriger 
als  anderswo.  Der  Gegensatz  ist 
ahnlich  wie  7,  138  ausgepriigt. 

165  Die  Phrase  res  angusta  donii 
in  der  ersten  Vershiilfte  auch  6,  357. 

166  sq.  Die  Verbindung  der  Ana- 
phora  und  Epiphora  (=  Geld  kostet 
alles,  alles  kostet  Geld)  erinnert 
an  Hor.  ep.  I  1,  65  isne  tibi  melius 
suadet,  qui  rem  facias,  rem,  si  possis, 
recte,  si  non,  quocumque  modo  rem. 

—  Zu  hospitium  miserabile  vgl.  225, 
234,  201. 

168  negabis  translatus,  iibnlich 
10,  20  und  14,  134.  —  Zu  fictilibus 
vgl.  11,  108  ponebant  igitur  (ma- 
iores)  Tusco  farrata  catino,  argenti 
quod  erat,   solis  fulgebat  in  armis. 

—  Dem  Particip  translatus  steht 
l)Eirsd\elcontentusque,  einerderdurch 
den  Zwang  der  Verbiiltnisse  oder 
Umgebung  gelernt  hat  sich  zu  be- 
scheiden  =  und  gewcihnt  dich  zu 
begniigen  mit  einer  rauhen  und 
farblosen  (venetus)  Kapuze  iiber  dem 
Kopf,    zum    Schutze   gegen    Kalte. 

171  Eine  Bemerkung,  die  an  den 
letzten  Gedanken  (contcntus  —  cu- 
cullo)  ankniipft  und  die  folgenden 
Gedanken  vorbcreitet:  etenim  magna 
Jtaliae  pars  est  etc.  Die  Toga  wird 
als  liistige  und  kostspielige  Klei- 
4* 


52 


IVVENALTS 


nemo  togam  sumit  iiisi  mortuus.     ipsa  dierum 
festorum  herboso  colitur  si  quando  tlieatro 
maiestas  tandemque  redit  ad  pulpita  notum 
exodium,  eum  personae  palleutis  liiatum 
iu  gremio  matris  formidat  rusticus  infans, 
aequales  babitus  illic  similesque  videbis 
orcbestram  et  populum,  clari  velamen  bonoris 
sufficiunt  tunicae  summis  aedilibus  albae. 
bic  ultra  vires  babitus  nitor,  bic  aliquid  plus 
quam  satis  est  interdum  aliena  sumitur  arca. 
commune  id  vitium  est,  bic  vivimus  ambitiosa 


175 


180 


182  ambitiosi  P 

dung  moglichst  gemieden,  11, 
204. 

173  lu  den  Piovinzialstadten  er- 
bielt  sich  vielfach  die  alte  Sitte, 
wie  sie  Tac.  XIV  20  scbildert:  nam 
antea  subitariis  gradibus  (Ov.  ars 
I  107  gradibus  de  cespite  factis,  bier 
lierboso  theatro)  et  scaena  in  tempus 
structa  (hier  pulpita)  ludos  edi  so- 
litos,  vel  si  vetustiora  repetas,  stan- 
tem  populum  spectavisse,  ne  si  con- 
sideret  tJieatro  dies  totos  ignavia 
continuaret.  Und  auch  das  kam  nur 
bei  bochwichtigen  Feiertagen  vor 
(festorum  dierum  maiestas,  redit  ist 
Perf.  nicht  Praes.).  Auch  das  Spiel 
blieb  auf  dem  Lande  national- 
antik,  vgl.  Liv.  VII  2  postquam  lege 
Jiac  fabularum  (kunstgerechter,  den 
Griechen  nachgebildeter  Dramen) 
ab  risu  ac  soluto  ioco  rcs  avocabatur 
et  ludus  in  artem  paulatim  verterat, 
iuventus  Jiistrionibus  fabellarum  actu 
relicto  ipsa  inter  se  more  antiquo 
(der  Satura)  ridicula  intexta  versi- 
bus  iactare  coepit,  quaeinde  exodia 
postea  apipellata  consertaque  fabellis 
potissimum  Atellanis  sunt  (daher 
Juv.  6,  71  exodium  Atellanae).  So 
ist  auch  bier  an  die  Atellanae  zu 
denken.  Es  war  ein  einfacber  Dia- 
log  mit  eingelegten  Liedein  im 
saturnischen  Rhytbmus. 

175  Die  Periode  hat  zwei  (mit 
si  und  cum  eingefiihrte)  Vorder- 
siitze,  wie  1,  81  —  86.  Das  land- 
liche  Kind  im  Scbofs  der  Mutter 
orschrickt  vor  dem  ungewohnten 
Anblick  der  fratzenbaften  Maske. 
Diese  ist  pallens,  komisch  grafslich, 
und  bat  einen  weitgeoffneten  Mund 


(Jiiatus).  Original  solcher  Schil- 
derungen  ist  Hom.  II.  6,  467  aip  S' 
o  nccLq  TiQog  ■KoXnov  iv^civoio  zLd^rj- 
vrjg  By.liv&r]  idxojv ,  nccTQog  cpLlov 
oipiv  axvx&sCg,  xaQ^rjoag  ^aXyiov  xs 
i8l  lotpov  nfJtioxaitrjv ,  dsLvov  aTt' 
dtiQOTcizrig  yiOQV&og  vsvovxa  vorjoag. 

177  Jiabihcs  fiir  Kleidung  {VJiabit) 
ist  nacbklassiscb.  Indessen  ist  auch 
bier  noch  die  ganze  aufsere  Haltuug 
der  Zuscbauer  datait  bezeichnet. 

178  Weil  die  Romer  den  Chor 
nicbt  hatten,  so  wurde  die  orcJie- 
stra  {oQxrjOTQa),  raumlich  bedeutend 
kleiner  als  im  griecbischen  Theater, 
der  abgeschiedene  Zuschauerraum 
fiir  den  Senat  mit  den  Magistrateu 
an  der  Spitze.  Hinter  ihnen  sind 
die  14  Sitzreiben  der  Ritter,  dann 
folgt  die  cavea  der  Plebs.  In  den 
Landstadten  ist  dieser  Unterscbied 
nicht  zu  bemerken ;  die  Adilen 
(summus  magistratus)  und  die  De- 
curionen  sitzen  allerdings  in  der 
Orchestra,  aber  sie  unterscheiden 
sich  vom  Volke  nicht,  nur  dafs  die 
hocbste  Behorde  eine  weifse  tunica 
tragt,  wahrend  das  Volk  und  selbst 
die  Decurionen  in  der  alltaglichen 
dunkeln  tunica  erscheinen.  Die  alba 
tunica,  nicht  einmal  die  toga,  ist 
das  velamen  clari  Jionoris. 

180  Jiic,  hier  in  Rom  aber  gebt 
der  iiufsere  Prunk  {nitor)  iiber  das 
Vermogen  hinaus,  Hor.  ep.  I  18,  22 
gJoria  quem  (Ebrgeiz)  supra  vires 
et  vcstit  et  tmguit,  man  nimmt  mit- 
unter  mehr  als  notig  ware  vom 
fremden  Gelde  (11,  46),  d.  b.  sumilur 
ex  aJiena  arca  et  consumitur. 

182  Die  paupertas  ist  ambitiosa 


LIBRI  I     SATVRA  III 


53 


paupertate  omnes.     quid  te  moror?  omnia  Romae 
eum  pretio.     quid  ilas,  ut  Cossum  aliquando  salutes? 
ut  te  respiciat  clauso  Veieuto  labello? 
ille  metit  barbam,  crinem  hic  deponit  amati; 
plena  domus  libis  venalibus:  accipe  et  istud 
fermeutum  tibi  babe.     praestare  tributa  clientes 
cogimur  et  cultis  augere  peculia  servis. 

quis  timet  aut  timuit  gelida  Praeueste  ruinam 
aut  jiositis  uemorosa  inter  iuga  Volsiuiis  aut 
simplicibus  Gabiis  aut  proui  Tiburis  arce? 


185 


190 


186  amatur  P         187  libis  ?:  libris  P         190  ruina  P 


(anspruchsvoll),  weil  trotzderMittel- 
losigkeit  doch  einer  den  andern  zu 
iiberbieten  sucbt. 

Is4  — 189  spricht  wie  alles  ubrige 
Umbricius  zu  Juvenalis.  Mit  dra- 
matischer  Lebhaftigkeit  fiihrt  er 
deu  Gedanken  aiis,  dafs  man  ohue 
Geld  nirgends  Zugang  in  grofsen 
Hausem  finden  konne,  dafs  zur 
Regel  und  Notwendigkeit  geworden 
sei,  was  Hor.  s.  I  9,  56  als  Unver- 
schamtheit  verurteilt  wird:  haud 
mihi  dero,  mufieribus  servos  cor- 
nimpam.  —  Den  Cossus  kennen  wir 
nicht.  Veiento  gehorte  wie  Catul- 
Ins  Messalinus  zu  den  eifrigsten 
Delatoren  nnter  Domitian.  YgL 
4,  113.  123.  129.  6,  113.  —  clauso 
labeUo,  also  ohne  resalutatio,  zu 
der  er  zu  vomehm  ist.  —  Unter  ille 
—  hic  sind  nicht  notwendig  Cossus 
und  Veiento  zu  verstehen;  es  konnen 
damit  wieder  zwei  andere  Hauser 
und  eine  Art  der  Auspressung  von 
Klienten  skizziert  sein.  Der  eine 
Herr  lafst  sich  eben  rasieren,  der 
andere  ist  eben  mit  einer  feier- 
liclien  Ceremonie  beschaftigt:  es 
findet  die  depositio  dea  zum  ersten- 
mal  geschorenen  Haares  eines  Lieb- 
lingssklaven  statt,  der  bisher  acer- 
Stcomes  war  (8,  128).  VgL  FriedL 
zu  Mart.  IX  11  und  Marq.  V  2,  119. 
Wegen  der  Feierlichkeit  giebt  es 
Kuchen,  die  die  Dienerschaft  den 
Klienten  verkauft,  weil  die  Sitte  es 
erfordert,  dafs  auch  der  Klient 
einen  Opferkuchen  den  Laren  dea 
Hau^es  darbringe,  wie  auch  am 
Geburtstag,  TibulL  II  2.  —  Fermen- 
tum  ist  dao  was  Gamng  verursacht, 


der  Sauerteig,  dann  iibertragen  Zorn, 
Wut,  Plaut.  merc.  959  tota  in  fer- 
mento  iacet,  nimm  ihn  (den  Kuehen) 
hin  und  behalte  (vgL  5,  118)  diesen 
Garstoff  fur  dich,  moge  er  dir 
das  Blut  in  den  Kopf  treiben.  —  Die 
culti  servi  sind  die  5,  66  erwiihnten 
servi  supterbi,  hier  besonders  Pfort- 
ner,  Anmelder,  Kammerdiener. 

190—231  Die  haufigen  Feuers- 
brunste  gefahrden  Leben  und  Eigen- 
tum  des  Armen,  dem  niemand  hilft. 
In  einer  Landstadt  dageg^n  kann 
er  sich  leicht  ein  eigenes  kleines 
Besitztum  erwerben. 

190 sq.  quis  timet  aut  timuit,  kein 
Mensch  fiirchtet  jemals,  8,  70 
quos  illis  damus  ac  dedimus.  Dafs 
damit  eine  starke  Versicherung 
(Bejahung  oder  Verneinung)  aus- 
gedriickt  wird,  zeigt  z.  B.  Plaut. 
merc.  539  amabo  te,  an  maritust? 
Xeque  est  neque  erit,  446  nutnquam 
edepol  fuit  neque  fiet  ille  senex  in- 
sanior  ex  amore  quam  ille  adu- 
lescens.  —  Praeneste  war  auf  steiler 
Anhohe,  nahe  dem  Gebiet  der 
Aquer  und  Hemiker,  gelegen,  da- 
her  gelida  (Fem.),  Hor.  III  4,  22 
seu  mihi  frigidum  Praeneste  seu 
Tibur  supinum  seu.  liquidae  pla- 
cuere  Baiae,  14,  88  Praenestinis  in 
montibus,  bei  Verg.  VII  682  heifst 
es  altum.  —  Gabii  als  kleine  Land- 
stadt  neben  Fidenae  auch  6,  56. 
7,  4  und  10,  100  erwiihnt.  Tibv/r 
hier  pronum  wie  bei  Hor.  supinum 
von  der  Lage  der  Stadt  am  Berg, 
14,  87  summa  nunc  Tiburis  arce 
auf  der  hochsten  Anhohe. 


54 


IVVENALIS 


nos  urbein  colimus  tenui  tibicine  fultam 

magna  parte  sui;  nam  sic  labentibus  obstat 

vilicLis,  et  veteris  rimae  cum  texit  hiatum, 

securos  pendente  iubet  dormire  ruina. 

vivendum  est  illic,  ubi  nulla  incendia,  nulli 

nocte  metus.     iam  poscit  aquam,  iam  frivola  transfert 

Vcalegon,  tabulata  tibi  iam  tertia  fumant: 

tu  nescis;  nam  si  gradibus  trepidatur  ab  imis, 

ultimus  ardebit,  quem  tegula  sola  tuetur 

a  pluvia,  molles  ubi  reddunt  ova  columbae. 

lectus  erat  Codro  Procula  minor,  urceoli  sex 

ornamentum  abaci  nec  non  et  parvulus  infra 

cantbarus,  et  recubans  sub  eodem  marmore  Chiro, 

iamque  vetus  graecos  servabat  cista  libellos, 

et  divina  opici  rodebant  carmina  mures. 

nil  habuit  Codrus  —  quis  enim  negat?  —  et  tamen  illud 


195 


200 


205 


197  est  om.  P  203  Codro  —  sex  om.  P  add.  p 


193  sqq.  tibicen  ist  ein  Pfeiler  oder 
eine  (provisorische)  Stutze,  Ov.  fast. 
IV  695  stantem  tihicine  villam.  Fest. 
366 :  tibicines  in  aedificiis  dici  existi- 
mantiir  a  similitudine  tihiis  ca- 
nentiumi?),  qui  id  cantantes  susti- 
ncant  ita  illi  aedificiorum  tecta. 
Donat.  vit.  Verg.  60  (R.):  quaedam 
impcrfecta  transmisit,  alia  levissi- 
mis  verhis  veluti  fulsit,  quae  per 
iocum  pro  tibicinihus  interponi  aie~ 
hat  ad  sustinendum  opus,  donec 
solidae  columnae  advenirent. 
Das  folgende  sic  bezieht  sich  auf 
tetiui  tihicine:  drolit  wegen  dieser 
Schwiiche  Einsturz,  so  erfolgt  keine 
wirksame  Abhiilfe.  Vgl.  308.  Da- 
rum  bleibt  das  Ganze  formlich  in 
der  Schwebe.  —  Der  vilicus  ist  der 
Hausverwalter,  wahrscheinlich  ein 
Freigelassener  (vgl.  zu  4,  77).  — 
pendente  ruina  in  der  Laterne,  Lu- 
can.  I  490  credas  quatiente  ricina 
nutantes  pendere  domos. 

198  frivola,  seine  Armseligkeiten, 
5,  59  iiomanorum  omnia  regum  fri- 
vola. 

199  Vcalegon  =  Nachbar,  nach 
Verg.  II  311  iam  proximus  ardct 
Vcalegon,  Hor.  e]).  I  18,  84  nam  tua 
res  agitur,  parics  cum  ptroximus 
ardet.  Schon  qualmt  das  dritte 
Stockwerk  (10,  106).     Auch   Mart. 


1 117  et  sealis  habito,  sed  (und  zwar) 
altis. 

200  Denn  beginnt,  wie  so  oft, 
Feuer  und  Verwirrung  unten  (9, 98), 
dann  brennt  zuletzt  der  Arme  in 
der  Mansarde.  Malerisch  ist  der 
Ausdruck  ab  imisgradibus  trepidatur. 

203  sq.  Codrus  weiter  nicht  be- 
kannt.  Frocula  ist  nicht  die  Frau  des 
Codrus,  sondern  ein  stadtbekanntes 
auffallend  kleines  Weib,  vielleicht 
gar  eine  Zwergin,  wie  251  Corbulo 
Typus  der  Korperkraft,  12,  11  Hi- 
spulla  der  von  Beleibtheit  ist.  —  mi- 
nor  zu  klein,  vgl.  15,  140  minor 
igne  rogi,  4,  66  privatis  maiora 
focis.  —  nec  non,  zu  10,  51.  —  infra, 
sc.  ahacum. 

205  v.dvQ^UQoq  (eig.  Kafer)  war  ein 
weitbauchiges  Trinkgefafs,  mit  zwei 
laugen,  weit  herabgehenden  Hen- 
keln,  etwa  Humpen,  Kanue;  der 
Name  wurde  durch  die  attische  Ko- 
modie  eingebiirgert,  Hor.  I  20,  2 
und  Q\).  I  5, 23.  —  suh  eodem  marmore, 
dem  ahacus.  Der  Chiron  diente  als 
Triiger  der  Flatte  des  ahacus. 

207  Die  Mause  sind  roh,  ungebil- 
det  {opici),  wie  Hor.  ep.  1 20, 12  vou 
seinem  Buche  sagt:  aut  tineas  pa- 
sccs  taciturnus  inertes.  Die  Hausein- 
richtung  des  Horaz,  die  er  s.  I  6, 
116 — il8  beschreibt,  war  ebenso 
einfach  wie  die  des  Codrus. 


LIBRI  1     SATVRA  III 


55 


perdidit  iufelix  totum  uihil.     ultimus  autem 

iierumuue  est  cumulus,  quoJ  uudum  et  frusta  rogauteni      Jiij 

uemo  cibo,  uemo  lios])itio  tectoque  iuvabit. 

si  uiagna  Asturici  cecidit  domus,  liorrida  mater, 

pullati  proceres,  differt  vadimonia  praetor. 

tunc  gemimus  casus  urbis,  tuuc  odimus  iguem. 

ardet  adhuc,  et  iam  accurrit  qui  marmora  donet,  216 

couferat  impeusas;  hic  uuda  et  candida  sigua, 

hic  aliquid  praeclarum  Euphrauoris  et  Polycliti 

haec  Asiauorum  vetera  oruameuta  deorum, 

hic  libros  dabit  et  forulos  mediamque  Miuervam, 

hic  modium  argenti.     meliora  ac  plura  reponit  220 

Persicus  orborum  lautissimus  et  merito  iara 

suspectus,  tamquam  ipse  suas  incenderit  aedes. 

si  potes  avelli  circensibus,  optima  Sorae 

210  est  expunxere  pco        frustra  PS        214  geminas  P 


209  iUud  totum  nihil,  wie  Pera. 
I  122  hoc  ego  opertum,  hoc  ridere 
meum,  tam  nil ,  miUa  tibi  vendo 
Iliade. 

210  frmta  rogans  =  Hom.  Od. 
XVII  222  uixilcov  dv.oXovq^  Bissen 
von  dem  reichen  Mahle. 

212  Asturicus,  ein  hoher  Aristo- 
krat.  Bei  der.  Trauer  legte  der 
hohere  Stand  die  Kleidung  des  zu- 
niichst  niederen  Standes  an.  Hier 
thun  die  proceres,  also  doch  sena- 
tores,  viel  mehr:  sie  erscheinen  in 
der  tunica  pulla  (zu  179). 

216  sq.  conferat  impensas,  zu  den 
Kosten  beitragt,  den  Schaden  er- 
setzen  hilft,  7,  .36  ne  quid  tibi  con- 
ferat  itte,  beisteuern,  schenken. — nu- 
da  et  candida  6?^>ia  nackteMarmor- 
statnen.  Andere  bringen  Erzstatuen 
oder  gar  kostbare  Arbeiten  der 
Toreutik  in  edlen  Metallen.  Euphra- 
nor  war  als  Erzgiefser  und  Maler 
gleich  ausgezeichnet.  Seine  Bliite- 
zeit  fallt  in  die  Regierung  Philipps 
und  Alexanders.  Vom  Polyklet 
haben  wir  uns  hier  kleinere  sigtia 
a<:nea,  z.  B.  die  -/.ai-^/^opot  des 
C.  Heius  (Cic.  Verr.  IV  5)  zu  denken. 
Die  Namen  beriihmter  Meister  wur- 
den  in  der  KAieerzeit  sehr  freigebig 
angewendet,  vgl.  Brunn  Kiinfftler- 
gesch.  I  216sq. 

218  Die  jetzt  hier  in  Rom  be- 
findlichen  (hau)  Kunstarbeiten  des 


Polykletus,  die  einst  den  Gotter- 
tempeln  in  Kleinasien  gehorten. 
Vgl.  8,  102. 

219  Andere  bringen  Biicher  und 
Biichergestelle  (foruli)  und  in  die 
Mitte  der  Bibliothek  eine  Biiste 
oder  Statue  der  Mineiva,  in  deren 
Schutz  die  litterarischen  Werke  in 
den  Bibliotheken  standen,  vgl.  Ital. 
Ilias  1069  ipsa  (Calliope)  tuas  de- 
pone  lyras;  ades,  inelita  Pallas. 
Catull.  ad  Corn.  9  quod,  o  patrona 
virgo,  pliis  uno  maneat  perenne 
saeclo.  Ja  einer  bringt  sogar  einen 
ganzen  Schefiel  Silber,  Petron.  37 
uxor  Trimalchionis,  quae  nummos 
modio  mttitur ,  Hor.  s.  I  1,  96  dives 
ut  metiretur  nummos.  Unter  argen- 
tum  ist  iibrigens  nicht  Geld,  sondern 
Silbergerate  zu  verstehen. 

221  Persicus  ist  nicht  Asturikus, 
sondem  eia  Reicher  {orborum  lau- 
tissimus),  der  (mehrmals?  wegen 
iam?)  abgebrannt  ist  und  besondera 
viele  und  reiche  Liebesgaben  er- 
halten  hat,  weil  er  orhus  ist.  Mart. 
III  52  emxtta  domus  fuerat  tibi,  Ton- 
giliane,  ducentis:  abstulit  hanc  ni- 
mium  casus  in  urbe  frequens.  Col- 
latum  est  decies.  rogo,  non  potes 
ipse  videri  incendisse  tuam,  Ton- 
giliane,  domum? 

223  sq.  avelli  deutet  an,  dafs  der 
liomer  mit  den  ludi  circenses  ge- 
^^ssermafben    verwachsen   ist.     Es 


56 


IVVENALIS 


aut  Fabrateriae  domus  aut  Frusinone  paratur, 
quauti  nunc  tenebras  unum  conducis  in  annum. 
hortulus  hic  puteusque  brevis  nec  reste  movendus, 
in  tenuis  plantas  facili  diffunditur  haustu. 
vive  bidentis  amans  et  culti  vilicus  horti, 
unde  epulum  possis  centum  dare  Pythagoreis. 
est  aliquid,  quocumque  loco,  quocumque  recessu 
unius  sese  dominum  fecisse  lacertae. 

plurimus  hic  aeger  moritur  vigilansque,  sed  ipsum 
languorem  peperit  cibus  inperfectus  et  haerens 
ardenti  stomacho;  nam  quae  meritoria  somnum 
admittunt?  magnis  opibus  dormitur  in  urbe. 
inde  caput  morbi.     raedarum  transitus  arto 


225 


230 


235 


226  movendis  P        227  defunditur  P        232  vigilansque   W:  vigi- 
lando  Pta.  —  sed  illum  Priscianus        235  urbem  P 


kostet  ihm  daher  Miilie  und  Uber- 
windung,  diesem  Vergnugen  zu  ent- 
sagen,  11,  53  maestitia  est  caruisse 
anno  circensibus  uno,  10,  81  (popu- 
lus)  nunc  se  continet  atque  duas 
tantum  res  anxius  optat,  panem  et 
circenses.  —  Sora  lag  im  Volsker- 
lande,  am  rechten  Ufer  des  Liris, 
nordlich  vou  Arpinum  und  Fregel- 
lae.  Siidwestlich  davon  im  Lande 
der  Herniker  Frusino,  und  in  siid- 
licher  E,ichtung  Fabrateria.  —  para- 
tur  wird  erworben,  gekauft,  4,  131. 
5,  56.   14,  200.  88.  7,  66. 

225  sqq.  tenebras  =  tenebricosum 
cenaculum,  7,  28  parva  cella,  vgl.  zu 
166.  Mit  Juvenals  Urteil  stimmt  an- 
nahernd  iiberein  Mart.  IV  66  egisti 
vitam  semper ,  Line,  municipalem, 
qua  niliil  omnino  vilius  esse  potest.  — 
liic  auf  dem  Lande.  —  tenuis  plan- 
tas,  die  zarten,  jungen  Schofslinge. 

229  epulum,  ein  Festmabl,  wie 
man  es  in  Rom  mitunter  den  Tribus- 
genossen  gab.  Die  Pythagoreer  leb- 
ten  nur  von  Vegetabilien ;  auch  die 
Bohnen  vermieden  sie  zu  essen,  15, 
173. 

231  lucertae,  einer  kleinen  Ei- 
dechse  (14,  75);  denn  nur  wer  Grund 
und  Boden  hat,  kann  in  Wahrheit 
dominus  laccrtae  sein,  Copa  27  nunc 
cantu  crebro  rumpunt  arbtista  cica- 
dae,  nune  veprum  gtlida  sede  la- 
certa  latet.  Wir  wiirden  sagen: 
eines  Strauches  oder  eines  Garten- 
beetes. 


232—277  Lebensgefahrlich  ist  fiir 
den  Armen  in  Rom  die  Unruhe  zn 
Hause  und  die  Unruhe  auf  der 
Strafse. 

232  aeger  vigilansque  gehoren  pra- 
dikativ  zu  plurimus:  sehr  viele  ster- 
ben  hier  angegriffea  und  mit  offenen 
Augen,  weil  sie  abzehren  und  nicht 
schlafen  konnei).  Die  Abzehrutig 
wird  durch  Mangel  an  Verdauung 
und  diese  durch  ewige  Ruhestorung 
herbeigefiihrt.  Attribut  ist  pluri- 
mus  8,  58  sic  luudamtis  equum,  facili 
cui  plurima  palma  fervet,  14,  259 
multus  in  arca  fiscus,  5,  79  multo 
stillaret  paenula  nimbo,  5,  35  multa 
veteris  fuligine  testae,  vgl.  142,  um- 
gekehrt  i&t  plurimus  pradikativ 
Verg.  ecl.  7,  60  luppiter  et  taeto 
descendet  plurimus  imbri,  georg. 
III  52  optima  torvae  forma  bovis, 
cui  turpe  caput,  cui  plurima  cervix, 
Aen.  I  419  ascendebat  collem,  qui 
plurimus  urbi  imminet. 

233  cibus  imperfectus  fiir  non 
confectus  oder  parum  confcctus  ist 
ungewohnlich. 

234  ardenti,  fiebernd.  —  merito- 
rium,  Mietwohnung,  im  Gegensatz  zu 
den  Paliisten  und  Villen  der  Reichen. 

236  sq.  capid,  Hauptursache^A^^erg. 
XI  361  von  Turnus:  o  Latio  caput 
liorum  et  causa  malorum ,  XII  572 
lioc  caput,  0  cives,  haec  belli  summa 
nefandi.  Am  Tage  bis  zur  zehnten 
Stunde  durften  Wagen  nicht  durch 
die  Stadt  fahren.     Es  ist  ja  auch 


LIBRI  I     SATVKA  III 


57 


vicorum  iuHexu  et  stantis  couvicia  mandrae 
oripient  souinuni  Druso  vitulisque  marinis. 
si  vocat  oftieium,  turba  cedeute  vehetur 
dives  et  ingenti  curret  super  ora  Liburno, 
atque  obiter  leget  aut  scribet  vel  dormiet  intus; 
namque  facit  somnum  clausa  lectica  fenestra. 
aute  tamen  veuiet:  uobis  properautibus  obstat 
nnda  prior,  magno  populus  premit  agmiue  lumbos 
qui  sequitur;  ferit  bic  cubito,  ferit  assere  duro 
alter,  at  hic  tignum  capiti  incutit,  ille  metretam. 
pinguia  crura  luto,  planta  mox   undique  magua 
calcor,  et  iu  digito  chivus  mihi  militis  haeret. 


210 


245 


240  liburno  Pco:  liburna  S 


hier  nur  von  der  Unruhe  wiihrend 
des  Abends  und  der  Nacht  die 
Rede,  vsfl.  7,  179;  ausgenommen 
wareu  die  Lastfuhren  zum  Zweck 
offeutlicher  Bauten,  die  freilich  sehr 
hiuifi^  waren.  —  rcciae  sind  Reise- 
wagen;  sie  biegen  in  scharfer  Wen- 
dung  um  die  Strafsenocken.  Denn 
da  die  Strafsou  selbst  eng  und 
schmal  sind,  so  wird  auch  die 
Bieguug  sehr  eng  {arto  inflexic), 
Tac.  XV  38  obyioxia  urbe  artis  iti- 
neribus  hucque  tt  illuc  flexis  atque 
etwnnibus  vicis,  qunlis  vetns  (vor 
dem  Neronischen  Brand)  lioma  fuit. 
—  ^dvdQu  ist  eigentlich  ein  Ort  zum 
Weilen,  dann  Uiirde,  Stall,  endlich 
die  Herde  selbst.  Diese  kann  nicht 
weiter  {stantis),  Tiere  und  Treiber 
schreien  und  schimpfen  durchein- 
ander  {convicia). 

238  Der  Kaiser  Tib.  Claudius 
Drusu.s  war  wegen  seiner  Scblaf- 
sucht  beriichtigt,  Suet.  8  quotiens 
post  cibum  obdonnisceret ,  quod  ei 
fere  accidebat,  '6?>  somni  brevissimi 
erat  —  nam  ante  mediam  noctem 
plerumque  evigilabat  — ,  ut  tamen 
intcrdiu  nonnumquum  iniuredicendo 
obdormisceret  vixque  ab  advocatis 
de  industria  vocem  augentibus  ex- 
citaretur.  Er  wird  deshalb  mit  den 
schlafsiichtigen  Phoken  oder  Meer- 
kalbern  verglichen,  Hom.  Od.  IV  404 
uurf,i  di  fiiv  ffwyiui  vinodsg  xai^g 
aloovdvrjg  u&qoul  tvdovciv.  Terent. 
eun.  1079  fatuus  est  insulsus  tar- 
dus,  sterlit  tiottis  et  dies. 

239  Die    wogende    Volksmenge 


tritt  vor  der  Sanfte  zuriick  (4,  63). 
Die  Sanftentrllger  siud  Liburner 
(6,  477);  statt  des  Plur.  steht  der 
kollektive  Sing.  und  der  Ablativ, 
weil  die  Sklaveu  nur  als  Werkzeug 
dienen,  womit  das  currcre  super 
ora  ausgefiihrt  wird. 

241  obiter,  nebenbei,  wie  6,  481 
verberat  uique  obiter  faciem  linit. 

242  Der  Arme  findet  uirgends, 
nicht  einmal  zu  Hause  Ruhe,  er 
wird  krank  und  elend;  der  Reiche 
kann  sich  Ruhe  und  Schlaf  ver- 
schaffen,  selbst  wenn  er  in  Geschiif- 
ten  sich  stolz  iiber  die  Kopfe  des 
Volkes  dahiuti'agen  liifst.  Er  kann 
dies  allein  dnrch  die  Konstruktion 
der  Sitnfte  erreichen  (1,  65).  Deu 
bedeckten  oder  verschlosseuen  Trag- 
sessel  soll  zuerst  Kaiser  Claudiu.s 
gebraucht  haben,  Friedl.  S.-G.  1247. 

244  unda  von  einer  Menschen- 
menge,  Verg.  georg.  II  462  ingentem 
foribus  domus  alta  superbis  mane 
salutantam  totis  vomit  aedibus  un- 
dam.  Also  vorn  {prior)  und  hinten 
hindert  die  liistige  Menschenmenge 
das  FortkOmmen,  Hor.  s.  II  6,  28 
luctandtim  in  turba  et  facienda  in- 
iuria  turdis. 

246  alter  nach  hic  wie  132.  — 
metreta,  ein  Olfafs,  welches  der 
Lasttrilger  iiber  die  Strafse  triigt, 
Mart.  V  16,  7. 

248  Vgl.  16,  24  s([.  Es  folgt  eine 
audere  Scene.  Aus  einem  reichen 
Hause  ergiefst  sich  der  Strom  von 
Klienten.  Sie  waren  eingeladen  als 
convivae,  erhielten  aber  nicht  eiue 


58 


IVVENALIS 


iionne  vides,  quaiito  celebretur  sportula  fumo? 
ceutum  convivae,  sequitur  sua  quemque  culina. 
Corbulo  vix  ferret  tot  vasa  ingentia,  tot  res 
inpositas  capiti,  quas  recto  vertice  portat 
servulus  iufelix  et  cursu  ventilat  ignem. 
scinduutur  tunicae  sartae  modo,  longa  coruscat 
serraco  veniente  abies,  atque  altera  pinum 
plaustra  vehunt,  nutant  alte  populoque  minantur. 
nam  si  procubuit  qui  saxa  Ligustica  portat 
axis  et  eversum  fudit  super  agmina  moutem, 
quid  superest  e  corporibus?  quis  membra,  quis  ossa 
invenit?  obtritum  vulgi  perit  omne  cadaver 
more  animae.     domus  interea  secura  patellas 
iam  lavat  et  bucca  foculum  excitat  et  sonat  unctis 
striglibus  et  pleno  componit  lintea  guto. 


250 


255 


260 


259  de  2JW         263  stricilibus  P 

cena  recta,  sondern  die  sportula, 
und  diese  niclit  in  Geld,  sondern 
in  warmen  Speisen,  Suet.  Dom.  8. 
Da  die  Gaste  das  im  voraus  wufsten, 
so  waren  sie  von  ihren  Burschen 
begleitet ,  die  die  Speisen  in  einem 
Warmeapparat  {culina)  nach  Hause 
trugen.  Die  Scene  spielt  abends, 
nicbt  morgens  nach  der  salutatio, 
zur  Zeit  der  cena. 

251  Der  beriihmte  Feldherr  Neros 
Cn.  Domitius  Coyhulo  war  corpore 
ingens,  verbis  magnificus,  Tac.  XIII 8. 
Dtr  Sklave  triigt  auf  seiner  Anricht 
eine  culina  (ob  ein  Selbstkocber 
wie  Cic.  Rosc.  133?)  mit  allem  zu- 
gehorigen  Apparat  {vasa,  tot  res), 
und  im  Gehen  {et  cursu)  facht  er 
noch  dazu  das  Feuer  an  (eben  durch 
die  rasche  Bewegung). 

254  Da  die  Toga  eher  nachgiebt, 
so  kann  die  Tunika  Schaden  leidea 
nnd  doch  die  Toga  unverletzt  blei- 
ben,  Plin.  ep.  IV  16  scissis  tunicis 
ut  in  freciuentia  solet,  sola  velatus 
toga  perstitit. 

255  serracum  war  nach  Quint. 
VIII  3,  21  das  sordidum  nomen  fiir 
plaustrum,  vgl.  5,  23.  Eiu  Verbot 
gegen  solche  Storungen  erliefs  Tra- 
jan,  Plin.  pan.  51  non  iit  ante  in- 
manium  transvectione  saxorum  urhis 
tecta  quatiuntur,  und  Hadrian,  Ael. 
Spart.  22  vehieula  cum  ingentibus 
sarcinis  urbem  inqredi  prohihuit. 

256  Verg.  II  628    illa    (die    an- 


gehauene  Esche)  usque  minatur  et 
tremefacta  comam  concusso  vertice 
nutat,  donec  paulatim  evicta  con- 
gemuittraxitque  iugis  avolsa  ruinam. 
Die  minae  sind  nicht  grundlos. 
Denn  wenn  eine>Ladung  Marmor- 
blocke  zusammenstiirzt,  ist  der  Vor- 
iibergehende  verloren.  Aus  denMar- 
morbriiehen  von  Luna  und  Pisa  kam 
weifser  (carrarischer)  und  bunter  ins 
Blauliche  schimmernder  Ma,rmor, 
welcher  nicht  zur  Skulptur,  sondern 
zu  Bauwerken  diente. 

259  Caes.  b.  g.  1 26,  5  ex  eo  proelio 
circiter  milia  hominum  CXXX^tiper- 
fuerunt  (hier  wiire  de  unmoglich!), 
11,  48  inde  uhi  paulum  nescio  quicl 
superest,  Ov.  am.  III  9,  39  iacet  ecce 
Tibullus:  vix  manet  e  toto  parva 
cjuod  wna  capit.  Gewohnlicher  ist 
de  aliquo  aliquid  superest,  Hor.  s. 
II  6,  104  uhi  midta  de  magna  super- 
essent  fercida  cena. 

261  more  animae,  wie  ein  Hauch, 
ist  eine  komische  Wendung,  Hom. 
Od.  XI  221  ipvxr}  d'  iqvr'  ovstQog 
aTtOTixaiiivr}  nsnotrjTui.  Wiihrend 
der  ehrsame  Biirger  auf  der  Strafse 
den  Martertod  gefunden  hat,  bereitet 
ihm  zu  Hause  die  sorglose  Diener- 
schaft  Bad  und  Mahlzeit.  Dena 
vor  der  cena  wurde  das  Bad  ge- 
nommen,  11,204.  Dahiu  bringt 
der  Skltive  den  Olkrug  {gutus) 
nebst  der  strigil  und  den  lintca  zum 
Abreiben  und  Abtrockntn. 


LIBKI  I     SATVRA  III 


59 


haec  iuter  pueros  varie  properantur,  at  ille 
iam  sotlet  iu  ripa  taetrumque  uovicius  borret 
portbmea  nec  sperat  eaeuosi  gurgitis  aliuim 
iufelix  nec  babet  quem  porrigat  ore  trieutem. 
respice  uunc  alia  ac  diversa  pericula  uoctis: 
quod  spatium  tectis  sublimibus  unde  cerebrum 
testa  ferit,  quotiens  rimosa  et  curta  feuestris 
vasa  cadant,  quanto  percussum  pondere  siguent 
et  hiedaut  silicem.     possis  iguavus  baberi 
et  subiti  casus  iuprovidus,  ad  cenam  si 
intestatus  eas:  adeo  tot  fata,  quot  illa 
nocte  patent  vigiles  te  praetereunte  fenestrae. 
ergo  optes  votumque  feras  miserabile  tecum, 
ut  sint  contentae  patulas  defuudere  pelves. 
ebrius  ac  petulans  qui  nullum  forte  cecidit, 
dat  poenas,  noctem  patitur  higentis  amicum 


265 


270 


275 


269  cerebr**  P 

264  at  flle,  zu  134. 

265  Verg.  VI  298  portitor  has 
(undan)  horrendus  aquas  et  flumina 
servat  terrihiU  squalore  (=  taeter) 
Charon,  cui  plurima  mento  canities 
inculta  iacet,  stant  lutniyia  llamma, 
sordidus  ex  umtris  nodo  dependet 
amictus.  Das  griecbische  nogd^uBvg 
fur  portitor  hebt  ebenso  wie  no- 
vicius  (Neuling,  gewohnlich  von 
Sklaven,  Terent.  ean.  582  ijaucae 
mamnt  noriciae  puellae)  daa  Ko- 
mische  der  Scene.  Die  Sitte,  den 
Toten  eine  Munze  als  Fahrgeld  fiir 
Charon  in  den  Mund  zu  legen,  war 
bei  Griechen  und  Romem  allgemein. 
Reichere  erhielten  auch  kostbare 
Schmucksachen  mit  in  das  Grab. 
Derartige  Funde  in  Grabern  oder 
Sargen  sind  oft  vorgekommen,  Marq. 
V  1,  355. 

268  —  314  Nachts  ist  niemand 
seines  Lebens  sicher:  bald  bedrohen 
ihn  die  Ziegel  von  den  Dachern 
oder  die  Topfe  aus  den  Fenstern, 
bald  mifshandeln  ihn  trunkene  Jun- 
ker,  endlich  falit  er  gar  in  die  Hande 
der  Rauber. 

269  quod  spatium,  sc.  sit,  dieAus- 
dehnung  der  hocbragenden  Hauser 
=  die  emporstrebende  Hohe  der 
Hauser. 


270  te.ita,  Dachziegel. 
zerbrochen. 


curta, 


272  silicem,  das  Strafsenpflaster, 
6",  350  silicem  pedihus  quae  conterit 
atrum,  Prud.  iu  Symm.  I  581  qui- 
que  terit  silicem  variis  discwsibus 
atram.  —  Die  ignavia  ist  die  Indo- 
lenz  oder  der  Leichtsinn,  der  es 
versaumt  seine  Burgerpflicht  zu  er- 
fiillen,  Plaut.  merc.  662  si  ille  ah- 
ierit,  mea  factum  omnes  dicent  esse 
ignavia,  mein  Versaumnis,  meine 
Schuld. 

273  Nicht  ohne  Absicht  scheint 
der  spondiacus  mit  einsilbigem 
Schlufs  hier  gewiihlt  zu  sein:  lang- 
sam  bewegt  sich  ad  cenam  vor- 
warts,  plotzliche  Unterbrechung,  da 
fallt  das  einsilbige  si  wie  ein  Stein 
aus  der  Hohe  herabl 

274  adeo  tot,  Epiphonem. 

275  sqq.  vigiies  fenestrae,-wa.c\iende 
oder  erleuchtete  Fenster,  hinter 
denen  die  Menschen  noch  wachen, 
wie  8,  158  pervigiJes  jxjpinae,  15,  43 
pervigilique  toro,  Hor.  111  8,  14  vigi- 
les  lucernue.  —  votum  miserabile  =  9, 
147.  —  pjelies:  10,  64  pelves  sartago 
mateUae. 

278  Scene  aus  den  comissaiiones 
der  vornehmen  Jugend  lioms,  Tac. 
XIII  25  foeda  donii  lascivia,  qua 
Nero  itinera  urhis  et  lupanaria  et 
deverticula  veste  servili  in  dissimu- 
lationem  sui  eompositus  pererrahat, 
comitantibus  qui  raperent  venditioni 
exposita  ct  obviis  vulnera  inferrent. 


60 


IVVENALIS 


Pelidae,  cubat  in  faciem,  mox  deinde  supinns; 
ergo  non  aliter  poterit  dormire;  quibusdam 
somnum  rixa  facit.     sed  quamvis  inprobus'  annis 
atque  mero  fervens,  cavet  hunc,  quem  coccina  laena 
vitari  iubet  et  comitum  longissimus  ordo, 
multum  praeterea  flammarum  et  ahenea  lampas. 
me,  quem  hma  solet  deducere  vel  breve  lumen 
candelae,  cuius  dispenso  et  tempero  fihim, 
contemuit.     miserae  cognosce  prooemia  rixae, 
si  rixa  est,  ubi  tu  pulsas,  ego  vapulo  tautum. 
stat  contra  starique  iubet,  parere  necesse  est; 
nam  quid  agas,  cum  te  furiosus  cogat  et  idem 
fortior?  "unde  venis?"  exclamat  "cuius  aceto, 
cuius  conche  tumes?  quis  tecum  sectile  porrum 
sutor  et  elixi  vervecis  labra  comedit? 
uil  mihi  respondes?  aut  dic  aut  accipe  calcem. 
ede  ubi  consistas;  in  qua  te  quaero  proseucha?" 


280 


285 


290 


295 


281  delebat  Heinecke.     intcrrogationem  plerique  faciunt 
295  posuit  Pinzger 


296  ante 


280  Hom.  II.  XXIV  9  Q^ccliQhv 
v,axa  8dY.Qvov  sl^ev,  aXloz'  sninltv- 
Qocg  KarayiBifiBvog,  aXlors  d'  avrs 
vnrLog,  dV.ote  di-  nQrjVTqg'  rore  8' 
OQ&bg  dvaardg  Slvsvsoy.'  dlvav 
TiaQa  &l'v     ulog. 

281  non  aliter  geht  auf  qui  nul- 
lum  forte  cecidit.  ergu  wie  9,  82.  — 
poterit  dormire  ist  konclicionales 
Futur. — quibusdam,  gar  mancliem 
schafft  erst  eine  Rauferei  Schlaf, 
cessantem  ducit  somnum,  also  rixa 
statt  clem  strepitus  citharae  der 
Phaaken! 

282  improbus  annis,  jugendlich 
ubermiitig,  vgl.  8,  163  sq. 

283  coccina  laena,  scharlachroter 
Mantel  7,  136;  umgekehrt  ist  der 
Arme  5,  131  an  der  pertu^a  lacna 
kenntlich. 

285  lamp)as  ist,  wie  multum  flam- 
marum  zeigt,  ein  grofsartiger  Kande- 
laber  mit  mehreren  Flammen.  Nach 
Borghesi  V  532  war  er  urspriiug- 
lich  ein  Vorrecht  der  Imperatoren, 
denen  er  nachts  vorangetragen 
wurde. 

287  candela  (von  candere,  Be- 
leuchtung)  ist  ein  Wachs-  oder 
Talglicht,  dessen  Docht  von  ihm 
selbst  geordnet  wird,  damit  das 
Licht  nicht  ausgeht. 


288  prooemia  rixae,  das  Vorspiel, 
die  Einleitung,  5v,  26  iurgia  pro- 
ludunt,  15,  51  iurgia  prima  sonare 
incipiunt  animis  ardentibus,  haec 
tuba  rixae. 

290  stat  contra  ist  Perf.  zu  contra 
consistere:  plotzlich  steht  er  dir 
gegeniiber  uud  ruft:  Halt!  Uber- 
tragen  bei  Pers.  V  96  stat  contra 
ratio  ct  secretam  garrit  in  aurem. 
—  pjarcre,  wie  der  Untergebene 
seinem  vorgesetzten  Magistratus. 

292  acetum  ist  nicht  Essig  oder 
Wasser  mit  Essig  vermischt,  son- 
dern  gei'inger,  schlechter  Wein. 

293  conchis  (=  v.6yxog  von  ■nvndv) 
ist  eine  Art  Linsenbrei,  denn  con- 
chis  bedeutet  auch  die  Linse  in 
der  Schale.  Es  war  wie  v.oyxog  v.al 
Kvajiog  die  Speise  der  Armeren, 
vgl.  14,  131.  —  Maa  unterschied 
porrum  sectile  oder  sectivum  (wie 
Schnittlaucli)  nnd  porrum  capita- 
ium,  daher  Mart.  III  47  utrumquc 
2)orrum  scssilesque  lactucas  (Salat). 

294  Der  E.iimmehko\^f{caputverve- 
cinum)  wird  auch  in  Martials  Apo- 
phoreta  211  erwahnt:  mollia  Phrixci 
secuisti  coUa  mariti. 

296  consistcLS,  wo  du  stehst,  wo 
du  deinen  Stand  hast.  —  Die  pros- 
euchae  sind  Bethauser   der   Juden, 


LIBRI  I     SATVRA  111 


ni 


tlicere  si  temptes  aliquiil  taeitusve  recedas, 

tantundem  est:  feriuut  pariter,  vadimonia  deiude 

irati  faciunt.     libertas  pauperis  liaec  est: 

pulsatus  rogat  et  pugnis  coneisus  adorat, 

ut  liceat  paucis  cum  dentibus  iude  reverti. 

nec  tamen  haec  tantum  metuas.     nam  qui  spoliet  te 

nou  derit,  clausis  domibus  postquam  omnis  ubique 

fixa  catenatae  siluit  compago  tabernae. 

interdum  et  ferro  subitus  grassator  agit  rem; 

armato  quotieus  tutae  custode  teuentur 

et  Pomptina  palus  et  Galliuaria  pinus, 

sic  inde  huc  omnes  tamquam  ad  vivaria  curruut. 

qua  fornace  graves,  qua  non  incude  catenae? 

maximus  iu  vinclis  ferri  modus,  ut  timeas,  ne 

vomer  deticiat,  ne  marrae  et  sarcula  desint. 

felices  proavorum  atavos,  felicia  dicas 


300 


30!: 


310 


311  ruaira  P 


welcbe  meist  abseits  in  verborgenen 
Regionen  der  Stadt  lagen.  Hier 
hatten  Handelsleute  oder  Bettler, 
natiirlich  Juden,  ihren  Stand  {con- 
sistere). 

298  vadimonia:  erst  schlagen  sie, 
dann,  als  wilren  sie  geschlagen, 
hilngen  sie  noch  obcndrein  einen 
Prozefs  an:  sie  veranlassen  eine 
Biirgschaftsleistung  beider  Parteien, 
d.  h.  in  ccrtum  diem  locumque  va- 
dimonium  promitti  iubcnt. 

300  adorat  euthalt  zugleich  den 
Begriff  des  verwandten  supplicat, 
er  fleht  demutig  (wie  zu  einerGott- 
heitjumgefalligeFreila-sung,  Senec. 
ep.  115,  4  adoret  ac  supplicet,  an- 
betend  niederfallen. 

301  Ausgeschlagene  Zahne  wer- 
den  auch  16,  10  erwiihnt.  —  paucis, 
wenigstens  mit  einem  Restl 

302  haec  tantum,  der  erwiihute 
Vorgang  ist  nicht  die  eiozige  zu 
furchtende  Gefahr.  Die  in  die 
Strafse  etwa-i  vorgebauten  Buden 
hatten  beweghche  Seitenthiiren,  die 
nachts  vorgeschoben  und  mit  Riegel 
undKette  ftst  verschlossen  wurden. 
Das  Ganze  erschien  de.^halb  als  eiu 
befestigtes  (fixai  Gefiige  (compago) 
der  mit  Ketten  verschlossenen  Bude ; 
es  ist  aber  compacjo  tahernae  als 
einheitlicher  Begriff  zu  fas.«en,  etwa 
wie  Budenbau,  der  gekettet  und  so 


verschlossen  ist.  Auch  die  Haus- 
thiire  war  im  Inneru  mit  einer  Kette 
befestigt,  wie  dies  uoch  jetzt  viel- 
fach  in  London  geschieht,  Ov.  am. 
I  6  in  me  durae  transite  catenae! 
und  excute  poste  seram! 

305  grassator,  Strarsenriluber.  — 
agit  rem,  treibt  sein  Handwerk. 

306  armato  custodc,  niit  beson- 
derer  militiirischerBesatzung,  Mann- 
schaft. 

307  Die  Gallinaria  pinus,  eigent- 
lich  siiva,  war  eiu  Fichteuwald  bei 
Cumae,  siidlich  vom  Volturnu^-',  Cic. 
fam.  IX  23. 

308  tamquam  ad  vivaria  (Hor. 
ep.  1 1,  79)  sic  Imc  currunt,  wiihrend 
im  Deutschen  sic  iiberfliissig  er- 
scheint,  Mart.  XII  69  sic  tamquam 
tabulas  orchetypos  liabcs  amicos. 
Ebenso  haufig  ist  die  Korrelation 
von  quasi  —  ita,  si  —  ita,  Beispiele 
giebt  Niigelsbach  Stil.  §  156,  2. 

309  Die  Negation  gehort  zu  bei- 
den  Gliedern  der  Frage.  Sinn:  da- 
rum  schmiedet  man  denn  jetzt  nur 
Ketten  fiir  die  Riiuber,  so  dafs  fiir 
den  Ackerbau  es  bald  an  Eisen 
fehlen  wird.  Uber  die  Trermung 
von  graves  und  catenae  vgl.  zu 
6,  157. 

312  Die  Qual  und  Not  der  Gegen- 
wart  zwingt  zu  dem  Seufzer:  Wio 
gliicklich    waren    da    doch    unsere 


62 


IWENALIS 


saecula,  quae  quoudam  sub  regibus  atque  tribunis 
viderunt  uno  contentam  carcere  Romam. 

his  alias  poteram  et  pluris  subnectere  causas. 
sed  iumenta  vocant  et  sol  inclinat,  eundum  est; 
nam  mihi  commota  iandudum  mulio  virga 
adnuit.     ergo  vale  nostri  memor,  et  quotiens  te 
Roma  tuo  refici  properantem  reddet  Aquino, 
me  quoque  ad  Helvinam  Cererem  vestramque  Dianam 
converte  a  Cumis.     saturarum  ego,  ni  pudet  illas, 
adiutor  selidos  veniam  caligatus  in   agros.' 


315 


320 


320  elvinam  oj        322  adiutor  pco:  auditor  P(?) 


Voreltern!  Ahnlich  7,207,  12,110, 
und  Hor.  s.  II  2,  93  lios  utinam 
inter  heroas  natum  tellus  me  prima 
tulisset! 

314  uno  carcere,  dem  von  Ancus 
Marcius  erbauten  Tullianum,  Liv. 
I  33,  8:  carcer  ad  terrorem  incre- 
scentis  audaeiae  media  urhe,  in- 
minens  foro  aedificatur. 

315—322  Epilog:  Abschied  des 
Umbricius. 

316  inclinat,  intransitiv  wie  Hor. 
III  28,  5  inclinare  meridiem  sentis. 

318  adnuit,  iihnlich  8,158  ac  virga 
prior  adnuet  =  virga  inclinata. 

319  rcflci  properantem,  cf.  59; 
mit  passivem  Infinitiv  zur  Bezeich- 
nung  einer  Handhmg,  die  eine  Per- 
son  liber  sich  ergehen  lassen  will, 
auch  Amm.  Marcell.  XXV  7,  A  fure- 
bat  inedia  iraque  percitus  miles, 
ferro  properans  quam  fame  igna- 
vissimo  genere  mortis  absumi,  nach 
Analogie  von  mortem,  otium  sibi 
properare.  —  Aquinum  im  Volsker- 
lande  an  der  via  Latina,  die  nach 


Capua  und  von  dort  abzweigend 
nach  Cumae  fiihrte,  war  des  Dichters 
Geburtsort.  Unter  Aquinum  tuum 
ist  ein  Besitztum  des  Uichters  zu 
verstehen,  in  dessen  Nahe  ein  Tem- 
pel  der  Ceres  und  Diana  war.  Der 
Beiname  Hcloia  ist  auch  inschrift- 
lich  bezeugt. 

322  Umbricius,  der  eben  dem 
Dichter  den  besten  Stoff  einer  Sa- 
tire  gegeben  hat:^  will  nicht  von 
Cumae  nach  Aquinum  reisen ,  um 
Satiren  des  Dichters  anzuhoren 
(auditor),  sondern  um  als  Geistes- 
verwandter  des  Dichters  ihm  wei- 
tereu  Stoff  zu  bieten  (adiutor):  seine 
Satiren  werden  sich  der  Mithiilfe 
des  Freundes  ja  nicht  schiimen! 
Er  will  sich  aber  doch  bescheiden 
dem  Dichter  als  caligatus,  d,  h.  als 
einfacher  Soldat,  unterordneu.  CaJi- 
gatiis  ist  pradikativ  aufzufassen, 
i;nd  deutet  zugleich  an,  dafs  der 
Dichter  eine  hohere  militiirische 
Wiirde,  das  Legionstribunat,  be- 
sitzt. 


LTBRT  I     8ATVRA  IV 


63 


SATVRA  IV 
IV  a 
Ecce  iteriim  Orispinus,  et  est  mihi  saepe  vocaiulns 
ad   partes,  nioustrum  nulla  virtute  redemptum 
a  vitiis,  aegrae  solaque  libidiue  fortes 
deliciae,  viduas  tantum  spernatur  adulter. 

"2  ad  patres  J'        4  aspernatur  co 


Satire  IV 

Die  vierte  Satire  bestebt  aus 
zwei  ganz  beterogenen,  uufserlicb 
nnr  lose  (34—36)  verbundenen  Tei- 
leo.  Der  erste  (1 — 33)  bandelt  von 
Crispinus,  der  zweite  (37— 154)von 
der  entwiirdigenden  Tyrannei  Do- 
mitians.  Man  glaubte  zwiscben  bei- 
den  Teilen  folgende  Verbiudung 
annebmen  zu  mussen:  Wenu  scbon 
der  Diener  so  weit  im  Luxus  gebt, 
was  ist  dann  er.^-t  von  dem  Herrn 
zu  erwarten!  Allein  von  einer 
Scbwelgerei  des  Domltiau  ist  im 
zweiten  Teil  gar  nicht  die  Rede, 
nur  von  dem  Terrorismus,  der  Hocb 
und  Niedrig  gefangen  billt,  und 
von  dem  Eigendunkei  desTyrannen. 
Aucb  spielt  Crispinus  im  zweiten 
Teil  gar  keine  RoUe.  Dazu  kommt, 
dafs  V.  1  eine  Satire  erwarton  lafst, 
die  sicb  ausscbliefslicb  mit  Crispi- 
nus  bescbaftigt.  Es  sind  also  in 
der  Uberlieferung  zwei  Satiren,  wo- 
von  die  eine  unvollendet  war,  in 
unnaturlicber  Weise  zu  einer  Ein- 
beit  verbundon  worden,  wir  wiasen 
nicbt,  durcb  welcben  Zufall.  Denn 
zur  Annahme  einer  absicbtlicben 
Interpolation  liegt  kein  zwingender 
Grund  vor.  Das  Fragment  V.  1 — 33 
kann  recbt  gut  von  Juvenal  her- 
ruhren,  nur  ist  es  nicht  iiberarbeitet, 
und  aucb  die  V.  34—36  brauchen 
nicht  erst  zur  Verbindung  von  1  —  33 
mit  37 — 154  verfafst  zu  sein.  Vgl. 
die  Einl.  zu  Sat.  11. 

1  ecce  iterum  Crispinus,  er  ist 
I  26 — 29  nur  voriibergebend  und 
nebenVjei  erwiihnt;  von  einer  be- 
sonderen  Satire  iibt.r  ibn  wissen 
wir  nichts.  Nacb  1,  26  und  4,  24 
u.  32  und  nacb  Mart.  VII  99  {nec 
te  Jioma  yyiinus  qnam  iua  Meynphis 
aniet)  stammte  Crispinus  aus  Agyp- 


ten,  und  4,  108  wird  er  docb  als 
Mitglied  von  Domitians  Staatsrat 
vorgefiibrt.  Als  Senator  konnte  er 
darannicbtteilnebmen,da  Augustus' 
Gesetz,  dafs  ein  Agj^^pter  nie  in  den 
Senat  kommen  solle,  bis  Caracalla 
streng  beobacbtet  worden  ist  (Dio  C. 
LI  17).  Ebensowenig  ist  es  wabr- 
scbeinlich,  dafs  er  als  einfacher 
Ritter  zu  dem  collegium  procerum 
zugezogen  wurde.  Demnacb  war 
er  (Borgbesi  Oeuvres  V  513  sq.) 
wabrscheinlich  wieCornelius  Fuscus 
praef.  cob.  i^raet.  Denn  es  waren 
immer  zwei  PrLifekten  und  sie  wur- 
den  wegen  der  Wichtigkeit  ihrer 
SteUung  zum  Staatsrat  zugezogen. 
Daber  heifst  er  V.  31  xmrimreus 
scurra  palati,  iam  princeps  equittwi, 
denn  ein  insifjne  der  praefecti  war 
die  purpurne  Chlamys,  Lyd.  mag. 
II  13,  Mart.  VIII  48  Tyria  aholla 
genannt.  Auch  die  Scbolien  be- 
merken  zu  V.  32  magister  equitum 
JRomanorum  factus  est  scilicet.  Da- 
gegen  die  Tyria  lacerna  (1 ,  27) 
kann  immerbin  als  Modekleid  auf- 
gefafst  werden. 

2  ad  partes  vocare  {venire),  eine 
Rolle  spielen  lassen  (iibernehmen), 
wie  Ov.  am.  I  8,  87  servus  et  ad 
partes  sollers  ancilla  parentur,  qui 
doceant,  apte  quid  tibi  possit  emi. 
—  redemptum  a  vitiis,  das  Bild  ist 
vom  Loskauf  des  Gefangenen  ent- 
lebnt:  vitiis  tamquam  servus  con- 
strictus  tenetur.  Man  sagte  gewobn- 
lich  vitia  redimae  virtutibus  oder 
blofs  virtute  redemptus,  so  dafs  der 
Zusatz  a  vitiis  auffallend  ist,  vgl. 
9,  76  tota  vix  Jioc  ego  nocte  redemi. 
Vielleicbt  ae  vitiis  aegrae,  erscbopft, 
gebrochen. 

4  deliciae  Wiistling,  von  der  vita 
parum  pudica.  —  viduas   iantum, 


64 


IVVENALIS 


quid  refert  igitur,  quantis  iumenta  fatiget 
porticibus,  quauta  uemorum  vectetur  in  umbra, 
iugera  quot  vicina  foro,  quas  emerit  aedes? 
nemo  malus  felix,  minime  corruptor  et  idem 
incestus,  cum  quo  nuper  vittata  iacebat 
sanguine  adhuc  vivo  terram  subitura  sacerdos. 
sed  nunc  de  factis  levioribus.    et  tamen  alter 
si  fecisset  idem,  caderet  sub  iudice  morum; 


10 


8  damnabat  laJm 


9  vittata  <s:  vitiata  Pco 


gewohnliche  Lviderlichkeit  gefallt 
ibm  nicht,  nur  Ehebrecher  will  er 
sein,  vgl.  Hor.  s.  I  2,  28  sq.  ma- 
tronas  venatur,  viduas  tantiim 
aspernatur.  Das  Verb.  spernari  ist 
archaisch,  Fronto  p.  144  (Naber): 
si  placebis  tibi  pio  aliqiio  cultu 
parentis,  pietatem  spernahere? 

5  Darum  mag  er  anch  noch  so 
reich  sein,  d.  h.  als  Emporkomm- 
]ing  Gluck  gehabt  haben,  gliicklich 
ist  er  doch  nicht.  Da  man  in  der 
Stadt  nicht  fahren  durfte,  so  bauten 
sich  die  Reichen  grofse  Hallen 
oder  Arkaden  auf  eigenem  Grund 
und  Boden,  um  darin  spazieren 
fahren  zu  konnen,  vgl.  7,  179  sq. 
Der  Abl.  quantis  porticibus  ist  nicht 
lokal,  sondern  kausal  aufzufassen, 
denn  die  Grofse  der  Halle  wird 
die  Veranlassung  zur  fatigutio.  Fer- 
ner  legten  sie  sich  grofse  Parks 
an  mit  freien  Platzen  (gestationes), 
wo  sie  sich  in  der  sella  oder  lectica 
herumtragen  liefsen,  vgl.  1,  158 
vehatur  pensilihus  plumis,  Hor. 
ep.  I  10,  22  ncmpe  inter  varias  nu- 
tritur  silva  coiumnas,  carm.  III 
10,  5  nemus  inter  pulchra  satum 
tecta.  Und  Crispinus  hat  so  ausge- 
dehnte  Besitzungen  sogar  in  der 
Nahe  des  Forums,  wo  Grund  und 
Boden  am  teuersten  war,  vgl.  Mart. 
III  31  sunt  tibi,  confiteor ,  difjusi 
iugera  campi  urbanique  ■  tenent 
p7-aedia  multa  lares,  Senec.  ep.  114, 9 
in  ipsas  domos  impenditur  cura,  ut 
in  laxitatem  urbis  (ruris  Codd.)  cx- 
currant,  benef.  Vil  10,  5  acdificia 
privata  laxitatem  urbium  magna- 
rum  vinccntia,  wo  fieilich  eher  an 
umfangreiche  Villen  zu  denken  ist. 

8  corruptor,  ein  Verfiihrer  vou 
ProfeasiOD,     ein     sittlich    verkom- 


mener,  ja  nocb  dazu  (et  idem,  3,  291 
furiosus  et  idem  fortior)  blutschan- 
derischer  (incestus)  Mensch.  Denn 
die  Schiindung  einer  Vestalin  war 
Religionsfrevel  und  grober  Incest. 
Den  Buhlen  traf  in  der  Kaiserzeit 
meist  Relegation,  aber  bei  der  Ver- 
urteilung  der  Cornelia  liefs  Domi- 
tian  der  alten  Gerechtigkeit  ihren 
Lauf.  mox  Corneliam  maximam  vir- 
ginem,  absolutam  olim,  dein  longo 
interimUo  repetitam  atque  conrictam 
defodi  imperavit  stupratoresque  vir- 
gis  in  comitio  ad  necem  caedi  Suet.  8. 

9  Es  gab  eine  besondere  Art  des 
Kopfbandes  {vitta)  fiir  Matronea  uud 
fiir  Jungfrauen;  die  priesterlichen 
vittae  (kleinere  an  beiden  Seiteu 
herabfallende  Bilnder)  waren  mit 
der  infuJa,  dem  breiten  Stirnband, 
verbunden,  weshalb  vitta  allein  sehr 
oft  die  infuJa  mit  bezeichuet.  Der 
Dichter  hebt  hier  vittata,  von  saccr- 
dos  getrennt,  durch  die  Stelhmg 
hefvor,  weil  eben  die  vitta  das 
Zeichen  der  Unverletzhchkeit  und 
der  geheiligten  Person  war. 

10  terram  subitura,  die  hinab- 
steigen  soUte,  d.  h.  deren  Ge- 
schick  oder  Bestimmung  es  war 
{fiiXXovaa).  Die  Schuldige  wurde 
auf  einer  Bahre  zum  campus  sccJe- 
ratus  am  Cohinischen  Thor  getragen, 
wo  sie  in  einem  kleiben  unterirdi- 
schen  Gewolbe  mit  einem  Licht 
imd  einigen  Speisen  eingemauert 
wurde,  Dion.  Ual..  II  G7  u.  Vlil  89. 

11  factis,  der  Plural  von  einer 
Handlung,  weil  sie  in  ihren  Teilen 
und  einzelneu  Moraenten  betrachtet 
wird,  alinlich  5,  2  ut  hona  summa 
pules  aJicna  rivere  quadra. 

12  idem,  d.  h.  die  Jcviora  facta, 
denu   der  Incest  gehort  nicht  vor 


LIBRI  I     SATVRA  IV 


65 


iiam  quod  turpe  bouis  Titio  Seioque,  decebat 
Crispiuum:  quid  agas,  cuni  dira  et  foedior  omni 
crimiue  persona  est?  mullum  sex  milibus  emit, 
aequantem  saue  paribus  sestertia  libris, 
ut  perhibent  qui  de  magnis  maiora  loquuutur. 
cousilium  laudo  artiticis,  si  munere  tanto 
praecipuam  iu  tabulis  ceram  senis  abstulit  orbi; 
est  ratio  ulterior,  magnae  si  misit  amicae, 
quae  vehitur  chiso  latis  specuU^ribus  autro. 

13  Seioque  Calderinus:  serioque   Pco         15  mnltum  P 


15 


20 


den  iudex  uwrum.  Sinn:  Ich  will 
nicht  weiter  reden  von  dem  Incest, 
denn  hier  versteht  es  sich  von 
selbst,  dafs  der  Frevler  vernrteilt 
seia  miifste;  ich  will  jetzt  eine 
viel  geriugere  That  beriihren,  die 
freilich  wichtig  genug  ist,  jedem 
anderen  eine  nota  censoria  zuzu- 
ffigen,  Senec.  ep.  95,  41  quid  tam 
dignum  ctmoria  nota  quam  cenae 
iiumptuosae  flagititcm.  —  caderef, 
wiirJe  zu  Falle  kommon,  verurteilt 
werden,  vgl.  10,  69  sed  quo  cecidit 
sub  oimine.  Vom  Verurteilten  wird 
daher  gern  iacere  {in  exilio,  in 
mohstiis)  gebraucht.  —  sub  iudice, 
vor  dem  Tribunal,  vgl.  7,  13  quam 
si  dicas  sub  iudice  'vidi\  Der  iudex 
morum  ist  Domitian,  und  der  Aus- 
drack  nicht  frei  von  Ironie,  vgl. 
2,  29. 

13  nam  istironische  Begriindung: 
Crispinus  non  cecidit,  nam  quod 
turpe  bonis  etc. ,  wir  ubersetzen 
'freilich'.  Die  Namen  Titius  und 
Seius  brauchteh  die  romischen  Ju- 
rifcten,  um  beJiebige  PerBonen  als 
Beispiele  zu  nennen.  Bestimmte 
Beispiele  konnten  hier  nicht  ange- 
fuhrt  werden,  weil  es  sich  um  ge- 
wohnliche  Erscheinungen  handelt. 
Vgl.  8,  182  et  quae  turpiu  cerdoni, 
Volesos  Brutumque  decebunt. 

14  sq.  quid  ayas  cwm  =  3, 291  nam 
quid  agas,  cum  te  furiosus  cogat.  — 
mullus  (5,  92.  6,  40.  11,  37)  Meer- 
barbe  oder  Rotbart,  war  einer 
der  geschatztesten  und  teuersten 
Fische.  Das  gewohnliche  Gewicht 
war  zwei,  hochstens  vier  Pfund. 
Es  kommen  vereinzelt  noch  hohere 
Preise  vor,  so  imter  Tiberius 
10  000   Sest.,  unter  Calignla   7000 

IvVEXA.1,18   SaTVI£.\F.. 


oder  8000,  aber  es  waren  eben  nur 
vereinzelte  Beispiele,  die  immer  als 
Ausschreitungen  geriigt  wurden. 
Suet.  Tib.  34  tres  muUos  XXX  mi- 
Ubus  nummum  venisse  graciter  con- 
questus  adhibendum  supellectili  mo- 
dum  censuit  annonamque  senatus 
arbitratu  quotannis  temperandam. 

16  sane  ironisch,  vgl.  5,  123. 
12,  124. 

18  consilium  laudo,  wie  12,  121 
laudo  meum  civem.  —  artiftcis  'des 
Schlankopfes'.  Von  der  Erbschlei- 
cherei  auch  10,  238'  bona  tota  fe- 
runtur  ad  Plnalen,  tantum  artifieis 
(adj.)  valtt  hulitus  oris. 

19  in  tabulis,  den  Wachstafeln 
des  Testaments ;  in  der  Regel  waren 
es  zwei  (Diptycha)  oder  drei  (Tri- 
ptycha).  Die  erste  Seite  der  ersten 
Tafel  blieb  unbeschrieben,  auf  der 
zweiten  Seite  stand  der  Name  des 
Testators,  dann  in  der  zweiten 
Zeile  die  institutio  heredis  oder  der 
coheredes,  weiterhin  folgten  die  Le- 
gate.  —  cera  praecipua  die  erste 
Wachsseite ,  wiihrend  die  erste 
iinfsere  Seite  der  tahulae  nicht  mit 
Wachs  iiberzogen  war,  ist  =  prima 
cera  bei  Hor.  s.  II  5,  54. 

20  ratio  idterior ,  dio  grijfsere, 
noch  dariiber  hinausgehende  Be- 
rechnung  ist,  dafs  er  von  der  magna 
amica  nicht  nur  selbst  etsvas  er- 
reicht,  sondern  noch  dariiber  hin- 
aus  durch  ihre  Vermittelung  etwas 
zu  erreichen  hofift.  Ahnlich  wie  hier 
ratio,  steht  1 ,  l  et  spes  et  ratio 
studiorum  und  7,  30  spes  nulla 
ulterior,  15,  118  ulterius  nil  timet 
{spierat). 

21  Die  lectica  der  magna  amica 
hat  nicht  blofs  Vorhange  (3,  242), 

5 


66 


IVVENALIS 


nil  tale  espectes:  emit  sibi.    multa  videmiis, 
quae  miser  et  frugi  uou  fecit  Apicius.    hoc  tu 
succinctus  patria  quondam,  Crispine,  papyro, 
hoc  pretio  squamam?  potuit  fortasse  minoris 
piscator  quam  piscis  emi;  provincia  tanti 
vendit  agros,  sed  maiores  Apulia  vendit. 
qualis  tunc  epulas  ipsum  gluttisse  putamus 

25  pretium  i)oa         squamam  S  Valla:  squame  -Pco 


25 


sondern  ist  mit  Sclieiben  (Jatis)  des 
lapis  specularis  (Marienglas)  ver- 
sehen.  Der  Ausdruck  antrum  ist 
spottiscli,  deutet  aber  auch  auf  die 
Ifiihleade  Temperatur  dieser  kiinst- 
lich-romantischen  Grotte. 

23  Nach    dem  was   Senec.    dial. 

XII  10,  8 — 10  liber  diesen  ^nepotum 
omnium  altissimus  gurges'  berichtet, 
der  100  Millionen  Sest.  Hn  culinam 
coniecit^,  konnte  er  sich  wohl  mit 
Crispinus  messen,  aber  ■weil  er  eben 
ein  so  beriichtigter  Schlemmer  war, 
ist  der  Hohn  um  so  bitterer,  wenn 
er  dennoch  dem  Crispin  gegenuber 
armselig  (miser^  und  sparsam  {frugi) 
genannt  wird.  Wahrscheinlich  er- 
innert  hier  Juv.  an  einen  Vorfall, 
den  Senec.  e-p.  95,  42  erzahlt.  Api- 
cius  eiferte  mit  P.  Octavius,  dem 
Prafekten  von  Agypten,  um  den 
Kauf  eines  ^Y-jpfundigen  mullus, 
verzichtete  aber  darauf,  als  dieser 
5000  Sesterzen  bot. 

24  succinctus  =  alte  cinctus  (Hor. 
s.  II  6,  107  u.  8,  10)  wie  Sklaven 
oder  Geschaftsleute ,  vgl.  8,  162  et 
cum  venali  Cyane  succincta  lagona, 
Suet.  Cal.  26  succinctos  linteo.  Zu 
dem  Nom.  vgl.  5, 173.  —  Aus  dem 
Bast  von  Papyrus  wurden  auch 
Kleidungsstiicke  verfertigt,  Plin.  h. 

XIII  22  et  e  libro  vela  tegetcsque 
necnon  et  vestem  texunt. 

25  squamam  verachtlich  ii\xpiscem. 
Die  Ellipse  von  emisti  oder  emcre 
potuisti  ist  durch  das  Pathos  der 
Entriistung  veranlafst,  wie  1,  88. 
—  Mart.  III  62  quod  pluris  mula 
est  quam  domus  cmpta  tihi,  X  31 
addixti  servum  nummis  here  mille 
ducentis  (Sest.),  ut  bene  cenares, 
Calliodore,  semel;  nec  bene  cenasti: 
7nulhis  tibi  quattuor  emptus  libra- 
rum  ccnac  pompa  caputque  fuit. 


26  provincia  schliefst  Italien  ans, 
vgl.  5,  97. 

27  sed  maiores  Apulia  vendit,  wo- 
fur  man  in  Beziehung  auf  tanti  eher 
minoris  erwartet,aber  wenn  man  fiir 
denselben  {tanti  =  tantidem)  Preis 
maiores  agri  erhiilt,  dann  sind  diese 
eben  billiger.  Die  eigentiimliche 
Form  bedeutet,  dafs  man  in  Apulien 
zuweilen  sogar  noch  billiger 
Grundstiicke  (fundi)  kaufen  konne, 
vgl.  Ov.  m.  VIII  283  et  Oeneos  ul- 
torem  spreta  (i.  e.  Diana)  per  agros 
viisit  aprum,  quanto  maiores  her- 
bicla  tauros  non  habet  Epir.os,  sed 
habent  Sicula  arva  niinores ,  d.  h. 
grofsere  Stiere  giebt  es  gar  nicht, 
wohl  aber  in  Sicilien  mitunter  klei- 
nere,  wonach  man  sich  ein  Bild 
von  der  Grofse  des  Ebers  machen 
kann,  denn  die  tcmri  Siciliens  sind 
selbst  nicht  klein.  Apulien  hat 
keine  kleinen  praedia,  aber  den- 
noch  kann  man  ein  solches  prae- 
dium  mitanter  billiger  kaufgn  als 
Crispinus  seinen  Fisch.  Da  die 
praedia  in  Apulien  weder  klein 
noch  wertlos  sind,  so  werden  9,  55 
tot  praedia,  servas  Apula  ganz  ua- 
tiirlich  als  Beweis  des  Reichtums 
angefiihrt,  ebenso  Hor.  III  16,  26 
quam  si  quidquid  arat  impiger  Ap- 
pulus  occultare  meis  dicerer  horreis, 
magnas  inter  opes  inops,  Senec. 
87,  6  tantum  suburbani  agri  pos- 
sidet,  quantum  invidiose  in  desertis 
( wenig  bevolkert)  Apuliae  possiderct. 
Der  Gebrauch  von  sed  in  dem  oben 
erwiihnten  Sinne  war  volkstiimlich 
uud  ist  nicht  wesentlich  verschie- 
den  von  Beispielen  wie  5,  147  oder 
Mart.  I  117  et  scalis  habito  tribvs. 
sed  cdtis,  die  aber  hoch  sind,  noch 
dazu  hohe,  vgl.  dort  die  von  Friedl. 
angofiihrten  Beispiele. 

28  gluttirc  {gluttus  Schlnnd,  von 


LIBRI  T     SATVRA  IV 


67 


iuiluperatorem,  cnm  tot  sestertia,  partera 
exigtiam  et  modicae  suraptam  de  margine  cenae, 
purpureus  raagni  ructarit  scurra  Palati, 
iam   priuceps  equitura,  raagua  qui  voce  solebat 
veudere  uiunicipes  fracta  de  merce  siluros. 
iuci])e,  Calliope.     licet  et  cousidere:  non  est 
cantaudum,  res  vera  agitur.     narrate,  puellae 
Pierides.    prosit  mihi  vos  dixisse  puellas. 

IV  b. 
Cum  iam  seraiauimum  laceraret  Flavius  orbera 
ultiraus  et  calvo  serviret  Roraa  Neroni, 

31  ructaret  m         33  fracta  S(o:  facta  P,  farta  Mart.  III  58,  6 


30 


35 


gula  und  gulo)  erinneft-t  an  in- 
gluvies,  die  widerliche  GefriUsigkeit 
des  Schlemmers,  dem  der  Bauch 
sein  Gott  ist.  Nicht  ohne  Spott 
wird  daneben  das  altehrwiirdige, 
feierliche  Wort  induperator  gestellt, 
anch  noch  10,  138. 

30  sq.  Bei  einem  G-elage  war  der 
mnUus  doch  nur  ein  Gericht,  ja 
noch  weniger,  nur  eine  Nebenspeise, 
zur  Zierde  um  den  Rand  der  Schiissel 
herumgelegt.  —  erugere  {iQSiyoaui) 
und  ructare  (vgl.  6,  10)  riilpseu, 
verschlingen  {rumen  Schlund,  rumi- 
nare  wiederkiiuen). 

31  sqq.sc«;r«Pa?a^<verachtlichfiir 
amicus  principis ,  Hofschranze.  — 
magna  voce,  als  praeco.  —  Der  sihirus 
(14,  132),  Wels,  ist  ein  Flufsfisch, 
der  sich  besonders  haufig  im  Nil 
findet.  Er  heifst  deshalb  apottisch 
municeps  des  Crispin,  wie  14,  271 
pingue  antiquae  de  litore  Cretae 
passum  et  municipes  lovis  advexisse 
lagonas.  Die  Ladung  eines  Schiffes 
wurde  in  kleineren  Teilen  ver- 
f-teigert.  V^on  der  Schiffsladung  {de 
partitivj  erhielt  der  jtraeco  Crispi- 
nns  die  Versteigerung  der  Fische, 
des  geringsten  Teile.-t  der  gesamten 
Waren.  Frangere  ist  synonyra  mit 
comminuere  oder  minuere  mercem. 
Wahrscheinlich  ist  es,  dafs  die 
Fische  gesalzen  waren,  daher  14, 132 
putri  siluro. 

34  r-.q.  Die  pathetisch-komische  An- 
rufung  der  Muse  erinnert  an  Hor. 
s.  I  5,  .51  nunc  mihi  paucis  Sar- 
menti    scurrae    pugnam    Messique 


Cicirri,  Musa,  veliin  memores.  — 
considere,  weil  eine  Erhebung  un- 
notig  ist,  die  Geschichte  bedarf 
des  kiinstlerischen  Schmuckes  gar 
nicht.  —  Einen  scharfen  Gegensatz 
bilden  cayitare  nnd  narrare  (eig. 
gnurare  kundig  machen)  wie  schil- 
dern  und  berichten,  Cic.  or.  II  54 
paulum  se  erexit  et  addidit  maiorem 
historiae  sonum  (vocis)  Antipater, 
ceteri  non  exornatores  rerum,  sed 
tantummodo  narratorcs  fuerunt. 

36  puellas,  denn  Orpheus  war  ja 
doch  der  Sohn  der  Kalliope,  aber 
puella  wurde  auch  von  der  ver- 
heirateten  Frau  gebraucht,  weuu 
man  ihrer  Tugend  oder  Schonheit 
schmeicbeln  woUte  (oft  anch  iro- 
nisch),  vgl.  zu  3,   160. 

37  semianimus  ist  bei  den  Dich- 
tern  immer  choriambisch  (s  w  o) 
gebraucht.  —  laceraret ,  ahnlich 
sagt  von  Domitian  Oros.  VII  10  cum 
et  in  urhe  ipse  senatum  populumquc 
laniaret  et  foris  male  circumactum 
erercitum{DAc\eThrieg)assiduaJiostes 
clade  conficerent.  Wegen  seiner  Grau- 
samkeit  wurde  er  ofters  Nero  ge- 
nannt,  so  ira  J.  96  von  Mart.  XI  33 
und  TertuU.  Apol.  c.  4  portio  Ne- 
ronis  de  crudelitate,  de  pall.  4  Suh- 
nero.  Domitian  war  von  Natur  sehr 
eitel  und  besonders  iiber  seinen 
Kahlkopf  betrubt,  daher  wird  er 
calvus  Nero  noch  von  Auson.  de 
XII  Caesaribus  12  genannt,  Suet.  18 
cahntio  ita  offendebatur,  ut  in  con- 
tumeUam  suani  traheret,  si  cui  dlii 
ioco  vel  iurgio  ohiectaretur. 

5* 


68 


IVVENALIS 


iucidit  Adriaci  spatium  admirabile  rhombi 
ante  domum  Veueris,  quam  Dorica  sustiuet  Ancou, 
implevitque  sinus;  nec  enim  minor  haeserat  illis, 
quos  operit  glacies  Maeotica  ruptaque  tandem 
solibus  effundit  torrentis  ad  ostia  Pouti 
desidia  tardos  et  longo  frigore  pingues. 
destiuat  hoc  monstrum  cumbae  liuique  magister 
pontifici  summo.    quis  enim  proponere  talem 
aut  emere  auderet,  cum  pleua  et  litora  multo 
delatore  forent?  dispersi  protinus  algae 


40 


45 


41   implevitque   S^jco.-  itnplevit   P 
47  litore  P 


43  torrentis  S:  torpentis   P? 


39  incidit  implevitqiie  sinus 
gehort  eifg  ziisammen  und  in 
dieser  Verbindung  hat  incidit  mit 
dem  Accusativ  statt  incidit  in 
sinus  nichts  Auffallendes.  —  Adriaci 
ist  Adjektiv  und  gehort  zu  rhombi. 
—  Die  Umschveibuug  des  Fisches 
durch  spatium  admirahile  (fiir 
ingtns  rhombus)  ist  nicht  ohne 
komische  Fiirbnng,  vgl.  6,  505  si 
breve  parvi  sortita  ett  lateris  spa- 
tium.  Wenn  Verg.  VII  18  saeti- 
geririue  sues  atque  in  praesepibus 
ursi  saevire  ac  formae  magnorum 
ululare  luporum  sagt,  so  wird  da- 
mit  auf  die  Metamorphose  der  Men- 
schen  durch  Circes  Zanberkraft  hiu- 
gewiesen:  es  sind  eben  in  Wirk- 
lichkeit  keine  Wolfe.  —  Der  rhombus 
oder  die  Butte  gehorte  zu  den 
edleren  und  beliebtesten  Fischen, 
am  besten  aua  der  Gegend  von 
Ravenna,  Plin.  IX  169  lupi  pisces 
in  Tiberi  amne  inter  diios  pontis, 
rhombus  Bavennae,  muraena  in  Si- 
cilia  (vgl.  5,  93). 

40  In  Ancona,  das  von  Doriern 
in  Sicilien  gegriindet  war  und  die 
Verbiudung  Roms  mit  dem  Norden 
und  Nordosten  neben  Ravenna  ver- 
mittelte,  war  ein  beriihmter  Tempel 
der  Venus  marina.  Catull.  36,  13. 
Das  Wort  sustinet  deutet  an,  dafs 
der  Tempel  auf  der  Hohe  lag  und 
weithin  sichtbar  war. 

43  solibus,  Sonnenstrahlen ,  die 
heifse  Sonne,  13,  78  per  Solis  radios 
iurat.  —  torrentis,  iiberflutend,  stro- 
mend,  so  Mart.  X  85  torrcntibus 
undis  Tibris  von  der  Tiberiiber- 
schwcmmnng,    Juv.  13,  70   torrens 


amnis  gurgitibus  miris,  vgl.  zu  90. 
Ov.  trist.  III  10,  49  vom  Pontus: 
vidimus  in  glacie  pisces  haerere  li- 
gatos  et  pars  ex  illis  tunc  quoqiie 
viva  fuit,  was  bekanntlich  in  eis- 
bedeckten  Fiiissen  sehr  haufig  zu 
sehen  ist. 

45  Kahn  und  Netz  regiert  der 
Fischer.  In  iihnlicher  Weise  war 
ein  muUus  ingentis  formae,  ^y^  Pf. 
schwer,  auf  dem  macellum  zu  Rom 
gekauft  und  dem  Tiberius  zum  Ge- 
schenk  gemacht  worden:  admiratus 
est  rem,  qua  putavit  Gaesarem  di- 
gniim  Sen.  ep.  95,  42. 

46  pontifici  summo  scheint  anf 
die  dapes  pontificales ,  die  sprich- 
wortlich  waren  (Hor.  II  14,  28),  und 
die  Vorliebe  Domitians  fiir  diese 
Seite  der  priesterlichen  Thiltigkeit 
anzuspielen,  Mart.  XII  48,  11  non 
Albana  milii  sit  comissatio  tanti 
(auf  dem  Albanum  des  Domitian) 
nec  Capitolinae  (das  epulum  lovis 
in  Capitolio  am  13.  Sept.  und  Kov.) 
pontificumque  dapes.  —  proponerc, 
offentlich  auf  dem  Markte  zum  Ver- 
kauf  ausbieten. 

47  tnulto  delatore,  vgl.  zu  3,  232. 

48  dispersi,  die  iiberall  aufgc- 
stellten  [dispositi)  Spiirhunde,  die 
selbst  das  Meergras  durchsuchen, 
wiirden  dum  armen  {nudo)  Fiihr- 
matm  sofort  den  Prozefs  gcmacht 
haben.  Man  erwartet  dispersi  dlga 
inquisitores ,  der  inquisitor  bedarf 
kciner  niiheren  Bestimmung,  Plin. 
h.  VIII  147  comitantem  ad  feram 
inquisitorem  traJiem  (i.  e.  canib), 
Suet.  Caes.  1  scqu<;  ab  inquisitoribus 
pccunia  redimeret. 


LIBRI  I     SATVRA  IV 


69 


inquisitores  agereiit  cum  remige  nudo 
11011  dubitaturi  fugitivum  dicere  piscem 
depastumque  diu  vivaria  Caesaris,  inde 
elapsum  veterem  ad  domiuum  debere  revcrti. 
si  quid  Palfurio,  si  credimus  Armillato, 
quidquid  couspicuum  pulchrumque  est  aequore  toto, 
res  fisci  est,  ubicumque  natat.    donabitur  ergo, 
ne  pereat,    iam  letifero  cedente  pruinis 
autumno,  iam  quartauam  sperautibus  aegris 
stridebat  deformis  liiems  praedamque  recentem 
servabat.    tamen  hic  properat,  velut  urgueat  auster. 
utque  lacus  suberant,  ubi  quamquam  diruta  servat 
ignem  Troianum  et  Vestam  colit  Alba  minorem, 
obstitit  intranti  miratrix  turba  parumper. 


50 


55 


60 


61  despastam  P 


53  Dieser  Grundsatz  ist  in  das 
roniische  Recht  nicht  iibergegangen ; 
lubtit.  lust.  II  1,  2  heifst  es:  flumina 
autcm  onniia  et  portus  jnihlica  sunt 
ideoque  ius  piscandi  omnihus  com- 
mune  est  in  portu  fluminihusque.  — 
Palfurius  und  Armillatus  waren 
bekannte  Jnristen  zur  Zeit  Domi- 
tians,  Suet.  13  Capitolino  certamine 
cunctos  inrjenti  conscnsu  precantis, 
ut  Palfurium  Suram  restitucret, 
pulsum  ohm  scnatu  ac  tunc  de 
oratorihus  coronatum,  tncere  iussit 
voce  pracc:nis.  Nach  den  Scholien 
war  er  auch,  -wie  Armillatus,  als 
Delator  beriichtigt,  und  wnrde  nach 
Domitians  Tod  vom  Sonat  ver- 
urteilt,  sicut  Marius  Maximus  scrihit. 

55  Die  Schmfichler  des  Kaisers 
spracben  dies  alles  nicht  etwa  dem 
Arar  des  Staates,  sondem  dem 
Fiskus  des  princeps  zu. 

56  sq.  ne  percot,  der  Fisch,  denn 
verlieren  mufste  der  Fischf^r  ihu 
doch.  —  Der  Septerabcr  besonders 
galt  fiir  den  der  Gesundbeit  schad- 
lichen  Monat,  zu  6,  517,  aber 
auch  der  Herbst  nberhaupt,  11,  76 
autumnum  ct  crudi  posuere  pericida 
suci.  Die  quartana  wnrde  schon 
als  giinstiger  angesehen,  Cic.  fam. 
XVI  11,  1  cum  in  quartanam  con- 
versa  vis  est  morhi,  spero  te  dili- 
gentia  adhibita  etiam  firmiorem  fore. 
Es  gehort  also  quartanam  zu  spe- 
rantibus,  denn  aeger  wird  nie  mit 


dem  Acc.  der  Krankheit  verbunden, 
wohl  aber  mit  Acc.  eines  Korper- 
teiles,  wie  pedcs  aegcr. 

58  praedam,  deu  Fang,  d.  h.  den 
Fisch,  den  die  Kiilte  frisch  (recens) 
erhalt.  Dagegen  wiirde  ihn  der 
Auoter  verderben,  Hor.  s.  II  2,  41 
ros  praesentes  Austri  coc^uite  horum 
opsonia! 

60  Unten  ara  albanischen  Berge 
befinden  sich  zwei  nahe  aneinander 
liegende  Seen,  nieht  weit  von  Aricia 
der  lacus  Kemorensis  und  westlich 
vom  mons  Alhanus  der  lacus  Al- 
hanus.  Weun  der  Fischer  auf  der 
Hohe  des  Gebirgszuges  daherkam, 
wie  es  von  Norden  oder  Nordwesten 
aus  nicht  anders  moglich  war,  so 
lagen  die  beiden  Seen  zu  scinen 
Fiifsen  {suherant). 

61  Das  Feuer  der  von  Troja 
stammenden  Vesta  mufste  nnter- 
halten  werden,  um  gleichsam  die 
Kontinuitat  der  Existenz  Roms  aus- 
zudriicken,  vgl.  Verg.  II  293  sq. 
Ein  zweites  Kolleginm  der  Vesta- 
linnen  zu  Alba,  welches  bis  auf  die 
Zeit  des  Syramachus  dauert,  wird 
ofter  auf  Inschriften  erwahnt  (Bor- 
ghesi  oeuvres  V  517).  Die  Vesta 
zu  Alba  heift  niinor,  weil  der  dor- 
tige  Tempel  viel  kleiner  war  als 
der  Ve.statempel  su  Rom.  Die  villa 
Albana  war  der  Lieblingsaufenthalt 
Domitians. 


70 


IVVENALIS 


ut  cessit,  facili  patuerunt  cardine  valvae; 
exclusi  spectant  admissa  obsoiiia  patres. 
itur  ad  Atriden.    tum  Picens  ^accipe'  dixit 
'privatis  maiora  focis;  genialis  agatur 
iste  dies;  propera  stomachum  laxare  sagina 
et  tua  servatum  consume  in  saecula  rhombum; 
ipse  capi  voluit.'    quid  apertius?  et  tamen  illi 
surgebant  cristae;  nihil  est  quod  credere  de  se 
non  possit,  cum  laudatur  dis  aequa  potestas. 
sed  derat  pisci  patinae  mensura.    vocantur 
ergo  in  consilium  proceres,  quos  oderat  ille, 


65 


70 


67  sagina  W:  saginam  P  sagiuis  Spw  saginae  lahn       71  aequae  P 


63  id  cessit,  sc.  miratrix  turba. 
—  facili,  'willig',  dagegen  die  ersten 
Manuer  des  Staates  niussen  wavten 
(exclusi)  und  zusehen,  wie  der 
Leckerbissen  (obsonia)  vor  ihnen 
vorgelassen  wird  (admissa). 

65  Atriden,  damit  wird  die  er- 
habene,  unbeschrankte  Majestat  des 
Domitian  lacherlich  gemacht.  Aga- 
memnon  ist  deu  romischen  Dich- 
tern  vielfach  das  Urbild  eines  do- 
minus  superbus  wegen  der  Opferung 
der  Iphigenie  und  des  Hochmuts 
gegen  Achilles. 

66  Da  der  genius  eines  Men- 
schen  von  diesem  selbst  untrennbar 
ist,  so  geschieht  dem  Menschen, 
was  seinem  Genius  geschieht,  daher 
genio  indulgere  oder  genium  vino 
curare  (Hor.  III  17,  14)  =  sibi  in- 
dulgere  oder  se  curare.  Wenn  der 
Mensch  sich  einen  guteu  Tag  ge- 
wiihrt,  so  nennt  er  diesen  gern 
dics  genialis  (urspr.  Geburtstag), 
einen  Tag,  den  er  seinem  Oenius, 
d.  h.  sich  widmet,  daher  =  Freuden- 
tag,  vgl.  die  Schilderung  bei  llor. 
cp.  II  1,  140  sq.  Laxare  stomachum 
sagina  ist  uichts  anderes  als  sto- 
machum  placida  sagina  curare  oder 
rccreare,  wie  Verg.  V  836  placida 
laxabant  meinbra  quiete,  eig.  lielsen 
die  Glieder  im  Schlaf  auseinander- 
gehen,  die  nach  dem  Schlafe  wie- 
der  zusammengenommen  werden 
{colliguntur) ,  Plin.  ep.  VR  24,  5 
solerc  se  ut  feminam  laxare  animum 
lusu  calculorum,  Mart.  IV  8  cum 
honus  aetherio  laxatur  ncctare  Cae- 


sar ,  also  doch  auch  sein  Magenl 
Die  Schmeichelei  entspricht  der  des 
Mart.  IV  30. 

69  apertius  ''plumper',  wie  Sen. 
u.  q.  IV  praef.  8  quo  apcrtior  ei>t 
adulatio. 

70  surgebant  cristae  =  intiime- 
scchat,  nach  Art  der  imperiosi  oder 
saevientes  (Quint.  IJ-,8),  d.h.  schwoU 
ihm  der  Kamm,  wie  einem  Hahn, 
spreizte    sich    wie    ein   Pfau,    vgl. 

13,  233  laribus  cristam  promittere 
galli. 

71  Die  dis  aequa  potestas  ist  bit- 
tere  Ironie,  weil  er  sich  gottlicher 
Abkuuft  riihmte,  und  seineu  Pro- 
kuratoreu  folgenden  Anfaug  einer 
Verfiigung  diktierte:  '  Domimis  et 
deus  noster  hoc  fieri  iubet.'  Mavtial 
erteilt  ihm  ganz  gewohnlich  gott- 
liche  Namen  und  Attribute. 

72  mensura  patinae,  eine  aus- 
reichende  Schiissel,  eig.  das  rechte 
Mafs  der  Schiissel,  j^isci  par  mcn- 
siira  patinae  (10,  98).  So  erhiilt 
mensura  die  Bedeutung  von  Grofse 
oder  Umfang,  vgl.  14,  93  ncc  parva 
tamen  mensura  rclictac  partis  erat, 

14,  316  mensura  tamen  quae  suffi- 
ciat  censtts.  Ironisch  und  bitter  ist 
der  Zusatz  von  ergo  zu  vocantur. 

73  Diejenigen  Senatoren  oder 
liitter,  welche  den  kaiserlicheu 
Kabinettsrat  bildeten,  hiefsen  vor- 
zugsweise  amici  Caesaris,  daher 
magnae  paUor  amicitiae.  Doniitii\n 
hafste  aiich  diese,  wic  ihm  der  gauzo 
Senat  verhafst  war.  Auf  ihrem  Ge- 
sicht  lag  die  Blilsse  der  ekndiglich 


LIBRI  I     SATVEA  IV 


71 


in  quorum  facie  miserue  ma»j;iuieque  seilebat 
pallor  amicitiae.    primus  clamante  Liburuo 
V'urrite,  iam  sedit'  rapta  properabat  abolla 
lV'gasus,  attouitae  positus  iuotlo  vilicus  urbi. 
auue  aliud  tuuc  praeiecti?  quorum  optimu.s  atque 
iuterpres  legum  sauctissimus  omuia,  quamquam 
tem})oribus  diris,  tractauda  putabat  inermi 
iustitia.    veuit  et  Crispi  iucunda  senectus, 
cuius  eraut  mores  qualis  facuudia,  mite 
ingenium.    maria  ac  terras  populosque  regenti 
quis  comes  utilior,  si  clade  et  peste  sub  illa 
saevitiam  damnare  et  honestum  adferre  liceret 


75 


80 


85 


78  delehat  Ileinrich  79    quamquam  S^yco:  quamque  P       83  ter- 

rasjjoj;  terra  P  terram  lahn        gerenti  F 


bohen  Freundscbaft,  weil  keiner 
von  ibnen  sicb  fiir  ganz  sicber 
balten  konnte,  vgl.  88  und  1,  35. 
Sie  werden  trotz  Wiud  und  Wetter 
(58)  auf  die  viUu  Albana  bescbie- 
den,  nur  um  von  dem  Tyrannen 
verbobnt  zu  werden. 

75  Liburnus  ist  der  servus  ad- 
missionis,  dagegen  3,  240  und  6,  477 
erscbeint  der  Liburner  als  Sanften- 
triiger. 

77  Fegasus  war  uben  praefectus 
urbi  geworden,  Tac.  VI  11  mox 
rerum  potitus  (Augustus)  ob  magni- 
tuditiem  popuU  ac  turda  legum 
atixilia  sumpsit  e  consularibus,  qui 
coerceret  servitia  et  quod  civium 
audacia  turbidum,  nisi  vim  metuat. 
Um  das  J.  90  erscbeint  bereits 
Rutilius  Galliciis  in  diesem  Amte, 
Stat.  s.  I  4.  Juv.  nennt  ihn  Auf- 
seher  oder  Verwalter  {vilicus)  der 
eingeschiichterten  Stadt.  Denn  da 
der  vilicus ,  der  Verwalter  einer 
vi}la,  gewohnlicb  ein  Sklave  oder 
bochstens  Freigelassener  war,  so 
deutet  der  Dicbter  damit  an,  dafs 
Rom  das  Eigentum  des  Kaisers 
und  Pegasus  sein  er.ster  Sklave 
war.  Die  aboUa,  Kriegsmantel  oder 
Chlamys,  war  die  Amtstracbt  des 
Pegasus.  Er  seibst  war  ein  be- 
riihmter  Recbts^gelehrter,  der  in 
den  Institutionen  (II  23,  5)  und 
Digesten  (I  2,  53)  erwahnt  wird, 
ein  Mann,  der  in  dieser  blutigen 
Zeit  gleicbwohl  alles  mit  dem 
schwacben  Arm   der  Gerechtigkeit 


{inermi  iustitia)  glaubte  ausfiibren 
zu  konnen.  V^ie  hier  quamquam 
mit  temporihus  diris,  so  ist  es  60 
mit  diruta  verbunden  (abgekiirzter 
Nebensatz). 

78  anne  aliud  nocb  7,  179.  199. 
10,  207.  15,  122  anne  aliam  in- 
vicliam  facerent? 

79  interpres  lcgum  —  6,  544. 

81  Vibius  Crispus  war  unter 
Vespasian  Prokonsul  von  Afrika, 
dial.  8.  Tac.  b.  II  10  sagt  von  ibm 
pecunia  potentia  ingenio  inter  claros 
magis  quam  inter  bonos.  Sein  hei- 
teres  joviales  Wesen  (iueunditas) 
riihmen  aucb  Suet.  Dom.  3  und 
Quint.  X  1,  119. 

82  mores  Leben,  Lebensweise,  da- 
gegeningenium=Cha,rakter,Wesen. 

83  Anspielung  auf  Hor.  I  12,  15 
qui  mare  ac  terras  variisque  mun- 
dum  temperat  horis,  Lucan.  I  111 
quae  laure,  quae  terras,  quae  totum 
possidet  orhem,  non  cepit  fortuna 
duos. 

84  comes  hier  =  amicus,  steter 
Begleiter,  obne  dafs  dabei  an  eine 
Reise  oder  Expedition  des  Kaisers 
zu  denken  ist.  —  clade  ct  peste  illa 
dem  Wiiterich  und  Scbcusal,  dem 
grausamenDespoten,  nacb  Cic.prov. 
cons.  13  has  duplices  pestes  soeio- 
rum  (d.  b.  Piso  und  Gabinius),  mi- 
litum  clades,  publicanorum  ruinas, 
provi)iciarum  vastitates,  imperii  ma- 
cuJas  teneretis? 

85  liceret  moglich  gewesen  ware, 
denn    ohne    Bedingung    mufste   es 


72 


IVVENALIS 


cousilium?  sed  quid  violentius  aure  tyranni, 
cum  quo  de  pluviis  aut  aestibus  aut  nimboso 
vere  locuturi  fatum  pendebat  amici? 
ille  igitur  numquam  derexit  bracchia  coutra 
torrentem,  nec  civis  erat  qui  libera  posset 
verba  auimi  proferre  et  vitam  injjendere  vero. 
sic  multas  liiemes  atque  octogensima  vidit 
solstitia,  his  armis  illa  quoque  tutus  in  aula. 
proximus  eiusdem  properabat  Acilius  aevi 
cum  iuvene  iudiguo  quem  mors  tam  saeva  maueret 
et  domini  gladiis  tam  festinata;  sed  olim 
prodigio  par  est  in  nobilitate  senectus, 
unde  fit,  ut  malim  fraterculus  esse  gigantis. 
profuit  ergo  nihil  misero^  quod  comminus  ursos 
figebat  Numidas  Albana  nudus  harena 
venator.    quis  enim  iam  uon  intellegat  artes 
patricias?  quis  priscum  illud  miratur  acumen, 


90 


95 


100 


95    iam  P  97    in  j5co;  una  littera  aut  duae  erasae  in   P  cum 

Pithoeus        98  gigantum  <s  Priscianus 


heifsen  non  licehat,  niclit  non  licet, 
auch  nicht  non  licuit. 

86  violentius  empfindlicher,  eig. 
wilder,  heftiger,  8,  37  seu  quid 
adhitc  est  quod  fremat  in  terris 
violentius  (Adverb). 

87  iiber  ganz  gewohnlicheDinge, 
Suet.  Dom,  10  aliquanto  celerius 
ad  saevitiam  descivit  quam  ad  eupi 
ditatem. 

88  fatumpendebat  indevSch-wehe 
war,  in  aufserster  Gefahr  war,  viel- 
leicht  nach  Hor.  111  1,  17  destrictus 
ensis  cui  super  impia  ccrvice  pendet. 

89  contra  torrentem  schwamm 
(steuerte)  nicht  gegen  den  Strom, 
vgl.  Ov.  ex  Pont.  111  7,  8  ne  toties 
eontra,  quam  rapit  {torrens)  amnis, 
eam. 

91  verba  animi,  wie  Sall.  lug. 
IV  4  iudicium  animi,  Cat.  61,  4 
ferocia  animi,  eig.  freimiitige  Worte, 
wie  er  es  im  Herzen  empfand,  sei- 
ner  wahrenEmpfindung  freimiitigen 
Ausdruck  geben.  —  vitam  impendere 
vero  das  Leben  einsetzen  oder  opfern 
fiir  die  Wahrheit,  Tac.  XII  65  ita 
de  se  meritum  Caesarem,  ut  vitam 
usui  eius  impenderet. 

94  eiusdem  aevi  ist  Gon.  der 
Eigenschaft,  ebenso  betagt  wie 
Vibius  Crispus.  —  M' .  Acilius  Gla- 


brio,  Vater  und  Sohn.  Der  Sohn 
war  im  J.  91  mit  Trajan  iKonsul. 
Ihn  liefs  Domitian  im  J.  95  als 
des  Hochverrats  verdiichtig  ver- 
bannen  und  dann  toten,  daiier  do- 
mini  gladiis  festinata,  Suet.Dom.  10. 
Vorher  hatte  ihn  der  Kaiser  ge- 
zwungen,  bei  den  Juvenalien  auf 
dem  Albanum  mit  einem  Lowen 
zu  kampfen,  Dio  C.  LXVII  14  Den- 
noch  wurde  es  ihm  vom  Kaiser 
zum  Vorwurf  gemacht,  ort  ■nal 
^rjQLoig  tiKxx^to.  Auch  der  Plural 
ursos  fi(febat  deutet  ein  ofteres  Auf- 
treten  in  der  harena  an. 
96    olim,  zu  10,  142. 

98  fraterculus  gigantis,  also  selbst 
(jigas,  d.  h.  Erdensohn,  der  keine 
Ahnen  hat,  wie  0,  13  es  heifst: 
compositive  luto  nuUos  habuerc  pa- 
rentcs.  So  werden  die  Sohne  der 
Tellus  satirisch  -  komisch  umge- 
deutet. 

99  profuit  nihil,  es  wurde  ihra 
im  Gegenteil  zura  Verbreohen  an- 
gerechnet. 

102  sq.  quis  —  miratur  in  derselben 
Stellung  13,  162  quis  tumidum 
guttur  miratur  in  Alpibus? —  L.Iu- 
7iius  BrUtus  war  (nach  Liv.  1  56, 
7)  iuvenis  longc  aUm  ingenii,  quavi 
cuius  simulationem  inducrat,  —  sta- 


LlBlil  1     SATVRA  IV 


73 


Brute,  tuuiii?  facile  est  barbato  inponere  regi, 
iiec  melior  vultu,  quamvis  iguobilis,  ibat 
l\ubrius,  oftensae  veteris  rens  atque  taceudae, 
et  tameu  ini»robior  ijaturam  scribente  cinaedo. 
Montani  quoque  venter  adest  abdumine  tardus, 
et  matutino  sudans  Crispiuus  amomo 
quantum  vix  redolent  duo  funera,  saevior  illo 
Pompeius  teuui  iugulos  aperire  susurro, 
et  qui  vulturibus  servabat  viscera  Dacis 
Fuscus  marmorea  meditatus  proelia  villa, 


105 


110 


112  praei*ia  P  praemia  S 


tuit  contcmptu  tutiis  essc,  uhi 
in  iure  parum  fraesidii  csset.  Er 
tauschfe  so  imitatioiie  stnltitiae  so- 
wohl  deu  Konig  Tarquinius  selbst, 
als  auch  seine  Sohne. 

103  inponere  tliuschen,  hinter- 
gehen,  dadnrch,  dals  man  einem 
eine  falsche  Vorstellung  beibringt, 
Mart.  III  57  callidus  imposuit  nuper 
mihi  capo  Bavennae,  cum  peterem 
mixtum ,  vendidit  ilJe  mei-um.  Ein 
Wortspiel  erlaubt  sich  Mart.  IV  40 
Postumtis  imposuit,  der  Troger  hat 
uns  betrogen. 

105  JRubrius  Gallus  Avar  nach 
Dio  C.  LXIII  27  an  der  Spitze  des 
von  Nero  (im  J.  68)  nach  dem  auf- 
standischen  Hispanien  gesandten 
Heeres  zu  Galba  xibergetreten. 
Spiiter  wird  er  als  Mittelsperson 
bei  den  zwischen  Vespasians  Bruder 
Flavius  Sabinus  und  Citcina  ge- 
pflogenen  Unterhandlungen  erwahnt 
(Tac.  h.  II  51  u.  99).  Vespasian 
schickte  ihn  (70)  gegen  die  Sar- 
maten  (loseph.  bell.  lud.  VII  4,  3). 
Nach  den  Scholirn  stand  er  fruher 
lait  Julia,  der  Tochter  des  Titus, 
in  einem  buhlerischen  Verhiiltnis 
{offensae  vcteris  reiis)  und  spielte 
nun  dennoch  den  Sittenrichter. 
Sein  Sohn  Rubrius  Gallus  war  im 
J.  101  consul  suffectus.  Non.  5: 
cinaedi  apmd  veteres  dicti  sunt  sal- 
tatores  vel pantomimi  unb  xov  v.ivitv 
Gwfia.  Kubriiis  gehorte  zur  Klasse 
der  2, 10  geschilderten  Sittenrichter, 
vgl.  14,  30.  Juv.  tadelt  die  Nieder- 
trachtigkeit  solcher  Menschen,  die 
selbst  nichtswiirdig  iiber  fremde 
Vergehen  den  Sittenrichter  machen 


woUen,  wie  z.  B.  der  Historiker 
Sallustius.  Daher  improbus,  wie 
unser  'unverschamt',  gleich  male- 
dicus. 

107  Curtius Mo^ntanusw&v  Virtuos 
in  der  Elskunst,  vgl.  136  sq.,  und 
schwLirmte  mit  Nero,  der  ihm  zu 
Gefallen  seinen  Sohn  begnadigte, 
vgl.  Tac.  XVI  33  Montanus  {de- 
testunda  carmina  factitans  c.  28) 
pjatri  coticessus  est,  pruedicto  ne  in 
republica  haberctur.  UnterVespasian 
trat  er  im  Senat  gegen  Aquilius 
Regulus  auf,  Tac.  h.  IV  42. 

108  sq.  Crispiuus  trieftvonBalsam, 
mit  dem  er  sich  schon  fruh  ge- 
salbt  hat,  wahrend  man  sonst  sich 
nur  im  Bade  kurz  vor  der  cena 
salbte.— Verstorbene^/^Mwera^wurden 
von  dem  pollinctor  stark  gesalbt, 
um  dem  Leichnam  allen  widrigen 
Geruch  zu  benehmen  und  ihn  mcig- 
lichst  zu  konservieren. 

110  Pompeius  ist  sonst  nicht  bc- 
kannt;  sicher  ist  er  nicht  identisch 
mit  dem  von  Tac.  h.  II  86  (als 
dives  senex)  erwahnten  Pompeius 
Silvanus.—  SMSMrro,Einflusterungen. 
—  Der  Inf.  aperire  (9, 98)  ist  abhangig 
von  saevior. 

112  Cornelius  Fuscus,  praefectus 
praetorio,  blieb  im  dacischen  Kriege 
im  J.  87,  Suet.  Dom.  6  expeditiones 
suscepit  in  Dacos  duas,  primam 
Oppio  Sabino  consulari  oppresso, 
secundam  Cornelio  Fusco,  praefecto 
cohortium  praetorianarum,  cui  belli 
summam  commiserat.  Er  hat  sich 
in  jiiDgeren  Jahren  Reichtumer  er- 
worben  (Tac.  h.  II  86  quaestus 
cwpidine    senatorium    ordinem   ex- 


74 


IVVENALIS 


et  cum  mortifero  prudens  Veiento  Catullo, 

qui  numquam  visae  flagrabat  amore  puellae, 

grande  et  conspicuum  nostro  quoque  tempore  moustrum^    115 

caecus  adulator  dirusque  repente  satelles, 

dignus  Aricinos  qui  mendicaret  ad  axes 

blandaque  devexae  iactaret  basia  raedae. 

uemo  magis  rhombum  stupuit;  nam  plurima  dixit 

in  laevum  eonversus,  at  illi  dextra  iacebat 

belua.    sic  pugnas  Cilicis  laudabat  et  ictus 

et  pegma  et  pueros  inde  ad  velaria  raptos. 

nou  cedit  Veiento,  sed  ut  fauaticus  oestro 

percussus,  Bellona,  tuo  divinat  et  'ingens 

omen  habes'  inquit  'magni  clarique  triumphi. 

regem  aliquem  capies,  aut  de  temone  Britanno 

excidet  Arviragus.    peregrina  est  behia,  cernis 


120 


125 


113  vellento  P^ro  Veiiento      116  repente  W:  aponte  Pra       120  laevo 
P  id  est  laevoni        124  percussu  P  s  add.  p 


iierat),  wurde  ein  lebhafter  Partei- 
ganger  Vespasians  und  bekleidete 
viele  militariscbe  Stellen,  war  iiber- 
haupt,  wie  es  scheint,  ein  heifs- 
bliUiger  Soldat,  daher  marmorea 
(Reichtum ,  vgl.  7,  80)  meditatus 
proelia  villa. 

113  Fabricius  Veiento  (vgl.  6, 
113  u.  3,  185)  wurde  unter  Nero 
(62)  wegen  Abfassung  von  Schmah- 
schriften  aus  Italien  verwiesen, 
unter  Domitian  wurde  er  Konsul 
und  Delator.  Er  lebte  uoch  uuter 
Nerva  im  J.  97,  vgl.  Plin.  ep.  IV 
22,  4.  Valerius  Gatullus  Messalinus 
war  Konsul  im  J.  73;  als  Delator 
unter  Domitian  beriichtigt,  Plin. 
ep.  IV  22,  5.  Im  Jahr  93  war  er 
noch  am  Leben,  Tac.  Agr.45,  scheint 
aber  Domitian  nicht  liberlebt  zu 
haben,  Plin.:  luminibits  orhatus  in- 
genio  saevo  mala  caecitatis  addi- 
(lerat:  non  vcrebatur  non  eruhcscehat 
non  miscrebatur. 

116  Catull  war  ein  bliuder 
Schmeichler  und  mit  cinem  Schlage 
{repcnte ,  zu  2,  83)  wurde  er  zum 
gefiirchteten  13egleiter  (amicus  et 
comes  Cacsaris),  der  verdiente,  als 
blinder  Bettler  auf  der  Hohe  von 
Aricia  an  der  Strafse  zu  liegen. 

117  Die  axes  Arieini  sind  Wagen 
von  Aricia  Hier  ging  der  Verkehr 
von    Ilom    nach    Puteoli    voriiber. 


Die  Bettler  sammeln  sich  an  der 
aufwartsfiihrenden  Landstrafse,  wo 
die  Wagen  langsam  fahren.  Hatten 
sie  eine  Gabe  erharten,  so  warfen 
sie  den  bergabfahrenden  (devexae) 
Wagen  Kufshande  zu  {basia  iactare). 
Catullus  selbst  stammte  aus  eiuer 
reichen  konsularischen  Familie,  nur 
als  caecus  adiilator  wird  er  mit 
Bettlern  verglic^Iien. 

121  Cilix  war  ein  beriihmter 
Gladiator  jener  Zeit;  zcftts  Kamj)fes- 
weise. 

122  Das  pegma  {Ttfjyiia  Geriist) 
war  eine  Maschine  im  Amphi- 
theater,  die  rasch  emporschnellte 
undwiederniedersank  Manschnellte 
damit  zurBelustigung  der  Zuschauei- 
Sklaven  (piieros)  in  die  Hohe,  d.  b. 
bis  an  das  Zeltdach  (velarium), 
welches  zum  Schutz  gegen  die  Sonne 
iiber  den  ganzen  Zuschauerraum 
gespannt  war. 

123  oestrum  (olGZQog  Bremse)  = 
furor  von  dem  weissagerischen 
Enthusiasmus  in  dem  wild  erregtcn 
Kultus  der  Bellona,  vgl.  6,  511. 

124  divinat  orakelt,  Hor.  s.  II 
5,  60  divinare  etenim  magnus  viihi 
donat  Apollo,  sagt  Tiresias. 

127  Ar.riragus  war  ein  britanni- 
scher  Hiiuptling,  den  aber  weder 
Tacitus  noch  Dio  nennen.  Die  es- 
sedae    oder    esscda   der   Britannier 


LIBRI  1     SATVRA  IV 


75 


erectas  in  terga  sucles?'    hoc  defuit  uuum 
FabriciOj  patriam  ut  rbombi  memoraret  et  aunos. 
'(juidnam  igitur  censes?  conciditur?'    'absit  ab  illo 
dedecus  hoc'  Montanus  ait  'testa  alta  paretur, 
quae  tenui  muro  spatiosum  colligat  orbem. 
debetur  magnus  patinae  subitusque  Prometheus. 
argillam  atque  rotam  citius  properate,  sed  ex  lioc 
tempore  iam,  Caesar,  figuli  tua  castra  sequantur.' 
vicit  digua  viro  sententia.    noverat  ille 
hixuriam  imperii  veterem  noctesque  Nerouis 
iam  medias  aliamque  famem,  cum  pulmo  Falerno 
arderet.    nulli  maior  fuit  usus  edendi 
tempestate  mea;  Circeis  nata  forent  an 
Lucrinum  ad  saxum  Rutupiuove  edita  fundo 


i:iO 


135 


140 


133  pastinae  P       ^mt  141  versus  erasus  in  P 


(Streitwagen)  sind  aus  Caesar  iind 
Tacitus  bekannt. 

129  sq.  Hor.  s.  II 4, 45  piscibus  atque 
avibtis  quae  natura  ct  foret  aetas, 
ante  meum  nulli  pattiit  quaesita  pa- 
latuvi.  —  Der  Prasident  des  Staats- 
rats,  der  Kaiser,  stellt  nun  die 
Frage :  quidxam  censes,  und  fiigt 
i^ofort  mit  conciditur  die  Andeutung 
hinzn,  dafs  diese  Ansicht  eigentlich 
gar  nicht  in  Frage  kommen  konne, 
vgl.  3,  269  in  qua  te  quaero  pros- 
cucha?  Montanus  drangt  sich  da- 
her  schnell  mit  den  Worten  da- 
zwischen:  absit  ab  illo  dedectts  hoc. 

131  testa  alta,  eine  patina,  die 
iiberhaupt  mehr  tief  als  flach  war. 

132  vmro —  margine.  Die  Schus- 
sel  soll  einen  grofsen  Kreis  bil- 
den,  ihre  Peripherie  soll  grofs 
sein,  Liv.  II  50,  7  cogebantur  bre- 
viore  spatio  et  ipsi  orbem  coUigere, 
wie  XXII  29,  5  volventes  orbem. 

133  PrometJims  Thonkunstler, 
denn  er  ist  der  oi.v%QmnoTt7.uaxriq, 
der  den  Menschen  aus  Lehm  oder 
Thonerde  gebildet  hat,  14,  35  qui- 
bus  arte  benigna  et  meliore  luto 
fhtxit  praecordia  Titan,  6,  13  com- 
positive  luto  (homines).  Lucian.  Prom. 
2  01  A^r^vaiOL  xovg  jjvrpcKg  /tat 
invonoLOvg  v.ul  ndvzug  oool  nrj- 
lovQyoL  nQOu.ri&iag  anfyidlovv. 

134  sed,  indem  er  sich  plotzlich 
Vjesinnt,  fugt  er  uoch  etwas  aufser 
der  Beihe  hinzu :  sed  hoc  parum  est. 


135  Zum  erstenraal  findet  sich 
hier  castra  in  der  Bedeutung  'Hof- 
lager',  wie  GTQaTontdov,  welches 
den  ganzen  comitatus  principis 
umfalst;  spottisch  steht  eastra  in 
demselben  Sinne  6,  419  conthas  et 
castra  inoveri  nocte  iubet. 

137  veterem,  d.  h.  vor  Vespasian, 
der  dem  Hof  einen  mehr  btirger- 
lichen  Charakter  verlieh. 

138  iam  kann  nicht  zu  noverat, 
wohl  aber  zu  Xeronis  gehoren : 
bereits  Neros  nachtliche  Schwel- 
gereien;  anders  6,302  grandia  quae 
mediis  iam  noetibiis  ostrea  mordct. 
—  aliamque  famem,  und  andere 
Ausschweifungen,  wenn  das  Blut 
(pulmo  Lunge)  vom  Falerner  gliihte, 
vgl.  Tac.  XIV,  15.  Ilamerling  hat 
diese  Ausschweifungen  Neros  sehr 
gut  im  ersten  Gesang  seines  Ahasver 
geschildert. 

140  tempestate  mea,  d.  h.  soweit 
ich  mich  besinnen  kann,  Lucil. 
XXVII  7  (M.)  iam,  qua  tempestate 
vivo,  ckresin  ad  me  recipio. 

141  saxicm  Felsenkiiste ,  fundtis 
(Meeres)grund.  Als  die  besten 
Austern  galten  die  von  Circeii;  zu- 
nachst  kamen  die  Lukriner,  denen 
Kenner  mitunter  den  Vorzug  gaben. 
Man  holte  sie  aber  auch  aus  Cy- 
zikus  und  jetzt  sogar  aus  Britan- 
nien  und  mastete  sie  nach  dem 
Transport  im  Lukrinersee.  —  Ku- 
tupae    war     eine    Hafenstadt     der 


76 


IVVENALIS 


ostrea,  callebat  primo  depreudere  morsu, 
et  semel  aspecti  litus  dicebat  echini. 
surgitur  et  misso  proceres  exire  iubentur 
cousilio,  quos  Albanam  dux  maguus  iu  arcem 
traxerat  attouitos  et  festinare  coactos, 
taraquam  de.  Chattis  aliquid  torvisque  Sycambris 
dicturus,  tamquam  ex  diversis  partibus  orbis 
anxia  praecipiti  venisset  epistula  pinna. 
atque  utinam  his  potius  nugis  tota  illa  dedisset 
tempora  saevitiae,  claras  quibus  abstulit  urbi 
inhistresque  animas  inpune  et  vindice  nullo. 
sed  periit,  postquam  cerdonibus  esse  timendus 
coeperat.    hoc  nocuit  Lamiarum  caede  madenti. 


145 


150 


147  catthis  S  cattis  5;  +*++is  P  getis  jjco 
et  P  a  5  om.  co 


148  ex  W  ec  Eibbeck: 


Ciiiitii  im  Siideu  der  Ostkiiste  des 
romischen  Britanniens ;  von  dort 
aus  setzto  man  gewohnlich  nach 
Britannien  iiber. 

143  Der  echinus  marinus  wird 
als  Delikatesse  von  Pliu.  IX  100 
dcn  Krebsen  beigezahlt:  cx  eodem 
gencre  sunt  ecldni,  quihus  spinae 
pro  pedibus.  ingredi  est  his  in  orbem 
volvi,  itaque  detritis  sacpc  aculcis 
inveniuntur. 

145  in  arcem,  weil  die  villa  hoch 
geiegen  war,  vgl.  3,  192  aut  jironi 
Tiburis  arce  (=  14,  87),  auf  der 
Hohe  von  Tibur,  oft  =  Burg,  Pa- 
last,  wie  10,  307  nullus  ephebum 
deformem  saeva  castravit  in  arce 
iyrannus,  16,  146  n  caelesti  ctrce 
der  Himmelsburg.  Spottisch  ist  f/i<rc 
magnus,  weil  er  gern  den  grofsen 
Feldherrn  spielte  {Germanicus !)  und 
trotz  seiner  Niederlagen  iiber  Chat- 
ten  und'  Dacier  triumphierte,  Tac. 
Agr.  39  fdlsum  e  Germania  irium- 
phum  egit  emptis  per  commercia, 
quorum  hahitus  et  crines  in  capti- 
vorum  speciem.  formarentur.  Dbrigens 
ist  die  Bezeichnung  dux  \om  Kaiser 
an  sich  ganz  gewohnli-^h. 

149  Hiobspostcn  oder  freudige 
Nachrichteu  wurden  durch  iiufsere 


Ausstattung  der  Kuriere  unterschie- 
den.  Die  Siegcsboten  trugen  eine 
mit  Lorbeerzweigen  umwundene 
hastaJJiasta  oder  epistula  laitrcata), 
die  tJberbringer  eines  Unglucks 
kamen  mit  einer  Feder  am  Stabe, 
TttsQOffOQOi,  daher  epistula  pin- 
nata. 

150  Besonders  die  drei  letzten 
Jahre  seiner  Regierang. 

153  cerdonibus  (von  y.sQSog),  ge- 
meinen  Handwerkern,  dem  Pubel, 
vgl.  8,  182.  Nach  Suet.  17  wurde 
Domitian  zuerst  von  Stephanus, 
dem  Prokui-ator  der  Domitilla,  ge- 
troffen:  saucium  ac  repugnhntem 
adorti  Clodianus  cornicularius  ct 
Maximus  Partheni  libertus  et  Sa- 
turius  dccurio  cubiculariorum  et 
quidam  e  gladiatorio  ludo  vulncribus 
septevi  contrucidarnnt. 

154  Domitian  liefs  einen  L.Aelius 
Jjamia  {ob  suspitiosos  quidem ,  ve- 
rum  et  veteres  et  innoxios  iocos) 
hinrichten,  Suet.  10.  Die  Aelii  La- 
miae  waren  in  Giceros  Zeit  eine 
reiche  Bankierfamilie,  in  den  Kon- 
snlaifaatcn  erscheincn  sie  erst  756, 
ziihlen  aber  im  ersten  Jahrhundert 
zu  den  angesehensten  Adelsfarailien, 
vgl.  6,  385  und  Hor.  III  17. 


LIBRI  I     SATVRA  V 


77 


SATVRA   V 

Si  te  propositi  uoudaiu  pudet  atque  eadeui  est  meus, 
ut  bona  summa  putes  aliena  vivere  quatlra; 
si  potes  illa  pati,  quae  nec  Sarmeutus  iniquas 
Caesaris  ad  mensas  nec  vilis  Gabba  tulisset, 
quamvis  iurato  metuam  tibi  credere  testi. 


Sat.  V. 

In  iler  Zeit  Domitians  uudTrajans, 
die  .Tuv.  hauptsiichiich  schildert, 
erhielt  der  lOient  fiir  seine  dem 
Patron  geleisteteu  Dienste  die  tilg- 
liche  sportuJa,  100  Quadranten  oder 
25  As,  d.  6*4  Sest.,  also  jiihrlich 
2281*^  S.  oder  c.  495  Mark,  vgl. 
1,  95  u.  118.  10,  46.  13,  38.  Die 
Sitte  erforderte  es  indessen,  dafs 
der  Patron  den  Klienten  auch  von 
Zeit  zu  Zeit  zur  ccmi  einlud.  Die 
Klienttn  erniedrigteu  sich  nicht 
selten  zu  den  Diensten  eines  scurra, 
um  sich  bei  dem  Herrn  beliebt  zu 
macben  und  dadurch  otter  eine 
Einladung  zu  erlangen ;  manche 
standen  in  dem  Dienst  mehrerer 
Patrone  uud  verstanden  es  durch 
allerlei  Kiinste  die  Woche  iiber 
bald  bei  dem  einen  bald  bei  dem 
andern  Herrn  sich  eine  gute  Mahl- 
zeit  zu  verschaffen.  Wie  in  der 
Klientel,  so  machten  bei  Tisch  die 
Patrone  nicht  selten  schroffe  Unter- 
schiede  imd  Abstufungen  der  ein- 
geladt-nen  Gast-i :  die  vornehmeren 
(vgl.  149  Virro  sibi  et  reliquis  Vir- 
ronibus)  erhielten  die  Bewirtung 
desGastgebers,  die  iirmeren  mufsten 
sich  mit  geringeren  Speiseu  und 
Weinen  begniagen;  Plin.  ep.  II  6,  2 
erzahlt  von  einem  aolchen  Knicker 
{sordidus  simul  et  suniptuosus):  sibi 
et  piaucis  opima  quaedam,  ceteris 
tUia  et  minuta pionebat.  vinum  etiam 
parvis  layunculis  in  tria  genera 
discripserat,  non  ut  potestas  eligendi, 
se  m  ius  esset  recusandi,  aliud  sibi 
tt  nobis,  aliud  minoribus  umicis 
{nam  grudutim  amicos  habet},  aliud 
suis  nostrisque  libertis.  Plinius  ta- 
delt  ebenso  wie  Juv.  istam  luxuriae 
et  sordium  novam  societatem;  auch 
Mart.  I  20  (u.  ofter)  rugt  diese  Un- 
sitte. 

1  —  11  EinleituDg:  Die  Behand- 
lung    der    Armen    am    Tische    des 


Reichen  ist  ietzt  so  uuwiirdig,  dafs 
es  fiir  den  Klienten  ehrenvoUer  ist 
zu  betteln  als  nach  einer  Einladung 
zur  cena  zu  trachten. 

1  propobitum,  Grundsatz,  Lebens- 
gewohnheit,  vgl.  10,  325  quid  pro- 
fuit  immo  Hippolyto  grave  propo- 
situm'^  9,  21  igitur  flexisse  videris 
propositum  et  vitue  contrarius  ire 
priori.  Damit  in  Verbindung  steht 
die  Gesinnung,  mens,  die  Denk- 
und  Gefiihlsweise,  vgl.  13,  202  quae- 
rebat  enim  quae  numinis  esstt  mens, 
14,  226  mentis  causa  malue  et  origo 
penes  te,  Hor.  ep.  I  1,  4  non  eadem 
est  aetus,  non  mens. 

2  bonu  summa,  das  hiichsteGliick, 
wie  sonst  summum  bonum,  wonach 
das  ganze  Leben  sich  sonst  zu 
richten  hat,  vgl.  zu4,  11.  —  quadra 
Viereck  (vgl.  quadrare),  hier  nichts 
weiter  als  mensa. 

3  Sarmentus  und  Gabba  waren 
scurrae  des  Ciisar  Octavianus,  der 
erstere  friiher  in  Gesellschaft  des 
Miicenas,  Hor.  s.  I  5,  52.  Plut. 
Ant.  59  dE?Mog  TtQoasv.QOVGB  Sh 
Klsonccrga  nccQu  SiLJCvov  sinav 
avtotg  ulv  6'^ivrjv  iyxstO^aL,  Uccq- 
ufvzov  dh  nCvBLV  iv  'Pcoutj  ^uXsqi^- 
vov,  6  dh  ^^UQiicVzog  i^v  ztav  Kui- 
cuQog  nuLyvLcov  nuLduQLoiv  a  drj^uY.ia 
'PatuuLOL  y.aloi}6Lv.  Auch  Gabba  er- 
scheint  bei  Plut.  Am.  16  als  ysXw- 
zonoLog  fiir  Miicenas;  Mart.  I  41 
qui  Gabbam  salibus  tuis  posses  vin- 
cere,  10,  101  Elysio  redeut  si  forte 
remissus  ab  agro  ille  suo  felix  Cue- 
sare  Gabba  vetus,  qui  CapitoJinum 
puriter  Gabbamque  iocantes  audierit, 
dicet:  'Bustice  Gabba,  tace\ 

5  iurato  testi,  d.  h.  ich  werde 
dir  im  biirgerlichen  Leben  nicht 
mehr  trauen.  Die  geringe  Notdurft 
des  Leibes  (fiir  den  Siidliinder)  wird 
auch  14,  318  sq.  betont:  vin  cj^uan- 
tum  sitis  atque  fumes  et  frigora 
jjoscunt?    Beispiele  seien  Sokrates 


78 


TVVENALIS 


ventre  nihil  novi  frugalius.    hoc  tamen  ipsum 

defecisse  puta,  quod  inani  suflicit  alvo: 

nulla  crepido  vacat?  nusquam  pons  et  tegetis  pars 

dimidia  brevior?  tantine  iniuria  cenae? 

tam  ieiuiia  fames,  cum  possit  honestius  illic 

et  tremere  et  sordes  farris  mordere  canini? 

primo  fige  loco,  quod  tu  discumbere  iussus 
mercedem  solidam  veterum  capis  officiorum. 
fructus  amicitiae  magnae  cibus,  inputat  liunc  rex, 
et  quamvis  rarum  tamen  inputat.    ergo  duos  post 
si  libuit  menses  neglectum  adhibere  clientem, 
tertia  ne  vacuo  cessaret  culcita  lecto, 
"^  una  simus'  ait.    votorum  summa.    quid  ultra 


10 


15 


10  possis  (o         17  ne  j)a):  nec   P 


und  Epikur.  Senec.  ep.  60,  3  non 
fames  nobis  vcntris  nostri  magno 
constat,  sed  ambitio. 

7  defecisse  puta,  wie  2,  153  sed 
tu  vera  puta,  vgl.  72  u.  8,  195  jinge 
tamen  gladios  inde  atque  hinc  pul- 
pita  poni:  quid  satius? 

8  Sinn:  Besser  ist  es  um  Brot 
zu  betteln  als  um  leckere  Speisen 
sich  veriichtlicli  behandeln  zu  hxssen. 
Bettlerstatipnen  sind  iiberall  an  viel- 
besuchten  Ortlichkeiten,  am  Hafen- 
daram  des  Hih&r  {crepido),  an  Briieken 
(14,  184  aliquis  de  ponte),  an  auf- 
steigenden  Landstrafsen  (4,  117).  ■ — 
tegetis  pars,  ein  Stiick  Matte,  das 
Nachtquartier  des  italischen  Bett- 
lers,  vgl.  9,  140  quo  sit  mihi  tuta 
senectus  a  tegete  ct  baeulo':^  Doch 
kann  man  dabei  an  eine  cella  denken, 
in  der  sich  die  Matte  befindet. 

9  dimidia  brevior  =  zerrissen, 
15,  5  dimidio  magicae  resonant  ubi 
Memnone  chordae,  15,  57  vultus 
dimidios,  zerhauen,  8,  4  Curios  iam 
dimidios. 

9  sq.  Isteinkrankendes  Mahl  wirk- 
lich  so  viel  wert?  Ist  denn  der 
Hunger  gar  zu  gierig  {ieiuna),  dafs 
man  sich  diese  gefallen  liifst,  wiih- 
rend  man  doch  als  Bettler  anstiin- 
diger  leben  kannV  Die  Schildernng 
liat  zum  Vorbild  Ov.  m.  Vill  790 
frigus  iners  illic  habita.nt  FaUorque 
Tremorque  et  ieiuna  Fames.  Auch 
6,  543  heilst  die  jiidische  Bettlerin 
ludaea  tremcns.  — ■  Das  'Hundebrot' 
Wiir   grobes   Kleicnbrot,  panis  fiir- 


furibus  conspersus  Phaedr.  IV  18,  4, 
Mart.  X  5  caninas  panis  improbi 
buccas,  IV  53  cui  dat  latratos  obna 
turba  cibos. 

12—23  Die  seltene  Einladung  ist 
kein  Ersatz  fiir  die  Muhen  und 
Entbehrungen  des  Klienten.- 

12  fige,  ohne  animo,  bedenke, 
vergifs  nicht,  wie  jyone  oder  me- 
mento;  verschieden  ist  9,  94  tacitus 
nostras  intra  te  fige  querellas,  oder 
Verg.  Ill  250  accipite  ergo  animis 
atque  haec  mea  figite  dicta.  Verg. 
I  708  convenere  toris  iussi  discum- 
bcre  pictis,  auch  von  einer  Person, 
6,  434  quae  cum  discumbere  coepit, 
man  denke  an  die  verschiedenen  und 
getronnten  Polster   am   Triclinium. 

13  solidam,  iibertr. ,  vollstiindig, 
ganz,  11,  205  quamquam  solida 
hora  supersit  ad  sextani.  Der  Herr 
hat  also  weiter  keine  Verpilichtung 
zur  Dankbarkeit. 

14  sq.  fructus,  Ertrag,  Lohn.  — 
amicitiae  mugnae,  der  Preundschaft 
unserer  (jrrofsen,  vgl.  zu  1,  33.  — 
rex  und  dominus  sind  vom  Patron 
gegeniiber  dem  Klienten  voces  pro- 
Ijriae,  vgl.  1,  136.  7,  45.  6,  130  u. 
137. — DieEpiphoraodcrAntistrophe 
des  Zeitworts  imputat  (rechnet  hoch 
an,  6,  179)  steigert  den  Hohn  oder 
die  Ironie  des  Dichters. 

16  adhibere,  2,  135. 

17  tertia  culcita  ist  der  imus  h)ci(s 
imi  lecti,  auch  locus  libertini  ge- 
nannt,  vgl.  zu  3,  82. 

18  una,   iu   Gesellschaft,   daher 


LTBRI  I    SATVRA  V 


79 


quaeris?  habet  Trebius,  propter  quod  ruiupere  somnniu 
debeat  et  ligulas  dimittere,  sollicitus  ue 
tota  salutatrix  iam  turba  peregerit  orbem, 
sideribus  dubiis  aut  illo  tempore,  quo  se 
irigida  circumaguut  pigri  serraca  bootae. 

qualis  cena  tameu.    vinum  quod  sucida  uolit 
laua  pati:  de  conviva  Corjbanta  videbis. 
iurgia  proluduut,  sed  mox  et  pocula  torques 
saucius  et  rubra  deterges  vulnera  mappa, 
inter  vos  quotiens  libertorumque  cohortem 

21  perregeret  P        24  riuo  P         27  mampa  P 


20 


25 


Hor.  s.  II  8, 18  qiiis  cenantibus  una, 
und  II  6,  48  ludos  spectaverit  toia 
(Macen  mit  Horaz).  —  summa,  Voll- 
endung,  Erfiilluug  des  hochsten 
(oft  gehegten)  Wunsches,  Plin.  ep. 
VII  26,  3  7(«ec  siimma  curancm, 
summa  votorum. 

19  Trehius  f-pielt  in  der  Satire 
die  RoUe  des  Klienten,  wie  Virro 
die  des  vornehmen  Gonners.  Tre- 
bius  ist  ein  altitalischer  Name  (Liv. 
XXIII  1);  Virro  wird  noch  9,  35 
erwahnt,  ist  aber  schwerlich  die- 
selbe  Person.  —  rumpere ,  gewalt- 
sam  ab-  oder  unterbrechen,  vgl. 
6,  41G  nam  si  htratihus  alti  rum- 
puntur  somni.  Der  Klient  mufs  zur 
salutatio  maiutina  noch  ante  lucem 
von  Hause  aufbrechen,  vgl.  76  sq. 
1,  128.  3,  127. 

20  Ugulae  (Mart.  II  29  lingiila) 
sind  die  Riemen  zum  Schniiren  der 
Schube,  von  ligare  (ligus,  lictor), 
nicht  von  lingua  abzuleiten;  da- 
gegen  ist  ligula  oder  linguln  der 
Loffel  Dem.  von  lingua,  Mart.  XIV 
120  quamvis  me  ligulam  (Loffel) 
dicant  equitesque  patresque,  dicor 
ab  indoctis  (?)  lingula  grammaticis. 
—  dimittere  bedeutet,  dafs  der 
Klient  sich  nicht  einmal  Zeit  nimmt, 
die  Riemen  zusammenzubinden. 

21  peregerit  orbem,  die  Kunde 
gemacht  hat.  Die  meisten  Klieuten 
besuchten  m^-hrere  Patrone  nach- 
einander,  Lucian.  Nigr.  ■>>  vv/.tog 
(ilv  igavLGxayiivoi  (liarig,  TtiOL&iov- 
Tig  d'   iv  v.vv.Jm  rrjv  tioXlv. 

23  serraca,  zu  3,  255.  Hier  steht 
serracum  fvir  das  Siebengestirn  wie 
sonst  plaustrum.  Der  Wagen  er- 
reicht  um    Mitternacht  den    hoch- 


sten  Stand  und  wendet  sich  von 
da  an  zum  Niedergang  (se  circum- 
agunt).  Der  Bootes  ist  piger,  weil 
er  langsam  unter  den  Horizont 
hinabsinkt,  6^):  Svav  Hom.  Od.  V 
272.  Mart.  VIII  21  placidi  te  pigra 
Bootae  plaustra  tehunt? 

24 — 155  Schildei-ung  der  Mahl- 
zeit:  a)  Wein,  Bedienung  und  Brot, 
24—75. 

24  sucida  saftig,  frisch,  frisch 
geschoren.  Die  Beschaffenheit  des 
Weines  wird  zugleich  durch  die 
Wirkung  de.«selben  geschildert:  de 
(7,  197)  conviva  Corybanta  videbis, 
und  die  Trunkenheit  (bei  Hor.  cla- 
mor  et  ira)  wird  verglichen  mit 
der  Erschemung  des  fanatischen 
{fiavLV.ag  v.Lvovfiivov)  Cybeleprie- 
sters.  Von  den  Korybanten  sagt 
schon  Alcibiades  bei  Plat.  conv. 
215E  7to?.v  uullov  uoL  Tj  zmv  v.oqv- 
^avticovroyv  tj  xs  v.aQSCa  nj]du  v.al 
dav.Qva  iv.xitzai,  und  der  Schol. 
erkliUt  Y.0QV^avxiuv  mit  nuQiuuai- 
VcO^UL  v.UL  ivd^ovoiuotiy.cJog  v.tviL- 
o&ai.  In  der  That  pflegt  schlechter 
Wein,  niichtern  genossen,  den  Kopf 
mehr  zu  erhitzen. 

26  iurgia  proludunt  (intr.),  wie 
3,  288  miserae  cognosce  prooemia 
rixae;  proludere  ist  vom  Gladiator 
iiblich,  der,  um  seinen  Gegner  zu 
reizen,  vor  dem  Kampfe  seine  Waffe 
schwingt. 

28  Die  minores  amici  wurden  oft 
mit  den  liberti  des  Hauses  und  der 
vomehmeren  Gaste  zusammen  be- 
wirtet,  Plin.  ep.  II  6,  2,  diese  bil- 
deten  aber  fiir  sich  eine  geschlos- 
sene  Schar,  daher  cohors  liber- 
torum. 


80 


IVVENALIS 


pugna  Saguntiiia  fervet  commissa  lagona. 
ipse  capillato  diffusum  consule  potat 
calcatamque  tenet  bellis  socialibus  uvam 
cardiaco  numquam  cyathum  missurus  amico; 
cras  bibet  Albanis  aliquid  de  montibus  aut  de 
Setinis,  cuius  patriam  titulumque  senectus 
delevit  multa  veteris  fuligine  testae, 
quale  coronati  Thrasea  Helvidiusque  bibebant 
Brutorum  et  Cassi  natalibus.    ipse  capaces 
Heliadum  crustas  et  iuaequales  berullos 


30 


35 


38  berullos  P:  berullo  S  berillos  pca 


29  Die Saguntinae  lacionae,^e\che 
man  nur  den  niedersten  Giisten 
vorsetzte,  waren  in  Sagunt  ver- 
fertigte  pocula  ftctilia ,  Plin.  h. 
XXXV  160 

30  capillato,  unter  einem  Konsul 
der  alten  Zeit,  wo  der  tonsor  das 
Haar  noeh  uicht  verkiirzte,  16,  31 
et  credam  clignum  barba  cligniimc[ue 
capillis  maiorum,  vgl.  4,  103.  Der 
Ausdruck  ist  hier  hyperbolisch.  — 
(li/fusum,  abgezogen,  aus  den  clolia 
in  die  ampJiorae,  lagonae  oder  auch 
cacli  umgegossen. 

31  Hor.  III  14,  17  i  pete  unguen- 
tum ,  pucr,  et  coronas  ct  cadum 
Marsi  memorem  cluelli,  Spartacum 
si  qua  xmtuit  vagantem  fcdlere  tcsta. 
Fiir  Juvenals  Zeit  ist  freilich  die 
Hyperbel  bedenklich.  Die  Knickerei 
des  Reichen  geht  so  weit ,  dafs  er 
seinem  Klienten  (amico),  auch  wenn 
er  schwerkrank  darniederlage  {car- 
cliaco),  nicht  einen  cyatlms  voll 
von  dem  uralten  Wein  schicken 
wiirde,  wilhrend  doch  diese  Sitte 
friiher  allgemein  war,  wie  Persius 
ITI  92  zeigt:  cle  maiore  domo  moilice 
sitiente  lagona  lenia  loturo  sibi 
Surrentina  rogabit  (sc.  der  Kranke), 
und  er  noch  edleu  Albaner  und 
Setiner  im  Keller  hat,  einen  so 
guten  Weiu,  wie  man  ihn  sonst 
nur  an  hohen  Festtagen  trank. 

35  fuligine  braucht  nicht  not- 
wendig  von  dem  Einflufs  des  Ka- 
mins  aufdie  Weiukammer  (apothcca) 
verstanden  zu  werden;  denn  fuligo 
ist  nicht  blofs  Rnfs,  sondern  iibor- 
haiipt  Schniutz,   der  sich    nach   so 


lauger  Zeit  am  Kruge  (tcsta)  ab- 
gelagert  hat. 

36  Paetus  Thrasea  wurde  wegen 
seiner  stolzen  repubUkaniseh-stoi- 
schen  Gesinnung  uhd  Haltnng  ein 
Opfer  der  Tyrannei  Neros,  vgl.  Tac. 
XVI  21  sq.,  sein  Schwiegersohn  Hel- 
vidius  Priscus  mufste  unter  Nero 
Italien  verlasseu,  Tac.  XVI  33,  und 
wurde  uuter  Vespasian  hingerichtet, 
Dio  C.  LXVI  12.  Geburtstage  be- 
riihmter  Manner  zu  feiern  war  alte 
Sitte.  Die  Epikureer  feierten  den 
Geburtstag  Epikurs,  romische  Dich- 
ter  den  Geburtstag  Vergils,  Sen. 
ep.  64,  8  quidni  ego  magnorum 
virorum  et  imagincs  hccbcam  incita- 
menta  animi  et  natales  celebrem':' 
M.  Gatonem  utrumque  ct  Laelium 
' Sapientem  et  Socratem  cum  Platonc 
et  Zenonem  Cleanthemcpie  in  animum 
meum  sine  dignatione  summa  reci- 
piam?  ego  vero  illos  veneror  et  tantis 
nominibus  semper  aclsurgo. 

38  Die  Verwandlung  derHeUaden, 
Phatjthons  Schwestern,  in  Bilume 
schildert  Ov.  m.  II  344—366:  indc 
fluunt  lacrimae  stillataque  sole  rige- 
scunt  de  ramis  clectra  novis,  und 
10,  263  uennt  er  den  Berustein  ab 
arbore  lapsas  Ileliadum  lacrimas, 
vgl.  14,  307.  —  Die  crusta  ist  eine 
in  ReUef  eingelegte  Arbeit,  gleich- 
sam  ein  Uberzug  des  Gefiifses.  Die 
crusta  (aus  Bernatein)  ist  hier  =  po- 
culum  crustattim.  Die  cpLcilr}  ist 
eine  Triukschale  ohne  Untei"satz 
uud  ohne  Henkel,  hier  mit  dem 
meergriinen  BeryU  besetzt:  die 
Schale  trliyt  die  Edelsteino. 


LIBRl  I     SATVUA  V 


81 


Virro  tenet  pbiala:  tibi  nou  eomiuittitur  uuruui, 

vel  si  quaudo  datur,  custos  acUixus  ibicluiu,  40 

qui  uumeret  gemmas,  uugues  observet  acutos. 

da  veuiam,  praeclara  ilii  laudatur  iaspis; 

uam   Virro,  ut  multi,  gemmas  ad  pocula  transfert 

a  digitis,  quas  iu  vagiuae  froute  solebat 

pouere  zelotypo  iuveuis  praelatus  larbae.  45 

tu  Beueveutaui  sutoris  uomeu  babeutem 

siccabis  calicem  uasorum  quattuor  ac   iam 

quassatum  et  rupto  poscentem  sulpura  vitro. 

si  stomacbus  domiui  fervet  viuociue  ciboque, 

frigidior  Geticis  petitur  decocta  pruinis:  50 

uou  eadem  vobis  poui  modo  vina  querebar? 

vos  aliam  potatis  acj[uam.     tibi  pocula  cursor 

3y  phialas  po)  42  hiaspis  P        43  ut  pto:  et  P         44  quas  in: 

quales  (b         46  beneveutanis  votoris  P 


39  aurum  fiir  poculum  aurtuin, 
wie  10,  27  et  lato  Setinum  ardtbit 
in  auro  ^=  pJiialaf).  Dieboiiilile  bei 
solchen  Gelegenheiteu  werden  nicht 
selteu  erwahnt,  z.  B.  Mart.  VIII  59 
hunc  tii  convivam  cautus  bervare 
viemeiUo:  tuuc  furit  atciue  oculo 
luscus  ut)oque  lidet:  pocula  aolli- 
citi  ptrdunt  liyulasque  minibtri  et 
latit  in  tepido  pluiima  mappa  sinu. 

42  illi  laudatur ,  von  ihui,  dem 
Gastgeber,  wird  der  herrliche  (ani 
Becher  befindliche)  Jaspis  ge- 
priesen. 

43  ut  muiti  =  113  ut  nuyic  multi. 
Denn  gewohnlich  trug  man  d.e  Edel- 
bteine  aru  Ring,  jetzt  ist  es  anders, 
Mart.  XIV  109  gemmatum  Sojthicis 
(Smaragde  vom  Lral)  ut  luceat  igni- 
bus  aurum,  aspice.  q;iiOt  digitcs 
exuit  iste  culix! 

44  quas  =  quales  so  schou,  so 
kostbar  wie  Aeneas.  —  vaginae 
frons  ist  die  aufsere  Seite  dieser 
Scheide,  die  dem  Auge  sichtbare 
oder  zugewandte  Seite,  wenu  das 
Schwert  getragen  wird. 

45  sq.  Der  Lokativ  bei  ponere  ohne 
in  wiire  moglich,  vgL  10,  156  vexil- 
lum  media  Subura  ponere,  11,  79 
Curius  parto  fptae  legerut  horto, 
ipse  focis  brecibus  ponebut  holu- 
scula,  7, 114  Jiinc.  .  parte  alia  pone, 
14,  83  praeda  cubili  pionitur.  — 
larbas  war  der  Bewerber  der  Dido, 
der  vor  Aeneas  zuruckutehen  murste, 

IvVESiM.Ia    SaTVBAS. 


vgL  Verg.  IV  198.  —  Der  Schuster 
vou  Beneveut  ist  Vatiuius,  Tac. 
XV  34  Vat.  inttr  foedissima  eius 
uulae  porttnta  fuit,  suirinae  ta- 
bernae  alumnus,  corpore  dttorto, 
facetiis  scurrilibus,  priino  in  con- 
tumelias  adsumptus,  dehinc  optimi 
cuiusque  criminatione  eo  usque  va- 
luit,  ut  gratia  pecuniu  vi  noeendi 
eiiam  malos  pruemintret.  Nach  ihm 
wurde  eine  Art  von  Becher  calix 
Vatinianus  geuannt,  Mart.  XIV  90 
vilia  sutoris  calicem  monumenta  Va- 
tini  accipe;  sed  nasus  longior  ille 
fuit.  Demuach  ist  der  Geu.  quali- 
tatis  nasorum  qualtuor  =  mit  einer 
viernasenlangenSchneppe,  uicht  mit 
vier  Schneppen. 

48  sulpura,  Schwefelkitt. 

50  decocta  ist  abgekochtes,  aber 
durch  Schuee  wieder  abgekiihltes 
Wasser,  Plin.  h.  XXXI  40  Aeronis 
principis  interitum  est,  decoquere 
aquam  vitroquc  demissum  in  nives 
refrigerare.  ita  voluptas  frigoris  con- 
tingit  sine  vitiis  nivis.  Solches 
Wasser  wurde  den  luinores  amici 
nicht  gereicht,  sie  mulsteu  sich  mit 
gewohnlichem  begnugen. 

52  sq.  Die  Gaetuli  wohnten  siidlich 
von  den  Mauri  und  Numidae,  der 
Name  wird  aber  von  den  Dichteru 
olt  auch  fiir  diese  Bclbst  gebraucht, 
vgl.  10,  158.  Vornehme  Kei&ende 
hatteu  auch  Vorreiter  oder  Liluler, 
Numidae  oder  cursores.    Bei  einem 


82 


IVVENALIS 


Gaetulus  dabit  aut  nigri  maiius  ossea"  Mauri 
et  cui  per  mediam  nolis  occurrere  noctem, 
clivosae  veheris  dum  per  monumenta  Latinae: 
flos  Asiae  ante  ipsum,  pretio  maiore  paratus, 
quam  fuit  et  Tulli  census  pugnacis  et  Anci 
et,  ne  te  teneam,  Romanorum  omnia  regum 
frivola.     quod  cum  ita  sit,  tu  Gaetulum  Ganymedem 
respice,  cum  sities.     nescit  tot  milibus  emptus 
pauperibus  miscere  puer,  sed  forma,  sed  aetas 
digna  supercilio.     quando  ad  te  pervenit  ille? 
quando  rogatus  adest  calidae  gelidaeque  minister? 
quippe  indignatur  veteri  parere  clienti, 
quodque  aliquid  poscas,  et  quod  se  stante  recumbas; 
maxima  quaeque  domus  servis  est  plena  superbis. 
ecce  alius  quanto  porrexit  murmure  panem 
vix  fractum,  solidae  iam  mucida  frusta  farinae, 

54  noUis  P        63  post  64  positus  in  P        gelicaeque  P 


55 


60 


65 


grofsen  Gelage  wurden  auch  solche 
Sklaven  zuv  Bedienung  herange- 
zogen. 

54  nolis  occurrere,  denu  man 
wurde  ihu  fvir  einen  Rauber  (gras- 
sator)  halten,  vgl.  10,  20. 

55  per  monumenta,  zu  1,  171. 

56  flos  Asiae,  die  Bliite,  das 
Schonste,  eigentlich  qiwd  floris  in 
iuventute  Asiae  est,  Liv.  XXXVII 
12,  7  qiiod  floris,  qtiod  rohoris  in 
iuventute  fuerat,  amiserant.  Zum 
Kredenzen  des  Weines  wiihlte  mau 
jugendlich  schone  Knaben  aus  dem 
Osten,  vgl.  11,  147  und  9,  47.  Hor. 
I  29,  7  puer  quis  cx  auJa  capiUis 
ad  cyathuvi  statuetur  unctis?  — 
paratus,  gekauft,  zu  3,  224. 

57  Hor.  IV  7,  15  quo  dives  Tullus 
ct  Ancus.  Dagegen  ist  Servius  Tul- 
lius  ein  Beispiel  von  der  Macht 
der  Fortuna,  7,  199. 

59  frivola,  wie  3,  198.  —  c[uod 
cum  ita  sit,  darum  schane  dich  nur 
nach  dem  schwarzen  Gauymed  um, 
wcnn  du  Durst  hast,  denn  ein  so 
kostspieliger  pie^r  a  cyatho,  wie 
der  des  Virro  ist,  ist  nicht  dazn 
da  (nescit)  einen  armen  Klientcn 
zu  bedienen.  Der  Preis  von  100  000 
Sest.  fiir  einen  schonen  Sklaveu 
oder  eiue  schone  Sklavin  war  nicht 
selten,  Mart.  I  58  milia  pro  pucro 
centum  mc  mango  poposcit,  III  62 
centenis  quod  emis  pueros  et  saepe 


ducenis,  II  63  sola  tibi  fuerant  se- 
stertia,  Miliche,  cenium  quae  tulit 
e  sacra  Leda  redempta  via. 

61  sq.  sed  forma,  aber  die  Schon- 
heit  und  die  Jugeud  eines  ■solchen 
Knaben  entschuldigen  seinen  Stolz 
(supercilium,  wie  6,  169);  aber  auch 
der  schwarze  Ganymed  und  der 
Sklave  mit  der  calda  und  gelida 
erscheinen  nur  aufserst  selten  am 
Platze  des  Armeu.  Der  anapho- 
rische  Gebrauch  von  sed  —  sed  ist 
besonders  in  der  silberuen  Latini- 
tat  (bei  Seneca)  hilufig;  im  Juvenal 
noch  8,  149.  9,  63.  15,94.  l^e  aqua 
calida  und  gelida  wurde  gereicht, 
um  den  Wein  zu  erwiirmen  oder 
zu  kiihlen,  wobei  man  oft  auf  einen 
bestimmten  Warmegrad  Gewicht 
legte,  Mart.  XIV  105  frigida  non 
clerit,  non  derit  calda  petenti,  sed 
tu  morosa  ludere  parce  siti. 

66  Je  vornehmer  und  reicher  das 
Haus,  um  so  iibermutiger  uud  riick- 
sichtsloser  sind  die  Sklaven. 

67  Es  folgt  nun  der  Sklave, 
welcher  Brot  herumreicht.  Er  wird 
mit  ecce  alius  besouders  bemerkbar 
gemacht,  denu  hier  zeigt  sich  dio 
Schamlosigkcit  der  Kuickerei  ganz 
besonders.  Ahnlich  istl2,  24  genus 
ecce  aliud  discriminis  audi,  vgl.  v.n 
1,  30.  ■—-  murmure  al.s  Ausdrnck  dor 
supcrhia  ministrantis  seriuli. 

68  rix  fractum  (ac.  mola).  kaum 


LIP.KI  I     SATVRA  V 


83 


qiiao  gonninum  agitont,  non  admittentia  morsnni: 
sotl  toner  et   niveus  niollique  siligine  fietus 
servatur  ilomino.     dextram  cohibere  memento, 
salva  sit  artoptae  reverentia.     tiuge  tamen  te 
inprobulum,  superest  illic  qui  ponere  cogat 
'vis  tu  consuetis,  audax  conviva,  canistris 
impleri  pauisque  tui  uovisse  colorem?' 
'scilicet  hoc  fuerat,  propter  quod  saepe  relicta 
ooniuge  per  montem  adversum  gelidasque  cucurri 
Esquilias,  fremeret  saeva  cum   grandine  vernus 
luppiter  et  multo  stillaret  paenula  nimbo?' 
aspice,  quam  lougo  distinguat  pectore  lancem 


70 


75 


70  fictus  P: 
tendat  a> 


factus 


73  inprobum  P         77  cucnrrit  g 


80 

80  dis- 


in  der  Muhle  gewesen,  oder  das 
der  MCiblstein  kaum  uberwiiltigt 
bat,  also  grobes  Brot,  das  fast  noch 
aus  ganzen  Kornern  bestebt  [solidae 
fariuae),  und  auch  davon  erbalt 
der  Klieut  nur  alte,  verscbimmelte 
Brocken.  Mart.  IX  2  nennt  es  nigra 
farina. 

708qq.  Das  feine  Brot,  ex  siligine 
fictus,  d.  h.  das  aus  Sommerweizen 
gebacken  ist,  wird  fiir  den  Herru 
(und  die  vornebmeren  Gaste)  reser- 
viert.  Dauach  zu  langeu  lafs  dir  nicht 
einfallen!  —  ArtoiAa  {dQxontrjg) 
ist  die  Form  oder  das  Gefiifs,  iu 
dem  feines  Backwerk  gebacken  wird 
(Plaut.  aul.  II  9,  4)  und  wird  dann 
auf  das  feinere  Brot  selbst  uber- 
tragen,  das  in  jener  Form  gebacken 
worden  ist,  was  Plin.  XVIII  105 
panis  artopticius  nennt,  von  dem 
er  sagt,  es  sei  benannt  a  coquendi 
ratione.  AIso:  llespekt  vor  der 
Semmell  Das  scbwarze  und  das 
weifse  Brot  wurde  von  demselben 
Sklaven  serviert. 
"  72  finge,  zu  7. 

73  improhulus ,  etwas  frech,  un- 
bescbeiden,  wie  umgekehrt  probus 
den  allzu  rucksicbtsvoll  Bescbeide- 
nen  bezeichnet,  vgl.  Hor.  s.  I  3,  56. 
—  superest  illic,  so  ist  oberhalb 
{meliore  toro)  sofort  einer  da  {illic, 
wo  die  Scene  vorgeht).  Da  in- 
dessen  nur  von  der  superbia  servo- 
rum  die  Rede  iat,  so  wird  man 
superest  illic  eher  noch  von  einem 
Sklaven  verstehen  durfen,  der  noch 
aufser  dem  Servierenden  zur  Stelle 


ist.  —  Zu  ponere  ist  artoptam  als  Ob- 
jekt  zu  erganzen. 

74  vis  tu  non  interrogantis  modo 
ut  vin  tu,  sed  liortantis,  flngitantis, 
iuhentis  est,  Bentley  zu  Hor.  s.  II 6, 92 
vis  tu  homincs  urbemque  feris  prae- 
ponere  silvis?  Du  hast  docb  Lust 
das  Selbstverstiindliche  zu  thun? 
Ich  denke,  du  wirst  es  tbunl 

76—79  Epilog.  Der  Dicbter  ver- 
setzt  sicb  lebhaft  in  die  Stimmung 
des  gemifshaudelteu  Klienten,  der 
seinen  Unwillen  kaum  unterdriicken 
kann,  also  die  Krankung  fiihlt,  den- 
noch  aber  nicht  den  Mut  hat,  sol- 
cben  Beleidigungen  sicb  zu  ent- 
zieben. 

76  scilicet  hoc  fuerat:  also  um 
solcbe  Behandlung  zu  erloiden  habe 
ich  mir  Entbebnmgen  und  Miihen 
auferlegt!  Ahnlich  fiihrt  scilicet 
auch  7,  159  ein  Selbstgespriich  des 
mit  Undank  belohnten  Rhetors  ein. 

79  paenula  =  cpaivoXrig  oder  do- 
riscb  cpaiv6?.ag  war  ein  mit  Vorliebe 
von  den  niederen  Volksscbichten 
statt  der  Toga  gebraucbtes  Ober- 
kleid,  dann  auch  von  den  Vor- 
nehmeren  zur  Bequemlichkcit  auf 
Reisen  angezogen.  Da  der  Klient 
seine  Aufwartnng  in  der  Toga 
machen  mufste,  so  scbeint  bier  ^)ae- 
nula  ein  dichter  Uberwurf  zum 
Scbutz  gegen  den  Kegen  zu  sein. 
Aucb  Mart.  I  103  ist  paenula  ein 
Regenmantel. 

80  —  106  Scbilderung  der  Mahl- 
zeit:  b)  Krebs  und  Fisch. 

80sqq.  aspice,  zu  2,  166.    Der  See- 
6* 


84 


IVVENALIS 


quae  fertur  domiiio  squilla,  et  quibus  undique  saepta 
asparagis  qua  despiciat  convivia  cauda, 
dum  venit  excelsi  manibus  sublata  miuistri: 
sed  tibi  dimidio  constrictus  cammarus  ovo 
pouitur,  exigua  teralis  cena  patella. 
ipse  Venafrano  piscem  perfundit:  at  hic,  qui 
paliidus  adfertur  misero  tibi,  caulis  olebit 
lanternam;  illud  euim  vestris  datur  alveolis,  quod 
canna  Micipsarum  prora  subvexit  acuta, 
propter  quod  Romae  cum  Boccare  nemo  lavatur, 
quod  tutos  etiam  facit  a  serpentibus  atris. 
mullus  erit  domini,  quem  misit  Corsica  vel  quem 


85 


90 


91  om.  Ps  damnarat  lahn.         Afros  <s 


krebs  {squilla)  zeichnet  sich  durch 
seine  Grolse  aus  (longo  pectore)  und 
ziert  (sich  davon  abhebend)  die 
Schiissel  {distinguat  lancem).  Er  ist 
i-ingsum  mit  Spargel  belegt  und 
sieht,  weil  hoch  getragen,  gewisser- 
mafsen  stolz  auf  die  Versammlung 
der  Ga&te  (convivia)  herab  (vgl. 
1,  159).  Nicht  die  manus  des  Diu- 
ners  sind  excelsae,  das  konnte  nur 
suhlatis  manihus  heifsen,  sondern 
die  ganze  Figur  und  Haltung  des 
Dieners  ist  stattlich,  er  marschiert 
kerzeugerade  und  erhabenen  Haup- 
tes  vor  die  Tafel,  ahnlich  Hor.  s. 
11  8,  13  ut  Attica  virgo  (xat^/jqpo^os) 
cum  sacris  Cereris  procedit  fuscus 
Hydaspes  Caecuba  vina  ferens. 

84  Der  Klient  erhalt  eiuen  ge- 
meineu  Hummer  {cammarus),  uiit 
einem  halben  Ei  gebunden,  d.  h. 
mit  einer  Eierkruste  umgeben,  ein 
wahres  Leichenessen  auf  erblirm- 
iichem  Teller  (dagegen  oben  distin- 
guere  lancem,  die  also  beachtens- 
wert  sein  mulste).  Bei  den  Leichen- 
essen  bestanden  die  Zuthaten  meist 
nur  aus  Eiern,  denen  man  eine  rei- 
nigende  Kraft  zuschrieb  vgl.  6,  518. 
Juv.  denkt  hier  nicht  au  die  cenu 
funeris  (Pers.  6,  33),  soudern  an 
das  novemdialc,  das  Totenmahl, 
das  am  neunten  Tage  nach  der  Be- 
stattung  dem  Toten  auf  das  Grab 
gesetzt  wurde,  und  in  der  liegel 
nur  aus  puls  panis  und  ovum  be- 
stand. 

87  pallidus,  also  nicht  niehr 
frisch,   diigegen   Mart.  V  78   nigra 


coliculus  virens  patella,  algentem' 
(im  Spatherbst)  modo  qui  reliquit 
hortum,  dagegen  ibid.  XIII  17  jja?- 
lentes  caules  movcnt  fastidia. 

88  Hor.  s.  I  G,  124  unguor  olioo, 
non  quo  fraudatis  inmundus  Natta 
lucernis.  Der  Filz  des  Juv.  geh' 
also  in  der  Knauserei  noch  weiter. 
—  alveolis,  zu  7,  73. 

8Ssq.  Die  canna  lHicipsarum  {wie 
bei  Hor.  lubae  tellus),  das  Rohr  der 
Numidier,  ist  der  numidische  Schilf- 
kahu.  Es  waren  dies  geflochtene 
und  ausgepichte  Fahrzeuge.  Aus 
Numidieu  wurde  das  Sesamol  ein- 
gefuhrt.  Weil  dieses  Cibel  riecht, 
so  badet  sich  kein  Romer  gern  mit 
einem  Numidier,  der  dieses  01  auch 
zum  Einreiben  beim  Bade  gebraucht. 
Statt  Numidier  steht  wie  oben  Mi- 
cipsa  so  hier  Boccar,  ebenfalls  ein 
numidischer  Fiirsteuuame,  verwandt 
mit  Barcas  oder  Balcas. 

91  a  scrpentibus,  aber  nicht  a  Vir- 
rone  oder  o  Virronis  sordibus,  denn 
dieserkannes  vertragen,  sonst  wiirde 
er  es  nicht  auf  den  Tiseh  bringen 
lassen.  Aber  was  jeder  wie  Gift 
und  Pest  meidet,  ertrllgt  Virro  aus 
Geiz  und  Knickerei. 

92 — 106  Erhlilt  der  Herr  eineu 
kostbaren  mtdlus  (Seebarbeu)  oder 
auch  (ein  andermal)  eiue  (aalartige) 
Murilue,  so  wird  in  dem  eineu  oder 
andern  Falle  der  Klieut  mit  eiuem 
geringen  Flufsaal  abgefunden.  Dafs 
mullus  crit  domini  keiuen  Gegeu- 
satz  erhlUt  und  slatt  dessen  V.  99 
Virroni  muraena  datur  folgt,   als 


LinRI  T     SATVRA  V 


85 


Tauromenitanae  rupes,  quando  oiune  peraetuni  est 
et  iani  defeeit  nostruni   niare,  duni  cjula  saevit, 
retibus  adsiduis  jieuitus  scrutaute  niacello 
])roxima,  nce  patinnir  Tvrrhenum  crescere  jiisceni. 
instruit  ercfo  focum  provincia;  sumitur  illiuc 
quod  captator  emat  Laenas,  Aurelia  vendat. 
Virroni   muraena  datur,  quae  maxima  venit 
pjurjrite  de  Siculo;  nam  dum  se  continet   austcr, 
dum   sedet  et  siccat  madidas  in  carcere  pinnas, 
contemnunt  mediam  temeraria  lina  Charybdim: 
vos  anguilla  manet  longae  coguata  cokibrae, 
aut  ghtcie  aspersus  maculis  Tiberinus,  et  ipse 
vernula  riparum,  pinguis  torrente  cloaca 
et  solitus  mediae  cryptam  penetrare  Suhurae. 
ipsi  pauca  velim,  facilem  si  praebeat  aurem. 


95 


100 


105 


96  patitur 


105  torpente  Biitgersius 


waren  der  dominiis  und  Virro  ver- 
schiodout?  rorsoneu,  ist  eino  Inkon- 
oinnitiit,  die  vielleicht  durch  den 
Exkurs  V.  93  sq.  veranlafst  ist,  aber 
auch  durch  die  Annahme  verschie- 
dener  Mahlzeiten  mit  verschiedenen 
Fischspeisen  nicbt  gerechlfertigt 
wird. 

93  rupes,  Senec.  n.  q.  III  18,  4 
audiebamus  nihi?  esse  melius  saxa- 
tili  nmllo:  iiberhaupt  mhmte  man 
die  um  Sicilien  herum  gefangenen 
mulli.  —  peractum,  durchstobert. 

94  gula,  Schlemmerei. 

95  maceVum,  das  Bedurfhis  des 
Fischmarktes,  die  Genufssucht,  vgl. 
zu  11,  10. 

97  provincia,  das  Ausland,  die 
Lander  anfser  Italien,  vgl.  zu  4,  26, 
wie  hier  Corsica  oder  Sicilien. 

98  Der  Erbschleicher  (10,  202.  12, 
114)  Laenas,  aus  dera  Geschlechte 
der  Popilier,  kauft  und  verschenkt 
an  die  vidua  Aurclia  so  viel,  dafs 
diese  die  kostbarea  Fischo  wieder 
verkaufen  mufs.  Der  Kontrast  in 
dem  Thun  der  beiden  Personen 
wird  durch  den  Chiasmus  gehoben. 
Eine  Aurrlia,  ornata  femina,  signa- 
turn  iestamentum  wird  vonPlin.  ep. 
TI  20,  10  in  der  Schilderung  der  Erb- 
schb'icherei''n  des  M.  Aquilius  Re- 
gulus  erwahnt. 

100  Die  besten  Muranen  kamen 
aus  der  .sicilischen  Mforenge  {gur- 
gite  de  Siculo),  Mart.  XTII  80  quac 


natat  in  Sieulo  grandis  muraena 
profundo;  auch  halt  man  sie  wie 
andere  kostbare  Fische  zur  Mastung 
iu  den  vivaria. 

101  madidas,  weil  der  Auster 
Regen  bringt,  also  uuter  Regeu  in 
die  Burg  des  Aeolus  heimgekehrt 
ist,  10,  181  Aeolio  in  carccre,  Verg. 
I  51  nimborum  in  patriam,  loca  feta 
furentibus  austris,  Aeoliam  venit. 
liic  vasto  rex  Aeolus  antro  luctan- 
tis  ventos  tempestatesque  sonoras  im- 
perio  premit  ac  vinclis  et  carcere 
frenat. 

102  sq.  contemnunt,  zu  3,  288.  — 
lina  fiir  die  Fischer,  4, 45  cumbae  lini- 
qm  magister.  —  cognata  colubrue, 
also  lang,  aber  dfinn  und  mager; 
wie  eiue  Blindschleiche. 

104  glacie,  infolge  des  Frostes. 
Tiberinus,  sc.  lupus,  vgl.  Hor.  s.  II 
2.  81  unde  datum  sentis,  lupus  hic 
Tiberinus  an  alto  captus  hiet?  — 
et  ipse,  wie  der  Aal. 

105  torrente cJoaca,  Plin.  h.  XXXVI 
105  {cloacae)  permcant  corrivati 
septem  amnes  (Leitungen)  cursiique 
praecipiti  torrentium  modo  rapere 
atque  auferre  omnia  coacti  vada  ac 
latera  quatiunt. 

106  crypta,  ein  unterirdischer 
Gang  in  der  Subura,  eine  Fort- 
setzung  der  cloaca  maxima. 

107—113  Epilog  an  den  Patron 
und  Gastgeber.     Vgl.  zu  76  sq. 

107  ipsi,  domino.  —  pauca  velim, 


86 


IVVENALIS 


^nemo  petit,  modicis  quae  mittebantur  amieis 
a  Seneca,  quae  Piso  bonus,  quae  Cotta  solebat 
largiri;  namque  et  titulis  et  fascibus  olim 
maior  liabebatur  donandi  gloria.     solum 
poscimus,  ut  cenes  civiliter.     hoc  fac  et  esto, 
esto,  ut  nunc  multi,  dives  tibi,  pauper  amicis.' 

auseris  ante  ipsum  magni  iecur,  anseribus  par 
altilis,  et  flavi  dignus  ferro  Meleagri 
spumat  aper.     post  hunc  tradentur  tubera,  si  ver 
tunc  erit  et  facient  optata  tonitrua  cenas 
maiores.     Hibi  habe  frumentum'  AUedius  iuquit 
'o  Libye,  disiunge  boves,  dum  tubera  mittas.' 


110 


115 


110  titulis  fascibus  P 
duntur  a» 


112   faciet  P  116   fumat  pm        ra- 


sc.  dicere,  nacli  Analogie  des  archai- 
scben  paucis  te  volo,  scheint  mehr 
derUmgangssprachezuentspreclieu. 

—  facilem,  wie  3,  121. 

108  sq.modicis,  bescheiden  =  paii- 
pcrihus,  minoribus  amicis.  —  Seneca 
und  Piso  riihmt  ebenso  Mart.  XII  36 
Pisones  Senecasque  Blemmiosque  et 
Orispos  mihi  redde,  sed  priores:  fies 
protinus  tdtimus  bonorum  der  edlen, 
freigebigen  Miinner.  Piso  ist  das 
Haupt  der  Verschworung  vom  J.  65, 
Tac.  XV  48  sagt  von  ihni:  cxer- 
cebat    largitionem    adversus  amicos. 

—  Cotta  Messalinus  war  der  Sohn 
des  M.  Valerius  Messalla  Corvinus, 
nach  Tac.  XIII  34  per  luxum  avitas 
opes  dissipavit. 

111  donandi  yloria,  der  Ruhra 
der  liberalitas,  die  Moglichkeit  und 
die  Bereitwilligkeit  zu  schenken, 
ri  ano  xoiv  xaqioiitttoiv  svv.lstcc,  wie 
Lyd.  mag.  I  20  iibersetzt. 

112  poscimus  ut,  auch  7,  71,  sonst 
uiit  Acc.  oder  absolut  gebraucht. 
NachC.Heraeus'Beobachtungkommt 
ut  bei  poscere  nur  noch  Tac.  h.  II  39 
und  IV  5  vor.  —  civiliter  als  Bih- 
ger  mit  Biirgeru,  non  carens  sensu 
communi,  vgl.  zu  8,  73.  Meide  nur 
die  superbia,  dann  magst  du  immer- 
hin  den  Freunden  mit  Kargheit  be- 
gegnen  und  deinen  Reichtum  alleiu 
fiir  dich  geniefsen,  wie  es  1,  135  sq. 
geschildert  ist. 

114 — 124Da8Gastmahl:  c)Lecke- 
reien,  wie  Gilnseleber,  Masthubn, 
Wildschwein,  Triiffeln. 


114  Ganseleber  war  eine  romische 
Delikatesse,  Hor.  s.  II  8,  88  ficis 
pastum  iecur  anseris  albae.  Mart. 
XIII  58  aspice,  quam  tumeat  magno 
iccur  ansere  maius!  miratus  dices, 
'hoc,  rogo,  crevit  ubi?'' 

115  altilis,  gemastet,  fetl  (Varro 
r.  r.  II  1,  20  boves  altiles),  wird  vor- 
zugsweise  vom  gemiisteten  Gefliigel 
gebraucht,  Hor.  ep.  I  7,  35  nec  som- 
num  plebis  laudo  satur  altilium.  — 
Meleager  war  der  Fiihrer  der  Hel- 
den,  welche  den  kalydonischen  Eber 
erlegten,  Hom.  II.  IX  543  tov  S' 
vibg  Otvijog  ccTti-KTBivsv  MslsayQog, 
noXJ.scov  BH  noXicav  %'riQrixoQag  civ- 
Sgag  dysiQag.  Er  heifst  auch  II.  II 
642  ^avd^og,  fiavus. 

117  sq.  Plin.  h.  XIX  37  de  tuberibus 
haec  traduntur:  cum  fuerint  imbres 
autumnales  ac  tonitrua  crebra,  tunc 
nasci  et  moxime  e  tonitribus,  nec 
ultra  annum  durare,  tenerrima  autem 
verno  esse.  Wenn  es  Triittehi  giebt, 
werden  dadurch  die  cenae  maiorcs, 
in  ungiinstigen  Jahren  niufs  nian 
ihrer  entbehren.  —  tibi  habe,  be- 
halte  fiir  dich,  vgl.  3,  188./  Mart. 
X  51  quae  tua  sunt,  tibi  habv,  quae 
mea,  redde  mihi.  —  Ein  romischer 
Ritter  Alledius  Severus  wird  von 
Tac.  XII  7  als  eine  unterwiirfige 
Kreatur  des  Claudius  und  der  Agrip- 
pina  genanut.  Ilier  haben  wir  uus 
einen  Schwelger  uud  Feinschmecker 
zu  denken.  Sein  Wunsch  ist  ein 
Frevel,  weil  Afrikas  Getreide  Ronis 
Bevolkerung  erniihrte,  vgl.  8,  117. 


LIBRI  I    SATVRA  V 


87 


structorem  iuterea,  iiequti  iiuliguatio  ilesit, 
.saltautem  spectes  et  chirouomunta  volauti 
cultello,  douec  peragat  dictata  magistri 
omuia:  ucc  miuimo  saue  discrimiue  refert, 
quo  gestu  lepores  et  quo  galliua  secetur. 
duceris  plauta  velut  ictus  ab  Hercule  Cacus 
et  pouere  foris,  si  quid  temptaveris  umquam 
•liiscere,  tamquam  habeas  tria  uomiua.     quaudo  [»r(ipiuat 
Virro  tibi  sumitve  tuis  coutacta  labellis 
pocula?  quis  vestrum  temerarius,  usque  adeo  quis 
perditus,  ut  dicat  regi  'bibe'?  plurima  suut  quae 
uon  audent  homiues  pertusa  dicere  laena. 
quadringeuta  tibi  si  quis  deus  aut  similis  dis 
et  melior  fatis  donaret  homuucio,  quantus, 
ex  uihilo  quautus  tieres  Virronis  amicus. 
Ma  Trebio,  pone  ad  Trebium.     vis,  frater,  ab  ipsis 


120 


125 


130 


135 


120 sq.  interea,  unterdessen,  wiih- 
rend  der  Herr  Ganseleber,  Hahn 
und  TrviflFeln  verspeist,  hat  der  Klient 
das  Zuseben,  wie  das  Wildschwein 
regelrecht  zerlegt  wird.  Dafs  er 
von  diesem  etwas  erhiilt,  hofft  er 
zwar,  die  Hotthuug  fiihrt  aber  auch 
oftnur  zur  Enttiiuschung,  vgl.  166  sq. 
wo  natiirlich  die  hyperbolische  Dar- 
stellnng  zu  beachten  ist.  —  Der 
structor  (7,  184  veniet  qiii  fercula 
docte  conponat)  ist  wie  11,  136  zu- 
gleich  scissor  oder  carptor,  der  nach 
aUen  Regeln  der  Kunst,  springend 
und  gestikulierend  wie  ein  Mime 
(XiiQovoiKov,  vgl.  6,  63)  die  Speiseu 
zerlegt. 

122  sq.  magister  ist  der  Lehrer 
der  Vorschneidekunst,  wie  Tryphe- 
rus  doctor  11,  137.  —  dictaia  sind 
die  Kegeln  oder  Vorschriftt-n  des 
Meisters,  die  Formeln  (vgl.  6,  391), 
und  zwar  darf  keine  einzige  ver- 
saumt  werdeu  (omnia).  —  sane, 
ironisch,  zu  1,  142.  Der  Hahn  er- 
fordert  andere  Gesten  als  das  Huhn! 

125 — 145  Dritter  Epilog:  der  per- 
jnliche  Verkehr  zwischen  Patron 
xnd  Klient  beim  Essen. 

12j  Verg.  VIII  264  pedibusque  in- 
fortne  cadaver  protrahitur. 

127 sq.  hiscere:  wiihrend  der  Vor- 
nehme  sich  jede  kecke  Bemerkung, 
der  Sklave  sogar  Frechheiten  er- 
laubt,  darf  der  arme  Klient  nicht 
den  Mund  aufthun.  —  tria  nomina 


fiihrt  der  Freigeborene,  also:  als 
warest  du  ein  Freier,  liber  homo 
161.  —  Sen.  benef.  II  21  cgo  ab  eo 
beneficium  accipiam,  a  quo  propi- 
nationem  accepturus  non  sum?  — 
sumitce  oder  lafst  sich  umgekehrt 
von  dir  vortrinken?  —  Das  propi- 
narc  bezweckt  ein  aviniLvsiv  aus 
einem  Becher:  der  eine  triukt  und 
iiberreicht  daun  den  Becher  dem 
andern  zum  Trinken.  Dagegen  130 
die  Aufforderuug  bibe  ist  eine  ein- 
fache  Ermunterung  zuni  Trinken 
und  zur  Heiterkeit. 

130  perditus,  sc.  insania,  frech, 
wahusinnig.  —  plurima  sunt  quae 
=  14,  1,  in  beiden  Fallen  mit  In- 
dikativ. 

131  pcrtusa  laena,  im  schiibigen 
Mantel,  vgl.  3,   283  coccina  laena. 

132  quadringenta,  den  ivittercen- 
sus.  Solche  Schenkungen  kamen 
vor. 

133  sq.  homuncio,  ein  Menschen- 
kind,  Erdensohn  (von  homuncus  ge- 
bildet).  —  quantus  ex  nihilo,  du 
wiirdest,  eben  noch  ein  Nichts, 
plotzlich  zum  angesehensten  Mann, 
zum  geehrtesten  Freunde  Virros, 
wie  nXovOLOi  BK  nrwxcov  ynyovaoi 
bei  Demosth.  VIII  66. 

135  da  —  pone,  vgl.  1,  101.  Das 
angenommene  Verhalten  des  Virro 
wird  sofort  wie  im  Mimus  zur  An- 
schauung  gebracht. 


88 


IVVENALTS 


ilibiis?'  o  nummi,  vobis  liunc  praestat'  lionorem, 
vos  estis  fratres.     dominns  tamen  et  domini  rex 
si  vis  tu  fieri,  nullus  tibi  parvolus  aula 
luserit  Aeneas  nec  filia  dulcior  illo; 
iucundum  et  carum  sterilis  facit  uxor  amicum, 
sed  sua  nunc  Mycale  pariat  licet  et  pueros  tres 
in  gremium  patris  fundat  semel,  ipse  loquaci 
gaudebit  nido,  viridem  thoraca  iubebit 
adferri  minimasque  nuces  assemque  rogatum, 
ad  mensara  quotiens  parasitus  venerit  infans. 
vilibus  ancipites  fungi  ponentur  araicis, 
boletus  domino,  sed  quales  Claudius  edit 
ante  illum  uxoris,  post  quem  nil  amplius  edit. 
Virro  sibi  et  reliquis  Virronibus  illa  iubebit 
poma  dari,  quorum  solo  pascaris  odore, 
qualia  perpetuus  Phaeacum  autumnus  habebat, 


140 


145 


150 


138  tu  co:  tunc  P  140  ddehat  Inhn.  141  sua  W:  tua  Poo 

mygale  P  Migale  S        142  simul  pco         145  at  P       146  ponentur  pto; 
potentur  PS        148  postquam  P 


137  "Willst  du  aber  vollends  zu 
seinem  dominus  und  rex  werden, 
dann  mufst  du  reich  und  kinderlos 
sein,  d.  h.  du  darfst  keine  not- 
wendigen  Erben  haben:  er  wird 
dir  dann  wie  ein  Klient  dem  Patron 
den  Hof  machen.  Es  folgt  die  Par- 
odie  von  Verg.  IV  328,  wo  Dido 
klagt:  si  quis  milii  parvolus  aula 
luderet  Aeneas. 

140sq.  1 40  steht  im  scharfenGegen- 
satz  zii  141  sq.  DerKlient  wird  nur 
geliebt,  wenn  seine  Frau  des  Kinder- 
segens  entbehrfc,  dagegen  bei  seiner 
eigenen  Frau  (sua  31ycale),  bei  der 
Frau  des  Patrons  ist  es  etwas  ganz 
anderes:  da  freut  er  sich  des  Kin- 
dersegens  und  weifs  den  zartlichsten 
Vater  zu  spielen,  da  behalten  Herz 
und  Gemiit  ihr  Recht.  —  Das  Pos- 
sessivum  sua  steht  im  Nebensatz 
in  Beziehung  auf  das  Subjekt  (ipsc) 
des  Hauptsatzes,  da  es  als  Trager 
des  Gegensatzes  besonders  betont 
ist,  vgl.  Nipperdey  zu  Nepos  I  1. 
—  Mycale  (Schnauzchon?)  ist  jeden- 
falls  eine  koraische  NamensV>ildung 
fiir  uxor.  —  nunc,  ietzt  im  Augen- 
blick  und  dazu  Drillingc! 

143  nido ,  Verg.  XII  474  pinnis 
alta  atria   lustrat  hirundo  pdbula 


2Jarva  Jegens  nidisque  loquacibus 
cscas.  —  tlioraca  als  S]iielzeug,  wie 
Lucil.  TI  17  ricae,  tliwacia,  mitrae. 

144  minimas  niices,  zum  Niisse- 
spiel,  vgl    Marq.  V  2,  418  sq. 

lib  parasitusinfans, derschxneich- 
lerische  Kleine,  der  Knabe,  der  dem 
Vater  wie  einParasit  zu  schmeicheln 
versteht. 

146 — 155  Fortsetznng  der  Mahl- 
zeit:  _d)  der  Nachtisch  mit  "Pilzen 
und  Apfeln. 

146  Mart.  TII  60  sunt  tihi  holeti, 
fungos  ego  sumo  suillos,  Steinpilze, 
Plin.  h.  XXII  96  (fungi)  suilli  ve- 
ncnis  accommodatissimi  familias  nu- 
X)er  interemere  et  tota  conviria,  quac 
voluptas  tam  ancipitis  cihi? 

147  sed  ist  ironisch  =  aber  natiir- 
lich  Pilze,  wie  sie  Claudiiis  vor  sei- 
ner  Vergiftung  afs.  Claudius  wurde 
von  Agrippina  durch  einen  holetus 
medicatiis  getotet,  vgl.  6,  620.  Tac. 
XTI  66 sq.  Ahnlich  sagt  Mart.  T  20 
quid  dignum  tnnto  tihi  vcntre  gula- 
que  precahor?  holetum,  qualem  Clau- 
dius  edit,  edas. 

150  solo  odore,  alleiu  schon  an 
dem  Geruch.  Apfel  Tnldeten  den 
Schlufs  der  Mahlzeit,  daher  sprich- 
wortlich  ah  ovo  usque  ad  mala. 


LIBRI  I     SATVRA  V 


89 


credere  qiiae  possis  subrepta  sororibus  Afris: 
tu  scabie  frueris  niali,  (|U0(1   in  aggere  rodit, 
qui  tegitur  parma  et  galea  metuensque  flagelli 
discit  ab  hirsuta  iaculum  torquere  capella. 

forsitan  inpensao  Virrouem  parcere  credas. 
hoc  agit,  ut  doleas;  nam  quae  comoedia,  luimus 
quis  melior  plorante  gula?  ergo  omnia  fiunt, 
si  nescis,  ut  per  lacrimas  effundere  bilem 
cogaris  pressoque  diu  stridere  molari. 
tu  tibi  liber  homo  et  regis  conviva  videris: 
eaptum  te  nidore  suae  putat  ille  culinae, 
nee  male  coniectat;  quis  enim  tam  nudus,  ut  illum 
bis  ferat,  Etruscum  puero  si  contigit  aurum 
vel  nodus  tantum  et  signum  de  paupere  loro? 


155 


160 


165 


154  tegi  P         158  g\]a  P 

152  sororibiis  Afris,  den  Hespe- 
rideu,  14,  114  certa  maqis  quam  si 
fo)iutias  servet  easdei}i  Hesperidum 
scrp:ns.  Die  i\V|  gebar  ^EaTrBgidag 
&' ,  ats  u.Tj7.tt  nioTiv  v.Xvxov  'P.v.fu- 
voLO  ygvaBtt  y.ttXu.  aiXovai  cpigovrd  tb 
SivSgsa  v.ug-nov  Hes.  theogr.  215. 

153  sqq.  Der  agf]er  ist  der  Wall 
des  ServiusTullius  vom  Collinisclien 
bis  zum  Esquilinischen  Thore,  dor 
50  Fufs  breit  und  69  Fnfs  liocli 
war.  Es  war  dort  viel  Verkehr, 
und.  wie  6,  588  zeigt,  zngleich  auch 
ein  Sammelpunkt  von  Gaunern  und 
Marktschreiern.  Solche  mochten 
dem  Publikum  oft  auch  dre.=sierte 
Affen  vorfiiliren.  Der  hier  erwilhnte 
Affe  ist  mit  Schild  und  Helm  aus- 
gervistet  und  mufs  auf  einer  Ziege 
sitzend  i ah  capeUa)  einen  Speer 
schleudem.  —  metuens  flagelli,  wie 
7,  210  tnetuens  virqae. 

156—173  Vierter  Epilog. 
-  156  iinpemae  parccre,  z.  B.  Plin. 
ep.  II  6,  3  versichert  Plinius  eadem 
^omyiibiis  pono.  Darauf  fragt  sein 
Tischnachbar,  ob  er  denn  auch  die 
lihcrti  wie  die  anderen  Giiste  be- 
handle,  und  als  er  dies  bejahte, 
bemerkt  der  andere:  'magno  tibi 
constat.''  'minime.^  'qui  fieri  po- 
test?^  'quia  sciUcet  liberti  mei  non 
idem  quod  eqo  bihunt,  sed  idem  eqo 
quod  liherti.'  gula  ergo  reprimenda, 
si  sumptibus  parcas,  quibus  ali- 
quanto  rectius  tua  continentia  quam 
aliena  contumelia  consulas. 


161  videris  conviva  P 

157  Kiinstlerische  Vorstelhingen 
sehorten  znr  Wiirze  des  Mahles. 
Virro  verschafft  sich  diese  auf  ein- 
fache  Weise.  Denn  es  giebt  kein 
kostlicheres  undlebendigeres  Schau- 
spiel  als  das  schmerzlich  verzenrte 
und  enttauschte  Gesicht  des  hung- 
rigen  Klienten. 

158  plorante  qula.  als  dasGrinsen 
eines  enttanscht'"-^  Feinschmeckers, 
der  etwas  Fennes  erhofft  und  schon 
mit  den  Augen  gesehen  und  mit  dem 
Munde  beschmunzelt  hat,  und  nnn 
nichts  bekommt. 

159  si  nescis  =  ut  Jtoc  scias. 

160  molaris  (sc.  dens)  ist  der 
Backenzahn  den  der  Arme  vor  Wut 
zusammendriickt,  vs\.  13,  212  iti- 
terque  molares  difficili  crescente  ciho. 

162  Nach  Hor.  s  II  2,  30  im- 
parihus  formis    decepfnm    te  pafet. 

164  sq.  Plin.  b.  XXXIII  10  Sed  a 
Prisco  Tarquinio  Cdaher  Etruscum 
aurum)  omnium  primo  filium,  cum 
in  praetecctne  annis  occidisset  ho- 
stem,  buT.la  aurea  donntmn  constat: 
unde  mos  buJlae  duravit,  ut  ewuvi 
qui  cquo  meruissent  filii  insiqnr  id 
haberent,  ceteri  lorum.  AllmLlhlich 
wurde  die  hulla  aurea  wie  die  prae- 
texta  allen  Freieeborenen  gestattet. 
Die  Sohne  der  Freigelassenen  tragen 
nun  das  lorum  am  Hals  und  daran 
eine  Kapsel  aus  Leder  (siqnum,  d. 
bulla  scortea),  vgL  13,  33.  14,  5. 
Pers.  5,  31  cum  primum  pavido  cu- 
stos   mihi   purpura   cessit  hullaque 


90 


IVVENALIS 


spes  bene  cenandi  vos  decipit.     ^ecce  dabit  iam 
semesum  leporem  atque  aliquid  de  cluuibus  apri, 
ad  nos  iam  veniet  minor  altilis.'     iude  parato 
intactoque  omnes  et  stricto  pane  tacetis. 
ille  sapit,  qui  te  sic  utitur.     omuia  ferre 
si  potes,  et  debes.     pulsandum  vertice  raso 
praebebis  quandoque  caput  nec  dura  timebis 
flagra  pati,  his  epulis  et  tali  dignus  amico. 


170 


IVVENALIS 

SATVRARYM 

LIBER  SECVNDVS 


SATVRA  VI 

Credo  Pudicitiam  Saturuo  rege  moratam 
in  terris  visamque  diu,  cum  frigida  parvas 


166  caenendi  P        169  iacetis  P 


succinctis  Laribus  donata  pcpendit, 
me  tihi  supposui. 

167  semesum  leporem,  ein  iibrig- 
gebliebenes  StiickHasenbraten,  Hor. 
s.  I  3,  81  tollere  iussus  semcsos  pi- 
scis,  die  Fischreste,  II 6, 85  semesaque 
lardi  frusta  cledit. 

169  strieto  pane:  die  Armen  hal- 
ten  das  Brot  bereit,  ohne  es  (mit 
dem  Mund)  anzuruhren,  sie  halten 
das  Brot  wie  ein  Schwert  geziickt, 
kampfen  und  streiten  aVjer  damit 
nicht  (d.  h.  hauen  auf  den  Braten 
nicht  ein),  sondern  halten  einfach 
den  Mund.  Wie  cpte  zeigt  ist  in- 
tacto  dem  piarato  nur  als  Ergiin- 
zung  der  Malerei  beigegeben,  wiih- 
rend  stricto  die  mit  jiarato  be- 
gonneue  Handlung  fortsetzt:  aliud 
est  parare  gladium,  aliud  gladium 
stringere. 

170  sic,  i.  e.  tam  superhe,  so  ver- 
aclitlich  behandelt.  In  der  Komodie 
oder  im  Mimus  war  die  RoUe  des 
stupidus  stehend.  Er  wurde  capite 
raso  dargestellt  und  bekam  als 
Dummkopf  oder  Priigeljuuge  die 
Ohrfeigen,  8,  192. 


172  quandoque,  vgl.  2,  82  u.  14,  51. 

173  Die  Hiebe  mit  dem  flagrum 
oder  flagellwn  gehorten  zu  den 
hartesten  Sklavenstrafen,  6,  479  Jiic 
frangit  ferulas,  ruhet  ille  flagello, 
13,  195  qtiatiente  animo  tortore  fla- 
gellum,  vgl.  14,  19  und  10,  180; 
sonst  ist  flagrum  oder  flageUum  die 
Peitsche  zum  Antreiben  der  Tiere, 
vgl.  154.  2,  169.  10,  109. 

Sat.  VI. 

1 — 24  Prolog:  Die  Pndicitia  ist 
liingst  schon  aus  der  Welt  ver- 
schwunden. 

1  Dasselbe  Motiv  findet  sich  bei 
Propert.  III  32,  47 — 56:  qui  quaerit 
Tatios  veteres  durosque  Sahinos,  hic 
posuit  nostra  nuper  in  urbe  pedein. 
tu  pi^i^^^s  ^t  fluctus  poteris  siccarc 
marinos  altaque  mortali  deligere 
astra  manu,  quam  facere  ut  nostrae 
nolint  peccare  puellae.  kie  mos  Sa- 
turno  regna  tenente  fuit,  ct  cum 
Dcucalionis  aquac  fluxere  i^erorhem. 
at  pjost  antiquas  Dcucalionis  aquas, 
dic  miki,  quis  potuit  lectum  servare 
jmdicum,  quae  dca  cum  solo  vivere 
sola  deo? 


LIBRI  II     SATVKA  VI 


91 


praeberet  spelunca  domos  ignemque  laremque 
et  pecus  et  dominos  lonimuni  cluucleret  umbra, 
silvestrem  montana  torum  cuni  sterneret  uxor 
tronJibus  et  culmo  vicinarumque  ferarum 
pellibus,  haud  similis  tibi,  Cyuthia,  nec  tibi,  cuius 
turbavit  nitidos  exstinctus  passer  ocellos, 
sed  potanda  ferens  infantibus  ubera  magnis 
et  saepe  horridior  glandem  ructante  marito. 
quippe  aliter  tunc  orbe  novo  caeloque  recenti 
vivebant  homines,  qui  rupto  robore  nati 
compositive  luto  nullos  habuere  parentes. 
multa  Pudicitiae  veteris  vestigia  forsan 
aut  aliqua  exstiterint  et  sub  love,  sed  love  nondum 


10 


15 


7   aut  P  (nou  Prisciamis)         8  turbabit  P        9   ubera  mauus   sed 
mauus   post   adiectum   P  13    compositive    Pithoeiis:    compositi**    P 

compositique  pco         lo  et  pco:  *n*  P  vel  Bibbeck 


3  igmm  =  focum,  vgl.  1,  120  et 
panis  fumusqne  domi,  134  caulis 
miseris  atque  iijnis  emendus. 

i  pccus  Herde,  dagegeu  der  Plural 
11,41  centrcm  pecorum  agrorumque 
capaceiH. 

5  montana  mit  dem  Nebenbegriff 
der  derben  und  reinen  Xatur,  2,  74 
populus  modo  victor  et  illud  mon- 
tanum  vulgus.  —  torus  spottisch 
von  dem  primitiven  Lager  der 
ersten  Xaturmenschen ,  vgl.  3,  82 
fultusque  toro  mcliore  recumbet. 

6  vicinarum  der  mit  ihnen  auf 
Bergen  und  in  Wiildern  lebenden 
Tiere,  vgl.  13, 185  vicinus  Hymetto 
senex. 

7sq.  Cynthia  war  dieGeliebte  des 
Propertius,  deren  eigentlicherName 
Hostia  gewesen  sein  soll.  Das  FoU 
.  gende  umschreibt  in  satirischer 
Weise  (zn  15,  126)  den  Namen  der 
Leabia  (=  Clodia),  der  GeUebten 
des  CatulIuB.  Die  Totenfeier  des 
;>asserderGeIiebtenenthaItCatuII.  3, 
und  auf  die  letzten  Verse  spielt 
hier  Juv.  an :  txia  mmc  opera 
(Schuld)  meae  puellae  jlendo  turgi- 
duli  rubent  ocelli.  —  turbavit 
trubte,  vgl.  13,  133  vexare  oculos 
um&re  coacto. 

9  potanda  uhera  entspricht  dem 
magnis  infantibus:  wie  die  Eltern, 
bO  die  Kinderl  Beide  strotzten  von 
Naturkraft!' 


10  horridior  vernachlassigter,  uu- 
kultivierter:  das  Weib  kanute  noch 
keine  Ziraperlichkeit!  —  glandem, 
die  menschliche  Nahrung  der  Ur- 
zeit,  vgl.  13,  57  licet  ipse  vidcret 
plura  domi  fraga  et  maiores  glundis 
acervos,  und  14,  184  vcteris  fastidia 
quercus. 

11  Lucret.  V  907  tellure  nova 
caeloque  recenti  (unverdorben). 

12  Verg.  VIII  314  erziihlt  Euan- 
der:  hacc  nemora  indigenae  Fauni 
Nymphaeque  tenebant  gensque  virum 
truncis  et  duro  rohore  nata,  Hom. 
Od.  XIX  192  ttXXa  xat  (oq  fiot  ^in): 
Tsov  ysvog,  omtod^sv  saai'  ov  yccg 
ano  dgvog  soGi  7ta?.cciff>cctov,  ovS 
uno  nsTQTjs.  Daueben  bestand  die 
Sage  von  dem  dv&gcononXaaTrjs 
IlQOfirjQ^svg,  der  bei  Hesiod  das 
Weib,  nach  anderen  Dichtern  auch 
den  Mann  aus  Lehm  oder  Thon- 
erde  bildete,  vgl.  14,  35  et  meliore 
luto  finxit  praeeordia  Titan,  und 
4, 133  debetur  magnus  patinae  subi- 
tusque  Prometheus  =  figulus  oder 
nr}XovQy6g. 

13  nullos  parentes,  vgl.  4,  98  ut 
malim  fraterculus  esse  yigantis. 

15  sub  love,  d.  h.  im  silbernen 
Zeitalter,  vgl.  24.  —  nondum  bar- 
hato ,  wie  13,  40  tunc  cum  virgun- 
cula  luno  et  privatus  adhu^  Idaeis 
luppiter  antris  (erat). 


92 


IVVENALTS 


barbato,  nondum  Graecis  iurare  paratis 
per  caput  alterius,  cum  furem  nemo  timeret 
caulibus  et  pomis,  et  aperto  viveret  horto, 
paulatim  deinde  ad  superos  Astraea  recessit 
hac  comite,  atque  duae  pariter  fugere  sorores. 
anticum  et  vetus  est  alienum,  Postume,  lectum 
concutere  atque  sacri  genium  contemnere  fulcri. 
omne  aliud  crimen  raox  ferrea  protulit  aetas: 
viderunt  primos  argentea  saecula  moechos. 
conventum  tamen  et  pactum  et  sponsalia  nostra 
tempestate  paras,  iamque  a  tonsore  magistro 


20 


25 


22  pnlchri  P 

16  DerDichtergreifseltdieLeiclit- 
fertigkeit  der  GraeoAi  fidcs  im 
Schworen,  vgl.  zu  13,  84. 

17  Die  Konstraktion  furem  timere 
caulibus  ist  dichterisch  und  kiihn; 
denn  bei  Liv.  I  9,  5  findet  sich 
doch  wenigrstens  der  Dativ  der 
Person:  tantam  in  medio  crescentem 
molem  sibi  ac  posteris  suis  metue- 
bant.    Vgl.  zu  10,  84. 

18  aperto  viveret  liorto  nach  Pers. 
2,  7  et  apcrto  vivere  voto.  Zur  Sache 
vgl.  Tibull.  I  3,  44  non  domus  uJla 
fores  Jiabuit.  non  fixus  in  aciris,  qui 
rcficrct  certis  finihus  arva,  lapis. 

20  7iac  comitc,  i.  e.  Pudicitia, 
Hesiod.  "Epyor  199  xat  Tors  Sr]  Ttgog 
"Oltfiinov    ano    x&ovog    fVQvoSstrjg 

Kd^CCVCCtCOV     fl8TCC     (fvXoV    ITOV    nQoXi- 

novr'  av&Qconovg  Aidwg  kccI  Ni- 
fiBGig,  Tcc  Sf  XFiipsrcct  aXysa  Xvygoc 
9vr]Toig  av&Qcanotai,  denn  die  Ne- 
mesis  steht  der  Astraea  oder  lustitia 
(Rechtsgefiihl)  oder  z/iH?y  gleich, 
welche  als  Tochter  des  Astraeos, 
des  Vaters  der  Gestirne,  gedacht 
wurde. 

21  antiquum  et  vetus  est,  wie 
15,  33  inter  fmitimos  vetus  atque 
antiqua  simultas,  denn  antiquum 
''urait'  hat  zum  G^gensatz  novum, 
vetus  'friiher  im  Gebranch'  ist  dem 
reccns  entgegengesetzt:  es  ist  ur- 
alte  und  nur  zu  gewohnliche  Sitte. 
Vgl.  Doderlein  Synon.  IV  83.  — 
Der  Name  des  Postumus,  an  den 
die  Satire  gerichtet  ist,  findet  sich 
nur  im  Vokativ,  vgl.  28  u.  377. 
Ganz  verschieden  von  ihm  ist  der 
moechorum  notissimus  Vrsidius,  vgl. 
38  u.  42. 


22  fulcri,  wie  11,  95  nobile  ful- 
crum.  Der  genius  fulcri  oder  lecti 
ist  dasselbe  wie  lectus  qenialis  bei 
Hor.  I  1,  87,  vgl.  Paul.  Diac.  94  (M.): 
neniaUs  lectus  qui  nuptiis  sternitur 
in  honorem  Genii  (i.  e.  maritorum), 
Arnob.  II  67  cum  in  mntrimonia 
convenitis,  toga  sternitis  lcctulos  et 
maritorum  genios  advocatis-;  er  stand 
in  dem  atrium  der  Thiir  gegen- 
iiber,  Prop.  V  11,  85  seu  tamen 
adversum  mutarit  ianua  lcctum, 
coniugium,  pueri,  laudate  et  fcrte 
paternum. 

23  mox  erst  spilter;  der  Gegen- 
satz  argentea  saecula  'schon  das 
silberne  Zeitalter'  ist  zu  betonen. 

25 — 37  Darum  grenzt  es  an  Wahn- 
sinn,  Postumus,  wenn  du  dir  den- 
noch  eine  Frau  nehmen  willst.' 

25  nostra  tempcstate,  die  doch 
noch  viel  schlimmer  ist,  in  der  das 
Laster  auf  dem  Ilohepunkt  steht, 
1 ,  149  omne  in  praecipiti  vitium 
stetit.  C/mventum  oder  conventio 
ist  eine  Ubereinkunft  oder  ein  Ver- 
trag,  der  eine  civilrechtliche  Klage 
gestattet,  wiihrend  pactum  ein  ein- 
seitiges  Ubereinkommen  ist  ohne 
Anspruch  auf  Klage.  Die  Form  der 
smnsalia  hatte  auch  gewisse  recht- 
liche  Wirkungen,  z.  B.  durften  Ver- 
lobte  nicht  gegeneinander  Zeugnis 
ablegen,  aber  einen  Zwans:  zur 
Vollziehung  der  Ehe  bewirkt  sio 
uicht.    Vgl.  200. 

26  tonsorc  magistro  von  der  kiitist- 
lerischen  Hand  desFriseurs;  Tibull. 
I  8,  12  ungucs  artificis  docfn  sub- 
secuissc  manu.  Bei  festlichen  Ge- 
legenheiten  liefs  man  sich  und  der 


Lli;Ul   Ll     SATVUA   V[ 


93 


peoieris,  et  digito  piguus  fortasse  dedisti. 
certe  sauus  eras.    uxorem,  Fostume,  ducisV 
dic,  qua  Tisiplioue,  quibus  exagitare  colubrisV 
ferre  potes  domiuam  salvis  tot  restibus  uliam, 
cum  pateaut  altae  caligautesque  ieuestrae, 
cum  tibi  viciuum  se  praebeat  Aemilius  pousV 
aut  si  de  multis  uullus  placet  exitus,  illud 
uonne  putas  melius,  quod  tecum  pusio  dormitV 
pusio,  qui  uoctu  uou  litigat,  exigit  a  te 
uuila  iaceus  illic  muuuscuia,  uec  queritur,  quod 
et  lateri  parcas  uec  quautum  iussit  aulieles. 
sed  placet  Vrsidio  iex  lulia,  toilere  dulcem 


30 


35 


■29  quibus  priino  omissuin  post  exagitare  add.  P        34  et  35  pusio 
pco:  puugio  FiS  pugio  ?        Sb   a.  pco  et  in  rasura  P  (ex  luhn) 


Dienerschatt  das  Haar  frisieren, 
vgl.  11,  150,  ja  man  wandte  sich 
wohl  auch  an  einen  beriihmten 
tonsor ,  der  zugleich  Lehrmeister 
{inagisterj  seiner  Kunst  war,  vgL 
11,  137.  5,  122.  Marquardt  Priv. 
11  5S7  u. 

27  In  alter  Zeit  gab  bei  der  Ver- 
lobung  der  Briiutigam  .  der  Braut, 
wie  dies  bei  allen  Kontrakteu  ge- 
schah,  ein  Handgeld  {arra).  Statt 
dessen  iibergab  man  schou  *  in 
ii-uher  Zeit  der  Braut  einen  King, 
als  Uuterpfand  fur  die  Erfiillung 
der  eingegangenen  Verptiichtung. 
Dieser  King  wurde  an  der  linkeu 
liand  quarto  digito  getragen  (Uell. 
X  10). 

28  certe  sanus  eras  du  warst  ja 
doch  sonst  (als  ich  mit  dir  ver- 
keiu-tfc;  ein  Mensch  von  gesundem 
Verstaude.  Ahniich  Uor.  ep.  I  4,  6 
non  tu  corpvs  eras  sine  pectore, 
Hom.  (Jd.   IV   31     ov    fiijv    vr^nLoq 

TjG^CC     xb     TIQIV  ■     atCiQ     (liV     vvv    y£ 

ncxig  cog  vi^niu  (3ajf tj,  oder  II.  VHl 
163  yvvui^og  uq'  uvzi  zizv^o,  wie 
ich  jetzt  sehe,  bisher  aber  nicht 
wufste.  Mit  Imperfekt  tindet  sich 
certe  'ja  doch,  sicher'  auch  9,  9 
cerle  modico  contentus  agebas  ver- 
nain  equitem,  Hor.  s.  I  9,  67  certe 
nescio  (juid  secreto  velle  lo(£ui  te 
aiehas  mecuin. 

29  Apollod.  I  1,  4  nennt  die  drei 
Furien  Allekto,  Tisiphone  und  Me- 
gara.  Die  Furien  hielten  eiue  aua 
gewundenen  Schlangeu  geflochtene 


Peitsche ,  ixiSvijsoaav  ificca&lrjv 
Nonn. ,  tortuin  ilagellum  bei  Val. 
FI.  VIII  20,  iu  den  Hauden,  Verg. 
VII  450  geminos  erexit  crinibus 
anguis  verbcraciue  insonuit. 

30  dominu,  auch  doinina  uxor, 
ist  Ehrenpriidikat  der  Hausfrau, 
wie  der  Hausherr  selbst  dominus 
ist,  vgL  376.  9,  78. 

31  caligare  dunkel  machen,  also 
Schvvindei  verursachen,  caligantes 
schwindelnd,  weil  altae. 

32  Aemilius  pons,  von  den  Cen- 
soren  M.  Fulvms  Nobiiior  und  M. 
Aemilius  Lepidus  erbaut,  war  dem 
Forum  Romanum  am  nachsten.  Zur 
Sache  vgl.  Hor.  s.  II  3,  36  solatus 
iussit  me  a  Fabricio  'non  tristem 
ponte  (nach  der  Tiberinsel)  revcrti. 

34  pusio,  von  pusus,  pusillus,  ist 
eiu  ^jiter  dciicatus,  Apui.  met.  IX  7. 

35  non  litigat,  vgl.  268.  —  a  te, 
wie  13,  36,  Senec.  ep.  41,  9  quid 
est  autem,  quod  ab  illo  rictio  haec 
exigiti^ 

37  lateri  =  viribus  tuis.  —  Zu 
anheles  vgl.  hulare  uud  halitus, 
anima  hales. 

38 — 59  Aber  freilich  um  der  Lex 
luliu  wiilen  beugt  sich  sogar  eiu 
stadtbekanntei  Ehebrecher  wie  Ur- 
sidius  ins  Ehejoch  und  sucht  sogar 
eine  Frau  von  strenger  Sittenreiu- 
heit,  da  er  doch  aus  Erfahruug 
wissen  mufs,  dafs  es  eine  solche 
nirgends  melir  giebt. 

38  Die  Lex  luliu  de  maritandis 
ordinibus  (vom  J.  13  v.  Chr.)  setzte 


94 


IVVENALIS 


cogitat  heredem,  cariturus  turture  magilo 
mullorumque  iubis  et  captatore  macello. 
quid  fieri  nou  posse  putes,  si  iungitur  ulla 
Vrsidio?  si  moechorum  notissimus  olim 
stulta  maritali  iam  porrigit  ora  capistro, 
quem  totiens  texit  perituri  cista  Latini? 
quid  quod  et  antiquis  uxor  de  moribus  illi 
quaeritur?  o  medici,  nimiam  pertundite  venam. 
delicias  homiuis.    Tarpeium  limen  adora 
pronus  et  auratam  lunoni  caede  iuvencam, 
si  tibi  contigerit  capitis  matrona  pudici. 
paucae  adeo  Cereris  vittas  contingere  dignae, 


40 


45 


50 


40  multorumque   P         43  porrig**  P 


vielfache  Belohnungen  auf  die  ehe- 
liche  Erzeugung  von  Kindern,  wah- 
rend  die  Ehelosigkeit  besonders 
durch  Beschriinkung  (vgl.  zu  9,  87) 
der  Erbfahigkeit  gestraft  wurde, 
vgl.  Walter,  Rom.  Rechtsgesch.  II 
§  605,  Tac.  III  25  relatum  dein 
(im  J.  20  n.  Chr.)  de  moderanda 
Papia  Poppaea,  quam  senior  Auyu- 
stus  post  Pulias  rogationes  incitan- 
dis  caelibum  poenis  et  augendo 
aerario  sanxerat.  Nec  ideo  coniugia 
et  educationes  liberum  freqioenta- 
bantur,  praevalida  orbitate,  d.  h. 
die  Neigung  keine  Kinder  zu  haben. 

40  captatore  macello  der  Lecker- 
bissen  des  Marktes,  vgl.  zu  26  ton- 
sore  magistro,  Pers.  5,  40  artificem- 
que  tuo  duait  sub  pollice  vxdtum. 
—  Solange  Ursidius  unverheiratet 
war,  wurde  er  von  Erbschleichern 
mit  allen  Feinheiten  des  Fisch- 
marktes  (5,  95  u.  11,  10)  iiberhauft, 
vgl.   12,  93  sq. 

41  Ovid.  tr.  I  8,  7  omnia  nunc 
fient,  fieri  quae  posse  negabam.  — 
iungitur,  sc.  tabellis,  heiratet,vgl.200. 

43  capistrum  'Halfter'  spottisch 
fiir  iugum.  Denn  zu  den  Hochzeits- 
ceremonieen  gehorte  dieVereinigung 
der  Brautleute  unter  dem  iugum; 
daher  vinclo  iugali  se  sociare  bei 
Verg.  IV  16. 

44  Latinus  (zu  1,  36)  spielte  die 
RoUe  des  Liebhabers,  der  in  Ge- 
fahr  ertappt  zu  werden  von  der 
Frau  oder  ihrer  Sklavin  in  einer 
Kiste  versteckt  wird.  Vgl.  Hor.  s. 
1  2,  129  u.  f. 


45  [antiqiiis  de  moribus  statt  des  • 
AbL  der  Eigenschaft  ist  sehr  sel- 
ten,  eig.  von  der  (langst  verloruen) 
guten  alten  Sittlichkeit  her,  aus 
der  Reihe  der  guten  alten  Sitteu, 
iihnlich  wie  sonst  (14, 134)  de  ponte 
aliquis,  Hor.  II  3,  23  pauper  et  in- 
fima  de  plebe,  II  4,  17  de  scelesta 
plebe  dilecta. 

46  pertundite  vettam,  vgl.  13, 125 
tu  venam  vel  discipulo  committe 
Pliilippi. 

47  delicias  ''Narrheiten',  vgl.  13, 
140  u.  10,  291.  —  Tarpeium  limen 
ist  der  capitolinische  Tempel  (zu 
12,  6),  wo  luno  JRegina,  die  Schutz- 
gottheit  der  Ehe,  neben  luppiter 
und  Minerva  verehrt  wurde.  — 
adora  pronus  erklart  Ovid.  rrr.  I  375 
procumbit  uterque  pronus  liumi  ge- 
lidoque  pavens  dedit  oscula  saxo. 

48  auratam,  sc.  eornibus,  vgl. 
12,  84. 

50  paucae  adeo  gax  weuige,  nur 
sehr  wenige,  Verg.  III  203  tris  adeo 
incertos  caeca  caligine  soles  erramus 
pelago,  totidem  sine  sidere  noctcs. 
—  Cercris  vittas  {virgineas)  con- 
tingcre  ist  nicht  aUein  von  den 
Priesterinnen ,  sondern  von  allen 
Geweihten  der  Gottin  zu  versteheu, 
vgl.  15,  140.  Juvenal  scheint  hier 
an  die  Prozession  der  Matronen 
am  Ceresfeste  zu  denken,  deren 
Ursprung  auf  die  Hungersnot  vom 
Jahre  258  zuruckgefuhrt  wird,  wo 
der  Koneul  A.  Postumius  zuerst  der 
Ceres  einen  Tempel  gelobte.  Der 
Ausdruck    nach    Verg.  II  108    m<t- 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


95 


quarum  non  timoat  pater  oscula.    necte  coronam 
postibus  et  densos  per  iimina  tende  eorymbos: 
unus  Hiberinae  vir  suflicit?  ocius  illud 
extorquebis,  ut  hiiec  oculo  contenta  sit  uno. 
magna  tamen  tama  est  cuiusdam  rure  pateruo 
viventis.    vivat  Gabiis,  ut  vixit  in  agro, 
vivat  Fidenis,  et  agello  cedo  paterno. 
quis  tamen  adtirmat  nil  actum  iu  montibus  aut  in 
speluncis?  adeo  senuerunt  luppiter  et  Mars? 

porticibusne  tibi  monstratur  femina  voto 
digna  tuo?  cuneis  an  habeut  spectacula  totis 
quod  seeurus  ames,  quodque  inde  excerpere  possis? 


00 


52  tende  w:  necte  p  erasum  in  P        57  fidens  F 


nibusqite    crueniis    rirgineas    ausi 
divne  contingere  cittas. 

52  Es  war  alte  Sitte  bei  jedem 
Freudenfest,  also  auch  zum  Em- 
pfang  der  Braut,  die  Thurpfosten 
zu  umkninzen  und  mit  Blumenge- 
winden  {densi  cori/mbi)  zu  zieren, 
vgl.  12,  91.  10,  65.  9,  85.  6,  228 
u.  79.  Mit  necte  coronam  kehrt  der 
Dichter  zum  Vorhaben  des  Postu- 
mus  und  damit  zur  Betrachtung 
des  weiblichen  Geschlechts  zuruck. 

53  Hiberina  war  als  muUivira 
stadtbekannt,'  vgl.  229  u.  f. ,  wilh- 
rend  es  doch  sonst  ein  wesentliches 
Merkmal  romischer  Pudicitia  ist^ 
dafs  eine  Frau  die  erste  und  ein- 
zige  Ehe  eingeht,  Hor.  III  14,  5 
unico  gaudens  mulier  marito.  An 
dem  einen  Beispiel  wird  die  Gat- 
tung  charakterisiert. 

54  oculo  Uno,  Tgl.  Hor.  s.  II  5, 
35  eripiet  quivis  oculos  citius  mihi 
quam  te  contemptum  cassa  nuce 
pauperet.  Das  Auge  ist  dem  Men- 
schen  sein  Liebstes  und  WertvollBtes, 
daher  Catull.  14  ni  te  plus  ocidis 
meis  amarem ,  3,  5  quem  plus  iUa 
oculis  suis  amabat. 

55  sq.  tamen  =  at  oder  at  enim: 
aber,  wendet  man  ein,  auf  dem 
Lande  wenigstens  lebt  doch  manche 
in  schonster  Sittenreinheit,  Prop. 
III  19,  3  nuUus  erit  castis  iuvenis 
corruptor  in  agris,  qui  te  bJanditiis 
non  sitiat  esse  jjrobam.  Aber  schon 
in  den  Kleinstiidten,  wie  GaVjii  oder 
Fidenae  (za  10,  100),  hort  die  ge- 
priesene  Sittsamkeit  auf,  geschweige 


dais  sie  in  Rom  fortdauerte.  —  Das 
Tom  Vater  ererbte  Gutchen  besafs 
JuT.  in  der  Nilhe  Ton  Aquinum, 
Tgl.  3,  319  tuo  Aquino,  wie  Hor. 
I  7   Tiburis  umbra  tui. 

58  Mit  quis  tamen  adfirmnt  giebt 
der  Dichter  dem  Emste  seiner 
Behauptung  und  seiner  Wette  {bonis 
se  cessurum)  eine  komische  Wen- 
dnng,  wie  z.  B.  14,  330  u.  f,  ibid. 
241  u.  f. 

60 — 113  In  Rom  wenigstens  giebt 
es  keine  Stiltte  der  Keuschheit 
mehr.  Hier  begeistert  sich  die  Frau 
nur  fiir  Schauspieler  und  Gladia- 
toren. 

60  Am  bekanntesten  war  1)  die 
Ton  Portiken  umgebene  Promenade 
des  Marsfeldes,  2)  die  Ton  Agrippa 
erbaute  porticus  Argonautarum,  in 
der  Nahe  der  Saepia  luUa  an  der 
Via  lata,  3)  die  portictts  Pompeia 
am  theatrum  Pompei,  4)  die  porti- 
cus  PhiUppi  {L.  Marcii)  um  den 
Tempel  dea  Hercides  Musarum. 

61  spectacula  'Theater,  Schau- 
spiele'.  Schon  Propert.  III  22,  3 
klagt:  0  nimis  exitio  nata  theatra 
meo!  sive  aUquis  muUi  diducit 
candida  gestu  bracchia  seu  varios 
incinit  ore  modos:  interea  nostri 
quaerunt  sibi  vulnus  oceUi,  candida 
non  tecto  pect&re  siqua  sedet,  und 
III  19,  9  iUic  (auf  dem  Lande)  te 
nuUipoterunt  corrumpere  ludi  fana- 
qtie  peccatis  plurima  causa  tuis. 

62  exeerpere  aus  einer  Reihe, 
wie  aus  einem  Kranze,  heraus- 
nehmen,    sich    auswahlen,    Hor.  s. 


9G 


IVVENALIS 


chironomon  Ledam  molli  saltante  Bathyllo 
Tuccia  vesicae  uon  imperat,  Appula  gannit 
sicut  in  amplexu  subito  et  —  mirabile  —  longum 
attendit  Thymele;  Thymele  tuuc  rustica  discit. 
ast  aliae,  quotiens  aulaea  recondita  cessant 
et  vacuo  clusoque  sonant  fora  sola  theatro  — 
atque  a  plebeis  ionge  Megalesia  —  tristes 
personam  thyrsumque  tenent  et  subligar  Acci. 
Vrbicus  exodio  risum  movet  Atellanae 
gestibus  Autonoes,  hunc  diligit  Aelia  pauper. 


65 


70 


63  molli*  {erasa  h.9)  F  65  subitum  pa  miserabile  Poi,  corr.  W. 
70  acci  (o  grammatici  GLK.  V  p.  321  et  VI  p.  232:  acne  P  actu  p 
Hagni  Rihbeck 


I  4,  40  ego  me  illorum,  dederim 
quibus  esse  poetis,  excerpam  numero. 

63  chironomon  (xsiQovofiov)  Le- 
dam  saltare  die  gestikuliereude 
Leda,  d.  h.  die  Leda  in  malerischer 
Armbewegung  im  Mimus  darstellen 
(6^;fft'(T'9'a«),  vgl.  5,  121.  Die  Tiinze 
wurden  mit  der  Flote  begleitet. 
Bathylius  aus  Alexaudria  war  ein 
beliebter,  vonMacenas  begiiiistigter, 
Pantomime  unter  Augustus,  Fers. 
5,  123  ad  mimeros  satyrum  moveare 
BathylU;  denselbeu  Namen  fiihrte 
ein  gefeierter  Tanzer  unter  Domi- 
tianus. 

64  Tuccia  ist  nicht  bekannt;  die 
Familie  aber  gehorte  zu  den  vor- 
nehmsten.  In  der  republikanischen 
Zeit  kommt  eine  Vestalin  dieses 
Namens  vor,  dann  ein  Priltor  M. 
Tuccius,  vgl.  Liv.  XXXVIl  2.  50. 
XXXIX  23.  ImJ.  51  v.Chr.erscheint 
ein  M.  Tuccius  als  Anklager  des  C. 
Sempronius  Rufus,  Cic.  fam.  VIII 8, 1. 
—   vesicae  imperare,  wie  Sil.  Ital. 

II  652  tristia  fata  priorum  imperet 
evolvms  lacrimis?  —  Appula  ist 
wahrscheinlich  eine  komische  De- 
miuutivbilduug  fiir  Appia. 

65  mirabile  erscheint  oft  bei 
Dichtern  fiir  sich  allein  als  Ausruf 
iii  Pareuthese. 

66  Thymele  war  eine  der  besten 
Mimenspielerinnen  ihrer  Zeit  (zu 
1,  36.  8,  197),  wenn  sie  aber  Ba- 
thyllus  tanzen  sah,  daun  kam  sie 
sich  selbst  als  rusiica  vor,  als 
landliche  nngeschickte  uud  unge- 
iibte  Dirne.  Dann  reckt  und  streckt 


sie  den  Hals  Jilongum  nicht  etwa 
=  diu,  sondern  nach  14,  295  zu 
erklaren),  um  noch  von  dem  Meister 
zu  lernen. 

67  ast  (aus  at-set)  gebraucht  Juv. 
sonst  nur  mit  Pronomina,  8,  46 
ast  ego  Cecropides,  3,  69  ast  hic, 
15,  78  ast  illum,  16,  48  ast  illis, 
einmal  15,  165  ast  homini.  Die  Vei-- 
binduug  mit  alius  ist  bei  Vergil 
hiiufig,  vgl.  Ribbeck,  ProIeg.Verg.  68. 

69  Die  plebejischen  Spiele  helen 
auf  den  4.  bis  17.  November,  die 
Megalesien  auf  den  3.  bis  10.  April, 
Den  Winter  iiber  gab  es  keine 
ludi  scaeniei,  im  Sommer  und  Herbst 
aber  folgten  aufeinander  die  Spiele 
der  Ceres  (12.  bis  19.  April),'  der 
Flora  (28.  April  bis  3.  Mai),  des 
Apollo  (6.  bis  13.  Juli),  die  ludi 
Momani  (4.  bis  19.September).  Doch 
waren  nicht  alle  genannten  Tage 
den  ludi  scaenici  gewidmet.  Vgi. 
Friedlilnder  S.-G.  II  272  u.  f. 

70  In  Ermangelung  der  Person 
halten  sie  die  Maske  (vgl.  3,  175) 
und  den  Thyrsusstab  uud  deu  Leib- 
schurz  des  KomOdiauten  zartlich 
in  der  Hand  uud  freuen  sich  der 
Erinnerung. 

71  Vrbicus  war  ein  in  der  Atel- 
lane  auftretender  ochauspieler,  vgl. 
Friedliinder  S.-G.  II  571.  Die  Atel- 
lane  wurde  in  Rom  vielfach  als 
Nachspiel  (exodium)  verwendet,  nur 
in  den  kleinereu  Municipieu  ItaUeus 
bchauptete  sie  ihre  Selbstiludigkeit. 

72  Autonoe  war  Tochter  des  Kad- 
mos    und    Schwester     der    Agave. 


LIBRI  II     SATVRA  \l 


07 


solvitur  his  may;no  comoedi  fibula,  sunt  quae 

Clirysogomim  cantare  vetent,  Hisnulla  trarfoedo 

itaudet:  an   expectns,  ut  Quiutilianus  ameturV 

accipis  uxorem,  de  qua  citharoedus  Echion 

aut  Glaphjrus  fiat  pater  Ambrosiusque  choraules. 

longa  per  anorustos  figamus  pulpita  vicos, 

onientur  postes  et  grandi  ianua  lauro, 

ut  testudineo  tibi,  Lentule,  conopeo 

nobilis  Eurvalum  aut  murmillonem  exprimat  infans? 

nupta  senatori  comitata  est  Eppia  ludum 


80 


77    Ambrosiusve  ?  81    euryalum  aut  m.  P   {qui  super  scriptum 

aut  habd)  6(o:  aut  oin.  volgo         82  ludium  ? 


Beide  zerrissen  in  bacchantischer 
Wut  den  Pentheus.  la  dem  exodium 
war  also  das  Schicksal  des  Pt-n- 
theus  paroJiert.  —  hunc,  wie  14, 
143  mercaris  et  hanc.  —  Adia  spot- 
tisch,  da  der  Schauspieler  Aelius 
Urbicus  hiefs. 

73  sq.  7(!S  (rarTa:ts)solchenKom6- 
diantennarrinncn;  manche  giebt  es, 
die  sogar  f\3r  Geld  Siinger  bewegen, 
dem  ofFentlichen  Auftreten  zu  ent- 
bagen;  ja  selbst  die  dicke  Hispulla 
(12,  11)  schwurmt  fiir  ihren  Kunst- 
ler,  dagegen  hat  man  noch  nie  ge- 
hort,  dafs  sich  eine  in  einen  Rhetor 
wie  Quintilianas  verliebt  hatte. 
Uber  die  Infibulation  siehe  Fried- 
lander  S.-G.  III  315.  Ubereinstim- 
mend  mit  Juv.  sagt  Mart.  XIV  21.5 
dic  inihi  simpUciter ,  comoedLs  tt 
citharoedis ,  fibuta,  quid  praestas? 
'  Carius  ut  futuant.'  vgl.  379  u.  f 
—  Der  Citharode  Chrysogonus  wird 
7,  176  als  Musiklehrer  erwahnt: 
tempta  Chrynogoiius  quanti  doceat. 

77  Glaphyrus  war  ebenfalls  ein 
unter  Domitianus  beriihmter  Citha- 
nide,  Mart.  IV  h  plaudere  nec  Cano, 
plaudere  nec  Glaphyro  (sc.  potes). 
Dagegen  werden  Echion  und  Am- 
hrosius  sonst  nicht  erwiihnt.  — 
choraules  war  der  Flotenblaser, 
welcher  mit  seiner  Musik  den  sin- 
genden  Chor  unterstiitzte. 

78  Das  pulpitum  ist  eigentlich 
die  Erhohung  im  Proscenium  des 
Theaters  fur  das  spielende  Per- 
sonal  (vgl.  7,  93.  3,  174);  im  Privat- 
saal  ist  pb  die  Erhohnng  oder  der 

IVV«35AI,IS    SATVRAE. 


Katheder  fiir  den  recitierenden 
Dichter  oder  Schriftsteller,  im  Cir- 
kus  der  erhohte  Ehrensitz  des  die 
Spiele  gebenden  Priitoro  (14,  257); 
endlich  steht  das  Wort  hier  fiir 
spectacula,  die  in  den  Strafsen  fiir 
das  Pnblikum  errichtet  wurden, 
welches  der  deductio  spoyisae  in 
domum  mariti  beiwohnen  wollte 
(daher  longa  per  vicos!). 

80  Lentuhis  fiir  einen  hochge- 
borenen  Aristokraten,  vgl.  8,  187. 
Das  -KaivcoTtBLOV  (von  -naivcorl))  war 
im  Orient  ein  mit  Netziiberhiingen 
(zum  Schutze  vor  den  Miicken)  ver- 
sehenes  Ruhebett,  im  Occident  be- 
zeichnete  man  damit  eine  Art 
Himmelbett  mit  Vorhangen  oder 
Gardinen.  Es  ist  im  reichen  Hause 
testudineuin  'mit  Schildplatt  be- 
legt',  vgl.  11,  95  u.  14,  308. 

81  Euryalum  aut  murmillonem, 
so  dafs  also  Enryalus  als  retiarius 
bekannt  war,  dem  ein  murmillo 
oder  ein  gaUwi  nicht  selten  als  Ant- 
agonist  gegeniibergestellt  wurde. 
Vgl.  zn  8,  200.  Der  Ausdruck  ex- 
primat  ist  der  bildenden  Kunst 
entlehnt,  bedeutet  aber  hier  das- 
selbe  wie  refernt. 

82  Unter  ludus  dachten  eich  die 
Romer  nicht  selten  die  Person  des 
ludius,  wie  8,  199,  daher  die  Ver- 
bindung  ludorum  gladiatorumque 
consessu  Cic.  Sest.  106.  Der  Narae 
des  senatorischen  Gatten  der  Eppia 
ist  nicht  bekannt.  Juv.  bietet  hier 
eine  Geschichte  aus  der  chroniqm 
scandaJeuse  von  Domitians  Zeit. 


98 


IVVENALIS 


ad  Pharon  et  Nilum  famosaque  moenia  Lagi 
prodigia  et  mores  urbis  damnante  Cauopo. 
immemor  illa  domus  et  couiugis  atque  sororis 
nil  patriae  indulsit,  plorantesque  inproba  natos, 
utque  magis  stupeas,  ludos  Paridemque  reliquit. 
sed  quamquam  in  maguis  opibus  plumaque  paterna 
et  segmentatis  dormisset  parvula  eunis, 
contempsit  pelagus;  famam  contempserat  olim, 
cuius  apud  molles  minima  est  iactura  cathedras. 
Tyrrhenos  igitur  tiuctus  lateque  sonantem 
pertulit  lonium  coustanti  pectore,  quamvis 
mutandum  totiens  esset  mare.    iusta  pericli 


85 


90 


87  stupeat  P        93  ignium  P 

83  Pharos  war  eine  kleine  lusel 
nalie  vor  der  Kiiste  Alexandrias, 
durch  einen  herrlicheu  Leuchtturm 
beriihmt.  Alexander  liefs  die  Insel 
durch  einen  sieben  Stadien  langen 
Damm  mit  dem  Festlande  und  dem 
Hafen  von  Alexandria  verbinden. 
Ptolemaus  der  Sohn  des  Lagus  er- 
hob  Alexandria  zur  Resideuz  des 
Reiches,  wahrend  die  Pharaonen- 
stadtMemphis  der  kirchlicheMittel- 
punkt  des  Landes  blieb.  Wie  hier 
famosa  moenia  Lagi,  so  15,  46  fa- 
moso  Canopo. 

84  procligia  (286  monstra)  et  mores 
=  prodigiosos  mores  oder  prodigia 
quae  in  moi'ibus  urhis  apparent.  — 
Canopus  lag  unweit  der  westlich- 
sten  MGndung  des  Nils,  120  Stadien 
von  Alexandria  eutfernt.  Das  iippige 
Leben  der  Einwohner  (6  Kavcopi- 
oftds)  war  beriichtigt  (15,  46),  aber 
selbst  ihnen  erschien  die  Dnsitt- 
lichkeit  einer  Eppia  als  Ungeheuer- 
lichkeit. 

86  nil  patriae  indulsit  gab 
der  Stimme  des  Vaterlandes,  dem 
Klang  der  Muttersprache  kein 
Gehor,  blieb  dagegen  taub.  Vgl. 
14,  234  adeo  indulgent  sibi  latius 
ipsi,  und  330  indulsit  Caesar  cui 
Claudius  omnia,  und  umgekehrt 
6,  111  hoc  pueris  patriaeque,  hoc 
pruetulit  illa  sorori. 

87  ludos  reliquit,  ist  derselbe 
Sarkasmus  wie  11,  53  ille  dolor 
solus  patriam  fugientibus,  illa  mae- 
stitia  est,  caruisse  anno  circcnsibus 
uno.  —  Paj/s  steht  hiergenerell  fiir 


mimus  nobilissimus.  Den  Namen 
fiihrten  zwei  Tilnzer,  von  denen 
der  eine  unter  Nero,  der  andere 
unter  Domitianus  lebte.  Vom  letz- 
teren  sagt  Mart.  XI  13  er  sei  Ro- 
mani  decus  et  dolor  theatri  gewesen, 
ars  et  gratia,  lusus  et  voluptas. 

89  segmentatis,  zu  2,  124,  nnd 
Ovid.  ars  III  169  qnid  de  veste  lo- 
quar?  nec  nunc  segmenta  requiro, 
nec  quae  de  Tyrio  muriee  lana 
rubes.  cum  tot  prodierint  pretio  le- 
viore  colores,  quis  furor  est  census 
corpore  ferre  suos? 

90  contempsit  '  setzte  sich  hin- 
weg',  nihil  timuit. 

91  molles  =  parum  pudicas.  — 
minima  est  iactura,  wie  3,  i25rnus~ 
quam  minor  est  iactura  clientis.  — 
Die  cathedra  ist  der  prachtvoUe 
Lehnsessel  im  Putzzimmer  der  do- 
mina ,  wo  sie  halb  ruhend  halb 
sitzeud  die  vertrauten  Besuche  em- 
pfangt,  vgl.  9,  52,  Mart  III  63  inter 
femineas  tota  qui  luce  cathedrus  de- 
sidet  atque  cdiqua  semper  in  aure 
sonat,  XII  38  cpii  femineis  noctesque 
diesque  cathedris  insidit  tota  notus 
in  urbe  nimis. 

92  sq.  sonantemlonium, sc.  Jluctum, 
denn  lonius  (sc.  Ttovrog)  fiir  lonium 
mare  war  niemals  iiblich,  vgl. 
Bentley  zu  Horat.  epod.  10,  19.  — 
constanti  pectore  'herzhaft',  siccis 
oculis  bei  Horatius. 

94  Zu  vmtcmdum  mare  ist  nicht 
patria  sede,  sondern,  wenn  irgend 
etwas,      eher    mari     zn     (M-ganzen. 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


l>9 


si  ratio  est  et  honesta,  timent  pavidoque  gelantur 
pectore  nec  tremulis  possunt  insistere  plantis: 
iortem   auiunuu  praestaut  rebus.  quas  turpiter  audent. 
si  iubeat  couiuux,  durum  est  conscendere  uavem, 
tunc  sentiua  gravis,  tuuc  summus  vertitur  aer: 
quae  moechum  sequitur,  stomacho  valet.    illa  maritum 
convomit,  haec  iuter  uautas  et  prandet  et  errat 
per  puppem   et  duros  gaudet  tractare  rudentes. 
qua  tamen  exarsit  torma,  qua  capta  iuventa 
EppiaV  quid   vidit,  propter  quod  ludia  dici 
sustiuuitV  nam  Sergiolus  iam  radere  guttur 
coeperat  et  secto  requiem  sperare  lacerto: 
praeterea  multa  iu  facie  deformia,  sicut 
attritus  galea  mediisque  in  uaribus  ingens 
gibbus  et  acre  mahim  semper  stillantis  oceUi. 
sed  gladiator  erat.    facit  hoc  illos  Hyacinthos, 


95 


1 0( ) 


105 


110 


104  enpia  P 


Eppia  wahlte  wohl  auch  absicht- 
lich  nicbt  den  geradesten  Weg. 

95  ratio ,  zu  7,  i.  —  pavido  ge- 
lantur  pectore  (Gegensatz  constanti 
pectore)  =  ut  gelu  sic  pavore  pec- 
toris  torpent. 

97  Ahnlich  285  iram  atque  ani- 
mos  a  crimiue  sumunt.  Die  Um- 
scbreibung  des  Substantivbegriffs 
rebu-t  quas  turpiter  audent  erlaubte 
sich  Juv.  ebenso  8,  165  hreve  sit 
quod  turpiter  audes. 

98  durum  est  mit  Infin.,  wie 
Hor.  s.  I  9,  42  ego,  ut  contcndere 
durum  itst)  cum  victore,  sequor,  ist 
zu  gefiihriicb,  erfordert  zu  viel 
durities  animi;  vgl.  Caes.  b.  c.  III 
94,  6  si  quid  durius  acciderit,  b.  g. 
I  48,  6  hi,  si  quid  erat  durius,  con- 
currebant,  in   schwierigerer  Lage. 

99  aer  vertitur,  wie  Plato  Phaedo 
79  c  Tagccmrui  v.ai  iXiyyiu,  oder 
nach  304  vertigine  omnia  (^=  aer) 
ambulare  videntur. 

100  eq.  illa  und  haec  bezeichnen 
beide  dieselbe  Gattung. 

102  gaudet  tractare  rudentis  ist 
Anspielung  auf  Verg.  II  2.39  scandit 
fatalis  machina  muros  feta  armis: 
puf.ri  circum  innuptaeque  /yt/^Z/ae 
sacra  canunt  funemque  wanu  con- 
tingere  gaudent. 

103  qua  tamen,  wie  5,  24,  fiir 
die  prosaisch-rhetorische  Wendung : 


at  qua  iUa  forma  exarsit!   —   iu- 
venta  'Jugendschonheit'. 

104  tudia,  vgl.  266,  Mart.  V  24 
Hermes  cura  laborqiie  ludiarum. 
Xach  112  war  der  Name  des  Gla- 
diators  Sergius;  das  Deminntiv  = 
bellus  Sergius. 

105  radere  (sc.  novacula,  ^vqoj) 
giittur,  er  war  also  uber  40  Jahre 
alt,  vgl.  215  und  zu  8,   166. 

106  secto  'verhauen,  zerhauen', 
vgl.  Horat.  epod.  4,  11  sectus  fla- 
gellis  hic  triumviralibus,  fiir  caesus. 

107  sicut  'zum  Beispiel',  iihnlich 
wie  15,  98  gebraucht. 

109  gibbus  Erhohung,  hier  eine 
Art  Polyp,  vgl.  10,  309  strximomm 
atque  utero  pariter  gibboque  tumm- 
tem,  10,  294  cuperet  Mutilac  Ver- 
ginia  gibbum  accipere.  —  ocelli, 
vgl.  145.  Der  Ausdruck  ist  hier 
ironioch ,  weil  ocellus  in  der  eroti- 
schen  Poesie  zur  Bezeichnung  des 
verliebten  Auges  gewohnlich  war. 

110  Hyacinthus  war  der  geliebte 
Bjiabe  des  Apollo,  den  der  Gott 
unvorsichtig  mit  dem  Diskus  todUch 
traf;  der  Name  Hyacinthus  oder 
Narcissus  oder  Hylus  wurde  in  der 
Kaiserzeit  haufig  den  pueri  delicati, 
den  naidig  atQaloi  y.al  ■Aourixai, 
beigelegt;  ihre  Statuen  galten  als 
T}^en  jugendlicher  Schonheit. 

7* 


100 


rVVENALIS 


hoc  pueris  patriaeque,  hoc  praetulit  illa  sorori 

atque  viro.    ferrum  est,  quod  amant;  hic  Sergius  idem 

accepta  rude  coepisset  Veiento  videri. 

quid  privata  domus,  quid  fecerit  Eppia,  curas? 
respice  rivalcs  divorum,  Claudius  audi 
quae  tulerit.    dormire  virum  cum  senserat  uxor, 
ausa  Palatino  tegetem  praeterre  cubili, 
sumere  nocturnos  meretrix  Augusta  cuculios, 
linquebat  comite  ancilla  non  amplius  una; 
sic  nigrum  flavo  criuem  abscondente  galero 
intravit  calidum  veteri  centone  lupanar 
et  cellam  vacuam  atque  suam.    tunc  nuda  papillis 
prostitit  auratis,  titulum  mentita  Lyciscae, 
ostenditque  tuum,  generose  Britannice,  ventrem. 
excepit  blanda  intrantis  atque  aera  poposcit, 
et  resupina  iacens  multorum  absorbuit  ictus. 
mox  lenone  suas  iam  dimittente  puellas 
tristis  abit,  et  quod  potuit  tamen  ultima  cellam 


115 


120 


125 


120    sic  Bibbeek:  sed  P?    et  oa 
varie  collocant.     damnarat  lahn. 

113  Fabrieius  Veiento  (zu  3,  185) 
zeichnete  sich  jedenfalls  durch  Mifs- 
gestalt  und  Hafslichkeit  aus. 

114  — 135  Was  lafst  sich  auch 
in  Rom  anders  erwarten,  da  ja 
selbst  eine  Kaiserin  sich  ungescheut 
zur  gemeinsten  Buhldirne  ernie- 
drigt  hat. 

114  privata  steht  im  Gegensatz 
zum  kaiserlichen  Haus,  dns  mit 
rivales  deorum  komipch  bezeichnet 
wird,  vgl.  zu  623. 

116  uxor,  Valeria  Messalina, 
Tochter  des  Valerius  Messala  Bar- 
batus,  die  dritte  Frau  des  Claudius, 
vgl.  Suet.  26.  Ihr  Ende  erwahnt 
Juv.   10,  329  u.  f. 

117  ausa  ''gewann  es  iiber  sich'. 
—  tegetem,  zu  5,  8. 

118  sumere  cucuUos  ist  wie  tege- 
tem  praeferre  dem  ausa  unterge- 
ordnet,  denn  beide  Gedanken  er- 
forderten  besondere  Frechheit.  — 
meretrix  Aiigusta,  vgl.  zn  8,  148 
mulio  consul. 

120  Messalina  tragt  die  cuciilli, 
um  sich  auf  der  Strafse  unkennt- 
lich  zu  machen,  aber  den  galerus 
flavus  darnnter,  um  sich  den  Lieb- 
habern  interessant  zu  machen,  denn 
blondes  Haar  "ehorte  zur  Mode. 


126    om.  Pz  et  qui  servarunt, 


122  nuda,  vgl.  11,  172  nndnm 
olido  (=  calidum  veferi  centojie)  stans 
fornice  mancipium.  Die  papillae 
heifsen  auratae,  weil  Messalina 
wahrscheinlich  um  die  Brust  eine 
kreuzweis  geschlungene  Binde  von 
Cylindern  und  Perlen  oder  einen 
an  einer  Halskette  befestigten 
Scbmuck  der  Brnst  trug,  Digest. 
XXXIV  2,  32  §  9  wird  ein  orna- 
mentum  mamiUarum  ex  cyUndris 
XXXI V  et  tympaniis  vinrgaritis 
erwahnt.  Vgl.  Hiibner  im  Hermes 
I  356. 

123  Petron.  7  video  quosdam  inter 
titulos  nudasque  meretrices  furiim 
conspatiantes :  sero  inteUexi  me  in 
fornicem  esse  deductum.  Mart.  XI  45 
introsti  quotiens  inscriptae  Umina 
ceUae,  seu  puer  arrisit  sive  pueUa 
tihi,  contentus  non  es  foribus  veloque 
seraque.  —  Der  Name  Lycisca 
{lv%oq,  Jupa)  kommt  auch  Mart. 
IV  17  vor. 

124  ostendit  tuum  ventrem  besagt 
nicht  mehr  als  Hor.  s.  II  7,  48  sub 
clara  nuda  lucerna,  dagegen  ist 
126  eine  Ausfiihrung  de.s  Horazi- 
schen  (II  7,  49)  exeepit  turgentis 
verbcra  caudne. 

128    abit   ist  wie  559   obit   oder 


IJBRI  II     SATVRA  VI 


inl 


clausit,  adhuc  ardens  rigidae  tentigiue  volvae, 
et  lassata  viris  uecdum  satiata  recessit, 
obscurisqiie  genis  turpis  tumoque  luceruae 
foeda  lupanaris  tulit  ad  pulvinar  odorem. 
hippomanes  carmenque  loquar  coctumque  veueuuui 
privignoque  datum?  faciunt  graviora  coactae 
imperio  sexus  minimumque  libidine  peccant. 

'optima  sed  quare  Caeseunia  teste  marito'?' 
bis  quingena  dedit.    tanti  vocat  ille  pudicam. 
uec  pharetris  Veneris  macer  est  aut  lampade  fervet; 
iude  faces  ardent,  veniunt  a  dote  sagittae. 
libertas  emitur.    coram  licet  inuuat  atque 
rescribat;  vidua  est,  locuples  quae  nupsit  avaro. 

*cur  desiderio  Bibulae  Sertorius  ardet?' 


130 


135 


140 


136  Censennia  P-. 


10,  118  perit  (immer  vor  Vokalen) 
Perfektum,  vgl.  zii  295. 
130  liris  ist  Ablariv. 

132  pulcinar  deutet  die  Gottlich- 
keit  des  Kaisers  an.  Als  Domitian 
seine  geschiedene  Frau  wieder  zu 
sich  nahm,  da  habe  er,  heifst  es 
(Suet  13),  sich  nicht  entblodet  im 
Senate  zu  aufsem:  revocutam  eam 
in  puh.inar  suum.  Unter  Gottern 
heifst  deshalb  der  lectiis  genialis 
auch  puhinar ,  Catnll.  64,  47 
u.  266.  ^ 

133  innouuvBs  war  dei  Schleim 
au8  der  Scham  brunstiger  Stuten, 
oder  auch  eine  Art  Pferdemilz. 
Beides  gebrauchte  man  zum  Liebes- 
zauber,  vgl.  611  philtra,  quibus 
calcat  mentem  vexare  mariti.  Was 
Messalina  im  Hause  des  Claudius 
noch  nicht  wagte,  das  uuternahm 
Agrippina:  sie  bethorte  den  Kaiser 
uiid  vergiftete  den  Britannicus. 
Agrippinas  Herrschsucht  {imperium 
sexus)  war  verderblicher  igravior) 
ala  Messalinas  libido. 

136 — 160  Wenn  dennoch  einzelne 
Manner  ihren  Frauen  ergeben  sind, 
so  ifet  dao  nur  Schein,  denn  in 
Wahrheit  wird  das  (jeld  geliebt, 
oder  Schwache,  denn  der  Maun 
lafbt  sich  vom  Gysicht  dur  Frau 
beherrschen,  solangi;  es  schon  ist; 
treteu  RunAcln  hervor,  so  ver«t<)fst 
er  eie  aus  dem  Hause. 

136  Da  der  Name  Censennia  sich 
Bonst  nicht  findet,  ist  entweder  eiu 


Verderbnis  aus  Caeson{n)ia  oder 
auch  eiue  absichtliche  Bildung  aus 
eeyisus  (Vermogen)  anznnehmen. 

137  bis  quingena  =  deciens  se- 
slertium,  d.  h.  deu  von  Augustus 
festgesetzteu  Senatorencensus.  So- 
viel  betrug  mcistens  auch  die  dos 
einer  Senatorentochter,  vgl.  10,  335 
et  ritu  deciens  centena  dubuntur 
antiquo.  —  ta7iti  =  hoc  pretio.  Um 
diesen  Preis  heucheit  er;  und  er 
ist  nicht  etwa  aus  Liebesleiden- 
schaft  bUnd  (138),  nein  seine  Liebe, 
die  er  heuchelt,  ist  nnr  von  dem 
Gelde  entziindet. 

138  Hor.  I  13,  8  quam  lentis  pe- 
nitus  macerer  ignibu^;  aber  die 
sagittae  konnen  auch  von  aufseu 
kommen  und  werden  dann  Ver- 
suchuDgen,  Stat.  s.  III  5,  4  nullis 
in  te  dutur  ire  sagittis  — ,  tu  milU 
procos  intacta  fugares.  Der  Cupido 
wurde  mit  der  Fackel  in  der  Haud 
dargestellt  (Cic.  Verr.  II  115);  die 
Fackel  selbst  durfte  im  Brautzug 
nicht  fehlen,  Terent.  ad.  906  missa 
haec  face:  hymenaeum  turbas  lam- 
padas  tibicinas. 

140  Die  reiche  Frau  erkauft  eich 
mit  ihrem  Reichtum,  dem  ihr  Mann 
sich  sklavisch  unterwirft,  die  vollste 
Freiheit  ihres  Handelns:  sie  kann 
thun  was  sie  will.  —  innu^t,  sc. 
moechis,  wohl  inter  vina. 

141  vidua  est  so  gut  wie  unver- 
heiratet. 

142  Der    Name    Bibulus    findet 


102 


IVVENALI8 


si  verum  excutias,  facies,  non  uxor  amatur. 

tres  rugae  subeant  et  se  cutis  arida  laxet, 

fiant  obscuri  dentes  oculique  minores:  145 

'collige  sarciuulas'  dicet  libertus  'et  exi. 

iam  gravis  es  nobis  et  saepe  emungeris.    exi  . 

ocius  et  propera.'     sicco  venit  altera  naso. 

interea  calet  et  regnat  poscitque  maritum 

pastores  et  ovem  Canusinam  ulmosque  Falernas   —  150 

quantulum  euim  hoc?  —  pueros  omnes,  ergastula  tota; 

quodque  domi  uon  est,  sed  habet  vicinus,  ematur. 

mense  quidem  brumae,  quo  iam  mercator  lason 

clausus,  et  armatis  opstat  casa  candida  nautis, 

grandia  tolluntur  crystallina,  maxima  rursus  155 

147  emunceris  P      151  enim  Hermann :  in  Pco      153  cum  w     iasum  P 


sich  besonders  in  der  gens  Cal- 
purnia  und  Puhlicia.  Hier  ist  Bi- 
hula  wahrscheinlicli  ebenso  wie 
Sertorius  pseudoaym. 

144  cutis  arida,  vgl.  10,  192  u.  f. 

145  oculi  minores,  wahrend  sie 
in  ihrcr  Jugend  mit  ihrem  juno- 
nischen  Auge  Eindruck  machte. 
Vgl.  109. 

146  sq.  Ubertus  ist  der  Hausver- 
walter,  fur  dessen  Bedientenunver- 
schamtheit  auch  gravis  es  nobis 
charakteristisch  ist.  —  emungeris 
ist  medial,  wie  Cornif.  IV  54,  67 
quiescc  tu,  cuiuspater  cuhitis  emungi 
solebat.  Man  achtete  im  Altertum 
sehr  auf  die  siccitas  corporis. 
Petron.  44  riihmt  von  einem  nec 
sudavit  mnquam  nec  expuit.  —  exi 
war  Scheideformel ,  Senec.  benef. 
ni  16  exeunt  matrimonii  causa, 
urspr.  baete  foras  mulier,  daher 
Mart.  XI  104  uxor  vade  foras,  aut 
morihus  utere  nostris.  Ebenso  hiiufig 
war  res  tuas  tibi  haheto,  wie  Mart. 
X  41. 

149  interea,  bis  die  Spuren  des 
Alters  und  damit  die  Scheiduug 
kommt.  —  calet  =  nolvTCQayfiov^i, 
Cic.  ad  Att.  VH  20,  2  haec  velim 
explices,  et&i  te  ipsuvi  istic  iam  ca- 
lerc  puto,  den  Kopf  voll  haben. 

150  Canusinam  von  Cunusium 
in  Apulien.  In  Apulien  war  mohr 
Weide-  als  Ackerland,  daher  auch 
die  Schafzucht  ausgezeichnet,  vgl. 
4,  27.  —  ulinos  Falernas,  vgl.  8,  78 


stratus  humi  palmes  viduas  desiderat 
ulmos. 

151  quantulum  enim  hoc,  vgl. 
14,  75  am  Versaufang  plurimum 
enim  intererit.  —  pueros  omnes  alle 
die  der  Manu  besitzt  will  sie  fiir 
sich,  fiir  ihren  DienSt.  —  ergastula 
tota,  vgl.  zu  14,  24, 

152  ematur,  als  gebieterische 
Forderung,  vgl.  214. 

153  Am  16.— 18.  Dezember  wur- 
deu  die  Saturnalieu  gefeiert;  daran 
schlofs  sich  am  21.uud  -i^.Dezember 
{hrumac)  der  grofse  Sigillenmarkt. 
Zu  solcher  Zeit  zeigen  und  mehren 
sich  die  Pratensiouen  der  Frau.  In 
der  von  Agrippa  erhauten  porticus 
Neptuni  waren  grofse  Gemiilde, 
darunter  Jason  und  die  Argonauten 
(Dio  Lin  27).  DiesesGemllldewurde 
wahrend  der  Messe  durch  die  er- 
richtete  Budenreihe  {casa  candida) 
verdeckt.  Wegen  des  Marktes  wer- 
den  die  Argonauten  komisch  zu 
gewohnlichen  nautae  und  Jasou 
zum  mercator  degradiert. 

155  tolluntur,  um  sie  zu  kaufen. 
Belehrend  ist  auch  Mart.  IX  59: 
es  wird  natiklich  mehr  angesehen 
als  gekauft;  vgl.  Hom.  Od.  XV  459 
i^Xv&'  avTjQ  nolvidQig  ifiov  nQog 
diouuTix  JtazQog  |  ;i;pua£ov  oQfiov 
i%uiv .,  fista  d"  rili:Y.tQoiaiv  iiQxo'  \ 
xov  iisv  ccq'  Iv  iisyccQco  Sfiooui,  xai 
■noxvict  (iTjTrjQ  |  XSQOiv  x'  aiKpa- 
cpocovto  Mai  ocpQ^ulfiotatv  oqwvto  | 
u)vov  vnioxofisvoi. 


LIBRI  II     SATVUA  VI 


103 


murrina,  (leinde  adamuns  uotissimus  et  Berenices 
iu  digito  factus  pretiosior.    hunc  dedit  oliui 
barbarus  incestae,  dedit  hunc  Agrippa  sorori, 
observaut  ubi  festa  mero  pede  sabbata  reges 
et  vetus  iudulget  senibus  clementia  porcis. 

'uullaue  de  tautis  gregibus  tibi  digna  videturV' 
sit  formosa  decens,  dives  fecunda,  vetustos 
porticibus  disponat  avos,  intactior  omni 
criuibus  effusis  bellum  dirimeute  Sabina, 
rara  avis  iu  terris  nigroque  simillima  cycno: 


160 


165 


156    bemices   PS   beronices   co 
nudo  P 

156  murrina  sind  Gefafse  aus 
murra,  einer  Art  Achat,  vgl.  zu 
7,  133.  —  Es  ist  hier  jedenfalls 
nicht  an  denselben  Diamant  zu 
denken,  deu  Berenice  trug,  sondern 
nur  an  dieselbe  Arbeit,  so  dafs  der 
Stein  geradezu  fur  den  Diamant 
der  Berenice  gelteu  konnte.  — 
Berenice  war  die  Tochter  des 
Agrippa  maior,  des  Konigs  vou 
Judaa,  war  zuerst  mit  ihrem  Oheim 
Herodes  vermahlt  und  kam  nach 
dessen  Tod  in  den  Ruf  bhitscbiln- 
derischeu  Uttigangs  mit  ihrem  Bru- 
der,  dem  jungeren  Agrippa  (j  100). 
In  Kom  spielte  sie  eine  auffallende 
Rollo,  etwa  wie  unter  Julius  Casar 
Cleopatra,  und  ware  beinahe  die 
Gemahlin  des  Titus  geworden. 

1 57  sq.  hnnc  im  Sinne  von  talem, 
vgl.  15,  65  und  7,  56  hunc  qudlem 
necjueo  monstrare.  —  Die  Kreuz- 
steUnng  hunc  dedit  dedit  hunc  schil- 
dert  den  Enthusiasmus  der  kauf- 
siichtigen  Frau.  Dazwischen  drangt 
sich  der  Sarkasmus  des  Dichters, 
iudem  er  harbarm  incestae  fiir  rex 
formosae  unterschiebt  und  von 
Ayrippa  sorori  kiinstLich  trennt. 
.\nalog  iit  die  Wortstellung  3,  309 
qua  fornace  graves,  qua  non  incude 
cutenae  ? 

159  Es  ist  nicht  unwahrschein- 
lich,  dafh  hier  auf  einen  in  Rom 
bekannten  Vorfall  angespiell  wird, 
loseph.  b.  lud.  Ll  15,  1  erzahlt  you 
Berenice:  tnc8ri(iti,  61  iv  roig  It- 
QoaoXvuoig  tvxfiv  iv.xtXovoa  tm 
&t(o.  rovg  yccQ  rj  vocm  xatunovov- 
(i.ivovs  ri  Tiaiv  uXXaig  uvuy-Aaig  t&og 


158    hoc   P 


159    mero   pa. 


svx^a^o^i'  ^QO  XQLaiiovTa  rjfisgdav 
rjg  ditoScaativ  ^iXioi.tv  &vaiag  oivov 
zs  dcpit,tad-ai  -/mI  gvoriatad-aL  rocg 
■A,6(iag.  u  df]  xozt  xsXovaa  BtQtvLV.r] 
yvnvonovg  iMos.  II  3,  5)  xs  ngo 
xov  ^^aatog  iv.ixsvas  tbv  <PXwqov, 
v.al  noog  tw  ur)  rvxsCv  aiSovg  avxrjv 
xov  nsQL  xov  ^fiv  v.ivSvvov  snsi- 
Qaasv. 

160  Vgl.  14,  98  nec  distare  putant 
humana  carne  suillam.  —  senibus 
ist  proleptisch  =  ita  indulget  porcis 
tit  senescant,  wie  Verg.  georg.  11  353 
hiulca  siti  findit  canis  aestifer  arva 
=  ut  hiulca  fiant. 

161—190  Findet  sich  wirklich 
einmal  eine  ehrliche  und  gute  Frau, 
so  krankt  sie  doch  in  der  Regel 
an  einem  unleidlichen  Fehler,  an 
Stolz  und  Hochmnt  oder  wenigstens 
an  Grakomanie. 

161  gregibus  'Massen',  vgl.  175. 
Im  folgenden  bilden  immer  je 
zwei  Adjektiva  ein  kwXov.  Einem 
solchen  an  Gewicht  ist  rhythmisch 
gleich  vetustos  porticibus  disponat 
avos  und  intactior  omni  Sabina. 
Die  Aufzahlung  umfafst  also  vier 
■/.aXa.  Jedes  v.diXov  enthillt  einen 
inneren  Gegensatz:  der  Schonheit 
des  Leibes  entspricht  die  Schon- 
heit  der  Seele  (decens),  der  Fiille 
des  Vermogens  der  Reichtum  des 
Kindersegeus ,  denn  gerade  die 
Reichen  pflegten  sich  sonst  den 
Mutterpflichten  zu  entziehen,  und 
dem  x\del  der  Abkunft  wird  zuletzt 
der  Adel  weiblicher  Unschuld  und 
Sittenreinheit  gegeniibergestellt.: 

165  Vgl.  7,  202  und  13,  141. 


104 


IVVENALIS 


quis  feret  uxorem,  cui  coiistaut  omuiay  malo, 
malo  Veuustillam  quam  te,  Cornelia,   mater 
Gracchorum,  si  cum  magnis  virtutibus  adfers 
grande  supercilium  et  numeras  in  dote  triumphos. 
tolle  tuum,  precor,  Hanuibalem  victumque  Syphacem 
in  castris,  et  cum  tota  Carthagine  migra. 
^parce,  precor,  Paean,  et  tu,  dea,  pone  sagittas; 
nil  pueri  faciunt,  ipsam  configite  matrem' 
Amphion  clamat.    sed  Paeau  contrahit  arcum; 
extulit  ergo  greges  natorum  ipsumque  parentem, 
dum  sibi  nobilior  Latonae  geute  videtur 
atque  eadem  scrofa  Niobe  fecundior  alba. 
quae  tanti  gravitas,  quae  forma,  ut  se  tibi  semper 
inputet?  huius  enim  rari  summique  voluptas 
nuUa  boni,  quotiens  animo  corrupta  superbo 
pkis  aloes  quam  mellis  habet.    quis  deditus  autem 
usque  adeo  est,  ut  non  illam,  quam  laudibus  effert, 

167  venusiuam  Pco:  correxU  W post  B,  qui  Venustiuam  proposuerat 


170 


175 


180 


166  constant  omnia,  nach  Ovid. 
m.  XV  258  cum  sint  huc  forsitun 
illa,  liaec  translata  illuc,  summa 
tamen  omnia  constant,  in  der  Summe 
finden  sich  alle  Summanden  vor. 
—  malo,  wie  Mart.  XII  75  et  fastus 
querulos,  Avite,  malo,  quam  dotis 
mihi  qiiinquies  ducena.  Pathetisch 
geisteigert  wird  das  Urteil  durch 
die  Figur  der  avuSLnlcootq,  wie 
8,  147  et  ipse,  ipse  rotam  astringit 
sufjlamine  mulio  consul. 

1<57  Venustilla  ist  als  meretrix 
zu  denken;  das  Deminutiv  von 
venustus  wie  bei  Mart.  III  93  und 
II  28  VetiistiUu  von  vetustus  gebildet. 

169  sup>erciUum,  wie  5,  62  aetus 
ditina  supercilio. 

170  Hunnibulem,  sc.  victum.  Gor- 
nelia  war  die  Tochter  des  Scipio 
Africanus  maior.  —  jSyphacem,  Liv 
XXX  5  u.  f. 

171  migra  pack  dich,  vgl.  exi  147. 

172  Denn  wie  erging  es  dem  Am- 
phion,  dem  Gemahl  der  stolzen 
Niobe,  der  Tochter  des  Tantahis? 
Er  niufste  fflr  den  Hochmut  seiner 
Gemahlin  bitter  leiden  I  Apollo 
wird  i'aan  genannt  als  der  strafende 
Gott,  der  liuter  der  von  Zeus  ge- 
setzten  Weltorduung,  derzufolge  er 


Hochmut  und  Frevel  heimsucht 
mit  Laudplagen,  Krankheiteu  und 
schnellem  Tode. 

173  ipsam,  die  Frevlerln  alleiu: 
sie  tragt  die  Schuld,  nicht  die 
Einder. 

175  Zu  extulit  ist  Niohe  oder 
vielmehr  der  Stolz  derselben  {dum 
sibi  nobilior  videtur)  Subjekt.  Die 
Sage  behandelt  zuerst  Hom  Uias 
XXIV  602-617,  erwilhnt  aber  deu 
Tod  des  Amphiou  nicht.  Mit  Vor- 
liebe  wurde  sie  von  den  Lyrikern 
und  Tragikern  variiert,  vgl.  Gell. 
XX  7.  Nach  Ovid.  m.  VI  271  gab 
sich  Amphion  aus  Verzweiflung 
aelbbt  den  Tod,  nach  Apoll.  III  5,  6 
wurde  er  vor  Schmerz  rasend  uud 
von  Apollo  und  Artemis  mit  er- 
schoBsen,  nach  Paus.  IX  5,  5  kam 
er  mit  dem  gauzeu  Hause  durch 
eine  Pest,  d.  h.  diu  Pfelle  dea 
Apollo,  um. 

177  Der  Vers  ht-bt  di.;  Lacher- 
lichkeit  eines  solcheu  Stoliies  her- 
vor.    Vgl.   12,  73. 

178  Zu  se  iitqmtd  vgl.  5    14. 

181  deditus,  vgl.  206. 

182  sq.  qitam  laudibus  efflrt  ut 
(jravem,  ut  formosam.  —  septenis 
horis  =  muiorc  parte  diei. 


hmn  11    SATVUA  VI 


105 


horreat  iiique  diem  septenis  oderit  horis? 

tjuueduui   parva  quidem,  sed  uon  toleraiula  maritis, 
uam  i|uid  raneidius,  quam  quod  se  uon  })utat  ulla 
formosam,  nisi  quae  de  Tusca  Graecuhi  tacta  est, 
de  Sulmouensi  mera  Cecropis?  omuia  oraece! 
cum  sit  turpe  magis  uostris  nescire  latine, 
hoc  sermone  pavent,  hoc  iram  gaudia  curas, 
hoc  cuncta  etfundunt  auimi  secreta,  quid  ultra? 
concumbuut  graece.    doues  tameu  ista  puellis: 
tuue  etiam,  quam  sextus  et  octogensimus  annus 
pulsat,  adhuc  graece?  non  est  hic  sermo  pudicus 
iu  vetula.    quotiens  lascivum  iuterveuit  illud 
i.coij  xcd  il'T<xi],  modo  sub  lodice  relictis 
uteris  in  turba;  quod  enim  non  excitet  inguen 
vox  blanda  et  nequam?   digitos  habet.    ut  tameu  omnes 
subsidant  piunae,  dicas  haec  mollius  Haemo, 
quamquam  et  Carpophoro,  facies  tua  computat  auuos. 


185 


190 


195 


185  numquid  Heinrich        188  delebat  C.  Barth 


184  So  mancherlei  {quaedum  ist 
Neutriim)  ist  zwar  geringfiigig, 
aber  doch  dem  Gatten  ■widerlich, 
z.  B.  (=  nam)  die  Griikomanie. 

185  rancidum  '  widerwilrtig ' 
(urspr.  iibelriechend)  ist  die  hochste 
Steigerung  des  BpgrifFes  molestmn 
ac  putidum,  vgl.  Pers.  1,  33  ranci- 
dulum  quiddam  halha  de  nare  lo- 
cutus. 

186  Mart.  X  68  cum  tihi  non 
Ephesos  ncc  sit  Rhodos  aut  Sltjti- 
lene,  sed  domus  in  vico,  LaeNa, 
jmtricio,  deque  coloratis  (sonnenge- 
braunt)  mimquam  lita  (geschminkt) 
mater  Eiruscis,  durus  Aricina  de 
regione  pater ;  xtpis  fiov,  fiili  (lov, 
ipvx^  (lov  cowjeris  usque,  pro  pudor, 
Hcrsiliae  civis  et  Egeriac.  Lectulus 
hcui  loces,  nec  lectulus  audiat  omnis, 
sed  quem  lascivo  stravit  aniica  viro. 

188  Die  Verse  189  u.  190  be- 
ziehen  sich  nur  auf  188:  wLlhrend 
es  fiir  lioaier  eher  eine  Schande 
ibt  die  Muttersprache  nicht  zu  be- 
herrschen  (nescire  latine),  denken 
uud  empfinden  sie  nur  griechisch, 
und  driicken  in  griechischer  Sprache 
ihre  unmittelbarsten  Empfindungen 
aus,  so  dafs  sie  es  natiirlich,  weil 
ihnen  darin  die  tJbung  fehlt,  zu 
einer  Fertigkeit  und  Sicherheit  in 


der  Muttersprache  gar  nicht  bringen 
konuen. 

189  Da  omnia  graece  dcn  Haupt- 
gedanken  enthiilt,  so  bezieht  sich 
darauf  hoc  sermone  sehr  leicht; 
donn  mit  hoc  wird  eben  die  Vor- 
stellung  festgehalten,  die  Kopf  und 
Herz  des  Sprechenden  bewegt. 

193  pulsat  ahnlich  wie  Senec. 
dial.  X  3,  2  pervenisse  te  ad  ulti- 
mum  aetatis  humnnac  videmus:  cen- 
tesimus  tibi  vel  supra  premitur  an- 
nus.  Hierher  gehort  auch  Hor.  I 
4,  13  pallida  Mors  aequo  pulsat 
(=  premit)  pede  pauperum  tabernas 
regumque  turris. 

195 — 197  sind  mir  noch  nicht 
klar  geworden. 

199  (juamquam  et  Carpophoro,  sc. 
mollius  dicas,  vgl.  zu  7,  14,  ne 
Haemum  unum  in  hoc  genere  ex- 
cellere  credas,  Graeci  enim  ad  hanc 
mollitiem  artis  nati  sunt.  Wie 
Haemus  (3,  99)  so  scheint  auch 
Carpophorus  in  der  Darstellung 
weiblicher  Rollen  hervorragend  gr- 
wesen  zu  sein.  Mart.  VJ  23  tu  licet 
et  manihus  hlandis  et  vocibui  instes, 
te  contra  fncies  imperiosa  tua  cst. 

200  —  230  Ohne  Liebe  zu  hei- 
rateu  ui  nicht  ratsam  Wolltcst  du 
dich  aber  der  Frau  unterwiirfig  und 


106 


IVVENALIS 


si  tibi  legitimis  pactam  iuuctamque  tabellis 
non  es  amaturus,  ducendi  nulla  videtur 
causa,  nec  est  quare  cenam  et  mustacea  perdas 
labente  officio  crudis  donanda,  nec  illud, 
quod  prima  pro  uocte  datur,  cum  lance  beataj 
Dacicus  et  seripto  radiat  Germanicus  aurc. 
si  tibi  simplicitas  uxoria,  deditus  uni 
est  animus,  summitte  caput  cervice  parata 
ferre  iugum.    nullam  invenies,  quae  parcat  amanti; 
ardeat  ipsa  licet,  tormentis  gaudet  amantis 
et  spoliis;  igitur  longe  minus  utilis  illi 
uxor,  quisquis  erit  bonus  optandusque  maritus. 
nil  umquam  invita  donabis  couiuge,  vendes 
haC'>"opstante  nihil,  nihil,  haec  si  nolet,  emetur. 


200 


205 


210 


207  sumitite  P        208  amantes  P        213  nollet  P  uoUit  f 


ergeben  zeigen,  so  wiirde  sie  dich 
doch  nur  mifshandeln  und  zuletzt 
davonlaufen. 

200  d  —  si  (206)  enthiilt  ein  Di- 
lemma.  —  pactam  legitimis  tabellis, 
zu  25  u.  2,  119.  Der  Ton  ruht  auf 
amaturus:  wenn  du  deine  recht- 
mafsig  verlobte  und  verbundeno 
Frau  doch  nicht  liebeu  kannst,  so 
ist  es  vorzuziehen  iiberhaLipt  nicht 
zu  heiraten,  dir  die  Ausgabe  zu 
ersparen. 

202  Nach  dem  Akt  der  con- 
farreatio  erfolgte  die  cena  nuptialis. 
Dabei  gab  es  Mostkuchen  {musta- 
ceum  oder  mustaceus),  dessen  Be- 
reitung  aus  feinem  Mehl,  Most, 
Anis,  Kiimmel,  Kase  und  Lorbeer- 
blattern  Varro  de  re  rust.  121  be- 
schreibt.  Die  ccna  nuptialis  blieb, 
auch  als  die  confarreatio  aufser 
Gebrauch  gekommen  war.  Am  Ende 
der  Feierlichkeit  Qabente  =  dilabente 
officio,  vgl.  10,  46)  erhielten  die 
Giiste  Kuchen  mit  nach  Haus.  Am 
folgenden  Tage  fand  eiue  Nach- 
feier  (repotia)  statt  apud  novum 
maritum,  vgl.  Hor.  s.  II  2,  60  und 
Fest.  p.  281. 

204  lance  beata  in  reicher  Schiis- 
sel,  in  der  man  die  Gabe  darbot. 
Diese  lances  waren  uin  Teil  des 
Geschenkcs  und  deshalb  oft  sehr 
wertvoll. 

205  Den  Beinameu  Gcrmanicus 
hatto    auch     Domitiauus     gefiihrt; 


aber  der  Beiname  Dacicus  kommt 
erst  auf  Miinzen  des  Trajanus  vom 
Jahr  103  an  vor.  Scripto  auro, 
denn  die  Figur  oder  der  Kopf  des 
Kaisers  ist  auf  dem  Gold  darge- 
stellt,  eingegraben  (lunce  h.  Dacicus 
ct  Germ.  scripto  auro  radiat),  vgl. 
Mart.  XI  4  scriptus  et  aeterno  nunc 
primum  luppiter  auro  et  soror  ct 
summi  fdia  tota  patris. 

206  simplicitas  uxoria  'PantofFel- 
gemiit',  ein  naives  gutmiitiges  der 
Frau  ergebenes  Gemiit,  fiir:  bist 
du  in  deine  Frau  verliebt.  Vgl. 
Hor.  I  2,  20  uxorius  amnis  'und 
Verg.  IV  266  uxorins  vom  Aneas 
=  yvvKiMfiavT^g. 

207  summitte  caput,  vgl.  43. 

208  Das  fcrre  iugum  ist  das 
Gegenteil  von  iactare  iugum  13,  21. 

209  ardcat,  sc.  amore.  Je  nach- 
sichtiger  und  riicksichtsvoller  der 
Mann,  desto  kiihner  und  kecker 
die  Frau,  selbst  wenu  sie  liebt. 

210  ilK  .  .  .  quisquis,  wie  umge- 
kehrt  TibuU.  II  3,  25  quisquis  in- 
ornatumque  caput  crincsque  solutos 
aspiceret ,  Vlioebi  quaereret  illc 
comam. 

212  sq.  Beachte  den  Chiasmus 
uud  daneben  die  Figur  der  cvfi- 
nXoHrj  odor  conversio  und  die  be- 
tonte  Hervorhebung  des  Wider- 
strebens  der  Frau  (invita,  obstante, 
liacc  si  nolet).\ 


LlBRl  IT     SATVRA  VI 


1<>7 


haec  dabit  affeetus,  Mlle  excludatur',  amicus 
iam  seuior,  cuius  l>arbaui  tua  iauua  vidit. 
testaudi  cum  sit  leuouibus  atque  lauistis 
libertas  et  iuris  ideui   contiut?at  harenae, 
uon  unus  tibi  rivalis  dictabitur  heres. 
*pone  crucem  servo.'    ^meruit  quo  crimine  servus 
sujiplicium?  quis  testis  adest?  quis  detulit?  audi; 
uulla  umquam  de  morte  hominis  cunctatio  longa  est. 
'o  demens,  ita  servus  homo  est?  nil  fecerit,  esto: 
hoc  volo,  sic  iubeo,  sit  pro  ratione  vokmtas.' 
imperat  ergo  viro.    sed  mox  haec  regna  relinquit 
persultatque  domos  et  flammea  conterit,  inde 


215 


220 


225 


219  fin.  servis  P      225  permultatque  P,  corr.  W,  permutatque  vohjo 


214  dabit  affectus  schreibt  dir 
vor,  wem  du  befreundet  sein  soUst. 
—  ille  exchidatur  ist  impei-atori- 
scher  Zuruf  der  Frau,  vgl.  152. 

215  harham  vidit,  der  bei  dir 
Zutritt  hatte,  als  er  noch  den  Bart 
trug,  d.  h.  als  er  noch  jung  war, 
d.  h.  als  er  noch  nicht  das  vier- 
zigste  Lebensjahr  erreicht  hatte, 
vgl.  zu  105.  Jetzt  ist  er  bereits 
senioi',  also  viel  alter  als  der  oben 
verheiratete  Hausherr. 

216  Lenones,  lanistae  uud  gla- 
diatores  hatten  das  Recht  ein  Te- 
stament  zn  machen,  wenn  sie  sich 
die  Freiheit  und  Civitat  erhalten 
hatten.  Was  also  bei  so  uuehren- 
haften  Gewerben  doch  wenigstens 
moglich  war,  das  geht  in  der  Ehe 
unbedingt  verloren! 

218  rivalis-  (vgl.  12,  126),  zu  dem 
die  Frau  in  vertrautem  Verhaltnisse 
stclit.  Um  ihn  zu  belohnen,  zwingt 
sie  den  Gatten,  ihm  nicht  nur  ein 
Legat  auszusetzen,  sondern  ihn  so- 
gar  zum  Erben  zu  emennen. 

219  Bi:^  auf  Hadrian  und  die  Zeit 
der  Antonine  stand  dem  Herrn  die 
unbcschrankteste  Gewalt  iiber  seine 
Sklaven  zu:  er  durfte  ungestraft 
die  grausamsten  Martern  an  ihneu 
veruben  und  sie  eigenmachtig  toten. 
Ael.  Spart.  Hadr.  18,  7  servos  u 
dominis  occidi  vetuit  eosque  iussit 
damnari  per  iudices,  si  digni  cssent. 

220  detulit,  vgl.  552  faciet  quod 
deferat  ipse.  —  audi,  d.  h.  seine 
Vert«idigung. 

222  ita  =  itane,  ain  tu?  ist  spot- 


tisch.  Das  Gefiihl  der  Meuschlich- 
keit  gegeniiber  den  Sklaven  war 
im  Altertum  durchaus  lebendig, 
wurde  aber  natiirlich  nicht  selten 
von  der  Leidenschaft  und  Roheit 
uuterdriickt,  vgl.  14,  16  u.  f. ,  uud 
Aeschyl.  Choeph.  96  to  \i6q6iiiov 
yccQ  zov  r'  sXBvd^SQOv  fisvSL  ■Kal  xov 
TtQog  dXXtjg  dsanozoviisvov  jjfpoj. 
Senec.  clem.  V  18  servis  imperare 
moderate  laus  est;  et  in  mancipio 
cogitandum  est,  non  quantum  illud 
impune  ]}ati  possit,  sed  quantum 
tihi  permittat  aequi  bonique  natura. 
Dann :  cum  in  servum  omnia  liceant, 
est  cdiquid,  quod  in  hominem  licerc 
commune  ius  animantium  vetet. 

223  Warum  nicht  sic  volo  sic 
iubeo ? 

224  sed  mox  aber  dennoch,  weil 
Unbestandigkeit  ein  Naturfehler 
des  Weibes  ist,  verlilfst  sie  ihren 
imterwiirfigen  Mann,  den  sie  als 
Schwiichling  selbst  verachtet. 

225  persultat  domos,  tamquam. 
virorum  victrix,  vgl.  Tac.  Agr.  37 
rariores  silvas  equitem  persultare 
iussit,  anu,  XI  9  simul  Hibero  exer- 
citio  campos  pcrsultante.  So  schwarmt 
das  Weib  von  Haus  zu  Haus.  — 
flammeum,  zu  2,  124.  Spottisch 
conterere  von  dem  hilufigen  Ge- 
brauch  des  llummeum.  Zur  Sachc 
beraerkt  Seuec.  benef.  HI  16,  2 
numquid  iam  ulla  repudio  erubescit, 
jiostquam  inlustres  quaedum  ac  no- 
biles  feminue  non  consulum  numero, 
sed  maritorum  annos  suos  compu- 
tuht   et   exeunt   matrimonii   causu, 


108 


IVVENALTS 


avolat  et  spreti  rejjetit  vestigia  lecti; 
ornatas  paulo  ante  fores,  pendentia  linquit 
vela  domus  et  adliue  virides  in  limine  ramos. 
sic  crescit  numerus,  sic  fiunt  octo  mariti 
quinque  per  autumnos,  titulo  res  digna  sepulcri. 

desperanda.  tibi  salva  concordia  socru. 
illa  docet  spoliis  uudi  gaudere  mariti, 
illa  docet  missis  a  corruptore  tabellis 
nil  rude  nec  simplex  rescribere,  decipit  illa 
custodes  aut  aere  domat.    tunc  corpore  sano 
advocat  Archigenen  onerosaque  pallia  iactat. 
abditus  interea  latet  et  secretus  adulter, 
inpatiensque  morae  riget  et  praeputia  ducit. 


230 


235 


237  ot  otn.  P  arcessitus  Henninius 
silet  Ps,  pavet  Spca 


238  om.  s     mora  F      riget  W: 


nubunt    divortii?    —    inde    (nicht 
temporal)  aus  dem  neuen  Hause. 

226  Mit  dem  repetere  vestigia 
spreti  lecti  erfolgt  zu  gleicher  Zeit 
das  linquere  ornatas  paulo  ante 
fores,  also  des  Hauses,  welches  sie 
eben  vor  kurzera,  als  sie  ihren 
ersten  Mann  verliefs,  unter  Fest- 
geprange  betreteu  hatte.  Auf  avolat 
ruht  der  Ton:  im  neuen  Hause 
bleibt  sie  nichfc  mehr  so  lange 
wie  im  ersten,  kurz  nach  der  Hoch- 
zeitsfeierlichkeit  verlafst  sie  es 
wieder. 

228  Bei  dem  Einzug  der  Neu- 
vermahlten  ins  Haus  des  Brauti- 
gams  wird  nicht  nur  das  Vesti- 
bulum  (limen)  mit  Guirlanden 
geschmiickt,  sondern  auch  das  Haus 
mit  kostbaren  Teppichen  behangen. 
—  domus  steht  hier  im  Gegensatz 
zu  limen  und  bedeutet  deshalb  die 
Wohnuug  im  engeren  Sinne,  d.  h. 
das  Atrium,  wo  die  Hochzeits- 
feierlichkeit  abgehalten  wird.  Folg- 
lich  sind  vela  dasselbe  wie  aidaea, 
eine  Art  gostickter  oder  bunt  durch- 
webter  Tapisserie. 

229  Mart.  VI  7  luUa  lex  poindis 
ex  (juo,  Faustine,  renata  est  (durch 
Domitianus),  atque  intrare  domos 
iussa  Pudiciiia  est,  aut  minus  uut 
certe  non  plu^  tricesima  lux  cst,  et 
nuhit  decimo  iam  Telesilla  viro. 

230  sepulcri,  donu  auf  der  Grab- 
iuschrift  steht  in  der  llcgel,  wie 
viel   die  Frau  Kinder,    nicht   aber 


wie  viel  sie  Manner  gehabt  hat, 
vgl.  Orelli  Inscr.  2677  Graxiae 
Alexandrinae  insignis  exempli  ac 
pudicitiae,  quae  etiam  filios  suos 
propriis  uberibus  educavit,  Pudens 
Aug.  lib.  maritus  merenii,  Vixit 
annos  XXIIII ,  menses  III,  dies 
Xri.  Dagegen  vgl.  Mart.  IX  15 
inscripsit  tumulis  septem  scelerata 
viiorum  'sefecisse^  Cldoe  —  quidpote 
simplieius  ? 

231  —  241  Lebt  vollends  die 
Schwiegermutter,  so  belehrt  diese 
die  Tochter,  den  Mann  auf  alle 
Weise  zu  hintergehen. 

232  nudi  'ausgezogen'  ist  pro- 
leptisch  zu  verstehen. 

234  Die  Briefchen  der  Liebhaber 
kokett  und  schlau  {nec  simplex) 
zu  beantworten,  vgl.  14,  29  und 
6,  141.  277. 

235  custodes,  vgl.  348.  —  tunc 
dann,  wenn  die  Mutter  die  Vorbe- 
reitungen  getroffen  hat,  liifst  die 
Frau  den  Arzt  kommen  und  stellt 
sich  krauk,  pallia  iactat  tanquam 
febris  aestu  agitata.  Tac.  IV  3  su- 
mitur  in  conscientiam  Eudemus, 
amicus  ac  medicus  Liviae,  specie 
urtis  frequens  secrttis.  Archigenes 
aus  Apamea  in  Syrien  Avar  eiu  be- 
riihmter  Arzt  zu  Rom  uuter  Traja- 
niis,  so  dafs  sciu  Name  oft  geradezu 
fdr  )Hedicu.s  iiberhaupt  gebraucht 
wird,  vgl.  13, 98  und  14, 252.  Suid. s.  v. 

238  inputiensquc  morae,  327  tunc 
prurigo   moruc  tmpaticns.  -    rigct. 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


101» 


scilicet  expectas,  ut  tradat  niater  lionestos 

atque  alios  luores,  quaui   quos  liabct?  utilo  porro 

Hliolam  turpi  vetulae  producero   turpeui. 

nulla   tere  causa  cst,  in  qua  uou  lemina  litem 
moverit.    accusat  Mauilia,  si  rea  nou  est. 
compoinmt  ipsae  per  se  formantque  libellos, 
principium  atque  locos  Celso  dictare  paratae. 

endromidas  Tyrias  et  femineum  ceroma 
quis  nescit,  vel  quis  non  vidit  vulnera  pali? 
quem  cavat  adsiduis  rudibus  scutoque  lacessit 
atque  omnes  implet  uumeros  dignissima  prorsus 
Florali  matroua  tuba,  nisi  si  quid  in  illo 
pectore  plus  agitat  veraeque  paratur  harenae. 


240 


24f 


250 


248    rudibus    P    (r    rasa):    sudibus    w 
251    agitet  Pg 


250    in    imo    SchoUe 


nach  Horat.  epod.  8,  17  iUiterati 
num  mirAis  nervi  rigent? 

239  exspectas  ut  (zu  14,  25)  dafs 
eine  Mutter  lehren  sollte,  ist  die 
gewohnliche  Konstruktion. 

240  porro  =  immo  vero,  sonst 
bei   Jnv.  immer  =  ferner,   .3,  126. 

7,  98  (fast  =  ?;ero),  11,  9.  Bei  utile 
ist  schwerlich  an  einen  quaesfus  zu 
denken;  es  steht  vielmehr  im  Sinne 
von  iuvare  animum,  ist  ihr  eine 
innere  Beruhigung,  wenn  die  Tochter 
sie  nicht  beschamt. 

241  proclucere,  wie  14,  228  und 

8,  271,  von  der  letzten  Ausbildung 
und  Gestaltung. 

242—267  Das  verbildete  Weib 
stort  den  Frieden  des  Hauses,  spielt 
denAdvokaten,  ja  sogarden  Fechter 
nnd  Gladiator.    Vgl.  2,  51—53. 

243  accusat,  natiirlich  indirekt, 
insofem  sie  den  Mann  veranlafst 
als  Klager  aufzutreten.  Der  Namc 
Mnnilia  ist  auch  nur  willknrlich 
gewiihlt.  Denn  unmoglich  kann  hier 
Juv.  auf  die  von  Gell.  IV  14  or- 
wahnte  Geschichte  anspielen,  wo 
Manilia  eine  meretrix  ist  und  als 
Heklagte  erscheint.  —  si  rea  non 
eft,  d.  h.  mit  dem  Gericht  hat  sie 
immer  zu  thun:  entweder  ist  sie 
Kliigerin  oder  gie  ist  Beklagte. 

244  libellos,  zu  7,  107. 

245  locos,  8c.  argumentorum.  P. 
luventius  Celsus  war  beruhmter 
Juriftt  unter  Domitianus;   noch  be- 


riihmter  wurde  Julius  Celsus,  der 
106  oder  107  Prator  war,  spater 
Legat  des  Trajanus  in  Thracien 
wurde,  endlich  129  zum  zweitenmal 
Konsiil  wurde  und  Mitglied  von 
Hadrians  Kabinettsrat  war,  vgl. 
Ael.  Spai-t.  Hadr.   18,  1. 

246  'EvSQOfiig  war  eine  Decke 
aus  dickem,  zottigem  Zeuge,  in 
die  man  sich  nach  gyranastischen 
Ubungen  hiillte,  um  sich  nicht  zu 
erkalten,  Friedl.  zu  Mart.  IV  19. 
—  Das  Epitheton  Tyrias  deutet 
auf  einen  inneren  Widerspruch  zwi- 
schen  der  Dichtigkeit  des  Stoffes 
und  der  glanzenden  Purpurfarbe 
hin:  die  Damen  trugen  jedenfalls 
elegante  Turnmiintel.  —  tjber  ce- 
rovia  vgl.  zu  3,  68. 

247  Der  Pfahl  ist  die  Puppe,  an 
der  die  Frau  die  regelrechten  Hiebe 
lernt  und  ausfiihrt. 

249  omnes  implet  numeros  sie  be- 
achtet  jede  Regel,  fuhrt  jede  Be- 
wegung  wie  im  Takte,  d.  ii.  regel- 
recht,  aus,  vgl.  5,  122  peragit  diciata 
magistri  omnia,  nnd  omnibus  nu- 
meris  ahsolutus. 

250  sq.  Florali  tuha  =  digna  quae 
Floralibus  ludis  inter  nudas  mere- 
trices  saltet.  —  nisi  si  wenn  nicht 
etwa  gar,  mehr  als  nisi  allein,  vgl. 
Wex  Tac.  Agr.  p.  69  —  in  illo 
pectore,  der  Fechterin.  —  2^i^*s 
agitat  ist  intransitiv,  paratur  me- 
dial:    ein   weiteres   Ziel    lebt    (eig. 


110 


IVVENALIS 


quem  praestare  potest  mulier  galeata  pudorem, 
quae  fugit  a  sexu,  vires  amat?  haec  tameu  ipsa 
vir  nollet  fieri,  nam  quantula  nostra  voluptas. 
quale  decus,  rerum  si  coniugis  auctio  fiat, 
balteus  et  manicae  et  cristae  crurisque  sinistri 
dimidium  tegimen;  vel  si  diversa  movebit 
proelia,  tu  felix  ocreas  veudente  puella. 
hae  sunt,  quae  tenui  sudant  in  cyclade,  quarum 
delicias  et  panniculus  bombycinus  urit? 
aspice,  quo  fremitu  raonstratos  perferat  ictus 
et  quanto  galeae  curvetur  pondere,  quanta 
poplitibus  sedeat  quam  denso  fascia  libro, 
et  ride,  positis  scaphium  cum  sumitur  armis. 


255 


260 


treibt)  und  sich  fiir  die  Arena  aus- 
bildet.  Unter  Nero  und  Domitianus 
traten  wirklich  weibliche  Gladia- 
toren  auf. 

252  Sinn:  denn  offentlich  aufzu- 
treten  kann  ein  Weib,  das  aller 
Weiblichkeit  entsagt,  auch  das 
Schamgefuhl  nicht  mehr  hiudern, 
wenn  es  einmal  kampfbereit  den 
Helm  aufgesetzt  hat. 

253  Mit  liaec  tamen  ipsa  wird 
eine  satirische  Nebenbemerkung  an- 
gekniipft. 

254  Anspielung  auf  Ovid.  m.  III 
320,  wo  Juppiter  scherzend  zu  Juno 
sagt:  maior  vestra  profecto  est  quam 
quae  contingit  maribus  voluptas. 
Tiresias,  der  sieben  Jahre  lang  als 
Weib  verwandelt  war,  soll  den 
Streit  entscheiden:  arbiter  hic  igitur 
sumptus  de  lite  iocosa  dicta  lovis 
firmat.  Dafiir  wird  Tiresias  von 
Juno  geblendet,  wiihrend  Juppiter 
ihm  die  Kraft  verleiht  iu  die  Zu- 
kunft  zu  schauen. 

255  -—  258  enthalten  ebenfalls 
einen  ironischen  Zusatz.  Die  ge- 
nannten  Wafltenstiicke  entspreclien 
der  Bewaffnung  des  Samnis  (gla- 
diator),  vgl.  Liv.  IX  40. 

257  vel  si  diversa  movebit,  oder 
wenn  sie  die  entgegengesetzte  Kam- 
))fesart  ausiibt,  hat  sie  auch  eherne 
Beinschienen,  nicht  nur  aus  Kie- 
mengeflecht,  um  das  linke  Bein. 
Die  Beschienung  der  Beine  vfox  je 
nach  den  verschiedenen  Gattungen 
der  Ghidiatoren  eine  verschicdene. 
Voii  koniischer  Wirkung  ist  am 
Schlufs  der  zartlicheLiubesausdruck 


puella    (zu   2,  59)    fur    solch     ein 
Mannweib. 

259  ri  v.vv.lag  (sa&r}s)  war  eine 
feine  weifse,  mit  Gold  oder  Purpur 
verbramte  Tunika  der  romischen 
Damen,  die  zuweilen  auch  von 
weibischen  Manneru  wie  Caligula 
(Suet.  52)  getragen  wurde.  Weise 
181.  Prop.  V  7,  40  quae  modo  per 
viles  inspecta  est  publica  noctes, 
haec  nunc  aurata  cyclade  signat 
liumum.  Das  Gewand  war  also 
zwar  diinn  (tenuis),  fiel  aber  lang 
bis  zu  den  Knocheln  herab,  daher 
das  sudare  der  verwohnten  Frau. 

260  delicias  Empfiudlichkeit,  urit 
verletzt,  vgl.  pedem  calceus  urit 
'driickt'.  —  panniculus,  das  De- 
minutiv  von  der  Leichtigkeit^  des 
Seidenstoffes.  —  Zu  bombycinus  vgl. 
8,  101. 

261  fremitu,  denn  um  Mut  und 
Kraft  zu  steigern,  fiihrt  sie  unter 
kriegerischemGeschrei  (oder  Ziihne- 
knirschen?)  die  vom  lanista  vor- 
gemachten  Hiebe  regelrecht  aus.  — 
Zu  perferat  vgl.  7,  153  6,  392  und 
5,  122  peragere  dictata  magistri. 

263  Die  Biude  um  die  Kuiekehle 
ist  nicht  nur  grofs  {qiianta),  son- 
dern  auch  rauh  und  fest,  aus  Bast 
verfertigt  (denso  libro).  Es  ist  der 
Abl.  des  Stoftes,  der  zu  fascia  go- 
hort. 

264  CKDCcpiov  (von  GKcicpr},  OKticpog) 
war  ein  nachonfi5rmiges  Nachtge- 
schirr  fiir  Frauenzimmer,  Mart.  XI 
11  qui  Mentora  frangis  (Silber- 
arbeitdesMeiitorauseinanderbrichst 
fvir)  in  scaphium  moechae,  Sardana- 


LIBRI  II     SATVRA  VI 

dicite  vos  neptes  Lepidi  caecive  Metelli, 

Gurgitis  aut  Fabii,  quae  ludia  sumpserit  umquam 

hos  habitus,  quando  ad  palum  gemat  uxor  Asyli. 

semper  habet  lites  alterruique  iurgia  hx-tus, 
iu  quo  nupta  iacet;  miuimum  dormitur  in  illo. 
tum  gravis  illa  viro,  tuuc  orba  tigride  peior, 
cum  simuUit  gemitus  occulti  conscia  tacti, 
aut  odit  pueros,  aut  licta  paelice  plorat, 
uberibus  semper  lacrimis  semperque  paratis 
iu  statione  sua  tamquam  expectantibus,  illa 


111 

265 


270 


270    cum  gravis  P   tunc  w 
atque  Pcj       illam  Pm 

palJe,  tuae.  Haufiger  findet  nian  die 
scapliiu  als  tiefe  und  langlich  ge- 
lornite  Triukschalen,  vgl.  Cic.  Verr. 
IV  37  u.  54,  und  so  erklaren  auch 
hier  die  Scholien^i  citm  ceperit  vas 
iit  bibat. 

265  Einbestimmter7>epid«skann 
hier  nicht  gemeint  sein,  vgl.  8,  9 
si  coram  Lepidis  mah  vivitur.  —  L. 
Caecilius  Metellus  rettete  im  J.  241 
V.  Chr.  als  pontifex  maximus  bei 
einem  Brande  des  Vestatempels  das 
Palladium  aus  den  Flammen  und 
wurde  dabei  blind,  Ovid.  fast.  VI 
437  u.  f. 

266  Q.  Fabius  Maximus  G-urges, 
Konsul  292  u.  276  v.  Chr.,  ist  durch 
seine  Siege  viber  die  Samniten, 
Lukaner  und  Bruttier,  und  die  Ge- 
fangennahme  des  C.  Pontius  be 
kannt.  Die  geuannten  Miinner  ver- 
tretf^n  die  gnte  alte  Zeit  Roms.  — 
ludia  Frau  eines  Gladiators. 

267  AsyJus  war  entweder  lanista 
oder  (jladiator.  Die  Frau  eines  Fecht- 
lehrerskonnte  leichterinVersuchung 
kommen  Fechtiibungen  zu  betrei- 
ben,  aber  das  natfirliche  Scham- 
gefiihl  hielt  sie  von  solcher  Ver- 
leugnung  der  Weiblichkeit  znriick, 
vor  der  die  vornehmsten  Frauen 
Koms  nicht  zuriickschrecken. 

268—285  Unfriede  verfolgt  den 
Gatten  Tag  und  Nacht,  besonders 
wenn  dieFrau  geheime  Ehebrecheriu 
ist.  Aus  bosem  Gewissen  henchelt 
sie  Eifersucht,  und  wird  sie  im 
Ehebruche  ertappt,  begegnet  sie 
dem  Manne  mit  schamloser  Frech- 
heit. 


272    flicta  P        274    tamquam    11^.- 


268  habet  lites,  vgl.  35  noetu  non 
litujat.  In  sempcr  habet  lites  ist 
ein  Gegensatz  enthalteu  zu  tum 
(jravis  illa  viro  =  cum  scmper  Jiabct 
iurgia  lectus,  in  quo  nupta  iacct, 
tum  gravis  illa  viro  etc:  eifer- 
siichtig  und  streitsiichtig  ist  das 
Weib  zwar  immer,  aber  vollends 
wie  eine  Bestie  gebardet  sie  sich, 
wenn  sie  sich  einer  Schuld  be- 
wufst  ist. 

272  Der  Vers  enthalt  den  Inhalt 
der  Klagen  oder  Einzelheiten  ihres 
ungobardigenBenehmens:  entweder 
hafst  sie  schauspielerisch  die  junge 
Dienerschaft  {pueros  ut  delicatos 
scilicct),  als  ob  sie  den  Herrn  in 
Versuchung  fiihre  und  ihn  von  sei- 
nen  Pflichten  gegen  die  Frau  ab- 
halte,  oder  sie  klagt  unter  Kroko- 
dilsthranen  iiber  eine  angebliche 
Rivalin,  die  sie  sich  in  ihrer  Phan- 
tasie  vorstellt  und  lebhaft  ausmalt. 

273  Von  paratis  allein  kann  der 
Infin.  vianare  abhiingen:  die  Thrii- 
nen  sind  immer  bereit  hervorzu- 
brechen,  wie  das  Weib  es  befiehlt. 
Dazwischen  tritt  die  sarkastiache 
Vergleichung  der  Thriinen  mit  Sol- 
daten,  die  auf  ihrem  Posten  das 
Zeichen  des  Feldherrn  erwarten. 

274  Von  exspectare  kann  ein  In- 
finitiv  nicht  abhiingen.  Dagegen 
findet  sich  pjaratus  mit  Infin.  auch 
207.  Das  ehrliche  Weib  ist  in  seiner 
erhitzten  Phantasie  wohl  auch 
des  Weinkrampfes  fahig,  aber  daa 
falsche  Weib  lenkt  und  meistert 
den  Thrlinenstrom,  je  nachflom  ihre 
Absicht    es    erheischt,    Mart.  I   33 


112 


IVVENALIS 


quo  iubeat  manare  modo:  tu  credis  amorem, 
tu^  tibi  tunc,  uruca,  places  fletumque  labellis 
exsorbes,  quae  scripta  et  quot  lecture  tabellas, 
si  tibi  zelotypae  retegautur  scrinia  moechae. 
sed  iacet  in  Sergi  complexibus  aut  equitis.     dic 
hic  aliquem,  sodes,  dic,  Quiutiliane,  colorem. 
haeremus:  dic  ipsa.     'olim  convenerat'  inquit 
'ut  faceres  tu,  quod  velles,  nec  uon  ego  possem 
indulgere  mihi.     clames  licet  et  mare  caelo 
confundas,  homo  sum.'     nihil  est  audacius  illis 
deprensis,  iram  atque  animos  a  crimine  sumunt. 

unde  haec  monstra  tameu  vel  quo  de  fonte,  requiris? 


275 


280 


285 


27G  curuca  (o  277    lecture  pm:    lectura  P  278    zelotype 

legantur  P        279  Sergi  W:  servi  Pco         280  dic  —  hic  Pw,  corr.    W 
282  possum  P         285  a  co  Gelasius:  ^  P  e  lahn  de  Dracontius 


amissum  non  flet,  cum  sola  est,  Gellia 
patrem,  si  quis  adest,  iussae  pro- 
siliunt  lacrimae.  Ovid  heroid.  2,  51 
credidimus  lacrimis.  an  et  hae  si- 
mulare  docentur?  Hae  quoquc  ha- 
hent  artes,  quaque  iuhentur  eunt? 

276  tihi  places,  zu  10,  41.  —  uruca 
istder  vom  Kucknck  betrogeneVogel, 
der  ihm  die  untergelegten  Eier 
ausbriitet.  Anderc  verstehen  unter 
Uruca  eine  Figur  des  stupidus  im 
Mimus,  der  von  der  Gattin  hiuter- 
gangen  schliefslich  noch  zu  Thranen 
der  Reue  gebracht  wird,  dafs  er 
ihr  Vorwiirfe  gemacht  hat. 

277  Wenn  die  Apposition  des 
Vokativs  einem  Nebensatze  ent- 
spricht,  so  bleibt  die  Form  des  Vo- 
kativs  Regel,  der  Norainativ  Aus- 
nahme,  vgl.  Verg.  II  282  quibus 
Hector  ab  oi-is  exspectate  venis? 
Nur  wenn  der  Vokat.  ein  Attribut 
erhiilt,  mufs  dieses  im  Nom.  stehen 
Stat.  Theb.  VII  775  nudus  iaciture, 
denn  es  heifst  eben  nudus  iaceo. 
Unsere  Stelle  hat  nnr  die  Eigen- 
tiimlichkeit,  dafs  mit  dem  attribu- 
tiven  Vok.  noch  eine  Frage  als 
Ausruf  verbunden  ist,  statt:  bella 
profecto  scripta  et  bellas  lecture  ta- 
bellas!     Vgl.  zu  12,  58. 

278  Vgl.  5,  45  zelotypo  iuvenis 
proelafus  larbae,  8,  197  mortem  sic 
quisquam  exhorruit,  ut  sit  zclotypus 
Tttymdes.  Es  gchort  also  zelofypus 
dem  komischwitzigen  Stile  an,  aucli 


bei    Mart.  I  92  tiec   me   zelotypum, 
nec  dixeris  esse  malignum. 

279  Sed  wechselt  plotzlich  die 
Situation  und  fuhi-t  einen  neuen, 
moglichen  Fall  ein,  vgl.  329.  38. 
2,  70.  4,  72.  7,  32.  -7,  105.  10,  318. 
—  Sfrgi  fiir  ludii,  vgl.  105  n.  112. 
Die  einsilbige  Geneti-<7form  der  Subst. 
auf  -ius  ist  bei  Juv.  Regel,  7,  12 
Pacci,  150  Vetti,  8,  228  Domiti,  13, 
119  Vagelli,  nur  7,  130  iindet  sich 
Tongilii. 

280  dic  Quintiliane,  wie  393  dic 
mihi  nunc,  quaeso,  dic,  antiquissime 
divum.  Uer  grofste  Kenner  rheto- 
rischer  Ansdrucksformen,  wie  Quin- 
tilianus,  konnte  hier  keine  Wen- 
dung  (color)  finden,  die  das  Be- 
nehmpn  der  ertappten  Frau  richtig 
zeichnete,  ihrem  Tj&og  entsprechend 
ware,  vgl.  Quint.  VII  1,  53.  Anders 
ist  color  7,  155  gebraucht. 

283  sq.  mare  caelo  confundas,  zu 
2,  25.  Das  Bild  ist  vom  Sturra  ent- 
lehnt. 

285  a  crimine,  je  nach  der  Grofse 
des  Vergehens  steigert  sich  ihre 
Frechheit.  Denn  mit  der  Ehre  ver- 
liert  die  Frau  das  Schamgefvihl, 
und  die  Schamlosigkeit  ist  selbst 
nur  eine  Seite  der  Frechheit.  Darum 
finden  sich  die  Mittelstufen  im  Guten 
und  Bosei)  beim  Weibe  seltner. 

28()— -345:  Wie  konnte  in  Rom 
c'm  so  ungeheurer  Niedergang  dos 
ehelichen  Lebens  sich  entwickeln? 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


113 


praestabat  castas  humilis  fortima  Latinas 

quondam,  uec  vitiis  contingi  parva  sinebant 

tecta,  labor  somnique  breves  et  vellere  Tusco 

vexatae  duraeque  manus  ac  proximus  urbi 

Hannibal  et  stantes  Collina  turre  mariti. 

nunc  patimur  longae  pacis  mala,  saevior  armis 

luxuria  incubuit  victumque  ulciscitur  orbem. 

nullum  crimen  abest  facinusque  libidinis,  ex  quo 

paupertas  Romana  perit.     hiuc  fluxit  ad  istos 

et  Sjbaris  colles,  hinc  et  Rhodos  et  Miletos, 

atque  coronatum  et  petulans  madidumque  Tarentum. 


290 


295 


295  istos  <s:  indos  P  istros  co 


a)  286—297 :  Mit  der  Ausdehnung 
der  politischen  Macht  folgte  raschen 
Schrittes  die  hixuria. 

286  monstra,  wie  84  prodigia  et 
mores  urbis.  —  quo  de  fonte,  Liv. 
XXXIX  15,  9  primum  mulierum 
magna  pars  est,  et  is  fons  mali 
huiusce  (der  Bacchanalien  in  Rom) 
fuit,  deinde  simiUimi  feminis  mares, 
stuprati  et  constupratores  fanatici, 
vigiliis  vino  strepitibus  clamoribus- 
que  nocturnis  attoniti. 

289  velhre  Tusco,  d.  h.  lanificio, 
Ovid  f.  n  741  'inde  cito  passu  peti- 
tur  Lucretia:  nebat,  ante  torum  ca- 
lathi  lanaque  mollis  erat.  Lumen 
ad  exiguum  famulae  data  pensa 
trahebant. 

290  Sall.  lug.  41,  2  metus  hosti- 
lis  in  bonis  artibus  civitatem  reti- 
nebat.  Vell.  Pat.  II  1  (nach  dem 
Proomium  der  Historien  Sallusts!) 
potentiae  Eomanorum  prior  Scipio 
viam  aperuerat,  luxuriae  posterior 
aperuit;  quippe  remoto  Carthaginis 
metu  sublataque  imperii  aemula  non 
gradu  sed  praecipiti  eursu  a  virtute 
descitum,  ad  vitia  transcursum,  ve- 
tus  disciplina  deserta,  nova  inducta, 
in  somnum  a  vigiliis,  ab  armis  ad 
voluptates,  a  negotiis  in  otium  con- 
versa  civitas,  publicam  magnificen- 
tiam    secuta    privata    luxuria    est. 

291  Hannibal  naherte  sich  Rom 
auf  3000  Schritte.  Die  Romer 
hattea  ihr  Lager  inter  Esquilinam 
Collinamque  portam,  Liv.  XXVI 
10.  turre  =  vallo,  der  mit  turm- 
artigen  Befestigungen  versehen  war, 

IVVESALIS    SA.TYKAB. 


vgl.  Dittenberger  zu  Caes.  b.  g.  V 
40,  2. 

293  ineubuit,  stiirzte  sich,  Hor. 
I  3,  31  et  nova  febrium  terris  in- 
ctibuit  cohors.  Vgl.  incmnbere  in 
hostem  vom  Schwertangriff,  oder 
totis  incumbere  remis  in  aliquid.  — 
vietum  orbem,  wie  Hor.  ep.  II  1  156 
Graecia  capta  ferum  victorem  cepit 
et  artes  intulit  agresti  Latio. 

294  libido  ist  die  Willkur  des 
subjektiven  Handelns,  -welche  sich 
uber  Gesetz  und  Sitte  leichtfertig 
hinwegsetzt.  Daher  giebt  es  eine 
lidido  sowohl  im  offentlichen  als 
im  Privatleben. 

295  sq.  hinc  =  ex  hoc  tempore. 
—  fluxit,  dasselbe  Bild  3,  62  Syrus 
in  Tiberim  deftuxit  Orontes.  Clau- 
dian.  XX  563  iam  signa  tubaeque 
mollescunt:  ipsos  ignavia  fluxit  in 
enses.  —  ad  istos  colles,  wie  14,  179 
der  Marsus  senex  sagt:  vivite  con- 
tenti  casulis  et  collibus  istis,  o  pueri ! 
Die  Korresponsion  von  et  .  .  et  wird 
durch  die  Anaphora  hitic  .  .  hinc 
unterbrochen,  aber  durch  den  schar- 
fen  Ton  getragen. 

297  Tarent  wurde  wegen  seines 
Luxus  ebenso  sprichwortlich  wie 
Sybaris,  Rhodus  und  Korinth,  da- 
her  Hor.  ep.  I  7,  45  imbelle  und 
sat.  II  4,  34  violle  genannt.  Madi- 
dum  ist  Steigerung  von  uvidum 
(angeheitert,  trunken),  das  Gegen- 
teil  ist  siccus  'nuchtern'.  Bej  den 
Symposien  erschienen  die  Griechen 
gem  bekranzt  {coronati),  und  diese 
Sitte    verbreitete    sich    auch   iiber 


114 


IVVENALIS 


prima  peregrinos  obscaena  pecunia  mores 
intulit,  et  turpi  fregeruut  saecula  luxu 
divitiae  molles.     quid  enim  venus  ebria  curat? 
inguinis  et  capitis  quae  sint  discrimina,  nescit, 
grandia  quae  mediis  iam  noctibus  ostrea  mordet, 
cum  perfusa  mero  spumant  unguenta  Falerno, 
cum  bibitur  concha,  cum  iam  vertigine  tectum 
ambulat  et  geminis  exsurgit  mensa  lucernis. 
i  nunc  et  dubita,  qua  sorbeat  aera  sanna 
Maura,  Pudicitiae  veterem  cum  praeterit  aram, 
Tullia  quid  dicat  notae  collactea  Maurae. 


300 


305 


304  vertice  P        306  inunget  p        307  ata  P       308  om.  P  add.  p, 
post  306  transponunt  g 


Rom,  vgl.  9,  128  dum  iibimus,  dum 
serta  unguenta  puelJas  poscimus. 

b)  298—305:  Reiclitum  liatte  aus- 
landische  Sitten,  leider  auch  den 
Luxus  und  die  Dnsittlichkeit  der 
Symposien  im  Gefolge. 

298  obscaena,  'frivol',  11, 174  ille 
fruatur  vocibus  obscaenis  omnique 
libidinis  arte.     Vgl.  6,  513. 

300  molles,  'entnervend',  ver- 
weichlichend.  —  quid  enim:  unter 
den  percgrini  mores  und  dem  turpis 
luxus  verstand  Juv.  in  erster  Linie 
die  Schwelgerei  in  Wein  und  Liebe 
im  Gegensatz  zur  altromischen  Fru- 
galitat  und  Sittsamkeit.  Daher 
kann  er  mit  venus  ebria  fortfahren, 
gleich  als  hatte  er  beide  Begriffe 
schon  vorher  beruhrt.  —  venus  ist 
die  liebesiichtige  Frau,  Ovid  a.  II 701 
at  venerem  quicumque  voles  attin- 
gere  seram,  si  modo  duraris,  prae- 
mia  digna  feres. 

301  Trunkenheit  fuhrt  zu  un- 
natiirlicher  Unzucht,  zur  feUatio, 
vgl.  10,  238.    Aristoph.  equit.  1284. 

302  mediis  iam  noctibus  selbst 
noch  um  Mitternacht.  Ausschweifend 
wurden  die  Gelage,  wenn  sie  bei 
Weiu  {maioribus  poculis)  bis  tief  in 
die  Nacbt  fortgesetzt  wurden,  vgl. 
4,  138  noctesque  Neronis  iam  medias 
aUamque  famevi,  cumpulmo  Falerno 
arderet. 

303  Den  Wein  versetzte  man  nicht 
nur  mit  aromatisch  bitteren  Stoffen, 
wie  Myrrha  oder  Aloe,  sondern  auch 
mit  kostbaren  atherischen  Oleu,  be- 
sondere   mit  Nardenol   {nardinum). 


304  Man  trank  zuerst  aus  ge- 
wohnlichen  pocula  oder  calices,  dann 
maioribus  poculis,  endlich  ging  eine 
concha  im  Kreise  herum,  wie  etwa 
Trinkhorner  bei  den  Thrakiern  und 
Germanen.  Auf  den  Gebrauch  des 
Rnndtrinkens  deutet  auch  der  Sin- 
gular  concha. 

c)  306 — 313:  Erinnerung  an  ein 
Trinkgelage  und  daran  sich  reihende 
Schandthaten  bekannter  Frauen,  die 
in  der  Stadt  erzahlt  und  als  un- 
glaublich  {i  nunc  et  dubita)  be- 
funden  wurden. 

306  i  nunc,  vgl.  zu  10,  166.  310. 

307  sq.  TuUia  und  Maura  kehren 
spat  in  der  Nacht  von  einem  Ge- 
lage  nach  Hause  zuriick.  Der  Weg 
fiihrt  sie  iiber  das  forum  boarium, 
wo  die  ara  oder,  wie  Festus  sagt, 
das  signum  Pudicitiae  patriciae  sich 
befand,  vgl.  Fest.  p.  242  und  Liv. 
X  23,  3  certamen  in  saceUo  Pudi- 
citiae  patriciae,  quae  in  foro  boario 
est  ad  aedem  rotundam  Herculis, 
inter  matrones  ortum,  ein  Streit, 
der  die  Errichtung  einer  ara  Pudi- 
citiae  plebeiae  in  vico  Longo  zur 
Folge  hatte;  aber  vuJgata  dein  re- 
ligio  a  poUutis  postremo  in  obUvio- 
ncm  venit.  So  wie  Maura,  deren 
Charakter  auch  10,  223  zeigt,  an 
der  ara  Pudicitiae  voriiberkommt, 
verhohnt  sie  das  Gotterbild  mit 
fri'tzenhafteu  Grimassen  {sanna).  In 
der  Gesellsehaft  der  Maura  befin- 
det  sich'die  ihr  geistesverwandte 
{coUactea,  bi.ioya?.ayi.tog  =  simiUima) 
Tullia,  und  auf  deren  Aufforderuug 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


115 


noctibus  hic  ponunt  lecticas,  micturiunt  hic 
eftigiemque  deae  longis  siphonibus  implent 
inque  vices  equitant  ac  Luna  teste  moventur, 
inde  domos  abeunt:  tu  calcas  luce  reversa 
coniugis  urinam  maguos  visurus  amicos. 
nota  bonae  secreta  deae,  cum  tibia  lumbos 
incitat  et  cornu  pariter  vinoque  feruntur 
attonitae  crinemque  rotant  ululantque  Priapi 
maenades.    o  quautus  tunc  illis  mentibus  ardor 
concubitus,  quae  vox  saltante  libidine,  quautus 
ille  meri  veteris  per  crura  madentia  torrens. 
lenonum  ancillas  posita  Saufeia  corona 
provocat  ac  toUit  pendentis  praemia  coxae, 
ipsa  Medullinae  fluctum  crisantis  adorat 


310 


315 


320 


310  implet  P  320  saufeia  S:  *aa*feia  P  laufela  p? 

tollit  lahn:  attollit  P  et  tollit  co 


321  ac 


hin  (quiJ  dicat)  treiben  beide  an 
heiliger  Statte  ihr  unzuchtiges  Spiel. 

309  lecticas  ponunt,  lassen  Halt 
machen.     Vgl.  zu  350. 

311  in  vices,  abwechselnd;  vgl. 
auch  zu  7,  240.  —  teste,  Augen- 
zeuge,  vgl.  »,  149  sidera  testes  in- 
tendunt  oculos.  —  mocentur  =  equi- 
tant. 

313  magnos  visurus  amicos,  bei 
der  saJututio  matutina,  die  auch 
Hochgestellte  bei  hohen  und  ein- 
flufsreichen  Mannern  {inagni  umici) 
machten. 

d)  314—334:  Fremde  Sitten  fiihr- 
ten  zur  vollen  Luderlichkeit  des 
weiblichen  Geschlechts  in  privaten 
Mysterien. 

314  secreta,  nicht  die  saera  deae 
honae  im  Hause  des  Pontifex  maxi- 
mus,  sondem  schwarmerische  My- 
sterien  und  Orgien  der  Privatlieb- 
haberei,  vgl.  335,  wo  ihnen  die 
publica  sacra  gegeniibergestellt  wer- 
den.  —  Die  tihia  ist  das  orgiastische 
Instrument  im  phrygischen  Kultus, 
zDgleich  mit  dem  Tympanum  und 
Cymbalum,  Ovid  f.  IV  341  furiosa- 
que  tihia  flatur,  et  feriunt  molles 
taurea  terga  manus,  Catull.  63,  20 
Flirygiam  ad  domum  Cybehe>i,  Fhry- 
gia  ud  nemora  dtae,  ubi  cymhalum 
sonat  vox,  uhi  tympana  reboant, 
tibicen  ubi  tanit  Phryx  curvo  grave 
calamo.   —   Die   lumbi    galten    fiir 


den  Sitz  sinnlicher  Leidenschaft, 
wie  rl)6uL  6i  cov  at  OQi^sis  y.Lvsi:- 
od^cci  7i£cpvy.aaiv,  Pers.  1,  20  carmina 
luinhum  intrant. 

315  cornu,  weil  bei  der  phry- 
gischen  Doppelflote  das  eine  Rohr 
gerade  itihia  recta),  das  andere 
lilngere  {tibia  sinlstra,  fiir  die  Bafs- 
tone)  am  Ende  gekrummt  war  (■/.£- 
ouacfOQog  avliog),  Ovid  m.  HI  533 
aerane  (i.  e.  cymhala)  tantum  aere 
repulsa  valent  et  adunco  tihia  cor- 
nut'  So  kommt  hier  cornu  zur 
Bedeutung:  'von  den  schrillen  To- 
nen',  oder  es  ist  cornu  —  tibia 
(sc.  adunco  cornu),  wie  2,  90  nuUo 
gemit  hie  tibicina  cornu. 

316  sq.  attonitae,  in  Verziickung. 
Quintil.  XI  3,  71  caput  iacture  et 
comas  excutientem  rotare  fanaticum 
est.  —  Priapi  maenades,  nam  istue 
Bonae  Deae  videlicet  cultrices  multo 
magis  Priapi  sunt  maenades  cultri- 
cesve. 

318  saltare  (salire,  salax)  von  der 
Wurzfel  sar,  die  hiipfen  und  stro- 
men  bedeutet:  unter  der  sie  be- 
zwingenden  Lust 

320  piosita  =  deposita,  denn  sie 
hat  eben  noch  gezecht,  vgl.  9,  117. 
Ibre  Unzucht  erwahnt  auch  Mart. 
III  72. 

322  Saufeia  suhagitat  MeduUi- 
nam,  sed  quamvis  ipsa  Veneris  pen- 
dulae  praemium  tulerit,   admirata 


116 


IWENALIS 


palma:  inter  dommas  virtus  uatalibus  aequat. 

nil  ibi  per  ludum  simulabitur,  omnia  fient 

ad  verum,  quibus  incendi  iam  frigidus  aevo 

Laomedontiades  et  Nestoris  hirnea  possit. 

tunc  prurigo  morae  inpatiens,  tum  femina  simplex, 

ac  pariter  toto  repetitus  clamor  ab  antro 

'iam  fas  est,  admitte  viros'.    sed  dormit  adulter: 

illa  iubet  sumpto  iuvenem  properare  cucullo; 

si  nihil  est,  servis  iucurritur;  abstuleris  spem 

servorum,  venit  et  conductus  aquarius;  hic  si 

quaeritur  et  desunt  homines,  mora  nulla  per  ipsam, 

quo  minus  inposito  clunem  summittat  asello. 

atque  utinam  ritus  veteres  et  publica  saltem 


325 


330 


335 


323  palma  P        palmam  pat  328  reperitus  P  329  sed 

dormit   W:   si  iam  dormit  PS   iam  del.  p    dormitat  co   Priscianus,  iam 
dormit  vulgo         332  veniet  co 


tamen  Medullinae  crisantis  motus 
hanc  palma  adorat.  Wie  sonst  prece 
(Verg.  III  437)  oder  ture  aliquem 
adorare,  so  ist  hier  palma  fluctum 
Medullinae  (=  MeduUinam  magno 
fluctu  crisantem)  adorare  verbnnden. 

323  Im  Verkehr  der  Frauen  {inter 
dominas)  stellt  die  personliche  Tiich- 
tigkeit  (virtus)  dem  Adel  der  Ge- 
burt  {natalibus)  gleieh,  was  unter 
den  Mannern  leider  nicht  der  Fall 
ist.  Wahrend  Saufeia  Matrone  war, 
mufs  Medullica  als  ancilla  lenonis 
gedacht  werden. 

324  simulabitur  ist  Futur  der 
Versicherung.  Die  folgenden  Worte 
deuten  nicht  nur  den  berauschten 
und  verziickten  Zustand  der  Frauen 
an,  sondern  geben  zu  verstehen, 
dafs  die  Versuchung  der  Gottin 
durch  Faunus  und  der  Widerstand 
derselben  mit  naturalistischer  Sinn- 
lichkeit  dargestellt  wurden,  vgl. 
auch  Macrob.  sat.  I  12,  24. 

325  frigidus  aevo,  vgl.  10,  217 
praeterea  minimus  gelido  iam  in 
corpore  sanguis  febre  calet  sola. 
Mart.  VI  71  von  den  Tiinzen  einer 
Gaditanerin:  tendere  quae  tremulum 
Pelian  Hecubaeque  maritum  posset 
ad  Hectoreos  sollicitare  rogos. 

327  simplex,  nngekiinstelt ,  ohne 
jede  Verstellung. 

328  antrum  heifst  die  Statte  der 
occulta  et  nocturna  sacra,  wie  friiher 


die  Bacchanalien  im  Hain  der  Se- 
mele  am  Aventinus  gefeiert  wur- 
den,  Liv.  XXXIX  12,  4  und  Ovid  f. 
VI  497  lucus  erat:  dubium  Semelae 
Stimulaene  vocetur.  - 

329  Der  Zuruf  gilt  der  Dienerin, 
welche  am  Eingange  Wache  halt. 
—  Zu  sed  vgl.  279.  —  dormit,  'ist 
siiumig'. 

330  sumpto  cucullo,  zu  120.  Die 
Frau  tritt  auf  die  Strafse  hinaus, 
um  den  Saumigen  adulter  (iuvenis) 
zur  Eile  anzuspornen. 

332  conductus  aquarius,  der  wahr- 
scheinlich  das  Wasser  aus  den 
Bassins  (lacus)  der  oflfentlichen  Lei- 
tung  ins  Haus  zu  tragen  libernom- 
men  hatte.  Es  geschah  dies  jeden- 
falls  abends. 

334  quo  minus,  12, 111  folgt  quin. 
Dafs  Verirrungen,  wie  sie  hier  er- 
wahnt  werden,  jener  Zeit  nicht 
fremd  waren,  beweisen  Lucian,  Apu- 
lejus  und  die  Kirchenvater.  Auch 
unsere  Kriminalstatistik  kennt  Bei- 
spiele. 

e)  335 — 345:  Solche  Verirrungen 
und  Heimlichkeiten ,  wie  sie  die 
sacra  percgrina  herbeigefiihrt  haben, 
wiiren  noch  ertriiglich,  wenn  die 
Frauen  wenigstens  deu  Kultus  der 
puhlica  sacra,  des  ehrwvirdigeu  Ma- 
tronenfestes  der  Bona  Dea,  rein 
hielten.  Aber  schon  dae  Beispiel 
des  P.  Clodius  zeigt,  was  von  der 


LIBRI  II    SATVRA  VI 


117 


his  intacta  malis  agerentur  sacra,  sed  omnes 

noverunt  Mauri  atque  ludi,  quae  psaltria  penem 

maiorem,  quam  sunt  duo  Caesaris  Anticatones, 

illuc,  testiculi  sibi  conscius  unde  fugit  mus, 

intulerit,  ubi  velari  pictura  iubetur 

quaecumque  alterius  sexus  imitata  figuras. 

et  quis  tunc  hominum  contemptor  numinis?  aut  quis 

simpuvium  ridere  Numae  nigrumque  catinum 

et  Vaticano  fragiles  de  monte  patellas 

ausus  erat?  sed  nunc  ad  quas  non  Clodius  aras? 

audio,  quid  veteres  olim  moneatis  amici: 
'pone  seram,  prohibe.'     sed  quis  custodiet  ipsos 
custodes?  cauta  est  et  ab  illis  incipit  uxor. 
iamque  eadem  summis  pariter  minimisque  libido, 
nec  melior,  silicem  pedibus  quae  conterit  atrum, 


340 


345 


350 


338  Caesares 
figTiram  est  j)o> 


P  339  illud  testiculis  P 

347  cohibe  co 


341  quaecumque  Pw 


Reinheit  dieses  Opferfestes  zu  hal- 
ten  ist. 

337  Mauri  atque  Indi,  die  fern- 
sten  Volker  des  Ostens  u.  Westens. 
tjber  Clodius*  Schilndung  des  Ma- 
tronenfestes  der  Boyia  Dea  vgl.  Suet. 
Caes.  74  und  Cic.  ad  Att.  I  16. 

338  Nach  Catos  Tod  in  Utika 
verfafste  Cicero  auf  ihn  eine  Lob- 
schrift,  der  Casar  eine  Gegenschrift 
inzwei  Buchem  {Anticatones)  folgen 
liefs,  Snet.  Caes.  56.  Sarkastisch 
bemerkt  der  Dichter,  dafs  Clodius 
in  seinem  Angriff  auf  die  Ehre  der 
Gattin  Casars  starker  war  als  Ca- 
ears  Angriff  auf  die  Ehre  des  Cato 
Uticensis. 

340  intuUrit,  vgl.  liber  die  Ver- 
langerung  der  letzten  Silbe  L.  Mtiller 
metr.  332. 

341  quaecimque,  sc.  ea  est.  Senec. 
ep.  97,2  violatis  religionihus  eius 
sacrificii  quod  pro  populo  fieri  di- 
citur  sic  submotis  extra  consaeptum 
omnibus  viris,  ut  picturae  quoque 
masculorum  animalium  contegantur. 

342  Uud  doch  war  das  Zeitalter 
des  Cicero  und  Clodius  gegenuber 
dem  unsrigen  durch  Religiositat 
noch  ausgezeichnet. 

343  simputium  (von  sip,  hohl 
sein)  Opfergeschirr,  vgl.  simpulum 
Schopfloffel,  simpulator  Gast  bei 
der  Mahlzeit.     Pers.  2 ,  59  aurum 


vasa  Numae  Saturniaqu^  impulit 
(brachte  zum  Weichen)  aera  Vesta- 
lisque  urnas  et  Tuscum  fictile  (=  ni- 
grum  catinum)  mutat. 

344  Vaticano  de  monte,  aus  Thon- 
erde. 

346 — 365:  Einen  sicheren  Schutz 
gegen  die  Ausschweifungen  des 
leichtfertigen  Weibes  giebt  es  nicht, 
denn  selbst  die  Armut  hindert  sie 
nicht,  ihren  Liisteti  und  Eitelkeiten 
zu  fronen.  Das  tJbel  ist  eben  in 
unserer  Zeit  allgemein. 

346  veteres  amici  sind  nicht  etwa 
Freunde  der  friiheren  Zeit,  sondern 
alte  gute  und  trengesinnte  Freunde. 
—  olim,  zu  4,  96.  —  tJber  die  ad- 
nominatio  ( JtaQovoiiaaia )  urteilt 
Comif.  IV  32  si  raro  interseremus 
has  exornationes,  commode  iUustra- 
bimus  orationem,  frequenter  his  ex- 
ornationibus  collocatis  tollitur  aucto- 
ritas. 

348  ab  iUis  incipit,  vgl.  235. 

349  Und  bereits  ist  hier  kein 
Unterschied  mehr  zwischen  Hoch 
und  Niedrig,  die  Frauen  des  nie- 
dern  wie  des  hochsten  Standes 
werden  von  derselben  Leidenschaft 
beherrscht. 

350  Nur  iirmere  Frauen  oder 
Libertinen  gingen  in  Rom  zu  Fufs; 
sonst  bedienten  sich  Frauen  des 
Tragsessels   oder  der   Siinfte,    vgl. 


118 


IVVENALIS 


quam  quae  longorum  veliitur  cervice  Syrorum. 

ut  spectet  ludos,  conducit  Ogulnia  vestem, 

conducit  coraites  sellam  cervical  amicas 

nutricem  et  flavam,  cui  det  mandata,  puellam. 

haec  tamen,  argenti  superest  quodcumque  paterni,  355 

levibus  athletis  et  vasa  novissima  donat: 

multis  res  angusta  domi,  sed  nulla  pudorem 

paupertatis  habet  uec  se  metitur  ad  illum 

quem  dedit  haec  posuitque  modum.    tamen  utile  quid  sit, 

prospiciunt  aliquando  viri,  frigusque  famemque  360 

formica  tandem  quidam  expavere  magistra: 

prodiga  uon  sentit  pereuntem  femina  censum. 

ac  vehit  exhausta  redivivus  pullulet  arca 

nummus  et  e  pleno  tollatur  semper  acervo, 

non  umquam  reputant,  quanti  sibi  gaudia  constent.  365 

364  des  P         365  usquam  P  rasa  s 


309.  Prop.  III  23,  13  contra  reiecto 
quae  lihera  vadit  amictu,  custodum 
et  nullo  saepta  timore,  placet,  cui 
saepe  inmundo  sacra  conteritur  via 
socco,  nec  sinit  esse  moram,  siquis 
adire  velit.  Prudent.  S.  I  580  om- 
nis  qui  celsa  scandit  cenacula  vul- 
gus,  quique  terit  silicem  variis  dis- 
cursibus  atram  etc. 

352  Ogulnia  liat  nicht  soviel  Ver- 
mogen,  um  sicli  alles  Notige  selbst 
kaufen  zu  konnen  (vgl.  7,  143),  den- 
noch  aber  (355)  opfert  sie  den  Rest 
des  ererbten  Silbergerates  vorneh- 
men  Neigungen. 

353  comites  =  cUentes,  Gefolge. 
—  cervical  =  TCQoaKScpccXaiov ,  was 
man  sich  auch  in  Athen  ins  Thea- 
ter  inituahm. 

354  flavam  pueUam,  eine  schone 
Blondine,  welche  der  Modeanschau- 
ung  entsprach. 

356  levibus,  von  dem  Einreiben 
derselben  mit  01,  also  anders  zu 
verstehen  als  3,  111  sponsus  levis 
adliuc.  Die  Romer  betrachteten 
die  Athleten,  wie  die  Schauspieler 
uud  Mimen,  als  einen  Gregenstand 
der  Unterhaltung,  und  Frauen  ver- 
liebten  sich  in  sie  wie  in  die  Mi- 
men  oder  die  Gladiatoren.  —  vasa 
novissima,  wie  11,  42  talibus  a  do- 
minis  post  cuncta  novissimus  exit 
anulus,  et  digito  mendicat  Pollio 
nudo. 


357  Die  Indignation  veranlafst 
den  Dichter  sich  vom  speziellen 
Fall  zur  generellen  Betrachtung  zu 
erheben. 

368  metitur,  vgl.  Jll,  36  noscenda 
est  mcnsura  siii  spectandaquc  rehiis 
in  summis  minimisque,  etiam  cum 
piscis  emetur.  Hor.  ep.  I  7,  98  me- 
tiri  se  quemque  suo  modulo  ac  pede 
verum  est. 

369  sq.  tamen  aliquando,  Manner 
richten  doch  mitunter  —  leider  auch 
nicht  regelmafsig  —  den  sorgenden 
Blick  in  die  Zukunft. 

361  Anspielung  auf  Hor.  s.  1 1,  33 
liaud  ignara  ac  non  incauta  futuri. 
—  tandem,  endlich  doch,  schliefs- 
lich,  wenn  auch  nicht  sofort  zur  rech- 
ten  Zeit  und  nicht  propria  natura. 

362  prodiga,  iiber  der  Verschwen- 
dung  merkt  das  Weib  nicht,  dafs 
das  Vermogen  zu  Ende  geht. 

363  Cic.  Verr.  I  147  utrum  exi- 
stimatis  minus  operis  esse  unam 
columnam  efficere  ab  integro  novam 
nuJlo  lapide  redivivo,  an  quattuor 
illas  reponere?  Nep.  Cato  2,  3  quare 
luxuria  reprimerttur,  quae  iam  tum 
incipiebat  puUulare.  Die  Anwen- 
dung  des  Dichters  ist  geistreich. 

364  Hor.  s.  I  1,  51  ai  suave  est 
ex  magno  toUere  accrvo. 

366—456:  Denn  so  mannigfaltig 
auch  die  Leidenschaften  (gaudia) 
oder    Neigungeu   der   Frauen   sein 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


119 


sunt  quas  eunuchi  inbelles  ac  mollia  seniper 
oscula  delectent  et  desperatio  barbae 
et  quod  abortivo  non  est  opus,     illa  voluptas 
sunima  tamen,  cum  iam  calida  matura  iuventa 
inguina  traduntur  medicis,  iam  pectine  nigro; 
ergo  spectatos  ac  iussos  crescere  primum 
testiculos,  postquam  coeperunt  esse  bilibres, 
tonsoris  damno  tantum  rapit  Heliodorus. 
conspicuus  longe  cunctisque  notabilis  intrat 
balnea  uec  dubie  custodem  vitis  et  horti 
provocat  a  domina  factus  spado,     dormiat  ille 
cum  domina,  sed  tu  iam  durum,  Postume,  iamque 
tondendum  eunucho  Bromium  committere  noli. 

si  gaudet  cantu,  nullius  fibula  durat 
vocem  veudentis  praetoribus.     organa  semper 
in  manibus,  densi  radiant  testudine  tota 
sardonjches,  crispo  numerantur  pectine  chordae, 
quo  tener  Hedymeles  operas  dedit,  hunc  teuet,  hoc  se 


370 


375 


380 


369  cum  Bibbeck:  quod  Pco      372  bilibros  P      381  densi  cf.  VII  143 


mogen,  an  einer  und  der  anderen 
kranken  sie  alle. 

a)  366—378:  Manche  lieben  Eu- 
nuchen. 

366  Mart.  VI  2  7iec  spado  iam 
nec  moechus  erit  (nach  Domitians 
Verbot  der  Entmannung  und  der 
Erneuerung  der  lex  lulia  de  adul- 
teriis)  te  praeside  quisquam :  at  prius 
—  0  mores!  —  et  spado  moechus 
erat.  —  inbelles,  unmannlich,  denn, 
ruft  Claudian  dem  Eunuchen  zu, 
arma  relinque  .viris. 

.^69  Die  Entmannung  vor  oder 
nach  der  Pubertat  vernichtet  auf 
jeden  Fall  die  Zeugungsfahigkeit, 
daher  abortivo  non  est  opus.  Aber 
die  potestas  coeundi  ist  nicht  uu- 
nioglich ,  wenn  die  Kastration  erst 
nach  vollendeter  Pubertat  erfolgte. 
Vgl.  Mureti  Var.  L.  X  11. 

373  tantum  wie  1,  136  tan- 
tnm  ipse  iacebit.  —  Ueliodorus  war 
Chirurg. 

375  nec  dubie,  ungescheut.  — 
custodem  vitis  et  horti,  i.  e.  Pria- 
puin. 

376  a  domina  factus  spado,  der 
Eunuch  der  Herrin,  ihr  Leibdiener. 

378  Bromius  (der  Name  deutet 
auf  das  dem  Dionysos  ahnliche  Aus- 


seben)  ist  Lieblingssklave  des  Herrn, 
der  gegen  einen  AngrifF  des  Eu- 
nuchen  {committere  noli)  gehiitet 
werden  mufs,  weil  er  sonst  durch 
ihn  Schaden  leiden  konnte. 

b)  379—397:  Andere  lieben  we- 
niger  die  Musik  als  die  Musikanten. 

379  fibula,  vgl.  73. 

380  vendentis  praetoribus,  weil 
der  Prator  die  Spiele  giebt,  also 
den  Sanger  engagieren  mufs,  vgl. 
8,  192. 

381  radiant,  intr.  =  relucent, 
glitzern. 

382  sardonyches,  Edelsteine,  vgl. 
13,  138.  —  numerantur,  weil  die 
Zahl  die  Grundlage  des  Rhythmus, 
also  auch  des  rhythmischen  Spieles 
ist:  Die  Saiten  zittern  im  Takt  unter 
dem  schnell  geschwungenen  (cri- 
spus)  GrifFel  (pecten),  vgl.  Copa  2: 
Copa  Surisca,  caput  Graia  redimita 
mitella,  crispum  sub  crotalo  doeta 
movere  latus,  d.  h.  crispatum  oder 
vibratum. 

383  Hedymeles  {t}8v  fisXog)  war 
Citharode;  er  war  tener  (tenellus), 
schmachtend,  wie  1,  22  tener  spado, 
und  gab  Konzerte  {operas)  oder 
eigentl,  Dienstleistungen. 


120 


IVVENALIS 


solatur  gratoque  indulget  basia  plectro. 

quaedam  de  iiumero  Lamiarum  ac  nominis  Appi 

et  farre  et  vino  lanum  Vestamque  rogabat, 

an  Capitolinam  deberet  Pollio  quercum 

sperare  et  fidibus  promittere.     quid  faceret  plus 

aegrotante  yiro,  medicis  quid  tristibus  erga 

filiolum?  stetit  ante  aram,  nec  turpe  putavit 

pro  cithara  velare  caput,  dictataque  verba 

pertulit,  ut  mos  est,  et  aperta  palluit  agna. 

dic  mihi  nunc,  quaeso,  dic,  antiquissime  divum, 

respondes  his,  lane  pater?  magna  otia  caeli; 

non  est,  quod  video,  non  est  quod  agatur  apud  vos. 

haec  de  comoedis  te  consulit,  illa  tragoedum 

commendare  volet,  varicosus  fiet  haruspex. 


385 


390 


395 


385  Appi  Sg:  ap*  P  alti  pco  Aeli  N.  Heinsius 


385  Die  Frau  fiihrte  den  Appischen 
Namen  (nomen,  nicbt  pracnomen) 
(Appia),  wie  z.  B.  Apj^ia  Eufa  oder 
Appia  Sex.  f  Severa,  L.  Appius  Se- 
cundus  vorkommt,  und  gehorte  oder 
zahlte  zu  den  vornehmsten  Fami- 
lien  Roms.  Denn  nur  in  diesem 
ganz  allgemeinen  Sinne  werden  hier 
und  4,  154  hoe  nocuit  Lamiarum 
caede  madenti  die  Lamier  genannt. 

387  sq.  Den  kapitolinischen  Agon 
stiftete  Domitianus  im  J.  86.  Der 
Wettkampf  erstreckte  sich  auf  grie- 
chische  und  lateinische  Poesie,  Ge- 
sang,  Citharodik  und  Flotenspiel; 
dazu  kamen  scenische  Auffiihrungen 
und  Vortriige,  gemischte  Wett- 
kampfe  und  Wagenrennen.  Der 
Agon  wurde  alle  vier  Jahre  ge- 
feiert.  Vgl.  Stat.  s.  III  5,  32  und 
V  3,  231.  —  PoUio  war,  wie  fidi- 
bus  promittere  zeigt,  Citharode; 
7,  176  erscheint  er  als  gut  bezahl- 
ter  Musiklehrer.  Sein  Name  wird 
auch  von  Mart.  IV  61  und  XII  12 
genannt;  dagegen  III  20,  18  ist  ein 
anderer  gemeint.  —  fidibus  i&t  jeden- 
falls  Dativ  und  gehort  zu  promittere, 
sc.  certamen,  ob  er  seine  Beteiligung 
zusagen  solle  fiir  das  Saitenspiel, 
fvir  diesen  Teil  des  agon  Gapito- 
linus. 

389  tristibus  erga,  wie  Tac.  IV  74 
anxii  erga  Seianum. 

390  filiolus,  das  Deminutiv  ent- 
halt  den  Begriff'  von  zriXvyixoq. 


391  sq.  velare,  denn  das  Opfer 
wurde  velato  capite  verrichtet,  da- 
mit  es  nicht  durch  eine  aufsere  Wahr- 
uehmung  gestort  werden  konnte.  Es 
war  dies  der  ritus  Albanus  im  Gegen- 
satz  zum  ritus  Gratcus,  nach  dem 
man  aperto  capite  opferte.  Vgl. 
Verg.  III  405  u.  f.  —  dictata  per- 
tulit,  sie  sprach  die  Gebetformel 
dem  Ritual  gemafs  nach,  wie  sie 
der  Priester  vorsprach.  —  aperta 
paUuit  agna,  vgl.  Verg.  IV  63  von 
Dido:  instauratque  diem  donis  pe- 
cudumque  reclusis  peetorihus  inhians 
spirantia  consulit  exta. 

393  Dieselbe  Apostrophe  wie 
2,  126. 

394  sq .  respondere,  auf  etwas  horen, 
Bescheid  geben,  wie  der  iuris  con- 
suUus.  — his:  tam  insanis  et  ineptis 
precibus.  —  Im  Himmel  kann  fiir 
ernste  Dinge  {quod  agatur)  kein 
Raum  sein,  wenu  die  Gotter  gar 
fiir  solche  Abgeschmacktheiten  Zeit 
(otium)  haben.  —  quod  video,  13, 
118  ut  video. 

397  varicosus,  mit  Krampfadern 
behaftet,  infolge  des  vielen  und 
langen  Stehens.  Pers.  5,  189  vari- 
cosi  centuriones,  wo  die  Schol.  be- 
merken:  varices  sunt  venac  mixtac 
nervis  in  pedihus  nimio  labore  tu- 
mentes. 

c)398 — 412:  WiederandereFrauen 
haben  den  ekelhaften  Fehler,  sich 
keck  unter  die  Miiuner  zu  mischen, 


LIBRI  II     SATVEA  VI 


121 


sed  cautet  potius,  quam  totam  pervolet  urbem 
audax  et  coetus  possit  perferre  virorum 
cumque  paludatis  ducibus  praesente  marito 
ipsa  loqui  recta  facie  siccisque  mamillis. 
baec  eadem  novit,  quid  toto  fiat  in  orbe, 
quid  Seres,  quid  Thraces  agant,  secreta  novercae 
et  pueri,  quis  amet,  quis  diripiatur  adulter; 
dicet,  quis  viduam  praegnatem  fecerit  et  quo 
mense,  quibus  verbis  concumbat  quaeque,  modis  quot, 
instantem  regi  Armenio  Parthoque  cometen 

399  quae  ferre  Pw,  corr.  W        406  concubat  P 


400 


405 


mn  alle  Neuigkeiten  des  Erdkreises 
und  doch  auch  um  allen  kleinlichen 
Stadtklatsch  sich  angelegentlichst 
zu  kiimmern. 

398  pervolet,  zuTVagen,  vgl.  1,  60 
pervolat  axe  citato  Flaminiam. 

399  coetus,  politische  Klubs,  denn 
sie  ist  politisch-militarische  Kanne- 
giefserin. 

400  sq.  paludati  duces  sind  die 
eben  zum  Krieg_  ausriickenden  Feld- 
herm.  Schon  AmiliusPaulusklagt 
bei  Liv.  XLIV  22  m  omnibus  cir- 
culis  atque  etiam,  si  dis  placet ,  in 
conviviis  suntqui  exercitus  in  Mace- 
donia  ducant,  uhi  castra  locanda 
sint  sciant,  quae  loca  praesidiis 
occxipanda  — ,  qnando  cum  hoste 
manus  conserendae,  quatido  quiesse 
sit  melius.  Und  dies  thut  hier  das 
"Weib,  und  thut  es  vor  den  Augen 
ihres  Mannes,  und  vor  den  Ohren 
des  Feldherm,  in  deren  Gegenwart 
sonst  die  klugen  Laien  verstummen; 
und  dabei  schlagt  sie  nicht  etwa 
verschamt  die  Augen  nieder,  son- 
dem  spricht  geraden  Blicks  {recta 
facie,  oo&oig  ouuaai,  vgl.  10,  189) 
und  bleibt  kiihl  bis  ans  Herz  (siccis 
mamiilis).  Vielleicht  ist  letzteres 
eine  Travestie  des  horazischen  sic- 
cis  oculis. 

404  puer  neben  noverca  ist  der 
Stiefsohn :  die  Liebe  der  Stiefmutter 
zum  Stiefeohne.  —  diripiatur  ist  ein 
potenziertes  ametur,  Stat.  V  8,  130 
jHaeonideri  aliaeque  aliis  natalibus 
urbes  diripiunt  cunctaeque  probant, 
Theb.  V  721  matremqtie  avidis  com- 
plexibus  ambo  diripiutit  flentes  alter- 
naque  pectora  mutant,  schon  Pers. 


2,  37  putUae  hunc  rapiant!  Vgl. 
umschwarmen,  sich  um  jemand 
reifsen,  Mart.  VII  76  quod  te  di- 
ripiunt  potentiores ,  nolito  nimium 
tibi  placere:  delectas,  Philomuse,  non 
amaris. 

407  sqq.  Kometen  waren  sichtbar 
102,  104,  110,  11.5  und  117  n.  Chr. 
—  Der  Aufbruch  des  Trajanus  in 
den  Orient  erfolgte  112.  —  Von 
Erdbeben  ist  am  bervihmtesten  das 
vom  13.  Dezember  115,  welches 
besonders  Antiochia  heimsuchte. 
Dio  Cass.  68,  24  SiuxqL^ovxoq  6' 
avxov  (Trajan)  sv  'JvxLoyjiu  aeLoao? 
i^ataiog  yCvsxaf  v.al  TtoXXal  uiv 
iv.auov  7t6?.£i.g,  iidXiaxa  d'  7]  Avxi- 
oxBLU  idvaxvxriasv.  —  'oqt]  S  aV.u 
vcpL^rias,  v.ai  vSao  noJ.v  ovv.  6v  uiv 
nooxcQOv  uv£(pdvrj,  no7.v  df  v.al 
Qiov  i'gilLn£v.  Der  Xiphates  war 
ein  Gebirge  im  siidlichen  Armenien 
(Strabo  XI  522),  auf  welchem  der 
Tigris  entspringt,  und,  wie  der 
Xame  besagt,  Schnee  bis  tief  in 
den  Sommer  liegen  bleibt.  In  den 
Worten  isse  N.  in  populos  (wie  zum 
AngrifF)  braucht  nicht  notwendig 
die  Vorstellung  eines  Flusses  ent- 
halten  zu  sein,  wie  allerdings  Sil. 
It.  XIII  765  Pellaeo  ponte  Niphaten 
adstrinxit,  Lucan.  III  245  Arme- 
niusque  tenens  volveyitem  saxa  Ni- 
phaten  sich  den  N.  als  Fiufs  ge- 
dacht  haben  m-isseo,  es  ist  auch 
moglich,  dafs  der  Dichter  statt  zu 
sagen,  der  Schnee  vom  Niphates 
sei  geschmolzen,  denselben  Gedan- 
ken  so  ilufserte:  der  Niphates  habe 
sich  iiber  die  Volker  gesturzt  und 
infolge  davon  {que)  sei  alles  Land 


122 


IVYENALIS 


prima  videt,  famam  rumoresque  illa  recentis 
excipit  ad  portas,  quosdam  facit;  isse  Niphatem 
in  populos  magnoque  illic  cuncta  arva  teneri 
diluvio,  nutare  urbes,  subsidere  terras 
quocumque  in  trivio,  cuicumque  est  obvia,  narrat. 

nec  tamen  id  vitium  magis  intolerabile,  quam  quae 
vicinos  humiles  rapere  et  concidere  loris 
exornata  solet.     nam  si  latratibus  alti 
rumpuntur  somni,  Tustes  huc  ocius'  inquit 
^adferte'  atque  illis  dominum  iubet  ante  feriri, 
deinde  canem,    gravis  occursu,  taeterrima  vultu 
balnea  nocte  subit,  conchas  et  castra  moveri 
nocte  iubet,  maguo  gaudet  sudare  tumultu, 


410 


415 


420 


409  nimphatem  P        410  arma  P         413  quo  Sehrader 
ornata  W:  exortata  P?  exertata  Eihheck 


415  ex- 


von  der  Flut  iiberwaltigt  woi-den. 
Ob  nun  wirklich  der  Dichter  das 
Erdbeben  von  Autiochia  bereits  vor 
Augen  hatte  oder  diese  Stelle  schon 
friiher  geschrieben  hat,  ist  schwer 
zu  sagen,  da  das  Weib  nicht  nur 
zuerst  die  Nachrichten  empfangt, 
sondern  auch  vieles  selbst  erdichtet 
{quosdam  facit),  so  dafs  das  Folgende 
nicht  tbatsachliche  Vorfalle  zu  ent- 
halten  braucht.  In  der  That  ist 
alles  ganz  allgemein  gehalten.  So 
bleibt  als  Thatsache  nur  der  Ko- 
met  iibrig.  Da  nun  das  Weib  diesen 
als  gegen  Armenien  und  Parthien 
gerichtet  zuerst  erkennt,  so  mufs 
hier  ein  vor  112  erschienener  Ko- 
met  gemeint  sein.  Es  bleibt  dem- 
nach  hier  nur  der  Komet  vom 
J.  110  ubrig. 

d)  413—433:  Noch  widerlicher 
ist  das  hartherzige  und  roh-gebiete- 
rische  Weib. 

414  Die  vicini  humiles  konnen 
weder  Sklaven  noch  voUstandig 
freie  Biirger  sein.  Die  domiha  lebt 
hier  auf  dem  Lande  und  hat  coloni 
zu  Nachbarn,  die  zwar  personliche 
Freiheit  besitzen,  aber  doch  von 
dem  Grundherrn  abhangig  manches 
Unrecht  sich  gefallen  lassen  miissen. 
Vgl.  auch  14,  150  u.  f. 

415  exornata,  im  vollen  Schmuck 
scheut  sie  sich  doch  nicht  die 
Peitsche  selbst  zu  schwingen.  Und 
das  ist  noch  wenig.    Dcnn  wenn  Ge- 


bell  ihr  den  Schlaf  stort  (=  5,  19), 
dann  lafst  sie  den  Hund,  und  zu- 
vor  noch  den  Besitzer  des  Hundes 
mit  Knutteln  schlagen.  Vgl.  zu 
1,  30. 

419  Die  hafslich-wi^erliche  Stim- 
mung,  mit  der  sie  dem  armen  Nach- 
bar  gegeniibertritt ,  ist  nicht  etwa 
eine  momentane  Erscheinung,  viel- 
mehr  begegnet  sie  jedem  mit  un- 
freundlichem  Gesicht  und  poltert 
selbst  im  Bade.  Sonst  badete  man 
nachmittags,  um  darauf  die  cena 
einzunehmen.  Das  riicksichtslose 
Weib  aber  geht  erst  nach  Sonnen- 
untergang  {nocte  —  noctc)  ins  Bad 
und  lafst  die  hungernden  Tisch- 
genossen  auf  sich  warten:  Plin.  ep. 
IH  1,  8  uhi  hora  balinei  nuntiata 
est,  est  autem  hieme  nona,  aestate 
octava,  in  sole  si  caret  vento  ambu- 
lat  nudus;  deinde  movetur  pila  ve- 
hementer  et  diu,  nam  hoe  qtioque 
exercitationis  genere  pugnat  cum 
scnectute.  Lotus  accubat  et  paulis- 
per  cihum  differt  etc.  —  castra, 
ironisch  =  Hoflager  (vgl.  zu  4,  135). 
Znr  Sache  vgl.  7,  131  rexat  lutu- 
lenta  halnea  turha. 

420  Das  sudare  im  sudaturium 
oder  caldarium  tindet  nach  den  im 
folgenden  geschilderten  kiinstlichen 
Strapazen  statt;  man  verhielt  sich 
dabei  ruhig,  um  die  Transpiration 
nicht  zu  storen.  Dennoch  aber  kann 
das   polternde  Weib   es   auch  hiei 


LIBRT  II     SATVRA  VI 


123 


cum  lassata  gravi  ceciderimt  bracchia  massa, 
callidus  et  cristae  digitos  inpressit  aliptes 
ac  summum  domiuae  femur  exclamare  coegit. 
convivae  miseri  interea  somnoque  fameque 
urguentur.    taudem  illa  venit  rubicuudula,  totum 
oeuophorum  sitiens,  plena  quod  teuditur  urna 
admotum  pedibus,  de  quo  sextarius  alter 
ducitur  ante  cibum  rabidam  facturus  orexim, 
dum  redit  et  loto  terram  ferit  iutestino. 
marmoribus  rivi  properant,  aurata  Falernum 
pelvis  olet;  uam  sic,  tamquam  alta  in  dolia  longus 
deciderit  serpens,  bibit  et  vomit.     ergo  maritus 
nauseat  atque  oculis  bilem  substringit  opertis. 

illa  etiam  gravior,  quae  cum  discumbere  coepit, 
laudat  Vergilium,  periturae  ignoscit  Elissae, 
committit  vates  et  comparat,  inde  Maronem 
atque  alia  parte  in  trutina  suspendit  Homerura. 

426  urnam  P  corr.  p         434  tamen  Pco 


425 


430 


435 


nicht  ohne  Larm  (und  Gefolge)  aus- 
halten. 

421  gravi  massa,  wie  man  sich 
solcher  ''Hanteln'  auch  heute  noch 
zur  Ubuncr  und  zur  Starkung  der 
Brust  bedient,   vgL  Senec.  ep.  56. 

422  callidus,  weil  der  weifs,  was 
die  Frau  wiinscht. 

423  femur  exclamare,  Senec.  ep. 
56  audio  crepitum  illisae  manus 
umeris,  quae,  prout  plana  pervenit 
aut  concava,  ita  sonum  mutat. 

425  sqq.  ruhicundula ,  'gauz  er- 
hitzt'.  Das  Deminutiv  malt  das 
Komische  der  ganzen  Erscheinung. 
—  Das  Weingefafs  (7,  11)  enthalt 
eiue  volle  Urne,  die  Halfte  einer 
amphora,  d.  h.  4  congii  oder  24  sex- 
tarii.  —  OQB^ig,  Appetit,  auch  11, 
127  hinc  surgit  orexis,  hinc  sto- 
macho  vires. 

430  Beachte  das  doppelte,  sehr 
wirksame  Asyndeton:  Sofort  fiie- 
fsen  Strcime  dem  Marmorboden  zu, 
und  Fufsbodeu  und  Becken  stro- 
men  zu  gleicher  Zeit  iiber,  vgl. 
Cic.  PhiL  II  10.5  personahant  omnia 
vocihus  ebriorum,  natahant  paci- 
menta  vino,  madebant  parietes. 

432  ergo:  natiirlich,  selbstver- 
standlich  ekelt  den  Mann  dabei 
(nauseatj:  er  driickt  die  Augen  zu 


und  unterbindet  die  Galle,  d.  h. 
halt  sie  gewaltsam  zuriick,  denn 
sie  droht  ibm  iiberzulaufen,  sich  zu 
entleeren.  Vgl.  bilem  movere  alicui. 
e)  434—456:  Noch  lastiger  wird 
die  Sucht  mancher  Frau  mit  ihrer 
Gelehrsamkeit  zu  prunken. 

435  Die  asthetische  Schwatzerin 
beschrankt  ihr  Urteil  nicht  auf  Lob 
oder  Tadel  des  Dicbters,  sondern 
untersucht  und  priift  auch  die  dich- 
terischen  Motive  Vergils,  und  ge- 
langt  eben  dabei  zur  Vergleichung 
mit  Horaer.  Merkwiirdig  ist  Cali- 
gulas  Urteil  iiber  Vergil  und  Liviu.s: 
alterum  tit  nullius  ingenii  (Erfin- 
dung)  nimiaeque  (Cod.  minimaeque) 
doctrinae,  alterum  ut  verhosum 
in  historia  neglegentemque  carpe- 
bat,  Suet.  34.  —  periturae  ignoscit, 
sie  spricht  iiber  Schuld  oder 
Nichtschuld  der  Dido,  und  ent- 
scheidet  sich  weiblich  fiir  letztere 
Anschauung. 

436  committit  neben  comparat 
enthalt  das  1,  163  licet  Aenean  Mu- 
tulumque  ferocem  committas  ange- 
deutete  Bild. 

437  trutina  susp.,  vgl.  Pers.  4,  10 
scis  etenim  iustum  gemina  suspen- 
dere  lance  ancipitis  librae,  Horat. 
ep.  II  1,  29  liomani  pensantur  ea- 
dem  scriptores  trutina. 


124 


IVVENALIS 


cedunt  grammatici,  vincuntur  rhetores,  omnis 
turba  tacet,  nec  causidicus  nec  praeco  loquetur, 
altera  nec  mulier.     verborum  tanta  cadit  vis, 
tot  pariter  pelves  ac  tintinnabula  dicas 
pulsari.    iam  nemo  tubas,  nemo  aera  fatiget: 
una  laboranti  poterit  succurrere  luuae. 
inponit  iinem  sapiens  et  rebus  honestis; 
nam  quae  docta  nimis  cupit  et  facunda  videri, 
crure  tenus  medio  tunicas  succingere  debet, 
caedere  Silvano  porcum,  quadrante  lavari. 
non  habeat  matrona,  tibi  quae  iuncta  recumbit, 
dicendi  genus,  aut  curvum  sermpne  rotato 
torqueat  enthymema,  nec  historias  sciat  omnes, 


440 


445 


450 


438  Hat  eine  so  gelehrte  Dame 
einmal  ihren  Mnnd  geoffnet,  dann 
miissen  die  Sachverstandigen  zn- 
riicktreten,  alle  Anwesenden  schwei- 
gen ;  vor  ihrer  lauten  Stimme  kommt 
kein  Herold,  kein  Advokat,  ja,  was 
noch  mehr  sagen  will,  kein  Weib 
mehr  auf. 

440  sq.  tanta,  Epiphonem.  —  Die 
Plauderzunge  wird  mit  dem  Becken 
zu  Dodona  {daiyrjtog  Xs^rjg)  ver- 
glichen,  oder  mit  den  Schellen 
(tintinnabiola)  zu  Hause,  in  den 
Badern ,  oder  an  den  Opfertieren 
und  Verbrechern,  die  zum  Tode 
gefiihrt  wurden,  vgl.  Plaut.  Truc. 
IV  2,  8.  Pseud.  331  R. 

443  Mit  Larm  und  Beckenklang 
meinte  der  Volksglaube  dem  leiden- 
den  oder  hinsterbenden  Gestirn  zu 
helfen,  Liv.  XXVI  5  aeris  crepitu, 
qualis  in  defectu  lunae  silenti  nocte 
cieri  solet,  Tac.  I  28  id  miles  rati- 
onis  ignarus  omen  praesentium  ac- 
cepit,  suis  lahoribus  defectionem  si- 
deris  adsimulans,  prospereque  ces- 
surum,  qua  pergerent,  si  fulqor  et 
claritudo  deae  redderetur.  Igitur 
aeris  sono,  tubarurn  cornuumque  con- 
centu  strepere. 

444  sq.  Allerdings  sind  solche 
studia  litterarum  vollkommen  ho- 
nesta,  aber  wer  klug  und  verstilndig 
(sapiens)  ist,  kennt  auch  {et  =  etiam) 
in  solchen  Dingen  Mafs  und  Ziel 
(vgl.  Hor.  ep.  I  6,  15  u.  f.),  weifs 
was  sich  schickt  und  was  nicht 
geziemend  ist.  Und  solche  Gelehr- 
samkeit  schickt  sich  eben  fiirs  Weib 
nicht,    wenn   das   Weib   sie   viber- 


treibt  und  damit  glanzen  will  (docta 
nimiscupit  et  facundavideri).  Denn 
dies  fiihrt  zur  Unnatur,  wie  wenn 
das  Weib  'Hosen'  anziehen  wollte. 

446  Das  Tragen  der  geschiirzten 
Tunika,  d.  h.  die  Amazonentracht, 
ware  in  Rom  unerhort  gewesen, 
da  eine  solche  Tunika  nur  Manner 
trugeu,  die  der  Weiber  aber  bis 
auf  die  Knochel  herabreichte. 

447  Cato  rei  rust.  83  beschreibt 
das  Opfer  fur  3Iars  Silvanus  und 
fiigt  dann  hinzu:  eam  rem  divinam 
vel  servits  vel  liber  licebit  faciat, 
mulier  ad  eam  rem  divinam  ne  ad- 
sit  neve  videat  quo  modo  fiat.  — 
quadrante  lavari,  wie  die  Cyniker 
und  stoischen  Philosophen.  Denn 
auch  von  den  Mannern  thateji  ea 
nur  die  armeren,  die  eigene  Bader 
nicht  besafsen. 

449  dicendi  genus,  einen  be- 
stimraten,  modei^nen  oder  archa- 
ischen,  ciceronischen  oder  catoni- 
schen  Stil.  Nur  Gelehrte  erstreben 
ein  dicendi  genus,  wie  z.  B.  Seneca 
oder  Tacitus. 

450  Enthymema  ist  der  redne- 
rische  Sj^Uogismus  im  Unterschied 
vom  dialektischen.  Das  reduerische 
iv&vfiTjua  im  engeren  Sinne  ist  das 
argumentum  ex  contrariis,  dessen 
Teile  hiibsch  gerundet  und  ge- 
schlosseu  (curvum)  sein  miissen, 
wenn  es  einen  einheitlichen  Ein- 
druck  machen  soll,  Plato  Protag. 
342  E:  ivf^aXs  Qfjucc  a^iov  Xoyov 
§Qcexv  yial '  avvfarQaufiBvov  aanfg 
SsLvog  dnovTiazrig.  —  historias,  anch 
der    Mythologie,    iiberhaupt    alles 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


125 


sed  quaedam  ex  libris  et  non  intellegat.    odi 
hiinc  ego,  quae  repetit  volvitque  Palaemonis  artem 
servata  semper  lege  et  ratioue  loquendi, 
ignotosque  mihi  tenet  antiquaria  versus, 
nec  curanda  viris  opicae  castigat  amicae 
verba:  soloecismum  liceat  fecisse  marito. 

nil  non  permittit  mulier  sibi,  turpe  putat  nil, 
dum  virides  gemmas  coUo  circumdedit  et  dum 
auribiis  extentis  magnos  commisit  elenchos. 
[intolerabilius  nihil  est,  quam  femina  dives.] 
iuterea  foeda  aspectu  ridendaque  multo 
pane  tumet  facies  aut  pinguia  Poppaeana 

452  qoa  P  arte  P  455  viris  Sco:  mihi  P  458  dum  —  dum  M': 
cum  — cum  Pw  460  delevit  PaUamus  461  —  463  po)>t  466  trans- 
posuit  Madvig 


455 


460 


Wisaenswurdige,  das  zur  Erklarung 
der  alten  Dichter  gehorte,  vgl.  7,  231. 

451  Mart.  II  90  iit  mihi  lerna 
satur ,  sit  noti  doctissima  coninnx, 
sit  nox  cum  somno,  sit  sine  lite  dies. 

452  Palaemonis  artem,  zu  7,  215. 

453  Jege  et  ratione,  d.  h.  nach 
dem  Gesetz  der  Analogie,  welche 
mit  der  naturlichen  Entwicklung 
der  Sprache  nur  zu  oft  im  Wider- 
spruch  war  und  ist. 

454  antiquaria  bewandert  in  der 
alten,  d.  h.  klassiachen  Litteratur, 
darum  aber  nicht  notwendig  (filuQ- 
Zaiog. 

455  nec  (fur  et  ne  viris  quidem) 
isr  eng  mit  viris  zu  verbinden, 
ahnlich  wie  14,  246  nec  tibi  parce- 
tur  misero  =  ef  ne  tihi  quidem 
parcetur.  —  opicae,  vgl.  3,  207. 

456  soloecismum ,  vgl.  Mart.  XI 
19  quaeris  cur  nolim  te  ducere, 
GaUa?  Diserta  es.  Saepe  soloecis- 
mum  mentula  nostra  facit.  —  liceat 
feciase,  zu  14,   185. 

457  —  661 :  Alle  Widerwartig- 
keiten  und  Laster  vereinigen  sich 
in  dem  riicksiehtsloeen  Leben  der 
reichen  oder  hochgebornen  Frau. 

a)  457—473:  Nur  anf  ihre  Schon- 
heit  bedacht  iat  sie  zwar  ruck- 
gichtsvoU  gegen  den  Buhlen,  gegen 
ihren  Gatten  aber  ganz  rucksichtslos. 

458  dum  —  eircumdedit,  bis  sie 
ihren  Schmuck  angelegt  und  da- 
mit  die  Toiiette  voUendet  hat.  Vor- 
her  ist  sie  Meerkatze,    dann    aber 


ist  sie  schon  und  sogar  liebens- 
wurdig,  weil  der  Schmuck  Einflufs 
auf  ihr  Benehmen  hat :  beides  soll 
im  Einklang  stehen.  —  virides 
gemmae,  wie  virides  lapilli  bei  Hor. 
s.  I  2,  80  sind  wahrscheinlich 
Smaragde,  die  nicht  durch  Gold- 
einfassung  miteinander  verbunden 
waren,  sondern  einzeln  von  derKette 
ht;rabhingen,  oquol  av  y.arsnQS- 
uavxo  J.l&oL  TLvig  Theopomp.  bei 
Pollux  Y  98. 

459  elenchus  {iXsyxos)  ist  =  unio 
die  grofse  bimformige  oderTropfen- 
perle,  wohl  in  Verbindung  mit 
Edelsteinen  (daher  Plur.)  als  Ohr- 
gehange  getragen,  Plin.  h.  n.  IX 
113  elenchos  appellant  faitigata 
longitudine  alahastrorum  figura  iyi 
pileniorem  orhem  desinmtis.  hos  di- 
gitis  suspendere  et  hinos  ac  ternos 
aurihus  feminarum  gloria  eit. 

461  interea  inzwischen  bis  sie 
ihre  Toilette  gemacht  hat,  ist  ihr 
Gesicht  mit  einer  Lage  von  Brot- 
teig  oder  mit  einer  Salbe  von  Pop- 
paas  Erfindung  ganz  iiberzogen. 
Ahnlich  findet  sich  interea  11,  14 
interea  gusius  elementa  per  omnia 
quaerunt,  einstweilen,  bis  sie  ban- 
kerott  sind. 

462  sq.  DieErfindungderPoppaea 
Sahina  mufs  von  dem  Brotteig 
(multo  pane  tumet)  verschieden  {aut 
spiirat)  und  doch  verwandter  Art 
gewesen  sein,  weil  es  doch  ein 
Ersatz  fiir  den  Brotteig  selbst  war. 


126 


IVVENALIS 


spirat,  et  hiuc  miseri  viscautur  labra  mariti: 
ad  moechuui  lota  veniuut  cute.    quando  videri 
vult  formonsa  domi?  moechis  foliata  parantur, 
his  emitur,  quidquid  graciles  huc  mittitis  Indi. 
taudem  aperit  vultum  et  tectoria  prima  reponit, 
incipit  agnosci,  atque  illo  lacte  fovetur, 
propter  quod  secum  comites  educit  asellas, 
exul  Hyperboreum  si  dimittatur  ad  axem. 
sed  quae  mutatis  inducitur  atque  fovetur 
tot  medicaminibus  coctaeque  siliginis  offas 
accipit  et  madidae,  facies  dicetur  an  ulcus? 
est  pretium  curae  peuitus  cognoscere,  toto 
quid  faciant  agitentque  die.    si  nocte  maritus 
aversus  iacuit,  periit  libraria,  ponunt 
cosmetae  tunicas,  tarde  venisse  Liburnus 
dicitur  et  poenas  alieni  pendere  somni 
cogitur,  hic  frangit  ferulas,  rubet  ille  flagello, 


465 


470 


475 


466  hic  P  469  educit  PSw:  educet  lahn  473  accipite  facies 
madidae  P  corr.  m  Augustinus  474  penitus  cogitur  cognoscere  P 
475  dies  in  nocte  P  rasa  n  priore 


Das  Beiwort  pinguia  zeigt,  dafs  es 
einekiinstlicbeSalbenbereitungwar. 

465  foliatum  ist  die  feinste  und 
wohlriechendste  Nardensalbe  oder 
auch  Nardenol. 

467  tectoria  prima  die  obere 
Schicht,  und  so  wie  dann  das  Ge- 
sicht  kenntlich  wird,  badet  sie  sich 
(nur  das  Gesicht?)  in  Eselsmilch, 
die  ihr  so  zum  Bediirfnis  geworden 
ist,  dafs,  wenn  sie  iu  den  aufsersten 
Norden  in  die  Verbannung  geheu 
miifste,  sie  doch  ihr  Eselsgefolge 
mitschleppen  wiirde.  Das  Baden 
in  Eselsmilch  fiihrte  Poppiia  ein, 
Dio  C.  LXII  28. 

471  mutaiis  mit  wechselnden, 
immer  neuen. 

472  Nur  die  Schonheitsmittel 
{medicamina)  wechseln,  die  Sache 
bleibt  dieselbe,  dafs  nicht  mehr 
von  einem  Gesicht,  sondern  nur 
von  eineni  Geschwvir  der  Frau  die 
Kede  sein  kann. 

b)  474  —  507:  Diose  Riicksichts- 
losigkeit  wird  der  Dienerschaft 
gegeniiber  zur  rohesten  Grausam- 
keit,  wahrend  der  Putz  mit  der 
grofsten  Sorgfalt  und  Uberlegung 
behandelt  wird. 


474  pretium  curae  fiir  das  ge- 
wobnliche  operae  pretium;  Plin.  ep. 
VIII  6,  2  postea  mihi  visum  est  pre- 
tium  operae,  hat  die  Lesart  der 
Aldina  jsr.  curae  bisher  keine  hand- 
schr.  Begriindung  gefunden.  —  toto 
die  istmir  nicht  verstandlich;  wenn 
mau  auch  den  Abschnitt  iiber  508 
u.  f.  ausdehnen  wollte,  der  Dichter 
fiihrt  keineswegs  aus,  was  das  Weib 
den  ganzen  Tag  iiber  thut. 

476  Uhraria,  auch  lanipendia  ge- 
nannt,  ist  die  Werkmeisterin  oder 
Autseherin,  welche,  den  Sklavinnen 
die  Wolle  zuwiegt.  —  periit  ist 
verloren,  d.  h.  ihre  Bestrafung 
(wenn  auch  nur  mit  Scheltworten) 
ist  unabwendbar. 

477  cosmetae  sind  die  Sklavinueu, 
welche  fiir  die  Garderobe  und  deu 
Schmuck  der  Herrin  zu  sorgen 
haben:  qui  ornamentis  praesunt, 
non  tamen  ornatrices.  Scbol.  — 
Lihurnus,  vgl.  zu  3,  240. 

479  franijit  ferulas,  vgl.  8,  247 
nodosam  post  haec  frangebat  verticc 
vitem,  si  lentus  pigra  munirtt  castra 
dolahra.  —  rubet  flagello,  vgl.  zu 
14,  19. 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


127 


hic  scutica;  sunt  quae  tortoribus  aunua  praestent. 

verberat  atque  obiter  faciem  linit,  audit  amicas 

aut  latum  pictae  vestis  consiilerat  aurum 

et  caedit,  luugi  relegit  trausversa  diurni 

et  caedit,  douec  lassis  caedentibus  'exi' 

intouet  horrendura  iam  cognitione  peracta. 

praefectura  domus  Sicula  non  mitior  aula. 

nam  si  coustituit  solitoque  decentius  optat 

ornari  et  properat  iamque  ex])ectatur  in  hortis 

aut  apud  Isiacae  potius  sacraria  leuae, 

disponit  crinem  laceratis  ipsa  capillis 

nuda  umero  Psecas  iufelix  uudisque  mamillis. 

*altior  hic  quare  cincinnus?'    taurea  punit 

continuo  flexi  crimen  facinusciue  capilli. 

quid  Psecas  admisit?  quaenam  est  hic  culpa  puellae, 

si  tibi  displicuit  nasus  tuus?   altera  laevum 


480 


485 


490 


495 


480  scytica  P        491  nudo  Ruperti        493  crinem  P 


480  tort&ribus  (8,  175):  In  den 
meisten  Hausern,  die  eiae  grofse 
Sklavenschar  enthieHen,  war  ein 
Zuchtknecht,  lorarius.  Damit  be- 
gnugen  sich  viele  Frauen  nicht. 
Sie  zahlen  an  die  Knechte  des 
carnifcx  (tortores)  ein  Jahrgeld,  nm 
sich  zuweilen  ihrer  krilftigeren  Eiilfe 
bedienen  zu  konnen. 

481  verbcrat,  caedit  lafst  ziich- 
tigen.  —  atque  obiter  =  3,  241. 

483  iransversa  diurni,  sie  liest 
die  langen  Spalten  des  offiziellen 
Tageblattes,  der  acta  diurna. 

485  intonet  horrendum,  wie  Bel- 
lona  bei  Hor.  s.  II  3,  223  hunc 
circumtonuit  (jaudens  Bellona  cru- 
entis,  xbv  in^govtrjtov ,  Verg.  XII 
700  horrendumque  intonat  armis.  — 
cognitione  'Gericht',  offenbar  da, 
wo  es  nur  Hiebe  giebt,  reiner 
Spott. 

486  Die  Marter  der  Siculi  tyranni 
war  sprichwortlich,  vgl.  8,  81  Pha- 
laris  licet  imperct  ut  sis  faJsus  et 
admoto  dictet  periuria  tauro.  Bei 
Plaut.  cas.  I  11  sagt  Chalinus  zu 
dem  in  die  Stadt  gekommenen 
vilicus:  quin  ruri  es  in  praefectura 
tua;'  —  domus  i&t  Gen. 

487  constituit,  zu  3,  12. 

489  Isiacae  lenae,  vgl.  9,  22.  — 
apud  sacraria  im  Tempel  der  Isis, 
vgl.  529.     Mart.  H   14    hic    quoque 


deceptus  Memphitica  templa  fre- 
quentat,  assidet  et  cathedris,  maesta 
iuvenca,  tuis. 

490  disponit  fiir  componit  ist 
treffend  zur  Bezeichnung  des  kunst- 
vollen  Gefiecbtes  und  der  Grup- 
pierung  der  Flechten.  Diese  Arbeit 
fuhrt  Psecas  (Ovid.  m.  III  172), 
von  der  Herrin  zerrauft  und  zer- 
zaust,  mit  nackter  Schulter  und 
nackter  Brust  aus,  und  dennoch 
trifft  sie  wahrend  der  Arbeit  immer 
wieder  der  Ochsenziemer  oder  die 
Peitsche  (taurea). 

493  flexi,  sc.  altivs,  was  sich 
aus  altior  cincinnus  leicht  erganzt. 
Eine  ahnliche  Grausamkeit  schil- 
dert  Mart.  II  66  unus  de  toto  pec- 
caverat  orbe  comarum  anulus,  in- 
certa  non  bene  fixus  acu.  Hoc  fa- 
cinus  Lalage  (!)  speculo  quo  viderat 
ulta  cst  et  cecidit  saevis  icta  Ple- 
cusa  comis. 

495  laevum,  sc.  crinem,  denn 
altera  laevum  bildet  die  Fortsetzung 
zu  disponit  crinem  Psecas  infelix, 
wahrend  492—495  nur  das  Beneh- 
men  derHerrin  gegen  Psecas  schil- 
dert.  Und  wahreud  crinis  laecus 
das  ganze  Haupthaar  auf  der  linken 
Seite  bezeichnet,  sind  comae  die 
einzelnen  kunstvoll  abgeteilten 
Strange  des  Haares,  die  gekammt 
und  dann  geringelt  werden. 


128 


IVVENALIS 


extendit  pectitque  comas  et  volvit  in  orbem. 
est  in  consilio  materua  admotaque  lanis 
emerita  quae  cessat  acu;  sententia  prima 
huius  erit,  post  hanc  aetate  atque  arte  minores 
censebunt,  tamquam  famae  discrimen  agatur 
aut  animae.    tanta  est  quaerendi  cura  decoris; 
tot  premit  ordiuibus,  tot  adhuc  compagibus  altum 
aedificat  caput.    Andromachen  a  fronte  videbis, 
post  minor  est,  credas  aliam.    cedo,  si  breve  parvi 
sortita  est  lateris  spatium,  breviorque  videtur 
virgine  Pygmaea  uullis  adiuta  cothuruis, 
et  levis  erecta  consurgit  ad  oscula  planta. 
nulla  viri  cura  interea,  nec  mentio  fiet 
damnorum.    vivit  tamquam  vicina  mariti, 
hoc  solo  propior,  quod  amicos  coniugis  odit 
et  servos,  gravis  est  rationibus.    ecce  furentis 
Bellouae  matrisque  deum  chorus  iutrat  et  ingens 


500 


505 


510 


504  credo  P        510  coniungit  P        511  gravi  rationibus  P  corr.  p 


497  inaterna,  sc.  ancilla,  matris 
olim  ornatrix,  sie  ist  admota  lanis, 
d.  h.  ad  lanificium,  emerita  acu,  sc. 
ornatrice  oder  crinali. 

499  post  hanc  minores,  so  dafs 
also  formlich  wie  im  romischen 
Senate  um  die  Meinung  gefragt  und 
gestimmt  wird. 

500  Der  Grund  der  harten  Be- 
strafung  der  Psecas  war  nicht  ein 
Versehen  derselben  als  ornatrix, 
sondern  der  Arger  der  Herrin  iiber 
ihre  unformliche  Nase,  die  sie  eben 
im  Spiegel  bemerkt  hat.  Und  da- 
bei  wird  die  Frisur  mit  solcher 
Sorgfalt  betrieben,  dafs  aufser  Pse- 
cas  nicht  nur  eine  zweite  Sklavin 
zur  Linken  mit  arbeitet,  sondern 
auch  noch  eine  alte  hochbetagte, 
schon  in  Ruhestand  gesetzte  Sklavin 
dabeistehen  mufs,  um  ihr  Urteil 
liber  jede  Kleinigkeit  abzugeben. 
Bei  der  Bestrafung  der  Sklaven 
ist  ein  consilium  nicht  notig,  uber 
die  Haarfrisur  aber  mufs  ein  ganzes 
conseil  abstimmen,  gleich  als  stande 
der  Ruf  oder  das  Leben  auf  dem 
Spiele! 

502  Steigt  die  Frisur  empor,  so 
glaubt  man  ein  Gebiiude  in  meh- 
reren  Etagen  mit  ganzen  Reihen 
von  Lockcn  zu  sehen!  Dies  hiefs 
coronam  struere. 


504  minor  'ein  Zwerg,  zu  klein'. 
Man  erwartet  neben  Andromachen 
ein  nomen  propri-um,  wie  Mart. 
XIV  212  si  solum  spectes  hominis 
caput,  Hectora  credas,  si  stantem 
videas,  Astyanacta  putes  (i.  e.  der 
Zwerg).  —  cedo,  zu  10,  43.  Sinn: 
vollends  lacherlich  ist  dieser  Auf- 
bau  des  Hauptes,  wenn  die  Gestalt 
{spatium  lateris,  zu  4, 39)  schmachtig 
und  pygmaenhaft  (13,  168)  ohne 
Kothurn  und  leichten  Ge^^ichtes 
{levis)  auf  den  Fufaspitzen  sich  zum 
Kusse  emporreckt. 

c)  508  —  591:  Und  wiihrend  sie 
so  dem  Manne  und  seinem  Gute 
nicht  die  geringste  Riicksicht  zollt, 
opfert  sie  den  Priestern  des  Aber- 
glaubens  nicht  nur  ihr  Gut,  sondern 
selbst  Gesundheit  und  Ehre. 

508  interea  in  abgeschwachter 
Bedeutung  =  indessen,  aber. 

511  ecce  furentis:  der  rasche  uud 
schroffe  Ubergang  steigert  den  Kon- 
trast.  Dasselbe  Weib,  das  fiir  den 
Mann  und  sein  Vermogen  kein 
Herz  und  keine  Empfindung  hat, 
ist  sofort  voUer  Riicksicht  und 
Hingebung,  wie  sie  nur  einen  Bel- 
lona-  urid  Galluspriester  sieht. 

512  JBcllona,  die  Ma  von  Ko- 
mana  in  Kappadokieu,  von  den 
Griechen   'Evva    genannt    (Strabo 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


129 


semivir,  obscaeno  facies  revereuda  miuori, 

mollia  qui  rapta  secuit  geuitalia  testa 

iam  pridem,  cui  rauca  cohors,  cui  tympana  cedunt, 

plebeia  et  Pbrygia  vestitur  bucca  tiara. 

grande  sonat  metuique  iubet  Septembris  et  austri 

adveutum,  nisi  se  ceutum  lustraverit  ovis 

et  xerampeliuas  veteres  donaverit  ipsi, 

ut  quidquid  subiti  et  magni  discriminis  instat, 

in  tuuicas  eat,  et  totum  semel  expiet  annum. 

hiberuum  fracta  glacie  descendet  in  aninem, 

ter  matutino  Tiberi  mergetur  et  ipsis 

verticibus  timidum  caput  abluet;  inde  superbi 

totum  regis  agrum  nuda  ac  tremibunda  cruentis 


515 


520 


525 


518  nisi  supra  versum  add.  P 

XII  535),  ist  wohl  zu  unterscheiden 
von  der  altitalischen  und  altromi- 
schen  Bellona,  mit  der  sie  freilich 
schon  friihzeitig  (Hirtius  b.  Alex. 
66)  ideutiiiziert  worden  ist.  Sie  war 
eine  in  Kleinasien,  Skythien  und 
Thrakien  unter  verschiedenen  Ge- 
stalten  und  Namen  verehrte  Mond- 
und  Naturguttin  mit  orientalisch- 
fanatischem  nnd  blutigem  Kultus. 
Ihr  Dienst  war  einem  Kollegium 
kappadokischer  Priester  iibertragen, 
den  Bellonarii.  Sie  zogen  vom  hei- 
ligen  Wahnsinn  ergriffen  durch  die 
Stadt  und  verwundeten  sich  Arme 
und  Lenden  (TibulL  I  6,  45),  und 
weissagten  dabei  unter  wildem 
Pauken-  und  Trompetengetose,  vgL 
4,  123.  Wenig  verschieden  waren 
die  Galli  (zn  2,  16):  matris  deum 
chorus  nnd  deir  ardiigaUus  {ingens 
semivir),  unter  dessen  Kommando 
die  ganze  Bande  steht  (2,  112). 

515  rauca  cohors,  vgl.  2,  111 
fracta  voce  loquendi  libertas,  krei- 
schend.  —  cedunt,  in  Ehrfurcht;  er 
beherrschte  die  Schar. 

516  pleheia,  die  gewohnlichen, 
der  Masse  der  galli.  —  tiara,  zu 
10,  267. 

517  grande  sonat,  wie  nau^sys&Bg 
uvay.Qaytov ,  vgL  485  und  14,  294 
aei^tivum  tonat,  3,  107  rectum  minxit, 
1,  16  altum  dormire.  —  Das  ge- 
fahrliche  Klima  im  Spiitsommer 
oder  September  wird  haufig  er- 
wahnt,  4,  56.  10,  221.  14,  130,  und 
besonders  Hor.  ep.  I  7,  5. 

IVVBSALIS    SaTVEAE. 


519  donaverit  opfert!  —  ^TjQauns- 
Xivai  (sc.  J(j'9'^TEs)  sind  Kleider  von 
der  dunkelroten  Farbe  des  ver- 
trockneten  Weinlaubes,  also  alte 
und  verschlissene  Frauenkleider, 
hier  tunicae. 

521  semel  ein  fiir  allemaL 

522  Selbst  die  gefiihrlichen  Rei- 
nigungen  und  Biifsungeu,  welche 
der  Isiskultus  erfordert,  macbt  sie 
mit,  obwohl  sie  dabei  ihr  Leben 
aufs  Spiel  setzt.  Doch  beschrankten 
sich  die  Reinigungen  nicht  auf  den 
Isisdienst,  vgl.  Pers.  2,  15  haec 
saticte  ut  poscas,  Tiberino  in  gur- 
gite  mergis  mane  caput  bis  terque 
et  noctem  flumine  purgas ,  mau 
badete  friihzeitiger,  wenn  man  einen 
Tempel  besuchen  wollte,  um  von 
dem  Befleckenden  der  jSTacht  ge- 
reinigt  vor  den  Gottern  zu  er- 
scheinen.  Aber  das  morgendliche 
Untertauchen  in  fliefsendem  Wasst-r 
scheint  zu  den  orientalischen  Ka- 
steinngen  zu  gehoren,  wie  Hor.  s. 
II  3,  290  frigida  si  puerum  quar- 
tana  reliquerit,  illo  mane  dic  quo 
tu  indicis  ieiunia  nudus  in  Tiberi 
stabit  {timore  deorum!). 

525  agrum  erepet  (rependo  eme- 
tietur)  sie  rutscht  auf  den  Knieen 
iiber  das  Marsfeld  (am  Isistempel?), 
TibuIL  1  2,  85  non  ego  tellurem  geni- 
hus  perrepere  supplex  et  miserum 
sancto  tundere  po&te  caput  (d.  i. 
die  percussio  capitis)  dubitem.  Die 
Kasteiung  desKnierutschens  brachte 
der  Isiskultus,  vgl.  Senec.  diaL  VII 
9 


130 


IVVENALIS 


erepet  genibus;  si  candida  iusserit  lo," 

ibit  ad  Aegypti  finem  calidaque  petitas 

a  Meroe  portabit  aquas,  ut  spargat  in  aede 

Isidis,  antiquo  quae  proxima  surgit  ovili, 

eredit  enim  ipsius  dominae  se  voce  moneri: 

en  animam  et  mentem,  cum  qua  di  nocte  loquantur, 

ergo  hic  praecipuum  summumque  meretur  honorem, 

qui  grege  linigero  circumdatus  et  grege  calvo, 

plangentis  populi  currit  derisor  Anubis. 


530 


eptet  P        527   calidasque  ambigua  tamen  inter  s  et  apicem 
rr.  p      528  potabit  P      aedem  a»       533  lanigero  P  corr.  p 


526   ereptei;  i-        t)'n    caiiaasque  amoigu 
specie  P  corr.  p      528  potabit  P      aedem  a» 


26,  8  cum  sistrum  aUquis  concutiens 
ex  imperio  mentitur,  cum  aliquis 
secandi  lacertos  suos  artifex  hrachia 
atque  umeros  suspensa  manu  cruen- 
tat ,  cum  aUquis  genihus  per  viam 
repens  ululat  laurumque  linteatus 
senex  et  medio  lucernam  die  prae- 
ferens  conclamat  iratum  aUqucm 
deorum,  concurritis  et  auditis  et 
divinum  esse  eum  adfirmatis. 

526  si  .  .  iusserit,  ahulich  wie 
3,  78  in  caelum,  iusseris,  ihit:  ja 
sie  ginge  wohl  gar,  wenn's_Io  ver- 
langte,  personlich  nach  Agypten 
und  holte  Wasser  aus  dem  Nil. 
Denn  fiir  gewohnlich  hatte  man 
von  Isispriestern  geweihtes  Wasser 
an  der  Stelle  des  Nilwassers  ge- 
braucht,  ja  geradezu  fiir  Nilwasser 
angesehen,  vgl.  Serv.  zu  Verg.  II 
116  sciendum  in  sacris  simulata 
pro  veris  accipi,  und  zu  IV  512  nam 
et  in  templo  Isidis  aqua  sparsa  de 
Nilo  esse  dicehatur.  Ahnlich  ge- 
braucht  man  in  unserer  Zeit  zur 
Taufe  gernWasser  aus  dem  Jordan. 
—  candida,  Ov.  m.  I  743  de  hove 
nil  superest,  formae  nisi  candor  in 
illa.  Die  argivische  lo  und  die 
agyptische  Isis  hatten  die  Kuh- 
horner  miteinander  gemeiu,  Herod. 
II  41  zh  yciQ  tfj£  "laiog  ayaXficc  iov 
yvvcciKi^iov  ^ovy.fQ(6v  sffrt,  KatdTCSQ 
'E).Xrjv8g  zfjv  'lovv  yQcccpovGL. 

b'll    caUda,  vgl.   15,  28. 

b2B  Meroe,  zu  13,  163.  Herod. 
II  29  hnsLtBv  r^sat  sg  n6i.iv  neya- 
Irjv  tfi  ovvoiid  sGtL  MsQOT]  {Merua)- 
Xsystcei  ds  avtr)  fj  noXig  sIvccl  ^1^- 
tQonoXig  tcov  aXXcov  Ai&Loncov. 

529  surgit,  d.  h.  der  Tempel  der 
Isis  auf  dem  Campus  Martius   war 


imminens  oviU,  Serv.  za  Verg.  ecl. 
1,  34  Saepta  proprie  sunt  loca  in 
campo  Romano  inclusa  tahulatis, 
in  quihus  stans  populus  Romanus 
suffragia  ferre  consueverat.  Sed  quo- 
niam  liaec  saepta  simiUa  sunt  oviU- 
hus,  duo  haec  invicem  pro  se  po- 
nuntur. 

530  dominae,  der  Gottin,  wie 
Verg.  III  113  iuncti  currum  do- 
minae  (=  Cyhelae)  suhiere  leones, 
CatuU.  63,  13  Dindymenae  dominae 
=  ztLvSvnrjvrjg  (irftQog ,  haufiger 
war  im  Griechischen  SionoLva  und 
dvaoccc. 

531  ist  Ausbruch  der  Ironie  und 
Indignation  {snicpcovriiicc  slqcovlkov), 
nicht  gegen  den  Priester,  sondern 
gegen  die  Romerin  gerichtet. 

5.33  grege  Uniyero  =  Ov.  m.  I 
747  Unigera  turha,  denn  die  iigypti- 
schen  Priester,  wie  das  Bild  der 
Isis  selbst  (Ov.  ex  Ponto  I  1,  51 
Unigcrae  Isidis)  waren  in  Leinwand 
gekleidet,  Herod.  II  37  io&fjta  di 

CpOQSQVGL     OL     LQSSg    XLvefjv    ^ovvrjv; 

dazu  waren  sie  kahl  geschoren, 
Mart.  XII  29,  19  Unigeri  fugiunt 
calvi  sistrataque  turha. 

534  Anuhis  war  des  Osiris  und 
der  Isia  Sohn;  er  wurde  in  Men- 
schfugestalt  rait  einem  Schakal- 
kopf  oder  (von  Griechen  und 
Romern)  mit  einem  Hundskopf  dar- 
gestellt.  Der  Anubis  stdrmt  dahin 
{currit),  umgeben  von  der  Priestcr- 
schar  und  verlachend  das  klagende 
Volk  (zu  8,  29),  derisor  plangentis 
jwpuU.  Der  aber  in  der  Gestalt 
des  Anubis  auftritt,  ist  selbst  ein 
Priester,  daher  im  folgeuden  ille 
petit  veniam,  ilUus  lacrimae. 


LIBRI  II     SATVRA  VI  131 

ille  petit  veuiam,  quotiens  non  abstinet  uxor  535 

concubitu  sacris  observandisque  diebus 

magnaque  debetur  violato  poeua  cadurco 

et  movisse  caput  visa  est  argeutea  serpens; 

illius  lacrimae  meditataque  murmura  praestaut, 

ut  veniam  culpae  non  abnuat  ansere  magno 

scilicet  et  tenui  popano  corruptus  Osiris. 

cum  dedit  ille  locum,  cophiuo  faeuoque  relicto 

arcanam  ludaea  tremens  meudicat  in  aurem, 

interpres  legum  Solvmarum  et  magna  sacerdos 

arboris  ac  summi  fida  internuntia  caeli. 

implet  et  illa  manum,  sed  parcius;  aere  minuto 

qualiacumque  voles,  ludaei  somuia  venduut. 

spoudet  amatorem  tenerum  vel  divitis  orbi 

541  orisis  P       542  phanoque  P       546  manns  et  P       547  omnia  P 


540 


545 


537  magnaque  nnd  (wenn)  folglich 
eine  grofse  Bufse  der  Frau  bevor- 
steht  und  sogar  (dazu)  die  Schlange 
in  der  Rechten  der  Isis  ihr  Haupt 
drohend  erhoben  hat.  —  cadurco, 
zu  7,  221.  —  Das  Isisbild  hat  mei- 
stens  eine  auf  einem  sitzenden  Vogel 
stehende  Person  auf  dem  Kopfe, 
eine  agyptische  Haube;  in  der 
Rechten  die  Schlange,  die  Situla 
in  der  Linken.  Als  Gottin  der  Unter- 
welt  scheint  Isis  immer  mit  der 
Schlange  dargestellt  worden  zu 
sein. 

539  meditataque  murmura,  sein 
andachtiges  Gebet,  Pers.  2,  6  haud 
cuicis  promptum  est  murmurq^ue 
humilisque  susurros  toUere  de  templis 
et  aperto  vivere  voto.  —  Die  Anf- 
suchung  der  Leiche  des  von  Ty- 
phon  erschlagenen  Osiris  war  ein 
wesentlicher  Bestandteil  der  Isis- 
feste,  vgl.  Ovid.  m.  IX  693  tmm- 
quamque  satis  quaesitus   Osiris. 

541  /30/>anMm  Optferkuchen ;  Ganse 
als  Opfergabe  erwahnt  auch  Herod. 
II  45. 

542 — 547:  Wenn  die  Isispriester 
aus  dem  Hause  sind,  dann  kommt 
das  wahrsagende  .Judenweib,  denn 
dem  orientalischen  Aberglauben  ist 
daa  romische  Weib  ganz  besonders 
ergeben. 

542  cophino  faenoque  relicto,  vgl. 
zu  3,  13. 

543  tremens,  vor  Alter,  Verg.  H 


509  trementibus  aevo  membris.  — 
mendicat  in  aurem  nach  Analogie 
von  garrire  in  aurem  oder  in  auri- 
culam ,  vgl.  Friedl.  zu  Mavt.  III 
44,  12;  die  auris  ist  arcana,  weil 
sie  fiir  eolche  Geheimnisse  empfang- 
lich  und  entgegenkommend  ist,  wie 
Stat.  s.  I  3,  71  nox  arcana  sagt, 
was  Ton  nox  tacita  verschieden  ist. 

544  Solymarum  =  ludaicarum, 
denn  Solymae  ist  =  Hierosolyma, 
Mart.  XI  94  Solymis  quod  natus  in 
ipsis.  —  magna  sacerdos,  wegen 
ihres  Alters  und  Ansehens,  es  ist 
die  alte  Zigeunerin  des  Stammes. 

545  arboris,  weil  die  Juden  ihre 
Bethauser  am  liebsten  in  Hainen, 
wie  3,  12  im  lucus  Camcnarum, 
anlegten.  Die  Jiidin  ist  ferner  die 
treue  Himmekbotschafterin,  denn 
da  der  Juden  Gott  nicht  anthro- 
pomorphisch  dargestellt  wurde,  so 
erschien  er  den  Komern  identisch 
mit  dem  Himmel,  vgl.  14,  96. 

547  somnia  (Traumdeutungen) 
sind  hier  vielleicht  iiberhaupt  Weis- 
sagungen,  die  eben  dem  Dichter 
als  somnia  erscheinen;  so  erhalt 
qualiacumque  eine  bestiramtere  Be- 
deutung.  In  diesem  Falle  wurde 
548  das  Verbum  spondet  einen  ironi- 
schen  Gegensatz  ausdriicken:  der 
Armenier  dagegen ,  der  aus  Tier- 
eingeweiden  prophezeit,  kennt  nur 
Bestimmtheit  und  Sicherheit,  vgl. 
3,  43  promittit. 


132 


IVVENALIS 


testamentum  ingens  ealiclae  pulmone  columbae 
tractato  Armenius  vel  Commagenus  liaruspex; 
pectora  pullorum  rimabitur,  exta  catelli, 
interdum  et  pueri;  faciet,  quod  deferat  ipse. 
Chaldaeis  sed  maior  erit  fiducia;  quidquid 
dixerit  astrologus,  credent  a  fonte  relatum 
Hammonis,  quoniam  Delphis  oracula  cessant, 
et  genus  humanum  damnat  caligo  futuri. 
praecipuus  tamen  est  horum,  qui  saepius  exul, 
cuius  amicitia  conducendaque  tabella 
magnus  civis  obit  et  formidatus  Othoni. 


550 


555 


551  rimatur  et  pco  553  et  P  554  fronte  P  558  559  om.  P 
add.  p  (superscriptum  vel  concidendaq.)  cf.  GLK.  VII  p.  544,  19  formi- 
datam  tabellam,  pinacem 


550  tractare  von  dem  kunstge- 
rechten  Besehen  und  Untersuchen 
des  Haruspex,  vgl.  9,  53  munera 
tractat  secreta,  14,  254  si  vis  aliam 
decerpere  fi.cum  atque  alias  tractare 
rosas,  vgl.  zu  11,  28.  —  CommaQene 
war  die  nordostlichste  Provinz  Sy- 
riens,  im  Osten  vom  Euphrat,  im 
Norden  und  Westen  vom  Amanus 
begrenzt.  Unter  Vespasianus  wurde 
es  daaernd  mit  dem  romischen 
Reich  vereinigt.  Die  bekannteste 
Stadt  war  Samosata. 

552  pueri  eines  Kindes,  vgl. 
Amm.  Marc.  XXIX,  2,  17  convictum 
confessumque  trihunum,  quod  exsecto 
vivae  mulieris  ventre  atque  intempe- 
stivo  partu  extracto,  infernis  mani- 
hus  excitis  de  permutatione  imperii 
consulere  ausus  est.  Sonst  bediente 
man  sich  dazu  der  Wachspuppen, 
Hor.  epod.  5,  32.  —  deferat:  er 
verfiihrt  die  Frau  zu  einer  schlech- 
ten  That,  um  sie  dann  selbst  an- 
zuzeigen,  d.  h.  er  veranlafst  die 
Frau  zu  einem  Verbrechen  uud  droht 
ihr  dann  mit  Delation,  um  Geld  zu 
erpressen,  vgl.  3, 116.  Tac.  XVI  30. 

553  Die  Astrologen  oder  Stern- 
deuter  heifsen  bald  Chaldaei,  bald 
Babylonii,  auch  aslrologi  oder  ma- 
thematici.  Ihr  Einfluls  war  in  der 
Kaiserzeit  ungeheuer  grofs ,  man 
denke  nur  an  Tiberius  und  Thra- 
syllus. 

554  sq.  a  fonte  Hammonis,  von  der 
Quelle  der  Oase  Siwah,  wo  sich 
das  beriihmte  Orakel   und  Heilig- 


tum  des  Ammon  befand,  das  Seit 
dem  Aufbliihen  Kyrenes  auch  bei 
den  Hellenen  zu  hohem  Ansehen 
gelangte,  vgl.Steiu  zuHerod.IVlSl. 
—  Vom  Orakel  zu  Delphi  sagt  schon 
Cic.  div.  II  117  cur  isto  modo  iam 
oracla  Delphis  non  edmitur  non 
modo  nostra  aetate,  sed  iam  diu, 
iam  ut  nihil  possit  esse  contemptius  ? 
I  38  fidem  iam  diu  non  facit,  potest 
autem  vis  illa  terrae,  quae  mentem 
Fythiae  divino  adflatu  concitahat, 
evanuisse  vetustate. 

556  damnare  aliquem  oder  aliquid 
ohne  Gen.  oder  Abl.  ist  nicht  sel- 
ten,  z.  B.  4,  85,  seltner  ist  es  in 
der  Grundbedeutung  von  pfemere 
oder  domare,  wie  Plaut.  trin.  829 
jyauperihus  te  parcere  solitum,  ditis 
damnare  atque  domare;  ahnlich  ist 
Verg.  XII  727  luppiter  ipse  duas 
aequato  cxamine  lances  sustinet  et 
fata  iviponit  diversa  duorum,  quem 
datmiet  labor  et  quo  vergat  pondere 
Jetum  =  quem  opprimat,  domet  lahor. 
Vorbild  des  Juv.  war  Hor.  IH  29, 
30  prudens  fiituri  temporis  exitum 
caliginosa  nocte  premit  deus. 

bbl  praecipuus  ist  in  der  silber- 
nen  Latinitilt  an  Stelle  des  abge- 
griffenen  maximus  oder  summus 
reiner  Superlativ  geworden,  vgl.  532. 

558  cuius  amicitia  etc.  bestimmt 
nicht  dieselbe  Person,  die  mit  qui 
saepius  exul  charakterisiert  ist,  son- 
dern  beide  Rehxtivsiitze  schildern 
je  eine  besoudere  beriichtigte  Per- 
son:    die    eine    (generelle)    Person 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


133 


inde  fides  artis,  sonuit  si  dextera  ferro 
laevaque,  si  longo  castrorum  in  carcere  mansit. 
nemo  matliematicus  genium  indemnatus  habebit, 
sed  qui  paene  perit,  cui  vix  in  Cyclada  mitti 
contigit  et  parva  tandem  caruisse  Seripho. 
consulit  ictericae  lento  de  funere  matris, 
ante  tamen  de  te  Tanaquil  tua,  quando  sororem 
efferat  et  patruos,  an  sit  victurus  adulter 
post  ipsam;  quid  enim  maius  dare  numina  possunt? 
haec  tamen  ignorat,  quid  sidus  triste  minetur 
Saturni,  quo  laeta  Venus  se  proferat  astro, 
qui  mensis  damuis,  quae  dentur  tempora  luero: 
illius  occursus  etiam  vitare  memento, 


560 


565 


570 


561   longa  P  563  vis  P  565   hic  tetrice  P        569   haec  oa: 

nec  P      ignorant  P        571  damnos  et  temporalia  lucro  P  corr.  p 


ist  dnrch  wiederhoite  Verbannung, 
die  andere  (bestimmte)  durch  den 
Tod  des  Kaisers  Galba  beriichtigt. 
Es  war  dies  Seleuous  (Suet.  Otbo) 
oder  Ptolemaeus,  der  den  Sturz 
des  Galba  beschleunigte,  indem  er 
Otho  aus  den  Sternen  weissagte, 
dafs  er  vom  Schicksal  zur  Herr- 
schaft  bestimmt  sei,  vgl.  Heraeus 
7X1  Tac.  h.  I  22.  —  conducenda  ta- 
beUa  das  Schicisalsbuch  (vgl.  578), 
das  immer  fur  Geld  zu  haben  ist, 
das  nur  fiir  Geld  gewonnen  wird, 
d.  h.  kauflich  ist,  vgl.  2,  114  con- 
ducendusquc  magister. 

560  sq.  ferro  Handfesseln.  Wie  die 
praetoriu,  so  hatten  auch  die  castra 
stativa  eiuen  Karzer,  vgl.  Tac.  121. 
In  ihnen  wurden  oft  auch  Civilisten 
in  Gewahrsam  gehalten,  militaris 
cj<sto(?m,  Tac.lll22.— DieBeziehung 
von  longo  ist  nicht  zu  ermitteln; 
vielleicht  ist  es  temporal  zu  ver- 
stehen:  im  langwierigen  Kerker. 

562  genium,  denGenius  derWeis- 
sagung,  der  die  Zukunft  offenbart, 
=  Geist.  Mart.  VI  60  victurus  ge- 
nium  dehet  habere  liber,  7,  78  sumen 
aprum  leporem  boletos  ostrea  mullos 
mittis:  habes  nec  cor ,  Papile,  nec 
genium,  den  hoheren,  feineren  Geist. 

563  Cyclada  .  .  Scripho,  zu  1,  73. 
10,  170. 

564  carere  Seripho  ist  ein  Oxy- 
raoron,  welches  andeutet,  dafs  Se- 
riphos  fiir  einen  solchen  Wicht  die 
naturliche    Bestimmung   ist,    doch 


vgl.  10,  357   fortem  posce  animum, 
7no7iis  tcrrore  carentem. 

565  i-nzsQog  ein  kleiner  gelber 
Vogel,  und  davon  icterici  die  Gelb- 
svichtigen;  Lucil.  I  29  ieterus  vior- 
bus,  Gelbsucht. 

566  Tanaquil  war  nicht  nur  pe- 
rita,  ut  vulgo  Etrusci,  caelestium 
prodigiorum  mulier  (Liv.  I  34),  son- 
dern  prodigium  selbst,  so  unnatiir- 
lich  grausam,  dafs  sie  sich  nicht 
scheute,  ihren  Vater  zu  ermorden 
und  ihren  Wagen  uber  die  Leiche 
gehen  zu  lassen. 

568  quid  maius ,  vgl.  385  u.  f. 
Dem  Buhlen  wiinscht  sie  langes 
Leben  und  findet  darin  ihr  hoch- 
stes  Gliick,  um  Gatten  und  um 
Verwandte  kiimmert  sie  sich  nicht. 

569  haec  ignorat,  doch  ein  sol- 
ches  Weib  ist  selbst  in  der  Astro- 
logie  noch  nicht  bewandert  und 
bedarf  darum  des  Astrologen; 
schlimmer  sind  die  Frauen,  die 
selbst  Autoritfiten  auf  dem  Gebiete 
der  Astrologie  sind  und  des  Chal- 
daers  gar  nicht  mehr  bediirfen. 

570  Saturnus  bedeutete  Ungliick, 
Glvick  dagegen  die  heitere  Venus, 
vgl.  Horat.  II  17,  22. 

572  occursus  etiam,  auch  schon 
die  Begegnung,  wie  eines  gefahr- 
lichen  Wesens,  Tac.  IV  60  nam 
alius  occursum  eius  vitare,  quidam 
salutatione  reddita  statim  averti, 
plerique  inceptum  sermonem  ab- 
rumpere. 


134 


IVVENALTS 


in  cuius  manibus  ceu  piaguia  sucina  tritas 
cernis  ephemeridas,  quae  nullum  consulit  et  iam 
consulitur,  quae  castra  viro  patriamque  petente 
non  ibit  pariter  numeris  revocata  Thrasylli. 
ad  primum  lapidem  vectari  cum  placet,  hora 
sumitur  ex  libro ;  si  prurit  frictus  ocelli 
angulus,  inspecta  genesi  collyria  poscit; 
aegra  licet  iaceat,  capiendo  nulla  videtur 
aptior  hora  cibo,  nisi  quam  dederit  Petosiris. 
si  mediocris  erit,  spatium  lustrabit  utrimque 
metarum  et  sortes  ducet  frontemque  manumque 
praebebit  vati  crebrum  poppysma  roganti. 
divitibus  respousa  dabunt  Phryx  augur  et  ludae, 
conductus  dabit  astrorum  mundique  peritus 


575 


580 


585 


577  conplacet  P      578  purit  P      579  poscunt  P  corr.  p       585  inde 
Po3  Indus  s  Indi  Bibheck 


573  pinguia  sucinn  beschwitzten 
Bernstein.  Denn  in  den  heifsen 
Monaten  hielten  Frauen  uud  Weich- 
linge  nicht  selten  Krystall-  und 
Berusteinkugeln  als  Kiihlungsmittel 
in  den  Handen,  vgl.  9,  50. 

574  ephemerides  sind  astrologi- 
sche  Kalender,  vgl.  Amm.  Marc. 
XXVIII  4,  24  multi  apnd  eos  ne- 
gantes  esse  superas  potestates  in 
caelo,  nec  in  puhlicum  prodeunt  nec 
prundent  nec  lavari  arbitrantur  se 
cautius  posse,  antequam  epjliemeride 
scrupulose  sciscitata  didicerint,  uhi 
sit  verhi  gratia  signum  Mercurii, 
vel  quotam  cancri  sideris  partem 
polum  discurrens  optineat  luna. 

576  numeris  {Bahyloniis  Hor.  I 
11,  3)  =  rationibus  Chaldaeorum, 
die  astrologischen  Rechnuugen  — 
TJirasyllus  der  bekannte  Hofastro- 
log  des  Tiberius,  hat  auch  astro- 
logische  Schriften  hinterlassen,  Dio 
LV   11.   LVIl  15. 

579  genesis  =  sidus  natalicium, 
vgl.  14,  248  nota  mathematicis  ge- 
nesis  tua,  deine  Gebnrts-Konstella- 
tion,  Nativitat.  —  koIXvqiov  (von 
y.oXXvQa,  Ziipfchen)  war  eine  schon 
von  Horaz  (s.  I  5,  30)  benutzte 
Augeusalbe. 

58 1  Fetosiris  war  ein  alter  agypti- 
scher  Astrolog.  Unter  seinem  Na- 
men  scheint  einPhilosoph  des  ersten 
christlichen   Jahrhunderts    astrolo- 


gische  Schriften  veroffentlicht  zu 
haben,  vgl.  Suidas  s.  v. 

582  Vor  diesem  Verse  scheinen 
einige  Verse  ausgefallen  zu  sein, 
die  etwa  den  Gedanken  enthielten, 
dafs  alle  Frauen,  hoch  und  niedrig, 
der  Astrologie  ergeben  seien,  und 
dafs ,  wenn  sie  die  Kunst  nicht 
selbst  verstehen,  sie  sich  an  die 
Gaukler  und  Betriiger  wenden.  — 
mediocris  niedereu  Standes,  wie  11, 
177  alea  turpis,  turpe  et  aduUerimn 
mediocrihus.  —  Im  circus  maximtis 
befanden  sich  zu  Anfang  und  zu 
Ende  der  Rennbahn  auf  einem  Unter- 
bau  je  drei  Kegelsllulen  (jnetae), 
und  zwischen  diesen  beiden  Zielen 
war  durch  die  ganze  Lilnge  der 
Bahn  eine  niedrige  Mauer  gezogen, 
welche  mit  Obeliskeu,  Saulen  und 
Gotterbildern  besetzt  war,  Mar- 
quardt  St.-V.  III  490.  Das  Weib 
durchlauft(ZMS<ra<)denganzenRaum 
zu  beiden  Seiten  der  metae,  zieht 
das  Schicksalslos  und  bietet  dem 
Gaukler  Hand  und  Stirn  (dem  me- 
toscopos)  zum  kraftigen  Schmatze; 
denn  das  nonnvona  ist  ein  lautes 
Schnalzen  mit  der  Zunge,  Petron. 
132  collisa  hihra  crepitant. 

585  —  591:  Donu  wahrend  die 
reiche  Fiau  die  Zukunftspriester 
fiir  Geld  ins  Haus  kommeu  lassen 
kann,  sucht  die  Plebejerin  die  Zu- 
kunft  auf  dem  Cirkus  und  auf  dem 


LIBRl  ir     SATVRA  VI 


135 


atque  aliquis  senior,  qui  publica  fulgura  condit: 
pleboium  in  circo  positum  est  et  in  aggere  fatum; 
quae  nudis  longum  ostendit  cervicibus  aurum, 
consulit  ante  falas  delphiuorumque  columnas, 
au  saga  veudenti  nubat  caupone  relicto. 

hae  tamen  et  partus  subeunt  discrimen  et  omnis 
nutricis  tolerant  fortuna  urguente  labores, 
sed  iacet  aurato  vix  ulla  puerpera  lecto. 
tantum  artes  huius,  tantum  medicamiua  possunt, 
quae  steriles  facit  atque  homines  in  veutre  uecaudos 
conducit.    gaude,  infelix,  atque  ipse  bibendum 
porrige  quidquid  erit;  nam  si  distendere  vellet 
et  vexare  uterum  pueris  salientibus,  esses 
Aethiopis  fortasse  pater,  mox  decolor  heres 
impleret  tabulas  numquam  tibi  maue  videudus. 


590 


595 


600 


589  armnm  Madvig         592  haec  P 


Wall  zu  erfahren.  Und  so  sieht 
man  das  armste  und  durftigate  Weib 
im  Cirkus  um  die  Gaukler  mit  der 
Frage  beschiiftigt,  ob  sie  ihren 
Gastwirt  verlassen  und  den  Trodler 
heiraten  soll. 

587  Es  ist  ein  Etruscus  haruspex, 
ein  fulyurator.  Denn  zur  discipJina 
Etrusca  gehorte  die  susceptio  imd 
procuratio  fulgurum.  Condtre  fulqur 
sagte  man,  wenn  die  vom  Blitz 
beruhrten  Gegenstiinde  unter  be- 
stimmten  Ceremonieen  in  die  Erde 
vergrabon  wurden.  DerOrt,  wo  dies 
geschah,  hiefs  hidcntdl. 

588  aggere,  zu  5,  153. 

589  longum  aurum  ihr  langes 
goldenes  Haar,  das  iiber  den  Nacken 
fallt,  weil  sie  nicht  Zeit  hat,  es 
zu  flecbten  und  zu  ringeln. 

590  Auf  der  spina  des  Cirkus 
waren  sieben  Delphine  und  eben- 
soviel  eiformige  Ovale  {ova  oder 
falaei  angebra<:ht,  und  nach  jedem 
der  sieben  Umlaufe  wurde  ein 
Delphin  umgedreht  nnd  ein  Ovale 
heruntergenommen,  Marqnardt  St.- 
V.  III  495. 

d,  592—609:  Die  Pflicht  Kinder 
zu  gebaren  und  zn  erziehen  kennt 
das  Tomehme  und  lasterhafte  Weib 
nicht  mehrj  iie  totet  die  Leibes- 
frucht  und  iafst  sich  fremde  Kin- 
der  unt^rschieben. 

592     hae,     solche     Frauen     der 


armeren  Volksklasse.  Sie  erfullen 
nicht  nur  die  Mutterpflichten,  son- 
dern  sind  auch  durch  ihre  Lage 
oder  durch  ihre  Verhaltnisse  ge- 
zwungen  (Jortuna  urguente),  ihre 
Einder  zu  nahrtn,  d.  h.  die  Amme 
zu  ersetzen,  die  sonst  in  jedem 
wohlhabenden  Hanse  gehalten 
wurde,  nutrix  oder  nutricula. 

595  artes  List,  Anschlage  der 
Weiber  iiberhaupt.  Schon  Ov.  m. 
VII  116  hat  den  Ausruf  tantum 
medicamina  possunt,  dort  aber  sind 
es  die  herhae  cantatae  der  Medea 
zum  Schutze  des  Jason  gegen  die 
feuerschnaubenden  Stiere ;  ihnen 
werden  verachtlich  huius  medica- 
mina  gegenubergestellt.  Zu  huius 
gehort  quae  .  .  conducit,  die  (tiir 
Geld)  es  iibernimmt,  wie  Liv.  XXIII 
48,  11  conducerentque  praehenda, 
quae  ad  exercitum  Hispaniensem 
opus  essent.  Die  abactio  partus  war 
nach  rSmischem  Recht  ein  homi- 
cidium. 

600  Vgl.  die  witzige  Schildernng 
bei  Mart.  VI  39.  —  decolor  ein 
Mulattengesicht,  Claud.  XVIU  123 
decolor  macies  occursu  laedit  omnes; 
anders  7,  226  cum  totus  decolor  esset 
Flaccus. 

601  impleret  tdbulas,  wie  2,  58 
notum  est  cur  solo  tahulas  imple- 
verit  Hister  liberto,  als  heres  ex 
asse.   —    mane,    weil    ein    solches 


136 


IVVENALTS 


transeo  suppositos  et  gaudia  votaque  saepe 

ad  spurcos  decepta  lacus  atque  inde  petitos 

pontifices,  salios  Scaurorum  nomina  falso 

corpore  laturos.    stat  Fortuna  inproba  noctu  605 

adridens  uudis  infantibus,  hos  fovet  ulnis 

involvitque  sinu,  domibus  tunc  porrigit  altis 

secretumque  sibi  mimum  parat;  hos  amat,  his  se 

ingerit  utque  suos  semper  producit  alumnos. 

hic  magicos  adfert  cantus,  hic  Thessala  vendit  610 

philtra,  quibus  valeat  mentem  vexare  mariti 
et  solea  pulsare  natis.    quod  desipis,  inde  est, 

603    lacu8  atque  pca    lacu  sa**+  P   lacus  saepe  g        606   omni  P 
omnis  vel  omues  co  ulnis  Marldand        612  desidis  P  corr.  p 

Kind  ein  formliches  prodigium  ware 
und  deshalb  mali  ominis  instar 
gelten  raufste,  wenn  man  ihm  mor- 
gens  begegnete,  Lucian.  Eun.  6 
von  einem  Eastraten:  dvGoimviGtov 
Tt  %tti  dvGccvTTjTOV  -S^ftvjLia: ,  sl'  Tig 
tm&sv  i^iav  sy,  Trjg  oitiLccg  iSoi. 

602  Ein  weiteres  Ungluck,  das 
aber  nicht  so  schlimm  ist  als  einer 
der  erwahnten  Falle  und  daher 
mehr  zum  spottischen  Lacheln  als 
zur  sittlichen  Entriistung  reizt,  ist 
die  Moglichkeit,  dafs  die  Frau  sich 
fremde  Kinder  unterschieben  lafst. 

603  Der  Mann  empfindet  schon 
im  voraus  Vaterfreude  und  sendet 
Gebete  zu  den  Gottern  um  gliick- 
liche  Entbindung  seiner  Gattin, 
wahrend  ihm  der  Sohn  geboren 
wird  nicht  im  Hause,  sonderu 
draufsen  im  Schmutz  eines  laeus, 
d.  h.  eines  sonst  nicht  gebrauchten 
Wasserbehalters  der  romischenWas- 
serleitung  oder  einer  Cisterne,  wo 
man  haufig  neugeborene  Sklaven- 
kinder  aussetzte.  Die  Ortlichkeit 
ist  sonst  nicht  weiter  bekannt,  vgl. 
Terent.  adelph.  583  ubi  ad  Dianae 
veneris,  ito  ad  dextram :  prius  quam 
ad  portam  venias,  apud  ipsum  la- 
cum  est  pistriUa  et  exadversum 
fabrica,  Plaut.  curc.  477  in  foro 
infimo  honi  liomines  atque  dites  am- 
hulant,  confidentes  garrulique  et 
malevoli  supra  lacum. 

604  salios  ist  Steigerung  von 
pontifices,  weil  die  Salier  immer 
Patrizier  waren,  nicht  blofa  Mit- 
glieder  der  Nobilitiit. 

605  Fortuna,  daher  die  BezeSch- 


nung  Fortunae  filius  'Schofskind. 
Fortunens'  bei  Hor.  s.  II  6,  49; 
80  hielt  die  Fortuna  Primigenia 
von  Praneste  auf  ihrem  Schofse 
zwei  saugende  Kinder.  Auch  hos 
fovet  ulnis  (Prop.  III  18,  9  fovit  in 
ulnis,  22,  37  me  cupidis  teneat  fo- 
veatque  lacertis)  involvitque  sinu 
deutet  auf  eine  bildliche  Darstel- 
lung  der  Fortuna,  -ebenso  adridens 
nudis  infantibus. 

608  secretus  im  Geheimen,  fiir 
sich,  mimus  Lustspiel,  Posse,  vgl. 
3,  40  quotiens  voluit  Fortuna  iocari, 
Hor.  IH  29,  50  Fortuna  saevo  laeta 
negotio,  et  ludum  insolentem  ludere 
pertinax.  —  hos  und  his  sind  nicht 
etwa  verschiedea,  sondern  dieselben 
alumni  Fortunae.  —  se  ingerit 
drangt  sich  auf,  kommt  ihnen  eut- 
gegen,  im  Gegensatz  zu  se  subducere 
oder  subtrahere. 

e)  610  —  626:  Die  Rucksichts- 
losigkeit  der  Frau  steigert  sich 
nicht  selten  zu  dem  Frevel,  dafs 
sie  den  Mann  durch  Zaubertranke 
in  Wahnsinn  versetzt. 

610  hic  —  hic  vendit  sind  die 
Verkaufer  der  Zauberformeln  und 
Zaubertranke.  Der  Ubergang  ist 
freilich  schroff  und  auffallend  havt. 
—  Thessalien  war  der  Hauptsitz 
der  Zauberei  im  Altertum,  weshalb 
Ov.  a.  II  99  die  cpiXTQtt  auch  Hae- 
moniae  artes  nennt. 

611  vexare  =  turbare,  Tac.  XII 
66  evqui^itum  aliquid placcbat,  quod 
turbaret  menlcm  et  mortem  diffcrrct. 

612  solca pulsare  natis  (^Xctvzovv)^ 
d.    h.    als    geistesschwach    bohan- 


LIBRI  II     SATVRA  VI 


137 


inde  animi  caligo  et  magna  oblivio  rerum, 
quas  modo  gessisti.    tamen  hoe  tolerabilo,  si  non 
et  furere  incipias  ut  avunculus  ille  Nerouis, 
cui  totam  tremuli  frontem  Caesonia  pulli 
iufuclit;  quae  nou  faciet,  quod  principis  uxor? 
ardebant  cuncta  et  fracta  compage  ruebant, 
non  aliter  quam  si  fecisset  luno  maritum 
iusanum.    miuus  ergo  nocens  erit  Agrippinae 
boletus,  siquidem  unius  praecordia  pressit 
ille  senis  tremulumque  caput  descendere  iussit 
in  caelum  et  longa  manantia  labra  saliva. 
haec  poscit  ferrum  atque  igues,  haec  potio  torquet, 
haec  lacerat  mixtos  equitum  cum  sanguine  patres. 
tanti  partus  equae,  tanti  una  venefica  constat. 
oderunt  natos  de  paelice;  uemo  repugnet, 


615 


620 


625 


615  avunculis  P        620  erat  lahn 


deln.  —  Jesipis,  aitoatQocpri  ad  ma- 
ritum.  Schol. 

614  quas  modo  gessisti:  dieselbe 
Uraschreibung  10,  235  nec  ipsos  , 
quos  geniiit,  quos  eduxit  in  der  Schil- 
derung  der  dementia  seiiis. 

615  furere,  denn,  sagt  Ov.  a.  II 
106,  philtra  nocent  animis,  vimque 
furoris  habent.' 

616  Milonia  Caesonia  war  die 
Frau  des  C.  Caesar  Caligula.  Da 
Caligula  und  die  jiingere  Agrip- 
pina  (Kinder  des  Germanicus  und 
der  alteren  Aprippina)  Geschwister 
waren,  so  war  Caligula  der  Oheim 
des  Nero,  dessen  Mutter  die  jiingere 
Agrippina  war.  —  fjuUi,  vgl.  13.3 
und  Ov.  a.  II  100  datque  quod  a 
tencri  {tremuli  Jnv. ,  i.  e.  recens 
natii  fronte  reveliit  equi.  Suet.  Cal. 
50  creditur  potionatus  a  Caesonia 
uxore  anmtorio  quidem  medicamento, 
sed  quod  in  furorem  verterit. 

618  cuncta,  das  AIl,  die  Welt 
war  in  Brand  geraten  {ardebant), 
wie  Hor.  II  1,  23  cuncta  terrarum 
subacta,  oder  III  1,  8  cuncta  super- 
cilio  moventis.  Auch  fracta  com- 
page  erinnert  an  das  Horazische  si 
fractus  inlabatur  orbis. 

620  —  623  enthalten  eine  ironi- 
bche  Zwischenbemerkung,  denn  624 
haec  potio  kehrt  wiederum  zn  dem 
(piltgov  der  Caesonia  zuruck.  — 
erit,  si  quis  Caesoniae  facinus  cum 


Agrippinae  scelere  comparaverit  vel 
utrumque  crimen  rectius  considera- 
verit. 

621  Suet.  Claud.  44  et  veneno 
quidem  occisum  eonvenit;  uhi  autctn 
et  per  quem  dato,  discrepat.  Quidam 
tradunt,  epulanti  in  arce  cum  sacer- 
dotibus  per  Halotum  spadonem  prae- 
gustatorem;  alii  domestico  convivio 
jter  ipsam  Agrippinam ,  quae  bole- 
tum  medicatum  avidissimo  ciborum 
talium  optulerit. 

622  Suet.  Claud.  30  praeterea 
linguae  titubantia  caputque  cum 
semper  tum  in  quantulocumque  actu 
vel  maxime  tremulum.  —  descendere 
in  caelum  ist  ein  Oxymoron,  wie 
uberhaupt  iiber  den  Tod  des  Clau- 
dius  viel  gewitzelt  wurde.  Nach 
Dio  LX  35  soll  Nero  gesagt  haben 
Tovg  (ivtirjrag  &scov  §QWfia  Bivai, 
Junius  Gallio :  tov  KXavSiov  ayv.£- 
OTQcp  (durch  einen  uncus  im  Hals) 
£g  Tov  ovQavov  dvBvsx^>ivai,  und 
Seneca  schrieb  seine  dito-/.oXoy.vv- 
rtofftg. 

626  venefica  Zauberin,  constat, 
denn  die  romische  Welt  mufste 
ihren  Zauber  teuer  bezahlen! 

f)  627—661:  Schlief.slich  mordet 
das  Weib  ihre  Kinder  und  den  Manu, 
nach  der  Mode  der  Zeit  mit  Gift, 
mitunter  auch,  wenn  es  sein  mufs, 
mit  dem  Beil,  wie  Klytamnestra. 

627  sq.  Die  Konjunktive  repugnet 


138 


IVVENALIS 


nemo  vetet,  iam  iam  privignum  occidere  fas  est. 
vos  ego,  pupilli,  moneo,  quibus  amplior  est  res, 
custodite  animas  et  nulli  credite  mensae^ 
livida  materno  fervent  adipata  veneno. 
mordeat  ante  aliquis,  quidquid  porrexerit  illa, 
quae  peperit;  timidus  praegustet  pocula  papas. 
fingimus  haec  altum  satura  sumente  cothurnum 
scilicet,  et  finem  egressi  legemque  priorum 
grande  Sophocleo  carmen  hacchamur  hiatu, 
montibus  ignotum  Rutulis  caeloque  Latino? 
nos  utinam  vani.    sed  clamat  Pontia  'feci, 
confiteor,  puerisque  meis  aconita  paravi, 
quae  deprensa  patent;  facinus  tamen  ipsa  peregi'. 


630 


635 


640 


629  vos  equo  P  rasa  q        632  sq.  om.  Ps  add.  pw 


und  vetet  haben  konzessive  Bedeu- 
tung:  dem  mag  meinetwegen  nie- 
mand  widerstreben :  ist  es  ja  doch 
schon  kein  Verbrechen  mehr  {fas 
est),  wird  nicht  mehr  als  solches 
gefiihlt  und  beurteilt,  wenn  eine 
den  Stiefsohn  mordet. 

629  vos  pupilli,  selbst  ihr,  die 
eigenen  Kinder,  seid  nach  dem  Tode 
des  Vaters  unter  der  Obhut  der 
Mutter  nicht  mehr  sicher,  wenn 
euer  Vermogen  (m)  ansehnlich 
(amplior)  ist. 

681  adipatum  fettes  Backwerk, 
livida  von  der  Wirkung  auf  die 
Hautfarbe:  von  der  Mutter  Gift 
droht  (fervent)  fahler  Tod  am  rei- 
chen  Tisch. 

632  s"q.  illa  quae  pepcrit  die  leib- 
licheMutter,wie  tj  TfKouca,  Aeschyl. 
Choeph.  12G  nsTCQansvoL  yccQ  vvv 
ys  ncog  dlwnf&a  TtQog  xrig  tsiiovorig. 
—  pdpas  =  0  ndmtag,  das  sich  zu 
irarriQ  verhalt,  wie  (id^fia  zu  iirjzrjQ, 
vgl.  axxa,  zstra,  von  dem  Er- 
zieher,  der  ganz  fiir  seinen  Zogliug 
lebt,  wie  Phoinix  fvir  den  jungen 
Achilleus. 

635  scilicet  scheint  nicht  zu  co- 
thurnum,  sondern  zu  (ingimus  haec 
zu  gehoren  und  einc  ironische  suh- 
iectio  einzufiihren,  vgl.  Cornif.  IV 
33.  Er  fiirchtet  liber  die  Grenze  und 
die  lex  satirae  condendae  (Hor.  ep. 
II  3,  135  operis  lex)  hinauszugehen 
und  sich  in  Aufgaben  der  Tragodie 


zu  verlieren,  dem  Sinne  nach  = 
Claud.  XVIII  298  exempla  creantur, 
quae  socci  superent  risus  luctusque 
cotkurni. 

636  carmen  hacchamur  =  hacchico 
furore  elati  carmen  fingimus,  So- 
phocleo  hiatu,  wie  Pers.  5,  3  fahula 
seu  maesto  ponatur  hianda  tragoedo, 
Verg.  ecl.  8,  10  sola  Sophocleo  tua 
earmina  diyna  cothurno. 

637  caelo  Latino  erklart  12,  103 
nee  Latio  aut  usquam  sub  nostro 
sidere  talis  helua  concipitur,  3,  84 
nihil  est  quod  nostra  infantia  cae- 
lum  hausit  Aventini? 

638  vani,  d.  h.  ware  es  doch 
nur  Dichtuug  (fahulae),  aber  leider 
ist  es  volle  Wirklichkeit,  wenn  sie 
auch  nicht  glaublich  erscheint,  vgl. 
15,32.—  Pontia  P.  Petroni  filia ,  quem 
Nero  convictum  in  crimine  coniura- 
tionis  damnavit,  defuncto  inarito 
filios  suos  veneno  necasse  convicta 
cum  largis  se  epulis  oncrasset  et 
vino,  vcnis  incisis  saltans  extincta 
est.  Schol.  Ihre  Grausamkeit  war 
sprichwortlich  geworden,  Mart.  II 
34  0  mater,  qua  nec  Pontia  deterior. 

639  aconita,  vgl.  1,  158. 

640  Das  Gift  ist  entdeckt  und 
liegt  offen  vor  aller  Augen,  den- 
noch  schiebe  ich  nicht,  was  m()g- 
lich  wiire ,  die  That  aut'  eiuen 
anderen,  sondern  bekenne  mich, 
obwohl  ich  die  Mntter  bin,  selbst 
zu  der  That. 


LTBRl  II     SATVRA  VI 


139 


tuiie  diios  una,  saevissima  vipera,  cena? 
tune  duos?  'septem,  si  septem  forte  fuissent/ 
credaiuus  tragicis,,  quidquid  de  Colcbide  torva 
dicitur  et  Progue;  nil  contra  conor.    et  illae 
grandia  monstra  suis  audebant  temporibus,  sed 
non  propter  nummos;  minor  admiratio  summis 
debetur  monstris.    quotiens  facit  ira  nocentes 
bunc  sexum,  rabie  iecur  incendente  feruntur 
praecipites  ut  saxa  iugis  abrupta,  quibus  mons 
subtrabitur  clivoque  latus  pendente  recedit: 
illam  ego  non  tulerim,  quae  computat  et  scelus  ingens 
sana  facit.    spectant  subeuntem  fata  mariti 
Alcestim,  et  similis  si  permutatio  detur, 
morte  viri  cupiaut  animam  servare  catellae. 
occurrent  multae  tibi  Belides  atque  Eriphylae 
mane,  Clytaemnestram  nullus  non  vicus  habebit. 
hoc  tantum  refert,  quod  Tyndaris  illa  bipennem 
iusulsam  et  fatuam  dextra  laevaque  tenebat, 


645 


650 


655 


647  nocentera  pco       648  rabiem  iecur  inpendere  P       652  fata  ^Jw. 
et  fata  P        666  clytemestram  P 


641  sq.  ttine  —  tune:  die  Epana- 
diplosis  ohne  Verbum  {necasti)  stei- 
gert  die  Entrii^tung,  vgl.  1,  89.  — 
septevi:  ahnlich  ruft  Medea  bei 
Senec.  962  iitinmn  superbae  turba 
Tantalidos  (der  Niobe)  «?eo  exisset 
utero  bisque  septenos  parens  gnatos 
tulissem. 

644  Medea  und  Progne  {TJQO-Avri) 
oder  Tereus  waren  beliebte  Stoffe 
der  Tragiker.  .  So  wissen  wir  von 
einem  Tereus  des  Sophokles,  Phi- 
lokles  und  Accius,  von  einer  Medea 
des  Neophron,  Euripides,  Ovidius, 
Seneca,  Maternus  und  Bassus. 

647  Verg.  V  6  notum  ftirens  quid 
femina  possit.  Ihr  Zorn  ist  unauf- 
haltsam,  wie  ein  Bergsturz,  wie 
ein  elernentares  Ungliick. 

648  Uber  iecur  rabies  incendit 
vgl.  zu  13,  14. 

650  Die  Seite  des  Berges  weicht 
zuriick  unter  dem  heriiberhangen- 
den  Gipfel.  Wenn  der  Berggipfel 
sich  heriibemeigt  und  herabzu- 
stiirzen  droht,  so  scheint  im  selben 
Augenblick  die  Seitenflache  des 
Berges  gewissermafsen  zuriickzu- 
treten. 


652  sana  'kalteu  Blutes',  con- 
sulto  et  cogitata  oder  meditata,  im 
Gegensatz  zum  furor,  der  insania 
oder  perturbatio  animi. 

653  Alcestim,  die  wegen  ihrer 
Gattenliebe  und  Aufopferungsfilhig- 
keit  sprichwortlich  war,  Mart.  IV  75 
nec  minor  Alcestin  fama  sub  astra 
ferat.  Aufser  dem  Drama  des  Euri- 
pides  hatten  die  Romer  eine  Be- 
arbeitung  des  Laevius,  Gell.  XIX  7 
cum  aptid  mensam  audissemus  legi 
Laevi  Alctstin. 

655  Die  Danaiden  {Bdides  nach 
ihrem  Grofsvater  genannt)  und 
Eriphyle,  die  Gattin  des  Amphia- 
raos,  sind  typische  Beispiele  der 
Verraterei  und  des  Gattenmordes, 
Horat.  III  11,  25  audiat  J.yde  sce- 
lus  etc. 

656  mane,  nachdem  sie  ebeu  erst 
in  der  Nacht  den  Mord  vollbracht, 
vgl.  312  tu  caUas  luce  reversa  con- 
iugis  urinam  magnos  visurus  amicos. 
—  Die  Fatura  occurrent  und  hdbebit 
sind  kondicional:  wenn  es  so  weiter 
geht,  wird,  was  jetzt  vereinzelt 
vorkommt,  alltaglich. 


140 


IVVENALIS 


at  nunc  res  agitur  tenui  pulmone  rubetae  — 
sed  tamen  et  ferro,  si  praegustabit  Atrides 
Poutica  ter  victi  cautus  medicamina  regis. 


660 


IVVENALIS 

SATVRARVM 

LIBER  TERTIVS 


SATVRA  VII 

Et  spes  et  ratio  studiorum  in  Caesare  tantum. 
solus  enim  tristes  hac  tempestate  Camenas 

660  praegustarit  S  (-aret  poj) 
VII  2  ac  P 


659  tenui,  fein,  unmerklich;  zur 
Saclie  vgl.  1,  70. 

660  Atricles  heifst  der  vornehme 
dominiis,  weil  er,  wie  Agamemnon, 
von  der  doniina  ermordet  wird. 

661  medicatnina  =  aAs^tqpapftaxa, 
Mart.  V  76  profecit  poto  Mitliri- 
dates  saepe  veneno,  toxica  ne  possent 
saeva  nocere  sibi,  vgl.  Juv.  14,  252. 
Mithridates  wurde  dreimal,  d.  h. 
von  Snlla,  LucuUus  und  Pompejus 
besiegt.  Der  Feldzug  des  Murena 
war  zu  unbedeutend,  als  dafs  er 
hier  von  selbst  verstanden  werden 
konnte. 

Sat.  VII. 
Die  Satire  behandelt  die  traurige 
Lage  der  Dichter  und  Litteraten 
in  Rom.  Die  Zeit  ihrer  Abfassung 
ist  nicht  bekannt.  Es  ist  abor  un- 
verkenubar,  dafs  der  Dichter  zwei 
Perioden  unterscheidet.  Erstens  hebt 
er  die  Gegenwart  hervor,  die  wenig- 
stens  dureh  die  Teilnahme  des  Kai- 
sers  fiir  die  Dichter  troBtlicher  zu 
werden  verspricht  (V.  1 — 3),  und 
dieser  Gegenwart  stellt  er  die 
niichste  Vergangeuheit  gegenijber, 
die  auch  den  besten  und  gefeiert- 
sten  Dichtern  nur  bittere  Not  und 
Enttauschunggebrachthat(V.3  — 7). 
Diese  Vergangenheit  kann  nur  die 
Regierungszeit  Domitians  sein,  in 
der  angesehene  Dichter  wie  Statius 


und  Martialis  lebten,  die  aber  end- 
lich  arm  und  enttauscht  Rom  ver- 
lassen  mufsten,  Statius  ira  J.-  94/95, 
Martialis  im  J.  98. '  Uberhaupt  hat 
es  sich  ja  Juvenal  zur  wesentlichen 
Aufgabe  gemacht,  die  Zeit  Domi- 
tians  zu  schildern  (1,  171),  und  da- 
bei  zugleich  die  Zustande  der  Gegen- 
wart  zu  beleuchten.  Demnach  ist 
es  mehr  als  wahrscheinlich,  dafs 
in  dem  V.  1  erwahnten  Caesar  der 
Kaiser  Trajan  zu  verstehen  ist.  An 
Hadrian  zu  denken  ist  schon  darum 
uumoglich,  weil  in  keiner  Satire 
Juvenals  ausdrvicklich  auf  die 
Sittenzustande  unter  jenem  Kai- 
ser  Bezug  genommen  wird,  wenn 
man  nicht  ganz  allgemeine  Klageu, 
wie  sie  in  Sat.  XIII  und  XIV  aus- 
gesprochen  werden,  hierher  ziehen 
wiU.  Es  ist  darum  auch  wahr- 
scheinlich,  dafs  die  siebente  Satire 
noch  unter  Trajan  verfafst  ist.  Mit 
der  Klage  Juvenals  stimmt  Mart. 
III  38  vollkommen  liberein. 

1  —  97:  Die  trostlose  Lage  der 
Dichter. 

1  s^ws  und  ratio,  Hoffnuug  und 
Berecbnung,  verniinftige  Hoffnung, 
sind  synonym,  deun  wie  V.  30  spes 
nulla  ulterior  gesagt  ist,  so  heifst 
es  4,  20  est  ratio  ulterior.  —  in 
Caesare,  sc.  est  oder  posita  est. 

2  sq.  Wie  die  Dichter,  so  trauern 


LIBRI  III    SATVRA  VII 


141 


respesit,  cum  iam  celebres  notique  poetae 
balueolum  Gabiis,  Romae  conducere  furnos 
temptarent,  nec  foedum  alii  uec  turpe  putarent 
praecones  fieri;  cuni  desertis  Aganippes 
vallibus  esuriens  migraret  in  atria  Clio. 
nam  si  Pieria  quadrans  tibi  nullus  in  umbra 
ostendatur,  ames  uomen  victumque  Machaerae 
et  vendas  potius,  commissa  quod  auctio  vendit 
stantibus,  oenophorum  tripodes  armaria  cistas 
Alcithoeu  Pacci,  Thebas  et  Terea  Fausti. 


10 


4  corducere  foruos  P 
theon  P 


9  amens  P  utcumque  P 


12  alci- 


die  Camenen,  die  romischen  Musen, 
beide  fiihlen  sich  vereinsamt  und 
verlassen,  vgl.  3,  16  et  eiectis  men- 
dicat  silva  Cavienis.  Der  Kaiser 
ist  der  einzige,  der  bis  jetzt  eineu 
Gnadenblick  auf  sie  geworfen  hat 
{respcxit):  respiccre  heifst  einen 
frenndlichen  Blick  auf  solchewerfen, 
die  verschiimt  zur  Seite  stehen  und 
nicht  hervorzntreten  wagen. 

4  halneolum  Gahiis,  denn  in  Rom 
wiirde  ein  solches  Unternehmen  zu 
viel  Vermogen  erfordern.  In  Rom 
konnte  ein  Dichter  hochstens  einen 
Backofeu  zu  mieteu  hoffen.  Bad  und 
Backofen  wurden  oft  von  solchen 
aufgesucht,  die  sich  erwiirmen  woll- 
ten,  Hor.  ep.  I  11,  12  nec  qui  frigus 
coUegit,  furnos  et  halnea  laudat  ut 
fortitnatam  plene  pracstantia  vitam. 

6  praecones,  Auktionator,  Aus- 
rufer,  ein  Gewerbe,  das  in  Rom 
mifsachtet,  aber  doch  mitunter  sehr 
eintraglich  war,  ilart.  V  56  si  duri 
puer  ingeni  videtur ,  praeconem  fa- 
cias  vel  architectum ,  dann  gewinnt 
er  eine  ars  pecuniosa,  und  VI  8  er- 
halt  ein  praeco  als  Bewerber  um 
ein  Madchen  sogar  vor  Pratoren 
und  Tribnnen  den  Vorzug.  —  Aga- 
nippe  ist  eine  Musenquelle  am  Heli- 
kon  in  Bootien;  unter  vallcs  Aga- 
nippes  ist  das  romantische  Thal  zu 
versteben,  welches  die  Quelle  durch- 
fliefat.  Hier  war  ein  Heiligtum  Apoi- 
los  und  der  Musen. 

7  Clio  .steht  fiir  den  Dichter,  wie 
V.  2  tristes  Cainenae.  —  atria,  sc. 
auctionaria ,  von  Privaten,  die  aus 
der  Versteigerong  von  Privatgiitern 


oder  Trodlerwaren  ein  Geschiift 
machten,  Versteigerungshallen.  Cic. 
p.  Quint.  12  und  25  nennt  z.  B.  atra 
Licinia,  nach  dem  Namen  eines 
solchen  Auktionators. 

8  Pieria  in  umhra,  'im  Musen- 
hain',  Mart.  IX  84  haec  ego  Pieria 
ludeham  tutus  in  umhra,  Hor.  ep. 
II  2,  77  scriptorum  chorus  omnis 
amat  nemus  et  fugit  urhes,  rite  cliens 
Bacchi  somno  gaudentis  et  umhra. 

9  ames  =  dya7i(p7]g  dv ,  magst 
du  dich  lieber  bescheiden,  kannst 
du  sogar  schiitzen.  —  Machuera 
{(iccxccLQa)  ist  unbekannt;  nach  dem 
Zusammenhang  scheint  er  der  In- 
haber  eines  atrium  auctionarium 
gewesen  zu  sein. 

10  commissa  auctio  ist  nicht  die 
zur  Versteigerung  anvertraute  Ware, 
sondern  die  dem  praeco  iibertragene 
Versteigerung  selbst. 

11  oenophorum,  zii  6,  426.  —  ar- 
maria,  'Schranke'  fiir  Kleider,  Bii- 
cher,  Geld  und  Wirtschaflsgegen- 
stiinde. 

12  Die  Dichter  Paccius  und  Fau- 
stiis  sind  nicht  bekannt.  —  Alcithoe 
(AXv.aQ^ori)  war  Tochter  des  Minyas 
in  Orchomenos,  Schwester  der  Leu- 
kippe  und  Arsippe.  Als  dem  Dio- 
nysos  zu  Ehren  alle  Frauen  uud 
Jungfrauen  auf  den  Bergen  umher- 
schwarmten,  blieben  sie  allein  in 
emsiger  Arbeit  zu  Hause  und  wur- 
den  deshalb  von  Dionjsos  in  Fleder- 
mause  verwandelt,  Ov.  m.  IV  1—40. 
390  sq.  tJber  Tereus  vgl.  6,  644, 
Alcithoe  und  Tereus  waren  Tra- 
godien,  dagegen  deutet  Thehas  auf 


142 


IVVENALIS 


hoc  satius,  quam  si  dicas  sub  iudice  *vidi' 
quod  non  vidisti:  faciant  equites  Asiaui, 
quamquam  et  Cappadoces,  faciant  equites  Bithyni, 
altera  quos  nudo  traducit  gallica  talo. 
nemo  tamen  studiis  indignum  ferre  laborem 
cogetur  posthac,  nectit  quicumque  canoris 
eloquium  vocale  modis  laurumque  momordit. 
hoc  agite,  o  iuvenes.     circumspicit  et  stimulat  vos 


15 


20 


15  equitesque  Pco   corr.   W         16  gallia  pm       18  cogitur  P      ca- 
nores  P        20  vel  nos  superscr.  p 


eine  Thebais,  also  auf  ein  grofseres 
Epos  hin.  Die  verzweifelten  Dich- 
ter  verkaufen  ihre  grofsen  W^erke 
als  Makulatur.  Oder  ist  es  ein 
Seitenhieb  auf  Dichter  deren  Werke 
das  Publikum  am  liebsten  zum  Trod- 
ler  tragt? 

13  suh  iudice,  zu  4,  12;  iihnlich 

15,  26  solus  enim  haec  Ithacus  nullo 
sub    teste   canebat.    —    'vidi\   wie 

16,  30. 

14  sq.  faciant,  sc.  das  Ablegen 
falscher  Zeugnisse,  ist  konzessiv, 
ebenso  wie  faciant  equites  Bithyvn. 
Dazwischen  tritt  die  hohnische  Be- 
merkung  quamquam  et  Ca^^padoces, 
sc.  faciant,  denn  die  Kapj)adokier 
standen  in  dem  allerschlitrimsten 
Iluf  und  wurden  alle  fvir  Sklaven 
angesehen,  Anth.  Pal.  XI 23S Kaitna- 
doTiai  (pavloi,  ^sv  dsi,  ^avrjg  dl  tv- 
j^ovrsg  (d.  h.  im  Kriege)  q)avX6xEQ0i, 
■KSQdovg  d'  sivs-Ka  cpavloraroi.  rjv 
d'  aQK  dlg  ■aai  r^lg  ^sydlrjg  dQa- 
^oovtai  aTzrjvrjg,  Srj  rors  yiyvovrav 
ipavlsmcpavXorazoi. —  Zw  quamquam 
im  abgekiirzten  Neben  od.  Zwischen- 
satz  vgl.  6,  199  quamquam  et  Car- 
popJtoro,  sc.  mollius  {dicas). 

16  altera  gallica  ist  der  in  Gallia 
oltera  verfertigte  Halbschuh,  wel- 
cher  aus  einer  dicken  Sohle  be- 
stand,  am  Rande  mit  einem  nie- 
drigen  Stiick  Leder  verseheu  und 
mit  Riemen  am  Fufse  befestigt  war, 
vgl.  Gelt.  XIII  22,  5  omnia  enim 
ferme  id  genus,  quibus  pilantarum 
calces  tantum  infimae  teguntur,  ce- 
tera  prope  nuda  (daher  mido  talo) 
et  teretibus  habenis  vincta  sunt,  'so- 
leas''  dixerunt,  nonnumquam,  voce 
Graeca  'crepidulas\    'Gallicas'  au- 


tem  verbum  esse  opinor  novum,  non 
diu  ante  aetatem  M.  Ciceronis  usur- 
pari  coeptum,  itaque  ab  eo  ipso 
positum  est  in  sccunda  Antoniana- 
rum  (§  76):  cum  gallicis ,  inquit,  et 
lacerna  cucurristi.  Ob  dieser  Schuh 
in  Gallia  transalpina  oder  in  6a- 
latien  verfertigt  und  deshalb  gallica 
altera  benannt  worden  ist,  ist  nicht 
festzustellen,  Jedenfalls  erregte  die 
gallica  bei  einem  Ritter  in  Rom 
Aufsehen  und  machte  ihn  liicher- 
lich,  daher  traducebat,  vgl.  zu  2,  159. 
Provinzialen  erlangten  nicht  selten 
in  Rom  die  Ritterwvirde.  Gegen 
diese  Eindringlinge,  besonders  aber 
gegen  die  Orientalen  hatten  die 
Romer  die  starkste  Antipathie. 

18  posthac,  fernerhin,  da  der 
Kaiser  die  echten  Dichter  wieder 
begiinstigt. 

19  eloquium  vocale,  melodische, 
wohlklingende  Worte;  anders  13,  32 
Faesidium  laudat  vocalis  agentem 
sportula,  doch  ist  diese  Verbindiing 
absichtlich  komisch.  Komisch  ist 
der  Zusatz  laurum  momordit;  er 
bezieht  sich  auf  die  Sitte,  dafs 
die  Dichter  sich  mit  dem  Epheu 
des  Bacchus  bekranzten,  um  sich 
dadurch  iu  heilige  Begeisterung  zu 
versetzen.  Mitunter  bekriinzte  man 
sich  auch  mit  dem  Lorbeer  des 
Apollo,  Bentley  zu  Hor.  III  30,  15. 

20  sq.  hoc  agitc,  rovxo  nQarrsrs,  dar- 
auf  sinnet,  dem  wendet  Herz  und 
Sinn  zu,  ist  wie  liiiguis  faverc  eigent- 
lich  ein  sakraler  Ansdruck.  Das 
Gegenteil  ist  alias  res  {dllorQia) 
agere,  vgl.  48  nos  tamcn  hoc  agi- 
mus.  —  dux  vom  Kaiser,  wie  4,  145 
und  schon  Hor.  IV  5,  6  lucem  reddc 


LIBRI  III    SATVRA  VII 


143 


materiamque  sibi  ducis  indulgeutia  quaerit. 
siqua  aliunde  putas  rerum  spectauda  tuarum 
praesidia  atque  ideo  oroceae  membraua  tabellae 
implentur,  lignorum  aliquid  posce  ocius  et  quae 
componis,  dona  Veueris,  Telesiue,  marito, 
aut  clude  et  positos  tiuea  pertunde  libellos. 
frange  miser  calamum  vigilataque  proelia  dele, 
qui  facis  in  parva  sublimia  carmina  cella, 
ut  dignus  venias  hederis  et  imagine  macra. 
spes  nulla  ulterior;  didicit  iam  dives  avarus 
tantum  admirari,  tautum  laudare  disertos, 
ut  pueri  lunonis  avem.     sed  defluit  aetas 


26 


30 


22  exspectanda  co       23  crocea  P  corr.  p       24  impletur  ^)0)       27  ca- 
lamum  F:  calamos  jjco 


tuae,  diix  bone,  patriae.  Stat.  s. 
V  2,  125  ergo  aye,  nam  magni  du- 
cis  indulgentia  pidsat. 

22  si  qua  aliunde  tritt  zu  dem 
Vorausgehenden  in  scharfen  Gegen- 
satz  =  nam  si  qua  aliundc  pu- 
tas  etc. 

23  Das  seltnere  Neutrum  mem- 
brana  fvir  das  iiblichere  membranae 
ist  hier  durch  die  daneben  stehende 
gleichlautende  Genetivtorm  croceae 
tabellae  veranlafst.  Die  tabella  cro- 
cea  (von  der  Farbe  des  Holzes)  ist 
die  Einfassung  der  meuibrana  oder 
der  pugillares  membranacei.  Es  ent- 
spricht  daher  tabella  crocea  unserem 
Einband.  So  wurde  das  Gedicht 
dem  Patron  iiberreicht. 

25  dona,  opfere  oder  bringe  dar, 
lieber  dem  Vulkan,  dem  Gemabl 
der  Venus,  als  dem  Patron,  d.  h. 
wirf  es  lieber  ins  Feuer.  —  Tele- 
sinus  war  ein  epi.scher  Dichter, 
vielleicht  der  unter  Domitian  aus 
Italien  verwiesene  Philosoph  Luc- 
cejus  Telesinus,  vgl.  Teuffel,  R.  L. 
319,  6. 

26  pertunde,  lafs  zerfressen,  vgl. 
3,  207  et  divina  opici  rodebant  car- 
mAna  mures. 

27  Mart  IX  73  frange  leves  ca- 
lamos  et  scinde  {=  .luv.  7,  177), 
Ihalia  libeUos.  Ov.  f.  IV  109  car- 
men  vigilatum  dicitur  ad  clausas 
concinuisse  fores. 

28  parva  cella,  verachtlich  von 
einer  armseligen  Mietswohnung, 
Mart.  VIII  14  at  mihi   cella  datur, 


non  tota  clusa  fenestra,  wie  unser 
Loch. 

29  venias,  hervortrittst,  erscheinst, 
Verg.  V  344  gratior  pulchro  ve- 
niens  in  corpore  virtus  vgl.  184  und 
185.  —  imagine  macra,  weil  der 
Dichter  selbst  Hungerleider  ist.  Die 
Werke  angesehener  Dichter  kamen 
in  die  von  August  (28  v.  Chr.)  ge- 
griindetete  palatinische  Bibliothek 
mit  der  BiLste  des  Verfassers.  Es 
kann  aber  auch  das  epheubekranzte 
Portrat  des  Dichters  alsTitelkupfer 
gedacht  werden,  wie  z.  B.  Mart. 
XIV  186  quam  brevis  immcnsum  ce- 
pit  membrana  Maronem!  ipsius  et 
vultus  prima  tabella  gerit.  Er  er- 
scheint  dessen  wiirdig,  wenn  der 
Verleger  diese  Ausstattung  veran- 
lallst  hat. 

30  dives  avarus,  wie  8,  49  nobi- 
lis  indocti,  9,  38  moUis  avarus;  das 
Attribut  {avarus)  ist  in  diesen  Bei- 
spielen  hj^othetisch. 

31  disertus  und  facundus  werden 
in  der  silbernen  Latinitat  auch  von 
schriftstellerischerGewandtheit  und 
Stilfertigkeit  gebraucht,  vgl.  35. 

32sq.  [Tac.Jdia].  10 quotusquisque, 
cum  ex  Hispania  vel  Asia  in  urbem 
venit ,  Saleium  Bassum  requirit? 
atque  adeo  si  quis  requirit,  ut  semel 
vidit,  transit  et  contentus  est,  ut  si 
picturam  aliquam  vel  statuam  vi- 
disset.  —  sed:  eine  Zeitlang  geht 
dies  wohl,  aber  allmahlich  verfallt 
{defluit)  die  Jugendkraft,  vgj.  Nagels- 
bach,  Stil.  131,4.  Hor.  ep.  II  1,  158 


144 


IVVENALIS 


et  pelagi  patiens  et  cassidis  atque  ligonis. 
taedia  tunc  subeuut  animos,  tuuc  seque  suamque 
Terpsichoren  odit  facunda  et  nuda  senectus. 

accipe  nunc  artes.     ne  quid  tibi  conferat  iste, 
quem  colis  et  Musarum  et  Apollinis  aede  relicta, 
ipse  facit  versus  atque  uni  cedit  Homero 
propter  mille  annos;  et  si  dulcedine  famae 
succensus  recites,  Maculonis  commodat  aedes. 
haec  longe  ferrata  domus  servire  iubetur, 
in  qua  sollicitas  imitatur  ianua  portas. 


35 


40 


38  ipsa  P    ipsae  p 
culosas  S    maculonus  g 


39  sed  vel  at  vel  aut  s  tu  Hermann     40  ma- 


sic  horridus  ille  defluxit  numerus 
Saturniiis,  verschwaud,  horte  auf 
wie  ein  Strora  zu  fliefsen,  Hor.  qt^. 
I  2,  42  dum  defluat  amnis.  —  Meer, 
Helm  und  Hacke  stehen  fiir  Schifts- 
dienst,  Kriegsdienst  und  Ackerbau. 
34  subeunt,  beschleicht,  vgl.  14, 
201  nec  te  fastidia  mercis  ulJius 
subeant. 

36  Dafs  der  Dichter,  abgesehen 
vom  Kaiser,  von  den  Grofsen  keine 
Hiilfe  oder  Belohnung  zu  erwarten 
hat,  ist  bereits  gesagt;  vernimm 
nun  ihre  Kniff^e  und  Schliche  {artes), 
die  sie  gegen  den  Dichter  anwenden. 

37  colis,  als  Klient.  Er  verlafst 
selbst  den  Tempel  des  Apollo  und 
der  Musen,  um  in  der  Gesellschaft 
seines  Patrons  zu  leben.  Der  Tem- 
pel  der  Musen  und  des  ApoUo  ist 
vyahrscheinlich  die  im  templum  no- 
vum  (am  Abhange  des  Palatin  und 
in  unmittelbarer  Nahe  der  domus 
Tiberiana)  von  Tiberius  angelegte, 
den  Musen  geweihte  Bibliothek, 
Mart.  XI[  3  iure  tuo  veneranda  novi 
]]eie  (Anrede  an  das  12.  Buch  Mar- 
tials)  limina  ttmpli,  rcddita  Pierio 
sunt  ubi  tecta  choro.  Statt  hier  zu 
arbeiten  folgt  der  Klient  seinem 
Patron  und  verbringt  damit  seine 
beste  Zeit. 

38  Wenn  der  Dichter  ihm  ein 
Werk  dediciert,  so  erwidert  er  die 
Dedikatiou  nicht  mit  einem  ausehn- 
lichen  Geschenk,  sondern  mit  einer 
cigenen  Dichtung,  vgl.  Mart.  VH  46, 
Stat.  IV  9,  1  est  sanc  iocus  iste, 
quod  libcllum  misisti  mihi,  Crrype, 
pro  libello.    urbanum  tamen  hoc  po- 


test  videri,  si  posthac  aliud  mihi 
remittes;  nam  si  ludere,  Grype,  per- 
severas,  non  ludis.  licet  ecce  com- 
putemus!  Stat.  IV  9,  53  sed  valebis, 
tantum  ne  mihi,  quo  soles  lepore, 
et  nunc  hendecasyllahos  remittas. 
Ja  er  diinkt  sich  dabei  fast  ein 
Homer  zu  sein,  dem  er  nur  den 
Vorzug  des  Alters  und  damit  der 
anerkannten  Klassizitat  einraumt, 
vgl.  Hor.  ep.  II  1,  20  sq. 

39  et  si:  er  erwidert  deine  Dich- 
tung  mit  einem  eigenen  Gedicht, 
und  wenn  du  etwa  eine  Vorlesung 
halten  willst,  leistet  er  dir  nur  das, 
was  ihm   selbst  kein  Geld    kostet. 

40  sq.  succensus,  wie  Verg.  VII  496 
laudis  succensus  amore.  —  Wenn 
der  Patron  dem  Dichter  ein  Haus 
nicht  etwa  mietet  {conduci^,  son- 
dern  zur  Verfiigung  stellt  {com- 
modat),  so  mufs  er  Besitzer  des 
Hauses  sein  oder  wenigstens  das 
Recht  der  freien  Verfiigung  dar- 
iiber  haben.  Ihi  ersteren  Falle 
miifste  dann  Maculonis  aedes  ^ein 
Haus  wie  das  eines  Maculo'  bedeu- 
ten,  im  anderen  Falle  diirfte  an- 
genommen  werden,  dafs  der  Herr 
eiuer  Gesellschaft  angehort,  die  das 
Haus  besitzt  und  zu  solchen  Zwecken 
den  Mitgliedern  das  Recht  der  Be- 
nutzung  eiuraumt.  Uns  ist  von  der 
Sache  und  von  der  Persou  eines 
Maculo  nichts  bekannt,  auch  der 
Name  an  sich  ist  ungewcihnlich  und 
auffallend.  —  Dieses  Haus  (Saal) 
war  seit  langer  Zeit  {longe,  wie 
schon  Hor.  II  20,  4  ncque  in  terris 
morabor  longius)  mit  eisernen  llie- 


LIBRI  ni    SATVRA  VII 


145 


scit  dare  libertos  extrema  in  parte  sedentis 
ordiuis  et  magnas  comitum  disponere  voces: 
nemo  dabit  regum,  quanti  subsellia  coustant 
et  quae  conducto  peudent  anabatlira  tigillo 
quaeque  reportandis  posita  est  orchestra  catliedris. 
nos  tamen  hoc  agimus  tenuique  in  pulvere  sulcos 
ducimus  et  litus  sterili  versamus  aratro. 
nam  si  discedas,  laqueo  tenet  ambitiosi 
consuetudo  mali;  tenet  insauabile  multos 
scribendi  cacoethes  et  aegro  in  corde  senescit. 
sed  vatem  egregium,  cui  non  sit  publica  vena, 


45 


50 


46  anabitra  P 


geln  verschlossen,  und  die  Thiire 
dieses  Gemaches  siebt  ans  wie  ein 
geaugstetes  Thor,  d.  h.  wie  das 
Thor  einer  vom  Feinde  belagerten 
Stadt,  das  man  mit  Wagt-n  und 
Kisten  ond  Steinen  verbarrikadiert 
hat. 

43  sq.  Er  sorgt  auch  fiir  Beifall, 
weil  es  ihm  kein  Gela  kostet:  scit 
dare  libertos  et  disponere  comittim 
voces.  Die  liberti  sitzen  extrema  in 
parte  ordinis,  d.  h.  nicht  in  der 
Orcbestra,  sondern  am  Ende  der 
fur  das  ubrige  Publikum  bestimm- 
ten  Reihe  von  Pliitzen.  Er  ver- 
steht  es  ferner,  die  Stimmen  seiner 
Klienten  (comitum),  die  vocalis  spor- 
tula,  wie  ein  dux  theatralium  ope- 
rarum  (Tac.  I  16)  geschickt  zu  ver- 
teilen. 

45  sq.  rerjum,  der  Herren,  der  Pa- 
trone,  zu  1,  1.36.  Dial.  or.  9  rogare 
ultro  et  ambire  cogitur,  ut  sint  qui 
dignentur  audire,  et  ne  id  quidem 
gratis:  nam  et  domum  mutuutur  et 
auditorium  exstruit  et  subseUia  con- 
dxicit  et  hbellos  dispergit.  —  Der 
Aufbau  oder  das  auditorium  wird 
V.  46  umschrieben:  der  Aufstieg 
{uvd^ad^Qov)  erhebt  sich  auf  Balken, 
wie  ein  auf  schwachem  Unterbaa 
befindliches  (pe^idetis)  tahulatum. 
Wei=e  199  versteht  unter  anuhathra 
den  hohen,  kanzelartigen  Sitz  (pul- 
pitum)  fCir  den  vortragendea  Dichter. 

47  Da  die  Verbindung  ponitur 
aliquid  uliqua  re  beispiellos  ist  und 
der  Grundbedeutung  von  ponere 
widerspricht  (orchestra  posita  est 
kann    nur    heifsen:    itt    errichtet), 

IWESA.LIS    SaTVEAJE. 


so  mufs  cathedris  reportandis  Dativ 
sein:  fur  Sessel,  die  wieder  zuruck- 
gebracht  wenlen  miissen,  naturlich 
auf  Kosten  des  Dichters. 

48  hoc  agimus,  vgl.  20. 

49  Sprichwortlich  war  litus  arare 
(bobus)  von  einer  undankbaren  Ar- 
beit,  Ov.  her.  5,  113  und  tr.  V  4, 
48.  Es  fehlt  am  Strand  der  er- 
giebige  Boden;  deshalb  i.st  das 
aratrum  auch  sterile,  unergiebig, 
undankbar,  wie  203  sterilisque  cathe- 
drae,  12,  96  quis  gaUinam  impen- 
dat  amico  tam  sterili. 

50  sq.  nam  si:  wir  machen  uns 
namlich  davon  nicht  frei,  denn 
wenn  man  sich  losmacbeu  mochte, 
hiilt  einen  die  Gewohnheit  des 
leidigen  Ehrgeizes  (mali  ist  aber 
Subst.)  wie  in  einer  Schlinge  fest, 
fest  halt  gar  mancheu  {multos)  das 
unheilbare  Geschwur  der  Schreib- 
sucht,  d.  h.  die  Schreibsucht  wie 
ein  unheilbares  Geschwiir,  das  mit 
dem  krankeuden  Herzen   alt  wird. 

52  y.uy.orj&rjg  ist  urspriinglich  At- 
tribut  von  Krankheiten,  besonders 
Geschwiiren,  um  sie  als  bosartig, 
hartnackig  oder  tiefsitzend  zu  be- 
zeichnen,  Plin.  h.  XXII  132  item 
ulceribus  quae  cacoethe  (y.ay.or',&ri) 
vocant  oleum  prodesse  diximus,  dann 
wird  cacoethes  allein  von  jeder  bos- 
artigen  und  hartnackigen  Krank- 
heit  gebraucht,  Cels.  V  28,  2  dis- 
cernere  cacoethes,  quod  curationem 
recipit,  a  carcinomate  (Krebs),  quod 
non  recipit. 

53sqq.  sed  kniipft  an  den  Haupt- 
gedanken  in  V.  49  an:  litus  sterili 
10 


146 


IVVENALIS 


qui  riil  expositnm  soleat  producere,  iiec  qui 
communi  feriat  carmen  triviale  moneta, 
hunc,  qualem  nequeo  monstrare  et  seutio  tantum, 
anxietate  carens  animus  facit,  omnis  acerbi 
inpatiens,  cupidus  silvarum  aptusque  bibendis 
fontibus  Aonidum.     neque  euim  cantare  sub  autro 
Pierio  thyrsumque  potest  contingere  maesta 
paupertas  atque  aeris  inops,  quo  uocte  dieque 
corpus  eget:  satur  est,  cum  dicit  Horatius  'eulioe'. 
qui  locus  ingenio,  nisi  cum  se  carmine  solo 

54  producere  W:  deducere  Pco         63  quis  pco 


55 


60 


versamus  aratro,  unsere  Arbeit  ist 
undankbar,  wir  arbeiten  nur  aus 
krankhafter  Gewohnheit,  aber  etwas 
Grofses  wird  so  nicht  erreicht,  den 
grofsen  Dichter  macht  erst  die 
sorgenfreie  Erhebung  zum  Idealen. 
—  jmblica,  gewohnlich,  ordinar, 
vfie  hilufig  in  der  silbernen  Latini- 
tat.  Der  Dichter  besitzt  eineMetall- 
ader  {vena,  9,31),  daraus  schmiedet 
{producere  wie  15,  166  =  extendere 
15,  168)  er  das  Metall  und  gestaltet 
es  endlich  zur  schonen  Miinze  auf 
dem  Pragestock  {ferire  moneta).  — 
expositum,  gewohnlich,  verbraucht, 
Quint.  X  5,  11  voluptatem  exposi- 
tis  dare,  gewohnlichen  Dingen  Reiz 
geben.  Den  Sinn  Juvenals  erkliirt 
Hor.  ep.  II  3,  59  signatum  prae- 
sente  nota  producere  nomen. 

56  Juvenal  verwendet  ti'efFend 
fiir  seinen  Zwek  einen  bekannten 
Gedanken  Ciceros,  or.  23  recordor 
longe  omnibus  unum  anteferre  De- 
mosthenem,  eumque  unum  adcommo- 
dare  ad  eam  quam  sentiam  eloquen- 
tiam,  non  ad  eam,  quam  in  aliquo 
ipse  cocjnoverim. 

57  anxietate  carens,  sorgenfrei, 
harmlos,  eigentlich  frei  von  Druck 
und  Beengung  {angere,  angustiae). 

58  impaticns,  der  nichts  weifs, 
erfahrt,  wie  inscius,  sehr  selten  in 
dieser  Bedeutung.  —  aptus  c.  Dat. 
(von  apcre  =  alligare) ,  an  eine 
Sache  gebunden,  ihr  ergeben,  fiir 
sie  begeistert,  wie  Hor.  ep.  I  20,  24 
praccanum,  solibus  aptum ,  Freund 
der  Sonnenwilrme,  Pers.  2,  20  quis 
potior  iicdex,  puerisve  q^iis  aptior 
(^rbis,  wer  ist  so  voller  Ilingebung? 
Ahnlich    ruft    Maternus    begeistert 


(Dial.  13):  me  vero  dulces  Musae, 
remotum  a  sollicitudinibns  et  curis, 
in  illa  sacra  liccosque  insontis  fe- 
rant,  in  ihre  heiligen  Statten  und 
schuldlosen  Haine,  uud  c.  12  secedit 
animics  in  loca  pjura  atque  inno- 
centia  fruiticrqtce  sedibics  sacris. 

59  Da  Bootien  nach  dem  alten 
Volksstanime  der  Aones  (Ov.  ra.  I 
313)  von  Dichtern  Aonia  genannt 
wurde,  so  heifsen  auch  die  Musen 
von  ihrer  Heimat- Bootien  Aonidts 
(Ov.  m.  V  333).  —  sicb  antro,  in 
der  Grotte. 

60  thyrsus  (&vQ6og)  ist  der  mit 
Epheu-  und  Weinranken  umwun- 
dene  Stab  des  Bacchus  und  der 
Bacchantinnen,  der  Bacchusstab, 
Hor.  III  19,  8  euhoe  parce  Liber, 
pccrce,  gravi  metuende  thyrso.  Der 
Gott  versetzt  den  Dichter  ,in  ein 
ehrfurcht.svolles  Schauern,  dann  in 
freudige  Aufregung  und  zuletzt  iu 
vollige  Ekstase,  Hor.  IH  19,  5  euhoe, 
recenti  mens  trepidat  metu  plenoque- 
Bacchi  pectore  turbidum  luetatur. 
Diese  Begeisterung  umschreibt  Juv. 
vollstaudiger  V.  64  sq. 

62  egere  gebraucht  Juv.  nur  mit 
dem  Abi.  oder  Gcn.  der  Sache, 
deren  einer  bedurftig  ist,  vgl.  229 
gwae  cognitione  tribicni  non  egeat, 
13,  97  mn  cgct  Anticyra,  15,  147 
cuius  egcnt  prona  et  terram  spec- 
tanticc,  entbehren,  14,  288  curatoris 
eget;  absolut  steht  es  nur  im  Sinne 
von  egenus  und  im  Gegeusatz  zu 
dives  14,  137  cum  sit  manifista 
phrcncsis,  ut  locuj^Ies  moriaris,  egen- 
tis  vivere  fato'^ 

63  ingenium  ist  die  dichterische 
Ertinduugskraft,  die  Pbantasie,  wie 


LIBRI  III    SATVRA  VII 


147 


vexant  et  domiuis  Cirrhae  Nysaeque  ferimtur 
peetora  vestra  duas  nou  admittentia  curas? 
maguae  meutis  opus  uec  de  lodice  paranda 
attonitae,  currus  et  equos  faciesque  deorum 
aspicere  et  qualis  Kutulum  coufuudat  Erinys. 
nam  si  Vergilio  puer  et  tolerabile  desset 
hospitium,  caderent  omnes  a  criuibus  hydri, 
surda  nihil  gemeret  grave  bucina:  poscimus,  ut  sit 
non  miuor  antiquo  Rubrenus  Lappa  cothurno, 
cuius  et  alveolos  et  laenam  pignerat  Atreus? 
non  habet  infelix  Numitor,  quod  mittat  amico: 


65 


70 


66  ne  de  lode  P  codice  S  corr.  pco 


Hor.  s.  I  4,  43  ingenium  cui  sit, 
cui  nmis  divinior  atqne  os  magna 
sonaturum,  des  nominis  huius  {poc- 
tae)  honorem.  Die  Phantasie  kann 
aber  uichtPlatz  greifen,  kann  nicht 
andauern  iJocus  non  est),  wenn  der 
Enthusiasmus  gestort  wird  durch 
Sorgen;  schon  Lucil.  26,  27  (M.) 
sagt:  doloribus  conftctum  corpiis 
animo  ohsistcre,  der  Dichter  bedarf 
der  animi  alacritas,  deren  Gegen- 
teil  die  maestitia  ist,  Cic.  Qu.  fr. 
III  5,  4. 

64   dominis  ist  Abl. ,   vgl.  1,  13. 

—  Der  Beherrscher  von  Cirrha  ist 
Apollo,  13,  79  Cirraei  spicula  vatis; 
zu  Nysa  in  Thrakien  (Hom.  IL 
VI  133  Kttz'  rjycc&tov  Nv6i'iiov  sc. 
oQoq)  wurde  Dionysos  von  den  Nym- 
phen  erzogen. 

66  magnaementis,  erhabenerGeist, 
divinae  mentis,  ideale  Begeisterung, 
Verg.  VI  11  viagnam  cui  mentem 
animumque  Delius    inspirat    vates. 

—  de  lodice,  zu  6,  105. 

67  attonitac,  bekiimmert,  opp. 
laetus,  13,  194  quos  diri  conscia 
facti  mens  habet  uttonitos. 

68  Sinn:  -wenn  er  ein  Dichter 
werden  will  wie  Vergil.  currus  et 
equos  ist  mit  deorum  zu  verbinden: 
Gotterwagen  (z.  B.  des  Neptun  im 
I.  Buch)  und  Gottergestalten,  dann 
die  beriihmte  Schilderung  der  Er- 
regung  der  Latiner  uud  liutuler, 
besouders  dea  Turnus  zum  Kampfe 
gegen  die  Trojaner  durch  die  Furie 
AUekto  (Verg.   VII  323—460). 

69  puer,  Bedienung,  vgl.  9,64— C 7. 


70  hospitium,  Wohnung,  vgl.  3, 
166.  Ahnlich  urteilt  Mart.  VIII  56 
sint  Maecenates,  non  dcrunt,  Flacce, 
Marones,  Vergiliumque  tibi  vel  tua 
rura  dabunt.  lugera  x>^^'^^^^'^^^ 
miserae  vicina  Cremonae,  flebat  et 
abductas  Tityrus  aeger  oves:  risit 
Tuscus  eques  paupertatemque  ma- 
lignam  reppulit  ct  celeri  iussit  ah- 
ire  fuga. 

71  Verg.  VII  511  at  saeva  e  spe- 
culis  tetnpus  dea  nacta  nocendi  ar- 
dua  tecta  petit  stahuli  ct  de  culmine 
summo  pastorale  canit  signum  cor- 
nuque  recurvo  Tartaream  intendit 
vocem,  (pxa  protinus  omne  contre- 
muit  nemus  et  silvae  insonuere  pro- 
fundae.  —  poscimus  ut,  zu  5,  112. 
Durch  die  betonte  Stellung  wird 
poscimus  Trager  des  Gegensatzes: 
Bei  Not  und  Mangel  ist  ecbte  Poesie 
unmoglich,  und  doch  stellen  wir 
an  die  armen  Dichter  unserer  Zeit 
die  hochsten  Anforderungen,  wilh- 
rend  niemand  daran  denkt,  ibnen 
ein  sorgenfreies  Leben  zu  schaffen. 

72  liubrenus  Lappa  ist  unbe- 
kannt. 

73  tdveoli,  eigentlich  tiefe  Teller 
(5,  88),  steht  bier  fiir  Speisegerat 
oder  Tischzeug  iiberhaupt,  wie  Jaena 
(3,  283)  fiir  Kleidung:  er  mufs  selbst 
das  Notwendigste  verpfiinden  oder 
versetzen  {pignerare  fiic  das  ge- 
wohnlicherc  oppignerarc),  wahrend 
er  an  seiner  Tragodie  Atreus  ar- 
beitet. 

74  ^MmiYor,  der  hochadlige  Aristo- 
krat,  ist  vitlleicht  der;.elbe,  welcher 
8,  93  erwiibnt  wird;  es  erhalt  dann 

10* 


148 


IVVENALIS 


Quintillae  quod  donet,  liabet;  nec  defuit  illi, 
unde  emeret  multa  pascendum  earne  leonem 
iam  domitum;  constat  leviori  belua  sumpta 
nimirum,  et  capiunt  plus  intestina  poetae. 
contentus  fama  iaceat  Lucanus  in  hortis 
marmoreis,  at  Serrano  tenuique  Saleio 
gloria  quantalibet  quid  erit,  si  gloria  tantum  est? 
curritur  ad  vocem  iucundam  et  carmen  amicae 
Thebaidos^  laetam  cum  fecit  Statius  urbem 
promisitque  diem;  tanta  dulcedine  captos 
afficit  ille  animos,  tantaque  libidine  volgi 


75 


80 


85 


75  quintilae  P        79  taceat  P        80  salero  P    salino 


infelix  (zu  10, 169)  noch  mehrBitter- 
keit:  Er  hat  in  der  Provinz  ge- 
raubt  und  gepliindert  und  von  dem 
Gut  nicht  etwa  einen  armen  Klien- 
ten  unterstiitzt,  aber  wohl  es  an 
amicae  verschleudert,  vgl.  3,  133  sq. 
75  Auch  fiir  andere  kostspielige 
Liebhabereien  hatte  er  Geld.  Be- 
kannt  ist  des  Statius  Gedicht  (s.  II  5) 
auf  den  Tod  des  geziihmten  Lowen. 

78  nimirum,  ironisch:  freilich  eine 
Bestie  kostet  weniger  und  ein  Dich- 
termagen  fafst  mehr  als  ein  Lowen- 
magen!  Nimirum  zur  Stutze  der 
Indignation  oder  Ironie  des  Dichters 
auch  2,  104  und  10,  248. 

79  sq.  Wenn  der  Dichter  reich  ist, 
wie  Lucanus,  dann  kann  er  mit  dem 
Ruhme  sich  begniigen  (zu  iaceat 
vgl.  1,  136),  ist  er  aber  arm,  so 
reicht  der  Ruhm  nicht  aus,  da  er 
nicht  davon  leben  kann.  —  hortimar- 
morei  sindentwederParkanlagen  mit 
marmornen  Saulenhallen  oder  auch 
Garten  mit  wertvoUen  Marmorsta- 
tuen  (Plin.  ep.  VIII  18,  11);  ilhn- 
lich  ist  4,  112  die  villa  marmorca 
des  Cornelius  Fuscus.  tjber  das  Ver- 
mogen  des  Annaeus  Mela  und  seines 
Sohues  Lucan  vgl.  Tac.  XVI  17. 
—  Qnint.  X  1,  89  Serranum  con- 
summari  mors  immaiura  non  passa 
est;  puerilia  tamen  eius  opera  et  ■ 
maximum  indolem  ostendunt  et  ad- 
mirabilem  praecipue  in  aetate  illa 
recti  generis  voluntatem.  —  Den 
Saleius  Bassus  nennt  Julius  Secun- 
dus  im  Dial.  5  absolutissimiim,  und 
Aper  ibid.  9  egregium  pottam;  er 
erhielt  eine  Unterstiitzung  von  Ve- 


spasian.  Quintil.  X  1,  90  sagt  von 
ihm:  vehemens  et  poeticum  ingenium 
Salei  Bassi  fuit  nec  ipsum  senec- 
tute  maturuit.  —  tenuis,  arm,  wie 
8,  120  cum  tenuis  nupcr  Marius 
discinxerit  Afros. 

82  vox  iucunda,  der  melodische 
Vortrag;  das  Organ  des  Dichters 
(vgl.  11,  182)  wird  auf  sein  Werk 
ubertragen.  —  amieae,  beliebt,  d.  h. 
sie  ist  schon  oft  und  gern  gehort 
worden  und  erscheint  als  gute  Freun- 
din  immer  wieder,  auch  hier  ist 
das  Epitheton  vom  Dichter  auf  sein 
Werk  ubertragen. 

83  P.  Papinius  Statius  aus  Nea- 
pel  lebte  um  das  J.  45 — 96.  Er  ist 
der  begabteste  Dichter  der  Zeit  Do- 
mitians,  aber  in  der  Form,  oft  zu 
gewahlt  und  gekiinstelt.  Am  an- 
ziehendsten  sind  seine  vermis  hten 
Gedichte,  die  er  Silvae  (5  Biicher) 
geuannt  hat.  Aber  sein  grofstes 
Werk  ist  die  Thebais,  ein  Epos  iu 
12  Biichern;  unvollendet  blieb  seine 
Achilleis.  An  der  Thebais  arbeitete 
er  12  Jahre,  80—92. 

84  sq.  promittere,  wie  dare  {x«Qi- 
^sa&ccL),  diem  oder  noctem,  oft  vou 
der  Gewilhrung  einer  Gunst:  eineu 
schonen  Tag  (durch  eiue  Vorlesung) 
in  Aussicbt  stellen,  zusagen,  hier 
=  ankiindigen  (durch  dispcrsi  li- 
belli).  —  dalcedine  captos  afficit, 
nicht  dulcedine  afficit,  mit  solchem 
Entziicken  begeistert  und  beberrscht 
{afficit)  er  sein  Publikum,  vgl.  Cic. 
or.  I  87  uti  ci  qui  audirciit  sic  ad- 
ficcrentur  animis,  ut  eos  affici  vellet 
orator,  also  =  movet,  impcllit.   Es  ist 


LIBRI III    SATVRA  VII 


149 


auditur;  sed  cum  fregit  subsellia  versu, 

esurit,  intactam  Paridi  iiisi  veudit  Agauen. 

ille  et  militiae  multis  largitur  houorom, 

semeustri  digitos  vatum  circumligat  auro. 

quod  nou  daut  proceres,  dabit  histrio.     tu  Cameriuos  90 

et  Baream,  tu  nobilium  magua  atria  curas? 

praefectos  Pelopea  facit,  Philomela  tribuuos. 

89  semen  strigidos  vastum  P.     semenstri    ciim   pnoribns  copulavit 
Moinmsoi.     vatum  digitos  co         aero  P 


dieselbe  Fiille  des  Ausdrucks,  wie 
8,  145  tcmpora  Santoxico  relas  ad- 
operta  cuculJo  d.  h.  adoperis  et  ve- 
las;  verschieden  ist  15,  146  sensum 
a  caehsti  dcmissum  traximus  arce, 
15,  155  tutos  vicino  limine  somnos 
ut  conlata  daret  fiducia.  —  libi- 
dine,  Lust,  Begeisterung,  Sall.  lug. 
84,  4  tanta  lubido  cum  Mario  eundi 
plerosque  inraserat. 

86  sq.  frcgit,  v.enn  er  die  Banke 
schier  gebrochen,  d.  h.  erschiittert 
hat,  vgl.  1,  13  assiduo  ruptae  lec- 
tore  columnae;  ahnlich  Mart.  IV  8 
imperat  extructos  frangere  nona 
toros,  9  Uhr  giebt  das  Zeichen  sich 
zu  Tische  zu  lagem,  II  59  frange 
toros,  pete  vina.  —  Agaue,  Schwester 
der  Semele,  gehgrt  dem  bacchischen 
Mythenkreis  an.  Um  Geld  zu  ver- 
dienen,  dichtete  Statius  einen  ini- 
mus  {fabula  saltica)  und  verkaufte 
ihn  dem  Pantomimen  Faris  zur 
Darstellung.  Agaue  wird  komisch 
'jungfraulich'  genannt,  da  man  anch 
carmen  intactum  sagte,  Stat.  I  2,  238 
iam  dudum  poste  reclinis  quaerit 
Hymen  thalamis  intuctum  dicere 
carmen,  III  1,  67  Fieridum  flores 
intactaque  carmina  discens,  Claud. 
XX  364  his  tiecdum  commissa  choro 
cantatur  Agaue.  Ein  Pantomime 
Paris  lebte  unter  Nero  und  wurde 
im  J.  67  hingerichtet;  ein  zweiter 
Paris  war  an  dem  Hofe  Domitians 
einflufsreich  (vgl.  6,  87),  dieser  liefs 
ihn  aber  auf  ofiener  Strafse  er- 
morden,  weil  er  in  der  Gunst  seiner 
Gemahlin  stand.  Mart.  XI  13  (ediert 
Dez.  96)  riihmt  sein  Grabmal  {no- 
bile  marmor)  an  der  via  Flaminia 
und  sagt  zuletzt:  Bomani  decus  et 
dolor  theatri  atque  omnes  Veneres 
Cupidinesque  hoc  sunt  condita,  quo 
Paris,  sepulchro. 


88—92  Digression:  Ja  der  Tan- 
zerverleihtsogarmilitilrische  Ehren- 
stellen  und  die  Ritterwiirde.  Dem 
Adel  die  Aufwartung  zu  machen 
ist  Thorheit,  wo  Pantomimen  mili- 
tarische  Wiirden  gewahren.  Erst 
V.  93  kniipft  an  87  an. 

89  Die  Priifekten  einer  Kohorte 
(der  Bundesgenossen)  oder  die  Tri- 
bunen  in  der  Legion  waren  selten 
altgediente  Soldaten,  die  mit  dem 
goldenen  Ring  die  romischc  Ritter- 
wiirde  erhielten;  meistens  waren  es 
junge  Miinner  aus  vornehmen  Hau- 
sern,  die  mit  dem  Militartribunat 
ihren  Kriegsdienst  oder  ihre  poli- 
tische  Laufbahn  begaunen,  tribuni 
laticlavii.  Da  deshalb  der  Zudrang 
zu  solchen  Stellen  sehr  grofs  war, 
so  wurde  die  Dienstzeit  solcher 
Tribunen,  die  sich  dem  Militar- 
stande  nicht  zu  widmen  gedacbten, 
auf  sechs  Monate  ermafsigt.  Daher 
tribunatus  semenstris  bei  Plin.  ep. 
IV  4,  2  und  (der  Ring)  aurum  se- 
menstre,  denn  der  anulus  aureus 
war  das  Dienstzeicben  der  Militar- 
tribunen.  Es  erhielten  also  Dichter, 
die  den  Ritterrang  noch  nicbt  be- 
safsen,  durch  Vermittelung  desParis 
den  tribunatus  semenstris  und  das 
aurum  semenstre,  den  anuhis  aureus, 
damit  aber  auch  das  ius  anuli  au- 
rei  auf  Lebenszeit.  Vgl.  Marquardt 
St.-V.  II  368. 

90  sq.  dabit  ist  hypothetisches 
Futur:  eventuell.  —  Camerinos  et 
Baream,  d.  h.  Miinner  der  hochsten 
altadligen  Aristokratie.  Die  Came- 
rini  gehcirten  zur  gens  Sulpicia, 
Barea  zu  den  Servilii,  vgl.  zu  3,  116 
und  8,  88. 

92  1'elopea,  Philomela,  d.  h.  Men- 
schen,  die  im  Ballett  solch  unziich- 
tige  RoIIen  spielen.    nslonsiu  -var 


150 


IVVENALIS 


haud  tameu  invideas  vati,  quem  pulpita  pascunt. 
quis  tibi  Maecenas,  quis  nunc  erit  aut  Proculeius 
aut  Fabius?  quis  Cotta  iterum,  quis  Lentulus  alter? 
tunc  par  ingenio  pretium;  tunc  utile  multis 
pallere  et  vinum  toto  nescire  Decembri. 

vester  porro  labor  fecundior,  historiarum 
scriptores?  perit  hic  plus  temporis  atque  olei  plus. 
nullo  quippe  modo  millensiraa  pagina  surgit 
omnibus  et  crescit  multa  damnosa  papyro; 
sic  ingens  rerum  numerus  iubet  atque  operum  lex. 


95 


100 


93  invidia   sua  a*t  {ftiit  aut)  P       99  petit  co 


die  Tochter  des  Tbyestes  und  durcli 
ihren  Vater  Mutter  des  Agisthos. 
Philomela,  Schwester  der  Procne, 
wurde  Yon  ihrera  Schwager  Tereus 
geschandet  und  der  Zunge  beraubt. 

93  invideas,  verargen;  zu  pul- 
pita  (Biihne)  vgl.  3,  174. 

94  Proculeius  war  der  Bruder  der 
Tereutia,  der  Gattin  des  Miicenas, 
der  Hor.  II  2  gepriesen  wird  wegen 
seiner  hocbherzigen  und  selbstlosen 
Gesinnung. 

95  Fabius  Maximiis  war  der  Gon- 
uer  Ovids,  ebenso  Valerius  Cotta 
Messalinus,  der  Sohn  des  Redners 
Valerius  Messala  Corvinus.  —  Unter 
ieniMZMS  istwahrscbeinlichCornelius 
Lentulus  Gaetulicus  zu  verstehen, 
vgl.  zu  8,  26. 

97.  Urspriinglich  auf  den  19.  De- 
zember  beschrankt,  aber  schon  im 
letzten  Jahrhundert  der  Republik 
auf  sieben  Tage  ausgedehnt  (septem 
Sahirnalia)  war  das  Saturuusfest, 
der  altroiuische  Karneval.  In  dieser 
Zeit  lebten  alle  in  Saus  und  Braus, 
aber  scbon  Horaz  zog  sich  sohrius 
aus  dem  Getummel  auf  sein  Giitcben 
zuriick.  Der  arme  Dichter  arbeitet 
auch  in  dieser  Zeit  und  wird  (lucu- 
brando  et  vigilando)  blafs  {pallet). 
Komisch  steht  hier  pallere  fiir  dich- 
ten,  arbeiten,  oflFenbar  mit  Anspie- 
lung  auf  Hor.  ep.  I  19,  18  quodsi 
pallerem  cam,  hiberent  exsangue  cu- 
minum.  Bei  den  jetzigen  Dichtern 
ist  das  pallere  wegen  der  Not  selbst- 
verstandlich. 

98 — 104:  Ebonso  armselig  ist  die 
Lage   der  Historikcr.     Dafs  dieser 


Abschnitt  nur  ein  Zusatz  zu  dem 
vorausgehenden  sein  soU,  und  die 
Geschichtscbreiber  mit  den  Dich- 
tern  zu  einer  Klasse  vereinigt  ge- 
dacht  werden,  zt-igt  V.  105  genus 
ignavum,  was  sich  auf  Dichter  und 
Historiker  bezieht. 

99  x>erit,  wie  Mart.  II  1  at  nunc 
succincti  quae  sint  hona  disce  U- 
helli:  lioc  priimim  est,  hrevwr  quod 
milii  charta  perif,  mit  Anspielung 
auf  das  Sprichwort  et  oleum  et  ope- 
ram  perdere  Plaut.  Poen.  I  2,  119, 
Cic.  Att.  II  17,  1  ne  et  opera  et 
oleum  pliilologiae  nostrae  perierit. 
CatuII.  14,  11  non  dispereunt  tui 
labores,  unbelohnt  bleiben. 

100  nuUo  modo,  ohne  Mafs  und 
Grenze,  die  doch  jede  Dichtung  be- 
schranken  mufs,  hebt  die  tausendste 
Seite  an,  gelangen  alle  bia  zur 
tausendsten  Seite,  Pers.  5,  20  pul- 
latis  ut  miJd  nugis  pagina  turge- 
scat  dare  pondus  idonea  fumo,  Ov, 
am.  I  1,  17  cum  bene  surrexit  versu 
nova  pagina  primo;  und  das  Werk 
wachst  kostspielig  aii,  d.  h.  wird 
kostspielig,  wachst  ins  Geld,  wie 
14,  4  damnosa  alea,  Hor.  s.  II  8,  34 
damnose  bibimus  d.  h.  drsmnosa  siti 
hibimtis  oder  damnosis  {maioribus) 
pocuUs. 

102  numerus,  Reihe,  Masse  der 
■Thatsacben.  —  operum  lex,  das 
Gesetz  oder  das  kiiustlerische  Er- 
fordernis  solcher  Arbeiten,  wie  Hor. 
ep.  II  3,  135  pudor  vettt  aut  operis 
lex,  wilbrend  Hor.  s.  II  1,  2  ultra 
legem  tenderc  opus  nur  das  Straf- 
gesetz  verstanden  werdeu  kann. 


Lllilil  111     yAlVKA  Vll 


151 


quae  tamen  iude  seges?  terrae  quis  fructus  apertae? 
quis  dabit  historieo,  quautum  daret  acta  legeuti? 

*sed  genus  ignavum,  quod  lecto  gaudet  et  umbra.' 
dic  igitur,  quid  oausidicis  civilia  praestent 
officia  et  maguo  eomites  in  fasce  libelli. 
ipsi  magna  sonant,  sed  tum,  cum  creditor  audit, 
praecipue,  vel  si  tetigit  latus,  acrior  iilo 
qui  venit  ad  dubium  grandi  cum  codice  nomen. 
tunc  immensa  cavi  spiraut  meudacia  folles 
conspuiturque  sinus:  veram  deprendere  messem 
si  libet,  hiuc  centum  patrimonia  causidicorum, 
parte  alia  solum  russati  poue  Lacertae. 


105 


110 


105  ignavum  est  p  110  quid  P  114  lacertae  a:  lacernae  P 


103  aptrtae,  anfgerissen,  gepflugt. 

104  acta,  so.  diurna ,  das  Tage- 
bLitt.  —  legenti  niufs  wegen  daret 
in  m"  quis  leijcret  aufgelost  werden: 
was  er  eineni  (oder  ihm?)  geben 
wiirde,  weun  er  ibm  das  Blatt  vor- 
lesen  wurde.  In  Wabrbeit  konnte 
dies  weder  ein  Klieut  noch  ein 
Sekretar  thun.  Denn  zura  Vor- 
lesen  des  Tageblattes  batte  man 
Sklaven,  oder  man  las  es  selbst. 
Die  Ehrengabe  fiir  deu  Historiker 
"wird  nicht  an  einem  festen  Preis 
(z.  B.  Gehalt  eines  Sekretars)  ge- 
messen,  sondern  nur  mit  der  Wert- 
schatzung  einer  gewohnlicben  Skla- 
venarbeit  verglichen. 

105 — 149:  Nicht  viel  besser  ist 
die  Lage  des  Rechtsanwaltes  oder 
Verteidigers. 

105  ignavum  hat  zum  Gegensatz 
strenuum,  da  aber  hier  nur  von 
ignavia  innerhalb  des  praktischen 
Lebens  die  Rede  sein  kann,  so  ist 
es  fast  80  viel  als  unpraktisch.  Der 
Dichter  erwidert:  Nun  gut,  wollen 
wir  von  den  Stubenhockern,  wie 
du  Dichter  und  Historiker  nennst, 
einmal  abaehen:  wie  steht  es  denn 
mit  dem  Bernf  und  Gewinn  derer, 
deren  geistige  Thatigkeit  ihr  als 
Arbeit  anerkennt? 

106  sq.  civilia  offkia,  der  Dienst 
vor  Gericht.  —  libclli  in  magno 
fasce  comites  ist  der  milchtige 
Aktenbiindel,  der  .sie  vor  Gericht 
begleitet,  vgl.  Hor.  s.  I  4,  65  Sul- 
cius  acer  umbulat  ct  Caprius,  rauci 
male    cumque    libellis    (der    schrift- 


lichen  Klage).  —  Die  causidici  sind 
Anwiilte  in  Civilsachen  vor  dem 
Centumviralgericht,  wiihrend  die 
meisten  Kriminalprozesse  im  Senat 
verhandelt  wurden. 

108  sqq.  magna  sonant,  nehmen 
den  Mund  recht  voU,  eigentlich 
lassen  gar  Grofses  vernehmen,  vgl. 
Hor.  s.  I  4,  44  os  magna  sonatitrum, 
erhabene  Worte.  —  sed,  und  zwar 
am  meisten  {praecipue)  dann,  wenn 
sie  der  Gliiubiger  hort.  In  sed  liegt 
ein  gewisser  Humor  wie  5,  147  sed 
quales  Claudius  edit.  Oder  auch 
wenn  er  ihn  in  die  Seite  stofst, 
d.  h.  auf  den  Leib  riickt,  ihn  mahnt, 
noch  hitziger,  scbarfer  als  der  Glilu- 
biger,  welcher  mit  dem  Schuldbuch 
(eodex)  bei  einem  unsicher  gewor- 
denen  Schuldner  {ad  dubiumnomen) 
erscheint  und  zur  Zablung  mahnt. 
Eine  Geldschuld  wurde  dadurch 
urkundlich,  dafs  der  Glilubiger  vor 
Zeugen  in  sein  Hansbuch  eintrug: 
ich  habe  fiir  den  Gajus  so  und  so 
viel  ausgelegt,  expensum  tuli,  Cic. 
fam.  IX  10,  1. 

112  Das  sinum  conspuere  geschah, 
um  eine  schadlicbe  Wirkung  des 
Selbstlobes  abzuwehren. 

114  Die  Romer  waren  fiir  die 
Pferderennen  im  Cirkus  leiden- 
schaftlicb  eingenommen  (vgl.  11, 
198).  Es  hatten  sich  darum  ver- 
scbiedene  Parteien  gebildet,  die 
factio  albata,  russata,  veneta  und 
prasina,  d.  h.  die  weifa,  rot,  blau 
uud  griin  gekleidete  Partei.  Wiih- 
rend  des  Rennens  nimrat  das  Volk 


152 


IVVENALIS 


consedere  duces,  surgis  tu  pallidus  Aiax 

dicturus  dubia  pro  libertate  bubulco 

iudice.     rumpe  miser  tensum  iecur,  ut  tibi  lasso 

figantur  virides,  scalarum  gloria,  palmae. 

quod  vocis  pretium?  siccus  petasunculus  et  vas 

pelamydum  aut  veteres,  Maurorum  epimenia,  bulbi 

aut  vinum  Tiberi  devectum,  quinque  lagonae. 

si  quater  egisti,  si  contigit  aureus  unus, 

inde  cadunt  partes  ex  foedere  pragmaticorum. 

Aemilio  dabitur,  quantum  licet,  et  melius  nos 


115 


120 


115  suvgis  pa: 
lalm        petit  a 


surdis  ut  videtur  P      122  contingit  P      124  quanti 


Partei  fiir  die  Farbe.  Die  Spiele 
veranstaltet  der  Prator,  und  in 
seinem  Dienste  steben  die  aurigae. 
Ein  solcher  war  auch  iaceyfa  (Fried- 
lander  S.-Gr.  II  289).  Je  nach  dem 
Siege  mufs  der  Prator  den  auriga 
belohnen,  vgl.  Mart.  X  74  cum  Scor- 
pus  (ein  auriga)  una  quitidecim 
graves  liora  ferventis  auri  victor 
auferat  saccos,  d.  h.  Preise  von 
15  000  Sesterzen. 

115  sqq.  consedere  duces  (Ov.  m. 
XIII  Anfang)  vergegenwartigt  uns 
eine  Gerichtsscece.  Der  Verteidiger 
ist  blafs,  erregt  wie  bei  Ov.  Ajax 
im  certamen  armorum.  —  pro  liber- 
tate,  in  einem  Vindikationsprozefs. 
—  Der  Richter  ist  ein  ungebildeter 
Mann  (huhulcus),  er  hatte  aber  in 
der  Regel  ein  consiliiim  um  sich, 
vgl.  16,  13.  Der  arme  Verteidiger 
mufs  sich  die  Lunge  ausreden,  und 
was  ist  der  Lohn  des  todmiiden 
Helden?  Man  schmuckt  ihm  die 
Hausthiire,  oder  vielmehr,  da  er  zur 
Miete  woimt,  die  zur  Wohnung 
fiihrende  Treppe  mit  Guirlanden 
{scalarum  gloria).  Der  reelle  Ge- 
winn  aber  ist  noch  nicht  ein  pc- 
taso  (nszaGaiv),  sondern  ein  peta- 
sunculus,  magerer  Vorderschinken 
(vgl.  pcrna  und  laridum),  ein  Fafs- 
chen  Thunfische  {7crjXcc(j.vs)  die  un- 
seren  Heringen  eutsprechen,  und 
bulbi  (Zwiebeln),  die  Kost,  eigentl. 
Monatsraten  {snnirivicc)  der  Mauri, 
oder  auch  {aut)  fiinf  Flaschen  Griine- 
berger  (denn  die  Tiber  herab  kam 
kein  gnter  Wein,  der  nur  in  Latium 
und  Campanien  wuchs). 


122  sq.  Erfordert  der  Prozefs  vier 
actiones,  dann  erhalt  er  einen  aureus 
od.  25  Denare,  d.  h.  22Mark  (Hultsch 
Metrol.  239);  und  davon  gehen  noch 
Prozente  {partes)  ab  {cadunt)  fiir 
die  pragmatici.  Es  sind  dies  juri- 
stisch  gebildete  Rechtsbeistande, 
die  selbst  nicht  als  Redner  auf- 
traten,  sondern  diese  mit  ihrem  juri- 
stischen  Rate  unterstiitzten,  Quint. 
XII  3,  4  qui  velut  ad  arculas  sedent 
et  tela  agentibus  subministrant,  und 
III  6,  59  erklart  er  TtQay^ccxLHOvg 
(eigentlich  sachkundige)  mit  iuris 
interpretes. 

124  Der  Name  Aemilius  bezeich- 
net  hier  einen  Verteidiger  aus  vor- 
nehmer  Familie,  der  hohe  Staats- 
amter  bekleidet  und  militarische 
Ehren  erlangt  hat.  Er  erhalt  fiir 
seine  Verteidigung  quantum  licet, 
sc.  dari,  d.  h.  soviel  als  ihm  gesetz- 
lich  anzunehmen  erlaubt  war,  das 
Maximum  des  zulassigen  Honorars, 
vgl.  Tac.  XI  5  (unter  Claudius): 
consurgunt  patres  legemque  Cinciam 
flagitant,  qua  cavetur  antiquitus,  ne 
quis  ob  causam  orandam  pecuniam 
donumve  accipiat. . .  .  princeps  capi- 
endis  pecuniis  modum  statuit  usque 
ad  dcna  sestertia  (10  000  Sesterzen 
=  100  aurei),  quem  egressi  repetun- 
darum  tenerentur.  Unter  Trajan 
kam  die  Bestimmung  hinzu,  dafs 
vor  gefiilltem  Urteil  nichts  ange- 
nommeu  werden  sollte.  —  et,  'nnd 
doch',  jdenn  es  werdin  naQa  tiqoo- 
SoKLav  zwei  von  Natur  unverein- 
bare  Thatsachon  dennoch  verbun- 
den,  vgl.  1,  74  u.  13,  91. 


LIBRI  III    SATVRA  VII 

egimus.     huius  euim  stat  currus  alieueus,  alti 

quivdriiuges  in  vestibulis,  atque  ipse  feroci 

bellatore  sedens  ciirvatum  hastile  miuatur 

emiuus  et  statua  meditatur  proelia  lusca. 

sic  Pedo  couturbat,  Matho  deficit,  exitus  hic  est 

Tongilii,  maguo  cum  rhiuocerote  lavari 

qui  solet  et  vexat  hituleuta  balnea  turba 

p^rque  forum  iuveues  longo  premit  assere  Maedos 

empturus  pueros  argentum  murrina  villas; 

spondet  enim  Tjrio  stlattaria  purpura  filo. 

et  tameu  est  illis  hoc  utile.    purpura  vendit 


153 

125 


130 


135 


130  Tongilii  lalm:  tongili  P  tongilli  p(o 


125  sqq.  In  dem  Vestibulum  steht 
ein  ehernes  Viergespann,  das  auf 
den  Triumph  eines  Vorfahren  hin- 
deutet,  Amilius  selbst  (ipse)  besitzt 
ein  Reilerstandbild  in  kriegerischer 
Haltung,  mit  dem  einen  geschlos- 
senen  (lusca)  Auge  nach  dem  Feinde 
mit  der  Lanze  zielend.  Er  mufs 
also  in  einem  Feldzuge  eine  Aus- 
zeichnung  gewonnen  haben,  vgl. 
4,  112  meditaUir  proelia.  Er  ist  viel- 
leicht  ein  bessererSoldat  alsRechts- 
anwalt.  Denn  dafs  man  Gerichts- 
rednern  fiir  ihre  Verdienste  vor  Ge- 
richt  Reiterstatuen  errichtet  hatte, 
ist  aus  Mart.  IX  68  und  Dial.  8 
oder  11  nicht  zu  erweisen. 

129  sic  kniipft  an  123  wieder 
an,  denn  der  ganze  Abschnitt  124 
— 128  enthillt  nur  eine  satirische 
Digression.  Weil  der  causidiciis  so 
eleudiglich  belohnt  wird,  darum 
verfallt  Pedo,  darum  auch  Matho 
(1,  32.  11,  34)  dem  Bankerott. 
Denn  conturbare  oder  turbare  (14, 
94),  eig.  rem  familiarem  oder  ra- 
tiones,  werden  auch  intransitiv  im 
Sinne  von  decoquere  gebraucht,  und 
dasselbe  ist  deficere,  'zahlucgs- 
unfahig  werden',  vgl.  Cic.  Planc.  68 
verum  fac  me  multis  debere  et  in 
eis  Plancio:  utrum  igitur  me  con- 
turbare  oportet,  an  ceteris  cum  cuius- 
que  dies  (Zahlungstermin)  venerit, 
huic  cum  urget  nomen  dissolvere:' 
Fam.  VIII  8,  2  M.  Servilius  omni- 
bus  in  rebus  turbarat. 

130  sqq.  Tongilius  ist  so  wenig  als 
Pedo   bekannt.     Hier   erst    beginnt 


der  Gedanke:  die  causidici  sind 
gezwungen  nach  aufsen  hin  zu  thun, 
als  wenn  sie  vermogend  waren. 
Tongilius  bedient  sich  daher  im 
Bade  einer  grofsen  Olflasche  von 
Nashorn,  erscheint  dort  mit  einem 
grofsen  Gefolge  (vexat  —  svoxXsl, 
wie  6,  420)  und  lafst  sich  iiber  das 
Forumineinerungewohnlichgrofsen 
Siinfte  tragen.  Die  thrakischen 
Maedi  dienen  als  Sanftentrager; 
die  Tragestangen  {longo  assere)  wer- 
den  durch  die  Ringe  der  Sanfte 
gesteckt.  Tongilius  verweilt  nicht 
unthiltig  auf  dem  Forum ,  sondern 
er  lafst  sich  iiber  dasselbe  hin- 
tragen,  um  in  den  Hallen  wie  ein 
reicher  Mann  zu  kaufen  (vgl.  G,  155 
und  Mart.  IX  59),  darunter  mur- 
rina,  d.  h.  Gefafse  aus  murra,  einer 
Art  Achat  (vgl.  6,  155),  die  den 
goldenen  Gefafsen  an  Wert  gleich 
geachtet  wurden.  Unter  deu  pueri 
hat  man  sich  teure  asiatische  Skla- 
ven,^w€n  «  cijat]io,  zn  denken.  Aber 
Geld  hat  er  nicht,  fiir  ihn  biirgt 
der  tiiuschende  Purpur  mit  tyri- 
schem  Faden,  aus  tyrischem  Stoff. 

134  sq.  stlatta  war  ein  schnelles, 
gewandtes  Piratenschiff,  quod  variis 
ludificationibus  utitur.  Wie  dieses 
die  Reisenden  auf  dem  Meere  ab- 
fiingt,  so  tauscht  das  Purpurgewand 
die  Begegnenden  und  besonders  die 
Verkaufer;  moglich  ist  es,  dafs 
stlattaria  geraubt,  d.  h.  nicht  be- 
zahlt,  durch  List  gewonnen  be- 
deutet,  dann  schliefst  sich  et  tamcn 
est  illis  hoc  (dieses  schwindelhafte 
Leben)  utile  besser  an. 


154 


IVVENALIS 


causidicum,  vendunt  amethystina;  convenit  illi 
et  strepitu  et  facie  maioris  vivere  census, 
sed  finem  inpensae  non  servat  prodiga  Roma. 
fidimus  eloquio?  Ciceroni  nemo  ducentos 
nunc  dederit  nummos,  nisi  fulserit  anulus  ingens, 
respicit  haec  primum  qui  litigat,  an  tibi  servi 
octo,  decem  comites,  an  post  te  sella,  togati 
ante  pedes.    ideo  conducta  Paulus  agebat 
sardonyche,  atque  ideo  pluris  quam  Gallus  agebat, 
quam  Basilus.    rara  in  tenui  facundia  panno. 
quando  licet  Basilo  flentem  producere  matrem? 


140 


145 


136    illi  florilegium  S.  Galli  et  scheda  Aroviensis,  om.  P:  illis  poi 
145  clara  P 


136  amethystina,  die  vestes  ame- 
thystinae  bestehen  aus  einem  violet- 
ten  Piirpui-stoft",  dessen  Farbe  Ahn- 
lichkeit  mit  dem  Amethyst'  hatte. 
—  convenit,  ist  zntraglich,  vor- 
teilhaft,  vgl.  10,  348  iiermittes  ipsis 
expendere  numinibus,  quid  conveniat 
nobis  rebtisque  sit  utile  nostris. 

137  et  strefitu,  von  dem  Gerausch 
des  aufseren  Auftretens,  vgl.  131; 
facie  =  specie,  wie  Gesicht  fiir 
Schein,  Tac.  h.  H  54  intendebat 
formidinem,  quod  publici  consilii 
facie  disccssum  llutina  desertacque 
imrtes  forent  {==  essent). 

138  Es  ist  vorteilhaft  fiir  deu 
causidicus,  sich  den  Anschein  eines 
reichen  Mannes  zu  geben,  aber  lei- 
der  (sed)  versteht  das  verschwende- 
rische  llom  in  den  Ausgaben,  d.  h. 
im  Luxub  nicht  Mafs  und  Ziel  zu 
halten,  —  darum  geht  auch  der 
caMs/fZicws  zuGrunde.—  Besserstande 
V.  138  vor  135,  oder  es  mufs  sed 
in  sic  (wie  6,  120)  geiindert  werden. 

139  fidimus  eluquio?  kaun  au  137 
ankniipfen,  da  i;^8  nur  eine  Neben- 
bemerkung  enthillt:  auf  grofsem 
Fufs  zu  leben  ist  niitzlich,  auf  seine 
Beredsamkeit  darf  niemand  ver- 
trauen,  selbst  wenn  er  ein  Cicero, 
das  Nonplusultra  rednerischer  Ge- 
wandtheit,  wiire. 

141  sq.  In  unserer  Zeit  sind  fol- 
gende  Gesichtspunkte  ijiaec)  mafs- 
gebend.  —  octo  decem  =  octo  decemve, 
achtoder  auch  zehn,  dennobderHerr 
von  mehr  oder  weniger  Sklaven  gc- 
folgt  uusgeht  ist  wiclitig,  weil  man 


daraus  auf  sein  Hauswesen  und  auf 
sein  Vermogen  schliefsen  kann.  Es 
mufs  ferner  ein  Tragsessel  {sclla) 
folgen,  in  den  der  Herr  einsteigen 
kann,  wenn  er  sich  ermiidet  fiihlt, 
er  mufs  aber  auch  ein  Gefolge  von 
Klienten  haben  {togati,  zu  3,  127. 
Mart.  n  57  grex  togatus),  die  ihrem 
Herrn  voranschreiten,  wie  die  Lik- 
toren  oder  viatores' dem  Ma.giatrat, 
und  daher  anteambulones  heifsen, 
Mart.  n  18.   HI  7. 

143  sq.  Paw/ws  istunbekanntjsicher 
ist  er  nicht  mit  dem  124  erwahn- 
ten  Aemilius  identisch.  Der  arme 
schlaue  Paulus  leiht  sich  (6,  352) 
eiuen  sardonyx  {aaQSovv^),  einen 
Ring  mit  eiuem  Karneolachat  oder 
iiberhaupt  mit  einem  funkelnden 
Edelstein,  vgl.  6,  382.  13,  139. 

144 sq.  Gallusimdi  Basilus  sind  un- 
bekaunt,  denu  der  10,222  genannte 
Basilus  war  ein  betriigerischer  Ge- 
schaftsmann.  —  Nicht  nur  nach 
dem  Urteil  des  Volkes  tritt  die 
Beredsamkeit  selten  im  iirmlichen 
Kleide  {tenui  panno)  auf,  nein  in 
Wirklichkeit  sogar  hat  dieser  Satz 
seine  Wahrheit,  weil  mau  dem 
armen  Redner  nur  selten  einen 
wichtigen  Prozefs  anvertraut,  non 
licet  etc. 

146  Quint.  VI  1,  30  non  solum 
dicendo,  sed  etiam  faciendo  quacdam 
lacrimas  movemus,  unde  et  producere 
ipsos,  qni  pcricliteidur,  squalidos  at- 
qne  deformes  et  liberos  corum  ac 
parcntes  institutum ,  et  ab  accusa- 
toribus   crucntum   gladium   ostcndi 


LIBRl  11  r     SATVRA  VII 


155 


quis  beue  diceutem  Basilum  ferat?  accipiat  te 
CuiUia    vel  potius  uutricula  causidicorum 
Atrica,  si  placuit  mercedem  ponere  liu»^uae. 

declamare  doces?  o  ferrea  pectora  Vetti,  150 

cui  perimit  saevos  classis  numerosa  tyrannos. 
nam  quaecumque  sedens  modo  legerat,  haec  eadem  staus 
perferet  atque  eadem  cantabit  versibus  isdem; 
occidit  miseros  crambe  repetita  magistros. 
quis  color  et  quod  sit  causae  geuus  atque  ubi  summa         155 

149  imponere  to         151  cui  laJin:  cum  Pco 


et  lecta  e  volneribtis  ossa  et  vestes 
sanguine  pcrfusas  vidcmus  et  vol- 
nera  resolvi,  verberaia  corpora  nu- 
dari.  Selbst  die  antike  Tragodie 
kannte  die  Macht  der  oipig,  Soph. 
Ufd.  1237  xcov  ds  nQccx&ivrcov  zu 
ulv  cilyiaz'  unBOXiv  17  yccq  oipig 
ov  naga. 

148  Ga//jrt,  vgl.214.  15,111  G^aZ/m 
causidicos  docuit  facunda  Britan- 
)ios.  In  Nordafrika  herrschte  da- 
nialsuud  besonders  ira2.und3.Jahr- 
hundert  ein  reges  geistiges  Leben, 
man  denke  an  Fronto  und  Apu- 
lejus,  dann  an  Tertullian,  Cyprian 
nud  Augustinus.  Seneca  und  Quin- 
tilian  stamrnten  aus  Spanien. 

149  vterccdem  ponere  festsetzen, 
bestimmen,  nicht  wie  in  Rom  sich 
bestimmen  zu  lassen,  also  dasselbe 
wie  8,  246  poscerc  mercedes. 

150  —  214:  Die  Undankbarkeit 
gegen  die  Rhetoren. 

150  Der  tjbergang  ist  ahnlich 
wie  98  gebildet  und  das  neue  die 
Art  der  Tbatigkeit  bestimmende 
declnmare  ( Redeiibungen  halten) 
vorangestellt.  In  der  Kaiserzeit 
wurde  das  declamare  ausschliefalich 
yon  berufsmafsigen  Rhetoren  ge- 
xibt,  es  kann  daher  den  Beruf  der 
Rhetoren  selbst  bezeichnen.  — 
Vettius  ist  nicht  weiter  bekannt; 
Plinius  ruhmt  als  Rhetor  seiner 
Zeit  einen  Julius  Genitor. 

151  Der  Dichtt-r  erinnert  an  die 
in  den  Schulen  iiblichen  xarr/yopiai 
xvQciivvcov.  Es  sind  uns  nicht  wenigev 
als  21  Tbemata  uber  Tyrannen  und 
Tyrannenmord  allein  bei  Seneca 
Rhetor  und  Quintilian  iiberliefert. 
cui,  denn  er  mufs  es  aushalten, 
nur  fiir  ihn  geschiebt  es,  statt  des 


logischen  cuius  classis.  Diese  selbst 
ist  zahlreich,  numerosa  wie  10,  105, 
jeder  Schiiler  behandelt  ein  ahn- 
liches  Thema. 

152  scdens  legerat,  sc.  classis, 
d.  h.  die  Schiiler;  legere  ist  =  re- 
citare,  Plin.  ep.  VI  6,  6  sicuti  in 
scholis  discipuli  scdentes  dc  scripto 
iegunt,  staides  declamant,  ita  qui 
dicebant  (pratores)  stabant,  qui  re- 
citabant,  sedebant. 

152  sq.  haec  pcrferct,  vortragen, 
ausfiihren,  wie  6,  261  aspice  quo 
fremitti  monstratos  perferat  ictus, 
6,  .391  stetit  ante  aram  dictataque 
verba  pertulit  ut  mos  est.  —  atque 
'und  dazu',  wofiir  wir  unterordnend 
sagen:  indem  sie  ableiern  {cantabit) 
denselben  Stoff,  dieselben  Gedanken 
in  denselben  Zeilen  (axixoi),  d.  h. 
genau  in  derselben  Form.  —  Die 
versus  entbalten  den  Satz-  und 
Periodenbau.  Das  Plusquamperf.  in 
V.  152  schildert  die  Handlung  als 
eben  vollundet,  das  Futur  153  d^utet 
an,  dafs  der  Lehrer  mit  Bangen 
und  Sorgeu  nunraehr  des  lang- 
weiligen  Vortrags  harrt,  der  iiber 
seinem  Hanpte  schwebt.  In  Ge- 
wohnheitssiitzen  steht  in  der  silber- 
nen  Latinitat  an  Stelle  des  Praesens, 
auch  des  Praesens  historicum,  im 
Hauptsatz  offc  das  bypothetische 
(eventuelle)  Fntur. 

154  Suid.  d~f?  yiQcca^ri  &(xvccx0g, 
aufgewilrmter  Kohl. 

155  color  (xQafia)  ist  das  Cha- 
rakteristische,  per  omnem  orationem 
aeciuabiliter  fusum,  aber  nicht  der 
oratio,  sondern  der  causa,  des  zur 
VerhandiunggestelltenRechtsfalles. 
Mit  cjenus  causae  verbunden  be- 
zeichnet  es  die  consiitutio  causae. 


156 


IVVENALIS 


quaestio,  quae  veniant  diversae  forte  sagittae, 
nosse  volunt  omues,  niercedem  solvere  nemo. 
'mercedem  appellas?  quid  enim  scio?'   ^culpa  docentis 
scilicet  arguitur,  quod  laeva  parte  manlillae 
nil  salit  Arcadico  iuveni,  cuius  mihi  sexta 
quaque  die  miserum  dirus  caput  Hannibal  implet, 
quidquid  id  est  de  quo  deliberat,  an  petat  urbem 
a  Cannis,  an  post  nimbos  et  fulmina  cautus 
circumagat  madidas  a  tempestate  cohortes. 
quantum  vis  stipulare  et  protinus  accipe,  quid  do 
ut  totiens  illum  pater  audiat?'  haec  alii  sex 


160 


165 


157  velunt  P  velint  Pithoeus        158  scit  Christensen        159  leve  P 
162  quo  liberat  P       165  accipere  P    quid  do  P  Priscianus:  quod  Ao  pm 


die  Lehre  von  den  ■  status,  tisqI 
xav  ozaGscov.  Mit  der  constitutio 
causae  verbindet  man  die  contro- 
versia,  die  Fragestellung,  summa 
quaestio  (Hauptfrage) ,  z.  B.  iurene 
fecerit,  d.  h.  die  Grundfrage  der 
ricbterlichen  Entscheidung,  quid 
veniat  in  iudicium. 

156  Was  fiir  Pfeile  vom  Gegner 
zu  gewiirtigen  seien,  um  ihn  schon 
im  voraus  zu  widerlegen.  Dieser 
Teil  gehort  zur  Lehre  von  den 
sedes  oder  loci  (voTtot)  argumento- 
rum,  der  discipHna  inveniendorum 
argumentorwn. 

157  mereedem  Honorar  (228),  das 
vorher  in  der  Regel  nicht  festge- 
stellt  war,  vgl.  zu  149. 

158  appellare  aliquem  einen  mah- 
nen,  wie  9,  64  sed  pensio  clamat 
'posce',  sed  appeUat  puer  unicus, 
gewohnlich  de  aliqua  re,  nicbt  ali- 
quam  rem  appeUare  (=  poscere, 
flagitare).  —  scio,  so  sagt  der  Schiiler 
{nosse  volunt)  oder  der  Vater,  der 
sich  ganz  mit  seinem  Sohne  iden- 
tifiziert. —  culpa  docentis  scilicet  etc. 
sind  nicht  Worte  des  Dichters,  son- 
dern  Ausdruck  des  Mifsmuts  des 
geplagten  und  mit  Undank  belohn- 
ten  Lehrers,  wie  5,  76  sq. 

160  salit  vom  Herzschlag,  wie 
Pers.  3,  111  cor  tibi  rite  salit':' 
Wie  wir  in  den  Kopf,  so  setzten 
die  Romer  die  Flihigkeiten,  den 
Verstand  in  das  Herz,  daher  boi 
Cic.  Tusc.  1  18  egrcgie  cordatus 
homo,  catus  Aelius  Sextus.  —  Der 
iuvenis  ist  Arcadicus,  ein  bilurischer 
Tolpel,    Pers.  3,  9    findor  ut   Ar- 


cadiae pecuaria  rudere  dicas,  Auson. 
76,  3  asinos  quoque  rudere  dicas, 
cum  vis  Arcadicum  fingere,  Marce, 
pecus.  —  sexta  die  erklart  Quint. 
II  7,  1  iUud  ex  consuetudine  mu- 
tandum  prorsus  existimo  in  iis,  de 
quibus  nunc  disserimus,  aetaiibus, 
ne  omnia  quae  scripserint  ediscant 
et  certa,  ut  moris  est,  die  dicant; 
quod  quidcm  maxim^e  patres  exigunt 
(die  sich  auch  in  der  Schule  zum 
Vortrag  einfanden,  sogar  mit  Freun- 
den,  Pers.  3,  47),  atque  ita  demum 
studcre  liberos  suos  credunt,  si  quam 
frequentissime  declamaverint ,  cum 
profectus  praecipue  diligentia  constet. 
161  Hannibal  wurde  zu  vielen 
Themata  in  den  Suasoriae  ausge- 
nutzt,  vgl.  10,  167.  6,  291.   170. 

164  madidas  'gewitterdurchniifst', 
nach  den  vielen  Schlagen  {nimbi 
et  fulmina),  die  er  dem  Feinde 
beigebracht,  wodurch  er  aber  auch 
seine  Truppen  erschopft  hatte. 

165  Bedinge  eine  beliebige  Summe, 
ja  du  kaunst  sie  sofort  in  Empfang 
nehmen,  ich  gebe  sie  (die  Summe) 
unter  der  Bedingung  oder  wenn 
der  Vater  den  Sohn  so  oft  anhort, 
als  ich,  quotiens  ego  iUum  audio, 
i.  6.  audire  cogor.  Der  Rhetor  will 
also  mit  einem,  man  kann  den 
Dichter  denken,  eine  beliebigeWette 
eingehen.  Die  Worte  quid  do  sind 
freilieh  viberfliissig,  und  wahr- 
scheinlich  korrupt. 

166  alii  sex,  so  klagt  nicht  einer, 
nein  so  klageu  noch  viele  auderc 
Lehrer   {sophistae  =  rhctorcs)   und 


LIBRI  III    SATVRA  VII 


157 


vel  plures  uno  conclamaut  ore  sopliistae 
et  veras  agitaut  lites  raptore  relicto; 
fusa  veneua  sileut,  malus;  iugratusque  maritus, 
et  quae  iam  veteres  sanant  mortaria  caecos. 
ergo  sibi  dabit  ipse  rudem,  si  nostra  movebunt 
cousilia,  et  vitae  diversum  iter  iugredietur, 
ad  pugnam  qui  rhetorica  descendit  ab  umbra, 
summula  ne  pereat,  qua  vilis  tessera  venit 
frumenti.    quippe  haec  merces  lautissima.    tempta, 
Chrysogonus  quanti  doceat  vel  Polio  quanti 


170 


175 


174  summula  co:  summavia  P         175   temptat  PS 


suchen  von  der  Schule  loszukom- 
men  uud  wirkliche  Sachwalter  zu 
werden. 

168  raptore  rclicto,  das  Schul- 
geschwatz  verlassend.  Es  wird  auf 
ein  Schulthema  angespielt,  das 
Quint.  dncl.  247  behandelt:  Ein 
reicher  Jiiugling  {raptor)  entfiihrt 
eine  Jungfrau  wider  ihren  Willen, 
und  bietet  ihr  die  Hand  zur  Ehe. 
Da  sie  sich  weigert,  ersticht  sieh 
der  Jungliug;  ehe  dieser  aber  stirbt, 
erbietet  sich  das  Miidchen  zur  Ehe. 
Nun  erheben  diese  Gattin  i^nd  die 
Verwandten  dee  Junglings  Anspruch 
auf  die  Erbschaft. 

169  ftisa  veyiena,  Quint.  decl.  17: 
ein  Vater  trifit  seinen  Sohn,  mit 
dera  er  langst  unzufrieden  war, 
mit  Bereitung  eines  Giftcs  beschiif- 
tigt  (m  secreta  domus  parte).  Der 
Sohn  erkliirt,  dafs  er  selbst  den 
Tod  suche.  Da  befiehlt  ihm  der 
Vater  sofort  zu  trinken ,  der  Sohn 
aber  schiittet  das  Gift  weg.  Da 
erfolgt  denn  die  Klage  auf  Versuch 
des  Vatermordes.  —  malus  maritus, 
Sen.  contr.  II  13  p.  156  (B.):  eine 
Frau  wird  vom  Tyrannen  gefoltert, 
um  ihr  liber  eine  Verschworung 
gegen  sein  Leben  ein  Gestiiudnis 
abzunotigen.  Die  Frau  bleibt  aber 
staudbaft  nnd  der  Gatte  totet  bald 
darauf  den  Tyrannen.  Als  ihm  aber 
die  Frau  in  fiinf  Jahren  kein  Kind 
gebar,  da  trennte  er  sich  von  ihr, 
die  Frau  aber  klagte  ihn  wegen 
groben  Undankes  an. 

170  Das  Thema  behandelte  den 
Verauch  veteres  caccos,  langst  er- 
blindete    Eltern    oder    Schwieger- 


eltern,  nach  dem  Beispiel  der  Medea 
zu  verjiingen,  diese  aber  fanden 
dabei  deu  Tod. 

171  rudem  sibi  dare  sich  selbst 
die  Befreiung  geben,  sich  zur  Ruhe 
setzen,  vgl.  6,  113  accepta  rude, 
Hor.  ep.  I  1,  2. 

173  Der  ganze  Relativsatz  ist 
Snbjekt  zu  dabit  und  ingredietur 
und  umschreibt  den  Begriff  Rhetor, 
dessen  charakteristische  Eigeutiim- 
lichkeit  es  ist,  dafs  er  auiserhalb 
der  Schule  {umhra)  nur  mit  einem 
wirklichen  Prozefs  (purjna)  zu  thun 
hat,  niimlich  wegen  verweigerten 
Schulgeldes,  summida  ne  pereat, 
damit  ihm  das  Siimmchen  nicht 
verloren  geht,  das  er  fiir  eine  Ge- 
treidemarke  ausgiebt.  Im  letzten 
Jahrhundert  der  Republik  wurde 
einer  Anzahl  armerer  Biirger  der 
modius  Getreide  fiir  6V3  as  verab- 
reicht,  wahrend  er  auf  dem  Markte 
12  asses  kostete.  Clodius  stellte 
den  Antrag,  dafs  das  Getreide  um- 
feonst  verteilt  werden  sollte.  Unter 
Augustus  wurden  ohngefilhr  200  000 
Billette  (tesserae)  verteilt.  Eine  solche 
tissera  war  eine  Staatsanweisung 
und  fiir  den  Inhaber  giiltig,  der 
sie  also  wiederum,  hier  an  den  Rhe- 
tor,  verkaufen  konnte. 

1 75  sqq.  tempta,  siehe  zu,vergleiche 
—  und  (vgl.  1,  155)  du  wirst  das 
Lehrbuch  iars)  zerreifsen!  —  Lehrer 
der  Musik,  wie  Chrysogomis  (6,  74 
Siinger)  und  Polio  (6,  387  Citha- 
rode,  Friedl.  zu  Mart.  III  20,  18) 
wurden  sehr  hoch  bezahlt,  denn 
ihre  Kunst  war  Modesache  und,  da 
eie  offentlich  auftraten,  vereinigten 


158 


IVVENALIS 


lautorum  pueros:  artem  scindes  Theodori. 

balnea  sescentis  et  pluris  porticus,  in  qua 

gestetur  dominus,  quotiens  pluit  —   anne  serenum 

expectet  spargatque  luto  iumenta  recenti? 

hic  potius,  namque  hic  mundae  nitet  uugula  mulae 

parte  alia  longis  Numidarum  fulta  columnis 

surgat  et  algentem  rapiat  cenatio  solem; 

quanti  cuique  domus,  veniet  qui  fercula  docte 

componat,  veniet  qui  pulmentaria  condit. 

hos  inter  sumptus  sestertia  Quiutiliano, 

ut  multum,  duo  sufficient-,  res  nulla  minoris 


180 


185 


177  scindes  lahn:  scindens  PSoa        180  tumentia  P        181  delebat 
Heinrich         184  cuique   W:  cumque  P(o 


sie  um  sich  den  Glorienscheiu  dav- 
stellender  Kiinstler.  —  Theodorus  von 
Gadava  war  ein  beriihmter  Redner, 
den  auch  Tiberius  auf  Rhodus 
gehort  haben  soll,  Quint.  III 
1,  17. 

178  Undwarumwollendiereichen 
Leute  nicht  bezahlen?  Nun  sie 
brauchen  eben  ihr  Geld  zu  etwas 
Besserem!  —  sesctntis,  sc.  milibiis 
mimvium.  —  balnea,  zu  Hause  oder 
in  den  Villen. 

179  gestetur,  sc.  vehiculo,  spazie- 
ren  fahren,  vgl.  4,  6  quantis  iu- 
menta  fatiget  porticibus,  quanta 
nemorum  vectetur  in  umbra,  14,  66 
ne  perfusa  luto  sit  porticus.  In 
der  Stadt  selbst  war  das  Fahren 
nicht  gestattet,  also  war  eine  Spazier- 
fahrt  nur  im  eigenen  Hofe  oder 
aufserhalb  der  Stadt,  auf  der  FIu- 
minia  oder  Laiina  via,  moglich. 

181  hic  potius  ironische  Bemer- 
kung  des  Dichturs  im  Sinne  der 
Reichen:  hier  iu  der  Halle  ist  es 
viel  besser,  denn  hier  glanzt  so 
hiibsch  der  Huf! 

183  surgat  ist  imperativischer 
Konjunktiv:  der  Herr  will  uud  mufs 
es  so  haben.  Der  prachtvolle,  vou 
afrikanischen  Saulen  getragene 
Speisesaal  {cenatio)  liegt  nach  Nor- 
den  und  fiingt  die  frostige  oder 
kiihle  Sonne  (die  nach  Norden  zu 
selbtit  friert)  auf,  Soph.  Phil.  17 
tV  sv  ipvx^i-  fisv  riXiov  SmXii  ttkq- 
saziv  fva^aMr/aip,  iv  &sqsi  d'  vnvov 


Si'  a(iq)t.TQrjTog  ccvXiov  itsfmst  nvOri, 
und  Horazeus  Gut  ep.  I  16,  6  sq. 

184  sq.  SoteueraberdasHaiiSjd.h. 
die  ganze  Hauseiurichtung,  Aus- 
stattung  und  Sklaventrofs,  kommt, 
um  denselben  hohen  Preis  mufs 
er  uoch  einen  structor  (zu  5,  120) 
haben  (zu  veniet  'vgl.  29)  und 
einen  pulmentarius  {orponoiog),  der 
die  Bereitung  der  feineren  Speisen 
besorgt.  Der  Wechsel  von  qui  com- 
ponat  und  qui  condit  ist  nicht  auf- 
fallend:  im  ersten  Fall  wird  der 
Zweck  durch  den  Konj.  ausgedriickt, 
im  andern  Falle  wird  durcb  den 
Indikativ  die  vorhaudeue  Klasse 
der  hipoTtoioC  bezeichuet. 

186  sq.  Quintiliano ,  d.  h.  auch 
dem  besten  Lehrer  der  Beredsam- 
keit,  vgl.  6,  75  u.  280.  Von  dem 
Grammatiker  Palaemon  sagt  Suet. 
gramm.  23,  dafs  er  ex  schola  qua- 
dringena  annua  gewonnen,  und 
(c.  17)  von  Verrius  Flaccus,  dafs 
er  als  Prinzenlehrer  centena  sestertia 
m  annum  von  Augustus  erhalten 
habe,  wahrend  die  meisten  Lehrer 
in  Not  und  Armut  lebten.  Das 
Honorar  der  Rhetoren  war  iu  der 
Regel  das  Duppelte  von  dem  Ho- 
norar  der  Grammatiker.  —  suffi- 
cient,  constabit  siud  hypothetische 
Futura  oder  Futura  gaomica,  vgl. 
201.  184.  153.  104.  90.  Pers.  2,  5 
at  bona  pars  procerum  tacita  libubit 
accrra,  anders  als  du  opferst,  Ma- 
crinus. 


LIBRl  III     SATVRA  VII 


159 


constabit  patri  quaiu   liliiis.    'imde  igitur  tot 

Quiutiliauus  lialiet  saltus?'    exempla  uovorum 

fatorum  trausi:  felix  et  pulcer  et  acer,  190 

felix  et  sapiens  et  uobilis  et  geuerosus, 

adpositam  uigrae  luuam  subtexit  alutae; 

felix  orator  quoque  maximus  et  iaculator, 

et,  ni  perfrixit,  cautat  beue.    distat  euim,  quae 

sidera  te  excipiaut  modo  primos  incipieutem  195 

edere  vagitus  et  adhuc  a  matre  rubeutem. 

si  Fortuna  volet,  fies  de  rhetore  consul; 

si  volet  haec  eadem,  fiet  de  consule  rhetor. 

Ventidius  quid  eniui?  cpiid  Tullius?  auue  aliud  quam 

194  ni  W:  si  Pco        perfri*xit  P  rasa  n         198  fiet  P:  fies  ^Jw 


189  sq.  Beispiele  von  jE;anz  unge- 
wohnlichen  (nocorum)  Gliickspilzen 
durfen  wir  nicht  iu  Betracht  ziehen 
(transi),  sie  biUien  eben  nur  eine 
Ausnahme  von  der  Regel  und  be- 
statigen  nur  die  Allmacht  des 
Gliickes,  das  erhohen  und  erniedri- 
gen  kann,  wen  und  >vann  es  will; 
ob  es  ein  Rhetor  oder  ein  Sklave 
ist,  bleibt  voUig  glei&hgiiltig.  — 
felix  wer  Gliick  hat,  qui  felix  est. 

192  Der  Gliickliche  wii-d  selbst 
Senator.  Die  Senatoren  trugen  be- 
sondere  Schuhe  mit  vier  Riemen, 
und  oben  ist  ein  elfenbeinerner  oder 
silberner  Knopf  in  Gestalt  eines 
Halbmondes  angebracht  {Juna).  Der 
Mond  soll  ein  Erbstiick  der  uralten 
patricischen  Senatoren  sein,  Stat. 
s.  V  2,  27  sic  te,  clare  puer,  genitum 
sibi  curia  sensit,  prima(jue  patricia 
clausit  vestigia  luna.  —  Unter  aluta 
kann  jedes  fein  gearbeitete  Leder 
verstanden  werden. 

193  Der  Gliickliche  wird,  wenn 
er  sich  der  Beredsamkeit  widmet, 
der  grofste  Redner,  und  treibt  er 
Sport,  80  ist  er  der  grofste  Schiitze, 
und  widmet  er  sich  der  Kuust,  so 
ist  er  Sanger  wie  Chrysogouus.  Un- 
verstandlich  ist  mir  si  perfrixit, 
was  'auch  mit  dem  Schnupfen'  oder 
'auch  wenn  er  erkiiltet  ist'  ent- 
schieden  nicht  bedeuten  kann;  dies 
miifste  vel  si  perfrixit  heifsen,  da 
et  si  fiir  etium  si  hier  unmoglich 
ist.  Sollte  hier  Juv.  nicht  das 
Horazische  nisi  cum  pituita  viohsta 
est  nacbgeahmt  haben?   Dann  mufs 


geschrieben  werden:  et,niperfrixit, 
cantat  bine.  Denn  iiber  die  Macht 
der  Natur  kanu  doch  auch  das 
Gliickskind  nicht  hinaus.  Auch  das 
Scholium  infrigdatus  fuit  bedeutet 
kaum  etwas  anderes  als  ni  frigi- 
datus  fuit. 

194  distat,  es  maeht  einen  grofsen 
Unterschied,  Hor.  ep.  I  17,  44  distat, 
sumasne  pudenter  an  rapias. 

195  sidera  excipiant,  vgl.  IG,  3. 
197    de,    wie    5,  25    de    conviva 

Corybanta  videbis.  Juvenal  spielt 
auf  ein  uuter  Domitian  vorgekom- 
menes  Ereignis  an,  das  Plin.  ep. 
IV  11  erzilhlt:  audistine  Valerium 
Lieinianum  in  Sicilia  proflteri? 
Praetorius  liic  modo  inter  eloquen- 
tissimos  causarum  actores  habebatur, 
nunc  eo  decidit,  ut  exul  de  senatore, 
rlittor  de  oratore  fierct.  Itaque  ipse 
in  praefatione  dixit  dolenter  et  gra- 
viter:  quos  tibi  fortuna  ludos  facis! 
faeis  enim  ex  professoribus  sena- 
tores,  ex  senatoribus  professores! 
Der  consitl  de  rhetore  ist  Quinti- 
lian,  der  wenigstens  die  ornamenta 
consularia  erbalten  hatte,  womit 
wahrscheinlich  der  Eintritt  in  den 
Senat  verbunden  war. 

199  Uber  Ventidiits  Bassus  wird 
bei  Gell.  XV  4  erziihlt:  eum  Picen- 
tem  fuisse  gencre  et  loco  hnmili  et 
matrem  eius  a  Pompeio  Strabone 
bello  sociali  captam  cum  ipso  esse, 
mox  triumphante  Pompeio  eum  quo- 
que  puerum  inter  ceteros  ante  cur- 
rum  imperatoris  sinu  matris  vectum 
esse;  post  cum   adolevisset,  victum 


160 


IVVENALIS 


sidus  et  occulti  miranda  potentia  fatir* 

servis  regna  dabunt,  captivis  fata  triumphum. 

felix  ille  tamen  corvo  quoque  rarior  albo. 

paenituit  multos  vanae  sterilisque  cathedrae, 

sicut  Thrasymachi  probat  exitus  atque  Secundi 

Carrinatis;  et  hunc  inopem  vidistis  Athenae 

nil  praeter  gelidas  ausae  couferre  cicutas. 

di,  maiorum  umbris  tenuem  et  sine  pondere  terram 


200 


205 


201   triumphos  pco  204    sicut  **+*machi  P  lisimachi  p    thresi- 

machi  g.  Tharsymachi  Bitschl 


sibi  aegre  quaesisse  eumque  sordide 
invenisse  comparandis  mulis  et  ve- 
hiculis,  quae  magistratibus,  qui  sortiti 
provincias  forent,  praebenda  publice 
conduxisset.  Jn  isto  quaestu  notum 
csse  coepisse  C.  Caesari  et  cum  eo 
profectum  esse  in  Gallias.  Tum  quia 
in  ea  provincia  satis  naviter  ver- 
satus  esset  et  deinceps  civili  bcllo 
mandata  sibi  pleraque  impigre  et 
strenue  fccisset,  non  modo  in  ami- 
citiam  Caesaris,  sed  ex  ea  in  am- 
plissimmn  quoque  ordinem  pervenisse ; 
mox  tribunum  quoque  plebi  ac  dc- 
inde  practorem  crcatum  atque  in  eo 
tempore  iudicatum  esse  a  senattc 
hostem  cum  M.  Antonio,  post  vero 
coniunctum  patribus  non  pristinam 
tantum  dignitutern  reciperasse,  sed 
pontificatum  ac  deinde  (43  v.  Chr.) 
consulatum  quoque  adeptum  esse. 
Er  triumphierte  im  J.  38  tiber  die 
Parther.  —  Tullius  ist  der  Konig 
Servius  TuUius,  angeblich  der  Sohn 
einer  Sklavin,  8,  259. 

200  sidus,  potentia,  ein  Spiel  der 
Sternenmacht,  der  Wirkung  des 
geheimnisvollen  Schicksals.  Denn 
in  den  Personen  spiegelt  sich  daa 
Gestirn  und  die  Macht  des  Schicksals. 

201  servis,  dem  Servius  Tullius; 
captivis,  dem  Ventidius. 

202  corvo  rarior  albo,  wie  6,  165 
rara  avis  in  terris  nigroq^ue  simil- 
lima  cyeno. 

203  paeniiuit  asyndetisch  fiir 
paenituit  quidem.  —  Der  Lehrer 
sitzt  in  der  cathedra,  daher  be- 
zeichnet  diese  das  Lehramt. 

204  Thrasymachus  aus  Chalcedon, 
ein  jiingerer  Zeitgenosse  des  So- 
kratcs,  ist  aus  Platos  Republik 
bekannt,  wo  er  den  Egoismus   als 


Prinzip  der  Gerechtigkeit  gegen 
Sokrates  verteidigt.  Er  war  aufser 
Isokrates  der  bedeutendste  Lehrer 
der  Beredsamkeit  in  Athen;  durch 
seine  Schriften  iibte  er  grofsen  Ein- 
flufs  auch  noch  auf  Demosthenes. 
Von  seinem  Lebensende  wissen  wir 
nichts,  der  Scholiast  berichtet,  er 
habe  sich  erhangt.  —  Von  Secun- 
dus  Carinas  berichtet  Dio  C.  LIX  20 
KccQivav  Usnovvdov  QrjxOQCc  icpvyd- 
6sva£  710T8  (sc.  Caligula)  OT.t  loyov 
TLVcc  £v  yvfivocGia)^  xara  tvqc(vvcov 
slnsv.  Secundus  scheint  sich  dann 
nach  Athen  begeben  zu  haben.  Sein 
Sohn  nahm  nach  dem  Brande  Roms 
an  den  Riiubereien  Neros  in  Grie- 
chenlaud  und  Asien  eifiigen  An- 
teil,  und  wird  von  Tac.  XV  45 
Graeca  doctrina  ore  tenus  exercitus 
{animum  bonis  artibus  non  imbuerat) 
genannt.  Das  Ende  des  Vat,ers  ist 
unbekannt. 

206  enthiilt  eine  boshafte  Be- 
merkung  iiber  Athen,  die  aber  doch 
iiur  dann  einen  Sinn  hat,  vveun 
Secundus  Carinas,  wie  der  Scholiast 
erzahlt,  sich  dort  vergiftet  hat.  — 
Bitter  ist  ausae:  grofse  Manuer 
wie  Sokrates  wagt  diese  Stadt  hoch- 
stens  mit  Gift  zu  unterstiitzen,  zu 
edlerer  Gabe  hat  sie  nicht  dea  Mut. 

207  Die  Vergegenwiirtigung  Ser 
Undankbarkeit  der  Zeitgenossen 
gegen  die  Lehrer  veraulafst  deu 
Diehter  die  Gotter  zu  apostrophieren 
und  zu  bitten,  die  Ahnen  auch  noch 
im  Grabe  dafiir  zu  segnen,  dafs  sie 
stets  dem  Lehrer  die  hochste  Ach- 
tung  gewiihrt  hiitteu.  —  sine  pon- 
dere  ist  einem  Adjektiv  {Jevis)  gleich. 
Als  Verbum  ist  date,  nicht  dcnt,  zu 
ergilnzen. 


LIBRI  III    SATVRA  VII 


IGl 


spirantisque  crocos  et  in  urua  perpetuum  ver, 

qui  praeceptorem  sancti  voluere  parentis 

esse  loco.    metuens  virgae  iam  grundis  Acbilles  210 

cantabat  patriis  in  montibus,  et  cui  non  tunc 

eliceret  risum  citbaroedi  cauda  magistri; 

sed  Rufum  atque  alios  caedit  sua  queraque  iuventus, 

Rufum,  quem  totiens  Cicerouem  Allobroga  dixit. 

quis  gremio  Cebvdi  doctique  Palaemonis  adfert,  215 

quautum  grammaticus  meruit  labor?  et  tamen  ex  boc, 
quodcumque  est  —  miuus  est  etiam  quam  rbetoris  aera  — 
discipuli  custos  praemordet  acoenonoetus, 
et  qui  dispensat,  frangit  sibi.    cede,  Palaemon, 
et  patere  inde  aliquid  decrescere,  uon  aliter  quam  220 

institor  bibernae  tegetis  niveique  cadurci, 
dummodo  non  pereat,  mediae  quod  noctis  ab  bora 
sedisti,  qua  nemo  faber,  qua  nemo  sederet 

208  spirandis  P  217  etiam  W:  om.  P  autem  pco  aeera  P 

218  acoeDonetus  {dy.oivavTjrog)  glossaria  ut  Parisinum  Hildehrandi  p.  3 
Grangaeus         219  frangit  s;  frangat  P  franget  s 


208  Pers.  1,  36  assensere  viri  (dem 
recitierenden  Dichter):  nune  non 
cinis  iUe  poetae  felix?  non  levior 
cippus  nunc  imprimit  ossa?  laudant 
concivae :  nunc  non  e  manibus  illis, 
nunc  non  e  tumulo  fortunaiaque  fa- 
villa  nascentur  violae? 

210  Die  Vorfahren  (bezahlten 
nicht  nur  willig  das  Honorar,  son- 
dern)  lehrten  auch  die  Jugend 
Pietat  gegen  den  Lehrer,  wie  das 
Beispiel  des  Achilles  zeigt.  Die 
Sage ,  dafs  Achilles  Schiiler  des 
Kentauren  Chiron  war,  kennt  auch 
Homer,  aber  die  Kentauren  sind 
bei  ihm  noch  nicht  halb  Mensch 
balb  Pferd.  Javenal  hebt  einen 
Nebenumstand  der  spateren  Sage 
zum  Scherz  hervor,  charakterisiert 
aber  zugleich  den  Unterschied  der 
friihem  und  jetzigen  Jugend. 

214  dixit,  8c.  iuventus.  Eufus 
selbst  ist  nicht  bekannt. 

216 — 243 :  Der  Undank  gegen  die 
Grammatiker. 

215  Celadus  ist  unbekannt.  Q. 
Bemmius  Palaemon  docuit  Bomae 
ac  principem  locum  inter  gramma- 
ticos  tenuit,  onter  Tiberius  und 
Claudius,  war  der  Lehrer  Quinti- 
lians.  Er  gewann  als  Lehrer  jahr- 
lich  400  000  Sest.  Capiebat  homines 

IVVESALIS    SaTVEAE. 


eum  memoria  rerum  tum  facilitate 
sermonis.  Suet.  gr.  23.  —  gremio, 
in  den  sinus,  d.  h.  in  den  Bausch 
der  Toga;  wir  wiirden  Tasche 
sagen,  vgl.  14,  327. 

217  minus  etiam,  vgl.  zu  186.' — 
aera,  Verdienst,  Gewinn,  Hor.  ep. 
II  3,  345  hic  liber  aera  meret  Sosiis. 

218  discipuU  custos,  vgl.  10,  117 
sequitur  (puerum)  eustos  angustae 
vernula  capsae,  Hor.  s.  I  6,  78  u. 
81.  —  acoenonoetus  von  ccy.oLvovor]- 
Tog,  ohne  gemeinen  Menschenvei-- 
stand,  riicksichtslos;  doch  ist  dieses 
Wort  nicht  nachweisbar  und  wahr- 
scheinlich  axotfcuiTjTcos  zu  lesen. 

219  Der  dispensator  ist  der  Se- 
kretar  oder  Kassierer  des  reichen 
Hauses,  vgl.  1,  91.  —  cccZe  bis  227 
spricht  der  Dichter  nicht  obne 
Ironie  und  Indignation,  nicht  etwa 
der  Dibpensator. 

221  MJs^ttorderKIeinhandler  oder 
Trodler  der  Matratze  und  Bett- 
decke  (6,  537),  oder  wie  bei  Hor. 
in  6,  30  der  hausierende  Hiindler. 

223  Der  Unterricht  der  Gramma- 
tiker  begann  in  aller  Friihe  noch 
bei  Licht,  Mart.  IX  68  an  einen 
ludi  magister:  nondum  cristati  ru- 
pere  silentia  galli,  murmure  iam 
saevo  verberibusque  tonas,  Ov.  ani. 
11 


162 


IVVENALIS 


qui  docet  obliquo  lanam  deducere  ferro; 
dummodo  non  pereat,  totidem  olfecisse  lucernas, 
quot  stabant  pueri,  cum  totus  decolor  esset 
Flaccus  et  haereret  nigro  fuligo  Maroni. 
rara  tamen  merces,  quae  cognitione  tribuni 
non  egeat.    sed  vos  saevas  inponite  leges, 
ut  praeceptori  verborum  regula  constet, 
ut  legat  bistorias,  auctores  noverit  omnes 
tamquam  ungues  digitosque  suos;  ut  forte  rogatus, 
dum  petit  aut  tbermas  aut  Phoebi  balnea,  dicat 
nutricem  Anchisae,  nomeu  patriamque  novercae 
Anchemoli,  dicat,  quot  Acestes  vixerit  annis, 
quot  Siculi  Phrygibus  vini  donaverit  urnas. 
exigite  ut  mores  teneros  ceu  pollice  ducat, 


225 


230 


235 


229  salvas  P  231  storias  PS  232  sit  forte  P  234  patriae- 
que  PS  235  arcliemori  PSco  236  siculis  P  siculus  a  237  figite 
ut  maiores  P 


I  13,  17  tu  pueros  somno  fraicdas 
tradisque  magistris,  ut  subeant  te- 
nerae  verhera  saeva  manus. 

224  Claud.  XX  381  doctissimus 
artis  quondam  lanificae,  moderator 
pectinis  unci.  non  alius  lanam  pur- 
gatis  sordibus  aeque  praebuerit 
calathis,  similis  nec  pinguia  quis- 
quam  vellera  per  tenues  ferri  jjro- 
ducere  rimas. 

227  Vergil  und  Horaz  wurden 
vorzugsweise  von  den  Grammatikern 
erlilart,  praelegebantur ,  daneben 
Lucan,  Dial.  20.  —  haerere  mit 
Dativ  auch  3,  233  cibus  haerens 
ardenii  stomacho,  10,  144  tituli 
haesuri  saxis,  doch  kann  es  in  bei- 
den  Fallen  auch  Abl.  sein,  der 
sonst  mit  der  Struktur  haeret  aliquid 
in  aliqua  re  abwechselt. 

228  In  der  Kaiserzeit  hatte  das 
Volkstribunat  eine  bestimmt  abge- 
grenzte  Polizeigewalt  und  inner- 
halb  derselben  die  richterliche 
Kognition,  vgl.  11, 7.  Gell.  XIII 12,  9. 

229  sq.  leges,  Forderungen.  Der 
Lehrer  soll  der  Begel  des  Ausdrucks 
sicher  sein  (constet),  er  soll  nicht 
nur  den  Gebrauch,  sondern  auch 
den  Grund  desselben  kennen,  die 
grammatischeAnalogiebeherrschen. 

231  legat,  belesen  sei  in  der  Ge- 

schichte,    eig.    fort    und   fort  lese. 

233  Das  Bad  des  Phobus  wird  von 


Martial  nicht  erwahnt,  oft  aber 
Phobus.  Ein  Freigelassener  Phobu.s 
wird  Tac.  XVI  5  genannt.  . 

234  Verg.  VII  1-tu  quoque  litori- 
hus  nostris,  Aeneia  nutrix,  aeternam 
moriens  famam,  Caieta,  dedisti.  Der 
Grammatiker,  der  ja  alles  wissen 
mufs,  sollte  nun  auch  sagen  konnen, 
wer  die  Amme  vonAneas'  Vater  war. 

235  Verg.  X  389  hinc  Sthenium 
petit  et  Bhoeti  de  gente  vetusta  An- 
chemolum,  thaJamos  ausum  incestare 
novercae.  Acestes ,  ein  Tcojaner, 
hatte  bereits  vor  Aneas'  Ankunft 
in  Segesta  eine  troische  Nieder- 
lassung  gegrundet,  V  30  u.  1 195  sq., 
er  wird  V  73  als  aevi  maturus  be- 
zeichnet.  —  Der  Ablativ  fiir  den  Acc. 
der  Dauer  ist  in  der  silbernen  La- 
tinitat  sehr  hilufig,  vgl.  11,  53 
caruisse  uno  circensibus  anno,  11, 
72  servatae  parte  anni  uvae. 

237  Die  Schule  des  Grammatikers 
sollte  nicht  nur  eine  Lehr-,  son- 
dern  auch  eine  Erziehungsanstalt 
sein,  Florus  fr.  bei  O.Jahn  p.XLIV 
quam  imperatorium  quam  regiuni 
est  sedere  a  suggestu  praecipientem 
honos  mores  et  facrurum  sttidia 
litterarum.  —  lu  Wachs  und  Thon 
arbeitete  man  zuerst  mit  dem  Mo- 
dellierstab,  danu  gliittete  und  feilte 
mau  das  Werk  mit  dem  Finger, 
Pers.   5,   38    apposita    intortos    ex- 


LIBRI  III    SATVRA  Vni 


163 


ut  si  quis  cera  voltum  facit;  exigite  ut  sit 
et  pater  ipsius  coetus,  ne  turpia  ludant, 
ne  faciaut  vicibus;  nou  est  leve  tot  puerorum 
observare  mauus  oculosque  in  fiue  trementis. 
'haec'  inquit  'curas,  et  cum  se  verterit  aunus, 
accipe,  victori  populus  quod  postulat  aurum.' 


240 


SATVRA  VIII 
Stemmata  quid  faciunt,  quid  prodest,  Pontice,  longo 
sanguine  censeri,  pictos  ostendere  vultus 


240  sq.  '  Tnvenalis  non  sunV    Valla 
tt.  ._uit^  CL  ^         243  postulaturum  P 
VIII  2  vultus  add.  p 


239  quetus  P 
sed  vel  cures  et 


242    cura 


tendit  regula  mores  et  p^emitur 
ratione  animus  vincique  laborat  arti- 
ficeinque  tuo  ducit  sub  poUice  voltum. 
•239  fjoter  ipsius  coetus  der  leib- 
liche  Vater  seines  Hiiufleins,  wie 
ipsius  regis  gener  des  Konigs  eigener 
Schwiegersohn. 

240  vicibus  =  invicem,  Stat.  s. 
IV  9,  50  quid  si,  cum  bene  mane 
semicrudus  inlatam  tibi  dixero  sa- 
lutem,  et  tu  me  vicibus  domi  salutisy 
Vgl.  6,  311  inque  vices  equitant. 

241  trementis,  das  schmachtende 
(unruhige ?)  Auge.  —  i>!  fine  erklart 
man  nach  Mart.  IX  69  cum  futuis, 
Pohjmarche,  soles  in  fne  cacare, 
allein  bei  Juvenal  fehlt  der  Gegen- 
satz.  Vielleicht  ist  zu  lesen :  obser- 
vare  manu,s,  oculos  sine  fine  tre- 
»we«hs,nachMart.V  78,  21  vibrabunt 
sine  fine  prurientes  hscivos  doeili 
tremore  Jumbcs  {de  Gadibus  puellae). 

242  inquit  'heifst  es',  vgl.  3,153. 
14,  153.  Nun  ja  das  also  thust  und 
sorgst  du  (zu  9,  41),  —  und  wenn  das 
Jahr  zn  Ende  ist,  dann  nimm  dafur 
den  Lohn.  den  man  dem  eiegreichen 
Wagenlenker  gewahrt.  Das  ist  in 
den  Augen  des  Sprechenden  un- 
endlich  viel,  was  er  selbst  in  Wahr- 
heit  fur  seinen  Sohn  nicht  zahlt 
und  nicht  zu  zahlen  gedenkt.  tjber 
die  Einnahmen  der  Sieger  im  Preis- 
rennen  vgl.  Friedl.  S.-G.  II  456  sq. 

Sat.  vm 

Die  achte  Satire  behandelt  die 
Fragf,  worin  der  wahre  Adel  be- 
stehe  und  welche  Pflichten  adelige 
Abkunft  auferlege.   Die  Epistel  ist 


an  einen  gewissen  Valerius  Ponti- 
cus  (vgl.  Tac.  XIV  41)  gerichtet, 
der  uns  ganzlich  nnbekannt  ist. 
Bei  Martial  wird  der  Name  Pon- 
ticus  ofter  erwahnt. 

1  —  38  Einleitung:  Mit  Ahnen- 
bildern  zn  prunken  und  selbst 
Bchlecht  zu  leben  ist  ebenso  lacher- 
lich  als  wenn  ein  Zwerg  den  Rie- 
sennamen  Atlas  fvihrt. 

1  In  den  Hausem  der  Nobilitat 
gehorten  die  imagines  zum  schon- 
sten  Schmuck  des  Atriums.  Es 
waren  dies  bemalte  oder  kolorierte 
Wachsmasken  auf  eineidazu  passen- 
den  Biiste.  Die  Busten  mit  den 
Portratmasken  waren  in  kleinen 
tempelartigen  Schranken  (armaria) 
angebracht,  unter  der  Maske  waren 
auf  Inschriften  {titidi)  die  Xaraen, 
Wiirden  und  Thaten  der  Ahnen 
verzeichnet.  Diese  tituli  und  ima- 
gines  waren  so  geordnet  und  durch 
gemalte  Linien  verbunden,  dafs  sie 
den  ganzen  Stammbaam  (stemma) 
der  Familie  darstellten,  ahnlich 
wie  die  stemmata  der  romischen 
Juristen,  womit  diese  die  gradus 
cognationum  bezeichneten,  Sen. 
benef.  III  28,  2  imagines  in  atriis 
exponunt  et  nomina  familiae  suae 
longo  ordine  ac  multis  stemmatum 
iUigato  flexuris  in  parte  prima 
aedium  coUocant.  [Tibull.]  IV  1,  30 
non  tua  maiorum  contenta  est  gloria 
fama,  nec  quaeris  quid  quaqiie 
index  sub  imagine  dicat,  sed  generis 
priscos  contendis  vincere  honores. 

2  censeri  nach  etwas  geschittzt 
werden,    durch  eine   Sache   Ruhm 

11* 


164 


IVVENALIS 


maiorum  et  stantis  in  curribus  Aemilianos 
et  Curios  iam  dimidios  umerosque  minorem 
Corvinum  et  Galbam  auriculis  nasoque  careutem, 
quis  fructus,  generis  tabula  iactare  capaci 
Arvinam,  post  haec  multa  contingere  virga 
fumosos  equitum  cum  dictatore  magistros, 
si  coram  Lepidis  male  vivitur?   effigies  quo 
tot  bellatorum,  si  luditur  alea  pernox 
ante  Numantinos,  si  dormire  incipis  ortu 


10 


5  sq.  delebat  Hermann 
Corvinum  F   Fabricium  ? 


7   om.  £0  damnavit  lahn 
postbac  P(o 


Arvinam   W: 


oder  Glanz  erhalten,  vgl.  74.  Mart. 
I  61  Marone  felix  Mantua  est, 
censetur  Apoyia  Livio  suo  tellus, 
IX  16  felix,  quae  tali  censetur  mu- 
nere  tellus,  VIII  6  hi  duo  longaevo 
censentur  Nestore  fundi.  —  longo  san  - 
guine  =  longa  serie  generis. 

3  sq.  In  die  Triumphatoren  setzte 
die  Familie  ihren  besonderen  Stolz; 
sie  erbielten  zuweilen  im  Vestibulum 
Statuen  (vgl.  7,  125)  oder  wurden 
im  Atrium  auf  dem  Siegeswagen 
stehend  in  ganzer  Figur  dargestellt, 
Prud.  Sym.  II  556  currus  summo 
miramur  in  arcu  quadriiugos  stan- 
tesque  duces  in  curribus  altis.  Im 
Laufe  der  Zeit  mufsten  solcbe  Sta- 
tuen  und  Bilder  notwendig  Schaden 
leiden.  Wenn  daher  der  Dichter 
einen  Curius  verstiimmelt  nennt 
(dimidios,  wie  15,  5  dimidio  Mem- 
none),  so  will  er  ihn  damit  als 
uralt  bezeichnen. 

6  quis  fructus  nimmt  deu  mit 
quid  2irodest  begonnenen  Gedauken 
wieder  auf  und  setzt  ihu,  gewisser- 
mafsen  Atem  holend,  weiter  fort. 
Es  entspricht  dies  ganz  der  Ge- 
wohnheit  des  Dicbters  in  Aufziih- 
lungen,  vgl.  10,  220  ivomptius  ex- 
pediam  und  225  percurram  citius. 

7  Ein  Diktator  A.  Cornelius  Ar- 
vina  wird  Liv.  VIII  38,  1  erwahnt, 
mit  dem  magister  equitum  M.  Fa- 
hius  Ambustus.  —  posthaec  hierauf, 
vgl.  14,  55  castigabis  ac  post  haec 
tabulas  mutare  parabis,  dagegen 
posthac  fernerhin,  14,  158  tempora 
vitae  Jonga  tibi  posthac  fato  mcliore 
dabuntur,  7,  18  nemo  tamen  studiis 
indignum  ferre  laborem  cogetur  post- 


hac.  —  multa  eifrig,  vgl.  Nagels- 
bach  St.  §  70,  2. 

8  Auf  dem  titulus  war  immer 
angegeben,  welcbem  Diktator  der 
magister  equitum  gedient  batte,  denn 
er  war  von  ihm  personlicb  ernannt. 

9  coram  Lepidis  vor  den  Augen 
der  grofrsen  Abnen  (6,  265),  Val. 
Max.  II  9  pr.  quid  enim  prodest 
foris  esse  strenuum,  si  domi  male 
vivitur?  Der  edle  Mann  dagegen 
fiiblt  sicb  beim  Anblick  der  iraagi- 
nes  seiner  Abuen  zum  Eifer  und 
zur  Tbatkraft  {ad  virtutem)  an- 
gespornt ,  Sall.  lug.  4,  5.  — 
quo  (wozu)  verbindet  sich  ent- 
weder  mit  dem  Infinitiv,  wie  Hor. 
s.  I  6,  24  quo  tibi,  Tilli,  sumere 
depositum  clavum  fierique  trihuno? 
oder  mit  dem  Accusativ  eines  No- 
mens,  vgl.  142  qim  mihi  tc  solitum 
falsas  signare  tabellas?  15,  61  quo 
tot  rixantis  milia  turbae,  si  vivunt 
omnes?  Statt  quo  findet  sich  unde 
14,  56  unde  tibi  frontem  Ubertutem- 
que  parentis,  cum  facias  peiora 
senex?  wie  Prop.  II  7,  13  unde  mihi 
Parthis  gnatos  praebere  triumphis? 
Grammatisch  ist  nichts  zu  erganzen; 
fiir  uns  ergiebt  sich  daber  die  pas- 
scnde  Ergiinzung  immer  aus  dem 
Zusammeuhang,  z.  B.  unde  tibi 
frontem  sumis,  quo  effigies  habcs, 
quo  mihi  te  das,  quo  tot  milia  esse? 

10  alea  pcrnox,  wie  luna  pernox. 
Zur  Sache  vgl.  1,  88  aJea  quando 
Jios  animos? 

11  ante  Ntimantinos,  wie  144 
statuamque  parentis  ante  iriimpha- 
lem ,  vgl.  22.  —  dormire  incipis, 
weil    er    die    Nacht    hindurch    go- 


LIBRl  ni     SATVRA  VIII 


165 


luciferi,  quo  sigua  duces  et  castra  movebaut? 
cur  Allobrogicis  et  magua  gaudeat  ara 
natus  in  Herculeo  Fabius  lare,  si  cupidus,  si 
vanus  et  Euganea  quantumvis  mollior  agna, 
si  tenerum  attritus  Catinensi  pumice  lumbum 
squaleutis  traducit  avos  emptorque  veueni 
iVangenda  miseram  funestat  imagine  gentem? 
tota  licet  veteres  exornent  undique  cerae 
atria,  nobilitas  sola  est  atque  unica  virtus. 
Paulus  vel  Cossus  vel  Drusus  moribus  esto, 
hos  ante  effigies  maiorum  pone  tuorum, 
praecedaut  ipsas  illi  te  cousule  virgas, 
prima  mihi  debes  animi  bona.    sauctus  haberi 


15 


20 


16  attritis  P      larabus  P         18  franprendam  P 


spielt    und    geschwelgt    hat   (alea 
pertiox). 

14  Die  Fabier  fuhrten  ihren  Ur- 
sprung  auf  Herkules  zuriick,  der 
mit  der  Tochter  des  Euander  den 
ersten  Fabius  erzeugt  haben  soll, 
daher  in  lare  Herculeo  im  Hause 
des  Herkules,  unter  Laren,  zu  denen 
auchHerkules  ziihlte.  Die  aramagna 
oder  maxima  auf  dem  forumhoarium 
hatte  Euander  •  dem  Herkules  ge- 
weiht,  Tac.  XV  41  magna  ara  fa- 
numque,  quae  praesenti  HercuJi  Ar- 
cas  Kuander  sacraverat,  exusta.  Zur 
gens  Fabia  gehorte  der  Besieger 
der  Allobrogen  (121  v.  Chr.),  AUo- 
hrogicus  genannt.  Einen  entarteten 
Zeitgenossen  aus  der  gens  Fabia 
erwahnt  Mart.  VIII  43  und  9,  9. 

15  Die  Euganeer  (Liv.  I  1,  3) 
hatten  gute  Viehzucht;  besonders 
war  die  feine  Wolle  ihrer  Schafe 
beriihmt,  Mart.  XIV  155  vellcribus 
primis  Appulia,  Parma  secundis 
nobilis,  Altinum  tertia  laudat  ovis. 

16  Weichlinge  belegten  die  Haut, 
um  die  Haare  zu  beseitigen ,  mit 
einem  pechartigen  Pflaster  (114 
und  9,  14),  teilweise  liefsen  sie  sich 
auch  die  Haare  ausziehen  (11,  157 
veUendas  iam  praebuit  alas),  dann 
glattete  man  die  Haut  mit  Bim- 
stein  (9,  95  jtumice  letis).  Dieser 
Prozedur  wnrden  auch  junge  Skla- 
ven  unterworfen,  denen  man  ein 
jugendliches  madchenhaftes  Aus- 
sehen  erhalten  woUte. 


17  squalentis  'trauernd';  von  kor- 
perlicher  Vernachlassigung  steht 
squalidus  9,  15  und  11,  80;  squalor 
rei  15,  135  vereinigt  beides.  Die 
maiorcs  waren  nicht  leves,  sondern 
squaUdi,  aber  den  Nachkommen 
gegeniiber  erscheint  ihr  Aufseres 
jetzt  als  Ausdruck  schmerzlicher 
Trauer.  —  traducit  entehrt,  ver- 
hohnt,  vgl.  2,  159.  7,  16.  11,  31.— 
emptor  veneni,  wie  Nero,  vgl.  13, 154. 

18  funestat  schiindet,  brandmarkt. 
Das  Recht  die  imagines  aufzu- 
stellen  konnte  durch  richterliche 
Verurteilung  verloren  gehen.  Ver- 
brecher  durften  nach  ihrem  Tode 
nicht  unter  den  Ahnen  aufgefiihrt 
werden,  wie  z.  B.  Brutus  und  Cas- 
sius.  Mitunter  wurden  die  Ehren- 
bilder  gewaltsam  zerbrochen,  vgl. 
10,  58  sq. 

19  veteres  cerae  =  expressi  cera 
vidtus,  Wachsbilder. 

21  morihus  esto ,  daher  14,  52 
noji  corpore  tantum  nec  vuUu  si- 
miUs,  morum  quoque  fdius,  Erbe 
des  Charakters. 

22  Jws  ante,  sc.  mores  Patdi  vel 
Cossi,  quos  imitando  refers. 

23  ipjsas  virgas  unmittelbar  vor 
dem  Fintenbiindel  (136),  dem  in- 
signe  honoris  et  impjerii. 

24  animi  hona  den  Adel  der 
Seele,  gute  Charaktereigenschaften. 
—  sanctus,  gewissenhaft,  wie  127 
sancta  cohors  comdum.  Statt  des 
kondicionalen    Vordersatzes     steht 


166 


IVVENALIS 


iustitiaeque  tenax  factis  dictisque  raereris? 
agnosco  procerem;  salve  Gaetulice,  seu  tu 
Silanus,  quocumque  alio  de  sauguine   rarus 
civis  et  egregius  patriae  contingis  ovanti, 
exclamare  libet,  populus  ciuod  clamat  Osiri 
invento.    quis  enim  generosum  dixerit  hunc,  qui 
indignus  genere  et  praeclaro  nomine  tantum 
insignis?  nanum  cuiusdam  Atlanta  vocamus, 
Aethiopem  Cycnum,  pravam  extortamque  puellam 
Europen-,  canibus  pigris  scabieque  vetusta 
levibus  et  siccae  lambentibus  ora  lucernae 
nomen  erit  pardus  tigris  leo,  seu  quid  adhuc  est 
quod  fremat  in  terris  violentius;  ergo  cavebis 
et  metues,  ne  tu  sic  Creticus  aut  Camerinus. 

his  ego  quem  monui?  tecum  est  mihi  sermo,  Rubelli 


25 


30 


35 


33  pravam  P  ut  videtur  (adrasis  ra)  s;  paivam  co       34  caveque  P 
36  seu   W:  si  P(o         38  sic  H.Iunius:  si  P  sis  co         39  quae  P 


die  Annahme  des  wirklichen  Seins, 
wie  3,  100.  13,  215.  227. 

26  agnosco,  dauu  finde  ich,  er- 
kenne  ich  in  dir  den  Adeligen  oder 
den  Adel.  —  Der  Singular  procerem 
ist  sehr  selten,  vgl.  Ntue  I  548.  — 
Cn.  Corndius  Lentulus  Gaetulicus 
war  Sohn  des  Konsuls  1  v.  Chr., 
des  Lentulus  Cossus,  der  die  Ga- 
tuler  besiegte,  die  oruamenta  trium- 
phalia  erhielt  und  das  cognomentum 
auf  seinen  Sohn  vererbte.  Dieser 
war  Dichter  und  wahrscheinlich 
auch  Historiker,  Plin.  ep.  V  3,  5. 
Mart.  I  pr.  sic  scrihit  Cutullus,  sic 
Marsus,  sic  Pedo,  sic  Gaetulicus, 
sic  quicumque  perlegitur,  Suet.  Cal. 
8  Cn.  Lentulus  Gaetulicus  Tihuri 
genitum  {Caliguhm)  scrihit.  Er  war 
auch  fiir  die  Dichter  ein  Macen 
seiner  Zeit,  vgl,  7,  95. 

27  Die  Silani  gehorten  zur  gens 
lunia,  die  durch  Domitia  Lepida 
mit  dem  julischen  Hause  verschwa- 
gert  war.  —  Heil  dir  Gatulicus, 
heil  dir  Silanus,  von  welcher  Ab- 
kuuft  sonst  du  sein  magst,  bewahrst 
du  dich  als  tiichtigeu  Mann  dem 
jubelnden  Vaterlande,  dann  drangt 
es  das  Hei  z  den  Jubelruf  erschallen 
za  lassen,  den  das  Volk  in  Agypten 
anstimmt,  wenn  es  einen  Osiris 
gefunden  hat.  Es  ist  also  exclamare 
libet  etc.    nur    eine   Variation    des 


salve.  Der  Apis  wurde  als  das  Bild 
der  Seele  des  Osiris  angesehen ; 
fand  man  nach  seinem  Tode  einen 
neuen  Apis,  so  rief  das  Volk  allent- 
halben  freudig  bewegt:  eup/j/taftf  j/, 
GvyxccCQOnsv    Diod.  Sic.  I  85. 

32  Zwerge  waren,  wie  es  scheint, 
seit  Antonius  eine  Modesache  in 
den  reichen  Hausern  Roms.  Zum 
Spott  nannte  man  -/lar'  dvricpQttCiv 
einen  solchen  Zwerg  eines  Reichen 
{cuiusdani)  Atlas  oder  den  Riesen. 
Dafs  nicht  von  einem  wirklichen 
Namen,  sondern  nur  von  witzelnden 
und  spottelnden  Benennungen  hier 
die  Rede  ist,  zeigt  das  Folgende. 

33  pravus  hat  zum  Gegensatz 
rectus.  —  extortus,-in  Prosa  gew.  dis- 
tortus,  Pliu.  ep.  VIII  18,  9  omnihus 
membris  extortus  et  fractus. 

35  os,  ora  ist  die  TCille  der  Ol- 
lampe  {lucernae). 

36  seu  quid,  wie  111  seu  quis  in 
aedicula  deus  unicus,  vgl.  11,  32. 
—  adJiuc  dazu,  aufserdem,  wie  6, 
502  tot  premit  ordinibus,  tot  adhuc 
compagibus  altum  aedificat  caput. 
Mit  viokntius  adhuc  zu  verbinden 
ware  gegen  deu  Sprachgebrauch 
Juvenals. 

39—7.0  Apostropheandendiinkel- 
hafteu,  aber  verkommenen  Subel- 
lius  Blandus. 

39   Die  Tochter  des  iilteren  Dru- 


LIBRI  III     SATVRA  VIII 


167 


Blaude.    tumes  alto  Drusorum  stemmate,  tamquam 
feceris  ipse  aliquid,  propter  quod  uobilis  esses 
vel  te  eouciperet,  quae  sauguiue  fulget  luli, 
uon  quae  ventoso  couducta  sub  aggere  texit. 
Wos  humiles'  iuquis  Wolgi  pars  ultima  uostri, 
quorum  nemo  queat  patriam  monstrare  pareutis, 
ast  ego  Cecropides.'     vivas  et  originis  liuius 
gaudia  longa  feras.    tamen  ima  plebe  Quiritem 
facundum  invenies,  solet  hic  defendere  causas 


40 


45 


40  Plaute  Lipsius        42  ut  Pw         44  inqnit  P  rasa  t 


8US,  Livia  oder  Livilla,  war  mit 
Drusus,  dem  Sohne  des  Tiberius, 
verheiratet  und  hatte  eine  Tochter 
Julia,  die  sich  (34)  mit  Rubellius 
Blandus  vermahlte,  cuiiis  avum 
Tihurtem,  equitem  Eomamim,  jjhri- 
que  meminerant  Tac.  VI  27.  Ru- 
bellius  Blandns  und  Julia  hatten 
zwei  Sohne  und  eine  Tochter.  Von 
dem  einen  Sohne  wissen  wir  nur 
durch  eine  Inschrift  bei  Orelli  678 
Comm  unio,  venuiAntoniacAugustae, 
v{ixit)  a{nnoi>)  II,  mes{is)  X,  coJ- 
lactius  iJrusi,  BJandi  f.  Der  zweite 
Sohn  war  Rubellius  Plautus.  Dicser 
entfemte  sich  im  J.  60  mit  seiner 
Gemahlin  Antistia  aus  Rom  und 
lebte  auf  seinen  Giitern  in  Klein- 
asien,  weil  er  im  Gerede  dos  Volkes 
vielfach  zum  Xachfolger  Neros  be- 
stimmt  wurJe,  Tac.  XIV  22.  Den- 
noch  wurde  er  im  J.  62  auf  Neros 
Befehlvon  einem  Centurio  ermordet. 
Plautus  war  durchaus  Stoiker,  beim 
Volke  beliebt,  ein  Opfer  der  Ty- 
rannei  Keros,  und  standhaft  im 
Tode,  Tac.  XIV  57  sq.  Ihn  kann 
Juvenal  nicht  vor  Augen  haben. 
Er  mufs  also  entweder  einen  Brnder 
des  Plautus  meinen,  von  dem  wir 
weiter  nichts  wissen,  oder  einen 
Sohn  des  Plautus.  Die  erstere  An- 
nahme  ist  wahrscheinlicher.  Im 
k-tzteren  Falle  mufste  V.  42  vel  te 
conciperet  im  uneigentlichen  Sinne 
von  der  Grofsmntter  des  jiingeren 
Blandus  verstanden  werden ,  was 
aberkaumzulassigerscheint.  Jeden- 
falls  ist  es  nicht  glaublich,  dafs 
Jnvenal  in  den  Personalien  geirrt 
haben  sollte.  Unsere  Kenntnis  der 
Peroonen  ist  eben  mangelhaft,  wie 
obige  Inschrift  zeigt. 


40  Drusorum,  des  alteren,  des 
Bruders  vonTiberius,  und  des  jiinge- 
ren,  des  Sohnes  von  Tiberius. 

41  propter  qiiod,  das  verdiente, 
dafs  du  adelig  wurdest  oder  dafs 
Julia  dich  gebar,  vgl.  5,  19  habet 
Trebius,  propter  quod  rumpere  som- 
num  debeat.    Vgl.  zu  10,  55. 

42 sq.  sayiguine,\g\.21.  11,62  con- 
tingois  sanguine  caelum.  —  Der  Wall 
ist  derselbe  wie  5,  153.  Er  war 
sehr  hoch  (Hor.  s.  I  8,  15) ,  daher 
ventosus.  Unten  waren  die  Hiitten 
armer  Leute  angebaut. 

44  Juvenal  liifst  sich  hier  selbst 
mit  anrcderi,  nicht  etwa  weil  er 
von  besonders  niederer  Abkunft 
war,  sondern  weil  er  nicht  zur 
Nobilitat  zahlte. 

46  Cecropides,  denn  die  svyiviLa 
Ki/.Qonog  war  sprichwortlich,  Luc. 
Tim.  23  BvysvBOTSQoq  xov  Kixgo- 
nog  T}  Kodgov.  Ahnlich  ist  die  Be- 
zeichnung  Troiugena,  vgl.  1,  100. 
—  vivas  =  ovDcio  zrjg  svysvfiag, 
vgl.  den  Abschiedsgrufs  vive  valeque 
Hor.  s.  II  5,  110  oder  vive,  vale 
Hor.  ep.  I  6,  67.  Es  ist  dieselbe 
pragnante  Bedeutung  in  vice  wie 
bei  Lucil.  V  41  (M.)  in  vivite,  lur- 
cones,  comedones,  vivite  ventres. 

47  ima  plebe  fiir  ex  {de)  ima  plebe 
wie  13,  165  madido  torquentem 
cornua  cirro.  —  Der  Sing.  Quiritem 
ist  ebenso  wie  26  procerem  nur 
dichterisch.  Die  Advokatur  war  der 
gewohnliche  Weg  des  Emporkom- 
mens  fiir  Leute  des  dritten  Standes, 
welche  Kopf  und  Ehrgeiz  besafsen, 
Tac.  XI  7  cogitaret  plebem  quae  toga 
(in  der  die  Gerichtsredner  auftraten) 
enitesceret. 

48  solet,  ea  ist  bereits  ganz  ge- 


168 


IVVENALIS 


nobilis  indocti;  veniet  de  plebe  togata, 

qui  iuris  nodos  et  legum  aeuigmata  solvat;  50 

hinc  petit  Euphraten  iuveuis  domitique  Batavi 

custodes  aquilas  armis  industrius.    at  tu 

nil  nisi  Cecropides,  trancoque  similliraus  hermae. 

nullo  quippe  alio  vincis  discrimine,  quam  quod 

illi  marmoreum  caput  est,  tua  vivit  imago.  55 

dic  mihi,  Teucrorum  proles,  animalia  muta 

quis  generosa  putet  nisi  fortia.    nempe  volucrem 

sic  laudamus  equumj  facili  cui  plurima  palma 

fervet  et  exultat  rauco  victoria  circo; 

nobilis  hic  quocumque  venit  de  gramine,  cuius  60 

clara  fuga  ante  alios  et  primus  in  aequore  pulvis. 

sed  venale  pecus  Coryphaei  posteritas  et 

Hirpini,  si  rara  iugo  victoria  sedit; 

49  veniat  P  corr.  p        51  hinc  W:  hic  Pm      batavi  p  erasum  in  P 
54  vincit  P        61  pulvis  pco  Servius:  cuius  P        62  coryte  P 


wohnlich  geworden,  dafs  der  Ple- 
bejer  die  Verteidigung  des  adeligen 
Ignoranten  fuhrt. 

49  plebs  togata  ist  derjenige  Teil 
des  Volks,  der  von  der  romischen 
Hoheit  nur  die  Toga  besitzt,  daher 
togati  die  Klienten,  vgl.  1,  96  turhae 
rapienda  togatae. 

50  nodos  '  die  verschlungenen 
Knoten',  Gell.  XIII  10  ea  scientia 
Laheo  Antistius  ad  enodandos  ple- 
rosque  iuris  laqueos  utehatur. 

51  Mnc,  ex  plehe,  denn  von  der 
plehs  togata  gehen  der  causidicus 
und  iure  consultus,  aber  auch  der 
miles,  besonders  der  centurio,  aus, 
vgl.  14,  192  causas  age,  perlege 
ruhras  maiorum  leges,  aut  vitem 
posce  lihello.  Der  Plebejer  dient  so- 
gar  an  den  am  meisten  gefahrdeten 
Grenzen  des  Reichs  gegen  Parther 
und  Germanen  am  Niederrheiu,  vgl. 
169  sq.  —  Batavi  custodes,  die  den 
Bataver  bewachen,  wie  10,  144 
tituli  cupido  liaesuri  saxis  cinerum 
custodibus. 

53  Jiermae,  vgl.  Nepos  VII  3,  2. 
Die  Vergleichung  lag  sehr  nahe, 
da  man  in  der  Volkssprache  einen 
Dummkopf  Zo/ns  nannte,  Plaut. 
merc.  632  ego  me  credidi  homini 
docto  rem  mandare:  is  lapidi  mando 
maxumo. 

54  vincis:  superior  es. 


55  tua  vivit  imago  wahrend  du 
eine  lebende  Bildsaule  bist. 

56  muta  unverniinftig ,  wie  Hor. 
s.  I  3,  100  mutum  ac  turpe.  pecus, 
denn  in  dem  Mangel  der  Sprache 
zeigt  sich  uach  romischer  Vorstel- 
lung  der  Mangel  an  Vernunft. 

57  nempe  'sicher,  ja  doch'  ist 
hier  ein  gesteigertes  quidem,  das 
sonst  zur  Einfiihrung  von  Beispielen 
gebraucht  wird. 

68  sic:  lioc  nomine,  als  generosus. 
—  facili  cui  dessen  Behendigkeit 
zu  Ehren.  —  palma  fervet  die  Hiinde 
sich  heifs  klatschen,  vgl.  13,  128 
plana  faciem  contundere  palma. 

69  victoria  '  Siegesruf ' ;  raucus 
circus  ist  das  im  Cirkus  versammelte 
schreiende  Volk,  wie  9,  144  cla- 
mosus  circus. 

61  fuga  Behendigkeit,  Fliichtig- 
keit,  wie  velocitas,  vgl.  Hor.  III  30 
fuga  temporum.  —  et  cuius  pulvis 
(der  aufgewirbelte  Staub)  in  aequore 
(Rennbahn)  primus  est,  vgl.  ■hovlsl 

71£8lOLO.   ' 

62  posteritas  =  prolcs,  Nachkom- 
menschaft.  Der  Name  Corypliaeus 
{■aoQvcpciLoq)  ist  nicht  weiter  be- 
kaunt,  dagegen  werden  Kenner  aus 
der  Landschaft  der  Hirpiner  auch 
Mart.  III  63,  12  genannt:  Hirpini 
veteres  qui  hcne  novit  avos. 

63  victoria  der  Siegeskranz.  — 
sedit,  wie  1,  96. 


LIBRI  III     SATVRA  VIII 


169 


iiil  ibi  maiorum  respectus,  grutia  uulla 
umbrarum;  domiuos   protiis  mutare  iubeutur 
exiguis,  trito  ilucunt  epiraedia  collo 
seguipedes  diguique  molam  versare  nepotes. 
ergo  ut  miremur  te,  non  tua,  privum  aliquid  da, 
quod  possim  titulis  incidere  praeter  lionores, 
quos  illis  damus  ac  dedimus,  quibus  omnia  debes. 

haee  satis  ad  iuveuem,  quem  nobis  fama  superbum 
tradit  et  iutlatum  pleuumque  Neroue  propinquo; 
rarus  enim  ferme  sensus  communis  in  illa 
fortuna.    sed  te  censeri  laude  tuorum, 
Pontice,  noluerim  sic  ut  nihil  ipse  futurae 
laudis  agas.    miserum  est  aliorum  incumbere  famae, 
ne  conlapsa  ruant  subductis  tecta  cohimnis. 
stratus  humi  palmes  viduas  desiderat  ulmos. 
esto  bonus  miles,  tutor  bonus,  arbiter  idem 


65 


70 


75 


66  et  trito  P      67  nepotis  pco 
78  in  margine  descinderet  P 

64  respectus  bewundenide  oder 
ehrende  Riicksicht.  —  gratia  Ein- 
flufs,  Gunstwirkung. 

65  sq.  umhrarum  der  Toten.  — 
Zu  iubenUcr  uud  ducunt  ist  nepotes, 
signifikant  am  Ende  der  Periode, 
Subjekt.  —  epimedia,  die  der  raeda 
(Reisewagen)  mit  dem  Gepack  fol- 
genden  Lastwagen,  Quint.  I  5,  68 
cum  sit  praepositio  graeca,  raeda 
gaUicum,  neque  Graecus  tamen  neque 
GaUus  utitur  composito ,  Eomani 
suum  ex  dlieno  utroque  fecerunt. 

70  damus  ac  dedimus  die  Ehren- 
amter,  die  wir  jetzt  wie  friiher  nur 
den  Ahnen,  nicht  dir,  verleihen, 
quia  memoria  bene  de  republica 
meritorum  valet  etiam  mortuorum 
Cic.  Sest.  21. 

'71 — 145:  Nur  eigenes  Verdienst 
sichert  den  Adt-l,  Charakterfestig- 
keit  im  Privatleben,  Ehrlichkeit 
und  Milde  im  Amte;  Grausamkeit 
in  der  Provinz  und  Ehrlosigrkeit 
daheim  macht  den  Hochadeligen 
nur  um  so  verachtlicher. 

72  inflatum  plmumque,  aufge- 
blasen  und  ganz  erfiillt  von  seiner 
Verwandtschaft  mit  Nero  (propin- 
quitate  Neronis). 

73  Der  sensus  communis  ist  der 
Sinn  fiir  die  biirgerliche  Gleichheit 
aller,    riicksichtsvolle   Bescheiden- 


68  privum  Salmasius:  primnm  Pay 


heit  (opp.  Dberhebung),  die  Grund- 
lage  der  Humanitat ,  Sen.  ep. 
5,  3  hoc  primum  philosophia  pro- 
mittit,  sensum  communem,  humani- 
tatem  et  congregationcm. 

75  nihil  futurae  laudis  keine  des 
Nachruhms  sichere  (wiirdige)  That, 
die  selbst  zum  exemplum  wird  (vgl. 
13,  1). 

77  Vor  ne  ist  nicht  etwa  ein 
Verbum  des  Fiirchtens  zu  ergiinzen, 
sondern  es  enthalt  bereits  wie  fijj 
oder  oncog  (irj  den  BegrifF  der  War- 
nung  in  sich:  ob  nicht  etwa,  dafs 
nur  nicht,  Cic.  Verr.  I  46  verbum 
tamen  facere  non  audebant,  ne  forte 
ea  res  ad  DolabeUam  ipsum  jjer- 
tineret. 

78  stratus  humi,  am  Boden  lie- 
gend  kann  er  sich  nicht  aus  eigener 
Kraft  erheben,  sondern  wendet  sich 
der  verwaisten  Ulme  zu.  Wie  reben- 
umrankte  Biiume  maritatae  (Hor. 
epod.  2,  10  aUas  maritat  populos) 
oder  maritae  heifsen  (Cato  32  ar- 
bores  facito  ut  bene  maritae  sint), 
so  werden  die  weinleeren  viduae 
genannt,  Hor.  IV  5,  30  et  vitem 
viduas  ducit  ad  arhores.  Uber  den 
Zusatz  des  Epithetons  vgl.  zu  90 
vacuis  medidlis. 

79  arbiter  ist  im  Privatrecht  = 
iudex,  daher  der  Ausdruck   iudex 


170 


IVVENALIS 


integer;  ambiguae  si  quando  eitabere  testis 
incertaeque  rei,  Phalaris  licet  imperet  ut  sis 
falsus  et  admoto  dietet  periuria  tauro, 
summum  crede  nefas,  animam  praeferre  pudori 
et  propter  vitam  vivendi  perdere  causas. 
dignus  morte  perit,  cenet  licet  ostrea  centum 
Gaurana  et  Cosmi  toto  mergatur  abeno. 
expectata  diu  tandem  provincia  cum  te 
rectorem  accipiat,  pone  irae  frena  modumque, 
pone  et  avaritiae,  miserere  inopum  sociorum  — 
ossa  vides  rerum  vacuis  exucta  meduUis  — 


80 


85 


90 


86  cosmo  P        88  accipiet  co         90  medullas  P 


arbiterve  Tab.  Dnocl.  IX  3,  ibid. 
XII  4  praetor  arbitros  tris  duto, 
Cic.  legg.  I  55  nec  Mamilia  lege 
singuli,  sed  e  XII  {tabulis)  tres 
arhitri  fines  regemus. 

81  Phalaris,  zu  6,  4:8&  praefectura 
domus  Sicula  non  mitior  aula,  Hor. 
ep.  I  2,  58  invidia  Siculi  non  in- 
venere  tyranni  maius  tormentum, 
war  also  sjirichwortlich. 

82  fcdsus  {testis)  aktiv  =  Kigne- 
risch  oder  heuchlerisch,  Tac.  I  7 
quanto  quis  illustrior ,  tanto  magis 
fdlsi  ae  festinantes  vuUuque  com- 
posito,  III  3  ne  falsi  iniellegerentur, 
wie  wir  auch  das  Wort  'falsch' 
gebrauchen. 

83  pudori  der  Ehre,  16,  34  citius 
falsum  producere  testem  contra  pa- 
ganum  jwssis  quam  vera  loquentem 
contra  fortunam  armati  contraque 
pudorem.  Lieber  den  Tod  zu  er- 
leiden  als  etwas  Unwiirdiges  zu 
thun,  denn  den  Tod  habe  jeder  in 
seiner  Macht,  ist  stoische  Lehre, 
Sen.  provid.  6,  7  ante  omnia  cavi 
(deus),  ne  ([uid  vos  teneret  invitos: 
patet  exitus;  si  pugnare  non  vultis, 
licet  fugere,  vgl.  Hor.ep.  1 16,73—79. 

84  Vgl.  11,  11  et  cpiiihus  in  solo 
vivendi  causa  palato  est,  die  nur 
uoch  um  des  Geuusses  willen  leben, 
sonst  aber  jeden  Grund  zum  Leben 
verloren  haben.  Plin  ep.  V  5,  4 
qiii  voluptatibus  dediti  quasi  in 
diem  vivunt,  vivendi  causas  cottidie 
finiunt.  —  Causae  vivendi  hat,  wer 
sittlichePflichten  fiir  sich,dieScinen 
und  das  Vaterlaud  zu  erfiillen  be- 
strebt  ist,  vgl.  Pliu.  ep.  I  12,  3. 


85  perit  ist  Perfekt,  wie  auch 
Sen.  ep.  93,  4  zeigt:  alter  (der 
Thatige)  post  mortem  quoque  est, 
cdter  (der  langlebende  aber  un- 
thatige  Mensch)  ante  mortem  periit. 
Sonst  gebraucht  Juv.  die  kontra- 
hierte  Perfektform  nur  vor  Vokalen, 
3,  174.  6,  128.  295.  559.  10,  118. 
Vgl.  Lachmann  zu  Lucret.  lil  1042. 

86  Gaurana  =  -Lucrina  (4,  141), 
nach  dem  mons  Gaurus,  vgl.  9,  57. 
—  Costuus,  zur  Zeit  des  Domitian 
der  bekannteste  und  beriihmteste 
Parfiimerieen-  und  Essenzenhandler 
Roms,  wird  auch  von  Martial  I  87. 
III  55. 82  und  sonst  haufig  erwahnt. 
Als  unguentis  affluentes  und  cala- 
mistrata  coma  erscheinen  die  adeli- 
geo  Stutzer  schon  in  Ciceros  Zeit, 
in  der  Kaiserzeit  kamen  noch  die 
Schoupflasterchen  (splenia  Mart.  II 
29)  hinzu. 

87  exspectata  diu  langersehnt; 
die  Zeit  war  eudlich  gekommen, 
dafs  er  die  Verwaltung  einer  Pro- 
vinz  erhalten  soUte,  denn  cum  mit 
Konjunktiv  kann  hier  nur  kausale 
Bedeutung  haben. 

88  })one  irae  frena,  nach  Hor.  ep. 
I  2,  63  ira  furor  hrevis  est,  hunc 
frenis,  hune  tu  conipesee  catena. 

90  vacuis  mcdidlis  exucta  =  ohne 
jegliches  Mavk.  Von  Natur  siud 
Knochen  und  Mark  verbunden;  ist 
das  Mark  ausgesogen,  so  ist  dieses 
selbst  vereinsamt  (blofsgelegt)  oder 
getrennt  (^vacua),  wie  die  Ulrae 
ohne  Weinrebe  vidua  ist  (78),  wiih- 
rend  aonst  die  Ulme  den  Begriff 
der  Rebe  mit  unifafst  (6,  150  ulmos- 


LIBRl  III     SATVRA  VIII 


171 


respice,  quid  moueant  leges,  quid  curia  mandet, 
praemid  quanta  bonos  maueant,  quam  fulmiue  iusto 
et  Capito  et  Numitor  rueriut  damnante  seuatu 
piratae  Cilicum.    sed  quid  damnatio  coufert? 
praeconem,  Chaerippe,  tuis  circumspice  pannis, 
cum  Pansa  eripiat,  quidquid  tibi  Natta  reliquit, 
iamque  tace;  furor  est  post  omuia  perdere  naulum. 
nou  idem  gemitus  olim  neque  vulnus  erat  par 
damuorum  sociis  florentibus  et  modo  victis. 


95 


91   maudat  P         93   et  Tutor  a ,   cf.  Hosius  03         96   relinquid  F 
97  na*lu  P  naulon  5 


qu€  Falernas  poscit) ;  iihnlich  Hor. 
III  25,  13  vacuum  nemus  der  ein- 
same  Hain.  Es  scheint  indessen, 
als  ob  mcduUae  unserem  'Gebein' 
entspricht,  das  auch  vertrocknen 
kann,  daher  Prop.  III  12, 17  qui  tibi 
(dem  Amor)  iucundum  est  siccis 
habitare  meduUisi'  Von  diciem  Ge- 
bein  konnen  die  Knocben  {ossa) 
losgelost  (exucta)  gedacht  werden, 
80  dafs  exucta  die  Bedeutung  von 
exempta  oder  privata  enthtilt.  End- 
lich  ist  vacuis  exucta  meduUis  denk- 
bar  =  arida  ct  alba  vacuefactis 
(exhaustis)  meduUis,  wie  Quint.  XII 
10,  14:  aridi  et  exiuci  et  exsanfjues. 

93  Xumitor  ist  sonst  nicht  be- 
kannt,  vgl.  jedoch  zu  7,  74.  — 
Cossutianus  Capito  wird  von  Tac. 
XI  6  ala  Delator  gebrandmarkt; 
spater  war  er  legatus  pro  praetore 
von  Cilicien,  das  seit  Tiberiua  von 
Syrien  getrennt  als  besondere  Pro- 
vinz  verwaltet  wurde  (Tac.  II  42), 
und  wurde  im  J.  57  repetundarum 
angeklagt,  Tac.  XIII  33  Cossutia- 
num  Capitonem  Cilices  detulerant, 
maculosum  foedumque  et  idem  ius 
audaciae  in  provincia  ratum,  quod 
in  urbe  exercuerat;  sed  pervicaci 
accusatione  conjlictatus  postremo  de- 
femionem  omisit  ac  lege  repetunda- 
ru7n  damnatus  est.  Schon  im  J.  61 
war  er  wieder  auf  Betrieb  seines 
Schwiegervaters  Tigellinus  resti- 
tuiert  worden,  Tac.  XIV  48,  und 
setzte  seine  Tbatigkeit  als  Ankliiger 
fort,  Tac.  XVI  21. 

94  piratae  Cilicum  =  piratae  pi- 
ratarum.  Die  Seerauber  fruherer 
Zeit,  die  in  Cilicien  ibre  Schlupf- 


winkel  hatten,  hiefsen  gewohnlich 
Cilices.  Jetzt  aber  fauden  die  Ci- 
lices  in  den  romischen  Statthaltern 
nicht  nur  ihresgleiclien,  sondern 
noch  grofsere  Scburken ,  als  je 
unter  ihnen  selbst  wareu.  —  con- 
fert  triigt  ein,  =prodest,  vgl.  1,  106. 
—  Mit  sed  quid  beginnt  eine  sati- 
rische  Digression  bis  97:  Capito 
und  Numitor  sind  freilich  verurteilt, 
aber  den  annen  Ciliciern  half  dies 
doch  nicht.*,  weil  in  unserem  Adel 
ein  Schurke  dem  anderu  folgt. 

95  praeconem ,  um  die  panni  zu 
versteigem.  —  Chaerippjus  war  der 
Fiihrer  der  Gesandtschaft,  welche 
in  Rom  die  Klage  gegen  Cossu- 
tianus  erhoben  hat;  von  ibm  wahr- 
scheinlich  sagt  Quint.  VI  1,  14 
egregie  nobis  adulescentibus  dixisse 
accusator  Cossutiani  Capitonis  vide- 
batur,  graece  quidem,  sed  in  hunc 
sensum:  erubescis  Caesarem  timere. 
Auch  Tac.  riibmt  die  Anklage  als 
pervicax. 

96  Pansa  erscheint  in  der  gcns 
Vibia,  Natta  in  der  gens  Fulvia 
und  Pinaria.  Beide  Namen  bezeich- 
nen  hier  gewissenlose  Riluber  in 
der  Provinzialverwaltung. 

97  iam  mit  Imperativ  =  endlich, 
auf  der  Stelle.  —  nauhim  {vuvlov) 
scheint  volkstiimlicher  Ausdruck 
gewesen  zu  sein,  da  er  sich  noch 
in  den  romanisohen  Sprachen  wie- 
derfindet,  Weise  212. 

98  sq.  gemitus  ist  Plural.  —  vul- 
nus  damnorum  ist  die  Wunde  oder 
der  Schmerz,  den  die  damna  ver- 
ursachen,  die  Empfindlichkeit  des 
Verlustes. 


172 


IVVENALIS 


plena  domus  tunc  omnis,  et  iugens  stabat  acervus 
nummorum,  Spartana  chlamys,  conchylia  Coa, 
et  cum  Parrhasii  tabulis  signisque  Myronis 
Phidiacum  vivebat  ebur,  nec  uon  Polycliti 
multus  ubique  labor,  rarae  sine  Mentore  mensae. 
inde  Dolabella  hinc  atque  hinc  Antonius,  inde 
sacrilegus  Verres  refer^bant  navibus  altis 


100 


105 


104  multos  P        rarae  om.  P  add.  p  105   hinc  atque  hinc   W: 

atlque  stinc  cantonius  P  atque  hinc  antonius  co 


100  Cic.  Verr.  IV  46  credo  tum, 
cum  Sicilia  florebat  opibus  et  copiis, 
magna  artificia  (Kunstthatigkeit) 
fuisse  in  ea  insula.  Nam  domus 
erat  ante  istum  nulla  paulo  locu- 
pletior,  qua  in  domo  haec  non  essent, 
etiamsi  praeterea  nihil  esset  argenti, 
patella  grandis  cum  sigillis  ac  si- 
mulacris  deorum,  patera,  turibulum. 

—  acervus,  nach  Hor.  ep.  I  2 ,  47 
non  domus  et  fundus,  non  aeris 
acervus  et  auri. 

101  Spartana,  denn  die  Purpur- 
muschel  fand  sich  nachst  der  pho- 
uikischen  Kiiste  am  haufigsten  in 
der  Nahe  von  Gythion,  wo  noch 
jetzt  Berge  von  alten  Muschel- 
schalenandenehemaligenFischerei- 
betrieb  erinnern,  Hor.  II  18,  7  nec 
Laconicas  mihi  trahunt  honestae 
purpuras  clientae.  —  conchylia  Coa  = 
Coae  purpurae  Hor.  IV  13,  13  aus 
Kos,  wo  man  aus  dem  Gespinst 
einer  Seidenraupe,  bomhyx  (6,  260), 
besouders  feine  Purpurgewander 
webte,  die  sich  den  Korperformen 
leicht  anschmiegteu,  vgl.  2,  66. 
3,  81.    7,  136. 

102  Parrhasius  aus  Ephesus,  aber 
in  Athen  lebend,  war  der  bedeutend- 
ste  Maler  des  vierten  Jahrhunderts 
vor  Christus,  Quint.  XII  10,  4  post 
(nach  Polygnotus  und  Aglaophon) 
Zeuxis  atque  Parrhasius  non  multum 
aetate  distantes  circa  peloponnesia 
ambo  tempora  plurimum  arti  addi- 
derunt.  Von  Parrhasius  waren  viele 
Bilder  in  Rom,    vgl.  Hor.  IV  8,  6. 

—  Myron ,  Schuler  des  Ageladas, 
war  wie  Polyklet  vorzugsweise  Erz- 
giefser  und  wiihlte  sich  am  liebsten 
kriiftige  Athletengestalten  {8ia%ocp6- 
Qog,  und  der  doXix^dQOfiog  Ladas); 
weltberiihmt  und  viel  besungen  war 


seine  Kuh,  ex  aere  Myronis  bucula 
Cic.Verr.  IV  135,  vgl.  GoethesAufs. 
'Myrons  Kuh'  XXVII  216. 

103  sq.  vivebat,  driickteLeben  aus, 
wie  Verg.  georg.  IH  34  spirantid 
signa,  lebendige  oder  lebensvolle 
Bilder,  Aen.  VI  848  vivos  ducent 
de  marmore  voltus.  —  labor  als 
Produkt  der  Arbeit  =  opus  wie 
Mart.  IV  39,  5  solus  Mentoreos  habes 
labores,  XIV  95  nam  Myos  iste  labor, 
vgl.  das  ist  eine  Arbeit  Diirers.  — 
Zu  Polycliti  vgl.  3,  217.  —  Mentor 
war  der  beriihmteste  Toreute  {cae- 
lutor  argenti)  des  Altertums,  in  der 
ersten  Halfte  des  vierten  Jahrhun- 
derts  V.  Chr.,  Mart.  III  41  inserta 
phialae  Mentoris  manu  ducta  lacerta 
vivit  et  timetur  argentum. 

105  sq.  inde  hierauf.  —  Dolabella 
ist  nicht  der  Konsul  vom  J.  81,  der 
wegen  seiner  Verwaltung  von  Mace- 
donien  im  J.  77  von  dem  juugen 
Julius  Casar  angeklagt,  vom  Ge- 
richt  aber  fieigesprochen  wurde, 
sonderu  der  Prator  vom  J.  81,  der 
in  den  Jahren  80  und  79  Cilicien 
verwaltete,  und  mit  dem  Quastor 
C.  Malleolus  uud  seinem  Legaten 
C.  Verres  im  Bunde  sich  viele  Ge- 
waltthatigkeiteu  erlaubte.  Er  wurde 
wegen  Erpressungen  von  M.  Scaurus 
angeklagt  und  verurteilt.  —  C.  An- 
tonius,  der  zweite  Sohn  des  Red- 
uers  M.  Antonius  und  Bruder  des 
M.  Antonius  Creticus,  der  spatere 
Kollege  Ciceros  im  Konsuhit,  blieb 
nach  Sullas  Kiickkehr  im  J.  83  in 
Kleinasien  zuriick  uud  pliinderte 
die  Proviuz.  Nach  SuUas  Tod  be- 
langte  ihn  Julius  Casar  als  Anwalt 
der  Griechen  im  J.  76  vor  dem 
Priitor  M.  Lucullus;  ala  dieser  aber 
zu  Gunsten  der  Griechen  cntschied, 


LIBRI  III    SATVRA  VIII 


173 


occulta  spolia,  et  jilures  de  pace  triumphos. 

nunc  sociis  iuga  pauca  boum,  grex  parvus  equarum, 

et  pater  armeuti  capto  eripietur  agello, 

ipsi  deinde  Lares,  si  quod  spectabile  signum,  lio 

seu  quis  iu  aedicula  deus  unicus;  haec  etenim  sunt 

pro  summis,  nam  suut  haec  maxima.    despicias  tu 

tbrsitau  inbellis  Rhodios  uuctamque  Coriuthon, 

despicias  merito;  quid  resinata  iuventus 

109  eripietur  pco:  eripi****  P   eripiatur  s        110  ipse  P      111  seu 
W:  si  Pco         112  iam  coniecit  B        113  victamque  chorintho  P 


entzog  er  sich  mit  Hiilfe  der  Volks- 
tribunen  dem  Gericht,  er  wurde 
deshalb  im  J.  70  von  den  Censoren 
aus  dem  Senat  ansgestofsen,  Ascon. 
p.  88 sq.  Dolabella  pliinderte  Klein- 
asien  mehr  siidlich  {hinc),  Antonius 
mebr  nordlich  und  westlich  {atque 
hinc),  auf  der  anderen  Seite  {inde) 
iibte  Verres  seine  Kunstriiubereien 
nicht  nur  in  Sicilien,  sondere  auch 
in  Kleinasieu  und  Griechenland.  — 
Er  heifst  sacrilegtis,  weil  er  Tempel 
und  Gotterbilder  nicht  schonte. 

107  occidta  iiir  occuUe  ist  anf- 
fallend,  denn  die  Positionslange  des 
schliefsenden  a  ist  bei  Juvenal  das 
einzige  Beispiel';  ahnlich  CatuU.  64, 
186  nulla  fugae  ratio,  nuUa  spcs,  vgl. 
L.  Miiller  r.  m.  320.  —  plures  ist  No- 
minativ:  sehr  viele  Beute  fiihrten 
Rauber  wie  Verres  ans  den  Provinzen 
nach  Rom  und  noch  viel  mehr  (als 
diese  Rauber)  bracbten  Triumphe 
viber  friedliche  Bundesgenossen  {de 
pace  =  depacatis)  nach  Hause.  Dafs 
in  diesen  Triumphcn  viele  Kunst- 
schiitze  aufgefuhrt  wurden,  brauchte 
fiir  den  R(3mer  nicht  besonders  be- 
merkt  zu  werden. 

108  sq.  grex  parvus  equarum  ist 
durch  et  inniger  mit  pater  armenti 
verbunden,  weil  der  Besitz  der  equae 
die  Pferdezucht  zum  Ziel  u.  Zweck 
hat.  Dafs  armenium  wie  von  Rin- 
dern,  so  auch  von  Pferden  ge- 
braucht  wird,  zeigt  Verg.  XI  494 
qualis  uhi  abruptis  fugit  ^^fuesepna 
vinclis  tandem  libtr  cquus  campoque 
potitus  aperto  aut  ille  in  pastus 
armentaque  tendit  equarum  aut  ud- 
stutus  aquae  perfundi  flumine  noto 
emicat.  —  capito  agello  ist  Abl.  abs. 

110  Lares,    nicht    im  romischen 


Sinne,  vgl.  Cic.  Verr.  IV  4  crat 
apud  Heium  sacrarium  magna  cum 
dignitate  in  aedihus  a  maioribus 
traditum,  in  quo  signa  pulcherrima 
qiiattuor  etc. 

111  seu  quis,  zu  36.  —  aedi- 
cula,  Tempel,  denn  das  Deminutiv 
scheint  nur  gewiiblt  zu  sein,  um 
dem  Schmerz  und  dcr  Teilnahme 
des  Dichters  Ausdruck  zu  geben. 

112  pro  summis,  die  genannten 
Kunstschatze  schatzen  sie  als  die 
hochsten  Kunstwerke,  denn  es  sind 
das  die  grofsten  Kunstwerke,  die 
sie  noch  besitzen,  alle  anderen  siud 
ihnen  geraubt. 

113  imbeUis  Ehodios,  vgl.  6,  296. 
—  uncta,  fett,  genufssiichtig,  von 
der  Stadt,  die  die  Freuden  des 
Gaumens  und  die  Pflege  des  Leibes 
liebt,  Plaut.  pseud.  WQO  uncti  senes, 
Hor.  ep.  I  17,  12  accedes  siccus  ad 
unctum,  Sen.  ep.  96,  24  magis  di- 
liges  ex  duohus  aeque  bonis  viris 
nitidum  et  unctum  quam  pulveru- 
lentum  et  horrentem,  Mart.  V  44 
unctiore  viensa  captus  es.  An  die 
Pflege  der  Paliistra  allein  ist  hier 
sicher  nicht  zu  deuken. 

114  resina  (von  qsco),  Raumharz 
(Terpentin)  diente  als  Enthaarungs- 
mittel,  vgl.  zu  16.  —  Es  ist  selbst- 
verstiindlich,  dafs  die  Verse  112  bis 
115  nicht  das  Pliindern  in  solchen 
Provinzen,  welche  von  weicblicheu 
Stiimmen  bewohnt  sind,  empfehlen 
oder  entschuldigen  wollen,  diigegen 
spricht  die  ganze  Ausfiihrung  von 
V.  88  —  112.  Der  Potentialis  kann 
also  nur  ironisch  gemeiat  sein: 
Ubrigens  ist  die  Pliinderung  der 
Bnndesgenossen  auch  gefahTlich ; 
verweicblichte  Griechen  mogen  we- 


174 


IVVENALIS 


cruraque  totius  facient  tibi  levia  gentis?  115 

liorrida  vitanda  est  Hispania,  Gallicus  axis 

Illyricumque  latus.     parce  et  messoribus  illis, 

qui  saturant  urbem  circo  scaenaeque  vacantem; 

quanta  autem  inde  feres  tam  dirae  praemia  culpae, 

cum  tenuis  nuper  Marius  discinxerit  Afros?  120 

curandum  in  primis,  ne  magna  iniuria  fiat. 

fortibus  et  miseris  tollas  licet  omne  quod  usquam  est 

auri  atque  argenti,  scutum  gladiumque  relinques: 

et  iaculo  et  galea  spoliatis  arma  supersunt. 

quod  modo  proposui,  uon  est  sententia:  verum  125 

credite  me  vobis  folium  recitare  Sibyllae. 

si  tibi  sancta  cohors  comitum,  si  nemo  tribunal 

vendit  acersecomes,  si  nullum  in  coniuge  crimen, 

122  tollat  P  umquam  P  123  relinqu***  P  relinquas  S  124 
et  iaculo  et  galea  W:  et  iaculum  et  galeam  Pm  125  verum  Haecker- 
mann:  verum  est  Pai 


niger  zu  fiircliten  sein,  aber  von 
Spanien,  Gallien  (Deutschland)  und 
Illyrien  mufd  sich  ein  Rauber  und 
Bedrucker  doch  sehr  fern  halten! 
116  Gallicus  axis,  der  Nordosten 
mit  Germania  inferior,  6,  470  exiil 
Hyperhorcum  si  dimittatur  ad  axem, 
14,  42  quocumque  sub  axe. 

118  saturant  urbem,  vgl.  5,  119 
tibi  habe  frumentum  o  Libye,  dum 
tubera  mittas,  14,  166  saturabat  gle- 
bula  talis  patrem  ipsum  turbamque 
casae.  —  circo  scaenaeque,  3,  223 
si  potes  avelli  circensibus,  10,  81 
duas  tantum  res  anxius  optat,  pa- 
nem  et  circenses,  11,  53  ille  dolor 
solus  patriam  fugientibus,  illa  mae- 
stitia  est  caruisse  anno  circensibus 
tmo,  vgl.  zn  7,  174. 

119  Und  wenn  du  auch  in  Afrika 
rauben  woUtest,  was  ohne  schwere 
Versiindigung  gegen  Rom  nicht 
moglich  ware,  was  hattest  du  denn 
davon?  Es  ist  ja  dort  nichts  mehr 
zu  holen. 

120  tcnues  (vgl.  zu  7,  80)  ist  pro- 
leptisch,  eine  Folge  des  discinxerit 
losgegiirtet  und  gepliindert,  d.  h. 
ausgezogen  hat,  Mart.  IX  101  pel- 
tatam  Scythico  discinxit  Amazona 
nodo  (i  e.  Hercules),  XII  29,  13  me- 
dios  discingere  lectos  mensarimque 
pedes  non  timte. 

121  Die  Bedriickung  der  Provin- 


zen  ist  gefahrlich.  Besonders  mufs 
man  schwere  Unbilden  vernieiden. 
Denn  tapfere  und  gedriickteVolker 
behalten  immer  Schild  und  Schwert. 
Man  kann  ihnen  Speer  und  Helm 
nehmen,  sie  entwaffnen,  dennoch 
bleiben  ihnen  Waffen  genug,  wenn 
die  Gedriickten  wirklich  tapfer  sind. 
'Der  Gott  der  Eisen  wachsen  liefs, 
der  wollte  keine  Knechte.'  —  in- 
iuria  fiat,  den  116 — 117  genannten 
Volkern. 

123  scutum  gladiumque,  d.  h»  Eisen 
und  Holz  zur  Bewaffnung  kannst 
du  ihnen  doch  nicht  nehmen,  wie 
Gold  und  Silber. 

125  sq.  sententia,  rhetorische  De- 
klamation,  sententia  communis.  — 
verum  folium,  ein  wahrhaftiges  und 
uutriiglichesOrakel  der  cumanischen 
Sihylla;  es  gab  bereits  seit  dem 
ersten  Brand  des  Kapitols  auch 
sehr  viele  gefiilschte  Spriiche. 

128  acersecomes  (axfpcf-/ofi//s)  = 
intonsus  ist  Epitheton  des  ApoUo 
oder  Dionysos,  steht  aber  hier 
(=  Lockenkopf  von  einem  schonen 
jungen  Sklaven  des  Herrn,  einem 
pucr  delicatus  oder  a  cyatho.  —  in 
coniuge:  in  der  Republik  folgte  die 
Gattin  dem  Manne  nicht  selten  in 
dieProvinz;  Augustusgestattete  den 
Legaten  nur  ungern  ihren  Frauen 
wiihrend  des  Wiuters  einen  Besuch 


LIBRI  ni    SATVRA  Vlll 


175 


uec  per  con^entus  et  cuncta  per  oppida  curvis 
uuguibus  ire  parat  nummos  raptura  Celaeno, 
tu  licet  a  Pieo  uumeres  genus,  altaque  si  te 
nomiua  ilelectaut,  omuem  Titauida  pugnam 
inter  maiores  ipsumque  Promethea  ponas, 
ile  quocumque  voles  proavum  tibi  sumito  libro. 
quod  si  praecipitem  rapit  ambitio  atque   libido, 
si  fraugis  virgas  sociorum  in  sanguiue,  si  te 
delectaut  hebetes  lasso  lictore  secures, 
incipit  ipsorum  contra  te  stare  parentum 
nobilitas  claramque  facem  praeferre  pudendis. 
omne  animi  vitium  tauto  conspectius  in  se 
crimen  habet,  quauto  maior  qui  peccat  habetur. 
quo  mihi  te  solitum  falsas  signare  tabellas 


130 


135 


140 


131  tum  p     tunc  ca         139  puendis  P         140  tanta  P 


zu  maclien,  Suet.  24  uxorem  inter- 
visere;  ea  war  Sitte,  dafs  die  Frau 
die  Grenze  Italiens  nicht  verliefs 
(cohibita  intra  JtaUam),  aber  diese 
Sitte  wurde  nicht  gewahrt  und  die 
Statthalter  nahmen  ihre  Frauen  sehr 
haufig  zur  Hofhaltuug  mit  in  die 
Provinz,  Tac.  III  33  sq. 

129  Die  Provinz  war  in  Gerichts- 
bezirke  eingeteilt,  von  denen  jeder 
eine  Gerichtshauptstadt  besafs,  wo 
der  Statthalter  mit  seinem  consi- 
lium  von  Zeit  zu  Zeit  erschien,  um 
Beschwerden  anzuhoren,  Streitig- 
keiten  zu  schlichten  und  Recht  zu 
sprechen  {conve)ttus  agere). 

130  sq.  Celaeno  war  die  iilteste 
der  Harpyien,  vgl.  Verg.  III  210. 
curvis  unguihus  auch  13,  169.  — 
Ficus  war  der  Sohn  des  .Saturnus 
und  Vater  des  Faunus,  Verg.  VII 
48.  188.  Er  galt  fiir  den  ersten 
KSnig  in  Latium,  Verg.  VII  190. 
—  alta,  weitzuriickgehende,  uralte 
Namen. 

134  de  quocumque  libro,  aus  einer 
Tragodie  oder  aus  Theogonieen  oder 
au8  heroischen  Dichtungen,  welchen 
Heroa  immer  er  sich  wlihlen  mochte. 
Daa  Verlangen,  einen  uralten  Ahn- 
herrn  aufweisen  zu  konnen,  wnrde 
besonders  durch  Vergils  Aneis  und 
wohl  auch  durch  die  Origines  dea 
Cato  Censoriua  unterstutzt. 

135  quod  si  ist  adversativ:  wenn 
aber,   wie  Hor.   ep.  I  7,  25  quodai 


me  noles  usquam  discedere,  reddes 
forte  latus.  —  ambitio  Parteilich- 
keit.  —  libido,  Willkvir,  d.  h.  Riick- 
sichtslosigkeit  gegen  Recht  und 
Sitte;  beide  fiihren  zur  superbia 
und  crudelitas  und  diese  steigert 
sich  zur  immanitas,  co_uot/js,  vgl. 
6,  484. 

139  facem  praeferre,  die  Fackel 
vorhalten,  beleuchten,  Sall.  lug. 
85,  22  maiorum  gloria  posteris  quasi 
lumen  est:  neque  bona  neque  mala 
eorum  in  occuUo  patitur. 

140  sq.  animi  vitium,  Schlechtig- 
keit,  als  Ausfliifa  des  Charakters, 
nicht  des  Irrtums.  —  conspectius, 
bemerkbarer,  mehr  Aufsehen  er- 
regend  (vgl.  zu  2,  81).  Der  Kom- 
parativ  dieses  verbalen  Adjektivs 
und  in  se  neben  Jiabet  gehort  erst 
der  silbernen  Latinitiit  an,  vgl. 
Niigelsbach  Stil.  §  110,  1.  Juvenal 
eiinnert  an  Casars  Worte  bei  Sall. 
Cat.  51:  qui  demissi  in  obscuro  vi- 
tam  habent,  si  quid  iracundia  de- 
liquere,  pauci  sciunt,  qui  magno 
imperio  praediti  in  excelso  vitam 
agunt,  eorum  facta  cuncti  mortales 
novere:  ita  in  maxuma  fortuna  mi- 
numa  licentia  est. 

142  quo  mihi  te,  zu  9.  —  Testa- 
mente  und  sonstige  Urkunden  wur- 
den  nicht  selten  in  Tempdn  nieder- 
gelegt,  80  dafs  daselbst  anch  die 
feierliche  Ceremonie  der  LTnter- 
siegelnng  stattfand.   Vgl.  1,  67.  Vor 


176 


IVVENALIS 


in  templis,  quae  fecit  avus,  statuamque  pareiitis 

ante  triumphalem?  quo,  si  nocturnus  adulter 

tempora  Santonico  velas  adoperta  cucullo?  145 

praeter  maiorum  cineres  atque  ossa  volucri 
carpento  raj)itur  piuguis  Lateranus,  et  ipse, 
ipse  rotam  astringit  sufflamine  mulio  consul, 
nocte  quidem,  sed  Luna  videt,  sed  sidera  testes 
intendunt  oculos.    finitum  tempus  honoris  150 

cum  fuerit,  clara  Lateranus  luce  flagellum 
sumet  et  occursum  numquam  trepidabit  amici 
iam  senis  ac  virga  prior  annuet  atque  maniplos 

148    sufflamine  mulio   S  ad    157    florilegium  S,   Galli   grammaticus 
GLK.   VI  p.  331:  multo  sufflamine  P  {immo  p)  co 


dem  Tempel  oder  in  der  Nahe 
konnte  auch  die  Triumphalstatue 
stehen,  vgl.  1,  129. 

145  tempora  velas  adoperta,  zu 
7,  84.  Kapuzenmantel  heferten  die 
gallischen  Webereien,  die  grobe, 
stavke,  und  zottige  Tuche  fertigten, 
9,  30.  Auch  Mart.  XIV  128  wird 
der  bardocucicllus  Santonicus ,  da- 
^egen  1,  53  Lingonicus  genannt. 
tJber  die  Benutzuug  des  cucullus 
vgl.  3,  170  und  dagegen  6,  118. 

146—268:  Beispiele  unwurdiger 
Mitglieder  des  Adels  in  neuerer 
und  friiherer  Zeit. 

a)  146 — 182:  Das  unwiirdige  Be- 
nehmen  eines  Lateranus. 

146  T.  Sextius  Magius  Latera- 
nus  war  Konsul  im  J.  94  n.  Chr., 
also  imter  dem  Kaiser  Domitianus. 
Er  ist  nicht  zu  verwechseln  mit 
Plautius  Lateranus,  einem  Mitver- 
schworenen  des  Piso,  Tac.  XV  49. 
Plautius  wurde  noch  als  consnl  de- 
signatus  hingerichtet,  Tac.  XV  60. 
Dafs  hohe  Geburt  an  sich  nicht 
den  Wert  des  Menschen  bestimmt, 
wird  an  einzelnen  charakteristischen 
Beispielen  ausgefiihrt.  —  cineres,  an 
der  via  Appia,  Latina  oder  Fla- 
minia,  wo  hauptsiichlich  die  sepul- 
chra  der  Vornehmen  errichtet  waren. 

147  carpentum  (St.  1<arp ,  Jcrap, 
HQatTivog,  reifsend  schnell)  war  ein 
leichter  zweiradriger  Wagen,  ur- 
spriinglich  fiir  Frauen  bestimmt, 
dann  vielfach  von  Stutzern  benutzt, 
vgl.  9,  132.   —   pinguis,   von    der 


korperlichen  Pflege,  Hor.  ep.  I  4,  15 
me  xnnguem  et  nitidum  bene  curata 
cute  vises,  Quint.  I  5,  14  ille  pexus 
pinguisque  doctor,  wohlfrisiert  und 
wohlgenahrt.  —  ipse,  zu  6,  166. 

148  sufflamen,  Hemmschuh,  16, 
50  nec  res  atteritur  longo  sufflamine 
litis.  —  mulio,  denn  der  Wagen  war 
mit  Maultieren  bespannt,  vgl.  7, 181, 
mulio  consul  ist  eine  Verbindung, 
die  das  Verachtliche  des  Menschen 
zum  scharfen  Ausdruck  bringt,  wie 
6,  118  meretrix  Augusta,  Prop.  IV 
11,  39  incesti  meretrix  regina  Canopi. 

149  nocte  quidem,  allerdings  nur 
im  Duukel  der  Nacht.  —  testes  ist 
Nom.  und  zu  sidera  gehorig,  6,  311 
luna  teste  moventur,  Prop.  Jl  9,  41 
sidera  sunt  testes. 

150  intendunt  ocuJos,  strengen  die 
Augen  an,  schauen  erstaunt  zu, 
weil  die  Erscheinung  kaum  glaub- 
lich  ist,  Plin.  ep.  II  20,  3  von  Re- 
gulus  am  Krankenbette  derVerania: 
ubi  audiit,  componit  vuJtum,  inten- 
dit  ocidos  (wird  aufmerksam),  movet 
Jabra,  agitat  digitos,  computat. 

152  trepidare  mit  Accusativ  auch 
10,  21  trepidabis  Jtarundinis  um- 
bram,  Senec.  Herc.  Oet.  1062  nec 
damae  trepidant  Jupos,  nach  Ana- 
logie  von  Jiorrere,  wie  tremisco  bei 
Verg.  III  648  sonitumque  pedum 
vocumque  tremisco,  Hor,  II  12,  8 
unde  pericuJum  fuJgens  contremuit 
domus  Saturni  veteris. 

153  virga  annuct,  wie  der  mulio 
3,  317.  Der  Anstand  erfordorte 
wenigstens  die  Peitsche  in  die  Unke 


LIBRI  III     SATVRA  VIII 


177 


solvet  et  infundet  iumentis  hordea  lassis. 

interea,  duui  lanatas  robumque  iuvencum  155 

more  Numae  caedit,  lovis  aute  altaria  iurat 

solam  Eponam  et  facies  olida  ad  praesepia  pictas. 

sed  cum  pervigiles  placet  instaurare  popiuas, 

obvius  adsiduo  Syrophoenix  unctus  amomo 

currit,  Idumaeae  Syrophoenix  incola  portae  160 

hospitis  adfectu  dominum  regemque  sahitat, 

et  cum  veuali  Cyane  succincta  higona. 

defensor  culpae  dicet  mihi  '^fecimus  et  nos 

haec  iuvenes'.     esto,  desisti  nempe  nec  ultra 

155  robum  S  jlorilcgium:  torvum  pco  erasum  in  P  159  adsiduu- 
♦♦♦rophoenix  P  udus  pco  162  cyanis  P  163  dicet  ^"b"  dic*t  P 
dicat  lahn 


Hand  zu  nehmen  und  mit  der  rechten 
Hand  {exptdita  dvxtra)  zu  grnfsen, 
indem  man  den  Wagen  verliefs  und 
an  den  senex  herantrat.  Das  letz- 
tere  scheint  damals  freilich  ver- 
alt^te  Sitte  gewesen  zu  sein. 

Ibbinterea,  mittlerweile,  so  lange 
er  noch  Konsul  ist.  —  lanatas,  sc.  oves 
—  robum  gehorte,  wie  es  scheint, 
der  PriesterBprache  an,  Paul.  Diac. 
p.  264  robutn  rubro  colore  et  quasi 
rufum  significari ,  ut  bovem  quocj[ue 
rustici  apiJtllant,  manifestum  est. 
Hinc  et  homines  valentes  et  boni 
coloris  robusti,  aber  das  Wort  be- 
zeichnete  urtpriinglich  keine  Farbe, 
sondern  nur  das  Vollkraftige  und 
Makellose.  Denn  am  Feste  des 
Juppiter  Latiaris  opferten  die  Kon- 
sulnauf  dem  mons  AlbanusinGegen- 
wart  aller  Magistrate  urspriinglich 
einen  weifsen  Stier,  vgl.  Weifsen- 
bom  zu  Liv.  XXXII  1,  9. 

156  more  Kumac,  nach  dem  cere- 
mouiellen  Kitus,  wie  er  angeblich 
in  den  Commentarii  des  Konigs 
Numa  bestimmt  war,  Liv.  I  20,  5. 

157  Epjfjna  war  die  Beschiitzerin 
der  Pferde  und  Maultiere,  wie  Bu- 
bona  die  Gottin  der  Rindviehzucht. 
In  den  italischen  Dialekten  findet 
sich  sehr  oft  p  fiir  qu  oder  c,  z.  B. 
pjis  =  quis,  Ep)idius  =  Equidius,  wie 
lupus  =  /luxog.  Die  Kiirze  des  o  liifst 
auf  eine  Adjektivform  schliefsen, 
wie  tmtivrj.  Xeben  der  Epona  wur- 
den  noch  andere  gemalte  Bilder  von 
Stallgottheiten  an  der  Krippe  an- 
gebracht :  facies  ud  praesepia  pictas. 

IWBSAXIS   SaTVEAE. 


158  pervigiJes  popinas,  wie  15,  43 
pervigiU  toro,  die  nachtschwarmende 
Kneipe.  —  instaurarc,  wiederauf- 
nehmen,  besuchen. 

159  adsitluo  udus  amomo  =  Pers. 
3,  104  crassisque  lutatus  amomis, 
wo  der  Scholiast  erklart:  multis 
oblitus  ungttentis;  iihnlich  Prop.  IV 
11,  56  et  adsiduo  lingua  sepulta 
mero.  —  Syria  Photnice  war  da- 
mais  noch  keine  besondere  von 
Syria  Coele  oder  Magna  abgetrennte 
Provinz,  die  Phonizier  wurden  aber 
von  den  iibrigen  Syrern  unter- 
schieden. 

160  Idumaea  wurde  damals  von 
den  Dichtern  geradezu  fiir  ludaea 
gebraucht,  Mart.  II  2  frater  (Titus) 
Idumaeos  meruit  cum  patre  trium- 
phos.  Die  Lage  der  porta  Idumaea 
ist  unbekannt;  incola  deutet  da- 
rauf  hin,  dafs  so  eine  Ortlichkeit 
in  Rom  genannt  wurde. 

161  hospitis  adfectu,  mit  Gast- 
wirtsfreundlichkeit,  mait  die  Ge- 
schaftigkeit  {obvius  currit)  und  die 
Biicklinge  {dominum  regemque,  zu 
5,  137)  des  Wirts. 

162  Cyane,  vgl.  Ovid  m.  V  412 
inter  Sicelidas  Cyane  celeberrima 
nymphas,  d.  h.  die  Dunkle,  nach  der 
Farbe  des  Haares  (und  des  Gesichts  ?). 
Sie  ist  leicht  geschiirzt  (succincta), 
wie  iiberhaupt  die  Bedienung  bei 
Tisch,  Hor.  s.  II  8,  10  pucr  alte 
cinctus,  ibid.  70  ut  omnes  praecincti 
recte  pueri  ministrent;  vgl.  4,  24. 

12 


178 


IVVENALIS 


fovisti  errorein.    breve  sit,  quod  turpiter  audes; 
quaedam  cum  prima  resecentur  crimina  barba. 
indulge  veniam  pueris:  Laterauus  ad  illos 
tbermarum  calices  inscriptaque  lintea  vadit 
maturus  bello  Armeniae  Syriaeque  tuendis 
amnibus  et  Rbeno  atque  Histro.     praestare  Neronem 
securum  valet  baec  aetas.    mitte  Ostia,  Caesar, 
mitte,  sed  in  magua  legatum  quaere   popina: 
invenies  aliquo  cum  percussore  iacentem, 
permixtum  nautis  et  furibus  ac  fugitivis, 
inter  carnifices  et  fabros  sandapilarum 
et  resupinati  cessantia  tympana  galli. 
aequa  ibi  libertas,  communia  pocula,  lectus 


165 


170 


175 


168  scriptaque  P 

165  quod  —  audes,  vgl.  zu  6,  97. 

166  cum  prima  barba,  tlenn  nach 
der  depositio  barbae  (zu  3,  186)  liefs 
man  doch  nicht  selten  den  Bart 
wieder  wachsen,  nur  Personen  iiber 
40  Jahre  rasierten  den  ganzen  Bart, 
vgl.  6,  105  u.  Marquardt  Pr.  II  200. 

168  thermaruvi  calices,  denu  mit 
den  Thermen  waren  in  der  Regel 
Garkiichen  verbunden,  Quint.  I  6,  44 
in  halneis  perpotare,  Mart.  V  70 
plenum  centies  Syriscus  in  sellari- 
olis  vagus  popinis  circa  balnea  quat- 
tuor  peregit.  In  den  Thermopolien 
wurde  eine  Mischung  von  Wein 
und  heifaem  Wasser  getrunken, 
Plaut.  tr.  1013.  In  diesen  Kneipen 
wareu  in  der  Regel  ceUae  pueUa- 
rum,  deren  Namen  {tituli)  auf  einem 
velum  (lintcum),  welches  die  ceUa 
abschlofs,  geschrieben  stand,  vgl. 
zu  6,  123  und  Wilmanns  Ex.  Inscr. 
Lat.  nr.  2717. 

169  sq.  Das  Reich  bedarf  des 
Schutzes  im  Osten  gegen  die  Parther, 
am  Rhein  gegen  die  Germanen,  an 
der  Donau  gegen  die  Dacier.  Unter 
Nero  kann  hier  nur  Domitian  ver- 
standen  werden,  wenn  Laterauus 
der  Konsul  des  Jahres  94  ist,  vgl. 
4,  38  calvo  Neroni,  Mart.  XI  33 
vicit  nimirum  non  Nero,  sed  pra- 
sinus. 

171  sq.  Ostia  als  Neutrum  vom 
Hafen,  als  Femininum  von  der 
Hafenstadt.  Von  dort  gingen  die 
Befehlshaber  ab  in  die  iiberseeischen 
Provinzen,  vgl.  12,  75.     Wenn  der 


Kaiser  den  Legaten  in  die  Provinz 
absenden  will,  mufs  er  ihn  erst  in 
der  magna  popina  (=  fornix  et 
uncta  popina  Hor.  ep.  I  14,  21)  auf- 

suchen  lassen. 

173  invenies,  vgl.  1,  155. 

175  sq.  carnifices  —  tortores  6,  480. 
— -  fabros  sandapildrum,  Bettelsarg- 
schreiner,  die  wahrscheinlich  auch 
als  Leichenbestatter,  sandapilarii 
oder  vespiUones,  sich  dingen  liefsen. 
Der  Wohlhabende  wurde  auf  der 
lectica  zum  Scheiterhaufen  getragen, 
arme  Sklaven  wurden  in  armseligen 
Kasten  {arca  oder  sandapila)  zu 
Grabe  getragen,  Hor.  s.  I  8,  9.  Mart. 
VIII  75  quattuor  inscripti  poftabant 
vile  cadaver,  accipit  infelix  qudlia 
miUe  rogus.  —  gaUi,  zu  6,  513.  — 
resupinati,  plump  ausgestreckt,  auf 
dem  Riicken  liegend,  scheint  eine 
vox  plebeja  zu  sein,  vgl.  3,  112. 

177  aequa  Ubertas  Freiheit  und 
Gleichheit.  Die  stadtischen  Sklaveu 
fiihrten  ein  freieres  und  angeneh- 
meres  Leben  als  die  Arbeiter  auf 
dem  Lande;  daher  sagt  bei  Plaut. 
most.  13  Grumio  zu  Tranio:  tit  ur- 
hamis  vero  scurra,  deliciae  popli, 
rus  niihi  tu  obiectas?  sane  credo, 
Tranio,  quod  te  in  pistrinum  scis 
actutum  tradier.  Cis  hercle  paucas 
tempestates ,  Tranio,  augehis  ruri 
numerum,  gcnus  ferratile,  die  niim- 
lich  in  Fiifsfesseln  arbeiten  mufsten. 
Das  genus  ferratile  ist  das  ergastu- 
lum  auf  dem  Lande,  vgl.  14,  24. 


LIBRI  III    SATVRA  Vlll 


179 


nou  alius  cuiquam,  nec  niensa  remotior  ulli. 
quid  facias  talem  sortitus,  Pontiee,  servum? 
nempe  in  Lucanos  aut  Tusea  ergastula  mittas. 
at  vos,  Troiugenae,  vobis  iguoscitis,  et  quae 
turpia  cerdoni,  Volesos  Brutumque  decebunt. 

quid,  si  numquam  adeo  foedis  adeoque  pudendis 
utimur  exemplis,  ut  non  peiora  supersint? 
consumptis  opibus  vocem,  Damasippe,  locasti 
sipario.  clamosum  ageres  ut  Pliasma  Catulli. 
Laureolum  velox  etiam  beue  Lentulus  egit, 
iudice  me  dignus  vera  cruce.     nec  tamen  ipsi 
iguoscas  populo;  populi  frons  durior  huius. 


180 


185 


182  volsos  rut*umque  P         183  qnod  P  187  etiam  pco:  iam  P 


180  In  Lukanien  und  Etrurien 
waren  Latifundien  undgrofse  Weide- 
platze,  seitdem  durch  den  zwei- 
ten  punischen  unJ  vollends  durch 
den  Bundesgenossenkrieg  der  freie 
Bauemstand  vernichtet  worden  war, 
Mart.  IX  22  ut  sonet  innumera  com- 
pedc  Tuscus  ager. 

181  Gegen  andere  seid  ihr  vor- 
nehmen  und  adelsstolzen  Romer 
{Troiufjenae)  zur  Harte  im  Urteil 
geneigt,  aber  gegen  euch  selbst 
iibt  ihr  eine  ganz  unwiirdige  und 
unverantwortliche  Nachsicht. 

182  Volesos  decebunt,  abnlich 
4,  13.  Volesus  Valesius  war  der 
Ahnherr  des  patrizischen  Geschlech- 
tes  der  Valerii,  Dion.  Hal.  II  46. 
—  cerdoni,  4,  153. 

b)  183—210:  Das  unwurdige  Be- 
nehmen  eines  Damasippus,  Lentn- 
lus  und  Gracchus. 

185  iJamasippus  gehort  der  No- 
bilitiit  an.  Wer  damit  gemeint  ist, 
ist  unbekannt;  eicher  aber  ist  es, 
dafs  der  Zusammenhang  keine  Ver- 
anlassung  giebt,  ihn  fiir  einen  do- 
mitor  eqiiorum  (Sauuainnog)  zn  hal- 
ten.  denn  mit  Lateranus  hat  Dama- 
sippus,  wie  die  Cbergangsform 
V.  183  sq.  zeigt,  weiter  nichts  ge- 
mein,  als  dafs  beide  unwurdige 
Glieder  des  hohen  Adels  gewesen 
sind. 

1868q.  siparium,  Deminutiv  von 
supparum  oder  siparum  {oinaQog), 
Toppsegel,  ist  der  kleinere  Theater- 
vorhang    bei    den    Zwischenscenen 


der  Komodie  (im  Gegensatz  znm 
aulaeum  dem  Hauptvorhang) ,  und 
wird  deshalb  metonymisch  auch  zur 
Bezeichnung  der  Komodie  selbst 
gebraucht,  Sen.  dial.  IX  11,  8 
Publilius,  tragicis  comicisque  vehe- 
mentior  ingeniis,  inter  multa  alia 
cothurtio  non  tantum  sipario  forti- 
ora  et  hoc  ait:  cuivis  potest  acci- 
dere,  quod  cuiquam  potest.  —  Der 
Mimograph  CatiiUus,  der  unter  Cali- 
gula  Claudius  und  Nero  lebte,  war 
der  Verfasser  sowohl  des  Phasma 
(Gespenst)  als  des  Laureolus,  eines 
durciitriebenen  Sklaven,  der  sich 
als  Rauber  beriichtigt  machte,  dann 
aber  ergriffen  und  gekreuzigt  wurde, 
Joseph.  antiq.  XIX  1,  13  uiuog  sia- 
dyETcci.  (kurz  vor  Caligulas  Ermor- 
dung)  %a&'  ov  atavQovzaL  Xi]aza>v 
riyiuav.  Auch  unter  Domitianus 
wurde  dieses  Stiick  so  aufgefiihrt, 
dafs  ein  Verurteilter  wirklich  ge- 
kreuzigt  und  am  Kreuze  hiingend 
von  wilden  Tieren  zerrissen  wurde, 
Mart.  spect.  7.  Darauf  beziehen  sich 
die  Worte  dignus  vera  cruce  (188), 
wie  ein  Verbrecher.  —  Lentulus  ist 
nicht  bekannt,  dem  Namen  nach 
gehorte  er  einer  der  vomehmstea 
Familien  an,  vgl.  6,  80. 

188  Freilich  tragt  das  Volk  nicht 
die  geringste  Schuld,  das  solche 
Scenen  mannlicher  Verkomraenheit 
ruhig  mit  anzusehen  vermag. 

189  durior,  verglichen  mit  der 
Schamlosigkeit  solcher  Mtnschen 
wie  Lentulus. 

12* 


180 


IVVENALIS 


qui  sedet  et  spectat  triscurria  patriciorum, 
planipedes  audit  Fabios,  ridere  potest  qui 
Mamercorum  alapas.     quanti  sua  funera  vendant, 
quid  refert?  vendunt  nuUo  cogente  Nerone, 
nec  dubitant  celsi  praetoris  vendere  ludis. 
finge  tamen  gladios  inde  atque  hinc  pulpita  poni, 
quid  satius?  mortem  sic  quisquam  exhorruit,  ut  sit 
zelotypus  Thymeles,  stupidi  collega  Corinthi? 
res  haud  mira  tamen  citharoedo  principe  mimus 
nobilis.    haec  ultra  quid  erit,.  nisi  ludus?  et  illic 

198  aut  P 


190 


195 


190  triscurria,  'Kiaftapafse',  ein 
von  Juv.  gebildetes  oder  der  Vul- 
garspiaclie  entlebntes  Wort;  vgl. 
triparcus,  trifur,  trijurcium. 

191  ■planipedes  =  mimos,  Don.  de 
com.  p.  14  R. :  planipedia  dicta  ob 
humilitatem  argumenti  eius  ac  vili- 
tatem  actorum,  qui  non  cothurno 
aut  socco  nituntur  in  scaena  aut 
pulpito,  sed  plano  pede,  Diom.  G.  L. 
I  490  quarta  species  {fahularum)  est 
planipedis,  qui  graece  dicitur  fitjuos ; 
ideo  autem  latine  planipes  dictus, 
quod  actores  pedihus  planis,  i.  e. 
nudis,  proscenium  introirent,  non 
ut  tragici  actores  cum  cothurnis 
neque  ut  comici  cum  soccis;  deutsch 
etwa  =  PossenreiAer.  Tac.  h.  III 
62  Fahius  Valens  ludicro  luvena- 
Uum  suh  Nerone  velut  ex  necessi- 
tate,  mox  sponte  mimos  actitavit, 
scite  magis  quam  prohe. 

192NebendemHauptschauspieler 
gab  es  actores  secundarum  (Suct. 
Cal.  57  sub  fin.),  die  jenem  unter- 
geordnet  waren,  ihn  iibereifrig  nach- 
ahmten  und  dafiir  die  Schlage  von 
ihm  empfingeu;  es  v/ar  dies  beson- 
ders  die  RoUe  des  stupidus,  vgl.  zu 
5,  171.  Mart.  V  61, 11  o  quain  dignus 
eras  alapis,  Mariam,  Latini.  Die 
ilfamera  vertreten  hier  den  Patriziei'- 
adel.  —  funera,  ihren  biirgerlichen 
Tod,  d.  h.  ihre  Ehre,  dtnn  sie  ver- 
nichten  sich  moralisch,  vgl.  84  sq. 

193  sq.  Suet.  Ner.  4  praetarae 
consulatusque  honore  equites  M.  ma- 
tronasque  ad  agendum  mimum  pro- 
duxit  in  scaenam,  ib.  12  exhibuit 
ad  ferrum  etiam  quadringcntos  sena- 
tores  sescentosque  equites  JR.,  et 
quosdam   fortunac   atque   existima- 


tionis  integrae.  Indessen  kann  man 
hier  zugleich  {nullo)  auch  an  Do- 
mitian  denken,  den  alter  Nero,  vgl. 
4,  99.  Unter  Trajan  zwang  solche 
Menschen  weder  ein  Nero  nioch 
ein  Domitian,  sie  thaten  es  sponte, 
wie  Fabius  Valens  bei  Tac.  h.  III  62, 
ja  sie  thaten  es  um  Geld,  das  sie 
von  dem  auf  ei-habenen  Sitze  {celsus) 
zuschauenden  Prator,  dem  Fest- 
geber  (10,  36),  unbedenkLich  an- 
nahmen. 

105  finge  tamen,  zu  5,  72.  — 
gladios,  d.  h.  die  Hinrichtung  durch 
Centurionen  oder  Soldaten,  vgl.  4, 
96.  Sinn:  aber  gesetzt  auch,  dafs 
ein  Tyrann  dich  mit  Bedrohung 
des  Lebens  notigen  wollte  als  Schau- 
spieler  aufzutreten,  so  ware  doch 
fiir  den  standhaften  und  charakter- 
festen  Manu  der  gewaltsame  Tod 
riihmlicher  als  der  Ehrverlust  auf 
der  Biihne.  Xen.  Mem.  II  7,  10  at 
^iv  ULa^fQov  Tt  s^sXXov  iQydaia&cci, 

&dv(XTOV  dvx'  CCVXOl)  TtQOCClQiXSOV  TjV. 

196  quid  fiir  utrum  auch  10,  338. 

197  zelotypus  (5,  45  uud  6,  278), 
der  eifersiichtige  Ehemann  im  Mi- 
mus,  der  von  dem  Liebhaber  der 
Frau  (Thymele  zu  1,  36)  geprellt 
und  mit  Ohrfeigeu  behandelt  wird. 
Der  Liebhaber  wg>r  eine  beliebte 
RoUe  des  Latinus;  Gorinthus  war 
der  zelotypus,  d.  h.  der  stupidus 
des  Mimus,  Mart.  V  61,  11. 

198  Wie  der  Fiirst,  so  der  Adel; 
wie  der  Adel,  so  das  Volk.  Der 
princeps  citharoedus  war  Nero,  vgl. 
Suet.  12.  20—24;  er  btarb  mit  dem 
wiederholten  Ausruf:  qualis  artifex 
pereo! 

199  ludus,  sc.  gladiatorius.     Die 


LIBRI  III     SATVRA  Vni 


181 


dedecus  urbis  babes,  nee  murmillonis  in  armis 
nec  clipeo  Graccbum  pugnantem  aut  falce  supiua  — 
damnat  enim  tales  babitus,  se  damnat  et  odit, 
nec  galea  faciem  abscondit  —  movet  ecce  tridentem, 
postquam  vibrata  pendentia  retia  dextra 
nequiquam  effudit.  nudum  ad  spectacula  vultum 
erigit,  et  tota  fugit  agnosceudus  harena. 
credamus,  tunicae  de  faucibus  aurea  cum  se 
porrigat  et  longo  iactetur  spira  galero. 
ergo  ignominiam  graviorem  pertulit  omni 
vulnere  cum  Graccho  iussus  pugnare  secutor. 
libera  si  dentur  populo  suffragia,  quis  tam 
perditus,  ut  dubitet  Senecam  praeferre  Neroni, 


200 


205 


210 


202  se    W:  sed  Pco  203  stridenti  P  205  effundit  P        208 

iactetur*+*8pira  P        212  perferre  P 


Gladiatorenschule  ist  das  Vorspiel 
und  die  Vorbereitung  fur  den  Gla- 
diatorenkampf,  daher  steht  die 
Schule  fur  die  Arena,  ja  sogar  fur 
den  Gladiator  selbst,  den  Jiidius, 
vgl.  6,  82  nupta  senatori  comitata 
est  Eppia  ludum.  —  illic  =  in  hac 
ratione,  in  hoc  genere;  doch  weist 
derselbe  Versschlufs  3,  187  et  iUud 
fermentum  tibi  habe  auf  et  iUuc  hin. 

200sq.  Der  /7iurmi77o  trat  in  voller 
Rustung,  mit  Panzer,  Helm  und 
Schild,  auf.  Den  Rundschild  und 
das  sichelartig  gekriimmte  Dolch- 
messer  {sica)  trugen  die  Thraces. 
Die  sica  wird  hier  falx  supina  {in- 
curva,  agnr})  genannt.  —  Gracchus 
dagegen  tritt  als  retiarius  in  kurzer 
Tuuika.  ohne  Helm,  nur  mit  dem 
Dreizack  {fuscina  oder  tridens)  und 
eiDemDolchmesserversehenauf.  Der 
Gegnerdes  re/jariMS  istdermitHelm, 
Schild  und  Schwert  bewaffnete  Se- 
cutor.  Der  Retiarius  sucht  liber 
diesen  das  Xetz  zu  werfen  und  ihn 
so  zu  umstricken,  nm  ihn  zu  gleicher 
Zeit  mit  dem  Dreizack  angreifen 
zu  konnen. 

202  se  damnat,  er  verurteilt  ent- 
schieden  ein  verdecktes  Auftreten, 
damit  aber  auch  sich  selbst,  d.  h. 
seine  Ehre,  Plin.  ep.  IV  25,  4  ne- 
viinem  veretur,  se  contemnit.  Die 
Verbiodung  von  damnat  et  odit 
nach  Ov.  tr.  III  1,  8  id  quoque  quod 
tiridi  quondam  maie  Jusit  in  aevo, 
opusheu  nimium  scro  damnat  et  odit. 


204  pendentia  retia,  das  schwe- 
bende  Fangnetz.  Ist  der  Wurf  mifs- 
lungen,  mufs  er  behend  flieben,  um 
wieder  Stellnng  nehmen  zu  konnen. 

205  Gracchus  blickt  frech  {riudus 
unverdeckt)zu  den  Zuschauern  {spec- 
tacula,  die  Zuschauersitze)  auf  und 
eilt  von  allen  erkannt  clurch  die 
Arena  dahin. 

206  Zu  agnoscendus  vgl.  TibuU. 
I  2,  72  insideat  celert  conspiciendus 
equo. 

208  Die  spira  war  ein  raetallner 
oder  lederner  Streifen,  um  allen- 
falls  darunter  das  Netz  zu  bergen 
oder  zuriickzuziehen.  Diese  spira 
war  am  Ejragen  der  Tunika  (fauces 
tunicae)  befestigt  und  wurde  von 
einem  die  Hohe  der  rechten  Schulter 
iiberragenden  Schulterstiick  (gale- 
rus)  infolge  der  Bewegung  des 
Pietiarius  geschwungen. 

210  Der  Secuior  hat  so  viel  Ehr- 
gefuhl,  dafs  er  es  als  Schmach 
empfindet,  mit  trinem  ehrlosen  und 
schamlosen  Gegner  fechten  zu  miis- 
sen,  den  nicht  das  Schicksal  son- 
dern  nur  die  eigene  Cbarakterlosig- 
keit  zum  Gladiator  gemacht  hat, 
vgl.  2,  16  sq. 

c)  211—230:  Die  verbrecherische 
Schlechtigkeit  eines  Nero. 

212  Einem  Manne  wie  Seneca 
nicht  den  unbtdingten  Vorzug  vor 
einem  Nero  geben  zu  wollen,  ware 
sittliche  VerdorbeDh>,'it  (perditus). 
Tac.   XV    65    fama    fuit    Subrium 


182 


IVVENALIS 


cuius  supplicio  non  debuit  una  parari 
simia  nec  serpens  unus  nec  culleus  unus? 
par  Agamemnonidae  crimen,  sed  causa  facit  rem 
dissimilem.    quippe  ille  deis  auctoribus  ultor 
patris  erat  caesi  media  inter  pocula,  sed  nec 
Electrae  iugulo  se  polluit  aut  Spartani 
sanguiue  coniugii,  nullis  aconita  propinquis 
miscuit,  in  scaena  uumquam  cantavit  Oresten, 
Troica  non  scripsit.    quid  enim  Verginius  armis 
debuit  ulcisci  magis  aut  cum  Vindice  Galba, 


215 


220 


220  Oresten  W:  Orestes  Pco         221  virgilius  P 


Flavuvi  cum  centurionibus  occulto 
consilio  destinavisse,  ut  post  occisum 
Neronem  traderetur  imperium  Se- 
necae,  quasi  nobilibus  sontibus  clari- 
tudine  virtutum  ad  summum  fasti- 
gium  delecto. 

214  Nero  liefs  nicht  nur  seine 
Mutter  Agrippina,  sondern  auch 
seine  Adoptivgeschwister  Britanni- 
cus  und  Octavia  und  aufserdem 
noch  andere  Glieder  der  Julischen 
Familie  ermorden.  Dig.  XLVIII  9,  9 
poena  parricidae  more  maiorum 
haec  instituta  est,  ut  parricida  virgis 
sanguineis  verberatus  deinde  culleo 
insuatur  cum  cane,  gallo  gallinaceo 
et  vipera  et  simia,  deinde  in  mare 
profundum  iaciatur.  Seneca  selbst 
schreibt  an  Nero  de  clem.  I  23  pes- 
simo  vero  loco  pietas  fuit  (unter 
Claudius),  postquam  saepius  culleos 
vidimus  quam  cruces. 

215  Zwar  hat  auch  Orestes  einen 
Muttermord  begangen,  aber  das 
Rechtsverhaltnis  (res)  ist  ein  ganz 
anderes,  weil  die  Veranlassung  oder 
das  Motiv  {causa)  grundverschieden 
war. 

217  media  inter  pocula,  Hom.  Od. 
XI  410  fxra  (Agisthos)  6vv  ovXo- 
(livrj  ccXoxcp  oi%6vS£  Y.ciXi06cig,  Ssi,- 
nviaGccq.  Sonst  wird  bei  Homer 
(IV  92)  wohl  der  Rat  der  Klytam- 
nestra,  aber  die  That  dem  Agisthos 
zugeschrieben.  Die  Tragiker  da- 
gegen  suchten  die  Schuld  der  Kly- 
tamnestra  noch  zu  steigern. 

218  iugulo  se  polluit,  iihnlich 
Verg.  XII  358  mucronem  extorquet 
et  alto  fulgentem  tinguit  iugulo, 
Prop.  V  1,  111  idem  Agamemnoniae 


ferrum  cervice  puellae  tinxit;  der 
Unterschied  ist,  dafs  Juvenal  nicht 
ferrum,  sondern  se  polluere  sagt, 
damit  also  an  (iLaivco,  (iiaGnu  oder 
jjiiccoTaQ  erinnert.  —  Hermione, 
Tochter  des  Menelaos  und  der  He- 
lena,  wurde  nach  seiner  Entsiihnung 
Gattin  des  Orestes.  Sie  zahlte  unter 
die  Schonen  der  Vorzeit,  Prop.  I  4,  6 
licet  formam  Spartanae  refefas  laudi- 
bus  Hermionae. 

220  Oresten,  vgl.  Suet.  Nero  21 
tragoedias  quoque  cantavit  persona- 
tus;  inter  cetera  cantavit  Ganacen 
parturientem ,  Oresten  matricidam, 
Oedipodem  excaecatum,  Herculem 
insanum,  d.  h.  also  er,  der  Mutter- 
morder,  spielte  den  Muttermorder. 

221  Die  Troica  waren  ein  Epos 
des  Nero,  dazu  gehorte  die'  uXo^aiq 
'IIlov  als  Episode,  Dio  C.  62  iv 
Tiavdrjfia)  zlvl  ^sa  ( den  Quinqen- 
nalia  65)  aviyva  TQOi'i%d  ziva  sav- 
xov  noLT^fiaza.  Die  Zusammenstel- 
luug  der  verschiedenartigsten  sce- 
lera  des  Nero  wirkt  ebenso  komisch 
wie  Aristoph.  Ran.  146  iv  ds  xovxco 
■nsifiivovg  SL  nov  ^ivov  XLg  Tidi-ArjGS 
nconoxs,  ri  natSa  HLvmv  xagyvQLOv 
vcpsLlsxo ,  r/  iii]xbq'  tjXorjasv,  r]  na- 
xQOg  yvd&ov  sndxa^sv,  rj  'niOQKOV 
oQ^nov  wfioasv,  ?)  MoQOLfiov  xLg  Qrjaiv 
i^syQatpaxo. 

221  sq.  Verginius  Mufus,  legatus 
pro  praetore  in  Germauia  superior 
unterdriickte  den  gallischen  Auf- 
stand  des  Julius  Vindex,  lehnte 
aber  die  ihm  angebotene  Ciisar- 
wiirde  ab  (69  n.  Chr.).  Er  starb 
hochgeacbtet  unter  Nerva  (97),  vgl. 
Plin.  ep.  11  1,  1  u.  6.  VI  10,  4. 


LIBRI  Ul     SATVRA  VIII 


183 


quod  Nero  tam  saeva  oriulaque  tyraunide  tecitV 
haee  opera  atque  hae  suut  geuerosi  j)riucipis  artes, 
gaudentis  foedo  perejj^riua  ad  })ulpita  cautu 
prostitui  Graiaeque  apiuin  meruisse  corouae. 
maiorum  eftigies  babeant  insiguia  vocis, 
ante  pedes  Domiti  longum  tu  pone  Tbyestae 
syrma  vel  Antigouae  personam  vel  Melanippae, 
et  de  marmoreo  citbaram  suspende  colosso. 

quid,  Catilina,  tuis  natalibus  atque  Cetbegi 
inveniet  quisquam  sublimius?  arma  tamen  vos 
nocturna  et  tlammas  domibus  templisque  paratis, 
ut  bracatorum  pueri  Senonumque  minores, 
ausi  quod  liceat  tunica  punire  molesta. 
sed  vigilat  cousul  vexillaque  vestra  coercet; 


225 


230 


235 


223  quod  3Iadvig:  quid  Pta  225  fin.  vel  saltu  ^j  229  anti- 

gouae  personam  menalippi  P  antigonaes  p.  menalippes  /;  antigones 
tu  personam  menalippes  (o.  seu  lalin  aut  Hermann  ante  personam,  vel 
post  p.  addidit  B 


223  Struktnr:  Welche  andere 
That,  die  Xero  wahrend  seiner 
Tyrannei  veriibte,  verdiente  so  sehr 
geriicht  zu  werden,  nihil  quod  fecit 
magis  dehuit  tdcisci  oder  quid  ex 
oninibus  eius  factis  magis  uJcisci 
dibuit  Verginins. 

225  peregrina  ad puJpita,  wahrend 
seiner  Kunstreise  in  Griechenland 
(Achaiai,  vgl.  Suet.  22—24. 

226  Graiae  apium  coronae,  den 
griechischen  Eppichkranz,  den  er 
in  den  Isthmien  und  Nemeen  sich 
erwarb. 

229  Das  syrma  (von  avgsa^^ai., 
ein  grofses  in  der  Tragodie  ub- 
liches  Schleppkleid,  vgl.  16, 30)um- 
schreibt  die  tragische  Rolle,  die  er 
dichteteund  spielte  (also= jf:)ersona), 
einen  Thyestes,  einen  Oedipus,  worin 
Antigotie  erschien,  und  eine  Mela- 
nippe.  Vgl.  Welcker,  Gr.  Tr.  840  sq. 
—  Cn.  Domitius,  der  erste  Gemahl 
der  Agrippina  und  Vater  des  Nero, 
starb  im  J.  40.  Im  J.  54  Caesar 
effigiem  Cn.  iJomitio  patri  petivit 
a  senatu,  Tac.  XIII  10.  Der  colos- 
sus  marmoreus  war  der  Unterban 
dieser  Statue,  oder  der  Kolofs  des 
Xero  im  Vestibulum  oder  dem  Vor- 
platz  der  aurea  domus  (Suet.  31). 
Denn  war  auch  die  effigies  des  Nero 


aus  Erz,  so  war  doch  sicher  der 
Unterbau  aus  Marmor. 

d)  231—268:  Die  Schlechtigkeit 
der  Catilinarier  gegeniiber  eiuem 
Cicero,  Marius  und  anderen  Ple- 
bejem. 

231  Catilina  gehorte  zur  patri- 
zischen  gem  Sergia,  die  ihren  Ur- 
sprung  von  Sergestus  (Verg.  V  121), 
einem  Gefahrten  des  Aneas,  ab- 
leitete.  Der  Urgrofsvater  Catilinas, 
M.  Sergius,  war  als  Haudegen  im 
zweiten  punischen  Krieg  beriihmt, 
er  ist  der  Gotz  von  Berlichingen 
des  Altertums:  dextram  sibi  ferream 
fecit  eaque  religata  proeliatus  Cre- 
monam  obsidione  exemit,  Placentiam 
tutatus  est,  duodena  castra  hostium 
in  Gallia  cepit  Plin.  h.  VII  104  sq. 
—  Noch  beriihmter  waren  die  Ce- 
thegi  aus  der  gens  Cornelia. 

234  Bracatorum  =  Gallorum,  Se- 
nonumque  und  zwar  Xachkommen 
(minores)  der  Senonen,  die  einst 
Rom  zerstort  haben,  Liv.  V  34. 

235  tunica  molesta,  zu  1 ,  155. 
Es  war  die  Strafe  fiir  Mordbrenner 
oder  Brandstifter. 

236  sed  vigilat  consul,  nach  Cic. 
Cat.  I  8  iain  inteUeges  multo  me 
vigilare  acrius  ad  salutem  quam  te 
ad  perniciem  reipublicae.  —  vexilla 
vestra,  eure  Rotten. 


184 


IVVENALIS 


liic  novus  Arpinas,  ignobilis  et  modo  Romae 

municipalis  eques,  galeatum  ponit  ubique 

praesidium  attonitis  et  inermi  mente  laborat. 

tantum  igitur  muros  intra  toga  contiilit  illi 

nominis  ac  tituli,  quantum  unda  Leucade,  quantum 

Thessaliae  campis  Octavius  abstulit  udo 

caedibus  adsiduis  gladio,  sed  Roma  parentem, 

Roma  patrem  patriae  Ciceronem  libera  dixit. 

Arpinas  alius  Yolscorum  in  monte  solebat 

poscere  mercedes  alieno  lassus  aratro, 

nodosam  post  haec  frangebat  vertice  vitem, 

si  lentus  pigra  muniret  castra  dolabra; 

hic  tamen  et  Cimbros  et  summa  pericula  rerum 

excipit  et  solus  trepidantem  protegit  urbem. 

atque  ideo,  postquam  ad  Cimbros  stragemque  volabant 

qui  numquam  attigerant  maiora  cadavera  corvi, 

nobilis  ornatur  lauru  coUega  secunda. 


240 


245 


250 


239  attoniti  sed  P       inermi   W:  in  omni  Pca       mente   W:  monte 
et  ponte  S  erasum  in  P  gente  pco        241  unda  W:  in  P  non  pca 
253  lauro  pco 


237  Cic.  Mur.  17  non  arbitrahar, 
cwin  ex  familia  vetere  et  illustri 
consul  designatus  ab  equitis  Romani 
filio  corisule  defenderetur,  de  generis 
novitate  accusatores  esse  dicturos. 

238  galeatum,  schlagfertig  zu 
1,  169. 

239  inermi  mente,  mit  geistiger 
Kraft  obne  Waffengewalt. 

240  toga,  Anspielung  auf  Ciceros 
W^orte:  cedant  arma  togae,  im  drit- 
ten  Bucli  seines  Gedichtes  de  tem- 
porihus  suis,  Off.  I  77.  Fam.  XII 13. 
Cicero  wurde  sofort  als  parens  oder 
pater  patriae  vom  Volke  begriifst, 
wahrend  Augustus  erst  2  v.  Chr. 
den  Titel  pater  patriae  erhielt, 
wiewohl  er  allerdings  schon  seit 
28  V.  Chr.  nicht  selten  von  Dich- 
tern  mit  diesem  Ehrentitel  ausge- 
zeichnet  worden  ist,  z.  B.  Hor.  I  2 
hic  ames  dici  pater  atque  princeps. 

241  sq.  unda  Leucade  (adj.)  und 
Thessaliae  campis  umschreibt  den 
Begriff  im  Kampf  zur  See  und  zu 
Lande,  wie  Hor.  epod.  7,  3  parumne 
campis  atque  Neptuno  super  fusum 
est  Latini  sanguinis? 

243  Wenn  Cicero  den  gleichen 
Ehrentitel  wie  Augustns  erhielt,  so 


ist  seine  Ehre  grofser,  denn  er  er- 
hielt  ihn  von  dem  freien,  Augustus 
nur  von  dem  geknechteten  Kom. 

245  Nach  Tac.  h.  II  38  stammte 
C.  Marius  wirklich  e  pJehe  infima, 
imd  dafs  er  um  Lohn  arbeitete,  be- 
zeugt  Plut.  3  yevoybBvoq  ds  yovetav 
TiavTaiiciGLV  a86i,03v ,  (xvtovQycov  ds 
Kal  7tsvi^rwv ,  oips  noTS  n6l.iv  siSs 
Kcci  zwv  sv  noXsi  SiatQi^av  sysv- 
aaro. 

247  frangehat,  liefs  iiber  sich  er- 
gehen,  vgl.  6,  479  hic  frangit  feru- 
las ,  rubet  iUe  flagello.  —  Der  vitis 
ist  der  Kommandostab  des  Centu- 
rionen,  vgl.  14,  193  aut  vitem  posce 
libello. 

248  lentus,  zu  gelassen,  vgl.  zu 
13,  100. 

249  rerum,  des  Reiches,  vgl. 
Nilgelsbach  Stil.  §  19,  1. 

250  excipit,  wie  Geschosse  mit 
dem  Schild:  er  trat  ihuen  entgegen. 

251  strages,  die  das  Schhxchtfeld 
bedeckenden  Leichen,  strages  equo- 
rum  hominumque. 

252  Dre  Umschreibuug  durch  den 
Relativsatz  ist  humoristisch  und 
mildert  das  Pathos  der  Ausfiihrung. 

253  So    sehr    auch    Catulns  und 


LlBRl  111     SATVRA  Vlll 


185 


plebeiae  Deciorum  animae,  plebeia  fuerunt 
nomiuu;  pro  totis  legiouibus  lii  tauien  et  pro 
omuibus  auxiliis  atque  omni  pube  Latina 
suftioiuut  dis  inferuis  Terraeque  pareuti; 
phiris  enim  Decii,  quam  quae  servautur  ab  illis. 
ancilla  natus  trabeam  et  diadema  Quirini 
et  fasces  meruit,  reguui  ultimus  ille  bonorum. 
prodita  laxabaut  portarum  claustra  tyrannis 
exulibus  iuvenes  ipsius  consulis  et  quos 
maguum  aliquid  dubia  pro  libertate  deceret, 
quod  miraretur  cum  Coclite  Mucius  et  quae 
imperii  fiues  Tiberinum  virgo  natavit: 
occulta  ad  patres  produxit  crimina  servus 
matronis  lugendus;  at  illos  verbera  iustis 


255 


260 


265 


260  altissimus  P  rasis  issi         2G6  occult*  P        267  ad  P 


Sulla  sich  bemiiliten  den  Ruhm  des 
Marius  herabzudriicken,  die  Volks- 
meinuug  liefs  sich  nicht  bestechen: 
Ov  fifiv  alXcc  t(5  Mkquo  TtQOOSti- 
&SXO  Gvfinav  t6  BQyov  tj  rs  tiqo- 
XEQa  viKT}  y.al  t6  TCQOGXTjfia  xtjs 
ceQxfjg  (Marius  war  Konsul,  Catuhis 
nur  Prokonsul) .  .  y.al  MaQuo  Ssinvov 
■A.ai  Xoi^rjg  amfiQiovzo  yiul  d^Qiafi- 
^sviiv  fiovov  rjt,iovv  dii.(poxsQovg 
xovg  &Qidi.i^ovg.     Plut.  Mar.  27. 

254  Vgl.  14,  239  divitiarum  amor 
in  te,  quantus  erat  patriae  Decio- 
rum  in  pectore.  Der  iiltere  P.  De- 
cius  opferte  sich  340  v.  Cbr.  in  der 
Scblacht  am  Vesuv,  Liv.  VIII  9,  der 
Sohn  in  der  Schlacht  bei  Sentinum 
295  T.  Chr.,  Liv.  X  28.  Cicero 
lafst  sogar  noch  den  Enkel  in  der 
Schlacht  bei  Asculum  Apulum  gegen 
Pyrrbus  sich  dem  Tode  weihen, 
vgl.  Niebuhr  R.  G.  III  592. 

255  —  257  umschreibt  die  Weih- 
formfl  bei  Liv.  VIII  9,  8:  pro  re- 
piibUca  Quiritium,  exercitu,  legioni- 
bus,  auxiliis  populi  Bomani  Quiri- 
tium,  legiones  auxiliaque  hostium 
mecum  dis  Munihiis  l^eUuriqw^  de- 
voveo.  Zugleich  antwortet  damit 
Juvenal  treffend  auf  die  adelsstolze 
Rede  des  Appins  Claudius  bei  Liv. 
VI  41,  4. 

258  quae,  wie  so  oft  haec,  das 
ganze  Reich,  die  Herrschaft  und 
Macht,  der  ganze  Inhalt  Roms,  vgl. 
Nagelsbach  Stil.  §  44,  2. 


259  ancilla  natus,  Servius  Tullius, 
vgl.  7,  199.  —  Die  trabea  ist  der 
Konigsmantel,  zu  10,  35. 

260  uUimus  bonorum  nach  der 
Tradition  dea  Eunius  u.  Liv.  I  48,  8 
Servius  Tullius regnavit  annos  XLIV 
ita,  ut  bono  etiam  moderatoque  suc- 
cedcnte  regi  difficilis  aemulatio  esset; 
ceterum  id  quoque  ad  gloriam  ac- 
cessit,  quod  cum  illo  simul  iusta  ae 
legitima  regna  occidertmt. 

261  prodita,  dagegen  verrieten 
{cum  prodidissent)  und  wollten  schon 
offnen  (laxubant). 

262  sq.  iuvenes,  die  hochgebore- 
nen,  adeligen  Sohno.  —  quos  de- 
ceret,  geziemt  hatte,  wie  Hor.  I  2,  22 
audiet  civis  acuisse  ferrum,  quo 
graves  Persae  melius  perirent,  um- 
gekommen  waren. 

265  imperii,  sc.  futuri:  das  Reich 
(in  Wahrheit  nur  das  beengte  Stadt- 
gebiet)  begrenzte  damals  noch  die 
Tiber,  auch  einc  Art  Oxymoron. 
Vgl.  14,  160  si  tantum  culti  soJus 
possederis  agri,  quantum  sub  Tatio 
populus  Ixomanus  arabat.  —  Tibe- 
rinum  natavit,  wie  Verg.  georg. 
III  260  von  Leander:  turbata  pjro- 
cellis  nocte  natut  caeca  serus  freta. 

266  servus  steht  signifikant  am 
Ende  des  Verses  =  is  qui  servus 
tsset;  Liv.  II  5,  10  Vindicio  ipsi 
nomen  fuisse. 

267  lugendus,  der  es  verdient 
hatte,  wie  Brutus,  von  den  Matro- 


186 


IVVENALIS 


adficiunt  ijoenis  et  legum  prima  securis. 

malo  pater  tibi  sit  Thersites,  dummodo  tu  sis 
Aeacidae  similis  Vulcanique  arma  capessas, 
quam  te  Thersitae  similem  producat  Achilles. 
et  tamen,  ut  longe  repetas  longeque  revolvas 
nomen,  ab  infami  gentem  deducis  asylo; 
maiorum  primus,  quisquis  fuit  ille,  tuorum 
aut  pastor  fuit  aut  iUud  quod  dicere  nolo. 


270 


275 


269  thresites  P        270  vulcaniaque  2^«» 


nen  betrauert  zu  werden.  Naeh 
Liv.  II  7  legten  die  Matronen  fur 
Brutus  ein  Jahr  lang  Trauerkleider 
an,  quod  tam  acer  ultor  violatae 
pudicitiae  fuisset.  Juv.  dagegen 
denkt  an  das  Verdienst  des  Brutus 
und  Vindicius  um  die  FreiheitRoms. 

268  legum,  der  Republik,  wo  die 
i^nperia  legum  potentiora  quam  ho- 
minum,  nach  Liv.  II  1,  1.  Ibid. 
3,  3  regem  hominem  esse,  a  quo  im- 
petres,  uhi  ius  ubi  iniuria  opus  sit; 
leges  rem  surdam,  inexorahilem  esse, 
saluhriorem  melioremque  inopi  quavi 
2)otenti. 

Epilog,  269—275:  Besser  ist  es 
von  geringer  Herkunft  und  person- 
lich  tuchtig,  als  bei  hoher  Abkunft 
schlecht  zu  sein,  zumal  die  Stamm- 
vilter  Koms  doch  alle  nur  vou 
zweifelhafter  Herkunft  waren. 

269  Thersites,  d.  h.  av^Q  ovxi- 
Savbg  yml  aval->iig  nach  Quint. 
Smyrn.  I  747. 

270  arma  capessas  iibersetzt  Hora. 
II.  XIX  18  regnsTO  S'  iv  xBiQtcoiv 
^%aiv  %iov  dylaa  Saqa,  wahrend 
von  den  Myrmidonen  es  heifst:  ndv- 
xag  8liv  zQOfiog  ovSi  rig  fxlr]  avxtjv 
BiOtS£Si.v,  dXX'  ixQ£6av.  —  Die  Vul- 
cania  arma  sind  alles  bezwingende 


Waffen,  denen  kein  Gegner  stand- 
halten  kann. 

272  Sen.  contr.  I  6,  94  (B)  quem- 
cumque  volueris  revolvere  nobilem, 
ad  humilitatem  pervenies. 

273  Liv.  I  8,  5  locum  qui  nunc 
saeptus  descendentibus  (vom  Kapitol) 
inter  duos  lucos  est  asylum  aperit. 
eo  ex  finitimis  popidis  turba  omnis 
sine  discrimine,  liber  an  servus 
esset,  avida  novarum  rerum  perfugit, 
und  II  1,  4  illa  pastorum  (die  mit 
Romulus  und  Remus  karnen)  con- 
vcnarumque  plebs',  transfuga  ex  suis 
populis. 

275  dicere,  ein  Spitzbube,  ein 
Rauber  oder  Morder,  der  sich  zur 
Freistatte  gefliachtet  hatte. 

Beachtenswert  ist  es,  wie  Juve- 
nal  in  dieser  Satire  von  V.  211  an 
durch  scharfe  Gegensatze  zu  wirken 
sucht.  Wie  Nero  und  Seneca,  Ci- 
cero  und  Catilina,  Marius  Und  Ca- 
tulus,  die  Decier  und  Fatrizier,  so 
werden  schliefslich  die  Sohne  des 
Brutus  dem  Sklaven  Vindicius  gegen- 
iibergestellt.  Auch  in  der  ersten 
Hiilfte  der  Satir^  folgen  den  An- 
gaben  iiber  den  sittlichen  Wert 
und  die  Aufgabe  eines  jungen  ade- 
ligen  Romers  sofort  Beispiele  des 
Gegenteils:  adelige  Kutscher,  Ko- 
modianten  und  Gladiatoren. 


LIBKI  lll     SATVRA  IX 


187 


SATVliA  IX 

Scire  veliin,  iiiuire  totiens  mihi,  Naevole,  tristis 
oecurras  fronte  obducta  ceu  Marsya  victus. 
quid  tibi  cum  vultu,  qualem  deprensus  habebat 
Kavola,  dum  Rhodopes  uda  terit  iuguiua  barba, 
nos  colaphum  incutimus  Kimbeuti  crustula  servo? 
uon  erit  hac  lacie  miserabilior  Crepereius 
Pollio,  qui  triplicem  usuram  praestare  paratus 
circuit  et  fatuos  non  invenit.    uude  repente 
tot  rugae?  certe  modico  contentus  agebas 

5  dehhat  Guiet        6  erat  oj 


Sat.  IX. 

I>ie  Satire  behandeit  die  un- 
natiirliche  Neigung  der  Manner 
aufs  eigene  Gescblecbt.  Sie  schildert 
zwar  aucb  die  Verworfenheit  des 
passiven  Schwachlings,  ihre  nachste 
Aufgabe  aber  ist  es,  die  Naivetat 
des  Lasters  in  der  Person  des  Na- 
volus  zu  brandmarken.  Navolus  soll 
unbewufst  sich  selbst  yerurteilen. 
Daher  wahlt  der  Dichter  die  Form 
des  Dialogs.  Der  Mitunterredner 
ist  ein  unbekannter  Vertrauter  des 
Navolus  und  behandelt  diesen  nicht 
ohne  bittere  Ironie.  Denn  die  boden- 
Jose  Gemeinheit  der  Gcsinnung,  die 
gar  nicht  mehr  merkt,  wie  sie  sich 
der  Verachtung  preisgiebt,  ist  eben 
unheilbar  und  kann  nur  auf  andere 
abschreckend  wirken. 

2  fronte  obducta  mit  umwolkter 
Stim,  denn  frons  tamquam  mibe 
obducta  est,  nach  Hor.  epod.  13,  5 
obducta  sohatur  fronte  senectus, 
und  Ov.  m.  II  329  nam  pater  ob- 
ductos,  luctu  miserabilis  aegro,  con- 
diderat  voltus,  wo  vielleicht  an  das 
den  Alten  gelaufige  iyv.a7.vnzf^G&ut 
zu  denken  ist.  —  Marsya:  'dafs 
die  nicbt  selten  erwabnte  Marsyas- 
statne  auf  dem  Forum  einen  so- 
genannten  Schlauch?ilen  darstellt, 
ist  aufser  Zweifel  gesetzt  durch 
einen  archaologiscben  Fund  im 
.Jahre  1872,  eine  Reliefplatte  aus 
Trajans  Zeit,  auf  welcher  derselbe 
neben  anderen  Lokalitaten  des 
Forums  abgebildet  ist.  Damit  fal- 
len  alle  Erklarungen,  welche  von 
der  Annahme  ausgehen,   dafs    die 


Statue  den  besiegten  und  der  Schin- 
dung  entgegensehenden  Marsyas 
dargestellt  babe.  Wohl  aber  hat 
der  romische  Leser  bei  deni  Namen 
des  Marsyas  an  den  geschundenen 
Marsyas  gedacbt.  Die  Figur  des 
Silen  wuide  vom  Volkswitz  Mar- 
syas  getauft ,  weil  das  Gesicht 
schlecht  geraten  war  und  ganz 
gegen  die  Intention  des  Kiinstlers 
aussah  wie  das  eines  besiegten 
Marsyas,  wie  drei  Tage  Regen- 
wetter.'  0.  Jaeger  zu  Hor.  I  6, 
1-20  obeundus  Marsya,  qui  se  vtil- 
tum  ferre  negat  Noviorum  posse 
viinoris. 

4  Als  Bavola  im  Ehebruch  mit 
lihodope  abgefafst  wurde,  natiirlich 
von  dem  Herrn  des  Hauses,  waren 
Navolus  und  der  gegenwiirtige  Mit- 
unterredner  im  Hause  —  vielleicht 
bei  einem  Gelage  —  zugegen,  und 
liberrascbten  ihrerseits  den  Sklaven 
beim  Nascben  von  Backwerk.  Vgl. 
Lucil.  XIII  8  (M.):  iucundasque 
puer  qui  lamberat  ore  placentas, 
wo  vielleicht  eine  ahnlicheSituation 
geschildert  war. 

6  sq.  hac  facie  als  dieses  dein  Ge- 
sicht,  das  ich  jetzt  vor  mir  sehe. 
Der  leichtsinnige  Schnldenmacher 
Follio  ist  vielleicht  derselbe  mit 
dem  11,  43  erwiibnten:  et  digito 
mendicat  Pollio  nudo,  und  Crepe- 
reius  (von  creper  diimmerig,  dunkel) 
scheint  ein  Spitzname  gewesen 
zu  sein. 

9  Hor.  II  14,  3  nec  pietas  moram 
rugis  et  instanti  senectae  afferet. 
Navolus  erscheint  vor  den  Jahren 


188 


IVVENALIS 


vernam  equitem,  conviva  ioco  mordente  facetus 
et  salibus  vehemeus  iutra  pomeria  natis. 
omnia  nunc  contra:  vultus  gravis,  horrida  siccae 
silva  comae,  nullus  tota  nitor  in  cute,  qualem 
Bruttia  praestabat  calidi  tibi  fascia  visci, 
sed  fruticante  pilo  neglecta  et  squalida  crura. 
quid  macies  aegri  veteris,  quem  tempore  longo 
torret  quarta  dies  olimque  domestica  febris? 
deprendas  auimi  tormenta  latentis  in  aegro 
corpore,  deprendas  et  gaudia;  sumit  utrumque 
inde  habitum  facies.    igitur  fiexisse  videris 
propositum  et  vitae  contrarius  ire  priori. 
nuper  enim,  ut  repeto,  fanum  Isidis  et  Ganymedem 


10 


15 


20 


14  tibi  ?  Salmasius:  circuin  P 
visci  (o         15  fructificante  P 

alt  und  ernst.  Docli  vgl.  13,  215 
ostendas  welius,  densissima  ruga 
cogitur  in  frontem,  velut  acri  ducta 
Falerno,  vom  Sauertopfgesicht.  — 
tjber  certe  mit  dem  Imperfekt  vgl. 
zu  6,  28. 

10  verna  eques  ist  der  witzige 
Hausgalan,  d.  h.  scurra  elegantior. 
In  anderem  Siune  findet  sich  der 
Ausdruck  bei  Mart.  I  84  futuit  an- 
ciUas  domumque  et  agros  implet 
equitibus  vernis,  wo  der  futuens 
selbst  eques  ist. 

11  intra  pomeria  natis  =  urhanis, 
im  Gegensatz  zu  den  sales  provin- 
ciales  oder  Italici. 

12  sqq.  silva  'Gestriipp';  horrida 
''ruppig,  verwahrlost'.  Komisch  ist 
die  Verbindung  siha  comae,  denn 
in  der  Natur  selbst  giebt  es  nur 
comae  silvarum.  —  Navolus'  Haar  ist 
sicca,  weil  es  uicht  mit  Salbe  oder 
Pomade  gepflegt  war,  wie  er  sonst 
als  Galan  es  zu  thun  pflegte  {pexo 
capillo  nitidus),  vgl.  6,  26  und 
11,  149. 

14  fascia  visci  Leimbinde,  d.  i. 
Pech-  oder  Harzpflaster,  womit  man 
sich  die  Haare  von  der  Haut  ent- 
fernte,  vgl.  8,  114  resinata  iuventus, 
und  11,  157.  —  Bruttia  pix  wird 
auch  Calpurn.  5,  80  geriihmt. 

15  fruticante  pilo  wilhrend  das 
Haar  emporsprielst  bleibt  das  Bein 
veruachlassigt  uud  uiisauber  (opp. 
levia),  wie  zur  Zeit  der  Trauer. 

16  quid  macies  a.  v.  ist  eine  Bre- 


praestabat  calidi  circumlita  fascia 


viloquenz  fiir  quid  tua  ista  macies, 
quae  tamquam  veteris  aegri  macies 
est?  Quid  selbst  ist  admirativ: 
Was  besagt,  was  deutet  an  die 
Magerkeit  an  dir,  wie  an  einem 
langen  Fieberkranken  =  wie  soU 
ich  es  mir  erklai-en,  dafs  du  so 
abgezehrt  bist  wie  ein  Kranker? 

1 7  quarta  dies  =  quartana  febris, 
die  Malaria,  die  in  dem  Kranken 
seit  hinger  Zeit  (olim,  zu  4,  96  und 
6,  346)  gewissermafsen  heimisch 
geworden  ist. 

18  latentis  verbinden  wir  im 
Deutschen  mit  tormenta,  wie  Hor. 
HI  2,  26  Gereris  sacrum  velgarit 
arcanae  =  Cereris  arcanum  sacrtim. 

20  facies,  das  Gesicht  nimmt  den 
freudigen  oder  schmerzhaften  Aus- 
druck  {habitus)  an,  vgl.  3,  105  aliena 
sumere  vultum  a  facie.  Xen.  Mem. 
III  10,  4  snl  (i£v  toig  aya&oig  cpat- 
Sqoi,  S7ti  8e  TOts  -iiaKorg  CKvd^Qco- 
Tiol  yiyvovtai. 

21  propositum  =  rrjv  xov  ^iov 
TtQoatQBCiv,  Beruf  oder  Lebensweise 
(=  27  vitae  genus)  vgl.  5,  1.  10, 
325  propositum  grave  quid  profuit 
Hippolyto.  —  contrarius  ire  =  in 
contrariam  partem  ire,  den  ge- 
rade  entgegengesetzten  Weg  ein- 
schlagen. 

22  sq.  repeto,sc.memoria,  erscheint 
hiiufig  iibsohit  =  recordor,  z.  B. 
Ov.  m.  VI  491  at  rex  Odrysius  rc- 
petens  faciem  motusque  manusque. 
—     Fiir    verliebte    Gecken    boten 


LIBRI  III    SATVRA  IX 


189 


Pacis  et  advectae  secreta  Palatia  matris 

et  Cererem  —  nam  quo  nou  prostat  femiua  templo? 

notior  Aufidio  moeehus  seelerare  solebas, 

quodque  taees,  ipsos  etiam  incliuare  maritos. 

'utile  et  hoc  multis  vitae  geuus,  at  mihi  nullum 
inde  operae  pretium.    pingues  aliquando  hicernas, 
munimenta  togae,  duri  crassique  coloris 
et  male  pereussas  textoris  pectine  Galli 
accipimus,  tenue  argentum  venaeque  seeundae. 
fata  regunt  homines,  latum  est  et  partibus  illis, 
quas  siuus  abscondit.    uam  si  tibi  sidera  cessant, 
nil  faeiet  longi  mensura  incognita  nervi, 
quamvis  te  nudum  spumanti  Virro  labello 
viderit  et  blandae  adsiduae  densaeque  tabellac 
sollieitent,  avrog  yccQ  Ecpikxsrau  avdga  xtvaidog. 
quod  tamen  ulterius  monstrum,  quam  raollis  avarus? 


25 


30 


35 


25  celebrare  a  26  quod  (quid  p)  taceo  atque  pco  erasa  in  P 

27  ad  P      nullo  P        31  tenuem  F        36  assidue  co       37  e<l>€AKeTei 
ANA  rACINAIAOC  P 


sich  Gelegenbeiten  im  Tempel  der 
Isis,  6,  489  apud  Isiacae  sacraria 
lenae,  der  Pax  am  forum  transito- 
rium  (Mart.  I  2),  in  dessen  Nilbe 
wir  uus  eine  Statue  des  Ganymedes 
denken  miissen.,  im  Tempel  der 
Cybele,  vgl.  2,  111  hic  turpis  Cy- 
beles  et  fracta  voce  loquendi  libertas, 
und  der  Ceres  auf  dem  Palatinus, 
denn  gerade  mit  dem  Mysterien- 
kultus  verband  sich  in  jener  Zeit 
nicht  selten  die  Unsittlichkeit.  — 
advectae,  vgl.  3,  137. 

25  Aufidius  ist  nur  aus  dieser 
Stelle  als  moecHus  bekannt. 

26  incJinare,  vgl.  10,  224  (^uot 
discipulos  inclinet  Jlamillus. 

28  operae  pretium  liilst  durcb 
den  Kontrast  des  erhabenen  Aus- 
drucks  und  der  erbiirmlichen  Tbiltig- 
keit  des  Mannes  den  Spott  des  Dich- 
ters  durcbblicken. 

29  munimenta  togae,  weil  die  la- 
cerna  iiber  die  Toga  gezogen  wurde, 
vgl.  Mart.  XIV  137  cum  teget  al- 
gentes  alba  lacerna  togas.  —  durus 
und  crassus  sind  nicht  eigentlicb 
Beiworter  der  Farbe,  sondern  be- 
zeichnen  die  Beschaffenheit  des 
Stotfes,  vgi.  3,  170  veneto  duroque 
cucullo;  es  enthiilt  demnach  color 
den  Bejjriff"  der  Stotfart. 


30  percutere  vom  Einfiigen  des 
Eiuschlages  (subtemen),  mittels  des 
pecten.  Grobe  und  dicke  Zeuge 
wurden  weniger  gescblagen  als 
feine,  daber  male  pcrcussae.  Die 
gallische  Weberei  lieferte  meist 
grobe  Decken,  cadurci,  vgl.  7,221. 

31  tenue  argentum  ein  Geschirr 
mit  ddnnem  Uberzug  {crusta)  von 
Silber,  ein  iirmliches  Silbergetafs. 
Nach  Analogie  vou  panis  secundus 
steht  vena  secunda,  d.  h.  erzhaltiges 
Silber,  argentum  aerosum. 

32  Situation  und  Ausdruck  stehen 
.auch  bier  im  Kontrast:  der  gemeine 

Mensch  entblodet  sich  nicht,  das 
Erhabene  (fata  regunt  homines)  auf 
das  Niedrigste  anzuwenden. 

33  cessant  dein  Thun  nicht  unter- 
stiitzen,  dir  nicht  willig  entgegen- 
kommen. 

35  Virro  ist  mit  seinem  Namens- 
vetter  der  5.  Satiie  nicht  identisch, 
vgl.  5,  141. 

37  Parodie  von  tlom.  n  294  und 
T  13  avzbg  yug  icpil^aszai  avSga 
GiSriQoq,  was  Tac.  h.  I  80  erklart: 
visa  inter  temulentos  arma  cupidi- 
nem  sui  movere. 

38  quod  tamen  ulterius  m.  und 
docb  giebt  es  keine  grofsere  Un- 
natur,    keine    unnatiirlichere     Er- 


190 


IVVENALIS 


"haec  tribui,  deinde  illa  dedi,  mox  plura  tulisti" 

eomputat  et  cevet.    ponatur  calculus,  adsiut  40 

cum  tabula  pueri;  numeras  sestertia  quinque 

omnibus  in  rebus,  numerentur  deinde  labores. 

an  facile  et  pronum  est  agere  intra  viscera  peneni 

legitimum  atque  illic  hesternae  occurrere  cenae? 

servus  erit  minus  ille  miser,  qui  foderit  agrum,  45 

quam  dominum;  sed  tu  sane  tenerum  et  puerum  te 

et  pulchrum  et  dignum  cyatho  caeloque  putabas. 

vos  humili  adseculae,  vos  indulgebitis  umquam 

cultori,  iam  nec  morbo  donare  parati? 

en  cui  tu  viridem  umbellam,  cui  sucina  mittas  50 

grandia,  natalis  quotiens  redit  aut  madidum  ver 

incipit  et  strata  positus  longaque  cathedra 

munera  femineis  tractat  secreta  kalendis. 

dic,  passer,  cui  tot  montis,  tot  praedia  servas 

Apula,  tot  milvos  intra  tua  pascua  lassos?  55 


40  cum  putat  P  et  s;  atque  cavet  pm  erasum  in  P  ac  laltn 
cauculus  P  41  numeia  pco  45  cum  foderit  malim  50  in  cultu  P 
53  tractat  P  Servius:  tractas  p<s        55  lassas  Haupt 


scheiuung.  Vgl.  1,  147  nil  erit  iil- 
terius  quod  nostris  moribus  addat 
posteritas,  15,  118  ulterius  nil  aut 
gravius. 

40  cevet,  vgl.  2,  21.  —  M.ii  ponatur 
calculus  etc.  erwidert  der  entriistete 
Navolus  seinem  Patron,  den  er  V.  39 
sich  selbst  gegeniibergestellt  hat. 

41  numeras  istthetischer  Indikativ 
fiir  den  Imperativ  (=  7,  242):  nimm 
meinetwegen  alles  in  allem  5000  Se- 
sterze  an,  d.  h.  gelange  in  der  Ad- 
dition  zu  dieser  Summe:  wenn  du 
meineMiihe  dagegen  rechnest,  so  ist 
die  Summe  aufserordentlich  gering. 

43  facile  et  pronim  est,  vgl.  zu 
13,  75  tam  facile  et  pronum  est 
superos  contemnere  testes! 

45  foderit  —  dominum,  wie  fossa 
2,  10,  vgl.  Mart.  I  92  non  culum, 
neque  entm  est,  sed  fodiam  digito 
qui  superest  oculum.  Ganz  unge- 
wohnlich  ist  quam  domihum  fiir 
quam  (cliens)  ille  qui  dominum. 
Vielleicht  ist  qui  aus  quom  eut- 
standen  und  ille  nur  Epanalepsis 
von  servus.  Am  besten  wiirde  quam 
dominum  in  dem  Satze  fehlen. 
tjbrigens  sagt  schon  Plaut.  merc. 
356  arare  mavelim  quam  sic  amare, 

40    sed  tu  sane,    ironisch:    aber 


freilich  du  hieltst  dich  inimer  fiir 
einen  schonen  puer  a  cyatho  (vgl. 
zu  5,  56.  11,  147),  ja  wohl  gar  fiir 
den  Ganymedes  selbst  {caeloque), 
fiir  dessen  Gefalligkeit  man  sicli 
noch  bedanken  miisse. 

48 — 49 :  Leute  wie  du,  die  bereits 
ihrer  Leidenschaft  oder  Schwache 
nichts  mehr  opfern  woUen,  konnen 
natiirlich  einem  armen  Klienten 
(adsecidae)  uud  Verehrer  \cultori) 
kein  Geschenk  (indulgere)  machen, 
im  Gegenteil  (en  cui  tu)  ein  solcher 
Weichling  erwartet  von  dir  selbst 
Geschenke,  wie  eine  vornehme 
Dame  von  ihreffl  Galan! 

50  sqq.  sucina,  zu  6, 573.  Noch  vor 
Friihlingsanfang  am  1.  Marz  (Kal. 
femineae  =  Kal.  Martiae)  war  das 
Fest  der  Matronalien  (Hor.  III  8,  1), 
an  welchem  die  Matronen  strenae 
empfingen.  In  den  Augen  des  sar- 
kastischen  Niivolus  fiihlt  sich  der 
nobilis  avarus  schon  ganz  als  Weib, 
wagt  aber  doch  die  munera  nur  im 
Geheimen  (secreta)  anzunehmen. 

54  passer,  hohnisch,  mit  Erinne- 
rung  an  Lesbias  passer  bei  Catullus, 
vgl.  zu  6,  8. 

55  ^^«/a  erweckt  die  Vorstelhing 
von  Latifundien,  vgl.  zu  4,  27.  — 


LIBRI  III     SATVRA  IX 


191 


te  Trifoliuus  ager  fecundis  vitibus  iraplet 
suspectumque  iugum  Cumis  et  Gaurus  inanis, 
nam  quis  plura  liuit  victuro  dolia  musto? 
quantum  erat  exluiusti  lumbos  douare  clieutis 
iugeribus  paucis'?  meliusue  liic  rusticus  iufaus 
cum  matre  et  casulis  et  conlusore  catello 
cymbala  pulsautis  legatum  fiet  amici? 
"inprobus  es,  cum  poscis"  ait.    sed  pensio  clamat 
"posce",  sed  appellat  puer  uuicus  ut  Polyphemi 
lata  acies,  per  quam  sollers  evasit  Vlixes; 
alter  emendus  erit,  namque  hic  non  sufficit,  ambo 
pascendi.    quid  agam  bruma  spirante?  quid,  oro, 
quid  dicam  scapulis  puerorum  aquilone  Decembri 
et  pedibus?  "durate  atque  expectate  cicadas"? 

61  casulis  jpa»;  catulis  P        63  est  P        poscis  P:  poscit  p 


60 


65 


miluos,  nach  dem  Sprichwort  bei 
Pers.  4,  26  dives  arat  Curibus  quan- 
tum  no7i  miluus  errat.  Schol. :  vult 
ostendere  inagnitudinem  possessio- 
num,  quam  latae  sint  agris,  qmniam 
nec  milui  transvolare  eas  possunt. 

56  Trifolinus  ager  in  Kampanien, 
nach  dem  Berge  Trifolium  bei 
Neapel  so  benannt,  daher  Trifoli- 
num  (sc.  vinum)  bei  Mart;.  XIII  114: 
non  sutn  de  primp,  fateor,  trifolina 
Lyaeo,  inter  vina  tamtn  septima 
ritis  ero.  —  imjjlet  bereichert,  eig. 
sattiget,  macht  strotzend,  vgl. 
Colum.  III  2,  14  vites  se  frequenter 
implent,  Verg.  I  215  implentxir  ve- 
teris  Baechi  pinguisque  ferinae. 

hl  suspectiim,  weil  man  in  Cuma 
einenLavaausbruchfurchtete,  tna»iis 
im  Innern  zerkliiftet.  Der  Vesuv 
war  am  24.  August  79  ausgebrochen, 
seitdem  mochte  man  vielfach  auch 
andere  vulkanische  Berge  in  jener 
Gegend  furchten. 

58  victuro  der  erst  spiit  getruuken 
werden  soU,  also  guter  und  kost- 
barer  Wein. 

60  sqq.  rusticus  infans,  vgl.  11, 
151  sqq.  Sinn:  denn  schliefslich  be- 
kommt  dasGiitchen  doch  einGallus- 
prieoterjder  beiihm  in  Gnaden  steht 
[amici),  weniger  als  cinaedus,  son- 
dern  weil  der  Herr  nach  der  Sitte 
der    Zeit    aberglaubisch    {dsLOidai- 

(KOV)    ibt. 

63  sed  —  sed  erecheint  beson- 
dera  haufig  im  Stil  des  Philosophen 


Seneca,  vgl.  zu  5,  61.  —  pensio 
Mietzins,  der  monatlich  oder  auch 
jahrlich  bezahlt  wurde,  vgl.  3,  225 
quanti  nunc  tenebras  unum  conducis 
in  annum.  Ahnlich  wie  Juv.  fragt 
Mart.  III  30  sportula  nulla  datur; 
gratis  conviva  recumbis:  die  mihi 
quid  Romae ,  Gargiliane ,  facis? 
unde  tibi  togula  est  et  fuscae  pensio 
cellae?  7,  92  pensio  te  coram  pe- 
titur  clareque  palamque:  audis  et 
nescis,  Baccara,  quid  sit  opus. 

64  Einen  Bedieuten  zu  haben 
ist  so  unnatfirlich  und  gefahrlich 
wie  nur  ein  Auge  zu  haben.  Hatte 
Polyphem  zwei  Augen  gehabt,  so 
ware  es  Odysseus  nicht  so  leicht 
geworden  ihm  zu  entrinnen.  Vgl. 
Cic.  Rosc.  77  unus  puer,  victus  co- 
tidiani  minister,  ex  tanta  familia 
Sex.  Roscio  relictus  non  est.  — 
appellat,  tamquam  debitorein,  vgl. 
7,  158  mercedem  appellas'^ 

68  Sen.  ep.  63,  11  si  quis  de- 
spjoliatus  amissa  unica  tunica  com- 
plorare  se  malit  quam  circumspicere, 
quomodo  frigus  effagiat  tt  aliquid 
inveniat,  quo  tegat  scapulas,  nonne 
tibi  videatur  stultissimus ?  17,  19 
ventri  et  scapulis  suutn  reddet,  ira 
III  12,  5  prynere  tunicam  et  jjraebere 
scapulas  verberibus  iussit,  vit.  beat. 
25,  2  malo  quid  mihi  animi  sit 
ostendere  prattextatus  et  gausapatus 
quam  nudis  scapulis  aut  semitectis. 

69  cicadas,  d.  h.  die  Wiederkehr 
der    warmen    Jahreszeit,    wo    die 


192 


IVVENALIS 


verum,  ut  dissimules,  ut  mittas  cetera,  quanto 

metiris  pretio,  quod  ni  tibi  deditus  essem 

devotusque  cliens,  uxor  tua  virgo  maneret? 

scis  certe,  quibus  ista  modis,  quam  saepe  rogaris 

et  quae  pollicitus.    fugientem  saepe  puellam 

amplexu  rapui;  tabulas  quoque  ruperat  et  iam 

signabat,  tota  vix  lioc  ego  nocte  redemi 

te  plorante  foris;  testis  mihi  lectulus  et  tu, 

ad  quem  pervenit  lecti  sonus  et  dominae  vox. 

instabile  ac  dirimi  coeptum  et  iam  paene  solutum 

coniugium  in  multis  domibus  servavit  adulter. 

quo  te  circumagas?  quae  prima  aut  ultima  ponas? 

nullum  ergo  meritum  est,  ingrate  ac  perfide,  nullum, 

quod  tibi  filiolus  vel  filia  nascitur  ex  me? 

tollis  enim  et  libris  actorum  spargere  gaudes 

argumenta  viri.    foribus  suspende  coronas: 

iam  pater  es,  dedimus  quod  famae  opponere  possis, 


70 


75 


80 


85 


74  quam  sollicitus.?  82  fin.  nullum  om.  P  add.  p 

actorum  Servius  (jeorg,  II  502 


84  titulis 


Cikaden  sich  horen  lassen.  Wahr- 
scheinlich  benutzt  Navolus  eine 
volkstiimliche  Wendung. 

70  Mit  dissimules  (vgl.  16,  9) 
und  mittas  cetera  (i.  e.  iucitnda) 
wird  der  Patron,  der  avarus  no- 
hilis,  wieder  direkt  von  Navolus 
angeredet. 

73  quihus  modis  wie  dringend, 
wie  flehentlich,  onoioig  axrtficcci 
loyov  XQOi^Bvoq. 

74  puellam,  vgl.  zu  2,  59. 

75  amplexu  rapui  hielt  ich  in 
meinen  Armen  auf,  vgl.  6,  64,  und 
amplexu  tenere  aJiquem  bei  Tac. 
XII  68.  —  tahulas  den  Ehekontrakt 
(10,  336),  quoquc  wie  etiam  stei- 
gernd  ist  in  der  nachklassischen 
Latinitat  nicht  selten. 

76  signabat ,  die  Trennungsur- 
kunde,  wozu  sie  der  Zeugen  be- 
durfte. 

78  dominae,  zu  6,  30.  —  vox,  der 
Wollust,  vgl.  6,  64  Appula  gannit 
sicut  in  amplexu  subito. 

79  Die  Haufung  der  Ausdrucke 
ist  dem  Stil  Juvenals  angemessen, 
zumal  hier  jeder  folgende  Ausdruck 
den  vorangegangenen  steigert. 

80  in  multis  domihus  in  gar  vie- 
len  grofsen  Hausern.    Navolus  be- 


rdhrt  wie  48  sq.-  allgemeine  Mifs- 
stande,  um  sein  Thun  damit  zu 
entschuldigen  oder  seine  Aussage 
glaubwiirdiger  zu  machen. 

81  circumagas  ==  vertas  ist  voll- 
kommen  rhetorisch,  vgl.  Aeschin. 
III  209  710L  %azacpvy(ii,  ca  avSQsg 
'A&riVdLOi;  nEQisyQCcipaxi  fis'  ovk 
iOZLV  OTCOL  dvamijaofiaL.  —  DemAus- 
druck  prima  aut  ultima  ponas  liegt 
das  Bild  des  Bretspiels  zu  Grunde. 

84  Es  war  Sitte  vornehmer  Fa- 
milien,  hausliche  Ereignisse,  dar- 
unter  auch  Geburten  in  den  seit 
Casar  iiblichen  acta  populi  diurna 
bekannt  zu  machen.  Erst  Mark 
Aurel  fiihrte  amtliche  Gebuitslisten 
ein,  um  den  status  und  das  Alter 
der  Personen  in  vorkommenden 
Fallen  konstatieren  zu  konnen.  Die 
obige  Haudlung  war  also  rein  pri- 
vater  Natur,  dagegen  war  die  Aus- 
fiihrung  der  Anordnuug  Mark  Aurels 
ein  Rechtsakt.  Auch  spargere  (ver- 
breiten,  bekannt  machen)  deutet 
aaf  einen  Akt  des  freien  Ent- 
schlusses. 

85  Die  Bekranzung  und  Beleuch- 
tung  der  Hausthiire  erfolgte  iiber- 
haupt  bei  freudigen  Ereignissen  dea 
Hauses,  vgl.  zu  6,  51. 


LIBRI  III    SATVRA  IX 


193 


iura  parentis  habes,  propter  me  scriberis  heres, 
legatum  omue  capis,  nec  non  et  dulce  caducum. 
connnoda  praeterea,  iungentur  raulta  caducis, 
.si  nunierum,  si  tres  implevero.'    iusta  doloris, 
Naevole,  causa  tui;  contra  tameu  ille  quid  adfert? 

'neglegit  atque  alium  bipedem  sibi  quaerit  asellum. 
haec  soli  commissa  tibi  celare  memento, 
et  tacitus  nostras  intra  te  fige  querellas. 
nam  res  mortifera  est  inimicus  pumice  levis; 
qui  modo  secretum  commiserat,  ardet  et  odit, 
tamquam  prodiderim,  quidquid  scio.    sumere  ferrum, 
fuste  aperire  caput,  candelam  adponere  valvis 
non  dubitat.    nec  contemnas  aut  despicias,  quod 
his  opibus  numquam  cara  est  annona  veneni. 
ergo  occulta  teges,  ut  curia  Martis  Athenis.' 

o  Corydon,  Corydon,  secretum  divitis  ullum 


90 


95 


100 


97  ferrum  om.  P  acld.  p 
P:  careas  puy 


99  quod  om.  P  add.  p         100   cara+*+ 


87  sq.  Der  Mann,  der  wenigstens 
ein  eheUcbes  Kind  hatte,  war  nach 
der  lex  Papia  Poppaea  (zu  6,  38) 
vollkommen  erbberechtigt.  Wer 
zwar  verehelicht,  aber  kinderlos 
war,  verlor  einen  Teil  des  Geerbten 
an  das  Arar,  spater  an  den  Fiskus. 
Dies  ist  das  caducum  oder  die  portio 
cadens. 

89  Das  ius  trium  liherorum  ge- 
wahrte  viele  Privilegien,  z.  B.  I3e- 
freiung  von  Tutel,  vom  Richter- 
amte,  Vorzug  bei  Amtsbewerbung 
und  Provinzialverwaltung.  Der  Kai- 
ser  konnte  aber  das  ius  trium  libe- 
rorum  auch  an  verdiente  Manner 
verleihen ,  selbst  wenn  sie  keine 
Kinder  hatten. 

90  sq.  iusta  .  .  .  a/^erf  spricht  kurz 
und  gemessen,  aber  mit  leicht  er- 
kennbarerIronie,derMitunterredner. 

93  haec  das  eben  Gesagte,  meine 
Klagen.  Navolus  zeigt  sich  als  ge- 
meinen  Menschen  auch  in  seiner 
feigen  Angstlichkeit.  Denn  hinter 
dem  Riicken  des  Patrons  gerat  er 
in  Entriistung;  sowie  aber  die  Galle 
ausgeschiittet  ist  und  die  Besin- 
nung  wiederkehrt,  bemachtigt  .sich 
seiner  bange  Furcht. 

94  tacitus  ohne  ein  Wort  zu 
sagen.  —  fiye,  vgl.  11,  28  e  caelo 
descendit  yvw&i  afavvov,  figendum 

IVVEXAI.IS    SaTVRAK. 


et  memori  tractandum  pectore,  und 
zu  5,  12  primo  fige  loco. 

96  ardet  et  oclit  =  ardens  odit  — 
eius  odio  arclet.  Dafs  die  Dichter 
ardere  auch  mit  Acc.  der  Person 
oder  Sache  verbinden,  ist  aus  Verg. 
ecl.  2,  1  ardebut  Alexin,  und  Hor. 
IV  9,  13  non  sola  comptos  arsit 
adulteri  crinis  .  .  .  Ilelene  Lacaena 
bekannt  genug,  ist  aber  verschie- 
uen.  Hier  steht  arclet  et  odit  ab- 
solut. 

98  aperire  caput,  vgl.  4, 1 10  tenui 
iugulos  aperire  susurro.  —  adponere 
valvis,  vgl.  13,  146  confer  conductum 
latronem,  incendia  sulpure  coepta 
atque  dolo,  primos  cum  ianua  col- 
ligit  ignes. 

99  nec  contemnas  und  man  darf 
sich  iiber  solche  Drohungen,  iiber 
den  Zorn  eines  solchen  Menschen 
nicht  leicht  hinwegsetzen,  denn 
sein  Reichtum  und  Einflufs  geben 
ihm  immer  eine  Waffe  in  die  Hand, 
gegen  die  auch  der  Tapferste  sich 
nicht  leicht  verteidigen  kann,  niim- 
lich  das  Gift,  das  fiir  solche  Men- 
schen  niemals  zu  teuer  ist. 

101  curia  Martis  =  17  ^ovXri  rj 
iv  'jQiia  Ttccyw. 

102  Anspielung  auf  Verg.  ecl. 
2,  69  a  Corydon  Corydon,  quae  te 
dementia  cepit!   Denn  Corydon  ist 

13 


194 


IVVENALIS 


esse  putas?  servi  ut  taceant,  iumenta  loquentur 
et  canis  et  postes  et  marmora.    claude  fenestras, 
vela  tegant  rimas,  iunge  ostia',  tollite  lumen, 
e  meclio  fac  eant  omnes,  prope  nerao  recumbat: 
quod  tamen  ad  cantum  galli  facit  ille  secundi, 
proximus  ante  diem  caupo  sciet,  audiet  et  quae 
finxerunt  pariter  libarius  archimagiri 
carptores.    quod  enim  dubitant  compouere  crimeu 
in  dominos,  quotiens  rumoribus  ulciscuntur 
baltea?  nec  derit,  qui  te  per  compita  quaerat 
nolentem  et  miseram  vinosus  inebriet  aurem. 
illos  ergo  roges,  quidquid  paulo  ante  petebas 
a  nobis,  taceant  illi.    sed  prodere  malunt 
arcanum,  quam  subrepti  potare  Falerni, 
pro  populo  faciens  quantum  Saufeia  bibebat. 
vivendum  recte,  cum  propter  plurima,  tunc  et 
idcirco  ut  possis  linguam  contemnere  servi, 
praecipue  cave  sis  tu  linguas  mancipiorum 


105 


110 


115 


120 


103   loquantur  P  106  face  eant  Haupt:  taceant  /-'    clament  a 

109  libarius  0.  HirscJifeld:  librarius  Pco  118  recte  W:  recte  est  Pm 
tunc  et  Lachmann:  tunc  est  P  tunc  (vel  tum)  his  pa  tnm  vel  lahn 
120  cave  sis  Lachmann:  causis  Pco        tu   Vahlen:  ut  Poa 


nach  V.  56  rusticus,  vgl.  zu  6,  66 
Thrymele  tunc  rustica  cliscit.  —  di- 
viiis  eines  reichen  grofsen  Herrn, 
der  in  einem  grofsen  Palaste  wohnt 
und  von  zahlreicher  Sklavenschar 
umgeben  ist. 

105  vela,  welche  im  Innern  des 
Hauses  als  Portieren  an  den  Thiiren 
hingen.  In  der  Regel  hing  das 
velum  vor  dem  Eingange  des 
Atriums,  und  wurde  vom  velarius 
auseinandergeschlagen,  wenn  je- 
mand  zur  Audienz  zugelassen  wer- 
den  sollte.  —  iunge  ostia  schliefse 
die  Thiiren ,  die  verschiedenen 
Ein-  oder  Zugange  (aditus)  des  Ge- 
maches. 

107  galli  secundi  noch  lange  vor 
Anbruch  des  Tages,  vgl.  Amm.  Marc. 
XXII  14,  4  unde  secundis  galliciniis 
videtur  primo  solis  exortus. 

109  liharius  der  Konditor  oder 
Kuchenbacker,  archimagirus  der 
Kuchenmeister  des  Hauses,  alles 
Personen,die  iiberder  gewcihnlichen 
Dienerschaft  stehen  und  daher  nicht 
ohnc  Einflufs  sind. 

112  haltea  sind  cingula  aus  Leder, 


dann  synekdochisch  die  damit   er- 
teilten  Hiebe. 

113  miseram  gequalt,  ilngstlich, 
vgl.  Hor.  s.  I  9,  8  misere  discedere 
quaerens.  —  inebriare  iiberschiitten 
mit  dem  Klatsch  trunkener  Ge- 
schwatzigkeit. 

116  subrepti  Falerni  ist  von 
tantum  abhangig,  das  zugleich  in 
quantum  enthalten  ist. 

117  pro  populo  faciens,  d.  i.  in 
sacris  imhlicis  bonae  deae.  Diese 
Feier  war  in  ein  weibliches  Trink- 
gelage  ausgeavtet,  der  vormals  ver- 
hiillte  Krater  wurde  nun  cnthiillt 
und  ausgetrunken ,  vgl.  2,  87.  — 
Saufeia  wurde  auch  6,  320  gekenn- 
zeichnet.  AIs  scortum  wird  eine 
Saufeia  verhohnt  Mart.  III  72. 

119sq.sen'ineben?m<;Mfl>«braucht 
nicht  notwendig  von  einem  be- 
stimmten  Sklaven  oder  Freigelasse- 
nen  des  Hauses,  etwa  dem  Haus- 
verwalter(6, 146  //&f?-(ws),  verstanden 
zu  werden;  der  Singular  kann  auch 
genereile  Bedeutung  haben.  Dann 
aber  ninfs  niit  dem  Wort  mancipia 
di(!    Masse   der    niedercn    uud    gc- 


LlBRl  111    SATVRA  IX 


195 


coutemuas.    nuuc  liugua  mali  pars  pessima  servi; 
deterior  tamcu  hic,  qui  liber  uou  erit  illis, 
quorum  auimas  et  farre  suo  custodit  et  aere. 

^utile  cousilium  uiodo,  sed  comumue,  dedisti. 
uuuc  mibi  quid  suades  post  damuum  temporis  et  spes 
deceptas?   festiuat  euim  decurrere  velox 
fioscuhis  augustae  miseraeque  brevissima  vitae 
portio;  dum  bibimus,  dum  serta  uugueuta  puellas 
poscimus,  obrepit  uou  iutellecta  seuectus.' 

ne  trepida,  uumquam  pathicus  tibi  derit  amicus 
stautibus  et  salvis  his  coUibus.    uudique  ad  illos 
conveuieut  et  carpeutis  et  navibus  omnes, 
qui  digito  scalpuut  uno  caput.    altera  maior 
spes  superest.    tu  tantum  erucis  iuprime  deutem. 


125 


130 


121  nunc   W:  nec  P  nam  i^to       122  illos  P       134  inprima  dente  P 
post  134  gratus  eris,  tu  tautum  faucis  inprime  dentem  P  del.  p 


wiihulicbon  Sklaven  anoredeutet  sein, 
ein  Gegensatz,  der  nicht  recht  ein- 
leuchten  will.  Jedonralls  ist  die 
Uberlieferung  noch  nicht  geheilt 

121  sq.  «Mnc:  jetzt  ist  der  Sklave 
boshaft  (malus),  ganz  besonders  aber 
seine  Gesch wiitzigkeit.  Ist  aber  auch 
der  Sklave  schlecht,  so  ist  doch 
der  Herr  noch  schlechter  {cleterior), 
dessen  Leben  und  Ruf  iiber  solche 
Sklaven  nicht  erhaben,  sondern 
vielmehr  vou  ihneu  abhilngig  ist. 

124  Was  du  da  sagst,  hilft  mir 
personlich  nichts,  sondern  enthillt 
nur  einen  ganz  allgemeinen  {cotn- 
mune)  Rat,  der  ebenso  gut  meinem 
Patron  als  mir  selbst  frommen  kann. 
Vgl.  Cornif.  17,  11  item  vitiosum 
est  illud  exordium,  quo  nihilo  ininus 
adversarius  potest  uti,  quod  com- 
mune  appellatur,  Cic.  inv.  1  26  com- 
mune  est  exordium,  quod  mihilo 
miyius  in  hanc  quam  in  contrariam 
partem  causae  potcst  convenire,  vul- 
gare  esf,  quod  in  plures  causas  pot- 
est  adcommodari. 

126  Der  Mann  denkt  zwar  wie 
der  euripideische  Herakles  AIc.  782 
^gozoig  unuGi  Kat&uvitv  oqpftifrat 
y.ov/.  tczLV  avTUiv,  ooxiq  i^tnCoTuzuL 

XriV  UVQLOV  (ItXXoVGUV  ti  ^LUiOcXUL- 
xuvx'  OVV  U-AOVGUg  -HUL  ILU^taV  ifiov 
nugu,  tvffQuivt  Guvxov,  ni^vt,  tov 
■f.u%'  rjUiQuv  §L0v  loyLl^ov  Gov,  xu 
6'   uD.u  TiJ5  xvxrig'   xluu  dt  y.al  xr]v 


nXtLGxov  rjSLOxrjv  &swv  Kvngiv  §qo- 
xoLGiv,  aber  solchen  Menschen  uiufs 
doch  der  Gedanke  an  die  Hilfiosig- 
keit  des  Alters  Schauder  erwecken, 
vgl.  11,  45  sed  mortc  magis  metuenda 
senectus.  In  decurrere  und  decuvsns 
liegt  die  Vorstellung  von  demDurch- 
messen  der  einzelnen  spatia  der 
Rennbahn,  aber  schon  Verg.  XII  523 
decursu  rapido  de  montibus  altis 
dant  soyiitum  spumosi  amnes  ge- 
braucht  decursus  und  ofter  decur- 
rere  von  der  schnellen  abwtlrts- 
gehenden  Bewegung.  Konstruiere: 
tamquam  flosculus  ita  brevissima 
vitae  pars  (d.  h.  die  Bliite  des  Le- 
bena)  velox  decurrere  festinat. 

129  non  intellecta  unvermerkt, 
ahnungslos,  Senec.  dial.  X  9,  4 
subito  in  illam  (i.  e.  sencctutem)  in- 
ciderunt:  accedere  eam  cotidie  non 
sentiebant. 

131  his  collibus,  die  Stadt  Rom, 
wie  vielleicht  6,  295,  anders  aber 
14,  179. 

132  carpentis,  vgl.  8,  146  volucri 
carpento  rapitur  pinguis  Lateranus. 

133  digito  uno,  d.  h.  weichliche 
Stutzer,  die  ihre  feine  Frisur  zu 
verderben  fiirchten,  vgl.  Licinius 
Calvus  frg.  18  (M.):  Magnus,  quem 
metuunt  omnes,  digito  caput  uno 
scalpit.  Quid  credas  huncsibi  velle':' 
Virum. 

134  spes  superest,  hier  ist  in  der 

13* 


196 


IVVENALIS 


^haec  exempla  para  felicibus.    at  mea  Clotho 
et  Lachesis  gaudent,  si  pascitur  inguine  venter. 
o  parvi  nostrique  Lares,  quos  ture  minuto 
aut  farre  et  tenui  soleo  exorare  corona, 
quaudo  ego  figam  aliquid,  quo  sit  mihi  tuta  senectus 
a  tegete  et  baculo?  viginti  milia  faenus 
pigneribus  positis,  argenti  vascula  puri, 
sed  quae  Fabricius  censor  notet,  et  duo  fortes 
de  grege  Moesorum,  qui  me  cervice  locata 
securum  iubeant  clamoso  insistere  circo; 
sit  mihi  praeterea  curvus  caelator,  et  alter 
qui  multas  facies  pingit  cito;   sufficiunt  haec. 
quando  ego  pauper  ero?  votum  miserabile,  nec  spes 


135 


140 


14f 


139    fiam    P 
146  mnlta   P 


143    mosorum    P 


locata  j9  00  ,•     locatam    P 


tJberlieferung  eine  grofsere  Liicke, 
wie  V.  135  zeigt  (Jiaec  exempla). 
Im  Pithoanus  findet  sicli:  tu  tan- 
tum  erucis  imprime  dentem,  grattis 
eris,  tu  tantum  faucis  inprimedentem. 
Navolus  wurde  zwar  auch  auf  den 
Gebrauch  von  Starke-  und  Reiz- 
mitteln  (Aphrodisiaca)  verwiesen, 
vgl.  Mart.  III  75,  aber  es  mufs  ihm 
doch  auch  eiue  Aussicht  entgegen- 
gehalten  sein,  auf  die  er  135  sq. 
fur  sich  verzichtet. 

136  pascitur  sich  nur  einfach 
nahrt,  erhalt,  ohne  grofsere  An- 
spruche  ans  Leben  zu  machen. 

137  nostri  'mir  gehorig'.  Die 
Stelle  ist  eine  Parodie  von  Horat. 
sat.  II  G,  65  0  noctes  cenaeque  deum, 
quibus  ipse  meique  atrte  Jarem  pro- 
prium  vescor  vernasque  procacis 
piasco  lihatis  dapibus.  —  ture  mi- 
nuto,  vgl.  Horat.  III  23,  15  parvos 
coronantem  marino  rore  deos  fra- 
gilique  myrto ,  ferner  si  ture  pla- 
caris  et  horna  fruge  Lares,  endlich 
farre  pio  et  saliente  mica. 

139  figam  erjagen,  mit  Lanze 
oder  Pfeil  erlegen. 

140  a  tegete  et  bacido,  zu  5,  8. 

141  pigneribus posHis  auf  sichercr 
Ilypothek.  —  argenti  vascula  puri 
=  10,  19. 

142  sed  quae:  aber  freilich,  so 
viel,  dafs  ein  alter  strenger  Censor 
wie  C.  Fabricius  Luscinus  (vgl.  2, 
154)   dariiber  emport  sein   miifste. 


Zur  Sache  bemerkt  Gellius  IV  8,  7 : 
P.  Cornelium  Micfinum  {hominetn 
furacem  et  avarum)  poslea  bis  con- 
sulatu  et  dictatura  functum  censor 
Fabricius  senatu  movit  (ann.  276 
a.  Chr.)  ob  luxuriae-notam ,  quod  de- 
cem  pondo  libras  argenti  facti  ha- 
beret. 

143  Der  Besitz  von  zwei  kraf- 
tigen  mosischen  Sklaven  als  Sanften- 
tragern,  unter  deren  Schutz  man 
ungefahrdet  im  Cirkus  einen  guten 
Platz  erlangen  konnte,  gehorte  in 
Trajans  Zeit  zQ  den  Hauptwiinschen 
der  Armeren;  vgl.  7.  132^  Die 
Sanftentrager  vermieten  gewisser- 
mafsen  dem  Benutzer  der  Sanfte 
ihren  Nacken,  wie  8,  185  vocem 
locare;  doch  erinnert  locare  zugleich 
an  den  sachlichen  Ausdruck  in  coUo 
sibi  coJlocare  aliquem  (Catull.  10, 
23).  Eine  Anderung,  z.  B.  cervicc 
torosa  (Cat.  63,  83),  erscheint  nicht 
notwendig. 

146  Er  wiinscht  sich  nicht,  wie  es 
scheint,KiinstlerzurAus£chmiicknng 
seinerZimmermitWerkenderKunst, 
sondern  vielmehr  Sklaven  als  Ar- 
beiter  (ojnfices),  von  deren  Arbeit 
er  Gewinn  haben  kann. 

147  Aber  leider  ist  die  Hofinung 
gering,  jemals  auch  nnr  zu  so  be- 
scheidenem  Besitz  {paupertas)  zu 
gelangen.  —  miserabiJe,  wie  3,  27(> 
ergo  optes  votumque  ftras  miserabiJc 
tectim. 


LlBKl  IV     SATVUA  X 


197 


liis  ^alteiu;  iiaui  cum  pro  me  Fortuua  ro^atur, 

adtixit  ceras  illa  de  uave  petitas, 

quae  Siculos  cautus  eflPugit  remige  surJo." 


loO 


IVVENALIS 

S  A  T  y  R  A  R  V  M 

LIBER  QVARTVS 


SATVRA  X 

Umuibus  in  terris,  quae  sunt  a  Gadibus  usque 
Auroram  et  Gaugeu,  pauci  diuoscere  possunt 
vera  boua  atque  illis  multum  diversa,  remota 
eri'oris  nebula.    quid  enim  ratione  timemus 


148  togatur  P         150  et  fugit  P 

149  Satirisch-komischeUmschrei- 
bung  des  einfachen  Gedankens:  das 
Gliick  ist  gegen  meine  Wiinsche  taub, 
stopft  sich  die  OhrQn  zu,  wie  Hom. 
Od.XII173sqq.  OdysseusseinenGe- 
tiihrten  die  Ohren  mit  "Wachs  ver- 
stopfte,  damif  sie  nicht  den  ver- 
fiihrerischen  Gesang  der  Sirenen 
(bei  Sicilien)  vernehmen  sollten. 

Sat.  X. 

Der  Inhalt  dieser  Satire  ist  'das 
Gebet'  oder  'Um  was  soll  der 
Mensch  die  Gotter  anflehen?'  Ab- 
sicht  und  Zweck  des  Dichters  wer- 
den  bereits  54 — 55  klar,  finden  sich 
aber  noch  scharfer  am  Ende  346 
—366  ausgesprochen.  Der  Mensch 
spll  sein  Gliick  nicht  in  aufseren 
Gutem  suchen  und  nicht  nach  der 
Gunst  der  Fortuna  ausscbauen,  son- 
dem  sich  mhig  in  den  Willen 
Gottes  fiigen,  der  am  besten  fur 
den  Menschen  sorgt,  und  an  der 
Kraftigung  und  Starkung  seines 
sittlichen  Willens  gewissenhaft  ar- 
beiten.  Dasselbe  Thema  behandeln 
Pers.  2  und   [Plato]  Alcibiades  II. 

1 — 55  Propositio:  Die  Menschen 
wiinschen  und  erstreben  nur  auTsere 
Guter,  ohne  an  die  Not  und  Ge- 
fahren  zu  denken,  denen  sie  sich 
damit  auasetzen.     Daram  erschien 


das  Leben  der  Menschen  schon 
einem  Demokritos  liicherlich,  in 
Rom  aber  ist  es  noch  liicherlicher 
geworden.  Demokrit  lachte  und 
trotzte  der  Fortuna,  die  fiir  die 
Menschen  in  der  That  uberfliissig 
ist,  denn  die  gewohnlichenWiiusche 
und  Bestrebungen  fiihren  nur  ins 
Ungliick  und  Verderben. 

1  usque  ohne  ad  als  Priiposition 
mit  dem  lokalen  Accusativ  ist  sehr 
selten  und  findet  sich  sonst  uur  bei 
Stadtenamen,  Cic.  Pis.  51  a  Brun- 
disio  usque  Romam  aymen  lierpe- 
tuum;  ahnlich  findet  sich  tenus  mit 
Accusativ,  Val.  Fl.  I  538  Tanain 
tenus,  Auson.  Parent.  3,  15  tenus 
Europam  fama  crescente. 

2  pauci  nur  wenige.  Pers.  5,  105 
tibi  recto  vivere  tcdo  ars  dedit  et 
veri  speciem  dinoscere  caUes. 

3  illis  ist  Dativ:  das  Gegenteil 
davon,  Hor.  s.  I  3,  114  dividit  ut 
bona  diversis,  fugienda  pttendis. 

4  erroris  nebula  'Nebelhiille  des 
Irrtnms',  nach  Hom.  II.  V  127. 
XVII  643.  Plato  Alc.  II  150d  dUa 
doy.st  uoi,  wGTtiQ  Tw  Jiour^SiL  cprjoi 
Tj]v  Adr^vuv  "OuTjoog  unh  tcav 
ocp^aXumv  clcpfJ.si^v  rfjv  ciyXvv ,  ovzco 
v.al  ool  dsiv  uno  rf/s  M^vx^?  ■Jiowxov 
xj-jV  ax^vv  acptXovxa  y.xX.  —  ralionc 
mit  verniinftiger  Berechnung,  Plin. 


198 


IVVENALIS 


aut  cupimus?  quid  tam  clextro  pede  concipis,  ut  te 

conatus  non  paeniteat  votique  peracti? 

evertere  domos  totas  optantibus  ipsis 

di  faciles.    nocitura  toga,  nocitura  petuntur 

militia;  torrens  dicendi  copia  multis 

et  sua  mortifera  est  facundia,  viribus  iile 

confisus  periit  admirandisque  lacertis. 

sed  plures  nimia  congesta  pecunia  cura 

strangulat  et  cuncta  exuperans  patrimonia  census, 

quanto  delphinis  ballaena  Britannica  maior. 


10 


11  perit  P 

ep.  IX  7,  1  aedifico  cnim  iam  ra- 
tione,  planmafaig.  Dafs  Juv.  an  die 
Lehre  der  Stoa  denkt,  zeigt  die 
Vergleichung  seines  Ausdrucks  mit 
Sen.  ep.  82,  6  sciut  quod  illi  bonum 
quod  malum  sit,  quid  petat  quid 
evitet,  quae  sit  illa  ratio,  quae  ap- 
petenda  ac  fiicjienda  discernat,  qua 
cupiditatum  mansuescit  insania, 
timorum  saevitia  compescitur. 

5  dextro  pede,  denn  in  Rom  rief 
der  ianitor  dem  Eintretenden  ent 
gegen:  dextro  pede!  und  ebenso  bei 
Kultushandlungeu,  Verg.  VIII  302 
tua  dexter  adi  pedc  sacra  secundo. 
—  concipis  unternimmst  oder  er- 
denkst  du  (sc.  mente,  votis),  Hor.  II 
13,  9  ct  quidquid  usquam  concipi- 
tur  nefas.  Vgl.  vota  concipere.  'Dein 
Beginnen  mag  von  noch  so  gun- 
stigen  Umstanden  oder  Vorbedeu- 
tungen  begleitet  sein,  am  Ende 
mufst  du  doch  den  Versuch  und 
die  Erfiilluug  (Nep.  XXV  22,  8 
propositumpercgit)  deines  Wunsches 
bereuen.' 

7  domos  Familien,  Geschlechter, 
Verg.  I  284  clomus  Assaraci.  Zu 
dvmos  steht  ipsis  (die  Inhaber  oder 
Besitzer)  im  Gegensatz. 

8  faciJes  willig,  nachgiebig,  Hor. 
s.  I  1,  22  neque  se  fore  posthac  tam 
facilem,  votis  ut  praebeat  aurem. 
Vgl.  12,  88.  —  nocitura  was  schaden 
mufs,  seiner  Natur  nach  schadlich 
ist,  Sen.  ep.  110,10  quidquid  nobis 
bonum  fnturum  erat,  deus  in  pro- 
ximo  posuit,  nocitura  altissime  pres- 
sit.  In  8 — 12  ist  die  propositio  der 
ganzen  Satire  entbalten :  das  Un- 
heil  der  pecunia  (divitiae)  wird 
15  —  27  ausgefiihrt,   dann   folgt  28 


—  55  ein  Exkurs  iiber  die  Lacher- 
lichkeit  des  menschlichen,  beson- 
ders  romischen  Ehrgeizes,  daran 
reiht  sich  56 — 113  die  Betrachtnng 
iiber  die  Unbestlindigkeit  grofser 
Macht  im  Staat  {nocitura  toga), 
ferner  die  Gefahren  aufserordent- 
licher  Beredsamkeit  (torrens  dicendi 
copia)  114 — 132,  endlich  der  Nach- 
teil  kriegerischen  Ruhms  (nocitura 
militia)  133—187.  Die««VfsV.  lOzer- 
fallen  a)  in  langesLeben  188—288, 
b)  in  Schonheit  289—345.  Darauf 
folgt346— 366derEpilogdesGanzen. 

9  torrens  dicendi  copia  'der  hin- 
i"eifsende  Strom  der  Beredsamkeit' 
=  eloquentia,  die  nur  durch  Kunst 
oder  Bilduug  erworben  wird,  vgl. 
128  und  3,  74  Isaeo  torrentior. 

10  siia  facimdia  ihre,  d.  h.  ibnen 
eigentiimliche  Redegabe ,  'Talent, 
Suet.  Cal.  53  eloquentiae  quam  plu- 
rimum  attendit,  quantumvis  facundus 
(begabt)  et  promptus  (schlagfertig). 

—  ille  ein  anderer,  mit  Bezug  auf 
multis  (9). 

11  confisus  vertraut  hatte,  stolz 
war  auf. 

12  sed  plures,  aber  freilich  noch 
mehr;  denn  der  Hauptgegenstand 
menschlicher  Wiinsche  und  Be- 
strebungen  bleibt  doch  inimer  das 
Geld.  Vgl.  14,  303  tantis  parta 
malis  cura  maiore  metuque  servati- 
tur:  misera  est  magni  custodia  census. 

13  Zu  exupcrans  ist  tanto  (8, 
140)  aus  dem  folgenden  quanto  zu 
erganzen,  vgl.  14,  139  crescit  amor 
nummi',  quantum  ipsa  pecunia  crcvit. 

14  Auf  Eigentiimlichkeiten  der 
Natur  Britanniens  weist  Juv.  iifter 
hin,  vgl.  2,  160  sq.    15,  111  sq. 


LIBRI  IV     SATVRA  X 

teuiporibus  diris  igitur  iussuquo  Neroni.s 
Longiiuim  et  maguos  iSeneciie  praedivitis  lu)rtos 
elausit  et  egregias   Lateranorum  obsidet  aecles 
tota  cohors:  rarus  venit  in  cenacula  miles. 
pauca  licet  portes  argenti  vascula  puri, 
nocte  iter  iugressus  gladium  contumque  timebis 
et  motae  ad  lunam  trepidabis  haruudinis  umbraui: 
cautabit  vacuus  coram  hitrone  viator. 
prima  fere  vota  et  cuuctis  notissima  templis 
lUvitiae,  crescant  ut  opes,  ut  maxima  toto 
uostra  sit  arca  foro.    sed  nulla  aconita  bibuutur 


190 

15 


20 


25 


21  umbvas  5 

15  temporibus  diris  —  4,  80,  eben- 
fciUs  am  Anfang  des  Verses. 

16 sq.  C.CassinsLonginus ■wavKon- 
sul  und  Priitor  und  al  s  J 11  list  beriihmt, 
Suet.  Nero  37.  Er  wurde  auf  die 
Insel  Sardiuien  verwiesen,  qiiod 
inter  imagines  maiorum  etiam  C. 
Cassii  effigiem  cohiissct,  in  Wahr- 
heit,  quod  opibus  vetustis  et  gravi- 
tate  vioium  praeceUebat ,  Tac.  XVI 
7  u.  9,  unter  Vespasian  kehrte  er 
nach  Rom  zuriick,  Pompon.  Dig. 
I  2,  2,  47.  Komische  Wirkuiig  hat 
die  Verbindung  Longinum  chtusit 
(umscblofs)  neben  Senecae  liortos 
clausit;  von  demLongiuus  gilteben, 
was  Tac.  sagt:  senectus  eius  ex- 
spectabatur ,  er  wurde  sicher  ge- 
stellt.  —  Plautius  Lateranus  nahm 
an  der  Pisonischen  Verschworung 
teil,  Tac.  XV  49  Lateranum  consu- 
lem  designatum  nulla  iniuria  sed 
amor  reip.  sociavit ;  sein  Tod  ibid.  60. 
Verschieden  ist  der  8, 147  genanute 
Konsul  des  .Jahres  94.  Aus  den 
aedes  Laterani  (Prud.  Symm.  I  585) 
eirstand  die  spatere  christliche  Ba- 
silika. 

18  rarus  nur  selten,  wie  8,  63 
si  rara  ivgo  tictoria  sedit.  —  cena- 
cula ,  vgl.  3,  201  quem  tegula  sola 
tuetur  u  pluvia.  Hor!  ep.  I  1,  91 
pauper  mutat  cenacula.  Die  Miete 
\pemio)  wird  9,  63  erwahnt. 

19  argentum  purum  ist  reines, 
glanzendes  Silber,  wie  9,  141  ar- 
genti  vascula  puri  und  Pers.  3,  25 
puruvi  et  sine  ktbe  sulinum,  zu- 
gleich  im  Gegensatz  zu  den  kunst- 
vollen    Silberarbeiten    jener    Zeit, 


wie  Mart.  IV  39,  10  zcigt.  Vgl. 
dazu  14,  62. 

20  Suet.  Caes.  31  dein  post  solis 
occasum  occultissimuvi  iter  modico 
cnmitatu  inuressus  est.  Man  reiste 
in  dem  heifsen  Italien  iiberhaupt 
geru  zur  Nachtzeit,  gewohnlich  aber 
in    Begleitung  von    Facktltragern. 

—  contus  {-novrog)  Stange,  Kniittel, 
von  der  Watfe  des  Banditen  ebenso 
wie  von  der  des  Sarmaten  (Claud. 
Stil.  I  111)  iiblich.  Nachahmung 
der  Stelle  bei  Boet.  cons.  II  5  t^i 
igitur  qui  nunc  contum  gladmmque 
sollicitus  pertimescis,  si  vitae  huius 
callem  vacuus  viatw  intrasses,  coram 
latrone  cantares. 

21  sq.  ad  lunam  im  Mondschein. 

—  vacuus  'ohne  Last  und  ohne 
Sorgen'.  —  trepidare  wie  horrerc 
mit  Accusativ,  vgl.  zu  8,  152. 

23  prima  am  Anfang  =  und  doch 
ist  es  der  erste,  allen  Tempeln  nur 
zu  bekannte  Wunsch.  Dafs  man  im 
Gebet  solch  unreine  Wiinsche  vor 
den  Gottern  aussprach,  zeigt  Pers. 
2,  38q'.  u.  44  sq.  Hor.  ep.  I  16,  60  sq. 

24  opes  sind  gegeniiber  dem  all- 
gemeinen  Begviff  divitiae  die  ein- 
zelnen  Teile  des  Besitzes,  z.  B. 
Kapitalien ,  Grundstiicke ,  Vich- 
stand  etc,  daher  Pers.  2,  49  iam 
crescit  ager,  iam  crescit  ovile,  iam 
dabitur,  iam  iam! 

25  urca  ''Geldkiste'  steht  wie 
unser  'Kasse'  oder  'Kapital'  fiir 
das  Vermogen  in  Geld,  vgl.  1,  90. 
11,  26.  14,  259.  Der  Romer  depo- 
nierte  sein  bares  Geld  beim  argen- 
tarius,  der  dann  auf  Anweisung  fiir 


200 


IVVENALIS 


fictilibus:  tunc  illa  time,  cum  pocula  sumes 
gemmata  et  lato  Setinum  ardebit  in  auro. 
iamne  igitur  laudas,  quod  de  sapientibus  alter 
ridebat,  quotiens  de  limine  moverat  unum 
protuleratque  pedem,  flebat  contrarius  auctor? 
sed  facilis  cuivis  rigidi  censura  cachinni: 
mirandum  est,  unde  ille  oculis  sufifecerit  umor. 
perpetuo  risu  pulmonem  agitare  solebat 


30 


31   cuius  P 


ihn  aucli  Zahlung  ieistete.  Die 
Buden  {tabemae)  der  Wechsler 
waren  auf  dem  Forum,  daher  foro 
cedere  oder  abire  =  bankerott 
werden. 

26  fictiUbus,  zu  12,  47. 

27  gemmata  mit  Edelsteinen  be- 
setzt,  vgl.  5,  43  nam  Virro,  ut  multi, 
(jemmas  ad  pocula  transfert  a  di- 
(jitis.  Cic.  Verr.  IV  54  tum  illa  ex 
patelUs  et  pateris  et  tiiribulis  quae 
evellerat,  ita  scite  in  aureis  poculis 
iUigabat,  ut  ea  ad  iUam  rem  nata 
esse  diceres.  —  lato  in  auro,  wie  der 
5,  39  erwahnten  phiala.  —  ardebit 
funkelt,  perlt:  'der  feurige  Setiner 
funkelt  im  goldenen  Pokal'.  Der 
Setinerwein  (Setia  =  Sezza)  wird 
auch  13,  213  und  5,  34  als  beson- 
ders  kostbare  Sorte  erwahnt. 

28 — 53  Digression:DiesesTreiben 
der  Menschen  ist  zum  Lachen  oder 
auch  zum  Weinen,  nur  dafs  das 
ewige  Weinen  kein  Mensch  aus- 
hiilt.  Demokrit  lachte  schon  iiber 
seine  Zeit !  Wie  wurde  er  erst  lachen 
miissen,  wenn  er  die  Eitelkeiten 
im  jetzigen  Rom  sehen  wiirde!  Er 
war  trotz  Abdera  ein  kluger  Mann, 
den  die  Freuden  und  Sorgen,  ja 
selbst  die  Thranen  der  Menschen 
nur  zum  Lachen  reizten,  weil  er 
selbst  gewohnt  war,  unabhangig 
und  frei  dem  Schicksal  Trotz  zu 
bieten.  Mit  ergo  V.  54  kehrt  der 
Dichter  zum  eigentlichen  Thema 
zuriick. 

28  iamne  'ja  in  der  That',  denn 
die  Frage  setzt  eine  entschieden 
bejahende  Autwort  voraus;  Plin. 
ep.  III  21,  6  meritone  (doch  gewifs 
mit  voUem  Recht)  eum  qui  haec  de 
me  scripsit  et  tunc  dimisi  amicis- 
sime   et   nunc   ut  amicissimum  de- 


functum  esse  doleo?  Die  Umschrei- 
bung  des  Namens  der  beiden  Phi- 
losophen  entspricht  dem  komisch 
gefarbten  Stil  der  Satire,  die  mitten 
im  Ernst  das  Schalksgesicht  liebt, 
vgl.  171.  225.  8,  252.  15,  126.  14, 
291.  5,  153.  6,  7  u.  160.  Sen.  ira  II 
10,  5  HeracUtus  quotiens  prodierat 
et  tantum  circa  se  male  viventium, 
immo  male  pereuntium  viderat,  flebat 
(war  zu  Thriinen  geriihrt),  misere- 
batur  omnium  qui  sibi  laeti  felices- 
que  occurrebant ;  Democritum  contra 
aiunt  numquam  silie  risu  in  pubUco 
fuisse:  adeo  nihil  iUi  serium  vide- 
batur  eorum,  (piae  serio  gerebantur. 

29  de  Umine  moverat ,  einfacher 
Plaut.  merc.  83 1  hunc  hodie  postre- 
mum  extoUo  mea  domo  x>atria  pedem. 
—  unum  'auch  nur  einen'. 

30  auctor  'Meister',  der  Schopfer 
und  Vertreter  einer  Lehre,  Hor.  I 
28, 14  non  sordidus  auctor  naturae 
vericjue.  Der  eine  Meister  steht  dem 
audern  gerade  gegenviber,  ist  daher 
contrarius,  d.  h.  contrariae  rationis 
auctor,  vgl.  32  iUe  umor  und  9,  21. 

31  censura  cachinni  'die  Riige 
durch  (strengrichtendes)  Gelachter'. 
Mit  Vorliebe  gebrauchte  man  ca- 
chinnus  vom  Satiriker,  dessen  Vor- 
bild  hier  Demokrit  ist,  Pers.  1,  12 
sed  sum  petulanti  splene  cachinno 
fLacher,  wie  erro  gebildet),  3,  87 
ingeminat  tremulos  naso  crispante 
cachinnos. 

31—32  haben  den  Zweck  es  zu 
motivieren,  dafs  der  Dichter  im 
folgenden  nur  von  Demokrit  und 
nicht  auch  von  Heraklit  spricht. 

33sq.-Demokritlachte,und  lachte, 
ohne  dafs  er  die  lilcherlichen  Prah- 
lereien  in  Rom  gesehen  hatte  = 
pcrpetuo  igitur  risu  etc. 


LlBllI  IV     SATVllA  X 


201 


Democritus,  quamquam  non  essent  urbibus  illis 
praetextae  trabeae  fasces  lectica  tribuual. 
quid,  si  vidisset  praetorem  curribus  altis 
extantem  et  medii  sublimem  pulvere  circi 
in  tunica  lovis  et  pictae  Sarrana  fereutem 
ex  umeris  aulaea  togae  magnaeque  coronae 
tantum  orbem,  quanto  cervix  uon  sufficit  ulla? 
quippe  tenet  sudaus  hanc  publicus,  et  sibi  cousul 


35 


40 


36    praetexta   et    rabeae   P   praetexta   trabeae    florikgium  S.   Galli 
praetexta  et  trabeae  p        37  mediis  sablimen  F  medio  j^ 


34  quamquam  gebraucht  Juv.  ent- 
weder  mit  dem  Konjunktiv ,  2,  4 
quaniquam  plena  omnia  gypso  in- 
venias,  6,  88  qHamquam  in  magnis 
opibus  dorviisset,  11,  205  quamquam 
solida  hora  supcrsit,  12,  25  quam- 
quam  siiit  cttera  sortis  ciusdem, 
13,  172  quamquam  eadem  assidue 
spictentur  proelia.  15,30  quamquam 
vmnia  syrmata  volvas,  oder  mit 
einem  aus  dem  Vorhergehenden  zu 
erganzenden  Konj.,  vgl.  zu  6,  199 
und  7,  15,  oder  mit  der  Ellipse  von 
sit  1 ,  133  quamquam  longissima 
cenae  spes  homini ,  oder  mit  einem 
Adjektiv  und  Partizip,  4,  79  quam- 
quam  tetnporibus  diris,  4,  60  ubi 
quamquam   diruta    servat    ignem  et 

Vestam  colit  Alba. 

35  Juv.  findet  nicht  die  Amts- 
kleidung  (vgl.  99)  und  die  Insignieu 
der  Amtsgewalt  an  sich  lacherlich, 
wohl  aber  das  Hasten  und  Jagen 
und  das  Prunken  und  Prablen  mit 
der  Amtsgewalt.  Die  trabea  (mit 
scharlachrotem  horizontalen  Streifen 
und  einem  purpurnen  Saum)  war 
urspriinglich  der  Konigsmantel  (8, 
259j ,  spater  wurde  sie  die  Tracht 
der  Ritter  and  der  Auguru  bei 
feierlichen  Gelegenheiten,  z.  B.  Tac. 
III  2  ziehon  die  equites  der  Leiche 
des  Germanicus  in  der  Trabea  {tra- 
beati)  entgegen.  —  Mit  der  lectiea 
f.runkten  die  Reichen,  vgl.  1,  65. 
Man  erwartet  hier  eher  die  sella 
curulis  genannt  zu  finden. 

36 — 46  Beschreibung  des  Fest- 
zags  {pompa)  vom  Kapitol  zutn 
Cirkus  bei  Gelegenheit  der  ludi 
Hoynani,  wobei  der  stiidtische  Prator, 
welcher  seit  Angustu.s  die  Spiele 
gab,  im  Triumphalornat  erscheinen 


mufste,  vgl.  8, 194.  11, 195.  14,  257. 
Der  Festzug  bewegte  sich  vom  Ka- 
pitol  aus  iiber  das  Forum,  deu  vicus 
Tuscus  und  das  Velabrum,  und  ge- 
langte  dann  durch  das  forum  bo- 
arium  in  den  Cirkus  Maximus. 

37  curribus  exitare  auf  hohem 
Wagen  (der  biga)  stehen;  er  hebt 
sich  gewissermafsen  iiber  denWagen 
hinaus  und  erscheint  so  nicht  nur 
als  celsus,  sondem  formlich  subU- 
mis,  fast  in  der  Luft  schwebend. 

38  Es  ist  die  tunica  palmata 
und  die  toga  picta  gemeint,  die  im 
Tempel  des  Juppiter  Capitolinus 
aufljewahrt  wurden.  Die  Insignien 
des  Triumphators  nennt  Liv.  X 
7,  10.  —  Zu  Sarrana  Prob.  in  Verg. 
georg.  n  506  Sarrano  dormiut  ostro: 
Tyriam  purpuram  vult  inteUegi  Sar- 
ranum  ostrum.  Tyron  eniin  Sarram 
appeUatam  Homerus  docet,  quem 
etiam  Ennius  (ann.  330  V.)  sequitur 
auctarem  cum  dicit:  Poenos  Sarra 
oriundos.  Tyr  oder  Tyrus  ist  aus 
dem  aramilischen  Sor  oder  Zor  ent^ 
standen. 

39  aulaea  zur  Bezeichnung  der 
aufserordentliehen  Weite  der  falten- 
reichen  Toga,  Cic.  Cat.  II  22  velis 
amictos,  non  togis,  Hor.  epod.  4,  8 
trium  ulnarum  toga  die  Sechsellen- 
toga.  —  coronae,  Plin.  h.  XXXIII 11 
cutn  corona  ex  auro  Etrusca  susti- 
neretur  a  tergo,  anulus  tamen  in 
digito  ferreus  erat  aeque  triumphan- 
tis  et  servi  fortasse  coronam  susti- 
nentis,  Zonar.  VII  21  OL-/.irr,g  uivtoi 
Srjuoaiog  sn'  avtov  Trapwjrttro  rov 
uguurog  tov  otirfuvov  twv  J.i&cov 
tdiv  xQVOodiroiv  vn^Quvix<ov  aurou. 

41  sq.  publicus  servm  gehort  zu- 
sammen.     Die  servi  publici  unter- 


202 


IVVENALIS 


ne  placeat,  curru  servus  portatur  eodem. 
da  nunc  et  volucrem,  sceptro  quae  surgit  eburuo, 
illinc  cornicines,  hinc  praecedentia  lougi 
agminis  officia  et  niveos  ad  frena  Quirites, 
defossa  in  loculos  quos  sportula  fecit  amicos. 
tum  quoque  materiam  risus  invenit  ad  omnis 
occursus  hominum,  cuius  prudeutia  monstrat 
summos  posse  viros  et  magna  exempla  daturos 
vervecum  in  patria  crassoque  sub  aere  nasci. 
ridebat  curas,  nec  non  et  gaudia  vulgi, 
interdum  et  lacrimas,  cum  Fortunae  ipse  minaci 
mandaret  laqueum  mediumque  ostenderet  unguem. 


45 


50 


4G  loculos  P:  loculis 


47  tum  z:  tunc  P        50  verbaecum  P 


stiitzten  bei  hoheren  Magistraten 
cUe  accensi  und  apparitores,  beson- 
clers  wurden  sie  als  Tempeldiener 
und  als  Gehilfen  bei  den  Opfern 
verwandt.  —  sihi  placere  mit  sich 
zufrieden,  stolz  sein,  sich  iiber- 
heben,  6,  276  tu  tihi  tunc,  Vruca, 
places,  Mart.  IV  59  ne  tibi  regali 
2jlaceas,  Cleopatra,  sepulchro,  vipera 
si  tumulo  nohiliore  iacet.  Der  Prator 
wird  hier  consul  genannt,  weil  ur- 
spriinglich  bei  den  circensischen 
Spielen  der  Konsul  prasidierte,  Liv. 
XLV,  1,  6. 

43  da  nimm  noch ,  denke  dir 
noch,  ahnlich  wie  cedo  si  6,  504  und 
13,  210.  Prud.  Symm.  I  349  ehurna 
aquila,  i.  e.  scipio  churneus  cum 
aquila  insidente. 

44  cornicines,  auch  Saitenspieler 
und  Pfeifer,  Appian.  Pun.  66. 

45  officia  die  Beamten,  welche 
in  bestimmter  Eangordnung  voran- 
gehen,  vgl.  ministeria  Diener,  bene- 
ficia  Wohlthater,  consilia  Beisitzer 
des  Kriegsrats,  coniugium  etc. 
Sonst  ist  officium  bei  Juv.  immer 
der  Dienst  oder  die  Dienstleistung 
des  Klienten,  Advokaten,  Sehers, 
2,  132.  134  3,  239.  5,  13.  6,  203. 
7,107.  11,  114.  —  Die  Quirites  sind 
die  togati,  die  Klieuten  und  Freunde 
des  Priitors,  die  dio  sportula  tllg- 
lich  von  ihm  empfangen,  zu  1,  95. 
Sie  sind  nivei.,  weil  sie  alle  in  neuer 
oder  doch  neu  zugerichteter  Toga 
erscheineu. 

47  sq.  Mit  tum  quoque  (aber  auch 
schon  damals)  kehrt  der  Dichter  zu 


Demokrit  zuriick.  —  ad  omnis.occ. 
hom.  bei  jeder  Begegnung,  jedem 
Zusammentrefifen  mitMenschen,d.h. 
bei  jedem  Menschen ,  der  ihm  be- 
gegnete.  Das  Subjekt  in  invenit 
dient  als  Demonstrativ  des  folgen- 
den  cuius. 

49  exempla  daturos  steht  wie  ein 
Adjektiv  dem  summos  parallel.  Die- 
ser  Gebrauch  des  partic.  fut.  act. 
beginnt  bereits  bei  den  augustei- 
schen  Dichtern  und  ist  in  der  sil- 
bernen  Latinitat  ganz  gewohnlich, 
vgl.  8.  4,  10.  14,  10. 

50  verveces,  cl.  h.  die  Abderiten 
oder  Schoppenstadter.  Plaut.  merc. 
567  itane  vero,  vervcx?  intro  eas? 
—  crasso  suh  acre  unter  bootischem 
Himmel,  Hor.  ep.  II  1,  244  Boeotum 
in  crasso  aere  natum. 

51  nec  non  et  auch  3,  204,  schon 
Verg.  I  707  nec  non  et  Tyrii  per 
limina  laeta  frequentes  convenere, 
I  748  nec  non  et  vario  noctem  ser- 
mone  trahebat  infdix  Bido,  III  352 
nec  non  et  Teucri  socia  simul  urbe 
fruuntur.  —  Stat.  s.  II  2,  132  hu- 
manaque  gaudia  vides. 

53  mandare  laqueum  =  se  laqueo 
susj)endere  iuhere,  den  Strang  an- 
befehlen,  starker  Ausdruck  fiir  das 
horazische  (ep.  I  1,  68)  Fortunae 
te  responsare  superbae  libcrum  et 
erectum.  —  medius  digitus  ist  der 
digitus  infamis  oder  impudicus,  wo- 
mit  man  einen  anderen  verhohnt 
oder  seine  Einwirkung  abzuwehren 
sucht,  Pers.  2,  33  frontemque  atquc 
uda  labella  infami  digito  et  lustra- 


LIBRI  IV    SATVRA  X 


203 


orgu  supervacua  est,  aut  perniciosa  petmitur, 
propter  quae  fas  est  geuua  incerare  deorum. 

quosdam  praecipitat  subiecta  potentia  magiiae 
invidiae,  mergit  longa  atque  insignis  honoruni 
pagina:  descendunt  statuae  restemque  sequuntur, 
ipsas  deinde  rotas  bigarum  inpacta  securis 
caedit  et  inmeritis  frangiintur  crura  caballis. 
iam  strident  ignes,  iam  follibus  atque  caminis 
ardet  adoratum  populo  caput  et  crepat  ingeus 
Seianus,  deinde  ex  facie  toto  orbe  secunda 


60 


54  est  addidi,  aut  vel  Boederlein,  aut  ne  p.  petantur  Lachmann 


libus  ante  salivis  expiat,  urentis 
ocitlos  iuhiberc  perita,  Mart.  II  28 
rideto  viultiim,  qiti  te,  Sextille,  cinac- 
dum  dixerit  et  digitum  porrigito 
medium. 

54  Die  Fortwna  als^o  ist  iiber- 
fliissig,  oder  (wenn  sie  nicht  so 
erscheint)  man  erbittet  von  ihr 
solche  Giiter,  die  die  Veranlassung 
werden  {propter  quae),  dafs  der 
Mensch  sich  wieder  vor  den  Gottern 
demiitigen  und  sie  um  Abwehr  des 
Uuheils  bitten  mufs,  das  jene  Giiter 
der  Fortuna  i.m  Gefolge  haben. 
Der  Fortuna  verdanken  es  die  Men- 
schen,  wenn  sie  in  Gefahr  oder 
Unolnck  geraten. 

55  fas  est  =  ociov  uv  &ir],  es  ist 
keine  Siinde,  ist  natiirlich  ('9'fV'S 
tOTiv),  vgl.  257.  —  genua  incerare  = 
vota  in  cereis  tabellis  concepta  deorum 
yenihus  adfigere,  d.  h.  Geliibde,  die 
man  den  Gottern  zu  erfiillen  ver- 
sprach,  wenn  sie  dem  Menschen  aus 
der  Not  helfen  wiirden,  daher  auch 
soviel  ale  genibus  deorum  advolvi, 
demiitig  die  Gotter  um  Hilfe  in 
der  Not  anrufen,  vgl.  Prud.  Apoth. 
457  soleas  Junonis  lamhtrc,  ^jlantis 
Herculis  advolvi,  genua  incerare 
iJianae.  In  den  Knieen  der  Gotter 
dachte  man  sich  den  Sitz  des  Mit- 
leids  derselben. 

1)  56 — 113:  Das  Ungliick  aufser- 
ordentlicher  Macht:  Sejans  Bei- 
apiel;  dann  Crassus,  Pompejus  und 
Casar. 

56  sq.  Die  potentia  ist,  je  grofser 
sie  ist,  um  80  mehr  der  invidia  aus- 
gesetzt,  darnm  an  sich  schon  ge- 
fahrvoll.  —   honorum  pagina,  das 


Ehrenregister,  die  tabula  generis  et 
honorum,  welche  an  der  Wand  auf- 
gehilngt  (vgl.  8,  69)  zugleich  die 
Reihe  der  imagines  der  Vorfahren 
zieren  sollte;  mitunter  wurde  das 
stemma  selbst  titulus  und  tituli  oder 
auch  pagina  honorum  genannt,  denn 
auf  ihm  standen  nomina  tituli  ho- 
nores  geschrieben,  vgl.  Claud.  Stil. 
II  244  cur  pagina  tantum  nescit 
adhuc  nomen,  quod  iam  numerare 
decebat.  —  mergit  ideell,  denn  je 
mehr  Ehren,  tanto  maius  invidiae 
onus  incumbit,  zieht  in  den  Ab- 
grund,  in  die  Tiefe  herab. 

58  descendunt  (vgl.  14,  61)  wer- 
den  herabgerissen  und  steigen  so 
von  dem  Unterbau  herab,  restem 
sequuntur  ahnlich  wie  1,  164  mul- 
ium  quaesitus  Hylas  urnamque  sc- 
cutus.  Die  SchilderuDg  hat  das  be- 
kannte  Schicksal  des  Sejanus  vor 
Augen,  iiber  ihn  vgl.  Tac.  IV  1 — 3. 

59  bigarum  de.s  Triumphwagens, 
auf  welchem  die  statua  triumphalis 
stebt  (vgl.  7,  125) ;  daher  der  Scherz : 
cahallis  (von  Erz)  immerilis  fran- 
gurdur  crura.  An  den  Bild.siiulen 
voUzog  man  die  aufserste  Sklaven- 
strafe,  Sen.  ira  III  32  qtiid  prope- 
ramus  verberare  statim,  crura  pro- 
tinus  frangere? 

6l8qq.  i3ieehernenBiIdnisBekom- 
men  in  den  Schmelzofin.  —  toto 
orbe  secunda,  Tac.  IV  2  facili  Ti- 
berio  atque  ita  prono,  ut  socium 
laborum  non  modo  in  sermonibus, 
sed  apud  patres  et  populum  cele- 
hraret  colique  per  theatra  et  fora 
effigies  eius  interque  principia  le- 
giomm  sineret,  Dio  C.  LVII  4  xaiq 


204 


IVVENALIS 


fient  urceoli  pelves  sartago  matellae. 

pone  domi  laurus,  cluc  in  Capitolia  magnum 

cretatumque  bovem:  Seiauus  ducitur  unco 

spectandus,  gaudent  omnes.     Vjuae  labra,  quis  illi 

vultus  erat.    numquam,  si  quid  mihi  credis,  amavi 

hunc  hominem.     sed  quo  cecidit  sub  criraine?  quisnam 

delator,  quibus  indicibus,  quo  teste  probavit?' 

nil  horum;  verbosa  et  grandis  epistula  venit 

a  Capreis.    'bene  habet,  nil  plus  interrogo.    sed  quid 

turba  Remi?'  sequitur  fortunam  ut  semper  et  odit 

damnatos.    idem  popuhis,  si  Nortia  Tusco 


65 


70 


64  fient   W:  fiunt  Poi 
74  norsia  p 


67  oni.  P  supplevit  p 


70  indiciis  s 


SIV.061V   CCVT.OV  aOTteg   v.ca  taig  tov 

Tl^iQlOV    iyVOV,    11    6v   T£    TtQoas^nv- 
vovv  n  XB  mg  &S(a   s&vov. 

64  jfient,  nicht  fiunt,  denn  wenn 
iiuch  Sejans  Bildnisse  sofort  ein- 
geschmolzen  wurden,  so  findet  doch 
die  Verwendung  des  Erzes  erst 
spater  statt  {cleinde,  mit  der  Zeit, 
bald).  Tac.  III  70  wird  L.  Ennius 
desMajestatsverbrecheus  angeklagt, 
quod  effigiem  principis  promiscum 
ad  usum  argenti  vertisset.  —  urceoli, 
gehenkelte  Schopfgefafse  von  ele- 
ganter  kannenahnlicher  Gestalt,  die 
man  bei  Tische  auch  zur  Mischung 
der  Getrilnke  gebrauchte.  —  sar- 
tago,  Bratpfanne.  —  niatella  {ma- 
tula),  Gefals  fiir  Fliissigkeiten,  ins- 
besondere  der  Nachttopf,  Plaut. 
most.  386  iam  liercle  ego  vos  pro 
niatula  habeho,  nisi  niihi  matulam 
datis. 

65  Vgl.  zu  6,  62. 

66  sq.  cretatus,  schneeweifs,  wie 
12,  3  niveus.  Wie  man  den  nnter- 
irdischen  Gottern  nur  dunkle  Opfer- 
tiere  darbrachte,  so  opferte  man 
den  hinimlischen  Gottern  hellfar- 
bige  Tiere;  die  weifse  Farbe  war 
Ausdruck  grofser  Freude,  z.  B.  beim 
Triumph  wurden  nur  weifse  (um- 
brische)  Stiere  dargebracht.  —  duci- 
tur  spectandns,  wir  gerade  um- 
gekehrt:  schaue  und  freue  dich, 
wie  Sejan  am  Haken  vom  Henker 
(vgl.  13,  245)  geschleift  wird,  spec- 
tari  potest  slKo^svog.  —  In  der 
folgenden  Unterredung  sind  nur 
zwei    Personen    sicher    bemerkbar. 


Sie    vertreten    die    Stimmung    des 
Volkes  (88—89). 

68  si  quid,  246  si  quidquam  cre- 
dis  Homero. 

69  sub  crimine,  die  Anschuldigung 
wird  als  Belastung  gedacht ,  unter 
der  sich  Sejan  nicht  mehr  aufrecht 
erhalten  kann,  4,  12  caderet  sub 
iudice  niorum,  V-erg.  IV  560  naie 
dea,  potes  hoc  sub  casu  ducere 
somnos  ? 

70  Die  Anklage  lafst  einen  An- 
klager  {delator)  und  Zeugen  {indiccs 
und  tcstes),  die  Verurteilung  Richter 
erwarten.  Vgl.  6, 220  quis  testis  adest? 
quis  detulit?  6,  562  faciet  quod  de- 
ferat  ipse.  —  probavit,  sc.  delator. 
Die  p)robutio  cciusae  vor  den  Richteni 
bedarf  der  Beweismittel,  daher  quo 
teste  und  quibus  indicibus  Verrater. 

71  Dio  C.  LVIII  10  rjv  8s  niaxpa 
(17  sniGtoXrj)  Kal  ovSsv  cc&qoov  kccxcc 
xov  Zlrjiccvov  six.sv,  ccXXcc  xcc  fisv 
ngcoxcc  alXo  xi,  slxcc  (]iS[iipiv  xar' 
avxoi}  ^Qaxsi^av,  Kal  fisx'  avxrjv 
sxsQOV  Ti,  Kal  %ax  stisCvov  allo' 
v.al  ini  xsXsvx^g  dvo  xs  l^ovXsvxag 
xcov  oj-KSicofisvcov  ol  Kolaa&fivai  val 
avxov  sv  cpQOVQcc  ysvsad^ai  dsiv 
sXsysv. 

73  turba  llemi  und  JRomuli  turba 
wurde  unterschiedslos  gesagt;  Prop. 
II  1,  23  regnave  prima  Bemi,  V  6, 
80  reddat  {Parthus)  signa  Benii. 
Das  Verilchtliche  liegtniir  im  Worte 
turba.   . 

74  Sejan  stammte  von  Volsinii 
in  Etrurien.  Liv.  VIII  3,  7  Volsi- 
niis  quoque  clavos    indices   numeri 


LIBRI  IV    SATVRA  X  205 

favisset,  si  oppressa  foret  secura  senectus  75 

principis,  liac  ipsa  Seianum  diceret  hora 

Augustuni.    iam  priilem,  ex  quo  suttVa<:fia  nulli 

veiulimus,  ettudit  curas;  nam   qui  dabat  olim 

imperium  fasces  legiones  omnia,  nunc  se 

continet  atque  duas  tantum  res  anxins  optat,  80 

panem  et  circenses,     'perituros  audio  multos.' 

nil  dubium,  magna  est  fornacula.     'pallidulus  mi 

Hruttidius  meus  ad  Martis  fuit  obvius  aram; 

quam  timeo  victis,  ne  poenas  exigat  Aiax 

ut  male  defensus.     curramus  praecipites  et  86 

dum  iacet  in  ripa,  calcemus  Caesaris  hostem. 

sed  videant  servi,  ne  quis  neget  et  pavidum  in  ius 

82  pallidus  mihi  brutidius  P        84  victia   W\-  victus  Pco 


fixos  in  templo  Kortiac,  Etruseae 
deae,  comparere  diUgcns  taliuin  mo- 
numentorum  auctor  Cinciusadlirmat. 
Es  ist  also  Nortia  die  Fortuna  oder 
die  Necessitas  der  Etrusker,  vgl. 
Hor.  I  35,  17. 

75  secura,  Tac.  IV  1  Tiherium 
variis  artibus  devinxit  adeo,  ut  ob- 
scurum  adversum  alios  sibi  uni  in- 
cautum  intectumque  efftceret.  Die 
umschreibende  Charakteristik  der 
Person  wie  4,  81  Crisjn  iucunda. 
scnectus. 

77  Die  Wahl  der  Magistrate  ging 
14  n.  Chr.  an  den  Senat  iiber,  Vell. 
II  124.  126.    Tac.  I  15. 

78  e/fudit  curas,  hat  alle  Teil- 
nahme,  den  Sinn  fiir  ofFentliche 
Interessen,  verloren,  Sen.  ira  II  35,  3 
omnem  curam  siii  effundunt. 

79  omnia,  zu  3,  38. 

81  Vgl.  7,  174.  8,  118  qui  satu- 
rant  urbem  circo  scaenaeque  vacan- 
tem.  —  perituros,  Tac.  VI  19  irri- 
tatusque  suppliciis  cunctos  qui  car- 
cere  attinebantur  accusati  societatis 
cum  Seiano  necari  iussit. 

82  magna  fornacula,  mit  Bezug 
auf  61  sq.  Den  Spott  steigert  die 
Verbindung  des  Attributs  magna 
mit  dem  Deminutiv.  —  mi,  nur 
hier,  sonet  gebraucht  Juv.  immer 
mihi. 

83  Brutttdius  oder  Bruttedius 
Niger  war  im  J.  22  Mitanklager 
des  C.  Silanns,  Tac.  ill  60.  Er  war 
Kedner,  Sen.  contr.  IX  35,  u.  wahr- 


scheinlich  auch  Geschichtschreiber, 
Seii.  suas.  VI  20.  21.  —  Die  ara 
Martis  war  auf  dem  Marsfeld,  nicht 
weit  vom  Ovile,  Liv.  XL  45,  8  cen- 
sores  in  Campo  ad  aram  Martis 
consederunt. 

84  Aiax  hatte  in  seiner  Raserei 
nicht  nur  gegen  den  vermeintlichen 
Odysseus  uud  die  Atriden,  sondern 
aAich  gegen  die  Herde,  d.  h.  gegen 
das  Heer  der  Achiier  gewiitet.  Mit 
ihm  wird  Tiberius  verglichen.  Er 
wutete  gegen  die  Anhiinger  Sejans 
und  den  Senat  {victi);  es  fiihlte 
sich  niemand  mehr  sicher,  und  es 
war  zu  fiirchten,  dafs  er  das  ganze 
Volk  in  seiner  Raserei  anfallen 
wiirde.  —  Timere  mit  Dativ  und 
einemObjekti  vsatz  wie  metuere  Plaut. 
Asin.  112  profecto  nemost  quem  iam 
deliinc  metuam  mihi,  ne  quid  nocere 
possit.  —  poenas  exigat,  wie  187. 

85  ut  malc  defensus,  vom  Senat 
{victis),  der  dem  Sejan  sich  allzu 
sehr  ergeben  gezeigt  hatte. 

86  Dio  LVIII  11  y«i  ovTCO  Siyiaico- 
&i:ig  •AccTiK  T£  zdiv  ccvu^aGficov  {scaJae 
Gemoniae)  fQQicpr]  xat  uvtov  o  o(ii- 
Xog  TQcalv  dXaig  rifi^Qaig  fhmrjvaro 

V.ul      lllTCC     tOVTO      tig      TOl'      nOTUflOV 

tvi^aXiv. 

87  Bei  Hochverratsprozes-senwurde 
auch  die  Zeugenausaage  der  Sklaven 
angt-nommen,  die  iiberhaupt  dem 
Tiberius  als  geeignetes  Mittel  er- 
schion,  hinter  die  Geheimnisse  der 


206 


IVVENALIS 


cervice  obstricta  dominum  traliat/     lii  sermones 
tunc  de  Seiano,  secreta  haec  murmura  vulgi. 
visne  salutari  sicut  Seianus,  liabere 
tantundem  atque  illi  summas  donare  curules, 
illum  exercitibus  praeponere,  tutor  haberi 
principis  angusta  Caprearum  in  rupe  sedentis 
cum  grege  Chaldaeo?  vis  certe  pila  cohortes 
egregios  equites  et  castra  domestica,  quidui 
haec  cupias?  et  qui  nolunt  occidere  quemquam, 
posse  volunt,     sed  quae  praeclara  et  prospera  tanti, 
ut  rebus  laetis  par  sifc  mensura  malorum? 
huius,  qui  trahitur,  praetextam  sumere  mavis, 
an  Fidenarura  Gabiorumque  esse  potestas 


90 


95 


100 


93  angusta  s:  augiista  Pa> 


feindseligen  Nobilitat  zu  kommen, 
Tac.  II  30. 

88  cervice  obstricta  =  obtorto 
collo,  Plaut.  Poen.  III  5,  45.  Curc. 
707  collum  opstringe  homini.  Aul. 
I  1,  39. 

89  secreta  murmura,  'Gefliister'. 

90  sq.  salutari,  von  den  Morgen- 
aufwartungen,  die  bei  Sejan  um  so 
grolsartiger  waren,  je  hoher  sein 
Einflufs  stieg.  —  hdbere  tantundem, 
sc.  potentiae,  also  =  tantundem  va- 
lere,  Quint.  I  5,  4  quae  idem  signi- 
ficant  ae  tantundem  valent.  —  sum- 
mas  curules,  die  hochsten  curn- 
lischen  Amter  und  Wiirden  (digni- 
tates,  sellas).  So  steht  curulis  ofter 
absolut,  vgh  Heraus  zu  Tac.  h.  II 
59,  15  und  Mart.  XI  98  sedeas  in 
alto  tu  licet  tribunali  et  e  curuli 
iura  gentibus  reddas,  Stat.  s.  III  3, 
115  fasces  summamque  curulem  tulit. 
—  illi  .  .  illum,  dem  eiuen.  .  einen 
anderen,  wie  196.     Vgl.  2,  93—99. 

92  sq.  tutor  principis,  "'Schirm- 
vogt  des  Kaisers'.  Die  Insel  Ca- 
preii  heifst  angusta  im  Gegensatz 
zur  Ausdehuung  des  Reiches  und 
der  weiten  Macht  des  Kaisers,  be- 
zeichnet  aber  auch  die  stille  Ein- 
samkeit  des  Fiirsten,  der  sich  mit 
einem  schmalen  Streifen  Landes 
begniigt,  ahnlich  CatuU.  64,  80  quis 
angusta  malis  cum  moenia  vexaren- 
tur,  Prop.  I  8,  22  angusto  mecum 
requiescit  lccto,  Claud.  III  203  ct 
casa  pugnaces  Curios  angusta  tegebat. 


94  Tac.  VI  20  scientia  Chaldaeo- 
rum  artis,  cuius  apiscendae  otium 
apud  Bhodum,  magistrum  Tlirasyl- 
lum  habuit. 

95  egregios  equites  =  illustres 
oder  insignes  equites,  als  Ordonnanz- 
offizier.  —  castra  domestica,  Ehren- 
und  Schutzwachen  im  Hause,  wie 
sie  Sejan  hatte. 

96  et  qui  —  etiam  ii  qui;  Teren- 
tius  bei  Tac.  VI  8  plurimam  iu- 
vandi  nocendive  potentiam  Seiano 
fuisse  nemo  negaverit. 

97  sq.  praeclara  et  prospera, 
Glanz  und  Gliick  haben  keinen 
Wert,  wenn  (ut)  das  Schlrmme  da- 
bei  ebenso  zahlreich  ist  wie  das 
Gute,  wenn  die  Nachteile  nicht 
geringer  sind  als  die  Vorteile;  denn 
beides  haftet  am  Gliick  und  am 
Glanz;  14,  314  von  Alexander:  pas- 
surus  gestis  aequanda  pericula  rebus. 
Der  Dichter  erinnert  dabei  an  Epi- 
kurs  Lehre  von  dem  Verhaltnis  der 
voluptas  zum  dolor. 

100  Fidenae  und  Gabii  werden 
auch  6,  56  als  kleine  Landstadte 
genannt,  vgl.  zu  3,  192  und  7,  4. 
—  Der  hochste  Beamte  {potestas, 
vgl.  7,  200)  einer  solchen  Stadt 
war  der  Adil  oder  Duumvir,  den 
Hor.  s.  I  5,  34  verachtlich  scriba 
nennt.  Zur  Polizeigewalt  des  Adilen 
gehorte  die  Aufsiclrt  iiber  Mais  und 
Gewicht.  Die  zu  kleinen  Mafse 
wurden  vernichtet,  Pers.  1, 130  Italo 


LlBRl  IV     SATVRA  X 


207 


et  de  meusura  ius  dicere,  vasa  miuora 
frangere  panuosus  vacuis  aedilis  Vlubris? 
ergo  quid  optandum  foret,  ignorasse  fateris 
Seianum;  nam  cuni  nimios  optabat  lionoros 
et  nimias  poscebat  opes,  numerosa  parabat 
excelsae  turris  tabulata,  unde  altiur  esset 
casus  et  impulsae  praeceps  immaue  ruiuae. 
quid  Crassos,  quid  Pompeios  evertit  et  illuui, 
ad  sua  qui  domitos  deduxit  flagra  QuiritesV 
summus  nomi)o  locus  uulla  non  arte  petitus 
magnaque  uuminibus  vota  exaudita  maliguis. 
ad  generum  Cereris  sine  caede  ac  vulnere  pauci 
descendunt  reges  et  sicca  morte  tyrauni. 

eloquiura  ac  famam  Demosthenis  aut  Ciceronis 
incipit  optare  et  totis  quinquatribus  optat, 


105 


110 


115 


104  cum    W:  qui  Pw         114  ac  jJco;  aut  P        115  quinqua****   P 


quod  honore  supinus  frcgerit  hcmi- 
nas  Arreti  aedilis  iniquas. 

102  pannosus,  vgl.  3,  179.  Hor. 
ep.  I  11,  7  scis  Lehedus  quid  sit, 
Gabiis  desertior  atque  Fidenis  vi- 
cus,  dann  30  quod  petis  hic  est,  est 
Vlubris. 

104  sq.  cum  .  .  optabat,  parabat, 
denn  seine  Wunsclie  stiegen  mit 
der  Zeit  immer  hoher;  Sejan  baute 
ein  Stockwerk  (3,  199)  iiber  das 
andere,  um  nach  und  nach  einen 
alle  anderen  iiberragenden  Palast 
(turris)  zu  gewinnen,  bis  am  Ende 
der  muhevolle  Bau  zusammenbrach; 
Hor.  II  10,  10  cccelsae  graviore  casu 
decidutit  turres.  —  numerosa,  wie 
7,  151  classis  7iumerosa,  an  der- 
selben  Versstelle. 

107  praeceps,  ?ubst.  der  jiihe 
Sturz,  der  Abgrund,  vgl.  1,  149 
omne  in  praecipiti  vitium  stetit.  — 
ruina  ist  der  einstiirzende  Gegen- 
btand  (der  Bau),  daher  ruinam  im- 
jyellere:  der  Sturz  des  znsammen- 
brechenden  Baues  ist  oder  geht 
unermefslich  tief,  der  Sturz  in  den 
unermefslichen  Abgrund. 

109  domitos,  wic  wilde  Tiere  hat 
er  sie  erst  bezwungen  und  dann 
mit  der  Peitsche  dressiert. 

110  nempe  (aua  nampe),  offenbar, 
ja  ja,  leitet  die  Antwort  ein  auf 
die  108sq.  gestellte  Frage,  vgl.  185. 
326.   8,  57.    180.    13,  166.      Ebenso 


erfolgt  damit  13,  181  die  Beant- 
wortung  eines  Einwurfs.  Eiu  Aus- 
ruf  geht  10,  160  voran.  Irouisch 
steht  es  3,  95.  —  nulla  non  arte, 
mit  jedem  Mittel;  nach  Suet.  30  soll 
Casar  denVers  desEuripides^Phoen. 
524)  im  Munde  gefiibrt  haben:  nam 
si  violandum  est  ius,  regnandi  gra- 
tia  violandum  est,  aliis  rebus  pie- 
tatem  colas. 

111  vota  exaudita,  die  Erhorong 
oder  Erfiillung  seines  Wunsches; 
dagegen  verbal  Verg.  XI  157  nulH 
exaudita  deorum  vota  precesque 
meae!    Vgl.  178.  6.  12,  126.  14,  200. 

112  (jfener  Ce/e?is  fiir  Pluto  klingt 
spottisch,  wie  13,  50  oder  3,  265. 
Vgl.  2,   149  sq. 

113  desccndunt,  zu  6,  622:  Da- 
fiir  Hor.  IV  7,  14  nns  ubi  decidi- 
mus  quo  pater  Aeneas  etc.  —  sicca 
morte,  unblutigen  Todes,  Prop.  V 
10,  12  hic  spolia  ex  umeris  ausus 
sperare  Quirini  ipse  dedit,  sed  non 
sanguine  sicca  suo. 

2)  114—132:  Auch  der  Iluhm  ge- 
waltiger  Beredsamkeit  fiihrt  ins 
Ungliick. 

115  Das  Fest  dor  Minerva  dauerte 
fiinf  Tage,  vom  19.  bis  23.  Miirz.  Je 
nach  der  Machtfiillo  der  Minerva 
und  der  Stellung  der  Menschen 
waren  die  Geliibde,  welche  man 
darbrachte,  verscbieden;  Ovid  fant. 
III  815    Pallada    nunc  pueri   tene- 


208 


IVVENALIS 


quisquis  adhuc  uno  parcam  colit  asse  Minervam, 
quem  sequitur  custos  angustae  vernula  capsae. 
eloquio  sed  uterque  perit  orator,  utrumque 
largus  et  exundans  leto  dedit  ingenii  fons. 
ingenio  manus  est  et  cervix  caesa,  nec  umquam 
sanguine  causidici  maduerunt  rostra  pusilli. 
^o  fortunatam  natam  me  consule  Eomam': 
Antoni  gladios  potuit  contemuere,  si  sic 
omnia  dixisset.    ridenda  poemata  malo, 
quam  te,  conspicuae  divina  Philippica  famae, 
volveris  a  prima  quae  proxima.    saevus  et  ilhim 
exitus  eripuit,  quem  mirabantur  Athenae 


120 


125 


raeque  orate  puellae:  qui  bene  fla- 
earit  Pallada,  doctus  erit.  Es  fin- 
den  sich  fuu  den  Nanien  des  Festes 
die  Formen  Quinquatrus,  Quinqua- 
tres  und  Quinquatria,  Biicheler  Lat. 
Dekl.  19. 

116  Der  Vers  umschreibt  den 
Begriff  ABC-Schuler:  der  Knabe 
pflegt  die  Minerva  (=  litteras),  die 
aber  fiir  ihn  noch  karg  (parcd)  ist, 
wie  sie  ja  auch  fiir  geriuges  Geld 
(rmo  asse)erworbenwird.  Das  Schul- 
geld  wurde  entweder  monatlich  (vgL 
zu  Hor.  s.  I  6,  75),  oder  jahrlich 
bezahlt,  Macrob.  s.  I  12,  7.  Hier 
ist  an  monathche  Bezahlung  zu 
denken,  wenn  auch  der  Knabe  noch 
die  Trivialschule  des  ludimagister 
besucht,  wo  Lesen  und  Schreiben 
und  etwas  Rechnen  gelernt  wurde. 

117  Der  Haussklave  (vernula) 
folgt  dem  Knaben  als  Trager  (cu- 
stos)  der  Mappe  (capsa),  worin  das 
Schreib-  und  Lehrmaterial  sich  be- 
findet,  Hor.  s.  I  6,  78  vesteni  servos- 
que  sequentis  si  qui  vidisset,  CatulL 
68,  36  huc  una  ex  midtis  capsula 
me  sequitur.     Zu  custos  vgL  144. 

118  perit  ist  Perf.,  vgL  zu  6,  295. 
Das  in  dem  Vers  beriihrte  Thema 
wird  auch  in  Senecas  Suasorien  (6) 
und  in  den  Controversien  (p.  196 B), 
von  Cornelius  Severus  sogar  in 
Versen  (ibid.  37)  behandelt. 

119  exundans,  infolge  der  uber- 
tas  ingenii,  der  Grundlage  der  copia 
und  vis  dicendi.  —  ingenium  ist  die 
ErfindungskraftjGedanken  (bei  Dich- 
tern  =  Phantasie),  daher  oft  = 
Beredsamkeit  iiberhaupt,   vgL  Cic. 


Arch.  1  si  quid  est  in  me  ingenii. 
—  leto  dedit  war  der  ubliche  Aus- 
druck  zur  Bezeichnung  der  Todes- 
ursache,  dafiir  CatulL  68,  91  quae- 
que  etiam  nostro  letum  miserabile 
fratri  attulit. 

120  Liv.  epit.  120  prominenti 
(dem  Cicero)  ex  lectica  praebentique 
immotam  cervicem  caput  praeeisum 
est;  nec  satis  stolidae  crudelitatis 
fuit:  manus  quogtie,  scripsisse  in 
Antonium  Fhilippicas  exprobrantes, 
praeciderunt. 

121  causidici  pusilli  eines  zwerg- 
haften  Advokaten  ohne  gelehrte 
und  rednerische  Bildung,  den  Cic. 
or.  ni  79  vulgaris  orator  nennt. 

122  Der  Vers,  den  auch  Quint. 
IX  4,  41  u.  XI  1,  24  erwixhnt,  ent- 
halt  den  Ausruf :  wie  armselig  oder 
lacherlich  war  er  doch  als  Dichter! 
Mart.  II  89  carmina  quod  scribis 
Musis  et  Apolline  nullo,  laudari 
debet:  hoc  Ciceronis  habes. 

123  spielt  auf  Ciceros  eigene 
VV^orte  an  in  Phil.  II  118  defendi 
rem  publicam  adulescens,  non  de- 
seram  senex,  contempsi  Catilinae 
gladios,  non  pertimescam  tuos. 

125  sq.  conspicuae  famae  ist  Gen. 
der  Eigensch.  —  a  prima,  von  der 
ersten  aus  berechnet,  wie  247  vita  a 
cornice  secunda.  Dafs  die  zweite  Rede 
gegen  Anlonius  in  den  Rhetor- 
schulen  vielfach  behandelt  wurde, 
zeigt  die  Nachahmung  und  die 
Gegenrede  des  Dio  Cassius,  die 
einem  Freuude  des  Antonins  in  den 
Mund  gelegt  wird. 

126  Ubergang:  nicht  gliickliehcr 
war  dcs  Demosthenes  Schicksal. 


LIBRI  IV    SATVRA  X 


209 


torrentem  et  pleni  moderantem  frena  theatri. 
Jis  ille  adversis  genitus  fatoque  sinistro, 
quem   pater  anlentis  massae  tuligine  lii»pus 
a  carbone  et  tbrcipibus  glailiosque  paranti 
incude  et  luteo  Vulcano  ad  rhetora  misit. 
bellorum  exuviae,  truncis  adfixa  tropaeis 
lorica  et  fracta  de  casside  buccula  pendens 
et  curtum  temone  iugum  victaeque  triremis 
aplustre  et  summo  tristis  captivus  in  arou 
humanis  maiora  bonis  creduntur.    ad  hoc  se 
Romanus  Graiusque  et  barbarus  induperator 
erexit,  causas  discriminis  atque  laboris 


130 


135 


134  casside  p  erasum  in  P        137  lios  P 


128  torrentem,  'weun  der  Strom 
seiner  Beredsamkeit  sich  ergofs' 
Im  Theater  des  Dionysos  wurden 
die  meisteu  VolksversammluDgen 
abgehalten.  —  moderari  frena  = 
frena  tencre  bei  Claud.  I  59  Italiae 
latae  cum  frena  teneret,  dazu  tritt 
theatri  (das  im  Theater  versammelte 
Volk)  pleni  als  Gen.  obiectivus  oder 
passivus.  Ovid  ex  P.  II  9,  33  Cae 
sar  ut  imperii  moderetur  frena,  pre- 
camur. 

129  Pers.  4,- 27  hunc  ais,  hunc 
dis  iratis  genioque  sinistro,  d.  h. 
hunc  infdicem  oder  miserum. 

130  pater  lippus,  'der  kurzsich- 
tige  Vater',  zugleich  mit  Riicksicht 
auf  das  den  Augen  schildliche  Ge- 
schaft  des  Vaters,  der  eine  Schwert- 
fabrik  besafs  {(luxcctQonoiog).  Da 
der  Vater  starb,  als  der  Sohn  erst 
sieben  Jahre  alt  war,  so  ist  der 
Gedanke  Juvenals  ein  MifsgriflF. 

132  lHteus  {lutum ,  Schmutz), 
rufsig,  ist  ebenso  von  liitulentus,  voll 
Schmutz,  als  von  luteus  (von  liitum, 
Gilbkraut),  'goldgelb'  verschieden. 
—  Isaeus  war  nicht  der  einzige  und 
nicht  der  erste  Lehrer  des  Demo- 
sthenes  in  der  Rhetorik. 

3)  133—187 :  Ebenso  ffihrt  kriege- 
rischer  Ehrgeiz  nur  ins  Ungliick,  wie 
das  Schicksal  sowohl  des  Hannibal 
und  Alexander  als  auch  des  Xerxes 
beweist. 

133  sq.  exuviae  bellorum,  die  der 
Krieg  gewiihrt,  kriegerische,  Tac. 
III  72  hostiles  exuvias  ornatum  ad 
urbis   conferrc.     Die   Beschreibung 

IVVKKALIS    SaTVKAK. 


eines  altromischen  Siegesdenkmals 
{tropaeum)  giebt  Verg.  XI  15:  in- 
gentem  quercum  decisis  undique  ramis 
constituit  tumulo  fulgentiaque  in- 
duit  arma,  Mezenti  ducis  exuvias, 
tibi  magne  tropaeum  Bellipotcns; 
aptat  rorantis  sanguine  cristas  tcla- 
que  trunca  viri.  So  heifst  hier  das 
tropaeum  selbst  truncum,  weil  es 
truncis  armis  telisque  exstructum  ist. 
Juv.  scheint  an  die  Trajanssaule 
zu  erinnern ,  besonders  mit  buc- 
cula  pendcns,  den  herabhangenden 
Backenstiicken  am  zerbrochenen 
{fracta)  Helm,  und  136  captivus  in 
arcu. 

135  curtum  tcmone,  'um  die 
Deichsel  zu  kurz',  denn  an  der  Spitze 
der  Deichsel  wurde  das  Joch  be- 
festigt,  mit  abgebrochener  Deichsel. 

136  aplustre  aus  ci(p}.acTov,  der 
mit  Flaggen  nnd  Bilnderu  gezierte 
Spiegel  des  Schiffes,  Sil.  X  324  et 
transtra  et  mali  laceroque  ax>lustria 
velo.  Der  Triumphator  zog  durch 
die  porta  triumpbalis  auf  dera  Mars- 
feld  in  die  Stadt  ein.  In  der  Kaiser- 
zeit  errichtete  man  vielfach  in  der 
Stadt  dauernde  Triumphbogen,  vgl. 
Prnd.  Symm.  II  556  sq. 

137  humanis  maiora,  (iti^oi  /J 
y.ciz'  avd^Qconov,  iibermenschliches 
Gliick. 

138  induperator,  sarkastisch  wie 
4,  29. 

139  se  erexit,  fiihlt  sich  gegen- 
iiber  der  Miihsal  {si  r^uo  afflictus 
casu  concidit)  bei  der  Aussicbt  auf 
Triumph  immer  wieder  gehoben. 

14 


210 


IVVENALIS 


inde  liabuit;  tanto  maior  famae  sitis  est  quam 
virtutis.    quis  enim  virtutem  amplectitur  ipsam, 
praemia  si  toUas?  patriam  tamen  obruit.olim 
gloria  paucorum  et  laudis  titulique  cupido 
haesuri  saxis  cinerum  custodibus,  ad  quae 
discutieuda  valent  sterilis  mala  robora  fici, 
quandoquidem  data  sunt  ipsis  quoque  fata  sepulcris. 
expeude  Hannibalem:  quot  libras  in  duce  summo 
invenies?  hic  est,  quem  non  capit  Africa  Mauro 
percussa  oceano  Niloque  admota  tepenti 
rursus  ad  Aethiopum  populos  aliosque  elephantos? 
additur  imperiis  Hispauia,  Pyrenaeum 
transilit.    opposuit  natura  Alpemque  nivemque: 
diducit  scopulos  et  montem  rumpit  aceto. 


140 


145 


150 


144  atque  P  145 

Priscianus:  altosque  P 


robula  P  147  quod  P         150  aliosque  co 


140  maior  famae  sitis,  wahrend 
die  Stoa  lehrt,  das  Gute  nur  aus 
Begeisternng  fiir  das  Gute  zu  thun, 
Hor.  ep.  I  16,  52  oderunt  peccare 
honi  virtutis  amore,  Sen.  b.  v.  9  vir- 
tus  sui  pretium  est. 

142  Ohne  Ruhm  {praemia)  giebt 
es  leider  keine  virtiis.  Die  Ruhm- 
sucht  aber  ist  es,  die  den  Ruin  der 
romischen  Republik  verursacht  hat. 
—  olim,  'seiner  Zeit',  vgl.  14,  225 
clices  olim  'nec  talia  suasi\  5,  110. 
6,  42.  157.  281.  10,  78.  163.  14,  180; 
dann  'vor  Zeiten'  8,  98.  10,  173. 
11,  77.  15,  93;  endlich  'liingst'  3, 
163.  4,  96.  6,  90.  346.  9,  17. 

143  sq.  tituU  in  den  Fasten  (Hor. 
IV  14,  5  per  titulos  memoresque  fa- 
stus),  an  den  imagines  (Hor.  s.  1  6, 
17  populus  stupet  in  tilulis  et  ima- 
ginihus),  auf  den  tropaea  oder  arcus 
(Tac.  11  18),  endlich  auf  den  se- 
pulchra,  vgl.  6,  230  titulo  res  iligna 
scpulehri,  daher  haesuri  saxis,  um 
schliefslich  in  den  Stein  (Marmor 
Hor.  IV  8,  13)  gegraben  zu  werden, 
der  die  Asche  umschliefst.  Ov.  m. 
XIII  703  dantque  sacerdoti  custodem 
turis  acerram,  vgl.  zu  117. 

145  mala  rohora,  v^eil  der  Baum 
den  sein  Wachstum  hindernden 
Stein  zersprengt,  Mart.  X  2  mar- 
mora  Messalae  findit  caprificiis, 
Pers.  1,  25  nisi  quae  semcl  intus  in- 


nata  est  rupto  iecore  exierit  capri- 
ficus. 

146  Auson.  epigr.  35,  9  monu- 
menta  fatiscunt,  mors  etiam  saxis 
nominihusque  venit. 

147  expende,  'lege  auf  die  Wage.' 
Vgl.  Hor.  II  16,  17  quid  brevi  for- 
tes  iacuJamur  aevo  multa?  c(iikq6s 
(ov  (isycc  cpQOvst. 

149  Afrika  wird  im  Westen  vom 
Ocean  bespiilt,  Hor.  II  6,  3  iibi 
Maura  semper  aestuat  unda.  Ver- 
mittels  des  siidlichen  {tepenii)  Nils, 
d.  h.  im  Siiden  ist  es  mit  dem  Nil 
derEIefantenzone,  d.  h.  derLinie,  wo 
grofsere  Elefanten  gedeihen,  nahe- 
gervickt.  Afrika  wird  mit  der  kar- 
thagischen  Herrschaft  identifiziert, 
und  die  Ausdehnuug  des  Nillaufes 
scheint  die  Ausdehnung  Afrikas 
zu  vermitteln,  daher  Abl.  instru- 
mentalis. 

152  opposuit,  'endlich  atellt 
ihm  entgegen'. 

153  diducit,  'aber  er  sprengt  die 
Felsen'.  —  Alpis  (vom  keltischeu 
alp  =  Hochgebirg)  ist  im  Singular 
nur  dichterisch,  Ov.  ars  III  150 
quot  in  Alpe  ferae.  Juv.  gebraucht 
sonst  (1.66  u.  13,  162)  den  Plural. 
Das  Sprengen  der  Felsen  erzilhlen 
Liv.  XXI  37  u.  Plin.  h.  XXIII  57, 
wiihrend  Polybius  davon  schweigt. 


LTBRI  IV    SATVRA  X 


211 


iam  tenet  Italiam,  tameu  ultra  pergere  tendit. 

'actum'  inquit  'uiliil  est,  uisi  Poeno  milite  portas 

fraugimus  et  media  vexillum  pouo  Subura.' 

o  qualis  faeies  et  quali  digna  tabella, 

cum  Gaetula  ducem  portaret  belua  luscum. 

exitus  ergo  quis  est?  o  gloria,  vincitur  idem 

uempe  et  in  exilium  praeceps  fugit  atque  ibi  magims 

miraudusque  cliens  sedet  ad  praetoria  regis, 

donec  Bitliyno  libeat  vigilare  tyranno. 

Hnem  animae,  quae  res  liumauas  miscuit  olim, 

non  gladii,  nou  saxa  dabunt  nec  tela,  sed  illo 

Cannarum  vindex  et  tauti  sanguinis  ultor 

anulus.    i  demens  et  saevas  curre  per  Alpes, 

ut  pueris  placeas  et  declamatio  fias. 

unus  Pellaeo  iuveni  uon  sufficit  orbis, 

aestuat  iufelix  angusto  limite  mundi 


15t 


100 


165 


166  i  om.   P 

154  iain  tenet ,  'endlich  hat  er 
erreicht'. 

156  frangimus  .  .  pono,  ersteres 
gemeinsam  mit  den  Tiuppen,  letzte- 
res  er  als  Fiihrer  den  Trujjpen 
voran.  Zur  Sache  vgl.  6,  291  pro- 
.cumiis  urhi  Hannibal  et  stantes 
Collina  turre  mariti.  —  Die  Subura 
war  zwischen.  dem  Caelius  und 
Esquilinus,  woran  sich  der  Wall 
des  Servius  und  die  porta  CoUina 
schlofs. 

158  Die  Giituler  bewohnten  an 
den  Grenzen  Mauretaniens  den  nord- 
westlichen  Teil  der  Sahara,  den 
raittleren  die  Garamanten.  Vgl. 
5,  53  tibi  p)OQula  cursor  Gaetulus 
dabit.  —  luscus,  vgl.  Liv.  XXII  2. 

160  fugit,  196  oder  195  v.  Chr  , 
Nepos  XXIII  7,  6.  Liv.  XXXIII  47. 
Da  die  romischen  Gesandten,  um 
seine  Auslieferung  zu  verlangen,  be- 
reits  in  Karthago  erschienen  wareu, 
mufste  Hannibal  in  aller  Eile  {prae- 
ceps)  heimlich  entfliehen. 

161  cUens  sedet,  malerisch,  ad 
praetoria,  vor  dem  Palaste,  d.  h.  im 
Empfangszimmer  wie  die  Hoflinge 
{purpurati)  wartend,  vgl.  1,  75. 

162  Prusias  war  236  —  186  v.  Chr. 
Konig  von  Bithynien.  —  vigilare, 
'aufstehen'.  Der  ganzen  Schilder- 
ung  liegt  die  Anschauung  der  salu- 
tutio  matutina  der  Klientenbei  ihreni 
Patron  iu  Rom  zu  Gruude. 


163  miseere  wie  cvykvhuv,  'die 
Welt  in  Unruhe  und  Verwirrung  zn 
setzen'. 

164  Zu  dem  einen  Glied  non 
gladii  non  saxa  tritt  nec  tela  als 
zweites  Glied  hinzu;  verschieden 
ist  13,  121. 

166  anulus,  Nep.  XXIII  12,  5 
venenum  quod  semper  secum  habcre 
consuerat  sumpsit.  —  i  et  curre,  d.  h. 
das  ist  der  Miihe  wert!  Juvenal 
verbindet  so  i  mit  dem  folgenden 
Imperativ  nur  durch  ct,  ilhnlich 
2, 131  vade  ergo  et  cede  severi  iugera 
campi  (aber  dem  Sinne  nach  ver- 
schiedenl),  Horaz  gewohnlich  ohne 
et,  nur  ep.  II  2,  76  i  nunc  et  medi- 
tare.  Die  Grundform  dieser  iro- 
nischen  Aufforderung  giebt  Ilom. 
II.  III  432  uXX'  l&i  vvv  TCQOKaX^caai. 
ixQrjLffiXov  MsviXaov. 

167  pueris  placeas,  als  Lieblings- 
thema  fiir  die  tjbungsrede  {decla- 
matio)  in  der  Rhetorschule,  vgl.  zu 
7,  160. 

168  non  sufficit,  wie  148  non 
capit  Africa  (vgl.  11,  171),  und  ov 
%(OQii  Demosthenes  von  Philipp. 
Pella  und  orbis  treten  dabei  in 
ironischen  Gegensatz.  Claud.  VIII 
374  fertur  Pellaeus,  eoum  fjui  do- 
muit  Porum,  cum  prosjjera  saepe 
Philippi  audirct,  laetos  inter  flevisse 
sodales,  nil  sibi  vincendum  putris 
virtute  relinqui. 

14* 


212 


IVVENALIS 


ut  Gyari  clausus  scopulis  parvaque  Seriplio; 
cum  taruen  a  ficfulis  munitam  intraverit  urbem, 
sarcopliago  contentus  erit.     mors  sola  fatetur, 
quantula  sint  hominum  corpuscula.    creditur  olim 
velificatus  Athos  et  quidquid  Graecia  mendax 
audet  in  liistoria,  constratum  classibus  isdem 
suppositumque  rotis  solidum  mare,  credimus  altos 
defecisse  amnes  epotaque  fiumiua  Medo 
prandente  et  madidis  cantat  quae  Sostratus  alis. 
ille  tamen  qualis  rediit  Salamine  relicta, 
in  corum  atque  eurum  solitus  saevire  fiagellis 
barbarus  Aeolio  numquam  hoc  in  carcere  passos, 
ipsum  conpedibus  qui  vinxerat  Ennosigaeum  — 
mitius  id  sane,  quod  non  et  stigmate  dignum 
credidit  —  huic  quisquam  vellet  servire  deorum? 
sed  qualis  rediit?  nempe  una  nave,  crueutis 
fiuctibus  ac  tarda  per  densa  cadavera  prora. 
has  totiens  optata  exegit  gloria  poenas. 


170 


175 


180 


.185 


170  gyare  P  175  constractam  P  rasa  c  altera  ciim  stratum  ? 

180  servire  P        184  qxiid?  et  crediclit?  Weber 


170  Vgl.  1,  73  und  6,  564.  Der 
folgende  Vers  umsclireibt  den  Na- 
men  Babylon,  Ov.  m.  IV  57  ubi 
dicitur  altam  coctilibus  muris  (d.  h. 
coeto  latere)  cinxisse  Semiramis 
urbem. 

173  quantula  corpuscula,  'wie 
erbarmlich  klein  der  armseliche 
Menschenleib  ist.'  Die  Verbindung 
des  adjektivischen  und  substan- 
tivischen  Deminutivs  ist  im  Latei- 
nischenhaufigerals  im  Griechischen, 
Aristoijh.  Vesp.  511  Siv.iStov  c(il- 
v.q6v,  Cic.  Tusc.  III  2  parvuU  igni- 
cuU,  Plaut.  epid.  V  1,  33  mellum 
aureohmi,  pseud.  67  papillae  horri- 
dulae.  Deutsche  Beisp.  bei  Grimm 
d.  Gr.  III  664. 

174  Nach  Herod.  VII  21  sq.  Tac. 
V  10  von  den  Hellenen:  promptis 
Graeeorum  animis  ad  nova  et  mira 
fmgebant  simul  credcbantque. 

177  sq.  Herod.  Tcoza^bg  snBliTtE 
7Civ6(i8vog.  Dazu  tritt  humoristisch 
Medo  prandente,  schon  beim  Friih- 
stiick.  —  madidae  alae  sind  das 
Oegenteil  von  faciles  alae  bei  Prop. 
I  9,  23  nuUus  Amor  cuiquam  faciles 
ita  jnacbuit  alas,  ut  non  alterna 
presserit  (niederdruckt)  illc  manu. 


Die  madidae  alae  heben  nicht,  son- 
dern  driicken  nieder.  Ein  solcher 
Dichter  ist  schwerfallig  und  frostig. 
—  Sostratus  selbst  ist  unbekannt; 
vielleicht  hat  er  den  Zug  des  Xerxes 
nach  Griechenland  besungen. 

181  Verg.  I  56  celsa  sedet  Aeolus 
arce  sceptra  tenens  molUtque  ani- 
mos  (den  sturmischen  Drang)  et 
temperat  iras,  und  kurz  vorher:  hic 
vasto  rex  Aeolus  antro  luctantis 
ventos  tempestatesque  sonoras  im- 
perio  premit  ac  vincUs  et  carcere 
frenat. 

183  stigmate  dignum,  ut  fugiti- 
vum  stigmaticum,  zu  14,  24.  Herod. 
VII  35  cog  d'  snv&£TO  SsQ^rjg  (dafs 
der  Sturnj.  ihm  seine  Briicken  zer- 
rissen  habe),  Ssiva  noLSVfisvog  xov 
^  EXXrjanovxov  sv.sXsvgs  rQLr]y.06iag 
snLHsad^ai  (idctiyL  nlrjydg  xort  xar- 
sivaL  sg  To  nsXayog  nsdsav  ^svyog. 
i]Sri  Ss  rjy.ov6a  cog  y.al  ezLysag  u(ia 
T0VX016L  dnsnsfiips  exi^ovxag  xbv 
'EXXr'i6novxov.  Die  letztere  Sage  er- 
scheint  dem  Dichter  nicht  glaublich. 

185  s.ed  qualis  uimmt  die  Frage 
von  179  wieder  auf;  vgl.  318. 

187  has,  quas  modo  demonstravi- ' 
nius:  solche  Verfifcltnng  fordert  dio 


LIBRI  IV    SATVllA  X  213 

Ma  spiitiuni  vitae,  multos  da,  luppiter,  auuos' 
hoe  recto  vultu,  solum  hoc  et  pallidus  optas. 
sed  (juam  contiuuis  et  quautis  longa  senectus  utu 

jtlena   mali.s.    deformem  et  taetrum  ante  omnia  vultuni 
dissimilemque  sui,  deiormem  pro  cute  pellem 
peudentisque  geuas  et  auilis  aspice  rugas, 
quales,  umbriteros  ubi  paudit  Thabraca  saltus, 
in  vetula  scalpit  iam  mater  simia  bucca.  195 

phirima  suut  iuveuum  discrimina,  puldirior  ille 
hoc  atque  ille  alio,  multum  hic  robustior  illo: 
una  senum  facies.    cuni  voce  trementia  membra 
et  iam  leve  caput  madidique  iufantia  uasi, 
fraugendus  misero  giugiva  panis  inermi;  200 

usque  adeo  gravis  uxori  natisque  sibique, 
ut  captatori  moveat  fastidia  Cosso. 
uon  eadem  vini  atque  cibi  torpente  palato 
•iaudia.    nam  coitus  iam  lonsca  oblivio,  vel  si 
coneris,  iacet  exiguus  cum  ramice  nervus  205 

et  quamvis  tota  palpetur  uocte,  iacebit. 
anne  aliquid  sperare  putest  haec  inguinis  aegri 

189  hoc  alto  recto  P  193  anilis  Ueinsius:  talis  Pco,  cf.  Claudian. 
Eut.  I  39,  PHn.  ep.  V  IG  197  ille  om.  P  199  madidaque  P  202 
captori  ruoveant  P        205  coneris  pw  Priscianus:  conversi  P 

KuhQisucht  ein,  wie  ein  exactor.  —  197  muUiim  mit  dem  Komparativ 

e.iigerc,  absolut  wie  84.  wie  12,  66  multum  fortior  und  14, 

4)   188  —  288:    Be.schwerden   und  193  quantum  pecunia  crevit. 

Leiden  des  so  allgemein  ersehnten  198  cum  voce  =  vox  tremens  et 

Alters.  memhra    trementia   etc.    ist   Appo- 

189  recto  vultu  im  Gegensatz  zn  sition  zu  una  senum  facies.  Verg. 
^a?/tVZi/s  (krank)  bedeutet  Kraft  und  11509  von  Priamus:  arma  diu  se- 
Gesundheit,  vgl.  3,  26  dum  prima  idor  desutta  trementibus  aevo  cir- 
tt   recta    scnectus,    dagegen  6,  401  cumdat  ncquiquam  umeris. 

recta    facie   siccisque   mamiUis   mit  199    infantia    nasi    =    madidus 

keckem  Gesicht  und  kiihl   bis  ans  nasus  ut  infantis.    Vorbild  war  viel- 

Ilerz.  leicht  Lucil.  IX  72  (M.):    quod  de- 

190  Der  Rhetorik  war  ebenso  formV  senex,  dg&QLriy.bg  ac  poda- 
iiiirip6yoga.UinaivogyrjQagge\a.u&g.  (frosus  est,  quod  mancu'  macerque, 

-192(ijs5?nn7ew.sj<t,  entstellt,  kaum  ej.ilis,  ramice  magno. 

wieder  zu  erkennen.  —  cutis  ist  die  201  Nach  Hor.  s.  I  1,  84  non  uxor 

glatte,    feine  Haut  des  Menschen,  salv'imtevuU,nonfilius.  DerAlters- 

peUis  das  tierische  Fell.  schwache  ist  sich  aber  auch  selbst 

193  aniUi    rugas ,    Claud.    Eutr.  {sihi)  zur  Last. 

I  38  postquam  deforme  cadaver  nac-  202   Der    hier    als  Erbschleicher 

tus  et  in  rugas  totus  delluxit  aniles.  (captator)  bezeichnete  Cossus  ist  so 

194  27ia6rrtca,  numidischeKuBten-  wenig  als  der  3,  184  genannte  Cos- 
stadt  mit  affenreich^.m  Wiildern  in  sus  irgendwie  bekannt. 

der  Niihe,    Plio.  h.  V  22    Tabraca  205  Vgl.  6,  325  sq. 

oppidum  civium  Homanorum,  Tusca  207    Juv.    liebt    die   Verbindung 

fluvius  Numidiae  finis,  nec  jnaetcr  anne  aliud,  wie  4,  78  u.  7,  199  (15, 

marmoris  Numidici  ferarumque  pro-  122  anne   cdiam),    es  scheint  aber 

ventum  aUud  imigne.  aUquid   zu    dcn    sexuellen    Eupho- 


214 


IVVENALIS 


canities?  quid  quod  merito  suspecta  libido  cst, 
quae  venerem  adfectat  sine  viribus?  aspice  partis 
nunc  damnum  alterius.    nam  quae  cantante  voluptas, 
sit  licet  eximius,  citharoedo  sive  Seleuco 
et  quibus  aurata  mos  est  fulgere  lacerna? 
qaid  refert,  magni  sedeat  qua  parte  theatri, 
qui  vix  cornicines  exaudiet  atque  tubarum 
concentus?  clamore  opus  est,  ut  sentiat  auris, 
quem  dicat  venisse  puer,  quot  nuntiet  horas. 
praeterea  minimus  gelido  iam  in  corpore  sanguis 
febre  calet  sola,  circumsilit  agmine  facto 
morborum  omne  genus,  quorum  si  nomina  quaeras, 
promptius  expediam,  quot  amaverit  Oppia  moechos. 


210 


215 


220 


211  sitve  Seleucus  a         217  in  om.  ? 


iiiismen  zu  gehoren,  vgl.  Catull.  64, 
145  quis  (sc.  viris)  dum  aliquid 
cupiens  animus  praegestit  apisei, 
nil  metuunt  iurare,  Prop.  III  22,  11 
qiiae  si  forte  aliquid  vultu*mihi 
dura  negarat. 

208  suspecta,  unnaturlicher  Liiste, 
der  fellatio,  verdachtig. 

209  sq.  partis  alterius,  stsQag 
Tivog,  eines  anderen  Sinnes,  Suet. 
Caes.  61  von  Casars  Pferd:  nec 
patientem  sessoris  alterius  primus 
ascendit. 

211  sive  Scleuco,  sc.  cantante,  der 
auch  Anthol.  Pal.  VI  10  erwahnte 
Seleucus  war  zwar  auch  Citharode, 
begleitete  aber  seinen  Gesang  nicht 
mit  der  Kithara,  sondern  mit  einem 
andern  ahnlichen  Instrument.  Vgl. 
6,  380  sqq.  8,  230.  Wahrscheinlich 
ist  hier  an  den  Vortrag  mit  der  Lyra 
zu  denken,  vgl.  Anth.  1.  1.  §co}i6v 
xoi  KSQaovxov  iSeiuuro  rovSs  Es- 
Airuy.og,  ^oi^siav  laxav  (f^^syyo- 
jiivov  crofiarog,  denn  die  ^SQara 
waren  Teile  der  Lyra.  Der  Citharo- 
dus  begleitete  die  Kithara  oder  die 
Lyra  mit  Gesang. 

212  Das  Kostiim  der  Citharoden 
war  die  palla,  hier  komisch  lu- 
cerna  genannt,  mit  dem  syrma 
(Schleppkleid),  Hor.  ep.  II  3,  216 
tibicen  traxit  vagus  per  pulpita 
vestem. 

214  Der  agon  musicus  wurde  mit 
dem  Spiel  der  cornicines  und  tubi- 
cines  eroflfnet  und  beschlossen. 


216  Erst  zur  Zeit  des  zweiten 
punischen  Krieges  bekamen  die 
Romer  Sonnenuhren  (solaria).  Da- 
neben  gab  es  zu  Ciceros  Zeit  Wasser- 
uhren  {clepsydrae).  Die  Wasser- 
uhren,  welche  um  159  v.  Chr.  nach 
Rom  kamen,  wmden  in  der  Stadt 
auf  offentliche  Kosten  unterhalten. 
Man  beauftragte  deshalb  in  den 
Privathausern  einen  bestimmtea 
Sklaven,  die  offentliche  Uhr  zu  be- 
obachten  und  die  Stunden  ins  Haus 
zu  melden,  Mart.  VIII  67  horas 
quinque  puer  nondum  tibi  nuntiat, 
et  tu  iam  conviva  mihi,  Caeciliane, 
venis. 

217  minimus  sanguis,  vgl.  zu  13, 
179.  Ovid  m.  VH  315  exiguo  ma- 
culavit  sanguine  ftrrum  (sc.  maxi- 
mus  aevo  dux  gregis),  Verg.  V  395 
sed  enim  gelidus  tardante  senecta 
sanguis  habet  frigentque  effeiae  in 
corpore  vires.  Die  Jugend  besitzt 
sanguinem   integrum   und   calidum. 

218  sq.  circumsilit  .  .  .  morborum 
omne  genus  ist  eine  Steigerung  des 
Horazischen  (ep.  II  3,  169)  multa 
senem  circumveniunt  incommoda^ 
und  agiitine  facto  (in  Scharen,  in 
Reih  und  Glied)  erinnert  an  Hor. 
1  3,  31  incubuit  nova  febrium  co- 
hors,  vgl.  3,  162  agmine  facto  de- 
buerant  olim  tcnucs  migrasse  Quiritcs. 

220  Der  Dichter  iibertragt  einen 
rhetorischen  roitog  ins  Satirischc, 
vgl.  14,  25  sqq.  —  Oppia  ist  322 
geniigend  charakterisiert. 


LIBRI  IV    SATVRA  X 


215 


quot  Thomisou  aegros  autuiuno  occitlerit  uno, 
quot  Basilus  socios,  quot  circumscripserit  Hirrus 
j.upillos,  quot  longa  viros  exorbeat  uuo 
Maura  die,  quot  Jiscipulos  inclinet  Hamillus, 
percurram  citius,  quot  villas  possideat  nunc, 
quo  toiulente  gravis  iuveni  mihi  barba  sonabat. 
ille  umero,  bic  lumbis,  hic  coxa  debilis;  ambos 
perdidit  ille  oculos  et  luscis  invidet;  huius 
pallida  labra  cibum  accipiunt  digitis  alienis, 
ipse  ad  conspectum  cenae  diducere  rictum 
suetus  hiat  tantum  ceu  pullus  hiruudinis,  ad  quem 
ore  Yolat  pleno  mater  ieiuna.    sed  omni 
membrorum  damno  maior  dementia,  qua  nec 
nomina  servorum  nec  vultum  agnosit  amici, 
cum  quo  praeterita  cenavit  nocte,  nec  ipsos, 
quos  genuit,  quos  eduxit.    nam  codice  saevo 
heredes  vetat  esse  suos,  bona  tota  feruntur  ^ 
ad  Phialen;  tantum  artificis  valet  halitus  oris, 

221  uuo  tator  P  {schoJio7i    adiectum    ad    Hirrus) 
quae  Pta         235  ipsos   W:  iHos  Pu 


225 


230 


235 


233  qua    ir. 


221  Der  hier  erwahnte  Arzt  The- 
mison  ist  unbekannt.  jedenfalls  ist 
es  nicht  der  Stifter  der  metho- 
dischen  Schule,  der  um  63  v.  Chr. 
lebte. 

222  Basilus  kann  der  7,  145  er- 
wahnte  causidicus  sein,  doch  ist 
dieldentifat  beider  Personen  koinea- 
wegs  sicher.  —  IJLttrr  den  socii 
sind  wahrscheinlich  Zollpachter,  die 
Mitglieder  einer  societas,  zu  ver- 
stehen.  —  Hirrus  ist  ganz  unbe- 
kannt.  —  Gegen  die  circumscriptio 
adulescentiuyn,  d.  h.  gegen  do- 
losen  Mifsbrauch  jugendlicher  Uner- 
fahrenheit  zum  Vorteil  des  Mit- 
kontrahenten  war  die  lex  Plaetoria 
gerichtet,  Rudorff  R.  R.-G.  §  40. 

224  Maura,  vgL  6,  307.  —  m- 
cUtiet,  'zur  Unzucht  verfuhrt',  wie 
9,  26  ipsos  etiam  incUnare  maritos. 
—  Hamillus,  als  pedico  beruchtigt, 
ist  wahrscbeinlich  der  von  Mart. 
Vn  62  erwiihnte  AmiUus. 

225  quot  viUas,  zu  14,  141  cut  rus 
nunc  sufficit  wnum.^  Der  folgende 
Vers  ist  eine  Erinnerung  an  1,  2b. 

230  ad  conspectum,  wie  21  ad 
lunam  trepidahis,  13,  223  a<l  omnia 
fulgura  paUent. 


231  hiat,  kann  nur  schnappen, 
nicht  eigentlich  essen:  er  wird  wie 
ein  junger  Vogel  geazt.  —  puUus 
ist  desselben  Stammes  wie  puer 
ipov-er),  aus  pov-lus,  das  Juoge. 
Hom.  II.  IX  323  cos  ^'  oqvh  uTiT^ai^ 
vBOGOOioi  TtQOCpBQrjaiv  aaGxav.  iTt^l 
y.i  /.u§y,ai,  y.av.ag  6'  UQa  oi  ntUi 
avzfi,  und  Achaus:  ;uac-/.ovra  liuco 
iLOGxov  mg  x^^^-^ovog. 

233  dementia,  'Schwachsinn',  wie 
Tac.  XI  38  von  Claudius. 

236  codex  (jnemhraneus)  wird  be- 
sonders  liauBg  von  der  Testaments- 
urkunde  gebrancht,  oder  wie  7,  110 
grandi  cum  codice  venit  von  dem 
Rechnungs-  und  Haushaltsbuch.  Der 
codex  ist  saevus,  weil  er  die  sacvitia, 
die  Herzlosigkeit  des  Alten  euthiilt. 
238  Phiale  und  6,  491  Psecas 
sind  bei  Ovid  m.  Ul  172  die  Na- 
men  von  Nymphen  im  Gefolge  der 
Diana.  —  iantum  valet  ist  Epipho- 
nem.  —  artifex  haUtus  (erbschlei- 
cheriscb,  pfiftig)  wie  artifex  vuUus, 
artifex  sermo,  artifex  forma.  Vom 
ErbBchleicher  tindet  sich  artifex 
auch  4,  18.  Phiale  ist  als  feUatrix 
zu  denken. 


216 


IVVENALIS 


quod  steterat  multis  in  carcere  fornicis  annis. 
ut  vigeant  sensus  animi,  ducenda  tamen  sunt 
funera  natorum,  rogiis  aspiciendus  amatae 
coniugis  et  fratris  plenaeque  sororibus  urnae. 
haec  data  poena  diu  viventi  est,  ut  renovata 
semper  clade  domus  multis  in  luctibus  inque 
perj)etuo  maerore  et  nigra  veste  senescat. 
rex  Pylius,  magno  si  quidquam  credis  Homero, 
exemplum  vitae  fuit  a  cornice  secundae. 
felix  nimirum,  qui  tot  per  saecula  mortem 
distulit  atque  suos  iam  dextra  computat  annos, 
quique  novum  totiens  mustum  bibit.     oro,  parumper 
attendas,  quantum  de  legibus  ipse  queratur 
fatorum  et  nimio  de  stamine,  cum  videt  acris 
Antilochi  barbam  ardentem,  cum  quaerit  ab  omni 
quisquis  adest  socius,  cur  haec  in  tempora  duret, 


240 


245 


250 


240  sint  P      241  funeratorum  P 
245  senescant  pa 

239  in  carccre  fornicis,  d.  h.  in 
cella  sua;  sie  war  in  der  Gewalt 
eines  leno  gewesen,  vgl.  6,  127  mox 
lcnone  suas  iani  dimittente  puellas. 

240  Stat.  s.  II  6,  5  miserum  est 
primaeva  parenti  pignora  surgentes- 
que  accendere  natos,  durum  et  de- 
serti  praerepta  coniuge  partem  con- 
clamare  tori,  maesta  et  lamenta 
sororum  et  fratrum  gemitus. 

243  diu  viventi,  der  generelle 
Sing.  wie  Hor.  s.  1  1 ,  50  dic  quid 
referat  intra  naturae  finis  viventi. 

246AlterundSchicksaldesNestor, 
Priamus  und  der  Hekuba  gehorten 
zu  den  gelaufigen  Tonoi  der  Rheto- 
rik,  vgl.  6,  326.  12,  128.  Claud. 
XXXIX  15.  XXI  98.  Die  Rhetorik 
selbst  war  beeinflufst  von  der  Tra- 
•^odie.  —  si  quidqiiam  credis,  vgl.  174. 

247  Das  Leben  Nestors  kommt 
dem  der  Krahe  nahe  (vgl.  126),  wie 
Hor.  s.  11  3,  193  Aiax  heros  ab 
Acliille  secundus,  der  unmittelbar 
nach  Achilles  kommt,  ihm  am 
niichsten  steht.  Vom  Alter  der 
Krahe  sagt  Hesiod.  frg.  163  (Gottl.) : 
^vvia  roi  ^wsl  yfvsag  XccniQv^ci 
KOQcavr}  avdqav  rj^wvzcov.  Chateau- 
briand  Atala:  je  ne  suis  plus  qu'un 
vieux  cerf  hlanchi  par  les  hiverf^, 
mes  atis  le  disputent  d  ceux  de  la 
corneille. 

249  Bis  100  ziihlte  man  mit  der 


243  viventibus  Fco,  correxit  W 


linken,  von  100  —  1000  mit  der 
rechten  Hand;  vielleicht  gehort 
hierher  Plaut.  mil.  204  la^evo  in 
femine  lidbet  laevam  manum,  dex- 
tera  digitis  rationem  computat. 

251  Hom.  Od.  IV  186  ovS'  kqcc 
NiaroQog  viog  ddcoiQVTco  £%sv  oaas' 
avrjaaro  yccQ  ■hcctdc  Q^v^ov  anvyiovog 
AvttXoxoLO,  Tov  q'  'Hovg  ^'■htslvs 
cpasLvrjg  dylaog  viog  (Memnon),  als 
er  seinem  Vater  beistehen  wollte, 
Pind.  Pyth.  VI  28  sqq.  Juvenal 
scheint  nicht  sowohl  die  Aiihiopis 
des  Arktinos  als  den  Memnon  des 
Aschylos  vor  Augen  zu  haben,  in 
welcher  Tragodie  der  Tod  des  Anti- 
lochus,  dann  der  Zweikampf  des 
Achilles  und  Memnon,  endlich  Mem- 
nons  Tod  geschildert  war,  vgl. 
Welcker  Prom.  432.  Dasselbe  Mo- 
tiv  benutzt  Prop.  III  13  c,  49  non 
ille  Antiloclii  vidisset  corpus  humari, 
diceret  aut  'o  mors,  cur  milii  sera 
venis?'' 

254  socius:  die  Versetzung  des 
substantivischen  Hauptbegriffs  in 
den  Relativsatz  mit  Anschmieguug 
an  das  Relativpronomen  ist  allen 
Dichtern  gelaufig,  vgl.  272.  290. 
14,  85.  3,  257.  5,81.  8,  252.  3,267. 
13,94.  7,243.  Dafs  in  solchen 
Fililen  diis  Subst.  nicht  durch  Inter- 
punktion  vom  Relativ  getrennt  wor- 
den  darf,  zeigen  Beispiele  wie  Hor. 


LIBRI  IV    SATVRA  X 


217 


quod  faciuus  diguum  tam  lougo  admiserit  aevo. 
liaec  eadem  Peleus,  raptum  cum  luget  Achillcm, 
atque  alius,  cui  fas  Ithacum  lugero  nataiitem. 
incolumi  Troia  Priamus  veuisset  ad  umbras 
Assaraci  magnis  sollemnibus,  Hectore  fiinus 
portante  ac  reliquis  fratrum  cervicibus  inter 
Iliadum  lacrimas,  ut  primos  edere  plauctus 
Cassandra  iuciperet  scissaque  Polyxena  palla, 
si  foret  exstinctus  diverso  tempore,  quo  uou 
coeperat  audaces  Paris  aedificare  carinas. 
longa  dies  igitur  quid  coutulit?  omuia  vidit 
eversa  et  flammis  Asiaui  ferroque  cadentem. 
tunc  miles  tremuhis  posita  tulit  arma  tiara 
et  ruit  ante  aram  summi  lovis  ut  vetulus  bos, 


255 


•200 


265 


257  fas  sit  ithacum  P  rasa  voce  iiUima 


8.  I  4,  2  atqiic  alii  quorum  comoedia 
prisca  tirorum  est,  II  2,  159  vinum 
ct  cuius  odorem  ohi  nequeas  per- 
ferre,  I  10,  16  im  scripta  quibus 
comoedin  prisca  virin  est. 

255  Der  Gedanke  ist  nach  Verg. 

VIII  579  gebildet,  wo  Euander,  und 

IX  497,  wo  dieMutter  des  Eurj-alus 
das  Schicksal  bittet  crudelem  db- 
rumpcre  vitam, 

256  Auf  Not  und  Verfolgnng  des 
Peleus  in  der  Abwesenheit  oder 
nach  dem  Tode  des  Achilleus  deu- 
ten  schon  die  jungeren  Teile  (XXIV 
488)  der  Ilias  hin.  Euripides  be- 
handelte  die  cpvyr]  des  Peleus,  und 
aus  dem  Sophokleischen  Peleus 
wird  der  Vers  citiert:  to  ut]  yuQ 
Bivai  y.QtiGoov   r/  t6  ^ijv  Kay.wg. 

257  alius.  zu  10;  fas,  wie  55. 
In  der  Od.  XV  353  sagt  der  avpca- 
tTjg:  AaiQtr,g  ^lv  iti  t^si,  /Ju  S' 
Bvxitai  ulii  9vuov  ccno  nilicov 
cp&ic&ai  oig  sv  usydooiGLV  tKnuy- 
Aojg  yuQ  natdog  odvQitai  oixo(ii- 
voto  y.tX. 

259  Ilus,  Ganrjmedes  und  Assa- 
racus  waren  Sohne  des  Tros.  Von 
Ilu8  stammte  Laomedon  und  Pria- 
mug,  von  Assaracus  Capus,  Anchises 
und  Aneas.  Den  Romern  war  als 
Urahn  ihres  Stammes  Assaracus 
am  gelaufigsten. 

260  Hom.  II.  XXIV  493  klagt 
Priamus  vor  Achilles:  avtuQ  iyco 
navccnotuog ,   intl   tty.ov    viag  uq{- 


Gtovg  Tqoij]  iv  iVQtirj,  tcav  d'  ov 
tivd  cpTj^i  Itlii^rp&at,.  mvt^y.ovtd 
uoi  r]Gav,  ot'  i^lv&ov  vitg  'Axaiwv. 
261  Hom.  II.  XXIV  723  sq.  fiuden 
wir  den  Wechselgesaug  an  der 
Bahre  des  Hektor:  Andromache, 
Hekuba  und  Helena  stimmen  nach- 
einander  die  Totenklage  an,  rjQx^ 
yooio,  und  am  Schlufs  heifst  es 
immer:  inl  Si  Gtivdxovto  yvvuLKtg. 
Ahnlich  denkt  sich  hier  Juv.  die 
Kassandra  als  i^aQxovGa  yooio. 

264  Der  Gedanke  ist  beeinflufst 
von  dem  Prolog  der  Medea  des 
Euripides  und  des  Ennius:  utinam 
ne  in  nemore  Pelio  securibus  caesa 
accidisset  abiegna  ad  terram  trabe», 
ne  inde  navis  incohandae  exoi'dium 
coepisset,  —  nam  numquam  era  er- 
rans  mea  domo  ecferret pedem  Medea, 
animo  aegra,   amore  saevo   saucia. 

265  contulit,  vgl.  302  und  1,  106. 
—  Nach  Verg.  II  505  und  Enn. 
Audrom.  86:  haec  omnia  vidi  in- 
flaminari,  Priamo  vi  vitam  evitari, 
lovis  aram  sanguine  turpari. 

207  7niks,  nach  Verg.  II  507 
arma  diu  scnior  desueta  tremcntibus 
aevo  circumdat  nequiquam  umeris 
et  inutile  ferrum  cingitur.  Weil  er 
die  Riistung  anlegte,  mufste  er  die 
Tiara  (zu  6,  516)  absetzen.  —  Der 
Ausgang  vetulus  bos  ist  Verg.  V 
481  exanimisque  tremens  procumbit 
humi  bos  nachgebildet. 


218 


IVVENALIS 


qui  domini  cultrivS  tenue  et  miserabile  collum 
praebet,  ab  ingrato  iam  fastiditus  aratro. 
exitus  ille  utcumque  hominis,  sed  torva  caniuo 
latravit  rictu,  quae  post  hunc  vixerat  uxor. 
festino  ad  nostros  et  regem  transeo  Pouti 
et  Croesum,  quem  vox  iusti  facunda  Solonis 
respicere  ad  longae  iussit  spatia  ultima  vitae. 
exilium  et  carcer  Minturnarumque  paludes 
et  mendicatus  victa  Carthagine  panis 
hinc  causas  habuere;  quid  illo  cive  tulisset 
natura  in  terris,  quid  Roma  beatius  umquam, 
si  circumducto  captivorum  agmine  et  omni 
bellorum  pompa  animam  exhalasset  opimam, 
cum  de  Teutonico  vellet  descendere  curru? 
"^provida  Pompeio  dederat  Campania  febres 
optaudas,  sed  multae  urbes  et  publica  vota 


270 


275 


280 


274  iustificanda  soloni  P        275  longa  et  P 


269  sq.  cdllum  praebet,  wie  345 
von  tler  Hinricbtung  praebeiida  est 
cervix  gladio.  Pflugtiere  wurden  in 
der  Regel  niclit  zum  Opfer  ge- 
braucht. 

271  exitus  ille,  utcumque  fuit, 
at  liominis  certe  ftiit,  Tac.  Agr.  39 
cetera  utcumque  facilius  dissimulari. 
tJber  das  Ende  der  Hekuba  waren 
die  Nachrichten  verschieden.  Bei 
Eurip.  Hec.  1259  sqq.  weissagt  ihr 
Polymestor,  sie  werde  sich  vom 
Schiffe  insMeer  stiirzen,  nach  Hygin. 
111  stiirzte  sie  sich  in  der  Trauer 
nm  Polydorus'  Tod  ins  Meer  und 
wurde  in  einen  Hund  verwandelt. 
Juv.  folgt  Ov.  met.  XIII  567  at  haec 
missum  rauco  cum  murmure  saxum 
morsibus  insequitur  rictuque  in  verba 
parato  latravit,  conata  loqui.  Dieser 
Mythos  sollte  denNamen  desPlatzes 
Ki^voarjfia  am  Hellespont  erklaren. 

273  Den  Tod  des  Mithridates  be- 
schreibt  Appian.  Mithr.  111  sq. 

274  Solon  heifst  iustus  als  Si'y.aiog 
oder  iiszQiog  ccvrjQ,  der  die  Gesetze 
der  ccocpQOGvvr]  zu  iiben  versteht; 
als  solcher  bewahrte  er  sich  auch 
Krosus  gegeniiber. 

275  spatia,  denn  der  Cirkus,  die 
romische  Rennbahn,  enthielt  sicben 
aneinander  gereihte  Teile,  Verg. 
georg.  I  513  ut  cum  carceribus  sese 
cffudere  quadrigae,  addunt  in  spatia 


(d.  h.  dant  spatium  spatio),  Seuec. 
ep.  30  cum  septimo  spatio  palmae 
appropinquat. 

276  Minturnae  war  romische  Ko- 
lonie  im  siidlichen  Latium  am 
Liris;  das  Schicksal  des  Marius 
behandeln  Plut.  Mar.  36  und  Cic. 
p.  Sest.  50. 

277  victa  Carthagine  ist  lokativer 
Ablativ. 

280  In  dem  Elogium  C.  Marii 
Arretinum  bei  Wilmanns  nr.  632 
heifst  es:  IVcos.  Teutonorunj,  exer- 
citum  delevit.  V  cos.  Cimbros  fudit. 
ex  illis  et  Teutonis  iterum  (das 
erstemal  iiber  Jug.)  triumphavit. 

281  pompa:  der  Hiatus  nach  der 
Penthemimeres  noch  3,  70.  6,  468. 
8,  105.  14,  49.  15,  126,  dagegen  ist 
6,  274  und  12,  110  die  Lesart  un- 
sicher.  —  animam  opimam  'seiu 
reiches  Leben',  mit  Anspielung 
auf  gloria  decus  oder  triumphus 
opimus. 

283  Cic.  Tusc.  1  86  Fompeio  cum 
graviter  aegrotaret  Neapoli  melius 
est  factum.  Coronati  Neapolitani 
fuerunt,  nimirum  etiam  Putcolani, 
vulgo  ex  oppidis  publice  gratula- 
bantur.  Vtrum  igitur,  si  tum  esset 
exstinctus,  a  bottis  rebus  an  a  malis 
disccssissct?  Es  war  im  Jahr  50  v. 
Chr.  Den  Tod  dcs  Pompejus  schil- 
deit  lebhaft  Lucau.  VIII  662—690. 


LIBRI  IV    SATVRA  X 

vicerunt,  igitiir  fortuua  ipsius  et  urbis 
scrvatum  victo  caput  abstulit.    hoc  cruciatu 
Lentulus,  hac  poena  caruit  ceciditque  Cetliegus 
integer,  et  iacuit  Catiliua  cadavere  toto. 

tbrmam  optat  modico  pueris,  maiore  puellis 
niurmure,  cum  Veneris  fanum  videt  anxia  matcr^ 
usque  ad  delicias  votorum.    *cur  tamen'  inquit 
'corripias?  pulchra  gaudet  Latona  Diaua.' 
sed  vetat  optari  faciem  Lucretia,  qualem 
ipsa  habuit;  cuperet  Rutilae  Vcrginia  gibbum 
accipere  osque  suum  Rutilae  dare.'    filius '  autem 
corporis  egregii  miseros  trepidosque  parentes 
semper  habet;  rara  est  adeo  concordia  formae 


219 

ii86 


290 


295 


293  optaris  faciem  lueret  in  P        294  virginea  P       295  osque  W: 
atque  (ad  quae)  Pw        suutn  P  suam  co 


286  Konstruiere :  caput  (tum)  ser- 
vavit,  sed  victo  abstulit.  —  Die 
Fiihrer  der  Catilinarischen  Yer- 
schworung  werden  nor  erwahnt, 
um  zu  zeigen,  dafs  selbst  gemeine 
Verbrecher  (vgl.  8,  231  sqq.)  ein 
besseres  Endgeschick  hatten  als  ein 
Mann  wie  Pompejus. 

287  Lentulus  und  Ccthegus  wurden 
imTuDianum-stranguliert,  Sall.  Cat. 
65,  Catilina  fiel  bei  Pistoria:  in 
confertissimos  Jtostes  incurrit  ibiqtie 
pugnans  confoditur,  Sall.  60. 

5)  289—345:  Die  Gefahren  kor- 
perlicher  Schonheit. 

290  an.Via???a#er. •ahnlicheWiinsche 
jiufsert  bei  Hor.  ep.  I  4,  8  die  nu- 
trix,  Pers.  2,  31  die  matcrtera  oder 
ai/«,  Senec.  ep.  60,  1  etiamnunc 
optas,  quod  tibi  optavit  nutrix  tua 
aut  paedagogus  aut  matcr? 

291  xisgue  ad  delicias  votorum  — 
iisque  ad  vota,  quae  in  deliciis  no- 
stris  causam  habent,  AViinsche  un- 
sererLiebhabereienoderTandeleien, 
Cic.  or.  III  81  pueriles  deliciae. 
Senec.  benef.  IV  5,  1  neque  enim 
nccessitatibus  tantummodo  nostris 
provisum  esi:  usque  in  delicias  (a 
dis)  amamur.  Vgl.  6,  47  deUcias 
Iwmitiis.'  6,  260  quarum  delicias 
(Verwohnung)  ct  panniculus  bom- 
bycinus  urit,  13,  140  o  delicins. 

292  corripias,  wie  14,  54  corri- 
pies  et  catigubis  {filium),  nach  Hor. 
8.  II  3,  257  pmtquam  est  inpransi 


(niichtern)  correptus  voce  magistri, 
eig.  aliquem  tamquam  reum  corri- 
jKre.  —  Hom.  Od.  VI  106  ysyrjds 
Ss  Tf  cpQiva  ArjTco ,  Verg.  I  502 
Latonae  tacitum  pertemptant  gaudia 
pectus,  wie  sie  Diana  unter  ihrer 
Begleitung  stattlich  hervorragen 
sieht. 

295  os  suum  ''ihr  Gesicht'.  Dor 
Tod  der  Lucretia  und  der  Verginia 
war  ein  beliebtes  Schultheraa  der 
Rhetoren.  —  Butila  ist  nicht  weitcr 
bekannt.  Der  Name  Rutilus  kommt 
noch  11,  2  und  14,  18  vor. 

296  sq.  trepidos  habct  '  hiilt  iu 
standigerAngstundSorge',Nagcl8b. 
Stil.  §  110,  1.  Plin.  ep.  III  3,  4 
adcst  adulesccnti  nostro  cum  ceteris 
nalurae  fortunacque  dotibus  eximia 
corporis  pulchritudo,  cui  in  hoc 
lubrico  actatis  non  praeceptor  modo 
sed  custos  etiam  rectorque  quaeren- 
dus  cst,  und  VII  24  sagt  er  vom 
Enkel  der  Ummidia  Quadratilla: 
conspicuus  forma  omncs  sermones 
mcdignorum  et  puer  et  iuvenis  evasit. 
Vgl.  2,  168. 

297  rara  adeo  'ao  gar  selten  ist 
leider'.  Dasselbe  Epiphonem  3,  274 
adeo  tot  fata,  12,  36  adco  medica- 
tum  intcllegit  inguen,  13,  59  tam 
vcncrabilc  erat,  primaque  par  udeo 
sacrac  lanugo  senectac.  DerGedanko 
selbbt  schon  bei  Ov.  her.  15,  288 
lis  est  cum  forma  magna  pudi- 
citiae. 


220 


IVVENALIS 


atque  pudicitiae.    sanctos  licet  horrida  mores 

tradiderit  domus  ac  veteres  imitata  Sabiuos, 

praeterea  castum  ingeniam  vultumque  modesto 

sanguine  ferventem  tribuat  natura  benigna 

larga  manu  —  quid  enim  puero  conferre  potest  plus 

custode  et  cura  natura  potentior  omni?  — 

non  licet  esse  viro.    nam  prodiga  corruptoris 

inprobitas  ipsos  audet  temptare  parentes; 

tanta  in  muneribus  iiducia.    nullus  epbebum 

deformem  saeva  castravit  in  arce  tyrannus, 

nec  praetextatum  rapuit  Nero  loripedem  nec 

strumosum  atque  utero  pariter  gibboque  tumentem. 

i  nunc  et  iuvenis  specie  laetare  tui,  quem 

maiora  expectent  discrimina.    fiet  adulter 

publicus  et  poenas  metuet  quascumque  mariti 


300 


305 


310 


304  viro  Talin:  viros  P  viris  co         308   Nero  loripedem  nec  in  ra- 
sura  x>.  vel  <5  311    expectent   F:   exspectant  co  312   metuet  co: 

metuit  P        maritis  iratis  Iligaltiiis  mariti  ira  sibi  Madvifj 


298  Tiorrida  domiis  ist  eine  Stei- 
gerung  von  antiqua  domus,  sitten- 
streng,  nocli  nicht  verwohnt,  6,  10 
horridior  iixor  glandem  ructante 
marito,  8,  116  horrida  Hispania. 

299  Die  Sabini  sind  die  Vetreter 
von  Sittenstrenge  und  Eiufachheit, 
wie  3,  85  nostra  infantia  baca  nu- 
trita  Sdbina  (im  Gegensatz  zum 
griechischen  Luxus),  3,  169  mensa 
Sabella,  6,  164  intactior  omni  {ve- 
tere)  Sabina. 

300  sq.  vultus  sanguine  fervens, 
die  Glut  bescheidener  Rote  im  Ge- 
sicht,  ist  Umschreibung  des  pudor 
und  rubor  iuvenilis,  "wie  11 ,  154 
ingenui  vultus  puer  ingenuigue  pu- 
doris,  quales  esse  decet  quos  ardens 
purpura  vestit.  Calpurnius  sagt  stei- 
gernd  vultus  sanguine  timens. 

302  conferre  'mitgeben',  vgl.  265 
uud  1,  106,  wo  conferrc  'einbringen, 
niitzen'  bedeutet. 

305  improbitas  ^  Schlechtigkeit, 
Schamlosigkeit',  die  keine  Schranke 
der  Sittlichkeit  mehr  kennt,  vgl. 
4, 106  improbior  cinaedo.  —  temptare 
^bestechen'.  Der  Dichter  hat  die 
Zeit  des  Nero  und  des  Domitian 
vor  Augen,  Mart.  VI  2  lusus  erat 
sacrae  eonubia  fallere  taedae,  lusus 
et  inmeritos  execuisse  mares. 


307  arx  von  dem  Fiirstenpalast, 
wie  etwa  4,  145  Albanam  in  arcem 
von  der  villa  Albana,  dem  Lust- 
schlosse  des  Domitian;  sonst  von 
Berghohen,  3,  192  aut  proni  Ti- 
huris  arce,  14,  87  summa  nunc 
Tiburis  arce,  oder  vom  Himmels- 
gewolbe,  15,  146  a  caeli  demissum 
arce  (axpa). 

308  loripes,  v.  lorum  =  vlorum, 
ist  volvere  (W.  var)  verwandt,  wie 
vdrus  '  krumm '  {praevaricari)^  von 
der  W.  Icvar  krumm  sein,  und  be- 
deutet  ^krummfiifsig'  oder  'krumm- 
beinig',  vgl.  2,  23.  —  Neros  libido 
schildert  Suet.  28—29. 

309  strumosus  'von  Drusen  ent- 
stellt';  uterus  wird  vom  Unterleib 
der  Tiere,  des  Mann  es  und  des  Weibes 
gebraucht. 

310  Die  Schonheit  wird  aber  auch 
fiir  den  Charakter,  die  biirgerliche 
Existenz  und  fiir  das  Leben  des 
Jiinglings  gefilhrlich. 

311  maiora  noch  grofsere. 

312  publicus,  wie  Hor.  IV  8,  8 
iuvenumque  proiis  puhlica  cura ; 
vgL  7,  53  cui  non  sit  p%Mica  vena. 
Die  lex  Ixdia  de  sttipris  et  adul- 
teriis  (18  v.  Chr.),  von  Domitian 
erneuert ,  '  erschwerte  die  althei"- 
kommliclae  Selbstrache  des  Vaters 
oder  Ehemannes  und  forderte  eiu 


LIBKl   IV     SATVliA  X 


221 


irati:  debet,  nec  erit  felicior  astro 

Martis,  ut  iu  laqueos  uumquam  iucidat.    exigit  autrm 

iuterdum  ille  dolor  plus,  quam  lex  ulla  dolori 

concessit;  necat  hic  ferro,  secat  ille  cruentis 

verberibus,  quosdam  moechos  et  mucrilis  iutrat, 

sed  tuus  Endymiou  dilectae  tiet  adulter 

matronae.    mox  cum  dederit  Servilia  nummos, 

fiet  et  illius,  quam  non  amat,  exuet  omnem 

corporis  ornatum;  quid  enim  ulla  negaverit  udis 

inguiuibus?  sive  est  haec  Oppia  sive  Catulla 

deterior,  totos  habet  illic  femina  mores. 


31:') 


320 


313  debent  m 


richterliches  Verfahren.  Die  Strafe 
war  fur  die  Frau  Verlnst  der  halben 
(los  und  eines  Dritteils  des  Ver- 
mogens,  fur  den  Ehebrecher  Ver- 
lust  des  halben  Vermogens,  und 
fur  beide  zugleich  Relegation  auf 
c-ine  der  ublichen  Inseln.  Daneben 
kamen  bei  Verbrechem,  welche  auf 
frischer  Tbat  ertappt  wurden,  per- 
sonliche  Mifshandlungen,  wie  sie 
Horaz  schildert,  noch  immer  Tor. 
—  quicumque  steht  adjektivisch  ge- 
braucht  gewohnlich  vor  seinem 
Substantiv,  3.,  156  quocumque  ex 
fornice  nati,  6,  412  quocumque  in 
trivio,  14,  210  quemcumque  paren- 
tem,  3,  230  quocumque  loco,  quo- 
cumque  recessu,  14,  42  quocumque 
in  popitlo,  quocumque  sub  axe ,  10, 
359  quoscumque  labores,  13,  89  quae- 
cumque  altaria;  nachgestellt  ent 
halt  es  eine  Zusatibemerkung:  wer 
es  auch  sein  mag,  die  ich  nicht 
naher  bezeichnen  will,  13,  56  et  si 
harbato  cuicumque  pwr,  ahnlich 
wie  14,  102  auch  reiativ:  metuunt 
■ius ,  tradidit  arcano  quodcumque 
vohimine  JSIoyses. 

313  debet  (enim)  =  ocpXiGy.avit 
yuQ  tug  ^rifiiag,  wie  5,  171  omnia 
ferre  sipotes,  et  debes.  Isur  das  Gliick 
konnte  ihm  helfen,  aber  sein  Stern, 
d.  h.  sein  Geschick  [astrum,  vgl. 
6,  570)  wird  nicht  besser  sein  als 
das  Geschick  des  Mars,  der  in  das 
Netz  des  Hephastos  fiel,  Hom.  Od. 
VHI  2G6— 30G. 

315  ille  dolor  =  mariti  dolor  in 
deprehenso  adulterio.  Dem  Zorn  des 
maritus  riinmte  selbst  die  lex  Itilia 


das  Recht  ein,  den  Ertappten  unter 
Zuziehung  derNachbarn  bis20Stun- 
den  im  Hause  festzuhalten ,  mit 
unter  {interdum)  aber  giug  der  Ehe- 
mann  iiber  die  Schranken  des 
Gesetzes  hinaus  und  vibte  an  dem 
Ehebrecher  noch  das  alte  Gewohn- 
heitsrecht  durch  Mifshandlung  oder 
Verstummelung ,  vgl.  Hor.  s.  I  2, 
41—46. 

316  sq.  secare  verheribus  (mitdem 
flagellum)  ist  ein  gesteigertes  cae- 
dere  oder  lacerare  verberibus,  Ov. 
am.  n  7,  22  terga  verbere  secta, 
Pers.  1,  114  secuit  Lucilius  urbem. 
Die  Haufigkeit  nnd  Gefahr  solcher 
Falle  malt  die  Paronomasie  necat 
—  secat,  wahrend  der  folgende  mit 
intrat  abschliefsende  Chiasmus  rait 
den  schweren  spondeischen  Rbyth- 
men  eine  hohnischeWamunghinzu- 
fiigt.  Catull.  15,  17  a  tum  te  tui- 
Sirum  inalique  fati,  quem  cdtractis 
pedibus  patente  porta  percurrent 
raphanique  mugilesque! 

318  Aber  angenommen,  dein 
Prachtsohn  {Endymion)  wird  nicht 
adulter  publicus,  sondern  dilectae 
matronae  adulter:  er  wird  doch 
bald  Scham-  und  Ehrgefuhl  ver- 
lieren,  da  die  gemeine  Verfiihrung 
sich  ihm  von  selbst  aufdriingen  wird. 

319  dederit  Servilia  {turpns  et 
nobilis  matrona)  nummos,  vgl.  6, 
355  .sq. 

322  Oppia  scheint  eine  als  moecha 
(220j  verrufene  matrona  nobilis, 
Catulla  dagegen  nach  2,  49  eine 
meretrix  gewesen  zu  sein. 

323  dctcrior  noch  schlechter  als 


222 


IVVENALIS 


'sed  casto  quid  forma  nocet?'   quid  profuit  immo 
Hippolyto  grave  propositum,  quid  Belleroplionti? 
erubuit  nempe  hac  ceu  fastidita  repulsa, 
nec  Stheneboea  minus  quam  Cressa  excanduit,  hac  se 
concussere  ambae.    mulier  saevissima  tunc  est, 
cum  stimulos  odio  pudor  admovet.    elige,  quidnam 
suadendum  esse  putes,  cui  nubere  Caesaris  uxor 
destinat.    optimus  hic  et  formosissimus  idem 
gentis  patriciae  rapitur  miser  extinguendus 
Messalinae  oculis;  dudum  sedet  illa  parato 
flammeolo  Tjriusque  palam  genialis  in  hortis 
sternitur  et  ritu  decies  centena  dabuntur 


325 


330 


335 


325  grave  positum  P  326  hac  Haupt:  haec  Pco         repulsa  po) 

Ilaupt:  repulso  P      327  excanduit  res  se  P,  he  se  ^,  et  se  co,  hac  se  W 


CatuUa,  quae  fuit  vilissima  omnium, 
zu  2,  49.  Das  einraal  tiefer  ge- 
sunkene  Weib  ist  bereit  ihrer 
Leidenschaft  alles  und  jedes  zu 
opfern:  nihil  umquam  negaverit,  sie 
sucht  in  ihr  selbst  ihren  Ruhm  und 
ihreEhre;  dieSinnlichkeitbestimmt 
den  ganzen  Charakter,  das  ganze 
Wesen  des  Weibes,  Cornif.  IV  23 
mulieres  ad  omnia  malcficia  cupi- 
ditas  una  ducit. 

324  immo  =  im  Gegenteil,  viel- 
mehr  mufs  man  fragen:  qicid  pro- 
fuit  Hippolyto  proposita  vitae  gra- 
viias? 

325  tJber  Bellerophon  vgl.  Hom. 
II.  VI  152  sqq.  Bei  Homer  ist  die 
Versucherin  6£'  "Avisia,  in  der  spa- 
teren  Sage  Sthcnehoea  und  wurde 
neben  Phadra  sprichwortlich,  Ari- 
stoph.  ran.  1043  aXX'  ov  fia  JC 
ov  ^aiSQccq  aitoiovv  itoQvag  ovdl 
2&8vf^0Lag  (sagt  Ascbylus  zu  Euri- 
pides). 

326  erubuit ,  die  eine  und  die 
anderederbeiden  nachhergenannten 
Frauen.  —  cen  fastidita,  wahrend 
doch  Hippolyt  und  Bellerophon 
nicht  ihre  Schonheit  verschmahten, 
sondern  einfach  nach  Pflicht  und 
Gewissen  {grave  propositum)  han- 
delten.  —  hac  repulsa  se  concus- 
sere,  infolge  dieser  Zuriickweisung 
versetzten  sich  beide  in  Wut,  so 
dafs  sie  ihrer  Besinnung  nicht  mehr 
milchtig  waren.  Doch  ist  die  Lesart 
von  326  und  327  unsicher. 

329   pudor   die   Scham   vor    sich 


selbst  =  sie  will  den  Gegeustand 
ihrer  Liebe,  jetzt  der  Scham  und 
Erbitterung,  aus  dem  Wege  geraumt 
wissen.  —  quid{nam)  fiir  utrum, 
auch  338  und  8,  196  quid  satius? , 
ist  auch  in  der  fruheren  Latinitat 
nicht  selten,  vgI.Madvigop.il  184. 

330  Messalina,  d-ie  Gemahlin  des 
Claudius,  woUte  den  edlen  und 
schonen  C.  Silius  ofiFentlich  und  mit 
allen  Formalitaten  neben  Claudius 
sich  zum  Gemahl  nehmen.  Als  der 
Kaiser  auf  die  famose  Heirat  auf- 
merksam  gemacht  wurde,  mufsten 
Silius  und  Messalina  sterben,  Tac. 
XI  26  sqq.  Man  eiferte  damals  die 
Schrankeu  der  Natur  zu  durch- 
brechen,vgl.2, 117sqq.  Suet.Nero28. 

332  gentis  patriciae  des  ganzen 
Patrizierstandes.  Der  Vater  war  der 
bekannte  Legat  des  Caesar  Ger- 
manicus.  —  oculis  ist  mit  rapitur 
zu  verbinden.  —  extinguendus  = 
morti  destinatus  fur  ad  necem,  tas 
dno&avov^evog,  moriturus,  ahnlich 
wie  12,  8  templis  maturus  et  arae 
spargendusque  mero. 

334  flammeolo,  zu  2,  124.  Das 
Deminutiv  ist  hier  spottisch.  Zur 
Hochzeit  gehorten  das  flammeum, 
die  dos,  der  lectus  oder  torus  ge- 
nialis  und  die  faces  nuptiales,  vgl. 
Suet.  Nero  28.  —  in  hortis,  des 
LucuUus,  die  der  Messalina  zuge- 
fallen  wjireu,  Tac.  XI  1. 

335  et  und  dazu.  —  ritu,  nicht  ex 
ritu,  dagegen  more  und  de  morc,  ist 
dichterischerGebrauch.  EineMillion 


LinRIrlV    SATVRA  X 


223 


antiquo,  veiiiet  eum  signatoribns  auspex. 
haec  tu  sccreta  et  paucis  commissa  putabas? 
iion  nisi  legitime  vult  nubere.    quid  placeat,  dic. 
ni  parere  velis,  pereuudum  erit  ante  lucernas; 
si  scelus  admittas,  dabitur  mora  parvula,  dum  res 
nota  urbi  et  populo  coutingat  })rincipis  aurem. 
dedecus  ille  domus  sciet  ultimus;  interea  tu 
obsequere  imperio,  si  tanti  vita  dierum 
paucorura.    quidquid  melius  leviusque  putaris, 
praebenda  est  gladio  pulclira  liaec  et  candida  cervix. 

nil  ergo  optabunt  homines?  si  consilium   vis, 
permittes  ipsis  expendere  numinibus,  quid 
conveniat  nobis  rebusque  sit  utile  nostris. 
nam  pro  iucundis  aptissima  quaeque  dabunt  di; 
carior  est  illis  homo,  quam  sibi.    nos  animorum 
iupulsu  et  caeca  magnaque  cupidine  ducti 


340 


Mh 


350 


344  melius  om.  P  levius  meliusque  p        351  ducit  P 


Sesterzen  war  die  iibliche  Mitgift 
der  Senatorentochter  (6,  137).  Mit 
dem  Priisens  versetzt  uns  der  Dichter 
in  den  Park  des  Luculhis:  alle 
Vorbereitungen  treten  vor  Augen: 
was  wird  nun  weiter  erfolgen  ?  Diese 
ge.spannte  ErwartungderUmgebung 
raalt  der  Ubergang  ins  Futur. 

336  auspex  und  augur  waren  ur- 
spriinglich  identisch ;  allmilhlich 
wurden  die  augures  nur  in  politi- 
schen,  die  auspices  in  privaten  Ver- 
haltnissen  gebraueht.  Der  auspex 
nuptiaruni  war  in  iilterer  Zeit  der 
pontifex  maximus;  er  sprach  die 
Gebetformel,  in  welcher  die  Gotter 
der  Ehe  (Juno,  Tellus,  Ceres)  indi- 
gitiert  wui-den,  worauf  dieAnwesen- 
den  ihr  feliciter  anssprachen,  vgl. 
2,  119.  —  Die  signatores  sind  die 
Zeugen  des  Ehekontrakts,  zu  9,  76. 

337  putabas  du  warst  wohl  bis- 
her  der  Meinung?  Darin  irrtest  du 
dich,  mein  lieber  Silius!  Jetzt  giebt 
es  fur  dich  keinen  Ausweg  mehr. 
VgL  9,  47.    11,  184. 

340  m/yra  parviila,  eine  armselige 
Galgenfrist. 

341  Scharf  wird  nota  urhi  et  po- 
pulo  vorangestellt:  die  Sache  mufs 
erst  Stadtgespriich  werden,  bis  der 
stumpfe  Kaiser  etwas  davon  er- 
fiihrt;  df-un  allerdings  die  Schmach 
seines  Hauses  erfabrt  er  zu  allerletzt! 


343  si  tanti  ist  ironisch,  denn 
wie  Juv.  selbst  denkt,  zeigt  8,  195 
u.  15,  106  melius  nos  Zenonis  prae- 
cepta  monent,  nec  enim  omnia  qui- 
dam  pro  vita  facienda  putant. 

6)  Epilog,  346—366,  der  genan 
an  den  Schlufs  des  Prologes  an- 
kniipft. 

347  Sinn :  Ich  will  das  Gebet 
nicht  verboten  wissen,  aber  cs  soll 
den  Gottern  keine  bestimmte  Vor- 
schrift  gemacht  werden.  Der  Mensch 
Koll  nicht  auf  einzelnen  irdischen 
Wiinschen  bestehen,  als  ob  davon 
scin  Lebensgliick  bedingt  sei.  Es 
stimmt  diese  Anschauung  mit  der 
Lehre  des  Sokrates  und  Plato  (Xen. 
Mem.  1  1,  8),  aber  auch  der  Stoiker 
iiberein.  Dafs  Juv.  die  Schrift  des 
Demokritos  tcsqI  av&vfiirjg  gelesen 
haben  sollte,  ist  nicht  wahrschein- 
lich. 

348  Nur  dann  ist  uns  etwas  niitz- 
lich,  wenn  es  fiir  uns  passend  ist. 
Daher  rebusque  nostris  utilc.  Vgl. 
Hor.  ep.  I  7,  98  metiri  se  quemque 
suo  modulo  ac  pede  verum  est. 

350  sq.  Hom.  Od.  I  32  m  nonoi,  oiov 
di]  vv  &£Ovg  ^Qorol  alzLaovtaf  t| 
rjfiBoiv  yccQ  rpacl  v-av.'  fiiucvai,  61 
dh  v.ul  avxol  acpfjaiv  araa&aXiyGiv 
vntQ  jiOQov  aXys'  ij^ovGiv.  —  ani- 
morum  impulsu  nach  plotzlichen 
Eingebungen,  Wallungen. 


224 


IVVENALIS 


coniugium  petimus  partumque  uxoris,  at  illis 
iiotum,  qui  pueri  qualisque  futura  sit  uxor. 
ut  tamen  et  poscas  aliquid  voveasque  saeellis 
exta  et  candiduli  divina  tomacula  porci, 
orandum  est,  ut  sit  mens  sana  in  corpore  sano, 
fortem  posce  animum  mortis  terrore  carentem, 
qui  spatium  vitae  extremum  inter  munera  pouat 
naturae,  qui  ferre  queat  quoscumque  labores, 
nesciat  irasci,  cupiat  nihil,  et  potiores 
Herculis  aerumnas  credat  saevosque  labores 
et  venere  et  cenis  et  pluma  Sardanapalli. 
monstro,  quod  ipse  tibi  possis  dare;  semita  certe 
tranquillae  per  virtutem  patet  unica  vitae. 
nullum  numen  habes,  si  sit  prudentia,  nos  te, 
nos  facimus,  Fortuna,  deam  caeloque  locamus. 


355 


360 


365 


359    dolores   Leid.  Hosii  92 
te  in  rasura  P 


361    savusque  P  365    abest  p 


355  tomacula  Fleischstiicke,  eine 
Art  von  Wurst.  Der  Ausdruck  ist 
hier  oflenbar  komisch.  Gebet  und 
Opfer  waren  bei  den  Alten  untrenn- 
bar  verbunden,  das  Gebet  war  die 
Erkliirung  des  Opfei-s. 

356  Senec.  ep.  10, 4  votorum  tuo- 
rum  veterum  licet  cleis  gratiam  fa- 
cias,  alia  de  intecjro  suscipe:  roga 
honam  inentem ,  honam  vcdetudinem 
cinimi,  deinde  tunc  corporis.  —  Unter 
mens  sana  ist  die  Freiheit  von  den 
fjewohnlichen  Leidenschaften  der 
Menschen  zu  verstehen. 

357  mortis  terrore, denn  der  Stoiker 
darf  sich  von  dem  Tode  nicht 
schrecken  lassen ,  er  mufs  immer 
stai-k  genug  sein,  den  Tod  der 
Schande  vorzuzieheu,  vgl.  zu  343 
und  8,  83. 

358  Wie  die  Rennbahn,  so  hat 
das  Leben  mehrere  spatia.  Mit  dem 
hochsten  Alter  erreicht  der  Mensch 
das  extremum  spatium  vitae. 

360  d.  h.  frei  von  ira  und  cupido, 
vgl.  Hor.  ep.  I  2,  49—63. 

362    Mart.  XII  17    dormit    et   in 


pluma  purpureoque  toro,  vgl.  1,  159 
und  6,  89. 

363  monstro  '  damit  eroffne  ich 
dir',  wie  14,  256 ' monstro  volupta- 
tem  egregiam.  So  viel  ist  jedenfalls 
sicher  (certe),  dafs,  mag  man  von 
dem  Einflufs  der  Gotter  denken 
wie  man  will,  ohne  personliche 
Charaktertuchtigkeit  (virtus)  ein 
ruhiges  und  gliickliches  Leben  nicht 
gewonnen  werden  kann. 

365  sq.  nullum  numen  hahes  be- 
zieht  sich  nur  auf  die  FOHuna: 
sie  ist  fiir  den  Stoiker  kein  gott- 
liches  Wesen,  keine  Macht  melir, 
denn  seine  Sittlichkeit  hat  sie  iiber- 
wunden,  13,  20  victrix  fortunac 
sapientia;  nur  die  stulti,  die  von 
den  alltaglichen  Wiinschen  und 
Neigungen  befangenen  Menschen, 
verebren  sie  als  Gottin,  Lact.  III  29 
stultitia  igitur  et  error  et  caecitas 
ct,  ut  Cicero  (Acad.  I  29)  ait,  igno- 
ratio  rerum  et  causarum  naturae  ac 
fortunae  nomina  incluxit.  Hor.  s. 
II  7,  83  sapiens,  sihi  qui  imperiosus, 
in  quo  manca  ruit  semper  fortuna. 
Die  beiden  Schlufsverse  kehren  14, 
315  sq.  wieder. 


LIBia  IV     SATVRA  XI 


225 


SATVRA  XI 

Atticus  eximie  si  conat,  lautus  habetur: 

si  Kutilus,  demeus.    quid  euim  maiore  caclunuo 

excipitur  vulgi,  quam  pauper  Apicius?   omnes 

convictus  thermae  stationes,  omne  theatrum 

de  Kutilo.    nam  dum  valida  ac  iuvenalia  membra 

sufficiuut  galeae,  dumque  ardet  sanguine,  fertur 


3    omnis  P  rasa  i 
leume    florilcgium  S.   Galli 
aident  Barth 


4    statione    sell*   tbeatru    P    statione    so- 
6    atdet   Guiet:    ardenti   P    ardens   pa 


Sat.  XI. 
Die  Satire  zerfallt  in  zwei  Teile, 
von  denen  der  eine  (1 — 55)  einen 
allgemeinen  satirisehen  Charakter 
und  zum  Thema  den  Gedanken  hat, 
den  Claudian.  III  35  also  ausdriickt: 
luxus  popuJator  opum,  quem  semper 
adhaereyis  infelix  humili  [iressu  co- 
mitatur  Egestas;  der  zweite  da- 
gegen  enthalt  in  Form  eines  Briefes 
die  Einladung  eiues  gewissen  Per- 
sicus  zu  einer  frugalen  und  lilnd- 
lichen  Mahlzeit  des  Dichters,  welche 
einen  Gegensatz  bilden  soll  zu  der 
im  ersten  Teilgeschilderten  Genufs- 
sucht  und  Uppigkeit  selbst  der 
weniger  Bemittelten.  In  diesem  letz- 
teren  Gedanken  treffen  beide  Ab- 
schnitte  zusammen. 

1  Atticus  ist  wahrscheinlich  Ti. 
Claudins  Atticus,  Vater  des  beriihm- 
ten  Herodes  Atticus,  der  unendlich 
reich  wurde  durch  Auffindung  eines 
Schatzes  in  einem  seiner  Hauser, 
den  ihm  Nerva  vollstandig  zu  be- 
halten  gestattete.  Er  war  in  Rom 
zweimal  Konsul  und  deshalb  wohl 
bekannt.   —    eximie    (ausnehmend) 

-  cenare  enthalt  den  Begrifi"  von  prae 
aliis  oder  praeter  ceteros  laute  ce- 
nare,  vgl.  Liv.  XXV  40,  2  templum 
eximie  ornare.  —  lautus  ist  1,  67 
durch  atque  mit  heatus  verbunclen, 
Mart.  IX  75  idem  beatas  lautus 
extruit  thermas. 

2  sq.  JSuiiYwSjVerschiedenvondem 
14.  18  erwiihnten,  war  ein  milfsig 
bemittelter  ipauper)  aber  doch  ver- 
schwenderi^cher  Mensch,  der  sich 
schliefslich  dem  lanista  verkaufen 
mufste;  dadurch  wurde  er  zum 
Stadtgesprach.  —  maiore  cachinno 

IVVEKALIS    SATVBAE. 


am  Versschlufs  auch  3,  100.  — 
Apicius  war  der  Typus  eines  feinen 
raffinierten  Schwelgers  im  Essen, 
vgl.  zu  4,  23.  Die  ars  culinaria 
war  seit  der  Zeit  des  Horaz  mehr 
und  mehr  zu  Ansehen  gelangt. 

4  convictus'Geselhcha.h\thermae, 
zu  7,  233.  .jEs  sind  grofse  zu  gymna- 
stischen  tjbungen  bestimmte,  mit 
Badeeinrichtungen  (halnea)  ver- 
sehene  Anstalten.  Am  beriihmtesten 
waren  die  drei  Thermen  {tripliccs 
oder  ternae  th.)  des  Agrippa,  Titns 
und  Nero.  —  stationes  sind  Plau- 
dergelegenheiten  auf  offentlichen 
Platzen,  in  den  Spazierhallen,  in 
der  taherna  des  tonsor  u.  s.  w.,  Plin. 
ep.  I  13,  2  plerique  in  stationihus 
sedent  tempusgue  audiendis  fahulis 
conterunt,  ibid.  II  9,  5  domos  sta- 
tionesque  circumire. 

5  de  Rutilo:  zur  Ellipse  Niigels- 
bach  Stil.  §  183.  Abnliche  Ellipsen 
finden  sich  13,  181  und  14,  189.  — 
iuvenalis,  im  Gegensatz  der  Alters- 
schwache,  ist  synonym  mit  validus; 
iuvenilis,  im  Gegensatz  zur  Alters- 
und  Charakterreife ,  ist  verwandt 
mit  levis  oder  temerarius. 

6  Vgl.  7,  33  sed  defluit  aetas  ct 
pelagi  x^atiens  et  cussidis  at([ue  ligo- 
nis.  —  ardet  sangxiine,  von  der 
bliihenden,  frischen  Gesichtsfarbe, 
wie  54  und  1,  42  accipiat  mercedem 
sanguinis  et  sic  palleat,  wiihrend 
das  Alter  blutarm  wird  und  frostelt, 
10,  217  minimus  gelido  iam  in  cor- 
pore  sanguis.  —  fertur  scripturus 
(esse)  ist  eine  sehr  seltene  Verbin- 
dung,  die  vielleicht  auch  Sall.  lug. 
63,  7  gebraucht  hat:  novus  nemo 
tam  clarus  erat,  quin  is  indignus 

15 


226 


IVVENALIS 


non  cogente  quidem,  sed  nec  prohibente  tribuno 
scripturus  leges  et  regia  verba  lanistae. 
multos  porro  vides,  quos  saepe  elusus  ad  ipsum 
creditor  introitum  solet  expectare  macelli, 
et  quibus  in  solo  vivendi  causa  palato  est. 
egregius  cenat  meliusque  miserrimus  horum 
et  cito  casurus  iam  perlucente  ruina. 
interea  gustus  elementa  per  omnia  quaerunt 
numquam  animo  pretiis  opstantibus;  interius  si 
attendas,  magis  illa  iuvant,  quae  pluris  ementur. 
ergo  haud  difficile  est  perituram  arcessere  summam 
lancibus  oppositis  vel  matris  imagine  fracta, 


10 


15 


16  emuntur  pco 


illo  honore  et  quasi  polluturus  {pol- 
lutus  Hdschr.)  Jiaberetur. 

7  Dem  Volkstribun  stancl  nach 
7,228  eine  cognitio  extraordiyiaria  zu. 
Hatte  Rutilus  leichtsinnigBankerott 
gemacht,  so  konnten  die  Glaubiger, 
wie  es  scheint,  sich  an  die  Volks- 
tribunen  wenden;  ja  es  ist  moglich, 
dafs  diese  unter  gewissen  Bedin- 
gungen  liber  die  Freiheit  eines  civis 
entscheiden  konnten.  Rutilus  liefs 
es  auf  eine  solche  Klage  gar  nicht 
ankommen  und  konnte  deshalb  auch 
vomTribunen  uicht  gezwungen  wer- 
den,  sich  seiner  Freiheit  zu  begeben, 
aber  —  setzt  der  Dichter  spottisch 
hinzu  —  der  Tribun  erhob  auch 
kein  Veto  gegen  den  freiwilligen 
Selbstverkauf  des  Taugenichts. 

8  Wahrend  leges  scribere  von  der 
Abfassung  des  Kontrakts  zu  ver- 
stehen  ist,  erinnert  verba  scribere 
wie  verba  praeire  an  den  Gladiatoren- 
eid.  Diese  verba  sind  regia,  denn 
nach  Senec.  exD.  37,  1  auctoramenti 
verba  sunt:  urivinciriferroquenecari. 

10  viacelluni  (5,  95)  wurde  der 
ganze  Komplex  der  Markte  fiir 
Lebensmittei  genannt,  das  forum 
hoarium,  olitorium,  piscarium,  cupe- 
dinis  —  haec  omnia  posteaquam  con- 
tracta  in  unum  locum  quae  ad  vic- 
tum  pertinebant,  et  aedificatus  locus 
appellatum  Macellum.  Varro  1.  1. 
V   146. 

11  Vgl.  8,  54.  Plin.  ep.  V  5,  4 
nam  qui  voluptatibus  dediti  quasi 
in  diem  vivunt,  vivcndi  causas  co- 
tidie    finiunt;    vgl.    10,    203    non 


eadem  vini  atque  eibi  torpente  palato 
gaudia. 

12  egregius  halt  man  gewohnlich 
fiir  den  Komparativ  des  Adverbs, 
vgl.  Neue  II  113;  doch  giebt  es 
ein  gleiches  Beispiel  nicht,  und  es 
hindert  nichts  in  egregius  auch 
neben  meliusque  den  Nom.  des  Ad- 
jektivs  zu  hnden;  hervorragend 
speist  und  besser  noch  (als  vorher) 
ein  solcher  Mensch,  wenn  er  dem 
Bankerott  bereits  nahe  ist. 

14  interea  —  antequam  ccciderit, 
vor  dem  Zusammenbruch.  —  gustus 
Acc.  plur.  =  sapores. 

16  ementur:  das  Futur  in  Neben- 
satzen,  wodurch  der  Gedanke  als 
eventuell,  nicht  immer  und  unbe- 
dingt  zutreffend  dargestellt  wird, 
gebraiTcht  die  silberne  Latinitat  mit 
Vorliebe,  vgl.  Quint.  X  2,  9  sed 
etiam  qui  summa  non  appetent,  con- 
tendere  potius  quam  sequi  debent. 
Vgl.  36. 

17  ergo:  so  wird  es  solchen  Meu- 
schen  freilich  nicht  schwer,  auch 
das  Letzte  und  Heiligste  daranzu- 
setzen,  nur  um  den  letzten  Heller 
in  Annehmlichkeit  zu  verprassen. 

ISsqq.  opponere,  sc.  pignori,  ver- 
pfanden,  Plaut.  pseud.  87  vix  hercle 
opino,  etsi  me  opponam  pigmri. 
Es  scheint  als  ob  Juv.  den  Begriff 
lancinare  umschreiben  will ,  das 
freilich  nicht  von  lafix  abzuleiten 
ist,  Catull.  29,  17  paterna  prima 
lancinatd  simt  bona.  Die  Biiste  der 
Mutter  macht  er  zuerst  unkennt- 
lich    {frangit)    und  verkauft  dann 


LIBRI  IV     SATVRA  XI 


227 


et  quadriDgeutis  uummis  coudire  gulosum 
lictile;  sic  veniunt  ad  miscillauea  ludi. 
refert  ergo,  quis  liacc  eadem  paret;  in  Rutilo  nam 
luxuria  est,  iu  Veutidio  laudabile  uomen 
sumit  et  a  censu  famam  trahit.    illum  ego  iure 
despiciam,  qui  scit,  quanto  sublimior  Atlaus 
omnibus  in  Libya  sit  montibus,  hic  tamen  idem 
ignoret,  quantum  ferrata  distet  ab  arca 
saccuhis.    e  caelo  descendit  yva&t  Gbuvxov 
figeudum  et  memori  tractandum  pectore,  sive 
coniugium  quaeras  vel  sacri  iu  parte  senatus 
esse  vehs  —  neque  enim  loricam  poscit  Achillis 
Thersites,  iu  qua  se  traducebat  YHxes  — 


20 


25 


30 


24  scis  F        26  ignorat  ? 

den  Silberwert.  —  Das  fictile  (3, 
168),  denn  etwas  Besseres  hat  er 
nicht  mehr,  ist  gulosum,  da  er 
selbst  yaarQiiiaQyog  ist,  eine  komi- 
sche  coutradictio  in  adiecto,  denn 
die  gulosi  speisten  sonst  anf  Gold 
und  Silber.  Ebenso  ironisch  wird 
die  sagina,  die  grobe  nnd  uahr- 
hafte  Kost  der  Gladiatorenschule 
'hidi),  miscillanea  genaunt,  was  ein 
au3  allerlei  feinen  Efswaren  be- 
reitetes  Gericht  war. 

21 — 43:  Hier  wie  in  allen  Dingen 
kommt  alles  auf  Selbsterkenntnis  an. 

21  sq.  haec  eadem  kann  nur  das 
neutrum  plur.  im  Accusativ  sein, 
wie  177  Jiaec  eadem  illi  omnia  cum 
faciant,  hilares  nitidique  vocantur. 
Rntilus  z.  B.  iibt  thatsachlich  Ver- 
Kchwendung,  bei  Ventidius  dagegen 
erhalt  die  Juxuria,  der  er  ebenfalls 
ergeben  ist,  eine  ganz  andere  lob- 
liche  oder  ruhmende  Bezeichnung, 
denn  er  hat  das  geniigende  Ver- 
mogen.  —  Ventidius  ist  unbekannt, 
j»'denfall3  ist  er  nicht  mit  dem  7, 
199  erwahnten  Ventidius  Bassus 
identisch.  —  7iam  hat  Juv.  sonst 
(vielleicht  mit  Ausnahme  von  15,97) 
immer  an  der  Spitze  des  Satzes. 
Die  Inversion  des  iiam  findet  sich 
auch  bei  Catull,  Vergil  und  Horaz, 
vgl.  Lachmann  zu  Lucret.  IV  604. 

23  sumit,  d.  h.  die  luxuria  legt 
hier  ihren  Xamen  ab  und  nimmt 
einen  anderen  an,  der  etwas  Ruhm- 
liches  bezeicbnet,  et  a  censu  famam 
trahit  =  ja  mit  einer  gewissen  Ge- 


walt,  der  man  nicht  widerstreben 
kann,  wird  der  Rut  der  Lebens- 
weise  von  dem  Vermogen  des  Man- 
nes  bestimmt. 

24  despicimus  res  infra  nos  po- 
sitas ,  im  Gegensatz  zu  suspicere 
oder  admirari. 

25  sq.  /lictVZewbildetdenUbergang 
von  der  relativen  zur  demonstra- 
tiven  Satzform  (Gracismnsi,  zugleich 
aber  auch  wechselt  der  Indikativ 
{scit)  mit  dem  Potentialis  (ignoref), 
so  dafs  der  Gedanke  einer  Bedin- 
gung  entspricht:  si  tamen  idem 
ignoret.  —  ferrata  arca,  zu  1,  90. 

27  saccuJus,  14,  138  interea  pJeno 
dum  turget  saccuJus  ore.  —  e  caeJo, 
ist  als  Offenbarung  Apollos  gott- 
lichen  Ursprungs. 

28  tractandtim  =  agitandum  'zu 
iiberdenken',  vgl.  zu  6,  550.  — 
memori  pectore  ist  ein  vertioftes 
memori  mente,  Kopf  und  Herz  soll 
beteiligt  sein,  nach  Hor.  s.  II  4,  90 
quumvis  memori  referas  mihi  pectore 
cuncta. 

29  Dem  sive  korrespondiert  veJ, 
deim  sive  ist  =  vel  si.  Die  Paren- 
these  30 — 31  verursacht,  dafs  V.  32 
seu  adfectos  zur  selbstandigen  Pro- 
tasis  v.ird  und  mit  te  consuJe  eine 
neue  Apodosis  erhalt.  Das  Ganze 
bUdet  einen  Chiasmus.  —  sacri  se- 
natus,  weil  er  unter  dem  beson- 
deren  Schutz  der  kapitolinischen 
Gotter  steht. 

31  se  traduc€l)at,  vgl.  zu  2,  159. 
7,  16.   8,  17.    '  Hixam  iJlatn  Aiacis 
15* 


228 


IVVENALIS 


ancipitem  seu  tu  magno  discrimine  causam 
protegere  adfectas,  te  consule,  dic  tibi  qui  sis, 
orator  vehemens  an  Curtius  et  Matho  buccae. 
noscenda  est  mensura  sui  spectandaque  rebus 
in  summis  minimisque,  etiam  cum  piscis  emetur, 
ne  mullum  cupias,  cum  sit  tibi  gobio  tantum 
in  loculis.    quis  enim  te  deficiente  crumina 
et  crescente  gula  manet  exitus,  aere  paterno 
ac  rebus  mersis  in  ventrem  faenoris  atque 
argenti  gravis  et  pecorum  agrorumque  capacem? 
talibus  a  dominis  post  cuncta  novissimus  exit 
anulus,  et  digito  mendicat  PoUio  nudo. 
non  praematuri  cineres  nec  funus  acerbum 
luxuriae,  sed  morte  magis  metueada  senectus. 
hi  plerumque  gradus:  conducta  pecunia  Romae 
et  coram  domiuis  consumitur;  iude  ubi  paulum 


35 


40 


45 


34   an  Matho  co 
mena  pco:  culina  s 


35   suis  P 
41  pecoris  P 


38   te  om.  P        c***ina  P  cru- 


et  Vlixis  stultam  nec  tantis  viris 
clignam  fuisse  arhitratur  pocta\ 
Kiaer  99. 

32  aneipitem:  oder  wenn  du  eine 
gefahrliche  Rechtssache  zu  ver- 
treten  gedenkst. 

33  te  consule  'gehe  mit  dir  zu 
Rat',  gewohnlich  consulere  aliquem 
prudentem,  vgl.  6,  574  quae  nullum 
consulit  et  iam  consulitur ,  14,  317 
si  quis  me  consulat.  —  Qui  und 
nicht  quis  sis,  weil  nach  der  Eigen- 
schaft  gefragt  wird,  vgl.  zu  14, 178. 

34  veJiemens  =  dsivog,  wie  ein 
Demosthenes  oder  Cicero,  die  ani- 
morum  tractandorum  artifices  waren. 
—  Matho  ist  aus  1,  32  und  7,  129 
bekannt.  —  Curtius  ist  sicher  nicht 
der  Senator  Curtius  Montanus  (4, 
107),  den  Tac.  XVI  28  und  h.  IV  2 
orator  vehemens  nennt. 

35  mensura  sui,  vgl.  6,  357  sed 
nulla  pudorem  paupertatis  habet  nec 
se  metitur  ad  illum  quem  dedit  haec 
posuitque  modum. 

37  Plaut.  Pers.  317  sagt  Saga- 
ristio:  quia  hoves  hini  hic  sunt  in 
crumina,  und  in  der  Asinaria  wer- 
den  die  20  Minen  fiir  verkaufte 
Esel  selbst  asini  genannt. 

38  sq.  deficiente  crumina  nach  Hor. 
ep.  I  4,  11.    Die  viiterlichen  Giiter 


sind  verprafst,  Haus  und  Hof  sind 
versetzt,  nun  geht  auch  das  da- 
durch  gewonnene,  bare  Geld  aus, 
wahrend  das  Verlangen  nach  Lecker- 
bissen  zunimmt.  Eine  Tautologie 
neben  aere  paterno  ist  in  crumina 
nicht  erkennbar. 

41  argentum  grave  ist  massives 
Silber,  wie  Becher,  Opferschalen, 
Salzfafs  etc.  —  faenoris  angelegtes 
Kapital. 

42  sq.  Mart.  II 57  oppigneravitmodo 
modo  ad  Cladi  mensam  vix  octo 
nummis  anulum,  unde  cenaret.  Mit 
dem  Verlust  des  Census  erfolgt  der 
Verlust  des  Standes,  den  der  anulus 
bezeichnet,  Mart.  VIII  5  dum  donas 
Macer  anulos  pueTlis,  desisti  Macer 
anulos  hahere.  Daher  novissimus 
exit  a  domino.  —  et  digito  und 
wirklich,  parataktisch  fiir  velut  = 
wie  z.  B.  Juv.  scheint  den  9,  6 
erwahnten  Crepereius  Pollio  im 
Sinne  zu  haben. 

44—55:  Schilderung  des  erwahn- 
ten  exitus  der  Verschwender. 

45  hixuriae  =  luxuriosis.  Vgl. 
9,  126. 

46  conducta,  das  auf  den  ererbten 
Besitz  aufgenommene  Geld,  daher 
faenoris  auctor,  vgl.  Hor.  s.  I  2,  9 
omnia    conductis    coemens    obsonia 


LlBRl  IV    SATVRA  XI 


229 


nescio  quid  superest  et  pallet  faeuoris  uuctor, 
qui  vertere  solum,  Baias  et  ad  ostreii  curriiiit. 
cedere  uamque  foro  iam  uon  est  deterius,  quam 
Esquilias  a  ferveuti  migrare  Subura. 
ille  dolor  solus  patriam  fugieutibus,  illa 
maestitia  est,  caruisse  anno  circeusibus  uuo. 
sanguinis  iu  facie  non  haeret  gutta,  morantur 
pauci  ridiculum  et  fugieutem  ex  urbe  pudoreiu. 
experiere  hodie,  numquid  pulcherrima  dictu, 
Persice,  non  praestem  vita  nec  moribus  et  re, 
si  laudem  siliquas  occultus  ganeo,  pultes 
coram  aliis  dictem  puero  sed  in  aure  placeutas. 
uam  cum  sis  conviva  mihi  promissus,  habebis 
Euandrum,  venies  Tirynthius  aut  minor  illo 


50 


55 


60 


51  ferventis  P  55  et  fugientem  ?  Friscianus:  effugientetu  Pc 

56  dictnm   P         57  nec  g;  ***  P  vel  pa         58  si  P;  sfd  pca 


49  ciui  certere  sdlum,  denn  nicht 
alle  gelangen  dazu,  nach  dem 
Ijankerott  uoch  das  Vaterland  mei- 
den  zu  konnen,  viele  gehen  sofort 
zu  Grunde,  Petr.  81  conturbavit  et 
Ubidinis  suae  sohun  vertit.  Von  frei- 
\villigerVerbannung  ist  soZmwferiere 
der  iibliche  Ausdruck,  Liv.  III  13 
u.  58.  —  ad  ostrea,  vom  Lucriner- 
see,  cf.  4,  141. 

50  dtterius  schlimmer,  fallt  nicht 
schwerer. 

51  fervere  von  dem  Larm  und 
Gewuhl  der  verkehrreichen  Subura, 
Mart.  II  64  fora  litibus  omnia  fer- 
vcnt,  Claudian.  XV  485  innumeris 
fervebat  vocibus  Aulis. 

53  caruisse  circensihus  ist  sar- 
kastisch  wie  6,  87  utqiie  magis 
stupeas ,  ludos  Paridemque  reliquit, 
10, 80  duas  tantum  res  unxius  optat, 
Ijancm  et  circenses. 

54  sanguis  wie  10,  301,  vgL  13, 
242  eiectum  scmel  attrita  de  fronte 
pudorem.  Dennoch  besitzt  ein  sol- 
cher  Mensch  noch  immer  pudor, 
denn  er  verlaist  ja  Rom;  weil  aber 
diese  Art  von  Scham  des  Herab- 
gekommenen  nicht  auf  wirklichem 
Ehrgefuhl  beruht,  so  erscheint  sie 
lacherlich,  uiiJ  kaum  bemiiht  sich 
ein  Mensch  darum,  einen  so  ver- 
kommenen  Menichen  von  seinem 
Entschlufs  Rom  zu  meiden  (fug.  ex 
urbe  pudorem)  wieder  abzubringen. 


—  AIso  der  exitus  solcher  Menschen 
sind  die  Austern  in  Bajii?  Natiir- 
lich  die  weiteren  Stadien  von  hier 
zu  Elend  und  Tod  verstehen  sich 
von  selbst;  dem  Dichter  geniigt 
es,  den  Verschwender  uns  gezeigt 
zu  haben  auf  dem  Weg  der  Ehr- 
losigkeit. 

56—63  :  Einladung  des  Freundes 
zur  einfachen  altvaterlichen  Mahl- 
zeit.  Die  Schilderung  eines  lilnd- 
lichen  Mahles  hatten  bereits  Luci- 
lius  im  14.  Buch  seicer  Satiren 
und  Horaz  in  seinem  Ofellus  (II  2) 
gegeben. 

58  Hor.  ep.  I  7,  35  nec  somnum 
plebis  laudo  satur  altilium. 

59  dictare  fiir  impcrare  gehort 
der  silbernen  Latinitat  an,  vgl.Mart. 
II  86  nec  dictat  mihi  luculentus  Attis 
moUem  debilitate  galliambon  'das 
Gedicht  CatuUs  fordert  mich  nicht 
zur  Nachahmung  auf.  —  in  aurc 
'heimlich',  wie  Mart.  III  63  inter 
femineas  tota  qui  luce  cathedras  de- 
sideb  alque  aliqua  semj)er  in  aure 
sonat,  dagegen  Mart.  III  44  sonas 
ad  aurem,  I  89  garris  in  aurem 
semper  omnibus,  Hor.  s.  I  9,  9  in 
aurem  dicere  nescio  quid  puero. 

61  Juv.  erinnert  an  dje  Worte, 
mit  denen  Euander  den  Aneas  be- 
griifst:  haec,  inquit,  limina  victor 
Alcides  suhiit,  haec  iUum  regia  cepit: 
aude,  hospes,  contemnere  opes  et  te 


230 


IVVENALIS 


liospes,  et  ipse  tainen  coutiugens  sauguine  caelum, 
alter  aquis,  alter  flammis  ad  sidera  missus. 
fercula  nunc  audi  nullis  ornata  macellis. 
de  Tiburtino  veniet  pinguissimus  agro 
baedulus  et  toto  grege  mollior,  inscius  herbae 
necdum  ausus  virgas  humilis  mordere  salicti, 
qui  plus  lactis  habet  quam  sauguiuis,  et  montani 
asparagi,  posito  quos  legit  vihca  fuso. 
grandia  praeterea  tortoque  calentia  faeno 
ova  adsunt  ipsis  cum  matribus,  et  servatae 
parte  anni,  quales  fuerant  in  vitibus,  uvae, 
Signinum  Syriumque  pirum,  de  corbibus  isdem 
aemula  Picenis  et  odoris  mala  recentis 
nec  metuenda  tibi,  siccanti  frigore  postquam 
autumnum  et  crudi  posuere  pericula  suci. 
haec  olim  nostri  iam  hixuriosa  senatus 
cena  fuit.    Curius  parvo  quae  legerat  horto 


65 


70 


75 


63  missis  P        68  quis  P         75  siccanti   W:  siccatum  Poj 


quoque  dignum  finge  deo  rebusque 
veni  non  asper  egenisYerg.Ylll  360. 

63  Aneas  wurde  in  der  Schlacht 
gegen  die  Latiner  an  einem  Fliifs- 
chen  tot  gefunden  und  nach  seinem 
Tode  als  Gottheit  verehrt,  Liv.  I  2 
situs  est  super  Numicium  flumen, 
TibulL  II  5,  43  illie  sanctus  eris, 
cum  te,  venerande,  Niimici  unda 
deum  caelo  miserit  Indigitem.  Das 
Wasser  ist  das  reinigende,  das 
Feuer  das  lauternde  Element. 

64 — 76:  Beschreibung  der  land- 
lichen  Mahlzeit. 

64  sq.  fercida  am  AnfangdesVerses 
und  der  Beschreibung  wird  von 
den  schlichten  Gerichten  ironisch 
gebraucht.  —  ornata  macellis  =  ex 
m.  instructa,  Mart.  X  59  dives  et 
ex  omni  posita  est  instructa  macello 
cena  tibi;  wegen  des  Plurals  vgl. 
zu  10.  —  In  der  Gegend  von  Tibur 
besafs  der  Dichter  ein  Landgut, 
■wofiir  auch  V.  69  das  Wort  vilica 
spricht.  Zur  Sache  vgl.  Hor.  s.  II 
2,  120  bene  erat  non  piscibus  urbe 
petitis  sed  pullo  atque  Jiaedo. 

68  Spondeischer  Versschkifs  findet 
sich  noch  71.  138.  2,  145  (?).  3,  17. 
120.  273.  4,  87.  6,  296.  8,  218.  10, 
88.   13,  191.   14,   165.  5,  38. 

70  torto  faeno  aus  dem  Nest,  ca- 


lentia,  also  ganz  frische  Eier.  Die 
grofsen  Eier  (grdndia)  lassen  auf 
guteZucht  und  Fiitterung  schliefsen. 

72  parte  anni  wahrend  der  Halfte 
des  Jahres,  ein  halbes  Jahr  hin- 
durch,  Caes.  b.  c.  I  47  pugnatum 
est  continenter  lioris  quinque  fvinf 
Stunden  hindurch.  Die  Weinlese 
fand  im  Spatherbst,  die  Mahlzeit 
aber  im  Monat  April  (V.  193)  statt. 
Auch  bei  uns  werden  Weintraubeu 
den  Winter  iiber  frisch  erhalten. 

73  Die  Birne  von  Signia  in  La- 
tium  war  scherbenfarbig  und  nach 
Cels.  II  24  dem  Magen  zutraglich. 
Die  syrische  Birne,  eine  Art  Berga- 
motte,  wuchs  besonders  in  der 
Gegend  von  Tarent. 

74  Hor.  s.  II  4,  70  Picenis  ce- 
dunt  pomis  Tiburtia  suco.  —  Da 
der  frische  Saft  des  Obstes ,  be- 
sonders  in  heifsen  Tagen,  dem 
Magen  nachteilig  ist,  so  liefsen  die 
Alten  das  Obst  durch  Lagerreit 
{siccanti  frigore)  ausfrieren. 

76  autumnum  =  autumni  matu- 
ritatem,  womit  eben  die  pericula 
crudi  suci  verbunden  sind. 

7  7— 1 19:  Geniigsamkeit  und  Gliick- 
seligkeit  der  guten  alten  Romerzeit. 

78  sq.  Wie  der  av itus  fimdu s  die- 
ser  Miiuner  noch  kleiu  war  {parco 


LIBRI  IV     SATVIiA  XI 


2:u 


ipse  focis  brevibus  pouebut  holuscula,  quae  nunc 

squalidus  in  magna  fastidit  eompede  fossor,  80 

qui  meminit,  calidae  sapiat  quid  vulva  popiuae. 

sicci  terga  suis  rara  pendentia  crate 

moris  erat  quoudam  festis  servare  diebus, 

et  natalicium  cognatis  ponere  lardum 

accedente  nova,  si  quam  dabat  hostia,  carne.  85 

coguatorum  aliquis,  titulo  ter  consulis  atque 

castrorum  imperiis  et  dictatoris  honore 

functus,  ad  has  epulas  solito  maturius  ibat 

erectum  domito  referens  a  monte  ligonem. 

cum  tremerent  autem  Fabios  durumque  Catonem  yo 

et  Scauros  et  Fabricium,  postremo  severos 

censoris  mores  etiam  collega  timeret, 

nemo  inter  curas  et  seria  duxit  habendam 

qualis  in  Oceauo  fluctu  testudo  uataret, 

81  sapiat  qui  P        91  Fabricios  rigidique  s.  oj        93  habendaui  P; 
habendum  pco         94  oceano  ?:  oceana  P  oceani  pa 


horto),  so  war  auch  Haus  und  Herd 
uoch  gering  (foci  ireves),  Hor.  I 
12,  44  avitus  arto  cum  Jare  fundus, 
sie  besafsen  noch  keine  Palaste  in 
der  Stadt:  a  viUa  in  senatum  ar- 
cessehantur  Cic.  sen.  56. 

80  fossor  in  compede  ist  ein  ge- 
fesselter  Sklave  aus  dem  ergastu- 
lum,  vgl.  6,  151,  der  zur  Feld-  oder 
Winzerarbeit  benatzt  wird,  Pers, 
5, 122  cutn  sis  cetera  fossor,  Catull. 
22,  10  hdlus  ille  et  urbanus  Suf- 
fenus  unus  caprimulgus  aut  fossor 
rursus  videtur.  Die  Gebiirmutter 
aus  dem  Leibe  eines  trachtigen 
Mutterschweines  galt  fur  eine  De- 
likatesse,  und  wurde  in  den  vor- 
stfidtischen  Garkuchen  {cdlida  po- 
pina)  bereitet,  vgL  8,  158  sq.  Hor. 
ep.  I  15,  41  nil  volva  pulekrius 
ampla,  Mart.  XIU  56  me  materna 
gravi  de  sue  volca  capit.  Plin.  ep. 
I  15,  3  at  tic  apud  neseio  quern 
ostrea,  volvas,  echinos,  Gaditanas 
(cf.  162)  maluisti. 

82  rara  pendentia  crate  'hangend 
am  luftigen  Sparrwerk',  nach  Ovid. 
met.  VI  G48  sordida  terga  suis  nigro 
pendentiu  tijno. 

83-  qmndam  'vor  Zeiten,  sonst'. 

84  natalicium  'nur  an  Geburts- 
tagen',  Salpicia  bei  Tib.  IV  4,  11 
qui  mihi  te,  Cerinthe,  dies  dedit,  hic 


mihi  sanctus  atque  inter  festos  sem- 
per  habendus  erit. 

88  solito  maturius  'ausnahmsweise 
friihzeitig' ;  nur  ein  besonderes  Fest 
schien  zu  einer  solchen  Freiheit 
gegeniiber  der  herrschenden  Sitte 
zu  berechtigen. 

89  a  monte,  vgl.  2,  74. 

90  cum  —  autem  als  sie  ferner 
noch  zitterten  vor  Mannern  wie 
Fabius  Maximus,  mit  Furcht  nnd 
Zittern  zu  solchen  Censoren  auf- 
blickten.  —  In  cum  verbindet  sich 
die  Vorstellung  der  Zeit  und  der 
Ursache  (da). 

92  Im  J.  204  v.  Chr.  verfolgten 
sich  gegenseitig  die  Censoron  C. 
Clandius  Xero  und  M.  Livius  Sali- 
nator,  Liv.  XXIX  37;  vgL  ferner 
zu  9,  142  argenti  vascula  puri,  sed 
quae  Fabricius  cemor  notet. 

93  Das  zu  habendam  gehorige 
Nomen  (testudinem)  ist,  wie  so  oft, 
in  denRelativsatz  (nicht  etwaFrage- 
satzl)  geruckt  und  attrahiert. 

94  tjber  die  testudo  zu  6,  80.  — 
Oceano  ist  nicht  Adjektiv,  sondern 
Oeeanus  fluctus  ist  eine  Verbindung 
wie  Caes.  b.  g.  III  7,  2  und  Tac.  h. 
IV  12  mare  Oceanus,  Tac.  I  9  mari 
Oceano  aut  amnibus  saepticm  im- 
perium,  Caes.  b.  g.  I  30,  2  ez  usu 


232 


IVVENALIS 


clariim  Troiugenis  factura  et  nobile  fulcruni, 
scd  nudo  latere  et  parvis  frous  aerea  lectis 
vile  coronati  caput  ostendebat  aselli, 
ad  quod  lascivi  ludebant  ruris  alumni; 
tales  ergo  cibi,  talis  domus  atque  supellex. 
tunc  rudis  et  Graias  mirari  nescius  artes 
urbibus  eversis  praedarum  iu  parte  reperta 
niagnorum  artificum  frangebat  pocula  miles, 
ut  phaleris  gauderet  equus  caelataque  cassis 
Romuleae  simulacra  ferae  mansuescere  iussac 
imperii  fato,  geminos  sub  rupe  Quirinos, 
ac  uudam  effigiem  clipeo  venientis  et  hasta 
pendentisque  dei  perituro  ostenderet  hosti. 
ponebant  igitur  Tusco  farrata  catino: 


95 


100 


105 


99   tales qualis  Pco,   corr.   W 


terrae  GalUae,  Liv.  XXV  7,  4  terra 
Italia. 

96  sqq.  nudo  latere  —  frons  aerea 
ist  eine  kiihne  Verbindang,  insofern 
latus  und  frons  Teilbegriffe  des 
leetus  sind ,  die  einander  gleich- 
stehen,  ohne  doch^  grammatisch 
koordiniert  zu  sein;  fons  aerea  er- 
scheint  als  Hauptbegriff,  dagegen 
bezeichnen  die  beiden  Abl.  Moda- 
litatsverhaltnisse:  abgesehen  davon, 
dafs  die  Seite  des  Bettes  schmuck- 
los,  d.  h.  ohne  Schnitzwerk,  und 
das  Bett  selbst  nur  klein  war,  hatte 
das  Bett  vorn  den  armseligen  Kopf 
eines  Esels.  Der  Esel  wird  mit 
Weinlaub  bekranzt,  weil  er  durch 
das  Benagen  der  Schofslinge  das 
Schneiteln  des  Weinstocks  gelehrt 
haben  soll,  und  er  ist  der  Vesta, 
der  Gottiu  des  Hausstandes,  heilig, 
weil  er  diese  einst  durch  sein  Ge- 
schrei  vor  dem  Priapus  gerettet 
baben  soll,  vgl.  Ovid.  f.  VI  319  sq. 
Tm  Atrium,  wo  das  Ehebett  stand, 
spielten  die  mutwilligen  Jungen  des 
Landes,  d.  h.  die  Kinder  des  Haus- 
herrn  und  des  Gesindes,  vgl,  14,  168 
infantes  ludehant  qiiattuor,  umis 
vermda,  tres  domini. 

99  Der  au  sich  aberfliissige  Vers 
gewahrt  einen  gewissen  Ruhe- 
punkt  und  verraittelt  die  sich  an- 
scbliefsende  Fortsetzung  der  Schil- 
derung  antiker  Einfachheit  des 
Lebeus. 


100  Im  Gegensatz  zu  den  spa- 
teren  Kunstraubereien,  wie  sie  8, 
100  sq.  geschildert  werden.  Liv. 
XXV  40,  2  inde  primum  initium 
mirandi  Graecarum  artium  .  opera 
licentiaeque  Jiuic  sacra  profanaque 
omnia  spoliandi  factum  est.  Be- 
kanntlich  umfafst  mirari  den  Be- 
griff  der  Begehrlichkeit. 

103  Sie  zerbrachen  (vgl.  18)  diu 
Kunstwerke,  um  aus  dem  edleu 
Metall  in  Rom  sich  pJialerae  u.  s.  w. 
verfertigen  zu  lassen. 

105  Das  fatum  imperii  war  die 
gottliche  Verheifsung,  weIche.Rom 
die  Weltherrschaft  bestimmte.  — 
geminos  Quirinos,  d.  h.  Momulmi 
et  Eemum,  wie  ofters  Castores  = 
Castor  et  Pollux.  —  suh  rupe,  Verg. 
VIII. 630:  feeerat  (auf  dem  Schilde 
des  Aneas)  et  viridi  fetam  Mavortis 
in  antro  procuhuisse  lupam,  geminos 
liuic  uhera  circum  ludere  pendentis 
pueros  et  lamhere  matrem  impavidos. 

107  pendentis,  weil  er  am  Helm 
angebracht  ist.  Der  Gott  erscheint, 
um  die  Zwillinge  zn  belauschen, 
wird  aber  dadurch  zum  Schutzhort 
Roms  und  zum  Schrecken  seiner 
Feinde.  —  perituro,  denn  in  der 
Vorstellung  des  romischen  Soldaten 
ist  der  Feind,  einmal  erblickt,  auch 
dem  Tode  geweiht. 

108  Pers.  2, 60  aicrum  vasa  Numae 
Saturniaque  impulit  (brachte  zuni 
Weichen)   aera,    Vestalisque   urnus 


LlbUl  IV     SATVRA  XI 


23B 


argenti  quod  erat,  solis  fulgebat  iu  ariuis. 
omnia  tunc-,  quibus  iuvideas,  si  lividulus  sis; 
tomploruui  quoque  maiestas  praesentior,  et  vox 
nocte  fere  modia  mediamque  audita  per  urbem 
litore  ab  Oceani  Gallis  venieutibus  et  dis 
officium  vatis  perageutibus  his  uiouuit  uos; 
hanc  rebus  Latiis  curam  praestare  solebat 
tietilis  et  uullo  viohitus  luppiter  auro. 
ilia  domi  uatas  uostraque  ex  arbore  mensas 
tempora  viderimt;  hos  lignum  stabat  ad  usus, 
auuosam  si  forte  uucem  deiecerat  eurus. 
at  nunc  divitibus  ceuandi  uulla  voluptas, 
nil  rhombus,  nil  damma  sapit,  putere  videutur 
uuguenta  atque  rosae,  latos  uisi  sustiuet  orbes 
grande  ebur  et  maguo  sublimis  pardus  hiatu 
dentibus  ex  illis,  quos  mittit  porta  Syenes 


110 


115 


120 


109  om.  g 
1-21  uihil  P  his 


110  tunc  in  quibus  P  rasa  in 
123  ebenum  laJin 


118   iioc  P   hos 


ct  Tuscion  fictile  mutat.  Etruvien, 
besonders  Arretium,  versorgte  Rom 
bis  in  die  Kaiserzeit  uiit  Thon- 
waren  fiir  den  hauslichen  und 
religiosen  Gebrauch. 

110  Der  sehnsiichtige,  dennoch 
hier  scherzhaft  ausgesprochene 
Wunsch  ist  nicht  verschieden  von 
dem  Ausruf  bei  Hor.  s.  II  2,  92 
hos  utinam  inter  heroas  natum  tellus 
me  prima  tuUsset.  Vgl.  3,  312  und 
7,  207. 

112  Liv.  V  32  eoJein  anno  M. 
Caedicius  de  plebe  nuntiavit  tribu- 
nis,  se  in  nova  via,  uhi  nunc  sacel- 
Iiim  est  supra  aedem  Vestae,  vocem 
noctis  silentio  audisse  clariorem 
humana,  quac  magistratibus  dici 
iuleret,  Gallos  adventare. 

114  his  (Abl.)  rekapituliert  die 
beiden  Momente ,  dafs  der  Ruf 
media  nocfe  und  mcdiam  ptr  urbem 
vemommen  worden  ist.  —  monuit 
^warnte'. 

116  Prop.  V  1,  5  fictilibus  cre- 
vere  deis  haec  aurea  templa;  auch 
die  thonernen  Gotterbilder  der  alt- 
romischen  Zeit  stammten  aus  Etru- 
rien,  Pers.  2,  60.  —  violare  'be- 
eintrachtigen',  wie  3,  20  si  non 
infjenuum  violarent  marmora  tofum, 
Lucan.  IX  519  pauper  adhuc   deus 


est,  nullis  violata  per  aevum  divitiis 
deluhra  tencns. 

117  nostra  ex  arhore,  wahrend 
man  jetzt  kostbare  Tische  von  aus- 
landischemHolz,  besonders  von  dem 
wohlriechenden  Holze  des  Citrus- 
baumes  in  Afrika  vorzogr 

1 18  lignum  stahat,  das  Holz  stand 
aufgeschichtet  zum  Hausgebrauch 
{ad  tisus)  im  Hof.  Das  Holz  Qignum) 
wurde  aus  dem  zerschnittenen  Baum 
gewonnen. 

120—129:  Der  Luxns  der  Gegen- 
wart  bringt  keine  Befriedignng. 

121  damma  ''GazeUe'.  Das  Reh 
heifst  142  und  14,  81  caprea.  — 
Hor.  3.  n  2,  42  putet  aper  rhom- 
busque. 

122  sq.  svstinet,  Mart.  H  43  tu  Li- 
hycos  Indis  suspendis  dentihus  orbes, 
vgl.  zu  1,  137.  Die  Tischplatte  von 
afrikanischem  Citrusholz  wurde  von 
elfenbeinernen  Fiifsen  getragen. 
Von  diesen  aus  erhob  sich  {subli- 
mis)  nicht  selten  die  Gestalt  eines 
Panthers ,  der  ebenfalls  aus  Elfen- 
bein  gearbeitet  war. 

124  Syene,  Halbinsel  und  Stadt 
am  Nil ,  an  der  Grenze  von 
Athiopien  und  Agypten.  Da  sich  in 
jener  Gegend  das  Nilthal  verengert 
und  bei  der  Insel  Elephantine  sich 
der    zweite  Katarakt    befindet,  ist 


234 


IVVENALIS 


et  Mauri  celeres  et  Mauro  obscurior  Indus, 

et  quos  deposuit  Nabataeo  belua  saltu 

iani  nimios  capitique  graves.    hinc  surgit  orexis, 

liinc  stomacho  vires;  nam  pes  argenteus  illis, 

auulus  in  digito  quod  ferreus.    ergo  superbum 

convivam  caveo,  qui  me  sibi  comparat  et  res 

despicit  exiguas.    adeo  nulla  uncia  nobis 

est  eboris,  nec  tessellae  nec  calcuhis  ex  hac 

materia,  quin  ipsa  manubria  cultellorum 

ossea.    non  tamen  his  ulla  uraquam  obsonia  fiunt 

rancidula,  aut  ideo  peior  gallina  secatur, 

si  nec  structor  erit,  cui  cedere  debeat  omnis 

pergula,  discipulus  Trypheri  doctoris  —  apud  quem 


125 


130 


135 


130  compaiet  P        132  tesserulae  ?         136  si  W:  sed  P 


der  Ausdruck  ijorta  Syenes  ge- 
wahlt.  'Da  die  Katarakten  des 
oberen  Nils  den  unmittelbaren 
Wasserweg  sperrten,  hat  sich  der 
Verkehr  zwischen  dem  innern  Afrika 
und  Agypten,  namentlich  der  Elfen- 
beinhandel  iu  romischer  Zeit  mehr 
iiber  die  abessinischeu  Hiifen  als 
am  Nil  hin  bewegt;  aber  gefehlt 
hat  er  auch  in  dieser  Richtung 
nicht'.    Mommsen  R.  G.  V  596. 

126  sq.  Die  Resideuz  'des  Konigs 
von  Kabat''  war  Petra,  eine  zwischen 
dem  Toten  Meere  und  der  nord- 
ostlichen  Spitze  des  Arabischen 
Meerbusens  gelegene  Felsenbui-g, 
von  jeher  ein  Stapelplatz  fiir  den 
Verkehr  Indieus  und  Arabiens  mit 
dem  Mittelmeergebiet.  Mommsen 
R.  G.  V  476.  Nach  Petra  zogen 
die  Karawanen  von  Leuke  Kome 
im  Lande  der  Nabataer,  Strabo 
p.  780.  Im  J.  106  wurde  das  Reich 
der  Konige  von  Nabat  aufgelost 
und  aus  dem  grofseren  Teil  die 
romische  Provinz  Arabia  gebildet 
mit  der  Hauptstadt  Bostra,  von  wo 
aus  eine  romische  Strafse  zum  Per- 
sischen  Meerbusen  fiihrte.  Jenes 
Land  hatte  freilich  keine  Elefanten, 
wohl  aber  kamen  auf  jener  Kara- 
wanenstrafse  indische  Elefanteu  an 
das  Mittelmeer.  —  deposuit  —  graves 
ist  oii^enbar  ein  Scherz.  Juv.  wufste, 
dafs  die  Elefanten  ihre  Ztihne  wech- 
sehi  und  dafiir  grofsere  bekommen. 
Mit  den  grofsen  Stofsziihnen,  die 
das  Elfenbein  liefern,  geschieht  dies 


nur  einmal.  —  hinc,  der  aufseren 
Pracht  und  Kostbarkeit.  —  orexis, 
vgl.  6,  428  rahidam  facturus  orexim. 

128  Der  silberne  Tafelfufs  ist 
jetzt  ebenso  mifsachtet  wie  der 
eiserne  Ring  am  Finger,  wie  ihn 
die  alten  Romer  trugen.  Jetzt  hat 
man  goldene  Ringe,  wie  die  Fiifse 
der  Tische  aus  kiinstlicher  Elfen- 
beinarbeit  bestehen,  vgl.  Plin.  h.  n. 
XXXIII  9. 

129—161:  Tischgeriit  und  Bedie- 
nung  im  Gegensatz  zur  Sitte  der  Zeit. 

135  sqq.  rancidula,  weil  sie  reinlich 
gehalten  sind.  Das  Huhn  ist  darum 
nicht  schlechter,  dafs  (si)  es  nicht 
schul-  und  kunstgemiifs  'zerlegt 
(136)  und  nicht  von  einem  fein  ge- 
putzten  Aufwiirter  serviert  wird 
(142).  Es  korrespondiert  nec  in 
V.  136  dem  nec  in  V.  142.  Die  da- 
zwischen  liegende  Ausfiihrung  (136 
—  141)  ist  Parenthese,  d.h.  satirische 
Ironie.  —  Das  secare  bezeichnet  die 
Thatigkeit  des  structor  (5, 120),  vgl. 
5, 124,  denn  eineu  structor  hat  Juv. 
iu  seinem  Sklaven  auch,  nur  nicht 
einen  besonders  kunstgerechten, 
ciii  cedcre  debeat  omnis  pergula. 
Letzteres  ist  eigentlich  derVorbau 
an  einem  Hause  oder  einer  Taberne : 
in  solchen  Buden  wurden  oft  sehr 
verschiedcnartigea?tfsgelehrt,  Suet. 
gr.  18.  Dier  ist  an  die  Vorschneide- 
kunst  zu  denken,  und  ein  Doktor 
derselbenwarTryphcrus  {zQvcpsgoc;), 
der  seine  Kunst  an  holzerneu  Mo- 
dellen  lehrte.  Der  nvyaQyog  (Weifs- 


LIBUI  IV     SATV1.'A  XI 


2.35 


!<umiiie  cum  maguo  lepus  utquc  aper  et  pygargus 
et  Scythicae  volucres  et  phoL-nicopterus  ingens 
et  Gaetulus  oryx  hebeti  hiutissima  ferro 
caeditur  et  tota  sonat  ulmea  cena  Subura  — , 
nec  frustum  capreae  subducere  nec  latus  Afrae 
novit  avis  noster,  tirunculus  ac  rudis  omui 
tempore  et  exiguae  furtis  iubutus  ofellae. 
jilebeios  calices  et  paucis  assibus  emptos 
porriget  incultus  puer  atque  a  frigore  tutus. 
non  Phryx  aut  Lycius,  non  a  mangone  petitus 
quisquam  erit  Armenio:  cum  posces,  posce  latine. 
idem  habitus  cunctis,  tonsi  rectique  capilli 
atque  hodie  tautum  propter  couvivia  pexi. 
pastoris  duri  hic  est  filius;  ille  bubulci 
suspirat  longo  uon  visam  tempore  matrem, 
et  casulam  et  notos  tristis  desiderat  haedos, 
ingenui  vultus  puer  ingeuuique  pudoris, 
quales  esse  decet  quos  ardens  purpura  vestit, 


140 


14i 


150 


155 


141  tota  om.  P  add.  p  142  caprae  P 
148  Armenio  11';  ia  magno  P  et  magno  ca 
est  hic  ca 


146  ](orfigit  P    a  am.  P 
151  bic  om.   P  add.  p 


steifs)  war  eine  aus  Afrika  einge- 
fulirteAntiIope,Herod.IV  192.  Plin. 
VIll  214.  —  Die  Scythicae  oder  Pha- 
sianae  volucns,  vom  Flufs  Phasis 
oder  dem  alten  Skytliensitze  so  be- 
nannt,  kamen  unter  Augustns  nacb 
Rom,  Petron.  93.  —  Der  phoenico- 
pterus,  Purpurfliigler,  d.  b.Flamingo, 
Ton  seinen  glanzroten  Schwiugen 
80  benannt,  war  ein  afrikaniacher 
Wasservogel,  dessen  Zunge  Apicius 
besonders  fein  fand,  Plin.  h.  n.  X 
133.  Er  wurde  auch  auf  den  Villen 
Latiums  gemiistet. 
-  140  orijx  war  die  isabellfarbene 
Gazelle  in  Afrika  {Gaetulus),  Mart. 
XIII  95. 

141  Subiira,  denn  in  diesem  fre- 
quenten  Stadtteil  war  die  Schule 
des  Trypherus. 

142  sq.  avis  Africa,  Numidica  odev 
Libyca,  auch  gallina  Africana,  ist 
das  afrikanische  Perlhuhn.  —  noster, 
sc.  structor,  ironisch.  —  rudis  omni 
tempore,  'von  jeher  ganz  unschul- 
dig',  er  bleibt  immer  rudis. 

145  plebeios  calices,  im  Gegen- 
satz  zn  den  5,  38  sq.  geschilderten 
Bechern. 


146  incuUm,  nicht  fein  heraus- 
geputzt  wie  die  asiatischen  Gany- 
mede,  5,  56  ilos  Asiae,  aber  auch 
vor  Kalte  sicher,  d.  h.  warm  ge- 
kleidet,  vgl.  1,  93  u.  9,  68. 

148  mawjone  Armenio,  wie  Mart. 
VII  80  Mjtilenaei  roseus  mangonis 
ephebus. 

149  idem  habitus,  wahrend  sonst 
die  Vornehmen  auf  verschiedenes 
Kostiim  wie  auf  verschiedene  Her- 
kanft  Gewicht  legten,  vgl.  Hor.  s. 
11  8  14  fuscus  Uydaspes,  daneben 
Alcon  maris  expers.  —  recti,  'natiir- 
lich,  ungekrauselt,'  und  nur  wegen 
der  festlichen  Gelegenheit  frisiert 
{pexus,  vgl.  6,  26),  wahrend  der 
Stutzer  immer  pexo  capillo  nitidus 
erscheint. 

151  hic,  der  eine  Diener,  welcher 
die  Speisen  auftriigt;  der  andere 
[ille)  verrichtet  die  Dienste  des 
Mundschenk-jn ,  des  puer  a  cyatho, 
vgl.  159. 

155  quos  . .  vestit  =  praetextatos, 
die  Sohne  der  freien  Biirger,  denen 
nur  allzu  oft  der  jugendliche  pudor 
fehlt,  vgl.  1,  78.' 


236 


IVVENALIS 


nec  pupillares  defert  in  balnea  raucus 

testiculos,  nec  vellendas  iam  praebuit  alas, 

crassa  nec  opposito  pavidus  tegit  inguina  guto. 

liic  tibi  vina  dabit  diflfusa  in  montibus  illis, 

a  quibus  ipse  venit,  quorum  sub  vertice  lusit; 

numque  una  atque  eadem  est  viui  palria  atque  ministri. 

forsitan  expectes,  ut  Gaditana  canoro 

incipiant  prurire  choro,  plausuque  probatae 

ad  terram  tremulo  descendant  clune  puellae  — 

et  spectant  nuptae  iuxta  recubante  marito, 

quod  pudeat  narrare  aliquem  praesentibus  ipsis  — 

inritamentum  veneris  languentis  et  acres 

divitis  urticae,  maior  tamen  ista  voluptas 

alterius  sexus;  magis  ille  extenditur,  et  mox 

auribus  atque  oculis  concepta  urina  movetur. 

non  capit  bas  nugas  humilis  domus.     audiat  ille 

testarum  crepitus  cum  verbis,  nudum  olido  stans 

fornice  mancipium  quibus  abstinet,  ille  fruatur 


160 


165 


170' 


159  hinc  P         163  incipiat  co  incipia**  P 
160  vel  162  vel  171  vcl  202  ponunt  aut  om.  ? 
co/T.  W         166  aliquid  P 


165  166  post  159  vel 
165   exspectant  lioc  P 


156  jmpillares,  'minoreune',  die 
ruan  nicht  znr  Entwicklung  kommen 
lafst,  vgl.  6,  371,  weshalb  ein  solcher 
raucus  ist,  d.  h.  eine  hohe  Diskant- 
stimme  hat.  Das  Folgende  erlautert 
Mart.  XIV  205  sit  nohis  aetate  puer, 
non  pmmice  levis. 

158  nec  pavidus  tegit,  weil  er 
anstiindig  gekleidet  ist,  wahrend 
die  feinen  Prachtsklaven  in  durch- 
sichtiger  Gaze  auftraten,  die  die 
Blofse  nicht  verhiillte.  Dagegen 
emporte  sich  doch  mitunter  das 
natiirliche  Schamgeffihl. 

159  diffusa,  vgl.  5,  30  ipse  capil- 
lato  diffusum  consule  potat.  Juv. 
verspvichtcinfache  Landweine,  nicht 
etwa  kostbare  Weine  aus  Suditalien 
odor  Griechenland,  vgl.  5, 33.  13, 214. 

162—182:  Gegensatz  der  Sitten- 
reinheit  eines  so  einfach  biirger- 
lichen  Mahles  gegeniiber  der  Sitten- 
losigkeit  der  vornehmen  Sympoaien. 

162  sq.  Hamerling  Ahasvor  I  22: 
''s  ist  eine  junge  Gaditanerin,  ja 
ein  hesperischFriichtchenaus  Hispa- 
nien,  das  Jahr  um  Jahr  dem  kunsiver- 
stand'gen  Rom  die  fenrigschonsten 
der  Sylphiden  sendet.'    Sie  leiteten 


ibre  Tanze  mit  Kisternen  Gesangen 
(172)  ein,  uud  begleiteten  sie  mit 
Kastagnetten,  crusmata  bei  Mart. 
VI  71.  Gaditana  (Acc.)  prurire, 
wie  ludere  convicia  Mart.  VII  8, 
von  obsconen  Tanzen  und  Gesangen 
nach  Art  der  Gaditanerinnen,  vgl. 
Mart.  I  35  carmina  (Nom.)  ^jm- 
riunt,  ni  63  cantica  qui  Nill,  qui 
Gaditana  susurrat,  VI  71  edere  la- 
seivos  ad  Baetica  crusmata  gestus  et 
Gaditanis  ludere  docta  modis. 

164  tremulus,  oft  von  schmachten- 
den,  liebezartlichen  Worten  oder 
Bewegungen,  Mart.  XIV  203  von 
der  puella  Gaditana:  tam  tremulum 
crissat,  tam  hlandum  prurit,  ut 
ipsum  masturhatorem  fecerit  Hippo- 
lytum,  Pers.  1,  21  tremulo  scalpun- 
tur  intima  versu. 

165  u.  166  bilden  eine  satirische 
Digressiou,  in  der  hoc  (solche  Dinge) 
aus  quod  zn  erganzen  ist,  nnd  V.  147 
enthalt  eineApposition  zu  163—164. 
—  et  =  und  in  der  That. 

168  sq.  divitis  ist  wahrscheinlich 
verschrieben.  Der  Zusammenhang 
erfordert  einen  Gegensatz  zu  alte- 
rius  sexus. 

170  Vgl.  6,  63sqq.  313. 


LIBKI  IV     SATVRA  XI 


237 


vocibus  obscaenis  omnique  libidiuis  arte, 
qui  Lacedaemonium  pytismate  lubricat  orbem; 
uamque  ibi  fortunae  veuiam  damus.     alea  turpis, 
turpe  et  adulterium  mediocribus:  liaec  eadem  illi 
omuia  cum  faciaut,  hilares  uitidique  vocautur. 
uostra  dabuut  alios  hodie  couvivia  ludos, 
couditor  lliados  cantabitur  atque  Marouis 
altisoui  dubiam  facientia  carmiua  palmam, 
quid  refert,  tales  versus  qua  voce  legautur? 

sed  uuuc  dilatis  averte  uegotia  curis 
et  gratam  requiem  doua  tibi:  quando  licebat 
per  totum  cessare  diem?    uon  faenoris  ulla 
meutio,  nec  prima  si  luce  egressa  reverti 
uocte  solet,  tacito  bilem  tibi  coutrahat  uxor, 
umida  suspectis  referens  multicia  rugis 
vexatasque  comas  et  vultum  auremque  calentem. 
protinus  ante  meum  quidquid  dolet  exue  limen, 
pone  domum  et  servos  et  quidquid  frangitur  illis 


175 


180 


185 


190 


178  faciunt  5 
191  domant**  P 


180  coiidi***tur  P  condBcitur  S        184  licebit  pa 


175  pytissare,  pytisma,  nvti^iiv 
vom  Ausspritzen  des  Weines  durcli 
die  Lippen,  um  so  seinen  Geschmack 
zu  priifen,  das  Ausgespritzte  selbst 
hiefs  pytisma,  vvricfia,  Vitruv.  VII 
4,  5  ita  conviviis  eonan  quod  pocu- 
lis  et  pytismatis  effunditur,  simul- 
atqiie  cadit,  siccescit.  —  Der  orbis 
Laced.  ist  das  pavimentum  aus  ova- 
len  Stucken  lakonischen  Marmors. 

176  fortunae,  ''dem  Reichtum.' 
Selbstverstandlich  ist  des  Dichters 
Urteil  bittere  Ironie,  wie  8,  121. 

178  cum  faciant:  sie  thun  es, 
heifsen  aber  frohliche,  zierliche 
Leute. 

180  Zur  cena  -wTirde  oft  ein  dva- 
Yvc6aTT]g  hinzugezogen,  Kepos  XXV 
14  nemo  in  convivio  (Pomponii 
Attici)  aliud  acroama  audivit  quam 
anagnosten,  neque  umquam  sine  ali- 
qua  lectione  apud  eum  cenatum 
est.  Plin.  ep.  I  15,  2  audisses  co- 
moedos  vel  lectorem  vel  lyristen  vel, 
quae  mea  liberalitas,  omnes.  Vgl. 
zu  6,  433. 

181  Ebenso  urteilt  Quint.  X  1,  85 
Vergilius  omnium  eius  generis  poe- 
tarum  graecorum  nostrorumque  haud 
duhie  Ilomero  proximus,  ja  Domi- 
tina  Afer  erkliirte  aaf  die  Frage,  wer 


dem  Homer  am  nachsten  komme: 
secundus  est  Vergilius,  propior  tamen 
primo  quam  tertio.   Vgl.  zu  6,  435. 

183—208:  Aufforderung  an  den 
Freund,  sich  aller  Sorgen  zu  ent- 
schlagen  und  die  bevorstehende 
Festzeit  dem  Freunde   zu  widmen. 

184  sqq.  quando  licebat:  so  ein 
ruhiger  Ferientag  ist  dir  doch  bis- 
her  nur  selten  zu  teil  geworden.  — 
Zur  Sorglosigkeit  gehort,  dafs  er 
beim  Dichter  keine  Unterhaltung 
iiber  Kapitalien  (faenoris)  u.  keinen 
Frauenarger  finden  wird,  weil  der 
Dichter  keine  Frau  hat.  Wie  solche 
Frauen  die  Gaste  qualten,  schildert 
6,  433.  An  die  uxor  des  Persicus 
zu  denken  ist  unmoglich,  selbst 
wenn  dieser  nur  ein  fingierter  Adres- 
sat  sein  sollte,  da  ja  doch  der  Dich- 
ter  sich  im  Kreise  der  Wahrschein- 
lichkeit  und  Moglichkeit  bewegen 
mufs. 

188  multicia,  zu  2,  76.  —  umida, 
von  der  Glut  der  Erregung. 

190  protinus,  'sofort'.  —  Das 
exuere  quidquid  dolet  wiire  nicht 
moglich,  wenn  er  nicht  im  Hause 
des  Dichters  selbst  Ruhe  und  Fric- 
den  finden  wiirde. 


238 


IVVENALIS 


aut  perit,  ingratos  ante  omnia  pone  sodales. 
interea  Megalesiacae  spectacula  mappae 
Idaeum  sollemne  cnlunt,  similisque  Triumpho 
praeda  caballorum  praetor  sedet,  ac  mihi  pace 
immensae  nimiaeque  licet  si  dicere  plebis, 
totam  hodie  Romam  circus  capit,  et  fragor  aurem 
percutit,  eventum  viridis  quo  colligo  panni. 
nam  si  deficeret,  maestam  attonitamque  videres 
hauc  urbem  veluti  Cannarum  in  pulvere  victis 
consulibus.    spectent  iuvenes,  quos  clamor  et  audax 
sponsio,  quos  cultae  decet  adsedisse  puellae: 
nostra  bibat  veruum  contracta  cuticula  solem 


195 


200 


199  videret  P        200  victi  P  corr.  p         202  ac  sedisse  P 


193  sq.  spectacula  sind  die  Schau- 
pliitze  im  Cirkus,  dann  das  in  diesen 
befindliche  Publikum.  Dieses  ge- 
hort  der  megalesischen  Fahne  an, 
ist  durch  diese  herbeigezogen  und 
versammelt  oder  auch  ihr  ergeben, 
auf  sie  gespannt.  Denn  wenn  das 
Rennen  beginnen  sollte,  so  gab  der 
vorsitzende  Prator  das  Zeichen,  in- 
dem  er  ein  weifses  Tuch  {mappa) 
von  seinem  Balkon,  oberhalb  des 
Hauptportals ,  in  die  Bahn  hinab- 
warf.  —  Die  Megalesia  (6,  69),  zu 
Ehreu  der  Mayna  Mater  oder  Idaea 
Mater,  wurden  im  April  gefeiert, 
anfangs  pridie  Idus  (12.  April), 
spater  jiridie  Nonas  {A.  A\n-i\),  dauer- 
ten  aber  mehrere  Tage  nachein- 
ander.  Es  fanden  ludi  scaenici  und 
circenses  statt.  Die  Wagenrennen 
bildeten  den  Schlufs.  tJber  den 
Triumphalornat  des  Prator  vgl.  zu 
10,  36.  —  Der  xnaetor  ist  praeda 
(Paronomasie)  caballoriim ,  weil  er 
genotigt  ist,  fiir  die  Preise  der 
siegenden  Rosse  zu  den  Staats- 
spenden  so  viel  zuzuschiefsen,  dafs 
er  dadurch  ruiuiert  wird,  Mart.  IV 
67  praetor  ait  'scis  me  Scorpo 
(Wagenlenker)  Thalloque  daturum, 
atqiie  utinam  centum  milia  sola  da- 
rem.^  Die  abgehetzten  Pferde  der 
Sieger  nennt  auch  Martialis  cahalli. 

196  Rom  war  damals  eiue  so 
aufserordentlich  ausgedehnte  und 
volkreiche  Stadt,  dafs  es  vermessen 
erscheiuen  mufste  zu  sagen,  ganz 
Rom  umschliefse  der  Cu-kus  oder 
die   ganze   Stadt  sitze   im   Cirkus. 


Er  fafste  zu  Casars  Zeit  150  000 
Menschen,  und  unter  Vespasian 
werden  250  000  Sitzplatze  ange- 
geben.  Domitian  begann  einen  Neu- 
bau,  der  unter  Trajan  beendet  wurde, 
vgl.  Friedlander  S.-G.  IT  284. 

198  colligo,  denu  das  Haus  des 
Dichters  war  noch  in  der  Stadt. 
Der  Siegeslarm  durchhallte  dieStadt 
und  mochte  auch  in  der  Umgebung 
Roms  weithinvernehmbar  sein.  Uber 
die  Fraktionen  und  Farben  des  Cir- 
kus  vgl.  7,  114. 

199  erinnert  an  die  Worte  des 
Livius  XXH  54,  8  numquam  salva 
urbe  tantum  pavoris  tumuUusque 
intra  moenia  Romana  fuit. 

202  Ovid  am.  HI,  2  iu  cursus 
spectas,  ego  te;  spectemus  'utcrque 
quod  iuvat,  atqiie  oculos  pascat 
uterqice  suos.  tu  tamen  a  dextra, 
quicumque  es,  parce  puellae:  con- 
tactu  lateris  laeditur  ista  tui.  tu 
quoque,  qui  spectas  post  nos,  tua 
contrahe  crura,  si  pudor  est,  rigido 
nec  preme  terga  genu.  trist.  II  284 
tollatur  circus!  non  tuta  licentia 
circi  est:  hic  sedet  ignoto  iuncta 
puella  viro. 

203  contracta  cutis  von  der  be- 
reits  alteren,  nicht  mehr  jugendlich 
elastischen  Haut.  Altere  sonnten 
sich  gern,  Pers.  4,  18  quae  tibi 
summa  boni  est?  uncta  vixisse  pa- 
tella  semper  ct  adsiduo  curata  cuti- 
cula  sole,  Hor.  ep.  I  20,  24  solibus 
aptus.  —  Bei  den  Spielen  durften 
die  Zuschauer  nur  in  der  Toga  er- 
scheinen,  vgl.  3,  171. 


1 


A 


LIBRI  IV     SATVRA  XU 


2?,n 


eftugiatque  togam.    iam  nunc  in  balnea  salva 
fronte  lieet  vadas,  quamquam  solida  hora  supersit 
ad  sextam.    facere  hoc  non  possis  quinque  diebus 
continuis,  quia  sunt  talis  quoque  taedia  vitae 
magna;  voluptates  commendat  rarior  usus. 

SATVRA  XII 

Natali,  Corvine,  die  mihi  dulcior  haec  lux, 
qua  festus  promissa  deis  animalia  caespes 
expeetat    niveam  reginae  ducimus  agnam, 
par  vellus  dabitur  puguanti  Gorgone  Maura, 
sed  procul  extensum  petulans  quatit  hostia  funem 
Tarpeio  servata  lovi  froutemque  coruscat, 


205 


205  quam  quod  P        208  parior  19 
XII  2  diis  P        4  purante  P  rasa 


204  salca  fronte,  'ungeocheut'. 

205  Hier  darfst  du  schon  in  der 
funft^n  Stunde  (11—12  Uhr)  baden, 
wiihrend  es  sonst  erst  nach  der 
achten  Stunde  (uru  2—3  Uhr)  iib- 
lich  war.  Frennde  pflegten  vor  dem 
gemeinsamen  Essen  auch  mitein- 
ander  zu  baden. 

Sat.  XII. 

Die  Satire  enthalt  einen  Brief  des 
Dichters  an  seinen,  uns  sonst  nicht 
bekannten  Freund  Corvinus.  Er 
beschreibt  das  Opferfest,  das  er  au.s 
Freude  iiber  die  wunderbare  Er- 
rettung  seines  Freundes  Catullus 
aus  einem  Schiffbruch  gelobt  und 
veranstaltet  habe.  Aber  sein  Fest 
und  sein  Opfer  diirfe  nicht  den  Arg- 
wohn  der  Erbschleicherei  erregen, 
denn  Catullus  habe  drei  natiirliche 
Erben.  Damit  wird  die  Epistel 
eine  Satire  gegen  die  damals  noch 
immer  herrschende  Unsitte  der  Erb- 
schleicherei. 

1  Klarer  ist  derselbe  Gedanke 
bei  Horat  IV  11,  17  iure  sollemnis 
mihi  sanctiorque  paene  natali  pro- 
prio,  quod  ex  hac  luce  Maecenas 
meus  affluentis  ordinat  annos  und 
in  dem  schonen  Gedicht  der  Sul- 
picia  bei  Tibull.  IV  5, 1  ausgedriickt : 
qui  mihi  te,  Cerinth^,  dies  dedit, 
hic  mihi  sanctus  atque  inter  festos 
seinper  hnhendus  erif.  Boi  .Jnv.  ver- 
milat    man    die    sofortige    Angabe, 


warum  dieser  Tag  fiir  ihn  noch 
wertvoller  sei  als  selbst  der  eigene 
Geburtstag.  V.  2  besagt  nur,  dafs 
er  voti  damnatus  sei;  also  ist  der 
Gedanke:  Der  heutige  Tag,  an  dem 
ich  den  Gottern  fiir  Erfiillung  mei- 
nes  Gebetes  danke,  ist  mir  noch 
lieber   als   selbst  mein  Geburtstag. 

2  Das  Opfer  wird  den  drei  kapito- 
linischen  Gottheiten  im  Freien  (85sq.) 
dargebracht,  daher  der  Opferaltar 
aus  Rasenstiicken  {caespes),  wie  bei 
Hor.  I  19,  3  u.  II l  8,  4  positusque 
carbo  in  caespite  vivo. 

3  niveam,  weil  man  den  himm- 
lischen  Gottern  weilse,  den  unter- 
irdischen  schwarze  Tiere  zu  opfern 
pflegte,  luyio  Begina  war  der  Knltus- 
name  der  kapitolinischen  .luno. 

4  par  vellus  gehort  dem  niederen 
Stile  an,  ebenso  Gorgone  Maura 
(abl.  instrum.)  fiir  aegide,  Prop.  V 
9,  58  magno  Tiresias  aspexit  Pal- 
lada  vates,  fortia  dum  posita  Gor- 
gone  membra  lavat,  was  schon  edler 
klingt,  weil  Maura  fehlt. 

6  Da  mons  Tarpeius  der  iiltere 
Name  fiir  mons  Capitolinus  war, 
so  gebrauchen  die  Dichter  mit  Vor- 
liebe  {luppiter)  Tarpeius  fiir  Capito- 
Unus,  Prop.  V  1,  7  Tarpciusqus 
pater,  V  4,  1  Tarpeium  neums,  IV 
11,  45  Tarpeio  saxo.  Juv.  G,  47  Tar- 
peium  limen  adora.  —  coruscare 
(von  coi'uscus,  zuckend,  blitzond), 
intr.  zucken,    blitzen,  trans.  heftig 


240 


IVVENALIS 


quippe  ferox  vitulus  templis  maturus  et  arae 
spargendusque  mero,  quem  iam  pudet  ubera  matris 
ducere,  qui  vexat  nascenti  robora  cornu. 
si  res  ampla  domi  similisque  affectibus  esset, 
pinguior  Hispulla  traberetur  taurus  et  ipsa 
mole  piger  nec  finitima  nutritus  in  berba, 
laeta  sed  ostendens  Clitumni  pascua  sacri 
Vmber  et  a  grandi  cervix  ferienda  ministro, 
ob  reditum  trepidantis  adhuc  horrendaque  passi 
nuper  et  incolumem  sese  mirantis  amici. 
nam  praeter  pelagi  casus  et  fulmiuis  ictus 
evasit.    densae  caelum  abscondere  tenebrae 
nube  una  subitusque  antemnas  inpulit  ignis, 
cum  se  quisque  illo  percussum  crederet  et  mox 
attonitus  nuUum  conferri  posse  putaret 
uaufragium  velis  ardentibus.     omnia  fiunt 


10 


15 


20 


8  ubera  matris  om.  P  add.  p 
Vmber   W:  iret  Pw         a  om.  P 


13  sacri  W        sanguis  Pa         14 


bewegen,  ziickeu,  z.  B.  ignem,  lia- 
stam,  mucronem,  aber  nur  von 
schimmernden,  blitzenden  Dingen, 
wozu  aucli  die  frons  des  jungen 
Tieres  gehort.  Die  Kleinmalerei  ist 
ilhnlich  wie  bei  Hor.  III  13,  4—8 
u.  IV,  2,  55. 

8  spargendus,  zu  10,  331.  Verg. 
IV  61  candentis  vaccae  media  inter 
cornua  fundit  pateram,  Ov.  m.  VII 
594  in  der  Schilderung  der  Pest: 
admoti  quotiens  tempilis,  dum  vota 
sacerdos  concipit  ct  fundit  purum 
inter  cornua  vinum,  liaud  expectato 
ceciderunt  vulnere  tauri. 

9  qui,  ^md  das',  dem  vorherr- 
schenden  Sprachgebrauch  gemiifs 
fiir  et  qui. 

10  sq.  affcctus  =  amor  (G,  214) 
erst  in  der  silbernen  Latinitiit;  der 
intensive  Plural  bezeichnet  die 
starke,  innige  Liebe.  —  Hor.  IV  2, 
53  te  decem  tauri  totidemque  vac- 
cae,  me  tener  solvet  viiulus,  II  17, 
30  nos  humilem  feriemus  agnam. 

13  Die  vom  Clitumnus  durch- 
stromten  Triften  Umbriens  waren 
durch  die  Herden  grofser  und  weifser 
Stiere  beriihmt,  Claud.  XXVIII  506 
quin  et  Clitrimni  sacras  victoribus 
undas,  candida  quae  Latiis  prachcrit 
armenta  triumphis  (vgl.  10,  66);, 
visere  cura  fuit.    Der  Flufsgott  Cli- 


tumnus  hatte  auch  seine  Kapelle, 
Plin.  ep.  VIII  8,  5  adiQcet  tem- 
])lum  priscum  et  religiosum:  stat 
Clitumnus  ipse  amicius  ornatusque 
praetexta,  praesens  numen  atque 
etiam  fatidicum  indicant  sories. 

14  Vmher,  Prop.  IV  22,  23  hic 
Anio  Tiburne  fluis,  Clitumnus  ab 
Vmbro  tramite.  Der  Umber  an  sich 
war  stark  und  kriiftig  {varicus), 
daher  a  grandi  cervix  ferienda 
magisiro. 

17  et  fulminis  ictus,  'auch  dem 
heftigen  Blitzschlag'.  Die  ictns 
wiederholen  sich  in  der  Nahe  und 
Ferne,  daher  der  Plural. 

19  nube  una,  Verg.  I  88  eripiunt 
subito  nubes  caelumque  diemque  Teu- 
crorum  ex  oculis,  ponto  nox  incu- 
bat  atra,  III  198  involvere  diem 
nimbi  et  nox  umida  caelum  abstulit, 
ingeminant  abruptis  nubibus  ignes. 

20  et  mox,  als  sie  sich  von  dem 
Schrecken  erholt  hatten. 

22  omnia  fiunt,  iiberhaupt  ge- 
schieht  alles,  qualia  wie  es  eben 
der  Fall  zu  sein  ptlegt,  wenn  in  so 
ernster  Weise  (wie  in  diesem  wirk- 
lichen  Unfall)  ein  poetisches  (bei 
Dichtern)  Unwetter  sich  erhebt,  d.  h. 
alle  Uinstiinde  erfolgten  in  iiufser- 
ster,  nur  deukbann-  Weise.  Die 
Einfiihrunsr  einer  Vergleichung  mit 


LI15R1  IV     SATVKA  XII 


241 


qualiii  tam  graviter  si  quaiulo  poetica  surgit 

tempestas.    geuus  ecce  aliud  discrimiuis  audi 

et  miserere  iterum,  quamcjuam  siut  cetera  sortis  25 

eiusdem  pars  dira  quidem,  sed  coguita  multis 

et  quam  votiva  testautur  laua  tabella 

l)lurima;  piotores  quis  uescit  ab  Iside  pasciV 

accidit  et  similis  uostro  fortuua  Catullo. 

cum  pleuus  iluctu  medius  foret  alveus  et  iaui  30 

alteruum  puppis  latus  everteutibus  uudis 

arboris  iucertae  uutu  prudeutia  caui 

rectoris  uou  ferret  opem,  decidere  iactu 

eoepit  cum  veutis,  imitatus  castora,  qui  se 

euuuclium  ipse  facit  cupieus  evadere  damuo  35 

23  talia  Ptu  corr.    W  quam    quando   Schurtzfleisclt        24  tempe- 

statis  P  rasa   idtima  si/llaba  29  nos  nostiorf  similis  P         32  aiboris 

incerto  ?         uutu    W  nuUam  Fw         33  non  ferret    ]\':  conferet  1'  cum 
ferret  w 


qualis,  auch  ohne  Verb,  ist  bei  Vergil 
sehr  haufig,  vgl.  U  223  clamores 
tuUit,  qualis  mujitus,  fugit  cum 
sauciu6  taurus,  111  67y  qxdules,  cum 
vertice  cclso  acriae  queixus  consti- 
terwnt,  silva  alta  lovis  lucusve  iJia- 
nae,  Lucil.  Vll  16  (M.)  qiieis  oculi 
non  sunt  neque  nasura  et  qualia 
sanis. 

24  sq.  Sturm,-  Blitz  und  Feuer 
waren  iiberstanden:  da  {eccc)  kam 
noch  eine  andere  {aliud)  Gefahr, 
die  besouderer  miseratio  {miserere 
iterum)  wert  ist.  Mit  ecce  alius  (5, 
67)  wu-d  wie  sonst  mit  nam  (1, 
30.  6,  487)  ein  neues  Moment  der- 
selben  Sache  eingefiihrt.  Indessen, 
weun  ich  auch  wiederholt  iniseratio 
fjrdere,  was  in  dieser  Lage  {sortis 
eiusdem)  sonst  noch  erfolgte  {cetera), 
ist  zwar  an  sich  sehr  traurig,  aber 
es  sind  das  doch  nur  Kalamitaten, 
wie  sie  viele  erfahren  haben.  Eine 
solche  Kalamitat  erlitt  auch  CatuU, 
uamlich  den  Verlust  seiner  Giiter 
und  die  momentane  Angst,  dennoch 
in  den  Wellen  das  Leben  zu  ver- 
lieren.  L)ie  llauptsache  bleibt  dem 
Dichter  das  Einschlagen  des  Blitzes 
und  der  Braud  der  Segel.  Das 
iibrige,  waa  noch  folgte,  verdient 
zwar  auch  alle  Teilnahme,  es  ist 
aber  doch  nicht  von  dem  Mils- 
geschick  verschieden,  das  gar  viele 
erduldet  haben.  Es  enthillt  dem- 
nach  quamquam  eine  Correctio,  die 

lV"VIi.-.AI-lb    SAIVltAE. 


das  genus  ecce  aliud  und  miserere 
iterum  ihrerseits  mildert. 

30  sqq.  et  iam  ist  mit  non  ferrct 
opem,  mit  aUcrnum  (bald  rechts  bald 
links)  evertentibus  (iiberwaltigen) 
undis  zu  verbinden:  Folge  der  eversio 
lateris  ist  das  Hin-  und  Herschwan- 
ken  des  Mastbaumes  {arboris  nutus), 
und  dieses  ist  wieder  der  Grund, 
weshalb  eine  Wirkung  des  Steuer- 
ruders  unmoglich  wird,  das  Schiff 
erscheint  schwerlallig  und  uobe- 
weglich  fiir  die  Leukung.  Man 
sucht  daher,  um  das  Sinken  zu  ver- 
meiden,  es  durch  Abwerfen  {iactus) 
des  Ballastes  zu  erleichtern.  Da- 
durch  aber  wird  das  Schwanken 
nicht  beseitigt.  Man  schritt  des- 
halb,  um  auch  dieses  Hindernis  des 
Vorwartskommens  zu  beseitigen,  zu- 
letzt  zum  Kappen  des  Mastes,  53 
bis  54. 

33  decidere,  ''sich  vergleichen,  ab- 
finden',  urspr.  mit  dem  Gliiubiger, 
Senec.  dial.  XI  12,  1  pro  omniuvi 
horuvi  salute  hac  tecum  poitione 
(Abfindungssumme)  fortuna  dccidit, 
Mart.  IX  3  et  non  erit  uncia  tota, 
deculat  tecum  qua  pater  ipse  deum. 

35  'Was  Juv.  vom  Biber  erzlihlt, 
ist  eine  Fabel,  wurde  aber  noch 
im  17.  Jahrhundert  geglaubt.  Dazu 
kommt,  dafs  nicht  einmal  die 
testes  Sitz  des  Bibergeils  siud,  son- 
dern  dasselbe  bei  beiden  Geschlech- 
tern  in  besonderen  Sacken,  aller- 
16 


242 


IVVENALTS 


testiculi;  adeo  niedicatum  intellegit  inguen. 
^fuudite  quae  mea  sunt'  dicebat  '^cuncta'  Catullus 
praecipitare  volens  etiara  pulclierrima,  vestem 
purpuream  teneris  quoque  Maecenatibus  aptam, 
atque  alias,  quarum  generosi  graminis  ipsum 
infecit  natura  pecus,  sed  et  egregius  fons 
viribus  occultis  et  Baeticus  adiuvat  aer. 
ille  nec  argentum  dubitabat  mittere,  lances 
Parthenio  factas,  uruae  cratera  capacem 
et  dignum  sitiente  Pholo  vel  coniuge  Fusci; 
adde  et  bascaudas  et  mille  escaria,  multum 
caelati,  biberat  quo  callidus  emptor  Olynthi. 


40 


45 


36  testiculi  ?  Servius:  testicul  P  testiculorum  co  37  catullis  P 

38  volens  om.   P  add.  p  42  adiuvabit  P  rasa  syllaba  ultima        4.3 

dubitat  P  44  parthenios  P  46  mascaudas  P  47  quod  P 

pallidus  P 


dings    neben  den  Gesclilecbtsteilen 
liegend^  abgesondert  ist.'    Siebold. 

36  testiculi:  der  Hiatus  an  dieser 
Stelle  nur  hier.  Vgl.  110.  —  Sub- 
jelit  zu  intellegit  ist  castor;  medi- 
catum  von  medicare,  'mit  Heilkraft 
versehen',  Verg.  XH  418  hoc  fusum 
Jahris  splendentibus  (der  Venus) 
amnem  inficit  occulte  medicans. 

37  dicebat:  Das  Imperfekt  ver- 
setzt  uns  in  die  Situation,  wie 
CatuU  fort  und  fort  drangt,  ein 
Stiick  um  das  andere  abzuwerfen. 
CatuU  selbst  ist  nicht  weiter  be- 
kannt,  vgl.  93  sq. 

39  Vgl.  zu  1,  66. 

40  sq.  atque  alias,  sc.  vestes.  — 
Generosi  graminis  ist  Qualitatsgene- 
tiv  zu  pecus,  vgl.  Hor.  s.  II  4,  31 
non  omne  mare  cst  generosae  fertile 
testae.  —  Pecus  fiir  vellus  (Vliefs)  ist 
kiihn,  aber  nicht  auffallender  als 
4  par  vellus  fiir  agna.  Beides  ge- 
hiirt  zur  humoristischen  Maske  des 
Satirikers.  —  Das  edle  oder  viel- 
mehr  edelgenahrte  Tier  hat  an  sich 
von  Natur  seine  glanzende  gelb- 
braune  Farbe  (Mart.  IX  61  von  Cor- 
duba:  vellera  nativo  pallent  ubi  flava 
metdllo ,  XII  98  aurca  qui  {Baetis) 
nitidis  vellera  tinguis  aquis),  d.  h. 
erhiVlt  die  Farbe  mit  der  Nahrung, 
ist  mit  der  Farbe  geschaften,  aber 
diese  natiirliche  Farbe  wird  doch 
auch   dnrch   Luft  und   Wasser   der 


Gegend  des   Guadalquivir  (Baetis) 
bedeutend  gehoben. 

43  sq.  lances  —  factas,  silberne 
Schiisseln  mit  erhabener  Arbeit, 
denn  von  Parthenius  bemerkt  der 
Scholiast,  dafs  er-  caelator  gewesen 
sei.  Oder  sollte  der  prunkliebende 
Giinstling  und  Kammerer  des  Do- 
mitian  (Mart.  IV  45)  gemeint  und 
Parthenio  'iiiv  einen  Parthenius'  zu 
erklaren  sein? 

44  urnae  capacem,  wie  6,  426 
oenophorum  sitiens,  plena  quod  ten- 
ditur  urna.  —  Verg.  georg.  il  455 
Bacchus  et  ad  culpam  causas  dedit; 
ille  furentis  Centauros  leto  domuit, 
Phoetumque  Pholumque  et  magno 
Hylaeum  Lapithis  cratere  minantem. 
Darstellungen  aus  diesem  Sageo- 
kreis  waren  auf  deu  Giebelfeldern 
antiker  Tempel  nicht  selten,  und 
so  waren  auch  die  einzelnen  Ge- 
stalten  der  Lapithen-  und  Cen- 
taurenschlacht  wohl  bekannt. 

45  coniuge  Fusci,  vielleicht  die 
6,  320  u.  9,  117  erwahnte  Saufeia. 

46  hascaudas,  Schol.  vasa  ubi  ca- 
lices  lavantur,  wiihrend  der  Zusatz 
et  caccabos  das  Wort  escaria  (sc. 
vasa)  zu  erklilren  scheint.  Zur  ba- 
scauda  bemerkt  Mart.  XIV  99  bar- 
bara  de  pictis  veni  bascauda  Bri- 
tannis,  ^sed  me  iam  mavult  dicere 
Poma  suo.m. 

47  Cic.  Att.  I  16,  12  Philipjms 
omnia  castella  expiignari  p)0sse  dice- 


LIBRI  IV     SATVRA  XII 


243 


sed  quis  nuuc  alius,  qua  muuili  parte  quis  audet 
argento  praeierre  caput  rebusque  salutemV 
nou  propter  vitam  iaeiuut  patrimonia  quidaui, 
sed  vitio  caeci  propter  patrimouia  vivunt. 
iactatur  rerum  utilium  pars  maxima,  sed  uec 
damna  levaut.    tuuc  adversis  urguentibus  illuc 
reccidit,  ut  malum  ferro  summitteret,  ac  se 
explicat  augustum:  discriminis  ultima,  quando 
praesidia  adferimus  navem  factura  minorem. 
i  uuuc  et  ventis  animaui  committe  dolato 
coufisus  ligno,  digitis  a  morte  remotus 
quattuor  aut  septem,  si  sit  latissima  taeda; 


50 


55 


54  recidit  P        hac  ? 


bat,  in  qnac  modo  aseUus  onustus 
auro  posstt  cscetidcrc,  und  Hor.  III 
16,  13  auro  diffidit  urlium  portas 
vir  Macedo.  Die  Namen  Lasthenes 
und  Eutbykrates  waren  aus  der 
Rhetorschale  wohl  bekannt. 

48 — 51:  sed  bricht  ab  und  fiihrt 
in  schrotfer  Weise  zu  einer  sati- 
rischen  Digression  iiber.  —  rebus, 
Mem  Eigentum'.  —  facere  patri- 
monium ,  'ein  Vermogen  schaffen', 
das  den  Erben  hinterlassen  wird, 
wie  rein  facere  .bei  Boraz  oder  14, 
326  sume  duos  equites,  fac  tertia 
ciuadringenta.  —  vitio  caeci  =  cupn- 
ditatc  adquirendi  caeci.  —  quidam, 
wie  das  homerische  zig  neben  eiaer 
iterativen  Verbalform,  gar  manche, 
recht  viele,  vgl.  3,  281  quibusdam 
somnum  rixa  facit.  Wenn  aufser 
CatuU  kaum  einer  es  wagt,  das 
Geld  btatt  das  Leben  wegzuwerfen, 
so  geht  daraus  nicht  hervor,  dafs 
alle  Vermogen  erwerben  oder  dafs 
alle  nui  um  des  Vermogens  willen 
leben.  Die  Zahl  solcher  avari  ist 
immer  geringer,  aber  doch  zahl- 
reicher  als  Manner  wie  CatuUus. 
Das  Vermogen  erworben  zu  haben, 
um  es  kalten  Blutes  ins  Meer  zu 
werfen,  ist  doch  etwas  anderes. 

52  res  utiles,  nicht  blofs  utensilia, 
d.  h.  allerleiVerbrauchsgegenbtiinde 
desLebens,  sondernviberhauptpreis- 
wurdige  und  wertvoUe  Dinge. 

54  reccidit:  schon  vor  dem  Ab- 
werfen  des  Ballastes  lag  es  wegen 
•der  SchwankungendesSchiffesnahe, 
den  Mast  abzohauen,  man  that  es 


aber  nicht,  weil  man  doch  mit  dem 
Mast  sicherer  den  Hafen  erreichen 
zu  konnen  glaubte.  Jetzt  da  das 
andere  Mittel  nichts  half,  kam  man 
doch,  ohne  es  zu  wollen,  wieder 
auf  die  erste  Frage  zuriick,  ob  man 
nicht  den  Mast  abhauen  sollte. 

55  angustum,  'in  der  Enge,  in 
der  Not  befindlich'.  Der  Ausdruck 
ist  entlehnt  von  Trnppen,  die  in 
einer  Enge  oder  im  Kampfe  ein- 
geschlossen  sich  nicht  mehr  frei 
machen  konnen,  oder  deren  Be- 
wegung  gehindert  ist,  vgl.  Ruhn- 
ken  ad  Terent.  heaut.  IV  2,  2.  — 
Auch  se  explicare  ist  entsprechen- 
der  Militiirausdruck  vgl.  Caes.  civ. 
III  93,  3  equites  Jiostis  acrius  itistare 
et  se  turmatim  explicare  acicmque 
noiitram  a  latere  circumire  coeperunt. 

56  factura,  'machen  sollen',  not- 
wendig  machen,  wie  1,  18  periturae 
cliaitae,  zu  10,  8  u.  49.  9,  58  vic- 
turo  musto,  der  erst  spiit  getrunken 
werden  soll.  Das  Versmafs  be- 
gunstigte  den  Gebrauch  des  parti- 
cipialen  Futurs  statt  des  Prasens 
oder  eines  Adjektivs. 

58  confisus:  Der  Vokativ  ware 
hier  unmoglich;  er  wiirde  bcdeuten: 
du,  der  du  vertraust,  wie  6,  277 
quae  scripta  et  quot  lecture  tabellas. 

59  Bekanntes  Sprichwort  des 
Ana^charsis  bei  Diog.  Laert.  1  8,  5 
(lud^cov  TitzaQug  duvirvXovg  sivai  xo 
nuxog  T^s  vtcog,  togovzov  ifpr^  rov 
&uvurov  rovg  JiXtovrag  unif^iiv. 
Vgl.  14,  289.  —  taeda,  'Holz'. 

16=^ 


244 


IVVENALIS 


mox  ciim  reticulis  et  paue  et  ventre  lagonae  60 

respice  sumeudas  iu  tempestate  secures. 

sed  postquam  iacuit  plauum  mare,  tempora  postquara 

prospera  vectoris  fatumque  valentius  euro 

et  pelago,  postquam  Parcae  meliora  benigna 

peusa  mauu  ducunt  liilares  et  staminis  albi  65 

lanificae,  modica  nec  multum  fortior  aura 

ventus  adest,  inopi  miserabilis  arte  cucurrit 

vestibus  extentis  et  quod  superaverat  unum, 

velo  prora  suo.    iam  deficientibus  austris 

spes  vitae  cuni  sole  redit.    tunc  gratus  lulo  70 

atque  novercali  sedes  praelata  Lavino 

conspicitur  sublimis  apex,  cui  candida  nomen 

61  respice  lahn  aspice  Pa         71  Lavinio  A.  de  Rooy 


61  respicere  (nicht  aspicere)  steht 
oft  im  Sinne  von  circumspicere  oder 
providerc  aliqtiid. 

62 — 67:  Der  einfache  Gedanke, 
^nach  dem  das  Unwetter  sich  ge- 
legt  hatte'  wird  weit  und  breit 
ausgefiihrt,  um  kund  zu  thun,  dafs, 
was  Menschenkunst  und  Menschen- 
weisheit  vergebens  erstrebte,  der 
Schiffer  durch  ein  plotzliches,  guu- 
stigeres  Geschick  erreichte.  Wie 
das  Meer  vorher  wild  aufgeregt 
war,  ist  es  jetzt  plotzlich  eben  und 
ruhig  {iacuit  planum) ;  wie  die  Lage 
{tempora)  des  Schiffers  vorher  ge- 
triibt  und  gefahrdet  war,  ist  sie 
jetzt  gluckverheifsend  ( prospera ) 
und  iiber  die  Elemente  erhaben  {va- 
lentius),  und  je  feindseliger  vorher 
Sturm  und  Wellen  erschienen,  um 
so  fi-eundlicher  zeigen  sich  jetzt 
die  freundlichen  Parzen:  der  Wind 
ist  jetzt  eine  angenehme  Luftbe- 
wegung  {aura)  gegeniiber  dem  iiber- 
standenen  Ungewitter.  Ubrigens 
liebt  Juv.  eine  rhetorische  Haufung 
der  Vordersatze,  vgl.  3,  26—28.  7, 
53—56.    13,  38—52. 

64  sq.  meliora  pensa  ducunt,  spin- 
ncn  ein  besseres,  gliicklicheres  Ge- 
schick  zu,  vgl.  3,  27  dum  Lachcsi 
superest  quod  torqueat.  lanificae 
staminis  albi  entspncht  dem  hilares 
als  zweites  Attribnt  der  Farcae: 
heiter  und  einen  gliickverheifseu- 
den  Faden  an  der  SjDindel  drehend 
=  hciter  und  Gliick  bereitend ;  denn 
stamcn  ist  der  Lebeusfadeu  und  dann 


das  Leben  selbst,  vgl.  10,  252  nimio 
de  stamine  (eigentlich  Aufzug,  von 
dem  immer  noch  '  superest  quod 
torqueaf). 

68  Tac.  II  24  vom  Schiffbruch 
des  Germanikus:  tandem  secundante 
vento  claudae  naves  raro  .  remigio 
aut  intentis  vestibzis  revertere. 

69  velo  prora  suo:  das  kleinste 
Segel  auf  dem  Vorderteile  {dolon) 
war  noch  geblieben,  die  Segel  am 
Mast  waren  verbrannt  (22).  —  iam 
ist  eng  mit  deficientibus  austris  zu 
verbinden,  weil  wegen  V.  66  der 
Satz  keineu  Fortschritt,  sondern 
nur  einen  Kiickblick  auf  das  Er- 
ziihlte  enthalten  kann. 

71  sq.  sedes,  'als  Wohnstatte'  wird 
der  mons  Albanus  {sicblimis  apex) 
von  Iidus  dem  stiefmiitterlichen 
Lavinium,  das  in  der  Ebene  lag, 
vcrgezogen,  eben  weil  er  sublimis 
ist.  Es  verbindet  atque  die  beiden 
Adjektiva  gratus  und  subtimis,  wah- 
rend  sedes  —  praelata  subordinierte 
Nebenbemerkung  ist.  Die  Form 
Lavinum  fiir  Lavinium  kommt  nur 
hier  vor,  Lavinus  dagegeu  ist  auch 
fiu-  Verg.  I  2  bezeugt  und  wahr- 
scheinlich  auch  Prop.  III  34,  64  in 
iactaque  Lavinis  moenia  litoribus. 
—  candida,  d.  h.  atba ,  vgi.  Verg. 
VIII  81  ecce  autem  subitum  atque 
oculis  mirabile  monstrum,  candida 
per  silvam  cum  feta  concolor  albo 
procubuii  viridique  in  litore  con- 
spicittir  sus;  qium  pius  Aencas  tibi 
cnim  {aoiys  Sij),  tibi,  maxima  luno, 


LlDRl  IV     SATVRA  XII 


'245 


scrofii  dodit,  laetis  riirygibus  uiiserabile  sumen, 
et  nuinquam  visis  triginta  clara  mamillis. 
tandem  intrat  positas  inclusa  per  aeqora  moles 
Tyrrhenamque  pbaron  porrectaque  braccbiu  rursuni, 
quae  pelago  occurrunt  medio  longeque  relinquunt 
Italiam;  non  sic  igitur  mirabere  portus, 
quos  natura  dedit.    sed  trunca  puppe  magister 
interiora  petit  Baianae  pervia  cumbae 
tuti  stagna  sinus.    gaudent  ibi  vertice  raso 
garrula  securi  narrare  pericula  nautae. 


80 


73  miserabile  PS:  mirabile  <oS 
Scrvius         relinqu*t  P        81  ubi  co 


77  curruiit   P:  occurunl  itiain 


mactat  sacra   fercns   et  ciim    grcge 
sistit  ad  aram. 

73  Die  scrofa  gewahrt  ein  sumen, 
weil  sie  ereopferl  wurde;  fiir  die 
erfrenten  Troor  war  das  siimen  frei- 
lich  nur  'klaglich^ 

74  numqnam  visis,  i.  e.  mc  antea 
neqxie  postea,  bildet  elne  ironische 
Begrundung  des  clara.  In  Wahr- 
heit  hatte  der  mons  Albanus  seinen 
Namen  von  den  schimmernden 
Kreidefelsen,  und  nach  ihm  wurde 
die  Stadt  Alba  Longa  benannt. 

75  Weil  die  Munducg  des  Tiber 
im  Laufe  der  Zeit  versandet  war, 
so  dafs  die  Schiffe  in  Ostia  nicht 
mehreinlaufen  konnten  und  meistens 
auf  der  See  vor  Anker  gehen  mufs- 
ten,  80  liefs  Claadius  vom  rechten 
Ufer  des  Flusses  aus,  ein  wenig 
oberhalb  des  verlassenen  Hafens, 
ein  neues  Bett  graben  und  mit 
Hulfe  zweier  weit  hinaus  in  die 
See  gefuhrten  Damme  einen  kiinst- 
Ijchen  Hafen  bauen.  Die  Einfahrt 
wurde  durch  einen  Leuchtturm  er- 
hellt,  30  dafs  die  Schiffe  Tag  und 
Nacht  einen  bequemen  Ankerplatz 
fanden.  Das  Unternehmen  hatte 
bereits  Julius  Casar  geplant,  aber 
wegen  seiner  Schwierigkeit  wieder 
aufgegeben. 

76  porrecta  rurstim,  'die  ruck- 
warts  laufenden  Arme',  Snet.  20  cir- 
cumducto  dextra  sinistraque  hrachio 
et  ad  introitum  mole  ohiecta  pro- 
fundo  iam  salo. 

78  Dafs  mens;hliche  Kunst  die 
Schopfungen  der  Natur  noch  uber- 


treffe,  ist  ein  ekstatisches  Urteil 
der  Bewunderung,  wie  Anson.  epigr. 
64  (Weber)  beim  Anblick  der  Kuh 
des  Myron  ausruft:  nec  sunt  facta 
dei  mira  sed  artificis,  oder:  fingerc 
nam  similem  vivae  quam  vivere 
plus  est. 

80  interiora  stagna,  wahrschein- 
lich  ein  Werk  des  Trajan,  vgl. 
Schiller  K.-G.  I  567.  —  cionbae,  denn 
in  den  Tiber  aufwarts  konnten  nur 
kleinere  Fahrzeuge  gelangen,  die 
von  ^Menschen  oder  Pferden  den 
Strom  hinauf  gezogen  wurden.  Das 
Schiff  des  Catull  war  jetzt  so  leicht 
wie  die  Luxusbarken  von  Bajae  im 
Lucrinersee. 

81  vertice  raso,  denn  es  war  Sitte, 
dafs  die  aus  einem  Schiffbruch  Ge- 
retteten,  wenn  sie  ans  Land  kamen, 
sich  das  Haar  abnehmen  liefsen, 
um  ihr  Ungliick  jedermann  sichtbar 
zu  machen.  Neugierige  oder  Teil- 
nehmende  traten  dann  zu  ihnen 
und  liefsen  sich  ihre  Abenteuer  er- 
ziihlen,  Lucian  merc.  cond.  1  oloi 
slaiv  01  TtQog  rotg  legorg  £t,voTj- 
lifvoL  Tug  KSfulug,  cvvduu  noV.ol 
rag  XQLV.vutug  ■kul  ^ulug  y.ul  uy.QCo- 
TiqQia  v.ul  iv.^oXug  v.ul  LCtoi  v.XuCcLg 
v.ttl  TtrjdaXLcav  UTtoy.uvXLCsig  Sit^i- 
ovrsg. 

82  garrula  pericula,  'die  ge- 
Bchwatzigen  Abenteuer',  die  uner- 
schopflichen  Stoff  der  Schwatzhaf- 
tigkeit  bieten,  wie  13,  93  irato 
feriat  mea  htmina  sistro,  13,  229 
vigili  cum  febre,  14,  10  cana  mon- 
strante  gula,  15,  51  ieiunum  odium. 


246 


IVVENALIS 


ite  igitur,  pueri,  linguis  animisque  faveutes, 
sertaque  delubris  et  farra  inponite  eultris 
ac  mollis  ornate  focos  glaebamque  virentem. 
iam  sequar  et  sacro,  quocl  praestat,  rite  peracto 
iude  domum  repetam,  graciles  ubi  parva  coronas 
accipiunt  fragili  simulacra  nitentia  cera. 
hic  nostrum  placabo  lovem  Laribusque  paternis 
tura  dabo  atque  omnis  violae  iactabo  colores. 
cuncta  nitent,  longos  erexit  ianua  ramos 
et  matutinis  operatur  festa  lucernis. 


00 


86  peracto  pco;  peractum  P         92  operantur  P 


83  —  92:  Die  Aufforderung  an  die 
Dienerscbaft  und  die  Bereitwillig- 
keit  des  Herrn  zur  Ausfiihrang  des 
Opfers  kniipft  nur  lose  an  den  An- 
fang  der  Epistel  an,  und  fiigt  sich 
in  ihrer  dramatischeu  Form  nicht 
recht  der  Anrede  des  Corvinus  im 
ersten  und  letzten  .Teil. 

83  Um  das  Opfer  nicht  zu  storcn, 
sollen  die  Anwesenden  sich  vor 
Ungliick  bedeutenden  Worten  und 
Gedanken  wahren,  d.  h.  andach- 
tige  Stille  beobachten.  Gewohnlich 
wird  svqirjfislv  mit  linguis  favere 
wiedergegeben.  Der  Zusatz  von 
animisque  ist  Ovid  m;  XV  677  nach- 
geahmt:  deus  en,  deus  en!  animis 
Hnguisque  favete,  wo  die  Voran- 
stellung  von  animis  durch  deus  cn 
motiviert  ist. 

84  serta  imponere  =  sertis  ali- 
quid  velare.  Beim  Opfer  pflegten 
die  Teilnehmenden  sich  und  das 
Opfergerate  mit  Blumen,  frischen 
Zweigen  und  wollenen  Binden  zu 
bekranzen,  vgl.  6,  391  vclare  caput, 
und  6,  50  Cercris  vittas  contingere. 
—  farra,  d.  h.  molam  salsam,  womit 
die  Opfermesser  und  Opfertiere  be- 
streut  wurden. 

85  mollis,  weil  mit  den  vittac 
umwunden  (also  proleptisch) ,  vgl. 
Verg.  ecl.  Vni  64  et  molli  cinge 
haee  altaria  vitta.  Prop.  V  6,  6  tcr- 
que  focum  cirea  laneus  orbis  (Guir- 
lande)  eat. 

86  sacro  quocl  praestat,  das  Haupt- 
opfer,  welches  den  kapitolinischen 
Gottheiten  dargebracht  wird,  3—9. 

87  graciles  coronas,  wie  9,  137 
0  parvi  nostriquc  Larcs,   quos  ture 


minuto  aut  farre  et  tenui  soleo  ex- 
orare  corona.  Blutige  Opfer  wur- 
den   den  Laren  nicht  dargebracht. 

88  nitentia  cera,  denn  die  Laren- 
bilder  wurden  zum  Feste  gereinigt 
imd  mit  Wachsfirnis  glanzend  ge- 
macht.  —  facili,  'geschmeidig'. 

89  Jiic,  im  Hause.  —  noster  lup- 
2nter  ist  der  vornehmste  lar  fami- 
liaris,  der  Stiftet  und  Patriarch  des 
Hauses,  wie  der  Juppiter  Capito- 
linus  zugleich  der  hochste  Lar  des 
Staates  war,  vgl.  Rubino,  Vor-- 
geschichte  Italiens  197  sq. 

90  omnis  violae,  Schol.:  violae 
multorum  colorum  sunt,  purpureae 
cdbae  aureae  {luteae). 

91  Vgl.  10,  65  pone  domi  laurus, 
und  zu  6,  51.  79.  227.  9, '85.  Bei 
jedem  Freude-  und  Opferfest  war 
es  Sitte  die  Thiiren  mit  Blumen- 
gewinden  zu  zieren. 

92  Bei  grofseren  Festen  wurdc 
die  Thtir  des  Hauses  schon  vor 
Tagesanbruch  erleuchtet,  Tertnll. 
apol.  35  cu,r  die  lacto  non  laurcis 
postes  obumhramus  ncc  lucernis 
dieni  infringimus?  Lucernis  ist  Ab- 
lativ  und  von  festa  abhangig,  da- 
gegen  steht  der  sakrale  Ausdruck 
opercdur  absolut,  Non.  p.  523:  ope- 
rari  est  deos  religiose  [colere)  ct 
cum  summa  veneratione  sacrificiis 
litare,  hier  also:  bezeugt  ihre  Ehr- 
furcht  (Freude)  im  festlichen  Friih- 
schrauck  der  Lampen. 

93 ---130:  Aber  meine  Freude 
und  mein  Aufwand  ist  nicht  etwa 
bei-echnende  Erbschleicherei,  dic 
leidereinederverachtlichstenKrank- 


LlBKl   IV     SATVUA   Xll 


247 


no  suspecta  tibi  siut  luioe,  Corviue,  Catullus, 
pro  cuius  reditu  tot  pouo  altaria,  parvos 
tres  habet  heredes.    libet  expectare,  quis  aegraiu 
ot  claudeutem  oculos  gallinaui  iupeudat  amico 
tam  sterili,  verum  haec  uimia  est  iupeusa,  coturuix 
uuUa  umquam  pro  patre  cadet.    sentire  calorem 
si  coepit  locuples  Gallitta  et  Pacius  orbi, 
logitime  fixis  vestitur  tota  libellis 
porticus,  existuut  qui  promittant  hecatombeu, 
quatenus  hic  uou  suut  uec  veualos  elejihanti, 
nec  Latio  aut  usquam  sub  nostro  sidore  talis 
belua  concipitur,  sed  furva  gente  petita 
arboribus  Rutulis  et  Turni  pascitur  agro, 
Caesaris  armentum,  nulli  servire  paratum 
])rivato,  siquidem  Tyrio  parere  solebant 
Hannibali  et  uostris  ducibus  regique  Molosso 
horum  maiores  ac  dorso  ferre  cohortes. 


05 


100 


105 


93  ucc  P(o  corr.  Lachmann        104  fulva  P        lOi)  cohortis  P 


heiten    unserer    Zeit    ist,    sondern 
interesselose  Freundesliebe. 

93  Zu  dem  Finalsatz  ist  im 
Deutschen  der  eigentliche  Haupt- 
satz  (scito,  dico  tibi)  zu  ergiinzen, 
wie  Hor.  ep.  I  12,  24  ne  tamcn 
ifinores,  qiw  sit  Pomana  loco  res: 
Cantaber  Agrippae,  Claudi  virtute 
Ncronis  Armen  ius  cecidit,  vgl.  Kr  iiger 
L.  Gr  §  596  n.  3.  Der  hier  abge- 
wehrte  Argwohn  war  in  jener  Zeit 
leider  nur  gar  zu  natiirlich. 

95  tres  heredes,  zu  9,  90. 

96  VgL  13,  233  laribus  cristam 
]/romi(tere  (lalli  non  axident,  Luc. 
lupp.  trag.  15  klagt  Zeus  iiber  einen 
aus  dem  Sturm  gerettetenvarux^Tjpos' 
t'ii-iiaidiKcc  Q^iovg  tcriav  aXfntQvovK 
(iovov  y.uzi&vas ,  ysgovru  v.uy.iCvov 
tjdr]  y.al  y.oov^covra  (rotzig).  —  clau- 
dentem  oculos,  'blind'. 

97  verum:  aber  nein,  das  ware 
noch  ein  zu  grofses  Opfer;  denn 
verum  bedeutet  urspriinglich:  'abcr 
in  Wahrheit',  vgL  Hor.  s.  H  3,  205. 

98  pro  patre,  fiir  einen  der  Kin- 
der  hat  (14,  45  limina  intra  quae 
pater  est),  den  man  also  nicht  be- 
erben  kann. 

99  Gallitta  nnd  Pacius  sind  nicht 
weiter  bekannt. 

100  libellis  =  votorum  tdbulis, 
Suet.  Aug.  97  vota,  quae  iyi  jjroxi- 


mum  lustrwn  suscipi  mos  est,  col- 
lcgam  suum  J^ibcrium.  nuncupare 
iussit:  nam  se,  quamquam  conscriptis 
p)aratisque  ium  tabuUs,  negavit  sus- 
cepturum  quac  non  esset  soluturus. 
Es  ist  wahrscheinlich  eine  der  viel- 
besuchten  Portiken  oder  Spazier- 
hallen  des  Marsfeldes,  d.  h.  der 
Tempel  im  Marsfelde,  zu  verstehen. 

101  hecatomben  von  Stieren  (Hor. 
III  14,  7  non  si  trecenis  places  Plu- 
tona  tauris),  ja  wenn  es  moglich 
wLire,  von  Elefanten. 

104  Der  Abl.  bezeichnet  den  Ort, 
von  dem  her  etwas  koninit,  Verg. 
georg.  II  130  auxilium  venit  «c 
membris  agit  atra  venena,  Hor.  s. 
II  2,  120  2)iscibus  urbe  xtctitis,  Verg. 
XII  516  fratrcs  Lycia  missos  ct 
Apollinis  arvis. 

106  Das  Jagdrecht  war  im  romi- 
schen  Reiche  unbeschrlinkt,  nur 
der  Besitz  von  Elefanten  war  ein 
ausschliefslich  kaiserliches  Vorrecht 
(armentum  Caesaris),  Vopisc.  Aurel. 
5,  6  donatus  eidem  {a  rege  Persa- 
rum)  elephantus  praecipuus ,  quem 
ille  imperatori  obtulit,  sohi^que  om- 
nium  privatus  Aurelianus  clepjhanti 
dominus  fuit. 

108  regi  Molosso,  14,  162  Pyr- 
rum  immanem  gladiosque  Molossos. 


24R 


IVVENALIS 


partem  aliquam  belli  et  eimtem  iu  proelia  turrem. 

nulla  igitur  mora  per  Novium,  mora  nulla  per  Histrum 

Pacuvium,  quin  illud  ebur  ducatur  ad  aras 

et  cadat  ante  Lares  Gallittae,  victima  sola 

tantis  digna  deis  et  captatoribus  borum. 

alter  enim,  si  eoncedas,  mactare  vovebit 

de  grege  servorum  magna  aut  pulcherrima  quaeque 

corpora,  vel  pueris  et  frontibus  ancillarum 

inponet  vittas,  et  si  qua  est  nubilis  illi 

Iphigenia  domi,  dabit  hanc  altaribus,  etsi 

non  sperat  tragicae  furtiva  piacula  cervae. 

laudo  meum  civem,  nec  comparo  testamento 

mille  rates;  nam  si  Libitinam  evaserit  aeger, 

delebit  tabulas  inclusus  carcere  nassae 

post  meritum  sane  mirandum  atque  omnia  soli 

forsan  Pacuvio  breviter  dabit,  ille  superbus 

incedet  victis  rivalibus.    ergo  vides,  quam 

grande  operae  pretium  faciat  iugulata  Mycenis. 


110 


115 


120 


125 


110  bellique  et  g,  aliarave  duelli.?        111  nulla  per  Histrum  om.  P 
add.  p  (istram)         116  aut  ?:  iit  P  ei  pco         quamque  P 


110  Elefatiten  trugen  auf  ihrem 
Riicken  ganze  Kompagnieen  (coh. 
ist  hyperbolisch ),  irgend  einen 
Kriegshelden  (Verg.  X  427  Lau- 
sus  pars  inf/etis  belli)  oder  anch 
einen  Angriffs-  oder  Schutzturm, 
weshalb  sie  auch  turrigeri  genannt 
werden. 

111  sq.  Beachte  deu  poetischen 
Chiasmus  in  der  repetitio:  nuUa 
mora,  mora  nulla.  —  Novius  und 
Pacuvius    Hister    sind    unbekannt. 

—  per,  'soweit  es  auf  sie  ankommt'. 

—  Statt  quin  findet  sich  6,  334  qiio 
minus  nach  mora  nulla  per  ipsam. 

—  chur   fiir    elephantus    wie  12,  4 
par  vellus  fiir  agna. 

116  magna  et  pulcherrima,  nicht 
maxima  et  pulcherrima ,  denn  zum 
Begriff  der  Schonheit  gehort  nach 
antiker  Vorstellung  wohl  cine  ge- 
wisae  Grofse,  aber  darum  ist  es 
nicht  notwendig,  dafs  was  forma 
pulcherrimum  ist  auch  corporc  maxi- 
nmm  sein  mufs. 

121  laudo  meum  civem,  wic  4,  18 
consiliwn  laudo  artificis.  —  nec 
comparo:  eine  Erbschaft  ist  natiir- 


lich  ein  besserer  Preis  als  eine 
Flotte  von  1000  Schiffen.  Vgl.  Hor. 
s.  II  3,  199  tu  cum  2>i'0  vitula  sta- 
tuis  didccm  Aulide  natam  ante  aras 
spargisque  molacaput,  improbe,  salsa, 
rectum  animi  servas  {sig  6q&6v  cpQo- 
vsr?)  ? 

122  aeger  ^der  Kranke'.  , 

123  Fest.  169  (M.):  nassa  est  vox 
piscatoria,  vasi  genus,  quo  cum  in- 
travit  piscis,  exire  non  potest.  In 
ubertragenerBedeutungschonPlaut. 
mil.  581  numquam  hercle  ex  ista 
nassa  ego  hodie  escam  petam,  und 
Cic.  Att.  XV  20,  2  ex  hac  nassa 
exire  constitui,  non  ad  fugam  scd 
ad  spem^  mortis  melioris. 

126breviter,  'kurzweg',  wieCicero 
summatim  breviterque.  Das  Testa- 
ment  wird  kiiirzer  und  einfacher, 
wenn  alles  nur  einem  Erben  ver- 
macht  ist. 

127  iugulata  Mycenis,  'das  Ab- 
schlachten  einer  Tochter'.  Der  Erb- 
schleicher  wvirde  wie  Agamemnon 
seine  Tochter  leichten  Herzens  hin- 
geben:  die  Erbschaft  ware  ihm 
reicher  Ersatz  fiir  ihr  Leben! 


LlBKl  V     ^ATVKA   XIU 


240 


vivat  Pacuvius,  quaeso,  vel  Nestura  tutum, 
possideat  quantum  rapuit  Nero,  montibus  aurum 
exaequet,  uec  amet  quemquam  nec  ametur  ab  ullo- 


130 


TVVENALIS 

SATVRAKVM 

LIBER  QVINTVS 


SATVRA  Xra 

Exemplo  quodcumqiie  malo  coramittitur,  ipsi 
displicet  auctori.    prima  est  haec  ultio,  quod  se 
iudice  nemo  noceus  absolvitur,  inproba  quaravis 
gratia  fallaci  praetoris  vicerit  urna. 
quid  sentire  putas  homines,  Calviue,  recenti 
de  scelere  et  fidei  violatae  crimiue?  sed  nec 


128  tantum  florileqium  S.  GalU  ? 
XTII  5  homines  Bihleck:  omnes  Pco 


128  vivat  Nestora  metonymisch 
fiir  vitam  vivat  Kestoream,  Mart. 
IV  1  Pvlioquc  veni  numerosior  aevo, 
aber  X  24,  12  post  hunc  Nestora 
nec  diim  roqnbo. 

129  Uber  die  RaubereiendesNero, 
besonders  nach  dem  Brande  Roms, 
vgl.  Tac.  Agr.  6,  ann.  XV  45. 
Suet.  32. 

130  Der  Schlufs  erinnert  an  Hor. 
s.  I  1,  86  mir.aris,  cnm  tu  arrjento 
post  omnia  ponas,  si  nemo  praestet, 
quem  non  merearis  amorem? 

Sat.  XIII. 
"  Die  Satire  entwickelt  .Juvenals 
Lehre  von  der  strafenden  ■\Iacht 
des  bSsen  Gewissens,  anknupfend 
an  den  Verlust,  welchen  sein  Freund 
Calvinus  dadurch  erlitten  hatte,  dafs 
ihm  ein  Kapital  von  10  000  Sester- 
zen  (71),  das  er  einem  Freunde  ge- 
liehen  hatte,  von  diesem  abgeleug- 
net  worden  war. 

1  exemplo  malo,  'in  verbreche- 
rischer  Weise',  eigentl.  quod  ita 
commiititur  ut  mnlo  sit  exemplo, 
vgl.  Nagelsbach  Stil.  §  9,  1. 

3  improha,  vgl.  zu  10,  30.5. 


4  gratia,  'Einfluls,  Macht'.  Der 
Einflufs  des  Verbrechers  erstreckt 
sich  auf  die  Stimmurne  des  Richters 
{praetoris),  die,  weil  sie  vom  iiufsern 
Einflnfsbestimmtwird,  darum  fnllnx, 
'triigerisch'  genannt  wird.  Da  der 
Betriiger  auch  die  Stimme  oder  die 
Entscheidung  des  Gerichtes  _be- 
stimmt,  so  kann  unter  urna  nicht 
die  sitella,  aus  der  die  Namen  der 
Geschworenen  ansgelost  wurden, 
sondem  nur  die  Stimmurne  ver- 
standen  werden,  aus  der  das  schliefs- 
liche  Urteil  oder  Verdikt  hervor- 
ging.  Die  gratia  ist  deshalb  =  Be- 
stechnng. 

5  homines,  'das  Publikum  in  Roro, 
die  Welt',  243  quisnam  hominum 
est ,  quem  tu  contenhim  videris  xtno 
flagitio?  15,  103  quisnam  hominum. 
veniam  dare  ahnueret,  wo  freilich 
hominum    schon   =  moi-talitim    ist. 

6  scelere,  'Ruchlosigkeit',  die 
durch  ftdei  violaiae  crimine  wie 
sonst  durch  einen  Relativsatz  naher 
bestimmt  wird.  —  sed:  der  Ver- 
brecher  triigt  die  Strafe  in  sich, 
du  aber  kannst  den  Verlust  leicht 
tragen,  teils  materiell ,  teils  mora- 


250 


IVVENALIS 


tam  teuuis  census  tibi  coutigit,  ut  mediocris 
iacturae  te  mergat  ouus,  nec  rara  videmus 
quae  pateris;  casus  multis  liic  cognitus  ac  iam 
tritus  et  e  medio  fortunae  ductus  acervo. 
ponamus  nimios  gemitus.    flagrantior  aequo 
uon  debet  dolor  esse  viri  nec  vulnere  maior. 
tu  quamvis  levium  minimam  exiguamque  malorum 
particulam  vix  ferre  potes,  spumantibus  ardeus 
visceribus,  sacrum  tibi  quod  non  reddat  amicus 
depositum?  stupet  baec,  qui  iam  post  terga  reliquit 
sexaginta  annos,  Fonteio  consule  natus? 
an  nihil  in  melius  tot  rerum  proficit  usu? 
magna  quidem,  sacris  quae  dat  praecepta  libellis, 


10 


15 


18  ac  ?        proficis  ^jco        usus  lahn  ex  S 


liscb,  da  der^leichen  Verbrechen 
in  unserer  Zeit  ganz  gewohnlicli 
geworden  sind,  also  nichts  Uner- 
bortes  mehr  sind. 

7  tenuis,  zu  3,  163. 

8  sq.  mergat,  zu  10,  57.  —  vide- 
mus,  'wir  erleben'.  Das  Asyndeton 
{casus)  entbalt  den  Begrift'  von  immo 
vero  oder  (isv  ovv.  —  multis  cogni- 
tus  =  12,  26  cognita  multis,  dort 
durcb  eiuen  Relativsatz,  bier  durcb 
einen  participialen  Zusatz  erweitert. 

10  fortunae  accrvus,  wie  Cic.  SuII. 
76  gwas  vos  in  his  libidines,  quae 
flagitia,  quantas  audacias,  quam  in- 
credibiles  f^irores,  quae  indicia  parri- 
cidiorum,  quantos  acervos  scelerum 
reperietis!  Juv.  war,  wie  es  scheint, 
von  dem  caeciis  acervus  (Cbaos)  bei 
Ov.  m.  I  24  beeinflufst,  oder  von 
Formeln  wie  Plaut.  merc.  618  mon- 
tis  mali  in  me  ardcntis  iacis. 

11  ponamus,  folgerndes  Asyn- 
deton.  Im  selben  Sinne  findet  sicb 
11,  191  ^wne  domum  ct  servos  ct 
quidquid  frangitur  illis  aut  perit, 
ingratos  ante  omnia  pone  sodalcs. 

12  vulnere,  ^Verlust'. 

13  minimam  exiguanique,  vgl.  190, 
einen  so  kleinen  und  armseligen 
Teil,  denn  exigiius  bat  einen  ver- 
acbtlicbeu  Nebenbegriff,  Doderlein 
Syn.  V  28. 

14  sq.  ardens,  'grollend  im  wut- 
schaumeuden  Herzen'.  —  Viscera 
spimant  sc.  felle,  Sen.  Oed.  358 
felle  nigro  spumcd  iecur,  vgl.  6,  648 


rabie  iccur  ineendente  (=  ira  fer- 
vida)  praecipites  feruntur,  1,  45 
quanta  siccum  iecur  ardeat  ira,  so 
ist  bier  spumantibus  visceribus  == 
fervidd  ira.  —  sacrum,  weil  unter 
dem  Scbutze  des  Eides  oder  der 
Gotter  stebend,  vgl.  107,  Hor.  III 
3,  52  omne  sacrxtm  rapiente  dextra 
=  omnem  rem  dis  consecratam. 

16  stiqKt,  Hor.  epod.  7,  15  tacent, 
et  cdbus  ora  pallor  inficit  metitesque 
percuhae  stupent. 

17  Einfacber  Mart.  I  15  bis  iam 
paene  tibi  consul  tricesimus  instat. 
—  Fonteius  Capito  war  Konsul  820 
(=  67  n.  Cbr.);  denn  nur  -dieser 
Fonteius  kann  gemeint  sein,  da  nur 
er  in  den  Konsularfasten  die  erste 
Stelle  einnimmt,  Borgbesi  V  74  sq. 

18  profieit,  gewinnt  (ein  sechzig- 
jabriger)  durcb  eine  so  reicbe  Er- 
fabrung,  lernt  aus  ihr,  Hor.  ep.  II 
2,  23  quid  tum  p^rofeci,  mecum  fa- 
cientia  iura  si  tamen  attentas?  sat. 

I  3,  6  Caesar  non  quicquam  pro- 
/ycerei.NachabmungbeiPrud.  Symm. 

II  315  tardis  processibus  aucta  cre- 
scit  vita  hominis  et  longo  jnoficit  usu. 

19  Sinn :  Eine  grofse  Macbt  {magna) 
bat  zwar  die  Pbilosopbie ,  insofern 
sie  fortunae  te  responsare  sujyerhae 
Nbcrum  et  erectum  praesens  horta- 
tur  et  aptat  (Hor.  ep.  I  1,  68);  aber 
gliicklicb  ist  auch,  wer  sicb  ohne 
Widerstreben  in  die  Wccbselfalle 
dcs  Lebcns  mit  praktischer  Ver- 
nunft    zu    finden    weifs.   —   sacris, 


I 


I 


LTBRl  V    SATVRA  Xllt 


251 


vietrix  fortunae  sapientia,  clncimus  autoui  20 

lios  quoque  felices,  qui  ferre  incomnioda  vitae 

nec  iactare  iuguui  vita  didicere  nmgistra. 

quae  tam  festa  dies,  ut  cesset  prodere  furem, 

perfidiam,  fraudes  atque  omni  ex  crimine  lucrum 

quaesitum  et  partos  gladio  vel  pyxide  numraos?  25 

rari  quippe  boni,  numero  vix  suut  totidem  qnot 

Tliebarum  portae  vel   divitis  ostia  Nili. 

nunc  aetas  gravior  peioraque  saecnla  ferri 

temporibus,  quorum  sceleri  non  invenit  ipsa 

nomen  et  a  nullo  posuit  natura  metallo.  .30 

nos  hominum  divumque  fidem  clamore  ciemus, 

quanto  Faesidium  laudat  vocalis  agentem 

sportula?  dic,  senior  bulla  dignissime,  nescis, 

quas  babeat  veneres  aliena  pecuuia?  nescis, 

26  sic  pco:  numerum    si*  totidem   P.     numeres   Schurzfleisch         28 
nona  aetas  pco         gravior  W:  agitur  Pa 


gegenuber  den  profanen  Schriften; 
schon  Hor.  ep.  I  1,  .36  sagt  svnt  certa 
piacula  qiiae  te  ter  ptire  lecto  po- 
tcrunt  recreare  liheJIo. 

20  victrix  forttmae,  zn  10,  36.5. 

22  iactare  iuqum,  wie  das  wider- 
strebende  Zugtier,  im  Gegensatz  zu 
■cervice  paratd  ferre  iugum  6,  207. 
—  vita  magistra,  im  Gegensatz  zu 
den  magistri  oder  doctores  philo- 
sophiae. 

23  cessare,  saumen,  nnterlassen, 
mit  Infin.  wie  Hor.  III  27,  58  quid 
mori  cessas?  ep.  I  19,  10  non  ces- 
savere  poetae  nocturno  certare  mero, 
putere  diurno:  Sonst  gebraucht  .Tuv. 
cessare  nur  absolut. 

24  sq.  omni  ex  crimine  quaesitum, 
vgl.  Nagelsbach  Stil.  30,  2. 

_  26  quippe  (aus  qui-pe,  denn  ja): 
es  giebt  eben  in  der  Welt  nur  wenig 
redliche  Leute,  das  ist  einmal  nicht 
zn  andern. 

27  Das  Komische  der  Umschrei- 
bnng  der  Siebenzahl  mildert  zu- 
gleich  das  Ungeheuerliche  der  Hy- 
perbel. 

28  gravis  neben  peior  auch  6,  270 
tum  gravis  illa  viro,  tunc  orha  ti- 
gride  peior.  Hesiod.  ioya  109  ?q. 
nennt  das  goldene,  silbeme,  eheme 
und  eiseme  Zeitalter,  aber  da  die 
jetzige  Zeit  noch  schlimmer  ist  als 
das   eiserne    Zeitalter  Hesiods,    so 


mufste  ein  Name  nocb  dafiir  ge- 
funden  werden;  aber  es  giebt  kein 
geringeres  nnd  zugleich  die  Sache 
bezeichnendes  Metall  mehr. 

29  sq.  sceleri,  'Kuchlosigkeit'.  — 
ipsa  —  natura,  ahnlicb  ist  die  Stel- 
kmg  des  Subjekts  187  felix  — 
sapieyitia,  oder  10,  41  puhlicus  et 
—  servus,  vgl.  14,  3.  12,  91.  4,  00. 

31  sq.  nos  =  ghcc  rKifig,  Aus- 
druck  der  Indignation.  —  clamore 
(tanto)  quanto,  wie  3,  225  quanti, 
10,  13  quanto;  im  Griechischen  ist 
diese  Ellipse  vorherrschend.  —  Fae- 
siditis  war  ein  reicher  Sachwalter, 
dem,  wcnn  er  plaidierte,  seine  Kli- 
enten  (sportula,  vgl.  10,  46  und  1, 
95)  bei  wirksamen  Stellen  Bravo 
zuriefen,  vgl.  Mart.  II  27  effecte! 
graviter!  cito!  nequiter!  euge!  heate! 
IToc  vohii.  Facta  cst  iam  tihi  cena, 
tace.  VI  48  quod  tam  grande  sophos 
clamat  tihi  turha  togata,  non  tu, 
Pomponi,  cena  diserta  tua  est.  Eine 
solche  Scene  vor  Gericbt  schildert 
Plin.  ep.  II  14.  —  vocalis  wird  die 
sportula  genannt,  wie  Hor.  I  12,  7 
Orpheus,  nur  war  die  vox  beider 
verschieden. 

33  hulla,  zu  5,  164,  14,  5  ludit 
et  heres  hullatus.  —  scnior,  'guter 
Alter'.  Er  eracheint  fast  zu  alt, 
um  eine  so  einfache  Wahrnehmung 
machen  zu  konnen. 


252 


IVVENALIS 


quem  tiia  simplicitas  risum  vulgo  moveat,  cum 
exigis  a  quoquam,  ne  peieret  et  putet  ullis 
esse  aliquod  numen  templis  araeque  rubenti? 
quondam  hoc  indigenae  vivebant  more,  priusquara 
sumeret  agrestem  posito  diademate  falcem 
Saturnus  fugiens,  tunc  cum  virguncula  luno 
et  privatus  adhuc  Idaeis  luppiter  antris, 
nulla  super  nubes  convivia  caelicolarum, 
nec  puer  Iliacus  formonsa  nec  Herculis  uxor 
ad  cyathos,  et  iam  siccato  nectare  tergens 
bracchia  Vulcanus  Liparaea  nigra  taberna, 
prandebat  sibi  quisque  deus,  nec  turba  deorum 
talis  ut  est  hodie,  contentaque  sidera  paucis 
nurainibus  miserum  urguebant  Atlanta  minori 
pondere,  nondum  aliquis  sortitus  triste  profundi 


35 


40 


45 


49  aliqiiis  om.  P  adcl.  p   alius  laJin,  cf.  1,  10.  10,  257. 


35  sinipUcitas,  naive  Dummheit, 
denn  eine  solclie  antiqua  simplici- 
tas  (Unschuld)  pafst  nicht  in  die 
jetzige  Welt  und  dient  ihr  nur 
zum  Spotte. 

37  Vgl.  91.  numen,  'Macht'.  — 
rtihenti,  dem  blutgeroteten  Altar, 
wie  dextera  riibente  bei  Horaz  die 
blitzflammende,  feuergerotete  Hand. 
Man  opfert  noch  in  unserer  Zeit 
aus  Sitte  oder  Gewohnheit,  aber 
man  glaubt  darum  doch  nicht  mehr 
an  eine  Macht  der  Gotter.    , 

38  indigenae  =  Aborigines,  die 
Altvordern  der  Urzeit. 

40  sq.  fugiens=  cpsvycov.  —  virgun- 
ciila  'Backfisch',  also  noch  vor  der 
Herrschaft  des  Zeus,  6,  16  sq.  — 
Zu  virguncula,  zu  privatus  (im 
Gegensatz  zu  rex  dcorum),  zu  con- 
vivia  etc.  ist  erat  oder  erant  zu  er- 
ganzen,  wie  V.  46  prandebat  zeigt. 
Die  Ellipse  erscheint  teilweise  hart, 
weil  die  Darstellung  des  einzelnen 
Bildes  nicht  gleichmafsig  gestal- 
tet  ist,  leichter  12,  62  sq. 

44  et,  sc.  ad  cyathos  erat,  denn 
Hehe  und  Vulcanus  bilden  als  Mnnd- 
schenke  eine  komische  Einheit.  Der- 
selbe  Humor  schon  bei  Catull.  68, 
115  pluribrts  ut  caeli  tereretur  ianua 
divis,  Ilehe  nec  longa  virginitate 
forct.  —  siccare  leeren,  wie  5,  47 
caliccm  und  Mart.  VI  89  spolctina 
data  est,  scd  quam  siccavcrat  ipse. 


Ubrigens  verbindet  Juv.  die  home- 
rische  Sitnation  von  S  414  und 
A  584.  600. 

45  nigra  geschwarzt,  rufsig.  — 
taherna  'Werkstatte',  wie  in  Rom; 
Hor.  I  4,  8  Cyclopum  officinae  ist 
ernster. 

46  sibi  quisque,  im  Gegensatz 
zu  convivia.  Der  Dativ  ist  der  des 
Interesses,  wie  Sen.  ep.  63,  2  nemo 
tristis  sihi  est,  Quiut.  VI  3,  16  quae 
nunc  iuvenum  vel  sibi  ludentium 
exercitatio  est. 

47  talis  ut  fiir  talis  qualis  oder 
richtiger  tanta  quanta,  denn  talis 
erhalt  den  Sinn  von  isto  modo,  dem 
ut  haufig  korrespondiert.  Verschie- 
den  sind  Beispiele  wie  Liv.  XLII 
42,  7  ego  haec,  quae  aut  a  vobis 
ohiecta  aut  purgata  a  me  sunt,  talia 
csse  scio,  ut  aures  ut  animi  audien- 
tium  sint,  nec  tam  refcrre  quid  ego 
fecerim,  quam  quomodo  id  vos  fac- 
tum  accipiatis.  —  sidera  'der  Him- 
mel',  wie  11,  63  alter  flammis  ad 
sidera  missus. 

48  Im  Laufe  der  Zeit  mehrten 
sich  die  Familienverbindungen  dcr 
Gotter.  Dazu  kam  der  dem  Alter- 
tum,  besonders  aber  den  Romern 
gelaufige  Deifikationsprozefs,  vgl. 
Augustin.-  civ.  dei  IV  8. 

40  Als  es  auch  noch  keine  Herr- 
schaft  in  der  Unterwelt  gab  und 
Pluton  noch  nicht  die  Proserpina 


LlBRl  V  SATVRA  XIII 

imperium  aut  Sicula  torvus  cum  couiuge  Plutou, 
uec  rota  nec  Furiae  uec  saxum  aut  vulturis  atri 
poeua,  sed  iufernis  hilares  sine  regibus  umbrae. 
iuprobitas  illo  tuit  admirabilis  aevo, 
credebant  quo  grande  uefas  et  morte  piandum, 
si  iuveuis  vetulo  non  adsurrexerat  et  si 
barbato  cuicumque  puer,  licet  ipse  videret 
plura  domi  fraga  et  maiores  glandis  acervos: 
tam  venorabile  erat  praecedere  quattuor  auuis, 
primaque  par  adeo  sacrae  lauugo  seuectae. 
nuuc  si  depositum  nou  iniitietur  amicus, 
si  reddat  veterem  cum  tota  aerugine  follem, 
prodigiosa  tides  et  Tuscis  digua  libellis 
quaeque  coronata  lustrari  debeat  agua. 
egregium  sanctumque  virum  si  ceruo,  bimembri 


253 

50 


55 


60 


52  sed  om.  tum  add.  P      58  tum  laJm  malim  cam       59  cara  deo  P 


geraubt  und  gefreit  hatte,  denn 
das  letztere  Ereignis  ist  spiiter  als 
das  erstere.  —  aliquis,  schon  vor 
Pluton.  —  triste  'das  schauerliche, 
ode  Keich  der  Tiefe',  der  Hades 
oder  Urkus. 

50  torvus,  wie  Schiller:  'wo  sie 
mit  dem  linstern  Gatten  etc'  Es 
ist  der  finsterej  strenge  Blick  des 
unerbittlichen  Gottes. 

51  sq.  Als  es  auch  noch  keine 
Strafen  in  der  Unterwelt  gab,  wie 
sie  das  XI.  Buch  der  Odyssee  und 
vollends  die  romischen  Uichter  bis 
zum  UberdruTs  ausmalen:  das  Kad 
des  Ixion,  der  Fels  des  Sisyphos, 
der  Geier  des  Tityos. 

53  admirabilis  '  auf fallend ' ,  er- 
schien  wie  ein  Wunder. 

55  si  .  .  tion  adsurrexerat,  wenn 
einmal.  Wie  der  iuvenis  vor  dem 
senex,  so  erhob  sich  respektvoli 
selbst  vor  dem  iuvenis  barbatus  der 
2)uer  imberhis,  vgl.  Tac.  111  31  me- 
morabantur  exempla  maiorum,  qui 
luventutis  irreverentiam  gravibus 
dtcretis  notavissent. 

56  licet  nur  hier  mit  dem  Imper- 
fekt  des  Konjunktivs;  sonst  ver- 
bindet  es  auch  Juv.  entweder  mit 
Prasens  oder  Perfekt  des  Kon- 
junktivs  oder  mit  dem  lufinitiv, 
niemals  aber  wie  quamvis  mit  dem 
Indikativ,  vgl.  Drager  Iliat.  Syntax 
II   771. 


57  fraga  und  glandcs  waren  fiir 
die  Urzeit,  was  jetzt  Gold  und 
Latifundien  sind.  Es  ist  eine.Ironi- 
siemng  des  Keichtums,  der  nur 
relativ  sein  kann. 

59  sq.  In  jener  Zeit  als  es  schon 
Ehrfurcht  abnotigte,  wenn  einer 
vier  Jahre  alter  war,  die  senecta 
heilig  und  unverletzlich  war,  da 
war  die  improbitas  etwas  Seitenes: 
jetzt  wird  es  wie  ein  Wunder  an- 
gestaunt,  wenn  einer  die  eiufachste 
ir*flicht  biirgerLicher  Ehrlichkeit  er- 
fiiilt.  —  nunc  bezieht  sich  auf  53 
zuriick,  das  in  58  —  59  enthaltene 
Epiphonem  enthiilt  einen  Zwischen- 
gedanken  als  Ausdruck  der  Ver- 
wunderung,  der  ebenso  gut  fehleu 
konnte. 

61  Kupferrost  (aerugo)  steht  ver- 
achtlich  fiir  das  Metall  (aes),  da= 
an  der  Seele  frifst,  Horat.  ep.  II 
3,  330  haec  animos  aerugo  et  cura 
jjeculi  cum  semel  imbuerit,  speramus 
curmina  fingi  posse';' 

62  Die  Tusci  libelli  gehorten  zur 
Litteratur  der  etruskischen  isgo- 
onoTtLcc  und  pjrocuratio.  Die  procu- 
ratio  pjrodigiorum  war  zwar  Sache 
der  pontifices,  aber  gelehrte  Haru- 
spices  wurden  immer  hinzugezogen. 
Marquardt  St.-V.  III  252. 

63  coronata,  wie  jedes  Opfertier, 
vgl.   12,  118. 

64  sqq.  egregium  sunctumg^ue  ist  'tv 


254 


IVVENALIS 


lioc  monstruin  puero  vel  miraudis  sub  aratro 
piscibus  inveutis  et  fetae  comparo  mulae, 
sollicitus,  tamquam  lapides  eftuderit  imber 
examenque  apium  longa  consederit  uva 
culmine  delubri,  tamquam  in  mare  fluxerit  amnis 
o-urgitibus  miris  et  lactis  vertice  torreus. 

intercepta  decem  quereris  sestertia  fraude 
sacrilega.    quid,  si  bis  centum  perdidit  alter 
hoc  arcana  modo?  maiorem  tertius  illa 
summam,  quam  patulae  vix  ceperat  angulus  arcae? 
tam  facile  et  pronum  est  superos  contemnere  testes, 
si  mortalis  idem  nemo  sciat.    aspice,  quanta 
voce  neget,  quae  sit  ficti  constantia  vultus. 
per  Solis  radios  Tarpeiaque  fulmina  iurat 
et  Martis  frameam  et  Cirrhaei  spicula  vatis, 
per  calamos  venatricis  pharetramque  pueliae 


65 


70 


80 


65  vel  p:  et  P  aut  s     miranti  pg  mirautis  ?      69  ainnis  om.  P  add.p 


Sia  SvoLV,  einen  so  auffallend  ge- 
wissenhaften  Mann.  —  bimembri 
pucro,  wie  Liv.  XLI  21,  12,  piscibus 
Liv.  XLII  2,  fetae  mulae  Liv. 
XXXVII  3,  3. 

68  longa  uva  ''iui  langen  trauben- 
formigen  Gehange',  ^otqvSvv.  Liv. 
XXI 46,  2  et  exainen  ap)um  (ublichere 
Uenetivform)  in  arbore  pjraetorio 
immineiite  consederat.  Dasselbe  /jro- 
dicjium  beschreibt  Verg.  VII  58 — 67 
pedibus  per  mutua  nexis  examen 
subitum  ramo  frondente  pependit. 

69  sq.  amnis  cler  Flufs  =  Tiberis; 
clazu  gehort  torrens.  —  Die  gurgites 
miri  (uunatiiiiich,  wie  Hor.  epod. 
16,  31  nova  monstra  iunxerit  libi- 
dine  mirus  amor)  werden  durch 
laclis  vertice  niiher  bestimmt. 

71  decem  sestertia  =  10  000  Se- 
sterze,  etwa  1500  Mark,  so  dafs 
also  uiclit  so  sehr  das  Objekt  des 
Betrugs  (13  minima  exiguaque  par- 
ticula),  sondern  die  Niedertrachtig- 
keit  des  Betriigers  verletzen  muiste 
(15  quod  non  reddat  amicus). 

72  Du  hast  keinen  Grund  zu 
besonderer  Klage,  da  andere  noch 
viel  groisere  Verluste  erlitteu  haben. 
Das  Ableugnen  ist  jetzt  leicht,  da 
die  Ileiligkeit  des  Eides  nichts 
mehr  gilt.  —  sacrilega  'gottlos', 
deuu  uach  15  ist  das  depositum 
sucrum. 


73  arcana  ''auf  Treu  und  Glau- 
ben',  ohne  Zeugen,  wie  Ovid.  am. 
II  15,  15  arcanas  signare  tabellas. 

74  angulus  arcae  ''der  Verschlufs 
des  geraumigen  Kastens' ;  es  ist  der 
angulus  reconditus,  in  dem  das  Geld 
sich  gewissermafsen  versteckt  halt. 

75  facile  et  pronum  cst  ==  9,  43, 
leicht  und  verfiihrerisch,  denn  pro- 
nus  bezeichnet  in  ethischer  Bedeu- 
tung  die  Neiguug  zu  etwas  iiber- 
haupt,  Doderlein  Syn.  ^''I  287.  Das 
eutsprechende  Substantiv  iiit  pro- 
clivitas,  der  Hang,  oder  lapsio,  die 
Neigung  zum  Fall ,  sviiLnzcooCa, 
uach  Cic.  Tusc.  IV  28.  —  superos 
contemnere  testes,  vgl.  3,  145  con- 
temnere  fulmina  pauper  creditur 
atque  deos  dis  ignoscentibus  ipsis. 

78  Tarpeius  synekdochisch  fiir 
Capitolinus  gehort  zur  gewohnlichen 
Phraseologie  derDichter,  vgl.  12,  6. 

79  Martis  frameam,  vgl.  2,  130. 
11,  106.  —  Cirrha  war  die  alte 
Hafenstadt  von  Delphi,  1  ^.^  Stunden 
siidlich  vom  alten  KQiacc,  am  Aus- 
llusse  des  Pleistos,  Aeschines  III 
107.  Die  uvd^aaig  vou  KiQQa  bis 
JsXcpol  betrug  uach  Strabo  p.  418 
uur  80  Stadien.  Da  zb  KiQQaiov 
TtsSiov  dem  ApoUo  geweiht  war, 
BO  hiels  dieser  selbst  6  KiQQaCog 
^sog,  vgl.  7,  64  dominus  Cirrhac. 

80  vcnutrix  pucUa    vou   Diana, 


LIBRl  V     SATVRA  Xlll 


255 


perque  tuiim,  pater  Aegaei  Neptuue,  trideutem, 
ailclit  et  llerculeos  arcus  hastamque  Miuervae, 
quidquid  habeut  telorum  armameutaria  caeli. 
si  vero  et  pater  est,  ^comedam'  iuquit  'flebile  uati 
siuciput  elixi  Pharioque  madeutis  aceto'. 

suut  iu  fortunae  qui  casibus  omuia  ponaut 
et  nullo  credaut  muudum  rectore  moveri, 
natura  volveute  vices  et  lucis  et  anni, 
atque  ideo  intrepidi  quaecumque  altaria  tangunt. 
ast  alius  metuens,  ue  crimen  poeua  sequatur, 
et  putat  esse  deos  et  peierat,  atque  ita  secuui: 
'decernat  quodcumque  volet  de  corpore  nostro 
Isis  et  irato  feriat  mea  lumina  sistro. 


S5 


90 


86    in  am.  tum  add. 
hic  putat  Po) 


90    ast   W:    est  Pw        91    et  putat   W 


wie  Horat.  I  12,  22   saecis  inimica 
virgo  beluis,  "j^Qxsiiig  &r]Qocp6vog. 

81  patcr  =  dominus  7,  64,  oder 
Verg.  georg.  IL  7  huc  pater  o  Lenaee 
vcni.  —  Aegaei,  absolut  =  Verg. 
XII  366. 

82  arcus  ist  der  beriilimte  Bogeu, 
den  er  dem  Philoktetes  hinterlas- 
sen  hat. 

83  qxddquid  abschliefsend :  und 
was  alles  u.  s.  w.,  wie  15,  99  quid- 
quid  cogehat  vacui  ventris  furor. 

84  Bei  feierlicheu  Eiden  pflegteu 
die  Griechen  sich  die  Kinder  zur 
Seite  zu  stellen  {naQaczrjadusvot.) 
und  ihnen  die  Hiinde  auf  tlen  Kopf 
zu  legen,  um  anzudeuten,  dafs  im 
Falle  des  Meineides  die  Strafe  auch 
die  Kinder  treflFen  soUte,  daher 
vQKog  ■KUTU  zav  TcaiScov,  vgl.  Ly- 
sias  32,  13  ovx  ovzcog  iyca  iiyn 
a&lia,  cocr  iniOQy.rjCacu  -/.aTU  xcov 
neeidcov  z^v  iuuvzfig  zbv  ^iov  iv.li- 
nai^v,  Antiphon  5,  11  SiOftocac&UL 
OQTiov  zov  uiytCTOv  xai  lcxvqozuzov, 
i^coXsiav  oavzo}  Y.al  yivBi  y.al  oi/.iu 
zij  G^  inuQco^ivov.  Auch  6,  16  tadelt 
diese  Sitte  Juv.  als  Leichtfertigkeit 
der  Griechen.  —  fkbile  nicht  nur 
weinend,  sondern  auch  bejam- 
raernswert. 

85  Dem  Meineidigen  wird  das 
caput  nati  zum  sinciput,  d.  b.  es 
wird  ihm  wie  cin  geriiucherter,  mit 
iig^ijtischem  {Phurius)  Essig  be- 
reit^ter    Schweiuskopf    sogar    zuui 


Genufs.  Er  liberbietet  also  die  Un- 
geheuer  der  Tragodie. 

86  —  119:  Woher  diese  geringe 
Scheu  vor  dem  Meineid? 

86  omnia  p)onant,  die  alles  nur 
auf  dem  blinden  Zufall  beruhen 
lassen  wollen.  Diese  Klasse  von 
Menschen  schildert  Mart.  IV  21 
nullos  esse  deos,  inane  caelum  affir- 
mat  Segius,probatque,  quod  se  facium, 
dum  negat  lioc,  videt  beatum. 

88  natura  volvit  viees  anni  die 
Natur  bringt  den  Wechsel  der 
Jahreszeiteu,  lucis  von  Tag  und 
Nacht  hervor,  vgl.  Prud.  S.  II  318 
sic  variat  natura  vices  schafft  deu 
mannigfaltigen  Wechsel,  Propert.  ] 
15,  30  nulla  prius  vasto  labentur 
flumina  ponto,  annus  et  inversas 
duxerit  ante  vices,  quam  tua  suh 
nostro  mutetur  pectore  cura. 

89  altaria  tangunt,  fassen  an  den 
Altar  und  schworen,  Liv.  XXI  1,  4 
tactis  sacris  iure  iurando  adactum 
se,  Kepos  XXIII  2,  4  simul  me  ad 
aram  adduxit,  apud  quam  sacrifi- 
care  instituerat,  eamcjue  tenentem 
iurare  iussit,  vgl.  14,  219. 

90  ast  alius,  vgl.  zu  6,  67. 

91  et  j)eierat,  zu  1,  74  probitas 
laudatur  et  algct. 

93  Jsicht  ohne  Absicht  wird  ge- 
rade  die  Furcht  vor  der  fremden, 
iigyptischen  Gottiu  hervorgehoben, 
wilhrend  die  Nationalgotthoiten  in 
Mifsachtimg  gekommen  waren,  vgl. 
12,  28.    Der  Isiskultua  war  in  der 


25G 


IVVENALIS 


dummodo  vel  caecus  teneam  quos  abnego  nummos. 
et  phthisis  et  vomicae  putres  et  dimidium  crus 
sunt  tanti.    pauper  locupletem  optare  podagram 
nec  dubitet  Ladas,  si  non  eget  Anticyra  nec 
Archigene;  quid  enim  velocis  gloria  plantae 
praestat  et  esuriens  Pisaeae  ramus  olivae? 
ut  sit  magna  tamen,  certe  lenta  ira  deorum  est; 
si  curant  igitur  cunctos  punire  nocentes, 
quaudo  ad  me  venient?  sed  et  exorabile  numen 
tortasse  experiar,  solet  his  ignoscere.    multi 
committunt  eadem  diverso  crimina  fato: 
ille  crucem  sceleris  pretium  tulit,  hic  diadema.' 
sic  animum  dirae  trepidum  formidine  culpae 
confirmat,  tunc  te  sacra  ad  delubra  vocautem 
praecedit,  trahere  immo  ultro  ac  vexare  paratus. 
nam  cum  magna  malae  superest  audacia  causae, 


95 


100 


105 


107  confirmat  S  in  cod.  Sangallensi:  confirmant  Pco      ac  delubra  P 


Kaiserzeit  geduldet.  —  Das  sistrum 
{aeiaxqov),  die  Isisklapper,  war  ein 
Musikinstrument  von  der  Gestalt 
eiues  verlilngerten  Hufeisens  mit 
lose  eingefiigten  Querstaben,  die 
bei  jeder  Bewegnng  zu  klappern 
und  zu  klingelu  pflegteu,  daher  bei 
Stat.  s.  111  2,  103  excipe  muHisono 
puppcm  Mareotida  sistro.  Der  Zorn 
dei-  Gottm  driickt  sich  im  sistrum 
aus,  daher  irato  sistro,  vgl.  96.  99. 
12,  82  garrula  pericula  nautae. 

96  sunt  tanti  siud  der  Miihe  des 
Ertragens  wert,  sind  kein  zu  teurer 
l'reis,  vgl.  Ovid.  m.  II  424  aut  si 
rescierit,  sunt  o  sunt  iurgia  (der 
Juno)  tanti,  Cic.  Cat.  11  15  est  milii 
tanti,  Quirites,  huius  invidiae  tempe- 
statem  subire,  dummodo  a  vobis  belli 
periculum  depellatur. 

97  nec  Ladas  =  ne  Ladas  quidem 
(sc.  (ov).  Der  Name  des  Olympio- 
uiken  Ladas  war  den  Rdmern  durch 
die  bekannte  Siegesstatue  des  Myron 
geliiufig,  die  sich  in  Kom  betand. 
iSie  stelite  deu  Moment  dar,  wie 
der  Agonist  mit  krampfhaft  einge- 
zogenen  Weichen  den  entschweben- 
den  Atem  noch  auf  den  Lippen 
festzuhaiteu  schieu.  Mit  podayra 
wird  der  Gegensatz  zu  der  iSclmell- 
fiifsigkeit  des  beriihmteu  doXixo- 
d()6fAos  trefiend  bezeichuet;  schon 
Catull.  55  (58),  25  non  Ludas   eyo 


pinnipesve  Perseus.  Vgl.  Pausan. 
111  21,  1.  —  si  non  eget  'er  miifste 
denn  nicht  recht  bei  Vernunft  seiu'. 
Von  Archigenes  (zu  6,  236)  citiert 
Galenus  eiue  Schrift  tisqI  trjg  doaicog 
Tov  ilXe^oQOv.  Zur  Ablativform  vgl. 
Lachmanu  zu  Lucret.  I  739. 

100  sq.  Die  vorhin  erwahntenUbel 
erscheiuen  dem  Meineidigen  nicht 
eben  grofs.  Aber,  fahrt  er  fort,  mag 
der  Zorn  der  Gotter  selbst  gewaltig 
{magna)  sein,  so  ist  er  sicher  nicht 
rasch,  uicht  iibereilig  (lenta)'.  Folg- 
lich  (igitur)  kann  mich  die  Strafe 
erst  spat  ereilen,  wenu  Gott  alle 
tjbelthater  (dereu  es  doch  so  viele 
giebt)  strafen  will.  Aber  die  Gott- 
heit  ist  ja  auch  {sed  et  wie  12,  41) 
erbittlich. 

103  his  solchen  Vergehungen,  die 
in  den  Augen  des  Memeidigen  nur 
Kleinigkeiteu  sind. 

104  diverso  fato  mit  gerade  ent- 
gegengesetztem  Erfolg,  denn  das 
Schicksal  ist  als  Erfolg  der  Hand- 
luug  gedacht. 

107  sacra  ad  delubra  vocantem, 
iihulich  ist  der  Versausgang  15,  135 
pupillum  ad  iura  vocantem. 

108  trahere,  vexare  'ziehen  und 
zerreu'.'  Die  Frechheit  ergreift  die 
Otfeusive. 

109  sup)erest,  wie  237  cum  scelus 
admitlunt,  superest  constantia.  llier 


LIBRI  V     SATVRA  Xlll  257 

creditur  a  multis  fiducia.    mimum  agit  ille,  iio 

urbani  qualem  fugitivus  scurra  Catulli: 

tu  miser  exclamas,  ut  Stentora  viucere  pos.sis, 

vel  potius  quautum  Gradivus  Homericus:  'audis, 

luppiter,  liaec,  uec  labra  moves,  cum  mittere  vocem 

debueris  vel  marmoreus  vel  alieneus?  aut  cur  115 

in  carbone  tuo  cbarta  pia  tura  soluta 

ponimus  et  sectum  vituli  iecur  albaque  porci 

omenta?  ut  video,  nullum  discrimen  babendnm  est 

effigies  inter  vestras  statuamque  Vagelli.' 

accipe,  quae  contra  valeat  solacia  ferre  120 

et  qui  nec  cynicos  nec  stoica  dogmata  legit 
a  cynicis  tunica  distantia,  non  Epicurum 
suspicit  exigui  laetum  plantaribus  borti. 
curentur  dubii  medicis  maioribus  aegri: 


119  agelli  P 

mit  Dativ,  wie  Mart.  IV  35  cultro 
nil  supcresse  suo. 

110  fiducia,  gutes  Gewissen. 

111  Der  fugitivus  scurra  des 
witzigen  (urhani)  Catullus  ist  der 
zii  8,  186  besprochene  Lauieolus. 

113  Gradivus,  eig.  Beiname  des 
Mars,  dann  fiir  Mars  selbst,  scheint 
aus  gravidivus'  zusammengezogen 
zu  sein  und  den  gewaltigen,  furcht- 
baren  Gott  zu  bezeichnen.  Die  Ab- 
leitung  von  gradior  gestattet  nicht 
die  Liinge  der  ersten  Silbe  von 
Gradivus,  vgl.  Haupt  zu  Ovid.  m. 
VI  395.  Juv.  spielt  hier  auf  Hom. 
E  859  an:  6  S'  f^pajja  3;a/l-/.£os 
'AQTjg,  oaaov  t'  ivvsdxi-^oi  intwj^ov 
>J  Ss-KuxiXoL  uviQis  iv  noXificp, 
iQida  ^vvuyovtss  "AQTjog,  wo  freilich 
dieAnnahme,  dafi  i^gccxs  'schreien' 
bedeuten  soll,  nichts  als  ein  be- 
harrlicher  Irrtum  ist. 

115  marmoreus,  vgl.  8,  55.  — 
aut  'wenn  du  das  nicht  thust, 
warum',  oder  'wo  nicht,  warum'. 
Vgl.  Niigelsbach  Stil.  §  194. 

116  charta  soluta  'aus  geoffneter 
Diite',  ist  im  Geiste  des  schlichten 
Mannes  gesprochen  und  dient  der 
humoristischen  Kleinmalerei.  Vgl. 
zum  Ausdruck  Horat.  ep.  II  1,  270 
quidquid  charlis  amieitur  ineptis. 

117  seetum  fiir  exsectum,  wie  im 
Deutschen:  ''auf  ihn  mein  Herz  soll 
lassen  sich'. 

IS-VESALIS    SaTVEAE. 


118  ut  video,  dafiir  6,  395  im 
selben  Gedanken:  non  est,  quod 
video,  non  est  quod  ngatur  apud  vos. 

119  Wie  derdummdreisteSchreier 
VageUius  (16,  23  dignum  erit  de- 
clamatoris  mulino  corde  Vagelli) 
alles,  auch  Schlage  und  Mifshand- 
lung,  iiber  sich  ergehen  lafst  (vgl. 
16,  24  cum  duo  crura  habeas,  offen- 
dere  tot  caligas),  so  bleibt  auch  ihr 
Gotter  stumpf  und  unempfindlich 
bei  dem  Mifsbraiich  eures  ^Siamens. 

120—249:  Trost  des  veruunftigen 
Menschen  in  dieser  Welt  der  Schlech- 
tigkeit  und  des  Meineides. 

120  accipe,  wie  7,  36  accipe  nunc 
artes,  und  mit  indirektem  Frage- 
satz  15,  31. 

121  nec  —  nec,  der  weder  die 
Schriften  der  ungelehrten  (extre- 
men)  noch  die  der  gelehrten  Stoiker 
gelesen  hat,  die  vibrigens  nicht  viel 
verniinftiger  als  jene  sind,  der  also 
nicht  Philosoph  von  Fach,  sondera 
nur  abnormis  sapiens  ist,  wie  der 
Ofellus  des  Horatius.  Die  Cyniker 
trugen  anter  dem  Pallium  keine 
Tunika,  sondern  nur  ein  Stiick 
Leinen. 

123  exigui  horti,  vgl.  14,  155 
e.xigui  ruris  paucissima  farra  se- 
cantem,  und  319  quantum  Epicure 
tibi  parvis  suffecit  in  hortis.  Diog. 
Laert.  X  10. 

124  medicis    ist    wahrscheinlich 

17 


258 


IVVENALIS 


tu  venam  vel  discipnlo  committe  Philippi. 
si  nullum  in  terris  tam  cletestabile  factum 
ostendis,  taceo,  nec  pugnis  caedere  pectus 
te  veto  nec  plana  faciem  contundere  palma, 
quandoquidem  accepto  claudenda  est  ianua  damno, 
et  maiore  domus  gemitu,  maiore  tumultu 
j)languntur  nummi  quam  funera;  nemo  dolorem 
fingit  in  hoc  casu,  vestem  diducere  summam 
contentus,  vexare  oculos  umore  coacto: 
ploratur  lacrimis  amissa  pecunia  veris. 
sed  si  cuncta  vides  simili  fora  plena  querella, 
si  deciens  lectis  diversa  parte  tabellis 
vana  supervacui  dicunt  chirographa  ligni, 
arguit  ipsorum  quos  littera  gemmaque  princeps 
sardonychum,  loculis  quae  custoditur  eburnis, 
ten  —  o  delicias   —  extra  communia  censes 


125 


130 


135 


140 


132  deducere  oo         139  post  140  positum  habet  P 


Abl.,  wie  11,191  et  quidquid  frangi- 
tur  illis  aut  perit,  dort  =  medico- 
rum  cura,  hier  =  illorum  culpa. 
—  aegri  subst.  mit  Attribut,  wie  8, 49 
nohilis  indocti. 

125  venam  committe,  vgl.  6,  46 
0  medici,  nimiam  pertundite  venam! 
Der  Name  des  Leibarztes  Alexan- 
ders  des  Grofsen  wird  typiscli  ge- 
braucht  ftir  einen  grofsen  Arzt,  den 
mau  in  besonders  gefahrlichen  und 
entscheidenden  Krisen   konsultiert. 

129  quandoquidem ,  fast  =  si 
quidem  6,  621  und  12,  107,  findet 
sich  noch  10,  146  und  1,  112.  — 
Das  claudere  ianuam  geschah  als 
Zeichen  der  Trauer,  der  privaten 
sowohl  wie  der  offentlichen.  Bei 
einer  elades  puhlica  mufsten  sogar 
die  tahernae  der  Handwerker  ge- 
schlossen  werden,  Liv.  III  27,  2. 
Tac.  II  ,82  ut  ante  edictum  magi- 
stratuum  sumpto  iustitio  desererentur 
fora,  clauderentur  domus. 

132  Wer  von  Schmerz  wii'klich 
ergriffen  war,  zerrifs  sein  Gewand 
von  oben  bis  unten  hindurch  (Ov. 
met.  V  398  summa  vestem  laniarat 
ah  ora)-^  wer  aber  nur  aufserlichen 
Anteil  nahm,  begnugte  sich  mit 
einera  Rifs  an  dem  oberen  Saum 
{summam  vestem  diducere),  ja  zerrte 
wohl  auch  nur  am  Gewand  herum 
(diduccre).  Man  denke  an  die  klassi- 


sche  Stelle  in  Jean  Pauls  Flegel- 
jahren,  ferner  an  6,  273  oder  Mart. 
I  33  amissum  non^  flet  cum  sola  est 
Gellia  patrem,  si  quis  adest,  iussae 
prosiliunt  lacrimae. 

135  fora,  deren  es  mehrere  gab, 
wie  das  forum  Romanum,  boarium, 
Caesaris,  Augusti,  Nervae,  Traiani. 
AUe  waren  teils  Geschafts-  teils 
Gerichtsstatten. 

136  sqq.  tabellae  (ceratae)  smd  pu- 
gillares,  die  chirographa  oder  sijn- 
grapha,  d.  i.  eine  Schuldverschi-ei- 
bung  enthalten.  —  Zu  dicunt  ist 
als  Subjekt  'die  Menschen',  d.  h. 
infitiatores  ^Ableugner'  zu  erganzen. 
Sie  geben  sich,  wenn  ihnen  die 
Schuldverschreibungvorgelegtwird, 
den  Schein  der  Gewissenhaftigkeit; 
sie  studieren  die  Schrift  zehnmal 
von  oben  und  unten  {diversa  parte) 
und  erklaren  dann  die  Urkunde  fiir 
unecht,  obwohl  die  Handschrift 
(littera)  und  der  auffallend  kost- 
bare  Edelstein  (7,  144)  des  Siegel- 
rings  sie  uberfiihrt.  Madvig  erkliirt 
(11  195)  diversa  parte  =  a  parte 
contraria  adversarii,  wie  7,  156  quae 
veniant  diversa  parte  sagittae  oder 
cx  diverso  'bei  der  Gegenpartei' 
Tac,  h.  11  75.  —  V.  137  ist  16,  41 
wiederholt,  vgl.  dort  die  Bemerkiing. 

140  0  delicias  'o  Einbildung',  die 
Eigenschaft    eines    Menschen ,    dor 


LIBRI  V    SATVRA  ^^ITI 


259 


pouendum,  quia  tu  gallinae  filius  albae, 

uos  viles  pulli  uati  infelicibus  ovis? 

rem  pateris  modieam  et  mediocri  bile  ferendam, 

si  flectas  oculos  maiora  ad  crimiua.    couter 

couductum  latrouem,  iuceudia  sulpure  coepta 

atque  dolo,  primos  cum  iauua  coUigit  igues; 

confer  et  hos,  veteris  qui  tolluut  graudia  temjdi 

pocula  adoraudae  robiginis  et  populorum 

dona  vel  antiquo  positas  a  rege  corouas; 

haec  ibi  si  nou  suut,  miuor  extat  sacrilegus,  qui 

radat  iuaurati  femur  Herculis  et  faciem  ipsam 

Neptuni,  qui  bratteolam  de  Castore  ducat  — 

au  dubitet  solitus  totum  conflare  Tonautem?  — 

confer  et  artificem  mercatoremque  veueui 


145 


150 


141  quid?  Utinrich        154  artifices  Pco  corr.  LHB  Hosii 


glaubt  in  allem  eine  Ansnahme 
machen  zu  miissen,  vgl.  zu  10,  291 
deliciae  votorum,  6,  47  delicias  ho- 
minis  als  Ausruf,  wie  Hor.  s.  II 
8,  18  divitias  miseras! 

141  gallina  alha  war  rara  aris 
(0, 165),  und  die  weifse  Farbe  bedeu- 
tete  Gluck,  Cic.  fam.VII  28,2  quod 
quasi  avem  albam  videntur  bene 
aeutientem  civem  videre,  es  ist  also 
gallinae  fdius  albae  ein  ungewohn- 
lichesGliickskind.  Nach  Suet.  Galb.  1 
war  der  Livia  rine  gallina  alba 
in  den  Schofs  gefallen.  Die  Henne 
brachte  viele  Junge  zur  Welt,  aber 
bei  dem  Tode  Neros:  quidquid  ibi 
gaUinarum  crat  interiit.  So  erschien 
jeder  aus  dem  Julischen  Hause  ge- 
wissermafsen  als  filius  galUnac  albae. 

142  infelicibus  ovis,  zu  187. 

144  si  flectas  =  si  modo  flectas, 
vgl.  14,  258. 

146  ianua  colligit  igncs,  vgl.  9, 98 
candelam  ailponere  vulvis  non  du- 
hitat,  und  3,  200. 

147  Die  Schilderung  des  sacri- 
lcgus  pafst  in  auffallender  Weise 
auf  Nero,  vgl.  Suet.  32  templis 
compluribus  dona  dctraxit  simula- 
craqiie  ex  auro  vel  argento  fabricala 
conflavit ,  Tac.  XV  45  spoliatis  in 
urbe  tcmpJis  cgestoque  auro,  quod 
trinmijhis,  quod  votis  omnis  popuU 
Romani  aetus  prospere  aut  in  mctu 
sacraverat,  Agr.  6  tum  electus  a 
Galbn  ad  dona  templorum  recogno- 


seenda  effecit,  ne  cuius  alterius  sa- 
crilegium  respubUca  quam  Neronis 
sensisset. 

149  coronas  sc.  aurcas,  wie  sie 
z.  B.  Masinissa  geschickt  hatte. 

150  extat  macht  sich  bemerkbar, 
hier  fast  =  cxistit,  womit  minor 
als  Pradikat  zu  verbinden  ist:  der 
grofse  sacrilegus  begniigt  sich  auch 
mit  kleineremRaub,wo  eingrofserer 
nicht  zu  haben  ist.  Hermathena 
ni  196. 

152  brattcola  ''diinnes  Goldblech', 
wie  tcnuis  brattea  bei  Ovid.  ars 
III  232  aurca  quae  pcndent  ornato 
signa  thcatro,  inspice,  quam  tenuis 
brattea  Ugna  tcgat. 

153  an  duhitet  soUtus  oder  sollte 
er  dies  zu  thun  Bedenken  tragen, 
da  er  ja  gewohnt  ist  (Nero?)  den 
ganzen  luppiter  Tonans  einzu- 
schmelzen?  Es  ist  derselbe  vorher 
erwiihnte  sacrilegus. 

154  Der  Giftmischer  und  Gift- 
kiiufer  in  einer  Person  {que),  der 
zugleich  iet)  die  Strafe  des  cullcus 
(zu  8,  214)  verdient,  kann  nur  Nero 
sein,  in  dem  der  Dichter  uns  das 
Beispiel  eines  ganz  aufserordent- 
lichen  Verbrechers  vorfiihrt.  Bei 
der  hdschr.  Lesart  artifices  begreift 
man  nicht,  warum  daneben  merca- 
torcm  statt  mcrcatorcs  stehen  soll ; 
auch  bleibt  dabei  que  und  dcihiccn- 
dum  (ohne  substantivische  Stiitze) 
unerklart. 

17* 


260 


IVVENALTS 


et  dedueeiidum  corio  bovis  in  mare,  cum  quo 
clauditur  adversis  inuoxia  simia  fatis. 
haec  quota  pars  scelerum,  quae  custos  Gallicus  urbis 
usque  a  lucifero,  donec  lux  occidat,  audit? 
liumani  generis  mores  tibi  nosse  volenti 
sufficit  una  domus;  paucos  consume  dies  et 
dicere  te  miserum,  postquam  illinc  veneris,  aude. 
quis  tumidum  guttur  miratur  in  Alpibus,  aut  quis 
in  Meroe  crasso  maiorem  infante  mamillam? 
caerula  quis  stupet  in  Germanis  lumina,  flavam 
caesariem  et  madido  torquentem  cornua  cirro? 
nempe  quod  haec  illis  uatura  est  omnibus  una. 
ad  subitas  Thracum  volucres  nubemque  sonoram 

164  qui  P        stupuit  Germani  Fco,  corr.  W 


155 


160 


165 


156  innoxia  ist  Ausdruck  der 
Teilnahme  fur  das  unschuldige  Tier, 
wie  10,  60  immeritis  franguntur 
crura  cabalNs.  —  aversis  fatis  feind- 
seliges,  ungiinstiges  Geschick,  fiir 
die  simia. 

157  custos  Gallicus  urhis  ist  der 
Stadtprafekt  C.  Rutilius  Gallicus, 
an  den  das  Gedicht  des  Statius  I  4 
gerichtet  ist.  Stadtprafekt  war  er, 
vielleicht  nach  Pegasus  (4,  77),  im 
im  J.  89— 91  unter  Domitianus,  vgl. 
Friedlaender  Sittengeschichte  III 
455  sq.  Unter  dem  Stadtprafekten 
stand  die  Feuer-  und  Sicherheits- 
polizei  in  Rom  und  ein  Teil  der 
Kriminaljustiz. 

161  Betrug  und  Verbrechen  sind 
in  Rom  an  der  Tagesordnung  und 
konneu  hier  ebenso  wenig  aoffallend 
sein  -wie  ein  Kropf  unter  den  Alpen- 
bewohnern  oder  blaue  Augen  in 
Germanien. 

162  sq.  tumidum  guttur  'Kropf, 
durch  Bergsteigen  und  Lasttragen 
ira  Gebirg  veranlafst.  —  Msqot}, 
siidlich  von  Agypten,  in  Athiopien, 
eine  von  den  Fliissen  Astapus  und 
Astaboras  umschlossene  Insel  des 
Binnenlandes,  war  eiu  machtiger 
theokratischer,  zugleich  auch  be- 
deutender  Handelsstaat.  Zu  Neros 
Zeiteu  war  die  grofse  und  reiche 
Stadt  Meroe  zerstort. 

164  in  Germanis  unter  den  Ger- 
manen,  in  Germanien. 

165  caesaries  torquet  corniia  cirro 


das  Haar  bringt  gedreht  vermittels 
des  nassen  Biischels,  der  durch 
Drehen  entsteht,  wie  Horner  aus- 
sehende  Spitzen  (cornua)  hervor. 
Was  die  Menschen  thun  {torquent 
cornua)  mit  dem  Haare,  wird  auf 
das  Haar  selbst  ubertragen.  Sie 
winden  das  Haar  zu  Biischeln  {cir- 
rus)  und  am  Biischel  zeigt  sich  die 
Spitze  {cornii).  Vgl.  Tac.  Germ.  38 
insigne  gentis  ohliquare  crinem  nodo- 
que  suhstringere ,  und  J.  Grimm 
Rechtsaltertiimer  234. 

166  wafMra  natiirlicheBeschaifen- 
heit,  Aussehen.  Der  Vers  schliefst 
die  Reihe  der  Beispiele  ab^  denn 
mit  dem  folgenden  Beispiel  (167— 
173)  sucht  der  Dichter  nicht  mehr 
zu  erklaren  und  zu  belehren,  son- 
dern  zu  erheitern  und  den  Ernst 
der  Betrachtung  herabzustimmen. 

167  sq.  Das  fabelhafte  Zwergvolk 
der  Pygmaen  dachte  man  sich  in 
Indien  oder  im  mittleren  Afrika  an 
den  Quellen  des  Xils.  Mit  ihnen 
fiihren  die  Kraniche  des  Nordens 
{Thracum)  Krieg,  iudem  sie  ihre 
Saatfelder  durchwiihlea.  Juv.  er- 
innert  hier  an  eine  Notiz  des  He- 
katiius  in  den  Schol.  ad  Hom.  F  6: 
qpjjct  8'  ccvxovq  'Excirato?  snl  6xr}- 
^dtcov  {oxr^tiuTCov?)  iiQi,dv  i^Lovtag 
ccXe^aa&uL  avzug  (i.  e.  tag  ysQd- 
vovg),  Tccg  ds  yiazcecpQOVovcag  xov 
ariv,ovg  noXsfiSLV  TiQog  avxovg.  — 
ad,  bei  dem  Erscheinen  der  Kra- 
niche  im  Lande  der  Pygmaen,  wie 
TiQog,  vgl.  223. 


LIBRI  Y     SATVRA  XIII  2i;i 

Pyginaeus  parvis  currit  bellator  in  armis, 

mox  impar  hosti  raptusque  per  aera  curvis 

uuguibus  a  saeva  fertur  grue.    si  videas  hoc  170 

geutibus  in  nostris,  risu  quatiare;  sed  illic, 

quamquam  eadem  adsidue  spectentur  proelia,  ridt-t 

uemo,  ubi  tota  cohors  pede  non  est  altior  uno. 

'nullaue  peiuri  capitis  fraudisque  nefandae 
poena  erit?'   abreptum  crede  hunc  graviore  catena  17.5 

protinus  et  nostro  —  quid  plus  velit  ira?  —  necari 
arbitrio:  manet  illa  tamen  iactura,  nec  umquam 
depositum  tibi  sospes  erit,  si  corpore  trauco 
invidiosa  dabit  minimus  solacia  sanguis. 

'at  vindicta  bonum  vita  iucundius  ipsa/  180 

uempe  hoc  indocti,  quorum  praecordia  nullis 
interdum  aut  levibus  videas  flagrantia  causis, 
quautulacumque  adeo  est  occasio  sufficit  irae: 
Chrysippus  non  dicet  idem  nec  mite  Thaletis 
ingeuium  dulcique  senex  vicinus  Hymetto,  lab 

qui  partem  acceptae  saeva  inter  vincla  cicutae 
accusatori  nollet  dare.    plurima  felix 
paulatim  vitia  atque  errores  eruit,  omnes 
prima  docet  rectum  sapientia.    quippe  minuti 

176  qui  P        178  si  W:  sed  Pcu         182  fraglantia  P 

168  Der  komische  Kontrast  von  Menschen'  stehen  im  Gegensatz  zn 

parcis   neben    currit   und    hellator  den     184     genannten     CJtrt/sippus, 

neben    in    armis    wird    durch    die  Thales,  Socrates.   Vgl.  15,  106  sq. 
Wortstellung  gehoben.  182  flagrantia  'in  Aufregung'. 

172  speetentur,  zu  10,  34  187  noUetdare 'nichtha.tte  gehen 

174  Die  Frage  enthalt  eine  vno-  wollen',   wie   es  Theramenes   nacb 

qpooK,  einen  Einwurf,  wie  10,  346;  Xenoph.  Hell.  II  3,  56  wirklich  gc- 

vgl.  Seneca  de  ira  III  26,  2  '  quid  than   hat.     Vielleicht    dachte   Juv. 

ergo\   inquis,    ' impune   illi   erit?''  an    die    "Worte    des    Sokrates    im 

Puta  te  velle,  tamen  non  erit.  Phaed.  117B:  ti  Xiysu;  tcbqI  rovdi 

177  sq.  nec  .  .  SOSpes  erit  'und  es  tov   ncoaaTog  TiQog    zb    unoonhtaui 

wird  dir  darum  nicht  das  Geld  er-  xlvl;   fgcGtiv .,    /j    ov;    und    als    der 

setzt,  wenn  das  Blut  fliefst.   Dieses  vmqQEzrig  antwortete  togovtov  zql- 

gewahrt  Befriedigung  (solacia),  die  §ouav   ogov   olous^u   uizQLov   blvul 

aber   doch  nur  gehassig  erscheint  Trtgrv,  fahrt  Sokrates  fort:  ucy-S^ava), 

(invidiosa).    —    minimus    im    Ver-  uV.'    ev^iG&uL    ya    nov    Toi^g   d^ioCg 

haltnis   zur   Grofse    des    Verlustes.  tgeGTL  zs  -/.ul  XQV-  —  fdix,  frucht- 

Der   Grund    und    folglich    die   Be-  bar,begluckend,  gehortzusa/>?e«im.- 

deutung    von  minimus  sanguis  ist  sie  lebrt  schon  in  ihren  Anfangen 

ganz  verschieden  10,  217.  —    cor-  (prima),  a.Tichohne  perfecta  zu  sein, 

pore  trunco  =  corpore  truncato,\g\.  den  Menschen,  was  recht  und  gut 

Tac.  I  17  stipendia  senes  et  piUrique  ist,  vgl.  Hor.  ep.  I  1,  41  et  sapientia 

truncato  ex   vulneribus  corpore  to-  prirna,  stuUitia  caruisse. 
lerant.  189  sq.    minutus    'kleinlich'    hat 

181  nempe  hoc  iyidocti,  sc.  dicunt,  zum    Gegensatz    grandis,    exiguus 

Tgl.  26.    Die  indocti  'ungebildeten  'engherzig'    hat     zum    Gegensatz 


2G2 


IVVENALIS 


semper  et  infirmi  est  animi  exiguique  voluptas 

ultio.    coutiuuo  sic  collige,  quod  viudicta 

nemo  luagis  gaudet  quam  femina.    cur  tamen  lios  tu 

evasisse  putes,  quos  diri  couscia  facti 

mens  liabet  attouitos  et  surdo  verbere  caedit 

occultum  quatiente  auimo  tortore  flagellum? 

poena  autem  vehemeus  ac  multo  saevior  illis, 

quas  et  Caedicius  gravis  inveuit  et  Rhadamauthus, 

nocte  dieque  suum  gestare  in  pectore  testem. 

Spartano  cuidam  respondit  Pythia  vates 

haud  iupunitum  quoudam  fore,  quod  dubitaret 

depositum  retinere  et  fraudem  iure  tueri 

iurando.    quaerebat  enim,  quae  uuminis  esset 

meus,  et  au  hoc  illi  faciuus  suaderet  Apollo. 

reddidit  ergo  metu,  uon  moribus,  et  tameu  omnem 

vocem  adyti  diguam  templo  veraraque  probavit 

extinctus  tota  pariter  cum  prole  domoque 

et  quumvis  longa  deductis  gente  propinquis. 


190 


195 


200 


205 


190  et  om.  P         205  probabit  P 


amplus    Vgl.  zu  13.    Die  Haufung 
der  Atljektiva  auch  15,  47. 

191  continuo  sic  collige  'schliefse 
dies  mit  mir  unmittelbar  (ohne 
weitereUntersnchung)  aus  derXhat- 
sache'.  Bei  Horatius  (s.  II  1,  51. 
ep.  II  1,  119)  wird  die  Thatsache 
ohne  quod  asyndetisch  angereiht. 

192  Hier  beginnt  die  Schilderung 
des  bosen  Gewissens  nnd  damit 
die  eigentliche  Antwort  auf  die 
174  aufgeworfene  Frage. 

194  habet  aitonitos' ha,\tin  grofster 
Angst',  vgl.  12,  21.  4,  77  attonitae 
urhi,  ebenso  11,  199,  und  15,  13 
attonito  (verbliifft)  narrarct  Alcinoo. 
—  surdo  'unhorbar',  vgl.  7,  71  surda 
bucina. 

195  aninio  tortore  das  folternde 
Gewissen  schwingt  (wie  ein  Folter- 
knecht,  6,  480  und  14,  21)  die  un- 
sichtbare  Peitsche. 

196  vehemens  'streng'  hat  zum 
Gegensatz  lenis,  saevus  'grausam' 
ist  dem  mitis  cntgegengesetzt. 

197  Caedicius  gravis  war  wahr- 
scheinlich  ein  strenger  Richter,  der 
mit  dem  16,  46  erwiihnten  causi- 
dicus  nichts  gcmein  hat.  Schol. : 
Caedicium  aulicum  Neronis  crude- 


lissimum  fuisse  vuHt  intellegi,  doch 
ist  dariiber  nichts  bekannt. 

199  Die  Geschichte  des  Glaukus, 
die  Herodot.  VI  86  erzahlt,  lehrt, 
dafs  schon  die  verbrecherische  Ab- 
sicbt  zur  Vernichtung  fiihrt  und 
von  den  Gottern  schwer  gestraft 
wird,  um  wie  viel  schwerer  mufs 
das  bose  Gewissen  auf  dem  V^er- 
brecber  lasten,  der  die  Tbat  zur 
Ausfiihrung  gebracht  hat  (210  sq.) 

204  moribus  'aus  sittlichem  Ge- 
fiihl',  vgl.  Cic.  or.  II  182  vakt 
multum  ad  vincendum  probari  mores, 
instituta  et  facta  et  vitam  eorum 
qui  agant  causas,  der  sittliche  Cha- 
rakter.  Vgl.  10,  323.  3,  140.  — 
omnem,  in  seinem  ganzen  Umfang, 
in  jeder  Hinsicht. 

206  Herod.  riccvytov  vvv  ovtb  xi 
(XTtvyovov  iazi,  ordiv  ovts  lazir} 
(Mausstand)     ovdsfiLa     voni^ofiivr} 

SIVOII  riaVKOV,   imSTQtTlTCiL  Tg   TCQOQ- 

Qi^os  £x  HnuQTriq.  Denn  im  Orakel 
hiefs  es:  tiQctiTcvoq  Sh  ('Oqhos)  (ist- 
iQXBzcci,  siq  0  Hf  naaav  6Vi.ifidQ\pag 
oXscrj  ysvsrjv  yial  ofnov  anavTa. 

207  longa  gente  in  lauger  Linie: 
die  Verwandten,  die  iu  lauger  Reihe 
davon  stammten  (dcducti),  ihr  Ge- 
schlecht  von  ihm  ableiteten. 


LIBUl  V     SATVRA  XI II 


263 


lias  patitur  poeiias  peccandi  laeva  voluntas. 
nam  scelus  intra  se  tacituoi  qui  cogitat  ullum, 
facti  crimen  liabet.,   cedo,  si  conata  peregit. 
perpetua  auxietas,  uec  mensae  tempore  cessat 
faucibus  ut  morbo  siccis  interque  molares 
clifHcili  creseente  cibo,  Setina  misellus 
expuit,  Albani  veteris  pretiosa  senectus 
displicet;  ostendas  melius,  deusissima  ruga 
coffitur  iu  frontem  velut  acri  ducta  Falerno. 
uocte  brevem  si  forte  indulsit  cura  sojiorem 
et  toto  versata  toro  iam  membra  quiescunt, 
continuo  templum  et  violati  numinis  aras, 
et  quod  praecipuis  mentem  sudoribus  urguet, 
te  videt  in  somnis;  tua  sacra  et  maior  imago 
liuniana  turbat  pavidum  cogitque  fateri. 
hi  suut,  qui  trepidant  et  ad  omnia  fulgura  pallent, 
cum  tonat,  exauimes  primo  quoque  murmure  caeli, 
non  quasi  fortuitus  nec  ventorum  rabie,  sed 


210 


215 


220 


225 


208   laeva   W:  saeva  P  sola  co         voluptas  F 
213  Setina  Hereh  sed  vina  Pco        224  exanimis  P 


210  cosfnata  P 


208  laeva  voluntas  'die  veikehite, 
siiudhafte  Absicht',  14,  228  laevo 
monitii  pueros  producit  avaros,  Pers. 
2,  54  pectore  laevo,  Veig.  II  54 
si  mens  non  lae-va  fuisset. 

209  Herod.  rj  dl  UvQ^iri  icpr]  xo 
TTfiQrj&rivcci  tov  Q^sov  Kal  zb  noirJGcct 
iaov  dvvccG9ai. 

210  cedo  si  vollends  erst  wenn, 
wie  6,  504.  Damit  wird  der  Uber- 
gang  zur  Fortsetznng  der  Schil- 
derung  von  der  Macht  des  bosen 
Gewissens  gegeben. 

211  nec  mensae  tempore,  wie  2, 
182  nee  pueri  credunt,  9,  49  iam 
nec  morbo  donarc  parati. 

212  ut  morho  'krankhaft'. 

'213  crescente  cibo,  so  dafs  der 
Eiasen  im  Munde  quillt.  Senec.  ep. 
82,  22  non  in  ore  crevit  cibus,  non 
haesit  in  faucibus.  —  Setina,  sc. 
vinu.  Dafs  man  beim  Plural  an 
die  verschiedenen  pocula  desselben 
Weines  dachte,  zeigt  Hor.  epod. 
9,  34  capaciores  adfer  huc,  pucr, 
scyphos:  aut  Chia  vina  aut  Lesbia, 
vel  quod  flucntem  nauseamcoerceat, 
metire  nobis  Caecubum.  Ubor  den 
Setiner  zu  5,  34  und  10,  27,  den 
Albaner  5,  33. 

215  sq.    melius,  sc.  vinum ,  einen 


noch  besseren.  —  ruga  cogitur  in 
frontem,  wie  14,  325  haec  quoqtie 
si  rugam  trahit  extenditqne  labcllum 
(zum  fcpottischen  Lacheln).  Der 
Falerner  wird  auch  5,  59  und  4,  138 
erwahnt. 

218  iam  ''endlich',  wie  7,  170 
et  quae  iam  veteres  sanant  mortaria 
caecos,  i]dr]  odor  St]  im  Griechischen. 

220  sudoribus  ''Angstschweifs', 
vgl.  1, 167  tacita  sudant  praecordia 
culpa.  Aeschyl.  Agam.  166  Gzd^si 
S'  8v  &'  vnvoj  nQO  xapdtag  [ivriai,- 
nr'ificov  novog,  und  die  Parodos  der 
Choeph.  31  sqq. 

221  Die  Gottererscheinungen  sind 
ubernatiirlich  grofs,  vgl.  zu  Verg. 
II  773.  Was  den  Gottern  gehort 
oder  unter  ihrem  Schutze  steht,  ist 
sacrum,  daher  auch  das  Bild  sacra 
imago,  erhaben. 

222  turbat  pavidum  lufst  dem 
Geangsteten  keine  Ruhe. 

223  sq.  ad,  zu  167.  —  exanimes 
'leichenblafs',  vgl.  trepidant  et  pal- 
lcnt  zittern  und  beben  (werden 
blafs).  Sonst  nach  Verg.  IV  160 
viugno  misceri  murmure  caclum  in- 
cipit. 

225  Die  Alten  glaubten,  dafo 
Donner  und  Blitz  aus  starker  Rei- 


264 


IVVENALIS 


iratus  cadat  in  terras  et  iudicet  ignis. 

illa  nihil  nocuit,  cura  graviore  timetur 

proxima  tempestas  velut  lioc  dilata  sereno. 

praeterea  lateris  vigili  cum  febre  dolorem 

si  coepere  pati,  missum  ad  sua  corpora  morbum 

infesto  credunt  a  numine,  saxa  deorum 

haec  et  tela  putant.    pecudem  spondere  sacello 

balantem  et  Laribus  cristam  promittere  galli 

non  audent;  quid  enim  sperare  nocentibus  aegris 

concessum?   vel  quae  non  dignior  hostia  vita? 

mobilis  et  varia  est  ferme  natura  malorum; 

cum  scelus  admittunt,  superest  constantia:  cum  fas 

atque  uefas  tandem  incipiunt  sentire  peractis 

criminibus,  tamen  ad  mores  natura  recurrit 

damnatos  fixa  et  mutari  nescia.    nam  quis 

peccandi  fiuem  posuit  sibi?  quando  recepit 


230 


235 


240 


226  terra  sed  P        vinclicet  g  236  damnavit  lulm 

tatura  P        237  cum  fas  W:  quod  fas  Pco 


bung  der  Wolken  entstehen,  Senec. 
nat.  quaest.  I  1,  6  und  14,  5. 

226  iratus  ignis ,  wie  93  irato 
sistro  ferire,  oder  iracunda  ftilmina 
Hor.  I  3,  40,  maestum  ebur  inlacri- 
mat  bei  Verg.  georg.  I  480.  — 
iudicct  und  die  Aufgabe  des  Richters 
ubernimmt.  Der  Begriff  des  iudcx 
scKLiefst  den  des  vindex  mit  ein, 
nichtumgekehrt.  Der  strafende  Gott 
ist  mit  iratus  eadat  in  terras  be- 
zeichnet,  wesentlich  ist  aber  auch, 
dafs  der  Gott  zu  urteilen  und  zu 
imterscheiden,  d.  h.  den  Frevler  zu 
finden  weifs.  Der  Frevler  sucht  und 
fiirchtet  den  Richter  aufser  sich, 
den  er  bereits  in  seinem  Innern 
triigt,  vgl.  2—3. 

227  sq.  Ist  daa  erste  Ungewittcr 
gliicklich  voriiber,  so  fiirchtet  der 
Schuldige  noch  mehr  das  nachste 
Gewitter,  weil  sein  angstlicher  Aber- 
glaube  es  ihn  so  ansehen  liifst,  als 
ob  mit  dem  augenblicklich  (hoc) 
eingetretenen  heiteren  Wetter  (se- 
reno)  das  Gewitter  und  die  Strafe 
nur  aufgeschoben  seien. 

229  vigili  cum  febre  unter  schlaf- 
loser  (unruhiger)  Fieberglut,  vgl. 
3,  232.  7,  42.   10,  162.  3,  275. 

232  Suhnmittel  wagen  solche 
Verbrccher  nicht  anzuwenden,   da 


zum   Opfer  reines  Herz  und   reine 
Hande  notig  waren. 

233  Larihus,  zu  12, 113.  —  cristam 
galli,  vgl.  12,  96. 

235  concessum,  wie  Hor.  ep.  I  5, 
12  quo  mihi  fortunam,  si  non  con- 
ceditur  uti?  —  Mit  vel  quae^  non 
dignior  hostia  vita  wird  der  Uber- 
gang  zum  folgenden  Satz  angebabnt, 
dafs  der  Bosen  Charakter  vej-ander- 
lich  und  wandelbar  sei,  so  dafs  sie 
nicht  zur  Besserung  gelangen  kon- 
nen  und  immer  wieder  der  Schuld 
und  endlich  dem  Arm  der  welt- 
lichen  Gerechtigkeit  verfallen. 

237  sqq.  Wenn  siedenFrevel  be- 
gehen,  sind  sie  ausschliefslich  von 
Frechheit  beherrscht;  wenn  sie  aber 
nach  vollbrachter  That  {peractis 
criminibus)  endlich  zum  Ijesseren 
Gefiihl  und  zur  sittlichen  Einsicht 
kommen,  halt  diese  doch  nicht  an, 
sondern  die  schlechte  Natur  (die 
Gewohnheit  und  der  Reiz  des  Bosen) 
gewinnt  bald  wieder  die  Oberhand, 
weil  sie  als  Anlage  unveriinderlich 
ist  (male  pertinax  iugum  incon- 
stantiae.  iudiciiquc  levitatis  depellerc 
non  potest),  und  gestattet  dem  Ver- 
brecher  nicht  von  der  Siinde  zu 
hissen.  —   Zu  natura  s.  zu  14,  44. 


LIBRl  V    SATVRA  XIV 


265 


eiectum  semel  attrita  de  froute  ruborem? 

quisnam  liominum  est,  quem  tu  coutentum  videris  uuo 

flajjcitio?   dabit  in  laqueura  vestigia  uoster 

perfidus  et  nigri  patietur  carceris  uncum 

aut  maris  Aegaei  rupem  scopulosque  frequentes 

exulibus  maguis.    poena  gaudebis  amara 

uominis  invisi,  tandemque  fatebere  laetus 

uec  surdum  uec  Tiresian  quemquam  esse  deorum. 

SATVRA  XIV 
Plurima  sunt,  Fuscine,  et  fama  digna  sinistra 
et  nitidis  maculam  liaesuram  figentia  rebus, 
quae  moustrant  ipsi  pueris  traduntque  parentes. 
si  damnosa  senem  iuvat  alea,  ludit  et  heres 


245 


242  attrita  de  fronte,  denn  in 
tler  Stirn  plaubten  die  Alten  den 
Sitz  des  Ehi-  und  Schamoefuhls 
zu  finden.  Uarum  wiid  von  Persius 
(5,  104)  fiir  pudor  geradezu  froiis 
pebraucht :  exclamat  Melicerta  perisse 
frontem  de  rehus.  Die  Stim  ist  bald 
heiter  bald  finster,  und  ebenso  auch 
frech. 

244  gq.  in  laqiieum,  zum  Erdros- 
seln  im  Kerker,  Sall.  Cat.  55  laqiceo 
gulam  fregere.  —  Mit  dem  uncus 
wird  der  Leichnam  aus  dem  Kerker 
geschleppt,  vgl.  10,  66. 

246  Oder  er  wird  auf  eine  ode 
Felsinsel  de?  Agaischen  Meeres  ver- 
wiesen,  erleidet  die  Strafe  der  De- 
portation,  vgl.  zu  1,  IZ^ aude  dli- 
quid  brevibus  Gyaris  et  carcere 
dignum. 

248  nominis  invisi  des  verhafsten 
Verbrechers,  dessen  Name  schon 
Widerwillen  erregt. 

249  Tiresian  =  caecum ;  einfacher 
Mart.  IX  25  si  non  vis  teneros  spectet 
conviva  ministros,  Phineas  invites, 
Afer ,  et  Oedipodas,  wofiir  in  dem 
griechischen  Original  steht:  Kdy.iL 
TfiQSGirjv  ;}  TdvtuXov  i?  norov 
fly.s,  zov  ufr  in'  ovdlv  lSblv,  xbv 
d'  ini  u,or}vov  iSti^v. 

Sat.  XIV. 
Die  Satire  ist  ein  Brief  an  einen 
nns  unbekanntfn  Fnscinus  und  be- 
handelt  den  Grund  des  sittlichen 
Niedergangs  in  liom,  der  in  der 
tJberschatzung  des  krassen  Mate- 
rialismus,  der  Gennfsaucht  und  der 


Erwerbssucbt  gefunden  wird.  Inter- 
essante  Nachbildung  ist  'die  dritte 
Satyra  oder  die  Kinderzucht'  vou 
Joachim  Rachel  (f  1669). 

1 — 58:  DieVerdorbenheit  der  Ju- 
gend  hat  ihren  Clrund  in  der  Un- 
sittlichkeit  der  Eltern,  denu  das 
Laster  reizt  zur  Nachahmung. 

1  fama  sinistra,  wie  Tac.  VI  32 
eo  de  liomine  haud  sum  ignarus 
sinistram  in  urbe  famam,  pleraque 
foeda  memorari  (vgl.  unten  152), 
h.  I  51  undique  airoces  (schreck- 
haft)  nuntii,  sinistra  ex  urbe  fama, 
XI  19  ut  laeta  apud  plerosque,  iia 
apud  quosdam  sinistra  fama,  es  ist 
also  ein  Lieblingswort  des  Tacitus 
und  seiner  Zeit,  denn  auch  Juv. 
10,  129  hat  noch  sinistro  fato  ge- 
nitus,  2,  87  more  sinistro. 

2  haesuram  '^einen  dauemden 
Flecken',  vgl.  zu  10,  8.  Die  "Um- 
schreibung  einfacher  Adjektiva 
durch  verbale  Wendungen  hat  etwas 
Schwerfalliges,  findet  sich  aber  z  B. 
schon  bei  Lysias  14,  2  ov  yuQ  ULy,oa 
xu.  au.ccgxrjuaza  ovdl  Gvyyvcourjg 
u^La,  ov6'  iXiiiSu  Ttuoixovzu  ag 
iOxuL  xov  lomov  ^c/.xlwv,  dll  ovxco 
TiiTiouyuiva  y.ul  ft?  zoaovxo  y.ay.iug 

3        ^     '/'  f/       5    j     j    7     /  r  r 

aqpf/uera,  coffT  iTi  iVLOig  cov  ovxog 
rf.Lf.oziusLzuL  [xcfl]  zovg  ix^QOvg 
aiGxvvsa9ui. 

3  monsirant  lassen  sehen,  tradunt 
uberliefera,  zwingen  es  der  Jugend 
durch  ihr  Beispiel  auf,  so  dafs  sie 
fortsetzt,  was  die  Vater  begonnen 
haben. 

4  damnosa  ist  das  charakteristi- 


266 


IVVENALIS 


buUatus  parvoque  eadem  movet  arma  fritillo. 
nee  melius  de  se  cuiquam  sperare  propinquo 
eoncedet  iuveuisj  qui  radere  tubera  terrae, 
boletum  condire  et  eodem  iure  natantis 
mergere  ficedulas  didicit  nebulone  parente 
et  cana  monstrante  gula;  cum  septimus  annus 
transierit  puerum,  nondum  omui  dente  renato, 
barbatos  licet  admoveas  mille  inde  magistros, 
Linc  totidem,  cupiet  lauto  cenare  paratu 
semper  et  a  magna  non  degenerare  culina. 
mitem  animum  et  mores  modicis  erroribus  aequos 
percijjit  atque  animas  servorum  et  corpora  nostra 
materia  constare  putat  paribusque  elementis, 


JO 


15 


9    ficellas  Lachmann 
cipit   W:  praecipit  Pco 


11  puero  w  13   cupient  P         16  per- 


sche  Attribut  der  alea,  weshalb 
Mart.  XIV  18  vom  Nufsspiel  sagt: 
alea  parva  nuces  et  non  danmosa 
videtur.  Vgl.  1,  88  und  11,  176  alea 
turpis.  —  liercs  bullatus,  wie  1,  78 
X)raetextatus  adulter.  Uber  die  bidJa 
zu  5,  164. 

5  movet  arma,  vgl.  1,  91  proelia 
quanta  illic  dispensatore  vidchis 
armigero!  —  parvo  fritillo  'in  dem 
kleinen  Wiirfelbecher'.  Mart.  IV  14 
dum  hlanda  vacjus  alea  Decemhcr 
incertis  sonat  hinc  et  hinc  fritillis, 
denn  das  Wiirfelspiel  um  Geld  war 
nur  wahrend  der  Saturnalien  erlaubt. 

7  tubera  terrae  TriifFel,  vgl.  5, 116. 

8  boJetus  Champignon,  vgl.  5, 147. 

9  ficella  oder  ficeduJa  Feigen- 
drossel,  ein  kleiner  delikater  Vogel. 
Die  ficellae  schwimmen  (Hor.  s.  II 
8,  42)  in  derselben  Sauce  wie  die 
tubera  und  der  boletus.  —  viergere, 
sc.  ventre  oder  gula,  vgl.  11,  40 
aere  paterno  ac  rebus  mersis  in 
ventrem.  —  nebulone  parente,  wie 
Hor.  ep.  I  2,  28  sponsi  Fenelopae 
nebulones,  die  verschwenderischen 
Freier. 

10  Zu  cana  gula  vgl.  12,  82 
ferner  1,  140  quanta  est  gula,  quae 
sibi  totos  ponit  apros,  5,  158  mimus 
quis  meJior  plorante  gula? 

11  transierit  puerum  'an  dem 
Knaben  voriibergegangen  ist'.  Nach 
dem  siebenten  Jahre  begann  der 
Elementarunterricht,  vgl.  Quint.  I 
1,  15—16. 


12  sq.  indc  —  liinc,  zu  1,  65.  — 
Der  magistcr  heifst  barbatus  als 
sapiens,  Hor.  s.  II  3,  35  iussit  sa- 
pientem  pascere  barbam  {jccoyovotQo- 
(pstv).  Es  waren  vorziiglich  Stoiker 
oder  Cyniker,  die  als  barbati  schon 
im  Aufseren  (2, 11)  Einfachheit  und 
Sittenstrenge  kundgeben  (Hor.  s.  I 
3,  133).  Beachte  die  exakte  Periode 
cum  . .  transierit,  licet  . .  admoveas, 
cupiet  cenare,  vgl.  zu  1,  85.  —  Jauto 
(vgl.  11,  1)  paratu  'glauzende 
Tafel',  Val.  Fl.  II  652  stant  gem- 
mis  auroque  tori  mensaeque  p)aratu 
regifico.  Hor.  I  38,  1  Persicos  odi, 
puer,  apparatus. 

16  sqq.  percipit,putat,  an  . .  docet: 
Wer  an  grausamer  Bestrafung  seine 
Freude  hat,  ist  nicht  nur  selbst 
gegen  alle  Milde  und  Menschlich- 
keit  abgestumpft  {non percipit)  oder 
verschlossen  {non  putut),  sondern 
loitet  die  Seinigen  auch  zur  Grau- 
samkeit  an  (docet) :  non  modo  mitem 
animum  non  percipit,  sed  saevitiam 
idtro  docet.  —  mitis  ist  dem  ferus 
entgegengesetzt;  mores  bilden  die 
Lebenshaltuug  oder  das  Verfahren 
des  Herrn,  der  gegen  kleine  Fehler 
des  Sklaven  billig  gesinnt,  d.  b. 
nachsichtig  sein  soll,  im  Gegensatz 
zur  scvcritas  oder  saevitia.  —  per- 
cipit  uimmt  in  sich  auf,  erschliefst 
sich  der.Milde  und  Nachsicht,  vgl. 
Nep.  XXV  17,  3  philosophorum  ita 
percepta  habuit  praeccpta  hatte  er 
so    in    sein    Herz    (niclit    allcin    in 


LIBRI  V    SATVRA  XIV 


2G7 


au  suevire  docet  Rutilus,  qui  gaudet  acerbo 
plagarum  strepitu  et  nullam  Sirena  flagellis 
comparat,  Antipliates  trepidi  laris  ac  Polypheunis, 
tuuc  felix,  quotiens  aliquis  tortore  vocato 
uritur  ardenti  duo  propter  lintea  ferro? 
quid  suadet  iuveni  laetus  stridore  cateuae, 
quem  mire  adficiuut  iuscripti,  ergastula,  carcer? 
rusticus  espectas,  ut  non  sit  adultera  Largae 
lilia,  quae  numquam  maternos  dicere  mocchos 
tam  cito  nec  tanto  poterit  coutexere  cursu, 
ut  uou  ter  deciens  respiret?  conscia  matri 
virgo  fuit,  ceras  nuuc  hac  dictaute  pusillas 
implet  et  ad  moeehum  dat  eisdem  ferre  cinaedis. 
sic  natura  iubet:  velocius  et  citius  nos 
corrumpunt  vitiorum  exempla  domestica,  magnis 


25 


30 


24  sciipta  P  inscripta  w,  carr.  W        30  moecbos  a  Priscianus 


den  Kopf)  aufgenoDimen,  VIII  2,  3 
qiio  magis  perceptum  iUiid  omnium 
in  aniinis  esse  dehet  als  feste  Uber- 
zeugiing.  Eine  humane  f3ehandlung 
der  Sklaven  setzt  ferner  die  An- 
schauung  voraus,  dafs  der  Sklave 
ebenso  gut  wie  der  Herr  Mensch 
ibt,  dafs  Seele  und  Leib  vom  glei- 
chen  Stoffe  {nostra  materiu)  ge- 
bildet  sind,  vgl.  6,  221  sq.  und 
Macrob.  sat.  I  11,  6  ex  isdem  tibi 
clementis  et  constant  servi  et  aluntur. 
18  Butilus,  ver.-:chieden  von  dera 
11,  2  genannten.  Fiir  ibn  ist  der 
Knall  oder  das  Pfeifen  der  Peitsche, 
des  horrihile  flugellum,  einer  mit 
Stacheln  besetzten  Knute,  welche 
das  Fleisch  zerrifs  (6,  479  ruhet 
flagcllo,  10,  180  saevire  flageUis) 
die  wohllautendste  Melodie,  be- 
zaubernder  als  jeder  Sirenengesang; 
er"  ist  in  seinem  Hause  ein  wahrer 
Antipbates,  wie  der  grausame  Konig 
der  Lastrygonen,  Hom.  y.  112 — 116, 
d.  h.  ein  wabrer  Menschenfresser. 

21  tortore  vocato,  zu  6,  480.  Juv. 
scheint  hier,  ebento  wie  Hor.  s.  I 
:i,  82,  auf  einen  zum  Stadtgesprach 
gewordenen  Vorfall  anzuspielen. 

22  Die  ardentcs  laminae  gehorten 
zu  den  Folterwerkzcugen  {crucia- 
tus),  Cic.  Verr.  V  163  nnd  Plaut. 
asin.  .549  stimulos  laminas  cruccsque 
cotxjjedisque  nervos  catenas  carceres 
numellos  (Block)  pcdicas  hoias. 


24  Die  fugitivi  pflegte  man  zu 
brandmarken  (inscriijtio  frcmtis,  in- 
scripti  vultus  Plin.  h.  n.  XVIIl  21) 
oder  in  einen  Halsring  eiuzuschmie- 
den,  der  mit  einer  Inschrift  ver- 
sehen  war.  Der  Anblick  solcber 
inscripti  oder  stigmatiac  ist  dem 
Herrn  ebenso  wie  der  Anblick  des 
ergastulum  oder  des  carcer  eine  Wol- 
lust,  vgl.  Mart.  VIII  75  quattuor 
inscripti  portahant  vile  cadaver. 

25  rusticus  'Tolpel',  mit  Anspie- 
lung  auf  Hor.  ep.  I  2,  42  rusticus 
expectat  dum  defluat  amnis.  Vgl. 
6,  C6  Thymele  tunc  rustica  discit. 
Die  Breviloquenz  ersetzt  den  Ge- 
danken:  bist  du  so  naiv  zu  er- 
warten  etc.  —  ut  nach  expcctare 
wie  6,  75  und  11,  162.  —  Die  Ehe- 
brecherin  Larga  ist  weiter  nicht 
bekannt. 

27  contexcre  wie  Blumen  zu  einem 
Kranz.  Man  denke  an  Mozarts  Don 
Juan.  Dasselbe  Motiv  ist  schon  10, 
220  sq.  benutzt. 

29  hae,  i.  e.  matre.  —  ceras  im- 
plere  die  Wachstafeln  beschreiben. 
Konstruiere:  eisdem  cinaedis  (zu  4, 
106),  h.  e.  eisdem  ministris  nequitiae, 
quibus  antea  dederat  mater,  ipsa 
iam  dat  filia  ceras  ad  moechos  fc- 
rendas  (=  ferre). 

32  exempla  vitiorum  bemerkbare 
Laster,  auffallende  Laster,  vgl.  13, 1. 


268 


IVVENALIS 


cum  subeunt  animos  auctoribus.    unus  et  alter 

forsitan  liaec  spernaut  iuvenes,  quibus  arte  benigna 

et  meliore  luto  finxit  praecordia  Titan, 

sed  reliquos  fugienda  patrum  vestigia  ducunt 

et  monstrata  diu  veteris  trahit  orbita  culpae. 

abstiueas  jgitur  damnandis.    huius  enim  vel 

una  potens  ratio  est,  ne  crimina  nostra  sequantur 

ex  nobis  geniti,  quoniam  dociles  imitandis 

turpibus  ac  pravis  omnes  sumus,  et  Catilinam 

quocumque  in  populo  videas,  quocumque  sub  axe, 

sed  nec  Brutus  erit,  Bruti  nec  avunculus  umquam. 

nil  dictu  foedum  visuque  haec  limina  taugat, 

intra  quae  pater  est;  procul,  a  procul  inde  puellae 

lenonum  et  cantus  pernoctantis  parasiti. 

maxima  debetur  puero  reverentia,  siquid 

turpe  paras,  nec  tu  pueri  contempseris  annos, 

sed  peccaturo  obstet  tibi  filius  infans. 

nam  si  quid  dignum  censoris  fecerit  ira 


35 


40 


45 


50 


33  subeant  co      animis  P        31  sperant  P 
quam  P.-   nsquam  pa         45   puer   ?         es   S? 
48  ne  5 


39  nec  P        43  um- 
a    Camer :    ac   Fa 


33  cum  .  .  subeunt  =  eo  quod 
subeunt.  —  unus  et  alter  mit  fol- 
genclem  Plural  des  Pradikats,  wie 
Curt.  V  7,  4  unus  et  alter,  et  ijjsi 
mero  onerati,  adsentiuntur. 

35  meliore  Juto,  zu  4,  133. 

36  fugienda  ducunt  ziehen  an 
statt  abzustofsen. 

37  orbita  culpae,  die  eingedriickte 
Spnr,  das  BeispJel  der  Siinde. 

38  damnandis ,  die  Substantivie- 
rung  des  Gerundivum  ist  selten, 
kommt  aber  von  Livius  an  in  der 
Kaiserzeit  haufiger  vor,  vgl.  Nagels- 
bach  StiL  28,  2.  —  huius  ist  Gen. 
neutr.,  wie  eius  bei  Liv.  II  47,  12 
neque  immemor  eius,  quod  initio 
consulatus  imbiberat,  aber  hier  durch 
den  Relativ.-^atz  gestiitzt. 

40  Hor.  ep.  I  19,  17  decipit  exem- 
jjilar  vitiis  imitabile,  dazu  kommt 
die  natvirliche  Neigung  des  Men- 
schen  zum  Schlechten  und  Verkehr- 
ten,  ad  dcteriora  faciJes  sumus  Sen. 
ep.  97,  10. 

43  Manil.  IV  86  Quod  Decios  non 
omne  tulit,  non  omne  Camillos  tem- 
jms,  Senec.  ep.  97,  10  otnne  tempus 
Clodios,  non  omne  Catones  feret.  — 


Catos   Schwester  Servilia   war  die 
Mutter  des  Brutus. 

44  [Tac.]  dial.  28  eligebatur  etiam 
maior  aliqua  natu  propinqua,  coram 
qua  neque  dicere  fas  erat  qiiod  turpe 
dictu,  neque  facere  quod  inhonestum 
factii  videretur.  Quint.  12,8  ncc 
mirum:  nos  docuimus ,  ex  nobis 
audiunt,  nostras  amicas,  nostros  con- 
cubinos  vident,  omne  convivium  ob- 
scaenis  canticis  strepit,pudenda  dictu 
spectantur.  fit  ex  Ms  consuetudo, 
inde  natura.  discunt  haee  miseri, 
antequam  sciant  vitia  esse:  inde  so- 
luti  ac  fluentes  non  accij)iunt  ex 
scholis  mala  ista,  sed  in  scholas  ad- 
ferunt. 

45  Ovid.  met.  XV  587  'procul,  a 
procid  omina'  dixit,  Verg.  VI  258 
'procxd  0  procul  este  profani'  con- 
clamat  vates,  wie  man  im  griechi- 
schen  Kultus  ausrief:  Ixorj  byiccg 
oarig  dXiTQog  (Kallim.  in  ApoU.  2) 
oder  iv.ag  fxag  §8§rjXoi,  Stat.  s. 
III  3,  13  procul  hinc  procul  ite  no- 
centes.  . 

48  Das  imperative  tu  gebraucht 
Juv.  sehr  gem,  vgl.  2,  61.  8,  228. 
9,  134.   10,  342. 


LIBRI  V    SATVRA  XIV 


260 


quandoque  et  similem  tibi  se  non  corpore  tantum 
nec  vultu  dederit,  morum  quoque  filius  et  qui 
omnia  deterius  tua  per  vestigia  peccet, 
corripies  nimirum  et  castigabis  acerbo 
claraore  ac  post  haec  tabulas  mutare  parabis? 
unde  tibi  frontem  libertatemque  parentis, 
cum  facias  peiora  senex  vacuumque  cerebro 
iam  pridem  caput  hoc  ventosa  cucurbita  quaerat? 

hospite  venturo  cessabit  nemo  tuorum. 
S^erre  pavimentum,  nitidas  ostende  columnas, 
arida  cum  tota  descendat  aranea  tela; 
hic  leve  argentum,  vasa  aspera  tergeat  alter' 
vox  domini  furit  instautis  virgamque  tenentis. 
ergo  miser  trepidas,  ne  stercore  foeda  canino 
atria  displiceaut  oculis  venientis  amici, 
ne  perfusa  luto  sit  porticus,  et  tamen  uno 
semodio  scobis  haec  emendat  servulus  unus: 
illud  non  agitas,  ut  sanctam  filius  omni 
aspiciat  sine  labe  domum  vitioque  carentem? 
gratum  est,  quod  patriae  civem  populoque  dedisti, 


55 


60 


65 


70 


59  cessavit  P        63  fremit  atit  fremat  a        67  emundat  s 


51  quayidoque  wannimmer,  irgend 
einmal,  vgl.  2,  82  tind  5,  172. 

54  nimirum  ironiscb,  zu  7,  78. 

55  post  liaec  nach  solchen  Erfah- 
nmgen,  zu  8, 7.  —  tabulas  das  Testa- 
ment,  vgl.  12,  123  dehbit  tahnlas. 

56  unde  tibi  frontem,  sc.  parahis. 
Vgl.  zu  8,  142. 

57  senex  als  Graukopf,  bei  Plant. 
asin.  863  wird  er  in  ahnlicher  Si- 
tnation  decrepitUs  senex  genannt. 

58  ventosa  =  vento  referta.  Den 
Schropfkopf  (cwCM>^i7a)gebrauchten 
die  Alten  nicht  selten  auch  zu  dem 
Zweck,  nm  den  Wahnsinn  zn  schwa- 
chen  oder  zu  heilen. 

59 — 69:  Es  ist  aber  unnaturlich, 
in  sittlicher  Beziehung  dem  Sohne 
gegeniiber  zu  unterlassen,  was  man 
zur  Wahrnng  des  Anstandes  dem 
Fremden  gegeniiber  mit  Eifer  und 
Sorgfalt  beobacht€t. 

59  Wird  ein  Gast  erwartet  (Plaut. 
Stich.  357  si  hospites  venturi  sunt), 
dann  darf  sicher  keiner  in  deinem 
Hause  saumen;  denn  cessabit  ist 
h}-pothetisches  Futur. 

61  descendat,  wie  10,  58  descen- 
dunt  statuae. 


63  Plaut.  asin.  423  clamore  ac 
stomacho  (iam)  non  queo  labori  sup- 
peditare.  lussin,  sceleste,  ab  ianua 
hoc  stercus  hinc  auferri?  lussin 
columnis  deieier  operas  araneorumi^ 
lussine  in  spAendorem  dari  has 
bullas  foribus  nostris?  Nihil  est: 
tamquam  si  claudus  sim,  cum  fustist 
ambulandum. 

64  miser  =  uQ^Xioq,  nicht  etwa 
wegen  seiner  Angst  und  Unruhe, 
sondern  weil  er  iu  minder  wich- 
tiger  Sache  sich  qualt,  dagegen  in 
der  wichtigsten  Angelegenheit  gar 
nicht  daran  denkt  (68)  sich  zu  er- 
eifern.  Die  griechischen  Redner 
nennen  eine  solche  Inkonsequenz 
bald  a.tOTi6v  XL  bald  diivov. 

68  sq.  omni  sine  labe  fiir  sine  ulla 
labe  ist  archaisch,  vgl.  Plaut.  trin. 
338.  621.  aul.  213.  598.  Terent. 
Andria  391. 

70  —  85:  Xur  wenn  du  den  Sohn 
gut  erziehst,  machst  du  dich  um 
das  Vaterland  verdient.  Ein  gutes 
Eesultat  ist  aber  nur  durch  Selbst- 
beherrschung  moglich.  Denn  wie 
die  Alten  sungen,  so  zwitscherten 
die  Jungen. 


270 


IVVENALIS 


si  facis  ut  patriae  sit  idoneus,  utilis  agris, 

utilis  et  bellorum  et  pacis  rebus  ageuclis. 

plurimum  enim  intererit,  quibus  artibus  et  quibus  hunc  tu 

moribus  iustituas.    serpente  ciconia  pullos 

nutrit  et  inventa  per  clevia  rura  lacerta:  75 

illi  eaclem  sumptis  quaerunt  animalia  pinnis. 

vultur  lumento  et  canibus  crucibusque  relictis 

ad  fetus  properat  partemque  cadaveris  adfert: 

hic  est  ergo  cibus  magui  quoque  vulturis  et  se 

pascentis,  propria  cum  iam  facit  arbore  nidos.  80 

sed  leporem  aut  capream  famulae  lovis  et  generosae 

in  saltu  venantur  aves,  hinc  praeda  cubili 

ponitur:  inde  autem  culn  se  matura  levavit 

progenies,  stimulante  fame  festinat  ad  illam 

quam  primum  praedam  rupto  gustaverat  ovo.  85 

aedificator  erat  Caetronius  et  modo  curvo 
litore  Caietae,  summa  nunc  Tiburis  arce, 
nunc  Praenestinis  in  montibus  alta  parabat 
culmina  villarum  graecis  longeque  petitis 

82  haec  LacJmann       83    levavit  Fiiseianus:   levabit  s   levaret  P 
86  cretonius  P  cetronius  pco  Critonius  aut  Caetronius'J5 


71  sqq.  si  facis,  denn  auf  die  Er- 
ziehung  kommt  alles  an,  von  hier 
hangtdic  Brauchbarkeit,  die  Geistes- 
richtung  des  Juuglings  ab.  Die 
artes  uud  morcs  bilden  die  Grand- 
siltze  und  Lebensweise  des  Vaters 
und  werden  dio  des  Sohnes:  der 
AbL  euthalt  also  die  Kraft  von: 
qiiibus  ipse  artibus  moribusquc  usus 
iuvenem  instituas.  Nur  so  werden 
die  folgendenGleichnisse  zutreffend. 
—  idoneus  brauchbar,  Quint.  II 
3, 1  etiam  cum  idoneos  rhetori  pueros 
putaverimt.  Der  echte  Romersohn 
soll  brauchbar  sein  fur  das  Vater- 
land,  tiichtig  im  Landbau,  tuchtig 
als  Held  in  den  Werken  des  Kriegs 
und  des  Friedens. 

75  devia  rura  einsame  Flur, 
Ovid.her.  2,  118  pronuba  Tisiplione 
thalamis  ululavit  in  illis,  et  cecinit 
maestum  devia  carmen  avis.  Vgl. 
3,  231. 

77  erucibus  verurteilter  Sklaven, 
Hor.  ep.  I  16,  46  'nec  furtum  feci 
nec  fugi'  si  mihi  dicat  servus: 
Itabes  pretium,  loris  nonureris''  aio. 
'non  hominem  occidi' :  ^7ion  pasccs 
in  cruce  corvos\ 


80  arbore,  gewohnlich  nistet 
der  Geier  aaf  hohen  Felsen.  — 
se  pascentis  wenn  er  sich  selbst 
oder  wenn  er  sich  selbstandig  er- 
hiilt. 

81  generosae:  olwvmv  ^aatXsvg 
Aeschyl.  Ag.  112,  deun  6  ^sXaivoi; 
6  x'  i^oTCLV  txQyag,  TtafiTiQSitToig  sv 
tdQaiaiv,  §06>i.6(isvoi.  ?.ayivav  sqi- 
y.v[iaTa  cpsQfiari  ysvvav.  Hor.  IV 
4,  1  ministrum  fulminis  alitem. 

86—95:  Erstes  Beispiel  aus  der 
Erfahrung:  der  Vater  bausiichtig, 
der  Sohn  bautoll. 

86  aedificator  ein  leidenschaft- 
licher  Baulicbhaber,  Nep.  XXV  13, 1 
nam  cum  esset  pccuniosus,  nemo  illo 
minus  fuit  emax,  nemo  minus  acdi- 
ficator,  Cic.  Tusc.  IV  27  aliud  cst 
amatorem  esse,  aliud  amantcm.  Vgl 
Nilgelsbach  Stil.  .54.  —  modo  .  . 
nunc,  Ovid.  tr.  I  2,  27  nam  modo 
purpureo  vires  capit  curus  ab  ortu, 
nunc  zephyrus  scro  vcspere  missus 
adest.  Die  Liebhaberei  wendet  sich 
bald  zur  Meereskiiste,  bald  wieder 
auf  hohe  Bergriicken,  wie  Ilor.  ep. 
I  1,  85. 


LIBRI  V     SATVRA  XIV  271 

marmoribus  vincens  Fortunae  atque  Herculis  aedem,  90 

ut  spado  viucebat  Capitolia  nostra  Posides. 

dum  sic  aedificat  Gaetrouius,  imminuit  rem, 

frogit  opes,  nec  parva  tameu  mensura  relictae 

partis  erat.    totam  hanc  turbavit  tilius  ameus, 

dum  meliore  novas  attollit  marmore  villas.  95 

quidam  sortiti  metuentem  sabbata  patrem 
nil  praeter  nubes  et  caeli  numeu  adorant, 
nec  distare  putant  humana  carne  suillam, 
qua  pater  abstiuuit,  mox  et  praeputia  ponunt; 
Romanas  autem  soliti  contemnere  leges  100 

ludaicum  ediscunt  et  servant  ac  metuunt  ius, 
tradidit  arcauo  quodcumque  volumine  Moyses, 

91   possideus  P        92   aedificat  W:  ergo  habitat  Pco       cetouias  P 
cretonius  pco         102  tradit  P 


90  Den  reichen  Tempel  der  For- 
tuna  in  PrLineste  und  den  des  Her- 
kules  in  Tibur,  wie  der  Freigelassene 
Posides,  der  Gunstling  des  Claudius 
(Suet.  28)  in  Rom  sogar  das  miich- 
tige  Kapitol  {CapitoUa)  zu  viber- 
bieten  suchte  {vincebat).  —  Die 
aquae  Posidianac,  prachtvolles  Bad 
am  Strande  von  Bajae,  erwiihnt 
Plinins. 

92  sic  aedificat,  nicht  hahitat: 
mc  enim  habitando  sed  aedificando 
ctiam  divitis  res  familiaris  immi- 
nuebatur.  Mit  aedificat  ist  eng  zu 
verbinden  das  Priisens  (nicht  Per- 
fekt!)  imminuit  rem. 

93  mensura  =  portio:  der  Rest 
des  Vermogens  war  verhiiltnis- 
mafsig  noch  grofs  genug,  vgl.  zu 
4,  72. 

94  totam  hanc  =  at  enim  vero 
hanc  totam.  —  turhavit,  zu  7,  129. 

96  — 106:  Zweites  Beispiel:  wie 
der  alte  Jude,  so  der  junge  Jude. 

96  metuentem  sahbata,  i.  e.  pere- 
grinac  ludaeorum  superstitioni  de- 
ditum;  vgl.  Ovid.  ars  I  76  euUaque 
ludaeo  septima  sacra  Syro,  und 
I  416  culta  Palaestino  septima  festa 
Syro,  d.  h.  den  Festtag,  der  auf 
den  siebenten  Wochentag  fiillt. 

97  Sinn :  eie  verehren  einen 
einigen  und  unBichtbaren,  iiber  dcn 
Wolken  thronenden  Gott;  etwas  be- 
stimmter  Tac.  h.  V  5  Itidaei  mente 


sola  unumque  numen  intellegunt: 
profanos  (esse),  qui  deum  imagines 
mortalibus  matcriis  in  sjyecies  ho- 
minum  effingant,  summum  illud  et 
aeternum  neque  imitabile  neque  in- 
teriturum. 

98  Sinn:  siescheuendasSchweine- 
fleisch  ebenso  sehr  wie  Menschen- 
fleisch;  man  diirfe  jenes  so  wenig 
wie  dieses  essen,  vgl.  6, 160  et  vetus 
indulget  senibus  clementia  porcis. 

99  praeputia  'Vorhaut',  cf.  ^^''^SS. 
Tac.  h.  V  5  circumcidere  genitalia 
instituerunt,  ut  diversitate  noscantur, 
und  knrz  vorher:  proiectissima  ad 
libidinem  gens  alienarum  concubitu 
abstinent. 

100  leges  'Satzungen',  d.  h.  Sitten 
und  Gebrauche,  Tac.  nec  quicquam 
pritis  (die  Proselyten)  inbuuntur 
quam  contemnere  deos,  exuere  pa- 
triam,  parentes  liberos  fratres  vilia 
hahere. 

101  ediscunt  lernen  griindlich. 
Der  Ausdruck  an  sich  enthiilt  den 
BegrifF  des  Memorierens  nicht,  vgl. 
124  cogit  minimas  edisccre  sordes, 
eher  weist  er  auf  das  Einleben  in 
das  Gesetz  hin. 

102  quodcumque,  auf  ius  bezogen : 
was  es  auch  immer  fiir  eine  Be- 
wandnis  haben  mag  mit  dem  Ge- 
setz,  das  Moses  in  eincni  geheimnis- 
voUen  Bnche,  demPentateuch,  iiber- 
liefert  hat.  Der  Zusatz  quodcumquc 
.  .  tradidit  scheint  etwas  Veracht- 


272 


IVVENALIS 


non  monstrare  vias  eaclem  nisi  sacra  colenti, 
quaesitum  ad  fontem  solos  deducere  verpos. 
sed  pater  in  causa,  cui  septima  quaeque  fuit  lux 
ignava  et  partem  vitae  non  attigit  ullam, 

sponte  tamen  iuvenes  imitantur  cetera,  solam 
inviti  quoque  avaritiam  exercere  iubentur. 
fallit  enim  vitium  specie  virtutis  et  umbra, 
cum  sit  triste  habitu  vultuque  et  veste  severum, 
nec  dubie  tamquam  frugi  laudetur  avarus, 
tamquam  parcus  homo  et  rerum  tutela  suarum 
certa  magis,  quam  si  fortunas  servet  easdem 
Hesperidum  serpeus  aut  Ponticus.     adde  quod  hunc,  de 

113  quasi  P         114  de  om.  P  add.  p 


105 


110 


liches  anszudrucken,  nicht  einen 
Zweifel  iiber  Wert  oder  Unwert 
des  mosaischen  Gesetzes. 

103  sq.  non  monatrare  vias  und 
deducere  ist  Apposition  zu  ludai- 
cum  ediscunt  ius:  nilinlich  das  und 
das  nicht  zu  thun,  oder  das  und 
das  zu  thun.  Dergleichen  Ansichten 
sind  aus  dem  exklusiven  Zusammen- 
halten  und  der  Abgeschloseenheit 
der  j iidischen  Glaubensgenossen ent- 
standen.  Auch  das  im  Verhaltnis 
zur  griechiscli-romischen  Gottesver- 
ehrung  finstere  und  strenge  Ritual 
des  jiidischen  Gottesdienstes  mochte 
jene  Anschauuug  bestarken,  vgl. 
Tac.  h.  V  5  quix^pe  Liber  festos 
laetosque  ritus  posuit,  ludaeorum 
mos  absurdus  sordidusque  Evang. 
Joh.  4,  9  Xsyat  ovv  avza  fj  yvvrj 
rj  UajiaQtzig  'ncog  av  'lovSatog  lov 
tcuq'  ifiov  Ttistv  atvsig,  ovarjg  yv- 
vaiKog  2Ja(iaQCTi8og^  ov  yaQ  avy- 
XQmvraL  'lovdatoi  UafiaQtzaig.' 

106  partemvilac,  eine  Verrichfcung, 
Obliegenheit  oder  Aufgabe  des 
Lebens.  Gewolinlicher  ist  in  dieser 
Bedeutung  der  Plural  partes;  at- 
tigit  sc.  pater. 

107—209 :  Wider  ihren  Willen  und 
wider  ihre  Neigung  wird  die  Jugend 
jetzt  zur  avaritia  erzogen,  die  doch 
dem  altromischen  Wesen  so  fremd 
war  und  nunraehr  die  Quelle  alles 
Ubels  geworden  ist. 

108  inviti  quoque  —  vel  inviti, 
vgl.  7,  202  felix  ille  tamen  corvo 
quoque  rorior  albo.  Der  cllsurlose 
Vers  mit  seinen  schwerlalligen  V^er- 


schleifungen  ist  vielleicht  ebenso 
wie  10,  358  nicht  absichtlos.  Den 
iuvenis  charakterisiert  Hor.  ars  164 
richtig  als  uiilium  tardus  provisor, 
prodigus  aeris. 

109  Hor.  ars  25  decipimur  specie 
recti,  Cornif.  IV  15  specie  gravitatis 
falluntur;  umbra^hi  das  Schatten- 
bild  im  Gegensatz  zur  Wirklichkeit, 
Ovid.  m.  IX  460  mendacique  diu  pie- 
tatis  fallitur  umbra,  den  trugerischen 
Schein  der  Schwesterliebe  {pietatis)\ 
folglich  ist  specie  virtutis  et  umbra 
dasselbe  wie  speciosa  virtutis  umbra, 
der  verfiihrerische ,  lockende  oder 
glanzende  Tugendschein. 

110  In  Haltung  uud  Gebarde,  so 
wie  {et)  in  der  Kleidung,  denn  auf 
die  avaritia,  das  vitium,  wird  iiber- 
tragen,  was  von  dem  avarus  oder 
vitiosus  gilt.  —  Hor.  ep.  II  2,  193 
scire  volam,  quantum  simplex  hilaris- 
que  nepoti  discrepet  et  quantum  dis- 
cordet  parcus  avaro. 

112  rerum  tutela,  metonymisch 
fiir  die  schiitzende  Person  (Hiiter), 
nach  Hor.  ep.  I  1,  103  rerum  tuteJa 
mearum  cum  sis,  carm.  IV  14,  43 
0  ttitela  praesens  Italiae. 

114  Hesperidum  serpens  {=  draco) 
ist  der  Drache,  welcher  mit  der 
Priesterin  {custos)  die  goldenen 
Apfel  im  Hain  der  Hesperiden  (5, 
152)  bewachte,  Verg.  IV  484  Ilespe- 
ridum  templi  custos  epulasquc  dra- 
coni  qUae  dabat  et  sacros  servabat 
in  arbore  ramos;  der  pontische  oder 
kolchische  Draclie  ist  der  Wachtor 
des  goldenen  Vliefses.  —  adde  quod. 


LIBRI  V    SATVRA  XIV 


273 


quo  loqnor,  egregiiim   populus  putat  adquireudi 

artificem;  quippe  his  creseuut  patrimonia  fabris, 

liis  crescuut  quocumque  modo  maioraque  fiuiit 

incude  adsidua  semperque  ardeute  camino. 

et  pater  ergo  animi  felices  credit  avaros; 

cum  miratur  opes,  cum  nulla  exempla  beati 

pauperis  esse  putat,  iuvenes  hortatur,  ut  illa 

ire  via  peragant  et  eidem  incumbere  sectae. 

sunt  quaedam  vitiorum  elementa,  his  protinus  ille 

inbuit  et  cogit  miuimas  ediscere  sordes; 

mox  adquirendi  docet  iusatiabile  votum. 

servorum  ventres  modio  castigat  iniquo 

ipse  quoque  esuriens,  neque  enim  omnia  sustinet  umquam 


11.'") 


120 


125 


117  his   W:  sed  Pa        maiora  sine  que  P        119  felicis  w  120 

cura   —   cum    IT.-    qui  —   qui  Pco  121   illam    w   Piiscianus  122 

viam  co  Priscianus       peragaut  P:  pergant  co  Priseianus      123  ille  W: 
illis  P  illos  co 


wie  15,  47  oder  adde  mit  substan- 
tivischem  Objekt  12,  46,  entspricht 
der  rhetorischen  Prosa. 

116  sqq.  his  fabris  ist  Dativ  und 
zu  his  crcseunt  "^ehort  118  der  Abl. 
inciide  und  camino.  Die  Anaphora 
{his)  steigert  das  Pathos:  solchen 
Schmieden  wilchst  das  Vermogen, 
ja  solchen  wiichst  und  mehrt  es 
sich  auf  irgend  eine  ehrliche  oder 
unehrliche  Weise,  in  rastloser  Tha- 
tigkeit  {incude  assidua).  Juv.  spielt 
an  auf  Hor.  ep.  I  1,  65  isne  tibi 
melius  suadet,  qui  rem  facias,  rem, 
si  possis,  recte,  si  non,  quocumque 
modo  rem. 

119  sqq.  Weil  die  grofse  Menge 
ipopulus)  so  hastige  Erwerbsmen- 
schen  {avaros)  riihmt,  so  hiilt  denn 
auch  der  Vater  sie  fiir  innerlich 
glCicklich,  und  wer  einmal  (als 
Vater)  nur  den  Reichtum  bewundert 
und  nur  in  ihm  die  Moglichkeit 
des  Gliickes  findet,  der  driingt  und 
treibt  seine  edlen  Sohne  {iuvenes, 
zu  235)  auf  dieser  abschiissigen 
Bahn  der  Habgier  immer  weiter 
und  weiter. 

122  secta,  (Verfolg)  Richtung, 
vgl.  Cic.  Cael.  40  haec  genera  vir- 
tutum  non  solum  in  moribus  nostris, 
sed  vix  iam  in  libris  reperiuntur ; 
(hartae  quoque,  quae  illam  pristi- 
nam  severitatem  cordinebant,  obsole- 
verunt,  neque  solum  apud  nos,  qui 

IVVE.NALIS    SaTVKAF. 


hanc  sectam  rationcmque  vi- 
tae  re  magis  quam  vcrbis  secuti 
sumus,  sed  cticvm  apud  Graecos  alia 
quacdam  mutatis  temporibus  prae- 
cepta  exstiterunt. 

123—125:  Wie  auf  dem  Wege 
zur  Tugend  und  Weisheit  (Hor.  ep. 
I  1,  27) ,  so  giebt  es  auch  auf  der 
Bahn  der  Siinde  {virtutis,  vitiorum) 
gewisse  Anfangsgriinde  {elementa); 
in  diese  weiht  der  Vater  den  Sohn 
sofort  ein  dadurch,  dafs  er  ihn  an 
schmutzige  Knickerei  im  Kleinen 
gewohnt,  allmiihlich  {mox)  lehrt  er 
ihm  dann  auch  des  Erwerbens  uu- 
gestilltes  und  unbegrenztes  Ver- 
langen.  Die  folgende  Ausfiihrung 
entwickelt  zuerst  die  elementa  ava- 
ritiae  (126  —  134),  dann  folgt  das 
stiidium  adquircndi  (138 — 155). 

126  Zur  Bekostigung  erhielt  der 
Sklave  seine  monatliche  {mcnstrua) 
oder  tiigliche  {diaria)  Ration  au  Brot 
oder  Getreide.  Der  filzige  Herr  aber 
giebt  dem  Sklaven  nicht  das  volle 
Mafs  {iustum  oder  plenum  modium, 
'  g  des  medimnus  oder  des  preufsi- 
schen  Scheffels),  sondern  ein  zu 
knappes  Mafs,  denn  iniquus  ist  vox 
propria  vom  falschen  Mafs  und  Ge- 
wicht,  vgl.  10,  101.  Ebenso  am 
Anfang  des  Verses  findet  sich  scr- 
vorum  ventres  noch  3,  167. 

127  sq.  Er  hat  nur  schlechtes, 
schimmeliges  Brot  (caerulei  panis), 

18 


274 


IVVENALIS 


mucida  caerulei  panis  consumere  frusta, 

hesternum  solitus  medio  servare  minutal 

Septembri  nec  non  differre  in  tempora  cenae 

alterius  conchem  aestivam  cum  parte  lacerti 

signatam  vel  dimidio  putrique  siluro, 

filaque  sectivi  numerata  includere  porri; 

invitatus  ad  haec  aliquis  de  ponte  negabit. 

sed  quo  divitias  haec  per  tormenta  coactas, 

cum  furor  haud  dubius,  cum  sit  manifesta  phrenesis, 

ut  locuples  moriaris,  egentis  vivere  fato? 

interea  pleno  dum  turget  sacculus  ore, 

crescit  amor  nummi,  quantum  ipsa  pecunia  crevit, 

et  minus  hanc  optat  qui  non  habet.     ergo  paratur 

altera  villa  tibi  —  cui  rus  nunc  sufficit  unum?  — 

et  proferre  libet  fines  maiorque  videtur 


130 


135 


140 


131  aestivi  pco         138  dam   W:  cum  Pco,  cf.  8,  155 
cum  Pco       nuac   W:  noa  Pco 


141  cui  W: 


dennoch  kann  er  es  nicbt  iiber  sich 
bringeu  {sustinet  wie  15,  88)  die 
kahuigen  {mueida)  Stiicke  alle  auf- 
zuzehren. 

129  sq.  medio  Septembri,  zur  Zeit 
wo  alles,  besonders  in  Italien,  so 
leicht  verdirbt,  vgl.  4,  56.  —  mi- 
nutal  =  edulium  ex  cibis  minuta- 
tim  concisis,  Ragout,  aus  Resten 
vom  gestrigen  Mahle. 

ISlsq.  concliem,  ''gemeinesBohnen- 
gericht',  vgl.  3,  293  euius  concJie 
tumes?  —  lacerti,  einer  Makrele. 
—  siluro,  zu  4,  33.  Verbinde:  cum 
parte  lacerti  vel  eum  dimidio  siluro 
signatam  (sTtiarKiaivofisvog)  concliem, 
vgl.  Plaut.  Pers.  267  rpbi  salinum 
servo  obsignant  cum  sale. 

133  fila  porri  sectivi,  er  zahlt  die 
einzelnen  Stengel  Schnittlauch  nnd 
nimmt  sie  in  Verschlufs.  Das  por- 
rum  sectile  heifst  sectivum  (Mart. 
XIII  18)  upd  tonsile  (Mart.  X  48), 
daueben  gab  es  porrum  cupitatum, 
vgl.  Mart.  III  47  et  utrumque  porrum. 

134  de  ponte,  ''Bettler',  vgl.  zu 
5,  8. 

135—137  Mit  sed  kniipft  der  Dich- 
ter  eine  Frage  der  Indignation  an 
die  bisherige  Schilderung  veracht- 
hcher  Knickerei.  —  quo  divitias, 
zu  8,  9  u.  142.  —  phrenesis  (qpps- 
vrjoig),  Hirnwut,  Wahnwitz,  davou 
plirencticus,  von  dem  so  verriickten 
Menschen,  vgl.  Hor.  ep.  I  5,  13  ^jar- 


cus  ob  heredis  euram  nimiumque 
severus  adsidet  insano,  sat.  II  3, 
108.  Phaedr.  IV  19  quem  fructum 
eapis  hoc  cx  labore,  quodve,  tantum, 
est  praemium,  ut.eareas  somno  et 
aevum  in  tenebris  exigas? 

138  dum  turget,  wie  8,  155  *«- 
terea  dum  lanatas  eaedit,  iurat  so 
lam  Eponam. 

139  Hor.  III  16,  17  erescentem 
sequitur  cura  peeuniam  maiorumque 
fames,  Solon  13,  71  (Bgk)  nlovxov 
d'  ovSbv  T8Qfia  Tiscpaafisvov  dvdQccGi- 
v.sirai'  ctl  yaQ  vvv  rjfiscov  Ttl.Bi6xov 
iXovoi  §iov,  dmXaaicog  GJisvdovai' 
rig  av  v.oqbgbisv  anavTag; 

140  paratur,  vgl.  zu  3,  224  und 
14,  200. 

141  rus  unum,  vgl.  10,  225.  Dei 
Stolz  des  vornehmen  Romers  war 
in  Rom  einen  Palast  {domus)  mit 
stattlichen  Parkanlagen  und  Spazier- 
hallen,  aufserhalb  der  Stadt  eine 
villa  suhurbana  und  eine  villa  mari- 
tima,  dazu  aber  auch  in  Italien 
mehrere  praedia  rustica  zu  besitzen, 
vgl.  Nep.  XXV  14,  3.  Ein  Gutchen 
zu  besitzen,  zeigte  von  paupertas, 
wie  aus  Horatius  und  MartiaHs  be- 
kannt  ist.  Dieselbe  parenthetische 
Frage  9,  24. 

142  ct  libet,  dazu  kommt  das 
Verlangen,  dio  libido,  die  an  sich 
infinita  ist,  uud  daher  zur  ingens 
cupido  agros  continuandi  wird,  Hor. 


LIBRI  V    SATVRA  XIV 


275 


et  moHor  vicina  seges:  morcaris  et  haiic  et 

arbusta  et  densa  montem  qui  canet  oliva. 

quorum  si  pretio  domiuus  non  vincitur  ullo, 

nocte  boves  macri  lassoque  famelica  collo 

iumenta  ad  virides  huius  mittentur  aristas, 

nec  prius  inde  domum,  quam  tota  novalia  saevos 

in  ventres  abeant,  ut  credas  falcibus  actum. 

dicere  vix  possis,  quam  multi  talia  plorent, 

et  quot  venales  iniuria  fecerit  agros. 

sed  qui  sermones,  quam  foedae  buciua  famae. 

'quid  nocet  haec?'  inquit  Huuicam  mihi  malo  lupini, 

quam  si  me  toto  laudet  vicinia  pago 

exigui  ruris  paucissima  farra  secantem.' 

scilicet  et  morbis  et  debilitate  carebis, 

et  luctum  et  curam  effugies,  et  tempora  vitae 

longa  tibi  posthac  fato  meliore  dabuntur, 

si  tantum  culti  solus  possederis  agri, 


145 


150 


155 


149  habeant  P        152  quid  P        foede  P        153  lupina  P 


II  18,  23  quid  quod  usque  proxi- 
mos  rcvellis  agri  terminos  et  tdtra 
Umites  dientiuin  salis  avarus? 

144  den^a  wird  durch  die  Ciisur 
des  Verses  hervorgehoben  und  da- 
durch  leicht  mit  oliva  verbunden; 
iiberhaupt  umschreibt  der  Relativ- 
satz  nur  ein  zu  montem  geboriges 
Attribut;  umgekehrt  Hor.  ep.  2,  37 
quis  non  malarum  quas  amor  curas 
habet  haec  inter  obliviscitur?  =  ma- 
larum  amoris  curarum. 

147  huius,  sc.  domini  qui  nullo 
pretio  vincitur.  Plin.  XVIII  12  (XII 
Tab.  VIII  8  Scholl):  frugem  aratro 
quaesitam  furtim  noctu  pavisse  ac 
secuisse  puberi  XII  tabulis  capital 
erat  suspensumque  Cereri  necari  iube- 
bant  gravius  quam  in  homicidio 
convictum,  impuhem  praetoris  arbi- 
tratu  verberari  twxiamve  duplio- 
nemve  decerni. 

148  saevus,  gierig,  ist  eigentlich 
Epitheton  der  cupido,  dann  des 
vetiter,  vgl.  175,  ahnlich  15,  17 
saeva  dignum  veraque  Cliaryhdi. 

152  quam  foedae  famae  bucina, 
wie  schmiihlich  der  Ruf,  den  ein 
solches  Verfahren  wie  eine  Posaune 
verbreitet!  Cic.  fam.  XVl21,2  quod 
poUiceris  te  bucinatorem  forc  existi- 
mationis  meae. 


153  inquit,  zur  Einfiihrung  der 
Antwort  auf  einen  Einwurf,  ohne 
Riicksicht  auf  einen  bestimmten 
Gegner,  ist  in  der  silbernen  Lati- 
nitat  sehr  haufig,  vgl.  zu  7,  242  u.  10, 
291.  —  Bo\inenh\ihen{tunieae  hipini) 
wurden  oft  als  Marken  verabreicht 
oder  bei  den  Spielen  unter  die  Zu- 
schaueransgestreut,  welcheden  Vor- 
zeiger  zum  Empfang  eines  grofseren 
oder  kleineren  Geschenkes  berech- 
tigten,  vgl.  Hor.  s.  II  3,  182  u.  ep. 
I  7,  23  quid  distent  aera  lupinis, 
d.  h.  Spielpfennige  im  Gegensatz 
zum  wahren  Gelde.  Dem  Filz  des 
Juv.  ist  eine  Marke,  die  etwas  ein- 
bringt,  lieber  ala  die  Anerkennung 
und  das  Lob  seiuer  Nachbarn,  wenn 
er  dabei  doch  nur  arm  bleibt. 

156  seilicet,  ironisch  wie  2,  122: 
naturlich  du  glaubst  gesund  und 
gliicklich  zu  sein,  wenn  dein  Besitz 
so  grofs  ist,  wie  unter  Tatius  der 
des  ganzen  romiachen  Volkes,  ver- 
gissest  aber  des  Horazischen  Satzes, 
ep.  I  2,  47  non  domus  et  fundus, 
non  aeris  acervus  et  auri  aegroto 
domini  deduxit  corpore  febris,  non 
animo  curas,  valeat  possessor  oportef, 
si  comportatis  rebus  bene  cogitat  tcti. 

158  posthac,  weiterhin,  in  Zu- 
kunft,  vgl.  zu  8,  7. 

18* 


276 


IVVENALIS 


quantum  sub  Tatio  populus  Romanus  arabat. 
mox  etiam  fractis  aetate  ac  Punica  passis 
proelia  vel  Pyrrhum  immanem  gladiosque  Molossos 
tandem  pro  multis  vix  iugera  biua  dabautur 
vulneribus,  merces  haec  sanguinis  atque  laboris 
nullis  visa  umquam  meritis  minor  aut  ingratae 
curta  fides  patriae;  saturabat  glaebula  talis 
patrem  ipsum  turbamque  casae,  qua  feta  iacebat 
uxor  et  infantes  ludebant  quattuor,  unus 
vernula,  tres  domini,  sed  magnis  fratribus  horuni 
a  scrobe  vel  sulco  redeuntibus  altera  cena 
amplior  et  grandes  furaabant  pultibus  ollae : 
nunc  modus  hic  agri  nostro  non  sufficit  horto. 
inde  fere  scelerum  causae,  nec  plura  venena 
miscuit  aut  ferro  grassatur  saepius  ullum 


160 


165 


170 


168  quattuor  et  unus  P 

161—189:  Mit  159—160  ist  der 
tjbergang  bereitet  zur  Betrachtung 
cler  Einfachheit  des  altromischen 
Lebens  und  der  Gesinnung,  welche 
die  Milnner  jener  Zeit  erfiiUte.  Da 
durch  wird  die  Wirkung  des  Kon- 
trastes  erreicht. 

162  sq.  Molossos,  zu  12,  108.  — 
Das  iugerum  hatte  240  Fufs  Lange 
und  120  Fufs  Breite.  Dafs  zwei 
iugera  urspriinglich  der  Besitz  einer 
(nichtpatrizischen)  Familie  an  Pri- 
vatland  waren,  wird  auch  sonst  be- 
zeugt.  Zwei  iugera  erhalten  in  der 
Regel  die  Bilrger  in  den  Kolonieen, 
etwas  mehr  bei  Landverteilungen. 
Die  zwei  iugera  waren,  wie  es 
scheint,  nur  Ackerland,  daneben 
konnte  die  Gemeindetrift  als  W^eide 
fiir das  Vieh  benutzt  werden.  Naheres 
bei  Weifsenborn  zu  Liv.  IV  47,  6: 
coloni  ab  urbe  (im  J.  417)  mille  et 
quingenti  missi  hina  iuqera  acce- 
perunt,  aber  schon  im  J.  369  fragen 
Licinius  und  Sextius  die  Patrizier: 
auderentne  postulare,  ut,  cum  hina 
iugera  agri  plehi  dividerentur,  i^osis 
plus  quingenta  iugera  hahere  liceret, 
ut  singtili  prope  trecentorum  civium 
possiderent  agros,  pleheio  homini  vix 
ad  tectum  necessarium  aut  locum  se- 
^mlturae  suus  paterct  ager? 

165  sq.  Dem  Komparativ  minor 
'zu    geiing'  entspricht    im   folgen- 


den  curta,  Werkiirzt,  zu  knapp', 
fides,  'der  Dank'  des  Vaterlandes. 
167  turha  casae,  Familie  u.  Skla- 
ven.  —  feta,  wilhrend  in  der  Kaiser- 
zeit  Kinderlosigkert  ihr   Ziel   war. 

169  vernula,  vgl.  10,  117.  —  tres 
domini  (Nom.,  nicht  etwa  Gen.!), 
vgl.  [Tac.]  dial.  29  nec  quisquam 
pensi  hdbet,  quicl  coram  infante  do- 
mino  aut  dicat  aut  faciat,  Liv.  X 
23,  12  simulacra  infantium  condi- 
torum  urhis.  —  magnis  fratrihus 
horum,  der  Freien  uud  Sklaven. 

170  altera  cena,  denn  da  die  Ar- 
beiter  vom  Felde  erst  spat  heim- 
kehrten,  hat  unterdessen  zu  Hause 
die  kleine  Gesellschaft  ihre  Abend- 
mahlzeit  schou  eingenommen. 

171  pultihus,  vgl.  11,  58  u.  108. 

172  horto,  vgl.  1,  75. 

174  sq.  Der  BegrifiF  venenum  mi- 
scere  steht  parallel  der  Verbindung 
ferro  grassari  (3,  305  ferro  subitus 
grassator  agit  rem).  Das  Perfekt 
der  Erfahrung  verbindet  sich  sehr 
leicht  mit  dem  Prasens  der  Gewohn- 
heit,  wie  13,  29  temporihus  quorum 
sceleri  non  invenit  ipsa  nomen  et  a 
nullo  posuit  natura  metallo,  7,  18 
nectit  quieumque  canoris  eloquium 
vocale  modis  lauriimqiie  momordit, 
10,  9  tor-rens  dicendi  copia  multis 
et  sua  mortifera  cst  facundia,  viri- 
bus  ille  confisus  periit  admircmdis- 
quelnccrtis,  vgl.  3,  160.  15,  110.  2, 84. 


LIBRI  V    SATVRA  XIV 


277 


luimanae  meutis  vitium,  quam  saeva  eupido 

immodici  ceiisus.    uam  dives  qui  fieri  vult, 

et  cito  vult  fieri;  sed  quae  reverentia  legum, 

qui  metus  aut  pudor  est  umquam  properantis  avari? 

Vivite  conteuti  casulis  et  coUibus  istis, 

o  pueri'  Marsus  dicebat  et  Hernicus  olim 

Vestiuusque  senex  'pauem  quaeramus  aratro, 

qui  satis  est  mensis;  laudant  hoc  numina  raris, 

quorum  ope  et  auxilio  gratae  post  munus  aristae 

eontinguut  liomini  veteris  fastidia  quercus. 

uil  vetitum  fecisse  volet,  quem  uou  pudet  alto 

per  glaciem  perone  tegi,  qui  summovet  euros 

pellibus  inversis:  peregrina  iguotaque  nobis 

ad  scelus  atque  nefas,  quaecumque  est,  purpura  ducit.' 

haec  illi  veteres  praecepta  miuoribus,  at  uunc 

post  finem  autumui  media  de  nocte  supinum 

178  qui   II':  quis  Pco  182  quis  P 


175 


180 


185 


190 


178  qiii  metus,  vgl.  6,  571  qui 
mensis  damnis,  quae  dentur  tempora 
lucro,  11,  33  te  consule,  dic  tihi 
qui  sis,  dagegen  7,  155  quis  color 
et  quod  sit  causae  genus,  nosse  vo- 
lunt  otnnes,  weil  nach  einem  be- 
btimmten  rhetorischen  Terminus  ge- 
fragt  wird.  —  pudor  'Ehr-  und 
Schamgefiihr. 

179  istis,  wo  ihr  jetzt  lebt.  Die 
Stadt  der  Herniker  war  Anagnia 
in  Latium,  Liv.  IX  42,  11,  als  caput 
der  Marser  nennt  Sil.  VIII  505  Mar- 
ruvium,  ostlich  vom  lacus  Fucinus. 
Daran  grenzen  die  Paeligni,  Mar- 
rucini  und  Vestini,  letztere  mit  der 
Hauptstadt  Aufinum.     Vgl.  3,  169. 

18-2  qui  satis  est,  denn  dies  ge- 
niigt  unserem  Tisch,  unserem  Be- 
diirfnis.  —  hoc,  das  panem  quaerere 
aratro. 

184  contingunt  fastidia,  nicht  als 
Zufall,  wasaccuZMwierfordern  wiirde, 
sondem  als  Folge  von  Einsicht  und 
Bestrebung  (Wunsch) :  sie  begriffen 
bofort  den  Wert  des  vnmus  aristae. 
Vgl.  Doderlein,  Syn.  V  339. 

185  Der  Inf.  Perf.  mit  velle  ist 
der  rSmischen  Gesetzessprache  ent- 
lehnt;  ebenso  bei  licet  und  decet, 
6,  456  soloccismwn  liceat  fecisse 
mnriio,  11,  202  quos  cultae  dccet 
adsedisse  piuellae.  —  Verg.  VII  688 
sagt  von  den  Hernikern  aus  Anagnia: 
fulvosque  lupi  de  pelle  galeros  teg- 


men  habent  capiti,  vestigia  nuda 
sinistri  instituere  pedis,  crudus  tegit 
altera   pero   (rauhlederner   Sliefel). 

186  Senec.  dial.  XII  10,  2  cor- 
poris  exigua  dcsideria  sunt:  frigus 
summovwi  vult,  alimcntis  famem  ac 
sitim  extinguere;  quidquid  extra 
concupiscitur,  vitiis,  non  usibus  labo- 
ratur. 

187  pcllibus  inversis,  d.  h.  Wolf-, 
Schaf-  oder  Ziegenpelz. 

188  quaecumque  est:  'er  spricbt 
als  einer  der  noch  keinen  Purpur 
gesehen,  und  nur  im  allgemeinen 
als  von  einer  neuen  und  besonderen 
Herrlichkeit  davon  hatredeu  horen.' 
W.  Weber.    Vgl.  102. 

189  minoribus,  zu  1,  148.  2,  146. 
8,  234.  Die  Ellipse  des  verhum  di- 
cendi  entspricht  der  lateinischen 
Sprachgewohnheit,  vgl.  Nagelsbach 
Stil.  183,  1  u.  5. 

190  Hor.  s.  I  5,  19  stertitque  su- 
pinus,  vom  gesunden  und  festen 
Schlaf.  —  Der  romische  Herbst 
dauerte  bis  Mitte  November.  Wah- 
rend  des  Herbstes  (August  bis  Okto- 
ber)  stockte  das  Leben  iu  Rom, 
da  man  der  Gesundheit  halber  {au- 
tumnus  gravis)  den  Aufenthalt  auf 
dem  Lande  oder  im  Siiden  Italiens 
vorzog.  Mit  Ende  des  Herbstes 
begann  die  Zeit  der  ernsten  Arbeit 
wieder  und  dazu  dje  lucuhratio 
morgens  und  abends,  vgl.  Plin.  ep. 


278 


IVVENALIS 


clamosus  iuvenem  pater  excitat:  ^ccipe  ceras, 
scribe,  puer,  vigila,  causas  age,  perlege  rubras 
maiorum  leges.    aut  vitem  posce  libello, 
sed  caput  intactum  buxo  naresque  pilosas 
adnotet  et  grandes  miretur  Laelius  alas; 
dirue  Maurorum  attegias,  castella  Brigantum, 
ut  locupletem  aquilam  tibi  sexagesimus  annus 
adferat.    aut  longos  castrorum  ferre  labores 
si  piget  et  trepidum  solvunt  tibi  cornua  ventrem 
cum  lituis  audita,  pares  quod  vendere  possis 
pluris  dimidio,  nec  te  fastidia  mercis 
ullius  subeant  ablegandae  Tiberim  ultra, 
neu  credas  ponendum  aliquid  discriminis  inter 


195 


200 


199  trepido  pco 

III  6,  8  lucubrare  Vulcanalibus  in- 
cipiebat,  non  auspicandi  causa  sed 
studcndi  statini  a  nocte  mxdta,  hieme 
vero  ob  liora  scptima,  vel  cum  tar- 
dissime,  octava,  suepe  sexta. 

192  causas  age,  jiicht  wirkliche 
Prozesrse,  soudern  tJbungen  in  den 
juristischen  und  rbetorischen  Scbu- 
len  {controversiae).  —  Die  Titel  und 
Anfauge  der  Gesetze  waren  mit 
Zinnoberrot  oder  Mennig  ausge- 
zeicbnet.  Diese  Sitte  hat  sich  in 
vielen  alten  Handschriften  erhalten. 

193  vitem  =  ceniurionatum,  deun 
aus  Weinrebe  bestand  der  Stab  der 
Centurionen,  womit  sie  die  Soldaten 
ziichtigten,  vgl.  8,  247.  —  libello, 
Bittschrift,  Bewerbung,  denn  in  der 
Kaiserzeit  erforderte  der  Gescbilfts- 
gang  bereits  schriftliche  Eingaben. 

196  Aber  wenn  du  die  Eingabe 
machst,  dann  zeige  dich  auch  im 
Aufseren  recbt  mannlich.  Dazu  ge- 
bort,  dafs  das  Haupt  vom  Kamme 
{buxo)  unberiihrt  geblieben  ist,  dafs 
er  das  Gegenbild  der  resinata  iu- 
ventus  (8,  114)  darstelle,  vgl.  2,  12 
liispida  membra  et  durae  per  brachia 
setae  promittunt  atrocem  animum. 
—  Laelius  steht  hier  vielleicht  in 
Erinnerung  an  Lucan.  I  356  summi 
tum  munera  pili  Laelius  emeritique 
gerens  insignia  doni  exclamat. 

196  attegias  'Erdbiitten',  tuguria 
oder  mapalia,  vgl.  P.  Schroder  pho- 
nizische  Spr.  104.  Die  hier  ange- 
deuteten  Kampfe  bezieheu  sich  auf 
die  Zeit  von  Hadrians  Regierungs- 


antritt,  Ael.  Spart.  Hadr.  5  nam 
deficientibus  eis  nationibus  quas  Tra- 
ianus  subegerat  Blauri  lacessebant, 
Sarmatae  bellum  inferebant,  Brit- 
tanni  teneri  sub  Homana  dicione 
non  poterant,  ibid.  12  motus  Mauro- 
rum  compressit  et  a  senatu  suppli- 
cationcs  emeruit,  iTaid.  11  conversis 
/regio  more  militibus  Brittanniam 
petit,  in  qua  multa  correxit  murumque 
2:>er  LXXX  milia  passuum  pritnus 
duxit,  qui  barbaros  Bomanosque  di- 
videret.  Die  Brigantes  waren  ein 
kriegerischer  Volksstamm  im  Nor- 
den  Britanniens  gegeniiber  von  Ir- 
land,  Tac.  Agr,  17.  h.  III  45. 

197  Der  silberne  oder  gbldene 
Arller,  das  signum  legionis ,  stand 
in  der  Schlacht  in  der  ersten  Linie 
unter  Aufsicbt  des  primipilus ,  des 
ersten  Centurio  der  ersten  Kohorte, 
Veget.  II  8  centurio  primipili,  qui 
aquilue  praeerat.  —  locupletem,  denn 
der  primipilus  erhielt  die  dignitas 
und  den  census  equester,  Mart.  VI 
58  sospite  me  sospes  Latias  reveheris 
ad  urbes  et  referes  pili  praemia 
clarus  eques. 

200  pares  .  .  possis,  so  magst  du 
kaufen,  um  wieder  zu  verkaufen, 
d.  h.  Handelsmann  werden. 

202  In  der  regio  transtiherina 
wohnten  aufser  den  Kleinkramern 
und  Schacherjuden  besonders  auch 
viele  Gerber,  weil  der  iible  Geruch 
des  roben  Leders  in  keinem  andern 
Stadttcil  geduldet  wurde,  Mart.  VI 
93  detructa  cani  transtiberina  cutis. 


LIBRI  V    SATVRA  XIV 


279 


ungiienta  et  corium;  lucri  bonus  est  odor  ex  re 
qualibet.    illa  tiio  sententia  semper  in  ore 
versetur  dis  atque  ipso  love  digna  poeta: 
"uude  habeas,  quaerit  uemo,  sed  oportet  babere". 
hoc  monstraut  vetulae  pueris  repentibus  assae, 
hoc  discunt  omues  ante  alpha  et  beta  puellae.' 
talibus  instautem  monitis  quemcumque  parentem 
sic  possem  adfari:  'dic,  o  vanissime,  quis  te 
festiuare  iubet?  meliorem  praesto  magistro 
discipulum.    securus  abi:  viuceris,  ut  Aiax 
praeteriit  Telamonem,  ut  Pelea  vicit  Achilles. 
parcendum  est  teneris,  nondum  implevere  medullas: 
naturae  mala  uequitia  est.    cum  pectere  barbam 
coeperit  et  longi  mucrouem  admittere  cultri, 


205 


210 


215 


216  ruatnrae  g 
longi  ^co.-  loDge  P 


nequitiae  cum  pw  nequitiae  ast  cum  ?         217 


204  enthalt  eine  Anspielung  auf 
Suet.  Vesp.  23  reprehendenti  filio 
Tito,  quod  etiam  urinae  vectigal 
commentus  esset,  pecvniam  ex  lyrima 
pensione  admovit  ad  nares,  scisei- 
tans  'mim  odore  offi:nderctur\  et  illo 
negante   'atcpiin''  inquii  'elotio  est\ 

207  Die  Sentenz  ist  einem  griechi- 
scben  Tragiker  entlehnt,  die  Senec. 
ep.  XIX  6,  4  nbersetzt  hat:  Sine  me 
vocari  pcssimum,  ut  dives  vocer.  An 
dives,  ODiyics  quacrimus,  nemo,  an 
bonus.  Kon  qua  re  et  unde,  quid 
habeas  tantum  rogant.  Vbique  tanti 
quisque,  cpiantum  habuit,  fuit.  Die 
Sentenz  stimmt  iiberein  mit  3,  14.S, 
wo  sie  auf  Lucilius  inc.  23  (M.) 
zuruckgefiihrt  wird:  2Ma«iM?H  habeas, 
tantum  ipse  sics  tantique   hubearis. 

208  assae,  die  nicht  mehr  nahrten, 
sondern  nur  die  Pflege  und  Auf- 
fiicht  iiber  die  Kinder  hatten.  Wie 
tief  die  Habgier  im  Volke  safs, 
zeigt  die  Thatsache,  dafs  schon  die 
Warterinnen  solche  Anschauungen 
ihren  Kleinen  beibrachten,  ja  dafs 
auch  die  Madchn,  nicht  nur  die 
Knaben,  solche  Grundsatze  eher 
lernten  als  das  ABC.  Unmoglich 
konnen  208  und  209  zur  sententia 
des  unbekannten  Dichters  (Lucilius  ?) 
selbst  gehoren. 

210 — 314 :  Die  nngliickseligen  Fol- 
gen  der  Habgier  und  des  Reichtums. 
211    vanissimus   =   d&?.icaTarog, 
dv6X§iog. 


212  praesto,  ich  stehe  dafiir,  dafs 
schon  an  und  fiir  sich  der  Sohu  den 
Vater  iibertrefien  wird,  auch  ohne 
dafs  dieser  in  der  Erziehung  zum 
Geiz  allzu  grofsen  Eifer  anwendet, 
uach  dem  Erfahrungssatz  bei  Hor. 
III  6,  47  actas  parentum,  peior  avis, 
tulit  nos  necj[uiores,  mox  daturos 
progeniem  vitiosiorem. 

213  Die  Beispiele  sind  bitterer 
Hohn:  so  viel  als  Ajax  und  Achilles 
ihre  Vater  in  der  Tapferkeit  uber- 
trafen,  wird  dich  dein  Sohn  in  der 
Schlechtigkeit  iibertreffen.  Ovid  ex 
Ponto  IV  7,  51  sed  tantum  virtus 
alios  tiia  praeterit  (iiberholt)  omnes, 
ante  citos  quantum  Pegasus  ibat  equos. 

215  Das  Zarte  mufs  man  schonen 
(Verg.  georg.  II  362  chtm  prima 
novis  adolescit  frondibus  aetas,  par- 
cendum  teneris),  das  Herz  fafst  noch 
nicht  das  Gift  ausgereifter  Schlech- 
tigkeit,  aber  diese  bleibt  nicht  aus, 
denn  sie  ist  anerzogen  und  ange- 
wohnt  (naturae  est). 

216  sq.  Bart  und  Haupthaar  liefs 
der  Jiingling  bis  etwa  ins20.  Lebens- 
jahr  foitwachsen;  dann  erfolgte 
unter  feierlichen  Ceremonieen  das 
erste  Abnehmen.  Von  dieser  Zeit 
an  blieben  in  der  Regel  Bart  und 
Haar  gestutzt.  Das  erste  Haar  wurde 
in  kostbarem  Gefiifs  verwahrt  und 
den  Laren  geweiht,  vgl.  zu  3,  186. 
—  longi  cultri  =  novaculae  oder 
cultri  tonsorii  Petron.  108. 


280 


IVVENALIS 


falsus  erit  testis,  vendet  periuria  summa 

exigua  et  Cereris  tangeus  aramque  pedemque. 

elatam  iam  crede  nurum,  si  limina  vestra  220 

mortifera  cum  dote  subit.    quibus  illa  premetur 

per  somnum  digitis.    uam  quae  terraque  marique 

adquirenda  j)utas,  brevior  via  conferet  illi; 

nullus  enim  magni  sceleris  labor.     "haec  ego  numquam 

mandavi"  dices  olim  "nec  talia  suasi."  225 

mentis  causa  malae  tamen  est  et  origo  penes  te. 

nam  quisquis  magni  census  praecepit  amorem, 

et  laevo  monitu  pueros  producit  avaros, 

et  qui  per  fraudes  patrimonia  conduplicandi 

dat  libertatem,  totas  eiiundit  habenas  230 

curriculo,  quem  si  revoces,  subsistere  nescit 

et  te  coutempto  rapitur  metisque  relictis. 

nemo  satis  credit,  tantum  delinquere,  quantum 

permittas;  adeo  indulgent  sibi  latius  ipsi. 

^^O'  om.  s       conduplicari  P,  corr.   W       230  totas   W:  et  totas  Pm 


218  sq.  summa  exigua  =  pretiis 
exiguis  (erharmlich)  8, 165.  —  tangens 
aram ,  zu  13,  89  u.  3,  144.  Beiru 
Schwur  fafste  man  mit  einer  Hand 
oft  auch  die  Bildsaule  einer  Gott- 
heit  an  (contingere  simulacra) ,  ut 
deus  aliquem  adrogaret  (Plaut.  Rud. 
1332).  Da  das  Gotterbild  aber  nicht 
selten  auf  hohem  Untersatz  stand, 
so  konnte  man  mit  der  Hand  oft 
nicht  mehr  als  den  Fufs  erreichen. 
Unter  dem  Schutz  der  Ceres  stand 
der  Rechtsverkehr  und  der  Kredit. 

220  sq.  elatam,  'so  gat  wie  be- 
graben,  d.  h.  zum  Scheiterhaufcn 
durch  dic  Diener  des  dissignator 
(Hor.  ep.  I  7,  6)  getragen'.  —  Die  dos 
ist  fiir  sie  mortifera,  weil  sie  grols 
ist  (cf.  10,  10).  Der  Frevler  will  die 
dos  gewinnen  und  zugleich  sich  die 
Moglichkeit  verschaffen,  noch  eine 
neue  dos  zu  erwerben. 

224  Die  Miihe,  die  ein  schweres 
Verbrechen  erfordert,  ist  gering, 
d.  h.  je  ruchloser  das  Verbrechen, 
desto  geringer  ist  die  damit  ver- 
kniipfte  Miihe. 

225  olim,  'eines  Tages',  zu  10, 142. 

228  laevo,  vgl.  zu  13,  208.  —  pro- 
ducit  avaros,  wie  6,  241  flUolam 
producere  turpem,  vgl.  8,  271. 

229  per  fraudes,  vgl.  218.  Phaedr. 


IV  19,  23  qui  dum  quadrantes  ad- 
geras  patrimonio,  caelum  fatigas 
sordido  periurio. 

231  sq.  Das  Bild,  vom  V^Tettrennen 
im  Cirkus  entlehnt,  erinnert  an 
Hor.  s.  I  1,  114  u.  Verg.  georg.  I 
511  ut  cum  carceribus  sese  effudere 
quadrigae,  dant  spatium  spatio  et 
frustra  retinacula  tendens  fertur 
equis  auriga  neque  audit  currus 
liabenas.  —  suhsistere  nescit,'  kann 
nicht  zum  Stillstehen  gelangen,  also 
auch  dem  Ziigel  des  Vaters  nicht 
mehr  gehorchen.  —  Die  metae  be- 
zeichnen  die  einzelnen  spatia  der 
Rennbahn,  die  nacheinander  durch- 
messen  werden. 

234  Senec.  ira  I  8,  1  optimum  est 
primum  irritamcntum  irae  protinus 
spernere  ipsisque  repugnare  semini' 
bus;  nam  si  coepit  ferre  transversos, 
difficilis  ad  salutem  recursus  est, 
quoniam,  uhi  ius  illi  aliquod  volun- 
tate  nostra  datum  est,  facict  quan- 
tum  volet,  non  quantum  permiseris, 
wie  iiberhaupt  jede  Leidenschaft. 
—  indulgere  sihi  latius,  wie  Hor. 
s.  II  2,  113  integris  opibus  non  lu- 
tius  iisum  quam  nunc  accisis,  'sich 
mehr  gehen  lassen', 'sichausgedehn- 
tere  Freibeit  nehuien',  im  Gegen- 
satz  zur  Einschriinkuug,  demangustc 


LIBRI  V    SATVRA  XIV 


281 


cum  ilieis  iiiveni  stultum,  qui  doiiet  amico, 
cjui  paupertiitem  levet  attollatc][ue  propiuqui, 
et  spoliare  doees  et  circumscribere  et  ouini 
crimiue  divitias  adciuirere,  quarum  amor  iu  te, 
(|uantus  erat  patriae  Deciorum  iu  pectore,  quautum 
clilexit  Tbebas,  si  Graecia  vera,  Menoeceus, 
in  quorum  sulcis  legiones  deutibus  anguis 
cum  clipeis  nascuutur  et  borrida  bella  capessuut 
continuo,  tamquam  et  tubiceu  surrexerit  uua. 
ergo  ignem,  cuius  sciutillas  ipse  dedisti, 
llagrantem  late  et  rapientem  cuncta  videbis. 
nec  tibi  parcetur  misero,  trepidumque  magistrum 
in  cavea  maguo  fremitu  leo  tollet  alumuus. 
nota  matbematicis  genesis  tua,  sed  grave  tardas 
expectare  colus;  morieris  stamine  nondum 
abrupto.    iam  nunc  obstas  et  vota  moraris, 
iam  torquet  iuvenem  longa  et  cervina  senectus. 


235 


240 


245 


250 


240  veraque  moenoceus  P         241  quaruiii  s         250  voto  P 


uti,  z.  B.  Caes.  b.  c.  TII  16  re  fru- 
mentaria  avguste  nti,  1,  59  anguste 
pabidari,  b.  g.  V  24  frumentum  per 
siccitatcs  atigustius  provencrat. 

2.35  iuveni ,  vom  erwachsenen 
Sobne  wie  23.  251,  oder  121  iuvenes, 
von  den  Sohnen. 

236  aftoUcre  ist  Steigerung  von 
lcvare  oder  erigere  (vgl.  95  mit  1, 
94),  {opihus)  attollcre  aliqucm  wie 
bei  Tac.  h.  IV  52  rcmpuhUcam  hcllo 
armisque  attoUere. 

237  circumscrihere ,  vgl.  15,  136 
pupiUum  ad  iura  vocantem  circum- 
sc)  iptorem. 

239  Decioriim,  vgl.  8,  254  plcheiae 
Deciorum  animae,  pleheia  fuerunt 
nomina. 

-240  si  Graecia  vera,  zu  10,  174. 
Menoikeus'  Opfertod  fiir  Thebon 
wahrend  der  Belagerung  des  Adra- 
stos  und  Polyneikes  gehort  zum 
thebanischcn  Sagenkreis  undwurde 
auch  in  der  Tragodie  vielfach  ge- 
feiert:  er  versohnte  den  Ares  und 
retteti-  die  Stadt,  vgl.  Eurip.  Phoen. 
913.  936.  1009. 

241  DasRelativumgMorMmistnicht 
anf  TJuhas,  sondern  auf  Graecia  zu 
beziehen :  miruhilia  cnim  vcro  Graeci 
cmentiuntur,  (juorum  in  sulcis  legi- 
ones  scilicet  nascuntur!  Die  Sage 
schildei-t  Ovid.  m.  III  104-130. 


243  tuhicen,  vgl.  1,  169. 

244  ergo  {ut  dixi)  fiihrt  zum 
unterbrocheuen  Thema  zuriick. 

247  magno  frcmitu  'unter  lauteni 
Gebriill',  wie  der  Lowe  im  Kafig, 
der  sich  gegen  seinen  eigenen  Wiir- 
ter  erhebt.  Die  Vergleichspartikel 
fehlt  wie  8,  130  unguibus  ire  parut 
nummos  raptura  Celaeno;  vgL  aucli 
9,  61  u.  15,  22.  Als  solch  ein  ver- 
zogener  leo  alicnmus  des  Demos  zu 
Athen  wird  in  der  Platonischen 
Republik  Alkibiades  geschildert. 

248  gcnesis  —  genitura,  'Natali- 
tilt',  mit  der  das  ganze  Lebens- 
schicksal  verkniipft  ist,  vgl.  6,  579. 
Zu  den  Merkmalen  der  ferrea  uctas 
zahlt  schon  Ovid.  m.  I  146  imminet 
exitio  vir  coniugis,  illa  mariti;  lurida 
terrihilcs  miscent  aconita  novercae, 
filius  antc  diem  patrios  incjuirit  in 
annos. 

250  sq.  Ovid.  m.  VII I  71  sohis  (ge- 
nitor)  mea  vota  moratur.  —  Wegen 
cervina  senectus  vgl.  Plin.  h.  n.  VIII 
119  vita  cervis  in  confesso  longa, 
post  centum  annos  a  (juibusdam  cap- 
tis  cum  torquihus  aurcii,  quos  Ale- 
xundcr  31.  addiderat,  adopcrtis  iam 
cute  in  magna  ohesitate;  ein  alter 
Volksfflaube  dichtete  dem  Hirsche 
eine  Lebensdauer  von  36  Menschen- 


282 


IVVENALIS 


ocius  Archigenen  quaere  atque  eme,  quod  Mithridates 
composuit;  si  vis  aliam  decerpere  ficum 
atque  alias  tractare  rosas,  medicamen  liabendum  est, 
sorbere  ante  cibum  quod  debeat  et  pater  et  rex.' 

monstro  voluptatem  egregiam,  cui  nulla  theatra, 
nulla  aequare  queas  praetoris  pulpita  lauti, 
si  spectes,  quanto  capitis  discrimine  coustent 
incrementa  domus,  aerata  multus  in  arca 
fiscus  et  ad  vigilem  ponendi  Castora  nummi, 
ex  quo  Mars  Vltor  galeam  quoque  perdidit   et  res 
non  potuit  servare  suas.     ergo  omnia  Florae 
et  Cereris  licet  et  Cybeles  aulaea  relinquas; 
tanto  maiores  humana  negotia  ludi. 
au  magis  oblectant  auimum  iactata  petauro 
corpora  quique  solet  rectum  descendere  funem, 
quam  tu,  Corycia  semper  qui  puppe  moraris 


255 


260 


265 


255  sorbere  et  aute  P 


altern  an.  In  einem  Hesiodischcn 
Brucbstiicke  ivvsa  xoi  ^cosi  ysvsocs 
Xciy,iQV^a  KOQcovrj  (xvSqcov  rj^oivtcov, 
tXacpos  ds  T£  TsrQOiy.6QCOvog. 

252  Arehigenen,  zu  6,  236  u.  13, 
98.  —  Mithridates,  zu  6,  661. 

253  sq.  aliam  ficum,  alias  rosas, 
einen  weiteren  Herbst,  einen  wei- 
teren  Sommer  erleben,  vgl.  10,  150. 
—  tradare,  'in  die  Hand  nehmen', 
Cic.  Tusc.  V  111  ea  non  versari  in 
ulJa  ociilorum  iucunditate,  ut  ca, 
quae  gustemus,  olfaciamus,  tractcmus, 
audiamus,  in  ea  ipsa,  ubi  sentimus, 
parte  versentur. 

256  monstro,  wie  10,  363. 

257  Der  Prator  prasidierte  in  der 
Kaiserzeit  bei  den  ludi  scaenici 
und  circenses,  vgl.  10,  36  und  11, 
193.  Er  heilst  laiitus  wegen  des 
Aufwandes,  den  er  auf  die  Spiele 
verwendet. 

259  aerata,  zu  1,  90. 

260  sq.  fiscus,  nicht  selten  vom 
privaten  Vermogen,  urspriinglich 
Geldkorb  oder  Geldsack.  Am  Tem- 
pel  des  Castor  und  Pollux  auf  deni 
forum  Romanum  befanden  sich  die 
Wechslerbuden,  wo  auch  Geschilfts- 
leute  und  Private  ihr  Geld  depo- 
nierten,  vgl.  zu  10,  25.  Zum  Depot 
ihrer  Kassen  benutzten  dieWechsler 
den  Tempel  des  Castor  und  wohl 
auch  die  benachbarten  Tempel,  wie 


den  des  Mars  Ultor,  den  Augustus 
zur  Erinnerung  an  den  Sieg  bei 
Philippi  auf  dem  -forum  Augusti  er- 
baut  hatte.  In  Domitians  oder  Tra- 
jans  Zeit  scheint  dieser  Tempel  be- 
stohlen  worden  zu  sein,  wobei  nicht 
nnr  Privatvermogen  (res  suas),  son- 
dern  auch  der  goldene  Helm  des 
Gottes  (vgl.  13,  147)  geraubt  wurde. 

262  sq.  Also,  wie  gesagt,  alh;  Schau- 
spiele  (aulaea)  an  den  Cerealien(Mitte 
April),  Floralien  (vom  28.  April  bis 
zum  3.  Mai)  und  Megalesien  (im 
April)  sind  unbedeutend  gegeniiber 
den  Schauspielen,  die  das  tagliche 
Leben  uns  vorfiihrt,  nach  Hor.  ep. 
II  1,  198  spectaret  (Democritus)  po- 
imlum  ludis  attentius  ipsis,  iit  sihi 
praebentem  nimio  spectacula  pJwa. 

265  Der  Seiltanzer,  welcher  fiir 
Gekl  sein  Leben  wagt,  ist  noch 
verniinftiger  als  der  Habgierige,  der 
um  des  Geldes  willen  sich  der  Ge- 
fahr  aussetzt.  Auf  dem  petaurum, 
einem  ziemlich  hohen  Schaukel- 
geriiste  oder  einer  Flugmaschine, 
fiihrten  die  Equilibristen  ( pelau- 
ristae)  ihre  Kunststiicke  aus,  vgl. 
Weise  301.  Auf  dem  gespaunten 
Seile,  von  der  Orchestra  bis  zu  den 
hochsten  Punkten  des  Theaters,  be- 
wegte  sich  der  schoenobates  oder 
catadronius. 

267   Corycus,  Stadt  und  Vorge- 


I 


LIBRI  V    SATVRA  XIV 


283 


atque  babitas  coro  semper  tolleutlus  et  austro, 

perditus  ac  vilis  sacci  mercator  olentis, 

qui  gauiles  piugue  autiquae  Je  litore  Cretae  '270 

imssum  et  municipes  lovis  advexisse  lagonas? 

liie  tameu  ancipiti  figens  vestigia  planta 

victum  illa  mercede  parat,  brumamque  famemque 

illa  reste  cavet:  tu  propter  mille  talenta 

et  ceutum  villas  temerarius.    aspice  portus  275 

et  pleuum  magnis  trabibus  mare:  plus  hominum  est  iam 

in  pelago.    veniet  classis,  quocumque  vocarit 

spes  lucri,  uec  Carpathium  Gaetulaque  tautum 

aequora  transiliet,  sed  longe  Calpe  relicta 

audiet  Herculeo  strideutem  gurgite  solem.  280 

grande  operae  pretium  est,  ut  tenso  folle  reverti 

inde  domum  possis  tumidaque  superbus  akita, 

Oceani  monstra  et  iuvenes  vidisse  marinos. 


birge  gleiches  Namens  in  Cilicien, 
war  durcli  seinen  Krlinterbau  be- 
riihmt,  vgl.  Plin.  h.  n.  XXI  Sl  prima 
nobilitas  Cilicio  {croco)  et  ihi  in 
Cortjco  monte. 

269  'Perditus  ac  vilis  dicitur  navi- 
gator,  quia  magnas  miscrias  et  multa 
pericula  suhit  et  propter  divitiarum 
conquirendarum  studium  avaritiam- 
que  inde  ortam  contemptus  est. ' 
E.  Weber.  —  olentis  'iibelriechend', 
weil  die  verschiedenen  Gewiirze  und 
Droguerieen  unter  einander  einen 
scharfen  und  widerlichen  Misch- 
geruch  geben.    W.  E.  Weber. 

271  passum  (von  pandere,  auf  die 
Darre  legen')  ist  Wein  aus  getrock- 
neten  Trauben  (ura  pa.ssa),  dicker 
Rosinenwein,  vgl.  Plaut.  Pseud.  720 
(740  R.)  murrinam,  passum,  defru- 
tum,meUinam  quiuismodi.  —  DerBe- 
griff  Creticae  wird  komisch  mit 
munieipes  lovis  umschrieben,  vg]. 
4,  33  vendere  municipes  fracta  de 
m^rce  siluros. 

272  vestigia  figere  (=  ponere),  auf- 
treten,  eiuherschreiten,  vom  schor- 
nohates.  —  ancipiti  planta ,  un- 
sicheren,  gefahrdeten  Fufses. 

273  sq.  hrimam  cavet,  nach  Hor, 
8.  I  2,  6  inoiji  dare  nolit  amico, 
frigus  quo  duramque  famem  pro- 
petlere  possit. 

275  temerarius  '  unverniinftiger 
Wagehals',    denn    er  erwirbt   nur, 


um  zu  erwerben,   nicht  um  zu  ge- 
niefsen. 

278  Carpathium  mare,  zwischcn 
Rhodus  und  Kreta,  Hor.  IV  5,  10, 
KccQTia&og  rivfuosaaa  schon  Hym. 
in  Apoll.  43,  war  die  Handels- 
strafse  nach  Kloinasien,  Hor.  I  35,  7 
quicumque  Bithyna  laccssit  Carpa- 
thium  pelagus  carina.  Dagegen  be- 
zeichnet  Gaetula  aequora  die  Han- 
deisstrafse  nach  dem  westlichen 
Afrika. 

279  sq.  transiUet  nach  Hor.  I  3, 
24  non  tangenda  rates  transiliunt 
vada.  —  KaXnri  war  ein  Ort  boi 
Gibraltar,  wo  man  sich  die  Saulen 
des  Horkules  dachte;  xo  KdXnrj  OQog, 
der  Folsen  Gibraltar,  wurde  selbst 
als  eine  der  Silulen  des  Herkulcs 
gedacht.  Der  kiihne  Seefahrer  wagt 
sich  noch  weit  iiber  dieses  Ende 
der  bekannten  Welt  hinaus  (longe 
relicta)  auf  das  Fabelmeer  des  Her- 
kules,  den  Atlantischen  Ocean,  wo 
die  gliibende  Sonnenmasse  {uvdgog 
diuTtvQog)  zischendimWasser  unter- 
taucht,  stridens  =  t^cov. 

281  tenso  foJle,  vgl.  13,  61. 

282  aluta,  metonymisch  fiir  pa- 
sceo7ws,GeIdbeuteI,Lucil.XI!I14(M.) 
adde  Syracusis  sola  pasceolumque 
et  alutam. 

283  iuvenes  marinos,  vgl.  Plin.  h. 
n.  IX  10  auctores  habeo  in  equestri 
ordine  splendentis  visum  ah  eis  in 
Gaditano  oceano  marinum  hominevi 


284 


IVVENALIS 


iiOD  uiius  mentes  agitat  furor.    ille  sororis 
in  manibus  vultu  Eumenidum  terretur  et  igui, 
hic  bove  percusso  mugire  Agamemnona  credit 
aut  Ithacum:  parcat  tunicis  licet  atque  laceruis, 
curatoris  eget,  qui  navem  mercibus  implet 
ad  summum  latus  et  tabula  distinguitur  unda, 
cum  sit  causa  mali  tanti  et  discriminis  huius 
concisum  argentum  in  titulos  faciesque  minutas. 
occurrunt  nubes  et  fulgura:  ''solvite  funem' 
frumenti  dominus  clamat  piperisve  coempti 
^nil  color  hic  caeli,  nil  fascia  nigra  minatur; 
aestivum  tonat'.    iufelix  hac  forsitan  ipsa 
nocte  cadet  fractis  trabibus  fiuctuque  premetur 
obrutus  et  zonam  laeva  morsuque  tenebit. 
sed  cuius  votis  modo  non  suffecerat  aurum, 
quod  Tagus  et  rutila  volvit  Pactolus  harena, 


285 


290 


295 


289  u*da  P        296  cadit  P 


toto  corpore  absolufa  simiUtudine. 
Sehr  haufig  glaubte  man  Seejung- 
fern,  die  Nereiden  uud  den  Triton, 
7A\  sehen,  Plin.  ibid.  9  et  Nereidum 
{forma)  falsa  non  est,  squamis  modo 
hispido  corpore  etiam  qua  humanam 
effigiem  hahent. 

284  Scene  aus  dem  Orestes  des 
Euripides :  Orestes  sieht  im  Wahn- 
sinn  die  Furien  mit  grafslichen 
Gesichtern  und  brennenden  Fackeln 
auf  sich  einsturmen,  Elektra,  die 
treue  Schwester,  halt  ihn  in  ihren 
Armen  fest,  um  das  wilde  Unge- 
tiim  der  Raserei  zuriickzuhalten 
(Eur.  260  sq.). 

286  Scene  aus  dem  rasenden  Aias 
des  Sophokles. 

287  Erscheint  der  Habgierige, 
der  um  des  nichtswiirdigen  Geldes 
willen  sich  in  Lebensgefahr  begiebt, 
auch  iiufserlich  verniinftig,  insofern 
er  nicht  wie  ein  Rasender  sich  die 
Kleider  zerreifst,  so  ist  er  doch 
nicht  weniger  toll  und  verdientdcs- 
wegen  unter  Kuratel  gestellt  zu 
werden.  Die  XII  tabulae  (5,  7)  be- 
stimmten:  si  furiosus  escit,  ast  ei 
custos  nec  escit,  adgnatum  genti- 
liumque  in  eo  pccuniaque  eius  po- 
testas  esto.  Es  wurde  deranach  dem 
furiosus  (und  excmplo  furiosi  dem 
prodigus)  durch  magistratische  Ver- 
ordnung  {interdicto)   die  freie  Ver- 


fiigung  iiber  sein  Vermogen  ent- 
zogen  und  ihm  aus  der  Zahl  der 
Agnaten  ein  Kurator  bestellt,  vgl. 
Hor.  ep.  I  1,  102'. 

289  tabula  dist.  unda,  sich  nur 
mittels  einer  zerbrechlichen  Plauke 
ilber  dem  Wasser  erhalt,  vgL  12,  59. 

291  Die  Miinzen  trugen  das  IBild 
des  Kaisers,  nicht  selten  auch  seine 
Ehrentitel,  vgl.  6,  205  scripto  radiat 
Germanicus  auro. 

292  Ebenso  steht  occurrit  1,  09 
asyndetisch  zur  Fortfiihrung  der 
begonnenen  Schildernng  am  Anfang 
des  Verses.  —  Verg.  V  773  agnam 
caedcre  deinde  iubet  solvique  ex 
ordine  funem,  d.  h.  XveaaQ^ai  xa  nfi- 
cfiKta,  ib.  III  639  fugite  atque  a  litore 
funcm  rumpite,  i.  e.  retinaculum. 

294  fascia,  ein  Wolkenstreifen 
am  Himmel. 

295  aestivum  tonat,  wie  3,  107 
rectum  minxit  amicus,  1,  16  aUum 
dormire,  6,  485  horrendum  intonarc, 
517  grande  sonat.  —  forsitan,  'mog- 
licherweise',  verbindet  sich  leicht 
mit  dem  eventuellen  Futur,  vgl.  zu 
1,  150. 

297  Er  schwimmt  mit  der  Rech- 
ten;  mit  der  Linken  halt  er  die 
Geldkatze,  und  weil  sie  zu  schwer 
ist,  fafst  er  sie  zugleich  mit  den 
Ziibnen. 

299  Claudian.  I  51  quantumstagna 


LIBRI  V     SATVRA  XIV  285 

frig-ida  siifficieiit  velautes  inguiua  pauui  300 

oxiguusque  cibus,  mersa  rate  uaufragus  assem 
(lum  rogat  et  pieta.  se  tempestate  tuetur. 

tautis  parta  malis  cura  maiore  metuque 
servautur,  misera  est  magui  custotlia  ceusus. 
(lispositis  praetlives  amis  vigilare  cohortem  305 

servorum  uoctu  Liciuus  iubet,  attouitus  pro 
electro  signisque  suis  Phrygiaque  cohimna 
atque  ebore  et  hita  testuthue.     dolia  uutli 
uou  artleut  cyuici;  si  fregeris,  altera  fiet 

cras  ilomus,  atque  eatlem  plumbo  commissa  mauebit.  310 

seusit  Alexautler,  testa  cum  vitlit  in  illa 
maguum  habitatorem,  quauto  felicior  hic  qui 
uil  cuperet,  quam  qui  totum  sibi  posceret  orbem 

300  velantis  P        305  prodives  P 


Tagi  rudibus  stillantia  venis  efflii- 
xere  dccus  ,  quanto  pretiosa  metallo 
llcrmi  ripa  micat,  qunntas  per 
Lydia  culta  despumat  rutilas  dives 
Pactolus  harenas.  Das  Gold  des 
Tagus  uod  Paktolus  gehoit  zur 
dichterischen  Phraseologie  der  Kai- 
serzeit. 

302  Verungliickte  Schiffer  liefsen 
ihren  Unfall  von  einem  gewohn- 
lichen  Maler  darstellen  und  be- 
nutzten  daun  das  Gemiilde  zur  Er- 
reguDg  des  Mitleids  und  der  Barm- 
herzigkeit,  Hor.  ep.  II  3,  21  dum 
fractis  enatat  exspes  navibus,  aere 
dato  fiui  pingitur,  Pers.  1,  88  q^uippe 
et  cantet  si  naufragus ,  assem  pro- 
tulerim;  cantas,  cum  fracta  te  in 
trabe pictum  ex  umcro  portes?  Nicht 
selten  wurde  die  tabula  votiva  einem 
Tempel  (besonders  der  Isis)  geweiht 
oder  an  ein  Gotterbild  gehiingt, 
w(j  der  Bettler  sich  niederliefs  und 
die  Voriibergehenden  um  ein  Al- 
mosen  anflehte,  vgl.  12,  27. 

303  Xoch  schlimmer  ist  es,  den 
im  gliicklichen  Falle  en-ungenen 
Reichtum  zu  beschutzen  und  zu 
erbalten,  wobei  man  freilich  an  die 
vielgrolsereUnaicherheitdesPrivat- 
eigentums  imAltertumdenken  raufs. 

305  sq.  Wie  die  vigiles  in  verschie- 
denen  Kegion&n  Roms  die  Nacht- 
und  Feu<;rwache  versahen,  so  unter- 
bielt  der  reiche  Licinus  (1,  109) 
in  seinen  Besitzungen  eine    ganze 


Sklavenschar  nur  zu  dem  Zwecke, 
um  mit  dem  Wasser-  und  Feuer- 
eimer  (amis)  seine  Kostbarkeiteu 
zu  schiitzen.  —  attonitus,  'iingstlich 
besorgt',  ein  Lieblingswortdes  Juve- 
nal,  vgl.  4,  77.  7,  66.  8,  238.  11, 
199.  15,   13. 

307  clectrum,  'Bernstein',  damals 
ein  Luxusgegenstand ,  vgl.  5,  38; 
schwerlich  ist  hier  unter  electrum 
die  uralte  Mischung  von  %  Gold 
und  Ys  Silber  zu  verstehen.  — 
Plmjgia  =  marmore  Phrygio ,  von 
Synnada,  der  eine  rotlichblaulich 
gefleckte  Farbe  hatte,  vgl.  Plin.  h. 
n.  XXXVI  102. 

308  Zu  ebore  vgl.  11,  123,  zu  lata 
testudine  11,  94.  —  Das  dolium  {ni- 
Q^oq),  ein  Stiickfufs  von  Thon,  war 
so  grofs  und  geriiumig,  dafs  schon 
im  peloponnesischen  Kriege  armc 
Leute  darin  ein  Unterkomraen  fan- 
den,  Aristoph.  eq.  792  os  xovtov 
OQUiv  otyiovvx  iv  xaig  Tzi&dyivcciai 
(=  nid^oig)  x«t  yvTiccQiot.g  ■nal  nvq- 
yiSioig  txog  oySoov  ov-k  iXsaiQSig; 
Marquardt  V  2,  242. 

309  sq.  Cato  r.  r.  39  dolia  plumbo 
vincito.  Statt  atque  eadem  konnte 
man  eher  atque  adeo  erwarten.  — 
Das  Zusammentreffen  Alexanders 
mit  Diogenes  erziihlt  Plut.  Alex. 
14,  wo  es  vom  Diogenes  heifst: 
txv%i   8\  KKXCitiSL^svog  iv  TjXlO}. 

313  Cic.  Tusc.  V  92  et  hic  quidem 
disputare  solebat,  quanto  regem  Per- 


286 


IVVENALIS 


passurus  gestis  aequanda  pericula  rebus. 
nullum  numeu  habes,  si  sit  prudentia,  nos  te, 
nos  facimus,  Fortuua,  deam.    mensura  tamen  quae 
sufficiat  census,  si  quis  me  consulat,  edam: 
in  quantum  sitis  atque  fames  et  frigora  poscuut, 
quantum,  Epicure,  tibi  parvis  suffecit  in  hortis, 
quautum  Socratici  ceperunt  ante  penates; 
numquam  aliud  natura,  aliud  sapientia  dicit. 
acribus  exemplis  videor  te  cludere?  misce 
ergo  aliquid  nostris  de  moribus,  effice  summam, 
bis  septem  ordinibus  quam  lex  dignatur  Othonis. 
haec  quoque  si  rugam  trahit  extenditque  labellum, 
sume  duos  equites,  fac  tertia  quadringenta. 
si  nondum  implevi  gremium,  si  panditur  ultra. 


315 


320 


325 


319  sufficit  P         322  videar  p 


sarum  vita  fortunaque  superaret: 
sibi  nihil  deesse,  illi  nihil  sutis  um- 
qiiam  fore;  se  eius  voluptates  non 
desiderare,  quibus  numquam  satiari 
ille  posset,  suas  eum  consequi  nullo 
modo  posse.  —  totum  orbem,  vgl. 
10,  168. 

314  aequanda,  vgl.  10,  97—98. 

315 — 316  finden  sich  bereits  10, 
365—366.  Offeubar  verweist  hier 
der  Dichter  auf  seineu  schon  friiher 
ausgesprochenen  Satz,  denn  der 
Zusammenhang  ist  nicht  so  natiir- 
iich  als  in  der  zehnten  Satire.  Er 
will  also  sagen:  doch  um  hier 
nicht  weiter  vou  den  Qualen  und 
Martern  des  Reichtums  zu  sprechen, 
so  erinnere  ich  hier  nur  kurz  an 
die  zehnte  Satire,  in  der  gezeigt 
ist,  wie  wir  durch  das  Streben  nach 
Reichtum  ebenso  sehr  wie  durch 
das  Verlangen  nach  Macht  und 
Ruhm  unsere  Selbstandigkeit  ver- 
lieren  uud  Sklaven  der  wechseln- 
den  Fortuna  werden. 

B18  in  quantmn,  hochsteus  so  viel 
als  die  Natur,  d.  h.  sitis  und  fames 
uud  frigora,  fordert,  und  auch  in 
der  That  Philosopheu  wie  Epikuros 
und  Sokrates  geniigt  hat.  Denn 
Natur  und  Philosophie  stimmeu 
immer  iiberein.  Die  Verbindnng  in 
quantum  fiir  quantum  ist  selten  und 
dichterisch,  bei  Juv.  nur  hicr.  Den 
Gedanken  Juveuals  entwickelt  Sen. 
ep.  4,  10  lex  naturae  scis  quos  no- 


his  terminos  statuat:  non  esurire, 
non  sitire,  non  algere.  ut  famem 
sitimque  depellas,  non  est  necesse 
superbis  adsidere  liminibus  nec  super- 
cilium  grave  et  contumeliosam  etiam 
humilitatem  perpeti,  non  est  neccsse 
maria  temptare  nec  sequi  castra: 
parabile  est  quod  natura  desiderat, 
et  adpositum.  ad  supervacua  su- 
datur ;  ibid.  18,  9  Epicurus  quidem 
gloriatur  non  toto  asse  pasci,  Metro- 
dorum,  qui  nondum  tantum  pro- 
fecerit,  toto. 

319  hortis,  vgl.  13,  123. 

322  Du  meinst,  so  strerfge  Bei- 
spiele  wie  die  Geniigsamkeit  eines 
Epikuros  oder  Sokrates  passen  nicht 
mehr  fiir  unsere  Zeit. 

324  Umschreibung  des  Ritter- 
census;  L.  Roscius  Otho  tr.  pL  (im 
Jahre  65)  legem  tulit  ut  equitibus 
Bomanis  in  theatro  XIV  ordincs 
proximi,  d.  h.  der  Orchestra  und 
den  Senatoren,  assignarentur  Liv. 
per.  99.  Vgl.  zu  3,  159.  —  dignari 
aliquid  aliqiia  re  ist  dichterisch. 

325  Der  Affekt  des  spottischen 
Liichelns  oder  Widerwillens  offnet 
unwillkiirlich  die  Lippen  und  zieht 
eine  Falte  auf  dem  Gesicht,  vgl. 
13,  265  densissima  ruga  cogitur  in 
frontem. 

326  duodecies  sestertium  betriigt 
der  census  senatorius,  Suet.  Aug.  41. 

327  grcmium  (zu  7,  215)  ist  sym- 


LIBRI  V     SATVRA  XV 


287 


nec  Croesi  fortnna  nmqnam  nec  Persica  regna 
snfficieut  auimo  nec  divitiae  Narcissi, 
iudulsit  Caesar  cui  Claudius  omnia,  cuius 
paruit  imperiis  nxorem  occidere  inssus. 


330 


SATVRA  XV 

Quis  nescit,  Yolusi  Bitliynice,  qualia  demeus 
Aegyptos  portenta  colat?  crocodilon  adorat 
pars  haee,  illa  pavet  saturam  serpentibus  ibin. 
effigies  sacri  uitet  aurea  cercopitheci, 
dimidio  magicae  resouant  ubi  Memnone  chordae 


bolischer  Ausdruck  der  Begehrlich- 
keit  {cota). 

331  Vgl.  zu  10,  330.  Tac.  11, 
30  und  33. 

Sat.  XV. 
Die  Satire  hat  zum  Inhalt  die 
Erzahlung  einer  That  von  ganz 
unmenschlicher  Eoheit,  die  unter 
dem  Kaiser  Hadrian  im  J.  127  n.  Chr. 
ip  Oberilgypten  begangen  wurde. 
Ahnliche  Vorgange,  meist  Aufse- 
rungen  des  religiosen  Fanatismus, 
werden  auch  sonst  erwiihnt,  vgl. 
Mommsen  R.  O.  V  581.  Ort  der 
Handlung  war  Tentyra,  dessen  Be- 
wohner  von  den  Ombiten  iiberfallen 
wnrden.  Das  bekannte  Omboi  liegt 
aber  viel  zu  weit  siidlich  von  Ten- 
tyra,  als  dafs  es  vom  Dichter  als 
Nachbargemeinde  hatte  bezeichnet 
werden  konnen.  Nachbai-ofadte  von 
Tentyra  waren  ■  im  Siiden  Koptos, 
im  Norden  Ptolemais  und  Chem- 
mis.  Man  hat  deshalb  V.  35  ardet 
adhuc  Coptos  et  Tentyra  korrigieren 
woUen.  Da  indessen  auch  die  Liste 
des  Ravennaten  (nach  Mommsen 
R.  G.  V  580  n.)  Tentyra  und  Ombi 
zusammen  nennt,  so  ist  die  Mog- 
lichkeit  nicht  ausgeschlossen',  daJs 
es  damals  in  der  Nahe  von  Ten- 
tyra  ein  zweites  Ombi  gegeben  hat. 

1  Volusius  Bithynicus  ist  sonst 
nicht  bekannt;  iiber  das  Geschlecht 
selbst  vgl  Nipperdey  zu  Tac.  III  30. 

2  portenta,  Wundergestalten.  — 
colat,  als  Gotter. 

3  pavct  ist  eine  Steigerung  von 
reveretur  et  colit.     Der    Tievdienst 


war  an  den  einzelnen  Orten  ver- 
schieden,  z.  B.  waven  die  Ombiteu 
Verehrer  des  Krokodils,  wahrend 
die  Tentyriten  ea  jagten  und  tote- 
ten,  vgL  Plut.  Os.  72.  Diod.  II  4. 
5  magicae  chordae,  geheimnis- 
voUe  Klange.  —  Die  Granitstatue 
dcs  Memnon,  des  vor  Troja  ge- 
fallenen  Sohnes  des  Tithonos  und 
der  Aurora,  war  in  der  Niihe  von 
Theben  in  Oberagypten.  Noch  jetzt 
befinden  sich  dort  zwei  sitzende 
Kolosse,  welche  beide  den  Konig 
Amenophis  IIL  aus  der  18.  Dynastie 
daistellen.  In  dem  nordlichen  Ko- 
lofs  glaubten  die  Griechen  den 
Memnon  zu  finden.  Auf  seinen  Bei- 
nen  befinden  sich  zablreiche  grie- 
chische  und  lateinische  Inschrifteti 
aus  der  Zeit  von  Nero  bis  Septi- 
mius  Severus  von  solchen,  welche 
das  Tonen  des  Kolosses  gehort  haben, 
vgl.  Ilenzen  Inscr.  5304  sqq.  Des 
Morgens  bei  Sonnenaufgang  glaubte 
man  musikalische  Tone  aus  dem 
Kolofs  zu  vernehmen.  Der  Kolofs 
war  27  v.  Chr.  durch  eiu  Erdbeben 
zerbrochen  {dimidius)  und  ist  von 
Septimius  Severus  restauriert  wor- 
den.  Strabo  XVil  1,  46  bezeichnet 
den  Ton  als  xpocpog  wg  dv  nXr]yrjg 
ov  \i£ydlrig,  imd  fiigt  hinzu:  v.dya} 
St  nccQcov  inl  t(ov  roncov  nsQi  coquv 
nQWtrjV  r]'/.ovGcc  rov  ipocpov  Hts  d' 
ccno  Tr,g  ^doscog,  sit'  dnh  xov  -/.o- 
XoGGOv ,  ii'z  tnLtrjScg  tcav  v.vtiXco 
•nal  nsQi  triv  ^doiv  t^QVfifvcov  tivog 
notTjGavtog  tbv  ipocpov ,  ovv.  i'xco 
dLiaxvQiaaoQai.  Vgl.  Nii^perdey  zu 
Tac.  II  61. 


288 


IVVENALIS 


atque  vetus  Thebe  ceutum  iacet  obruta  portis. 
illic  aeluros,  hic  piscem  fluminis,  illic 
ojjpida  tota  canem  veuerautur,  nemo  Dianam. 
porrum  et  caepe  nefas  violare  et  fraugere  morsu: 
o  sanctas  gentes,  quibus  haec  nascuntur  in  hortis 
numina.    lauatis  animalibus  abstinet  omnis 
mensa,  nefas  illis  fetum  iugulare  capellae: 
carnibus  humanis  vesci  licet.     attonito  cum 
tale  super  cenam  facinus  narraret  Vlixes 
Alcinoo,  bilem  aut  risum  fortasse  quibusdam 
moverat  ut  mendax  aretalogus.     'iu  mare  nemo 


10 


15 


6  obrupta  P 
in  ma**que  nemo  P 


7  aeluros  Brodaeus:  aeruleos  P  caeruleos  co 


IG 


6.  Hom.  II.  IX  383  nennt  daa 
agyptische  Theben  iiiccto^nvXot. 
Tac.  n  60  niox  visit  {Germanicus) 
veterum   Theharum  viagna  vestigia. 

7  aeluros,  der  Katzen-  und  Hunde- 
dienst  der  Agypter  ist  aus  Herod. 
n  66  bekannt;  die  Verehrung  vou 
Nilfischen  (piscem  fluminis)  erwahnt 
auch  Plut.  Os.  72. 

8  nemo  Dianam,  d.  h.  eine  men- 
schenabnliche,  idealschone  Gottei'- 
gestait.  Denn  eine  Gottheit,  welche 
Herodot  Artemis  nennt,  hatten  die 
Agypter,  vgl.  Stein  zu  Herod.  H  60. 
155  (Leto  —  Mut),  ebenso  den  Apollo, 
d.  h.  einen  Sohn  des  Osiris,  vgl. 
Herod.  H  144. 

9  Plin.  h.  n.  XIX  101  aUium  ee- 
j)asqiie  inter  deos  in  iureirando  habet. 
Von  den  Bohnen  bemerkt  Herod. 
11  37  Kvccfiovg  ds  ovts  zi  iiccla  ansi- 
Qovai  sv  xri  xcoqtj  ovts  aipovxES 
nccxiovrcci'  ot  S\  drj  iQ^g  ovdh 
OQSOvtig  ccvBxovxai,  voiii'C,ovT.£g  ov 
■ncc&aQOv  fiiv  slvai  oanQiov.  Da- 
gegen  II  125  asarjfiavzai  Sicc  yQafi- 
fiuTcav  iv  zfj  ■KVQafibiSi  oaa  f?  rs 
cvQfiairjv  (Rettig?)  7to:t  ■nqofifiva  yial 
aKOQoSa  dvai.aifioo&r}  roiai  sQya^o- 
fiivoiai.  Die  Gebrauche  waren  eben 
lokal  verschieden. 

11  Des  Schafs  und  der  Kuh  ent- 
hielt  sich  ganz  Agypten  als  der 
besten  Helfer  der  menschlichen 
Existenz  und  von  den  Gottern  be- 
sonders  geliebter,  ja  sie  repriisen- 
tierender  Tiere.  Die  Geis  oder  das 
Bockgeschlecht    war    vorzugsweise 


den  Bewohnern  von  Mendes  heilig. 
Weber. 

14—32  Sinn :  Menschenfresserei 
ist  so  widernatiirlich,  dafs  manschon 
iu  don  Zeiten  des  Alkinous,  als 
Odysseus  Beisi^iele  erziihlte,  dem 
Erzahler  mit  Unwillen  und  Un- 
glauben  begegnete,  da  er  fiir  seine 
Berichte  keine  Ze-ugen  hatte.  Den- 
noch  kommen  Thaten  solch  un- 
menschlicher  Barbarei  auch  noch 
iu  unserer  Zeit  vor,  ja  ich  erzilhle 
aus  jiingster  Zeit  eine  solche  That, 
die  sogar  ein  ganzes  Volk  veriibt 
hat  und  darum  alle  Greuel  der 
Tragodie  Gberragt. 

13  Der  rhetorische  Eifer  lafst 
den  Dichter  uber  das  Unwahise  seines 
Kontrastes  hinwegsehen,  denn  der 
Tierdienst  oder  die  Schonung  niitz- 
licher  Tiere  war  allgemein,  der 
Kanuibalismus  war  dies  nicht,  son- 
dern  nur  momentaner  Ausbruch  ge- 
steigerter  Wut  oder  des  religioseu 
Fanatismus.  —  attonito,  zu  13,  194. 

15  fortasse  quihusdam,  gewifs  bei 
vielen,  gehort  nicht  allein  zu  atit 
risum,  sondern  auch  zu  hilcm  mo- 
rcrat:  einzelnen  mochten  solche 
Dinge  dennoch  als  Wahrheit  er- 
scheinen. 

16  Suet.  Aug.  74  (wahrend  des 
Gastgelages)  aut  acroamata  et  hi- 
strioncs  aut  etiam  triviales  ex  circo 
ludios  interponehat  ac  frequentius 
aretalogos.  Solche  aretalogi  warcn 
zuni  Teil  verkommene  Philosoijhen, 
die  sich  in  voruehraen  Hiiusern 
nicht  seltcn  zur  Klasse  der  scurrac, 


LIBRI  V    SATVRA  XV 


289 


luuic  abicit,  saeva  diguum  veraque  Cliarybcli, 
tingeutem  immaues  Laestr^-gouas  atque  Cyclopas? 
uam  citius  Scyllam  vel  coucurreutia  saxa 
Cyaueis,  pleuos  et  tempestatibus  utres 
crediderim,  aut  teuui  percussum  verbere  Circes, 
et  cum  remigibus  gruuuisse  Elpeuora  porcis. 
tam  vacui  capitis  populum  Phaeaca  putavit?' 
sic  aliquis  merito  uoudum  ebrius  et  miuimum  qui 
de  Corcyraea  temetum  duxerat  urna; 
solus  enim  baec  Ithacus  uullo  sub  teste  cauebat. 
nos  mirauda  quidem,  sed  nuper  consule  lunco 
gesta  super  calidae  referemus  moenia  Copti, 
nos  vulgi  scelus  et  cuuctis  graviora  cothuruis; 


20 


25 


•23  sic  vacuum  cerebri  Priscianus  GLK.  III  p.  21S      26  hic  P 


der  fitjuo^  '^^^  yfAcoroTroiot  erniedrig- 
ten  und  dann  als  ala^ovsq  (=  men- 
ilaces)  ersrhienen.  Verwandt  sind 
die  rj9oX6yot,  die  niit  Sittenspriiclien 
um  sich  warfen,  wie  im  17.  und 
18.  Jahrhundert  die  Hofaarren. 

17  saevaCharybdi,  zu  14, 148.  Die 
mayxrat  Homers  (Od.  XII  59) 
dachte  sich  das  Altertum  in  der 
Nahe  Siciliens,  dagegen  die  Zv[i- 
nXrjydSfg  (ApoH.  Rhod.  II  318  ns- 
zQug  Kvavsug)  versetzte  die  Argo- 
uautensage  an  den  Eingang  des 
Pontos  Euxeinos  {ini  tov  Ilovzi-noi} 
Gzofiazog  rjaav  v.ai  Kvavsai  B-na- 
lovvzo  Sia  zo  XQ^f^^,  Schol.  ApoII. 
II  317).  Cyaneis  ex  niea  sententia 
{non  dativus  sed)  ablativus  est  et 
indicat  regiotiein  (Lokalis),  in  qua 
saxa  iUa  concurrunt,  E.  Weber  375. 

20  titres,  des  Aolus,  Od.  X  1—75. 

22  remigibus  porcis,  wie  6,  118 
meretrix  Augusta,  8,  148  mulio 
consul,  9,  61  collusore  cateUo,  14, 
247  leo  alumnus.  —  Elpenor  konnte 
zu  den  22  Gefahrten  des  Eury- 
lochos  gehoren  (Od.  X  208),  die 
Kirke  in  Schweine,  dann  aber  von 
Od.  gezwungen ,  wieder  in  Men- 
schen  verwandelte.  Beim  Abzug 
des  Od.  fiel  Elpenor  trunken  vom 
Dach  (X  552  sq.)  und  tand  so 
den  Tod. 

23  vacui  capitis,  wie  14,  57  va- 
cuum  cerebro  caput.  Vgl.  Lncian 
V.  hist.  I  3  agxVV^?   ^'    (^vroig  -nal 

IvvENALis  Satviiai;. 


SiSdaKalog  tjJ?  zoiavzrjg  ^aifioXo- 
%Cag  0  zov  'O(ir'iQ0v  'OSvaaBvg,  xoig 
m-QL  zov  'AX%ivovv  Sirjyovnfvog  avi- 
ficov  z£  SovXsCav  v.al  fiovocp&dlfiovg 
Kai  c6ixo(pdyovg  nai  dyQiovg  zivdg 
dv&Qcanovg,  izi  Sh  nolvABcpaXa  ^caa 
xat  zdg  vjio  cpaQ^dY.cov  zdiv  izaiQcov 
(iizapoldg,  ola  7^0^«  ty.stvog  d>g 
nQog  iSicazag  dv&Q(6novg  szsQazsv- 
aazo  zovg  ^aiayiag.  Die  Uberein- 
stimmung  mit  Juv.  zeigt,  dafs  diese 
Anschauung  auf  eine  gemeinsame 
philosophische,  wahrscheinlich  sto- 
ische  Quelle  zuriickgeht.  —  popu- 
Imn  Phaeaca,  wie  4,  99  ursos  Nu- 
midas,   8,   132    Titanida  pugnam, 

11,  94  in  Oceano  fluctu. 

25  temetum,  von  der  Wurzel  tatn 
umdiistert  oder  dunkel  sein,  be- 
deutet  den  starken,  betiiubenden 
Wein,  vgl.  temulentus,  bei  Plaut. 
Aul.  II  6,  6,  wie  hier,  vielleicht 
nur    den   Festwein.   —    urna,  wie 

12,  44  urnae  cratera  capacem. 

26  canebat  =  szsQazsvszo,  vgl. 
2,  64  fugerunt  trepidi  vera  ac  mani- 
festa  canentem  Stoicidae.  —  sub 
teste,  wie  7,  13  sub  iudice. 

27  luncus  war  nach  Borghesi 
(Opp.  V  509)  Konsul  des  Jahres 
127  n.  Chr.  Auf  den  Fasti  consu- 
lares  findet  er  sich  unter  den  Epo- 
nymi  nicht  verzeichnet,  vgl.  zu  13, 17. 

28  calidae,  vgl.  6,  527  calidaque 
petitas  a  Meroe  portabit  aquas. 

29  graviora  schlimmer,  wie  119 

19 


290 


IVVENALIS 


nam  scelus,  a  Pyrrha  quamquam  omnia  syrmata  volvas,      30 
nullus  apud  tragicos  populus  facit.     accipe,  nostro 
dira  quod  exemplum  feritas  produxerit  aevo. 

inter  finitimos  vetus  atque  antiqua  simultas, 
immortale  odium  et  numquam  sanabile  vulnus 
ardet  adhuc  Ombos  et  Tentyra.  summus  utrimque 
inde  furor  vulgo,  quod  numina  vicinorum 
odit  uterque  locus,  cum  solos  credat  hahendos 
esse  deos,  quos  ipse  colit.  sed  tempore  festo 
alterius  populi  rapienda  occasio  cunctis 
visa  inimicorum  primoribus  ac  ducibus,  ne 
laetum  hilaremque  diem,  ne  magnae  gaudia  cenae 
sentireut  positis  ad  templa  et  compita  mensis 
pervigilique  toro,  quem  uocte  ac  luce  iacentem 
septimus  interdum  sol  invenit*.    horrida  sane 


35 


40 


35    Coptos    Pauw 
summa  est  ? 


44  horrida  (horridi  p)    et    sane  P    horrida 


ulterius  nil  aiit  gravius  cuJtro  timet. 
Die  Vergleichung  eines  auffallenden 
Vorfalles  mit  den  Greueln  der  Tra- 
godie  findet  sich  auch  6,  636.  644. 

30  syrma  (zu  8,  229)  dient  zur 
Bezeichnung  der  Tragodie  oder  viel- 
mehr  des  tragisch  -  schauerlichen 
Stoffes  auch  Mart.  IV  49,  9  a  nostris 
procul  est  omnis  vesica  lihellis,  musa 
nec  insano  syrmate  nostra  tumet. 
—  a  Pyrrha,  vgl.  1,  81,  seit  Adam 
und  Eva.  —  volvas,  ahnlich  8,  272 
tit  longe  repetas  longeque  revolvas 
nomen. 

31  accipe  mit  nachfolgendem 
Fragesatz  zur  Einfiihrung  einer  Er- 
zahlungoderAusfuhrung,wie  13,120. 

33  vetus  atque  antiqua,  zu  6,  21. 
Die  Folge  der  simultas  ist  odium, 
woraus  sich  ein  dauemdes  vulnus 
entwickelt  hat. 

37  Athan.  c.  gentes  23  oXcog 
ty.dazr}  noXLg  kocl  xcofirj,  rcug  sk 
yfizovcov  ovv.  ilSvLa  ^'sovg,  zovg 
tKvzfjg  ■JiQov.QLVSL  %ccl  [lovovg  eivai 
rovzovg  vojj.l^sl  Q^sovg.  Rom  da- 
gegen  war  auch  inseiner  religiosen 
Anschauung  und  Ubung  universell 
und  kosmopolitisch. 

39  alterius  populi  lafst  unent- 
schieden,  welches  Volk  das  Fest 
feierte  und  welches  den  tjberfall 
wagte.  Die  Entscheidung  hangt  ab 
von  der  Feststellung  der  Lesart  75, 


die  leider  ebenfalls  unsicher  ist. 
Es  lafst  sich  durchfuhlen,  dafs  der 
Dichter  das  Lumpengesindel  gar 
nicht  unterscheidren  mag,  da  die 
einen  so  nichtswiirdig  sind  wie  die 
andern. 

40  primorihus  ac  ducihus,  den 
Fiirsten  und  Ratgebern,  ist  offen- 
bar  eine  komische  Verbindung, 
denn  solches  Volk  kann  zwar  duces, 
nicht  aber  im  eigentlichen  Sinne 
primores  haben. 

42  Herod.  II  35  scQ-lovgl'8s  s^oj 
sv  ziJGi  oSolgl,  Mela  I  57  cibos 
IJalam  et  extra  tecta  sua  capiunt; 
hier  um  so  mehr  wegen  des  offent- 
lichen  Festes. 

43  pervigili  toro,  denn  das  Polster 
bleibt  Tag  und  Nacht  die  ganze 
Woche  liegen,  solange  das  Volks- 
fest  dauert;  zugleich  aber  bleibt 
auch  das  feiemde  Volk  die  Nachte 
hindurch  wach,  vgl.  8,  158  per- 
vigiles  popinas,  3,  275  patent  vigiles 
fenestrae. 

44  sol  invenit,  wie  9,  33  si  tihi 
sidera  cessant,  8,  149  nocte  qiiidem, 
sed  luna  videt,  sed  sidera  testes  in- 
tendunt  oculos,  6,  407  instantem 
regi  Armenio  Parthoque  cometen, 
wo  iiberall  die  Gestirne  belebt  er- 
scheinen.  —  TiOJTtWa  ist  gesteigerter 
Ansdruck  {iii-  harbara:  Agyptcn  ist 
allerdings    i'echt    barbarisch    (un- 


LIBRI  V    SATVRA  XV 


291 


AegyptoS;  sed  luxuria,  quantum  ipse  notavi, 
barbara  famoso  nou  eedit  turba  Canopo. 
adde  quod  et  facilis  victoria  de  madidis  et 
blaesis  atque  mero  titubautibus.    iude  virorum 
saltatus  nigro  tibicine,  qualiacumque 
unguenta  et  iiores  multaeque  in  fronte  coronae: 
liiuc  ieiunum  odium.    sed  iurgia  prima  sonare 
incipiuut,  auimis  ardentibus  haec  tuba  rixae. 
deiu  clamore  pari  concurritur,  et  vice  teli 
saevit  nuda  manus.    paucae  sine  vuluere  malae, 
vix  cuiquam  aut  nulli  toto  certamine  nasus 
integer.    aspiceres  iam  cuncta  per  agmina  vultns 
dimidios,  alias  facies  et  hiantia  ruptis 
ossa  genis,  plenos  oculorum  sanguine  pugnos. 
ludere  se  credunt  ipsi  tamen  et  puerilis 
exercere  acies,  quod  nulla  cadavera  calcent. 
ct  sane  quo  tot  rixantis  milia  turbae, 
si  vivunt  omnes?  ergo  acrior  impetus,  et  iam 
saxa  inclinatis  per  humum  quaesita  lacertis 
incipiunt  torquere,  domestica  seditioni 


45 


55 


60 


56  acrmine  P         64  seditioni  S:  seditione  Pco 


kultiviert),  soweit  es  aber  auf 
Schlemmerei  ankommt,  giebt  die 
barbariscbe  Volksmenge  dem  grie- 
chisch  gebildeten,  aber  verrufenen 
Kanobus-AIexandria  nichts  nach. 
Denn  Kanobus  ist  nur  Teilbegriff 
fvir  daa  damit  verbundene  Alexan- 
dreia,  der  zweiten  Hauptstadt  der 
damaligen  Welt,  die  wegen  ihres 
internationalen  Charakters  nicht 
eigentUch  zu  Agypten  gerechnet 
werden  konnte,  wie  ja  auch  das 
agyptische  und  alexandreische  Biir- 
gerrecht  schroff  geschieden  war. 
Kdvco^og  galt  fiir  das  deverticulum 
iitiorum,  vgl.  zu  6,  84. 

45  notavi,  vgl.  Stat.  s.  II  6,  21 
vidi  ipse  animosque  notavi  te  tan- 
tum  cupientis  erum. 

47  adde  quod  (vgl.  14,  114)  fiihrt 
nach  der  langeren  Expektoratiou 
des  Dichters  wieder  zur  Erzahlung 
zuriick.  Die  Hilufung  der  Ausdriicke 
zur  Bezeichnung  des  allgemeinen 
Taumels  der  Trnnkenheit,  vgl.  zu 
1.3,  189.   12,  15.  8,  71. 

49  sqq.  qualiacumque  alle  mog- 
licheu,  wenn  auch  natiirlich  nicht 
die  feinsten.  —  Nur  weil  der  ardor 


animorum  (vino  et  furore  ardent) 
vorhanden  war,  wurden  die  iurgia 
zur  tuba  (vgl.  zu  1,  169;  3,  288 
prooemia)  rixae.  Es  ist  deshalb 
nach  incipiunt,  nicht  nach  ardenti- 
hus  zu  interpungieren. 

53  vice  teli  =  in  Ermanglung  des 
Schwertes  blitzt  die  rohe  Faust. 

55  vix  cuiquam  aiit  nuUi  so  gut 
wie  keinem,  eig.  kaum  einem  oder 
richtiger  keinem,  wie  tj  rtg  ij  ovdBig 
in  Platos  Apologie. 

57  alias  facies,  verhiebene  oder 
entstellte  Gesichter,  Gesichtsfratzen, 
vgl.  3,  268  alia  ac  diversa. 

61  quo  mit  Acc.  des  Ausrufs  ist 
echt  juvenalisch,  vgl.  zu  8,  90.  — 
Konstruiere  lacertis  inclinatis  quae- 
runt  per  humum  saxa  eaque  inci- 
X>iunt  torquere  (komischer  Ausdruck 
gegeniiber  der  Kleinigkeit  der 
Sache!). 

64  domestica  seditioni,  vgl.  Verg. 
I  184:  ac  veluti  magno  in  populo 
cum  saepe  cooi'ta  est  seditio  saevit- 
que  animis  ignohile  vulgus,  iamque 
faces  et  saxa  volant,  furor  arma 
ministrat. 

19* 


292 


IVVENALIS 


tela,  nec  liunc  lapidem,  qualis  et  Turnus  et  Aiax, 

vel  quo  Tydides  percussit  pondere  coxam 

Aeneae,  sed  quem  valeant  emittere  dextrae 

illis  dissimiles  et  nostro  tempore  natae. 

nam  genus  hoc  vivo  iam  decrescebat  Homero, 

terra  malos  homines  nunc  educat  atque  pusillos; 

ergo  deus,  quicumque  aspexit,  ridet  et  odit. 

a  deverticulo  repetatur  fabula.    postquam 

subsidiis  aucti,  pars  altera  promere  ferrum 

audet  et  infestis  pugnam  instaurare  sagittis, 

terga  fuga  celeri  praestantibus  hostibus  instant 

qui  vicina  colunt  umbrosae  Tentyra  palmae. 

labitur  hic  quidam  nimia  formidine  cursum 

praecipitans  capiturque.    ast  illum  in  plurima  sectum 

frusta  et  particulas,  ut  multis  mortaus  unus 


65 


70 


75 


66  quali  vel  ?         75  fugat  celeri  P  fuga  sceleri  p  praestantibus 

omuibus  instans  ^g    p.  o.  instant  co   praestan  cnm  spatio  quindecim  aut 

duodeviyinti  litterarum  P,  corr.  W,  praestant  instantibus  Ombis  Mercer 
77  hinc  P        78  in  om.  P        79  particula**=f:  multis  P 


65  hunc  solchen,  derartigen,  wie 
6,  157.  Wegen  dieser  generellen 
Bedeutung  ist  die  Korrelatiou  mit 
dem  Plural  qualis  moglich.  —  Tur- 
nus  bei  Verg.  XII  896,  Aiax  gegen 
Hector^  II.  VII  268,  Tydides  II.  V 
302:  o  Ss  j^sq^kSlov  Xa^s  ;^fipt 
Tv8sLdr]s,  fisycc  tqyov,  o  ov  8vo  y 

OCVdQS   CpSQOLSV,   olOL  VVV   ^QOTOL   sio'  ' 

o  ds  (iiv  Qsa  naXXs  %(x.l  olog. 

69  sq.  Unser  Geschlecht  (genus 
Jioc)  war  schon  zu  Homers  Zeiten 
im  Abnehmen,  jetzt  sind  es  vollends 
Zwerge  (pusilli),  aber  feige  und 
boshafte  Zwerge  {malos  homines). 

71  aspeajii  den  Blick  darauf  wirft. 
—  ridet  et  odit  ist  ein  naQuvoov- 
(isvov,  er  lacht  und  hafst  es,  denn 
das  Benehmeu  der  zwerghaften 
Menschen  hat  wohl  etwas  Lacher- 
liches  {magna  pusilli  moliuntur), 
aber  es  ist  doch  auch  nicht  ohne 
ernste  Bedeutung,  dafs  sie  als  mali 
mdla  schaffen. 

72  deverticulum  die  kleine  Ab- 
schweifung  vom  Laufe  der  Erziih- 
lung,  vgl.  Quint.  X  1,  29  quodpoetica 
depulsa  recta  via  necessario  ad  elo- 
quendi  quaedam  devertieula  con- 
fugiat. 

75  Der  Ausdruck  terga  praestare 


ist  gesichert  durch  Tac.  Agr.  37 
iam  hostium  catervae  armatorum 
paueioribus  terga  praestare.  —  Die 
hostes  miissen  die  Eindringlinge 
oder  Angreifer  sein.  Da  nun  die 
Tentyriten  diese  verfolgen,  so  feier- 
ten  das  Fest  nicht  die  Ombiten, 
sondern  die  Tentyriten.  Unbedenk- 
lich  ist  daneben  vicina,  womit 
nur  die  Beziehung  zu  hostibus  be- 
zeichnet  wird:  die  Feinde  werden 
verfolgt  von  den  Teutyriten,  die  in 
ihrer  Nachbarschaft  wohnten. 

77  hinc  hierauf;  doch  ist  wahr- 
scheinlich  hic  richtiger. 

79  Die  Verbindung  von  frusta 
und  particulas  dieut  der  Ausmalerei 
des  Grafslichen  Ein  Beispiel  ahn- 
licher  Bestialitat  meldet  Xiphihn. 
68,  32  aus  dem  Jahre  116:  sv 
tovx(p  01  %axcc  KvQrjVTjv  'lovSaiOL 
Tovg  TS  "^PafiaLOvg  nai  Tovg  "EXXr}- 
«'«s  ^(f&SLQOv,  Kai  xdg  ts  auQKag 
avTmv  sGLTOVVTO  Kai  Ta  svtsqu 
dvsSovvTO  Tcp  TS  aifiaTL  rjXsLcpovTO 
■Kai  xa  dnoXsnfiaTa  svsSvovto,  noX- 
Xovg  Ss  y,ai  (isGovg  dno  KOQVcprig 
SLsnQLOV,  —  wGTS  Tag  ndaag  Svo 
Tiai  siKOVL  (ivQLdSag  dnoXsad^ai.  t'v 
t'  AlyvnTcp  noXXd  iSQaaav  ofioia 
Kai  sv  TJJ  KvnQco.  —  mortuus  unus, 
da  sie  doch  nicht  mehr  hatten  er- 


LIBRI  V    SATVRA  XV 


293 


sufficeret,  totum  corrosis  ossibus  edit 
victrix  turba.    nec  ardouti  decoxit  aheno 
aut  veribus  —  lougum  usque  adeo  tardumquc  putavit 
expectare  focos  —  contenta  cadavere  crudo. 
liic  gaudere  libet,  quod  uon  violaverit  ignem, 
quem  summa  caeli  raptum  de  parte  Prometheus 
donavit  terris;  elemeuto  gratulor,  en  et 
exultare  reor.    sed  qui  mordere  cadaver 
sustiuuit,  nil  umquam  liac  carne  libentius  edit; 
nam  scelere  iu  tauto  ne  quaeras  et  dubites,  an 
prima  voluptatem  gula  senserit;  ultimus  autem 
qui  stetit,  absumpto  iam  toto  corpore,  ductis 
per  terram  digitis  aliquid  de  sanguine  gustat. 
Vascones,  baec  fama  est,  alimentis  talibus  olim 
produxere  animas.    sed  res  diversa,  sed  illic 
fortunae  iuvidia  est  bellorumque  ultima,  casus 


80 


85 


90 


95 


85  prometbea  P        86  en  et  W:  et  te  Pc 


93  elementis  P 


legen  konnen,  jeder  aber  nacb 
Menscbenblut  diirstete. 

82  iisque  adeo,  so  gar  sebr,  zur 
Einfubrung  des  Ejjipbonems  fiir 
das  gewobnlicbere  adeo  longum 
tardumque  putavit. 

84  DergottljcbeFunkejjraiTejjvov 
nvQog  ailag,  den  Prometheus  vom 
Himmel  bracbte,  wiirde  im  Dienste 
Bolcber  Bestialitat  scbmiiblicb  ent- 
weibt  worden  sein.  Vgl.  den  rbe- 
toriscben  locus  communis  bei  Cic. 
Rosc.  Am.  71. 

86  sq.  en  et  exultare:  icb  driicke 
dem  Feuer  meine  Freude  aus,  ja 
fiirwabr  icb  glaube,  dafs  es  selbst 
jubelnd  emporzvingelt;  iihnlicb  Stat. 
8.  IV  3,  121  vates  sanctior  incipit, 
tacendum  est.  En  et  cella  rotat 
novisque  late  hacchatur  spatiis  viam- 
que  replet.  Verwandt  ist  der  Ge- 
braucb  von  et  certe  bei  Stat.  s.  II 
6,  84  non  secius  atros  nigrasset 
pJanctu  genetrix  sibi  sacva  lacertos, 
nec  pater;  et  certe  qui  vidit  funera 
frater  erubuit  vinci. 

88  Sinn:  Wer  einen  rohen  Leich- 
nam  {cadaver  fiir  corpus  ist  Aus- 
druck  der  Indignation)  aufzehren 
kann,  legt  an  den  Tag,  dafs  er 
nicht  von  augenblicklicber  Wut 
fortgeriasen  ist,  sondem  dafs  er 
vollendeter  Menecbenfresser  ist, 
Penn  bei  diesem  so  grofsen  Ver- 


brecben  darf  man  nicbt  erat  fragen 
(vgl.  3,  135),  ob  der  erste  an  dem 
Fleiscb  Woblgescbmack  fand:  bat 
ja  doch  selbst  noch  der  letzte,  der 
dazu  kam,  vom  Blute  den  Rest 
aufzulecken  sicb  bemiibt. 

93  Vascones,  wie  124  Brittones, 
vgl.  Neue  Lat.  Formenl.  P  315  sq. 
—  Die  Basken  waren  ein  spani- 
scber  Volksstamm  am  oberen  Ebro. 
An  diesem  Flufs  lag  Calagurris 
(=  Calaborra).  Vou  den  Einwoh- 
nern  dieser  Stadt  erziihlt  Val.  Max. 
VII  6  ext.  2 :  qui  quo  perseverantius 
interempti  Sertorii  cineribus,  obsi- 
dionem  Cn.  Pompei  frustrantes,  fidem 
praestarent,  quia  nullum  iam  aliud 
in  urbe  eorum  supererat  animal, 
uxores  suas  natosque  ad  usum 
nefariae  dapis  verterunt,  quoque 
diutius  armata  iuventus  viscera  sua 
visceribus  aleret,  infelices  cadaverum 
reliquias  sallire  non  dubitavit.  Das 
gescbah  682  a.  u.,  72  v.  Cbr.  Abn- 
licbes  hatte  sich  friiber  im  Kampf 
gegen  die  Romer  in  Numantia  er- 
eignet. 

95  fortunae  invidia  est  das  Ge- 
hassige,  die  Schuld  trifft  dort  die 
Notlage,  vgl.  123.  —  bellorum 
ultima,  wie  12, 65  discriminis  ultima, 
Tor  taxaTd  t(Sv  ■nccra  noXe^iov.  — • 
casus  extrcmi  die  bitterste,  ilufserste 
Notlage. 


294 


IVVENALIS 


extremi,  longae  dira  obsidionis  egestas. 

cuivis  nam,  quod  nunc  agitur,  miserabile  debet 

exemplum  esse  cibi,  sicut  modo  dicta  milii  gens 

post  omnis  herbas,  post  cuncta  animalia,  quidquid 

cogebat  vacui  ventris  furor,  hostibus  ipsis 

pallorem  ac  maciem  et  teuues  miserantibus  artus, 

membra  aliena  fame  lacerabant,  esse  parati 

et  sua.    quisnam  homiuum  veniam  dare  quisve  deorum 

urbibus  abnueret  dira  atque  immania  passis 

et  quibus  ipsorum  poterant  ignoscere  manes, 

quorujn  corporibus  vescebantur?   melius  nos 

Zenonis  praecepta  monent,  nec'  enim  omnia  quidam 

pro  vita  facienda  putaut,  sed  Cantaber  unde 

stoicus  antiqui  praesertim  aetate  Metelli? 

nunc  totus  Graias  nostrasque  habet  orbis  Athenas, 

Gallia  causidicos  docuit  facunda  Britannos, 


100 


105 


110 


97   cuivis  nam   W:  huius  enim  Pco,   fort.   h.  e.    qno  non  ^ravins, 
ef.  119  100  vacuis  P  104  urbibus  Pg.-  viribus  'pm   ventribus  H. 

Valesius        105  illorum  Pco  corr.  W        107  omnia,  quaedam  pco 


97  cuivis  nam  (wie  11,  21  in 
Butilo  nam)  bereitet  die  Frage  von 
V.  103  vor.  —  quod  nunc  agitur 
das  vorliegende  Beispiel  der  Ver- 
teidiger  von  Calagurris.  —  misera- 
bile  esse,  Mitleid,  Teilnahme  er- 
wecken,  wahrend  der  Kannibalismus 
der  Tentyriten  Abscheu  verursacht. 
—  sicut  =  siqiiidem,  wie  6,  107 
sicut  attritus  galca. 

99  tjber  das  abschliefsende  quid- 
quid  vgl.  zu  13,  82. 

101  tenues  artus  die  infolge 
Mangels  an  Nahrnng  abgezehrten, 
kraftlosen  Glieder,  von  Menschen, 
die  wie  Schatten  schwankten;  wiih- 
rend  paUor  und  macies  mehr  das 
Aussehen  als  dieKrafterkennen  lafst. 

103  et  sua,  vgl.  Ovid.  met.  VIII 
877  yjse  suos  artus  lacero  divellere 
morsu  coepit  et  infelix  minuendo 
corpus  alebat. 

107  Zeno  wird  als  Schopfer 
der  damals  giiltigen  Sittlichkeits- 
lehre  genannt,  wie  nachher  der 
bewufst  Sittliche  stoicus  heifst.  Da- 
neben  kann  quidam  (gar  mancher) 
recht  gut  bestehen,  insofern  der 
aufgestellte  Lehrsatz  nicht  aus- 
schliefslich  dem  Zeno  und  den 
Stoikern,  sondern  ebenso  gut  be- 
reita  Sokrates  angehort,  vgl.  Plat. 


Apol.  39  ovTS  yccQ  iv  Styirj  ovz'  iv 
Ttolifia»  ovx'  ifis  ovx'  ocXXov  ovSiva 
8st  xovxo  firjxavcca&ai,  oncog  ano- 
cpsv^sxat  Ttav  noLcov  &dvaxov.  Doch 
ist  moglicherweise  quidam  ein  Ver- 
derbnis  aus  cuiquam.  Derselbo 
Gedanke  ist  8,  83  entwickelt. 

108  Cantaber,  denn  Calagurris 
war  dem  Stamme  der  Cantabri  be- 
nachbart  und  an  kriegerischem  Mut 
ebenbiirtig. 

109  stoicus,  wie  13, 121  et  qui  ncc 
cynicos  nec  stoica  dogmata  legit.  —  Q. 
Metellus  fuhrte  den  sertorianischen 
Krieg  gemeinsam  mit  Cn.  Pompejus. 
Da  zwischen  dem  Ende  des  Krieges 
und  der  Abfassung  unserer  Satire 
200  Jahre  liegen,  konnte  Metellus 
recht  gut  antiqmisgeua.Ta.nt  werden. 

110  Atlienae  =  geistige  Bildnng, 
ist  doch  kiihner  als  macello  5,  95 
oder  umgekehrt  siimmus  honor  1, 
117;  am  kiihnsten  aber  ist  die  Ver- 
bindung  nostras  Atlienas,  mit  Riick- 
sicht  auf  das  Athenaeum  Hadriani, 
cf.  Aurel.  Vict.  14.  Athen  war  das 
KOLvbv  TtaidsvTrjQiov  ndvxav  dv&Qco- 
Ttcav,  und  Rom  iiberkam  und  pflegte 
die  Erbschaft,  vgl.  Claud.  XVII  94 
in  Latium  spretis  academia  migrat 
Athenis. 

111  Tac.  Agr.  21  iam  vero  prin- 


LIBRI  V    SATVRA  XV 


295 


de  couduceudo  loquitur  iam  rlietore  Tbyle. 
uobilis  ille  tameu  populus,  quem  diximus,  et  par 
virtute  atque  lide  sed  maior  chade  Zacjntbos 
tale  quid  excusat:  Maeotide  saevior  ara 
Aegyptos.    quippe  illa  uefaudi  Taurica  sacri 
iuveutrix  bomines   —  ut  iam  quae  carmina  tradunt; 
digua  fide  credas  —  tantuui  immolat,  ulterius  nil 
aut  gravius  cultro  timet  bostia.    quis  modo  casus 
inpulit  bos?   quae  tanta  fames  infestaque  vallo 
arma  coegerunt  tam  detestabile  moustrum 
audere?   anne  aiiam  terra  Mempbitide  sicca 
invidiam  facerent  nolenti  surgere  Nilo? 
qua  uec  terribiles  Cimbri  nec  Brittones  umquam 
Sauromataeque  truces  aut  immanes  Agatbyrsi, 
bac  saevit  rabie  iubelle  et  inutile  vulgus, 


115 


120 


125 


112  iam  oni.  P        114  zacynthos  P  (g  pro  c  p):  saguntus  a 


cipumfilios  libcralibus  artibus  erudire 
et  ingenia  Britannorum  studiis  Gal- 
lorum  anteferre,  ut  qui  inodo  lin- 
guam  Bomanam  abnuehant,  eloqiicn- 
tiam  eoncupisccrent. 

112  Thyle  galt  fiir  den  aufsersten 
Norden;  vielfach  erkannte  man 
darin  eine  der  Shetlands-Inseln, 
Mainland,  die  noch  vor  2  Jahr- 
hunderten  den  Namen  Thyl  gefiihrt 
haben  soll. 

113  sq.  nobilis  ille  popuJus  ist  Ca- 
lagurris;  gleich  heroisch  (^jar  vir- 
tute)  war  die  Verteidigung  von 
Sagunt  gegen  Hannibal,  Liv.  XXI  8, 
aber  wahrend  Sagunt  vollig  zer- 
stort  wurde,  blieben  die  Mauern 
von  Calagurris  verschont. 

1153q.  Steigerung:  dieMenschen- 
fresserei  in  Agypten  ist  noch  grau- 
siger  als  selbst  die  Menschenopfer 
unter  den  Tauriem.  —  Die  Meto- 
nymie  in  Aeggptos  ist  dieselbe  wie 
in  6,  295  hinc  fluxit  ad  istos  et 
Syharis  collcs,  hinc  et  Bhodos  et 
Mildos. 

117  sq.  Zu  ut  iam  digna  fide  credas 
vgl.  zu  14,  240.  10,  174.  6,  643.  — 
gravius  (zu  29)  neben  uUerius  (1, 
147)  ist  hier  tautologisch.  —  quis 
modo  casus  =  qiiis  autem  est  qid 
modo  casus  cogitari  iwssit?  Cic. 
Tusc.  V  66  quis  est  omnium,  qui 
modo  cum  Musis  haheat  aliquod 
commercium  ?   Doch  druckt  an  un- 


serer  Stelle  modo  mehr  die  Ver- 
wunderung  aus,  wie  sonst  autem, 
vero,  tandem. 

120  infesta  vallo  die  Stadt  be- 
drohend  oder  umschliefsend,  so  dafs 
Lebensmittel  nicht  eingefiihrt  wer- 
den  konnen. 

123  invidiam  Nilo  facerent,  dem 
Stromgott  Hafs  zuziehen  durch  eine 
That  (hier  durch  Menschenopfer), 
deren  Schuld  auf  ihn  filllt,  weil  er 
nicht,  wie  sonst,  zur  Befruchtung 
des  Landes  sich  iiber  die  Ufer  er- 
hebt  (nolenti  =  si  nollet).  Vgl.  zu  95. 

124  Hor.  III  4,  33  visam  Bri- 
tannos  hospitihus  feros,  denn  sie 
galten  fiir  wilder  als  die  Kelten, 
die  Bewohner  von  Irland  sogar  fiir 
Menschenfresser,  Strabo  IV  201. 
Die  Druiden  brachten  Menschen- 
opfer  dar,  Tac.  XIV  30  cruore  captivo 
adolere  aras  fas  habehant.  —  Zu 
Cimhri  vgl.  8,  249. 

125  In  Sauromataeque  setzt  cpce 
die  vorangehende  Negation  fort 
(vgl.  13,  44),  weshalb  auch  aut, 
nicht  et  Agathyrsi  folgt.  Diese 
waren  ein  Volksstamm  im  europiii- 
schen  Sarmatia,  und  daher  den 
Sauromatae  verwandt,  Verg.  IV  146 
pictique  Agathyrsi,  sc.  fremunt. 

126  inhelle  et  inutile,  zu  keinem 
Werk  des  Krieges  und  des  Frie- 
dens  brauchbar.  Die  Umschreibung 
des  Namens  durch  Aufzahlung  her- 


296 


IVVENALIS 


parvula  fictilibus  solitum  dare  vela  phaselis 

et  brevibus  pictae  remis  incumbere  testae. 

nec  poenam  sceleri  invenies,  nee  digna  parabis 

supplicia  his  populis,  in  quorum  mente  pares  suut 

et  similes  ira  atque  fames.    mollissima  corda 

liumano  generi  dare  se  natura  fatetur, 

quae  lacrimas  dedit;  haec  nostri  pars  optima  sensus. 

plorare  ergo  iubet  casum  lugentis  amici 

squaloremque  rei,  pupillum  ad  iura  vocantem 

circumscriptorem,  cuius  manantia  fletu 

ora  puellares  faciunt  incerta  capilli. 

naturae  imperio  gemimus,  cum  funus  adultae 

virginis  occurrit  vel  terra  clauditur  infans 

et  minor  igne  rogi.    quis  enim  bonus  et  face  dignus 


130 


135 


140 


134  casum  lugentis  <;:  causam  dicentis  Pco       136  fletus  p 


vorstechenderEigenschaften  ist  echt 
juvenalisch,  vgl.  6,  7.  160.  5,  153. 
10,  225.  14,  291,  und  zu  10,  28. 
—  Von  den  thonernen  Kiihnen  der 
Agypter  spiicht  auch  Strabo  p.  788 
at  (i.  e.  dLCOQvxsg)    kutcc    QaCTcovriv 

nXsOVTCCL    TOOaVTTJV   C06TS   Kal    66TQCC- 

■nivcc  iviotg  sivuL  noQ&^eicc ,  Verg. 
georg.  IV  289  et  circum  inctis  ve- 
liitur  sua  rura  pliaselis,  d.  h.  wah- 
rend  der  tJberschwemmung  des 
Mls.  Man  denke  an  unsere  Gron- 
lander.  —  Jeder  Ausdruck  ist  be- 
rechnet,  das  Lacherliche  der  Sache 
hervorzuheben ,  incumbere  neben 
brevibus  remis,  dann  testae  und 
pictae  ! 

131  ira  atque  fames,  die  in  der 
Wut  dasselbe  thun,  wozu  sonst  nur 
die  aufserste  Not  den  Menschen 
drangen  kann. 

131—174:  Die  Natur  selbst,  die 
unter  allen  Geschoijfen  allein  dem 
Menschen  die  Thrane  gegeben  hat, 
weist  uns  hin  zur  Teilnahme,  zuiji 
Mitleid,  zur  Geselligkeit,  zur  gegen- 
seitigen  Hiilfeleistung.  In  unserer 
Zeit  aber  ist  die  concordia  ver- 
schwunden,  schlimmer  als  wilde 
Tiere  wiiten  die  Menschen  gegen 
sich  und  kehren  das  Eisen,  das 
urspriinglich  zur  Kultur  bestimmt 
war,  gegen  sich  zum  Mord;  ja  wir 
sehen  jetzt  Volker,  die  den  Men- 
schen  gliedweise  zerreifsen  und  auf- 
fressen.    Wie  hoch  steht  iiber  sol- 


chen  Bestien  ein  Pythagoras,  dessen 
Leben  doch  einer  grauen  Vorzeit 
angehOrt!  So  scheint  die  Mensch- 
lichkeit  nicht  vorwarts,  sondern 
riickwarts  zu  gehen. 

131  mollissima  warm  fuhlend, 
vgl.  1,  83  anima  caluerunt  mollia 
saxa,  12,  85  ac  mollis  ornate  focos 
(aus  Rasenstiicken). 

132  fatetur,  wie  10,  172  mors 
sola  fatetur,  quantula  sint  hominum 
corpuscula. 

134  Mit  casiis  ist  vielleicht  dio 
Ungnade  angedeutet,  in  die  der 
Freund  plotzlich  bei  seiuem' Kaiser 
gefallen  ist.  Er  ist  reus  und  des- 
halb  im  Zustand  des  luctus,  der 
sich  aufserlich  als  squalor  kund- 
giebt.  —  Hor.  ep.  11  1,  122  vom 
Dichter:  vatis  avarus  non  temere 
est  animus,  non  fraudem  socio 
puerove  incogitat  ullam  pupillo. 

136  sq.  Der  circumscriptor  (14, 
237)  ist  der  tutor  des  Knaben.  Die- 
ser  erscheint  durch  die  ]iuellares 
capilli  (zu  3,  186)  ganz  madchenhaft. 

140  minor,  vgl.  3,  160  censu 
minor,  wo  sarcinulis  impar  damit 
verbundeu  ist.  Kinder,  die  gestorben 
waren,  ehe  sie  noch  einen  Zahn 
hatten,  wurden  nie  verbraunt,  son- 
dern  begraben.  Man  scheute  wohl 
auch  die  Kosten  des  rogus.  Plin. 
h.  n.  7,  72  hominem  prius  quam 
genito  dente  cremari  mos  gentium 
non  est.  —    face  arcana  der  eleu- 


LIBRI  V    SATVRA  XV 


297 


arcana,  qualem  Cereris  vult  ess^  sacerdos, 

ulla  alieua  sibi  credit  mala?   separat  hoc  uos 

a  grege  mutorum,  atque  ideo  venerabile  soli 

sortiti  ingenium  diviuorumque  capaces 

atque  exercendis  tradendisque  artibus  apti 

sensum  a  caelesti  demissum  traximus  arce, 

cuius  egeut  prona  et  terram  spectantia.    mundi 

priucipio  iudulsit  communis  conditor  illis 

tantum  animas,  nobis  animum  quoque,  mutuus  ut  nos 

adfectus  petere  auxilium  et  praestare  iuberet, 

dispersos  tahere  in  populum,  migrare  vetusto 

de  nemore  et  proavis  habitatas  linquere  silvas, 

aedificare  domos,  laribus  couiungere  nostris 

tectum  aliud,  tutos  vicino  limine  somnos 

ut  collata  daret  fiducia,  protegere  armis 

lapsum  aut  ingenti  nutantem  volnere  civem, 

communi  dare  signa  tuba,  defendier  isdem 

turribus  atque  una  portarum  clave  teneri. 

sed  iam  serpentum  maior  concordia,  parcit 


145 


150 


155 


145  tradendis  Tr,-  capiendis  supplevit  p  ♦♦*endis  F      155  colata  P 
157  defendi**  P 


sinischen  Weihe,  dem  Ideal  sitt- 
licher  Reinheit.  Wer  zur  Weihe 
oder  zum  Fackelzug  der  Mysten 
{SaSovx^tv)  Znlafs  begehrte,  von 
dem  verlangt  der  Hierophant  Sitten- 
reinheit  und  fromme  Gesinnung. 
Diese  Mysterien  verbreitete  in  Rom 
nach  einem  Versuch  des  Claudins 
(Suet.  25)  besonders  Hadrian,  vgl. 
Ael.  Lampr.  Alex.  Sev.  18  quem- 
admodum  in  Eleusinis  sacris  dici- 
tur ,  ut  nemo  ingrediatur  nisi  qui 
se  innccentem  novit.   Aur.  Vict.  14. 

143  a  grege  mntorum,  wie  8,  56 
animalia  muta  quis  generosa  putet 
nisi  forlia? 

144  ingenium  Vemunft.  —  Der 
Mensch  vermag  Kunst  und  Wissen- 
schaft  {artes)  zu  uben  (exercere) 
und  zu  lehren  (tradere),  d.  h.  auf 
andere  zu  ubertragen. 

146  sensum  Gefiihl.  —  Zu  demis- 
sum  trciximus  vgl.  die  Bemerkung 
7,  84. 

147  Ovid.  met.  I  84  pronaque 
cum  spectent  animaJia  cetera  terram, 
os  homini  suliUme  dcdit,  caelumqtie 
tueri  iussit  et  erectos  ad  sidera 
tollere  tultus. 


149  animas  .  .  animum,  Cic.  Tusc. 
I  65  ergo  animus  divinus  est,  et 
quidem,  si  deus  aut  anima  aut  ignis 
est,  idem  est  animus  hominis.  Senec. 
ep.  95,  52  natura  nobis  amorem  in- 
didit  mutuum  et  sociahiles  (Jc5a 
TtoXixiv.d)  fecit. 

151  Es  war  dies  seit  Aristoteles 
ein  locus  communis  der  Rhetoren, 
vgl.  Cic.  inv.  I  1  sq. 

155  Das  Vertrauen  des  einen  auf 
den  andern  {coUata  fiducia)  ver- 
ursacht  Ruhe  und  Sorglosigkeit, 
die  sich  gnindet  auf  den  Schutz 
des  Nachbarhauses.    Vgl.  zu  7,  84. 

157  defendier,  vgl.  Pers.  1,  28 
digito  monstrari  et  dicier  'hic  esf , 
3,  50  non  fallier. 

159  'Die  ganze  Stelle  hat  den 
Ausdruck  gemafsigter  Indignation, 
und  es  ist  die  wichtige  Betrach- 
tung,  die  fast  unwillkiirlich  darauf 
fiihrt,  dafs  es  iu  der  Welt  nicht 
immer  kann  so  gewesen  sein,  dafs 
die  Menschheit  einst  einen  besscrn, 
ihrer  moralischen  Natnr  gemafsern 
Zustand  gehabt  haben  mufs,  uud 
der  jetzige  Zustand  der  Unnatnr, 
der    Zwietracht,    Verfolgxmg    und 


298 


IVVENALIS 


cognatis  maculis  similis  feraj  quando  leoui 

fortior  eripuit  vitam  leo?   quo  nemore  umquam 

expiravit  aper  maioris  dentibus  apri? 

Indica  tigris  agit  rabida  cum  tigride  pacem 

perpetuam,  saevis  inter  se  convenit  ursis. 

ast  homini  ferrum  letale  iucude  nefauda 

produxisse  parum  est,  cum  rastra  et  sarcula  tantum 

adsueti  coquere  et  marris  ac  vomere  lassi 

nescierint  primi  gladios  extendere  fabri. 

aspicimus  populos,  quorum  non  sufficit  irae 

occidisse  aliquem,  sed  pectora  bracchia  vultum 

crediderint  genus  esse  cibi.    quid  diceret  ergo, 

vel  quo  non  fugeret,  si  nunc  haec  monstra  videret 

Pj^thagoras,  cuuctis  animalibus  abstinuit  qui 

tamquam  homine  et  ventri  indulsit  non  omne  legumeu? 


160 


165 


170 


168  excudere  <s  Scrvius  georg.  II  539         170  voltu*  P        171  cre- 
cliderant  florilegmm  174  homini  P       omnes  P  omisso  extremo  verbo 


Zerstorung  nur  Verfall  der  Mensch- 
heit  und  Abfall  von  Gott  und  der 
Natur  ibt.  Dahin  deuten  die  alten 
Sagen,  die  schone  sinnvolle  Dich- 
tung  vom  Paradies  und  dem  Siin- 
denfall,  und  derMythus  der  Griechen 
vom  goldenen  Weltalter  und  den 
darauf  folgenden  immer  schlechte- 
ren  Zeitaltern.'    Heinrich. 

160  maculis  als  Abl.  mit  similis 
zu  verbinden  ware  prosaisch;  es 
gehort  zu  dem  attributiven  cognatis, 
wodurch  auch  similis  fera  =  cognata 
fera  wohl  eine  signifikante  Bedeu- 
tung  erhalt.  Zum  Folgenden  vgl. 
Hor.  epod.  7,  11  neque  liic  lupis 
mos  nec  fuit  leonibus,  numquam  nisi 
in  dispar  feris. 

163  tigride,  wie  6,  270  orha  ti- 
gride  peior. 

166  produxisse,  wie  ferrum  ex- 
tendere,  vgl.  zu  7,  54.  —  cum  wah- 
rend  doch.  Zur  Sache  Verg.  georg. 
H  539  necdum  ctiam  audierant  in- 
flari  classica,  necdmn  inpositos  duris 
crepitare  incudibus  enses. 


171  Wie  sonst  zu  dem  Attributiv 
eines  Substantivs  ein  zweit.es  ge- 
fiigt  wird  in  einem  konjunktivischen 
Relativsatz  {qui,  et  qui,  sed  qui  mit 
Konjunktiv),  so  steht  hier  statt 
des  ersten  Attributs  ein  Relativsatz 
im  Indikativ,  dem  ein  zweiter 
(gegensatzlicher)  Attributivsatz  im 
Konjunktiv  angereiht  wird.  Ein 
Indic.  Perf.  crediderunt  ware  hier 
unmoglich. 

172  fugeret,  vgl.  2, 1  ultra  Sauro- 
matas  fugere  hinc  libet. 

173  Allerdings  geht  die  Satzung 
des  Pythagoras  selbst  auf  agypti- 
schen  Brauch  zuruck.  Aber  darauf 
kommt  es  hier  nicht  an.  Pythagoras 
handelte  aus  Scheu  vor  dem  mensch- 
lichen  Geist,  den  er  in  diesen  Dingen 
zu  erkennen  glaubte.  Von  den 
Xgyptern  konute  Juvenal  ein  sol- 
ches  Motiv  nicht  annehmen,  da  sie 
eben  ein  so  grafsliches  Beispiel 
unmeuschlicher  Barbarei  gegeben 
hatten. 


LIBRl  V    SATVRA  XVI 


299 


SATVRA  XVI 

Quis  numerare  queat  felicis  praemia,  Galli, 
militiae?   nam  si  subeuntur  prospera  castra, 
me  pavidum  excipiat  tironem  porta  secuudo 
sidere.    plus  etenim  fati  valet  hora  benigni, 
quam  si  nos  Yeneris  commendet  epistula  Marti 
et  Samia  genetrix  quae  delectatur  harena. 

commoda  tractemus  primum  communia,  quorum 

1  galle  poa        ante  3  lacunam  statuerat  lahn 


Sat.  XVI. 
Die  Satire  behandelt   die  allge- 
meinen    und    besonderen    Vorteile 
des    Militarstandes,    ist    uns    aber 
nicht  mehr  voUstandig  uberliefert. 
V.   60    bricbt    plotzlich    ab,    ohne 
dafs  der  angefangene  Gedanke   zu 
Ende  gefuhrt  ist.     Da   nun  im  Pi- 
thoeanus  V.  60  der  letzte  Vers  auf 
der  letzten  Seite   eines   Quaternio 
ist,  80  ist  damit  auch  der  aufsere 
Beweis    geliefert,    dafs    die    Satire 
nicht    etwa    vom    Dichter    unvoll- 
endet  hinterlassen ,   sondern  durch 
den  Verlust   eines    oder   mehrerer 
Blatter  im   cbdex  archetypus    ver- 
stiimmelt  worden  ist.     Auch   fehlt 
in    P   jede    subscriptio,   sogar    ein 
einfaches  explicit,  wahrend  am  Ende 
der  ubrigen  Biicher  die  subscriptio 
vorhanden    ist.     Bedeutungslos   ist 
die    Notiz    in    den    Scholien:    ista 
(satura)   a   plerisque   exploditur   et 
dicitur    non   esse   luvenalis ,    denn 
gie    ist    wahrscheinlich    erst    ent- 
standen,  als  die  Satire  bereits  ver- 
stummelt  war.  Fur  Juvenals  Autor- 
.schaft    sprechen    die    hlstorischen 
Beziehungen    und    die   Ausdrucks- 
weise.   Die  Satire  ist  an  einen  ge- 
wissen   GaJlius  gerichtet,  den  wir 
nicht   weiter   kennen.     Der   Name 
Gallius    kommt    aber    auch    sonst 
ofters  bei  Cicero  und  Suetonius  vor. 
1    Der  Anfang    hat  Ahnlichkeit 
mit  15,  1,  ja  selbst  mit  8,  1  und 
1,  1.  —   felicis  (verwandt  mit    fe- 
cundus)   fruchtbar,   ergiebig,    ahn- 
lich  wie  59  feUcissimus  =  begliickt, 
mit  Vorteilen  iiberhauft,  vielleicht 
anch  4,  8  rumo  mdlus  felix,  6,  258 
tu  felix  ocreas  vendente  pjuella,  13, 


187  felix  sapientia,  umgekehrt  13. 
142  nati  infelicibus  ovis. 

2  subeuntur  castra,  wie  6,  419 
lahiea  notte  subit,  14,  220  limina 
vestra  subit,  3,  28  dextram  subeunte 
baciUo,  4,  10  terram  subitura  sacer- 
(los.  —  prospera  glanzend,  durcVi 
Erfolge  ausgezeichnet,  wie  10,  97 
sed  quae  praeclara  et  prospera  tanti, 
ahnlich  12,  63  tempora  prospera 
giinstiges  Wetter. 

3  Bedingung  des  Erfolges  ist, 
dafs  das  Regiment  {castra)  an  sich 
angeseheh  und  ruhmreich  {prospera) 
ist,  dann  aber  auch,  dafs  dera  Neu- 
ling  bei  seinem  Eintritt  die  ge- 
heimnisvoUe  Sternenmacht  (7,  200 
sidus  et  occidti  miranda  potentia 
fati)  nicht  abhold  ist,  denn  ohne 
ihre  Gunst  ist  im  Leben  nun  ein- 
mal  kein  Erfolg  moglich,  vgl.  7, 
195  distat  enim  quae  sidera  te  ex- 
cipiant  modo  primos  incipientem 
edere  vagitus,  9,  33  nam  si  tibi 
sidera  cessant,  nil  facies. 

4  hora,  vgl.  6,  577  hora  sumitur 
ex  libro,  6,  581  capiendo  nuTla  vi- 
detur  aptior  hora  cibo ,  nisi  quam 
dederit  Petosiris.  —  Auch  bmignus 
ist  ein  Lieblingswort  des  Dichters, 
vgL  10,  301.  12,  64.  14,  34.  ^ 

6  Die  Umschreibung  dea  Namens 
luno,  der  Mutter  {genetrix)  des  Mars 
(Hom.  E  892),  ist  echt  juvenalisch, 
vgl.  zu  15,  126. 

7  Zuerst  soU  von  den  allgemeinen 
Vorteilen,  welche  Offiziere  und  Ge- 
meine  gemeinsam  haben,gesprochen 
werden,  dann  von  den  besonderen 
Vorteilen  der  Offiziere  und  viel- 
leicht  auch  der  Soldaten.  Aber  der 
erste   Abschnitt  ist  zum  Teil,   der 


300 


IVVENALIS 


haud  minimum  illud  erit,  ne  te  pulsare  togatus 
audeat,  immo  etsi  pulsetur,  dissimulet  uec 
audeat  excussos  praetori  ostendere  dentes 
et  nigram  in  facie  tumidis  livoribus  offam 
atque  oculum  medico  nil  promittente  relictum. 
Bardaicus  iudex  datur  liaec  punire  volenti 
calceus  et  grandes  magna  ad  subsellia  surae 
legibus  antiquis  castrorum  et  more  Camilli 
servato,  miles  ne  vallum  litiget  extra 


10 


15 


12   oculos  oj        relictum    om.  P  relictos  pco 


zweite  ganz  verloren  gegangen.  — 
commoda  steht  an  derselben  Vers- 
stelle  9,  89,  und  communia  13, 140. 
—  Das  Verb  tractare  gebraucht 
sonst  Juv.  nirgends  im  Sinne  von 
exponere,  explicare  oder  persequi, 
vgl.  11,  28  und  9,  53. 

8  Das  prosaische  haud  minimum 
gebraucht  sonst  Juv.  nicht.  Im 
Effektivsatz  steht  hi^  ne  wie  in: 
vos  adepti  estis,  ne  qiiem  civem 
metueretis.  —  togatus  Civilist;  ist 
er  Provinziale  und  nicht  zugleich 
civis  Momanus,  so  heifst  er,  wie 
V.  33,  paganus,  vgl.  8,  240  toga 
als  Friedens-  oder  Biirgerkleid  (opp. 
sagum),  10,  8  nocitura  toga,  nocitura 
petuntur  miUtia. 

9  dissimiilet ,  vgl.  9,  70  ut  dissi- 
mules,  ut  mittas  cetera. 

10  Die  Wiederholung  von  audeat 
ist  satirisch:  dafs  der  Civilist  dich 
nicht  zu  schlagen  wagt,  ja,  wenn 
etwa  er  geschlageu  wird,  es  ver- 
heimlicht  und  es  nicht  einmal  wagt 
mit  den  deutlichsten  Spuren  der 
Mifshandlung  vor  den  Prator  zu 
treten.  Der  beleidigte  Biirger  wen- 
det  sich  an  den  stildtischen  Prator, 
dieser  aber  mufs,  weil  der  Beklagte 
Soldat  ist,  die  Klage  der  MilitS,r- 
behorde,  in  Rom  dem  praefectus 
praetorio,  uberweisen,  worauf  dann 
ein  Militargericht  (iudices  castrenses) 
zur  Vei'handlung  eingesetzt  wird. 

11  Die  Geschwulst  oder  Beule 
{offa,  vgl.  2,  33)  wird  gebildet  durch 
aufgeschwollene  blaue  Stellen  {tu- 
midis  livoribus)  und  ist  mit  Blut 
uuterlaufen  {nigram). 


12  Er  hat  zwar  noch  sein  Auge 
{relictum),  aber  in  einem  solchea 
Zustande,  dafs  der  Arzt  die  Heilung 
und  Erhaltung  desselben  nicht  sicher 
versprechen  kann. 

13  sq.  Bardaictis  calceus  metony- 
niisch  fiir  miles  hoc  calceo  indutus, 
d.  h.,  wie  die  Scholien  richtig  er- 
klaren,  ein  Centurio.  Er  wiid  iudex, 
d.  h.  Vorsitzender  der  Verhaiidlung, 
dem  ein  consilium  vou  grandes 
surae,  von  altgedienten  Soldaten 
und  vielleicht  auch  Centurionen 
(17)  beigegeben  ist.  'AqSlk  hiefs 
eine  Landschaft  Illyriens  am  Adria- 
tischen  Meer,  die  Einwohner  'Aq- 
diatoiy  spater  OvaQdaLot,  die  man 
im  Lateinischen  bald  Bardaei  bald 
Vardaei  nannte.  NachdiesemVolks- 
stamm  nannte  man  einen  derben 
Lederstiefel  calceus  Bardaicus  oder 
nur  Bardaicus  (vgl.  16  gallica,  sc. 
solea),  Mart.  IV  4,  5  lassi  vardaicus 
cvocati  der  auf  langem  Marscbe 
durchgeschwitzte  Soldatenstiefel.  — 
ad  subsellia  ist  mit  datur  zu  ver- 
binden:  die  grandes  surae  bilden 
die  Geschwornenbank.  Weil  die 
milites  {evocati?)  grandes  oder  magni 
sind  (Hor.  sat.  I  6,  73  magni  cen- 
turiones),  so  miissen  die  subsellia 
ebenfalls  magna  sein,  beides  nicht 
ohne  Ironie. 

15  sq.  Auf  Camillus  wurden  alle 
alteren  militarischen  Institutionen 
Roms  zuriickgefiihrt.  —  Durch  dic 
Einfiihrung  des  stehenden  Lagers 
derPratol'ianerunterTiberius(hinter 
dem  Servianischen  Wall)  wurde 
der  Satz  miles  ne  vallum  litiget 
extra  fiir  die  Romer  empfindlicher. 


LIBRI  V    SATVRA  XVI 


301 


et  procul  a  signis.    iustissima  centurionum 

cognitio  est.   igitur  de  milite  nec  mihi  derit 

ultio,  si  iustae  defertur  causa  querellae. 

tota  tamen  cliors  est  inimica,  omnesc|ue  manipli 

consensu  magno  efticiunt,  curabilis  ut  sit 

vindicta  et  gravior  quam  iniuria.    dignum  erit  ergo 

declamatoris  mulino  corde  Vagelli, 

cum  duo  crura  habeas,  offendere  tot  caligas,  tot 

milia  clavorum.    quis  tam  procul  absit  ab  urbe 

praeterea,  quis  tam  Pylades,  molem  aggeris  ultra 


20 


2.5 


18  cognitio  est  igitur  continuahatur       20  tamen  cohors  P  eorr.  B. 
cohors  tamen   (o         23  mutiuensi  S^         24  caligatos  P<s 


18  Der  Dichter  identifiziert  sich 
mit  dem  kUigeriachen  Civilisten: 
Ich  wili  es  gerne  zugestehen  oder 
annehmen  (denn  est  ist  thetischer 
Indikativ  wie  7,  242  und  9,  41), 
das  Verfahren  der  Centurionen  ist 
der  Gerechtigkeit  vollkommen  ent- 
sprechend:  es  wird  folglich  in 
der  Sache  gegen  den  Soldaten 
{de  viilite)  die  gehorige  Satisfaktion 
{uUio)  auch  mir  nicht  {nec  mihi) 
vorenthalten  werden,  wenn  meine 
Klage  gerechtfertigt  ist,  aber  dann 
habe  ich  die  ganze  Kohorte  zum 
Feind!  —  igitur  steht  im  Satze  an 
erster  Stelle  noch  6, 210. 9, 20. 10, 285, 
sonst  immer  an  zweiter,  mitunter 
auch  an  dritter,  niemals  aber  an 
vierter  Stelle,  wie  man  bisher  hier 
angenommen  hat:  iustissima  cen- 
turionum  cognitio  est  igitur  de  mi- 
lite,  nee  mihi  derit  ultio. 

19  querellae  von  der  gerichtlichen 
Klage  wie  13,  135  sed  si  ciincta 
vides  simili  fora  plena  querella. 

.  20  chors  verachtUch  fiir  eohors, 
die  ganze  Rotte,  denn  chors  wurde 
ganz  gewobnlich  fiir  stabulum  ge- 
braucht,  vgl.  Mart.  III  58,  12  va- 
gatur  omnis  turba  sordidae  chortis, 
Cic.  or.  II  263  sagt  Glaucia  zu 
MeteUus:  villam  in  Tiburte  habes, 
chortem  in  Palatio ,  ebeufalls  = 
Bande  oder  wilde  Rotte  {&riqiu). 

21  consen.su  magno  durch  ihre 
miichtige,  gewaltige  Verschworung. 
Die  Kohorte  enthielt  drei  Manipel 
oder  sechs  Centurien. 

22  vindicta  ist  die  Strafe  oder 
die  Bufse,  die  der  verurteilte  Soldat 


erlitten  hat,  vgl.  13,  180  u.  191. 
Seine  Kameraden  sorgen  dafiir,  dafs 
er  die  Strafe  nicht  fiihlt,  hau))t- 
siichUch  durch  Kriinkung  uud  Mifs- 
handluDg  des  Klagcrs  und  seiner 
Partei,  so  dafs  die  Bestrafung  nicht 
nur  leicht  geheilt  oder  gut  ge- 
macht  wird,  sondern  ftir  den  Kliiger 
viel  hiirter  und  empfindlicher  als 
die  friiher  erlittene  Insolenz  {in- 
iuria)  wird,  d.  h.  fiir  die  Bestrafung 
des  Soldaten  schliefslich  der  Kliiger 
biifsen  mufs,  und  zwar  schwerer 
als  die  vorher  erlittene  Injurie  war. 

23  mulino  corde Dummheit,  Catull. 
83,  3  mule,  nihil  sentis,  Plaut.  cist. 
IV  2,  12  mulo  inscitior ,  es  ist  der 
D.  des  VagelUus  (zu  13,  119)  ent- 
sprechend  {dignum),  es  mufs  einer 
schon  gar  so  dumm  wie  Vagellius 
sein. 

24  Vgl.  3,  248  et  in  digito  clavus 
mihi  militis  haeret. 

25  Es  mufs  einer  schon  recht 
entfernt  von  Rom  wohnen  und  ihm 
darum  das  Leben  in  Rom  schon 
sehr  unbekannt  sein,  wenn  er  es 
wagt  als  Beistand  eines  Civilisten 
vor  dem  Militiirgeiicht  im  Lager 
der  Pratorianer  {iiltra^^  violem  ag- 
geris)  zu  erscheinen.  Ahnlich  sagt 
Prop.  ni  32,  48  qui  quaerit  Tatios 
veteres  durosque  Sabinos,  hic  posuit 
nostra  nuper  in  urbe  pedem,  ist 
sicher  ein  Neuling  oder  Fremdling 
in  der  Stadt.  Vgl.  13,  160  paueos 
eonsume  dies  et  dicere  te  miserum 
aude. 

26  Ein  solcher  Zeuge  miifste  ein 
zweiter  Pylades  sein,  der  fiir  seinen 


302 


IVVENALIS 


ut  veniat?   lacrimae  siccentur  protinus,  et  se 
excusaturos  non  sollicitemus  amicos. 
Ma  testem'  iudex  cum  dixerit,  audeat  ille 
nescio  quis,  pugnos  qui  vidit,  dicere  Vidi', 
et  credam  dignum  barba  dignumque  capillis 
maiorum.    citius  falsum  producere  testem 
contra  paganum  possis,  quam  vera  loquentem 
contra  fortunam  armati  contraque  pudorem. 

praemia  nunc  alia  atque  alia  emolumenta  notemus 
sacramentorum.    convallem  ruris  aviti 
improbus  aut  campum  mihi  si  vicinus  ademit 
et  sacrum  elfodit  medio  de  limite  saxum. 


30 


35  adquemolumenta  P    aliae  add.  p        38  effodi  P 


Freund  die  anfsersten  Gefahren,  ja 
selbst  den  Tod  nicht  furchtet. 

27  Verniinftiger  istesdenSchmerz 
und  Unwillen  iiber  die  erlittenen 
Unbilden  zu  bemeistern  und  die 
Freunde  gar  nicht  zum  Beistand 
aufzufordern,  da  sie  ja  doch  sicher 
unter  allen  nur  moglichen  Aus- 
fliichten  ablehnen  werden  (se  ex- 
cusaturos).  —  lacrimae  siccentur,  wie 
Prop.  I  19,  23  quam  vereor  ne  te 
contempto,  Cynthia,  iusto  ahstraliat 
a  nostro  pulvere  iniquus  Amor,  cogat 
et  invitam  lacrimas  siccare  cadentes. 

28  Zu  sollicitemus  vgl.  9,  37 
quamvis  te  blandae  tabellae  solli- 
citent. 

29  da  testem,  vgl.  3, 137  da  testem 
Bomae  tam  sanctum  etc. 

30  nescio  quis  auch  1,  130,  nescio 
quid  11,  48.  —  pugnos,  vgl.  15,  58 
plenos  oculorum  sangiiine  pugnos, 
3,  300  pulsatus  rogat  et  pugnis  cun- 
cisus  adorat,  ut  liceat  paucis  cum 
dentibus  inde  rcverti.  —  vidi,  wie 
7,  13.  Hier  enthalt  vidi  neben  vidit 
einen  bitteren  Sarkasmus. 

31  et  credam,  wie  13,  161  con- 
sume  et  aude  dicere.  Ein  solcher 
Zeuge  wiire  ein  vir  barbatus  (4,» 
103)  oder  capillatus  (5,  30),  d.  h. 
ein  homo  antiquus  et  sanctus,  wie 
etwa  3,  137  der  hospes  nuviinis 
Idaei,  wie  Numa  oder  Metellus 
Caecus. 

32  citius  steht  dem  alteren  klassi- 
schen  Sprachgebrauch  entsprechend 
hier  wie  15,  19  und  ahnlich  wie 
10,  225. 


33  Tac.  h.  I  53  inter  paganos 
corruptior  miles,  Suet.  Aug.  27  ad- 
missa  turba  paganorum  apud  mi- 
lites,  Tac.  h.  II  14  mixtis  paganis, 
immer  im  Gegensatz  zum  Kriegs- 
volk. 

34  fortunam,  denn  die  Verurtei- 
lung  konnte  die  Beforderuhg  des 
viiles  hemmen,  die' Bestrafung  sein 
Ehrgefuhl  {pudorem,  zu  8,  83)  ver- 
letzen,  die  Sache  selbst  ihm  Schande 
machen. 

35  alia  atque  alia  bei  Juv.  nur 
hier,  doch  ist  3,  268  ahnlich:  re- 
spice  nunc  alia  atque  diversa  peri- 
cula  noctis.  —  emolumenta  auch 
3,  22. 

36  sq.  sacramentorum  fiir  militiae, 
da  der  Soldat  unter  Ableistung  des 
Fahneneides  auf  den  Namen  des 
Impeiators  in  die  Armee  eintritt. 
Daher  schon  Caes.  VI  1  consulis 
sacramento,  Tac.  h.  I  5  miles  longo 
Caesarum  sacramento  imbutus.  — 
convallis  ist  das  von  Bergen  um- 
schlossene,  campus  das  im  weiten 
Thal  liegende  Grundstiick. 

38  sacrum  saxum,  den  Terminus, 
der  bei  dem  landlichen  Flurfeste 
am  23.  Februar  mit  unblutigen 
Opfern,  wie  Kuchen  und  Spelt, 
nach  alter  Sitte  verehrt  wurde, 
Ovid.  f.  II  639  Termine,  sive  lapis, 
sive  es  defossus  in  agro  stij^es  ab 
antiquis,  sic  quoque  numen  habes. 
Te  duo  iliversa  domini  pro  parte 
(denn  er  steht  auf  der  Mitte  des 
Rains,  des  limen)  coronant,  binaqiie 
serta  tibi  binaque  liba  ferunt.    Die 


LIBRI  V     SAIVriA  XVI 


303 


quod  mea  cum  patulo  coluit  puls  annua  libo, 
Jebitor  aut  sumptos  pergit  uou  reddere  uummos 
vana  supervacui  dicens  chirograplia  ligui, 
expectandus  erit  qui  lites  inchoet  auuus 
totius  populi.    sed  tuuc  quoque  mille  fereuda 
taedia,  mille  morae;  totiens  subsellia  tantum 
sternuntur,  iam  facundo  ponente  lacernas 
Caedicio  et  Fusco  iam  micturiente  parati 
digredimur,  leutaque  fori  pugnamus  harena. 


40 


45 


Verschiebung  des  Kainsteins  ge- 
wahrte  eine  actio  termini  moti. 
Daran  reiht  der  Dichter  das  Bei- 
spiel  einer  actio  depositi,  vgl.  Walter, 
Romische  Rechtsgeschichte  I  §  249. 
II  736. 

39  patulo  erinnert  an  Verg.  VII 
115  patulis  nec  parcere  quadris, 
vgl.  13,  74  patulae  vix  ceperat 
angulus  arcae,  3,  277  patulas  de- 
fundere  pelves. 

40  pergit  non  reddere  heharrlich 
verweigert.  Sonst  hat  Juv.  10,  154 
tamen  ultra  pergere  tendit,  und  14, 
122  ire  peragant,  beides  gewohn- 
licher. 

41  ist  wiederholt  aus  13,  137. 
Das  chirographum  ist  ein  eimeitiges 
Bekenntnis  (iber  eine  aus  einem 
Darlehen  herriihrende  Sehnld.  Eine 
solche  Handverschreibung  galt  als 
Verbalobligation.  Daher  konnte  die 
Verbindlichkeit  der  Urkunde  leicht 
bestritten  werden  {vanum),  unter 
dem  Vorwande,  dafs  dem  Ver- 
sprechen  nicht  die  notige  und 
ubliche  Frage  vorangegangen  oder 
dafs  die  Paneien  einander  gar  nicht 
gegenwartig  gewesen  seien.  Vgl. 
Walter,  R.-R.  II  §  574. 

42  qui  lites  inchoet  annus,  der 
Konjunktiv  steht  wie  in  exspectan- 
dum  est,  dum  annus  inchoet  lites, 
denn  ist  das  Abwarten  auch  durch 
die  Verhaltnisse  gegeben,  so  hangt 
es  doch  immer  von  dem  Willen 
und  den  Zweckmafsigkeitsgriinden 
des  Klager.^  ab.  Die  Annahme  von 
Prozessen  erfolgte  in  der  Regel  nur 
bis  znm  1.  September,  da  in  die 
letzten  vier  Monate  des  Jahres  za 
viele  Judi  und  darum  auch  Gerichts- 
ferien  fielen,  vgl.  zu  6,  69  und  Halms 
Einl.  zu  Cic.  Verr.  §  17.  Da  ferner 
Verjahrung    der   Prozesse    eintrat, 


wenn  sie  innerhalb  eines  Jahres 
unter  dem  Magistratua,  bei  dem  sie 
eingebracht  waren,  nicht  zu  Ende 
gefShrt  wurden ,  so  mufste  der 
Kliiger,  woUte  er  sich  gegen  Ver- 
jahrung  schiitzen,  den  Ajitritt  eines 
neuen  Magistrats  abwarten ,  damit 
ibm  die  langste  Frist,  die  Zeit  einer 
ganzen  Magistratur,  zu  gute  kam. 

43  totius  populi  im  Gegensatz  zu 
einem  einzeliien  Stande,  demMDitar. 

44  taedia  Verdriefslichkeiten,  vgl. 
11,  207  und  7,  34. 

45  sq.  Denn  wenn  endlich  (lam)  es 
so  weit  ist,  dafs  der  Rechtsanwalt 
ifacurulo)  Caedicius  (vgl.  13,  197) 
bereits  den  t^^berwurf  der  Toga  (zu 
9,  29)  ablegt  und  der  beriichtigte 
Trinker  Fuscus  (vgl.  12, 45)  in  einen 
angstlichen  Notzustand  gerat  (mic- 
turiente),  da  gehen  wir,  zum  Kampf 
bereit,  wieder  auseinander,  ziehen  ab. 
Plin.  ep.  V  9,  1  descenderam  in 
basiUcam  luliam  audittirus  quibus 
proxima  comperendinatioyie  respon- 
dere  debebam.  sedebant  iudices,  de- 
cemviri  venerant,  obversabantur  ad- 
vocati,  silentium  longum,  tandem  a 
praetore  nuntius:  dimittuntur  cen- 
tumviri ,  eximitur  dies.  —  Die  Be- 
ziehung  von  micturiente  erlautert 
bei  Macrob.  III  16,  15  C.  Titius, 
vir  aetatis  Lucilianae,  in  oratione 
qua  legem  Fanniam  suasit  descri- 
bens  homines  prodigos  in  forum  ad 
iudicandum  ebrios  commeantes  sic 
ait:  veniunt  in  comitium:  tristcs 
(verstimmt)  iubent  dicere,  quorum 
negotium  est  narrant,  iudex  testes 
poscit,  ipsus  it  mictum,  ubi  rediit, 
ait  se  omnia  audivisse,  tabulas 
poscit,  Utteras  inspicit,  vix  prae 
vino  sustinet  palpebras. 

47  pugnwnus  wir  fiihren  den 
Kampf,  aber  nicht  mit  Worten  und 


304 


IVVENALIS 


ast  illis,  quos  arma  tegunt  et  balteus  ambit, 
quod  placitum  est  ipsis  praestatur  tempus  agendi, 
nec  res  atteritur  longo  sufflamine  litis. 
solis  praeterea  testandi  militibus  ius 
vivo  patre  datur.    nam  quae  sunt  parta  labore 
militiae,  placuit  non  esse  in  corpore  census, 
omne  tenet  cuius  regimen  pater.    ergo  Coranum 
siguorum  comitem  castrorumque  aera  merentem 
quamvis  iam  tremulus  captat  pater;  bunc  favor  aequus 


50 


48  illi  P 
labor  pm 


52  lavare  P         53  esset  P         56   favor  JRuperti. 


Rechtsmitteln,  sondern  mittels  des 
Schneckengangs  nnserer  Gerichts- 
verhandlungen  (fori).  Denn  zur  Ent- 
scheidung  kommt  auf  diese  Weise 
der  Kampf,  d.  h.  der  Prozefs,  auch, 
aber  freilich  durch  Verjiihrung  oder 
Erschopfuug  der  Parteien.  —  ha- 
rena,  vom  Ampbitheater  iiber- 
tragen,  ist,  ■wie  sonst  sehr  oft,  der 
Kampf,  die  Kampfesart,  ja  sogar 
der  Kreis  der  Thatigkeit  eines  Man- 
nes,  z.  B.  Plin.  ep.  VI  12,  2  itaque 
Vettio  Prisco  quantum  plurimum 
potuero  praestabo,  praesertim  in 
harena  mea,  hoc  est  apud  centum- 
viros,  d.  h.  auf  meinem  Felde,  wo 
ich  zu  verkehren  und  zu  haudehi 
gewohnt  bin. 

48  ast  illis,  zu  6,  67.  —  balteus, 
viber  der  Schulter,  Verg.  XII  941 
umero  cum  apparuit  alto  balteus. 

49  Den  Soldaten  wird  in  foro 
militari  ein  Termin  leicht  und 
schnell  bewilligt.  Die  Worte  quod 
placitum  est  sind  eine  Hj-perbel 
gegeniiber  den  morae,  die  der  Biir- 
ger  sich  gefallen  lassen  mufs. 

50  res  das  streitige  Objekt,  selbst 
z.  B.  eine  Injurie.  —  sufflamen  ist 
in  iibertragener  Bedeutung  sonst 
nicht  nachweisbar,  wohl  aber  sagte 
Caes.  Aug.  bei  Senec.  contr.  exc.  4 
praef.  7  p.  414  (Bip.)  Aterius  noster 
sufflaminandus  est,  wegen  seiner  zu 
grofsen  velocitas  orationis. 

52  Solange  der  Sohn  in  der 
manus  des  Vatera  ist,  kann  er  kein 
Testament  machen,  weil  er  eigenes 
Vermogen  nicht  besitzt;  denn  was 
or  erwirbt,  erwirbt  er  dem  Vater. 
Der  Soldat  dagegen  hat  das  2^cm- 
litim  castrense.    Was  er  ira  Dienste 


oder  sonst  durch  Geschenke  er- 
worben  hat,  dariiber  kann  der  filius 
familias  miles  als  iiber  sein  Eigenr 
tum  frei  verfiigen,  also  auch  testie- 
ren.  Vgl.  lustinian.  instit.  II 11 — 12. 

53  in  corpore  census  in  der  Masse 
des  vaterlichen  Vermogens.  Denn 
nur  dieses  ist  dem  Census  unter- 
worfen.  Sehr  gelaufig  war  corpus 
imperii  im  Gegensatz  zu  seinen 
partes  oder  provinciae ,  z.  B.  Ovid. 
tr.  II  232  denique  ut  in  tanto,  quan- 
tum  non  exstitit  unquam,  corpore 
pars  nulla  est,  quae  labet,  imperii, 
man  sagte  aber  auch  corpus  patri- 
monii  in  den  Rechtsbiichern. 

54  omne  regimen  unumschrankte 
Gewalt.  Das  Relativum  an  dritter 
Stelle  im  Satze  findet  sich  auch 
14,  143  und  10,  46  defossa  in  lo- 
culos  quos  sportula  fecit  amicos, 
denn  clie  Praposition  zahlt  nieht 
als  selbstandiges  Wort',  an  fiinfter 
Stelle  2,  41  hirsuto  spirant  opobal- 
samacollo  ||  quaetibi?  ja  au  sechster 
Stelle  11,  172  nudum  olido  stans  \\ 
fornice  mancipium  quibus  abstinet. 
Ahnlich  verfahrt  der  Dichter  mit 
den  relativen  Konjunktionen,  z.  B. 
8,  207.  —  Der  Name  Coranus  ist 
aus  Hor.  s.  II  5,  55  sqq.  entlehnt, 
denn  wie  dort  der  scriba  Coranus 
von  dem  gierigen  Schwiogervater 
Nasica,  so  ist  hier  der  miles  Co- 
ranus  von  seinem  eigenen  Vater 
umworben,  der  wohl  auch  die  Er- 
fahrung  machen  mufs:  nil  sibi  le- 
(jatum  practer  ptlorare  (=  oijid^siv). 

56  favor  aequus  die  verdiente 
Gunst,  wie  er  sie  nach  seinen  Ver- 
diensten  erwarten  darf,  Anerken- 
nung,  Hor.  ep.   II   1,  9   ploravere 


LIBRI  V    SATVRA  XYI 


305 


provebit  et  pulcliro  reddit  sua  doua  labori. 
ipsius  certe  ducis  lioc  referre  videtur, 
ut  qui  fortis  erit,  sit  felicissiuius  idem, 
ut  laeti  phaleris  omnes  et  torquibus,  omnes 


60 


60    in   P  (xtremi  quaternionis   extremae  paginae   versus   extremus. 
cetera  desunt 


suis  non  respondere  favorem  spera- 
tum  merHis. 

57  sua  dona  die  gebfihrenden  Ge- 
schenke.  —  lahor  ist  hauptsachlich 
voui  Kampf  zu  verstehen. 

58  ducis  des  Kaisers,  zu  4,  145. 
7,  21  ducis  indulgentia. 

60  Der  letzte  Gedanke  ist  offenbar 
nicht  vollstaudig  erhalten.  —  plia- 
hrae  sind  aus  edleni  MetaU  ge- 
arbeitete  Schildchen  oder  Medail- 
lons,  welche  an  den  Randern  mit 
Locheru  versehen  waren,  und  auf 
Riemen  befestigt  wurden.  Mit  sol- 


chen  phalerae  verzierte  man  ur- 
sprunglich  das  Riemenzeug  der 
Pferde,  die  als  donum  militaie  ver- 
liehenen  phalerae  wurden  aber  auf 
einer  zitterformig  zusammengefiig- 
ten  Riemenunterlage  iiber  der  gan- 
zen  Breite  des  Panzers  getragen. 
Marquardt  III  2,  440,  wo  auch  Ab- 
bildungen  zu  finden  sind.  —  Die 
torques  sind  silberne  oder  goldene 
um  den  Hals  zu  tragende  Ketten, 
vgl.  Horat.  III  6,  12  et  adieeisse 
praedam  torquibus  exiguis  renidet. 


IvVF.SALIa    SaTVEAE. 


20 


EIGEmAMEN. 


Accius  Vr  70 

Acestes  VII  235 

Achaei  III  61 

Achilles  1  163  VII  210  VITI  271  X 

256  XI  30  XIV  214 
Acilius  Glabrio  IV  94 
Actiaca  carina  II  109 
Actor  Auruncus  II  100 
Aeacus  I  10 
Aeacides  VIII  270 
Aegaeum  XIII  81  246 
Aegyptus  VI  527  XV  2  45  116 
Aegyjjtius  nescio  quis  I  130 
Aelia  pauper  VI  72 
Aemiliani  VIII  3 
Aemilius  pons  VI  32  Aemilius  VII 

124 
Aeneas  I  162  V  139  XV  67 
Aeoliae  rupes  I  8  X  181 
Aethiops  II  23   VIII  33  X  150 
Afri  V  152  VIII  120  XI  142 
Africa  VII  149  X  148 
Agamemnon  XIV  286 
Agamemnonides  VIII  215 
Aganippe  VII  6 
Agathyrsi  XV  125 
Agaue  VII  87 
Agrippa  VI  158 
Agrippinae  boletus  VI  620 
Aiax  VII  115  X  84  XIV  213  XV  65 
Alabanda  III  70 
Alba  IV  61  Albana  arx  IV  145  100 

V  33  Albanum  vetus  XIII  214 
Albina  III  130 
Alcestis  VI  653 
Alcinous  XV  15 
Alcithoe  Pacci  VII  12 
Alexander  XIV  311 
Alledius  V  118 
Allobrox  Cicero  VII  214 
Allobrogici  VIII  13 
Alpes  X  166  XIII  162 
Ambrosius  choraules  YI  77 
Amphion  VI  174 


Amydon  III  69 

Anchemoli  noverca  VII  235 

Anchisae  nutrix  VII  234 

Ancon  IV  40 

Ancus  V  57 

Andromache  VI  503 

Andros  III  70 

Antaeus  III  89 

Auticatones  Caesaris  VI  338 

Anticyra  XIII  97 

Antigonae  persona  VIII  229 

Antilochus  X  253 

Antiochus  III  98 

Autiphates  XIV  20 

Antonius  VIII  105  X  123 

Anubis  derisor  VI  534 

Aonides  VII  59 

Apicius  IV  23  XI  3 

Apollo  I  128  VII  37  XIII  203 

Appi  nominis  VI  385 

Appula  VI  64 

Apulia  IV  27  praedia  Appula  IX  55 

Aquinum  III  319 

Arabarches  I  130 

Arachne  II  56 

Arcadicus  iuvenis  VII  160 

Archigenes  VI  236  XIII  98  XIV  252 

Aricini  axes  IV  117 

Aristoteles  II  6 

Armenia  VIII  169  Armenius  II  164 

VI  407  550  XI  148. 
Armillatus  IV  53. 
Arpinates  VIII  237  245 
Artaxata  II  170 
Artorius  III  29 
Arvina  VIII  7 
Arviragus  IV  127 
Asia  V  56  X  266  Asiani  di  III  218 

equites  VII  14 
Assaracus  X  259 
Assyrius  orbis  II  108 
Astraea  VI  19 

Asturici  magna  domus  III  212 
Asylus  VI  267 


EIGENNAMEN 


:307 


Athenae  III  80  VII  205  IX  101  X 
127  XV  110  (=  Athenaeum) 

Athos  X  174 

Atlas  VIll  32  XIII  48  XI  24 

Atreus  VII  73 

Atrides  IV  G5  VI  660 

Atticus  lautus  XI  1 

Aventiuus  III  85 

Aufidius  moechus  IX  25 

Augustus  mensis  III  9  ijrinceps  X 
77  VI  118 

Aurelia  V  98 

Aurora  X  2 

Auruncae  alumnus  I  20 

Auruncus  Actor  II  100 

Automedon  I  61 

Autonoes  gestibus  VI  72 

Bacchanalia  III  3 

Baeticus  aer  XII  42 

Baiae   III  4  XI  49    Baiana  cumba 

XII  80 
Baptae  II  92 

Bardaicus  calceus  XVI  13 
Barea  Soranus  III  116  VII  91 
Basilus  VII  145  X  222 
Batavi  VHI  51 
Bathyllus  VI  63 
Bedi-iaci  campi  II  106 
Belides  multae  VI  655 
Bellerophon  X  325 
Bellona  IV  1^4  VI  512 
BeneTentanus  sutor  V  46 
Beronice  VI  156 
Bibula  VI  142 
Bithyni  VII  15  X  162 
Bithynicas  Volusins  XV  1 
Blandus  Rubellius  VIII  40 
Boccar  V  90 
bona  dea  11  86  VI  314 
Bootes  V  23 
Brigantes  XIV  196 
Britanni  II  161  XV  111  IV  126  bal- 

laena  Britannica  X  14 
Britannicus  VI  124 
Brittones  XV  124 
Bromius  VI  378 

Bruti  IV  103  VIII  182  V  37  XIV  43 
Bruttia  fascia  visci  IX  14 
Bruttidius  X  83 

CacuB  V  125 

Caedicius  gravis  XIII  197  facundus 
XVI  46 

Caesar  princeps  IV  51  135  VII  1 
VIII  171  X  86  330  XII  106  XIV 
330  C.  lulius  Caesar  V  4  VI  338 

Caesennia   VI  136 

Caesonia  VI  616 


Caetronia^^  XIV  86  92 

Caieta  XIV  87 

Calenum  vinum  1  69 

Calliope  IV  34 

Calpe  XIV  279 

Calvina  III  133 

Calvinus  XIII  5 

Camenae  III  16  VII  2 

Camerini  VII  90  VIII  38 

Camillus  II  154  XVI  15 

Campania  X  283 

Cannae  II  155   VII  163   X  165   XI 

200 
Canopus  I  26  VI  84  XV  46 
Cantaber  XV  108 
Canusina  ovis  VI  150 
Capena  porta  III  11 
Capito  Vm  93 
Capitolia  X  65  XIV  91  Capitolina 

quercus  VI  387 
Capitoliui  II  145 
Cappadoces  equitt  s  VII  15 
Capreae  X  72  93 
Carfinia  III  69 

Carpathium  aequor  XIV  278 
Garpophorus  VI  199 
Carrinas  Secnndus  VII  205 
Carthago  VI  171  X  277 
Carus  Mettius  I  36 
Cassandra  X  262 
Cassius  et  Bruti  V  37 
Castor  XIII  152  XIV  260 
Catiena  III  133 

Catilinan27  VIII  231  X  288  XIV  41 
Catineusis  pumex  VIII  16 
Cato  tertiua  II  40  duras  XI  90 
Catulla  II  49  X  322 
CatuUus  Messalinus  IV  113  mimo- 

graphus  VIII  186  XIII  111  amicus 

poetae  XII  29  37  93 
Catulus  aliquis  III  30  Catuli  mino- 

ribus  II  146 
Cecropides  VIII  46  53 
Cecropis  VI   187    Cecropia   Cotyto 

n  92 
Celadus  VII  215 
Celaeno  VIII  130 
Celsus  Cornelius  VI  245 
fCensennia]  VI  136 
Ceres  III  320   VI  50  IX  24  X  112 

XrV  219  263  XV  141 
Cethegus  II  27  VIII  231  X  287 
Chaerippus  VIII  95 
Chaldaei  VI  553  X  94 
Charybdis  V  102  XV  17 
Chatti  IV  147 
Chione  III  136 
Chiro  III  205 

20* 


308 


EIGENNAMEN 


Chiysippus  11  5  XIII  184 

Chrysocconus  VI  74  VII  176 

Cicero  VII  139  214  VIII  244  X  114 

Cilix  IV  121  piratae  Cilicum  VIII  94 

Cimbri  VIII  249  XV  124 

Circe  XV  21 

Circeis  ostrea  IV  140 

Cirrha  VII 64  Cirrhaeus  vates  XIII 79 

Claudius  Caesar  V  147  VI  115  XIV 

330 
Cleanthas  archetypos  II  7 
Cleopatra  II  109 
Clio  VII  7 

Clitumni  pascua  XII  13 
Clodius  II  27  VI  345 
Clotho  IX  135 
Cluvia  II  49 
Cluvienus  I  80 
Clytaemnestra  VI  656 
Cocles  VIII  264 
Codrus  III  203 
Colchis  Medea  VI  643 
Collina  turria  VI  291 
Commagenus  haruspex  VI  550 
Concordia  I  116 
Coptus  calida  XV  28 
Coranus  XVI  54 
Corbulo  ni  251 
Corcyraea  XV  25 
Cordi  Theseis  I  2 
Corinthos  uncta  VIII  113 
Corinthus  stupidus  VIII  197 
Cornelia  mater  Gracchorum  VI  167 
Corsica  mullnm  misit  V  92 
Corvinus  I  108  VIII  5  amicus  poctae 

XII  1  93 
Coi-ybanta  videbis  V  25 
Corycia  puppis  XIV  267 
Corydon  IX  102 
Coryphaeus  VIII  62 
Cosmi  ahenum  VIII  86 
Cossus  III  184  VIII  21  captator  X 

202 
Cotta  V  109  VII  95 
Cotyto  II  92 
Coa  conchylia  VIII  101 
Crassus  X  108 
Cremera  II  155 
Crepereius  Pollio  IX  6 
Cressa  Phaedra  X  327 
Cretae  de  litore  passum  XIV  270 
Creticus  II  67  78  VIII  38 
[Cretonius]    aedificator  XIV  86   92 
Crispinus  I  27  IV  1  14  24  108 
Crispus   Vibius  IV  81 
Croesus  X  274  XIV  328 
Cumae  III  2  321  IX  57 
Curii  n  3  153  VIII  4  XI  78 


Curtius  bacca  XI  34 
Cyane  VIII  162 
Cyaneae  XV  20 
Cybele  II  111  XIV  263 
Cyclas  VI  563 
Cyclopes  XV  18 
cynici  XI il  121  XIV  309 
Cynthia  VI  7 

Daci  IV  111 

Dacicus  VI  205 

Daedalus  III  25 

Damasippus  VIII  185 

December  VII  97  aquilo  IX  68 

Decii  VIII  254  XIV  239 

Delphis  oracula  VI  555 

Demetrius  III  99 

Democritus  X  34 

Demosthenes  X  114 

Deucalion  I  81 

Diana  III  320  X  292  XV  8 

Diomedeae  I  53 

Diphilus  aliquis  III  120 

Dolabella  VIII  105 

Domitius  VIII  228 

Dorica  Ancon  IV  40 

Doris  III  94 

Drusus  VIII  21  40  III  238 

Echion  citharoedus  VI  76 

Egeriae  vallis  III  17 

Electra  VIII  218 

Elissa  VI  435 

Elpenor  XV  22 

Endymion  tuus  X  318 

Ennosigaeus  X  182 

Epicuri  horti  XIII  122  XIV  319 

Epona  VIII  157 

Eppia  nupta  senatori  VI  82  104  114 

Erinys  VII  68 

Eriphylae  multae  VI  655 

Esquiliae  III  71  V  78  XI  51 

Etruscum  aurum  V  164 

Euander  XI  61 

Euganea  agna  VIII  15 

Eumenides  XIV  285 

Euphranor  III  217 

Euphrates  I  104  VIII  57 

Europe  VIII  34 

Euryalus  VI  81 

Fabii  II  146  VIII  14  191  XI  90  Fa- 
bius  Gurges  Vi  266  VII  95 

Fabrateria  III  224 

Fabricius  censor  II  154  IX  142  XI 
91  Veiento  IV  129 

Fabulla  II  68 

FaesidiuB  III  32 


EIGENNAMEX 


301) 


Falernum  vimim  IV  138  VI  303 
430  IX  116  XIU  216  ulmi  Faler- 
nae  VI  150 

Fausti  poemata  VII  12 

Fidenae  VI  57  X  100 

FlaccuB  Horatius  VII  227 

Flaminia  ria  I  61  171 

Flavius  ultimus  IV  37 

Flora  liea   XIV  262  meretrix  II  49 

Fonteius  consul  Xlll  17 

Frontonis  domus  I  12 

Frusino  III  224 

Furiae  XIII  51 

Fuscinus  XIV  1 

Fuscus  Coryielius  IV  112  XVI  46  si- 
tiens  couiux  Fusci  XII  45 

Gabba  V  4 

Gabii  III  192  VI  56  VII  4  X  100 
Gades  X  1  Gaditana  XI  162 
Gaetulice  seu  tu  Silanus  VIII  26 
Gaetuli  V  53  59  X  158  XI  140  XIV 

278 
Galba  VIH  5  II  104  VIII  222 
Galla  I  125 

Galli  XI  113  Gallus  textor  IX  30 
Gallia  VII  148  XV  111  Gallicaaltera 

VII  16  Gallicus  axis  VIII  116 
Gallicus  XIII  157 
Gallitta  locuples  orba  XII  99  113 
GalHus  XVI- 1 
Gallus  VII  144 
Ganges  X  2 

Ganymedes  Pacis  IX  12.    V  59 
GaurusIX57  Gauranaostrea  VIII86 
Germani  XIII  164 
Germanicus  VI  205 
Geticae  pruinae  V  50 
Gillo  I  40 

Glaphyrus  citharoedus  VI  77 
Gorgo  XII  4  Gorgoneus  caballus  III 

118 
Gracchi  II  24  VI  168  Gracchus  sa- 

lius  II  117  143  VIII  201  210 
Gradivus  II  128  XII  113 
Grai  VIII  226    X   138    XI  100  XV 

110  Graeci  UI  61  114  VI  16  XiV 

89  Graeculus  III  78  VI 186  Grae- 

cia  X  174  XIV  240 
Gnrges  Fabius  VI  266 
Gyara  I  73  X  170 

Uaemus  III  99  VI  198 
Hamillus  X  224 
Uammonis  fons  VI  555 
Uannibal    VI   170  291    VII  161    X 

147  XII  108 
Hector  X  259 


Uedymeles  VI  383 

Ueliadum  crnstae  V  38 

Ueliodorus  Vi  373 

Uelvidius  l'rif>cus  V  36 

Uelvina  Ctres  III  320 

Ueracleae  I  52 

Uercules  II  20  III  89  V  1-25  X  361 
XIII  43  151  XIV  90  Uerculeus 
VIII  14  XIII  82  XIV  280 

Hermarchus  aliqnis  III  120 

Uernicus  XIV  180 

Uesperidum  serpens  XIV  114 

Hiberina  VI  53 

Hippolytus  X  325 

Uirpinus  VIII  63 

Uirrus  X  222 

Hispania  VIII  116  X  151 

Uispo  II  50 

Uispulla  VI  74  XII  11 

Uister  amnis  VIU  170 

Uister  II  58  Pacuvius  XII  111 

Homerus  VI  437  VII  38  X  246  XV 
69  Uomericus  Gradivus  XIII  113 

Horatius  Flaceus  VII  62 

Hyacinthi  VI  110 

Uylas  urnam  secutus  I  164 

Hymetto  vicinus  XIII  185 

Hyperboreus  axis  VI  470 

lanus  VI  386  394 

larbas  V  45 

lason  mercator  VI  153 

Idaea  antra  XIII  41  Idaeum  numen 

HI  138  XI  194 
Idumaea  porta  VIII  160 
Uias  X  261    XI   180    Iliacus    puer 

Xin  43 
Illyricum  latus  VIII  117 
Indi  VI  337  466  XI 125  Indica  tigris 

XV  163 
lo  si  iusserit  VI  526 
lonium  late  sonantem  VI  93 
Ipbigenia  XII  119 
Isaeus  III  74 
Isis  VI  529  IX  22   XII  28  XIII  93 

Isiaca  lena  VI  489 
Ister  vide  Uister 
Italia  III  171  X  154  XII  78 
Ithacus  Vlixes  X  257  XIV  287  XV  26 
ludaei  III  14  VI  543  547  ludaicum 

ius  XIV  101 
lulia  II  32 
lulins  mensis  II  70  lex  lulia  II  37 

VI  38 
lulus  VIII  42  XII  70 
luncus  consul  XV  27 
luno  II  98  VI  48  619  VII  32  XIII  40 
luppiter  V  79    VI  15  59   VIII   156 


310 


EIGENNAMEN 


X  38   188  268    XI   116    XII  6  89 
XIII  41   114  XIV  81   206  271 
luvernae  litora  II  160 

labyrintlii  mugitus  I  53 

Lacedaemonius  orbis  XI  175 

Lacerta  russatus  VII  114 

Lachesis  III  27  IX  136 

Ladas  XEI  97 

Laelius  XIV  195 

Laenas  captator  V  98 

Laestrygones  XV  18 

Lagi  moenia  VI  83 

Lamiae  IV  154  VI  385 

Laomedontiades  VI  326 

Lapjja  Ptubrenus  VII  72 

Larga  adultera  XIV  25 

Laronia  II  36  65 

Lateranus  VIII  147  151  167  Late- 
rani  X  17 

Latinae  viae  monumenta  I  171  V  55 

Latina  pubes  VI  2B7  637  VIII  256 

Latinus  I  36  VI  44 

Latium  XII  103  rebus  Latiis  XI  1 15 

Latonae  gens  VI  176  X  292 

Lavina  sedes  luU  XII  71 

Laurenti  in  agro  I  107 

Laureolus  VIII  187 

Leda  VI  63 

Lentulus  Catilinarius  X  287  poe- 
taruni  patronus  VII  95  ■mirnum 
agens  VIII 187  vir  adulterae  VI  80 

Lepidi  VI  265  VIII  9 

Leucade  unda  VIII  241 

Libitiuam   evaserit   aeger  XII    122 

Liburnus  ingens  III  240  IV  75  VI  477 

Libye  V  119  XI  25 

Licinus  praedives  I  109  XIV  306 

Ligustica  saxa  III  257 

Liparaea  XIII  45 

Longinus  X  16 

Lucani  VIII  180 

Lucanus  poeta  VII  79 

Lucilius  I  165 

Lucretia  X  293 

Lucrinum  saxum  IV  141 

Lucusta  I  71 

Lugudunensis  ara  I  44 

Lycisca  VI  123 

Lycius  puer  XI  147 

Lyde  II  141,  cf.  VI  595 

Machaera  VII  9 
Maculonis  aedes  VII  40 
Maecenas  I  66  VII  94  XII  39 
Maedi  VII  132 

Maeotis  ara  XV  115  glacics  Maeo- 
tica  IV  42 


Mamerci  VIII  192 

Manilia  accusat  VI  243 

Marcelli  11,145 

Marius  Priscus  I  49  VIII  120 

Maro   Vergilius  VI  436  VII  227  XI 

180 
Mars  I  8  II  31  VI  59  IX  101  X  83 

814  XIII  79  XIV  261  XVI  5 
Marsi  III  169  XIV  180 
Marsya  victus  IX  2 
Massa  Baebius  I  35 
Matho  causidicus  I  32  VII 129  XI  34 
Maura  VI  307  X  224 
Mauri  III  79  V  53  VI  308  337  VII 

120  X  148  XI  125  XIV  196 
Media  11  49 

MeduUina  crisans  VI  322 
Medus  Xerxes  X  177 
Megalesia  VI  69  XI  193 
Melanippae  persoua  VIII  229 
Meleagri  aper  V  115 
Memnon  XV  5 
Memphitide  terra  XV  122 
Menoeceus  Thebas  dilexit  XIV  240 
Mentor  VIII  104 
Meroe  VI  528  XIII  163 
MessaUna  X  333      ' 
Metellus    caecus  VI  265    dux  belli 

Sertoriani  XV  109 
Mevia  I  22 
Micipsae  V  89 
Miletos  VI  296 
Milo  et  Clodius  II  26 
Minerva  III  139  219  X  116  XIII  82 
Minturnarum  paludes  X  276 
Mithridates  XIV  252 
Modia  III  130 
Moesi  fortes  IX  143 
Molossus  Pyrrhus  XII  108  XIV  162 
Montanus  f.  lunius  IV  107  131 
Monychus  ornos  iaculatur  I  11 
Moyses  XIV  102 
Mucius  cum  Coclite  VIII  264  Luci- 

lianus  I  154 
Musarum  aedis  VII  37 
Mycale  V  141 

Mycenis  iugulata  Iphigenia  XII  127 
Myronis  signa  VIII  102 

Nabataeus  saltus  XI  126 

Naevolus  IX  1  91 

Narcissus  XIV  329 

Natta  XIII  96 

Neptunus  .XIII  81  152 

Nero  IV  137  VI  615  VIII  72  170 
193  212  223  X  15  308  Xli  129 
calvus  Nero  Domitianus  IV  38 

Nestor  IV  326  XII  128 


EIGENNAMEN 


111 


Nilus  VI  83  X  149  XIII  27  XV  123 

Xiliacae  plebis  I  26 
Niphates  VI  409 
Nortia  dea  X  74 
Novius  XII  111 

Numa  III  16  138  VI  343  VHI  156 
Numantini  Scipiones  VIII  11 
Numidae  IV  100  Vil  1«2 
Numitor  V  U  74  pirata  Cilicum  VIII 93 
Nysa  VII  04 

Oceanus  II  2  X  149  XI  94  113  XIV 

283 
Octavius  Vm  242 
Ogulnia  ludos  spectat  VI  352 
Olynthi  callidus  emptor  XII  47 
Ombi  XV  35 
Oppia  X  220  322 
Orcades  II  161 

Orestes  tragoedia  I  6  VIII  220 
Orontes  Syrus  III  62 
Osirie  VI  541  VIII  29 
Ostia  VIII  171 
Othonis  lex  iheatralis  III  159   XIV 

324  Otho  Aug.  11  99  VI  559 

Pacci  Alcithoe  VII  12 

Pacius  orbus  XII  99 

Pactolus  XIV  299 

Pacuvius  Hister  XII  112  125  128 

Paean  parce  VI  172 

Palaemon  VI  452  VII  215 

Palatium  II  106  IV  31   Palatinum 

cubile  VI  116 
Palfurius  Sura  IV  53 
Pallas  I  109 
Pansa  VHI  96 
Parcae  XII  64 
Paris  Troianus  X  264  pantomimus 

VI  87  VII  87 
Parrhasii  tabulae  VIII  102 
Parthenii  lances  XII  44 
Parthus  VI  407 
Paulus  U  146    VIII  21    causidicus 

Vn  143 
Pax  I  115  IX  23 
Pedo  VII  129 
Pegasus  IV  77 
Peleus  X  256  XIV  214 
Pelides  III  280 
Pellaeus  AJexa^ider  X  168 
Pelopea  VII  92 
Penates  XIV  320 
Penelope  II  56 
Peribomius  II  16 
Persicus  orborum  lantissimns  III  221 

poetae  amictis  XI  57 
Persica  regna  XIV  328 


Petosiris  VI  581 
Phaeaces  V  151  XV  23 
Phalaris  admoto  tauio  VIII  81 
Paros  VI  83  Pharium  acetum  XIII 

85  Tyrrhena  pharos  XII  76 
Phiale  X  238 
Phidiacum  ebur  VIII  103 
Philippica  Ciceronis  X  125 
Philippus  XIII  125 
Philomela  VII  92 
Phoebi  balnea  VII  233 
Pholus  sitiens  XII  45 
Phryges    VI   585    VII   236    XI   147 

Xn  73 
Picens  IV  65  Picena  mala  XI  74 
Picus  VIII  131 

Pierides  IV  36  Pieria  umbra  VII  8  60 
Pisaea  oliva  XIII  99 
Piso  V  109 
Pittacos  II  6 
Pluton  torvus  XIII  50 
Poenus  miles  X  155  Punica  proelia 

XIV  161 
Polio   VI  387    VII   176    Crepereius 

Pollio  IX  7  XI  43 
PoDittae  II  68 

Polycliti  signa  III  217  VIII  103 
Polyphemus  IX  64  XIV  20 
Polyxena  X  262 
Pompeius   Magyms  X  108   283   co- 

mes  Domitiani  IV  110 
Pomptina  palus  III  307 
Pontia  VI  638 
Ponticus  poetae  amicus  VIII  1  75 

179 
Pontus  IV  43  X  273  Pontica  raedi- 

camina  Vi  661  serpens  XIV  114 
Posides  XIV  91 
Postumus  VI  21  28  377 
Praeneste  III  190  XIV  88 
Priamus  X  258 
Priapus  II  95  VI  316 
Prochyta  III  5 
Procne  VI  644 
Proculae  II  68  lectus  Procula  minor 

Ul  203 
Proculeius   Horatianus  VII  94  ve- 

tulae  cultor  I  40 
Prometheus  IV  133  VIII  133  XV  85 
Protogenes  aliquis  III  120 
Psecas  VI  491 
Pudicitiae  ara  VI  1  308 
Pygmaei  VI  506  XIII  168 
Pylades  XVI  26 
Pylius  Nestor  X  246 
Pyrenaeum  transilit  Ilannibul  X  151 
Pyrrha  I  84  XV  30 
PyiThus  XIV  162 


312 


EIGENNAMEN 


Pythagoras  XV  173  Pytliagorei  III 

229 
Pythia  vates  XIII  199 

Quintilianus   de   rhetore  consul  "VI 

75  280  VII  186   189 
Quiutilla  VII  75 
QuiriuusI1133  III 67  VIII 259  gemini 

Quirini  XI  105 
Quirites  III  60  163  VII  47  X  45  109 

Ravola  IX  4 

Remi  turba  X  73 

Rhadamanthus  XIII  197 

Rhenus  VIII  170 

Rhodope  IX  4 

Rhodos   VI   296    imbellis    Rhodios 

Vlli  113 
Roma  II  39  III  41  83  137  165  183 

314  319    IV  38   V  90   VII  4  138 

VIII  237  243    X  122  279    XI  46 
197 

Romani  III  119   V  58   X  138    XIV 

100  160 
Romuleae  simulacra  ferae  XI  104 
Rubellius  Blandus  VIII  39 
Rubrenus  Lappa  VII  72 
Rubrius  Gallus  IV  105 
Rufus  Allobros  Cicero  VII  213  214 
Rutilae  gibbus  X  294 
Rutilus  XI  2  XIV  18 
Rutulus  Tunius  I  162  VII  68  Ru- 

tuli  montes  VI  637  XII  105 
Rutupinus  fundus  IV  141 

Sabini  III  85  X  299  Sabina  bellum 

dirimens  VI  164   mensa  Sabella 

III  169 
Saguntos  XV  114  Saguntina  lagona 

V  29 
Salamine  rediit  Xerxes  X  179 
Saleius  Bassus  VII  80 
Samiramis  II  108 
Samos  III  70  Samia  harena  lunonis 

XVI  6 
Samothracum  arae  III  144 
Santonicus  cucullus  VIII  145 
Sardanapalli  cenae  X  362 
Sarmata  III  79 
Sarmentus  V  3 
Sarrana  aulaea  togae  X  38 
Saturnus  VI  1  570  XIII  40 
Saufeia  pro  populo  faciens  VI  320 

IX  117 
Sauromatae  II  1  XV  125 
Scantinia  lex  II  44 
Scauri  II  35  VI  604  XI  91 
Scipiadae  II  154 


Scylla  XV  19 

Scythicae  volucres  XI  139 

Secundus  Carrinas  VII  204 

Seianus  X  63  ss. 

Seius  Titiusque  IV  13 

Seleucus  citharoedus  X  211 

Semiramis  vide  Samiramis 

Seneca  V  109  VIII  212  X  16 

Senones  VIII  234 

September  VI  617  XIV  130 

Seres  quid  agant  VI  403 

Sergius   VI   112  279    Sergiolus  VI 

105 
Seriphos  VI  564  X  170 
Serranus  VII  80 
Sertorius  Bibula  ardet  VI  142 
Servilia  X  319 

Setinum  vinumY  3i  X  27  XIII  213 
Sextus  cevens  II  21 
Sibylla  VIII  126  III  3 
Siculi  V  100    VI  486    VII  236    IX 

150  XIII  50 
Sicyon  III  69 
Signinum  pirum  XI  73 
Silanus  VIII  27 
[Silius]  X  330  sqq. 
Silvanus  VI  447 
Siren  XIV  19 
Socratici  II  10  XIV  320 
Solon  X  274 
Solymae  leges  VI  544 
Sophocleus  cothurnus  VI  636 
Sora  III  223 
Sostratua  X  178 
Spartana    chlamys    VIII    101    218 

XIII  199 
Statii  Thebais  VII  83 
Stentora  vincere  XIII  112 
Stheneboea  X  327 
stoici    III    116    XIII   121     XV   109 

Stoicidae  II  65 
Stratocles  III  99 
Stygius  gurges  II  150 
Subura  III  5  V  106  X  150  XI  51  141 
SuIIa  I  16  II  28 
Sulmonensis  VI  187 
Superbus  rex  VI  524 
Sybaris  VI  296 
Sycambri  torvi  IV  147 
Syenes  porta  XI  124 
Syphacis  castra  VI  170 
Syria  VIII  169  Syri  III  62  VI  351 

Syrium  pirum  XI  73 
Syrophoenix  VIII  159 

Tagus  III  55  XIV  299 
Tanaquil  tua  VI  566 
Tarentum  petulans  VI  297 


EIGENNAMEN 


313 


Tarpeiuslnppitei- YI  -17  XII  G  XIII  78 
Tatius  XIV  160 
Tauiica  ara  XV  116 
Tauromenitanae  rupes  V  93 
Telamon  XIV  214 
Telephus  I  5 
Telesinus  VII  25 
Teutyra  XV  35  76 
Tereus  Fausti  VII  12 
Terpsichoren  suam  oclit  VII  35 
Teucrorum  proles  VIII  56 
Teutonicus  currus  Slarii  X  282 
Thabraca  X  104 
Thais  III  93 

Thaletis  mite  ingenium  XIII  184 
Thehae  XIII  27    XIV  240    Thebae 

Fausti  VII  12 
Thebais  Statii  VII  83 
Thebe  XV  6 
Themison  X  221 
Theodori  ars  VII  177 
Thersites  VIII  269  XI  31 
Theseis  Cordi  I  2 
Thessaliae  campi  VIII  242 
Thraces  III  79   VI  403  XIII   167 
Thrasea  Paetns  V  36 
Thrasyllus  VI  576 
Thrasymachi  exitus  VII  204 
Thyestae  syrma  VIII  228 
Thvle  XV  112 
Thymele  I  36  VIII  197  tunc  rustica 

VI  66 
Tiberinus  piscis  V  104  ainnis  VIII 

265 
Tiberis  III  62  VI  522  VII  121  XIV 

202 
Tibur  III  192  XIV  87  de  Tiburtino 

agro  haedulus  XI  65 
Tigellinus  Sofonius  I  155 
Tiresias  XIII  2'49 
Tirynthius  Hercules  XI  61 
Tisiphone  qua  exagitaris  VI  29 
Titan  Frometheus  XIV  35  Titanida 

-pugnam  VIII  132 
Titius  Seiusque  IV  13 
Tongilius  VII  130 
Tralles  III  70 
Trebius  V  19  135 
Trifolinus  ager  IX  56 
Troia    Priamus    X    258     Troianum 

ignem  Alba  servat  IV  61 
Troica  Neronis  VIII  221 
Troiugenae  I  100  VIII  181  XI  95 
Trypherus  XI  137 
Tuccia  VI  64 
Tullia  VI  307 


Tullius  Servius  VII  199 

Tullus  Hostilius  V  57 

Tnrnus  XII  105  XV  65 

Tuscus  Sciamis  X  74  de  Tusca 
Graecula  VI  186  Tasci  libelli 
XIII  62  I  22  VI  289  VIII  180 
XI  108 

Tydides  XV  66 

Tyndaris  Clytaemnestra  VI  657 

Tyriae  lacernae  I  27  VI  256  VII  134 

X  334   Tyrius  Hannibal  XII  107 
Tyrrhena  pharos  XII  76  V  96  VI  92 

Vagellius      declamator      XIII     119 

XVI  23 
Varillus  iufamis  II  22 
Vascones  XV  93 
Vcalegon  III  199 
Veiento  Fabricius  lll  185    IV  113 

123  VI  113 
Venafrannm  oleum  V  86 
Ventidius   Bassus    VII    199    lautus 

XI  22 

Venus  II  31    IV  40  VI  138  300  570 

VII   25    X  209  290  362     Xt  167 

XVI  5 
Venusina  lucerna  Horati  I  51 
Venustilla  VI  167 
Vergilius  Maro  VI  435  VII  69 
Verginia  X  294 
Vergiuins  Bufus  VIII  221 
Verres  II  26  III  53  VIII  106 
Vesta  VI  386  minor  Albae  IV  61 
Vestinus   senex  XIV  181  Vestinum 

scortum  III  135 
Vettius  VII  150 
Victoria  I  115 
Vindex  Inlius  VIII  222 
Virro  V  39  43  99  12S  134  149  156 

IX  35 
Vlixes  IX  65  XI  31  XV  14 
ultor  Mars  XIV  261 
Vlnbris  vacuis  aedilis  X  102 
Vmber  XII  14 
Vmbricius  III  21 
Volesi  VIII  182 
Volscorum  ArfAnates  VIII  245 
Volsinii  III  191 
Volusius  Bithynicus  XV  1 
Vrbicus  VI  71 
Vrsidius  moechorum  notissimus  VI 

38  42 
Vulcanua  I  9  X  132  XIII  45 

Zacynthos  XV  114 
Zalaces  Armenius  II  164 
Zeno  XV  107 


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