SCHLESIENS VORZEIT IN BILD
UND SCHRIFT
ZEITSCHRIFT DES VEREINS
FÜR DAS MUSEUM SCHLESISCHER ALTERTÜMER
HERAUSGEGEBEN VON
W. GREMPLER UND H. SEGER
NEUE FOLGE I. BAND
JAHRBUCH DES SCHLESISCHEN MUSEUMS FÜR
KUNSTGEWERBE UND ALTERTÜMER
BAND
BRESLAU
DRUCK VON C.RASS, FiARTII l"; COMP. (W. FRIEDRICH)
1<I()()
JAHRBUCH
DES SCHLESISCHEN MUSEUMS FÜR
KUNSTGEWERBE UND ALTERTÜMER
I. BAND
MIT 10 TAFELN UND ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXTE
HERAUSGEGEBEN VON
KARL MASNER UND HANS SEGER
iiW^(\^
BRESLAU
DRUCK VON ORASS, BARTH & COMP. (W. KRIFDRICH)
1900
VVVVv^.
Verlag von Eduard Trcwoiult
CENia
VORWORT
Das Jahrbuch des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer,
dessen I. Band wir hier der Öffentlichkeit übergeben, ist ein gemeinsames Unter-
nehmen der Stadt Breslau, der das neue Institut gehört, und des Vereins für das Museum
schiesischer Altertümer, aus dessen Sammlungen es hervorgegangen ist. Die Absicht
der Stadt, für das Kunstgewerbemuseum ein wissenschaftliches Organ zu gründen, traf
glücklich zusammen mit dem Wunsche des Vereines, seine alte Zeitschrift „Schlesiens
Vorzeit in Bild und Schrift" fortzuführen. Gerade in der Förderung der wissenschaft-
lichen Interessen des Museums liegt die neue Aufgabe des Vereins, der er sich um so
erfolgreicher wird widmen können, als ihm jetzt die drückende Sorge um seine früheren
Sammlungen abgenommen ist. Wir hoffen, dass die Zeitschrift in ihrer neuen Gestalt
dem Vereine die alten Freunde zu Gunsten des Museums erhalten und zahlreiche neue
gewinnen wird. Gerne danken wir an dieser Stelle einem Freunde des Museums und
des Vereins, Herrn Buchdruckereibesitzer Eugen Lilienfeld, für die Stiftung der farbigen
Reproduktion unseres berühmten Dorotheenreliquiars, die als Tafel 1 diesen Band des
Jahrbuches ziert.
Die Herausgeber
ÜBERSICHT DES INHALTS
Das Schlesische Museum für Kunstgewerbe und Altertümer:
Geschichte des ehemaligen Museums schlesischer Altertümer von
Hans Seger Seite 1
Die Bestrebungen zur Gründung eines Kunstgewerbemuseums in
Breslau von Georg Bender „ 25
Das Museumsgebäude „ 33
Überblick über die Sammlungen „ 37
Die Bibliothek und der Zeichensaal „ 55
Abhandlungen:
Der Goldring von Ransern von Wilhelm Grempler „ 59
Reste des Vinzenzklosters bei Breslau von Conrad Buchwald. . . „ 61
Ein mittelalterlicher Archivschrank von Joseph Jungnitz „ 80
Ein Teppichgobelin des 16. Jahrhunderts von Fritz Wolff .... „ 83
Die Bilder der Breslauer Ratsherren von 1667 von Hermann
Markgraf „ 87
Ein Votivbild des 15. Jahrhunderts von Fortunat von Schubert-
Soldern „ 100
Fabian Witsch, ein Breslauer Goldschmied der Spätrenaissance von
Kurt Moriz-Eichborn „ 107
Zur schlesischen Keramik der Renaissancezeit von Karl Masner . . „ 122
Zu den Steinaltertümern am Zobten von Wilhelm Schulte . . . . „ 133
Geschichte der Münzsammlung des Museums von Ferdinand
Friedensburg „ 144
Schlesisches Kunstgewerbe früherer Zeiten in auswärtigem Besitz von
Josef Epstein „ 159
Biicherbesprechiingen:
O. Montelius, Die Chronologie der ältesten Bronzezeit in Nord-
deutschland und Skandinavien von Hans Seger Seite 162
E. Roehl, Siegel und Wappen der Stadt Breslau von Conrad
B u c h w a 1 d
Bericht über das 1. Etatsjahr (1. April 1899 bis 1. April 1900):
Eröffnungsfeier
Vermehrung der Sammlungen
Vermehrung der Bibliothek
Ausstellungen
Besuch der Sammlungen und der Bibliothek ....
Stiftungen von Geldbeträgen für das Museum . . .
Anhang I:
Verwaltungsordnung des Museums
Anhang 11:
Vertrag zwischen dem Magistrat und dem Verein für das
Museum schlesischer Altertümer
Verein für das Museum schlesischer Altertümer:
Thätigkeitsbericht für das Jahr 1899
Thätigkeitsbericht für das Jahr 1900
Berichtigungen
164
167
172
179
181
182
185
186
190
195
198
200
TAFEL I
Aqiiarcllkopic von Miirg. ['f;im!
At/miK v<Mi Mcisenhach, Riffarth tV Co., München
Typogr. F.irhciulriick von S. I.iliciifilil, Breslau
Reliquiar der hl. Dorothea
DAS SCHLESISCHE MUSEUM FÜR
KUNSTGEWERBE UND ALTERTÜMER
Fragment eines gotischen Steinfrieses vom ehemaligen Leinwandhause
GESCHICHTE DES EHEMALIGEN MUSEUMS
SCHLESISCHER ALTERTÜMER
ie Geschichte des Museums schlesischer Altertümer, aus dem sich
unser Schlesisches Museum für Kunstgewerbe und Ahertümer
entwickelt hat, geht bis zu einem gewissen Grade parallel mit der
Geschichte der beiden grossen Breslauer Bibliotheken und Archive.
Wie die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv aus der Vereinigung
der Bücher- und Urkundenschätze des Magistrats und der städtischen
Kirchen und Körperschaften entstanden sind, so wurde das Museum die Sammelstätte für
die aus denselben Quellen stammenden Altertümer. Und wie die Königliche und Universitäts-
bibliothek und das Staatsarchiv ihre Gründung der Säkularisation der schlesischen Klöster
und Stifter von 1810 verdanken, so wurde damals auch das Königliche Museum für Kunst
und Altertümer ins Leben gerufen, dessen unmittelbarer Nachfolger und Erbe das Museum
geworden ist. Der 1858 gestiftete Verein für das Museum schlesischer Altertümer hat das
Verdienst, diese bis dahin zerstreuten Sammlungen zu einem Ganzen vereinigt, vermehrt,
geordnet und der Allgemeinheit zugänglich gemacht zu haben.
Hiernach gliedert sich die Geschichte des Museums in drei Abschnitte. Der erste
behandelt die Sammlungen der Stadt Breslau einschliesslich der Kirchen und Korpo-
rationen, der zweite das Königliche Museum für Kunst und Altertümer, der dritte
die Thätigkeit des Vereins.') Unberücksichtigt bleibt im allgemeinen das Gebiet der
Münzen, das an anderer Stelle eine gesonderte Besprechung erfährt.
') Vgl. die Darstellungen von B. v. I'rittwitz im dritten Bande der Zeitschrift „Schlesiens Vorzeit in
Bild und Schrift" und von H. Luchs in der Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Vereins.
1
I.
An Alter und Wert die erste Stelle nimmt unter den städtischen Sammlungen die
des Ratsarcliives ein. Sie wurde zusammen mit den wichtigsten Privilegien „bei der
Rentkammer" (heute Zimmer des Oberbürgermeisters), d. Ii. in dem dahinter liegenden Süd-
osterker des Rathauses, dem Sanctum Sanctorum, auch Grünes Gewölbe genannt, in
mehreren Kisten und Schränkchen aufbewahrt und führte dort ein ziemlich verborgenes
Dasein. Selbst Kundmann und Gomoicky, sonst unsere kundigsten Führer durch die
Merkwürdigkeiten des vorpreussischen Breslaus, berichten anscheinend nur vom Hören-
sagen, dass im Rathaus „der Heil. Fürstin Hedwigis Mundkriegel, so von Gold, und
ihr kostbares Mund-Olass, dann ferner ihres Sohnes Henrici Pii sonderbares Schwerdt
und Gürtel verwahrlich aufgehoben wurde". Auch die älteren Inventare des Archivs, die
libri privilegiorum, nehmen von der Sammlung keine Notiz. Erst das sogen. Repertorium
Roppan vom Jahre 17Q1 (Stadtarchiv Hs. D. 37) bringt ein „Verzeichnüs derer im Archiv
aufbewahrten Kostbarkeiten und Sachen". Es weist ungefähr den bei der Übergabe an
das Museum vorgefundenen Besitzstand und ziemlich ausführliche Beschreibungen auf,
dagegen keine geschichtlichen Angaben über die Herkunft der Gegenstände.
Da sind zunächst eine Anzahl kirchlicher Gerätschaften, meist silberne Reiiquiare
aus der Zeit des ausgehenden Mittelalters.') Wir wissen, dass sich im Rathaus seit 1345
eine Kapelle befand — der spätere Fürstensaal — , worin vor den Ratssitzungen die Messe
gelesen wurde. Was liegt also näher, als dass die Kultgeräte des Archivs ursprünglich
zu dieser Kapelle gehört haben? Von dem Hauptstück, der lebensgrossen Büste der
heiligen Dorothea, deren Inneres den Schädel und die Kinnlade der Heiligen und andere
Reliquien birgt, ist dies auch zu beweisen. In der um 1510 verfassten Descriptio Vratislaviae
von Bartholomäus Sthenus (Stein)^) heisst es bei der Beschreibung des Rathauses: „Ibidem,
sed ad orientem sacellum est cum ara, ubi sanctae Dorotheae servatur caput, et sacrificia
coram inituris consilia peraguntur." Damals stand also die Büste in dem als Altarraiun be-
nutzten Osterker des Fürstensaales. Der Zufall hat uns aber von ihrer Existenz ein noch
beträchtlich älteres Zeugnis aufbewahrt. Unter den Baurechnungen des Rathauses wird
nämlich zum Jahre 1445 auch folgender Posten aufgeführt: „Item lil flor. vor 1 Brille zu
Sand Dorothee haupte."-') Dass mit der „Brille" die runde Kristallscheibe auf dem Scheitel
unsrer Büste gemeint ist, durch die man die Hauptreliquien betrachten kann, darf wohl
als ausgemacht gelten. Fraglich ist nur, ob sich die Rechnung auf den Ersatz des Glases
oder auf seine erste Anfertigung bezieht. Im zweiten Falle niüsste man sich natürlich auch
das Reliquiar selbst nicht lange vorher entstanden denken, eine Annahme, der weiler die
1) Vgl. Schles. Vorz. Bd. II, S. 3.
^) Heraiisgeg. v. Joli. Tlicnpli. Klinisch, Hrt-slaii 1832, S. 6.
=*) Lüdecke ii. Scliid/, Das Rathaus zu Breslau, I'.irlin und FJresiau 1S()8, S. 7, Aiun. 32 n. 48.
stilistische Behandlung des Kopfes noch der unter den Reliquien befindliche Agnus Del
Pius II (1458-1464) widerspricht.')
Wenn wir dem sonst freilich nicht sehr zuverlässigen Martin Radeck, Verfasser eines
lateinischen Lobgedichtes auf die Stadt Breslau vom Jahre 1557, Glauben schenken, so
pflegte man die Büste, vielleicht am Feste der Heiligen, in feierlicher Prozession herum-
zutragen.2) Mit der Einführung der Reformation hörte dieser Brauch, wie überhaupt die
gottesdienstliche Verwendung des Reliquiars, selbstverständlich auf. Es wurde aus der
Kapelle entfernt und wanderte in die benachbarte Schatzkammer.
Anders verhält es sich mit vier Reliquiaren, die durch Wappen und Inschriften als
Stiftungen der Familien Neisse und Bank bezeichnet sind. Das älteste, in Form eines
hohlen Kleeblattkreuzes, trägt das Neissesche Wappen und die Inschrift:
coiHuirntu est cnir per lunn ottonein lie ni)sn ati eiippeüa suS
Dieser Otto von Neisse war von 1360 bis 1388 Ratsherr und Schöffe^) und hat
nach einer Urkunde Bischof Wenzels v. J. 1384 in der Elisabetkirche eine eigne Kapelle
zu Ehren der Jungfrau Maria gegründet und ausgestattet.^) Durch Heirat gelangte 144Q
die Kapelle mit allem Zubehör an den Ratsherrn Alexius Bank und nach dessen Tode 1454
an seinen gleichnamigen Sohn. In die Lebenszeit des Sohnes (f 1508) fällt die Stiftung
der Reliquienmonstranz mit dem Bankeschen Wappen und den Initialen A P (mit hartem
Anlauf des Namens), in deren Innern sich ein agnus dei Sixtus IV v. J. 1472 befindet,
und der Statuetten Johannes des Täufers und der hl. Hedwig mit den Wappen beider
Familien und der Jahreszahl 1495.
1) Von Interesse ist die Mitteilung der Acta Sanctoriim (Febr., Tom. 1., Antwerp. 1658, S. 773), dass
in der Carmeiiterkirche zu Cöln gleichfalls die Kinnlade der h. Dorothea, und zwar auch hier in einer sil-
bernen Herme eingeschlossen, gezeigt wurde. Der Schädel soll nach derselben Quelle von Karl IV. nach
Prag oder Burg Karlstein gebracht worden sein.
-) In insignia senatus popiilique Vratislaviensis carmen, p. 2: Caput Dorotheae.
Sed quid foeniineo sibi viilt diadema supimim
Suppositum capiti? capiti, quod luce corusca
Divini cingunt radii, quod flava decorat
Caesarics, nudique humeri, quaenani ista virago?
Fallor an hoc sanctae caput est illustre puellae,
Divini a Graiis cui sunt data nomina doni,
Quodque stato totam nostri nieminere parentes
Tempore gestatum solennitcr esse per urbeni:
Vana superstitio veri dum nescia cultus
Ritibtis iniussis corda illaqueata tenoret.
Radeck hielt das I5ild Johannes des Evangelisten im Breslauer Stadtwappen für das der heil. Dorothea
und für eine Abbildung des Reliquiars. Diese Ansicht hat Luchs (Schles. Landes- und Städtewappen, Schles.
Vorz. Bd. IV, S. 20 ff.) sich zu eigen gemacht und zu beweisen gesucht. Ihre Haltlosigkeit hat Roehl
(Siegel und Wappen der Stadt Breslau, Breslau IWO, S. 35) nachgewiesen.
•1) Markgraf u. Frenzel, Breslauer Stadtbuch (Codex diplom. Sil. XI), S. 111.
') Schmeidler, Die evang. Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabet, Breslau 1S57, S. 100.
Gürtel des 16. Jahrh. aus dem Ratsarchive
Diese vier Reliquiare gehörten also von Hause aus zur Elisabetkirche. Zeit und
Ursache des Besitzwechsels erfahren wir aus der Reformationsgeschichte Breslaus. Die
evangelische Predigt bekämpfte gleich zu Anfang mit grosser Heftigkeit das Anhäufen von
kostbaren Geräten in den Kirchen und besonders dessen Schaustellung im Kultus. Die
Folge war, dass sich vielfach die Neigung bemerklich machte, jene Schätze gewissermassen
als herrenloses Out zu behandeln und in eigennützigem Interesse zu verwenden. Um
solchen Versuchen vorzubeugen, liess der Breslauer Rat 1522 und in den folgenden Jahren
die Kirchenkleinodien aufs Rathaus in Sicherheit bringen. Als dann 1526 nach dem
Unglückstage von Mohacz die Türkengefahr ganz Europa bedrohte, mussten die Kleinodien
dazu herhalten, die dringendsten Mittel zur Befestigung der Stadt zu beschaffen. Der Erlös
belief sich auf etwa 12 800 Goldgulden (der Gulden dem Werte eines Pfundes Silbers ent-
sprechend), wovon fast die Hälfte auf die Kleinodien der beiden städtischen Pfarrkirchen
entfiel. 1)
Vielleicht war es die Rücksicht auf noch im Rate sitzende Nachkommen der einstigen
Stifter, die bewirkte, dass einzelne Stücke von jenem Massenverkauf verschont blieben.
Jedenfalls haben wir in den kirchlichen Kleinodien der Archivsammlung die Reste der da-
maligen Säkularisation vor uns. Die Ratskapelle selbst dürfte ausser dem Dorotheen-
reliquiar kaum noch etwas dazu beigesteuert haben. Sie war zu klein und von zu unter-
geordneter Bedeutung, als dass man ihr eine besonders reiche Ausstattung zutrauen möchte.
Wurden doch bei dem Verkauf der Kirchenkleinodien „vom Rathaus" d. h. aus der Rathaus-
Kapelle, zusammen mit einem Nachtrage aus der Barbarakirche nur 102 Gulden erzielt.
Auch das prachtvolle in Reliefstickerei aus Seide, Gold und Perlen gefertigte Dorsale einer
Casula, das Luchs für eine Altarkreuzbekleidung der Kapelle hielt,-) wird schwerlich deren
Kaplan, sondern eher den Pfarrer einer Hauptkirche geschmückt haben.
Im Gegensatz zu diesen Symbolen der Frömmigkeit steht eine andere Gruppe der
Ratsaltertümer. Degen, Dolche, Streitkolben und Leibgürtel bilden ihren hauptsächlichsten
Inhalt, alle aufs reichste geziert mit kunstvoll gearbeiteten Griffen und Beschlägen aus
vergoldetem Silber. Auf einen der drei Degen bezieht sich die erwähnte, auch im Re-
pertorium Roppan wiederkehrende Angabe, wonach im Archiv das Schwert Herzog
Heinrichs II., des Helden von Wahlstatt, gelegen habe. Das ist nun zwar ein arger
1) Markgraf, Beiträge zur Oescliiclite des evangelisclien Kirchcnwesens in f5reslau, Breslau 1S77, S. 42.
-■) Schles. Vorz., Bd. II, S. 3.
Vergoldetes Silber, auf Sammt aufgelegt
Anachronismus, denn die Form der Waffen und ihre in der Art der deutschen Klein-
meister ausgeführten Verzierungen weisen auf die Blütezeit der deutschen Renaissance
hin. Aber ein Fünkchen Wahrheit steckt doch in der Überlieferung, insofern als die
Waffen wirklich von einem schlesischen Herzog und Nachkommen der heiligen Hedwig
getragen worden sind. Auf der einen Degenscheide bemerkt man nämlich unterhalb
einer zierlichen Doppel-Darstellung der Kreuzigung das von einem Engel gehaltene
Wappen des Fürstentums Liegnitz-Brieg. Ist hier das Wappen des
Besitzers, so ist auf dem Ortband des zweiten Degens sein Brustbild
dargestellt. (Siehe Abbildung nebenan.) Es zeigt uns einen ungefähr
sechzigjährigen Mann mit langem Bart, angethan mit Wams und Ordens-
kette. Dem Alter und Aussehen nach kann nur Friedrich 11.(1488 1547)
gemeint sein. Denn seine Nachfolger in Liegnitz, Friedrich III.,
Heinrich IX. und Friedrich IV., verloren das Fürstentum, lange bevor
sie das dem Medaillon entsprechende Alter erreicht hatten, und von Georg II. von Brieg
besitzen wir drei authentische Portraitmedaillen aus verschiedenen Lebenszeiten, die nicht
die entfernteste Ähnlichkeit mit der vorliegenden haben. Dagegen stimmt das Bildnis
Friedrichs II., wie es uns auf seinen Münzen, auf dem Kupferstich bei Thebesius') und
in Eisen geschnitten auf einer Radschlossbüchse des Museums entgegentritt, in allen
wesentlichen Punkten mit dem Degenmedaillon überein.
Friedrich II. war 1480 geboren. Wir kämen also für die Zeit der Anfertigung der
Waffen etwa auf das Jahr 1540. Genau denselben Zeitpunkt ergiebt eine eingehende
Vergleichung der Kostüme auf den Beschlägen des einen Gürtels mit solchen auf datierten
Bildern, und der Schildform des Fürstentumswappens mit den Wappendarstellungen der
Münzen. Weniger Beweiskraft hat eine Waffenschmiedsmarke auf der Klinge des dritten
Degens, in Form eines gekrönten M, die nach Boeheims Handbuch der Waffenkunde
einem Mailänder Klingenschmied aus der Zeit um 1540 angehört. Denn auf derselben
Klinge findet sich noch eine zweite Marke, eine gekrönte Säule zwischen den Buch-
staben VF, und diese ist nach einer freundlichen Auskunft desselben Gewährsmannes
schon in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zu setzen. Entweder ist also der Degen
überhaupt jüngeren Datums oder die Klinge ist, was ja häufig vorkam, später einmal
erneuert worden.
>) Liegnitzische Jahrbücher, Jauer 1733, 3. Teil, S. 55.
Wie sind nun aber diese fürstlichen F^runkwaffen in die Hände des Breslauer Rates
gekommen? Urkundliche Nachrichten darüber haben sich bisher nicht auffinden lassen.
Trotzdem ist es nicht schwer, den Zusammenhang zu erraten. Friedrich II. selbst hielt
wohl das Seinige in leidlich guter Ordnung; sein Sohn aber, Friedrich III., und seine
Enkel, Heinrich IX. und Friedrich IV., waren über die Massen iüderlich und wahre
Virtuosen im Schuldenmachen. Wer nur mit ihnen in Berührung kam, ob Nachbar oder
Gastfreund, Untertan oder Standesgenosse, Bischof oder Kaiser, wurde angeborgt. War
der Kredit zu Ende, so ging es ans Versetzen. Gleich nach seinem Regierungsantritt be-
gehrte Heinrich IX. von den Ständen, dass sie die von seinem Vater in Basel und Augs-
burg für 78Q9 Kronen weit unter ihrem Werte verpfändeten Kleinode einlösten.') Geld
zu beschaffen und Sachen zu versetzen, war neben der Kumpanei im Räuschetrinken die
Haupt-Obliegenheit seines getreuen Hofmarschalls Hans von Schweinichen. Der Breslauer
Rat war gewiss nicht der letzte der Gläubiger. Schweinichen berichtet zwar bloss von
Anleiheversuchen Heinrichs und höflichen Ablehnungen des Rates,-) aber diesen mögen
wohl üble Erfahrungen aus der Zeit des Vaters vorangegangen sein. Die Vermutung
spricht durchaus dafür, dass die von Friedrich II. hinterlassenen Kostbarkeiten schon von
dessen Sohne, nicht erst dem Enkel verpfändet worden sind.
Bei derselben Gelegenheit sind wahrscheinlich auch die beiden Hedwigsgläser und
die, wie gleich zu erwähnen, im Jahre 1748 eingeschmolzenen Schmucksachen ins Archiv
gekommen. Die krugförmige Fassung des einen Hedwigsglases, auf deren Boden die
Jahreszahl 1237 in gotischer Schrift eingestempelt ist, trägt das Augsburger Beschau-
zeichen, ihre Ornamentierung ist der des einen Degens so ähnlich, dass beide von dem-
selben Meister herrühren dürften.
Was sonst von Ratsaltertümern vorhanden ist, sind zumeist Utensilien des Magistrats
und seiner Organe, die, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatten, des geschichtlichen
Interesses wegen weiter aufbewahrt wurden. Dahin gehören z. B. die zahlreichen Münz-
stempel, Petschafte und Wappenschildchen, Stadtthorschlüssel, Masse und Gewichte,
Strafwerkzeuge u. dgl. Ein grosser gläserner Willkomm v. J. 15Q5 mit dem Stadtwappen
war ehemals Eigentum der Breslauer Niederlage. Zwei silberne Pokale sind durch ihre In-
schriften als Ehrengaben des Rates an verdiente Bürger bezeichnet, während ein schwer
vergoldeter Becher und ebensolcher Löffel umgekehrt ein Geschenk des kaiserlichen
Rates und Syndikus Heinrich Ribisch an die Stadt bedeutet. Von Einrichtungsstücken
des Rathauses sind dem Museum nur ein gotischer Schrank und einige schöne schmiede-
eiserne Gitter übergeben worden.
1) Thebesius, III, S. 124.
-') z. B. zum y. Januar 1578: „Hcrzuf^ Heinrich liessLMi durch mich den Rat von Breslau um
4000 Thir. zu leilicn ansprechen, konnte aber bei ihnen des Anlehns halber nichts erheben, sondern sie
verehreten J. F. O. 100 PI. Unf,'r. und ein Gaul, damit waren 1. F. Q. auch wohl zufrieden unti bedankten
sich." Denkwürdigkeiten, lieransKeK- von H. Oesterley, S. 163. V|j:1. S. 58 u. KiS.
Es verdient anerkannt zu werden, dass der Breslauer Rat in der Zeit seiner politi-
schen Selbständigkeit ein erfreuliches Mass von historischem Sinn und Pietät für das
Erbe der Vorfahren bethätigt hat. Aber mit der preussischen Besitzergreifung zog ein
anderer Geist in die Stadtverwaltung ein. An die Stelle der alteingesessenen Rats-
geschlechter traten z. T. landfremde, durchaus von der Regierung abhängige Beamte,
denen die Vergangenheit nichts, das fiskalische Interesse und der Grundsatz äusserster
Sparsamkeit alles galt, und die deshalb zu Gelde machten, was von den vorgefundenen
Wertstücken irgend entbehrlich schien. Als daher bei einer i. J. 1747 vorgenommenen
Revision des Archivs eine Schachtel mit alten Gold- und Silbersachen, der Beschreibung
nach Ketten, Anhänger und Ringe der Renaissance, zu Tage kam, verstand es sich
sozusagen von selbst, dass diese Dinge verkauft wurden. Ihr etwaiger künstlerischer
oder historischer Wert kam gar nicht in Frage, vielmehr ordnete die Königl. Kriegs- und
Domänenkammer ausdrücklich an, „dass das Gold und Silber unter keiner andern Be-
dingung an jemand verkauft werde, als dass er es entweder selbst verarbeite oder zur
Münze liefere". Nur bei einigen darunter befindlichen „in Wachs poussirten Bildern" sei
zu versuchen, ob sie an Kenner und Liebhaber von dergleichen Raritäten anzubringen
wären. Den Zuschlag erhielt der Münzlieferant Elias Lazarus Zacharias*).
Dasselbe Schicksal erlitt 1778 eine nachträglich im Archiv gefundene Partie Korallen
und Edelsteine^) und 1786 ein bei Ausräumung des Fürstensaales in einem Kasten ge-
fundener silberner Degen nebst einer grossen Quantität alter Zinngeräte.^) Nur in einem
Falle verfuhr man rücksichtsvoller. Als 1775 beim Suchen nach einer Urkunde ver-
schiedene Beutel voll kleiner und gröberer alter schlesischer Münzen, Münzproben und
eingeschmolzenen Metallen entdeckt wurden, „welches vermutlich noch von den Zeiten,
als Magistratus das Münzrecht exercirte, daselbst aufbehalten worden", verfügte die Kriegs-
und Domänenkammer, dass die Münzen nicht eher eingeschmolzen würden, als bis durch
Sachverständige, nämlich den Rektor Klose, den Rektor Arletius und den Diakonus Scholz,
alle der Aufbewahrung würdigen Stücke herausgesucht wären. Diese wurden alsdann
der Bibliothek zu St. Bernhardin übergeben. Das Dankschreiben des Rektors Klose an
den Magistrat sei als Kuriosum mitgeteilt:
Hochwoigebohrne Gnaedig hochgebitteiide Herren Directores Wolgebohrne vnd hochbenamte Herren
Meine gnaedige vnd hochzuverehrende Ooenner.
Der grosse und Einem so ruhmwiirdigen Raths Collegio volkommen entsprechende Gedanke, das-
jenige, was Jahrhunderte lang im Staube gelegen, zum algemeinen Gebrauch geschickt zu macheu, ist
Friedrichs Jahrhundert, ist der Bewunderung und Nachamung der Enkel wert.
Die von Einem hochweisen und vorzüglich gütigen Magistrat der Königl. Haupt- und Residenz
Stadt Breslau der Bibliothek zu St. Bernhardih in der Neustadt gewidmete und den 15. Febr. hochgeneigt
übersandte alte Schlesische Münzen, schätzbar dem Oeschichtforscher und Liebhaber der vaterländischen
Historie, werden jederzeit als eine der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten auf dieser Bibliothek sein; besonders
1) Magistratsacten 41. 3. 30. Nr. 1 16.
-) a. a. O. Nr. 32 42.
:') a. a. O. Nr. 44 63.
8
da sie das einzige Geschenke in ihrer Art sind. Wofür derjenige, dem die Aufsicht über diese Bücher-
sanilung gütigst anvertrauet ist, den gehorsamsten Dank, mit aller der Rürung, die je eine patrotische Tat
zu erregen vermag, abzustatten sicli freuet.
Ew. Hochwolgebohrnen Wolgebohrnen Onaedigen vnd Hochgebittenden Herren untertänig verbundenster
Sam. Beni. Klose.
Breslau, den 15. Februar') 1776.
Schlimmer noch als die genatTiifen Verluste ist die Verschleuderung der beiden
städtischen Zeughäuser um dieselbe Zeit. Sie werden in den älteren Beschreibungen
Breslaus stets als Sehenswürdigkeiten ersten Ranges hingestellt, und wenn man bei
Oomoicky liest, was alles darin war, wird man diese hohe Meinung berechtigt finden.
Das eine lag am Sandthor und war 1551 erbaut worden. Es enthielt mehr das
grobe Geschütz, so vier grosse Carthaunen, genannt Rhinocerus, Löwe, Bär und Samson
Der „Samson". Nach einer alten Zeichnung
oder die alte Sau, die laut Inschrift 1543 von Merten Hilger, Rotgiesser in Freiburg,-) ge-
gossen waren. Abbildungen davon befinden sich in der Senitzischen Sammlung des
hiesigen Staatsarchivs. Die obenstehende stellt den Samson dar.-^) Ferner waren da eine
Feldschlange von über 9 Ellen Länge, viele halbe und Viertelschlangen, eine grosse Menge
Doppel- und halbe Haken und zwei sogen. Oeschwind-Schiesser, die lOOSchuss in einer
Viertelstunde abgaben und erst im Jahre 1733 angeschafft worden waren; ausserdem
einige hundert Feld- und Turnierrüstungen. Besonders berühmt war die Kunst- und
Modellkammer, „da hinein Tit. Plen. weyl. Herr Albrecht von Säbisch, gewesener Haupt-
mann bey der Rolhen Leib-Kompagnie allhier, sehr viele Kuriosa von Alt-Teutsch- Spanisch-
Türckisch- und andrem ausländischen Gewehr, vermacht zusambt unterschiedlichen Mo-
dellen von Stücken schnell zu Schüssen, wie auch viele Instrumenta, so zur Architektur,
Militär- und Büchsen-Meisterey gehören, im gleichen hat der Fürst Lubomiersky aus
Pohlen, einen schönen blau-angelauffenen und starck vergoldeten Kyrass, zusambt seiner
1) a. a. O. Nr. 19 30.
-) Dieser Merten Hilger starb 1544. Ein jüngerer Bruder von ihm ward Kannengiesser von Breslau
genannt. Vgl. J. Schmidt, Die Glocken- und Stückgiesserfamilie Hilliger, Mitteil. d. Freiburger Altertunis-
vereins 1865, S. 343.
'•) Nach der Inschrift am Mündungsrand angeschafft durch Claus Reichet Kemerer (Kämmerer), t 1532.
Hiernach scheint die von Oomoicky angegebene Jahreszahl 1543 wenigstens für dieses Stück nicht zu-
treffend zu sein.
übrigen Armatur, so er selbst in Schlachten getragen, wie auch andere dergleichen, hinauf
geschencket." in einem Schrank befanden sich die 23 Schwerter, womit die Rädelsführer
des Bürgeraufstandes von 1418 in Gegenwart Kaiser Sigismunds enthauptet worden waren.
Endlich sah man dort noch Modelle von Schnellwagen, Hebe- und Treibwerken, Mühlen,
Feuerspritzen u. dgl. sowie vielerlei künstliche Meisterstücke der Plattner, Schlosser,
Windenmacher und Zimmerleute.
Das andere Zeughaus lag auf dem Burgfeld und war schon 1453 erbaut worden.
Es barg ausser den bei festlichen Gelegenheiten zur Ausschmückung der Ehrenpforten
gebrauchten beweglichen Riesenfiguren und den Meisterstücken der Schmiede und Sattler
einen ansehnlichen Vorrat von Schutz- und Trutzwaffen der verschiedensten Zeiten und
Gattungen: mittelalterliche Schilde, Schwerter, Bögen und Armrüste, hunderte von blanken
Harnischen und Helmen, Picken und Morgensterne, etliche tausend Musketen, Radschloss-
büchsen, Orgel- und Schnellfeuergeschütze, Mörser und Falkonetlein, alles erdenkliche
Schanzzeug und Sturmgerät.
Über den Verbleib dieser Sammlungen giebt eine Notiz des handschriftlichen Tage-
buches von Joh. Georg Steinberger zum Jahre 1744 (Januar) Aufschluss'):
„Auch ist in den alten Zeughäusern viel altes Gewehr, Harnisch, Schwerdter, Spiess
und Degen funden worden, deren gantze Hauffen im Burgfeldt-Zeughauss lagen, die noch
von der Tatarischen Schlacht bei Liegnitz herrührten; es wurde Alles umb ein Spott-
geldt verkaufft."
So erklärt es sich, dass von Alten Breslauer Waffen so wenig erhalten ist. Einige
hölzerne Schilde mit dem aufgemalten Breslauer W und einem roten Kreuz, das an den
Kreuzzug der Breslauer wider die böhmischen Ketzer v. J. 1467 erinnert,-) Bolzen und
Brandpfeile, ein paar mittelalterliche Schwerter und Kriegsflegel, die bei Umbauten des
Rathauses ans Tageslicht kamen, sind alles was wir davon besitzen.
Wenn die Archivsammlung mehr den Charakter eines Schatzes trug, die Zeug-
häuser in erster Linie militärischen Zwecken dienten, so fehlte es doch schon im alten
Breslau nicht an Sammlungen, die lediglich zur Befriedigung der Wissbegierde und
Schaulust angelegt waren und als direkte Vorläufer der heutigen Museen erscheinen.
Sie waren mit den Kirchenbibliotheken verbunden und an zwei Tagen der Woche nach-
mittags von 2—4 geöffnet.
Schon Thomas von Rhediger (f 1575), der Stifter der nach ihm benannten
Bibliothek bei St. Elisabet, hatte ausser Büchern und Manuskripten auch ein aus-
erlesenes Kabinet antiker Münzen, Statuen und Bilder, vornehmlich Portraits berühmter
Zeitgenossen, hinterlassen, darunter die interessante Folge französischer Wachsportraits
aus der Zeit Heinrichs II. und Karls !X., die noch heute eine Zierde unseres Museums
') Mitgeteilt von A. Schuster in Schles. Vorz. V., S. 60.
2) P. Eschenloer, Geschichten d. Stadt Breslau, herausgeg. von Kuuisch, II. Bd., S. 27, 34, 38 u. a.
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bildet. Später kamen die grosse Kupferstichsammlung des Aibrecht von Sebisch und
dessen mathematische und physikalische Instrumente, Mineralien und Conchylien und
viele andre Schenkungen hinzu. Auch bei St. Maria-Magdalena und St. Bernhardin
gab es Sammlungen von Münzen und Kupferstichen, Gemälden und Skulpturen, Naturalien
und allerhand Kuriosis. Sogar die Prähislorie war schon vertreten: auf der Rhedigerana
durch Urnen und Bronzen vom „Hasenberge" bei Oswitz, auf der Magdalenenbibliothek
u. a. durch „eine Partie alte Heydnische Begräbnüss-Töpffe, so die aussgüssende Oder
An. 1614 den 14. April, im Dorfe Ransern, eine Meile von Breslau entdecket," auf der
Bernhardinbibliothek durch „eine hölzerne Pyramide, die inwendig mit Töpffen erfüllet,
von aussen aber mit biblischen Emblematibus von Töpffen zur Erinnerung der Sterblig-
keit gezieret" war. Diese noch vorhandene Pyramide enthält fast das einzige,') was von
der grossen Sammlung des Pators Leonhard David Hermann in Massel, des seiner Zeit
hochberühmten Verfassers der Maslographia, übrig ist, ein lehrreiches Beispiel dafür, dass
nur die Überweisung an eine öffentliche Anstalt derartige Dinge vor schliesslicher Ver-
nichtung schützt.
Es darf indes nicht verschwiegen werden, dass dieser Schutz durch die Breslauer
Kirchenbibliotheken nur sehr mangelhaft ausgeübt wurde. Es ging hier eben, wie es
noch täglich mit kleinen städtischen und Vereinssammlungen zu gehen pflegt. Solange Männer
an der Spitze standen, die Lust und Liebe zur Sache hatten und selbst antiquarische
Studien trieben, wie es in der Zeit zwischen dem dreissigjährigen und den schlesischen
Kriegen der Fall war, war alles in schönster Ordnung. Dann aber folgte eine lange
Periode der Interesselosigkeit. Geschätzt und vermehrt wurden eigentlich nur noch die
Bücher; was sonst noch da war, verstaubte und verkam. Hieran änderte auch die in den
sechziger Jahren des IQ. Jahrhunderts vollzogene Vereinigung der drei Kirchenbibliotheken
fürs erste noch nichts. Vielmehr mag gerade beim Umzug und später auf dem Boden
des Stadthauses gar vieles vollends zu Grunde gegangen sein. Erst der jetzige Direktor der
Stadtbibliothek und des Stadtarchivs, F^rof. Dr. Markgraf, sorgte dafür, dass der noch
immer sehr schätzbare Vorrat an Antiquitäten im Museum eine würdige Stätte fand. Die
Kupferstiche und Bilder wurden an das Museum der bildenden Künste, die Naturalien an
die städtischen Gymnasien abgegeben.
Von dem einstigen Reichtum der hiesigen Kirchen geben die z. T. veröffentlichten
mittelalterlichen Schatzverzeichnisse wehmütige Kunde.-) Was davon Gold und Silber
war, wurde, wie schon bemerkt, in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts einge-
schmolzen. Ausgenommen blieben davon nur die grossen Stiftungen auf dem Sande, dem
Dom und dem Elbing, die eigne Jurisdiktion hatten und selbst Landstände waren, ebenso
') Im der W;iriiiliriinni.'r Biblicitlick hcfiiulcn sich mich nocli einiifc von Hermann seiner Zeit liorthin
gestiftete Urnen.
-) Alwin Scluiltz in tien Ahhaiulhni^'eii der Schles. Oesellsch. f. vaterl. Knhiir, I'hilos. histor.
Abt. 1867, S. 1 ff.; Schles. Vorz. 1kl. V, S. 25'i.
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die Nonnenklöster. Von ihnen hat der Dom sich bis heute einen Schatz bewahrt, der
an Alter und Kunstwert nur von wenigen deutschen Kirchen übertroffen wird.
Gab hier der Materialwert den Anreiz zur Vernichtung, so sind in andern Fällen
die Vergänglichkeit des Stoffes, elementare Ereignisse, Nichtachtung und rücksichtslose
Behandlung dem Kunstbesitz der Kirchen verderblich gewesen. Ein Beispiel für viele
mag genügen. Die Elisabetkirche zählte i. J. 1649 über 300 Denkmäler, von denen
heute nur noch etwa 100 nachweisbar sind. 1824 führt Paritius 390 Denkmäler auf, ohne
jedoch alle aufgenommen zu haben. Davon sind in der kurzen Zeit bis 1860 HO ver-
loren gegangen.') Und doch hat gerade die Elisabetkirche mehr als jede andere zu den
Sammlungen des Museums beigesteuert; gegen 50 Altäre, Tafelbilder, Heiligenfiguren und
Epitaphien, darunter Werke von hoher kunstgeschichtlicher Bedeutung, wie die von Otto
von Neisse 1384 für seine Kapelle gestiftete Pieta aus Kalkstein, die Bischof Wenzel in
der Bestätigungsurkunde als subtile et magistrale opus preist, eine Reihe z. T. ausge-
zeichneter Reliquiare, Kelche, Taufbecken, Krön- und Wandleuchter, Kerzenträger, Fahnen-
halter, mit Miniaturen geschmückte Messbücher, die beiden herrlichen Wandteppiche mit
der Darstellung des Paradieses und des Urteils Salomonis, vor allem aber die unver-
gleichliche Sammlung von Paramenten verschiedener Zeiten.
An zweiterstelle steht die Magdalenenkirche. Vier der künstlerisch bedeutendsten
Altäre des Museums: der Goldschlägeraltar von 1476, der gleichaltrige Marienaltar, der
Kürschneraltar von 1485 und der Stanislausaltar von 1508, sodann eine grosse Menge
kleinerer Schnitzwerke und kirchlicher Ausstattungsstücke, Antependien, Kasein und Kelch-
decken, sind von ihr überwiesen worden.
Unter den Beiträgen der übrigen Breslauer Kirchen sind der Barbara-Altar aus der
Kirche gleichen Namens das Hauptwerk der Schlesischen Malerei des 15. Jahrhunderts,
aber wegen seiner schwierigen Konservierung ein Schmerzenskind des Museums — , die
Reste eines Kirchenschatzes aus der Elftausend-Jungfrauenkirche-') und ein mit In-
tarsien und Schnitzwerk reichverziertes Chorpult aus der Bernhardinkirche das Bemerkens-
werteste. Dem Bernhardinhospital entstammt u. a. ein prächtiger Renaissancetisch,
dessen Platte mit verschiedenfarbigen Hölzern kunstvoll eingelegt ist.
Die hohe Blüte des gewerblichen Lebens in Breslau während des 15. bis 17. Jahr-
hunderts fand in der reichen Ausstattung der Zunftstuben mit teils nützlichem, teils nur
zum Prunk dienendem Gerät herzerfreuenden Ausdruck. Wenig ist davon auf unsre Tage
gelangt. Einige Innungen waren bei ihrer Auflösung verständig genug, ihren Besitz an
Altertümern meist nur noch die Urkundenladen und Petschafte an den Magistrat
oder direkt an das Museum abzuliefern. Es waren dies 1. die Barbiere und Chirurgen,
2. die Heringer, 3. die Leinwandreisser, 4. die Tuchbereiter, 5. die Schwarz- und Schön-
') Luchs, Die Dciikiiialer der St. Elisahctkirclie, Breslau 1S60, S. 9.
•i) Schles. Vorz. Bd. III, S. ISS.
12
färber, 6. die Sattler imd Riemer, 7. die Seifensieder, S. die Tischiergesellen, Q. die Stück-
und Olockengiesser, 10. die Sciiwertfeger, 11. die Weinbrenner. Einzelne hervorragende
Stücke, wie die mächtigen, gotischen Zinnkannen der Bäcker und der Seiler, sind auf
Umwegen ins Museum gekommen.
Entschädigt werden wir für die Verluste auf diesem Gebiete durch die Kleinodien der
beiden Breslauer Schützen brüderschaften, der vom Zwinger und der vom Schiess-
werder, die zwar nicht unverkürzt, aber doch in der Hauptsache vollständig erhalten sind.
Mit ihren 37 silbernen Pokalen, ihren Stammbüchern und Orden, und den 240 goldenen
Königsschildchen, die sich über einen Zeitraum von vier Jahrhunderten verteilen, bilden sie
einen Schatz, wie er nicht leicht zum zweiten Male existieren dürfte.')
Eine Kollektion auserlesener Gläser, meist dem 17. Jahrhundert angehörig, verdankt
das Museum dem Verein christlicher Kaufleute, eine kleine Sammlung von Antiken,
prähistorischen Funden, Waffen, Münzen u. dgl. der Schlesischen Gesellschaft für vater-
ländische Kultur. Der Verein der schlesischen Freiwilligen von 1813 15 hat
1879, die Gesellschaft Laetitia 1896 das Museum zum Erben ihrer Hinterlassenschaft
eingesetzt.
So verlockend es wäre, auch die Privatsammlungen in den Kreis der Betrachtung
zu ziehen, ihre Schicksale zu verfolgen und zu sehen, wieviel davon in das Museum
hinübergerettet worden ist, so liegt dies doch ausserhalb unseres Themas. Es sei daher
nur festgestellt, dass auch an solchen Breslau früher einen überraschenden Reichtum be-
sessen hat, oder wie es in der kernigen Ausdrucksweise Gomoickys heisst, „dass in
unserm Breslau jederzeit mehr Courioeses da und dort zu betrachten gewest, als sich
manche neydische oder faule Aussländer eingebildet".
II.
Die Aufhebung der geistlichen Stiftungen im Jahre ISIO war zunächst eine rein
finanzpolitische Massnahme. Dass sie den Anstoss zur Bildung einer ganzen Reihe wissen-
schaftlicher Anstalten gegeben hat, war im wesentlichen das Verdienst Johann Gustav
Gottlieb Büschings, jenes vielseitigen Mannes, der von seinen Zeitgenossen und Nach-
folgern eine so verschiedenartige, häufig ungerechte Beurteilung erfahren hat, dem aber
niemand den Ruhm streitig machen kann, dass er wie kaum ein Zweiter anregend auf das
geistige Leben unsrer Provinz gewirkt hat.
Den Anteil Büschings an der Gründung der KcJniglichcn und Universitäts-Bibliothek
hat erst kürzlich deren Direktor, Professor Dr. Staender, im 33. Bande der Zeitschrift des
Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens dargethan. Seine Leistungen auf dem
Gebiete der schlesischen Geschichtsforschung sind von Markgraf in der Festschrift zum
1) Schles. Vorz. Bd. V, S. 231 ff. u. Bil. VII, S. \A5 ff.
13
fünfzigjährigen Bestehen desselben Vereins gewürdigt worden. Wir haben es hier nur
mit dem von ihm gegründeten Museum und speziell der Altertümersammlung zu thun.
Unter dem 5. November 1810 hatte er in einer Eingabe an den Staatskanzler von
Hardenberg seinen Plan entwickelt und dabei auch die Errichtung einer Kunstsammlung
„Aus den Kunstschätzen
eine eigne Sammlung von
sein, wozu manche öffent-
schon herrlichen Stoff
dalena mit ihrer bedeu-
Kupferstichsammlung, Eli-
Kirchen enthalten viele und
geweihten, jetzt verlassenen
und nun ihre heilige Kraft
Kunstkraft bewahrt haben,
anzulegen, würde freilich
Vermögen der aufgeho-
werden müssen; aber dies
Geldmasse, die durch Auf-
Staat gewinnt, ganz un-
dagegen der dadurch zu
in Breslau vorgeschlagen.
vieler Klosterkirchen würde
Kunstwerken zu errichten
liehe Bibliothek zu Breslau
giebt, z. B. die Maria-Mag-
tenden Gemälde- und
sabet u. s. w. Mehrere alte
wichtige Werke, die einst
Altären gewidmet waren
verloren, dagegen ihre
Um alle diese Sammlungen
ein Stammkapital aus dem
benen Klöster niedergelegt
würde immer gegen die
hebung der Klöster der
endlich unbedeutend sein,
bewirkende Nutzen höchst J- 0- Q- Büsching wichtig ist. — Alle diese
Sammlungen müssten aber auch, so scheint es mir, dem Herzogtum Schlesien geschenkt
werden. Dieses wäre der Eigentümer, der König nur der Errichter und Protektor, sowie auch
ihm der grösste Teil der Verwaltung zustände. Zur Erweiterung, Verbesserung und Erhaltung
dieser Sammlungen müssen aber auch die schlesischen Stände und Privatleute teils durch
Beiträge, teils durch Schenkungen ihrer Privatsammlungen zugezogen werden und dies
würden sie, wenn sie auf eine gute Art dazu aufgefordert würden, gewiss. So würde
auch vielleicht das doch immer etwas Gehässige der Aufhebung der Klöster auf eine gute
Art vernichtet."
Die Eingabe hatte die Wirkung, dass ihm am 24. November desselben Jahres das
General-Kommissorium für die bei den aufgehobenen Klöstern und Stiftern sich vorfin-
denden Bibliotheken, Archive, Münzsammlungen und Kunstgegenstände aller Art über-
tragen wurde.
Mit wahrem Feuereifer machte sich Büsching ans Werk. Der wichtigste und schwierigste
Teil seiner Aufgabe betraf ohne Zweifel die Bibliotheken und Archivalien. Bei diesen ging er,
wenigstens im Anfang, in der Weise vor, dass er die Bestände nach einer sorgfältigen Durch-
sicht verpackte und alsbald nach Breslau schickte, wo er in dem schönen und geräumigen
Augustiner-Chorherrenstift auf dem Sande die für seine Zwecke passendste Heimstätte er-
kannt und gegenüber anderen Wünschen glücklich behauptet hatte. Bei den Kunstsachen
war dagegen schon eher eine Übersicht und Auswahl an Ort und Stelle möglich. Nur
14
mag auch hier die Hast, in der sich das Übernahmegeschäft notgedrungen vollzog, die
Anfertigung eines eigentlichen Inventariums vereitelt haben, so dass sich nicht feststellen
lässt, wieviel als zur Aufbewahrung ungeeignet ausgeschieden und verkauft worden ist.
Einigen Ersatz bieten uns seine „Bruchstücke einer Geschäftsreise durch Schlesien (Breslau
1813)", von denen aber leider nur der erste Band erschienen ist.
Im allgemeinen stand die Ausbeute an Kunstwerken und Altertümern weder der
Zahl noch dem Werte nach in einem auch nur annähernden Verhältnis zu der an Büchern
und Urkunden. Nur Bilder fanden sich in überreicher Fülle vor. Aber wenn man von
dem noch heute Vorhandenen auf das übrige schliessen darf, so wird man es kaum be-
dauern, dass ihre Zahl durch immer wiederholte Aussonderungen schliesslich auf etwa 160
zusammenschrumpfte. Plastische Arbeiten aus Stein, Holz, Elfenbein etc. wurden nur 7
in die Sammlung aufgenommen, darunter als bestes Stück die Alabastergruppe der drei
Marien aus dem 14. Jahrhundert. Von Goldschmiedearbeiten ist eigentlich nichts vorhanden,
es sei denn, dass man das dem Matthiasstift entnommene Hedwigsglas seiner Fassung
wegen dazu rechnen will. Es liegt nahe, dass bei der damaligen Notlage des Staates der
Metallwert für den Verkauf entscheidend gewesen ist. Dass von altertümlichem Haus-
gerät so garnichts übernommen wurde, mag durch das in jener Zeit noch kaum entwickelte
Verständnis für diese Dinge zu erklären sein. Gerade davon war in den Klöstern sicherlich
noch manches gute Stück vorhanden.
Verhältnismässig gross war die Ausbeute an Waffen. Bei dem Kloster Leubus
fand sich ein kleines Zeughaus, das u. a. eine meisterhaft geschmiedete Rüstung für Mann
und Ross aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts enthielt. Nach Büschings Angabe stammte
sie aus einem schon früher verschleuderten Liegnitzer Zeughause. Auf Grund dieser Herkunft
und der Entstehungszeit hat man sie mit Recht dem Herzog Friedrich II. von Liegnitz
und Brieg zugeschrieben. Ein schöner in Eisen getriebener Medusenschild geht vielleicht
auf dieselbe Quelle zurück. Kleinere Bestände wiesen die Klöster in Sagan, Grüssau und
Breslau auf. Eine grössere Münzensammlung entdeckte Büsching im Augustinerstift zu
Sagan. Dort war auch eine Sammlung von 26 Urnen, die neben den aus Frankfurt
herübergekommenen Dingen dieser Art den Grund zur vorgeschichtlichen Abteilung des
Museums legten.
Am I.Juni 1812 legte Büsching sein Kommissorium in die Hände seiner Auftrag-
geber nieder und wurde mit der Stelle eines Archivars an dem jetzt ins Leben tretenden
Provinzial-Archiv abgefunden. Die Oberaufsicht über die Sammlungen übernahm der bis-
herige Oberbibliothekar der Universität Frankfurt Prof. Schneider. Aber schon nach
wenigen Monaten sah man sich genötigt, wieder auf die Hilfe Büschings zurückzugreifen
und ihn mit der Einrichtung des Kunst- und Altertümermuseums zu betrauen. Nachdem
dann die durch Staub und Kerzenrauch sehr verunstalteten Bilder gereinigt und inventarisiert
waren, erfolgte am 20. Juni 1815 zunächst die Erc'iffiumg der in fünf Zimmern und Korri-
doren des Hauptgebäudes der Bibliothek aufgestellten Galerie. Die Altertümersammluiig
wurde erst drei Jahre später fertig. Sie bezog zusammen mit der gleichfalls von Büsching
15
verwalteten Sammlung der antiken Gipsabgüsse ein nach der Oder zu gelegenes Neben-
gebäude. Zu ihrer allgemeinen Vermehrung fehlte es schlechterdings an Mitteln. Kaum
dass auf Büschings stetes Drängen ein bescheidener Dispositionsfonds zur Bestreitung der
notwendigsten Ausgaben bewilligt wurde. So begnügte er sich denn wohl oder übel
mit der Konservierung des Vorhandenen und verlegte sich im übrigen mit desto grösserer
Energie auf ein Gebiet, das selbst mit so knappen Mitteln eine gedeihliche Entwickelung
gestattete: die heidnischen Grabaitertümer.
Sein Plan war von Anfang an darauf gerichtet, das grosse Publikum für seine Zwecke
zu gewinnen, in den Amtsblättern der Provinz erschienen Aufforderungen an die Besitzer und
Finder von Antiquitäten, diese dem Breslauer Museum geschenkweise oder käuflich zu über-
lassen. Volkstümlich gehaltene Aufsätze in den Schlesischen Provinzialblättern, im Korre-
spondenzblatt der Schlesischen Gesellschaft, in den eigens dazu gegründeten Blättern für die
gesamte schlesische Altertumskunde und wo nur Gelegenheit war, verbreiteten sich bald
über die Methode und die Nützlichkeit solcher Forschungen im allgemeinen, bald über
einzelne besonders merkwürdige Funde. Wenn er von einem neuen Fundort vernommen
hatte, knüpfte er sogleich einen lebhaften Briefwechsel mit dem Finder an und wurde nicht
müde, diesen zu einer gründlichen Untersuchung anzuspornen. War seine persönliche
Anwesenheit erforderlich, so scheute er weder Mühe noch Kosten, und oft genug bezahlte
er, wenn die Museumskasse erschöpft war, die Reise aus seiner eigenen Tasche.
Der Erfolg blieb denn auch nicht aus. Binnen einem Jahre wuchs die prähistorische
Sammlung auf 1000 Stück und jedes Jahr fügte ihr neue reichhaltige Funde hinzu. Als
Büsching am 4. Mai 182Q starb, zählte die Sammlung an Fundstücken aus Schlesien 1500
Thongefässe und 864 Gegenstände aus Stein und Metall, ausserdem 6Q6 nichtschlesische
Funde, die er im Austausch gegen Dubletten von fremden Museen, besonders dem Kopen-
hagener, erhalten hatte.
Diese erfreuliche Entwickelung fand mit Büschings vorzeitigem Tode ein jähes Ende.
Seine Nachfolger im Amte hatten für jene Dinge nicht das geringste übrig und machten
keinen Hehl daraus, dass sie ihnen nur zur Last seien. Daher sind aus der Folgezeit
keine Vermehrungen, wohl aber mancherlei Verluste zu verzeichnen. Der schmerzlichste
betrifft die erwähnte Reiterrüstung. Prinz Carl von Prcussen, ein eifriger Waffensammler,
hatte davon gehört und bei dem Universitäts-Kurator Neumann anfragen lassen, ob man
ihm die Rüstung wohl überlassen wolle. Neumann berichtete darüber an den Minister
mit den Worten: „dass sich bei der Universität Breslau eine bei der Bibliothek aufgestellte
Pferderüstung befinde, welche nach den von Sr. Königlichen Hoheit in Breslau eingezogenen
Nachrichten keinen Wert habe, so dass, wenn der Minister seine Zustimmung gebe,
solche Sr. Königlichen Hoheit als ein Geschenk verehrt werden würde." Nach zustimmender
Antwort des Ministers wies Neumann am 27. März 1834 den Direktor des Museums
Prof. Ritschi kurzer Hand an, aufs schleunigste die Rüstung zu verpacken und dem General
von Strantz als Kommissar des Prinzen zur Absendung nach Berlin zu übergeben, was
denn auch schon am folgenden Tage geschah. Wiederholte, in neuerer Zeit gemachte
16
Versuche, dieses weitaus wertvollste Stück der ganzen Königlichen Sammlung wieder-
zuerlangen, sind stets im Sande verlaufen.
Im Jahre 1853 eröffnete der Schlesische Kunstverein die Bildergalerie im Stände-
hause, unserm jetzigen Museumsgebäude. Sein Gesuch, auch die zur Universität ge-
hörigen Gemälde dort aufzustellen, ward ohne weiteres bewilligt. Jedoch wurden damals
nur die bereits restaurierten und eingerahmten Bilder, 82 an der Zahl, übergeben. Der
Rest blieb vorläufig zurück und teilte das Schicksal der Altertümersammlung.
III.
Ein Menschenalter verging, bis wieder ein Mann
auftrat, der entschlossen und fähig war, das von
Büsching unternommene Werk fortzusetzen. Die Zeiten
hatten sich seitdem geändert. Kunstgeschichtliche und
antiquarische Forschungen galten nicht mehr als Sache
der Liebhaberei einzelner, sondern waren anerkannte
Wissenschaften geworden; das Interesse an den Zu-
ständen der Vergangenheit durchdrang alle Kreise der
Gebildeten, die Überzeugung von der Notwendigkeit
eines ausgedehnten Denkmälerschutzes hatte überall
festen Fuss gefasst. Vor allem waren auch in ökono-
mischer Beziehung die Verhältnisse besser geworden.
Um für ideale Zwecke thatkräftige Unterstützung zu er-
langen, bedurfte es nur eines geschickten Organisators.
Ein solcher Organisator war der 1826 in Beuthen
O.-S. geborene Hermann Luchs, seit 1852 Lehrer,
seit 1863 Direktor an der städtischen höheren Töchter-
schule am Ritterplatz in Breslau. Als er 1857 die
Errichtung eines Schlesischen Altertumsmuseums ins
Auge fasste, konnte er nicht im Zweifel sein, dass ihm die Lösung dieser Aufgabe nur
gelingen würde, wenn er an einem starken Vereine den nötigen moralischen und materiellen
Rückhalt fände. Luchs verband sich also mit einigen gleichgesinnten Freunden und lud
gemeinsam mit diesen 31 angesehene Breslauer Bürger zur Komiteebildung ein.
Sämtliche Eingeladene nahmen an der Sitzung teil. Die Gründung eines Vereins
wurde beschlossen und ein Komitee mit der weiteren Verfolgung des Gegenstandes betraut.
Unter dem 4. Dezember erging die Anzeige davon an den Magistrat, wobei man, den Er-
eignissen weit voraneilend, betonte, dass das Unternehmen nur ein Provisorium bilden solle,
bis das viel umfassendere projektierte städtische Museum ins Leben treten würde. Tags
darauf richtete man an alle Schlesier einen Aufruf, den Verein zur Errichtung eines Museums
schlesischer Altertümer durch einen Beitrat von mindestens einem Thaler gründen zu helfen.
Hermann Luchs
17
In der ersten Generalversammlung vom 12. Januar 1858 wurden die Statuten im wesent-
lichen nach der von Luchs vorgelegten Fassung angenommen und folgende Mitglieder in
den Vorstand gewählt: 1) Graf v. Hoverden-Plencken als Vorsitzender; 2) Baurat Studt
als zweiter Vorsitzender; 3) Oberlehrer Tagmann als Sekretär; 4) Kaufmann Klocke als
Schatzmeister; 5) Dr. Luchs als Kustos; 6) Bildhauer Michaelis; 7) Geh. Rat Prof. Dr.
Goeppert; 8) Baumeister Luedecke; 9) Prof. Dr. Rossbach. — An die Stelle von
Tagmann trat bald darauf der Archivar Dr. Wattenbach, an die von Michaelis Prof. Dr.
Roepell.
Die Mitgliederzahl betrug schon bei der Konstituierung 148 und überschritt noch
im Laufe desselben Jahres das zweite Hundert. Von den damaligen Mitgliedern gehören die
Herren Geh. Kommerzienrat Heimann, Stadtältester Dr. Heinrich von Korn, Dr. Promnitz
und Freiherr von Czettritz-Neuhaus, Landschaftsdirektor auf Kolbnitz, Kreis Jauer, noch
heute dem Vereine an.
Die nächste Sorge war die Beschaffung eines geeigneten Lokals. Man überzeugte
sich bald, dass hier die Hauptschwierigkeit des ganzen Unternehmens liege, und war
froh, für den Augenblick ein Unterkommen in den Räumen der Vaterländischen Gesell-
schaft in der Alten Börse zu finden. Inzwischen wollte man wenigstens eine vorüber-
gehende Ausstellung veranstalten. Beiträge dazu gingen besonders nach der Eröffnung
am 27. August in solchen Mengen ein, dass der Platz nicht ausreichte und man von
weiteren Aufnahmen absehen musste. Die in den beiden ersten Abschnitten besprochenen
Sammlungen waren beinahe vollzählig vertreten. Unter dem Privatbesitz ragte die
namentlich mit Waffen gut versehene Sammlung des Glockengiessers Krieger hervor. Im
ganzen zählte die Ausstellung 836 Nummern von 99 Ausstellern. Der Besuch übertraf
die kühnsten Erwartungen. Es wurden 2620 Eintrittskarten zu 2\^ Sgr. und 729 Schüler-
karten zu 1 Sgr. verkauft. 280 Schüler von Waisenanstalten hatten freien Eintritt, ebenso"
die Vereinsmitglieder und Aussteller. Vom Katalog war die erste Auflage in 200 Exem-
plaren binnen 8 Tagen, die zweite in 500 Exemplaren einige Tage vor Schluss der Aus-
stellung vergriffen.
Den grössten Gewinn bedeuteten jedoch die bei dieser Gelegenheit gemachten
dauernden Erwerbungen. Denn wenn auch das meiste wieder an die Eigentümer zurück-
ging, so waren doch auch viele Aussteller bereit, sich ihres Besitzes zu gunsten des
Vereinsmuseums zu entäussern. Andrerseits wurde dadurch das Bedürfnis nach einem
eigenen Lokale um so dringlicher. Man versuchte alles Erdenkliche, erbat vom Kriegs-
minister die Überlassung der alten Stückgiesserei (Kanonenhof) auf der Taschenstrasse,
vom Universitäts-Kurator eine Wohnung in der Bibliothek, vom Magistrat Räume im neuen
Stadthaus oder einen Zuschuss zur Einrichtung der Josephskirche auf der Katharinen-
strasse als Museum. Als alles vergeblich war, mietete man von Ostern 1859 ab für
170 Thaler eine Privatwohnung von drei Zimmern im zweiten Stock des dem Kaufmann
Teichgreber gehörigen Hauses Altbüsserstrasse 42, in der dann auch am 24. August das
Museum mit 460 Gegenständen eröffnet wurde.
3
18
In dieser bescheidenen Behausung empfing das Museum am 22. September den
Besuch des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, damals Kommandeur des 11. Regiments,
und seiner Gemahlin. Das Interesse, das die hohen Herrschaften und besonders die
kunstliebende Kronprinzessin am Gedeihen der jungen Anstalt nahmen, bestimmte den
Vorstand, Ihrer Königlichen Hoheit das Protektorat über das Museum anzutragen. Das
Annahmeschreiben wurde am 13. November 185Q zu Windsor-Castle ausgefertigt.
Es begann jetzt eine Zeit fröhlichen Schaffens und Sammeins. Geschenke und
Ankaufs-Gelegenheiten boten sich in später nie wieder erreichter Fülle dar, und wenn
auch begreiflicherweise das Minderwertige überwog, so hat doch gerade jenes Kindheits-
alter des Museums einige der allerbesten Erwerbungen zu verzeichnen. Schlesien war damals
wirklich noch reich an ererbten Altsachen. Der Antiquitätenhandel war, wenigstens hier-
zulande, erst in seinen Anfängen, und Kunstgewerbemuseen, deren Konkurrenz zu fürchten
gewesen wäre, gab es überhaupt noch nicht. Zieht man diese günstigen Umstände in
Betracht, so bedauert man bloss, dass der Verein nicht in der Lage war sich ihrer in
noch ganz anderem Masse zu bedienen. Was hätte man allein aus der Sammlung des
Freiherrn von Minutoli in Liegnitz haben können, jener wundervollen Sammlung, die als
die erste in Deutschland mit der ausdrücklichen Absicht angelegt worden war, das Kunst-
gewerbe in allen seinen Zweigen in einer möglichst grossen Zahl älterer mustergiltiger
Vorbilder vorzuführen, die aber zugleich, weil vornehmlich in Schlesien zusammengebracht,
von höchster Bedeutung für die engeren Ziele des Vereins gewesen wäre. Aber ausser
dem Ankauf von etwa 100 teilweise ausgezeichneten Waffenstücken für 400 Thaler, die von
Kommerzienrat Friedländer gespendet wurden, begegnet man keinem Versuch, die Samm-
lung für die Provinz zu retten. Nachdem schon früher grosse Verkäufe sowohl ganzer
Gruppen wie einzelner Stücke stattgefunden hatte, hat 186Q das Königliche Handels-
museum in Berlin die sämtlichen Gegenstände der Abteilungen Keramik, Glas und
Metall für 150 000 Mark erworben. Sie bilden den Grundstock der Sammlungen des
Berliner Kunstgewerbemuseums. Der immer noch sehr bedeutende Rest ist dann 1875
unter der Beteiligung fast aller europäischer Museen in Köln versteigert worden.
Allein auch ohnedies war es bald unmöglich, für die eingegangenen Erwerbungen
Platz zu schaffen. Den unablässigen Bemühungen des Vorstandes gelang es endlich,
von der Universität die Hergabe der ehemals Räbigerschen Wohnung (5 Zimmer und ein
Korridor) im Erdgeschoss des Sandstifts gegen eine Miete von 150 Thalern zu erwirken.
Gleichzeitig wurde durch den Vertrag vom 26. April 1862 bestimmt, dass die dem König-
lichen Museum zustehende Sammlung germanisch-slawischer Grabaltertümer sowie christ-
licher und moderner Kunstaltertümer und moderner Münzen mit der Vereinssammlung in
der Weise vereinigt werde, dass die Sorge für die Konservierung, Anordnung und Auf-
stellung an den Verein übergehe. Eine Mitwirkung an der Verwaltung wurde der
Universität dadurch gesichert, dass der Direktor des archäologischen Museums (später
ein vom Kurator ernannter Kommissar) in den Vorstand eintrat. Die Eröffnung der ver-
einigten Sammlungen erfolgte am 30. September 1862 vor einem Kreise von Ehrengästen.
19
Bei aller Anerkennung des grossen Fortschrittes erscholl doch schon damals die Klage,
dass auch dieser Raum bei weitem nicht genüge. In der That war man bald wieder bei einem
blossen Magazinieren angelangt.
Das äussere Wachstum der Sammlung spricht sich in den fortschreitenden Ziffern
des Kataloges aus. Vor dem Umzüge zählte man IQOO Nummern; der gedruckte Katalog
von 1863 weist 5424, die Fortsetzung von 186Q 6168 und die zweite Auflage von 1872
ohne die Münzen 6467 Nummern auf. Von da bis 1880 stieg die Zahl auf un-
gefähr 10 000.
Ein Beträchtliches lieferten dazu die Geschenkgeber, allen voran der Vorsitzende,
Johann Adrian Graf von Hoverden-Plencken. Kein Jahr, wo er nicht die Samm-
lung durch wertvolle Gaben vermehrt oder ihre Vermehrung durch reichliche Geldspenden
erleichtert hätte. Nächst ihm verdienen der Kaufmann Rudolf Tietze, Fräulein Adelheid
Kahlert, Frau Rendant Claus, Redakteur Oelsner, Weinkaufmann Selbstherr, Stadtrat
Zwinger und Frau Stadtrat Lübbert als Stifter besonders zahlreicher oder besonders
schätzbarer Geschenke genannt zu werden.
Vom Magistrat wurden 186Q die Ratsaltertümer, 1872 die Altertümer des Bern-
hardin-Hospitals und 1876 die der Kirchenbibliotheken (mit Ausnahme der Münzen) über-
wiesen. Seinem Beispiel folgten in verschiedenen Zwischenräumen die meisten evan-
gelischen Kirchen Breslaus.
Neben den Geschenken und Leihgaben spielten die Ankäufe eine ziemlich be-
scheidene Rolle. Zwar besserten sich die Einnahmen des Vereins durch die beständig
wachsende Mitgliederzahl und die von einigen Behörden gewährten Beihilfen allmählich
so, dass sie in den Jahren 1859-1869 durchschnittlich 3000, 1870 1873 6000 und
1874- 1880 9000 M. betrugen, aber für Ankäufe wurde davon kaum ein Siebentel, ja in
manchen Jahren noch nicht einmal ein Zehntel ausgegeben. Begründet wird dies in den
Verwaltungsberichten gewöhnlich damit, dass nur wenig Altertümer zum Ankauf ange-
boten worden seien. Und doch war das die Zeit, wo der Antiquitätenhandel alljährlich
ungezählte Schätze aus Schlesien entführte, und wo die Preise selbst für Stücke ersten
Ranges noch erschwinglich waren. Man hatte offenbar das Bestreben, mit Umgehung
des Zwischenhandels womöglich immer aus der ersten Hand zu kaufen. Das hatte aber
den Nachteil, dass die Vervollständigung der Sammlungen fast ausschliesslich dem Zufall
überlassen blieb.
Es entbehrt nicht eines gewissen Interesses, die Preise kennen zu lernen, die für
einige der wichtigeren Erwerbungen gezahlt worden sind. So kostete 1861 der Kupfer-
krug des Bartholomäus Rosenberg, eine der Perlen des Museums, 150 M.; 1862 ein
zinnerner Krönungsteller mit den Bildnissen Ferdinands 111. und der Kurfürsten in scharfem
Relief 9 M.; 1864 ein Schatzfund des 16. Jahrhunderts aus Münsterberg, bestehend aus
vier silbernen Löffeln, zwei reichverzierten silbernen Ketten und einem mit Perlen und
emaillierten goldenen Rosetten benähten seidenen Gürtel 225 M.; 1866 ein eingelegter
Eichenschrank des 18. Jahrhunderts aus Landeck 600 M.; 1867 ein zinnerner Willkomm
3*
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der Breslauer Fischer in Form eines Schiffes 18 M.; 1868 drei Giasgemälde des
15. Jahrhunderts aus Sponsberg 45 M.; 1871 die grosse Zinnl<anne der Bresiauer Seiler
von 1511 105 M.; 1872 der grosse Marienaltar und andere Holzschnitzereien und Kirchen-
geräte aus der evangelischen Kirche in Steinau 600 M.; 1875 drei Altarbilder (11000
Jungfrauen, 10 000 Märtyrer, Verkündigung) und eine silberne Reliquiar-Statuette der hl.
Barbara aus der Sammlung des Oeistl. Rats Knoblich 600 M.; die Vossbergische Siegel-
sammlung (5000 Stück) 800 M.; 1878 zwei in Elfenbein eingelegte Armrüste des 16. Jahr-
hunderts 450 M.; 1879 die Waffensammlung des Kaufmanns Robert Tielsch in Hirschberg,
soweit sie nicht schon durch Erbschaft dem Museum gehörte, 1200 M.
Einen beträchtlichen Teil der Einkünfte nahm die publizistische Thätigkeit des
Vereins in Anspruch. Seit 185Q veröffentlichte er unter Luchsens Leitung „Berichte", die
sich durch Einfügung kunstgeschichtlicher und archäologischer Abhandlungen zu einer
Zeitschrift auswuchsen und diesem Charakter seit 1867 auch durch den Titel „Schlesiens
Vorzeit in Bild und Schrift" Rechnung trugen. Auch wurden Sonder-Veröffentlichungen,
wie die „Schlesischen Fürstenbilder" und die vorgeschichtliche Karte von Schlesien heraus-
gegeben, Vorträge gehalfen, die Pflege der öffentlichen Kunstdenkmäler wahrgenommen,
Auskünfte erteilt, kurz alles gethan, was dazu dienen konnte, das Museum zum Mittel-
punkt der altertumswissenschaftlichen Bestrebungen Schlesiens zu machen.
Die Vermehrung der vorgeschichtlichen Sammlung blieb in den ersten anderthalb
Jahrzehnten fast ausschliesslich den auswärtigen Mitgliedern und Freunden des Museums
überlassen. Erst seit 1873 fanden unter der unmittelbaren Leitung von Vorstands-
mitgliedern, namentlich von Luchs und Sanitätsrat Biefel, Ausgrabungen grösseren
Massstabes statt. Von da ab übertrafen die jährlichen Zugänge dieser Abteilung an Menge
bald alle übrigen, sodass der Platzmangelsich grade hier am störendsten bemerkbar machte.
Doch war die Hilfe damals schon vor der Thür. Seit Jahrzehnten stand die Frage
der Errichtung eines grossen Kunstmuseums in Breslau auf der Tagesordnung. Pläne
über Pläne waren entworfen und wieder verworfen worden. Endlich nach dem Kriege
von 1870 71 ging man ans Werk. Die Provinz trat mit staatlicher und städtischer Beihilfe
als Unternehmer auf, und bald wuchs ein stattlicher Bau empor, der allen Arten von
Kunstsammlungen für absehbare Zeit eine geräumige Zufluchtstätte sichern sollte. Nicht
zuletzt dem Museum schlesischer Altertümer. Von den sieben in Aussicht genommenen
Abteilungen sollten nicht weniger als vier aus seinen Beständen zusammengesetzt werden,
nämlich die mittelalterliche Baukunst und Bildhauerei, die Kleinkunst, die germanischen
und slawischen Grabaltertümer und die Münzen- und Siegelsammlung. Auch für die
andern drei Abteilungen, die Sammlung der Gipsabgüsse, das Kupferstichkabinet und
namentlich die Gemäldegalerie wurde von der Vereinigung mit tiem Altertumsmuseum
ein bedeutender Zuwachs erwartet.
Sobald aber die Organisation des Provinzial-Museimis feste Gestalt angenommen hatte,
zeigte es sich, dass der Einbeziehung des Vereinsnniseums in die Verwaltung ernste Bedenken
entgegenständen. Sie beruhten in erster Linie darauf, dass die Obhut über die Sammlungen
21
alsdann nicht mehr den erwählten Vertrauensmännern des Vereins, sondern dem nach ganz
anderen Grundsätzen ernannten Direktor zustehen würde. Der hierdurch bedingte Ver-
zicht auf sein bisheriges Verfügungsrecht war eine harte Zumutung für Luchs, der das
Museum als seine eigenste Schöpfung betrachtete, und was noch schwerer in die Wag-
schaie fiel, man fürchtete, dass darüber der stiftungsmässige Charakter der Sammlungen
verloren gehen werde. „Denn darüber waren wir alle einig," heisst es in einer Rede des
damaligen Vorsitzenden, Geh. Archivrats Prof. Dr. Orünhagen, „es werde auch der beste
und redlichste Wille nicht verhüten können, dass gerade in der beabsichtigten glanzvollen
Umgebung und in enger Verbindung mit dem Museum der bildenden Künste der historische
Charakter der Sammlungen durch Rücksichten auf die Präsentabilität der einzelnen Objekte
wesentlich beeinträchtigt und in den Hintergrund gedrängt und das schlesische Altertums-
museum mehr und mehr zu einem Kunstgewerbemuseum werden, wo neben den eigent-
lichen Kunstwerken älterer und neuerer Zeit dann auch kunstgewerbliche Altertümer ver-
gangener Zeiten sich aufgestellt fänden."
Das Gewicht dieser Gründe erschien so bedeutend, dass der Verein lieber auf die
seiner Sammlung zugedachten Säle im Hauptgeschoss des Museums und auf die frei-
gebige Fürsorge der Provinzialbehörden verzichten, als seine Selbstverwaltung aufgeben
wollte. Ein Ausweg wurde in einem Vertrage gefunden, wonach ein gegen die übrigen
Räumlichkeiten des Museumsgebäudes abgeschlossener Flügel im Erdgeschoss aus der
Verwaltung des Direktors ausgeschieden und dem Vereine zur Aufstellung seiner Samm-
lungen übergeben wurde.
Der Umzug dauerte vom 4.— 31. Dezember 1879. Am 8. Mai 1880 wurde das Museum
zum dritten Male eingeweiht. Noch während der Aufstellung hatte das Museum einen starken
Zuwachs erfahren durch die Altertümer der Magdalenenkirche und einen Teil der kunstgewerb-
lichen Sammlung des Provinzial-Museums. Diese Sammlung war 1876 von einer Kommission,
bestehend aus Luchs, Prof. Alwin Schultz und Baurat Luedecke, hauptsächlich in München
zusammengekauft, nachher aber, als mit dem Ausscheiden des Altertumsmuseums auch der
Plan einer kunstgewerblichen Abteilung fallen gelassen war, nicht weiter fortgesetzt
worden. Sie füllte mit ihren Möbeln der Renaissance und Wandteppichen des 16. und 17. Jahr-
hunderts, die grösstenteils aus der Minutolischen Sammlung stammten, eine empfindliche
Lücke des Museums aus. Ein Jahr später erbte der Verein die Altertümersammlung des
Kaufmanns Johann Carl Giersdorf in Neisse. Wieder waren es Waffen, die neben
Möbeln, Kleingerät und historischen Porträts den wertvollsten Teil des Erbes bildeten.
Seitdem machte das Museum auf dem Wege zu einer öffentlichen Anstalt rasche
Fortschritte. Der Magistrat von Breslau erhöhte seinen bisherigen Beitrag von 600 M.
auf 1200 M. Die Provinz spendete seit 1880 1500 M. und seit 1882, nachdem der Kultus-
minister den bis dahin gezahlten Zuschuss von 1500 M. zurückgezogen hatte, 3000 M.
Die Verwaltung, die Luchs bisher fast ohne jede Hilfe in seinen spärlichen Mussestunden
besorgt hatte, wurde durch die Anstellung eines Assistenten (seit 1881) und eines Büreau-
beamten (seit 1884) wesentlich erleichtert und in geordnete Bahnen geleitet.
22
Am 11. Januar 1883 beging der Verein mit grossem Gepränge die Feier seines
fünfundzwanzigjäiirigen Bestehens. Kurz darauf wurden ihm durch Allerhöchste Kabinets-
Ordre vom 19. März 1883 die Rechte einer juristischen Person verliehen.
Der Eintritt Wilhelm Oremplers in den Vorstand (1882) und seine Wahl zum
Vorsitzenden (1884) leiteten eine neue Phase in der Entwickelung des Museums ein. Der
Dilettantismus in der Behandlung urgeschichtlicher Fragen wich von da an immer mehr
der streng methodischen Forschung. Häufige Reisen und der Besuch aller wichtigeren
Museen und Kongresse des In- und Auslandes schärften und weiteten den Blick für die
Erscheinungen der Heimat und schafften ein ausgiebiges Vergleichsmaterial in Originalen
und Abbildungen zur Stelle, im Verein mit Luchs traf Grempler die Vorbereitungen zur
XV. Allgemeinen Versammlung der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte, die vom 4. bis 7. August 1884 in Breslau tagte und den Ruf der hiesigen
Sammlung weithin verbreitete. In noch höherem Masse war dies der Fall, als 1886
und 1887 die grossartigen Funde von Sacrau zu Tage gefördert und von ihrem Besitzer,
Stadtrat von Korn, dem Museum zum Geschenke gemacht wurden.
Am 13. Januar 1887 raffte der Tod den hochverdienten Kustos des Museums hinweg.
Was Luchs für das Museum gethan, wie er es aus unscheinbaren Anfängen zu stolzer
Höhe emporgeführt hat, konnte in den vorhergehenden Zeilen nur angedeutet werden.
In den 29 Jahren seines Wirkens hat das Museum keinen Gegenstand empfangen, der
nicht durch seine Hand gegangen, wenige die nicht seiner rastlosen Thätigkeit, seinem warm-
herzigen Eifer, seiner grossen persönlichen Liebenswürdigkeit zu danken gewesen wären.
Die Folgezeit lehrte, wie schwer ein Ersatz für diesen Mann zu finden war. Zu-
nächst wurde das Amt des Kustos gar nicht besetzt, sondern dessen einzelne Gebiete
unter die Sonderverwaltung verschiedener Vereinsmitglieder gestellt. Die weitere Absicht des
Vorstands, einen besoldeten Kustos anzustellen, scheiterte an dem Widerstände zahlreicher
den Verhältnissen nahestehender Mitglieder gegen die vorgeschlagene Persönlichkeit. Der
in der Generalversammlung vom 12. Dezember 1887 gewählte Regierungsbaumeister und
Provinzial-Konservator Hans Lutsch dankte schon nach einem Jahre wieder ab. Sein Nach-
folger wurde der Königl. Regierungsbaumeister und Lehrer an der Baugewerkschule Eugen
von Czihak.
Czihak wandte sein Interesse vorzugsweise den kunstgewerblichen Altsachen zu,
die infolge der bisherigen geringen Aufwendungen hinter den übrigen Sammlungsteilen
etwas zurückgeblieben waren. Der Ruf nach einem Kunstgewerbenniseum erscholl schon
damals vernehmlich genug, und es zeugte von einer weisen Voraussicht der kommenden
Entwicklung, dass die Verwaltung diesem Verlangen bei Zeiten entgegenkam. Das spe-
zifisch schlesische Gepräge der Sammlungen brauchte deshalb mit nichten geopfert zu
werden. Wohl aber hätte ein konsequentes Ausschliessen des gewerblich erzieherischen
Zweckes die Gefahr mit sich gebracht, dass dem Museum, wie es z. B. in Frankfurt a. M.
geschehen ist, eine Konkurrenzanstalt an die Seite gesetzt worden wäre. Die Möglichkeit
eines planvollen Vorgehens war durch die abermalige Verdoppelung des Beitrages der
23
Provinz und die Erhöhung des Beitrages der Stadt auf 3000 M. gegeben. Seit 1892 ge-
währte ausserdem der Minister für Handel und Gewerbe zur Vermehrung der kunst-
gewerblichen Sammlung dem Verein eine Beihilfe von 1000 M. Mit Hilfe dieser Mittel
wurden vor allem die Gewebe und Stickereien, die Töpferarbeiten und Gläser sowie die
Werke der Goldschmiedekunst vervollständigt.
Die übrigen Abteilungen kamen dabei keineswegs zu kurz. Insbesondere brachte der
vorgeschichtlichen Sammlung in den Jahren 1891 92 der Bau der Umgehungsbahn durch die
Aufdeckung der ausgedehnten Gräberfelder von Woischwitz und Gross-Tschansch, denen sich
später noch die von Dyhernfurth, Carlsruh und Weidenhof anreihten, einen ungeheuren
Zuwachs, der an Zahl der Gegenstände wohl der Gesamtheit aller bis dahin vorhandenen
Funde gleichkam und sie durch die Genauigkeit der Beobachtung an wissenschaftlichem
Werte übertraf. Vom Magistrat wurde 1889 der Goldring von Ransern, von Leutnant
Krieger die namentlich durch seltene Waffen und Rüstungen ausgezeichnete Krieger-
Paritiussche Sammlung überwiesen.
Am 1. Oktober 1892 wurde v. Czihak durch seine Berufung zum Direktor der
Königlichen Baugewerk- und Handwerkschule in Königsberg seinem hiesigen erfolgreichen
Wirkungskreise entzogen. Zu seinem Nachfolger wurde der Verfasser dieses Aufsatzes,
seit 1890 Assistent am Museum, gewählt. Zugleich wurde die Umwandlung des Kustodiats
in ein besoldetes Hauptamt beschlossen.
Die nächsten Jahre führten eine Reihe bedeutsamer Veränderungen herbei, die das
Museum Schritt für Schritt dem gegenwärtig erreichten Ziele näher brachten. Das wichtigste
Ereignis war ein Anfang 1895 mit der Provinz geschlossener Vertrag, der die Übernahme
der Verwaltung des Museums Schlesischer Altertümer auf den Provinzialverband zum
Zwecke hatte. Die Bedenken, die seiner Zeit den Verein zum Verzicht auf die Vorteile
der Übernahme bewogen hatten, wurden jetzt durch das vom Kuratorium des Museums
der bildenden Künste gern gemachte Zugeständnis beseitigt, dass die Altertumssammlung
innerhalb der Grenzen des Reglements selbständig verwaltet und in ihrem bisherigen Zu-
sammenhange erhalten werden, dem Verein aber die Sorge für ihre Vermehrung und
wissenschaftliche Nutzbarmachung und das Vorschlagsrecht für die Ernennung des Kustos
verbleiben solle.
Unter der Gunst der neugeschaffenen Verhältnisse konnten für die Vermehrung,
Restaurierung und Aufstellung der Sammlungen ganz erheblich grössere Aufwendungen
gemacht werden. Für Ankäufe wurden in den Jahren 1893 1898 durchschnittlich 7000 M.
ausgegeben, wovon etwa zwei Drittel auf die kunstgewerbliche Sammlung entfielen. So
klein diese Summen im Vergleich zu den Etats andrer Museen immer noch erscheinen,
so genügten sie doch im Verein mit den nach wie vor zahlreich einlaufenden Geschenken
und depositarischen Überweisungen, um einen höchst ansehnlichen Grundstock für das
geplante Kunstgewerbemuseum zu schaffen. Als dessen Errichtung bereits beschlossene
Sache war, erwarb der Vorstand, in der begründeten Hoffnung auf die nachträgliche Be-
willigung des Kaufpreises durch die städtischen Behörden, noch die berühmte Sammlung
24
des Freiherrn Conrad von Falkenhausen auf Wallist'urtli, die grösste und wertvollste Er-
werbung, die das Museum seit seiner Gründung zu verzeichnen hatte.
Dass die Ordnung der Sammlungen sowohl in Bezug auf übersichtliche Aufstellung
wie auf sachgemässe Beschreibung von Grund aus umgestaltet wurde, möge hier nur an-
gedeutet sein. Nicht unerwähnt aber wollen wir die Dienste lassen, die sich einzelne
Vereinsmitglieder durch ihre opferwillige Mitarbeit um das Museum erworben haben. Der
urgeschichtlichen Altertümer haben sich ausser dem Vorsitzenden besonders die Herren
A. Langenhan und Dr. Mertins angenommen, der Waffen Regierungsassessor Überschär,
der Münzen die Herren Dr. E. Bahrfeldt, Geh. Rat Friedensburg und G. Strieboll,
der Siegel Prof. Dr. Roehl, Amtsgerichtsrat Haberling und Major a. D. Schuch.
Aber alle Fortschritte konnten schliesslich darüber nicht täuschen, dass das Museum
in seinen Raumverhältnissen an der Grenze der Entwicklungsfähigkeit angelangt war.
Durch die Verweisung unbedeutender oder der Ausbesserung bedürftiger Stücke in Neben-
räume, die zu diesem Zweck sogar ausserhalb des Museumsgebäudes gemietet wurden,
und eine mit äusserster Platzersparnis durchgeführte Neuaufstellung der Sammlungen wurde
das Übel wohl für eine Weile gemildert, aber nicht beseitigt. Die Erwerbung von um-
fänglichen Gegenständen, z. B. Möbeln, war ausgeschlossen, weite Gebiete, wie die Textilien,
Bucheinbände, Abbildungen, blieben den Augen der Besucher dauernd entzogen. Nur mit
Sorge konnte man der Aufdeckung grosser Funde entgegensehen, weil die Frage: wohin
damit? kaum noch zu beantworten war.
Eine durchgreifende Hilfe war nur von der Erlangung eines eigenen Gebäudes zu
erhoffen, dieses nur von der Erweiterung des Museums zum Kunstgewerbemuseum.
Hans Seger.
TAFEL II
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25
Plakette auf die Eröftnuiig des Museums am 27. November lS9y von E. Kämpffer
DIE BESTREBUNGEN ZUR GRÜNDUNG EINES
KUNSTGEWERBEMUSEUMS IN BRESLAU
Als erstes modernes Kunstgewerbemuseum gilt das aus der ersten Weltausstellung
zu London im Jahre 1852 hervorgegangene Kensington-Museum; wiewohl in dem Con-
servatoire des arts et metiers in Paris eine ähnliche, wenn auch in ihren Zwecken enger
begrenzte Anstalt schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts bestand. Wesentlich nach dem
Vorbilde des Kensington-Museums entstanden lSö4 in Wien das Österreichische Museum
für Kunst und Industrie, 1867 in Berlin zunächst als Vereinsanstalt, aber im Jahre 1885
vom Staate übernommen das Gewerbe-Museum und demnächst ähnliche Anstalten in
vielen deutschen Städten.
Auch in Breslau machte sich sehr bald das Bedürfnis nach einer solchen Anstalt
geltend: nach einer Rüstkammer und Sammelstelle für das praktisch vorwärtsstrebende
Kunstgewerbe, ausgestattet mit lehrreichem Anschauungsmaterial in Musterstücken und
Vorlageblättern, mit Bibliothek und Zeichensaal, und geleitet von Männern, die diese
Bildungsmittel und alle Anregungen der Kunst und Wissenschaft den Gewerbetreibenden
förderlich vermitteln und also einen Mittelpunkt für die kunstgewerblichen Bestrebungen
in Stadt luid Provinz bilden köimten.
Die Bestrebungen zur Gründung eines Kunstgewerbemuseums in Breslau gingen
aus und wurden zunächst getragen vom schlesischen Zentral-Gewerbe-Verein — der all-
jährlich im Schlesischen Gewerbetage zusammentretenden, inzwischen durch einen Vorstand
vertretenen Vereinigung der sciilesischen Gewerbe-Vereine und insbesondere von den
drei an der Spitze des Zentral-Vereins stehenden Männern: dem Vorsitzenden (seit 1874),
Herrn Geheimen Kommerzienrat Dr. Websky, dem Schriftführer (seit 1862, gestorben am
26
22. Januar 18Q9) Herrn Oberrealschuldirektor Dr. Fiedler und dem Schatzmeister (seit 1864)
Herrn Baubankdirektor und Kommissionsrat Benno Milch.
Als Vorläufer dieser Bestrebungen können die Gewerbe-Ausstellungen gelten, welche
der im Jahre 1828 gegründete Breslauer Gewerbe-Verein zuerst im Jahre 1832 und später
in der Regel in jedem zweiten Jahre — allerdings zu rein praktischen geschäftlichen Zwecken —
veranstaltete, und die derselbe im Jahre 1852 zum ersten Male und mit glänzendem Er-
folge, zu einer Ausstellung schlesischer Oewerbeerzeugnisse in Breslau (auf dem Exerzier-
platze) erweiterte, „um" wie es in dem Programm hiess - „in dem Kampfe gegen die
Konkurrenz, welche (1852!) in ihrer Masslosigkeit alles zu ersticken drohte, die reiche Kraft
und Lebensfülle der heimischen Industrie aus ihrem Dunkel herauszuziehen". Als im Jahre 1881
von der fünften, wieder in Breslau (Rossplatz) abgehaltenen Schlesischen Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung dem Zentral-Oewerbe-Verein ein Überschuss von 50000 Mark „zur
Förderung der Gewerbthätigkeit in Schlesien" überwiesen werden konnte, bestimmte der
Verein dies Geld zur Gründung eines Kunstgewerbemuseums. Der Fonds wurde durch
weitere Zuschüsse, auch (im Jahre 188Q) durch ein Geschenk des Kommerzienrats
Hahn in Berlin von 10000 Mark, allmählich bis auf 100000 Mark verstärkt, und nunmehr,
am 15. Juli 18Q5, beauftragte der 29. Schlesische Gewerbetag den Vorstand des Zentral-
Vereins, Schritte zu thun, um ein Kunstgewerbemuseum wirklich zu errichten.
Der Vorstand fasste zunächst eine Vereinsanstalt ins Auge und ersuchte unter dem
15. September 1895 den Magistrat um unentgeltliche Überlassung eines geeigneten Bau-
platzes. Am 16. Mai 1896 forderte er jedoch den Magistrat auf, vielmehr das alte, damals,
nach Erbauung des neuen Landeshauses, frei werdende Ständehaus von der Provinz für
550000 Mark zu kaufen und dessen obere Stockwerke dem Vereine unentgeltlich für das
Museum zu überlassen. Der Verein hoffte, mit 50000 Mark einmaliger Ausgabe und mit
17 500 Mark Jahresausgabe gedeckt durch je 4000 Mark Staats- und Provinzialzuschuss,
7000 Mark Stadtzuschuss und 2 500 Mark Kapitalzinsen das Museum errichten und
unterhalten zu können.
Der Magistrat erkannte die Gründung des Museums als ein dringendes und in
höchstem Masse praktisches Bedürfnis an, berechnete aber die Errichtungs- und Unter-
haltungskosten weit höher und war der Ansicht, dass die Verwaltung des Museums
durch den Zentral-Verein nur als Übergangszustand in Frage kommen könne. Da eine
Übernahme auf den Staat oder auf die Provinz ausgeschlossen erschien, so fasste der
Magistrat alsbald die Errichtung der Anstalt als einer städtischen ins Auge. Mit Rück-
sicht auf die sehr grossen einmaligen und laufenden Ausgaben erschien die Aufgabe je-
doch mir dann lösbar, wenn alle dafür verfügbaren Kräfte auch des Staates, der
Provinz, von Vereinen u. s. w. - der Stadt zu Hilfe kämen. Die Heranziehung möglichst
weiter Kreise zur Unterstützung der Sache erschien dabei auch aus ideellen Gründen
wichtig: um der neuen Anstalt von vornherein mit der thätigen Teilnahme auch das Ver-
ständnis und die Sympathien der Beteiligten zu sichern.
27
Kommissionsrat Benno Milch
Die erforderlichen Verhandlungen wurden im
Einverständnis mit dem Magistrat grösstenteils von
Herrn Geheimen Kommerzienrat Dr. Egon Websky
geführt, und seinen persönlichen Bemühungen ist der
glückliche Ausgang in erster Linie zu danken. Einige
äussere Umstände kamen diesen Bemühungen wesent-
lich zu statten.
Die Königliche Kunst- und Kunst-
gewerbeschule hatte lange unter dem Zweifel gelitten,
ob die Doppelanstalt zu einer reinen Kunstakademie
oder vielmehr nach der Richtung der Kunstgewerbe-
schule fortzuentwickeln sei. Nunmehr, veranlasst durch
eine vom 28. Schlesischen Gewerbetage in Kattowitz,
am 25. Juni 1894, beschlossene Petition und durch
ähnliche Vorstellungen des Breslauer Kunstgewerbe-
vereins u. s. w. entschied die Königliche Staats regierung
dahin, dass zwar die Abteilung für reine Kunst
unverkümmert beizubehalten, die kunstgewerblichen Unterrichtsfächer un^ Unterrichts-
anstalten aber umfassend zu erweitern seien. In einer vorberatenden Konferenz vom
17. Juni 1896, an welcher unter Vorsitz des Ober-Präsidenten, Fürsten von Hatzfeldt-
Trachenberg, neben zahlreichen Staatskommissaren auch Vertreter von Provinz, Stadt,
Vereinen und Interessenten teil nahmen und worin man jene Entschliessung der König-
lichen Staatsregierung allerseits als geboten anerkannte, wurde zugleich von verschiedenen
Seiten ohne Widerspruch hervorgehoben, dass die Kunstgewerbeschule ihre Zwecke nur
dann voll erfüllen würde, wenn zugleich ein Kunstgewerbemuseum gegründet würde. Der
Vertreter der Stadt sprach deren Bereitwilligkeit zur Errichtung der Anstalt gewisser-
massen als Gegenleistung gegenüber der staatlichen Schulerweiterung aus und erbat
die thatkräftige Unterstützung von Staat und Provinz.
Die Provinzialverwaltung, welche das im Jahre 1879 vollendete Museum der
bildenden Künste mit einem jährlichen Zuschuss von ca. SOOOO Mark unterhält, hatte in
die unteren einstweilen verfüglwren Räume dieser Anstalt seit dem Jahre 1881 die Samm-
lungen des Vereins für das Museum schlesischer Altertümer aufgenommen, diesem Vereine
einen Zuschuss von 6000 Mark jährlich gewährt und seit 1895 auch die Besoldung
seiner Beamten übernommen. Inzwischen waren jedoch die Kunstsammlungen der Provinz
so gewachsen, dass jene im Erdgeschoss gelegenen Räume dringend für die Gipsabgüsse
des Museums gewünscht wurden.
Der Verein für das Museum schlesischer Altertümer seinerseits hatte seine
Sammlungen bereits seit längerer Zeit gerade auch nach kunstgewerblichen und technischen
Gesichtspunkten entwickelt, und indem er die gesammelten Musterstücke, sowie seine
Bibliothek den Kunstgewerbetreibenden in liberaler Weise zur Benutzung stellte, hatte er
4"
28
bereits einigermassen Ersatz für das fehlende Kunstgewerbemuseum zu leisten gesuciit;
die Enge und Dunkelheit der von iiim benutzten Räume iin Ostflügel des Provinziai-
museums machten jedoch eine sachgemässe Aufstellung und Benutzung der stark ange-
wachsenen Sammlungen fast unmöglich.
Eine allseitig befriedigende Lösung bot unter solchen Umständen nur die Verlegung
des Altertums-Museums in ganz neue Räume. Der Vorstand des Vereins für das Museum
schlesischer Altertümer erkannte dabei von vornherein an, dass es seinen Zwecken nicht
etwa abträgig, sondern in hohem Masse förderlich sein würde, wenn seine kultur-
geschichtlichen Sammlungen ihre Erweiterung in einem mehr nach technischen Gesichts-
punkten gebildeten, doch aber immer gerade die schlesische Kultur zum leitenden
Gesichtspunkte nehmenden Kunstgewerbemuseum fänden. Demzufolge hat insbesondere
der Vorsitzende des Vereins (seit 1884), Herr Geheimer Sanitätsrat Dr. Grempler die An-
gelegenheit mit seinem grossen persönlichen Einfluss in wirksamster Weise gefördert.
Im Fortgange dieser Verhandlungen bewilligte der Staat der neuen Anstalt eine
jährliche Unterstützung von 6000 Mark statt der bisher dem Vereine gezahlten 1 000 Mark.
Die Provinzial-Vervvaltung überwies der neuen Anstalt die bisher an das Vereinsmuseum
mit ca. 14000 Mark jährlich gezahlten Zuschüsse, unter Erhöhung auf 15000 Mark jährlich
und gewährte einen einmaligen Beitrag von 50000 Mark durch Herabsetzung des für
das alte Ständehaus zu zahlenden Kaufpreises von 550000 Mark auf 500000 Mark. Ein
fernerer glücklicher Umstand war es, dass der Stadt eben damals, bei Konvertierung einer
älteren Anleihe, eine Einnahme an Konvertierungs-Prämien von 274000 Mark zufiel, welche
grossenteils für den Ausbau des alten Ständehauses bestimmt werden konnte.') Trotz
alledem jedoch, und auch trotz der vom schlesischen Zentral-Gewerbe-Vereine für die erste
Einrichtung (Transport, Schränke, Möbel, Bibliothek u. s. w.) gewährten 100000 Mark be-
standen für die Stadt grosse finanzielle Schwierigkeiten, da schon der Ankauf des alten
Ständehauses 500000 Mark erforderte, die Kosten des ersten Ausbaues auf 167500 Mark
geschätzt wurden und da die laufenden Verwaltungskosten sich sehr viel höher berechneten,
als anfangs angenommen wurde. Die Schwierigkeiten wuchsen noch dadurch, dass
eben damals auch für verwandte Zwecke — wie für den Neubau der Baugewerk- und
Maschinenbausclnile, für die völlige Neugestaltung des Fach- und Fortbildungsschulwesens
(Handwerkerschule u. s. w.), für die neu eingerichteten städtischen Mittelschulen und auch
für Stipendien an der Königlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule überaus grosse
neue Ausgaben an die Stadt herantraten.
Unter diesen Umständen wurde es mit besonderem Danke empfunden, und wurde
die Errichtung der Anstalt in vornehmer Art recht eigentlich erst sicher gestellt, als der
Vorsitzende im Kuratorium des Museums der bildenden Künste, Herr Stadtältester von Korn
durch das nebst Erläuterung unten folgende Schreiben vom 20. August 18Q6 der Stadt
ein Geschenk von 500000 Mark anbot, falls sie das alte Ständehaus zur Verwendung für
') Mit 100000 Mark dieses Betrages wurde der Eiclieiipark in l'opcivvitz aiiffckauft.
29
ein Kunstj^ewerbemuseum und zur Aufnahme des gesamten Museums schlesischer Alter-
tümer erwürbe, das Haus zweckentsprechend umbaute und darin die Anstalt mit Hilfe
der Staats-, Provinziai- und Vereinszuschüsse unterhielte.
Unter dem ermutigenden Eindruck dieser Schenkung beschloss die Stadtverordneten-
Versammlung demgemäss, und am 15. März 1897 wurde die Schenkung des Herrn von Korn
vom Könige bestätigt. Schon vorher, unter dem 3. Februar 1897, war der erforderliche
Vertrag zwischen der Stadt und dem Vereine für das Museum schlesischer Altertümer
abgeschlossen worden, dem dann auch der F^rovinzial-Ausschuss unter dem 28. April 1897
beitrat.
Der einzige Punkt, der hierbei, in der entscheidenden Vereinsversammlung vom
26. Januar 1897, bei einzelnen Mitgliedern des Museumsvereins Bedenken erregte, war die
Forderung des Magistrats, dass, zur Vermeidung aller künftigen Zweifel und Streitigkeiten,
auch die Sammlungen des Vereins, und insbesondere die älteren Bestände, ins formelle
Eigentum der Stadt übergehen sollten, während die Sammlungen dem Provinzialmuseum
nur zur Verwahrung übergeben worden waren. Zur Rechtfertigung dieser im Interesse
einer einfacheren Verwaltung gestellten Forderung konnte der Magistrat geltend machen,
dass das Eigentumsrecht nach Lage der Umstände und nach dem sonstigen Inhalt der
Verträge der Stadt lediglich die schwere Verpflichtung zur Verwahrung, Verwaltung und
Verbesserung der Sammlungen auferlegt, und zwar mit voraussichtlich schnell wachsender
Ausgabe, bei unveränderlichen und zum Teil nicht einmal für alle Zeit gesicherten Zu-
schüssen von Staat und Provinz; und dass andererseits der Zweck des Vereins, gerade
vaterländische Altertümer zu sammeln, durch den Eigentumsübergang nicht etwa gehindert,
sondern vermöge der städtischen Beihilfe in wirksamster Weise gefördert werden
würde.
Der Verein beschloss demgemäss und die am 7. März 1899 vom Magistrat mit
Genehmigung der Stadtverordneten -Versammlung erlassene Verwaltungsordnung hat die
Ehrenpflicht der Stadt, den Verein bei seinen Bestrebungen vertrauensvoll zu fördern,
noch dadurch besonders anerkannt, dass den wissenschaftlichen Beamten des Museums
die Verpflichtung auferlegt worden ist, auf Wunsch des Vereins die Geschäfte des
Vereins -Sekretärs zu führen, und dass dem Vereine über den geschlossenen Vertrag
hinaus zwei Vertreter in der für das Museum gemäss § 59 der Städteordnung bestellten
städtischen Verwaltungsdeputation zugestanden wurden.
hl dieser Deputation, der die gesamte Verwaltung der neuen Anstalt unterstellt
ist, sind ausserdem vertreten: Magistrat und Stadtverordneten-Versammlung, der schlesische
Zentral-Gewerbe-Verein, die Königliche Staatsregierung, die schlesische Provinzialverwaltung,
der Senat der Königlichen Universität, deren frühere Altertumssammlung dem Museum
auf Grund des umstehend abgedruckten Vertrages übergeben worden ist, der Direktor der
Anstalt und endlich Herr Stadtältester von Korn als Ehrenmitglied mit vollem Stimmrecht.
Der zweite Direktor, der mit Rücksicht auf die beiden Richtungen des Museums, die
geschichtliche und die gewerbliche, bestellt worden ist, nimmt an den Beratungen teil.
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Auf Grund der getroffenen Vereinbarungen übernahm die Stadt das alte Stände-
haus von der Provinz am 1. April 18Q7 und baute es in der Zeit vom Juli 1897 bis Anfang
18QQ um. Die Baukosten betrugen c. 250000 Mark, dazu 24000 Mark Ausgabe der Stadt für Ein-
richtung der Bureaus, des Vortragssaales und der Bibliothek und endlich, aus den vom schle-
sischen Zentral-Gewerbe-Verein geu'ährten 100000 Mark, c. 65000 Mark für Schränke u. s. w.
Die Überführung des alten Vereinsmuseums in die neue Anstalt erfolgte in der
Zeit vom 15. Februar bis zum 1. April 1899. Schon vorher war der Beamtenkörper
der Anstalt gebildet worden, indem insbesondere zum ersten Direktor der bisherige Kustos
am k. k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie, Herr Dr. Karl Masner, und
zum zweiten Direktor der bisherige Kustos des Museums schlesischer Altertümer, Herr
Dr. Hans Seger, berufen wurden.
Am 27. November 1899 wurde die in allen Teilen fertig gestellte Anstalt durch den
Oberbürgermeister in einer feierlichen Versammlung von Vertretern des Staats, der Provinz,
der Stadt, der Universität, aller beteiligten Vereine und von zahlreichen Gewerbetreibenden
und anderen Privatpersonen eröffnet.
Georg Bender
Schönfeld, 20. August 18Q6.
An den Magistrat von Breslau.
Es ist meine Absicht gewesen, meiner Vaterstadt, in der meine Vorfahren und ich durch Arbeit
und Sparsamkeit ihr Vermögen erworben haben, 500000 Mark letztwilHg zu gemeinnützigem Zwecke zu
hinterlassen.
So wie das Schlesische Museum der bildenden Künste, welches seit 18 Jahren besteht, einen unver-
kennbaren Einfluss auf die gedeihliche Entwickelung von Breslau ausübt, so würde nach meiner Über-
zeugung die seit langer Zeit von weiten Kreisen erstrebte Errichtung eines Kinistgewerbeniuseums und
einer Kunstgewerbe-Zeichnenschule in Breslau von allgemeinem Nutzen sein und wesentlich dazu beitragen,
das erfreuliche weitere Aufblühen unserer Stadt zu fördern.
Die Provinz, mit deren Hilfe das Museum der bildenden Künste entstanden ist und welche die
Mittel zu dessen Unterhaltung gewährt, wird die Errichtung und Erhaltung eines Kunstgewerbemuseums
nicht übernehmen. Der Staat wird es auch nicht wollen und Vereine erscheinen dazu ungeeignet. Es
wird, wenn das Erstrebte erreicht werden soll, meines Erachtens notwendig sein, dass die Stadtgemeinde
Breslau dafür eintritt.
Während die Staatsregierung jetzt ein erfreuliches Entgegenkommen zeigt, den kunstgewerblichen
Unterricht in Breslau zu verbessern, bietet sich zugleich die Gelegenheit, ein wie mir scheint für das
Kunstgewerbemuseum sehr geeignetes Gebäude für einen massigen Preis zu erwerben.
Um der Stadt die Übernahme des Kunstgewerbemuseums zu erleichtern, und die günstige Ge-
legenheit zur Erwerbung eines geeigneten Gebäudes nicht vorübergehen zu lassen, zugleich von dem
Wunsche geleitet, dem Museum der bildenden Künste, welches jetzt dem Museum schlesischer Altertümer
Aufnahme gewährt hat, eine weitere Entwickelung zu sichern, bin ich bereit, die 500000 Mark, die ich
meiner Vaterstadt letztwillig zugedacht hatte, schon jetzt herzugeben unter den folgenden Voraussetzungen:
Die Stadt erwirbt das bisherige Ständehaus zur ausschliesslichen Verwendung zu einem Kunst-
gewerben! useiun und zur Aufnahme des ganzen Museums schlesischer Altertümer, von welchem der kunst-
gewerbliche Teil der Sammlung sich kaum abtrennen lässt.
Der Verein für das Museum schlesischer Altertümer tritt zu der Stadt in dasselbe Verhältnis, in
dem er jetzt zu der Provinz steht. Den Umbau des Ständehauses zu Museumszwecken übernimmt
die Stadt.
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Ich nehme an, dass der Zentral-Oewerbe-Verein die 100000 Mark, welche er für das Kunstgewerbe-
museum verwenden will, .ur inneren Einrichtung desselben und zur Beschaffung einer Sammlung von
Werken und Vorlagen für öffentliche Benutzung hergeben wird. Zeichnenklassen für Schüler welche auf
der hiesigen Kunstschule vorgebildet worden sind und für Gewerbetreibende und deren Gehilfen wie
Lehrlinge dürften im zweiten Stockwerk des Gebäudes unterzubringen sein. Für den Unterhalt dieses
Teiles der Kunstgewerbeschule wie für die Lehrkräfte und Lehrmittel würde der Staat zu sorgen haben
Was die dauernden Geldmittel betrifft, welche zur Verwaltung und Vermehrung des Kunstgewerbe-
museums erforderlich sind, so rechne ich darauf, dass die Provinz die etwa 7000 Mark, welche jetzt schon
zur Verwaltung des Museums schlesischer Altertümer auf den Etat des Museums bildender Künste über-
nommen sind, und die 5000 Mark, welche sie schon früher dem Altertumsmuseum zugewendet hat, zu-
sammen also 12000 Mark, jährlich auch ferner hergeben wird.
Der übrige jährliche Bedarf, insoweit er nicht vom Staat und von Vereinen zu erlangen wäre, würde
von der Stadt, in deren Händen die Verwaltimg liegen müsste, zu tragen sein.
Einem sehr geehrten Magistrat
ergebenster
(gez.:) Heinrich von Korn.
An den Magistrat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Breslau.
Auf die sehr geehrte Zuschrift vom 25. d. Mts. erwidere ich ergebenst, dass ich an der Erfüllung
der Bedingungen b, c, d, e und f, mit denen von der Stadtverordneten-Versammlung der Antrag des
Magistrats vom 10. September d. J., betreffend den Ankauf des alten Ständehauses und die Errichtung
eines Kunstgewerbemuseums, angenommen worden ist, nicht zweifle und mich deshalb jetzt schon ver-
pflichte, bei der Übergabe und Auflassung des alten Ständehaus-Gruudstücks an die Stadtgemeinde die
von mir zugesagte Zuwendung im Betrage von Fünfhunderttausend Mark durch Zahlung an die Stadt-
Haupt-Kasse zu machen.
Mit dem Ausdruck: „die Stadt erwirbt das bisherige Ständehaus zur ausschliesslichen Verwendung
zu einem Kunstgewerbemuseum etc." habe ich nur sagen wollen, dass nicht Teile dieses Gebäudes ver-
mietet oder zu anderen Zwecken verwendet werden sollen, ich bin aber damit einverstanden, dass das alte
Standehaus anderweitig verwendet oder verwertet wird, wenn einst von der Stadtgemeinde ein grösseres
Gebäude errichtet oder an anderer Stelle für die jetzt vereinigten Museen hergegeben werden sollte.
Wenn ferner meine Voraussetzung, dass der Verein für das Museum schlesischer Altertümer zu der
Stadt in dasselbe Verhältnis tritt, in dem er jetzt zur Provinz steht, Bedenken erregt hat, so konstatiere
ich. dass damit die Auflösung des Vertrages zwischen dem Kuratorium des Museums der bildenden Künste
und dem Verein für das Museum schlesischer Altertümer vom 29. Januar 1895 und der Übergang der für
die Provinz übernommenen Verpflichtungen an die Stadtgemeinde gemeint ist, dass ich aber die Freiheit
der städtischen Behörden in der künftigen bestmöglichen Ordnung und Verwaltung beider Museen nicht
habe beschränken wollen.
Einem sehr geehrten Magistrat
ergebenster
(gez.:) Heinrich von Korn.
Wegen Überführung der zur Zeit im Museum schlesischer Altertümer hierselbst untergebrachten,
der hiesigen Universität gehörigen Sammlung germanisch-slawischer Ürab-Altertümer, sowie chrisdicher und
moderner Kiinstgegenstände und moderner Münzen in das zu errichtende Schlesische Museum für Kunst-
gewerbe und Altertum hierselbst, wird zwischen dem Kurator der Königlichen Universität Breslau namens
der letzteren einerseits und dem Magistrat zu Breslau namens der Stadtgemeinde Breslau andererseits
folgender Vertrag abgeschlossen.
§ 1. Die zur Zeit in dem Museum schlesischer Altertümer befindliche, der Königlichen Universität zu
Breslau gehörige und auf Grund des Vertrages vom 26. April (10. Oktober) 1802 dem schlesischeu Altertums-
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Verein übergebene Saiiiinliing germanisch-slawischer Orab-Altcrtiinier sowie christhcher iiiul inuderiier Kiiiist-
Alfertümer und moderner Münzen samt den dazu gehörigen Utensilien und Katalogen wird nach Fertig-
stellung des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertum in dasselbe überführt und an die Stadt-
gemeinde Breslau unter Vorbehalt des der Königlichen Universität zustehenden Eigentums übergeben.
{j 2. Die Königliche Universität ist zu jeder Zeit berechtigt, die Rückgewahr der ganzen Sanuulung
oder einzelner Teile derselben zu fordern.
§ 3. Die Stadtgenieinde Breslau hat die Rechte und Pflichten eines Verwesers in Oemässheit der
in den §§ 9 ff., Titel 14, Teil I Allgemeinen Landrechts enthaltenen Bestimmungen. Ihr liegt die Sorge
für die Konserviening, Anordiunig imd Aufstellung der Sammlung ob.
§ 4. Dozenten, Studierende und Beamte der hiesigen Königlichen Universität geniessen unentgelt-
lichen Eintritt. Den Lehrern der hiesigen Universität steht ausserdem die Benutzung der Sammlung für
etwaige Vorlesungen frei.
§ 5. Die Translozierung der Sammlung in ein anderes Gebäude oder die Vornahme grösserer
Veränderungen an der Sammlung z. B. Restauration etc. sind nur mit Genehmigung des Universitäts-
Kurators zulässig.
§ 6. Ein auf Vorschlag des akademischen Senats von dem Universitäts-Kurator zu ernennender
Professor der hiesigen Universität erhält Sitz und Stimme in der Verwaitungs-Deputation des Schlesischen
Museums für Kunstgewerbe und Altertümer.
Breslau, den 10. Dezember 18QS. Breslau, den 3. Dezember 1898.
(L. S.) (L. S.)
Der Magistrat hiesiger Königlichen Haupt- und Der Universitäts-Kurator.
Residenzstadt. In Vertretung,
(gez.:) G. Bender. Milch. (gez.:) v. Haugwitz.
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Radieiuni; von II. Wolfl
Druck von W'etlermh, München
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33
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Oartenansicht des schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer
DAS MUSEUMSGEBAUDE
Mit der hochherzigen Schenkung des Stadtältesten Dr. v. Korn, die der Stadt Breslau
die lang ersehnte Gründung eines Kunstgewerbemuseums ermöglichte, war die Be-
dingung verknüpft, dass sie zu diesem Zwecke das ehemalige Ständehaus der Provinz
Schlesien ankaufe und umbaue. Die Lage dieses Gebäudes an dem grossen Exerzierplatze,
den ausser ihm noch das königliche Schloss, das Stadttheater und Gouvernements-Gebäude
umgeben, unweit der wichtigsten Verkehrsader von Breslau und inmitten eines ver-
kehrsreichen Stadtteiles, ist die denkbar günstigste für ein Kunstgewerbemuseum,
wenigstens wenn man die anderen Plätze vergleicht, an die man in den verschiedenen
Unterhandlungen, die der Gründung des Museums vorausgingen, gedacht hatte, das Ohlau-
ufer, die Teichäcker, die Gasanstalt 11, die Matthiasinsel, die eine Verlegung des Institutes
aus dem Zentrum der Stadt erfordert hätten.
Das ehemalige Ständehaus ist ein schlichter, nüchterner Bau aus den 40er Jahren
unseres Jahrhunderts, das Werk eines unbekannten Architekten. Die Wahl eines vor-
handenen Gebäudes, das in allen wesentlichen Bestandteilen erhalten bleiben sollte, ergab
von vornherein die Uninöglichkeit, allen Bedürfnissen eines Museums gerecht zu werden.
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Aber wenn schon die Verhältnisse einen Neubau ausschlössen, war es noch das Beste,
dass der Umbau ein Gebäude betraf, das einerseits früher schon öffentlichen Zwecken
gedient hatte, also eine ganze Reihe von Voraussetzungen für ein Museum erfüllte, ander-
seits anspruchslos genug war, einschneidende Veränderungen zu vertragen.
Die Feststellung der Gesichtspunkte für die Umgestaltung war einer Baukommission
übertragen, die aus den Herren Oberbürgermeister Bender, Geheimrat Dr. Grempler, Baumeister
Heintze, Stadtältester v. Korn, Geheimraf Dr. Weisser, Baurat Plüddemann, Ratsmaurermeister
Simon I und Geheimrat Dr. Websky bestand. Die Ausführung lag in den Händen des
Herrn Bauinspektors Friese unter Oberleitung des Herrn Baurates Plüddemann. Zwei
Punkte waren bei der Adaptierung in erster Linie zu beachten. Einmal galt es, die vor-
handenen Räume so herzurichten, dass sie für Museumszwecke wirklich brauchbar wurden,
d. h. kleinere Zimmer durch Entfernung von Zwischenwänden zu grösseren umzugestalten
und vor allem ausreichende Beleuchtung überall dort zu schaffen, wo sie nur mangelhaft
oder wenigstens für Ausstellungszwecke in ungenügendem Masse vorhanden war. Ander-
seits war es notwendig, die Anzahl der Räume für Sammlungen zu vergrössern. So
wurde in höchst dankenswerter und glücklicher Weise ein Teil des Kellergeschosses in
helle, grosse Ausstellungssäle verwandelt. Hier wie im Erdgeschoss erhielten die Fenster
Spiegelscheiben ohne jede Sprossenteilung. Daneben gingen andere Änderungen, die die
Brauchbarkeit des Gebäudes wesentlich erhöhten. Der früher an der Ostseite vorhandene
Haupteingang wurde, weil er nicht an offener Strasse lag, samt der daran stossenden
Einfahrtshalle aufgegeben, deren Fussboden auf die Höhe des Erdgeschosses gehoben
und unterkellert. Hierdurch wurde die frühere, sehr störende Trennung des Erdgeschosses
durch die ehemalige Durchfahrt beseitigt. Jetzt liegt der Haupteingang an der Graupenstrasse
und führt unmittelbar in den mit einem doppelten Glasdach versehenen Lichthof. Eine weitere
Lebensfrage für das Museum wurde dadurch in befriedigender Weise gelöst, dass im ersten
Stockwerke, das nur Sammlungsräume enthält, ein vollständiger Rundgang ermöglicht ist.
Besondere Sorgfalt wendete die Bauleitung auch den Einrichtungen für die Beheizung
und Beleuchtung des Gebäudes zu. Das Kellergeschoss wird durch Warmwasserheizung
erwärmt, alle übrigen Räume, einschliesslich der Treppenhäuser und des Lichthofes, haben
Dampf-Niederdruck-Heizung erhalten. Die vorhandene Gasbeleuchtung wurde entfernt
und durch elektrische Beleuchtung ersetzt. Sie ist nicht nur im Lichthofe, den Treppen-
häusern, der Bibliothek, den Büreauräumen und den Sälen für wechselnde Ausstellungen
im zweiten Stockwerke eingeführt, sondern auch in den eigentlichen Sammlungsräumen,
hier allerdings zunächst nur als Notbeleuchtung, so dass unser ganzes Museum ohne
Schwierigkeit auch dem Abendbesuche geöffnet werden kann. Das wird ja auch geschehen,
sobald das Bedürfnis dafür rege wird.
Im Juli 18Q7 war mit dem Umbau begonnen worden, anfangs 18QQ war er vollendet.
Die Museumsdirektion konnte dann an die innere Einrichtung schreiten. Die Stadt stellte aus
direkten Zuschüssen und aus dem Fond von 100000 Mark, den der Schlesische Zentral-
Gewerbeverein gestiftet hatte, hinreichende Mittel zur Verfügung, um eine würdige, allen
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Partie aus dem Lichthofe mit
Bhck in das Treppenhaus
36
modernen Anforderungen entsprechende Aufstellung der Sammlungen zu erzielen.
Eine Kommission, bestehend aus den Herren Baurat Plüddemann, Bauinspektor Friese
und Dr. Seger hatte dafür auf einer Studienreise in vielen anderen Anstalten wertvolle
Erfahrungen gesammelt, die der endgültigen Beschlussfassung und Ausführung zu gute
kamen. Die Zeit, die nach der Ernennung des 1. Direktors für die Einrichtungsarbeiten des
ganzen Hauses bis zu seiner Eröffnung zur Verfügung stand, war sehr knapp bemessen,
um so mehr ist die Direktion verpflichtet, dankbar anzuerkennen, dass Herr Bauinspektor
Friese alle unsere von Tag zu Tag sich häufenden Wünsche in unverdrossener Liebens-
würdigkeit erfüllte und dass die Möbelfabrik der Gebrüder Bauer, die den grössten Teil
der Tischlerarbeiten auszuführen hatte, ihren Verpflichtungen mit grösster Gewissen-
haftigkeit und Pünktlichkeit nachkam.
Alles in Allem genommen, braucht man nicht sonderlich darüber zu klagen, dass
das schlesische Museum für Kunstgewerbe und Altertümer keinen Prachtbau erhalten hat.
Das ehemalige Ständehaus macht nach dem Umbau im Innern einen behaglichen, intimen
Eindruck. Der Lichthof, dessen Wände interessante Grabsteine, architektonische Frag-
mente, Steinreliefs, Wappen und Gemälde schmücken, ist ein stimmungsvoller Raum
geworden, das Treppenhaus wirkt namentlich bei elektrischer Beleuchtung mit den gold-
schimmernden gotischen Holzskulpturen und den grossen Teppichen und Gobelins, die
hier dekorative Aufstellung gefunden haben, imposant und malerisch und beim Durch-
schreiten der Sammlungs- und Ausstellungsräume vom Kellergeschoss an bis zum
2. Stockwerk empfindet man es als eine Wohlthat, dass nirgends eine aufdringliche Aus-
stattung den Blick von dem Inhalte der Räume ablenkt. Nur einen Mangel konnte der
Umbau nicht gutmachen, das ist, dass die Haupttreppe zum ersten Stockwerke keine
unmittelbare Fortsetzung und Fortführung in das 2. Stockwerk hat. Dem Besucher wird
dadurch die Orientierung in dem Gebäude nicht gerade erleichtert. Hoffentlich wird die
Zukunft auch diesem Übelstand abhelfen, wenn das Museum eine Vergrösserung erfährt.
Trotzdem es für die Sammlungen und wechselnde Ausstellungen nicht weniger als
29 Räume besitzt, fängt es jetzt schon an, da und dort sich beengt zu fühlen. Die
nächste jetzt schon geplante Raumvermehrung ergiebt sich im Innern des Gebäudes durch
eine Unterteilung des grossen, gegenwärtig durch zwei Stockwerke gehenden ehemaligen
Ständesaales, durch die im 2. Geschosse neue Räume gewonnen würden. Wenn auch
danach die Platzfrage aufs neue brennend wird, bietet sich das Gartenareal des Museums
zu ausgiebiger Vergrösserung des Gebäudes dar.
lil)tltttitlt-§Ä-|t-ii-t^'ltii-^i-ii'i!^^
37
Teil eines Barettschmuckes aus Gold mit Steinen, 16. Jahrhundert
ÜBERBLICK ÜBER DIE SAMMLUNGEN
Kein deutsches Kunstgewerbemuseum besitzt so mannigfache, verschiedenartige
Sammlungen wie das Breslauer. In anderen, selbst kleineren Städten, bilden die ent-
sprechenden Gruppen den Inhalt mehrerer Museen. Und wäre es schon in den 70er
oder 80er Jahren des IQ. Jahrhundertes in Breslau zur Gründung eines Kunstgewerbe-
museums gekommen, hätte man gewiss aus den Sammlungen des Vereines für das
Museum schlesischer Altertümer ganze Abteilungen nicht aufgenommen. Jetzt aber ist
an die Stelle des ästhetischen Purismus, der in den Kunstgewerbemuseen lediglich Vor-
bilder für das zeitgenössische Schaffen in historischen oder technischen Entwicklungs-
reihen vorführte, die Anschauung zum Durchbruche gekommen, dass der Begriff dieser
modernen Sammelstätten nicht zu eng gefasst werden dürfe, dass die Erzeugnisse des so-
genannten Kunstgewerbes als Produkte bestimmter kultureller Bedingungen einen grösseren
Rahmen vertragen, ja verlangen. Die grossen Kunstgewerbemuseen werden freilich aus
zwingenden äusserlichen Gründen voraussichtlich bei der bisherigen Beschränkung ihrer
Sammelthätigkeit beharren müssen. Die kleineren Anstalten jedoch, besonders die in den
Provinzialhauptstädten, müssen ihre Bedeutung für die Volksbildung und die Wissenschaft
vor allem darin suchen, dass sie von der früheren Kultur der engeren Heimat ein möglichst
übersichtliches Bild geben. Es war daher für unser neugegründetes Museum nicht eine
Last, sondern ein erwünschtes Glück, dass es von seinem Vorgänger, dem Museum
schlesischer Altertümer, den ganzen Inhalt übernehmen konnte, alle sechs Hauptabteilungen
seines Kataloges d. i. 1. die ur- imd frühgeschichtliche (Grabaltertümer, Ansiedlungsreste),
2. die kirchliche (Bilder, Holzbildhauerei, Kirchengerät), 3. die ritterlich-militärische (Kriegs-,
Jagd- und Scheibenwaffen, Uniformen), 4. die für bürgerliche oder häusliche Altertümer
(Kunstgewerbliches, Kleidung, Musikalien, Gerichtsaltcrtümer etc.), 5. die architektonische
(Bauteile und Grabsteine), 6. Siegel, Münzen, Abbildungen, Urkunden. Alle diese Ab-
teilungen waren grösstenteils aus Schlesien zusammengebracht, nicht schlesisches hatte
man mir als Vergleichmaterial aufgenommen. Nur bei der vierten hatte man von dem Augen-
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blicke an, wo in Breslau die Gründling eines Kunstgewerbemuseums in Aussicht stand,
sich im grösseren Massstabe auch auf die Erwerbung auswärtiger Gegenstände verlegt.
Denn es war vorauszusehen, dass das zukünftige Kunstgewerbemuseum bei seiner
Sammeithätigkeit nicht bei den Grenzen Schlesiens Halt machen würde. So sehr es den
bodenständigen Charakter seiner Sammlungen betont und pflegen will, darf es nicht aus-
schliesslich Landesmuseum bleiben. Es ist durchaus verfehlt, von den Kunstgewerbe-
museen in den Provinzialhauptstädten zu verlangen, dass sie sich für ihre Sammeithätigkeit
einen geographischen oder chronologischen Ausschnitt aus der Einheit des alten Kunst-
handwerkes zurechtstutzen sollen. Auch uns gehört die volle Welt, auch wir wollen von
ihr ein Teil haben, um uns daran zu erfreuen und von ihm zu lernen, um herauszukommen
aus aller Engheit und Beschränktheit des Kunstverständnisses. Und unser Kunsthandwerk
verlangt erst recht solche Anregung und Erweiterung des Gesichtskreises. Es darf daher
in unseren Sammlungen kein Höhepunkt in der Geschichte des Kunsthandwerkes fehlen
von der Antike an bis zur Kunst Persiens, Chinas und Japans.
Das frühere Museum hatte als ein Altertumsmuseum eigentlich nur die Einteilung
nach der Gebrauchsbestimmung der Gegenstände gekannt. In dem neuen Museum aber,
das in erster Reihe ein Kunstinstitut ist, mussten sich die Sammlungen zu einer höheren
Einheit zusammenschliessen. Einerseits sollte die Entwicklung des gesamten Kunst-
gewerbes dargestellt, anderseits ein Bild des früheren Kulturlebens unserer Provinz, ge-
wissermassen das Milieu, in dem das Kunstgewerbe hier aufwuchs, gegeben werden. Dazu
musste die Einteilung und Anordnung, wenn man von der prähistorischen Sammlung ab-
sieht, einen Höhen- und einen Querschnitt durch das ganze Material machen. Der
Höhendurchschnitt ergiebt die Einteilung nach den Stilen, der Querdurchschnitt nach
gegenständlichen Gruppen. In den letzteren werden bestimmte menschliche Einrichtungen
und Sitten, wie z. B. das Zunftwesen, das Kriegswesen, Kleidung, Spiel, Musik etc. als
solche zusammengefasst, mit allen ihren Äusserungen, ob sie nun einen künstlerischen
Charakter an sich tragen oder nicht. Wie diese Gruppen gewisse Voraussetzungen und
Grundlagen für die Entwicklung des Kunstgewerbes repräsentieren, hat eine weitere die
Aufgabe, von dem Aussehen der wichtigsten Heimstätte der Kunst in unserer Provinz,
der Physiognomie des alten Breslau, eine Vorstellung zu geben.
Die Raumverhältnisse des Museums gestatteten es, das System der Sammlungen
in der Aufstellung scharf und deutlich zum Ausdruck zu bringen.
Das Kellergeschoss enthält die urgeschichtliche Sammlung,
das Erdgeschoss die kulturgeschichtliche Sammlung,
das I. Stockwerk die Sammlung des alten Kunstgewerbes,
das II. Stockwerk die Sammlung modernen Kunstgewerbes.
i^itii-i^M.t?^lif^Mi-titt^'^iMi:i,tit-^'lt^r?^
3Q
DIE URGESCHICHTLICHE SAMMLUNG
Gleich dem übrigen Ost-Deutschland tritt Schlesien sehr spät in die Geschichte
ein. „Das ganze erste Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung," sagt Grünhagen, „ist
für unser Schlesien ein weisses unbeschriebenes Blatt." Dieses Blatt auszufüllen, und
mehr noch, den Spuren des Menschen nachzugehen bis zu dem Zeitpunkt, wo er zuerst
den Boden unserer Heimat betreten hat, ist die Aufgabe der Urgeschichtsforschung. Ihre
Quellen sind die im Erdenschoss gefundenen Erzeugnisse der Menschenhand, ihre Archive
die prähistorischen Sammlungen. Das Breslauer Museum ist die Zentral-Sammelstelle für
alle schlesischen Funde. Ausserschlesische finden nur Aufnahme, soweit sie zur Er-
klärung der schlesischen wichtig sind.
Die urgeschichtliche Abteilung des Museums ist in vier Sälen des Kellergeschosses
aufgestellt. Die Anordnung ist einerseits chronologisch, insofern die einzelnen Kultur-
perioden auseinandergehalten sind, anderseits topographisch, insofern innerhalb jeder
Periode die landschaftliche Einteilung der Provinz in Regierungsbezirke, Kreise und Ort-
schaften durchgeführt ist. Obwohl der verfügbare Raum reichlich dreimal so gross ist
wie der im alten Museum, so genügt er doch schon jetzt kaum zu einer übersichtlichen
Aufstellung des Vorhandenen, geschweige denn zur Unterbringung umfänglicher Neu-
Orundriss des Kellergescliosscs
40
crvverbiingen. Es wird deshalb eine Zweiteilung der Sammlung
beabsichtigt. Ausgestellt werden soll künftig nur eine Auswahl
typischer Funde, die ohne durch eine übermässige Fülle zu ver-
wirren, dem Laien ein klares Bild von der Entwicklung unserer
vorgeschichtlichen Kultur zu verschaffen geeignet ist. Alles übrige
wird zu Studienzwecken für Spezialforscher in Nebenräumen
untergebracht werden.
SAAL I. Das häufige Vorkoniiiieii diluvialer Tierreste in Schlesien
legt die Vermutung nahe, dass auch der Mensch schon zur Quartärzeit
eingewandert sei. In den Gebirgshöhlen und den Lösslagern des benach-
barten Galiziens, Mährens und Böhmens haben sich zahlreiche Spuren seiner
Anwesenheit bestehend in zerschlagenen und bearbeiteten Tierknochen und
roh zugehauenen Feuerstein-Werkzeugen erhalten. Proben davon, die von
den Ausgrabungen Ferdinand Roemers und O. Qrubes bei dem galizischen
Dorfe Ojcow und von den Mammutlagern bei Pfedmost in Mähren stammen,
sind an der Eingangswand ausgestellt. Dort befinden sich auch die bisher
einzigen Beweisstücke für die E.xistenz des diluvialen Menschen in Schlesien:
drei in einer Kiesgrube bei Mondschütz, Kreis Wohlau, gefundene Qeweih-
stangen des Edelhirsches mit deutlichen Spuren der Bearbeitung.
Jahrtausende mögen dahingegangen sein, bis der Mensch sich in den
Besitz der Kultur gesetzt hatte, die man als neolithisch bezeichnet.
Der Mensch der jüngeren Steinzeit war Fischer und Jäger, hielt sich Haustiere und trieb auch bereits
einen primitiven Ackerbau. Seine Herdfeuer brannten in mulden- oder kesseiförmigen Gruben, die man an
ihrer Füllung mit dunkler, holzkohledurchsetzter Erde und allerlei Haushaltungsresten leicht erkennen kann.
Solche Ansiedelungsplätze sind namentlich in der Gegend um Ratibor häufig beobachtet worden. Die
ergiebigste Fundstelle liegt bei der Kolonie Ottitz (Wandschrank 3). Das Museum besitzt von dort
ungeheure Mengen von Feuersteingeräten, wie Pfeilspitzen, Messer, Schaber, Sägen, Pfriemen, A.xte und
beim Absprengen der Späne zurückgebliebene Kernstücke (nuclei). Offenbar hatte das natürliche Vor-
kommen des Feuersteins in jener Gegend ein Zentrum der Fabrikation entstehen lassen. Dass man aber
das Rohmaterial auch schon auf dem Handelswege von weit her bezog, beweisen die gleichfalls aus Ottitz
stammenden Obsidiangegenstände, einem Mineral, dessen nächster Fundort Nordungarn ist. Neben diesem
auf Tafeln aufgereihten Kleingerät enthalten die Ansiedelungsfunde wuchtige Hämmer mit Schaftloch,
rundliche Steine zum Zermalmen des Korns, Hacken aus Hirschhorn und Knochennadeln. Ein dicker
Wirtel aus rotgebranntem Thon bezeugt, dass die Kunst des Spinnens geübt wurde; die Töpferei ist durch
schalen- und becherförmige Gefässe vertreten. Einige davon tragen eigentümliche Verzierungen, deren
Motiv eine in den weichen Thon eingedrückte Schnur bildet.
Eine bessere Vorstellung von der neolitischen Keramik geben jedoch die Grabfunde. Sie
sind über die ganze I'rovinz verbreitet, am häufigsten jedoch in Mittelsclilesien. Die allgemein
übliche Bestattungsweise war die Beerdigimg unverbrannter Leichen in hockender Lage. Als
Beigaben dienten Thongefässe und Steinwaffen, ein Beweis, dass dem damaligen Menschen
der Glaube an ein Fortleben nach dem Tode nicht mehr fremd war. Die Gefässe sind von gefälliger
Form und teilweise ausserordentlich reich verziert. Besonders schöne Beispiele enthalten die Funde von
Woischwitz bei F5reslau und Bschanz bei Dyhernfurtli.
Die Mehrzahl aller Steingeräte, die wir besitzen, sind einzeln ins Museum gelangt (Mittelschrank 4),
wenn auch gewiss viele davon als Grabbeigaben aufzufassen sind, deren Begleitstücke von den Findern
nicht beachtet wurden. Unter ihnen befinden sich einige Stücke, die durch grosse technische Vollendung
Interesse erregen, wie der ScrptMitinhannner aus Leimerwitz, Kreis Leobschütz, der auf drei Seiten mit
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parallelen und sich kreuzenden Furchen verziert ist, gleichsam zur Andeutung der Schnur, womit das Werk-
zeug am Holzstiele befestigt wurde. Andre Stücke sind durch ihr Material merkwürdig. So ein bei Deutsch-
Breile, Kreis Brieg, gefundenes Beil aus schlesischem Nephrit, jenem wegen seiner Härte und Zähigkeit in
der nietalllosen Zeit hochgeschätzten Mineral, für das man bis zur Entdeckung der Jordansniühler Nephrit-
brüche keine europäische Bezugsquelle ausfindig gemacht hat. Noch seltener ist ein kleines schwarzes Beil
aus Chloromelanit, geftmden an der schlesisch-posenschen Grenze bei Zmyslona, Kreis Kempen. Dieses
Gestein ist bisher überhaupt nur in bearbeiteten Stücken bekannt.
Gegen das Ende der Steinzeit lernt der Mensch als erstes Metall das in gediegenem Zustande
vorkommende Kupfer kennen. In Gräbern von sonst durchaus neolithischeni Gepräge, wie z. B. denen
von Jordansniühl, Kreis Niniptsch, und Ottwitz, Kreis Strehlen, hat man neben Stein- und Knochengeräten
auch solche aus gehämmertem Kupfer gefunden (Fenster-Schaukasten 5). Die kupfernen Beile aus
Frömsdorf und Nieder-Kunzendorf, Kreis Münsterberg, und Krehlau, Kreis Wohlan, sind in ihrer Form
sichtlich den entsprechenden Steinwerkzeugen nachgebildet. Immerhin sind Gegenstände aus reinem Kupfer
so selten, dass dessen Verwendung auf eine verhältnismässig kurze Übergangszeit beschränkt gewesen sein
muss. Vom Orient her nahm die Bronze ihren Siegeslauf über die alte Welt, um durch ein Jahrtausend
die Herrschaft zu behaupten. Mittelpunkte der Bronzekultur in Mittel- und Nordeuropa waren die Schweiz,
Ungarn und Skandinavien. Manche von den schlesischen Bronzen tragen die Kennzeichen des Imports. Hierher
gehören z. B. (Fenster-Schaukasten 6) das prächtige Schwert aus Jägerndorf, Kreis Brieg, die beiden Axt-
hämmer aus Rosenthal, Kreis Schweidnitz, und Gleinau, Kreis Wohlau (Abb. auf S. 40), und die grosse
Schweidnitzer Brustspange, eines der stattlichsten Stücke seiner Art. Alle diese Geräte sind mit sehr feinen
eingepunzten Mustern bedeckt und meist durch eine schöne blaugrüne Patina ausgezeichnet. Gleichzeitig
mit der Bronze wird auch das Gold zu Schmuckzwecken in Form von Drahtgewinden verwendet. Beispiele
sind die Armspiralen aus Halbendorf bei Oppeln und die beiden seltsam geformten Fingerringe ans
Tschanschwitz, Kreis Strehlen, die vielleicht zum Schutze des Daumenmuskels beim Abschnellen der Bogen-
sehne getragen wurden.
Eine Eigentümlichkeit der Bronzezeit sind die Schatzfunde (Mittelschrank 7). Man findet im Erd-
boden oder im Moor versenkt mitunter grössere Mengen bronzener Gerätschaften wie Beile, Sicheln, Lanzen-
spitzen imd Ringe, die der einstige Besitzer wohl in Zeiten der Gefahr oder als Weihgaben verborgen haben
mag. Dergleichen Massenfunde besitzt das Museum über dreissig. Einer der interessantesten ist der von
Lorzendorf, Kreis Namslau. Er enthält 3 gerippte Eimer mit Doppelhenkeln, 2 Pferdegebisse, 2 kunstvoll
gearbeitete Ketten, 44 sternförmige und 6 andere Riemenbeschläge und 3 grosse hohle Ringe. Die Heimat
dieser Dinge ist in Italien zu suchen, ihre Entstehungszeit etwa das die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr.
Südlichen Ursprungs sind auch der schöne Kessel aus Sulau und der merkwürdige, mit Vogelfiguren besetzte
Wagen aus Oberkehle (Abb. S. 42), in dem man wohl mit Recht ein Kultusgerät erblickt hat.
SAAL 1, 2 lind 3. Mit den zuletzt erwähnten Gegenständen eines südländischen Imports sind
wir eigentlich schon aus dein [Bereich der reinen Bronzekultur herausgetreten in den der sogen. Hallstatt-
kultur, in der neben der Bronze auch das Eisen eine Rolle zu spielen beginnt. Eine scharfe Trennung
zwischen der Bronze- imd der Hallstattzeit ist jedoch bei den schlesischen Funden kaum durchführbar, am
allerwenigsten bei den Gräberfeldern, die oft eine Jahrhunderte lange Benutzung und die Einwirkung der
verschiedensten Kulturstroiuungen verraten. Die Einfiduung der Bronze hatte auch eine Änderung in der
Sitte der Totenbestattung zur Folge. Nur vereinzelt, wie z. B. in Adamowitz (Mittelschrank 8), erhält sich
die in der Steinzeit übliche Leichenbeerdigung. Sonst herrscht durchweg die Verbrennung. Die übrig-
bleibenden Gebeine wurden in einer Urne beigesetzt. Ringsherum stellte man kleinere Oefässe. Ausserdem
gab man dem Toten mehr oder minder reichen Schnuick aus Bronze oder Eisen, auch Perlen aus Thon,
6
42
Olas (Hier Bernstein mit ins Grab. Von Waffen finden sich meist nnr l<leine Speerspitzen, sehr selten
Schwerter. Nach der äusseren Anlage unterscheidet man Hügel- und Flachyräber. Jene fmdct man heute
nur noch im Wald und Haideland, besonders am rechten Oderufer von Obernijjk bis Deutsch-Wartenberg
(Mittelschrank Q, Wandschrank 35). Flachgräberfelder sind dagegen mit Ausnahme des Gebirges fast bei
jedem Dorfe nachweisbar. Auf einigen betrug die Zahl der Gräber bis zu 1000, ein Beweis, dass Schlesien
damals schon recht dicht bevölkert war.
Den Hauptreichtum der schlesischen Urnenfriedhöfe bilden die Töpferwaren. Durchweg ohne
Drehscheibe aus freier Hand geformt, sind sie von einer unerschöpflichen Mannigfaltigkeit und bewunderungs-
werten Zierlichkeit. Die typische Form für die älteren Gräberfelder ist die Buckelurne, ein terrinen- oder
krugartiges Gefäss, dessen Bauch mit 4—7 aus der Wandung herausgedrückten oder darauf aufgeklebten,
der Frauenbrust nachgebildeten Vorsprüngen geziert ist. Beispiele enthalten die Funde von Gniechwitz,
Kraika, Reppline und Peltschütz, Kreis Breslau (Wandschrank 22). An die Stelle der plastischen Ver-
zierung tritt bei den späteren das Flächenornament. Die Muster sind meist geometrisch, wenn auch
angenotnmen werden kann, dass ihnen ursprünglich technische oder Natnrmotive zu Grunde gelegen haben.
Zu den grössten Seltenheiten zählen Darstellungen von Tieren und Menschen. Ein solches Oefäss mit
der Abbildung einer Hirschjagd zu Pferde und einem Bogenschützen ist in Lahse, Kreis Wohlan, gefunden
worden (Pfeilerschrank 21).
Eine Besonderheit der schlesischen Gräberfelder sind die bemalten Thongefässe, meist kleinere
Schalen oder Vasen mit gelblich-weisser oder rotbrauner Oberfläche, auf der die Ornamente in roter oder
schwarzer Farbe aufgetragen sind. Sie haben jedenfalls nur zu sakralen Zwecken gedient, worauf auch
das häufig angebrachte heilige Zeichen des Hakenkreuzes hindeutet. Reiche Ausbeute an bemalten Oefässen
haben besonders die Gräberfelder von Karlsruh, Kreis Steinau, Dyhernfurth und Auras, Kreis Wohlan
(Schränke 17, 18 und 21), Woischwitz, Gross-Tschansch und Weidenhof, Kreis Breslau, Strachwitz, Kreis
Liegnitz, und Göllschau, Kreis Haynau, ergeben (Saal 3, Schränke 24—40).
Die Hallstattkultur wird in einem grossen Teile Mitteleuropas abgelöst durch die nach einem
Fundort am Neuenburger See benannte La Tenekultur, deren Träger keltische Völker waren (Wand-
schrank 42). Die La Teneperiode ist in Schlesien durch eine kleine Anzahl wohl charakterisierter Grabfunde
vertreten, im Süden der Provinz durch Skelettgräber mit einem Inventar, das auf Beziehungen zu Böhmen,
im Norden durch Steinkistengräber nnt Gesichtsurnen und gesichtsurnenähnlichen Gefässen, die auf Be-
ziehungen zu den Weichselländern hinweisen; ausserdem durch über die ganze Provinz verstreute Funde
die in näherem Zusanmienhange teils mit den Llrnenfriedhöfen der Hallstattzeit, teils mit den Funden der
römischen Kaiserzeit stehen und die Verbindung zwischen beiden vermitteln.
SAAL 4. Lim die Wende des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung beginnt der römische
Welthandel auch Schlesien in seinen Bereich zu ziehen. Die Nachrichten der alten Geographen über die
von Carnuntum nach der baltischen Küste führende Bernsteinstrasse werden durch die Funde in glücklichster
Weise ergänzt. In den Gräbern dieser Zeit findet man vielfach Gegenstände, die entweder direkt aus
Italien und den römischen Provinzen eingeführt oder den fremd-
ländischen Erzeugnissen nachgebildet sind. Die beiden bedeu-
tendsten Funde dieser Art sind der von Wichulla bei Oppehi luul
der von Sacrau bei Breslau (Pfeilerschrank 48). Das Wichullaer
Grab enthielt ausser bronzenen Eimern, Kasse-
rollen, Schöpfkellen, Weinsieben u. dgl. eine
silberne Trinkschale von ausgezeichneter alexan-
drinischer Arbeit (Abb. auf S. 43). Die drei
Sacrauer Gräber, ilie man nnt ziemlicher Genauig-
keit an das Ende des 3. Jahrhunderts setzen kann,
enthielten u. a. zahlreiche goldene und silberne
Schmucksachen, eine Anzahl verschiedenartiger
Thon- und Holzgefässe, Bronze- und Silberkessel
und Schalen und Becher aus Glas. Hervorzuheben
43
Antike Silbcrscliale
der hellenistisch -römischen Zeit
aus
Wichulla, Kreis Oppeln
44
ist noch der über 1 iii Imlie brcmzeiie Vierl'iiss, dessen vier senkrechte mit Bacchus- und Pantlierköpfen
verzierte Hauptstäbe durch dünne Schienen so verbuniien sind, dass er je nach der Grösse des oben ein-
gehängten Oefässes enger oder weiter gestellt werden kann.
In der Völkerwandernngszeit, die mir durch ganz vereinzelte Fiuidstücke wie den Qoldring
von Ransern und eine Bronzefibel mit tierkopfartigem Fussansatz aus Ourtsch, Kreis Strehlen, vertreten ist,
hörten nicht bloss die bisherigen Handelsbeziehungen auf, sondern es trat auch eine nahezu völlige Ver-
ödung des Landes ein. Die germanischen Bewohner zogen in die Ferne und die slavischen Nachbarn
rückten nur sehr allmählich in die verlassenen Gebiete ein. Aus der Zeit der slavischen Besiedlung
stammen zum grössten Teil die Burgwälle oder Schwedenschanzen (Wandschrank 4Q und 50). Aus-
grabungen auf diesen haben grosse Mengen von Scherben hartgebrannten und auf der Drehscheibe
geformten Geschirrs, ferner Spinnwirtel, Stein-, Knochen- und Horngeräte zu Tage gefördert. Die Gräber
dieser Zeit sind meist reihenförniig angelegt und enthalten die Toten unverbrannt. Die Beigaben bestehen
in Thongefässen derselben Art wie die in den Burgwällen gefundenen, in kleinen eisernen Messern und in
Schmuckgegenständen, unter denen die sogenannten Schläfenringe mit S-förmigem Ende besonders
charakteristisch sind. Endlich fallen in diese Zeit noch die aus silbernen Münzen und Schmucksachen be-
stehenden arabischen Hacksilberfunde {Fensterschaukasten 51), welche den Beweis liefern, dass damals
ein lebhafter Handel zwischen dem Orient und dem Norden betrieben wurde.
Mit den Nachbildungen der Steinskulpturen auf dem Zobtenberge und zwei dort gefundenen
gravierten Bronzeschalen (Fensterschaukasten 52) treten wir bereits in die Zeit der Christianisierung Schlesiens,
womit die Urgeschichte ihr Ende erreicht.
II. DIE KULTURGESCHICHTLICHE SAMMLUNG
OAAL V. Der siebenfenstrige Hauptsaal ist durch [Pfeiler- und Bogenstellungen in fünf Einzel-
räunie gegliedert, die ebensovielen Gruppen von Sammlungsstücken zur Aufnahme dienen. Der erste
enthält I nnungs- Altertümer. Es besteht die Absicht, ihn sobald sich Gelegenheit zur iirwerbnng einer
passenden Vertäfelung bietet, als Zunftstube im Stil des 16. Jahrhunderts auszugestalten. Vorläufig musste
man sich damit begnügen, die Wände mit Bänken und Bordbrettern zu umgeben, auf denen die Urkunden-
laden, Willkommen und Meisterstücke aufgestellt sind. Dazwischen hängen eingerahmte Lehrbriefe, Privi-
legien und Innungsartikel, ganz oben die teils in Silber oder Kupfer getriebenen, teils in Reliefstickerei
gearbeiteten Sargschilde, die bei Beerdigungen von Innungsangehörigen gebraucht wurden. Im Fenster-
Schaukasten haben die Petschafte der verschiedenen Mittel Platz gefunden. Von besonderem Interesse sind
durch ihr Alter und ihre kunstvollen Gravierungen die drei gewaltigen Zimikannen der Breslauer Bäcker
von 1497, der Breslauer Seiler von 1511 und der Löwenberger Tuchknappen von 1525.
Der nächste Raum umfasst trachtengeschichtliche und hauswirtschaftliche Geräte wie
Stöcke, Tabakspfeifen, Dosen, Feuerzeuge, Schreibutensilien, Beleuchtungsgegenstände, Fächer, Riechbüchschen,
Damentaschen, Kinderspielzeug, Modelle u. a. m. Einzeln genommen bedeuten diese Dinge ja nur wenig,
systematisch gesammelt und zu ganzen Entwicklungsreihen zusammengestellt können sie aber von grossem
kulturgeschichtlichen Interesse werden. Und wenn hierzu auch bis jetzt nur der erste Anfang gemacht ist,
so bedarf es doch erfahrungsgemäss gerade auf solchen Gebieten nur der Aufstellung des leitenden Gesichts-
punktes, um rasch zu relativer Vollständigkeit zu gelangen.
Männer- und Frauenkostüme bilden die folgende Gruppe. Gut vertreten ist die zweite Hälfte
des 18. Jahrhunderts und die Empirezeit. Auf die Erlangung älterer Originalkostüme ist bei deren ausser-
ordentlicher Seltetdieil kaum zu rechnen. Einen gewissen Ersatz bieten zeitgenössische Porträts, wie ihrer
einige an den Wänden aufgehängt sind. Dagegen wird zu versuchen sein, die Reihe nach unten hin zu
vervollständigen. Die Frage, ob Beispiele der wechselnden Frauenmode der Gegenwart anzusammeln seien,
hat bereits Brinckmann für das Hamburgische Museum aufgeworfen und dahin beantwortet, dass eine solche
Sammlung schon nach wenigen Jahrzehnten von erheblichem Werte sein würde.
Von den Kostümen gelangen wir zu den Musikinstrumenten. Wiewohl sich darunter manches
interessante Stück befindet, wie die mit zarten Elfenbeinarabesken eingelegten Lauten lies If). Jahrhunderts
45
Orimdriss des Erdgeschosses
und das von Georg Baumgarten 1635 gebaute Clavicymbalum aus der Magdalenenbibliothek, so ist doch diese
Sammlung der Vervollständigung recht bedürftig. Namentlich sind die Saiteninstrumente des 17. und IS. Jahr-
hunderts sehr schwach vertreten, was um so mehr zu bedauern ist, als die Oeigenbauerkunst in Schlesien
von jeher eine Pflegestätte gefunden hat. Da jedoch der Privatbesitz noch viele Stücke dieser Art bewahrt,
so steht zu hoffen, dass die Zukunft jene Lücke ausfüllen werde.
In dem freistehenden Pultschrank des letzten Raumes liegen Karten und andere Spiele, Uhren und
wissenschaftliche Instrumente. Von diesen Sammlungen gilt das von den trachtengeschichtlichen Geräten
Gesagte. Die umgebenden Wände sind bedeckt mit bergmännischen und mit Rechtsaltertümern, und zwar
haben die Strafwerkzeuge die linke, die Masse und Gewichte und die obrigkeitlichen Abzeichen die rechte
Seite vom Ausgang eingenommen.
SAAL VI. Das Eckzimmer dient in erster Reihe zu wechselnden Ausstellungen von Breslauer
Ansichten und Porträts, deren das Museum eine stattliche Sammlung besitzt.
Die Schränke enthalten Altertümer, an die sich besondere lokale Erinnerungen knüpfen, z. B. die
vergoldeten Stadtthorschlüssel und das messingne Kruzifix von 149S, bei dem bis um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts die Hreslauer den Bürgereid geschworen haben. Auf den Schautischen liegen Stammbücher, Gratu-
lationskarten und Erinnerungsblätter aller Art. Endlich ist in diesem Zimmer ein Teil der vortrefflichen
Sammlung von Original-Siegelstempeln ausgestellt.
Mit dem Breslauer Zimmer ist der bescheidene Anfang für eine Abteilung gemacht worden, deren
systematische Ausgestaltung wir von der Zukunft erwarten. Wenn schon das Museum schlesischer Alter-
tümer sich mit Recht angelegen sein liess, alle bemerkenswerten Ansichten aus Breslau zu sammeln, so hat
unser Museum als städtisches Institut die Verpflichtung, auch das Museum für die Geschichte der Stadt
Breslau zu werden, eine Verpflichtung, die unlöslich mit der kulturhistorischen Grundlage unseres A\useun)s
verknüpft ist. Die Physiognomie des alten Breslau, einer der interessantesten Städte Deutschlands, verändert
sich in unseren Tagen mit rapider Schnelligkeit. Ihren malerischen Reiz auch für die Zukunft festzuhalten
46
ist eine ebenso dankbare als unabweisliche Aufgabe, zu der vor allem die Kunst herangezogen werden
müsste, um nach und nach eine kleine, gewählte Galerie von Ölbildern und Aquarellen mit Breslauer
Motiven zu schaffen.
SAAL VII enthält die Waff ensanun hing. Um ein bequemes Anordnen zu ermöglichen, sind
die Wände bis zu 3 m Höhe mit olivgrünem Holz verkleidet worden. Eine ringsum laufende, 40 cm hohe
Stufe dient zugleich als Stützpunkt für die Stangenwaffen und Gewehre und als Podium für Rüstungen,
Geschütze und Trommeln. Eine Schwierigkeit ergab sich aus der bedeutenden Tiefe des Raumes, die den
zurückliegenden Teilen nicht genug Licht bietet, und aus der vielfachen Unterbrechung der Wandflächen
durch Pfeiler und Nischen. Nach dem einstimmigen Beifall aber, den die Aufstellung der Waffensammlung
gefunden hat, scheint es, dass jene Ubelstände der Gesamtwirkung keinen Eintrag gethan haben.
Die Waffensammlung des Museums ist nicht das Ergebnis einer planvollen Sammelthätigkeit,
sondern zum weitaus grössten Teile durch zufällige Schenkungen und Vermächtnisse entstanden. Infolge-
dessen ist ihre Zusammensetzung sehr ungleich: während manche Typen unverhältnismässig stark vertreten
sind, fehlen andre so gut wie völlig. Aufgabe der Zukunft ist es, sie so auszugestalten, dass der Beschauer
einen Überblick über die Entwicklung zum wenigsten des deutschen Waffenwesens erhält. Das Bedürfnis
hierzu ist auf Seiten des Publikums unzweifelhaft vorhanden, wie die fortwährenden Anfragen von Künstlern
und Gewerbetreibenden nach Waffenstücken dieser oder jener Zeit und Art beweisen. Aber auch vom
kunstgewerblichen Standpunkte wird die Wichtigkeit der Waffen immer mehr erkannt, weil bei ihnen „mehr
als irgendwo der Gebrauchszweck formbestimmend erkennbar wird und hier alle dekorative Ausschmückung,
so reich sie auch auftreten mag, sich unterordnen muss der Form, die bedingt ist durch den Zweck der
Waffe, ihrem Träger zur Abwehr oder zum Angriff zu dienen". (Brinckmann.)
Die Aufstellung beginnt mit einer Folge von Typen, an welcher die Entwicklung der hauptsächlichsten
Angriffswaffen, des Beiles, der Lanze und des Schwertes, von der Steinzeit bis zum frühen Mittelalter
gezeigt wird. Die Zeit des 13. — 15. Jahrhunderts ist durch eine Anzahl wertvoller Schwerter, Streitäxte,
Bogen und Armrüste sowie durch eine Gruppe sogenannter Hussiten oder Bauernwaffen, d. s. Morgensterne
und Kriegsflegel, dargestellt. Von Schutzwaffen dieser Zeit sind ausser einigen Helmen und Harnischteilen
fünf hölzerne, mit Leder oder Leinwand überzogene Schilde zu erwähnen,
deren Bemalung mit einem W und einem roten Kreuz im weissen Felde
auf ihre Verwendung in den Kämpfen der Breslauer gegen die böhmischen
Ketzer deutet.
Unter den Waffen des 16. Jahrhunderts fallen durch ihre Zahl und
Grösse am meisten die mächtigen Zweihänder, durch die Pracht ihrer Aus-
stattung die aus dem Breslauer Ratsarchiv stammenden Schwerter, Dolche
und Gürtel Herzog Friedrichs iL von Liegnitz und Brieg in die Augen
(s. S. 4 ff). Die zwölf Rüstungen, initer denen sich auch einige schön
geäzte befinden, gehören der zweiten Hälfte des 16. und dem Anfang des
17. Jahrhunderts an. Die Schusswaffen der ältesten Zeit werden durch
mehrere Wallbüchsen und Mauerhaken mit Luntenschlössern vertreten.
Das älteste der vorhandenen Geschütze ist eine bronzene Signalkanone
von 1548. Hervorragend ist die Sammlung eingelegter Jagd- und Scheiben-
waffen des 16. und 17. Jahrhunderts. Auch unter den Galadegen des
18. Jahrhunderts befinden sich Stücke von hohem Kunstwert. Besondere
Gruppen umfassen die Kriegswaffen des 17. Jahrhunderts, der Zeit Friedrich
Wilhelms \. und Friedrichs des Grossen. Aus der Zeit der Befreiungs-
kriege enthält die Sammlung nicht bloss die wichtigsten Waffen der
preussischen und französischen Truppengattungen, sondern auch eine
Auswahl gut erhaltener Liniformen und zahlreiche Erinnerungen, Flug-
blätter, Karikaturen, l'orträts u. dgl. Den Beschluss machen die
Waffen des 19. Jahrhunderts, insbesondere der drei grossen Kriege
Wilhelms I.
47
SAAL VIII. Das letzte Zimmer der kultiirjreschichtlichen Abteilung ist zur Einrichtung einer
schlesischen Bauernstube bestimmt. Der Ofen, der Webstuhl, die durchgehends bunt bemalten Möbel
und sonstigen Ausstattungsstücke stammen grösstenteils aus der Umgegend von Schmiedeberg. Wie bei
den Innungsaltertiimern, so steht auch hier die Ausgestaltung der Wände und der Decke noch bevor. Um
auch die immer mehr verschwindende Bauerntracht vor Augen zu führen, sind ausser zahlreichen Hauben
Kleidern und Schmucksachen zwei Figuren neu aufgestellt worden, deren Köpfe der Hirschberger Bild-
hauer Herr Dehmel nach der Natur modelliert hat.
KAUM iX ist gegenwärtig noch reserviert.
III. DIE SAMMLUNG DES ALTEN KUNSTGEWERBES
Die Sammlungen sind in geschichtlicher Folge geordnet. Bei den grossen Lücken,
die sie gegenwärtig noch aufweisen, finden freilich ganze Stilperioden und Stil-
färbungen nur eine summarische Vertretung. Am meisten fehlen noch zum Ausbau der
Sammlungen gute, charakteristische Möbel. Gewisse technologische Gruppen — wie die
Metallarbeiten, der Schmuck, das Glas wurden von der Renaissance an nicht aufgeteilt,
sondern bei jener Epoche eingereiht, für die sie in unserer Sammlung besonders
bezeichnend sind.
SAAL X Mittelalter. Wenige deutsche Kunstgewerbemuseen können sich eines solchen Reichtumes
an kirchlichen Kunstdenkmälern des Mittelalters rühmen, wie das Breslauer. Nicht nur die Kleinkunst, sondern
auch die Plastik und Malerei ist glänzend vertreten. Seit der Säkularisation zahlreicher Kirchen und Klöster
im Jahre 1810 hat sich die öffentliche Sammelthätigkeit in Breslau besonders den kirchlichen Altertümern
zugewendet und aus Schlesien vieles gerettet, was sonst zu gründe gegangen oder in die Fremde gewandert
wäre. So bietet unser Museum die Möglichkeit, die Entwicklung der Malerei und Skulptur in Schlesien an
einer ganzen Reihe von Altären zu studieren. Unter den bemalten repräsentiert der leider noch viel zu
wenig gewürdigte Barbaraaltar vom Jahre 1447 den künstlerischen Höhepunkt, das reifste Werk der mittel-
alterlichen Kunst in Schlesien. Von grossen geschnitzten Altären besitzt das Museum nicht weniger als
drei, den Stanislaus- und zwei Marienaltäre.
Unter den kirchlichen Geräten ragen die Qoldschmiedearbeiten an Zahl und Bedeutung hervor. An
ihrer Spitze steht das Dorotheenreliquiar (Tafel 1, siehe S. 2f), eine Arbeit der Qoldschmiedekunst des
15. Jahrhunderts, die an Liebreiz und in feiner Charakteristik knospender Jungfräulichkeit ihres Gleichen
sucht. Mit Kelchen, Monstranzen, Reliquiarien und Statuetten ist ein ganzer Schrank gefüllt. Einzelnes
davon ist auch deshalb von Interesse, weil es auf alte schlesische Geschlechter zurückgeht, alles gehört der
späteren Gotik an. Bekaimte Kostbarkeiten des Museums sind ferner das sogenannte Hedwigsglas, ein
frühmittelalterliches Glas strittiger Herkunft, mit tiefeingeschnittenen Figuren und gotischer Silbermontierung
und das in Hochrelief gestickte, kostbare Rückenkreuz einer Casula aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts,
das reichste Exemplar dieser im Mittelalter sehr beliebten Stickereigattung, bei dem trotz der an imd für
sich unkünstlerischen Technik eine edle ausdrucksvolle Wirkung erzielt wurde. Die Technik ist von un-
vergleichlicher Vollendung. Auf den mit Goldblech belegten oder durch überfangene und unterlegte Gold-
fäden hergestellten Grund ist mit Seide, echten Goldfäden und orientalischen Perlen gestickt. Am Rande
sitzen gefasste Steine, Türkise, Topase, Amethyste und Glasflüsse. In der Mitte am Kreuze der Erlöser,
dessen Blut von Engeln aufgefangen wird. Oben Maria in Strahlengloric, an den Seiten die beiden Johannes,
unten die hl. Hedwig und Helena (Tafel IV).
Das F5ild der kirchlichen Kunst und des kirchlichen Kunsthandwerkes zur Zeit des gotischen Stiles
vervollständigen einige Elfenbeindiptichen und eine Reihe von Handschriften mit Miniaturen. Die Glas-
malerei der Gotik wird nur durch drei kleine Scheiben vorgeführt. Wäre hier eine Vermehrung sehr
erwünscht, so ist a\if dem Gebiete des gesamten mittelalterlichen Kunsthandwerkes noch eine Lücke aus-
48
zufüllen. Der roniaiiische Stil ist viel zu vveniu; vertreten. Unser Besitz beschränkt sich auf ein unbedeutendes
Reh'quienUästchen mit Qrubeneinail, ein Kästchen mit Stiftmosaik und Elfenbeinplatten, eine Elfenbein-
schnitzerei mit Tod der hl. Maria und zwei S]iielsteine.
Gegen das kirchliche Mobiliar und Gerät der Gotik tritt das profane in unserem Museum an Zahl
und Bedeutimg weit zurück. Es nimmt eine bescheidene Ecke ein. Ein süddeutscher Schrank ist zu sehr
ergänzt, um musealen Wert zu besitzen. Den Typus des in die Wand eingelassenen Schrankes vertritt
ein in ausgestochenem Relief verziertes einfaches Stück aus dem Breslauer Rathause. Sonst sind nur noch
Messingschüsseln, Kannen und Leuchter sowie interessante Ofenkacheln vorhanden. Die bekannten grossen
Innungskannen aus Zinn sind in der kulturhistorischen Abteilung aufgestellt.
Der Saal, in dem das mittelalterliche Kunstgewerbe untergebracht ist, bedarf dringend eines Umbaues.
Von seiner früheren Verwendung als Ständesaal sind die durch zwei Stockwerke gehende Höhe und die
hässlichen Galerien geblieben. Er wird erst dann für die darin aufgestellten Gegenstände die erforderliche
stimmungsvolle Umgebung abgeben können, wenn er eine Unterteilung erfährt, durch die zugleich im
2. Stockwerke, das sich jetzt schon als zu klein erweist, neue, grosse Ausstellungsräume gewonnen würden.
SAAL XI und XII. Saal XI bildet gegenwärtig einen Annex zu Saal XII und enthält einen Teil
der schönen Paramentensammlung des Museums. In Zukunft soll er die Abteilimg der italienischen
Renaissance aufnehmen, wenn diese einen solchen Umfang erreicht haben wird, dass sie einen eigenen Raum
für sich in Anspruch nimmt. Jetzt ist sie noch mit Mobiliar der deutschen und niederländischen Spät-
renaissance vereinigt.
Die italienische Renaissance ist vor allem durch eine kleine Kollektion von Majoliken vertreten, die
in der Hauptsache erst im Jahre 1899 zusammengebracht worden ist. Sie enthält gute Beispiele für die
Fabrikation von Deruta, Caffagiolo, Faenza, Urbino und Venedig. Dazu kommen Vorderwände von Truhen
und ein prächtiger, aus der Sammlung Minutoli stammender Gobelin nn't musizierenden Gestalten, der
wohl nach einem italienischen Carton in Flandern ausgeführt worden ist. Als Beispiel italienischer Metall-
Grundriss des I. Stockwerkes
TAFEL IV
Lichtdruck von A. Fabian ii. Co., Breslau
Rückenkreiiz eines Messgewandes, 15. Jahrhundert
49
technik besitzt das Museum einen prächtigen in dünnem
Eisenblech getriebenen herzförmigen Schild, dessen Mitte
ein meisterhaft modelh'erter Meduseni<opf einnimmt. In den
ausgesparten ovalen Medaillons des breiten Randes sassen
einmal Silberplatten. Höhe 0.62 ni. (Abb. nebenstehend.)
SAAL XII wird in Zukunft dem Mobiliar der
deutschen und niederländischen Renaissance und frühen
Barocke gewidmet sein. Unser Besitzstand darin besteht
in einem mächtigen süddeutschen Schrank mit zweige-
schossigem architektonischen Aufbau, einem guten nieder-
ländischen Schrank mit schwarzen Einlagen in dem typischen
Charakter des 17. Jahrhunderts, einem niederdeutschen
Schrank nn't Relieffüllungen. Von der Intarsiatechnik des
16. und 17. Jahrhunderts geben Breslauer Tische mit so-
genanntem Hundekastengestell und ein reiches süddeutsches
Kabinet hinreichende Vorstellung.
SAAL XIII. Metallarbeiten von der Zeit der
Renaissance an, Schmuck, Bestecke, Wachsbos-
sierungen. Die Goldschmiedewerke der Renaissance und
der Barocke gehören zu dem reichsten und interessantesten
Besitze unseres Museums. Man darf es als eine ganz
besonders günstige Schickung preisen, dass gerade in dem
Materiale, das für die Sicherheit eines Kunstwerkes vordem Untergange am wenigsten Bürgschaft bietet, sich
verhältnismässig so viel Breslauer Arbeiten erhalten haben und in das Museum gekommen sind. Sonst kommen
noch inbetracht Nürnberger und Augsburger Arbeiten, die durch die alten künstlerischen Beziehungen Breslaus
zu diesen beiden Städten hierher gelangt sind. Im Schrank 98 beanspruchen besonderes Interesse zwei
montierte Hedwigsgläser. Das eine, ein mittelalterlicher Becher cylindrischer Form, oben weit ausladend,
mit orientalisierendem Dekor in Emailmalerei hat in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts durch einen Breslauer
Goldschmied eine reiche Fassung des Fusses und des Randes in vergoldetem Silber erhalten. Das zweite
Glas, ein glatter Cylinder, steckt in einem Geflecht aus Silberfiligran, das wahrscheinlich älter ist als die
übrige von einem Augsburger Goldschmiede der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts herrührende Fassung in
vergoldetem Silber. In demselben Schranke die ausgezeichnete Figur eines Büttenträgers, eine Arbeit^des
Breslauer Meisters Joachim Hüller (alias Hiller) vom Jahre 1602.
Schrank 99 und 100 enthalten die Kleinodien der Breslauer Schützenbrüderschaften, der
Zwinger- und der Schiesswerder-Schützenbrüderschaft. Wie das Ganze in seinem eigenartigen Dualismus und
seiner einzig dastehenden Vollständigkeit einen reizvollen Einblick in die Kultur- und Sozialgeschichte Breslaus
vom Ausgange des Mittelalters an bis ins 19. Jahrhundert gewährt und Blüte wie Niedergang des deutschen
Schützenwesens anschaulich vorführt, ist es auch ein gutes Stück Kimstgeschichte von Breslau. Die älteste
urkundliche Nachricht über die Breslauer Schützenbrüderschaft stammt aus dem Jahre 1466, das älteste
Kleinod aus dem Jahre 1491. Im Jahre 1566 trennte sich von dieser Brüderschaft, in der die Kaufleute
und vornehmen Bürger zurückblieben, und die nach ihrem Schiessplatze den Namen Brüderschaft der
Schützen im alten Schweidnitzischen Zwinger erhielt, die Schiesswerderbrüderschaft ab, der die niedere
Bürgerschaft, die Zünfte luul Zechen, angehörten.
Die Kleinodien der beiden Schützengesellschaften sind zweieriei Art. Die eine bilden die Insignien
der Brüderschaft, beziehungsweise des Schützenkönigs. Der Königsorden der Zwingerschützen, ein Adler
vom Jahre 1491 ist leider im Jahre 16S5 „verbessert" d. h. vollständig umgearbeitet worden; beim Königs-
schild der Schiesswerderschützen rührt der hauptsächlichste Bestandteil, die Figur eines Schützen, aus dem
16. Jahrhundert her. Jeder Schützenkönig hatte die Verpflichtung, zur Erinnerung an seine Würde für den
Orden einen Anhenker zu stiften. Durch drei Jahrhundcrie reichend, liefern diese zahllosen goldenen
Schildchen ein wahres Kompendium von Stilen und Techniken. Die andere Gattung der Kleinodien bilden
7
50
Pokale mannigfaltigster, oft recht seltsamer Form, die als Dedikatioiien in den Besitz der Brüderschaften
kamen. Neben Breslauer haben die Nürnberger und Angsburger Meister Arbeiten beigesteuert. Die
Renaissance bedeutet den künstlerischen Höhepunkt, der sich besonders in den von Rudolf II. gestifteten
F^okalen offenbart; interessant ist die vom Ende des 17. Jahrhunderts an immer mehr zunehmende Ver-
armung der Dedikatioiien. (Näheres über diese Kleinodien siehe Schles. Vorz. Bd. V u. VII.)
In der Seil mucksamnilung verdient besondere Beachtung ein prachtvoller dreiteiliger Barett-
schiuuck des Id. Jahrhunderts u\ hohem durchbrochenem Relief, mit zartem Email und Edelsteinen. Auch
gute Proben von Ringen des 10. und 17. Jahrhunderts sind vorhanden. Mit sehr hübschen Schmuckstücken
ist das IS. Jahrhundert vertreten. Die Bestecksammlung enthält Typen von der Gotik an.
Die Zinusanmilung weist als vornehmstes Stück ein Exemplar der Temperantiaschüssel des
Caspar Enderlein und der zugehörigen Kanne auf. Daran reihen sich Nürnberger Krönungsteller des
17. Jahrhunderts. Von den zahlreichen schlesischen Schüsseln und Gefässen mit dem Stempel von Breslau,
Neisse und Schweidnitz reicht keines in das 16. Jahrhundert oder selbst in die erste Hälfte des 17. Jahr-
hunderts hinauf, so dass zwischen ihnen und den schlesischen Zinnarbeiten der Gotik eine auffallende
zeitliche Lücke klafft. Alle sind graviert und zeigen eine mehr volkstümliche Verzierungsweise. Unter den
Arbeiten aus Kujiter interessiert besonders der in getriebener Arbeit reich dekorierte Krug mit dem
Namen des Besitzers Bartholemeus Rosenberg vom Jahre 1505 als ein schlesisches Werk, bei dem Noblesse
der Form und tüchtige Ausführung die nicht überall glückliche Anwendung der Renaissancemotive gern
vergessen lässt.
Wertvoll ist die Sammlung von Wachsbossierungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Dem
Sammeleifer eines kunstsinnigen Breslauer Patriziers der Renaissancezeit, des Thomas Rhediger, verdankt
unser Museum die seltene Suite von 20 französischen Porträtmedaillons des 16. Jahrhunderts. In zierlichen
Original-Lederkapseln zeigen sie — alle von einer Hand — die Porträts fürstlicher Persönlichkeiten und
berühmter Staatsmänner des damaligen französischen Hofes, daneben auch des Dichters Clement Marot,
des Pfalzgrafen vom Rheine Friedrich III., Luthers und Melanchthons.
Im Saale IV hängen drei interessante Gobelins des 16. Jahrhunderts, sämtlich deutsche Arbeiten,
die an zweiter und dritter Stelle angeführten vielleicht sogar in Schlesien ausgeführt. 1. Urteil des Salomou aus
der Elisabetkirche in Breslau (Tafel V). 2. Ein erst vor kurzem aus dem Gymnasium zu Brieg in das Museum
gelangter Gobelin zur Erinnerung an die Gründung der Fürstenschule in Brieg durch den Piastenherzog
Georg IL 3. Gobelin mit den Figuren des Herzogs Georg IL von Brandenburg Jägerndorf und seiner
Gemahlin zu Seiten ihres Wappens.
SAAL XIV. Deutsche Keramik der Renaissance. Holz- und Elfenbeinschnitzereien
des 16. und 17. Jahrhunderts. In diesem Saale sind jene deutschen Töpferarbeiten zusammengestellt,
die in Technik und Ornamentation auf dem Boden der Renaissance stehen, wenn sie auch zum Teil einer
späteren Zeit angehören. In guten typischen Exemplaren ist das rheinische Steinzeug vertreten, Köln,
Siegburg, Nassau, Raeren mit einer interessanten Schnabelkanne aus der Übergangszeit von der (iotik
zur Renaissance. Der Einfluss des rheinischen Steinzeuges reicht weit nach dem deutschen Osten und hat
in der volkstümlichen Keramik Sachsens, vielleicht auch noch Schlesiens einen Niederschlag gefunden. Wich-
tiger aber war dafür die Fabrikation von Kreussen, die man in unserem Museum sowohl in einer grösseren
Anzahl von Originalarbeiten wie sächsischen Nachahmungen findet. Verschiedene Steinzeuggattungen, die
das Museum emsig sammelt, deren genaue Lokalisierung aber bis jetzt noch nicht möglich ist, beweisen,
dass die Steinzeugindustrie im 17. Jahrhundert allenthalben im Osten, besonders in Sachsen utui den
angrenzenden Gebieten geblüht hat. Vielfach war dafür Kreussen vorbildlich. Auch die Fabrikation von
Bunzlau in Schlesien geht, wie schon der älteste bekannte, in unserem Museum befindliche und durch eine
Inschrift um 1650 datierbare Topf beweist, durch Vermittlung Sachsens auf Kreussen zurück. Die Blüte-
zeit Bunzlaus im 18. Jahrhundert mit farbig bemalten oder reliefierten Gefässen veranschaulicht eine reiche,
mannigfaltige Sammlung.
Neben dem Steinzeng sind die eigenartigsten Erzeugm'sse der Keramik Deutschlands im 16. Jahr-
hundert die Kachelöfen, besonders die mit kräftigen Farben bunt verzierten. Das Museuni besitzt keinen
derartigen vollständigen Ofen aus dieser Zeit und unter seinen vielen Kacheln, welche den Fortschritt in
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der Technik der Ofentöpferei gegenüber der Gotik erkennen lassen, von nicht schlesischen Arbeiten nur
ein einziges buntfarbiges Stück aus Köhi. Auch die in derselben Technik dekorierten süddeutschen Hafner-
krüge, die man früher fälschlich dem Augustin Hirschvogel zuschrieb, fehlen noch. Glücklicherweise sind
wir dagegen in der Lage, die Entwicklung, die dieser Zweig der Keramik in Schlesien nahm, besser vor
Augen führen zu können. Ausschliesslich eigentümlich unserer I^rovinz sind grosse Schüsseln, bei denen
die Zeichnung in den weichen Thon eingraviert ist, worauf dann die Flächen mit bunten Olasurfarben
bedeckt wurden. Bis vor kurzem waren nur vier solche Schüsseln bekannt, eine fünfte, mit Darstellung der
Kreuzigung aus dem Jahre 1612, ist in den Besitz unseres Museums gekommen. Ein halbrundes Relief
mit der Auferstehung, datiert 1542, zeigt, dass die polychrome Glasur auch in der schlesischen Ofen-
töpferei des 16. Jahrhunderts gepflegt wurde. Wichtig sind zwei Suiten von Ofenkachelformen des 16. Jahr-
hunderts aus Breslau, die eine mit biblischen Szenen, die andere mit Einzelfiguren (Sigismund Bathori,
Polnischer Reiter, Arkebusier). Mehr von lokalem Interesse sind die anderen derselben Zeit angehörigen
keramischen Gattungen aus Schlesien. Sie wie die noch gar nicht erforschte volkstümliche Töpferei unserer
Provinz haben im übrigen eine ganz ausserordentliche Mannigfaltigkeit aufzuweisen.
Mehr sekundäre Bedeutung neben den nationalen Gattungen hatte im 16. Jahrhundert in Deutsch-
land die Keramik, die unter dem Einflüsse der italienischen Majolika stand. Unser Museum besitzt davon
ein wertvolles Beispiel, eine prächtige grosse Eule in Blaumalerei auf weissem Grunde aus dem Jahre 1560,
deren Fabrikationsort in der Schweiz oder Süddeutschland zu suchen ist.
Den Schrank 113 füllen kleine Schnitzereien in Holz, Elfenbein, Perlmutter und Hörn aus dem 16. und
17. Jahrhundert, Figuren, gedrechselte Becher, ein Spielbrett, Spielsteine u. s. w.
SAAL XV. Aus der Barockzeit besitzen wir genügend Möbel und Einrichtungsstücke, so dass
wir den Versuch machen konnten, das Gleichartige nicht gerade zu Interieurs zu vereinigen, aber doch
wenigstens zusammenzustimmen. Die Möbel sind fast durchwegs schlesischer Herkunft. Dem bürgerlichen,
meist der Frühzeit des Barockes angehörigen Mobiliar, steht gegenüber das prunkvolle, reiche im Stile
Ludwigs XIV. Annähernd ein Bild von der Dekoration eines fürstlichen Raumes in dieser Zeit giebt eine
Ecke, deren Wände mit französischen Gobelins und prächtigen Ooldtapeten bespannt sind und deren
bedeutendstes Einrichtungsstück das reich geschnitzte und vergoldete Bett eines Abtes von Leubus vom
Ende des 17. Jahrhunderts bildet. Sehr gute Gobelins schmücken auch andere Wände des Saales, in dem
noch ein mächtiger buntglasierter Ofen mit Szenen aus der römischen Geschichte, eine hervorragende
Leistung der schlesischen Ofentöpferei des 17. Jahrhunderts, die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
SAAL XVI. Glas. Es bedarf nicht besonderer Rechtfertigung, dass die Glassammlung unseres
Museums sich in der chronologischen Anordnung an die Barocke anschliesst. In dieser Zeit treten Schlesien
und das benachbarte Böhmen mit der Glasfabrikation in die allgemeine Geschichte des Kunstgewerbes, um
sich in ihr ein ruhmvolles Kapitel zu sichern und unsere Glassammlung findet natürlich ihren Mittel-
punkt in den einheimischen Erzeugnissen. Dieser reiche, berühmte Bestand wird fortwährend, besonders
durch datierte Stücke vermehrt. Nicht minder wichtig ist aber jetzt für uns sowohl aus wissenschaftlichen
als auch aus praktischen Gründen, um der Industrie imserer Provinz Anregungen geben zu können, die
Berücksichtigung des ganzen Gebietes geworden. So wurde im verflossenen Jahre eine grössere Kollektion
von antiken Gefässen vom Libanon und von Fragmenten aus Italien erworben, in der die hauptsächlichsten
Formen und Techniken vertreten sind, und mit der Anschaffung von venetianischen Gläsern begonnen.
Die deutschen Gläser sind folgendermassen geordnet: Schrank 116 enthält eine Zusammenstellung von
glatten, genuppten und gekniffenen Gläsern, zum Teil von recht abenteuerlichen Formen, und eine Anzahl von
frühen „gerissenen" d. h. durch Gravierung mit der Diamantspitze verzierten Gefässen, Schrank 117 die schönen,
in Emailmalerei dekorierten Gläser des 16. und 17. Jahrhunderts, von denen nicht wenige wegen ihrer
Darstellungen als Unica zu bezeichnen sind, Schrank 118 die Nachblüte der Emailmalerei im 18. Jahrhundert
und die in Kupferstichmanier bemalten Gläser (Schapergläser). Die gravierten Gläser sind in drei Haupt-
epochen geschieden: 1. die Frühzeit von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Eindringen des Berainschen
Stiles (Schrank 119). 2. Der Berainsche Stil (Schrank 120). 3. Die Zeit des Rokoko bis zum Ende des
Empirestiles (Schrank 121). Mit dem künstlerischen Reize dieser herrlichen Suite verbindet sich ein grosser
lokalhistorischer, da sich in dem Darstellungskreise dieser Gefässe ein gutes Stück schlesischer Kultur-
T
52
geschichte des IS. Jalirliiiiulcrts vviederspiey;elt. Im Scliraiik 123 sind die Gläser mit Silber- und Goldfolien,
sowie die Milchgläser zusaniniengestellt, im Schrank 124 Arbeiten aus der Zeit der kunstgewerblichen Reform
des 19. Jahrhunderts aus schlesischen und böhmischen Hütten, eine Sammlung, die aber noch zu sehr zu-
fälligen Charakter trägt, um über die Kestrebungen dieser Epoche hinreichend zu orientieren.
SAAL XVII. Sog. Beyersdorfzimmer um 1720. Fayencen dieser Zeit. Im Jahre 18QS
schenkte Frau Adelheid Beyersdorf dem Museum schlesiseher Altertümer die Wand- und Deckendekorationen
eines Zimmers aus dem Hause Nr. 18 19 am Blücherplatze, das einige Jahre vorher zum Abbruche gelangt war.
Sie bestanden aus Wandbildern, einem grossen Deckenbilde und niederdeutschen Fliesen in Blaumalerei
als l'mrahmung der Wandbilder. Bei der Einrichtung des neuen Museums legten wir Wert darauf, diese
Wandbekleidung wieder zu rekonstruieren, um wenigstens in einem Räume der kunstgewerblichen Samm-
lungen das zu erhalten, was jeder einzelne zeigen sollte, die ganze Ausgestaltung und Dekoration im
Charakter einer bestinmiten Zeit. Zudem ist die Wandbekleidung mit Fliesen im 18. Jahrhundert für
Schlesien durchaus nicht eine vereinzelte Erscheinung. Das Haus am Blücherplatze gehörte einem gewissen
Adrian Bögel, der 1674 in Hamburg geboren war, sich in Breslau niederliess und hier heiratete. Sein
Porträt, das seiner Frau imd seines Sohnes sind als Sopraporten angebracht. Die grossen Wandbilder veran-
schaulichen in idealer Auffassung den Seehandel von Hamburg, das Deckengemälde enthält eine Allegorie
auf Gerechtigkeit und Frieden, die Fliesen gehören verschiedenen Fabriken an und bieten nebst Land-
schaften einen förmlichen Katechismus des Alten und Neuen Testamentes. Zur Einrichtung des Zimmers
wurde ein grosser schlesiseher Ofen mit weissen Reliefs auf blauem und gelbem Grunde und eine Anzahl
gleichzeitiger Möbel verwendet.
Ausserdem sind in diesem Räume die Fayencegattungen untergebracht, deren Blüte um die Wende
des 17. zum 18. Jahrhundert zu setzen ist, stilistisch genommen diejenigen, die mehr oder minder unter dem
Einflüsse des ostasiatischen, aber noch nicht des europäischen Porzellans stehen. Dazu sind gerechnet
die Fabrikation von Delft (Schrank 125), die deutschen Blaumalereien, vor allem von Bayreuth (Schrank 127)
und die französischen Fayencen von Nevers, Ronen, Moustiers und Marseille (Schrank 126), von denen
schöne Beispiele in der letzten Zeit ins Museum gekommen sind.
SAAL XVIII. Rokoko — Porzellan Stil Ludwigs XVI. Auch beim Mobiliar des Rokoko stehen
in unserer Sammlung die schlesischen Arbeiten im Vordergrund. Charakteristisch dafür sind besonders
Schränke und Sekretäre mit Einlagen in Holz, Elfenbein und Perlmutter. Beachtung verdient ein reich ge-
schnitzter Konsoltisch mit Hermenbeinen, und auf den Verbindungsspreizen aufgesetzten Früchten, Vögeln etc.
in naturalistischer Behandlung mid Bemalung, dazu ein ähnlicher Spiegel, importierte Arbeiten im Stile des
Holzbildhauers J. B. Toro. Damit aber auch das mehr typische Rokoko des Westens nicht fehle, wurden
in letzter Zeit ein fein geschnitzter Eichenschrank und ein Armsessel, beide Lütticher Arbeiten, erworben.
Zwischen das Mobiliar des Rokokos und des Stiles Ludwigs XVI. ist die Sammlung des europäi-
schen Porzellans eingeschoben. Sie kann zwar noch lange nicht auf relative Vollständigkeit Anspruch
machen — besonders in der Figurenplastik enthält aber sehr viel Gutes und Interessantes. Die Ge-
schichte der Fabrikation von Meissen lässt sich schon jetzt an einer gewählten, zwei Schränke einnehmen-
den Kollektion von der Frühzeit an bis zur Epoche Marcolinis verfolgen. Ein Service mit Ansichten
schlesiseher Städte in feinster Miniaturmalerei mit Goldornamenten, 1734 datirt, darf als ein aussergewöhn-
liches Kabinetstück bezeichnet werden. Wien (Schrank 130) hat als Glanzpunkt ein vollständiges Service
von 19 Stücken der Sorgenthalschen Periode aufzuweisen, dessen köstliche Malereien nach einer franzö-
sischen Vorlage höchst charakteristisch für den Geist der Empirezeit die Finiktionen des Amor schildern.
Im Schranke mit dem Berliner Porzellan (Nr. 128) ist hervorzuheben: Grosse Vase, mit Marke Wegelis —
weiss glasierte Figur der Kaiserin Katiiarina II Teller aus dem Breslauer Service Friedrichs des Grossen.
Von den anderen Fabriken (Schrank 131) sind in mehreren oder einzelnen Stücken repräsentiert: Nymphen-
burg, Fürstenberg, Höchst, Ansbach, Kloster Veilsdorf, Gotha, Rudolstadt, Kopenhagen,
Sevres, Capo di Monte, Venedig, Worcester, Chelsea.
Schlesiens Auteil au der Geschichte des Porzellans besteht darin, dass es die I leimat zweier
Männer war, die, ausserhalb des Verbandes von Fabriken stehend, durch Dekorierung fremden Porzellanes
die Fälschung auf diesem Gebiete inaugurierten, des A. Bottengrnber und des Preussler. Für die
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Kenntnis des ersteren, der später in der Wiener Manufai<tur eine leitende Stellung erhielt, besitzt das
Museum wertvolles Material, drei voll signierte Teller aus seiner Friihzeit (1728), eine monogrammierte Unter-
tasse, die ihn auf der Höhe seines Könnens zeigt, und anderes. Dem Preussler ist eine Untertasse mit
Chinoiserien in Schwarzmalerei zuzuschreiben.
Den Möbelstil der Zeit Ludwigs XVI. veranschaulicht bis jetzt nur ein schönes französisches
Cylinderbüreau aus Mahagoniholz mit einfachen Bronzebeschlägen. Von Mobiliar der Empirezeit besitzt
das Museum noch nichts Bemerkenswertes.
GALERIE XIX. Keramik und Kleinkünste des 18. Jahrhunderts. Die langen Wand-
schränke Nr. 137 13Q enthalten jene keramischen Gattungen des 18. Jahrhunderts, die mehr oder minder
der Konkurrenz mit dem europäischen Porzellan ihre Entstehung und charakteristischen Merkmale zu ver-
danken haben. Dazu gehören die Fabrikation von Münden, Strassburg und des von Strassburg ab-
hängigen Holitsch, von dem u. a. ein ausgezeichneter Tafelaufsatz mit Tritonenfigur vorhanden ist. Den
breitesten Raum nehmen die schlesisclien Fayencen des 18. Jahrhunderts ein, besonders die von Proskau,
von dessen Vielseitigkeit, die auf die verschiedensten Einflüsse zurückzuführen ist, eine grosse Kollektion
von Oefässen und Figuren Zeugnis ablegt. Während Proskau eine lange bis in die Empirezeit — siehe
die Oefässe im „hetrurischen Stile" nach Zeichnungen des Professor Bach — reichende Entwicklung auf-
weist, sind die nicht gerade häufigen Erzeugnisse der Fabrik in Gleiwitz, Kreis Leobschütz, die 1753 von
der Gräfin Oarsehin gegründet wurde, unter einander ziemlich gleichartig. An die Fayencen schliesst sich
das englische Steingut an. Von Arbeiten des Josiah Wedgwood ist nichts Hervorragendes da.
Auf der Galerie stehen ausserdem drei Pultschränke mit Arbeiten der Kleinkünste des 18. Jahr-
hunderts und vom Anfange des IQ. Jahrhunderts: Schrank 134 in Email bemalte Plättchen, Wachsbos-
sierungen (Karl VI., Maria Theresia, Geliert) und Miniaturporträts. Schrank 135: Fächer. Schrank 136;
Dosen in den verschiedensten Techniken und Uhren.
Über den Wandschränken hängt der schöne, auf Tafel VIII abgebildete Gobelin des 16. Jahrhunderts
aus der Elisabetkirche.
ZIMMER XX. Eisenarbeiteii als eine technische Gruppe zusammengestellt. In historischer
Folge geordnet führt sie die Entwicklung von Schloss und Schlüssel seit dem Mittelalter, Beschläge, Thür-
klopfer etc. vor. Ausserdem sehr schöne geschmiedete Oberlichtgitter Breslauer Herkunft und Grabkreuze.
SAAL XXI. Die Kunst des Orientes, gegenwärtig noch die schwächste Partie der kunst-
gewerblichen Abteilung des Museums. Erst der Ankauf der Sammlung des Baron von Falkenhausen durch
das ehemalige Vereinsmuseum hat dafür überhaupt den Anfang geschaffen. Ihr wird besonders Chinesi-
sches verdankt. Das bemerkenswerteste darunter sind Porzellanschüsscl und Teller der Familie rose, eine
schöne Seladonschüssel und zwei kostbare Jadeschnitzereien.
Von japanischen Arbeiten wurde im laufenden Jahre eine kleine Kollektion von Schwertstich-
blättern verschiedener Techniken und Zeiten erworben. Der Erwerbung guter japanischer Töpfereien
wendet das Museum gleichfalls sein Augenmerk zu. Die vorderasiatische Kunst vertritt ein Rhodusteller,
persische Fliesen und geätzte Mctallarbeitcn.
Da bei der Einrichtung des Museums die Sammlungen kunstgewerblicher Arbeiten aus den Kultur-
ländern des Orientes nicht ausreichten, den Saal XXI zu füllen, wurde hier eine wertvolle ethnographische
Sammlung von den Südsceinseln, ein Geschenk des Ingenieur Mende an die Stadt Breslau, aufgestellt. So
erwünscht es wäre, dass Breslau auch ein ethnographisches Museum erhält, kann unsere Anstalt sich schon
aus Raummangel mcht auf die systematische Vermehrung dieses Grundstockes veriegen. Dagegen trugen
wir kein Bedenken, als sich im verflossenen Jahre günstige Gelegenheit dazu bot, zwei Bronzen aus Benin
(Negerkopf und Hahn) zu erwerben, weil die Schöpfungen dieser untergegangenen afrikanischen Kultur
technisch wie künstlerisch höchste Beachtung verdienen.
SAAL XXII (im 2. Stockwerk). Textilsammlung, Bucheinbände. Die Gobelins und Teppiche
des Museums sind bis auf wenige, die dekorative Verwendung im Treppenhause und auf der Galerie ge-
funden haben, in die stilhistorischen Sammlungen eingereiht, die europäischen Kostüme in der kultur-
historischen Abteilung; orientalische Gewänder werden in dem Räume des orientalischen Kunstgewerbes
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ihre Aufstellung finden. Alle anderen Texfilarbeiten sind zu einer technologischen Gruppe vereinigt. Der
Raum dafür ist erst provisorisch eingerichtet. Die Textilsamnihnig zählt zu den vollständigsten, reichsten
Abteilungen des IWuseums. Namentlich die Zuwendungen aus Kirchen haben wertvolles Material, Mess-
gevvänder und Stickereien der Spätgotik beigesteuert.
IV. DIE SAMMLUNG MODERNEN KUNSTGEWERBES
In den Räumen des II. Stockwerkes veranstaltet das Museum fortwährend wechselnde
Ausstellunt^en, die das Publikum und die Kunstgewerbetreibenden mit allen neuen Erschei-
nungen des Kunstliandwerkes neuerer Tage bekannt machen. Ausserdem aber verlangen
die veränderten Bedingungen, unter denen das Kunsthandwerk jetzt arbeitet, dass das
Museum auch einen festen Bestand von modernen kunstgewerblichen Erzeugnissen zur
Verfügung liat. Die immittelbare Quelle der Anregung, aus der die Kunstarbeit der Gegen-
wart schöpft, ist nicht mehr so sehr die Vergangenheit als das zeitgenössische Schaffen.
Eine Auswahl des Besten darunter ist also in einer Anstalt, die didaktische Zwecke ver-
folgt, unerlässlich.
Mit der Gründung der Abteilung modernen Kunstgewerbes, die im Saale XXVII
Aufstellung gefunden hat, wurde gleich im I. Etatsjahre begonnen. Die Pariser Welt-
ausstellung gab Gelegenheit, sie bedeutend zu vermehren. Schon jetzt gewährt die Samm-
lung wenigstens für ein Gebiet, das der Keramik, einen lehrreichen Überblick, während
für alle anderen - Möbel, Glas, dekorative Malerei, Beleuchtungswesen, Metallarbeit,
Schmuck, Bucheinband erst Anfänge vorhanden sind.
Orundriss des II. Stockwerkes
55
Lese- und Zeichensaal des Museums
DIE BIBLIOTHEK UND DER ZEICHENSAAL
Den durch die Verwaltungs-Ordnung festgesetzten Aufgaben des Museums dient
neben den Sammlungen ein offener Zeichensaai und eine Faclibibliothek. Die Bibliothek
zerfällt in zwei Hauptabteilungen, die Biichersammlung und die Studienblätter-Sammlung.
Der für die engeren kunstgewerblichen Bedürfnisse des Museums wichtige Teil der
Bücherei sowie die Studienblätter sind in dem grossen Lesesaal des 2. Stockwerkes, der
zugleich als Zeichensaai eingerichtet ist, untergebracht. Hier liegen auch zahlreiche Zeit-
schriften aus. Die Bestimmungen für ihre Benützung wie die der Bücher sind so liberal,
dass die Besucher der Bibliothek diese als eine Handbibliothek betrachten dürfen.
Um die Benützung der Bibliothek möglichst zu erleichtern, wurde sie nach Fach-
gruppen geordnet und in drei Formaten - gross, mittel, klein aufgestellt. Das System
der Fachgruppen ist folgendes: 1. Lexica, 11. Zeitschriften, III. Kunstlehre, IV. Kunst-
unterricht, V. Museologie, VI. Kunsttopographic, VII. Kunst- und Künstlergeschichte,
VIII. Ornamentik, IX. Baukunst, X. Plastik, XI. Malerei, XII. Graphische Künste, XIII. Buch-
ausstattung, XIV. Kunstgewerbe, XV. Innenausstattung, XVI. Metall, XVII. Instrumente,
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XVIII. Keramik, XIX. ülas, XX. Textilkiinst, XXI. Trachten, XXII. Waffen, XXIII. Leder,
Papier, XXIV. Mythologie, XXV. Christliche Archaeoiogie, XXVI. Urgeschichte, XXVII. Ge-
schichte und Geographie, XXVIII. Kulturgeschichte, XXIX. Volkskunde, XXX. Naturwissen-
schaften, XXXI. Heraldik, XXXII. Numismatik, XXXIII. Bücher- und Bibliothekenkunde.
Die Fächer „Urgeschichte" und „Numismatik", die als der Hauptstock der Bibliothek
des früheren Museums für schlesische Altertümer einen sehr grossen Umfang haben,
wurden aus praktischen Gründen im Erdgeschosse im Arbeitszimmer des II. Direktors
aufgestellt, die Fächer „Geschichte und Geographie, Volkskunde, Naturwissenschaften und
Bücher- und Bibiiothekenkunde", die gleichfalls nur für spezielle Interessen in Frage kommen,
sind in Nebenräumen der Bibliothek untergebracht.
Parallel mit der Aufstellung der Bücher geht die der Studienblätter-Sammlung
(Photographien, Photomechanische Reproduktionen, Zeichnungen, Aquarelle etc.) in zwei
Formaten und nach folgendem Systeme: I. Naturstudien II. Schlesische Landschaftsbilder
und Kunstdenkmäler, III. Ornamentik, IV. Baukunst, V. Plastik, VI. Malerei, VII. Graphische
Künste, VIII. Kunstdruck, IX. Buchausstattung, X. Innenausstattung, XI. Möbel, XII. Kirchen-
geräte, XIII. Goldschmiedekunst, XIV. Unedle Metalle, XV. Schmiedeeisen, XVI. Instrumente,
XVII. Keramik, XVIII. Glas, XIX. Textilkunst, XX. Trachten, XXI. Waffen, XXII. Leder und
Papier, XXIII. Heraldik, XXIV. Porträts.
Den Lesesaal schmückt ein ausgezeichneter Bronceabguss nach der antiken Statue
des „Idolino" aus der Münchener Giesserei „Renaissance", ein Geschenk des Geheimen
Kommerzienrats Moriz-Eichborn.
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ABHANDLUNGEN
5Q
DER GOLDRINO VON RANSERN
Im Herbst des Jahres 1888 wurde auf dem Dominialfelde von Ransern bei
Breslau während der Kartoffelernte ein grosser schwerer metallener Reif von gelber Farbe
aus dem Acker gehoben.
Unsere Landbevölkerung wohl nicht nur die schlesische — hält noch immer
jedes bronzene patinierte Fundstück aus urgeschichtlicher Zeit für Oold, jedes gelbe
goldene für Messing. Auch dieser Ring erschien dem Schaffer, dessen Magd ihn gefunden
hatte, wertlos; selbst der Inspektor des Gutes erklärte ihn für einen Maschinenteil.
Wochenlang lag der Ring unbeachtet auf dem Fensterbrett der Wohnung des Schaffers.
Erst als ihn dieser mit einer Verkaufsermächtigung in die Stadt, nach Breslau, zur Ver-
äusserung brachte, wurde er von dem Goldwarenhändler Guttentag in seinem Metall-
werte erkannt. Es ergab sich, dass der massive Ring aus geschmiedetem Feingold bestand,
708 g wog und nach heutiger Schätzung einen Geldwert von 1817 Mk. repräsentierte.
Glücklicherweise entging er dem Schicksal vieler anderer prähistorischer Goldfunde,
eingeschmolzen zu werden. Der Goldwarenhändler Guttentag, der ihn für 10 Mk. erstanden
hatte, machte Anzeige von dem Kaufe beim Magistrat der Stadt Breslau. Die
Stadtgemeinde ist Besitzerin des Gutes Ransern. Sie überwies den Ring nach Auszahlung
einer namhaften Belohnung an den Käufer und den Finder dem damaligen Museum
schlesischer Altertümer, unserem heutigen Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und
60
Altertümer, wo er eine Zierde der präliistorisclien Abteiliiiii; bildet. (Fundgeseliielite in
der Schlesischen Zeitung vom 5. AAai 1S8Q; weiteres in: Schlesiens Vorzeit in Bild und
Schrift V, ftl; Correspondenzblatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft ISSO [1|).
Der im Durchschnitt kreisrunde Reif ist elliptisch gebogen (Durchmesser 0,168 : 0,122 m)
und an den sich allmcählicli verjüngenden Enden mittels eines Einsteck-Schlosses verschliessbar.
Das Schioss besteht aus einer Rosette (Dm. 0,025, Dicke 0,015 m) an dem einen und
einem durchbohrten Zapfen am anderen Ring-Ende. Der Zapfen in die Rosette gesteckt,
kann mittels eines Riegels festgehalten werden. Die Aussenfläche der Rosette ist durch
breitgehämmerten Oolddraht in acht blütenblattförmige Felder geteilt, die sich um einen
rautenförmigen Mittelpunkt ordnen. Die so hergestellten Cloisons sind mit Carneol-
plättchen ausgefüllt. Zu beiden Seiten des Schlosses, also an die Rosette und an den
Zapfen angrenzend, ist je eine Golddrahtspirale von elf Windungen aufgelötet, die durch
einen stärkeren gerieften Golddraht vorn und hinten begrenzt wird.
Das kostbare Schmuckstück zeigt den sogenannten Merovingerstil, gehört also in
die Zeit der Völkerwanderung.
Analoga sind eine Menge bekannt. Das Fundgebiet derartiger Stücke erstreckt
sich vom Kaukasus aus über Südrussland und die Donauländer, bis nach Frankreich und
Spanien. Ganz ähnliche Stücke enthalten z. B. die Funde von Petreosa (in Bukarest),
Nagy-Szent-Miklös (im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien), ferner der Fund von
Tournai, das Grab des 481 gestorbenen Frankenkönigs Childericli, endlich die Funde von
Szilägy Somlyö in Ungarn und Apahida in Siebenbürgen.
Mehrfache weitere Nachforschungen an der Ranserner Fundstätte blieben ergebnislos.
Die Stelle liegt im Überschwemmungsgebiete der Oder und ist völlig frei von Geschieben
und Steinen. Schon daraus kann man den Schluss ziehen, dass es sich nicht, wie in
Sacrau um eine Grabstätte, sondern um einen Einzelfund handelt. Wie aus Karten der
Feldmark Ransern von 1761, 17Q6 und 1814 festgestellt werden konnte, ist das jetzt ebene
Gelände der Fundstelle früher Hügelland gewesen. Die Hügel sind in späterer Zeit, als
man zur Deichaufschüttung in der Nachbarschaff Boden brauchte, abgetragen worden.
Doch lässt sich die Lage der Hügel, da ihre Stelle durch hellere Färbung von dem
übrigen dunkleren Boden sich abhebt, heute noch erkennen.
Die einstige Bestimmung des Schmuckstückes, ob es ein Hals-, Bein- oder Armring
gewesen ist, oder ob es gar als Diadem gedient hat, wie der kostümkundige August
von Heyden behauptet hat, lässt sich heute kaum mit Sicherheit feststellen.
Wilhelm Greriipler
61
RESTE DES VINZENZKLOSTERS BEI BRESLAU
Über das 1529 zerstörte Vinzenzkloster bei Breslau haben wir zwei zusammenfassende Arbeiten,
eine geschichtliche von Qörlich und eine l<unstgeschichtliche von Luchs. Die von Luchs (Über einige
mittelalterliche Kunstdenkniäler von Breslau, Breslau 1855, S. 36) fusst in den geschichtlichen Partieen auf
der älteren, auf urkundlichem Material aufgebauten von Oörlich (Urkundliche Geschichte der
Prämonstratenser und ihrer Abtei zum heiligen Vinzenz, Breslau 1836 und 1841), berücksichtigt aber nebenbei
noch sorgsam selbst die kürzesten auf das Kloster bezüglichen Nachrichten der Breslauer Chronisten vom
16. — 19. Jahrhundert, sowie kleinere Veröffentlichungen einzelner Klosterreste, namentlich des romanischen
Portals der Magdalenenkirche. Eine gewissenhafte Nachprüfung aller dieser Quellen erster, zweiter, dritter
Ordnung ist erfolgt. Es wird deshalb auf die in dem Buche von Luchs verzeichnete Litteratur nicht
eingegangen, um den Aufsatz von Fussnoten zu entlasten. Nächst der Durchführung dieser Arbeit erstrebt
die nachfolgende Untersuchung die Aufnahme eines genauen Inventars der in Abbildungen oder Originalen
bekannten, durch Entdeckungen neuerer Zeit vermehrten und jetzt zum allergrössten Teil im Schlesischen
Museum für Kunstgewerbe und Altertümer vereinten Monumentenreste und damit die meist
stillschweigende Berichtigung mancherlei Irrtümer in der bisherigen Litteratur über das Kloster, endlich eine
Einreihung der erhaltenen Architekturstücke und Skulpturen der Klostergebäude in den allgemeinen kunst-
geschichtlichen Zusammenhang, soweit dieses bei der Spärlichkeit der historischen Überlieferung und des
verfügbaren Vergleichsmaterials möglich war.
Das Vinzenzkloster extra muros
Wratislaviae, lag auf dem östlichen
Teile des Elbing, einer Vorstadt
Breslaus rechts der Oder. „Ein herr-
liches Kloster von weitläufit^en Ge-
bäuden, mit hohen Mauern und
Türmen befestigt, mit vielen Ein-
künften und allen Notwendigkeiten
aufs beste versehen" nennt es der
Bresiauer Rat in einem Briefe an
Papst Paul 11. vom 13. Juli 1466. Der
Kirchenerbauer Graf Peter Wlast,
der Sohn des Wladimir, eines am
Zobten angesessenen Edlen, selbst
einer der angesehensten polnisch-
schlesischen Magnaten seiner Zeit und persona gratissima bei seinem Herzog Boleslaus III.,
hatte es in der Einsamkeit eines Waldes nahe bei Breslau, in dem er ein Jagdhaus besass,
1139 zu Ehren der Mutter Gottes gegründet. Eine diplomatische Sendung an das Hoflager
des deutschen Kaisers Konrad Hl. nach Rom benutzte er, um in der heiligen Stadt
Reliquien des Bischofs Vinzenz für seine neue Abtei zu erwerben. Sie gaben, am
6. Juni 1145 in Breslau feierlich eingeholt, Veranlassung, das ursprünglich der Jungfrau
Maria gevveiiite Stift nun nach jenem Heiligen zu nennen. Am 22. Juni 1148, wie
Görlich darthut, oder ein Jahr später, wie eine zweifellos später angefertigte Urkunde
besagt wurde die Vinzenzkirche geweiht und mit reichen Schenkungen bedacht. Die
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ersten Insassen des Klosters waren Benediktiner aus dem ältesten poiniseiien Kloster Tiniec bei
Krakau. Sie wurden, weil sie schleelite Disziplin hielten, 11Q3 durch Prämoustratenser,
vielleicht aus der Martinsabtei in Breslau,*) ersetzt. Einer der Äbte dieses Ordens,
Conrad II., errichtete ein opus lapideum ecciesie annexum, also wohl einen Anbau oder
ein an die Kirche grenzendes Wohnhaus, für das Bischof Nanker von Breslau am
6. Oktober 1331 einen Ablass in der ganzen Diözese ausschrieb, um dem Abte und
Konvente zu Hilfe zu kommen „beim Bau eines steinernen Werkes an der Kirche zum
heiligen Vinzenz, welches aus dem Grunde sich bereits erhebe, aber ohne anderer Hilfe
und Almosen wegen der grossen Kosten nicht könne erbauet werden". Wilhelm ill., der
zwischen 1350 und 1364 Stiftsabt war, errichtete dem Gründer des Klosters und dessen
Gemahlin Maria, die beide in der Klosterkirche ihre Ruhestätte gefunden hatten, ein
prachtvolles Grabmal von Marmor. Im Jahre 1369 wurde die sogenannte Bischofskapelle
vom Bischof Thomas von Sarepta erbaut und zu Ehren des heiligen Thomas und der
Elftausend Jungfrauen eingeweiht. Eine bereits 1384 gebaute Kapelle war, wie 1433
erwähnt wird, auf dem Kreuzgange gelegen. Abt Franz baute 1390 die Kapelle der
heiligen Magdalena. Im Jahre 1498 wird eine Kapelle der Apostel Peter und Paul genannt.
Ausser der Vinzenzkirche umfasste die gesamte Klosteranlage noch zwei
Gotteshäuser, die Michaelis- und die Allerheiligenkirche.
Die Michaeliskirche, die nahe bei der Vinzenzkirche auf dem Kloster-Friedhofe stand,
hatte der Schwiegersohn Peter Wlasts, Graf Jaxo, begonnen und seine Witwe vollendet.
Sie ist dreimal umgebaut worden, das letzte Mal um 1513. Im Jahre 1441 wird eine
Schenkung von 10 Mk. czu dem Bawe erwähnt.
Die Allerheiligenkirche, östlich vom Stift gelegen, erwarb das Kloster 1368. Sie
stürzte 1433 völlig ein, nachdem sie in den Hussitenkriegen künstlich in einen baufälligen
Zustand versetzt worden war, um sie bei einem feindlichen Angriff schnell beseitigen zu
können. Doch wurde 1467 durch den Legaten Rudolph, Bischof von Lavant, ein Ablass
zu ihrer Wiederherstellung ausgeschrieben, die auch ins Werk gesetzt worden ist.
Von den zum Kloster gehörigen Gebäuden wird in der „Topographischen Chronik"
weiterhin berichtet, dass sie 1471 und 1474 im polnisch-ungarischen Kriege auf Kosten
der Stadt befestigt wurden, dass sie 1496 in sehr schlechtem Zustande waren, und Abt
Johann V. notwendige Restaurationen, aber auch Neubauten vornahm, für die die Mittel
wiederum durch einen Ablass beschafft wurden, im Jahre 1512 erhielt das Kloster von
König Wladislaus die Erlaubnis neben Bier auch Kalk und Steine nach Bedürfnis zollfrei
einzuführen, was auf Bauten um diese Zeit hindeutet.
Die Türkengefahr des Jahres 1529 brachte dem Kloster den Untergang. Sultan
Soliman hatte mit einem gewaltigen Heere Ende August Ofen erobert und sich im
September gegen Wien gewandt. Schlesien zitterte vor einem Einfall der Türken. Die
Befestigungswerke der Stadt wurden eiligst erneuert und ausgebessert. Das brachte eine
') Sclniltc, Die Martinsabtei und ilie älteste Bnrj,' in Scliiesion. Schles. Ztg. 4. August 1807.
63
Frage in Fluss, die schon früher zu verschiedenen Malen die Gemüter der Breslauer
lebhaft erregt hatte, die Frage der Schleifung des Vinzenzklosters. Denn bei einer
Belagerung Breslaus gewährte es mit seinem umfänglichen festen Gemäuer dem Feinde
einen höchst gefährlichen Stützpunkt. Die Türken ante portas veranlassten nun den
Breslauer Rat von dem früher nutzlos beschrittenen Instanzenwege abzusehen und ein
Verfahren kurzer Hand einzuschlagen. Am 13. Oktober 152Q wurde ein von mehreren Rats-
leuten, dem Abt und den ältesten drei Fratres unterschriebenes Verzeichnis der Kirchen-
kleinodien aufgenommen.') Die Schätze erlitten das Schicksal, dem nur wenige der vom
Magistrat schon seit 1525 eingezogenen Kirchenschätze - ihr Erlös sollte die Kosten der
Befestigung der Dominsel decken - entgingen: sie wurden eingeschmolzen. Zwei auf
Pergament schön geschriebene und mit reizvollen gotischen Initialen verzierte Gradualien
von 1351 und 1362 — das erstere „completus per manus fratris Johannis Lozacconis"
— sind wohl auch 1529 ihrer wertvollen Einbandbeschläge beraubt worden, im übrigen
aber noch in der Breslauer Kgl. und Universitätsbibliothek (Manuscr. I. F. 422 und 423)
erhalten. Am Nachmittage des 14. Oktober 152Q zogen die Ratmanne begleitet von einer
grossen Zahl Arbeiter mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel auf den Elbing hinaus,
um das Kloster niederzureissen. Vier Wochen später bezeichnete seine Stelle ein unab-
sehbarer Schutthaufen. „Besonnenheit würde eingerissen und vielleicht doch manchen weh-
mütigen Gedanken dabei gefasst haben", meint Gödich, „aber die Leidenschaft stürzte
zusammen." Diese Bemerkung des katholischen Kloster-Historiographen soll natürlich
andeuten, dass bei der Demolierung weniger strategische und patriotische Gründe mit-
spielten, als vielmehr die in der Zeit liegende Abneigung gegen das Mönchstum, die
Begierde der evangelischen Bürgerschaft, an dem Sitz der unbeliebten Mönche von St. Vinzenz
ihr Mütchen zu kühlen. Zugegeben aber selbst, dass recht viele unter denen, die bereit-
willigst Hand an das Zerstörungswerk legten, von den allzeit giltigen Masseninstinkten,
der Zerstörungswut und der Freude am Unfug, geleitet wurden, so zeigt doch der
Umstand, dass der Rat der Stadt schon vor Einführung der Reformation beim Ober-
landesherrn wegen der Schleifung des Klosters vorstellig wurde, dass für diesen nur die
wirklich vorhandene Gefahr für die Sicherheit der Stadt bei seinem Vorgehen in Frage kam.-)
Den Mönchen des dem Erdboden gleichgemachten Klosters wurde das bisherige
St. Jacobskloster an der Sandbrücke in der Stadt eingeräumt, das von da ab den Namen
Vinzenzkloster führte. Hier blieben sie bis zur Säkularisation der Klöster im Jahre 1810.
An der Stelle der alten Michaeliskirche wurde schon 1530 eine neue hölzerne
errichtet. Der Abt Scultetus von St. Vinzenz hat von 15Q7 — 160Q wieder eine neue, aber
hölzerne erbaut, die 1635 durch die Schweden beraubt und verwüstet wurde. Sie ist
') Veröffentlicht von Alwin Schultz: Einige Schatzverzeichnisse der Breslauer Kirchen. Abhand-
lungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. Phiios.-hist. Aht. 1867 S. 23.
-') Watteiibach, Ülier die Veranlassunjj zum Abbruch des Vinzenzklosters, Zeitschrift d. Vereins
f. Gesch. u. Altertum Schlesiens IV, 146 und Orünhagen, Geschichte Schlesiens, Gotha 1SS4, II, 46.
64
zwischen 1710 und 1717 durcli den Abt Brückner restanriert worden. Heute steht seit
1871 an dieser Stelle die im gotischen Stil des IQ. Jahrhunderts erbaute Michaeliskirche.
Hoch oben an der Rückseite des Hauptaltars dieser Kirche hängt ein früher im
Vinzenzkloster am Sandthor, dann im Pfarrhause der Michaeliskirche aufbewahrtes
2,33 : 1,88 m grosses, leider sehr nachgedunkeltes und beschädigtes Ölgemälde des alten
Vinzenzklosters auf dem Elbing. Eine kleinere mit Ölfarbe übermalte Photographie dieses
Bildes aus dem Jahre 1884 in der Sakristei derselben Kirche ist der Besichtigung bequemer
zugänglich. Nach dieser Vorlage sind sicher die Kupfer in den Büchern unserer alten
Lokal-Chronisten Oomoicky und Klose, und nach diesen wieder die Lithographieen im
„Breslauer Erzähler" (1801) und bei Oörlich gefertigt worden. Grössere oder kleinere
Freiheiten in Zuthaten wie Abstrichen haben sich die reproduzierenden „Künstler" allerdings
mehrfach erlaubt. Auch eine Tuschzeichnung im Besitz unseres Museums (Taf. VI) geht
zweifellos auf das Ölbild zurück. Die auf dem Blatte angebrachte Bezeichnung: Martin
Deutschländer fecit Anno 1710 W. E. v. Seydiitz del. 1752 könnte verleiten in jenem
Deutschländer') den Maler des Ölbildes zu erblicken, das Seydiitz kopiert hat. Indes das
Ölbild, das auf eine Künstlerbezeichnung hin nicht zu untersuchen war, muss früher als
1710 entstanden sein. Auf dem Bilde ist nämlich über den Gebäuden ein geistliches
Wappen mit Mitra und Pedum, dem Abtshut und einem nach beiden Seiten abflatternden
Spruchbande angebracht: dreifeldig, rechts oben das Monogramm Mariae mit dem Stern,
links das Schweisstuch der Veronika, unten einen steigenden Löwen mit einem Kranze
oder Ringe in der erhobenen rechten Tatze enthaltend. Es ist das Wappen des Abtes
Andreas III. Gebel, der von 1673 — 1686 dem Stifte vorstand.^) Dieselbe Zuthat zeigt
im Gegensatz zu den erwähnten Kopien auch die Tuschzeichnung, nur dass auf dem
Spruchbande statt „Das uralte Closter S. Vincentii auf dem Elbing vor Breslau":
„Monasterium S. Vincenty extra muros Wratislaviae" steht. Hat also der Kopie von
Seydiitz von 1752 ein Vorbild Deutschländers von 1710 zu gründe gelegen, so war dieses
schon eine Kopie des in der Zeit von 1673-1686 unter Abt Andreas 111. Gebel
entstandenen Ölgemäldes. Abt Andreas III. war wissenschaftlich sehr gebildet, hatte also
gewiss einen historischen Sinn und bethätigte vielfach seine künstlerischen Neigungen in
einer reichen Ausschmückung des Vinzenzklosters am Sandthor. Die Anfertigung des
Ölbildes ist also gewiss seiner Anregung zu verdanken. Doch muss auch dieses
') Das Blatt ist bei Oörlich II, 18 Anm. 2 erwähnt, wo irrtümlich Deutschinann, ein in der
schlesischen Kiinstlergeschichte bekannter Name, statt Deutschländer, steht. Über Deiitschländer war nichts
zu ermitteln. Von Wolff Erdmann von Seydiitz besitzt die Breslauer Stadtbibliothek einen Sammelband von
gezeichneten und beschriebenen schlesischen Denkmälern und Denkmalsinschriflen aus dem Jahre 1755
(Manuskript 1649) mit dem Titel: Extractus inscriptionum sepulchralium utriusque Silesie ex Cod. msto
viri nobilissimi Dni Jo. Oodofredi Baronii J. U. D. et Regini. supr. Wratisl. Adr. per excerps. Wolff Erdmann
ä Seydiitz Eqn. Sil. et Eccies. Cathedral. Merseburg. Can. A. O. R. MDCCXLV accesserunt exotica
quaedam Monumenta.
■-) Nach Görlich II, 105 und einem Porträt des genannten Abtes im Barmherzigen Brüderkloster
in Breslau.
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Ölgemälde wiederum auf ein älteres Vorbild zurückgeführt werden, da es kein Phantasiebild
ist, und das Kloster schon 1529 zerstört war. Eine auf der Tuschzeichnung (auf dem
Hauszeichen des Gebäudes, vor dem der Tisch mit den Zechern steht) angebrachte, auf
dem Ölbilde aber nicht mehr erkennbare Jahreszahl 1587 - giebt vielleicht wieder
eine Etappe einer Abbildungsreihe an, deren Anfang wir nicht kennen. Denn zwischen
einer etwaigen Abbildung des Klosters aus dieser Zeit und dessen Zerstörung lägen ja
auch schon wieder 58 Jahre. Dass das Bild des Klosters, welches Gomoicky um 1734
im Vinzenzkloster innerhalb der Stadt sah und dessen lateinische Unterschrift er mit einer
deutschen Übersetzung mitteilt, die mit der Unterschrift des erhaltenen Ölbildes im wesent-
lichen übereinstimmt, ein vor der Demolierung des Klosters aufgenommenes war, ist
durch nichts bezeugt.
Wir haben aber noch eine Abbildung des Klosters, die von den bis jetzt genannten
völlig unabhängig ist und uns gewissermassen eine Kontrolle bietet, dass diese keine
Phantasiegebilde sind. Wir finden sie auf dem aus der Vogelperspektive gezeichneten
r>lane der Stadt Breslau von 1562, den der Maler Bartholomäus Weyner mit seinem Vater
zusammen gezeichnet hat. (Abb. auf S. 61.)
Diese Abbildung und das Ölbild stimmen in der Hauptsache, dem allgemeinen
Aussehen und der Lage der Baulichkeiten, völlig überein, nur dass die Abbildung auf dem
Plane nach diesem orientiert ist, wir also die sogenannte Vinzenz-Oder, einen jetzt ver-
schütteten Oderarm, gegen den der heutige Lehmdamm eine Wehr bildete, nicht östlich
sondern südlich vom Gebäudekomplex haben. Wir sehen in das Kloster dort von Westen,
hier von Süden hinein. Die Weyners, der Sohn oder der Vater, müssen also wohl im Besitz
einer Aufnahme des Klosters vor seiner Zerstörung gewesen sein, die ihnen so wertvoll
erschien, dass sie sie mit der Beischrift: „Des Closters sanct Vincents (wie es vor der
belegrung der Stadt Wienn ehe es eingerissen) gestanden und seine Gestalt gehabt
Ware Contrafactur 1529" wahrscheinlich etwas zu weit westlich, um das böhmische
Löwenwappen noch anbringen zu können, in den [>lan aufnahmen, in den sie eigentlich
gar nicht mehr gehörte.
Bemerkt muss werden, dass alle Abbildungen, die auf ein oder zwei frühestens
1529 entstandene Vorlagen zurückgehen, für die romanischen Architektur- und Schmuck-
fornien der Hauptgebäude ein nur sehr geringes Verständnis zeigen. Am getreuestcn ist
in dieser Hinsicht das erwähnte Ölbild.
Aus den Abbildungen und den dürftigen Zeugnissen des Bartliel Stein, der das
Kloster noch in seiner ursprünglichen Gestalt gesehen hat, ergiebt sich nun folgendes
Bild der gesamten Klosteranlage. Der Mann, von dem eigentlich das Mönchstum des
Abendlandes datiert, der hl. Benedict, hat in einem Satz gleichsam das Programm des
ganzen späteren Monchstums ausgesprochen: monasterium auteni, si fieri potest, ita debet
construi, ut omnia necessaria, id est aqua, molendinum, hortus, pistrinum vel artes diversae intra
monasterium exerceantur. Das Kloster soll einen Staat, eine Stadt für sich bilden, möglichst
66
einer Entlehnung von aussen niclit bedürftig sein.') Und nacii diesem ciaustralen Prinzip
ist auch unser ursprüngliches Benedii<tinerkioster angelegt. Es bildete in der That eine
durch Mauern, viereckige und runde Türme und Wachthäuser von der Aussenwelt streng
abgeschlossene und zugleich befestigte Stadt, die etwas westlich von der jetzigen Michaelis-
kirche bis östlich an die Fischhälter, südlich an den Lehmdamm reichte. Im Inneren war
der Bezirk in 6 oder 7 Höfe geteilt. Zu dem Haupteingange im Westen führte ein durch
lange Mauern abgeschlossener Gang. Über der Eingangspforte erhob sich ein hoher
viereckiger Turm mit einem stumpfen Dache. Das Hauptgebäude im Nordwesten war die
St. Vinzenzkirche, antiqua magnificentia et ingentibus ex uno saxo columnis visenda, portibus,
ut tum fuit, insigni artificio sculptis, caeterum nulla testudine decora, amplitudine inter
maiores censenda. Turrim pro fronte latam ostentat.-') Dieser Turm ist viereckig, hat ein
eigenes Portal, darüber 2 grosse von Säulenarkaden eingerahmte und über diesen 3, auf
der Südseite 2 kleinere Rundbogenfenster. Über den oberen Fenstern läuft unter dem
niedrigen Dache ein Rundbogenfries. Links vom Eingang zum Turm liegt ein grösseres
Portal, das in das von 8 Rundbogenfenstern seitlich erhellte Kircheninnere führte, und
über dem eine Fensterrose und zwei kleinere rundbogig abgeschlossene Fenster der Vor-
halle Licht zuführten. Nach den erwähnten Säulen muss das Innere, von dessen Grösse
wir uns nach den von Stein erwähnten 22 Altären eine ungefähre Vorstellung machen
können, mehrschiffig gewesen sein. Dass die Kirche auch mehrere im Laufe der Zeit
angebaute Kapellen besass, ist erwähnt worden. An die Südseite der Kirche legte sich
ein Kreuzgang an.
Das zweite kleinere Gotteshaus des Klosters, — es hatte nur 3 Altäre und eine
persona inclusa - die Pfarrkirche zu St. Michael, erhob sich nicht sehr weit westlich
von der Vinzenzkirche auf dem Begräbnisplatze; man erkennt in der Mauerecke ganz in
der Nähe deutlich das Beinhaus. Ein ebenfalls viereckiger Turm lagerte vor der Westfront.
Die Kirche hatte anscheinend nur ein Schiff und eine Chorapsis, die bedeutend niedriger
als dieses ist. Über einem Südportal ist ein Radfenster angebracht. (Hier ist die
Darstellung auf dem Weynerschen Stadtplan die genauere, da auf allen von dem Ölbilde
abhängigen Abbildungen der Chor nach Süden [!] liegt.) Über einer Thür befand sich
noch zu Steins Zeit eine auf den Stifter der Kirche bezügliche Inschrift, wohl die, welche
Benedikt von Posen mitteilt:
Jaxa en! |irincipium tempii fuit huius et auctor
Post obitum cuius operi finem dedit uxor:
Jaxa decus morum, via recta et forma bonorum
Adsit pax Christi tibi! bustum cuius adiisti.
Von der Allerheiligenkirclie, die auch 3 Altäre hatte und non i^aucorum hominum
capax erat, haben wir kein Bild. Sie lag entfernt von der Hauptmasse der Klostergebäude.
') Schlosser, die abeiulliiiulisclie Klosteraiila^e iles frühen MiftelaUers, Wien 18S0 S. 8.
-) Bartholomäus Stiieniis, descriptio Wratislaviae ed. Klinisch 13.
67
Die Wohn- und Wirtschaftshäuser waren grösstenteils von Backstein — nur die Vinzenz-, die
Michaeliskirche und vier Häuser sind auf dem Ölbiide grau, also, wie auch die Berichte
lauten, aus Stein ; alle anderen sind ziegelrot. Sie waren zweistöckig und an den Ring-
mauern erbaut. Achtundvierzig gewölbte Gemächer über der Erde werden erwähnt,
darunter die Abtei. In ihr befand sich die mehrfach vorkommende „Stube in der Residenz"^
in der die öfter einkehrenden vornehmen Fremden aufgenommen wurden. Zieht man den
bekannten schematischen Plan des Benediktiner-Klosters von St. Gallen aus dem 9. Jahr-
hundert zum Vergleich heran, bei dem ganz wie bei uns im Süden die grössere Baugruppe
liegt, so werden wir wie dort in dem an den Kreuzgang südlich anstossenden mäc4itigen
Gebäude auch hier das eigentliche Kloster, die Klausur, zu erblicken haben, in dem nord-
östlich von derVinzenzkirche gelegenen aber die Wohnung des Abtes. Ein Badehäuschen
steht am Ufer der Oder. Ausserhalb der Mauern nahe beim Eingang lag ein grosses
Wirtshaus von Bindwerk mit einem seine Bestimmung anzeigenden Wahrzeichen.
Kehren wir nun zum Schutthaufen von 1529 zurück. Ihn, „den Abraum an
Steinen, Werken, Werkstücken, Thürgeräten, Fenstersteinen, Kalk, Ziegeln oder Glocken-
speis" kaufte die Stadt am 15. Juli 1531 für etwa 500 rhein. Floren (ä 32 Gr.). Verwendet
wurden sie zum Bau der Wasserkunst an der Mühlpforte am Ende der Schuhbrücke, zum
Bau des vom Patrizier Seyfried Rybisch errichteten Hauses in der Junkernstrasse,' jetzt
no 2, zur Pflasterung des Neumarktes im Jahre 1534, zum Bodenbelag der Sakristei der
Magdalenenkirche im Jahre 1546.') in demselben Jahre-) und an der Südseite derselben
Kirche wurde anstelle einer kleineren Thür das Portal der Vinzenzkirche, „welches
vormals am Kreuzweg gestanden", angebracht und dabei das Steinwerk daran „verneuert"
Schon 10 Jahre früher, 1536, wurden am Portal des städtischen Neuspitals, des späteren
Allerheiligenhospitals, das man 1526 zu bauen angefangen hatte, gegen das Burgfeld hin,
„etliche Bilder von der St. Vinzenz- und St. Michaeliskirche aus dem gekaufften" Abraum
des alten abgebrochenen Vinzentinerklosters und des gleichfalls mitdemolierten Kirchel
Omnium Sanctorum" eingemauert. Das eine „gegen der Brücken", war eine „Abnahme
vom Kreuz", das andere „gegen dem Zeughause stellet zwey Schlesische Hertzöge
vor, welche Gott zu Ehren Kirchen gebauet, derohalben sie auch jedwieder auf der Hand
dem Sohne Gottes bringet, welcher im Mittel dieses Bildes mit einem Oval-Circkel
umbgeben, auf dem Regenbogen sitzet." u. s. w. „Die 2 viereckichten Bilder an des
Geschwornen Wohnhäusel sollen bedeuten das eine den Petrum Wlast, sambt dem
Herzog Wladislav II. Das andere, den König von Pohlen, wie er damahls dem
Bischoffe hat pflegen zu schweren. Die anderen daselbst befindlichen Bildnisse sind
von keiner sonderlichen Merkwürdigkeit. Der Ertz-Engel Michael nebst 2 anderen
Bildern ist am Eckhause der Riemerzeile bei den 2 Polacken eingemauret."
1) Das letzte nach Jen handschriftl. Nachträgen zu Nie. Pols Hemerologii.m Silesiacum Wratis-
laviense v. B. v. Prittwitz. Schles. Vorz. II, 256.
-') Das noch erhaltene Portal hat nach Luchs früher an der äussersten Kante der Archivolte die
Zahl 1546 getragen. Angaben, dass die Anbringung 1532 oder 154S stattgefunden hat, sind also falsch.
9*
68
Gomolcky, der dieses aus vereinzelten Notizen zusammengefasste berichtet, erzäliit
auch, dass vor der Demolierun<) des Klosters aus der Kirche und dem Kloster Altäre, die
Orgel und viele Grabsteine ausgeräumt wurden. Die Epitaphien, vermutlich auch das
schon erwähnte Grabmal des Peter Wlast und seiner Gemahlin, das man vorher geöffnet
hatte, wurden ins Vinzenzkloster am Sandthor gebracht. Dieses Grabmonument ist wie
alles übrige zuletztgenannte verschwunden. Wir haben nur eine Abbildung davon
(Universitäts-Bibliothek-Breslau, Manuskr. IV, Fol. 239), eine Tuschzeichnung nach der
Bernhard Mannfeld die eigentliche Grabplatte als „Titelkupfer" für Hoverden, Schlesiens
Grabdenkmäler und Grabinschriften, Alphabetisches Register I lithographisch gezeichnet hat.
Es lag in der Mitte des Chores, also vor dem Hauptaltar, wo es Cureus 152Q noch sah,
und hatte die übliche Form der gotischen Grabtumben. Der viereckige Sarkophag erhob
sich „1 '2 Ellen über der Erde". Auf der oberen Deckplatte waren die Hochrelieffiguren
Peter Wlasts und seiner Gemahlin Maria links neben diesem in Lebensgrösse dargestellt:
er unbedeckten Hauptes in einem langen Gewände und Mantel, „in einem polnischen
Habit", mit Schwert und Schild an der linken Seite, sie mit einem Fürstenhut, gleichfalls
langem Kleide und Mantel, ein zweitürmiges Kirchenmodell in den Händen. Über beiden
Häuptern ragte ein altes gotisches Portal, eine Verzierung, die auf der Abbildung nicht
recht verständlich ist; so z. B. ist in der Mitte eine von einem Fürstenhut bekrönte
Kartouche im Stil des XVlll. Jahrhunderts (!) angebracht. Um den Rand des Deckels
standen in gotischen Majuskeln die Verse:
Hie Situs est Petrus Maria coniuge fretus
Marmore splendente Patre Guilhelmo peragente.
An den ebenfalls mit F^ortalen (Nischen, wie beim Grabmal Heinrichs IV.) gezierten
Seiten zu Häupten und zu Füssen standen „vier wachende Löwen". Da Maria 1150, ihr
Gatte 1153 gestorben ist, konnte das unter Abt Wilhelm III. zwischen 1345 und 1363
errichtete Grabdenkmal nur Idealfiguren aufweisen.
Das 1546 an der Magdalenenkirche angebrachte romanische Portal ist an derselben
Stelle noch erhalten. Freilich ist es nicht nur 1546 „verneuert" worden, sondern mehrmals,
am gründlichsten bei der letzten gar übel durchgreifenden Restauration der Kirche im
Jahre 1890. Bei dieser Gelegenheit wurden die Säulenbasen vollkommen neu hergestellt
und dabei die an den Seiten befindlichen Löwen entfernt, deren allmähliche „Abnahme"
die Reihe der Abbildungen des Portals') deutlich zeigt. Neu sind auch die Kämpferplatten
1) Einen und denselben im Jalirc 1817 nacli einer Zeiclinung Rabes von Menzel gefertigten
Umrisssticli enthalten die Beschreibnnoen des l'cirtals von Biisching, Wöchentl. Nacliricliten, Breslau 1817
I, 130, von Fischer, Die l'rachttür der Magdalenenkirche, Breslan 1817, nnd die Polschen Jahr-
bücher ed. Büsching 111. Eine Zeichnnng von t^einricll Miit/el findet sich in der Samnilnng von
Abbildungen der vorzüglichsten Altertümer und Denkmäler Breslaus i. Bes. d. Schlesischen Gesellschaft f.
vaterl. Kultur (gegenwärtig im Museum der bild. Künste). Eine sehr kleine Lithographie findet man bei
Luchs, Romanische und gotische Stilproben aus Breslau und Trebnitz, Breslan 1859, Taf. 1. Alle drei
Abbildungen sind sehr schlecht. Aus den 70er Jahren stnniiut eine [Photographie von Fiuchwald und ein
69
der Säulen, neu ist der äusserste Rand der Archivolte, der noch zu Luchs Zeiten die
Jahreszahl 154Ö trug. Von früheren Restaurationen rühren die vollkommen stilwidrigen
Kapitelle der beiden innersten Heiler, die beiden glatten starken und z. T. auch die beiden
glatten schwachen Säulen her. Im übrigen ist der Erhaltungszustand bis auf einige
Ornamentteile der Archivolte ein guter. Eine Überarbeitung des Figurenkreises des Rund-
bogens ist nicht ausgeschlossen. Das Material ist Sandstein und zwar ein rötlicher auf der
linken, ein weisser auf der rechten Seite, wie er noch heute in der Grafschaft Glatz
gefunden wird.') Die verschiedenartige Behandlung der beiden in der Dekoration gleichen
Thürgewände, die Alwin Schultz schon bemerkt hat, erklärt sich sehr natürlich daraus,
dass die Arbeit an einem so grossen Stück gewöhnlich mehreren Steinmetzen anvertraut
wird, die selbst nach ein und derselben Vorlage verschieden arbeiten. (Tafel VII.)
Das Portal schrägt sich nach innen mit 2 Winkeln perspektivisch ein. Vor jeder
der so entstehenden Ecken steht frei eine runde Säule. Alle sechs Säulen sind bis zu
den verschieden starken Plinthen gleich hoch und nehmen von aussen nach innen
an Umfang ab. Die zwischen den Säulen hervortretenden Kanten sind mit dünnen
Säulchen ausgesetzt oder ausgekehlt. Die attischen Säulenbasen sind mit dem für die
romanische Kunst charakteristischen Eckblatt verziert, dessen Spitze nach unten gekehrt
die viereckige Plinthe berührt. Die Säulenschäfte sind bis auf die zwei schon erwähnten
innersten glatten vollständig mit Ornamenten überdeckt. Jeder zeigt ein anderes Muster.
Die äusserste Säule rechts ist durch Längsschnitte in Segmente geteilt, die teils durch
Rosetten, teils durch Diagonalbänder, teils durch Blattguirlanden in scharf geschnittenem
Relief verziert sind. Die benachbarte zeigt reiche Blatt- und Blütenornamente, kreisförmige,
durch Binden verbundene Kränze; die beiden auf der anderen Seite sind mit stumpf-
winkelig gebrochenen Bändern in der Längsrichtung besetzt. Die Würfel-Kapitelle sind
völlig übersponnen mit phantastischen Pflanzengebilden, aus denen f^ferde, Greifen,
Drachen und andere Fabelgebilde, menschliche Köpfe und Brustbilder herauswachsen.
Ein Teil der Dekoration mag ja nur aus sinnlicher Freude am üppigen Ornament
entstanden sein, ohne eine symbolische Bedeutung zu beanspruchen, aber nur ein Teil.
Die Geistlichen jener Zeit waren besser als wir in der verschnörkelten, tiefsinnigen
Bildersprache der Kirchenportale geübt. Beim täglichen Psalmodieren setzten sich die
allegorischen Bilder ihrer Gesangbücher in ihren Köpfen fest, und sie übertrugen diese
Handscliriftenillustrationen auf die dekorative Skulptur, wo sie losgelöst von dem erklärenden
Text für uns nicht immer sofort sinnbildlich zu erklären sind. Das ist auch bei diesem
Portal der Fall. Nur ein „stilisierter" Sündenfall, und eine Vertreibung aus dem Paradiese sind
Lichtdruck von C. Schmidt. Letzterer zeigt die schöne, seit 1S90 leider versclnvundene und durch ein
scheussHches modernes Produkt ersetzte Holzthiir. Die beste Abbildung nach der letzten Restauration
brinjjt Rückvvardt, Architekturteile und Details von Bauwerken des Mittelalters bis zur Neuzeit.
Alit. A. T. 31.
') Auskunft über technische Fragen verdanke icli Herrn Steinmetzmeister Hiller.
70
deutlich erkennbar. Die innerste Thürleibung besteht aus einem rechtwinkeligen, am Schaft
etwas abgerundeten Pfeiler mit attiscii profiliertem, viereckigem Sockel und einem, wie gesagt,
nicht zugehörigen Kapitell. Die Verzierung beider Pfeiler ist gleichartig. Oben und unten
sehen wir einen Tierkopf mit aufgesperrtem Rachen, den Höllenrachen symbolisierend,
und zwar den obersten nach unten, den untersten nach oben gerichtet. Vom untersten
gehen nach unten Flammenstrahlen aus. Der dazwischenliegende Raum ist durch je drei
perlenbesetzte oder gerippte, durch breite Bänder verbundene Kreise eingeteilt. Der unterste
enthält die aneinandergeschmiegten, nackten Brustbilder eines Mannes und einer Frau,
Adam und Eva, der mittelste das Brustbild eines langbärtigen Mannes mit spitzer Mütze
und darunter und darüber zwei Vogeiköpfe, die zusammen eine Blüte im Schnabel halten,
der oberste eine Weintraube mit Blüten. Über der Thürwandung spannt sich die rund-
bogige Archivolte den vier Stützen entsprechend aus vier nach innen zurücktretenden
Halbkreisbögen zusammengesetzt. Auch diese tragen gleich den „postibus insigni artificio
sculptis" reichen Reliefschmuck. Der äusserste kantige Bogen zeigt auf der Aussenseite
verschlungenes Band- und Blätterornament, auf der Innenseite einen Weintraubenkranz.
Der zweite, gleichfalls eckige, ist ähnlich geschmückt, der vierte zeigt das Zickzackornament
der beiden Säulen links. Der dritte Bogen ist mit stark aus der Fläche heraustretenden
Relieffiguren besetzt. Dargestellt sind die Verkündigung an Maria, an die Hirten, die An-
betung der Könige, Beschneidung, Darstellung im Tempel, Taufe Christi. Merkwürdig ist
die Art, wie bei der Verkündigung an die Hirten, die durch einen geflügelten Engel und
einen Mann mit einem langen Stabe und vielleicht einem jetzt nicht mehr deutlich er-
kennbaren Tiere kurz charakterisiert ist, ersterer mittels eines vom Munde ausgehenden
Strahles jenem die göttliche Botschaft gewissermassen einbläst. Man würde nach ähn-
lichen Bilderreihen an dieser Stelle eher die Begegnung der Maria mit Elisabeth und die
Verkündigung an die Hirten erst nach der „Geburt" erwarten, ist es vielleicht eine Ver-
kündigung an Joseph, für die ich allerdings sonst keine Beispiele kenne? Geburt und An-
betung sind zusammengefasst. Maria ruht auf einem sehr niedrigen Bett, das Kind in
Windeln mit dem Stern über dem Haupte auf einer langen Lagerstatt, hinter der Ochs
und Esel herausschauen. Die 3 Könige in kurzen, bis an die Kniee reichenden Gewändern
mit Kronen auf dem Haupt und Geschenken in den Händen nahen sich in halbknieender
Stellung. Hinter ihnen sitzt Joseph auf einem Schemel. Bei der „Beschneidung" scheint das
von Joseph gehaltene Kind auf einem Altar zu knieen oder bis an die Kniee in einem Bade-
behältnis in Form eines runden Säulenstumpfs zu stecken. Links davon, der Gruppe zu-
gewandt, steht ein Mann mit hochgehaltenem Messer. Die „Darstellung im Tempel" ist
die einzige Szene, die durch eine rundbogige Architektur im Hintergrunde eine Andeutung
der Örtlichkeit enthält. Sie vereint 5 Figuren: Maria, Joseph, Christus, Simeon und Hanna.
Bei Maria, die ein Tuch oder die Tauben in Händen hält, ist die Partie um die Hände
herum stark beschädigt. Zwischen Simeon und Hanna ist ein grosser leerer Raum, der
vielleicht dadurch entstanden ist, dass der Künstler es vermieden hat, die Figuren durch
eine Steinfuge durchschneiden zu lassen, den I'latz aber nicht so genau berechnete. Bei
71
Unterseite des Tympanons auf Seite 72 und 73
der Taufe Christi durch Johannes steilen neben dem Täufiing, auf den die Taube hernieder-
schwebt, zwei geflü<reite Enge! mit Tüchern in den Händen.')
Auffallend ist bei einem so reich geschmückten romanischen Portale das Fehlen
eines Tympanons. Vielleicht dürfen wir das an zweiter Steile von Gomoicky (s. S. 67)
erwähnte Relief mit der Kreuzabnahme dafür in Anspruch nehmen, das in den Maassen
und auch sonst, sehr gut passen würde. Seit 187Q nicht mehr am Allerheiligenhospital,
sondern in unserem Museum (Kat. 9935) ist es eine dicke, 1 m hohe, 2,10 m breite,
oben halbkreisförmig abgerundete Sandsteinplatte, auf der Vorder-, Hinter- und Unter-
seite mit Reliefs geschmückt, unzweifelhaft das Bogenfeld eines Portals. (Abb. auf S. 72.)
Auf der Vorderseite, die unten durch eine ornamentale Kante ausgezeichnet ist, ist die
Kreuzabnahme dargestellt. Sie ist sehr beschädigt, und wir müssen manchmal bei der
Deutung eine alte Abbildung bei Klose (von Breslau i, 126) zum Vergleich heranziehen.
Der Leichnam Christi, auf dem Fussbrette ruhend, hängt nur noch mit dem linken Arm
am langen Querholz des Kreuzesstammes. Nikodemus auf einer Leiter stehend ist bemüht
den rechten Arm mit einer Zange zu lösen, während auf der anderen Seite Josef von
Arimathia, auf einem Schemel stehend, den Heiland umfasst. Die freie Hand des herab-
gesunkenen rechten Armes hält Maria an ihr Gesicht gepresst. Zwischen dem Kreuz und
Nikodemus steht Johannes in Trauer versunken. Neben dem Kreuz tauchen rechts und
links aus Wolken, die in der Kunst der Zeit kreisförmig gebildet sind, so dass der Zeichner
sie als Schilde missverstanden wiedergegeben hat, zwei Engel mit langen kolbenförmigen
Gegenständen in den Händen auf, die Luchs als I'osaunen erklärt, mit denen sie den Sieg
über den Tod feiern. Ausser der Kreuzabnahme ist rechts und links Christus in der Vor-
hölle dargestellt. Beidemal nähert sich der Erlöser mit dem Kreuzespanier einer rund-
bogigen Pforte, die links einfacher als rechts gestaltet ist. Links reicht er drei nackten
Gestalten mit bittenden Gebärden die Hand. Rechts wird er von einem Engel aufgenommen,
neben dem ein in lange Gewänder gehüllter Mami, vielleicht .Abraham, sitzt. Die andere
Seite des Tympanons enthält den Tod Maria. (Abb. auf S. 73.) Die eben Verschiedene
liegt in der Mitte unter einer reichgefältelten Decke auf einem Bett, an dessen Kopfende
ein turmartiges Gerät steht. Ihr Haupt ist mit einer Binde umwunden. Rechts und links
stehen hintereinander aufgereiht je 6 Apostel mit Schriftrollon und Schriftbändern in den
1) Luchs sah noch am oberen Kaude des FUisses ein Wort ICKVANI in lateinischer Majuskel, das
er als Jordanus deutet.
72
Tynipaiion der Vinzenzkirche, Vorderseite
Händen. Sie deuten mit dem Blici<, die zwei dem Bett zunäciist stehenden aucii mit der
Hand nach mitten oben, wo Christus mit der Seele der Gestorbenen, die in der her-
kömmlichen Weise als Wickelkind gebildet ist, gen Himmel fährt. Die Ecken oben werden
durch zwei vorhangartig gebogene Leisten abgegrenzt, innerhalb deren Engel in gleicher
Zahl und Anordnung wie die Apostel mit Tüchern in den Händen schweben.
Die oblonge, schmale Unterseite (Abb. auf S. 71) des Tympanons ist wieder
vollständig mit reichem Blattwerk bedeckt, aus dessen Ranken Vögel und Fabel-
tiere wachsen. In der Mitte nicht im organischen Zusammenhange mit den Zweigen,
sondern nur umrahmt von diesen sind die Brustbilder eines Mannes und einer Frau, die
sich die Hände reichen, angebracht. Sie tragen die Zeittracht, der Mann eine Kappe. Viel-
leicht hat der Steinmetz an die Stifter der Kirche, Peter und Maria, gedacht.')
Die stilistische Verwandtschaft mit den Figuren und Ornamenten der Archivolte
des vorhin beschriebenen Portals, ist ohne weiteres einleuchtend, und wenn man die Kreuz-
abnahme als Vorderseite nimmt, wofür auch die gegen die Rückseite auffallend fort-
geschrittenere Zerstörung durch Wind und Wetter sprechen würde, so passt die Dar-
stellung vortrefflich zu den Szenen aus der Jugendgeschichte des Heilands auf der
Archivolte.
') Inhetreff dieses Tympanons herrschte die denkbar grösste Verwirrung, die im einzelnen zu ent-
wirren sich nicht loliiit. Remerkt sei nur, dass Luclis Vorder- und Kückseite als zwei ganz getrennte Reliefs
beschreibt, von denen er die Kreuzabnahme an der Aussenseite des Allerheih'genhospitals, das andere zum
Teil vermauert (Abb. F<oman. und got. Stilproben, Taf. 1) im Innern, im sog. Treppenhanse, sah. I^ns
Ganze ist aber unmöglich jemals zerschnitten gewesen. Der Irrtum ist nur so zu erklären, dass es in ein
Loch der Wand eingelassen war.
TAFEL VII
N.ich einer Aufnalime der KrI. Messbildanslalt
Portal vcini Vinzenzkloster an der Magdalenenkirche
73
Tympanon der Vinzenzkirche, Rückseite
Das nächste von Gomolcky erwähnte Relief kennen wir nur noch aus einer Ab-
bildung. Es ist vielleicht beim Neubau des Hospitals 1799 1801, wobei auch die an-
deren dort angebrachten Reliefs versetzt wurden, beseitigt worden, obwohl es im „Bres-
lauer Erzähler" von 1800 II, 384 heisst: Bey dem neuerbauten Krankenhospital zu Aller-
heiligen sind die dort befindlich gewesenen Denksteine und Köpfe sorgsam aufbewahrt
und neu aufgefrischt worden. Die Abbildung findet man in der sog. Senitzschen Sammlung
des Kgl. Staatsarchivs in Breslau, einer Sammlung von Urkunden, Inschriften, Abbildungen
von Kunstdenkmälern u. s. w. aus dem XVlll. Jahrhundert. Die hier in Frage kommenden
Blätter sind 3 Foliobogen mit aufgeklebten, ziemlich kindlichen schwarzen Tuschzeichnungen
— die eine ist stellenweise mit bunter Farbe übergangen — und genau nach diesen an-
gefertigten Kupfertafeln i — Vi!.')
Die Tab. I stellt unser Relief dar, das auf dem dritten Foliobogen von anderer
geübterer Hand, vielleicht derselben, die die Abbildungen in dem erwäiinton Seidiitzsciien
Sammelbande gefertigt hat, noch einmal wiedergegeben ist. (Abb. auf S. 73.) Demnach war
es ein rundbogiges Tympanonrelief wie das eben beschriebene. In der Mitte sitzt der
jugendliche, unbärtige Christus in der Mandorla auf einem Regenbogen, die Rechte
segnend erhoben, in der linken ein aufgeschlagenes Buch, in dem die Worte: EGO SVM
QVl SVM zu lesen sind. Auf der Mandorla steht: lANVA SVM VITE PER ME QVICVMQVE
') Die Blätter sind das vorbereitende Abbildungsmaterial für eine Aiiastasis Petri W'last cum figuris
aeneis, die Dr. J. O. Baro 1727 in Leipzig herausgeben wollte, ein Werk, übrigens nicht das einzige Baros,
das es nur bis zu dem von Klose mitgeteilten gedruckten Titel und Inhaltsverzeichnis gebracht hat. Die
Untersuchung hat nicht von den Kupferstichen, die A. Schultz in nicht gerade verbesserter .Vuflage in Schles.
Vorz. II, 231 publiziert hat, auszugehen, sondern von dem hier veröffentlichten Blatt.
10
74
VENITE'). Rechts und links davon sehen wir zwei Stiflerpaare, links einen bärtigen
Mann mit einem Kirchenmodell und hinter ihm eine knieend anbetende Frau, rechts
einen älteren Mann mit einem Kirchenmodell mit der Aufschrift IN BITOM und einen
jüngeren hinter ihm, letztere durch die Beischriften als Vater und Sohn, BOLESLA und
LESCO EIL'-') bezeichnet. Die ganz verderbt wiedergegebene Inschrift auf dem Bogen-
felde lautet nach der einleuchtenden Erklärung von Schultz:
AD HANG NOVELLAM DVX FERT SVA DONA CAPELLAM
QVE FERT lACXO DEVS SVSCIPE TEMPLA PIVS»).
Zwischen der ersten und zweiten Zeile des Hexameters steht AL2 (Ap. I. 8). Bei
dem Kupfer ist dieses auf einen äussersten Bogenstreifen herausgerückt, an deren Ende
AGAIIHSA steht, das bei der ersten Abbildung durch das mit Bleistift geschriebene Wort
AGATE ersetzt ist. Ob das Relief auch eine verzierte Rückseite gehabt hat, lässt sich
nicht mehr feststellen. Jedenfalls war es auch ein Tympanon, dessen Archivolte wir
möglicherweise in einem romanischen Thürbogen unseres Museums zu erblicken haben
(Kat. Nr. QQ15), der 1880 vom städtischem Bauhofe in die Sammlung kam, und nachweislich
früher am alten Pfarrhause der Magdalenenkirche nach der Bischofstrasse zu eingemauert
war^). Es besteht aus 2 Bogen. Der äussere zeigt das rechtwinklige gebrochene Linien-
ornament, der andere auf der Aussen- und Innenseite Blatt-, Blüten- und Fruchtgewinde in
Kreis- und Ellipsenform, wie wir sie vom Portal der Magdalenenkirche kennen; auch das
Material ist das gleiche. Erfährt man nun noch, dass in demselben Jahre 1546, in dem
das romanische Portal der Magdalenenkirche eingesetzt wurde, das zu ihr gehörige Pfarr-
haus einen Umbau erfuhr, so ist der Schluss gerechtfertigt, dass auch dieses Portal zu
den Klosterresten von St. Vinzenz gehört. Man kann nach dem Tympanon sogar weiter
mit Sicherheit behaupten, dass es ein Portal der Michaeliskirche war. Denn der auf dem
Bogenfelde dargestellte BOLESLA ist Herzog Boleslaus IV., der Stifter der Margarethen-
kirche in Beuthen (in Bitom), die schon 1201 im Besitz der Vinzenzabtei war. Lesco, der
Herzog von Masovien und Kujavien, ist sein Sohn. Der Stifter auf der anderen Seite ist
nach der Umschrift Jaxo, der Schwiegersohn Peter Wlasts, nach der S. 66 mitgeteilten
Inschrift der Stifter der Michaeliskirche, der Friedhofskirche von St. Vinzenz; die Frau
hinter ihm ist demnach seine Gemahlin, die nach dem Tode Jaxos die Kirche vollendete.
Die Anfertigung des Portals fällt in die Zeit von 1146, dem Jahr des Regierungsantritts
des Herzogs Boleslaus, und 1173, dem Jahr seines Todes.
Die auf der Zeichnung S. 75 sonst noch abgebildeten Reliefs sind ausser der uns
schon bekannten Kreuzabnahme die beiden von Gomolcky beschriebenen: LADIS (laus) II
und PE (trus) DV (x) und BOLES (laus) III und STANIS (laus), die auf den Kupfern
1) Der Zeichner hat aus dem iincialeii M bei ME ein OR gemacht, ein Feliler, der auf dein Stich
und seiner Vorlage verbessert ist.
2) Auf dem Kupfer und seiner Vorlage: LESTEC, eine aucli sonst vorlsoinmende Lesart des Namens.
•") Seine (jeschenl<e bringt der Herzog der neuen Kapelle, Nimm die Kirche, o Oott, gn.Hdig, die
Jaxo dir beut.
') Eine Zeichnung von Koska im Museum zeigt den Thürbogen au dieser Stelle.
75
!j^i>is.ii.pn-Dy.
öousui.^mNis
Tab. VII und II nach den
anderen dilettantischen
Zeichnungen sehr ver-
gröbert wiedergegeben
sind. Wie schon be-
merkt, sind die Unter-
schriften nachträghch
auf die Zeichnung, viel-
leicht nach den Angaben
Oomoickys hinzuge-
setzt. Auf den Bild-
werken haben sie sicher
so nicht gestanden. Die
Bezeichnung eines Re-
genten mit einer Ziffer,
die ihn von seinem Vor-
gänger unterscheiden
soll, wäre für das XII.
Jahrhundert unerhört.
Ausserdem ist Boleslaus
der Zweite, nicht der
Dritte, für den Mord des
Stanislaus verantwort-
lich zu machen. Wir
können uns ohne die
Kenntnis der Originale
nach den abenteuer-
lichen Karrikaturen nur Skulpturen der Vinzenzkirche, nach einer alten Zeichnunu;
in gänzlich unfruchtbare Hypothesen verlieren, was Schultz bei der Publikation
der Kupfer und ihrer Vorzeichnungen mit grossem Fleiss gethan hat. Dasselbe
gilt von den fünf auf Tab. III- VI und VIII wiedergegebenen Reliefs, die uns vielleicht
die „Bildnisse von keiner sonderlichen Merkwürdigkeit" Oomoickys vorführen. Jedesmal
sind in derselben Weise auf einer oblongen Platte zwei geistliche oder weltliche Fürsten
nebeneinandergestellt, nur auf der letzten zwei aspisartige Tiere mit Vogelkörpern, 2 klauen-
artigen Füssen, einem langen Hals mit Hundskopf und einem schlangenartig geringelten
Schwanz, wie sie als Symbol der Leidenschaft sehr häufig in Psalterillustrationen des Mittel-
alters anzutreffen sind. Tab. III zeigt einen Bischof und einen König, die von eigen-
tümlichen Wülsten umschlungen sind, Tab. IV zwei Bischöfe, von denen der eine seinen
abgeschlagenen Kopf in Händen hält, vielleicht der hl. Dionysius Areopagita. Tab. V und
VI je zwei Apostel, die einen mit Büchern, die anderen mit Schriftbändern in Händen.
10*
76
Ob die Originale von der Vinzenz-,
Michaelis- oder Allerheiligetikirche
stammen, weiss man nicht, auch nicht
an welcher Stelle sie gesessen haben.
Von ähnlichen Reliefs, die man etwa
zum Vergleich heranziehen könnte, denen
in Wuitendorf in Niederösterreich, in
Katowic in Böhmen (Mitteilungen der
k. k. Centralkommission 1872 S. CXCV,
Fig. 12 17, und S. XI, Fig. 18) in
Freiberg i. S. (Steche, Beschreibende
Darstellung der alten Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen 111,
19), am Georgenchor des Bamberger
Doms, sind nur noch die letzteren an
ihrer ursprünglichen Stelle, an den
Chorschranken, erhalten. Möglicher-
weise haben auch unsere den gleichen
Zierzweck gehabt.
Ein nach demselben Schema wie die
Bischof, Relief vo>i der Vinzenzkirehe genannten komponiertes Sandsteinrelief
— zwei in rundbogigen durch eine Halbsäule getrennten Nischen stehende Figuren, und
ein anderes — die Halbfigur eines Bischofs in einem Perlenstabkreise und vier menschliche
Köpfe in den Ecken — sind nun zugleich mit dem Tympanon der Kreuzabnahme vom
Allerheiligenhospital ins Museum gekommen (Kat. 9936 und 9937. 80) (Abb. auf S. 77 u. 76)').
Vermutlich stammen sie also auch vom alten Vinzenzkloster, obwohl sie nirgends erwähnt
werden. Luchs, der das zweite am Hickertschen Krankenhause, wohl einem Teile des
Allerheiligenhospitals sah, vermutet in dem Dargestellten Hiob. Das erste Relief ist eine
Verkündigung nach byzantinischem Vorbild.
Damit wäre die Reihe der mit Sicherheit oder ziemlicher Sicherheit auf ihre Her-
kunft zurückzuführenden Bildwerke erschöpft.
Von dem bei Oomolcky noch erwähnten Erzengel Michael und anderen Bildern am
Eckhaus der Riemerzeile, „da man unter die Rotgerberbänke am Ringe geht", kennen wir
weder Originale noch Abbildungen.
Der Tradition nach aber gehören noch folgende Säulenkapitelle zu den Bauresten
von St. Vinzenz: ein korinthisierendes, als Prellstein verkehrt eingemauert, am Hause
Oderstrasse Nr. 40, zwei in Maassen und Verzierung ganz gleiche romanische Würfel-
kapitelle im Museum, das eine von der Südwestecke des ehemaligen Leinwandhauses
1) H. 71, B. 50 iiiKi H. 67 B. 55 cm.
77
(Kat. Nr. 4852), das andere von dem 1892
abgebrochenen Hause Nikolaistrasse 76
(Kat. Nr. 1806 . 92), ein viertes mit den letzten
beiden übereinstimmendes im Hofe der Uni-
versität (Abb. auf S. 79), das 1896 beim Er-
weiterungsbau des chemischen Instituts der
Universität gefunden wurde.
Beim ersten ist die Tradition am ehesten
anfechtbar, wenn man auch Lutsch Recht
geben muss, der es für unwahrscheinlich
hält, dass ein zweites Bauwerk von so erheb-
lichen Abmessungen, wie sie das genannte
Architekturstück bedingt, 1564, dem Jahre
der Erbauung des Hauses Oderstrasse 40,
bereits wieder abgebrochen sein sollte.
Dieses die Überlieferung des sinkenden
Altertums unmittelbar fortpflanzende Blätter-
kelchkapitell wäre das älteste der vier Stücke,
da die antikisierende Protorenaissance, die
zweite Periode, in der es entstanden sein Verkündigung, Relief von der Vinzenzkirdie
könnte nach Dehio in Deutschland um ,050 schon erloschen ist und danach das
Wurfelkap.tell allein herrscht. Diese für den romanischen Baustil charakteristische
Form zeigen die anderen drei ganz gleichen Kapitelle von 0,65 cm H. und 1 m Br
an der oberen Fläche. Die Schildflächen sind mit eingemeisselten, nach unten
genchteten Halbkreisen verziert, die durch zwei kleinere ebenfalls nach unten gerichtete
Rundbögen unterteilt sind. Bei dem im Universitätshofe aufgestellten Kapitell treten
zwischen den kleinen Halbbögen und an den Ecken sog. Nasen hervor, die bei
den baden anderen sehr beschädigten nicht mehr zu erkennen sind. Auch ist hier eine
Seite nur mit einem kleineren Rundbogen, nicht mit zwei verziert. Vielleicht hat die Säule
mit dieser Seite nach dem Seitenschiff zu gestanden.
Die Meinung, dass diese Baureste vom alten Vinzenzkiosfer stammen, ist erst im
19. Jahrhundert entstanden. Die älteren, sonst doch sehr gesprächigen Chronisten
erwähnen nichts davon. Es ist ja verständlich, dass man nur an dieses Kloster und an
seine ingentes ex uno saxo columnas dachte, wenn man sich nach diesen gewalti^^en
Architekturteilen einen romanischen Bau im Geiste rekonstruierte. Wir haben aber
abgesehen von der noch vorhandenen kleinen Aegidienkirche am Dom, in Breslau noch
andere romanische Bauten gehabt, von denen wir nur Reste kennen, von deren einstigen
Aussehen wir jedoch keine Anschauung haben. Unser Museum besitzt z. B. eine romanische
Sau enbasis von gleichen Dimensionen, wie sie die Kapitelle zeigen, aus der Sandkirche
m der noch eine romanische Portallunette erhalten ist, künstlerisch wertvoller, aber auch
78
jünger als die Vinzenzreliefs. Andere Basen stammen von der alten Nikolaikirclie. Nacli
1158 ist der Dom aus Stein neu erriciitet worden, an dem freilich nur noch sehr geringe
Reste romanischer Kunst vorhanden sind. Klarheit könnte in dieser Frage nur eine bisher
noch nicht angestellte Untersuchung der in Betracht kommenden Bauten, vor allem eine
Ausgrabung an der Stelle des alten Vinzenzklosters bringen. Trümmer des Stifts hat man
1635 dort noch gesehen. Die Grundmauern der Gebäude, namentlich der steinernen, sind
gewiss noch erhalten. Wir würden dann dengesamten Plan, den Grundriss und
Umfang der einzelnen Kirchen erkennen, vielleicht auch sonst noch Reste zu
Tage fördern, die für die Kunstgeschichte bei der Seltenheit romanischer
Klosteranlagen von grosser Bedeutung wären.
Gehören diese Säulenkapitelle aber zum Vinzenzkloster, so ist auch die Herkunft
seiner Bauleute zu nennen. Jene Verzierung der Säulenkapitelle finden wir nämlich sonst
nur noch in der nach 1106 errichteten Klosterkirche von Paulinzelle und den von dieser
abhängigen Bauten, den Kirchen in Hamersleben und Hecklingen. Der Zusammenhang
des Vinzenzklosters mit dieser sächsisch-thüringischen Baugruppe entspricht nur der
politischen und kirchlichen Entwicklung Schlesiens. Gerade um jene Zeit der Errichtung
des Klosters, der zweiten Hälfte des XII. Jahrhunderts, wird von den leitenden Kreisen
Polens und Schlesiens eine Verbindung mit dem höher kultivierten Westen angeknüpft;
eine kirchliche Reformation in diesem Sinne beginnt. Als seit der Mitte des
XI. Jahrhunderts die Spaltung zwischen der römischen Kirche und der des Orients aufs
schärfste zutage getreten war und die Polen dem Bischof zu Rom treu blieben, hat die
römische Kurie stets danach gestrebt, ihren Einfluss auf die polnische Kirche aufrecht zu
erhalten, um so mehr, weil bei den zahlreichen Familienverbindungen der polnischen
Fürsten mit den russischen die Gefahr eines Anschlusses Polens an Byzanz sehr
nahe lag.
Auf Residuen dieser, trotz der Armut unserer Quellen unleugbar zu konstatierenden
byzantinischen Einflüsse vor der Erschliessung der westlichen Kultur und auf die
primitiven Kulturzustände des Landes überhaupt ist es zurückzuführen, wenn uns diese
romanischen Skulpturen nicht gerade als feinste Blüten der Kunst jener Zeit erscheinen.
Es ist Provinzial- oder sagen wir gleich Bauernkunst romanischen Stiles. Einer besonderen
Begabung der betreffenden Steinmetzen ist der künstlerische Wert des Todes der Maria
zuzuschreiben, der höher als der der anderen Reliefs steht. Auch bei der dekorativen
Skulptur, wie bei der Architektur nach direkten Vorbildern zu suchen ist sehr schwer.
Dazu ist diese Kunst viel zu wenig individuell. Die gleichen Ornamente begegnen uns
immer wieder. Das verschwundene Tympanonrelief hat in der mittleren Christusfigur in
der Mandorla grosse Ähnlichkeit mit einer Supraporte in Alpirsbach in Württemberg.
Die Kreuzabnahme ist einem Wandgemälde in der Kirche zu Neuenbecken bei F^iderborn
überraschend verwandt. Auf Analogieen der nur noch in den Kupfertafeln und einem
Original erhaltenen oblongen Reliefplatten ist hingewiesen worden. Böhmen, Österreich,
Westfalen, Württemberg aber sind schwer zu verbinden. Eine Beeinflussung ist nicht
79
direkt, höchstens indirekt durch die gleichartigen Vorlagen, die überall verbreitet waren,
zu denken. Die plastische Dekoration der Architektur war ja völlig abhängig von der
Elfenbeinpiastik, der F^salterillustration, den Ziermotiven der Emaillen und Gewebe. Zwei
Beobachtungen aber können uns auch von diesem Ausgangspunkte den Weg nach dem
sächsischen Gebiet führen. Zwei steinerne Hochrelieffiguren mit Spruchbändern, von der
Kirche in Freiberg i. S., in die uns ein Meisterwerk romanischer Plastik, die goldene
Pforte, führt, ähneln dem auf Tab. VI der Kupfer abgebildeten Relief, und das sauber
gearbeitete Schachbrettmuster des Altars auf der Darbringung im Tempel auf der Archivolte
des r^ortals der Magdalenenkirche erinnert an dieselbe immer besonders hervorgehobene
Verzierung der Umrahmung der Scheidbögen und des Gesimses über den Gewölbeböijen
in Paulinzelle.
In dieser Richtung also wären Untersuchungen über romanische Bauten Schlesiens
aus derselben Zeit zu führen. Die nächste Aufgabe aber wäre, wie gesagt, eine Aus-
grabung der alten Mauerreste des Vinzenzklosters. Vielleicht entschliesst man sich auch
eme getreue Rekonstruktion des Tympanons - das im Museum befindliche Original ist'
zu sehr beschädigt -^ an das Portal der Magdalenenkirche zu setzen, damit dieses einzi-
arfge Zeugnis romanischer Kunst in Schlesien in seiner ursprünglichen Form wiederersteht
Conrad Biiclnvald
80
Gotischer AktenschranU am Diözesanarchiv zu Breslau — geöffnet
EIN MITTELALTERLICHER ARCHIVSCHRANK
L)as Fürstbischöfliche Diözesanarchiv in Breslau verwahrt neben seinen litterarischen
Schätzen auch einen i<ostbaren archäologischen Schatz in einem gut erhaltenen mittel-
alterlichen Archivschranke. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts besass das Breslauer
Domkapitel, soweit der gegenwärtige Bestand des Archivs eine diesbezügliche Schätzung
zulässt, bereits gegen 2100 Urkunden und beschloss nun, in verständiger Sorge für die
Aufbewahrung derselben, einen passenden Schrank herstellen zu lassen. Die Ausführung
des Beschlusses übernahm als Prokurator des Kapitels und Magister der Kirchenfabrik
der Kanonikus Johannes Paschkowitz von Schwanfeld. Er erscheint in den Urkunden
des Diözesanarchivs um das Jahr 1441 als Notar der bischöflichen Kurie und von 1447 bis
1482 als Kanonikus des Kathedralkapitels. Er war ein kunstsinniger Mann; dies beweist
die mit seinem Wappen geschmückte Statue des hl. Vincentius Levita, die er 1471 an
der südlichen Aussenseite der Domkirche aufstellen Hess. Ein Zeugnis seines Kimstsinns
ist auch der Archivschrank. Derselbe ist durchweg aus Eichenholz gefertigt, 3,20 Meter
lang, l,8ö Meter hoch inid 0,04 Meter tief. Am Simse und Sockel der Vorderseite, wie
der beiden Seitenwände entlang läuft ein schön geschnitzter Fries, dessen Vertiefungen
mit lebhaften Farben, besonders rot und grün, ausgemalt sind, so dass die Verzierungen
81
öX»3*fl5»?Ä^ i
Gotischer Aktenschrank im Diözesanarchiv zu Breslau gesclilossen
scharf hervortreten. Die Verzierungen des untern Frieses setzen sich in den Füssen des
Schrankes fort. \n der Mitte des Simses der Vorderseite befindet sich in sorgfältig ge-
schnittenen gotischen Buchstaben die Inschrift, die das Jahr, in welchem, und den Namen
desjenigen, von welchem der Schrank angeschafft worden, angiebt. Darunter ist in der
Mitte das I'aschkowitzsche Wappen: ein Schwan im grünen Felde. Die Inschrift setzt
sich am Simse der rechten Seitenwand fort und berichtet, dass der Schrank für 35 Gulden
aus der Kathedralkasse angeschafft worden sei. Diese weniger sorgfältige Seiteninschrift
ist aber offenbar erst später, nach Beseitigung der untern Frieshälfte, beigefügt und zwar
eingeschnitten worden, während die Buchstaben auf der Vorderseite herausgearbeitet sind.
Da die Zahl 35 tiefer als die übrige Schrift liegt, so muss angenommen werden, dass sie
82
an Stelle einer andern, weggeschnittenen, Zahl getreten ist. — Der Wortlaut der Inschrift
ist, nach Auflösung der Abkürzungen, folgender: Anno Domini MCCCCLV Dominus
Johannes Paschkowicz canonicus procurator ac magister fabrice ecclesie Wratislaviensis
hanc almariam comparavit et constat 35 florenis de pecuniis ecclesie.
Der Schrank ist geschlossen durch zwei grosse Thürflügel, die je in drei bis über
die Mitte der Flügel sich verzweigenden Angeln sich bewegen. An die Angeln schliessen
sich rückwärts, den Seitenwänden entlang, starke Eisenbänder an. Acht runde Löcher
überdeckt von verzinntem, quadratischen Eisenblech, dessen Ecken in Lilienornamente
auslaufen, und dessen durchlöcherte Mitte sich halbkugelförmig erhebt, vermitteln den
Zutritt der Luft in das Innere des Schrankes. Zwei ringartige Handhaben, auf Rosetten-
unterlagen ruhend, dienen zum Öffnen der beiden Flügel. In der Mitte ist ein Schnepper-
schloss mit reichem Schilde, darüber und darunter eine Vorrichtung für Vorlegeschlösser,
oben noch eine Klinke angebracht. Die Grundfarbe des Anstrichs ist dunkelgrün, worin
hellgrüne Muster gemalt sind. Frühere Archivare benützten die Flügel bisweilen als
Ausleihe-Journal; besonders aus dem 16. Jahrhundert sind noch mehrere Ausleihungen
mit Kreidestift unauslöschlich verzeichnet.
Der geöffnete Schrank zeigt 48 Schubladen, mit Ringen versehen und mit gotischen
Buchstaben bezeichnet, die eingeschnitten und rot ausgemalt sind. Auf die 24 einzelnen
Buchstaben des Alphabets folgen die Buchstaben noch einmal, aber jedesmal mit vor-
gesetztem A. Auf dem Schub mit der Signatur X ist folgende etwas unklare Inschrift
eingeschnitten: Idem hunc textum per se scidit. Wahrscheinlich soll damit gesagt sein,
dass der Urheber der äussern Inschrift des Schrankes und der Schubladeninschriften
derselbe sei. Zwei Schübe waren verloren gegangen und sind durch neue ersetzt.
Der Schrank stand Jahrhunderte lang in dem gewölbten Räume über der Dom-
sakristei und barg den Urkundenschatz des Kapitels, bis dieses im Jahre 1846 einen neuen
Archivschrank bauen und in der alten Dombibliothek aufstellen liess. Der alte Schrank
wurde nun zur Aufbewahrung kleinerer kirchlicher Utensilien benützt und verfiel staub-
bedeckt der Vergessenheit. Nur vorübergehend wurde die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt
durch eine, nicht ganz getreue, Abbildung, die auf Knoblichs Veranlassung mit einigen
kurzen Bemerkungen in der Zeitschrift Schles. Vorz. Bd. II, Heft 5 veröffentlicht wurde.
Als die Obersakristei der Kathedrale zu einem würdigen Aufbewahrungsorte für den
Domschatz umgeschaffen werden sollte, zog der Schrank die Aufmerksamkeit Sr. Eminenz
des Herrn Kardinals und Fürstbischofs Georg Kopp auf sich, der sofort seinen hohen
Wert erkannte und ihn in dem neu errichteten Diözesanarchive seiner ursprünglichen
Bestimmung zurückgab.
Joseph Juiignitz
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83
EIN TEPPICHGOBELIN DES 16. JAHRHUNDERTS
Nicht nur seiner Grösse wegen, vor allem mit Rücksicht auf seinen künstlerischen
Charakter, die Darstellung und seine vorzügliche Erhaltung erscheint ein auf Tafel VIII ab-
gebildeter Wandteppich aus dem Bestände der Sammlung interessant, der im Jahre 1878 von
der Kirche zu St. Elisabeth in Breslau dem Museum schlesischer Altertümer übergeben wurde.
Da jede Marke an dem Stück selbst sowie Notizen über seine Herkunft gänzlich fehlen,
so lässt sich nur vermuten, dass er zu einer Zeit in den Besitz des Kirchenschatzes kam,
als dieser ganz besonders reichen Zuwachs erhielt, etwa um das Jahr 1600.
Der ganze Teppich hat eine Gesamtgrösse von 4,32 : 2,22 m. Das reine
Renaissance - Ornament der Umrandung, dessen Formen da und dort mit denen der
Holzschnitzerei verwandt erscheinen, bildet in seiner festen Struktur die pilasterartige
Begrenzung der Schmalseiten. Die Kartuschen, zu einer Art von Nischen zusammen-
gebogen, gewähren auf jeder der beiden Seiten je drei übereinander angeordneten alle-
gorischen Frauengestalten Raum, von denen die mittleren stehen, die in die Ecke gerückten
sitzen. Um die Darstellung irgend eines der bekannten Cyklen, etwa der Tugenden, scheint
sichs dabei nicht zu handeln. Es macht den Eindruck, als ob für diese Verzierung der
Einfassung in der Fabrik vorhandene Typen verwendet worden wären, worauf auch der
Umstand schliessen lässt, dass die beiden Frauen mit der Weltkugel am obern und untern
Rande sich einfach wiederholen. Viele Mühe scheint man sich demnach mit der Kom-
position des Randornamentes nicht gegeben zu haben; aus den mehrmals verwendeten
Attributen wie Schlüsseln, Schwertern, Büchern und Schriftrollen lässt sich die Bedeutung
einer bestimmten Figur ebensowenig herauslesen, wie sich daraus ein Zusammenhang
unter ihnen konstruieren lässt.
Aus vasenförmigen Gebilden steigen Büschel von Früchten und Blumen auf und
stellen die vertikale Verbindung der Figuren her. Durch dieses Übereinandertürmen ist
erreicht, dass die beiden Vertikalseiten wie festigende Stäbe den Teppich in seiner Höhen-
ausdehnung stützen und dem Verhältnis zwei zu eins der Breite zur Höhe des Gewebes
wird dadurch etwas das Oleichgewicht gehalten. Auch in den Fruchtbüscheln und
Blumenarrangements ist nicht viel auf Abwechslung gegeben worden. Die meisten von
ihnen wiederholen sich, wenn auch in anderer Färbung. Ein kleines, schmales Rändchen,
besetzt mit ornamentalen Lilien, Quadraten und geometrisch angeordneten Punkten, bildet
die äusserste Grenze des Gewebes.
Das Mittelfeld ist von einer mächtigen Waldszenerie erfüllt. Links blickt der Be-
schauer über einen mit wenigen Bäumen besetzten Wiesenplan hinweg in das innere des
Gehölzes, in dem sich das Terrain eben verliert. Rechts steigt eine kleine, auch nur von
wenigen Birken bestandene Hügelgruppe hinan und zwischen ihr und den dichten Baum-
84
ständen links gewinnt der Blick das Freie; imten im Thal am Fiisse eines niedrigen Hügels
wird eine Stadt mit Wall und Graben, Türmen und Thoren und spitzen Dächern sichtbar.
Das Ganze findet ruhigen Abschluss in dem weiten Stück Himmel, das sich über dem
Hintergrund aufspannt.
Soweit würde die bisherige Bezeichnung der Landschaft als Paradies passen. Selbst
die Stadt im Hintergrund könnte man auf das Konto künstlerischer Lizenz setzen. Aber
das Schauspiel, das im Vorder- und Mittelgrund auf der Lichtung sich abspielt, verhindert
es, bei dieser Benennung zu bleiben. Der stille, regungslos stehende Wald ist von wildem
Getümmel erfüllt, Getier aller Art jagt über die Szene. Dicht am vorderen Rande der
Darstellung liegt ein Hirsch rücklings am Boden, über ihm und auf ihm stehen zwei
ungeheure Greifen und hauen mit der Schärfe des Schnabels und der Krallen auf ihn ein.
Das Tier ist wehrlos, da das eine der Ungetüme den Kopf am Geweih zu Boden hält,
während das andere seine Pranken in die Weichteile eingeschlagen hat. Die Gruppe,
durch eine wappenartige Anordnung der beiden geflügelten Löwen in ihrer Komposition
fest und bestimmt, ist auch durch die Grösse in der Wiedergabe der Tiere als die Haupt-
sache der Darstellung charakterisiert. Daneben andere Darstellungen des Kampfes und
wilder Brunst: Bock und Schwein fallen sich an, der Tiger sucht den Panther, die Katze
den Fasan zu überwältigen. Rechts eilen den Greifen der Affe und ein Katzentier zu
Hilfe, Stöhnen und Gebrüll und Fauchen, Rennen, Springen, Flüchten, Fliegen und Flattern,
Beissen, Kratzen und Stossen überall. Inmitten des Getümmels hat sich ein Rind auf
dem weichen Grasboden hingelagert, mitten unter den kämpfenden Gruppen; Hirsch und
Reh weiden friedlich auf der Lichtung, während ihrem Genossen der Garaus gemacht
wird. Oben auf dem Hügel rechts sitzt unbeirrt von allem einsam ein Hase und sein
langes Ohrenpaar hebt sich deutlich gegen den Himmel ab.
Dass es sich um die Darstellung des Paradieses nicht handeln kann, ist danach wohl
klar. Unter den verschiedenen Möglichkeiten für die Erklärung des Inhaltes erscheint eine
Allegorisierung der vier Temperamente mir am einleuchtendsten. \n der ausführlichen mit
sichtlichem Behagen ausgesponnenen Schilderung des stillen nachmittägigen Waldes und
der schattigen Wiese an seinem Rande, auf der sich das Rind träge wiederkäuend und
müde hingelagert hat, hat der Künstler vielleicht das Phlegma versinnbildlichen wollen.
Der Blick über das weite Thal, der kleine von dünnen Birken bestandene Hügel rechts,
auf dem der einsame Hase sitzt, der Blick in das dunkler unti immer dunkler werdende
Waldinnere wäre für ihn der Ausdruck des Melancholischen. Die stürmischen Szenen
des Kampfes, in denen ein Tier das andere zu zerfleischen oder ihm Gewalt anzuthun
sucht, halten wir für Darstellungen des sanguinischen Temperaments, denen auch die
Steigerung bis zum Perversen nicht fehlt, wie die Szene der Katze und des Fasans zeigt.
Selbst das Einhorn, das keusche Tier, ist in diesem allgemeinen Getümmel vor sanguinischen
Anwandlungen nicht mehr sicher. Endlich fehlt auch das kolerisclie Temperament nicht,
das in den feigen Helfern bei der Zerfleischung des Hirsches in den Affen, die mit bos-
haftem Kreischen herbeieilen, nicht schlecht symbolisiert wäre.
85
;- rrr r- = •"=;—;.:;.■ r..:,r =
* .°%r;;i': -rr ,;i--: ";■■;.: rr;- ~-
wusslen herrscht ,„ ,l,r „„d beweist den Zttsammenhang des Kartons mit der Stufe auf
der d,e M*re, r,,„d n,n ,600 stand. Ohen sprachen wir von der Szenerie und Jfcben
be, dteser Be«,chnnnK al,sich„icl,. Denn kulissenartig und „ie auf der Buhne sind d
Grunde h,„tere,na„der geordnet. Nichts mehr is, zu sehen von den, unbeho fene Sbe
etnanderturmen der Hintergründe, „ie Patinir und die un, ihn es noch geübt aten^d
wtees das ganze sechszehnle Jahrhundert fast hindurch sich nicht »eänder l,a D,' 7
.etlung des Prospektes durch eine Baunrgruppe, der vorspringende^HOg , r c L e sZt'
tnt H.n^rgrund wirken, als wären es Versatzstücke des Requisitoriun,:
Vorn T ,"'" "' ''"" "'' °'"*^' '" A-'-l'-ungen jener spätem Zeit In,
Vodergrund glänzt alles in scharfen braunen, grünen und blauen Farben, hn ei,
Plan ,st das Laubwerk „ich, Blatt für Blatt, sondern büschelartig gezeichne. Das D n e
grün ge , ,n helleres Blaugrün über. Wei,er hin,en werden die Farbe, oc,? leite ,nd
«er. Als ob braune, grüne und graue Kulissen die Natur h, gesonderte Ab,eil„n,en z r,,
hat de K nsder d,e dre, Gründe scharf auseinander, und nur der gelbe Grund der b s
ü, d,e Bordüre sich ers,reckt „nd das kräftige Braun, das von, Vorder- bis in d n Hin,e
grund ,n grossen Flächen a,„ den TierkOrpern glänzt, halten die Farbenkompö I
usamnren. Man wird nicht leugnen kOnnen, dass einzelne Partieen des Teppich ein
bischen buntscheckig wirken. 'qjpicns ein
Tropisch üppig drängen sich die seltsamsten Baumstämme vom Boden emnor
cre e„ .nd winden sich vom Waldboden bis in die Wipfel, die voll breit: LZ^
Blatter hangen; zu einer monumental wirkenden Masse sind all diese BaumkroC
zusammengefasst, die sichere Handhabung dekorativer Wirkungen in der Lands as
sch.derung wie sie erst am Ende des sechszehnten Jahrhunderts erreicht war A ^ e
pcnlKh getreu wiedergegebenen Pflanzen und Stauden des Vordergrundes, die ihn ein-
86
säumen wie die Lampen die Bühnenrampe. In diesen starken Stengeln voll vegetabilischer
Kraft, in den breiten fingerartig umsichgreifenden Blättern steckt noch die alte Liebe zum
Detail und doch auch schon die neue Auffassung, die auch die F^lanzenweit mit selb-
ständigem, aktivem Leben erfüllt.
Diese Art der Landschaftsauffassung und -Schilderung macht es, wie wir glauben,
notwendig, die Entstehung des Gewebes ganz ans Ende des sechszehnten Jahrhunderts zu
rücken und darauf weist auch die wilde Leidenschaftlichkeit der Szene, die sichtliche
Freude des entwerfenden Künstlers an der Schilderung der wütenden Bestialität und
tierischen Brunst, kurz der ganze schon stark barocke Orundzug hin.
Der flandrische Charakter des Stückes steht fest. Die Landschaft in der Wieder-
gabe wie in der Auffassung, der Vorgang selbst, lassen keinen Zweifel darüber. So bleibt
nur übrig, nach Analogieen in der Malerei sich umzusehen; denn dass der Karton des Mittel-
feldes auf einen Maler zurückgeht, kann für sicher gelten. Es ist bekannt, welche leb-
haften Beziehungen die Künstler der südlichen Niederlande zu den zahlreichen
Manufakturen ihrer Heimat unterhielten, am Anfang des sechszehnten Jahrhunderts wohl
noch nicht in dem Masse wie später, als die Maler selbst grosse Herren geworden
waren, die selbst zwischen Gobelins wohnten, als der Stil dieser aristokratischen Kunst
ihr eigener geworden war. Mit diesen Meistern des ausgehenden Jahrhunderts, in deren
gesteigertem Gefühl für die grosse Komposition im Landschaftlichen und für das üppige
Leben der Vegetation, in deren Beobachtungsgabe für die Seele des Tieres, für seine
wilden und friedlichen Instinkte sich schon der kommende Rubens ankündigte, mit diesen
Meistern, mit einem unter ihnen, bringe ich den Karton des Teppichs in Zusammenhang.
Alle die Gobelins, die auf Entwürfe der reinen Renaissancemeister zurückgehen, tragen
noch den Charakter der gleichzeitigen Malerei, zeigen ihre Liebe zum Kleinen, Idyllischen,
Abgeschlossenen, zur Anhäufung und Überhäufung der Details, alles Eigenschaften und
Neigungen, die primitiver sind als die unseres Künstlers, wenn auch Reste davon bei
ihm noch zu konstatieren sind. Die letzten Spuren jener älteren Darstellungsart sind
noch nicht ganz verwischt, aber wenn auch Erinnerungen an das Vorangegangene da
und dort uns noch entgegentreten, sind es doch die Hauptelemente, die in das kommende
siebzehnte Jahrhundert hinausweisen. 15Q0 etwa möchten wir als Entstehungszeit an-
setzen. Für die Bestimmung des Fabrikationsortes müssen in erster Linie wohl technische
Argumente in Rechnung gezogen werden. Herr Ziesch, durch dessen Hände im Laufe
eines Jahres so viele Gobelins gehen, bezeichnet Audenarde oder Enghien als solchen.
Da wir vor allem unter den Brüsseler Malern den entwerfenden Künstler vermuten, so lag
der Gedanke an die Brüsseler Manufaktur selbst nahe. Aber es müssen wie gesagt die
technischen Erwägungen zuerst in Betracht kommen, und da diese auf Hennegau und
Ostflandern verweisen, so muss angenommen werden, dass der Meister in der Hauptstadt
für die Manufaktur in der f^rovinz den Entwurf zu dem Teppich geliefert hat.
Fritz Wolff
87
Sitzung des Breslauer Rates nach einem Aquarell vom Jahre 1639
DIE BILDER DER BRESLAUER RATSHERREN VON 1667
Im sogenannten Breslauer Zimmer des neuen Museums für Kunstgewerbe und Alter-
tümer hängen jetzt an einer Wand neben einander 23 Porträts von gleicher Grösse, in
gleichen Rahmen, von demselben Künstler gemalt, Männer in der gleichen Amtstracht
darstellend. Die darüber hängenden Kupferpiatten zeigen, dass dieselben Porträts auch
in Kupfer gestochen worden sind. Schon dieser Umstand lässt darauf schliessen, dass
hier Männer künstlerisch verewigt worden sind, die für Breslau eine hohe Bedeutung
gehabt haben müssen, wenigstens für das Breslau ihrer Zeit, der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts, auf die die äussere Erscheinung mit den Allongenperücken, den zier-
lichen Schnurrbartformen, den breiten, bäffchenartigen Kragen und den geschlitzten
Wämsern mit grösster Deutlichkeit hinweist. Inschriften, die sich in der eirunden Um-
rahmung der Brustbilder herumziehen, Namen und Stand der dargestellten Personen
88
angeben und oben in der Mitte wie in einem Sclilusssteine diese Angaben durch Wappen-
biider ergänzen, lassen den Bescliauer erkennen, dass er vor Bildern von Breslauer
Ratsherren steht.
Demjenigen Beschauer aber, der mit den Breslauer Altertümern, namentlich der
inneren Ausstattung des Rathauses, etwas vertrauter ist, wird auch bald die Erinnerung
kommen, er müsse dieselben Porträts von der gleichen Künstlerhand schon anderweitig
gesehen haben. Und in der That zeigt schon eine flüchtige Vergieichung, dass hier im
Museum dieselben Männer einzeln porträtiert sind von demselben Künstler, der das grosse
Bild einer feierlichen Ratssitzung aus dem 17. Jahrhundert gemalt hat, das jetzt im Ober-
bürgermeisterzimmer des Rathauses hängt; und es wird klar, dass die Porträts, die jetzt
das Museum ausgestellt hat, nachdem sie über zwei Jahrhunderte lang nur wenig Ein-
geweihten bekannt gewesen waren, die Vorarbeiten zu jenem grossen Gemälde darstellen.
Der freundliche Leser wolle nicht etwa befürchten, dass ich die Absicht habe, mit
dem Hinweis auf diese Bilder einen schlesischen Raphael oder Tizian aus der Vergessen-
heit zu erwecken, in die ihn die Ungerechtigkeit der Mit- und Nachwelt versenkt hat.
Die Bilder scheinen mir nicht dazu geeignet zu sein, auch wenn ich selber mehr Be-
rechtigung zu solchem Unternehmen geltend machen könnte. Mich interessiert eben mehr
der Vorwurf der Bilder, die die Stadtbibliothek bisher beherbergt hat, als deren künstlerische
Ausführung. Aber es dürfte doch unter den Bewohnern unserer Stadt und den Besuchern
unseres Museums manche geben, deren Teilnahme und Zustimmung dieses Interesse
erweckt, und die gern einmal im Betrachten dieser Bilder in jene Zeit zurückschauen,
wo Breslau sich noch im stolzen Gefühl einer fast reichsstädtischen Selbstherrlichkeit
brüstete, wenn diese Herrlichkeit auch schon recht fadenscheinig zu werden anfing. Eine
Ratssitzung jener Zeit stellt das erwähnte grosse Bild im Rathause vor, und es ist ausser
einer gleichzeitigen kleinen Skizze (Abb. auf S. 87) das einzige dieses Inhalts, das existiert.
Die Nachwelt hat sich bis zur Gegenwart nie wieder zu einer Nachahmung aufgeschwungen.
So erscheint es also eines lokalen Interesses in hohem Grade wert.
Wenn wir im Museum aus den Umschriften der 23 Porträts die Namen festgestellt
haben, lässt sich mit Hilfe des im 11. Bande des Codex dipiomaticus Silesiae veröffent-
lichten Breslauer Stadtbuchs, das die Ratslinie von 1287 bis 1741 in jährlichen vollständigen
Listen nach dem alten amtlichen Liber consulum mitteilt, leicht nachweisen, dass sämtliche
Namen auf das Jahr 1667 passen, dass wir also die 8 Ratsherren und 11 Schoppen nebst
den 2 Syndicis und den 2 Notarien Breslaus aus diesem Jahre vor uns haben.
Den Reigen eröffnet der Ratspräses Samuel von Saebisch und Mahlen. Präses
hiess damals der Vorstand des Ratskoilegiums, in älteren Zeiten Ältester, Senior, nach der
preussischen Besitzergreifung Direktor, seit der Einführung der Städteordnung Oberbürger-
meister genannt. Auf den Bildern der alten f^atspräsiden, die den Fürstensaal des Rat-
hauses zieren, findet sich auch der Titel Hauptmann, Capitaneus, weil der Rat fast drei
Jahrhunderte lang auch die Hauptmannschaft über das Fürstentum Breslau verwaltete;
doch hatte er diese 1635 opfern müssen, um die kirchliche Freiheit und Selbständigkeit
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der Stadt zu retten. Auch der bei Saebisch in der Umschrift auf den Präses noch
folgende Titel, Direktor des Namslauer Burglehens, erweckt nur noch eine historische
Erinnerung. Wie andere Teile ihres einst grösseren Grundbesitzes musste die Stadt
den 1533 erworbenen Pfandbesitz des Namslauer Burglehens 1702 in die Hände des
Kaisers zurückgeben.
Samuel von Säbisch oder Sebisch stammte aus einer angeblich von Oberschlesien
nach Breslau eingewanderten, im Beginn des 17. Jahrhunderts geadelten Familie, die sich
durch eine höchst mannigfaltige Begabung ihrer zahlreichen Mitglieder in den Künsten des
Friedens wie des Krieges ausgezeichnet und der Stadt mehrere Oberhäupter gegeben hat.
Wie Adam von Säbisch bis 1635 der letzte Hauptmann des Fürstentums gewesen war,
so erlosch mit Alhrecht von Säbisch, unter dem der Einmarsch der Preussen in Schlesien
stattfand, die Reihe der alten Ratspräsiden überhaupt. So verkörpert sich in dieser
tüchtigen Familie, die anderthalb Jahrhunderte lang im Rate gesessen hat, ein bedeut-
sames Stück Breslauischer Stadtgeschichte, allerdings nicht in aufsteigender, sondern in
absteigender Richtung. Die kräftigen Züge des hier im Anfang der 70er Jahre dargestellten
Präses Samuel scheinen wohl einen tüchtigen Mann zu verbürgen, aber sonst erfahren
wir von seiner Persönlichkeit nichts Rechtes. Die bei seinem Tode erschienenen Gelegen-
heitsgedichte wissen doch das dem Verewigten gespendete Lob unglaublich wenig zu
individualisieren. Das gilt aber nicht nur von ihm, sondern auch von den meisten übrigen
Mitgliedern des Kollegiums. In dasselbe 1637 eingetreten, 1662 an die Spitze berufen,
starb er im 74. Lebensjahre am 2. Februar 1671, nachdem er gerade in den letzten Jahren
das Schiff der Stadt durch schwere Fährlichkeiten hatte steuern müssen, in die es durch
die ausgreifende Politik der nach dem 30jährigen Kriege wieder mächtig gewordenen alten
Kirche geraten war.
Auf den Ratspräses folgte im Range der Vizepräses, der, wie auch aus den Inschriften
zu ersehen ist, den Ältestentitel führte. Der hier porträtierte Vizepräses Augustin Heinrich
von Kromayer und Oross-Sägewitz, der zugleich städtischer Kriegskommissar war, sieht
wenig militärisch aus, seine Vorbildung war auch keine militärische, sondern eine juristische
gewesen. Er hatte in Leipzig und Altorf studiert und dann nach der Sitte der Zeit die
auf den Universitäten erworbene Bildung auf grossen Reisen durch Dänemark, Niederland,
England, Frankreich und Spanien vervollständigt. Auf der Rückreise zu Schiff nach
Hamburg gelangt, kehrte er über Frankfurt a. O., Thorn und Posen heim nach Breslau.
Niemand, wenigstens nicht die vornehmen jungen Leute, reiste damals um des Natur-
genusses willen, sondern utn die Einrichtungen fremder Staaten und die Sitten ihrer Be-
wohner kennen zu lernen. Wem es der Beutel des Vaters erlaubte, der reiste auch mit
einem erfahrenen Mentor, der überall auf die Sehenswürdigkeiten aufmerksam machte und
auch die Besuche bei berühmten Männern vermittelte; denn diese gehörten besonders zu
den Sehenswürdigkeiten, von denen man später in der Heimat zu erzählen liebte. Auch
Kromayer hatte für die verschiedenen Länder seine Mentoren gehabt. Wer möchte be-
streiten, dass diese Art zu reisen wirklich bildungsfördernd war! Nach Hause zurück-
12
90
gekehrt, hatte Kromayer bald geheiratet und dann 7 Jalire lang ein väterliches Gut be-
wirtschaftet; im 30. Lebensjahre war er in den Rat gewählt worden und in diesem
allmählich emporgekommen. Das war in allem die Karriere eines Sohnes von guter
Familie. Und aus der war er. Die Kromayer waren gegen das Ende des 15. Jahrhunderts
aus der Lausitz eingewandert, hatten sich mit den Ratsfamilien verschwägert, waren im
Anfange des 16. Jahrhunderts selbst in den Rat gekommen und hatten als wohlhabende
Kaufleute, wie diese es übrigens alle thaten, einen Teil ihres Vermögens in Grundbesitz an-
gelegt. So war auch Augustin Heinrich Erbherr auf Buckowine und Grünaiche. Er starb
schon im 57. Lebensjahre, am 27. Mai 1669, und mit seinem Sohne erlosch im Mannes-
stamm die Breslauische Linie seines Geschlechts.
Den beiden Präsiden gegenüber kann der ihnen folgende Oberkämmerer Johann
von Götz und Seh wanenfliess auf Höfchen, der Mann mit dem länglich schmalen Kopfe,
aus dessen schon stark von schweren Leiden verheerten Zügen immer noch ein klares,
scharfes Auge blickt, als ein Emporkömmling gelten, den nur eigenes Verdienst vorwärts
gebracht hatte. Denn als Sohn eines Ratsherrn in dem kleinen fränkischen Städtchen
Prichsenstadt 1600 geboren, man weiss nicht wie nach Breslau verschlagen, mit der
Tochter des Magnus von Hain (Hein) auf Nieder-Hausdorf, der keiner ratsherrlichen Familie
angehörte, 1636 verheiratet, war er 1645 in den Rat und dann bald zum Unter-, später
zum Oberkämmerer gewählt worden. Er erfreute sich auch kaiserlicher Gnade, war
geadelt worden, trug die goldene Gnadenkette mit dem Brustbild der regierenden Majestät
und den Titel eines kaiserlichen Rats. Er war Erbherr auf Höfchen, das er erst angelegt
hatte, auf Peltschütz und Polnisch -Marchwitz. Er wurde auch nach dem Tode Samuels
von Säbisch 1671 dessen Nachfolger im Präsidium, legte es aber 1677, nachdem er seiner
Leiden halber zwei Jahre lang sein Haus nicht hatte verlassen können, freiwillig nieder,
worauf sofort sein Sohn Magnus Anton in den Rat gewählt wurde, der auch langlebig
genug war, um bis zum Präsidium vorzurücken. Es war nicht selten, dass so der Sohn
unmittelbar in die Lücke trat, die des Vaters Tod ins Kollegium riss, war doch ein Sitz
darin mehr ein Herrschaftsrecht als ein Amt.
Ein hervorragendes Interesse erweckt das vierte Bild, das in der Umrahmung den
Namen Christian Hof mann von Hofmannswaldau aufweist. Das fleischige, etwas sinn-
liche Gesicht stellt das Haupt der zweiten schlesischen Dichterschule dar, den einst so hoch
bewunderten, jetzt freilich nur noch in den Litteraturgeschichten lebenden, mit Recht nicht
mehr gelesenen Verfasser der „Heldenbriefe", der ein schönes poetisches Talent nur zu seiner
und seiner Leser Belustigung verwandte und dabei die Reizmittel gröbster Sinnlichkeit nicht
verschmähte. Und doch war er ein ehrbarer, pfliclitgetreuer, in schwierigen Geschäften
erprobter, namentlich um seiner Fürsorge für die städtischen Gymnasien gepriesener Mann.
Er war 1617 geboren als der Sohn des schlesischen Kammerrats Johann Hofmann, der
vom Kaiser mit dem f^rädikat von Hofmannswaldau geadelt worden war. Der Sohn
pflegte in seinem lebhaften Briefwechsel dies Prädikat nicht zu führen, ein Zeichen, dass
er auf den zu seinerzeit so leicht erreichbaren Briefadcl wenig Gewicht legte. Inder Stadt
91
hatte der alle Bürgerstolz bis 1655 so weit vorgehalten, dass kein Ratsmitglied ein Adels-
prädikat führen durfte, auch wenn es sonst der Familie verliehen war und andere
Glieder derselben sich seiner bedienten. Seit 1656 war dies Verbot gefallen, und in der
Folge erschien es der Etikette ganz unerlässlich, dass alle Ratsmitglieder ausser den be-
zechten d. h. zünftischen den Adel erwarben, falls sie ihn bei der Wahl noch nicht hatten.
Selbst die Mitglieder aus den Zünften, die doch als die niedere Bürgerschaft durch eine
tiefe Kluft von den Honoratioren getrennt waren, kamen schliesslich darum ein, wurden
aber mit einer Verwarnung abgewiesen. Einen zugkräftigen Grund zum Streben nach
dem Adel hatten die Ratsmitglieder übrigens darin, dass im 17. Jahrhundert eine kaiser-
liche Behörde nach der andern in der Stadt sich aufthat, deren Mitglieder alle den Adel
erlangten und denen gleich zu stehen für die Ratsherren im Interesse ihrer Würde
unerlässlich schien.
Christian Hofmann, um noch einmal auf ihn zurückzukommen, hatte seinen in
Breslau begonnen Schulunterricht in Danzig vollendet, in Leiden Jura studiert, dann in England,
Frankreich und Italien Aufenthall genommen, so dass er erst nach öjähriger Abwesenheit
wieder heimkehrte. Schon im 30. Jahre wurde er in den Rat gewählt. Langsam auf-
rückend, wie es das Absterben der Vordermänner ergab, gelangte er in weiteren 30 Jahren
bis zum Präsidium, doch erfreute er sich der höchsten Würde nur wenig über zwei Jahre, da
er am 18. April 1679 im 62. Lebensjahre verschied. Eine pomphafte Lobrede schrieb ihm
bei seinem „Hoch-Adeligen Leich - Begängnüsse" sein Genosse auf dem damaligen
schlesischen Parnass, Johann Caspar von Lohenstein. „Der grosse Pan ist todt." Und
der Rektor Christian Gryphius, der auch Verse machte, weil sein Vater ein Dichter ge-
wesen war, liess „das bethränte Bresslau" klagen:
Budorgis saltzte sich, weil was Sie vor gezieret
Mit ihrem ATLAS fiel, in blassen Todten-Graus.
Auf ihn folgt noch ein jüngerer, sehr wohl und etwas selbstgefällig aussehender
Mann, ein Repräsentant derjenigen Familie, die am längsten d. h. fast drei und ein halbes
Jahrundert hindurch im Rate gesessen und diesem 15 Mitglieder geliefert hat, Adam
Wenzel von Reichel, Erbherr auf Magnitz, Zaumgarten und Klein-Rasselwitz, wozu er mit
seiner Frau noch Barottwitz erheiratete. Nach Vollendung seiner Studien in Helmstädt und
Leiden und der grossen Reise, die hauptsächlich Italien und den österreichisch-ungarischen
Ländern galt, hatte er 1652 im 25. Jahre geheiratet und war schon das Jahr darauf in den
Rat gewählt worden. Das Bild stellt ihn als angehenden Vierziger dar, kurz vor seinem
unerwartet früh im Juli 1668 erfolgenden Tode.
Auch der dann folgende ältere Herr mit dem freundlichen, etwas leidenden Gesicht,
Hans Burckhard (Burghart) von Löwenburg (Lewenburg), geboren 1611, war ein reicher
Mann. Das Bild von 1667 nennt ihn Besitzer von Grünau, das Jahr darauf erbte er vom
Schwager auch Oldern und Benkwitz. Aber die Familie war weniger alt und vornehm, erst
sein Vater hatte den Adel erworben, und er war der erste, der 1654 mit 43 Jahren in den
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Rat gelano;te. Da er bis 1677 lebte, erreichte er alimäiiiicii das Vizepräsidium und wurde
unmittelbar nach seinem Tode durch seinen gleichnamigen Sohn ersetzt.
Sonst ist nichts weiter von ihm bekannt, noch weniger von den beiden zünftischen
Ratsherren, die die letzten Plätze am Ratstische hatten, dem Kretschmer Sigismund
Schreiber und dem Tuchmacher Jakob Fiedler (Fiedlar). Ersterer, seit 1Ö62 im Rat,
muss intelligenter gewesen sein, als ihn das Porträt erscheinen lässt; sonst würde der
von Hirschberg gebürtige, nach unruhiger Jugend kriegsflüchtig nach Breslau verschlagene
Mann nicht mit 40 Jahren in den Rat gelangt sein. Die Tochter des Innungsältesten
Schulze heiratete er erst nach seiner Wahl in zweiter Ehe. Er war Kirchenvorsteher zu
St. Barbara und starb 1674 im 53. Lebensjahre. Sein Nachbar Fiedler sass von 1648 bis
1672 im Rat. Die langen und wechselvollen Kämpfe zwischen den Kaufmannsgeschlechtern
und den Zünften oder Zechen hatten schon im 15. Jahrhundert dazu geführt, den vier
bedeutendsten Zünften, den Reichkrämern, Tuchmachern, Kretschmern und Fleischern eine
Vertretung im Rat zu bewilligen, aber diese zünftischen oder bezechten Mitglieder blieben
immer an die beiden letzten Plätze am Ratstisch und auf der Schöffenbank gebunden.
Der alte Breslauer Rat war für die Stadt sowohl die Verwaltungs- wie die Gerichts-
behörde. Er gliederte sich deshalb in zwei Abteilungen, das eigentliche Ratskollegium
und das Schöp|)enkollegium. Beide wurden alljährlich neu besetzt, ergänzten sich aber
nach uralter Sitte nur durch Kooptation und waren dem Wesen nach längst ständig ge-
worden, wenngleich die Erneuerung oder Verkehrung noch immer Jahr für Jahr am Tage
vor Aschermittwoch stattfand, in sehr feierlichen aber stereotypen Formen. Das Auf-
rücken erfolgte streng nach der Anciennetät.
Wenden wir uns jetzt den auf der Schöffenbank sitzenden Gestalten zu, so tritt uns
in dem Schöffenpräses David von Eben und Brunnen eine stattliche Figur mit
kräftigem, martialischem Gesicht entgegen, der man ihre 68 Jahre nicht ansieht. Die Eben
waren ein süddeutsches Geschlecht, das Generationen hindurch im Rate zu Memmingen
gesessen hatte; erst Davids Grossvater war aus Schwaben nach Schlesien gekommen und
durch die Heirat mit einer Uthmann in die Kreise des Breslauer Patriziats eingedrungen;
sein jüngerer Sohn Nikolaus war 1617 in den Rat gelangt und diesem 1644 David gefolgt,
der mit dem oben genannten Adam Wenzel von Reichel verschwägert war. Er sass auf
Strachwitz westlich von Breslau. Das Geschlecht blühte noch lange, auch im Kriegsdienst,
doch schied es wieder aus dem Rat, als David am 14. Mai lö6Q das Zeitliche segnete.
Auf ihn folgt Sigismund von Fürst und Kupferberg, aus derselben Familie, aus
der ein Jahrhundert später der Grosskanzler Karl Joseph Maximilian Freiherr v. Fürst hervor-
ging. Den Beinamen hatte die Familie von dem Bergstädtchen Kupferberg, das der aus
Bamberg nach Breslau eingewanderte Georg Fürst erworben hatte. Glücklicher Bergbau-
betrieb brachte sie schnell zu Vermögen, dem dann leicht der Adel folgte. Dem Rate
hat sie drei Mitglieder gegeben, von denen Sigismund das mittlere war. Er starb am
Michaelistage 1674. Sein Gesicht zeigt im Bilde einen fremdartigen, mehr slavischen als
deutschen Typus.
93
Ernste, wenn auch nicht unfreundh-che Züge zeigt sein Nachbar, ein ausgehender
Vierziger, Hemrich Marx von Pein und Wechmar, der Träger eines in der Stadt sehr
angesehenen Namens. Er war der ähere Sohn des um die Stadt in den schweren Zeiten
des 30jähr. Krieges hochverdienten, ebenso unermüdlich wie erfolgreich thätigen Syndikus
Johann von Pein, der 1622 aus sächsischem Hofdienst in das Breslauer Syndikat über-
getreten war. Sein Geschlecht stammte ursprünglich aus dem Fürstentum Grubenhagen
führte aber den Zunamen von Wechmar nach einem thüringischen Besitz; in Schlesien
spaltete es sich in eine adelige Linie, die der Stadt im ganzen drei Ratsherren geliefert
hat, und m eine freiherrliche. Wir wissen von Heinrich Marx nur, dass ihn seine Studien
und Reisen nach Holland und England geführt haben, und dass er Eva Susanna Jessinski
geheiratet hat, aller Wahrscheinlichkeit nach eine Tochter jenes Stephan Jessinski der sein
und seiner Frau Eva Haunoldin Allianzwappen an der Südseite des von ihm erbauten
Hauses, das allen Breslauern als der Riembergshof bekannt ist, in Stein hat darsteilen
lassen. Heinrich Marx starb schon im Januar 1668, wenige Monate nach seiner Frau
worauf sein Bruder Sigismund Reinhard für ihn gewählt wurde. Der ältere der beiden
Brüder sass auf Sürdnig und Wessig, der jüngere auf Seiffersdorf, später erwarb er Kranz
Neben ihm sitzt der Unterkämmerer Matthaeus Riedel von Lewenstern Erb-
herr auf Treschen und Seiffersdorf, ein reicher Kaufherr, der von seinem Gelde auch 'einen
edlen Gebrauch zu machen wusste, denn er hatte 1652 die noch jetzt vorhandene Kanzel
der Elisabetkirche aus schwarzem italienischen Marmor mit Säulen aus salzburgischem
Marmor und Kapitalen und Engelsköpfen aus Alabaster auf seine Kosten herstellen lassen
Er führte das Unterkämmereramt 10 Jahre lang und starb, als er eben das von Johann
von Götz abgegebene Oberkämmereramt übernehmen sollte, am 25. Februar 1670 im
66. Lebensjahre. Den Ade! hatte schon der Vater Peter erworben, mit dem das Geschlecht
in Schlesien auftaucht, später kommt noch die Freiherrnwürde dazu. Der letzte der
schlesischen Linie war ein Onkel Holtei's, von dem dieser in seinen „Vierzig Jahren" er-
zählt, dass er nach dem Verluste seines Gutes Grossleipe im Trebnitzer Kreise sich bei
dem Besitzer des Gutes Obernigk, seinem alten Freunde Karl Wolfgang Schaubert, die
letzten Jahre seines Lebens aufgehalten habe. Dieser Erbonkel Baron Riedel hatte eben-
sowenig wirtschaftliches Talent wie sein Neffe.
Riedels erheblich jüngerer Nachbar mit dem würdevollen, selbstbewussten Blick
Ferdinand von Mudrach (Modrach), Erbherr auf Ober- und Nieder-Rathen, Heidau und'
Hermannsdorf im Westen und Südwesten von Breslau, hatte die Zeit seines Wirkens noch
vor sich; denn er wurde 1670 1676 Oberkämmerer und 1680 1690 Präses, verwaltete
also die verantwortungsreichsten Ämter eine ziemliche Zeit. Sein Sohn erwirbt die Frei-
herrenwürde und sein Enkel ist unter Friedrich dem Grossen Intendant der Königlichen
Schlösser und zur Zeit der Schlacht bei Leuthen Besitzer der Herrschaft Lissa. In seinem
Schlosse soll der König bekanntlich am Abend des Schlachttages eine Versammlung
österreichischer Offiziere überrascht haben; doch ist die Grundlosigkeit dieser Erzählung
nachgewiesen. '^
94
Noch jünger ist der Nachbar Hans Sigisnuind von Haiinold auf Saclierwitz, erst
im 34. Lebensjahre und doch schon seit 8 Jahren im Rat. So l<onnte es kommen,
dass er das Präsidium als Mudrachs Nachfolger im 57. Lebensjahr erreichte und volle
20 Jahr innehatte, auch 1710 das 50jährige Jubiläum als Ratsmitglied erlebte, ein nie
dagewesenes Ereignis, das mit einem überschwenglichen Pomp von der dem Kultus der
vornehmen Personen so sehr ergebenen Zeit gefeiert wurde. Er war allerdings ein sorg-
samer Regent der Stadt, und namentlich die Armen priesen ihn, den Schöpfer der
Hausarmen-Verpflegungsanstalt, als ihren Vater. Er war auch ein Freund der Wissen-
schaften, Sammler in allen Gebieten der Naturwissenschaften, der technischen Künste und
der Numismatik und stand mit andern Sammlern und mit Gelehrten in regem Briefwechsel,
wobei dann der gelehrteste Mann, den damals Breslau hatte, der Rektor Martin Hanke vom
Elisabetgymnasium, ihm vielfältig Sekretärdienste leistete. Er hatte sonst eine schwere
Gemütsart und schrieb ganze Bände von Todesgedanken, Reu- und Leidgedanken, die
die Stadtbibliothek noch bewahrt. Er war der letzte seines Geschlechts, das über ein
Jahrhundert lang im Rate gesessen hat, indes von dem der mittelalterlichen Haunolds,
die namentlich im 15. Jahrhundert eine hervorragende Rolle in der Stadt spielten, ver-
schieden ist, auch ein anderes Wappen führt.
Der 6. Schöffe, mit dem ansprechenden, feinen Gesicht, Adam Kaspar von Artzat
und Gross-Schottgau, im 3L Lebensjahre dargestellt, war ebenfalls mit 26 Jahren an der Stelle
seines Vaters Georg Friedrich in den Rat gelangt. Wie schnell sich begabte junge Leute von
guter Herkunft damals vorwärtsbringen konnten, zeigt der Umstand, dass er erst die
Hälfte seines Trienniums hinter sich hatte, als er noch nicht lOjährig am 2. August 1655
in Leipzig mit einer Dissertation de culpa als Jurist promovierte. Auf der Rückkehr von
der grossen Reise nach Frankreich, England und Belgien führte ihn der Weg über Frank-
furt am Main, wo er 1658 der Kaiserkrönung Leopolds beiwohnte. Von dem reich-
begüterten Vater erbte er die Güter Borne, Zweibrodt, Blankenau und Schützendorf und
erlangte später ein Kanonikat in Magdeburg, wurde kaiserlicher Rat und Oberkämmerer
der Stadt, doch entriss ihn der Tod schon im 51. Lebensjahre den Herrlichkeiten dieser
Welt, am 5. Februar 1678. Im Rate war er der vierte seines Geschlechts.
So mit Glücksgütern gesegnet war der nächste gleichzeitig mit Artzat eingetretene,
aber um ein Jahrzehnt ältere Schöffe Sigismund Seifart nicht; er war neben den zünftischen
Mitgliedern das einzige, das zu der Zeit des Adelsprädikats entbehrte; er führt es in der
Ratslinie erst von 16Q1 ab, übrigens ohne dass seine Nobilitierung mit sicherer Angabe
zu belegen wäre.') Dafür war er aber ein tüchtiger Jurist und hatte in einem langen
Leben Gelegenheit, seiner Vaterstadt wertvolle Dienste zu leisten. Er starb erst am
4. Januar 1702 als Vizepräses, nachdem er 38 Jahre im Rate gesessen hatte. Das Bild
zeigt ein mageres, etwas leidendes Gesicht.
') Vgl. Blazek Abgestorbener Adel der preiiss. Proviii?: Schlesien III, 152.
Q5
Sehr viel unternehmender sieht sein Nachbar mit dem eleganten Modebart, der
39jährige Georg Ernst von Kohlhass (Kouihass), Schwiegersohn des Schöffenpräses
David von Eben, aus. Ob er damals schon auf eigene Verdienste blicken konnte, ist
nicht bekannt ; in der Folge hat er der Stadt als Oberkämmerer ein Jahrzehnt lang treu
gedient. Bei seinem Tode 16SQ war er Erbherr auf Krietern und Strachwitz. Die Familie
war erst in der vorhergehenden Generation geadelt worden und erlosch schon im Anfange
des folgenden Jahrhunderts, er war der einzige Vertreter derselben im Rate.
Zu Unterst sitzen auch auf der Schöffenbank wieder zwei zünftische Herren, der
Reichkrämer Christoph Grund mann, erst 1667 erwählt, Vorsteher des Almosenamtes und
des Hospitals zu Allerheiligen, schon 1675 nach mehrjähriger Unpässlichkeit gestorben,
eine ehrenfeste Erscheinung. Sein Nachfolger Melchior Schlecht, ein Fleischer, ver-
waltete sein Amt um so länger, von 1665 bis 1686.
Das also sind die IQ Mitglieder des Breslauer Rats im Jahre 1667, 8 Ratsherren im
engeren Sinne und 1 1 Schoppen oder Mitglieder des Stadtgerichts. Ratsherren, Senatores
hiessen sie alle. Die jüngsten Mitglieder rückten in die unterste Schöppenstelle ein,
wechselten dann aber in einer damals schon fest ausgebildeten Reihenfolge von der
Schöffenbank an den Ratstisch und von diesem wieder auf die Schöffenbank. Der erste
Schöffe war im Range dem zweiten Ratsherrn gleich und wechselte mit diesem in der
Vertretung des Präses, beide hiessen Älteste. Auch die vier zünftischen Mitglieder
wechselten in den vier untersten Plätzen, die ihnen zugewiesen blieben, vom Ratstisch
zur Schöffenbank und umgekehrt.
Die alten Kaufmannsfamilien, die ihrer Bedeutung für die Stadt entsprechend Jahr-
hunderte lang ihre Vertreter in den Rat entsandt hatten, waren seit dem Anfange des
17. Jahrhunderts in einer Umbildung begriffen. Einerseits ging der Handel Breslaus un-
zweifelhaft zurück, andererseits Hessen die neuen Theorieen vom Staats- und Regentenwesen
die juristische Bildung in steigendem Masse als wichtig, ja unentbehrlich erscheinen.
Das trieb die vornehmen Familien teils in den ländlichen Grundbesitz, teils in die
juristische Karriere. Die über die einzelnen Mitglieder gegebenen Daten lassen das ja
deutlich erkennen. Der Kaufmann und die kaufmännische Art des Stadtregiments waren
im Begriffe zu verschwinden. Die Ratsherrenstellen hatten sich trotz der jährlichen Neu-
wahl zu lebenslänglichen Ämtern ausgebildet, wenn sie auch noch nicht gerade Ver-
sorgungen mit ausgiebigem Gehalt geworden waren. Noch waren es in der Hauptsache
Ehrenämter, nur den Mitgliedern vornehmerer Familien und den Vertretern bestimmter Zünfte
zugänglich, doch erhielten die Inhaber bereits „wegen ihrer schweren Mühewaltung und
Versäumnis ihrer Nahrung" feststehende Bezüge an Geld und andern Ehrengaben, der
Präses, die beiden Ältesten und die beiden Kämmerer je 300, die andern je 200 Rthl.
So war es 1658 geregelt worden. Dem entsprechend opferten die vornehmen Herren
auch nicht ihre ganze Kraft und Zeit den Sorgen der Stadtregierung, sie hatten dazu noch
Gehilfen in den vier Herren, die das Bild der Ratssitzung an besonderem Tische
zeigt, und deren Porträts hier im Museum den Schluss der Reihe bilden. Das waren die
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beiden Syndici und die beiden Secretarii; die beiden ersten, stets gewiegte Juristen, waren
die eigentliche Seele der Verwaltung, den beiden andern lag die Sorge ob für die Ein-
haltung des meist recht umständlichen Geschäftsganges. Nur die ersten hatten volles
Stimmrecht in den Sitzungen, bezogen auch ein ansehnliches Gehalt.
Der Protosyndikus von 16Ö7 war der Dr. phil et jur. utr. Peter Muck von Mucken-
dorf und Sonnenburg, auf Lichtenberg und Marchwitz, Inhaber der böhmischen Ritter-
würde, kaiserlicher Rat und Pfalzgraf, der 1655 seinem Vater im Syndikat gefolgt war.
Er resignierte schon 1670, wurde herzoglich sächsischer Präsident zu Lauenburg und
starb als Landesdeputierter des Fürstentums Breslau im hohen Alter 1705.
Wichtiger für die Stadt wurde sein Kollege und späterer Nachfolger Andreas Assig,
der Sohn eines Breslauer Goldschmieds, seit 1657 im Amte, ein Mann von ungewöhn-
licher Arbeitsamkeit und genauester Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung aller Ver-
hältnisse und Einrichtungen der Stadt. Für ihre kirchlichen Rechte hat er zweimal am
Kaiserhofe mit Erfolg unterhandelt, von der zweiten Legation brachte er den Adel mit
heim mit dem Prädikat Assig von Siegersdorf, kaiserlicher Rat war er schon früh
geworden. Er hat dem Stadtarchiv eine Reihe von Folianten hinterlassen, die seine wert-
vollen Collectanea oder Singularia enthalten. Er sass schon deshalb viel am Schreibtisch,
weil ihn seine Kränklichkeit oft das Zimmer zu hüten nötigte. Er starb am 10. Mai 1676.
Die beiden Sekretäre Johann Kretschmer (Kretschmar) und David Fi off mann
erscheinen auf den Bildern schon als ältere Männer, der erste war 1638, der andere 163Q
ins Amt getreten. Kretschmer schied aus demselben schon 1671, lebte aber noch bis 167Q,
erwarb noch den Adel und bahnte so seinem Sohne Gottfried den Eintritt ins Ratskollegium
an, sein Kollege Hoffmann war bescheidenerer Art, diente bis 1681 und starb 1683 hoch-
betagt. Auch sie hatten beide juristische Studien gemacht, doch waren sie nicht Doktoren
wie die Syndici, hatten auch nicht das grosse Ansehen wie diese.
Das also sind die Bilder des Breslauer Rats mit vollem Zubehör vom Jahre 1667.
Fragen wir nach dem künstlerischen Urheber derselben, so nennt er sich selbst Georg Schultz
(Schultz). Er war in Breslau 1622 geboren und starb am 26. Mai 1677. Er war haupt-
sächlich Porträtmaler und wollte diese Malerei als freie Kunst betreiben, kam jedoch
darüber in Konflikt mit der Malerinnung und entschloss sich deshalb in diese einzutreten.
Der oben erwähnte Syndikus Andreas Assig erzählt von ihm in seinen Kollektaneen
folgende Geschichte: Ein Fleischhauer Balthasar Scholtz kam zwei Jahre nach dem Tode
seiner Frau zu dem Maler und verlangte von ihm ein Bild der Verstorbenen; Mütze, Schaube,
Jupe, Rock, silbernen Gürtel und Fingerlein derselben hatte er mitgebracht. Der Künstler
verlangte nun ein Porträt der Frau zu sehen, der Fleischer meinte jedoch, auf das Gesicht
komme es nicht an, wenn nur die Mütze u. s. w. recht schön gemalt sei. Der Kunst-
historiker Alwin Schultz, dessen Untersuchungen zur Geschichte der schlesischen Maler
diese Angaben entnommen sind, urteilt über die künstlerischen Leistungen seines Namens-
vetters sehr scharf; er nennt ihn einen vollendeten Stümper, der zumal mit der Farbe
97
nicht Bescheid wusste. Wenn diese harte Kritik auch nicht für alle Porträts gleichmässig
zutrifft, so ist doch in der That den Bildern nur ein geringer Kunstwert beizumessen. Wer
aber hat die Bilder bestellt? im Eingang habe ich gesagt, dass sie sich als Vorarbeiten
zu dem grossen Gemälde der Ratssitzung in der ehemaligen Rentkammer, dem jetzigen
Oberbürgermeisterzimmer darstellten. Obwohl dies richtig ist, scheinen sie zunächst doch
nicht zu diesem Zwecke gemalt worden zu sein, sondern dazu, für ein Prachtwerk über
Breslau in Kupfer gestochen zu werden, nämlich für Oermanus Vratislaviae decor, consistens
in palatinis et palatiis utrobique magnificis, quem stylo artificis Phidiaco et filo poetae
Pythico -/.aoouvxii'.v adumbratum ad patres patriae Maecenatesque verendos officiosissime
amandat Georgius Schöbel J. U. C. Vratislaviae in haeredum Baumanniorum typographia
exprimebat Joh. Christoph Jacobi. Anno MDCLXVII. In grossfolio.
Der Herausgeber dieses Buches Georg Schöbel war ein junger Mann von 27 Jahren
aus einer reichen, aber keineswegs senatorischen Familie Breslaus. Er hatte erst in Leipzig,
dann in Leiden und zuletzt in Padua historischen und juristischen Studien obgelegen und
dazwischen weite Reisen gemacht, deren eine ihn bis nach Island führte. Schon 1665
hatte er in Leipzig einen Band Flores ex C. Corn. Taciti horto nova methodo decerpti
herausgegeben, ein Buch im Geschmacke der Zeit, die sich viel mit Staatslehre und
Regentenkunst beschäftigte und die gelegentlichen Äusserungen des Tacitus darüber eifrig
kommentierte. Späterhin, im Jahre 1672, Hess er eine panegyrische Geschichte des habs-
burgisch-österreichischen Herrscherhauses mit den Bildern der Regenten in Kupferstich er-
scheinen, unter dem Titel: Sinn-reiche Reden und Merkwürdige Thaten der funffzehen
Römischen Kayser auss dem Höchst-löblich- und Glorwürdigsten Ertz-Hause Oesterreich
u. s. w., Breslau, J. Baumann, von andern Kleinigkeiten zu geschweigen.
Für den Germanus Vratislaviae decor liess er die hier vorliegenden 23 Porträts von
Philipp Kilian, einem Mitgliede der bekannten Augsburger Künstlerfamilie und Sohn
Wolfgangs (1628 16Q3), in Kupfer stechen. Dieser Künstler, der hauptsächlich in Porträts
gearbeitet hat, hat seine Aufgabe mit Geschick bewältigt; wir können Alwin Schultz
nicht Unrecht geben, wenn er sagt, es sei sein Verdienst, wenn die gestochenen Porträts
nach mehr aussehen als die gemalten. Wie der Augenschein lehrt, sind sowohl die ge-
malten Vorlagen wie die Kupferplatten noch vorhanden. Sie waren allerdings auf jetzt
nicht mehr festzustellende Weise von Breslau weg nach Leipzig gekommen, wurden aber
von einem dortigen Kaufmann Wenzel Buhl, der ein geborener Breslauer war, entdeckt,
angekauft und der Vaterstadt zum Geschenk gemacht, worauf sie der Rat unter dem
15. Februar 1680 der Rehdigerschen Bibliothek überwies. Dort haben sie, in einem be-
sonderen Schränkchen wohl verwahrt, über 2 Jahrhunderte lang ein selten gestörtes
ruhiges Dasein geführt, bis sie in jüngster Zeit von der Stadtbibliothek dem neuen Kunst-
gewerbemuseum überwiesen worden sind.
Schöbeis Werk hat ausser diesen Bildnissen noch einen sehr wertvollen künstlerischen
Schnuick. Es wird mit einem grösseren Blatte eröffnet, das in der Mitte einen Prospekt
von Breslau und darüber und darunter das Rathaus, die kaiserliche Burg, das Elisabet-
13
98
gymnasiiim, die Magdalenenbibliothek und die beiden Zeughäuser am Sandtiior und
Nii<oiaitlior darstellt. Namentlich das Bild der Burg (Burgus) ist als das einzige, das
wir von ihr besitzen, von grösster Wichtigkeit. Das Blatt ist von einem wenig bekannten
Künstler Nikolaus Häublein in Leipzig gestochen und trägt die Jahreszahl 1668, ist also
erst später dem Buche zugefügt worden. Dasselbe scheint auch mit dem Texte der Fall
zu sein, da er mit einer poetischen Beschreibung des hihalts eben des ersten Blatts in
Akrostichen beginnt. Diese Akrostichen samt den unter den einzelnen Porträts stehenden,
teilweis nicht üblen Versen sind wohl Schöbel selbst zuzuschreiben, den grössten Teil
des Textes nimmt jedoch Vratislavia urbs Augusta, caput Silesiae, heroico carmine decantata
ab Henrico Mühlpfordt, also eine poetische Beschreibung Breslaus ein von einem
der begabteren schlesischen Dichter jener Zeit, den freilich die häusliche Not zur Massen-
produktion in deutscher wie in lateinischer Sprache verführte. In mehr als 1200 hoch-
trabenden Hexametern besingt er erst die Geschichte Breslaus und wendet sich dann einer
ausführlichen, aber wenig anschaulichen Beschreibung der Innern Stadt zu, zuerst des Rat-
hauses, dann der Kirchen, Bibliotheken und Schulen, der Hospitäler und Klöster, der Burg,
der Zeug- und Kornhäuser, der Wasserkünste, der Münze; dann folgen auch die Vorstädte,
die Oder und Ohiau und die Umgegend, der Handel und die Gewerbe, namentlich die
Bierbrauerei, und endlich die Bewohner, deren Sitten, Begabung und poetische Leistungen in
den Himmel gehoben werden, bis endlich dem Dichter den letzten Rest seiner Begeisterung
die Frauen entlocken. Es ist doch gut, dass sich die Versmacherei seit der Zeit in
Schlesien etwas gelegt hat. Die Sprache schwankt meistens nur zwischen Gemeinplätzen
und verstiegenen Bildern hin und her.
Unzweifelhaft hat sich der junge Schöbel in der Herausgabe des Werkes als ein
Mäcen bewiesen, wie sie Breslau nicht gar viele gehabt hat. Ob ihn die reine Liebe zur
Vaterstadt und zur Kunst dabei geleitet hat, oder ob er sich den Weg in den Rat hat
bahnen wollen, wer will es behaupten? Gelungen ist ihm das Letztere nicht, man schuf
nur für ihn die Stelle eines Inspektors der städtischen Bibliotheken. Doch entschädigte
ihn Fortuna anderweitig. Er wurde 166Q Mitglied der fruchtbringenden Gesellschaft und
kam dadurch in Verbindung mit deren Direktor Herzog August von Sachsen, Administrator
des Erzstifts Magdeburg. So erlangte er 1672 und 1674 zwei Kanonikate daselbst und
siedelte dorthin über. Vorher war er schon mit dem Prädikat von Schöbel und Rosen-
feld geadelt worden, hatte den Titel eines kaiserlichen F-^ats und für die erwähnten „Sinn-
Reichen Reden" u. s. w. die Gnadenkette mit dem Bildnis Leopolds erhalten. Alle diese
Ehren vermochten den kränklichen Körper nicht zu kräftigen, er ward schon mit 40 Jahren
eine Beute des Todes.
Um nun noch einmal zu dem Maler der vorliegenden l'orträts zurückzukehren, so
erwähnt sein Kritiker Alwin Schultz unter seinen Werken auch das grosse Gemälde der
Ratssitzung in der ehemaligen Rentkammer, dem jetzigen Oberbürgermeisterzimmer des
Rathauses, wo es die ganze Schildbogenfläche der dem Eingang gegenüberliegenden Wand
des gewölbten f^aumes einnimmt. Er datiert es aber irrtümlich von 1688, wo doch der
99
Maler schon 11 Jahre tot war, und übersieht darüber den Zusammenhang mit der hier
beschriebenen Reihe von Porträts. Das Gemälde datiert von 1668. Da vor seiner Her-
stellung im Januar 1668 Heinrich Marx von Pein starb und durch seinen Bruder Sigis-
mund Reinhard ersetzt wurde, so ändern sich die Porträts um eines; auch die Anordnung
wird eine etwas andere, da Sigismund Reinhard den letzten Platz unter den patrizischen
Schoppen einnimmt, während sein älterer Bruder schon einige Stellen vorgerückt war.
Sonst bleibt Alles beim Alten. Das Gemälde hat eine Breite von 6 Metern und ist offenbar
für die Stelle, an der es noch jetzt hängt, von Anfang an bestimmt gewesen, wie seine
der Wand angepasste Form erkennen lässt. im ganzen ist es schon sehr nachgedunkelt,
und da es nicht besonders gute Beleuchtung hat, treten nur die Köpfe der in der MittJ
am Ratstische sitzenden Personen dem Beschauer deutlicher entgegen.
Um das Arrangement einer Plenarsitzung des Rats zu erkennen braucht es dieses
grossen Gemäldes nicht, dazu genügt die auch schon im Eingang erwähnte kleinere Skizze "
die allerdings die Jahreszahl 1659 trägt. Das Lokal ist die alte dreifenstrige, mit prächtigem'
Intarsiagetäfel geschmückte Ratsstube, jetzt Sitzungszimmer Nr. 1, hinter der Rathausdiener-
stube. In ihrer nördlichen Ecke steht der Ratstisch mit seinen 8 Beisitzern, an der Nordwand
nach dem Ofen zu erblickt man die lange Bank mit 7, zur andern Seite des Tisches am
mittleren Fenster die kurze Bank mit 4 Schoppen, alle Hut und Handschuh auf den Knieen
haltend. Den Schluss bildet der kleinere Tisch in der südlichen Ecke, an dem die 2 Syndici
und 2 Secretarii sitzen. Sehr geräumig war die Ratsstube für so viel Menschen keineswegs
indes hat sie den Vorfahren ein halbes Jahrtausend lang in guten und bösen Tageri
genügt. Erst der grosse innere Umbau des Rathauses in den fünfziger und sechziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts hat zur Verlegung der Plenarsitzungen des Magistrats
gefuhrt und damit diesem Räume seine alte Bedeutung genommen. Noch am 26. No-
vember 1857 hatte der damals längere Zeit in Breslau residierende Kronprinz Friedrich
Wilhelm einer Ratssitzung darin beigewohnt.
Hermann Markijraf
13*
100
EIN VOTIVBILD DES 15. JAHRHUNDERTS
Im Schlesisclien Museum für Kunstgewerbe und Altertümer befindet sich das Votiv-
biid eines hl. Hieronymus mit Donatorengruppe, welches an sich von geringer künstlerischer
Bedeutung, doch dadurch ein gewisses Interesse für sich beansprucht, dass es in Kom-
position und Malweise starke niederländische Einflüsse verrät und deshalb auf künstlerische
Wechselbeziehungen zwischen Schlesien und den Niederlanden im 15. Jahrhundert schliessen
lässt. Das Bild, das der Lichtdruck auf Tafel IX wiedergiebt, ist auf Eichenholz gemalt, 0,87 m
hoch und 1,13 m breit, stammt aus dem 1307 gegründeten Klarenstifte zu Ologau und kam
nach dessen Auflösung 1810 zunächst in den Besitz der ehemaligen königlichen Altertums-
sammlung, später in den des Museums schlesischer Altertümer und aus diesem schliesslich
an seinen jetzigen Platz. Wann es in den Besitz des Klarenstiftes gelangte, ist nicht nachweis-
bar, wahrscheinlich ist es vom Donator gleich ursprünglich für das Stift bestimmt worden.
Dargestellt ist der hl. Hieronymus in knieender Stellung, bekleidet mit dem Büssergewande,
umgeben von seinen Attributen, dem Löwen, dem Kardinalshut und dem Pedum rectum,
rechts ihm gegenüber, gleichfalls knieend, der Donator des Bildes in blauem rotgefütterten
Mantel mit seinem Sohn, zu Füssen seinen Wappenschild'), zwischen den gefalteten Händen
eine Bandrolle, die in ihrer Aufschrift: Me tecum in celis Hieronyme conservare velis
den Inhalt seines Gebetes zu dem Heiligen mitteilt. Im Hintergrund erblickt man den in
den Lüften auf einem Regenbogen thronenden Weltenrichter, an dessen beiden Seiten
Engel mit Trompeten schweben. Unten in der Landschaft entsteigen die Toten ihren
Gräbern und rechts öffnet sich der Höllenschlund, in den Teufel die Verdammten hinein-
zerren. Der ganze Vorgang spielt sich in einer weiten Landschaft ab, die sich in sanften
Matten gegen das im Hintergrund sichtbar werdende Meer absenkt.
Niederländischer Einfluss in dem Bilde verrät sich vor allem, wie ich noch aus-
führen werde, in dem Charakter und der Anlage der Landschaft. Er zeigt sich aber auch
in gewissen technischen Eigentümlichkeiten und in der Formengebung im einzelnen. So
ist die Gestalt der Bäume und Sträucher und die Struktur des Blattwerks ganz nieder-
ländisch, ja sie deutet speziell auf holländischen Einfluss hin. So erinnert die breite
technische Behandlung der figürlichen und tierischen Staffage in der Landschaft, die Art,
die Figuren mit einigen breiten Strichen direkt auf den landschaftlichen Hintergrund auf-
zusetzen, an die Malweise des Hieronymus Bosch. Die Haltung der Hauptfiguren dagegen,
') Da von Herrn Direktor Roelil die Veiniutung ausgesprochen wurde, dass das Wappen polniscli
sei, haben wir die Herren Matechi in Lemberg und l'iekosihski in Krakau gebeten, sich darüber zu äussern.
Beide erklärten, es nicht näher bestimmen zu können, Piekosinski hält es für unstreitig polnisch und für
eine Variante des Wappens Ostoja, das von dem Stammgesclilechtc Strzegoniim lu'rriihrt. Dieses ("jcsclilccht
hatte seinen Stammsitz in Schlesien auf der Burg Stiiegan. Die Redaktion
101
die Darstellung des Heiligen mit einem scheibenförmigen goldenen Heiligenschein und das
Vorkommen einer Bandroile weisen mehr auf deutschen Ursprung hin. Jedenfalls haben
wir es also mit einem Meister zu thun, der, wenn auch vermutlich deutschen Ursprungs,
der Anlage des Bildes und insbesondere der Auffassung und dem Charakter der Land-
schaft nacli zu schliessen, vollständig von der niederländischen Kunst beeinflusst ist.
Die Anhaltspunkte für die Datierung des Bildes liefern zunächst die Kostüme des
Donators und dessen Sohnes, nach denen seine Entstehung gegen das Ende des 15. Jahr-
hunderts fällt. Bestätigt wird dies durch die bevorzugte Stellung, die die Figur noch in
der Landschaft einnimmt, sowie dadurch, dass hier zeitlich weit auseinanderliegende Vor-
gänge räumlich mit einander vereinigt werden.
Im Breslauer Hieronymus-Bilde sowie in den meisten bildlichen Darstellungen des
15. Jahrhunderts, in denen auch landschaftliche Gegenstände behandelt werden, ist der
Figur eine bevorzugte Stellung auf einem besonderen, von den landschaftlichen Hinter-
gründen deutlich abgegrenzten Vordergrund- Podium eingeräumt und es steht ihre Grösse in
keinem Verhältnis zu den sie umgebenden Raummotiven. Auch die Nebenfiguren, denen
ein Platz im Vordergrund nicht angewiesen ist, stehen insofern ausserhalb des räumlichen
Verbandes ihrer Umgebung, als sie sich dieser nicht anpassen, sondern sich ausschliesslich
nach dem figürlichen Hauptvorgang richten. Der Grund dieser Erscheinung liegt in der
religiösen Richtung der Kunst des 15. Jahrhunderts. Da die Tafelbilder mit Ausnahme
der Porträts fast ausschliesslich für Kirchen und Kapellen bestimmt waren, musste auf
den religiösen Gegenstand das Hauptgewicht gelegt werden, während die Landschaften
nur als Hintergrund oder zur Charakterisierung des Schauplatzes dienten. Auf diese
Unabhängigkeit der figürlichen Darstellung von der räumlichen ist auch die Erscheinung
zurückzuführen, dass figürliche Vorgänge, die zeitlich auseinanderliegen, mit einander auf
einem landschaftlichen Schauplatz vereinigt werden. So sind in dem Hieronymusbild der
Heilige in zwei verschiedenen Situationen und die Darstellung des jüngsten Gerichts in
einer Landschaft räumlich mit einander verbunden.
Schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts ') bildet sich ein Typus von Figuren heraus,
die mit dem Gegenstande der Darstellung nichts zu thun haben, sondern nur dazu dienen,
die Landschaft zu beleben, die also im wahren Sinne des Wortes Staffage sind. Aber
auch die mit dem figürlichen Vorgang im Zusammenhang stehenden Figuren nehmen im
Laufe dieser Epoche immer mehr diesen Charakter an, bis endlich im Anfang des 16. Jahr-
hunderts in den ausgebildeten Landschaften auch die Hauptfiguren zur Staffage werden.-)
Selbstverständlich trifft dies nur bei denjenigen Schulzweigen zu, die ihre Aufmerksamkeit
besonders der Pflege des Landschaftsfaches zuwenden und die in dieser Hinsicht als
Vorgänger der eigentlichen Landschaftsmaler gelten können, in der Figurenmalerei bleibt
die Landschaft immer Nebensache. Auch in unserem Bild lassen sich diese beiden Figuren-
•) MaJoiiiia mit Kanzler Rollin im Louvre.
-) Hendrik Bles: der Barmherzige Samariter. Oem.-S. des allerhöchsten Kaiserhauses Nr. 672.
102
Typen unterscheiden und die mit den Hauptpersonen im Zusammenhang stehenden
Figuren in den landschaftlichen Gründen sind bereits vollständig in der umgebenden
Landschaft aufgegangen.
Wie weit jedoch die Abhängigkeit der letzteren von der figürlichen Darstellung hier
noch geht, das ergiebt sich daraus, dass die Landschaft entsprechend der Anordnung der
beiden Hauptfiguren in zwei von einander verscliiedene Hälften zerfällt. Die linke Seite hinter
dem hl. Hieronymus stellt eine von schroffen Felszacken eingerahmte Wildnis dar, in welcher
sich Löwen, Füchse, Hirsche und anderes wildes Getier herumtummeln, die rechte Seite
hinter dem Donator dagegen zeigt uns sanftes, mit Bäumen bestandenes, von Grashügeln
eingefasstes Wiesenland, auf dem Schafe weiden und in dessen Hintergrund man eine
vieltürmige Stadt erblickt. Es liegt nahe, diese Verschiedenheit im Charakter der beiden
Landschaftshälften in Zusammenhang mit den beiden Personen zu bringen, denen sie als
Hintergrund dienen, insbesondere da in dem wilden Charakter der Landschaft hinter dem
Heiligen ein deutlicher Hinweis auf dessen Leben in der Wüste liegt.') Dementsprechend
würde die Landschaft rechts mit der Stadt und freundlichem Wiesenland als Hindeutung
auf das Leben und die Heimat des Donators aufzufassen sein.
Wie schon erwähnt, verrät die Landschaft unseres Bildes niederländische Einflüsse.
Sie ist in dieser Beziehung typisch für die niederländischen Landschaftskompositionen des
15. Jahrhunderts, als deren hauptsächliche Merkmale ich hier zunächst die Anwendung eines
hohen Augenpunktes, die weite Aussicht und die starke Überhöhung der Horizontlinie
anführen will. Diese Art, eine Landschaft von einem hohen Standpunkte aus darzu-
stellen, der meist auf dem erhöhten figürlichen Vordergrund-Podium gedacht ist, hat ihren
Grund in dem eigentümlichen Gemisch von mittelalterlicher und moderner perspektivischer
Raumdarstellung, das in der Landschaftsmalerei des 15. und zum Teil auch des 16. Jahr-
hunderts herrscht. Durch die Wiederentdeckung der Gesetze der Linearperspektive wurden
die Künstler des beginnenden 15. Jahrhunderts in den Stand gesetzt, den Raum unter
Annahme eines bestimmten Augenpunktes so zu konstruieren, dass er auch auf der Bild-
tafel den Eindruck der Tiefe machte. An der mittelalterlichen Art, räumliche Gebilde in
einer Art Vogelperspektive darzustellen, wurde aber dabei noch festgehalten, nur suchte
man dieselbe jetzt in perspektivische Formen zu kleiden. Die niederländische Landschafts-
malerei dieser Epoche löst dieses Problem auf zwei Arten:
Die eine, die ihrer Entstehung nach wohl früher und noch ganz im Banne der
mittelalterlichen Tradition befangen ist, wird durch die landschaftlichen Darstellungen des
Genter Altars und durch die beiden dem Geertgen v. Haarlem zugeschriebenen Bilder in
der Wiener Galerie veranschaulicht. Das figürliche Vordergrund -Podium, welches als
Standpunkt des Beschauers gedacht ist, liegt hier tief und die landschaftlichen Hinter-
gründe steigen an mehr oder minder steilen Böschungen nach rückwärts zu omi3or. Das
räumliche Übereinander der Gründe ist also hier dadurch perspektivisch erklärt, dass der
1) Die Wüste wird in der iiiederländisclien Kunst immer als Fels- oder Waldvvildiiis aiifscfasst.
103
Standpunkt des Beschauers am Fuss eines Bertrabhangs gedacht ist, an dessen Flanken
sicli die ganze Landschaft terrassenförmig aufbaut. Die andere in der Raumgestaltung
vorgeschrittenere Art nimmt für den Beschauer einen hohen Standpunkt auf dem figür-
lichen Vordergrund-Podium an, von dem aus sich ein weiter Blick über die Landschaft
eröffnet.
Dieser Landschaftstypus, dem auch das Breslauer Bild angehört, fand im Laufe des
15. Jahrhunderts in der Landschaftsmalerei die weiteste Verbreitung und ist im 16. Jahr-
hundert sogar der fast ausschliesslich herrschende. Doch halten die Holländer an der
ersteren Darstellungsweise bis ins 16. Jahrhundert fest, wie die genannten Bildertafeln des
Geerigen v. Haarlem beweisen, die nach den Kostümen zu schliessen, nicht vor 1500
entstanden sein können.
Bedeutet die Wahl eines hohen Augenpunktes für die Darstellung der Landschaften
auch einen merklichen Fortschritt, indem erst durch sie eine freie Raumenlfaltung ermöglicht
wird, so ist der Einfluss der mittelalterlichen Tradition damit doch noch nicht vollständig
überwunden. Schon bei einer flüchtigen Betrachtung unseres Bildes bemerkt man, dass
der für die Landschaft angenommene Augenpunkt nur ein fingierter ist und mit dem
perspektivischen Raumbild, welches diese darbietet, nicht im Einklänge steht. Im Ver-
hältnis zu seiner Höhe sind die landschaftlichen Hintergründe viel zu stark in der Auf-
sicht dargestellt und steigen nach perspektivischen Gesetzen gegen den Horizont viel zu
steil an. Die Horizontlinie, die in der Augenhöhe der beiden Hauptfiguren liegen sollte,
zieht sich hoch über deren Köpfen hin, für den Himmel nur einen schmalen Streifen
übrig lassend, so dass das Land % der gesamten Bildhöhe einnimmt.') Der Grund
dieser Erscheinung, die sich in den meisten niederländischen Landschaften des 15. und
16. Jahrhunderts wiederfindet, lässt sich darauf zurückführen, dass die Einflüsse der mittel-
alterlichen Raumdarstellung noch zu mächtig und die Gesetze der Perspektive den
Künstlern dieser Epoche noch zu wenig in Fleisch und Blut übergegangen waren, als
dass sie vermocht hätten, den angenommenen Augenpunkt im ganzen perspektivischen
Raum beizubehalten. Dieses Missverhältnis zeigt sich ganz besonders bei der Wiedergabe
perspektivischer Ebenen, welche ohne Rücksicht auf den fingierten Augenpunkt ganz nach
mittelalterlicher Art fast ohne perspektivische Verkürzungen in der Frontalansicht dar-
gestellt wurden. Um diesem perspektivischen Mangel abzuhelfen, zerlegte man das Terrain
in einzelne horizontal über einander liegende Stufen oder Gründe, die dadurch, dass sie
einander überschneiden und Profile schaffen, die sich gegen einander abheben, hori-
zontale Fluchtlinien bilden und die Landschaft vertiefen. Die Überschneidung ist also in
dieser Epoche das gebräuchlichste Mittel zur Vertiefung einer Ebene. Die Anfänge dieser
Gründe, die ich hier zum Unterschiede von den luftperspektivischen, linearperspektivische
nennen will, gehen auf jene Darstellungen zurück, auf welchen Vorgänge, die sich räumlich
I) Bei Hendrik Ries stellt sich das Verhältnis von Land zu Luft wie 3: 1, bei einem der holländischen
Naturalisten des 17. Jahiluiiiderts: Simon de V'lieger wie 1 : 4.
104
hinter einander abspielen, in Streifen räumlich über einander angeordnet werden. Diese
Zerlegung des Raumes ist schon in der altägyptischen Reiiefkunst sehr gebräuchlich, wir
begegnen ihr in der griechischen und römischen Kunst, wir finden sie in den Miniaturen
der Wiener Genesis wieder und auch die Relief- und Buchkunst des Mittelalters hat
zahlreiche Beispiele dieser Darstellungsart aufzuweisen.')
Sehr deutlich zeigt sich dieser Ursprung der Gründe noch auf einem der beiden
bereits citierten Tafelbilder des Geertgen v. Haarlem, in welchem die einzelnen Episoden der
Beisetzung, Auffindung und Vernichtung der Gebeine Johannes des Täufers auf stufen-
förmig über einander angeordneten Streifen dargestellt sind. Im Laufe des 15. Jahrhunderts
verwischt sich diese Gliederung der Landschaft in linearperspektivische Zonen und wird
teils durch die seitlich vorspringende Kulisse, teils durch die luftperspektivischen Gründe
ersetzt, die gegen das Ende dieser Kunstperiode immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Schon im 15. Jahrhundert zeigen sich die Unterschiede zwischen der Naturauffassung
der holländischen und der vlämischen Schulen in der Beobachtung der Wirkungen der
Luftperspektive. Erstere schenken denselben in ihren frühen Landschaften zunächst
geringere Beachtung. Besonders die auffallende und abtönende Wirkung der Luft-
schichten bleibt noch fast unberücksichtigt, dagegen wird der farbliche Einfluss der
Atmosphäre auf die landschaftlichen Hintergründe, das Abblauen der Landschaft, dadurch
zum Ausdruck gebracht, dass die äussersten, den Hintergrund abschliessenden Höhenzüge
einen zarten blauen Ton erhalten. Dieser schmale Streifen am Horizont verwandelt sich
besonders unter dem Einfluss der ersten Landschafter in eine breite blaue Zone, welche
den ganzen Hintergrund einnimmt, während Vorder- und Mittelgrund farblich noch ein
Ganzes bilden. Doch schon in den Landschaften des Joachim Patinier machen sich auch
hier Tonunterschiede bemerkbar. Der Vordergrund nimmt eine etwas dunklere mehr ins
Bräunliche gehende Färbung an, während die Vegetation des Mittelgrundes ihren hellen
grünen Ton behält. Auf den Bildern des Hendrik Bles prägt sich dieser Tonunterschied
immer stärker aus: die anfänglich nur schwach angedeutete dunklere Tonfärbung nimmt
an Tiefe zu und geht in ein ausgesprochenes Braun über, während das Grün des Mittel-
grundes immer stärker hervortritt.-) Diese sogenannten drei Töne, die in den Landschaften
des Hendrik Bles noch in den Anfangsstadien der Entwicklung stehen, kommen in der
vlämischen Malerei erst gegen das Ende des 16. Jahrhunderts zur vollen Ausbildung und
erreichen in den Landschaften Joos de Mompers den Höhepunkt. Die farblichen Unter-
schiede zwischen den einzelnen landschaftlichen Motiven, die auf den früheren Entwicklungs-
stufen im Vorder- und Mittelgrunde noch deutlich zum Ausdruck kamen, ordnen sich nun
ganz dem Grundton unter und es bleibt für die Farbe eines Objektes ausschliesslich die
Farbe des Grundes massgebend, in dem es liegt. Weit früher als die Vlamen wenden
1) Kämmerer, Die Landschaft in der deutschen Kunst p. 25 - 26.
-) Auf dieser Entwicklungsstufe stehen die Bilder des Hendrik Bles in der Dresdener Galerle No. 806
die kleine Landschaft mit den Walzwerken in der Oalerie Liechtenstein.
ü-
<
3
O
3
I-
105
die Holländer ihre Aufmerksamkeit dem Einfluss der Atmosphäre auf Licht und Farbe
der Landschaft zu. Die Gliederung in drei farblich verschiedene Zonen findet sich schon
in einzelnen Bildern des Dierk Bouts') und begegnet uns bereits vollkommen ausgebildet
in den Werken Jan Scorels. Neben dieser Richtung, die den farblichen Einfluss der
Atmosphäre auf die Landschaft hervorhebt, bildet sich in Holland gegen das Ende des
15. Jahrhunderts eine andere aus, die den Einfluss derselben auf die Verteilung des Lichts
und insbesondere ihre auffallende Wirkung in den landschaftlichen Hintergründen betont.
Sie wird hauptsächlich durch zwei Meister holländischen Ursprungs Hieronymus Bosch und
Pieter Breughel d. ä. vertreten und erreicht den Höhepunkt ihrer Entwicklung in der
holländischen Stimmungsmalerei des 17. Jahrhunderts.
Als Vertreter der ersten Richtung ist der Meister des Breslauer Bildes anzusehen.
Die luftperspektivischen Gründe sind hier zwar wenig konsequent durchgeführt und
die rechte Seite des Bildes zeigt eine ganz andere Farbenabtönung als die linke, dennoch
kann man der Hauptsache nach zwei Zonen unterscheiden, eine breite gelblich grüne, die
den Vorder- und Mittelgrund umfasst, und eine schmale blaue Hinfergrundzone. Die
Lokalfarben der einzelnen Objekte bleiben bis in den Hintergrund deutlich erkennbar und
ordnen sich nur in den hintersten Partien der Landschaft dem Grundton unter. Alles
dies würde darauf hindeuten, dass in dem genannten Bilde das System der zwei Gründe
das herrschende ist. Die Thatsache aber, dass die Felsenkulissen, die die Landschaft auf
der linken Seite einrahmen, erst eine dunkelbraune, dann eine graublaue und endlich eine
intensiv dunkelblaue Färbung annehmen, lässt auf eine allerdings missverstandene An-
wendung der drei Töne schliessen und legt in Anbetracht der frühen Entstehungszeit des
Bildes die Vermutung nahe, dass es unter dem Einfluss der holländischen Dreiton-
malerei des 15. Jahrhunderts entstanden sei.
Vergleicht man eine Landschaft des Joachim Patinier, Hendrik Bles oder eines ver-
wandten Meislers mit der eines holländischen Naturalisten des 17. Jahrhunderts, so wird
einem besonders der Überreichtum der crsteren an Landschaftsmotiven auffallen, der
im schroffen Gegensatz zu der Schlichtheit im Aufbau und der Sparsamkeit im Motiven-
aufwand steht, welche die Landschaften der letzteren auszeichnen. Der Hang gewisser
Meister des 15. und 16. Jahrhunderts, ihre Landschaften mit Motiven und Details zu über-
füllen, wie sie weder der Zahl noch der Art nach in der Natur neben einander vorkommen,
zeigt sich auch im Breslauer Hieronymus-Bild. Wiesen, Wälder, Gebirge und Hügel, eine
vieltürmige Stadt, Dörfer, Landhäuser und schliesslich ein weites Fjordartig gebildetes
Meer, kurz der ganze landschaftliche Motivenvorrat der Meister des 15. Jahrhunderts kommt
darauf zur Verwendung.
Die Ursache dieser Erscheinung ist darin zu suchen, dass das landschaftliche
Einzelmotiv in den Bildern des 15. Jahrhunderts eine ganz andere Rolle spielt als in den
Landschaften des 17. Jahrhunderts. Es behält im Sinne der mittelalterlichen Raumkunst,
') Känimcror, Die Laiuiscliaft in der deutschen Kunst, p. 56, Anni. 3.
106
in der landschaftliche Schauplätze häufig nur durch eini.t^e wenige landschaftliche Motive,
einen Baum, einen Felsen, einen Busch und dergleichen angedeutet werden, den Charakter
des den Schauplatz oder Raum andeutenden Motivs bei. Am deutlichsten zeigt sich dies
in den figürlichen Vordergründen, deren landschaftlicher Charakter meist durch eines der
genannten Motive zum Ausdruck gebracht wird. So stellt Joachim Patinier in seine
Vordergründe einen entlaubten Baum, oder gestaltet sie als Felsstufen, die ihren felsigen
Abbruch dem Beschauer zukehren. Die schauplatzandeutende Funktion des Einzelmotivs
zeigt sich auch im Breslauer Hieronymus-Bild, wo die weiten grünen Matten, die fast den
ganzen Vorder- und Mittelgrund des Bildes einnehmen, durcii einige ganz vorn angebrachte
Wiesenblumen als blumige Wiesen gekennzeichnet werden.
Die gleiche Bedeutung behält das Motiv teilweise auch in den weiträumigen Hinter-
gründen der Landschaften des 15. und 16. Jahrhunderts So wird das Dorf durch einige
Bauernhäuser angedeutet, der Bach, der nur in einem Teile seines Laufes dargestellt wird,
verschwindet dann plötzlich, um andern Motiven Platz zu machen, und das Meer wird als
Fjord oder See gebildet. Aber in den Hintergründen tritt die raumandeutende Funktion
des Motivs stärker hervor, d. ii. also die Weite des Raumes, die Ausdehnung der Land-
schaft, wird durch die Menge und Mannigfaltigkeit der Motive zum Ausdruck gebracht,
die sich darin zusammendrängen.
Um die Weiträumigkeit ihrer Landschaften zu veranschaulichen, vereinigen die Meister
des 15. und 16. Jahrhunderts darin alles was in der Natur nur auf weite Länderstrecken
verteilt ist. Wie das Einzelmotiv in der mittelalterlichen Kunst Repräsentant der Land-
schaft war, so ist die Landschaft jetzt Repräsentantin der Natur in ihrer ganzen Viel-
gestaltigkeit und ihrem Formenreichtum.
ich habe hier den Versuch gemacht, an der Hand des Breslauer Hieronymus-Bildes
die typischen Eigentümlichkeiten der niederländischen Landschaftsbilder des 15. Jahrhunderts
und deren Entstehung in kurzen Zügen darzulegen. Es würde zu weit führen, wenn ich
an dieser Stelle die Entwicklung Stufe für Stufe auf Grund des vorhandenen Materials
verfolgen oder auf den Charakter der Einzelmotive und deren Entwicklungsstadium in
dem genannten Bilde eingehen wollte. Diesbezüglich verweise ich auf mein im Erscheinen
begriffenes Werk über die Entwicklung der niederländischen Landschaftsmalerei.
Dresden Fortunat von Schubert- Soldern
107
FABIAN WITSCH
EIN BRESLAUER GOLDSCHMIED DER SPÄTRENAISSANCE
Der schlesischen Renaissance eigentümlich ist das Fehlen jeder grösseren Künstler-
persönlichkeit, ganz im Gegensatz zu der glänzenden Reihe hochbedeiitender Erscheinungen,
von denen das ungemein reich und tief bewegte geistige Leben Schlesiens und besonders
Breslaus in dieser Zeitepoche getragen wird, und in direktem Widerspruch mit der That-
sache, dass hier nicht weniger als anderswo alle Bedingungen zu einer glücklichen und
gedeihlichen Entfaltung der Kunst in reichstem Masse vorhanden gewesen sind. Erscheint
sonst das damalige Breslau, auf welches wir hier vorzugsweise unsere Blicke richten, als
ein Hauptsitz des Humanismus, der weit über die Grenzen Schlesiens hinaus berühmt ist
und selbst von einem Melanchthon als „aristokratische" Stadt gepriesen wird, so weist es
in dieser Hinsicht in seinem Kulturbilde entschieden eine Lücke auf, die gerade in diesem
künstlerischsten aller Zeitalter ganz besonders auffallen muss und im Verein mit dem
gleichzeitigen Fehlen einer entwickelten heimischen Dichtkunst leicht auf den ersten Blick
zu einer ungünstigen Beurteilung Breslaus für die Zeit der Renaissance verleiten könnte.
Aber diese Lücke schiiesst sich sofort, wenn wir das Kunsthandwerk in den Kreis
unserer Betrachtung ziehen. Denn der eigentliche, ja fast ausschliessliche Träger der
schlesischen Renaissance ist, abgesehen von der Baukunst — wie auch später im 18. Jahr-
hundert wieder — das Handwerk gewesen; dies hängt zusammen mit einer grossen,
wichtigen Entwicklungsfrage der deutschen Kunst überhaupt. Wie ich an anderem Orte
ausgeführt habe (Der Skulpturencyklus in der Vorhalle des Freiburger Münsters und seine
Stellung in der IMastik des Oberrheins, p. 168 ff. 227 f. u. passim) fällt nämlich vom
14. Jahrhundert an die Kunst in Deutschland unter das Handwerk, wird dann mit
diesem in der Zunft unlöslich verbunden und kann sich erst mühsam wieder in stetem
Kampfe persönlicher Oestaltungsfähigkeit aus deren nachwirkenden Schranken befreien.
So tragen denn auch unsere Renaissancemeister zum überwiegenden Teile noch als Zeichen
ihrer Herkunft ein handwerkliches Gewand und ward selbst ein Dürer erst ganz frei,
nachdem einmal die Strahlen der italienischen Sonne das stolze Bewusstsein des Künstler-
tums in ihm erweckt hatten. Der schlesischen Renaissance fehlte ein solcher Genius, und
so herrscht bei ihren Meistern das Handwerkliche vor. Dafür erfüllt hier aber auch die Kunst
eine bedeutungsvolle und schöne Aufgabe, indem sie durch ihre Verbindung mit dem
Handwerk eine Brücke zwischen dem doch immerhin nur kleinen Kreise der humanistisch
Gebildeten und dem Volke darstellt, greift in und mit ihr die geistige Renaissanceströmung
auf äusserlichem Gebiete und in sichtbaren Formen in die breiten Schichten des Volkes
über wie es auf innerlichem durch die Reformation erfolgte uiul hilft eine wirkliche
ausgebreitete Renaissancekultur begründen. —
lOS
Die Geschichte des Breslauer Kunstgewerbes im Mittelalter und der Renaissance
ist noch recht wenig erforscht. Auch über die Goldschmiedekunst, die weitaus den ersten
Rang in dem kunstgewerblichen Schaffen der Stadt in dieser Zeit einnimmt, sind ausser
archivalischen Untersuchungen bisher kaum weitergehendere Forschungen angestellt worden.
So konnte uns das Glück zu teil werden, allein im Domschatz vier Arbeiten eines bisher
ganz unbeachteten Breslauer Goldschmiedes aufzufinden, die als solche noch nicht bekannt
waren, und unter denen sich sogar ein Meisterstück ersten Ranges befindet.
Der Schöpfer dieser Werke ist jener Fabian Nitsch (auch Witsche genannt), von
dessen Hand man bis jetzt nur zwei Arbeiten nachweisen konnte: die Siegelkapsel zu
dem für Breslau bestimmten Exemplare des Majestätsbriefes Rudolfs II. von 160Q und den
Deckel eines mit Nürnberger Marke gestempelten Fokales in der Sammlung Fidgor zu
Wien. Ihnen reihen sich jetzt folgende Stücke des Breslauer Domschatzes an:
1. ein kleines, aus Silber getriebenes und vergoldetes Kreuz, 0,57 m hoch
(Abb. auf S. 111);
2. ein gleichfalls aus Silber gearbeitetes und vergoldetes Reliquiar der hl. Hedwig,
laut Inschrift aus dem Jahre 1607, ca. 0,80 m hoch (Abb. auf S. 115);
3. ein diesem ganz gleiches Reliquiar des sei. Ceslaus, ca. 0,80 m hoch (Abb.
auf S. 114);
4. ein ebenfalls aus Silber getriebenes und vergoldetes, ganz mit emailliertem
Silberfiligran überzogenes und mit Steinen besetztes, mächtiges Altarkreuz von
1,50 m Höhe (Tafel X).
Fabian Nitsch gehört der zahlreichen Breslauer Goldschmiedfamilie gleichen Namens
an, als deren ältester und zugleich weitaus bedeutendster Vertreter Paul Nitsch erscheint,
dem wir zuerst in dem Bürgerverzeichnisse (catalogus civium) vom Jahre 1544 begegnen.
Seine Hauptthätigkeit entfaltete dieser Meister unter dem kunstsinnigen Bischöfe Andreas
jerin, für den er unter anderem das prächtige silberne Altarwerk des Hochaltares im Dome
und damit zugleich das bedeutendste Denkmal des Breslauer Renaissancekunstgewerbes
überhaupt schuf. Von den weiteren männlichen Mitgliedern der Familie Nitsch, die sämtlich
Goldschmiede ihres Zeichens gewesen zu sein scheinen, und von denen wir namentlich
einen Hans (f 1Ö16), Tobias (?) und Andreas (?), als Söhne des Paul Nitsch (die beiden
Letzteren nur mutmasslich) hervorheben wollen, haben sich keine bezeichneten Arbeiten
erhalten, noch sind solche in der Litteratur erwähnt. (Näheres Wernicke, Schlesiens Vor-
zeit in Bild und Schrift VII, S. 482.)
Anders steht es, wie wir gesehen haben, mit Fabian Nitsch, in dem wir jetzt
nach den neuesten, durch Herrn Geistlichen Rat Dr. Jungnitz in Breslau angestellten
Untersuchungen mit unzweifelhafter Gewissheit gleichfalls einen Sohn des berühmten
Paul Nitsch zu erkennen haben. Die betreffenden Nachrichten finden sich in den Kapitels-
akten des Diözesan-Archives zum Jahre 1600 und dürfen hier mit freundlicher Erlaubnis
des glücklichen Finders, soweit sie von Bedeutung sind, mitgeteilt werden. Danach hatte
das Breslauer Domkapitel dem päpstlichen Nuntius Spinelli in Prag einen silbernen Tisch
109
(abacum argenfeum) aus dem Nachlasse des Bischofs Andreas Jerin zum Kauf angeboten
(s. a. Zeitschrift für Geschichte und Altertum Schlesiens VIII, S. 328) und beschioss nun
am 19. Juli 1600, dass dieser Tisch „per Pauli Nitsch aurifabri filium" nach Prag überbracht
werden solle. Am 18. August desselben Jahres, also gerade nur einen Monat später, wird
dann, gleichfalls auf Kapitelsbeschluss, „Fabiano Nitsch iuveni praedictum abacum Pragam
avehenti" ein Honorar zuerkannt. Inhalt wie Wortlaut schliessen jeden Zweifel an der
Identität des jungen Fabian Nitsch mit dem filius des Goldschmiedes Paul Nitsch aus.
Was wir sonst über Fabian Nitsch wissen, ist sehr wenig (siehe Wernicke, a. a. O.
S. 482 und 484); aus dem im Jahre 1618 angelegten Gesellenbuche der Breslauer Gold-
schmiede erfahren wir nur, dass er damals in seiner Werkstatt fünf Gesellen beschäftigte,
und dass von diesen einige aus Augsburg und Nürnberg stammten. Wir wissen ferner,
dass er unter den Riemern wohnte und am 9. März 1630 am Gehirnschlage gestorben
ist. Dass er sich eines gewissen Rufes erfreut haben muss, bezeugen uns dann die ihm
erteilten Aufträge wie z. B. der zur Anfertigung der Siegelkapsel für den Majestätsbrief;
und es erscheint daraufhin verlockend, ihn uns überhaupt im Dienste der Stadtverwaltung
stehend und u. a. als Meister des von dieser dem Winterkönig, Kurfürsten Friedrich V.
von der Pfalz, bei seinem feierlichen Einzüge in Breslau (1619) zum Willkomm über-
reichten Pokales zu denken.
Seine Arbeiten zerfallen in weltliche und kirchliche Geräte; die weltlichen, an Zahl
und an Bedeutung den kirchlichen weit nachstehend, mögen hier den Anfang machen.
Den Deckel des Pokales nennt bereits Rosenberg (Der Goldschmiede Merk-
zeichen Nr. 460 S. 130) als Arbeit des Fabian Nitsch. Da ich ihn nicht aus eigener
Anschauung kenne, stütze ich mich auf freundliche Mitteilungen des gegenwärtigen
Besitzers, des Herrn Dr. A. Figdor, der uns auch eine photographische Aufnahme zur
Verfügung stellte. Nach seiner Ansicht ist der Deckel sicher jüngeren Datums als der
der Holbeinzeit angehörige. Nürnberger Marke, aber kein Meisterzeichen tragende Pokal
und schlechter gearbeitet als dieser. Im Innern befinden sich noch nicht identifizierte
eingravierte Wappen. Der Deckelrand zeigt die Stempelmarke FN, die wir mit einer
einzigen, noch zu erwähnenden Ausnahme auch auf allen übrigen Arbeiten unseres Meisters
finden, und das Breslauer Beschauzeichen W; der Deckelknopf trägt eine kleine Statuette
des hl. Andreas. Der Pokal stammt aus der ehemaligen Sammlung Minutoli.
Die Siegelkapsel zum Majestätsbriefe Rudolfs II. von 1609, in der Stadt-
bibliothek, die zuerst Wernicke (a. a. O. S. 482) als Werk des Fabian Nitsch erkannt hat, ist
aus Silber getrieben und war ehemals vollständig vergoldet; sie misst 0,16 m in der Breite
und 0,075 in in der Höhe. Auf der Oberseite zeigt sie in der Mitte in Gravierung ein von
Kartuschenwerk umrahmtes Wappenschild mit dem österreichischen Doppeladler und um
dieses ein sehr einfaches, aber geschmackvolles Blätterband im Kreise herumgelegt, das
an den Seiten durch je eine kleine Rosette, oben und unten durch ganz einfaches Band-
werk verziert ist; zu beiden Seiten des Schildes steht die Jahreszahl 1609. Ein konvex
eingezogener breiter Streifen, den ein Renaissance-Rankenornament schmückt, schliesst mit
110
vorspringendem Rand den Deckel ab, welcher in einem Sciiarnier geht und durch einen
Haken verschlossen wird. Die Unterseite, welche den Meisterstempel und das städtische
Beschauzeichen trägt, ist noch einfacher als die Oberseite gehalten. Wir finden hier
dasselbe Kreisband und darin ein Kartuschenschild mit dem böhmischen Löwen.
Von den kirchlichen Geräten unseres Meisters haben wir das kleine Kreuz, wie
wir es im Gegensatz zu dem später zu besprechenden grossen Kreuz kurz nennen
wollen, aus chronologischen wie künstlerischen Gründen an erster Stelle aufzuführen. Es
setzt sich aus einem 0,36 m hohen Untersatze und dem 0,21 m hohen eigentlichen
Kreuz zusammen. Da das Kreuz an seinem unteren Ende nicht unerheblich verletzt und
verkürzt ist, dürfen wir die ursprüngliche Gesamthöhe des Werkes wohl mit 0,60 m an-
nehmen. Auf dem untersten Rande trägt es die Stempelmarke FN und das Breslauer
Beschauzeichen W.
Der runde Fuss des Untersatzes erhebt sich von drei kleinen, mit geflügelten
Engelsköpfen besetzten Kugelfüssen und geht dann durch sechs langgezogene, tief herab-
reichende Henkel vermittelt in den sechseckig gestalteten Schaft über. Die Zwischen-
räume zwischen den Henkeln sind je mit drei immer kleiner werdenden Rosetten besetzt,
von denen die der untersten Reihe mit emailliertem Silberfiligran verziert sind und in regel-
mässiger Abwechslung grosse und kleine Halbedelsteine, darunter eine Gemme massiger
Arbeit mit einem Kinderkopf in Hoch- und einem Frauenkopf in Flachrelief, tragen. Durch
die Rosettenreihen sowie die am Fusse und Schaft gleichsam hinaufkriechenden Henkel
wird eine beinahe organische Verbindung zwischen Fuss und Schaft hergestellt. In
seinem weiteren Verlaufe giebt dieser die sechseckige Form auf und kehrt zur runden
Gestalt des Fusses zurück. Es folgt eine kleinere und dann, nur durch ein Kugelglied
getrennt, eine grössere konvexe Einziehung, die jedesmal durch drei kleine Henkel über-
spannt wird. Die obere trägt ein ovales reich mit emailliertem Silberfiligran und Halb-
edelsteinen geschmücktes vasenförmiges Glied, das durch drei festliegende in Engelsköpfe
auslaufende Henkelstäbe in drei Felder zerlegt wird. Ähnlich verziert und durch Henkel
mit Frauen (?) köpfen eingeteilt ist der folgende, nach oben sich verjüngende Schaftteil, der
ein ergänztes Kugelglied als Abschluss des Untersatzes trägt.
Das Kreuz dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach am unteren Ende wie an den
anderen Kreuzarmenden Dreipassbildung gezeigt haben. Es ist auf Vorder- wie
Rückseite über und über mit emailliertem Silberfiligran überzogen. In den Passenden
der Kreuzarme sitzen kleine Rosettenglieder mit Halbedelsteinen. Der Kruzifixus ist im
allgemeinen gut gearbeitet; nur ist der Brustkasten im Verhältnis zur Bauchpartie zu sehr
herausgetrieben und wie diese selbst etwas zu stark verhämmert. Eine kleine Silberkartusche
über dem Haupte Christi trägt in weissem Email die Inschrift INR!. Das Fussende des
Kreuzes ist mit Amethysten besetzt. Die Rückseite ist etwas einfacher behandelt und
zeigt zehn ziemlich grosse, mit sehr schlechten Glasflüssen gefüllte Medaillons, welche
wohl die sonst hier in der Regel befindlichen Reliquienbehälter vertreten sollen.
AlleWahrscheinlich-
Kreuz keineswejjs völlig
Meisters ist. Wir wissen
angezogenen Kapitels -
das Bresiauer Domkapitel
Lobkowitz, den einfluss-
am Prager Hofe in der Zeit von 159y
volles, silbernes Reliqiiienkreuz durch
Als nun am 4. Mai der Archidiakonus
nach Prag ging und das Kreuz mit-
fertig. Er nahm deshalb einstweilen
in Prag in das bald nachzuschickende
Wenn dann am 18. August desselben
dem für Spinelli bestimmten silbernen
Vermutung doch sehr nahe, dass er
genommen hat, sondern nur eben
worden ist, um dort durch Ein-
fertig zu stellen; dass ihm für diese
haben, ein Honorar zuerkannt wird,
einleuchtender erscheinen lassen,
ergiebt sich aus diesen ebenfalls von
Thatsachen, dass ein kunstvolles
Paul Nitsch existiert hat und als
Sohnes als Vorbild oder Anhalts-
haben kann.
DerOesamtaufbau des Kreuzes
zu besprechende grosse Kreuz
massigen Höhenentwicklung. Zwar
einen wie des andern, als weithin
nur berechtigt, sondern bis zu einem
fordert, aber sie thut doch
in der Nähe entschieden
das ganze Kreuz etwas zu
in der reduzierten Abbil-
ganz unverhältnismässig
Sonst bietet der Aufbau
Interessanten genug. Der
des runden Fusses mit
ist bereits gedacht worden,
übrig darauf hinzuweisen,
«
%
^
111
keit spricht dafür, dass das
die freie Erfindung unseres
nämlich aus den bereits
Akten zum Jahre 1610, dass
für Christoph Poppel von
reichen Obersthofmeister
bis lölO, als Geschenk ein kunst-
Paul Nitsch hatte anfertigen lassen.
Landus in Kapitelsangelegenheiten
nehmen sollte, war es noch nicht
nur die Reliquien mit, damit dieselben
Kreuz eingefügt werden könnten.
Jahres der junge Fabian Nitsch mit
Tisch nach Prag reist, so liegt die
nicht bloss das bewusste Kreuz mit-
deswegen nach Prag geschickt
Schliessung der Reliquien das Werk
Reise, wie wir oben schon gesehen
kann unsere Vermutung nur noch
Wie dem aber auch sei, jedenfalls
Dr. Jungnitz zuerst festgestellten
Reliquienkreuz von der Hand des
solches sehr wohl dem Kreuze seines
punkt beim eigenen Schaffen gedient
leidet zunächst wie auch das später
unseres Meisters an einer über-
ist diese durch die Bestimmung des
sichtbares Altarkreuz zu dienen, nicht
gewissen Grade sogar direkt ge-
der Wirkung des Werkes
einigen Abbruch, indem sie
schlank erscheinen iässt.
düng wirken beide Werke
besser und vorteilhafter,
des kleinen Kreuzes des
geschickten Verbindung
dem sechseckigen Schaft
es bleibt daher nur noch
dass der Sechspassauslauf
112
des Schaftansatzes offenbar direkt dem Fiisse eines gotischen Kelches nachgebildet ist,
dessen Form wir des öfteren bis ins 17. Jaiirhuiidert liinein bei den verschiedensten kirch-
lichen Geräten beibehalten sehen [Altaraufsatztafel des Augsburger Goldschmiedes Mathias
Wahlbaum (seit 1582 thätig) in der Fürstenbergschen Sammlung zu Donaueschingen;
Monstranz aus der Pfarrkirche zu Jamnitz, Ende (!) des 17. Jahrhunderts (Kirchliciie
Ausstellung des Mährischen Kunstgewerbemuseums 1884 5 No. 12); Monstranz der gleichen
Zeit aus der gräflich Daunschen Sammlung auf Burg Vöttau (ebenda No. 13) u.s.w. u.s.w.].
Höchst eigenartig wirken dann die folgenden konvexen Einziehungen mit dem sie tremien-
den Kugelgliede, in dem wir vielleicht ein Ersatzstück eigener Erfindung für den Nodus
an gotischen Kelchen und Monstranzen zu erkennen haben. Die mit Henkeln versehene
kleine Vase ist ein bekanntes, besonders bei Pokalen sehr beliebtes Renaissancemotiv;
dagegen scheint das krugförmige Glied über ihr wieder eine eigene, aber nicht gerade
glückliche Erfindung unseres Meisters zu sein.
Das Kreuz mit seinen auf die Gotik zurückweisenden Passschlüssen bietet in formaler
Hinsicht keine Besonderheiten dar. Dagegen ist die Ornamentation und die Technik
des zu seiner Verzierung angewandten Silberfiligrans für uns von höchstem Interesse.
Während nämlich das Ornament des Gesamtkreuzes im allgemeinen voll ausgebildete,
ja teilweise sogar schon späte Renaissanceformen mit ziemlich vielem Kartuschenwerk
zeigt, finden wir hier in dem Netze des emaillierten Silberfiligrans inmitten echter
Renaissanceranken und Renaissanceblattwerkes kreisrunde Rosetten und Blüten einfachster
Zusammensetzung und Form; und diese sind direkt und offenkundig ebenso wie die ganze
Technik des aus Silberdrähten zusammengesetzten und mit gemaltem Email gefüllten
Filigranwerks dem berühmten ungarischen Drahtemail entnommen, dessen Blütezeit ins
15. Jahrhundert fällt. Damit wird die bisher befriedigend noch nicht gelöste Frage nach
der Entwicklung des (sog. Siebenbürgener) Silberfiligrans, dessen Ausbildung dem Anfang
des 17. Jahrhunderts, also ganz derselben Zeit wie unser Kreuz angehört (Hampel, Das
mittelalterliche Drahtemail, S. 45) wenigstens für Schlesien endgültig beantwortet und
die von Radisiez (Kunstgewerbeblatt IV [1888], S. 126) bereits aufgestellte Behauptung,
dass es sich wohl aus dem Drahtemail entwickelt habe, glänzend gerechtfertigt. Denn
wir haben es hier keineswegs mit einem vereinzelten Falle zu tlnml Zunächst zeigt schon
das grosse, später zu betrachtende Altarkreuz von Fabian Nitsch die am kleinen teilweise
noch ungelenk auftretende Filigrantechnik zu höchster Freiheit und Vollkommenheit ent-
wickelt und die selbst dort beibehaltenen älteren Dekorationsformen mit dem Renaissance-
ornament in gefälliger und harmonischer Weise verbunden. Sodaim können wir aber
auch dieselbe Übergangstechnik vom Drahtemail zum Silberfiligran noch bei einem
andern Breslauer Goldschmiedemeister dieser Zeit namens Caspar Pfister nachweisen, der
am 17. Juli 1571 getauft worden und demnach wohl als ein nur wenig älterer Zeitgenosse
unseres Fabian Nitsch anzusehen ist. im Domschatze befindet sich die schön gearbeitete
silbervergoldete Statuette einer Madonna in der Mandorla mit dem Christkind auf der
linken und dem Zepter in der rechten Hand (0,42 m hoch), die wir auf Grund ihrer
113
Stempelmarke CP und des Beschauzeichens W ihm zuzuschreiben haben. Sie ist das
Gescheni< eines Baltasar Neander, den wir auch noch als Stifter eines von Fabian Nitsch
geschaffenen Reiiquiars !<ennen lernen werden, und ist ebensowenig wie einige weitere
signierte Stücke seiner Hand in der Kreuzkirche (ein Kelch und ein Kreuz) als Arbeit Pfisters
bisher erkannt worden. Die Krone der Madonna ist ausser mit Edelsteinen gleichfalls in
jener eigentümlichen Mischtechnik von Filigran- und Drahtemail verziert, und einzelne
ihrer Ornamentmotive sind sogar genau dieselben, die wir bei Fabian Nitsch und auf
einer ganzen Reihe von Geräten mit ungarischem Drahtemail antreffen. Dass die Breslauer
Goldschmiede dieser Zeit an letzteres angeknüpft haben, wird hiernach nicht mehr von
der Hand zu weisen sein. Es erklärt sich uns übrigens auch sofort, wenn wir in Betracht
ziehen, dass die Breslauer Meister, wie uns vier Kelche im Domschatze zur Genüge
bezeugen, die prächtigsten Arbeiten in ungarischem Drahtemail unmittelbar vor Augen
hatten. Jedenfalls dürfte jetzt die Weiterausbildung und Weiterverwendung dieser Kunst-
technik, die wir z. B. auch auf dem Kronbande der im Kunstgewerbemuseum aufbewahrten
Dorotheenbüste (siehe Tafel 1) finden, in dem späteren Silberfiligran zu den gesicherten
Forschungsresultaten zählen.
Erscheint hier Fabian Nitsch als ein gelehriger Schüler der vergangenen Zeit, so
erweist er sich als ein echter Renaissancekünstler in der Verwertung von entzückenden
Engelsköpfen als Träger des ganzen Kreuzes und in der häufigen Verwendung von
Henkeln, die so recht ein charakteristisches Kennzeichen der heiteren, schön und reich
bewegten Renaissancekunst sind. Freilich versteht er es noch nicht ganz, dieses Motiv
zu handhaben. Wie nämlich dem ganzen Werke unleugbar ein gewisser handwerklicher
Zug anhaftet - dem übrigens auch der merkwürdig geringe Wert der verwendeten
Halbedelsteine entspricht so verrät auch die Gestaltung und Anwendung der Henkel
gradezu künstlerische Unreife. Denn als nichts anderes können wir es bezeichnen, wenn
die sonst, besonders in ihrer charakteristischen Zusammensetzung aus ornamentalen und
figürlichen Teilen ganz im Renaissancegeiste erfundenen Bogenstäbe fast immer fest an
den Schaftstamm angelegt sind und damit ihrer, wenn auch nur rein dekorativ beabsich-
tigten Bedeutung als Henkel gänzlich verlustig gehen! Die anderen Arbeiten des Fabian
Nitsch, vorzüglich aber das grosse Kreuz, zeigen in diesem f^unkte eine weit grössere
künstlerische Reife und Vollendung, so dass sich ihre zeitliche Reihenfolge schon hiernach
mit fast vollkommener Sicherheit bestimmen lässt.
Als spätere Werke unseres Meisters müssen demnach zunächst die beiden Reliquiare
in Armform der iil. Hedwig und des sei. Cesiaus gelten. Sie gleichen sich bis auf das
der Hand zum Halten gegebene Symbol des betreffenden Heiligen vollkommen; und hierauf
ist es auch wohl zurückzuführen, dass die beiden oberen Aufsätze mit der Hand und den
Symbolen vor Jahren einmal, wie sich bei unserer eingehenden Untersuchung der beiden
Stücke herausgestellt hat, mit einander vertauscht worden sind, so dass nun die Aufschriften
wie die dargestellten Symbole mit den wirklich in i.kn Geräten befindlichen Reliquien
nicht mehr übereinstimmen. Das Versehen konnte leider vor der Aufnahme unserer
15
Abbildimyen (S. 114 u. 115) niclit mehr berichtiot worden. Wir müssen
dabei bemerken, dass sich die beiden Werke überhaupt nicht in gutem
Zustande befinden und ebenso, wie das kleine Kreuz, dringend eine
Renovation durcii sachkundige Hand verlangen. Ilirer Übereinstimmung
und engen Zusammengehörigkeit hat übrigens ihr Schöpfer selbst
bereits Rechnung getragen, indem er nur ein Reliquiar, das der hl. Hedwig,
mit seinem Meisterzeichen FN versehen hat. Die Möglichkeit, dass das
andere Reliquiar nur eine spätere Kopie sei, wie man vielleicht vermuten
könnte, ist gänzlich ausgeschlossen.
Bei unserer Beschreibung halten wir uns an das bezeichnete
Exemplar, indem wir zugleich die Inkorrektheiten der jetzigen Zusammen-
setzung richtig stellen. Der Fuss ist sechseckig gestaltet und ruht auf
Kugeln; von dem Schaft trennt ihn ein sauber gearbeiteter Fries, der
in seinen sechs Abteilungen als stetig wiederkehrendes Mittelmotiv
einen prächtigen, im Neste (?) sitzenden Adler, an den Seiten Ranken-
werk zeigt. Die Vermittlung zwischen Fuss und Schaft stellen wie beim
kleinen Kreuz sechs, diesmal aber frei geschwungene Henkel her, aus
denen sich in der Mitte an der Biegung Frauenbüsten entwickeln.
Zwischen und übereck unter den Henkeln sitzen aus Ranken und
Palmettcn zusammengesetzte Zierstücke, desgleichen am Schaftstamme
fünf pausbäckige geflügelte Engelsköpfe; an sechster Stelle ist das Wappen
des Stifters (beim andern Reliquiar ein weiterer Engelskopf) angebracht.
Ein mit übereck sitzenden Engelsköpfen und aufgelegten Ornamentstücken
verziertes Übergangsglied trennt den Schaft von dem eigentlichen
Reliquienbehälter, der aus einem unten und oben von einer getriebenen
Silberfassung umgebenen Olascylinder besteht. Die beiden Teile der
Fassung sind durch vier Halbstäbe verbunden, denen unten vier Engels-
köpfe als Auflager dienen. Ein nicht ganz anderthalb cm hoher
durchbrochener Fries mit dem viermal wiederkehrenden Motiv eines
aufenden Vogels in Rankenwerk und ein kleiner Kranz dichtgereihter
Palmetten schliesst die untere Fassung des Cylinders ab. Die
obere entwickelt sich in ganz gleicher Weise nur mit umgekehrter
Reihenfolge der einzelnen Glieder. Der Fries zeigt das Adlermotiv
vom Fusse des Reliquiars. Die Verbindungsstäbe tragen oben
vier kleine Statuetten der Heiligen des Domes, des hl. Johannes
d. T., des hl. Johannes d. Ev., des sei. Vincenz Levita und
der hl. Hedwig. (Warscheinlich infolge der Vertauschung
der oberen Aufsätze findet sich jetzt am Hedwigsreliquiar
zweimal die Figur der Heiligen und am Relic|uiar des
i sei. Ceslaus zweimal die des Vincenz Levita.) Im linurn
des GlascylindcTs befindet sich eine kleine Vase mit erhabenen Ornamenten,
welche die ReMquie, einen Finger der hl. Hedwig, trägt; zu beiden Seiten
schweben zwei Engel. Unmittelbar auf den eigentlichen Reliquienbehälter
folgt eine 0,6 m hohe Manchette, die unten durch einen gotisierenden
Zinnenkranz, oben durch einen durchbrochenen Rand abgeschlossen
wird; sie enthält folgende abgekürzte Inschrift: Nee non magnae ducissae
Agunicae patroniae Silesiae Hedwigi donum hoc Baltasar Neander de
Otmuchovia S(anctae) T(heologiae) D(octor) Archidiac(onus) et canonic(us)
Wratisl(aviensis) consiliar(ius) r(evere)nd(issi)mi d(omini) e{pisco)pi et curiae
e(pisco)palis ibidem praefectus pietatis ergo anno MDCVIl obtulit. Aus
der Manchette steigt die nur ganz wenig unterlebensgrosse Hand mit dem
Symbol der Heiligen, einer Kirche, empor, an dem schmalen Gelenke von
einer kleinen Kette umschlossen, deren Glieder aus dem wiederkehrenden
Motive zweier ein flammendes Herz umschliessenden Hände bestehen.
Die Hand selbst ist wenig modelliert und etwas steif; auffallend ist im
Gegensatz zu der sonstigen Glätte der Behandlung eine etwas übertriebene
Runzelung der Haut an den Gelenken.
Der kleine Kirchenbau, der mehr auf der Hand schwebt, als dass
er von ihr getragen wird, ist im griechischen Kreuz errichtet, besitzt einen
hohen viereckigen Vierungsturm und vier Flügelbauten. Diese letzteren
zeigen an ihren Fronten als stetig wiederkehrende Dekoration ein rund-
bogiges Portal mit Renaissance-Keilsteineinfassung und darüber eine ebenso
interessante wie amüsante Nachbildung rundbogiger romanischer Fenster-
formen, die aber wie das Portal gleichfalls wieder von einer Renaissance-
füllung umgeben sind. An den Wänden der Flügelbauten befindet sich
je ein rundbogiges Fenster mit der gleichen Renaissanceumrahmung wie
beim f^ortal. Auf der Front des einen Flügelbaues finden wir statt der
architektonischen Dekoration folgende Inschrift: Quisquis es, sacrilegas
cohibe manus nam digitus inclitae Hedwigis idcm potest quod corpus eius
integrum. Als Abschluss der Front dient immer eine misslungene gotische
Wimpergbekrönung mit Masswerkfüllung, die in eine ganz merkwürdige
Kreuzblume auf der Spitze ausläuft und sonderbare Renaissance-
palmetten an den Enden trägt. Der Turm schliesslich enthält im '
untersten Geschosse je ein rundbogiges Fenster mit Keilstein-
umrahmung, im Dachgeschoss zunächst je ein romanisches Doppel-
fenster ziemlich eigentümlicher Konstruktion und darüber je nach-
dem noch ein bis zwei kleine Rundbogenfenstcr und wohl auch
eine Lilienpalmette oder das Monogramm Christi. Den Abschluss
des Ganzen bildet ein Kreuz. Es ist also ein ausgesprochen
archaisierendes Bestreben, das uns in dieser eigentümlichen
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116
Architekturkomposition entgegentritt und uns durch die Verquickung mehrerer ganz ver-
schiedener Stile unter einander höchst eigenartig berührt.
Das Reiiquiar des sei. Cesiaus gleicht, wie bereits erwähnt, dem der hl. Hedwig
bis auf unbedeutende Abweichungen vollständig. Verschieden ist z. B. die Hand, weiche im
ganzen etwas voller und weniger steif gebildet ist und nicht jene übertreibende Runzelung
an den Gelenken wie dort aufweist. Nicht unmöglich wäre es, an eine spätere Überarbeitung
der Hand zu denken, denn die Kugel mit dem Flammenbüschel, die sie trägt, gehört sicher, wie
die Inschriften auf der Manchette beweisen, dem Anfange des 18. Jahrhunderts an. Dieselben
lauten: Os hoc cubiti ex tumba B(eati) Ceslai desumptum et a P(atre) Priore ad S(anctum)
Adaib(ertum) Bern(ardum) Neugebauer Ser(enissi)mo E(pisco)po Franc(isco) Lud(ovico)
pro ecciesia Cathed(rali) oblatum dum 1715 die 27 Nov(embri) Sacra Eiusdem Lipsana in
Eccl(esia) P(atris) P(redicatorum) Dominici Solemni ritu levarentur et publ(icae) ven(erationi)
exponerentur und: Pro qua gemma tarn pretiosa nostris in oris nata ad Thesarum Eccle-
siae reponenda Suoq(ue| tempore Fidelium cultui propö(n)enda chirothecam hanc argenteam
Capitulum Cathedralis Ecciesiae Wratislaviensis ex Cassa Fabrices f|ieri) f(ecit). Die
zweite Inschrift ist, wörtlich genommen, entschieden irreführend; denn das Reiiquiar ist
nicht erst damals angefertigt worden, sondern bleibt stets eine unbezweifelbare Arbeit des
Fabian Witsch. Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, dass es ursprünglich anderen Zwecken
diente (war es vielleicht zu einem Reiiquiar des Vincenz Levita ersehen?) und erst zu
Beginn des 18. Jahrhunderts seiner gegenwärtigen Bestimmung zugeführt worden ist.
Wir hätten dann einfach „fieri" in dem Sinne von „adaptari" zu nehmen. Die Flammen-
kugel gilt als Symbol des sei. Cesiaus, weil zur Zeit des Tartarensturms auf sein Gebet
eine flammende Kugel vom Himmel gefallen sein und die Feinde verscheucht haben soll.
Mussten wir bei dem kleinen Kreuz unentschieden lassen, wie weit etwa fremde
Vorbilder seinen Aufbau und seine Gestaltung beeinflusst haben mögen, so sind wir den
beiden Reliquiaren gegenüber in einer glücklicheren Lage: wir dürfen mit grösster Wahr-
scheinlichkeit in einem aus dem Jahre 1512 stammenden Reliquiare des Domschatzes das
direkte Vorbild unserer beiden Stücke erkennen.
Zunächst ist dort der Fuss in ähnlicher Weise wie bei diesen durch einen kleinen
durchbrochenen Fries vom Ärmel getrennt, aus dem sich der Glascylinder, unten und oben
nur von einem schmalen, spätgotischen, aus Rankenwerk zusammengesetzten und gleichfalls
durchbrochenen Friese eingefasst, entwickelt. Die Verbindung der beiden Einfassungen
wird wie bei den Reliquiaren der hl. Hedwig und des sei. Cesiaus durch vier Stäbe
hergestellt, die, ein in der Gotik sehr beliebtes Motiv, je aus drei fest mit einander ver-
bundenen Säulchen bestehen und unten ebenfalls wie bei den Reliquiaren des Witsch von
geflügelten Engelsköpfchen getragen werden, während sie oben, auch hier wieder in Über-
einstimmung mit den Arbeiten unsres Meisters, kleine Figuren tragen. Es folgt die
Manchette, die durch einen kleinen vorspringenden, mit knopfartigen Gliedern besetzten
Rand und denselben kleinen durchbrochenen Fries wie am Cylinder abgeschlossen wird.
Die Hand, welche die Geberde des Bischofs bei der Segenerteilung zeigt, ist sehr schön
117
ausgeführt und erscheint wie durchgeistigt. Die Arbeit des ganzen Werkes ist durchweg
einfach aber gut.
Neu bei den Arbeiten des Nitsch ist somit, wie wir sehen, bloss der untere Aufbau -
hier ist, wenn man will, nur der kleine durchbrochene Fries von dem älteren Vorbilde
beibehalten und die ganze übrige, weit reichere Ausgestaltung der dort gegebenen
Motive. Erscheint bei dem älteren Reliquiar durch die grössere Einfachheit das wesent-
liche, die Reliquie selbst, in schärfster Betonung, so wird hier eher durch die Entfaltung
grösseren Reichtums der Blick von ihr abgelenkt. Wie es scheint, hat sich aber Fabian
Nitsch nicht mit diesem einen Vorbilde zufrieden gegeben, sondern noch ein anderes und
sogar älteres Reliquiar aus dem Domschatze, welches durch seinen Stiftungstitulus ins
Jahr 1465 gewiesen wird, seinem eigenen Schaffen zu Grunde gelegt. Auch bei diesem
Exemplare finden wir den Fuss von dem Ärmel durch einen kleinen, mit Zinnen be-
krönten Fries getrennt, an dessen Ecken kleine Halbfiguren von geflügelten Engeln an-
gebracht sind, die also bei dem späteren Reliquiar von 1512 gleichsam nur unter die
Stäbe als Träger hinaufgerückt zu sein scheinen, während sie von diesem dann ja durch
Fabian Nitsch unzweifelhaft ganz direkt an gleiche Stelle in seine Reliquiare übernommen
worden sind. Aber abgesehen von dieser indirekten und selbst ungewissen Beziehung
muss er auch jenes ältere Vorbild aus dem Jahre 1465 allem Anscheine nach ganz direkt
benutzt haben, wenigstens ist der gotische Doppelfries, welcher bei diesem den Glas-
cylinder unten und oben umgiebt und den oberen Abschluss der Manchette bildet, genau
derselbe, welcher bei seinen Reiiquiaren den unteren Abschluss der Manchette bildet.
Es ergiebt sich somit als feststehende Thatsache, dass Fabian Nitsch in manchen
Punkten bald mehr, bald weniger an Werke einer früheren Zeit angeknüpft hat. Hält
man damit das zusammen, was uns bereits die eigentümliche Ausgestaltung des Kirchen-
symbols bei dem Reliquiar der hl. Hedwig zeigte, so könnte man leicht auf die Ver-
mutung kommen, dass wir es hier mit einem Archaisieren ähnlicher Art zu thun haben,
wie es in ausgeprägtester und absichtlichster Weise eine Zeitlang die spätgriechische'
Kunst gepflegt hat. In der Renaissance finden sich mehrfach Fälle dieser Art. Es hängt
dies offenbar mit dem, wesentlich von Italien ausgegangenen, allgemeinen Erwachen eines
archäologischen Gefühls in dieser Zeit zusammen. Das bekannteste Seitenstück zu unserm
Fall zeigt wohl das grosse Altarkreuz des Anton Eisenhoit von 1589.
Der Oesamtaufbau der beiden Reliquiare ist trotz des Reichtums der Ausstattung
klar und gefällig und lässt wieder das grosse Kompositionsvermögen unseres Meisters
deutlich erkennen. So ist z. B. die geschickte Überleitung vom Fuss zum Schaft, besonders
aber die Gestaltung und Verwendung der Henkel zu rühmen. Im einzelnen hervorzuheben
ist die feine Arbeit der auf dem Fuss aufgelegten Ornamentglieder und der drei ent-
zückenden durchbrochenen Friese. Am wenigsten gelungen scheinen uns die figürlichen
Teile: die verschiedenen Engelsköpfe sowohl wie die kleinen Statuetten, welche'^auf den
Cylinderstäben stehen und merkwürdig in die Länge gezogen sind; ob vielleicht nur des-
halb, weil sie als Ausläufer der Stäbe gedacht sind, lässt sich natürlich nicht entscheiden,
HS
ist aber sehr wahrsclieinlicli. Denn es liegt im Ciiarakter der kunstgewerblichen Arbeiten
der Renaissance, die plastischen Teile, und man war in der Anwendung solcher sehr ver-
schwenderisch, stets dem Gesamtaufbau nach Möglichkeit harmonisch unterzuordnen und
anzupassen, worüber dann freilich der rein plastische Eindruck der betreffenden Glieder
fast immer so gut wie verloren ging und ihnen, wie auch hier, nur eine dekorative
Wirkung erhalten blieb.
In der letzten Arbeit von seiner Hand, die uns bekannt geworden ist, hat Fabian
Nitsch sich zu fast rein künstlerischem Schaffen hindurchgerungen und ein Werk geschaffen,
das wir seiner Grösse wie besonders aber seiner ganz eigenartigen Ausgestaltung und Aus-
führung nach mit vollem Rechte als eine einzigartige Schöpfung der ganzen deutschen Gold-
schmiedekunst bezeichnen dürfen. Erscheint es einerseits als die Vollendung alles dessen,
was er in seinen vorausgehenden Werken angestrebt oder vorbereitet hat, mit einem
Worte als das Hauptwerk seines ganzen Lebens und Schaffens, so ist es andrerseits,
gleichsam ein Gegenstück zu dem von seinem Vater geschaffenen berühmten Altarwerk
im Breslauer Dom, unstreitig die bedeutendste künstlerische That am Ausgange der
schlesischen Renaissance.
Das grosse Altarkreuz des Breslauer Domschatzes ist in der Litteratur bisher
nur durch eine einfache Erwähnung bei Lutsch (Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau
S. 170) vertreten; ich selbst verdanke den ersten Hinweis darauf dem Herrn Hofantiquar
Max Altmann in Breslau. Das Meisterzeichen FN, das wir ebenso wie das Breslauer W
auf dem kleinen unterhalb des Pelikans ziemlich in der Mitte des Kreuzes vorspringenden
Rande eingeprägt finden, erbringt den Beweis für die Autorschaft des Fabian Nitsch.
Unsere Lichtdrucktafel bietet zum ersten Male eine Abbildung des Werkes, vermag aber
freilich nur eine schwache Vorstellung davon zu geben: solchem Reichtum in Formen wie
Details gegenüber muss jede Abbildung und auch jede Beschreibung versagen.
In schönem rhythmischen Aufbau, der strenge Gesetzmässigkeit in künstlerisch
vollendete Formen zu hüllen weiss, strebt das Kreuz, ganz in Silber getrieben und dann
im Feuer vergoldet, in reicher aber edler Umrisslinie, über und über in prächtigster Weise
von emailliertem Silberfiligran überzogen, zu der stattlichen Höhe von anderthalb Metern
empor. Bis zu 0,80 m Höhe erhebt sich vom sechseckigen, modernen Holzsockel der
Untersatz, auf dem sich das eigentliche Kreuz aufbaut, überragt von einem Flammenstern,
auf welchem ein Pelikan thront.
An dem Untersatze hervorzuheben sind die sechs an den Ecken angebrachten, mit
Aufsätzen versehenen Kugelgebilde, die dem ganzen Kreuz als Träger dienen und uns
im r^rinzip an die Kugelfüsse beim kleinen Kreuz und den beiden Reliquiarien erinnern,
sowie der kleine durchbrochene Fries mit Engelsköi^fen, welcher den Fuss vom Schafte
trennt und in gleicher Weise wie die hier auftretende Henkelverbindung ein Motiv
darstellt, das uns bereits von den beiden Reliquiaren und vom kleinen Kreuz her
bekannt ist, diesmal aber uns in künstlerisch freiester Form und höchster Vollendung wie
Feinheit der Ausgestaltung entgegentritt. Gleichsam im Schatten der Henkel stehen an
119
den sechs Ecken die kleinen Figuren Johannes d. T., des hl. Augustinus, des hl. Michael,
der hl. Katharina, des hl. Ambrosius (?) und des hl. Franciscus oder Dominicus. Den
über iiiiieii ausladenden Schaftstamm schmückt derselbe durchbrochene Fries mit dem
Motiv des laufenden Vogels, den wir bei den beiden Reliquiaren fanden. Die weiteren
Glieder des Untersatzes zeigen als charakteristisches Merkmal der Kunst unseres Meisters
und seiner Zeit eine reiche und geschickte Verwendung entzückend geschnittener Henkel —
gleichsam den herrlichen Ausklang und die Auflösung der bescheidenen und noch stark
befangenen Anfänge beim kleinen Kreuz in künstlerische Freiheit.
Der obere Aufbau des Untersatzes wird dann im Weiterstreben auf Vorder- wie
Rückseite durch einen prachtvoll modellierten Pelikan unterbrochen, der sich mit dem
Schnabel die Brust zerfleischt. Den oberen Abschluss des Untersatzes, der sich aus
je zwei Einziehungen und Ausladungen zusammensetzt, hat das Kreuz erst bei seiner
letzten umfassenden Erneuerung im Jahre 18Q6 erhalten. Während die beiden Ausladungen,
welche der Zustand des Kreuzes vor der Restauration für sich allein zeigte, zweifellos
von Anfang an zum Kreuz gehört haben, sind die beiden filigran- und schmucklosen
Einziehungen dabei ganz neu eingefügt worden, wie uns dünkt, mit Unrecht, denn der
ganze Aufbau des Untersatzes sowie die gefällige und geschickte Aufeinanderfolge seiner
einzelnen Glieder scheint uns einer derart unkünstlerischen Anordnung entschieden zu
widersprechen. Wahrscheinlicher ist es wohl, sich die beiden Ausladungen ursprünglich
unter- und oberhalb des Pelikans eingefügt zu denken, welcher dann von sich ent-
sprechenden Gliedern eingefasst sein würde. Das eigentliche Kreuz aber fände auf der
in diesem Falle den Abschluss bildenden schwach konvexen Ausladung gleichsam ein
natürliches Auflager.
Die noch auf die Gotik zurückweisende Kreuzform, die wir bereits am kleinen
Kreuz fanden, ist auch hier, diesmal mit im Vierpass gestalteten Enden, beibehalten. Der
oberste Vierpass zeigt aus den Ecken hervortretend vier schraubenförmige Gebilde, welche
vielleicht die Kreuznägel darstellen sollen (man vergleiche das Tragkreuz von Enrique de
Arphe, bei Bruno Bucher, Geschichte der technischen Künste II, S. 278). Die Winkel
des Kruzifixes füllen rautenförmige Vorsprünge aus, so dass das ganze Kreuz wie auf
einem Kissen ruhend erscheint. Die Rückseite enthält fünf grössere und sechs kleinere
Reliquienbehälter, von denen die ersteren an den Enden und dem Schnittpunkte der Kreuz-
arme angebracht sind. Über dem Kreuze erhebt sich, wie schon oben erwähnt, ein
Flammenstern, der auf Vorder- und Rückseite mit je einem prachtvollen Halbedelstein
geschmückt ist und von einem kleineren IVlikane überragt wird, der auf seinem
Neste sitzt.
Das ganze Werk ist in reichster Weise von Silberfiligranemail bedeckt. Frei davon
bleiben nur die figürlichen Teile wie z. B. die beiden Pelikane und dann der Aufsatz
oberhalb des eigentlichen Kreuzes. In der Technik erweist sich dieses Filigran als
dasselbe, das wir bereits beim kleinen Kreuz kennen lernten, nur dass wir auch hier wieder
120
eine ganz gewaltige Entwicklung nacii der Seite künstlerischer Vollendung zu erkennen
haben. Die ursprüngliche Quelle aber, das ungarische Drahtemail blickt gleichwohl deutlich
erkennbar durch! Wir finden nämlich in den Ranken und Arabesken des ziemlich eng-
maschigen Silberfiligrans seihst hier noch ganz unverändert aus dem Formenschatz des
ungarischen Drahtemaiis übernommene Dekorationsmuster, darunter solche, die uns wie jene
sonderbaren Umbildungen gotischer Detailformen (des Nasenwerks der Spitzbogen oder
des Fischblasenmusters) anmuten, an denen die deutsche Renaissance so reich und in
denen ihre Meister so unerschöpflich sind; und unter den zahlreichen verschiedenen, in
erhöhtem Email ausgeführten Figuren des Filigrans, welche Eicheln, Erdbeeren, Herzen u.a.m.
zeigen, kommen auch Trauben vor, ein Dekorationsmotiv, mit dem, wenn auch in
etwas anderer Weise als auf dem Kreuz, das Stirnband der oben schon erwähnten
Dorotheenbüste geschmückt ist. Zu diesem innigen Zusammenhang zwischen der Silber-
filigrantechnik des Fabian Witsch und dem alten ungarischen Drahtemail sei dann schliess-
lich noch bemerkt, dass eins der in seinen Wurzeln sicher auf das ungarische Drahtemail
zurückgehenden Dekorationsmotive in dem Filigran des grossen Kreuzes sich in durchaus
identischer Form und zwar sogar gleichfalls in blauem Email wie dort mehrfach auf
einem Altarkelch aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts in Nyitra (Diözesanbesitz, ab-
gebildet Chefs d'oeuvre d'orfevrerie ayant figure ä l'exposition de Budapest 11, p. 71 f|
wiederfindet, welcher auf Bestellung des Bischofs Franz Forzäch angefertigt worden ist
und überhaupt mehrere Blütenornamente in seiner Filigrandekoration aufweist, welche
unzweifelhaft dem Formenkreise des ungarischen Drahtemails entnommen sind.
Die zur Verwendung gekommenen Emailfarben sind vorzugsweise hellblau, dunkel-
blau, gelegentlich rot, gelb und grün; besonders die letzten drei stimmen herrlich zu dem
goldenen Untergrund. Die Emaillen sind teils nur gemalt, teils in gehöhter Arbeit aus-
geführt: so die figürlichen Teile des Filigrans wie Eicheln, Erdbeeren, Herzen, Trauben u.a.m.
Wie weit hier die letzte Restauration mit sichtlich unglücklicher Hand eingegriffen
hat, lässt sich nicht mehr entscheiden. Von besonders hervorragender Schönheit ist die
Email-Inschrift über dem Kruzifixus INR!, wie denn überhaupt das eigentliche Kreuz am
reichsten behandelt ist.
Mit dem Silberfiligrannetz ist der dekorative Schmuck des Werkes bei weitem nicht
erschöpft. Es dient vielmehr erst einem wahren Edelsteinteppich als Auflager, der, im
Vereine mit dem buntfarbigen Email in fast sinnverwirrender Weise die Flächen überziehend,
die Grundformen des Ganzen derartig verhüllt, dass man sich fast mühsam erst zu seinen
schönen Linien hindurchsehen muss. Teils viereckig, teils in mehr oder weniger reich
ausgestalteten Rosetten gefasst, wechseln in bunter Folge Chrysoprase, Amethyste, Tür-
kise, welch' letztere besonders trefflich zu deiTi farbigen Gesamtbilde passen, imd andere
Halbedelsteine, bald geschliffen, bald wieder in Capuchonform mit einander ab und
nehmen damit, nur in weit reicherer, aber zugleich auch sehr viel unruhigerer Weise
das Dekorationsmotiv der aufgelegten Ornamentstücke auf, das wir sowohl bei dem
kleinen Kreuz wie den beiden Reliquiaren angetroffen haben. Wie an ersterem finden
TAFEL X
^>Bf9^-'
Lichtdruck von A. Fabian u. Co., Breslau
„Das grosse Kreuz" von Fabian Nitsch im Domschatze
121
wir übrigens auch hier einige vereinzeil eingestreute antike Gemmen: eine Fortuna, einen
lmperatoreni<opf und einen Hermes (?).
In dem übermässigen und vielleicht aber daiui wohl nur auf fremden Antrieb
hin absichtlichen Reichtum des Kreuzes an Dekoration und Schmuck liegt unleugbar
schon ein gewisser barocker Zug, wie wir ihn übrigens auch bereits an den Engelsköpfen
der Reliquiare und denen des kleinen durchbrochenen Frieses hier zu gewahren glauben.
Man könnte sich also recht wohl geneigt sehen, in Fabian Witsch ebenso, wie er uns
bei seinen früheren Werken in manchen Punkten als archaisierender, letzter Ausläufer
vergangener Kunstrichtungen erscheinen mochte, hier, wo er gleichsam die berauschende
Pracht der späteren Jesuitenkunst zu antizipieren strebt, einen Vorläufer und Ankündiger
kommender Stilprägung zu erkennen.
Die figürlichen Teile des Kreuzes sind recht gut gearbeitet; nur kommt ihre Feinheit
gelegentlich, wie z. B. bei den kleinen Heiligenfiguren, vor übermässiger Vergoldung,
gleichfalls einem Missgriff der letzten Restaurierung, nicht ganz zur Geltung. Auch in
diesem Falle können wir somit wieder einen Fortschritt in der künstlerischen Gestaltungs-
fähigkeit unseres Meisters feststellen, der sich am deutlichsten, wirft man einen ver-
gleichenden Blick auf das kleine Kreuz zurück, in der Gestalt des Gekreuzigten offenbart,
der in seiner edlen, von jedem Manierismus freien Durchbildung einen erfreuenden Beweis
von dem gesunden Formenverständnis des gereiften Fabian Witsch ablegt. Und so erscheint
sein grosses Kreuz, überschauen wir noch einmal die Schöpfungen seiner Hand, in der That
als das Hauptwerk seines ganzen Lebens: alles, was bei den anderen Arbeiten noch befangen
und nicht in künstlerischer Freiheit aufgelöst war, ist hier in Fluss und Leben. Eleganz
und Leichtigkeit umgesetzt, und die letzten Spuren handwerklichen Empfindens sind vom
gereiften Meister glücklich überwunden. Fabian Witsch hat mit seinem grossen Kreuze ein
weit über lokale Bedeutung hinausgehendes Werk geschaffen und nicht nur sich, sondern
der schlesischen Spät-Renaissance überhaupt ein rühmliches Denkmal gesetzt: die schmerz-
lich empfundene Lücke im Oesamtkulturbilde unserer heimischen Renaissance, die wir
am Eingange dieser Zeilen erwähnten, wird dadurch auf ganz ungeahnte Weise aus-
gefüllt und geschlossen, und Paul Witsch und sein Sohn Fabian erscheinen als die her-
vorragendsten Träger und Vertreter der schlesischen Kunst im Zeitalter der Renaissance.
Kurt Moriz-Eichbom
122
Buntglasiertes Thonrelief vom Jahre 1542
ZUR SCHLESISCHEN KERAMIK DER RENAIS-
SANCEZEIT
Zu den seltensten keramisclien Erzeugnissen, man kann sagen aller Zeiten, gehören
grosse flache Schüsseln mit schräg aufsteigendem und wieder in stumpfen Winkel um-
biegendem, von einem Wulste umgebenen Rande, deutsche Arbeiten der Renaissancezeit,
bei denen eine reiche farbige Flächendekoration durch eine eigenartige Technik erreicht
ist. In den weichen Thon werden die Konturen der Zeichnung mit einem spitzen In-
strument eingegraben, wobei sich Ränder aufwerfen, die verhindern, dass die farbigen
Zinnglasuren, mit denen man die abgegrenzten Flächen ausfüllte, im Brande ineinander-
fliessen. Das ganze Verfahren kann nicht als Malerei bezeichnet werden, da jede einzelne
Farbe für sich steht und Zwischentöne ausgeschlossen sind es steht etwa auf der-
selben Stufe der Ausdrucksfähigkeit wie das Glasmosaik und das mittelalterliche Email.
Sind nun auch diese Schüsseln von der malerischen Durchbildung der italienischen
Majolika himmelweit entfernt, so machen sie doch einen erfreulichen Eindruck durch die
leuchtende ungebrochene Kraft der Farbengebung. Die Farben haben eine ganz bestimmte
Nuance. Wir finden Ockergelb, Weiss, zweierlei Blau neben dem satten Kobaltblau
der deutschen Renaissancekeramik ein ganz helles Wasserblau zweierlei Grün helles
Blaugrün und Gelbgrün (Apfelgrün) Manganviolett und Braun in verschiedenen Tönen
vom dunkeln Schokoladenbraun bis zu einem hellen Milchkaffeebraun. Am reichsten ist
die Farbenskala initer den mir im Originale oder in farbigen Abbildungen bekannten Stücken
bei Nr. 4, am knappsten bei Nr. 1 des folgenden Verzeichnisses. Bei keiner anderen
Gattung von deutschen Renaissancetöpfereien erscheinen die Glasurfarben ähnlich rein imd
123
gleichmässig. Während nämlich z. B. bei den KöMiischen Ofenkachehi und den sogenannten
Hirschvogelkrügen noch die durchsichtigen Bleiglasuren und die undurchsichtigen Zinn-
glasuren neben einander vorkommen, werden hier ausschliesslich die letzteren verwendet.
So fehlt das durchscheinende charakteristische Grün der deutschen Hafnerei des 16. Jahr-
hunderts entweder vollständig oder kommt nur an ganz untergeordneten Stellen vor, auf
dem Randwuist oder der Unterseite der Schüsseln.
In der Litteratur sind bis jetzt nur drei Schüsseln dieser Gattung bekannt.
Nr. 1. im Berliner Kunstgewerbemuseum (Abgeb. bei Falke, Majolika S. 1Q4 und
auf S. 124). Wappenschüssel, wie solche aus der italienischen Majolika und der Keramik
von Winterthur bekannt sind. Im Schilde die sechs Lilien des Breslauer Bistums, der
schlesische Adler und das Familienwappen des Balthasar von F^romnitz, der in den Jahren
153Q 1562 den Bischofsfuhl von Breslau innehatte. Den Schild bekrönt die breitbebänderte
Mitra, in die der Krummstab mit dem sogenannten Sudarium gesteckt ist. Durchm. 0,426 m.
Nr. 2. Im Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe (Abgeb. bei Brinckmann,
Führer S. 2Q5, dessen freundlicher Vermittlung unser Museum eine Aquarellkopie von der
Hand des Frl. H. Hahn verdankt, danach auf S. 124 abgeb.). Die Darstellung ist ein
ergreifendes Memento Mori. Ein schlafendes Kind, den linken Arm auf einen Totenkopf
gestützt, in der Rechten eine Blume, vor ihm ein Apfel, von dem es eben hat speisen
wollen, und eine Sanduhr, die bald abgelaufen sein wird so richtet es an den
Beschauer die Mahnung: „Heite mir. Morgen dir." Durchm. 0,52 m. Dieses Bild ist
sehr häufig auf den Stichen deutscher Kleinmeister des 16. Jahrhunderts, in Schlesien findet
es sich sehr ähnlich in den Oiebeldreiecken von Grabsteinen gleich mehrere z. B. an der
Kirche von Bunzlau und im Giebel des Schlossportales von Guhlau bei Nimptsch aus
dem Jahre 1580 (Abgeb. Schles. Vorz. Bd., II. Taf. 29).
Nr. 3 kennen wir nur aus der Beschreibung im Kataloge der Sammlung Minutoli
Nr. 6057a. Das Original ist verschollen. Bei der Versteigerung der Sammlung Minutoli
im Jahre 1875 wurde es von der Antiquitätenhandlung Gebrüder Löwenstein in Frankfurt
am Main gekauft. Die Nachforschungen nach seinem Verbleib haben bis jetzt zu keinem
Resultate geführt.
„Grosse Schüssel von starker Tiefung in der Mitte % erhaben, der Gekreuzigte mit
beiden Schachern in Naturfarben emailliert, umgeben von einem Kranze mit schwarzer
Inschrift auf weissem Grunde: „O Menchs sich an was du tluist gedenk." Diesen Kranz
umgiebt ein anderer mit gelber Inschrift auf blauem Grunde: „Das du sterben must.
Gotes Wort bleibet ewick 1554." Diesen Kranz umgiebt wiederum ein breiterer mit sehr
eigentümlichem Pflanzenornament, blau, gelb, grün, rot auf weissem Grunde. Endlich folgt
der breite Rand der Schüssel mit vier erhabenen emaillierten Brustbildern zweier römischer
Kaiser und zweier bärtiger Männer. Diese Bilder auf grünem Grunde werden durch stark
erhabene verschiedenfarbige Blätter und Blumenarabesken auf blauem Grunde verbunden.
Dieselbe reiche Zierweise setzt sich auch über der Rückseite dieser Schüssel fort, in reicher
124
Schüssel im Kuiistorewerbemiiscum zu Berlin
Schüssel im Museum für Kiiii>t uiul (iewerbe zu llaiuburj,'
125
Schüssel im Besitze des Herrn A. von Laniia in Prasj
Schüssel im schlesischcii .\\useuiii für Kunstgewerbe und Altertümer
126
schönstilisierter Zeichnung und Färbung bis an iian Spiegel, welcher grün gelassen ist.
Die Technik ist eigentümlich, die Konture, wo sie verschiedene Farben trennen, sind
tief eingerissen und die Emailfarben von einer Lebhaftigkeit und Fraclit ohne Gleichen.
Durchm. 0,43 m."
Nr. 4. Von Herrn Direktor Brinckmann wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass
sich eine Schüsse! unserer Gattung in der Sammlung des Herrn Adalbert Ritter von Lanna
befinde. Die Vermutung, dass sie identisch sei mit Nr. 3, der verschollenen Schüssel vom Jahre
1554, hat sich als irrig erwiesen, vielmehr haben wir mit ihr ein neues Exemplar gewonnen.
Sie stammt aus der Sammlung Adamberger, die im Jahre 1871 in Wien versteigert wurde
(Nr. 287, mit Abbildung). Herr von Lanna hat mit höchst dankenswerter Liberalität von
Professor Helmessen eine ausgezeichnete Aquarellkopie des Originales in natürlicher Grösse
anfertigen lassen und unserem Museum zum Geschenk gemacht. Auch hier ist die
Kreuzigung dargestellt. Christus am Kreuze zwischen Maria und Johannes, an den Kreuzes-
armen und unten am Stamme Engel, die sein Blut in Kelchen auffangen, im Hintergrunde
zieht sich über die ganze Breite das Bild einer mittelalterlichen Stadt mit Mauern
und Thoren, mit hochragenden und massigen Kirchtürmen. Durchm. 0,515 m. (Abgeb.
auf S. 125.)
Nr. 5. Wie ich überzeugt bin, dass die Reihe dieser Schüsseln durch Nachforschungen
in öffentlichen und privaten Sammlungen sich noch vermehren wird'), so war ich auch über-
zeugt, dass unser Museum einmal in den Besitz eines Exemplares kommen werde. Und
das geschah unerwartet bald, schon im Anfange dieses Jahres. Die Schüssel, die, wie
ein vorgebohrtes Loch am oberen Rande beweist, zum Aufhängen an eine Wand bestimmt
war, zeigt wiederum Christus am Kreuze wie bei der verschollenen Minutolischüssel und
bei der im Besitze von Lanna und wie bei der letzteren Maria und Johannes zu Seiten
des Kreuzes. Im Hintergrunde Türme als Andeutung einer Stadt. Den inneren auf-
steigenden Rand füllt wie bei Nr. 4 eine Felderteilung in blau und weiss, um den
äusseren Rand zieht sich in Monumentalbuchstaben die Inschrift: „Das Bludt Jhesu Chriti
reiniget uns von allen unssern Sinden Anno Domi 1612." Durchm. 0,44 m. (Abgeb.
auf S. 125.)
Von den früher besprochenen Exemplaren ist Nr. 3 direkt mit 1554, Nr. 1 durch die
Regierungszeit des Bischofs Balthasar von Promnitz vor 1562, seinem Todesjahr, datiert. Nr. 2
und 4 wird man aus stilistischen Gründen kaum später ansetzen können. Die von unserem
Museum erworbene Schüssel trennt also von den anderen eine Kluft von mindestens
1) Der Katalog der Sarumliinfj Mimitoli sagt 7ii Nr. 578 (der Harnbururer Schüssel): „Es existieren
nur vier bekannte Stücke dieser nierk\vrndij>en Technik." Bei Nr. öüSTa heisst es: „Das 4. bekannte
Stück dieser Technik." Das ist wohl ein Druckfehler, statt: das 3. bekannte etc. Denn bei 6057 b einer
Kachel „(gleicher Technik" steht wieder der Vermerk: „Das 4. bekannte Stück dieser Technik." Minutoli
fasste also seine drei Schüssehi (Nr. 1 3 unseres Verzeichnisses) und die Kachel, von der später die Rede
sein wird, als eine Gruppe 7iis.inirneii. Dass er vier Schüsseln gekannt habe, ersieht sich aus seinen
verwirrten An<i;abcn nicht.
127
50 Jahren. Aber nicht nur eine zeith'che, sondern auch eine künstlerische Kluft. Man
vergleiche nur einmal unsere Schüssel mit der im Besitze von Lanna. Auf dieser An-
passung der Komposition an das Rund, wirklich bildmässige Wirkung, Trennung von
Vorder- und Hintergrund, verhältnismässig gut gezeichnete und dramatisch bewegte Figuren,
bei unserer Schüssel ist alles vergröbert bis auf Details wie Falten, Muskulatur und Augen
und reduziert wie der landschaftliche Hintergrund aber unverändert ist nach einem
halben Jahrhundert die alte Form und eigenartige Technik geblieben, ungebrochen die
leuchtende Farbenpracht und unvermindert die Farbenskala. Und so dürfen wir uns
immerhin freuen, dass unser Museum von einer keramischen Gattung, die man zu aller-
erst in ihm, nicht an anderen Orten zu finden erwartet, einen Vertreter erworben hat,
denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Fabrikationsort dieser Schüsseln in
Schlesien zu suchen ist. Zum erstenmale hat das Brinckmann (a. a. O. S. 2Q5) aus-
gesprochen, mit Berufung auf die Berliner Schüssel mit dem Wappen des Breslauer
Bischofs B. V. Promnitz und darauf, dass die drei zuerst beschriebenen aus der Sammlung
Minutoli in Liegnitz stammen, also wohl in Schlesien erworben wurden. Für die ver-
schollene aus dem Jahre 1554 (Nr. 3) liegt mir dafür das direkte Zeugnis des Herrn Hof-
antiquars Max Altmann vor, dass er das Stück in der Nähe von Breslau in Zimpel bei einer
Bäuerin aufgetrieben und Herrn von Minutoli um 100 Thaler verkauft habe. Und unser
Exemplar wurde von dem Antiquitätenhändler einer kleinen schlesischen Stadt erworben,
der sie, wie mir nachträglich von verschiedenen Seiten bestätigt wurde, einer alten Frau
in der Rochus-Vorstadt von Neisse abgekauft hatte. Eine weitere Stütze erhält der schlesische
Ursprung durch einen Scherbenfund, der im Jahre 18Q6 im Baugrunde des hiesigen Pack-
hofes gemacht und von dem kgl. Packhofsvorsteher Herrn Hauptmann Berndes dem
Museum schlesischer Altertümer übergeben wurde. Unsere Gattung ist darin mit einem
Randfragmente vertreten. Mit Hinweis darauf glaubte schon Seger in Schles. Vorz. Bd., VII
S. 110 die Fabrikation dieser Schüsseln auf Breslau fixieren zu müssen. Den letzten
Beweis für diese an und für sich höchst wahrscheinliche Annahme werden wir noch
später finden, bei Beschränkung auf die Schüsseln würde ihn die Stadtansicht auf dem
Exemplare des Herrn von Lanna liefern, wenn man darin mit unumstösslicher Sicherheit
Breslau erkennen dürfte. Man glaubt auf den ersten Blick die wichtigsten Werte einer
Ansicht Breslaus vom Süden mit dem hochragenden Turme der Elisabetkirche, einem
Turme der Domkirche und dem Dachreiter der Kreuzkirche wiederzufinden und Professor
Semrau hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Zinnenbekrönung unterhalb der
Kirche mit dem Dachreiter der an dem bekannten Hause an der Ecke des Ringes und
derOhlauerstrasse gleiche, einem mächtigen für das alte Breslau höchst charakteristischen
Renaissancehause aber immerhin scheint es besser, auf diese Übereinstimmungen nicht
allzu viel Gewicht zu legen.
Die gesicherte Heimat der Schüsseln gewährt die feste Basis, auch Fayencen an-
derer Form und mit Reliefdekoration Schlesien zuzuweisen. Sie mit Sicherheit aus der
grossen Menge von buntglasierten Renaissancetöpfereien, die in der Litteratur als Arbeiten
128
Steititatel vom Sfiiioratshaiise zu St. BLTiihardiii
im Stile des Hirsclivogel gehen, lierauszulösen, ist nur dnreh Autopsie möglich, nicht
durch Abbildungen. Denn bei diesen Reliefarbeiten fehlt die charakteristische Schiissel-
form, die Flächendekoration und vor allem meistens das untrügliche Merkmal der Gra-
vierungen, die die einzelnen Olasurfarben von einander trennen. Man hat ihrer bei den
Reliefdarstellungen nicht bedurft, weil es da weniger auf Schärfe der Konturen ankam,
und sie nur bei glatten Flächen von Krügen und da an untergeordneter Stelle verwendet.
Das wichtigste Merkmal, das ermöglicht, gewisse Reliefarbeiten und die Schüsseln in Ver-
bindung zu bringen, ist die Übereinstimmung in der Farbengebung. Je grösser sie ist,
je mehr sie sich auf die den Schüsseln besonders eigentümlichen Nuancen erstreckt,
desto sicherer ist, wenn auch noch andere Hilfsmittel dazu kommen, die Zuteilung, die
bis jetzt folgende Nummern umfasst:
Nr. 1. Inschrifttafel, gegenwärtig im Lichthofe unseres Museums eingemauert. Aus
neun Fliesen zusammengesetzt, im ganzen 0,60 m lang und 0,35 m hoch, enthält sie in
prächtiger, satter Farbenzusammenstellung auf hellgrünem Grunde dunkelblaue Relief-
buchstaben als direkte Abformung einer gleichfalls im Museum befindlichen steinernen
Tafel vom ehemaligen Senioratshause zu St. Bernhardin in Breslau, die aus dem Gewirre
der auf den ersten Blick einander vollständig gleichen gotischen Minuskeln C. Buchwald
(Schles. Vorz. Bd., VII, S. 2Q1) entziffert hat. Danach ist der Thürsturz, an dem die Stein-
inschrift angebracht war, im Jahre 1517 zur Zeit als Lucas von Grünberg vom Minoriten-
orden Prior und Provinzialmeister war, eingesetzt worden.') Zu welchem Zwecke die
Abformung in Thon erfolgte, darüber kann man nur Vermutungen haben. Ein baulicher
ist ausgeschlossen, da die Thonplatten nach Dr. Buchwalds strikter Aussage auf der
Rückseite, die man jetzt nicht mehr untersuchen kann, keine Spuren einer ehemaligen Ein-
mauerurig zeigten, was um so glaubwürdiger ist, als die Thonplatten aus der Bibliothek
von St. Bernhardin, wo neben den Büchern auch allerlei Kuriosa aufbewahrt wurden, und
vor dem Abbruche des Senioratshauses ins Museum schlesischer Altertümer kamen. Ich
halte es nicht für unwahrscheinlich, dass ein Hafnermeister mit dieser Thonkopie ein
Meisterstück ablegen wollte. Und nicht weniger Spielraum hat man für ihre nähere Zeit-
bestimmung im 16. Jahrhundert. Allzu lange nach 1517 die Anfertigung der Thonkopie
anzusetzen, empfiehlt sich nicht, da man in einer so rasch sich entwickelnden Eiioche wie
') Eine getuschte Ansicht des Thores mit der darüber l)etindMchen Insclirifttafel findet sich in einem
handschriftlichen Sammclbande der Stadtbibliothek (Bilil. Bernhard. B. 1640): Extractns Inscriptionum Sepul-
cralinm utriusque Silesiae ex Cod. niisto . . . Dni. Jo. Qodofredi Baronii excerps. Wolff. Friluiauu a Seydlit/ 1745.
129
es das 16. Jahrhundert war, später kaum mehr Interesse an einer Steintafel mit einer Schrift
hatte, die für die nächste Generation schon unleserlich sein musste. Und damit
hätten wir an dieser Steintafel das älteste Denkmal der Fabrikation, welcher auch die
früher besprochenen Schüsseln angehören, wie diese durch sie auf Breslau fixiert werden.
Denn es wäre eine bei den Haaren herbeigezogene Annahme, dass die Glasierung der
Tafel nicht in Breslau erfolgt sei. Mit den Schüsseln aber verbindet die Inschrifttafel die
Farbengebung, nicht so sehr das dunkle Blau als das helle Grün des Fondes, und die
ausschliessliche Verwendung der Zinnglasur.
Nr. 2. Halbkreisförmiges Relief unbekannter Bestimmung (Bekrönung eines Kachel-
ofens?) mit Auferstehung Christi, datiert 1542. (Abgeb. auf S. 122.) Seine schlesische
Herkunft ist zwar nicht direkt bezeugt, aber unzweifelhaft, da es zum ältesten Bestände des
Museums schlesischer Altertümer gehört, der sich nur aus Fundstücken von Breslau und der
Provinz zusammensetzte. Das Stück weist fast die vollständige Farbenskala der Schüsseln
auf: Kobaltblau, wasserblau, gelb, blaugrün, weiss und manganviolett. Bei den Körpern
der Figuren ist durch Mischung von Weiss und Manganviolett ein fleischfarbiger Ton
erreicht. Die Glasuren sind durchwegs opak, L. 0,67, H. 0,31 m.
Nr. 3. Torso der Statuette einer Nonne mit Rosenkranz und Gebetbuch, aus Gross-
Glogau. Zinnhaltige Glasuren; die Farbennüancen sind wasserblau, kobaltblau blaugrün,
gelb und weiss. Das Figürchen ist, wie die antiken Terrakotten in zwei Hälften geformt.
H. 0,09 m.
Nr. 4. Viereckige Wasserblase mit Darstellung Christi auf dem Ölberge im Berliner
Kunstgewerbemuseum. An den Nebenseiten Blumenvase in Bogenstellung. H. 0,24, Br.
mit Henkeln 0,33, ohne Henkel 0,24, T. 0,115 m.
Dieses Stück ist von Falke, Majolika S. 194 derselben Werkstatt wie die Schüssel
mit dem Wappen des Balthasar von Promiiitz zugewiesen worden. Die Annahme
schlesischen Ursprunges bestätigt sich schon durch die Herkunft des Gefässes aus
dem Legate des Kammermusikus Hanemann aus Löwenberg, mehr aber noch durch
die Übereinstimmung der Darstellung mit der auf einer Ofenkachelform unseres Museums,
die, als Teil einer Suite, zu der noch die Auferstehung Christi und der feurige Dornbusch
gehören, in den 70er Jahren im Keller des ehemaligen Theaters „Kalte Asche" in Breslau
gefunden worden ist. Diese Übereinstimmung ist so gross, dass man auf den ersten
Blick glaubt, das Relief mit Christus auf dem Ölberge auf der Berliner Wasserblase sei
aus der Breslauer Ofenkachelform gepresst, bis man kleinere Verschiedenheiten bemerkt.
So ist an dem Gefässe eine viereckige Inschrifttafel „DER HER AM OLBERG MAT. XXV"
angebracht, während sich auf der Kachelform ein Schriftband „AM Olberg MA" über dem
Kopfe eines der schlafenden Jünger hinzieht. Jedenfalls aber rühren beide Stücke von
einem und demselben Meister her, der sein Monogramm PN in Ligatur auf der Ofen-
kachelform mit der Auferstehung Christi angebracht hat.
No. 5. Krug mit Reliefdarstellungen im Berliner Kunstgewerbemuseum. Vorn
Christus am Kreuze zwischen den Schachern, links Heilung des Lahmen, rechts Agnus Dei.
130
Am Halse und auf einem Bauclistreifen Gravierungen. In späterer Zeit sind Fuss und
Mündung in Zinn gefasst und der ursprünglich thönerne Deckel durch einen zinnernen
ersetzt worden. H. ohne Fassung und Deckel auf diesem O. H. 1669 ungefähr 0,30 m.
Die Ofenkachel der Sammlung Minutoli 6057 b, darstellend das Innere eines grossen
Haussaales in perspektivischer Vertiefung gehört nicht, wie der Hinweis „Kachel gleicher
Technik", auf die im Kataloge unmittelbar vorhergehende Schüssel vom Jahre 1554 ver-
muten lässt, zu den schlesischen Fayencen. Ich habe diese Kachel im Besitze des Herrn
Grafen Pfeil wiedergefunden. Sie ist die Wiederholung eines aus der Nürnberger
Hafnerei bekannten Typus.
Es ist kein Zufall, dass von den Reliefarbeiten eine - Nr. 2 mit der Auferstehung Christi
— ein früheres Datum trägt als die älteste datierte Schüssel und dass wir eine andere, die
Inschriftfliesen, überhaupt an die Spitze der ganzen Reihe buntglasierter schlesischer
Fayencen stellen konnten. Das giebt uns einen Fingerzeig für die Entwicklungsgeschichte
dieses Industriezweiges in Schlesien. Im 16. Jahrhundert gehen in Deutschland zwei
Strömungen in der Keramik nebeneinander. (Siehe Falke, Majolika S. 180.) Die eine
schliesst sich in Technik, Gefässformen und Stil an die italienische Majolika an. Sie
bemalt die Gefässe und zwar wie die italienische Majolika meistens auf weissem Grund.
Die andere Strömung fusst auf den alten volkstümlichen Traditionen des Hafnerhand-
werkes und führt sie weiter. Das Handwerk des Ofentöpfers hatte schon im 15. Jahr-
hundert mit der alten primitiven Technik der Bleiglasur einen erfreulichen Aufschwung
genommen. Es kam dann im 16. Jahrhundert, als es die undurchsichtige und dabei
glänzende Zinnglasur einführte und immer mehr zur Buntfarbigkeit überging, zur höchsten
Blüte, von der überall in Deutschland, im Süden, in den österr. Alpenländern, in Sachsen,
bis hinauf zum Artushof in Danzig, stattliche Öfen mit reichem Reliefschmuck der Kacheln
und bunten satten Glasurfarben Zeugnis ablegen. Bald wurde die deutsche Hafnertechnik
auch auf die Gefässtöpferei übertragen und zu einer, wie es scheint, gleichfalls an vielen
Orten Deutschlands schwungvoll betriebenen Industrie ausgebildet. Und wie wohl überall,
nahm das Hafnerhandwerk auch in Breslau eine eigenartige Nuance, besonders in der
Farbengebung an. Einen vollständigen Ofen aus dem früheren 16. Jahrh. besitzen wir meines
Wissens in Schlesien nicht mehr, nur das Relief von 1542, die Inschriftplatte und die Wasser-
blase Nr. 4 stehen der Ofentöpferei näher. Wenig vertreten sind, wie wir gesehen haben, auch
noch die Gefässtöpfereien. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts aber kam ein ingeniöses Mit-
glied der Breslauer Töpfergilde auf die Idee, dieselbe Hafnertechnik, die bisher überall nur für
Reliefarbeiten verwendet worden war, den Auftrag von verschiedenfarbigen Glasuren
auf den direkten Thongrund, auch für die farbige Dekoration in der glatten Fläche ein-
zuführen, indem er durch Vorgravierung der Zeichnung in den weichen Thon das Zusammen-
laufen der verschiedenen Glasuren, mit denen die Fläche vor dem Brande bedeckt wurde,
verhinderte. Die Verwendung der Gravierung ist nicht seine Erfindung. Wir werden
nicht alle die keramischen Gattungen aufzählen, die sich ihrer von der prähistorischen
Zeit an bedienen. Uns interessieren hier nur diejenigen, die zu den schlesischen Schüsseln
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in Beziehung stehen. Auf S. 132 ist eine 1550 datierte Schüssel aus dem Besitze Seiner
Exzellenz des H. Grafen Hans Wilczek abgebildet, auf die mich Direktor Braun in Troppau
aufmerksam machte. Seine Exzellenz hatte die grosse Liebenswürdigkeit, sie mir zum
Studium und zu photographischer Aufnahme nach Breslau zu senden. Die Schüssel, die
einen Durchmesser von 0,40 m hat, ist in der Technik der Mezzamajolika dekoriert. Die
Innenseite bedeckt eine kalkweisse, dünne Engobe, aus der die Konturen der Zeichnung
ausgekratzt sind, worauf dann der Töpfer die Zwischenräume, soweit sie nicht weiss
blieben, mit ockergelber, grüner und indigoblauer Farbe, die letztere von trübem
schmutzigem Tone, ausfüllte und das Ganze durch eine Bleiglasur zog. So sehr die
Schüsse! in der Technik, der Farbengebung, der Ornamentation des Randes und durch
die Verwendung von Porträtköpfen an italienische Majoliken erinnert, ist sie unzweifelhaft
deutsches und zwar süddeutsches Fabrikat. Und so halte ich es nicht für ausgeschlossen,
dass derartige Schüsseln, bei denen die Gravierung eine so grosse Rolle spielt, unseren
schlesischen Meister beeinfiusst haben. Anderseits wieder konnte er die Gravierung als
Trennung verschiedenfarbiger Glasuren an süddeutschen Hafnergefässen kennen lernen,
wo wir sie an glatten Stellen öfters angebracht sehen. Er fasste daher vielleicht nur
getrennte Elemente, die in der deutschen Keramik seiner Zeit gang und gäbe waren, zu
etwas Neuem zusammen. Denn sicher ist, soweit nicht neue Funde das Gegenteil
beweisen, seine selbständige Erfindung die Ausdehnung der Hafnertechnik mit undurch-
sichtigen Glasuren ohne Engobe und mit Hilfe der Gravierung auf die Flächendekoration,
auf grosse figürliche Darstellungen im Schüsselrund. Es ist dies die letzte Entwicklungs-
stufe der auf der heimischen Tradition beruhenden Keramik des 16. Jahrhunderts und
man geht wohl nicht irre, wenn man sie für den Ausdruck einer Gegenströmung gegen
die welsche Art, gegen die Majolika hält. Dass ein solcher Versuch der Konkurrenz
gegen das Neue und Fremdländische im äussersten deutschen Osten gemacht wurde,
ist nicht verwunderlich. Gerade in Gegenden, die dem Weltverkehre mehr entrückt sind,
ist das Handwerk zäher, hartnäckiger, weniger leicht für das Neue zu entzünden, dabei
aber, wenn es nur einen gesunden Lebensdrang hat, erfinderischer in der Ausnützung
des Alten. Gewiss haben die Meister, denen wir die schlesischen Schüsseln verdanken,
mit Stolz auf sie gezeigt und gesagt: „Seht, auch wir können in unserer alten Art
Schüsseln mit Schildereien und heiligen Legenden zierlich bemalen, wie die Welschen."
Aber ihre Kunst und ihr technisches Geschick war doch nur ein Stammeln im Vergleich
zu der ausdrucksvollen, reichen, gebildeten Sprache der welschen Art und so gehörte die
Zukunft den durch die italienische Majolika in Deutschland eingeführten Neuerungen.
Die Töpferwerkstätte jedoch, aus der die Schüsseln hervorgingen und die, wie wir früher
sahen, ihre Blüte in der Mitte des 16. Jaiirlumderts iiatte, bewahrte eine zähe Lebens-
dauer. Denn nach einem halben Jahrhundert taucht aus all dem, was verloren gegangen
ist, die von unserem Museum erworbene, 1612 datierte Schüssel auf, die nur ein Sinken
der künstlerischen, nicht der technischen Fertigkeit verrät, ein Beweis, dass die
Fabrikation dieser Schüsseln bis dahin wohl noch in Breslau ihren Sitz hatte und ununter-
132
brechen weiter schuf. Dann aber flüchtet sie sich aus der Stadt in der sie immer alt-
modischer wurde, auf das Land, um als Bauemtöpferei mindestens noch ein Jahrhundert
weiter zu leben. In einer kleinen sächsischen Privatsammlung habe ich einen von dem
Besitzer in Liegnitz erworbenen grösseren Teller gesehen, auf dem ein .Wann im Kostüme
der 1. Hälfte des IS. Jahrhunderts dargestellt ist, der zwei Kälber führt Wie bei den
Hafnerschüsseln des 16. Jahrhundens ist die unbehilfliche Zeichnung vorgraviert, sind die
einzelnen Glasuren direkt auf den Thongrund aufgetragen und ist von der alten Farben-
skala noch das helle charakteristische Grün, Weiss und Gelb übrig geblieben, während
Kobaltblau einen schwarzen und Braun einen mehr roten Ton angenommen hat In der
Keramik des IS. Jahrhunderts mit ihrer Vorliebe für den weissen Grund, einer ganz
anderen Farbengebung und ihrer neuen Technik, der .Muffelmalerei, mutet dieses Stück
förmlich vorsintflutlich an. als ein lehrreiches Beispiel für die innere Lebenskraft hand-
werklicher Traditionen und als der letzte Zeuge der interessantesten keramischen Gattung
Schlesiens, die wir jetzt, wenn auch voriäufig erst in grossen Zügen von der ersten
Hälfte des 16. Jahrhundenes an bis zu ihrem Eriöschen im IS. Jahrhundert verfolgen können.
Karl Masner
133
Steinrelief mit musizierenden Gestalten, 16. Jahrhundert
ZU DEN STEINALTERTÜMERN AM ZOBTEN
Die Zobtener Steinaltertümer sind wiederholt Gegenstand gelehrter Untersuchungen
gewesen. Der Gang dieser Untersuchungen ist aber durch den doppelten Umstand beein-
flusst worden, dass man einerseits den Bericht Thietmars über die Verehrung, welche in
heidnischer Zeit dem Berge Slenz, oder wie er jetzt nach dem gleichnamigen Städtchen
genannt wird, dem Zobten, zu teil wurde, heranziehen zu müssen glaubte, andererseits
auch dem Sagengewebe eine Bedeutung beimass, das sich um die Person Peter Wlasts
im Verlaufe des Mittelalters gebildet hatte.
Beschäftigen wir uns zuerst mit Peter Wlast.
Benedikt von Posen, Propst zum hl. Geiste in Breslau, verfasste um 1520 eine noch
ungedruckte Cronica Petri comitis ex Dacia, von der die Breslauer Universitäls-Bibliothek
eine Abschrift aufbewahrt. In dieser Chronik wird nun in einem durchaus sagenhaften
Tone von der Gründung des Augustinerklosters auf dem Zobten berichtet. Graf Peter
habe nämlich auf einem hohen Berge Schlesiens, der der Berg Slenz genannt wurde und
an dessen Fusse die Stadt Sobotka, welche seine Zeitgenossen Tczobten nannten, liege,
eine Burg gehabt. Hier habe er mit seinem Vater, den er aus Dänemark mitgebracht,
wegen der gewaltigen Höhe und der Annehmlichkeit des Platzes gerne geweilt. Hierher
habe er auch die frommen Regularkanoniker des hl. Augustinus aus dem Brabanter
Kloster Arrovaise berufen und ihnen vor seiner Burg einen Platz zum Kloster angewiesen
und für sie die Marienkirche gebaut und ihnen Dörfer und Einkünfte rings um den Berg
geschenkt.
134
Zunächst imiss gegenüber dieser sagenhaften Darstellung betont werden, dass
Peter Wlast auf oder an dem Zobtenberge niemals ein Schloss oder eine Burg besessen
hat. Allerdings bringt auch Johannes Hess in seiner Silesia magna dieselbe Nachricht
und fügt noch hinzu, dass noch Reste dieser Burg sichtbar seien. Die schlesischen
Regesten haben darin allerdings recht, dass die Existenz eines Klosters auf dem Gipfel
des Zobten durch nichts erwiesen sei; wenn dabei aber gesagt wird, es brauche anderer-
seits nicht geleugnet werden, dass Peter selbst auf dem Gipfel des Berges ein Schloss
gehabt habe, so ist das zweifellos unrichtig. Vor allem ist hier hervorzuheben, dass
die Chronica abbatum B. Mariae V. in Arena davon nichts weiss. Noch weniger ist zu
erweisen, dass der Zobtenberg samt den dazu gehörigen Waldungen und Ansiedlungen
jemals Eigentum des Grafen Peter gewesen sei. Das ganze Gebiet war vielmehr herzog-
liches Eigentum.
Die Gründung des Klosters der Augustinerchorherren am Zobtenberge in Gorka
d. i. an oder auf dem kleinen Berge SIenz (in monte Silentii) hat übrigens weder im
Jahre 1108 oder 1110 stattgefunden, noch ist sie das Werk des Grafen Peter. Diese
Angaben sind nämlich erst in dem Streite mit dem Vincenzstifte um den Vortritt, der im
Jahre 1348 ausbrach, also in einer Zeit entstanden, in der die ursprüngliche Geschichte
des Klosters wegen mangelnden Verständnisses der wenigen echten Überlieferungen und
infolge zahlreicher Urkundenfälschungen stark verdunkelt war und eine sagenhafte Färbung
erhalten hatte. Man kann dies deutlich aus der Chronica abbatum erkennen, in der die
verworrenen Nachrichten aus den Acta et producta in causa Vortret und aus Chroniken
zusammengestellt sind und der vergebliche Versuch gemacht ist, die sagenhaften Zuthaten
einer späteren Zeit mit den ältesten Urkunden in Einklang zu bringen.
Schon weim man erwägt, dass Graf Peter schwerlich über einen Landkomplex von
etwa 75 qkm Grösse zu gunsten einer Ordensniederlassung wird frei haben verfügen
können, leuchtet die Unmöglichkeit ein, mit der Sage des späteren Mittelalters die Gründung
und Ausstattung des Klosters der Augustinerchorherren in Gorkau dem Grafen Peter Wlast
zuzuschreiben. Wir sind übrigens in der Lage den unwiderleglichen Beweis zu liefern,
dass die Gründung nicht dem Grafen Peter, sondern der herzoglichen Familie zuzuschreiben
ist, und sie nicht schon in das Jahr 1 108 oder 1 110, sondern kurz vor 1 146 fällt. Dies ergiebt
sich nämlich mit klaren Worten aus dem bekannten, aber bisher niemals recht gewürdigten
uralten Fragment über die ältesten Besitzungen der Augustiner. Hier heisst es: Dux
Wladislaus dedit ad montem Bezdad .... circuitionem montis dux B(olezlaus) tempore
patris sui cum ipso fratre. Herzog Wladislaw II. gab also für die Besitzung der Augustiner
am Berge SIenz eine Anzahl Hörige; den gesamten abgegrenzten Landkomplex am Berge
SIenz gaben aber zu Lebzeiten ihres Vaters Wladislaw II. die herzoglichen Brüder Boleslaw
der Lange und Mesiko.
Und die circuitio montis, anderwärts auch ambitus oder von dem Umreiten bei der
Umgrenzung im Polnischen ujazd genannt, ist eben jener grosse Landkomplex, der den
Augustinerchorherren bei ihrer Niederlassung aus dem landesfürstlichen Besitze zugewiesen
135
war. Die circuitio montis umfassle die westliche Hälfte des Zobtenberges und die von
slawischen Hörigen besetzten Dörfer Wiri (Gross- und Kiein-Wierau), Cescouici (mit
Myslacow bildete es das spätere Kaltenbrunn), Syuridow (Seiferdau), Biela (Klein-Bielau),
Strelez (Strehlitz), villa ad molendinum (Qualkau), forum in Soboth (Markt Zobten) und
Stregomane (Striegelmühl).
Der den Augustinern am Zobten übereignete grosse Grundbesitz war also nicht,
wie eine spätere Zeit missverständlicherweise glaubte, Eigentum des Grafen Peter Wlast,
sondern herzoglicher Besitz. Die Stifter des Augustinerklosters am kleinen Berg Slencz,
Oorkau, waren somit auch die Herzoge Bolesiaw der Lange und Mesiko, nicht aber Graf
Peter. Dagegen sind Peter Wlast und seine Gemahlin Maria VIostonissa bei der späteren
Einrichtung der Augustinerchorherren auf dem Sande bei Breslau hervorragend beteiligt
gewesen. Da in späterer Zeit das Kloster auf dem Sande der Hauptsitz der Augustiner-
chorherren wurde, die erste Niederlassung am Zobten hiergegen zurücktrat, so wird es
erklärlich, dass Peter Wlast mit der Zeit der alleinige Stifter des Augustinerklosters wurde,
wie er ja auch der Begründer des älteren Vincenzstiftes auf dem Elbing bei Breslau that-
sächlich gewesen ist.
Aus allem ergiebt sich aber mit genügender Deutlichkeit, dass, wenn das Gebiet
am Zobten nicht Peter Wlasts Eigentum war und die Gründung der Augustinernieder-
lassung am Zobten auf ihn nicht zurückgeführt werden kann, die Steinaltertümer am
Zobten mit Peter Wlast nicht in Verbindung gebracht werden können.
Wenn also erzählt wird, Graf Peter habe eine Burg auf dem Zobten gehabt, wenn
ferner die „Jungfrau" und der „Bär" sowie die „Sau" von der Sage in mehr oder weniger
direkte Beziehung zu Peter Wlast gebracht werden, und wenn endlich die vier Löwen,
wenigstens der am Fusse des Turmes der Pfarrkirche in Zobten eingemauerte Löwe von
Peter Wlast herrühren und als Beweis dafür dienen sollen, dass dieser die Zobtener
Pfarrkirche und vielleicht auch die Gorkauer erbaut habe, so sind alle diese Sagen
unbeglaubigte Kombinationen einer späten Zeit. Wir haben also auch durchaus kein
Recht, in ihnen Spuren einer alten Überlieferung zu erblicken.
Ein anderer Versuch, die Herkunft und die Bedeutung der Zobtener Steinaltertümer
zu bestimmen, steht unter dem Einfluss der bekannten Erzählung Thietmars von der Ver-
ehrung, die in heidnischer Zeit der Zobtenberg besessen habe. Die Stelle hat folgenden
Wortlaut:
Posita est autem (Nemzi) in pago Silensi, vocabulo hoc a quodam monte nimis
excelso et grandi olim sibi indito et hie ob qualitatem suam et quantitatem, cum execranda
gentilitas ibi veneraretur, ab incolis omnibus niniis honorabatur. Die Thatsache, dass an
oder auf dem Zobtenberge (Mons Silentii, Slenz) in heidnischer Zeit Götzendienst betrieben
worden ist, kann hiernach wohl nicht geleugnet werden. Auch mag zugestanden werden,
dass die Denkmäler aus alter Zeit, wie der Überrest eines um die Krone des Berges sich
ziehenden Ringwalles von Steinen, ferner Urnen, Bronzesachen u. dcrgi. zur Genüge
beweisen, dass der Zobtenberg schon in der Zeit des Heidentums eine Stätte menschlicher
136
Ansiedlung und Tliätigkeit und vielleiclit aiicli eines heidnischen Kultus gewesen sei.
Aber etwas anderes ist es, aucli die Steinaitertümer aus diesem heidnischen Kultus
erklären zu wollen.
Am drastischsten lässt sich dieser Versuch an bei Knie in seiner bekannten Über-
sicht der Dörfer u. s. w. Schlesiens unter „Gorkau". Man liest dort: „Das üorkauer Schloss
bietet noch eine Merkwürdigkeit; es sind vor demselben in der Grundmauer ein liegender
Bär und ein Löwe von Granit eingemauert worden, welche, nebst einem Bär, der in der
Stadtkirche von Zobten eingemauert und einem dritten zu Marxdorf die Vermutung ver-
anlasst haben, dass diese Tiergebilde gleichsam Stationen oder Wegweiser für die heid-
nischen Wallfahrer zur Asenburg auf dem Zobten gewesen seien, indem höher hinauf
der Weg abermals bei einem Bären und der Jungfrau vorüberführt."
Diesen Standpunkt des heidnischen Ursprungs der Steinaltertümer vertritt auch
noch Nehring in der Festschrift zu dem in Breslau 1884 tagenden Anthropologen-
Kongresse. „Ein Versuch", heisst es hier, „die Zobtener Steingebilde einer bestimmten
christlichen Kunstrichtung und Symbolik zuzuweisen, ist bis jetzt nicht gemacht worden
und die in der prähistorischen Sektion der 1874 in Breslau tagenden Naturforscher-
versammlung von kompetenter Seite gemachte Äusserung, die Jungfrau mit dem Fische
sei aus heidnischer Zeit, weil sie sich durch die bekannten Denkmäler der christlichen
Kunst etwa des 11. Jahrhunderts nicht erklären lasse, bezeichnet genau den gegenwärtigen
Stand unserer Kenntnisse von dem Ursprung der „Jungfrau". Am Schluss dieser inter-
essanten Abhandlung wird der Versuch gemacht Analogieen aus der slawischen heidnischen
Religions- und Kunstgeschichte heranzuziehen.
Selbst wenn man von den älteren hier einschlagenden Deutungsversuchen wegen
ihrer wenig glücklichen Ergebnisse absieht, so muss man doch sagen, dass der bekannte
Bericht Thietmars zu Erklärungsversuchen nach dieser Richtung einen natürlichen Anlass
bietet und es verlockend sein muss, auf diesem Wege zu religiösen Altertümern aus der
slawischen heidnischen Zeit zu gelangen. Aber dieser Weg ist doch wohl nicht gangbar.
Sämtliche Steinaltertümer sind über das Klostergebiet verstreut und befinden sich
in nicht allzuweiter Entfernung von dem Wohnsitze der Chorherren in Gorkau. Das
bleibt auch noch bestehen, wemi man im Hinblick auf die beiden am westlichen Haupt-
portale der Breslauer Domkirche eingemauerten „vermutlich aus romanischer Zeit stam-
menden" Löwen, hier von den vier Löwen in Gorkau, Zobten und Alarxdorf absieht. Es
liegt auf der Hand, dass einer der ersten Beweggründe, die Augustinerchorherren gerade
am Fusse des Zobten anzusiedeln, in der überlieferten Verehrung zu suchen ist, die man
dem Berge Slenz in heidnischer Zeit gezollt hatte, sowie in dem lebhaften Wunsche,
durch eine kl(')sterliche Ansiedlung den Sieg christlicher Anschauungen ülur heidnische
Traditionen und Bräuche herbeizuführen. Wer diesen ausserordentlich naheliegenden
Gedanken von der Bedeutung des Chorherrenstiftes am Berg Slenz (in monte Silentii, wie
es bezeichnend genug in den Urkunden heisst) als richtig anerkennt, der wird sich auch
der Folgerung nicht erwehren können, dass es die erste und natürlichste Aufgabe der
137
Augustiner sein mussle, alles das zu beseitigen und zu zerstören, was an heidnische
Kulte und Bräuche erinnern konnte. Wären wirklich die Steingebilde einschliesslich oder
ausschliesslich der vier Löwen Überreste einer heidnischen Zeit und heidnischen Aber-
glaubens gewesen, dann wären sie schwerlich der zerstörenden Hand entgangen.
Vielleicht gelangen wir auf einem anderen Wege zum Ziele. Wir kehren wieder
zu der Bezeichnung circuitio montis, welche in dem bekannten Fragmente für den dem
Kloster überwiesenen gesamten Besitz am Zobten gebraucht ist, zurück.
Die Zusammenfassung des ganzen Klosterbesitzes am Zobten unter dem Namen
circuitio (circuitus, ambitus, ujazd) hat für unsere ganze Untersuchung einen besonderen
Wert. Es ist demnach wichtig zu erfahren, dass dieser Ausdruck nicht nur in dem alten
Fragmente uns begegnet, sondern auch anderwärts, wenigstens dem Sinne nach, sich findet.
in der Bestätigungsurkunde des Papstes Eugen III. vom 19. Oktober 1148, welche
übrigens die älteste echte Urkunde ist, die von dem Stifte der Augustinerchorherren
handelt, ist der technische Ausdruck des circuitus umschrieben; hier heisst es: montem
scilicet cum appendiciis suis, forum sub monte. In der Urkunde des Papstes Cölestin III.
vom Q.April 1193 wird eine ähnliche Wendung gebraucht, wie in der vorigen Urkunde,
aber es werden wie in dem alten Fragmente die einzelnen Ortschaften, die innerhalb der
circuitio montis lagen, nur in umgekehrter Reihenfolge aufgezählt. Die Stelle lautet: montem
cum villis sibi attinentiis videlicet Vino cum decimis (Weinberg mit den Hörigen), Stre-
gomen cum decimis, forum in Sabal cum decimis, villam ad molendinum cum decimis,
villam Strelec cum decimis, villam Beala cum decimis, villam Zyvridou cum decimis,
villam Tesech cum decimis (= Cescovici des alten Fragmentes) villam Vuiri. Auch in
der Zehntbestätigung des Bischofs Lorenz vom Jahre 1223 werden die Ortschaften in
charakteristischer Weise zusammengestellt: videlicet decimas in curia eorum Oorka, et
in villis eidem curie adiacentibus, quarum nomina sunt: Sobota, Stregomene, Viri, Syuridou,
Cescouice, Bela, Strelce, Falcou (Qualkau). Selbst in der Bulle des Papstes Innocenz IV.
vom Q.Juni 1250 ist trotz der inzwischen begonnenen deutschen Besiedlung auf diesem
Klostergrunde der Zusammenhang der zu diesem alten circuitus gehörigen Dörfer nicht
ganz verwischt.
Endlich wird in der übrigens unechten Urkunde des Bischofs Walter vom Jahre 1149
über die Zehntverleilumgen an die Kirchen der Augustiner gesagt: montanae vero ecciesiae
Villarum nomina sunt hec: Wygasd . . . Unter Wygasd, das nur eine andere Schreibung
von Ujazd ist, kann natürlich nicht ein besonderes, nicht auffindbares Dorf gesucht
werden, sondern es bezeichnet den ganzen dem Kloster der Augustiner am Zobten
zugewiesenen Landkomplex, den circuitus montis des alten Fragmentes. Denn zu der
Bergkirche in Gorkau, die in der ältesten Zeit die einzige Kirche des ganzen grossen
Bezirkes war, gehörten natürlich auch die Zehnten aus dem ganzen um Gorkau liegenden
circuitus oder ujazd und der darin befindlichen Ortschaften. Der Fälscher der Urkunde
Bischof Walters hat dies aber offenbar nicht verstanden und aus der polnischen Bezeichnung
für den ganzen circuitus montis, ujazd, eine besondere Ortschaft gemacht.
IS
138
Was versteht man min nnter circuitio, circnitns, ambitus, iijazd ?
Für die schlesisch-polnischen Verhältnisse trifft wohl dasselbe zu, was Lippert in
dem ersten Bande seiner Sozialgeschichte Böhmens, wo er die slawische Zeit und iiire
gesellschaftlichen Schöpfungen behandelt, von Böhmen bericiitet. „Was die Besitznahme
des Landes in der landesfürstlichen Mark betrifft, so unterschied sich diese wesentlich
von dem Vorgange, den wir uns bei der Besitznahme des alten Gentillandes vorstellen
müssen. Bei dieser lag die Bildung einer linearen Grenze in der Mark am Ende der
Entwicklung; in jenem Falle pflegte die Ausscheidung mit einer solchen Feststellung zu
beginnen. Es entstand so der circuitus, ujazd, durch eine solche Feststellung im Wege des
Umgehens oder Umreitens, wobei die Umreitenden zugleich als Zeugen und Gedenk-
männer der Grenzbestimmung dienten."
Von der uralten Sitte einer solchen Abgrenzung eines Stückes der landesfürstlichen
Mark in Schlesien giebt die Schutzurkunde des Papstes Hadrian IV. für das Bistum
Breslau vom Jahre 1155 Kunde, da in ihr eine circuitio iuxta Cozli und eine circuitio
super aqua que Dragina vocatur unter den Besitzungen des Bistums genannt werden.
Von der langen Fortdauer dieses Brauches der Abgrenzung giebt neben verschiedenen
Urkunden und Ortsnamen auch das Heinrichauer Gründungsbuch mehrere interessante
Beläge. So wird unter anderem berichtet, Herzog Boleziaw II. habe bei einem Grenzstreite
über Schönwalde Paul Slupouiz zum Zeugnis aufgefordert, der zur Zeit der früheren
Herzoge (Heinrichs 1. und Heinrichs II.) und auch damals noch im herzoglichen Auftrage
viele Eigengüter zur Grenzbestimmung Umschriften hatte (qui tempore antiquorum ducum
et tunc temporis cum hec agerentur erat multarum hereditatum circuitor auctoritate ducum).
Zur weiteren Orientierung mag auf den Aufsatz „Ujazd und Lgota" im 25. Bande der
Zeitschrift des Vereines für Geschichte und Altertum Schlesiens verwiesen werden.
Der Umfang eines circuitus oder ujazd war verschieden. Er bestand zuweilen nur
aus einer Feldflur. Andere Ujazde boten ganzen Dörfergruppen Raum. So wurde das
Braunauer Ländchen samt Politz mit Recht ein circuitus genannt, ein Ausschnitt aus dem
Markwalde. So war dem Bistum in Oberschlesien ein ujazd zugefallen, der einen Flächen-
raum von 4000 ha umfasste und aus dem der spätere Ujester Halt geworden ist. So
sind die unmittelbar um das Kloster belegenen Gründe der Klöster Leubus und Trebnitz
durch circuitio begrenzt und zu einem geschlossenen ambitus zusammengefasst worden.
So bildeten auch die Besitzungen der Augustiner am Zobten in einer Grösse von 75 qkm
eine circuitio montis oder ujazd.
Zur Bezeichnung der Grenzen eines solchen circuitus dienten zimächst Bachläufe
und Quellen, wo diese mangelten, Holzstapel — granice cechisch hranice, woraus unser Wort
Grenze entstanden ist ; später verwendete man Bäume hierzu, in welche die Grenz-
zeichen eingehauen wurden (usque ad arborem in qua sunt metae id est hranicie). Man
verwendete auch Erdhaufen (positis acervis, qui Kopci dicuntur; totum praefatum praedium
(d. i. der ambitus von Trebnitz] in circuitu aggerum erectione et arborum signatione
139
limitare ciiravi). Endlich dienten als Orenzzeiciien Steine, Malsteine. So soll nach den
allerdings formell unechten Trebnitzer Urkunden Herzog Heinrich I. den ambitus des
Klosters Trebnitz ausser durch Erdhaufen und gezeichnete Bäume durch Steine ringsum
abgegrenzt haben, die die Initialen seines Namens trugen (lapides apicibus mei nominis
insculptos . . . terrae infodi praecepi).
Eine weitere interessante Frage ist, durch welche Zeichen die Bäume und Steine
als Grenzzeichen kenntlich gemacht wurden. Von den Grenzsteinen, die Herzog Heinrich I.
bei der Begrenzung des Trebnitzer ambitus verwendet haben soll, haben wir eben schon
gehört, dass sie die Initialen seines Namens trugen. Sonst wurde in der Regel das
Kreuzzeichen verwendet. In einer Grenzbeschreibung für Kloster Dargun in Pommern
vom Jahre 1174 heisst es: in quandam quercum cruce signatam, quod Signum sclavice
dicitur Kneze granica (Fürstengrenzzeichen). In einer Urkunde des Matthiasstiftes vom
14. März 1353 lautet es bez. eines Grenzstreites: anczuheben an eynem Bawme, der de
steet yn dem walde Scoschkaw, den sie mit eynem Creutze gemercket haben.
Es bleibt nun immerhin auffällig, dass, mit Ausnahme der vier Löwen, sämtliche
Steingebilde des Zobten deutlich ein Kreuz eingemeisselt haben.
Es mag hier genügen hervorzuheben, dass die beiden altertümlichen Löwen, welche
vor dem Portal des alten Propsteigebäudes liegen, der Löwe, der an einem Strebepfeiler
der k. Pfarrkirche in Zobten eingemauert ist, und der Marxdorfer Löwe, höchstwahr-
scheinlich aus christlicher Zeit stammen. Es war nicht ungewöhnlich, dass Löwen, als
Wächter des Gotteshauses, an Portalen angebracht wurden. Man vergleiche die oben
schon erwähnten Löwen an dem Hauptportale der Breslauer Domkirche und die Löwen
des Portals der gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts entstandenen Pfarrkirche in dem
unweit der Stadt Zobten gelegenen Dorfe Queutsch.
Für unsere Untersuchung bleiben somit nur die mit einem Kreuze versehenen
Steingebilde übrig. Nun ist schon in der bekannten Abhandlung „Über die Steinalter-
tümer auf dem Zobtenberge" 1875 bezw. 1884 auf eine Urkunde des Sandstiftes vom
10. Mai 1209 hingewiesen worden. Die Urkunde ist schon wegen des Titels: Henricus
dei gracia dux Slesie, filius ducis Boleslai, der auf eine alte erzählende Kloster-
aufzeichnung hinweist, und aus anderen Gründen unecht.
Die Fälschung dieser Urkunde wird wohl in die Zeit vor dem 27. Mai 12S0 zu
setzen sein, wo unter anderem ein Streit, der zwischen dem Abte Gottschalk und Herzog
Heinrich IV. über den Wald des Berges Slenz ausgebrochen war, unter Berufung auf eine
alte Grenzfestsetzung beigelegt wurde. Trotz dieser formellen Unechtheit jenes Doku-
mentes selbst, wird die Thatsache der erneuten Umgrenzung des Zobtener Waldes bezw.
des ganzen circuitus de Gorka durch Herzog Heinrich I. richtig sein, zumal auch in den
Trebnitzer Nachrichten von dieser Umgrenzung die Rede ist. Auch das Stück einer Orenz-
beschreibung, das in dieser Urkunde von 1209 enthalten ist, muss auf einer alten Kloster-
aufzeichnung beruhen. Denn während in späterer Zeit von selten der Augustinerchor-
herren, wie aus der chronica abbatum deutlich hervorgeht, der ganze Bergwald des Zobten
140
als Eigentum in Anspruch genommen wird, beschränkt diese alte Grenzlimitation den
Besitz des Klosters auf die westliche Hälfte und schreibt die östliche Hälfte dem Herzoge
zu. Man braucht nur in Betracht zu ziehen, dass die bei der ersten Dotation den
Augustinern verliehene circuitio montis mit den darin liegenden Dörfern westlich oder
genauer nordwestlich von der Linie liegt, welche, über den Gipfel des Berges gehend,
in dieser Grenzlimitation beschrieben wird, um zu erkennen, dass der südöstliche Teil
des Berges mit den am Fusse liegenden Dörfern in der Hauptsache herzogliches Gebiet
geblieben war.
Der uns interessierende Teil der Urkunde von 120Q hat nun folgenden Wortlaut:
sicque in propria persona sepedictum montem circuentes tales limites posuimus, incipientes
a quadam tilia, que est inter Bandcouice viilam nostram et Stregomene, villam dictorum
fratrum, ac directe transeuntes usque ad lapidem qui dicitur Petrey, a quo lapide per viam
que ducit in supercilium montis, deinde per viam descensus ad montem Raduyna prope
uillam eorum Tampadla. Partem ergo montis, quam isla circuicione comprehendimus
versus eorum curiam Gorcam ipsis protestamur pertinere, reliqua vero pars nobis cessit,
prout circumsedentes barones iuramento constricti sunt protestati.
Mit Hilfe des Messtischblattes Nr. 3015 ist die Grenzlinie deutlich wiederzuerkennen.
Die Linde stand an der Grenze der Gemarkungen von Bankwitz und Striegelmühl; die
Waldgrenze ging von hier direkt auf den Stein, qui dicitur Petrey, zu, d. h. auf die Stelle
wo jetzt „Bär" und „Jungfrau" sich befinden; sie verfolgte dann den alten Weg zum
Gipfel des Zobten und ging weiter den alten absteigenden Weg in der Richtung auf
Tampadel bis zum Berge Raduyna, unter dem vielleicht der Geiersberg zu verstehen ist.
Schon in der oben angezogenen kleinen Schrift „über die Steinaltertümer auf dem
Zobtenberge" ist der „lapis Petrey" der alten Grenzbestimmung mit der sog. „Jungfrau"
identifiziert und daraus der Beweis für den unveränderten Standpunkt dieses Steingebildes
und das sehr hohe Alter desselben geführt worden. Es fragt sich nun, wie die Bezeichnung
„lapis qui dicitur Petrey" zu deuten ist. Da die Urkunde von 120Q uns nur in späteren
Abschriften bekannt ist, so hat man einen Fehler des Abschreibers für Petreg = Petrico
oder Piotrek, slawischer Kosenamen für Peter, erblicken und den Namen des Steines mit
Peter Wlast in Verbindung setzen wollen. Allein Graf Peter Wlast hat mit dem Besitz
der Augustiner am Zobten nichts zu thun und ein Schreibfehler ist auch nicht not-
wendigerweise zu statuieren, da der Personenname Petrey sich in einer Trebnitzer Urkunde
findet: Petrey ad hospites de Bresna ut quilibet hospes soivat.
Der Stein hiess also damals der „Peterstein".
Wie sich die Darstellung des Steingebildes selbst und des Fisches auf demselben
mit dem alten Namen des Steines vereinen lässt, das wird Aufgabe der Archäologen und
Kunstkenner sein. Hier mag es genügen zu betonen, dass damals im Anfange de
13. Jahrhunderts der „Peterstein" als Grenzmal diente.
Auf derselben alten Grenzlinie befinden sich heute noch andere Steingebilde. An
dem von Striegelmühl nacii dem Berge führenden Wege liegt ein Granitblock, der im
141
Volksmunde die „Sau" genannt wird; auch dieser Stein ist mit einem Orenzkreuze ver-
sehen. Etwa 250 Schritte tiefer als die sog. „Jungfrau" findet sich der Kreuzstein, ein
flacher aus Gabbro bestehender Stein, der ebenfalls mit einem Kreuze bezeichnet ist. An
dem alten Bergwege folgt dann die sog. Jungfrau mit dem Fische; hier ist das Kreuz
auf dem Fische eingemeisselt. Neben ihr befindet sich der Bär; er trägt das Qrenzkreuz
auf dem Rücken.
Es ist nun nicht wahrscheinlich, dass der „Bär" sich hier an der alten Stelle
befindet; denn sind die Steingebilde wirklich Grenzzeichen, so dürften schwerlich zwei
nebeneinander gestanden haben. Vielleicht ist er von seinem ursprünglichen Standpunkte
zu irgend einer Zeit hierher transportiert worden.
Endlich befindet sich auch oben auf dem Gipfel des Berges ein Grenzstein. Auf
diesem grossen Steine, der an der Quelle liegt, ist ein grosses A eingehauen, offenbar
das Zeichen des Augustinerordens.
Wir haben somit auf der alten Grenzscheide von Striegelmühl bis zum Gipfel
5 Grenzsteine kennen gelernt.
Man muss aber diese Steindenkmäler in früherer Zeit in der That als Grenzsteine
angesehen haben. In der schon öfter angezogenen Abhandlung wird nämlich folgendes
mitgeteilt: Im Jahre 1486 erklärt bei einer schwebenden Grenzstreitigkeit, welche der Abt
des Augustinerklosters zu Breslau an den König Matthias von Ungarn zur Entscheidung
brachte, der Statthalter von Schlesien Georg von Stein in einem Schreiben an den Abt
Benedikt: man möchte zunächst die Grenzsteine und Grenzbäume wieder aufrichten: „nach-
dem Jr vormals den Czobtenberg angesprochen habt . . . ane wissundt Kön. Maj. vnd
darauf die alten malsteine vnd bawme ausgegraben vnd abgehawen .... Darauff so
empfelch ich euch das . . Jr die mal bawm und Stein widder aufrichtet." Die hier
genannten Malsteine dürften mit unseren Steinaltertümern identisch sein.
Es bleibt noch ein Punkt zu erörtern übrig. War die Abgrenzung der circuifio
montis durch Herzog Heinrich !., von der wir aus der angeblichen Urkunde von 120Q
ein Stück kennen lernen, die erste Umgrenzung des am Zobten gelegenen grossen
Besitzes der Augustinerchorherren, oder eine Erneuerung der Festlegung der Grenzen bei
der Überweisung des circuitus zur Zeit der Gründung des Stiftes? Das erstere war
wahrscheinlich schon deshalb nicht der Fall, weil die Übereignung eines circuitus oder
ujazd, wie schon der Name sagt, eine solche Begrenzung voraussetzt. Wenn das richtig
ist, wie haben wir uns die Erneuerung der Umgrenzung zu denken? Allerdings war in
solchem Falle die Setzung neuer Grenzzeichen gebräuchlich, wie dies aus einer Urkunde
vom 30. Juli 1242 über die Erneuerung der Grenzen bei einem Gute des Klosters Miechow
hervorgeht, wo es heisst: limitationem ville, que Mschccinno nuncupatur, que per ducem
Henricum facta fuerat, confirmamus, ratam habentes eandem, ipsam novis signis veteribus
superpositis innovando. Aber ob das immer der Fall war, ist schwer zu erweisen; in
diesem Falle scheint doch der lapis Petrey ein altes Grenzmal gewesen zu sein.
142
Endlicli soll noch darauf hingewiesen werden, dass auch bei der Orenzerneuerung
durch Herzog Heinrich I. der alte in slawischer Zeit übliche Brauch der Grenzumschreitung
stattgefunden hat. Denn in jener frühen Zeit gab es in Schlesien überhaupt noch keine
deutsche Besiedlung und deutsches Sonderrecht, und soweit unsere Kenntnis reicht, waren
die Dörfer der Augustinerciiorherren, die innerhalb des circuitus montis lagen, aus-
schliesslich von slawischen Hörigen (decimi) besetzt.
Bei unserer Untersuchung sind noch zwei Steinaltertümer, die das Kreuz als
Grenzzeichen fragen, bisher unberücksichtigt geblieben: der „Mönch", eine Granitsäule
am südöstlichen Fusse des Lerchenberges bei Kiefendorf, und der „geharnischte Kopf",
welcher bei der Annenkapelle in Zobten sich befindet.
Der „Mönch" scheint nach den über seinen Standort vorliegenden Angaben sich
ebenfalls an der Grenze des Territoriums der Augustinerchorherren befunden zu haben.
Kiefendorf gehörte den Mansionarien der Domkirche, das angrenzende Marxdorf aber
den Augustinerchorherren, wenigstens ein Teil, Garnczarszky, alias Teppirdorf.
Der „geharnischte Kopf" aber an der Zobtener Annenkapelle wird schon deshalb
nicht an seinem ursprünglichen Standorte sich befinden, weil die Annenkapelle selbst
erst dem Ende des 15. Jahrhunderts angehört. Auch dieser Grenzstein wird früher eine
andere Stelle gehabt haben, vielleicht bezeichnete er einst die Grenze des Klostergebietes
gegen das benachbarte Rogau.
Endlich mag hervorgehoben werden, dass auch anderwärts auf dem Territorium
der Augustinerciiorherren sich offenbare Grenzsteine erhalten haben, .die von ihrem
ursprünglichen Standorte entfernt worden sind, so ein Granitcylinder, mit einem Kreuze,
der in einem Gorkauer Hofgebäude eingemauert war, ein Granitblock mit dem einge-
meisselten A in den Fundamenten des Burgturmes zu Gorkau und ein jüngeres mit
Wappen geziertes Grenzzeichen, auf dem die Jahreszahl 1567 steht, im Garten des katho-
lischen Pfarrhauses zu Zobten.
Es war übrigens auch sonst bei den geistlichen Territorien Brauch, das Gebiet
durch mächtige Grenzsteine zu bezeichnen. Es soll hier an die Bischofsteine erinnert
werden, die an der Falkenau-Friedewalder Grenze, ferner zwischen Lindenau und Neu-
altmannsdorf, zwischen Lindenau und Nossen, zwischen Lindenau und Koschpendorf und
endlich zwischen Seiffersdorf und Polnisch -Tschammendorf sich befinden. Sie sind
offenbar jüngeren Datums, tragen die Inschrift TMl SCI lOhlS, einen Bischofsstab und
das Grenzkreuz.
Die Thatsache, dass die genannten Steingebilde ausnahmslos das Grenzzeichen des
Kreuzes an sich tragen, und der überwiegenden Mehrzahl nach heute nf)ch auf der uralten
Grenzlinie des grossen Klostergebietes sich befinden, macht es unseres Erachtens völlig
klar, dass die Steingebilde Grenzsteine sind, wie man sie denn auch offenbar in älterer
Zeit als solche angesehen hat.
Damit ist aber die ungewöhnliche, wenn nicht gar wunderliche Form dieser Grenz-
steine noch nicht erklärt.
143
Es ist allerdings begreiflicii, dass man in dem Waldgebirge - vor allem auf dem
Zobtenberge selbst und schliesslich auch an dem früher mit Wald bestandenen Lerchen-
berge von Kiefendorf dauerhafte, gegen Sturm und Wetter geschützte, leicht kenntliche
Grenzzeichen den Malbäumen utid Erdhaufen vorzog und Felsstücke von Granit, der auf
der dem Kloster gehörigen Seite des Zobten zu Tage tritt, mit Vorliebe zu Grenzmalen
wählte. Diesen Grenzsteinen jedoch solch ungewöhnliche Gestalten künstlich zu geben,
wäre doch ein barocker Gedanke gewesen. Anders liegt aber die Sache, wenn die zu
Grenzsteinen gewählten Granitblöcke schon an sich Naturspiele waren und der Meissel
nur wenig nachzuhelfen hatte, um die Gestalten und Formen zu vollenden, welche wir
heute vor uns sehen. Die Steingebiide sind in der Hauptsache, namentlich gegenüber
den aus demselben Material gefertigten Löwen, doch so kunstlos, dass man sie, vielleicht
sogar mit Einschluss der sog. Jungfrau in der That als solche Naturspiele ansehen könnte,
bei denen die menschliche Hand der Natur nicht allzuviel hat nachhelfen müssen.
ist diese Vermutung aber richtig, dann fällt auch der letzte Einwand fort, den man
gegen unsere Annahme, die Steingebilde seien Grenzsteine und von vornherein zu diesem
Zwecke zubereitet worden, noch mit einem gewissen Schein von Recht zu erheben ver-
möchte, in der oft schon benutzten Abhandlung heisst es nämlich: „Die Kreuze sind
aber gewiss später als die Anfertigung der Steingebilde selbst: das sieht man aus dem
Unterschiede der Vertiefungen der Kreuze und der Falten sowohl im Kleide der „Jungfrau"
als auch im Gewände des sog. geharnischten Kopfes: in den Falten sind nämlich die
Wirkungen der Verwitterung bei weitem mehr zu erkennen, als in den Kreuzen." Dieser
Befund scheint für unsere Annahme zu sprechen. Denn sind die Steingebilde wirklich
Naturspiele, dann wird die Verwitterung natürlich sich in jenen Falten und Linien am
meisten zeigen müssen, die die Steine zu jenen eigenartigen Naturspielen machten, und
denen die menschliche Hand nur mit wenigen Meisselhicben die Vollendung geben
musste, während die Grenzkreuze in den festeren Teilen des Gesteines eingearbeitet
wurden.
Unser Erklärungsversuch ist einfach und nüchtern in seiner Begründung wie in
seinem Ergebnis; vielleicht erwirbt er sich gerade dadurch Zustimmung.
Glatz, im März 1900
Wilhelm Schulte
144
GESCHICHTE DER MÜNZSAMMLUNG
DES MUSEUMS
Es ist eine im Geist und im Gemüt des Menschen gleichmässig begründete Er-
scheiiuing, dass er nach Vollendung eines bedeutsamen Werkes sich gern noch einmal
das Werden dieses Werkes vergegenwärtigt. So mag denn eine Geschichte des aus
Jahrhunderte zurückliegenden Anfängen erwachsenen, jetzt endlich nach viel Mühe und
Arbeit zu einem gewissen Abschluss seiner Entwicklung gelangten Münzkabinets der
Stadt Breslau auf allgemeine Anteilnahme rechnen dürfen.
Gleich der Breslauer Stadtbibliothek verdankt auch unser Münzkabinet seine ältesten
und auf dem in Betracht kommenden Gebiet wertvollsten Bestände dem Sammeleifer
Thomas von Rhedigers (tl576), der seiner Vaterstadt neben seiner Bücherei auch eine
ansehnliche Sammlung antiker Münzen, gegen 100 in Gold und je etwa 1200 in Silber
und Erz, hinterliess. ') Diese Sammlung wurde in der Elisabetbibliothek verwahrt, der später
noch der durch seine Medaillen bekannte Ratspräses Johann Sigismund von Haunold
(t 1711) und der Rektor Johann Kaspar Arletius (f 1784) ihre Sammlungen letztwillig
zuwendeten. Haunold scheint die Münzen mehr als Kuriositäten und ohne tiefere
Kenntnis gesammelt zu haben, während Arletius sich bereits dem Begriffe des modernen
SpezialSammlers nähert, der vor allem Vollständigkeit auf seinem Gebiet erstrebt. Schon
sein Vater Kaspar Arletius, Rektor zu Maria Magdalena, hatte 1701 mit der Sammlung
von Münzen der Herzöge von Öls begonnen, er selbst fasste 1761 den Plan der Anlage
eines vollständigen schlesischen Münzkabinets und hat ihn auch gleich mit Eifer und
schönem Erfolge ins Werk gesetzt: seine Sammlung war nicht nur nach der Stückzahl
etwa 1500 Münzen sondern auch an Seltenheiten und Kostbarkeiten sehr reich. Arletius
fügte diesem Vermächtnis noch ein Legat von 600 Thalern hinzu, dessen Zinsen zu
Ankäufen von Münzen verwendet werden sollten und heute noch dazu dienen.
Eine zweite Gruppe stellen die der Kirche zu St. Maria Magdalena gehörigen und in
ihrer Bibliothek aufgestellt gewesenen Sammlungen dar. Den Grundstock bildete die Samm-
lung des Breslauer Handelsmannes Gottfried Richter, die der Bibliothek 164Q vermacht
wurde, deren Umfang und Zusammensetzung sich aber nicht mehr hat feststellen lassen.
1) F.inen Aufsatz über die Geschichte der Miiiizsarnmliiiigeii der Stadtbibh'othck habe icli im 39. Bericiit
des Vereins f. Oesch. ii. A. Schlesiens (Bd. 3 S. 207 ff.) veröffentlicht: er enthalt aber verschiedene Irrtümer,
da damals die Herkunft einzelner Sammlunjren unbekannt oder verdunkelt und nicht zu ermitteln war.
Erst nachträfjlich hat Herr Professor Markjjraf die richtif^en Nachrichten gefunden und darüber unter dem
30. August 1879 an den Magistrat berichtet: auf diesem Bericht (in iW-i\ Akten des Magistrats 41. 3.3. Bd. 2)
beruht im wesentlichen die folgende Darstellung.
145
Dazu trat dann 1715 die Schenkung des Kaufmanns Johann Kretschmer, der sich seines
Besitzes noch bei Lebzeiten entäusserte. Seine Sammlung bestand aus 400 Thalern aller
Länder Europas und QO Zinnmedaillen, dazu fügte er ein Kapital von 250 Thaiern, dessen
Zinsen den Bibliothekar für seine besondere Mühvvaltung bei den Münzen entschädigen
sollten. Wichtiger als diese Sammlungen aber ist die Stiftung des Obersyndikus Johann
Gottfried Mentzel von 1772, aus ungefähr 1450 Münzen (darunter 163 goldene), ins-
besondere von Ungarn und Sachsen, aber auch vielen und wertvollen Schlesiern, be-
stehend; auch Mentzel fügte ein Vermächtnis von 100 Thalern zur Vermehrung namentlich
des „schlesischen und breslauischen Faches" bei.
Bei beiden Bibliotheken fand natürlich eine stete Zunahme des Bestandes auch
durch gelegentliche kleinere Zuwendungen statt, bei der zu St. Bernhardin bestand der
ganze Vorrat aus solchen Gelegenheitserwerbungen von geringerem Umfang, ohne dass
dorthin eine grössere Schenkung entfallen wäre. Diese Sammlung ist daher in sehr
bescheidenen Grenzen geblieben.
Neben den Sammlungen der Kirchen und ihrer Bibliotheken bestand noch ein eigenes
„rathäusiiches Münzkabinet". Der Pastor zu St. Maria Magdalena, Gottfried Hanke,
ein Sohn des berühmten Rektors Martin Hanke, hatte teils durch Erbschaft von seinem
Vater, teils durch Kauf eine sehr ansehnliche Sammlung zusammengebracht. Nach
seinem 1727 erfolgten Tode kaufte der Rat daraus für 4SI Thaler 8 Sgr. 9 Denar die
„auctoritate publica geschlagenen" Breslauer Stadtmünzen, denen übrigens auch eine
Anzahl anderweiter Münzen und Medaillen hinzugefügt war. Bei der Aufnahme 1876
waren es im Ganzen etwa 240 Stücke, darunter 107 goldene: ein höchst wertvoller und
wichtiger Besitz.
Allmählich ergab sich nun auch die Unmöglichkeit, die übrigen Münzsammlungen
in den Bibliotheken zu belassen, da sie dort mangels steter geeigneter Aufsicht und Pflege
in Unordnung kamen, kein Bibliothekar mehr für die Vollzähligkeit einstehen mochte und
gelegentlich Diebstähle und andere Schädigungen vorkamen. Hatte doch 1757 während
der Belagerung Breslaus eine Bombe in die magdalenäische Bibliothek eingeschlagen und
einen Münzschranken, an dem gerade Arletius und Samuel Benjamin Klose, der berühmte
Geschichtsschreiber Schlesiens, standen, beschädigt; 1806 hatte man diese Schätze in
einem Versteck geborgen, das nur zwei Personen kannten. Daher beantragte und bewirkte
der Rektor Schönborn 1838 ihre Überführung ins Rathaus. 1848 geschah dasselbe
mit den Münzen der Rhedigerana: hier wurden die Schränke versiegelt und ab und zu
einer Revision unterzogen, die natürlich nur immer wieder Verluste ergab. Infolge des
Münzgesetzes vom 4. Mai 1857 und der damit verknüpften Einziehung älterer Münzsorten
erachtete es der Magistrat „von ebenso grossem numismatischem und historischem Interesse",
sein Münzkabinet mit je einem Exemplar der verschiedenen von den preussischen Königen
geprägten Gold- und Silbermünzen zu versehen, „um die Gepräge und Werte der Münzen
zu erhalten". Die Stadtverordneten bewilligten für diesen Zweck am 21. Oktober 1858
zunächst 150 Thaler, dann am 26. März 1863 noch einmal 2Ü0 Thaler; zur Aufbewahrung
146
der so gewonnenen Stücke wurde 1860 ein sehr gediegen gearbeiteter und nocli iieut
gute Dienste thuender Schrank von dem Tischlermeister Hoffmann angefertigt.
Als dann durch Vereinigung der verschiedenen Bibliotheken die Stadtbibiiothek
begründet wurde, siedelten auch die Münzen in das Stadthaus über: am 24. September 1866
empfing der damalige Bibliotiiekar Professor Dr. Pfeiffer die im Ratsarchiv befindlich
gewesenen Q Münzschränke und 10 Päckchen, dazu später noch die Sammlung der
Bernhardina. Eine Revision hatte bei der Übergabe nicht stattgefunden, sie erwies sich
auch später als unthunlich, da, wie Pfeiffer am 17. Oktober 1867 berichtete, die Sammlungen
„in grenzenloser Verwirrung" waren, was sich nach dem vorher Gesagten und den vielen,
unsachgemäss vorgenommenen Hin- und Herschaffungen nicht anders erwarten liess.
Eine Neuaufnahme der gesamten Vorräte war unvermeidlich, doch ist Pfeiffer infolge
seiner starken Inanspruchnahme durch die anderweiten Arbeiten des Bibliothekars nicht
dazu gekommen. Er hat nur einige wenige Schubladen des Arletiusschen Kabinets ver-
zeichnet, ebenso die von ihm besorgten neuen Erwerbungen, für die 1867 auch ein
„Accessionsjournal" angelegt wurde.
Mit dem Jahre 1876 beginnt sozusagen die „neuzeitliche Geschichte" unserer
Sammlungen, die nun endlich aus ihrem Dornröschenschlafe erwachen sollten. Herr
Dr. Markgraf, der Nachfolger Pfeiffers, kannte in seinem ehemaligen Schüler, dem Studenten
der Rechte F. Friedensburg, einen für Geschichte und Münzkunde gleichermassen be-
geisterten und dazu arbeitswilligen Mann und erwies ihm das Vertrauen, ihm die Auf-
nahme des grossen Münzvorrats der Bibliothek zu übertragen. Ich hatte damals schon
lange auf den verschiedenen Gebieten der Numismatik gesammelt, war aber doch immer
noch ein Anfänger und einem so grossen Werk noch kaum gewachsen. Indessen
mehrten sich meine Kenntnisse bei der Arbeit selbst und bald hatte ich meinen Auftrag
erledigt: im Oktober 1877 war zum ersten Male eine Übersicht über dieses herrliche,
grösstenteils uneigennütziger Liebe zur Wissenschaft und zur Vaterstadt zu dankende
Besitztum möglich. Selbstverständlich erwachte sofort der Wunsch, diese 13 verschiedenen
Sammlungen und Sammlungsteile mit einander zu einem einheitlichen Ganzen zu ver-
einigen und zu verschmelzen, ein Wunsch, den Rücksichten auf die Verwaltung, ins-
besondere die Überwachung, Erhaltung und Nutzbarmachung, zu einem Gebot der Pflicht
erhoben. Es würde zu weit führen, hier Schritt für Schritt den Weg, auf dem dieses
Ziel erreicht wurde, zu verfolgen, nur die wichtigsten Ereignisse seien hervorgehoben.
Wer sich für das weitere interessiert, dem werden die oben angezogenen Akten mit ihren
zahllosen Berichten, Eingaben, Denkschriften nebst den verschiedenen Verzeichnissen
lehren, welche Arbeit zu bewältigen war. Mussten doch den wichtigsten Massrcgeln
nicht nur Magistrat und Stadtverordnete, sondern auch die Vertretungen der beiden Kirchen
zu Maria Magdalena und Bernhardin, sowie die kirchlichen und staatlichen Aufsichts-
behörden ihre Genehmigung geben. In jenen Jahren habe ich einen grossen Teil meines
Lebens in den Räumen und im Dienste der Stadtbibliothek zugebracht und auch, als ich
von Breslau fortkam, bis zum heutigen Tage nicht nur meine Urlaubszeiten diesem Werke
147
gewidmet, sondern auch von auswärts her das fortgeführt, was ich im Sommer 1876
begonnen hatte. Darf ich den Ruhm beanspruchen, die treibende Kraft gewesen zu
sein und die eigentliche technische Arbeit geleistet zu haben, so gebührt doch Herrn
Professor Markgraf das Verdienst, diese meine Thätigi<eit in zweckentsprechender Weise
geleitet und mit den von der Verwaltung der Bibliothek zu stellenden Anforderungen in
Einklang gebracht zu haben, so dass sich alle Schwierigkeiten, die sich unseren Bestrebungen
entgegenstellten, durchweg glatt erledigten. Die städtischen Behörden aber haben von
Anfang an für dieses Unternehmen das vollste Verständnis und das liebenswürdigste
Entgegenkommen bewiesen und auch ihrerseits die Nutzbarmachung des schönen Erbes
der Vorzeit nach Kräften unterstützt und gefördert.
Zunächst wurde die Errichtung eines schlesischen Münzkabinets in Angriff ge-
nommen, da sich für ein solches ein überaus reicher Stoff in den Sammlungen von
Arletius, Mentzel und Hancke bot. Am 31. Oktober 1880 war es fertig und trat als
erste öffentliche Sammlung dieser Art mit 2866 Stücken, darunter 323 goldenen und
2302 silbernen, ins Leben; ein neuer von dem Zimmermeister Kuvecke gelieferter Schrank
nahm es auf. Am 5. Dezember fand eine Besichtigung durch das Kuratorium der Stadt-
bibliothek und die Stadtverordneten statt, ein Artikel in der Schlesischen Zeitung und ein
Aufsatz in v. Sallets Zeitschrift für Numismatik (Bd. 9 S. 75) machten die Landsleute und
die wissenschaftliche Welt auf die neueröffnete Fundgrube aufmerksam. Schon im nächsten
Jahre wurden die antiken Münzen einheitlich und nach dem jetzt geltenden wissenschaft-
lichen System neu aufgenommen, wobei wir uns namentlich in Bezug auf die Echtheits-
beurteilung der Unterstützung des Königlichen Münzkabinets in Berlin zu erfreuen hatten.
Diese Sammlung umfasste an
Griechen ... 12 goldene, 105 silberne, 102 kupferne, insgesamt 21Q Stück
Römern. ... 92 „ 1317 „ 915 .. „ 2324 „
zusammen 104 goldene, 1422 silberne, 1017 kupferne, insgesamt 2543 Stück.
Dazu noch eine Anzahl kunstgeschichtlich interessanter oder sonst lehrreicher Fälschungen.
Ein Vorrat'), der zwar auf Vollständigkeit auch nicht entfernt Anspruch machen kann,
aber doch nicht nur in Oelde, sondern auch für alle Aufgaben der Münzkunde höchst
wertvoll genannt werden darf und seither um einige wenige, gelegentlich erworbene Stücke
vermehrt worden ist. Aus dem Rest galt es natürlich eine Auswahl zu treffen, da nicht
daran gedacht werden konnte, diese „disjecta membra" zu einer universalen Münzsammlung
zu vereinen, weil eine solche gar zu viele und zu grosse Lücken aufgewiesen hätte,
für deren Ausfüllung unsere Mittel niemals auch nur entfernt reichen würden. So
haben wir in der Absicht, möglichst viel Vorhandenes zu erhalten, und andererseits den
wissenschaftlichen Zweck des Münzsammeins beachtend, auf Grund einer von mir unter
dem 15. Mai 1885 eingereichten Denkschrift, noch zwei weitere Abteilungen eingerichtet:
1) Ein Aufsatz darüber in v. Sallets Zeitschr. Bd. 13 S. 120.
148
eine Sammlung aller Münzen von Böhmen, Polen, Unoarn und Brandenburg-Preussen,
also der Länder, mit denen Schlesien in engeren geschichtlichen, staatlichen und numis-
matischen Beziehungen gestanden hat, und eine Sammlung von Goldmünzen, Thalern und
Medaillen aller übrigen europäischen Länder. Diese Abteilung enthielt bei ihrer Eröffnung,
am L April 1886 im ganzen 135 goldene, 1581 silberne, 220 kupferne u. s. w., zusammen
1936 Stücke') und wurde nebst den antiken in einem von der Firma Gebrüder Bauer
gelieferten Schranken aufbewahrt. Auch diese Abteilung ist bisher nur gelegentlich ver-
mehrt worden, hat aber in der ihr von dem Amtsgerichtsrat Molinari in Berlin (f I.März 1897)
vermachten Sammlung neuerer deutschen Münzen und Medaillen eine wertvolle Ergänzung
erfahren.
Nach dem oben Gesagten versteht es sich von selbst, dass eine planmässige Ver-
mehrung nur bei dem Schlesischen Münzkabinet erfolgen konnte. Für sie haben wir denn
auch alle unsere Mittel und Verbindungen eingesetzt: die Zinsen aus den Legaten, die
Einnahmen aus dem Verkauf der als doppelt vorhanden oder sonst entbehrlich aus-
gesonderten Stücke und der etwa noch verwendbaren Schränke; mit dem Königlichen
Münzkabinet, dem Freiherrn von Saurma und verschiedenen Händlern wurden Tausch-
geschäfte abgeschlossen, wohlwollende Gönner bei einzelnen, wichtigen Erwerbungen zu
einer Beisteuer veranlasst und dergleichen mehr. Endlich bewilligten uns 1889 die städti-
schen Behörden noch einen jährlichen Zuschuss von 300 Mark. Alles in allem freilich
im Verhältnis zu den Preisen des heutigen Münzhandels herzlich wenig, aber wir haben
es trotzdem durch allerlei Künste zu Wege gebracht, dass wir unser anvertrautes Gut
nicht nur um eine Reihe von Seltenheiten, sondern auch in Bezug auf die Stückzahl
überhaupt ansehnlich vermehrt haben. Unsere Listen schliessen am 1. April 1898 mit
414 goldenen, 3366 silbernen, 569 kupfernen u. s. w. Stücken, zusammen 4359 Schlesiern.^)
Das im Jahre 1858 gegründete Museum schlesischer Altertümer verlegte sich
von Anfang an natürlich auch auf die Sammlung schlesischer Münzen; ihm flössen
ausser zahlreichen meist geringwertigen Geschenken namentlich die Münzen zu, die aus
den 1812 säkularisierten Klöstern in den Besitz des Staates übergegangen waren. Bei
dem Anthropologen - Kongress im August 1884 war diese Sammlung zum ersten Male
öffentlich ausgestellt, Herr Bankinspektor Bahrfeldt hatte sie geordnet und verzeichnet.'')
1) Der Anteil der Kirchen an dem städtischen Besitz stellt sich wie folgt:
Schlesien Antike Sonst Znsaninien
Magdalena 76 725 457 1258
Btrnliardin 63 85 97 245
ä) Ans den Erwerbungen dieser Zeit seien kurz erwähnt die Satnnihmgcn des Syndikus l'fitzncr
und des Landgerichtsdirektors von Zieten in Schweidnitz (1885 und 1887), der Paritiusschen Erben in
Breslau (1889), die erste Auswahl aus der Kunzeschen Saniiulung, die später in F5crlin versteigert wurde,
der Nachlass des Stadtrats Hickert und des Pastors Letzner, ferner der Inhalt der Knöpfe des Rats- und
des Magdalenenturms (1887, 1888).
^) Vergl. hierzu einen Aufsatz in der Schlesischen Zeitung vom 3. August 1884 und den Bericht
über den Vortrag des Herrn Bahrfeldt vom 3. November in derselben Zeitung vom 8. November.
149
Diese etwa 4200 Stück bildeten kein recht zusammenhängendes Ganze, immerhin ent-
hielten die schlesischen Reihen manches gute, anderwärts nicht vertretene Stück. Im
Juni 1886 erfolgte dann die Erwerbung der Sammlung des Freiherrn Hugo von Saurma,
der seit Anfang der 1860er Jahre eine sehr bedeutende Sammlung schlesischer Münzen
angelegt hatte. Er hatte u. a. die ansehnlichen Folgen von Mittelaltermünzen des Kanzlei-
rats Vossberg erworben und für die neueren Gepräge in dem Münzhändler Fieweger
einen eifrigen Helfer gewonnen, dagegen scheint er, was an sich nahe läge zu vermuten,
aus der 1865 versteigerten Sammlung des Fürsten Pless leider keines der wichtigeren
Stücke für die Provinz gerettet zu haben, v. Saurma überliess seine Sammlung von
6432 Stücken, darunter allerdings zahlreichen Nichtschlesiern, dem Museum für den sehr
massigen Preis von 30000 Mark und gestattete die Abzahlung in unverzinsten Teilbeträgen,
wodurch diese Erwerbung dem Museum überhaupt erst ermöglicht wurde. Herr Bahr-
feldt, dem neben Freiherrn von Saurma selbst das Hauptverdienst bei der Erwerbung der
Sammlung zuzuschreiben ist, bewirkte auch die Verschmelzung mit den alten Beständen.»)
Im Jahre 1892 fiel dem Museum durch letztwillige Verfügung die aus 400 Nummern
bestehende Thalersammlung des Rentiers C. Demuth in Landeck zu. Eine Versteigerung
der entbehrlich gewordenen Stücke erfolgte im Jahre 1893 -) und ergab einen Reinertrag
von 6234 Mark. Mit Hilfe dieser Mittel und der seit 1895 beträchtlich gewachsenen Ein-
nahmen des Museums wurde eifrig an der Vervollständigung der Sammlung gearbeitet.
Von 1893 bis 1898, der Zeit, in welcher Herr Dr. Seger das Kustodiat verwaltete, kamen
mehr als 600 neue Nummern zu der schlesischen Sammlung hinzu, darunter einige ausser-
ordentliche Seltenheiten.
Schon lange vorher hatten Herr v. Saurma und ich erwogen, ob es nicht möglich sei,
seine Sammlung mit der städtischen zu vereinen, weil dann eine unvergleichliche Folge
schlesischer Münzen und Medaillen herauskommen musste, deren Herstellung uns beide
gleichmässig lockte: seine Sammlung war die vollständigere, die unsere reicher an nur
einmal vorhandenen Stücken, beide ergänzten sich offensichtlich weit mehr, als man das
bei einem immerhin ziemlich engen Sammelfelde erwarten sollte. Nun war wenigstens
Saurmas Besitz vor der Zerstreuung gerettet, und die Museumsverwaltung ging bereitwillicr
auf mem Bestreben ein, trotz der räumlichen Trennung beider Sammlungen eine gewisse
Gemeinschaft unter ihnen herzustellen. Wir vermieden insbesondere jeden Wettbewerb
auf dem Münzmarkt, im Gegenteil verteilten wir die zum Angebot gelangenden Münzen
unter einander je nach den vorhandenen Mitteln und untediessen die Erwerbung von
in der anderen Sammlung vertretenen Stücken. Endlich schlug dann auch die Stunde
der völligen Vereinigung. Zwei Umstände führten sie herbei: einmal die durch die hoch-
herzige Zuwendung des Herrn Stadtältesten von Korn geschaffene Möglichkeit der Errichtung
') Vergl. hierzu die Aufsätze in der Schlesischen Zeituufr vom I.Juni 1SS7 und in der Breslauer
Zeitung vom 20. JuM 1S86, auch Bd. 7 S. 97 der Muscumszeitschrift.
-') Verzeichnis der verkäufHchen Münzen und Medaillen des Museums Schlesischer Altertümer.
12S. Auktions-Kataiog von Adolph Weyl, Breslau 1893.
150
eines städtischen Museums und dann die mit der Herausgabe der neueren Münzgeschichte
Schlesiens im engsten begrifflichen Zusammenhange stehende Neuverzeichnung aller
bekannten schlesischen Münzen und Medaillen. Ersteres Ereignis bewirkte, dass die Stadt
Breslau in den Besitz der beiden Münzsammlungen gelangte, die getrennt aufzustellen und
aufzubewahren womöglich noch weniger Sinn hatte als früher die Erhaltung der 13 kleinen
Sammlungen. Die erwähnte litterarische Arbeit, die der Kustos des Museums und ich
unter uns verteilt hatten, wäre aufs äusserste erschwert worden, hätte uns nicht eine
einheitliche Sammlung zu Gebote gestanden. So gestatteten denn auf Grund entsprechen-
der Berichte und Denkschriften die städtischen Behörden zunächst Anfang 1897 die Über-
führung der städtischen Münzen in das Museum schlesischer Altertümer, dann nach dem
Zustandekommen des endgiltigen Vertrages zwischen der Stadt und dem Museumsverein
die Verschmelzung beider Sammlungen, die von Herrn Dr. Seger unter meiner und Herrn
Kaufmann Striebolls Mitwirkung vollzogen wurde.
Es war dies eine herrliche, aber oft recht mühsame Arbeit. Selbstverständlich ver-
fuhren wir dabei so, dass von den zur Auswahl stehenden gleichartigen Münzen immer
die besterhaltenen eingelegt und der Begriff der Dublette möglichst streng gefasst wurde:
nur solche Stücke, die wirklich einem anderen ganz genau entsprachen, wurden als doppelt
ausgeschieden, bei den kleinsten Münzen öfters auch zwei Exemplare ohne genauere Fest-
stellung ihrer Unterschiede aufbewahrt, was sich ja ohne weiteres rechtfertigt. Dabei
bewahrheitete sich unsere Vermutung, dass beide Sammlungen sich in geradezu wunder-
barer Weise ergänzten, aufs schönste. Verhältnismässig unbedeutend war die Zahl der
Dubletten; sie wurden im Juni 18Q9 durch L. & L. Hamburger in Frankfurt a. Main ver-
steigert, wodurch namentlich die Mittel zur Abstossung des Restes der Schuld an v. Saurmas
Erben gewonnen wurden.
So war denn eine mehr als dreihundertjährige Entwicklung zum Abschluss gekommen:
die Stadt Breslau besitzt ein Münzkabinet von über 14000 Stücken, das, in allen seinen Teilen
ansehnlich und lehrreich, in der schlesischen Abteilung eine Spezialsammlung enthält, wie
sie für kein anderes Gebiet dieses Umfanges irgend wie ähnlich besteht. Unser Verzeichnis
der neuen schlesischen Gepräge führt nicht weniger als 100 Münzfürsten auf, dazu
— einschliesslich zweier ständischen Prägungen — 16 Oberlehnsherren und 12 Städte, im
ganzen also 128 Prägeherren, die mit etwa 3600 Nummern vertreten sind. Dazu kommen
noch 28 private Marken und über 1400 Medaillen, alles zusammen also mehr als
5000 Nummern, zu denen aus dem Mittelalter etwa 900 Nummern treten. So gross also
ist der Vorrat der bekannten und sicher nachweisbaren schlesischen Münzdenkmäler.
Von ihnen fehlen uns jetzt aus dem Mittelalter kaum 200 Nummern, davon die Hälfte
grosse Brakteaten, aus neuer Zeit von den Münzen etwa 770, von den Medaillen etwa
200 Nummern. Dafür sind aber sehr viele, unter den Münzen die meisten Nummern mit mehr
als einem, manche mit sehr vielen Exemplaren vertreten: es wird daher nicht wunder nehmen,
wenn wir den Bestand der ganzen (schlesischen) Sammlung auf reichlich 10000 Stück
beziffern. Dazu kommt dann noch als ein für die wissenschaftliche Verwertung unserer
151
Münzen höchst wichtiges Hilfsmittel: die Sammlung von Abgüssen der uns fehlenden
Stücke, soweit solche irgend erreichbar waren, und eine grosse Anzahl von Münzstempeln,
meist aus dem Besitz der Städte Breslau und Glogau, auch diese ein lehrreicher und wert-
voller Besitz.
Es verdient nun auch noch an dieser Stelle betont zu werden, dass eine solche
Sammlung wie die unsere, überhaupt nicht mehr zusammenzubringen ist: die Beobachtung
des Münzmarktes während mehr als 20 Jahren hat bewiesen, dass manche Stücke, die
wohl schon von Anfang an nur in ganz kleiner Zahl vorhanden waren, jetzt so gut wie
völlig verschwunden sind, also, soweit sie den Dreissigjährigen und den Siebenjährigen
Krieg und die Franzosenzeit überstanden haben, in Museen ihre letzte Ruhestätte gefunden
haben, z. B. die Goldmedaillen der Breslauer Bischöfe und die älteren Privatmedaillen.
Taucht aber noch einmal irgendwo ein wirklich gutes Stück auf, so ist seine Erwerbung
wegen des Mitbewerbs von Leuten, die das Sammeln mehr als eine Art Protzensport,
denn aus wissenschaftlichem Sinn treiben, wenn überhaupt, so nur unter schweren Opfern
möglich. Aber nicht nur in solchen Seltenheiten haben wir unsern Ruhm, nicht minder
stolz sind wir auf die Vollzähligkeit und den Reichtum der Reihen der gewöhnlichen
Münzen, die nur durch das jahrelang an zwei verschiedenen Stellen systematisch betriebene
Sammeln erreicht werden konnte. Als Beispiele dieses einzig dastehenden Reichtums seien
hier nur die Münzen Kaiser Leopolds (über 760 Stück) und die von Johann Christian und
Georg Rudolf von Liegnitz-Brieg (270 Stück) hervorgehoben. Verhältnismässig nicht sehr
bedeutend ist vielleicht unser Bestand an jenen grossen Goldstücken zu 5 und 10 Dukaten,
in denen sich die Prunkliebe alter Zeit so gern gefiel: die Männer, denen wir unsere
Sammlungen verdanken, haben nicht mit Unrecht die Aufwendung für Stücke von so
hohem Metallwert gescheut, wenn sie denselben Stempel in einem weniger kostspieligen
Gepräge, also als Thaler oder Halbthaler, haben konnten; auch die Stadtbibliothek und
das Museum haben bei der Beschränktheit ihrer Mittel die gleiche Rücksicht walten lassen
müssen. —
Es wird für viele Leser, auch wenn sie sich mit der Münzkunde nicht besonders
befassen, immerhin von Reiz sein, einen Rundgang durch unsere Sammlung zu machen,
zu beobachten, wie sich ihre Bestandteile ergänzt haben, sich an ihrem Reichtum zu
erfreuen und festzustellen, was noch fehlt.
Wir beginnen mit den Mittelaltermünzen. Die Sammlung v. Saurmas war auf
diesem Gebiete, soweit die grossen Brakteaten und die Denare in Frage kommen, sehr reich;
doch lagen diese Reihen seinem Interesse ferner, daher wurden sie auch bei weitem nicht
so eifrig gepflegt, wie die übrigen. Die Sammlungen der Stadt waren in dieser Beziehung
sogar dürftig, da man zu den Zeiten von Hancke, Mentzel und Arletius auf kleine Münzen
weniger Wert legte, auch die mittelalterliche Münzkunde überhaupt noch im argen
lag. Immerhin ist diese Abteilung, deren geschichtlicher Wert höher ist, als der der
neueren Folgen, jetzt recht ansehnlich geworden, alle Reihen haben sich in erwünschter
Weise ergänzt und einen durchweg höchst ansehnlichen Bestand ergeben. Die jetzt noch
152
bestehenden Lücken, die sich auf dem Gebiete der Goldmünzen, l<ieinen Brakteaten und
Heller am empfindlichsten bemerkbar machen, wird einst die dem Museum letztwillig
vermachte Sammlung des Verfassers dieses Berichts fast ganz ausfüllen. Unter den jetzt
vorhandenen Stücken sind die wertvollsten ein Goldgulden der Anna, Witwe Wenzels 1.
von Liegnitz, und der sogenannte Turzothaler von 1508, ersterer aus der Sammlung
Mentzels, letzterer anscheinend das Exemplar des Fürsten Pless, eine Erwerbung aus der
Zeit um 1860, über die sich leider nichts näheres hat ermitteln lassen.
Die Reihe der neuzeitlichen Münzen beginnen die der Oberiehnsherren. Die
verhältnismässig zahlreichen habsburgischen Münzen des 16. Jahrhunderts weisen auch
viele Seltenheiten auf: Halbthaler von 1540 ohne Jahreszahl, Thaler 1564, Dukat 1567,
halber Weissgroschen 1584 u. s. w. Von dem Pfalzgrafen Friedrich, dem unglücklichen
Winterkönig, besitzen wir fast sämtliche schlesischen Gepräge aus den Münzstätten Öls
und Troppau und von den Münzen, die die schlesischen Stände von 1621 bis 1623
gleichsam in Vertretung des obersten Landesherrn geschlagen haben, fehlt nur noch das
goidne Fünfundzwanzigthalerstück. Überaus reich vertreten — mit mehr als 250 Stücken!
— ist die interessante Kipperzeit, deren Münzzeichen noch nicht sämtlich gedeutet sind;
hier ist namentlich die Mannigfaltigkeit in den Abarten der berüchtigten Vierundzwanziger
und Gröschel sehr gross. Seltenheiten sind Thaler von 1624 und 25 aus den Münzstätten
Breslau, Weisse und Oppeln, darunter ein Dickthaler, und von den kleinen Münzen die
kupfrigen Erzeugnisse der Troppauer Falschmünzerwerkstätte Balthasar Zwirners. Nahezu
vollständig sind die Reihen der folgenden Jahrzehnte bis zum Ausgange der Habsburger,
von Leopold besitzt das Kabinet nicht weniger als 299 von 363 Nummern des Verzeich-
nisses mit etwa 770 Stücken, von Joseph 52 von 66 Nummern und 133 Stücke, von Karl VI. 84
von 102 Nummern und 161 Stücke. Hier giebt es weniger eigentliche Seltenheiten,
immerhin verdienen die Doppelthaler Ferdinands 111. und ein solcher von Leopold, ferner
der „schlesische Thaler" Ferdinands von 1650, die Brieger Münzen Leopolds von 1677
(Dukat, Fünfzehn- und Sechskreuzer) und der goldene Vierer von 1699 Erwähnung. In
ausserordentlicher Fülle sind auch die Münzen der preussischen Zeit vorhanden: an 730 Stück,
dabei mehr als 60 goldene. Unter ihnen ist als eine der grössten Kostbarkeiten der
Sammlung die vollständige Reihe der Hoymmünzen („D. 20. AUG. 1781") hervorzuheben.
Es darf ohne Überhebung ausgesprochen werden, dass diese Reihen bei uns vollständiger
sind, als in den landesherrlichen Sammlungen zu Wien und Berlin.
Die Liegnitz-Brieger Reihe ist nach der oberlehnsherrlichen die stärkste, die reichste
unter den fürstlichen. Sie beginnt mit den seit 1541 geschlagenen Münzen Friedrichs II.,
Thalern und ihren Teilstücken und kleineren Sorten auf polnischen Fuss, auch zwei der
sehr seltenen Dukaten können wir aufweisen. Nach Einstellung der Prägung durch den
Kaiser setzt sich die Reihe in einigen schönen Medaillen fort, von denen wir nicht weniger
als fünf, darunter 2 anmutige Arbeiten von Tobias Wolff, besitzen, alles, was von Georg II.
bekannt geworden ist. Von Joachim Friedrich, der die Befugnis zur Ausübung des Münz-
rechts wieder erlangte, haben wir einen Dukaten um] den noch viel selteneren Doppelthaler
153
auf seine silberne Hochzeit, von seiner Witwe Anna Maria drei von den seltenen grossen
Sterbemünzen. Seiner Söhne Johann Christian und Georg Rudolf wurde oben als be-
sonders münzreicher Herren schon gedacht: es ist doch in der That ein nicht leicht wieder-
zufindender Reichtum, wenn wir von ihnen aus dem einen Jahre 1610 allein 20 Goldmünzen
aufzuweisen haben. Die Brüder haben zuerst gemeinsam, dann jeder für sich geprägt,
ihre Reihen enthalten eine beträchtliche Menge von seltenen und interessanten Stücken,
wie die Medaillen Georg Rudolfs, den Kreuzburger und den Liegnitzer Schauthaler von 1622,
die Doppelthalerklippe von Wohlau, Groschen von Herrnstadt und zahlreiche andere Kipper-
münzen, die sich bei diesem Fürstentum besonders mannigfach erweisen. Die folgenden
Münzherren Georg, Ludwig und Christian haben ebenfalls zuerst gemeinschaftlich, dann
jeder für sich geprägt, auch ihre Reihe ist ausserordentlich reich (18Q Stück, davon 38 Gold-
münzen), aber wenigstens soweit die Gemeinschaftsprägung in Frage kommt, sehr ein-
förmig. Abgesehen von den meist recht seltenen Medaillen, unter denen sich eine sehr
schöne Arbeit von D. Voigt befindet, verdient als kulturgeschichtliche Merkwürdigkeit die
stattliche Folge sogenannter Mühlzeichen hervorgehoben zu werden, die besonders gepflegt
wurde und die sehr stattliche Zahl von 21 Stück erreicht hat. Fast ganz vollzählig vor-
handen sind die Gepräge Georg Wilhelms, des letzten Piasten. Die ganze Liegnitz-Brieger
Reihe umfasst im Verzeichnis 644 Nummern, von denen 521 mit 1313 Stücken, darunter
127 goldenen, vertreten sind.
Von den Fürstentümern, die aus dem zu Ende des Mittelalters zerschlagenen
Herzogtum Glogau hervorgingen, kommen für die Neuzeit Kressen und Sagan in Betracht.
Ersteres, seit 1481 brandenburgisch, hat zu den schlesischen Reihen erst jüngst zwei neue
Münzherren beigesteuert: den Markgrafen Johann von Küstrin und den Kurfürsten Georg
Wilhelm, von denen früher nicht bekannt war, dass und was sie in Krossen geprägt
hatten. Trotzdem ist wenigstens die nur zum kleinsten Teil den alten Beständen ent-
nommene Folge Georg Wilhelms schon recht stattlich, und ein glücklicher Zufall hat uns
jüngst sogar auch einige bessere Sachen, namentlich den Vierundzwanziger, zugeführt.
Fast ganz vollständig und sehr gut besetzt ist die Reihe des grossen Kurfürsten, auch sie
enthält manch seltenes Stück. Sagan wird hauptsächlich durch die Reihe Albrechts von
Wallenstein vertreten, von dessen sehr zahlreichen Münzen freilich recht wenige auf sein
schlesisches Besitztum entfallen: zum Glück sind diese ganz besonders seltenen Stücke
bis auf drei vorhanden, wunderlicher Weise fehlen dagegen die späteren Medaillen —
von Becker in Wien — mit seinem Bildnis fast ganz. Von den folgenden Besitzern des
Fürstentums haben wir u. a. die mit Sagan selbst allerdings nur in loser Beziehung
stehende Medaille von Wenzel Eusebius von Lobkowitz und den Dukaten seines Sohnes
Ferdinand u. a.
Die Mittelaltermünzen der Herzöge von Münsterberg-Öls schliessen mit den auf
Grund des Privilegs von 1502 geprägten rheinischen Gulden, die bis 1526 reichen. Schon
1520 beginnt die neuzeitliche Reihe mit ungarischen Gulden, d. i. Dukaten. Diese bis 1570
reichende Folge das glänzende Zeugnis für die Blüte des Reichensteiner Bergbaus —
154
ist ausserordentlich vollständig vorhanden (89 Stück), ausgezeichnet sind darin die grossen
Goldstücke mit den Bildern Karls I. und seiner Söhne Joachim und Johannes. Überaus
ansehnlich sind auch die Reihen des münzreichen Karl II. und seiner Söhne Heinrich
Wenzel und Karl Friedrich, aber mehr durch die Zahl der vertretenen Werte und die Ver-
schiedenheiten der einzelnen Stempel - so besitzen wir z. B. von 1619 nicht weniger
als 34, von 1620 sogar 41 verschiedene Groschen - als in Bezug auf Mannigfaltigkeit
der Prägung, selbst die Kipperzeit hat verhältnismässig wenige eigenartige Stücke auf-
gebracht. Von allen drei Fürsten giebt es auch Medaillen, die sich grösstenteils nur durch
ihre Seltenheit, nicht durch ihre Schönheit auszeichnen, auch sie sind bis auf diejenigen
Karl Friedrichs recht gut vertreten. Die Herzöge aus Podiebrats Hause wurden von solchen
aus württembergischem Stamme abgelöst, die uns eine Reihe von Münzen und namentlich
Medaillen, das Werk des trefflichen Johann Neidhardt, hinterlassen haben, wie sie wenige,
selbst viel mächtigere Geschlechter aufweisen können. Dies war das Sammelfeld der
beiden Arletius, ihre Freude „in pulvere scholastico", wie Johann Kaspar, der Sohn, selbst
schreibt: ihnen verdanken wir es hauptsächlich, dass wir diese Reihe in einer von Berlin,
Wien und wohl selbst Stuttgart unerreichten Fülle besitzen. Bei Eröffnung der städtischen
Münzsammlung am 1. Oktober 1880 waren 184 dieser Gepräge zusammen, darunter
10 goldene und 170 silberne, bis zum Jahre 1898 vermehrte sich diese nun natürlich mit
besonderer Sorgfalt gepflegte Reihe auf 247 Stück, darunter 12 goldene und 231 silberne.
Da V. Saurmas Sammlung zufällig gerade in diesem Fach ebenfalls sehr reich war, so
sind es jetzt 382 Stück (14 goldene, 382 silberne) geworden: eine unserer vollständigsten
Reihen, an Mannigfaltigkeit der Gepräge, wie an Zahl der grossen Wertstücke vielleicht
die stattlichste und interessanteste.
Einen kurze Zeit zur Selbständigkeit gelangten Splitter des Fürstentums Münster-
berg, von welch letzterem 3 Münzen bekannt, 2 vorhanden sind, bildet die Herrschaft
Reichenstein, in der die Herren Wilhelm und Peter Wok von Rosenberg ansehnliche
Mengen Dukaten und einen Thaler geschlagen haben. Letzterer fehlt leider, die Dukaten
sind grösstenteils vorhanden, von den goldenen Schaumünzen sind zwei Sorten da, zwei
fehlen, von den überaus seltenen Medaillen besitzen wir zwei Stück, von denen das eine
bisher unbekannt war, die übrigen kennt man nur aus Büchern.
Das Bischofsland, das Fürstentum Weisse, erfreut sich eines ausserordentlichen
Münzreichtums. Seine Reihe beginnt mit der goldenen Ausbeute des Altvatergebirges,
Dukaten und Schaustücken, die sämtlich bis zu Johann VI. einschliesslich mehr oder
minder selten sind. Von diesen ältesten Bischöfen ist nur die Folge des Martin Gerst-
mann ziemlich vollständig: wir besitzen von ihm ausser 10 Goldmünzen auch seine beiden
Medaillen, deren eine des berühmten Nürnbergers Valentin Maler einzige schlesische Arbeit
ist. Die übrigen Herren sind für unsere Verhältnisse schwach vertreten: 31 Stück, dazu
an Schaustücken ein Jakob und zwei Andreas. Mit Bischof Karl beginnen die Thaler inid
kleinen Münzen, in seiner Reihe sind die grossen Werte fast durchgängig Seltenheiten,
sie sind reichlich, die kleinen vollzählig vorhanden; unter den Medaillen zeichnet sich ein
155
Alessandro Abbondio aus. Karl Ferdinands Reihe fällt mehr durch abenteuerliche Formen,
als durch interessante Gepräge auf, sie ist wegen ihrer Einförmigkeit und Kostspieligkeit nicht
besonders gepflegt worden, enthält aber immerhin 18 Stücke nur aus den Jahren 1631,32,
3Q und 42. So gut wie vollständig sind dann wieder die Reihen von Sebastian und
Friedrich. Der münzreiche Franz Ludwig glänzt durch eine verhältnismässig grosse An-
zahl von Goldstücken und Medaillen, und die letzten Bischöfe endlich lassen kaum noch
etwas zu wünschen übrig.
In Bezug auf die Münzen der Grafschaft Gl atz ergänzten sich die beiden ver-
schmolzenen Sammlungen vielleicht am günstigsten, so dass nur ein Stück ausgesondert
werden konnte. Nunmehr sind die Münzen Johanns von Bernstein fast, die Ernsts ganz
vollständig, manche dieser meist sehr seltenen Stücke sogar in mehreren Abarten vor-
handen. Durchgehends selten sind auch die Erzeugnisse der 1627 von König Ferdinand III.
wiedereröffneten Glatzer Münze, namentlich die Thaler und Goldstücke; unsere Reihe um-
fasst nicht weniger als 77 Nummern mit 105 Stücken, sicher die stattlichste Folge, die
von diesen, erst in neuester Zeit recht beachteten Münzen bisher zusammengebracht
wurde.
Unter den oberschlesischen Fürstentümern steht Oppeln - Ratibor voran. Die
Reihe beginnt mit Gabriel Bethlen, dem siebenbürgischen Fürsten, dessen sehr interessante,
gegen früher nicht unwesentlich erweiterte Folge sich nicht nur durch einen geradezu
ungeheuerlichen Reichtum von Vierundzwanzigern eines Jahrgangs und eines Gepräges
(32 Stück), sondern auch durch mehrere seltene und interessante Stücke, insbesondere die
Klippen zu 2 und zu ' , Thaler, auszeichnet. Durchgehends sehr selten sind auch die
Münzen der folgenden Herrscher, insbesondere die von Johann Buchheim in Breslau ge-
schnittenen schönen Thaler und Goldmünzen des jetzt für die Jahre 1653 und 1654 als
Oppelner Münzherr nachgewiesenen Karl Ferdinand, von dem jüngst auch ein sehr merk-
würdiges Gröschel aufgetaucht und erworben worden ist.
Die Reihe von Teschen war bei Eröffnung der städtischen Münzsammlungen eine
der schwächsten: sie enthielt nur 41 Stück, darunter zwar mehrere Thaler, aber die gerade
bei diesem Fürstentum so sehr interessanten kleinen Münzen waren nur schwach vertreten.
Bis zum I.April 18Q8 hatte sich diese Zahl auf 146 Stück erhöht, also fast vervierfacht,
ein Beweis nicht nur, wie man es sich hat angelegen sein lassen, hier nachzuhelfen,
sondern auch, wie reich die Prägung in diesem Fürstentum war. Jetzt nach der Ver-
einigung prangt Teschen mit nicht weniger als 364 Stücken. Die Fülle der bemerkens-
werten Gepräge ist so gross, dass hier nur im allgemeinen darauf hingewiesen werden
kann, wie diese Münzen durchgängig Erzeugnisse einer Jahrzehnte lang fortgesetzten
Raubmünzung sind, dazu bestimmt, durch Nachahmung fremder Gepräge die Welt zu
täuschen, in der Reihe Adam Wenzels sind namentlich die Thaler- und die Halbthaler-
klippe von 1609 und der Thaicr von 1611, letzterer aus dem alten Besitz des Museums
und in v. Saurmas Verzeichnis noch nicht erwähnt, grosse Seltenheiten. Die interessanten
Kippermünzen Friedrich Wilhelms aus den gleichzeitig betriebenen AAünzcn zu Skotschau
20*
156
und Teschen sind vollzälilig und in grosser Anzaiil vorhanden (17 Nummern, 34 Stück).
Von Elisabeth Lukretia besitzen wir zwei der unförmigen Stücke mit Wappen und Schrift,
ihre Bildnismünzen fehlen uns leider gänzlich, unter den kleinen Münzen der kaiserlichen
Regierung ragt als grosse Seltenheit der Groschen mit dem Bilde Ferdinands IV. hervor.
Hier ist übrigens manches von v. Saurma aufgenommene Stück als nicht schlesisch aus-
gesondert worden, namentlich unter den Medaillen der letzten in der Numismatik ver-
tretenen Teschner Fürsten, der Erzherzogin Maria Christina und ihres Gemahls Albert,
sämtliche auf ihre Regierung in Belgien bezüglichen Stücke.
Zu den seltensten schlesischen Münzen gehören diejenigen Karls von Liechtenstein-
Troppau, abgesehen von seinen Groschen. Auch hier ist unser Besitz ein verhältnis-
mässig stattlicher: 5 Goldstücke und 4 ganze und halbe Thaler; die undatierte ovale Medaille
ist wenigstens in einem alten Bleiabguss vorhanden, die breiten Schauthaler von 1623
dagegen fehlen leider. Die folgenden Fürsten sind mit fast sämtlichen bekannten Ge-
prägen vertreten, unter denen die grosse Medaille Johann Adams, eine Perle der Arletius-
schen Sammlung, wegen ihrer Schönheit und Seltenheit erwähnt zu werden verdient.
Mit den Münzen der Herzöge von Jägerndorf, von brandenburgischem Stamm
steht es ähnlich wie mit den Teschenern: die Stadt Breslau besass bei Einrichtung ihrer
Sammlung davon nur 22 Stück, die sich im Lauf der Zeit zwar auf 77 vermehrten, was
aber doch nur eine dürftige Reihe war. Auch hier ergänzten sich beide Sammlungen
trefflich, so dass nach Ausmerzung einer nicht unbeträchtlichen Anzahl fränkischer Gepräge
einerseits, andererseits aber dank einigen glücklichen Erwerbungen der letzten Zeit an
230 Stücke vorhanden sind. Unsere Reihen beginnen erst mit Georg Friedrich, die kost-
baren Nürnberger Medaillen seiner Eltern haben wir uns noch nicht zulegen können.
Georg Friedrichs Münzen bestehen überwiegend in Thalern und Guldenthalern, selten sind
durchweg seine Goldmünzen, und auch von Kleingeld giebt es nur wenige Sorten, unter
ihnen die dreisten Nachahmungen kaiserlichen Geldes besonders bemerkenswert. Von
Georg Friedrichs Nachfolger, dem Kurfürsten Joachim Friedrich, sind seine 3 bekannten
Münzen vorhanden, in der Reihe Johann Georgs, des Generalfeldobersten und letzten
Jägerndorfer Prägeherrn, befindet sich ausser einer stattlichen Anzahl der wertvollen grossen
Gold- und Silbermünzen mit den bisher ungedeuteten Buchstaben FVC, die sich als des
Markgrafen Devise Fides Virtus Constantia entpuppt haben, die herrliche Goldmedaille
von 1609, wiederum ein Prachtstück der Arletiusschen Sammlung, und der erst jüngst
aufgetauchte halbe schlesische Thaler zu 36 Kreuzern von 1621, eines der merkwürdigsten
Erzeugnisse der Kipperzeit. Eine schmerzliche Lücke bildet das Fehlen der Vermählungs-
medaille von 1616.
Die Reihe der Städte eröffnet Breslau. Es versteht sich von selbst, dass die
Stadt ihre eigenen Münzen in besonders reicher Fülle besessen hat: es war sozusagen
Ehrenpflicht, jedes irgend erreichbare Stück zu erwerben. Mit 76 goldenen, 127 silbernen
und 30 kupfernen Stücken trat die städtische Sammlung ins Leben und schloss mit
88 goldenen, 133 silbernen und 40 kupfernen! Auch v. Saurma besass eine ansehnliche
157
Fülle Breslauischer Gepräge, und so sind denn jetzt 89 goldene, 107 silberne, 54 kupferne
Stücke nur aus der neueren Zeit vereint, eine fast ganz lückenlose Reihe, wie sie wenige
Städte werden aufweisen können. Darin eine Fülle interessanter Stücke: der rheinische
Gulden von 1531, die Gelegenheitsprägungen von 1611, 1612, 1614, 1617, 1620, die merk-
würdigen kupfernen und bleiernen Zeichen, der Probethaler von 1670, die interessanten
Schulprämien in lückenloser Reihe. Die übrigen Städte steuern hauptsächlich sehr inter-
essante Reihen der Kippermünzen von Glogau, Goidberg, Krossen, Liegnitz, Schweidnitz
und Striegau bei. Unter ihnen befindet sich eine nicht geringe Anzahl von Seltenheiten,
wie die Kreuzer von Glogau und Schweidnitz, die Groschen von Liegnitz, der Striegauer
mit dem Monogramm des Stadtnamens u. a. m.
Soweit die Münzen. Unseren Vorrat an Medaillen haben wir in drei Gruppen
geteilt, deren erste und wichtigste die der Medaillen auf Privatpersonen ist. Jedem
Kenner ist die Seltenheit der meisten dieser Stücke bekannt. Durchmustert man die heutigen
Sammlungen, so begegnet man immer wieder denselben Namen: Burg, Johann Sigismund
Haunold, Neumann, Plencken u. s. w., allenfalls noch Jenkwitz und Promnitz. Auch auf
diesem Gebiet hatte von Saurma Erfolge gehabt: es war ihm gelungen nicht nur die
gewöhnlicheren Medaillen, insbesondere die neuzeitlichen, ziemlich vollständig zusammen-
zubringen, sondern auch ein paar ältere Stücke zu erhaschen, als deren bestes wohl der
Bibran zu bezeichnen ist. Die allerdings einzige — Medaille auf Kochticz ist leider
ganz schlecht erhalten, ein paar andere erwiesen sich als Fälschungen. Niciit viel anders
stand es um den städtischen Besitz, ein Beweis dafür, wie die meisten älteren Medaillen
schon im vorigen Jahrhundert fast ganz verschwunden waren, immerhin fanden sich hier
Urstücke des Pucher, des Nikolaus Haunold und des Gottfried Woyssel, ein herrlicher
Matthias Lausnitz u. a. Der städtische Besitz vermehrte sich zwar im Laufe der Jahre
von 87 auf 207 Stück, doch bestanden diese neuen Erwerbungen meist aus den Erzeug-
nissen der letzten 100 Jahre, die in der städtischen Sammlung so gut wie gar nicht ver-
treten waren. In diese recht fühlbare Lücke vermochte der Verfasser helfend einzuspringen.
Von Anbeginn seiner Thätigkeit gezwungen, für die Vermehrung der ihm anvertrauten
städtischen Sammlung mit unbedeutenden Mitteln zu sorgen, hatte er sich gewöhnt, dort
noch fehlende Stücke, wenn es an Geld gebrach, für sich selbst zu erwerben und sie bei
gelegener Zeit der Stadt abzutreten. So entstand gleichsam von selbst eine kleine Samm-
lung meist höchst kostbarer Medaillen des 16. und 17. Jahrhunderts, die neben einigen
wenigen fürstlichen Bischof Martin, Peter Wok von Rosenberg, Georg 11. von Brieg,
Georg Friedrich von Jägerndorf 13 ältere Medaillen auf Privatpersonen enthielt,
u. a. die F'eter Flötner .zugeschriebene Medaille des Heinrich Ribisch und seiner Freunde,
einen zweiten Ribisch, den Queschwitz von Paul Nitsch, den Alberti von Balthasar Lauch,
einen Nikolaus Haunold von Alessandro Abbondio, alle diese auch vom künstlerischen
Standpunkte aus ersten Ranges; dazu einige hauptsächlich des heimatlichen Interesses
wegen wichtige Stücke wie die Vermählungsmedaille des Georg Fürst. Diese Medaillen
konnten bei der Vereinigung der Sammlungen dem Museum abgetreten werden, da sich
158
aus den Dubletten die verauslagten Beträge erstatten liessen und der Besitzer sich über
den Verlust dieser ihm lieb gewordenen Stücke mit dem Bewusstsein tröstete, dass sie
doch nur an ihren „richtigen Ort" gekommen sind. So ist denn auch für die ältere Zeit
ein Bestand geschaffen, mit dem wir uns sehen lassen können, freilich sind hier weitere
Erwerbungen am erwünschtesten, um nicht zu sagen: am nötigsten.
Im Fache der in geradezu sinnverwirrender Fülle vorhandenen Geschichts-
medaillen dürfen wir uns eines höchst ansehnlichen Vorrats rühmen, wenn wir auch
manche Stücke, die Kundniann und v. Saurma in diese Reihe aufgenommen hatten, als nicht
schlesisch haben aussondern müssen. Dieses Fach zeichnet sich zunächst äusserlich durch
mehrere grosse Goldstücke bis zu 20 und 30 Dukaten aus, Oeschenkexemplare, die stets nur in
geringer Zahl ausgeprägt, in noch geringerer aufgehoben worden sind. Unter den verhältnis-
mässig wenigen Stücken aus der Zeit vor 1700 befinden sich einige Seltenheiten, z. B. die
Riegersche Medaille von 1634, sowie eine Anzahl sehr schöner Arbeiten des talentvollen
Medailleurs Buchheim. In dieser Abteilung befinden sich auch gemäss einer wohl unbe-
denklichen Auslegung des Begriffs der schlesischen Geschichtsmedaillen die zahllosen
Schaustücke auf die Ereignisse der drei um Schlesien geführten Kriege in seltener Voll-
ständigkeit. Auch die auf Schlesien bezüglichen Erzeugnisse der neueren und neuesten
Medaiilenfabrikation, denen die Grazien leider meist fremd geblieben, mussten wir aus
kulturgeschichtlichen Gründen und der Vollständigkeit halber aufnehmen: nur wenige
Stücke ragen aus dieser rudis indigestaque moles erfreulich hervor. Den Beschluss bilden
allerlei Medaillen ohne persönliche oder geschichtliche Beziehung und von sehr ver-
schiedenem künstlerischem Wert.
Damit ist unser Rundgang beendet. Wir scheiden von einander mit dem Wunsch,
dass es der Münzsammlung, die ja einer der lehrreichsten und wertvollsten Bestandteile
des Museums ist, auch in Zukunft nicht an arbeitswilligen Freunden und freigebigen
Gönnern fehlen möge: noch bleibt genug Gelegenheit zur Bethätigung der Gesinnungen,
die dieses Werk ins Leben gerufen haben.
Ferdinand Friedensburg
159
SCHLESISCHES KUNSTGEWERBE FRÜHERER
ZEITEN IN AUSWÄRTIGEM BESITZ
Bautzen in Sachsen, Eigentum der Stadt
Nautilus mit Deckel, gestiftet 1665 von Senator Oswald Nitsclie. Beschauzeichen W,
Meisterzeichen MA (iigiert); Arbeit des Mathes Alischer, vergl. Schles. Vorz. Bd. Vil,
S. 141, Catalogus vom Jahre 1617.
Berlin, Kgl. Kunstgewerbe-Museum
Becher aus Silber, konischer Form, reich getrieben mit Muscheln und Akanthusornament.
Höhe 0,155 m. Beschauzeichen: Johanneskopf. Meisterzeichen Gl, Arbeit des
Gottfried Ihme, 1. Hälfte des 18. Jahrh. (Siehe a. o. O. S. 142).
Becher aus Silber, gerader Form mit Deckel, reich getrieben mit grossen Blumen. Höhe
0,24 m. Beschauzeichen: Johanneskopf. Meisterzeichen 'r^ undeutlich; Arbeit des
Joh. Ernst Römer, 2. Hälfte des 18. Jahrh. (Siehe a. o. O. S. 144, Catalogus von 1753).
Zinnkanne der Tuchmacherinnung von Schwiebus, mittlere Grösse, ruht auf drei, aus je
einem Löwenpaar bestehenden Füssen. Auf dem abgekanteten Körper Christus,
Madonna und Heilige in Gravierung. Die Figurenbekrönung des Deckels fehlt.
Vom Jahre 1503.
Thonschüssel mit dem Wappen des Breslauer Bischofs Balthasar von Promnitz,
Schlesisch, 16. Jahrh. (Abgeb. auf S. 124).
Porzellanteller, zwei Stück, ohne Fabrikmarke, aber wohl Wiener Ursprungs, bemalt
von Bottengruber (AB [in Ligatur] f. Wrat. 1728). Auf dem einen Teller Wein-
rankenornament, das vergoldete Barockmotive umschlingt, in denen Putten und
Tiere nach den Trauben greifen, in der Mitte Bacchus und Ariadne. Der zweite
ähnlich, mit Epheuranken. Aus Sammlung Minutoli.
Seidel mit mythologischen Szenen und kleine viervvandige Flasche en camaYeu bemalt
mit mythologischen Szenen in goldumrandeten Cartouchen, beide von Bottengruber,
aber ohne Signatur.
Olaspokal mit Ansicht und Wappen von Breslau, 1. Hälfte des 18. Jahrh.
Glaspokal mit Deckel, Ansicht von Warmbrunn, Hirschberg und Landeshut. in einer
Rokoko-Cartouche FR Iigiert.
Glaspokal mit Deckel, sehr reich geschliffen. Attribute des Handels und des Ackerbaues.
Angeblich von Christian Schneider in Warmbrunn (1710 1782).
löO
Breslauer Igel mit Barockornainenten, 1. Hälfte des 18. Jahrh.
Fayencen von Proskaii: Kohlkopf auf Teller mit Blumen dergl. gelblich, ohne
Blumen — Butterdose mit Salz- und Pfeffergefässen.
Berlin, Herr Dr. Darmstädter
Teller, chinesisches Porzellan, in einem von der Glasur befreiten Quadrat bacchantische
Szene in rot Camaieu, von Bottengruber. Gehört zu der Suite von signierten
Bottengrubertellern im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer.
Berlin, Sammlung des Unterzeichneten
Thüreinfassung in Form eines Portales aus dem Hause Kupferschmiedestrasse IQ in
Breslau. Karyatiden tragen ein Gebälk, auf dem eine geschnitzte Aufsatzbekrönung
ruht. Eichenholz, die geschnitzten Teile vergoldetes Lindenholz, 1. Hälfte des
18. Jahrh.
Köpfe zur Aufnahme von Reliquien, zwei männlich, zwei weiblich, aus Holz geschnitzt,
mit schöner farbiger Bemalung, 16. Jahrh.
Zinn- Willkomm der Bruderschaft der Tuchknappen der Neustadt Breslau vom Jahre 162Q,
behängt mit vielen Erinnerungsschildern in Silber, auf dem Deckel fahnentragender
Ritter. Höhe 0,46 m. Zinnstempel W.
Ölkanne derselben Innung aus Zinn, innen mit Sieb, der Deckel geteilt; mit graviertem
Wappen. Vom Jahre 1736. Höhe 0,28 m. Zwei Zinnstempel: der hl. Georg und
Venus auf der Erdkugel.
Olaspokal, graviert, mit Allianzwappen des Reichsgrafen Ferdinand Maximilian Mettich
(1688 — 1743) und der Maria Hanna geborenen Gräfin von Schrattenbach (16Q2
bis 1745), 1. Hälfte des 18. Jahrh. Höhe 0,20 m.
Olaspokal mit Deckel und Wappen von Gersdorf. Höhe 0,27 m.
Olaspokal mit Wappen von Eickstädt und Jahreszahl 172Q. Höhe 0,16 m.
Olaspokal mit Doppelwappen von Berge und Ziegesar und Inschrift: „Vergnügte
Erinnerung vergangener Zeiten". Höhe 0,16 m.
Olaspokal mit Deckel, Wappen von Wiedebach und Inschrift: „Der Edelsten Gönnerin
dankbadich geweiht". Höhe 0,18 m.
Dose aus Elfenbein mit Schildpatt im Innern, auf dem Deckel in Bronze montirtes Oval
mit Ansicht von Breslau in Gouachemalerei, 18. Jahrh.
Miniaturbild eines Mannes auf Porzellanplatte, bezeichnet Knoefvell (Breslauer Maler) 1803.
Berlin, Herr Hans Schlesinger
Leuchter aus Silber, ein Paar, mit Kleeblattfuss, aus dem der Schaft zuerst rund, dann drei-
teilig sich entwickelt. Beschauzeichen: Johanneskopf. Meisterzeichen AP ligiert, Arbeit
des Augustin I^eisker, 1. Hälfte des 18. Jahrh. (Siehe a. o. O. Catalogus von 1700).
161
Brüssel, Musee cinquantenaire
Nautilus. Auf einem Fusse mit Renaissance-Ornamenten ein Sockel für drei bockbeinige
Satyrn, die auf den Köpfen die Nautilusmuschel tragen. Die Muschel selbst ist
montiert in Charnierbändern, die reicii mit Früchten und Vögeln graviert sind, der
getriebene Deckel mit Knauf schiiesst sich der Form der Muschel an und zeigt
Delphine auf bewegten Wellen. Beschauzeichen W (14 lötig). Leider hatte ich
nicht die Möglichkeit, das Stück genauer zu untersuchen und erkannte durch die
Scheibe der Vitrine nur ein D, keinen Vornamen, so dass es eine Arbeit von
Dittmers oder Caspar Drogener sein kann. 16. oder 17. Jahrh.
Frankfurt a. M., Historisches Museum
Gruppe aus Proskauer Fayence, darstellend einen Delphin auf Felssockel, auf dessen
Kopf eine Krähe steht, sehr lebhaft in den Farben. Marke DP. üeschenk
Friedrichs d. Gr. an Ludwig Hieronymus von Humbracht, Adjutanten des Königs.
18. Jahrh.
Leipzig, Regierungsrat Dr. H. Demiani
Grosse Zinnkanne, graviert mit Figuren der sieben freien Künste, männlichen und
weiblichen Köpfen. Datiert 1564, Stadtmarke von Schweidnitz mit Meister-
zeichen IS.
Grosse Zinnkanne, graviert mit vielen männlichen und weiblichen Büsten, datiert 1580.
Stadtmarke von Breslau.
Leipzig, Herr Julius Zöllner
Grosse Zinnkanne der Laubaner Hufschmiede auf vier Löwen ruhend mit gravierten
Figuren von Heiligen unter gotischen Baldachinen. Um 1500.
Josef Epstein
(Wird fortgesetzt)
162
BÜCHERBESPRECHUNOEN
O. MONTELIUS: DIE CHRONOLOGIE DER ÄLTESTEN BRONZEZEIT IN
NORDDEUTSCHLAND UND SKANDINAVIEN. BRAUNSCHWEIO, VIEWEG UND
SOHN. 1900. 4"
Seit der Einführung des nordischen Dreiperiodensystems durch Thomsen und
Worsaae haben die skandinavischen Forscher an seinem Weiterausbau unablässig gearbeitet.
Keiner mehr als Oskar Montelius, dessen eindringenden und weitgreifenden Untersuchungen
es hauptsächlich zu danken ist, dass heute die Einteilung und Zeitbestimmung vorgeschicht-
licher Funde im wesentlichen als gesichert gelten kann. Grundlegend war vor allem seine
1885 erschienene Arbeit über die Chronologie der Bronzezeit (im 30. Bande der K. Vitterhets
Historie och Antiqvitets Akademiens Handlingar, Stockholm 1885). Er unterschied
darin sechs durch typische Fundgruppen charakterisierte Perioden, deren erste mit dem
Abschnitt der jüngeren Steinzeit durch eine Übergangsperiode mit Gerätschaften aus
reinem Kupfer verbunden sei. Diese erste Bronzeperiode mit der ihr unmittelbar vor-
angehenden Kupferzeit ist es, die er in dem vorliegenden inhaltreichen Werke auf Grund
des inzwischen sehr bedeutend vermehrten Materials einer erneuten Betrachtung unterzieht.
Für die Existenz einer Kupferzeit im Norden führt Montelius eine Reihe von
Funden aus Norddeutschland (darunter auch aus Schlesien), Dänemark und Südschweden
an. Es sind grösstenteils Äxte mit und ohne Schaftloch, deren Form sich an steinerne
Vorbilder anlehnt und somit einen zeitlichen Zusammenhang mit der Steinzeit beweist.
Diese Typenserie findet ihre Fortsetzung in Gegenständen aus sehr zinnarmer Bronze. Je
weiter die Typenentwicklung fortschreitet, desto grösser wird der Zinngehalt, bis er sich
noch vor dem Abschluss der ganzen hier behandelten Periode dem später konstanten
Verhältnis von etwa 1:10 nähert. Der Schneidenteil der Beile wird allmählich breiter,
zur besseren Befestigung am Schaft werden vorstehende Seitenränder und später in der
Mitte noch eine Rast angebracht. Dazu treten als neue Typen Dolche und Kurzschwerter
mit breiter, flacher Klinge und meist angenietetem Griff, sogenannte Schwertstäbe, d. s.
Dolchklingen, die rechtwinklig in einen hölzernen oder bronzenen Schaft eingefügt wurden,
ferner Schmucksachen in Form von Finger- und Armringen aus Draht- oder Bandspiralen
und offene Halsringe, die bisweilen dtncli Übereinanderlegen zu grösseren Colliers ver-
einigt wurden.
Auf diese sozusagen entwicklungstheoretische Erörterung folgt die Betrachtung der
sicheren Funde, d. h. solcher, bei denen man mit Sicherheit annehmen kann, dass alle
dazu gehörigen Gegenstände gleichzeitig niedergelegt sind. Es werden eine grosse Menge
Depot- und Grabfunde aus Norddeutschland und Skandinavien beschrieben uml nach-
gewiesen, dass darin die als charakteristisch für die erste Periode bezeichneten Typen
wirklich in der a priori angenommenen Reihenfolge neben- und nacheinander auftreten. Die
Richtigkeit der typologischen Altersbestimmung wird damit auf das schlagendste bestätigt.
163
Woher kamen nun die ersten Metalle nach dem Norden? In dem Hauptverbreitungs-
gebiet der nordischen Bronzekultur fehlen Kupfer- und Zinnerze völlig. Jedes Kilogramm
des Rohstoffes muss folglich aus anderen Ländern eingeführt worden sein. Es kommen
dafür sowohl die Länder südlich vom nordischen Gebiete wie das westliche Europa in
Betracht. In beiden Gegenden hatte sich auch der Einfluss der orientalischen Kultur und
damit die Kenntnis des Metallgebrauches früher geltend gemacht als im Norden. Dem-
entsprechend nimmt der Verfasser zwei Wege an, auf denen die orientalischen Kultur-
elemente nach dem Norden gelangt seien, einen „westlichen" längs der Nordküste Afrikas
über Spanien, Frankreich und die britischen Inseln, und einen „südlichen" durch die
Balkanhalbinsel oder längs der Küsten des Adriatischen Meeres, die Donauländer und
Mitteldeutschland. Beide Wege werden durch zahlreiche Funde bezeichnet, die einerseits
zu den orientalischen, andrerseits zu den nordischen in unverkennbarer Beziehung stehen.
Der Import wurde durch Handelsverkehr von Volk zu Volk vermittelt, nicht etwa durch
Einwanderung eines neuen Volkes.
Es folgt dann die wichtige Frage nach dem Zeitpunkt des ersten Auftretens der
Metalle im Norden. Zunächst werden die Anfänge der Metallkultur im Norden mit denen
der anderen europäischen Länder verglichen. Hierbei ergiebt sich, dass zwar der allge-
meine Gebrauch der Metalle im westlichen, südlichen und mittleren Europa allerdings
etwas älter ist als im Norden, dass aber die reine Steinzeit nicht, wie bisher allgemein
angenommen wurde, im nordischen Gebiet viel länger angedauert habe, als in den süd-
licheren Ländern Europas. So fällt z. B. die älteste Bronzezeit Südskandinaviens nahezu
zusammen mit derselben Periode in Italien.
Für die Frage der absoluten Chronologie sind in letzter Reihe die ägyptischen
Funde massgebend, die eine annähernde Altersbestimmung nach Jahrhunderten gestatten.
Die Kupferzeit reicht in Ägypten bis ins fünfte Jahrtausend zurück, die zinnreiche Bronze
war schon zur Zeit der zwölften Dynastie, also um die Mitte des dritten Jahrtausends
bekannt. Einen weiteren Anhalt für die rückwärtige Datierung geben die mit der
mykenischen Kultur gleichzeitigen Funde aus der achtzehnten Dynastie (ca. 1500 v. Chr.).
Mit Hilfe dieser halbwegs sicheren Daten und einer äusserst geschickten Kombination
der Funde des gesamten Kulturkreises gelangt Monfelius zu dem Ergebnis, dass in Nord-
deutschland und Südskandinavien das Kupfer schon während der zweiten Hälfte des
dritten, und die Zinnbronze schon während der allerersten Jahrhunderte des zweiten vor-
christlichen Jahrtausends bekannt geworden ist. in einem Schlusskapitel wird dann noch
der Ursprung der Bronzekultur erörtert, und die Entdeckung des Kupfers wie die Erfindung
der Bronze den Völkern des südwestlichen Asiens zugeschrieben. Von dort kam die
Kenntnis dieser Metalle einerseits nach Indien, China und dem sibirischen Gebiet, andrer-
seits nach Afrika und Europa.
Die Ausführungen des Verfassers werden, wie es bei einem so überaus schwierigen
und des Hypothetischen noch gar vieles enthaltenden Gegenstande natürlich ist. nicht'' in
allen Teilen ohne Widerspruch bleiben. Uns dünkt, dass gerade die Überfülle des Beweis-
164
materials mitunter etwas abschwächend wirkt. Der Leser hat besonders in den Abschnitten
über die orientalischen Verhältnisse öfters die Empfindung, dass mit diesem oder jenem
Funde mangels authentischer Berichte eigentlich nicht viel anzufangen ist. Weniger wäre
hier mehr gewesen. Indessen thut dies dem Verdienste des Verfassers keinen Eintrag,
eines der verwickeltsten und wichtigsten Probleme der europäischen Urgeschichte mit
unvergleichlicher Sachkenntnis und bewunderungswürdigem Scharfsinn seiner Lösung nahe
gebracht zu haben. ^ ^
Hans Seger
E. ROEHL: SIEGEL UND WAPPEN DER STADT BRESLAU MIT EINER
TAFEL IN FARBENDRUCK, 3 IN LICHTDRUCK UND 18 ABBILDUNGEN IM TEXT.
BRESLAU 1900.
Die Breslauer Stadtbibliothek besitzt das gedruckte Titelblatt eines Buches, das nie
erschienen ist. Es ist das Titelblatt einer nach der Inhaltsangabe ziemlich ausführlichen
Abhandlung über das Breslauer Stadtwappen von J. G. Bars. Erst jetzt nach fast 200 Jahren
hat sich wieder ein Gelehrter und zwar mit besserem Erfolge daran gemacht, besagtes
Thema in einer Einzelschrift zu behandeln, nachdem zuletzt Freiherr von Saurma und
Otto Hupp in ihren bekannten Wappenbüchern wie für die anderen schlesischen Städte-
wappen auch für das der Provinzialhauptstadt die ihnen erreichbaren Notizen kurz
zusammengestellt haben.
Der als Heraldiker hochgeschätzte Verfasser des reich illustrierten Büchleins hat das
bisherige Material durch einige wesentliche Entdeckungen bereichert, mit alten Irrtümern
gründlich aufgeräumt und die lückenlose Untersuchung zu einem endgültigen Abschluss
geführt. Er beginnt mit einer Zusammenstellung von fünfzehn verschiedenen für die
Geschäfte der Stadt gebräuchlichen Siegeln aus dem Zeitraum von 1242, dem Jahre der
Gründung Breslaus zu deutschem Rechte, bis 1530. Von ihnen zeigen nur die ältesten
drei das Wappen des Landesherrn, des schlesischen Herzogs, den schwarzen Adler im gelben
Felde, die anderen zwölf das Bild des Landespatrons und Schutzheiligen der Stadt, des
Täufers Johannes. Mit dem Jahre 1530 beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte des
Stadtwappens. Auf Ansuchen der Stadt wird ihr das jetzt noch gebräuchliche Wappen
von König Ferdinand verliehen und von seinem Bruder Kaiser Karl V. bestätigt. Die
beiden Verleihungsurkunden liegen noch im Stadtarchiv. Die vielfach in der bisherigen
Litteratur über das Wappen auftauchende Hypothese, dass im vierten Felde des quadrierten
Schildes das einst in der Ratskapelle, jetzt im Kunstgewerbemuseum befindliche Reliquiar
der hl. Dorothea dargestellt sei, wird durch schlagende Beweise widerlegt.
Die Schrift Roehls verdient nicht bloss bei Historikern, sondern auch bei Archi-
tekten und Künstlern um so ernstere Beachtung, als ja das Breslauer Stadtwappen als
höchst dankbares Motiv künstlerischer Ausschmückung sehr oft verwandt wird und Ver-
ballhornisierungen desselben nicht gerade zu den Seltenheiten geluircn.
Conrad Bnchwald
BERICHT ÜBER DAS I. ETATSJAHR
(1. APRIL 1899 — 1. APRIL 1900)
167
ERÖFFNUNGS-FEIER
Am 27. November erfolgte die feierliche Eröffnung des Museums. Der Magistrat hatte dazu auf
einer von Max Wislicenus entworfenen Karte eingeladen. Mittags 12 Uhr versammelten sich in dem
durch die Promenadenverwaltung mit Pflanzengrün und Blumen geschmückten Lichthofe des Museums
eine grosse Zahl von Gästen. Die Spitzen der militärischen und zivilen Behörden und der Städtischen Ver-
waltung waren vollzählig erschienen, mit ihnen der Kommandierende General des VI. Armeekorps, Erb-
prinz von Sachsen-Meiningen, und der Oberpräsident von Schlesien, Fürst Hatzfeldt-Trachenberg,
ausserdem Vertreter hiesiger Kunstinstitute, Mitglieder des Lehrkörpers der Universität, der Vorstand des
Schlesischen Zentral-Gewerbevereins, die Vorsitzenden kunstpflegender Vereine und viele andere im Kunst-
leben stehende Mäimer unserer Stadt. Der Herr Kultusminister hatte als Vertreter Herrn Geheimrat
Dr. Müller entsendet, der in Begleitung des Hilfsarbeiters im Kultusministerium Dr. Pallat erschien.
Von auswärts waren ausserdem der Direktor des Leipziger Kunstgewerbemuseums Dr. Graul, der Direktor
des Brünner Kunstgewerbemuseums Leischiiig und der Direktor der Königl. Baugewerkschule zu Königs-
berg und ehemaliger Gustos des Museums schlesischer Altertümer Czihak gekommen.
Als erster nahm Oberbürgermeister Bender das Wort.
Er nannte den Tag der Übergabe des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und
Altertümer an die Öffentlichkeit einen Tag freudiger Vollendung für weite Kreise Breslaus, namentlich
für die, die dem Gewerbe und Kunstgewerbe näher ständen. Seit Jahren seien die Führer des gewerblichen
Unterrichts und des Gewerbes in Schlesien bestrebt gewesen, die empfindliche Lücke auszufüllen, die jetzt
durch die Gründung des Kunstgewerbemuseums geschlossen sei. Eine Geschichte dieser Bestrebungen,
die der Redner in Umrissen gab, führte zur Würdigung der Verdienste von Männern, wie Geheimrat
Dr. Fiedler, Geheimrat Dr. Websky, Kommissionsrat Milch und zur Erwähnung des fürstlichen Geschenkes
des Herrn von Korn, das jene Bestrebungen endlich zum Ziele geführt habe. Der Oberbürgermeister
erläuterte ferner die Organisation des Museums, dankte der Bauleitung, namentlich dem Stadt -Baurat
Plüddemann und dem Stadt- Bauinspektor Friese für den geschickten Umbau des Hauses und wendete
sich schliesslich an Herrn von Korn, „der sich zwar jeden Dank verbeten habe, der es aber doch wohl
gestatten werde, dass die Stadt in Erfüllung einer selbstverständlichen Pflicht als besonderes Andenken
an ihn, dessen Name auf immer mit diesem Hause verbunden sei, hier im Lichthofe seine von Künstlerhand
zu schaffende Büste aufstelle". Der Redner schloss, nachdem er dem schlesischen Kunstgewerbe die
wärmsten Segenswünsche gewidmet hatte, mit einem Hoch auf den Kaiser.
Darauf hielt der L Direktor, Dr. Masner, folgende Rede:
„Hochverehrte Anwesende! Vor vierzig Jahren gründete ein Verein ideal gesinnter Männer in
Breslau ein Museum, das die Aufgabe erhielt, „schlesische Altertümer zu sammeln, wissenschaftlich zu ordnen
und allen zugänglich zu machen". Mit unermüdlicher Hingebung kultur- und kunstgeschichtlich interessante
Überreste aus Schlesiens Vorzeit zusammentragend, blieb das Museum ein Institut gelehrten Charakters
auch in den folgenden Dezennien, wo allenthalben die Kunstgewerbemuseen erstanden, von denen aus
die Kunstgeschichte als jubelnd begrüsste Lehrmeisterin in die Praxis eingriff, um dem siech gewordenen
Kunstgewerbe durch den Hinweis auf seine grosse Vergangenheit aufzuhelfen. Es ist bekannt, dass die
retrospektive Richtung sich überlebt hat, dass am Ende unseres Jahrhunderts durch die Welt der Frühlings-
sturm eines neuen Kunststiles braust, der von historischer L'bcrlieferung nichts mehr wissen will. Aber
die Schöpfungen der Kunstgeschichte, die auf historischer Grundlage beruhenden Kunstgewerbemuseen hat
diese Revolution nicht nur unangetastet gelassen, sondern auch zu neuer, grösserer Bedeutung emporgehoben.
Und so ist es demi kein Anachronismus, dass das Museum für schlesische Altertümer darein einwilligte,
168
in einem Kunstoewerbeimiseiini aufzugehen und dass die Stadt Breslau lieute dieses Museum mit der
Empfindung und Überzeugung eröffnet, eine Fordernng kulturellen Fortschrittes für die ganze Provinz
Schlesien erfüllt zu haben.
Wäre es den Männern, die vor 40 Jahren das bescheidene Museum schlesischer Altertümer gründeten,
vergönnt, durch dieses Haus zu schreiten, würden sie, glaube ich, gestehen, dass ihre kühnsten Träume
verwirklicht seien, und wir müssten ihnen dafür danken, dass sie uns so wacker vorgearbeitet haben. Auch
wir werden die Altertümer unserer Provinz von der prähistorischen Zeit an pietätvoll sammeln und aufbewahren,
zunächst schon deshalb, weil wir mit dieser Seite unserer Sammelthätigkeit dem internationalen Oute der
Wissenschaft einen grösseren Dienst leisten, als jene geschlechtslosen Anstalten, die kein anderes Ziel kenneu,
als aus aller Welt Kunstschätze auf einen fremden Boden zu verpflanzen. Aber indem wir den lokalen
Charakter unseres Museums betonen, also zurückgreifen auf den Grundgedanken seines Vorgängers, setzen
wir auch mit einem modernen Zuge in die Entwicklungsgeschichte der Kunstgewerbemuseen ein.
Wir wollen eine bodenständige Färbung unseres Museums vor allem aus praktischen Gründen, damit sie
der gegenwärtigen und zukünftigen Generation eine stetig aufstachelnde Mahnung daran sei, dass Schlesien
eine glänzende, künstlerische Vergangenheit aufzuweisen hat, deren eigenartige Nuancen nicht der Ab-
schliessung von den allgemeinen zeitgenössischen Ideen, sondern der lebhaftesten Verbindung mit ihnen ihr
Dasein verdanken. Um jedoch diesen Zusammenhang erkennen zu lassen, um nicht bloss den Einschlag ohne
die Kette zu besitzen, muss unser Museum die schlesischeu Grenzen mit seiner Sanuuelthätigkeit überschreiten
und ein Kunstgewerbemuseum im weiteren Sinne werden, das in seiner kleinen Welt eine Vorstellung von
allen Höhepunkten des Kunstgewerbes giebt. Beschränkung auf unser Land hiesse sich mit einer chinesischen
Mauer umgeben. Die Nachempfindung der historischen Stilperioden ist in unseren Tagen für das Kunst-
gewerbe abgethan, jetzt dringl nur mehr durch unendlich feine Gänge aus allen Stilen von der Antike an
bis zu dem Japans und Chinas das grosse Ganze der früheren Errungenschaften in die Produktion und den
Geschmack ein, sei es als stilbildende Elemente, sei es als Korrektiv, dessen Bedeutung sich mit jedem
Augenblicke verschieben kann und verschiebt. Wenn unser Museum Schlesien in die Anteilnahme an den
Problemen, die das Kunstleben unserer Zeit bewegen, hereinziehen will, braucht es eine reiche, womöglich
lückenlose Typensammlung des historischen Kunstgewerbes als die eine Hälfte seiner Ausrüstung. Die
andere besteht darin, dass wir den mächtigen Strom des modernen Kunstschaffens in unser Land lenken.
Es ist eine höchst verderbliche Anschauung, dass die Revolution im Kunsthandwerk, von der wir gegen-
wärtig die Welt erfüllt sehen, nur eine Modeschwankung ist, der gegenüber das bequeme Beharren auf
dem Althergebrachten die einzig richtige Taktik sei. Den Siegeslauf dieser LImwälzung aufzuhalten, wird
uns nicht gelingen, wir müssen, wenn unsere heimische Produktion nicht im eigenen Lande aus dem Felde
geschlagen werden soll, lernen, uns mit deiu neuen Geiste friedlich auseinanderzusetzen; das schlesische
Museum wird deshalb eine seiner Hauptaufgaben darin erblicken, die Provinz mit allen wichtigen
Erscheinungen des modernen Kunstgewerbes bekannt zu machen. Wir haben Wert darauf gelegt, sofort
mit dieser Arbeit zu beginnen und eröffnen gleichzeitig nüt den Sammlungen zwei Ausstellungen, deren
eine das auswärtige, die andere das schlesische Kunsthaiulwerk unserer Tage vorführt. Sie werden,
hochverehrte Anwesende, in der heimischen Produktion viel fruchtbare Keime und ernstes Streben finden,
aber auch sich nicht der Erkenntnis verschliessen, dass wir lernen und wieder lernen müssen. Iruiem das
Museum mit der anderen Ausstellung einen Massstab der Vergleichung hinstellt, bekundet es frank und frei,
ohne Schönfärberei, dass es auf das heimische Kunstgewerbe erziehend einwirken will. Der Einfluss aber,
der von diesem Hause ausgeht, soll sich auch auf alle Schichten und Kreise der Bevölkerung erstrecken.
Es ist kein gering anzuschlagender Gewinn, wenn unser Museum in Tausenden und Abertausenden die
naive Schaulust erweckt. Sie ist der erste Spatenstich, der bei den breiten Massen die harte Kruste trivialer
Lebensauffassung aufzulockern versucht, damit überall der warme Quell der Empfänglichkeit für die Kunst
zu tage trete. Wollte sich unser Museum nur auf die künstlerische Bildung der Schaffenden beschränken,
so würde es nur eine halbe Arbeit thun. Zwischen den Produzenten und Konsumenten müssen Wechsel-
beziehungen angebahnt werden, die die Einen zu lu'ichsten Anforderungen, die Anderen zu höchsten
Leistungen anspornen. Aus diesem Wettstreite wird uns der Lohn erblühen, den wir ersehnen: Schlesien
wird in das Kunstschaffen unserer Zeit als der achtunggebietende Faktor eintreten, der es in der Ver-
gangenheit war."
169
Als Dritter bestieg der Dekan der ausserdem nocli durch die Professoren Oeh.-Rat Nehring, Vogt,
Caro, Hintze vertretenen philosophischen Fakultät der Universität Breslau, 'Professor Dr. Hillebrandt,
das Rednerpult und verkündete, dass die Fakultät aus Anlass der Eröffnung des Museums drei um die
Gründung dieser Bildungsstätte hochverdiente Männer zu Ehrendoktoren ernannt habe: den Oberbürger-
meister Bender, den Geheimen Sanitätsrat Dr. med. Grempler und den Stadtältesten Rittergutsbesitzer
von Korn.
Die Rede Seiner Spektabilität hatte folgenden Wortlaut:
„Hochgeehrter Herr Oberbürgermeister!
Hochansehnliche Versammlung!
Im Namen der philosophischen Fakultät der königlichen Universität wird mir und den mit mir
deputierten Herren Kollegen die Ehre zu teil, der Stadt Breslau die herzlichsten Glückwünsche zu dem
Tage auszusprechen, an dem in ihren Mauern das Museum für Kunstgewerbe und Altertümer eröffnet
wird. Wir nehmen freudigen Anteil an einem Ereignis, das einen Wendepunkt in dem kunstgewerblichen
Leben dieser Stadt bedeuten möge, und fühlen uns eng verbunden mit den Interessen, die hier von sach-
kundiger Hand gehegt und gefördert werden sollen.
Das Museum schlesischer Altertümer, dem ein Teil der Sammlungen unserer Universität angehört,
fand einst seine Stätte in den engen und dunklen Räumen des Sandstifts, es ward dann Gast im Museum
der bildenden Künste, und erst heute wird es durch die freigebige Hand eines unserer ersten Mitbürger
Herr im eigenen Hause, wird es „ausgesetzt zu eigenem Recht". Und darüber, gleichsam symbolisch,
erhebt sich das Kunstgewerbemuseum: über der Vergangenheit die Gegenwart und, so hoffen wir, eine
blühende Zukunft.
Es ist ein langer Zeitraum kulturgeschichtlicher Entwickelung, der uns in diesem Hause vor das
Auge treten soll. Von jener Zeit, wo durch die mährische Pforte in die Länder diesseits der vandalischen
Berge ein matter Strahl der römischen Sonne fiel und germanische Stämme traf, deren Hausrat in kümmer-
lichen Stein- und Thongeräten bestand, bis zu den slawischen Burgen, bis zum deutschen A\ittelalter mit
dem Reichtum seines Kunstgewerbes und schliesslich bis zum heutigen Tage, wo ein blühendes Land der
hohenzollerische Aar beschirmt: es ist ein langes, langsames Aufsteigen aus der Niederung bis zu der
Kultur unserer Zeit.
Mögen die Geschlechter, die ihren Fuss über die Schwelle dieses Hauses setzen, die Sprache der
stillen Zeugen vergangener Jahrhunderte verstehen, die sie hier empfangen; mögen sie immer eingedenk
sein ihrer Vorväter, auf deren Arbeit unsere eigene Kultur beruht. Was wir ernten, haben wir selbst nur
zum Teil gesät. Möge das Haus werden eine Stätte der Arbeit, eine Stätte der Belehrung und zugleich
der Forschung, die mit ihrer Fackel die Vergangenheit erhellt und die Gegenwart belebt.
Die philosophische Fakultät beabsichtigte, diesen für Breslau wichtigen Tag nicht nur mit ihren
Wünschen zu begleiten, sondern ihrer Teilnahme in feierlicher Weise Ausdruck zu verleihen. Sie hat
beschlossen beschlossen mit der durch ihre Statuten erforderlichen Einstimmigkeit am heutigen Tage
drei Männern, deren Namen mit diesem Hause immerdar verbunden bleiben werden, die höchste Aus-
zeichnung zu verleihen, die sie zu verleihen vermag, indem sie sie zu Doktoren der Philosophie honoris
causa ernennt.
Erstens Herrn Georg Bender, Oberbürgermeister dieser Stadt. Wir schätzen und ehren in ihm
den Gelehrten nicht minder als den erfahrenen Verwaltungsheamten, der mit klarem und freiem Blick ihre
Geschäfte führt. Georg Bender ist durch seine Studien und seinen Beruf auf die praktische Verwaltung
hingeführt worden, aber inmitten seiner Amtspflichten hat er sich die Neigung zu wissenschaftlicher
Forschung bewahrt und Zeit zu wertvollen Arbeiten auf historischem Gebiet gefunden. Ihm fiel es seiner-
zeit zu, das Thorner Ratsarchiv zu ordnen, dessen llnzugänglichkeit Johannes Voigt, der Geschichtsschreiber
des deutschen Ordens, beklagt hatte; er zog aus Staub und Schutt wertvolle alte Urkunden hervor und
verbreitete durch eigene Forschungen über dunkle Punkte Licht.
Seine Abhandlung über die Familiengeschichte des Kopernikus und die dieser Abhandlung
beigegebenen Beilagen über ,,die Nationalität von Thorn und Umgegend", „Münzwesen" u. s. w. „münden —
wie das der Fakultät erstattete Gutachten sagt — in Ergebnisse aus, die bis heut niemand anzufechten
170
versuchte, da sie auf sicherer Kenntnis des Quellenmaterials beruiien, mit methodisclier Logil< aufgebaut
und mit überzeugender Klarheit dargelegt sind", und nicht minderes Lob erfuhr seine Arbeit über „die
ältesten Willküren der Stadt Thorn", seine Geschichte der städtischen Krankenanstalten von Thorn.
Mit der Übersiedelung nach Breslau verlor sich zwar die Müsse zu eigener Arbeit, aber nicht die
Liebe zur Wissenschaft. Zeugnis des ist die Geschichte der Breslauer Verwaltung im letzten Jahrzehnt.
Jede Anregiuig auf geistigem Gebiet fand bei dem Oberbürgermeister ein geneigtes Ohr. Die Stadt-
bibliothek, die Volksbibliothek, das Schulwesen fand an ihm einen wohlwollenden Berater und hilfsbereiten
Gönner. Bender war ein Vorkämpfer des Gedankens, dass die Errichtung des längst erstrebten Kunst-
gewerbemuseums mit dem Museum schlesischer Altertümer verbunden werde und hat mit seinem Rat, als
der Gedanke zur That reifte, die Wege zur rechten Ausführung gewiesen. Niemals, so heisst es in dem
von uns angenommenen Promotionsautrag, waren die Beziehungen zwischen der Universität und der
Stadtverwaltung so von Wohlwollen getragen, als unter der Amtsführung Benders, der seine Zugehörigkeit
zu den Vertretern der Wissenschaft auch in der Fülle praktischer Amtgeschäfte nie vergessen hat.
Sodann Herrn Wilhelm Grempler, Dr. med. und Geheimen Sanitätsrat. Noch als er inmitten
einer ausgedehnten ärztlichen Praxis stand, hat Grempler sich anthropologischen Studien und besonders
der Erforschung des prähistorischen Schlesien zugewendet. Seit jener Zeit hat er mit in dem Mittelpunkt
aller Bestrebungen gestanden, die der Auffindung, Sammlung und Würdigung der aus Schlesiens Boden
aufsteigenden Altertümer galten, und hat seine Person, seine Zeit und seine Mittel in den Dienst dieser
Sache gestellt. Den Goldfund von Sakrau hat er beschrieben und in anerkannter Weise zeitlich bestimmt;
dessen explorator diligentissimus nennt ihn unser Diplom. Die Ausgrabungen von Blücherwald, Lorzen-
dorf sind von ihm veranstaltet und in ihren Ergebnissen dargestellt worden. Wertvolle Neuerwerbungen
des Museums, besonders die mittelalterlichen Bronzeschalen hat er veröffentlicht und durch Vergleichung
mit gleichartigen Objekten einer zeitlichen Bestimmung entgegengeführt. Neue Funde hat er dem Museum
zugeführt und das Interesse weiterer Kreise der Sache dienstbar gemacht. Der Verein für das Museum
schlesischer Altertümer verehrt in ihm einen langjährigen Vorsitzenden. In dankbarer Erinnerung an seine
unermüdliche Thätigkeit haben vor einiger Zeit jüngere Forscher ihm als „dem hochverdienten Erforscher
der heimischen Urgeschichte und treuesteu Förderer des Museums" eine Festschrift gewidmet; dem
„praesidi societatis per tria lustra navissimo et liberalissimo" ist unser Diplom gewidmet. Grempler hat
die Sammlungen des Vereins in schwierigen Zeiten verwaltet, sie mit einem Stabe trefflicher Gehilfen auf
ihre heutige Höhe gebracht und fährt auch unter den veränderten Verhältnissen fort, als Mitglied der Ver-
waltungsdeputation seine reiche Erfahrung in den Dienst des Museums zu stellen.
Ferner Herrn Heinrich von Korn, den Nachkommen eines alten Geschlechts, das mit dem
geistigen Leben unserer Provinz und Stadt eng verbunden war, seitdem Johann Jakob Korn aus der Mark
eingewandert und am 13. Januar 1732 in das collegium mercatorum hier aufgenommen war. Herr von Korn
gehört mit zu den Männern, denen Breslau die Entstehung des Schlesischen Museums der bildenden
Künste verdankt. Er hat als langjähriger Vorsitzender des Kuratoriums mit dazu beigetragen, dass hier
nicht nur eine Quelle des Genusses, sondern auch der Belehrung für weite Kreise unseres Volkes fliesst;
er hat durch seinen Rat die Bibliothek des Museimis mit ihrer Sammlung von Reproduktionen zu einer
Höhe erhoben, die eine erhebliche Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen wenn nicht ermöglicht, so
doch gefördert hat. Das Museum schlesischer Altertümer verdankt ihm nicht nur sein wertvollstes Stück,
sondern vor allem sein Heim. Den parens musei civici, den Vater des städtischen Museums, nennt ihn
unser Diplom. Er hat mit klarem Blick den rechten Augenblick erkannt, als ein Haus frei wurde, das für
Museumszwecke geeignet war; und wenn wir heut den Tag der Weihe begehen, so verdanken wir es der
Munificenz des Herrn von Korn. Unsere Statuten geben uns nicht nur das Recht, litterarische Verdienste
um die Wissenschaft zu würdigen, sondern auch solche Verdienste imi die Wissenschaft, die in anderen
als schriftstellerischen Leistungen bestehen, und wir haben mit Freuden die Gelegenheit ergriffen, auch
Herrn von Korn unter die Ehrendoktoren unserer Fakultät aufzunehmen.
So ernenne ich denn, im Namen der philosophischen Fakultät, als derzeitiger Dekan, die drei
Herren Georg Bender, Wilhelm Grempler, Heinrich von Korn zu Doktoren der Philosophie honoris causa,
vedeihe ihnen die Rechte, die mit diesem Titel verbunden sind und erkläre es als den Willen der Fakultät,
171
dass sie von jedermann als doctores philosophiae honoris causa angesehen und erachtet werden sollen.
Ich bitte Sie, aus unseren Händen das Diplom entgegenzunehmen, das diese Ernennung bekundet.
Der Stadt Breslau aber wünschen wir, dass es ihr in ihrer iVAitte und an ihrer Spitze nie an
Männern fehlen möge, die mit klarem Blicke für die Aufgaben der Gegenwart verbinden Liebe zu Kunst
und Wissenschaft und Interesse bewahren für die Vergangenheit der Heimat".
Die offizielle Feier schloss mit einem Rundgange der Gäste durch die Museumsräume und einer
Besichtigung der beiden Eröffnungsausstellungen unter Führung der Beamten des Museums.
Der Abend desselben Tages brachte einen von der Breslauer Künstlerschaft mit Unterstützung des
Magistrats veranstalteten Festabend in den künstlerisch ausgestatteten Räumen des Vincenzhauses.
Eingeleitet wurde er durch Konzert und einen poetischen Gruss von Dr. Treuenfels, den der Vorsitzende
des Festkomitees, Stadtbaurat l'lüddemann, sprach. Es folgte ein vortreffliches Festspiel allegorisch-
historischen Inhalts: „Woher und Wohin?, ein Kunstrausch" von Dr. med. Heinrich Koerber und
Dr. phil. H. Wendt. Die Darsteller waren Dilettanten, die drei Hauptniimen: Stadtrat Jaenicke,
Dr. Buch wald und Dr. V. Oppler. Die Dichtung wurde als Büchlein mit einer hübschen Umschlagzeichnung
von M. Heymann jedem Anwesenden beim Eintritt in den Saal überreicht. Die zu der Aufführung nötigen
zahlreichen wirkungsvollen Dekorationen hatte Maler Denner entworfen und ausgeführt, der sich ausserdem
noch mit Maler Hey mann in die Arbeit des Arrangements der lebenden Bilder geteilt hatte.
Die Szene des Festspiels, das durch einen von Fräulein Recksiegel gesprochenen Prolog ein-
geleitet wurde, bildete eine Kellerschänke. In ihr debattieren zu später Nachtstunde zwei Künstler, ein
Akademiker und ein Sezessionist, weinerhitzt, über die Ziele der Kunst, über die alte und neue Richtung,
über die Kunst der Zukunft. Ein Spiessbürger, der sich „plump vertraulich" zu ihnen gesellt, vermag
ihren hohen Gedankenflug mit seinen trivialen Ansichten nicht zur Erde herabzuziehen, immer mehr
umspinnen des Weines Geister ihre Sinne und die Vergangenheit der Kunst steigt vor ihren Blicken herauf
in bunten Bildern. Der „echte Mensch der Steinzeit" erscheint und weist auf die Uranfänge der Kunst hin,
dann der Mönch, der „mit Roms geistlicher Gewalt nach Schlesien brachte der Romanen Kunstgestalt",
der Zunftmeister, der im Preise der Gotik und ihres reichen Kunstschaffens und des alten deutschen
Handwerksbrauchs sich ergeht, der Humanist der Renaissancezeit, die durch ein Mäcenatenpaar mitten
unter ihren Kunstschätzen verkörpert wird; ein Tanzmeister löst sich von einer anmutigen A\enuettgruppe
und verherrlicht in tändelnden Versen das lebens- und genussfreudige Rokoko. Verschieden ist die Aufnahme,
die diese Vertreter vergangener Kunstperioden bei den drei Gästen der Kellerschänke finden. Was auch
der Mann in der Sammetjacke und den Idealen in der Brust oder der hypermoderne junge Künstler zu
ihnen äussern, immer übertrumpft sie der Banause mit seiner Meinung, er, der als „prompter Steuerzahler
bei jeder Kunsterscheinung ein verbrieftes Recht hat". Mit dem Bilde der Kunst des 19. Jahrhunderts, das
der Akademiker aus den erschienenen Typen zusammenstellen will, ist der Sezessionist nicht zufrieden.
Ihm fehlen zu dem „Simmelsammelsurium" der heutigen Kunst noch andere, die der Akademiker nun
heraufbeschwört. Es zeigt sich die „Griechin" aus der Zeit Schinkels, Schwinds „schöne Melusine", ein
Japaner, vom Sezessionisten freudig begrüsst, und endlich ein unverstandener „Symbolist". Aber mit der
Kunst des 19. Jahrhunderts ist es nicht abgethan. Der Sezessionist fühlt in seinem Rausche das Kommen
der neuen Zeit, das Bild des neuen Kunstgewerbemuseums erscheint, und aus ihm heraus tritt die Kunst
des 20. Jahrhunderts — verschleiert. Noch kann sie sich nicht enthüllen, denn die Zeit ist noch nicht erfüllt.
,, . . . Doch ist die Zeit vorbei,
Dann will ich jubelnd meine Schleier heben,
Ihr alle werdet's hoffe ich erleben."
Mit diesen Worten verschwindet sie und das Spiel ist aus.
Um das Gelingen eines darauf folgenden, von etwa SO Damen und Herren aufgeführten Tanz-
spiels nach Motiven aus Walter Granes Buch: „Tourney of the Lily and the Rose", dessen einzelne
Tänze und Gruppierungen unter fachmännischer Leitung einstudiert waren, hatten sich Herr und Frau
Professor Dr. Semrau verdient gemacht.
Die Ausschmückung der Festräume war mehreren Künstlern anvertraut worden. Den künstlerischen
Ausbau des Treppenhauses und des Empfangsraumes hatte Architekt Henry übernommen. Blumenkörbe
22-
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tragende Säulen mit leichten Qiiirlanden begleiteten den Aufgang zum Empfangssaale. Der Eingangstluir
gegenüber war ein Relief von Christian Behrens: „Die Schönheit erhebt die Kunst" angebracht, von Palnien-
wedein umrahmt, die aus einer Basis von dunkelfarbigen tropischen Blattpflanzen und bunten Chrysanthemen
herauswuchsen. Den Hauptschmuck des grossen, den Aufführungen vorbehaltenen Saales bildeten neben
Blumengewinden tausende von elektrischen Olühlichtern, die das architektonische Gerüst des Saales
markierten und sich von unten an bis hoch hinauf an den Spitzbogenrippen der Decke entlang zogen.
Diese einen wunderbaren Anblick bietende Dekoration war dem erfindungsreichen Branddirektor Herzog
zu verdanken. Den als Erfrischungsraum dienenden kleinen Saal hatte der Breslau er Künstlerverein
ausgeschmückt. Er stellte den zeltübcrdachten Garten eines italienischen Schlosses dar. Zwei Maler und
ein Oartenkünstler, die Herren Nöllner und Denner, und Gartendirektor Richter hatten hier in glück-
lichster Weise zusammen gearbeitet. Der Breslauer Kunstgewerbeverein hatte in einem Nebenraume, der
das Haus der Wiener Sezession köstlich parodierte, nach einem Entwürfe von Hans Rum seh eine
ägyptische Schaubude aufgebaut. Vor ihr waren phantastisch gekleidete Ausrufer unaufhörlich thätig, mit
Tamtamschlägen „zur Vorstellung" einzuladen. Die gebotenen Genüsse bestanden in humoristischen Wand-
bildern, — zeitgenössischen Porträts in ägyptischer Vermumnumg die Maler Loch mit viel Witz und
Geschick gemalt hatte, und zu denen ein unsichtbarer Geist die „anzüglichen" von Ph. Schweitzer ver-
fassten Begleitverse sprach, während derer geheimnisvolle Musik erklang. In einem anderen Räume hatte
der Ausstellungsverband schlesischer Künstler, insbesondere die Maler Spiro und Völkerling,
ein hochmodernes „Cafe Absinth" sehr apart eingerichtet, an das ein „intimes" Theätre chantant grenzte,
worin u. a. eine unheimliche Pierrof- Pantomime von Erich Klossowski zur Aufführung kam.
VERMEHRUNG DER SAMMLUNGEN
1. URGESCHICHTLICHE SAMMLUNG
Unter den Erwerbungen des Jahres nimmt die Sammlung des Kammerherrn Diepold von Köckritz
auf Mondschütz, Kreis Wohlau, die erste Stelle ein. Schon im Jahre 1819 war von dem Vater des
Geschenkgebers in einem Kiefernwalde i/t Meile von Mondschütz ein grosser Urnenfriedhof entdeckt
worden. Einige der damals gefundenen Gefässe und Bronzen wurden in die von Büsching eben begründete
Altertümersammlung aufgenommen und sind mit dieser ins Museum gelangt. Im Laufe der Jahre hat dann
der jetzige Besitzer die Ausgrabungen an dieser und anderen Stellen mit grossem Erfolge fortgesetzt,
und eine wertvolle Sammlung von Funden aus verschiedenen Kulturperioden zusammengebracht. Indem
er sie jetzt dem Museum zum Geschenk gemacht hat, hat er seinen zahlreichen älteren Verdiensten um
dasselbe die Krone aufgesetzt.
Den ältesten Bestandteil der Sammlung bildet ein Schatzfund von etwa 20 grösstenteils zerbrochenen
Bronzegeräten, wie Sicheln, Äxten, Lanzenspitzen und Ringen. Diese Gegenstände sind auf der Stätte des
im 15. Jahrhundert zerstörten ehemaligen Dorfes Kosten oder Kimstan in einem Topfe unter einem
grossen Steine gefunden worden und gehören der jüngeren Bronzezeit an. Derselben Zeit entstammen
die Funde von dem erwähnten Qräberfelde. Sie zeichnen sich durch eine Fülle von ungemein zierlichen
Thongefässen und zahlreiche Bronzebeigaben aus. Aus dem benachbarten Losswitz stammt ein Grabfund
der römischen Kaiserzeit, bestehend aus eisernen Lanzenspitzen, Messern, Schlüsseln und Beschlagteilen. In
die Zeit der slawischen Besiedlung endlich gehören die in Mondschütz beiin sogen. Götschteich gemachten
Scherbenfunde.
Nicht minder erfreulich ist die Überweisung der Kaulwitzer Sammlung des Kammerherrn Edgar
Graf Henckel von Donnersmarck auf Grambschütz, Kreis Namslau. Auch sie rührt von zwei
verschiedenen Fundstätten her, von denen das Museum teils durch frühere Geschenke, teils durch eigene
Ausgrabungen schon einiges besass. Die eine ist durch das Vorkommen von Gcsichtsurnen, von der Art der
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pommerellischen, charakterisiert, die andre durch Waffen und Geräte der vorrömischen Eisenzeit. Eine genaue
Beschreibung aller Fundstüci<e ist in Schlesiens Vorzeit, Band VI S. 422—439 und Bd. VII, S. 222 f.
gegeben. Dank der neuerlichen Schenkung des Herrn Orafen Henckel verfügt das Museum nunmehr über
das gesamte, wissenschaftlich äusserst wichtige Material.
Aus dem Kreise Liegnitz erhielt das Museum drei wert\olle Geschenke. Zunächst die beiden
bereits in Sehles. Vorz. Bd. VII, S. 548 f. beschriebenen Pansdorfer Grabfunde der Bronzezeit von Herrn
Emil Askenasy. Sodann einen Grabfund der römischen Kaiserzeit, bestehend aus emem langen eisernen
Schwert, einer vierschneidigen Speerspitze, Schildbeschlägen, eisernen und bronzenen Eimerbeschlägen und
mehreren Thongefässen, aus Neuhof von Herrn Landesältesten Scherzer. Endlich zwei sehr merkwürdige
bronzene Gürtelbeschlagteile, von denen der eine in Relief auf vergoldetem Grunde phantastische Tier-
gestalten zeigt. Diese beiden Stücke sind bei Kroitsch gefunden und von Herrn Landschafts-Syndikus
Seydel in Liegnitz dem Museum geschenkt worden. Ihre Abbildung und Beschreibung wie überhaupt die
genauere Besprechung der vorgeschichtlichen Funde ist für den nächsten Band dieser Zeitschrift in Aussicht
genommen.
Ausserdem wurden dem Museum vorgeschichtliche Funde geschenkt von den Herren Inspektor
Kuhn in Domslau, Rittmeister a. D. von Oheimb in Kuhnern, Kaufmann Opitz in Lissa, Direktor
Scholtz in Klein-Tinz, Rittergutsbesitzer von Schweinitz in Altraudten, Gutsbesitzer Scupin in Kronen-
dorf, Pastor Söhnel in Raudten, Fritz Taurke in Breslau und Kaufmann Unger in Gleiwitz.
Angekauft wurden unter anderem zwei Bronze-Depotfunde aus Carmine, Kreis Militsch, und aus
Matzwitz, Kreis Grottkau, sowie eine grössere Anzahl von Steinhämmern aus verschiedenen Orten.
Über die vom Verein für das Museum schlesischer Altertümer veranstalteten Ausgrabungen siehe
dessen Thätigkeitsbericht.
2. MÜNZKABINET
iJurch die Verschmelzung des städtischen Münzkabinets mit dem des Vereins für das Museum
schlesischer Altertümer ergab sich eine bedeutende Zahl von Dubletten, deren Verkauf von den städtischen
Behörden beschlossen wurde. Ein kleiner Teil wurde freihändig veräussert, die Hauptmasse dagegen am
26. Juni 18Q9 und den folgenden Tagen von der Firma L. & L. Hamburger in Frankfurt a. M. öffentlich
versteigert. Der Reinertrag belief sich auf 23917,90 Mark. Hiervon wurden 15 510,10 Mark zur Abzahlung
der auf der Münzsammlung des Vereins noch haftenden Schulden verwendet, der Rest von S 407,80 Mark
zur Vermehrung des Kabinets bestimmt.
Vermöge dieses Fonds war man in der Lage, über die im Etat für Münzankäufe angesetzte Summe
beträchtlich hinauszugehen und die durch einige grosse Auktionen gebotene Gelegenheit zur Erwerbung
hervorragender Seltenheiten in ausgiebigem Masse zu benutzen. Es wurden insgesamt 152 schlesische
Münzen und Medaillen angekauft, ausserdem ein nn'ttelaltcrlicher Schatzfund aus der Zeit um 1000 nach Chr.
Von den Münzen waren 25 aus Gold, 75 aus Silber und 3 aus Kupfer, von den Medaillen 32 aus Silber
und 16 aus Bronze und anderen Metallen. Als besonders wertvolle Erwerbungen seien her\'orgehoben :
Grafschaft Glatz, Ferdinand 111. Thaler 1030, von Peter Hema und 1636, ohne Münzmeisterzeichen.
Reichenstein, Wilhelm v. Rosenberg. Dukat 1582.
Sagan, Albrecht v. Waldstein. Thaler 1629 mit Münzzeichen G. E.
Jägerndorf, Georg Friedrich. Thaler 1557 und 1595; halber Ouldenthaler 1564.
Neisse, Balthasar v. I^ronniitz. Dukat 156.
Stadt Breslau, Silbermedaille 1634 von Hans Rieger mit Stadtansiclit und Wappen. Dewerdeck Nr. 28.
Georg v. Loxan (1491 1551). Silbermedaille ohne Jahreszahl. Hs. Behelmter Kopf nach links. Rs.
knieende weibliche Figur, 25 mm. S. Abbildung auf S. 158.
Jeremias Rein. Raitpfennig ohne Jahreszahl. Beiderseits behelmtes Wappen.
Christian Walther (1669). Ovale Silbermedaille ohne Jahreszahl. Brustbild nach rechts. Rs. Tisch mit
Kompass, 33/41 nun. S. Abbildung auf S. 99.
V. Weger imd Sandmann. Breslauer Vermählungsniedaille 1795, 27 mm.
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Geschenkt wurden 13 Münzen und Medaillen, darunter 10 schlesische. Die Oesclienk<jeber waren
die Herren F. Friederisburfr in Stegliti-, O. Strieboll, Max Pringsiieim und Georg Njeunianii in
Breslau, R. Dehniel in Neusalz a./O., die Direktion der Sclilesisclien Feuerversicherungsgeselischaft und
der Bürgerverein der Stadt Gottesberg.
3. KULTURGESCHICHTLICHE SAMMLUNG
L)er Zuwachs der kulturgeschichtlichen Abteilung übertrifft an Stückzahl den aller übrigen. Es
liegt jedoch in der Natur der Sache, dass sich darunter nur wenige Wertstücke im gewöhnlichen Sinne
des Wortes befinden. Das meiste erhält seinen Wert erst durch die Einfügung in das kulturgeschichtliche
Gesamtbild, das es vervollständigen hilft, ist aber im einzelneu zu unbedeutend, um hier besonders erwähnt
zu werden.
Von Innungsaltertümern schenkte Herr Fabrikbesitzer Wilhelm Kauffuianu in Wüstegiersdorf eine
schön gravierte Glasscheibe der Mark Lissaer Weber von 1714 mit dem von Löwen gehaltenen Zunft-
Wappen und den Namen der Ältesten. Gekauft wurden unter anderem ein bronzenes Petschaft der
Breslauer Stecknadlermeister von 1605 und ein messingnes der Züchner in Auras aus dem 18. Jahrhundert.
Die Gruppe der Trachten und Geräte wurde durch Geschenke bereichert von Frau Amalie Stake,
Frau Sophie Münchhoff, Frau Anna Simson, Fräulein Marie Sonnabend, Frau Landgerichtsrat
Gaede und Herrn Franz Grosspietsch in Breslau, Fräulein Selma Wolff in Grottkau und Herrn
A. Treutier in Schmiedeberg. Gekauft wurden eine seidene Damenjacke des 18. Jahrhunderts, ein in
Rokokoformen verziertes Emailschildchen für Moselwein und ein elfenbeinernes Spielmarkenkästchen, bemalt
mit Figuren und Rankenwerk und bezeichnet: Mariaval le jeune a Paris fecit.
Von Musikinstrumenten schenkte Herr Prof. Dr. Bobertag in Breslau eine Guitarre und eine
Flöte, die Firma C. G. Herolds Nachfolger in Klingenthal eine Violine des 18. Jahrhunderts mit
geschnitztem Tierkopf und Perhnuttereinlagen.
Von wissenschaftlichen Instrumenten schenkte Prof. Meyer in Dresden (früher in Freiburg i. Schi.)
einen messingnen Kompass von ca. 1730 mit gedruckter Gebrauchsanweisung von Lorenz Grasse, Kompass-
macher in Augsburg, sowie ein etwa gleichaltriges Mikroskop. Ein zweites Mikroskop nebst einer Anzahl
andrer Instrumente überwies die Stadtbibliothek. Sie scheinen die Reste der ehemals auf der Elisabet-
Bibliothek aufbewahrten seiner Zeit hochberühmten Sammlung des Breslauer Ingenieurs Albrecht von
Sebisch zu sein.
Der Stadtbibliothek verdankt das Museum auch die Mehrzahl der in diesem Jahre hinzugekommenen
Wratislaviensia, unter denen die auf S. 87 f. besprochenen Kupferstichplatten und Porträts von
Breslauer Ratsherren hervorgehoben seien. Eine Ansicht des ehem. Nikolaithores aus dem Jahre 1804 in
Ölmalerei auf Wachs schenkte Frau Cäcilie Molinari.
Für die Waffensanmilung wurde ein in Blindpressung verzierter und mit silbernen vergoldeten
Rosetten reich beschlagener brauner Ledersattel mit Steigbügeln vom Ende des 17. Jahrhunderts und ein
aus derselben Zeit stammendes dolchforiuiges Spundbajonnett ältester Form erworben. An Geschenken
gingen ein von Herrn Hofantiquar Max Altmann die aktenmässigen Belege zur Geschichte des im
Museum befindlichen Napoleonglases, von den Herren E. Grind 1er und Kaufmann Sackur in Breslau
Beutestücke von 187071.
Für die Einrichtung einer schlesischen Bauernstube fehlte in der vom Museum schlesischer Alter-
tümer übernommenen Samndung so ziemlich alles. Der grösste Teil des erforderlichen Mobiliars wurde
auf einer Reise ins Riesengebirge, hauptsächlich in der Umgegend von Schmiedeberg, erworben. Die
durchweg bunt bemalten Möbel gehören zumeist noch dem 18. Jahrhundert an. Das älteste datierte Stück
ist ein Himmelbett vom Jahre 1700.
Bei der Beschaffung bäuerlicher Geräte und Kostümstücke halte sich das Museum der freundlichen
Unterstützung des Herrn Gastwirts Scholz in Oiersdorf i. R. und des Herrn Rentners Scholz in Herzogs-
waldau bei Jauer zu erfreuen. Einen besonders gut erhaltenen Tellerschrank schenkte Herr Dr. Philibert
Hey mann, ein interessantes Ölbild mit Darstellung einer alten Bauernstube aus der Grafschaft Glatz
Herr Max Altmann.
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4. DIE SAMMLUNG DES ALTEN KUNSTGEWERBES
Devor die Erwerbungen für diese Abteilung aufgezählt werden, mögen die Grundsätze, nach
denen sie erfolgten, kurze Erwähnung finden. Wie das frühere Museum schlesischer Altertümer betrachtet
auch das neue Kunstgewerbemuseum es als seine selbstverständliche Pflicht, alle Arbeiten, die für
die Geschichte des schlesischen Kunstgewerbes in alter Zeit von Interesse sind, zu sammeln. Für
alles das, was davon noch erreichbar [ist, muss unser Museum die erste Auffangstelle sein, wobei im
Interesse der wissenschaftlichen Forschung, für die auf diesem Gebiete noch sehr viel zu thun übrig ist,
auch Nuancen schon vertretener Gattungen nicht ausgeschlossen werden. Immerhin nahm dieser Theil
unserer Sammelthätigkeit im Berichtsjahre, wie das wohl auch in Zukunft der Fall sein wird, die ver-
fügbaren Mittel nur etwa zur Hälfte in Anspruch und so konnte das Museum daran denken, an die Aus-
füllung der zahlreichen Lücken in den Sammlungen zu schreiten. Bis es als ein Museum gelten darf, das
das allgemeine Kunstgewerbe in allen wichtigen Perioden und Gattungen vertreten zeigt, werden freilich noch
manche Jahre vergehen. Und gerade, weil die Lücken noch so zahlreich und umfassend sind, wäre es
unsystematisch gewesen, aus allen Gebieten vereinzelte Stücke anzuschaffen. Wir beschränkten uns daher
auf die Keramik (Majolika, Porzellan) und das Glas und erweiterten unseren Besitz an Möbeln durch zwei
Stücke. Alle anderen Erwerbungen sind Gelegenheitskäufe und Geschenke. In der folgenden Übersicht
werden nur die wichtigeren Stücke angeführt:
Möbel:
Cy linderbureau aus Mahagoniholz mit einfachen Bronzebeschlägen. Französisch, Stil Ludwigs XVI.
Wanduhr auf Konsole aus Holz, belegt mit Schildpattimitation und reich in Goldbronze montiert. Als
Bekrönung eine Vase. Uhrwerk von Le Parfait. Französisch, Ende des Barockstiles.
Majolika:
Platte, flach und rund, mit Resten eines Ringfusses. Blau bemalt, der Grund mit Lüster. Unten zwei
Hippokampen, aus denen sich Ranken entwickeln, die oben in Sirenen ausgehen, dazwischen
Fruchtkorb und geflügelter Engelskopf. Auf der Rückseite Monogramm. Deruta um 1520. Aus
Sammlung Zschille Nr. 76.
Teller, grüngolden irisierend mit schwarzblauen Bandverschlingungen. Deruta lö. Jahrh. Aus Sammlung
Zschille Nr. 66.
Schüssel, am Rande abwechselnd Schuppenmusterung und Blattwerk, im Fond Fortezza mit der Säule
in Landschaft. Deruta 16. Jahrh. Aus Sammlung Zschille Nr. 64.
Teller, auf hellblauem Grunde dunkelblau bemalt (a berettino), am Rande Grotesken, in der Mitte ein
Medaillon: Anuir an einen Baum gebunden. Faenza, Casa Pirota, um 1530.
Teller, am Rande Trophäen auf blauem Grunde, im gelben Mittelfeld ein Frauenkopf. A\it Lüsterglanz.
Castel Durante, 16. Jahrh.
Topf, kugelförnng, ganz bedeckt mit einem grossen Schriftband: ,,Cocurata" sowie mit Vögeln und
phantastischen Tieren (darunter Marcuslöwe?) in Blunienranken. Dunkelblau in den Farben
vorherrschend, ausserdem verschiedene Töne von gelb und grün. Venedig? 16. jahrh.
Albarello, eingeteilt in horizontale Streifen mit Grotesken- und Blattmotiven, vorn ein grosses ovales
Medaillon nut der in Vorderansicht stellenden Figur eines Greises, der ein Messer hält. Faenza,
16. Jahrh. (Geschenk des Herrn Geheimrats Dr. Grempler.)
Apothekerkrug mit abstehendem Röhrenhenkel, unter dem ein Schriftband ausgespart ist, auf blauem
Grunde in gelb und grün mit grossem Blatt- und Rankenwerk bemalt. 16. Jahrh. (Geschenk des
Herrn Ocheimrats Dr. Grempler.)
Steinzeug:
Apostelkrug. Im Mittelmedaillon das Agnus Dei. Zinndeckel, datiert 172S. Kreussen. (Geschenk des
Herrn Geheimrats Dr. Grempler.)
Krause, braun glasiert. An den sechs Wänden abwechselnd Kerhschnittdecor und grosses kurbranden-
burgisches Wappen, an den Ecken Masken. 17. Jahrh. (Geschenk des Herrn Otto Bauer.)
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Deckel ka II ne der charakteristischen Biinzlauer Form, sehr fein in Masse und Glasur. In Silber montiert,
Henkel und Deckel auch durch ein Kettchen verbunden. Die Montierung eines ahnlichen Stückes
in den Sammlungen mit dem Stempel von Weisse. 18. Jahrh. Bunzlau.
Kannen, zwei Stück, von einem Service, schwarz, mit Relieffiguren. Englisches Steinzeug von Davenport
in Wedgewoodart. (Geschenk von Frau Mathilde Sachs.)
Fayence:
Deckelgefäss in Form einer Eule, datiert 1560, süddeutsch oder schweizerisch. (Überwiesen von der
Stadtbibliothek, wird im nächsten Bande des Jahrbuches veröffentlicht werden.)
Schüssel, datiert 1612, schlesisch. (Siehe Abb. auf S. 125.)
Deckeltöpfchen nüt zwei Henkeln, grün glasiert. Auf dem Gefässe in Relief männliche und weibliche
Figur im Kostüm des 17. Jahrh., zu beiden Seiten und auf dem Deckel geflügelte Engelköpfe.
Datiert 1682, schlesisch.
Teller. Auf weissem Grunde aufsteigende Ranken mit violetten und gelben Rosetten und Granatäpfeln,
dazwischen „Die Gedult". Datiert 1692, Schlesien oder sächsische Lausitz.
Teller. Im Fond eine Frau im Kostüm des IS. Jahrh., daneben „Lieben und Geliebt zu werden ist die
grösste Freid auf Erden". Grelle Farben, darunter besonders auffällig ein siegellackartiges Rot,
eingeritzte Modellierung. 18. Jahrh. Volkstümliche Keramik Schlesiens oder der Lausitz.
Teller, dem vorhergehenden ähnlich. Im Fond roter Hase und gelber Hund. Anno 1772.
Teller, überzogen mit kobaltblauer Glasur, aus der grossstilisiertes Palmettenornament ausgekratzt ist.
Wahrscheinlich schlesisch. Im Berliner Kunstgewerbemuseum ein 1714 datiertes Exemplar.
Teller mit Gitterrand und rotem Decor, im Fond Landschaft. 18. Jahrh. Proskau (Geschenk der Frau
Estera He n sc hei).
Theetopf mit aufgedruckter Ansicht von Proskau und der Eremitage von Dyhernfurth, späte Periode von
Proskau (Geschenk des Herrn Nicklas).
Grosse Flasche mit flachgedrücktem Bauche und zwei Ohrhenkeln. Auf der einen buntbemalten Seite
Adler (wahrscheinlich der preussische) umgeben von Trophäen in Relief. Unbekannte Fabrikation
der 2. Hälfte des 18. Jahrh. (Geschenk des Botschafters Excellenz Saurma.)
Porzellan:
Bottengruber: Für 'die Kenntnis dieses interessanten Künstlers, der in den 20er Jahren des 18. Jahrh.
in Breslau Porzellan dekorierte und später an der Wiener Manufaktur eine leitende Stellung ein-
nahm, wurde neues Material erworben, so ein sehr schöner Teller, signiert AB in Ligatur,
braunrot, schwarz und gold bemalt mit Genrescenen und allegorischer Figur in Barockranken.
Bottengruber zuzuschreiben ist auch ein Tellerpaar, auf dem naturalistischer Blumendecor in
braunroter Farbe aufgemalt ist. Wahrscheinlich als Arbeit des gleichfalls in Breslau als Porzellan-
maler thätigen Preussler ist ein merkwürdiger Teller anzusehen, der als Geschenk des Herrn
Max Pringsheim ins Museum kam. Das Material ist chinesisch, von der ursprünglichen
bunten chinesischen Dekoration ist alles abgeschliffen bis auf das Randornament und einzelne
Motive, die geschickt in Chinoiserien in Schwarzmalerei mit Vergoldung einbezogen sind.
Ansbach: Teller mit Reliefrand und grün-goldenem Decor, der sich zur Mitte in Zungen erstreckt, einen
Blumenstrauss einschliessend.
Berlin: Ober- und Untertasse mit Golddecor am Rande und Blumensträusschen.
Fürstenberg: Teller, ein Paar, in der Mitte Bouquet aus Früchten und Blumen, am Rande Guirlanden-
motive.
Höchst: Weissglasierte Figur eines bärtigen Flussgottes, der auf einem Felsstück lagert und die Linke
auf eine fliessende Urne stützt.
Meissen: Terrine mit plastischen Masken am Heukelansatzc und hohem Deckel, bemalt mit Drachen etc.
in Anlehnung an chinesische Vorbilder. Frühzeit der Fabrik. (Gestiftet vom Verwaltungs-
Gerichtsdirektor V. v. Uthmann.) — Kleiner Ochse (Geschenk des Herrn .Max Pringsheim).
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Neapel: Teller mit „Veduta presa nel sortire la grotta di Pozzuoli", auf dem Rande Medaillons mit
Imperatorenköpfen.
Sevres: Ober- und Untertasse, die erstere von cylindrischer Form mit Ringhenkel, päte tendre, hellblau
mit Vergoldung und ausgesparten Medaillons, darin Blumensträusschen.
Veilsdorf: Spiilschale mit Rokokoszenen. (Geschenk des Herrn Ma.x Pringsheim.)
Wien: Eine ganze Anzahl von Arbeiten, die die Blütezeit der Wiener Manufaktur unter der Direktion
Sorgenthals gut veranschaulicht. Die erste Stelle nimmt ein vollständiges Frühstückservice
ein, bestehend aus vier Kannen, zwei Dosen, Spülnapf und einem Dutzend Ober- und Unterlassen
der cylindrischen Form mit rechtwinkelig gebogenem Henkel. Decor in Grün und Vergoldung
mit schwarzen Feldern, in denen in bunter Bemalung die Funktionen des Amor nach einer
französischen Vorlage dargestellt sind. — Ober- und Untertasse, die Obertasse von cylindrischer
Form mit mythologischem Bilde (Diana und Gefährtin in Landschaft) und der Signatur „Herr". —
Ober- und Untertasse, hellblauer Grund mit ausgesparten gelben Medaillons, darin Ornamen-
tation in Reliefvergoldung. — Teller mit Vergoldung auf Leitnerblau. - Teller, weisser Fond
mit buntfarbigem und vergoldetem Rande, in der Mitte Rosette. — Teller mit Ansicht von
Schönbrunn (Le chateau J. R. de Schoenbrunn vers le jardin) im vergoldeten Mittelfeld. —
Ober- und Untertasse, die Obertasse von der späteren ausgeschweiften Form mit überhöhtem
Henkel und mit Caravaggios Lautenschlägerin in Medaillon. Um 1825.
Unbestimmte Fabrikation: Weiss glasierte Tänzerin in Harlekinkostüm, sehr hübsch bewegt, in
fliegendem Kleide, der rechte Fuss erhoben, der rechte Arm in die Hüfte gestemmt, die Linke
hält eine Pritsche. Auf hohem Postament. Wien?
Glas:
Kollektion von 28 Oefässen aus durchsichtigem Glas, zum Teil von prächtiger Irisierung, als Beispiele
für die Formentypik des Glases in der römischen Kaiserzeit. Aus phönikischen Gräbern. Dazu
3 Gefässe aus Brigetio (Pannonien).
Fläschchen mit zwei reich ausgebildeten Henkeln und umgelegtem kräftigen Faden. Antik.
Fläschchen mit einem Henkel, gerieft. Antik.
Kleine Spitzamphora, opak, von alabasterartiger Masse mit Band- und Zickzackornamentation in
schwarzem Uberfang. Aus Griechenland.
Kollektion von 51 Scherben, in der die wichtigsten Techniken für die buntfarbige Behandlung des
Glases in der römischen Kaiserzeit (Millefiori, Fadenglas etc.) vertreten sind. Aus Italien.
Schale mit umgebogenen Rändern auf Fuss. Mit Fadenverzierung. Venetianisch. 16. Jahrh.
Becher, konisch, graviert, mit zwei Medaillons. A) Kind in flehender Stellung vor einem Engel, der eine
Handlaterne trägt, dazu die Umschrift „Meine Seele hat Deiner zur Nacht begehrt". B) Kind
auf Steckenpferd reitend und Engel, der sich betrübt abwendet, Umschrift „Gott meine Ver-
brechen sind Dir nicht verborgen". Dazwischen Fruchtkränze. Um 1700.
Becher, polygonal, mit Darstellung, die sich auf den Vers des hohen Liedes „Fulcite me floribus, stipate
nie malis: quia amore langueo" bezieht. Um 1700. (Geschenk der Frau Geheimrat Neisser.)
Becher, konisch, geätzt, mit umlaufendem Hochzeitszug. Um 1720, schlesisch? (Geschenk der Frau
Seraphine Silbergleit.)
Becher, polygonal-konisch, mit Ooldrändchen. Das Agnus Dei in einer Landschaft und Inschrift: „Treu
im Hertzen, treu in Worten, gutte Freunde allerorten". 18. Jahrh. (Geschenk des Herrn
Georg Grass.)
Igel mit Deckel. Auf dem Bauche das Breslauer W in L'Miralimiiiig von Palmzweigen inui BInmenranken.
Ende des 17. Jahrh.
Kelchglas auf hohem Fusse aus drei Noden, in die rote, zum Teil vergoldete Fäden eingeschmolzen
sind. A) Österreichischer Doppeladler. B) Wappen von Breslau. L'm 17(X).
Becher, konisch, in Laub- und Bandelwerk Krone und Monogramm und die Inschrift: „Die Hoffnung
besserer Zeiten, wann kommt sie?" Auf dem Boden in Zwischengoldtechnik Krone und Scepter.
1. Hälfte des 18. Jahrh.
23
178
Deckelpokal mit Laub- und Bandelwerk imd der lusclirift: „Denkt an den 12. Jan\iar, da unser Fest des
Friedens war. Anno 1746."
Deckelpokal, der Körper in vier Felder geteilt. A) Inschrift: „Es lebe die Königliche Oberanibtsregiernno;
zu Breslau", B) Oartenszene. Dazwischen breite Bandverschlingungen. Um 1750.
Deckelpokal mit reich gegliedertem Fusse, nach oben stark sich erweiternder Cuppa und hohem Deckel-
knauf. Umlaufend Fries mit Landschaft und kriegerischen Emblemen, darüber „Vernunfft und
Waffen helfen nicht, wo nicht das Glück Sein Fiat spricht". Mit Goldverzierungen. Kaum
schlesisch, nach 1750.
Becher, polygonal, mit Jagdszene in Zwischenglasmalerei. 18. Jahrli. (Geschenk des Herrn Oeheimrats
Dr. Grempler.)
Ausserdem wurden Gläser geschenkt von Herrn Geheimrat Dr. Grempler, Herrn Professor IVleyer in
Dresden, Frau Mathilde Sachs.
Metall:
Löffel aus Silber, auf dem Griffe die Inschrift: „Dorothea" in vergoldeten Buchstaben. Gefunden im
Grunde des Katharinenstiftes zu Breslau. 15. Jalirh. (Geschenk der Frau Simsoii.)
Modell zu einem Bucheinband. 17. Jahrh. (Geschenk des Herrn Gottlieb Hess in München.)
Mörser mit Kolben, datiert 1746. (Geschenk des Herrn Direktor Richter.)
Schloss aus Eisen mit zierlichen Beschlägen. Ende des 15. Jahrh. (Geschenk des Herrn Schlosser-
meister Saal.)
Terrine aus Zinn mit charakteristischen, eckiggebogenen Henkeln und graviertem Bhimendecor. 18. Jahrh.
Schüssel aus Zinn, im Fond ein brennendes Herz mit MH 1701 in der Mitte, flankiert von zwei Vögeln.
Am Rande Tulpen. Weisser Beschauzeichen und aufsteigender Löwe mit CKD.
Schüssel aus Zinn mit gravierten Tulpen im Fond und am Rande. MH 1701. Breslauer Beschauzeichen.
Kopf mit Helm und Hahn aus Bronze, Arbeiten aus Benin.
Miniaturmalerei:
Miniaturporträt einer Dame, signiert: Lizinka de Mirbel 1833. (Geschenk des Fräulein Francke.)
Textiies:
Die Textilsammhmg wurde vor allem durch eine giosse Kollektion von 43 Nummern vermehrt, die Herr
Oeheimrat Dr. Grempler schenkte. Sie füllt in höchst dankenswerter Weise eine gi-osse Lücke
in den Mnseumssammlungen aus, da sie hauptsächlich — als Früchte der vielen Reisen des
Geschenkgebers nationale Arbeiten aus Holstein, Mähren, Ungarn, Bulgarien, Türkei, Russland,
von den griechischen Inseln und aus Persien umfasst.
Der Knnstgewerbeverei n schenkte eine Anzahl schöner chinesischer und japanischer Stoffe, Frau
Estera Henschel eine böhmische Brautdecke, Herr J. F. Lunge in Berlin ein reich in Gold
gesticktes modernes indisches Frauenkostüm, Komniissionsrat Milch eine moderne japanische
Seidenstickerei, Generalagent Freund ein Mustertuch vom Anfange des 19. Jahrh.
Baldachinumhang, auf rotem Seidengrund gross stilisierte, mit Goldfäden conturierte Ranken von
strengstem Renaissancecharakter in Applikation, von denen naturalistische Blüten in offener
Seidenstickerei abzweigen. Aus Schlesien, 17. Jahrh.
Rücklaken in Gobelinwirkerei mit Darstellung der Königin von Saba. 16. Jahrh. (Geschenk des
evangel. Qemeindekirchenrats von Heidau.)
Shawl aus Brüsseler Spitze. Nach einem alteji Stammbaume der Besitzer dieses Shawles aus dem Besitze
der Königin Marie Antoinette herrührend.
Behang, auf weissem Grund mit brauner Weberei Vögel, Bäimie und Pyramus und Thisbe am Brunnen.
Holsteinische Hausweberei.
Paraniente (Kasein, Kelchtücher und Antependiuiu) in reicher Daniastweberei vom Anfang des 18. Jahrh.
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Orient:
Ausser den schon angeführten Textilien kamen ins Museum als Geschenk des Herrn Qeheimrats
Dr. Grempler japanische und chinesische Arbeiten in Bronze, Email und Lack, eine persisch-
rhodische Henkelkanne, eine persische Fliese mit Relief eines Reiters auf der Falkenbeize,
eine persische Henkel kanne aus Bronze mit gravierten Darstellungen, als Geschenk des Herrn
Kaufmann Krug in Wüstegiersdorf ein chinesischer Fo-Hund in Bronze gegossen; von der
Stadtbibliothek wurden aus altem Besitz stammende Tafeln mit chinesischen Reliefs aus
farbigen, geschnittenen Steinarten auf Seidengrund abgetreten.
5. SAMMLUNG DES MODERNEN KUNSTGEWERBES
Möbel: Speisetisch von Peter Behrens — Konsole aus den vereinigten Werkstätten von Dresden.
Dekorative Malerei: Grosser dreiteiliger Wandschirm mit Gobelinmalerei von Otto Ubbelohde, in
der Mitte Pfau auf einem Gitter vor weiter Landschaft, links Adler, um eine Tanne flatternd,
rechts Kraniche.
Beleuchtungskörper von van de Velde und Eugen Berner.
Keramik: Zwei Kopenhagener Schüsseln, eine mit prächtigem Pfau von Host, die andere mit dänischer
Landschaft von Liisberg Topf mit Überlaufglasuren von Clement Massier — Löwe aus
Scharffeuerporzellan von Kahler aus Nästved - Teller von Schmuz-Baudiss — Vase von
Heider in Schongau — Porzellanvase mit Kristallglasur aus der Königl. Porzellanfabrik zu
Berlin - Vase aus Steinzeug von Doulton.
Glas: Ziergläser von Köpping, Galle und Daum („Oeisblatt") in Nancy.
Bucheinbände einfacher Art aus England und Dänemark.
Blei verglasungen: Nixe von Christiansen, ausgeführt von Liebert in Dresden von Länger, ausgeführt
von Holler in Crefeld.
Stickerei: Kissen ,, Blumige Wiese" von Obrist in München.
Metall: Bronzeguss nach dem Originalmodell für die Plakette zur Eröffnung des schlesischen Museums
für Kunstgewerbe und Altertümer von Professor Kämpffer (abgeb. auf S. 25) Weinkühler
von Wilhelm und Lind in München — Teller aus Zinn von Lichtinger — kleinere englische
Metallbeschläge, Löffelchen, Schmuckstücke, Schale, getrieben in Kupfer aus der Schule
in Glasgow — Pokal von Ashbee.
Für die Vermehrung der urgeschichtlichcn, kulturhistorischen und kiuistgewerblichen Sammlung
wurden rund 23500 Mk. ausgegeben.
VERMEHRUNG DER BIBLIOTHEK
A) Büchersammlung.
L)eti Grundstock der Bibliothek bildet die Handbibliothek des Museums schlesischer Alter-
tümer, die zuletzt einschliesslich der urgeschichtlichen, numismatischen, der schlesischen Oeschiehts-Litteratur
und der Tauschschriften 214Q Werke umfasste und bei deren Ergänzung in den letzten Jahren im Hinblick
auf die bevorstehende Gründung des Kunstgewerbemuseums die kunstgewerbliche Faclilitteratur, namentlich
die kunstgewerblichen Zeitschriften, besonders berücksichtigt worden waren.
Vermehrt wurde dieser, auch für die neuen Ansiirüche des Museums, wertvolle Besitzstand im
Berichtsjahre zunächst durch die Überweisimg von 12') Werken kunstgewerblichen Inhalts aus der Bibliothek
des Schlesischen Museums der bildenden Künste und der Bibliothek des Kunstgewerbevereins
für Breslau, die 65 Werke und Zeitschriften enthielt. Ausserdem gingen infolge eines Aufrufs des
Museums bei seiner Gründung zum Teil recht wertvolle Geschenke von mehreren Verlagsanstalten,
Buchhandlungen, wissenschaftlichen Instituten und Privatpersonen für die Bibliothek ein. Die Geschenkgeber
23-
180
sind: S. M. der Kaiser, der ein Exemplar des Werkes von Jacobi: Das Rönierkastell Saalburg durch den
Oberpräsidenten von Schlesien übersandte, ferner: der Verlag Artaria, Wien — die Verlagsbuchhandlung
Breitkopf u. Härtel, Leipzig die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien — Direktor
Dr. Graul, Leipzig — Geh. Rat Dr. Grenipler — Max Heiden, Berlin - Hugo Hei bing, München —
die Buchhandlung O. Hess, München — die Buchhandlung K. W. Hierseniann, Leipzig R. v. Höfken,
Wien — der Verlag Alex. Koch, Darnistadt — Stadtältester Dr. von Korn — der Verlag A. Langen,
München - Dr. Lehniann-Nitsche, La Plata Direktor Dr. Masner — Fabrikbesitzer H. Meinecke —
Kommissionsrat B. Milch — das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten,
Berlin — das Nordböhmische Gewerbe-Museum, Reichenberg das Osterreichische Museum
für Kunst und Industrie, Wien - Bibliothekar Dr. Nentwig, Warmbruun -die Königl. Porzellan-
Manufaktur, Meissen — Max Pringsheim — Freiherr von Rentz — Notar Ritleng, Strassburg i.E. —
Kustos Ritter, Wien - die Verlagsbuchhandlung Schimmel witz, Leipzig — die Verlagsbuchhandlung
Scluihr, Berlin — Buchhändler Schweitzer - Direktor Dr. Seger — Professor Dr. Semrau — die
Stadtbibliothek — das Statistische Amt — K. A. Tannert, Neisse — Verlagsbuchhändler Trewendt ~
die Redaktion der Schlesischen Zeitung — die Verlagsbuchhandlung Ernst Wasmuth, Berlin die
Kuustanstalt C. T. Wiskott — W. Ziesch & Comp., Berlin.
Ausserdem sind die sehr zahlreichen, alljährlich eingehenden Publikationen der deutschen und
ausserdeutschen Geschichts- und Altertums vereine, die mit dem Verein für das Museum schlesischer
Altertümer in Schriftenaustausch stehen, als Geschenke des Vereins für die Museumsbibliothek zu betrachten.
Von wichtigen Ankäufen, die nach Möglichkeit die grossen Lücken der vorhandenen kunst-
gewerblichen Litteratur füllen sollten, sind zu erwähnen: eine vollständige Serie des Studio, des Jahr-
buches der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, der Mitteilungen d. k. k.
Zentralkommission z. Erf. u. Erh. d. Kunstdenkmale, ferner: Niccolini, le case ed i monumenti di
Pompei — Ysendyck, Documents classes de l'art dans les Pays-Bas du X«" au XVIIIf siecle Gonse,
l'art japonais — Radisics, Chefs-d'oeuvre d'art de la Hongrie — Owen Jones, the grammar of
Ornament. Gr. Ausg. — Wessely, das Ornament imd die Kunstindustrie in ihrer geschichtlichen Ent-
wickelung ^ Gerlach, Allegorien und Embleme, A. u. N. F. — Gerlach, Festons- und dekorative Gruppen
Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance — Belcher und Macartney, Later renaissance architecture
in England — Gurlitt, die Baukunst Frankreichs — Palastarchitektur in Oberitalien und Toscana —
Collection Spitzer Labarte, Histoire des arts industriels Lessing, Vorbilderhefte aus dem Kgl.
Kunstgewerbemuseum zu Berlin — Viollet Le Duc, Histoire du mobilier fran(;ais - Sheraton, the
Cabinet-Maker and upholsterers Drawing-Book Williamson, les meubles d'art du mobilier national —
Zettler-Enzler-Stockbauer, Ausgewählte Kunstwerke aus dem Schatze der Reichen Kapelle in der Kgl.
Residenz zu München - f^ulsky-Radisics-Molinier, Chefs-d'oeuvre d'orfevrerie ayant figure ä l'expo-
sition de Budapest — du Sartel, la porcelaine de Chine — Audsley u. Bowes, Keraniic art of Japan —
Argnani, il rinascimento delle ceramiche maiolicate in Faenza — Darcel et Delange, Recueil de
faiences italiennes des XVf, XVK' et XVil^ siecles — Garnier, la porcelaine tendre de Sevres - Berling,
das Meissner Porzellan und seine Geschichte - Catalogue of the collection of glass fonned by Felix
Slade — Tapis d'Orient — Guichard et Darcel, les tapisseries decoratives — Hefner-Alteneck,
Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften — Racinet, le costume historique Knoetel, Uniformenkunde —
Hiltl, Waffensanimlung des Prinzen Carl von Preussen.
B) Studienblätter-Sammlung.
Für diese neuangelegte Sammlung gingen Geschenke ein von: Hofkunsthandlung Ernst Arnold,
Dresden — Kuustanstalt Theodor Beyer, Dresden - Direktorial-Assistent Dr. Buchwald Dr. Robert
Forrer, Strassburg Stadtbauinspektor Friese - Kuustanstalt Grimme & Hempel, Leipzig —
Antiquariat O. Hess, München — Buchhandlung K. W. Hierseniann, Leipzig — Frau Geh. Rat Hoff-
mann, Prietzen — cand. phil. Erich Klossowski - Kunstverein für die Rheinlande und West-
falen, Düsseldorf — Verlag A. Langen, München — Mährisches Gewerbe-Museum, Brunn -
Direktor f^r. Masuer - Kinistaustalt Meisenbach, Riffarfh V^ Comp., Berlin - Kommissionsrat
181
B. Milch — Frau Oeli. Rat Toni Neisser - Maler Emil Orlik, Prag — Verlag P. Parey, Berlin —
Kustos Ritter, Wien — Buchhändler Schweitzer — Professor Dr. Semrau — Optiker Otto Sitte —
Maler Hugo Ulbrich — Vereinigung bildender Künstler Österreichs (Secession), Wien — Buchhändler
Wohlfahrt - Kunstanstalt C. T. Wiskott — Volontär Fritz Wolff.
Erworben wurden u. a. zwei grössere Kollektionen von Photographien kunstgewerblicher Gegen-
stände aus dem Louvre und von Architekturen und Erzeugnissen des Kunsthandwerks aus Österreich-
Ungarn. Vom alten Bestände, der für diesen Zweck verwendet werden konnte, war besonders wichtig
eine grosse Sammlung von Abbildungen schlesischer Kunstdenkmäler.
Für die Vermehrung der Bibliothek wurden 15 632 Mk., für die der Studienblätter-Sanimlung
2038 Mk. ausgegeben.
AUSSTELLUNGEN
1. Die Eröffnungsausstellungen modernen Kunsthandwerkes. Wollte das Museum gleich
bei seiner Eröffnung einen Überblick über Art und Umfang seiner zukünftigen Thätigkeit geben, durfte es
sich nicht damit begnügen, seine Sammlungen vorzuführen. Es musste sofort auf das nachdrücklichste
dokumentieren, dass es die Sammelthätigkeit nicht so sehr als Selbstzweck auffasse, sondern seine Bestimmung
darin sehe, leitend und fördernd in das Kunstschaffen der Gegenwart einzugreifen. Mit den Arbeiten für
die Einrichtung des Museums gingen daher die Vorbereitungen für die Veranstaltung zweier Ausstellungen
parallel, von denen die eine dem modernen schlesischen, die andere dem auswärtigen d. h. nicht schlesischen
Kunstgewerbe gewidmet war.
A) Die Ausstellung schlesischen Kunstgewerbes wurde vom Museum in Gemeinschaft
mit dem Kunstgewerbeverein ins Werk gesetzt. Wie dieser das Verdienst beanspruchen kann, seit lahren
auf die Notwendigkeit der Gründung eines Kunstgewerbemuseums in Breslau hingewiesen zu haben,
erachtete er es als eine Ehrenpflicht, mit dem neuen Institute bei dessen erster grossen Veranstaltung
Hand in Hand zu gehen und sich mit allen Kräften dafür einzusetzen, dass sich das schlesische Kunst-
handwerk unserer Tage bei der Eröffnungsausstellung würdig und vornehm präsentiere. Nicht nur dass
der Verein als solcher einen Teil der Kosten des Unternehmens trug, scheuten auch einzelne Mitglieder
bedeutende Opfer nicht, um durch aussergewöhnliche Leistungen zum Gelingen der Ausstellung beizutragen.
So machte denn diese, zumal da die Jury streng alle unkünstlerischen Arbeiten abgelehnt hatte, im ganzen
und grossen einen höchst erfreulichen Eindruck, der durch gefälliges Arrangement gesteigert war. Fast
alle Räume des II. Stockwerkes, in denen die Ausstellung untergebracht war (Säle XXII XXVII und Vor-
tragssaal), waren in Interieurs umgewandelt. Sie rührten her von den Firmen Gebrüder Bauer, Gummig,
Hauswalt, Kimbel, Kublinsky, Rumsch, Will und Zwiener. Die Führung der Ausstellungs-
geschäfte war einem ,, Arbeitsausschusse" anvertraut worden, der zugleich als Jurv fungierte. Er bestand
aus dem I. Direktor des Museums als Vorsitzenden, dem Direktor der Konigl. Kunst- und Kunstgewerbe-
schule Professor Kühn als II. Vorsitzenden, den Herren Professor Behrens, Dr. Buchwald, Architekt
Grosser, Maler Haertel, Graveur Kaiser, Ratsbaumeister Klimm, Kommissionsrat Milch, Buchbinder-
meister Okrusch, Dekorationsmaler Rumsch, Direktor Dr. Seger, Professor Dr. Semrau, Maler
Sitzmann, Bildhauer Wilborn und Maler Wisliceruis.
Die Ausstellung schlesischen Kunsthandwerkes bot dem Kunstgewerbeverein Veranlassung, einen
Wettbewerb für ein künstlerisches Atisstellungsplakat auszuschreiben. Als Sieger aus diesem nur für schlesische
Künstler bestimmten Wettbewerbe, der sehr viele hübsche Arbeiten zeitigte, ging Hermann Völkerling
hervor, dessen Entwurf von der Firma CT. Wiskott ausgeführt wurde.
B) Die Ausstellung auswärtigen Kunst band Werkes koiuitc und wollte gewissermassen
nur Stichproben für die wichtigsten Erscheinungen des gesamten modernen Kunsthandwerkes vorführen.
Systematische Vollständigkeit war aus den verschiedensten Gründen undenkbar. Selbstverständlich über-
182
wogen bei dieser Ausstellung die Kleinkünste, immerhin aber war es möglich, einen Teil der Kompar-
timente, in welche der Grosse Saal des 1. Stockwerkes eingeteilt wurde (derselbe, in dem jetzt die kirch-
lichen Kimstdenkmäler aufgestellt sind), interieurartig einzurichten. Grössere Kollektionen hatten für diese
Ausstellung beigesteuert: die Vereinigten Werkstätten in München und Dresden, die Kunsthand-
lungen Arnold in Dresden, Keller und Reiner in Berlin, Littauer in München, Moritz Wentzel in
Breslau. Ausserdem hatten viele Institute, Künstler und Kunsthandwerker direkt Arbeiten eingesandt.
Die Eroffnungsausstellungen dauerten vom 27. November bis 12. Januar und hatten sich eines
ausserordentlich starken Besuches zu erfreuen (siehe unten). An mehreren Tagen der Woche waren sie
bei einem Eintrittsgelde von 50 Pf. auch in den Abendstunden bei elektrischer Beleuchtung, in der sie
sich besonders festlich und imposant präsentierten, geöffnet. Sehr grossen Anklang fanden beim Publikum
die offiziellen Führungen durch die Ausstellungen, bei denen Beamte des Museums — zweimal auch Herr
Professor Sennau — Erläuterungen gaben. An diesen Führungen nahmen teil: der Kunstgewerbeverein,
der Ingenieur- und Architektenverein, der Verein für das Museum schlesischer Altertümer, der Verein für
die Geschichte der bildenden Künste, der Humboldt- Verein für Volksbildung (6 mal), der landwirtschaftliche
Verein, der Waldenburger Gewerbeverein. Als weniger erfreulich und bei weitem nicht heranreichend an
den moralischen Erfolg, niuss der finanzielle Erfolg der Ausstellungen bezeichnet werden. Es wurden nur
6000 Mark eingelöst, wobei das Museum als Hauptkäufer betheiligt war. Für beide Abteilungen der
Eröffnungsausstellung wurde ein vornehm ausgestatteter und von der Firma Grass, Barth & Co. muster-
haft gedruckter Katalog ausgegeben, für den Fritz Erler hübsche Vignetten entworfen hatte. (Siehe S. 32.)
2. Am 4. Februar wurde in den Räumen des II. Stockwerkes eine neue Wechselausstellung eröffnet.
Sie enthielt eine grosse Anzahl moderner künstlerischer Tapeten, welche die Firma Nicolai & Seh weitzer
in Breslau mit grosser Sorgfalt zusanmiengebracht hatte, die in den Vereinigten Berliner Smyrna-Teppich-
fabriken nach Entwürfen von Professor O. Eckmann angefertigten Teppiche, kunstgewerbliche Entwürfe
von Eugen Burkert in Breslau, die vom Museum angekauften Tierstudien des im Jahre 1891 verstorbenen
Breslauer Malers Johannes Bräuer und Lackproben von Dekorationsmaler Hans Rumsch. Ausserdem
waren zwei Gruppen aus der reichen Textilsammlung des Museums, alte schlesische Stickereien und
orientalische Gewebe, ausgestellt.
BESUCH DER SAMMLUNGEN UND DER.
BIBLIOTHEK
Für den Besuch der Sammlungen wurden folgende Bestimunmgen erlassen:
§ 1. Die Sammlungen des Museums sind an Wochentagen (Montag ausgenommen) von 10—2, an
Sonn- inid Feiertagen von 11—2 Uhr unentgeltlich dem allgemeinen Besuche zugänglich.
Aussergewöhnliche Besuchsstunden werden besonders bekannt gemacht. Geschlossen bleibt das
Museum am Neujahrstage, Charfreitage, Ostersonntage, Christi Himmelfahrtstage, Pfingstsonntage, Busstage,
ersten Weihnachtsfeiertage und an dem Geburtstage Sr. Majestät.
t? 2. Zum Besuche des Museums sind alle Personen in anständiger, reinlicher Kleidung zugelassen.
Kinder unter 12 Jahren haben nur in Begleitung Erwachsener Zutritt.
S 3. Stöcke und Schirme, sowie Handgepäck müssen von den Besuchern gegen ein Entgelt von
10 Pfennigen für die Person abgegeben werden. Personen, welche des Stockes als Stütze bedürfen, ist es
gestattet, diesen in die Sammlungen mitzunehmen.
S 4. Das Kopieren und Zeichnen in den Sannnlungeu ist im allgemeinen gestattet. Einer besonderen
Erlaubnis der Direktion aber bedarf es bei Leihausstellungen und Erzeugnissen der modernen Kunst-
industrie, sowie dann, wenn besondere Veranstaltungen (Aufstellung von photographischen Apparaten,
Staffeleien etc.) nötig sind.
183
liiferieur der Eröffnungsausstellung von J. Koblinsky in Bresla
Besucherzahl:
Anzahl der
Orösste Besucher-
Geringste
Gesamtzahl
Besuchstage
zahl an einem
Tage
Besucherzahl
der Besucher
33
1365
78
10710
26
1 250
65
6 706
24
805
32
4 200
27
1 203
45
5 209
Monat
18Q9: 27. Nov. bis 31. Dez.
1900: Januar
„ Februar
„ März
Über die Veranstaltung von Führungen durch die Eröffnungsausstellungen siehe S. 182.
Die Bibliotheksordnung ist folgende:
S 1. Die Bibliothek (Bücher und Studienblätter) ist unentgeltlich geöffnet Dienstag bis Sonnabend
vormittags von 10 bis 2 Uhr, abends von 6 bis 8 Uhr, Sonntag von 1 1 bis 2 Uhr.
..fi- ^7' r"!" '^'■"""'"■' '"' ^^'"'"' ^*'"'' ""^' Wohnung in ein dafür bestimmtes, im Lesezimmer
auflegendes Buch einzutragen.
. ^' f. '"' Lesezimmer ist grösste Ruhe zu beobachten; Tische und Stühle dürfen nicht mit
dnzuliln " ' ""'"'■ ^''" """""''""' "'" Tintenfässern ist die Genehmigung des Bibliothekars
von ih,M, 'p, !"^"' I'"" '^''^''"'"^•'^beamten bekannte Besucher darf die Bucher und Studienblätter selbst
von ,hKn, I latze nehmen, hat s,e aber nach der Benützung auf dem Lesetische liegen zu lassen und nicht
weder emzustellen. Andere Besucher erhalten die gewünschten Bücher etc. von dem Aufseher
184
S 5. Die in einem besonderen Schranke zusaninienliegenden nenesten Niunineni der Zeitscliriften
können von jedem Besneher ohne weiteres eingesehen werden mid sind nach der Benützung wieder in
ihr Fach zurückzulegen.
4; 0. Die Bücher und Studienblätter werden nur ausnahmsweise verliehen. Wörterbücher, oft
benützte, kostbare und seltene Werke, einzelne Nummern von Zeitschriften können überhaupt nicht aus-
geliehen werden.
§ 7. Verliehen werden Bücher etc. nur an Personen, die der Direktion bekannt sind, oder die
einen Bürgen stellen können, über dessen Befähigung zur Bürgschaftsleistung die Direktion entscheidet.
4; S. Die Bücher etc. werden gegen schriftliche Empfangsbescheinigung auf eine, in jedem ein-
zelnen Falle mit dem Bibliothekar zu verabredende Frist ausgeliehen. Die Direktion behält sich vor, die
Bücher etc. auch innerhalb dieser Frist zurückzuverlangen.
§ 9. Jeder Besucher, der Bücher etc. beschädigt, ist zum Ersätze des Schadens nach der Sehätzung
der Direktion verpflichtet.
§ 10. Den Anordnungen der Bibliotheksbeamten und Aufseher hat sich jeder Besucher unbedingt
zu fügen.
Benützt wurde die Bibliothek in der Zeit vom 27. November bis 31. März an 105 Tagen von
1107 Personen. Hoffentlich bringt die naturgemäss erst allmählich sich verbreitende Kenntnis von dem
Bestehen der Bibliothek eine wesentliche Steigerung der Besucher, namentlich aus den Kreisen der Kunst-
gewerbetreibenden, damit sich die gerade auf diesen Teil des neuen Instituts gesetzten Erwartungen
voll erfüllen.
ZUSAMMENSETZUNO DER MUSEUMS-DEPUTATION
UND DES BUREAUS
Die Museums - [Deputation (siehe S. 29) bestand im Berichtsjahre aus folgenden Mitgliedern;
Oberbürgermeister Dr. Bender, Stadtrat Milch, Stadtrat Brössling — Baumeister Heintze,
Rechtsanwalt Dr. Wehlau, Geheimrat Dr. Neisser, Professor Kühn, Maler Rnmsch, Weinkaufniann
Pniower, Juwelier Klee, Qeheimrat Dr. Ponfick Stadtältester Dr. von Korn — Oeheimrat Dr.
Grempler und Direktor Dr. Seger (als Stellvertreter Oberlehrer Dr. Mertins und Kaufmann Strieboll)
— Qeheimrat Dr. Websky (als Stellvertreter Kommissionsrat Benno Milch) — Geheimrat Dr. Foerster
— Landeshauptmann von Roeder - Professor Dr. Sombart Direktor Dr. Masner.
Anstelle des Herrn Pniower, der am 13. Juli 1899 verstarb, vi/urde Buchdruckereibesitzer
Lilienfeld gewählt.
Das Bureau war folgendermassen zusammengesetzt:
1. Direktor: Dr. Karl Masner.
II. Direktor: Dr. Hans Seger (verwaltet die nrgeschichtliclic, kultiuhistorische und Münz-
sammlung).
Direktorial-Assistent: Dr. Conrad Buchwald (führt ilie Bibliotheksgeschäfte).
Volontäre: Fritz Wolff.
Erich Klossowski (bis 1. Januar 1900).
Hill eau- Assistent: Hugo Kornfülirer.
Kastellan: Engen Jung.
185
STIFTUNGEN VON GELDBETRÄGEN FÜR DAS
MUSEUM
1. Im Oktober des Jahres 1899 veröffentlichten die Herren: George Agath, Fabrikdirektor und Stadt-
verordneter A. Biaiiel, Stadtrat C. Brössling, Geh. Justizrat und Stadtverordneten-Vorsteher Freund,
Kaufmann und Stadtverordneter Adolf Friedenthal, Geschäftsinhaber des Schlesischen Bankvereins
Fromberg, Königl. Bergrat und erster Handelskammer-Syndikus Oothein, Geh. Sanitätsrat Dr. Grempler,
König!. Baurat und Fabrikdirektor Grund, Brauereibesitzer Georg Haase, Geh. Kommerzienrat Heinrich
Heimann, freier Standesherr Guido Graf Henckel v. Donnersmarck, Kraft Fürst zu Hohenlohe,
Bankier Albert Holz, Dr. G. Kauffmann, Fabrikbesitzers. Kauffmann, Kaufmann Georg Kissling,
Eugen von Kulniiz, Geh. Regierungsrat I'rof. Dr. Ladenburg, Königl. Kommerzienrat L. Ledermann,
Direktor Dr. Masner, Stadtrat Milch, Geh. Kommerzienrat Molinari, Geh. Medizinalrat Professor
Dr. Weisser, Geh. Kommerzienrat Pinkus, Geh. Medizinalrat Professor Dr. Ponfick, Stadtrat Fedor
Pringsheim, Dr. Franz Promnitz, Victor Herzog von Ratibor, Landeshauptmann von Schlesien
V. Roeder, Wirkl. Geh. Rat Exzellenz Freiherr v. Saurma, Fabrikbesitzer Schoeller, Rittergutsbesitzer
Julius Schottlaender, Dnektor Dr. Seger, Bankier Gideon v. Wallenberg-Pachaly, Geh. Kom-
merzienrat Dr. Websky, Fabrikbesitzer und Handelsrichter Max Wiskott folgenden Aufruf in den
Zeitungen:
,,Am 27. November d. J. geht ein langgehegter Wunsch der Provinz Schlesien und seiner Haupt-
stadt in Erfüllung. In Breslau wird ein Kunstgewerbemuseum eröffnet, das bestimmt ist, neben dem
Museum der bildenden Künste ein Mittelpunkt für die künstlerischen Interessen unserer engeren Heimat
zu werden. Stadt, Provinz und Staat, die hochherzige Opferwilligkeit eines unserer besten Bürger und die
einsichtsvolle Fürsorglichkeit von Korporationen haben sich vereinigt, um dieses Institut zu gründen und
zweckentsprechend einzurichten. Zahlreiche Kunstdenkmale aus Schlesiens Vorzeit bilden schon jetzt einen
wertvollen Grundstock für die Sammlungen des neuen Museums. Aber die zweitgrösste Stadt Preussens
darf sich nicht mit einem Lokalmiiseum begnügen. Wir müssen anstreben, dass unser Kunstgewerbe-
nniseum ein befruchtender Faktor für unsere Provinz imd Stadt werde, dass es die Kunstgewerbetreibenden
und das Publikum vertraut mache mit jenen Elementen, die bestimmend auf die Geschmacksrichtung
uuserer Zeit einwirken, dass es beide heranziehe zur Würdigung der das moderne Kunstgewerbe bewegenden
Probleme, danu't nicht Mangel an Verständnis den Fortschritt unterbinde. Soll jedoch unser Kunstgewerbe-
museum dieser hohen Aufgabe gerecht werden, muss es mit genügenden Mitteln ausgerüstet sein, um in
dem fast fieberhaften Wettstreite, mit dem alle Schwesteranstalten sich um mustergiltige Kunstgegenstände
aus Vergangenheit und Gegenwart bewerben, seine Sammlungen lehrreich ausgestalten zu können. Die Unter-
zeichneten richten daher an die Bewohner der Provinz Schlesien die eindringliche Bitte, durch Geldspenden
dazu beizutragen, dass ein beachtenswerter Fond zur Vermehrung unserer Museumssammlungen geschaffen
werde. Wie das Museum durch die Thatkraft der Gesamtheit unserer Bürgerschaft eine städtische
Institution geworden ist, möge es auch den Einzelnen zu seinen Förderern zählen und seinen Namen mit
neuen Erwerbungen verknüpfen können.
Auf Grund dieses Aufrufes sendeten folgende Beträge ein: Kaufmann George Agath 100 Mark;
Konsul Neander Alexander 100 Mark; J. Alexander, i. F. Gebr. Alexander 100 Mark; Kaufmann
Hermann Biermann 30 Mark; Fabrikdirektor Blauel 30 Mark; Stadtrat Brössling 300 Mark;
Fräulein Elise Nees von Esenbeck 5 Mark; Carl Frey & Söhne 1(K) Mark; Adolf Friedenthal
300 Mark; Bankdirektor Fromberg 300 Mark; Geh. Sanitätsrat Dr. Grempler 20 Mark; Baurat Fabrik-
direktor F. W. (jruud 50 Mark; Cornel Grzimek 10 Mark; Kommerzienrat und Rittmeister Georg Haase
300 Mark; Maurermeister E. Haertel 100 Mark; Geh. Kommerzienrat Heinrich Heimann 500 Mark;
Guido Graf Henckel v. Donnersmarck, Neudeck 1000 Mark; Christian Kraft Fürst zu Hohen-
lohe, Slawentzitz 500 Mark; Bankier Albert Holz 100 Mark; Frau Magdalene Kaerger 30 Mark;
Frau Klara Kauffmann, Tannhausen 100 Mark; Fabrikbesitzer S. Kauffmann 500 Mark; Fabrikbesitzer
W. KauffinauM, Wüstegiersdorf 100 Mark; Kaufmann Georg Kissling 300 Mark; Stadtrat und Kämmerer
24
186
Körte 5 Mark; Klara Koliii, Pless 10 AAark; Eiii;cn von Kiilmiz, Saarau 500 Mark; Oeli. Regieriiiigsrat
Professor Dr. Ladeiiburg 100 Mark; Wirklicher Oeh. Kriegsrat a. D. Lampe 10 Mark; Kommerzienrat
Leder mann 300 Mark; Frau Hui da Lipmann 50 Mark; Rittergutsbesitzer von Loebbecke, Eisersdorf
500 Mark; Oberlehrer Dr. Merlins 10 Mark; Stadtrat Milch 300 Mark; Fräulein Cäcilie Molinari
30 Mark; Geh. Kommerzienrat Molinari 500 Mark; Geh. Medizinalrat Professor Dr. Weisser 500 Mark;
Bankier Max Perls 150 Mark; Stadtrat Peterson 20 Mark; Geh. Kommerzienrat Pinkus, Neustadt
500 Mark; Rittergutsbesitzer Carl Pohl, Sackrau 10 Mark; Stadtrat Fedor Pringsheini 100 Mark;
Dr. Franz Promnitz 300 Mark; Landgerichtsrat Dr. Reitzenstein 10 Mark; Kunsthändler Bruno
Richter 20 Mark; Saiiitätsrat Dr. Roseniann 15 Mark; Bruno Rosenthal 10 Mark; Georg Schoelier
300 Mark; Frau Seraphine Silbergleit, geb. Nothniann 100 Mark; Dr. med. Staub 15 Mark; Direktor
Stechmann 20 Mark; Kaufmann G. Strieboll 10 Mark; Gideon v. Wallenberg-Pachaly 500 Mark;
Geh. Regierungsrat Bürgermeister v. Ysselstein 100 Mark; Sammlung einer Tischgesellschaft 4,40 Mark;
Erlös für eine versteigerte Nadel 4 Mark; M. Z. 3 Mark; Hu. 52 Pf.; T. K. 10 Mark; Bakel 50 Pf.;
Loevve 50 Pf.; Poeta 1 Mk.; Zusammen: 90Q3 Mark 92 Pf.
2. Ein Aufruf, den der Schlesische Zentral-Gewerbeverein im Juli erlassen hatte, brachte
folgende Beiträge: von Oeh. Kommerzienrat Dr. Websky 1000 Mark; Fabrikbesitzer Dr. Georg Kauff mann,
Wüstegiersdorf 300 Mark; Bergrat Georg Gothein 100 Mark; Major a. D. Seh litt gen, Kotzenau
100 Mark; Rittergutsbesitzer H. v. Ruffer, Rudzinitz 100 Mark; Gevi;erbeverein zu Trebnitz 25 Mark;
Gewerbeverein ii\ Königshütte 10 Mark. Zusammen: 1635 Mark.
3. Im März des Jahres 1900 stiftete Herr Verwaltungs-Gerichtsdirektor Victor v. Uthmann dem
Museum für Ankäufe den Betrag von 650 Mark.
ANHANG 1
VERWALTUNGSORDNUNG DES MUSEUMS
§ 1. Zweck.
Das Schlesische Museum für Kunstgewerbe und Altertümer ist dazu bestimmt:
1. Den Gewerbetreibenden der Stadt Breslau und der Provinz Schlesien die Hilfsmittel der
Kunst und der Wissenschaft zugänglich zu machen und den Geschmack in den Kunstgewerben
sowie das Verständnis kunstgewerblichen Schaffens in der Bevölkerung zu heben.
2. Erzeugnisse der bildenden Künste und des Handwerks, insbesondere solche, welche in Schlesien
entstanden sind oder zu Schlesien Beziehungen haben, zu sammeln und wissenschaftlich
geordnet öffentlich auszustellen.
§ 2. Mittel zum Zweck.
Den Zwecken des Museums dienen folgende Veranstaltungen:
1. Eine ständige Sammlung von Anschauungsmaterial an Kunst- und Gewerbe -Erzeugnissen,
Rohstoffen und Halbfabrikaten.
2. Ein offener Zeichensaal.
3. Eine Vorbilder-Sammlung, umfassend Nachbildungen, Modelle, Zeichnungen u. s. w.
4. Eine Fachbibliothek.
5. Zeitweilige Ausstellungen von Kunst- und Oewerbeerzeugnissen.
6. Vorträge.
Der Verwaltung des Museums steht es frei, auch andere geeignete Mittel zur Forderung des
Museumszweckes zu wählen; z. B. Unterrichts-Kurse, insbesondere an Schüler der Königlichen Kunst- und
Kunstgewerbe-Schule und Publikationen wissenschaftlicher Aufsätze.
187
§ 3. Rechtliche Stellung des Museums.
Das Museum ist Eigentum der Stadt Breslau und steht daher unter der Verwaltung der städtischen
Behörden. Der Magistrat führt die Aufsicht über das Museum und vertritt dasselbe nach aussen.
Bei der Verwaltung sind zu beachten:
1. Die Schenkungsurkunde des Herrn Stadtältesten Heinrich von Korn vom 20. August 1896 mit
Nachtrag vom 27. September 1896. (Siehe S. 30ff.)
(Vergl. Protokolle der Stadtverordneten-Versammlung vom Jahre 1896 Nr. 786 und 836
Seite 207 ff.)
2. Der Vertrag der Stadt mit dem Vereine für das Museum schlesischer Altertümer vom
3. Februar 1897. (Anhang II.)
(Vergl. Protokollbuch der Stadtverordneten -Versammlung vom Jahre 1897 Nr. 611
Seite 155 und Referate von 1897 Nr. 5 Seite 7 und 8.)
§ 4. Verwaltungs- Deputation. Zusammensetzung.
Für das Museum wird gemäss i; 59 der Städte-Ordnung vom 30. Mai 1853 eine besondere Ver-
waltungs-Deputation unter dem Namen „Museums-Deputation" bestellt, deren Zusammensetzung ein
besonderes Ortsstatut ordnet. Demnach bilden die Deputation:
1. Drei vom Oberbürgermeister ernannte Magistrats -Mitglieder, worunter der Vorsitzende und
dessen Stellvertreter.
2. Acht von der Stadtverordneten -Versammlung gewählte Mitglieder, darunter mindestens fünf
Stadtverordnete.
3. Herr Stadtältester Heinrich von Korn, als lebenslängliches Ehrenmitglied, mit vollem
Stimmrecht.
4. Zwei Mitglieder, welche nebst zwei ständigen Stellvertretern der Vorstand des Vereins für
das Museum schlesischer Altertümer wählt.
5. Ein Mitglied, welches nebst einem ständigen Stellvertreter der Schlesische Zentral -Gewerbe-
Verein wählt.
6. Ein Vertreter der Königlichen Staatsregierung, so lange der Staat dem Museum die Unter-
stützung von 6000 Mark jähriich gewährt.
7. Ein Vertreter der Schlesischen Provinzial- Verwaltung nach Massgabe der Vereinbarung
zwischen Provinz und Stadt.
8. Ein auf Vorschlag des akademischen Senats von dem Universitäts- Kurator zu ernennender
Professor der Königlichen Universität Breslau, gemäss des Vertrages vom 3. 10. Dezember 1S98.
(Siehe S. 31 f.)
9. Der Direktor des Museums.
Mit beratender Stimme nimmt an den Sitzungen der Deputation ferner der Direktor der
Abteilung für historische Altertümer teil.
Die Zahl der Vertreter zu 1, 2 und 4 kann durch Qenieindebeschluss geändert und ebenso kann
weiteren Korporationen und Vereinen die Abordnung von Vertretern zu Mitgliedern der Deputation
zugestanden werden.
Der Vorsitzende der Deputation und der Oberbürgermeister können ausserdem gewerblich,
künstlerisch oder wissenschaftlich sachverständige Personen zu den Sitzungen der Deputation zuziehen;
doch haben dieselben nur beratende Stimme.
§ 5. Geschäftsführung der Deputation.
Die Deputation leitet und beaufsichtigt die Museums-Verwaltung, soweit nicht der Magistrat einzelne
Angelegenheiten wie z. B. die Kassen-Verwaltung - unmittelbar an sich zieht und ordnet. Sie bereitet
die Beschlüsse des Magistrats vor, führt sie aus, giebt Gutachten über Fragen der Museums-Verwaltung
ab und hat durch zweckmässige Anordnungen und Anträge die Entwicklung der Anstalt zu fördern. Sie
ist vorgesetzte Behörde aller am Museum angestellten Beamten.
24*
188
Insbesondere liegt ihr oli:
1. Den Etat für das Museiiiii iiiul etwa nötige ausserordentliche Ausgaben rechtzeitig vor-
zuschlagen.
2. Nach Massgabe des Etats und der ausserordentlichen Bewilligungen die Ausgaben unter
Beachtung der für die städtische Verwaltung gegebenen allgemeinen Vorschriften zu beschliessen
und zu kontrollieren, soweit dazu nicht der Direktor u. s. w. persönlich befugt ist.
3. Die Jahresrechnung festzustellen und jährlich einen Bericht zu erstatten.
Der Jahresbericht kann mit demjenigen des Vereins für das Museum schlesischer Alter-
tümer verbunden werden.
Die Deputation wird vom Vorsitzenden nach Bedürfnis berufen und ist bei Anwesenheit von neun
Mitgliedern einschliesslich des Vorsitzenden beschlussfähig. Die Einladung erfolgt durch Zettel; Angabe
der Tages-Ordnung ist dabei die Regel, aber nicht wesentlich. Über die Beschlüsse wird ein Protokoll
aufgenommen und vom Vorsitzenden inid zwei Mitgliedern unterschrieben. Nach aussen korrespondiert
die Deputation unter der Firma „Der Magistrat. — Museums-Deputation" unter Zeichnung des Deputations-
Vorsitzenden, des Magistrats-Dezernenten und des Direktors, sofern nicht der Direktor als solcher allein
zu zeichnen befugt ist. In eiligen Sachen verfügt der Vorsitzende ohne zu vorigen Beschluss der Deputation;
doch ist alsdann die Genehmigung der Deputation nachträglich einzuholen.
§ 6. Ausschüsse. Beirat.
Für einzelne, besondere Angelegenheiten kann die Deputation Ausschüsse bestellen. Ein ständiger
Ausschuss von fünf Deputations-Mitgliedern, worunter sich der Direktor und eines der vom Vereine für
das Museum schlesischer Altertümer gewählten Mitglieder befinden müssen, wird unter dem Titel
,, Beirat" bestellt zur Beschlussfassung über Erwerbungen und Veräusserungen für das Museum (vergl.
S 12). An den Sitzungen desselben nimmt der zweite Direktor und Abfeilungs-Vorsteher mit beratender
Stimme teil. Für die Verwaltung des Hauses sind aus der Zahl der Deputations-Mitglieder ein Kurator
und ein ständiger Stellvertreter desselben zu bestellen.
§ 7. Der Direktor.
Der Direktor leitet die gesamte innere Thätigkeit und Verwaltung des Museums. Ihm liegt ins-
besondere die Sorge für die Ordnung, Inventarisierung, Katalogisierung, Nutzbarmachung und für die fort-
schreitende Entwicklung der Sammlungen ob. Er ist technischer Dezernent in Museums-Angelegenheiten
und verfügt innerhalb seiner Zuständigkeit selbständig, im übrigen unter Mitzeichnung des Magistrats-
Dezernenten und eventuell des Vorsitzenden der Deputation.
Der Direktor ist Dienstvorgesetzter aller Museumsbeamten und kaini den Haus- und Unterbeamten
bis zu acht, den übrigen Beamten bis zu drei Tagen Urlaub erteilen.
Zu dienstlichen Reisen in schleunigen Fällen kann der Direktor sich selbst bis zu drei Tagen
beurlauben, doch ist alsdann dem Oberbürgermeister entweder sofort, oder unverzüglich nach der Rück-
kehr Anzeige zur nachträglichen Genehmigung der Dienstreise zu macheti.
§ 8. Der zweite Direktor und Abteiiungs-Vorsteher.
Der Vorsteher der Altertums-Abteilung ist Stellvertreter des Direktors in der Gesamtleitung des
Museums, hat denselben in der Verwaltung des Museums zu unterstützen luid übt bei Behinderung des
Direktors alle Befugnisse desselben aus.
Dem Vorsteher liegt die besondere Verwaltung der im Unter- und Erdgeschosse des Museums
vereinigten, von der Deputation näher abzugrenzenden Abteilung für schlesische Altertümer ob. Hierbei
ist er im einzelnen selbständig mit dem Rechte, alle Mittel des Museums unter Beobachtung der vor-
geschriebenen Kontrollen zu benutzen. Neue allgemeine Anordnungen für den Dienst in der Altertunis-
Abteilung bedürfen der Genehmigung des Direktors, und bei Meinungsverschiedenheit bewendet es bei
dem Bisherigen bis zur Entscheidung der Deputation.
189
Derselbe ist Dienstvorgesetzter der für seine Abteilung angestellten oder auf derselben arbeitenden
Museums-Unterbeamten.
Zur Veranstaltunrr von Ausgrabungen und anderen dienstlichen Geschäften kann er nach vor-
heriger Anzeige bei dem Direktor bis zu drei Tagen verreisen, sofern der Direktor nicht Einspruch
erhebt. Erhebt dieser Einspruch, so ist vor Antritt der Reise die Entscheidung des Oberbürgermeisters
einzuholen.
§ Q. Der Direktorial-Assistent.
Der Direktorial-Assistent dient als Gehilfe des Direktors bei Verwaltung, Ordnung und Beauf-
sichtigung der Sammlungen und des Bureaus. Nach Bedarf können mehrere Direktorial-Assistenten ange-
stellt werden, oder statt des Direktorial-Assistenten ein Inspektor für das Museum.
§ 10. Rechtsverhältnisse der Museumsbeamten.
Die Beamten des Museums werden vom Magistrat der Stadt Breslau angestellt und ihre Rechts-
verhältnisse bestimmen sich nach den für die Beamten der Stadt geltenden Vorschriften, soweit nicht etwas
anderes rechtsgültig vereinbart wird.
Allen Beamten des Museums wird es zur besonderen Pflicht gemacht, dem Publikum, imd ins-
besondere den Gewerbetreibenden, welche wissenschaftlichen oder künstlerischen Rat suchen, in bereit-
willigster Weise behilflich zu sein.
§ 11. Hausverwaltung.
Über die äussere Verwaltung des Museumsgebäudes verfügt innerhalb des Etats der Direktor im
Einverständnis mit dem Kurator; die Rechnungen über die Ausgaben bedürfen der Gegenzeichnung des
Kurators und der Kurator hat auch den Geschäftsverkehr mit Handwerkern und Lieferanten zu führen und
deren Lieferungen und Rechnungen zu prüfen, abzunehmen und zu bescheinigen.
§ 12. Ergänzung der Sammlungen.
Sowohl der Direktor des Museums als der Direktor der Abteilung für historische Altertümer ver-
fügen nach Massgabe der dafür bestimmten Etatsmittel selbständig über die Erwerbung von Stücken, die
nicht über einhundert Mark kosten, darüber hinaus mit Genehmigung des Beirats (§ 6, Abs. 2). (Zu Er-
werbungen, welche mehr als tausend Mark erfordern, ist die Genehmigung der Deputation oder, in
schleunigen Fällen, des Vorsitzenden einzuholen.) Veräusserungen sind nur mit Genehmigung des Beirats
zulässig und sind der Beschlussfassung der Deputation zu unterwerfen, wenn ein Mitglied des Beirats
dies fordert.
Von allen Veräusserungen und von allen erheblichen Erwerbungen ist der Deputation in ihrer
nächsten Sitzung Kenntnis zu geben, möglichst unter Vorlegung der Stücke.
Gegenstände, welche der Verein für das Museum schlesischer Altertümer dem Museum überweist,
smd aufzunehmen und dürfen nur auf Beschluss der Deputation wieder veräussert werden. Erhebt der
Verein bei der Deputation Einspruch gegen die Veräusserung, so hat dieselbe zu unterbleiben.
§ 13. Ergänzung der Bibliothek und Vorbilder-Sammlung.
Über die Ergänzung der Bibliothek und der Vorbilder-Sammlung verfügt der Direktor unter Be-
achtung etwaiger Deputationsbeschlüsse.
§ 14. Benutzung der Sainmlungen und des Zeichensaales.
Die SammliinuLMi des Museums sind zu den bestimmten Zeiten jedermann unentgeltlich zur Be-
sichtigung geöffnet.
Der Zeichensaal mit der für das gewerbliche Zeichnen zweckmässigen Ausstellung und die
Bibliothek und Vorbilder-Sammlung sind der öffentlichen Benutzung frei zu geben. Genauere Vorschriften
sind vom Magistrat auf Vorschlag der Deputation zu erlassen und öffentlich bekannt zu machen.
190
§ 15. Verein für das Museum schlesisclier Altertümer.
Die Rechte des Vereins gegenüber dem Museum werden diircli den t; 3 zu 2 erwähnten Vertrag
vom 3. Februar 1S97 (Anhang II) bestimmt. Darüber hinaus wird noch Folgendes bestimmt:
Der Direktor und die wissenschaftlichen Beamten des iV\useums sind verpflichtet, auf Wunsch
des Vereins in diesen und seinen Vorstand einzutreten und die Geschäfte des Vereins-Sekretärs ohne
besondere Entschädigung zu übernehmen.
Der Vorsitzende, Schatzmeister und Sekretär des Vereins sind auch dami, wenn sie nicht zugleich
Beamte des Museums sind, berechtigt, die Sammlungszimmer tmd die Bibliothek des Museums bei Tage,
ausserhalb der öffentlichen Renutzungszeiten zu besuchen und zu benutzen. Einzelne Stücke der Samm-
lungen und einzelne Bücher können sie, gegen einfache Empfangsbescheinigung, in das Zimmer des
Vereins und in den Vortragssaal zur wissenschaftlichen Benutzung entnehmen.
Der Vorsitzende, Schatzmeister und Sekretär des Vereins sind berechtigt, den Bureau- und Unter-
beamten des Museums, welche ihnen zufolge i; 2 zu 5 des Vertrages vom 3. Februar 1897 zur Verfügung
gestellt sind, dienstliche Anweisungen zu erteilen.
Treten Kollisionen zwischen den Anordnungen der Vereinsbeamten und der Museumsbeamten ein,
so soll die Entscheidung des Museums-Direktors bis zur Beschlussfassung der Deputation gelten.
Dem Direktor und allen Beamten des Museums wird das grösste Entgegenkommen gegen die
Interessen und Wünsche des Vereins zur besonderen Pflicht gemacht; damit der Verein, der in gross-
herzigem Gemeinsinn sein wertvolles Museum der Stadt abgetreten hat, dies Museum nach wie vor wie
sein eigenes benutzen und pflegen kann.
Dem Vereine ist von der Stadt ein jährlicher Betrag zur eigenen, beliebigen Verfügung zu über-
weisen, da die früher dem Verein gewährten Zuschüsse des Staates, der Provinz und der Stadt voll auf
das Museum übertragen worden sind.
Breslau, den 7. März 1899.
Der Magistrat hiesiger Königlichen Haupt- und Residenzstadt,
(gez.:) G. Bender. Milch.
ANHANG II
VERTRAG ZWISCHEN DEM MAGISTRAT NAMENS DER STADT-
GEMEINDE BRESLAU EINERSEITS UND DEM VEREIN FÜR DAS
MUSEUM SCHLESISCHER ALTERTÜMER, VERTRETEN DURCH DEN
VORSTAND, ANDERERSEITS.
L/er Verein für das Museum schlesisclier Altertümer hat laut Vertrag vom 29. Januar 1895 seine im
Museum schlesischer Altertümer vereinigten Sammlungen dem Kuratorium des Schlesischen Museums der
bildenden Künste hiersclbst mit Genehmigung des Provinzial-Ausschusses vom 6. Februar 1895 beziehungs-
weise des f^rovinzial-Landtages vom 7. März 1895 zur Aufbewahrung und öffentlichen Ausstellung in den
Räumen des Schlesischen Museums der bildenden Künste überwiesen, wo dieselben bereits seit dem
Jahre 1880 auf Grund eines mit dem Verein geschlossenen Mietsvertrages untergebracht waren.
Inzwischen haben sich hier die verfügbaren Räume für das Bedürfnis beider in dem Hanse unter-
gebrachten Museen als zu enge erwiesen. Insbesondere ist es unter den gegenwärtigen Raumverhältnissen
unmöglich, die kunstgewerblichen Bestände des Museums schlesischer Altertümer in einer für die Gewerbe-
treibenden nutzbriugeiulen Weise auszubreiten und zu vermehren und so neben den kunst- und kultur-
geschichtlichen Zwecken auch dem allgemein als notwendig anerkaimten eines Kunstgewerbemuseums zu
dienen. Diesen Übelständen :ili/Mlielfen, hat die Stadtgemeinde Breslau sich bereit erklärt, mit Hilfe eines
191
ihr von dem Vorsitzenden des genannten Kuratoriums, Herrn Stadtältesten von Korn, überwiesenen Geschenks
von 500000 Mari< das alte Ständehaus, Graupenstrasse IIa, zu erwerben und darin ein Kunstgewerbe-
museum zu errichten, dessen Grundstock die kunstgewerhh'chen Sammlungen des Museums schlesischer
Altertümer bilden sollen. Zugleich sollen auch die übrigen Abteilungen des Museums schlesischer Alter-
tümer darin aufgenommen und ausgestellt werden. Die vereinigten Sammlungen erhalten den Namen
„Schlesisches Museum für Kunstgewerbe und Altertümer".
Demzufolge, und unter dem Vorbehalt, dass der Provinzialverband von Schlesien zustimmt und
dem neuen städtischen Museum den bisher an das Museum schlesischer Altertümer beziehungsweise an
den Verein für dies Museum gewährten Zuschuss überweist, wird nunmehr folgender Vertrag geschlossen:
t? 1. Der Verein für das Museum schlesischer Altertümer überweist der Stadt Breslau seine jetzt
im Schlesischen Museum der bildenden Künste ausgestellten Sammlungen.
Die Sammlungen werden Eigentiun der Stadt unbeschadet der vorbehaltenen Rechte Dritter an
einzelneri Gegenständen.
Die Sammlungen sind:
a. eine vorgeschichtliche, bestehend aus Grabaltertümern der vorchristlichen Zeit (Thon- und
Metallgefässen, Schnuickgegenständen, Werkzeugen und Waffen),
b. eine kirchliche, bestehend aus Altarwerken, Gemälden und Skulpturen, kirchlichen Gerät-
schaften und dergleichen,
c. eine Waffensammlung, bestehend aus Angriffs- und Verteidigungswaffen des 12. bis 19. Jahr-
hunderts, Uniformen, Trophäen und Kriegserinnerungen,
d. eine kulturgeschichtlich-kunstgewerbliche, bestehend aus Erzeugnissen der Kleinkunst und des
Kunsthandwerks, sowie aus Gegenständen von kostüm- und sittengeschichtlicher Bedeutung,
e. eine architektonisch-monumentale, bestehend aus Architekturteilen und Steinskulpturen,
f. eine Münzen- und Medaillensammlung, bestehend aus einer schlesischen Speziaisammlung
von ca. 10000 verschiedenen Geprägen, und einer Universalsammlung von ca. 15000 Stück,
g. eine Siegelsammlung, bestehend in Petschaften, Siegeln von Urkunden und Siegelabdrücken,
h. eine Sammlung von Porträts und Abbildungen schlesischer Ortschaften, Kunstdenkmälern und
denkwürdiger Ereignisse in Handzeichnung, Kupferstich, Holzschnitt, Lithographie und
Photographie,
i. die Bibliothek, bestehend hauptsächlich aus Werken archäologischen, kunst- und kulturgeschicht-
lichen, numismatischen und heraldischen Inhalts.
Für sämtliche Abteilungen existieren handschriftliche Kataloge.
S 2. Die Stadt verpflichtet sich dagegen:
1. Die Sammlungen sicher zu verwahren, ordnungsmässig zu verwalten und in würdiger Art
öffentlich auszustellen.
2. Die Sammlungen, sowie die darauf bezügliche A^useumsbibliothek dem Verein für das Museum
schlesischer Altertümer zur freiesten wissenschaftlichen Benutzung zugänglich zu halten.
3. Dem Vereine im städtischen Museum selbst angemessene Räume für seine geschäftlichen
Sitzungen und Arbeiten bereit zu stellen und zwar:
a. einen Saal zur Mitbenutzung für seine Vortragsversammlungen;
b. ein massig grosses Zimmer für die Vorstands-Sitzungen, das zugleich als Arbeitszimmer
für den Vorsitzenden und den Schatzmeister, sowie zur Aufbewahrung der Vereinskasse
und des Vereinsarchivs dienen kann;
c. einen Depotraum von 6 -8 qm Mäche zur Aufbewahrung der Bestände von Druck-
sachen, welche im Verlage des Vereins erschienen sind.
4. Die Sammlungen gegen Feuersgefahr zu versichern.
5. Dem Vorsitzenden und dem Schatzmeister des Vereins zur Erledigung der inneren büreau-
mässigen Vereinsgesehäfte (Führung der Mitgliederiisten, Einziehen der Beiträge, Expedition
192
der Zeitsclirift und dergleichen nielir) die erforderlichen Unterbeaniten des Museums zur Ver-
fügung zu stellen.
J; 3. Für die Verwaltung des IV\nseiniis wird die Stadt eine besondere Verwaltimgs-neputation,
gemäss J; 59 der Städte-Ordnung vom 30. iVlai 1853 bestellen. An den Sitzungen dieser Deputation nimmt
ein vom Vereine für das Museum schlesischer Altertümer bestellter Vertreter mit vollem Stimmrecht teil.
Die Leitung des Museums wird von der Stadt einem vom Magistrat zu wählenden und zu besoldenden
Direktor unter Aufsicht der Verwaltungs-Deputation übertragen, welcher an den Sitzungen der Deputation
mit vollem Stimmrecht teilninunt. Unter dem Direktor ist die erforderliche Anzahl von Museumsbeamten
von der Stadt anzustellen.
Das zur Zeit des Abschlusses des Vertrages am Museum schlesischer Altertümer angestellte Be-
amtenpersonal wird von der Stadt in die entsprechenden Stellungen am städtischen Museum übernommen.
§ 4. Über die Ordnung des Museums und die Art der Aufstellung beschliesst die Deputation.
Soweit hierbei jedoch die Sammlungen des Vereins für das Museum schlesischer Altertümer in Frage
kommen, sind dessen Wünsche weitest möglich zu berücksichtigen.
S 5. Dem Verein für das Museum schlesischer Altertümer bleibt, wie bisher, die Sorge für die
wissenschaftliche Nutzbarmachung der Sammlungen überlassen. Insbesondere behält sich derselbe die
urgeschichtliche und kunstgeschichtliche Erforschung der Provinz und die Herausgabe von Veröffent-
lichungen aus diesen Gebieten vor. Für diese Zwecke stehen ihm in erster Linie die Beiträge seiner Mit-
glieder, welche zur Zeit gegen 5000 A'\ark betragen, zur Verfügung. Erforderlichen Falls kann ihm aus
den etatsmässigen Mitteln des Museums ein Zuschuss bewilligt werden.
Die vom Verein durch Kauf, Schenkung oder Tausch fernerhin gemachten Erwerbimgen gehen in
das Eigentum der Stadt über und werden Teile des Museums. Es betrifft dies vor allem die durch Aus-
grabungen gewonnenen Funde und die im Schriftenaustausch erlangten Bibliothekwerke. Die dem Verein
bisher von verschiedenen Behörden gewährten jährlichen Unterstützungen sollen im Falle der Weiter-
bewilligung zu Händen des Magistrats gezahlt und in den Oesamtetat des Museums eingestellt werden.
Bisher erhielt der Verein von dem Ministerium für Handel und Gewerbe 1 000 Mark, von der Provinz
6000 Mark und vom Magistrat 3000 Mark.
Dasselbe gilt unter der gleichen Voraussetzung betreffs der von der Provinz aus dem Etat des
Schlesischen Museums der bildenden Künste für Beamtengehälter jährlich aufgewendeten 7 SOOO Mark.
S 6. Dieser Vertrag tritt in Kraft, wenn der Provinzial-Ausschuss beziehungsweise das Kuratorium
des Schlesischen Museums der bildenden Künste ihm zugestimmt haben wird und wenn die Stadt das von
ihr noch zu erwerbende alte Ständehaus zu Museumszwecken ausgebaut haben wird.
Mit dem Inkrafttreten dieses Vertrages erlischt sodann der anfangs erwähnte Vertrag vom
2Q. Januar 1895.
Breslau, den 3. Februar 1897.
(L. S.)
Der Magistrat hiesiger Königlicher Haupt- und Namens des Vereins für das Museum schlesischer
Residenzstadt. Altertümer.
(gez.:) O. Bender, v. Ysselstein. Ooetz. Der Vorstand.
(gez.:) Dr. Grempler. f^r. Seger. G. Strieboll.
VEREIN FÜR DAS MUSEUM SCH LESISCH ER
ALTERTÜMER
25
195
THÄTIOKEITSBERICHT FÜR DAS JAHR 1899
Den Vorstand bildeten zu Beginn des Jahres die Herren Geh. Sanitätsrat Dr. Crem pl er als
erster Vorsitzender, Geh. Kommerzienrat Dr. Websky als zweiter Vorsitzender, Kaufmann Strieboll als
Schatzmeister, Dr. Seger als Kustos der Sammlungen, Professor Dr. Mut her als Vertreter des Universitäts-
Kuratoriums, Dr. Janitsch als Direktor des Schiesischen Museums der bildenden Künste und die Herren
Professor Kühn, Oberlehrer Dr. Mertins und Stadtrat Muehl. Mit der Übernahme des Museums durch
die Stadt Breslau am 1. April 1899 erloschen die zwischen dem Verein und dem Universitäts-Kuratorium
sowie der Provinz bestehenden Verträge und es schieden damit die vertragsmässig bestellten Vertreter
beider Behörden aus dem Vorstande aus. An ihrer Stelle wurden der erste Direktor des Schiesischen
Museums für Kunstgewerbe und Altertümer Dr. Masner und der Kaiserliche Botschafter a. D. Anton
Freiherr von Saurma-Jel tsch in Brauchitschdorf vom Vorstande kooptiert. Im August legte ferner Herr
Geheimrat Dr. Websky wegen dauernder Behinderung sein Amt als Vorstandsmitglied nieder. An seiner Statt
wurde der Direktor der Viktoriaschule Professor Dr. Roehl zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
Während des ersten Quartals 1899 wurden vier Vereinssitzungen abgehalten, nämlich
am 16. Januar: Vortrag von Dr. Seger über künstlerische Bücherzeichen (Ex libris),
am 30. Januar: Die ordentliche Generalversammlung,
am 13. Februar: Vortrag von Dr. Buchwald über moderne Plakate,
am 27. Februar: Vortrag von Geheimrat Dr. Grempler über Benin und seine Bronzen.
Die Wanderversammlung fand unter grosser Beteiligung von Breslauer und auswärtigen Mitgliedern
am 18. Juni in Liegnitz statt. Die Einrichtungen waren von dem Ortsausschuss, der sich hauptsächlich
aus Mitgliedern des Liegnitzer Kunstvereins zusammensetzte, so getroffen, dass das ungemein reichhaltige
Programm trotz der Kürze der Zeit vollständig und ohne Ermüdung erledigt werden konnte. Vom Bahn-
hof begab man sich unter Führung des Herrn Königlichen Raurats Pfeiffer zunächst in das Piastenschloss,
sodann in die Piastengruft, wo Herr Geheimrat Grünhagen nach einigen historischen Erläuterungen dem
Wunsche nach einer würdigen Wiederherstellung der Gruft beredten Ausdruck gab. Von dort ging es an
den Portalen einiger alten Bürgerhäuser vorüber nach dem Rathause und nach einer kurzen Frühstücks-
pause in die Peter-Paulkirclie, deren herriiche Denkmäler von Herrn Kommerzienrat Rother und Herrn
A. Langenhan erläutert und von den Besuchern gebührend bewundert wurden. Nachdem man noch das
in der Realschule untergebrachte Altertumsmuseum besichtigt hatte, fand imi 2 Uhr in der Aula derselben
Schule die Festsitzung statt. In dieser sprachen die Herren Dr. Seger über den letzten Piasten in Kunst
und Dichtung, Landschaftssyndikus Seidel über neuere vorgeschichtliche Ausgrabungen im Kreise Liegnitz
und A. Langenhan über einen merkwürdigen Fund bei Kroitsch nahe an der Katzbach und das romanische
Taufbecken in der Peter-Paulkirche. Den Beschluss machte die Besichtigung einer aus 130 Nummern
bestehenden Ausstellung von Handzeichnungen und Aquarellen des Liegnitzer Malers Herrn Professor
Blätterbauer mit Motiven aus Liegnitz und seiner Umgebung.
Um 3Vl' Uhr vereinigte ein gemeinsames Mahl von etwa 100 Gedecken im Schiesshause Ein-
heimische und Gäste. Zahlreiche Toaste und ein humorvolles Tafellied trugen zur Erhöhung der Stim-
mung bei. Ein Kundgang durch die schönen Parkanlagen und ein Abendschoppen im Hähnel-Garten
beschloss den vom prächtigsten Wetter begünstigten genussreichen Tag.
Ausserhalb seines Thätigkeitsgebietes wurde der Verein durch seinen Vorsitzenden vertreten bei
der Hauptvcrsanunlting der Gesellschaft für Anthropologie und l'rgeschichte der Oberiausitz in Göriitz
25-
196
(23. und 24. Mai) und bei der 30. allgemeinen Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft
in Lindau (4.-7. September).
Dem korrespondierenden iWitgliede des Vereins, Fräulein Professor Johanna Mestorf in Kiel, wurde
zu ihrem 70. Geburtstage, der Societä Adriatica in Triest zur Feier ihres 25jährigen Bestehens Glück-
wunschschreiben übersandt.
Bei der Eröffnung des neuen Museums am 27. November hatte der Verein die Freude, dass sein
Vorsitzender Herr Geheimrat Dr. Grein pl er von der philosophischen Fakultät zum Doctor philosophiae h. c.
promoviert wurde. Es lag darin zugleich eine Anerkennung der wissenschaftlichen Bestrebungen " des
Vereins, die ihm gerade von dieser Seite sehr willkommen sein musste.
Die erste Vereinsversamnilung in dem neuen Gebäude fand am 7. Dezember statt. Es schloss
sich daran eine Besichtigung der Eröffnungs-Ausstellung unter Führung des 1. Direktors Herrn Dr. Masner.
Für die Sammlungen hatte der Verein in diesem Jahre nur noch bis zum 1. April zu sorgen, bis
zu welchem Tage ihre Überführung in das neue Museum und die Übergabe der Verwaltung an die Stadt
Breslau erfolgte. Der Umzug ging glatt und ohne nennenswerten Schaden vonstatten. Zurückgelassen
wurden in den alten Räumen nur die zum Verkauf bestimmten Dubletten und ausgeschiedenen Gegen-
stände hauptsächlich der Sammlung Falkenhausen. Ihre Versteigerung fand am 7., 8. und 9. Juni unter
lebhafter Beteiligung der Vereinsmitglieder statt und brachte einen Reinertrag von 10347 Mark. Auf Antrag
des Vorstandes beschloss der Magistrat, diese Summe zur Abtragung des Kaufgeldes für die Sammlung
Falkenhausen zu verwenden, so dass hierdurch die am 1. Oktober 1899, 1900 und 1901 fälligen Raten gedeckt
sind. In ähnlicher Weise wurde der Verein auch seiner auf der Münzsammlung haftenden Verpflichtungen
entledigt.
Ausgrabungen veranstaltete der Verein im April in Klein -Peterwitz, Kreis Trebnitz (Leitung:
Dr. Orempler); am 4. und 5. September in Lüssen und Beckern, Kreis Striegau (Rittmeister a. D.
von Oheimb und Dr. Seger); am 2. und 3. Oktober in Breitenau, Kreis Neumarkt (Dr. Merlins); am
7. Oktober in Paschkerwitz, Kreis Trebnitz (Dr. Grempler); am 11. und 15. Oktober in Kronenberg, Kreis
Öls (Dr. Seger); am 1. November in Gross-Qlieschwitz, Kreis Militsch (Dr. Orempler) und während des
ganzen Monats Oktober in Gross-Tschansch, Kreis Breslau (Dr. Mertins und Dr. Seger). Die zuletzt
genannte Ausgrabung veranlasste den Vorstand, zur rascheren Beförderung der Funde ins Museum ein
Gepäckdreirad anzuschaffen, das sich bei dieser und ähnlichen Gelegenheiten vorzüglich bewährt hat. Die
zum Teil recht wertvollen Ergebnisse dieser Ausgrabungen wurden von den Grundbesitzern freundlichst zur
Verfügung gestellt und der Museumssammlung einverleibt.
Im Auftrage des Vorstands fertigte Herr Bildhauer Kiesewalter von den vielbesprochenen Stein-
skulpturen am Zobten (vergl. S. 133) verkleinerte Nachbildungen an, zu welchem Zwecke er sich längere
Zeit an Ort und Stelle aufhielt. Die Nachbildungen sind ausserordentlich treu und geben eine gute Grund-
lage für die Beurteilung dieser interessanten Denkmäler des frühen Mittelalters.
Von der Zeitschrift des Vereins wurde das Schlussheft des VII. Bandes (Nr. 4) mit Registern für
alle bisherigen Bände herausgegeben. In Schriftenaustausch trat der Verein mit der Gesellschaft von
Freunden böhmischer Altertümer in Prag.
Zum korrespondierenden Mitglied wurde Sir John Evans in London ernannt.
Von Mitgliedern starben Landesältester von Rosenthal auf Brynneck, Seine Exzellenz Wladimir
Graf Dzieduszycki in Lemberg, Sanitätsrat Dr. Sauer in Breslau und Rittergutsbesitzer Dr. von Hell-
mann auf Dal kau.
Es schieden ferner aus 24 Mitglieder, so dass der Abgang insgesamt 28 betrug. Demgegenüber
stehen 44 Neuaufnahmen. Der Mitgliederbestand hob sich infolgedessen wieder auf 740. Hiervon haben
ihren Wohnsitz in Breslau 397, in der Provinz 269 iiiul ausserhalb der Provinz 74.
Die Finanzlage des Vereins blieb während des ersten Quartals unverändert. Vom 1. April an
fielen die Zuschüsse der Behörden weg. Nur die Stadt Breslau gewährte tlem Verein weiterhin eine Bei-
hilfe von 1000 Mark. Andererseits hatte der Verein von dem angegebenen Zeitpmikte an keine Aufwen-
dungen mehr für die Verwaltung des Museums zu machen. Mit Rücksicht auf diese Verschiedenheit der
Verhältnisse ist der Rechnungsabschluss in zwei getrennten Abschnitten aufgestellt.
ig?
Rechnungs-Abschluss vom I. Januar bis 31. März 1899
1899 Mk.
Januar 1. Bestand -Vortrag 3536,27
Tit.
C.
D.
E.
F.
O.
Einnahme
Beiträge von Mitgliedern . . . .
Zuschüsse von Behörden:
a. der Provinz Schlesien 1 500, —
b. der Stadt Breslau . . 750,—
Eintrittsgelder
Drucksachen -Verkauf
Vergütigungen ii. Rückerstattungen
Zinsen
Insgemein
4000,-
2250,—
57,15
539,91
Summa ^\k. 10383,33
April 1. Bestand -Vortrag 7597,07
Breslau, den 22. Januar 1900
Ausgabe
Tit. 1. Gehälter und Remunerationen . .
, II. Verwaltungskosten
, III. Verlagskosten
, IV. Erhaltung und Schutz derSammlungen
, V. Vermehrung der Sammlungen . .
, VI. Insgemein
Mk.
147,25
246,28
162,15
1 238,08
952,50
40,-
2786,26
Bestand am 31. März 1899
1 Stück 3ö;'o Schles. Pfandbrief Litt. A
Serie I No. 17548 nominell . . 3000,—
Bankguthaben 3363,95
Barer Bestand der Museums-Hilfs-
kasse 60, —
Barer Kassenbestand 1173,12
7597,07
Summa A\k. 103S3.33
G. Strieboll
Schatzmeister
Rechnungs-Abschluss vom 1. April bis 31. Dezember 1899
1899 Mk.
April 1. Bestand -Vortrag 7 597,07
Einnahme
Beiträge von Mitgliedern .... 679,—
Zuschuss der Stadt Breslau ... 1 000, —
Drucks.ichen -Verkauf 37,20
Zinsen 225,20
Insgemein 25,35
Tit
A.
»»
B.
»>
C.
?i
D.
„
E.
1900
Summa Mk. 9 d()3,S2
Januar 1. Bestand -Vortrag 6 706,94
Breslau, den 22. Januar 1900
Tit. I.
„ II.
„ III.
„ IV.
Ausgabe Mk.
Vervvaltungskosten 1 007,52
Verlagskosten 1 390,25
Ausgrabungen 223,93
Ankäufe für die Sammlungen und
Restaurierung 229,90
V. Insgemein 5,2S
2 856,88
Bestand am 31. Dezember 1899
1 Stück 3«/o Schles. Pfandbrief Litt. A
Serie I No. 17548 nominell . . 3 000,—
Bankguthaben 3 199,15
Barer Bestand der Museums-Hilfs-
kasse 60, —
Barer Kassenbestand . . . . . 447.79 6 706.94
Summa A\k. 9 563,82
G. Strieboll
Schatzmeister
198
THÄTIGKEITSBERICHT FÜR DAS JAHR 1900
L)ie durch die Errichtung des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer geschaffenen
Verhältnisse machten für den Verein eine Änderung seiner Satzungen notwendig. Sie wurde nacii einem
vom Vorstande vorgelegten Entwurf durch die ordentliche Generalversammlung vom 29. Januar 1900
beschlossen und erhielt unter dem 13. Juni die behördliche Genehmigung. Die Änderungen sind grössten-
teils formaler Art, lassen aber den Zweck des Vereins und seine Organisation im wesentlichen unberührt.
In derselben Generalversammlung wurde dem Vorstand für seine Thätigkeit Entlastung erteilt und
seine Wiederwahl vollzogen. Einen schmerzlichen Verlust erfuhr der Verein durch den am 28. April
erfolgten Tod des Wirklichen Geheimen Rats und Kaiserlichen Botschafters z. D. Anton Freiherrn v. Saurma-
Jeltsch in Brauchitschdorf, der in der nur zu kurzen Zeit seiner Wirksamkeit als Vorstandsmitglied mannig-
fache Beweise seiner Liebe zum Museum abgelegt hatte. An seiner Stelle wurde der Königliche Kammer-
herr und Rittmeister a. D. Diepold von Köckritz auf Mondschütz vom Vorstande kooptiert.
In den Winterversammlungen wurden folgende Vorträge gehalten:
am 15. Januar von Herrn Hugo Möller: Der diluviale Mensch in Deutschland;
am 12. Februar von Herrn Direktor Dr. Seger: Die Entstehung des Museums schlesischer
Altertümer;
am 26. Februar von Herrn Professor Dr. Roehl: Siegel und Wappen der Stadt Breslau;
am 12. März von Herrn Oberstabsarzt Dr. Kiese Walter: Die Steinaltertümer auf dem Zobten;
am 26. März von Herrn Direktor Dr. Masner: Schlesische Fayencen des 16. und 17. Jahrhunderts;
am 5. November von Herrn Professor Dr. Schulte aus Glatz: Das Glatzer Madonnenbild
von 1350, seine Geschichte und seine Bedeutung;
am 19. November von Herrn Dr. Buchwald: Bilder aus Alt-Breslau;
am 3. Dezember von Herrn Dr. Postler aus Rankau: Vorgeschichtliche Funde ans der
Umgegend von Rankau, Kreis Nimptsch.
Seine Wanderversammlung hielt der Verein diesmal gemeinsam mit dem Verein für Geschichte und
Altertum Schlesiens am 17. Juni in Wohlan ab. Auf der Hinfahrt wurde in Dyhernfurth Station gemacht, wo auf
die freundliche Einladung des Herrn Grafen Saurma-Jeltsch der schöne und an historischen Erinnerungen
reiche Park und das durch seine prächtige altfranzösische Einrichtung ausgezeichnete Schloss besichtigt
wurden. In Wohlau wurden die Ausflügler von dem Ortsausschuss mit Landrat Dr. von Engelmann,
Bürgermeister Miniietz und Amtsgerichtsrat Reiniann an der Spitze begrüsst. Ein Rundgang durch die
Stadt gab Gelegenheit, die Kirchen und das ehemalige Herzogsschloss kennen zu lernen. Um 1 Uhr begann
in der Aula des Gymnasiums die Festsitzung, der ausser den Mitgliedern der beiden Vereine auch viele
Wohlauer Herren und Damen beiwohnten. Sie wurde nach einigen herzlichen Begrüssungsworten des
Direktors Professor Dr. Reinhardt von dem 2. Vorsitzenden des Geschichtsvereins Professor Dr. Markgraf
eröffnet und geleitet. Sodann sprach Direktor Dr. Seger über urgeschichtliche Funde aus Wohlau und
seiner Umgebung, wobei insbesondere eines grossen Goldfundes aus der Bronzezeit gedacht wurde, dessen
traurige Reste der Vortragende kurz vorher für das Museum gerettet hatte. Professor Dr. Krebs schilderte
den zehnjährigen Zeitraum 1654—64, während dessen Wohlau ein selbständiges Fürstentum gebildet hatte,
und den Lebensgang seines Regenten, des Herzogs Christian. Pastor prim. Meissner endlich gab einen
Überblick über die Schicksale der ev. Pfarrkirche ad S. Laurentium.
Während der Mittagstafel, die trotz des unsicheren Wetters im Schiesshausgarten abgehalten werden
konnte, wurden Begrüssungstelegramme an die leider durch Krankheit ferngehaltenen Vorsitzenden Geh.
Sanitätsrat Dr. Grempler und Geh. Archivrat Professor Dr. Grün hagen geschickt. Nach Tische bestiegen
Einheimische und Gäste die von den Besitzern der Umgegend freundlichst zur Verfügung gestellten Wagen
und fuhren durch herrlichen Wald nach Mondschütz, dem Besitze des Kammerherrn von Köckritz. Hier
fesselte zunächst das malerische Dorfkirchlein, ein wahres Schmuckkästchen ans der Wende des 16. Jahr-
hunderts, die Aufmerksamkeit der Besucher. Nicht minder wurde das alte Schloss mit seinem stattlichen
Renaissanceportal und seinen gewölbten Stuckdecken bewundert. Einstimmig wurde erklärt, dass der
Besuch von Mondschütz den Glanzpunkt des in jeder Hinsicht gelungenen Ausfluges gebildet habe.
1Q9
Unter den vom Verein veranstalteten Ausgrabungen nahmen die von Gross-Tschansch an Ausdehnung
und Bedeutung auch diesmal die erste Stelle ein. Sie begannen am 15. iV^ärz und wurden am 29. März
zum vorläufigen Abschluss gebracht. Ausserdem fanden Ausgrabungen statt am 25. April in Gross-Carlo-
witz, Kreis Grottkau (Leitung: Landrichter Dr. Dittrich und Reg.-Assessor Dau aus Neisse), am 7. 8. Mai
und 3. Oktober in Hünern, Kreis Trebnitz, am 3. August in Trebnig, Kreis Nimptsch und zu verschiedenen
Zeiten des Jahres in Klein-Tinz und Domslau, Kreis Breslau.
Das im Auffrage des Vereins von F. Friedensburg und H. Seger bearbeitete neue Verzeichnis
der Schlesischen Münzen und Medaillen, zugleich Katalog der Münzsammlung des Museums, wurde
in diesem Jahre nahezu vollendet. Es umfasst ca. 18 Bogen in Oross-Folio und 50 Lichtdrucktafeln und
dürfte an Vollständigkeit und Übersichtlichkeit von keinem ähnlichen Werke übertroffen werden. Bei ihrer
überaus mühevollen und langwierigen Arbeit hatten sich die Verfasser fortgesetzt der Unterstützung des
Herrn O. Strieboll zu erfreuen, dem hierfür auch an dieser Stelle ausdrücklich gedankt sei.
Zu den sehr bedeutenden Kosten dieser Publikation ist dem Verein vom Provinzial-Ausschuss ein
einmaliger Beitrag von 500 Mark bewilligt worden.
Die Zeitschrift des Vereins erscheint mit dem vorliegenden Bande in einem neuen stattlicheren
und reicheren Gewände. Begründet ist dies erstens darin, dass der Verein nach Abgabe der Museums-
verwaltung an und für sich reichere Mittel für seine Veröffentlichungen zur Verfügung hat, und zweitens
darin, dass die Zeitschrift von jetzt an gemeinsam mit dem Jahrbuch des Schlesischen AUiseums für Kunst-
gewerbe und Altertümer herausgegeben wird. Die von der Stadt Breslau für das Jahrbuch bewilligten
Mittel kommen auf diese Weise zugleich der Vereinszeitschrift zu gute. Aus allen diesen Gründen erschien
es zweckmässig, mit dem neuen Bande zugleich eine neue Folge zu eröffnen.
Ausser dieser indirekten Beihilfe gewährten die städtischen Behörden dem Verein auch in diesem
Jahre einen Zuschuss von 1000 Mark, welcher Betrag von jetzt ab in den städtischen Etat eingestellt
werden wird.
Im Mitgliederbestande traten folgende Veränderungen ein:
Es starben Geh. Regierungsrat Kari Hübner, Stadtrat Anton Hübner und Weihbischof Dr. Gleich
in Breslau, Wirkl. Geh. Rat Anton Freiherr von Saurma-Jeltsch in Brauchitschdorf, Pfarrer Laschinsky
in Würben, Fürstbischöflicher Konsistorialrat Habel, Professor Dr. Friedlieb, Landeshauptmann
von Roeder, Direktor Stechmann und Geh. Bergrat Meitzen in Breslau.
Es schieden ferner 24, im ganzen also 34 Mitglieder aus, während 28 eintraten, so dass der Bestand
am Ende des Jahres 734 betrug. Hiervon wohnen in Breslau 373, in Schlesien 285 und ausserhalb
Schlesiens 7ö.
Rechnungs-Abschluss vom 1.
1900 Mk.
Januar 1. Bestand-Vortrag 6 706,04
Einnahme
Tit. A. Beiträge von Mitgliedern ... 4 625, —
„ B. Zuschüsse von Beliördeii :
a. der Provinz Schlesien 500,—
b. „ Stadt Breslau . 1 000,— 1 500,-
„ C. Drucksachenverkauf 138,71
„ D. Zinsen 259,85
„ E. Insgemein 2,—
1001 Summa Mk. 13 232.50
Jamiar 1. Bestand- Vortrag 7 434 74
Januar bis 31. Dezember 1900
Ausgabe
Tit. 1. Verwaltungskosten
„ II. Verlagskosten 4
„ III. Ausgrabungen
„ IV. Ankäufe
„ V. Unvorhergesehene Ausgaben . .
Bestand am 31. Dezember 1900
Effektenbestand nom 3 0(X),
Bankguthaben 3 869,—
Barer Bestand der Museums-
Hilfskasse 60,—
Barer Kassenbestand .... 505,74 7
Summa iWk. 13
Mk.
740,66
857,70
125,95
32,90
40,55
434,74
232,50
BERICHTIGUNGEN
Auf Seite lOS Zeile 11 lies Figdor statt Fidgor.
Auf Seite 124 sind die Unterschriften unter den Abbildungen der zwei Schüsseln zu vertauschen.
Auf Seite 164 Zeile 13 lies Baro statt Bars.
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