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SCHMIDTS
JAHRBÜCHER
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DER
m - UND AUSLÄNDISCHEN
^ESAMMTEN MEDIGIN.
REDIGIRT
VON
Prof. Dr. ADOLF WINTER
HITNDERT EINUNDNEUNZIGSTER BAND.
LEIPZIG, 188L
VERLAQ VON OTTO WIGAND.
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E. H. B.
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In- und aoslän
ammteD Medicin.
Bd. 191.
1881.
M 1.
A. Auszüge.
I. Medicinische Physik , Chemie und Botaniic.
299. Neuere Untersuchungen über Fäul-
nin und deren Produkte, zusammengestellt von
Dr. R.Kobert zu Strassbarg.
Wir beginnen unsere Zusammenstellung; welche
ils Fortaetzang zweier früheren zu betrachten ist
(Tgl. Jahrbb. CLXXXVL p. 123 u. CLXXXIX.
p. 219) mit einer kurzen Besprechung der ausftthr-
fichen Monographie der Pythologie von Dr. A. Hil-
ler*).
In diesem, namentlich auch hinsichtlich der Lite-
ntorflbersicht sehr empfehlenswerthen Buche wei'den
5 Omppen ftulnissfthiger thierischer Verbindungen
onterschieden : 1) die Eiweisskörper, 2) die leim"
gebenden Svhetanzen , 3) die Albuminoide oder
eiwemartigen Substameny 4) dx'b Afnideubatamen^
5) ^e »tiekaioffhalägen organischen Säuren. Im
Pflanzenreiche kommen noch viele andere fäulniss-
fiüiige Stoffe vor, als Celluloae, Stärke, Zucker,
Oommi, Dextrin, Fette, Oele, Harze, Pflanzen-
daren etc. Diese Stoffe verfallen bald der F&ulniss,
kdd der Gfthrung.
Hlasiwetz und Habermann (1871) haben
gezeigt, dass Gährung und Fäulniss sehr nahe ver-
wandt sind, indem sowohl die Tendenz und Art der
ZerlegODg bei beiden, als auch die dabei auftre-
tenden Produkte eme auffallende Uebereinstimmung
leigen. Da, wo beide von einander differiren, han-
delt es soßh um Unterschiede, welche nicht wesent-
lieber Natur sind, sondern nur in der Verschieden -
lieit der Stoffe ihren Grund haben, welche in beiden
Reihen von Processen der Zersetzung unterliegen.
0 Die Lehre von der Fäulniss.
ffirschwald. 8. 547 8. 14 Mk.
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 1.
Berlin 1879. Ang.
Will man die bisher aufgefundenen Produkte der
Fäulniss hinsichtlich ihrer chemischen Zusammen-
setzung etwas genauer rubriciren, so kann man,
wenn man auf die aromatischen Fäulnissprodukte
keine besondere Rficksicht nimmt, folgende 5 Grup-
pen derselben unterscheiden.
In die 1. Gruppe, Peptone und andere eiweiss^
artige Körper, rechnet Hiller 1) die eigentlichen
Peptone ; 2) die Globuline , deren Entstehung bei
der Fäulniss von Hoppe-Seyler nachgewiesen
worden ist; 3) das von Panum 1859 entdeckte
extraktföi-mige putride Gift (vgl. Jahrbb. CLXXXVL
p. 124), welches sich in faulem Fleisch, Blut und
Eiter findet; 4) ein von Hill er 1875 entdecktes,
aber leider nicht chemisch rein dargestelltes Fer-
ment, welches ebenfalls in faulem Fleische enthalten
ist. Wir wissen von diesem Fermente nur, dass es
eine wohl charakterlsirte Krankheit mit tödtlichem
Verlauf an lebenden Wesen zu erzeugen vermag.
In die 2. Gruppe, die der stickstoffhaltigen Ba-
sen, gehören zunächst a) das Leucin und b) das Ty-
rosin. Diese beiden Fäulnissprodukte scheinen keine
giftigen Eigenschaften zu besitzen, wenigstens haben
Panum und Billroth, welche mit diesen Stoffen
an Hunden experimentirten , selbst bei Anwendung
verhältniBsmässig grosser Dosen so gut wie gar keine
schädliche Wirkung von ihnen gesehen. Auch scheint
der Umstand, dass Leucin und T^i'osin bisweilen im
gesunden menschlichen Körper gefunden werden,
sowie dass im Käse oft enorme Mengen von Tyrosin
wiederholentlich genossen werden , fbr die relative
Ungefilhrlichkeit der genannten 2 Substanzen zu
sprechen, c) Das von Schmiedeberg u. Berg-
mann 1868 entdeckte, später aber nie wieder dar-
gestellte Sepsin, das Prototyp aller Ptonuune. d) Ein
1
L Medidnische Physik, Chemie n. Botanik*
von Zülzer nnd Sonnenschein 1869 darge-
stelltes Ptomain y welches in Fleischaafgttssen nach
5 — 8 Wochen sich bildet« Es bewirkt ähnlich wie
Atropin Erweitening der Papillen, Lähmung der
Dannmuskulatar und Steigerang der Herzthltigkeit.
e) Ein von Panum aus faalem Fleisch dargestell-
tes narkotisches Ptomain. Ein damit inficirter Hund
schlief 24 Standen lang ononterbrochen , war aber
dann wieder ganz normal.
Die 3. Gruppe, die der Amine, umfasst 1) das
Methylamin, 2) das Aethylamin, 3) das Propyl-
amin, 4) das Caprolamin, sowie einige andere
weniger wichtige. Das Propylamin (Ca H9 N) oder
Trimethylamin ([CHsJaN) verieiht der Herings-
lake ihren charakteristischen Geruch ; in der Medicin
ist es eine Zeit lang als schweisstreibendes Mittel,
namentlich bei akutem Gelenkrheumatismus, ange-
wandt worden. Es wirkt erst in sehr grossen Dosen
giftig.
In die 4. Gruppe, die der organischen fetten
Säuren, gehören die Ameisensäare, die Essigsäure,
die Propionsäure, die Buttersäure, die Baldriansäure,
die Capronsäure, die Caprylsäure, die Palmitinsäure,
die Stearinsäure und mehrere andere. Diese Säuren
treten nicht immer als freie fette Säuren auf, son-
dern sind oft mit Resten des Ammoniak zu sogen.
Amidosäm'cn (z. B. Amidoessigsäure, Amidobutter-
säure etc.) verbunden; auch kommen salzai*tige Ver-
bindungen derselben mit Ammoniak vor (z. B. but-
tersaures, baldrians. u. caprons. Ammoniak), welche
sämmtlich flüchtig und sehr übebiechend sind. An
die fetten Säuren schliessen sich noch einige andere
Säuren, welche aber in andere nahe verwandte Rei-
hen gehören, so die Oelsäure, die Milchsäure, die
Fleischmilchsäure, die Glykolsäure, die Leucmsäure,
das Hydrat der Kohlensäure, die Oxalsäure und die
Bemsteinsäure.
Zu der 5. Gruppe, d. h. zu der der anorgani-
schen Endprodukte, gehören die durch Fäulniss
nicht weiter zerlegbaren Salze der Metalle, Alka-
lien und alkalischen Erden, femer das Wasser,
sowie die 4 Gase Sauerstoff, fTöWÄ^rsio/', Ammo-
fdak u. Schwefelwasserstoff, Von den Salzen sind
solche der Kohlensäure, Phosphorsäure, Schwefel-
säure, schwefligen Säure, Salpetersäm'e, der salpetri-
gen Säure und des Chlor zu nennen , verbunden mit
Eodi, Natron, Kalk, Magnesia etc.
Beim Vermodern der Pflanzen bildet sich noch
eine Reihe besonderer Körper, die man in eine
6. Gruppe zusammen fassen kann und die man als
primäre oder sekundäre Umwandlungsprodukte
der Cellulose deuten muss. Als besonders wichtig
seien hier genannt die Ulminsäure, die Huminsäure,
Gäinsäure, die Quellsänre und die Quellsatzsäure.
Sie finden sich in reichlicher Menge in den soge-
nannten sauren Böden, z. B. im Torfboden. Sie
sind grösstentheils als in Wasser unlösliche Verbin-
dungen vorhanden und bedingen dadurch die er-
fahrangsgemässe Unfruchtbarkeit eines solchen Bo-
dens. Ausser diesen Säuren hat man noch 2 basische
Körper in humusreicher Erde gefunden , das Ulmin
und das Humin , die wahrscheinlich durch Wasser-
ausscheidung aus der Ulminsäure und Huminsäure
hervorgehen sollen. Von den bei der Zersetzung
der Cellulose unter Luftabschluss entstehenden Fäul-
nissprodukten kennen wir nur das Sumpfgas als
besonderen, noch unerwähnten Körper. Dasselbe
ist nicht giftig. Als wahrscheinliche Cellulosederivate,
welche im Erdinnem durch langsame nicht näher
bekannte Umwandlung entstanden sind, sind endlich
noch das Naphtaöl und das Petroleum zu nennen.
Wir müssen uns des Raumes halber auf vor-
stehende Mittheilungen über den Inhalt des H i 1 1 e r ' -
sehen Buches beschränken, indem wir dasselbe noch-
mals unsem Lesern zur Lektüre dringend empfehlen.
Zu den oben genannten stickstoffhaltigen alka-
loidartigen Basen des Thierkörpers ist in den letzten
Jahren eine neue, eventuell sogar im normalen
lebenden Körper vorkommende hinzugefügt worden.
Der Entdecker derselben, Ph. Schreiner *), hat
seine hochinteressante Arbeit, welche er bereits 1878
zu veröffentlichen angefangen hat , leider bis jetzt
anvollendet gelassen. Dieselbe darf aus dem ein-
fachen Grunde trotzdem hier nicht übergangen wer-
den, weil es natürlich beim Aufsuchen von Aika-
loiden in Leichen von höchster Wichtigkeit ist, zu
wissen , dass bereits vor dem Tode ein solches im
Organismus sich bilden, ja sogar in KrystaUen
auftreten kann.
Charcot and Robin lieferten 1853 die erste Mit-
theilaog über Krystalie , welche sie bei Leukämie in der
mix gesehen haben wollten. Förster» der sie von
1864 — 1859 einmal im Auswarfe eines an vorabergehen-
der Bronchitis leidenden Mannes , dann in einer Schldm"
gewebsgeschtoulsl des Opticus u. im eingedickten Schleime
eines erweiterten Gallenganges fand, constatirte ihre
Unloslichkeit in Aether und kam zu der Meinnng , dass
sie aus einer dem Schleim zugehörigen organischen Sub-
stanz bestehen. Harting (1859) sah diese Krystalie in
den Spatis bei chronischer Bronchitis , fand , dass sie in
Wasser, Alkohol und Aether unlöslich, in Essigsänre,
Salzsäure und Salpetersäure löslich sind, und glaubte sie
als Phosphors. Kaik abbilden und bezeichnen zu dürfen.
Im J. 1860 wurden sie von Charcot und Vulpian iip
leukämischen Blute von verschiedenen Korperstellen eines
58jähr. Weibes angetroffen , und zwar waren sie in den
ersten 24 Std. nach dem Tode noch nicht nachweisbar,
wurden aber in den folgenden Tagen immer reichlicher.
Die genannten Autoren fanden sie brüchig, in kaltem
Wasser, in Alkohol, Aether, Chloroform, Glycerin , wäs-
serigem nnd alkoholischem Jod unlöslich, löslich dagegen
in warmem Wasser, in Essigsäure, Weinsteinsäure, Milch-
säure, Schwefelsäure, Salzsäure , sowie in Losungen von
Kali, Natron und Ammoniak. Die Substanz schien allem
Anschein nach organischer Natur zu sein. Dieselben
Krystalie hatte übrigens Charcot auch 1856 im Aus-
wurfe eines Emphysematikers gefunden. Im J. 1861
bezeichnete sie White als Leucosin und behslnptete,
diese Substanz komme in jedem Falle von Leukämie vor.
Im J. 1862 sah Wagner die Krystalie xmPfortaderhMe
eines 25jähr. anämischen Weibes, das bald nach der
Entbindung ohne vorausgegangene akute Krankheit plötz-
lich gestorben war. Er bestätigte ihre Brüchigkeit, ihre
Löslichkeit in Essigsäure u. Salzsäure, sowie ihre Un-
loslichkeit in kaltem Wasser, in Aether und Glycerin.
■.■?
■ ■*
■^
0 Annalen der Chemie CXCIV. 1878. p. 68.
I. Hedicinijsche Physik, Chemie u. Botanik.
Inj. 1864 lieferte Friedreich gnte Abbildangen der
Bsmlichen Krystalle , erklärte eie für identisch mit den
von Förster abgebildeten, bezeichnete sie aber als
l^roaiiilarjBtalle. Er sah sie in expektorirten fibrinösen
AniaeUa/yarmrue^n einer 42Jäbr. Patientin. In demselben
Use erklärte auch Hupp er t (vgl. Jahrbb. GXXIV.
9. 147), dasfl diese Krystalle in leukämischem Blate kei-
selten seien.
Böttcher veröffentlichte 1865 eine wenig beachtete,
' wichtige Arbeit über farblose Krystalle , welche
seineii Beobachtangen sich in besonders reichlicher
Menge im menschUehen Sperma, nnd zwar im Plasma
desKlben beim Eintroeknen bilden. In einem Nachtrage
fteltte er sodann noch mit, dass er dieselben eiweiss-
vtigen Krystalle anch an der Oberfläche verschiedener
itterer pathologisch anatomischer Präparate anfgeftmden,
sowie aocii ans Hfihnereiweiss dargestellt habe. Die
Uebereinstimmnng der von Böttcher gelieferten sehr
Bdtöaen Abbildungen mit denen von Förster, Har-
tiig n. Friedreich lässt auf die Identität der anch in
ikran Reaktionen fibereinstimmenden Gebilde mit Sicher-
heit schliessen. Robin erklärte später diese Bött-
eker'schen Krystalle fnr phosphors. Bfagnesia, Kfihne
(ir Vitellin u. Hoppe-Seyler bringt sie in Znsammen-
hsqg mit den Dotterplättchen nnd den Aleuronkrystallen
vieler Pflanzen. Weitere direkte Beobachtungen liegen
TOT von Neu mann, der 1866 diese Krystalle in dem
iff Leiche entnonunenen Blute eines UukämischenyüLnnea
tod. Die Krystallbildung begann in diesem Falle be-
vta mehrere Stunden nach der Obduktion und nahm im
jjrtfeder näebsten Tage in der Art zu, dass sie in jedem
fihMiopfeii in grosser Menge zu finden waren. Im J.
IM wurde dieser Krystalle auch vonEberth bei der
fieeeiureibnng eines Falles von Leukämie Erwähnung ge-
Itaa und 1869 eonstatirte N e u m a n n denselben Befund
B lenkimisohen und im normalen Knochenmarke bei fast
alten Leichen einige Tage nach dem Tode. In zahl-
Riehen Fällen von Asthma bronchiale wurden diese Kry-
rtdle 187ä als Bestandtheile des Auswurfs von Leyden
beobachtet und als charakteristisoh für diese Krankheits-
tem erklärt. 8 a 1 k o w s k i , der Proben solcher Sputa
■Btersuehte , sprach die Vermuthung aus, dass es sich
dabei nm eine krystallisirte mucinähnliche Substanz
handele.
Zahn fand 1875 bei Untersuchungen über Throm-
tee bei einem Frosche, dem Quecksilber in das Herz
in^cirt war nnd der 16 Std. nachher getödtet wurde , in
den sofort untersuchten Thrombusmassen zahlreiche farb-
lose Krystalle , die während der Beobachtung auch noch
ans dem Plasma des übrigen , noch flüssigen Blntes sich
badeten und der Form und Reaktion nach auffallend mit
ta von Brondgeest (1870) im Blute erfrorener
FrScehe auijKeftindenen übereinstimmten . Brondgeest
I ted seine Krystalle unlöslich in Wasser und Aether,
I Mleh dagegen in verdünnten Säuren und Alkalien sowie
I ■ 5proc. Kochsabldsung (?) und äussert die Ansicht,
I dass die Krystalle aus einem aus dem Plasma stammen-
i ien Eiweisskörper bestehen. Salkowski, dem die
m Zahn 'sehen Kiystalle gezeigt wurden, hielt sie für iden-
■ teh mit den von Leyden beschriebenen. Im J. 1876
W ted aoohLanenstein die Krystalle bei Leukämie im
iaoehenmarke und in den Mesenterialdrüsen in reich-
fidier Menge. An die Lauenstein 'sehe Mittheilung
ichloes Zenker eine zusammenfassende Abhandlung
iber die C ha r cot 'scheu Krystalle an. Seine ersten
eigenen Beobaehtnngen in dieser Hiosicht datiren aus den
lihren 1851 und 1852 nnd betreflTen exquisite FäHe von
Lenkämie und Asthma bronchiale. Während seine Ab-
^»Hlnng bezüglich der chemischen Natur dieser „kleinen
BSeewiehter" mit einem Non liquet schloss, glaubte
Haber 1877 dieselben wie Fried reich unzweifelhaft
zb Tyrostn deuten zu dürfen.
Sehreiner benutzte zur Isolirung der Krystalle
tfaie geringe Löslichkeit in kaltem Wasser. Weiden
nämlich, wie schon Böttcher gefunden, auf Kleidungs-
stücken eingetrocknete Spermaflecke mit kaltem Wasser
angefeuchtet, so quillt die eiweissartige Substanz der
Samenflüssigkeit zunächst stark auf, während die vor-
handenen Krystalle erhalten bleiben. Wird die betreff
fende Stelle dann mit mehr kaltem Wasser ausgewaschen
und die Flüssigkeit in ein Spitzglas gebracht, so sinken
die Krystalle mehr oder weniger zerbrochen bald zu
Boden und die überstehende trübe Flüssigkeit kann ab-
gehoben und mehrmals durch frisches Wasser ersetzt
werden. Die so erhaltenen Krystalle lösten sich inheissem
Wasser auf und schieden sich aus dieser Lösung beim
Eindampfen und Erkalten in denselben, aber kleineren
Formen wieder aus. In ähnlicher Weise gelang Schrei-
ner die Isolirung der Krjrstalle, welche Böttcher an
der Oberfläche alter anatomischer Präparate aufgefunden
hatte, und zwar aus Kalbsleber, Kalbsherz u. Stierhoden.
Sie waren mit den vom Menschen gewonnenen ganz iden-
tisch und stellten gewölbtflächige Combinationen pris-
matischer mit pyramidalen Formen vor, wie sie z. B. am
Oyps häufig sind. Beim Umkrystallisiren gruppirten sich
die Krystalle sehr häufig zu den schon von Böttcher
beschriebenen und abgebildeten Kreuzen und Rosetten.
Die sämmtUchen Krystalle hatten folgende Eigenschaften :
sie waren leicht brüchig , vollkommen durchsichtig, farb-
los, unlöslich in Alkohol , Aether, Chloroform, Kochsalz-
lösung, wässeriger und alkohol. Jodlösung, nahezu unlös-
lich in kaltem , schwer löslich in heissem Wasser , leicht
löslich dagegen in verdünnten Säuren , sowie kaustischen
nnd kohlensauren Alkalien. Beim Erhitzen auf 100^ G.
verloren sie 3 Moleküle Krystallwasser. Der Zusammen-
setzung nach erwiesen sie sich als das phosphorsaure
Salz einer organischen Basis, der die Formel C^H^N zu-
kommt. Zur Darstellung derselben aus beliebigen Ge-
webstheilen oder Lösungen, z.B. aus leukämischem Blute
verföhrt man am besten in folgender Weise :
Die frischen oder cadaverösen Substanzen werden in
kleine Stücke zerschnitten, in Wasser unter Zusatz von
wenig Essigsäure gekocht, nach dem Kochen filtrirt und
das Filtrat, welches das phosphors. Salz gelöst enthält,
wird mit Bleiessig unter Vermeidung eines zu grossen
Ueberschusses gefallt, dann das Filtrat des Bleiessig-
niederschlags mit Schwefelwasserstoff entbleit und zur
Verjagung des Schwefelwasserstoffs erwärmt und endlich
daraus mit Phosphorwolframsäure die Basis niedergeschla-
gen. Der Niederschlag wird zunächst durch Decantation,
dann auf dem Filter mit Wasser, dem einige Tropfen
Schwefelsäure zugesetzt werden, ausgewaschen u. darauf
mit Barytwasser in der Wärme zersetzt. Aus dem Fil-
trate desphosphorwolfVams. Baryt entfernt man den über-
schüssigen Aetzbaryt mit Kohlensäure, filtrirt, dampft
auf dem Wasserbade ein und erhält so die gesuchte Basis,
bez. gemischt mit andern Basen, gebunden an Kohlen-
säure. Bei der stark ausgesprochenen Tendenz des phos-
phors. Salzes zum Krystallisiren und bei der geringen
Löslichkeit dieses Salzes in kaltem Wasser bietet sodann
eine allenfalls nothwendige weitere Isolirung und Rein-
darstellung keine Schwierigkeit, wofern man nur beachtet,
dass die Ausscheidung des phosphors. Salzes schon durch
Anwesenheit ganz geringer Mengen von freien Säuren
oder Alkalien unmöglich gemacht wird. Ausser dem
phosphors. Salze giebt es auch ein salzs. Salz, sowie ein
Platin- nnd Golddoppelsalz.
Als letzteres zum Zweck einer Analyse mit
Magnesiam behandelt wurde, trat bald ganz intensiv
ein Geruch nach frischem menschlichen Sperma auf,
eine Thatsache, welche später noch oft constatirt
wnrde. Der charakterütische Geruch des frischen
menschlichen Sperma ist demnach bedingt durch
ein Derivat der neuen Base , während diese selbst
gerachlos ist. Dieser Spermagerach entsteht auch
manchmal bei Sputis, welche die Basis enthalten.
I. Medicinische Physik^ Chemie n. Botanik.
Prof. Th. Husemann^) hat seine Mittheilnn-
gen iXheTäiePtomame, auf welche wir frtther schon
aufmerksam gemacht haben, fortgesetzt Wir ent-
nehmen denselben folgende interessante Thatsachen.
In Italien sind neaerdings 2 Giftmordprocesse
vorgekommen, in denen Ptomaine eine Rolle spielten.
Der am meisten besprochene Fall ist der dnrch den
Tod des Generals Gibbone herbeigeführte Criminal-
process , in welchem der Bediente des Verstorbenen
einer mit Delphinin oder einer delphininhaltigen
Substanz bewirkten Vergiftung geziehen wurde, weil
die Sachverständigen aus den Eingeweiden des Ver-
storbenen das fragliche Alkaloid — oder, da das
Delphinin ein Gemisch von Substanzen ist, das als
Delphinin bezeichnete Gemenge von Pflanzenbasen
— isolirt hatten. Prof. Franc. Selmi, dem zum
Glück ein Superarbitrium übertragen wurde, wies
jedoch überzeugend nach, dass das vermeintliche
Delphinin mit grösster Wahrscheinlichkeit ein Pto-
main war.
Indem Selmi nach neuen Reaktionen des Del"
phinin forschte, fand er, dass dasselbe in Aether ge-
löst und mit einer frischen ätherischen Lösung von
neutralem Platinchlorid versetzt, eine flockige weiss-
liche Fällung giebt , die in einem gleichen Volumen
absoluten Alkohols sich nicht löst. Weiter ermittelte
er , dass das Delphinin auch mit Goldnatriumhypo-
snlphit, sowie mit schwefeis. Lösung von Kupfer-
natriumhyposulphit ebenfalls einen Niederschlag
giebt. Keine dieser 3 Reaktionen kam dem aus
den Leichentheilen Gibbone's isolirten Delphinin zu,
wodurch bewiesen war, dass es eben kein Delphinin,
sondern eine Base std generis war. Umgekehrt
gelang es S e 1 m i , aus den Leichentheilen einer vor
Monatsfrist eines natürlichen Todes gestorbenen
Person eine aUcaloidieche Substanz zu isoUren,
welche edle die Delphininreaktionen gab, auf welche
die Gerichtschemiker im vorliegenden Processe ihr
Gutachten auf Anwesenheit von Delphinin gegründet
hatten. Endlich sprachen fUr die Abwesenheit von
Delphinin auch einige von den Proff. C i a c c 1 a und
Vella in Bologna ausgeführte physiologische Ver-
suche. Es zeigte sich dabei nämlich , dass sowohl
die aus den Eingeweiden Gibbone's , als die ans der
erwähnten nach Monatsfrist exhumirten normalen
Leiche isolirten Basen bei Fröschen systolischen
Herzstillstand erzeugten , während Delphinin stets
diastolischen Herzstillstand bewirkt.
Der 2. Fall betraf die vermeintliche Vergiftung
der Witwe Sonzogno inCremona, in deren aml2.T.
nach der Beerdigung wieder ausgegrabenen Leiche
die gerichtlichen Expeiien Morphin aufgefunden zu
haben glaubten. Selmi wies jedoch im Verein mit
Casali u. Vella nach, dass in den untersuchten
Leichentfieilen keine Spur von Morpldn oder einer
andern giftigen Pflanzenbase existirte, sondern
^) Die Ptomaine n. ihre Bedentang für die gerichtl.
Chemie n. Toxikologie. II. Artikel. Arch. d. Pharmade
COXVU. Heft 5. 1880. Separatabdrack.
dass die für Morphin angesehene Base ein Pto-
main war. Die von Vella angestellten physio-
logischen Versuche ergaben bezüglich der ätherischen
Auszüge der theils mit Säuren , theils mit Alkalien
behandelten Leichentheile keine mydriatische Wir-
kung bei direkter Applikation auf die Conjunctiva,
dagegen erwies sich der alkalische ätherische Aas-
zag giftig für JbYösche.
Bei snbcataner Injektion yon 12 Tropfen entstand
Erweiterung der Pupille , die nach 5 Min. wieder zarfick-
ging. Ausserdem trat schnell Suspension der Athem-
bewegnngen ein, welcher in weniger als >/s Std. yoUstän-
dige Athemlähmnng folgte. Die Herzpnlsationen wurden
augenblicklich nnregelmässig und verlangsamt und binnen
3/i Std. reducirten sich dieselben auf einfache flbrilläre
Bewegungen des kleinen und blutleeren Herzens. Die
Sensibilität der Haut und der Cornea wurde in auffälliger
Weise herabgesetzt.
Diese beiden interessanten Criminalfälle würden
in Deutschland nach unserer Meinung allerdings
andere vei*laufen sein, indem die deutschen Chemiker
ganz bestimmt nicht ihr Gutachten auf Morphiam
und Delphinin abgegeben , sondern die Sache in
suspenso gelassen haben würden ; trotzdem ist diese
Angelegenheit wichtig genug , dass auch unsere ge-
richtliche Medicin von derselben genaue Kenntniss
nimmt. In Italien haben diese beiden Criminalfälle
die Regierung veranlasst , unter dem Vorsitze von
Selmi eine aus Pharmakologen und Chemikern be-
stehende Commission einzusetzen , welche über das
Dunkel der Ptomaine Licht verbreiten soll. — Selmi
kommt nach Besprechung der beiden Fälle zu folgen-
den Schlüssen.
Man ersieht, 1) dass nicht nur ein einziges Faul-
nissalkaloid existirt, sondern dass verschiedene in
ihrem Verhalten gegen Lösungsmittel und Reagen-
tien, sowie bei physiologischer Prüfung differirende,
theils ungiftige, theils giftige fixe Basen bei lang^
samer Fäulniss entstehen können , welche sich den
allgemeinen Alkaloidreagentien gegenüber wie Pflan-
zenbasen verhalten. Die sogen, allgemeinen Alka-
loidreagentien erscheinen in Bezug auf ihren WertU
für den Nachweis von Pflanzenbasen insofern stark
herabgesetzt , als sie auch auf Ptomaine in analoger
Weise wirken.
2) Einige von diesen Ptomainen lösen sich in
Aether, andere nicht in diesem, wohl aber in Amyl-
alkohol; noch andere fixe Cadaverbasen existiren,
welche in beiden Lösungsmitteln unlöslich sind.
3) Das Verhalten der Ptomaine gegenüber den
sogen, allgemeinen Alkaloidreagentien ist nicht
überall dasselbe , so dass z. B. einzelne mit Platin-
chlorid, Ealiumsilbercyanür und Kaliumbichromat
Präcipitate bilden, andere nicht.
4) Die Ptomaine sind im Stande, krystallisii'bare
Verbindungen, insbesondere mit jodhaltiger Jod-
wasserstoffsäure, zu liefern.
5) Dieselben liefern mit verschiedenen Reagentien
Farbenreaktionen, welche denen einzelner Pflanzen-
basen gleichen.
6) Die Ptomaine besitzen meistenstheils einen
scharfen, auf der Zunge Vertaubong hervormfenden
I. MedJcinische Physik , Chemie u. Botanik.
Geflchnuick) ohne dass ihnen ein bitterer Geschmack
nkSme*
In einem weitem Artikel von Seimig der mis
ebenfallB dnrch Husemann^) verdeutscht vorliegt,
iA te Bede von basenartigen Substanzen , die im
Bon nach Phosphoreinfukr in den Organismus
io^eten»
Ein Sljähr. Mann nahm in Folge psychischer Erre-
img Alienda 7 Uhr ein Ghis voll Wasser mid Essig, in
weJdiem der Inhalt von 4 Zündholzschaohteln macerirt
war, sn rieh. Vier Stunden darauf wurde er sehr auf-
gcr^, bekam gegen Mittemacht Schmerzen im Epi-
patrinm and Abdomen und 2 Std. später Erbrechen, wel-
ches rieh bis 6 Uhr Morgens häufig wiederholte. Abends
m 6 Uhr, also fast 24 Std. nach der Vergiftung, erfolgte
sane Aofnahme in das Ospedale Maggiore, woBrugnoli
ihn fai Behandlung bekam und sämmtlichen von ihm ge-
lassenen Urin an Selmi zur Untersuchung übermittelte.
Der Kr. erliielt am Tage nach seiner Aufhahme ein Pur-
gans n. einePotio magnesica, später Oleum terebinthinae.
Wahrscheinlich in Folge letzterer Medikation verlief der
FnU günstig , so dass Pat in 3 Wochen sich auf dem
Wege der Besserung befand. Wir können hier auf die
füoselheiten der genauem Harnuntersuchung nicht ein-
gehen nnd erwähnen nur Das , was davon auf ptomain-
artlge Substanzen Bezug hat.
In dem ersten Harne, den Pat. überhaupt gelassen
tele, wurden folgende Substanzen au^eftmden.
1) Ein hdchst flüchtiges, phosphorhaltiges Produkt,
iBBoniak und vaaai&rdemzwei flüehtigeB€uen, von denen
fie rine phoephorhaltig war. Letztere gingen mit dem
Alkohol über, als die alkohol. Flüssigkeit, mit welcher
der Harn behandelt worden war, destillirt wurde.
2) Ztoei andere organ, Basen j eine fixe und eine
fiditige, welche mit Hülfe von Chloroform aus dem
wässerigen und sauren Rückstande der 2. Destilhition
des Alkohol extrahirbar waren.
3) Ausserdem noch ein boHschefi Produkt in höchst
geringer Menge, welches den Geruch des Coniin besass,
euSSüäk eine Spur von Trimetkylamin. Die erwähnte
flnehtige Base enthielt keinen Phosphor.
Betreffs des am 2. und 3. Tage entleerten Harns er-
gab es sich :
1) dass derselbe nach dem Zusätze von Baryt und
Alkobol bd der Destillation Ammoniak in reichlicher
Menge , eiane flüchtige phosphorhaltige Base u. ein anderes
ebenfalls flfiehtiges u. phosphorhaltiges Produkt lieferte ;
2) dass mittels Chloroform eine besondere, stark phos-
f^wrhiiäge Base abgeschieden wurde, welche mit der auf
gleidie Weise aus dem Harne des 1. Tages dargestellten
riAt identisch war.
Man ersieht daraus, dass einTheil des Phosphor
die y^onniittelbftreD thierischen Grundstoffe'^ angreift
und daraus phosphorhaltige Verbindungen , welche
zum TheU Alkaloidcharakter haben , erzeugt. So
trat gleich zn Anfang eine dem Coniin ähnelnde Base
fif, die dentUch an eins der Ptomaine Selmi 's
enunerte. (Im Urin einer an Ictems gravis leiden-
den Person wurden derartige phosphorhaltige Kör-
per nicht gefanden , was für die differentielle Dia-
gaose sehr wichtig ist.) Man ksxm sich das Auf-
treten der Basen bei der vorliegenden Vergiftung
mir 80 erklftren, dass man annimmt , der Phosphor
habe bis zu einem gewissen Grade einen ahnlichen
>) Anfsnchnng von Phosphor im Harn bei Yergif-
tangsAilen und die dabei angetroffenen Produkte. Aroh.
d. Ptaarmacie COXVII. Heft 4. 1B80. Separatabdruck.
Effekt wie die Fäulnissfermente , die ja ebenfalls
die Albuminate zersetzen und das Auftreten fester
und fluchtiger basischer Produkte veranlassen.
Die deutsche Literatur enthält folgende neue
casuistische Mittheilnngen , in denen Ptomaine eine
Rolle gespielt zu haben scheinen.
lieber eine Ptomainvergiftung durch Wurst liegt
ein Bericht von Dr. K a a t z e r in Rehburg vor *).
Am 21. März Mittags assen der Maler W., 48 J. alt,
nebst seiner 12 J. Jüngern Frau , seinem 12Jähr. Sohne
und einem 16Jähr. Gesellen Buttermilchsuppe und darauf
geräucherte Blutumrst mit Kartoffeln. Eine halbe Stunde
nach dem Essen fühlte die Familie sich unwohl, während
der Geselle, welcher den ausgetrockneten , stärker durch-
geräucherten peripheren Theil der Wurst bekommen hatte,
gesund blieb. W. bekam hartnäckiges saures Erbrechen;
alle 3 litten an Abgeschlagenheit in den Gliedern , Müdig-
keit, Schläfrigkeit und so grosser Trockenheit im HaUe^
dass sie dadurch am Schlafen gehindert wurden u. immer
trinken mussten. So verging der erste Tag und die erste
Nacht. Am folgenden Tage war der Zustand derselbe,
nur war die Trockenheit im Halse noch stärker; der
Vater war nicht mehr im Stande Brot zu essen und der
Sohn hatte Schlingbeschwerden. Gegen Abend war bei
beiden die Trockenheit noch grösser, so dass sie nicht
mehr im Stande waren auszuspucken. Auch machte sich
jetzt bei aUen 3 Pat. eine Störung des Gesichtssinns gel-
tend, welche der Vater als Flimmern vor den Augen,
Mutter und Sohn als Kurzsichtigkeit und undeutliches
Sehen bezeichneten. In der Nacht vom 22. zum 23.
konnten die Pat. eben so wenig schlafen als in der vor-
hergehenden. Am Mittag darauf bekamen sie Diplopie
und gegen Abend fühlten sie sich so elend , dass K. ge*
rufen wurde. Er fand den Vater mit blassem, angstvoUem
Gesichte vor; beiderseits bestand Ptosis; die Pupillen
waren erweitert und reaktionslos. Die Conjunctivae blass.
Die Sprache 'war etwas heiser, die Mundschleimhaut
trocken ohne irgend eine Spur von Speichel, die Zunge
rissig und belegt. An den Tonsillen nichts Abnormes;
Nasenschleimhaut ebenfalls trocken ; das Schlucken von
Milch geschah ohne Schwierigkeit; Brot kam eben so
trocken aus dem Munde, wie es hineingekommen war. Die
subjektiven Empfindungen bestanden in Benommenheit des
Kopfes, Abnahme der Sehkraft , Doppeltsehen , Trocken-
heit und Kratzen in Mund und Hals, Durstgefühl, Schling-
beschwerden und allgemeiner Mattigkeit. Dabei bestand
Obstruktion. — Der Sohn machte den Eindruck eines
schwer Kranken, hatte einen stumpfsinnigen Gesichtsaus-
druck , linkseitige Ptosis , croupähnllchen Husten , erwei-
terte reaktionslose Pupillen , blasse Schleimhäote und ein
funktionsunfähiges Gaumensegel. Stuhlgang fehlte seit
2 Tagen. — Die Mutter ging mit unsichem Schritten im
Zimmer umher, hatte ebenfalls Ptosis und klagte über
Diplopie und Kurzsichtigkeit. Die Gesichtsfarbe war
fahl , die PupiUe etwas erweitert , die Zunge schwer be-
weglich und wie der Hals im massigen Grade trocken. —
Der Zustand des Sohnes wurde immer schlechter, trotz
Anwendung von Pilocarpin, Moschus etc. und am 26. März
Morgens 10 Uhr erfolgte der Tod unter den Erscheinungen
des Lungenödems.
Der Vater wurde durch dieses Ereigniss sehr er-
griffen, vermochte jedoch keine Throne zu weinen, da seine
ThränendrUsen nichts secemirten. Nach 2 Tagen trat
endlich bei beiden Eltern geringe Besserung ein , die von
da ab langsam vorwärts ging. Die Temperatur war bei
beiden während der ganzen Krankheit unregelmässig und
erreichte beim Vater 2mal 39. 2^ und bei der Mutter Imal
39.0<». Am 14. Tage der Krankheit constatirte Leber
aus Göttingen beim Vater noch ganz voUständige und bei
1) Deutsche med. Wchnschr. VU. 7. 1881.
8
I. MediciiUBche Physdk^ Chemie n. Botanik.
der Mutter ziemlich vollständige ilccammotfa/ton«2äAmtm^.
Die Sektion des Knaben fiel negativ ans.
Ein ebenfalls mit Sektionsbefand verbandener
Fall von Wurstvergiftung liegt vor in einem Berichte
von Friedrich Eichenberg^).
Am 6. Jan. 1879 hatte der Obergefreite N. eine aus
Varel in Oldenburg stammende Biutzungenwnrst ge-
schenkt erhalten , machte sie sich mit Essig zurecht und
verzehrte sie mit dem Obergefreiten 8. Die Wurst war
nicht ganz durchgekocht, sonst aber normal. Beide Per-
sonen erkrankten jedoch vom Genüsse derselben.
N. bekam am 6. Januar Kopfschmerzen , Uebelkeit,
Erbrechen. Als am 7. auch noch Diplopie hinzukam,
wurde er im Lazareth aufig^enommen , wo man ausserdem
noch Schmerzen in der Mageugegend , Schluckbeschwer-
den, Stuhlverstopfung und heiseren Husten constatirte.
Alle Erscheinungen nahmen in den folgenden Tagen noch
zu. Am 11. war die Reaktion der Pupillen sehr träge \
am 12. waren Aphonie und starke Athembeschwerden
vorhanden ; die Pupillen waren Jetzt bereits reaktionslos;
es bestand starke Ptosis ; später wurde ein auffallender
Strabismus convergens constatirt. Am 14. klagte Pat.
über grosse Muskelschwäche und starkes Durstgefühl ;
Puls klein; es bestand schleimiger Auswurf. In der
Nacht vom 15. zum 16. traten Delirien auf; gegen Mor-
gen wurde Pat. cyanotisch und starb nach vorausgehen-
den leichten convulsivischen Zuckungen im Gesicht. Die
Sektion ergab in den Lungen kleine Herde von Schluck-
pneumonie, eine sehr blutreiche , ausserordentlich weiche
und brüchige , chokoladenbraune Milz , sowie Auflocke-
rung der Schleimhaut des Dick- und Dünndarms.
S. erkrankte am Abend des 5. Januar an Durchfall.
Zwei Tage später stellten sich Trockenheit im Munde^
bitterer Geschmack, Schwere in den Augen, Schluck-
beschwerden und Leibschmerzen ein. Die Aufnahme ins
Lazareth erfolgte erst am 15. Ausser den genannten
Symptomen wurden bei der Aufnahme Pupillenerweiterung ^
Oedem des Zäpfchens und der hintern Ganmenbögen,
Zungenbelag und Accommodationslähmung constatirt.
Am 17. wurde versuchsweise Eserin instillirt und dadurch
die Mydriasis und die Accommodationslähmung vorüber-
gehend gebessert. Am 23. klang die Stimme noch rauh,
schwach heiser wie beim Beginne der Krankheit; die
Speichelabsonderung hatte aber bereits zugenommen.
Ajn 1. Februar trat eine Angina mitTemperatursteigerung
auf 40^ ein. Am 8. wurde Pat. entlassen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen , dass es
sich in vorliegenden Fällen wirklich um Ptomain-
vergiftnngen gehandelt hat. Da das Ptomain grosse
Aehnlichkeit mit Atropin besass , so war die einzu-
schlagende Therapie dieselbe wie bei Atropinvergif-
tung (Pilocarpin^ Eserin).
Einen jedenfalls auch auf Ptomainvergiftung be-
ruhenden Fall berichtet Dr. Schüler^) in Cüstrlu.
Am 1. Juni assen gelegentlich eines Familienfestes
1 1 Personen Morcheln mit Spargel ; 9 derselben erkrankten.
Seh. hat leider nur 2 davon selbst beobachten können.
Die 1. dieser beiden Personen , 34 J. alt, bekam sofort
nach dem Essen Erbrechen schwärzlicher Massen u. einen
8w5chentlichen Magendarmkatarrh. Die 2. Person, 40
Jahre alt, litt 8 Tage hindurch an Sehstörungen. Eine
3. Person bekam Sehstörungen und ScJdingbeschwerden;
eine 4., 26 Jahre alt, erkrankte erst 4 Wochen später an
Schlingbeschwerden und einem 7 Wochen anhaltenden
1) lieber Vergiftung durch Wurstgift. Inaug.-Diss.
Göttingen 1880. 8. 31 pp.
3) Vergiftung durch Helvella escnlenta. Berl. klin.
Wchnschr. XVU. 46. 1880. — Vgl. a. die Mittheilung
vonBostroem und Maurer über Morchelvergiftung:
Jahrbb. CXC. p. 22.
Magendarmkatarrhe. Ein 5. Fall betraf eine 24jSltv*.
nervöse Dame, welche sofort Erbrechen, einige Tas*^
später Schlingbeschwerden^ sehr lästige SehsWrung^wm.
(Dunkelkur 2 W. lang) und einen hartnäckigen Magexfe-
darmkatarrh bekam.
Die daraufhin von Ascherson untersuchten Mor*
cheln enthielten im Innern schwarze Flecke von der
Grösse eines halben 5-Pfennigstücks, die sich als die Ex-
kremente eines Wurms erwiesen und in deren Umgebung
das Gewebe abgestorben war. Leider theilt Schüler
den Namen des Wurms nicht mit.
Ein zosammenfassender Artikel , der aber aach
vieles Neue bringt, liegt vor von Prof. Bollinger*).
Wir entnehmen dieser höchst beachtenswertben Ar-
beit Folgendes.
Die Wirkung pyämischer, septischer und putri-
der Stoffe auf den Darmkanal ist ein noch sehr dunk-
les Capitel der Pathologie. In experimenteller Rich-
tung ist die Frage noch kaum studirt; die vorliegen-
den Versuche über die Wirkung der putriden Stoffe
vom Verdauungskanale aus wurden fast ausschliess-
lich mit künstlich erzeugten fauligen Stoffen ange-
stellt, während über die Wirkung pyftmischer and
septischer Stoffe vom Verdauungskanale aus so gat
wie gar keine Versuche vorliegen. Colin sah nach
Fütterung verschiedener Thiere mit septischen Stoffen
nur leichte Diarrhöe entstehen, während Sem mer
in Dorpat bei 3 Schweinen, welche er mit dem
Fleische eines an Septikämie gestorbenen Pferdes
fütterte , tödtlichen Ausgang nach 7 Tagen consta-
tirte. Bei einer grossem Anzahl von Versuchen, die
B. selbst im Sommer 1880 anstellte, gelang es nur
mit Mühe, Hunde, Katzen und Kaninchen durch sep-
tische und pyämische Stoffe vom Verdauungskanale
aus so zu inficiren , daAS sie zu Grunde gingen ; be-
sonders die Hunde waren gegen die Vergiftung
äusserst resistent. Als typische Beispiele von septi^
scher und pyämischer Gastroenteritis ffthrt Prof. B.
folgende Fälle an.
1) Die Fleischvergiftung in Fluntem bei Zürich (1867).
Bei derselben erkrankten 27 Personen an BrechdarchfaU
nnd cerebralen Stömngen, nachdem sie von dem Fleische
eines 5 Tage alten , von einer septikämischen Koh stam-
menden Kalbes genossen hatten. Infolge von Cknoss der
Milch des Matterthieres erkrankten ebenfalls mehrere
Personen an Erbrechen nnd Durchfall. Ein 5^ähr. Mann,
der von der fast rohen Leber des Kalbes gegessen hatte,
starb nach 11 tagigem Krankenlager. Bei der Sektion
fanden sich ausser Petechien der allgemeinen Hantdecke
solche des Epikardium, der Nieren, des Magens, des Dar-
mes, des Gehirns und starkes Lungenodem.
2) Fleischvergiflung in X. bei Bregenz (1874). Das
Fleisch stammte von einer Knh, welche eine schwere Ge-
burt durchgemacht hatte nnd in Folge dessen an brandl»
gen Entzündungen litt. Nach dem Genüsse dieses Flei-
sches oder der davon gekochten Snppe erkrankten 61
Personen innerhalb dreier Tage, und zwar am gefährlich-
'sten die, welche von der Leber genossen hatten. Die
Symptome bestanden in allgemeiner Uebelkeit, Brech-
neigung, Durchfall, Magenbeschwerden, Schwindel, Ohn-
machtsanwandlungen , proftiser Diaphorese , brennendem
Durste, Ohrensausen, Schwachsiehtigkeit und Pnls-
schwäche.
*) lieber Fleischvergiftung, intestinale Sepsis nnd
Abdominaltyphus. Bayr. ärztl. Intell.-Bl. XXVIII.
Nr. 16—18. 1881.
I. Mediciniische Physik , Chetni« a. Botanik.
3) Die FleuckvergißwMf in Griessbeckerzeü (1876).
Fleisch stammte von einer Kah mit jauchiger Metri-
Im Verlaufe von 2 Tagen erkrankten nach einer In-
ionszeit von 6 — 48 Std. 22 Menschen an heftigem
idurchfaU. Nebenbei bestand Schwindel, Ohrensau-
Sodbrennen, Anfstossen, Würgen, Atheronoth. Das
len hatte die Giftigkeit des Fleisohcs nicht im Minde-
abgeschwächt.
4) IHe Fleischvergiftung von Sotithofen (1878), her-
sbracht durch den Qenoss des Fleisches eines 2jähr.
welches an puerperaler Sepsis litt. Trotz Kochen
mkten von 10 Personen 7 unter Frost, Hitze, Seh weiss,
topfschmerz , Durst , Erbrechen , Kolik , Diarrhöe. Ein
il des Fleisches, welches eingesalzcn worden war,
4 Tage nach der Schlachtung hochgradige Fäulniss
voller Mikrokokken und Bakterien.
Bollinger schlägt fflr die eben beschriebene
Knnkbeit den Namen intestinale Septris vor. Die
Sepffls ist mitunter nnr an einzelne Körpertheile des
kniBken Schlachtthieres gebunden; auch wird die
Giftigkeit manchmal noch durch unzweckmässige
ZaberatoBg sehr gesteigert. Man kann dazu auch
noch folgende Fälle rechnen.
&) Die Fleischvergiftung in Lahr (1866), hervorge-
braeht durch den Genuss des Fleisches einer seit lan<re
in Bluthamen erkrankt gewesenen Kah. Diisselbe wurde
inm Theil zu Schwartenmagen und Knackwürsten ver-
arbeitet. Von dem Schwartenmagen assen 70 Personen
md erkrankten ausnahmslos, obwohl derselbe unverdäch-
tig aussah und sehr gut roch und schmeckte ; der Metzger,
welektf ihn bereitet und reichlich davon gegessen hatte,
starb sogar ; ausser ihm starben noch 4 andere Personen.
la jeder andern Zubereitung war das Kuhfleisch ganz un-
Khädhch. Hunde, Katzen und Schweine, welche von
dem Schwartenmagen genossen hatten , blieben gesund.
Die Erscheinungen der Erkrankung waren Uebelkeit, Er-
brechen, Würgen, Leibweh, Durchfall, Fieber, brennen-
der Durst , Kopfweh , Schwindel , Schlaflosigkeit , grosse
Sdiwäche, Gliederreissen , Trockenheit des Mnndes,
Schlingbeschwerden und Kratzen im Halse. In den
schwersten FäUen kam es zu Betäubung, furibunden
Delirien, Zuckungen, Kiefer-, Schlund- und Wadenkräm-
pfen, Erweiterung und Reaktionslosigkeit der Pupille.
Die Sektion ergab Hyperämie und Katarrh des Magens
Bild Darms, im Darme viele Geschwürchen, Erosionen,
Sekwellung der Follikel und Infiltration der Mesenterial-
driiseii.
6) Die Fleischvergi/ttffig in Garmvtch (1878) in Ober-
hayem , hervorgerufen durch den Genuss der Eingeweide
eiier an jauchiger Peritonitis verendeten Kuh. Siebzehn
Penonen , welche die Eingeweide in Gestalt von Leber-
knSdeln und Knttelflecken genossen hatten , erkrankten
aadi einer Incubation von 19 — 48 Std. an Schwindel,
Kopfschmerz, Schüttelfrost , Erbrechen , Diarrhöe , Leib-
sehmersen , Appetitlosigkeit , Mattigkeit , Pulsbeschlenni-
foog, Bewnsstlosigkeit , Lichtscheu und Sehstornngen.
Yor die Leber und die Magenwandnngen waren übrigens
Ktig, das eigentliche Muskelfleisch nicht.
7) Die Fleischvergiftung in St. Georgen hei Friedrichs-
iafen in Würtemberg (1877) , hervorgernfen durch das
Fleisch einer Kuh mit chronischer N^hritis. Es erkrank-
ten 18 Pertonen, und zwar diejenigeq am schnellsten und
heftigsten, welche von der Leber genossen hatten. Un-
gefähr 2 — 3 Std. nach dem Genüsse bemerkten die Pat.
einen widerlichen Geruch aus dem Munde , dann traten
Leibsehmerzen , heftiges Erbrechen , Diarrhöen und Col-
lapsQs auf. Auch ein Hund und eit/ige Hühner erkrankten
auf dieselbe Weise.
Es folgen jetzt 2 Epidemien ^ welche man nach
Bollinger ßilschlich für Mil/^iand erklärt hat,
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 1.
obwohl sie gewiss ebenfalls der eben erwähnten
intestinalen Sepsis zuzurechnen sind.
8) Die Fleischvergiftung in Nordhausen (1876) , her-
vorgerufen durch das Fleisch einer kranken Kuh , welche
moribund geschlachtet wurde. Im Verlaufe von 3 — 4
Tagen erkrankten 3 — 400 Personen , welche rohes Brat-
fleisch oder angebratene Klossehen verzehrt hatten, an
Mattigkeit , Kopfweh , Schwindel , Brennen in Magen und
Darm, Durchfall , Erbrechen , hohem Fieber und entsetz-
lich quälendem Durste. Ein Mann starb nach 3 Tagen an
Gastro-Enteritis.
9) Die Fleischvergiftung von Würzen (1877) , bei der
206 Menschen nach dem Genüsse des Fleisches einer Kuh
erkrankten , welche in Folge einer schweren Geburt an
hohem Fieber, Euterentzündung u. Lähmung der hintern
Extremitäten litt. Die Erkrankungen erfolgten 4 — 36
Stunden nach dem Genüsse und bestanden in Uebelkeit,
BrcchdurchfaU , Schmerz in der Präcordial- und Unter-
bauchgegend , maasslosem Durst , heftigem Kopfschmerz,
Schwindel, grosser Hinfälligkeit, Schüttelfrost, gänzlicher
Schlaflosigkeit, massigem Fieber, Aphonie, Ilantödem
und Furunkulose. Das Ganze erinnerte sehr an Cholera,
namentlich bei 6 Menschen , welche starben , nachdem
sie das Fleisch roh genossen hatten. Bei der Sektion
fand man massigen Milztumor, das Blut dunkelkirschroth,
flüssig , im Magen und Darm Venlnderungen , welche in
vielen Punkten an Abdominaltyphus erinnerten.
10) Die Fleischvergiftung von Chemnitz ») (1879), be-
stehend in einer Erkrankung von 243 Personen, welche
alle von demselben Fleischer gekauft hatten. Die Sym-
ptome bestanden in Mattigkeit, Uebelkeit, Brechdurchfall,
Kopfschmerz, Schwindel, Leibschmerzen, Appetitlosig-
keit, grossem Durst, Schüttelfrost, Heiserkeit, Herpes-
eruptionen und Furunkulose. Das Fleisch war theils als
Wurst , theils als Kochfleisch genossen worden. In einem
Falle erinnerte der Darmbefund bei der Sektion an be-
ginnenden Typhus.
11) Die Fleischvergif titng von Lockwitz und Nieder-
sedlitz bei Dresden , hervorgerufen durch den Genuss von
rohem, gehacktem Rindfleisch, erstreckte sich auf 40 Per-
sonen, die unter Erbrechen, Durchfall, Schwindel und
grosser Entkräftung erkrankten. Die Kuh war uterus-
krank gewesen und aus Noth geschlachtet worden.
12) Die Wurstvergiftung von Middelburg in Holland
(1874), von Fokker und vanBerkelom beschrieben,
erstreckte sich auf 349 Personen, welche Leberwurst von
einem kranken Schweine gegessen hatten. Nur 6 Per-
sonen blieben gesund. Die Symptome waren Leibschmer-
zen, Erbrechen. Diarrhoe, Durst, Fieber, Hautausschläge
mit folgender Desquamation. Recidive waren häuflg.
Sechs Personen starben.
13) Die Knoblauchsumrstvergiftung von Neuboden'
back (1879) bei Nossen (Sachseti), hervorgerufen durch
Fleisch einer kranken, abgemagerten, perlsüchtigeu Kuh.
Nach der Schilderung von Siedamgrotzky'^) erkrank-
ten 87 Bahnarbeiter 6—48 Std. nach dem Genüsse an
Brechdurchfall, Leib- u. Kopfschmerz, Abgeschlagenheit
und Fieber.
14) Die Wurstvergiftung von Weiherschneidbach (1880)
in Mittelfranken, hervorgerufen durch Blutwürste und
Blutpresssack, befiel 71 Personen, von denen 4 starben.
In den untersuchten Wursttheilen , wie in den Leichen
wurde nach dem Gutachten des k. Medicinalcomites in
Erlangen ein giftiger, alkaloidähnlicher Stoff nachgewie-
sen, über welchen weitere interessante Mittheilungen in
Aussicht stehen.
»
*) Die Massenerkrankung in Chemnitz u. Umgegend
am 22. und 23. Juli 1879, vom M.-R. Dr. Flinzer:
Vjhrschr. f. ger. Med. N. F. XXXIV. 2. p. 264. 1881.
2) Vorträge für Thierärzte HI. Ser. Heft 2. p. 12.
1880 (über Fleischvergiftungen).
2
10
I. MediciiUBche Physik, Chemie n, Botanik.
Es folgen jetzt 3 weitere Vergiftangen, über die nur
sehr wenig bekannt ist.
15) Die Fleischvergiftung von Zermen hei Venedig
(1875), hervorgernfen durch den Genuas des Fleisches
eines kranken Ochsen , befiel ca. 150 Personen, welche
unter choleraartigen Erscheinungen erkrankten und von
denen mehrere starben.
16) Die Fleischvergiftung von Riesa in Sachsen (1879),
hervorgerufen durch denOennss des Fleisches einer wegen
Euterentzündung und Abmagerung geschlachteten Kuh,
befiel mehrere Personen auf einem Rittergute. Die Sym-
ptome bestanden in Brechdurchfall, Uebelkeit u. s. w.
Die mit dem Fleische von Jone in Dresden angestellten
Impf- u. Fütterungsversuche an Kaninchen, welche theil-
weise todtliche Erkrankungen zur Folge hatten , wurden
leider mit dem bereits 7 Tage alten Fleische angestellt.
17) Die Fleüic?ivergißwig von Andelfingen >) (1841),
hervorgerufen durch stinkendes, grünlich verfarbtes Kalb-
fleisch, betraf 450 Menschen, von denen 10 starben. Die
Symptome bestanden in Appetitmangel , Uebelkeit, Ma-
gendrücken, Erbrechen, Durchfall, Abgeschlagenheit,
Kopfschmerz, Pulsbeschleunigung, Schlingbeschwerden,
Heiserkeit, Pupillenerweiterung [bei allen Pat. !], Seh-
schwäche, Athmungsbesch werden, Delirien, Stupor, Cökal-
schmerz, Exanthemen, Wadenkrampfen und Blutimgen.
Diese berühmte Epidemie ist von Griesinger,
Biermer, Liebe rmeister, Lebert, Köh-
ler, 0. Wyss nnd Zehnder besprochen worden
und theils als Typhus , theils als septische Gastro-
enteritis gedeutet worden. Die Incuhaüon betrug
in den meisten Fällen 6 — 7 Tage, was sonst weiter
bei keiner der angeführten Epidemien vorgekommen
ist. Durch Braten wurde das Gift nicht zerstört.
18) Die Fleischvergiftung von Kloten (1878) im Canton
Zürich^) ist von Walder (Inaug.-Diss. Leipzig 1879.
F. C. W. Vogel. 88 S.) genauer beschrieben und von
vielen Autoren besprochen worden. Sie betraf ca. 600
Menschen, von denen 6 starben, und hatte ihren Grund
in 43 Pfd. Fleisch eines moribund geschlachteten Kalbes.
Die meisten Menschen erkrankten am 5. bis 6. Tage. Die
Symptome waren Müdigkeit, Kopfweh, Appctitverminde-
mng. Frostein, Verstopfung mit folgender Diarrhöe,
Gliederreissen, Rückenschmerzen, Lichtscheu, Delirien,
Exantheme, Meteorismus, MilzvergrSsscrung und Schwel-
lung der Leistendrüsen. Sehmdiire Erkrankungen, welche
von den ersten Erkrankungen ausgingen , kamen blSmal
vor und unterscheiden die Klotcncr Epidemie von allen
übrigen. Die Sektionsbefunde waren ähnlich wie bei
Typhus: Bronchitis, Milztumor, punktförmige Nieren-
abscesse , Darmblutungen , markige [nflltratlon, Ulcera-
tion und Verschorfung der Peyer'schen Plaques und der
Solitarfollikel.
Da es einen Abdominaltyphus der Thiere nicht
giebt f so kann die in Rede stehende Epidemie auch
nicht durch ein typhuskrankes Kalb hervorgerufen
worden sein, wohl aber nach Bollinger durch
eine ganz besondere Form von mykotischer Infektion,
die in ihren Symptomen viel Aehnlichkeit mit Typhus
hat.
19) Die Fleischvergiftung von Birmenstorf (1879) im
Canton Zürich, hervorgerufen durch denOenuss des Flei-
sches eines an „gelbem Wasser** kranken, 4 Tage alten
Kalbes. Der Bericht über die Epidemie stammt von
Huguenin^). Acht Personen erkrankten nach sehr
kurzer Incnbation an Müdigkeit, Kopfweh, Schwindel,
Genickschmerz, Nasenbluten, Appetitmangel, Barst,
Zungenbelag, Fieber [ganz lyphusartig!], Delirien, Diar-
rhöen (echte Typhusstühle), Meteorismus und Milztamor.
Die Sektion eines nach 14 Tagen lethal endenden Falles
(19Jähr. Mädchen) ergab Typhus im Stadium der begin-
nenden Verschorfung, Nephritis typhosa und cronpose
Pneumonie der rechten Lunge.
20) Die Fleischvergiftung von Wärenlos ») (1880) tm
Canton Zürich, von 0. VVyssu. Nieriker beobachtet.
Eine grössere Anzahl von Menschen erkrankte nach Gc-
nuss schlechten Kalbfleisches scheinbar an Typbus; 2 Sek-
tionen bestätigten diese Diagnose.
Keine der angeführten Epidemien fiel in den
Winter. Bollinger theilt dieselben nach den Syna-
ptomen in choleraartige, typhusartige u. gemischte ;
man könnte sie wohl auch in solche theilen, bei
denen unzweifelhafte Ptomainsymptome vorhanden
waren (Mydriasis, Sekretionshemmnng u. s. w.) und
in solche , bei denen mehr die Symptome einer In-
testinalmykose vorherrschten.
Da wir durch vorstehende Zusammenstellung ein-
mal auf das Gebiet des Historischen gekommen sind,
so sei es gestattet, aus einer alten, wenig bekannten,
aber sehr fleissigen Zusammenstellung über Wurst*
Vergiftung von Dr. Müller in Minden 2) einiges
geschichtlich Wichtige nachzutragen.
Die erste Notiz einer Wurstvergiftung datirt von
1735, die zweite von 1789; die dritte 1793 in
Wildbad vorgekommene ist dadurch für uns Neuere
von hohem Interesse, dass der behandelnde Arzt be-
reits richtig die Atropinsymptome herausfand nnd
zu dem Schlüsse kam , es müsse Jemand aus Unvor-
sichtigkeit oder Bosheit Belladonna in die Wurst
getlian haben. Im J. 1802 lagen schon 11 Todea-
föUe durch Wuratvergiftung vor; 1815 veröffent-
lichte A u t e n r i e t li die von dem bekannten Dichter
Justinus Kerner u. Steinbach gesammelten
Beobachtungen; 1820 und 1822 veröffentlichte
Kern er selbst zwei wichtige Werke über diesen
Gegenstand. Er kam in seinen Verrauthungen der
Wahrheit schon sehr nahe , indem er annahm , die
Würste unterlägen einer modißcirten Fäulniss,
bei der sich eine stickstoffhaltige giftige Substanz
bilde; ja er redet geradezu von einem Alkaloide,
Leider kam er dann auf die Fettmure» Er stellte
auch bereits Thiei-versuche mit dem wässerigen Aus-
zuge der Würste an und fand Aehnlichkeit mit den
Symptomen der Alkaloidvergiftungen. Er fand ferner,
dass besonders die Leber der Schweine leicht solche
giftige Zersetzungen eingehe. Ihm folgten Arbeiten
über denselben (Gegenstand von Weiss (1824),
Kühn (1824), Ilorn (1827), Blumensath
(1827), Dann (1828), R. Chris tison (1831),
Thorer (18.33), Paulus (1834), Schnitger
(1835), Krügelstein (1839), Röser, Tritsch-
1er, Lussana (1845) und Schlossberger
(1852). Letzterer ist der Ansicht, dass das Wurst*
gift eine dem Nicotin ähnliche organische Bane
sei. Um so verkehrter war die Ansicht von van
») Vgl. Jahrbb. XXXI. p. 34.
2) Jahrbb. CLXXXVI. p. 125.
3) Schweiz. Corr.-Bl. IX. p. 104. 1879.
•) Schweiz. Corr.-Bl. X. 22. p. 716. 1880.
») Deutsche Klinik 1869. Nr. 35 — ; 1870. Nr. 39,
I. Medicimfiche Physik , Chemie u. Botanik.
11
den Gorpat, welcher die Sarcioa botalina erfand
und ihr alle Schuld beimaass ; auch brachte er da8
Gift mit der Phosphorescenz mancher verfaulenden
Stoffe in Verbmdung. Sein Nachfolger Heiler
taufte das hypothetische Giftwesen Sarcina noctiiuca.
YeiigfeblJch ti*at Schlossberge r gegen solchen
UitDn auf. Erst v. Hasselt kam der Wahrheit
vier näher, indem er angab, das Gift entstehe
m den stickstoffhaltigen Bestandtheilen der Wurst
durch Zersetzung, welche letztere in der verkehrten
Zobereitangs- und Aufbewahrungsweise der Würste
ibeo Grand habe , eine Ansicht , der wir noch heu-
tigeD Tages beipflichten müssen.
Ans den ältesten Sektionsberichten hebt K e r -
aer folgende 2 Punkte hervor: 1) das längere Aus-
bieibeo der Fäulniss der Leichen, so dass selbst der
geirohnliche Leichengeruch nicht wahrgenommen
fvrde, und 2) die aussergewöhnlich stai'ke und lang
duütende Todteustarre. Referent wüsste nicht,
da» man bei den neueren Sektionen auf diese Punkte
besonders geachtet hätte.
Unter den Symptomen, welche Müller als
dunkteristisch aufzählt, sind besonders hervorzu-
Uen: QefÜhl von Pelzigsein in den Fingerspitzen,
bunoBg der Speichelsekretion (lOlmal beobach-
te, Aufhebung der Sekretion des Nasenschleims,
ki Sehleims des Kehlkopfs und der Trachea , so
te Crouphusten auftritt. Ueberhaupt können alle
Sekreüooen unterdrückt sein, nur nicht die Harn-
Bod Milchsekretion. Diese Hemmung kann sehr
luge, bis zu 85 Tagen anhalten. Am Auge ist ab-
killte Sekretionslosigkeit der Thränendrüsen , Am-
blyopie, die sich in 11 Fällen bis zur völligen Blind-
beit steigerte , Erweiterung und Keaktionslosigkeit
der Pupille , Doppeltsehen , Einwärtsschielen und
^^ zu beobachten. Unter den Ei*scheinungen des
Ciiknlationsapparates ist als gauz besoudei's die
Vergiftung charakterisirend der auffallend verlang-
iUDte Pols und der kaum fühlbare Herzschlag zu
^nseichnen. Der Puls beträgt zu Aufang meist
•ö— 80, sinkt aber im Laufe der Krankheit sehr
Wd auf 60, ja 50 Schläge. [In den neueren
^^sobachtuDgen ist dieses Symptom fast gar nicht
^ihnt] Nach längerer Dauer der Krankheit
^ »ich Abschuppung der Haut. Der Tod erfolgt,
»oer nicht ganz schnell eiugetieten ist, durch Ina-
"JÖon. Kerne r drückt diess poetisch mit den
■orten aus: „Die Kranken verlöschen wie ein
I«ht, dem es an Oel gebricht.'^
Aas der ausländischen Literatur ist Folgendes
*tt Vervollständigung unserer Uebersicht über die
^Wine hinzuzufügen.
Aus verschiedenen Theilen zweier menschlicher
^^^kn, welche exhumirt worden waren, gelang es
*>n Gelder*) nach der Methode von Staa-OUo
^ Ptomain abzuscheiden , und zwar reichlicher aus
'jNleawTijdschr. voor de Pharm, in Nederl. Jourg.
«7«. Heft 9. p. 276.
Leber und Nieren als aus dem Magen- und Dann-
inhalte, gar nicht dagegen aus dem Blute.
Das Alkaloid gab mit Kaliamqaecksilberjodid, Gerb-
säure, Chlorwasser, Qaecksilberchlorid weisse , mit Jod-
jodkalium, Gold- und Platinchlorid braune, mit Phosphor-
roolybdänsäure gelbe Niederschläge. Durch Schwefel-
säure und durch Salpetersäure wurde es nur beim Er-
wärmen gelb gefärbt.
In einem nichts Neues enthaltenden Artikel trat
bald darauf auch Robin^) für die Existenz der
Ptomaine und deren Bedeutung für die gerichtliche
Medicin auf; ebenso Brouardel u. Boutmy^)^
sowie Giacomo Trottarelli^) ^ der sie auch
in in Alkohol aufbewahrten Leichentlieilen gefunden
haben will. Er giebt folgende neue Reaktion an.
Die Lösung des Ptomainsulphates versetzt man mit
Nitroprussidnatrium ; wenn dazu Palladiumnitrat ge-
fügt wird, so erhält man einen flockigen Nieder-
schlag von grüner Farbe. Beim Erwärmen über
einer kleinen Spiritusflamme geht die grüne Farbe
in bräunlichroth oder röthlichgrün über und wird
schlüsslich schwarz.
Eine weitere neue Reaktion , bestehend in der
Reduktion von rothem Blutlaugensalze, geben Brou-
ardel und Boutmy^) an. Diese Reaktion soll
nach ihnen von den vegetabilischen Giften , die hier
in Frage kommen, nur dem Atropin u. Morphium
zukommen. Gautier zeigte jedoch, dass das
Anilin, Methylanilin, Paratoluidin , Naphthylamin,
Pyridin, CoUidin u. s. w. sie ebenfalls geben. Bei
der Diskussion über diesen Gegenstand vor der
Akademie that G a u t i e r den Ausspruch, er sei der
Erste, welcher formell den Gedanken ausgesprochen
habe, dass bei der Fäulniss eiweissai*tiger Sub-
stanzen sich flüchtige oder feste alkaloidartigc Kör-
per bilden könnten , und zwar stehe diess in seiner
1873 erschienenen physiologischen Chemie. Re-
ferent glaubt, der blosse Hinweis auf die von Justi -
n u 8 K e r n e r im Jahre 1820 geschriebene , oben
cith*te Stelle wird genügen, um zu zeigen , dass der
Gedanke der Entstehung von Fäulnissalkaloiden 50 J.
älter ist , als G a u t i e r meint , wie denn K e r n e r
auch unsti'citig die ersten physiologischen Versuclie
darüber gemacht hat. Die ersten chemischen Ver-
suche über eine in menschlichen und thierischen
Körpern enthaltene Alkaloidsubstanz stammen von
Dupr6 undBence Jones, welche darüber be-
reits 1866 (in den Proc. of the Royal Society) be-
richteten. Sodann wurden von Rörsch u. Fas-
bender, sowie von G u n n i n g und von S c h w a -
nert in verschiedenen Leichentlieilen Substanzen
nachgewiesen , die sich in nichts von wirklichen Al-
kaloiden unterschieden , und von Schmiedeberg
das Sepsin dargestellt.
In einer andern Abhandlung ebenfalls von Brou-
ardel und Boutmy*) wird das Wort Ptomain
M Gaz. med. de Par. 49. Jahrg. 1878. p. 309. u. 465.
2) Repert. d. Pharm. XXVI. 1879. p. 404.
3) Aunali univers. Vol. 247. Aprile 1879. p. 329.
4) Bull, de l'Acad. 1881, Nr. 19 u. 20. p. 688.
s) Ann. d'Hyg. 3. Ser. [Nr. 22] Oct. 1880. p, 344.
12
I. Medicinische Physik, Chemie u. Botanik.
&ls inpassend bezeichnet, da es ,, flüchtiger Stoff^'
bedeute; diese Uebersetzung beraht auf einer fal-
schen Etymologie, da Ptomain, wie wir schon früher
erwähnt haben , von 7t%iaßa = Aas herkommt und
also Ldcheualkaloid bedeutet.
Der VoUständi^keit wegen mögen noch folgende nur
unvolUcommen mitgetheilte Fälle wenigstens kurze £r-
wähuang finden.
Zn 6reenock *) fand eine alte Frau Würste , welche
sie kochte und mit ihren Hausgenossen verzehrte. Nach
dem Genüsse erkrankten alle und die alte Frau starb
sogar. Die angestellte Untersuchung vermochte leider
nicht zu constatiren , ob es sich um ein Ptomain handelte
oder ob die Würste vergiftet worden waren.
Dieselbe Zeitschrift enthält*) einen Bericht über
einen Fall , in welchem 21 Personen durch den Genuss
von Büchsenfleisch vergiftet wurden. Das Fleisch stammte
aus einer sehr bekannten Handlung in Chicago. Die
Vergifteten standen im Alter von 2 — 63 Jahren. Als
Symptome werden aufgeführt Erbrechen , Diarrhöe, Ver-
fall der Kräfte , Krämpfe in den Beinen , Bluterbrechen,
heftige Blagenschmerzen u. bei Einigen länger andauernde
Schlafsucht. Alle genasen. Die chemische Untersuchung
führte zu keinem Ergebniss.
An Cholera erinnernde Erkrankungen beobachtete
Dr. Trip e 3) 1) nach dem Genüsse von Würsten bei
64 Personen, von denen eine starb; 2) bei 29 Bewohnern
derselben Strasse , welche von demselben Bratenjett ge-
nossen ; 3) bei 9 Personen, welche Brodpudding gegessen
hatten. Chemisch und mikroskopisch war kein Alkaloid
zu ermitteln.
Das früher von Dupr^ im verdorbenen Mais
entdeckte Ptomain haben Brngnatelli undZe-
n 0 n i ^) znm Gegenstande weiterer Pi-üfung gemacht.
Das Alkaloid ist nach ihnen ans verdorbenem Mais-
brod in um so grösserer Menge darstellbar, je weiter
die Schimmelbildung fortgeschritten ist ; es löst sich
in Wasser nicht, wohl aber in verdünnten Säuren
und wird dm*ch Alkalien und deren Carbonate ge-
fällt. Es ist in Alkohol und Aether löslich und die
Aetherlösung giebt mit äthenscher Weinsäurelösung
einen weissen Niederschlag. Das freie Alkaloid ist
von höchst bitterem Geschmack u. enthält Stickstoff.
In concentriiiier Schwefelsäure gelöst . giebt es mit
oxydirenden Agentien eine intensiv blaue Färbung,
ähnlich der des Strychnin , unterscheidet sich aber
von letzterer durch die schöne violette Färbung,
welche Bromdampf der Schwefelsäurelösung ertheilt.
Das Verderben des Mais wird durch einen pul-
verigen, in Frankreich Verdet genannten Schma-
rotzerpilz verursacht, welcher ausschliesslich aus
braunen, glatten, kugeligen, 6 — 7 Tausendstel
Mmti\ im Durchmesser haltenden Sporen besteht.
Eine grössere Reihe von Versuchen, welche
C o r t e z angestellt hat, führte nach Husemann')
zu folgenden Resultaten :
1) Aus den gesunden Kömeni von Zea-Mais
lassen sich durch künstliche Fermentation, resp.
1) Brit. med. Joum. 1879. Vol. U. p. 99«.
2) Ibid. p. 707.
3) Med. Times and Gas. 1879.
*) Joum. de Pharm, et de Chimie XXVIII. 4. Ser.
p. 41.
^)Dragendorff, Jahresbericht f. 1878. p. 616.
Fäulniss Gifte von verschiedenartiger Wirkmig ge-
winnen.
2) Es entsteht auf diese Weise primär und unter
allen Umständen ein Gift, dessen Wirkung zaerst
anf das Gehirn, später auf das Rflckenmark and die
Med. oblong, gerichtet ist , und welches dnrch Läh-
mung dieser Organe den Tod herbeiführt. Ob die-
sem Gifte eine rasch vorübergehende Erregung ge-
wisser Krampfcentren im Gehirn und eine solche der
Gehimthätigkeit überhaupt als integrirender Theil
der Wu*kung vor Eintritt der Liähmung zukommt,
lässt sich mit Bestimmtheit nicht entscheiden, sicher
aber steigert dasselbe die Reflexfunktionen des
Rückenmarkes nicht. Dieses narkotische Gift des
künstlich fermentirten Mais setzt die Herzthätigkeit
indirekt herab, beeinträchtigt die Mnskelcontrakti-
lität nicht und die Irritabilität der peripheren Nerven-
endigungen kaum oder gar nicht.
3) Das narkotische Maisgift bildet den Hanpt-
bestandtheil derjenigen Präparate des künstlich fer-
mentirten Mais , welche in den Herbstmonaten und
überhaupt in kälterer Jahreszeit bereitet werdeo.
In letzteren existirt vielleicht noch ein anderes gü-
tiges Princip, von welchem die der Lähmung voraus-
gehenden eigenthümlichen , an Nicotinvergiftnng er-
innernden krampfhaften Contraktionen der Fiexoren
abhängig sind.
4) Neben dem narkotischen Gifte entsteht bei
künstlicher Fermentation auf Mais in sehr hdsser
Jahreszeit auch eine giftige Substanz , welche nach
Art des Strychnin eine Steigerung der Reflexerreg-
bai'keit und reflektorischen 'Tetanns bedingt. Dieser
Stoff afßcirt die peripheren Nervenendigungen stär-
ker als der narkotische nnd zeigt im Gemenge mit
dem letzteren einen direkten Einfluss auf die Herz-
aktion nicht. In Hinsicht der Giftigkeit scheint er
das narkotische Princip sehr erheblich zn über-
treffen.
5) Die Gegenwart des tetanisirenden Principes
in den aus kälterer Jahreszeit stammenden Präpa-
raten des künstlich fermentirten Mais lässt sich auf
Grund physiologischer Versuche nicht behaupten.
6) Ein nach Art des Pikrotoxin wirkendes
Ki*ampfgift war in keinem der untersuchten Maia-
präparate vorhanden.
7) Das sogen. Maisin aus kälterer Jahreszeil
wirkt stärker giftig als das Oleoresin, theil weise
wohl in Folge der weit langsameren Resorption de«
letzteren.
8) Die Differenz der Wirksamkeit beider Präpa-
rate bei verschiedener Wärme des umgebenden Me*
dium muss auf eine Veränderung der Resorptionad
Verhältnisse zurückgeführt werden.
Der Maisvergiftung in vielen Beziehungen analod
ist die Lvpinenvergiftung, In den Bezirkoi nämlicU
welche der Bodenverhältnisse wegen auf einen anan
gedehnten Lupinenban angewiesen sind , treten sed
etwa 15 Jahren bei den reichlich mit Lupinen ge^
fütterten Schafen, ausnahmsweise auch bei Pferdem
Erkrankungen auf, weiche mit sehr starkem Iktend
I. Mediclnische Physik, Chemie u. Botanik.
13
ferlaofen, und von denen ein ausserordentlich hoher
Phxü^teatK lethal endigt , so dass beispielsweise ein
einziger pommerscher Kreis in einem Jahre 14138
Stflek Schafe an der Lnpinose verlor und ausserdem
13000 L&nroer weniger aufziehen konnte als sonst.
Deber das Wesen der Krankheit ist erst durch die
Untenncbungen von Liebscher ^) und Kflhn^)
doigies Licht verbreitet worden.
Liebscher zeigte, dass die in den Lupinen
enthaltenen Alkaloide, deren wichtigstes später von
G.Baumert') den Namen Lupinin erhalten hat,
die Lnpinose nicht bedingen , obwohl sie auch giftig
md ; die Lnpinose hat vielmehr ihren Grund im Auf-
treten eines von den Alkaloiden ganz verschiedenen
chemisehen Stoffes, der sich der Klasse der nnorga-
oaiiten Fermente einreihen lässt und von Ktthn
den Namen letrogen erhalten hat. Es lässt sich
dmeh Behandeln der giftigen Lupinen mit Wasser
in grossen Mengen extrahiren und bedingt , wenn es
rnftttert wird, heftigen Ikterus und Tod. Das Auf-
treteo dieses letrogen, welches man der ersten der
TOD Hill er aufgestellten Klassen der Fäulnisspro-
dakte bequem einreihen kann , ist nach Kühn die
Folge der BAmmrkung von Fäidnisspilzefi (Sapro^
i^ttn) auf die Lvpinenpflame, Wir können hier
ioder auf die hoch interessanten Einzelheiten dieser
wichtigen Untersuchungen nicht eingehen, müssen
OB Tielmehr damit begnügen , angedeutet zu haben,
dtts das Ickogen ein Fäulnissprodukt ist , und ver-
«mn unsere Leser auf die citii'ten Originalarbeiten.
In eine Znsammenstellung Über Fäulniss und
ihre Produkte gehören endlich noch 2 Arbeiten über
die Verändernng des Harns beim Stehen an der
lioft. In der ersten behandelt F. Röh mann*) die
»gen. ^aure Hamgälirung.
Während die alkalische Hamgähmng durch die
Umwandlung von Harnstoff in kohlensaures Ammo-
niak (unter dem Einflüsse von Torulaceen, d. h. von
Finlnissbakterien) wohl charakterisirt ist, sind bis
nnn heutigen Tage die Ansichten über die saure
Hamgähmng sehr unklar. Zur Zeit , als die saure
Hangährung aufgebracht und bald allgemein ange-
■ommen wurde, glaubte man, dass e<$ sich dabei um
^e Bildung von Milchsäure handele. So meinte
Schere r (1842), es bilde sich Milchsäure unter
£iowirkung des den Blasenschleim zersetzenden
Hvnpigments ; die so entstandene Milchsäure sollte
das im Harn gelöste harnsanre Natron zersetzen und
durch Abscheidung von Harnsäure die Bildung eines
0 G. liiebscher, Untersuchungen über die
Lopinoiknuikheit der Schafe. Bericht aus d. physiol.
l^bontoriom n. d. Versuchsanstalt d. landvfirthschaftl.
Ii^stitotB zn HaUe, heraosgeg. von^. Kühn. II. Ueftp. 53.
Dresden 1880.
') J. K u h n , Die Schmarotzerpilze d. Lupinenpflanze
>• d. Bekämpfung d. Lupinenkrankheit d. Schafe. Ibid.
P- 115 Q. Blatter f. Belehrung u. Unterhaltung, Jahrgang
1S81. Nr. 9. Halle. Verlag von Handel.
') Das Lopinin. Habilitationsschrift d. Univ. Halle.
Berlin 1881. Gebr. Unger. 8. 50 pp.
«) Ztschr. f. physich Chemie V. 2—3. p. 94. 1881.
Sediments bewirken. Derselben Ansicht war such
Lehmann (1858). Jedoch Keinem von Beiden
war es gelangen, die Milchsäure ans dem Harne bei
der sanren Gähmng darznstellen. Liebi^ wies
(1844) nach, dass Milchsäure weder im frischen,
noch im gefanlten Harne vorkomme , dass die saure
Reaktion des Harnes vielmehr )durch Vorhandensein
von sauren phosphors. Salzen bedingt sei. Später
fanden Voit und A. Hof mann (1867), dass die
durch Titrirung mit Aliutli bestimmbare Säuremenge
des Harns vom Momente seiner Entleerung aus der
Blase stetig ab> aber niemals zunehme. Neubauer
(1876) erkannte diess fflr viele Fälle als richtig an,
aber nicht fflr alle.
Rdhmann's eigne Versnche ergaben, dass der
Harn in den weitaus meisten Fällen keine saure
Gäkntng durchmac/U, Li den wenigen Fällen, wo
wirklich eine nachweisbare Vermehrung der Acidität
eintritt, handelt es sich um zufällige Anwesenheit
von Substanzen im Harne , welche auch ausserhalb
desselben eine saure Gähmng eingehen können, d. h.
vor allen Dingen um Traubenzncker und um Alkohol.
Dass stark diabetischer Harn oft eine recht beträcht-
liche Entwicklung von Säure , und zwar von Essig-
säure zeigt , findet sich bereits bei N e u b a u e r be-
tont. Die Zuckermenge des Harnes kann aber nach
Röhmann bis auf 0.25% , ja sogar darunter sin-
ken, und doch ist die sanre Gährung noch nachweis-
bar. In Bezug auf den Uebergang von Alkohol in
den Harn hat Lieb ig behauptet, in dem nach
Genuss spiiituöser Getränke gelassenen Urine lasse
sich niemals auch nur eine Spur von Alkohol nach-
weisen. Lieben fand jedoch (1870), und nach
ihm Andere , dass eine geringe Menge Alkohol nach
dem Genüsse geistiger Getränke immer in den Harn
übergeht. Ja auch ohne Alkoholgenuss ist im Kör-
per Alkohol nachweisbar , wenigstens fand derselbe
Autor, sowie nach ihm Dupr6 (1870), dass auch
bei absoluter Abstinenz von Alkohol im Harne eine
die Alkoholreaktionen gebende Substanz vorhanden
sei. Weiter fand R a j e w s k y Spuren von Alkohol
im Pferdefleisch und im Gehirne und B6champ
(1872) in der Leber und andern Organen. Freilich
werden viele dieser Angaben von Jaquemart be-
stritten , da er mit einem neuen , sehr empfindlichen
Reagens auf Alkohol (Ueberführung in Aldehyd und
Nachweis desselben durch Natronlauge) diesen nie
da aufzufinden vermochte, wo die Lieben 'sehe
Jodoformreaktion nach Rajewsky ein positives
Resultat ergeben hatte. In einigen Fällen wird es
aber, das kann wohl auch Jaquemart nicht leug-
nen, doch zum Uebergange von Alkohol in den Harn
und hier zu einer sauren Gährung kommen können.
An der sauren Gährung scheinen, wie Röh-
mann weiter zeigt, Schimmelpilze keinen Antheil
zn haben; sie finden sich vielmehr blos deshalb
häufig in solchem Harn, weil dieser ihnen besonders
günstige Lebensbedingungen gewälirt. Die etwa im
Harne enthaltenen Aetherschwefelsäuren werden
während der sauren Gährung nicht zersetzt, — Man
14
I. MedicinÜHshe Physik , Chemie u. Botanik.
könnte gegen das seltene Auftreten der sauren Gäh-
rang des Harns eventuell den Einwand machen, dass
zwar immer eine Säurezunahme anfangs da sei, dass
diese aber durch eine zugleich stattfindende Ammo-
niakznnahme verdeckt werde. Um sich darüber
Klarheit zu verschaffen, bestimmte R. in demselben
Urin täglich die Säure und das Ammoniak und konnte
nachweisen, dass eine Ammoniakzunahme nicht an
dem Ausbleiben der Säurezunahme Schuld ist , dass
somit die saure Qährnng nicht etwa nur verdeckt
wird, sondern Oberhaupt nicht existirt. Was end-
lich den jedem Arzte bekannten Vorgang der Aus-
scheidung von Harnsäurekrystallen in Urinen, die
anfangs nur ^rate enthielten, anlangt, so ist zu
merken, dass auch ausserhalb des Urins dieser Vor-
gang vor sich geht, wenn man harnsaures Alkali
imd gewöhnliches phosphorsaures Natron zusammen-
bringt ; es geht nämlich in der Lösung langsam eine
chemische Umsetzung vor sich, wobei das Natron der
Urate die Harnsäure verlässt, an das saure phosphor-
saure Natron herantritt und dieses in neutrales phos-
phorsaures Natron verwandelt (ans NaH{P04 wird
Na^HPOi), wobei die Flüssigkeit eine alkalische
Reaktion annimmt , ohne dass von der Säure etwas
verloren gegangen wäre ; sie liegt vielmehr nur jetzt
am Boden. Mit dieser Abnahme der alkalischen
Reaktion ist daher auch nur dann eine Abnahme der
durch Titriren mit Natronlange nachweisbaren Säure
verbunden, wenn man die ausgefallene Harnsäure
durch Filtration entfernt.
In einer 2. Arbeit^), welche sich eng an die
vorhergehende anschliesst, bespricht R. das Auf-
treten von Nitraten und Nitriten im Harn. Bei
den in der vorigen Arbeit gemachten Ammouiak-
bestimmungen fand sich nämlich in einigen Fällen
eine allmälige Abnahm^ des Ammoniak, die den Ge-
danken nahe legte, es möchte sich etwa aus dem
Ammoniak salpetrige Säure gebildet haben. So kam
H. dazu, das Auftreten von Nitriten im Harn genauer
zu stndiren *).
Salpetrige Säure findet sich sowohl im sauren
Harne wie in solchem, der von Anfang an eine alka-
lische Reaktion zeigt , wofern diese alkal. Reaktion
durch Beschaffenheit der Nahrung, nicht aber durch
Harnzei-setzung bedingt ist. Die ersten Studien darüber
stammen von Schönbein. Die Menge dieser Säure
ist in vei'schiedenen Harnen verschieden und sehr mit
der Zeit wechselnd. Oft verschwindet die Säure,
während der Harn noch sauer reagirt, zuweilen hält
sie sich bis in die alkalische Reaktion hinein. Aber
auch in diesen Fällen verschwindet sie bald mit der
Zunahme der Harnf^ulniss. Bei gewöhnlicher Zim-
mertemperatur tritt sie meist 2 — 3 Tage, nachdem
der Harn gelassen worden ist, auf; zuweilen auch
früher, aber kaum je später. Ihr Auftreten erfolgt
1) Ueber die AusBcheidung: von Salpetersäure und
salpeMger Saure. Ztschr. f. physiol. Chemie V. 4. p. 233.
1881.
2) Vgl. Jahrbb. CLXXXII. p. 286.
gleichzeitig mit der eintretenden Träbung des Harns
(Schönbein), und zwar, wie man meist annimmt,
in Folge der dabei durch die trübenden Bakterien
bewirkten Reduktion von Salpeter. Leider gelingt
es nicht, durch i*educirende Chemikalien, z. B. durch
Behandeln des Harns mit Zink und Sohwefelsäure
oder Natriumamalgam diesen Process künstlich zu
erzeugen. Es musste daher die Frage, ob wirklieh
Salpeter im Harn vorkommt und als Muttersubstanz
für salpetrige Säure dienen kann , auf eine andere
Weise entschieden werden. R. benutzte dazn die
Sehn lze*sche Methode, nach welclier der Harn mit
Eisenchlorflr und concentr. Salzsäure behandelt und
das sich dabei entwickelnde Stickoxyd über Natron-
lauge aufgefangen wird. Diese Methode gilt för
Nitrate und Nitrite ; soll also mit derselben auf Ni-
trate geschlossen werden , so muss vorher die Ab-
wesenheit von Nitriten bewiesen sein. Wirklich ge-
lang es auf diese Weise, in vielen Harnen Nitrate
nachzuweisen, wodurch also die Möglichkeit der
Entstehung der salpetrigen Säure dttrch Reduktion
von Salpetersäure im Harn bewiesen ist. Eine
zweite Möglichkeit ist die, dass salpetrige Säure,
wenn auch nur in geringen Quantitäten , im Körper
entsteht, also im frischen Harn präformiii; ist und
sich nur dem Nachweise entzieht. Eine dritte Hof;-
lichkeit endlich wäre die , dass salpetrige Säure aus
dem Ammoniak des Harns durch Oxydation entsteht,
ganz in der Weise, wie Hoppe-Seyler durch eia
mit Palladiumwasseratoff geladenes PalladiumblecU
ans Ammoniak dieselbe darzustellen gelehrt hat. Die
Wirkung des Palladiumblechs ist nämlich der der
Fäulniss analog, welche durch Entwicklung von
Wasserstoff bei Luftzutritt die kräftigsten Oxyda-
tionen ausübt. Derartig wirkende Fäuinissvorgänge
könnten wir aber auch im Harne haben. R.'s Ver-
suche fühilen zu folgenden Resultaten.
1) Die Menge der im Harn sich unter günstigen
Umständen bildenden salpetr. Säure ist nie grösser,
als es dem Stickoxydgehalt des frischen Harns ent-
spricht, wodurch bewiesen ist, dass die Annahme
einer Bildung von salpetriger Säui*e aus Ammoniak
niclit statthaft ist.
2) Die Menge des aus dem Harn entwickelbaren
Stickoxyds nimmt beim Eintritt der Fäulniss ab,
woraus sich ergiebt , dass die salpetrige Säure (und
die Salpetersäure) noch weiter reducirt werden, näm-
lich zu Ammoniak.
3) Die Salpetersäure des Harns wird nicht im
Organismus gebildet, sondern stammt ausschliesslich
aus der Nahrung. Die im Speichel, Seh weiss und
Harn enthaltene salpetrige Säure stammt also in-
direkt auch aus der Nahning und fehlt Thieren und
Menschen, welche eine niü'atfreie Nahrung haben^
z. B. Säuglingen.
4) Verfütterte Nitrite werden nur theilweise als
solche und theilweise als Nitrate wieder ausgeschieden«
Ein dritter, recht grosser Theil endlich wird ebenso
wie ein Theil von eingeftthi*ten Niti*aten überhaupt
n. Anatomie n. Physiologie.
15
Didit irieder als Niti*at oder Nitrit ausgeschieden,
sondern verwandelt sich im Organismus durch Re-
duktion in Ammoniak oder salpetrigs. Ammoniak
imd kann durch Vermittelung des letztern wohl gar
ZD freiem Stickstoff werden y was theoretisch sehr
interesstDt wäre.
Was endlich das Auftreten von Nitriten im
TrivhoaMir anlangt, so ist man in neuerer Zeit he-
famntlich sehr ängstlich und bezeichnet alles Wasser,
telcbes beträchtlichere Mengen salpetriger Säure
enthält , meist ohne Weiteres als zum Trinken un-
brauchbar und giftig. Diess scheint jedoch etwas zu
weit gegangen zu sein. Nach einer Angabe von
K. Kemper *) ist wenigstens von dem Genüsse des
Wassers einer Anzahl von Brunnen des Dorfes Bissen-
dorf seit 22 Jahren nie ein Nachtheil beobachtet
worden, obgleich dasselbe (den mitgetheilten Ana-
lysen zufolge) durchgehend ausserordentlich reich an
salpetriger Säure und Chlor ist.
II. Anatomie u. Physiologie.
300. Beitrage zurKenntnlBS der Zelle und
ikrer Lehenaerscheinungen ; von Prof. W a 1 1 h e r
Fl em m i n g in Kiel. (Arch. f. mikroskop. Anat. XX.
l.p. 1— 86. 1881.)
Nachdem Vf. schon früher die Veimuthung aus-
g€8proeben hatte , dass bei der Furchung des Eies
die gldeben Formphasen der Kemfigureii erscheinen,
welche sich an zur Theilnng schreitenden Gewebe-
lelien der Amphibien gezeigt hatten, wendet er sich
OBnoehr zum sachlichen Nachweise selbst. Die
Ditersnchungen wurden am Echinidenei vorgenom-
Ki, Aber welches in gleicher Beziehung schon früher
biehtet worden ist^). Die normale Befruchtung
fnd beständig statt durch das Eindringen nur eines
eivzigeo Spermatozoiden. Aus dem Kopfe des letz-
tem entwickelte &9ch im Ei der Spermakem. Dieser
^eine Verschmelzung ein mit dem Eikern, d. h.
^ Rest des im Uebrigen ausgestossenen Keim-
blischens. Dadurch entstand der erste Fnrchungs-
kern, von welchem alle folgenden Keine abstammen.
Während vor der Befruchtung im Eikern die Netz-
strloge und Netzknoten nur spärlich und blass waren,
Kogten sich nach der Copulation mit dem Sperma-
kmi reichliche und stärker geerbte Fadengerflste.
i)ie Befruchtung führt hiernach jedenfalls eine grös-
sere Menge von tingirbarerer Substanz (Chromatin)
in den Kern ein.
Die Tbeilung des ersten Furchungskerns findet
Vt in keinem wesentlichen Punkte verschieden von
^ Kemtheilnngsfignren sonstiger Zellenkerne. Aber
Bicht blos am thierischen Ei , sondern auch in der
^zenzelle sucht Vf. gegenüber abweichenden An-
Khaunngen von Strasburger sein Theilungs-
^ehema durchzuftihren. Diesem Schema zu Folge
entwickelt sich aus der netzförmigen Ruhelage des
Kerns allmälig die Muttersternform des Chromatin ;
te liegen die Winkel der Fadenschleifen im Kern
ttch dem Centrum der Zelle gerichtet, die Schenkel
"«eh der Peripherie. Es folgt die Bildung der
Aeqoatorialplatte , welche darin besteht, dass die
Schleifen sich in 2 Gruppen ordnen , während ihre
^mkel sich nach den Polen drehen. Hieran schliesst
^ das Auseinander weichen der beiden Schleifen -
?"ippen nach den Polen u. die Bildung derTochter-
^e. Von neuen Ergebnissen über den Kembau
hebt Vf. vor Allem hervor die reiche Ausstattung des
Kerns mit einem fein verzweigten , tingirbaren Ge-
ritste, welches mit dem bekannten gröbern Kern-
gerüst in ununterbrochenem Substanzzusammenhang
steht. Die feine Körnung , welche man mit relativ
schwächern Linsen (bis Hartnack 10) wahrnimmt,
ist auf die optischen Durchschnitte jener feinen
Bälkchen zu beziehen. Die Kernwand selbst, soweit
sie tingirbar ist, hält Vf. in theil weiser üeberein-
stimmung mit Schwalbe für aus kleinen peripheren
Ausbreitungen der Netzbälkchen im Umfange des
Kerns hervorgegangen. Kemtheilungen am 3f«n-
sehen endlich wurden an der Cornea des Erwach-
senen untersucht; die Theilungen befinden sich in
der untersten und zweituntem Epithelschicht , spar-
sam und verstreut, ohne lokale Anhäufung. Die
Formen der chromatischen Figuren entsprechen ganz
den erwähnten. (Rauber.)
301. Ueber Epithelregeneration und so-
genannte freie Kembildung ; von Prof. W. F 1 e m-
m i n g. (Arch. f. mikroskop. Anat. XVIII. 3. p. 347 —
364. 1880.)
Die neuem Untersuchungen über Zell- u. Kem-
theilung haben einen Wahrscheinlichkeitsschluss er-
geben, welcher fllr die allgemeine Gewebelehre wich-
tig ist : Die Regeneration der Epithelien geschieht
durch Zelltheilung in den tiefen Schichten, mitKem-
theilung unter den Erscheinungen der Kemmeta'
marphose (Karyokinese), Doch sind selbst in
jüngster Zeit wieder Beobachtungen veröffentlicht
worden , welche einer freien Kernbildung im Proto-
plasma von Epithelien das Wort reden (Drasch,
am Trachealepithel). Vf. wendet sich zu einer ein-
gehenden Kritik dieser neuen, wie auch älterer ent-
sprechender Angaben und weist mit gi'ossem Ge-
schick die UnWahrscheinlichkeit, ja Unhaltbarkeit
der freien Kembildung nicht allein im Epithel , son-
dern auch anderwärts nach. Selbst die Unter-
suchungsmethoden , auf Grund welcher freie Kem-
theilung behauptet worden war , entsprechen meist
nicht den unumgänglichen Anforderangen.
Da nun aber karyokinetische Zelltheilnngen
insbesondere auch im Epiüiel der verschiedensten
Körpen*egionen und Organe bei Wirbelthieren und
»)Vg!. Jidirbb. CLXXXnr. p. 221.
«) Arch. d. Pharm. [S.] XXVUI. p. 203.
16
IL Anatomie n. Physiologie.
WirbelloBen massenhaft aufgefunden worden sind
(Vf. zählt die verschiedenen Fundstätten speciell auf),
80 liegt gewiss kein Grund vor, neben dem that*
Bächlich bewiesenen Modus ohne Noth einen unbe-
wiesenen für gleichzeitig vorhanden anzunehmen.
Im geschichteten Hautepithel (zunächst des Salaman-
ders) kommen Theilungen nicht allein in der tiefsten
Schicht, sondern so weit nach aufwärts vor, als
die Zellen noch nicht gänzlich abgeplattete Formen
haben. Diess sind die Schichten, welche dem Stratum
MalpighiÄ entsprechen , für welches Vf. darum den
kurzem Namen Keimschicht vorschlägt. Aber nicht
allein für das Epithel, sondeni aucli ftir andere
Zellenarten, überhaupt also, glaubt Vf. für den Satz
eintreten zu müssen „Omnis nncleus e nucleo'^ mit
der vorsichtigen Einschränkung „so viel wir bis jetzt
wissen
u
(Raub er.)
302. Zur Anatomie und Entwicklungs-
gesohichte der Leitungsbahnen im Grosshirn
des Menschen; von Prof. Paul Flechsig.
(Arch. f. Anat. u. Physiol. [Anat. Abth.] 1. p. 12 —
75. 1881.)
Die Grundlage der neuern Untersuchungen
Flechsig's ist in dem Satz enthalten, dass die
Umwandlung der markloa angelegten Nervenfasern
in markhaltige sich an einzelnen centralen Faser-
zügen früher, an andern später entwickelt, unter
Einhaltung einer gesetzmässigen Reihenfolge. In
fiHheren Arbeiten , so bes. in dem Werke „die Lei-
tungsbahnen U.S. w.'^, 1876, schilderte Flechsig
jene Differenzirungen auf Grund mikroskopischer
Untersuchungen ausführlich nur insoweit , als sie in
Rückenmark und Oblongata auftreten. Bezüglich
des Grosshims, der Brücke und des Kleinhirns wur-
den meist nur makroskopische Befunde mitgetheilt.
Diese erhalten in vorliegender Arbeit ihre Ergän-
zung durch Darstellung der mikroskopischen Ver-
hältnisse, welche den Hirnschenkel, die innere Kapsel,
den Markkern der Hemisphären und ihre Ganglien
betreffen.
Bei 44 Ctmtr. langen menschlichen Früchten
(noch nicht bei 42 Ctmtr. langen) ist die Markschei-
denbildung schon so weit vorgeschritten , dass ein-
zelne markweisse Züge sich mit blossem Auge erken-
nen lassen. Es sind diess die hintere Commissur,
das Bündel vom Ganglion habenulae zum Ganglion
interpedunculare (v. Gudden), ein der Lamina
medullaris externa des Thalamus entsprechendes
Faserblatt , ein der Basis des Linsenkerns anliegen-
des Bündel der Innern Kapsel. Im Himschenkelfnss
fanden sich noch keine mark weissen Züge, hingegen
waren die Haubenbündel überwiegend markhaltig.
Bei Fötus von 45 — 46 Ctmtr. Länge lassen in der
Regel auch das Centrum semiovale (bes. im Gebiet
der hintern Centralwindung) und der Himschenkel-
fuss weisse Züge erkennen und die innere Kapsel er-
scheint in grösserer Ausdehnung weiss.
Vf. wendet sich hierauf zur mikroskopischen
Schilderung der Differenzirungshöhe an Früchten
von 50—51 Ctmtr. Länge. Sie giebt hiernach ein
Bild von dem Zustande, welcher am Schlnss des
intrauterinen Lebens erreicht worden ist. Aus
den genau beschriebenen Einzelbefiinden ergeben
sich nachstehende wesentliche Folgerungen bezüg-
lich des Verlaufs der Leitungsbahnen im Grosshirn.
Die Pyramide (welche aus einer Seitenstrangbahn
und einer Vorderatrangbahn des Rückenmarks in
genügend bekannter Weise gebildet wird) verläuft,
indem sich noch weitere Bündel von gleichem Ent-
wicklungsgang in der Oblongata zu ihr gesellen,
nach Durchsetzung der vordem Brückenabtheilnng,
in welcher sie in einzelne Bündel gespalten ist , als
compakter Strang an der Aussenfläche des Hirn-
schenkelfusses in die Höhe und tritt entsprechend
dem hintern Rand des Lujs'schen Körpers in die
innere Kapsel ein. Ihre Bündel werden alsbald
durchflochten von spärlichen , querlanfenden, mark-
losen Faserattgen, welche dorsalwärts aus dem Hirn-
schenkelfuss zu kommen scheinen u. bezüglich ihres
Ursprungs auf den Linsenkem und den geschwänz-
ten Kern liinweisen. Am dorsalen Rand des Luys*-
schen Körpera hört diese Durchflechtung bereits auf,
so dass die zur Pyramidenbahn gehörigen Bündel
nun dicht aneinander gedrängt verlaufen. Sie stei-
gen zwischen Linsenkern und Sehhügel , schlflsslich
zwischen jenem und dem geschwänzten Kern in der
hintern Abtheilnng der Capsula interna empor und
treten, indem sie durch andere Faserzflge wieder in
einzelne Bündel zerlegt werden, ohne mit den
Himganglien eine Verbindtmg einzugehen , in den
Markkem der Hemisphären ein. Ein Theil ihrer
Bündel zieht radiär zur Hirnrinde , und zwar beson-
ders in die Gegend des Lobulus paracentralis , bez.
der obersten Theile der Idntem und des hintern Ab-
hangs der vordem Centralwindung; eine genaue
Umgrenzung des Ausstrahlungsbezirks in der Rinde
ist mit alleiniger Hülfe der entwicklungsgeschicht-
lichen Methode nicht möglich, doch ist es wahr-
scheinlich, dass die Pyi'amidenbündel sich in der
Hemisphäre nur wenig zerstreuen. Im Uebrigen ist
bald die vordere, bald (häufiger) die hintere Central-
windung bevorzugt, d.h. der physiologische Rinden-
bezirk kann in verschiedener Weise durch die Cen-
tralfurche geschnitten werden. Mit dieser Darstel-
lung des Verlaufs der Pyramidenbahn stimmen auch
die pathologischen Erfahrungen.
Der Pyramidenbahn gesellen sich in der Brücke
wesentlich medial liegende Fasermassen bei, welche
vielleicht von den centralen Bahnen des Facialis und
Hypoglossus oder auch aller motorischen Hirnnerven
zusammengesetzt werden. Sie gelangen in den Mark-
kem der Hemisphäre unmittelbar nach vom von den
Pyramidenbahn. Die äussern Bündel des Him>
schenkelfusses, der Pyramidenbahn gleichfalls in dei
Brücke sich anlagernd, zweigen sich schon im baast-
len Gebiet des Linsenkems nach hinten ab. M(^^.
licherweise begeben sie sich ausschliesslich in dei
Schläfenlappen. Das übrige Feld des Fusses zep
fällt wieder in mehrere Abtheilnngen von zum Thet
n. Anatomie n. Physiologe.
17
iveifellttfter Bahn. Die medialen Bündel zeigen im
AUgememen di«i Verlaufsrichtungen , in das Mark
der S&nlappen, in den Nucleos caudatas, in die
fontesten Abai^itte des Nadens lentiformis. Was
die Baubensirahlung (hinterer Theil des innem
Bitttes der Capsula Interna) betriflt, so entspricht
die 6^;end , ans welcher ihre Bfindel auftauchen,
dem rothen Kern und seiner Markhülle. Hier aber
mnisehen sich besonders Fasern der Bindearme
h Kleüihims und Längsfasem der Formatio i*eti-
caitfis. Auch Theile der Schleifen kommen in die
Me dieser Bündel. Obwohl zwischen dem Gebiet
der Hanbenstrahlung und dem Thalamus opticus ein
lehhafter Faseraustausoh stattfindet , so dass man in
Zvdfel gerathen kann y ob die Bündel der erstem
firi[lich in den Stabkranz und nicht vielmehr in den
Thilamus übergehen , so zeigen Horizontalschnitte
doeh keine Abnahme der Zahl der Bündel , Frontal-
Khntte keine Umbiegung derselben gegen die Aussen-
iUie des Sehhflgels. Es ist hiemach anzunehmen,
d« die Hanbenstrahlung in den Markkem der
Hemiq^hSie übergeht. Innerhalb des letztem ver-
bflfeii üire Bündel besonders zahlreich gegen die
hntere Oentralwindung, bez. gegen unmittelbar hin-
kr derselben gelegene Rindentheile (Praecnneus).
ftr Ausbreitnngsbezirk liegt also wenigstens theil-
veiae io unmittelbarer Nähe der Rindennrsprünge
der Pyramidenbahn, besonders hinter denselben.
Dieser Umstand ist mit Rücksicht auf die sensorische
Fmiktion der Haubenstrahlnng höchst bemerkens-
verfh, da der Pyramidenbahn mit Wahrscheinlich-
keit die Leitung willkürlich motorischer Impulse zu-
gesclirieben werden muss. Der Gesammtumfang der
HmbeostrahluDg lässt sich indessen durch die ent-
^rieklongsgeschichtliche Methode allein nicht sicher
bestimmen und es ist nach Flechsig nicht auszu-
«diüfflsen, dass einzelne Bündel auch gegen den
San* ond Hinterhauptslappen verlaufen.
Die Beziehungen des Nueleus lentiformis und
tmuiatus zu den Gebilden des Zwischenhims und
Hinscbenkels klären sich allmälig auf. Es war
Henle 's Verdienst, zuerst daraufhingewiesen zu
bboi, dass Stabkranzbündel , welche mit Linsen-
>nd Sehwanzkera in Verbindung stehen , nicht mit
äekerheit nachweisbar sind. Es würde hiernach der
Strdfenhfigel in ähnlicher Weise eine Endigungs-
Bt&tte von Himschenkelfasern darstellen, wie die
OroBshimrinde, ein Verhältniss, das mit seiner ersten
«nbryonalen Anlage vortrefflich zusammenstimmt,
flechsig 's Untersuchungen sind geeignet, jene
Aosidit in gewisser Beziehung zu stützen.
Die Annahme einer ausgiebigen Verbindung des
Knclens caudatus mit der Brücke und den Brücken-
>dienkehi durch Vermittlung des Hirnschenkel/u««e«
^ durch die verschiedenen Untersuchungsmetho-
^ gnt begründet. Die Fasern ti'eten zum guten
'Rtäl direkt in die innere Kapsel ein und verlaufen
^ weiter. Ein anderer Theil zieht wahrschem-
Ui durch die innere Kapsel zunächst zum Linsen-
Ved. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 1.
kern und von diesem zurück in die Kapsel , um ach
den ersterwähnten Bündebi anzuschliessen. Die
Mehrzahl der aus den innem Gliedern des Linsen-
kems und aus seinen Laminae medulläres austreten-
den Fasem geht quer dm*ch die Capsula interna in
die Regio subthalamica. Im weitem Verlauf gelan-
gen dieselben nicht in den Fuss , sondern in das Ge-
biet der Havbe des Himschenkels und ihrer obem
Fortsetzung. Zu diesen Fasem gehört grösstentheils
auch die Linsenkemschlinge. Bezüglich des Thala"
mu8 opticus weist F 1. darauf hin, wie sehr am Nen-
gebomen der grosse Antheil , welchen dieses Gang-
lion am Stabkranz , insbesondere der Scheitelregion
und Ihrer Nachbartheile nimmt , hervortrete. Wahr-
scheinlich geht der Thalamus mit aüen um&nglichen
grauen Massen des Grosshims Verbindungen ein und
erscheint damit als ein wichtigeres Glied in der Ge-
sammtorganisation der Hemisphären als Linsen- und
Schwanzkem mit ihren spärlichen Beziehungen. Die
genauere Feststellung des Verbreitungsbezirks der
in den Thalamus einti*etenden Stabkranzbündel (der
„Thalamusstiele'' Meyneris) bleibt noch eine fer-
nere Aufgabe der Untersuchung. (R a u b e r.)
303. Ueber Degeneration und Begenera-
tion aerquetsehter Nerven; von Prof. Neu-
mann in Königsberg. (Arch. f. mikroskop. Anat.
XVin. 3. p. 302—344. 1880.)
Die Methode der Nervenquetschung zur Unter-
suchung der De- und Regeneration der Nerven hat
vor der Dnrchschneidungsmethode den grossen Vor-
theil, dass die Continuität jeder einzelnen Faser er-
halten bleibt. Die Schwann'schen Scheiden werden
nicht zerstört, während Achsencylinder und Mark-
scheiden an der Quetschungsstelle vemichtet und
verdrängt sind. Die Quetschung wurde mit einem
^/i Mmtr. dicken Zwimfaden über einer Federspnle
u. A. vorgenommen, unmittelbar darauf die Schlinge
durchschnitten und entfernt. Die anfänglich tiefe
Schnürfurche gleicht sich bald aus. Ihr folgt eine
starke Röthung und spindelförmige Schwellung. Zu-
letzt bleibt nur eine flach eingeschnürte graue Stelle
zurück. Nach 10 — 14 Tagen schwindet beim Ka-
ninchen auch diese Spur, bei Fröschen später. Letz-
tere übrigens erklärt N. als das günstigere Objekt
(kleine Sommerfrösche).
Es folgte in allen Fällen die peripherische De-
generation des gequetschten Stammes. Sie besteht
darin, dass unter Kemvermehrong sich eine proto-
plasmatische Inhaltsmasse in der Schwann'schen
Röhre ansammelt ; ein Zurückgehen auf embryona-
len Znstand, wie N. den Vorgang auffasst. Jener
protoplasmatische Inhalt geht wahrscheinlich hervor
aus einer Umbildung des frühem Inhaltes, nicht aus
einer Neubildung. Der Vorgang schreitet periphe-
riewärts fort. Mit dem gleichen Inhalt füllt sich
die gequetschte Stelle selbst und das zunächst an-
grenzende centrale Ende, wobei übrigens die Grenze
nicht durch einen Scbnürring R a n v i e r 's gesteckt
3
18
in. Hygieine, Difttetik, Pharmakologie n. Toxikologie.
wird. Die Masse ist reich an KeraeD, deren freie
Entstehung N. nicht fttr unwahi'scheinlich erklärt,
ohne Theilnngen der Keine der Schwann'schen
Scheide ganz auszuschliessen. Das Eindringen von
Wanderaellen ist dagegen nur als ein ganz ans-
nahmsweises zn betrachten. Die Regeneration des
Achsencylinders und der Markscheide knüpft an den
protoplasmafischen Inhalt an und ei*8cheint als eine
DifTerenzirnng desselben. Die neuen Fasern treten
als blasse, schmale Bänder auf, welche an Breite
gewinnen und sich allmälig mit Markscheide umsäa-
men. Den Abschluss bildet die Entstehung neuer
Schwann'scher Scheiden um die jungen Fasern ; die
alten Scheiden scheinen in dem Endoneurinm aufzu-
gehen. Der Anschluss der neuen an die alten Fa-
sern findet stets etwas oberhalb der gequetschten
Stelle statt. Die Regeneration tieferer Theile des
Stammes findet später statt, als die höher gelegener.
Das Wachsthum der Fasern nach der Peripherie er-
folgt aber discontinuirlich , jedes folgende Segment
entwickelt sich selbstständig. Der Impuls zur Dif-
ferenzirung pflanzt sich vom Centrum ans peripherie-
wärts fort. Der Nerv verdankt seine wieder erlangte
Leitungsfähigkeit also der Verschmelzung der ein-
zelnen Segmente, im Ganzen aber einer Neabildnng
von Nervenfasern.
Beim Kaninchen ist der Vorgang im Wesentli-
chen derselbe, doch von rascherem Ablaof. Bei
Quetschungen bildet sich im Anschluss an die alte
Faser gewöhnlich nur eine neue Faser, nach Durch-
schneidnng dagegen in der Regel ein Bündel neuer
Fasern.
N. theilt schlflsslich einige Experimente mit , in
welchen ein Ligatnrfaden um einen Nerven gelegt,
fest geschnürt und mit abgeschnittenen Enden in der
Wunde gelassen wurde. Bei einem Kaninchen, wel-
ches 2^/) Monate nach der am N. tibialis post. vor-
genommenen Operation getödtet wurde, zeigte sich
an der Ligaturstelle eine linsengrosse hohle An-
schwellung, in welcher die Ligatur lag. Kurz ober-
halb der Schnürstelle war der Nerv normal , darauf
aber fanden sich die Bündel schmaler neugebildeter
Nervenfasern, welche, fächerförmig auseinanderstrah-
lend, die Ligatur allseitig umgaben. Jensdts traten
die Bündel wieder zu einem cylindrischen Strang zu-
sammen. (Raub er.)
III. Hyglelne, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
304. lieber die Benutsung von Eisenprä-
paraten EU subcutanen Injektionen; von Dr.
H. Neuss. (Ztschr.f.klin.Med.IIl.l. p.l. 1881.)
Vf. weist zunächst darauf hin , dass der oftmals
wttnschenswerthen Einfahrung grösserer Eisenmengen
durch innerliche Verabreichung namentlich die mehr
oder weniger heftigen Verdauungsstörungen entgegen-
stehen , welche bei dei*selben bekanntlich auftreten.
Die zu dem gedachten Zwecke sehr passende subcu-
tane Applikation löslicher Eisenpräparate scheint be-
sonders deshalb noch nicht so allgemein in Gebrauch
gekommen zu sein, weil ein dazu geeignetes Präpa-
rat bisher noch nicht hinreichend bekannt war.
Vf. hat daher in dem pharmakol. Institute des
Prof. Eulenbnrg zu Greifswald über die durch
ihre Löslichkeit und DiffusionsiUhigkeit für die sub-
cutane Anwendung in Betracht kommenden Eisen-
verbindungen Versuche angestellt , deren Ergebniss
er nach Vorausschickung einer kurzen Uebersicht
der bisher veröffentlichten einschlägigen Arbeiten ^)
mittheilt.
Da zur Beuiiheilung der ReaorptionaÜXA^&i
der Eisenlösungen bei subcut. Applikation die X^i/-
/7//rz(79Mfähigkeit derselben von Wichtigkeit ist, hat Vf.
letztere mittels eines (TraAam'schen Dialysators ge-
])rilft und dabei als sehr leicht diffundirbar erkannt :
Ferr. phosphoric. cum Natro citrico; Ferr. phosphoric,
cum Amnion, citrico ; Ferr. citric. oxydat. ; Chinin.
1) Namentlich berucksicliti^ hat Vf. die eingehen-
den Untersuchungen, welche von Prof. M. Rosenthal
in Wien angestellt worden sind und über welche in nn-
scrn Jahrbüchern (CLXXXIII. p. 126) ausfuhrlich be-
richtet worden ist.
ferrocitric. Pharm. Germ, und Chininnm ferrocitric
viride nach Walter bereitet.
Es wurden nun mit diesen Präparaten und mit
Ferr. albuminat. von Friedländer in Berlin and
dem Ferr. peptonat. von ebendemselben Injektions«
versuche an Menschen und Kaninchen vorgenommen,
aus denen sich ergab , dass die am Thiere hierbei
gemachten Erfahrungen nicht direkt auf den Men-
schen übertragen werden dürfen. So wurde z. B.
das Chinin, ferrocitr. vom Kaninchen ganz gut ver-
tragen^ während eine gleich starke Lösung desselben
am Menschen starke Reaktionserscheinnngen machte.
Als völlig geeignet zur subcut. Injektion erwiea
sich das — wie Vf. selbst anführt , schon von Ro-
senthal als besonders empfehlenswerth bezeich-
nete — Ferr. pyrophosphoric. cum Natro citrico,
welches ausserdem auch wegen seines grossen Eisen-
gehaltes (26.6o/o) zu empfehlen und in Lösungen
von 1 auf 6 Aqu. dest. ohne allen Nachtheil ver-
wendbar ist. An 2ter Stelle nennt Vf. das minder
haltbare Ferr, albumin. (Friedländer) und an
3ter das Ferr.pt/rophosphoric, cum Amman, citrico,
welches zwar bei einem Kr. starke Reaktionserschei-
nungen machte^ in 2 andern Fällen aber ohne Nach-
theil vertragen wurde.
Nicht verwendbar zur subcutanen Injektion sind
nach Vf. : Ferr. citric. oxydat. , Chinin, ferrocitric,
Ferr. oxydat. sacchar. solubile und Ferr. oxydatl
dialysat. (glycerinatnm). (0. Naumann.)
305. Versuohe über die therapeutiflohe
Wirksamkeit des Chinolin; von Dr. R. von
Jaksch in Prag. (Prag. med. Wchnschr. VI. 24,
25. 1881.)
III. Hygieine, Diätetiki Pharmakologie u. Toxikologie.
19
Das Oanolin — ein durch Erhitzen verschiede-
m GhioabaseDy bez. Chinoidin mit Alkalien darstell-
bsrer flflchtiger Körper ^) — war schon von Donath
(Berichte der deutschen ehem. Gesellschaft. XIV. 2.)
geprüft worden. Er hatte gefunden, dass dasselbe
die Tempemtur bei Kanhichen um 1 bis 1.5® C. her-
Mtd and bedeutende antiseptische und antizymo-
ÜBehe Wirisungen besitzt Eine Lösung von l<)/o
9li8.C!fainolin vernichtet die Gerinnungsfilhigkeit des
MeSy und eine solche von 0.2% verhindert die
fklmas des Harns, Leims, die lülchsäuregährung.
Vf. hat Aber die therapeut. Verwendbarkeit die-
« Kdrpers mit der salzsauren Verbindung des-
idbeD, einem äusserst zerfliesslichen Körper von
Msseiidem Geschmack, Versuche angestellt. Er
waidte das GhinoUnum hydrochloratnm zunächst bei
T^bus und Intermittens an (ChinoUni hydrochlor.
2.0— 4.0 Grmm., Acidi tartarici 1 — 2 Grmm.,
Aqa. desL 50.0, Syr. Rubi id. 30.0 ; auf 2mal zu
aehmeo), dann auch bei Tuberkulose, 4 Pneumonien
nil 1 Gesichtserysipel.
fiel Typhus wurde das Mittel in mehreren Fällen
in den Nachmittag- und Abendstunden gereicht, um
k spontanen Morgenremissionen der Temperatur
Uaith zu vergrössern und zur Controle dieser Wir-
iiDg wurde dasselbe auch zeitweise ausgesetzt. In
}iodem Typhnsfällen wurde das Gh. während der
gmeo Dauer des Fiebers in den Morgenstunden
verabreicht. Es ergab sich, dass das Mittel dieTem-
pentor bei Typhus zwai* herabzusetzen vermag, docli
vot sehwächer und unzuverlässiger wirkt als Chinin,
ufden Krankheitsverlauf und die Reconvalescenz
iber ohne gflnstigen Einfluss ist.
Bei Intermitiena (3 Fälle) schien das Gh. gün-
stiger zu wirken, besonders in dem einen Falle die
Bebermfille unter rasch abnehmender Milzanschwel-
Ing ooopirt zu haben. In 2 Fällen trat Heilung
«b; beim 3. war der firfolg zweifelhaft. Das Gh.
fthob zwar die Anfälle hinaus und verküi*zte das
Fnutstadium, musste aber wegen heftigen Erbrechens
uageBetzt werden, worauf Ghinin binnen kurzer Zeit
Heiimg schaffte. — In den andern Fällen der An-
tendimg, 1 Tuberkulose, 4 Pneumonien, 1 Erysipel,
^ei, war das Ghinolin ohne wesentlichen Erfolg.
SehlOsslich wiederholte Vf. die von Donath
n Kaninchen angestellten Versuche u. kam zu ganz
^«selben Resultaten. Um beim Menschen eine ent-
fRchende Temperaturemiedrigung zu bewkken,
^ es eben noch grösserer Gaben, als er gereicht,
^^^^j was jedoch die ohnehin schon durch das Gh.
^^cnimditen gastrisdien Störungen verboten. Sub-
<>Uq aber von Vf. in mehreren Fällen bis zu 0.2
^nnm. angewandt, wirkte es auch nicht günstiger
^imierlich, erzeugte dagegen schmerzhafte InfiU
ttationen an der betr. Stelle.
ONeaerdingB dargestellt von Baeyer ans Hydro-
•'^'«tyryl, und von Skraup aus Glycerin, Nitrobenzol
«d Anilin, daher viel billiger als Chinin. Vgl. Berlin.
*«■. Berichte 1879. p. 1320, und Monatshefte für Che-
•« 1881. p. 189.
Nach dem Gesagten stellt Vf. dem Ghinolin keine
günstige Prognose. Es steht dasselbe hinsichtlich
der antipyretischen Wirkung dem Ghinin und der
Salicylsäure bedeutend nach und sein schlechter Ge-
schmack, sowie das nach dem Einnehmen sehr häufig
folgende Erbrechen treten seiner Anwendung hin-
dernd im Wege. Höchstens würde man noch bei
Intermittens sich veranlasst fühlen können , weitere
Versuche anzustellen. (0. N a u m a n n.)
306. Pharmakologiflohe Mittheilungen.
I. Milchzucker, Dr. phil. und med. Moritz
Traube (Deutsche med. Wchnschr. VII. 9. 1881)
bezeichnet den Milchzucker, abweichend von der
Ansicht von Nothnagel und Rossbach, dass
derselbe als innerliches Medikament entbehrlich sei,
als ein sehr wirksames Abführmittel. T r. , an hart-
näckiger Obstruktion leidend, nahm des Morgens
nüchtern 9 — 15 Grmm. fein gestossenen Milch-
zucker in i/i Liter abgerahmter, zuvor abgekochter,
aber noch warmer Milch, — welche auch zur Hälfte
mit Wasser verdünnt werden kann — und nach
iVsStünd.BewegungseingewohntesFrühstück. Nach
2 — 3 Std. hatte er fast ausnahmslos eine, auch zwei
ergiebige, dünnbreiige, braungefärbte Entleerungen,
während für den übrigen Tag Ruhe eintrat. Die-
selbe günstige Wirkung haben auch andere Per-
sonen , welche auf seinen Rath das fragliche Mittel
benutzten , an sich beobachtet. Als höchste Dosis
hat Tr. 24 Grmm. auf ^4 ^i^i* Milch ohne jeden
Nachtheil genommen.
Der Milchzucker ist als wesentlicher, nie fehlender
Bestandtheil jeder Thiermilch, ein eben so wichtiger,
als selbst in grösseren Mengen unschädlicher Nähr-
stoff, welcher gleich anderen Nähi*stofien, nament-
lich den Saccharinis , Rohrzucker , Honig u. A. auf
die Darmperistaltik anregend wirkt. Die Wirkung
ist ähnlich der der Molke, die angegebene Form der
Verwendung desselben hat aber vor dieser den Vor-
zug , dass sie leichter darstellbar , dem Geschmack
zusagender imd als Laxans wirksamer ist.
Die nach Einnahme des Mittels entleei'ten Fäces
fand Tr. bei wiederholter Untersuchung von nur
schwach saurer, fast neutraler Reaktion, so dass es
nicht wahrscheinlich ist, dass der Milchzucker im
Darm sich in freie Milchsäure verwandele. Ein
wässriger Auszug dereelben reducirte die Fehling'"
sehe Lösung beim Kochen nicht, ebensowenig war
in dem gleichzeitig gelassenen Harn ein jene Lösung
reducirender Körper nachzuweisen.
II. Subcutane Injektionen mit Morphium ge-
gen Dyspnoe.
L. Dreyfus-Brisac (Gaz. hebd. 2. S^r.
XVIU. 1. p. 3. 1881) wies darauf hin, dass bei
einem mit heftiger Dyspnoe behafteten Pat. nach
einer subcutanen Morphiuminjektion in der Dosis
von 5 Mgrmm. sehr bald Abnahme der Respirations-
fi*equenz um 4 — 10 Athemzüge eintritt, die Dyspnoe
20
m. Hygieine, Diätetik, Pharnuikologie u. Toxikologe.
fOr die Zeitdauer mehrerer Standen wesentlich ge-
mindert ist, und, wo dieselbe mit Asthmaparoxysmen
auftritt y diese fast ausnahmslos gehoben werden.
Ueber die physiologische Wirkung des Morphium in
solchen FäUen ist man noch nicht einig ; nur darin
stimmen alle Kliniker flberein, dass da, wo Dyspnoe
von Himanämie begleitet ist, das Morphium sich
vorzugsweise wirksam erweist, während es bei
visceralen Stasen , namentlich solchen des Gehirns,
eher contraindicirt ist. Femer steht fest, dass
das Morphium auf die pnenmogastrischen Nerven
und speciell auf die Bewegungsnerven des Herzens
wirkt.
Man kann daher nach D r. im Allgemeinen das
Morphium als bei jeder Dyspnoe für indicirt betrach-
te, vor Allem ist es f&r die .^n Affektion der
Lungen abhängige Dyspnoe geeignet, selbst wenn
dieselbe mit einem Herzleiden combinirt ist Auch
in manchen Fällen von Erkrankung der Aorta , so-
wie des Myokardium, der Mitralklappe, soll das
Morphium bessere Dienste leisten, als die Digitalis.
Die betr. Fälle sind jedoch mit Vorsicht auszuwäh-
len, namentlich ist es wichtig, die EmpfiUiglichkeit
der Kranken fQr Opiate zu prüfen, und deshalb ge-
rathen, mit der Dosis von 5 Mgrmm. zu beginnen, die
man, wenn sie vertragen wird, 2 — 3mal im Tage
wiederholt. In chron. Fällen kann man die Gaben
steigern, doch ist es auch hier gerathener, mehrere
Injektionen in kurzen Zwischenräumen zu machen,
als eine grössere Dosis auf einmal zu geben. Selbst
bei mit Herzleiden behafteten Kindern hat Dr. von
Morphiuminjektion sehr gute Wirkung beobachtet.
Für contraindicirt hält D r. die Methode in Fäl-
len stark ausgeprägter Himstase mit Somnolenz und
Delirien, ebenso bei kachektischen Krankheitsfor-
men. Im letzten Stadium der Lungenphthisis z. B.,
wo es sich überhaupt nur um Erleichterung der Be-
schwerden handelt, bewirkt eine schwache Morphium-
injektion f&r den Augenblick allerdings Abnahme
der Dyspnoe , dagegen steigern sich die Symptome
des Torpor, der Somnolenz, des Koma als Prodrome
des nahenden Todes , und nach D r.'s Ansicht kann
dem Arzte, selbst bei aussichtslosen Kranken,
dieses Recht der Lebensverkürzung nicht zuge-
standen wei*den.
Einen weitem Beitrag zur Kenntniss der Wir-
kung der Morphiuminjektionen bei Dyspnoe liefert
Dr. Catrin (Bull, de Th^r. C. p. 173. F6vr. 28.
1881) durch Mittheilung von 2 Fällen.
Der erste derselben spricht für die namentlich
von französischen Klinikern aufgestellte Behaup-
tung, dass das fragliche Verfahren bei Aorten-
erkrankungen erfolgreich sei , dagegen bei Erkran-
kungen der Mitralklappe keine Wirkung ausübe.
Der betr. Er., ein 52 J. alter Rentner, Rheumatiker
nnd Alkoholiker , seit Ism^er Zelt mit Lungenemphysem
H. einem Mitralklappenfehler behaftet, litt an hochgradiger
Dyspnoe, sowie Oedem der Extremitäten and gastrischen
Störungen ; namentlich während der Nacht traten ausser-
ordentlich heftige Asthmaanfalle auf. Die zu wieder-
holten Malen mit verschieden langen Zwischenzeiten ver-
snchte Ii^ektion von Morphium (5 Mgrmm. bis 1 Ctgrmm.)
blieb ohne allen Einflass auf die Paroxysmen , während
Digitalis und Chloral dieselben sofort aof hoben u. später
ein längerer Gebrauch von Jodkaliam und Vichywasser
nebst der Anwendung der Schlammbäder Ton Sain(>
Amand relative Genesung bewirkte.
Der 2. Fall wird von 0. als Beweis für die
günstige Wirkung der Morphiuminjektion bei rein
nervösem Asthma angeführt.
Er betrifft einen kräftigen , 38 J. alten Mann, der
seiner Angabe nach seit 4 J. in Folge einer ErkältoDg
an wiederholten asthmatischen Anfällen litt u. C. wegen
dnes solchen von forchtbarer Heftigkeit im Sept. 1878
consnltirte. Emphysem war damals nicht nachzuweiscB.
Die Inhalation von Chloroform beseitigte den Anfall nnd
unter dem Gebrauche von BeUadonna (Pillen) und der
Datnra (zum Rauchen) verbrachte Pat. fast 14 Mon. in
sehr gutem Znstande, ohne dass ein Anfall auftrat. Erst
im Not. 1879 stellten sich sotehe Anfälle nach eineD
Ezcess mit grosser Heftigkeit, namentlich in der Nacht,
wieder ein. C. wandte Jetzt Morphium - Injektionen
(5 Mgrmm. bw 1 Ctgrmm.) an, welche stets, gewöhnlich so-
fort, spätestens aber nach 20 Bßn., die Anfälle beseitigten,
obschon sich Emphysem entwickelt hatte. Anch in die-
sem Falle verordnete C. neben den snbout. iBjektioaen
innerlich Jodkalium und Belladonna.
Schiüsslich rühmt C. noch die günstige Wirkaog
der subcutanen Anwendung des Morpliinm gegen die
Dyspnoe der Phtlüsiker , und ganz besonders gegen
die bei denselben so häufige Pleurodynie.
III. ^^roptn wird von Kreisphysikus Dr. Tacke
in Wesel (Berl. klin. Wchnschi-, XVffl. 6. 1881)
als sehr wbrksam gegen Menorrhagie u. Hämopb/su
gerühmt.
T. beobachtete diese Wirkung zuerst bei einer
weg^n wandernden Ekzema mit subcutaner Injektion
von Atropin (3mal täglich 3 Dcgmun. einer Lösong
von 1 Ct^mm. Atropin auf 10 Grmm. Wasser) be-
handelten f 48 Jahre alten Frau. Die zu dei*8elbeD
Zeit sehr profuse Menstruation wurde schon nach der
ersten Injektion sehr massig und blieb es auch, wäh-
rend die günstige Wirkung auf das Ekzem gleich-
falls sich geltend machte. Die gleiche günstige Wir-
kung hat T. seitdem in 5 andern Fällen von pro-
fuser Menstruation beobachtet; ebenso in einem Falle
von Lungenblutung , wo nach der subcutanen Eia-
spritzung bereits 2mal die Blutung sofort aufhörte.
IV. Hyoscyamin wird vonDr.H. D.Yosburgl)
(New York med. Record XIX. 5 ; Jan. p. 136.
1881) gegen Substdtus tendinum empfohlen, in
Bezug auf einen Fall von Typhus, in dem difl
gen. Symptom, bei sonst normalem Verlauf, schoi
im Anfangsstadium auffallend stark vorhanden ge*
wesen war und vom 12. Tage ab sich heftige An
Me hinzugesellt hatten. Die AnMe blieben 8 M
12 Std. lang aus und es stellte sich ein ruhig^
delirienfreien Schlaf ein. Pat. starb allerdings, trotSj
dem aber glaubt V. doch , dass das Mittel als eü
wirksames Sedativum bei nervösen Symptomen ^
genannten Art Anwendung verdient. (Die Dofm
welche V. anwendet, ist nicht angegeben.)
V. Apomorphin als Eapectorans. i
Dr. Oarl Beck in Bleialf, Rheinpreuasen (Ded^
sehe med. Wchnschr. VII. 12. 1881) hat im J. 1^^
in. Hygieiney Diätetik^ Pharmakologie u. Toxikologie.
21
in eOfHOlen von Bronchialkaiarrh und in 30 Fällen
von Bronehopneumofde mit sehr günstigem Erfolge
dne LdsoDg von 6 — 8 Ctgrmm. Apomorph. hydro-
eblont in 120 Grmm. Wasser unter Zusatz von
1 6rmm. Ae. mnr. dilut. nnd 30 Grmm. Syr. simpl.
(aller 2—4 Std. 1 Esslöffel , bei Kindera stündlich
1 Kaffeelöffel) angewendet. Beim akuten Bronchial-
kttarrh beobaehtete B. oft schon nach eintägigem
GebntQch auffallende Verflüssigung des Sekrets ; in
lUen Fällen trat Genesung ein, mit Ausnahme eines
Falles von Capillarbronchitis bei einem herabgekom-
toeiien Kinde. Bei chronischem Katarrh , nament-
EehLaennec's trocknem Katarrh, war aiisnahms-
kfi lindernder Einfluss auf Hustenbewegungen und
Dniekbeschwerden bemerkbar. Am deutlichsten war
der Erfolg bei Bronchopneumonien nach der Krisis,
vor welcher gewöhnlich Digitalis gegeben worden
war; wenn auch von den 31 Fällen, in denen Apo-
moiphin angewendet wurde, 5 lethal endeten, so
bewahrte sich letzteres doch in allen übrigen Fällen
als sicheres Expectorans. Bei capillarer Bron-
Mü stieg B. bisweilen, wo nicht Erscheinungen
TODCollapsus zu bef&rchten waren, bis zur doppelten
Dosis, selbst auf die Gefahr hin, Erbrechen dadurch
n erregen, welches ja unter gewissen Bedingungen
kier gerade recht günstig wirken kann. In 2 Fällen
Ton akuter Laryngitis blieb die Wirkung des Apo-
iDoiphin zweifelhaft, ebenso bei jenen katarrhalischen
Processen , welche in Begleitung der Phthisis pul-
DMBom auftreten ; doch war auch hier in einzelnen
Flllen erleichterte Expektoration zu constatiren.
Verdauungsstörungen hat B. bei Verabreichung
des Apomorphin nie beobachtet; auch wurde die
gen. Mischung von Kindern stets gern genommen.
Dr. Knsehel in Oberglogau (Med. Gentr.-Ztg.
L. 21. 1881) bestätigt gleichfalls die günstige Wir-
bmg des Apomorphinum hydrochloraium als Ex-
ftetorans bei Kindern. Er hat es in der von
Kor mann angegebenen Dosis 0 bei 17 Bändern,
die an Bronchitis litten , unter Zusatz von einigen
Tropfen Salzsäure angewendet Schon während des
G^raoches der ersten Flasche der Lösung stellten
»ch feuchte Rasselgeräusche und leicht lösliche Sputa
ein and mit ihnen erfolgte zugleich ein deutlicher
Abfall der Temperatur. Erbrechen hat K. danach
nie beobachtet, eben so wenig Verdauungsstörungen.
VI. Das Ergotin, in Dosen von 1 — 3 Gran
(6— 18 Ctgrmm.) subcutan injiciii;, ist nach James
Allan (Brit. med. Joum. Jan. 29. 1881) ein sehr
wirksames Mittel zur Lmderung des Hustens und
Verminderung des Auswurfs bei den verschiedensten
Longenaffektionen , ohne dass dabei irgend welche
constitationelle Störung eintritt. Die dadurch be-
dingte lokale Reizung, welche bisweilen zur Suppu-
iitioD des Unterhautbindegewebes führen kann, lässt
■ch vermeiden , wenn man die Injektionsnadel tief
0 Im 1. Lebensjahre alle 1 — 2 Std. 1 Mgrmm., von
^sb mit Jedem Lebensjahre V* Mgrmm., vom 12. aber
ttk 1 Mgnnm. mehr. Vgl. Jahrbb. CLXXXVUI. p. 52.
in das Muskelfleisch, z. B. des Deltoideus, einstichi
Die günstige Wirkung hält gewöhnlich 1 — 2 T. an
u. kann durch Darreichung anderer geeigneter Mittel
unterstützt werden. Vor Allem ist diese Methode
empfehlenswerth bei den quälenden Hustenan&llen
der Phthisiker, welche so leicht zu Hämoptyse füh-
ren. Die innere Anwendung des Extr. liquid. Ergot.
scheint nicht die gleich günstige V^irkung zu haben.
VII. Als Beleg für die günstige Wirkung des
Veratrum viride gegen Epilepsie theilt Dr. E d w.
F. Mordough (New York med. Record XIV. 11;
Sept. 1878) 7 Fälle mit, in welchen er eine Mischung
von 15 Ctgrmm. Morphium sulph. mit je 15 Grmm.
Tinot. Veratri vir. und Aqu. dest. subcutan ange-
wendet hat. Er spritzte von derselben 20 Tr. ein
und wiederholte die Einspritzung nach 12 Minuten.
Bereits nach 4 Min. hob sich der Puls, die Pupillen
begannen sich zu erweitern , die Pat. klagten nicht
über Uebelkeit, schliefen nach einer Stunde ein;
sie konnten sogar nach Hause gehen, ohne dass der
Krampf wiederkehrte. In einem Falle, wo das
Mittel innerlich (40 Ott.) gegeben wurde, brach der
Krampfanfall in gleicher Heftigkeit wie die frühern
nach wenigen Minuten wieder aus , hielt aber nicht
so lange an.
VIII. Das Propylaminj welches Dr. Pürk-
hauer gegen Chorea minor sehr warm empfiehlt,
hat Dr. 0. Soltmann (Bresl. ärztl. Ztschr. II. 8.
1880) genau nach P.'s Vorschrift in 11 Fällen der
gen. Krankheit angewendet, aber in keinem der-
selben einen irgend erheblichen Erfolg erzielt. Ja
er musste in 3 Fällen das Mittel wegen störender
Nebenwirkungen — Uebelkeit, Erbrechen, reissende
Kolikschmerzen, Durchfall, heftige Erregtheit —
schon am 3. Tage aussetzen. Aehnliche Misserfolge
haben übrigens auch Homdy und Dujardin-
Beaumetz gehabt, doch giebt S. zu, dass ein
Theil der unangenehmen Nebenwurkungen vielleicht
auf Rechnung der Beschaffenheit des Präparates zu
setzen sei, da die Schwankungen im Gehalte an Pro-
pylamin sehr erheblich sein können. Nach seiner
Ansicht dürfte nur ein Präparat mit einem bestimm-
ten Gehalte von Propylamin in die Pharmakopoe
aufgenommen.werden.
IX. Arsenik.
Dr. Soltmann (a.a.O.) wandte in zahlreichen
Fällen von Chorea minor die Solutio Fowleri an
(mit der gleichen Menge dest. Wasser verdünnt,
3mal täglich 4 — 6 Tr.) und liess daneben Abends
0.5—1.0 Grmm. Ghloralhydrat nehmen. Die Hei<
lung trat durchschnittlich binnen 16 — 21 Tagen ein,
auch in den Fällen , in denen vorher Propylamin er-
folglos angewendet worden war. S. fügt hinzu,
dass er ausser bei frischem Magenkatarrh , welcher
das Arsenpräparat stets contraindicirt , nie störende
Nebenwirkungen beobachtet habe , dass namentlich
anämische, mit hereditär neuropathischer Disposition
behaftete Kinder das Mittel gut vertragen , und dass
dasselbe eben so sehr in veralteten , wie in frischen
FäUen seine Wirksamkeit bewährt. Die subcutane
22
IV. Pathologie, Therapie u. mediciniBche Klinik.
Anwendung desselben hält S. wegen grosser Schmerz-
haftigkeit für nicht zulässig.
Sehr günstigen Erfolg von der innerlichen und
subcutanen Anwendung der Sol. Fowleri beobachtete
Dr. James Israel (Berl. klin. Wchnschr. XVIL
52. 1880) in einem Falle von maägnen Lympho-
men j welche sich bei einer 65 J. alten, früher ge-
sunden Frau binnen 13Mon. zu einer enormen Grösse
entwickelt hatten.
Bei der Auäiahme (16. Febr. 1880) zeigte die sehr
elende Fran eine schmntzig-graagelbe kachektische Farbe.
Es bestand fast vöUlge Taubheit , die Sprache war sehr
schwer verständlich und die Kr. musste jeden Augenblick
wegen Lnftmangel pausiren.
Die Untersuchung des Rachens zeigte das Velum
durch eine weichelastische Geschwulst vorgetrieben,
welche, von der hintern Pharynzwand entspringend , den
ganzen Nasenrachenraum erfüllte , die Choanen verlegte
und nach unten bis zum untern Umfange der Tonsillen
reichte. Die Lymphdrüsen an der linken Seite des Hal-
ses bildeten ein zusammenhangendes , vom tCieferwinkel
bis zur Clavicula reichendes Packet, ungefähr von der
Consistenz syphilitischer Bubonen , dessen supraclavicu-
lare Portion einen mehr als ganseeigrossen , knoUigen
Tumor darstellte. Bechterseits waren die submaxillaren
Drusen bis zu Taubeneigrosse geschwollen ; ebenso waren
die Achseldrnsen vergrössert und hart. An den innern
Organen , insbesondere der Milz , war keine Schwellung
nachzuweisen. Die weissen Blutkörperchen waren nicht
vermehrt. Fieber bestand nicht , die Pulsfreqneuz be-
trug 92 in der Minute.
Zum innerlichen Gebrauche wurde eine Lösung von
5 Grmm. SoL Fowleri in 20 Grmm. Tincl, Ferri pom,
verwendet , von welcher Pat. anfänglich 3mal täglich 10
Tropfen erhielt. Im Laufe von 4 Wochen wurde auf 3mal
täglich 30 Tr. gestiegen, diese Gabe 11 T. hindurch fort-
gegeben, und dann die Gabe allmälig vermindert. Zu den
Einspritzungen wurde eine Mischung von gleichen Thei-
len Sol. Fowl. und Aqua dest. gebraucht, und davon
Vio — Vio des Inhalts einer /Vavaz'schen Spritze zu Jeder
Injektion verwendet. Täglich wurde eine Einspritzung
entweder in den Rachentumor, oder indieDrGsentumoreD,
oder auch in beide gemacht. Im Ganzen sind vom
18. Febr. bis 4. April 28 Grmm. Sol. Fowleri innerlich
verbraucht und 3.8 Grmm. parenchymatös injicirt wor-
den. Eine Böthung oder ein Abscess an einer Injektions-
stelle trat eben so wenig als Fieber ein , wohl aber eine
bedeutende und während der Dauer der Kur constant
bleibende Steigerung der Pulsfrequenz , bis 140 in der
Minute. Nach der zweiten Injektion schwoll die Kachen-
geschwulst so bedeutend an, dass die Tracheotomie in
Frage kam ; es gelang indessen durch innere und äossere
Applikation von Eis, die Gefahr zu beseitigen. In der
1. Woche vergrösserten sich auch die Drüsentumoren
etwas, wurden aber von der 2. W. ab schneU kleiner.
In der 3. W. stellte sich erhebliche Besserung des Gehöre
ein, in der 4. war der Nasenrachenraum für die Athmuog
wieder brauchbar , und nach 6 W. konnte Pat. der poli-
klinischen Behandlung überwiesen werden , aus welcher
sie nach 3 W. ohne Spur der Geschwülste, frei von Taub-
heit, Athembeschwerden und Sprachstörung in gutem Be-
finden entlassen werden konnte. Bei Mittheilung der
Beobachtung bestand die Heilung seit 6 Mon. ohne Ge-
brauch von Medikamenten unverändert.
X. WismuOi.
Nach J. Lawrence Hamilton (Brit. med.
Journ. Febr. 5. 1881) rührt der von Praktikern bei
dem Gebrauch der üblichen Wismathpräparate wie-
derholt beobachtete eigenthümlich gefärbte Belag der
Zunge von einer Verbindung des fein vertheilten
Wismuthmetalls mit dem im Speichel nach GenuäS
stärkehaltiger Nahrung sich bildenden Zucker her.
H. machte einen hierauf bezüglichen Versuch an sich
selbst y indem er nach 2stünd. Fasten und sorgfäl-
tiger Ausspülung des Mundes mit Wasser eine heisre
alkalische Wismnthsalzlösung mit seinem Speichel
mischte, worauf keine Veränderung der Färbung ein-
ti'at. Nahm er aber etwas Brot zu sich und setzte
dann seinen Speichel zu der erwähnten Lösung , so
war die specifische Wismuthfärbung sofort bemerkbar.
XI. CoÜodium stypticum wird nach einer in der Med.
Times and Gaz. (June 25. 1881. p. 700) gemachten Mit-
theilung zweckmässig dargestellt aus 100 Gollodinm , 10
Acid. carbol. , Tannin , Acid. benzoic. ana 6 Grmm.,
welche Substanzen in der angegebenen Reihenfolge zu
mischen sind. Das Präparat hat eine bräunliche Färbung
und hinterlässt ein fest anklebendes Häutchen. Die Blat-
stillnng erfolgt schnell, die Vemarbung sehr gut.
XII. Unguentum diachyli. Dr. D u h r i n g in Phila-
delphia giebt zar Bereitung dieses Präparates folgende
Vorschrift: 1 Theil frisch (aus Plumb. acet.) gefälltes
weisses Bleihydroxyd wird mit 2 Th. Wasser yerrieben u.
dann mit 6 Th. Ol. Oliv, gemengt. Das Gemisch wird 2 Std.
im Wasserbade bis nahe zum Kochen erhalten und beim
Erkalten unter stetem Umrühren bis zu Salbenconsistenz
gebracht, wobei auf je 250 Grmm. der Salbe 4 Grmm. Ol.
Layendulae hinzugesetzt werden. Die Salbe enthält Blei>
oteat y hat neutrale Reaktion und hält sich für einige Zeit
sehr gut. (Philad. med. Times May 7. — Med. Times
and Gaz. l. c.) (Winter.)
IV. Pathologie, Therapie und medicinische Kliniic.
307. Weitere Beobachtungen von sehr
zahlreichen und sehr grossen Kalkplättchen
in der Arachnoidea spinalis; von Prof. Franz
Ohvostek. (Wien. med. Wchnschr. XXI. 51. 52.
1880.)
Bekanntlich kommen in der Arachnoidea spin.
kleine knorpel- oder knochenaiüge , rundliche oder
eckige, flache Plättchen von 0.5 — 1.5Ctmtr.Länge,
zumeist etwas geringerer Breite und 0.5 — 1 Mmtr.
Dicke im spätem Lebensalter ziemlich häufig vor,
ohne dass im Leben spinale Symptome vorhanden
wären.
Ch. hat bereits einen Fall mitgetheilt, in dem
die Ealkplättchen ungewöhnlich gross (1 — 4 Ctmtr.
lang) waren und sich an 2 Stellen längs der hintern
Wurzeln erstreckten. Dieser Fall hatte das Bild
einer Meningitis spinalis chron. geboten: heftige,
reissende oder stechende Schmerzen in Rumpf und
Extremitäten, Steifheit und Schmerzhaftigkeit der
unteren Hälfte der Wirbelsäule. Neuerdings hat Vf.
noch folgenden Fall zu beobachten Gelegenheit ge-
habt.
M. E. , früher Corporal , 77 J. alt , litt seit 1 Jahre
an Schmerzen im rechten Oherschenltel. Der Pat. war
ein hochgewachsener Mann und zeigte ausser den gewohn-
lichen Altersverandemngen Schwerhörigkeit, betracht-
liche Hypermetropie , Abnahme der p83^hischen Thätig-
Iceiten , verbreitetes starlces Atherom der Arterien. £r
Iclagte über ziehende und reiflsende Schmenen ia der
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische E[linik.
28
Voideneite des rechten Oberschenkels. Dieser war gegen
Dnek etwas empfindlich. Die Lendenwirbelsaale wurde
steif gehalten. Bei Bewegnngsversnchen steigerten sich
& SehmeRcn , traten anch im linken Oberschenkel und
in der Lendenwirbelsanle auf. Allmälig wurden die
8elimeRen heftiger , erstreckten sich auf das Kreuzbein
nd die Lendengegend und waren zeitweise nur durch
Mbrphnunmjektionen zu mildem. Einige Monate später
bekam Fat. eine Pleuritis und ging an deren Folgen zu
Gnude.
Bei der Sektion fand man die Dura spin. an der hin-
Iffi Sdte des Lendenmarkes mit der Arachnoidea eng
asammenhangend. Letztere war an dieser Stelle mit
ahlreichen, meist zusammenhängenden weissen Plättchen
tedeekt, von 3—4 Otmtr. Länge, 1—2 Ctmtr. Breite und
1-2 Mmtr. Dicke, welche auf der der Dura zugewandten
Seite glatt, auf der andern dagegen feinstachelig rauh
waren. Aehnliche Plättchen fand man an der Arachnoi-
dea des Bmstmarkes bis zur Halsanschwellung, doch nah-
neo sie nach aufwärts an Zahl und Grösse ab. Das Mark
selbst war anämisch und bot sonst nichts Abnormes dar.
Aoeh im Hirn fand sich nichts Krankhaftes ausser Alters-
Tenoderongen : allgemeine Trübung der Pia, geringe Er-
vettenmg der Ventrikel mit Verdickung des Ependyms,
Zikiglieit und Blässe der Hirnsubstanz.
In einem 3. Falle war das Bild während des
Lebens ähnlieh, es fanden sieh jedoch als Complika-
tMB Wirbelsarkome. (M ö b i u s.)
308. Beitrag zur Lehre von der progressi-
va! Gesiehtaatrophie (Aplasie lamineuse pro-
fwive de la face)] von Dr. Delamare. (Reo.
de m6m. de vM. etc. milit. 3. S^r. XXVI. p. 484.
[Kr. 198.] Sept.— Oct. 1880.)
Ein 27jähr. Officier, welcher frfiher nie krank ge-
veses war und von der Pike auf gedient hatte, kam 1876
nerst in die Behandlung D c 1 a m a r e 's. Der Kr. hatte
^ 15]ähr. Knabe , da er mit Altersgenossen auf Steinen
kenimkletterte, einen schweren Fall gethan. Doch heil-
ten die Verletzungen ohne eine Spur zu hinterlassen,
^lige Zeit später bildete sich am rechten Unterkiefer
ein bnimer Fleck , der sich allmälig vergrosserte. Bald
|l»ibte auch der Kr. eine Schiefheit seines Gesichts zu
bemeiken. Obwohl das IJebel langsam vorwärts schritt,
üe« sich doch der Kr. durch dasselbe bis 1876 nicht vom
Dienste abhalten.
Beim ersten Anblick glaubte man , der Kr. sei von
einein farchtbaren Säbelhieb ins Gesicht getroffen worden.
Die Narbe schien etwas rechts von der Mittellinie vom
Beitel aber die Stirn bis zum Kinn zu gehen. Auf dem
Selddel fehlten in Fingerbreite die Haare , die Haut war
tt dieser Stelle blass , glänzend , dünn und dem Knochen
idliirent. Man fühlte durch sie hindurch eine Furche im
Koochen , den Band des Ob parietale und sogar dessen
Zälmelung. Eine gleiche Furche mit gleicher Haut be-
reit nahm rechts die innere Hälfte der Stirn ein ; die
onere Hälfte der Augenbraue fehlte ganz. Die rechte
Bilite der Nase war kleiner als die linke, die Spitze nach
'Khts verzogen, ebenso der Mundwinkel nach rechts oben,
^e tiefe Einsenkung entsprach dem Foramen mentale,
Meekt von faltiger, dünner, pigmentirter Haut. Der
l^trtwuchs am Unterkiefer rechts fehlte ganz, war auf der
Oberlippe sehr seh wach. Die ganze rechte Wange war
c^gesonken. Die totale Atrophie des Ober- und Unter-
^eiB wurde noch deutlicher bei Betrachtung der Mund-
^Ue. Die Zähne waren gesund , an Zunge , Gaumen,
^^vynz war nichts Abnormes zu sehen. Trotz der Atro-
Mde aller Gewebe thaten die Muskeln der rechten Ge-
"cUsbälfte ihren Dienst, doch steigerte sieh beim Spre-
te, Pfeifen etc. die Asymmetrie des Gesichts durch
VcRidknDg nach rechts. Die Sensibilität war normal,
^"'^ffigenz mdGedachtniss waren ungestört, der Charak-
ter aber hatte sich im Laufe der Krankheit verändert.
Der Kr. war phantastisch , unstet , zornmüthig geworden.
Die hydrotherapeutische und elektrische Behandlung
im Yal-de-Gräce fruchtete nichts. Nach 2 Mon. trat der
Kr. wieder aus. Im Juni 1877 bekam er zum 1. Male
heftige Kopfschmerzen und zeigte Symptome von Verfol-
gungswahn. Im Seebade trat Beruhigung ein. Der Kr.
nahm im October seinen Dienst von Neuem auf und
„elektrisirte sich täglich mit einem Gat/fö'schen Apparat**.
Im März 1878 wieder Kopfschmerzen , äusserste Reizbar-
keit und Verfolgungsideen. Mehrfacher Hospitalaufent-
halt. Um diese Zeit trat in der linken Gesichtshälfte,
entsprechend dem N. infraorbitalis , ein weinhefefarbiger
Fleck auf. Die Atrophie der rechten Seite hatte immer
noch zugenommen. Der Kr. trat im September wieder
ein, schien 2 Mon. lang ruhig, wurde im December wie-
der aufgeregt und bekam ordentliche maniakalische An-
fälle. Dem Verfolgungswahn mischten sich jetzt religiöse
Ideen bei. Seitdem wechselten Zeiten der Ruhe und der
Aufregung. Pat. wurde entlassen.
Vf. hebt hervor , dass in seinem Falle die Atro-
phie besonders stark war an den Aastrittsstellen der
Aeste des Trigeminiis. An der Stirn folgte die
Knochen- und Ebutatrophie dem N. frontalis, sie er-
reichte ihre höchste Entwickelung über dem Austritt
des N. mentalis. Die psychischen Störungen hält
Vf. nicht für eine Gomplikation , sondern bezieht sie
auf die auch die Atrophie bewiiicende cerebrale Lä-
sion. (Möbius.)
309. Zur Diagnose der Serratuslähmung ;
von Dr. Lewinski in Berlin. (Virchow's Arch.
LXXXIV. 1. p. 71. 1881.)
L. kommt auf seine Ansicht zurück, dass bei
reiner Serratuslähmung die Stellung des Schulter-
blattes in der Ruhe nicht wesentlich alterirt sei (vgl.
Jahrbb. CLXXXIV. p. 17) und bespricht die seine
Auffassung mehr oder weniger bestätigenden Fälle
Bernhardts (Das.). Er wendet sich dann gegen
Bäum 1er, dessen Fall wir a. a. 0. ebenfalls kurz
erwähnt haben, und sucht dessen Einwände zu wider-
legen, wie uns scheint mit Recht. Seine Ansicht
formulirt er jetzt folgendermaassen : Bei isolirter
Lähmung des M. serratus ant. maj. ist bei aufrechter
Körperhaltung und ruhig herabhängendem Arm an
der Scapula ausser einem geringen und wegen seines
häufigen Vorkommens auch bei gesunden Menschen
diagnostisch nicht gut verwerthbaren Abstehen des
unteren Winkels, resp. eines mehr oder weniger
grossen Theils des spinalen Randes vom Thorax
nach hinten nichts Abnormes zu constatiren: die
Lähmung dieses Muskels wird demnach nur sicher
diagnosticirt durch die bekannten bei der Erhebung
des Ai*ms nach seitwärts u. namentlich nach vom auf-
tretenden Abnormitäten der Schulterblattbewegung.
Bemerkenswerth ist L.'s Hinweisung darauf, dass,
weil der Serratus den Cuculhiris , welcher den Arm
trotz der Schwere in seiner normalen Stellung hält,
durch seine Portio inf. in gewissem Grade unter-
stützt, bei Serratuslähmung schon eine geringe Ab-
nahme der Kraft des CucuUaris eine beträchtliche
Deformität hervorrufen wird.
Ref. bemerkt, dass Vf. wesentlich nichts Anderes
sagt, alsDuchenne gesagt hat, den er in der vor-
24
IV. Pathologie, Therapie n. mediciniflche £[liiiik.
liegenden Mittheilang nicht erwähnt , nnd dass der
ganze Streit nnnöthig gewesen wäre, wenn man
Duchenne 's Ausführungen in der Physiologie des
monvements gehörig beachtet hätte. (M ö b i u s.)
310. Ueber einen Todesfall, dessen ITr-
saehe ein hysterischer Anfall in hydrophobi-
soher Form zu sein schien; von Maurice
Raynaud. (L*ünion 37. 1881.) '
Die 33jahr. unverheirathete Kr. litt an einem chro-
nischen Ekzem der Fasse, welches von dem Nagelbett
der grossen Zehen ausgegangen war. An beiden Zehen
war die Operation des eingewachsenen Nagels n5thig ge-
wesen. Dieser war das eine Mal eine Lymphangitis mit
Leistendrnsenabscess gefolgt. Später hatte das Elczem
die andern Zehen nnd den Fnss ergriffen.
Ausserdem war die Kr. hysterisch. Sie litt vorwie-
gend an Vapenrs , war aber auch verschiedene Male von
schweren Anfällen heimgesucht worden. Daneben be-
standen alle Arten der Hyperästhesie, alle möglichen Bi-
zarrerien.
Im J. 1876 beobachtete Vf. eine Reihe hysterischer
Anfälle von hydrophobischer Form. Die Kr. litt an bren-
nendem Dnrste , lag mit verstörtem Blicke und dem Aus-
druck der Verzweiflung, Tag und Nacht stöhnend zu Bett.
Der Schlnndkrampf war so heftig , dass sie nicht einen
einzigen Tropfen hinabbringen konnte. Schon die An-
näherung eines Wasserglases Hess sie erzittern. AUmälig
verlor sich der Krampf und die Kr. gelangte wieder in
ihren gewöhnlichen Zustand. Doch hatte sie sich an die
während dieser Zeit angewendeten Morphiuminjektionen
gewöhnt u. setzte dieselben in der Folge fort. Trotzdem,
dass sie nie unter 10—12 Ctgrmm. täglich einspritzte, litt
sie anhaltend an SohUflosigkeit. Die Menstruation war
unregelmässig.
Von Zeit zu Zeit , wenn die Entzündung am Nagel-
rand exacerbirte, pflegte R. mit einer feinen Scheere
einen Theil des Nagels abzutragen. Diese kleine Opera-
tion , bei welcher eüiige Tropfen Blut flössen , brachte
immer Erleichterung. Sie wurde zum letzten Mal am
20. Jan. 1881 ausgeführt. Am 22. liess die Kranke R.
wegen Athembeschwerden rufen. Er fand an den Brust-
organen nichts Krankhaftes, constatirte aber Fieber (bei-
nahe 39^). Dieses Fieber verlor sich in den näclisten
Tagen. Die Kr. begann über sehr heftigen Schmerz in
der Gegend des 3. Brustwirbels zu klagen, schon der
geringste Druck entlockte ihr Schmerzensrufe. Schon
jetzt bestand ein geringer Grad von Schlundkrampf. Am
23. war der Rückenschmerz verschwunden, ein kaum
erträglicher Nackenschmerz war an seine Stelle getre-
ten, der jede Bewegung des Kopfes unmöglich machte.
Die Gesichtszüge waren verfallen. Bei sehr lebhaftem
Dnrste verhinderte Schlundkrampf jede Flüssigkeits-
aufnahme. Doch litt die &. nicht beim Anblick von
Wasser. Eine hochgradige Angst war ein weiterer Zug
ans dem Bilde der Lyssa. An Stelle der gewöhnlichen
Sanftmuth war zornige Heftigkeit getreten. In den näch-
sten Tagen verschlimmerten sich die Erscheinungen. Die
Periode , welche 1 Jahr lang ausgesetzt hatte , trat sehr
reichlich ein. Die Respiration wurde von fortwährendem
Singnltns unterbrochen. Am 24. war der Znstand sehr
bedrohlich. Es bestand starker Trismus. Das Sprechen
wnrde durch den Zwerchfellskrampf ganz unmöglich ge-
macht. Jedoch war die Kr. vollkommen bei sich und
schien ihre Heftigkeit vom 22. zu bereuen. An Stelle
des Nackenschmerzes klagte sie über Schmerzen in der
Seite des Leibes. Hier und da konnte sie ein wenig
trinken. Ein Anfall von Asphjrxie ging rasch vorüber.
Am 25. früh fand R. die Kr. noch schlechter : heftigster
Trismus, mühsame krampfhafte Athmnng, Unmöglichkeit
zu sprechen, dabei volles Bewusstsein. AUmälig wurden
die Lippen blau, der kleine Puls unfnhlbar, das Bewusst-
sein schwand , in den Beinen traten ebizelne Zndumgei
ein, die Pupillen erweiterten sich , die Respiration setste
aus und die Kr. starb.
Nach R. kann man, am diesen Fall za erldären,
3 Ansicliten aufstellen. 1) Man kann an Lyssa
denken. Die hauptsächlichsten Erscheinungen der-
selben waren vorhanden: Schlundkrampf , Zwerch-
fellskrampf, äusserste Angst mit Paroxysmen, finale
Asphyxie. Es fehlten der Abscheu vor Flüssigkeiten,
Delirien oder Hallucinationen. Die Kr. war nie mit
kranken Hunden in Berührung gekommen. Zwei
Kaninchen , welche R. mit dem Speichel der Ver-
storbenen impfte, blieben ganz gesund. 2) Könnte
Tetanns Ursache des Todes gewesen sein. Es war
eine kleine Verwundung vorausgegangen , der Tris-
mus bildete einen hervorstechenden Zug des Krank-
heitsbildes. Doch fehlten die allgemeinen Krämpfe
und die ftlr Tetanus charakteristische Temperatur-
steigerung. 3) Endlich bleibt die Hysterie. Die
Kranke war zweifellos hysterisch, sie hatte schon
vor 5 J. einen ähnlichen Anfall durchgemacht. Das
V^iedererscheinen der Periode sprach ftlr Hysterie.
Der Morphinismus hatte wahrscheinlich die Wider-
standsfähigkeit des Nervensystems vermindert und
so erlag diessmal die Kranke dem Anfall , während
1876 mit ungeschwächten Kräften sie ihn Aber-
wunden hatte.
R. stellt daher die Diagnose : tödtlicher Anfall
von* Hydrophobie , unter dem Einfluss der Hysterie,
bei einer Morphinistin.
In der Diskussion, welche sich an diesen Fall in
der Soci^t^ m6d. des Hdp. anschloss, machte Du-
jardin-Beaumetz darauf aufmerksam , dass es
sich auch um eine Nierenerkranknng gehandelt
haben könne. Raynaud er?riderte, der Urin sei
normal gewesen. R e n d u und Raymond hielten
eine dififnse Myelomeningitis für wahrscheinlich nnd
erwähnten ähnliche Fälle, in denen die Sektion eine
Meningitis spin. ergeben hatte. R a y n a n d wider-
sprach wegen der Unbeständigkeit der Erscheinungen
und wegen der Aehnlichkeit derselben mit dem
früheren Anfall. (M 5 b i u s.)
311. Beitrag zur Kenntniss des Oesopba
gismnB; von Dr. Ch. Eloy. (Gaz. hebd. 2. S^
XVn. 46. 47. 50. 1880.)
Die geringe Berücksichtigung, welche der Oesfi
phagismus bisher in der Literatur erfahren hat , il
für E. die Veranlassung zu der vorliegenden Arbd
gewesen. Er rühmt unter den neueren Veröffefll
lichungen die Darstellungen Jaccoud's (Pathj
logie, Appendice 1877), Luton's (Art. Oe. 4
Nouv. Dict. pratiq.) und Morell Mackenzie
(Med. Times and Gaz. 21. Oct 1876 ; Lancet 1^
1878). I
E. theilt die Fälle von Oesophagismns in solclj
welche complicirt sind mit uterinen Störungen (!■
Dyspepsie (IL), Affektionen der ersten Wege (lä^
Status nervosus (IV.), und in reine Fälle (V.). 4
L Beob. i. Die Kranke, ein 16Jähr. IntelligenH
aber körperlich wenig entwickeltes MädtdMn aeigte ai|
j
IV. Pathologe, Therapie n. medicinische Klinik.
25
Chmktere des nervösen Temperaments. Sie war seit
kmzem menstrairt , vor 2 Mon. aber war die He^eX aus-
geblieben nnd seitdem war der Krampf aufgetreten. Ihre
Motter hatte zur Zeit der Pabertat an Singnltns, Schling-
krampfen nnd Dysmenorrhöe gelitten. Bei der Pat. hatte
das Leiden mit Singnltq» begonnen, dann hatte sie nichts
Festes, später nichts Flüssiges schlacken können und die
erst vorübergehende Empfindung eines fremden Körpers
io Halse in der Höhe der Schilddrüse war dauernd ge-
«nden. Seit 8 T. hatte die Kranke nur einige Tropfen
nmet Ifilch genossen. Die Bemühung zu schlneken
nef einen lebhaften Krampf mit Beklemmung und £r-
jüekongagefühl hervor. Abmagerung und p'bychische
Depression waren sehr gross. Letztere hatte zweimal zu
SeOMtmordversnchen gefuhrt. Die Untersuchung des
lindes, Kehlkopfs, der Brust zeigte nichts Abnormes.
Aiskoltirte man hinter dem 4. Brustwirbel, so hörte man
m Geräusch, dem gleich, welches Luftblasen in Wasser
eneageu. Die Sondirnng der Speiseröhre, die erst nach
wiederholten Versuchen gelang, zeigte, dass kein mecha-
Bisdies Uindemiss vorlag. Morphiuminjektionen führten
Beneroog herbei. Als die Kranke einige Flüssigkeit zu
ridi nehmen konnte, gab man Bromkalium. Sobald
dieses Medikament dann ausgesetzt wurde , verschlim-
merte sieh der Zustand wieder. Eine definitive Heilung
tnt erst ein , als spontan die Menstruation wieder er-
tthien. Acht Monate später erlitt die Kranke ein Recidiv
Qgleich mit Snppressio mensium. Gleiche Behandlimg ;
Hdlnng nach Rückkehr der Menses. Seitdem mehrere
Toriibergehende Anfälle. Später Tod an einer akuten
Knnkheit.
Daas der Oesophagismns zuweilen erblich ist,
bezeugen auch Ev. Home (Bibl. m6d. T. VIII.
p. 260), Mondi^re, Morell Mackenzie.
Letzterer erzählt einen Fall , in dem Grossmntter,
Mutter Q. Tochter an Oesophag^ismns gelitten hatten.
Beob, 2. Eine Kranke von 40 J. war nach einer
heftigen Erregung von Amenorrhoe nnd Oesophagismas
beCallen worden. Sie hatte früher niemals nervöse Sto-
nogen gehabt. Besserung durch Anwendung der Sonde
md der Emmenagoga. Heilung nach Rückkehr der
Begel (Seney. Th^se de Par. Nr. 211. 1873.)
Mondiöre (Arch. gön. T. XXXI. p. 474) hat
Oegophagiamna bei Metritis beobachtet, R i e d e 11 n ,
Leonard (These. 1822. p. 196) in der Schwanger-
%h&ft, Mackenzie während der Laktation. Der
OeaophagiBmns nach Unterdrflcknng der Regeln ist
iblich dem nach Unterdrückung fliessenderHämor-
riioiden (Brodle) oder habituellen Nasenblutens
(Frank) auftretenden.
Q. Der dyspeptische Oesophagismus wurde be-
äDüders von Trousseau erforscht.
Beob. 3. Ein 44Jähr. Mann konnte Festes gar nicht,
Ftvasiges nur zum Theil schlucken. Das Leiden hatte
Bit Pyrosis und Ifagenschmerzen begonnen. Der Ver-
Meh zu sehlneken rief helligen Spasmus , Rauhigkeit der
S&DBe, Tkranen u. s. w. hervor. Die Sondirnng war
l^t Eine intercurrente akute Krankheit Hess den
(^phagismus verschwinden; in der Reconvalescenz
te er wieder. Besserung durch Wismuth u. Salzsäure.
(Poot, Dnbl. Joum. AprU 1874.)
Beob, 4 nach Eaton (Lancet.I. 2; Jan. 1877)
>ektint nicht hierher zu gehören , da von Dyspepsie gar
>iekt die Bede ist.
Beob. 5 betrifft eine 45jähr. Frau , bei welcher der
^)c*>phagi8mns nach einer Hämatemese aufgetreten war.
BeUang durch Salzsäure und Qnassia. (F o o t , 1. c.)
Beob, 6. Ein 48jähr. , sehr dyspeptischer Mann
Wde wegen chronischer Laryngitis behandelt. Spas-
■Mtehe Dysphagie mit Hustenanfällen. Keine Besserung
Hed. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 1.
nach Oeffhung eines Schilddrnsenabscesses. Sondirnng
erst schwer, dann unmöglich. Tod. Sektionsergebniss
ganz negativ. (H. Power, Lancet L 10; March 1866.)
Beob. 7. Oesophagismus bei einer 5^ähr. Frau, seit
2 Mon. bestehend. Dyspepsie seit 2 Jahren. Heilung
durch Beseitigung der Flatulenz, ohne lokale Behand-
lung. (Mackenzie, 1. c.)
Vgl. femer einen Fall, welchen Graves mitge-
theilt hat.
Der Oesophagismus kann sich an langdauerndes
Erbrechen anschliessen. Diess beobachteten V i g l a
(Gaz.desHop. 1869. 25. Sept.), Caron (d'Annecy),
Hulke ;(Transact. of the clin. Soc. Vol. VI. 1873.
p. 52), Ev. Home (Bibl. m6d. T. VIII. p. 263).
E. vergleicht den Oesophagismus bei MagenafTektio-
neu mit dem Hamröhrenkrampf bei der Cysütis,
dem Vaginismus bei uterinen Leiden.
m. Beob. 8. Ein 45jähr. Schiffer litt häufig an An-
gina und seit 14 J. an Dysphagie. Letztere verschlim-
merte sich nach jedem Katarrh. Zeitweise Besserung
nach Abtragung einer Mandel. (Seney, 1. c.)
Beob. 9. Dysphagie seit 12 J. bei einem nervösen,
an Anginen leidenden, 38jähr. Mann. Pat. konnte
Flüssiges und Festes nur in gans kleinen Bissen , resp.
Schlucken hinabzwingen. Kalte Speisen riefen lebhaften
Spasmus hervor. (Arch. gen. 6. Ser. XXH. p. 101.
1873.)
Beob. 10 und 11 sind Fälle von Dysphagie nach
Diphtherie.
E. erwähnt hier auch den Oesophagismus , wel-
cher zuweilen nach Reizung des Schlundes durch
heisse Speisen, reizende Droguen, z. B. Sublimat,
Pilze, Datura, Belladonna, anftintt.
IV. Nervosität ist nach E. nicht so häufig
Ursache des Oesophagismus als man wohl annimmt.
Derselbe kann sowohl bei Neurosen, als bei tieferen
centralen Störungen vorkommen.
Beob. 12. Spasmodische Dysphagie seit mehreren
Jahren bei einem Gerichtsdiener , welcher früher an ner-
vösen Anfallen und Grössen wahn litt, den Vorläufern der
allgemeinen Paralyse. Die Speisen blieben über der
jsusammengezogenen Stelle stecken, hinter dem oberen
Theil des Sternnm. (Peter: Gaz. des Hop. 85. 1875.
p. 674.)
lieber einen Fall von Oesophagismus bei Gehimkrank-
heit berichtet Brien (Anc. Joum. de med. t. XIV.
p. 320.)
Am häufigsten sind die Beobachtungen von Oeso-
phagismus bei Nervosismus und bei Hysterie.
Beob. 13. 20jähr. Hysterica. Oesophagnskrampf
hinter dem Larynx. Die Sondirnng rief den Krampf her-
vor, die Sonde wurde festgehalten. Ueilung durch Dila-
tation. Krampf des Sphincter ani, ebenfalls durch Dila-
tation geheilt. (Broca: Soc. de Chir. Juin 13. 1869.)
Beob. 1^. 16jähr., sehr nervöser Knabe. Das Ende
des Anfalls war durch Weinen markirt. Empfindung
eines Hindernisses hinter dem Stcmum. Heilung durch
Bromkalinm. (Foot: 1. c.)
Beob. 15. eojähr. Mann. Oesophagismus mit tem-
porären Remissionen. Besserung durch Bromkalium.
Recidiv nach Aussetzen des Mittels. (Gubler: Bull,
de Ther. 1864. p. 54.)
Beob. 16. 30jähr. Hysterica. Oesophagismus seit
6 Monaten , Krämpfe der Zungen- und Pliarynxmuskeln.
Heilung nach 6 Wochen durch Strychnin. (M a 1 1 h i e u :
Gaz. med. de Lyon 1852. p. 102.)
Beob. 17. 18jähr. Hysterica. Dysphagie und Dys-
urie. Heilung durch Bongies. (Gendron: Arch. g6n.
5. S^r. XI. p. 293. 432 ; 1858.)
4
26
IV. Pathologie^ Therapie n. medldniBehe Klinik«
E. betoDt die nicht seltene Complikation des
Oesophagismus mit andern Spasmen. Zuweilen wech-
seit der Krampf mit Neuralgien. So in dem Falle
S p r i n g 's (Symptomatologie. Bruxelles 1866), wo
eine Frau nur dann essen konnte, wenn sie Migräne
und nervöse Zahnschmerzen hatte.
Beob, 18. Begimi des Oesopbsmfismus bei einer Ner-
vosa nach einem Aufenthalt am Seestrand, zugleich mit
allgemeiner Erregung. Heilung durch Morphium. (Peter:
1. c.)
Beob. 19. Lange dauernde Anfälle von Dysphagie
bei einem 19jähr. Burschen nach Cholera. Pat. gab ge-
nossene Milch in geronnener Form als konischen Pfropf
wieder von sich. (W. Smith: Dnbl. Journ. Marcb
1874.)
Beob. 20. Bei einem 20jälir. Manne 1 Jahr nach
schwerer Kopfverletzung Dysphagie. Ausbrechen eines
Kegels von gehacktem Fleisch, sozusagen eines Ausgusses
des Oesophagus. Besserung durch Bromkalium. (K o u x :
Th^se de Par. Nr. 106. 1873.)
Beob. 21. Spasmodische Dysphagie bei einem Manne
seit 3 Jahren , angebUch aufgetreten nach einem Würgen
des Halses durch einen Betrunkenen. Besserung durch
Faradisation. (Foot: 1. c.)
Beob. 22. Eine Frau hatte aus Versehen einen
Tropfen KalUauge auf die Zunge fallen lassen. Seitdem
lebhafter Schmerz rechts im Schlünde. Für Festes com-
plete , für Fl&ssiges partielle Dysphagie. Leichte Sondi-
rnng. (Journ. de med. et de chir. prat. p. 150. 1864.)
Beob. 23. Ein Mann war heftig erschrocken, wäh-
rend er sich die Zähne putzte. Seitdem Schmerz und
Behinderung beim Schlucken. Empfindung eines fremden
Körpers im Oesophagus, um dessen Extraktion Pat. bat;
leichte Sondirung. (Ibid. p. 252.)
Es giebt also einen reellen , nicht eingebildeten
Speiseröhreukrampf ohne anatomische Läsion bei
sensitiven Personen , welcher durch psychische und
physische Ursachen entstehen kann.
V. In den folgenden Fällen ist nach E. derselbe
Mechanismus anzunehmen ; sie unterliegen gleicher
Behandlung.
Beob. 24. Eine 38jähr. Frau hatte vor 5 Jahren aus
Versehen Schwefelsäure verschluckt, ohne dass üble
Folgen eingetreten wären. Seit 6 Tagen plötzlich wäh-
rend des Essens eingetretene Unmöglichkeit zu schlingen.
Die Sonde wurde im untern Drittel des Oesophagus fest-
gehalten. Vollständige Heilung nach einmaliger unvoll-
ständiger Sondirung. (Axenfeld: L'Union 73. 1872.)
Beob. 26. Beginn während des Essens, bei einem
alten Officier, durch Steckenbleiben eines Bissens. Frucht-
lose Bemühungen, diesen hinabzudrücken, dann spasmo-
dische Dysphagie, Suffokation. Heilung durch Sondirung.
(Dieulafoy: Journ. de med. et de chir. prat. p. 413.
1846.)
Beob. 26. Unmöglichkeit zu schlingen bei einer
Frau. Plötzlicher Beginn vor 3 Tagen. Leichte Resistenz
beim Sondiren in der Mitte des Weges. Heilung durch ein-
malige Sondürung. (Ibid.)
Beob, 27. 60jähr. Manu seit 1 T. unfähig, etwas zu
verschlucken. Heilung durch Sondirung. (Chamail-
lard: Journ. de med. et de chir. prat. p. 311. 1846.)
Beob. 28. Ganz ähnUcher Fall. (Ibid.)
In allen 5 Fällen handelte es sich um plötzliches
Steckenbleiben eines Bissens, sozusagen durch einen
Fehltritt beim 3. Akt der Deglutition. Durch das
Steckenbleiben entsteht nach £. Hyperästhesie der
betr. Stelle und reflektorischer Krampf. Dieser ist
nach Peter „une v^ritable folie de Toesophage^.
Stets ist Sondirung das Heilmittel.
Kurz erwälint £. den „imaginären^ Oesopha-
gismus, wie er durch die Furcht vor Lyssa (S er res,
Velpean), durah den Anblick gewisser Speisen,
durch die Erinnerung an einen frQhem Anfall ent-
steht.
Die Prftdisposition fttr den Oesophagismus ist
nach £. immer in einem nervösen, flbererregbaren
Temperament gegeben, während sexuelle, gastrische
Störungen, Affektionen der ersten Wege, psychische
Erregung u. s. w. als Gelegenheitsnrsaehen den
Krampf auf reflektorischem Wege auslösen. Eine
gewisse Aehnlichkeit hat der dysphagiscbe mit dem
hysterischen Anfalle, wie die nervöse mit der hyste-
rischen Disposition , hier wie dort werden Thränen,
Krämpfe der Halsmuskeln , Agitation , am Schlüsse
reichlicher, heller Urin und tiefe Seufzer beobachtet.
Die Hauptsymptome der spasmodischen Dysphagie
sind: subjektive Erschwerung, resp. Unmöglichkeit
des Schluckens, Schmerz, Gefühl der Oonstriktion,
objektiv die Regurgitation der Speisen, das Fest-
gehaltenwerden der Sonde, das charakteristische Ge-
räusch beim Auskultireu, weiterhin die Abmagerung,
die Nahrungsverweigerung. Die Intoleranz des Oeso-
phagus ist am stärksten in den Fällen, wo der Oeso-
phagismus durch zufälliges Steckenbleiben eines Bis-
sens entsteht. In den übrigen wechselt sie an Stäi'ke
nach Art, Consistenz und Temperatur der Speisen.
Am wenigsten werden kalte Speisen vertragen. In-
termlttenz der Erscheinungen und lange Daaer der
Krankheit sprechen im Allgemeinen für die spastische
Natur der Dysphagie , wiewohl eine gewisse Inter-
mittenz auch bei organischer Dysphagie vorkommt
Der Schmerz ist besonders ausgesprochen, wenn der
Krampf in den obern Abschnitten des Oesophagus
seinen Sitz hat. Das Gleiche gilt vom Constriktions-
gefühl. Singulttts ist besonders bei dyspeptischem
Oesophagismus häufig. Abmagerung fehlt oft ganz
und tritt nur nach langer Krankheitsdauer ein , um-
gekehrt ist es bei organischer Dysphagie , bei wel-
cher auch statt der Abneigung vor Speisen ein leb-
hafter Hunger zu bestehen pflegt. Die raschere
oder langsamere Regurgitation der Speisen kann un-
gefähr die Höhe der Einsclmürung bezeichnen. Sie
unterscheidet den Oesophagismus von Lähmung der
Speiseröhre. Die Sondirung ist das Hauptmittel flEü*
die Diagnose, das leichte Eindringen der Sonde oder
das rasche Schwinden des anfänglichen Widerstandes
beweisen den Spasmus. Ist anfänglich die Sondirung
wegen zu grosser Reizbarkeit nicht möglich , so er-
leichtert sie vorhergehende Anwendung von Brom*
kalium oder Morphium. Endlich macht E. auf den
Nutzen der Endoskope, insbesondere des von Desor-
meaua, aufmerksam.
Von den in Gebrauch zu ziehenden Mitteln ist
das wichtigste die Sonde^ welche in manchen Fällen,
besonders in denen der 5. Klasse, rasch die Heilung
herbeifbhrt. Auch von der Dilatation hat man gute
Erfolge gesehen, ebenso von inducirten Strömen«
E. erinnert an 2 Pat Rosen t ha Ts, welche durch
„Galvanisation des Hypoglossus^' geheilt wurden.
IV. Pathologie^ Therapie u. medicmifiche Klinik.
27
Dss Bromkalinm m^gs sehr lange Zeit angewendet
weräeßy leicht kehrt der Krampf nach dem Aussetzen
aarflok. Von den pharmaceutischen Mitteln steht in
aweiter Linie das Morphiumy während Strychnin und
Belladonna von geringerer Bedeutung sind. Natür-
lich darf die Behandlung der etwaigen Menstruations-
stdmngen , Dyspepsie n. s. w. nicht vernachlässigt
werden.
Den Ausführungen E.'s fQgt Ref. eine eigene
Beobaehtnng bei.
Eine aojähr. Dame, Gattin eines Collegen, litt seit
etwa 8 Mon. an Dysphagie. Sie war stets psychisch er-
regl»ar gewesen, hatte zuweilen an Weinkrämpfen ge-
litten. Die nervSse, nicht hysterische Pat. hatte in letster
ZeK mehrere ihr Gemüth erschütternde Ereignisse erlebt
ond nach diesen war, eingeleitet von Hinterkopfschmer-
sen, die Dysphagie anfgetreten. Ein chronischer Rachen-
katarrh hatte schon vordem bestanden, jetzt aber waren
seine Exacerbationen mit eben solchen der Dysphagie
Terbonden. Letztere bestand darin, dass die Pat. zeit-
weise ausser Stande war, einen Bissen oder Schlack hinab-
mbringen, weil «es sich im Halse znsammenziehe". Ins-
besondere war sie gewohnlich ausser Stande, in Gegen-
wart anderer Personen zu essen. Die Untersuchung der
zart gebanten, blassen Pat. ergab eine alte Pharyngitis
ant Atrophie der Schleimhaut und reichlicher, zäher Se-
kretion, sonst nichts Krankhaftes.
Qner durch den Hals geleitete inducirte Ströme bes-
wrten den Zustand rasch. Leider musste ans äussern
Grfinden die Behandlung abgebrochen werden.
Dieser Fall würde nach der allzu scheroatischen
Eintheilnng B.*s sowohl in die 3., als in die 4. Klasse
gi^idren. (Möhins.)
312. Zar Lehre von der Aetiologie , Pa-
thogenie und Therapie der Chlorose ; von Dr.
Z a n d e r in fischweiler. (Virchow's Arch. LXXXIV.
1. p. 177, 1881.)
Z. glanhty dass das Eisen bei Behandlung der
Chlorose flberschfttzt werde. Aus der geringen Menge
des im Kdiper enthaltenen Eisens, aus dem Gehalte
der Mflch und anderer Nahrungsmittel , sowie des
Trinkwassers an Eisen, aus dem Nachweis des Eisens
in FSces nnd Urin könne man schliessen, dass es an
der Zufuhr des nöthigen Eisens selten mangeln
werde, dass vielmehr chlorotische Blutbeschaffenheit
ans einer Störung der Resorption des Eisens zu er-
kennen sei, dass demnach die Behandlung weniger
aof Zufuhr von Eisen als auf Besserung der Ver-
danangsfähigkeit gerichtet sein mflsse. Er hat die
ElaAremente seiner Bleichstlchtigen chemisch unter-
neht und regelmässig in ihnen Eisen nachweisen
kdnnen , auch im Urin fand er es , wenn auch oft
nur in Spuren. Seine Behandlung bestand ausser
in Begnlirung der Diät und Lebensweise in der Ver-
abreiehung von Salzsäure» Die Erfolge waren fast
stets befriedigend. Die Patienten nahmen das Mittel
gern, ihr Appetit hob sich und im Laufe einiger
Woeben besserte sich die Farbe der Haut und der
Sehleimb&nte. (Mob ins.)
313. Zum Hitaaohlag und Sonnenstich.
Dr. Meyer inAllershansen (Bayr. ärztl. Intell.-
Bl. XXVm. 27. 28. 1881) giebt eine recht klare
Uebersicht der verschiedenen Ansichten über die
Pathogenie des Hitzschlags und Sonnenstichs. Er
selbst schliesst sich der von Obernier (1867) auf-
gestellten an , nach welcher nicht Gehirnentzündung
oder Apoplexie das Wesen der fragl. Erkrankung
ist, dieselbe vielmehr auf Erzeugung von Herapara-
lyse durch gesteigerte Körperwärme, sowie auf einer
in manchen Fällen als urämisch aufzufassenden Blut-
alteration beruht, die entzündlichen Symptome an
Gehirn und Hirnhäuten daher nur als sekundäre zu
betrachten sind — eine Ansicht, welche im Wesent-
lichen schon Riecke (1835) und Rüssel (1836)
ausgesprochen haben.
Bezüglich der Aeüologie steht M. auf dem Stand-
punkte von Jacuba seh, welcher Sonnenstich und
Hitzschlag als streng geschiedene Erkrankungsformen
auffasst, erstem als ausschliesslich durch direkte In-
solation des nJienden Körpers bedingt , letztern als
Resultat der Wirkung hoher Luftwärme auf den sich
bewegenden y resp. arbeitenden oder sich anstren-
genden Organismus ansieht. Als Unteraii; des letz-
tem betrachet er den Wärmesehtag, der bei Körper-
rahe durch hohe Lufttemperatur erzeugt wird und
vorwiegend in den Tropen heimisch ist, während der
Sonnenstich in den subtropischen Ländern zu Hause
ist. Letzterer tritt in der Regel nur vereinzelt auf,
während Hitzschlag oft epidemisch, und zwar relativ
häufig in den gemässigten Zonen vorkommt.
M. hat 2mal, im Sommer 1873 u. 1880, unter
den Emtearbeitera massenhafte Erkrankungen an
Hitzschlag beobachtet. Im J. 1873 sind innerhalb
44 Tagen 106, 1880 innerhalb 71 Tagen 108 Per-
sonen beiderlei Geschlechts und jeden Lebensalters
— am meisten zwischen 18 u. 28, resp. 22 u. 24 J.
— aus 31 Ortschaften der nächsten Umgebung zur
Behandlung gekommen, von denen jedoch nur eins
an Meningitis und Pneumonia bilateralis verstarb.
M. giebt nun zunächst sehr eingehende, inter-
essante tabellarische Zusammenstellungen der wäh-
rend der beiden Epidemien herrschenden Witterungs-
verhältnisse, aus denen sich als Grundzug der
Charakter der Schwüle (Wärme, Feuchtigkeit, nie-
derer Barometerstand, Schwäche der Luftströmung,
Gewitterhäufigkeit) herausstellt. [Wegen der Einzel-
heiten muss auf das Orig. verwiesen werden.] Nächst-
dem hebt M. als ätiologisches Moment die QuaUiät
der At/iemluft hervor und erwähnt das Aufsteigen
übler Gerüche, denen die Arbeiter beim Abmähen
des durch Regengüsse fast niedergewalzten Getrei-
des, dessen Halme ineinander gefilzt, feucht und
schimmelig waren , ausgesetzt waren , die schlechte
Qualität der Nachtluft, welche die meist in oder
neben dem Pferdestalle oder unter dem Dache schla-
fenden Knechte, sowie die in düstern , ebenerdigen
Kammern zu zweien in einem Bette schlafenden
Mägde während des Schlafes einathmen mussten,
sowie endlich die bei diesen Leuten während des
Sonntags und Montags üblichen Extravaganzen.
In Bezug auf den Verlauf unterscheidet M. gleich
den übrigen Autoren drei Stadien der Krankheit, ein
28
IV. Pathologfie, Therapie u. medicmiische Elmik.
Stadium prodromale, excitationls und depressionis.
Bezüglich des Prodromalstadium wiesen die beiden
von M. beobachteten Epidemien insofeiii eine nicht
unwesentliche Verschiedenheit auf , als dasselbe in
der von 1873 ein kurzes wai', indem viele Erkran-
kungen plötzlich auftraten , so dass die Arbeiter bei
der Arbeit unter Kopf-, Nacken-, Kreuzschmerz,
unter Hei*z- und Carotisklopfen plötzlich halb ohn-
mächtig umsanken oder doch sich so ermattet fühl-
ten , dass sie sich nach Hause bringen lassen mnss-
ten , einige auch plötzlich während der Arbeit von
Illusionen oder Hallucinationen, selbst maniakalischen
Anfällen ergriffen wurden. In der Epidemie von
1880 hingegen ging meist 1 — 2tägiges Unwohlsein,
wobei die Fat. jedoch ihre Arbeit fortsetzten, voraus,
bis dann mehr oder weniger heftige Pieberbewegun-
gen sie nöthigten , das Bett zu hüten. Ebenso ver-
schieden war aber auch der weitere Verlauf. Wenn
auch die Dauer des Fieberstadium in beiden Epi-
demien zwischen 2 u. 5 Tagen schwankte , so war
in der von 1873 das Irritationsstadium — kleiner,
härtlicher Puls, ü'ockenheisse Haut, Lichtscheu,
nächtliche Delirien, stechender Hinterhauptschmerz,
Rhachialgie, fibrillare Muskelzuckungen, erhöhte
KeflexeiTegbarkeit — entschiedener ausgeprägt, wäh-
rend 1880 ein solches kaum vorhanden war, viel-
mehr sofort das Stadium depressionis sich bemerkbar
machte. M. erläutert diese Bemerkungen durch eine
Reihe von 18 interessanten , aus beiden Epidemien
herrülirenden Fällen, auf deren Wiedergabe wir jedoch
verzichten müssen.
Besonders intereBsant eracheint ein Fall von wirk-
licher Insolation bei einem 38 Jahre alten kahlhäuptigen
Geistlichen. Derselbe wohnte am 11, Juli [18..?] auf
einer am Fuss einer nackten sandigen Anhohe nach Sü-
den gelegenen und aasserdem durch einen Häusercoraplex
gegen Osten geschützten Wiese einer kirchlichen Feier bei,
wobei er V/.2 Std. lang mit leicht bedecktem Haupte im
Sonnenbrand unter dichter Menschenmenge stehen musste.
Plötzlich fiel er nach kurz vorher gefühltem Schwindel
und Gähndrang um und bekam allgemeine epileptlforme
Krämpfe, welche in der nächsten halben Stunde bei
theil weise zurückgekehrtem Bewusstsein sich mehrmals
wiederholten und erst nach Applikation von Eis auf den
Kopf ausblieben. Zwei Stunden später fand M. lebhaft
gerothete Gesichts- und Kopfhaut, starke episklerale In-
jektion, verengerte Pupillen. Puls weich, ungleich, Fre-
quenz 112; Uerzstoss schwach, Herzdämpfung verbrei-
tert , Athemgeräusch normal , Epigastrium aufgetrieben,
Milz wesentlich vergrössert, Temp. 40.9^. Dabei be-
standen dumpfer Kopfschmerz, Schlafneigung, Gefühl des
Vornüberfjallens , Ohrensausen, Lichtscheu, vermehrte
Speichelabsonderung mit Drang zum Schlucken, „Stein-
gefühl** in der Herzgegend, Schmerz in der Tiefe des
Unterleibs nebst Volle, Pelzig- und Steifsein der Beine,
drückender Schmerz in Nacken und Lendenwirbelsäule.
Am folgenden Tage Puls 90, Temp. 38.7«, relatives Wohl-
befinden, aber unter dem rechten Scapulawinkel eine
„3 Thaler grosse *" Dämpfung zu constatiren ; Urinentlee-
mng war erst sehr spät eingetreten.
Nächstdem wurden aber auch, namentlich bei
Leuten, die ihre Beschäftigung hauptsächlich in Haus
und Hof hatten, leichte fieberlose Erkrankungen be-
obachtet, welche sich nur dm'ch Abgeschlagenheit,
Schwere im Kopf, Völle in der Brust und im Leib,
Druckehipfindlichkelt der Leber, Anorexie, Träg-
heit des Darms kundgaben.
Der Charakter des Fiebers war astheniEtch mit
Invasionsakme (40.1 — 41^ im Mastdarme), mit zu-
weilen continuirllchem , meist leicht remittirendem
Typus durch 4 — 5 Tage und mit kritischem Abfall
am 6. Tage auf subnormale Höhe (37—36.4<^);
mehrfach stand die Temperatur am 5., auch 4., in
abortiven Fällen schon am 2. Tage der hochnormalen
nahe (38. 7^). Charakteristisch war vom Beginn der
Erkrankung an die akute Herz- und Lungen-Insuffi-
cienz, für die schweren Fälle drohende Hersparalyse
u. Lungenödem ; hier war von Anfang an nachweis-
bare Verbreiterung der Herzdämpfung, schwacher
Herzstoss, elender, schneller, ungleicher, leerer,
weicher, niederwelliger Radialpuls, Störung des Ver-
hältnisses zwischen Puls u. Respiration (statt 1 : 4.5
nur 1 : 3.4, selbst 1 : 1.8), sowie blassgraue, selbst
livide Färbung des Gesichts zu beobachten. In 90^/i
der fieberhaften Fälle (namentlich aus der Epidemie
von 1880) war eine umschriebene Dämpfung links
hinten unten, selten rechts, nur einmal bilateral
vom 2., längstens vom 3. Tage ab zu constatiren ;
dieselbe verschwand aber binnen 2, längstens 3 Tagen^
in einem Falle schon nach 24 Std. wieder. Ob diese
circumscripten Dämpfungen, denen nur spärliche,
mittelgross blasige Rhonchi u. meist nur hauchendes
Bronchial- oder unbestimmtes Athmen entsprachen,
auf eine neben passiver Hyperämie bestehende Pneu-
monie oder auf Hyperämie mit Oedem, oder auf
einen Infarkt (in 2 Fällen wurde blutiges Sputum
bemerkt) zurückzuführen sind, ist bei den spärlichen
über dergl. Fälle vorliegenden Sektionsbefunden
nicht mit Sicherheit zu entscheiden. M. erinneii
nur an das analoge Vorkommen von circumscripten
ein- oder doppelseitigen Dämpfungen in den Lungen
bei traumat. Affektionen des Gehirns.
Ausser dieser umschriebenen, ohne subjektive
Symptome , ohne Husten und Expektoration verlaa-
fenden Lungenverdichtung wurde mehrmals massig
ausgedehnte grobe Bronchitis, einmal auch ein damit
verbundener krampfhafter Laryngealhusten (bei einer
Schwängern, bei welcher in Folge dessen Frühgebart
und Phlebothrombose erfolgte) beobachtet. Als
Affektionen des Verdauungssystems waren während
der ersten beiden Tage bei feuchter Zunge Anorexie,
jedoch ohne Uebelkeiten, ein lästiges, gussweises Zu-
sammenlaufen von Speichel mit vermehrter Schluck-
und Eaubewegung , meist Stuhlverstopfung mit ein-
gezogenem Epigastrium und leicht aufgetriebenem
Bauch (1880 Magenektasie mit weichem, nicht auf-
getriebenem Mesogastrium) wahi'zunehmen. Die
Milz war 1878 kaum merkbar, 1880 dagegen oon-
stant, in manchen Fällen sogar sehr bedeutend ge-
schwollen , die Abschwellung meist am 5. Tage bis
zur Hälfte erfolgt. Die Leber, nie vergrössert, war
in einzelnen Fällen gegen Druck etwas empfindlich,
Ikterus nur einmal angedeutet. Auf dem Gebiete
des Nervensystems traten , wie schon erwähnt , in
der Epidemie von 1873 mehr die Erscheinungen d«
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
29
Initation, in der von 1880 die der Depression in
deo Vordergrund ; die Schmerzen in der Tiefe des
Leibes waren nicht neuralgischer Natur, wohl mehr
durch den llllztumor bedingt ; sonstige Sensibilitäts-
stornngen wurden nicht beobachtet, epileptische
KiSmpfe nur in dem einen Falle i'eiuer Insolation
(s. oben) ; Hallncinationen, Gesichtstäuschungen mit
Verfolgungswahn — dem Potatorium ähnlich — bei
äoem 70jähr. Gärtner wahrgenommen. Die Pu-
pilen waren träge, 1873 eng, 1880 mittelweit;
lugesprochen fluxionare Himhyperämie kam 1873
4oiil, 1880 nur Imal, Ptosis 1873 je Imal mit
Strabismus and Convexitäts-Meningitis zur Beobach-
tang. Von den Sekretionen war die des Speichels
aemlich constant vermehrt. Der Urin war vermin-
dert, strohgelb bis gelbroth , nie blutig , gegen die
Krise hin sedimentirend, schwach eiweisshaltig. Die
illgemeinen Decken, anfänglich trocken, zeigten vom
3. bis 5. Tage vom und seitlich am Thorax ein
DuealopapuIdBes, spärliches, zerstreutes, knpfer-
rothes Exanthem, 1880 an den Beinen und in der
Lendengegend einigemal grössere Ekchymosen, ein-
ml Erythem beider Untei'schenkel ; gegen die Krise
Im wurde die Haut, feucht , paiiiieller Schweiss war
« nachweisbar.
Die Prognose war in beiden Epidemien eine
gute; es kam, wie erwähnt, nur ein Todesfall (1873)
Tor. Naehhrankheiten wurden im Allgemeinen nicht
beobachtet; nur in einem Falle erfolgte ein Recidiv,
io einem andern wurde 2 Mon. lang Heraklopfen bei
relativer Insufficienz des Herzens bemerkt. Die
Klagen Aber länger andauernde Ermüdung währten
1873 wesentlich länger als 1880 ; die Milz kehrte
io allen Fällen zur Norm zurück.
Bei der Behandlung waren neben den allgemein
bygiemischen Ifaassnahmen vorzüglich zwei Indika-
tionen in's Auge zu fassen : Herabsetzung der Körper-
wfeme und Bekämpfung der Herzschwäche, resp.
^ drohenden Herzlähmung. Der ersten dieser
Indikationen wurde hauptsächlich durch die bekann-
ten bydrotherap. Proceduren entsprochen; wieder-
holt wurden auch Eingiessungen nach He gar (je
1 Liter von 18— 2 2« C.) zu dem doppelten Zwecke
fe Abkühlung und Ausleerung applicirt. Subcutane
Chinin • Injektionen (Chinin, muriat. amoiph. 1:5,
tief in's Unterhantzellgewebe gespritzt) kamen nur
UBoahmsweise zur Verwendung. Der 2. Indikation
wwde durch Darreichung von Rothwein und Cognac,
ööPch subcutane Kampher-Injektionen (Ol. Camph.
1-7), sowie durch innerliche Verabreichung von
Chiniii. sulphur. (2mal täglich 6 Ctgrmm.) ent-
sprochen. Nebenbei wurden zur Kräftigung der
öAaswand kleinere Dosen Ergotin, zur Erhöhung
^Ä Blutdrucks Natron benzoicum wiederholt ange-
wendet. Abführmittel wurden selten — öfter
1873 — nöthig; Diarrhöe wurde mit Wismuth,
te stinkender Beschaffenheit mit Natr. benzoic. c.
Tiwt. OpS, Liqn. Ferri sesquichlor., Zinc. sulphur.
^*taipft. Narkotika waren nie nöthig; gegen
^^*i^gie wurde Wismuth verordnet. Blutentziehun-
gen kamen 1873 4mal lokal, 1880 nie zur An-
wendung; M. theilt liierbei die Ansicht von Jür-
gensen, dass hier zur dringenden Entlastung des
rechten Herzens bei dessen passiver Ueberladung
selbst eine vorsichtige Venäsektion am Platze sein
könne.
Zur Prophylaxe empfiehlt M. Behebung der zu
solchen Zeiten habituellen Obstipation , Flussbäder,
früh und Abends kalte Waschungen, vor Allem auch
Abkühlung und Lüftung der Schlafräume bei Tag
und Nacht, sowie Vermeidung von Nachtschwärmerei
und Excessen. Bei der Arbeit soll auf passende
Kleidung (Hosen von Zwillich), auf Arbeitspausen,
auf Herstellung künstlicher Schattenräume unter
einem Linnen- oder Strohmattendache, auf zeitweilige
Benetzung des Kopfes gesehen werden. Als bestes
Gennssmittel während der Arbeit empfiehlt M. Milch
(sowohl saure als süsse , auch Buttermilch) , sowie
Kaffeewasser ; Bier soll lieber zu Hause getrunken
werden.
Dr. D. H. Cullimore (Philad. med. and surg.
Reporter XLIV. 25 ; June 18. 1881) tritt der in
Indien allgemein geltenden Ansicht , dass Fälle von
Hitzschlag oder Sonnenstich stets mittels Kälte,
namentlich kalten Bädern zu behandeln seien , inso-
fern entgegen, als er eine Gattung dieser Erkrauknngs-
form schildert, welche Kältebehandlung durchaus
nicht verträgt. Meistens werden von dieser Form
noch wenig akklimatisirte Personen betroffen, deren
Dienst dieselben gi'osser, langdauernder Hitze bei
körperlicher Uebermüdung und meist sehr unzurei-
chenden Wohnungsverhältnissen aussetzt ; sie leiden
nebenbei meist an MalariaanföUen , Lebercongestion
und Dysenterie. Nach einem Prodromalstadium
grosser Reizbarkeit, Verdriesslichkeit und Ueber-
müdung tritt nach 1 — 2 Tagen Trockenheit und
Hitze der Haut, Kopfschmerz, Lichtscheu, Schlaf-
losigkeit ein, das Gesicht ist hochgeröthet. Dazu
kommen Delirien , Muskelkrämpfe , die Temperatur
steigt auf 106 — 107» F. [41.1 — 41.60 C], die
Pupillen sind contrahirt, oft zeigen sich auch Schmer-
zen in der Lebergegend und gelbe Fäi'bung der Con-
junctiva. C. verordnet in solchen Fällen ein war-
mes Bad , was unter Umständen zu wiederholen ist,
kalte Duschen auf den Kopf und die Unterbnngung
in einen kühlen, dunkeln Raum ; daneben 28tündlich
Aconit und Belladonna , in einzelnen Fällen Brom-
kalium oder auch Chlorammonium, Chinin haupt-
sächlich bei Malai'iacomplikation. Unter solcher Be-
handlung erfolgt bald reichliche Transspiration, wenn
auch nicht immer gleich Temperaturabnahme , und
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle baldige
Genesung. Da jedoch bei der genannten Klasse von
Pat. Rückfälle nicht ausgeschlossen sind , so ist den-
selben Rückkehr nach Europa oder doch zeitweiliger
Aufenthalt daselbst zu empfehlen.
Aus einem — nach den bei uns geltenden An-
sichten in einem vollständig unzulässigen Stile ver-
fassten — Aufsatze von Halsey Wood (Michigan
30
IV. Pathologie, Therapie 11. medicinische Klinik.
med. News May 25. 1881) heben wir nur hervor,
daas W. den Sonnenstich als eine Ganglienasthenie,
analog dem Typhus, betrachtet und demnach alle
hydrotherapeutischen Maassnahmen verwirft. Als
das einzige wirksame Mittel bezeichnet er das Brom-
ammonium , welches — in nicht angegebener Dosis
— auf der Höhe der Anfälle aller 5 Min. , später in
längern Zwischenzeiten zu verabreichen ist.
M'Clausland (Brit. med. Jonrn. Jnly 23.
p. 123. 1881) theilt ans dem Middlesex Hospital 4
Fälle von schwerer Gehirnstörung durch die im Juli
1881 herrschende ungewöhnlich grosse Illtze mit.
Die beiden ersten Fälle betreffen Sonnenstich durch
Aufenthalt in der strahlenden Sonnenhitze erzeufi^. Tem-
perator und Palsfreqnenz überstiegen in beiden Fällen
die Norm nicht , im 2. Falle delirirte der Kr. heftig ; im
ersten war der Kr. bei der Aufnahme somnolent, ant-
wortete aber auf Fragen , erst später trat Bewusstlosig-
keit ein. Als Anfangssymptom bezeichnete dieser Kr.
das plötzlich auftretende Gefühl von schwerem Druck auf
den Kopf, er konnte nicht stehen und die Druckkraft der
linken Hand war etwas herabgesetzt. Beide Kr. waren
nach 2 Tagen in der Reconvalescenz begriffen.
Im 3. Falle handelte es sich um äusserst heftige und
häufige Anfalle (10 in 5 Stunden) bei einem Epileptischen,
ebenfalls nach Aufenthalt in strahlender Sonnenhitze auf-
getreten.
Im 4. Falle war bei einem 70 J. alten Manne nach
Arbeiten in der Sonnenhitze am 15. Juli [seit 110 Jahren
der heisseste Tag in London, mit einer Temperatur
von 97.50F. =» 36.40c. im Schatten] Kopfschmerz und
Schwindel mit leichter Hemiplegie aufgetreten.
Ausserdem sind hei den Uehungen im Lager von
Alter shoot mehrere Fälle von Hitzschlag vorgekom-
men , welche grosses Aufsehen eiTegt haben , über
welche jedoch eine genauere Mittbeilung noch nicht
vorliegt. (Krug.)
314. Erkrankungen der Haare und des
Haarbodens.
Alopecia areata,
Graham (Cannda Joum. of med. Science 1881.
V. p. 138. — Arch. of Dermatol. 1881. VH. p. 215)
theilt einen Fall von Alopecia areata bei einer Frau
mit , in welchem nicht allein das Haar des Kopfes,
sondern auch des ganzen übrigen Kolliers ausfiel.
Die Erkrankung begann 3 Jahre zuvor, während die
Pat. ein Kind nähi'te , und es stellte sich während
einer darauf folgenden Schwangerschaft wieder ein
normaler Haarwuchs ein. Die Haare waren dunk-
ler als zuvor, erreichten eine Länge von 1.5 — 2 Zoll
und begannen bis zur Zeit der Beobachtung von
Neuem auszufallen. Die Nägel wuchsen langsam
und waren gefurcht.
Dr. H. Schultzo (Die T/ieorien über die
Area Celsi: Virchow's Arch. LXXX.p. 193. 1880)
giebt in einer sehr ausführlichen Arbeit unter Be-
nutzung des gesammten bisher vorliegenden litei*a-
rischen Materials und auf Grund eigner Untersuchun-
gen eine kritische Daratellung des Haarwechsels beim
Menschen, und betrachtet von diesem Gesichtspunkte
aus die bei der Alopecia areata vorkommenden
krankhaften Veränderungen der Haare und ihres
Bodens. Im zweiten Theile seiner Arbeit beschäf-
tigt sich Seh., welcher selber seit 17 Jahren an
dieser Erkrankung leidet , mit den klinischen Sym-
ptomen derselben, wie er sie an sich beobachtet hat.
Während des ersten Auftretens der AfTektion war
heftiger Kopfschmerz vorhanden, der aach in spätem
Jahren bei nur halbseitiger Erkrankung sich auf die
betreffende Kopfhälfte beschränkte. Später traten
Parästhesien auf, sowie Jucken, Empfindang eines
erhöhten Wärmegeftthls und Prickeln als Vorboten
des Haarausfalls an den Stellen desselben.
Weiterhin unterzieht Seh. die trophonenrottscbe
Theorie der Alop. areata, sowie die „Pilztheorie^' [!]
einer kritischen Betrachtnng und kommt, da er Pilse
auch nach der von Eichhorst (Jahrbb. CLXXXV.
p. 33) angegebenen Methode nicht gefunden hat,
zu dem Schlüsse, dass die letztere weder in dem
anatomischen Befunde, noch in dem klinischen Ver-
laufe der Erkrankung eine Stütze findet , während
er andererseits zwei neue Beobachtungen mittheilt,
welche fllr den nervösen Ursprung derselben spre-
chen.
Eine 62Jähr. Frau wurde 10 Jahre zuvor von eiDem
schweren Gegenstande auf den Kopf getroffen und bekJim
nach 2monatl. Krankenlager zugleich mit einer profusen
Eitorausleerung aus Nase und Augo eine Lähmung der
rechten Gesichtshälfte, sowie der linken Ober- nnd Unter-
extremität, die nach Ijähr. Bestände zurückging. Zn-
gleich mit dem Beginn der Lähmung begann ein rasch
znnehmender Ilaarausfall in der rechten Temporo-Frontal«
Gegend. Zur Zeit der Untersuchung war diese Stelle,
deren grosster Durohmesser 8 Ctmtr. betrag, von Lanugo
bedeckt , welche mehrmals den Cyklus des Haarwechsels
durchgemacht hatte. Daneben bestand noch fort Läh-
mung des rechten Facialis , Atrophie des rechten Bulbns,
der nach innen und oben gerichtet war , vascularisirtes
Lenkom, Paralyse des untern Augenlids, Anästhesie der-
selben Seite, sowie halbseitige Atrophie sämmtUoher
Weichtheile des Gesichts. Trotz der Anästhesie waren
während des Haaransfalles mehrfache Schmerzanfalle an
der betreffenden Stelle der Kopfhaut vorhanden.
Der 2. Fall betraf einen 7Jähr. Knaben mit Naevtis
nerveus , der im Verlaufe einer grossen Anzahl spinaler
und cerebraler Nerven Hauthypertrophien in Gestalt
papillomatös-verruköser Exkrescenzen zeigte. Es fanden
sich gleichzeitig „Area -Celsi -ähnliche Flecke in ausge-
dehnter Verbreitung auf dem rechten wie linken Seiten-
wandbeine, auf den obern Partien der Hinterhanptscbuppe,
an beiden obern Partien der Schläfenbeine und streifen-
förmige auf einzelnen Partien des Stirnbeins. **' Alle Stel-
len waren mit Lanugo bedeckt nnd „nicht so scharf kreis-
förmig umschrieben wie bei Area Celsi**, sie hielten sich
dagegen genau an den Verlauf der NN. snpraorbitales
(vom I.Ast desQuintus), occipitalis magnus und aurieulo-
temporalls.
Die von Buch ner (Jahrbh. CLXXXV. p. 32)
gegen die trophoneurotüche Auffassung der Er*
krankung erhobenen Bedenken weist Soh. ans
physiologischen Gründen zurück. Wiewohl die auch
von ihm gefundenen senilen Vei*änderungen des Haar-
balges eine Erklärung für den Haarausfall abgeben,
so kann er eine primäre Veränderung der Cutis, wie
sieMichelson annimmt, wegen des raschen Wie*
dereraatzes der Haare doch nicht anerkennen.
M i c h e l s o n , der in seiner klassischen Arbeit .
(Ueber Herpes tonsurans und Area Celsi: Samml.
IV. Pathologie, Therapie n, mediciniflche Klinik.
31
küD. Vortr. von Volkrnann, Nr. 120) die neurotische
Katar der Erkrankung widerlegt hat und den Haar-
ausfall aof eine primäre Erkrankung des Haut-
gewebes zorflekführt, sucht in einer neuern Arbeit
{Zur Diskußgion über die Aeliologie der Area Celd:
Viitbow's Arch. LXXX. p. 296. 1880) die Ansich-
teoßachner's nndEichhorst's von dem para-
sitilreD Ursprung der Erkrankung zu widerlegen,
yem er in Bezug auf die altem Mittheilungen über
h& Vorkommen von Pilzen bei der Area Celsi auf
die kritische Widerlegung von P i n c u s (Deutsche
Künik Bd. 21) verweist, wendet er sich ansschliess-
üeh gegen Malassez (Arch. de Physiol. norm, et
pithoi. 1874) , Büchner und Eichhorst und
vdst darauf hin j dass die von diesen Autoren be-
sdiriebeoen Pilze sowohl unter sich verschieden sind,
alü aach von dem ursprünglichen Gruby 'sehen
Mierosporon Auduini abweichen. Während der Pilz
des letztem Autors in der Substanz des Haares wur-
zelt DDd dasselbe von der Mündung bis zu 3 — 4
Mmlr. aufwärts wie eine Scheide umgiebt, im Uebri-
geo ausMycelien und Sporen besteht, haben Ma-
Iissez und Eichhorst nur Sporen nachweisen
kifoBen, und zwar giebt Jener die oberflächlichen
Schichten der Haut, Dieser die obern Drittel der
Follikel als den Sitz derselben an; Buchner 's Pilz
eidlich ist ein Schizomyceton , der sich nach N a e -
geli „auf der äussem Haut schon wegen Mangel
tD hinreichender Feuchtigkeit nicht ansiedeln und
vermehren kann.'' Gegen Eichhorst macht
Miehelson geltend, dass der von ihm gefundene
Pilz sehen wegen seiner Lokalisation nicht als die
üiBißhe der Erkrankung gelten könne , und dass es
ulUIend sei ^ dass der Pilz bei seiner räumlichen
Ausdehnung eine Compression des Haares an der
betreffenden Stelle herbeiführe, ohne in die benach-
btrten Gewebe hinelnzuwuchern. Miehelson be-
tnu^tet ihn daher nur als einen zufälligen Befund,
^i^sxi wie die lokale Verschmälemng des Haares,
welche man auch anderweitig antreffe und von ihm
b^its früher beschrieben sei. Als klinische Mo-
nate , welche gegen die parasitäre Auffassung des
I^dens sprechen, werden angeführt die Kopfschmer-
zen im Initialstadium desselben, die Blässe und Ver-
lang der erkrankten Haut, sowie der Umstand,
bss weder Jucken noch irgend welche Lokalerup-
(MmeD angetroffen werden , dass die jüngst erkrank-
ten Stellen sich von den altern in ihrem Aussehen
licht unterscheiden, sowie endlich, dass eine experi-
BKntelle Uebertragung der Affektion nirgends be-
achtet wird,
Allan Jamieson (Edinb. med. Journ. XXIV.
P. 835. [Nr. 258.] March 1879) schnitt bei einem
^st, der, abgesehen von Areaflecken im Schnurr-
OBd Backenbart, umschriebene Stellen hellgefärbter
^e hatte, ein Hautstück zur mikroskopischen
Dntersoehung aus , konnte jedoch eben so wenig an
^ DrOsen und Haarbälgen , wie am Corium und
^ Unterhautgewebe irgend eine krankhafte Ver-
bdenmg finden. Namentlich Hess sich bei einer
*
sorgfältigen Untei*suchung der Haare keine Spur
eiues Pilzes nachweisen. Die Haare Hessen sich
leicht ausziehen und nahmen das untere Drittel der
Innern Wui'zelscheide mit sich. Im Gegensatz zu '
Rindfleisch fand er nur eine geringe Spur einer
Fettdegeneration. Er fand auf den abgeschabten
Schuppen eine geriuge Anzahl von Sporen ohne
irgend welche Bedeutung und schreibt der Erkran-
kung einen trophoneurotischen Charakter zu.
a) J. B. Lace , Recherche» sur un cos cwrieux äalo-
pede; Th^se de Par. Nr. 579. 1879.
b> Walter G. Smith, A rare nodose condUion of
the hair; Brit. med. Jonro. Aug. 23. p. 291. 1879.
Die Beobachtung von Luce betrifft ein 8 7a J-
altes Mädchen, welches nach Angabe der Mutter
mit vollkommen kahlem Kopfe zur Welt gekommen
war. Im G. Lebensmonat hatte sich eine Anzahl
über den Kopf verbreiteter kleiner Erhabenheiten
gezeigt. Im 6. Lebensjahre hatte ein spärlicher
Haarwuchs begonnen und es waren seit dieser Zeit
Epilationen in vierwöchentlichen Zwischenzeiten vor-
genommen worden.
Als L. das Mädchen zum erstenmale sah, constatirte
er neben einer ziemliehen Menge von Wollhaaren eine
sehr geringe Anzahl schwarz-grauer Ilaare von normaler
Stärke und einer Länge von 1 Vs Ctmtr. , von denen ein-
zelne zu zweien oder dreien in einem Follikel steckten.
Die sonst normal gefärbte Kopfhaut war glänzend «nd
frei von Schuppen, zeigte aber derbe konische Erhaben-
heiten von normaler Hautfarbe mit einem centralen
schwarzen Pnnkte. Am zahlreichsten waren sie an den
haarlosen Stellen , an der Haargronze im Nacken , spär-
licher auf dem Scheitel und den Parietalhöckern , sonst
aber gleichmässig in der Weise vertheilt, dass ihre
Anzahl der der Haare u. Wollhaare ungefähr gleichkam.
Lüftete man unter einer 7 fachen Lupenvergrosserung
mit einer Nadel die oberflächliche Lage dieser Knötchen,
so sah man unter derselben eine schwarze Masse, die
sich bei einer noch starkem Lupenvergrosserung in kleine
schwarze Punkte auflöste, sich mit der Nadel heraus-
heben und als zusammengerollte Haare erkennen Hess.
Qanz dieselben Erhabenheiten mit zusammengerollten
Haaren im Innern zeigten sich auch an mehreren mit
Lanugo bedeckten Körpertheilen.
Die Cilien und Augenbrauen waren normal.
Unter Anwendung von Glycerin , Eataplasmen und
einer Einreibung aus Balsam. Fioravanti, Tinct. Pyrethri,
Tinet. Capsici annui ana 100.0, Liq. Ammon. 6.0 trat eine
Abnahme der Knötchen ein und die hervortretenden
Haare erreichten eine Lange von 4 Centimetem.
Die von der Kopfhaut entfernten Knötchen zeig-
ten unter dem Mikroskop in ihrem Innern Haare,
die in regelmässiger Abwechselung dünne und
spindelförmig aufgetriebene Strecken aufwiesen und
je nach Verhältniss des vorhandenen Raumes ent-
weder gerade gestreckt oder in der Welse gewunden
waren y dass die dünnen Partien die Umbiegungs-
stellen bildeten. Daneben fanden sich viele Bruch-
stficke, welche aus den spindelförmigen Stücken be-
standen und zuweilen noch mit einem Stück der
intermediären Strecke versehen waren. Die auf
diese Weise aufgerollten Haare wurden von epider-
midalen Massen der innern Wurzelscheiden fest um-
schlossen, Hessen sich jedoch mit der Nadel von
denselben befreien und entfalten. Bei der Mehrzahl
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinilc.
33
der Ilaare er^b sich ein Fehlen dca Bulbus , sowie
der Medullaranbatanz, bei einzelnen war die letztere
hell nnd nur stellenweise vorhanden , und die Corti-
kalanbstanz von Luftblasen u. Bchwacli lichtbrechen-
den Körnchen erfIlUt; das untere Haarende wurde
von der Caticula bedeckt, die sich auch noch weiter
hinauf eretreckte nnd nach Einwirkung starker Al-
kalien deutlich zur Erscheinung kam.
Während die Anschwellungen die normale Con-
aistenz der Haare besasaen, waren die dünnen inter-
mediären Strecken nocli weit bröchiger, als man selbst
mit Rücksicht auf ihre DUnnheit annehmen konnte.
Sie zeigten ein streifiges GefUge in der Art, daas die
Streifen von der Achse ausgingen und wie der Bart
einer Feder sich schräg nach der Peripherie erstreck-
ten (s.d. Figur). Die der Anschwellung zunächst lie-
genden Streifen von oberhalb u. nnterlialb der letztem
vereinigten sich und bildeten so eine Corükalsubstanz
derselben, während der Binnenranm aus anschei-
nend normaler, aber mit zalilreichen lufthaltigen
Lücken versehener Haarsubstanz nnd an den spitzen
Enden aus einer granulirten Masse bestand. Pilze
worden nicht gefunden.
Die am Rumpf vorhandenen Knötchen waren
durch den Verschluss von Follikeln entstanden , in
denen sich sonst normale , aber aufgerollt« Lanugo-
haare befanden.
L. führt das Aufrollen der Haare innerhalb der
Follikel auf einen mechanischen Verschluss der-
selben zurtick, die intermediären Verdünnungen des
Haarschaftes dagegen betrachtet er als eine durch
Nerveneinflass bedingte formative Stämng.
Die von Smith beschriebene Affektion ist der
eben erwähnten ganz analog, nur dass die Haare
nicht innerhalb der Follikel stecken blieben, sondern
frei ans denselben hervortraten. Es handelte sich
hier um an 19jähr. ganz gesundes Mädchen , wel-
ches in der frühesten Jugend an Herpes tonsurans
gelitten, später aber einen gesanden bis zu den
Schultern reichenden Haarwuchs hatte.
Zur Zeit der Beobachtung war dersdbe gleich-
massig, sehr dünn, ohne dass jedoch irgend eine
Stelle vollkommen kahl gefunden wurde. Die läng-
sten Haare maassen 5 Zoll , sie lieasen sich überall
leicht und ohne Schmerzen ausziehen und waren an
ihren freien Enden spitzwinkelig geknickt. Eine
grosse Anzahl von Follikeln trat namentlich im
Nacken als blasse oder röthliche Endtchen hen'or.
Die Haare selber waren hart o. gleichmäasig dnnkel.
Sie lelgten sich bei einer genaaeien Betraohtnng mebr-
tach gelir&mrot nnd in ihrer ganzen lAnge mit regei-
niSsaigen spindelßrmlgen VerdicIinnKeD versehen , die
gliMi an der MQndung des Follikels begannen und Je
nacb der Länge des Haares in ihrer Zahl zwischen 6 nid
36 varilrten. Die Knoten , von denen Jeder dem Wachs-
thiim des Ilaares nährend zweier Tage zu entsprechen
Biihien, waren entweder glclclimässig dnnkel gefürbl oder
in ihrem anteron Abschnitte blaas , In ihrem oberen da-
gegen dnnkel , and wenn ein Haar abbrach , was regel-
mässig nur Ewischen zwei Knoten geschah , so erschien
der Stumpf wie mit einem Koopfe verseben. Die Augen-
branen nnd Cilien , sowie die Ilasre in den AchBClhBhlen
und In der Regio pnbis waren normal, nnr wnrde am leti-
teren Orte ein einstiges mit drei Knoten versehenes Hatr
gpfnnden.
Unter dem Mikroskop konnte an den knotigen Auf-
trcibimgen kaum eine Spur des dachziegel förmigen Epi-
thel gefnnden werden, welches an den intemodalütn
Partien gleichwohl deutlieh hervortrat. Bnanea Pigment
war ausserhalb der Achse dos Haares in sträfenfürmiger
Anordnung vorlian den, jedoch massenhafter in den Knoten
als an den andern Stellen , so diss das Haar dem nnb«-
wafßietea Auge ein scheckiges Anssehon darbot. An
manchen Präparaten war braunes Pigment in dichten
Hänfen in der Achse der Knoten, dagegen gar nicht in
den intermediären Strecken vorlianden. Einzelne Baare
zeigten longitndinale Riaeo, andere Querrisse der Rinden-
Bubstanz, so dass sie an den Stellen ihrer Eiulcnicknng du
Bild einer Bürate darboten. Pilze wurden nirgende ge-
funden.
Sm., der noch einen analogen vonLiveing
beobachteten Fall raittheilt, hebt hervor, dass die«
Affektion sich von der sogen. Trichorrhexis nodon
da(hirch unterscheidet, dass hier im Gegensatz zn
der letztern nur eine geringe Neigung der Cuticnla
znm Bersten und der Rindensubatanz zur Zemplit-
terung vorlag , dass die in dieser Weise erkrankten
Haare sich in sehr grosser Anzahl an der Kopfhavl
fanden, daas die Bruchstelle niemals durch einen
Knoten ging nnd niemals zerfasert, sondern stets
glatt war, n. dass die Knoten sich in regelmässigeoi
Abstände von einander befanden, wie die Perlon
eines Halsbandes.
Walter G. Smith: 8 Fälle von Fragilltas crininm
{E. Wilson). Ärch. of Dermatol. VII. p. 186. 1881.
Beide Fftlle betrafen junge Aerzte, welche in
demselben Hanse wohnten nnd mit einander ver-
kehrten. Bei dem Einen hatte die Erkrankuni
mehrere Jahre, bei dem Anderen einige Wochen zu-
vor begonnen.
Der Erstere bemerkte seit 2 J. ein Ausfallen der
Haare an der rechten Seite seines Schnnrrbartes nnd du
Auftreten kleiner Posteln oder Absoease, von denen einet
sogar grösser war und von der Innenfläche der Lippe ans
geöffnet wurde. An der Oberlippe rechterseita waren die
Haare dnnkel, nnd von verschiedener Länge nnd StKrke,
sie sahen aus , als wären sie abgeschnitten , und einig«
trugen an der Spitze einr knopfartige AnschwellODg.
Beim leichten Bürsten und auch spontan bröckelten zahl-
reiche Haarfragmeute ab, so dass kurze Haarstümpfe am
den Follikeln hervorragten, ohne dass knotige Anschwel-
Inngen wahrnehmbar waren. Dabei Messen sie sicli
stellenweise leicht u. ohne Schmeraempflndnng mit einer
Pincette ausziehen. Die Haut zeigte eine Verminderung
der Sensibilität, sie war mit Schuppen bedeckt, verdickt
und .in nmschriobcnen Stellen gerSthet, — Eine Salbe
aus Hydrarg. ammon. 0.6, Acldiborac. t.O, OI.Angd.su.
0.1^, Vaaelini 8.0 schien Besserung herbeizuführen.
Der 2. Pat. bemerkte ein Dünnerwerden und Ab-
bröckeln der Ilaare an der rechten Seite seines Schnurr-
bartes 6 T., nachdem er die Bürete des Ersteren benutri
hatte. Seit dieser Zeit nahm die Affektion an Ansdeh-
rV. Pathologie; Therapie n. medicinische Klinik.
33
■m^ n. Die Haare , welche in gleicher Weise wie im
ersten Falle verändert waren, steckten fest in ihren Fol-
likeln, sie zeigten nnter dem Mikroskope an ihren freien
Eiden eine pinselartige Zerfasemng , circuroscripte Pig-
meotaaltSiifinigen nnd an diesen Stellen Brüche in ihrer
Cortikabiibstanx. Pilze wurden nicht gefunden; die
Hut selber war gesund. — Der Fat. wurde angewiesen,
deo Bart regelmässig rasiren zu lassen und nach 3 W.
bm ein gesunder Nachwuchs zum Vorschein.
Smith hält diese Affektion für identisch mit
iff von Wilson beschriebenen Fragilitas erinium
odlSflstes nnentscbieden , ob sie mit der sogen.
IViehorrhexis nodosa identisch ist.
Piedra.
Malcolm Morris, der einige Fälle von kno-
tigen Aoftreibangen der Haare zn beobachten Ge-
legenheit hatte nnd sich schon früher (Lancet I. 6.
1879) darüber geäussert hatte, legte der Londoner
patiwl. Gesellschaft Präparate von Fällen vor, bei
lelehen die harten Knoten den Ilaaren des Kopfes,
n» welchem sie ansschliesslich stammten , blos auf-
suBen und eine honigähnliche Masse von pigmentir-
tn sporenhalügen Zellen enthielten. M. hält diese
Erkrankong fbr das Resultat der Anwendung irgend
eines schleimigen Haaröles. Die eigentliche Tri-
thoirbexis nodosa dagegen kommt, wie aus den
leoasenmgen desselben Dermatologen in der De-
ktte der Brit med. Association über diesen Gegen-
d&nd hervorgeht, nur sehr selten auf dem behaarten
Kopfe vor. Die Knotenbildung entstehe hier durch
Atrophie, so dass die knotigen Stellen dem normalen
Dordunesaer des Schaftes, die Einschnürungen den
strophirten Partien desselben entsprechen. (Vjhrschr.
f.Dennatol. 1880. p.l45.)
(Gustav Bohrend.)
315. Zur Triohinenfrage; von Dr. Herrn.
Meissner in Leipzig.
Seit dem Berichte des Herrn Dr. B. Riemer
Tgl. Jahibb. CLXXVin. p. 195 flg.) sind zahlreiche
Moere IGttheilnngen über die Trichinen erschienen.
Besonders reichlich ist das statistische Material. Be-
dglich des Vorkommens stellt sich immer mehr das
irteressante, wenn auch nicht unerwartete Resultat
Waos, dass die Trichine ein nur scheinbar beschränk-
tes geographisches Verbreitungsgebiet besitzt, indem
^ da die meisten und schwersten Erkranlcungen
hrvorroft nnd da besonders heimiseh ist, wo die
l^Bsrtte, rohes oder halb gares Schweinefleisch zu ge-
>K88en, am meisten eingebürgert ist, dass sie aber
^oU überall , wo ihr hauptsächlichster Träger, das
Schwein, gezüchtet wird, oder wild vorkommt, d. h.
soliänikh anf der ganzen Erde, vorkommen und bei
iB^bder Sorgfalt in der Zubereitung des Seh weine-
'^hes Erkrankungen hervorrufen dürfte» Ueber
^ Aeüologie ist kaum etwas Neues erselnenen nnd
& hleraof bezüglichen nenem Mittheilungen frmi-
^^her Forscher sind bei den schon vor 20 J. von
Zenker, Virchow, Leuckart u. a. deutschen
^ondien angestellten glänzenden Untersuchungen
^ den deutschen Leser weniger bemerkenswerth.
U. Jahrbb. Bd. 191. fift. 1.
Bezüglich der Symptomatologie und Differential-
diagnose ist eine neuere Arbeit von Dr. Rupprecht
beachtenswerth. Das Hauptinteresse concentrirt sich
dagegen bei der Ohnmacht der Therapie auf die
Prophylaxe und dieser ist daher auch ein wesent-
licher Theil der folgenden statistischen Mittheilungen,
sowie namentlich die zum Schluss referirte Arbeit
des Prof. Dr. Bollinger gewidmet.
I. Vorkommen und geographische Verbreitung
der Trichinen und der Trichinose,
lieber die in den Jahren 1877, 1878 u. 1879
in Preussen auf Trichinen und Finnen untersuchten
Schweine giebt H. Eulenberg (Vjhrschi-. f. ger.
Med. N. F. XXX. 1 ; Jan. 1879 ; XXXII. 1 ; Jan.
1880; XXXIV. 1; Jan. 1881) folgende Mitthei-
lungen.
Im J. 1877 wurden von 12865 amtlichen Fleisch-
besehauem 2175272 Schweine untersucht und 701 (=»
1 : 2800) trichinös, 5434 (1 : 382) finnig befanden ; aus-
serdem worden in 243 Speckseiten Trichinen nachgewie-
sen. Trichinose bei Menschen in grosserer Häufigkeit kam
zur Kenntniss : im Reg. -Bez. Königsberg 16 Fälle, Reg.-
Bez. Stettin 98 F. (Stadt Stettin 54), Reg. -Bez. Merse-
burg über 61 F. (Tentschenthal über 30, Eisleben 25,
Kreis Merseburg 6 Fälle).
Hier hatte ein Fleischbeschauer zu starke Ver-
gröaserung angewandt und , da er immer nur einen
kleinen Theil des Präpai'ates flberschaut hatte, die
Trichinen nicht gefunden nnd so die Ansteckung ver-
schuldet. Eine repetitorische Nachprüfung der Tri-
chinenbeschauer und Revision der Mikroskope ist da-
her nach E. eme nothwendige Maassregel. So wur-
den im Querfurter Kreise von 124 Instrumenten 7
völlig unbrauchbar zur Aufsuchung von Tricliinen
befunden. In Minden, wo diese Nachprüfung der
Trichinenschauer bereits besteht , ist 1) als zweck-
mässigste Vergrösserung eine 40- bis höchstens 60-
faebe vorgeschrieben, werden 2) statt dünner Deck-
gläser, resp. Zupfpräparaten , 2 starke Spiegelglas-
platten, resp. Quetschpräparate, mit möglichst gros-
sem Musterungsfelde empfohlen, und sind 3) diejeni-
gen Organe im Schweine bezeichnet worden, welche
die meisten Trichinen zn enthalten pflegen, wozu be-
sondere der sogen. Zwerchfellspfeiler (Pars lumbalis
diaphragmatis) gehört. Auch darf die Zahl der
täglich zu untersuchenden, frisch geschlachteten
Sdhweine 6 nicht überschreiten.
Im J. 1878 betrug die Zahl der amtlichen Fleisch-
beschaucr 16251, die der untersuchten Schweine 2624105,
der trichinigen Schweine 1222 (1 : 2066), der finnigen
Schweine 6165 (1 : 409). Erkrankimgen bei Menschen
kamen vor: im Reg.-Bcz. Königsberg 27 mit 6 Todes-
fallen; im Reg. -Bez. Marienwerder 8 in Folge schlecht
geräucherter Wurst mit 5 Todesfallen ; in Berlin 102
(8 starben) ; im Reg.-Bcz. Stettin über 50 (Stadt Stettin^
30 mit 1 Todesfan, Stargard 10). Im Reg.-Bcz. Schlcs-*
wig, wo nur private Fleischbeschau stattfindet, wurden
6 trichinöse Schweine nachgewiesen ; im Reg.-Bez. Po-
sen dagegen in der Stadt Plesehen allein 54 trichinöse
Schweine, so dass eine Massenvertilgung der Ratten auf
Kosten der Stadt angeordnet wurde. Trotzdem sind nur
nnerhebliche ErkrankungsfTille bei Menschen vorgekom-
men, weil es dort nicht Sitte ist, rohes, halb gekochtes
5
34
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
oder schwach geräuchertes Schweinefleisch zu geniessen.
Im Beg.-Bez. Merseburg (in Reinsdorf bei Qnerfnrt) er-
krankten in Folge nachlässiger mikroskop. Untersuchung
30 Personen u. starben 15, darunter derFleischbeschaner
selbst, durch den Genuss von rohem Hackfleisch. Die
Regierung zu Erfurt rühmt wiederholt die Nachprüfung
der Fleischbeschauer als eine nützliche und nothwendige
Einrichtung. Im Reg. -Bez. Minden erkrankte ein Schläch-
ter, der im trunkenen Zustande trotz vorheriger Warnung
100 Ormm. notorisch trichinöses rohes Schweinefleisch
gegessen, aber gleich darauf und an dem nachfolgenden
Tage reichliche Mengen Alkohol zu sich genommen hatte,
14 Tage später unter schwachen Erscheinungen der Tri-
chinose ; ebenso war schon das Jahr zuvor ein exquisiter
Säufer nach der Infektion nur schwach erkrankt 0-
Im Reg. -Bez. Köln kamen 12 Fälle von Trichinose
beim Menschen vor und ist daher seit dem 7. Oct. die
obligatorische mikroskopische Fleischbeschan eingeführt
worden.
Die Zahl der finnigen Schweine hat sich seit
dem Vorjahre nm fast 700 vermehrt. — In den
amerikanischen Fleischpräparaten und Speckseiten
warden keine lebenden Tinchinen nachgewiesen.
Im J. 1879 wurden von 17413 amtlichen Fleisch-
beschauern 3164656 Schweine untersucht, 1938 Qe 1 von
1632) trichinös u. 9669 Qe 1 von 327) flnnig befunden. Im
Reg. -Bez. Königsberg kamen 65 Erkrankgn. bei Menschen
vor mit 5 Todesfällen (im Kreise Heiligenbeil 22 F., ob-
wohl dort seit 1875 obligatorische Untersuchung besteht) ;
im Reg.-Bez. Frankfurt a/0. 93 (88 in Finsterwalde) ;
in Berlin 82 F. (von den daselbst untersuchten Schwei-
nen kam auf 1324 je 1 trichinöses) ; im Reg.-Bez. Ma-
rienwerder 7 F. (auf 700 Schweine 1 trichinöses). Im
Reg.-Bez. Cöslin erkrankten mehrere Personen nach dem
Genüsse von Wurst, welche ans vom Fleischbeschauer
für trichinenfrei erklärtem Fleische bereitet war ; im Reg.-
Bez. Posen kamen aus dem oben erwähnten Grunde nur
wenige Erkrankungen vor, obwohl in der Stadt 134 tri-
chinöse Schweine unter 15633 Schweinen überhaupt, also
1 von 117 gefunden wurden; im Reg.-Bez. Schleswig er-
krankten 3 Personen und starb 1 nach dem Genuss von
rohem Hackfleisch ; 3 andere Familienglieder, welche das-
selbe Fleisch gekocht gegessen hatten, blieben gesund.
Im Reg.-Bez. Erfurt, wo seit Einführung der obligatori-
schen Fleischbeschau 1875 keine Erkrankungen vorgekom-
men waren, erkrankten in Küllstedt 33 Pers., darunter
der Fleischbeschauer selbst, in Grossbartlofif 18, im Kreis
Worbis 9 Personen. Im letztem Falle hatte der Fleisch-
beschauer in 12 Präparaten angeblich keine Trichinen
gefunden und auch die nachträgliche Untersuchung durch
den Kreisphysikus ergab in 23 Präparaten nur 4 Trichi-
nen. Im Reg.-Bez. Merseburg erkrankten im Kreis Bit-
terfeld 7 Pers. durch den Genuss des Fleisches von einem
trichinenfrei befundenen Schweine, im Kreis Merseburg
2 Pers. , von denen die eine starb, nach dem Fleisch-
genuss von emem Schweine, das die Trichinen sehr un-
gleich vertheilt enthielt, z. B. in den Schinken fast keine
zeigte; der Fleisbcschauer wurde, weil er höchstens
V4 Std. lang untersucht hatte, mit 3 Mon. Gefängniss be-
straft ; eine andere Person starb gleichfalls nach dem Ge-
nuss von angeblich trichinenfVei befundenem Schweine-
fleisch, und der Fleischbeschauer bekam 6 Mon. Gefäng-
niss ; in Nietleben erkrankten 15 Pers. und starb 1 unter
den Erscheinungen einer Lungenentzündung. Schlüsslich
fand noch in der Landdrostei Hildesheim in Lerbach eine
nicht unerhebliche Endemie statt.
<) Im Grcgensatz hierzu warnt Dr. Rupprecht aus-
drücklich vor dem Genuss von Spirituosen, da die Trichi-
nen auch nach Benetzung mit reinem Alkohol noch Tage
lang leben und der Genuss von erhitzenden Getränken
bei der trichinösen Darmentzündung geradezu nachtheilig
wirke.
In den amerikanischen Speckseiten sind auch
im J. 1879 keine lebenden Trichinen aufgefunden
worden, obwohl in Gütersloh 11 Fleischbeschauer
Tag für Tag die waggonweise anlEommendenFleiscb-
waaren nntersnchen und aneh sehr häufig todte Tri-
chinen gefunden haben , und obwohl im Reg.-Bez.
Stettin unter 41364 Speckseiten 468 (1:88) Tri-
chinen enthielten. Es sind auch bis jetzt, ausser von
Focke, noch keine Erkrankungsflüle, welche mit
dem Genüsse von amer. Speckseiten in Zusammen-
hang gebracht werden könnten, mitgeiheilt worden.
lieber das Ergebniss der seit Nov. 1867 in Rostock
eingeführten Untersuchung sammtlicher geschlachteter
Schweine 2Xii Trichinen verdanken wir der Güte des diese
Untersuchung leitenden Univers. - Meohanikus Herrn A.
P e t r i folgende Mittheilung :
j . Zahl d. unters, trichinen-
•'*"' Schweine
1867 (Nov., Dec.) 1719
1868 6367
1869 5457
1870 5688
1871 6520
1872 6555
1873 6441
1874 6731
1875 7222
1876 7165
1877 7561
1878 7305
1879 7719
1880 7647
Einen weitern schätzenswerthen Beitrag zur Statistik
des Vorkommens der Trichinen unter den Schweinen lie-
fert die von Med.-B. C. W. F. Uhde in Brannschweig
(Virchow's Arch. LXXXIV. 2. p. 419. 1881) veröffent-
lichte Uebersicht der Ergebnisse der Untersuchung der
im Herzogthume Braunsehtoeig von Ostern 1876 bis da-
hin 1880 geschlachteten Schweine, welcher wir Folgendes
entnehmen :
^^^^^ Schweine
106903
111706
114367
111856
In der Stadt Brannschweig allein stellt sich das Ver-
hältniss der trichinenhaltig befundenen zu der Zahl der
überhaupt untersuchten Schweine in dem gedachten Zeit-
räume folgendermaassen heraus : 8 : 23253 ; 10 : 23448 ;
6:22986; 17:22645.
Mit Filmen behaftete Schweine, deren Fleisch na-
mentlich im letzten Jahre zum Theil ganz unbrauchbar
für den Genuss gemacht worden ist, kamen in den gen.
4 Jahren vor je 30, 33, 54, 75. Ausserdem wurden noch
16 mit anderweiten Krankheiten behaftete Schweine wah-
rend der fragl. Zeit vorgefunden.
Seit Einführung der Trichinenschau überhaupt er-
geben sich in Bezug auf das Vorkommen von Trichinea
folgende Resultate :
haltige
12
4
1
1
2
0
3
2
5
0
2
0
1
1
1876—1877
1877—1878
1878—1879
1879—1880
Zahl d. nntera. triehlnen-
haltige
15
19
11
29
1866—1867 kamen auf 6900 Schweine
1867—1868
1868—1869
1869—1871
1871—1872
1872—1873
1873—1874
1874—1875
1875—1876
1876—1877
1877—1878
1878—1879
1879—1880
5700
14500
15300
13387
4874
5129
7004
13185
7127
5879
10397
3857
trichinöses
IV. Pathologie^ Therapie u. medicinische Klinik.
35
Deber nestenotUes Vorkommen von Trichinen
in einzelnen Muskeln des Schweines und die Stellung
des f^eischbeschauers zu diesen Fällen berichtet Dr.
EDgelhardt in Neustadt a. d. Orla (Thür. ärztl.
Conr.-BL Vlfl. 4 ; 20. April 1879).
hm 16. Jan. 1879 wurden von einem Schweine
die Torsebriftsmassigen Stücke vom Zwerchfell y von
deo Brostmoskeln und ein Theil des Kehlkopfs unter-
Bcht, aber nur im Kehlkopf Trichinen in bedeuten-
k Anzahl vorgefunden, während die andern Theile
fällig trichinenfirei waren. Bei einer gründlichen
Kiehontersuchung des confiscirten Schweines wurde
onr noch mit Ausnahme des Kehlkopfs in einer Ex-
tremität eine einzelne Trichine aufgefunden. Im
Kehlkopf selbst fanden sich übrigens die Trichinen
loch nur in einem einzigen Muskel , dem Cricothy-
leoidens. Trotzdem ist es wohl möglich, dass noch
mehrere Trichinenkolonien in andern Muskeln vor-
binden waren und zu Infektionen hätten Veranlas-
6ong geben können ; andererseits ist aber auch die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen y dass der Fleisch -
besehaner trotz sorgfältigster Untersuchung der ge-
aetzlich vorgeschriebenen Stücke in ähnlichen Fällen
kdoe Trichinen findet. Der Fleischbeschauer kann
bher nur mit gutem Gewissen bezeugen, dass er in
k& von ihm untersuchten Präparaten Trichinen oder
keine Trichinen gefunden habe, aber nicht, dass das
Schwein oder die ihm zur Untersuchung übersandten
Fleiachstflcke frei von Trichinen gewesen seien. Es
ist daher nach E. aber auch unerlässllch , dass der
Fimhbeschauer selbst streng überwacht werde, und
dasB derselbe, nm diess zu ermöglichen, seine Prä-
parate in mit Glycerin gefüllten Gläsern längere Zeit
fflfhebt, damit ^e einer strengen Nachuntersuchung
mierwarfen werden können.
In Barmen trat nach Dr. Straass (Dentsche med.
Weimschr. Vm. 34. 1880) gegen Ende April 1880Trichi-
Bose auf durch den G^nss von roher Bratwurst und Imal
Ton Mettwurst ; die Krankheit wurde bei mehreren Kr.
B dem vom Anne entnommenen Maskelfleisch diagnosti-
ort, wahrend von den verdächtigen Fleischwaaren nichts
■ehr anli^etrieben werden konnte. Officiell wurden 63
olmikte Personen angezeigt; doch betrag dieGesammt-
Bbl aller Erkrankten weit über 100. Sie gehörten yor-
viegend der arbeitenden Klasse and mehr dem weiblichen
Geseldecht an. Die Inenbationsdauer war die gewöhn-
fieke, mindestens 10 Tage ; das Fieber in 1 Falle sehr
twtiäehtlich (41.8o C). Qenesang erfolgte in allen Fäl-
taiinderS. biso. Woche.
Die angeblieh erste Trichinenepidemie in Wür-
^er^, eine zwar kleine , aber schwere Familien-
epidemie beobachtete Dr. H aber lein in Crails-
ittim (Wttrtemb. Corr.-Bl. XLIX. 26. 27. 1879).
Die Krankheit.worde im Jan. 1879 von Bargsinn in
Bayern nach Crailsheim verschleppt durch einen Mann,
»elcher seinen seit 14 T. „typhoskranken" Bruder be-
geht und daselbst rohen Schinken gegessen und von
demselben, als er selbst am 3. T. erkrankt heimgekehrt
^) aach seiner Fran nnd seinem Knaben zu essen ge-
Seben hatte. Es erkrankten im Ganzen in beiden Orten
SPenonen, 5 Erwachsene und 1 Kind, und starben 3 Er-
^*l»s€ne. Die Verstorbenen hatten nachweislich sehr
^_^n dem stark trichlnenhaltigen, rohen, nur schwach
K^teherten Schinken gegessen ; .2 Erwachsene und der
Knabe hatten nur wenig davon zu sich genommen. Eine
Frau und deren Sohn , welche von demselben Schinken,
aber gut gekocht, gegessen hatten, blieben gesund.
Das Incubationsstadinm war ein sehr kurzes,
nur 2mal 24 Stunden. Die Diagnose eines Typhus,
an den man nach den Aussagen des Kr. zuerst
denken musste , konnte wegen der sehr kurzen In-
enbationsdauer, des Mangels an Milzschwellung,
Roseolen und Temperatursteigerung sehr bald auf-
gegeben werden. Viel näher lag der Verdacht einer
akuten Vergiftung und es wurde auch die Diagnose
sicher gestellt, freilich erst 13 Tage, nachdem der
Manu, u. 10 Tage, nachdem die Frau u. das Kind
von dem trichinösen Schinken gegessen hatten. Die
Behandlung konnte daher nur eine rein sympto-
matische sein. Von Symptomen ist zu bemerken,
dass nicht , wie sonst angegeben wird , hohes fast
conUnuirliches Fieber bestand, sondern nur eine
massige Temperatursteigerung (nur Imal 39.6<> G.)
beobachtet wurde ; dass ferner keine übermässigen
Schweisse stattfanden, und dass der Tod bei der
Frau am 30. Tage der Infektion , bei dem Manne
am 40. Tage (bei dem Bruder in der 8. Woche) an
Herz- und Lungenlähmung erfolgte.
Von dem Sektionsbefunde heben wir nur die
auch hier beobachtete fettige Entartung des Herzens,
der Leber u. der Nieren, sowie die dunkelschwarze,
weiche Beschafifenheit der Milz hervor.
Bemerkenswerth ist noch, dass in dem trichi-
nösen Schinken und dem Menschenfleisch , welches
behufis längerer Aufbewahrung mit Salicylsäure-
pulver eingerieben worden war, nach kurzer Zeit
sich auch keine Spur von Trichinen mehr fand.
Auch sehr starker Schnaps bringt nach H. die
Trichinen überraschend schnell zum Verschwinden.
Er empfiehlt daher, letzteren sowohl, wie auch die
Salicylsäure (10 — 15 Grmm. in möglichst kurzer
Zeit zu nehmen) in Fällen von frischer Trichinen-
infektion zu versuchen.
In Schwabach beobachtete Dr. L o c h n e r (Bayr.
äratl. Intell.-Bl. XXVIL 8. 1880) Anfang Febr.
Trichinose bei einer Frau, die zwar viel, aber immer
nur von ihr selbst stark gebratenes oder gekochtes
Schweinefleisch gegessen, 10 Tage zuvor jedoch
ein Stückchen sogen. Extrawurst, die 1 Tag ge-
räuchert und dann im Kessel gesotten worden war,
gekauft und genossen hatte. Die Diagnose wurde,
da von der verdächtigen Wurst nichts zu beschaffen
war, durch Harpnnirung gesichert. Kurze Zeit
darauf erkrankte noch ein Dienstmädchen , welches
von demselben Fleischer Extrawurst genossen hatte,
unter den charakteristisclieu Erscheinungen.
L. betrachtet den Umstand , dass nach dem Ge-
nüsse gekochten Fleisches Trichinose entstand , als
Beweis gegen die Schutzkraffc des Kochens und ftlr
die unbedingte Nothwendigkeit der mikroskopischen
Fleischuntersuchung. Da aber die Frau so lange sie
nur selbstgekochtes Fleisch genoss, nie erkrankt war,
vielmehr erst durch die beim Fleischer „im Kessel
gesottene'^ Exti*awurst inficirt wurde, so kann man
36
IV. Pathologie, Therapie a. medioiniflche Eliiiik.
wohl nur die bekannte Tbatsache folgern , dass un-
genügendes Kochen des Fleisches nicht Schutz ge-
währt.
Ein anderes Beispiel, welches Dr. Loch-
ner anführt (a. a. 0. XXVHI. 23. 1881) betrifft
einen 42jähi'. Mann, welcher angeblich nie unge-
kochtes Fleisch gegessen hatte, aber zugab, dass er
sehr viel, besonders geräuchertes Schweinefleisch
esse ; die Haipunirung bestätigte die vorher gestellte
Diagnose.
Auch in der Schweiz kommt nach Prof. M. Roth
in Basel (Schweiz. ärztl.CoiT.-BLX. 5; I.März 1880)
Trichinenkrankheit vor.
Schon vor der Zenker'Bchen Entdeckuiig hatte
Prof. Miescher sen. 4mal Trichinen in Basel gefanden,
je Imal bei einer Ratte nnd einer Katze , und 2mal bei
Sektionen von auswärts zugereisten Individuen.
Eine kleine Trichinenepidemie mit 9 Erkrankungen,
wovon 5 todtlich endeten , kam in Ravecchia bei Beilin-
zona (Canton Tessin) vor , welche durch den Genuss des
rohen Fleisches von einem d. 19. Dec. 1868 geschlach-
teten Schweine veranlasst wurde (s. Arch. f. Thierhellk.
XXIV. 1871. p. 226 u. Ann. univers. 1869 ; vgl. Jahrbb.
GLU. p. 92). Das betreffende Schwein , das nie ausser-
halb des Cantons gekommen war , hatte 9 Mon. lang in
einem durch Ratten beunruhigten Stalle gestanden , doch
hatte die Untersuchung zahlreicher getodteter Ratten kein
Resultat gegeben ; ausserdem war es aber mit Abfällen
aus einer Schlächterei gefüttert worden , was die Infek-
tion durch ein anderes trichinöses Schwein nicht unwahr-
scheinlich macht.
Endlich fand K. eingekapselte , zum Theil schon ge-
schrumpfte u. verkalkte, zum Theil noch lebende Trichi-
nen bei der Sektion eines an Pneumonie verstorbenen
47jähr. Mannes, welcher in Basel von 1850 — 54 als
Knecht bei einem Schweiuemetzger gedient und daselbst
1852 einen schweren „Typhus^ mit achtwochentl. Dauer
durchgemacht , also wahrscheinlich vor 27 J. die Trichi-
nose überstanden hatte.
Dieser Fall ist übrigens der einzige unter 1634
von R. seit dem Sept. 1872 ausgeführten Sektionen,
in welchem er Trichinen gefunden hat, ein Umstand,
der allerdings ftir die Seltenheit der Trichinose in
der Schweiz spricht.
Ueber eine Trichinen - Epidemie, welche von
Dr. A. Jolivet in Crdpy - en - Valois (Oise) be-
obachtet wurde, nnd welche als die erste bisher
in Frankreich bekannt gewordene ein ausserordent-
liches Aufsehen erregt hat, berichtet Prof. La-
boulböne (Bull, de TAcad. XLV. 2. S6r. X. 7
u. 8; F6vr. 1881). Die dadurch hervorgerufenen,
zahlreichen Debatten und Experimente, welche nach
den in Deutschland schon seit 20 Jahren gemachten
gründlichen und erschöpfenden Untersuchungen uns
ziemlich überflüssig erscheinen , können wir hier in
aller Kürze behandeln.
Das verdächtige Schwein war bei einem Bäcker am
5. März 1878 geschlachtet worden. Schon am 11. März
(nach 6 T.) hatte die ganze Familie heftige Diarrhoen,
Gesichtsödem j allgemeine Muskelschmerzen y typhoides
Fieber. Im Ganzen erkrankten von 21 Personen, welche
Schweinefleisch gegessen hatten, 17 und starb 1, ein
junges Mädchen am 12. Tage der Krankheit an doppel-
seitiger Bronchopneumonie. Es wurde keine Sektion,
keine Harpnnirung des Muskelfleisches, keine Unter-
suchung der Fäces , keine Untersuchung des Schweine-
fleisches vorgenommen. Nur so viel wird mitgetheilt,
dass in der Nähe des betreffenden Schweinestalles die
Fieischabfälle einer Schlächterei angesammelt wurden
und hier zahlreiche Ratten hausten , von denen mehrere
Trichinen enthielten.
Le Roy de M6ricourt macht auf die Akro-
dynie aufmerksam, welche sich 1828 — 1830 in
Paris zeigte und ähnliche Symptome machte, wie
die Trichinose. Auch spricht er die Vermnthung
aus , dass Insekten , wie die Blatta u. a. die Ratten
inficiren mck^hten. Jolicoeur hat schon 1866
Trichinen un Todtenkäfer (Blaps Mortisaga) ge-
funden, ebenso fand Colin (d'Alfort) Würmer in
demselben, deren Identität mit Trichinen er jedoch
bezweifelt.
Von zweifelhaftem Werthe ist auch der Befund
von Trichinen im Fettgewebe ^ den J. Ghatin
(Gaz. de Par. 14. 1881) gemacht haben will. Der-
selbe fand die meisten Trichinen daselbst frei oder
kaum an den Geweben haftend, einzelne jedoch ein-
gekapselt , so dass die Trichine also nicht blos auf
der Wanderung, sondeiii auch dauernd im Fett sich
aufhalten könnte. Ffittemngsversuche mit derartigem
trichinenhaltigen Fett blieben erfolglos (!), während
Fütterungen mit trichinenhaltigem Muskelfleisch stets
einen positiven EMblg hatten. C h. folgert hieraus
eine geringere Lebenskraft der Fetttrichinen (?), an-
statt — was viel näher liegt — eine-VerwechsluDg
mit irgend welchen andern Wüimem anzunehmen.
Eine fernere ganz neue Ebitdeckung bezüglich
der Naturgeschichte der Trichinen glanbt J. Cha-
tin (Ibid. 21. 1881) gemacht zu haben, indem er
freie Trichmen in den verschiedensten Entwicklungs-
Stadien , sowie auch eingekapselte Trichinen in den
Dai'mwänden von amerikanischen Schweinen ge-
funden haben will. Es würde sonach die Trichine
auch in den glatten Muskeln ihren danemden
Aufenthalt nehmen, im Widerspruch mit allen deut-
schen Beobachtungen, f^nen Beweis für diese Be-
hauptung bleibt C h. jedoch auch hier schuldig.
Neuerdings ist die Trichinengefahr u. Trlchmen-
furcht in Frankreich durch die in den letzten Jahren
so enorm gestiegene Einfuhr von amerikanischen
Schinken und gesalzenem Schweinefleisch noch ge-
steigert woi'den und sind die Behörden veranlasst
worden , vorläufig wenigstens die Einfuhr amerika-
nischen Schweinefleisches zu verbieten. Dr. Du
Cazal (Revue milit. de m6d. et de chh*.L 1. 1881.
p. 44) hält diese Aufregung für nicht recht begrün-
det, da die von Ledere in Lyon im Nov. 1880
in 3 amerikanischen Schinken gefundenen Trichinen
sämmtlich todt waren und überhaupt ausser der ge-
nannten kleinen Epidemie in Cr6py-en-ValoiB noch
nie Trichinenerkrankungen in Frankreich vorge-
kommen sind , während in Deutschland , wo „eine
Armee von 18000 Fleischbeschauern'' in gewissen-
liafter Weise das Fleisch untersucht, doch noch
häufig Erkrankungen vorkommen.
Verschiedene Füttemngsversuche , welche Re-
bourgeon (Gaz. de Par. 15. 1881) mit trichini-
gem Speck u. gesalzenem trichinigen amerikanischcB
Schweinefleisch an Ratten vorgenommen, blieben
IV. Pathologie; Therapie a. mediciniBche Klinik.
37
ebenso wie die Versuche von Pennetier in Ronen
an Kaninchen und Ratten (1. c. 22) , die Versuche
von Colin an Vögeln (s. Bull, de TAcad. 1. c.)
und von D e 1 e in Antwerpen (Presse m6d. XXXI. 47.
p. 369. 1879) an Kaninchen mit gesalzenem, aber
flieht geräuchertem amerikanischen Schinken sämmt-
lidi erfolglos.
Dagegen fand Chatin (Bull, de l'Acad. a. a. 0.)
in den zuBatignoUes confiscirten Schinken allerdings
ttende Trichinen und inficirte damit zwei Meer-
«ßhweinchen y von denen das eine sogar starb ; C h.
Girard rief gleichfalls in diesen Schinkentricliinen
dmth Erw&rmen Bewegungen hervor, und wenn
hris, welches im Jahre 1880 ca. 39 Hill. Kgrmm.
amerikanischen Schinken importirte und (bei einem
dorehschnittlichen Vorkommen von Trichinen in 8 bis
10*/o derselben) vielleicht 3 bis 4 Mill. Kgrmm.
tiichinigen Schinken verzehrte, dennoch keine In-
fektionen davontrug, so kann diess nur durch die
allgemeine Sitte des gründlichen Kochens erklärt
Verden. Hierauf den Schluss zu bauen , dass der
Gemiss amerikanischer Schinken, weil die mehr-
flKniatlicbe Zeitdauer von dem Einsalzen bis zum
Gennss derselben in den meisten Fällen die Ti'ichinen
getödtet habe , trotz ihrem Trichinengehalte völlig
i&bedenklich sei, dürfte allerdings sehr gewagt und
geiUrlich sein. Doch behauptet Davaine mit
Recht, dass die französischen Sanitätsbehörden mit
dem absoluten Einfuhrverbot amerikanischer Schin-
ken zQ weit gegangen seien und den Volkswohlstand
dnrch die Entziehung eines nothwendigen Nahrungs-
mittels geschädigt haben.
Eingekapselte Helminthen, welche leicht mit
Trichina spiralis verwechselt werden können, hat
M^gnin (Gaz. de Par. 23. 1881) bei verschie-
denen Thieren gefunden. In der Regel waren es
die geschlechtslosen eingekapselten Larven verschie-
dener Spiropteraarien, deren geschlechtsreife Form
im Darmkanal oder in den Darmwandungen der-
selben Thiere haust und welche sich durch ihre mehr
eylindrische Form, die Mundpapille, den deutlichen
Pharynx, den langen keulenförmigen Oesophagus,
u dem die charakteristischen Zellen der Ti*ichine
fehlen, und den an der Basis, nicht am Ende des
Schwanzes sich öffnenden Anus , sowie auch durch
ihre meist viel beträchtlichere Grösse unterscheiden.
So fand M. beim I{(el, bei dem Cobbold Trichinen
gefondeii haben will, die Spiroptera clausa, bei der gros-
Kn spanischen grünen Eidechse die Spir. abbreviata R. ;
ferner beim Frosch eine Art der Spir. und endlich bei
Ifachetes pugnax eine Art Spir. oder vielmehr von Dis-
plttiaguB Dnjardin.
Bas Vorkommen von echten Trichinen bei den Ratten
ii Gegenden, wo Trichinen heimisch sind, bezweifelt M.
^ht; doch liat er in Yincennes keine gefunden und auch
in Paris hat man bisher vergeblich nach Trichinen bei
^Ratten gesucht.
Nach den Mitthcilnngeu von Dr. W m. T. B e 1 -
fieid und H. T. Atwood in Chicago (New York
»«d. Rccotd XIV. 26. [425.] Dec. 28. 1875) ist
veZahl der daselbst' trichinös befundenen Schweine
8-100, nnd zwar schätzen sie 35 bis 13000 Tri-
chinen auf 1 KubikzoU Muskelfleisch. Da die sämmt-
lichen inficirten Schweine keine auffallenden Krank-
heitserscheinungen gezeigt hatten , sondern fett und
wohl genährt waren , da ferner Ratten y die wieder-
holt mit geringen Mengen trichinösen Fleisches ge-
füttert worden waren^ nicht erkrankten, obwolil sie
bei der Sektion an 100000 Trichinen beherbergten
und da endlich B. selbst 12 Trichinen [!J ohne Scha-
den genoss y so schliesst derselbe y dass der Genuss
von geringen Mengen Trichinen durchaus gefahrlos
sei und dass ein grosser Procentsatz der Bevölkerung
mit Trichinen behaftet sein möge.
In entsprechendem Maasse kommen auch in den
Ratten die Trichinen daselbst ausserordentlich liäufig
vor. Nach J o 1 i v e t (Bull, de T Acad. s. o.) waren
in Boston in einem Schweinehofe von 51 Ratten 39,
in einem andern alle 40 untersuchten Ratten , da-
gegen in Pferdeställen von 60 Ratten nur 6 mit Tri-
chinen behaftet.
Die Regierung der Vereinigten Staaten von Nord-
amerika erklärt in einer Broschüre (s. New York
med. Record XIX. 23. [552.] June 4. 1881) im
Gegensatz zu den in Deutschland und Frankreich
gemachten Erfalirungen , dass das Ergebniss der
Untersuchungen der Schweine auf Trichinen ein
äusserst günstiges sei. Die Procentsätze der Fälle
von Trichinose seien ausserordentlich gering und
trage hierzu hauptsächlich die bessere Rasse der
amerikanischen Schweine und deren Maisfütteruug
bei. Auf 40000 Todesfälle kämen erst 2 durch
Trichinose.
Dass diese zu Gunsten der amerik. Schweine-
händler sprechenden Behauptungen durch spätere
Uutersuchungen und genauere Diagnosen alterirt
werden mögen, darf als wahrscheinlich angenommen
werden. Wenn die Trichinose beim Menschen da-
selbst wirklich selten ist, so mag diess wohl mehr
in der Sitte, kein rohes Schweinefleisch zu genicsscn,
begründet sein.
Einen Fall von Trichinose , in welchem die An-
nahme einer Infektion des betr. Schweines durch
Ratten nahe liegt, beobachtete auch Dr. J. H. M.
Peebler in New Castle, Pa. (Phiiad. med. and
surg. Reporter XXXVIII. 25. [1112.] June 22.
1878) bei einer Familie von 7 Gliedern, welche
kurz vor Weihnachten 1877 Wurst gegessen hatten,
die nur 5 Min. lang gekocht und dann geräuchert
worden war. Das Schwein, von welchem das Fleisch
stammte , war bis zum November im Freien hemm-
gelaufen und dann in einem Stalle, der voller Ratten
war, gemästet worden. Das Fleisch desselben war
dicht mit Trichinen durchsetzt. Die Erkrankten ge-
nasen sämmtlich.
Im Widerspruch mit dem Berichte der Regierung
der Vereinigten Staaten steht auch die Mittheilung
von Dr. Glazier (New York med. Record XIX.
18. [547.] April 30. 1881), dass die trichinösen
Schweine in Amerika häufiger sind, als vielleicht
irgend wo anders, und dass das procentische Verhält-
niss derselben zu den gesunden Schweinen unmer
38
IV. Pathologie^ Therapie a. medidnisohe Klinik.
mehr zunimmt. Denn während in Chicago im
J. 1866 nur 2<>/o trichinös befunden wurden, waren
1878 8Vo trichinös (s. ob. Atwood).
lieber eine Reihe von Trichinosisfülien in Peters-
burg, die ersten [?] bisher daselbst beobachteten,
berichtet Dr. W. Kernig (Petersb. med. Wchnschr.
V. 1 ; 5. Jan. 1880).
Im Ganzen waren es mit Einschluss von 3 Fällen
Dr. 0. y. Grüne wal dt 's 14 Fälle, welche in der
2. Hälfte des October und im November 1879 be-
obachtet wurden und deren Natur als Trichinose
durch Excision eines kleinen MuskeLstQckchens aus
dem linken Gastrocnemius einer Frau festgestellt
wurde. Die Quelle der Ansteckung hat die Peters-
burger Polizei trotz vielfacher Nachforschungen in
den Fleisch- und Wursthandlungen nicht ermitteln
können.
Die Symptome waren in den Fällen von 0. v o n
Grünewaldt (Das. V. 3; 19. Jan. 1880) an-
fänglich nur die eines unregelmässigen Fiebers ohne
Lokalerkrankung, die als Prodrome einer akuten In-
fektionskrankheit aufgefasst werden konnten; na-
mentlich fehlten DurchfUUe und Lidödem und war
nur sehr hochgradige Lichtscheu vorhanden, über
deren Ursache der zugezogene Dr. Weyert keinen
Aufschluss zu geben vermochte. Es war daher ver-
zeihlich, dass die Diagnose im ersten Anfang zweifel-
haft blieb und erst bei weiterer Beobachtung und
nach Hinzutritt fernerer Erkrankungsfälle sicher ge-
stellt wurde.
In einer Zuschrift an die Redaktion (Das. V. 2 ;
12. Jan. 1880) bemei'kt Dr. Knoch, dass er in
Petersburg schon im J. 1873 5 Fälle von Trichinose
in einer Familie beobachtet und an dem Familien-
vater den mikroskopischen Nachweis von Muskel -
trichinen geliefert (s. Milit.-med. Jouin. 1873) ; feiner
dass er auch in Moskau 1875 bei einer Frau Tri-
chinen mikroskopisch nachgewiesen , dass er somit
zuei'st in Russland das Vorkommen von Trichinose
festgestellt habe.
Nach einer femern Mittheilung des Dr. Knoch
(Das. V. 16 ; 16. April 1880) wurde im J. 1876
in Peteraburg eine Familie durch den Genuss von
Schweinecoteletten inficirt, zugleich mit der Gouver-
nante, welche jedoch erst in Moskau erkrankte,
wohin sie unmittelbar nach der Mahlzeit abgereist
wai*. Ferner erkrankten in Moskau im Sommer 1874
20 Personen und im Februar 1877 über 12 Per-
sonen bei einer Verlobungsfeierlichkeit und stellte
sich hierbei das wichtige Faktum heraus , dass das
Gedächtniss bei Gelehrten in Folge der Trichinose
bedeutend abnimmt und selbst nach Jahren nicht
vollständig wiederkehi*t. Von derselben gastrono-
mischen Handlung, welche den hierbei genossenen
Schinken geliefert hatte, ging vermuthlich auch eine
andere Trichinenepidemie aus, an der gegen 50 Per-
sonen erkrankten, und eine von Tichomirow
(Das. V. 46 ; 15. Nov. 1880) angestellte Unter-
suchung des betreffenden Mastliofs ergab im Laufe
der folgenden 12 Mon. 4 trichinöse Schweine, sowie
schon vorher bei 2 von 3 daselbst gefangenen Ratten
zahlreiche Muskeltrichinen.
Ausser in Petersburg und Moskau wurde audi
in Riga im Winter 1878— 7 9 Trichinose bei 20 Per-
sonen (von Dr. Worms), sowie in Lodz bei einer
Familie beobachtet u. wurden an zahlreichen andern
Orten Trichinen in Schweinen , Katzen und Ratten
entdeckt. Knoch erklärt daher eine systematische
Trichinenschau auch für Petersburg für höchst notli-
wendig.
Dr. Gieseler (Das. IV. 12; 24. März 1879)
beobachtete in Moskau im März 21 F. von Trichinosis,
welche sämmtlich günstig verliefen und zu keinen
besondem Bemerkungen Veranlassung geben. Alle
Kr. hatten rohes Schweinefleisch in verschiedenen
Formen gegessen, doch konnte nur in 1 Falle, wo
4 junge Leute frische, schwach geräucherte Mett-
wurat gegessen hatten , der Tag der Infektion , 16
bis 18 T. vor Beginn der Erkrankung, genauer be-
stimmt werden.
Eine beträchtliche Epidemie wurde nach Dr.
John Wortabet(LancetL 12;March 19. 1881
und Virchow's Arch. LXXXIII. 3. p. 553. 1881)
und Dr. S. Monsally (New York med. Record
XIX. 16. [545.] April 16. 1881) in El Kheyam
oder Khiam in Syrien in der Nähe der Jordanquellen
in Nord-Palästina beobachtet.
Im Ganzen erkrankten 262 Personen (124 M.,
103 Fr., 35 Kinder), welche das rohe oder nur halb
gekochte Fleisch eines Ebers genossen hatten , der
am 25. Nov. 1880 in der Nähe des Meromsumpfes
(El-Huleh oder El-Häleh) geschossen worden war.
Eine Familie in dem benachbarten Orte Hasbeya,
welche das Fleisch des Kopfes, aber gut durchgekocht,
genossen hatte , blieb gesund und einige Personen,
welche von demselben gebraten gegessen hatten,
erkrankten nur schwach. Bei den meisten trat die
Erkrankung in der 2. Woche nach dem Genüsse des
Fleisches ein unter den gewöhnlichen Erscheinungen;
bemerkensweilh ist, dass Viele einen juckenden
Urticai'iaausschlag und Viele blutigen Urin, Einzelne
Muscae volitantes, eine Person Hemeralopie, eine
Frau Abortus bekam. Kinder erkrankten meist
leichter. FünfPersonen starben nach wenigen (2 — 3)
Wochen ; eine Frau , bei welcher durch die Sektion
die Trichinen diagnosticirt wurden , am Anfang der
8. Woche.
Ausser dieser ersten sicher nachgewiesenen Epi-
demie in Syrien ist nach Monsally angeblich vor
wenigen Jahren in der Nähe von Khiam gleichfalls
eine vermuthliche Trichinenepidemie vorgekommen,
indem daselbst ebenfalls nach dem Genüsse eines
wilden Ebers 40 — 50 Personen erkrankten und 20
starben.
Nach V i r c h 0 w ist dieser Fall von besonderem
kulturgeschichtlichen Interesse, weil durch denselben
die Existenz der Trichinen auch in Palästina , dem
Lande, auf das sich die moswche Speiseordnung
bezog, zum ersten Male positiv nachgewiesen ist.
IV. Pathologe, Therapie n. medicinische Klinik.
39
Ntdi Dr. jur. G. Silberschlag (Deatstthe
Tjbnchr. f. Off. Geshpfl. XL 2. p. 232. 1879)
I« man rohes Fleisch im Alterthnm überhaupt
gieht Nach Plntarch durften die Priester des Jupiter
Flamen dialis kein rohes Fleisch berühren nnd, wie
dtt Alte Testament berichtet, lebten die ersten Men-
aehen nur von Vegetabilien und der Milch der Thicre.
Eist nach der Sttndflnth durften sie Fleisch esse»,
jeioch kein rohes Fleisch, kein Fleisch, „das noch
lebt in seinem Blute'' und das speciell fbr die Juden
m Moses gegebene Verbot, Schweinefleisch zu ge-
lieaen, scheint also einen guten alten Qrund zu
Ittbeo. Das so häufige Vorkommen der Trichinen-
innkheit in der Provinz Sachsen erklärt S. durch
& seit 60 Jahren daselbst besonders verbreitete
Cuitte, rohes Fleisch oder rohen Schinken zu ge-
liesBeo.
U. Symptomatologie vnd Diagnose.
Den Eintritt nnd Ablauf der Krankheitserschei-
BOBgen bei Trichinose , sowie Eintritt nnd Art des
Todes bei derselben behandelt S.-R. Dr. Rupp-
recht in Hettstädt (Vjhrschr. f. ger. Med. N. F.
Xmi. 2. Oct 1880) auf GFund seiner reichen Er-
ttnmgen auf diesem Gebiete in ausführlicher und
lenichtliclier Weise. Doch heben wir aus seiner
iiittit nur einzelne Punkte hervor, namentlich so
vdt sie in Bezug auf die Differentialdiagnose von
fiedeatnng sind.
h der I.Periode (dei'Ingressionserscheinungen),
vdelie nicht vor dem 2. bis 3. Tage nach erfolgtem
Import beginnt und bis zum 10. T. dauert, kann als
VBtweifelhaftes Trichinensymptom nur der mikro-
ikopische Nachweis von Darmtrichinen u. Trichinen-
N angesehen werden. In den heftigsten Fällen,
Tdehe als entzündlicher Magendarmkatarrh, als
nDirm-Shock'^ (Trichinencholeroid) auftreten, ist
ane Verwechslung mit epidemischer oder endemischer
(^iera wold nur bei oberflächlicher Beti'achtung
aögüeh , eher mit einer Gastroenteritis toxica , wo
f^ der chemische Nachweis des Giftes und der
^gel von Trichinen in den Darmausleerungen die
KagDose sichert. Der Tod tritt zuweilen gegen
&I& der 1. V^ocbe, häufiger noch in der 2. Woche
^ aas Erschöpfung der Athemmuskeln in Folge
>usenhaften Zerfalls der Muskelfibrillen. Zur Er-
>(Qgung dieses Trichinencholeroids genügt der Ge-
■B3B von durchschnittlich ^/g Pfd. Schweinefleisch,
a welchem jedes Präparat 6— 10 Trichinen enthält.
Bei 10 Trichinen in jedem Präparate (» 0.02 Grmm . )
le Vi Kfifrmm. Schweinefleisch 62600 Trichinen ent-
I, und, diese genoseen, bei der Annahme einer 900-
I Vennehmng, 56260000 junge Trichinen im mensch-
ten Korper erzeugen , d. h. bei der Annahme von 50
Yi Miukelfleisch beim Menschen, 1125000 anf 1 Pfd.
BhenflelBch , nnd 46 anf jedes Präparat ; bei 6 Tri-
Im Präparat Schweinefleisch wurden sich demnach
Triddnen im Menschenfleischpräparat finden. In dem
[Bettstidter Trichinenschweine fanden sich je 11 Trichi-
1^1 in dem Hederslebener müssen Jedenfalls noch viel
l^voriumden gewesen seht.
I>aai diese Sehweine seihet nicht auflßiUig er-
^^ waten, erklärt sich leicht dadurch , dass die-
selben wahrscheinlich ihre Trichinen niclit auf Imal,
sondern zu verschiedenen Zeiten und in kleiner Zahl
aufgenommen hatten.
Die 2. Periode (der Digressionserscheinungen),
vorwiegend die 3. u, 4. W. der Erkrankung umfas-
send) ist durch die anfänglich als traumatisch, später
als typhoid zu bezeichnenden Fiebererscheinnngen
charakterisirt. Wegen der zahlreichen u. verschieden-
ai*tigen jetzt auftretenden Symptome ist eine Ver-
wechselung bei oberflächlicher Betrachtung mit wirk-
lichem Typhus, Tetanus, Myelitis, Spinalhämorrhagie,
Spondylitis, Nieren-, Uterus- und Ovarienleiden,
tuberkulöser Peritonitis, Ruhr, namentlich aber mit
Wurstfettvergiftiiug , Sepsis und der innern Form
des Milzbrands (anthracischer Mycosis intestinalis)
möglich; doch wird die Differentialdiagnose wohl
kaum rechte Schwierigkeiten machen. Diese Periode
ist bes. bei schweren Erkrankungen durch die mei-
sten Todesfälle ausgezeichnet , und zwar erfolgt der
Tod gegen Ende der 3. Woche besonders durch
serösen Erguss in die Halstheile (Hydrochyse) und
Erstickung durch Compression, oder in der 4. Woche
durch embolische Lungenentzflndung. Nicht selten
sind spätere Nachwandernngcn , welche wiederholt
scheinbare Verschlimmerungen der Krankheit erzeu-
gen.
Die Zahl der Einwanderer bei der typhoiden Form
beträfirt ca. 6 Tricliinen in jedem Schweinefleischprapa-
rate, d. h. in V4 Pfd. genossenem Fleische 31250, welche
sich im menschlichen Körper bis auf 28125000 (22.5 im
Präparat) vermehren. Ist nur 1 Trichine in jedem Prä-
parate der Schwcincmnskeln enthalten gewesen , so wer-
den sieh die Trichinen bis auf 5625000 (4.5 in jedem
Präparate vom menschlichen Moslcel) vermehren.
Im letztem Falle beginnt die Krankheit durch-
schnittlich zu Anfang der 4. Woche fthnlidi der
Polyarthritis acuta, oder gegen Ende der 4. Woche
scheinbar als febriles Anasarka.
Die 3. Periode (der Regression) umfasst die 5.
und 6. Woche und beginnt mit der allgemeinen Ein-
kapselung der eingewanderten Trichinen; sie ist
durch die hervortretenden Maskelschmerzen charak-
terisirt und wird daher von R. als rheumatoide Pe-
riode bezeichnet. Beginnt die Krankheit erst am
28. Tage mit Oedem, so ist in den Muskeln des
Schweins in jedem 6. Präparate 1 Trichine vorhan-
den gewesen, n. im Menschen können sich 1125000
Trichinen (fast 1 in jedem Präparate) entwickelt
haben. Bei weniger als 1 Million Trichinen im
menschlichen Körper werden in der Regel keine
charakteristischen Krankheitserscheinungen mehr be-
obachtet.
Diese Zahlen können nach R. nattlrlich nur be-
dingten Anspruch auf Richtigkeit haben, da die
verschieden dichte Vertheilung der Trichinen im
Schweinefleisch, die Menge und die verschiedene Zu-
bereitung desselben den grössten Einflnss ansahen.
DerFleisehbeschauer darf sich daher nicht beruhigen
und das Schwein für trichinenirei erklären, wenn er
znfUiig in 5 Präparaten keine Trichine gefunden
hat, vielmehr muss er mindestens 30 Präparate
40
IV. Pathologie^ Therapie n. mediciniBche Klinik.
durchsehen, da selbst bei einem Vorkommen von nur
1 Trichine in 30 Präparaten unter Umständen noch
Krankheit erfolgen kann.
Als eine Folge der fortschreitenden Inkrustation
der eingewanderten Trichinen findet man nach R.
nach der 6. Woche bisweilen Hackenschmerz und
Jucken der Unterschenkel neben Ischias; femer
scheint nach längerer Zeit in Folge der permanenten,
Jahre langen Reizung der Muskeln durch die an-
wesenden Trichinen sich Krebs entwickeln zu kön-
nen. Endlich bringt R. auch embolische Apoplexie,
gewöhnlich im 17. Jahre nach Ablauf der Erkran-
kung, mit der Ti*ichinose in Verbindung, indem viel-
leicht durch irgend welche Verletzung der Muskeln
mit gleichzeitiger Ge^szerreissung Eoipseltheile in
die Himadern geschwemmt werden [?].
Chronische Affektionen der Muskeln in Folge
von Trichinose, welche Dr. Edm. C. Wendt in
New York schon früher beobachtet hatte (s. Jahrbb.
CLXXVIII. p. 199), fand derselbe abermals bei
einem 23jähr. Manne (New York med. Record XVI.
14. [465.] Oct. 4. 1879) , welcher 6 Mon. nach
überstandener Trichinose, die ersieh, obwohllsraelit,
durch den Genuss rohen Schweinefleisches zugezogen
hatte , plötzlich die heftigsten rheumatoiden Muskel-
schmerzen , bes. in den Armen und Beinen bekam.
Dieselben traten ohne nachweisbare Ui'sache auf,
trotzten aller Behandlung , hörten plötzlich wieder
auf und kehrten nach Tagen oder Wochen ohne
Grund zurück. Die Affektion , welche der behan-
delnde Arzt als Neuralgie betrachtet hatte , war be-
sonders an den von der Trichinose am meisten be-
fallenen Theilen entwickelt und musste als chronische
Myositis aufgefasst werden.
W. ist der Ansicht, dass bei der Häufigkeit der
Trichinen in den amerik. Schweinen auch die Tri-
chinose beim Menschen daselbst nicht selten ist, dass
sie aber häufig nicht diagnosticirt wird, und dass
manche rheumatoide Affektionen anf chronische Myo-
sitis in Folge früherer Trichinose zurückzuführen
sein dürften. Als Behandlung empfiehlt er heisse
Bäder, Narkotika, schmerzlindernde Einreibung, den
grössten Werth aber legt er auf die Prophylaxe.
Eine weitere Mittheilung von Wendt (I.e. XIX.
24. [553.] June 11. 1881) betrifft einen von Dr.
W. T. Endlich beobachteten Fall von Trichinose
bei einem Ehepaare , welcher die Frau erlag. Die
in der Leiche vorhandenen Tiichinen waren noch
frei. Bemerkenswerth erscheint es daher , dass sie
nach dem Ergebniss der angestellten Versuche, trotz
ihrer verhältnissmässig geringen Widerstandsfähig-
keit selbst im gefiromen Fleische nach 4 T. noch
lebensfähig waren und auch nach eingetretener Fäul-
niss, 14 Tage nach dem Tode der Frau, noch lebten.
In künstlicher Verdauungsflüssigkeit, in welcher das
Fleisch nach 12 Stunden bei normaler Körpertempe-
ratur fast ganz verdaut war , waren sie entschieden
gewachsen und zeigten Andeutungen von Geschlechts-
organen. Leider wurde dieser Versuch in Folge
eines Versehens nicht zu Ende geführt.
Dr. J. M. Da Costa (Philad. med. News and
Abstract XXXIX. 3. [459.] March 1881) berichtet
ausführlich über einen Fall von akuter Triehinosis
mit continuirlichem Fieber und heftigen Muskelsym*
ptomen, der schlüsslich in Genesung überging. Wir
erwähnen denselben nur, um auf ein Instrument auf-
merksam zu machen, welches Da Costa sich nach
Angabe des Dr. R. N. Hart anfertigen lieas, nm
behufs der Diagnose etwas Mnskelfleisch aus dem
Körper zu erhalten. Dasselbe besteht ans einer
Kanüle mit gewöhnlichem Trokar und einem 2. Tro-
kar, dessen Spitze mit einer schneidenden Schrauben-
Windung versehen ist Nachdem die Kanüle mit
Trokar bis in das Innere eines Mnskels eingestochen
ist , wird der Trokar herausgezogen und dafür der
2. Trokar eingestochen, der nach einigen Achsen-
drehungen sicher kleine Fleischstückchen lostrennt,
die beim Zurückziehen durch die Kanüle leicht
herausbefördert werden.
III. Prophylaxe*
Zur Prophylaxe der Trichinose giebt Prof. Dr.
0. Bollinger (Deutsche Ztschr. f. Thiermed. n.
vgl. Pathol. V. 1 u. 2. p. 1. 1879) einen wcrthvol-
len Beitrag , indem er zunächst in einem Referat an
den königl. Obermedicinalausschnss vom 18. Oct
1878 die staatspolizeiliche Prophylaxe der Triclü-
nose in Bayern behandelt, sodann an die von ihm
formulirten Schlusssätze die Beschlüsse der Aerste-
kammern anfügt , und als Anhang ein neueres Gnt-
achten der preussischen wissenschaftl. Deputation
für Medicinalangelegenheiten über Trichinose, sowie
ein Gutachten des kaiserl. deutschen Gesnndheits-
Amts über diese Frage beifügt.
Die Schlusssätze des Prof. B. sind folgende.
1) Die allgemeine Einführung der obligatori-
schen mikroskopischen Trichinenschau in Bayern ist
einstweilen kein Bedürfniss. (Zu diesem Punkte
wünscht Dr. Brenner-Schäffer in Regensbnrg
den Zusatz : Jedoch hat der Staat jetzt schon dafür
zu sorgen , dass den Fleischbeschauern ein entspre-
chender Unterricht ertheilt wird , und dass die Be-
schauer amtlich geprüft werden. Die Aerztekammer
von Oberfranken hält bei der Gefahr der Ausbreitung
der Trichinose auf ganz Bayern die allgemeine obli-
gatorische Trichinenschau ftlr nothwendig.)
2) Sollten einzelne Landestheile oder Städte , in
denen Trichinenerki*ankungen vorkamen, die Ein-
richtung einer lokalen obligatorischen oder fakulta-
tiven mikroskopischen Beschau der geschlachteten
Schweine für nothwendig erachten , so ist diess von
Seiten der Behörden zu begünstigen. (Die Aerzte-
kammer von der Pfalz und bes. von Oberfranken
halten die obligatorische Trichinenschau für die be-
fallenen Orte für nothwendig nnd fttr die nicht be-
fallenen Provinzen für wünschenswerth , da von der
fakultativen Untersuchung kein Erfolg zu erwarten
sei).
3) Der Verkauf des aus überseeischen Ländern
eingeführten (bes. des amerikanischen) Schweineflel'
Kbe
IV. Pathologie, Therapie d. medicinische Klinik.
teba ist in Bayern nnr nach vorgängiger mikro-
tfcopi»eher Untersucbnng zn gestatten. (Die Aerzte-
kimmer von Oberbayem h&It die Ansftihning dieser
Htuuegel allerdings fUr acbwierig and die Aerzte-
kumer von Oberfranken wflnscbt eine gleiche Be-
hudtimg anch fDr alles andere in üayem eingeführte
SekweiB^iach , sofern der Nachweis der Trichinen-
fiäbdt nieht beigebracht ist).
4) AU HOlfsmittel, um einer weitern Ausbreitung
ii Trichinose in Bayern entgegenzutreten , empfeh-
In sieh folgende Maasaregeln : a) Erforschung di^r
Bedingungen, nntcr denen sich Trichinen bei Schwci-
MB vorfinden — durch weitere Portfilhrnng der
Gnteraachung der Ratten ans verschiedenen Landes-
IkeileD nnd Lokalit3l£n, sowie durch periodisch wie-
Malte Untersuchung der Schweine in grossen
Sdiliditbäusem ; b) Verbot, in Abdeckereien (nnd
voEDöglich in Metzgereien) Schweine zn halten ;
c) Controle nnd besondere Beaufsichtigung aller
äehveinestsllnngen , ans denen trichinöse Schweine
kemirgegangen sind ; d) populäre BelehruBgen über
fie Notitwendigkeit , das Seh wein efleiscli nur in gut
e^oehtem oder gebratenem Zustande zu gcniesscn,
wrie über die Zweckmässigkeit , die Ratten allent-
Uben zn vertilgen und dieaellMn von denSchweine-
mien fem zn lialtenj endlich Wamangen,Schwetne
ait Abfällen anderer Schweine zn fottem.
Das Gntachten der preuss. wissengchaftl. De-
putation für Med.' Angelegenheiten Ober die Frage,
«ti die Gründe f)lr die Entbehrlicftkeit der miltro-
ihp. Vnterifuehung der dmerik. Speckseiten als zu-
treffend anzuerkennen seien, wurde veranlasst durch
me Petition der Fettwaarcnh&ndler von Gflteraloh,
i>m das Ministerium den amerikanischen Speck von
der zwangsweisen Untersuchung anf Trichinen aus-
■ehliesaen , event. anch in den andern Provinzen die
fllilieatoriache mikroskopische Fleischschau einfuhren
■Sge. Dieses Gntachten nimmt Bezug auf die
Thatsache, dasa schon 1872 Dr. G. W. Focke in
fernen öne Infektion von 12 Personen nnd später
■OB 8 weitem Personen durch amerikanische Schin-
ken beobachtet , dass die Untereuchnng der letztem
ioiBer hinfiger massenhaftes Vorkommen von leben-
^ Trichinen , namentlich in den innem noch fast
nhai Thdien derselben ergeben habe, dass die Be-
'■uptmig, Trichinose lasse sich durch Verftittem
diettr Sciünken auf andere Thiere nicht übertragen,
»owiesai and unrichtig sei. Von den Fleisch-
Iwhanem sei keine Entscheidnng dartlber zn ver-
loea, ob die von ihnen gefundenen Trichinen noch
m Leben oder abgestorben seien ; vielmehr müsse
f^ Schwein nnd jeder fleischhaltige Theit eines
■olcben als zu vernichten bezeichnet werden, in wel-
(ioB flbeihanpt Trichinen beobachtet wurden. Es
Ki die mikroskopische Untersuchnng aller geschlach-
teteii Schweine inPrenasen obligatorisch einzuführen.
Nu Bolehe Speckseiten dürften von dieser Verpfiich-
ta? befreit werden , welche sich bei der Besich-
IM. Jidirbb. Bd. ISl. Hft. 1.
41
tignng als ganz muskelfrei ergeben. Schlusslich
wird die im Reg. -Bez. Minden und Erfurt schon ein-
geführte Nachuntersuchung dea als trichinig bc-
fimdenen Schweinefleisclies zur allgemeinen Nach-
achtung empfohlen , besonders
für die Fleischer in dem Fallt
sperraienschläuche oder vegeb
Trichinen gehalten worden sind,
lautet die Verfügung des Minist
u. s. w. Angelegenheiten an di<
vom 21. Juli 1878: 1) amerik
welche sich bei der Besichtigung
ei^eben , einer mikroskopische!
femer unterwerfen zu lassen ; £
der mihroskop. Fleischschau , i
oder in ungenügender Weise t
dacht zu nehmen ; S) die Nacl
chinös befundenen Schweinefleis
nicht eingeführt ist, anzuordnen
Das Gutachten des haie. de
amU vom 8. Jan. 1877 Ober
«ämmtiiche getchlaehtete Sr,lt\
zn »ntersuchen , fusst auf der
Verkauf von trieb inenhaltigem 1
bar sei , wo die mikroskop. Ui]
sches auf Trichinen polizeilich
anf der Thatsache, dass Üben
sochong ansgefUhrt wird , Trid
in mehr oder weniger zahlreii
besonders in importirten Fleiacl
worden sind. Es äussert sich i
es im Interesse der dffentl. Oe
wendig ist, die obligatorische
stens des zum Verkauf gebrach
nnd der aus Orten , wo keine
suchung besteht, importirten S<
im Wege der Reichegesetzgebun^
es wOnschenswerth ist, überall,
es irgend gestatten, die obligali
Bämmtlicher geschlachteten Scb
einznfllhren.
Stellen wir nnn die bisher!
snitate der mikroskopischen Fli
jetzt in ganz Preussen mit wen
weder fakultativ oder obligatoi
sammen, so ergiebt sich, dass i
Zahl, sondern anch das relativ«
chinös befundenen zn den ges
den 3Jabren vonl877 — 79 ht
men hat. Das letztere war 187
= 1:2066, 1879 = 1:1632
Einführung der mikroskopische
Schweinefleisches die Hänfigkci
den Schweinen, sowie die Gelege
der Schweine in keiner Weise
vielleicht sogar vermehrt wordi
nigen Schweine nicht verbrann
graben und so zahlreiche Ha
ficirt werden. Dagegen ergiebi
42
IV. Pathologie, Therapie n. mediciniflche Klinik.
schon Dr. Riemer hervorhob , die Trichinen-Epi-
demien an Zahl sowohl, als auch an Heftigkeit hinter
denen der frühern Jahre zurückgeblieben sind. An-
dererseits mehren sich aber anch die Beispiele von
ungenügender Fleischbeschau, in Folge deren mehr-
fach recht schwere n. häufig tödtliche Massenerkran-
kungen aufgetreten sind, ja sogar der Tod des Fleisch-
beschauers selbst erfolgt ist. Aus diesem Grunde
wird auch von verschiedenen Anhängen der obliga-
torischen Fleischbeschau die Nachuntersuchung des
Schweinefleisches dringend empfohlen und ist die-
selbe von den Behörden in Minden und Erfurt wenig-
stens für die bei der ersten Untersuchung als trichi-
nös erkläii;en Schweine angeordnet worden. Diese
Maassregel dient indessen hauptsächlich nur dem In-
teresse des Schlächters , um denselben vor Schaden
zu bewahren , wenn der erste Fleischbeschaner Tri-
chinen gefunden haben sollte, wo keine sind. Znr
Controle und Rechtfertigung des Fleischbeschauers
empfiehlt Dr. Engelhardt eine längere Aufbewah-
rung der Präparate von allen untersuchten Schwei-
nen, damit dieselben bei sich nachträglich erhebenden
Zweifeln jeder Zeit nachuntersucht werden können.
Beide Maassregeln können indessen zum Schutze des
rohes Fleisch verzehrenden Publikums, worauf es
doch wesentlich abgesehen ist, nicht dienen, da,
wenn die Frage einer erforderlichen Nachunter-
suchung aufgewoi*fen wird, das geschlachtete Schwein
längst verarbeitet und ein grosser Theil desselben
vielleicht schon verzehrt ist. Es müsste daher , um
das Publikum zu schützen, sämmtliches Schweine-
fleisch, noch ehe es zum Verkauf kommt, nachunter-
sucht werden und auch dann würde die Sicherheit
zwar eine grössere, aber dui-chaus keine vollkommene
sein , da nach Engelhardt die Trichinen nester-
weise vorkommen können, d. h. an manchen Stellen,
vielleicht gerade an den gesetzlich zur Untersuchung
vorgeschriebenen Stellen, gar nicht, an andern da-
gegen wieder ziemlich gedrängt vorgefunden werden.
Es ist einleuchtend, dass eine solche zweimalige mi-
kroskopische Untersuchung vor dem Ausschlachten
der Schweine störend und hemmend in den Betrieb
grossstädtischer Schlächtereien eingreifen muss, und
es wäre wohl denkbar , dass bei irgend welchen un-
vorhergesehenen Hindernissen besonders im Hoch-
sommer mittlerweile das Fleisch verdirbt, ja es
würde sich dann noch eine dritte Untersuchung des
Fleisches empfehlen, ob dasselbe überhaupt noch
bankwürdig ist. Bei den importirten Fleischwaaren,
besonders den amerikanischen Schinken, würde dieses
Bedenken zwar wegfallen; wohl aber würde der
durch die doppelte Unterauchung bedingte Preis-
aufschlag von ca. 2 Mk. für jedes einzelne Fleisch-
stück den Preis desselben nicht unwesentlich ver-
theuem. Das sicherste Schutzmittel gegen die durch
die importirten amerikanischen Schinken drohende
Trichinengefahr hat die französische Regiening er-
griffen , indem sie die Einfuhr deraelben überhaupt
verboten hat ; sie hat aber auch gleichzeitig ein mas-
senweise vorhandenes^ gutes und billiges Nahrungs-
mittel dem Volke entzogen und somit den V^ohlstand
desselben geschädigt.
Soviel steht fest, dass die mikroskopisehe Fleisch-
beschau wohl manche Trichinenerkninknngen ver-
hüten kann und schon verhütet hat ; ebenso sicher
ist aber anch, dass dieselbe keinen absoluten Schutz
gewährt und sehr nahe liegt die Befttrchtang, dass
Viele durch dieselbe, auf deren Schntzkraffc ver-
trauend, in eine falsche und gefährliche Sicherheit
eingewiegt werden und schlüsslich noch mehr rohes
oder ungenügend zubereitetes Schweinefleisch ge-
niessen als vorher. Das einzige und sicherste Schutz-
mittel gegen die Trichinengefahr bleibt stets, — wenn
man nicht etwa, wie die Juden, auf den Gennss des
Schweinefleisches ganz verzichten will — das gute n.
gründliche Kochen desselben. Das gegen dieSchntz-
kraft des Kochens von Dr. Lochner in Schwabach
erhobene Bedenken ist schon oben als hinfllllig be-
zeichnet worden. Die Schwierigkeit, ein gut durch-
gekochtes von ungenügend zubereitetem Fleische zu
unterscheiden, dürfbe ffir keinen Koch nnd keine
tüchtige Hausfrau eine beträchtliche sein ; denn wenn
auch ein fettreiches, blutleeres Stück Schweinefleisch
blass aussieht, ohne genügend gekocht zu sein, und
wenn anch mancher Schinken , besonders , wenn er
mit Salpeter gepökelt ist, seine rothe Farbe trotz
energischem Kochen beibehält, so sind doch ausser-
dem Consistenz und andere Erkennungamittel eines
garen Fleisches zu berücksichtigen.
Die sich ans dem Obigen ergebenden Sätze für
die Prophylaxe würden folgende sein :
1) Die mikroskop. Fleischbeschan ist, nament-
lich in Landein , wo die Trichinenkrankheit wenig
beobachtet worden ist, kein dringendes Bedflrfhiss,
doch ist die Einführung derselben immerhin wän-
schenswerth; aber das Publikum muss immer und
immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden,
dass nur ein gründliclies Kochen des Schweine-
fleisches einen absoluten Schutz vor der Trichinen-
gefahr gewährt.
2) Ein trichinös befundene Schweinefleisch darf
nicht vergraben , sondern muss verbrannt oder unter
polizeilicher Ueberwachung gründlich gekocht od^
auf andere Weise vollständig unschädlich gemacht
werden.
3) Die Behörden haben auf möglichste Vernich-
tung der Ratten (in den Schleusen, Abdeckereien
u. s. w.) und auf Beseitigung jeder Gelegenheit zur
Ansteckung der Schweine mit Trichinen Bedacht zu
nehmen.
4) Die Besitzer von Speisewirtbschaften dürfen
nur vollständig durchgekochtes oder gebratenes
Fleisch ihren Gästen vorsetzen.
Anhangsweise mögen noch 2 Arbeiten Erwäh-
nung finden, welche die Fleischbeschau im Allgemei-
nen betreffen.
Dr. Carl Virchow (Virchow*s Areh. LXXXIV.
3. p. 543. 1881) hat in dem pharmakolog. histöSxA
der Berliner Universität eingehende Untersuchoogen
OynAkolo^e o. PSdiatrik.
ugestellt, Dm an Stelle einer reio empiriachen, nnr
uT Aiwchanong gegiüntleteu Prdfuiig ein sicliei'es,
uf insseuacbaftlicher ÜDlentuchaDg berulieDdes Ur-
Adl über den Nährwertii und die gute Betehaffen-
fati da Fleifchea zu gewinnen. Wegen der Unhir-
BBehongsmethodeu und der gewonneDeo Zahlen auf
diE Original verweieend, heben wir nur licrvor, daas
du tiesainmtreenltat in Bezug auf den angeati'ebten
beck eJB negativeä war, luid dasa der Gedanke, die
Calrole des FleUchhandels durch die ElDfUhrung
(knäsch analytiscber Proben auf eine weniger will-
hrlidte Grundlage zu stellen , wohl überhaupt auf-
f^eben werden mOfiBe. In wissenschaftlicher Be-
sehnBg bestätigen die Versuche zunächst das auch
TOL udern Autoren gefundene Resultat, dass der
Wauergehalt des Kalbfieitehe» grösser ist als der
ifs Bindßeiaeheg; weiter ergeben sie, dass der
WiBsergehalt des Fleisches magerer Rinder etwas
geringer ist als der gut genährter, der von kranken
Bildern dag^en erheblich grösser als der vou ge-
SHden. Dasselbe gilt Air das Verhalten der Ex-
lakle, wie folgende Uebersicht der fUr Thierc glei-
^ Altere, gleichen Maat- u. Gesundheitszustandes
pAiodenen Zahlen beweist :
Geenades Blaä Krankes j.^.
gai genährt maeer Rind
ia »/o . . . . 78.88 76,26 77.47 77.61
EilnJit aar feuchte Snbat. 3.73 3.G3 3.S7 3.SS
EitnktaDf trockne Sntwt. 15.78 15.09 17.19 17.22
Nach den quantitativen Verliältnisscn des Was-
um und der Extraktivstoffe stellt sicli hiemach eine
uQUlige Ueberein Stimmung der Miltelzahlen fOr das
^VtBeh kranker Rinder und das Fleisch von Kälbern
Imos, während magere Rinder sich durchaus anders
XThalteu.
Uie Frage: „vtie katmfinniffet und tric/iinösex
Ftäich für den mentchUchen Genug» imsckädlich
jswtcAi werden ?" wird von Assistenzarzt W i 1 h.
fmth in seiner Inang.-Üiss. (München 1880. 6.
20 S.) erörtert. Derselbe emphehlt für Schlacht-
kbwr und Stellen , wo viel Fleisch importii-t wird,
du Selmetlpökelungsverfahren, verbunden mit der
fvhemel/iode bei der mikrotiopise/ien Fleisc/t-
f>aehaa, als schnellstes Und sicherstes Mittel, um
*tii>S8tens das finnige Fleisch fQr den Genuas nn-
ithUlieh zu machen. Es sei zu wflnschen, dass
■tiugstenB solches Fleisch, wo die Finnen in
Anzahl vorhanden riii
Tödtung derselben irgendwie
seo würde. Dagegen sei hoclif
^ ekelhaft von dem Genui
schlieasen ; dasselbe sei höchst
des vorher auf 70—100» C. t
wendbar.
Die von Fr. empfohlene
schiebt in einem von Jok. Er.ki
chen, constniirteu Apparate, ei
luftdicht verschlieasharcn Keasc
mit Fleisch, zur andern UälHe
Salzlösung gefllllt wird und in
Speisepumpe Kochsalzlösung
von 20 AtmospliJtren nachgi
12stflndigem Verweilen in dei
Finnen in dem Fleische noch ni
48 Std. aber stets voUkommc
Trichinen echien dagegen diei
neu Eiuflnss ausgeübt zu liabei
Als bequemstes Mittel , ui
siten zu erkennen , wandte F
selben mit neutraler CarraintinI
an. Die Angabe von Vulp
Gewebe namentlich durch ihi
vermögen fUr färbende Substai
weben unterscheiden, wurde
und andere Forscher an vielen
bestätigt und vou Fr. selbst ;
tisch verwerthet. Jedesm^tl fi
Cyaticerken durch Fingerdnic
blase ausgestülpt woi'den w
mehratUndi;;era Liegen in Gare
finnigen Fleische nur uberlti
Schwanzblase, aber nicht des]
nach 12stUudigcr Pökelung in
an der Scliwanzblasc und na
luug auch deutliche Färbung
der Saagnäpfe. Itei den trichi
chen fand sich dagegen nie e
der Ti'ichinen. Dem cntspri
Schweine, welche mit 12 und
ten trichinösen Ratten gefüttci
geraein verbreitete Trichinose,
nach dem VerfÜttcni von flnui
tem Fleische kein Bandwurm i
V. Gynäkologie und PSdiatrik.
316. SerplgiuöeeB Gtosoliwür am Fusse,
^carlirende HenstrostioD , Ntitzen </e» Jodo-
^'fn; von James Allan in New Wordsworth.
(BriU med. Journ. April IC. Iö81.)
Bei einer 37 J. alten , mit deatlichen Zeichen von
%Uli> twhaßeten Frau hatte sieh Buil 7 Jahren am lin-
^ FuM ein Gesahwür an der ÄiiBBeoBeite des linken
llnatanm, inachnia] nindilchcrForm beginnend, allmülig
^Gelenk undFoBurückeu bis zur Fusssolilo verbreitet,
«•«elbt war uehr »lihiueriliaft tinil aeine schlechte Ab-
"""dtniiig entirickelte beaoiidera xur Menstruafionszeit
■*n Mhr übelQ Geruch. Im Febr. 1879, wo Fat. in des
VfB. Behandlnnft kam , war die
bedeckendR Oberhaut remarbt, n
nicht contrahlrt , die vordere IIa
kleinem Zehen hiuRegen waren n
Bchossnvn Granulationen bedeckt,
Geruch verbreiteten und lebhaft i
Zeit traten ein Jahr liindnrch ailr
der GeaehwürsHäche anf, nnd z
MenstrnationBblutiingen, welche 1
mit Ifinünrer Dauer stattgcfunilcn
behandluDg blieb ohne Erfolg, il.i|
AnwendunK von Jodoform bald Vi
mit fester Nartienbildang ein , wo
44
V. Gyn&kologie u. Pädiatrik.
tion wieder normal erfolgte. Anfang April 1880 konnte
Fat. mit zwar etwas atrophirter , aber doch brauchbarer
Extremität geheilt entlassen werden. (Krag.)
317. Vorfall der Sohleimhaut der Harn-
röhre; von James Hudson, (ßrit. med. Journ.
June 18. 1881.)
Eine verheirathete Frau, ca. 30 J. alt , litt seit 3 — 4
Tagen an Incontinentia urinae. Seit der Gebart ihres
einzigen , 11 J. alten Kindes war die Menstruation stets
iinregelmässig geblieben. Bei der Exploration fand H.
einen randen, in der Mitte mit einer Oeffnung versehenen
Tumor, welcher das Aussehen des Gebärmuttermundes
hatte; bei der Digitaluntersuchung fand sich aber letzterer
an der normalen Stelle. Beim Einbringen eines Katheters
in die Oeffiiung des Tumor tropfte etwas klarer Urin ab
und es ergab sieh, dass der Tumor durch die Schleimhaut
der Harnrohre , welche geschwollen und ödematös war,
gebildet wurde. Dieselbe wurde reponirt , Fat. zu Bett
gebracht und der Urin in regelmässigen Intervallen ab-
genommen. Die Schleimhaut stiess sich nach und nach
ab , es folgte Vemarbung und der Vorfall kam nie wieder
zum Vorschein, auch trat nie wieder Incontinenz ein.
Eigenthümlich war die grosse Weite des Lumens der
Harnröhre vor Reduktion des Vorfalls ; man konnte durch
dieselbe mit Leichtigkeit einen Finger in die Harnröhre
einführen. (Krug.)
318. Metro -Peritonitis mit Ausgang in
einen Uterusabsoess ; von Dr. Angas Mac-
donaLd, Edinburg. (Obstetr. Journ. VIII. p. 543.
[Nr. 91.] Sept. 1880.)
Eine 38 J. alte unverheirathete Frau wurde am
12. Oct. 1878 wegen einer Eierstocksgeschwulst in das
Hospital aufgenommen. Vor 2 J. war nach einer Erkäl-
tung während der Menses vorübergehend die Hamabsonde-
rung aufgehoben gewesen und Anschwellung im Unterleibe
aufgetreten. Seitdem litt Pat. häufig an Unterleibs-
schmerzen und Auftreibung des Leibes ; 4 Mon. vor der
Aufnahme überstand sie einen 3—4 Tage dauernden An-
fall von Peritonitis. Die untere Hälfte des Leibes war durch
einen unregelmässig gestalteten , sehr festen Tumor , mit
einer deutlich von der Hauptmasse abgegrenzten Hälfte
an der rechten Seite ausgefüllt. Links reichte die Ge-
schwulst bis an die falschen Rippen , rechts 1" weit über
die Spin. ant. il. ; der Tumor war beweglich , wenig em-
pfindlich. Dabei bestand starkes Uteringeräusch, die
Brüste enthielten Milch, die Vaginalportion war weich
und geschwollen. Die Diagnose wurde daher auf Gravi-
dität neben einem rechtseitigen subserosen Fibroid ge-
stellt
Am 15. Oct. trat Abortus ein, und in Folge desselben
Verkleinerung der linken Geschwulsthälfte , aber nicht so
sehr , wie erwartet. Die rechte blieb sehr schmerzhaft
bei Berührung. Während der nächsten Wochen fieberte
die Kr. bald stärker, bald schwächer und klagte über
wechselnd heftige Leibschmerzen.
Am 11. Dec. fühlte man beträchtliche Zunahme der
rechten Geschwulst, unter undeutlicher Fluktuation.
Wenige Tage später wurde mit dem Adspirator guter
Eiter entleert. Am 6. Jan. 1879 brach der Abscess unter
dem Nabel auf, unter Entleerung von viel stinkendem
Eiter. Der Zusammenhang mit der Gebärmutterhohle
war durch die Sonde nachzuweisen. Drainage.
Am 2. Febr. war der Uterus erheblich verkleinert;
ungestörte Reconvalescenz. Bei der Entlassung am
27. März war der Uterus nach oben und rechts fixirt.
In der Epikrise macht M. auf die Seltenheit des
Vorkommnisses und die Schwierigkeit der Diagnose
aufmerksam. Letztere erscheint jedoch nach Ansicht
des Ref. nicht so gross , da durch das anhaltende,
auch von Frösten unterbrochene , besonders abend-
liche Acerbationen zeigende Fieber schon viel früher
der Verdacht auf eine Abscessbildnng gelenkt wer-
den musste. (0 s t e r 1 0 h.)
319. Ueber Amputation des Collum uteri
mittels des Tfiermokauter ; von Dr. G. Eustache
zu Lille. (Bull, de Th6r. XCVIL p. 487. Juin 15.
1880.)
Eine 31 J. alte , seit 5 J. verheirathete , kinderlose
Frau, seit dem 12. J. regelmässig und mittelstark men-
struirt, litt seit 9 J. bei der Menstruation an Abgang von
Gerinnseln unter Schmerzen. Die Portio vag., 8 Ctmtr.
lang , cylindrisch , war in der Vulva sichtbar , die Sonde
drang 9 Ctmtr. tief bis zum Orif. int. und dann noch 5 in
den Uterus selbst.
Am 20. Aug. 1879 wurde ohne Narkose innerhalb
eines Holzspiegels 6 Ctmtr. tief der gekrümmte Thermo-
kauter angesetzt ; sofort entwickelte sich starker Dampf,
der Spiegel erhitzte sich , die Pat. klagte über Brennen,
so dass Unterbrechung der Operation und Abkühlong
durch kaltes Wasser nothig wurde. Diess wiederholte
sich noch 6mal , weshalb die Operation erst nach 40 Min.
beendigt war. Es folgten sehr heftige Schmerzen und die
Amputationsfläche blieb uneben. Unter antisept. Aas-
spülungen war jedoch der weitere Verlauf günstig; die
Menstruation trat späterhin schmerzlos ein.
Nach dieser Erfahrung verwirft E. die fragliche
Operationsweise, weil erstens die intensive Erhitzung
der benachbarten Theile bei der Nähe des Peritonftom
leicht eine Entzündung des letztem bewirken könne,
und weil zweitens durch den Dampf ein schnelles n.
sichei*es Operiren erschwert, resp. unmöglich ge-
macht werde. Die galvanokaustische Schlinge sei
entschieden vorzuziehen. (0 s t e r 1 o h.)
320. Behandlung der SterUitat mit Alka-
lien; von Dr. A. 0 harrier in Paris. (Ball, de
Th6r. XCVIII. p. 492—497. Juin 15. 1880.)
Vf. fand als Ursache der Sterilität einige Male
bei ganz gesunden Frauen saure Beschaffenheit des
Utero - Vaginal - Schleims. Da nun saure Flflssig-
keiten die Spermatozoon tödten, andererseits aber
dieselben in Lösungen von phosphorsauren Alkalien
sich bei einer Temperatur von 36® Tage lang erhal-
ten lassen, Hess er die betreffenden Frauen Vichy-
Wasser theils trinken , theils die Scheide mit dem-
selben ausspülen , und femer alkalische Bftder neh-
men. Als besonders günstig für die Ausspfllongen
fand 0 h. eine aus 1000 Grmm. Wasser y einem Ei-
weiss und 59 Grmm. phosphors. Natron zusammen-
gesetzte Lösung.
In den beiden mitgetheilten Fällen führte bei
den betr. seit 4 Jahren verheii'atheten , gesunden
Frauen (unter Ausschliessung anderer die Schwanger-
schaft behinderader Momente) diese Behandlang
nach 6 Wochen zum Verschwinden der sauren Re»k-
tion der Gebärmutterabsonderung , worauf bald
Schwangerschaft eintrat.
C h. giebt zu, dass gegen seinen Vorschlag Ein-
wände gemacht werden können. Er hält es aber
doch ftii- sehr gerathen, bei sterilen Frauen die Auf-
merksamkeit auf die Beschaffenheit der Sekrete des
Uterus zu richten. (0 s t e r l o b.)
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
u
321. Die meohanische Behandlung ver-
Bchieppter Querlagen; von Prof. Bidder in
Petersburg. (Ztschr. f. Geburtsh. u. Gynäkol. VI. 2.
p. 333. 1881.)
,,Veracli]eppte oder vernachlässigte Querlagen
oennt man solche, bei denen die Rectificirung der
KiDdsIage nicht zur rechten Zeit vorgenommen wor-
den ist.'' Sie kommen natüi'lich um so seltner zur
Beobachtung, je besser die Hülfeleistung bei Gebur-
ten organisirt ist ; in den neuen Lehrbüchern der
opentiven Geburtshüife schrumpfen daher die Capitel
über die verkleinernden Operationen immer mehr ein.
Trotzdem ist es aber nothwendig, die Technik dieser
Operationen klar zu stellen und hält es daher Vf.
iifr seine Pflicht , die an einem nicht ganz kleinen
ihierial gesammelten Erfahrungen den Fachgenossen
roTzuIegen.
In den fragl. Fällen kommt es zunächst darauf
10 , den Uterus zu entleeren , ohne den liaum weiter
m beschränken. Der contrahirte Uterus lässt eine
Wendung nicht zu , wenn man die Mutter nicht der
böehsten Gefahr aussetzen will. Es muss demnach
entweder der Kindskörper zusammengeklappt und
flomit in seiner Längsachse verkleinert werden, oder
lan zerftllt ihn an der AustrittsofFnung in 2 Theile,
fe dann einzeln ohne Dehnung des Utenis heraus-
befördert werden. Der letztere Weg ist der ratio-
nellere. In unerfreulicher Weise wird von K ü s t -
ner (Sichelmesser) und Pawlik (Schlüssclhaken)
über das einzig zulässige Instniment hierzu ge-
stritten.
B. ftthrt nun 10 Fälle an, in denen der Schlüssel-
iaken benutzt wurde.
1) 36jiihr. Frau ; 4 Abortus, 3 rechtzeiti{?e Geburten ;
Sdiwaogerschaft im 10. Monate; Careinoma cervicis.
O.Sehnlterlage, Hacken nach vom. Temperatur constant
über 39— 40<>. Sinken der Kräfte. Durch Zug an dem
lierabgestreckten vorliegenden Arme Anlegung des Brawi'-
Beben Seblüsselhakens an den Ilals ermöglicht. Wirbel-
äole nnd eine Partie Weichtheile leicht darchtrennt, der
Hest mit der Scheere durchschnitten. Nach Anlegung
(lesKnunioklast an den Thorax Rumpf nicht ohne Schwie-
rigkeiten entwickelt; Kopf mittels der langen Z^ti^cA'schen
Zange nach Abgang reichlicher Gehimmassen extrahirt.
Uwenta manuell entfernt. Vom 4. Tage an normale
Temperatur trotz fotiden Lochien.
ä) 26jähr. Zweitgebärende, Uterus contrahirt, Herz-
töne nicht zu hören, linker Ellenbogen vorgefallen, innerer
Muttermund contrahirt, linke Schulter vorliegend, Kücken
vorn, Kopf rechts. Durch tiefe Narkose die Contraktur
sieht gehoben. Mittels Braun's Schlüsselhaken mit 2
Brehmigen Hals getrennt , Rumpf am vorliegenden Arm,
Kopf mit der Zange leicht extrahirt. 2500 Grmm. schwe-
rer Knabe ; Mutter nach Ablauf einer leichten Perimetritis
gesond entlassen.
3) 80]ähr. gesunde Erstgebärende. Linke Hand vor
derVolva, Kopf rechts, Kücken vom, Herztöne nicht
körlMur, Uterus contrahirt, Schulter vom Mattermond nm-
icUoBsen. Entwicklung wie in Fall 2.
4) 41jähr. Siebentgebärende : rechte Hand vorgefal-
la, Schulter eingekeilt, Kopf links , Kücken vorn , Herz-
tiine nicht tu hören. Wehen ohne Unterbrechung, einige
WoidangBveranehe, Puls 100, klein. Schlüsselhaken mit
Vnlke hinter der Symphyse an den Hals gebracht , Kopf
leiekt abgetrennt. Aim exartikalirt, Kumpf mit der Hand
>B Obern Thoraxende, Kopf mittels Zuges am Unterkiefer
entwickelt. 0 r e d e 'scher Handgriff ; tiefer CervfkalriaB.
Knabe, 3500 Grmm. schwer. Erscheinungen von Pelvi-
peritonitis, Fieber, heftige Uterinblutungen am 8. und 9.
Tage, Tod am 15. Tage. Sektion. Kechts completer
Cervixriss, Peritonäum intakt, gangränöse Phlegmone der
rechten Beckenseite bis zur Fossa iliaca , «eptikSmisebe
Veränderungen der parenchymatösen Organe. Uterus
bilocularis, Gravidität in der rechten Hälfte verlaufen«
5) Schwächliche Siebentgebärende, 40 J. alt, mit
normalem Becken. Temperatur 39<>, stinkender Ausfluss.
Kechte Hand (beginnende Lösung der Epidermis) nnd die
missfarbige, pnlslose Nabelschnur vorgefallen. Kopf
rechts, rechte Schulter eingekeilt, Oberarm luxirt, meh-
rere Einrisse in der vordem Lippe. Oonstante Contrak-
tion des Uterus. Mit 2 Drehungen des Schlüsselhakens
Wirbelsäule und Weichtheile getrennt. Verlauf wie in
Fall 2 und 3. Knabe 4500 Grmm. schwer und 56 Ctmtr.
lang. Mutter nach Ablauf leichter Endometritis gesund
entlassen.
6) A. S., 38 J. alt, vor 17, resp. 16 J. 2 Frühgebur-
ten binnen 8 Monaten. Beginn der jetzigen 3. Geburt
zur normalen Zeit. Am 7. Tage früh Erweiterung des
Muttermundes für 2 Finger, am Nachmittag die rechte
Schulter fest im Beckeneingang stehend, Kücken nach hin-
ten. Kechter Arm vorgefallen , Uterus fest contrahirt.
Wendungsversuche bei tiefer Narkose. Eröffldung des
Thorax mit dem scheerenförmigen Perforatorlmn , danach
Versuche, mit dem Schlüsselhaken die Brustwirbelsäule ,
zu brechen. Dem nun hinzugerufenen Vf. gelang hierauf
die Trennung der Halswirbelsäule , ebenso die Extraktion
von Kumpf und Kopf; 4—5 Tage Fieber; erhebliche
Cervixrisse. Kasche und vollkommene Genesung.
7) E. N. , 21jähr. Drittgebärende. Linker Ellen-
bogen in der Scheide , Schulter fest im Beckeneingang,
Kücken vorn, Kopf rechts vom über dem horizontalen
Schambeinast. Temperatur 38. 3°; heftige Drangwehen.
Schlüsselhaken leicht applicirt und mit 2 Umdrehungen
die Decapitation vollendet. Extraktion des Rumpfes am
Arm, des Kopfes mit der Hand. Leicht macerirter Knabe
2500 Grmm. schwer, 49 Ctmtr. lang. Bis zum 6. Tage
leichte Endometritis.
8) D. F., 25 J. alte Drittgebärende. Wehenbegimi
3 Tage uach dem Wasserabfluss. Temp. 38. 4<», Puls 80,
Wehen stark. Aus der Schamspalte der rechte Arm nnd
eine nicht pulsirende Nabelschnnrschlinge hervorhängend.
Die im Beokeneingang eingekeilte Schulter von dem 4
Finger weiten Muttermunde umschlossen; Kopf rechts,
Kücken hinten. Uterus fest contrahirt, Ausfluss stinkend.
Schlüsselhaken bei tiefer Narkose an der Hand hinauf-
geleitet, mit 3 Umdrehungen Hals vollständig getrennt.
Extraktion wie in Fall 7. Knabe, 2760 Grmm. schwer
und 49 Ctmtr. lang. Bei der Mutter Endometritis , para-
metritisches Exsudat ; am 23. Tage Entlassung.
9) Mehrgebärende, nach 2tägiger Geburtsarbeit auf-
genommen. Querlage mit Armvorfall. Decapitation mit
dem Sohlüsselhaken leicht, Kopf mit der Zange extrahirt.
Leichte Endometritis.
10) E. A., 24 J. alte Drittgebärende. Normales
Becken, heftige Wehen, kindliche Herztöne nicht au
hören ; der rechte Arm bis zum Ellenbogen vor den Geni-
talien , rechte Schulter eingekeilt , Kücken hinten , Kopf
rechts. Decapitation durch 3 Umdrehungen des Schlüssel-
hakens. Extraktion wie in Fall 7. Mädchen 3000 Grmm.
schwer, 49 Ctmtr. lang. Leicht« Endometritis.
Zehn schwere Geburten bei verschleppter Quer-
lage wurden demnach mit dem Schlüsselhaken be-
endigt. Nur eine Wöchnerin (4.) ist gestorben.
Für die Dm*chtrennung ist nur eine geringe Kraft
erforderlich. Auf Umnd seiner praktischen Erfah-
rungen und ebenso der von andern Autoren bereits
veröffentlichten Fälle, erklärt daher B. die Deca-
pitation mit dem Schlttsselhaken für eine an sich un-
46
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
gefährliche Operation und das Instrument selbst fflr
ein sehr branchbares, für welches wir dem Erfinder
zu Dank verpflichtet sein müssen.
Es giebt nun aber Fälle, in denen der Hals gar
nicht zu eiTeichen ist , oder nur so weit , dass die
Ueberwachung des Instrumentes , welches an dem-
selben arbeiten soll, unmöglich wii*d. Nach den
oben aufgestellten Principien, die nur gestatten, am
vorliegenden Theile ohne Gewalt zu operiren, bleibt
nichts übrig, als den Kindskörper in dem gerade
vorliegenden Querschnitt zu halbiren , oder aber ihn
soweit zusammenzuklappen, dass das eine Ende her-
vorgezogen werden kann, ohne das andere zu rühren
oder erheblich gegen die Uterinwand zu pressen.
Küstner erklärt die Durchschneidung mit iStf/m//^6's
Sichelmesser als die einzige rationelle Methode;
P a w 1 i k dagegen will absolut Alles nicht nur mit
ßraun^ sehen Instrumenten machen, sondern betrach-
tet Evisceration u. s.w. überhaupt nur als Einleitung
zur Decapitation , die er in jedem Falle anstrebt.
B. tritt für die Nachahmung der Selbstentwicke-
lung ein und führt 5 Fälle an.
11) 31 jähr. Sechstgeb., am Ende des 8. Schwanger-
BchafÜsmonats anfgenommcn mit Wehen. Condylomata
lata ad vulvam , Angina syphilitica. Nach dem Blasen-
sprang Vorfall des rechten Arms bei 2. Querlage, Kücken
hinten. Eine Stunde später die Seitenfläche des Thorax
in der Schamspaltc, mittels 2 in den Winkel der eingekeil-
ten Wirbelsäule gesetzten Fingern Steiss und Fasse ohne
Schwierigkeit entwickelt. Kleines macerirtes Mädchen.
Mutter, abgesehen von der Lues, gesund.
12) 31jähr. Drittgeb. nach einer Geburtsarbeit von
55 Std. aufgenommen. Eine lange, pulslose Nabelschnur-
sohlinge und die ödematose linke Hand aus der Vulva
hervorhängend , hinter letzterer die mit starker Geburts-
geschwulst bedeckte linke Seite der Brust ; hinten links
das Schulterblatt leicht zu erreichen , der Hals aber nur
mit Muhe hinter der Symphyse. Kein Fortgang der
Selbstentwickelung. Evisceration durch einen Seal pell-
schnitt in den Thorax. Wirbelsäule mit dem gebogenen
Finger herabgezogen, mit dem über den Rumpf geführten
Haken Steiss leicht entwickelt; Kücken nach hinten.
Prager Handgriff. Placenta manuell entfernt 2 Std. nach
der Geburt. Das exenterirte Kind (Mädchen) 2700 Grmm.
schwer. Mutter gesund entlassen.
13) Seit 3T. kreissende, 38 J. alte Neuntgebärende.
Uterus beständig contrahirt, keine Herztöne. In der
Scheide der flektirte Arm ; linke Thoraxhälfte im Becken
eingekeilt ; Rücken vorn , Kopf rechts. Hals so weit zur
Seite gelegen , dass der Schlüsselhaken nicht anwendbar.
Thorax geöffnet, Evisceration. Der Rumpf leicht mit
dem stumpfen Haken , Kopf mit dem Prager Handgriff
entwickelt. Das Kind (Mädchen) ohne Eingeweide
2550 Grmm. schwer. Normales Wochenbett.
14) 25jähr. Erstgeb., seit 3 Tagen kreissend. Seit
14 Std. der rechte Arm bis zum Ellenbogen vor der Vulva
gelegen, rechte Schulter und Thoraxhälfte im Becken-
eingang festsitzend ; Kopf links, Hals nicht zu erreichen.
Uterus fest contrahirt , Ausflnss stinkend , Temp. 39.0*>,
Puls 114. Thorax mit dem Scalpell geöffnet, Evisceration ,
der untere Theil der Brustwirbelsäule mit dem Finger
angehakt und das untere Rumpfende extrahirt. Prager
Handgriff. Placenta entfernt wegen Blutung. Stinkende
Gase aus dem Uterus. Der exenterirte Knabe 2800 Grmm.
schwer. Endometritis mit Fieber , vom 9. Tage au nor-
maler Verlauf des Wochenbettes.
15) 25jähr. Drittgeb. , mit plattem Becken (Oonjng.
vera8Vs), früher 2 Zangengeburten, Kinder todt. Darum
künstliche Frühgeburt nach der 36. Woche; 3 Tage
Pilocarpin ohne Erfolg. Mittels Bougies die Blase ge-
sprengt ; 4 Tage später Beginn der Wehen. Versuch, die
I.Querlage zu rectiflciren, erfolglos, Tod des Kindes;
Ansfluss fötid. Schulter in das Becken gesunken, Uterus
den Kindskörper immer enger umschliessend ; Körper-
temperatur gesteigert. Wendungsversuche. Thorax mit
dem seheeren formigen Perforatorium eröffnet, exenterirt,
Schlüsselhaken unter der Haut über die Wirbelsäule an-
gelegt, letztere leicht zerbrochen. Haken hierauf von
aussen in die Knicknngsstelle gebracht, Rumpf durch
Zug leicht entwickelt, Steiss mit dem Rücken nach vom.
Veit-Smellie'scher Handgriff. Cred6*scher Handgriff. Hef-
tige Blutung aus dem rechten Cervixriss; ComprcBsion
mit der eingeführten Hand. Grosser, fast ansgetragener
Knabe mit Zeichen beginnender Maceratlon.
B. hält das Operatioasverfahreu fUr ungefährlich
und findet für Kästner 's Forderung , den Kinds-
körper ganz zu theileDy keinen Grund, eben so wenig
für die P a w ii k 's, naeh der Exenteration um jeden
Pi-eis noch den Hals zu suchen , um zu decapitireD.
,,Beide Vorschläge enthalten Uebertreibungen, die
zu Einseitigkeiten führen, zu einer Dogmatik, die iu
unserer Erfahrungswissenschaft wahrlich nicht Segen
bringt."
Die praktischen Regeln , die B. aufstellt , sind
folgende :
1) Ist bei verschleppter Querlage der Hals ohne
Anstrengung zu erreichen, so decapitire man, nod
zwar mit dem i?rau/i'schen Schlüsselhaken , denn
diese Operation ist sehr leicht und ungefährlich.
2) Ist der Hals nicht zu erreichen, so exenterii'e
man und entwickele das untere Rumpfende durch
Zug an der Wirbelsäule , ohne Weiteres oder nach
Trennung derselben, nach dem Mechanismus der
Evolutio spontanea.
3) Die Entwickelung des nachgebliebenen Kopfes
gelingt mit der Hand , wo nöthig durch Knochen-
zange oder Forceps unterstützt. Im Nothfall Ke-
phalotribe oder Kranioklast.
Am Schluss verwahrt sich B. dagegen , die ge-
schildeiiien Entbindungsmethoden als die einzig ratio-
nellen hinstellen zu wollen.
(Burckhardt, Bremen.)
322. Ueber puerperale Infektionen mit län-
gerer InoubatioDsdauer; von Docent Dr. T. Veit
iu Berlin. (Ztschr. f. Geburtsh. u. Gynäk. VI. 2.
p. 378. 1881.)
V. versucht über die Frage, wie weit bestimmte
Krankheitsformen im Wochenbett infektiös sind, al-
lein durch klinische Beobachtung zu entscheiden,
ohne aber den Anforderungen der neuesten Zeit
durch Nachweis septischer Mikrokokken zu ent-
sprechen.
Die differentiell diagnostischen Momente zwi-
schen infektiösen und nicht infektiösen Wochenbett^
erkrankungen sind für die Therapie von grosser
Wichtigkeit; hierher gehört die Zeit, zu der die-
selben ausbrechen. Man ist berechtigt, nach nor-
malem Verlauf der beiden ersten Tage des Wochen-
bettes ein weiteres gutes Puerperium als sicher
vorauszusagen. Die Zeit des Beginnes wird wesent-
lich bleiben, so lange wir nicht die Mikroorganismen
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
47
I oDd ans ihrer Form ihre Malignität erkennen können ;
1 Aet das Zeichen ist nicht sicher ^ denn es giebt
AiisnahmeD von der regelmässigen Incnbationszeit.
Abgeaehen von solchen Erkrankungen, die vom
Genitalkanal unabhängig sind, fehlt bei vielen Beob-
sditoDgen infektiöser Erkrankungen der Beweis der
frden Zeit vor dem Ausbruch der Erkrankung , da
Temperatur, Puls, normales Verhalten der Genita-
ües nicht festgestellt wurden. Femer machen einige
Finnen des Puerperalfiebers, besonders Metrophle-
H&ij in den ersten Tagen nur wenig Erscheinun-
ga, ebenso können von einem belegten Puerperal-
geachwflr, das anfangs die Temperatur gar nicht
ionner zu erhöhen braucht , weitere fieberhafte Pro-
eease ausgehen. Auch von den Lochien kann die
Infektion ausgehen; die hierzu nöthigen Wunden
köonen durch brflske Bewegungen des ganzen Kör-
pen, Aufstehen u. dgl. entstehen. In neuerer Zeit
H Tbl cd e Wunden derart zum Theil allein
doreh atonische Zustände des Uterus zu erklären
Teisocht
V. glaubt die Frage nach der Existenz von
pKq)eraler Infektion mit auffallend langer Incu-
käcofldauer bejahen zu müssen auf Grund seiner
Beobachtungen an der Berliner Universitäts - Ent-
{■dongsanstatt. In der 1. Hälfte des Semesters,
foV. gleichzeitig die Geburten zu leiten und die
okrankten Wöchnerinnen zu behandeln hatte , er-
knnkten septisch 34 (33%) Wöchnerinnen, von
denen 10 mit einander in einem gewissen Zusam-
neahang standen. Sie wurden in der Zeit vom
6. April bis 4. Juni 1877 entbunden u. erkrankten
to 5. und 6. Tage. Der 6ang der Temperatur
iüt doieh beigefügte Gurven belegt Diese Erkran-
lomgen sind auf puerperale Infektion bei der Geburt
nraekzufohren, denn es zeigten sich stets bei einer
vihrend der Temperatursteigerung vorgenommenen
UnteTsaehung Puerperalgeschwttre , Empfindlichkeit
<ies Uterus und bei der Entlassung entweder eine
kleine Infiltration im Parametiium oder im Dou-
Sias'sdien Kaum , oder Fixation des retroflektirten
Uterus — alles Processe, die ohne infektiöse Ur-
ochen nur sehr schwer erklärlich sind. In der
2. Hälfte des Semesters leitete V. nur die Geburten
BDd es erkrankten nur 13% septisch ; er macht sich
dtfom mit Recht den Vorwurf, der Vermittler der
bfektionsstoffe gewesen zu sein. Für die Annahme
^ specifischen Giftes spricht der gleichartige
Verlauf gleichzeitiger puei*peraler Erkrankungen.
lintersochungen oder Ausspülungen fanden von der
^^^«ai bis zur Temperatursteigeining nicht statt.
^ Fälle zeichnen sich durch eine Gutartigkeit aus,
^ lie V. der lochialen Infektion vindicirt. Sicher
^«beifreier Verlauf des Wochenbettes an den ersten
^>gen, langsames Ansteigen der Temperatur, Man-
S^ jedes ätiologischen Momentes für Fieber, Aus-
^^^ einer erst im Wochenbett erfolgten Infektion,
Veränderte Beschaffenheit der Locliien würde die
^ B.'8 Meinnng zu wenig beachtete Form des
'^Beiperalfiebers charakterisiren.
V. kennt aber noch eine 2. Kategorie von puer-
peraler Infektion mit lange dauernder Incubation, die
sich von der ei*steren unterscheidet durch die rela-
tive Malignität und die ganze Art des Auftretens.
Von 6 Fällen , in denen er den fieberfreien Verlauf
bis zur Erkrankung behaupten kann, führt er 2 aus-
führlicher an, in denen er selbst die Temperatur
maass.
1) Ohrlandt, spontan entbunden, stand nach fieber-
losem Wochenbett ara 8. Tage aaf. Am 9. Tage erfolgte
Abends Blutabgang , in der Nacht erkrankte sie plötzlich
mit heftigem Fieber ; Temperatur am folgenden Tage bis
40.6«. Am 11. T. 39. 7», andauernde Blutung. Weiche,
nicht riechende Schleimhantmassen und Blutgerinnsel
wurden aus dem Uterus entferut, worauf die Blutung
stand. Am 15. T. trat CoUapsns, am 18. der Tod ein. —
Sektion: Qanz oberflächliche Diphtherie der Uterns-
innenfiäche, parenchymatöse Schwellung der grossen
Unterlcibsdrfisen und fettige Degeneration der Hcrzmus-
knlatnr — keine thrombotischen Processe im Utenis,
keine Embolien in den Lungen.
2) Frau K., spontan entbunden unter Assistenz einer
Hebamme , in deren Praxis verschiedene schwere Infek-
tionen kurz vorher nachzuweisen waren. Am 6. Tage
nach vielen Bewegungen Blutabgang, am 6. ein inten-
siver Schüttelfrost, Abendtemperatnr 40.5<). Irrigationen
und Eisbehandlnng blieben ohne andauernden Erfolg;
am 18. Tage Tod nach Ungdanemder Agonie. Sektton
nicht gestattet. Lungenerscheinnngen waren nicht fest-
zustellen.
Die Annahme einer frischen Infektion im Wochen-
bett ist ausgeschlossen, ebenso ist die T h i e d e 'sehe
Atonie nicht heranzuziehen, auch genUgt die ein-
fache lochiale Infektion nicht zur Erklärung dieser
Fälle. Aus verschiedenen weiteren Gründen ist nur
eine bei der Qeburt erfolgte Infektion anzunehmen,
zu der ein neues Trauma gerade in der Zeit der
besten Entwickelung der Mikroorganismen kam,
damit würden die stets dem Fieber voi-ausgehenden
Blutungen stimmen. Es ist daher die Hypothese
erlaubt: Gombination von septischer Infektion mit
frischem Trauma. Analoge Krankheitsbilder —
Combination von Blutung und Fieber — kommen
auch unter andern Bedingungen vor, unterscheiden
sich aber durch längeres Vorausgehen von Fieber.
Es handelt sich um eine theoretische Frage, von
der die Therapie wenig tangirt wird. Es kommt
auf die Verhinderung der weiteren Resorption von
der Uterushöhle aus an. Hierzu ist Seeale cornutum
nicht genügend, sondern man nmss sich zur Ein-
leitung der permanenten Irrigation entschliessen.
(Burckhardt, Bremen.)
323. Ueber den Werth deainfioirender
Uterus- Ausspülungen nach der Entbindung;
von Dr. M. Hofmeier. (Gynäkol. Centr.-Bl. IV«
5. 1880.)
H 0 f m e i e r wendet sich, wohl mit vollem Recht,
gegen den von manchen Seiten zur Prophylaxe des
Puerperalfiebers gemachten Vorschlag , nach jeder,
auch normalen Geburt Scheide und Uterus unter
Leitung der Hand mit 2 — 3proc. CarbollOsungen zu
im'giren. Die Gefahr, Fäulnisskeime durch Hand
und Instrument , die in innigen Contakt mit grossen
frischen Wundflächen kämen, einzuführen, sei immer
48
V. Gynäkologie n. Pädiatrik.
vorhaaden. Von 260 Frauen ^ deren Uterus Vf.
nach der normalen Geburt ansspalte, erkrankten an
entzündlichen Vorgängen der Generationsorgane 42
oder 16%, von 249, bei denen diese Ansspülung
nicht gemacht worden war, 19 oder 8®/o, und zwar
von den fersten 8 schwer, unter den letztern nur eine.
H. glaubt, dass unter ungünstigen Puerperalverhält-
nissen die Ausspülungen noch viel gefährlicher wür-
den, man erzenge dann noch mehr Infektionen , wie
man so schon haben würde. Die einzig richtige
Therapie sei , vom Beginne der Geburt bis in das
Wochenbett herein die Innenfläche des Uterus mög-
lichst unangerührt zu lassen [was auch Ref. für das
Richtige hält].
Anders sei es, wenn bereits während der Geburt
Fäulnissvorgänge im Uterus nnd Fieber der Mutter
vorhanden seien. Hier müsse man, da das Verhäng-
nissvolle einer abwartenden Therapie bekannt sei,
allerdings die zersetzten Massen möglichst vollstän-
dig und bald entfernen und nnschädlich machen.
Dazu gehörten aber stärkere, 5proc. Carbollösungen,
ausgiebig durch den Uterus gespült. Von 27 so
behandelten Wöchnerinnen starben nur 6, 3 erkrank-
ten In nennenswerther Weise, bei 18 verlief das
Wochenbett ungestört.
Wir erwähnen hierbei eine einschlagende Mit-
theilung von Dr. Reimann in Kiew (a. a. 0.),
welche einen neuen Beweis für die gefährlichen Fol-
gen liefert, welche Carboleinspritzungen in den (puer-
peralen) Utenis haben können.
Es handelt sich um einen Fall von Placenta praevia,
bei dem im 6. Mon. die Fracht ansgestossen wnrde. Die
Nachgeburt mnsste künstlich gelost, ein Stück jedoch im
obem Theile des sich contrahirenden Utenis zurückgelas-
sen werden. Am 4. Tage wurde der Ausflass übelrie-
chend nnd leichte FrostanfäUe traten ein ; es wurden des-
halb Irrigationen mit 2proc. Carbolldsnng beschlossen.
Die erste Ausspülung wnrde mit Ausnahme von inachfol-
gender Uebelkeit und Kopfschmerz gut ertragen. Auch
die zweite ging anscheinend gut vorüber, doch nach einer
Stunde wnrde Vf. gerufen und fand die Kr. fast pulslos,
in höchster Athemnoth ; Gesicht mit kaltem Schweiss be-
deckt, Extremitäten kühl, Pupillen weit, der Athem roch
deutlich nach Carbolsaure, Urin spärlich, fast schwarz.
Nach letztem beiden Symptomen war es zweifellos, dass
es sich trotz der geringen Concentration der Ausspfilnngs-
flüssigkeit nm akute Carbolsänrevergiffcnng handle. Der
Fall yerlief günstig; der Qemch des Athems und die
dunkle Färbung des Urins dauerten noch längere Zeit an.
Zeichen der Pyämie zeigten sich nicht wieder, und die
Frau erholte sich vollständig, freilich langsam.
R. will die Carbol-Irrigationen in den puerpera-
len Uterus auf das Aensserste beschränkt, wenn nicht
ganz vermieden wissen. (Zschiesche, Erfurt.)
324. Zur Leitung der Naohgeburtsperiode ;
von C. Siegm. Franz Cred^ (Arch. f.Gynäkol.
XVII. 2. p.260. 1881); 0. Spiegelberg (Deut-
sche med. Wchnschr. VII. 4. 1881); A. Dohrn
(Das. 12); Kabierske (Gynäkol. Centr.-Bl. V.
7. 1881); H. Ab egg (Arch. f. Gynäkol. XVÜ. 3.
p. 378. 1881).
Prof. C r e d 6 giebt in der vorliegenden Mitthei-
nng eine ausführliche Begründung der von ihm be-
reits in der deutschen med. V^chnschr. (45. 1880)
veröfTentlichten kurzen Widerlegung der von Dohrn,
R u n g e n. A. seinem Verfahren zur Entfernung der
Nachgeburt gemachten Vorwürfe. Er weist nach,
dass die Vorwürfe eigentlich gar nicht seiner Me-
thode gälten, sondern einem Verfahren, das von sei-
ner Methode weit abweiche. Er sieht sich deshalb
veranlasst, die Beschreibnng seines Verfahrens aus
der Mon.-Schr. f. Gebnrtsk. 1860 u. 61 nochmals
ausführlich mitzntheilen. Es sei daraus za ersehen,
dass er gar nicht die sofortige Expression, was
Dohrn nnd Runge besonders bemängeln, sondert
das sofortige Reizen und Reiben von den Bauch-
decken aus vorschreibe, und dass gewöhnlich erst
die 3. oder 4. Contraktion zur Auspressnng ver-
werthet werden solle ; dass er ganz besonders vor
zu frühzeitigem Drücken, namentlich ausser der Wehe,
warne ; dass der Druck nur gleichzeitig mit der Höhe
der Contraktion, nicht einseitig , sondern von alles
Seiten möglichst gleichmässig auf den ganzen Uteras
ausgeübt werden solle.
Cr. wendet sich dann nochmals gegen 6.
Schnitze's Ansicht über die spontane Anssehd-
dnng der Nachgeburt und gegen die raannelle Ent-
fernung der Placenta. Die optimistische Meinung
Schnitze's über die Saulierkeit der Hände der
Hebammen nnd Aerzte dürften nur Wenige theUen.
Jede überflüssige Berührung der Genitalien einer Oe-
bärenden oder frischen Wöchnerin müsse vermieden
und Blut gespart werden, wo man nur könne. Bei-
des erreiche man durch seinen Handgriff. Die man-
nigfachen Gefahren, die seine Methode mit sich brin-
gen solle, seien von Dohrn n. Runge nicht näher
angegeben, er könne daher unbekannte Dinge nicht
wideriegen.
Nur auf das durch sein Verfahren angeblich be-
günstigte Zurückbleiben von Eihauttheilen wolle er
näher eingehen. Wenn dieses Ereigniss so häufig
vorgekommen, so müsse es an der fehlerhaften Ans-
fUhrang gelegen haben. Es komme vor, ob die Pla-
centa ausgedrückt werde oder nicht, viel häußger
jedenfalls, wenn die Placenta von den Genitalien ans
weggenommen würde. C r. beschreibt dann näher
den Vorgang bei Ablösung der Eihäute. Im Üebri-
gen sei ein Zurückbleiben von Chorionfetzen gar kein
schlimmes Ereigniss. Er lasse nur solche Fetzen
wegnehmen, die sich bequem erreichen lassen und
emem leichten Zuge folgten; niemals dürfe des-
wegen die Hand in die Scheide oder gar in die Ge-
bärmutter eingeführt werden. Dagegen sorge er
durch Reibungen, Seeale und häufige Ausspülungen
der Vagina für kräftige Contraktionen und ftlr Des-
infektion. Die Reste gingen in den ersten Tagen
von selbst ab ; nur übelriechende Lochien, zuweilen
leichte Steigerungen der Temperatur und Pulsfre-
quenz seien Begleiterscheinungen, dagegen sei weder
das subjektive noch objektive Befinden der Wöchne-
rinnen gestört. C r. belegt diess ans einer Zusam-
menstellung von 2000 Geburten. In diesen 2000
Fällen wurde nur 21mal von den Genitalien aas
r
■WDipalirty in den flbrigen reichte das Expressions-
' verfaLren aus. Niemals wurde eine dadurch hervor-
gernfene Gefalir beobachtet ; Nachblutungen gehör-
ten za den grössten Seltenheiten , gewöhnlich durch
ogeoflgüDdeCeberwachnng hervorgerufen; schmerz-
hifte Nachwehen kamen nur selten vor^ Lageabwei-
dfflogen niemals, eben so wenig UmstQlpungen der
Gebinnottery Zerrungen oder gar Verletzungen der
Mffbänder.
Prof. Spiegelberg hält an dem mit der
Cred 4 'sehen Methode nicht ganz identischen , an
te Dubliner Anstalt geübten Verfahren fest. Ste-
ige Ueberwaehnng des Uterus vom Augenblicke des
Kopfaustrittes an, dadurch Herbeiführung allgemei-
ner Gootraktion und Lösung des Kuchens — das sei
üe Btaptsache. Die Expression desselben ans der
Sekeide könne dann folgen; nothwendig sei sie
lieht. Letztere sei oft sehr schmerzhaft und nicht
tttten nnansfÜhrbaTy von seiner Methode gelte das
ueiit. Diese sei auch die alleinige und sicherste
Prophylaxe gegen Störungen der Nachgeburtsperiode,
iD weit diese überhaupt verhütbar seien. Dass der Aus-
Hmog des Dnbliner Handgriffes praktische Schwie-
BUkeiten entgegenständen, wie Schnitze u. auch
Cred^ meinten, könne er durchaus nicht zugeben.
Jfe Hebammen , mit denen er in der Praxis zusam-
■engekommen sei y seien in der bezeichneten Weise
to so gut fertig geworden , wie die Praktikanten
k der Klinik. Die Furcht endlich vor Infektion
fach mannelle Entfernung des Kuchens aus der
Sdieide halte er in Uebereinstimmnng mit S c h u 1 1 z e
br eine thörichte. Seien die Hände carbolisirt, folge
der Plaeenta - Entfernung eine Garbolirrigation der
Scheide, wie könne da eine Infektion gesetzt wer-
^? Wer solche von einer so einfachen Procedur
hdite, der müsse überhaupt alle Hülfeleistenden
vwn Kieissbette entfernen.
Dohrn erkennt die Vorzüge des Cred^'schen
Bndgrifb an, kann aber in der Zeit seiner Ausfüh-
nng nicht beistimmen. Er hält die Expression erst
^ ftr zulässig, wenn der grössere Theil der Pla-
nta bereits im Muttermunde liegt, und will bis da-
b die Thätigkeit des Qeburtshelfers nur auf eine
Ueberwachung des Uterus beschränkt wissen. Es
kirnen sonst leicht üble Folgen vor, wie auch von
ndem Kliniken nnd von Collegen aus der Privat-
Pi^xifl bestätigt sei.
Fflr die Art, wie man bei Herausbefftrderung der
Nadigebort verfahre, sei die Voi-stellung , welche
»D Aber die naturgemässe Abwicklung dieses Pro-
^csBes hege, in mehrfacher Hinsicht maassgebend.
Ke C r e d ^ 'sehe Anschauung, welche der D u n c a n *-
^n gleich sei ^), könne er nicht theilen, halte da-
ODoncan: die anter der Contraktion des Uterns
'^iSste Plaeenta faltet sich der Länge nach zusammen
^ sehiebt sich mit einer Randstelle in den Muttermund,
^^ ihr dabei die frfiher schon (?anz oder nahezu voll-
^'^'^ gel&sten Eihäute leicht folgen. Schnitze: die
Hed. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 1.
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
49
gegen die Darstellung von Schultzefllr zutreffend.
Halte man die D u n c a n 'sehe Dai'stellung für rich-
tig, so würde man kein Bedenken tragen, gleich bei
der ersten Wehe zu exprimiren , halte man dagegen
die Schultz e 'sehe fOr recht, so müsse man in der
sofortigen Vornahme dieser Manipulation eine unzu-
lässige Störung eines naturgemässen Vorganges er-
blicken. Der Hauptgrund, weshalb Cr ed6 sofort
nach Austritt des Kindes die erforderlichen Manipu-
lationen vornehme, sei die Rücksicht auf die Vermei-
dung von Blutung und der ideale Verlauf einer Ge-
burt sei für ihn ein solcher, in welchem kein Blut
verloren ginge. Indessen sei diess ein frommer
Wunsch, dessen Erfüllung bei dem Bau der Plaeenta
und deren Verbindung mit dem Uterus unmöglich
sei. Dass ein solcher naturgemässer Blutabgang
keinen Nachtheil bringe, lehre die tägliche Erfah-
rung und, ob man seinen gänzlichen Fortfall wün-
schen könne, sei sehr fraglich. Dass bei dem Blut-
abgang ein gewisses Maass nicht überschritten wer-
den dürfe, sei selbstverständlich, aber gerade bei
der fi-ühzeitigen Anwendung des C r e d ^ 'sehen Hand-
griffes kämen eher Blutungen vor (Cred^ behauptet
das Gegentheil), als wenn man sich damit Zeit lasse,
wie ans der von D. beigefügten Zusammenstellung
hei*vorgehe. Wenn C r e d 6 endlich behaupte, dass
die fetzigen Zerreissungen des Chorion schon lange
vor der Nachgeburtsperiode erfolgen , so bestreitet
D. das ; der Eisack bleibe eher intakt , wenn man
mit der Expression länger wai*te. Dass das Zurück-
bleiben solcher Fetzen häufig nichts schade, sei rich-
tig, nnd auch in der Therapie stimmen er u. Cred(^
überein. Eine Gefahr für die Wöchnerinnen durcli
das Zurückbleiben aber ganz in Abrede stellen , wiq
C r e d ^ , könne er nicht.
Kabierske schildert das auf der Freund '-
sehen Klinik in Strassburg übliche Verfahren , das
ein vollständig exspektatives ist. Folgende Gesichts-
punkte seien dabei maassgebend. 1) Die natürlichen
Geburtskräfte normaler Geburten reichten zur Be-
endigung des Nachgeburtsgeschäfts aus und voll-
zögen die Lösung der Nachgeburt viel genauer und
vollständiger als mit künstlicher Hülfe (Cred6,
Spiegelberg). 2) Die exspektative Behandlung
der Nachgeburtsperiode normaler Geburten sei ohne
Gefahr; sie veranlasse weder schwere Blutungen,
noch sei die längere Retention der Nachgeburt für
die Mutter gefahrvoll, ebenso seien krampfhafte
Strikturen sehr selten. 3) Der Verlauf des Wochen-
betts sei ein ausgezeichneter. — Das Verfahren ist,
wie schon gesagt , bei normalen Geburten ein voll-
ständig exspektatives. Die Hand wird gar nicht auf
den Fundus uteri gelegt, noch viel weniger werden
Reibungen gemacht. Ab und zu wird nach dem
Stand des Fundus und einem etwaigen Blutabgang
Plaeenta tritt mit der glatten Fläche auf den Muttermund
hinab und ein hinter derselben gebildetes Blutcoagulum,
allmälig abwärts drängend, lost die noch grSsstentheils
verklebten Eihäute von der Uterin wand ab.
7
50
V. Gynäkologie n. Pädiatrik.
gesehen. Blase und Mastdaim werden conü'olii't
und Stunden verstreichen gelassen, ohne einen Hand-
griff zur Entfernung selbst der gelöst in der Scheide
liegenden Nachgeburt zu thun. In der Mehrzahl der
Fälle erfolge die spontane Ausstossung in 3 Stunden.
Nur selten wurde die Nachgeburt in bekannter Weise
aus der Scheide weggenommen, besonders wenn Zei-
chen von Blutungen dazu aufforderten. Nach Be-
sichtigung derNachgeburtstheile wird eine Irrigation
der Scheide mit 5proc. Carbolldsung gemacht und
während derselben werden Cervix, Vagina u. äussere
Genitalien auf Traumen untersucht ; dann bekommt
die Wöchnerin einen Bausch Carboljute vor die Vulva
und wird der Ruhe überlassen. Eine fernere Ueber-
wachung des Uterus wird Air unnöthig erklärt , da
Nachblutungen nicht aufträten. Ausspülungen im
Wochenbett werden nicht gemacht.
Sind die Geburten durch irgend welche Um-
stände complicirt, so bei erschöpfender Geburts-
arbeit, präcipitirten Geburten, Lungen- und Herz^
fehlem etc., so wird der Uterus von der Aus
des Kindes an mit der Hand überwach
reiben, bis zu 1 — l^/a Stunden. T
keine Blutung auf, so kommt das exs
fahren wieder zur Geltung. Erfordern
die Entfernung der Placenta, besonde
tungen, so wird der C red ^ 'sehe Han
wendet , gelingt er nicht , die Placenta manne
fernt und in letzterem Falle eine uterine Ausspülung
mit 2proc. Oarbollösnng gemacht.
Am Schluss empfiehlt Eab. noch besonders für
die Hebammen das exspektative Verfahren.
Ab egg tritt dagegen für die Vorzüge des
C r e d ^ 'sehen Verfahrens, namentlich für die Praxis
der Bebammen ein. Innere Eingriffe Seitens der
Hebammen müssten möglichst vermieden werden
u. bezüglich der NachgebuiHsperiode sei diess durch
das C r e d ^ 'sehe Veifahren zu en*eichen , das leider
in dem neuen prenssischen Hebammenbuche die ver-
diente Würdigung nicht gefunden habe. Von gewalt-
samen Eingriffen sei bei demselben , wenn es richtig
ausgeführt werde , gar nicht die Re^e. Er habe es
bisher ohne jeden nachweisbaren Nachtheil ange-
wendet. [Ref. ist derselben Ansicht wie Abe gg,
besonders auch hinsichtlich der Praxis der Heb-
ammen.]
Auch Prof. Breisky hat neuerdings das Wort
ergriffen, und zwar zu Gunsten des CredS ^ sehen
Handgriffes. Bei Beurtheilnng des Wei*thes des-
selben komme es nicht darauf an , ob sich die Pla-
centa, wie Schnitze lehrt, durch Intervention einer
hinter der gelösten Partie derselben befindlichen
Blutansammlung loslöse (was Br. für den normalen
Vorgang nicht für zutreffend hält) oder, wie Dun-
can lehrt, ohne die letztere, sondern einzig darauf,
ob derContraktion des Uterus wesentlich der mecha-
nische Effekt der Nachgeburtslösnng zuzuschreiben
sei oder nicht. B r. ist nun der Meinung , dass es
nur Couti'aktiouen siud, die die Nachgeburt lösen
und verschieben. Wenn auch die Contraktionen filr
die Nachgeburtslösung oft genug ausreichten , so sd
es doch wünschenswerth, dieselben durch unsere Mit-
wirkung hinsichtlich ihrer Zeit und Stärke zu leiten.
Denn je länger die Nachgeburtszeit verlaufe , desto
länger dauerten die Blutverluste aus den bereits ge-
lösten Abschnitten derPlacentarstelle, und je schwä-
cher die Contraktionen seien , desto öfter werde es
vorkommen, dass die Placenta nur bis in die Scheide
getiieben werde nnd so Veranlassung gebe zn Trak-
tionsversuchen und Innern Untersuchungen und damit
zu Infektionen, denn auch B r. giebt sich keinen san-
guinisohen Hofibungen hinsichtlich der Sicherheit
unserer Desinfektionsmaassregeln hin.
Br. weist dann darauf hin, dass bei der Expres-
sion es sich nicht oder wenigstens nur in untergeord-
neter Weise um die sogen, dynamische Einwirkung
auf den Uterus handle, sondern um eine rein mecha-
nische. Die ausführbare und zulässige Additional-
kraft, welche die drückende Hand einsetze, sei eine
geringe. Die Befürchtung Schnitze's,
erabdrängen des Uterus in das kleine
klich sei , sei unbegründet. Was das
m Dubliner Ebindgriff betreffe, so
rem nicht den Vorzug geben.
et sich dann zu den Nachtheilen , die
'sehen Verfahren zur Last gelegt wer-
6nische Blutungen und Retention von Eihaut-
resten. Atonie entstehe nur durch unzweckmässige
mechanische Reizung. Um diese zn vermeiden, solle
man den Uterus unmittelbar nach der Geburt des
Kindes nicht reiben , sondern ihn nur mit der Hand
belasten — ein Reiben sei nur bei vorhandener
Atonie gerechtfeiiigt. Femer soll man nicht bei
jeder Wehe, da nicht jede gleich stark ist, sondern
nur bei einer kräftigen den 0 r e d 6 'sehen Handgriff
ausüben, was allerdings meist, wie Cred6 sagt, bei
der 3. oder 4. Wehe von Erfolg sein werde, mitunter
aber auch viel später erfolge. Endlich müsse der
stärkste Dnick auch mit der Höhe der Gontraktion
zusammenfallen, was auch von Ored6 gefordert
werde. Der zweite Uebelstand , Abreissen der Ei-
häute, komme nicht durch die grössere Rascbheit
der Loslösnng der Placenta durch den Handgriff;
sondern dadurch zu Stande, dass der nach ExpulsioD
der Placenta im Isthmus uteri befindliche Eihaut'
Strang doi*t noch festgehalten werde. Ziehe dma
um diese Zeit an dem Strange , so reisse er leicht
ab , ja es genüge dazu schon das Gewicht der Pla-
centa, wenn sie spontan vor den Genitalien in die
Bettschüssel herabfalle. Man müsse darum die mit
der einen Hand exprimirte Placenta mit der andern
dicht vor den Genitalien in Empfang nehmen und
dort so lange halten , bis eine vollkommene Welien-
pause eingetreten sei , wobei der relaxirte Isthmus
den Strang loslasse, der dann leicht zn entfernen sei*
Der Schwerpunkt der erfolgreichen Benutzung des
G r e d ^ 'sehen Handgriffs liege in der richtigen Rech-
nung mit den Quellen der Wehenanomalien , unter
welchen mechanische artificielle Reize eme grosse
V. Gynäkologie iL Pädiatrik.
51
Me spielten. Er habe sich mit Rücksicht darauf
m Betieff der Zeit seiner Anwendong ganz nach den
Dmatibiden des gegebenen Falles gerichtet und in
ejosdnen Fällen kein Bedenken getragen j auch un-
gewöhnlich lange auf die Expulsion der Nachgeburt
n warten. In dieser Beziehung habe die Anregung
von Dohrn ihre Berechtigung, wenngleich der An-
griff das Ziel insofern verschoben habe , als die
Lfsstong eines trefflichen Handgriffs angefochten
ftrde, während es sich im Grunde nur um einige
ßntelen handle, die von Gred6 nicht ausdiücküch
oder nicht deutlich genug hervorgehoben worden
Dem vollständig exspektativen Verfahren, wie
ea Kabierske aus der Freund 'sehen Klinik
sehildert, kann B r. nicht zustimmen.
(Zschiesche, Erfurt.)
325. Zur Lehre von der Torsion derKabel-
sehnur; von Dr. Friedrich Schanta, Assistent
in der Klinik des Prof. Späth in Wien. (Arch. f.
GyrÄkol. XVII. 1. 1881.)
Vf. ist der Ansicht M a r t i n 's , dass 'die oft so
ahlreiehen und festen , zur vollkomn^enen Unweg-
amiiLeit der Gefitose führenden Nabelschnurtorsioncn
■cht als eine Ursache fttr das Absterben d^r Kinder
ttzosehen seien , sondern dass ihre Entstehung .eine
postmortale, also passive sei, ausgenommen die losen
Drehungen, von denen Kehr er 2 Fälle beschrieben
hat, bei welchen Imal 21 , Imal 9 Torsionen bei
leteideo 9 — lOmonaÜ. Kindern gefunden wurden.
Seh. hat in der Klinik mehrere Fälle beobachtet,
bei denen die Zahl der Umdrehungen eine so kolos-
sale war, dass nur eine sehr gezwungene Erklärung
filr das Zustandekommen während des Lebens mög-
lieh wäre.
1d dem einen Falle fanden sich an der Nabel-
sebar des macerirten und 3 Wochen abgestorbenen
Tmonatl. Knaben 380 Linksdrehungen, die die Schnur
in einen rabenfederkieldicken festen Strang verwan-
M hatten. Die Bauchhant in der Umgebung des
Nabeis war mit in die Drehung einbezogen , in der
Mitte der Länge sassen einige sogen. Cysten (cysten-
tftige Anhäufungen von Sülze). Seh. sagt, man
mtae zugeben, dass schon ein kleiner Bruchtheil der
Drehungen genOgt haben würde, eine lebende Frucht
n tödten. Nehme man also nothwendiger Weise
an, dass die grösste Zahl postmortal entstanden sei,
ao eiacheine es gezwungen, jenen kleinen Bruchtheil
ab durch aktive Bewegungen entstanden zu erklären,
vielmehr natürlicher, dass sämmtliche Torsionen erst
nach dem Tode des Fötus , also passiv zu Stande
gekommen seien. — In einem zweiten Falle waren
307 Linksdrehungen , in einem dritten 58 Rechts-
drehmigen vorhanden.
Aus folgenden Gründen tritt Seh. der Ansicht
Martinas bei: 1) Wenigstens für einzelne, aber
imnierhln zahlreiche Fälle beweise die grosse Anzahl
^er Drehungen das postmortale Zustandekommen.
^] Man ad überhaupt nicht im Stande, an einer
frischen, wenn auch sulzarmen Nabelschnur eine
nennenswei*the Zahl von Torsionen künstlich zu
Stande zu bringen , da schon bei den ersten Torsio-
nen die dazu nothwendige Kraft so gross sei , dass
ein Wiederaufdrehen unvermeidlich wäre, u. anderer-
Seite (nach seinen Versuchen) bei Toralonen bis zu
25 bereits ZeiTeissung der Schnur in Folge der hohen
Spannung einträte. 3) Die an manchen torquirten
Schnüren sich vorfindenden Cysten beweisen nichts
für das vitale Entstehen (wie Dohrn behauptet),
da in dem Falle mit 380 Torsionen , die doch nur
nach dem Tode entstanden gedacht werden könnten,
sehr schön entwickelte Cysten sich gefunden hätten.
(Zschiesche, Erfurt.)
326. E[noten an beiden Nabelstrangen von
Z^villingen, Tod beider Kinder; von Gudniot.
(Bull, de TAcad. 2. S^r. IX. p. 1335. D6c. 21.
1880.)
G. theilt einen seltenen Fall von Nabelschnur-
. verschlingung mit als Beitrag zur Entscheidung der
: Streitfrage, ob Knoten der Nabelschnur bei Fehlen
Jeder andern Complikation den Tod der Frucht wäh-
i'end der. Schwangerschaft herbeiführen können.
£!a .handelte sich am eine ZwUlin^^eburt in der Mitte
^d£s. 8. Monats. Die vorher sehr lebhaften Kindes-
bewegangen hatten vor 8 Tagen nachgelassen , seit 6 T.
gank' aufgehört. Das erste normal entwickelte Kind
'ihännlichen Geschlechts wnrde leicht in Steisslage ge-
boren , es war todt und stark macerirt , die Nabelschnur
schwarz und iiiflltrirt. Nach 10 Min., ohne dass sich eine
Blase stellte , wurde das zweite Kind in Schfidellage ge-
boren, ebenfalls männlichen Geschlechts, wohl gebildet;
es war weniger macerirt und war sein Tod zweifellos
später als der des andern eingetreten, nach dem voUstän
digen Verschwinden der Kindesbewegungen zu sehliesseu,
vor 6 Tagen. Die gemeinsame Placenta folgte nach einer
Viertelstunde auf einen leichten Zug an den Nabel-
Bchnuren.
Letztere inserirten sich im Centrum der Placenta 2
Ctmtr. von einander , waren ca. 65 Ctmtr. Jede lang und
durch zahlreiche venöse Communikationen verbunden.
Sie zeigten eine eigenthfimliche Verschlingung, deren
Entstehung dadurch zu erklären ist , dass die Kinder sich
2mal eines um das andere drehten, wobei die Nabel-
schnüre in der Mitte ihrer Länge umeinander gewickelt
wurden. Es entstand so zwischen dem Punkte der
Drehung nnd der Placenta eine Spalte, beiderseits be-
grenzt durch die Schnure selbst. Durch einen eben so
seltenen als unglücklichen Zufall schlüpfte nun das eine
der Kinder, und zwar das zuerst geborene und auch zu-
erst gestorbene, durch diese Spalte und schürzte so den
unauflöslichen Knoten, der jedenfalls durch die lebhaften
Kindesbewegimgen fest zusammengezogen wurde und so
durch Störung der Blutcirkulation den Tod der Kinder
veranlasste. Eine andere Ursache für das Absterben Hess
sich wenigstens nicht auffinden.
An diesen Fall knüpfte sich eine lebhafte und
weit ausgesponnene Diskussion (l. c. p.l349. D^. 28.
1880; X. p. 11. 27; Janv. 4. 11. 1881).
Zunächst wendet sich Tarnier gegen Gu6-
n i 0 1. T. hat bei künstlich hergestellten Knoten die
Blutgefässe injicirt und gefunden, dass bei 2 Knoten
die Flüssigkeit noch leicht passirte , bei 3 schwerer.
Dabei lockerten sich die Knoten. Eine ähnliche
Rolle spiele das Blut und die treibende Kraft des
52
V. Gynäkologe u. Pädiatrik.
Herzens. Er will daraus nicht schliessen, dassNabel-
achnurknoten überhaupt nicht den *Tod der Frucht
herbeiführen können , sondern nur , dass es gewiss
sehr ausnahmsweise geschehe. Er wirft G. dann
vor, dass die Autopsie der Kinder nicht gemacht sei,
es hätte sicli dann wahrscheinlich die Todesursache
herausgestellt. — Ein Knoten könne nur dann ge-
fährlich werden, wenn er sehr fest zusammengezogen
sei , was man aus der bandartigen Abplattung der
Schnur erkenne. Letzteres sei in dem Falle G.'s
nur bei einer Schnur der Fall gewesen. Aber auch
dann , wenn die Schnüre stark abgeplattet gefunden
würden, kämen häufig lebende Kinder zur Welt
Nur in einigen Fällen sei bei solcher Abplattung
ObUteration der Gefässe vorgekommen; dass eine
solche hier nicht vorhanden gewesen, habe G. experi-
mentell dm'ch Injektion der Gefässe bewiesen. Er
dürfe also nicht behaupten , der Knoten sei Schuld
an dem Tode der Kinder. Blot und Depaul
stimmten T a r n i e r bei , Letzterer kann sich auch
wegen der vorhandenen Länge der Nabelschnur eine
feste Zuschntirang nicht vorstellen.
Für Gu6niot ist es zweifellos, dass ein Knoten
den Tod der Frucht verursachen kann. Es sei dazu
nicht nöthig , dass die Cirkulation vollständig aufge-
hoben sei , schon durch eine Verlangsamung sei die
grösste Gefahr bedingt. Eben so gut wie Umschlin-
gungen der Nabelschnur um einzelne Körpertheile
gefährlich werden könnten , könnten diess Knoten.
Dass in seinem Falle, den er für beweisend hält, die
Sektion der Kinder nicht gemacht sei , sei zwar eine
Lücke, aber keine so bedeutende, wie Tarnier
glaube. Bei der normalen Entwicklung beider Kin-
der, dem Fehlen jeder constitutionellen Affektion der
Eltern wäre wohl nichts zu entdecken gewesen , um
so weniger, da schon Maceration vorhanden gewesen.
Was den 2. Vorwurf, die Durchgängigkeit der Ge-
fässe, betreffe, so sei dieselbe nur bei den Venen
nachzuweisen (das in die Vene des einen Stranges
injiciiiie Blut kam zu der des andern wieder heraus) ;
bei den Arterien sei es ihm wiederholt misslungen,
Flüssigkeit hindurch zu treiben. Aber wenn diesel-
ben auch durchgängig wären , was erst die auszu-
führende Sektion zeigen werde , so könne trotzdem,
wie auch bei zufalligen Compressionen , die Stöiimg
der Ch*kulation so bedeutend gewesen sein, dass der
Tod erfolgte. Was die Länge der Nabelschnur end-
lich betreffe , so zeige die feste Zusammenschnürung
in diesem Falle einfach , dass trotz der Länge eine
solche möglich sei. Uebrigens sei die Sache leicht
durch Umschlingung um einzelne Körpertheile und
dadui'ch bedingte Verkürzung erkläi'lich.
Gu^rin, der nicht Geburtshelfer ist, glaubt,
dass man aus der verschiedenen Blutfülle in den
Gefässen der Nabelschnur diesseits und jenseits
des Knotens, sowie in den verschiedenen Organen
schliessen könne , ob die Cii'kulation in dem Knoten
unterbrochen sei oder nicht. Gestützt auf eine An-
zahl Sektionen von Kindern ftihiiie dagegen Depaul
an , dass er in Fällen , wo der Tod durch Knoten
hervorgerufen sei, eben so oft Symptome der Anämie
als der Congestion gefunden habe.
In der folgenden Sitzung theilte 6a6niot das
Resultat der von dem Anatomen Faraboeuf aus-
geführten Sektion der Nabelschnüre mit. Die eine
derselben war dünner, abgeplattet, um die andere
gerollt , die ihre cylindrische Gestalt bewahrt hatte.
Die Arterien der erstem waren für eine Injektion
nicht durchgängig ; die verschieden gefärbten , von
beiden Enden her eingespiitzten Flüssigkeiten liessen,
wie die spätere Untersuchung zeigte, mehrere Centi-
meter zwischen sich nnd dieser Raum war zor Hälfte
mit einem dichten Blntgeiinnsel ausgefüllt. Die Vene
war durchgängig, ebenso Arterien nnd Venen der
andern Schnur. Nach diesem Ergebniss ist es flbr
Gu^niot zweifellos, dass der Tod der erstoi
Frucht herbeigeführt sei durch die Unterbrechung
der Cirkulation in dem Knoten; den Tod der zweiten,
später gestorbenen erklärt er sich folgendermaasseo.
Eine jede Blutwelle der Nabeischnnrarterien des
überlebenden zweiten Eandes müsse sich, ebenso wie
in die eigenen Placentarvenen, so auch in gewissem
Grade in die des abgestorbenen Kindes ergossen
haben, da ja zahlreiche Anastomosen nachgewiesen
seien. Durch diese fortwährende Vermischung des
lebenden mit dem todten Blute sei eine Intoxikation
oder Embolie oder überhaupt eine Störnng der aU-
gemeinen Cirkulation hervorgerufen woi*den, die den
Tod des Kindes nach 2 Tagen zur Folge hatte.
Depaul ist der Ansicht, dass der Pfropf in d^
Gefässen erst nach dem Tode sich gebildet habe,
was man häufig finde.
Colin, auf G u 6 n i o t 's Seite stehend, suchte
die Experimente von Tarnier, dem es gelungen,
Flüssigkeiten durch 2 und 3 Knoten hindurch zn
treiben, zu entkräften. Die treibende Kmft eines fata-
len Herzens sei schwächer als die bei einem Erwach-
senen und viel schwächer als diejenige, die man nut
einer Spritze hervorrufen könne ; mit letzterer könne
man daJier wohl einen Widerotand überwinden, der
für das Herz zu gross sei. Colin hat trächtige
lebende Stuten geöflnet und dabei zunächst die kräf-
tigen Bewegungen des Fötus beobachtet nnd dann
gesehen, dass die Pnlsation der Nabelschnurarterien
viel schwächer war als die von Algerien gleichen
Kalibers beim erwachsenen Thiere. Es genügt nach
ihm schon eine Verengerung des Lumen der Um*
bilicalgefasse um die Hälfte oder zwei Drittel, um
den Tod des Fötus nicht plötzlich, aber langsam
herbeizuführen. In diesem Falle sei aber sogar Dn-
durchgängigkeit erwiesen. Auch betreffs der Todes-
ursache des 2. Kindes durch Infektion mit zersetz-
ten Stoffen pflichtet Colin Gu6niot bei. Auf den
Einwurf von Depaul, der Fötus sei noch gar
nicht in Fäulniss übergegangen gewesen, erwidert
Colin, dass auch eine beginnende Fäulniss schon
schädlich wirken könne.
Tarnier sieht wie Depaul das Blutcoagalam
in den Arterien für eine postmoriale Eracheinung an
und hält die von C o 1 i n bestiittene Gültigkeit seiner
V. Gynäkologie a. Pädiatrik.
53
Experimente aufrecht. Die Injektionen in die Ge-
ftsäe der mit fest angezogenen Knoten versehenen
Nibelsehnflre seien mit keiner grössern Kraft ge-
nebt, als der des f(5talen Herzens; letztere sei
inaserdem grösser, als Colin glaube. Er halte es
drsehr schwer, einen so festen Knoten in die Nabel-
Bchoar zu machen, dass die Cirkulation unterbrochen
fflide. Aebnlich sei es mit den Därmen; es sei
ivh hier fast unmöglich, einen so festen Knoten zu
«kliogen , dass die Fäkalmassen bei einer Autopsie
■tht entwichen. Eben so wenig wie der Tod des
1. Kindes durch den Knoten erfolgt sei, eben sowenig
erfolgte der des zweiten durch Septikämie. Man sehe
oft genug bei Zwillingsgeburten, dass der eine Zwil-
fing lebend nnd gcsnnd geboren wird , während der
andere bereits längere Zeit abgestorben ist. Was
^ GefJlssanastomosen betreffe, so hob Tarn! er
kervor, dass jedes Kind sein scharf getrenntes Ge-
ftaBgebiet habe; dass einzelne placentare Auasto-
noeen beständen , gab er zn , indessen sei der Ver-
kebr des Blutes in ihnen durchaus nicht so leicht,
lU man glaube, und man könne wohl begreifen, dass
der eine Fötus sterbe , ohne dass der andere dem
gewissen Tode durch Septikämie verfallen sei.
Depanl n. Blot wendeten sich gegen Colin,
der die Möglichkeit von Fäulniss bei unverletzten
ESiäoten behauptet; es komme diess weder beim
Menschen, noch beim Thiere vor. Colin hält dicss
doch für möglich in dem Falle , wo bei Zwillingen
eis Kind bereits geboren sei. Der Muttermund stehe
duB offen, die Luft könne an den untern Abschnitt
dcfl zweiten Eies gelangen, die Bedingungen zu
Holoiss seien also vorhanden. Und wenn letztere
an den äussern Theilen begonnen, so könne sie wohl
aneh auf die tiefem fortschreiten.
6 u ^ n i o t bekämpfte die Behauptung D e p a u Ts,
dass die Gerinnsel in den Arterien eine Leichen-
encheinung seien. Wäre letzteres der Fall, so mttss-
ten die Gef^sse der Nabelschnur des 2. Kindes eben-
Ulg verstopft sein , was nicht der Fall wäre. Bei
Kindern, die vor der Geburt gestorben seien, kämen
ja hiniig In den GeiUssen lange Blutgerinnsel vor,
>ber dieselben böten nur dann eine gewisse Con-
wtenz dar, wenn der Tod vor kurzer Zeit erfolgt
sei. Sehr bald aber flössen sie auseinander und
^Btmen leicht die Injektionsmassen hindurch. Im
l^ebrigen hielt er seine Behauptungen aufrecht : die
nndorcbgängigkeit der Geß&sse in Folge des Kno-
tens sei die Todesursache des ersten Kindes , In-
texikation durch das Blut des zuerst gestorbenen
oder Bmbolie oder überhaupt allgemeine Störung
der Cirkulation die Todesursache des zweiten. Letz-
tere Annahme erklärt er jedoch selbst nur ftlr Ily-
P^t^iese, wenn auch für eine sehr wahrscheinliche.
h der folgenden Sitzung wendete sich Blot
iM)ehmal8 gegen Colin und legte ausführlich die
>pgeiDein anerkannten Anschauungen überMumifika-
te 1 Maceration und Fäulniss des Fötus dar , ins-
Nsondere, dass letztere nur möglich sei, wenn die
Btoe verletzt seien.
D e p a u 1 erklärte , niemals gesehen zu haben,
dass ein rechtzeitig geborenes Kind durch einen
Nabelschnurknoten um*s Leben gekommen sei. Be-
treffs der Todesursache des 2. Kindes theilte er die
Zweifel Tarn i er 's. Dass Embolien aus dem Ge-
fässsystem des 1. in das des 2. Kindes hätten statt-
finden können, hält er anatomisch und physiologisch
für unmöglich.
Gu6niot erwiderte, dass die Möglichkeit da-
durch erwiesen sei , dass die Venen beider Nabel-
schnüre in Verbindung gestanden und nicht verstopft
gewesen seien, wie er experimentell bewiesen. Aber
zugegeben , sie seien verstopft gewesen durch Ge-
rinnsel , so müsse an irgend einer Stelle die Blut-
welle des 2. Kindes diese Gerinnsel getroffen haben,
und so sei die Möglichkeit von Embolien durchaus
wahrscheinlich. Auch Colin erklärte, auf seiner
Ansicht, dass Fäulniss auch bei unverletzten Eihäuten
unter den oben angegebenen Bedingungen stattfinden
könne, bestehen zu mtissen.
Eine Einigung der Ansichten über die sti'citigen
Punkte kam mithin trotz der langen Diskussion nicht
zu Stande. (Zschiesche, Erfurt.)
327. Ueber die Aetiologie der Kranio-
tabea; von DDr. David B. Lees u. Thomas
Barlow. (Med. Times and Gaz. Nov. 27. p. 611.
1880.)
Seit Elsässer (1843) den weichen Hinterkopf
als Folge von Rhachitis , und zwar als erste Mani-
festation derselben, beschrieben hat, schloss sich die
Mehrzahl der Autoren seiner Ansicht an , besonders
Vogel und Steiner, während Gerhardt in
einigen Fällen völlige Gesundheit der Kinder wahr-
nahm und in diesen die Krankheit als nicht rhachiti-
schen Ui'sprungs betrachtete. In England adoptir-
ten West, in Amerika Meigs und Popper El-
sa s s e r 's Ansichten.
Die Arbeiten von Taylor und besonders P a r -
rot über den Zusammenhang von Knochenkrank-
heiten mit congenitaler Syphilis veranlassten Vff. zu
der Untersuchung desselben Zusammenliangs bei kra-
niotabetischen Kindern. Sie konnten 100 Fälle sam-
meln. Die Aufmerksamkeit war nicht allein auf
das frühere Befinden der Mütter (syphilit. Symptome,
vorhergegangene Abortus, todtgeborne oder frühreife
Kinder), sowie auf Koryza und Syphiliden bei an-
dern Kindern, sondern auch auf das bisherige Befin-
den der an Kraniotabes leidenden Kinder gerichtet,
besonders, ob sie syphilitische oder rhachitische Er-
scheinungen aufwiesen, ferner auf ilu* Gewicht und
Alter und auf die etwa vorhandenen Ei*scheinungen
von Seiten der Haut, des Mundes, der Nase, der
Stimme, des Schädels, des Thorax, der Röhrenkno-
chen und der innem Organe (bes. Leber und Milz).
Diese Daten haben Vff. in 3 Tabellen zusammen-
gestellt, und zwar je nachdem, 1) bei bemerkbai*er
Kraniotabes bereits sichere Zeichen von Syphilis be-
standen (35 Fälle) , 2) bei geringer ELraniotabes
bereits sichere Zeichen von Syphilis nachweisbar wa-
54
V. Gynäkologie a. Pftdiatrik.
ren (12 Fälle), und 3) mit Bestimmtheit Rbachitis
neben Kraniotabes vorhanden war (53 Fälle). Es
boten hiervon 70 Fälle vorgeschrittene, 30 leichte
Grade der Kraniotabes dar. In 47 Fällen war das
Vorhandensein von Syphilis congenita anzunehmen,
d. h. 50% der an Kraniotabes leidenden Kinder
sind syphilitisch. Andererseits beweisen besonders
die ersten beiden Tabellen, dass Kraniotabes nicht
etwa ausschliesslich ein Zeichen von Marasmus ist.
Denn es fanden sich mindestens 7 gut genährte Kin-
der mit deutlicher Kraniotabes, welche, 1 Fall aus-
genommen, sämmtlich gestillt worden waren. Hier
finden sich im Alter von 2^/4 — 6 Monaten Gewichts-
zahlen von llVa — 17^/si Pfd. angeführt. Diesen
Zahlen stellen Vff. andere gegenüber, welche von
Kindern gewonnen wurden, die zwar marastisch wa-
ren, aber nicht an Kraniotabes litten und wahrschein-
lich auch nicht an Syphilis. Hier finden sich im Al-
ter von 23/4 — 31 Mon. Gewichtszahlen von 6 —
12^3 Pfund. Es ist also Ki'aniotabes nicht einfach
ein Zeichen von allgemeinem Marasmus.
Auch in Bezug auf die allgemeine Symptomatik
weichen die Ansichten der Vff. wesentlich von der
E 1 8 ä s s e r 's ab. Sie konnten die Nervosität , die
grosse Schreckhaftigkeit, das seitliche Heioimwälzen
des Hinterhauptes während des Schlafes , das Auf-
legen der Stirn auf die Schulter der Wärterin , so-
wie die sehr starken Kopfischweisse, die jener be-
schrieb, nicht beobachten, auch Convulsionen nur
selten. Auch unter Elsässer 's Fällen erklären
Vff. mindestens 2 für syphilitisch und kommen da-
lier zu dem Schlüsse, dass Syphilis die häufigste Ur-
sache fttr Kraniotabes abgiebt. Welcher Zusammen-
hang sich vielleicht noch zwischen Syphilis u. Rha-
chitis herausstellen wird, lässt sich noch nicht sagen.
Man könnte nur annehmen, dass syphilit. Kinder
besonders zur Rhachitis geneigt sind. Schlttsslich
erklären aber Vff., dass, wenn Kraniotabes u. Milz-
vergrösserung aus der Kategorie der rhachitischeu
Erscheinungen unter die Symptome der hereditären
Syphilis versetzt werden , wir bis jetzt noch keinen
Beweis haben, dass die Syphilis an und für sich eine
Ursache der Rhachitis ist. (K 0 r m a n n.)
328. Fall von akuter Leberoirrhose bei
einem Neugeborenen ; von Prof. A. d ' E s p i n e
zu Genf. (Gaz. de Par. 43. 48. 1880.)
Ein rechtzeitig und leicht geborener Knabe zeigte
vom ersten Lebenstage an eine ikterische Färbung , die
in den nächsten Tagen zunahm. Vf. sah das Kind am
5. Lebenstage. Auch die Conjunctivae und die Mund-
Bchleimhant waren ikterisch. Der Knabe schien keine
Schmerzen zu haben, hatte kein Fieber, nahm die Brust.
Die Stuhlgänge waren von normaler Farbe. Am 9. Tage
erschien das Kind abgemagert , der Ikterus hatte zuge-
nommen, dazugetreten war ein weiches Oedem derHand-
und Fussrücken. Der Urin war stark gallig gefärbt, ohne
bemerkenswerthen Albumengehalt. Der Nabelschnurrest
war abgefallen und die Nabelwunde entleerte ein wenig
Blut. Neben der Rhaphe des Gaumengew51bes bemerkte
Vf. einige Ekchymosen. Am 13. Tage nahm die Blutung
ans der Nabel wunde trotz Compressiv verband zu. Das
ergossene Blut hatte eine leicht gelbliohe Färbung. Der
Urin war andauernd stark ikterisch, ohne Albnmen.
Einige Ekchymosen an den Schläfen und am Kreuzbein.
Sonst derselbe Znstand; die Leber schien nicht ver-
grössert. Am 17. Tage stand die Blutung auf Eisen-
Chloridwatte. Qegeu Abend etwas Erbrechen mit nach-
folgendem Collapsus. Am 18. Tage ausgebreitete Ekchy-
mosen am Thorax , vor dem linken Ohre und am Fnss-
rQckeu ; Puls 140 ; Temperatur im Rectum 36.4®. Dai
Kind , das vorher die Brust verweigert hatte , nahm sie
wieder. Am 20. Tage neue Omphalorrhagie , besonden
beim Schreien. Das Blut enthielt zahlreiche, verschieden
grosse Leukocyten; viele rothe Blutkörperchen zeigten
einen Kern. Um die Leukocyten bemerkte man Kry-
stallnadeln , die alle Charaktere der Tyrosinkrystalle be-
sassen. Im Serum fanden sich einige sehr lange Krystaile,
nach Prof. Lahn den von Neumann im Knochenmark
des Neugeborenen beschriebenen identisch. Der Urin
gab die Reaktionen auf Qallensäure ebenso wie die aof
Gallenfarbstoff. Am Boden des Gefasses fanden sich von
Galle gefärbte Epithelialcylinder , wie sie Nothnagel
beschrieben hat. Ausserdem hatte sich an dem (20.) T.,
wo die Temperatur im Rectum 36<>, der Puls 120 betrug
und ein schwacher Krampfanfall statt hatte, die Milz
stark vergrossert. Am nächsten Tage fand man zum
ersten Haie einige Blutklnmpen in den Stuhlgängen, wäh-
rend die Omphalorrhagie an Menge abgenommen hatte.
Neue Ekchymosen erschienen mit Zunahme der Mils-
Schwellung. Das Kind trank an der Brust. Am 23. Tage
Tod unter Collapsus ohne Convulsionen.
Bei der Sektion fand man allgemeinen Ikterus and
Ekchymosen, jedoch keinen Ascites. Die Leber, deren
Consistenz vermehrt war, erschien vergrossert und oliyea*
grün gefärbt; sie war 10 1/, Ctmtr. breit, 8 hoch and 3
dick. Die Gallenblase enthielt Galle , die sich leicht In
den Darm ausdrücken Hess. Im Choledoehus ftinden sieh
keine Schleimklumpen. Die Nabelvene war gesund ond
bis 1 Ctmtr. vom Nabel durchgängig. Hier zeigte «oh
eine unvollständige Obiiteration durch einen in Organi-
sation begriffenen Thrombus. Die Milz war enorm gross,
7 Ctmtr. lang, 6 breit , 2 dick ; ihre Consistenz war ver-
mehrt. Auf der Magenschleimhaut sassen 225 Ekchy-
mosen. Die Nieren waren 4 Ctmtr. laug und 2 Ctnitr.
breit, stark ikterisch, mit kleinen Ekchymosen im Paren-
chym und an der Oberfläche. An den Lungen nur einige
subpleuralc Ekchymosen. Im Herzbeutel etwas blatigf,
Flüssigkeit. In der Scheidewand der Herzventrikel eia !
Blaterguss wie ein hämorrhagischer Infarkt. Das Fora*
men ovale war offen , der Ductus Botalli durchgängig. ^
Die genau beschriebene mikroskopUche üntenmchung der
Leber ergab alle Kennzeichen der Lebercirrhose mit Ent-
zündung der kleinen Gallen kanälehen und Retention der
Galle in den letzten Gallengangsverzweignngen und itj
den Leberzellen , deren einige zu atrophiren begannen« j
In den Lungen wies das Mikroskop eine Verdickung dar!
Alveolenwandnngen , der Tunica externa der kleinen G^
fasse n. der Bronchiolen nach. Auch in der Milz erschien
das Bindegewebe verdickt. Das Knochenmark des Hn*
mems erschien normal. An keiner SteÜe des Körpei*
fanden sich Mikrokokken oder Bakterien.
In Bezug auf die FamUienverhäUnisse erwähnt yf.«j
dass der Vater von sehr kräftiger Gestalt ist nnd k^i^jl
verdächtige Narbe aufweist, aber spirituöse Getränk4
besonders Absinth, liebt. Die Mutter war nie sypbiiM
tisch , hatte nie eine Fehlgeburt. Sie leidet seit ihrer
ersten Schwangerschaft an hämorrhagischen Emptionet
(Erythema nodosum). Als junges Mädchen litt sie oft »■
heftigem Nasenbluten. Ihr erstes Kind, ein Knabe, leid»
seit seinem 4. J. an Purpura. Er hat eine soorbntisch»
Affektion des Zahnfleisches durohgemaeht. DerBegtnf'
der Krankheit flel mit dem Aufenthalt der Familie m
einer sehr feuchten Wohnung zusammen , welcher 1 JäW
hindurch dauerte. — Das zweite Kind, ein Mädchen,
wurde mit Ikterus geboren , der auoh die ConJnncÖw
befiel und 6 Wochen dauerte. Es Utt in den ersten 3 •'•
VI. Chirurgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
55
fleimnab an Eklampsie. Es war 1 J. alt, als die Familie
jeM feoehte Wohnimg bezog. Im Alter yon 17 Monaten
tat Seorbat auf. Häufig Purpura. Nachher Erholung. —
Du dritte Kind, ein Madchen, zeigte den Ikterus erst am
3. Tage naeh der Geburt ; er verschwand bereits binnen
5 Ta^n. Es hat nie an Hämorrhagien gelitten , ist aber
m Alter yoo 18 Mon. einer Capillarbronchitis erlegen. —
Du vierte Kind war ein todtgeborener Knabe ; er soll
dnreb Nabelsehnummschlingung einige Tage vor Eintritt
der Gebart abgestorben sebi. — Das fünfte Kind ist da«
m Vf. genau beobachtete, lieber den Verlauf der
3.8eliwaogeT8chaft ist nur zu erwähnen, dass die Mutter
iftrehd derselben heftige Auflegungen durchzumachen
talle, da der Vater, wenn er getrunken hatte, sie zu
fdtea drohte. Die Geburt selbst war vollkommen normal
tu Statten gegangen , ebenso Wochenbett n. Laktation.
In der Epikrise weist Vf. zuerst mit scharfer
Eiitik 2 Hypothesen von der Hand , nämlich Paer-
penlinfektion und Syphilis , und fahrt sodann aus,
h» man nach den im Leben beobachteten Erschei-
Bongen die AfPektion zu der Krankheitsgruppe rech-
MD musste y welche Buhl und H e c k e r als akute
Fetteoiartong der Neugeborenen beschrieben haben.
Trots Debereinsümmung der Symptome ergab je-
doch die Sektion keine akute Fettentartung ; über-
haupt häU Vf. diesen Namen fttr nicht gut gewählt
und möchte ihn durch „Buhrsche Krankheit" er-
setzt wissen. Fflr seinen Fall hält Vf. die Leber-
cirrhose für primär, und fttr die Ursache des Ikterus,
während er die hämoiThagische Diathese für se-
kundär ansieht, als Folge der Resorption der Galle.
Ob die Milzhypertrophie von der Lebercirrhose ab-
hängt oder selbst ein Symptom der Dyskrasie ist,
wagt er nicht zu entscheiden. Als Ursache der
Leberaffektion nimmt Vf. eine Störung während der
Schwangerschaft an, da sicher die interatitielle
Pneumonie von altem Datum war. Es muss daher
ein krankmachender Einfluss bereits wälirend des
intrauterinen Lebens eingewirkt haben, und diesen
erblickt Vf. in den wiederholten Angstzuständen und
Aufiregungen der Schwängern, die selbst an Ery-
thema nodosum litt. [Ob nicht der Alkoholismus des
Vaters die Ursache der Lebercirrhose sein könnte,
übergeht Vf. trotz seiner vorti*efflichen Schilderung
mit absolutem Schweigen.] (K o r m a n n.)
VI. Chirurgie, Ophthaimologie u. Otiatrilc.
329. fieiträge zur Lehre von der Spina
ttflda und den Sacraltumoren ; nach neuem
Cttfadlangen zusammengestellt von Dr. Ernst
Schill in Dresden.
Eine ausführliche Abhandlung über das Wesen
ttd Behandlung der Spina bifida ist von Dr.
i. Hofmokl (Wien. med. Jahrbb. IV. p. 443.
1878) veröffentlicht worden.
Nach Definition des Begriffs sucht H.aus der Ent-
viekhuigsgeschichte die Entstehung der Spina bifida zu
eikliien. Dieselbe mnss nach den übereinstimmenden
Amhmenvon Treu, Morgagni, Cruvcilhier
Lfianke, dabeiden Wirbeltlüeren amEndeder 9.W.
faEfiekenmark schon bis zu dem untern Sacralwirbel
bibreicht n. dasWachsthnm der Wirbelsäule später
eben Vorsprang vor dem Rückenmarke, welches im
iMon. sich schon konisch zur Caudaequina verjüngt
K gewinnt, in eine sehr frühe Periode embryonaler
äitwieklnng fallen , in den Fällen , wo das Rücken-
mark selbst an der Geschwulstbildung theilnimmt.
Als das bedingende Moment der Spina bifida nahmen
Rokitansky Wassersucht des fötalen Rückenmark-
bnals, Virehow nnd Gerhard ein Hygrom der
I)va-mater, Morgagni, Cruveilhier und
Kioke Verwachsung des Rückenmarks mit der äus-
ttniHaat(vgl.S. 57) an. Nach H.'s Ansicht erklären
>ile genannten Autoren nur bestimmte Arten der Spina
^a, so Rokitansky nur die höchst seltenen
Me, wo das mit seinen Häuten gedehnte Rücken-
■nk den Sack der Spina bifida bildet, Virehow
IV die reine Hydromeningoeele , Ranke dagegen
^eaelbe nicht genügend.
H. glaubt, dass die Hemmungsbildung in der
btwickiung des knöchernen Skeletts das primäre
^boient fftr die Entstehung der Spina bifida abgiebt
^ die Verwachming des Rückenmarks erst sekun-
där in Betracht kommt. Er findet eine Stütze seiner
Ansicht in der Analogie ähnlicher Hemmungsbildun-
gen am Kopfe und an der Wirbelsäule, in der
meist vorkommenden Combination der Spina bifida
mit Hydrocephalie , Uranoschisma , Klumpfuss etc.,
dem Fehlen eines oder mehrerer Wirbelbögen oder
eines Theils eines Wirbelkörpers oder einer Vergrösse-
rung eines Intervertebralloches. In Bezug auf die
Verwachsung des Rückenmarks mit der Sackwand
der Spina bifida nimmt H. an , dass in den Fällen,
wo man nach der Geburt eine narbige Stelle auf der
Sackwand findet, der Sack in Folge des hohen in
ihm herrschenden Druckes berstet, dass das zarte
Rückenmark prolabirt, fest wächst u. nun von Neuem
eine Füllung des Sackes mit Cerebrospinalflüssigkeit
eintiitt. Erscheint hingegen die Sackhaut bei der
Geburt ohne Narbe, so glaubt H. , schon in den
mechanischen Druckverhältnissen im Sacke von Sei-
ten der Cerebrospinalflüssigkeit einen genügenden
Erklärungsgrnnd zu finden. Das in früher Embryonal-
periode platte Rückenmark wird, wenn iu dem Sacke,
der sich nur nach einer Seite ausdehnen kann , stär-
kerer Flüssigkeitsdruck herrscht , mit seinen Hüllen
an die Sackwand angepresst , wo es eine feste Ver-
bindung eingeht, ein Vorgang, den H. experimentell
in sinnreicher Weise nachgeahmt hat. Die einmal
eingetretene Verwachsung ist ein wirksames Hinder-
niss für den von der Natur angestrebten Wiederver-
Bclduss des Wirbelkanals. Später auftretende Ner-
venstörungen sind specieli auf abnorme Entwicklungs-
vorgänge des Rückenmarks zu beziehen.
Die oft bald nach der Geburt des Kindes am
Sacke der Spina bifida beobachtete Maceration,
Berstung und theilweise Gangrän der Sackwand
ist meist blose Folgeerscheinung des Drackes wäh-
rend der Geburt.
56
VI. Ghinirgie, Ophthalmologie n. Otiatrik«
Die Communikation der äUBsern Geschwulst mit
dem Rückenmarkskanal diagnosticirt man aus der
Verkleinerung beiDi'Uck auf denSaek^ gleichzeitiger
stärkerer Spannung der grossen Kopffontanelle^ eine
Erscheinung, die man durch Tieferlagem des kind-
lichen Kopfes allein schon hervorrufen kann, und
zuweilen Convulsionen und Schmerz bei Druck. Bei
engem und klappenförmigem Verschluss fehlen oft
alle Dmcksymptome. Die Betheiligung des Rflcken-
marks wird bewiesen durch direktes Durchfühlen
eines Stranges , durch narbig veränderte Hantstellen
und eine Einziehung an einer Stelle derselben nach
der Wirbelsäule hin.
Zur Sicherung der Diagnose ist am ersten eine
Probepunktion mittels Prava^ 'scher Spritze, vorsichtig
ausgeführt, zu empfehlen, wobei jedoch nureinTheil
des flüssigen Inhalts der Geschwulst entleert werden
darf. Sie führt bei reiner Hydromeningocele und
breiter bandförmiger Anheftung des Rückenmarks
an den Sack zu keinem Resultate. Für letztere
sprechen die oft vorkommenden Lähmungen der
Blase und des Mastdarms.
Eine Verwechslung der Spina bifida ist mit Lipo-
men, Teratomen und Coccygealgeschwülsten mög-
lich. Da man Lipome häufig über einer kleinen,
mit dem Wirbelkanal communicirenden Spina bifida
findet , so wird man bei der Existenz einer solchen
sich dieser Möglichkeit stets bewusst bleiben müssen
und, falls ein rasches Wachsen der Geschwulst ein-
tritt, darin eine Bestätigung jener Complikation fin-
den. Das sehr selten vorkommende Teratom unter-
scheidet sich von der Spina bifida durch die meist
unregelmässigere Gestalt, durch seine Grösse und
eine ungleichmässige Consistenz des Inhalts. Die
Tumores coccygei haben ihren Sitz in der Gegend
des Steissbeins und sind hierdurch leicht von der
Spina bifida zu unterscheiden. Sie sind theils wahre
Neubildungen : Sarkome, Fibrome, Carcinome, und
zeichnen sich dann durch tiefe Lage und derbe
Consistenz aus, theils zusammengesetzte Cysten-
gesch Wülste.
Bezüglich der Prognose und Therapie entwickelt
H. Folgendes.
Eine mit dem Wirbelkanal communicirende und
das Rückenmark in sich einschliessende Spina bifida
wächst in der Regel rasch, berstet schlüsslich, wobei
durch das plötzliche Entweichen des Liquor cerebro-
spinalis unter Sopor und Convulsionen der Tod ein-
treten kann. Ist die Rissstelle klein , die Communi-
kationsstelle zwischen Wirbelkanal und Geschwulst
eng oder klappenartig verschlossen, so kann sich die
RisBstelle schliessen und der Sack von Neuem füllen,
wenn nicht eine eitrige Entzündung des Sackes den
Tod des Kindes herbeiführt. Communicirt die Ge-
schwulst nicht mit der Rückenmarkshöhle, so hat sie
keine Tendenz zum Wachsen und ist für chirurgische
Eingriflfe günstig. Ninmit das Rückenmark an der
Bildung der Spina bifida Theil , so sind alle Metho-
den , welche eine Verödung des Sackes durch Eite-
rung bezwecken , wegen der Gefahr der fortschrei-
tenden Entzündung zu verwerfen und nur geeignet:
1) die einfache Compression ohne Punktion nach
Cooper und Heister, 2) Punktion mit Explch
rativtrokar und leichte Compression der nicht völlig
entleerten Geschwulst, 3) Bestreic/ien der GesdiwvM
mit Collodium , wodurch B ehrend eine Heilung
erzielt haben will. Alle drei Methoden sind auch
bei weiter Communikation der Geschwulst mit der
Rückgratshöhle zu empfehlen. Sie werden jedoch
nach H. an Wirksamkeit bei Weitem von einer 4.
von Morton angegebenen übertrolfen, welche io
Injektion einer Jodglycerinlösung besteht [dts
Nähere über diese Methode s. unten]. In keineiii
Falle trat bei derselben Paralyse auf. Die gegen-
wärtig weniger geübten Methoden der Ligatur mit
oder ohne nachfolgende Exdsion des Sackes (Da-
bois, Paget, Erichson), die vollständige Ex-
stirpation des Sackes mit Naht (Dubonrg, Ta-
V i g n 0 1) und die Anlegung von Haarseil und Fort'
tanellen {EoffmKnUy Richter, Desault) wer-
den, weil sehr eingreifend , nur für diejenigen FÜle,
in denen sich kein Rückenmark im Sacke befinde^
von H. für zulässig gehalten.
Im Anhange giebt H. 5 Krankengesehichten,
von denen 4 Spina bifida und 1 einen Tumor coocy-
geus betreffen.
1) Ein 4 Monate alter Knabe, gut genährt, hat
eine citronengrosse , deutlich fluktoirende, massig ge-
spiinnte Geschwalst in der Sacralgegend , über welcher
die etwas geröthete Haut inmitten einer kleinen Narbe
eine Perforationsöffnnng besass , ans welcher sich zuwei-
len seröse Flüssigkeit entleerte, besonders wenn das Kind
schrie. Als sich der Inhalt aUmälig entleert hatte, stari»
das Kind anter Convulsionen. Die Sektion ergab eine
Verwachsung des Bückenmarks, das sich während des
Lebens nicht hatte fühlen lassen , mit der narbigen Haut-
stelle. Ausserdem bestand noch Hydrocepluilus und Am-
Weitung des ganzen Wirbelkanals.
2) 14 Mon. alter, schlecht genährter Knabe mit bii
zn Kindskopfgrösse herangewaclisener , prall gespannter,
durchscheinender, flaktnirender , nicht sehmershafter
Spina bifida Inmbosacralis. Daneben Hydroeephalos,
Prolapsus ani und Verwachsung des Penis mit dem Scro-
tum. Probepunktion; 13 Tage nach derselben Boptor
des Sackes spontan und Tod des Kindes unter Convulsio-
nen. — Die Sektion ergab einen dreieckigen Defekt in
Kreuzbein, Ausstülpung der Dnra-mater und Arachnoidea
in den Sack, auf dessen höchster Stelle das aus derRüek-
gratshohle herabgezogene Rückenmark sammt den Sacral-
nerven verwachsen ist. Die Rnckgratshohle bis tax
Dicke eines kleinen Fingers erweitert.
3) Eintägiges, gut entwickeltes Kind mit citroaen-
grosser , dünner, durch Ruptur während der Geburt ihres
Inhalts entleerter Geschwulst zwischen Kreuzbein nnd
Lendenwirbelsäule. Nervenstränge nicht zu fahlen.
Ueber dem Kreuzbein eine 1 V2 Ctmtr. lange , durch eine
elastische Membran geschlossene Spalte deutlich fühlbar.
Ausserdem bestand Prolapsus vaginae, Desconsus uteri
undKlumpfuss doppelseitig. — Nach Spaltung des Sackes
zeigte sich derselbe von den Rückenmarkshäuten ausge-
kleidet, das Rückenmark trat 8trangf5rmig zwischen letz-
tem Lenden- und erstem Kreuzbeinwirbel hervor und war
in die hintere Sackwand eingewachsen. Der Rücken-
markskanal durch eine Membran geschlossen. Nach Ab-
tragung der halb gangränesoirenden dünnen Stellen des
Sackes mit Schonung des Rückenmarks wurde die Wonne
mit Chlorzink und Carbollosung gereinigt , durch 6 Snta-
ren geschlossen und ein Druckverband angelegt. An
VI. Chirurgie, Ophthalmologie n. Otlatrik.
57
1 Tige Tod unter KrSmpfen. Die Sektion ergab all-
Bäfiges Entweichen der Cerebrospinalflüssigkeit darch
eiie klappenfonnige Spalte des Wirbelkanals.
4) Nengebomer Knabe mit orangengrosser , flaktai-
mder, mlssig gespannter, mit normaler Haat bedeckter,
taf Driiek die Fontanelle stärker spannender Geschwulst
in der Kreuzbeinlendengegend , in welcher kein Strang
eomtatirt werden konnte. Am 3. Tage spontane Ruptur
und Tod miter Conynlsionen. Sektion unterblieb.
5) Tumor coceygeus. 11 J. alter Knabe mit unter-
Ub des Kreuzbeins sitzender , durchseheinender , flnk-
trirtnder Geschwulst, auf deren Rückseite, in perpendi-
tahrer Richtung zum Kreuzbein , das Steissbein lag.
ittloAnmg zu einem queren Schlitz verzogen. — Nach
(iier Punktion, welche eine viel Eiweiss u. etwas Gallen-
Mstoflr enthaltende Flüssigkeit entleerte (im Ganzen
140 Gruun.) , bemerkte man noch 2 wallnnssgrosse und
nelrere kleine pralle Geschwülste in der Nähe der After-
SAiDDg and der Sitzknorren , die bis zu dem 2 Mon. spä-
ter u Magendarmkatarrh erfolgenden Tode an Grosse
{nshmen. — Die Sektion ergab am untern Ende des
Ereubeins, mit diesem durch einen Strang verbunden,
che Cystengeschwulst , welche durch eine halbmondfSr-
aige, V4 Zoll hohe Leiste in 2 seitliche Hälften getheilt
var, die durch ein weites Loch commnnicirten. Die
WiDd des Sacks, welcher innen mit einer dünnen glatten
lembran ohne nachweisbaren Epithelüberzng ausgeklei-
det war, bildete eine sehr resistente Membran , die in das
Periost der Innenfläche des E^reuzbeins und in dicRücken-
teie überging. In die hintere Wand der Cyste ekige-
Mtet fanden sieh 3 bohnengrosse Cysten , welche durch
äe hanfkomgrosse Oeffidung mit der Hanptcyste com-
noieirten und mit ihr gleichen Inhalt und gleiche Be-
aebffenheit der Wandungen hatten.
Prof. H. Ranke (Jahrb. f. Kinderheilk. XII. 1
L 2. p. 116. 1877) sah in seiner Poliklinik in
nseher Folge 5 Fälle von Spina bifida , von denen
es in 4 zur Sektion kam. Sämmtliche Fälle betrafen
fo Wirbelsäule , keiner war darch Hydrocephaliis
oder Hydrorrhachis interna complicirt. In 2 Fällen
(Fall 2 und 3) fanden sich Klumpftlsse (Pes varo-
eqoinns); in einem von ihnen war ausserdem die
Bew^Hchkeit der untern Extremitäten etwas be-
Khiänkt. In Fall 3 und 5 war der Sphineter ani
Sdihmt und die Analschleimhaut zapfenförmig vor-
gewölbt. In 3 Fällen (Nr. 1, 2 u. 3) bestand die
Decke des Spinasackes aus Cutis vera^ die bei Nr. 1
kommen erhalten^ bei Nr. 2 u. 3 theil weise ein-
Serissen and brandig war. Bei dem noch lebenden,
^ W. alten , gesunden Kinde (Nr. 5) findet sich auf
fcr Höhe des ans normaler Haut bestehenden Sackes
OBe 1 : 2 Ctmtr. grosse, rothe, grannlirende Fläche.
^ Grösse des Sacks variirte von Taubenei- bis
Onuigengrösse (Nr. 3). In Nr. 4 fand sich kein
^, sondern in der obern Kreuzbein- und untern
Uideogegend eine 4 Ctmtr. lange, 2 Ctmtr. breite,
TOD der Catis entblösste, rothe, fascienähnliche und
S^unlirende Membran : die Dura-mater spinalis. In
^ Defekt der Wirbelbögen konnte man bequem
& Zeigefingerspitze einlegen.
Klinisches Interesse bietet nur Fall Nr. 1.
£m 4 Woehen altes , sonst kraftiges und wohlgebil-
j^Kind zeigte in der Krenzbeingegend eine seit der
^ort allmälig an Grösse zunehmende Geschwulst , die
Hb lormaler , aber etwas verdünnter Haut bedeckt war.
^Dniek Uess sieh eine deutliche Resistenzvermehrung
^ groflsen Fontanelle constatiren. In der 5. Woche
M. Jzhrbb. Bd. 191. Hft. 1.
entleerte R. mit der /Vovoz'schen Spritze 25 Cctmtr.
wasserhelle Flüssigkeit, die nach chemischer Analyse
0.061% Eiweiss und Im Ganzen nur 1.06% feste Bestand-
theile mit 82.17% Asche enthielt*). Der fast entleerte
Sack sank zusammen, hob sich aber bei Jeder Exspiration
etwas und füllte sich bei heftigem Schreien ziemlich an.
Nachdem noch 3mal die Punktion des sich immer wieder
füllenden Sackes wiederholt worden war , wobei sich zu-
letzt eine von Eiter milchig getrübte Flüssigkeit entleerte,
starb das Kind, nachdem es 2 Std. vor dem Tode in Con-
vulsionen verfaUen war, am 45. T. naeh der ersten Punk-
tion. Zwischen den einzelnen Punktionen lagen 5, 16 und
19 Tage. Als bemerkenswerthe physiologische Erschei-
nung beobachtete R. , dass nach jeder Abzapfung das
sonst sehr unruhige Kind die Nacht in tiefem festen
Schlafe verbrachte.
Nr. 2 betraf einen 8 Tage alten , durch Darmkatarrh
heruntergekommenen Knaben, der am Tage der klin.
Vorstellung starb , Nr. 3 ein 3 Tage altes Mädchen , wel-
ches, nachdem der Sack geborsten und brandig geworden
war , am 16. Tage starb , Nr. 4 einen 4 Tage alten , 6
Tage nach der Vorstellung unter Krämpfen gestorbenen
Knaben.
Die Sektion ergab Folgendes. In aUen 3 FäUen
(Kr. 1 — 3) ist der Sack von normaler Haut überzogen ;
das mit der Sackwand innig verwachsene Rückenmark
reicht bis zu den untern Sacralwirbeln herab, ist also auf-
fallend verlängert, besonders in Nr. 3.
Das Uebereinstimmen dieses Befundes mit dem
Verhalten des Rückenmarks in den beiden ersten
Monaten des fötalen Lebens, in denen es bis zu den
untern Sacralwirbeln berabreicht, während späterbin
die Wirbelsäule rascher wächst als das Rückenmark,
folgei*t R., dass die Bildung der Spina bifida in
die ersten Monate der fötalen Entwicklung fallen
mu88.
Das Rückenmark wird an dieser tiefsten Stelle
durch Verwachsung festgehalten. Hierdurch wird
bedingt , dass die Wurzeln der Sacral- und Lenden-
nerven zu ihren Intervetebralöffhungen nicht wie nor-
mal nach abwärts , sondern nach aufwärts steigen
müssen.
Das Wesentliche der Spina bifida findet R. in der
Verwachsung des Rückenmarks und seiner Häute mit
der äussern Haut. Diese Verwachsung kann nur in
die früheste Zeit des Fötallebens fallen , in welcher
die Bogen der Lenden- und Sacralwirbel noch nicht
gebildet und so Rückenmarkshäute und äussere Haut
noch nicht von einander getrennt sind. Nach er-
folgter Verwachsung wird die Sackbildung durch
den Druck der Gerebrospinalflüssigkeit vollzogen.
Durch die zunehmende Ausdehnung des Sackes wer-
den die in ihm gelegenen Nervenwurzeln gedehnt
und verlängert und hierdurch Funktionsstörungen
im Innervationsgebiet dieser Nerven bedingt. Der
Nichtverschluss der Lenden- und Sacralwirbel'
Säule ist lediglich Folge der Verwachsung zwi-
schen Rückenmark und äusserer Haut.
0 Es bildet diese Analyse eine werthvolle Bereiche-
rung der Literatur, da ausserdem nur von Schmidt in
Dorpat und Hoppe-Seylor genaue Analysen existiren.
Die Behauptung des Erstem , dass in der Gerebrospinal-
flüssigkeit die Kalisalze überwiegen , steht im Gegensatz
zu dem Befunde in diesem Falle, in dem GVzinal mehr
Na als K in der Asche vorhanden war.
8
58
VI. Chimrgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
^
R. findet sich mit seiner Anscliannng vollkommen
in Uebereinstimmung mit Crnveilhier, welcher
(wie Vf. nachweist) von Virchow missverstanden
worden ist, der erstem die Spina bifida auf den mangel-
haften Schluss der Wirbelsäule, auf Adhärenzen des
Fötus mit seinen Eihäuten zurückführen lässt, was er
(Virchow) nur fdr die hohem Grade, insbesondere
für Spinabifida mit partieller Adermie u. mit allgemei-
ner oder partieller Amyelie, nicht aber fttr die Fälle,
in denen die Haut unverletzt ist, anerkennt, während
doch Cruveilhier von einer Verwachsung des
Rückenmarks und seiner Häute mit der äussern Haut
spiicht. Diese Ansicht Cruveilhier 's fand R.
weder in einem französischen , noch in einem deut-
schen Werke über Spina bifida erwähnt , mit Aus-
nahme von N a 1 0 r p 's Dissei'tation : De Spina bifida.
Berlin 1838.
Für die nicht ganz seltenen Fälle, in denen der
Sack der Spina bifida an seiner Oberfläche nur theil-
weise von normaler Haut bedeckt ist und an seiner
grössten Convexität eine mehr membranöse Beschaf-
fenheit zeigt , nimmt R. dieselbe Genese an , jedoch
noch das Hinzutreten einer sekundären Adhäsion
oder Agglutination mit den Eihäuten, bedingt durch
die Prominenz des Sackes.
Ein chirurgisches Eingreifen ist nach R.'s An-
sicht nur indicirt bei den reinen Hydromeningocelen
ohne Betheiligung des Rückenmarks. Die sich am
Sack der Spina bifida, bei Insertion des Rückenmarks
innerhalb desselben oft vorfindende trichterförmige
Vertiefung, darf diagnostisch nicht dahin verwerthet
werden , dass man bei ihrem Fehlen auf eine Nicht-
betheiligung des Rückenmarks schliesse. In 3 von
R.'s Fällen war sie trotz inniger Verwachsung des
Rückenmarks mit den Wandungen des Sackes nicht
vorhanden.
Schlüsslich giebtR. noch folgende literarische Notizen
über Spina bifida.
Dieselbe wird zum 1. Male 1641 anter dem Namen
Spina bifida von dem Hollander Tulpius in seinem
Werke: Observationammedicornm libri quataor beschrie-
ben und abgebildet. T. hatte schon Rückenmarksnerven
im Sacke constatirt, und zwar in 6 Fällen, von denen er
3 in seinem 29. u. 30. Capitel beschreibt. Den genaaem
Zusammenhang zwischen Verwachsnng des Rückenmarks
und Nervenausbreitung in den Sackwandungen kannte er
jedoch nich£. Als Ursachen der Spina bifida nennt er
Versehen der Schwängern und Verweigerung eines ihrer
Wünsche, sowie mechanische Einflüsse auf dieselben. —
Joh. Fried r. Meckel macht in seinem Handbuch d.
pathol. Anat. (Leipzig 1812) auf ein Moment aufmerksam,
welches auf die Entstehung der Spina bifida pradisponi-
rend wirkt : die geringere Tendenz der Lendenwirbel zur
Vereinigung beider seitlichen Körperhälften, welche sich
in der Spaltung ihrer Dornfortsätze und der grossem
Breite und Länge der Querfortsätze ausprägt, sowie das
lange Offenbleiben des obern TheUs des Os sacrum, des-
sen untere Hälfte sich nie schliesst.
Dr. Odorico Moretti (Riv. clin. 2. 8er. X.
Agosto 1880) giebt als Einleitung zur Mittheilung
eines von ihm beobachteten in mehrfacher Hinsicht
bemerkenswerthen Falles eine Uebersicht einer An-
zalil von Hypothesen, welche in Bezug auf die Genese
der Spina bifida aufgestellt worden sind. Wir ent-
nehmen derselben als Ergänzung der schon gegebe-
nen Notizen Folgendes.
Die Araber nahmen als Grund der Spina bifida eine
Zerstörung derWirbelkorper und deren Dornfortsätze an.
Morgagni hielt sie für abhängig von einer zu grossen
Meuge Flüssigkeit im Spioalkanal, welche am Proc. spin.
der Wirbel, da, wo durch Muskeln und Sehnen der ge-
ringste Widerstand geleistet wird, eine Spalte und durch
diese hindurch eine Hernie der Rückenmarkshäate be-
dingt. Andere, wie Heuermann u. Bossieri, glaub-
ten eine übermässige Krümmung des Rückenwirbelkanala
in Folge fehlerhafter Kindeslage im Uterus annehmen zu
müssen. Tommasini und Itard nehmen eine Ent-
zündung der Rückenmarkshäute an, während Förster
den Grund der Spina bifida in einer Faltenbildung des
Amnion erblickt, das sich in den noch offenen Wirbel-
kanal hineinlegt und den Verschluss des Medullär- und
Yertebralrohres verhindert. P o i n c a r e lässt eine über-
mässige Produktion von Liquor cerebro-spinalis coincidiren
oder vielmehr sich verbinden mit einem Stillstand in der
Entwicklung des Craninm oder der Spina. Niemeyer
schliesst sich der Ansicht an, dass die Ansammlung von
Serum den vollkommenen Verschluss des WirbelkanalB
verhindere. Holmes, Palasoiano und Ericbsen
denken sich die Hydrorrhachis entstanden durch eine
mangelhafte Verknöcherung der Wirbelkörper und der
Domfortsätze. Nach L o r 1 n s e r endlich ist es eine man-
gelhafte Vereinigung der seitlichen Hälften der Wirbel-
säule, wodurch die Spina bifida hervorgemfen wird.
M. beobachtete in seiner Praxis 3 Fälle von
Hydrorrhachis. In zweien derselben, deren Träger
noch nicbt 2Mon. alt waren^ befand sich der Wirbel-
defekt in der Regio Inmbo-dorsalis. Der Tumor
war verschieden gross und gestaltet, darchscheioeDd
und von einer zarten röthlicben Haut bedeckt. Diese
hatte in einem der beiden Fälle Excoriationen und
Granulationen. Es kam binnen Kurzem zu einer Per-
foration und in Folge derselben trat unter eklampti-
schen Erscheinungen der Tod ein. In einem der
beiden Fälle wurde eine leichte Parese der nntem
Extremitäten, im andern klonische Contraktnr beob-
achtet. Der 3. Fall verdient sowohl wegen des
Alters , welches das mit der Spina bifida behaftete
Individuum erreichte , als wegen der den Bildnogs-
fehler complicirenden Störungen eine besondere Er-
wähnung.
Ein 7 Jahre altes Mädchen war mit einem tanbenei-
grossen Tumor in der Hohe des 1. Lendenwirbels geborea
worden, welcher sich mit zunehmendem Alter allniSlitf
vergrosserte. Das aufgeweckte intelligente Kind befaQ^l
sich wohl und entwickelte sich gut. Vom 3. Jahre »b
begannen Jedoch Störungen in der motorischen, trophi-
schen und sensitiven Sphäre. Zuerst und am dentlichBten
an dem rechten, später auch an dem linken Beine zeigte
sich, dass die Bewegungen nur mit Schwierigkeit aui^
geführt werden konnten und allmälig wurde dieselbe so
gross, dass die Kleine nur auf allen Vieren umherkrocb.
Die Sensibilität nahm besonders am linken Beine ab nnd
der rechte Fuss blieb in seiner Entwicklung so bedentend
zurück, dass der Vater, ein Schuster, dem Kinde »^^
verschiedene Schuhe machen musste. In der Folge hörte
von Seiten des rechten Beins jede Bewegung auf und der
Fuss nahm eine immer fehlerhaftere Stellung ein. Oegefl
das 6. Jahr hin erschienen an dem linken Beine beiDrncK
auf den Malleolus extemus und auf den Fnssrficken ^^y
Gruben und später tiefe auf der Fusssohle.
Drei Monate vor dem Tode erschien das Kind voü
gracilem Bau, oligämisch, mit blondem Haar und lf'^!J*°
Augen, von einer angenehmen Physiognomie, ungewönn- 1
lieber Intelligenz nnd guter Ernährung. Das Skclet wsr |
VI. Chirurgie, Ophthalmologie a. Otiatrik.
59
gut eotirickeli , die Maskulatnr schwach. Am Rücken,
ja der Höhe des leisten Lendenwirbels, erhob sich eine
randliche Gescbwaist, welche sich nach dem Kreuzbein
und der seitlichen Partie der Spina hinsenkte. Ihr Längs-
durehmesser betrug 10, ihr Qnerdurchmesser 11, ihre
Höhe in der Mitte 4 Centimeter. Die bedeckende Haut
wir normal ; nur am obem Rande der Geschwulst zeif^te
lieh ebe geringe Einziehung derselben. Der Tumor fluk-
toirte und verkleinerte sich bei Druck ; er zeigte eine
daitliche mit der Systole des Herzens synchronische Pul-
sition, war selbst bei starkem Druck schmerzlos und
■ feringem Grade transparent. Es bestand jedoch Ge-
üUb- und Bewegnngsparese der untern Extremitäten, die
iälSflilich in Panipiegie überging, femer Parese der
Blase nnd des Rectum, sowie Pes varo-equinus nebst be-
devteoden trophischen Störungen der genannten Glieder.
Das Kbd ging nach einer profusen Diarrhöe an Marasmus
R Gründe, lieber die Sektion ist nichts angegeben.
SchlQsslich führt M. noch einige andere Fälle
to, m denen Individuen mit Spina bifida ansnahms-
weue ein höheres Lebensalter erreichten. So er-
wihsi Warner einen Fall, in dem der Kr. das
20.Jahr erreichte, nnd Samuel Cooper einen
solchen, in dem die 19jähr. Kr. von Hntchinson
geheilt wurde. Granville sah ein 19jähr. Mäd-
chen, Lancisi ein 5jähr. Kind nnd Apinus ein
20jihr. Individanm mit Spina bifida.
Schreiber (Deutsche Ztschr. f. Chir. XI. 3
1. 4. p. 331. 1879) bespricht die Bydrorrhachü
iQcralia und die Cysiengeachwühte der Kreuzbein»
fifgend mit besonderer Berückdr.htigung der com-
Ifinirten pathologischen Gebilde dieser Gegend.
AU die am häufigsten vorkommende Qattung der
^enltamoren bezeichnet Lotzbeck (Die ange-
boroen Qeschwfllste der hintern Kreuzbeingegend.
Mflnehen 1858) die hohlen Fasergeschwtüste (Cystoi-
de), Mauthner dagegen die Hydrorrhachis cum
Spina bifida. Sie macht nach König ein Sechstel
aller Bildungsfehler aus und kam Chaussier unter
22293 Geburten 22mal vor. Von Cystenbildungen
loterBcheidet Lotzbeck 1) die reinen Cysten-
^hwfllste, aus einer oder mehreren, durch lockeres
Bindegewebe zusammengehaltenen Cysten bestehend,
^n. Cystenhygrome, deren Ausgangspunkt Kreuz-
oder Steissbein oder der Rand des grossen Httftbein-
awehnitts zu sein pflegt. Sie werden bis über
kopfgross, sind meist bimförmig und von glatter
Obeiflftche. Die äussere Umhüllung der Cysten ist,
vieMeckel und Heinecken zeigten, meist als
eine unmittelbare Fortsetzung der Dura-mater anzu-
sehen. 2) Die gemischten Cysten, am häufigsten
Cystoeirkome. 3) Die zusammengesetzten Cysten,
velehe in dem in die Cysten eingebetteten gefUss-
^tigen Fett- oder Bindegewebe noch Knorpel und
Knochen enthalten.
Hierher gehört der in Tübingen beobachtete Fall
^e8 6HoD. alten Mädchens, bei welchem sich in der
^ hintern Krenzbeinfläche aufsitzenden halbapfelgrossen
(^hwulflt, welche mit Erfolg exstirpirt wurde, einzelne
^ dichtes Fettgewebe mit eingelagerten Knorpel- und
^^^enstücken gebettete Cysten mit theils glaskorper-,
^^ meconiamähnlichem Inhalt befanden, sowie der
folgende von Sehr, beobachtete.
Em kräftiges und sonst wohlgebildetes, 1^4 J* altes
''^^CD, weiches mit einer hühnereigrosöen Geschwulst
in der Kreuzbeingegend zur Welt gekommen war, zeigte
bei der Vorstellung in der Kreuzbeingegend eine 2 Fäuste
grosse, 17 Ctmtr. breite u. 16 Ctmtr. lange, Geschwulst,
die an der rechten Seite sanft nach der Hinterbacke ab-
fiel, während sie links einen gegen die Hinterbacke wall-
artig vorspringenden Rimd trug. Die durch eine sagittale
seichte Furche in 2 gleiche Seitenhälften getheilte Ge-
schwulst zei<^te auf ihrer rechten nur leichte Vertiefungen
und Prominenzen, auf ihrer linken aber eine Reihe von
durch flache Furchen von einander getreunten erbsen- bis
tanbeneigrossen Höckern. Die bedeckende Haut war rechts
unverändert und verschieblich, links nnverschie blich und
elephantiastisch entartet, am Rande mit zahlreichen
Warzen, mit stellenweise reichlichem blonden Haarwuchs,
röthlich-brauner Pigmentfarbung und zahlreichen erwei-
terten Follikelmündungen. — Der Tumor war in Längs-
u. QuerricUtnng auf der knöchernen Unterlage verschieb-
lich ; es war jedoch nicht jeder Zusammenhang mit der-
selben mit Bestimmtheit auszuschliessen. In der rechten
Hälfte Hess sich ein oberer apfelgrosser und ein unterer
hnhnereigrosser Tumor unterscheiden ; ersterer war derb
und höckerig, letzterer, deutlich fluktulrend, schien aus
einer prall gefüllten, vielleicht multilocularen Cyste zu
bestehen. Die linke Hälfte der Geschwulst war durchaus
solid und fühlte sich fest, stellenweise elastisch an, die
Knoten waren beträchtlich härter als das zwischenliegende
Gewebe, einzelne gegen einander verschieblich. — £x-
stirpation des Tumors unter ChloroformuHrkose. Haut-
schnitt links in der Furche des Stiels, rechts über die
Höhe der Geschwulst. Ablösung der Geschwulst von
ihrer Basis,* wobei aus der Cyste eine gelbliche seröse
Flüssigkeit ausfloss , bis man durch einen breiten , fest
mit dem Kreuzbein verwachsenen Stiel behindert wurde.
Da auch sehr beträchtliche Blutung eintrat, wurde die
Operation nach Anlegung von 10 Ligaturen damit abge-
brochen, dass man den Stiel durchschnitt und so einen
Theil des Tumors sitzen Hess. Abends hohe Temperatur ;
am nächsten Morgen Somnolenz; Diarrhoe. Nachts :
Tod. Sektion nicht vorgenommen. — Die exstirpirte Ge-
schwulst bestand einestheils aus fibrösem Gewebe von
verschiedener Consistenz, in dem derbe Knoten in ein
weiches saftiges Bindego webe eingebettet waren, andem-
theils aus einer hühnereigrossen glattwandigen Cyste mit
zahlreichen vorspringenden Trabekeln an der sonst glat-
ten Innenfläche. Die Degeneration bestand in einem
elephantiastischen Processe.
Eine Uebergangsform von der zusammengesetz-
ten CystenbilduDg zur Intrafoetatio sacralis bildet
der folgende in der v. Br uns 'sehen Klinik beob-
achtete Fall.
Ein 4 Mon. altes, sonst gesundes und gut genährtes
Kind zeigte in der Sacralgegend eine prall fluktuirende
Geschwulst, welche, von Eigrösse bei der Geburt, all-
mälig bis zu Kind^kopfgrösse gewachsen war und bei der
Aufnahme von völlig normaler Haut überdeckt, das Ni-
veau der Wirbel um 6 Ctmtr. überragend , eine Länge
von 9Vs und eine Breite von 8 Ctmtr. hatte. Inüer obem
linken Partie war eine nach unten nicht abgrenzbare
Härte fühlbar. Druck auf die birnformige Geschwulst
verkleinerte dieselbe nicht und wurde gut ertragen. An
der Basis fühlte man eine Lücke in der Reihe der
Domfortsätze, deutlicher noch, nachdem durch Punktion
3 Unzen hellen Serums entleert worden waren. Keine
spinalen Symptome. — ExsUrpation: Nach einem Haut-
schnitt über die Länge der Geschwulst wurde dieselbe bis
zu ihrer Basis lospräparirt, wobei sieh zeigte, dass sie
aus einem thalerstückgrossen Defekt in der hintern knö-
chernen Bedeckung des untersten Theils der Lenden-
wirbelsäule hervortrat. Abbinden des Stiels mit einem
starken Catgutfaden und Abtragen der über ihm liegenden
Geschwulstpartie. Naht; Benzoeverband. Das Kind starb
in der folgenden Nacht. — Die an der Aussenfläche mit
dichtem Fett bedeckte Geschwulst enthielt links oben ein
60
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
rhombisches fCnochenstückcben mit Knorpel und Muskel-
ansätzen. Die innere glatt-fibröse Auskleidung zeigte
zahlreiche kleine Nerveostämmchen und mehrere Aus-
buchtungen. Quer durch die Geschwulst verlief ein kurzer
haibfingerdickerMuskelstrang, daneben ein dünnerer, der
von Fett umgeben war.
Noch mehr erinnert an eine Intrafoetatio sacralis
folgender Fall von Hydrorrhachis sacralis mit Cysten-
bildangy Diflbrmität des iBeckenskelets und eigen-
thümlichen Hautanhängen.
Ein ^/Jähr. Mädchen , dessen 3 ältere Geschwister
vollkommen normal gebaut waren, sonst gesund u. wohl-
genährt, zeigte auf der linken Seite über dem Kreuzbeine
und der Glutäalfalte seit der Geburt eine nach oben die
Höhe der Crista ilei überschreitende kindskopfgrosse,
halbkugelige Geschwulst von praller Consistenz, welche
in der Lendengegend deutlich, weniger nach abwärts be-
grenzbar und hier mit einem seitUchen Fortsatz versehen
war. Nach vom und unten von diesem auf der Hinter-
backe zeigte sich an einer Art von Stiel in einer grubigen
Vertiefung festsitzend ein dunkelrothes lappiges, gut
wallnnssgrosses Gebilde mit schleimhantähnlicher matt-
glänzender Oberfläche n. harter Consistenz, vor welchem
sich eine fingerhutgrosse, mit scharf vorspringenden Rän-
dern umgebene Hohle befand, deren Wand von uuregel-
mässigen Exkrescenzen gebildet wurde. Das Gebilde war
bei der Geburt noch nicht sichtbar, sondern erst seit
Ruptur einer dünnen Hautstelle. Aus der Höhlung ent-
leerte sieh spärliche, gelblich-serose Flüssigkeit mit zahl-
reichen EpithelzeUen. Vor der Höhlung ragfe eine nagel-
gliedgrosse , wie mit Luft gefüllt sich anfühlende Haut-
auftreibung hervor, daneben lag ein cylindrischer , aus
drei rosenkranzartig an einander gereihten Stücken be-
stehender, schlaff herabhängender Hautanhang. Die linke
untere Extremität war etwas verkürzt und atrophisch,
der linke Fuss in hochgradiger Eüumpfussstellung. Be-
wegungen im linken Hüftgelenk vollkommen frei. Druck
auf die Geschwulst nicht schmerzhaft. — Operation : Ab-
tragung des schleimhautartigen Tumor mit der galvano-
kaustischen Schlinge, wonach kleinere mehr helle Massen
vorfielen ; auf gleiche Weise Entfernung des schwanz-
artigen Anhangs an seiner Basis. Die Heilung verlief
günstig, nur eiterten die AbschnüruDgsstellen längere
Zeit. Der abgetragene Tumor bestand zum grossten
Theile aus weissem körnigen Fett mit bindegewebigen
Septis und dichtem Fasemetz mit elastischen Zügen ; auf
der Oberfiäche deutliche Papillen und zahlreiche einfache
schlauchförmige, mit Cylinderepithelzellen ausgekleidete
Drüsen. Auf der Mitte der kleinen Geschwulst fand sich
eine flstelartige Oeffnung , durch die eine Sonde in den
von starkem Bindegewebsmassen gebildeten Stiel vor-
drang. Die drei Auftreibungen des Hautanhangs waren
mit Fett gefüllt und von einem centralen Gefässstamm
durchzogen.
Sechs Monate später Operation des noch etwas ge-
wachsenen Haupttnmor unter Narkose ; 12 Otmtr. langer
sagittalel' Hautschnitt von der Ansatzstelle des schon ope-
rirten Tumor und durch eine 2 Finger dicke Fettschicht
hindurch bis auf einen prallgefüllten Tumor im obera
Wundwinkel, nach dessen Verletzung beim Präpariren
dünnseröse Flüssigkeit ausfloss ; der Stiel desselben wurde
mit dicker Catgutligatur umschnürt und dann abgetragen.
Unterhalb dieses Tumor fand sich ein zweiter, cystischer,
welcher vom Sitzbehaloch ausging. Er wurde mit dem
Scalpellsliel heranspräparirt, wobei mehrere Arterien un-
terbunden werden mussten. Drainage, Carbolverband.
Die grössere 43zstirpirte Masse, welche einen eigrossen
Hydrorrhachissack bildete, zeigte an der glatten Innen-
fläche wenige Nervenausbreitungen ; die kleinere bestand
aus 2 Cystenbuchten mit glasigem, gelblichem Inhalt und
. fibröser Wandung.
Das während der Operation collabirte Kind erholte
sieh unter Verabreichung von Wein und warmen Einhül-
lungen wieder, starb aber, nachdem Somnolenz nnd hef-
tiges Erbrechen eingetreten, nach heftiger Dyspnoe (80
Athemzüge). Bei der Sektion fand man in Brust- und
Bauchhöhle nichts Abnormes. Nach Lösung des den Stiel
umschnürenden Oatgutfadens drang eine Sonde von ihm
ans leieht durch eine abnorme Oeffnung in den Wirbel-
kanal ein. Nach Aussägen der Proc. spin. nebst an-
grenzenden Wirbelbogenstficken zeigte sich in der unten
Wirbelpartie eine seitliche Verschiebung des Kreuzbeins,
indem die hintere Crista nach rechts ausgeschweift und
dieKrenzbeinspitze nebst dem aus einem unregelmäsrigen
Knochenstückchen mit einer Knorpelspitze bestehenden
Steissbein um 2 Ctmtr. von der Medianlinie nach links
abgewichen war. Die Lendenmnsknlatnr und der M. gint.
maz. dexter waren normal ; der Glut. max. sin. entsprang
von einem von der Crista oss. iL aasgehenden nnd dnroh
eine Auswärtsbiegnng derselben entstandenen Knochen-
vorsprung, so dass eine breite, nicht von Mnskeln be-
deckte, nur von Bandmasse überzogene Fläche bestand,
auf der ausser vielem Fett die exstirpirten Geschwülste
sassen , deren obere durch einen im Stiel liegen-
den Kanal mit der Rnckgratshöhle communicirt hatte.
Unterhalb derselben verlief die stark entwickelte Art.
glut. sup. nach der untern Geschwulst hin ; der N. ischia-
dicus zeigte normalen Verlauf . Der von der hintern Partie
der Crista oss. ilei im rechten Winkel nach hinten aussen
unten abgehende, 4 Ctmtr. lange Fortsatz war, wie die
Crista oss. il. selbst grösstentheils knorpelig. Unter ihm
und parallel mit ihm durch straffes Ligament verbunden,
verlief ein gerade über die Pfanne vorspringender nnd an
seiner Basis vom eine knollige Auftreibnng zeigender,
5 Ctmtr. langer Knochenvorsprung, unter welchem der
starke N. glut. inf. zu den Glutäalmuskeln trat. IKe
linken Foramina sacr. anter. erschienen verkleinert, die
hintere Sacralwand bestand links ausser aus 2 nnregel-
massigen viereckigen Knochenplatten ans fibrösem Ge-
webe, ans welchem beim Fehlen der For. sacr. post. sin.
-gr die einzelnen Nervenfasern heraustraten.
^ Zu der im Vorstehenden beschriebenen schleimhaat-
X ähnlichen Geschwulst fand Sehr, nur ein Analogen in
' einem glansartigen Tumor von röthlich faserigem Gefnge
mit einer fistulösen, Eiter entleerenden Oeffnung in einem
' 51/2 Pfd. schweren, fast ganz aus Fett und einzehien
Cysten mit blonden Haaren bestehenden Tumor ooccyg.
eines 20jähr. Mädchens, beschrieben in der Marbarger
Inang.-Diss. von Emmerich.
Die Entstehung der Schleimhantgesdiwalst in
seinem Falle leitet Sehr, von dem Platzen einer
Cyste Hnd Hervortreten von deren Wandung auf
Ornnd der Anamnese ab. Während sich fOr die
Dislokation und theilweisen Defekte im Kreuz - and
Steissbein in der Literatur mehrfache Beispiele fin-
den und sehr viele fOr Klumpfuss und allgemeine
Atrophie der untern Extremitäten , findet sich kein
Analogon ffir die jedenfalls dui*ch den Druck der
Geschwulst bedingte Difformität am Darmbein. Die
Möglichkeit, die Hantanhänge als Intrafoetation zu
deuten, basirt Sehr, auf Fälle, in welchen sich die-
selbe nur durch einen Fetttumor mit einem hervor-
ragenden Finger in der Sacralgegend kund gab. —
Von den aufgestellten ätiologischen Momenten : Ten-
denz des untern Wirbelsäuienendes zu einer dem
Kopfende analogen Entwicklung (Meckel), Dys-
krasien und mechan. Momente im Uterinleben, Nei-
gung der Dura-mater zu fungusartiger Wucherung
(Ammon), Hydi'orrhachis, Neigung des gallert-
ähnlichen Unterhautzellgewebes zu serösen Ausschei-
dungen n. Extravasaten (Lotzbeck) — hält Sehr,
keines für allgemein zutreffend.
VI. Chirurgie, Ophthalmologie tt. Otiatrik.
61
POr die Diagnose der Hydrorrhaehis sprechen
nach Sehr., ausser der platten rundlichen oder läng-
lichen Form der Geschwulst , die Durchsichtigkeit
ood Finktuation, die Spinalsymptome (Incontinentia
minae), Lähmung u. Schwäche der untern Extrem!-
täten, Zunahme der Geschw. bei Schreien u. Drängen,
Convolsioiien, Somnolenz etc. bei stärkerem Druck.
Eine Grabe auf der Höhe der Geschwulst spricht
^ den Ansatz des Rttckenmarks an dieser Stelle ;
hü Fehlen der Spinalsymptome bei Druck schliesst
eine Hydrorrhaehis nicht aus. Ein wasserheller
hibalt einer fluktuirenden Geschwulst beweist eine
Hydrorrhaehis noch nicht sicher. Fflr eine im Sa-
endtumor enthaltene Hernie spricht Störung derVer-
daamig, Reponibilität , Gurren und tympanitischer
Schall. In complicirten Fällen ist die Geschwulst
einige Zeit genau zu beobachten, insbesondere deren
An- und Abschwellung bei Retention oder Entleerung
von Koth und Harn und Wirkung eines Druckes auf
dieselbe zu beachten , die Blase mit dem Katheter,
das Rectum mit dem Finger zu untei'suchen.
Die Prognose^ nach Bouchut lethal, ist stets
sehr ongünatig. Selten wird das 20. Jahr en'eicht.
Nach der Geburt pflegt die Geschwnlst zu wachsen,
der Tod nach Lähmungen, Incontinentia urinae, De-
eubitos etc. einzutreten. Cystome und Intrafoetatio
saendiB geben, bes. in operativer Hinsicht, bessere
Prognose als Hydrorrhaehis und Spina bifida.
In Bezug auf die Therapie spricht sich Sehr.
dahin ans, dass die von Cooper empfohlene Com-
presaion bei Hydrorrhaehis nur bei sehr kleinen ein-
fachen Geschwülsten zulässig ist, bei welchen die
wiederholte Punktion oder Acupressur oft gUnstig
wirkt. Die Punktion mit Jodinjektion hält er nur
da ftir zulässig, wo sicher keine Communikation mit
dem Rückenmarkskanale besteht. Die Exstirpation
mt in mehrfachen Fällen mit günstigem , wiederholt
iber auch mit ungünstigem Erfolge ausgefühi*t wor-
den. Bei derselben räth Sehr., anstatt der Carbol-
Safieylaäore zu verwenden.
Unter den speciell die Behandlung der Spina
liifida betreflenden Aufsätzen berücksichtigen wir zu-
Biefaflt einige Mittheilungen über erfolgreiche Anwen-
dung der elaeüschen Ligatur.
Eine hierher gehörige Mittheilung von Laroy-
enne in Lyon (Bull, et M^moires de la Soc. de
Chir. de Paris I. 5. p. 434. 1875), welche zu einer
lebhafien Debatte Veranlassung gab, betrifft ein zur
Zeit der Operation 5 Mon. altes Kind , bei welchem
in der obem Reg. dorsaUe eine orangengrosse,
dmehscheinende, durch massigen Druck zum Theil
redneirfaare Geschwulst bestand. Sie hatte an der
Basis einen Durchmesser von 4^2 Otmtr. und unter
ihr Hess sich em Defekt im 1. und 2. Rückenwii^el
wahrnehmen.
li. stach dorch die Basis der Geschwulst kreuzweise
SBadela, ffthrte unter denselben einen soliden elastischen
Stiaoir von S*/) Umtr. Durchmesser am die Geschwulst,
knotete dessensEndeo, nachdem sie dorch einen bleiernen
Eiag gezogen worden waren, über demselben und ent-
fernte darauf die Nadeln sogleich wieder. Unter Einwir-
kung der nan massig fest angezogenen elastischen Schnur
fiel der Tumor am 20. Tage ab und hinterliess eine rasch
▼ernarbonde Stelle mit Granulationen bedeckt, von der
Orosse eines 5-Franken8tüoks. Der kleine Fat. zeigte
niemals irgend bedenkliche Symptome und nahm die Mut-
terbrust unausgesetzt gat an.
In der 8oc\6t6 de Chirurgie de Paris erinnerte
Nicaise, im Anschluss an den ehen erwähnten, au
einen gleichfalls mittels der elastischen Ligatur von
Polaillon hehandelten Fall von Spina bifida.
Hier mussten die durch die Basis der am untern Ab-
schnitt der HaLswirbelsäule gelegenen Geschwnlst
eines IG Monate alten Kindes gestochenen Nadeln,
welche der Operateur liegen zu lassen beabsichtigte,
wegen andauernden Schreiens, sowie Auftreten von
Convulsionen und Contrakturen sammt der umgeleg-
ten Schlinge wieder entfernt werden. Das Kind
blieb ungeheilt.
Giraldös erklärte sich dafür, die an dem
pbem Abschnitte der Wirbelsäule (Hals und Brust)
sich vorfindenden Rückgratsspalten, deren Sack meist
frei von Nervenausbreitungen sei , wenn sonst keine
Contraindikation bestehe, zu operiren. B l o t dagegen
warnte vor jeder Operation einer Spina bifida der be-
zeichneten Gegend. Zur Begründung führte er einen
Fall an, in welchem Nervenausbreitungen in der Ge-
schwulst bestanden und das Rückenmark so gegen
die Geschwulst hin geiUckt war, dass es bei der
Operation der Geschwulst hätte verletzt werden müs-
sen. Auch lasse sich nicht immer mit Sicherheit
feststellen, ob eine weite oder enge Communikation
mit dem Wirbelkanale bestehe, auf den sich aber
auch bei enger Communikation die Entzündung fort-
pflanzen könne.
Folgende einschlagende Beobachtungen liegen
aus der italienischen Literatur vor.
Dr. Carlo Colognese (Annali univers.
Vol. 239. p. 143. Febbr. 1877) bediente sich der
elastischen Ligatur bei einem 9 Tage alten, übrigens
gesunden und kräftigen Kinde, bei welchem eine
Spina bifida in der Gegend des 4. Lendenwirbels
bestand.
Die Geschwulst, welche seit der Geburt die Grösse
einer Pomeranze erreicht hatte , war gestielt, weich und
ünktuirend. Die sie bedeckende normal gefärbte Haut
erschien von baumformigen Gefässverzweigungen durch-
zogen. Bei gewöhnlichem Tageslicht durchscheinend,
änderte die Geschwulst beim Athmen und Weinen des
Kindes die Gestalt. Eine capUIaro Punktion ergab als
Inhalt seröse Flüssigkeit. Die Apophysis spinalis am
4. Lendenwirbel fehlte. C. benutzte sur Ligatur das
Drittel eines gespaltenen Gtamm-DrainageroJirn , welches
er 2mal um den Stiel der vorher durch Punktion ver-
kleinerten Geschwulst bei nicht allzu starker Dehnung
dicht an der Haut der Wirbelsaule umwickelte. Schlaf
und Esslust blieben ungetrübt. Am folgenden Tage er-
schien der Tumor bleicher u. kälter. Die Schlinge wurde
um etwas enger gezogen. Am 3. Tage war der Tumor
gerunzelt und von etwas fotidem Gerüche , am 4. Tage
schwärzUoh, stinkend, in Gangrän fibergehend. Das Kind
hatte die ganze Nacht geschrien, keinen Appetit, leichtes
Fieber. Ordination: Ol. Ricini mit Syr. Gichorii. Am
5. Tage erschien der Tumor ausgetrocknet und die Rinne
längs der Ligatur ezuloerirt ; der Appetit hatte sich wie-
^
62
VI. Chirurgie^ Ophthalmologie u. Otiatrik.
der gehoben, das Fieber war zurackgegaogen. Am 8. T.
war der Tnmor ganz ausgetrocknet und die Exalceration
in der Schnurfurche fortgeschritten ; am 9. Tage endlich
löste sich der Tumor ab unter Rücklassun^ einer ober-
flächlichen runden, 2Ctmtr. grossen Hautwunde mit einer
stecknadelkopfgrossen Einsenkung in ihrer Mitte, die
keine Oeffnung mehr erkennen liess. Zehn Tage später
war die Wunde mit Hinterlassung einer kleinen einge-
zogenen Narbe verheilt.
C. beansprucht für seine Operationsmethode
dieselben Vorzüge, welche die von Rizzoli [s.
unten] hat: nämlich 1) allmälige Wirkung des
Druckes; 2) leichte Anwendbarkeit; 3) allmälige
Verlöthung der Wandungen. In FiÜlen , wo eine
breite Basis vorhanden ist , können sich beide Me-
thoden vortheilhaft ergänzen.
Baidasare Cappellini (l. c. p. 455. Mag-
gie) wandte das fragliche Verfahren bei einem ge-
sunden 8 Monate alten Knaben an , der mit einem
gänseeigrossen , gestielten Tumor an der Basis des
Os sacrum behaftet war. Der Tumor selbst hatte
eine etwas mehr als normal harte, der Stiel eine
normale Haut. Die Länge des Stiels betrag 4 Ctmtr.,
sein Umfang 1 1 Centimeter. Der Tumor , welcher
seit der Geburt fast um das Sfache gewachsen war,
hatte 22 Ctmtr. Umfang.
Es wurde um den Stiel des Tumor ein 3 Mmtr.
starkes Drainagerohr stark gespannt 3mal herumgeführt.
Nach 2 Tagen hatte der Stiel nur noch 6 Ctmtr. Umfang,
war an einzelnen Stellen von der Ligatur eingeschnitten,
und sonderte an diesen Stellen etwas Feuchtigkeit ab.
Der Tumor selbst war entzündlich geröthet. Das All-
gemeinbefinden des Knaben war mit Ausnahme eines
massigen Fiebers gut. Nachdem am 4. Tage mittels
Bistouri Einschnitte in den Tumor gemacht worden
waren , schwoll derselbe bedeutend ab und begann bald
darauf zu gangränesciren. Am 12. und 14. Tage wurde
die Ligatur fester angezogen und am 16. Tage der noch
1 Ctmtr. im Umfang messende Stiel mit der Scheere ent-
fernt. Im Centrnm des Stiels fand sich eine leichte Ein-
senkung rings von leicht blutenden Granulationen um-
geben. Zwanzig Tage später war die Wunde geheilt and
von einer rSthlichen festen Narbenhaut bedeckt, durch
welche man den ringförmigen Knochendefekt hindurch-
fahlte.
Die von Gaetano Scolari (1. c. Vol. 249.
p. 266. Sett. 1879) mitgetheilte Beobachtung be-
trifiPt ein Mädchen^ welches über dem letzten Lenden-
wirbel einen 4 — 5 Ctmtr. langen Tumor von 9 Ctmtr.
Durchmesser zeigte. Derselbe war gewöhnlich welk,
wurde aber beim Weinen prall gespannt. Bei Ver-
schiebung des Tumor konnte man die Spitze des
kleinen Fingers in den Defekt der Wirbelsäule ein-
führen.
Im ß. Lebensmonate des Kindes führte Sc. die ela-
stische Ligatur in der Art aus , dass er um den Stiel des
emporgehobenen und etwas gedehnten Tnmor einen ela-
stischen Faden von 1 Mmtr. Durchmesser in massiger
Spannung herumlegte und da, wo sich dessen Enden
kreuzten, mittels eines Seidenfadens einen Knoten knüpfte.
Der Tumor wurde sogleich turgid und bläulich. Am
3. Tage war die Haut des Stiels am Faden vollkommen
corrodirt und die Schlinge verengt. Am 5. Tage hatte
der Faden eingeschnitten , der Tumor aber wieder sein
ursprüngliches Aussehen. Sc. löste deshalb den Faden.
Am 26. Tage erneuerte er indessen die Ligatur, indem
er einen doppelten elastischen Faden in einer einzigen
Tour , aber in stärkerer Spannung als das erste Mal um
den Stiel legte. Am 3. Tage war der Tumor geschwollen
u. bläulich violett verfärbt, die Schlinge etwas gelockert.
Die Schlinge wurde fester angezogen und nach weiteren
3 Tagen erschien der Tumor schlaff und ausgetrocknet.
Nachdem noch eine 3. Ligatur angelegt worden war, fiel
der Tumor am 12. Tage nach Anlegung der 1. Ligator
ab. Die zurückbleibende Wunde von der Grösse eines
2 Centesimi-Stücks heilte binnen 7 T. vollständig. Das
Kind befand sich fortdauernd wohl ; ein Recidiv trat nicht
ein. In den Defekt der Lendenwirbelsaale konnte man
nach wie vor die Spitze des kleinen Fingers einführen.
F.Valentinotti (II Raccoglitore med. Nr. IL
1879) berichtet über den Fall eüies von gesunden
Eltern stammenden Knaben, bei dem sich gleich
nach der Qeburt über den Lendenwirbehi eine
tanbeneigrosse, durchscheinende, gestielte Geschwulst
zeigte, deren flüssiger Inhalt sich durch Druck in
die Wirbelhöhle zurückdrängen liess.
Nachdem das anfangs sehr schwächliche Kind sieh
etwas gekräftigt hatte, versuchte V. am 20. Tage die
elastische Ligatur. Er legte einen 1 Mmtr. dicken , ela-
stischen Faden 2mal fest um die Basis der Geschwolst.
Das Kind hatte anscheinend heftige Schmerzen , die in-
dessen bald nachliessen. Im Laufe der nächsten Woche
schrumpfte der allmälig gangränescirende Tumor mehr
und mehr zusammen , ISste sich jedoch an seiner Basii
nicht vollkommen ab. V. emenerte deshalb die Ligatar,
worauf nach 3 Tagen der Tnmor abfiel. Die zurfickblei-
bende rundliche Granulationsfläohe vernarbte rasch. Das
Kind entwickelte sich gut.
P. Oster loh (Jahresber. d. Ges. f. Nat.- u.
Heilk. in Dresden 1877/78. p. 72.) sah bei einem
am Ende des 8. Monats geborenen Knaben ausser
einigen Ossifikationsdefekten in beiden Scheitelbeinen
und am Hinterhauptbein in der Gegend der Lenden-
wirbel eine Geschwulst in der Grösse einer halben
Apfelsine, deren Basis die Grösse eines Silberthalers
hatte und mit normaler Haut bedeckt war. Sie war
während der Geburt geplatzt u. entleerte bei Druck
mit Luft gemischte seröse FKissigkeit. An beiden
Enden der Geschwulst liess sicli deutlich eine Oeff-
nung im Rückgrat fflhlen.
O. legte um die Basis der Geschwulst, durch welche
er 2 lange Carlsbader Nadeln geschoben hatte , eine ela-
stische Ligatur. Am 3. Tage wurden die Nadeln und am
4. der grösste Theil der Geschwulst entfernt; am 5.
wurde die Ligatur abgenommen u. der noch kleine Stnmpf
der Geschwulst abgetragen. Eine markstnckgrosse
Wundfläche begann sich mehr und mehr zu benarbeo.
Am 24. Lebenstage starb das Kind, nachdem irgend
welche Beaktionserscheinungen überhaupt nicht einge-
treten waren , an einem wenige Tage vorher aufgetrete-
nen, mit rascher Abmagerung verlaufenden Darmkatarrh.
Einen Uebergang von der Anwendung der ela-
stischen Ligatur zu der BizzoWsohen Klammer bildet
die von Stephane Oldoini (Lo Sperimentale
XXXVHL p. 169. Agosto 1875) mit Erfolg ausge-
führte Anlegung einer MettülUgatur um die Basis
eines gestielten Tnmor.
Ein neugeborener Knabe zeigte zwischen dem letzten
Rucken- und ersten Lendenwirbel, etwas Imks nach der
Medianlinie eine bimförmige Geschwulst von 10 V« Ctmtr.
Länge und einem Umfang von 11 Ctmtr. am Körper und.
5 Ctmtr. am HalstheU, welche in der Ruhe des Kindes,
schlaff und bei Tief läge des Kopfes um Vs ihre» Inhalte«
redudrbar, beim Schreien sich prall füllte. Schon leich*^
ter Druck rief lebhaftes Schreien des Kfaides hervor. An:
der Basis der Oesohwulst liess sich ein Defekt Im leixt$ii-
VI. Chirurgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
63
Brust- and 1. Lendenwirbel durch die Fingerspitze con-
itaüren. O. nmachnfirte den Hals der Geschwulst mit
dnem dreifachen Silberdrahte und drehte die Enden des-
^ben mehrfach um ihre Achse. Am folgenden Tage
Terbreitete der Tumor einen gangränösen Geruch und
fies etwas seröse Flüssigkeit aussickern. O. zog die
Diahtschlinge etwas fester an und entfernte den über ihr
gelegenen Tumor am folgenden Tage mit der Scheere.
Am 6. Tage löste sich die Metallschlinge und hinterliess
eiae sich in den nächsten 12 Tagen vollkommen benar-
Vode Wände. Der sehr kräftige, kleine Fat. wurde mit
»er bohnengrossen, beim Schreien des Kindes sich niclit
Twwölbenden Narbe entlassen.
Francesco Parona (Annali univ. Vol.
235. p- 317. Aprile 1876) theilt 4 nach dem Ver-
fahren des Professor R i z z o 1 i behandelte Fälle mit,
TOD denen einer von ihm selbst , einer von Dr. N i -
coli in Grevalcore und 2 von Rizzoii selbst her-
rühren. Die Methode besteht in der Annäherung
der Wände des Tamor an dessen Basis mittels einer
ihnlich der Darmseheere (Enterotom) geformten
Dniekpincette , dessen Arme bei Erweiterung oder
Verengerung beständig einander parallel bleiben.
Dareli das längere Zeit hindurch fortgesetzte An-
omanderpressen der Sackwände soll eine Verwach-
sung derselben herbeigeführt werden.
1. FaU. (Rizzoii.) Ein V« J- ^l^es, sonst ge-
sndes Kind (Mädchen) hatte einen seit der Geburt be-
itehenden , aber an Grösse standig zunehmenden Tumor
in der Nackengegend , der von violetter Färbung , trans-
parent und von sehr dünner Haut bedeckt war und einen
Kegel mit nach abwärts gerichteter Spitze darstellte, von
8 Ctmtr. Länge und 13 Ctmtr. grösstem und 10 Ctmtr.
kleinstem Umfang. Die weiche, fluktuirende, beim
Schreien des Kindes anschwellende Geschwulst Hess sich
ohne Naehtheil durch Compression verkleinem. Am
4. Halswirbel, dessen Proc. spinosus fehlte, fand sich
äne kleine Oeffnung. R. comprimirte den Tumor des
auf dem Bauche liegenden Kindes , so dass sich dessen
Winde berührten und legte dann um den Halstheil des-
selben sein Instrument. Der Tumor färbte sich rasch
Tiolett, nach 3 Std. schwärzlich und zeigte eine pralle
FnOnng. B. entleerte den trüben serSsen Inhalt durch
laaUges Einstechen einer Nadel, worauf der Tumor zu-
fiamoenflel. Das Kind bot sowohl nach der Operation,
als später kein Zeichen von Unbehagen dar. Unter dem
aadanemden gleichmassigen Drucke des Instrumentes stiess
ach am 4. Tage der brandig gewordene Tumor ab, nach-
dem sich über der Oeffnung des Wirbels ein mehrere
Centimeter breiter Ring von verdichtetem Gewebe, wel-
cher den Anstritt von Flüssigkeit aus der Rückenmarks-
höhle hinderte, gebildet hatte. Zwei Monate später war
ioß Wirbelöffnung , wie es schien durch eine Knochen-
bmelle vollkommen fest geschlossen. Die Operations-
larbe wurde beim Schreien des Kindes nicht mehr ge-
hoben.
2. Fcdl. (Rizzoii.) Ein sonst gesundes, aber etwas
sehwäehliches Kind, zeigte seit seiner Geburt längs der
Pfälnahi einen 11 Ctmtr. im Längs- und 8 Ctmtr. im
Querdorchmesser haltenden, gestielten, elastischen, fluk-
tinrenden Tumor, welcher keine Transparenz oder Pulsa-
ÖOB, aber ein Anschwellen bei heftigen Bewegungen, tie-
te Inspirationen und Schreien erkennen Hess. Wegen
naehen Wachathnms des Tumors , welcher für eine mit
der SehadeUidhle communioirende Hydromeningocele an-
geepffochen wurde, entschloss sich R., das inzwischen kräf-
tigär gewordene Kind im Alter von V4 ^' '^ operiren.
£r miiaste die allmälig fester und fester angezogene Klemm-
adieere nach mehreren Stunden wegen heftigen Schreiens
te Klndea entfernen. Die Druckstelle erschien als ein
hGuifiefa verfSrbter Gewebsstreifen, die Temperatur des
Tumors war rasch wieder die alte. Am folgenden Tage
von Neuem angelegt, wurde die Pincette gut vertragen.
Da sie nach 24 Std. den Stiel vollkommen mortiücirt hatte,
trug R. die oberhalb desselben gelegenen Partien mit der
Scheere , ohne dass eine Blutung eintrat , ab. An der
Schnittfluche zeigten sich nur wenige Tropfen blutigen
Serums. Die Wunde heilte mit Hinterlassung einer festen
Narbe.
3. FaU. (Nicoli.) Ein 8 Tage alter Knabe war
mit einer birnformigen Geschwulst am Hinterkopf geboren
worden. Die mit einem 3 Ctmtr. im Durchmesser halten-
den Stiele etwas nach rechts von der Mitte der Sutura
lambd. sitzende, bis zu den Schulterblattapitzen hinab-
häogende, für gewöhnlich schlaffe, beim Schreien sich
prall füllende Geschwulst, welche vollkommen transparent
war, war von einer normalen Haut mit spärlichem Haar-
wuchs bedeckt, bis auf eine feigenblattähnliche Stelle in
deren Mitte, von 5 Ctmtr. Durchmesser, welche perl-
mutterartig durchscheinend, in Folge vieler feiner Gelass-
verästelungen eine purpurrothe Färbung darbot. Nicoli
legte um die Basis der Geschwulst die i^izzo/fsche Klemm-
pincette, die er zur Verhütung von Druck gegen den
Schädel hin, mit Watte gut unterpolsterte. Nach 6 Tagen,
während deren das ambulant behandelte Kind sich selbst
überlassen war, entfernte N. den inzwischen brandig ab-
gestorbenen, stinkenden Sack mit der Scheere. Nach
Abnahme der Druckpincette entleerte sich kein Tropfen
Serum. Nach 10 Tagen war die Wunde unter einem anti-
septischen Compressivverbande geheilt. Vier Monate spä-
ter war an der frühem Insertionsstelle des Tumors noch
eine 5 : 4 Ctmtr. grosse, sich beim Schreien des Kindes
etwas hebende Fontanelle, deren Mitte eine von Haaren
entblösste Stelle von V!^ Ctmtr. Durchmesser bildete.
Der Kopfumfang war et\vas grosser, als in diesem Alter
gewöhnlich (43 Ctmtr.).
4. F<ül. (Parona.) Ein 3/4 Jahre altes sonst nor-
mal gebautes Mädchen hatte über der Mitte der Hals-
tcirbelsäule eine zur Zeit der Geburt haselnussgrosse, Jetzt
Orangengrosse, mit platter, glänzender Haut überdeckte,
mit breiter Basis aufsitzende Geschwulst, die transparent
erschien und sich durch Druck etwas verkleinern liess,
während sie beim Schreien des Kindes sich praller füllte.
Nachdem aus derselben durch oapiUare Punktion ein Glas
voll durchsichtigen, leicht gelblichen Serums entleert wor-
den war, liess sich ein elliptischer Knochendefekt im 3.
und 4. Halswirbel, deren Proc. spinosi fehlten, sowie das
Nichtvorhandensein fester Nervenstränge in dem Tumor-
sacke nachweisen. Die EizzolVadhe Pincette wurde ange-
legt und 5 Tage lang gut vertragen. Beim Versuch, die-
selbe zu lüften , löste P. , da deren Branchen an der
äussern Haut angebacken waren, die Verklebungen an
den Innen Wandungen der Basis , wonach ein Einströmen
von Cerebrospinalflüssigkeit in den Tumor veranlasst
wurde. P. legte sofort die Pincette wieder an. In den
nächsten Tagen bedrohte heftiges Fieber, Erbrechen,
Schlaflosigkeit, Opisthotonus das Leben des Patienten.
Am 10. Tage erschien alle Gefahr beseitigt, der Tumor
fiel zugleich mit dem Instrumente ab und hinterliess eine
Wunde von X\'2 Ctmtr. Durchmesser, in deren Mitte aus
einer Fistelöffnung sich geringe Mengen von Flüssigkeit
aus der Rückenmarkshöhle entleerten. Unter leichten
Kauterisationen und massigem Druckverband schloss sich
diese Wunde nach 14 Tagen. Die Narbe wurde 3 Monate
nach der Operation noch beim Schreien des Kindes leicht
gehoben.
Zur Empfehlung operativen Vorgehens bei Spina
bifida führt F. an, dass nach Colin (Pai-is 1860)
unter IG sich selbst überlassenen Fällen 11 in den
ersten 14 Tagen und 3 weitere in den ersten Mona-
ten tödtlich abliefen , während zahlreiche Beobach-
tungen über den günstigen Erfolg eines operativen
Einschreitens bekanntlich veröfientlicht worden sind.
64
VI. Chirurgie, Ophthalmologie n. O&itrik.
P. spricht sich daher dafllr aus , dass man in allen
Fällen , wo es im Uebrigen der allgemeine Rräfte-
zastand des Kindes gestattet , bei raschem Wachs-
thum nnd das Leben des Kindes bedrohendem Ver-
halten des Tumors operativ einschreiten soll.
Eines Klemm - Apparates bediente sich ferner
Walter Pye (Brit. med. Joum. July 9. p. 47.
1881) bei der Operation einer kindskopfgi'ossen
hängenden Gesell wulst, welche bei einem neiigebor-
nen Kinde in der Lumbargegend sass, und deren
Volumen sich durch Druck etwas reduciren Hess,
wobei stärkere Spannung an den Fontanellen eintrat.
Nach 8 Wochen hatte die Geschwulst etwas an
Grösse zugenommen, der daumendicke Stiel war
etwa 1 Zoll lang und von gesunder Haut bedeckt.
Die Geschwulst enthielt meist festes Gewebe , an 2
Stellen waren die Wandungen dünn und durchsichtig ;
die Grösse der Geschwulst wechselte, bei festem
Druck nahm sie ab, ohne dass Himerscheinungen
eintraten , respiratorische oder andere Pulsation war
in der Geschwulst nicht wahrnehmbar.
Am 18. Sept. wurde nach Einleitnog der Chloroform-
narkose der Stiel nahe am Rumpfe mittels einer modi-
ficirten Wells^aohen Klammer abgeklemmt und die Ge-
schwulst mit dem ScalpeU entfernt, der Stampf mit in
Carbolöl getränkter Charpie bedeckt und leicht verbun-
den. Während der Operation, auf die keine unmittel-
baren üblen Wirkungen folgten, floss aus dem an der
Geschwulst befindlichen Ende des Stieles eine Flüssigkeit
ans, die die Kennzeichen der Cerebrospinalflüssigkeit
darbot. Nach 48 Std. stieg die Temperatur auf 39 , am
nächsten Abend auf 39.50C., sank aber dann rasch wie-
der nnd wurde bald normal , am Morgen des 24. Sept.
stieg sie zwar wieder rasch auf .S9.6<^ C. , kam aber dann
nicht wieder über 87.80C. Am 22. Sept. (4 Tage nach
der Operation) wurde die Klammer entfernt; am 30. Sept.
hatte sich der Schorf losgelöst und die Wunde heilte gut.
Das Allgemeinbefinden des Kindes war gut. Anfangs
war bei dem Kinde auf beiden Seiten leichter Talipes cal-
canens vorhanden, nach der Operation wurde diese Defor-
mität etwas geringer.
Bei der Untersuchung der Geschwulst fand sich, dass
dieselbe aus 2 Säcken bestand , die durch eine glatte, der
Arachnoidea spinalls ähnUehe Membran von einander ge-
trennt waren; der feste Theil der Geschwulst bestand aus
fibrösem Gewebe, Nervenstruktur fand sich nicht.
Nach Pye ist es zweifellos, dass es sich um
Spina bifida handelte nnd dass die Höhle der Ge-
schwulst bei der Geburt mit dem Snbarachnoideal-
raume communicirte, zur Zeit der Operation aber
diese Communikation nicht mehr vollständig vorhan-
den war ; ganz aufgehoben iconnte sie deshalb nicht
sein, weil die Grösse der Geschwulst noch durch
Druck reducirt werden konnte und auch spontan von
Zeit zu Zeit wechselte. Die Operation wurde ans-
geftlhrt , weil die Geschwulst im Wachsen begriffen
und ihre Bedeckung an 2 Stellen so dünn war, dass
Beraten zu befürchten stand. Die Operation mittels
Anlegen einer Klammer und Abschneiden der Ge-
schwulst zog P y e deshalb der einfachen Punktion
mit Injektion von Morton'scher Flüssigkeit vor, weil
eine grosse Masse festes Gewebe vorhanden war; die
elastische Ligatur wandte er nicht an y weil er bei
der von ihm gewählten Methode hoffen konnte , die
Nekrotisinmg der Gewebe anf ein Minimum zu be-
schränken. Die Besserung in der Rlumpfussstellung
bezieht Pye auf Nachlassen des vorher bestehenden
Druckes oder der Reizung des Rückenmarks.
Eine Reihe von Publikationen beziehen sich auf
die von James Morton angegebene Behand-
lungsmethode der Spina bifida. Dieselbe besteht
im Wesentlichen in einer Punktion des Tumors mit
einem capillaren Trokar , mit nachfolgender Injek-
tion einer Lösung von 0.6 Grmm. Jod nnd 2 Grram.
Jodkalium in 30 Grmm. Glycerin. Morton zieht
das Glycerin als Lösungsmittel dem Alkohol und dem
Wasser vor y weil es weniger leicht in die Gewebe
eindringt und so eine längere Berührung der Innen-
wandungen des Tumors mit dem Jod ermöglicht
Den ersten von Morton selbst erfolgreich -be-
handelten u. im Brit. med. Joum. (April 6., June 16.
1872) veröffentlichten Fällen fügte bald Ross
Watt (1. c. Jan. 31. 1874) zwei weitere hinza,
welche beide von Erfolg gekrönt waren. Wir geben
den zweiten derselben ausführlicher wieder.
Ein 3 Jahre alteB , mit einer unzweifelhaften Spina
bifida gebornes Mädchen zei^e über der Wirbelsäule
(nähere Bezeichnung fehlt) eine bei der Geburt wallnos»-
grosse, später 13Vs Zoll im Umfange und 4 ZoU in die
Höhe messende Geschwulst. Nachdem durch eine Probe-
punktion IS, nnd 8 Tage später 10 Uneen (360, bez. 300
Grmm.) einer klaren Flüssigkeit entleert worden waren
nnd die dem Eingriff Jedesmal folgende Steigernng der
Temperatur wieder znr Norm zurückgekehrt war, injieiite
W. nach einer abermaligen Entleerung von 300 Onnm.
Flüssigkeit durch den Trokar eine halbe Drachme (ca. l
Grmm.) der von Morton angegebenen Lösung und ver-
schloss die Punktionsöffhnng durch eine mit CollodiDm
elasticnm bestrichene Lage Lint. Es trat ein lebhaftes
Fieber auf, nach dessen Ablanf (10 Tage später) die Qfir
schwulst bedeutend kleiner erschien. Auf eine neue Ent-
leerung von 8 Unzen (240 Grmm.) und Injektion Vi Ui^^
(15 Grmm.) Mor/on'scher Solution folgten sehr heftige
Fiebererscheinungen , zugleich aber auch eine so wesent-
liche Verkleinerung der Geschwulst, dass sie nur noch '/j
ihrer ursprünglichen Grösse hatte. Es wurde zu einer
letzten Entleerung (5 Unzen »» 150 Grmm.) nnd Injek-
tion (Vs Drachme) geschritten. Von nun an trat eine
weitere stetige Resorption yon Flüssigkeit in dem Saeke
ein ; 12 Wochen nach der ersten Injektion war an Stelle
der Geschwulst eine harte, verdickte und dunkelgefarbte
Hautstelle zu finden.
Im AnschluBS an die von Watt veröffenüichten
Erfolge seiner Behandlungsmethode berichtet Mor-
ton (l. c. Oct. 14. 1874) über folgenden von ihm
selbst bei einem zur Zeit der Operation 7 Wochen
alten y zarten Mädchen beobachteten Fally das nA
einem pfirsichgrossen, ungestielten, elastischen, halb
durchscheinenden Tumor über dem 7. HaU-
1. Brustxoirbel behaftet war, aus dem sieb s]3on
eine grössere Quantität klarer Flüssigkeit enU
haben sollte. .
M. fand den Tumor prall geffiUt. Nach Entleen«
einer ziemlich betrachtlichen Menge [Maass?] von serSslI
Flfissigkeit wurde die fragliche Solution injieirt und dil
Injektionsöffnung mittels Collodiam sorgfilltig gesohlossei^
Ausser einer unbedeutenden Blässe zeigte die Pat* fceiii
Symptome von Shock. Die folgende Naeht war anmhig'ir;
doch trat gegen Morgen Schlaf ein. Als sich der Tnino^
10 Tage später wieder gefällt hatte, wurde Punktion, lif^
Jektion und CoUodiumverband wiederholt. Nach 80 T«
VI. Chinirgiei Ophtlialmologia o. Otiatrik.
65
kitte der Tvmor , weloher sich gans solid anf&hlte und
eine höckerige nnregelmSssige Oberfläche darbot, die
GrSase einer Stachelbeere and eine hellrothe Farbe. Das
Kind beCuid sieh vollkommen wohl nnd bewegte seine
Qlicdar gaas Bomal.
Emen Fally in dem das Bund darch die ilf orton'-
sche Inj^laonwohl von seinem Leiden befreit wnrde^
sehr bald ab«r der Tod an Hydrocephalos eintrat,
Tcröffentliehte Howard Davis (Lanoet I. 18;
V17 1879). Derselbe betraf ein flbrigens kräftiges
lÜchen , welches mit einer Spina bifida der Leu-»
intgegend von 8^/1 Zoll Umfang und 2 Zoll Höhe
geboren worden war. Daneben bestand noch doppel-
ffüiger Pes vams , Difformität der Kniegelenke nnd
Offenbieibeo der Sohftdelnähte, so dass die grosse
Fontanelle mit der kleinen durch einen Spalt ver-
banden war.
D. ii^lcirte in den Tamor nach Punktion mit einem
sehr dünnen Trokar 1 Drachme (4.0 Grmm.) von Mor-
km'j Jodgljcerin , woranf eine lebhafte Anschwellung mit
kdkem Fieber eintrat. Nach 10 Tagen konnte man ein
Deiner^ nnd Harterwerden des Tamors constatiren , wel-
ites nach einer 2. nnd 3. I^ektion dahin föhrte , dass
ur noch eine waUnossgrosse, sehr harte, mit der Bücken-
■iikaliohle nicht commnnicirende Geschwulst übrig
Ueb.
Einen Todesfall nach Injektion von Morton*»
Jodgiyeerin beobachtete J. E. Barton (Brit. med.
harn. March 13. 1875) an einem nengebomen
Rmde , bei welchem ausser einer grossen floktoiren-
den Gesehwolst über den letzten Bücken^ und den
ieiden obem Lendenwirbeln doppelseitiger ELlnmp-
fittSy Gontraktor beider Ober- nnd Unterschenkel nnd
Pkralyse des Levator ani vorhanden war. Nach
Entleernng von 3 Drachmen (ca. 12 Ormm.) klaren
illaaigen Inhalts aus dem Tumor wurde eine halbe
Dnehme (ca. 2 Grmm.) Afor^on'scher Lösung in-
jieirt. Anfangs erfolgte keine Reaktion , aber nach
3 Tagen trat der Tod unter Convulsionen ein. Die
SektioB wurde nicht gemacht.
Gleicbfalls an einem neugebomen Kmde , aber
ontgOnstigem Erfolge fbhrte Ackworth Angus
(L c. April 1 7) die M 0 r 1 0 n 'sehe Behandlung durch.
Das Slind trug Ober den 3 uniem Lendenwirbeln
dnen^ seines flüssigen Inhalts durch Ruptur w&hrend
der G&ebort theilweise beraubten, halb transparenten,
pfirrichgrossen Tumor, von dessen rdthlicher Fär-
bung sich 2 blaue Flecke von der Grösse eines Six-
poDoe abhoben. Bei Druck auf den Tumor schrie
I hA Kind lebhaft
Kaohdem A. den Tumor durch 2 Ponlctionen binnen
4 T^gea veiklefaMit hatte , iDjicfarte er nach Entleerung
to halben Inhalti dar GCBOhwotet eine halbe Drachme
, eiwiimlier 3f(9r<on'8cher LSeung nnd legte einen sorgfäl-
tffen Verband an ; 10 Min. später Gollapsna , der durch
Dmeichnng von Alkohol überwunden wurde. Ffinf Wo-
chen naeh der Operation war der Tnmor mit Ausnahme
dner UefBen 8tefle , In welche A. mehrmals 15 Tropfen
•tai fCBaintter LiyBung li^idrte, consofidirt. Vier Hon.
■aeh der ersten Operation erinnerte nnr eine mnzelige
mk vetfalrteteHaatstelle nooh an den ehemaligen Tnmor.
B. Noble Smith (Brit. med. Joum. Oct. 31.
1874) bedauert, dass Morton in den 5 von ihm
idbst nach seiner Methode behandelten FAllen nichts
Had. Aihrbb. Bd. 191. Hit. 1.
Näheres Aber das Verhalten des Ruekenmarksttan"
ges innerhalb des Sackes angegeben habe. Pres-
cott Hewett habe in 20 von ihm untersuchten
Fällen von Spina bifida der Lumbo-Sacral-Oegend
nur ein einziges Mal keine Betheiligung des Rücken-
marks an der Missbildung constatiren können.
Zuckergehalt in der ans dem Tnmor entnommenen
Flüssigkeit lasse einen Zusammenhang des Tumors
mit der Rflckenmarkshöhle vermuthen ; aus dem Ei-
weissgehalt der Flüssigkeit will S m. keine Schlüsse
ziehen. Auch Debout und Brainard geben in
den von ihnen berichteten Fällen keine Nachrichten
über den Inhalt des Sackes. Dr. Cabral heilte
einen Fall, in dem die FlüSMgkeit hochgradig eiweiss-
haltig , aber keine Lähmung oder sonstiges auf eine
Betheiligung des Rückenmarks hinwasendes Sym-
ptom vorhanden war.
In einer Ehitgegnung auf Smith 's Aufsatz be-
merkt Morton (1. c. Nov. 21), dass er anfangs bei
keinem der von ihm mit Jodglycerininjektion behan-
delten Fälle Gelegenheit gehabt habe , sich über das
Verhalten des Rückenmarks am Sektionstische Klar-
heit zu versohaiTen, dass er aber schon bei Veröffent-
lichung semes ersten Falles auf die Wahrscheinlich-
keit der Betheiligung des Rückenmarks hingewiesen
habe. Später habe er Gelegenheit gehabt, der Sektion
eines mit Spina bifida behafteten Kindes , bei dem
der Inhalt des Sackes abgeflossen war, beizuwohnen,
welche ergab, dass das Rückenmark genau den Con-
touren der Ausstülpung entsprechend nach aussen
ausgebuchtet war. Die Punktion der Spina bifida
war von dem Operateur vorgenommen worden, nach-
dem er durch eine Untersuchung bei durchscheinen-
dem Lichte die Ueberzeugnng gewonnen hatte, in
dem Sacke seien keine Fasern des Rückenmarkstran-
ges vorhanden. Morton glaubt, dass die Anwesen-
heit des Rückenmarks einen Erfolg operativer Be-
handlung nicht ausschliesse.
In einer weitern Arbeit unterzieht NobleSmith
(l. c. April 24. 1875) die von Morton u. Andern
mittels Injektion von Jodglycerin behandelten Fälle
einer Kritik bezüglich des Verhaltens des Rücken-
marks zum Sack. Im ersten von Morton 's Fällen
ist ihm, entgegen Morton 's Ansicht, eine Bethei-
ligung des Rückenmarks nicht wahrscheinlich, da
der mit dünner Haut bedeckte transparente Tnmor
des 2 Mon. alten Kindes seit der Geburt sich um das
Doppelte vergrössert hatte, gleichwohl aber nie
Krämpfe oder Lähmungen auftraten , auch massiger
Druck auf den Tumor gut vertragen wurde. Im
2. Falle , in welchem nach der gegebenen Beschrei-
bung an der innem Oberfläche des Tumors, welcher
theils röthlich , theils bläulich gefärbt erschien und
sich beim Schreien des Kindes praller fbUte, bei
dm'chschelnendem Lichte sich einige Streifen wahr-
nehmen liessen, hält Smith diese nicht ftir Nerven-
stränge, sondern nur für entzündliche Adhäsionen,
die sich in Folge von Ulcerationen , als deren Rück-
bleibsel die verschieden gefäi*bten Hautstellen zu
9
66
VI. Chirurgie^ Ophthalmologie u. Otiatrik.
denten sind, entwickelten. Aach das Fehlen von
Convulsionen u. Lähmungen trotz dem Wachsen des
Tumors spreche für eine Nichtbetheiligung des
Rückenmarks. In dem einen Falle, welchen Watt
berichtet; ist einige Wahrscheinlichkeit einer Bethei-
ligung des Rückenmarks vorhanden , da eine Läh*
mung der Beine und Schwäche des M. sphincter ani
bestand und das Kind nach der Operation des halb
transparenten , fleischfarbenen , hühnereigrossen Tu-
mors y in dem einige Stränge zu verlaufen schienen,
fortgesetzt weinte. Die Lähmung der Beine bestand
nach vollendeter Kur theilweise foi't, da das Kind
sie nur beim Kitzeln der Fusssohlen etwas in die
Höhe zog. Im andern Falle von Watt, in dem
vollkommene Heilung eintrat, glaubt Smith eine
Betheiligung des Rückenmarks nach der Beschrei-
bung des Tamors ausschliessen zu können. Im 3.
Falle M 0 r 1 0 n 's, in dem der Tumor in der Cervikal-
region sass, liegt kein Grund zur Annahme einer
Betheiligung des Rückenmarks vor. In Fällen , in
denen eine hochgradige Verwachsung des Rücken-
marks oder einiger seiner Stränge mit dem Sacke
besteht, hält Sm. einen Erfolg des Morton 'sehen
Heilverfahrens für unmöglich. Von den Bildungen
der letzten Art giebt er 2 instruktive Abbildungen
(Durchschnitte) nach Präparaten aus dem Londoner
chirurgischen Museum, welche sich den von Astley
Cooper in den Med.-chir. Transactions beschrie-
benen anreihen.
A. PearceGoald (Med. Times and Gas. Febr. 2.
1878. p. 129) berichtete in der Clin. Soc. über einen
Fall von Spina bifida bei einem 18 Mon. alten Kinde,
welches mit einer Geschwulst von der Grösse eines Hühner-
eies in der Gegend des letzten Lenden- und obersten
Elrenzbeinwirbels geboren worden war. Die Geschwulst
bot alle Merkmale der Spina bifida dar und hatte, als das
Kind zur Behandlung kam , den Umfang eines Cricket-
balls erreicht. Andere Deformitäten oder Symptome von
Lähmung waren nicht vorhanden. Mittels 4mal — nach
Entleerung des Sackes — binnen 3 Mon. wiederholter
Einspritzung von Morron'scher Lösung (Vs — 2Drachm. »:
2 — 8 Grmm.) wurde Schrumpfung des Sackes erzielt.
Die Nachbehandlung bestand in täglich erneuter Bepinse-
Inng des Sackes und Ueberlegen von Wolle und einer
Binde. Convulsionen oder andere NervenznfiUle waren
nie aufgetreten. Die mittels der Punktionen entleerte
Flüssigkeit zeigte ein spec. Gew. von 1011, leicht alka-
lische Reaktion und enthielt Chloride, Phosphate nnd eine
Spur von Eiweiss ; Zucker konnte in derselben erst nach
dem Eindampfen nachgewiesen werden.
6. nimmt in seinem Falle eine freie Communi-
kation mit der Rückgratshöhle an nnd glaubt ^ dass
das Rückenmark oder Nerven in dem Sacke vorhan-
den waren. £r hat in 23 von ihm nntersnchten
Präparaten von Spina bifida 20mal Rflckenmark oder
Nerven gefanden ^ in 2 Fällen fehlten dieselben be-
stimmt Dieselben liegen gewöhnlich in der Mittellinie,
woselbst in 6. 's Falle ein dunkler Streifen bestand.
Die Abwesenheit von Lähmnngserscheinungen nnd
sonstigen Nervenstörungen spreche nicht gegen das
Vorhandensein von Nervenelementen im Sacke. —
In Bezug auf die Behandlung spricht sich G. sehr
entschieden für die Vorzüge der Injektion der
Mortoti'echen Flüssigkeit aus ) er glaubt , dass das
Jodglycerin zu Boden sinke und so länger seine
Wirkung auf die Wände des Sackes zu entfalten im
Stande sei.
Bei der Diskussion über G.'s Mittheilung wurden
die Vortheile des fragl. Verfahrens allseitig an-
erkannt, obsohon die Zeit seit Einfiihmng desselben
noch zu kurz sei, um den Einfluss desselben auf Er-
zielung einer Radikalheilung beurtheiien zu können.
Geo. W. Gallender gab den Rath, bei der Punk-
tion den Trokar in einer geringen Entfernung seit-
lich vom Sacke einzustechen ; es werde dadurch die
direkte Verletzung des Sackes verhütet and die Hög*
lichkeit gegeben , den Sack zu eomprimiren y ohne
dabei die eingespritzte Flüssigkeit wieder anszn-
drücken.
In Bezug auf das Lebensalter, welches mit Spin«
bifida behaftete Personen erreichen können, erwähnte
Gallender einen Mann, welcher von Astley
Cooper früher wegen Spina bifida behandelt wor-
den war und trotz Störungen in der Funktion der
Blase, des Mastdarms nnd der untern Extrenutäten
bei einer anstrengenden Thätigkeit das Alter ?od
74 J. erreichte. Thom. Smith hat einen Man
im mittlem Lebensalter behandelt, welcher von einer
Spina bifida nur geringe Beschw^en, ohne Störung
der Funktion der untern Extremitäten hatte nnd
auch den Anforderungen einer anstrengenden Thätig-
keit , sowie emes Ehemanns (husband) zu genügen
vermochte. Ausserdem erinnerte S m. an einen in
Holmes' „Handbuch der Kinderkrankheiten" erwälin-
ten Fall, in welchem ein mit Spina bifida behafteter
43 J. alter Mann eine Steinoperation glücklich über-
stand.
Femer haben wir 2 Fälle zu erwähnen , in wel-
chen John M» Watt (Edinb. med. Joura. XXVL
p. 327. [Nr. 304.] Oct. 1880) die Injektion von
Morton'acheT Flüssigkeit bei Spina bifida in der
Cervikalgegend mit gutem Erfolge anwendete.
Im 1. Falle handelte es sich um ein 3 Wochen alt»»
mittelliräftigeB Kind, welches über dem 2. u. 3. CervU^
Wirbel einen flnktnirenden, beim Schreien an Grosse sn-
nehmenden Tnmor mit breiter Basis von dem Umfange
einer kleinen Orange trag. Der Tamor war seit der Qt-
bort allmälig grösser geworden. Die ihn bedeckende
Haut war dünn und blass. Nach Entleerang einer klaren
Flüssigkeit war der Tnmor schlaff geworden nnd es worde
nnn die M.'sche Flüssigkeit ii^icirt, woranf eine leiebte
Entzündung and Härte eintrat. Einen Monat spater worde
das Verfahren wiederholt and nach weitem 4 Wochen
konnte durch einen Trokar keine FlOssigkeit mehr ent-
leert werden. Der Tumor war sehr verkleinert und ga^
hart geworden. Das Kind wurde gehellt entlassen, starn
aber 3 Mon. später, nachdem aach der Tamor wieder aS'
gefangen hatte, grösser und flaktuirend su werden, an
Hydrocephalns.
Das 2. Kind war gleichfalls 3 Wochen alt, sonst ge-
snnd und kräftig. Es trug einen seit der Gebart bis ««r
Grösse einer Mandarin-Orange ausgewachsenen, an Zeit^
schlaffen, au andern wieder prall gefaUien Tamor uner
dem 4. und 6. Cenrlkalwirbel ohne soUden Inhalt nnd von
sehr grosser EmpfindUchkeit bei der leisesten Berährnnc^
Die bedeckende Haut, von Venen dicht darohiogen, «»^
dem Tumor das Aassehen eines Nävus. JTaoh Entleernn»
von 1 Drachme (ca. 4 Grmm.) kUrer Flüssigkeit wnrüw
20 Theilstriche M.'sche Flüssigkeit injicirt. Haok 3 Tagen
VI. Chirargie^ Ophthalmologie a. Oüatrik.
67
der Tiimor hirt und das Kind wurde nach Hanse ent-
in den folgenden 3 Mon. nahm der Tumor all-
mälig ab. W. in}ieirte noeh einmal in die weiche nnd
floktoirendeGreflehwnlst nach theilweiser Entleerang ihres
Inhaltes dieselbe Menge M.'seher Solution, worauf der
Tumor schrumpfte und ganz fest wurde. Selbst derber
Druck Terursachte jetzt keine Schmerzen mehr. Das
Kmd wurde kräftig und gesund, nur schlössen sich die
Suturen nnd Fontanellen ungewöhnlich spät.
W m. B e r r y (Brit. med. Jonrn. March 26. 1881.
p. 468) hat in 3 Fällen von Spina bifida die Injek-
ta von Morton'Bchem Jodglycerin angewendet. Im
1. Falle war der flrfolg vollkommen/ im 2. nur
theilweise günstig , im 3. hingegen ungünstig. B.
glaubt jedoch ^ dass im letzten Falle — das Rind
itirb am 7. Tage nach der Injektion an Erschöpfung
unter Ganvolsionen — nicht das fragl. Verfahren^
flondeni der Umstand den Büsserfolg herbeigeführt
bat, dass er dem Anssickern der Cerebro-Spinal-
Flüangkeit mcht hinreichend vorgebeugt hatte. Er
hält es für unumgänglich nöthig , dass unmittelbar
lach Zurflckziehong des Trokar und der Kanüle die
Oeffnimg in der Hant mit dem Daumen comprimirt
und Collodinm darüber gestrichen wird.
(Schluss im nächsten Heft.)
330. Zur Lehre von den Verletaungen.
Sehu89V€rleizungen.
Nach einer Mittheiinng von Dr. RobertKoer-
Der (Deutsche Ztschi*. f.Chir. XII.G. 1880. p.524)
nd in der chir. Klinik zn Leipzig von 1872 bis Sept.
1878 47 Schnssverletzungen (7 mittels Schrot, 39
mittels Kugel nnd 1 mittels Wasser) zar Beobachtung
gelangt. Von den KngelschüBsen , die fast sämmt-
fieh auf Selbstmordversuche zurückzufahren sind,
waren die meisten mit Revolver — besonders Kaliber
7 Ifmtr. Lefaucheux — ausgeführt.
Theilen wir die Verletzungen in a) Schüsse in
Ko{tf nnd Hals, b) Schüsse in Brust und Bauch und
e) Sehflsse in die Extremitäten , welche Eintheilnng
jedoeh bei den Schrotschüssen, wegen der Streuung,
adiwer einzuhalten ist, so finden wir, dass sich unter
den 7 ScArotschüssen , von denen 2 der Gruppe a)
(Kopf- n. Halsschfisse), 5 der Gruppe c) angehören,
dner mit tödtliehem Ausgang befindet (Schuss in den
leebten Mittelfnss , septische Infiltration und plötz-
üeher Tod in Folge von Septikämie). Von den
Kugelsehüuen stellt sich die Mortalität für die drei
Kategorien
Heilongen ad a: 7, Todesfälle 3
adb:17, „ 6
Sa. 29 Sa. 10
Von den KngelaehfiBsen seien hier folgende erwähnt.
L (Nr. 8 des OriginalB.) Ein Kaufmann von 27 J.
idioss Bich mit einem Revolver (9Mmtr.) in die Mitte der
Sdm 8 Finger breit über der Nasenwurzel ; erst 30 Min.
ladi der Verletsmig trat BewosstloBigkeit ein, so dass er
$ 8td. im Freien lag; dann ging er zu Fobb in die Klinik.
VoUständiges BewnsstBein, keine Lähmungen, kein Kopf-
iAmerz, einmaliges Erbrechen, dagegen groBse Unruhe ;
leehti bedentender Exophthafanns ; PupiUe erweitert,
tekes NasenbfaiteB. Nach 3 T. traten wüthender Kopf-
schmerz und leichte Delirien ein. In den folgenden Tagen
steigerte sich das Fieber, die Kopfschmerzen blieben
heftig; das Bewusstsein war am Tage frei ; erst nach 8 T.
trat zeitweilige Bewusstlosigkeit und Nackenstarre ein;
dabei nahm die Unruhe fortwährend zu. Nach 9 T. Zu-
nahme des Verfalls und Bewusstlosigkeit ; es wurde ein
bohnengrosses Knocheustück extrahirt. Am folgenden
Tage zeigte sich in der Wnnde etwas granrothliche zer-
quetschte GehirnmasBe. Am 12. T. n. d. Verl. Tod. —
Bei der Sektion zeigte es sich, dass der Schusskanal sich
am Dache der rechten Orbita bis an das For. optic. hin-
zog; an dieser Stelle war das Dach der Orbita zer-
stört, das Auge selbst aber unverletzt und nur das das-
selbe umgebende Fettgewebe serös infiltrirt. Der rechte
Bulbus olfactor. waryollkommen zerstört und am rechten
N. opticus , da , wo die Kugel lag , ein ganz minimaler
Snbstanzverlust ; die ganze vordere Hälfte des Stim-
lappens war in eine rothe breiige Masse verwandelt und
die Erweichung erstreckte sich bis an die Wand des
Seitenventrikels.
II. (Nr. 9 des Originals.) Selbstmordversuch mittels
9 Mm tr. -Revolvers von einem 27jähr. Manne ; Einschuss-
Öffnung in der rechten Ohrmuschel, dicht hinter der Mün-
dung des äussern Gehörgangs. Das Bewusstsein war
beim Eintritt in die Klinik — 2 Std. nach d. Verl. —
noch intakt. Fat. war aber einige Male bei vollem Be-
wusstsein hingefallen, da er im Kreise herumgegangen
war und oft das Gleichgewicht verloren hatte ; kein Kopf-
schmerz, kein Erbrechen, nur Schwindel. Aus tler Wunde
sickerte mit Blut vermischter Liqu. cerebro-spinal. aus;
das Gehör auf dem rechten Ohre war schlecht. Die Er-
scheinungen , welche folgten , waren sehr massig. Das
Bewusstsein blieb erhalten; nur einmal heftiger Kopf-
schmerz, der aber aufhörte, als bei Herausnahme des
Tampons in 15 Min. 2 Cctmtr. Liq. cerebro-spinalis aus-
flössen und eine örtliche Blntentziehung gemacht worden
war. Acht Tage n. d. Verl. gelang es , die Kugel am
hintern untern Rande der Trommelhöhle, ungefähr dem
Eingang in die Cellulae mastoid. entsprechend , aufzu-
finden, deren Extraktion jedoch unterlassen wurde. Beim
Abgang — 35 T. n. d. Verl. — war das Trommelfell bis
auf einige narbige Stränge am obern Rande verschwun-
den ; die Kugel — von der man den 3. Theil der Circum-
ferenz an der oben genannten Stelle sieht — war mit der
Sonde nicht beweglich.
III. (Fall 10 des Originals.) Selbstmordversuch mit
einem 7 Mmtr.-Revolver am 1. Sept. ; Aufnahme kurz
nachher. Einschussöffnung an der linken Schläfe dicht
neben der Lin. semicirc. ; der Kr. gab noch deutliche
Zeichen von Bewusstsein. Tod am 2. September. — Die
Sektion ergab einen kleinen Defekt im Schläfenbeine mit
Absplitternng nach innen, Zerreissung der Dura und der
Art. mening. media. Die linke Gehimhemisphäre war
stark mit geronnenem Blute durchsetzt ; der Schusskanal
ging in querer Richtung durch die Gehimsubstanz und er-
streckte sich bis an die äussersten Theile der rechten
Hemisphäre ; die Kugel sass in der Gegend der Fissura
centralis.
Als bemerkenswerth hebt K. hervor das Fort-
bestehen des Bewusstseins trotz so schweren Ver-
letzungen.
Unter den 23 Bmstachüssen fand sich nnr Imal
eine Ansschussoffnung. In diesem Falle war die
Waffe ein Pistol, dessen schärfere Ladnng im Gegen-
satz zu der des Revolvers den Grund dazu gab. In
einigen Fällen sass das Projektil an der Rücken-
fläche y doch wurde es nicht herausgeschnitten , da
diess im Allgemeinen auf der Leipziger Klinik unter-
lassen wird, weil die Einheilung solcher Fremd-
körper meist ohne Weiteres von Statten geht. Nur
wo man ganz auffallende Störungen durch Entfernung
68
VI. Chimrgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
des Projektils beseitigen zu kdonen glaubt , muss
diese vorgenommen werden.
Besondere Beobachtongen in Bezug auf Heilung
der Brustschflsse mit Rücksicht auf die Bedeckungen
der Brust wurden nicht gemacht. In einigen Fällen
war die Brust frei oder nur mit dem Hemde bekleidet
gewesen y in andern Fällen war der Schnss durch
sämmtliche Kleider gegangen und war hier die Hei-
lung ebenso ohne Weiteres zu Stande gekommen;
dass bekleidete Eörpertheile grössere Gefahr der
Sepsis bieten, ist selbstverständlich. In den meisten
Flülen waren die EinschussöiTnungen links , nur in
3 Fällen rechts. Es kamen in 2 Fällen Zerreissnng
äeYArLmammaria inL vor. In einem Falle wurde
exspektativ verfahren und Pat. starb; im andern
Falle wurde am 3. Tage n. d. Verl. das Blut durch
Punktion entleert, der Pleuraraum f&Ute sich nicht
wieder und man konnte von einer Unterbindung
absehen. Im 1. Falle hätte sofortige Unterbindung
Hoffnung auf Erhaltung des Lebens gewährt Diese
beiden Fälle sind kurz folgende.
IV. (Fall 17 des Originals.) Ein 23 J. alter Mann
hatte sich mit einem Terzerol eine Brastverletzung zu-
gefügt, deren Eingangsoffhnng sich im 3. rechten Inter-
costahranme dicht am Stemalrande befand. Er wurde in
collahirtem Zustande mit fortdauernder Blutung aus Mund
und Nase und geringer Blutung aus der Wunde aufgenom-
men. Der Tod trat nach 12 Std. ein. — Die Sektion er-
gab Zerreissung der Art. mammaria interna.
y. (Fall 18 des Orig.) Ein 21jähr. Mann hatte
einen Selbstmordversuch mit Revolver bei mit Hemd be-
kleideter Brust gemacht ; die Einschussoffhung entsprach
dem Stemalansatze des 3. rechten Bippenknorpels, ziem-
lich genau über der Art. mammaria interna. Herzstoss
schwach fühlbar , Dyspnoe , rechtseitiger Hämatothoras.
Dämpfung und Dyspnoe nahmen zu; am 2. Tage war
Cyanose und hochgradige Djrspnöe vorhanden und es
wurde antiseptisch punktirt, wodurch 12— 1500 Ccmtr.
dickflüssigen schwarzen Blutes entleert wurden. Kurz
darauf war rechts hinten unten deutlich Luftschall und
Vesikularathmen nachzuweisen u. es erfolgte Heilung ohne
jede Störung. Pat. wurde nach 30 T. geheilt entlassen,
kehrte aber wegen einer Periphlebitis der Vena saphena
sin., an die sich eine Pleuritis sin. schloss, wieder und
wurde auch hiervon gänzlich geheilt.
Von Interesse ist auch folgender Fall , in dem
die Art lingualis dextra zerrissen war.
VI. (FaU 19 des Orig.) Ein 21Jähr. Arbeiter
hatte mit einem 7 Mmtr. -Revolver einen Selbstmordver-
such gemacht ; die Brust war nur mit Hemd bekleidet ge-
wesen. Einschüsse am linken Stemahrande in der Hohe
des 3. Intercostalraumes und in der Höhe des 7. Inter-
costalraumes 7 Ctmtr. nach aussen von der Medianlinie ;
Sensorium frei , Badialpuls klein , an der Herzspitze pfei-
fendes systolisches Geräusch. In den nächsten Tagen
zeigte sich ein geringer Erguss im rechten Pleurasäcke
und vom 6. T. an bildete sich in der Oegend des rechten
Unterkiefelwinkels eine prall elastische, rasch zunehmende
Geschwulst, dabei Unvermdgen, den Mund zu öffnen,
hohes Fieber und Dyspnoe. Beim Spalten der Geschwulst
— am 20. Tage n. d. Verl. — fand man die Höhle mit
Blutgerinnseln gefüllt; der Unterkiefer lag an seinem
Winkel bloss ; plötzlich trat Asphyxie auf und während
die Respiration wieder in Gang gebracht wurde , drang
aus der Incisionsöffinung ein heller Blutstrahl; Tod. —
Die Sektion zeigte Zerreissung der Art. lingual, dextra
kurz vor ihrem Abgange ans der Art. carotis ext. ; das
Zellgewebe des Halses war in eine schwielige Masse ver-
wandelt, das Projektil hier nicht zu finden. Aosaerdem
fland sich Verletzung der Leber an dem untern Rande des
linken Lappens (Vemarbung) ; die anliegende Partie des
Magens war mit dieser Stette verklebt. Das Projektil
lag frei im perirenalen Bindegewebe, das Perikaidinm
enthielt blutig-serösen Erguss.
Die Diagnose auf Verletzung der Art. lingnalis
konnte nicht gestellt werden ; man dachte , da die
Anschwellung erst am 6. Tage aufbrät^ an eine sep-
tische Entzündung des Bindegewebes am Halse.
Die sofortige Unterbindung der Art. carotis comm.
hätte wohl Aussicht auf Heilung geboten y nachdem
die Geschwulst eröffnet war , wenn nicht plötzlicher
Tod eingetreten wftre.
Von Verletzung des Herzens kamen folgende
Falle vor.
vn. (Nr. 20 des Orig.) Selbstmordversuch dnrch
Revolver; Pat. wurde 1 Std. nach der That bewnsifloB
in die Klinik gebracht. EinsebussÖtfoung im 6. Inte^
costalranm genau in der Papillarlinie; die Auskultaiioi
ergab nichts Abnormes ; Pneumothorax sin. ; Tod nach
36 Stunden. Bei der Sektion zeigte sich, dass der Schtm
die Lingula pulm. sin. und das Myokardium des ttnkoi
Ventrikels durchsetzt hatte, ohne das Lumen des Ven-
trikels zu eroffnen; Hämopneumothorax ; Hämoperikir-
dium ; Lungenödem ; frische Infiltration des dem SchUB-
kanal zunächst liegenden Papillarmuskels.
Vm. (Nr. 21 des Orig.) Selbstmordversuch dnrck
Revolver ; Einschussoffhung 2 Ctmtr. nach innen von der
linken Papille in gleicher Höhe mit derselben ; Bewuastr
sein bei der Aufnahme — 3 Std. nach der Verl. — frei;
Herztöne schwach, aber rein. In den Lungen Mnka hintes
unten Dämpfung ; ans der Wunde floss beim Aufriehten
hellrothes Blut. Im 9, Intereostalranm , handbreit vom
Proc. spinös, entfernt, war das Projektil zu f&hleo;
Schmerz, Athemnoth. In der 5. Std. n. d. Verl. pl^ti-
lieh Bewusstlosigkeit und 2 Std. darauf Tod. Bei der
Sektion fand man Haematothorax sin., der Schuss hatte
den linken Ventrikel gestreift, dabei das Lumen deeael-
ben eröffnet und dann noch den linken untern Liugeo-
lappen durchbohrt.
Im letzten Falle hatten während des LebeoB
keine Symptome einer so schweren HerzrerietzuDg
bestanden. Es ist daher wohl anzunehmen, da»
ein Haarseilschnss vorhanden gewesen nnd eine
dflnne Muskelschicht stehen geblieben war, die dann
plötzlich riss, worauf der Tod sofort eintrat.
Die Behandlung der Schnssverletznngen geechietii
in der Leipziger Klinik in der Weise, dass dieWtmde
und ihre Umgebung mit Carbol- oder SalicylwMsa
gereinigt , der Schnsskanal in seinem obem Theile
ansgespfllt und, wenn er klaflPt, drainirt wird. Tritt
bei Brustschüssen hochgradiges Emphysem ein, so
wird der Schusskanal erweitert und die Oeffnnng m
der Thoraxwand tamponirt. Die Sondimng ist; m
weit als möglich , zn unterlassen ; bei ausgedehnten
Einschussöffnungen mit gequetschten Rändern sino
diese zu excidiren und -^ wenn möglich — dorcn
die Naht zu vereinigen, üeber die Entfernung der
Projektile ist bereits oben gesprochen. Zum Be-
decken der Wunde dient ein Salicylwatte- oder
Carboljuteverband , und zwar letzterer sowohl w
trockner , wie als nasser Verband. Wo es siob uffl
Höhlen handelt , ist der Carbolverband vorzüglich«!*.
Eis , Morphium , absolute Ruhe sind von besonderer
Wichtigkeit.
VI. Cbimrgie, Ophäialmologie u. Otiatrik.
69
Von aecidentellen Wnndkrankheiten kam nur
eiD Fall y und zwar Pyämie vor. Es betraf dieser
einen Revolverachiu« in die Mitte der rechten Ellen-
bogenbenge bei einem 15jähr. Lehrling, der schon
Bicfa 2 Tagen starb. Da seit mehreren Jahren in
der Leipziger Klinik seit strenger DarchfÜbrang der
Antisepsis kein Fall von Pyämie beobachtet wurde,
80 kann man iinr annehmen, dass beim Sondiren
otar Eingehen mit dem Finger infektiöse Stoffe in
& Wunde getragen wurden.
In Bezug auf die Gefährlichkeit der Revolver"
Schüsse ergaben die Beobachtungen, dass Keiner von
Denen , welche sich mittels eines kleinen Projektils
eme Schussverletzung der Lungen ohne Betheiligung
des Herzens und der Gefilsse zugezogen hatten , gc-
stoiben ist. Solche Schüsse heilen in kurzer Zeit,
ohne erhebliche Störungen hervorzurufen oder zu
hmterlassen.
Prof. Theodor Kocher (Schweiz. Corr.-Bl.
IX. 3. 4. 5. 1879) hat eine Reihe sehr wertlivoUer
Uatersochnngen über die phygikalischen Einwir'
hmgen der KUingewehrgeschoese veröffentlicht,
onter ganz besonderer Berücksichtigung der Gewebe
and Organe des menschlichen Körpers. Die Ver-
suche sind besonders mit dem Vetterli-Repetirgewehr
mit gezogenem Laufe (dem gewöhnlichen eidgenössi-
schen Ordonnanzgewehr), dem Henry-Martinigewehr
mit verschiedenen Geschossen , und zwar aus Blei,
Kopfer, Rose'schem Metall u. s. w., sowie mit ver-
schiedener Ladung angestellt worden. Besonders
bat K. auch anf die Geschwindigkeit der Geschosse,
die von der frühem so wesentlich abweicht , Rück-
sicht genommen. Bei der grossen Wichtigkeit des
in Rede stehenden Gegenstandes geben wir die Ar-
beit — so weit diess überhaupt möglich ist — aus-
tehrlich wieder.
Ans den Versuchen ergiebt sich zunächst, dass
durch eine Flüssigkeitsmasse allein eine auf kurze
£ntfemung (30 Mtr.) abgeschossene Kugel in ihrem
Lanfe aufgehalten werden kann; eine Erhöhung der
Temperatur bis znr Schmelzung des Bleies findet da-
bei nieht statt. Auch die Kugel aus Rose'schem
Metall zeigt keine auf Abschmelznng hindeutende
Verlndenmg ; wenn auch die Bleikugel in einzelnen
Fällen Pilzform angenommen hatte, so ist diese einzig
und allein auf die Weichheit und Plasticität des Me-
taÜB zurfickzuführen.
Im Ganzen hat K. Schüsse abgegeben auf Glas-
tdieiben, mit EUeseln gefüllte Gefösse, auf einen mit
Wasser gefällten und an der vordem Wand nur mit
Pe^amentpapier verschlossenen Brodkasten, auf ein
mit Wasser gefttUtes, oben offenes Blechgeiiss, auf
mehrere hinter emander stehende Blechgefösse , von
deneo das mittlere leer, die beiden andern mit Wasser
gefUlt waren, anfeine (SGtmtr. dicke) Eisenplatte, anf
eiB(4Gtaitr. dickes) Buch ohne Pappdeckel, auf ein
System von zwei 3 Otmtr. dicken Platten aus Gela-
tine mit emer 3 Gtmtr. dicken Gementplatte dazwi-
mid anf eine trockne Tibia.
Indem wir wegen der einzelnen Versuchsreihen
und deren Resultate auf das Origmal verweisen , er-
wähnen wir, dass der erste von K. gezogene Schluss
dahin lautet, dass die zerstörende Wirkung der mo-
dernen Geschosse — soweit Flüssigkeiten dabei in
Betracht kommen — einzig und allein auf dem Zu-
standekommen des hydrostatischen Druckes beiniht
und dass eine Abschmelznng von Blei dabei nicht
stattfindet. Im Gegensatz hierzu ergaben die auf
eine Eisenplatte abgefeuerten Schüsse, dass bei Auf-
treffen des Geschosses anf einen harten Gegenstand,
welcher dieselbe Geschwindigkeit, statt wie das
Wasser allmälig (auf ca. l'/i Mtr. Länge), sofort
zu vernichten vermag , allerdings eine Schmelzung
stattfindet. Bei niederem Schmelzpunkt des Ge-
schosses findet — wie Versuche mit dem Rose'schen
Metall ergaben — eine ausgedehntere Schmelzung
statt; bei Geschossen aus Kupfer, das einen viel
höheren Schmelzpunkt hat, kamen bei geringerer
Anfangsgeschwindigkeit Schmelzungen nicht vor.
Die Wirkung auf die Eisenplatte wird übrigens —
wie die Versuche ergaben — durch die Schmelzung
der Kugel nicht beeinträchtigt. Die Wirknng der
Geschosse auf die Ziele richtet sich nach der grösse-
ren Weichheit, resp. dem geringeren Widerstände
derselben, und ist der grösseren Weichheit derselben
entsprechend grösser; statt einer Delle, die sich bei
einer Eisenplatte als Ziel zeigt, finden wii* eine gleich
dicke Bleiplatte ganz durchschossen oder statt der
flachen Delle einen tiefen Krater. Von besonderem
Interesse bei diesen Schüssen ist aber, dass bei ihnen
eine Seitenwirkung stattfindet, es wird hierdurch eine
Oeffnung von zwei- bis dreimal so grossem Durch-
messer, als der Umfang der Kugel, hervorgerufen ;
beim Bleigeschoss findet diese Vergrösserung nur an
der Euigangsöffnung statt, während die Ausgangs-
öffnung verhältnissmässig klein ist. Einen solchen
trichterförmigen Schusskanal hatte Busch bei
Schüssen gegen eine geknetete Lehmwand beobach-
tet und für die Abschmelznng des Bleies und die
Wirkung der abgeschmolzenen Theile, sowie für die
Wirkung der Centrifugalkraft durch Rotation der
Kugel für beweisend gehalten. K. hat durch seine
Versuche die Unhaltbarkeit dieser Behauptung dar-
gethan. Die Rotation kann die Seitenwirknng nicht
wohl hervorbringen , eben so wenig aber auch die
Schmelzung des Geschosses , da diese letztere sich
auch beim Kupfergeschoss zeigt, während hier von
einer Abschmelzung des Geschosses nicht die Rede
ist. Auch hier findet allerdings eine Schmelzung
und ein Umherspritzen feinster Metalltheilchen statt,
aber diess ist eine Schmelzung des Zieles selbst —
der Bleiplatte. Für Geschosse aus Blei und Rose 's
Metall kommen hierzu die Produkte der Abschmel-
znng des Geschosses. Alle diese Versuche und die
hieraus resultirenden Formen des Schusskanals be-
weisen aber, dass die Schmelzung des Geschosses
selbst die Wirkung auf das Ziel nicht verstärkt, son-
dern verringert. Da also die Wirknng dm'ch die
Erweichung der Bleiplatte verstäi'kt wu*d und da die
70
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
Wirkung durch (theilweise) Verflüssigung der Ge-
schosse vermindert wird, so muss man fbr den
menschlichen Eöiper , bei dem doch von einer Ver-
flüssigung des Zieles nicht die Rede sein kann , an-
nehmen, dass hier ausschliesslich der bereits vorhan-
dene Flüssigkeitsgehalt für die Sprengwirkung des
Geschosses maassgebend ist , und dass in Bezug auf
eine Verstärkung der Wirkung eine Schmelzung des
Geschosses nicht in Betracht kommt
Man darf aber nicht so weit gehen , zu behaup-
ten, dass die Seitenwirkung der modernen Geschosse
ausschliesslich auf den hydrostatischen Druck zui*ück-
zuführen ist; dass diess nicht der Fall ist, lehren Ver-
suche mit Schüssen (verschiedener Geschwindigkeit)
auf Glasscheiben. Man hat gefunden, dass durch einen
Pistolenschuss aus nächster Nähe bei etwas mattem
Glase ein schönes rundes Loch mit sehr geringer
Splitterung der Ränder herausgeschlagen wird und
sollte demgemäss annehmen, dass das Vetterli-
geschoss, das eine viel grössere lebendige Kraft; be-
sitzt, ein noch viel reineres Loch erzeugen würde.
Das ist aber nicht der Fall ; man findet allerdings
einen lochförmigen Defekt, aber damit verbunden
eine Reihe concentrischer und radienförmig angeord-
neter ausgedehnter Sprünge, so dass sprödes Glas zer-
splittert, weicheres Glas bis an den Rand hin von
Sprüngen durchzogen wird. Die Erklärung für diese
Thatsache ist nach E. der Umstand , dass trotz der
enormen Geschwindigkeit und deshalb sehr geringen
Zeit zu Mittheilung der Bewegung der momentane
StoBS seiner ausserordentlich gesteigerten Heftigkeit
wegen bis an den Rand der Scheibe hin wirksam ist.
Für diese Annahme gaben Schiessversnche eine
gute Stütze , die mit dem Vetterligewehr mit star-
ker und schwacher Ladung auf Blechgefässe, die
mit Kieselsteinen gefüllt waren , abgegeben wurden.
Man möchte hieraus zu dem Schlüsse gelangen, dass
zwischen der Wirkung der modernen Geschosse auf
flüssige und auf feste Köi*per eine Verwandtschaft
bestehe, und dass die Seitenwirkung durch den hydro-
statischen Druck und die ausgedehnte Splitterung
nach den Seiten hin auf analogen Vorgängen beruhe;
eine genaue Analyse der Vorgänge hierbei lässt eine
Analogie nicht verkennen. Eine weitere Illustra-
tion zur Erklärung der Seitenwirkung bei festen
Körpern geben die auf eine Combination von Gelatine
und Cementplatte abgegebenen Schüsse , welche das
Verhalten elastischer Körper gegen die Geschosse
gut demonstriren. Während die Gelatine einen sehr
engen Schusskanal — enger als der Durchmesser
der Kugel — zeigte , war die Cementplatte dazwi-
schen in emer Ausdehnung von 10 bis 15 Gtmtr. zu
Sand zerbröckelt. Frühere Versuche hatten K. ge-
lehrt, dass auch dm*ch Gallerte hindurch eine Stoss-
wirkring auf Cement zu Stande kommt. Elastische
Körper pflanzen die Wirkung des Geschosses sehr
energisch fort, allerdings nicht so stark wie
Flüssigkeiten, aber sie selbst werden in Folge
der Verschiebbarkeit ihrer Theilchen wenig zer-
stöi*t.
Hieraus geht noch hervor, daes die Sprengwir-
kung unter gleichzeitig stattfindender Verschiebong
der kleinsten Theile zu Stande kommt, dass aber die
mit ihr verbundene Arbeitsleistung die Kraft des
Stosses um so mehi- erschöpft, je grösser die Coh&-
sion des Körpers ist. Deshalb aber behält bei FiOs-
sigkeiten der Stoss seine Kraft auf grosse Entfer-
nung, während bei spröden Körpern die Kraft des
Stosses auf weitere Entfernung durch Ueberwindaog
der Cohäsion gehindert und erschöpft wird. Ueb-
rigens ergaben fernere Versuche, dass auch bei
festen Körpern die Schmelzung des Geschosses eine
Vermehrung der Wirkung nicht zur Folge hat.
Wenn man bei Betrachtung der Wirkungen des
Geschosses die Qualität des Zieles unberücksichtigt
lässt, so gelangt man dadurch zu irrthümlicben
Schlüssen. Man kann also durchaus nicht von einer
Wirkung eines bestimmten mit einer gewissen leben-
digen Kraft begabten Geschosses sprechen, ohne da-
bei das Ziel selbst in Betracht zu ziehen. Diese
allgemeine Bemerkung ist bei der Benrtheilung der
Wirkung von Geschossen auf den menschlichen Kör-
per nicht zu vergessen. Für die verschiedenen Ge-
webe und Organe des Körpers ergiebt sich nun als
Versuchsresnltat Folgendes. Das härteste Gewebe
des Körpers — die Cortikalsubstanz der Knochen —
steht den gegenwärtig gebräuchlichen Geschossen
gegenüber in der Mitte zwischen der Glasscheibe nnd
der Blechplatte, so dass durch ein Vetterli-Gewehr
wie durch ein Pistol ein Loch mit Defekt heraas-
gerissen wird; aber es macht sich beim Vetterli-
Gewehr noch ein geringer Grad fortgeleiteter Wir-
kung bemerkbar, indem Splitterung — wie beim
Glase, aber in geringerer Ausdehnung — stattfindet
Rein kommt diese Wirkung nur dann am lebenden
Körper zur Geltung, wenn die Anfangsgeschwindig-
keit unter 200 Mtr. beträgt, während sonst die
hydrostatische Wirkung so in den Vordergrund tritt,
dass man die „Sprengwirkung^^ vernachlässigen
kann. Ganz dasselbe findet bei Streifischfissen stati
Für alle festen Gewebe des Körpers lässt sieh
nachweisen, dass das Zwisohenschieben von festen
Körpern zwischen Ein- und Ausschnssöffhnng eine
trichterförmige Erweiterung derSchussöffhung gegen
letztere hin zur Folge hat, eine Thatsache, die ans
dem Ausreissen der erstgetroffenen Theile resnl-
tirt. Beim menschlichen Körper werden grössere
Muskelstücke und Knochensplitter mitgerissen. Diese
Wirkung ist bei hartem Geschossmaterial stärker
und wird desshalb auch durch Abschmelzung abge-
schwächt.
Die Schüsse auf die eUuUBchen Gewebe des
Körpers verhalten sich denen auf Gelatineplatten
analog; die Oeffnungen sind relativ klein und die
Seitenwirkung giebt sich nur durch Risse in der
Richtung der Spaltbarkeit, schlitzförmige Oeff-
nungen in den Fasoien, Längsrisse in der Haut am
Ausschasse, kund. Den grössten Aniheil an der
Wirkung der Geschosse auf die Gewebe des mensdi-
lichen Körpers haben die vom Flflss^keitsgehalte
VI. Ghinirgie, Ophthalmologie n. Oiiatrik.
71
der Gewebe abhüngigOD VerhältniBse. Für alle
nicht ans zu grosser £DtferDnng kommeuden Schüsse
iat der hydrostatische Druck fflr den Grad der Sei-
ten- oder SpreugwirkuDg maassgebend, und zwar
sowohl ftlr die Weichtheile — zumal Muskeln und
grosse Unterleibsdrüsen — , als auch für Epi- und
Dkphyaen und filr Räume, welche grössere Fittssig-
kdtsmeDgeii enthalten, wie Schädel und Darm.
Diese Wirkung zeigt sich bei unsem jetzigen
tochossen nur bei Nahschüssen. Im Ganzen führen
jiBo E.'a Versuche zu folgendem Ergebniss. Die
Absdunelzung von Blei hat fflr Erklärung der
Sprengwirkung der modernen Geschosse gar keine
Bedeatnng, die Sprengwirkung findet ihre völlig
nreiehende Erklärung vielmehr in der ausserordent-
lieh geateigerten Geschwindigkeit der neueren Ge-
sekMse. Die vermehrte Geschwindigkeit hat eine
hochgradige Steigerung der Seitenwirkung nicht nur
bei fiOaagen, sondern auch bei festen Eörpertheilen
nr Folge, und zwar ist die Seitenwirkung um so
hedentender, je mehr sich ein Körper in seinen phy-
äkaliachen Eigenschaften von den festen Körpern
entfernt und den Flüssigkeiten nähert, so dass also
£e Seitenwirkung in der Form des hydrostatischen
Draekes ihr Maximum erreicht.
Weitere Versuche werden nothwendig sein, um
m entscheiden, ob die Seitenwirkung eine direkte
Folge der vermehrten Geschwindigkeit ist, so dass
die Bewegung den kleinsten Theilen so rasch mit-
getheflt wird, dass em Ausweichen nicht stattfinden
kaao, oder ob die Seitenwirkung mit der lebendigen
Kraft sosammenhängt, die im Verhältniss der Qua-
dntnr der Geschwindigkeit zunimmt, so dass trotz
dem g^genseitagen Ausweichen u. dem dadurch ent-
stehenden Kraftverluste doch auf grosse Entfernung
hin noch eme bedeutende Energie entfaltet und über-
tngen wird. Diese Fragen sind durch Anwendung
nm Geaehossen verschiedenen specifischen Gewichts
bei gleichem Volumen zu lösen. K. neigt, wie oben
entwickelt, bei Entscheidung dieser Frage zu der
Aaäeht, diias noch ein geringer Theil der lebendigen
Kraft zur Geltung kommt
Fernere Versuche — Schüsse aus glattem Rohre
lof Bleiplatten — werden die Rotationswirkung der
Geschosse zu entscheiden haben, obwohl dieselbe
aar eine minimale sem kann. Femer handelt es
adi noeh darum, die Formel zu finden, nach der
nan a priori den Grad der Seitenwirkung bei be-
lümmter Geschwindigkeit und gegebenem Geschosse
besüninien kann, also für einen bestimmten Flüssig-
kdtsgehalt der Gewebe die Geschwindigkeit zu be-
ttimmen, bei der die „Sprengmrkung'^ beginnt.
[Diesen Ausdruck werden wir, nach K.'s Vorgange,
also fOi die Seitenwirkung der Geschosse festhalten.]
Auf eine Anfrage des eidgenössischen Stabs-
falrean*8| ob durch Hartblei oder Weichbleischwerere
Yerietzongen und längere KampfunflUiigkeit bedingt
würden, hatte K. sich gegen Metalle mit niedrigerem
Sdimelspankte als Blei ausgesprochen, da dadurch
ie Wirkung gesteigert würde, und hatte also auch
die Legimngen des Hai*tblei's verworfen. Diese
Ansicht sieht sich K. genöthigt, zurückzunehmen.
Mit Sicherheit lässt sich diese Frage erst entschei-
den, wenn festgestellt ist, ob bei Weichblei oder bei
Hartblei im Körper eine Schmelzung stattfindet,
vorläufig ist es für das Vetterli-Gewehr wahrschein-
lich, dass durch Hartblei schwerere Verletzungen im
menschlichen Körper entstehen. Im Interesse der
Humanität hält K. es aber für geboten, auf eine Ver-
kleinerung der Geschosse zu dringen. Hierdurch
wird Kampfunfl&hlgkeit des Geschossenen erzielt,
andrerseits aber doch der chirurgischen Therapie
eine leichtere Aufgabe gestellt. (Asch^.)
331. Fall von Teleangiektasie; von Dr. Gay.
(Lancet I. 4 ; Jan. 1881. p. 135.)
Der nachfolgende Fall erscheint in mehrfacher
Hinsicht bemerkensweilh , obschon über die Zeit,
binnen welcher das — übrigens noch nicht vollstän-
dige — Resultat erzielt worden ist, sich keine An-
gabe vorfindet.
Der betr. Kr., 8 J. alt, sonst gesnnd, hatte eine Ge-
Bchwolst, welche die ganze rechte Wange einnahm and
aus einer Gruppe von ausgedehnten Venen bestand, die
unter einander anastomosirten und so eine compakte
venöse (Geschwulst bildeten; die Qefässe — namentlich
die Venen — hatten sich auf Kosten des Muskelgewebes,
besonders des M. bncclnator, entwickelt. Der Tumor
war von bläulicher Farbe, hatte die Wange stark auf-
gebläht, die Haut sehr verdünnt und erschien in der-
selben Weise nach innen hervorgewölbt , so dass er zu-
weilen zwischen die Zahnreihen gerieth und so das Kind
beim Sprechen und Kauen hinderte. Von der Wange aus
erstreckte sich die Geschwulst als ein breiter und un-
regehnässiger Streifen quer zur Mundhöhle u. zum harten
Qaumen, dessen Schleimhaut zur Hälfte verdickt und ver-
färbt war, sowie zur Unterlippe, deren rechte Hälfte
durch grosse Venen ausgefällt war, welche fiber die nor-
male Oberfläche hervorragten. Die Wangengeschwulst
war deutlich begrenzt und man konnte das Blut fast gänz-
lich aus derselben herausdrücken, wobei jedoch eine nicht
unbedeutende, teigige Masse zurfickblieb, ohne Zweifel
die verdickten Wandungen der Venen mit dem zwischen
ihnen liegenden Bindegewebe; ebenso konnte man sich
hierbei auch überzeugen, dass eine feste UmhüUungs-
membran vorhanden war. Genaue Auskunft über die
Entstehung des Tumor, welcher immer noch wuchs,
konnte die Mutter nicht geben ; G. nimmt als unzweifel-
haft an , dass er angeboren und in die Klasse der Nävi
zu rechnen sei. [Auf die Differentialdiagnose mit caver-
nöser Venengeschwulst, bei der Ja vielfach eine spätere
Entstehung anzunehmen ist, geht G. nicht ein.]
Wiewohl schon vergebliche Versuche ausserhalb des
Hospitals gemacht worden waren, die Geschwulst mittels
rothglühender Nadeln zu zerstören, so entschloss sich G.
doch zur Kauterisation mit grossen, dicken Nadeln , die
durch Benzindämpfe glühend gemacht worden waren. Zu-
nächst wurde unter Chlorofommarkose die Geschwulst so
weit als möglich herausgedrängt und nun wurde — ohne
dass das Blut vorher herausgepresst worden war — eine
1' " (nahezu 2 Mmtr .) dicke Nadel an verschiedenen Stellen
tief in die Geschwulst eingestossen. Obgleich die hier-
durch entstandenen Oeflhungen die Dicke eines Katheters
Nr. 6 oder 7 hatten, so erfolgte keine Blutung. Zunächst
vergrösserte sich die Geschwulst, verkleinerte sich dann
aber, nachdem aus den Oeffnungen eine blutig-schleimige
Flüssigkeit ausgeflossen war. Doch war diese Operation
resnltatlos. Nach 2 W. entschloss sich G. zur Wieder-
holung der Operation, aber mit der Modifikation, dass die
72
VI. Chirurgie^ (^häuJniologie n. Ottatrik.
EiüBtiehe nur anf einen kleinern Theil der Oeschwulst
beschrankt werden sollten. Es wurden znnäohst in den
gefässreichsten Thell der Qeschwalst anf eine Fläche von
V4 Qn.-Zoll (ca. 18 Qn.-Mmtr.) 5 Einstiche gemacht. Ans
2 von diesen Oeffnungen entleerten sich Massen dunklen,
mit einigen carmoisinrothen Streifen vermischten Blutes.
Nach mehreren anderweitigen vergeblichen Versuchen,
der Blutung Herr zu werden , wurden Ligaturen tief in
das Gewebe unterhalb der blutenden Stellen mittels eines
Arterienhakens, der mit dicker Seide versehen war, ein-
gesenkt and geknüpft. Hierauf folgte Consolidation des
Theiles der Geschwulst, der innerhalb dieser Grenzen
lag, während der übrige Theil der Geschwulst unverändert
blieb. Dasselbe Verfahren wurde bei einem 2. Stflcke
der Geschwulst angewendet, und zwar zwischen Wange
und Gaumen, wo sehr grosse GefSsse lagen. Es wurden
3 Oeffhungen gemacht , aus denen eine profttse Blutung
erfolgte, welche — da die früher angewandte Methode zu
schwierig war — durch Ausstopfen der Oeifnungen mit
Lint, der in EisenchloridlSsung getaucht war, gestillt
wurde. Auch jetzt wurde ein gleiches Resultat wie bei
der 1. Operation erzielt und es bedurfte verschiedener
ähnlicher Operationen, um die Geschwulst zur Consolidi-
rnng zu bringen. Besonders mühsam war die Operation
an dem Theile der Geschwulst, der von der Wange zum
Gaumen herüberging ; namentlich waren hier sehr heftige
Blutungen zu überwinden. Auch die fast frei liegenden
grossen Venen an der Oberlippe mussten einzeln unter-
bunden werden. Endlich schien jeder Theil der Ge-
schwulst consolidirt ; das vaskuläre Gewebe in eine feste
Masse verwandelt.
Ais das Kind eine Woche vor VeröfTentlichung
der Krankengeschichte vorgestellt wurde, war zwar
der grösste Theil , al)er nicht die ganze Geschwulst
consolidirt. Mitten in der Mundhöhle und dann an
dem am weitesten nach hinten belegenen Theil der
Wange befanden sich Inseln , die nicht nur grosse
Venenknäuel zeigten , sondern auch im Wachsthum
begriffen waren. G. gedenkt das beschriebene Ver-
fahren auch gegen diese anzuwenden. Im Allgemei-
nen zieht G. bei der Behandlung der Nävi und der
verwandten Tumoren das Kauterium vor, würde
aber, wo diess nicht angängig ist, kein Bedenken
tragen, sie mit dem Messer [am besten wohl mit dem
Gltihdraht] zu entfernen. (Asche.)
332. Fall von Amputatio sab astragalo ;
von P. J. Hayes. (Brit. med. Joum. Febr. 26.
1881.)
Eine 65 J. alte Frau wurde mit einem grossen Epi-
theliom aufgenommen, welches, seit 1 J. entstanden, den
vordem und äussern Theil des linken Fusses einnahm.
Fat. sah zwar blass aus, machte aber keineswegs einen
kachektischen Eindruck. An 2 Stellen war Eiterung ein-
getreten. Nachdem der Esmaroh'sche Blntsparapparat
angelegt war, machte H. zunäehst ohne Inoision, welche
am äussern Rande der Achillessehne begann, in einer
Ebene, welche IV4 Zoll (ca. 3 Ctmtr.) sich unter der
Spitze des MalleoUus ext. befand. Diese Ineision wurde
durch die Haut und das subcutane Qewebe geführt, und
zwar zunächst nach vorwärts, dann nach aufwärts, vor-
wärts und etaiwärts, so dass sie zwei Finger breit ober-
halb der Basis des Os metatarsi V. hindurchging und an
der inaem Seite der Sehne des M. eztensor hallucis
propr. über dem Tarsaleade des entsprechenden Metatar-
ealknochens endete. Die folgende Indsion begann da, wo
die erste endete, in einer Richtung nach abwärts und vor-
wärts, 80 dass sie einen Zoll (ca. 23Mmtr.) vor der ersten
Articulat. tarsometatarsea in die Sohle eindrang; sie
wurde dann nach aussen unter den Ossa metatarsi und
zuletzt nach rückwärts geführt, so dass sie die erste In-
eision über der äussern Fläche des Os ealcis traf. Zu-
näehst wurden alle tiefer gelegenen, der Dorsalwnnde
entsprechenden WeichtheUe getrennt, hierauf die der
Plantarincision entsprechenden, und dann wurde ein dicker
unterer Lappen sorgfältig präparirt, so dass das Fersen-
bein blosshig. Nun wurden die Qelenkverbindungen des
Ob navicnlare und des Os euboid. vom Astragalus u. vom
Calcaneus getrennt und der Plantarlappen soweit abgelost,
bis die äusscrste Spitze der Ferse frei wurde. Dann
wurde das die untere Fläche des Calcaneus bedeckende
Periost in der Richtung vea vom nadi hinten inddlrt und
bis zur Höhe des Sustentacolum tali vom Knochen abge-
löst. Der blossgelegte Knochen wurde von innen nack
aussen durchtrennt, so dass eine breite Fläche znrfick-
blieb in gleicher H5he mit dem Sustentaculnm ; alle
scharfen Winkel wurden abgerundet und, um Bildung eines
Neurom zu verhüten, wurde der N. tibial. post. hoch
durchschnitten. Die Heilung ging unter antiseptiBOhea
Cautelen ohne Zwischenfall vor sich und bereits einen
Monat nach der Operation konnte Pat. mit Hülfe von
Krücken gehen ; der Stumpf ist ein guter, breit, eben n.
fest und dabei sind die Bewegungen im Tibie-Tarsalge-
lenk frei.
Das Operationsverfahren ist nach H. von Tripier
in Lyon angegeben und in England von Wagstaffe,
Chirurg am St. Thomas Hospital, empfohlen worden.
(Aschö.)
333. Zur Kenntnisn der Banula ; von Dr.
Straatmannzn Dnisborg. (Orig^nal-Mittheilaug.)
Mit Bezug anf die in diesen Jahrbttchern (Bd.
CXC. p. 250) mitgetheilte Beoba4ditung Gosse-
lin's von einer ungewöhnlichen Fonn der Banola,
erscheint folgender Fall von Interesse der mir iia
Sommer 1879 vorgekommen ist
Frau Damm von Duisburg consultirte mich wegen
einer taubeneigrossen rechtseitigen sublingualen ßa-
nula und einer giUiseeigrossen snbmaxillaren Ge-
schwulst. Eine Communikation beider OeschwiÜBta
konnte sogleich durch theilweises Verdriiagen des
flüssigen Inhaltes von einer Geschwulst zur audeni
constatirt werden. Nach Ineision des subiingualeD
Theiles entleerte sich eine eiweissartige Flüssigkeit^
u. die Sonde konnte bequem durch eine schlitzartig6
Oefiiiung in den snbmaxillaren Theil der Güiehwolst
eingebracht werden. Bei der äussern IncMon auch
dieser Geschwulst entleerte sich eine wie vorher an«
gegebene Flüssigkeit.
Es wurde ein Drainagerohr, das ebenfalls be-
quem die Oeffnung im Boden des Mundes passirte,
eiugelegt; an einem Zahn befestigt u. an der Aussein
Wunde hinausgeführt. Als dasselbe nach etwa 8 biB
10 T. entfernt worden war, stellte es sich alsbald
heraus, dass der sublinguale Theil verödet war.
Die äussere Paitie musste nach einem Monate noch-
mals incidirt und drainirt werden. Aber auch dieis
missglttckte. Erst eine zweite derartige Procednr
führte zum Ziele und ist bis jetzt, 15 Monate später,
kein Recidiv erfolgt.
0 e i s s 1 6 r y über Farbenblindheit.
73
B. Originalabhandlungen
and
Ueberslchten.
VII. Ueber Farbenblindheit
Nach den neuem Untersuchungen zusammengestellt
von •
Dr. med. Arthur Geissler.
Die Literatur über Farbenblindheit ist in dem letz-
ten Jahrftlnft so bedeutend angewachsen , dass auch
in diesen Blättern eine Berttcksichtigung derselben
Bieht läoger umgangen werden kann. Ursprflnglich
vir es die Absicht, eine Besprechung der einzelnen
Arbeiten in fortlaufender Reihe zu geben , aus wel-
cher sich gewissermaassen von selbst die historische
£Dtwicklmig des gegenwärtigen Standes unserer
Kenntnisse herausgehoben hätte. Doch ist diese
Tixrm durch das massenhafte Anwachsen des Stoffes
ftr äesi Raum unserer Jahrbücher, unter Berücksich-
ügong desUmstandes, dass fhr den praktischen Arzt
nur unter besondem Verhältnissen diese Anomalie des
Sehorgans wichtig ist, nahezu unmöglich geworden ;
laUreiclie Wiederholungen und Weitschweifigkeiten
wttrd^i nicht zu umgehen sein. Dazu kommt noch,
dass in diese Dntersnchungen nicht selten ein Ton
gegensdüger Erbitterung und persönlicher Polemik,
Prioritätraacht und Aufbauschung nichtiger Details
au hodiwichtigen Ereignissen hineingetragen worden
ist, denen im Speciellen nachzugehen iZ«/*. weder den
Beruf noch die Lust hat. Selbst das ursprünglich
beabffichtigte ausführliche Literaturverzeichniss, wel-
ches ea. ^/s Bogen Raum beansprucht haben würde,
BBsete schlfisslich zurückgelegt werden, da diese
Ranmerspamiss um deswillen unbedenklich schien,
veil Jefferies seiner leicht zugänglichen Mono-
graphie ein solches angehängt hat. Dieses reicht
bis in das Jahr 1879 hinein und kann wohl als er-
achdpfend bezeichnet werden. Das Hirschberg'-
sdie Centralbhitt, die Literatmllbersicht in dem Ar-
diiv fftr Augenheilkunde , in den klin. Mon.-Bl. f.
Ahkde. , femer die unsem Jahrbüchern selbst bei-
g^ebenen bibliographischen Verzeichnisse enthalten
die Nachträge; sowie sonstige Ergänzungen. Nicht
minder kann auf die ausführlichen Literaturübersich-
ten in den grossen Handbüchern von Graefe-
Sämisch und v. Wecker verwiesen werden. In
der folgenden Darstellung sollen daher nur die wich-
tigsten Quellen bei den einzelnen Capiteln namhaft
gemacht werden. Noch viel mehr war Bescheidung
geboten, wenn man auch die Literatur über Farben-
empfindung berücksichtigen wollte. Sowohl Physik u.
Med, Jahrbb. Bd. 191. Hfl. 1.
Chemie, als auch Physiologie u. Psychologie haben
sich daran betheiligt und für den Philosophen waren
diese Räthsel früher nicht minder von Interesse als
fUr den Physiker. Vollständig diese physikalischen
und physiologischen Untersuchimgen zu übergehen,
erschien aber um deswillen nicht am Platze, weil die
fortschreitende Eenntniss der normalen Empfindungs-
vorgänge Hand in Hand, in vielen Stücken auch vor-
aus ging dem Interesse, welches die anomalen Er-
scheinungen erwecken. Wer diesen Portschritt in
der Physiologie des Gesichtssinns sich recht vor Augen
stellen will, mag z.B.Volkmann's Artikel „ Sehen **
in R. Wagner 's Handwörterbuch der Physiologie,
A üb er t 's Physiologie der Netzhaut und die Arbei-
ten von A. Fick, Kühne und Hering in dem
3. Bande von Hermann 's Handbuch der Physio-
logie mit einander vergleichen.
A. Fhysikalisohe und physiologische Vor-
bemerkungen.
Von den Lichtstrahlen oder Aetherwellen, welche
das Prisma in die verschiedenen Componenten zer-
legt, vermag nur ein Theil die unserem Sehorgan
eigene „specifische Energie" zu erregen. Bekannt-
lich nennen wir diese besondem Qualitäten des Lich-
tes „Farben**, und die Physik hat uns gelehrt, dass
sie sich unter einander dadurch unterscheiden , dass
die Aether-Oscillationen mit verschiedener Geschwin-
digkeit in der Zeiteinheit sich bewegen und eine ver-
schiedene Wellenlänge besitzen. Schwingungszahl
und Wellenlänge stehen im umgekehrten Verhält-
niss, die schnellsten Schwingungen haben die kür-
zeste, die langsamsten die längste Wellenlänge.
Gewisse Stellen im Farbenspectrum sind durch
einen schwarzen Strich ausgezeichnet , wo nur sehr
schwache Strahlen aus hier nicht näher zu erörtern-
den Gründen vorhanden sind. Insbesondere machen
sich 8 Stellen oder schwarze Striche bemerkbar, die
man als Fraunhofer^sche Linien zu bezeichnen pflegt.
Man ist gewöhnt , diese Linien mit den Buchstaben
A bis H aufzufflliren und damit zugleich den Ort der
Farbe anzugeben. Im Folgenden ist eine solche
Stellung der brechenden Kante des Prisma vorans-
10
74
0 e i 8 8 1 e r 9 über Farbenblindheit.
ge8etzt ; da8S anf dem Schirme da8 Spectrum hori-
zontal erscheint und die am wenigsten abgelenkten
Strahlen am linken, die am stärksten abgelenkten
am rechten Ende gesehen werden.
Nachstehend mag die AufifÜhrung der Farben
des Sonnenspectrum nebst den zugehörigen Zahlen
einen kleinen Anludtepunkt an das Gesagte geben :
Bezeichnung der
Linkes Ende
Rechtefl Ende
Farbe
Linie
n X. •
O S CD
M a *^
•g-g s
CO S 0
AeuBserstes Roth
A
437
Roth
B
450
Orange
C
472
Rothlichgelb
D
526
Oelb
D— E
534
Grün
E
589
Blangrfin
F
640
Blau
G
722
Violett
U
790
762
688
656
589
559
526
484
429
393
Die Farben mit den relativ langsamsten Schwin-
gungen und der grössten Wellenlänge befinden sich
daher am linken ^ die Farben mit den schnellsten
Schwingungen und der kürzesten Wellenlänge am
rechten Ende des Spectrum. Die rothen Strahlen
besitzen die schwächste^ die violetten die stärkste
Brechbarkeit. Aber nach links von dem Roth, wo
das Spectrum für das Auge vollkommen dunkel er-
scheint j gehen Strahlen einer Schwingnngszahl von
400 Billionen durch das Prisma^ welche lediglich
als Wärmestrahlen wirken. Eine Lösung von Jod
in Schwefelkohlenstofi' vermag alle Lichtstrahlen von
einer grössern Schwingungszahl als 450 Billionen
auszulöschen und in dem unsichtbaren Brennpunkt
eines lediglich auf die Wärmestrahlen reducirten
Strahlenbündels wird Platin sofort zum Glühen ge-
bracht. Wiewohl es wahrscheinlich ist^ dass diese
Strahlen ebenfalls bis zur Netzhaut gelangen^ kennt
man bisher noch kein Mittel sie sichtbar zu machen.
Etwas anders verhält es sich mit den Lichtstrahlen^
die nach rechts vom violetten Ende des sichtbaren
Spectrum durch ein Prisma hindurchgehen. Diese
ultravioletten Strahlen heissen auch chemische Strah-
len, weil sie z. B. Chlorsiiber zu schwärzen vermö*
gen. Ihre Schwingungszahl ist grösser als 790 Bil-
lionen in der Sekunde. Unter gewissen Umständen
kann man bei Abbiendung alles sonstigen Lichtes
diese sichtbar machen : die sogen. Fluorescenz man-
cher Körper scheint darin zu bestehen , dass die
Schwingungszahl der ultravioletten Strahlen herab-
gesetzt wird. Dem Auge erscheinen diese Strahlen
in „ lavendelgrauer ^ Farbe. Tyndall hat in dar-
winistischem Sinne das Auge zur Zeit noch für un-
vollkommen erklärt und hofft von der Entwicklung,
dass uns noch ungeahnte Wunder durch die Sicht-
barkeit des ganzen Specüimi erschlossen würden;
vom teleologischen Gesichtspunkte macht dagegen
A. F i c k wohl mit Recht geltend, dass die Wärme-
strahlen, wenn sie von der Netzhaut empfunden wür-
den, dieselbe nie zur Ruhe ^) kommen liessen, da sie
ja von allen Körpern und von den benachbarten
Theilen des Auges selbst ausgingen , dass ferner die
ulti'avioletten Strahlen, weil äusserst stark brechbar,
die Deutlichkeit des Sehens überhaupt fortwährend
stören müssten.
Innerhalb der Farbenskala des Spectrum empfin-
den wir aber ausser den Farben , welche der Physi-
ker bezeichnet, noch eine ganze Menge Zwischen-
glieder. Ueberhaupt begnügen wir uns gar nicht
mit der Nomendatur des Physikers, die Sprache
bildet sich die verschiedensten Verbindungen, nm
Mischungen oder Abstufungen von Farben zu be-
zeichnen, sie wählt die Bezeichnungen nach Analogien
mit den Farben bestimmter lebender oder unbelebter
Naturkörperu. s. w. und dennoch ist auch die reichste
Sprache viel zu arm, um die Fülle der Farbenempfin-
dungen auszudrücken, in welchen unser Sehorgan
noch Differenzen aufzufinden fkhig ist.
Die Physiologie der FarJenetw/j/Jndiifi^ ist daher
auch selbstständig ihre Wege gegangen. Wenn der
Physiker von Billionen Schwingungen in der Sekunde
spricht, von Aether- Wellen, die nur wenige Million-
theile eines Millimeters betragen , so haben wir fllr
diese Grösse absolut keine Vorstellung und noch Nie-
mand hat gewagt, von den 450 Billionen Oscillatio-
nen bei der Linie B die Brücke zu der Empfindung
des Roth zu schlagen. Wenn in dem Schema des
Physikers von der Linie A bis zu E und ebenso von
D bis zu 0 eine continuirliche Zunahme der Schwin-
gungszahl und eine Abnahme der Wellenlänge statte
findet, so hindert unsere Empfindung diess nicht,
Roth und Grün, Gelb und Blau fortwährend als
Gegensätze zu betrachten. Jedem Unbefangenen
erscheint Orange nicht als Farbe im Sinne des Phy-
sikers, sondern als eine Mischung zwischen Roth und
Gelb, auch Violett erscheint ihm nicht als Einhdt,
sondern es vermittelt ihm den Uebergang von Blau
zu Roth. Denkt man sich den Streifen des Spectrum
lingförmig gebogen, so dass linkes und rechtes Ende
einander berühren , so schiebt sich wie von selbst
zwischen Roth und Violett noch Purpur hinein , das
der Physiker nicht kennt, und der Ring ist geschlos-
sen , die unendlich weit abstehenden 450 und 790
Billionen sind in der Empfindung vermittelt.
Ja, noch mehr, der Physiker lehrt uns, dass im
Weiss alle Farben enthalten. Weiss daher keine
Farbe sei. Aber die Empfindung fasst Weiss nicht
als Vielheit, sondern als Einheit auf. Weiss ist ihr
nur qualitativ, aber nicht quantitativ, etwas Anderes
als Grün oder Roth. Weiss ist der Empfindung
allerdings auch der Gegensatz von Schwarz, wie
dem Physiker, dem Schwarz die Negation vonLichty
das Fehlen der Aetherschwingungen ist. Aber fOr
die Empfindung bedeutet Schwarz nicht blos etwas
1) Thatsäclilich ist diess wohl auch niemals der Fall,
selbst im absolut lichtlosen Räume nicht. Siehe A u b e r t 's
Physiol. d. Netzh. p. 26 n. 333. Purkynje nannte
diese Wahrnehmungen im Dankelzimmer: ffLiohtcbaos.*'
G e i s 8 1 e r , ttber Farbenblindheit.
75
SegßävcB, Bondern etwas Positives, für das Ange ist
Sehwaiz noch etwas mehr als für das Ohr die
Stille ^). Aber der Gegensatz zwischen Weiss und
Schwarz ist doch wieder auch in der Empfindung
veracfaieden von dem Gegensatz zwischen Roth und
GrOn oder Blan and Gelb. Zwischen Weiss und
Schwarz steht Grau in seinen verschiedenen Abstu-
fimgen, zwischen Roth nnd Griin oder Blau u. Gelb
^bt es kein Mittelding und keinen Uebergang.
Bha erzeugt als complementares Nachbild Gelb,
ie fimpfindnng des Roth ruft ein grttnes Nachbild
hervor, aber das Nachbild von Weiss ist nicht etwa
Sehwarz oder umgekehrt das von Schwarz Weiss,
MNidem es findet Abklingen in verschiedenen Farben
statt«).
Diese Andeutungen mögen hinreichen, um zu er-
küren, dass die Physiologie der Farben ihre eige-
KD Termini technici haben, dass sie noch auf ande-
rem als auf physikalischem Wege in das Verstand-
mm der Vorgänge eindringen muss.
Die deutsche Sprache ist unseres Wissens die
dnzige, welche fiUr alle „einfac/ien Farben^' Leo-
nardo da Vinci 's oder den Principalfarben
der Physiologen (Roth, GrOn, Gelb, Blau, [Schwai*z,
Weiss]) einsilbige Worte hat. Für die Uebergänge
Ton Schwarz zu Weiss, sowie für die Mischungen
Too Roth , bez. Gelb mit Schwarz hat sie ebenfalls
einnlbige Bezeichnungen : Grau und Braun ^). Alle
flbrigen Mischfarben aber vermag die deutsche
Sprache leichter, als manche andre durch einfache
Ändnanderftlgung der genannten 6 , bez. 8 einsil-
bigen Worte auszudrücken. Dabei hat sie den
Yortiieil, durch Voranstellung derjenigen Benennung,
welche bei einer Mischfarbe auch die vorwiegende
Farbenempfindung ausdrückt, diess mit Leichtigkeit
ZQ bezeichnen. So ist ein Unterschied in den Bezeich-
Dongen : Rothgelb und Gelbroth, Gelbgrün u. Grün-
^Ib, Braunroth und Rothbraun, Graugrün n. Grün-
grau. Mindestens sollte man diesen Unterschied
imoier festhalten, was manches Missverständniss und
den Vorwurf ungenauer Angaben u. oberflächlichen
fietrachtens ersparen würde. Weitere Bezeichnungen
sehaflft sich die deutsche Sprache durch die Zusätze
T<m ,,hell^^ oder „dunkel^', oder sie charakterisirt
die Farbe der schwächeren Intensität durch die fast
wie ein Diminutivum gebrauchte Zusatz-Silbe „lich^^,
wobei sie streng genommen auch noch zwischen
■) Doch iBt KU erwähnen, dass A. Fick die positive
Empflndang des Schwarz lediglich als Täuschung erklärt,
weil wir von der Empfindung des Schwarz die Vorstellung
eines schwarzen Objektes nicht zu trennen vermögen.
^ Hierher gehören wahrscheinlich die sogen. Fech-
■ er*scheii Farben, welche in grosser Mannigfaltigkeit an
rotirenden Scheiben auftreten, die sektorenförmig nur
icfawarz nnd weiss gefärbt sind.
^ Das von den Physikern a. Physiologen sehr stief-
■ntterlich bebandelte Brann bezeichnet E. Brücke auf
Grund von Interferenzerscheinnngen als die oomplemen-
tire Farbe von Lavendelgrau (Poggendorfs Aunalen
liXXIV. p. 461. 1848) und stellt es im Spectrum nach
linkB von dem äussersten Roth.
gelblichroth und röthlichgelb, weisslichgrau u. grau-
weisslich u. s. w. unterscheidet. Aber zwei Com-
posita kann auch die deutsche Sprache naturgemäss
nicht bilden, sie kann nicht von Rothgrttn und nicht
von Blaugelb sprechen, sie müsste denn nur das
Nebeneinander dieser Farben bezeichnen wollen.
Von den fremden Ausdrücken hat unsere Sprache :
Purpur, Rosa und Lila als Bezeichnungen für Misch-
farben aufgenommen, gegen die Barbarismen der
Physiker, Orange und Violett aber sich ziemlich
ablehnend verhalten. Von den zahlreichen Volks-
ansdrüoken oft mit lokaler Beschränkung auf gewisse
Gegenden, von den Mode- und Eunstausdrücken der
technischen Gewerbe soll hier nicht geredet werden.
Der Mangel an Kenntniss und an Achtsamkeit auf
Volksausdrücke war wohl mit eine der Ursachen,
dass man eine Zeit lang bei gewissen Oulturvölkem
in frühem Zeiten und bei Naturvölkern überhaupt
die Fai*benempfindung als eine mangelhafte ansah.
Thatsächlich wird auch durch die reichste Sprache
der Reichthum an Empfindungsqualitäten nicht aus-
gedrückt, eher hat man augenscheinlich ganz falsche
farbige Bezeichnungen für verschiedene Objekte bei-
behalten, weil man kern Bedürfniss fülilte, fUr ganz
bekannte Dinge eine streng passende Bezeichnung
zu ersinnen.
Folgende Unterschiede sind zur speciellen 0ha-
rakterisirung der Farbenempfindung namhaft zu
machen.
Der Farbenton wird bedingt durch das Verhält-
niss, in welchem zwei (oder melirere) reine Farben,
zwei (oder mehrere) farbige Pigmente mit einander
gemischt sind. Maxwell gebraucht hierfür die
Bezeichnung: „hue'^ Die Farbennüance ist in-
sofern von dem Farbenton streng genommen ver-
schieden, als sie die Mischung einer Farbe mit
Schwarz , Grau oder Weiss in verschiedenem Grade
anzeigt. Für Diejenigen, welche, wie Hering,
Schwarz und Weiss für gleichwerthig mit den Prin-
cipaUarben (s. oben) setzen , fällt natürlich die De-
finition von Farben-Ton und -Nuance zusammen.
Maxwell hat für letztere die Bezeichnung „tint'^
eingeführt. Grassmann bedient sich fUr Nuance
der Bezeichnung: „Intensität des beigemischten
Weiss'', die von Helmholtz gewählte Benennung
ist: „Sättigungsgrad''.
Die Farbenintensität ist bei Spectralfarben ab-
hängig von der Schwingungsamplitude der Aether-
theilchen , bei den Pigmentfarben von der Beleuch-
tungsgrösse des gefärbten Objekts. Helmholtz
nennt sie „Lichtstärke", Maxwell „shade".
Der Glanz ist hier nur um deswillen zu erwäh-
nen, weil er bei Farbenprüfungen sehr störend wirkt
und deshalb farbig-glänzende Objekte möglichst da-
bei zu vermeiden sind. So bekannt auch die Er-
scheinung des Glanzes ist, so fehlt doch noch eine
allseitig angenommene Erklärung. Es scheint, als
ob eine schnell wechselnde Helligkeit oder eine
grosse Helligkeitsdi£ferenz dicht nebeneinander im
7Q
G e i B 8 1 e r y über Farbenblindheit*
Sehfelde befindlicher Punkte die Ursache sei. So
erscheint eine schwai'ze und eine weisse Fläche
neben einander im Stereoskop grauglänzend , Seide
und Atlas glänzen y weil sehr helle und sehr dunkle
Stellen mit einander abwechseln y wie diess bei Be-
trachten aus verschiedener Entfernung deutlich wird.
Nach Hering (Hermann's Handb. d. Physiol. III. 1.
p. 576) sieht das Auge nicht blos die Flächenfarbe,
sondern auch Licht als solches wegen der intensiven
Reflexion y oder aber es hat die Empfindung der
Farbe und daneben die Empfindung, als ob vor oder
hinter der gefär'bten Fläche sich Licht oder Dunkel
befinde.
Zu jeder Farbe giebt es eine zweite, der^ Com-
bination die Empfindung des Grau erzeugt. In dieser
Weise lassen sich mischen die Spectralfarben : Roth
und Blaugrün, Orange u. Blaugrün, Gelb u. Indigo,
Grüngelb und Violett. Um die Pigmentfarben zu
finden , deren Mischung die farbige Empfindung des
Grau hervorbringt, bedient man sich der Farben-
kreiseL Normale Augen bedürfen stets einer Mi-
schung von 3 Grundfarben, um eine dem Gran
gleiche Empfindung zu haben. Ursprünglich hatte
Massen sektorenförmig weiss u. schwarz gefärbte,
schnell rotirende Scheiben zu photometrischen Ver-
suchen verwendet. Maxwell hat diese Idee (welche
übrigens schon Plateau u. vor ihm Musschen-
b r 0 e k gehabt) weiter ausgebildet u. ausser weissen
und schwarzen Sektoren farbige Kreisabschnitte auf
dem Kreisel angebracht. Die für das Betrachten
unbequeme horizontale Stellung ist später in eine
veiükale umgewandelt worden. Man stellt auf diese
Weise Farbengleichungen her, in welchen auf der
einen Seite des Gleichheitszeichens die Zahl der ge-
färbten Grade des Kreises, auf der anderen die Zahl
der weiss, bez. schwarz gefäi'bten Grade steht,
welche bei der Rotation der Scheibe ein identisches
Grau ergeben. So ist z. B. nach Aubert:
1650 Roth + 730 Blau + 122« Grün =- lOO» Weiss +
2600 Schwarz ;
1460 Gelb + 1970 giau + 170 Grün = 169o Weiss +
2010 Schwarz.
Die gefundenen Werthe hängen überdiess ab
von der Helligkeit, von der Qualität des verwende-
ten farbigen Papiers und von verschiedenen andern,
schwer controlirbaren Umständen. Sie haben daher
nur annähernde Geltung. Da die Dauer eines Seh-
eindrncks 1/25 Sekunde beträgt, so bedarf es natür-
lich auch einer entsprechend geschwinden Rotation
solcher Scheiben, um einen continuirlichen Gesichts-
eindruck hervorzubringen. Aubert erzielte 100
Umdrehungen in der Sekunde.
Diese Empfindung des Grau ist übrigens noch
ziemlich weit davon entfernt, mit der des farblosen,
weissen Lichtes identisch zu sein. Es ist 3.6mal
dunkler als das weisse Papier , welches man zu den
weissen Sektoren des Farbenkreisels verwendet.
Maxwell bezeichnete diese Grösse als den „Coef-
ficienten fär Weiss^^ Man kann sich vorstellen,
wainim Göthe über das „Weiss" der Physiker,
welches alle farbigen Strahlen enthalten soUtOi so
sehr aufgebracht war.
Ausser dem besondem Eindruck, den eine Farbe
als solche oder eine Farbenmischung auf das Auge
macht, unterscheidet sie sich auch von einer andern
durch ilire Helligkeit. Und zwar nicht durch die
Helligkeit der zufalligen Beleuchtung, sondern durch
die Helligkeit , die ihr eo ipso inne wohnt. Dieser
Umstand ist flir die Theorie der Farbenblindheit von
eminenter Wichtigkeit, er giebt uns den Schlflssel,
warum Farbenblinde nicht blos ein hinreichendes,
sondern unter Umständen ein sehr feines Unter-
scheidungsvermögen für Farben, Farbentöne und
Farbennttancen besitzen. Wir kommen darauf spä-
ter zurück, müssen aber hier noch einige Augenblieke
bei der natüriichen verschiedenen Helligkeit der
Farben verweilen. Am hellsten erscheint von den
Spectralfarben Gelb, dann folgt Röthlichgelb , dana
Grün, dann Blaugrün, dann Orange. Hi^nuf folgt
das Roth der Linie B , dann Indigo , am wenigstea
hell ist Violett und die nur unter besondem Ver-
hältnissen wahrnehmbare Lavendelfarbe am ausser-
sten rechten Ende des Spectrum. Die Qualität der
Beleuchtung hat auf solche photometrische Bestim-
mungen der Farbenintensität einigen Einfluss, bei
Gaslicht oder Petroleumlicht erscheint z. B. Röth-
lichgelb relativ heller als bei Tageslicht , weshalb
auch zahlreiche Farbenblinde bei künstlicher Be-
leuchtong die bei Tageslicht gemachten Fehler zu
verbessern vermögen.
Die oben erwähnten Farbenkreisel sind ebenfalls
geeignet, die Empfindlichkeit unseres Auges für
Unterschiede der Farbenmischungen (Farbentöne und
Farbennüancen) zu studiren. Man stellt diese Unter-
suchungen so an, dass man den kleinsten Kreis-
abschnitt einer Fai*be ermittelt, dessen Zusatz das
Bild einer gleichmässig gefärbten Scheibe verändert.
So genügte z. B. ftir Aubert 10 = i/j^^ Orange,
um Ultramarinblau (359 Kreisabschnitte) heller zu
machen. Um Roth zu verändern , gehört ein brei-
terer Sektor einer anderen Farbe dazu , am schwie-
rigsten gelingt es mit Gelb. Im Allgemeinen genügt
aber eine Zumischung von Viqq — Vsoo ^^^^^ andern
Farbe zu der uraprünglichen, um den Ton der letz-
tem zu verändern. Schon daraus geht hervor, dass
wir in dem Spectrum eine erstaunliche Menge von
Farben unterscheiden können. Eben so wenig als
es uns nun beikommen wird , flir diese Farbentöoe
Namen zu finden, dürfen wir es bei unsem Vorfahi'en
für einen Defekt des Farbensinns auslegen, dass sie
im Regenbogen nicht gerade sieben Hauptfarben
namhaft gemacht haben. Ganz ähnlich verhält es
sich mit unserm Unterscheidnngsvermögen flir Farben-
nüancen. Eine Zumischung von 2^ = ^/uo irgend
einer Farbe auf einer weissen Scheibe genügt
meistens, um bei der Rotation deutlich den farbigen
Ring zusehen. Nimmt man eine schwarze Scheibe, so
bedarf es nur eines noch kleineren Sektor, 1®= Vseo
oder selbst eines noch schniälem z. B. ^/3<^=* V510;
um den Farbenring zu erkennen. Da nun aber ein
6 e i s 8 1 6 r y Aber Farbenblindheit.
TT
n ferinderter Farbenton oder eine so veränderte
Faibennflance durch Zusatz einer dritten Farbe oder
einer andern Misehung mit Gran n. s. w. nochmals
rerSodert werden kann, so ist unser Auge sicher für
nehrere Millionen von Farbenempfindnngen einge-
lieiitet.
Elioe Grenze giebt es allerdings, bei welcher die
hrbenempfindung aufhört und nur noch das Objekt
ik donkel oder hell unterschieden wird. Unser
Mensinn ist daher in gewissem Sinne da an seiner
Grenze angelangt, wo der Lichtsinn noch thätig ist
üitfirlich ist diese Grenze individuell verschieden,
incb Uebong kann hier ebenfalls erzielt werden,
m dem ungeflbten Auge nicht möglich ist. Solche
ÜDtenochungen sind am besten mit Hülfe verschieb-
barer Diaphragmen anzustellen , dm'ch welche man
bbige Flächen auf weissem oder auf schwarzem
Gnmde betrachtet.
So erschien z. B. in den Versuchen von Aabert
mter einem Gesichtswinkel von 35 Min. a. bei 10 Mmtr.
Settenflache des Diaphragma :
s) iiif weissem Grande
fiiaun, Roth, Orange u. Dankelgran »»Schwärs,
Blau etwas weniger Schwarz,
Grün and Hellblau heller,
Rosa hell,
Gelb am heUsten ; dagegen
^) vaf sckwarz&m Grande
Roth am dunkelsten.
Orange and Dunkelgrün, \
Blaa und Grau, /
Grün and Hellblau, / in zunehmender Helligkeit.
Bosa und Gelb, i
Weiss, '
Am anfßilligsten ist wohl, dass Roth dunkler
erscheint als Blau^ namentlich auf schwarzem Grunde.
Merkwürdig ist auch, dass bei schwächster Beleuch-
tiog eben noch erkennbare farbige Objekte nur im
ersten Moment als fai'big gesehen werden, dass dann
aber der Farbeneindruck bei längerem Anschauen
ufbört, wiewohl das Objekt selbst noch sichtbar
bleibt
Worden die Versuche der Art angestellt, dass
sowohl die geringste Lichtmenge als auch die küi'-
zeste Zeit zur Sichtbarkeit eines farbigen Objektes
bestimmt werden konnte, so ergab sich, dass Hell-
gelb, Gelb , Hellblau , Grün , Roth und Violett der
Heihe nach am meisten Licht und am meisten Zeit
gebrauchten , um eben noch in ihrer Farbe wahr-
öebmbar zu sein ^). Unter gewissen Voraussetzungen
iat daher jedes Auge in die Lage eines total Farben-
büiiden zu setzen, welcher die Objekte lediglich
Bach ihrer Helligkeit unterscheidet.
Bisher haben diese Angaben die Voraussetzung
S^t, dass das Erkennen der Fai'ben mit dem cen-
^en Theile der Netzhaut, also mittels der Zapfen
^ Maeuki lutea, erfolgte. Es erübrigt noch, kurz
niitzatheilen, wie sich der Farbensinn unseres Auges
0 Dobrowolski giebt neaerdings (Arch. f. Phy-
^K Xin^. 3 u. 4. p. 189. 1881) an, dass Blau noch bei
^ HelUgkeil erkannt werde , die mindestens 16mal
wiener sei als die für Roth erforderliche.
verhält, wenn die farbigen Strahlen auf die pm*
pherischen Theile der Netzhaut fallen. Es ist anter
Umständen, insbesondere bei Erkrankungen der
Netzhaut, bez. der Aderhaut mit erworbener Faiben-
blindheit zu wissen wichtig, welche Abweichungen
von der Norm hier vorkommen. Es hat sich nun
durch mannigfache, wenn auch in ihren Einzel-
heiten nicht allenthalben übereinstimmende Versuche
herausgestellt, dass die Netzhaut des Menschen, je
weiter man sich von der Macula lutea nach der Peri-
pherie hin entfernt, verschiedene Grenzzonen flir
die Erkennung von Farben besitzt. Uebereinstim-
mend geben alle Beobachter an , dass Blau am wei-
testen nach aussen im Sehfelde noch erkannt wird.
Erst dann folgt Gelb oder Roth, hierauf Grün , zu-
letzt Violett. Auch hat Au her t festgestellt, dass
die Grenzzonen in den verschiedenen Meridianen des
Auges nicht gleich weit vom Centrum abliegen:
Blau wird z. B. nach innen beträchtlich stärker
peripherisch noch empfunden als nach aussen. Die
peripherischen Theile der Netzhaut verlangen eine
grössere Helligkeit , um gleich gut wie das Gentmm
ITai'ben unterscheiden zu können. Wichtig ist auch,
dass die peripherischen Theile viel rascher ermüden.
Ehe die Farben vollständig erblassen , zeigen sich
mannigfache Uebergänge, z. B. Roth durch Gelb,
Violett durch Blau. Im Uebrigen gelten aber die
für die Töne und Nuancen oben angegebenen Er-
scheinungen auch ftir die peripherischen Theile der
Netzhaut.
Neueiilings sind auch von Ole B. Bull Unter-
suchungen über Lichtsinn und Farbensinn mit Bezug
auf die Farbenempündlichkeit in den peripherischen
Retinatheilen veröffentlicht worden (Arch. f. Oph-
thalmol. XXVn. 1. p. 54. 1881). Bei herabgesetzter
Beleuchtung geht re%es Grün, ehe es farblos wird,
bei centraler Fixation in Blau über, peripherisch da-
gegen direkt in Grau. Rosa erscheint bei abneh-
mender Beleuchtung peripherisch intensiv blau, Hoch-
roth geht peripherisch in Gelb über, während es für
das Gentrum bei abnehmender Lichtstärke immer
dunkler, bis Schwarz wird. Gelbe Töne werden bei
abnehmender Beleuchtung peripherisch direkt in's
Graue übergehend wahrgenommen.
Es konnten an dieser Stelle nur die hauptsäch-
lichsten Thatsachen der Farbenempfindung hervor-
gehoben werden. In den grossem Handbüchern,
besonders auch in Anbert's Physiologie der Netz-
haut, sowie in dem betr. Abschnitt in Graefe-
S ä m i s c h ist die ganze Lehre natürlich viel aus-
führlicher vorgetragen, weshalb wegen des Nähern,
namentlich mit Bezug auf die darin zahlreich nam-
haft gemachten literarischen Angaben , darauf ver-
wiesen werden muss.
Doch ist es nöthig , noch Einiges über Ergän-
zungsfarben zu sagen, welche in schöpferischer
Weise das Auge selbst zu erzeugen vermag. Es
können indessen hier nur solche Erscheinungen be-
sprochen werden , welche einen Einfluss auf die Un-
tersuchungsmethoden des Farbensinns haben. Was
78
OeiBsler, über Farbenblindheii
die sehr mannigfache Nomenclatar bei den verschie«
denen Autoren anlangt , so giebt Anbei* t in seiner
Physiologie der Netzhaut (p, 347) eine übersicht-
liche Zusammenstellung.
Nach Rollett (Sitz.-Ber. d. k. Akad. d. Wiss.
[Math.-naturw. Kl.] LV, 2. Abth. p. 354. 1867)
sind die durch Bindestrich verbundenen Farben als
Contrastfarben zu nennen: Grün-Purpur , Bläulich-
grün-Rothy Cyanblau-Orange, Indigo-Gelb, Violett-
Gelbgrün und vice versa in der Weise, dass es gleicli
ist, welche von jedem Paai'e als inducirende und
welche als inducirte Fai'be auftritt. Brücke, von
welchem die Bezeichnung „inducirende'^ und „in-
ducirte'^ Farben herstammt, bemerkt noch, dass als
Ergänzungsfarbe eigentlich eine Reihe solcher auf-
treten, welche sich von der reinen Gegenfarbe durch
ihren Gehalt an Weiss unterscheiden (ebendas. LI.
2. Abth. p. 483. 1865).
Zu diesen Erscheinungen gehören zunächst die
farbigen Schatten , welche auftreten , wenn mittels
zweier verschiedener Lichtquellen zwei Schatten auf
einer weissen Fläche erzengt werden: der z. B. vom
Tageslicht herrührende Schatten erscheint gelbroth,
wenn er von einer Kerzenflamme beleuchtet wird,
während der von der Keraenflamme herrülu'ende
Schatten blau erscheint. Dieses Blau ist die sub-
jektive Contrastfarbe des Gelb. Weisse, graue oder
schwarze Papierstückchen erscheinen, wenn man sie
auf eine grosse farbige Fläche gelegt , wie mit der
complementaren Farbe der letztern überzogen , also
auf blauem Papier gelblich, auf grünem röthlich.
Diese Contrastfarben ti*eten sofort ein , auch wenn
das Objekt nur momentan mittels des elektrischen
Funkens beleuchtet wird. Legt man Seidenpapier
über einen schwarzen Streifen auf blauem Grunde,
so erscheint der Streifen gelb ,*auf grünem Grunde
roth. Diese Contrastfarbe ti-itt nicht etwa erst dann
auf, wenn man die blaue, bez. die gillne Fläche
betrachtet und dann erst das Florpapier darüber
deckt, sondera sofort, ohne dass das Auge erst den
Grund oder den schwarzen Streifen wahrgenommen
hat. („Conti'aste simultan^'' nach Chevreul, im
Gegensatz zu „Contraste succ6dan6'', d. i. dem com-
plementaren Nachbilde, welches im Sehfelde nach
längerer Betrachtung intensiv gefärbter Objekte auf-
tritt.) Bereits im Laufe des vorigen Jahrhunderts
wurden vielfache Untersuchungen über solche Far-
benerscheinungen gemacht. Von Buffon an (1743)
finden sich mehrere Arbeiten in dem vom AblxS Ro-
z i e r (öfters in deutschen Citaten fälschlich : R o s i e r)
herausgegebenen Journal : „Observations sur la phy-
sique etc.'' Man fühlte allseitig die Schwierigkeit
ihrer Erklärung und suchte sich, so gut es ging, mit
Newton 's physikalischen Entdeckungen zurecht
zu finden. NurWestfeld (Die Erzeugung der
Farben. Göttingen 1767) lässt die Lichtsti-ahlen sich
in Wärme umsetzen, welche in den nervigen Fasern
der Netzhaut eine verschiedenartige Bewegung her-
vorbringen : wenn die Netzhaut nur die Wärme des
Körpera hat, entsteht die Empfindung des Schwai'z,
das schwächste Licht (Violett und Bhui) erregt dll
geringste, das stärkste (Gelb und Weiss) die grMl
Wärme. W. erklärt sich damit, wamm die dunkleil
Farben nicht so weit als solche gesehen werd^, ab
das helle Gelb.
Der Wiener Professor Scherffer, dessen Ab-
handlung über die Scheinfarben in Rozier's ge-
nanntem Journal (XXVI. vom J. 1785) übersetzt er-
schien , betont in § 25 (a. a. 0. p. 284) ausdrück-
lich , dass es ihm eben so schwierig erscheine , sich
vorzustellen, wie die Lichttheilchen gleichförmig die
Empfindung verschiedener Farben hervorrufen kön-
nen, als sich die andere Möglichkeit zu denken, da«
mehrere Arten von Bewegung , je einer besondern
Farbe entsprechend, gleichzeitig in den nervöseH
Partien vor sich gingen. Noch am wahrscheinlich-
sten ist ihm , dass jede Art von Strahlen auf ver-
schiedene Theile des Auges einwirkt.
Diess führt uns auf die
Theorien der Farbenempfindung ^),
Gern hätten wir dem Leser einen Ueberblick
derselben erspart, da keine derselben sich rtthmea
kann , eine allseitig genügende Erklärung zu geben
und über dieselben der Streit neuerdings wieder
stärker entbrannt ist. Da aber diese Theorien aneh
mit der Auffassung der Farbenblindheit innig zasam-
menhängen und , abgesehen von den mannigfachea
Schattirungen der Ansichten bei den Physiologen,
auch in dem Heerlager der Praktiker unnöthiger
Weise die Rufe : „hie Helmholtz , hie Hering^' er-
tönen , so bleibt nichts übrig , als auch hiervon eine
gedrängte Uebersicht zu geben.
1) Die Dreifasertheorie. Mauthner bemerkt
im 4. Hefte seiner Vorträge, dass bereits 10 Jahre
vorYoung 1792 Wünsch in dem siebenfarbigen
Spectrum nur drei, nämlich Roth, Grün und Violett,
als einfache Farben bezeichnet habe. Näheres ist
nicht angegeben, es kann indessen wohl nur die
Stelle gemeint sein, welche bereits in der 1. Auf-
lage 1778 im 1. Bande der von Christ. Ernst
Wünsch anonym herausgegebenen „Kosmologi-
sehen Unterhaltungen für die Jugend^' sich findet,
und zwar in der 11. Unterhaltung (Betrachtung des
farbigen Lichts). Wünsch nennt zunächst das
Spectrum flQnffarbig, indem er die „schmalen Quer-
streifchen'' oraniengelb und indigblau, jenes als
Mittel zwischen Roth und Gelb, dieses als Mittel
zwischen Himmelblau und Violett ansah. Dsranf
heisst es weiter p. 276 : „Unterdessen kann man
doch nicht sagen, dass fünf verechiedene einfache
Farben in dem weissen Lichte enthalten seien , son-
<) Ausser den in dem Text citirten Schriften and den
Monographien über Farbenblindheit sind über dieses
Gegenstand noch zu nennen :
1) lieber den physiolog. Entwicklungsgang derl^ehre
von den Farben. Vortrag, gehalten ii. s. w. von Dr.
Ludwig Happe. Leipzig 1877.
2) Der Farbensinn, sein Wesen und seine Entwicke-
lung, von Dr. Bud. Günther. Inaag.-Diss. Mönchea
1880.
OeisBler, über Farbenblindheit.
79
den Dor drei , die rothe ^ grüne nnd veilchenblaue^
deio die gelbe und himmelblaue sind selbst zusam-
BNsgeBetite Farben, jene besteht aus rother und
giflDer, diese hingegen aus der grünen und veilchen-
blaoeo. In dem weissen Licht sind also eigentlich
lordrey, in dem gelben zwo und in dem himmel-
Uaoen auch nur zwo einfache Farben enthalten'^
Wünsch beweist diese Meinung damit, dass er ein
vAm auf ein grünes und ein veilchenblaues auf ein
gAes Spectram mittels zweier Prismen wirft, wobei
JM gdb, dieses himmelblau gefärbt wird.
Dieser Ansicht hat Wünsch dann später eine be-
sBdcre Schrift : »Yersnche und Beobachtungen über die
MeD des Lichts** (Leipzig 1792) gewidmet, in welcher
(oe Menge Versuche, darunter anch solche zur Erklärung
ierlaterferenzfarben, beschrieben sind, über die Göthe
iiderEriilärong so Taf.IX u. X seiner Farbentafeln sei-
leo paam Spott ergossen hat. In dieser Schrift heisst
Clin S. 64: „An den SteUen, wo die mehr brechbaren
ftnhlen der rothen Klasse mit jenen minder brechbaren
tonittiem (grnnen) zusammenfallen, da bringen sie auf
owr Sehorgan die Empfindung des gelben und pomeran-
märbigen Lichtes hervor ; an andern Stellen hingegen,
n die meist brechbaren Strahlen der mittlem Klasse in
fieoindest brechbaren der dritten (violetten) fahren, da
erregen sie die Erscheinung, die wir hochblaues oder
iriigblaDes Licht nennen". Eine andere hierher zu be-
aekende Stelle findet sich überhaupt nicht, weder in
toerl793 erschienenen, noch einer andern der zahl-
Riehen Schriften von Wünsch. Es geht aber aus dem
etat hervor, dass W. lediglich eine physikalische, gar
teioe physiologische Hypothese hat aufstellen wollen und
Haathner daher irrthümlich der Dreifasertheorie von
Ton Dg den Namen Wünsch noch voransetzt.
ThomasYoung aber bemerkt zuerst in seiner
m 37. Nov. 1800 gehaltenen Vorlesung über den
fehanismus des Auges (Philosoph. Transact. Jahrg.
1801) gans kurz , dass jeder Punkt der Netzhaut
nr drei principale Farben zu unterscheiden habe^
bdie Übrigen Farben wahrscheinlich nur mannig-
khe Zasammensetzungen jener seien. Ausführlicher
cnrlhnt er diese Frage in der am 12. Nov. 1801
^ der Boyal Society gehaltenen Vorlesung über die
'nieorie des Lichts und der Farben. Es heisst in den
Hüksoph. Transact. 1802. p.20— 21 : „Newton
^ sich vorgestellt y dass die „Capillamenta'^ des
ieberven durch die Lichtstrahlen in Schwingungen
^enetst werden und dass diese Vibrationen „will
iBB along the aqueous pores or crystalline pith of
^ ctpülamenta , through the optic nerve into the
'Buoriom'', in welchem die mannigfache Farben-
Endung hervorgernfen würde. Es sei indessen
"nadgliehy zu begreifen, wie jeder empfindende
^t der Netzhaut eine unendliche Zahl von Theil-
^ besitzen solle , deren jedes in vollkommener
Uebereinstimmuog mit jeder möglichen Lichtwelle
^ schwingen f^ig sei. Deshalb sei es nothwendig,
^ beschränkte Zahl anzunehmen , und zwar ent-
(pKcbend den drei Hauptfarben , ßoifi , Gelb und
^9 deren Wellen annähernd in dem Verhältniss
^:7:6 stehen. Jedes Netzhauttheilchen sei nun
^g, mehr oder weniger ki-äftig bewegt zu werden
M tbe nndnlations differing less or more from a
P^rfect onison", die grünen Lichtwellen würden, an-
nähernd im Verhältniss von 67sy gleichmäsaig die
für Gelb und Blau bestimmten Theilchen erregen und
denselben Effekt hervorbringen, als wenn die Theil-
chen durdi ein aus Gelb und Blau gemischtes Licht
erregt wurden: „and each sensitive ßlament of Vie
nerve may eonriet of three portionSf one for each
principal colovr". Bei Young sind daher im
J. 1801 die drei Hauptfarben: Rot/i, Gelb u.Blau^
bei Wünsch 1778: Roili, Grün u. Violett. Aber
Young hat bis zum J. 1807 seine Ansicht modificirt,
wahrscheinlich veranlasst durch Wollaston's Her-
stellung eines sehr reinen Sonnenspectrum , denn er
sagt in der 37. Vorlesung (über physikalische Optik,
abgedruckt in dem L Vol. des Werkes: „A Course
of lectures on natural philosophy and the mechanical
arts." London 1807. p. 434—446) wörtlkjh: „Es
ist sicher, dass eine vollkommene Empfindung von
Gelb durch Mischung von Roth und Grün , die von
Blau durch Mischung von grünem und violettem
Licht bewirkt werden kann, und man hat Grund, zu
vermnthen, dass diese Empfindungen immer die Zu-
sammensetzungen getrennter, combinirter Empfin-
dtmgen sind''. Die Empfindung des weissen Lichts
sei durch eine Mischung von Roth, Grün n. Violett
im Verhältniss von 2:4:1 hervorgebracht. Aus die-
sen drei einfachen Empfindungen mit ihren Combina-
tionen construirt dann Y o u n g die 7 Spektralfarben :
Roth und Grün geben Gelb , Rotli und Violett Car-
moisin (crimson), Grün und Violett geben Blau. Er
erläutert diese Theorie auf Tafel XXIX. durch meh-
rere farbige Darstellungen.
Maxwell ist es, welcher die ebenerwähnte,
bereits modificirte Theorie Young 's weiter aus-
bildet. Er sagt in den Philosoph. Transact. Jahrg.
1860. p. 59 in der Vorlesung über die Theorie der
zusammengesetzten Farben, dass Young als pri-
märe Empfindungen die des rothen, grünen und
violetten Lichts bezeichnet habe. Ein blauer Licht-
strahl, obwohl an sich homogen , errege die grüne
und die violette Empfindung und deshalb könne man
Blau eine zusammengesetzte Farbe nennen, wiewohl
es doch eine einfache Art (kind) von Licht sei. Die
Qualität einer Farbe hänge nach der Youn^^
sehen Theorie von dem Verhältniss (ratio) der In*
tenritäten der drei Empfindungen und die BeUig'
keit (brightness) der Farbe von der Summe dieser
drei Intenritäten ab. Maxwell wendet dann
diese Theorie auf solche Personen an , welche das
Spectrum nur zweifarbig sehen.
Helmholtz hatte bereits 1852 auf Young's
Hypothese Nr. 2 aufmerksam gemacht und spricht
später geradezu von roth-, grün- und blauempfinden-
den ^) Nerven, deren Endorgane in den Stäbchen
der Netzhaut sich befinden (vgl. Physiol. Optik
0 Nach Anbert ist der Ansdmck „leitende" vor-
zneiehen; faast man aber die Netzhaut als Theil der
psychophyaisehen Sehsnbstanz anf, so erscheint der ältere
Ansdmck unbedenklich. Ueberbanpt wiU ja die Theorie
über den Vorgang im Bewnsstseln selbst nichts anasagen.
80
0 e i 8 8 1 e r y Aber Farbenblindheit.
p. 291 — 294 nnd das 2. Heft 8einer populären wi8-
senschaftl. Vorträge p. 47 — 49), wobei er es noch
zweifelhaft lässt, ob Blau oder Violett die dritte
Grundfarbe sei. Brewster und Chevreul hin-
gegen nennen auch später als Grundfarben die glei-
chen wie in der ersten Publikation Y o u n g 's : Roth,
Gelb nnd Blau , welche y^uniform in colour'^, aber
,,variable m intensity'^ von einem Ende des Spectnim
bis zum andern reichen ^).
Während Young in seiner Vorlesung über die
Theorie des Lichts und der Farben die Analogie der
Farbenempfindung mit der einer Melodie oder einer
musikalischen Harmonie zurflckweist, konnte H e 1 m -
holtz diese Analogie mit dem Gehörsinn weiter
ausbilden, er erinnert daran, dass bei manchen
Weichthieren die Endorgane desHömerven mit Här-
chen versehen seien, von denen die einen durch diese,
die andern durch andere Töne in Schwingungen
versetzt würden, und hebt hervor, dass auch die
verschiedenfarbigen Oeltropfen in den Stäbchen bei
Vögeln und fieptilien solche Organe sein könnten,
welche den Nerven zur Empfindung einer besondern
Lichtqualität besonders geschickt machen könnten,
üeberhaupt liegt ja heute die Frage wesentlich
anders als zu Young 's Zeiten. Damals zweifelte
noch Niemand daran, dass die Aetherwellen in Form
von Schwingungen durch den Sehnerv dem Bewusst-
sein zugeführt würden. Aber kaum war durch
Daguerre die chemische Wirkung des Lichts be-
kannt geworden, so wurden 1842 durch Moser
ähnliche Vorgänge in der Netzhaut vermuthet. Die
Lehre von den „specifischen Energien^' erhielt ein
weiteres Fundament. In den letzten Jahren ist
die Entdeckung des Sehroths hinzugekommen (vgl.
Jahrbb. CLXXVL p. 50) und wenn sich auch die
anfängliche Hoffiiung , hiermit den specifischen Seh-
stoff gefunden zu haben, nicht erfüllt hat, wenn
vielmehr zugeben mnss, dass gerade die em]
liebste Stelle der Netzhaut kein Sehroth enthält ni
dass auch bei ausgebleichter Netzhaut Licht- u
Farbensehen recht wohl möglich ist, so dürfte d<
kanm daran zu zweifeln sein, dass dieoptochemif
Hypothese fttr die Zukunft den Sieg erringen wird
Nicht ganz überflüssig dürfte es aber sein, dari
zu erinnern, dass Helmholtz zunächst nicht seM
befriedigt von der Hypothese Y o u n g 's war, als 4
sie unter dem Staube der Bibliotheken entdeckt hatUJ
Er sagt vielmehr geradezu, dass mindestens ftlnf ei»;
fache Farben dazu gehören, um sämmtliche Farl
töne des Sonnenspectrum hervorzubringen , und
(Poggendorf's Annalen LXXXVH.p. 65. 1852)
drücklich die Gründe hinzu, weshalb man die
von den drei Gmndqualitäten der Empfindung fallen
lassen müsse : die Empfindung des Gelb könne darek
die gelben Strahlen des Spectrum nicht nur deshalb
entstehen , weil diese Empfindung durch die rothen
und grünen Strahlen gleichzeitig erregt werde, dem
die letztem erzengten niemals ein so glänzend«
und lebhaftes Gelb wie die gelben Strahlen aliea;
ebenso sei es mit dem Blau , welches aus Grün and
Violett, oder dem Violett, welches aus Blau und
Roth zu mischen wäre. Diesen Einwand, welcher
neben andern Bedenken Aubert veranlasst hat, die
Young 'sehe Theorie überhaupt aufzugeben, acheint
indessen Helmholtz später nicht mehr für schwer-
wiegend gehalten zu haben, vielmehr bildet er, wi^
Maxwell, die Theorie weiter aus, indem er an-
nimmt , dass jede Farbe alle drei Nervenfasern er-
rege, aber in verschiedenem Grade.
Seine Ansicht kann in folgendem Schema ansammen-
gefasst werden, das die Stelle einer graphischen Du»
Stellung nach dem Coordinatensystem annähernd eraetzen
mag.
Stärke des Reizes anf die :
Roth erapf. F. Stark Massig Schwach Schwach Schwach Stark
Grün empf. F. Schwach Massig Stark Massig Schwach Stark
Violett empf. F. Schwach Schwach Schwach Massig Stark Stark
Empfindung: Roth Gelb Grün Blau Violett Weiss
Dieses Schema dient zur Erklärung der comple-
mentaren Nachbilder, wenn man z.B. annimmt, dass
die durch das rothe Licht stark gereizten Fasern er-
müden und nur die Erregung der Grün und Violett
empfindenden Fasern übrig bleibt, was das bhiugrüne
Nachbild hervorruft.
Ohne Bedeutung erscheinen die Einwände von
C. Bohn (Poggendorfs Ann. CXXV. p.87. 1865),
welcher meint, dass man mittels der Dreifasertheorie
nicht erklären könne, warum man eine farbige Fläche
überhaupt gleichmässig gefUrbt sehen oder zahlreiche
feine farbige Punkte unterscheiden könnte. Nimmt
man an , dass jeder Zapfen oder jedes Stäbchen der
0 Die Idee, Roth, Gelb nnd Blau als Hanptfarben
anzusehen und Grfin nur ans der spektralen Mischung von
Gelb nnd Blan hervorgehen zu lassen, wurde übrigens
bereits 1740 von Castel in dem interessanten Büchlein
»L'Optique des Couleurs" entwickelt. An ihr hielten
anch die Maler trots L^omrdo da Vinci fest.
Netzhaut mit diesen drei Fasern verbunden ist, so
fällt dieser Einwand weg. Wichtiger dagegen sind
die von A. F ick (Hermann 's Handb. d. Physiol
III. 1. p. 199) erhobenen Bedenken , welche um so
schwerer wiegen , weil dieser Forscher im Uebrigen
ein entschiedener Anhänger der Young 'scheu
Theorie ist, die er nur darin (wie auch Maxwell)
modificirt, dass er als dritte EmpfindungsqaalitSl
Blau (Indigo) an Stelle des Violett setzt , weil der
Unterschied in der Empfindung zwischen Roth und
0 Bereits vor Entdeckung des Sehroths hftttei
M. Schnitze n. Preyer (Arch. f. Physlol. I. p. 2W.
1868) anf den Einfluss der Farbe des gelben Fleckef
anf die verschiedene Empfindlichkeit mancher Angen rai
grünblaue Farbentone nnd fnr violette und nltraviolctt«
Strahlen aufmerksam gemacht. Gegen 15 Jahre (A^^
hat übrigens schon Wilson (s. nuten) dieselbe ^^^^
habt. Andererseits wurde die gelbe Farbe dieser Steü*
als Leichenphänomen angesehen, was aber wohl irrig tft<
(Vgl. Jahrbb. CLXXHI. p. 2Ö7.)
G e i s 8 1 e r , über Farbenblindheit.
81
Bkn stftiier sei, als zwischen Roth and Violett, nnd
aus matbematiachen Grfinden ^) die drei Qualitäten
Dögüchst gleich weit von einander zu setzen seien.
Dieses Bedenken besteht darin , dass es vollständig
lithseihaft bleibt, warum (s. o.) gerade die Erregung
eines einzigen Netzhautelementes nicht die specifische
Faxte des Erregers, sondern eine weissliche Empfin-
dang hervorruft (die Sterne 9. Ordnung sind nach
3trn?e die kleinsten Objekte, die im Fernrohr
Mdi farbig erscheinen , wiewohl noch kleinere im
Spektroskop farbig zerlegt werden). Femer bleibt
esBDerklftrt, dass an mehreren kleinsten, neben
onnder befindlichen, farbigen Objekten der Farben-
tDDDOch erkannt wb*d, wenn ein einziges, gleich
grosses Objekt in derselben Entfernung nicht mehr
&ri)ig erscheint.
Um die Dreifasertheorie mit den Ermittelangen
Iber die Farbenempfindung der peripherisch gelege-
KD Netzhautzonen in Einklang zu bringen , hat
Rä hl mann (UeberFarbenempfindnng in den peri-
pherischen Netzhautpartien in Bezug auf normale
nd patbol. Brechnngszustände. Inaug.-Diss. Halle
1872. Ferner: Arch. f. Ophthalmol. XIX. 2. p. 201.
1873) die Znsatzhypothese aufgestellt, dass nach
ierPeripherie hin die drei Fasersysteme in verschie-
faier Stärke abnehmen , und zwar zunächst die vio-
ietÜeiteDden , dann die roth- und endlich die grün-
anpfindenden Fasern*). Letztere würden ihrer
Venge nach demnach überall prävaliren. Diese Er-
klänmg mag man allenfalls für genügend halten,
M sich vorzustellen, warum Gelb am weitesten peri-
pherisch noch in seiner Farbe erkannt wird , doch
lat R. ganz übersehen , dass er mit seiner Hülfs-
lijpothese einen Fnndamentalsatz der Y o u n g 'sehen
Theorie zerstdrt. Da nämlich die Empfindung des
Weiss erzeugt werden soll durch annähernd gleich
Starice Reizung sämmtlicher drei Fasergattungen,
fe Empfindung des Weiss aber sogar noch weiter
peripherisch möglich ist als die des Gelb, so können
ganz tuunöglich die grünempfindenden Fasern allein
» der Peripherie noch übrig geblieben sein.
Die schwierige Deutung der Empfindung des
6db, welches nach Young aus gleichmässiger Er-
i<Bgmig der f&r Roth und der fQr Grün bestimmten
hsergattung hervorgerufen wird, hat noch zu einer
Qdera Hülfshypothese geführt. Wenn man nämlich
die Dreifasertheorie auf Farbenblinde anwandte und
^ voranssetzte, dass bei den Roth-, bez. den Grün-
Uinden die entsprechenden Fasern fehlten , so kam
BttD in das Dilemma , die doch ganz sicher vorhan-
'^fine Gelbempfindung dieser Farbenblinden nicht er-
klären zu können. Leber spricht sich deshalb dahin
as (Areh. f. Ophthalmol. XIX. 3. p. 28. 1873. —
Bin. Mon.BI. f. Ahkde. XI. 1873. Sitz.-Ber.p. 467
') Näheres hierüber W. v. B e z o 1 d t : Poggendorf 8
Awtttei CL. p. 71—92, 221—247. 1873.
*) IMe Ansdrficke ^^leiten*^ nnd „empfinden" sind,
*mAeinlichnnabeichtlich, in gleichem Sinne gebraucht.
M. Jilirbb. Bd. 191. Hft. 1.
und Graefe ' SämMi f Handbuch Bd. V. p. 1030),
dass man die verschiedenen Arten von Farbenblind-
heit überhaupt nicht durch das vollständige oder un-
vollständige Fehlen einer Fasergattung erklären
dttrfe, sondern vielmehr nur dadurch, dass diese
Fasern zwar z. B. fftr die Aetherwellen des rothen
und des grtlnen, aber nicht für die des gelben Lichts
unempfindlich geworden seien. Wenn man diese
Erklärung acceptirt, so kann man aber mit gleichem
Rechte noch weiter gehen, und jeder Nervenfaser
der Netzhaut überhaupt die Funktion, alle Licht-
qnalitäten zu leiten oder unter Umständen zu ver-
sagen, zusprechen.
Auf Edm. Rose 's gegen die Dreifaserhypo-
these vorgebrachte Gründe können wir hier, ohne
sehr verwickelte Voraussetzungen mathematischer
Natur zu besprechen , nicht weiter eingehen. Wir
wollen nur bemerken , dass R. unseres Wissens in
Deutschland der Erste war , welcher die Hypothese
auf Grund von Experimenten an Farbenblinden ent-
schieden bekämpfte, während Andere geneigt waren,
die Voraussetzungen lieber den Thatsachen anzu-
passen. Der Leser findet die Rose 'sehen Gegen-
gründe , vier an der Zahl , im Arch. f. Ophthalmol.
VII. 2. p. 88—91. 1860 zusammengestellt. Stil-
lin g macht auch noch den selbst farbenblinden eng-
lischen Arzt W. Pole (1856) u. emen Hrn. Oppel
in Fi-ankfurt a. M. (1860) namhaft, welche die Rich-
tigkeit der Young 'sehen Hypothese bezweifelten.
Die Originale sind dem Ref. nicht zugänglich gewesen.
Pole nahm vier Grundfarben an.
Zu einem systematisch abgerundeten Bilde ü'eten
uns vier Grundfarben bei Woinow entgegen (Bei-
träge zur Farbenlehre: Arch. f. Ophthalmol. XXI.
1. p. 223. 1875, aber bereits 1874 in russischer
Sprache nahezu gleichzeitig mit Herin g's Arbeiten
publicirt). Woinow unterscheidet vier farben-
empfindende Elemente in der Netzhaut, ausser ihnen
aber noch solche, die nur Licht empfinden. Die
ersteren fehlen in der äussersten Peripherie der
Netzhaut vollständig , nahe der Peripherie sind nur
die blau- nnd die gelbempfindenden in einer bestimm-
ten Zone vorhanden , näher heran und im Oentrum
selbst sind sämmtliche Elemente vertreten. Die
rothen nnd die grünen Elemente , ebenso die blauen
und die gelben stehen zu einander in viel näherer
Beziehung als eins der ersten zu einem Elemente der
zweiten Reihe.
Es ist von historischem Interesse, dass Woinow
insbesondere auf Grund pathologischer Vorgänge zu
dereelben Zeit die Dreifasertheorie umgestaltete, wo
Hering, zu dem wii' uns jetzt wenden , auf rein
physiologischer Basis es nnternahm, dieselbe zu stür-
zen und eine total neue an ihre Stelle zu setzen.
2) Die Theorie paariger Grundempündungen
der Sehsubstam. Diese , mit der vorigen um die
Herrschaft ringende Hypothese ist von Hering in
Prag aufgestellt. Doch kann man ihre Anfänge
weiter zurück verfolgen. Implicite ist sie schon in
11
82
G e i 8 s 1 e r , über Farbenblindheit.
Schopenhauer's Schrift: ,, über das Sehen und
die Farben" (1. Aufl. 1816) enthalten i). Schopen-
hauer knüpfte an G ö t h e an, ohne dessen Polemik
gegen die Physiker überall zu billigen. Letzterer
hatte die Farben je nach ihrer Helligkeit Halblichter
oder Halbschatten genannt, das Blau stand dem
Dunkel, das Gelb dem Lichte am nächsten, würden
sie zusammengemischt, so würden ihre specifischen
Eigenthümlichkeiten wechselseitig aufgehoben und
es entstünde ein „Schattiges", Graues. Schopen-
hauer bezeichnet Farbe als die qualitativ getheilte
Thätigkeit des Auges, einzelne Farben giebt es sei-
ner Ansicht nach aber eigentlich nicht , sondern nur
Farbenpaare. Roth ist z. B. die qualitative Hälfte
der vollen Thätigkeit des Auges, zu welcher es durch
die ihm complementare Farbe (Grün) ergänzt wird.
Orange bildet ^/s, das complementare Blau ^/g der vol-
len Thätigkeit , Gelb dagegen als hellste Farbe ^j^
und Violett als dunkelste 1/4 der vollen Thätigkeit.
Das Orange und das Violett der Physiker hat daher
Schopenhauer in seiner Physiologie mit aufge-
nommen ; Weiss entspricht der vollen Thätigkeit und
das „Schattige" des Dichters ist dem Philosophen
der Ausdruck der Ruhe eines Theils der Netzhaut,
der Philosoph hat, — wie auch in unserer Zeit wieder
C lassen (Abhandl. über physich Optik 1866) auf
die selbstthätige Erzeugungskraft der Netzhaut hin-
gewiesen — den Ausspruch Göthe's, dass die
Netzhaut ein gewisses Bestreben besitze, sich in ilu*er
Totalität wieder herzustellen , im Speciellen zu be-
gründen versucht. An Schopenhauer schloss
sich im Allgemeinen auch Szokalski an (Ueber
die Empfindungen der Farben u.s. w. Giessenl842.
Die Abhandlung war 1838 bereits der Pariser Aka-
demie üben-eicht). Er rechnete Schwarz und Weiss
zu den Farben und Hess Grau aus der Mischung von
Roth, Gelb und Blau hervorgehen, im Uebrigen aber
bestreitet er entschieden die Meinung der Physiker,
die Walirnehmung der Farben Hesse sich durch For-
meln mit -|- und — erklären. In ganz ähnlichem
Sinne, wiewohl in anderer Ausdnicksweise, hat auch
Mach (Sitz.-Ber. d. k. Akad. d. Wissensch. Mathe-
mat.-naturw. Klasse LL 2. Abth. p. 485. Wien 1865)
bei seinem Studium der Nachbilder eine eigenartige
Thätigkeit der Netzhaut statuirt. Mach ist zwar
Anhänger der Y 0 n n g 'sehen Theorie, findet es aber
bedenklich , Blau und Gelb nicht als eigene Farben-
empfindung gelten zu lassen, ja er ist sogar geneigt,
auch für die p]mpfindung von Weiss und Schwarz
einen besondem physiologischen Reiz in der Netz-
haut zu statuiren. Mach setzt eine Wechselwirkung
benachbarter Netzhautstellen voraus, um das gesetz-
mässige Auftreten der subjektiven Gegenfarbe zu
deuten, er citii-t die anatomischen Untersuchungen
Ritter 's über den Bau der Netzhaut, denen zu-
*) Es ist dem Ref. anverstandlich geblieben, dass
Czcrmak in derselben eine ^wahrhaft wunderbare*"
Uebereinstimmung mit Young-Uelmholtz hat finden
können. (Sitz.-Ber. d. k. Akad. d. Wissensch. Mathem.-
physikal. Kl. 2. Abth. Bd. LXII. p. 393. 1870.)
folge eineEömerzelle etwa mit 7 Stäbchen, dagegen
eine Ganglienzelle mit 13 Eömerzellen verbunden
sei, somit etwa eine Nervenfaser mit etwa 100 Stäb-
chen in Verbindung stehe.
Mit der noch mit einiger Reserve ausgesproche-
nen Annahme, dass anch der Schwarz- Weiss-EmpÜD-
düng ein besonderer physiologischer Vorgang in der
Sehsubstanz zu Grunde liege, ist Mach der un-
mittelbare Vorläufer von Hering geworden. Wenig-
stens konnten wir zwischen der Publikation des
Erstem nnd den Schriften des Letztem — mit
alleiniger Ausnahme der schon erwähnten Ansicht
Woinow*s — keine Beweisstücke für anderweit
geltend zu machende Ansprüche auf die Aufstellung
einer fundamental verschiedenen Hypothese gegen-
über der Young 'sehen Theorie auffinden.
Hering hat seine Untersuchungen über die
Physiologie des Sehorgans in 6 Mittheilnngen „Zur
Lehre vom Lichtsinn'' niedergelegt, die in den Sitz.-
Ber. d. k. Akad. d. Wissensch. im Jahre 1874 ver-
öffentlicht sind. Hier interessirt uns nur die 4. Mit-
theilung : „Ueber die sogen. Intensität der Empfin-
dung nnd über die Empfindung des Schwarzen''
(a.a.O. Bd. LXIX. Abth. 3) und die 6.MittheUnng:
„Grundzüge einer Theorie des Farbensinns" (Das.
Bd. LXX. Abth. 3).
H. leugnet zunächst ganz entschieden , dass die
Empfindung des Schwarz sich durch das Fehlen von
Licht erklären lasse , sei Schwarz nur die Negation
von Licht, so könne man auch Grün als Abwesenheit
von Roth, oder die Seh-Empfindung der Gestalt einer
Kugel aU die Abwesenheit der Empfindung eines
Wüifels definiren. Schon der Sprachgebrauch unter-
scheide zwischen „Hell" und „Dunkel" eineradts,
„Weiss" und „Schwarz" andererseits. Das im
Dunkel ausruhende Auge habe eine ganz andere
Empfindung als die des „Schwarz". Die Empfin-
dung des „Schwarz" komme erst unter dem Einflnsae
des Lichtreizes voll und ganz zu Stande , wie Jeder
wisse, der eine schwarze Fläche auf oder neben
einer weissen betrachte. Wie die schwarze durch
die weisse Empfindung gesteigert werde, so erscheine
auch eine weisse Fläche allein weniger hell, als wenn
man sie mit einem schwarzen Strich einrahme. Den
Uebergang von Weiss zum Schwarz bezeichnet H.
als die „schwarzweisse Empßndungsrei/ie'', Weiss
und Schwarz zusammen können sich nicht aufheben,
wie gleichwerthige Plus und Minus in der Mathe-
matik , sondern sie bedingen eine neue Empfindung.
Weiss und Schwarz tritt daher bei H. voll zQ
den zwei andern paarig geordneten farbigen Grund-
empfindungen (Blau und Gelb , Grün und Roth) der
Sehsubstanz. H. hat mit der Anschauung der Physik
vollständig gebrochen, nur darin unterscheidet er
sich von Göthe, dass es ihm nicht beikommt, von
seinem physiologischen Standpunkte aus die Lehren
der Physik über das Wesen des Lichts bekämpfen
zu wollen. Wiewohl die Sehsubstanz etwas Hypo-
thetisches noch ist , so muss sie doch nothwendig in
die Netzhaut verlegt werden, hier, nicht erst im Ge-
6 e i 8 8 1 e r , über Fftrbenblindheit.
tuD, gebt der Prooesa vor acli, der die farbige Bm-
p&HJimg bedingt.
Die neoere Physiologie kann sieb jede Funktion
giiT als Stoffrerbraueh denken , welchem ein StofF-
ssatz stets par&llel geht. Dieser Anschauung sich
uKhlirasend, fasst aach Hering die drei paarigen
Grandempfindungen als die Wirkung qualitativ ver-
schiedenen Verbrauchs und Ersatr^s der Sehsabstanz
ur. Der Stoffwechsel in derselben zerfällt in einen
öiifiinilinings- und einen .^ssjmt/irun^n-Process,
läehem in der Empfindung eine Dissimilirungs- und
iMmiliningsfarbe (kurz : D - Farbe nnd A - Farbe)
ntspricht Wenn an einer Stelle der Netzbaut durch
kllea Licht z. B. die Sehsubstaon verbraucht wird,
m entsteht die Empfindung des „Weiss", diese
Wnsg-Empfindnug ist aber nm so stärker , wenn in
JerNihe die Sehsubstanz nun relativ stärker sich
uidiifl, hier also die Schwarz -Empfindung hervor-
•enrfeo wird. Weiss ist demnach die D - Farbe,
ätfcwais die A-Farbe.
Aach die Empfindung von Roth und Grün , Gelb
nid Blaa entsteht durch Abnahme nnd Zunahme dea
jedem dieser Farbenpaare zugehörigen Antlieil der
^ehsubetanz. Doch ist H. noch unentschieden,
rflcbe hier die D- nnd welche die A-Farbe sei.
Sappe (a. a. 0. p. 41) meint, dass in dem eiuen
Pure Grün, in dem andern Blau dieA-Farben seien,
»ihrend in jenem die rothen , in diesem die gelben
Stnhlen den Dissimilirnngsprocess bewirken.
Zwischen Roth und Grttn , Blau und Gelb giebt
N iber keine stetige Reihe von Empfindungen , wie
die grauen Uebergänge beim Schwarz- Weise, deshalb
«iDl jene H. anUxgonUHtche oder Gegenfarben.
Um z.B. vom Roth zu Grün zu gelangen, muss xaaa
ntweder die blaue oder die gelbe Grundempfindung
n Hülfe nehmen, also RoÜiblau-BlaugrUu-GrUn oder
Bodigelb-Gell^rttn-GrUn.
Die Sehsubstanz zerf&llt demnach nach Hering
agentlich in drei Substanzen, eine farblose und zwei
ärtiige. Die erste, die für die schwarzweisse Em-
pfiniliinggreihe bestimmt ist, ist am reichlichsten vor-
luden, die beiden andern für sich wahrscheinlich
>Mtt in ungleicher Uenge.
Alle Lichtstrahlen, die Im Spectrum voriianden
nd, wiAen dissimilirend auf die scbwarzweiase Seh-
nbatanz ein , aber die verBchiedenen Lichtstrahlen
ii VNMbiedenero Grade. Auf die blaugelbe und auf
^ rothgrilne Substanz wirken gewisse Strahlen
^BBindUrend , andere asaimilirend, noch andere gar
üebl.
Eigentlich sehen wir nach H. drei Spectra über
^ durch einander gelegen. Für die schwarzweisse
Satxtua ist der Theil des Spectrum am hellsten,
Wo wir Qelb empfinden, sowohl nach links als nach
■tcfats erscheint es allmälig dunkler. Das Spectrum
ia blugelben Substanz zerfällt in einen gelben nnd
<>>Kn blauen Tbdl , zwischen welchen ein fllr diese
^bstinz licbtloser AbBclinitt eingeschoben ist , hier
wpfindet das Auge das reine Grün. Das Spectmm
der rotbgrUnen Substanz hat eic
und zwei rotbe Endtheile, daz
fHr diese Substanz licbtlose Sb
Gelb und Blau wahrnimmt.
Gemischtes Licht erscheint I
wohl auf die bkugelbe , als ax
stanz gleich stark dissimilirend
Dann bleibt eben nur die Wirk
weisse Substanz übrig. DieErap
entsteht daher nach H. nicht du
aller farbigen Empfindung, send
bleibenden Rest, nachdem in '
Selisnbatanzen die Wirkung au'
Farbe sich gegenseitig aufgeliob
Einer üpätern Mittheil im? (Z
benblinäheil auB der Theorie der (
MatuririBseDgcb. „Lotos" N. F. I.
noch die F^rkläruiig ciulgRr von
KuDstauBd rücke. Er nennt das Vei
len, die weisse Em pflndune zn (nrd
feiTieT fasfit er die Strahlen vom an
OrÜD anter lier Bezelchnnng der S
taa , die Strahlen vnm Grün bis :
Strahlen von blauoValeni ziisamir
vtrateht IT. Eolclie Farbe nmiacbnui
ans Farben verechiedener Wellenl.
Doter Umatäuden gleiche Bmpändu
Weins und Grün , Weise und Rotl
Gelb. Diene sind ^gleichfarhig
eine für sieh rein t;elb wirkende Hl»
rSr sich rein blau wirkenden Misch
valenf^ sind, d. h, sich in Mezag i
heben, aber ihre weisBco Valenxen
3) Andere Theorien über
Es würde viel zu weit fuhren, fi
zu reprodnciren, die kaum, noch
esse erwecken. Szokalski
Zeit zur ErkUiiing der Farben
ebenen Vermuthnngcn (a. a. 0.
mengcstellt, ebenso hat H e 1 m b
siol. Optik p. 267—272 mit ai
angaben dieses Thema erschöp
FarbeiilcUi'e cntliillt eine Meng
ältesten Zeiten an bis Ende des v
l'^s bleibt daher nur noch Übrig
jüngsten Zeit ausgesprochene
Kurze zu erwähnen.
Während Brücke geneigt
itberliaupt jede Mitthätigkeit bc
düng abzuspreuhen (Sitz.-Ber. i
zu Wien, mathem.-nutnrw. Kl. 1
Heft), will Lederer, Österr.
Bd. IV. Jahrg. 1 879. März p. 4:
eben und den Zapfen je eine bee
benempfrndnng zuertheilen. Dif
und Blaugi-ün , die Stäbchen V
der Empfindung Übermitteln, i
durch EiTegung beider Netzhau'
L e d e r e r knUpft eigentlich an (
gen zu N e w t o n 's Zeiten an, i
benreihe eine Analogie mit der ''.
diess auch in unserer Zeit Ung(
eine Farbenbarmonie herzustcUei
84
6 e i s 8 1 e r , über Farbenblindheit.
ebenso wie den Physiologen befriedigen sollte, ge-
than hatte. L e d e r e r lässt die Aetherschwingungen
als solche direkt Schwingungen der Netzhautelemente
hervoiTufen , die dickem Zapfen reagiren auf die
langsamem, die dünnem Stäbchen auf die schnellem
Lichtwellen. Die gemischten Farbenempfindungen
erkläi't L. durch den verschiedenen Schwingungs-
rhythmus und die Contrastfarben ähnlich wie das
Mitklingen oder Nachklmgen anderer, aber bestimm-
ter Töne, wenn eine Saite angeschlagen wird. (Bei
Wartmann und bei Kelland [Jahrbb. LXXXV.
p. 363] finden sich sehr ähnliche theoretiBche Vor-
stellungen.)
Femer hat der selbst farbenblinde Prof. D e 1 -
b 0 e u f in Lüttich , dem wir weiter unten noch be-
gegnen werden, die Netzhaut sich als schwingende
Membran vorgestellt, welche durch die kurzwelligen
Strahlen in schnelle, durch die langwelligen in lang-
samere Bewegung versetzt werde. Die natürliche
Elasticität der Netzhaut, um so zu sagen, entspricht
denjenigen Schwingungen, welche die Empfindung
des Grün hervori*ufen. Allen andern Aetherwellen
setzt die Netzhaut einen mehr oder weniger grössern
Widerstand entgegen, indem sie entweder entspannt
oder stärker gespannt werden muss. Grün ist daher
nach Delboeuf eigentlich die Normalempfindung.
Setzt man diese = 9, so wird es nur einer geringen
Abweichung bedürfen, um den Werth von 10 (=Blau)
oder von 8 (= Gelb) zu erhalten. Eine stärkere
Aendemng des Spannungsgi'ades, ist dann 11 (= In-
digo) und nach der andem Seite hin 7 (= Orange),
während die stärkste Anspannung 12 = Violett,
die stärkste Abspannung der Zahl 6 => Roth ent-
spricht. Seine eigene Rothblindheit erklärt D. da-
durch, dass seine Netzhaut eine besonders gesteigerte
Elasticität habe, welche die für die Rothempfindung
nothwendige Abspannung nicht zulasse.
Wenn sowohl Youngu. Helmholtz als He-
rin g in ihren, wenn auch sonst sehr verschiedenen
Theorien die Lehre von der „specifischen Energie"
der Sinnesnerven weiter ausgebildet hatten, so haben
neuerdings zwei andere Forscher sich zu einer ein-
fachem Auffassung der Farbenempfindung hingeneigt.
Diese sind W u n d t und Erenchel. Beide pro-
testiren gegen farbige Gmndempfindungen , mögen
sie nun bestimmten Nervenfasern oder verschiedenen
Qualitäten der Sehsubstanz anhaften.
W u n d t in seinen Grundzügen der physiologi-
schen Psychologie (2. Aufl. Leipzig 1880. Bd. L
p. 454 flg.) unterscheidet lediglich eine chromatische
und eine achromatische Eitegung des Sehorgans,
von denen die letztere für sich allein, die erstelle da-
gegen nie ohne die letztere stattfinden könne. Diese
En*egung ist chemischer Natur, die farblose Er-
regung entspricht einem einfachem, die farbige
einem mannigfaltigen chemischen Vorgang. Dieser
chemische Vorgang wird ein anderer, wechselnder,
wenn die Länge der Aetherwellen sich verändert.
Die Eintheilung in Hauptfarben und gemisohte Far-
ben u. s. w. ist nach Wundt keine physiologische;
da die verschiedenen Osciilationen des Aethers in
ihrer Wu'kung auf das Sehorgan an sich gleich-
werthige Grössen sind.
Krenchel verwirft in seiner Arbeit über die
Hypothesen von Grundfarben (Arch. f. Ophthalmol.
XXVL 1. p. 91. 1880) jede besondem Organe zur
Differenzirang, denkt sich vielmehr in dem Theile
des Gehirns , wo die Sehempfindung vor sich gebt,
die Moleküle derartig gelagert, dass sie allseitig be-
weglich sind. Die AngrifiiBpunkte der farbigen Strah-
len denkt er sich der Art , dass die des rothen and
des grünen Lichtes, sowie die des blauen und des
gelben gerade entgegengesetzt , jeder Angriffspunkt
der einen von dem der andem dieser 4 Farben um den
4. Theil des Umfangs des Moleküls entfemt ist. Die
Drehung des Moleküls nach der einen Richtung und
die nach der entgegengesetzten entspricht den Con-
trastfarben ; werden 2 entgegengesetzte Punkte des
Moleküls gleichzeitig getroffen , so findet keine Dr^
hung, sondern eine Fortbewegung statt, die der Em-
pfindung des Weiss entspricht. Die Nervenfasern
sind nach E r. im Stande, alle Lichtqualitäten den
Sehmolckülen zu übermitteln, gerade so wie die
Drähte des Telephon alle Tonwellen ohne Unter-
schied leiten.
W. Frey er endlich liat in emer umföngUcheD,
vorwiegend kritischen Arbeit : „Ueber den Farben-
und Temperatur-Sinn mit besonderer Rücksicht auf
Farbenblindheit" (Arch. f. Physiol. XXV. 1. 2.
p. 31—100. 1881), in welcher er die Young'-
sche Hypothese vollständig, die Hering 'sehe zom
Theil verwirft, eine Art Modifikation der letztem zn
begründen versucht. Er geht davon aus , dass die
Stäbchen lediglich die Licht-, die Zapfen aber sowohl
die Licht- als auch die Farbenperception zu vermit-
teln vermögen. Jede Opticusfaser ist mittels einer
Ganglienzelle der Netzhaut mit einem Zapfenpaart
verbunden, der eine Zapfen vermag nur durch warm-
farbige (anachromatische) , der andere nur durch
kaltfarbige (katachromatische) Strahlen erregt n
werden, oder, mit andern Worten, es ist je ein Roth-
zapfen mit einem Grünzapfen , und ein Gelbzapfen
mit einem Blauzapfen durch eine Ganglienzelle ver-
bunden. Im normalen Auge sind diese Zapfen gleich-
massig vertheilt, nur an der Peripherie der Netzhaut
fehlen die Rothgrünzapfen. Die Ganglienzelle der
Netzhaut dient dazu , die Empfindungen zu sondern«
Die Ganglienzellen stehen wieder fttr sich mit den
Sehnervenfasern, letztere mit den Gangiienzellea
des Gehirns in Verbindung, wo diese gesonderte
Erregung als Farbe empfunden wird. Wenn com-
plementare Strahlenpaare gleichzeitig einwirken, so
wird Weiss oder Grau empfunden. Das Violett des
Physikers ist füi* Pr. nur eine Mischfarbe von Both
und Blau , welche durch Ueberwiegen des Roth zum
Purpur wird. Braun entsteht durch Znsammensein
von zwei wannen Farben bei geringer Helligkeit
oder durch Verdunkelung des rothen Spectnun-
endes.
6 e i B 8 1 e r , aber Farbenblindheit,
85
B. Die Farbenblindheit.
1) Frühere Kenntnisse über angeborne
Farbenblindheit.
Es ist nicht die Absicht, das schon wiederholt
zosammeogetragene casuistische Material hier noch-
mals zu groppiren. Doch mögen wenigstens einige
Data hervorgehoben werden.
Das älteste Beispiel, was man bis jetzt aufgefanden
bt, ist Yon Hnddart 1777 in dem 67. Bande der Philo-
soph. Transact. mitgetheilt. Es betrifft einen Schuster,
Bims mit Namen, der als 4jähr. Knabe anf seine Ano-
malie aufmerksam geworden war, als er einen Strumpf
uf der Gasse gefanden hatte, den Andere roth nannten,
während er nichts Besonderes an ihm wahrnehmen konnte.
Später merkte er auch, dass er die Kirschen i) nicht auf
dem Baome sah, weil er sie nicht von den Blättern zu
nttersekeiden vermochte. Nach den Versuchen, die man
später mit dem sehr intelligenten Manne anstellte, scheint
ihm for Farben das Unterscheidungsvermögen überhaupt
gefehlt zu haben, er vermochte zwar einfarbige Bänder
fOB buntgeBtreiften zu unterscheiden, aber die Farben
der letztem doch nur nach ihrer Helligkeit als different
wahnunchmen. Zwei seiner Brüder hatten dieselbe
ijMnnalie, während 2 andere Brüder und die Schwester
urmalen Farbensinn hatten.
Diese Beobachtung ist 1779 in dem XIII. Band
von R o z i e r 's fi'üher schon citirtem Journal referirt.
Hier findet sich die auffällige Angabe, dass die fragl.
Anomalie nicht so selten sei, wobei anf das Beispiel
des Malers Calardeau hingewiesen wird, der in
sein eigenes Portrait Gelb auf Blau, Roth neben
Grün malte, ohne es zu merken, und am Schlüsse
folgt noch die interessante Bemerkung , welche be-
zeugt, wie kUr Rozier diese Sache auffasste. Er
sagt, es gebe Menschen, „denen die Natur zweifar-
big*^ zn sein scheine, bez. Solche, für welche die
Farben nur ^ Degradationen^ des Lichts oder Nuan-
cen von Schwarz oder Weiss seien. Diese Bemer-
kimg streift nahe an die von Herschel im J. 1826,
welcher nach Untersuchung eines Roth-Grtlnblinden
mittels polarisirten Lichtes ausdrücklich constatirte,
dass nur die gelben nnd die blauen Strahlen empfun-
den wurden. (Die Beobachtung selbst findet sich
»ullihrlich excerpirt bei S z o k a 1 s k i a. a. 0. p. 81.)
Unter den wenigen Beispielen, die dann noch
im vorigen Jahrhundert erzählt werden , ist das von
Dal ton, dem engl. Chemiker, am bekanntesten.
£r hat für die Franzosen der Anomalie den Namen
geliefert. Er war es wohl zuei*st, der seinen Far-
bensinn am Spectrum prüfte u. fand, dass die Reihe
vom Roth bis zum Grün ihm einfarbig, und zwar
wie Gelb erschien. Die andere Hälfte des Specti*um
enchien ihm Bhiu, nur dass ihm der violette Ab-
schnitt etwas dunkler vorkam als der rein blaue.
Einer seiner Brüder war ebenfalls rothblind, D. fand
dann mehrere seiner Schüler mit ähnlichem Fehler
behaftet Ueber das Anekdotenhafte kamen aber
anch die spätem casuistischen , meist aus England
*) Diese Angabe, noch 5fter aber die, dass das
Crdbeerensnchen solchen Farbenblinden besonders schwie-
rig td, findet sich wiederholt in solchen FäUen, wo die
AuHBalie während der Kindheit entdeckt wurde.
stammenden Mittheiluugen nicht viel hinaus, Aa<di
Göthe, der 2 Fai'benblinde selbst untersuchte, v^-
mochte sich aus der verwirrten Nomenclatnr solcher
Personen nicht herauszufinden und wui*de erat von
Schiller darauf aufmerksam gemacht , dass den-
selben der Sinn für Blau fehle, weshalb nun G. den
Namen Akyanoblepsie erfand. [Wir wissen jetzt,
dass seine Blaublinden thatsächlich rothblind waren.]
Doch hat 6. auf die methodische Untei-suchung sol-
cher Pei*8onen ausdrücklich gedrungen, auch als der '
Erste die Verwechslungsfarben anf Tab. 1 seiner
Farbentafeln colonrt.
ErstPurkynje und Seebeck suchten nach
einer einheitlichen Gruppirung. Letzterer insbeson-
dere hat nicht nur die frühem zersti'euteu Beobach-
tungen gesammelt, sondern auch zahlreiche eigene
Untersuchnngen gemacht, indem er darauf ausging,
die Häufigkeit des Vorkommens dieser Anomalie zu
ermitteln, daher auch Reihen von Gesunden unter-
suchte (Poggend. Annalen Bd. 42. 1837). See-
beck experimentirte mit farbigen Papieren, farbigen
Gläsern, zuweilen auch mit prismatischen und Inter-
ferenzfarben. Gefärbte Wollenproben macht er eben-
falls namhaft, während er Seide wo^en ihres Glanzes
verwirft. Er hebt ganz besonders hervor, dass man
aus der Bezeichnung, die der Farbenblinde den Ob-
jekten giebt, keinen Schluss auf die Art der Ano-
malie machen dürfe. Sondern man solle die Far-
benblinden die farbigen Gegenstände nach ihrer
Weise ordnen lassen, eventuell solle man eine dritte
Farbe noch hinzunehmen, die für das normale Auge
einer der beiden Verwechslungsfarben sehr ähnlich
sieht. Indem er die von Farbenblinden einer Art
geordneten Reihen den Farbenblinden einer andern
Gruppe vorlegt, sind ihm die charakteristischen Un-
terschiede nicht entgangen. Blau- (Violett) Blind-
heit scheint S. nicht gekannt zn haben, vielmehr ge-
hören seine Pat. den beiden Gruppen au , die wir
jetzt als Roth- und Grünblindheit (alias : Roth-Grün-
Blindheit mit und ohne Verkürzung des Spectrum)
bezeichnen. S. weiss, dass bei dor einen Gruppe
das mit Grün verwechselte Roth w(;niger Gelb ent-
hält, als bei der andern, bei letzterer ist das Spectmm
am rothen Ende verküi*zt, bei ersterer nicht. Der
Rothblinde stellt Rosa mit Bläulich- (jrün. Grasgrün
mit Dunkehsinnoberroth zusammen ; der Grünblinde
Rosa mit Himmelblau u. Grasgrün mit Orange. S. er-
mittelt auch (und bemerkt, dass sein Vater 20 Jahre
früher dasselbe beobachtet), dass durch farbige Glä-
ser der Farbenblinde ein viel besseres Untei*schei-
dnngsvermögen für Farben und Farbentöue erhalte,
nnd unterscheidet dabei weiter, dass die Farbenblin-
den ohne verkürztes Spectrum am rothen Ende durch
rothe oder grüne, die Farbenblinden mit verkürztem
Spectrum durch orangefarbene Gläser am besten
Verwechselungen vermeiden können.
Die schon bei der ersten Beohaditung constatirte
Heredität wurde von S. durch weitere Nachweise
sicher gestellt. Die Anomalie kann vom Vater auf
den Sohn übergehen^ aber auch vom Grossvater auf
86
6 e i 8 B 1 e r , ttber Farbenblindheit.
den Enkel ttbei-springen. Sie kann sich bei mehrern
Bitldein desselben Stammes finden, oder auch bei
Neffen, deren Mütter Schwestern sind. Die Selten-
heit der Anomalie beim weiblichen Geschlecht wird
durch die von S. gesammelten und von ihm selbst
ermittelten Farbenblinden bezeugt. Seine Farben-
blinden waren, ebenso wie die in England ermittel-
ten, meistens Blondins mit blauen Augen, doch legt
er darauf keinen grossen Werth, da in seiner Gegend
überhaupt nur wenig Brünette waren.
Wir sehen somit in S e e b e c k ' s Mittheilungen
den grössten Theil Dessen constatirt und vorbereitet,
was wir heute über Farbenblindheit wissen. Es ist
daher nur recht und billig, dass nach seiner Methode
auch die spätem (Jntersucher sich richteten und sie
gewissermaassen die schulgemässe wurde. Wie der
Berichterstatter aus der Ruete\schen Klinik weiss,
so sind gewiss auch anderwärts (von der v.Grae for-
schen Klinik wird es durch Hirschberg wiederholt
erwähnt) in jedem Semester die Studirenden, gele-
gentlich auch andere Personen, auf ihren Farbensinn
geprüft und dabei der Eine oder der Andere als far-
benblind erkannt worden. Auch den Floi-contrast
kennt der Berichterstatter aus jener Zeit und war
einigermaassen erstaunt, dass auf ihn neuerdings
ganz besonders aufmerksam gemacht wurde.
S e e b e c k selbst hat sich jeder Theorie enthal-
ten. Sein unmittelbarer Nachfolger, der schon oben
erwähnte Szokalski und Wartmann in Genf
(Letzterer in zwei Aufsätzen über den Daltonismus
1844 und 1849, vgl. Jahrbb. LVI. p. 12) haben
die Beobachtungen nochmals gesammelt und mög-
lichst mit den Vorgängen, die sie sich bei der Far-
benempfindung als annehmbar dachten, in Einklang
zu bringen gesucht. InSzokalski's Schrift kann
man auf S. 118^-124 eine Sammlung der bis zu
seiner Zeit aufgestellten Theorien nachlesen, wobei
zu bemerken, dass Sz. auch Young gekannt hat.
Er selbst hält nichts von den Ansichten, die die Far-
benempfindung in die Retina verlegen, sondern ist
Anhänger der GalTschen Lehre, wobei er sich auf
H e r s c h e 1 stützt , und versetzt somit den Differen-
zirungsvorgang in das Gehirn selbst.
Die Casuistik wurde mehrfach bereichert, die Fälle
wurden mit mehr oder weniger Zwang dem Schema
Seebeck's oder Szokalski's einzureihen ge-
sucht. Eis interessirt uns hier nur eine Beobachtung
von Cunier (Ann. d'Ocul. L p. 417. 1838), weil
dieselbe im Widerspruch steht mit der Annahme der
Vererbung vom Vater auf den Sohn, oder durch die
normalsichtige Tochter auf den Enkel. Bei ihr han-
delt es sich um eine Vererbung von der Mutter auf
die Tochter in fünf Generationen, während die Söhne
freiblieben: insgesammt 12 farbenblinde Franen, die
nicht kirschroth von blau unterscheiden konnten.
Fünf stammten von einer und derselben Mutter,
sämmtliche 8 männliche Glieder der Familie waren
nicht farbenblind.
Ein Fortschritt seit S e e b e c k ist aber im Grunde
nicht zu ^verzeichnen, weder wurden die Methoden
verbessert, noch suchte man die Terminologie von
den Angaben der Farbenblinden selbst genügend
freizumachen. Daher kommt es, dass in den meisten
Geschichten die heitre Seite hervortritt; es macht
besonders Vergnügen, wenn ein Farbenblinder, ohne
es zu merken, einmal eine grüne Uniform statt der
rothen anzieht, wenn ein Andrer einen Pflanzen-
Stengel mit einer Stange Siegellack, oder eine Gnrke
mit einem gesottenen Krebse verwechselt, ein Dritter
seiner Frau ein ganz anders gefärbtes Kleid einkauft
als er eigentlich gewollt hat, ein Vierter sich wan-
dert, warum man das Getreide im Frühling grfln
und im Herbst gelb bezeichnet, ein Fünfter angiebt,
dass die Farbe einer Wiese, einer Rose und eines
Esels ihm eigentlich dieselbe zu sein scheine, ein
Sechster erklärt, dass er Gefahr laufe, rothe und
schwarze Tinte zu verwechseln u. dgl. mehr.
Dass die Farbenblindheit auch eine praktischi
Seite haben könne, findet sich ganz ausdrücklich erst
bei George Wilson (geb. 1818, gest. 1859) her-
vorgehoben. Seine Hauptarbeit im Edinb. Monthly
Journ. 1853/1854 ist in diesen Jahrbb. sehr aus-
führlich (LXXXV. p. 98—105 und p. 340—356)
besprochen worden. Er kennt die totale Farben-
blindheit und die Formen der Roth - Giünblindheit
aus eigner reicher Erfahining, aber nicht die Blau-
gelb-Blindheit ; am meisten Schwierigkeiten bereiten
ihm die Fälle, in denen Roth mit Schwarz verwech-
selt wird. W. hat zuerst Massenuntersuchungen ge-
macht und mehr wie 1000 Personen, namentlich
Soldaten, auf ihre Farbenempfindung geprüft (vgl.
weiter unten). Wenn noch vor Kurzem die Farben-
blindheit Gefahr lief, für eine Art Rückfall in prä-
historische, oder in die Zeiten Homer's erklärt ku
werden , so hielt W. diese Anomalie eher für eine
Acquisition der modernen Oivilisation , namentlich
unter dem düstern, nordischen Himmel, während ihm
die Südländer, insbesondere auch die Asiaten als
Blumenzüchter, Weber und Färber seit jeher als be-
sonders mit farbenkräftigen Augen ausgestattet er-
scheinen, und die Wilden Afi'ika's und Amerika's
durch ihren Waffen- und Federschmuck, ihre Täto-
wirung u. dgl. einen gleichen Vorzug beurkunden.
Seine Massenuntersuchungen lehrten ihn die bedeu-
tende individuelle Verschiedenheit der Fälle; von
der Nomenclatur der Farbenblinden hat sich W.
möglichst freizuhalten gewusst, trotzdem aber fand
er auf objektivem Wege die grössten Differenzen,
welche die Einreihung in ein Schema erschwerten.
Als die Grenzen der Farbenblindheit nach dernor^
malen Seite hin beti*achtet W. solche Fälle, in denen
Incarnat mit Blassblau oder mit Blasegelb, femer
Olivengrün mit Braun verwechselt wird.
Wiewohl W. ausdrücklich bemerkt, dass die Un-
terscheidung zwischen rothem und grünem Licht für
den Farbenblinden in der Nacht keine solche Schwie-
rigkeit mache als am Tage, hat er doch als der EnU
die praktische Wichtigkeit für den Signaldienst er-
kannt und die Anstellung von gewissen Kategorien
Geisslery über Farbenblindheit.
87
der Eifleobahnbeamten von einem intakten Farben-
floo abhängig zu machen den Rath gegeben.
In dieser Weise ist W. der wirkliche Vorläufer
der Bestrebungen in den letztvergangnen Jahren ge-
worden. Diurch die Wahl der gef^bten Wollengarne
jor PrOfong hat er gleichzeitig den rechten Weg ge-
vieBeo, da sich mit diesem Material eine grössere
Auswahl von Farben erzielen lässt, als mit den seit
Seebeck fiblichen Papiermustem. Auch hat W.
nr Abkürzung und Vereinfachung der Prüfung für
Mi Fälle bereits vorgeschlagen, aus den Frohen
nr die grünen und rothen Farben heraussuchen
u lassen, auch war ihm bekannt, dass sich das
fffbenbUnde Auge am leichtesten durch eine Ver»
widisehmg der lichten Schattirungen der Haupt'
fvbm vemUke.
Wilson 's Arbeiten blieben unbeachtet. Ob in
Schotäand, bez. in England auch andre Eisenbahn-
lerwaltangen damals, mit Ausnahme der einen von
ib selbst genannten, von seinen praktischen Vor-
riiilgen Notiz genommen, ist dem Ref> nicht be-
ktont, 80 viel ist aber sicher, dass die Ophtlialmolo-
gen m der 2. Hälfte der 50er und in den 60er Jahren
ach nor äusserst wenig mit dieser Frage beschäf-
tigt haben und dann auch nur, auf Grund der Arbei-
ta von Maxwell, nach exakt wissenschaftlichen
Formeln (^ das Sehen der Farbenblinden suchten.
Kid wird auch die Abwendung von der Beschäf-
ägnng mit den rein funktionellen Störungen desSeh-
«Iganfl nur zu natürlich finden in einer Zeit, wo Tag
ftr Tag der Augenspiegel neue Thatsachen an's
lieht brachte und neue Räthsel aufgab. Wie sollte
eine Anomalie zur Forschung besonder reizen, bei
fe eben der Augenspiegel nichts erkennen liess,
vie sollte diess geschehen in einer Zeit, wo man die
^itel über Amblyopie und Amam'ose in den Lehr-
Miem lieber einfach gestrichen hätte. Es musste
in enter Linie die ganze Wucht der Bestrebungen
a der öffentlichen Hygieine hinzukommen, in der
Kervenpathologie mussten die Fragen über von Ge-
Kbleeht zu Geschlecht übertragbare Störungen dis-
^»tirt werden, die Geheimnisse des Lebens musste
iBtn nach einer neuen Formel der allmäligen Ent-
viekelnng zu enträthseln suchen — ehe man aucli
fcse Ungst vergessenen Curiositäten aus den Grä-*
Wm hervorholte. Denn es ist sehr bezeichnend für
b Mangel an historischem Sinn in dem Forschungs-
trieb unarer Tage, wenn wir bei Holmgren das
^tttlndniss lesen, dass er erat nach dem Abschluss
^öier Untersuchungen in die Arbeiten W i 1 s o n * s ,
Pivre's und Stilling's Einsicht genommen und
^anch sonst verschiedene Beweise (z.B. Cohn's
Uiaoptong, Fälle angeborner Farbenblindheit seien
■^ nirgends beschrieben) sich dafür finden, wie
I^Bt bekannte Dinge aufs Neue entdeckt wurden.
Wenn aber Wilson 's rein praktische Bestre-
W^ 20 Jahre lang an den Aerzten trotz zahl-
'^Kba Referate in französischer u. deutscher Sprache
Virioa vorüber gegangen sind, wenn auch Fron-
»aUer's Hinweis (Jahrbb. GXXIU. p. 213) im
Jahr 1863 auf die Wichtigkeit normalen Farben-
sinns fär das Erkennen von Signalen unbeachtet
blieb , ist es wohl zu verwundern , wenn H o 1 m -
g r e n ' s Arbeiten nicht im Sturme die Verwaltung
der Eisenbahnen eroberten und man der Eilfertig-
keit: „Gefahren zu beseitigen, welche in jedem
Augenblicke unzählige Menschenleben bedrohen' 'i)
einigermaassen mit Eopfschtttteln antwoi*tet? Denn
das muss doch wohl zugestanden werden : in dieser
Fassung ist der Satz eine Uebertreibung. Nicht die
angeborene Farbenblindheit bietet die grosse Gefahr,
da es recht wohl bekannt ist, dass der angeboren
Farbenblinde sehr oft ein feines Differenzirungsver-
mögen bßsitzt, oft ein feineres als der Normalsich-
tige. Die grössere Gefahr liegt in der erworbenen
Farbenblindheit, um diess gleich hier zu sagen, da
solche Personen erst sich neue Unterscheidungsmerk-
male bilden müssen, die der von Geburt Farbenblinde
nnbewusst verwendet. Wie häufig aber die erworbene
Farbenblindheit als einziges Anfangssymptom einer
Abnahme des Sehvermögens überhaupt vorkommt,
dafUi* fehlt jede Unterlage ^), gewiss aber ist sie viel
seltner als die angeborae, namentlich wenn man zu
letzterer auch die schwächeren Grade des mangel-
haften Farbensinns rechnet.
2) Der jetzige Stand der Frage.
Literatur, (Ausser der im Text erwähnten.)
Stilling, J., Beiträge zur Lehre von den Farben-
empSndangen. Aosserord. Beilageh. zu d. Klin. Men.-
Bl. f. Ahkde. I. U. III. 1875. 1876.
Stiiling, J., Ueber das Sehen der Farbenblinden.
Mit4DoppeltafelD inOeldruck. Kassel 1880. Th. Fischer.
Magnus, Hugo, Die Farbenblindheit, ihr Wesen
und ihre'Bedeatung. Breslau 1878. Kern's Verlag.
Magnus, H., Beiträge zur Kenntniss der physio-
logischen Farbenblindheit. Berlin 1878. H. Peters.
Cohn, Hermann, Studien über angebome Farben-
blindheit. Breslau 1879. E. Morgenstern.
Kalischer, S., Die Farbenblindheit. Berlin 1879.
Gast. Ilempel. 16.
Mauthner, Ludw., Vortrage aus dem Gesammt-*
gebiet der Augenheilkunde. 4. Heft. Wiesbaden 1879.
J. F. Bergmann.
Reuss, A. V., Ueber Farbenblindheit. Wiener
Klinik V. 3 ; März 1879. p. 66—100.
G i n 1 1 , H e i n r. £. , Die FarbenblindheH bei Eisen-
bahnbediensteten. Wien 1880.
Holmgren, Frithjof, Die Farbenblindheit in
ihren Beziehangen za den Eisenbahnen und der Marine.
Dentsche antoris. Uebersetzung. Leipzig 1878. F. C. W.
Vogel.
Fayre, Röforme des Employes de Chemin de Fer
affeot^s de Daltonisme. Lyon 1873.
Favre, Recherches cliniques sur le Daltonisme.
Lyon 1878.
0 Worte Holmgren's aas der Streitschrift gegen
Cohn, p. 6.
^) Die Angaben von Galezowski (Centr. -Bl. f.
prakt. Ahkde. IV. p. 360. 1880) sind insofern hier nicht
maassgebend , als unter den von dem Arzt behandelten
Kranken viel Öfterer Sehnervenleiden mit Störungen des
Sehsinns und des Farbensinns, als angebome Farbenblind-
heit auftreten.
88
0 e i s 8 1 e r , über Farbenblindheit.
M o e 1 1 e r , Da Daltonisme an point de vne theoriqne
et pratique. Etade critique des m^thodes d'exploration
du sens chromatique. Bruxellcs 1879.
Giraud-Teulon, Des aberrations du sens chro-
matique ou du Daltonisme. Arcb. gen. de m6d. VII.
6. Ser. Janv., F6?r. 1881.
Jefferies, Joy B., Color-Blindness , its dangers
and its detection. Boston 1879.
a) Die Arien und die Nomenclattir der Farben-
blindlieit.
Ein Berichterstatter über die Fortschritte der
Kenntnisse, welche man flber die Farbenblindheit
gewonnen hat, ist in einer schwierigen Lage, sobald
es sich um die Symptomatik handelt. Die oben er-
wähnte Spaltung der Autoren tlber den Vorgang der
Farbenempfindung ist auch die Ursache, dass die
Eintheilung der Arten der Farbenblindheit je nach
diesem Standpunkt verschieden anslällt. Gewisser-
maassen wäre man, wenn man ganz unparteiisch
bleiben will , gezwungen , die Symptomatik doppelt
abzuhandeln, einmal im Yonng-Helmholtz'-
schen, einmal im H e r i n g 'sehen Sinne. Will man
sich ganz frei von der Theorie machen und sucht
nur aus der vorhandenen Casnistik sich die Bilder
selbst zu construiren , so ist man von der Mannig-
faltigkeit der individuellen Abweichungen überrascht
und schent vor der Schwierigkeit , richtiger gesagt
vor der Unmöglichkeit, zurQck, denselben den spa-
nischen Stiefel des Systems anzulegen. Auch wenn
man nur die neuern , nach allen Regeln der Kunst
Untersuchten durchmustert, kommt man zu dem Re-
sultate, dass jeder einzelne Fall wieder sein Eigenes
und Besonderes hat. Vorurtheilsfreie Beobachter,
wie Rose, Woinow, Pflüger U.A., machen auf
die grossen Schwierigkeiten wiederholt aufmerksam
und doch hatten sie es mit intelligenten Personen
zu thun , welche selbst ein grosses Interesse daran
hatten , ihren Fehler möglichst genau kennen zu
lernen. Wie viel mehr noch werden Zweifel ge-
weckt durch die Fülle der Cohn 'sehen Beobach-
tungen, bei denen man sehr oft gar nicht weiss,
ob der Untersuchte auch nur im Entferntesten eine
Ahnung von Dem gehabt hat, was er eigentlich thun
oder lassen sollt« , und daher je nach der Methodik
der Untersuchung die sonderbarsten Confusionen
begeht. Unwillkürlich hat sich der Ref. bei der
Durchsicht dieser äusserst verdienstvollen Publikation
mit ihren hundert Protokollen gefragt, ob man es
wirklich nur mit Fehlem der Empfindung, nicht auch
mit FehleiTi des Urtheils zu thun habe, und ge-
wünscht, dass man die Kinder in unsern Weber-
dörfem oder in den Orten mit Spielwaaren-Industrie,
wo auch der Knabe von klein auf lernt, die farbigen
Spulen zu sortiren, bez. selbst den Pinsel führt, ein-
mal untersuchen möge , um zu sehen , ob wirklich
auch hier die Farbenverwechselungen so häufig seien
als bei den Schülern der Unterrichtsanstalten einer
gi'ossen Stadt.
Magnus z.B. belehrt uns nach Holmgren
(Die Farbenblindheit u. s. w. p. 18): „einem Rotk"
blinden erscheine das spectrale Roth als ein ge-
sättigtes , lichtschwaches Grün , das Gelb als licht-
starkeres, gesättigtes Grün, das Grün als eine zwar
lichtstärkere, aber weissliche Abstufung derselben
Farbe wie Roth und Gelb ; der Grünblinde dagegen
sehe das Roth des Specti'um als ein lichtschwaches,
aber sehr gesättigtes Roth , das Gelb als ein lidit-
stärkeres Roth, das Grün als Weiss oder Gran.
Mauthner dagegen (Vorträge n. s. w. 4. Heft)
demonsti'irt uns an einem typischen Rothgrfinblinden,
dass diese Kategorie das Spectrnm bis zum Blan
nur als Gelb in verschiedener Helligkeit empfinde
und dass jeder Farbentflchtige sich diess mit Hfllfe
eines rothen Glases sofort selbst klar machen könne,
da durch dasselbe auf dem Index der Radde'scben
Tafel (s. unten) Nr. 1 Zinnober bis zum Gelb Nr. 7
in einer einzigen Farbe (gelb) erscheine, worunter
Nr. 7 am hellsten gelb auftritt. S t i 1 1 i n g bildet
auf den Tafeln , welche seiner Schrift : „über das
Sehen der Farbenblinden^' beigegeben sind, die
Spectra mehrerer solcher Roth^nblinden ab, in
welchen die Uebergänge des Roth zum Orange im
Sonnenspectrum gelblich-braun bis gelb und sogar
schwarz bis braungelb erscheinen. P f 1 fl g e r end-
lich (Arch. f. Ahklde. IX. 4. p. 381 flg. 1880) pro-
tokollirt genau die Aussagen zweier Farbenblinden,
welche die Zumuthnng, sie müssten das ganze Spec-
trum nni' zweifarbig (gelb-blau) sehen, als „ganz
graue Theorie'^ entschieden zurückweisen.
Was ist nun die Wahrheit? Wie viel tragen wir
von unserem gemachten System in die Bildflftche
des Farbenblinden hinein ? Wie ist Letzterer über-
haupt im Stande , seine Erscheinungen , ftlr die er
doch keine Sprache hat, uns klar zu machen?
Diese aufgeworfenen Bedenken führen uns darauf,
zunächst von einer Symptomatologie der Farben-
blindheit abzusehen und uns zuvörderst zu den Unter-
suchungsmethoden zu wenden.
Vorher wollen wir nur noch die typisc^ien Haupt-
formen, wie sie zur Zeit von den Autoren angenom-
men werden, ihrer Nomenclatur nach anführen. Die
griechischen Benennungen sind jetzt sehr ans der
Mode gekommen , doch mögen sie der Vollständig-
keit wegen mit erwähnt sein.
Die totale Farbenblindlieit wu*d als Achroma-
topsie oder als chromatische Amaurose (Wilson),
seltener als „lineare Daltonie^' (Rose) bezeichnet
Die partielle Farbenblindheit oder Chromato-
pseudopsie (Sommer) ist entweder Rothblindheit
(Anerythropsie) , oder Grünblindheit (Achloropsie,
Aglaukopsie), oder Violett- oder Blaugelbblindhdt
(Akyanopsie, Axanthopsie). Die beiden ersten wer-
den von Mehreren zu einer Klasse gerechnet. Alle
drei fasst Rose mit dem Namen der „ebenen Dal-
tonie^' zusammen.
Mauthner will lieber die Farbenblinden nael)
den Farben bezeichnen, die sie zu sehen vermögen,
und trennt sie in Gelbblansichtige (Xanthokyanopen)
und Rothgrünsichtige (Brythrochloropen). Sohon
Geissler^ Aber Farbenblindheit
89
Szokalski hatte seinen 5 Groppen eine gleiche
Idee SU Gninde gelegt
Von der Farbenblindheit verschieden ist der
herabgesetzte Farbensinn (Dyschromatopsie) , wo-
zu wohl aacb die chromaiieehe Myopie Wilson *s
xa rechnen ist
b) Uniereuehungsmetlioden und deren Hülfe"
miiieL
Bei einer Schilderang der zur Entdeckung der
Anomalien des Farbensinns vorgeschlagenen oder
gebräuchlichen Untersuchungsmethoden kann man in
verschiedener Weise verfahren. Entweder kann man
dieselben gmppiren nach dem Principe, welches
dem Verfahren zu Grunde gelegt ist, oder nach dem
Zwecke , den die Untersuchung zu erreichen strebt,
oder nach den Hfllfsmitteln oder den Insti'umenten,
mit welchen die Prüfung vorgenommen wird. Im
Folgenden sollen diejenigen Methoden an die Spitze
gestellt werden, welche wegen der Leichtigkeit und
der Schnelligkeit der Ausführung sich zu Massen-
prüfon^en empfehlen, dann sollen diejenigen folgen,
welche nicht nur eine Ausscheidung der normal und
anomal Farbsinnigen, sondern auch eine genauere
Charakteristik derselben ermöglichen und endlich
solche, welche für bestimmte Zwecke noch besondere
Vortheile bieten.
1) Die Holmgren*scke Methode^).
Im Allgemeinen schliesst sich diese Methode an
Seebeck^s u. Wilson*s Verfahren an, nur ver-
aehtet sie darauf, sämmtliche Reihen von Farben-
verwechslangen , welchen die Farbenblinden unter-
worfen sind, zu ermitteln, begnügt sich vielmehi*, die
tyiHsetien Unterschiede festzustellen. Da sie femer,
ibgesehen von der Tendenz, die Untersuchung so-
wohl tär den zu Prüfenden als für den Untersucher
möglichst abzuküi'zen, danach strebt, gerade die für
den Signaldienst beim Eisenbahnverkehr wichtigen
Uomeate zu kennzeichnen, so strebt sie nach einem
knrzen Ansdruck für die Unterscheidungsfähigkeit
rotben und grünen Lichts. Die Methode ist gänzlich
Boabbän^g von der Bezeichnung, die der Unter-
soehende etwa dem farbigen Objekt beilegt, sie setzt
femer nnr eine Durchschnittsbildung voraus und be-
rüeksii^tlgt endlich auch den Umstand, dass die zn
ünt^snchenden eher geneigt sind, ihre anomale
Farb^Bempfindung zu verbergen, als den Untersucher
zn nnterstfltzen.
Als farbige Objekte hat Holmgren Wollen^
game gewählt, und zwar die Stickwollen. Dieselben
änd in den verschiedensten Farben, Farben-Tönen
and -Nuancen in viel grösserer Auswahl zn erlangen
als Papiermaster, sind auf allen Seiten gleichmässig
ge&rbt, lassen sich leicht verpacken und transporti-
ren , sind , in die einzelnen Gebinde vertheilt , ohne
weitere Zubereitung zu verwenden, stören nicht durch
besondere Lichti*eflexe ihrer Oberfläche, werden durch
den Gebrauch nicht alsbald ruinirt.
Zur Prüfung sind nun eine Anzahl von farbigen
Gebinden in den Farben des Spectrum mit ihren
Zwischentönen, ausserdem aber auch purpurfarbene,
graue und braune Farben nothwendig. Von jeder
Farbe sind mehrere Nuancen und von jeder min-
destens 5 Stufen von der hellsten bis zur dunkelsten
nothwendig. Namentlich sind die hellem Nuancen
von Braun, Gelb, Roth, Grün, Blau, Grau in grösserer
Auswahl vonUthig zu halten.
Die Untersuchung muss bei hellem Tageslicht
stattfinden , der Raum soll so beschaffen sein , dass
eine möglichst grosse Anzahl von Personen gleich-
zeitig anwesend sein kann, welchen das, was sie
leisten sollen, zunächst von dem Untersucher erklärt
und vorgezeigt werden kann.
Um nun zunächst von den Anwesenden Diejenigen
auszuscheiden, welche einen anomalen Farbensinn
besitzen, verfilhii; H. folgendermaassen.
Aus dem auf dem Tische liegenden Haufen von Gam-
gebinden sind die dunkelgrünen, gelbgrünen und blau-
grünen Farben entfernt und nur die reingrüaen Nuancen
darin gelassen. Der Untersucher nimmt nun zunächst
selbst einige reingrüne Nuancen in die Hand, zeigt diese
den Anwesenden mit der Anweisung , sich dieselben gut
einzuprägen. Hierauf legt der Untersucher die heüste
grüne Nuance (welche als Probe I. bezeichnet ist) bei
Seite und mischt die übrigen reingrunen wieder in die
Sammlung hinein, sucht sie dann selbst wieder heraus und
legt sie zu der bei Seite gelegten Probe. Ist man event.
nach nochmaliger Wiederholung überzeugt, dass die An-
wesenden verstanden haben, um was es sich handelt, so
werden nun mit Ausnahme der Probe I. die reingrunen
Nuancen wieder in die Sammlung gemischt und die An-
wesenden aufgefordert, der Reihe nach einzeln an den
Tisch heranzutreten und zu der abseits gelegten Probe I.
die zugehörigen Farben herauszusuchen 0*
Alle Diejenigen nun , welche zu der Probe I. nicht
nnr die in der Sammlung vorhandenen hellgrünen Schatti-
rungen, sondern auch noch graue oder bläuliche oder gelb-
liche Gebinde heraussuchen und dazulegen, sind farben-
blind. Eine Anzahl von Verwechslungsfarben ist unter
Nr. 1—5 auf der beigegebenen Tafel in Holmgren 's
u. Jefferies' Monographie abgebildet , beiJefferles
ist die Ausführung besser ausgefallen. Ans der Basch-
heit oder Langsamkeit, mit welcher der Untersuchte mit
seiner Aufgabe zu Stande kommt, lässt sich von dem ge-
übten Untersucher von vom herein die Diagnose stellen.
Das Zögern bei der Ausyrahl deutet, wenn auch schlüss-
lich einige der anfänglich gewählten Yerwechslungsfarben
wieder zurückgelegt werden, häufig auf schwach ent-
wickelten Farbensinn. Manche glauben ihrer Sache ganz
sicher zu sein und vergreifen sich gleich im Anfange.
Andere sind sehr unruhig und suchen mehr mit den Hän-
»r.^Mniii^i»
1) Vgl. ansser der schon citirten Schrift noch dessen
Aufsatz : „Znr Entdeckung der Farbenblindheit bei Mas-
sennotersnehnngen* im Centr.-Bl. f. prakt. Augenheilk.
n. p. 177—182. 1878 und Jefferies: a. a. 0. p. 216.
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 1.
0 Wenn bei dieser Probe die grünen Gebinde, mit
Ausnahme der reingrünen, aus der Sammlung heraus-
genommen sind, so hat diess nur den Grund der Zeit-
erspamiss. Es stellte sich nämlich heraus, dass bei dem
Vorhandensein aller grünen Farbentöne zwar nicht die
Farbenblinden, aber die Normalsichtigen sich Mühe gaben,
zu der hellsten grünen Probe I. alle grünen Töne, gelb-
^ünen und blaugrünen, herauszusuchen und damit die
Untersuchung unnöthiger Weise aufhielten.
12
90
6 e i 8 s l e r , Aber Farbenblindheit.
den als mit den Angen : hier räth H. denselben, die Hände
auf den Kücken zu legen und nicht eher zuzugreifen, als
bis sie ein ihnen ähnlich scheinendes Bündel erblickt haben.
Manche verfahren äusserst langsam , so dass es gerathen
ist, ihnen etwas zu Hülfe zu kommen, indem man am
besten ihnen selbst einige Yerwechslnngsfarben heraus-
sucht und sie fragt, ob diese der Probe I. ähnlich seien.
Verschiedene andere Kunstgriffe, die H. noch angiebt,
um nicht etwa nur durch mangelhaftes Verständniss Sei-
tons der Untersuchten auf die Annahme einer Farben-
blindheit geführt zu werden, mögen im Original nach-
gelesen werden.
Sobald nun unter den Anwesenden Die herausgefun-
den sind , welche die Probe I. nicht bestanden haben,
werden dieselben einer 2., bez. einer 3. Probe unter-
worfen.
In der Sammlung müssen jetzt sämmtliche grünen
T5ne vereinigt sein, namentlich die blaugrünen sind zur
Ermittelung der Verwechslungsfarbe nöthlg.
Diese Probe IL ist eine RosawoÜe^ welche zwischen
dem hellsten und dunkelsten Parpnr die Mitte hält. Es
wird verlangt, dass nur die purpurfarbenen Gebinde
herausgesucht werden sollen. Wer diess zu Stande bringt,
ist nach H. als unvollständig farbenblind zu bezeichnen,
wiewohl er die Probe I. nicht bestanden hatte. Wer
aber ausser diesen oder auch allein noch blaue oder vio-
lette Farben zu der Kosaprobe legt, wird nach H. als
Kothblinder, wer grüne oder graue Farben heraussucht,
als Grünblinder bezeichnet.
Die Probe IIL dient als Gontrolprobe. Sie wird mit
einer den rothen Fahnen beim Eisenbahndienst gleichen
lebhaft rothen Farbenprobe ausgeführt, und zwar nur an
Solchen, die nach Probell, sich als vollständig roth- oder
grün blind erwiesen haben.
U. giebt an , dass der Rotlibiinde solche grflne
und braune Nüauceu hinzulege, welche dem Normal-
ange dunkler erscheinen als das vorgelegte Roth,
umgekehrt wähle der GrUnblinde solche grüne und
braune JSüanceu , weiche dem normalen Fai'bensinn
heller als die Probe erscheinen.
Die Methode ist zur Entdeckung der totalen
Fai'benblindheit zwar nicht bestimmt, doch würde
man eine solche Anomalie daran erkennen , dass der
Betreffende die Schattimngen nur nach der Hellig-
keit ohne jede Rücksicht auf die Faibe ordnete.
Auch zur Entdeckung der Violettblindheit Ist sie
nicht ausreichend, weil aber diese Anomalie für den
Eisenbahndienst nicht schädlich ist, so kann man
daraus auch keinen Vorwuif gegen die Methode er-
heben.
Früher hatte H. sich mit der Prüfung durch rosa-
farbene Wolle begnügt, eine Methode, welche später
Cohn auch für hinreichend erklärt, während H. die
Probe I. mit hellgrüner WoUe jetzt für absolut nothwen-
dig hält , um auch Solche mit schwach entwickeltem Far-
bensinn aufzufinden. An der Angabe, dass „in einer
Stunde mehr als 100 Individuen, besonders Soldaten oder
sonst disciplinirte Leute , mit völliger Sicherheit abgefer-
tigt werden können**, gestattet sich Ref. einen beschei-
denen Zweifel zu äussern.
Neuerdings mehren sich die Stimmen (Pflüger:
Centr.-m. f. prakt Ahkde. Y.Juli 1881. — Cohn: Berl.
klin. Wchnschr. XVIII. 19. 1881), welche einestheils
dieser Methode vorwerfen, dass sie unter Ungebildeten
zu viel Farbenblinde entdecken lasse, andemtheils bei
Gebildeten nicht die nöthige Sicherheit gebe.
2) Die Untersuchung mittels farbiger Pulver.
Diese wird von Cohn und Manthner gerühmt.
Letzterer bemerkt sogar, dass einer der von ihm ge-
prüften Farbenblinden rotlie Wollenproben an der
Ungleichheit ihrer Oberfläche unterschieden habe,
während er bei den in Gläschen eingeschlosseBeQ
Pulvern keine solche Anhaltspunkte besitze uhd sich
verrathe (a.a.O. p. 224). Dass Farbenblinde, ähn-
lich wie wirklich Blinde , sieh einflben könnten , die
Farben durch das Gefflhl zu unterscheiden, wird
auch bei Wilson angedeutet. Manthner hat
nun nicht nur einfarbige Pulver verwendet , sondern
auch die Gläschen je zur Hälfte mit verschiedenfar-
bigen Pulvern gefüllt, und zwar eine Anzahl mit sol-
chen, welche dem normalen Auge als zweifarbig,
dem farbenblinden als einfarbig erscheinen (sogen.
f^pseudoisochromatische** Pulver), eine Anzahl end-
lich mit solchen , welche sowohl dem normalen als
auch dem farbenblinden Auge zweifarbig erscheinen
{„anisochromatische** Pulver). Die für homöo-
pathische Medikamente üblichen kleinen Fläschchen,
insbesondere die von viereckiger Form , eignen sich
zur Füllung mit den Pulvern am besten. Selbstver-
ständlich sind, wenn zwei Pulver in einem Gläschen
vereinigt sind , die Pulver nicht zn mischen, sondern
nur übereinander zu Mlen. Die Gläschen sind gnt
zu verschliessen und können leicht in einem compen-
diösen Apparate vereinigt werden. Die von Cohn
verwendete Sammlung ist weniger reichhaltig, als
die von Manthner, weshalb wir letztere mit-
theilen.
a) Nr. 1 — 9. Einfarbige Ptiloer:
Garminzinnober , heUes Schweinfartergrfin , Kobalt-
blan, Chromgelb - Citren , Zinnober 4mal gemahlen ond
Carminzinnober , heU Seidengrün und hell Viotoriagrün,
helles and dunkles Schweinfnrtergrün, helles und dunkles
Ultramarinblau , Chromgelb -Citron nnd Zinkgelb. Die
letzten 5 Flaschchen enthalten also 2 Nuancen einer Farbe
übereinander.
b) Nr. 10—23. Pseudoisochromatischt Pulver fthrRotk-
grünblinde , 2 in einem Flfischchen :
Carminzinnober und Rehbraun, Nenzionober ond
Terra di Siena, heU Seidengrün nnd Rehbraun , hell Sei-
dengrfin und Carminzinnober , 4mal gemahlner Zinnober
nnd mitteldnnkles Seidengrfin, hell Seidengrfin n. Chrom-
gelb-Orange, Chromzinnober und Chromgelb - Orange,
Carmin nnd Terra di Siena , Kobaltblau nnd Ultramarin-
violett, Ultramarinblau dunkel n. violetter Lack, Brillant-
roth und Ultramarinviolett, Krapprosa und Hellgran,
Sjßheel'sches Grün und Dnnkelgrau, Krapprosa u. ScheeF-
sches Grün.
c) Nr. 24—27. Pseudoisochromatüche Pulver Jür öe&-
blaubUnde :
Zinkgelb nnd Krapprosa, Chromgelb - Orange und
violetter Lack , Chromgelb-Citron und Carmin , Rehbraun
und Krapprosa.
d) Nr. 28—33. Zweifarbige Pulver für Normale und
Farbenblinde :
Carminzinnober nnd Kobaltblau , hell Schweinfterter*
grün nnd Kobaltblau , dunkel Sohweinftirtergrün und vio-^
letter Lack , Chromgelb-Citron und Hellgrau, Chromgell^*
Citron und Scheersches Grün, dunkel Seidengran us4
Zinkgelb.
Unter den angegebenen Namen sind diese Pulver iai
den Farbwaarenhandlnngen käuflich, nur die grauen Pal'
ver müssen gemischt werden, und zwar nach Cohn'ij
Angabe ans 3 Th. gebrannten Elfenbeins, 1 Th. Englisch^
roth und 1 Th. Ultramarinblau mit 100, 75 oder 50 Thr*-
len weisser Schlemmkreide, um ein helles , mittleres ni
dunkles Grau zu erhalten. Cohn fugt auch noch
FlSschcheu mit Bleiweiss und eins mit Pariser Soh
hinzu.
0 e i s 8 1 e r , über Farbenblindheit.
91
D» Pdlfang verlangt Tageslicht. Der Unter-
SDGber ferfiUirt fthnlich wie bei den WoUproben,
demoDstrirt zanftchsty dass sich in den Gläsern gleich-
farbige, bez. nngleichfarbige Pulver befinden nnd
Bicfat mit einer Anzahl dergelben die Probe vor.
Die so UnterBaobenden haben dann diejenigen Oläs-
dien faeraosznsnchen, welche Ihnen gleichfarbig, bez.
mit zwei Nflancen , oder angleichfarbig erscheinen.
Der Name der Farbe braucht hierbei nicht genannt
fl werden, in welcher Weise sich die Rothgrttn-
Moden besonders verrathen, ergiebt sich aus der
Beihe Nr. 10 — 23, natflrlich ist nicht vorausgesetzt,
dw jeder Rothgrtinblinde dieselben Fehler macht
»1 anch alle angegebenen Verwechslungen begeht.
3) William Thomson's Methode. Die-
selbe wird von dem Antor mitgetheilt In einer Vor-
lesaog Aber Farbenblindheit am Jeffersbn med. Col-
lege (Philad. med. News and Abstract XXXVUI.
]2; Dec. 1880. — Abgebildet in den Transact. of
theAmer. Ophthalm. Soc. p. 142. 1880). Sie be-
rofat vollständig auf Holmgren's Principe, ist
tber mit Rflcksicht auf amerikanische Verhältnisse
denrt vereinfacht, dass jeder Laie die Prüfung ttber-
Kbmen kann. Es sind nur die Probefarben und
«
& den Rothgrfinblinden eigenen Verwechslnngs-
itfbeD ausgewählt, alle ttbrigen Farben wegge-
iwes.
Die entsprechenden Gamgeliiiide bind an den Häk-
ehen eines Gestelles befestigt. Nr. 1—20 enthält 10 grüne
MeBsehattiroDgen nebst den sagehörigen grauen , gelb-
iehea oder bräiuUeken Verweehslangsfarben, Nr. 81 — 30
& pvpar&rbene Proben und 5 Uane YerwechBlangsfarben,
5r. 31—40 endlieh h rotbe Proben und 6 hell- bis ollven-
biue Verwechslnogsfarben. Die ungeraden Nummern
citoprechen stets den Probefarben, die geraden Nammem
kä Verwechslongsfarben , es wechselt daher in jeder der
3 Seihen Immer eise ProbeCurbe mit der VerweehslungS'
brl»e auf dem Gestelle ab. Die Nammer - Bezeichnung
U fitr den zu Prüfenden verdeckt. Derselbe hat nur die
Ao^^, zuerst 10 grüne Fäden, dann 6 purpurfarbene
nd zuletzt 5 rothe Wollen zusammenzufügen , der Con-
tniear notirt dann einfach die gewählten Nummern , die
1% wird für den Superrevisor aufbewahrt.
Sb) Analog erscheint di% Verwerthnng der
Qolmgren 'sehen Methode vonSchenkl (Prag,
med. Wchnschr. VI. 19. 1881), welcher 40—50
ait finbiger Wolle ttbersponnene Spulen sternförmig
n einen Hoizring aufzustecken angiebt. Zu den
kidea vertikalen Stäbchen wählt man die Probefar-
beD ; der £n Untersuchende hat die übrigen möglichst
ntth SU entfernen, welche ihm verschiedenfarbig
cneheineD, während er die gleichfarbigen stecken
Itet
4) Die Farbentafeln von A.Daae zn Kragerö
a Norwegen. In 2. Aufl., vermehrt um die Farben
ftr BUogelbblindheit, bei P. Dörffel und Hirschwald
B Berlin (1878) käuflich. Dieselben stützen sieh
(beofalls auf das Princip Holmgren's.
Die Tafel für die vornehmlich in Betracht kommende
MgrüibUndheit enthält 10 horizontale , ans Stickwolle
aoffloiengestellte Reihen. Jede Reihe enthält 7 Muster,
^r. 3 enthält purpurne , Nr. 7 grfine und Nr. 9 rothe
^« in venehiedener Schattirnng , die übrigen Num-
-ttn eathattoD verschiedene Farben. Der zu Unter-
suchende braucht auf die Frage , welche von den einzel-
nen Reihen er als gleichfarbig ansehe , nur mit Ja oder
Nein zu antworten. Reihe 1 und 2, worin gelbe und
blaue Fäden vorhanden, halten auch Rothgrünblinde
natürlich für verschiedenfarbig, Nr. 8 und 10 werden
auch von den im geringsten Grade Farbenblinden für ein-
farbig gehalten.
Auch diese Tafeln sind nur bei Tageslicht zur
Prüfung zu verwenden. Sie werden von den Mei-
sten , die damit Versuche angestellt , empfohlen , er-
heischen jedoch wohl in der Regel eine specielle
Nachprüfung. Weniger intelligente Personen halten
auch gleichfarbige Reihen für verschiedenfarbig, weil
sie verschiedene Schattirung für identisch mit ver-
schiedenen Farben halten. Umgekehrt kann Purpur,
Blau und Violett auch wohl für gleichfarbig erklärt
werden, nicht aus Mangel an Unteracheidungsver-
mögen, sondern aus Mangel an Urtheil.
5) Peeudoisochromatisehe Wollrollen von Don*
der 8, Die Probefarbe bildet den Grund und von
der Verwechslungsfarbe sind einige DoppeliUden mit
aufgewickelt. Der zu Untersuchende hat die Strei-
fen zu zählen, welche abweichend gefärbt sind.
Wenn aber der Farbenblinde ein sehr feines Unter-
scheidungsvermögen für Helligkeit hat, wird er mög-
licherweise nicht zu überführen sein. Mauthner
(a. a. 0. p. 215) schlägt vor, diesen Rollen auch
noch solche beizufügen, welche. auch für Farben-
blinde verschiedene Farben enthalten und sie nur
anzuweisen , ohne Rücksicht auf die Helligkeit die
ihnen gleichfarbig scheinenden herauszusuchen.
6) Die Farbentäfelehen von v. Reuse. Diese
sind nach demselben Princip construiii;, wie die oben
erwähnten Pulver. Mauthner rühmt diese , noch
um einige Muster vermehrte GoUektion als sehr
brauchbar.
Zehn Täfelchen sind isochromatisch , darunter 4 mit
nur einem Farbenton (Roth , Grün , Blau , Gelb) , dann 2
mit je 2 verschiedenen rothen , 2 mit je "2 verschiedenen
grünen Nuancen, 1 Täfelchen mit 2 blaaen nnd 1 mit
2 gelben Nuancen. Sechs Täf eichen sind so zusammen-
gesetzt, dass sie einem Rothgrünblinden wie Gelb er-
scheinen : Roth und Braun , Grün und Braun , Roth und
Grün , Grün und Orange , Braun nnd Orange , Lichtgrfin
nnd Lichtbrann. Sechs Täf eichen erscheinen dem Roth-
grünbUoden wie Blau : Blau und Violett, Blau und Purpur,
Lichtblau nnd Rosa , Purpur nnd Violett , Rosa und Vio-
lett , Blaugrün und Blaugrau. Für die Klasse der Gelb-
blaublinden würden die Täfelchen 4 pseudoisochroma-
tische Wollen enthalten : Lichtgelb und Rosa, Orange und
Violett, Roth nnd Gelb, Braun und Purpur. Hierzu kom-
men endlieh noch 6 Täfelchen mit je 2 Wollen , die so-
wohl dem normalen als dem farbenblinden Auge verschie-
denfarbig erscheinen: Roth und Blau, Grün und Blau,
Grün nnd Violett, Gelb nnd Grau, Gelb und Blaugrün,
Dunkelgrün und Hellgelb.
Der zu Prüfende wird zunächst unterrichtet, dass
sich unter diesen 32 Täfelchen solche befinden , die
nur einfarbig sind, andere die zwar einfarbig, aber
diess in verschiedener Nuance sind, endlich solche, die
verschiedenfarbig sind. Man zeigt ihm eine Anzahl
solcher Täfelchen und mischt sie dann untereinander
mit der Anffordening , nun selbst die gleichfarbigen
herauszusuchen. Jedes Täfelchen enthält 10 Fäden
von je 2 Ctmtr. Länge , die in kurzem Abstand von
92
0 e i s 8 1 e r y über Farbenblindheit.
einander befestigt sind. Diese Methode kann neben
der Daae 'sehen Tafel sehr zweckmässig als Con-
trole dienen.
7) Die Colin' seilen Stickmuster sind nach dem
Principe der alsbald zu erwähnenden Sti Hinge-
sehen Tafeln gebildet. Im Handel scheinen diesel-
ben noch nicht vorräthig zu sein , Jeder , der sich
ihrer bedienen will , mnss sie also selbst construiren
lassen.
Cohn hat sich 32 Proben herstellen lassen auf
Canevas mit 4 Ctmtr. Seitenlänge und 2 Ctmtr. hohen
Buchstaben, bez. Zeichen für solche, die nicht lesen kön-
nen. Die Farben sind Hellblau und Hellrosa , Rosa und
Hellgrau , Hellgrün und Rosa , Rosa und Grün , Grün und
Grau , Gelb und Rosa , Rosa und Hellblau , Rothgrau und
Grün, Purpur und Dunkelblau.
Vorbedingung ist, dass die Wollenfäden der
Grand- und der Buchstabenfarben von ganz gleicher
Dicke sind, auch müssen nach der Fertigung die
Tafeln gepresst werden , um das Erkennen an der
ungleichen Fläche ausznschliessen. Die Prüfung
verlangt nur wenig Zeit, kann aber auch nur, wie
alle bisher genannten Proben, bei Tageslicht vorge-
nommen werden.
8) Die Stillin gesehen Farbentafeln. Diese
sind bei Theodor Fischer in 3. Aufl. 1880 erschie-
nen, eine grössere Ausgabe 1878/1879 in 3 Liefe-
rangen. Die Tafeln sind auf chromolithogi*aphischem
Wege hergestellt. Es liegt denselben das Princip
zu Grande , dass der Farbenblinde solche vom Ge-
sunden leicht zu differenzirende Farben nicht zu
unterscheiden vermag, falls sie sich auf derselben
Seite seines zweifarbigen Spectram befinden und
möglichst dieselbe Helligkeit haben. Eine nähere
Beschreibung ist wohl überflüssig , da eine verklei-
nerte Ausgabe dem viel verbreiteten Sörw^'schen
Kalender beiliegt. Die Technik der Herstellung
bietet ungewöhnliche Schwierigkeiten , die indessen
in der neuen Ausgabe nahezu überwunden sind.
Namentlich wird die Tafel H (Roth auf braunem
Grande) allseitig als gelungen gerühmt. Beim Schief-
halten der Tafeln gelingt es den Farbenblinden leich-
ter, die aus den einzelnen Quadraten zusammen-
gesetzten Buchstaben zu entziffern. Andererseits
giebt es immer einzelne Farbentüchtige , die sich in
den Quadraten doch nicht znrecht finden und die
Buchstaben nicht zu lesen vermögen. Es ist daher
nicht angezeigt, auf die Probe mit diesen Tafeln
allein ein Gutachten über den Farbensinn abzugeben.
Immerhin werden sich die typischen Formen der
Farbenblindheit in der Regel verrathen, während
Solche , welche in dem Spectram noch mehr als 2
Farben sicher unterscheiden, mit diesen Tafeln nicht
übeiführt werden können.
9) Die Rad de* sehe Farbenscala von der So-
ci^t^ st^nochromique in Paris herausgegeben. (Bei
Otto Radde in Hamburg, die Taschenausgabe käuf-
lich für 6 Mk.) Diese Tafel ist zwar nicht grade
zur Untersuchung Farbenblinder bestimmt, lässt sich
aber ebenfalls hierzu vei'wenden u. bietet auch sonst
mannigfache Vortheile, so dass deren Anschaffung
Jedem, der sich praktisch mit diesen Dingen be-
schäftigt, aus voller Ueberzeugung angerathen wer-
den kann.
Auf dem ersten Streifen sind die Regenbogenfu'beQ
mit sämmtlichen Uebergängen, dann dieUebergänge yom
Violett zum Pnrpur und Carmin u. dann die sämmtlioheii
grauen Mischfarben dargestellt, zusammen 42 Muster. Auf
den 42 folgenden Streifen ist nun wieder jeder Farbenton
nach seinen Nuancen In 21 einzelnen farbigen Rechtecken
(mit den Buchstaben a bis v bezeichnet) zerlegt, 8o dass
also aas den 42 Farben des ersten Streifens 852 Sohatti-
■rangen hervorgehen.
Man kann nun z. B. diese Tafel beim Einkauf
der Wollen der H o l m g r e n 'sehen Probe benutzen,
man kann die auf einem Streifen gruppirten Schatti-
rungen von dem zu Prüfenden aus Wollenbündeln
nachlegen lassen. Ein mit Ausschnitten veisebeBer
Pappstreifen gestattet, nur einzelne der farbigen
Rechtecke zur Ansicht zu bringen und die übrigen
zu verdecken. Auch eignet sich dieser Apparat vor-
trefflich, um die psendo-isochromatischen Reihen eines
Farbenblinden mit der Nummer des Streifens und
den Buchstaben der Rechtecke zu notiren und aacb
später zu jeder Zeit nachlegen zu können.
10) Die Hierlinger'sche Tafel, bei P. Moser in
Stuttgart für 2 Mk. käuflich, ist dem Ref, nicht aus eig-
ner Anschauung bekannt. Sie enthält in einer Reihe die
Spectralfarben in 18 Schattirangen und davon getrennt
dieselben Farben regellos durcheinander. Von Hirsch'
berg (Centr.-Bl. f. prakt. Ahkde. IL p.l58. 1878) wird
bemerkt, dass die zweite Reihe doppelt hergesteUt und
auch Ultramarin und Purpur hinzugerägt werden möge.
11) Die Magnus 'sehe Tafel. Dieselbe ist zwar nur
bestimmt, in den Schulen den Farbensinn zu wecken.
Es sind ihr aber 72 auf beiden Seiten mit farbigem
Papier überzogene, ovale Pappscheiben beigegeben, welche
sich eventuell auch zur Pr&fung Farbenblinder verwen-
den lassen. Ausser den eigentlichen Farben in 4 Schitti-
rungen enthalten sie auch Schattirungen in Grau und in
Braun.
Eine beträchtliche Vervielfältigung der Schatti-
rungen und die Wahl möglichst glanzloser Papier-
sorten würde dann die Methode Seebeck 's aus-
fdhrbar machen, welche mit Um'echt in den Hinter-
grund gedrängt ist^ aber doch auf einfache Weise,
ohne Zuhttlfenahme von Instrumenten, gestattet hat,
ein klares Bild von dem Sehen der Farbenblinden,
insbesondere von deren Unterscheidungsvermdgen für
Helligkeits-Differenzen, sich zu verschaffen.
f? 12) Das Farbendreieck von Lipsin Bern wird in der
Inaug.-Diss. von Franz Minder „ Beiträge zur Lehre
von der Farbenblindheit ** (Bern, [Berlin] 1878) erwähnt.
Es ist dasselbe ein gleichschenkUches Dreieck von je
50 Ctmtr. Seitenlange. Die 3 Ecken sind gelb, blau und
roth gefärbt, längs der Seiten sind die Uebergänge einge-
ffigt, die nach der Mitte zu immer dunkler werden. Der
Farbenblinde findet mit Leichtigkeit die Stellen heraus,
welche ihm gleichfarbig erscheinen, die durch einen mit
Ausschnitten versehenen Pappstreifen genauer markirt
werden.
Diese Methode eignet sich fürEinzelnntersuchun-
gen und hängt einlgermaassen von der Intelligenz
und dem guten Willen der untersuchten ab. [Die
Idee geht in das vorige Jahrh. zurück, wo Lam-
bert nach dem Vorgang Tob. Mayer' s (1758)
eine Farbenpyramide construirte (1772). Aach
Geissler, Aber ParbeDblindheit
«d
TouDg hat seiner Theorie gemäss ein solches Drei-
eck malen lassen.]
Die nachstehenden Methoden basiren auf dem
Prindp der im Auge selbst producirten Contrast"
färbe, Sie lassen sich auch bei künstlichem Licht
anwenden. Doch ist zu bemerken, dass nicht alle
Aagen mit gleicher Leichtigkeit zum Sehen derCon-
tnütfarben geneigt sind, wiewohl ihr FarbensiuQ
pDZ normal ist. Es ist auch zu empfehlen, anstatt
ks blossen Nennung des Namens des wahrgenom-
Moen farbigen Schattens, sich die Farbe aus Wollen-
proben nachlegen zu lassen. Eine feinere Unter-
nehQBg des Farbensinns ist mit Hülfe dieser Metho-
ka Dicht möglich.
13) Das Heidelberger Farbenbüchlein, bei Jul. Wett-
itöB in Heidelberg känflieh. Dasselbe besteht aas meh-
ren Buttern in Rosa, Violett, Purpnr, Blau, Hellgrün,
Gelb. Ueber jedem farbigen Blatt befindet sich ein Blatt
noipapier. Zwischen diesem and dem Farbenblatt wird
dB graaer Ring eingelegt. Man mass sich vergewissern,
wie die GrundCarbe bezeichnet wird, da auch (nach
Cohn) Farbenblinde z. B. den Ring anf lichtgrünem
Pipier Bcheinbar richtig als Rosa bezeichneu, weil sie die
Grasdfarbe auch Rosa sehen.
Auch Yon Dr. Galezowski sind y,Echeiles porta-
tkes des Caracteres et des Cotäeurs** (Paris 1880. Bailli^re
et fiis) erschienen, welche sich hierza eignen, nar muss
du Florpapier und der für den Contrast bestimmte Ring
ider Streifen noch daza genommen werden.
Die Idee, den Ftorpapter-Contrast zur Prttfnng
der Farbenblinden zu benutzen, ist von Ad. Weber
in Dannstadt aosgegangen. Bekannt ist derselbe
«dt Martin Herm. Meyer's Arbeit in Poggen-
^rfg Ann. XCV. p. 170. 1855; vergl. auch
Helmhol tz, physiol. Optik, p. 398 flg. Es darf
übrigens nicht übersehen werden, dass bei längerm
Ansehen der Contrastschatten im Auge wieder eiu
llichbild hei-vorruft, welches nunmehr der Grund-
farbe gleich erscheint. Der simultane Contrast wird
ilso xn einem succedanen, oder mit andern Worteu,
o wird die indudrte Farbe in die inducirende Farbe
nrfickverwandeit.
Schirm er hat anch solche Nachbilder zur Prüfung
^Farbenblinden empfohlen. Doch übergehen wir diese
Ketbode, da sie schon von altern Beobachtern (N i c h o 1 1
1918, Szokalski) als gänzlich unzuverlässig erkannt
«mrde.
14) Das Pflüger'sche Farbenbiiehlein, bei J. Dalp
aBen 1880 ersehienen, Preis 4 Mark. In diesem sind
ichwane, bez. graue Lettern auf farbigem Grund ge-
^kt. £s wird verlangt, dass der zu Untersuchende die
J^ttera durch ein, bez. durch zwei darübergelegte Flor-
Ptpiere lesen soll.
Es liandelt sich hier also gar nicht um die An-
gabe der gesehenen Contrastfarbe , bez. um das
^aeUegen dieeer durch farbige Muster. Wer für
fc Grondfarbe farbenblind ist, vermag auch die
I'Cttern nicht zu entziffern, die grauen z. B. nicht
^grünem, die schwarzen nicht auf rothem Grunde.
^Hllger behauptet (Arch. f. Ahkde. IX. 4. p. 395.
1B80), dass zwar noch nicht alle Blätter, bez. nicht
^ granen Buchstaben in ihrer richtigen Helligkeit
Soffen wSren, dass aber sämrotliche von ihm un-
['^'''Behte FarbenUmde mehrere Fehler machten,
ttd daiQster solche Farbenblinde, welche nm* zwei-
felhaft nach der Holmgren 'sehen Methode und
auch nicht durch isolirte Spectralfarben oder durch
das Polariskop (s. unten) zu überführen waren. Die
Methode würde demnach eigentlich mehr leist^tt, als
verlangt wird, da Pei'sonen, welche am Spectrum
Roth und Grün richtig unterscheiden, wiewohl ihr
Farbensinn sonst nicht ganz normal ist, Violett ihnen
z. B. mit Blau od. Dunkelpnrpnr identisch erscheint,
unbedenklich für den Signaldienst zugelassen wer-
den können.
1 5) Der Spiegel - Contrast nach Ragona
Scina (Racc. fis.-chim. II. p. 207. 184t. Vgl.
Helmholtz, physiol. Optik, p. 405 mit Abbildung)
kann leicht von Jedem nachgemacht werden. Ein
Blatt steifes weisses Papier wird rechtwinkelig ge-
bogen und sowohl auf die senkrechte , als auf die
wagrechte Fläche ein Stück schwaraes Papier oder
Sammet aufgeklebt. Zwischen beide Flächen, also in
einem Winkel von 45^, wird in die Knickungsstelle
des Papiers ein farbiges Glas gehalten. Das von
oben herein auf die Glasplatte blickende Auge sieht
auf der wagrechten Papierfläche zwei farbige Flecke,
den einen in der Farbe des Glases, den andern in
der Contrastfarbe. Der zweite, durch Spiegelung
erzeugte, bewegt sich, wenn man das senkrechte
Stück des Papiers bewegt.
Nach C o h n , welcher nebst P f 1 ü g e r diese Methode
vorgeschlagen hat (Centr.-Bl. f. prakt. Ahkde. II. p. 36.
1878), soll der gelbgrfine Contrastschatten bei violettem
Glase anch von Farbenblinden richtig angegeben werden.
Pflüg er lässt die Farben durch Muster nachlegen oder
auf Radde's Farbentafel aufsuchen. In Mo eil er 's
Schrift ist (a. a. O. p. 107) diese Methode doppelt, näm-
lich noch als „Methode de von Bezold*^ angeführt, weil
Dieser (Farbenlehre p. 183) einen besondem Apparat an-
gegeben. Nach Aubert sind Ossan (Poggendorfs
Ann. XXVII. p. 694. 1833) undDove (ebendas. XLV.
p. 158. 1838) zu nennen, welche vor RagonaScina
ganz dieselben Spiegelcontrastversuche gemacht haben.
Pflüg er verwendet die farbigen Glasplatten in
vier Intensitäten, um annähernd den Grad der Far-
benblindheit zu bestimmen. Immerhin wird eine
gewisse Intelligenz des zu Prüfenden vorausgesetzt,
um ihm begreiflich zu machen, um was es sich hier
handelt.
16) Die farbigen Schatten nach Stilling
eignen sich im Nothfall auch zu Massenprüfungen.
(Stilling, Ueber die Piüfung der Farbenempflnd-
lichkeit durch den Contrast. Klin. Mon.-Bl. f. Ahkde.
XIll. Ausserord. Beilageh. 1875. Cohn,derSi-
multan-Contrast zur Diagnose der Farbenblindheit
Centr.-Bl. f. prakt. Ahkde. II. p. 35. 1878.) Man
kann mit einer grünen und einer blauen Glasplatte
auskommen, besser aber ist es, wenn man eine grös-
sere Auswahl zur Verfügung hat. Am Tage bedarf
man nur einer Lichtquelle, z. B. einer Petroleum-
flamme, vor welcher man das gefilrbte Glasstück mit
der einen Hand hält, während man mit der andern
vor einem an der Wand befestigten Bogen weissen
Papiers einen dünnen Körper, z. B. einen Bleistift
liält. Der Schatten desselben tritt nun sofort anf
der weissen Papierfläche in der Gegenfarbe des Glar
94
G ei ssler, über FarbeDblindheit.
ses zu Tage. Am leichtesten ist der blaue Schatten
bei gelbem Glase bei Tageslicht wahrnehmbar. Mao
kann allerdings auch Abends mit einer Lichtquelle
auskommen, wenn man dafür sorgt, dass ausser dem
durch die farbige Glasplatte gehenden Licht der Lampe
(z. B. durch einen mit weissem Papier Aberzogenen
hinter die Lampe aufgestellten Pappschirm, oder
durcheinen Spiegel) noch andres Licht auf die weisse
Wand fällt. Indessen ist es immer besser, das Tages-
licht dm*ch eine zweite Lichtquelle, durch eine seit-
lich aufgestellte Kerze zu ersetzen, wie diess bereits
von Job. Müller in seiner Physiologie angegeben
wurde ^). Auch wh*d der Untersucher gut thun,
die Entfernung der Lampe und des schattengeben-
den Körpers von der Wand erst auszuprobiren, um
die richtige Stellung zu finden, bei welcher die Con-
trastfarbe des Bleistiftschattens am besten zu sehen
ist. Der Roth-Grünblinde, um den es sich ja nament-
lich handelt, wird den Schatten bei rothen oder bei
grünen Gläsern entweder einfach für dunkel erklären,
oder er wird ihn, weil ja das rothe Glas auch gelbe
Strahlen durchlässt, für blau halten, während er ihn
bei Vorhalten eines grünen Glases, weil dieses eben-
falls gelbe, aber auch blaue Strahlen durchlässt,
entweder auch für blau, event. auch für gelb er-
klären. Diese Erscheinung entspricht nach Stil -
1 i n g ganz dem Verhalten der Nachbilder bei excen-
trischem Sehen, wobei peripherisch Roth auch als
Gelb empfunden wird u. das Nachbild blau erscheint.
Wenn der Unteraucher über die Angaben der Ge-
prüften im Zweifel ist, wird er auch hier gut thun,
sich die Farbe des Bleistiftschattens in Wollenbündeln
nachlegen oder auf einer Farbentafel aufsuchen zu
lassen.
Magnus giebt (Arch. f. Ophthalm. XXIV. 4.
1878) den beherzigenswerthen Rath, bei Roth-GiUn -
blinden mit den Contrasterscheinungen von Blau und
Gelb zu beginnen, da sie bei diesen Farben, die am
deutlichsten für sie sind, am leichtesten darüber in-
stmirt werden, um welche Wahrnehmung es sich
eigentlich handelt. H o 1 m g r e n hat den Spiegel,
den Halter für die Glasplatte, den schattengebenden
Stift, nebst den zum Auffangen bestimmten Schirm,
auf einem mit der Lampe verbundenen Maassstab
vereinigt und diesen Apparat „Chromatoskiameier*'
genannt. Er wendet nur eine rothe und eine grüne
Glasplatte an. Während fOr das normale Auge die
Entfernung des Spiegels von der Flamme nahezu die
gleiche bleibt, man mag nun den rothen oder grünen
Contrastschatten am deutlichsten sichtbar machen
wollen, soll fOr Farbenblinde dieser Unterschied in
der Entfernung des Spiegels sehr beträchtlich sein,
und zwar soll bei Rothblinden der Spiegel am wei-
testen für die rothe Glasplatte, bei Grünblinden am
weitesten für die grüne Glasplatte von der Petro-
leumlampe abstehen müssen. (Vgl. Moeller,
a. a. 0. p. 102, Jefferies, a. a. 0. p. 243.) —
') In dem „Versuch einer ganz neuen Theorie der
Entstehung sämmtlicher Farben ** von firnstFriedrich
Hoppe (1824) p. 90 flg. finden sich ähnliche Angaben.
Cohn hat die Lampe gleich einer Laterne mic sie-
ben Glasplatten in Roth, Orange, Gelb, Hellgran,
Dunkelgrün, Blau, Violett umgeben, u. zwar so, dass
dieselben um die Flamme herum drehbar sind: dieses
^ßhromaskiopiicon** ist beim Mechanikas Heidrlch
in Breslau käuflich. Cohn bemerkt selbst (in
seinen „Studien etc.'' p. 13), dass man mit vier Glä-
sern (Roth, Hellgrün, Dunkelgrün, Violett) vollkom-
men ausreiche nnd dabei den Vortheil habe, die
Gläser näher an die Flamme heranstelien zu können.
Es mögen sich nun einige Methoden anscbliessen,
welche nicht sowohl zur Ermittelung der Art der
EmpfindungS'Anomalie, sondern zur Prüfung der
Schärfe des Farbensinns dienen; den Beschluss
sollen diejenigen Methoden bilden, welche zur ge-
nauem Bestimmung der Farbenblindheit nnerllss-
lieh sind, sich übrigens nur zur Einzeluntersuchnng
eignen, auch einen mehr weniger kostspieligen Intro-
mentenapparat eifordern.
17) Die Probetafel von Sn eilen mit farbigem
Druck ist der englischen Ausgabe der „Test-Tjpea"
beigegeben. Sie enthält 5 Zeilen in Rosa, Gelb^
Grün , Blau und Grau. Diese Tafel kann zur vor-
läufigen Untersuchung Solcher zweckmässig dienen,
deren Farbensinn nach Ueberstehen einer schweren
Krankheit möglicherweise alterirt ist. Die Gegen-
probe ist mit der Probetafel mit der gleichen Buch-
st^ibengrössc in gewöhnlichem Druck zu machen.
18) Die Probetafel von Dor (Echelle poar meaarer
Tacnitö de la vision ohromatique. Paris et Lyon 1878)
enthält auf 3 Tafeln farbige Objekte anf schwarzem
Grnnde, deren Grosse berechnet ist ffir das Erkenoea
darch das normale Auge auf 5 , 10 nnd 20 Mtr. £ntfer<
nung bei Beleuchtung durch Tageslicht. Die 3 übrigea
Tafeln enthalten farbige Objekte in ähnlicher Weise, nur
dass als Beleuchtungsintensität die einer Normalkerze aa-
genommen wird , welche seitlich angebracht dem Unter-
sachten durch einen Schirm verdeckt ist. (Vgl. auch:
Nouvelles Recherches sur la Determination quantitative
de la Vision chromatique par le Prof. Dor et le Dr.
Favre. Lyon 1878. Associat. tjpographiqne.)
19) Die Meüiode von D anders ist die Vor-
läuferin der eben erwähnten , bestimmt zur Ekrmitle-
lung der Schärfe des Farbensinns. Zu der Unter-
suchung bei auffallendem Licht dienen kleine Schei-
ben ans farbigem Blumenpapier , die anf Bchwarzem
Sammet befestigt sind. (Solche Probeobjekte sind
bei Bhrhardt und Metzger in Darmstadt käuflich za
haben.) Für die Prüfung der Eisenbabnbeamten
empfiehlt sich der Stoff, aus dem die Signaifahnen
gefertigt werden. Wenn das Objekt , welches vom
normalen Auge in seiner Farbe z. B. auf 20 Mtr.
Abstand erkannt wird , bei schwachem Farbensino
erst bei 4 Mtr. Distanz wahrgenommen wird, «
würde man FS = ^/jo ansetzen. Für die ent-
sprechende Untersuchung bei durchgehendem Lichl
bedient man sich eines Schirmes mit einer Oeffaung.
hinter welcher eine Drehscheibe mit yerschiedenei]
farbigen Gläsern sich befindet, welche von rCiokwärti
durch eine verschieden stellbare Lichtquelle erieuch-
tet werden (vgl. Arch. f. Ophthalm. XXIQ, 4. p. 382.
1877),
0 6 i 8 8 1 e r , Aber Farbenblindheit.
96
Das in Belgien etngeffihrte Verfahren , an dem einen
Eade eines Optometers abwechselnd ein grfines , blaues,
lotfaes und Tiolettes Glas vorzuschieben, während der
Untersochte dnrch eine stenopaische Oeffnnng in das
Optometer hineinblickt nnd die Farbe des Glases sofort
in WoUenprobCD nachlegt, beruht anf dem gleichen Prin-
cipe, omachriebene centrale Defekte des Farbensinns zu
omitteln. Auch das von Parinaud beschriebene und
abgebildete ChromopUmeter (Ann. d'Ocul. LXXXV. [12. S.
5.] 3 0. 4. p. 113. Mars— Avril 1881) gehört hierher.
20) Farbige Laternen nach Holmgren ,
ene mit rothen und eine mit grünen Gläseni y nnd
iwir 8o , dass von jeder Farbe 3 Nuancen nm die
namme drehbar angebracht sind. Die8e Metliode
kann man anwenden, nm Solche, deren Farbenblind-
faeit bereits erwiesen , von ihrem Fehler thatsächlich
ra llberzengen. Man kann z. B. 2 Farbenblinde
lafTordem , sich gegenseitig Signale zu geben. Auch
bemerkt H. noch , dass der Grflnblinde ein einziges
grünes Glas in der Regel roth nennt , bei zwei oder
drei aofehiander gelegten grflnen Platten meint er,
daas das durchgehende Licht die Mitte zwischen Roth
ond GrOn halte, eine vierte aufgelegte Platte endlich
bewirkt die Empfindung des Gi-fln, eine grössere
Zahl hebt jede Farbenempfindung anf, wiewohl das
■ormale Auge noch vollkommen Grün wahrnimmt.
Bd dem Rothblinden verhalte sich die Sache anders :
eine einzige Platte von grüner Farbe nennt er sofort
giQn, mehrere Platten erst unbestimmt zwischen
foih ond grfln, endlich nur roth und zuletzt ebenfalls
dmkel.
21) Die Untersuchung mittels des Spectroakops.
Der Untersuchte hat nicht nur die Aufgabe, die Far-
ben des S]>ectmm der Reihe nach zu nennen, da ein
Farbenblinder dieselben ja auswendig wissen könnte,
aoodem er soll dieselben in farbigen Objekten nach-
legen, wie schon bezüglich anderer Methoden wieder-
belt bemerkt ist Das Instrument soll eine solche
Yorrichtang besitzen , dass jede beliebige Fai*be des
Spectrom in beliebiger Breite allein eingestellt wer-
^n kann nnd die Stelle an einer Skala bezeichnet
wird. H i r 8 c h b e r g hat ein sogen. Doppelspectro-
*kop constmiren lassen, dessen Abbildung u. nähere
Besehreibmig im Centr.-Bl. f. prakt. Ahkde. III.
p. 55. 1879 einzusehen ist. Der Untersuchte ver-
mag an demsdben zwei Spectra selbst übereinander
ÖBznstellen, deren Farben ihm identisch erscheinen :
far Farbenblinde muss sich demnach bestimmt durch
fie eigene Handhabung des Instruments verrathen.
Auch kjunn man mittels desselben Theile des Spee-
tnnn oder beide Spectra vollständig aufeinander fal-
len Uusaen.
Einen der Beschreibong nach sehr complicirten
Aniarafc hat F. Gl an (Arch. f. Physiol. XXIV. 7 n. 8.
p. 307. 1881) angegeben : derselbe gestattet nicht blos
swei Spectralfarben neben einander zu stellen , sondern
aodi ihre HelligkeitBverhaltnisse beliebig zn Ter&ndem,
■e zn misehen nnd mit WeiBs zn vergleichen.
Anverdem bezweckt aber die Prüfung mittels
ies Spectmm, zu erfahren , ob die Enden desselben,
ka. wie weit sie dem Farbenblinden verkürzt er-
idieiBen ^ femer zn ennitteln , an welcher Stelle des
Speetmm sieh die grösste Heiligkeit befindet.
Ein wichtiges Hülfsmittel bei der spectroskopi-
sehen Prüfung bieten noch die MetalUpectra. Es
kommen hier folgende in Betracht.
Rubidium kennzeichnet sich durch zwei dnnkelrothc
Linien im anssersten Roth und zwei lichtstarke violette
Linien im Violett nahe dem Blaa.
Kalium zeigt einen rothen Streifen im anssersten
Roth nnd eine isolirte Linie im Violett.
Natrium giebt eine sehr scharf markirte gelbe Linie
im Gelb.
Calcium bewirkt zwei rothgelbe Linien , von denen
die erste sehr nndentlich ist, n. ausserdem eine hellgrüne
Linie.
Lithium bildet einen sehr antfälligen rothen Streifen
im Roth, eine zweite Linie in dem Gelb ist weniger
deutlich.
Kupfer (Salpeters. Enpferoxyd) bewirkt einen brei-
ten hellgrünen Streifen.
Thfilliwn giebt einen sehr markirten grünen Streifen
im Anfangsstuck des grünen Spectram.
Caesium bewirkt ausser einer doppelten Linie im
Orange zwei nahe aneinander stehende glänzend blane
Linien zwischen dem blaugrünen nnd dem blauen Theile
des Spectrum.
Indium bildet einen tiefblauen Streifen fast an der-
selben Stelle wie die yorigen und eine schwache violette
Linie am Ende des Blau.
An dem Rubidium- , Kalium- und Lithiumspec-
trum lässt sich speciell ermitteln, wie weit bei einem
Rothblinden die Verkürzung des linken Endes des
Spectmm reicht. An der Art , wie ein Farbenblin-
der die Kupfer- , bez. die Thalliumlinie bezeichnet
oder durch Wollenproben nachlegt , lässt sich seine
Empfindlichkeit für Grün bestimmen. Diebetreffende
Methode kann, wiewohl nur für wissenschaftliche
Untersuchungen bestimmt, event. behufs Feststellung
einer Anomalie in gerichtlichen Fällen auch einen
praktischen Werth haben, weil das Spectrum als sol-
ches nnd speciell die Metallspectren gleichzeitig den
Fall einem grossen Auditorium zu demonstriren ge-
statten.
22) Das Polariskop von E. Rose (Virchow's
Arch. XXVIII. p. 30. 1863. — Berl. klin. Wo-
chenschr. II. 31. 1865 mit Abbildung).
In diesem, dem Aussehen nach einem Mikroskop
ähnlichen Instrumente befinden sich am Anfang und am
Ende des Tnbns je ein NikoVeehes Prisma , dicht unter
dem ersten Nikol eine Bergkrjstallplatte und weiter nach
abwärts in der Röhre noch ein doppeltbrechendes Prisma.
Dnrch Drehung des obern Nikol, die der Untersuchte
selbst vornimmt, wird ermittelt, bei welcher Stellung die
beiden Farbenfelder die gleiche Farbe bekommen haben ;
ein Stift zeigt anf einem Kreise den Winkel der Drehung an.
Dieses Instrument hat leider die Beachtung nicht
gefunden , die es verdient ^ da es Sohneiligkeit mit
Sicherheit der Untersuchung verbindet. Nach Pflü-
ger (Arch. f. Ahkde. IX. 4. p. 399. 1880) lässt
sich mit Hülfe dieses Instrumentes nachweisen,
welche individuelle Differenzen bei den verschie-
denen Rothgrünblinden vorkommen. Noch wichtiger
ist aber nach Pflüger (Das. p. 406) die Füglich-
keity die das Polariskop gewährt, bei erworbener
Farbenblindheit das Fortschreiten , bez. die Besse-
rung des Znstandes nachzuweisen. Durch Drehung
des untern Nikol kann man nämlich die Farbe , für
96
G e 1 8 s 1 e r , über Farbenblindheit.
welche die Empfindlichkeit geprüft werden soll,
ganz zam Verach winden bringen, während das andere
Farbenbild das Maximum seiner Helligkeit zeigt.
Die Stellang , wo die Farbe eben anfibigt als Licht-
eindrnck sichtbar zu werden und die, wo sie bei wei-
terer Drehung des untein Nikol als bestimmte Farbe
erscheint, wird notirt, event. auch die Stelle, wo die
Farbenempfindung wieder bei weiterer Drehung ver-
schwindet. Es würde diese Methode für feinere
Prüfung des Farbensinns an Stelle des direkten
Sehens vielleicht eben so werthvoll sein, wie die
perimetrische Prüfung auf excentrische Farbenempfin-
dung bei beginnendem Sehnervenleiden.
23) Die Untersuchung mit dem Farbenkreisel
wurde besonders von Woinow kultivh-t (Arch. f.
Ophtbalm. XVII. 2. p. 244. 1871 u. XXI. p. 249.
1875).
Seine Rotationsscheibe besteht aus 4 concentrischen
Ringen , jeder davon wieder ans 2 , einzeln für sich be-
wegliclien Selctoren. Der innerste Kreis enthält nnr
Weiss und Schwarz mit einem Halbmesser von 2 Ctmtr.,
der zweite besteht aus Roth nnd Grün mit einem Halb-
messer von 3V2 Ctmtr., der dritte ans Roth nnd Violett
(Blau) mit einem Halbmesser von 5 Ctmtr. u. der änsserste
aus Grün nnd Violett (Blau) mit einem Halbmesser von
6 Vi Ctmtr. ; den zweiten Ring erklarte W. später für nn-
nöthig.
W. bestätigte die zuerst von Maxwell gefun-
dene, wichtige Thatsache, dass bei Farbenblinden
zwei (anstatt drei) Qrnndfarben genügen , um unter
Zuhülfenahme von Schwarz und Weiss eine Farben-
gleichung herzustellen. Er giebt auch an, dass man
mittels des Farbenkreisels Roth- von Grünblindheit
unterscheiden und auch die Mischformen beider nach-
weisen könne. Diese Behauptung wird indessen von
anderer Seite, z. B. von dem selbst farbenblinden
Dr. Hochecker, dem wir später noch begegnen
werden , bestritten. Dem normalen Auge erscheint
bei der Rotation der innere Ring grau, der zweite
gelblich, der dritte rosenroth u. der vierte blaugrün.
Wenn der änsserste, blaugrüne Ring dem Farben-
blinden so grau erscheine wie der innerste , so be-
stehe Grünblindheit; wenn dagegen der mittlere,
rosafarbene Ring so grau wie das Gentrum erscheine,
so sei Rothblindheit vorhanden. Die Mischform
werde dadurch erkannt , dass beide Ringe grau er-
schienen.
Die Untersuchung mit der Drehscheibe ist eine
sehr mühsame und setzt sehr viel Geduld von beiden
Seiten voraus. Erschwert wird dieselbe durch die
ausgebildete Fähigkeit der Farbenblinden, Hellig-
keitsunterschiede wahrzunehmen , so dass manchmal
trotz aller Mühe doch keine „Farbengleichung'' zu
Stande kommt Rose erwähnt, dass selbst eine
Verschiebung um die Dicke eines Nagels genügt habe,
für seinen Farbenblinden eine merkbare Differenz
zu geben.
Neuerdings werden solche Farbenkreisel nach H e -
ring 's Angaben mit verbesserter Mechanik von R. Rothe
in Prag für 30 BIk. hergestellt.
Anstatt dieser Drehscheiben hat B. Kolbe (Centr.-
Bl. f. prakt. Ahkde. V. p. 224. 1881) mit farbigem Papier
überzogene abgestumpfte Kegel vorgesehlagen , welche
vertikal gestellt in schnelle Umdrehung versetzt werden.
24) Die chromatoptometriscke Tafel von Ole B.Bull
ist im Arch. f. Ophthalm. XXYII. 1. p. 104 flg. beschriebeo.
Anf mattschwarz grundirter Fläche sind Quadrate von 1
Ctmtr. Seite angebracht , nnd zwar von Jedem Farbenton
8 Nuancen (ausser dem ungemischten), die dnrch Znnts
von Gran hergestellt sind. Die Art der Nuance ist T0^
her durch den Farbenkreisel genau bestimmt, so dass 40,
80, 120, 160, 200, 240, 280 und 320 Grau anf 320, 280,
240, 200, 160, 120, 80 nnd 40 Farbe kommen. Der zn
Untersuchende hat einfach die Quadrate zu bezeichnen,
die ihm gleich oder ähnlich zu sein scheinen.
25) Die perimetrische Untersucbung ist bei
Farbenblinden unseres Wissens ziemlich gldchzeitig
zuerst von Holmgren (Med. Centr.-Bl. Nr. 52.
1872) und von Schirmer (Berl. klin. Wchnschr.
X. 5. 1873. — Aich. f. Opthalm. XIX. 2. p. 222.
1873) ausgefdhrt worden. Hier erwähnen wir dieae
Methode nur, um hervorzuheben, dass sie bei ange-
bomer Farbenblindheit zwar von wissenschaftlichem
Interesse ist, bei erworbener Farbenblindheit aber
auch eine praktische Wichtigkeit hat. In unaern
Jahrbüchern ist der Untersuchung des Sehfeldei
wiederholt Berücksichtigung geschenkt worden. Wir
brauchen daher zur Technik nur noch kurz hinzuzu-
fügen, dass auch Deijenige, welcher nicht im Besitze
eines besondern Instrumentes sich befindet, dieser
Methode sich mit Vortheil bedienen kann. Indem
man den zu Prüfenden auf einer Tafel einen weisseo
oder grauen Fleck fixiren lässt, hat man nur ndthig,
in den verschiedenen Meridianen des Auges von der
Peripherie her, farbige Papierstückchen zu verschie-
ben nnd darnach die Grenzen der veränderten Far-
benempfindung zu bestimmen. Auch sollte man nicht
unterlaiBsen, Individuen mit erworbener Farbenblind-
heit mit farbigen Objekten sowohl auf weissem als
auf schwarzem Grunde zu prüfen.
Tr eitel empfiehlt (Arch. f. Ophthalm. XXV. 2.
p. 29; XXY. 3. p. 1) weisse, blane, rothe nnd^ne^t
Qa. -Ctmtr. grosse Papierstüoke anf mattschwarBen Reckt*
ecken von 3 — 4 Qu. -Ctmtr. sa befestigen nnd die Stellea,
wo der richtige Farbenton erkannt wird , im Sehfeld n
markiren. Auch hat man farbige Kugeln oder kleiiu
Gamknäael empfohlen.
c) Das Sehen der Farbenblinden.
Unter den Untersnchnngsmethoden, deren Ueber
sieht wir soeben beendigt , haben wir absichtlich di(
Bezeichnung der farbigen Objekte gänzlich aaBM
Acht gelassen. Dieselbe führt, wie schon 6dtb<
zu seinem Aerger erfahren mnsste, nur zu TAuschun
gen. Bestünde die Mehrzahl der Menschen z. 6
aus Rothgrünblinden, so wtli'den diese sich vielleieh
auch eine besondere Sprache geschaffen haben , di'
noch mehr Bezeichnungen als Weiss, Schwarz, Onn
Blau und Gelb enthielte , sie würden auch vielleieh
ihre Sprache der geringen Minorität von Normal
sichtigen in unserem Sinne oktroirt haben nnd na
als Helligkeitsunterschiede bezeichnen, was wir rotb
und grüne Farbentöne nennen.
Nur bei intelligenten Farbenblinden kann aod
die Nennung der Farben von Nutzen sein , in dl
System ihrer Farbenempfindnng Einsieht zn gewn
0 e i 8 8 1 e r y über Farbenblindheit.
97
Bei einseitiger Farbenblindheit hat natflrlioh
aocii die Nennong noch ein ganz besonderes Inter-
esse, weil ja aolchen Personen die Farbensprache,
mit der wir uns mit ihnen verständigen kennen,
diiet zur Oontrole ihi*er Farbenempfindungen dient,
wt3 bei doppelseitiger Farbenblindheit natürlich nicht
der Fkll sein kann.
Dem Nachlegen einer Farbenprobe in verscbie-
deoen Nttancen mnss ein grosser Werth beigelegt
lerdeD, wir haben demselben daher anch einen gros-
m Raom nnter den üntersnchnngsmethoden einge-
ünrnt. Indessen darf man nicht ganz ansser Acht
bsen, dass man anf begangene Irrthümer auch
leklit einen zn grossen Werth legen kann. Wenn
nan sich anf den Streifen der Rad de 'sehen Skala
& üebergftnge vom Violett zam Porpur , vom Par-
inr zom Canntn , vom Garmin znm Zinnober und
kaa die liGachongen von Violettgrau und Blangran
tooeht, wird es erklärlich, warum ein ganz Farben-
ttefatiger m gntem Glauben allmälig aus dem Hell-
nn hl das Violett oder Blau , oder anch in die hell-
MlieD Farbentöne hineingeräth und mit dem Nach-
legen nicht fertig wird. Auch möchte bei Manchen
die leichte Err^barkeit, subjektive Nachbilder zu
enengen, die Ursache sein, dass bei längerem Pro-
brren sich Irrthum an Irrthum reiht. Eine gewisse
Besehränkong ist daher hier am Platze und das
Kaehlegen nur so lange fortzusetzen, als die Proben
derselben Farbe angehören, auf die Verwechselungen
M dem Nachl^en „ähnlicher'^ Farben bei wenig
Intelligenten nur dann Rücksicht zu nehmen , wenn
dieselboi auch bei einer Oontrolprttfung sich als
brboiblind erwiesen.
Stilling hat den Versuch gemacht, die Ver-
veehselnngen durch Mischung von Malerfarben her-
astdlen. Nor ganz besonders intelligente Farben-
Uinde wurden dazu veranlasst. Das Nähere ist in
Kiner Schrift: ^^Ueber das Sehen der Farbenblinden^'
(Caasel 18S0. Theodor Fischer) nachzulesen. Die
Tafeln in Oeldruck sind ein ganz vorzügliches Bei-
ipiel von der Leistungsfähigkeit dieser Technik ^).
Wie ach die Empfindungsreihen bei den Haupttypen
der Farbenblindheit gestalten , ist durch diese Dar-
iteUang klar gelegt und möge es daher gestattet
>ci&, £e folgende Darstellung im Wesentlichen auf
dieselbe zu stützen, dabei aber auch einzelne andere
besonders charakteristische Beispiele von den zuver-
ISsägen Angaben Farbenblinder mit heranzuziehen.
1) Die ioUde Farbenblindheit. Ueber die Art,
^ sich unsere farbige Welt dem total Farbenblin-
^ gestaltet^ herrscht bei den Autoren nur wenig
Differenz. Die Sache liegt hier eben klar genug.
Wem das Spectmm achromatisch erscheint , dem ist
iKff| am mit Hering zu reden, die schwarz weisse
0 Durch die Güte der Verlagshandlung ist dem Ref.
^ Einsieht in die groase Ausgabe ermöglicht worden,
v<ißr derselben Merdarch der verbindlichste Dank gesagt
•irt.
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 1.
Empfindungsreihe übrig geblieben. Das Oelb oder
das Grün erscheint am hellsten grau und von da an
wird sowohl nach dem rothen als nach dem violetten
Ende des Spectrum zu das Grau immer dunkler, fast
Schwarz. Das Spectrum kann an einem oder an
beiden Enden verkürzt sein , ohne dass diess auf die
Art, wie sich solche Farbenblinde äussern, einen
Einfinss ausübt.
Die total farbenblinde Lehrerin, über welche Mag-
nus nenerlich berichtet (Centr.-Bl. f. prakt. Ahkde. IV.
p. 373. Dec. 1880), verglich das Spectmm mit einer g^anz
fein ausgeführten ßleistiftschattirung, die von der Natron-
linie aus nach den (nicht verkürzten) Enden hin immer
dankler wurde, nnd zwar in so zarten Uebergangen, dass
die verschiedenen graaen WoUproben nicht genügten , sie
zu charakterisiren.
Die beiden Brüder, welche v. Wecker nntersuchte
(Traitö complet d'Ophthalmologie I. 1. p. 566), bezeich-
neten ihre Reihe von dem hellsten bis zum dunkelsten
Gran aufsteigend : Weiss, Gelb, Hellgrün, ein etwas dunk-
leres Gelb, Elan, Orange, Violett nnd Roth. Orange war
ihnen nnr Icaum merklich heUer Grau als Violett nnd das
Spectralroth war für sie »» Schwarz , sogar dunkler als
ein Dunkelblau, welches ein gesundes Auge anf einem
sehwarzen Grande kaum za nnteracheiden vermochte.
Ans den Cohn 'sehen Mittheilungen (a. a. O. p. 247)
ist wenig mehr zn entnehmen , als dass seine 12 als total
farbenblind bezeichneten Schüler die anmdglichsten Zn-
sammensteUungen machten , z. B. Gelb mit Rosa nnd In-
digo , Schwarz mit Gelb , Rosa und Grün, Chromgrün mit
Schwarz , Kobaltblau und Gelb , Kobaltblau mit Zinnober
susammenlegten, so dass man schliessen musste, dass so-
wohl die Empfindung für Roth und Grün, als auch die für
Gelb und Blau alterirt war.
Wiederholt findet sich die Bemerkung, dass
solche Farbenblinde ein Gemälde nur wie einen
Kupferstich oder wie eine Photographie (v. W e c k e r)
sehen. In der seelischen Aufnahme einer Winter-
landschaft werden sie also mit dem farbensinnigen
Auge übereinstimmen, im Uebrigen werden sie Das,
was wir bunt nennen , nur in verschiedenen Hellig-
keitsabstufungen des Grau sehen.
Im Polariskop sehen solche Farbenblinde , wie
Donders (Klin. Mon.-Bl. f. Ahkde. IX, p. 470.
1871) angiebt, bei einer Drehung von 90^ in regel-
mässigem Wechsel maximale Differenz der Hellig-
keit nnd vollständig gleiche Helle beider Felder: die
gi*össte Differenz fiel bei seinem total Farbenblinden
auf die Stellung , wo das normale Auge Purpur und
Grün , die gleiche Helligkeit auf jene Stellung , wo
das normale Auge Blau und Gelb wahrnimmt.
Nach 2 von E dm. Rose mitgetheilten (Arch f.
Ophthalmol. VII. 2. p. 98. 1860) Beobachtungen
schemt zwischen totaler Farbenblindheit und den ge-
wöhnlichen Formen partieller Farbenblindheit noch
eine Oebergangsform vorzukommen. Diese wäre
also die Form eines monochromatischen Spectrnm,
nach welcher S Zok alski vergebens gesucht hat.
Der eine der von Rose Untersuchten sah im Gitter-
spectrum alle Farbenbänder gleichmässig gelb, die
durch gelbe Gläser noch gelber wurden, auch war
Gelb seine Lieblingsfarbe , während er die übiigen
Farben verwechselte. Der Andere sah ebenfalls
alle Bänder einfarbig, doch ist die Farbe nicht nam-
13
n
98
0 e i s 8 1 e r , über Farbenblindheit.
haft gemacht y scheint aber dem Gelbgrttn des nor-
malen Auges entsprochen zu haben. Rose bemerkt,
dass man Unrecht thue, solchen Leuten den Farben-
sinn ganz abzusprechen , da sie nicht blos Hell und
Dunkel, sondern auch Hellgelb u. Dunkelgelb unter-
schieden und mit diesen die andern Farben verwech-
selten.
Eine solche nicht vollständig in den Rahmen der
totalen Farbenblindheit passende Beobachtnng wird
auch von Becker (Arch. f. Ophthalmol. XXV. 2.
p. 205. 1879) mitgetheilt; die in mehrfacher Beziehung
grosses Interesse hat.
Es handelt sich um ein 17jähr., sehr intelligentes
Mädchen, aus einer Familie stammend, in welcher neben
hoch entwickeltem Farbensinn (ein Binder war Maler)
auch Farbenblindheit vorkam. Die Farbenblindheit war
eifiseiHg, und zwar linkseiti^. Man hatte die AnomaUe
schon entdeckt, als sie noch ein 3Jähr. Kind war nnd
eines Tages gefragt hatte, waram die Tapete anders aus-
sehe, wenn sie auf der linken Seite liege. B. fand, dass
für das farbenblinde Auge das Spectrum am rothen Ende
eben so weit reichte, als für das gesunde rechte, während
das blaue Ende etwas verkürzt schien. Die grosste
Helligkeit lag für das linke Auge fast genau in der Natron-
linie, für das rechte etwas mehr nach rechts. Mittels der
farbigen Contrastsehatten und dem Florpapier-Contrast-
schatten geprüft, erklärte sie die rothen, grünen, blauen
und gelben Schatten sämmtlich für Grün, aber in der
Helligkeit verschieden. Sie vermochte diese Unterschiede
ganz genau anzugeben. Mit dem Polariskop geprüft, er-
klärte sie Blau, Orange, Both und Grün für eine und
dieselbe Farbe und bezeichnete an der W o i n o w 'scheu
Scheibe die Farbenringe nur nach ihrem hellem oder
dunklern Grau. Zur heUgrünen WoUenprobe legte sie
andere grüne Nuancen, Fleiscbroth, reines Roth, Blau-
grün, Gelbgrün. Zur Rosaprobe fügte sie andere Pur-
purfarben, Blau, Blaugrün, Olivengrün, Dunkelgrün.
Zur hellroihen Probe legte sie andere rothe Farben,
Dunkelbraun und Blaagrün. Sie bezeichnete aber aUe
Farben nur als heller oder dunkler Grau, mit der einzigen
Ausnahme, dass sie Braun stets für farbig erklärte, und
zwar war es gleich, auf welchem Stoffe diese Farbe sich
befand. Noch eine 2. Beobachtung war sehr merkwürdig:
das farbenblinde Auge war beim binocularen Sehakt doch
bei der Beurtheilung von Farben betheiligt. Wenn man
nämlich im Stereoskop für das farbenbUnde Auge eine
Farbe unterlegte, die heller war als die für das rechte
Auge, so war beim Gesammteindruek auch die ganze
Fläche heUer, als wenn das farbenblinde Auge geschlossen
wurde. Wurde dem farbenblinden Auge Roth, dem ge-
sunden Auge Blau vorgelegt, so war der Gesammteindruek
Blau, bei umgekehrter Anordnung der farbigen Flachen
war er Roth, aber die HeUigkeit dieses Blau oder Roth
richtete sich danach, wie heU die dem farbenblinden Auge
vorgelegte Fläche war. Auch der Glanzversuch mittels
des Stereoskop (s. oben S. 76) gelang bei dieser einseitig
Farbenblinden in überraschender Weise.
2) Die Violett- oder Blaublindheit (Blau-
Gelbblindheit). Fflr die typische Form dieser Ano-
malie ist das Spectrum bichromatisch y besteht aber
nur ans Roth nnd Grün. So weit man nach den
frühem, nicht sehr zahlreichen Mittheilnngen über
diese Form scldiessen darf, ist mit nur seltenen Ans-
nahmen das rechte Ende des Spectrum erheblich
verkürzt, und zwar in solchem Grade, dass von der
Thalliumlinie ab nach dem violetten Ende hin nicht
einmal mehr Helligkeit wahrgenommen wird.
Eine seltene Ausnahme ist von Stilllng (Gentr.-Bl.
f. prakt. Ahkde. U. p. 99. Mai 1878} mitgetheilt, dem
wir überhaupt die ersten eingehenden Beobachtangea
über diese Anomalie verdanken. In diesem Ausnahme-
falle, der eine 20Jähr. Dame betraf, wurde das iBoUrte
Blau, bez. Violett desSpectrum, wenn es lichtstark gena^
war, für identisch mit Both gehalten, im Itohtschwaohea
Spectrum wurde keine Farbe, d. i. nur Grau, am reehtei
Ende wahrgenommen.
Cohn hat dann für seine 6 Blaugelbblinden eben-
falls das unverkürzte Spectrum nachgewiesen, aadi
Magnus erwähnt für 7 Fart^nbllnde solcher Art nur,
dass sie den blauen Theil des ^ilfctrum für Grün hielten.
Blaugelbblinde müssen, ihre Störung als mne,
typische Form genommen , das spectrale Koth und
das spectrale Grün richtig erkennen und ansschlieas-
lich mit den entsprechenden Wollproben nachlegen.
Das spectrale Gelb wurde von den Cohn'scheo
hierher gehörigen Farbenblinden mit Rosa, Roth,
Grau oder Rothviolett verwechselt und die Natrium-
linie durch braune, graue, rosafarbene, weisae, blau-
violette Wolle nachgel^. Entsprechend wurde
Blau im Spectmm stets durch grüne Wolle markirt,
auch die Indiumlinie meist durch grüne Nuancen be-
zeichnet. Holmgren's einseitig Blaagelbblinder
hatte eine neutrale farblose, schmale Zone im Grflo-
gelb , welche die rothe Hälfte seines Spectrum v<m
der grünen scliied , sie wnrde ihrer Farbe nach als
„papierweiss^' bezeichnet
Mit der Verwerthung der von BlaugeibblindeB
gebrauchten Bezeichnungen mnss man sehr vorsichtig
sein , ebenso mit den Verwechslungen von Pigment-
farben. Der von Stilling als Nr. 2 bezeichnete
Fall zeichnet sich z. B. durch seine verschiedenen
Angaben an verschiedenen Tagen aus.
Die Reihe der Daae 'sehen Tafel: Weissgelb»
Blaugrau, Gelblichgrau, Rosa, Blan, Orange, Violett
entspricht theoretisch am besten einer dem Blau-
gelbblinden isochromatischen Reihe, während kein
Rothgrünblinder seine Verwechslnngsfarben in dieser
Weise ordnen wird. Ho Imgren giebt als Ver-
wechslungsfarben: Grün mit Blau, Purpur mit
Roth, Orange mit Gelb, Violett mit Gelbgrün und
Grau an.
In seinem schon erwähnten Atlas bezeichnet Stil-
ling die Verwechslungsfarben für Orange Roth,
aber heller als das spectrale Roth , für Gelb eben-
falls Roth, Grüngelb ebenfalls mehr röthlich, an
Stelle des Blau folgen graue Tinten und an Stelle
des Violett ein röthliches Gi*an.
Die Anstellung der Schatten - Contrastfarben-
prüfung mit Blaugelbblinden ist insofern unerlässlich,
als sie den rothen und den grünen richtig angeben
müssen, während sie den blauen nnd gelben Schatten
entweder grau oder dunkel oder unbestimmt be-
zeichnen. Wenn das Spectrum erheblich (bis zur
Thalliumlinie) verkürzt ist , kann indessen auch ein
Theil der Grün-Empfindung alterirt sein. Die Thal-
lium- nnd die Ealiumlinie sollen jedoch auch in
solchen Fällen stets richtig markirt werden. Magnus
bemerkt indessen, dass hochgradig Violettblinde auch
blaue Wolle dafür herauslegten, wohl aber nur des-
wegen, weil ihnen Blau wie Grün erschien. Die
Lithiumlinie wurde stets richtig bezeichnet
O e 1 8 8 1 e r , Aber Farbenblindheit.
99
Versuche mit dem Polariskop und mittels des
Farbenkreisels sind unseres Wissens bei Blaagelb-
bliodeA noch nicht angestellt. Aach ist die Casnistik
Doeh eine an geringe, am die volle Klarheit über
das Sehen solcher zu geben. Selbst darttber, wie
sie die uns nmgebende farbige Natur auflassen, ist
noch wenig bekannt; manches lebhafte Qelbgrttn der
VegetatioD moss ibn«i^j(pach Stilling) farblos er-
i^einen, das Blau oK Himmels erscheint ihnen
gna and so geht ihnen jedenfalls noch mehr als
den Boihgrflnblinden an Naturschönheit verloren.
3) Die RothgrünbtindheiL Diess ist die zweite
FMrm der Anomalie des Farbensinns, bei welcher
daa Speetmm ebenfalls bichromatisch ist; erhalten
öt die £SmpfiDdang fllr gelbes und blaues Licht, die
fiir grttnes nnd ftlr rothes ist mehr oder weniger auf-
gdioben. Diese Form ist es auch vorzugsweise, bei
wdeiier die beiden Theorien auf einander platzen.
Es ist indessen nicht die Absicht, die Streitfrage
noehmals hier durchtönen zu lassen ^). Da beide
Parteien zugeben , dass sich zahlreiche Uebergangs-
fiffle vorfinden, da femer theoretisch nicht vorein-
genommene Untersucher (wie Rose u. Andere, unter
den Neaem namentlich Pflflger) gezeigt haben,
tes die Methodik der PrtLfung die Einstellung der
lÜUe unter die eine oder unter die andere Rubrik
sibtast oder veranlasst , da endlich die ganze Frage
ia praktischer Hinsicht nur einen ganz untergeord-
neten Werth hat, können wir es dem Belieben des
Lesers Überlassen , ob er die nachstehenden beiden
Kategorien als wesentlich verschiedene Formen oder
iiir als Unterabtheilungen einer und derselben Klasse
tasehen will.
a) ZH€ Grünblindkeit oder die Rothgrünblind"
keit ndt unverkürztem Speetrum. Der Grünblinde
verwecliselt hellgrüne Farbentöne mit dunkelrotlien.
Auf sdiwarzem Grunde vermag er ein dunkelgrünes
Master nicht zu unterscheiden, wohl aber ein rothes.
Im Speetmm ist das Maximum der Helligkeit für
ihn im Gelb gelegen; die Stelle, wo für ihn das
gdbe and das blaue Spectrum zusammenstossen,
befindet sich im reinen Grün, dicht neben der Thal-
liamlinie. Bei manchen stösst das Gelb dicht an
te Blaa , bei andern ist zischen Gelb und Blau
düo neninle , graue Zone eingeschoben. Letztere
and es insbesondere , welche Grün für Grau halten
nid aoch die Thalliumlüiie fftr Grau erklären.
Ob der Grflnblinde die links von der neutralen
Zone liegenden Farben — die sogen, warmen nach
Donders, im Gegensatz zu den kalten, d. i. blauen
end violetten — roth , grfln oder gelb bezeichnet,
hingt ganz von Umständen ab. Indessen sehen
Grflnblinde das dunkelste spectrale Roth immer noch
etwas gelb, gelbbräunlich; die Natriumlinie markiren
>> In Amerika macht selbst der Buchbinder für die
Hypothese dreier Grundfarben Reklame, indem er das
Baal TOD Jefferles mit einem grellroth-grün-violetten
Efaiboiid ▼ersehen hat, was, nebenbei bemerkt, ganz ab-
9dbnSMt aoMieht.
sie durch hellere Wolle als die Lithiumlinie, letztere
wieder durch dunklere Nuancen als die Thalliumlinie.
Sowohl Grünblinden als Rothblinden vereinigt
sich, weil Beiden die Empfindung des Violett mangelt,
am rechten Ende des Spectrum der blaue und der
violette Theil zu einer einzigen, der blauen Empfin-
dung. Hierin stimmen Stilling, Magnus und
P f 1 ü g e r überein. Die purpurnen Farbentöne aber,
welche die Uebergänge vom Violett nach dem Roth
bilden und im Spectrum, wie wiederholt erwähnt,
nicht vorhanden sind , vermag der Grünblinde vom
Blau zu unterscheiden, während der Rothblinde sie
für Blau hält. Letzterer legt datier zu Purpur
Blau und Violett, Ereterer grüne und graue
Muster.
Nach V. Erics und Küster (Arch. f. Anat.
u. Physiol. [Physich Abth.] 5 u. 6. p. 513. 1879)
bedarf es für Grünblinde eines viel starkem Zusatzes
von spectralem Indigo zu spectralem Roth, um eine
dem spectralen Blaugrün identische Farbe zu er-
zeugen, als für Rothblinde.
Mittels des Polariskop ist für die Grünblinden
eine besondere Charakteristik, wodurch sie sich von
den Rothblinden untei'schieden, unseres Wissens nicht
gefunden worden. Des mittels des Farbenkreisels
gefundenen Unterschiedes ist schon oben gedacht.
Die farbigen Oontrastschatten geben wohl eben-
falls keine bestimmten Anhaltepunkte,
W. Preyer behauptet (Arch. f. Physiol. I. 4.
5. p. 299. 1868), dass kein GrünbUnder Roth Grün
nenne, wohl aber bezeichneten sie grüne Objekte als
rothe, falls ihnen nicht aus andern Gründen die rich-
tige Bezeichnung bekannt ist. Ein Grünblinder wird
als Kind die Wiesen roth nennen , als Erwachsener
allerdings nicht mehr, wenn man ihm aber eine ihm
unbekannte Chlorophyllldsung vorhält , so nennt er
diese unbedenklich roth. Preyer fühii; noch eine
Reihe der bei zwei intelligenten Gi'ünblinden ermit-
telten Verwechslungsfarben an , welche wir im In-
teresse dieser doch sehr wichtigen Frage hier wieder-
holen. Die verwechselten Farben sind durch - ver-
bunden, selbstverständlich kann nicht gesagt sein,
dass auch jeder Grünblinde dieselben Verwechslun-
gen macht.
Braan-Dunkelgrfin, Hellbrann-Rothgelb, Roth-Grün,
Rotli-Orange, Roth-Gelb, Rothgelb-Grfingelb, Gelb-Gelb-
grün-Orange, Hellgrün- Grau-Rosa, Dunkelgrün-Schwarz,
Blaugrfin-Purpnr, Dankelgrunblan-Dnnkelblau, üellblau-
Roea, BUu-Violett, Pnrpur-Dunkelroth, Pariser Roth-
Chromgrün , Eisenozyd - Lanbgrün , Anilinviol ett - Ultra-
marin, Rosenroth-Bremerblau, Pariser Grün-Gran, Anilin-
grün-KienroBs, Zinnoberroth-Goldocker, Rothes Qaeck-
silberozyd-Dnnkelchromgelb, Eisenvitriol-Grau, Knpfer-
chlorld-Grau, Bierbrann-Tannengrün.
Roth mit Blau oder Gelb mit Blau verwechselt
der Grünbliude nicht, auch ihm ist der Himmel
„blau^^, durch künstliche hellblaue Farben lässt er
sich indessen täuschen und hält sie für Rosa.
Für graue Pigmente hat er ein feineres ünter-
scheidungsvermdgen als der Gesunde. Wo Letzterer
nur Grau wahrnimmt, fbhlt er schon die blauen oder
die gelben Strahlen heraus.
100
G 6 i 8 8 1 e r y über Farbenblindheit
Manche haben sich im Sortiren von MuBtern ausser-
ordentlich geübt, da sie ihr Beruf daza brachte. Solche
sind schwer zu überführen, wenn sie nicht bereitwillig
ihren Fehler eingestehen. Dem Ref. selbst ist ein Fall
bekannt, wo der Betreflfende Jahre lang in einer Fabrik
halb- und ganzwollener Stoffe als Waarenschaner zu ganz
besonderer Zufriedenheit thätig gewesen war, derselbe
yerrieth sich ganz zufällig, als er zu einem Wollenmuster
die gleiche Farbe in Seidengam aus dem Lager holen
sollte. Minder erzählt in seiner Dissertation ebenfalls
eine solche, Stilling mehrere Beobachtungen, welche
beweisen, wie weit es solche Personen bringen können,
an geringen Unterschieden sich vor Verwechslungen zu
behüten.
Der einseitig Grünblinden W o i n o w 's (Arch. f. Oph-
thalmol. XYU. 2. p. 241. 1871) erschien beim Schlüsse
des gesunden, linken Auges die ganze Aussenwelt rdth-
lieh ; blaue oder grünblaue Beleuchtung war ihr angenehm,
gegen die rothen Farben hatte sie von Kindheit an eine
grosse Abneigung , Hellgrün verwechselte das grünblinde
Auge mit Dunkelrosa und das Gelb des Spectrum erschien
ihr wie Hellblau.
Auch Seebeck hat eine Beobachtung einseitiger
GrünbUndheit mitgetheilt.
Sehr belehrend ist auch der von Hirschberg er-
zählte (Arch. f. Anat. u. Physiol. [Physiol. Abth.] 3. 4.
p. 324. 332. 1878) Fall eines grünblinden Malers. Ihm
war das Spectmm nicht verkürzt , die hellste Stelle lag
im Gelb, die rothgelbe Partie und die blaue (mit Ein-
schluss der violetten) waren von derselben Länge wie für
das gesunde Auge, zwischen beiden befand sich eine
graue Zone, welche genau dem speotralen Grün entsprach.
Letztere Farbe verwechselte er mit Grau oder Gelbgrau,
auch mit Dunkelroth, Blasspurpur mit Roth. Büttels des
Florcontrastes reagirte er nur auf Gelb und auf Blau, un-
bestimmt auf Orange, Carmin, Grün u. Rosa. Ein grünes
Quadrat auf schwarzem Grunde erschien ihm grau.
Von besonderm Interesse ist noch der von Hippel
mitgetheUte Fall (Arch. f. Ophthahnol. X:XVI. 1. p. 176.
1880) einseitiger Rothgrünblindheit ohne Verkürzung des
Spectrum.
Ein Gymnasiast wurde gelegentlich einer Schielstel-
lung auf seinen Farbensinn geprüft, den er bis dahin für
normal gehalten. Beiderseits waren die Grenzen für Gelb
und Blau annähernd die gleichen, dagegen wurde mit dem
rechten Auge Roth und Grün fortwährend verwechselt,
bez. für Gelb erklärt. Das Farbenspectrum erschien nicht
verkürzt, die Farben wurden als: Roth, Gelb, Grün,
„Gelblich oder Grünlich^, der Reihe nach, alle übrigen
Farben bis zum rechten Ende als Blau erklärt. Blendete
man aber die einzelnen Farben mittels der VierordVachen
Spaltvorrichtung ab, so wurde vom äussersten Roth bis
zum Blaugrün Alles als „Gelb**, von da ab Alles als „Blau"
bezeichnet. Die einzelnen Farben wurden nur nach ihrer
Helligkeit innerhalb der Reihe der subjektiven Gelb- oder
Blauempfindung unterschieden. Die hellste Stelle des
Spectmm lag rechts von der Natriumlinie, etwa in der
Mitte zwischen dieser u. der grünen Calciumlhiie. Beide
Farben, Gelb und Blau, berührten sich unmittelbar, waren
demnach nicht durch eine ungefärbte Stelle getrennt. Die
rothe Lithium-, die grüne Thallium- und die gelbe Na-
triumlinie erschienen dem rechten Auge völlig gleich, nur
erschien die letztere etwas heller, die blaue Indiumlinie
wurde stets als blau bezeichnet. — Die Farben der RcLdd^-
sehen Scala unterschied er auch mit dem farbenblinden Auge
ziemlich richtig, wenn er sie in ihrer ganzen Reihe vor
sich sah, wurden aber nur einzelne Rechtecke eingestellt,
so hatte er nur die Bezeichnungen : Gelb, Grünlich oder
Gelblich, Blau, Hellblau, Roth, Hellgrün, während mit
dem linken Auge auch alle einzelnen Farben richtig ge-
nannt wurden. — Bei der Wollenprobe legte er zu Blass-
rosa vier SchattirunKen von Carmin, ausserdem aber auch
drei hellrothe Muster; die hellgrüne Probe nannte er
bläulich und legte zu ihr, ausser Schattirungen von Grün,
auch mehrere von Grau n. eine von Hellblau ; zu Dankel-
roth legte er mehrere Nuancen von Braun und von Roth ;
zu Goldgelb solche von Grünlich- bis Bräunlichgelb und
eine von Grün ; zu Indigo sämmtliche Blau und Violett :
sämmtlichelrrthümer wurden mit Hülfe des rechten Auges
sofort corrigirt. Auf den StilUng^aohen^ für die Btaugelb-
blinden bestimmten Tafeln bezeichnete er sofort die betr.
Buchstaben, in den für «eine Anomalie bestimmten psendo-
isochromatischen Quadraten vermochte er dagegen keine
Buchstaben heranszobringen, da ihm alle Quadrate gleidi-
farbig vorkamen. — Die Prüfung mittels farbiger Sehattea
und des Florpapiers ergab, dassRoth und Grün nur « farb-
los ** oder „ grau "genannt wurde. — Versuche mit farbigen,
rotirenden Scheiben gelangen nur insofern, als die Far-
benringe nur blau, gelb oder grau erschienen, dagegen
konnte man für sein Auge keine Farbenmischung her-
stellen, welche einem aus Schwarz und Weiss componirten
Grau entsprach. — Auf der Dor'schen Tafel wurde selbst
bei grdsster Annäherung Roth als dunkles Gelb, übrigens
aber Roth, Orange und Grün als Gelb gesehen. -— Bei
Tageslicht wurden die durch rothe oder grüne Gläser
gehenden Strahlen meist richtig bezeichnet, dagegen wur-
den diese im Dunkeln transparent beleuchteten Gläser
beide als gelb bezeiehnet , gelbe und blaae aber richtig
erkannt. Der Liohtsinn war belderseltB vollkommen
normal.
b) Die BothbUndheU oder die RothgrünbUnd'
heit mit verkürztem Spectrum, aach DaUoniemvi
(im engern Sinne) genannt Der Rothblinde ver-
wechselt hellrothe Farbentöne mit dunkelgrünen»
Aaf achwarzem Grunde vermag er ein dem apectra-
len Roth gleich geftrbtee Quadrat nicht wahrzuneh-
men. Diese kommt daher, dass sein Speeti'um zwar
auch, wie beim Grttnblinden, aus Gelb und Blau zu-
sammengesetzt ist, aber das Gelb erst im Orange
beginnt, weiter nach links hin sieht er das Spectmm
farblos, in ausgesprochnen Fällen vollständig lioht-
los. Die grösste Helligkeit des Spectmm liegt ffli
ihn ebenfalls im Gelb, aber ein wenig toeiter nach
rechte nach dem Gelbgrün hin, als beim OrOnblinden.
Die Stelle, wo sein gelbes Spectrum mit dem blauen
zusammenstösst , bez. wo sich die neutrale graue
Zone befindet, ist ebenfalls etwas weiter nach rechts
gerückt, so dass sie dem Grünblau des normalen
Farbensinns entspricht.
Bei dem Rothbänden sind also drei wichtige
Punkte: der Anfang des Spectrum , die grösste
Helligkeit und die Grenze zwischen Gelb und Blau
(Jbez. die neutrale Zone) mehr nach rechts ver*
schoben. Nach Hering lässt sich diess auch so
ausdrücken : dasjenige Roth, welches dem Rothgrfla-
blinden = Grau erscheint, erscheint dem Farben-
tüchtigen entweder purpurfarben (bläulich) oder spec-
tralroth (gelblich). Im ersten Falle würde jener zu
der Klasse der Grünblinden, im zweiten zu der Kate-
gorie der Rothblinden gehören. Violett ist für ihn
identisch mit dem Blau, als Blau bezeichnet er auch
Purpur und Carmin oder er erklärt sie, wenn sie
sehr dunkel sind, für tiefgrau oder braun. Während
der Grtlnblinde die Calcium-, Kalium- und Lithinm-
linien wahrnimmt, wenn auch als gelb erklärt, ver-
schwinden dem Rothblinden entweder nur die rothe
Kalium-, oder auch die rothe Lithinmlinie, oder so-
gar die rothgelben Calciumlinien. Die Verkflrzung
kann also nur das Roth, oder auch das Orange be-
G e i 8 s ] e r ^ Aber Farbenblindheit.
101
trefo, oder selbst bis in das Rothgelbe zwischen
C mid D (siehe 8. 74) heranreichen. Die Natrinm-
H.TIuüliDniliDie werden jedoch wahrgenommen, letz-
tere aneh als gelb oder auch als farblos bezeichnet.
Die rothe Uthiiimlinie wird, wenn sie gesehen wird,
HHm doreh grflne Wollen nachgelegt, aber auch
doreh graue oder branne. Die Thalliumlinie wurde
BicbMagBiiB auch oft durch grflne Proben mar-
Idrt, and zwar durch dieselben wie die Lithiumlinie,
Mg aber vermochten die Betreffenden trotz rich-
(ger Bezeichnung des spectralen Gi'ün doch die
Proben nieht herauszufinden, sondern markirten es
fath graue oder braune Töne.
Frey er (a. a. 0.) giebt für einen exquisiten
Rothblhidai folgende Verwechslungsfarben an :
Roth - Ilchtsebwaches Qrfin, Orange -lichtstärkeres
Gifia, Gelb und GelbgrQn-sehr lichtstarkes Grfin, Grfln-
BdiMarkes Roth, Blaugrfin-WeiBB-Graa, Indigo-Violett,
Pviser Roth - Chromgrfin, Zinnoberroth - Kastanienbrauo,
ISetrelroth-Rostbrann-Olivengrün, Fleischroth-G raubraun-
Büolicligrfiii, BoBa-Gtpnlichblau-Blänlichblau, Carmin-
nik - Dnnkelbbuigrnn, Rurpnrroth - Violett - Schwarsbkia,
Orange - Goldgelb - Graamrün - Gelbbraun - Both , Orange-
Grüngelb -Roth, GrfinbUtt- Grau -Violett, ADilinviolett-
Uhnmarlii, Brannroth-Grau, Violett-Schwarz.
Eine äussert genaue Schilderung seiner eigenen
Roäiblmdheit verdanken wir Dr. Hochecker (Arch.
f. Ophthahnol. XIX. 3. p. 1—37. 1873).
Er hält Braunroth, Zinnober und OliveDgrGn =»
Biuii ; Qelbroth, Orange and Grasgrün « Roth ; Oelb-
grib, Goldgelb, Sehwefelgelb u. die welBsliehen Nfianoen
« Qelb ; Gran = Geibgrau ; Weisslichroth , Fleischfar-
beo, WeissUch^n and Weisslichorange «= Gran; Pnr-
ftt, Rosa, Violett, Cyanblau nnd Indigo » Elan. Blau
enehefaie ihm fiberhaapt jeder, bei diffuser Beleachtan$r
gnoaehwan erscheinende Gegenstand. Mit Grün a. Violett
^ase er keine Vorstelinag zu verbinden, gebraacbe daher
nie diese Aasdrücke. Nach P r e y e r (s. oben) wurde der
Skürtgebraach des Wortes „Grün«* auf Grünblindheit
^nten, indessen spricht die Verwechslnng des Zinno-
^oth mit Brann, sowie die genau gemessene Verkur-
nogdes linken Endes seines Spectram bis über die Linie
B beran für RothbUndheit. Die hellste Stelle lag für
Hocheeker im Gelb, die Grenzen seines gelben und
Uaeii Farbenfeldes im Blaagrfin , und zwar lagen sie
tiditaoeioander, ohne eine graue Zone dazwischen, nur
*irde das Gelb vor dem Blau etwas matter. — Mit dem
I'erimeter fanden sich vier verschiedone Stellungen der
^oIb, bei denen ihm mattes Roth unü Blangrün gleich
^>^en, wahrend bei jeder andern Einstellung er die
^en Contrastfarben Blaa und Gelb richtig wahrnahm.
-Von den zahlreich mitgetheilten Versachen H.'s mit
*«B Farbenkreisel sei hier nur zur Cbarakterisirung er-
»fliBt, dass 360» Zinnoberroth ihm ebenso dunkelbraun
J*ien, wie 8« Gelb -|- 362» Schwarz, welche letztere
«Kbong dem gesunden Auge dunkeiolivengrün vorkam,
*W* Grün erschien ebenso gelblich wie 147» Gelb + 118<»
wciBB + 950 Schwarz.
Donders hatte aus den frischesten Tinten von
«*, Orange, €^elb, Grün, Blau and Purpur dureh Ver-
^^«ngang oder Deokang mit Lackfarbe sich 100 Nuancen
"»owsteUt, die er in Form von Streifen an die Peripherie
^ Kreises derart strablenartig befestigte , dass die
^omplementarforben nahezn diametral gegenüber stan-
Jea (Aldi. f. Ophthalmol. XXVn. 1. p. 155 flg. 1881).
fr lieas nna von einem Both- and von einem Grünblinden
^«lich mit Hülfe von Neapelgelb u. Kobaltblau je einen
u? ^' ^'^* innerhalb der hundertfarbigen Peripherie
y^' In illen drei Kreisen entsprachen einander das
"**"te Gelb ond das hellste Blaa voUkommen, aber vom
Gelbnach dem Roth hin enthielt die Nachahmung des Roth-
blinden viel rascher Dankeltöne, während in dem Kreise
des Grünblinden die Verdankelang schneller vom Qelb
nach dem Grün hin zunahm. Vom Blau an nahm die
Verdunkelung bei dem Rothblinden rascher nach der Seite
des Grün, bei dem Grünblinden rascher nach der Seite
des Roth hin zu. Jeder Farbenblinde hielt seine Naoh»
ahmung des Aassenkreises für gelungen, dagegen durch-
aus nicht die des andern Farbenblinden.
Die farbigen Contrastschatten ergeben, wie es
scheint, für Rothblindheit keine von der Grünblind-
heit specifisch verscbiedenen Eigentbümlichkeiten.
Der blaue und der gelbe Contrast wird bei beiden
richtig wahrgenommen, der rothe und der grUne
entweder als dunkel, braun oder grau bezeichnet,
oder er wird aus dem schon oben (S. 94) angege-
benen Grunde ebenfalls als bläulich oder als gelblich
erklärt. Siehe übrigens S. 94 die Prüfung mit dem
„Chromatoskiameter^^
Ein Fall von einseitiger Kothblindheit ist dem
Ref. nicht bekannt geworden.
Die in dem Vorhergehenden möglichst treu her-
vorgehobenen Unterschiede beider Ai*ten der Roth-
grünblindheit ') treten natürlich um so stärker her-
vor, je mehr bei der Rothblindheit das Spectnim
verkürzt und je deutlicher die graue, neutrale Zone
im Grün bei der Grünblindheit ausgesprochen ist.
Die Unterschiede werden sich bezüglich der Ver-
wechslung der Fai*ben um so weniger bemerklich
machen, wenn das Spectrum nur wenig verkürzt ist
und wenn die gelbe und die blaue Emp6ndung im
Grün oder im Grünblau dicht aneinander stossen.
Solche Fälle aber besonders zu schildern, lohnt nicht
der Mühe. Wenn das Zusammenlegen von Proben
die Zweifel nicht zu lösen vermag, so ist daran zu
erinnern, dass unsre Pigmentfarben ja stets mehr-
faches Licht reflektiren, für welches das farben-
blinde unter Umständen empfindlicher ist als ein
gesundes Auge. Man wird daher die Proben, indem
man kleine Abschnitte auf ein Stück schwarzes Zeug
legt, mittels eines Prisma, dessen brechende Kante
parallel der Richtung der Fäden zu halten ist, in
ihre verschiedenen Strahlen zerlegen und darnach
ermessen können, nach welchen sich das anomale
Auge bei seiner Wahl richtet.
Für den Rothgrünblinden hat die farbige Land-
schaft den Charakter einer herbstlichen« Der Sonnen-
untergang, die Fülle unsrer rothen Blumen mit den
Uebergängen nach Blau und Violett lassen ihn
gleichgültig, die gelben und die blauen Blnmen sind
für ihn allein vorhanden, die mannigfachen Grün des
Frühlings sind für ihn nnr gelbe Helligkeitsstufen
t) Ref. will indessen nicht unterlassen, noch hinsnza-
fügen, dass W. Preyer in seiner jüngsten Publikation
(Arch. f. Physiol. XXV. 1 u. 2. p.46 u. 47. 1881) weder
aaf die Lage der neutralen Zone, noch auf die Verkürzung
am rothen Ende einen Werth zu legen geneigt ist. Der
vermeintliche Unterschied der Lage der TrennungsUnie
des gelben und blauen Spectrum bei dem Rothblinden
einer- and dem Grünblinden andrerseits sei nicht grösser,
als er bei einem and demselben Farbenblinden lediglich
nach der Lichtstarke wechsele.
102
GeiBsler, Aber Farbenblindheit
und das satte Grün ^) des Sommers erscheint ihm so
bräanliohgelb wie das gefallene Laub im Herbste.
Seine feine Empfindlichkeit ftlr grau-weiss-blaue Schat-
ten bewirkt^ dass ihm Gletscherlandschaften einen
höhern Reiz als dem Normalsiohtigen gewähren. In-
telligente Farbenblinde sehen Gegenstände in gemisch-
ten Farben wie mit einem darchsichtigen Schleier über-
zogen, so dasSy wie bereits G ö t h e hervorhebt, die eine
Farbe über der andern zu schweben scheint. Dieser
Schleier giebt auch den grauen Farben einen eigen-
thümlichen Schimmer, von dem der Normale keine Vor-
stellung hat. Es scheint, als ob sich bei Farbenblinden
für die verschieden brechbaren Lichtstrahlen eine be-
sondere Accommodation ausgebildet hätte, die sie
befähigt, feine Schattirungen wie mittelst eines
Prisma zu analysiren. So ai'mselig und so be-
dauernswei*th , wie man manchmal das Sehen des
Farbenblinden bezeichnen hört, ist es daher keines-
falls : auch ihnen kann die bichromatische Welt zu
einer Qnelle des Reizes werden , der Gleichgültige
wird natürlich, ebenso wie unter den Vollsinnigen,
die Natur nicht zu empfinden versuchen.
4) Der herabgesetzte Farbensinn. In diese
Gruppe kann man alle diejenigen Abweichungen
rechnen, wo nur quantitative Störungen der Farben-
empfindung vorhanden, bei genügender Grösse der
farbigen Objekte und genügender Beleuchtung aber
keine Irrthümer begangen werden, oder wo Zu-
mischungen von Weiss, Grau oder Schwarz zu einer
Hanptfarbe den Charakter derselben rascher verän-
dern und sie undeutlicher werden lassen, als sie für
das normale Auge sind. Alle diese Störungen sind
aber principiell verschieden von der eigentlichen
Farbenblindheit, bei welcher ja fttr die Farben, die
übrig geblieben sind , ein ganz vortreffliches Unter-
scheidungsvermögen besteht. Wichtiger sind diese
Störungen, wenn sie erst erworben sind, da sie die
Gebrauchsfähigkeit der Augen bei ungenügender Be-
leuchtung ernstlich in Frage stellen können.
Ho Imgren hat, wie schon oben angegeben
(S. 90), als unvollständig Farbenblinde solche Per-
sonen bezeichnet, welche in stark mit Weiss ge-
mischten Farbennttancen nicht mehr die Grundfarbe
zu erkennen vermögen, sondern vorwiegend Grau
oder auch Braun zu sehen glauben. Wilson hat,
wenn auch nicht mit denselben Worten, ganz ähn-
liche Angaben gemacht.
Zu dieser Gruppe kann man, wenn man will,
auch solche Personen zählen, die nur einzelne Theiie
des Spectrnm nicht zu erkennen vermögen. Wie
die meisten Menschen für die ultravioletten Strahlen
unempfindlich sind, so giebt es auch nicht Wenige,
welche sich in dem violetten Theiie nicht gut zurecht
zu finden wissen, sie fassen es nicht, warum man
denselben vom blauen trennt, oder nennen ihn grau,
die übrigen spectralen Farben bezeichnen sie richtig.
1) Homer, der das Verbam ^uXIhv so vielfach variirt
und in sehien Bildern verwendet, ist gewiss kein Grün-
blinder gewesen.
Nicht selten ist auch die Unsicherheit in der Be-
zeichnung Grün und Blau. Bei künstlicher Beleuch-
tung ist bekanntlich die Verwechselung dieser Far-
ben, wenigstens wenn sie gleiche Helligkeit haben,
die Regel. Charakteristisch sind auch die beiden
Ausdrücke in der deutschen Sprache : „StahlgrOn^^
und „Stahlblau'^ ftlr gewisse Zwischenstufen.
Auch kommen zuweilen Absonderlichkeiten vor,
die in keine Theorie passen, z. B. das totale Unver-
mögen Gelb von Weiss zu unterscheiden, von wel-
chem Gintl (a. a. 0. p. 7) zwei Fälle bmchtei
Mehr auf Unkenntniss ist wohl die Verwechslang
von Grau und Braun zu beziehen.
Es wurde schon gelegentlich darauf aufinerksam
gemacht, dass nicht wenige Farbenblinde, falls sie
das volle Spectrum in seiner ganzen Länge, nament-
lich wenn es lichtstark ist, zu übersehen vermögen,
die Grenzen der einzelnen Farben wegen ihrer ver-
schiedenen Helligkeit genau markiren und auch ricii-
tig bezeichnen. Isolirt man aber einzelne Theiie
mittels der Spaltvorrichtung, so vermögen sie die
richtige Bezeichnung nicht zu finden, erklären auch
im Doppelspectroskop die über einander gestellten
Abschnitte Roth und Grün für identisch. Es finden
sich aber auch solche Farbenblinde, welche mittels
isoliiiier farbiger Spectren nicht zu überfahren sind,
ebensowenig als mittels des Polariskops. Es wird
nicht gut angehen, solche anders als ebenfalls zu den
Personen mit herabgesetztem Farbensinn zu zählen,
wenn sie bei der Prüfung mittels farbiger Schatten
in verschiedene Irrthümer fallen, auch durch Fior-
papier die Buchstaben auf farbigem Grund nidit zu
erkennen vermögen, auch die Probe I nach Holm-
g r e n nicht bestehen, zuweilen auch pseudo-isochro-
matische Muster nicht zu sortiren im Stande sind.
Pflflger's wiederholt citirte Beobachtungen ent-
halten mehrere solche Belege. (Fall Nr. 5 und
Nr. 11.)
Endlich sei es gestattet, darauf hinzuweisen, daw
es nicht immer leicht erscheint, zwischen Fehlem
des Sinns und falscher Auffassung zu unterscheiden.
Es giebt Farbenirre im seelischen Sinne, welche
Farbenblindheit vortäuschen, Gonfusionäre von Hans
aus, die sich noch am ehesten dadurch verrathen,
dass sie Fehler begehen, die selbst ein Farbenblin-
der nicht begehen könnte.
Mit unsem Anforderungen an den Farbensiim
der Gesammtbevölkerung ist es fast umgekehrt ge-
gangen als mit den Anforderungen an die Seh-
schärfe. Die Sehweite, die nach Untersuchungen
an Gebildeten als normale bezeichnet und nach der
der Maassstab filr die Probelettem berechnet ist, '
erwies sich als zu kurz, als die Untersucher in die
Gebirgsdörfer kamen oder gar zu den Naturvölkern
und den Bewohnern der Steppe. Da gab es so und
soviel Procent „übernormale'^ Augen, was dodi
eigentlich einen Nonsens bezeichnete. Wenn wir
nun auch mit dem Maassstab des Gebildeten and
mit der Mannigfaltigkeit seiner Farbensprache die
grosse Menge prüfen, so werden wir iwar keine
0 e i 8 8 1 e r , über Farbenbliodheit.
103
JiyperekroiBatopiseheD, aber leicht za viel nnternor-
nJe AogeD finden, iiisbesondere in solchen Gegen-
den, wo weder die Beschftflagung noch die Volks-
tndkt so der Unterscheidang von Farben von Jngend
ufvennlaaBt.
d) Vorkommen der Farbenblindheit und sonetigee
Verhalten der FcarbenbUnden.
Da die erworbene Farbenblindheit einem beson-
ien Capitel vorbehalten ist^ haben wir es hier nur
tä der angebomen zn thnn. Hier sind nun zn-
dchst die Hereditäüverhaltnieae n. die Geschlechts-
virhäUnisee za besprechen.
1) Die angebome totale Farbenblindheit kommt,
toreit die wenigen bisher genau ermittelten Fälle
dkennen lassen, mit seltenen Ausnahmen nur beim
mämUehen Geschlecht vor. Wiederholt waren meh-
rere BrQder mit diesem Uebel behaftet. In dem
oben erwähnten Fall, den v. Wecker mltgetheilt
biiy hatten die drei erstgebomen Kinder aus einer
kakisehen Familie (Geschlechtsangabe fehlt) ein
ttliieehtes Gesicht gehabt ohne nähere Bezeichnung,
& drei nächsten Kinder hatten normale Augen, der
7., 8. und 9. Sohn waren absolut farbenblind , das
ktete Kind hatte wieder normales Gesicht. Die
ültern hatten normale Augen, über die Grosseltern
fehlt die Angabe. Unter den C o h n 'sehen Fällen
ist onr 2mal erwähnt, dass je ein Bruder fai*ben-
liÜDd war.
Soviel dem JRef. bekannt, hatten mit der einzigen
oben erwähnten Ausnahme alle total Farbenblinde
Ulf beiden Angen die gleiche Anomalie.
Die totale Farbenblindheit scheint nicht selten
(danmter die 3 Brtlder bei v. Wecker, ein von
Alfr. Graefe erwähntes 16jähr. Mädchen) mit
}!fitagmu8 verbunden zu sein.
2) Am besten sind die Hereditätsverhältnisse bei
fa Rothgrünblinden studirt. Man wusste hier
Kbon längst, dass die Anomalie vom Grossvater in
te Regel auf den Enkel übergeht , während die
Toebter eines farbenblinden Vaters fast ausnahms-
loB, sehr hänfig auch der Sohn, freibleibt.
Besondere prägnante Beispiele sind mehrere mitge>
fteüt, s. B. von Pliny Earle (Amer. Joam. of med.
Se. April 1845), in welchem Falle in vier Generationen
ai 17 Eben 32 mannliche Sprossen mit 18 Farbenblinden
i 29 weibliche Sprossen mit 2 Farbenblinden stammten.
Ke4. Generation war in 9 Familien getheilt, unter ihnen
21 mianliche mit 9 und 82 weibliche Glieder mit % Far-
bCBblinden (die sn jungen Kinder sind dabei nioht ge-
^^), in diesen Familien kam es einmal vor, dass weder
^ater noch Grossvater die Anomalie hatte, sie aber in
to Urenkel wieder zu Tage trat.
Ferner theilt Homer (entnommen ans J e f f e r i e s
*• &. 0. p. 58 , da das Original nicht zugänglich) zwei
Stsrnrnbanme mit, welche das Ueberspringen der Ano-
Bilie vom Grossvater auf den Enkel dentlich machen.
«
in dem einen stammen von einem hypothetischen,
ni J. 1642 geborenen Stanunvater sieben Generationen
^ 14 farbenblinden männlichen Sprossen. Die De-
Keodenz der Anomalie ist nun der Axt, dass kein weib-
Hcher SprQssling daran litt, dass mit einer einzigen Ans-
tt^ die farbenblinden Väter uormalsichtige Söhne hat-
tea, dass endlich die fkrbenblinden mlinnliehen Glieder
normalsichtige Mütter hatten, aber (den einen Sohn aus-
genommen) stets die Enkel farbenblinder Grossväter
mütterlicherseits waren. Erst in der letzten Generation
schien die Kraft der Vererbung etwas verringert zu sein,
da von den 5 verheiratheten Töchtern eines farbenblinden
Vaters, welche zusammen wieder 7 Söhne und 8 Töchter
hatten, wenigstens die eine unter ihren 3 Söhnen zwei mit
normglem Farbensinn hatte.
Bei dem 2. Stammbaum stammen von einem farben-
blinden Vater 5 norroalsichtige Töchter, von diesen wie-
der hatten 2 nur weibliche Nachkommen (8) mit normalen
Augen, 3 zusammen 18 Kinder, darnnter 6 Söhne (sämmt-
iich farbenblind) und 12 normalsichtige Töchter. Drei
von den Letzteren hatten wieder geheirathet, die eine
hatte 2 farbenblinde Knaben, die zweite 2 farbenblinde
Knaben und 2 uormalsichtige Mädchen, die dritte 3 far-
benblinde Knaben und 1 normalsichtiges Mädchen.
Es stammten daher von dem einen farbenblin-
den Urgrossvater 13 Enkel und Urenkel mit der
gleichen Anomalie, während sämmtliche weibliche
Nachkommen frei geblieben waren, aber sie auf ihre
Söhne übertragen hatten.
Es scheint aber, als ob die Vererbung allmälig
erlösche. Mauthuer erwähnt (a. a. 0. 4. Heft,
p. 250) zum Beweise, dass die Anomalie des Far-
bensinns auch analog andren erblichen Störungen
des Gesichtssinnes verläuft, dass in den Gliedern
einer hochadlichen Familie früher mütterlicherseits
Blindheit erblich war, so dass ein Theil der Nach-
kommen entweder blind geboren wurde oder im
spätem Leben erblindete, diese Neigung zu Amau-
rose war nach und nach erloschen, aber die jetzt
noch lebenden männlichen Sprossen zeigten zum
Theil Farbenblindheit, welche aber auch in dem
jüngsten Nachkommen zurückgetreten war.
Mit der Nachtblindheit verhält es sich ähnlich,
man kennt Beispiele, wo dieselbe seit 200 Jahren
erblich sich in den Familien fortpflanzte (Jahrbb.
CLXXXIV. p. 217). Auch in der Familie des oben
erwähnten Hochecker waren drei Brüder der
Mutter, sein Vetter und sein Neffe ebenfalls farben-
blind. In einem zweiten von Letzterem gelegent-
lich erwähnten Falle waren 2 Brüder, deren Mutter
und der Mutter Bruder farbenblind.
Gohn gedenkt eines farbenblinden Vaters mit
7 normalsichtigen Kindern, der Bruder und der
Vetter seiner Mutter und sämmtliche Söhne seiner
Schwester, aber nicht deren Töchter, waren farben-
blind. — Die Uebertragung auf die weiblichen Glie-
der einer Familie oder von der Mutter auf den Sohn
ist eine Ausnahme. Das oben schon nach G unier
erwähnte Beispiel von Vererbung lediglich auf die
weibliche Nachkommenschaft ist ganz vereinzelt ge-
blieben.
Nicht uninteressant ist, dass der individuelle
Charakter der Rothgrünblindheit bei Gliedern eines
Stammes ausserordentlich übereinstimmt, so dass z. B.
fai'benblinde Brüder nahezu dieselben Fehler machen,
dieselbe Verkürzung des Spectrnm haben, das Pola-
riskop in gleicher Weise einstellen u. s. w.
Das Sehvermögen ist bei Farbenblinden dieser
Art in der Regel sehr gut. Kurzsichtigkeit kommt
natürlich bei solchen auch vor. Nystagmus findet
104
6 e i s s 1 e r y über Farbenblindheit
sich bei Rothgrflnblinden nicht. Die Doppekeitig-
keit ist die Regel, die nur wenig Ausnahmen hat.
Beide Angen zeigen annähernd denselben Grad der
Anomalie, wenigstens konnte Ref, kein Beispiel fin-
den, dass man das eine für rothblind, das andre für
grünblind oder gar für blaublind oder für totalfar-
benblind hätte halten müssen. C o h n , welcher auf
den Farbensinn beider Augen besonders mit ge-
achtet, konnte keine wesentlichen Differenzen fin-
den, auch hat er bei seinen Massenbeobachtnngen
keinen einseitig Farbenblinden entdeckt.
Abstammung aus Ehen unter Verwandten tritt bei
dieser Anomalie in keiner irgendvrie auffälligen
Häufigkeit hervor, so dass solche Ehen wohl kaum
Einfiuss auf die Disposition haben können (Cohn).
3) Die Blaugelbblindheit hat sich bisher noch
nicht als hereditäre Anomalie nachweisen lassen.
Da sie sich aber nicht so leicht veiTäth, auch erst
nur wenige sichere Beobachtungen bekannt sind,
wäre die Heredität noch nicht auszuschliessen.
Konnte doch auch bei der Rothgrünblindheit von
Cohn nichts von den Verhältnissen der Grosseltern
in Erfahning gebracht werden und selbst die An-
gaben über das Vorkommen derselben Anomalie
unter den Geschwistern waren dürftig, da selbst das
Vorkommen unter Brüdern nur 14mal zu constatiren
war. Wenn daher auch darüber nichts bekannt ist,
dass Blaugelbblinde auch Geschwister mit der glei-
chen Anomalie behaftet besessen haben, so wird man
sie vorläufig als ein besonderes Naturspiel betrachten
können.
Einseitige Blaugelbblindheit wurde bisher nur
einmal von Holmgren (Med. Centr.-Bl. 49. 50.
1880) aufgefunden; das fast ausschliessliche Vor-
kommen bei dem männlichen Geschlechte scheint sie
mit den verwandten Anomalien gemeinsam zu cha-
rakterisiren.
Von sonstigen Anomalien des Auges, die gleich-
zeitig mit Blaugelbblindheit vorkommen , ist nichts
bekannt. —
Anhangsweise ist zu erwähnen, dass einzelne
Beobachter bei ihren Farbenblinden auch ein beson-
der mangelhaftes ünterechetdungevermögen für
Töne angeben (Darwin, Preyer z. B.). Viel-
leicht war diess nur ein zufälliges Znsammentreffen,
sehr oft wird überhaupt nicht danach gefragt wor-
den sein und wo diess, wie von Cohn, bei Massen-
untersuchungen regelmässig geschah, war ein beson-
deres musikalisches Ungeschick nur exceptionell.
Ein von Jefferies (a. a. 0. p. 105) erwähnter,
sehr berühmter, noch lebender amerikanischer Dich-
ter ist hochgradig farbenblind und vollständig un-
ßlhig, Töne zu unterscheiden, ist aber fähig, in sei-
nen Gedichten die Welt in der treffendsten , farben-
reichsten Art zu schildern.
Von sonstigen angebomen Abnormitäten am
Körper bei farbenblinden Personen ist dem Ref. bei
der Durchsicht der Literatur kein Beispiel bekannt
geworden.
Auch finden sich unter den FarbenbUnden nicht
häufiger Blondhaarige und Blauäugige als anter der
germanischen Rasse überhaupt.
Der Augenabetand — die Pupillardißtanz —
ist kurz nach einander von Holmgren, Cohn
und Pflüger bei einer grössern Anzahl von Far-
benblinden gemessen worden.
Holmg^ren hat nur Erwachsene gemessen, die
Zahlen schwankten von 54 nnd 69.5 Mratr., genan wie
bei Normalsiehtigen , das Mittel betrag 62.97 Mmtr. bei
jenen, bei diesen 62.64. Cohn fand bei Kindern Distani
der Papillen von 54—62 Mmtr. , bei Erwachsenen von
63-66 Mmtr., Pflfiger bei Kindern 54—62 Mmtr., bei
Erwachsenen 61—63.
Es ist somit erwiesen, dass sich nach dieser Rich-
tung hin keine irgendwie erhebliche Abweichung von
der Norm vorfindet.
Veranlasst waren diese Untersuchungen durch
die Behauptung Niemetsohek's (Prag. Vjhrschr.
C. [XXV. 4.] p. 224. 1868), welcher bei 4 farben-
blinden Erwachsenen einen Augenabstand von ma
49.6 bis 54 Mmtr. gefunden , auch bei einer einsei-
tigen Farbensinnanomalie (Grflnsehen) eine verküm-
merte Entwicklung des betreffenden Stimtheils wahr-
genommen hatte. N. ging dabei auf die altera
phrenologischen Ansichten zurück , auf welche viel-
leicht eme weitere Forschung wieder Rflcksicht neh-
men wird.
Die Angabe von A. Schmidts (Centr.-Bl. f.
prakt. Ahkde. IV. p. 275. 1880), dass in Familien
mit farbenblinden Mitgliedern schwere nervöse SUh
rungen, namentlich auch Epilepsie und geistige
Schwäche f ungewöhnlich häufig seien, steht bisher
ganz vereinzelt da. Alle altem Beobachter erwäh-
nen nichts davon.
e) Die erworbene Farbenblindheit.
Ueber erworbene Farbenblindheit ist in nusern
Jahrbb. wiederholt Mittheilung gemacht worden (z. B.
Qber Galezowski's Arbeiten CXLIV. p. 258,
über Schön 's CLIX. p. 279), so dass eigentlich
nur ein kurzer Rückblick sich nöthig macht.
Bereits Szokalski (a. a. 0. p. 148) hatte e^
kannt, dass bei der erworbenen Farbenblindheit ent-
weder nur die schwarzweisae Empfindungsreihe übrig
geblieben , oder auch nur die Rothgrflnempfindong
alterirt sein könne. Die ophthalmoskopischen Ent-
deckungen der Netzhaut- und Sehnervenleiden brach-
ten binnen Kurzem auch eine feinere Diagnostik der
amblyopischen Erscheinungen zu Stande und somit
ist es ganz natürlich , dass in den 60er und 70er
Jahren zuvörderst dicKenntniss von denerworbeoeo
Anomalien des Farbensinns gefördert wurde.
Da die erworbene Farbenblindheit sich nicht
immer durch auffällige Venwechselungen beim Sor-
tiren von Mustern verräth , so Ist in allen solchen
Fällen eine genaue Prüfung des Sehfelds und der
centralen Sehschärfe, wie oben S. 94—96 angegeben,
unerlässlich. Auch wii-d insbesondere bei erworbe-
ner Farbenblindheit bemerkt, dass das Unterscheiden
in der Nähe noch wenig Mühe macht , während in
0 e i B s 1 e r ) über Farbenblindheit.
105
etwss grosserer Entfemnng Roth nnd Grfln dem
veiaaeD Lichte gleichen.
Nael in Löwen dringt daher mit grosser Ent-
Khiedenheit (Ann. d'Ocalist. LXXXII. [12.S^r. 2.]
1 et 2. p. 64. Joiliet— Aoüt 1879) auf sehr streng«
üntersachnng solcher Kranker nnd verwirft ftlr die-
selbe die Hol mgren 'sehe Methode als nnznver-
llAsig u. trfigerisch. Er erzählt ein Beispiel, wo ein
derartig farbenblinder Bahnwärter das grüne für
hA wüiß Signal gegeben und nor durch ein zufäUi-
ps Nähertreten den verhängnissvollen Irrthum noch
rechtzeitig erkannt u. corrigirt hatte. Derselbe war
o. IJ. früher wegen eines Sehnervenleidens behan-
delt worden, wurde aber erst bei dieser Gelegenheit
gewaiir, dass mit seinem Farbensinn etwas nicht in
OidnoDg sei, ging zu einem Arzte, der ihn aber mit
der Vennuthung, er sei wohl betrunken gewesen,
fortschickte. Der Betrefifende hatte nicht lange da-
Bscfa alle Zeichen progressiver Paralyse.
Sehirmer's Angaben über die Entwicklung
der Farbenblindheit bei Sehnervenleiden sind so
wichtig, dass wir sie nur wenig abgekürzt hier wie-
deigefaen wollen (vgl. Arch. f. Ophthalm. XIX. 2.
p. 194. 1873). Zuerst tritt die anomale Störung
bei der grünen Farbe auf, welche gelb, später grau-
lieh erscheint, während alle andern Farben noch
richtig erkannt werden ; bald aber wird auch das
Roth graulich , unrein gesehen , im Orange wird nur
das Gelb, im Purpur das Blau empfunden. Der
GrOoblindheit folgt somit bald auch die Bothblind-
heit und so kommt es vor, dass Grün, Roth und
Gelb nnd nach der Verdunkelung von Roth und Grün
uch Braun damit verwechselt wird. Violett wird
1^ Dunkelblau gehalten. Roth erscheint nach und
uch ganz wie Grau , ebenso Orange , Purpur , Vio-
lett, dann geht auch die Gelb- und schlüsslich auch
voÜ die Blaaempfindung verloren. Diese Reihen-
folge im Verschwinden der Farben rückt von der
Peripherie nach dem Centrum zu, die Untersuchung
der Fiibenempfindung in der Gegend des centralen
Sehens ergiebt anfangs für gi*össere farbige Objekte
loeh die Norm , nur für kleine ist die Empfindung
geschwächt (vgl. oben die Methode von D o n d e r s
md von Rose, S. 94 und 95). Die früheren
Mittheihmgen von L e b e r (Das. XV. 3. p. 26. 1869)
lümmen fast durchgängig mit dem eben Gesagten
tberdn.
Bei beginnender Tabes ist wiederholt eine ganz
ftslidie Anomalie des Farbensinns — Rothgrün-
blindheit — beobachtet worden.
Unter den umschriebenen Skotomen ist insbe-
Bondere das centrale Skotom fttr die rothe Farbe zu
erwihnen , wie es sich bei der Tabaks- , vielleicht
nch bei der Alkoholamblyopie vorfindet. Auch bei
^hiMscher Netzhauterkrankung wm'den zuweilen
centrale Skotome mit defektem Farbensinn beob-
•chtet.
Aosser diesen Allgemeinerkrankungen chroni-
Kte Natur können auch akute Infektionskrankhei-
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hit.l.
ten ( Typhus , schwere Malaria , Erysipel u. s. w.)
mit einem während der Krankheit selbst nicht nach-
weisbaren Sehnervenleiden einhergehen , welches
dann während oder nach der Reconvalescenz sich in
dem Unvermögen , farbige Objekte in der früher ge-
wohnten Entfernung zu erkennen, zu markiren pflegt.
Sind auch solche Fälle im Verhältniss zur Häufigkeit
akuter Infektionskrankheiten auch nur sehr selten
beobachtet wordeu , so wird es doch gerathen sein,
ein solches Vorkommen nicht ausser Acht zu lassen.
Ferner kommt es auch zuweilen vor, dass in
noch unaufgeklärter Weise der Farbensinn ganz
plötzlich gestört wird , ohne dass , wie es scheint,
sonst ein Symptom einer herabgesetzten Sehschärfe
überhaupt — wie diess doch in den vorher bespro-
chenen Formen erworbener Farbenblindheit der Fall
ißt — immer nachweisbar ist.
Jefferies (a. a. O. p. 51) berichtet nach Tyn-
dall von einer Beobachtung White Cooper's, in wel-
cher ein Seecapitän , der sich die Langeweile mit Sticken
zu vertreiben pflegte, eines Abends die Farben nicht mehr
genau zn nnterscheiden vermochte , Blau war ihm ganz
deutlich , aber Lichtgrün und Scharlachroth , grünes und
rothes Glas erschienen ihm nahezu gleichfarbig, sehr
dunkle Farbentöne bezeichnete er als Schwarz. Gold-
stücke von Silberstücken zn unterscheiden war ihm nicht
mehr mogUoh. Als er mehrere Jahre später einmal durch
ein rothes Glas nach einem elektrischen Lichte sah, freute
er sich sehr , die Empfindung der rothen Farbe wieder
einmal zn haben , doch gelang das Experiment nicht bei
Gaslicht.
Alexander (Arch. f. Ophthalm. XY. 3. p. 103.
1869) führt den FaU eines Reisenden in einem Seiden-
waarengeschäft an , welcher ohne jede Ursache das Ver-
mögen verlor , Farben zu unterscheiden , so dass er z. B.
Scharlach und Braun mit Gelb , Rosa mit Grau verwech-
selte. Die Anomalie ging über das ganze Sehfeld beider
Augen. Noch nach 2 Jahren nannte er die rothe Lithium-
linie grün , die grüne Thalliumlinie roth , erkannte aber
die hellgrüne Galcinmlinie richtig, in seinen Mustern
hatte er so ziemlich gelernt sich zurecht zu finden. Seh-
scharfe und Sehnerv waren ganz normal.
Schirmer erzählt (a. a. O. p. 208), dass einem
SchiiTer, als er in der Nacht nach dem Wachtfeuer spähte,
plötzlich ein Nebel über das Sehfeld zog , und er zwar
Gelb und Blau , aber nicht Blaugrün von Gelb , Orange
und Roth von Grün, Purpur von Blau unterscheiden
konnte; die Sehschärfe war auch beträchtlich herab-
gesetzt und der Sehnerv atrophisch.
Am wichtigsten für unsem Zweck sind aber
schlüsslich diejeuigen Fälle, in denen nach einer
Verletzung (Gehirnerschütterung) der Farbensinn
zeitweilig oder für immer alterirt ist. Bereits Wil-
son wies darauf hin und erzählt, dass ein Arzt nach
einem Sturz vom Pferde nicht mehr im Stande war,
die verschiedenen Schattirungen der Blumen zu unter-
scheiden und ihm Stengel und Blätter eines Rosen-
strauchs gleichfarbig wie die Rose selbst erschienen.
Verschiedene erworbene Anomalien des Farben-
sinns , wie die bei der hysterischen Amblyopie vor-
kommenden Störungen, das Gelbsehen bei Ikterischen,
die Wirkungen des Santonin und einige andere kön-
nen hier, als dem speciellen Zwecke femer liegend,
übergangen werden.
14
106 G e i 8 8 1 e r , Aber Farbenbliadheit.
Aach müssen wir uns hier begnügen , aof jenes jener ÜDgiUcksfall vorzugsweise durch Farbenblind-
dunkle Oebiet des „H^noiismus'* lediglieh hinzu- lieit veranlasst worden sei'' ^). Er hat zunächst in
weisen y auf welchem es unter Anderem auch gelingen seinem Vaterlande diese Angelegenheit mit ausser-
soll (vgl. C 0 hn, Bresl. ärzü. Ztschr. II. 6. 7. 1880), ordentlicher Energie betrieben und seinen Bemühan-
bei gewissen Personen einseitige totale Farbenblind- gen ist es zu verdanken, dass seit Beginn des Jahres
heit, bez. auch Rothblindheit durch gewisse Mani- 1877 der fiahndienst in Schweden nur von Vollsin-
pulationen vorübergehend zu erzeugen. Vgl. Jahrbb. nigen versehen wird.
CXC. p. 81. 86. Zunächst musste natürlich ermittelt werden, in
f) Die praktischen Beziehungen der Farben^ welchem Verhältniss die Farbenblindheit oder spe-
blindheiU ^^^^' ^^^ Rothgrflnbiindheit unter der Bevölkerung
Sind auch in dem Abschnittep. 89 flg. die für f\^^^^' ^^ Untersuchungen Wilson's die
die Praxis wichtigen Untersuchungsmethoden mit- f ^^''^^'' ^f J^^.^° ^"«f ' ^^""^ °^^^* f Jj^
getheilt, so müssen wir uns doch zum Schluss mit kommen. AUerdmgs hatte bereite sei^ 1864 in
der Frage beschäftigen , wie es gekommen ist, dass FM^l^lchDl^ Favre zu^^^ Eisenbahnbeamte,
dem Vorkommen der Farbenblindheit in immer dring- «P**^'/"^ ^**^T """f ^'""^ '^T°/ T ^rf ?""
Ucherer Weise eine erhöhte Bedeutung zugesprochen «epr«*^- Indessenjconnte seine Methode, die unter-
wird. Wenn es sich nur darum handelt, Verkäufer f"^*^'*»^ auf die Nennung der Farben zu basireo,
in Handlangen mit Kleiderstoffen, Schneider, Che- ka«m inaiwsgebend sem, da sie augenscheinlich emen
miker, Maler und Landkaitenzeichner vor den Nach- zu hohen Procentsatz ergab,
theüen eines anomalen Farbensinns bei der Wahl ^^ r^,"*"" wesentlich m Folge von Holm-
eines solchen Beinifs zu warnen, würde kaum Jemand l^ ""^ f^ ^° Deutechland auch noch von S 1 1 1 1 1 n g a
derselben eine grosse Wfchtigkeit beilegen. Bestrebungen nach und nach eine grosse Menge von
Dass die Farbenblindheit auch fllr andere Per- Untersuchujigen in den verschiedensten Ländern an-
sonen einen Nachtheil haben könne, war trotz Wil- S«8tellt worden.
son's Warnung unbeachtet gebUeben. Da eieig- Ohne auf VoÜBtändigkeit A^^ zu erheben,
nete sich Folgendes. ^^^^^° ^'^ ^"* ^'^^ ^^" ^^°^ Umfange des gewon-
In der Nacht zum 15. November 1876 fand bei "^°«° ^/^"^ in den nachstehenden Gruppen zu-
Lagerlunda in Schweden ein Zusammenstoss zweier s^menfassen. Die Einzelheiten sind theib der
Schnellzüge statt, wobei eine Reisende und acht Be- Y^e>*o»t genannten Monographie theds k einem
amte (darmiter der Maschinenführer des einen Zuges) Artikeln, namentlich dem Centr.-Bl. f. prakt. Ahkde.
getödtet, ein Reisender und ein Beamter, abgesehen «"kommen.
von leicht Contusionirten, verletzt wurden. Bei der ») Schüler verschiedener Bildungaamtalim
Untersuchung ergaben sich Umstände, welche Ho Im- wurden untersucht, vornehmlich nach der Holm-
gren „zu der Voraussetzung bei'echtigten , dass gren 'sehen Methode:
Unter- Roth- Grün- Unvollst. ««-.-,- o^..^«
sachte blinde blinde Farbenbl. ®°"™* ^^'^^
„, , A-^«-« • a«i. -j«« J VolksBChüler . . 3664 86 61 79 166 4.54
Ho/m^enu. Anderem Schweden lEiemcntarschüler 8682 83 72 146 300 8.46
Fontenay (Hansen) in Dänemark 1287 11 1 22 34 2.64
Daae in Norwegen 206 8 2 11 21 10.24
Bumett in Amerika (Farbige) 1349 17 3 78 100 <) 7.41
Jefferies in Amerika, 1. Reihe 9303 258 60 63 371 3.90
Jefferi4is in Amerika, vollständige Keihe .... 14469 ? ? ? 608 4.20
Mace and Nieaü in 3 französ. Lyceen 926 _ _ _ 33 3.57
Cohn in Breslau 2429 — — — 95 «) 4.00
Afa^/iujf in Breslau 3273 30 48 20 1073) 3.27
n 1' n ..1 4>...^ « /«f ) Höhere Schulen 1604 — — — 26 1.7
CflW m Frankfurt a/M. . . . | Niedere Schulen lOOO - - - 36 8.6
Just in Zittau 794 21 2 23 2.6
0 IncluB. 2 Violettblinden.
3) Darunter 6 als Yiolettblind, 12 als totalfarbenblind, die Uebrigen als rothgrfinblind beseichnet, obtoU-
ständig Farbenblinde nicht mit aufgeführt.
') Darunter noch 7 Violettblrnde und 2 total Farbenblinde.
Zählt man nur die Roth- und Grttnblinden zu- man sagen, dass die RothgiUnblindheit etwas hflnfi-
sammen, so kamen auf je 100 Schttler in Schweden ger vorkommt, als jene mit dem Namen der nnvoU-
1.96<^/o solcher Farbenblinden, in Dänemark ca. 1%,
in Norwegen fast ö^/o, in Amerika bei den Farbigen ,) ^^ q^^^^ ^^y^^ ^ l^i^^^ ^^^y^^ ^ Per fiber
nach Burnett 1.6%, nach Jefferies 3.40/o, in ein Jahr später vcröffentUchte Bericht in den „Statew
Breslau nach Cohn und Magnus 2.7%. Man Jemvägstraflk för &r 1876« p. 48 , welcher dem Ref. «J»
sieht, die Angaben differiren noch bedeutend, so dass ;"«^^® S"*""! ™.^®^^v »teht macht gar keiae^igsöe
,,.',, ^ ., , . , \ , fiber die Ursache der Collislon. Auch ein weiterer ?«»"
kleme Zahlenreihen von vom herem als nnbrauch- ^ Holmgren's DarsteUung (a. a. O. p. 68): .Fert-
bar anzusehen sein werden. Im Allgemeinen kann gestellt ist, daae die Farbenblindheit üi andern linden
0 e 1 8 s 1 e r y Aber Farbenblindheit.
107
sttodjgen Farbenblindheit bezeichnete Affektion, bei
reicher ohnehin wohl die subjektive Anschaaung
beträchtiieh mit maaasgebend ist. Da«« in niedern
Sebden die Zahl der FarbenblindcB höher ist, wird
TU allen Beobachtern bemerkt; sehr bedentend ist
aber der Unterschied nicht, so dass auch nnr mangel-
hafte Auffassung die Ursache sein kann, dass in den
niedern Schulen sich mehr Farbenblinde fanden.
b) Erwachsene ergaben folgende Ziffern beim
männlichen Geschlecht:
'Studenten . . .
Wehrpfliehtige . .
I Jnoge Leute . .
Holmgren und andere ^EisenlmhnperBonal
■ehwediMlie Aerste \ Seeleute ....
] Soldaten . . .
Fabrikarbeiter . .
Gefangene . . .
jPnnt^^^ Jin d.* Biedern Standen
rofuenasf . . . J i, d^„ hs^^nj gtjüiden
Jefferies, Lehrer und Studenten ....
Unter-
suchte
1623
3752
565
7963
4225
1851
649
321
3072
928
1084
Both-
blinde
8
23
6
45
22
13
9
5
26
12
30
Grfin-
blinde
13
27
7
48
30
20
4
4
13
3
15
UnTollst.
Farbenbl.
26
55.
12
78
42
29
18
9
83
16
15
Summa Procent
47
105
25
171
94
62
31
18
124»)
31
60
3.08
3.81
4.50
2.15
2.22
3.54
4.77
5.60
4.04
3.34
5.54
■) Darunter noch 2 Violettblinde.
Die obigen Beihen worden, wenn man nur die voll-
iüadig Farbenblinden rechnet, auf fast 25000 Unter-
üdite ca. 1.5So/o Rothblinde und Granblinde zusammen
oigebea, bei dem sehwed. Eisenb , -Personal und den
Kkwed. Seeleuten bildeten sie nnr 1.1— 1.2o/o sämmt-
icher Untemiehten.
Die Zahlen differiren auch hier ausserordentUch :
Fönte na 7 hatte in Kopenhagen beim Eisenb, -Personal
Farbenblinde überhaupt : 2.87%, Don der s in Utrecht
€.60*/,, Kr^hn in Finland 5.0o/o, Stilling 6%,
T.Reass in Wien 3.5%. Gintl untersuehte 1682
I von Personal der dsterr.-rumänischen Linien und fand
' duimter 207mal (» 12.3%) Abnormitäten, unter ihnen
ibertaeh 107mal Verwechslung von Blau mit Violett und
j ur 48mal (2.5%) Verwechslung von Roth mit Grün.
Leder er bei öeterreichischen Seelenten fand 4.8% £ur-
bcBhUnd.
Wilson hatte anf 1154 Untersuehte 5.6% Farben-
Uide gehabt, nach den emzehien Kategorien (Soldaten,
Stodenten, Polizeipersonal u. s. w.) differirten die Zahlen
T«2 bis fast 12%. Favre fand anfangs beim Eisen-
, biknpenonaT nur 1.2% Rothgrfinblinde, spater 5.8%
I nd bd Soldaten sogar 9.8% Farbenblinde, doch hat er
\ to letztere Verbältniss durch Abzug von Solchen, welche
bd der Bezeichnung von Farben nur z5gemd verfuhren»
aeh auf 5.8% herabgemindert. FötIs hat auch, wie
Fivre, die Untersuchung auf dieKenntnias der Farben-
ttmen gegrOndet und fand von 500 Seeleuten nicht weni-
ger ab 47 mit Abnormitäten behaftet. E e y s e r in Ame-
rika fimd 3.5% Rothgrfinblinde und 8.5%, welche un-
scher in den Sohattirungen waren.
Ist iu den letzten Beiepftelen zu viel geeohehes, so
telieiiit bei den unter dem dentsob-dstorreleliisehen Bahn-
penond angestellten Untersuehnngen an wenig ermittelt
vHden zu sein. Die Ginti'sdie Tabelle, welehe sich
M Jefferies (a. a. O. p. 270) ahfedraekt lladet, er-
Mte Extrakt Felgendee :
aUreidie und sefawere UnglfioksflUle zur Folge gehabt
hat* enuangelt jeder nahem Angabe , aneh hat sieh Bef.
Teigebens anderwärts nach Beweisen für diese schwere
Beschuldigung umgesehen. Dr. Gintl war so gütig, dem
Beriehtentatter mitzutheilen , dass ihm auch nur ein ein-
^ Beiililel bekannt gewerden sei. Dasselbe betrifft
eineD nn Juli 1876 auf der finnländisohen Bahn zwischen
Hebingfors und Tawastehus vorgekommenen Unglücks-
^1 der durch einen farbenblinden Weichenwärter ver-
*hal mr, weteber Ana einAAntnden Zuge die grüne
'■■^ der rothen Laterne entgegengehalten hatte.
Untersuchung mittels
Stiilings Tafehi allein . .
StiUingsTaf., Spektroskop
oder farbige Papiere
Farbige Game u. Spektro-
skop ......
Golorirte Papiere allein .
Colorirte Tafeln v. Glaser
Laternen
Unter-
suchte
8110
Farben-
blinde
115
Procent
1.42
12894 104 0.81
1514
5799
11960
1167
3
29
62
6
0.20
0.50
0.52
0.51
Zosammen 41444
319
0.77
In &eiZeitg, des Ver. deutsch, Eisenb, -Venooltungen
ist die ofücielleUebersicht abgedruckt (Bd. XIX. p. 1008.
1879), wie sie die aUgemeine Enquöte ergeben hatte :
Unters. Farbenbl. Proe.
Stationsbeamte .... 7266
Bahnmeister n. Adspiranten . 1731
Baufi^er 3475
Weichensteller 13523
Bahnwärter 26055
Lokomotivführer und Heizer 11066
Zugführer, Packer, Schaffner 13646
Standige Arbeiter .... 6360
Sonstige Beamte .... 2866
27
0.37
5
0.29
28
0.81
80
0.59
180
0.69
80
0.72
72
0.53
47
0.74
18
0.63
Hanptsumme 85996 537 0.62
Trotz dieser Menge ist doch ein sehr grosser
Theil des Peraonals nicht untersucht worden. Ein
zuverlässiges Ergebniss haben diese Untersuchungen
nicht liefern können , da die verwendeten Methoden
zu ungleich und augenscheinlich auch nicht genau
durchgeführt waren.
Beim weiblichen Geschlecht haben die Massen-
iintersuchungen nur verschwindend kleine Ziffern
von Farbenblinden ergeben.
Holmgren fand bei 4718 Mädchen nur 1 Roth-
und 1 GrünbHnde und 13 mit unvollständigem Farben-
sinn (— 0.3) und bei 2401 weibl. Erwachsenen nnr
1 Rothblinde u. 4 mit unvollst. Farbensinn. Jef feries
hat bei 7942 Mädchen und Frauen nur 1 Roth-, 1 Grün-
blinde und 2 mit unvollst. Farbensinn gefhnden, was so-
gar nur 5 auf 10000 ergiebt. Wenn Minder unter 846
Schulmädchen 11 Farbenblinde fand, so ist diess gewiss
nnr ein Zufall, wie Ja auch seine Ziffer beim männlichen
Gesohleoht (1429 : 95 — 6.60/0) ungewöhnHcb hoch ist.
Dless ist die eine Seite der Frage. Die andere
Seile aber, die nicht ganz zu übergehen sein dürfte,
ist^ die, in welchem Maasse die Zahl der Betriebs-
^
108
0 e i 8 s 1 e r y über Farbenblindheit
Störungen auf den Eisenbalinen bei der gewaltigen
Ausdehnung derselben und der Steigerung des Be-
triebes seiner Intensität nach Grund zu Befürchtungen
giebty dass der Farbenblindheit eines Theils des Per-
sonals ein nicht unerheblicher Antheil an solchen
Betriebsstörungen und Unglücksfällen zugesprochen
werden müsse.
Angesichts der zahlreichen Möglichkeiten, welche
bei dem Eisenbahnbetriebe die Gesundheit und das
Leben der Beamten und der Reisenden bedrohen,
hat man schon frühzeitig einen Maassstab für diese
Gefahr zu erndtteln gesucht. In Deutschland ver-
danken wir dem Freiherrn M. M. v. Weber die
eingehendsten Arbeiten hieiHber ^). Es ergiebt sich
aus diesen Zusammenstellungen, dass die Gefahr eine
ausserordentlich geringe ist , auch ergiebt ein Ver-
gleich mit den spätem Jahren bis jetzt , dass diese
Gefahr mehr und mehr verringert worden ist. Bei
der Wichtigkeit der Sache möge es gestattet sein,
hierbei einen Augenblick zu verweilen.
Die englische Statistik der Jahre 1840— 1852 ergiebt,
dass aaf je 100 deutsche Meilen betriebener Bahn Jähr-
lich darchschnittlich :
l'9 lerieteteVl ^^° ^^"^ Lokomotivpersonal,
kommen. In den Jahren 1851 — 1858 kamen in Preusaen
auf je 100 deutsche Meilen Bahnlänge jährlich :
?:7 fSS"! ""•" '•«» MawhtaenperBon.!,
In den 3 Jahren 1850 — 1852 kamen in England auf
ca. 232 V2 MiU. Passagiere noch 1814 Getödtete oder Ver-
letzte, d. i. 1 auf 128000 in rander Ziffer. Bedeutend ge-
ringer war Aasgangs der 40er und Anfang der 50er Jahre
die Gefahr für die deutschen Passagiere, da nach der Za-
sammenstellang v. Web er 's nur 29 Getödtete und Ver-
Ein Reisender wurde } ?!*?5'? I von
letzte auf rond 177 Vs Mill. Passagiermeilen >) bei 13 Bah-
nen kamen (1 auf ca. 6 MiU. Meilen oder fast 980000 Pas*
sagiere).
In den Jahren 1863 — 1876 wurden nach den statist.
Nachrichten des Handelsministerinm in Preusaen tob
1384912 Eisenbahnbeamten und Bahnarbeitem 2535 ge-
tödtet (» jährl. 1.83«;^) und 7364 (=jährl. 5.32<»/oo)
verletzt.
Aus den Jahresheften der deutschen Eisenbahnstati-
stik hat Ref. die Unfälle bei fahrenden Zfigen (incl. ihres
Aufenthalts auf den -Bahnhöfen) auf deutschen Bahnen ex-
trahirt, bei welchen Personen verletzt oder getödtet wor-
den sind. Alle Unfälle, die nur Beschädigungen des Ma-
terials zur Folge hatten, sind weggelassen. Eine lOjähr.
Reihe (1868—1877) ergiebt als Ursachen :
Zusammenstösse von Zfigen .... S42
EntgleiBungen 275
Falsche WeiohtasteUnng 138
Zu schnelles Einfahren in die Bahnhöfe 28
Aohsenbrfiehe 34
Andere Ursachen 397
Zusammen 1214
Dabei wurden: a) verletzt b) getödtet
Beisende . . . 647 58
Beamte u. Arbeiter 1390 237
Dritte Personen . 97 26
Zusammen 2134
321
2455
Es kommen demnach in runder Ziffer auf jeden
Unfall bei fahrenden Zügen, welcher überhaupt mit
Gefthrdung von Menschenleben verbunden war,
2 Verletzte incl. Getödtete in dem gedachten Zeit-
räume.
Wie ausserordentlich gering aber die Gefähr-
dung der Passagiere gegenüber der der Eisenbahn-
beamten ist ; wird ersichtlich aus einer der Ztg. des
Ver. deutsch. Eisenb.-Verwalt. (Jahrg. XX. p. 495.
1880) entnommenen Aufstellung :
Ein Beamter wurde
(verletzt (
} getödtet
) verletzt { ^°°
Eine Verunglückung überhaupt kam auf:
Achskflometer
JahresgleislSnge in Kilometern. . .
Da der Umfang der Erde ca. 40000 Kilometer
beträgt, so würde im Durchschnitt der letzten 4 Jahre
diese Länge lOOmal von einer Achse oder von einem
Zug mit 100 Achsen Imal zurückgelegt worden sein,
ehe sich eine einzige tödtliche oder nicht tödtliche
Verletzung ereignet hätte.
Da die Anregung zu dieser Frage von Schweden aus-
gegangen, so darf dieses Land in einer solchen Statistik
nicht fehlen. Laut der Zusammenstellung in der schon
citirten ^StetensJernvägstrafik'* (Jahrg. 1878. p.49) sind
in den 13 Jahren von 1856 — 1878 auf den schwedischen
Staatshahnen 12 Beisende, 49 Beamte und lOmal dritte
Personen verletzt, 11 Beisende (darunter 3 durch eigene
1876.
1877.
1878.
1879.
11830447
10879523
7245559
13058091
2957611
1673484
2717084
1601464
819
703
919
946
183
199
215
200
3819306
4249558
4220325
4052330
18
21
22
21
0 Siehe dessen Schriften : Die Technik des Eisen-
bahnbetriebs in Bezug auf die Sicherheit desselben. 1854.
— Die LebensversicheruDg der Eisenbahnpassagiere etc.
1855. — Die Gefährdungen des Personals beim Maschi-
nen- und Fahrdienst der Eisenbahnen. (Leipzig 1862.
B. Q. Teubner.)
Schuld), 88 Beamte und 91mal dritte Personen getödtet
worden. In dem genannten Zeiträume wurden Cut 36
Millionen Passagiere befördert und 6299651 Zngmeüen
(» 67336970 Küometer) durchfahren. Ein UnfaU bei
den Reisenden kommt daher auf 1564150 Reisende oder
auf 273900 Meilen, ein unverschuldeter auf 3366848 Kilo-
meter. Eine Verletcung beim Personal kam auf ca. 128600,
eine Tödtnng auf 71600 Zugmeilen (» 747910 Kitomtr.
in runder Ziffer).
Jede Verbesserung der Technik in dem Eisen-
bahnbetrieb wird danach in ersichtlicher Weise dein
Eisenbahnpersonal selbst zu Gute kommen , fllr die
Reisenden wird sie bei der ohnehin ganz minimalen
Gefahr kaum bemerkbar sein. Es wird diess hier
nur um deswillen erwähnt y weil anzunehmen is^
dass die Ausscheidung eines einzigen mdgücben
t) BAaa rechnete auf jadeo Passagier 6V4 darohfabraM
Mdlen in Deutschland.
0 e i B 8 1 e r y ttber Farbenblindheit.
109
hkton zur HerbeifÜhrnng von Betriebsstörungen,
vie diesB mileagbar die Farbenblindheit ist, gegen-
über den andern zahlreichen Möglichkeiten y ziffer-
missig vielleicht gar nicht nachweisbar sein wird.
T. Weber widmet (s. die Technik u. s. w.
p. 196 flg.) dem Sifftialtvesen in seiner Bedeutung
für die Sidierfaeit des Betriebs ein ausfuhrliches Ca-
ptteL Er erw&hnt, dass die Gebrüder Chappe in
Fnmkreidi Untersuchungen angestellt haben über
& Entfernung (den Gesichtswinkel) der weissen und
fabigen Ldehtsignale, bei der sie überhaupt sicht-
lir sind. Elr beklagt, dass man keine genaue Sta-
tiriik ttber die Zahl der Unfiüle besitze, welche durch
Miogel der Signale entstanden. Er gedenkt zwar
acht der Farbenblindheit (auch nicht in seiner letz-
tm Sehrift 1862), kennt aber genau verschiedene
ädere Schwierigkeiten, welche sich der Unterschei-
fang faiinger Signale entgegensetzen. Nach seinen
Ao^ben ist es wohl unzweifelhaft , dass die Sicher-
kit des Betriebes zugenommen hat, nachdem die
.dorcbgehenden^ optischen Signale durch die elek-
tRiKhen ersetzt worden sind. Unersetzbar sind aber
nmlehBt noch geblieben die optischen Signale zur
Beseiehnung der örtlichen Zustände der Strecken und
StatioDen und diejenigen, welche der Zug selbst dem
Strecken- oder Stationspersonale zu geben hat.
In Deutschland wird, abgesehen von den meist
doreh die Stellung charakteristischen Tagessignalen,
die freie Bahn durch weisses Licht , die gesperrte
Bshn durch rothes Licht angezeigt, das grüne Licht
iit das Signal flu* „langsam fahren''. Für unsere
Verfalltniase ist es daher eigentlich nicht ganz zu-
treffend, wenn man rothes und grünes Licht als
GegensÄtze betrachtet, richtiger wäre es, die grösste
GeUir der Verwechslang darin zu sehen, überhaupt
ein farbiges Signal fllr ein weisses zu halten (das
wei88e Lieht enthält bekanntlich vorwiegend noch
gelbe Strahlen).
Nun entsteht die Frage : Wenn im Allgemeinen
uf 1000 männl. Erwachsene 25—35 Farbenblinde
icoffimen , und wenn sich dasselbe Verhältniss auch
bei den Eisenbahnbeamten unter der Voraussetzung
eiaer guten u. geschickt ausgeführten Untersuchungs-
Bethode wiederholt, wie ist es zu erklären, dass
nefatviel hänfiger Unglücksfälle im Eisenbahnbetiieb
kommen , dass vielmehr derselbe eine so ausser-
ordentlich grosse Sicherheit bietet, wie thatsächlich
^ anderer Betrieb oder kein anderes Gewerbe,
bei dem es sich um Bewegung oder Fortbewegung
gnmer Lasten handelt?
I Holmgren und Jefferies haben in ihren
[ Vonogntphien diesem Punkte eine grosse Aufmerk-
ttmkeit und ausführliche Darstellung gewidmet. Das
dttüber von ihnen, sowie von andern Autoren Ge-
^ lässt sich in der Kürze etwa folgendermaassen
Die Sicherheit des Betriebes hängt in ei*8ter Li-
tic von der Pünktlichkeit überhaupt ab, bei deren
Einhaltung nach Ort und Zeit von vornherein keine
I VetanUflsang zu Betriebsstörungen gegeben wird.
Nur praktisch geschulte und auch nach ihren
moralischen Eigenschaften für tüchtig befundene
Männer qualificiren sich überhaupt zu solchem Dienste
und werden zu solchem verwendet.
Von den Farbenblinden sind (abgesehen von den
äusseret seltenen total Farbenblinden und Blaugelb-
blinden *) auch noch Diejenigen wohl in der Regel
als unschädlich zu bezeichnen , welche nur als un-
vollständig farbenblind zu bezeichnen waren. Es
bleibt daher ein beträchtlich geringerer Procent-
satz als schädlicher Faktor an und für sich schon
übrig.
Die Rothgrünblinden haben , da es sicli in der
Praxis nur um die beiden Hauptfarben , aber nicht
um Farbentöne oder Schattirungen handelt , bereits
gelernt, die Signale an für den Normalsichtigcu
nicht oder weniger wahrnehmbaren Kennzeichen,
insbesondere der verschiedenen Helligkeit, zu unter-
scheiden.
Es ist wenig wahrscheinlich, dass ein Rothgrün -
blinder , wenn er Signale zu geben hat , die beiden
farbigen Laternen unter sich oder mit der weissen ver-
wechseln wird , da sie sich in der Nähe durch ihm
bekannte verschiedene Helligkeiten sehr deutlich
markiren. Von den Bahnwärtera aus wird daher
nicht so leicht ein verhängnissvoller Irrthum ver-
anlasst werden. Der schon erwähnte Dr. Keyser
fand, dass die ermittelten Rothgrünblinden die rothe
Laterne auf 3 Fuss Entfernung unterscheiden konn-
ten, aber auf 10, 20 oder 30 Fuss die Farbe flir
Grün hielten. Selbst Holmgren hält es für zu-
lässig, solche in ihrem Dienst zu belassen , nur solle
man die von ihnen bedienten Signale zu grösserer
Sicherheit noch mit Buchstaben (R u. G) bezeichnen.
Deijenige, der auf die gegebenen Signale zu
achten hat, also der Maschinenführer und der Zug-
führer, auf grössern Bahnhöfen auch der Stations-
vorstand, läuft als Farbenblinder allerdings weit
grössere Gefahr, sich zu täuschen, da er die Signale
aus grössern Entfernungen wahi*zunehmen hat u. eine
Correktur zu spät sein würde , wenn er nahe genug
ist, die Unterschiede wahrzunehmen. Wenn trotz-
dem auch hier die Gefahren geringer zu sein schei-
nen, als die Voraussetzung es annimmt, so kann man
diess einmal dadurch erklären , dass am Tage dem
Führer in der Regel eine Menge Gegenstände zur
Vergleichung zu Gebote stehen , in der Nacht aber
auch die Stellung der Signale an und für sich, fenier
die üebung in Beurtheilung der Helligkeit deren Un-
terschiede ihm bewusst werden lässt, endlich dass er,
wie das von Dr. M i n d e r erzählte Beispiel beweist,
von seinem Gefährten auf der Maschine in seinem
Urtheil untersttUztwird. Als in dem erwähnten Falle
auch ein neuer Geführte farbenunsicher zu sein
schien , fing der Zustand nach der eigenen Aussage
des Führers an „ungemüthlich" zu werden. Immer
1) Stilling hält Letztere am deswUlen für bedenk-
lich, weil sie Roth, vielleicht auch Grün, in grosserer
Distanz für Weiss halten können.
110
6 e i 8 s 1 e r y über Farbenblindheit.
aber wird dann die Gefahr am drohendsten sein,
wenn er das rothe Licht für ein weisses , weniger
schon, wenn er es für ein grünes hält, der umge-
kehrte Fall kann ihn ja nur veranlassen , den Zug
halten zu lassen. Dass aber ein von Geburt Roth-
grünblinder das rothe oder grüne Signal für weisses
Licht halten sollte, ist zwar möglich, aber doch sehr
unwahrscheinlich, weil auch für ihn wie für den Ge-
sunden die hellste Stelle im Weiss, bez. im Gelb liegt.
Doch ist darin Holmgren vollkommen beizu-
stimmen, dass alle diese glücklichen umstände, welche
im Grossen und Ganzen die Nachtheile der Farben-
blindheit vielleicht in der ganzen Lebenszeit eines
Lokomotivführers nicht hervortreten lassen, doch im
conkreten Fall versagen können. Ungünstige Wit-
terungsverhältnisse, Sturm, Regen und Schnee, be-
sonders Nebel erschweren auch für den Vollsinnigen
den Dienst, wie viel mehr noch für den Farben-
blinden. Schlecht brennende, rauchende Flammen, be-
schlagene Gläser u. s. w. machen es möglich, dass ihn
sein feines Geflihl für Helligkeitsunterschiede im Stiche
lässt, wo der Farbentüchtige sich noch nicht täuscht.
Endlich aber gelten, wie nochmals ausdrücklich
hervorgehoben werden mag, alle die erwähnten
günstigen Umstände nur für den von Kindheit an
Farbenblinden. Wer die Anomalie erst später er-
worben hat, ist unter allen Verhältnissen als absolut
unfähig zu bezeichnen, auch wenn seine sonstige
Sehschärfe noch nicht gelitten hätte. Es mag sein,
dass verhältnissmässig nur selten ein solcher Zufall
sich ereignet, dass gerade ein Bahnbeamter in dieser
Weise befallen wird, — immerhin aber wird mit
vollem Rechte insbesondere von französischen Beob-
achtern darauf gedrungen, eine genaue Untei*suchpng
nach dieser Richtung hin vorzunehmen.
Für den Verhehr auf der See hat die Farben-
blindheit nach der Ansicht von F6ris u. Joffe ries
noch eine grössere Bedeutung. Die Bewegung des
Schiffes seiner Richtung nach wird in der Nacht durch
farbige Laternen angezeigt, von denen die grüne
auf der Steuerbordseite, die rothe auf der entgegen-
gesetzten sich befindet. Eine Verwechslung dieser
Signale kann zu CoUisionen auf offener See fQhren.
Jefferies führt (a. a. 0. p. 161) eine Statistik
von Dr. R o m b e r g in Bremen an , wonach in den
J. 1859 bis 1866 unter 2408 Seeunfällen über 800
in Folge von Versehen des Piloten oder des Capitäns
gezählt werden, von welchen wahrscheinlich mehrere
ilurch Farbenblindheit verursacht wurden. F ^ r i s
weist auch auf die Nothwendigkeit hin, dass der See-
fahrer die Lichter an der Küste richtig zu erkennen
vermöge. Da bei dem Schiffsverkehr es nicht aus-
reicht zur Sicherheit, dass nur die Angehörigen eines
Staates vorbeugende Maassregeln treffen, verlangt
D a a e ein internationales Gesetz hiei'über. Wegen
des Nähern müssen wir auf Cap. 15 der Monographie
von Jefferies verweisen.
Zum Schlüsse sollen noch einige andere für die
Praxis nicht unwichtige Verhältnisse besprochen
werden.
Die Dissimulation von Farbenblindheit ist sehr
häufig, auch bei Soloben, welche nicht etwa der VolU
sinnigkcit zur Ausübung eines bestimmten Berufes
bedürfen. Es geschieht diese Verheimlichung mehr
aus Furcht, sich lächerlich zu machen, als ans andern
Gründen. Dass Eisenbahnbeamte Grand haben,
ihren Fehler zu verbergen , kann man ikoen nicht
verdenken. Um nicht getäuscht zu werden, soll der
Untersucher sich aber nicht mit einer eioaigen Me-
thode begnügen und mag hier nochmals auf das
oben bei den Pulverproben und den v, Reuss'aßheü
Täfelchen Gesagte verwiesen sein.
Simulation von Farbenblindheit kann, wenn sie
sehr geschickt durchgeführt wird , nicht nachgewie-
sen werden. Wer sich mit Hülfe der über Farben-
blindheit veröffentlichten Schriften genau UDtenriclitet
und die Proben selbst einstudirt, wird wohl nicht so
leicht zu überfahren sein. Ungeschickte Siinnlaatea
werden allerdings entdeckt werden, wenn sieaaek
mittels gefärbter Gläser ihre Irrthüaer nicht eorri*
giren zu können behaupten , Stilüt^'s Tafeln a. B.
durch ein rothes Glas nicht lesen können, oder die
von Stilling ausdrücklich zur Entdeckung der
Simulanten bestimmte Tafel (Rosa m Gelbgrün) mcht
entziffern zu können vorgaben.
Schwierig kann es unter Umständen sein, zo
unterscheiden, ob man eine angeborne oder eine er-
worbene Farbenblindheit vor sich habe. Colin
(a. a. 0. p. 269) erzählt von einem 50jähr. Loko-
motivführer, welcher, bei der Untersuchung als farben-
blind entdeckt, zwar 30 Jahre lang keinen Fehler
gemacht hatte, aber nunmehr sofort entlassen wurde.
Der Betreffende behauptete, dass er erst seit 2 Jahren
rothgrünblind geworden, nachdem er längere Zeit
im Schnee stecken geblieben und geblendet worden
sei. Die Farbenblindheit wurde indessen fUr eine
angeborne gehalten, weil das Sehvermögen inUebri-
gen ganz ausgezeichnet, das peripherische Sehen
nicht eingeengt und der Sehnerv ganz normal war ^).
Insbesondere sprach für angeborne Rothgrflnbiind-
heit noch ein von Stilling angegebenes Kenn-
zeichen: ein von Gebuii; an Farbenblinder unter-
scheidet auch bei Magnesiumlicht nicht das rothe nnd
das grüne Spectrum von dem gelben , während die
erworbene Farbenblindheit die Unterscheidung des
Roth vom Grün (der Lithium- von der ThaUinm-
linie) bei dieser Beleuchtungsart gestattet, d. h. so
lange , als sie gewissermaassen nur das Vorläofer-
stadium der Herabsetzung des Lichtsinns überhaupt
daratellt.
Die Heibmg der Farbenblindheit hatte Favre
mit in sein Programm aufgenommen. Wenn man
alle Farbenirren mit unter die Farbenbluiden «Mt,
ist es auch kein Zweifel , dass eine Erziehung des
Farbensinns ganz gute Resultate erzielt. Wo es alcb
0 Cohn's Angabe, dass man bei Jeder erworhenen
Farbenblindheit die Sehnerven mehr oder weniger bw
finde, entspricht übrigens , in dieser Mlgemeinheit ab-
gedruckt, nicht den positiven Angaben anderer snverltf-
eiger Beobachter.
G e ] 8 s 1 e r y Aber Farbenblindheit.
111
Dor um solche Irrthümer handelt wie die Verwech-
selung Ton Violett mit Blau , von Braun mit Roth^
voD Rosa mit Lüa, vielleicht auch von Grün und
Blan , werden solche Verwechselnngen durch eine
Üngere Beschäftigung mit farbigen Objekten ver-
mieden werden können. Anch wissen wir ja schon
iSng^rty dafls echte Farbenblinde sich so einznfiben
venoagen , dass sie so lange keine auffälligen Irr-
tbUmer begehen , als sie nur mit dem ihnen bekann-
teo Material nmgehen, aber sich täuschen, wenn
ikneu diefielben Bgmente auf anderem Material vor-
gele^ w^len. Hierher gehört auch das von Min-
der erslüilte sehr interessante Beispiel, dass ein An-
gestellter in einer grossen Pariser Bandhandlung
wegen seines feinen Geschmacks in Auswahl der
Farben sehr geschätzt war und binnen mehr als
90 Jahren gelernt hatte , seine Einkäufe selbst zu
besorgen^ wiewohl er rothgrünblind war. Diess ist
aber keineswegs als eine Heilung zu bezeichnen.
VieliDehr kann man positiv behaupten, dass ein Roth-
gillobliBder in gleicherweise trotz aller Uebung sein
ganzes Ltcbeo rothgrünblind bleibt. Ein Solclier mit
TerkOrztem Spectrum kann nicht etwa lernen , das
Speetrom unverkürzt zn sehen , eben so wenig wie
etwa ans einem Grflnblinden ein Rothblinder oder
gar ein Blangelbblinder jemals geworden ist. Wie
daher solche Gesehichten zn deuten sind, wie die in
der Pr. Ver.-Ztg. (Nr. 47. 1853) erzählte, wo der
thierische Magnetismus und eine mehrwöchentliche
nach der magnetischen Deklination und Inklination
genan berechnete Lagemng vollständige Heilung er-
adt haben soll, mag dahingestellt bleiben. Die
Bodeme Mystik brachte so viel noch nicht fertig,
wenn sie anch (wie Cohn in der Deutschen Wo-
ebensehr. VI. 16. 1880 erzählt) durch Bedecken des
einen Auges mit der wannen Hand oder einem war-
nen Tnche den Farbensinn des andern auf kni*zc
Zeit bei drei farbenblinden „Medien^^ hervor zu
hypnotisireQ vermochte.
Den Farbenblinden mittels Erzeugung subjek'
dver Nachbilder zu Hülfe zn kommen, ist schon
eitte alte Idee, die gar nicht zn erwähnen, wenn sie
nebt nenerdings von einem Lehrer wieder hervor-
gesnefat worden wäre. Solche Vorschläge fehlen
gerade noch, um das Maass der pädagogischen Sün-
den an den Sinnesorganen unserer Kinder voll zu
machen.
Eine grosse Hülfe im gewöhnlichen Leben kann
sich aber l^tsächlich der Farbenblinde schalen,
wenn er sich in Fällen, wo er seiner Wahrnehmung
meht sicher ist, gefärbter Brillen bedient. Indessen
ist der Aussprach Manthner's, dass dem Roth-
grflnblinden ein rothesGlas die besten Dienste leiste,
in seiner Allgemeinheit nicht richtig. Vielmehr muss,
wie bereits Seebeck der Vater, Wartmann und
insbesondere Wilson ermittelt haben, die geeignetste
Farbe ftlr jeden einzelnen Fall ausprobirt werden.
Ein farbenblinder Chemiker half sich, wie Cohn
erzifalt, bei Erkennong von Reaktionen abwechselnd
mit einem rothen nnd einem grünen Glase. Die Her-
stellung gleichmässig gefärbter Glassoiiien ist übrigens
eine noch nicht gelöste technische Aufgabe. Wilson
bemerkt, dass gerade Farbenblinde für solche Gläser
ein sehr feines ünterscheidungsvermögen besitzen und
z. B. ein dem Normalsichtigen anscheinend gleich
gelb gefärbtes Glas doch für den Farbenblinden ver-
schiedene Wirkung haben könne, je nachdem die
gelbe Färbung durch Uran, Silber, Eisen oder durch
organische Materie hergestellt sei. Die Wilson'-
schen Versuche verdienen nach dieser Richtung hin
von Solchen, denen eine Anzahl intelligenter Farben-
blinder bereitwillig zu Gebote steht, wieder aufge-
nommen zu werden.
D e l b 0 e u f und Spring, von denen der Erste
selbst rothblind ist , haben ermittelt (Extr. des Bull,
de TAcad. roy. de Belgique II. S6r. XIV. 1 u. 4.
1878), dass an Stelle der farbigen Gläser, welche
ja fast stets noch andere farbige Strahlen durch-
lassen, gewisse farbige, zioisc/ien Glasplatten ein-
geschlossene Lösungen den Vorzug verdienen. Del-
boeuf vermochte durch eine Fuchsinlösung rothes
und braunes, sowie blaues und violettes Band zu
unterscheiden, Scharlach erschien flammend u. blen-
dend. Eine Lösung von Nickelchlorür wirkte da-
gegen bei dem normalsichtigen Spring wie eine
Turmalinplatte, er sah Roth =» Braun und Violett =
Blau und alle Farbentöne verloren ihren Glanz.
Diese künstliche Rothblindheit wnrde ebenfalls durch
eine Fuchsinlösnng wieder aufgehoben. Anstatt der
Lösungen kann man auch mit solchen Farbstoffen
gefärbte Gelatine zwischen Platten durchsichügen
Glases einschliessen. Die Versuche gelangen übri-
gens nicht beim direkten Beti*achten der reinen
Spectralfarben durch solche Lösungen : Weder der
rothblinde D e l b o e u f vermochte, durch die Fuchsin-
lösung hindurch das Spectram in seinen natürlichen
Farben zu sehen, noch der normalsichtige Spring
durch die grüne Nickelchlorürlösung es nur zwei-
farbig zu erblicken ; merkwürdig war aber, dass der
Normalsichtige das Spectrum eines glühenden Platin-
drahtes, wenn gleichzeitig das Nickelchloiürlicht
oder das Fuchsinlicht von der Fläche eines Prisma
des Spectroskop reflektirt in's Auge gelangte , nnr
zweifarbig sah, und zwar bei reflektirtem Nickel-
chlorürlicht Goldgelb und Indigo, bei reflektii*tem
Fuchsinlicht dagegen Rothorange und Purpurviolett.
Man schloss daraus , dass Rothblinde ihren Fehler
durch Fuchsin, Grünblinde durch Nickelchlorür ver-
bessern könnten. Es scheint indessen nicht, als ob
diese Voi*schläge zn einem praktischen Resultat ge-
führt haben, sie scheinen eben nur f&r einige wenige
individuelle Fälle Geltung zu besitzen nnd konnten
von Jefferies (a. a. 0. p. 129 flg.) und Andern
in ihrer Wirkung nicht bestätigt werden.
Für Eisenbahnbeamte sind aber diese Methoden,
mittels farbiger Gläser oder Lösungen den Farben-
sinn zn verbessern, nicht zu empfehlen, da es ja bei
ihnen sich gar nicht um das Ericennen von Farben-
tönen nnd Schattirungen in der Nähe handelt. Wenn
ein solcher durch Uebung allein nicht mehr schon
112
6 e i 8 s 1 e r y über Farbenblindheit.
wttsste, als er durch ein rothes oder grünes Olas er-
fährt y dürfte er mit der CoiTektur seines Irrthums
wohl zu spät kommen.
Cohn hat Untersuchungen dai-über angestellt
(Arch. f. Ahklde. VIII. 3 u. 4 ; IX. 1. 1878),
wie sich Sehschärfe und Farbensinn bei Tages-,
Gas- und elektrischem Licht verhalten. Er fand,
dass das elektrische Licht fast stets den Rothsinn um
das 2 — 4fache, den Grünsinn um das 1 ^a — 2*/5fache,
den Blausinn um das ^/^ — l^/^fache, den Gelbsinn
um das 2 — 3fache erhöht, d. h. also, dass farbige
Objekte von gleicher Grösse bei elektrischer Beleuch-
tung um die entsprechenden Maasse weiter erkannt
werden als bei Tageslicht. Auch Rothgrünblinde
erhalten eine Verbesserung ihres Farbensinns. Es
lässt sich erwarten , dass diese Erfahrungen , wenn
einstens unsere grossen Bahnhöfe mittels elektrischen
Lichts erleuchtet sind, auch dem Eisenbahnpersonal,
insbesondere bei dem Rangirdienst, zu Gute kommen
werden.
Der Ersatz des grünen Signals durch blaues
Licht ist mehrfach vorgeschlagen worden, man hofft
dann, dass kein Führer mehr in die GefaJir kommen
werde, eine gesperrte Bahn für eine freie zu halten,
da ja auch ein Rothblinder die rothe und die blaue
Farbe niemals verwechseln wird*). „Our very prac-
tical American people have graduaily discarded the
use of all but red and green lights on the railroads,
with but few exceptions'^ sagt Jefferies (a. a.O.
p. 174), welches farbige Signal aber gewählt wor-
den sei, ist nicht erwähnt. Mauthner bemerkt
in einer spätem Zusatznote iu seinen Vorlesungen,
dass es blaugrünes Licht sei , was an die Stelle des
grünen getreten. Ref. ist der Ansicht, dass man
diese rein technische Frage allein den Sachverstän-
digen überlassen müsse, ob die Signale geändert,
bez. welche an die Stelle der bisherigen zu treten
haben.
Als Radikalmittel hat man selbstverständlich
die Entfernung aller Rothgrünblinden von den ge-
fährlichen Posten im Eisenbahndienst empfehlen müs-
sen, sowie verlangt, dass überhaupt nur Vollsinnige
in denselben von nun an aufgenommen werden. Wir
müssen in Bezug auf die weitern Ausführungen den
Leser auf die Quellen , namentlich auf H o 1 m g r e n
und Jefferies, verweisen und wollen gewisser-
maassen als Probe zum Schlüsse nur noch die Vor-
schläge anfahren, welche in dem Bericht von W a r -
1 0 m 0 n t und M o e 1 1 e r an den belgischen Minister
der öffentl. Arbeiten enthalten sind. Derselbe ist ab-
gedruckt in den Ann.d'0cul.LXXXIV.[12.S^r. 4.]
3 et 4. Sept.— Oct. 1880.
Die bereits im Dienst befindlichen Beamten sind in
drei Kategorien getheilt , je nachdem sie mit dem Fahr-
dienst , dem Streckendienst oder mit den nicht direlit mit
dem Betriebe verbundenen Arbeiten beschäftigt sind.
Alle drei Kategorien soUen gesunde AugenUder haben und
die Angen sollen frei von Congestion oder habitueller
0 Für solche Verwaltungen, welche als drittes Signal
für freie Bahn das weisse Licht haben, hat diese Frage
überhaupt nicht die grosse Bedeutung.
Irritation *) sein , auch sollen sämmtliche ein normales
Gesichtsfeld besitzen. Das Fahrpersonal soll mindesteos
aaf einem Auge eine Sehschärfe von '/s u. einen Farbensinn
von Vsi anf dem zweiten eine Sehschärfe von Vs und einen
Farbensinn von '/s (n. zwar ohne Correktionsglas) haben.
Bei dem Streckenpersonal kann das zweite Auge etwas
weniger sehtüchtig sein , mnss aber auch ein freies Seh-
feld haben. Die erste Kategorie soll eine normale Re-
fraktion haben , für die zweite ist , wenn die Kefraktion
nicht genügt, das Brillentragen obligatorisch. Katarakte
oder andere progressive Augenkrankheiten schliessenvom
Dienst ans. Die dritte Kategorie bedarf nur einer Seh-
schärfe von Va und einer Farbensinnschärfe von nnr «/j.
Jede Person , deren Seh- nnd Farbensinn anf dem einen
Auge nicht i/, nnd nicht 7,0 auf dem andern erreicht, ist
von jedem Dienst auf dem Terrain anszuschlieasen.
Für die Neneintretenden wird ausser vollkommen
normaler Sehscharfe eine Farbensinnscharfe von Vs ver-
langt, falls sie zu dem Fahrdienst treten wollen, dieUebri-
gen müssen mindestens auf einem Auge normale Seh-
schärfe und eine Farbensinnsehärfe von 3/5, auf dem
andern von 2/5 haben. Die übrigen Bedingungen sind die
selben wie bei den schon Angestellten. Jeder Bewerber,
der diese Bedingungen nicht erfuUt, wird definitiv zurücli-
gewiesen.
Als Untersuchungsmethode ist die Ho Imgren 'sehe
WoUenprobe und die Prüfung mit Optometer nnd steno-
päischer Oeffnnng und farbigen Gläsern (s. oben S. 95)
vorgeschrieben.
Eine wiederholte Prüfung findet statt :
a) nach abgelaufenen Augenkrankheiten ;
b) nach Kopfverletzungen u. nach allen Verletzungen,
die mit einer Erschütterung des Gehirns verbunden sind ;
c) nach solchen Krankheiten, welche erfahmng»-
gemäss den Gesichtssinn in Mitleidenschaft ziehen (Ge<
hirnkrankheitdn , Nierenerkrankungen, typhöse, exan-
thematische oder intermittirende Fieber, Hämorrbagien
u. s. W.);
d) nach solchen Vorkommnissen im Betriebe, welche
vermnthen lassen, dass Farbenblindheit mit im Spiele
gewesen ;
e) beim Eintritt ins 45. Lebensjahr und von da an
alle 5 Jahre ;
f ) bei Personen , welche stark rauchen oder dem Ge-
nüsse von Spirituosen ergeben sind, soll eine häufigere
Prüfung stattfinden ;
g) eine summarische Prüfung der Sehschärfe allein
ist alle 2 Jahre vorzunehmen.
Die Kosten für die Untersuchung von 21—22000
Personen sind anf 32000 Francs berechnet.
Wir wollen diese Ausführungen beendigen mit
den Worten eines Fachmanns y des Centralinspektor
Dr. Gintl über das Schicksal Deijenigen, welche
nach den neuen Vorschriften nicht mehr für den
Exekutivdienst tauglich sind.
„Verkehrsbeamte, Condukteure und Bahnwächter
sind zu passenden Geschäften in den Gütermagazinen,
Lokomotivführer in entsprechender Weise in den Maschi-
nenwerkstätten und bei den Dampfpumpen zu verwenden
und selbst alte gediente Wagenschieber oder andere mit
dem Exekutivdienst in Berührung kommende Bedienstete,
denen die sichere u. genaue Kenntniss der Farbensignale
nothwendig ist nnd welche selbe lücht besitzen , könneo
vor der Entlassung dadurch geschützt werden, dass ihnen
irgend ein Posten in einem Materialdepot oder Güter-
magazin eingeräumt wird. Die Zahl der Bothgrfinbündea
ist ja eine verhältnissmässig nicht bedeutende nnd ans
diesem Grunde ist sichere Abhülfe leicht möglich , dabei
wird der Bahnbetrieb nach dieser Richtung vollständig
gesichert, andererseits aber auch der Humanität volle
Rechnung getragen.'*
»)Bei diesen Wind u. Wetter, Frost u. Hitze, Raaeb
und Staub ausgesetzten Leuten wohl kaum denkbar. Bef.
JAHRBÜCHER
der
in- und ausiändischen gesammten MediciD.
Bd. 191.
1881.
M 2.
A. Auszüge.
I. Medicinische Physik , Chemie und Botanilc.
334. Ueber die ohemisohe Zusammen-
setKong des MensohenfettoB in versohiedenen
Lebensaltem ; von Dr. Ludw.Langer in Wien.
(Sits.-Ber. d. k. Akad. d. Wiss. zu Wien Bd. LXXXIV.
Abth. m. Juni 1881.)
Nach Flemmingy Toldt u. Löwe ist das
Fett des Pamucolas adiposus nicht als einfaclie Iniil-
Iration anfzofassen, sondern entsteht erst in der Fett-
selle selbst ; es ist also derselbe als ein selbststän-
% fettbereitendes Organ aufzufassen und anzoneh-
meO) dass das Fett durch denOxydationsproeess der
Fettzelle selbst wieder verbrannt wird und die Pro-
dukte der Verbrennung dem allgemeinen Süftestrom
sagefährt werden. Unter solchen Verhältnissen muss
aoeh die Beschaffenheit jenes Fettes von erhöhtem
bteresse sein, üebt nun gleich auf dieselbe die Er-
oährongsweise und bei Thieren die Mästung für ge-
wöhnlich keinen besondem Einfluss aus, so gilt
äiefig doch nicht hinsichtlich des Lebensalters , bei
dessen Verschiedenheit sich schon ganz beträchtliche
physikalische Unterschiede zwischen den Fetten
vahmehmen lassen. Denn während das Fettgewebe
in der Leiche eines Erwachsenen hellgelb bis bräun-
lieb und sehr weich ist, an der Schnittfläche Oeltröpf-
efaeu und nur selten Krystalle sich zeigen , ist jenes
fowebe bei Neugebomen bedeutend derber und här-
ter, zeigt zahlreiche Krystalle in fast jeder Fettzelle,
Die Oeltröpfchen. Der ganze Panniculns adiposus ist
bei Keugebomen 5mal so dick als bei Erwachsenen,
Bach Dönhof derjenige der im Winter gebomen
Tbiere weit dicker als der im Sommer gebomen.
^tsprechend diesem verschiedenen physikalischen
Verhalten ist nach Vf. auch die chemische Zusam-
mensetzung der Fette des Neugebomen und des Er-
wwhsenen wesentlich verschieden.
Mid. Jahrbb. Bd. 191. Hll. 2.
Schon Heintz, u. vor ihm Chevreul, hatte
das Menschenfett näher untersucht und war hinsicht-
lich der qualitativen Zusammensetzung desselben zu
Ergebnissen gekommen , welche mit denen von Vf.
im Wesentlichen übereinstimmen, doch fehlen bei
ihm nähere Angaben über die Mengenverhältnisse
und die Verschiedenheit der Zusammensetzung des
Fettes beim Erwachsenen und Neugebornen.
Aus den ausführlich mitgetheilten Untei*suchungen
Vfs. ergiebt sich Folgendes.
1) Das Fett des Panniculus adiposus des Neuge-
bomen , sowie des Erwachsenen enthält keine Sub-
stanzen von der Natur des Cetylalkohol. Es besteht
wesentlich aus den Glyceriden der Oelsäure, Palmi-
tinsäure und Stearinsäure, was schon H e i n t z fest-
gestellt hatte. Ausserdem kommen darin noch ge-
ringe Mengen der Glyceride von flüchtigen Fettsäuren
vor, wie auch schon von L e r c h ermittelt wurde.
2) Das Fett des Neugebornen enthält mehr von
den Glyceriden der Palmitinsäure und Stearinsäure,
weniger von dem der Oelsäm'e als das Fett des Er-
wachsenen. Deshalb zeigt dasEindsfett einen höhern
Schmelzpunkt (45^) als das Fett des Erwachsenen
(etwa 380).
3) Der Gehalt beider Fette an Stearin ist nicht
wesentlich verschieden.
4) An Glyceriden von flüchtigen Fettsäuren wa-
ren nur die Butteraäure und Capronsäure nachzu-
weisen. Das Fett des Neugebomen enthält bedeu-
tend mehr von diesen flüchtigen Fettsäuren als das
Fett des Erwachsenen.
Die Menge der Fettsäuren betrugen :
beim Kind beim Erwachsenen
Oelsäure 67.7öVo 89.80%
Palmitinsäure 28.97 8.16
Stearinsäure 3.28 2.04
15
114
I. Mediciniflche Physik, Chemie u. Botanik.
Aus dieser ehem. Zusammensetzung des Fettes
lässt sich die eine Form des Sklerem , d. h. einer
Verhärtung der Haut, erklären, von welcher zuweilen
Neugebome in den ersten Tagen nach der Geburt
befallen werden. Dieses Sklerem ist entweder die
Folge einer serösen Infiltration des Unterhautzell-
gewebes oder wird, was hier in Betracht kommt,
durch eine Erstarrung des Fettes im Panniculus adi-
posus hervorgerufen. Diese Erscheinung ist jedoch
nur als Folgezustand anderer Krankheiten zu be-
trachten, bei welchen es (z. B. durch Collapsus) zu
stärkerer Herabsetzung der Hauttemperatur kommt.
Die Glieder werden dann kalt, steif und imbeweg-
lich und es macht der Körper den Eindruck des Er-
frorenseins. Der Grund hiervon liegt nach Vf. darin,
dass das Fett des Panniculus adiposus, welches bei
seinem Schmelzpunkt von 45^0. schon bei normaler
Hautwärme nicht flüssig, sondern nur weich sein
kann , bei noch stärkerer Herabsetzung der Wärme,
bis zu dem Vorkommen von 32<), völlig erstarrt.
(0. Naumann.)
335. Ein chemisoher IJntersohied zwi-
schen lebendigem und todtem Protoplasma ;
von DDr. Oscar Loew u. Thomas Bokorny.
(Arch. f. Physiol. XXV. 3 u. 4. p. 150. 1881.)
Im J. 1880 hat Loew, von einer Hypothese
über die Bildung des Albumin ausgehend , die An-
sicht aufgestellt , dass im einfachsten Ausdrucke für
Albumin , wie ihn die L i e b e r k ü h n 'sehe Formel
enthält, eine Anzahl von Aldehydgmppen (wahr-
scheinlich 12) vorhanden seien, dass die leichte Be-
weglichkeit dieser Gruppen das Leben und ihre Ver-
schiebung den Tod bedinge, dass mit andern Worten
die Lebenskraft im Wesentlicfien auf die Spann-
kraft der Aldehydgrvppe zurückzufüJiren sei. In
Verfolgung dieses Gedankens waren Vff. seit län-
gerer Zeit bemüht, Aldehydgmppen im lebenden
Protoplasma nachzuweisen , sowie ihr Nichtvorhan-
densein nach dem Tode darzuthun, und diess ist
ihnen in der That mittels einer alkalischen Silber-
lösung gelungen. Bei der ausserordentlichen Em-
pfindlichkeit des lebenden Protoplasma gegen metal-
lische Gifte könnte man bezweifeln, ob überhaupt
lebendes Protoplasma mit einer Höllensteinlösung in
Contakt erhalten werden kann und nicht vielmehr
sofort abstirbt. Vff. fanden jedoch, dass für ihre
Zwecke so ausserordentliche Verdünnungen des ge-
nannten Reagens anwendbar sind, dass an eine Ver-
giftung nnd Abtödtung durch dasselbe absolut nicht
zu denken ist. Es erfolgte vielmehr bei angestörtem
Weiterleben des Protoplasma eine Reaktion, wie sie
normaler zwischen Aldehydgruppen und Silberoxyd
nicht auftreten kann. „Die Micelle oder Tagmen
des lebenden Protoplasma reagirten mit Molekül ßlr
Molekül langsam , bevor die benachbarten Tagmen
davon tangirt wurden und eine Verschiebung ihrer
Aldehydgmppen möglich war, wie es bei einer
eigentlichen Giftwirkung der Fall ist."
Das Reagens wurde auf folgende Weise dargestellt.
Man bereitet sich a) eine Lösung von l^/o Silbemitrat;
b) man verbindet eine Mischung^ von 13 Cctmtr. Kalilaufife
von 1.333 spec.Gew. und 10 Cctmtr. Liq. Ammon. canst.
von 0.964 spec. Gew. auf 100 Cnbilccentimeter. Von
beiden Flüssigkeiten mischt man vor dem Gebrauche je
1 Cctmtr. mit einander nnd verdünnt diese 2 Cctmtr. aaf
1 Liter. Die fertige Mischung vorräthig aufzubewahren,
empfiehlt sich nicht, da aUmälige Silberabscheidnng im
Lichte eintritt. Bei einem Gehalte von 1 Theil Silber-
nitrat auf 100000 Theile Wasser war das Reagens am
braachbarsten , jedoch wirkte es auch noch bei lOmal
stärkerer Verdünnung ganz gut. Die Grenze der Reaktion
liegt bei 1 : 2 Millionen.
Das lebende Protoplasma ist daher ein feineres
Reagens auf Silber als Salzsäure oder Schwefel-
wasserstoff. Die Reaktion wird daran erkannt, dass
man an den der Silberwirknng ausgesetzt gewesenen
Stellen deutliche schwarze Silberabscheidungen wahr-
nimmt, welche vom todten Gewebe nicht, wohl aber
vom lebenden hervorgebracht werden. Bei einer
Verdtlnnnng der Höllensteinlösnng von 1 : 1 Million
bedarf es allerdings eines Zeitraums von 24 Std., um
deutliche Silberbilder zu bekommen. Ausserdem
kommt es natürlich auch anf die Dicke der Mem-
branen des zu nntersuchenden Protoplasma an; so
trat bei Spirogyren wegen ihrer dttnnen Membranen
die Schwärzung viel schneller ein als bei Zygnemen.
Da Aldehydgmppen, welche nach allem Vorhergehen-
den im lebenden Eiweiss als Verursacher der Silber-
reduktion doch angenommen werden mflssen, auch
aus Qold- u. Platinlösungen die Metalle abseheiden,
so wurden mit Natron alkalisch gemachte Lösungen
der Chloride stark verdünnt und so als Reagens
angewendet. In beiden Fällen war in der That
Metallabscheidung bemerklieh , nnd zwar bei Platin
schwächer, bei Gold stärker. Alkalische Kupfer-
und Bleilösungen ergaben dagegen, wie zn erwarten
stand, keine Spnr von Abscheidung. — Auf die
Einzelheiten der Versuche, sowie anf die chemischen
Spekulationen über dieselben können wir hier nicht
eingehen ; es sei nur noch der Schlusssatz angeftihrt,
in welchem Vff. ihre Resultate zusammenfassen.
„Das lebende Protoplasma besitzt in eminentem
Orade die Fähigkeit, die edlen Metalle ans Lösungen
zu reduciren. Diese Fähigkeit geht mit dem Ein-
tritte des Todes verloren. Man darf daraus wohl
den Schluss ziehen , dass die mysteriöse , mit dem
Namen „Leben" bezeichnete Erscheinung wesent'
lieh durch jene reduoirenden Atomgmppen hS'
dingt wird. Nach dem heutigen Stande der Wis-
senschaft erklären wir jene „Gruppen inBewegong'S
jene Triebfedern der Lebensphänomene als Aldehyd-
gmppen." (Kobert.)
336. Stadien über Adipooire; von Dr. Jnl-
K r a 1 1 e r in Graz, (Ztschr. f. Biol. XVL 4. p. 465.
1880.)
Dass es gelingt , aus ganzen Extremitäten oder
grossem Leichentheilen durch Einlegen in Wasser
nnter umständen Adipocirepräparate zn erhalten,
ist eine von Bichat, Gibbes (1794), Günt«
(1827), Quain(1850), Virchow (1852), Taylor
und Andern bewiesene Thatsache. Keiner der ge-
I. Medicinische Physik, Chemie u. Botanik.
115
Baooten Aatoren hat jedoch den allmäligen lieber-
ging makroskopisch nnd mikroskopisch , physika-
iischiiDd chemisch schrittweise verfolgt und darum
Men die Versuche Kratter's eine wesentliche
Lflcke in anerkennenswerther Weise aus.
Die betreffenden Objekte wurden in reine weisse
Cjündergläser eingelegt und mit Wasser übergössen.
Die erste wahrnehmbare Erscheinung der Fettwachs-
biidnng war Starrwerden des Fettgewebes, Es trat
Dteh Smonatlichem Verweilen in den GefUssen auf.
Der Process ging unbehindert vor sich ^ sowohl in
liest Wasser wie in Brunnen- oder Flusswasser.
Selbst thunlichste Beschränkung des Luftzutritts störte
die Bildung nicht. Fast gleichzeitig mit dem Be-
ginne der Fettwachsbildung unter der Haut begann
eise Umwandlung des Knochenmarkes in Adipocire.
Dss Mark wurde trflbe, opak und trat dadurch immer
Micher in den Räumen der spongiösen Knochen
bervor. Allmälig quoll das in den Knochen gebildete
Produkt über die Ebene der Schnittflächen vor und
Khlag sich an denselben nieder. Diese Umwand-
lung des Knochenmarks fand sich auch bei 10 Jahre
tlteo Adipoch-eleichnamen aus den Kirchhöfen. Die
Knoehensubstanz wurde dabei in auffallender Weise
enoeicht gefunden y so dass sie mit dem Messer ge-
schnitten werden konnte.
Bei der mikroskop. Untersuchung der Adipocire-
piiparate kam Vf. auf die interessante Frage des
üebergangs von Eiweiss in Fett. Ueber die Be-
thdUgung der Muskeln an der Adipocirebildung
wtren schon seit den ersten Zeiten der Kenntniss
km Substanz die Anschauungen der Forscher ver-
achieden und sind esnoch heute. Fonrcroy stellte
& Theorie auf, dass durch den Fäulnissprocess der
Muskeln das Ammoniak geliefert werde ^ welches
sich mit den ans der Zersetzung der normalen Fette
ihscheidenden fetten Säuren zu jenen Seifen ver-
binde, aus denen im Wesentlichen das Adipocire be-
atlDde. Thouret (1789) behauptete dagegen, das
Fettwaehs sei gar kein Produkt postmortaler Zer-
Ktzong, sondern fände sich schon zur Zeit des
Lebens gebildet im Menschen vor. Er erklärte das
I^enwachs ftlr einen wallrathartigen Körper nnd
gib an ) dass sich ein ähnlicher aus der Galle , der
Über und dem Oehim des Menschen nnd aller
Thiae ausziehen lasse. Diese unhaltbare Theorie
*vide bald völlig aufgegeben und die spätem For-
Kher Chevrenl, Orfila und Lesnenr, sowie
Gflntz schlössen sich im Wesentlichen der An-
'liluunmg Fonrcroy 's an. Sie Alle betonten die
lleihiahme der Muskeln am Processe der Fett-
vichsbildong, aber nur in beschränktem Sinne. Auf
^ andern Seite sprachen sich zuerst der Anatom
Gibbe8(1794), dannQuain (1850) und Vir-
<^liow (1853); welche sämmtlich ihre künstlichen
^^poeirepräparate dnrch Einlegen von muskelreichen
Extremitäten in Macerirtröge gewonnen hatten ^ auf
^^ ihrer Untersuchungen mit aller Entschieden-
in aus y dass die Muskeln direkt in Leichen-
fett übergehen , dass dieses also ein Umwandlnngs-
produkt des Muskeleiweisses sei. Dem gegenüber
hat bereits 1855 der Ameiikaner W e t h e r i 1 1 die
entgegengesetzte Theorie aufgestellt, dass die Mus-
keln an dem Processe der Adipocirebildung gar kei-
nen Antheil nehmen, sondern dass nur das im Kör-
per vorhandene Fett das Adipocire abgebe , ja dass
sogar ein kleiner Theil des m*Bprünglichen Fettes
bei der Fäulniss verloren gehe, indem es an der
Zeraetzung des faulenden Fibrin theilnehme. Diese
Theorie hatte neben der von der überwiegenden
Majorität acceptirten Quain-Virchow 'sehen auch
fernerhin ihre Bekenner, darunter besonders hervor-
ragende Chemiker, wie Gorup-Besanez, Leh-
mann und Hupp er t und aus der neuesten Zeit
E. Hof mann in Wien.
Will man sich über dieses schwierige Capitel
der pathologischen Chemie eine eigene Ansicht bil-
den, so muss man alle ähnlichen Vorgänge, bei denen
aus Eiweiss Fett gebildet wird , damit vergleichen.
Ein derartiger Vorgang ist 1) das Reifen des
Roquefortkäses, wobei nach Blondeau unter dem
Einflüsse von Penicillium aus Casein Fett wird. Ob-
wohl von Brassier (1865) bestritten, wurde diese
Fettbildung aus Eiweiss von Kemmerich (1867)
bestätigt und auch von Sieber (1880), obwohl
dieser durchaus auf Seiten Brassier 's steht, nicht
widerlegt. 2) Ein analoger Vorgang ist die Bil'-
düng von Fett aus dem Casein der Milch , die
Hoppe (1859) entdeckt und Kemmerich be-
stätigt hat. 3) Ein Auftreten von fetten Säuren
bei der Fäulniss von Eiweiss oder bei Behandlung
desselben mit zerstörenden Agentien beobachtete
schon Fourcroy und bei in Wasser faulendem
Casein fand 1 1 j e n k o Buttersäure u. Valeriansäure
vor. 4) Femer gehört hierher die Bildung von
Fett aus in die Bauchhöhle von Thieren einge-
brachten Organen, wie diess Wagner (1851),
Middeldorpf (1852), Husson (1853), Bur-
dach (1853), Donders und Michaelis (1853)
angegeben haben. In allen diesen Fällen findet ge-
wissermaassen eine Adipocirebildung bei Blutwärme
statt. Ebenso ist die sogen. Verfettung der ausser
Ernährung stehenden Exsudate oder eines abge-
storbenen Fötus nach Voit (1869) als Adipocire-
bildung anzusehen. Der schlagendste Beweis für
die Umwandlung von Eiweiss in Fett ist 5) die
fettige Degeneration , wie aus den. Untersuchungen
von Fick (1842), Rokitansky, Reinhardt
(1847) und Virchow (1847) hervorgeht. Für
das uns hier interessirende Muskelgewebe im Spe-
ciellen ist der Uebergang in Fett von Virchow,
Wittich, Förster, Böttcher (1858), Wachs-
muth, Buhl (1861), Fürstenberg (1864) u.
Boloff (1865) studirt worden. Endlich ist 6) der
Ansatz von Fett aus dem Eiweiss der Nahrung
hierher zu rechnen, den Hoppe schon 1856 wahr-
scheinlich gemacht hat, Voit und Pettenkofer
1862 bewiesen haben. Später ist derselbe Vorgang
von den letztgenannten 2 Autoren (1869 , 1871)
116
I. Medicinische Physik, Chemie n. Botanik.
nochmala, sowie von Eemmerich und Ssabotin
(1866) untersucht worden.
Nach den positiv ausgefallenen Untersuchungen
so vieler Forscher konnte füglich die Adipocirebil-
düng aus dem Eiweiss der Muskeln nicht mehr wun-
derbai' erscheinen und es gelang K ratter denn
auch^ dieselbe unter dem Mikroskop schi'ittweise
zu verfolgen. Die Muskelfasern werden dabei all-
mälig spröde und brüchig; ihre Struktur verliert
sich, indem sie in Schollenreihen übergehen, die nur
noch ungefähr der Form nach an Bruchstücke von
Muskelbündeln erinnern, bis sich daraus entwickelnde
Büschel nadeiförmiger Kiystalle endlich die letzten
Kennzeichen derselben verwischen. Extrahirt man
jetzt das Präparat mit Aether, so lösen sich die aus
Fett bestehenden Kiystalle und man bekommt wie-
der ein mikroskop. Bild der Muskelfasern ; es zeigt
sich jedoch, dass nm* noch die anisotrope Substanz
vorhanden ist , während die isotrope vollständig in
der Fettbildung aufgegangen ist. Die anisotrope
Substanz zeigt dabei entweder noch Querstreifung
oder sie bildet bereits ein ungeordnetes Netzwerk
von Sarcous Clements. Ist danach die Möglichkeit
des Uebergangs von Muskelgewebe in Leichenfett
nun auch sicher bewiesen, so gelang es Vf. leider
nicht, eine Methode zu finden, nach der jedes belie-
bige Stückchen Muskelfleisch unter allen Umständen
in Fettwachs übergeführt werden kann. Nach An-
gabe aller Autoren ist es nämlich auf experimenta-
lem Wege noch nie gelungen, abpräparirte, von Fett
gänzlich befreite Muskeln oder reines Fibrin m Adi-
pocire überzuführen. Schon Gay-Lussac erklärte,
dass gut ausgewaschener, fettfreier Blutfaserstoff nie-
mals in Leichenfett übergehe, und Voit (1869) er-
hitzte Stückchen von frischem Muskelileisch in zu-
geschmolzenen Glasröhren B^/^ Mon. lang auf 40^ C,
ohne eine Zunahme an Fett zu bekommen. K r a 1 1 e r
brachte rein präparirte, von allem anhängenden Fett
befreite Muskeln in Lampencylinder, überband letz-
tere an beiden Enden mit einer doppelten Lage von
Gaze und versenkte sie auf den Boden eines mit
Wasser gefüllten Macerirtroges, durch den ein schwa-
cher continuirlicher Wasserstrom floss ; das einzige
Resultat war jedoch Fäulniss und keine Fettwachs-
bildung. E. sieht sich daher genöthigt, anzuneh-
men , dass die Fettwachabüdung der Muskeln le^
diglich unter der Einwirkung eines spedfischen
Fermentes zu Stande komme.
Hinsichtlich der Knochen in der Adipocire überge-
gangenen Extremitäten ergab sich , dass alle phy-
siologischen Hohlräume der Knochen von einer in
mancherlei Beziehungen eigenartigen Form von Fett-
wachs eifüllt waren. Dieselbe Hess, an ihrem Sitze
untersucht, noch Andeutungen der ursprünglichen
histologischen Grundlage erkennen und wird von Vf.
mit dem Namen Knochenmarkadipocire bezeichnet.
Diese Umwandlung des Markes ging Hand in Hand
mit einer theilweisen Erweichung, d. h. Entkalkung
der Knochensubstanz.
Die Haut anlangend, so ist von selbst klar, dass
bei der Adipocirebildung nur die eigentliche Leder-
haut und das subcutane Gewebe in Betracht kommen.
Die Haut wird gänsehautai*tig und zeigt sich unter
dem Mikroskop zusammengesetzt aus theils amor-
phen, theils von radienfärmig angeordneten, feinen
nadeiförmigen Krystallen dm'chsetzten Schollen be-
stehend, die meist deutlich kugelförmig, vielfach
aber auch abgeplattet und wie eingedrückt erschei-
nen. Zwischen den Schollen sieht man ein angeord-
netes Netzwerk feinster Nadeln oder kleiner Drusen
und Krystallbüschel. Das ganze subcutane Fett-
wachs scheint aus dem im subcut. Gewebe präformir-
ten Fette entstanden zu sein. Das Fettwachs der
Cutis erlaubt eine ähnliche Deutung. Durch' die
Untersuchungen von A. RoUett, Eichwald und
Gorup-Besanez (1878) ist nämlich die Existenz
grosser Mengen von Eiweiss (u. Mucin) im Binder
gewebe, und zwar auch in dem der Haut, nachge-
wiesen worden, diese Eiweisskörper können aber
nach Vf. eben so gut wie das Muskeleiweiss in Adi-
pocire übergehen.
Was die Beiken folge der Fettwachsbildung betrifft,
so sprechen sich die altern Autoren, wie Bichat,
Orfila, Devergie (1829) und Güntz, fast
übereinstimmend dahin aus, dass zuerst die Haut
verseift werde und nachher allmälig die Muskulatur.
Taylor erwähnt zwar einen Fall von frühzeitiger
Umwandlung einzelner Muskeln in Fettwachs , ohne
sich jedoch bestimmt zu äussern, ob Muskulatur
oder Unterhautfettgewebe früher umgewandelt werde ;
C asper und Lim an dagegen sprechen sich be-
stimmt in dem Sinne aus , dass das Muskelgewebe
mit seinen Sehnen und Sehnenscheiden am frühesten
ergriffen werde. Nach Kratter's eigenen Unter-
suchungen verhält sich die Sache folgendermaassen.
Zuerst kommt ein Stadium der Fäulniss oder Vor-
stadium der Fettwachsbildung. Dieses beginnt mit
Aufquellen der Epidermis und Fäulniss des Bete
Malpighi. Die gequollene Oberhaut wird in Blasen
emporgehoben , und geht nach und nach in grossen
Fetzen vollständig ab. Haai*e und Nägel lösen sich
dabei ab. (Ist freilich ein Körper so dicht mit Erde
umgeben , dass die abgehobenen Gebilde nicht ab-
fallen können , so können sie mechanisch dem sich
später bildenden Adipocire wieder angeklebt wer-
den.) Während der Dauer dieses Fäulnissprocesses
entwickeln sich reichlich stinkende Gase. Dieses
Stadium dauert 3 — 4 Wochen. Sein Ende giebt sich
durch Aufhören der Fäulniss, Sistirung der Gasent-
wicklung, vollständige Abhebung der Oberhaut und
freiwilliges Untersinken der vorher emporgetriebenen
Objekte (im Wasser) zu erkennen. 0 asper sah
in einem Falle beginnende Adipocirebildung am rech-
ten Vorderarm u. Oberschenkel bei einer nicht ans-
getragenen, in feuchter Kellererde verscharrt ge-
wesenen Frucht nach 3 — 4 Wochen und erwähnt
diess als ein seltenes Vorkommniss. Taylor theilt
einen Fall mit, wo nach 39 Tagen an den Bauch-
decken beginnende Fettwachsbildung beobachtet
n. Anatomie n. Physiologie.
117
wurde, während nach seinen eigenen Experimenten
dieselbe in der Regel nicht vor 2 Monaten anfängt.
Eb kann demnach die vierte Woche ah der kürzeite
Zeitraum betrachtet werden, in welchem der Pro^
cos der Fettwaefiebildung beginnt,
D9S damit eingetretene zweite Stadium oder die
Periode der beginnenden Verseifung charakterisirt
sdi durch die deutlich wahrnehmbare Umwandlung
k» Unterhantfettgewebes in Adipocire. In der Zeit
fom Ende der 6. Woche an traten in E.*s Versuchen
HD Panniculus erst undeutlich, dann immer bestimm-
ter die Charaktere fertigen Fettwachses hei*vor. Das
sibcatane Fettgewebe verliert dabei seinen Glanz
od wird weiss, undurchsichtig, krümlich und starr ;
km beflihlenden Finger setzt es jetzt einen viel
starkem Widerstand entgegen, als normales Fett-
gewebe. Deutlich sind es die tiefern Schichten,
}gdche zuerst diese Umwandlung erfaliren, Un-
üittelbar der Muskulatur anliegend und von dieser
fthr deutlich durch Farbe und Consistenz sich ab-
hebend, bilden sich die ersten Lagen von Fettwachs.
Die eigentliche Haut, d. h. die Lederhaut, ist zu die-
ser Zeit noch deutlich unterschieden als eine gequol-
lene, grau hyaline, an der Oberfläche mit einem
glasigen Schleime bedeckte Schicht. Es lässt sich
nun genau beobachten , wie von den tiefen Lagen
des Unterhaut/ettgewebes aus der Process pe-
ripher, nach aussen hin fortschreitet. Nach meh-
reren Wochen werden die Grenzlinien der Cutis un-
deutlich ; dieselbe ist als ein viel schmälerer Streifen
sichtbar, wird aber schlüsslich ganz ununterscheid-
bar und bildet mit dem Fettgewebsadipocu^ eine
gleichförmige, weisse, krümliche Masse. Zwischen
dem Ende des 3. und dem 5. Monat ist in der Regel
dieser Process vollendet und die Haut erscheint dann
vollständig verseift. Gleichzeitig mit der Haut geht
das Knochenmark in Adipocire über. Erst dann folgt
als drittes Stadium die Umwandlung der Muskulatur u.
der Eiweisssubstanzen überhaupt in Adipocire. Sie
ist niemals vor Ablauf des 3. Monats wahrnehmbar
und kann selbst nach einem Jahre noch unvollendet
sein.
Zum Schluss macht Kr. noch darauf aufmerk-
sam, dass der Process der Fettwac/isbildung den
der Fäulniss durchaus nicht ganz ausschliesst, son-
dern dass sowohl im Wasser wie in Erdgi*äbern ein-
zelne Köi'pertheile faulen , andere in Adipocire um-
gewandelt werden können. (K o b e r t.)
II. Anatomie u. Physiologie.
337. Ueber den Stillstand der Herzbewe-
gong durch den VerschiuBS der Kransarterien ;
^n den DDr. G. S^e, Boche fontaine und
Roussy. (Compt. rend. 1881. Nr. 2. p. 86.)
Die Vff. operirten an curarisirten Hunden, die
dorch Morphium, od. Chloral, od. Moi*phium u. Chloral
naammen eingeschläfert worden waren oder Datn-
rin während der Curarisation erhalten hatten. Nach-
dem die künstliche Athmung eingeleitet worden war,
worden die beiden Kranzarterien rasch nacheinander
in ihrem Ursprung unterbunden. Im Verlauf von
1 oder 2 Minuten hören die rythmischen Contraktio-
nen, nach einer geringen Verlangsamung, plötzlich
nf nnd werden durch ein mehr oder weniger hef-
tiges Zittern der Muskelbündel des Herzens ersetzt,
di8 besonders stark am rechten Veu!rikel hervor-
tritt. Beide Ventrikel schwellen an, die Herzohren
ÜUIen sich mit Blut und der Puls verschwindet. Es
nr nicht nothwendig, beide Arterien an ihrem ür-
^pnmg zu unterbinden ; wurden nach Unterbindung
der hinteren Coronaria der Ramus auricularis und
^nlricalaris der vorderen unterbunden, so trat der
gleiche Erfolg ein; der inteiTcntrikulare Ast war
liier Doch wegsam geblieben. Die Herzohren zögern
^en Augenblick in ihrer Bewegung, nehmen aber
daninf ihren Rhythmus wieder auf, der erst später
und m langsamer Verminderung erlischt.
Die Unterbindung des Ram. ventricularis der
vorderen Kranzarterie auf der Oberfläche des linken
Ventrikels, ebenso eines homologen Astes der hin-
teren Kranzarterie erzeugte dieselben Erscheinungen ;
dngieieben die Unterbindung der vorderen Kranz-
*^^ allein oder ihrer beiden Hauptäste. Der
Stillstand trat bei der Unterbindung der hinteren
Kranzarterie in einem Fall nach 6 Minuten ein ; in
einem andern Fall verliefen 5 Minuten ohne merk-
lichen Erfolg ; mit der Unterbindung der vorderen
Ki'anzarterien erfolgten sofort unregelmässige Gonvul-
sionen der Kammern. Durchschneidung der Vago-
Sympathici am Halse hat keine Einwirkung auf die
Erscheinung ; ebensowenig Faradisirung des Brust-
endes dieser Nerven, sowie des 1. Brustganglion;
in letzterem Falle traten häufige Contraktionen der
Herzohren ein. Der Stillstand der Cirkulation des
Herzens ändert also die Contraktion der Muskelfasern
in der Weise, dass dieselben zur rh3i;hmischen Con-
traktion unfähig werden. Die Ventrikelfasern be-
finden sich so unter Bedingungen, die jenen ähnlich
sind, welche durch Faradisation entstehen.
(R a u b e r.)
338. Die elasüsohen ElgenBOhaften der
Arterienwand ; von Dr. C h a r l e s S. R o y. (Jour-
nal of Physiology III. Nr. 2. p. 125— 159. 1881.)
Im Laufe von Unteröuchungen über die Form
der Pulswelle hatte Vf. die Nothwendigkeit empfun-
den, Über einige Punkte der Arterienelasticität
experimentellen Aufschluss zu suchen. Die an Er-
gebnissen reiche, im physiolog. Institut zu Strass-
burg theilweise ausgeführte Arbeit weist mit zahl-
reichen Messungen und in graphischer Darstellung
nach, dass die elastischen Verhältnisse der Arterien-
wand den Umständen gut angepasst sind, unter wel-
chen sie beim lebenden Thiere in Wirkung treten.
Als Röhren betrachtet sind die Arterien am meisten
dehnbai' durch einen solchen Innendruck , welcher
118
U. Anatomie u. Physiologie.
während des Lebens des Thieres im Gefässe vor-
handen war. Bei einem gegebenen Thiere ist das
Verhältniss der Volumzunahme zur Druckzunahme
dasselbe in der Aoiiia wie in ihren grossen Aesten.
Diess gilt jedoch nur für den ausgedehnten Zustand.
Im nicht ausgedehnten Zustand ist die Aorta verhält-
nissmässig weiter als die Femoralis und die Caro-
tiden.
Die Elasticität der Arterien wird viel tiefer
durch allgemeine Ernährungsstörungen verändert,
als es gewöhnlich scheint. Langsame febrile Pro-
cesse modificiren die Form der Elasticitätscurve in
höchst auffälliger Weise. Wo Marasmus vor dem
Tode bestand, werden die Arterien relativ weiter
gefunden als normal und sind am meisten dehnbar
durch inneren Druck, der 0 gerade übersteigt. Was
die Wirkung des Alters betrifH;, so ist nur in der
Jugend die Elasticität den Anforderungen des Orga-
nismus vollkommen angepasst
Das Verhältniss der Ausdehnung von Aoiiien-
sti*eifen zu den dehnenden Gewichten blieb fast das-
selbe innerhalb eines Zwischenraums, der sich von
der Kindheit bis zum erwachsenen Alter erstreckt.
Hieraus folgt, dass die Elasticität der Arterien als Röh-
ren zunimmt , bis sie beim Erwachsenen ihren vollen
Durchmesser erreicht haben. Im höheren Alter er-
wiesen sich die Arterien immer weniger geeignet,
den an sie gestellten Bedingungen des Haushalts zu
genügen. (Raub er.)
339. Venae coronariae ventrionli; von
Cand. med. Carl M. Fürst. (Hygiea XLHL 7.
8. 381. Juli 1881.)
Die Untersuchungen, die F. an 11 Leichen von
Erwachsenen und einer Eindesleichc vorgenommen
hat, bestätigen in der Hauptsache Walsham's
Beobachtungen (Joum. of Anat. and Physiol. XIV.
4. p. 399. July 1880), der fand, dass 2 getrennte
Venen der kleinen Curvatur des Magens angehören,
von denen die grössere von rechts nach links gegen
die Kardia hin, die kleinere von links nach rechts
gegen den Pylorus hin geht. Die grössere kommt
von 3 bis 4 Zweigen am Pylorus, von denen einer
mit der Vena pylorica anastomosirt ; sie folgt dem
Verlaufe der Art. epigastrica und mündet, nachdem
sie über die Art. sptenica hinweggegangen ist, in
den Pfortaderstamm. Die kleinere Vene, die V. py-
lorica, die auch durch mehrere ersetzt sem kann, ist
von unbedeutender Grösse und mündet ebenfalls in
die Vena portae. Ebenso stimmen F. 's Unter-
suchungen auch in allen Fällen, ausser in einem, mit
Huschke's Angabe überein, dass die Venen den
gleichnamigen Ai*terien folgen und in den Pfortader-
stamm einmünden. Fürst injicirte meist vom Pfort-
aderstamme aus unterhalb dessen Durchgang durch
das Lig. hepatico-duodenale, nur in 4 Fällen von
der V. mesenterica superior nach aufwärts.
In allen untersuchten Fällen mit Ausnahme von
^inem war die obere Vene die eigentliche Vene des
Magens und diese V. coronaria ventriculi superior
ist, nachdem sie den Rand der kleinen Curvatur ver-
lassen hat, von besonderem Interesse dadurch, dass
sie zu der Bildung desSeptum bursarum omentaliom
(Lig. gastro - pancreaticum) beiträgt, welches den
oberen Rand des Foramen omenti majoris bildet und
duroh welches die vertikale Bursa, worin der Lobu-
lus Spigelii liegt, von der Bursa omenti majoris ge-
trennt wird.
Die Vena coron. ventr. sup. beginnt mit 2 Zwei-
gen in der Nähe des Pylorus. Beide Zweige und
die Hauptvene selbst liegen eingeschlossen in das
Omentum minus an der kleinen Curvatur des Magens
und gehen nach der Kardia hin. Die beiden Zwdge
nehmen zulaufende Venen auf, der eine von der
oben), der andere von der antern Fläche des Ma-
gens, sowie Urspnmgsvenen vom Pylorustractus;
von diesen letzteren Endzweigen steht einer in Ver-
bindung mit der Vena coron. ventr. inferior. Gleich
nachdem die beiden Hauptzweige sich 5 Otmtr. von
der Kardia entfernt vereinigt haben, verlässt die
Hanptvene den Magen; vorher aber nehmen die
Zweige oder die Hanptvene selbst dicht an der
Vereinigungsstelle einen oder 2 grosse Zweige vom
Fundus des Magens auf. Nachdem die Vene den
Magen verlassen hat, tritt sie in die Bildung des
Septum bursainim omentalinm ein und kommt in den
freien Rand der Peritonäalfalte zu liegen ; die Ar-
terie liegt dicht darüber. Die Vene geht im Bogen
nach hinten, unten u. etwas nach rechts, senkt sich
hinter das Tuber omentale des Pankreas, geht hinter
die Art. hepatica und mündet in die Pfortader ; in
1 Falle mündete sie in die V. splenica. Constant
hat F. in die V. coronaria ventr. sup. kleine Venen
einmünden sehen, die theils von der Kardia, theils
vom Omentum minus, auch von der Leberflfiche
kamen. In 1 Falle mündete die V. coron. ventr.
infer. in diese Vene, dicht oberhalb des Eintritts der-
selben in die Pfortader; in diesem Falle bestand
somit nur eine V. coron. ventriculi. Bei der ELinder-
leiche verhielten sich die VV. coron. ventr. ebenso,
es zeigte sich hier sehr schön, wie die Vene den
freien Rand des Septum burs. omenti einnahm.
Die V. coron. ventr. infer. war in 2 von den 12
untersuchten Fällen höchst unbedeutend, m einem
Falle war sie grösser als sonst, erreichte aber doch
keine so grosse Dicke als die beiden Hauptzweige
der V. coron. ventr. superior. In 1 Falle war diese
Vene dadurch erweitert, dass die Vene im Ligamen-
tum gastropancreaticum obliterirt war, und das Blut
durch Anastomosen mit der V. coron. ventr. infer.
sich den Ausweg gesucht hatte; 2 Venen gingen
hier von der Kardia zum Pylorus und anastomosir-
ten, gleich dick, 5 Ctmtr. von der Kardia entfernt,
mit einander; am Ligam. gastro-pancreaticnm war
die vereinigte Venenschlinge, welche die Dicke der
Venenzweige hatte, etwas niedergezogen von Binde-
gewebe und zahh*eiohe Adhäsionen, sowie Verengong
des Foramen burs. omeut. deuteten auf peritonitische
Vorgänge. Die V. coron. ventr. Inf., die mitonter
II. Anatomie u. Physiologie.
119
als ein Zweig zur V. pancreatico-duodenalia zu be-
tnebten zu sein scheint, nimmt auf ihrem Verlaufe
Mm vom Pankreas auf, von letzterem oft, indem
ae dnreh die Drttsenmasse geht. Einmal, wie be-
reits erwähnt, mündete sie in die V. coron. ventr.
sflperior, 2mal in die V. mesent. superior, 5mal in
die Vena portae, 2mal war sie so unbedeutend, dasa
se sich kanm Aber den Pylorus erstreckte und
aciiwerlich als V. coron. ventr. inf. zu rechnen war.
Tarn er hat sie selbstständig in die Leber einmfln-
ka sehen, nachdem sie Zufluss vom Duodenum und
ran Pankreaskopf aufgenommen hatte. Diese Vene
ä demnach äasserst variabel und oft sehr nnbedeu-
tod ond doch ist es diejenige, die durch ihren Ver-
Inf den Beschreibungen entspricht , die man von
kt eigentlichen Vene der kleinen Curvatur des Ma-
|«Bfindet. (Walter Berger.)
340. Ueber die subcutanen Venen der
Tordam Bumpfgegend; von Dr. E. Harry
Fenwick. (Aroh. f. klin. Chir. XXVI. 3. p. 668.
1881.)
Vf. hat seine Untersuchungen unter Prof.
Braune 's I^itnng in Leipzig angestellt nnd ist
^1 zn folgenden Ergebnissen gelangt.
Die bez. Venenzweige bilden ein Netz , aus wel-
diein die Venenstftmme zu den Saugapparaten der
Possa ovalis des Schenkels, der Achselhöhle, der
TeoenwiDkel des Halses nnd der Intercostalräume
gehen. Zur Fossa ovalis ziehen starke Stämme, die
Bit den Achselvenen und den VV. epigastricae pro-
iisdae nnd mamnuiriae intemae zusammenhängen.
Auf der Thoraxfläche zeigt das Venennetz fast qua-
htische Maschen. Der von der Achselhöhle zur
FoBst ovalis gebende Venenstrang hat an beiden
Eaden entgegengesetzt gerichtete Klappen. Die
Veneolste am Bauch hängen mit der V. epigastrica
pnf. zusanmien, bilden Bogen mit neutralem Mittel-
stlek und haben Klappen an beiden Enden. Die
Goliiteralwege der Vena cava sind gegeben in der
V. izygos nnd dem Plexus spinalis. Bei Oblitera-
tioo der Vena cava sind Ektasien der subcutanen
Venen dämm nicht nothwendig, doch kommen sie
"ör. Die VV. epigastricae prof. hängen mit den
Ibinmariae int. zusammen. Das Klappenverhältniss
tilsprieht den vorher genannten. Venenbögen. Im
ienfaralen Mittelstflck erhalten sie Zuflüsse von den
Bnehdecken nnd von der Leber durch Venen, welche
& obliterirte Nabelvene begleiten (Sappey'sche
Venen). Die Intercostalvenen sibd Gefksse, welche
fe y. mammaria int. mit der Azygos verbinden
iBd an beiden Enden entgegengesetzt gerichtete
^>pen tragen. Aus dem neutralen Mittelstück
fammt ein starkes Abflnssrohr zur V. axillaris. Die
WorUder hat starke Collateralwege in den accesso-
'»Aen Pfortadem. Sie hängt ausser andern Ab-
*«en durch Venen am Lig. teres mit den VV. epi-
S>>trieae prof. zusammen und auch mit den Blasen-
^. Emmal gelang es , durch Injektion von der
^^^ifMet aus durch die Sappey'schen Venen neben
dem Abfluss zn den V V. epigastricae prof., auch einen
Weg auf die äussere Seite des Nabels zu finden.
Was die Methode betrifft , so wurden die Venen
von der Arteria cruralis aus mit Leim nnd Berliner
Blan (T hier seh) gefüllt. Nach Bestimmung des
Verlaufs der hauptsächlichen Venenstämme wurden
an nicht injicirten Leichen die Klappen untersucht,
um Über die Stromrichtung klar zu werden; eben
dazu dienten nach den verschiedensten Richtungen
ausgeführte Injektionsversuche mit löslichem Ber-
liner Blau , Wasser und Qlycerin am Venensystem
selbst. (Raub er.)
341. Ueber das Verhalten der Klappen in
den Cruralvenen» some über das Vorkommen von
Klappen in den grossen Venenstämmen des Unter-
leibes; von Prof. N. Friedreich in Heidelberg.
(Morphol. Jahrbb. VII. 2. p. 323. 1881.)
Die Untersuchungen beziehen sich auf die Lei-
chen von 185 Individuen beiderlei Geschlechts und
verschiedenen Alters. Was die Cruralvenen be-
trifft, so fand sich das Vorkommen von Klappen
überhaupt, sowie speciell von sufficienten Klappen
im „obersten Abschnitt^' derselben als ein der Regel
sich näherndes Verhalten (74<>/o) vor. Als oberster
Abschnitt der Craralvene ist der Theil des Gefässes
bezeichnet, welcher vom Poupart'schen Band 5
Ctmtr. nach abwärts reicht. Gewöhnlich fanden
sich in solchen Venen, deren oberster Abschnitt
klappenfrei war, Klappen an einer mehr oder min-
der tiefera Stelle , bis zur Einmündung der V. pro-
funda hin. Ein Mangel an Klappen auch innerhalb
der letztem Strecke wurde bei 185 Leichen 12mal
beiderseits, lOmal nur rechts, 5mal nur links vor-
gefunden, nnter 370 Einzelvenen demnach 39mal
(10.5ö/o)- Unmittelbar über der Mündnng der V.
profunda befanden sich constant, einen Fall ausge-
nommen, Klappen. Meist besteht der Klappen-
apparat ans zwei , selten aus drei Täschchen , ver-
einzelt aus einer Tasche.
Die an den Klappenapparaten vorkommenden
Veränderungen , welche Insufflcienz bedingten , be-
ruhten vorwiegend auf Reduktion der Segel, mit nnd
ohne Verdickung, nie auf Fensterung der Segel. In
9.3<'/o der Fälle, welche überhaupt Klappen im ober-
sten Abschnitt der V. cruralis besassen , konnte In-
sufficienz der Klappen nachgewiesen werden. Das
Vorkommen von Klappen in den VV. iliacae exter-
nae nnd communes war , wenigstens was die erstem
betrifft, kein seltenes, während in der Cava inferior
nie eine Klappe gefunden wurde. Der Satz , dass
mit dem Eintritt der Schenkelvene in das Abdomen
die Klappen sich verlieren, entspricht also nicht den
thatsächlichen Verhältnissen. (Räuber.)
342. Bespirationsversuohe am aohlafenden
Menaohen; von Dr. L. Lewin in Berlin. (Ztschr.
f. Biol. XVIL 1. p. 71. 1881.)
Vf. berichtet über fünf, mit dem Petienkofer'-
sehen Athemapparat im physiolog. Institut zu Mün-
120
in. Hygieine, Diätetik, Phannakologie n. Toxikologie.
chcn aosgef&hrte Versnche. Es galt zu prflfeo, wie
sich die SauerstofTeinDahme und Eohlensäoreabgabe,
sowie das Verhältniss des aufgenommenen zu dem
in der Kohlensäure enthaltenen Sauerstoff (d. h. der
respiratorische Quotient) bei dem Menschen während
des Schlafes gestaltet.
Im tiefen Winterschlaf wird vom Murmelthier
beträchtlich mehr Sauerstoff aufgenommen, als in
der ausgeschiedenen Kohlensäure enthalten ist, so
dass der respiratorische Quotient bis auf 33 herab-
sinkt; es rührt diess wohl von der Ansammlung
noch nicht völlig oxydirter Zeifallprodukte , z. B.
von Glykogen, her. Im ChloraUcklafe und in der
Morphiumnarkose des Hundes findet sich dagegen
bei sehr geringer Kohlensänreansscheidung u. Sauer-
stoffaufnahme (ohne Zufuhr von Kohlehydraten) ein
höherer Quotient als normal, ebenso nach den frühem
Versuchen von Pettenkof er u. Volt beim schla-
fenden Menschen nach tüchtiger Arbeit unter Tags
und nach reichlicher Eiweissaufnahme. Es konnte
diess nur davon heiTühren , dass das aus dem Ei-
weiss abgespaltene Fett bei der Ruhe während dea
Schlafes nicht weiter angegriffen und daher unzer-
setzt abgelagert wird.
Aus den neuen Versuchen am Schlafenden geht
hervor , dass die Abweichungen vom mittlem Quo-
tienten keinenfalls beträchtliche sind , so dass wäh-
rend des Schlafs für gewöhnlich weder eine erheb-
liche Aufspeicherung von Sauerstoff stattfindet wie
beim schlafenden Murmelthier, noch eine Abgabe
von vorher aufgespeicherten; dass also im Grossen a.
Ganzen auch hier die einmal angegriffenen Moleküle
völlig bis in die letzten Ausscheidungsprodukte zer-
fallen. (Raub er.)
III. Hygieine, Diätetik , Pliarmalcologie u. Toxilcoiogie.
343. Die Wirkung einiger Alkaloide auf
die Körpertemperatur; nach Untersuchungen
von Rikfalvi, Nappendruck und Veress
mitgetheilt von Prof. A. Högyes. (Arch. f. exper.
Pathol. u. Pharmakol. XIV. 1—2. p. 113. 1881.)
Die Messungen wurden sämmtlich im Mastdarm
vorgenommen ; die Versuchsthiere waren E^inchen.
ZurFixirungderThiere wurden 3 Methoden benutzt.
Die erste bestand darin, dass nach Czermak Kopf
und Becken bei ausgestreckten Vorder- und Hinter-
extremitftten fixirt wurden. Nach der 2. würde blos
das Becken fixirt bei ausgestreckten Hinterextremi-
täten , während der Kopf frei blieb und die Vorder-
extremitäten in natürlicher Lage befestigt wurden.
Bei der 3. Methode endlich wurde das Becken des
Thieres in natürlicher sitzender Stellung fixirt, wäh-
rend der Kopf frei blieb. Der Abkühlungsverlauf
ist im Grossen und Ganzen bei allen 3 Methoden
derselbe. Als Resultat ergab sich, dass Sirychnin^
Nicotin, Pikrotoxin und Veratrin auf die Körper-
temper atur erhöhend einwirken, Chinin «. Aconi-
tin dagegen vermindernd. Eine unbestimmte Wir-
kung besitzen Muscarin und Curare, indem jenes
ein wenig vermindernd , dieses bald erhöhend , bald
vermindernd zu wirken scheint. (K o b e r t.)
344. Ueber denEinfluss der Alkaloide des
Opium auf den Chemismus der Athmung ; von
S. F n b i n i in Turin. (Moleschott's Untersuch. Xll.
5—6. p. 563. 1881.)
Da durch die beiden bahnbrechenden Arbeiten
von Hans Meyer über das Eisen und über den
Phosphor (Jahrbb. CXC. p. 232) das Interesse der
Pharmakologen auf Blutgasanalysen vergifteter Thiere
gelenkt worden ist , begrüssen wir es als ein glück-
liches Ereigniss, dass fast gleichzeitig damit in Turin
in ganz ähnlicher Weise Untersuchungen angestellt
worden sind.
Unter den zahlreichen Lücken , die in den Stu-
dien über die Opiumalkaloide noch bis in die neueste
Zeit unausgefüllt geblieben waren, war nämlich be-
sonders fühlbar der Mangel an Beobachtungen über
den Einflnss dieser Substanzen auf den Stoffwechsd.
So ist es z. B. noch immer nicht entschieden , ob,
wie Pfeuffer angegeben hat, dem Morphium das
Vermögen zukommt, der Consumtion des Organis-
mus bei der Lungenschwindsucht Einhalt zu thnn.
Weiter haben einige Aerzte, namentlich E ratsch-
mer in Wien (1871) in dem Opium in grossen Do-
sen (1.2 Grmm. Extr. pro die) einen mächtigen Mo-
di6kator der Zuckerharuruhr gefunden zu haben be-
hauptet u. s. w. Genug, es waren theoretische und
praktische Gründe genug vorhanden , zunächst ein-
mal den Chemismus der Athmung beim Gebrauch
von Opiumalkaloiden einer nähern Prüfung zu unter-
ziehen.
Als Versachsthiere dienten Hnnde, KaDinchen, weisse
Wanderratten und Tauben. Die zu prüfenden Stoffe wur-
den subcutan injicirt. Das bei den Versnoben benntxte
Verfahren war dasselbe, welches Fnbini und Mole-
schott bereits bei ihren Studien über den Einflnss des
bunten Lichtes auf die CGj-Exhalation angewandt hatten
(vgl. Jahrbb. CLXXXVn. p. 232).
Das Thier wurde unter eine Glasglocke gebracht, die
mit ihrem abgeschliffenen Bande auf einer ebenfaUs ge-
schliffenen Glasplatte ruhte. Ein Gemisch aus 10 Th.
Talg, 10 Th. Schweinefett und 2 Th. Wachs sicherte die
genaue Anschmiegung des untern Randes der Glasglocke
an die Glasplatte. Der Rauminhalt der Glocke weohselte
von 4 — 12 Liter. An der tubulirten Glocke war oben ein
Pfropf angebracht, durch dessen Achse ein in den Hohl-
raum der Glocke eintauchendes Thermometer und seitlich
2 Glasrohren durchgesteckt waren , deren eine bis anf
den Boden der Glocke reichte und in ihrem Verlaufe mit
kreisrunden Löchern versehen war, während die ändert^
den untern Rand des Pfropfes nur wenig überragte.
Durch die längere Röhre strömte die Luft in die Glocke
ein, nachdem sie vorher durch eine, die Bmchtheile von
1 Liter messende Riedinger*8che Gasuhr, sodann durch
eine mit concentrirter KalUösung gefüllte WouUfsche
Flasche und durch eine mit Chlorcalciumstückchea an-
gefQUte Dumas'sche Eprouvette gegangen war. Bei ihrem
Eintritt in die Glocke, unter der das Thier sich befand,
war also die Luft von Kohlensäure und Wasserdämpfen
befreit. Aus der Glocke strömte sie unter dem Zug»
eines Pumpwerkes durch ein anderweitiges Böhrensystem
in. HygieinC; Diätetik; Pharmakologie u. Toxikologie.
121
IdiniB, wobei sie zunäehst abermals von Wasserdämpfen
befreit wurde nnd sodann ihren Kohlensäuregehalt abgab.
Zu ersfterem Zwecke dienten 2 U-f5rmige Rühren, welche
mit H3SO4 benetzte Glasperlen enthielten. Die Abgabe
derKobleniBäare geschah in 3 weiter folgenden Marchand'*
sehen U-f5rmigen Rohren, welche täglich neu gefallt wur-
den, und zwar die erste mit vorher erhitztem Natronkalk,
die beiden andern mit Aetzkalistückchen. Die Adspira-
tion der Lnft geschah mittels einer Bnnsen'schen Luft-
wasserpampe. Die Versuche wurden bei diffusem Tages-
kkt nnd einer sieh im Gänsen gleichbleibenden Tempe-
ntiir angestellt. Die Versnchsthiere bekamen eine sich
stets gleich bleibende Kost. Jeder Versuch dauerte etwa
S Standen. Die erhaltenen Werthe wurden später auf
100 Onnm. Thier und 24 Stunden Zeit umgerechnet.
HiDsichtlich des Morphium lag eine Arbeit vor
TOB H. V. Boecky deren Ergebniss dahin lautet,
to der Gebrauch von Morphium die Zersetzung der
idekstoffhaltigen Substanzen um ein sehr Geringes
Tennindert. Weiter hatten Bezold n. Gscheid-
len gefunden, dass das Morphium die Respirations-
ficquenz herabsetzt, und aus den Versuchen L e i c h -
te listern 's wissen wir, dass unter dem Einflüsse
des Morphium beim Kaninehen sowohl die Frequenz
ÜB die liefe der Athemzttge sich verringert. Hinsicht-
lich des Einflusses des Morphium auf den Chemis-
D08 der Athmnng endlich liegt nur eine Arbeit von
r. Boeck und Bauer vor. Aus derselben geht
liervor, dass derEinfluss des Morphium auf den Gas-
iostausch bei der Katze und beim Hunde ein diame-
tnl entgegengesetzter ist , indem das Mittel bei der
Katze eine Zunahme der Wasser- und Kohlensäure-
usscheidung u. der Saueratoffaufnahme, beim Hunde
iltgegen eine Herabsetzung dieser 3 Faktoren be-
wirkte. Gerade deshalb dehnte Fnbini seine Un-
tersDchungen auf mehrere Thierspecies aus. Hun-
deo, Kaninehen und Tauben injidrte er O.Ol Grmm.
Morph, muriat, Meerschweinchen und Wanderratten
dagegen nur 0.006 Gramm. Nach diesen Dosen ge-
iug es ihm , bei Hunden und Kaninchen eine ziem-
lich beträchtliche Verminderung der Kohlensäure-
Exhalation zu constatiren, sie betrug 100 : 51 beim
Himde und 100 : 53 beim Kaninchen, wobei unter
100 die Menge der vom normalen Thiere ausge-
Khiedenen GO9 gemdnt ist. Auch bei Meerschwein-
eben wurde unter dem Einflüsse des Morphium dne
starke Abnahme der Kohlensäureausscheidung beob-
Khtet, nämlich von 100 : 79 ; bei der Wanderratte
^egen brachte die Injektion des Mitteis eine Zu-
uhme der Kohlensäureproduktion hervor. Bei der
Tiobe erlitt der Chemismus der Respiration gar
^e Aenderung durch den Einfluss des Morphium,
vag einen neuen Beweis dafür liefert, dass die Vögel
gegen Morphium viel weniger empfindlich sind als
^^thiere. In der That ertragen ja auch Tauben
and Hühner Morphium in Quantitäten, welche einen
erwachsenen Mann tödten könnten.)
Bd den Versuchen mit Codein war die Dosirung
^ea Mittels dieselbe wie bei denMorphiumversuchen.
^ Bxhalation von Kohlensäure sank danach beim
Kaninchen (100:72), bei der Taube (100:76),
Mm Hunde (100 : 85) und beim Meerschweinchen
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hit. 2,
(100 : 84), während bei der Wanderratte eine Aen-
derung derselben nicht stattfand.
Dem Narcein wird unter sämmtlichen Opium-
alkaloiden von Gl. Bernard die stärkste hypno-
tische Wirkung zugeschrieben. Bei gleicher Dosis
sollen die Thiere danach tiefer eingeschläfert wer-
den als durch Godein (von dem 0.05 Grmm. einen
mittelgrossen Hund einschläfern). Der Nai*ceinschlaf
ist nach Gl. B. durch tiefe Ruhe und das Fehlen der
Empfindlichkeit für Geräusche, wie sie beim Mor-
phiumschlafe beobachtet wird, gekennzeichnet. B.
prüfte die Wirkung des Narcein an Hunden, Katzen,
Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Tauben, Sper-
lingen und Fröschen , nnd fand sie durchweg sehr
stark; auch Debout nnd B6hier erzielten damit
am Menschen eine sehr günstige hypnotische Wir-
kung. Andere Aerzte dagegen theilen den Enthu-
siasmus B e r n a r d *s für das Narcein durchaus nicht.
In F u b i n i 's Versuchen bewii'kte O.Ol Grmm. salzs.
Narcein beim Hunde eine Verminderung der COg-
Ausscheidung von 100: 62 nnd beim Kaninchen von
100 : 89. Bei der Taube und beim Meerschwein-
chen wurde kdne bedeutende ModifiJsation der COg-
Exhalation wahrgenommen; bei der WandeiTatte
wurde sie nach 0.005 Grmm. von 100 : 82 ver-
mindert.
Das Narcoün ist eins der noch am wenigsten
untersuchten Opiumalkaloide. Rabutean giebt
an, dass er von dem Salzsäuren Salze dieses Alkaloi-
des bis 0.4 Grmm. eingenommen habe, ohne irgend
eine Veränderung (in seinem Harne) wahrzunehmen.
Fnbini fand, dass es in der Gabe von O.Ol Grmm.
die GO^-Exhalation beim Kaninchen von 100:68,
beim Meerschweinchen und der Taube gar nicht än-
dert , beim Hunde eine Verminderung von 100 : 90
bedingt, während die Dosis von 0.005 Grmm. bei der
Wanderratte eine Vermindenmg von 100:92 her-
beiführt.
Das Thebcin ist nach Gl. Bernard das gif-
tigste Opiumalkaloid ; 0.1 Grmm. des salzsauren
Salzes, in die Venen eines Hundes von 7 — 8 Kilo-
grmm. eingespritzt , tödtete das Thier binnen 5 Mi-
nuten. Fubini hatte öfters Gelegenheit, wahrzu-
nehmen, dass O.Ol Grmm. desselben bei kleinen
Kaninchen nnd Meerschweinchen sehr rasch den Tod
herbeiführte. Eine constante Erscheinung bei den
durch Thebaininjektion vergifteten Tauben waren hef-
tige Brechbewegungen, wie sie nach andern Opium-
alkaloiden nie so regelmässig eintreten. Rabu-
tean nahm von dem Mittel 0.1 Grmm. auf einmal,
ohne erhebliche Aenderungen in seinem Harne nach-
weisen zu können. Zu den Respirationsversnchen
injidrte Fubini Hunden O.Ol, Kaninchen und Tau-
ben 0.005, Meerschweinchen und Wanderratten nur
0.003 Grmm. salzs. Thebain. Danach liess sich bei
Meerschweinchen keine Abnahme, sondern eine Zu-
nahme der COa- Ausscheidung von 100: 118 consta-
tiren ; bei Hunden u. Kaninchen bewirkte das Mittel
zwar eine COa-Verminderung , aber in ziemlich ge-
16
122
III. Hygieinc; Diütetik; Phanoakologie u. Toxikologie.
ringem Maasse ; bei der Taube endlich betrag die
Vermindernng 100:79 und bei der Wanderratte
100:84.
Ueber die BeeinfloBSung des Stoffwechsels durch
Papaverin liegen keine Angaben vor, nur Schroff
giebt an , dass der Harn beim Gebrauche desselben
weder qualitativ, noch quantitativ ge&ndert werde.
Fubini gab von salzs. Papaverin Hunden, Kanin-
chen und Tauben O.Ol, Meerschweinchen u. Ratten
aber nur 0.005 Gramm. Danach vermindeiiie sich
bei der Taube die COg -Ausscheidung von 100 : 79,
beim Hunde und der Hatte von 100 : 90 und beim
Kaninchen von 100:92. Beim Meerschweinchen
war dagegen gar keine Aenderang wahrzunehmen.
Für denArat geht aus dieser Arbeit hervor, dass
Morphium im höhern Grade als alle andern Opium-
alkaloide den Stoffnmsatz zu verlangsamen im Stande
ist, dass daher dieses Mittel bei Kr., die einer schnel-
len CoDSumption unterliegen, also namentlich bei
Phthisikern, unbedingt indicirt isty atieh wenn es
nicht als schmerzstillendes Mittel wirken soll.
(Kobert.)
345. Ueber die therapeutische Verwen-
dung des HyoBcinum hydroohlorieum und
hydrojodioum ; von Prof. Edlefsen und Dr.
Illing. (Med. Centr.-Bl. XIX. 23. 1881.)
Prof. Ladenburg hat aus dem sogen, amor-
phen Hyoscyamin von Merck das reine, von ihm
Hyoscin benannte, Alkaloid dargestellt, welches mit
Jodwasserstofisäure eine krystallinische, mit Chlor-
wasserstoffsäure eine amorphe Verbindung eingeht
Beide Salze sind nach den Versuchen in der unter
Prof. E.'s Leitung stehenden Poliklinik in Kiel sehr
wirksame und zuverlässige Medikamente. In ihrer
Wirkung, welche bei dem Hyosc. hydrojod. etwas
stärker hervortritt , stehen beide Satee dam Atropin
am nächsten. Ob und wie weit sie sich von diesem
in Bezug auf die Qualität der Wirkung unterscheiden,
können Vff. noch nicht bestimmen. Bei gewissen
Krankheitszuständen , bei denen das Atropin mit
wechselndem oder zweifelhaftem Erfolg zur Verwen-
dung kommt, scheint jedoch das Hyoacin und beson-
ders das Hyosc. hydrojod. eine mehr conatante
und sichere Wirkung auszuüben, tbeils vielleicht,
weil man dasselbe in verhältnissmässig grössern Do-
sen als das Atropin. sulph. ohne üble Nebenwirkun-
gen geben kann, theils auch vielleicht, weil dem
Hyoscin in mittlem Gaben ausser den bekannten
Wirkungen des Atropin noch eine beruhigende,
schlafinachende Wirkung zukommt. Uebrigens be-
stehen auch bei dem Hyoscin in Bezug auf die Tole-
ranz individuelle Verschiedenheiten.
Als Einzeldose verwendeten Vff. bei Erwachse-
nen 1.2Mgrmm. der Base =0.0018 Hyosc. hydro-
jod. (Lösung von 0.045 : 100, theelöffelweise). Die
Dosis von 1.5 Mgrmm. Hyoscin in Form des Hyosc,
hydrojodicum rief bei einem erwachsenen Kr. Uebel-
keit und Trockenheit im Halse hervor. Bei einem
Kr., der 30 Minuten nach dem Einnehmen von
1.8 Mgmm. dieselbe Dosis von Hyosc. hydnjod.
nahm, traten Vergiftungserscheinungen (Delirien,
Sehstörungen, Trockenheit im Halse, Unsicherheit
des Ganges) auf, während derselbe früher von dem
H. hydrochl. amorph, fast die vierfache Dosis ohne
Schaden genommen hatte. — Bei einer jugendlichen
weiblichen Kr. rief schon die Dosis von 1 Mgrmm.
der Basis, Abends genommen , leichte Accommoda-
tioBSstöruBgen hervor, die sk)h noeh in den ersten
Morgenstunden bemerkbar machten. Vff. haben
beide Salze — selten mehr als 2mal täglich 1.2
Mgrmm. der Basis — in folgenden Fällen ange-
wendet.
Sechs Fälle von Keuchhusten bei Kindern (Hyosc.
hydrochlor. amorph.) 0.025 ^) : 100 Grmm. , 2mal
täglich (1 Theelöffel) : entschieden günstige Wirkung
in 3, zweifelhafte in 3 Fällen.
Sechs Fälle von Asthma (Hyoa^ l^drochl.,
später nnrl^drojod. 0.03 : 100 Ormm. , 1— 2Bal
tägl. 1 Theelöffel). In allen Fällen wnrde der An-
fall abgekürzt oder bedeutend gemildert ; in 1 Falle
trat nach ungewöhnlich grosser Dosis vollständige
Conpimng des An£ilb und bedentende Verlängenuig
der Pause zwischen 2 Anfällen ein.
Zwei Fälle von schwerer Enteralgie — gleiche
Dosis wie bei Asthma — : rasche und vollständige
Beseitigung der Schmerzen.
Ein Fall von Epilepsie (Abends 1.2 Mgrmm. in
Form des Hyosc. hydrojod.): Verminderung der Zahl
der Anfälle.
Vff., welche genauere Mittheihmgen in Anssicht
stellen, bemerken noch, dass bei den Versuchen die
Dosen stets nach Theelöffeln abgemessen wnrden
und deshalb vielleicht durchgehends etwas kleiner
ausgefallen sind , als die angegebenen. Zur subco-
tauen Injektion darf man nach ihrer ErfUimng bei
Erwachsenen nicht mehr als ^/^ Mgnnin. der Basis
ea ay^ Mgrmm. des Hyosc. hydrojod. als Einzeldosis
verwenden, so lange nicht die individuelle Brnpfilng-
lichkeit festgestellt ist ( W i n t e r.)
346. Uebor da« Oonohinin und aeiae the-
rapeutinohe Verwendimg ; von Dr. Joseph
Frendenberger. (Dentsches Aroh. f. Uin.Med.
XXVI. 5. 6. p. 577. 1880.)
F. theilt zahlreiche Beobachtungen mit, welche
er im klin. Institut zu Mttnchen angestellt hat, um za
prüfen, in wie weit das Chinin durch das viel billi-
gere und jenem isomere Conchinin («» BetacUnin
V. Beyningen's und Chinidin Pasteur*s) ersetzt wer-
den könne. Um dasselbe auf seine Reinheit zu
prüfen, erwärmt man 1 Th. des Sulphat mit 20 Th.
Wasser bis auf 60« , ftagt dann 1 Th. Jodkaliom
hinzu, rührt die Masse einige Male um , lässt sie er-
kalten und filtrirt nach etwa 1 Std. die Flüssigkeit
vom Niederschlage ab. Auf Zusatz von Ammoniak
1) Die Zahlen beziehen sich sammtUch aaf die Ba-
sis, welche sich im Hyosc. hydrojodiemn sun Sali M
genau wie 1 : 1.5 verhält.
in. Hygieine, Diätetik, Phai*makologie u. Toxikologie.
123
nun Filtntt bleibt dann die Mischnng, wenn sie rein
ist, vdllig klar. Eine grössere Beimischang anderer
ddotsalze ericennt man daran , dass, wenn man
1 Th. des Solphat mit 80 Th. Wasser 5 Min. bei
60*0. digerirt hat, ein Znsatz von krystall. Natro-
Kati tartarieom die Lösung trübt.
Es s^gte sich nnn ssunttchst bei 54 Typhnskran-
ken, welche znsammen lOOmal je 2 Grmm. Oon-
etnnin erbalten hatten, in 7lVo ^^rQabeneineTem*
pentorerniedrignng von mindestens 2*, in 9 Fällen
logtf eine solche von S^ und darflber ohne eigent-
lieiie CoUapsQserseheinnngen , ein Resultat, wie es
iiiefa Mf der Leipziger Klinik erhalten wurde ^). Das
Wiederansteigen der Temperatur erfolgte hierbei
odit plötzlich , sondern ganz albnälig , hier und da
nter Zackenbildung. Zumeist hatte das Fieber bis
ADD Abend des 1. Tages nach der Gonchiningabe
Kioe volle Hohe wieder erreicht. Ganz selten dauerte
OK niedrigere Temperatur selbst noch länger als
dea flbernächsten Tag an.
Auch bei andern Krankheiten mit typischem
fMerverianf (Pneumonie, Erysipelas) zeigte sich
das Conchinln, In gleicher Gabe wie das Chinin an-
gewandt, als ein kräftig wirkendes Antipyretikum.
Wir die Remission eine ungenügende oder stieg die
Temperatur rasch wieder, so erwies sich eine Mor-
geopbe von noch 1 Grmm. als sehr wirksam.
Hitmaeh läiut sich nach Vf. ein durchgrei^
finder Untersehied zwischen Chinin* u. Conchmin*
whmg nicht erkennen. Es scheint zwar zuweilen
der Temperaturabfkll nach Oonchiningaben rascher
enntreten als bei Chinin, dafür aber die durch letz-
teres erzielte Remission länger anzudauern ; allein
raeh dieses Verhältniss ist durchaus nicht constant.
Auch bei Intermiitens (4 Fälle) zeigte sich das
CoBciimiD, entsprechend den Berichten aus andern
Kraftkenhänsern, gleich wirksam wie Chinin.
In Vergleich mit dem salieyU, Natron^ welches
ii einigen Fällen mit typischem Fieberverlauf neben
dem Conchinin angewendet wurde, zeigte sich, dass
6—10 Grmm. des erstem ungef^lhr die gleich tiefe
Remission erzengen wie 2 Grmm. Conchinin. Aller-
dings erfolgt das Ansteigen nach Salicylgaben meistens
Itogssmer als nach Conchinin ; die Nebenwirkungen
der Salieylfläure sind jedoch entschieden nnange-
Khiner und heftiger.
Die Nebenwirkungen des Conchinin sind im
Wesenttichen dieselben wie bei Chinin, nur tritt sehr
nffittlig das Erbrechen hervor. Dasselbe erfolgt
jt^ meistens erst geraume Zeit nach der zweiten
&be, selten schon nach der ersten, in nur ganz
vengen Fällen nach beiden Gaben ; es ist deshalb,
nmtl bei der schnellen Resorption des Conchinin,
^ hemmender Einfluss auf den Temperatnrabfall
dsdmrcb nicht zu befürchten. Eine zweite Erschei-
UBg ist^ wie auch nach Chinin, fast stets Stuhlver-
■Klmmg , fiamer Ohrensausen und Schwerhörigkeit.
OVgl. Strfimpell: Berl. klin. Wchnschr. XY. 46.
W78. - Jatebb. CLXXXU. p. 74.
Der Puls wird nach Conchinin um 36, bez.
24, 12 Schläge herabgesetzt, ausgezeichnet dicrot,
die Welle höher.
In 2 Fällen von Typhus trat plötzlicher Tod
bald nach Einnehmen von Conchinin ein, nach voraus-
gegangenem Magenschmerz , und Vf. räth , in allen
den Fällen davon abzusehen, wo bereits Herzschwäche
oder ein Reizungszustand in der Vagusausbreitnng
vorhanden ist.
F. glaubt nach dem Ergebniss seiner Unter-
suchungen das weit billigere Conchinin als ein dem
Chinin in der Wirksamkeit gleich stehendes Mittel
empfehlen zu können. (0. Naumann.)
347. Die Fluoride als Heilmittel ; von Dr.
J. M. DaCosta, Prof. in Philadelphia. (Arch. of
Med. V. 3. 253. June 1881.)
Die Fluorverbindungen waren bisher als Heil-
mittel so gut wie gar nicht angewandt worden und
man kannte nur die ätzenden Wu*kungen des Fluor-
wasserstoffs. [Doch hatte letztem H a s t i n g s (spec.
treatm. of pulm. consumpt. London 1854) angeblich
mit Erfolg bei Phthisis gegeben und Maumen^
will nachFluomatiium bei einer Hündin einen kröpf-
ähnlichen Zustand beobachtet haben (Gaz. dePar. 39.
1854)]. Die Ergebnisse, zu welchen DaCosta
bei Anwendung der aus reiner Fluorwasserstoffsäure
dargestellten Kalium-, Natrium- und Eisenpräparate
gekommen war, sind insofern von Interesse, als die-
selben , so lange sie überhaupt angewendet werden
konnten, auf die betr. Krankheiten, nämlich subakute
Rheumatismen und Ischias, eine ganz erhebliche
Wirkung ausübten, indem sie unter starker Vermeh-
rung der Harnausscheidung die Schmerzen bedeutend
mässigten, u. zwar ohne, wie nach Brombehandlung,
eme allgemeine Depression oder Schläfrigkeit zu er-
zeugen. Leider musste die Kur, für welche Da C.
das Kaliumßuorid , zu 0.3 Grmm. 3stflndlich ge-
geben, als das wirksamste Präparat empfiehlt, stets
schon nach einigen Tagen wegen einti*etender hef-
tiger Magenreizung (Brechneigung, Appetitverlust)
unter-, resp. abgebrochen werden, worauf dann auch
die Schmerzen wiederkehrten. Die Temperatur wurde
während derselben kaum beeinflusst, der Puls von
100 auf 90 Schläge herabgesetzt.
In Gaben von 0.6 — 1.2 Grmm. bewirkt das
Kaliumfluorid mit grosser Sicherheit Erbrechen, ohne
nachfolgende Depression. Nach Anwendung der
Eisenpräparate, desEisen-Fluorid u. Fluorflr, welche
in Form des Elixir (Lösung in Spir. vini unter Zu-
satz vonOl.CinnamonioderAurantii) oder desSyrup
(unter Zusatz von 0.12 — 0.25 Grmm. Acidi citr.
auf 120 Grmm. der Mischung), und zwar in der
Gabe von 0.30 Grmm. , verabreicht wurden, traten
die Erscheinungen der Eisenresorption auf. Allein
dieselben erregten sehr bald Uebelkeit und ihr Ge-
brauch musste bald aufgegeben werden. Nach Da C.
wären kleine Gaben bei Bnlimie und Neigung Kam
Trünke verwendbar«
124
ni. Hygieine, Diätetik, Phannakologie u. Toxikologie.
Gleichzeitig mit D a G. wandte W o a k e s (Lan-
cet I. 14; April 1881) das Fluor, und zwar bei
Kropf an in Form reiner Flusssäure, von deren halb-
proc. Lösung er 15 — 30 Tropfen 3mal des Tages
nehmen iiess. Das Mittel konnte lange genug fort-
gesetzt werden , um denselben oder noch grossem
Erfolg zu zeigen , als man ihn nach Jodbehandlung
eintreten sieht. Aber auch Woakes beobachtete
gleiche Magenstörungen wie Da Gosta.
(0. Naumann.)
348. Heber daa Quecksilber in der medi-
cinischen Therapie ; von Dr. M. S k j e 1 d e r u p.
(Tidsskr. f. prakt. Med. 1. 1881.)
Von der Anwendung des Quecksilbers in der
Syphilis absehend, bespricht Skj. nur die Anwen-
dung und den Nutzen des Quecksilbers bei Krank-
heiten derRespirationswege, bei Unterleibsleiden und
Affektionen der weiblichen Qenitalorgane.
Zunächst empfiehlt er es bei der bei Emphyse-
matikern vorkommenden Disposition zu Bronchial-
katarrh, dem Catarrhus siccus, der sich durch Ge-
schwulst in der Schleimhaut ohne weitere Sekretion
äussert und in Folge der Behinderung des freien
Luftdurchgangs durch die feinern Bronchien zu mehr
oder weniger starken asthmatischen Beschwerden
Veranlassung giebt. Durch ,,Pilulae hydrargyri et
bulb. Scillae'' (ana 1 Grmm. zu 15 Pillen), frtth eine
und Abends 2 genommen , soll in akuten Fällen im
Verlaufe von einigen Tagen , in chronischen , selbst
solchen, die den verschiedenen Mitteln getrotzt
haben, im Verlaufe von einer Woche eine mehr oder
weniger vollständige Erleichterung herbeigeführt wer-
den. Wenn die Dyspnoe nicht ganz besonders stark
ist, so dass sie den Schlaf raubt, ist keine gleich-
zeitige Anwendung von Narkoticis erforderlich.
Eine analoge Wirkung hat die lokale Anwendung
von Galomel bei Schnupfen und Laryngitis. Bei
dem sogen. Stockschnupfen (GataiThus siccus nasi)
bringt Aufschnupfen von Galomel und Zucker (zu
gleichen Theilen 3 — 4mal täglich) rasche Besserung,
bei Laryngitis ist Einblasen, Imal täglich, sehr
zweckdienlich.
Bei hartnäckiger , verschiedenen andern Mitteln
trotzender Diarrhöe empfiehlt Skj. eine Zeit lang
Anwendung kleiner Gaben Galomel (6 — 8 Mgrmm.,
4mal täglich, in Verbindung mit 3 — 5 Gtgrmm.
Magn. usta oder 5 — 10 Gtgrmm. Kreide). Die dün-
nen, oft missfarbigen, stinkenden Ausleerungen neh-
men bald ein natürlicheres Aussehen an und werden
normal. Bei Kindern ist diese Therapie bekannt ge-
nug, aber auch bei Erwachsenen kann man ein gutes
Resultat erwarten.
Bei den während des Puerperium aufti-etenden.
Farametriten und Perimetriten mit ausgebreiteter
Peritonitis leistet energische Anwendung von Galomel
mit lokalen Blutentziehnngen sehr gute Dienste. In
Fällen, wo Blutegel aus manchen Gründen nicht
angewendet werden konnten, hat Skj. vom Galomel
allein eine so rasche Wirkung gesehen , dass ee ihm
unmöglich vorkommt, an der Wirksamkeit dieses
Mittels in solchen Fällen zu zweifeln; wenn indessen
typhöse Fiebererscheinungen als Symptome einer
septischen Vergiftung vorhanden sind , hat 8 k j. in
solchen Fällen nur vorübergehenden Nutzen vom
Galomel gesehen. Bei den rein entzündlichen For-
men wird das Galomel nach Skj. am besten in Ga-
ben von 10 — 15 Gtgrmm. alle 2 Std. bis zur be-
ginnenden Salivation oder reichlicher Diarrhöe an-
gewendet ; von einzelnen grossen Gaben hat er nicht
dieselbe gute Wirkung gesehen. Bei ansgebreiteterer
genuiner Peritonitis ausserhalb des Puerperium kann
man nach Skj.'s Erfahrungen nicht denselben Nutzen
vom Galomel erwaiien ; wenn sich aber die Ea*ank-
heit in die Länge zieht, während die akuten Sym-
ptome schwinden, ist nach Galomel in kleinen Gaben
oder besser Sublimat, in Milch genommen, baldige
Wendung zum Bessern wahrzunehmen.
Bei chronischer Metritis wirkt Quecksilber-
behandinng vortheilhaft auf Beseitigung der Schmer-
zen, rascher aber hebt sie die begleitende Perimetritis.
(Walter Berger.)
349. Toadkologisohe Mittheüungen.
1) Phosphor.
Folgenden Fall von akuter Phosphorvergiftung
mit tödtlichem Ausgange, in welchem der Leichnam
3Mon. nach der Beerdigung untersucht wurde, theiit
Dr. H. Friedberg in Breslau (Virchow's Aich.
LXXXUI. 3. p. 501. 1881) mit i).
Die Ehefrau des Maurers A., weloher am 15. Febr.
in einem Alter von 46 J. an Himschlaf? starb, hatte bei
Lebzeiten des Letztern wiederholentlich geäussert , dass
sie ihn vergiften wurde. In Folge dessen wurde 3 Mon.
nach der Beerdigung die gerichtliche Exhumation vorge-
nommen. Das Grab lag hoch and geschützt, das Grand-
wasser hatte die Sohle desselben niemals erreicht. Beim
Eröffnen des gat erhaltenen Sarges war nur ein sehr
schwacher Modergeruch wahrzunehmen. Die Leiche war
auffallend gut conservirt, so dass Schnarr- und Backen-
bart noch festsassen. Die Angapfel waren allerdings zer-
stört und die Nägel der Finger und Zehen abgelöst, der
Banch dagegen nur massig aufgetrieben und ohne grfine
Verfärbung der Wandungen. Die MandhÖhlenschleimhant
war sogar noch hellroth und die Bauchspeicheldrüse
„zeigte nichts Regelwidriges^, war also noch flieht ver-
fault. Das Gehirn war ein formloser Brei. Da die Sektion
keinen direkten Sohloss aaf die Todesart gestattete,
wurden Speiseröhre, Magen, Dünndarm mit Inhalt, Stüclie
von Milz, Niere, Leber, Herz, Lungen, Gehirn und die
Gallenblase chemiseh untersueht und darin zwar kein
flreier Phosphor, wohl aber phoephorige Säure, Arsen and
Antimon nachgewiesen. Eine bei dem Zuhälter der Witwe
vorgefundene Schachtel mit Mäusegift enthielt Bacillen,
die aus Phosphor, phosphoriger Säure, Arsen, Antimon
u. s. w. bestanden. Durch das weitere gerichtliche Ver-
fahren wurde festgestellt, dass A. am 10. Febr. Mittags
eine sehr reichliche aus Klössen, Fleisch und Mehlbruhe
bestehende Mahlzeit genossen hatte , welche von seiner
Frau mit dem Mäusegifte versetzt worden war. Einige
Stunden nachher begann die Krankheit, weiche am
15. Febr. den Tod herbeiführte. Eine ärztUche Behand-
lung hatte nicht stattgefunden. Unter den Erscheinungen,
>) Für die Uebersendung dankt verbindlich Wr.
f
III. Hygieine, Diätetik^ Phannakologie u. Toxikologie.
125
«etehe A. während der Krankheit dargeboten hatte, wur-
den von den Zeugen besonders grosser Durst, häufiger
DmehfaU, Ikterae, blaue Ringe um die Augen und hoch-
indige EntkrÜtimg herrorgehoben , während das Be-
witflsetn Bioht getrfibt war.
Das gerichtsiirztiiche Öatachteii lautete dahin,
duB A. in Folge von Vergiftaog dui'ch Phosphor
pfltorben sei, and zwar stfltzte sich dasselbe darauf,
das iD dem Magen , dem Darme , den Nieren , der
Leber, dem Herzen u. verschiedenen andern Theilen
der Leiche 3 Mon. nach dem Tode noch phosphorige
Sowre vorgefonden worden war. Das Schwurgericht
Tmirtiieilte die Frau wegen vorsätzlicher Beibrin-
gaog^ von Gift, wodurch der Tod eines Menschen
fenirsacht worden war, zu 10 Jahren Zuchthaus.
Phosphor^ und Strychninvergiftung lag in fol-
•Bidem Falle vor, Ober welchen James Donald
^Stfgow med. Joum. XV. p.d20. April 1881) be-
seitet.
J. A., 22 Jahre alt, Arbeiter, wurde am 23. Jan.
1S81 fai das Krankenhaus zu Glasgow gebracht. Die
Hilde des Kr. waren geballt, die Daumen eingeschlagen
L die Arme wurden krampfhaft in halbgebeugter Stellung
fckalten ; die Augäpfel rollten beständig umher und die
6«äehtBmu8keln, welche krampfhaft zuckten, boten das
Bfld des RisuB sardonicus dar. Die Muskeln des Rückens,
iesBaaches und der Brust waren ebenfalls spastisch con-
tnhirt. Besonders stark war die Contraktion der Nacken-
ndfifiekenmuskehi, so dass der Ausbruch von Opistho-
&aii8 fortwährend zu befGrchten war. Die Muskeln der
Bäie waren stark contrahirt und die grossen Zehen ein-
«irts und aufwärts gebogen .
Von Zeit zu Zeit Uessen die Krämpfe nach, began-
Mn tber beim leisesten Geräusch von Neuem. Das Be-
■vsstsein war erhalten und Fat. beantwortete alle an ihn
ferichteten Fragen. Wenn man die Brust oder das Abdo-
KD des Kr. mit der Fingerspitze berührte, wurden nicht
nr Sehmerzen empfunden , sondern auch Convulsionen
ttgelfist. Die Pupillen waren während der Paroxysmen
■ekr oder weniger erweitert und während der freien In-
temOe etwas verengert.
Pat. klagte über Schmerzen im Epigastrium und be-
ind ach in einem Zustand stärkster Aufregung. Er gab
a, daes er wegen schlechter Familienverhältnisse sich
M einem Drognisten für 60 Pfennige Rattengift (Gibson's
Tnmin killer) u. in einem anderen Laden für 30 Pfennige
Pbosphorpaste gekauft, diese unter Porter gemischt und
fitnmken habe. Eine halbe Stunde später sei er plötz-
H vie Ton einem elektrischen Schla^o (betroffen umge-
taBen imd habe vollständig die Fähigkeit sich zu bewegen
od zu sprechen verloren. In diesem Zustande sei er
>icli Hanse geschafft worden und habe kurz darauf dun-
^önliche , leuchtende Massen erbrochen ; auch habe
*BB Athem im Dunkeln geleuchtet.
Die Diagnose wurde demgemäss auf eine Ver-
^iftoog mit Strychnin und Phosphor gestellt, obwohl
to letztere nur ein von Zeit zu Zeit wiederkehren-
^^ Erbrechen wässrigen Schleimes sprach.
Die Therapie richtete sich nur gegen die Strych-
Bin?ergiftang und bestand in Dan'eichimg von Brom-
Uimn und Chloralhydrat.
Nach der 2. Dose von 1.8 Grmm. Chloral fühlte sich
^. entiehieden besser ; die Schmerzen hatten aufgehört
■Bd die Krämpfe soweit abgenommen, dass ein mehrstün*
%r Schlaf möglich war. Nachmittags 6 Uhr wurde noch
Okoni ridni (30 Grmm.) verordnet. Am 24. hatten die
^^^iB^vlnooen gänzlich aufgehört, aber es bestand Er-
tneelien grfiniicher Bfassen und Unfähigkeit, etwas Festes
zu geniessen. Am 25. war deutliche Gelbsucht vorhan-
den. Die Schmerzen im Epigastrium hatten sehr zuge-
nommen und das Erbrechen hielt an. So blieb der Zu-
stand bis zum 28. , unter Delirien und Koma trat der
Tod ein.
Sektion. Im Perikardium 30 Grmm. röthliche Flüs-
sigkeit. Herz schlaff; in der rechten Hälfte eine massige •
Menge dunkelrothen klumpigen Blutes, in der linken fast
nichts. Herzfleisch blase und mürbe. In den unteren
Partien der rechten Lunge ein grosser Ast der Pulmonal-
arterie verstopft durch einen dunkelfarbigen, weichen
Thrombus. Im Magen dunkelbraunes Flnidum ; die Mu-
cosa desselben durchweg schieferfarbig, nur im Fundus
in Weiss übergehend. Milz klein und weich. Nieren
von normaler Gestalt; Rinde gelb -braun mit rothen
Flecken an den Stellen der Malpighi'schen Körperchen.
Rechter Leberlappen blassgelb bis orangefarbig, hier und
da auch purpurn. Lebergewebe weich, theilweise sogar
breiartig. Schleimhaut des Schlundes, Kehlkopfes und
der Speiseröhre injicirt ; die rechte Tonsille leicht ulcerirt.
Gehirn normal.
Einen an den vorigen erinnernden Fall von Phos-
phorvergiftung beschreibt 6ren feil (Lancet I. 1;
April 1880. p. 644). Es haudelte sich um eine
durch dieselbe Phosphorpaste zn Stande gekommene
Selbstvergiftung, bei der es ebenfalls zn deutlicher
Phosphorescenz des Athems kam. Durch Brech-
mittel gelang es, dem Ikterus und dem letalen Aus-
gange vorzubeugen. Im Verlaufe der Genesung
setzten einmal Respiration und Herzschlag scheinbar
aus, so dass die Einleitung kflnstlicher Athmung
nöthig wurde.
Danillo (Petersb. med. Wchnschr. XVII.
p. 133. 1880) sah bei Hunden nach akuter Phos-
phorvergiftnng deutliche Myelitis auftreten, die
rapid verläuft und mit Hämorrhagien und massen-
hafter Pigmentbildung verbunden ist. Das Pigment
war Schwarzroth, durchscheinend, in Essigsäure und
verdünnter Kalildsung löslich, lag unmittelbar an
den Gefl&ssen an und fand sich am reichlichsten in
der Hals- und Lendenanschwellung des Rücken-
markes, und zwar in der grauen Substanz um den
Canalis centralis herum und in den dem Comu late-
rale entsprechenden Partien ; weniger reichlich war
es in der weissen Substanz zu finden. - Danillo
hält es für möglich, dass auf diese parenchymatöse
Entzündung des Rückenmarkes einzelne Symptome
des Phosphorismus acutus zu beziehen sind.
Durch die Phosphorvergiftung wird ein Eingriff
in den Organismus bewirkt, welcher mit einem ab-
normen Untergange von stickstoffhaltigem Körper-
gewebe verbunden ist. Gleichzeitig treten Verän-
derungen im Stoffwechsel ein, durch welche die
stickstoffhaltigen Substanzen nicht bis in ihre End-
produkte, also besonders Harnstoff gespalten wer-
den, sondern als Körper ausgeschieden werden,
welche wohl Vorstufen des Harnstoffes sind.
A. Fraenkel und F. Röhmann (Ztschr. f.
physiol. Chem. IV. 6. p. 439. 1880) halten es fftr
wahrscheinlich, dass die Leber diejenige Stätte ist,
wo unter normalen Verhältnissen der Harnstoff ge-
bildet wird und wo bei der akuten Leberatrophie
und zuweilen bei Phosphorvergiftung diejenigen Vor«
126
ni. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
änderungen auftreten, welche znr Ausscheidung von
Leucin nnd Tyrosin führen. Die Beziehangen der
abnormen Stoffwechselprodukte znr Leberfunktion
schienen daher einer weitem experimentellen Ver-
folgung werth.
Zu den Versuchen wurden hungernde Hfihner be-
nutzt, die durch innerliche Verabreichung von Phosphor
vergiftet wurden. Sämmtliche Exkremente wurden sorg-
fältig gesammelt und analysirt. Der Stickstoff derselben
wurde theils nach Dumas, theils durch Verbrennen mit
Natronkalk bestimmt. Die Bestimmung der Harnsäure
geschah in folgender Weise. 1 — 2 Grmm. Koth wurden
genau abgewogen und wiederholt mit siedendem Alkohol
extrahirt. Die extrahirte Masse wurde mit ca. l.Sproc.
Natronlauge gekocht und durch ein Papierfilter flitrirt.
Aus dem Filtrate wurde die Harnsäure durch Salzsäure
gefällt nnd zur Zersetzung der sich dabei bildenden ham-
sanren Salze in der Wärme digerirt. Nach 48stnndigem
Stehen auf Eis wurde der Niederschlag auf einem gewo-
genen Filter gesammelt und mit kaltem Wasser bis zum
Verschwinden der Chlorreaktion ausgewaschen. Correk-
1 ioii nach Z a 1 e s k y . Schlüsslich wurde der Niederschlag
auf dem Filter noch mit absolutem Alkohol so lange ge-
waschen, bis das Filtrat farblos ablief, und dann getrock-
net nnd gewogen.
Die Versuche ergaben, dass mit dem Eintreten
der Phosphorvergiftung trotz Hungern die Ans-
scheidnng der Harnsäure und des Stickstoffs über-
haupt sehr steigt, dass die Intoxikation also einen
enorm vermehrten Zerfall der stickstoffhaltigen Kör-
perbestandtheile bewirkt. Während ferner im nor-
malen Hungerzustand der Stickstoff znm bei Weitem
grössten Theile nicht als Harnsäure ausgeschieden
wird, sondern wahrscheinlich als Harnstoff nnd
Ammoniak, nahm bei der Phosphorvergiftung die
Menge der Harnsäure nicht nm* absolut, sondern
auch relativ, d. h. auf Kosten der andern N-haltigen
Kdrper, zu.
Diese abnorm reichliche Harnsäureausscheidung
der Vögel bringen Vff. in Analogie zu dem Auf-
treten von Leucin und T3rrosin im Harn der durch
Phosphor vergifteten Menschen. Sie nehmen an,
dass die unter Mitwirkung von Sauerstoff vor sich
gehenden Processe, welche sonst zur schlttsslichen
Bildung von Harnstoff beim Menschen und Harnstoff
und Ammoniak neben Hainsäure bei den Vögeln
führen , unter dem Einflüsse des eine Herabsetzung
der Oxydationsvorgänge bedingenden Phosphor, wie
dort eine Ausscheidung von Tyrosin und Lencin, so
hier vonHarnsänre in abnormer Menge bewirken.
Bei sämmtlichen Versuchsthieren wui*den ausser-
dem Zähinngen der rothen Blutkörperchen (nach
der Methode von Hayem) vorgenommen. Diese
ergaben, dass im Hnngerzustande (ohne Phosphor)
durch Eindickung des Blutes die Zahl der rothen
Blntkörperchen eher zu- als abnimmt, dass dagegen
nach der Phosphorvergiftung der hungernden lliiere
die Anzahl der rothen Blutkörperchen anfangs all-
mälig, dann ganz rapid sich veimindert. Diese Ver-
mindernng beweist deutlich, in wie hohem Grade
die Oxydationsvorgänge bei der Phosphorvergiftung
beeinti^htigt sein müssen, und unterstützt die An-
ndiaunng, nach welcher die beobachtete Alteration
des Stoffwechsels in direkter Beziehung zur Herab
Setzung der Oxydation steht
2) Einen neuen Beleg für die ffätutiffe Wirkung
des Cldoralhydrat bei Vergiftung durch Strych
nin liefei*t folgender von Oeorge Gray (Bril
med. Joum. March 27. 1680) mit^theilter Fall
der übrigens noch durch den günstigen Ausgang
trotz der grossen Menge des Giftes, das verschluck
worden war, bemerkenswerth erscheint.
Pat., ein 86 J. alter Mann, bot, als ihn Vf. 1 Stdc
nseh dem Einnebmen des Giftes sah, die aoBgepriigte
Symptome einer schweren Strychnin-Vergiftnng dar an
da der Versach, den Mund mit Gewalt zu öffnen, eioei
neuen Krampf auf all zur Folge hatte, versuchte Vf. wäli
rend der krampfflreien Intervalle durch eine vorhanden
Zahnlücke Chloralhydrat (7.50 : 60.00 Grmm.) theel5ffel
weise beisubringen. Nach 10 Min. war der Kinnbackea
krampf soweit gehoben, dass Vf. glaubte, die Magenpumpi
einfuhren zu können ; doch beschränkte er sich yorläafl(
auf Darreichung eines Emetikum ans 1.80 Grmm. Zint
sulph., dem er 3.75 Grmm. Tannin folgen Hess, was abei
wieder weggebrochen wurde. Nach einer Stunde wurdi
nochmals Ghloral (2 Grmm.) gegeben und die Haut künst
lieh erwärmt, der Rest des Ghloral aber einige Standet
später verabreicht. Pat. hatte zwar nicht geschlafen,
f&hlte sich aber behaglicher, hatte nicht wieder er
brochen, auch keine Gonvnlsionen gehabt. Zwei Tag«
später konnte Pat. wieder an seine Arbeit gehen.
Weitere Nachforschungen ergaben, dass Pat. ca<
1.20—1.30 Grmm. eines Strychnin enthaltenden Ratten-
pulvers nach reichlichem Genüsse von Branntwein ver-
schluckt hatte. Er war bald darauf unwohl geworden,
hatte sich ein Mal erbrochen und darauf ein Pfund g»-
schmolzene Butter verschluckt. Die Untersuchung de«
Giftes ergab, dass dasselbe 96Vo Strychnin enthielt.
Zur Erklärung des h5chst auffallenden Umstandes,
dass das Leben trotz der so grossen Menge des ver-
schluckten Giftes erhalten blieb, nimmt Vf. an, dass eii
Theil desselben durch das Erbrechen wieder entleert, die
Aufsaugung desselben aber durch die grosse Menge det
im Bfagen enthaltenen (Spirituosen) Flüssigkeit und die
zerlassene Butter wesentlich gehemmt worden sei.
3) Einen Fall der sehr selten vorkommenden
Vergiftung durch bitlere Mandeln , von welcher
Taylor (Med. jurispmdence) nur 2 Beispiele kennt,
beobachtete J. B. B a k e r (Brit. med. Joum. July 1
1S81. p. 12) bei einem 38 J. alten Manne, welcher,
kurz bevor er in das Spital gebracht wurde, ohn-
mächtig nmgefallen war.
Als ihn B. zu sehen bekam, war Kranke gef9hllo0
nnd oollabirt, athmete angestrengt und schnappend, war
cyanotisch nnd hatte einen sehr schnellen Pnlsschlag. An
den Lippen haftete dunkler Schleim; die Zahnreihea
waren fest aufeinander gepresst, die Pupillen eng nnd
gegen Berührung und Licht unempfindlich. Die Extre-
mitäten kalt. Der Spitzenstoss des Herzens war schwach,
das Abdomen etwas aufgetrieben, Koth Jedoch unwillkür-
lich abgegangen. Auf der Brust hörte man beiderseito
Schleimrasseln.
Mit Hülfe der Magenpumpe wurde eine Pinte toI!
dicker brauner Flüssigkeit entfernt, die kleine weisif
Partikel enthielt und stark nach Blausäure roch. Sodad^
wurde der Magen noch mit warmem Wasser ausgewaschen^
Hierauf collabirte Pat. aber noch mehr und der Badial*
puls verschwand beinahe ganz. Es wurde daher 10 MiSj
lang Elektricität angewandt, und zwar ein Pol *°^^
Herzspitze nnd der andere in den Nacken ; dabei besser^
sich die Athmung etwas, so dass Pat. zu Bett CTSb^*^
werden konnte. Sodann wurden warme Umschtfg^^y
Inhalationen von Liquor ammon. canst. fortior angevrend^t ,
IV, Pathologie^ Therapie n. medioinisobe Klinik.
127
SiwUem der elektrische Strom nochmals längere Zeit
a^eirasdt worden war, worden die Athemzüge tiefer und
rogefaBMsjger nnd der Pnls besser (120 — 140 pro Min.).
Eärife Standen später wandte man auch noch Terpentin
iMerttdi und Atropän (2 Mgrmm.) subcutan an. Es
Migten danuf leichte Krampfanfälle, aber das AUgemein-
kftiden besserte sieh und die Kieferklemme schwand.
& Studen naeh der Aufnahme kehrte die Reaktionsfähig-
kdt der PnpiUen zurück ; eine Stunde später konnte Pat.
Ma seblocken ; nach noch 2 Stunden öffnete er die
i^fes. Später erhielt er Brandy u. Beef-tea und schlief
dDB ein. Geringe Cyanose, Bittermandelgeruch des
Attas und grosse Schwäche war Alles, was von krank-
ytm Symptomen noch vorhanden war. Später gestand
hl, «r hübe am Tage der Yergiftnng nüchtern 2 Hände
Utas Maadebi nnd eine Pinte Bier zu sich genommen
■iwi nach längerer Zeit bewusstlos geworden.
4) Ueber folgenden Fall von Vergiftung darch
Salzsäure berichtet Archibald Macdonald
lUiDb. med. Journ. XXVI. p. 1093. [Nr. 312.]
ht 1881).
Ein Mann hatte am 20. Januar aus Versehen cn.
45 Grmm. Salzsäure [Concentrationsgrad?] in der Form
von Salzgeist verschluckt. M. fand ihn in einem Znstande
von Gollapsus, konnte aber an und im Munde keine ange-
ätzten Stellen entdecken. Die erste Behandlung hatte iu
IVsTheelöffel doppeltkohlens. Natron und einer Flasche
Sodawasser bestanden. M. gab noch reichliche Mengen
einer Lösung von einfach kohlens. Natron, worauf an-
fangs Erbrechen kaffeesatzähnlicher Massen folgte. Der
Pat. wurde sodann mit heissen Wasserflasclien umgeben
nnd erhielt lediglich Milch als Nahrung. Dabei hob sicli
allmälig die Temp. auf 102» F. (38.9« C.) und der Puls
auf 100—108. Der Epithelbelag der Zunge wurde leder-
artig und wie bei Ichthyose und änderte sich erst am
10. Tage zum Besseren. Pat. klagte über schmerzhafte
Empfindungen am Magen und erhielt Opium gegen Schlaf-
losigkeit. Am 9. Febr. ging Pat. wieder auf Arbeit.
Symptome von Magengeschwfiren oder Oesophagusstrik-
turen waren bis zum 9. April nicht aufgetreten.
(Kobert.)
IV. Pathologie, Therapie und medicinische Kliniic
350. Ueber Vagualahmung ; von Dr. Lad-
lig Langer. (Wien. med. Wehnschr. XXXI. 30.
31. 1881 «).
Ein 5ai&hr. Mann wurde am 23. Nov. 1880 in die
Ebik D D c h e k 's aufgenommen. Er gab an , seit 8 J.
aDnehfaU, seit 1 J. an Kurzathmigkeit zu leiden.
T« 6 Wo^en wurde er auf einem Marsche von Athem-
Mh and Stechen in der Brust befallen, letzteres schwand
Ud, jene bestand durch 3 Tage. Währenddessen schwol-
InFüaae und Serotom an nnd trat heftiger Durchfall ein.
Lcdterer bestand noch bei der Aufnahme.
Die Untersnehvng des schlecht genährten Mannes er-
pb niefats Krankhaftes ausser einer massigen Dämpfung
■ der linken Axillarlinie nnd spärlichen Rasselgeräuschen
fttf den untern Lungenlappen. Temperator und Puls
Mnul.
Am 1. Dee. klagte Pat. fiber Athemnoth. Reich-
Um Saaselgeräiische , Pols 200 Schläge in der Minate,
ifiiBiKhe Herzak tion, Empfindlichkeit der Magengegend .
Am 2.Dec. hatte Pat. Schmerzen im Magen und das
MU von Anfgeblähtsein , kein Herzklopfen , massige
Atanoth, geringen Husten. Die Stimme war etwas
■aiort, die Pupillen waren massig weit, reagirten prompt.
An HaJse war deutliche Uudnlation der stark gefflUten
Tocftwahmehmbar. In der Herzgegend war kein eigent-
Umt HerzstoBB , wohl aber ein ausgebreitetes , gleich-
■Mges Vibriren sichtbar. Trotzdem waren die Herz-
Mkaktianen regelmässig. Die Herzdämpfung war be-
datead vergr&ssert, reichte von der 3. zur 7. Rippe nnd
^ts 1 Ctmtr. fiber den rechten Stemalrand. Der Lun-
Kttehall erstreckte sich gegen früher überall weiter nach
^rts. Die HerztSne waren kurz, aber rein, der
telpnlB war sehr klein , die Frequenz überstieg weit
ttO Sdiläge In der Minute. Das Epigastriom war stark
ffspaant, auf Druck sehr schmerzhaft. Häufig stellte
wk Brechreiz ein. Der Harn sedimentirte stark und
ntUslt Eiweiss. Ord. : Infus. Digit. (0.6: SOO.OOrmm.)
nd Eiamnschläge auf die Hersgegend.
Am 3. Dec. am Scrotum , Kreuzbein und an den
^UKB Oedem , sonst Status idem. Am 4. Dec. Radial-
l*b gespannt, 96. Die Herzdämpfung war bedeutend
^Itto. Am 10. Dee. war der Beftind wieder wie bei
h AnfDahme ganz normal , nur geringe Verbreiterung
kt Hendämpfung und etwas Oedem bestanden noch.
Die hauptsächlichsten Erscheinungen dieses
Kiinkbeitabildes : enorme Beschleanigtmg der Herz-
') Für die Uebenendnng dankt verbindlich W r.
thätigkeit , Vergrösserang des Herzens , Stauung im
grossen Kreislauf, Lungenblähung , Auftreibung und
Schmerzhaftigkeit des Magens, glaubt Vf. durch die
Annahme einer anfallsweise auftretenden , partiellen
Vaguslähmung erklären zu sollen , wobei die Dila-
tation des Herzens und die venöse Stauung als ab-
hängig von der Häufigkeit und Kürze der Herzcon-
traktionen betrachtet werden. Die Ursache der Vagns -
nenrose sei mit Bestimmtheit nicht anzugeben. Man
könne denken an Zerrung des Vagus durch pleuri-
tische Schwarten, womit die Dämpfong in der Axillar-
linie stimme , an eine Neubildung im Mediastinum,
woAu das Alter des Pat berechtige, an eine Reflex-
tibertragung vom Magen aus wegen des chronischeD
Magendarmkatarrhs.
Gelegentlich der Reizung des Vagus vom Magen
aus erzählt Vf. eine interessante Beobachtung. Ein
Jäger trank nach anstrengendem Bergsteigen rasch
ein Liter eiskalten Qaellwassers. Gleich darauf
stürzte er bewusstlos mit bleichem Gesicht zusammen,
die Athmung wurde stertorös, der Pols gespannt und
machte kaum ttber 20 Schläge in der Minute. Nach
^2 Stunde war der Anfall bei dem sonst vollkommen
gesunden Manne vorüber. (M ö b i u s.)
351. Ueber Büokenaohmera » seine Aetio-
logie, Diagnoae und Behandlung.
George Johnson (Brit. med. Journ. Febr. 12.
1881. p. 221) bespricht zunächst die häufigeren
Ursachen des Rückenschmerzes. Derselbe hat nach
ihm in der Mehrzahl der Fälle seinen Sitz in den
Rückenmuskeln und beruht auf einer Verletzung oder
Ueberanstrengung derselben. Oharakteristiaeh für
diese Form ist, dass der Schmerz, welcher bei der
Bettruhe früher oder später vergangen ist, nach dem
Aufstehen am heftigsten ist u. nach einiger Bewegung
sich vermindert. Er entsteht am ehesten durch lan-
ges Stehen oder Vomflbergebeugtsein. Er ist doppel-
seitig oder, wenn die Wirbelsäule gekrümmt gebal-
128
IV. Pathologie, Therapie u. mediciiusche Klinik.
ten wurde, einseitig. Schwere des Leibes, Schwan-
gerschaft, Schmerbaach, Ascites, veiiirsachen ihn oft.
Für fette Menschen ist Regelung der Diät dieTliera-
pie des Rflckenschmerzes. Solche, die sich über-
reichlich nähren , deren Urin sehr sauer und reich
an üraten ist , leiden oft an einem Rückenschmerz,
der Ausdruck von „Muskel-Dyspepsie '^ ist. Hier
ist die unvollständige Verdauung zu regeln und sind
die überschüssigen StofTwechselprodukte zu entfer-
nen. Ferner sind zu erwähnen die „Wachsschmer-
zen'*, über welche junge Menschen während der Zeit
raschesten Wachsthums oft klagen. Ruhe, Schonung
und gute Nahrung sind die Heilmittel. Hierher ge-
hört auch der plötzlich bei einer schroffen Bewegung
eintretende Rückenschmerz , er ist auf eine Ueber-
dehnung, resp. Zerreissung von Muskelbündeln zu
beziehen u. ist gleichbedeutend mit dem nach einem
Crampus auftretenden Schmerz. Auch im Rücken
kommen Crampi vor, als Ausdruck von Erkältung
oder dyspeptischen Störungen. Reconvalescenten,
welche eine längere Bettruhe hinter sich haben , lei-
den oft an Rückenschmerz. Endlich ist der gewöhn-
liche Rückenmuskelrheumatismus zu erwähnen , der
der Diaphorese oder Hautreizen weicht.
Unter den weniger häufigen, aber constanten Ur-
sachen des Rückenschmerzes nennt J. zunächst den
auf die Wirbelsäule ausgeübten Druck von Aorten-
aneurysmen, An diese ist in allen schweren Fällen
von Rückenschmerz zu denken. J. giebt die Regeln
zur Untersuchung auf Aneurysmen.
Im Sept. 1877 behandelte J. einen jungen Mann,
der über heftifi^e SchmerEen im Rücken, der linken Lende
und dem Unken OberBchenkel klagte. Er fand links unter
den falschen Rippen einen weichen palsirenden Tamor,
über dem man einen lauten Ton hörte. Im November
trat der Tod ein und die Sektion ergab ein falsches Aneu-
rysma hinter dem Bauchfell nm die linke Niere. Die
Aorta hatte dicht unter dem Zwerchfell einen kleinen
Riss.
Einen ähnlichen Fall hat J. schon früher beob-
achtet. In 2 Fällen war die Diagnose während des
Lebens zweifelhaft, da die Leber vor dem Aneu-
rysma lag.
Ein 38Jähr. Mann hatte seit 3 J. an Rückenschmerz
gelitten, vor 1 J. auch Schmerzen in der rechten Schulter
gehabt. Ein Tnmor, nach Form und Lage der Leber
gleich , reichte bis zum Nabel , nach oben erstreckte sich
die Leberdämpfung bis zur Mammilla , die nntern Rippen
waren nach aussen getrieben. Ueber dem Tumor fühlte
man starkes Pnlsiren u. hörte ein lautes Sausen. Letzteres
war auch über den Rückenwirbein vernehmbar. Nach
einigen Tagen trat plötzlich der Tod ein. Unmittelbar
nach demselben war die Leberschwellung verschwunden
und hatte einer verbreiteten Fluktuation Platz gemacht.
Die ganze Bauchhöhle war mit Blut erfüllt , das einem
grossen, die Leber nach vom drängenden Aortenaneu-
rysma entstammte. Durch den Druck war die Leber
theilweise ganz atrophisch geworden.
Der 2., sehr interessante Fall ist schon in den
Pathologicai Transactions (Vol. X. p. 99. 1859)
veröffentlicht.
Derselbe betrifft einen 37 J. alten , früher stets ge-
sunden, an denGennss geistiger Getränke sehr gewöhnten
Mann , der seit 1 J. an heftigen Schmerzen im Rucken
und Unterleibe litt, die ihn zur Arbeit unfähig mach-
ten. Sieben Wochen vor der Aufnahme hatte Fat. zu
erst eine allmälig zunehmende Geschwulst im Epigastriun
bemerkt, und seitdem an Flatulenz und wiederholtem £i
brechen geUtten und war mager geworden. Bei der Ani
nähme (31. Dec. 1858) zeigte Fat. ein kachektische
Aussehen und man fühlte im Epigastrinm eine palsirend<
Geschwulst , jedoch Hess sich weder an derselben , nocl
an den Froc. spin. des untersten Rucken- und des ober
sten Lendenwirbels ein Geräusch wahrnehmen. Ai
S.Jan. 1859 war plötzlich unter sehr heftigen Schmerzei
in der Geschwulst eine Ohnmacht und Blässe, wie bc
einer Innern Blutung eingetreten und danach wiederhol
Erbrechen kaffeesatz-ähnlicher Hassen in den nächstei
beiden Tagen erfolgt. Vom 13. Jan. ab wurde ein Qe
rausch im Tumor wahrnehmbar , derselbe nahm an Um
fang zu und am 6. Febr. erfolgte, nachdem plötzlich eim
grosse Masse heUrothes Blut ausgebrochen war, der Tod
nach dessen Eintritt die Geschwulst nicht mehr zu fühlei
war. Die Sektion ergab ein von der Mitte der Aorta ab
dom. entspringendes AneurjTsma von dem Umfange zweie
Fäuste , welches mit Blutgerinnseln erfüUt war , den 2
und 3. Lendenwirbelkörper erodirt hatte nnd mit dea
Duodenum communicirte. Magen nnd kleine GedämM
waren mit Blut erfällt.
Aneurysmen der Brustaorta verursachen gleieh
falls durch Druck auf die Wirbel oft heftigen Racken«
schmerz.
Zu den seltenen Ursachen des Rttckenschmenei
gehören krebrig entartete Abdominaldrüsen, l
theilt 4 Fälle dieser Art mit.
31jähr. Mann; seit 3 Mon. Rückenschmerz, stiLr'
ker in der Nacht, nicht durch Essen oder Gehen ver
mehrt. Grosse Blässe und Magerkeit. Im Epigastrina
ein pulsirender Tumor mit blasendem Geräusch. Fori
schreitende Kachexie und Tod nach weitem 6 Monatea
Es fand sich ein grosses Packet krebsiger Drusen hi&tei
und unter dem Magen, auf der Aorta.
In allen 4 Fällen war Rflckenschmerz ein con
stantes Symptom y in allen bestand ein pulsirendei
Tumor im Epigastrinm y 2mal ein haachendes Ge
rausch^ das nur Imal auch vom Rflcken gehört wer
den konnte; 2mal war der Schmerz Nachts stärker,
nur Imal nach körperlicher Thätigkeit; die Efr
chexie war constant und der Tod trat durchschnitt
lieh nach 9 Mon. ein.
Nierenkrankheiten sind seltner als man gewöhn
lieh annimmt, doch häufig genug Ursache des Rücken
Schmerzes, es kommen in Frage : Nierensteine , ma
ligne oder tuberkulöse Erkrankungen, eongestiv«
Formen der Bright'schen Krankheit, Verstopfung do
Ureter durch Blutgerinnsel u. s. w. , Ausdehnung dei
Nierenbeckens bei Hamretention durch Blasen- odei
Harnröhrenaffektionen, neuralgische Beschwerden be
reizender Beschafienheit des Urins. Der Schmen
nimmt eine oder beide Lenden ein.
Bei rundem Magengeschwür ist oft der Bflekei
Sitz eines reflektirten Schmerzes. Rückenschmen
der Frauen ist überaus häufig von Krankheit odei
Lageveränderung des Uterus abhängig.
Krankheiten derWirbehäide und des R&eken'
markes geben zu den schlimmsten Formen ^^
Rückenschmerzes Anlass. J. verbreitet sich flbei
Charaktere und Begleiterscheinungen dieses Schmer-
zes; wir können diese Auseinandersetzungen woU
übergehen.
IV. Pathologie, Therapie n. medicinische Klinik.
129
Endlich erwähnt J. den Im Beginne akuter fie-
berhafter Krankheiten auftretenden Rückenschmerz.
Derselbe ist hesondera für Pocken charakteristisch,
kommt jedoch auch bei einfachen Katarrhalfiebem
vor.
In deiaelben Nummer des Brit. med. Joum.
(p. 229) macht Wm. Square darauf aufmerksam,
dass manche Pat. , besonders schwächliche junge
Ifidchen, Aber einen Rttckenschmerz klagen, der sie
&flh nach dem Au&tehen quält, und dass diesem
Schmelze oft ohne alle Medicin dadurch abzuhelfen
ctj dass man unter den hohlli^enden Rücken der
Fat ein passendes Ejssen ins Bett legt.
JamesTurle dagegen (Ibid. Febr. 1 9. p. 27 1)
bflHgt zwar die Anwendung eines schmalen Kissens
gegen den von Square geschilderten Rücken-
Khmerz, verwirft aber dessen Erklärung. Nach
üim handelt es sich vielmehr um leichte rheumatische
Affektionen, die sich, der warme Körper im Bette
leicht zuzieht bei ungenügender Construktion des
letztem oder ungenügender Bedeckung.
J. Sawyer (Ibid.) macht darauf aufmerksam,
daas Manche über einen dumpfen Schmerz quer über
den Rücken klagen , zwischen Schulterblättern und
Nierengegend. Dieser Rückenschmerz sei Folge
eines vollen Colon und werde durch ein kräftiges
Ahtehrmittel beseitigt.
W. Sinclair Thomson (Ibid. March 5.
p. 338) hält ähnlich wie S q u a r e die Unterstützung
der Wirbelsäulenstrecker für wichtig , glaubt aber,
äe weniger in der Nacht, wo die Meisten überhaupt
nieht anf dem Rücken liegen, als am Tage ausführen
xa sollen. Er setzt deshalb beim Lesen etc. die Pat.
lof einen Stahl mit verstellbarer Rückenlehne. Diese
letztere ist so gepolstert , dass das dicke Ende des
Polstersin die Lendengegend zu liegen kommt, wäh-
rend den Nacken eine dünne Rolle unterstützt.
AoBserdem sucht er die Rückenmuskeln der Pat.
doreb gynmastische Uebungen (Erheben vom Boden
ohne Hülfe der Arme etc.) zu kräftigen.
(Möbius.)
352. Ueber den Magenschwindel und ähn-
liehe Aifektionen; von Jas. Russell. (Med.
Times and Gaz. July 3. 17., Aug. 14. 28. 1880.)
Nach einer Auseinandersetzung über das Zu-
standekommen des Schwindels im Allgemeinen, über
Ohren- und I^^agenschwindel , nach einer Darlegung
der anatomischen Verhältnisse der Oblongata , resp.
der Beziehungen des Vagus , Acusticns , Trigeminus
2a einander, erzählt R. eine Reihe von Fällen,
weiche die verschiedenen Formen des Schwindels
ülastriren.
Sin 36 Jahre alter ICann erkrankte mit nenralgischen
Sekmeraen der linken Wange und des linken Anges, vrel-
^^ geriithet war und thränte. Nach 5—6 Wochen
Kkwaad dieser Schmerz, ward aber bald darch einen
^ern ersetzt, welcher sich hinter dem linken Ohre fest*
B^tzte. Das linke Ohr wurde taub , lief aber nicht. Es
^ Sommen in beiden Ohren auf und etwas später eine
fiakaeitige complete Facialislähmnng. Sobald Pat. das
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 2.
schmerzende Ohr einem kalten Luftzuge aussetzte, bekam
er einen Sehwindelanfall. Der Boden schien mit ihm auf
und ab zu wanken und er glaubte sich von links nach
rechts gedreht. Nach dem Anfall befand er sich relativ
wohl. Im Hospital beklagte sich Pat. nicht mehr über
den Ohrenschmerz, vielmehr war das Auge wieder
schmerzhaft; geworden. Die linke Gesichtshälfte war ge-
lähmt , die Muskeln reagirten nicht auf den faradischen
Strom. Die Haut über dem Jochbein war etwas weniger
empfindlich als die der übrigen Wange. Das Ticken der
Uhr wurde links nur 1 Zoll weit, rechts 13 Zoll weit ver-
nommen. Das Sehvermögen war links herabgesetzt, bei
normalem Augenhintergrund. Die linke Nasenhälffce war
gegen Ammoniak weniger empfindlieh als das rechte.
Die Spiegel Untersuchung des Ohres ergab nichts.
Eine 68 J. alte Dame , welche sich seit 6 Mon. un-
wohl fühlte , consultirte B. wegen peinlicher Schwindel-
anfalle , welche 1 — 2 Min. dauerten und verschieden oft
wiederkehrten. Sie konnte besonders das Bücken nicht
vertragen. Im Anfall glaubte sie sich zu drehen , einige
Male schien ihr Korper sich nach abwärts zu bewegen.
Sie war einige Male gefallen , und, wenn der Anfall im
Gang war, wagte sie nicht sich zu bewegen. Die Anfalle
traten besonders Morgens auf und waren oft von einem
Wamungsgefühl begleitet, einem Klopfen in den Schläfen
oder einem Gefühl des Erstarrens. Nach ihnen trat oft
Uebelkeit oder Erbrechen ein mit Magensänre. Sie hatte
viel Sausen im rechten Ohr und glaubte, der Lurm würde
ihr das Gehör nehmen. Das Gehör, besonders rechts,
war seit langer Zeit vermindert , die Störung war aber in
den letzten 5 — 6 Wochen stärker geworden. Schon vor
2 Jahren war ein Anfall von Schwindel und Taumeln auf-
getreten , der sein Ende gefunden hatte , als das rechte
Ohr zu laufen begann.
Bei 3 weitern Fällen prävalirten nei*vöse Er-
scheinungen ttber alle andern Symptome , während
eine lokale Ursache des Schwindels nicht gefunden
werden konnte. Die erste dieser Kranken, von
hochgradiger nervöser Reizbarkeit , war auf einem
Ohre taub, die Richtung der Bewegung wälirend des
Schwindels ging auf dieses Ohr zn. Die zweite,
erblich belastet , litt an Migräne , die Richtung des
Schwindels ging nach hinten. Die dritte litt an
Gefässkrampf der Arme. In diesen Fällen waren die
Symptome des Magenschwindels , wie sie T r o u s -
seau beschreibt, vorhanden, eme Störung der dige-
stiven Funktionen bestand aber nicht.
Eine 36Jähr. Dame war vor 12 Mon. plötzlich taub
geworden, einen Tag nach Empfang einer Todesnachricht.
In der Folge wechselte die Taubheit sehr , steigerte sich
zuweilen plötzlich, so dass die Kr. kein Wort verstand,
Hess die Kr. zuweilen die Töne des Klaviers, aber ohne
Klangfarbe hören. Ohrensausen trat mit der Taubheit
ein. Kurz darauf bekam die Pat. heftige Schwindelanfälle
mit bald horizontaler, bald vertikaler Bewegung und mit
Erbrechen , welches oft lange anhielt , besonders Nachts
auftrat und nicht Speisen, sondern eine grüne Flüssigkeit
zu Tage förderte. Endlich bestand auc.h Sehschwache,
Pat. konnte bei Lampenlicht nicht lesen und trug stark
convexe Qläser. Baldriansaures Zink besserte den Zu-
stand. Sieben Jahre später wurde R. wieder zu der Kr.
gerufen. Sie war von Neuem von Schwindel und Taub-
heit befallen worden, und zwar nach dem Tode ihrer
Schwester. Der Schwindel war anhaltend, an einem
Tage hatte das Zimmer sich 7 Std. lang um sie gedreht,
nachdem sie einen kurzen Brief geschrieben. Die Rich-
tung der Bewegung war gewöhnlich von rechts nach links,
zuweilen hielt sie plötzlich an u. setzte sich dann in um-
gekehrter Richtung fort. Schliessen der Augen allein be-
ruhigte den Schwindel. Auch Erbrechen und Ohrensausen
17
130
IV. Pathologie, Therapie n. mediciniBche Klinik.
waren mit dem Schwindel zarückgekehrt. Rechts hörte
sie gut , links horte sie die Uhr nnr durch die Schädel-
knochen. Objektive Veränderungen liessen sich nicht
constatiren.
Eine 48jähr. Dame litt an Migräne, so lange sie den-
ken konnte. Der Anfall begann mit Sehtrubung und
Augenflimmern , dann trat Schwäche einer Hand , Einge-
schlafensein der gleichnamigen Zungenhälfte ein , endlich
der Schmerz, welcher die entgegengesetzte Kopfhälfte
einnahm , und Erbrechen. In den letzten 7 Jahren war
gewöhnlich alle 4 oder 6 Wochen ein Anfall eingetreten,
aber zu dieser Zeit war ein eigenthümlicher Schwindel
dazugekommen. Derselbe trat ganz plötzlich auf, so dass
Pat. 1-od. 2mal hingefallen war, und bestand in dem Ge-
fühl nach hinten zu stürzen , als ob sie vor die Stirn ge-
schlagen würde. Zuerst war der Schwindel aufgetreten,
als die Pat. einen Eisenbahnzusammenstoss erlebte, ohne
jedoch verletzt zu werden. Während des Schwindels fühlte
sie den Kopf wie festgebunden, ohne eigentlichen Schmerz.
Ausser Obstipation bestanden von Seiten des Verdauungs-
apparates keine Beschwerden. Zeitweilig tönte das
rechte Ohr , auf beiden Ohren bestand geringe Schwer-
hörigkeit. Mutter und Schwester litten auch an Migräne.
Eine 60jähr. Dame litt seit dem kritischen Alter an
heftigen Kopfschmerzen, die entweder Messerstichen
glichen oder einem Gefühl des Brennens von Schläfe zu
Schläfe. Sie hatte so heftigen Schwindel , dass sie nicht
allein ausgehen konnte. Besonders beunruhigte sie die
Empfindung von Eingeschlafen- nnd Kraftlossein beider
Arme. Ohrensausen oder Schwerhörigkeit bestanden
nicht. Unter dem Gebrauch von Chinin besserten sich
alle Symptome.
Vf. giebt weitere Beispiele von Schwindel , der
durch verschiedene Reize ausgelöst wird , besonders
durch Störungen der Verdauungsorgane. Zum Bei-
spiel bekam ein Herr Anfillle von Schwindel und
Schwäche nach Genuss irgend welcher unverdaulicher
Speisen. Er litt weder an Ohrensausen noch Schwer-
hörigkeit, doch war er empfindlich und nervöser
Furcht unterworfen.
Auch in den folgenden Fällen waren offenbar
Verdauungsstörungen Ursache des Schwindels.
Ein junger Mann litt seit 12 Mon. an Schwindel, der
zuerst nach Stimkopfschmerz aufgetreten war. Der An-
fall dauerte nicht lange und die Bewegung hatte keine
bestimmte Richtung. R. sah ihn nach einem Anfalle, er
zitterte , konnte keine Hand still halten , der Schweiss
rann ihm vom Gesicht u. er fühlte sich äusserst schwach.
Die Anfälle kamen meist gegen Abend, einige Male in der
Woche. Unabhängig von ihnen trat zeitweise Kopf-
schmerz mit Sehschwäche und Uebelkeit auf. Nach jeder
grossem Mahlzeit klagte Pat. über Magendruck u. Uebel-
keit. Anderweite Störungen bestanden nicht, das Gehör
war gut. Eine auf den Magen gerichtete Behandlung be-
seitigte alle Beschwerden.
Eine 48jähr. Dame bekam seit einem Jahre einige
Stunden nach dem Mittagsessen Schwindelan fälle , bald
glaubte sie sich zu drehen, bald horizontal zu bewegen,
und zwar immer von rechts nach links. Sie wurde dabei
bleich und schwach und fühlte sich, obwohl der Anfall
nur 10 Min. dauerte, noch mehrere Stunden elend. Seit
einem Jahre litt die Pat. auch an Palpitationen und aller-
hand Verdaunngsbesch werden. Sie pflegte früh nichts
zu essen, dagegen ihren ganzen Nahrungsbedarf beim
Mittagsessen zu befriedigen. Das Gehör war gut, ander-
weite Störungen, abgesehen von nervöser Reizbarkeit,
bestanden nicht. Regelung der Diät, Wismuth u. Pepsin
heilten die Kranke.
Es folgt ein Fall von OhrenschwindeL
Eine 49jähr. Dame, erschüttert durch den Tod ihres
Mannes und reducirt in ihren Verhältnissen, bekam beider-
seits lebhafte Ohrgeräusche, bald wie GlockenkHngen,
bald wie das Brausen der See. Sie fühlte sich geistig un-
fähig und hatte ein Gefühl des Vollseins im Vorder-
kopfe. Häufig bekam sie nach dem Essen und nach Er-
regungen Gesichtshitze. Zweimal in 3 Mon. war sie plötz-
lich von Schwindel befallen worden, Alles schien sich um
sie zu drehen. Ruhe im Bett erleichterte sie, aber jedes
Erheben vom Lager rief den Schwindel wieder hervor.
Nach dem Anfalle bestand grosse Schwäche.
Ein anderer Fall , bei dem der Reiz vom Magen
ausging, war ausgezeichnet durch eine Art Aura.
Ein 36jähr., früher gesunder Mann beschrieb seine
Anfälle so : Es gehe vom Magen ein „hässHches Gefühl"
aus, steige zum Herzen nnd Rücken, über ihn streiche
ein Wind weg, seine Füsse zittern und er empfinde eine
Art Erstickungsgefühl. Im Anfalle selbst taumelte der
Kr. und war zuweilen im Sprechen behindert. Die An-
fälle waren unregelmässig, traten zuweilen mehrmals an
einem Tage, oft bei nüchternem Magen auf. Obren, Herz,
Nieren waren gesund.
In einem weitern Falle beruhten nach R. alle
Symptome auf gichtischer Diathese.
Ein Sljähr. kräftiger Mann hatte gut gelebt, zeit-
weise Sand im Urin gehabt und vor einigen Monaten einen
wirklichen Gichtanfall durchgemacht. Er litt an unregel-
mässigen Schwindelanfällen, die bald während des Gehens,
bald während der Bettruhe auftraten. Die Richtung der
Bewegung war nicht zu bestimmen. Mit dem Schwindel
waren verbunden grosses Schwächegefühl, Blasse, kalter
Schweiss, Ohrensausen und Scheitelkopfschmerz. Auch
klagte der Pat. über eigenthümliche Anfälle von Niessen,
denen in Vs Std. ein Gefühl schmerzhaften Ziehens auf
dem Kopfe folgte. Zuweilen ging es damit vorüber, zu-
weilen folgte ein von der linken Seite sich über den gan-
zen Körper ausbreitendes Zittern, die Beine versagten
ihren Dienst und ein Schweissausbruch brachte dann Bes-
rerung. Wenn ein solcher Anfall in der Nacht erfolgte,
blieb Pat. schlaflos bis zum Morgen. Lange Zeit doreh
wiederholten sich die Niessanfalle mit der sie begleiten-
den Schlaflosigkeit. Herz und Nieren waren gesund.
R. regulirte nach Quantität und Qualität die Diät nnd
verschrieb Colchicum mit Kali citricum und Jod. Beim
nächsten Besuche hatte Pat. 18 Pfd. verloren und befand
sich in jeder Beziehung besser. Es traten noch einige
AnßUe auf, aber auch diese verloren sich aUmälig. Die
Niessanfälle konnten durch Bromkalium coupirt werden.
In einer Nachschrift erzählt R. noch einen neuer-
lich beobachteten Fall von Schwindel, in dem ein
Trauma des Schädels, vielleicht des Labyrinths,
vorausgegangen war.
Ein Mann erlitt im November einen Sturz, er lag
nach demselben iVs Std. bewusstlos und blieb noch
1 Woche lang in einem rauschartigen Zustande. Die
Gegend des linken Proc. mastoid. war empfindlich and
verfärbt. Aus dem linken Ohr floss einiges Blut. Kopf-
schmerz bestand nie, aber seit dem Falle war das Gehör
links geschwächt. Pat. hörte links die Uhr nur auf 2 Zoll
und nicht durch Knochenleitung. Er fühlte ein Singen
im linken Ohr, bald stärker, bald schwächer, „je nach
dem Znstande des Magens oder Kopfes **. Die Hanpt-
beschwerden waren Irritabilität nnd Schlaflosigkeit. Die
geringste Arbeit oder Aufregung verursachte eine schlaf-
lose Nacht. Die Verdauung war gestört, Pat. mnsste bei
Auswahl der Speisen sehr vorsichtig sein, litt fortwährend
an Magendmck, Aufstossen und Winden. Dyspepsie und
Schlaflosigkeit steigerten sich gegenseitig. Schwindel be-
stand in wechselnder Stärke seit dem Falle. Er warde
durch Schlaflosigkeit beträchtlich gesteigert nnd oft wäli-
rend der Nacht als Fliegen in der Luft oder Fallen ans
der Höhe empfunden. Am nächsten Tage war dann die
gewöhnliche Schwindligkeit stärker. Ausserdem beklagte
sich Pat. über einen constanten unangenehmen Gernoh
und eine Sehstörung. Offenbar bestand letztere in eUier
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Elmik.
131
Stönm? der Aeeommadation ; während Pat. gewöhnlich
die Zmtang ohne Brille las, branchte er eine solche nach
einer schlechten Nacht, oder wenn sonst nervöse Depres-
mm bestand. Letsteres war der Fall bei der Unter-
»chnng, Pat. konnte Nr. 10 Jäger nur auf 21 Zoll lesen,
mt Convexgläsern (26) las er Nr. 2 anf 15 Zoll. Die
Pupillen reagirten und waren von mittlerer Weite. Der
Augenhintergrnnd war normal. (M ö b i a s.)
353. Störung der Verdauong als Ursache
fon nervöser Depression; von Dr. T. Länder
Brunton. (Practitioner XXV. p. 258. 325. Oet.,
xNov. 1880.)
In seiner sehr beachtenswerüien Arbeit giebt Vf.
zunächst in anziehender Weise eine Schildernng des
nenrasthenischen Gehirnarbeiters^ der gemüthlich ver-
itimmt und reizbai*, nach kurzer Arbeit ermüdend,
die Kraft seines Gedächtnisses und die Schärfe seiner
Crtheiiskraft verlierend, bald schlaflos, bald schlaf-
eüditig sich durch reichlichen Genuss substantieller
Speisen und alkoholhaltiger Geti'änke zu kräftigen
sucht. Er führt den Er. zum Arzt: ^,Ich nehme
Alles, was stärken kann, und f&hle mich doch so
sehwach'^, der Arzt aber soll antworten : „Weil Sie
Alles nehmen, was stärken kann, fahlen Sie sich so
schwach^'. Yf. ist der Ansicht, dass es nicht sowohl
der Hangel an Nährstoff sei, der den Kx. schädige,
wodem der Mangel an Sauerstoff, ungenttgende Ver-
brennung sei in vielen Fällen Ursache der nei'vösen
Depression. Wie ein Feuer ausgehe nicht aus Mangel
in Kohlen, sondern weil die sich anhäufende Asche
den Zutritt der Luft verhindere, so werde der Mensch
krank, weil er sich mit den Produkten seines eigenen
Stoffvrechsels vergifte. Vf. erinnert an den ermüdeten
Froschmuskel, der durch Auswaschen mit Eochsalz-
Kysnng wieder contraktionsfähig werde. Ueber die
Wirkung der mineralischen u. vegetabilischen Gifte,
der Infektionsstoffe hätten wir wohl Kenntnisse, von
der Wirkung der in uns selbst erzeugten Gifte aber
wflssten wir sehr wenig. Vf. weist zunächst hin auf
die grosse Schädlichkeit des Schwefelwasserstoffs,
welcher nachgewiesener Maassen im Darm gebildet
wird, auf die Versuche Demarquay's (Compt.
rend. IX. p. 724), nach welchen besonders kleine
Mengen des in das Rectum injicirten SH^ verderblich
wirken, auf den Fall von Selbstvergiftung durch
SH), welchen Senator (Berl. klin. Wchnschr. 24.
1878) veröffentlicht hat. Er nennt ferner Marsh 's
Gas n. Bnttersäure. Wir wissen nach ihm noch sehr
wenig darClber, welche Wirkung die Resorption unserer
eigenen Verdauungssäfte hat. Wenn auch ein Theil
der resorbirten Exkrete von der Leber aufgefangen
werde , so gelange doch ein anderer Theil in den
Kieialaof and könne giftig wirken. Auch Zucker
and Peptone könnten unter abnormen Verhältnissen
in d^ Kreislauf gelangen , ihre Gegenwart und die
von Harnsäure, als deren hauptsächlichste Bildungs-
Btüte Vf. die Leber betrachtet, könne theils selbst
schädlich sein, theils als warnendes Zeichen dienen,
dagg abnorme Stoffe , und unter ihnen vielleicht gif-
tige, cirkuliren. Die Wirkung der Resorption von
^Me ist bekannt und Vf. erinnert hier passend an
die Bedeutung des Wortes Melancholie, d.i. Schwarz-
galligkeit. Besonderes Gewicht legt Vf. auf die
neuern Verauche Ludwig's u. Schmidt-Mühl-
heim 's , nach welchen die Injektion von Pepton in
die Venen den Blutdruck erniedrigt und bei grösserer
Menge Sopor, Aufhören der Hamsekretion, Krämpfe
und Tod erzeugt. Die weitem Erörterungen Vfs.
über die Thätigkeit der Leber, über die verschiedenen
Momente der Verdauung u. s. w. übergehen wir als
bekannt.
Die Stoffwechselprodukte werden bekanntlich
durch eine Art Pumpwerk in die Lymphgefässe über-
geführt, wie diess besonders für die Muskeln der
Beine und für das Zwerchfell nachgewiesen ist. Die
Stoffwecbselprodukte des Hiiiis und Rückenmarks
werden von der Cerebrospinalflüssigkeit weggeführt
und die dem Hirn durch Respiration und Herzthätig-
keit mitgetheilten Bewegungen bilden eine Art Pump-
werk. Ist nun das Gehirn durch Ueberanstrengung
mit Blut überfüllt, sind dabei Athmung und Muskel-
thätigkeit vermindert, so muss die Wegschaffung der
Abfallsstoffe erschwert und die Ernähmng des Ge-
hirns gefUirdet sein. Kommt dazu noch, dass die
Fasern und Zellen des Hirns durch giftige Stoffe in-
ficirt werden , welche in Folge einer ungenügenden
Verdauung und Assimilation im Blute kreisen, so ist
die nervöse Depression des Gehirnarbeitera unver-
meidlich.
Durch das Stillsitzen bei geistiger Thätigkeit
wird die Pression des Zwerchfells auf die Leber,
welche bei Absonderung der Galle eine Rolle spielt,
mehr oder weniger vermindert, der Druck, mit dem
die Galle in den Darm tritt, nimmt ab. Ein geringer
Diätfehler , eine kleine Erkältung , der Genuss von
Spirituosen, genügt, die Schleimhaut des Magens
u. Darms in katarrhalische Schwellung zu versetzen
und eine geringe Schwellung genügt , um den Ab-
üuss der Galle unter diesen Umständen zu erschweren.
Die Galle staut in der Leber und die gesammte
Thätigkeit der letztern wird gestört. Die Assimila-
tion wird unvollständig, im Urin erscheint die Harn-
säure ; die Cirkulation in der Leber selbst geräth in
Unordnung, dadurch treten Stockungen in Magen u.
Darm ein : Hämorrhoiden , Abnahme der peristalti-
schen Bewegung und der Absonderung des Darm-
saftes, Verstopfung, BlutüberfÜllnng des Magens,
Appetitlosigkeit, Dyspepsie und schlüsslich kommt
es zum Uebertritt abnormer Verdauungsprodukte in
das Blut. Das Gehirn leidet dann zugleich unter
der Anhäufung seiner Abfallsprodukte und durch die
Absorption abnormer Assimilationsprodukte.
Der Kr., welcher sich schwach und verstimmt
fühlte, fängt an, sich besser zu nähren, Beef-tea zu
tiinken, öfter ein Glas Wein oder einen Schluck
Brandy zu nehmen u. verschlimmert dadurch seinen
Zustand immer mehr. Er schüttet das Feuer zu,
statt die Asche wegzuräumen. Wird dagegen die
Behandlung auf beschleunigte Abfuhr der Stoff-
wechselprodukte gelichtet, so pflegt rasch Besserung
einzutreten. Das Erste ist, die Leber ^^aufizuräu-
132
IV. Pathologie, Therapie u. mediciniBche KliniL
1
M
men'*. Diess geschiebt am besten durch Qoeck-
silberpräparate. Aach Mineralwässer (Friedrichs-
hall, Pflllna, Karlsbad, Hnnyadi Janos) können an-
gewendet werden, üeber die passende Anwendung
dieser Medikamente giebt B. nähere Vorschriften.
Ihre Wirkung kann dorch vegetabilische Cholagoga:
Iridin nnd Euonymin, nntersttttzt werden.
Besonders einige Zeit nach dem EiSsen pflegt sich
ein Gefühl äusserster Schlaffheit n. Mnskelschwäche
geltend zu machen , die Kr. sind zu Allem unlustig
und glauben, Bleiklumpen an Händen und Füssen zu
fühlen. Diesen Languor besonders möchte Vf. auf
Peptonvergiftung beziehen und glaubt, ihn öfter
nach Fleischnahrung , als nach vegetabilischer Kost
beobachtet zu haben. Er bekämpft ihn durch ein
Glas Sodawasser mit oder ohne Gitrone, oder durch
eine Tasse schwachen, aber heissen Thees mit einem
Biscuit. Kaltes wie heisses Wasser dienen als Sti-
mulantien. Bei der Mahlzeit sollen feste Speisen
den Anfang machen , um den Magen mechanisch zu
reizen. Wein und Bier werden am besten ganz
vermieden. Nach dem Essen werden zweckmässig
einige Tropfen Acidum hydrochloro-nitrosum mit
einem Aromaticum oder Carminativnm genommen.
Jedoch wird alle Diät nicht zum Ziele führen, wenn
sie nicht durch Anregung der Mnskelthätigkeit nnter-
sttttzt wird. Als körperliche Uebung empfiehlt Vf.
vor Allem das Reiten.
Der Gedanke, dass die nervöse Erschöpfung zum
Theil eine Intoxikation durch abnorme Stoffwechsel-
produkte, SHg, Peptone u. s. w. sei, erinnert an die
Erklärung, welche jüngst v. Hecker fOr manche
Migränean&lle gegeben hat (Jahrbb. CLXXXIX.
p. 127). Auch gegen Vf. muss Ref. einhalten, dass
zwar auf einzelne Fälle die Erklärung passen mag,
dass aber die Mehrzahl der Fälle ihr entschieden
widerspricht. (M ö b i u s.)
354. üeber die Punktion der Pleurahöhle
und des Herzbeutels; von Dr. A. Fiedler in
Dresden. (Jahresber. d. Ges. f. Natur- u. Heilk. in
Dresden 1880—81. p. 137*).
Die vorliegende Abhandlung enthält gewisser-
maassen eine Erweiterung der von Vf. über die Tho-
rakocentese schon früher gemachten Mittheilung,
über welche wir bereite (Jahrbb. CLXXXVII . p. 145)
berichtet haben.
Auf Grund seiner bei 150 Punktionen an 112
Kr. gemachten Erfahrungen hält Vf. den Nutzen die-
ser Operation für so hervorragend, dass nach seiner
Ansicht jeder praktische Arzt mit Ausübung dersel-
ben und den dabei zu beobachtenden Vorsichtemaass-
regeln vertraut sein sollte. Wir halten es daher für
gerechtfertigt, nochmals eine kurze Beschreibung
des von Vf. benutzten Instrumentes und der Anwen-
dung desselben zu geben.
Behufs Verhütung des Eindringens von Gerinnsehi
in die Kanüle, und da der Mher von ihm aosschliesslich
▼erwendete FräntzeTBOhe Capillartrokar wegen mangeln-
der Federung der Kanüle sich nicht immer so leicfai
einsticht, benutzt Vf. bekanntlich gegenwärtig eine yeti
nickelte Hohlnadel. Dieselbe (Fig. 1)
hat einen Durchmesser von 2.5 — 3.0
Millimeter. In ihr liegt eng anschUes-
send die Kanüle a, die darch die 6nm-
mistopfbfichse b in der Nadel hin- und
hergesohoben werden kann nnd am peri-
pheren Ende c das Gnmmirohr d trägt.
Bei der Operation füllt man zunächst
den ca. 1 Mtr. langen Gummischlanch
nnd die Hohlnadel mit Carboll5snng,
legt 1 oder 2 Quetschhähne zur Verhin-
derung des Ansfliessens an und zieht
hierauf die Kanüle in die Hohlnadel zu-
rück, bis deren Spitze e drei wird. Als-
dann sticht man durch die Thoraxwand
ein, schiebt die E[anüle wieder vor, ent-
fernt die Quetschhähne und lässt die in
der Brusthöhle enthaltene Flüssigkeit in
ein neben dem Bett stehendes, theil-
weise mitCarbol- oder Salicyllösung ge-
fülltes Gefäss abfliessen.
Durch dieses Instrument, welches
sich auch durch seine Billigkeit em-
pfiehlt — es ist von dem Instr.-
Macher Deike in Dresden für 6 — 7 Mk. zu beziehen
— wird bei der Operation die Möglichkeit des Luft-
zutritts in den Pleurasack ausgeschlossen , das Ab-
fliessen des Exsudats erfolgt ruhig und gleichmässig
und es ßlllt das bei vielen andern Instrumenten un-
vermeidliche Stellen der Hähne , das An- und Ab-
setzen der Spritze weg. Dabei ist die durch das
Instrument ausgeübte Adspirationskraft der durch
Spritzenzug erzeugten vollständig gleich, wirkt ruhi-
ger und gleichmässiger, ist also auch genauer zu be-
rechnen. In ihrer ausdehnenden Wirkung auf die
Lunge gleicht sie dem Gewicht einer Wassersäule
von der Länge des Schlauches und der Oberfläche
der Lunge, kann also die comprimirte Lunge , so
weit diess überhaupt möglich, redbt wohl wieder
ausdehnen , was dann auch durch die physikalische
Untersuchung nachweisbar ist. Vf. erläutert diess
durch eine schematische Abbildung, wegen deren wir
auf das Original verweisen müssen.
Die Menge des auf diese Weise entfembaren
Exsudat wird immer eine grössere sein als bei Be-
nutzung des einfach horizontal eingestochenen Trokar,
wobei immer eine relativ grössere Quantität in der
Brusthöhle zurückbleiben wird.
Dass das Einstechen des beschriebenen Instru-
ments schmei*zhafter sei , dass die halbmondförmige
Wunde, welche durch dasselbe eraeugt wird, schlecht
heile und man leicht eine Arterie verletzen könne,
stellt Vf. auf Grund seiner ausgedehnten Erfahrung
in Abrede. Die Schmerzhaftigkeit des Einstichs U^
sich durch lokale Anästhesirung vermeiden; eine
Verletzung von Arterien kann nicht vorkommen,
wenn man die Punktion bei erhobenem Arme in der
vordem oder nahe der mittlem Axillarlinie vornimmt,
wo die Intercostalräome so breit sind, dass der
untere Rand der nächst obera Rippe sicher vermieden
werden kann. Nur wenn man der Lage des Exsudat
») Für die Uebersendung dankt verbindlich W r. wegen am Schulterblattwinkel punktiren muss, würde
IV. Pathologie, Therapie u. medidnische Klinik.
133
hä der grOssern Engigkeit der dorsalen Intercostal-
limne und der hie» dickem Weichtheile eine Ver-
ieteong der Arterie Torkommen können , deren Anf-
fioden behnfs Unterbindung dann allerdings seine
Sefawierigkeit haben wflrde.
Wenn während des Ablaufens des Exsudates sich
die EaDflIe der Doppelhohlnadel durch Gerinnsel
Tffstopfen sollte — was aber wegen des grössern
LoneD selten vorkommen wird — , so hebt Vf. zu-
lidist das neben dem Bett stehende Gefilss hoch
apor, um der abfliessenden FIflssigkeit den um-
gekehrten Lanf zu geben , oder er versucht das
HjndeniiBS durch Spritzenadspiration zu beseitigen.
FBhrt auch diess nicht zum Ziele , so sticht er einen
etwas zugespitzten Draht (ungefähr bei d Fig. 1)
iireh die Wand des Gummischlauchs , schiebt ihn
JB die Eanflle vor und räumt letztere von hier aus ;
Tf. erwähnt hierbei eine von Dr. Beschorner in
Dresden angegebene ebenso einfache als praktische
Tomchtongy durch die es möglich wu*d, durch ein-
khes Vorschieben eines Räumers das Gerinnsel zu
«tfemen ').
Was die Quantität des auf einmal abzulassenden
Exsadttes anlangt, so empfiehlt Vf., entgegen sei-
Ko früher darüber geltend gemachten Bedenken,
me möglichst ergiebige Entleerung vorzunehmen.
Er hat wiederholt 3 — 4000 Cctmtr. auf einmal ab-
ssen lassen, ohne dass unliebsame Folgen, wie
BhituDgen, Collapsus, Lungenödem, Dyspnoe, Fie-
krsteigerungen n. dgl. eingetreten wären. Auch hat
*) Das von Dr. BoBchorner angegebene Instru-
MBt nr Ptmktioii der verschiedenen Körperhöhlen —
Aer welches B. in der Deatschen med. Wchnschr. VII.
15. 1881 ausfahrliche Mittheilong gemacht hat — ist ganz
lieh dem Principe der F i e d 1 er 'sehen gedeckten Hohl-
ndel eonstmirt. Es besitzt jedoch den Vorzug, dass die
Beimgimg der letztem von etwa dieselbe obturirenden
Gfrinoseln während der Operation mit einem stampfen
linmer vorgenommen wird, welcher beim Einstechen der
HoUnadel and während des Aasfliessens der Flüssigkeit
rückgezogen bleibt, jederzeit aber, ohne alle Um-
^e, rauch, beliebig oft and gefahrlos bis über das
Eide der Deckangsröhre hinaus vor^o-choben werden
biB. Es wird dadorch das umständliche , bei Öfterer
Viederliolung nicht anbedenkliche Einstechen eines ge-
^ Drahtes darch den Gnmmischlaach und damit die
Ce&hr beseitigt, welche in der Unmöglichkeit liegt, zu
«itroliren, wie weit man die Spitze jenes Drahtes in den
^vpenraam Yorstösst. Die von B. angebrachte Modiflka-
6« der von Fiedler angegebenen gedeckten Hohlnadel
^iit im Wesentlichen darin, dass die Aasflussöffhaog
■it Anaatzstack für denGammischlaachvom hintern Ende
^ iimeni Deckangsröhre nach der Seite der Hohlnadel
ansetzt worden ist. Dieser Aasflussöffnang gegenüber
befindet sieh in der vollständig vorgeschobenen innem
Kttfile eine Fensteröffianng, durch welche sieh die Flüs-
■i^eit imgehindert , sei es durch Adspiration wie bei
hin t z e 1 , sei es darch Heber wirknng wie bei F 1 e d 1 e r ,
>Kh aoBsen entleert. Es steht nichts mehr im Wege,
|a strieknadelförmigen Ränmer in den hintern Thell der
■iflrn Kanüle bleibend and jederzeit zum Verstösse
Mg emsaffigen. Da er sowohl, wie die letztere, in einer
^pfbüehse verläuft, ist das Eindringen von Luft in die
Wtieffende EÖrperhöhle unmöglich. Vgl. Jahresber. d.
^ t Natur- n. Heilk. in Dresden 1880—81. p. 69.
er nie rasche Wiederausammlung des Exsudates be-
obachtet, was überhaupt bei serösem oder serofibri-
nösem Exsudat nur selten vorkommt, während sol-
ches bei eiterigem Exsudat allerdings die Regel bil-
det und deshalb schlflsslich die Radikaloperation
nothwendig macht.
Ob man vor Ausführung der Punktion erst das
Fieber vorübergehen lassen soll, ist wohl im Einzel-
falle von den Umstunden abhängig. Im Allgemeinen
ist es wohl besser, wenn man nicht zu schnell ope-
rirt , da oft selbst mächtige Exsudate unter Anwen-
dung diuretischer, diaphoretischer oder abführender
Mittel, namentlich unter Einhaltung der sogen. Diaeta
sicca , oft rasch abnehmen und selbst ganz schwin-
den können. Ein allzulanges Hinausschieben hat
aber auch seine Bedenken. Wenn das Exsudat
3 Wochen lang seine alte Höhe behauptet, räth Vf.
trotz vorhandenem Fieber, dasselbe durch Thorako-
centese zu entfernen. Er beobachtete dabei , dass
die Temperaturcurve 1 — 2 Tage nach der Operation
gewöhnlich noch dieselbe Höhe behauptet, dann aber
rasch abfällt und bald ganz oder annähernd normal
wird, während Steigerungen zu den Seltenheiten ge-
hören und nur vorübergehend beobachtet werden.
Ein zeitiges Operiren ist aber auch um deswillen an-
gezeigt, um die Bildung von pleuritischen Schwarten
und deren Tuberkulisirung zu verhüten. Nicht im-
mer ist bei exsudativer Pleuritis das Fieber durch
letztere, sondern durch eine hinter dieser sich larvi-
rende Peribronchitis oder Phthisis bedingt. Ja,
^ach Vfs. Erfahrungen ist gewöhnlich Phthisis die
Primärerkrankung und das pleuritische Exsudat se-
kundär, namentlich fand Vf. diess bei grossen Exsu-
daten, und wenn er auch nicht behaupten will , dass
es überhaupt keine idiopathische, sogen, rheuma-
tische Pleuritis gebe, so hält er doch die sekundäre
Form fttr die überwiegend häufigere. Hieraus er-
gicbt sich aber von selbst , dass durch die Thorako-
centese meist nur ein palliativer Nutzen geschaffen
werden kann , der aber immerhin nicht zu unter-
schätzen ist ; in nicht wenigen Fällen ist die Opera-
tion geradezu lebensrettend. Nach Vfs. Erfahrun-
gen wurden von seinen 112 Operii'ten 18<^/o mit
Wahrscheinlichkeit dauernd geheilt , während allen
Uebrigen nicht blos sofort wesentliche Erleichterung
geschafft, sondern in der Mehrzahl der Fälle das
Leben monate- und jahrelang erhalten wm*de. Von
seinen Operirten starben 17 im Ea-ankenhause, 8
ausserhalb desselben später an Phthisis. In 2 die-
ser Fälle schien es, dass durch die Punktion eine
bis dahin latent verlaufende Phthisis wach gerufen
wurde und sich nun rapid entwickelte , ohne dass
jedoch eine Wiederansammlung des Exsudates er-
folgt wäre.
Als Indikation ftlr Vornahme der Punktion gilt
auch der Höhestand des Exsudates. Ergtlsse,
welche nicht wenigstens bis zur Mitte des Schulter-
blattes und vom bis zur 3. Rippe reichen , werden
seltner die Operation veranlassen ; gehen jedoch die
Dämpfungsgrenzen trotz der Anwendung passender
134
IV. Pathologie, Therapie u. medlcinische Klinik.
Mittel nicht zurück , so kann man geti'ost operiren
und wird dann meist mehr Exsudat finden , als man
vermnthet hat. Tritt bei grossen Exsudaten Dys-
pnoe oder Cyanose ein y so ist die Punktion sofort
indicirt.
Hämorrhagische Exsudate fand Vf. bei seinen
150 Punktionen 29mal; sie sind in der Regel von
übler Bedeutung , da es sich hier meist um carcino-
matöse oder tuberkulöse Pleuritis handelt ; je Imal
bestand hämon*hagische Diathese und Hydrops uni-
versalis nach Morbus Brightii. Es giebt jedoch über-
haupt wenige Exsudate, in denen nicht makroskopisch,
oder mindestens mikroskopisch Blutkörperchen nach-
zuweisen wären, namentlich hat Vf. die Beobachtung
gemacht, dass sehr akut entstandene, sonst aber
gutartige Exsudate oft mehr oder weniger hämoii'ha-
gisch sind. In 2 Fällen hatte das Exsudat einen
gelatinösen Charakter, indem es sofort nach der
Entleerung zu einer gallertartigen Masse gerann.
Eiterige Beschaffenheit des Exsudates ist pro-
gnostisch um so ungünstiger, je grösser die Zahl der
beigemischten Eiterkörperchen ist, obwohl man sel-
ten ein Exsudat durch die Punktion entleeren wird,
in dem sich nicht Eiterkörperchen mikroskopisch
nachweisen liessen, namentlich dann, wenn man den
Kr. vor der Punktion sich bewegen lässt, weil dann
die am tiefsten liegenden Eiterkörperchen sich den
obera Flttssigkeitsschichten beimischen. Ausserdem
haben solche Exsudate stets eine Tendenz zur Wie-
deransammlnng und man findet dann den Erguss bei
der folgenden Punktion in der Regel eiterhaltiger,
ja zuletzt rein eiterig. Vf. macht hierbei die in-
teressante Bemerkung, dass bei Punktionen von
Pneumothorax die in die Pleurahöhle ausgetretene
Luft zuweilen Monate lang mit der daselbst ange-
sammelten Flüssigkeit in Berührung blieb, ohne dass
Pyo-Pneumothorax sich gebildet hätte ; die Flüssig-
keit blieb serös und in 2 Fällen liessen sich selbst
bei genauester mikroskop. Untersuchung keine cor-
puscularen Elemente in derselben nachweisen.
Was die Punktion bei Empyem^ eiteriger Pleu-
ritie und Pyo-Pneumothorax anlangt, so constatirt
Vf. , dass er bei Kindeni oft mit einfacher Punktion
des eiterigen Exsudates ausgekommen ist uud gute
Resultate erzielt hat. Er glaubt auch, dass man bei
Erwachsenen wohlthnt , wenigstens einmal zu pnnk-
tiren, bevor man die Incision vornimmt, lieber die
Ausspülung des Thorax nach Baetz und Gold-
ammer fehlen dem Vf. zwar eigene Erfahningen,
doch hält er die Methode dann nicht für empfehlens-
werth, wenn der Eiter mit dicken Fibringerinnseln
und Flocken untermischt ist ; dann kann nur Inci-
sion helfen.
Das BaccelWw!\\^ Symptom, die Flüsierstimme,
hat Vf. bei eiterigem Exsudat nie , bei serösem fast
immer und um so deutlicher gehört , je freier die
Flüssigkeit von Blut-, Eiterkörperchen und Fibrin-
flocken war. Jedoch kommen hiervon zuweilen
Ausnahmen vor.
Schlüsslich räth Vf., schon um der Prognos
willen, jeder Thorakocentese tiüt Trokar oder Hohl
nadel eine Probepunktion mittels der Pravoz^atibs
Spritze vorauszuschicken , wobei natürlich filr sorg
fältigste Desinfektion des Instrumentes Sorge getn
gen werden muss.
Die Punktion des Herzbeutels bietet im AWff
meinen weit grössere Schwierigkeiten dar, theils wc
gen der hier leicht möglichen diagnostischen Irrthtl
mer — weshalb hier unter allen Umständen ein
Probepunktion vorausgehen sollte — als auch wegei
der grossem technischen Schwierigkeiten.
Primäre, idiopathische Herzbentelentzündungei
mit Ansammlung grösserer Mengen seröser oder serq
fibrinöser Flüssigkeit sind selten ; meist handelt e
sich um sekundäre Perikarditis, nnd man findet dun
abgesehen vom Hydroperikardium, in der Regel eifts
rige oder hämorrhagische Ergüsse, oder auch jan
chige , wie z. B. bei Perforation von Oesophagofl
divertikeln. Die Punktion des Herzbentels wird da
her ebenfalls meist nur einen palliativen Natsei
schaffen, der aber immerhin nicht zu unterschätsol
ist, und zwar um so mehr, als jetzt durch die Vor
theile der antiseptischen Behandlung die Gefährlich
keit der Operation wesentlich geringer geworden ist
Vf. bediente sich früher zur Punktion des Hen<
bentels eines mittelgrossen Trokar, bestehend aal
einem einfachen Stilett und einer glatten Kanfllj
ohne rechtwinkelig aufsitzende Platte oder Scheibe
(8. Fig. 2). I
Derselbe wird , gut geölt und deBinficirt, durch dl
Wand eines 1 Mtr. langen Gammirohrs a ungefähr 1-^
iVa Otmtr. von dem einen Ende desselben, bei b, eingll
stochen, durch das Lnmen c des Gummirohrs bis an
Insertion des Stiletts im Holzgriff vorgeschoben, dann
Instrament in die Thoraxwand eingestossen und das
lett zurückgezogen. In dem Moment, wo dasselbe heil
die Kanüle veriässt , gleitet letztere in das Lumen d«
Gummirohrs hinein a. wird von diesem fest nmsohloesea
Fig. 2.
Das Gummirohr wird nunmehr, um die EinstichsteUe fl
verschliessen, noch ein Stück über die Kanüle nach vof
wärts geschoben und nun der Abfluss des Exsudats ante
Wasser in ein neben dem Bett stehendes GefSss vermitte]!
Jeder Lufteintritt ist bei dieser Methode vollkommen a«
geschlossen. Gegenwärtig bedient sich Vf. auch m
Punktion des Herzbeutels seiner Doppelhohlnadel.
Als Erläutenuig ftir das Gesagte theilt Vf. f<d
gende Fälle mit, in denen er die Punktion des Peq
kardium ausgeführt hat.
Fall 1. Ein 25 J. altes Dienstmädchen, weg«
Hydrops universalis in Folge von Nephritis nnd ^^^^
Albuminurie aufgenommen, hatte vorher bei einer Heq
Schaft gedient, deren zwei Kinder am Scharlach ^''^'''1
waren, nnd hatte damals selbst eine Zelt lang g9fl6bfl^
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klimk.
135
Biksefamerz gehabt u. s. w. Drei Wochen später Schwel-
te? derFüsse und des ganzen Körpers, kein Fieber, aber
kehgiadige Djspnoe. Die Untersuchung ergab recht-
Mtiges plearitisches Transsudat, liinten bis zur Spina
npnbe, rom bis zur 3. Kippe reichend, Flusterstimme,
fiika hinten unten nur schwache Dämpfung. Athmen
Teakoürmit grobem, nicht consonirendem Rasseln, links
fon von der 2. Rippe an bis zum Thoraxrande absolut
leocr Schall, der halbmondförmige Raum ganz ausgefüllt.
Ibtb reehts leerer Schall bis 2 Ctmtr. aber den rechten
Stenuüraiid, nach links ziemlich bis zur mittlem Axillar-
luf, links vom weder Athmnngsgeräusch noch Herztöne
Krtor, Berzstoss nirgends fühl- nnd sichtbar. Puls klein,
lenfSrmig, freqnent. Schon am folgenden Tage Suffo-
«TBCheinangen, welche sofortige Punktion indicir-
Entleerung von 1000-^1200 Cctmtr. seröser Flüs-
«it unter sofortiger Erleichterung der Kranken -, Uerz-
wieder fühlbar, Athemnoth geringer, Schlaf; ver-
Dinrese. Nach 3 Wochen genesen entlassen. Bei
Untersachimg fand man die Herzdämpfung ver-
rt, bis znm rechten Stemalrand reichend, die Herz-
rem, den 2. Pulmonalton nicht accentuirt. Die
oasion und Auskultation der Lungen ergab normales
Iten, im Urin wurde kein Eiweiss nachgewiesen.
Fall 2. Ein 25 J. alter Mann, wegen eines schweren
heumatismus aufgenommen , zeigt« zunächst ein
IcbeB ReibungBgeränsch am Herzen, was aber bald
wand. Die Herzdämpfung, langsam zunehmend,
(e am 3. Tage von der vordem linken Azillarlinie
1.6 Ctmtr. nach rechts vom Stemalrand, vom zwei-
linken Intercostalranm bis ziemlich znm Thoraxrand,
weder sieht' noch fühlbar, Herztöne dumpf,
borbar, Pols klein, nicht paradoxus. Starkes Fie-
, Dyspnoe ; heftige Gelenkschmerzen, zuweilen Schüt-
Die Lunge war anfangs normal, später Compres-
itfamen mit Dämpfung des Perkussionsschalls. Das
iale Exsudat reichte am 7. Tage nach der Auf-
üei bis zar Clavicnla, die Athemnoth war enorm.
Puls sehr klein. Durch eine Probepunktion wurde
eiterige Flüssigkeit, durch die Hohlnadel mittels
kraft 800—1000 Cctmtr. Eiter entleert. Darauf
foriiheiigehend Besserung ein, bei fortdauerndem
a. Gelenkschmerzen mit Schwellung hatte jedoch
£i»idat nach 8 T. die frühere Höhe erreicht. Durch
1 Punktion wurden abermals 700 Cctmtr. Eiter ent-
mit momentaner Erleichterung. Bald erfolgte in-
n neue Exsudatansamralung und am 5. Tage nach
2. Punktion unter Collapsus plötzlich der Tod. —
Reichliches eiteriges und flockiges Exsudat im
otel, sehr ausgeprägtes Cor villosum, auf der vor-
Oberfläche des linken Herzens unter der Fibrin-
zahlreiche Ekchymosen — vielleicht Folge von
^nig durah die Nadelspitze — , Myokardium dünn,
__ degenerirt, an der Valv. raitralis nnd aortae frische,
*t«ifbare Vegetationen.
Fall^, Ein 30 J. alter schlecht genährter Mann,
^10. März aufgenommen, war vor 3 Wochen an Brust-
JJ^CB, Herzklopfen, Beklemmung n. Fieber erkrankt,
we iber vorher schon zuweilen an Schmerzen in der
TutiebäDle Inder Gegend der Ruckenwirbel gelitten. Pat.
vir etwas cyanotisch. Die Untersuchung ergab in der
H snbclav. d. gedämpften Schall, feinblasiges con-
'^inndes Rasseln ; rechts hinten unten den Perkussions-
U ebe Hand breit leer , helles trocknes Bronchial-
'^Ben and Flüsterstimme. Die Herzdämpfung reichte
^ rechten Stemalrand bis zur vordem linken Axillar-
^, von der 4. bis zur 8. Rippe. Der Herzstoss war
J|(bt lieht-, kaum fühlbar; lautes Perikardialreibcn.
Nientor 39«, Puls 120, klein, nicht paradox. Unter
Wime der Herzdämpfung, Verschwinden desReibnngs-
J^i^cbes, Yorwölbong der Herzgegend und zunehmen-
•^pnoe wurde am 23. eine Probepunktion, mit Ent-
"^ eiteriger Flüssigkeit, vorgenommen und am fol-
Mes Tage mit dem Rie$etfieheü Apparat 800 Cctmtr.
fast rein eiterige Flüssigkeit entleert. Hierauf Zorück-
gehn der Herzdämpfung, Besseruug der subjektiven
Symptome, Schlaf, Temp. 37.4. Das pleuritische Ex-
sudat blieb rechts hinten unverändert, es war aber auch
links hinten Dämpfung u. Bronchialathmen nachweisbar,
als Folge von Compression durch das auf den linken un-
tern Lungenlappen drückende perikardiale Exsudat. Am
20. März Oedem des rechten Arms, am 27. Zunahme der
Herzdämpfung nnd des Exsudates, am 30. Wiederholung
der Punktion mit Hohlnadel und Gummirohr, wobei
1500 Cctmtr. ziemlich dickflüssiger, gelber Eiter entleert
wurden. Vier Tage später Tod. — Sektion. Thrombose
der V. axillaris und des Anfangs der V. subclavia. Im
Herzbeutel 600 Cctmtr. dicker, wenig übelriechender
Eiter, Wände des Herzbeutels 4 Mmtr. dick, an seiner
Innenfläche massige Fibrinschicht, unter dem visceralen
Blatt desselben zahlreiche Ekchymosen, jedenfalls, wie
im vorigen Fall, durch Anstreifen und Einstechen der
Nadelspitzen erzeugt ; geringer Grad von Cor villosum,
subperikardiales Fettgewebe verdickt, in die Herzwand
wuchemd, Endokardium und Herzklappen normal. Links
neben 8. und 9. Brustwirbel eine taschenformige Vor-
buchtung des Pleuraüberzugs, mit dickem Eiter erfüllt,
eine gleiche fiogerstarke Tasche bis über die vordere
Axillar linie hinaus sich fortsetzend, die 7. bis 9. Rippe
kreuzend ; rechts eine ähnliche der 7. Rippe entsprechend
bis zur hintern Axillarlinie reichend. Der 8. u. 9. Brust-
wirbel enthielt in der Substantia spongiosa bis unter das
Periost reichende, mit der erwähnten Tasche commnni-
cirende, wenig umfangreiche mit jauchiger Flüssigkeit ge-
füllte Höhlen ; Wirbeisubstanz missfarbig. Die Perfora-
tionsstelle im Herzbeutel war nicht nachzuweisen ; im
rechten obern Lungenlappen bestand ausgebreitete Peri-
bronchitis.
Der letzte Fall ist auch dnrch die Menge des
durch die Punktion entleerten Inhalts des Herzbeu-
tels interessant, und beweist, bis zu welcher Höhe
der letztere einer Ausdehnung fähig, und wie grossen
Druck das Herz ausznhalten im Stande ist.
Vf. erörtert schlüsslich noch die Frage, ob bei
nöthiger Entleerung des Herzbeutels der Incision
oder der Punktion , durch Trokar oder Hohlnadel
der Vorzug zu geben sei. Zu verwerfen ist nach
seiner Erfahrung die Punktion mit der einfachen
Hohlnadel, weil — wie diess die in den beiden
letzten Fällen gefundenen Ekchymosen am Herzen
beweisen, — eine Verletzung des letztern mit der
Nadelspitze, unter Umständen selbst Verletzung eines
grossen Gefässes und in Folge dessen starke Blu-
tung dadurch bedingt werden kann. Mit dem Tro-
kar kommt man nicht immer znm Ziele (Fall 2),
da derselbe mit dem Eanülenende unter der Stilett-
spitze leicht im Perlkardium hängen bleibt und
dieses, ohne einzudringen, vor sich herschiebt. Vf.
empfiehlt daher nochmals die von ihm oben be-
schriebene Hebervorrichtung mit Doppelhohlnadel.
Vor der Punktion erst eine Hautincision zu machen,
um dann den Trokar leichter einstechen zu können,
hält Vf. fttr ttberfiüssig. Dagegen hält er bei rein
eiteriger Perikai'ditis Incision nnd Ausspülung für
das einzige Mittel, Heilung herbeizuführen, zumal
wenn letztere unter allen Cautelen der Antisepsis
ausgeführt wird. Ebenso glaubt Vf. bei hämorrha*
gischem Exsudat der Incision vor der Punktion den
Vorzug geben zu müssen. SchlQsslich mahnt er
aber, mit der Operation, wenn solche einmal ange-
zeigt ist, nicht zu lange zn warten, da bei grossen
136
IV. Pathologie, Therapie u. medieinisohe Klinik.
Ergüssen oft ganz unerwartet Collapsus und Tod
eintreten, und zweitens auch deshalb, weil sich bei
eiteriger und hämorrhagischer Perikarditis im ver-
dickten Herzbeutel sehr gern käsige Massen und
Tuberkelknötchen bilden. (K r u g.)
355. Beitrag zur Anatomie des Nagels;
von Dr. Hans Hebra. (Wien. med. Jahrbb.
p. 59. 1880.)
35G. Anatomisoh-phyaiologische Vorstu-
dien zu einer zukünftigen Onyehopathologie;
von Dr. Unna. (Vjhrschr. f. Dermatol. VHI. p. 1.
1881.)
Obschon Hebra 's Abhandlung in unsern
Jahrbüchern (Bd. CLXXXVI. p. 6) eingehend be-
sprochen worden ist, erscheint eine kurze Wieder-
gabe ihres Inhaltes hier erforderlich, da U n n a ' s
Arbeit in engster Beziehung zu derselben steht.
Hebra sucht nämlich die Ansicht Unna 's
(Arch. f. mikr. Anat. XII.) zu widerlegen, dass die
Matrix des Nagels bis an die vordere Grenze der
Lunula reiche. Nach seinen Untersuchungen zerfällt
der Boden, auf welchem der Nagel ruht in drei Ab-
schnitte, von denen der hintere mit mächtigen, zu-
weilen in Reihen angeordneten Papillen besetzt ist,
an welche sich ein System longitudinaler mit Pa-
pillen versehener Leisten anschliesst Dieselben
enden vom in einer convexen Linie, die mit der
vordem, concaven Grenzlinie der Lunula einen
ovalen Raum einschliesst. Dieser ist heller gefärbt,
nicht so reichlich mit Blutge&ssen versehen als die
übrigen Theile des Nagelbodens und trägt weder
Leisten noch Papillen, und erst an seiner vordem
Grenze beginnen wieder die bis an die vordere In-
sertion des Nagels reichenden longitudinalen Leisten.
Da der beschriebene ovale Raum keine Papillen trägt,
sondem nur die hinter demselben befindliche Partie,
so kann auch nur die letztere nach Hebra 's An-
sicht als eigentliche Nagelmatrix gelten.
Ausgehend von dem normalen Wachsthum des
Nagels kommt Unna zu dem Schlüsse, dass weder
jede Verdickung des Nagelblattes als eine Hyper-
trophie, noch jede Verdünnung desselben als eine
Atrophie zu bezeichnen sei, dass vielmehr sowohl
eine Vermehrong als auch eine Verminderung in der
Anbildung von Nagelzellen an bestimmten Stellen
der Matrix entweder Verdickung oder Verdünnung
des Nagelblattes herbeiführen könne.
Im Gegensatz zu H. Hebra und festhaltend
an seiner frühem Auffassung, betrachtet er den
Boden des ganzen Nagelfalzes bis zur bogenförmi-
gen vordem Begrenzung der Lunula als Matrix,
von der aus allein eine Anbildung von Nagelzellen
und hierdurch ein allmäliges Vorschieben des Nagels
auf den Leisten des Nagelbettes stattfindet, ein Vor-
gang, wie ihn Reichert und Ammon [sowie
Virchow, Ref.J seit längerer Zeit geschildert
haben, und wie er heute allgemein anerkannt wird.
Zur Veranschaulichung des Nagelwachsthums be-
dient er sich eines Bildes, indem er die Matrix mü
einem Felde und das Nagelblatt mit einem auf dem
selben wurzelnden und seitlich umgelegten Bündel
gleich langer Halme vergleicht. Wie der bei auf
rechtem Stande der letzteren horizontale Endqaer
schnitt des Bündels bei der Seitenlage mit demBodei
einen schiefen Winkel bildet, so liegen nach den
U. auch alle einer und derselben Generation ange
hörigen Nagelzellen in einer zum Nagelbette ge
neigten Ebene, die [der Mati*ix parallel ist und] ?oi
ihm als Schichtungsebene bezeichnet wird. Je steUei
die Schichtungsebene [oder die Matrix] ist, desfa
stärker, u. je mehr sie sich der Horizontalen nähtft
desto dünner mnss der betreffende Nagel sein.
Unna erörtert hierauf die Verhältnisse, welch
entstehen, wenn das normale Wachsthum des Nagel
durch eine stärkere oder schwächere Anbildung roi
Zellen an den verschiedenen Stellen der Matrix veiiB
dertwird. Einfährt beispielsweise die am hintern, d.h
dem höher gelegenen Theile der Matrix stattfindenA
Zellanbildung einen nach dem vorderen, dem tiefei
gelegenen, Theile hin allmälig abnehmenden Za
wachs, so müssen die schneller wachsenden obera
Schichten, da sie sich mit den neben und unter ihnei
liegenden langsamer wachsenden in festem Zusam
menhange befinden und nicht nebeneinander vei
schieben können, nach vom und oben gelangen, a
dass eine Aufrichtung der Schichtnngsebene und eiw
Verdickung des Nagels die Folge ist. Betrifit dk
vermehrte Zellbildung den vorderen, tiefer gelegen«
Theil der Matrix und nimmt gegen den hinteren
oberen allmälig ab, so muss, da die schneller vor
rückenden untern Nagelschichten allseitig in festen
Zusammenhange mit der Nachbarschaft stehev
hieraus nach U n n a 's Darstellung eine Senkung dei
Schichtungsebene und eine Verdünnung des Nagel
blattes resultiren.
Analog gestalten sich die Verliältnisse bei einei
Verminderung der Zeilproliferation ; hat dieselbe in
hinteren Bezirk der Matrix ihren Sitz, so ftlhrt sii
zur Verdünnung des Nagelblattes, befindet sie sid
im vorderen, zur Verdickung desselben.
Auf diese Weise entstehen Nageldeformitäten
welche sich durch quer verlaufende wallartige Ver
dickungen, resp. durch Querrinnen charakterisirett
U. bezeichnet diese Veränderungen als NageldefigQ
rationen, indem er die Bezeichnung Hypertrophie
resp. Atrophie deshalb nicht für passend hält, wel
er den normalen Nagel schon an sich ftlr ein hyper
trophisches Gebilde hält, und bei der gäDzlicl
fehlenden spontanen Elimination von NagelzeUei
nicht von einem Ueberschuss von in grössere
Menge producirten Zellen über etwa spontan elimi
nii*te oder von letzteren über jene die Rede ist.
Zum Schluss stellt U. den Satz auf, dass aU
Veränderungen des Nagels, welche mit dem fort
schreitenden Wachsthum desselben ihren Ort von
Nagelfalze nach dem freien Rande zu verändern, au;
Alterationen der Matrix, die andern dagegen, di(
entweder ihren Ort nicht verändern oder vom fi«i«i
IV. Paäiologie, Therapie n. medicinigche Klinik.
1«7
Raode nach dem Falze zu fortschreiten , auf einer
Ericnnkiing des Nagelbettes beruhen.
(Qnstav Bohrend.)
357. üeber blaue, dunkelgefärbte oder
sehiefergrane Hautfleoke; Taches bleuesy om-
Ifies ou ardaisSes,
Schon seit geraomer Zeit wurden von einer An-
ahl ihnzMscher Antoren bei Personen , die an den
verschiedenartigsten akuten Krankheiten litten, meist
am Abdomen befindliche bleigraue Flecke beobachtet,
die von ihnen gewöhnlich mit dem allgemeinen
KnokheitsproceBse in ursächlichen Zusammenhang
gebracht wurden. In der deutschen Literatur finden
ieh dieselben von Griesinger (Infektionskrank-
lidten. 2. Aufl. Erlangen 1864. p. 214) als zu-
iiülige Begleiterscheinungen des Ileotyphus erwähnt;
er hat sie „in leichten und schweren Fällen , doch
licht sehr häufig gefunden an Bauch , Brust und
Rfleken , gewöhnlich nicht zahlreich , meist auf der
Höhe der Krankheit und ohne allen Einflnss auf
deren Verlauf und Prognose.'^ Er bestätigt hiermit
doeo Befund , auf den vor ihm namentlich T r o u s -
seaQ und Murchison bereits aufmerksam ge-
Dicht hatten y und giebt an, dass nach seinen Beob-
achtoogen die Flecke grösser sind und mehr con-
flairen, als diess auf der Abbildung des Letztem der
t Fall ist.
Später lenkte Mourson (Nouvelles recherches
nr les taches ombr^es ; Annales de Dermatol. IX.
1877/78. p. 198) von Neuem die Aufmerksamkeit
auf diese Flecke. Er beobachtete sie im Laufe von
9 Jahren bei 250 Personen mit den verschieden-
artigsten fieberhaften und fieberlosen Erkrankungen,
aber auch bei ganz Gesunden. Femer lehrte seine
Beobachtung , dass in allen Fällen , in denen diese
Flecke sich fanden , gleichzeitig Morpionen vorhan-
deo waren, und umgekehrt, dass bei Personen, die
Morpionen acquirirten, wenn auch nicht regelmässig,
» doch meistentheils, innerhalb 20 Tagen derartige
Snne Flecke auftraten, dass die Vertheilung der
letztem am Körper keine zufällige sei , vielmehr ge-
>aa die Bahn bezeichnete, auf welcher die Parasiten
Bch am Stamme verbreiteten , und dass sie dem-
gemäss sich hauptsächlich in der Umgebung der be-
bttiten Stellen des Rumpfes zeigten.
Diese Abhängigkeit der Taches ombr6es von der
Anwesenheit von Morpionen und ihre Erzeugung
Ml die letztem glaubt Duguet (Les taches
Ueoes; leur production artificielle: Gaz. des Hdp.
46. p. 362. 1880 und Ann. de Dermatol. I. 1880.
p- 544) nunmehr auf experimentellem Wege dar-
geäuui zu haben. In der Annahme, dass die Flecke
von einer von den Filzläusen in die Haut einge-
brachten Substanz herrühren, zerrieb er eine grössere
Auahl dieser Thiere unter Zusatz einiger Tropfen
Wasser zu einer Paste und impfte von derselben
ont sieben Lancettenstichen ein Individuum, welches
tt andern Stellen derartige Flecke besass : schon
Med. Jahfbb. Bd. 191. Hfl. 8.
am nächsten Tage zeigten sich um die Einstichs-
stellen hemm typische Taches ombr^s, während ein
mit der trocknen Lancette ausgefohrter Controlver-
such vollkommen negativ ausfiel. Zwei Tage später
impfte sich ein Assistent D n g u e t 's mit dner andern
von zerriebenen Morpionen herrührenden Masse am
Oberarm, sowie am Handgelenk, und konnte am
nächsten Tage , bei Wiederholung des Versucha so-
gar schon nach 6 Stunden einen positiven Erfolg
aufweisen, während bei einem gleichzeitig mit demsel-
ben Stoffe geimpften Collegen keine Wirkung eintrat.
In einem Falle hat D. eine Stelle , an weldier
sich eine Filzlaus befand, durch einen Kreis mit
einem Höllensteinstift markirt , er fand am nächsten
Tage, während das Insekt verschwunden war, da-
selbst einen Fleck , so dass er die Entstehung des
letztem auf diese Weise direkt beobachten konnte.
Bei einem andern Individuum endlich, welches Flecke
am Abdomen und an den Unterexläremitäten hatte,
fanden sich Morpionen auch an den letztem bis
hinab zu den Malleolen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung Hessen
sich keine Veränderungen nachweisen , und, da die
Flecke nach dem Tode schwinden, so glaubt D.,
dass es sich hier vielleicht um lokale Cirkulations-
störongen in den CapilUiren handele.
Dass diese Flecke früher mit akuten innem Er-
krankungen , namentlich mit dem Ileotyphus in Zu-
sammenhang gebracht wurden , hat nach D. darin
seinen Grand , dass bei diesem Leiden häufiger als
sonst eine Inspektion des Abdomen vorgenommen
wird. Aus dem gleichen Grunde hat er sie früher
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bei Syphi-
litischen gefunden.
Auch 0. Simon (Bresl. ärztl. Ztschr. UI. 14.
1881) hat in zahlreichen Fällen constatiren können,
dass diese von ihm sogen. Maculae caeruleae nur
an denjenigen Stellen auftreten , wo Morpionen ver-
weilen oder verweilt haben, und niemals wurden
Flecke constatirt, ohne dass solche oder Spuren der-
selben vorhanden waren. In den meisten Fällen
konnte auf den Maculis caeruleis ein Ovulum phthiria-
cum am Haare klebend gefunden werden.
(Gustav Behrend.)
358. Phthiriasis palpebrarum; von R. W.
Stelwagon. (Arch. of Dermatol. VII. p. 301.
1881.)
Bei einem lljähr. Mädchen zeigten sich bei
oberflächlicher Betrachtung die Augenlider an ihren
Rändern zum Theil mit Schuppen und Krusten be-
deckt , während sie an einzelnen Stellen normal er-
schienen. Bei genauerer Betrachtung jedoch bemerkte
man an den Wimpem Eier von Läusen und an den
Augenlidem, sowie in ihrer Nachbarachaft rothe Ex-
krementflecke derselben. Mit Anwendung der Lupe
wurde eine Anzahl kleiner Filzläuse entdeckt , ohne
dass an irgend einer andem Stelle des Körpers
solche vorhanden gewesen wären.
18
138
IV. Pathologie, Therapie u. medicinigohe Elimk«
Die Affektion der Augenlider hatte 2 Mon. be-
standen. (Gustav Behrend.)
359. Urticaria pigmentosa.
Unsem frflhem Berichten über diese bisher nur
von englischen Autoren beschriebene Erkrankung
(s. Jahrbb. CLXXXIV. p. 136 u. CLXXXVI. p. 31)
fügen wir zwei weitere Beobachtungen hinzu , deren
eine von Dr. Cavafy (Lancet I. 19 ; May p. 739.
1880), die andere von Stephen Mackenzie
(Med. Times and 6az. April 24. p. 451. 1880)
stammt.
Id beiden Fällen handelte es sich nm 15 Mon. alte,
wohlgenährte und gesunde Kinder, bei denen die Erkran-
kung in den ersten Lebenstagen begonnen hatte. Bei
beiden fanden sich braune, längliche nnd zum Theil con-
fluirende Flecke, letztere von nnregelmässiger Gestalt
nnd dem Umfange eines 50-Pfennigstackes; daneben rothe
Flecke , an denen durch Beiben nnd Kratzen Urticaria-
qnaddeln entstanden. Auch an den dunkel pigmentirten
Stellen entstanden durch Reiben Qnaddeln, indem sie
vorabergehend eine rosenrothe Farbe annahmen. Die
Flecke waren am zahlreichsten am Rumpfe , namentUdi
an Rücken und Brast, spärlicher an den Extremitäten und
am Nacken ; Handflächen u. Fusssohlen waren firei. Die
Haat an den pigmentirten Stellen war nicht inflltrlrt und
fühlte sich normal an.
Bef. hatte während seines Aufenthalts in Lon-
don diese beiden Fat. zu sehen Gelegenheit. Bei
einem derselben traten Linien , welche man mit dem
Fingernagel auf der Haut zog , schon nach kurzer
Zdt als wallartige quaddelf5rmige Streifen hervor.
Dieser Umstand beweist allein schon , dass es sich
hier nm eine wirkliche , auf einer erhöhten Reizbar-
keit der Haut beruhende Urticaria handelte, nnd
nicht etwa um Insektenstiche; wie es Hutchinson
in Bezug auf den Sangster'schen Fall annimmt.
(Gustav Behrend.)
360. Erfahnuigen über die Heilwirkung
der Jodsoolenkur in Hall (Ober-Oesterreioh)
bei Syphilis, besonders nach MerhuriaU und
Jodkuren; von Dr. S. Eatser in Hall. (Wien,
med. Wchnschr. XXXI. 17. 18. 1881.)
Vf. führt als für den Gebrauch der Haller Jod-
soole besonders geeignet folgende Fälle an.
1) Frische Syphiliden , sowie Spätformen der
Syphilis ; mit besonders günstigem Erfolge wird sie
angewendet als Unterstützungskur bei gleichzeitigem
Gebrauche anderer antisyphilitischer Mittel.
2) Fälle, in denen nach dem Gebrauche von
Merkur- und Jodkuren die Kranken wohl von den
Syphilissymptomen geheilt, aber in ihrer Ernährung
sehr herabgekommen sind und an Anämie und Neur-
algien leiden.
3) Fälle, in denen nach regelmässiger Merkurial-
kur noch verschiedene eher auf die Quecksilberwir-
kung als auf Syphilis zu beziehende Affektionen der
Schleimhäute vorhanden sind. Hier schwanden die
Erscheinungen ohne gleichzeitige Anwendung von
andern Medikamenten. Vf. behauptet, jedoch ohne
dass bis jetzt hierüber Untersuchungen angestellt
worden wären , dass die Jodsoole eine Ausscheidung
des im Körper zurückgebliebenen Quecksilbers be-
wirke.
4) Fälle , in denen eine Stärkung der Constitu-
tion zur Beseitigung von Syphilisresten erforderlich
ist, namentlich wenn Complikation mit Scrofulose
oder Siechthum aus andern Uraachen vorhanden ist.
5) Veraltete , degenerirte , hartnäckige , tertiäre
Syphilisformen, welche dm*ch Missbrauch von Queck-
silber- und Jodpräparaten , durch ungeeignete oder
nicht gehörig ausgeführte Einreibungsknr zu Stande
gekommen sind. (J. E d m. G tt n t z.)
361. Ueber die Ezoiaion dar Initialakle"
rose; von Dr. J. Kröwczynski. (Vjhrschr. f.
Dermatol. u. Syph. VIH. 1. p. 101. 1881.)
Vf. macht auf Grund einer längern theoretischen
Betrachtung die Methode der Excision der Sklerose
zum Gegenstand seiner Kritik. Er wägt die Gründe
ab , welche über das raschere oder langsamere Vor-
dringen des Giftes (möge man sich das Contaginm
als Pilz oder als chemisches Ferment vorstellen) im
Organismus und über den Meclianismns dieses Vor-
dringens im einzelnen Falle zn entscheiden haben.
Soll die Excision der Sklerose nützen , so mnss das
Gift an der Eingangsstelle, da , wo sich die zn exci-
dirende Sklerose später entwickelt , welche letztere
als der eigentliche Krankheitsherd angesehen wird,
von welchem aus nach dieser Art der Vorstelloog
immer neuer Krankheitsstoff dem Organismus nach
und nach zngemischt wird , lokal bleiben. Vf. be-
trachtet diese Art der Fortpflanzung des Contaginm
für viele Fälle als unzweifelhaft und in solchen könne
die Excision vielleicht nützen. Für viele andere
Fälle sei jedoch die fragl. Fortpflanzungsweise nicht
annehmbar, da die Erfahrung mehrfach bewiesen
habe , dass Aetzungen , welche sofort nach der An-
steckung vorgenommen worden , dem Ausbruch der
Syphilis nicht vorbeugen konnten. Dann könne die
Excision einer später sich entwickelnden Sklerose
nichts nützen, das Contaginm verbreite sich nnter
Umständen langsam im Körper, unter andern Ver-
hältnissen rascher.
Ein sicheres Urtheil lässt sich nach Vf. über den
Werth des fraglichen Verfahrens nur dann abgeben,
wenn es möglich ist, in jedem Falle von Excision
die Quelle der syphilit. Infektion zu ermittehi. Es
sei jedoch wahrscheinlich, dass die Excision nützlich
sei , und zwar um so nützlicher, je frühzeitiger sie
ausgeführt wird , weil von der Quantität des Con-
taginm die Intensität der Allgemeinerscheinnngen
abhängt. Die Ergebnisse und Erfolge der abortiven
Behandlungsmethode hängen ebenso wie die Kesnl-
täte der Behandlung chronischer Krankheiten im
Allgemeinen und insbesondere bei der Syphilis von
den physiologischen Funktionen des Organismus ab.
(J. Edm. Güntz.)
362. Hochgradige Bndarterütia Inetioa
(Heubner) an den Himarterien eines XbmonaÜ*
Mädchens bei sicher constaiirter Lues hireditona;
IV. Pathologie, Therapie a. medicinische Eünik.
139
TOD Dr. Hans Chiari. (Wien. med. Wchoschr.
XXXI. 17. 18. 1881.)
Die Matter des Kindes hatte sich im Oet. 1874 mit
mm sypbifit. Manne verheirathet , im Juli 1875 ein
ledtes Kind geboren und war im Jan. 1877 wegen Roseola
oad Geschwüren im Rachen und an den Tonsillen behau«'
deit worden. Am 20. Febr. 1878 war das Kind, auf das
sieh die ▼orüegende Mittheilnng bezieht , anscheinend ge-
md) geboren worden ; qngeßlhr 6 Wochen nach der Ge-
birt stellten sich Papeln und Rhagaden am After ein und
PwrittiBflecke an Handtellern nnd Fusssohlen. Bis zum
iO. Joli waren alle Syphiliserscheinungen durch Jodeisen
pt3gt. Hierauf war das Kind ohne Wissen des Arztes
piBipft worden. Ende Angust zeigten sich wieder
SypUHsefseheinnngen , welche in gruppirten Roseola-
fräken in der AzUla , in Abschilferang der Haut an den
ObeiBchenkeln , tiefen Geschwüren der Tonsillen und in
RÖthong and Schwellung der Pharynx- nnd Nasenschleim-
hnt bestanden. Unter Anwendung von Jodeisen, Chlors,
lali und Caloroel stellte sich allmälig Besserung ein,
K diss das Kind am 20. Oct. 1878 als zur Zeit geheilt
ffwhien. Am 21 . Dec. desselben Jahres traten Erschei-
mgen ron Affektion des Gehirns — Erweiterung der
liikea Pupille, Ptosis des rechten obern Lides , Lahmung
d« N. facialis — , sowie eine anscheinend gnmm5se Ge-
Kliwolst in der rechten Zungenhälfte ein. Jodkalium und
ßnreibaogskur brachten keine Besserung , es traten Ab-
ugfnmg , coniplete Lahmnng der rechten Körperh&ifte
od epileptiforme Anf&lle hinzu ; nach lOtagiger Agonie
eiÜDlgte der Tod am 22. Mai 1879.
Bei der Sektion fanden sich die Schüdeldecken blass,
üe harte Hirnhaut glatt , blass. Die innem Hirnhäute
fDthielten Blut in massiger Menge, waren stark ödematös
■d leicht verdickt. An vielen (ungefähr 20) umschrie-
kaeo bis 1 Qn.-Ctmtr. grossen Stellen , sowohl an der
CoiTexität als auch an der Basis des Hirns , fanden sich
pbtteDförmige , weisse Herde. Am Kleinhirn waren die
Hinbiate ganz zart und ohne solche Herde. In der Um-
letNiBg der grossen Hirnarterien an der Basis fanden sich
tfiK Yerdieknngen leichteren Grades; die meisten
Arterien an der Basis, besonders die Art. vertebrales und
iMil. erschienen in ihrer Wand verdickt nnd waren härt-
Ueh lozafühlen. Beim Emschneiden in dieselben ergab
Kb ein siemlich weiches Gewebe ; sie waren in der be-
trdfenden Partie vollständig obliterirt. Auffällig war
Nck Thrombosimng nnd weiter hinab waren die beiden
Cirotides int. und die Art. foss. Sylvii, besonders die
flüistn in ihren Wandungen bedeutend verdickt. Die
iMgen Arterien des Gehirns erschienen zartwandig. Im
Onmhim fanden sich an verschiedenen Stellen der Mark-
■use, sowie der Ganglien bis stecknadelkopfgrosse,
TeiHüeh-gelbliche Herde, welche gegen die Nachbar-
idiaft deutlich abgegrenzt waren. Der rechte N. facialis
var etwas dicker als der linke. Die syphilit. Natur der
Erbankung wurde auch durch den Befund in andern Or-
paen zweifellos bestätigt. Das Nähere s. im Original.
Die mikroskopische Untersachung erwies deut-
sch das Bild der Endarteriitis luetica. Wir heben
noeb hervor , dass die weisslichen , plattenförmlgen
^Iwke entsttndliche Herde mit seiliger Infiltration
<ltntdlteo, jngendliches Bindegewebe mit reichlichen
Sond-y Spindel- nnd Sternhellen. In Betrefif der
weitern f^nzelbeiten der mikroskop. Analyse ver-
venen wir ebenfidls auf das Original.
Ab besonders interessant ist die in vielen Her-
den «aftretende Erkrankung der innem Hirnhäute
iB erwähnen , sowie die zn eompieter Obliteration
Abrende Endarteriitis , welche schon nach Berück-
sichtigung des ganzen Krankheitsverlanfs auf Syphi-
lis bezogen werden mnss. (J. Edm. Güntz.)
363. Syphilitisohe Initialerkrankung der
Vaginalportion ; von FranzMraöek. (Vjhrscbr.
f. Dermatol. u. Syph. VHI. 1. p. 47. 1881.)
Unter 437 Fällen von Syphilis bei Weibern , die
in der v. Sigmund 'sehen Klinik aufgenommen
wurden , befanden sich 40 mit noch lokaler Erkran-
kung j im primären Stadium , 368 mit bereits vor-
handenen Allgemeinerscheinungen, im sekundären
Stadium , 29 mit Gummaerkrankung. Von diesen
437 Er. waren 375 (fast 86%) mit krankhaften
Veränderungen an der Vaginalportion behaftet , und
zwar 21 (4.7<>/o) mit primär syphilitischen Erkran-
kungen, 96 (20.2Vo) ^^^ sekundär syphilitischen
Veränderungen, in 99 Fällen (210/q) fanden sich an
der Vagindportion Veränderungen in Folge von
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, in 159
Fällen (36^/o) nicht dem Syphilisprocess angehörige
Erkrankungen und in 62 Fällen (14.2%) keine
krankhaften Veränderungen.
Hiemach fand sich bei fast b^/^ aller syphilit.
Frauen die Eintrittsstelle der Syphilis an der Vaginal-
portion , ein Ergebniss , welches so ziemlich mit den
Zahlen anderer Autoren übereinstimmt. Die Dia-
gnose ist nicht immer leicht , weil aus verschiedenen
bekannten Ursachen , In Betreff deren wir auf das
Original verweisen , Verschwärungsprocesse an der
Vaginalportion sich entwickeln und somit eine Täu-
schung veranlassen können.
Genauer berichtet Vf. über 24 F&lle von Bethei-
ligung der Vaginalportion, von denen 7 Fälle in den
ersten Wochen nach der Infektion zur Beobachtung
kamen. Die andern 17 Fälle zeigten schon gleich-
zeitig vorgeschrittene Syphiliserscheinungen.
Was den Sitz des Primäraffekts betrifft , so war
unter 24 Fällen am häufigsten die Vorderlippe, Smal,
und 7mal das Orificium der Vaginalportion befallen.
Die Hinterlippe fand man 4mal, beide Lippen isolirt
3mal erkrankt , femer war die zu einem Ektropion
vorgestülpte Schleimhaut Imal und der Cervikal-
kanal gleichfalls Imal erkrankt In 18 Fällen war
die Portio vaginalis gleichzeitig stark geschwellt,
8mal hatte sich wirkliche Hypertrophie ausgebildet
Eine praktische Bedeutung haben diese Hyper-
trophien , weil sie für den Geburtsakt ein störendes
Hinderaiss abgeben können.
Die Behandlung muss nach Vf. vorwiegend lokal
sein. Täglich applicire man mit einem am Ende
siebförmig durchlöcherten Scheidenrohr 3 — 4 Irri-
gationen. Als Spülwasser diene eine Iproc. Lösung
von Chlors. Kali oder eine ^/g — Iproc. Carbollösung.
Zum Verband eignen sich Tampons aus Watte, welche
mit Jodkaliumjodlösung oder Eisenchloridlösung
1 : 200 getrjlnkt worden sind, sowie Jodoformlösung
1 : 6 Aether, oder Jodoformsalbe 1 : 4. Nach Ref. 's
Erfahrangen ist es besser, das Jodoform nur als
PtUver anzuwenden. (J. E d m. G ü n t z.)
140
V. Gynilkologie u. Pftdiatarik.
\
V. Gynäkologie und Pidiatrik.
364. Zur Behandlung der von Affektionen
der weiblichen GeschlechtBorgane abhängigen
Nervenleiden; von W. S. Playfair (Lancet I.
22. 24; May, June 1881) und A. Seeligmflller
(Centr.-Bl. f. Gynäkol. V. 3. 1881).
Play fair hat bei der nervösen Erschöpfnng
uternskrankerFrauen nach WeirMitchelTs Vor-
schlägen mit viel Erfolg eine tonisirende Allgemein-
behandlnng angewendet. Solche Patientinnen sind
gewöhnlich nach langem Kranksein und vielfältiger
Behandlung mehr und mehr herabgekommen und
sich wie Andern zur Last geworden. Obwohl eine
reale Uteruskrankheit oft besteht, sind die Kr. doch
über den Zeitpunkt hinaus, an dem eine örtliche Be-
handlung zur Heilung führen könnte. Die Schmer-
zen, die Leukorrhoe, die Menstruationsbeschwerden,
die Erschwerung des Gehens , kurz alle die von der
örtlichen Affektion abhängenden Störungen, haben
mit der Zeit alle Funktionen des Körpers in Unord-
nung gebracht, das Nervensystem schwer erschüttert,
das Blut verschlechtert und die allgemeine Ernährung
herabgesetzt. Besonders charakteristisch sind für
solche Kranke der hochgradige Schwund des Fettes
mit Anämie und die gänzliche Appetitlosigkeit mit
den verschiedenen dyspeptischen Symptomen, welche
oft durch den Gebrauch von Chloral, Morphium u. s. w.
gesteigert werden. Die Leidenden ziehen sich mehr
und mehr zuiUck , bleiben ganz zu Hanse oder gar
im Bett und allmälig entwickeln sich die psychi-
schen Züge der Hysterie. Die Hauptmomente der
MitchelTschen Behandlung sind nun Entfernung
der Kranken aus ihren bisherigen Umgebungen und
reichliche Ernährung. Die Assimilation von Nah-
rung wird ermöglicht durch passive Muskelübungen,
durch Anwendung der Massage und der Elektricität.
1) Abgeschiedenheit und Ruhe, Unumgänglich
nöthig ist, dass die Pat. aus ihrer krankhaften Atmo-
sphäre, ihren bisherigen Gewohnheiten, aus dem Ver-
kehr mit ihren Angehörigen entfernt wird. Sie muss
ganz abgeschieden und einer zuverlässigen Wärterin
anvertraut werden. Ist diess aus irgend welchen
Gründen nicht möglich , so muss sie wenigstens ein
eigenes Zimmer bekommen und darf Niemanden als
den Arzt bei sich sehen. Femer ist, wenigstens
ftlr den Anfang der Behandlung , absolute Bettruhe
nöthig. Die Kr. muss still liegen, darf nicht lesen,
nicht nähen, dai*f das Bett nur, um ihre Bedürfnisse
zu befriedigen, verlassen. Nach einigen Wochen
kann sie für einige Stunden aufstehen und gegen das
Ende der Behandlnng muss sie nur 3 — 4 Std. täg-
lich im Bett zubringen.
2) Massage. Die Massage soll in einem syste-
matischen „shampooing'' aller Muskeln des Rumpfes
und der Extremitäten bestehen. Sie erfordert Kennt-
nisse und Erfahrung und muss daher durch ein mit
ihr vertrautes Individuum ausgeführt werden. An-
fänglich genügt Vs S^* ^^^ täglich y bald aber
soll die Behandlung auf l^s Std. früh und Abends
ausgedehnt werden. Rasch pflegt sich die Kr. mit
der Behandlnng zu befreunden und die anftngliche
Empfindlichkeit macht einem wohlthätigen Gefühl
der Ermüdung Platz.
3) ElekirieitäU Der unterbrochene Strom soU^
2mal täglich i/j — Vi Std. lang angewendet werden.
Die Schwammelektroden werden einige Zoll von
einander entfernt auf den betr. Muskel aufgesetzt
und langsam hin- und herbewegt, so dasa der ganze
Muskel zur Contraktion kommt. Man beginnt mit
den Füssen und bringt den ganzen Körper, mit Aus-
nahme des Kopfes , unter den Einfluss des Stromes.
4) Diät. Zuerst wird Milch allein Sstflndlich
gegeben. Man beginnt mit 3 — 4 Unzen (ca. 100
Grmm.), steigt auf 8 — 10 Unzen (ca. 300 Grmm.),
so dass nach mehreren Tagen die Kranke täglidi
etwa 2 — 3 Quart (ca. 2.5 — 3 Liter) geniessi
Gewöhnlich sind die Kr. leicht dahin zu bringen
und rasch schwinden dann die dyspeptischen Er-
scheinungen. Nach 2 Tagen Milchdiät beginnt die
Massage und nun sucht man der Pat. immer grössere
Nahrungsmengen beizubringen: Butterbrot und £i
zum Frühstück, ein zartes Cotelett zum Mittag u. s. w.,
bis nach 8—14 Tagen täglich 3 volle Mahlzeiten
genommen werden, ausser der Milch.
Zum Beweis, welche nnglaublichen Mengen solche
Kr. verzehren können, giebt PI. den Speisezettel Tom
14. Tage einer Pat., welche Jahre lang zu Bett gelegen
bei BchmalBter Kost and gänzlicher Appetitlosigkeit Die
Behandlung hatte am 16. Oct. mit 3 Unzen Milch detfiodl.
begonnen, am 30. Oct. genoss die Pat. mit Appetit:
5 Uhr Morgens 10 Unzen Sappe aus rohem Fleisch; 8Ubr
eine Tasse schwarzen Kaffee ; 9 Uhr einen Teller Hafer-
mehlsuppe mit einem Maass Sahne und einem Becher
Milch; 12 Uhr 30 Min. Mittags MUoh; 1 Uhr 45 Mb.
Nachm. Fisch, Brod und Butter, Bampsteak, Blomen-
kohl, Omelette and einen Becher Milch ; 4 Uhr Naehm.
Milch ; 5 Uhr MUoh, Brod nad Batter ; 7 Uhr Abends ge-
rösteten Haddock, Hähnchen, Blumenkohl, Aepfel nüt
Sahne, ein Glas Bargander; 9 Uhr 30 Min. MUch; 11 Uhr
Sappe aas rohem Fleisch.
Tritt bei solcher Kost, was nnr ganz ansnahms-
weise geschieht, Uebelbefinden ein, so kehrt man
fOi' einige Zeit zur Milchdiät zurück. PI. theiit
folgende nach der beschriebenen Methode behandelte
Fälle mit.
I. Eine 32 J. alte Frau hatte mit 22 J. geheirathet
und seit der Geburt ihres letzten Kindes an allerhand
Uterinstörangen gelitten, welche ihr Arzt als Uleeratioo,
Endometritis, Perimetritis bezeichnete. Nach dem Tode
ihres Gemahls (1876) hatte sie einen Beckenabsoess, der
sich durch Blase und Vagina entleerte. Seitdem bestand
Blasenlähmung , der Katheter musste regelmässig ange-
wendet werden. Bald wurde das rechte, dann das linke
Bein schwach und die Kr. wurde paraplegisch, so daü
sie kaum die Zehen bewegen konnte. Die Lahmoog e^
griff 1877, nachdem Schmerzen im Nacken und Moskel-
zuckungen vorausgegangen waren, auch den linken Arm
und die Naokenmuskeln, so dass die Kr. allein nooh den
rechten Arm bewegen konnte. Um diese Zeit heilte der
Beckenabsoess aus und traten von Seiten des Uteras
keine Symptome mehr auf. Der sonstige Zustand blieb
V. Gynäkologie n. Pädiatrik.
141
tarts soxgfättigster intlicber Behandlung unverändert.
IHe Kr. consultirte die besten Aerzte , alle hielten ihr
Leideo f&r bTsterisch und Keiner konnte ihr helfen. Sie
gesosB wegen gänzlicher Appetitlosigkeit nur Spuren von
Speise, brauchte wegen Schlaflosigkeit Chloral und war
Hhreod ihres jährigen Bettliegens zum Schatten ge-
forden. Im J. 1880 kam sie nach London und P 1. be-
ititigte mit Buzzard den hysterischen Charakter der
LümiBBg. Die Sexualorgane erschienen normal. Am
Ifi. Od. wurde die Fat. mit einer tüchtigen Wärterin
iMiirt, die Milehdiät begann, einige Tage später die Mas-
sage. Am 21. Hess Fat. zum 1. Male seit 4 Jahren Urin,
ifie Niehte schlief sie ruhig ohne Chloral. Am 23. wurde
deS 8td. lang maasirt und 1/2 Std. lang elektrisirt. Am
». war ihr Speisezettel dem oben mitgetheilten gleich,
dl konnte die Beine im Bett frei bewegen. Am 6. Nov.
anne 1 Std. lang auf einem Stuhl. Massage und Elek-
tiMnuig wurden allmälig vermindert und die Menge der
Späse wurde eine kleinere. Am 17. ging Fat. die Treppe
Mmter und machte eine Spazierfahrt. Sie hatte ausser-
fldenttich zugenommen und schien eine andere Ferson
di Tor 1 Mon. zu sein. Am 26. kehrte sie als Re(!on-
nlescentin nach Hause zurück. Seitdem blieb sie gesund
■d erfollte wieder ihre Fflichten im Haus und In der
GaeOschaft.
n. Ein früher gesundes Sljähr. Mädchen hatte sich
m 5 Jahren bei der Fflege ihrer kranken Mutter über-
»trengt und litt seitdem an Rucken weh, Schwere im
lobe, konnte nur wenig gehen, fühlte sich äusserst
rtwteh und hatte Ihre Feriode unregelmässig. Seit
October 1879 lag Fat. im Bett oder auf dem Sopha, da
d» geringste Stehen lebhafte Schmerzen verursachte,
Mt bestandige Uebelkeit, gar keinen Appetit und ver-
Kfeaifte sich nur durch Morphium und Cliloral Ruhe. Es
bestand eine Retroflexio uteri ; die mehrfach eingelegten
Pessare blieben nicht liegen oder wurden von der Fat.
hennsgezogen ; alle Kurversuche führten zu nichts. Im
Beeember kam sie nach London und am 11. wurde die
XitebelVsche Kur begonnen, welche den besten Erfolg
btte. Nach 8 T. wurde ein Stielpessar eingelegt, das,
ibe Beschwerden zu verursachen , 1 Mon. lang liegen
Ueb. Später wurde auch ein Hodge^Bches Fessarium gut
ivtragen. Die Fat. gewann sehr rasch an Kraft und
Leibesfalle, am 11. Dec. wog sie 79 Ffd., am 20. Jan.
1^ 98 Pfbnd. Am 15. Jan. ging sie die Treppe hinab
od machte eine Spazierfahrt. Seitdem ging sie täglich
iml ans. Anfang Februar reiste sie frisch und rosig,
obe jede Beschwerde ab und blieb seitdem vollständig
fcsond.
in. Efaie 22jähr. Frau, welche Fl.'s Hülfe in An-
iprachnahm, hatte an Rückenweh, wehenartigen Schmer-
Ki imd den andern Utemssymptomen gelitten und war
ttfdie mannigfachste Weise örtlich btliindelt worden.
Diefidne waren paretisch, sie konnte nnr schwerfällig
dB Stack gehen und del dann oft nieder. Die Arme,
Hiode, Lippen u. Augenlider wurden oft von Zuckungen
^egt. Vor der Feriode traten heftige hysterische An-
Sne mit grosser Agitation und nachfolgender Prostration
dl; ähnliche Anfäl! wurden überhaupt durch eine stär-
kere Erregung herv6> gerufen. Fl. fand keine örtliche
StSnrng. Pat. war bleich, aber leidlich genährt, sie fiel
nPl.'s Zimmer mehrmals nieder, obwohl sie von ihrem
Hiemann geführt wurde. Nur schwer entschloss sie
^ n der vorgesohlagenen Behandlung. Tu den ersten
^Stl derseiben hatte sie einen heftigen Ausbruch hyste-
Hielier Erregung, welcher durch den Vorschlag, die Wär-
t^ zu entkissen, bernhigt wurde. Zehn Tage lang ging
^ Saehe gut, Fat. ass reichlich und nahm an Fülle und
^<^"^t zu. Nach Beginn der Faradisation trat ein
^ Puoiysmiis ein. Fat. schrieb wehmüthige Briefe an
ito KutB, erklärte, toll zu werden und die Qualen der
l^teidhiDg nicht ertragen zu können. Der Mann ant-
jgyfa auf PL'8 Rath, dass er die Verantwortung der
^Mveebung der Kur nicht auf sich nehmen könne, sie
^nftnedeb entacheiden. Fl. erklärte, der Zweck
des Elektrisirens, ihre Beine zu kräftigen, sei erreicht,
wenn sie die Treppe hinuntergehen könne , dann könne
eine Unterbrechung eintreten. Am nächsten Morgen kam
die 1 (engl.) Meile entfernt wohnende Fat. ohne Unter-
stützung zu Flayfair. Sie verliess die Stadt anschei-
nend gesund und unternahm eine Reise auf den Continent.
Nach PI. war in diesem Falle das Wirksame
der moralische Eiodruck der Isolirang. Er zeigt,
wie wichtig die EntfemuDg aus den häuslichen Ver-
hältnissen ist und wie rasch der Wille gekräftigt
werden kann.
IV. Eine 45 J. alte unverheirathete Frau, seit 1872
krank, litt an sehr heftigen Schmerzen während der Men-
struation, an einem constanten Schmerz in der linken
Seite und im Rücken, welcher sich auf das linke Bein er-
streckte und mit Schwäche desselben verbunden war. Es
wurde an der linken Seite des Uterus ein subperitonäales
Fibrom gefunden und entfernt. Doch blieb der Schmerz
bestehen und bald wuchs der Tumor wieder. Zugleich-
bestand zeitweise Endometritis, Vaginitis und Frolapsns
ani. Fat. war sehr nervös und hyperästhetisch, ein Zu-
stand, der durch ein isolirtes Leben und den häufigen Ge-
brauch von Morphium-Injektionen gesteigert wurde. Sie
lag fast immer, litt viel Schmerzen, fühlte sich äusserst
erschöpft und brachte doch die Nächte schlaflos zu. Sie
war anämisch, auf das Aeusserste abgemagert, gänzlich
appetitlos. Täglich verbrauchte sie beträchtliche Mengen
von Morphium nnd Chloral. Sie wurde mit einer fremden
Wärterin isolirt und in den ersten 14 T. ging die Sache
ziemlich schlecht. Pat. zeigte sich unfähig, die vorge-
schriebene Nahrung zu nehmen , die Schlaflosigkeit war
eher vermehrt und die geistige Depression steigerte sich
zur Verzweiflung. Die Entziehung des Morphium rief
heftiges Erbrechen hervor. Nun wurde die zwar gut-
willige, aber wenig intelligente und nachgiebige Wärterin
durch eine andere taktvolle und energische ersetzt und
von da an ging Alles besser. Insbesondere führte die
neue Wärterin die Massage, von welcher die frühere nichts
verstanden hatte, zweckmässig aus und nun konnte die
Fat. alles Vorgeschriebene essen und schlief die ganze
Nacht. Das Morphium wurde ihr allmälig entzogen. Das
Befinden der Kr. machte geradezu wunderbare Fort-
schritte, schon nach 1 Woche wurde die Stimmung hoff-
nungsvoll und die Fat. nahm sichtlich zu. Sie glich einer
Gefangenen, welche nach jahrelanger Haft sich erst mit
Mühe wieder an das Leben gewöhnt, und nur langsam
liess sie sich im Laufe der Behandlung überreden, ihre
wieder gewonnenen Kräfte zu brauchen. Als sie selbst-
ständig ausgehen konnte, brachte sie Fl. in ein grosses
Hotel, um sie an das Treiben der Welt zu gewöhnen. Zu
ihrem eigenen Erstaunen ass sie an der Wirthstafel, ging
spazieren und zur Kirche. Sie sah jetzt viel jünger aus
und ihre Verwandten erkannten sie kaum wieder. Ueber
Uterussymptome klagte sie durchaus nicht mehr. Sie
verliess heiter und zuversichtlich die Stadt, um eine Reise
nach den Niagarafällen zu unternehmen.
PI. will nicht behaupten , dass nnter der von
ihm empfohlenen Behandlung alle Fälle gflnstig ver-
lanfen, hält sich aber nach seinen Eifolgen für
vei*pflichtet , mit Nachdruck die rationelle Methode
M i t c h e 1 Ts zu empfehlen. Sicher fordert dieaelbe
viel Geschick nnd Aufmerksamkeit and wird nicht
bei Jedermann zum Ziele führen. Untt-lässlich iat
n«cfa P 1. der moralische Einfluss des Arztes auf die
Kr., ohne deren Vertrauen Jener nichts ausrichten:
wird, nnd das Vorhandensein einer geschickten, in-
telligenten und energischen Wärterin , welche P 1.
eigentlich für das AUerwichtigste ansieht.
Seeligmüller hat nach Dnmontpaiiier'a
Vorgang die sogen. Ovarie, d. h. einen heftigen^
142
V. Oynftkologie n. Pädiatiik.
andanernden Schmerz an einer dem Ovariam etwa
coiTespondirenden Stelle des Leibes bei Hysterischen,
mehrmals dadurch erfolgreich behandelt, dass er an
der dem Orte des Schmerzes genan symmetrischen
Stelle eine subcutane Injektion von Wasser machte.
Er empfiehlt das Verfahren, das die Erfahrungen des
Transfert einigermaassen begreiflich mache, zu
weitern Versuchen. (Möbius.)
365. Heisse Scheiden -Irrigationen bei
Frauenkrankheiten ; von Dr. F. B e n i c k e. (Berl .
klin. Wchnschr. XVIII. 25. p. 353. 1881.)
Nicht dringend genug kann Vf. nach seinen Er-
fahrungen die Heiss Wasser- Einspritzungen empfehlen,
und zwar nicht blos bei Blutungen des Gebärorgans,
sondern auch bei andern Unterleibskrankheiten der
Frauen. In Betreff der Anwendungsweise bemerkt
Vf., dass man am besten mit 37® R. beginnt und
dann auf 39® und 40® steigt. Je nach der Erkran-
kung geschieht die IiTigation Imal täglich bis zwei-
stttndh'ch. Die Menge der zur Einspritzung ver-
wendeten Flüssigkeit kann zwischen 1 und 2 Liter
schwanken. Die Frauen müssen während der Ap-
piicirung des heissen Wassers die Rückenlage mit
erhöhtem Steisse einnehmen. Zur Unterstützung der
Wirkung wendet Vf. auch zuweilen anderweitige
Mittel an. Als indicirt sieht Vf. diese Irrigationen
bei folgenden drei Krankheitszuständen der weib-
lichen Genitalien an.
1) Subinvoluiion des puerperalen Uterujs, Es
sind diess die Fälle , wo die Gebärmutter nach Wo-
chen oder Monaten nach der Entbindung noch ver-
grössert und schlecht zusammengezogen gefunden
wird. Die Pat. leiden dabei an Blutungen und nn-
regelmässiger Menstruation. Hier sind die Irriga-
tionen mehrmals des Tages vorzunehmen, sie leisten
auch dann gute Dienste, wenn die Kr. durch Blut-
verluste sehr geschwächt sind. Besteht gleichzeitig
eine Lageveränderuug des Uterus, so muss zunächst
ein passender Hocf^^'scher Ring eingelegt werden.
Hat man die Blutung zum Stehen gebracht , so sind
die Einspritzungen seltener auszuführen. Nebenbei
kann man noch Seeale verordnen. Besteht die Ur-
sache der Blutungen in noch vorhandenen Resten,
so sind diese zunächst mechanisch zu entfernen.
2) Chronische Metritie. Hier ist die Wirkung
eine langsamere. Zunächst werden die Menorrhagien
geringer, auch das unangenehme Druckgefühl im
Untevleibe und In der Kreuzgegend lässt etwas nach.
Die IrrigatfoneB sind in diesen Fällen 1- oder 2roal
des Tages zu machen. Durch dieselben wird der
Utems zur Gontraktion gereizt, die Resorption be-
fördert und die Cirkolation geregelt.
3) EamdaU oder ExsudatteeU in der Dm"
gebunff des Uterus. In solchen Fällen räth Vf.
ebenfalls, täglich 1- oder 2mal die Injektionen zn
machen , daneben aber auch von den resorbirenden
Mitteln (Jod und Jodoform) Gebrauch zu machen.
Die heissen Einspritzungen haben neben der resor-
birenden aiich eine entschieden beruhigende Wir-
kung. Die Behandlung wird so lange fortgesetzt,
bis eine Abnahme des Exsudat sich nachweisen lässt
und der Uterus beginnt, sich freier zu bewegen, und
seine normale Lage wieder annimmt. Vf. ▼ergleiclit
wie Bandl diese Methode mit der Massage. Auch
hier wird ein mechanischer Druck auf das Gewebe
aasgeübt, welches zugleich zu Gontraktionen gereizt
wird.
Endlich erwähnt Vf. noch, dass er die heissen
Injektionen auch bei Blutungen in Folge von Utertts-
mt/omen mit Erfolg angewendet hat. Seine Beob-
achtungen sind jedoch noch zu gering, um ein sicheres
Urtheil zn gestatten. (Höhn e.)
366. Fall von Pyosalpinx mit Durohbrucli
in die Bauchhöhle; von Dr. H. Bnrnier in
Genf. (Ztschr. f. Geburtsh. und Gynäkol. VI. 2.
p. 252. 1881.)
Die betreifende Kr., 69 J. alt, wurde am 28. Oct.
1880 in die med. Klinik des Prof. Bevilliod aa^e-
nommen. Sie hatte wiederholt Biatepeien gehabt and
seit 20 J. anProlapsuB uteri gelitten, welcher öfters Leib-
schmerzen yerursacht hatte. Am 17. Oct. d. J. warea
Fieber, wiederholter Schattelfrost, Stiche in der Seifte
und Erbrechen aufgetreten. Ausserdem litt Pat. seit
mehreren Jahren an Diarrhöe. Beine und Bauch waren
geschwollen. Bei der Auskultation wurde Rasseln über
der ganzen Lungenoberfläche wahrgenommen^ Die Div
gnose wurde auf Phthisis gestellt. Am nächsten Tage
erfolgte der Tod.
Aus dem Sektionsbefund sei Folgendes erwähnt:
Vollständiger Prolapsus uteri, Vagiditochleimhaut röth-
lieh und excoriirt, Darm von Gasen stark aafgetriebeD ;
Pleurablätter stellenweise verwachsen; in beiden Luo-
gen, stärker ausgesprochen in dorrechten, Hyperamie der
Bronchien und Bronchitis capillaris vorhanden. Auf der
Oberfläche der Niere mehrere narbige Einziehungen;
Hydronephrosis, bedingt durch eine zn schiefe InsertioD
des Ureter.
In der Bauchhöhle fanden sich zahlreiche and ausge-
dehnte Verwachsungen. Beim Trennen der Verwach-
sungen des Dünndarms im kleinen Becken bemerkte man
neugebildete Pseudomembranen nnd darunter eine £ite^
ansammlung ; die Blase war mit dem Uterus verwachsen.
Der dicke, sahnige, nicht übelriechende Eiter fand sich
in der rechten Beckenhöhle, den Uterus und das Lig.
latum bedeckend. Die sämrotlichen Organe des kleinen
Beckens wurden herausgenommen und dabei festgestellt,
dass die rechte Tube um den Eiterherd herumlief and in
denselben mündete, da eine Sonde von der Eiterhöhle
aus leicht in die Tube eingeführt werden konnte. Beim
Lösen zweier Darmschlingen wurde auf der einen ein
tiefes bis auf die Mucosa vordringendes Gesohwfir und
eine von aussen nach innen entstandene Perforation sicht-
bar. Die linke Tube war mit dem Ovariam verwachsen.
Aus der anatomischen Beschreibung des Präparates
ergiebt sich , dass Uterus und Rectum verwachsen waren
und diese Falte den Eiterherd von der linken Hälfte des
kleinen Beckens trennte. Die Tube war mit dem freien
Ende an der Beckenwand fizirt nnd begrenste mit nadt
vom convexem Bogen den Eiterher i1, der nach obendoreb
einige untereinander und mit dem Utems und der Tobe
verwachsene Darmschlingen geschlossen wurde. I^
untere Abschnitt des Peritonäura war durch deaPrelapsaB
als Sack tief in das kleine Becken gezogen. Das Lig*
inftindibalo-ovaricum (Fimbria ovarica) fehlte, das Ovar
rium, durch das Lig. ovarii mit dem Uteras verbonden«
schwamm, frei von Peritonäum, im Eiter, ea war HieU*
weise zu Grande gegangen. Die 17 Ctmtr. lange Tobe
zeigte an der Beckenwand nach hinten eine flnfor^^
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
143
Ocffinog, die in eine apfelgrosse H5hle f&hrte, welche B.
fir das Sosserste Ende der Tube hält. Vom Ostiam nte-
liBiun 3Vf Ctmtr. entfernt bestand eine Atresie, hinter
ffddier Dilatation der Tabe bis zur Stärke von 2 Fingern
btafcaad. Aneh die linke Tube vraa atresirt, dann leicht
enrettert und am Abdominalende geschloBsen; sie ent-
UeK klare gelbliche Flüssigkeit. Der Uterus zeigte das
Bild der chron. Metritis und Endometritis, sowie Hyper-
tioplue des sopravaginalen Theils der Cervix.
In Bezog auf den EntwickelaDgsgang desKrank-
leitsprocesses nimmt B. an, dass in Folge des Pro-
iipeiB Kotpitis entstand and von dieser fortgeleitet
oisr durch die anf den vorgefallenen ütems wirken-
fai iDSolte hervorgerufen : Metritis a. Endometritis
■d Y0D letzterer ans Salpingitis sich entwickelte,
in 17. Oct., wo die peritonitisohen Erscheinungen
nftraten, war vielleicht die Tube geplatzt.
(Bnrckbardt, Bremen.)
367. Heilung der durch Anteflexio uteri
liediiigten Sterilität; von Dr. Dbbo Richter
B Emden. (Gentr.-Bl. f. Gynäkol. V. 4. 1881.)
Vf. verwirft die Anwendung von Intra-nterin-
Pterien zur Heilung der durch Anteflexio uteri be-
ul^ Sterilität wegen der zu grossen Beschwer-
im und Gefahren bei gleichzeitiger Unsicherheit des
Erfolges und sehlägt eine andere Behandlungsweise
«sr, die, wie er nach den bisher behandelten Fällen
cUiesst, cito tnto et jucunde zum Ziele führt.
Das Verfahren besteht in der methodischen
i^entiieh ein- bis zweimaligen Streckung und
llflekwftrtsbeugttng des anteflektirten Uterus durch
feSoade, wodurch oft schon in einer, sicher in
äigen Sitzungen das Ziel erreicht werden soll.
M AdlSsionen vorbanden , so muss der Uterus
est durch öfteres vorsichtiges Zurückdrängen des
Körpers und langsames Heben des Griffes der Sonde
■olni gemacht werden. Ist diess erreicht, so wird
an Zweck der Retroversion der Griff der Sonde
BiSng erhoben, dann letztere, ohne zurückgezogen
nv^eo, derartig um die Längsachse gedreht, dass
fe Gonvexität gegen das Os pubis sieht und hierauf
fcr Griff möglichst weit nach oben, d. h. nach vom
Imregt. Der meist ziemlich erhebliche Schmerz
tort nach Entfernung 'der Sonde auf; entzündliche
Ngeo sind nie eingetreten. Ist die Retroversion
«t einige Maie ausgeführt, so wird die Sonde einige
Knuten in der znletzt erwähnten Stellung gehalten.
%uih Entfernung der Sonde kehrt der Uterus in der
tnten Zeit in die Anteflexionsstellung zurück, später
yMi nicht mehr.
Vf. hat das Verfahren bei 5 Frauen, die noch
>cht geboren hatten und von denen eine seit 3,
eine seit 4, zwei seit 6 und eine seit 7 Jahren ver-
^Üiet waren, mit Erfolg erprobt. Alle wurden
schwanger, drei sind bereits glückliche Mütter.
(Zschiesche, Erfurt.)
368. Klla von Hämatomen der weiblichen
Qenitaüen.
Dr. Charles F. Macquillan und Dr. F.
OgBton jun. zu Aberdeen berichten (Brit. med.
Joum. April 12. p. 543. 1879) über eine seltene
Form von Hämatonele innerhalb des Beckens»
Es handelte sich um eine 35jähr. Frau, Matter von
4 Kindern, welche his znm Moment der fraglichen Erlcran-
knng vollstundig gesand gewesen war. Letztere trat ein
unter Schmerzen über dem linken Os pnbis, in der Magon-
gef^end und rechten Brastseite. Dabei bestanden heftiges
Erbrechen, Ruhe- nnd Schlaflosigkeit, Kälte nnd Blasse
der Haut, starre Pupillen, Anftreibung des Leibes. Da
kein Urin gelassen werden konnte, wurde der Katheter
eingeführt, aber nur 1 Theel5ffel voll Harn entleert. Pat.
erhielt aller 3 Stdn. 1 Essloffel voll von einer aus Tinct.
opii (4), Spirit, Lavendnl. compos. (8) und Aq. (180) be-
stehenden Mixtur. Am nächsten Tage trat Blindheit und
Flockensehen ein, sowie kaffeesatzartiges Erbrechen, Li-
yidität der Lippen, woran sich lebhaftes Delirium schloss.
Nach einem schweren Kramp fanfall wurden die Schmer-
zen geringer und das Erbrechen blieb aus ; trotzdem er-
folgte der Tod 50 Standen nach Beginn der Erkrankung.
Die Sektion (Dr. Ogston jun.) wies ausser alten
pleuritischen Adhäsionen und 3 Unzen blutigen Serums
in jeder Pleurahöhle, sowie allgemeiner Anämie und etwas
kaffeesatzartiger Flüssigkeit im Magen, normales Verhal-
ten von Därmen und Peritonaum nach. Der Leib war
etwas vergröBsert. Das rechte Oyarium sechsmal so gross
als normal, da es zwei mit farbloser Flüssigkeit gefüllte
Cysten und ein Corpus luteum enthielt, das sehr wohl von
der vor 14 Tagen eingetretenen Menstruation stammen
konnte. Das linke Ovarium und beide Tuben waren ge*
sund. Ein rundlicher, dankelgefärbter Blatklumpen, so
gross wie der Kopf eines neugeborenen Kindes, sass mit
einem kurzen Stiele, der 3/4 Zoll im Durchmesser hielt,
an einerstelle der vordem Flache des Lig. latam sinistr.,
gerade nach aussen von seiner Insertion am Uterus und
anter der Verbindungsstelle der Tube mit dem Uterus.
Weder eine Gefässrnptar, noch eine sichtbare Quelle der
Hämorrhagie war makroskop. sichtbar, obwohl sich in der
Bauchhöhle 86 Unzen (ca. 2600 Grmm.) Blut (Ind. des
erwähnten Klampens) vorfanden. In dem Klumpen fand
sich keine Spur eines Eies.
Vf. betont in der Epikrise, dass, wie im frag-
lichen Falle, schon manchmal der Verdacht einer
Vergiftung dnrch eine Beckenhämatocele rege ge-
worden sei nnd dass in seinem Falle keine der ge-
wöhnlichen Ursachen der letzteren vorhanden war.
Es war keine Ovarialblutung (Zerreissung des hyper-
ämischen Ovarium während der Ovulation oder Oo-
habitation), keine Uterus- oder Tubenblutung (wäh-
rend der Menstruation, durch Rttckflnss des Blutes
aus den Tuben), keine Ruptur eines in der Tnbe
oder extrauterin gelegenen Eies zugegen. Ebenso-
wenig konnte es sich bei dem Wohlbefinden der
Kranken um Purpura oder Anämie oder eine ein-
fache Exsudation von Blut durch das hyperämische
Peritonaum handeln, wie auch eine Ruptur einer
varikösen Ovario-Uterin-Vene nicht nachweisbar war.
Nur letzterer Punkt ist nicht genügend bewiesen, da
schon Trousseau forderte, dass man erst nach
Injektion der Gefässe eine Ruptur eines Varix mit
Recht leugnen dürfe.
M. R. J. Behrendt berichtet (I.e. p. 546)
über zwei Fälle von Hämatom der Vulva,
Der I.Fall betriffteiael9jähr. Erstgebärende, deren
Gesicht etwas geschwollen war, so dass man an akuten
Nierenhydrops denken konnte. Seit dem Morgen war
etwas Blntabgang bemerkbar, der später zunahm nnd sich
*als die Folge eines tiefen Sitzes der Placenta ergab.
Ausserdem fiind B. bei der Untersnchnng die Vulva durch
144
V. Gynäkologie n. Pädiatrik.
einen gfrossen Tumor von brannrother Farbe, der bei Be-
rüiirnng scbmerzhaft war, verlegt. Es waren beide La-
bien enorm geschwellt, das rechte stärker als das linke.
Nach hinten von dem Tumor lag der Vaginaleingang,
dessen Touchirung viel Schmerz verursachte. Die Pat.
gab an, dass sie diese Schwellung bereits einmal während
der letzten Zeit der Schwangerschaft gespürt habe. Die
Geburt ging normal von Statten, worauf der Tumor
schnell abschwoll, ohne dass etwas Anderes als kalte
Compressen angewandt worden wäre.
Der zweite Fall betraf eine SOjähr. Erstgebärende.
Der nicht sehr grosse Tumor bildete sich in der 2. Ge-
burtszeit, war schmerzlos, so dass die Kr. bis 1 oder
2 Tage nach der Niederkunft keine Ahnung davon hatte.
Er wurde erst dann hart und entzündet, worauf Abscess-
bildung eintrat. Dieselbe Kranke litt auch an suppura-
tiver Mastitis.
Referent berichtet (Memorabiiien XXVI. 6.
p. 334. 1881) über die Raptur eines grossen Ha*
matom der rechten grossen Schamlippe wähi*end
der Eröffnungsperiode bei einer 37jähr. Zwölft-
gebärenden ^ deren Beckeneingang rhachitisch ver-
engt war.
Bei noch nicht völlig erweitertem Muttermunde und
hochstehendem Kopfe hatte sich plötzlich eine Anschwel-
lung der rechten grossen Schamlippe gebildet, die bei
der Verarbeitung der Wehen, während die Kreissende
zwischen 2 Stühlen sitzend sich befand, geplatzt war.
Als Ref. hinzukam , sickerte aus einem ca. quadratzoU-
grossen Loche in dem rechten grossen Labium fortwährend
venöses Blut aus. Tiefer Collapsus der Kreissenden.
Tamponade derHämatomhöhle n. der Vagina u. Anlegung
einer T-Binde, Aetherinjektionen (ca. 15) subcutan. Als
nach einigen Stnnden sich die Frau wieder etwas erholt
hatte, wurde ein kurzer Versuch gemacht, die Zange an
den in 4. Schädelstellnng befindlichen Kopf anzulegen,
und, als dieser missglückte, die Wendung ausgeführt.
Das schon vorher in Folge von Nabelschnurvorfall in der
Geburt abgestorbene Kind wurde, nachdem erst dieFüsse
gefasst waren, leicht gewendet und extrahirt. Während
des Wochenbettes stiess sich von der obern Wand der
Thrombushöhle ein grosser nekrotischer Fetzen los. Die
Höhle wurde mit Garbolwatte ausgefüllt; allmälig ver-
kleinerte sie sich durch gesunde Granulationen, heilte
aber erst binnen 44 Tagen vollständig ans.
Jedenfalls ist der Eintritt eines Hämatom in der
Eröffnungsperiode seltner, als während der Anstrei-
bungsperiode, noch seltner aber die Raptur in dieser
Zeit. (Kormann.)
369. Ueber Menatruation in der Sohwan-
gersohaft; von Dr. Levy in München. (Arch. f.
Qynäkol. XV. 3. p. 361. 1880.)
Vf. weist darauf hin, dass von den verschieden-
sten Autoren Aber Fortdauer der Menstruation nach
erfolgter Conception berichtet worden ist. Er stellt
dann die verschiedenen Ansichten Aber den Men-
struationsprocess selbst zusammen und kommt zu
dem Resultate, dass die Menstruation der Begleiter
der in regelmässigen Intervallen auftretenden Ovu-
lation ist und dass beide Vorgänge, Eiaustritt und
Blutabgang, in innigem Connexe mit einander stehen,
aber nicht immer nothwendig aneinander gebunden
sind.
Die Blutung selbst kommt nach Kund rat und
Engelmann in der Art zu Stande, dass die men-
struelle Congestion zur Bildung einer Decidua men-
stmalis geführt hat, die, wenn das Ei nicht befrachte
wird, fettig degenerirt und mit Blutung ausgestoase
wird. Leopold hält die Blutung für eine capilLir<
eine Ansicht, der sich Vf., da er stets mit demMikn
skop die fettige Degeneration nachweisen konati
nicht anzuschliessen vermag. Nach diesen Erörb
rungen kommt Vf. zu folgenden Schlüssen :
1) Es findet eine periodische Reifung der Oval
im menschlichen Eiierstock statt.
2) Bei jeder Ovulation bildet sich eine Decidnj
unabhängig von dieser, wenigstens ohne nachweii
baren Znsammenhang.
3) Die Menstrualblutung ist ein Zeichen, dai
Ovulation vorhanden war, aber unfruchtbar verlii
fen ist; ihr Eintritt ist eine Folge des oberflid
liehen Zerfalles der Decidua menstrualis.
Hiernach wäre vom physiologischen Standpunl
aus unter normalen Verhältnissen die Fortdan<
der Menstruation während der Schwangerschaft m
möglich.
Die genaue Prüfung der Fälle, wo Menstroatio
nach stattgefnndener Conception noch fortbestände
haben soll, wird namentlich dadurch erschwert, du
es ausserordentlich schwer ist, die Menstruation voi
anderen Blutungen zu unterscheiden.
Vf. führt einige Unterscheidungsmerkmale ai
z. B. Färbung und Geruch des Blutes. (Das Mei
strualblut riecht ähnlich wie ein eben geborene
Kind.) Dann die Untersuchung auf den Eiweisi
gehalt und die mikroskop. Untersuchung. Alle dies
Merkmale sind jedoch nicht charakteristisch genuj
um auf sie hin bestimmt eine Blutabsonderung d
Menstruation ansprechen zu können. Das eini^
sichere Kriterium giebt die Art der Absonderang
Wurde ein Speculum eingeführt und Vagina on
Port, vaginal, gründlich gereinigt, so zeigte sich be
menstrueller Blutung Folgendes : Die kleinen Fätt
eben am Orificium und im Cei*vikalkanal fttllten siel
mit Blut an und flössen dann über und waren fas
leer. Mit einem Wattepinsel liessen sie sieh gaiK
trocken machen, bis sie sich von Neuem fällten
Dieser Vorgang wiederholte sich in regelmäsaigei
Intervallen. Bei einer hypertrophischen und ero
dirten Portio hingegen, trat nach dem Abwischa
Blutung anf, bald stand dieselbe und hatten üol
Coagula festgesetzt, wischte man wieder, so ent
stand die Blutung von Neuem. Dieselbe WirkttDj
wie das Abwischen schien auch körperliche Bewe
gung zu haben. Derartige Blutungen lassen nd
sicher durch ruhige Lage stillen, während diess be
der Menstruation nicht der Fall ist. Oft fand siel
auch die Angabe, dass die Periode nach 3 — 4Tagei
aufgehört habe, dann aber nach einigen Tagen wie*
der aufgetreten sei ; als Veranlassung dieses noch-
maligen Blutabganges liessen sich meist kleinei^
Verletzungen, durch Coitus oder Einführung &^^
Mutterrohres gesetzt, constatiren. Biei einer anderen
Reihe von wieder eingetretenen Blutungen fehlten
die Erosionen, es wurde aus dem CervikalkaD*
dunkles zähflüssiges Blut entleert. In diesen FäUen
V. Gynäkologie a. Pädiatrik.
145
fui sieh meist eine Retroversion, durch deren Repo-
düoD sich sofort Blut in reiohlicherer Menge ent-
leeren liess.
Ansscheidnng von Blut kommt zuweilen vor,
wo sicii weder Erosionen noch Lageveränderung
finden. Es wird eine braunröthliche mit zähem
Sehleime untermischte Flüssigkeit von penetrantem
Gernche abgeschieden. Der mikrokopische Befund
dmelt dem einer leichten Endometritis cervicalis
ciiionica. Der ganze Process aber erinnert an jene
bhtig'Serdsen Ergfisse, wie sie auftreten, wenn län-
gere Zeit bestandene Retroversionen reponirt und
doreh ein Pessar in Anteflexion gehalten werden.
Vf. deutet an, dass in den ersten Schwanger-
Khtflsmonaten ja auch die Lage des ütems eine
TefSnderte sei ; ob diese Lageverändemng analog der
kflofltliefaen wirke, lässt er unentschieden. Auf je-
ia Fall finde aber eine stärkere Blutznfuhr zu allen
Tbeilen des Uterus statt ; von den mehr in der Nähe
des Eichens befindlichen Theilen würde das zu viel
forhandene Emähmngsmaterial zum Eichen selbst
Ungezogen, finde ein Affluxus statt, während sich
Ton den femern, z. B. der Cervix, ein Defluxus
Dieh aussen vermuthen lasse. Ein Analogen für
diesen Vorgang finde sich bei der Placenta praevia.
E 1 8 ä s 8 e r hat in Henke's Ztschr. f. St.- Arzneik.
50 Fälle zusammengestellt, in denen während der
Schwangerschaft die Menstruation eingetreten sein
loU (z. B. in 8 Fällen je Imal, in 11 je 3mal, in 2
Bgar je 9mal). Eis. nimmt an, dass es sich nicht
HD wirkliche Menstruation , sondern nur um einen
fieser ähnlichen Process gehandelt habe, während
Beige 1 Menstruation neben Schwangerschaft phy-
äologisch für möglich hält. Den man hält der-
trtige Blutungen ftlr Folge von Bildungsfehlem,
I. B. Uterus duplex, bicomis.
Vf. erwähnt dann 9 von Heck er ihm mitge-
teilte Fälle, die in der Mflnchener Gebäranstalt be-
obiehtet worden sind. In einem Fall soll angeblieh
& Menstruation einige Monate weiter bestanden ha-
beD, 1 Fall liess auf Placenta praevia schüessen , in
cmem 3. Fall war die Menstruation bis zur Hälfte
der Schwangerschaft angedeutet, in 2 weitern Fällen
loIleQ die beiden letzten Menstruationen viel schwä-
^ gewesen sein. In einem andern Falle wurde
BhtoDg gleich stark, wie die frühem Perioden , bis
nr Mitte der Schwangerschaft beobachtet, und in
einem fast bis zur Geburt, in den beiden übrigen
Filleo findet sich nur die Angabe «Periode noch
wlhiend der Schwangerschaft."
Eingehender bespricht Vf. eine Reihe von ihm
Klbst beobachteter Fälle, bei denen die Menstruation
noch während der Schwangerschaft bestanden haben
lolL
Im 1. FaDe liess sich als Gmnd der Blutung
& hypertrophische, wulstige und erodirte Vaginal-
Portion nachweisen.
hn 2. Falle fand sich der Uterus tief auf dem
^enboden, bei Berührung schmerzhaft ; durch das
M. Jahrbb. Bd. 191. Hft.2,
Speculum liess sich die Quelle der Blutung , die be-
stimmt aus dem ¥terus kam, nicht nachweisen. Spä-
ter abortirte die Frau im 3. Monat.
Die 3. Pat. gab selbst an , dass die angebliche
Menstraation nach Ausübung des Coitus stärker
werde. Die Muttermundslippen fanden sich arro-
dirt, bei Berührung leicht blutend, so dass als Ver-
anlassung der Blutung mit Bestimmtheit die mecha-
nische Läsion beim Coitus und das Anscheuem der
Portio vaginalis beim Gehen constatirt werden konnte.
Die 4. Pat. hatte Vf. Gelegenheit während 4
Schwangerschaften, unter denen in 2 im 3. Mon.
Abortus eintrat , und auch sonst vor und während
der Menstraation zu beobachten. Vor und nach der
Periode trat eine blutig - seröse Absonderung ein,
während der Schwangerschaft bestand ein bräunlich
schleimiger Ausfluss, der zur Zeit der sonst gewohn-
ten Periode stärker wurde, aber sicher nicht aus
dem Uterus kam. Das Orificium internum war fest
geschlossen.
Die Pat. des 5. Falles gab an , dass sie die 3
letzten Monate nicht mehr so stark wie sonst men-
stmirt sei. Schwangerschaft liess sich constatiren.
Die Blutung kam aus dem Mutterhalse und liess sich
ihre Grenze durch Gipsabguss deutlich constatiren.
Ursache war unmässiger geschlechtlicher Verkehr.
Im 6. Falle liess sich als Ursache der angeb-
lichen Menstraation eine starke Vaginitis mit breiten
Kondylomen und Ulcus an der hyperämischen hin-
tern Muttermundslippe nachweisen.
Die 7. Pat. gab an , während der Schwanger-
schaft stets ihre Regel, allerdings nur 1 Tag , sonst
3 — 4 Ti^ge, zu haben. Die Untersuchung wies blu-
tig-wässrigen Ausfluss nach, der sich bis in das Col-
lum uteri verfolgen Hess. Die Vaginalportion war
hypertrophirt , geröthet und hatte nach links einen
Einriss. Der Ausfluss hat nie ganz aufgehört.
Im 8. Falle gab Pat. an, dass ihre Periode wäh-
rend der Schwangerschaft (sie stand im 4. Monat)
fortdauere, ja sogar stärker sei als sonst. Die Un-
tersuchung ergab die Muttermundslippen vergrössert,
ektropirt, bei Berührang leicht blutend. Wieder-
holte Beobachtung zeigte den innem Muttermund
stets blutfrei, wohl aber öfters frische Läsionen der
hintern Lippe. Nach der Entbindung litt diese Pat.
an Menstraatio nimia. Die Ursache der Blutung war
wohl dieselbe wie in Fall 3.
Die 9. Pat. behauptete, in den ersten 26 Wochen
der Schwangerschaft noch immer die Periode, aber
sehr schwach gehabt zu haben. Sie hat einen Herz-
fehler. Die Specular - Untersuchung zeigte an der
Portio vaginal, variköse Geftüsse. Innerer Mutter-
mund für die Fingerspitze durchgängig, nicht blutig.
Die angegebene Periode wai' nicht nachzuweisen. Die
Blutung rührte ohne Zweifel von den Varicen her.
Bei der 10. Pat. trat die Periode aller 25 Tage
ein und dauerte iVa Tag, 7 Tage nachher zeigte
sich ein 1 — l^/j|Stünd. blutiger Abgang unter hefti-
gen Schmerzen im Os coccygis. Eine Erklärang für
19
146
V. OynSkologie u. Pädiatrik.
diese Erscheinnog konnte trotz wiederholter Unter-
suchung nicht gefunden werden. •Dieser 1 — l*/^-
stttnd. ßlntfluss bestand auch während der Schwanger-
schaft fort, die 1 — li/gtägige Periode fehlte.
Vf. kommt zu der Ueberzeugung, dass die soge-
nannten Schwangerschaftsblutungen pathologischen
Ursprungs sind. Die im Uterus sich abwickelnden
Veränderungen der Innenfläche, wie sie die Men-
struation mit sich führt , seien durchaus unvereinbar
mit dem ungestörten Verlauf der Schwangerschaft.
(H. Möckel.)
370. Sohwangersohaffc und Qeburt, oom-
plicirt mit einem enorm grossen primären
Leberoaroinom ; von Dr. Karl Schwing in
Prag. (Centr.-Bl. f. Gynäkol. V. 13. 1881. »)
Fälle, in denen Lebeiiiumoren bei Schwanger-
schaft oder Geburt einen störenden Einfluss ausgeübt
haben, sind äusserst selten. Vf. führt aus der Lite-
ratur nur 2 in unsern Jahrbüchern referirte (Sad-
1er, Cystentumor: Bd. CXXIV. p. 37; Senfft,
Erebstumor: Bd. CXXIX.p. 180) an und dann noch
einen 3. aus Virchow's Archiv (Bd. XXXVI. p. 465
aus Friedreich 's Abhandlung zur Pathologie des
Krebses). Der 4. vom Vf. selbst beobachtete Fall
ist folgender.
Eine 42jähr., dem Arbeiterstande angehörende Frau
hatte öfters geboren and litt seit 3 J. an Bliagenkranipfen.
Im Verlaufe der letzten (6.) Schwangerschaft klagte sie
über fortwährende Schmerzen im rechten Hypochondrium,
die zuweilen einen hohen Grad erreichten. Auch die
Magenbeschwerden zeigten sich in den letzten 4 Wochen
der Schwangerschaft. Pat. konnte während dieser Zeit
nur flüssige Nahrung zu sieh nehmen. Schmerzen und
Athemnoth wurden in den letzten 14 Tagen immer hef-
tiger.
Am 17. Not. stellten sich die ersten Wehen ein; am
20. wurde von der Hebamme die Blase gesprengt, worauf
das Fruchtwasser abfloss. Vf. fand die Kreissende in
heftigen Schmerzen. Der Unterleib hatte einen enormen
Umfang und zeigte auf der rechten Seite eine besondere
Heryorwölbung. Es liess sich neben dem Uterus noch
eine oben rechts liegende Geschwulst palpiren, welche
Vf. anfangs für einen Ovarialtumor hielt. Eine genauere
Untersuchung war wegen der Schmerzhaftigkeit nicht
möglich. Die Herztöne des Kindes waren hörbar. Da
der Muttermund sich noch nicht genügend erweitert hatte,
trug Vf. der Hebamme auf, ihn nach vollständiger Erwei-
terung des Muttermundes rufen zu lasseo. Trotzdem ging
die Geburt nach 24 Stunden, ohne dass Vf. gerufen wurde,
zu Ende ; das Eind , ein Mädchen , war kräftig und ge-
sund.
Erst nach 3 Tagen wurde Vf. wieder gerufen. Die
Wöchnerin klagte über heftige Schmerzen auf der rech-
ten Seite , heftigen Durst und grosse Schwäche ; kein
Fieber. Die Untersuchung ergab einen grossen, der
Leber angehörenden Tumor mit glatter Oberfläche und
derben Rändern. Auch die Milz war stark angeschwollen.
Am 28. Nov. wurde Pat. auf Veranlassung des Vfs. ins
Krankenhaus aufgenommen. Die Kr. jammerte heftig
über Schmerzen , lag auf der rechten Seite , hatte starke
Athemnoth, aber keine Sinnesstorungen , vielmehr klares
Bewusstsein. Femer fand man leichtes Erythem un den
Extremitäten , die Pupillen verengt , Gervikal- , Axillar-,
Cubital- und Inguinaldrüsen stark angeschwollen. Herz-
töne schwach, aber rein ; Athmen vesiknlar. Der Tumor
>) Für die Uebersendnng dankt verbindlich Wr.
erstreckte sich von der 6. Rippe an bis weit in die Abdo-
minalhöhle hinab. Die Darmentleerung war dünn , der
Harn spärlich , enthielt wenig Eiweiss , aber viel weisse
Blutkörperchen , Nierenepithel und Hyalincy linder. Fünf
Tage nach Aufnahme in die Klinik starb die Frau. Die
Sektion ergab ein primäres Lebercarolnom von ca. 14
Kgrmm. Gewicht , einen grossen Milztumor und careino-
matöse Infiltration der Mesenterial- und Retroperitonäal-
drüsen. (Höhne.)
371. Ruptur der Vagina in den Douglas'-
sohen Baum, Feritonitia, Genesung; von C. J.
Watkins. (Brit. med. Journ. Febr. 12. 1881.)
L., 28 J. alt, hat bereits 5mal geboren , Imal eine
Fehlgeburt gehabt; die 4. Entbindung dauerte 3 Tage
imd musste mit der Zange beendet werden, dabei entstand
eine Blasen-Scheidenfistel , welche mit gutem Erfolg ope-
rirt wurde. Zwei Jahre später gebar sie ohne Kunst-
hulfe; die 6. Entbindung fand am normaleo Ende der
Schwangerschaft am 13. Nov. 1879 statt. Um 9 Uhr
30 Min. Vorm. Muttermund die Fingerspitze einlassend,
um 10 Uhr Abends im Umfange eines ö-SchillingstQcks
eröfi'net, schwache Wehen. Am nächsten Morgen 7 Ulir
30 Min. Kopf in der ersten Schädellage mit starker Kopf-
geschwnlst vorliegend, grosse Schwäche, reichl. Erbrechen,
Puls 120, Temp. 101« F. (38.4« C.). Der Conjugata-Dorch-
messer war in der Richtung nach dem Promontorium obsIb
sacri hin verengt , die obere Wand der Vagina dort fest
eingeklemmt , die hintere Muttermundslippe nicht zo fah-
len , die vordere an das Os pubis angepresst. Ein Ver-
such , die Zange anzulegen , misslang wegen der Unmög-
lichkeit, die Blätter zu schliessen, es wurde daher eis
Katheter neben dem Kopfe eingeführt , um einen Theii
der Amniosflfissigkeit abzulassen, welche bereits einen
fötiden Geruch zeigte. Da hiernach auf den bereits er-
folgten Tod des Kindes zu schliessen war, wurde die
Kraniotomie gemacht, worauf der Kopf langsam durch die
verengte Stelle durchtrat und der übrige Körper bald
nachfolgte. Nach Entfernung der Placenta fand man«
dass die hintere Vaginal wand da, wo sie während der
Geburtsarbeit am meisten gegen das Promontorium ge-
drückt worden war, eine Ruptur nach dem Douglas'schea
Raum erlitten hatte, durch welche der Finger in diePeri-
tonäalhöhle gelangte und hier unmittelbar auf dasRectam
stiess. In den nächsten Tagen entwickelte sich unter den
gewöhnlichen Erscheinungen eine Peritonitis, welche aber
unter dem Gebranch von Opiaten, von Spiritus Terebinth.
(20 Gtt. mit Mucilago 4stüttdl. zu nehmen), später Aeid.
hydrocyanic. mit Bismnth nach Verlauf von 6 Tagen so-
weit gehoben wurde , dass Pat. entlassen werden konnte.
[Ueber das spätere Verhalten der Vaginalmptnr ist in
dem Originale etwas Weiteres nicht mitgetheilt.]
(Krug.)
372. Knöcherner Verschlusa der Vagina;
von D. J. Snyder. (Philad. med. and snrg. Repor-
ter XLH. 15 ; April 1880.)
Vf. stiess bei der Exploration einer Gebärenden, oa*
geföhr IVsZoll hoch in der sonst genfigend weiten Vagiofti
auf einen harten , unnachgiebigen Bing , welchen er an-
fänglich für den rigiden Muttermund hielt, bis er fiber
ersterem das wirkliche Os uteri , silberdollaigross erwei-
tert, und den Kopf des Fötus vorliegend fand. Der Bin^
war reichlich Vs Zoll dick, mehr oval als rand , maass im
Diameter ca. 2 Zoll, und war hart und dicht wie Knoohep;
beim Tonchiren seiner Hinterfläche machte er den An-
druck eines fest eingebetteten Pessarinm. Ananmestisch
wurde ermittelt, dass die Frau vor 5 J., im 17. Lebeoi-
Jahre, ihre erste Entbindung überstanden hatte, weldi«
4 Tage dauerte. Während des grossem TheUs dieser
Zeit hatte der Kopf des Kindes in der Beokeahdhle ge-
standen und war schlüsslich mltteh» des Hakens entfernt
worden, anschefaiend ohne Schaden für die Fraa, weleb^
^
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
147
neb bald erholte. Jedoch klagte sie seitdem aber Incon-
tisentia nriiuie, verweigerte aber eine Untersuchung,
weiche wahrscheinlich eine Yesico-Vaginal-Fistel ergeben
kiben vfirde ; sie hat auch nie ein Pessarium getragen,
die Menstmation ist , mit Ausnahme eines einzigen Mals
m 3 Jahren, nie wieder erschienen. Die Frau hat sich
iber stets einer guten Gesundheit erfreut , wovon ihre
kräftige, wohlgenährte äussere Erscheinung Zengniss gab.
Vf. beschloss, im Einverständniss mit 3 hinzugerufe-
nei Obliegen, die Hysterotomie vorzunehmen und eilte
Biä Hanse, um die nöthigon Instrumente zu holen, allein
bei sdner Rückkehr fand er die Frau ün Sterben, so dass
TN der Operation abgesehen werden musste. Der Tod
tntoach 128tünd. Gebnrtsarbeit ein. Die Vornahme der
Opention aaeh dem Tode , um wenigstens das Kind zu
ntten, wurde nicht gestattet, eben so wenig die Sektion.
Vf. glaubt die Biidmig des knöchernen Ringes
doth die Annahme erklären zu müssen ^ dass bei
ier frflbem Geburt durch das Missverhftitniss zwi-
RheD der Grösse des Kindskopfs und der geringen
DilititionsßUiigkeit der Vagina eine Falte der letz-
In 8ieh nm das Oocipnt des erstem gelegt habe,
ii welcher durch den continnirlichen Druck sich ein
atsflndlicher Process mit Aussch witznng von Lymphe
otwiekelte, welche die fibro-cartilaginöse u. schlüss-
ig knöcherne Umwandlung erlitt.
Die Schnelligkeit des Oollapsus und Todes der
KNut rOslägen Frau nach nur 12stflndiger Geburts-
fllieitkaDn sich Vf. nur durch Annahme einer innern
Hntimg erklären y wofär die während der Wehen
beobachteten , wenn auch massigen Blutungen nach
sBBeu berechtigen. (E r u g.)
373. CystiBohe Degeneration der Chorion-
lotten; von Dr. Neville. (Dubl. Joum. LXXI.
p.423. [3. 8. Nr. 113.] May 1881.)
hn 1. FaUe war die 87jähr. Frau bereits Smal reoht-
Kit« liedeigekommen. Alle Kinder lebten. Das letzte
nrde un Aog. 1879 geboren and bis Jnli 1880 gestillt.
Die Menaea kehrten erst 3 Mon. nach dem Entwöhnen
ilBder, lom 2. Male dann 1 Mon. später (8. Woche des
Sttrember) und seit dieser Zeit hielt sich die Fran f&r
Khwuger. Sie litt von Anfang December an an Appetit-
MgiLeitand wurde allmälig so hochgradig gesohwilcht,
te sie fast den ganzen Monat im Bett zubringen musste.
in 3. Man trat nach einem heftigen Anfall von Erbre-
<^ eb geringer Blutabgang ein , der bis zum 16. März,
*D die Kr. ins Spital aoigenonmien wurde , anhielt, ohne
?nfiu oder mit Klumpen yermischt zu sein. Der Uterus
M üi der Höbe des Nabels, wie im 6. Monat der
Schwangerschaft. Der Uteruskorper war allseitig sehr
ktft und Hess keine Fötaltheile dnrohf&hlen ; auch waren
Une Herztöne oder Kindesbewegungen zu hören. Der
atae Abschnitt des Uterus füUte den Beckeneingang in
ngewohnlieher Weise ans; der Uterus ballotirte daher
>Kkt; die Cervix war fast ganz geschlossen. Das Blut
tehogaam ohne Uterusoontraktionen ab. Am nächsten
Ihfgen erfolgte ohne zu starken Blutverlust die Aus-
teong emer 3 Finten füllenden cystischen Masse , die
lekoehtem Sago glich. Nachher folgte binnen 14tagigem
^pitalaofenthalt Erholung. Bei der Entlassung schien
^ aber der Uterus wieder etwas mehr zu f&llen, sodass
^wfleiQht noch Chorionreste in organischer Verbindung
■H dem Uterus zurftckgebUeben waren. Die Fran wurde
beutet, bei Eintritt von Blutungen wieder zu kommen.
Im 2. Falle betraf die Erkrankung des Ghorion die
^' Sebwangersehaft einer 26]ähr. Frau. Das letzte Kind
*tt^r3 Jahreu geboren und 7 Mon. lang gestillt wor-
^ Utite Meastroation in der 8. Woche des Decem-
ber. Im Januar trat Reizbarkeit des Ma;?en8 , Schwache
und KÖrpergewichtsabnahme ein. Der erste Abgang von
Blut , dessen Farbe kaffeesatzähnlich war , erfolgte Ende
Februar. Dabei nahm der Umfang des Leibes rapid zu.
Ende März erfolgte die Ausstossung einer eben so grossen
Masse , wie im ersten Falle , nar waren hier die Cysten
grosser. Mitabgegangene Decidualfetzen erschienen ge-
sund, nicht bemerkenswerth hypertrophirt.
In beiden Fällen fehlte jede Spur eines Fötus.
Bei der Diskussion betonte M'Clintock, dass
Hydatiden, die aus dem Uterus ausgestosseu werden,
stets das Resultat von Conception seien , wenn auch
berühmte Autoren die Meinung ausgesprochen hätten,
dass diese Krankheit auch unabhängig von Schwan-
gerschaft entstehen könne. Femer machte er darauf
aufmerksam, dass man in einer Hydatidenmole auch
einen Fötus von 3 — 4 Mon. antreffen kann. Diess
bestreitet MoreMadden, der zwar selbst keinen
Fall gesehen hat, in welchem man die MöglicUceit
emer Degeneration eines bei der Menstruation das
Ovarium verlassenden , unbefruchteten Eichens an-
nehmen könnte. Ausserdem beobachtete er 4 — 5
Mon. nach der Geburt eines reifen lebenden Kindes
Abgang von Uterinhydatiden , so dass man nur an
Zwillingsschwangerschaft denken konnte. — Byrne
giebt zwar zu, dass aus dem virginalen Uterus zu-
weilen Dinge ausgestossen werden, die den Produk-
ten der Conception ähneln , leugnet aber , dass diess
mit der hydatidösen Erkrankung des Chorion der
Fall sein könnte, die sich nur an einem befruchteten
Ovulum entwickeln könnte. Er gehört zu Denen,
welche die Degeneration des Chorion für die Ursache
des Todes des Fötus halten. (K o r m a n n.)
374. Blutung im Wochenbett ; von San.-R.
Dr. Caspari zu Meinberg. (Deutsche med. Wo-
chenschr. VI. 8. p. 96. 1880.)
Der Fall beweist, dass von einer künstlich ge-
lösten und genau untersuchten Placenta doch noch
Theile zurückgeblieben sein können. Am 4. Tage
nach der betreffenden Entbindung mit künstlicher
Lösung der verwachsenen Placenta trat eine starke
Blutung ein , die sich seitdem mehrfach in gefahr-
drohender Weise wiederholte. Am 10. Tage des
Wochenbetts fand Vf. als Consiiiarius an der Vorder-
wand der noch kindskopfgross oberhalb der Sym-
physe fühlbaren Gebärmutter ein l^s Ctmtr. breites
und 4 Ctmtr. langes , fest adhärirendes Stück Pla-
centa , dessen oberer Rand ,bis in den Fundns uteri
reichte. Durch Eingehen der halben Hand in die
Vagina, zweier Finger in den Uterus und durch Ent-
gegendrücken des letztern gelang die Lösung in 2
Stücken, welche blutleer und blass, fast weiss, von
fleischartig festem Gefüge und an der Innenfläche
von einer starken sehnigen Haut überzogen waren.
Heilung erfolgte ohne weitere Blutung.
(Kormann.)
375. Soll den Hebanunen eine operative
Hülfeleiatung bei friaohen MittelfleiBohriaBen
gestattet sein? Offene Frage von Prof. Alois
Valenta. (ArcL f. Gynäkol. XVU. 1. 1881.)
148
V. Gynäkologie a. Pädiatrik.
Valenta beantwoi*tet die oben gestellte Frage
mit einem offnen ,,Ja^' unter nachfolgender Begrün-
dung. Zunächst hebt er hervor , dass wegen eines
Dammrisses inter partum niemals ein Gebnrtsaizt
post partum gerufen werde, wenigstens sei ihm diess
in seiner 26jähr. geburtshülflichen Praxis noch nie
vorgekommen. Die Hebammen geständen einfach
niemals einen Mittelfleischriss zu und riefen deshalb
niemals einen Arzt, weil sie bei dem Vorurtheile der
Frauen , ein Dammriss dürfe sich bei einer wirklich
geschickten Hebamme nicht ereignen, durch ein sol-
ches Eingeständniss nicht allein die betreffende, son-
dern ihre ganze Clientel zu verlieren fürchten, ja
thatsächlich verlieren würden. Das Vertuschen sol-
cher Dammrisse sei leicht , weil ein solcher Zufall
nichts Lebensgefährliches involvire und überdiess nur
ausnahmsweise zur Kenntniss der Beschädigten ge-
lange , faktisch also dabei nicht viel riskirt werde.
Ausserdem seien sie zur Herbeirufung eines Arztes
nicht verpflichtet. So verlange das preussische Heb-
ammenbuch erst dann dieselbe , wenn ein Dammriss
missfarbig werde. Wenn auch von Seiten der Leh-
rer die Hebammen auf das Ausdrücklichste ermahnt
würden , bei jedem etwas tiefer gehenden Bisse den
Arzt zu rufen , so geschehe es aus obigen Gründen
dennoch nicht , und im Falle einer Entdeckung hät-
ten die Hebammen die Ausrede, der Riss wäre ihnen
zu unbedeutend erschienen, sie hätten die sie gelehrte
Behandlung, leider vergeblich, angewandt, somit
ihrer Pflicht genügt. Bei einer Strafanzeige würde
man sicherlich niemals reussiren. V. schlägt nun
vor, dass die Hebammen zur operativen Behandlung
der Dammrisse unter Androhung von Strafen eidlich
verpflichtet werden sollen. Wäre die Operation ein-
mal gesetzlich gestattet , so würden noch weitere 2
in der weiblichen Natur begründete Faktoren wesent-
lich zu deren Verallgemeinerung beitragen , nämlich
1) die nun entfallende unbesiegbare Scheu vor männ-
licher Hülfe und 2) der Egoismus und die Eitelkeit
der Hebammen.
Da man den Hebammen unter bestimmten Um-
ständen die schwierigsten Operationen erlaube, so
sei es unlogisch, ihnen nicht zu gestatten, einen
folgenschweren frischen Dammriss mittels einer klei-
nen ungeflUirlichen Operation zur raschen Heilung
zu bringen.
Hinsicktlich der Operationsmethoden sei die-
jenige zu wählen, durch welche die fast immer glat-
ten Wundränder auf die einfachste und schonendste
Weise zur Vereinigung gelangten, und diess sei nach
seinen Erfahrungen die Serres-fines- Behandlung.
Diese erkläre er als die für Hebammen passendste,
denn das richtige Anlegen der Serres-fines unterliege
in der Regel keinen besondem Schwierigkeiten.
Diesem Vorschlage Valenta 's tritt Dr. J.
Schmitt, Hebammenlehrer in München , entschie-
den entgegen (Bayr. ärztl. Intell.-Bl. XXVUI. 8.
1881). Er glaubt keineswegs, dass dem Uebel-
stande , der durch das Verheimlichen der Dammrisse
bestehe, dadurch abgeholfen werden könne, dass
man den Hebammen die Heilung solcher Verwan-
dungen gänzlich in die Hände gebe. Er befürchtet
vielmehr, dass die Sache dadurch noch verschlimmert
werde , dass die Eitelkeit der Hebammen , die auch
er nicht ableugne, nur eine Steigerung erfahren und
zur Verheimlichung nicht blos einfacher, sondern auch
grösserer u. complicirterer Dammrisse führen würde,
welche somit noch mehr der Behandlung der Aerzte
entzogen würden. In schwierigeren Fällen sei fer-
ner die Behandlung mit Serres-fines nicht ausreichend.
Was aber S ehm. am meisten fürchtet, wenn solche
Verletzungen überhaupt den Händen der Hebammen
überlassen bleiben, ist die Gefahr einer von dort aus
sich entwickelnden puerperalen Infektion. Schon
um dieser einzigen G^ahr willen sei eine gesetzliche
Regelung wünschenswerth , aber nicht im Sinne der
Erweiterung der Befugnisse der Hebammen, sondern
im Sinne der Beschränkung derselben, d. h. in einer
gesetzlichen Anzeigepflicht an den Arät — Schm.
verlangt , dass auf den Hebammenschulen den Heb-
ammen immer und immer wieder die Regeln des
Dammschutzes und die Nothwendigkeit einer Unter«
suchung der Dammgebilde nach der Geburt einzo-
prägen seien, die schweren Folgen eines Dammrisses
ihnen ans Herz gelegt und die Anzeige eines solchen
zur Pflicht gemacht werde. Dadurch sowohl, als
auch durch die Hinweisnng , dass trotz allen Vor-
sichtsmaassregeln ein Dammriss eintreten könne, sie
somit auch nicht immer Schuld trügen , würde der
Grund des Verheimlichens wegfallen u. dieses selbst
seltner werden, besonders wenn die Geburtshelfer
billig genug seien , nicht jeden unglücklichen Aas-
gang den Hebammen in die Schuhe zu schieben.
Referent theilt den ablehnenden Standpunkt
Schmitt's u. möchte nur denlrrthumValenta^s
berichtigen, das preussische Hebammenbuch verlange
erst dann die Herbeirufung eines Arztes , wenn ein
Dammriss im Wochenbett missfarbig werde. In
§ 121 heisst es: „bei grossem und stärker bluten-
den Einrissen aber muss die Hebamme auf die schleu-
nige Herbeirufung eines Arztes dringen^^ und in
§ 354 : „Es ist daher Pflicht der Hebammen . . . .
bei jeder tiefem Zerreissung des Dammes sofort den
Beistand eines Arztes zu verlangen.^' In § 352 ist
femer noch gesagt, die Hebamme würde eine grosse
Schuld auf sich laden , wenn sie einen Dammriss za
verheimlichen suchte.
Schlüsslich erwähnen wir noch , dass auch Dr.
0. Dyhrenfurth, früher Lehi*er an der Heb-
ammenschule zu Breslau, die von Valenta auf-
geworfene Frage mit einem ganz entschiedenen Ndn
beantwortet (Arch. f. Gynäkol. XVIH. 1. p. 50.
1881). Die von D. gegen die von Valenta befür-
wortete Erweitemng der Befugnisse der Hebanunen
vorgebrachten Bedenken stimmen mit den von
Schmitt hervorgehobenen überein. Namentlich
aber weist auch D. darauf hin , dass bei Ertheüong
der fragl. Erlaubniss die Hebammen zu ManipaU-
tionen an und in den wanden Genitalien veranlasst
und dadurch entschieden höhere Anfordemngen an
Y. Gynäkologie u. Pädiatrik.
149
ihre Reinüchkeit und Antisepsis gestellt würden,
wihrend m kanm den bisher gestellten genügen.
Es sei daher die Erzeugung einer neuen Infektions-
qodie zu befürchten. (Zschiesche, Erfurt.)
376. Zur Verhütung der AugenentBündung
der Neugebomen ; von G. S. Franz Oredä
(Aich. f.GynäkoL XVII. 1. p.50. 1881); R. 01s-
hinsen (Gynäkol. Centr.-Bl. V. 2. 1881) ; Hauss-
nann (Das. V. 4); H. Abegg (Arch. f. Qynäkol.
XVU. 3. p. 502. 1881).
Prof. Cred^ theilt mit, dass er bereits seit lau-
erer Zeit sich die Aufgabe gestellt habe, die Augen-
eotsflndang der Neugebomen , die ohne Ausnahme
dorch Uebertragung von Vaginalsekret auf die Con-
jactiva während der Geburt entstehe , zu verhüten.
Zn diesem Zwecke Hess er anfangs bei allen mit
6oDorrfaöe oder chron. Vaginalkatarrh behafteten
SebwtDgem u. Gebärenden Ausspülungen mit 2proc.
Otfbol- oder Salicyllösnng machen. Die Erkran-
innigen wurden dadurch seltener , hörten aber nicht
sof. Vom October 1879 an Hess er dann prophy-
lal^tifleh Einträofelungen in die Augen der Neugebor-
MD ^eich nach der Geburt , und zwar anfangs mit
einer Lösung von Borax (1 : 60) und später von
Aigent. nitr. (1 : 40) machen. Vorher wurden die
Aogen mit einer 2proc. Salicylsäurelösung sorgfältig
gewaschen. Die so behandelten Kinder kranker
Mütter blieben gesund; indessen andere Kinder,
velehe selbst und ebenso ihre Mütter nicht prophy-
laktisch behandelt wurden, weil man letztere für ge-
nod hielt , erkrankten immer noch. Vom 1 . Juni
1880 ab wurde nun in alle Augen ohne Ausnahme
gleich nach der Gebmi; mittels eines Glasstabes ein
Tropfen einer 2proc. Lösung von Arg. nitr. nach
SdnigoDg des Auges mit gewöhnlichem Wasser ein-
geträufelt. Dann wurden die Augen 24 Std. lang
iBÜ 2proc. Salicylsäurelösung gekühlt. Die Vaginal-
ibBchen wurden dagegen gänzlich aufgegeben.
Simmtliche so behandelte Kinder sind seitdem von
AngenentzünduDg vei*scliont geblieben; irgend ein
Nachtheil wurde nicht beobachtet. Den Hauptwerth
fegt Cr ed^ auf die Eifahrang, dasä hicht die Des-
*/ete'on der Vagina, sondern nur die der Augen
^Iba zum gewünschten Ziele fahrt.
Auch Prof. Olshausen ist seit 2 Jahren gegen
<iie Aagenentzündung prophylaktisch vorgegangen,
BDd zwar nach Empfehlung von A. Gräfe durch
Auswaschung der Augen mit Iproc. Carbolsänre-
tang. Die Erkranknngsziffer ging dadurch von
12.5*/q auf 6®/o innerhalb dieser 2 Jahre herab.
Anfangs wurde die Auswaschung erst auf dem
Wiekeltische vorgenommen, später jedoch nnmittel-
^ nach der Geburt, ja selbst vor der Ausstossung
•es Rumpfes, nachdem vorher die geschlossenen
Udcr ebenfalls mit Carbollösung abgewischt waren.
(Sowohl zu dem Abwischen wie zu dem Auswaschen
^ Wundwatte benutzt.) Bei dieser Art der Vor-
«»Atsinaagr^ln zeigten sich unter 166 im J. 1880
8*orei>en Kindern nur 6 Erkrankungen «» 3. 60/©;
ausserdem war der Krankheitsverlauf ein milderer.
Trotz den voi-ti'efFlichen Resultaten Cred^'s will
jedoch Olshausen bei der Carbolsänre , von der
er jetzt eine 2proc. Lösung anwendet, bleiben, da
er es für wahrscheinlich hält, dass auch andere
Mittel als Arg. nitr. die gleiche Sicherheit bei rich-
tiger Ausführung gewähren und in der Anwendung
der Carbolsäure insofera ein Vortheil liege , als der
Gebui'tshelfer dieselbe so wie so bei sich führe und
diess auch bei Hebammen mehr und mehr üblich
werde. Ausserdem sei es ihm aber auch noch zweifel-
haft, ob der Lösung des Arg. nitr. oder den 248tünd.
Umschlägen von 2proc. Salicylsäurelösung die grös-
sere Wirksamkeit zuzuschreiben sei. Da letzteres
Mittel ein reichliches Wartepersonal voraussetze, was
er nicht habe, so könne er diesen Theil der Cred6'-
schen Prophylaxe nicht nachahmen. Auch nach
Olshausen findet die Infektion meistens während
der Geburt statt ; beginnt die Erkrankung erst nach
dem 5. Tage , so sei der Verdacht gerechtfertigt,
dass die Infektion erst nach der Geburt durch die
besudelten Hände der Wöchnerinnen u. s. w. statt-
gefunden habe. Um derartige Uebertragungen zu
verhindern, sei natürlich eine vollkommene Trennung
der gesunden und kranken Kinder, wie es auch
Cred6 thue, das Sicherste. Sei diese nicht mög-
lich, so müssten die kranken Kinder wenigstens zu-
letzt gebadet werden , ein etwuger Badeschwamm
dürfe nicht zur Anwendung kommen, sie dürften
andern Wöchnerinnen nicht an die Brust gelegt
werden. Um die Erkrankung des zweiten Auges
zu verhindern, sei das Einwickeln der Arme des
Kindes das Wichtigste , ausserdem müsse das Kind
auf die Seite des erkrankten Auges gelegt und auch
beim Anlegen der Kinder die gleiche Vorsicht beob-
achtet werden. Vom Occlusivverbande habe er nie
Erfolge gesehen und wende denselben deshalb nicht
mehr an.
Dr. Haussmann weist daraufhin, dass er be-
reits vor 1^/3 Jahren als Prophylaxe desinficirende
Ausspülungen der Scheide u. sorgfältiges Abwischen
der Lider und Wimpern mit Iproc. Carbolsäure-
lösung unmittelbar nach Durchschneiden des Kopfes
vor Oeffnung der Augen empfohlen habe. Dieses
Verfahren habe er seitdem in einem allerdings be-
scheidenen Wirkungskreise mit stets gleich günsti-
gem Erfolge geübt.
H. betont dann noch die Wichtigkeit einer ge-
wissenhaften Reinigung der Scheide und der unter-
suchenden Finger in solchen Fällen , wo durch eine
Betastung des Gesichts wegen einer Operation u. s. w.
pathologischer Scheidenschleim oder verändertes
Fruchtwasser in die Augen der Kinder gelangen
könnte. Es dürfte sonst auch eine Desinfektion der
Bindehaut nutzlos sein.
Dr. Abegg ist der Ansicht, dass gegen die
prophylaktische Anwendung von Höllenstein- und
Carbolsäurelösung gewiss nichts zu erinnern sei, den
Bebammen aber könne man den selbst^tändigen
Gebrauch dieser Mittel nicht anvertrauen. Für diese
160
V. Gynäkologie n. Padiatrik.
empfiehlt er als wirksames und sicher auch in unge-
ttbten Händen unschädliches Mittel die Auswaschung
der Augen mit reinem Wasser mittels reichlicher
Ausspfllung und Auswischen mit durchnässter Ver-
bandwatte oder Leinwand. Dieses Verfahren wird
seit Jahren in der Danziger Hebammen-Lehranstalt
gettbt und sei das Ergebniss ein zufriedenstellendes.
Von 1871—1880 kamen unter 2266 Geburten nur
66 Fälle von Angenentzttndnng Neugebomer vor und
auch diese fast stets vereinzelt; schwere Fälle (Hom-
hautgeschwflre u. s. w.) gar nicht mehr. Um das
andere Auge zu schützen, wendet A. dieselben Maass-
regeln wie Olshausen an.
(Zschiesche, Erfurt.)
377. Ein Beitrag aar Lehre von der Arte-
riitis umbilicalis; von Prof. Dr. Monti in Wien.
(Arch. f. Kinderheilk. IL p. 405. 1881.)
Symptomatologie, Ausgänge und Folgen der Ar-
teriitis umbilicalis kennen wir bisher noch sehr un-
vollkommen, darum veröffentlicht M. folgenden Fall
von Arteriitis umbilicalis, welcher unter Hinzutritt
eines retroperitonäalen Abscesses, sowie von Pyämie
und Erysipel tödtlich verlief.
Ein vor 4 Wochen normal geborenes Madchen hatte
am 4. Tage den Nabelflchnnrrest verloren, vom 9. Tage
an Kolikschmerzen , Erbrechen, Schmei'zhaftigkeit der
Blasengegend gelitten. Bei der Aufnahme fand man leichte
ikterische Färbnng, den Banch massig aufgetrieben, am
meisten zwischen Nabel nnd Symphyse, die Milz ver-
grossert und weich. Vom Nabel nach abwärts bis zur
Symphyse fßhlte man dnrch die Banch wand eine kngel-
rande, flnktnirende Geschwnlst, welche die ganze untere
Baachgegend einnahm, die Haut darüber war leicht Öde-
mat5s nnd zeigte rabenfederkleldicke Venennetze. Die
Perkussion des Tumor ergab gedämpften Schall in Form
eines Dreiecks, dessen eine Spitze im Nabel, die beiden
andern in der Mitte des Lig. Poupartii lagen. Die Harn-
blase war ausgedehnt, enthielt einige Oramm klaren Urin
von 1008 Bpec. Gew. und saurer Reaktion. Die Digital-
untersuchung durch den Mastdarm ergab eine kinderfaust-
groBse, deutlich fluktuirende, auf das Rectum dr&okende
Geschwulst. Der Nabel zeigte nicht die geringste Ano-
malie.
Am folgenden Tage Zunahme des Oedem der Bauch-
decken , von der linken Hinterbacke ausgehendes Ery-
sipel, Stuhlverstopfung. Temp.38.6— 39,Pulsll0-— 120,
Resp. 30—36.
Tags darauf Ikterus stärker, Erysipel fortschreitend,
am Abend Sopor, bis zum Morgen fortdauernd ; dann Con-
vuisionen, unter denen das Kind Vormittags starb.
Bei der Eröffnung der Bauchhöhle fand man das
Peritonäum von der vordem Bauchwand abgelöst und bis
in die Höhe des Nabels emporgehoben durch einen mit
der Bauchmuskulatnr innig zusammenhängenden, mehr
als kindsfaustgrossen Tumor. Das die freie Oberfläche
des Tumor überziehende Bauchfell erschien getrübt, die
Nabelarterien waren als Stränge durchzufühlen, die rechte
enthielt derbe Blutgerinnsel, die linke war durchgängig,
erweitert, mit Eiter gefüllt und mit Exsudatmassen aus-
gekleidet. Der Tumor enthielt ca. 200 Grmm. grünlich-
gelben dünnflüssigen Eiter. Ifilz um das Vierfache ver-
grössert, das Parenehym weich, chokoladefarben. Becken
nnd Kelche der linken Niere erweitert, die Marksubstanz
zum Theil verschwunden.
In der Epikriae. weist M. darauf hin, dass diese
Beobachtung mit den von Bednar und Wider-
hof er gemachten Angaben nicht übereinstimme^
sehr wohl aber die Ansicht von Runge (vgl.Jahibb.
CXC. p. 51) bestätige, dass die Arteriitis umbilicalis
oft zur Pyämie führe und eine äusserst gefährliche
Erkrankung sei. Auch die Behauptung von Runge,
dass es für die Art. umbilicalis kein sicheres dia-
gnostisches Mittel giebt, ist durch diese Beobachtung
vollständig gerechtfertigt.
(Burckhardt, Bremen.)
378. KUniBohe Mittheilungen; von Prof.
Dr. Henoch. (Berl. klin. Wchnschr. XVIII. 2. 9.
1881.)
Vf. berichtet in der Berl. med. Qesellachaft über
die seltenere Art und Weise des Auftretens der all-^
gemeinen Miliartuberktdose bei einem achtjfthr.
Knaben.
Derselbe wurde am 20. Mai 1878 mit allen Zeichen
einer Perikarditis in die Einderabtheilung der Charit^
aufgenommen und von da am 7. Aug. als vollständig ge-
heilt entlassen. Schon am 3. Oct. musste er wieder aaf*
genommen werden. Jetzt war auch nicht eine Spur der
früheren Perikarditis, eben so wenig aber eine von einer
Verwachsung des Herzbeutels nachweisbar. Dagegen
bestand ein starker Ascites , der den Nabel blasenartig
ausdehnte. Kein Oedem. Am nächsten Tage wurden
2050 Grmm. einer grünlichen, trüben, stark albnminösen
Flüssigkeit entleert. Die Leber überragte den Bippea-
rand beträchtlich. Am 11. Nov. zweite Punktion, die
3800 Grmm. ergab. Gegen Ende Febr. 1879 begann die
ascitische Flüssigkeit aus dem Nabel auszusickern , ohne
dass dieser geplatzt war , wie aus einer durohldcherten
Membran. Gegen Ende März zeigte sich erysipelatdse Bo-
thung der Nabelgegend. Vom 16. April traten plötzlich un-
regelmässige Fieberanfalle auf. Die Lungen boten nichts
Abnormes dar, erst gegen Ende des Monats wurden
Symptome deutlich, die den Eintritt einer Meningitw
tuberculosa ankündigten, der der Knabe am 7. Mai
erlag.
Es lagen 2 Möglichkeiten als die wahrschein-
lichsten Vorgänge vor: entweder Leberaffektion
und durch Stauung Ascites — oder chronische Peri-
tonitis^ die zur Meningitis tuberculosa führte.
Die Sektion ergab an erster Stelle eine totale Syn-
echie des Perikardium (die also durchaus kein Symptom
gemacht hatte) , Miliartuberkulose des Parietal- und Vis-
ceralbUttes desselben, sowie der Pleuren. Im Leber-
überzug und im Mesenterium fanden sich bohnengrosse
Tuberkel ; das Netz wurde von einem 3 Gtmtr. dicken,
von erbsengrossen Tuberkeln durchsetzten Wulst ge-
bildet. Die grosse Leber war sehr stark fettig entartet
nnd mit vielen Tuberkeln durchsetzt. Hochgradige He-
ningitis tuberculosa. Lungen absolut frei.
Vf. betrachtet die Perikarditis als von dem
tuberkulösen Process abhängig , indem er sie zwar
nicht als eigentliche tuberkulöse Perikarditis ange-
sehen wissen will, sondern als von der linken Pleura
her fortgesetzt auffasst. Die Latenz der Perikardial-
synechie hebt Vf. nochmals hervor, ohne sie irgend-
wie zu erklären. Die spätere Krankheit war durch
die inzwischen erfolgte Weiterverbreitung der Tuber-
kulose bedingt und stellte sich als Peritonitis taber-
culosa chronica dar , bei welcher die Schmerzloslg-
keit des Abdomen ziemlich häufig vom Vf. beob-
achtet worden ist. Den Durchbruch der ascitiflcben
Flüssigkeit durch den Nabel, wie er in diesem P»Hß
statthatte, hat Vf. noch nie gesehen. Die Leber
VI. Chirargie, Ophthalmologie a. Otiatrik.
151
ftnd sich bei der SektioD nicht ao gross , als sie bei
der UnterauchnDg erschieDen war. — Dass es eiue
ebronisehe Peritonitis ohne Tuberkulose im Kindes-
alter giebt, bejaht Vf. auf Grund eines früher mit-
getheilten Falles, in welchem durch einen Fusstritt,
deo ein Vater seinem Kinde in der Lebergegend
xngefilgt hatte , von der Serosa der Leber aus sich
m chroDische Peritonitis über das ganze Bauch-
fell verbreitet hatte , so dass man die Darmwände
80 verdickt durchfühlte , als hätte man Sarkome
Eoter den Banchdecken. Andererseits giebt es aber
Pille von chronischer Peritonitis , die sich von der
tiberkdösen Form nur dadurch unterscheiden , dass
ie Qtheih werden. Vf. giebt freilich selbst zu, dass
lEess noch kein hinreichender Grand gegen die An-
ttbme einer Tuberkulose sei, da gerade die Tuber-
hlose des Bauchfells u. der Abdominalorgane isolirt
bleiben kann. Immerhin nimmt aber Vf. , wenn er
lach zngiebt, dass Tuberkel im Bauchfell obsoles-
dren können , doch an , dass es sich in Heilungs-
ftllen (bei anfänglich anscheinend ganz schlechter
Pn^ose) bei Kindern, die nicht tuberkulös sind
nd aas ganz gesunder Familie stammen , um ein-
gebe chronische Peritonitis, deren Ursache mitunter
ene traumatische ist, häufiger aber latent bleibt,
ludelt. Schlttsslich tritt Vf. noch gegen die Be-
^)tung Badin 's auf, dass Einpinseln von Jod -
fiiktor bei Kindern rasch Albuminurie erzeuge , da
Tf. diess nie beobachten konnte , ausser in 1 Falle,
fo nach einer starken wiederholten Einpinselnng
nn Jodtinktur sich Nephritis mit drohender Urämie
aifltellte.
In der sich hieran schliessenden Diskussion er-
vibote P. Guttmann, dass bei Perikardial-
^tehie die systolische Einziehung an der Herz-
ifRtie stets dann fehlen mtisse, wenn der Herz-
schlag so wenig kräftig ist, dass der Widerstand der
Thoraxwandung durch den Herzmuskel nicht über-
wunden werden kann, ferner, dass Tuberkulose der
Pleura überhaupt aus physikalischen Erscheinungen
nur in den seltensten Fällen zu diagnosticiren ist, da
die Entstehung eines Reibegeräusches meist durch
Adhäsionsbildungen unmöglich gemacht wird. Dass
aber zuweilen die Grösse der Leber während des
Lebens überschätzt wird, liegt in verschiedenen
mechanischen Verhältnissen des Unterleibes. .Es
kommt aber auch der umgekehrte Fall vor, be-
sonders wenn die Leber in ihrem Dickendurchmesser
stärker als in dem Durchmesser von oben nach
unten zunimmt. Die Frage nach dem Vorkommen
einer chronischen Peritonitis ohne Tuberkulose be-
antwoi*tet auch Guttmann bejahend. Er erinnert
an den Fall, in welchem er durch Punktion des
Ascites eine vollkommen chylöse Flüssigkeit ent-
leerte.
Hierzu bemerkt schlüsslich noch H e n o c h , dass
es ausser den oben erwähnten Formen der Perito-
nitis noch eine sarkomatöse Form gebe , nicht etwa
nach Durchbruch sarkomatöser Drüsen in den Bauch-
raum , sondern als eine unter dem Bilde einer Peri-
tonitis chronica verlaufende Sarkombildung im Peri-
tonäalraume. Er sah einen solchen Fall bei einem
11 jähr., aufs Aeusserste abgemagerten Knaben, der
nur hochgradigen Ascites zeigte , die entleerte Flüs-
sigkeit war chylös (durch Einwanderang von Sar-
komzellen) ; nach der Punktion Hessen sich eine
Menge kleiner, rander Höcker durchfühlen. Das
Peritonäum erwies sich bei der Sektion von zahl-
reichen Sarkomen von Bohnen- bis Wallnussgrösse
bedeckt. H. stellt diese Form neben die Pleuritis
sarcomatosa. (K o r m a n n.)
VI. Chirurgie, Oplitlialmoiogie u. Otiatriic.
379. Beitrage zur Lehre von der Spina
bifida und den Saoraltumoren , nach neuern
MiUheilungen zusammengestellt von Dr. E. S c h i 1 1
Ä Dresden 1).
Durch Punktion mit nachfolgender Injektion von
äßhoKscher Jodlösung erzielte Caradec (L'ü-
m 26. 30. 1862) die Heilung in 3 Fällen von
Spina bifida.
l)£in flonst wohlgebautes, 1 Mon. altes Mädchen
btte in der Ltanbargegend eine 8 Ctmtr. hohe, 6 Ctmtr.
^Durchmesser haltende Geschwulst. Die sie bedeckende
^ war rothlich, an einzelnen Punkten glänzend, dfinn,
Bauer Mitte in 1 Ctmtr. grossem Durchmesser exulcerirt.
^ vorsichtiger Compression entstanden keine Conynlsio-
KB, die sieh aber bei Zunahme des Druckes einstellten.
^ Tige nach einer gut vertragenen Probepunktion
^ttds der fVooaz'BChen Spritze, durch welche die Ge-
■ehwnlst theüweise entleert wurde, verkleinerte C. den
iBialt der wieder prall gefällten Geschwulst um 2 Ess-
%el und tejicirte eine JVaoos'sche Spritze voll einer
%oe. Jodlösung , welche er 3 Min. darin liess. Das
I) Sehhifls } 8. Jahrbb. CZCI, p, 65.
Kind verbrachte eine unruhige Nacht, doch ohne Convul-
sionen, und war am folgenden Tage wieder ganz wohl.
Sechs Tage nach der 2. wurde eine 3. Punktion mit nach-
folgender Injektion von 2 Spritzen 20proc. Jodlösung ge-
macht, wobei, wie auch in der Folge, die Vorsicht ge-
braucht wurde, den schmalen Rnckgratsspalt durch einen
Finger zu versehliessen. Nach einer 4. nnd 5. Punktion
und Injektion von 25proc. Jodlösuug nach Je 17 Tagen
waren die Wände der Geschwulst verdickt, in der Mitte
derselben aber Fluktuation noch dentlioh zu fühlen. Zwan-
zig Tage später wurde die 6. und kurz darauf die 7. In-
jektion mit 50proc. Jodlösung gemacht. Von da an liess
sich ein gänzliches Schwinden des Tumor constatiren.
C. sah die Pat. in der Folge wiederholt ; sie war voll-
kommen geheilt.
2) Ein 2 Mon. alter, sonst gesunder Knabe hatte in
der Kreuzbeingegend eine von normaler Haut bedeckte,
mit breiter Basis (3Vs Ctmtr. Durchmesser) aufsitzende
5 Ctmtr. hohe Geschwulst. Vollständige Heilung nach
5 Jodinjektionen in den unter 1) angegebenen Stärken.
3) Dieser Fall endete nicht in Folge der Operation,
sondern der Nachlässigkeit der Mutter tödtlich. Die
6 Ctmtr. im Durchmesser haltende Geschwulst in der
Lumbo-Sacralgegend eines sonst gesunden Kindes, welche
in beträchtlicher Ausdehnung exuleerirt war, zeigte nach
4 iQjelctioiien eine betrichtHehe Yerdi^nng ihrer Wände
152
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
und Redaktion ihres Niveau aaf das der nrngebenden
Haut, sowie fortschreitende Yerkleinernng der exnlcerir-
ten Hantfläche. In Folge schlechter Nahmng und Er-
kältung erlag das Kind einem Brechdurchfall.
Besondem Werth legt C. bei An wendung der alko-
hol. Jod-Iojektion aaf den Verachluss der Rückgrats-
spalte während der Operation durch Fingerdruck, auf
das allmälige Ansteigen in der Stärke der Lösung u.
genügend grosse Zwischenzeiten zwischen den einzel-
nen Injektionen , wodurch eine allgemeine Entzün-
dung des Sackes vermieden, eine wiederholte Öi*tliche
Entzündung aber angeregt werde. Die Pravaz'oche
Spritze bietet nach C. alle möglichen Vortheile dar.
Er will übrigens die Jodinjektionen nicht bei allen
Fällen von Hydrorrbachis , sondern nur bei kleiner
Knochenlücke, dann aber auch, selbst wenn die Ge-
schwulst mit breiter Basis aufsitzt und sich wenig
durch Dmck verkleinern lässt, noch lieber natürlich,
wenn sie gestielt ist und mit dem Vertebralkanal
nicht in Verbindung steht, angewendet wissen, jedoch
nur, wenn kein Ast des Rückenmarksstrangs im
Sacke vorhanden ist , wovon sich C. bei der Trans-
parenz des Sackes überzeugen zu können glaubt.
Bei grosser Oeffhung im Vertebralkanal, bei Altera-
tion des Rückenmarks und Lagerung von dessen
Theilen in der Geschwulst , in welchem Falle Para-
plegie und lebhafter Schmerz bei Druck vorhanden
zu sein pflegen, endlich bei Schwäche und dem Vor-
handensein anderer Bildungsfehler erwartet C. von
seiner Methode eben so wenig irgend welchen Erfolg
wie von irgend einer andern.
Mittels einer wässerigen Jod-Jodkaliumlösung,
die er in den völlig entleerten Sack injicirte, erzielte
Ronx (Bull. deTh^r. LXXVL p. 26; Janv. 15.
1869) Heilung bei einem 6 W. alten, übrigens nor-
mal gebildeten Rinde , bei dem sich eine 22 Ctmtr.
lange, 2 Ctmtr. breite Geschwulst vom untern Ende
des Os sacrum bis zum untern Drittel beider Ober-
schenkel erstreckte, die auf ihrer sonst normalen
Bedeckung eine markstückgrosse, anscheinend durch
Aetzen entstandene Narbe hatte.
Die Geschwulst vergrösserte sich beim Aufrichten
des Kindes und beim Schreien ; sie hatte den Anns naeh
vorn gedrängt, so dass er sich in der Verlängernng der
Vulva befand und das Perinanm enie Qnerfalte bildete.
Der Mittellinie des Kreuzbeins von oben nach unten fol-
gend, entdeckte der Finger eine sich naeh unten verjün-
gende Spalte. Nach Entleerung von 40 Qrmm. Flüssigkeit
mittels einer Probepunktion gelang es , das Os coocygis
und den zwischen ihm und dem Os saomm befindUchen
Hiatus zu fühlen. R. operirte in der Weise, dass er,
nachdem ein Assistent die Knochenlücke mit dem Finger
geschlossen hatte, in die mittels eines Trokar gänzlich
entleerte und vom Knochen möglichst abgezogene Ge-
schwulst 30Grmm. einer Flüssigkeit ii^icirte, welche ans
Je 6 Grmm. Tinct. Jodi und Kai. jodat. auf 20 Gnnm.
Aq. dest. bestand. Nach 5 Min. wurde dieselbe aus dem
Sacke wieder mit der Spritze ausgesaugt. Während der
nächsten 10 Min. schrie das Kind unaufhörlich, bemliigte
sich aber dann und schlief. Nach 48 Std. hatte die Ge-
schwulst ein Viertel ihres frühem Volumens wieder er-
reicht und war hart und schmerzhaft. Vom folgenden
Tage an verkleinerte sie sich und 18 Tage nach der Ope-
ration war nur noch ein harter, haselnussgrosser Knoten
vorhanden. Das Kind blieb, wie eine jahrelange Beob-
achtung ergab, gesund und entwickelte sich selir gut.
R. schreibt den glänzenden Erfolg seiner Opera
tion einmal der massigen Injektionsmenge und dani
der vollständigen Entleerung der im Sacke enthal
tenen Flüssigkeit zu , in Folge deren die Injektioi
überall die Wände der Geschwulst treffen konnte
Auch den Verschluss des Rückenwirbelkanals durcl
Fingerdruck und die sorgfältige Entfernung dei
injicirten Flüssigkeit hält er für wichtige Faktorei
seines günstigen Resaltates.
Dav. W. Cheever (Boston Joum. G. 12
p. 381. March 1879) bespricht bei Gelegenheit dei
Vorstellung eines Falles von Spina bifida die Be
handlnngsmethoden derselben.
Er injicirte auf drhigenden Wunsch der Eltern einen
3 Mon. alten, gesunden und kräftigen Kinde, welches aa
nntern Ende der Wirbelsäule einen weichen und flnktni
renden Tumor trnsr, nach Adspiration von 3 Drachma
(ca. 12 Grmm.) Cerebrospinal-Flüssigkeit V'2 I>raehBM
(ca. 2 Grmm.) Wasser mit 2 Tropfen Jodtinktur mit naeh
folgender leichter Compression. Achtzehn Stunden dansd
starb das Kind unter Gonvnlsionen.
Ch. glaubt, der Tod sei veranlasst durch die
plötzliche Druckschwankung in Folge der Adspira-
tion von Cerebrospinalflüssigkeit in den Himventri-
kein , nicht aber durch Meningitis , für die 18 Std.
ein zu kurzer Zeitraum sein würden.
Einen Fall von Spontanheilung beobachtete Ch
bei einem mit einem grossen Sacraltumor behaftetefl
Kinde. Dasselbe erlitt, 4 J. alt, einen Storz, dei
Sack zerriss und sein Inhalt trat ans. Nach 14tägig(if
lebensgefährlicher Erkrankung bildete sich ein Ab<
scess, welcher heilte. Das Kind genas ohne Läh-
mung. Der Tumor sass am untersten Ende dec
Spina und enthielt nar wenige Fasern der Candi
eqnina. In einem weitern von Oh. beobachtetei
Falle hatte der Tumor eine solche Grösse erreicht,
dass er in Bandagen getragen werden mnsste; du
betr. (erwachsene) Individnnm befand sich dabei
ganz wohl.
^ihQ Spontanheilung nimmt auch Hutchinson
(Med. Times and Gaz. March 29. 1879. p. 349) an.
Ein seit seiner Gebui*t an Incontinentia uriuae and
einer Schwäche des Sphincter ani leidender 16jfthr.
Bursche aus ganz gesunder Familie hatte seiner Au»
sage nach, wie ihm von seinen Angehörigen mit-
getheilt worden war, einen Abscess am unterstes
Theile des Rückens gehabt, welcher barat und seinen
Inhalt entleerte. Achtzehn Monate vor seiner Auf'
nähme litt Fat. ohne nachweisbaren Grund an Harn-
verhaltung. Seit seiner Aufnahme gingen einige
Steinchen durch die Urethra, in deren Ikfitte and
weiter nach vom sich eine Fistel fand , ab. ^^
StiMktur im hintersten Theile der Harnröhre, welcM
ein Metallkatheter Nr. 4 eben passirte, wurde IM
auf die Weite eines solchen Nr. 8 dilatirt. Auf M
untersten Partie des Rückens fand H. eine kindef){
fanstgrosse, röthliche, verdickte, g&nzlich unemp^i
liehe Narbe genau über dem untersten Lumbal- ni
den Sacralwirbeln. In 2 Fällen von noch bestehende
Spina bifida beobachtete H. gleichfalls unhellbai
Harnincontinenz.
j
VI« Chimrgie^ Ophthalmologie u. Otiittrik.
153
Analog erscheint ein von A. Bidder (Deutsche
Ztschr. f. Chir. 1879 ; vgl. Jahrbb. CLXXXV. p. 57)
mtgetheilter Fall, in welchem bei einem mit erwor-
bener Betentionscyste desPrftpntialsacks and Klnmp-
rfljssen behafteten 13 J. alten Knaben Harnincontinenz
beätaod, als deren Ursache eine Spina bifida in der
Gegend der nntem Lenden- n. obern Krenswirbel zu
betnchten war. Unter einer etwa mannsfanstgrossen
ilach gewölbten Geschwulst, welche, von normaler
Haut bedeckt, sich teigig anfDhlte, konnte man leicht
eioeB 4 Finger breiten Spalt in der Wirbelsäale con-
ititireD. In der von den Wirbeln gebildeten Mulde
fühlte man dicke, etwas schräg zur Längsachse lie-
gende, bei Druck schmerzhafte Nervenstränge, bei
deren festerem Anfassen der Knabe über Druck und
ktrichtliche Schmerzen im Hinterkopfe klagte. Ob-
;;leich nar wenig Flüssigkeit in dem Sacke sich vor-
&iid, war 6. doch Willens, eine Jodinjektion zu
Biehen, worüber er später zu berichten verspricht.
Lewis A. Sayre (Boston med. and surg.Joum.
eil. 23 ; June 3. 1880) bildete in einem Falle von
8pina bifida eine Schutzhülle ftlr den Sack und nn-
terstlltzte durch Darreichung von phosphorreicher
Nthnmg die Verkndcherung der Wirbelsäule.
Naehdem er das Kind mit einem knapp anliegenden
gntriektea Hemd bekleidet hatte, legte er, während er
to Kbd in einer nihigen Lage hielt, ohne es zn snspen-
irea, einige Tooren Heftpflaster am Stamm nnd Becken,
■bitt dann von dem Hemde oben nnd nnten ein Stack
sb, whliig den verbliebenen obern nnd nntem Hemdnad
iber die Heftpflastertonren herüber und legte nun wieder
(■ige Touren um Stamm nnd Becken. Ehe das Pflaster
Mck erhärtete, drfiekte er die Bindentonren nach der
fiestatt des Tnmor, so dass dieselben, fest geworden, ein
NlideB Daeh über dem Spina-Biflda49acke bildeten nnd
h Tor jeder Schädlichkeit sohfitzten.
S. zieht diese Schntzdecke einer kupfernen oder
Btäblemen Schntzplatte entschieden vor, weil diese
tth nur schwer und unvollkommen befestigen lässt.
Dieses Hef^flastercorset wandte S. femer bei
Mn 5 Jahre alten Mädchen an, welches seit seiner
Gebort gerade Aber der Wirbelsäule in der Regio
hobalis einen grossen Tumor hatte. Druck auf
lonelben war schmerzhaft. An seiner Basis ftlhlte
■in den Mangel der Proc. spinosi und einen 1 Zoll
pnaen Defekt im Knochen. Mit SeguirCs Flächcn-
krmometer ergab sich auf dem Tumor eine um 3 —
^•P. (1.6—2.30 C.) höhere Temperatur als an an-
^ KdrperBtellen.
Endlieh theilt S. noch einen Fall mit, in welchem
er bei Spina bifida der Lumbal-Region eines 7jähr.
Mädchens durch den langen Stiel des Tumors eine
iiit einem doppelten starken Faden versehene Nadel
b'ndnrcfaflihrtey die Fadenenden um die Basis des
Tomon herumfllhrte und festknüpfte. Durch die so
^igeftlhrte Strangulation fiel der Tumor ab ; in
^«elbei fanden sich Nervenbündel. Es erfolgte
^btindige Heilung. Die Operirte verheirathete
M sp&ter nnd bekam ein normales Kind.
Fr. Ahlfeld (Deutsche med. Wchnschr. V. 44.
W9) gelang es bei einem kräftigen , 8 Tage alten
M. Jthrbb. Bd. 191. Hft. 2.
Kinde ohne Lähmungserscheinungen^ welches in der
Lendenwirbelgegend einen apfelgrossen , mit dem
Wirbelkanale durch eine 2-Mark8tück grosse Spalte
communicirenden Hydrorrhachissack trug, durch Ex-
stirpation einer Hautfalte nach Erregung einer adhä-
siven Entzündung im Sacke Heilung herbeizuführen.
Der Tumor war mit durchscheinender, von Gefässen
reichlich durchzogener Haut bedeckt und so prall
gespannt , üass einigermaassen starker Druck eine
Ruptur herbeizuführen drohte.
Unter antiseptischen Caatelen legte A., nachdem er
den Tnmor zam Theil mittels der Pravaz'schen Spritze
von seinem Inhalte entleert hatte, eine Längsnaht durch
eine emporgehobene Hautfalte an. Antiseptischer Ver-
band. Nach 2täg. hohem Fieber trug er nach Anlegung
einer zweiten, der ersten parallelen Naht den Sack ab.
Unter einem, wie früher, antisept. Verbände heilte nach
Abstossang der Stielreste die Wunde in 10 Tagen. Die
Lendengegend zeigte nun keine Uervorragong mehr. Die
Hant war normal nnd verschiebbar, nur hatte sie an der
untern Partie der frühem Oeffnnng eine Narbe, über wel-
cher man eine rhombische Spalte der Wirbelsäale fühlte
von 1.5 Ctmtr. Länge nnd 1 Ctmtr. Breite. Von Prof.
Cred^ erhielt A. den Rath, in ähnlichen Fällen die Naht
nicht von einer Seite zur andern, sondern von oben nach
unten durch den Stiel des Tnmor zu legen.
Wünsche stellte in der Gesellschaft für Natur-
u. Heilkunde zu Dresden (Jahresbericht f. 1876/77)
ein 7 J. altes Mädchen mit einer seit der Geburt be-
stehenden Geschwulst der Ereuzbeingegend vor.
Die Geschwulst, von Form und Umfang emes mitt-
lem Apfels j sass mit breitem Stiele auf der untern
Hälfte der Ereuzbeingegend; sie war flnktuirend,
durchscheinend, von einer fibrösen, bläulich-weissen,
glänzenden Membran umgeben. Die in der Geschwulst
befindliche Flüssigkeit Hess sich durch Druck zum
grössten Theil verdrängen , wobei man die Ränder
eines knöchernen Eanals deutlich durchfühlte und
das Eind unter gänzlichem Anziehen der Beine an
den Leib heftig schrie.
Darch Pnnktionen wurde am Tage der Gebart ein
hellgelbes Seram entleert. Da sich aber die Geschwulst
immer wieder ffiUte, wurde durch halbkreisförmig ange-
legte Hoftpflasterstreifen die normale Haat enger anein-
ander gebracht. Nach 12 Tagen fällte sich der seröse
Sack nicht mehr, wurde welker und dicker nnd am 16.
Tage nahm A., da er nicht mehr in den knöchernen Kanal
eindringen konnte, eine Obliteration des Sackes an. Nach
Abtragung des leeren serösen Sackes nnd Vereinigung der
Wandränder dnrch die Naht folgte Granulationsbildnng
und Vemarbung.
Die von W. wegen des deutlich fühlbaren Wir-
beldefektes, der Grösse der Geschwulst, der leichten
Reposition des Inhaltes, des Anziehens der Beine bei
starkem Druck auf die Geschwulst und der Schmer-
zensäussernngen auf Ausstülpung des Meningeal-
sackes ausserhalb des Wirbelkanals gestellte Dia-
gnose wurde von Prof. Winckel bestritten. Der-
selbe erklärte die Geschwulst nach Lage der Narbe,
welche dem untern Ende des Steissbeins entspreche,
Air eine degenerirte Luschka^sche Steusdräse.
Ambr. Gherini (Gazz. Lomb. XXXVI. 33.
1876; Chir. Centr.-Bl. III. 52. 1876) enüiess von
14 ihm in seiner Spitalspraxis vorgekommenen Kr.
20
154
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
mit Spina bifida 5 als ODgeeignet zu jeder Behand-
lung , verlor 3 bald nach ihrer Aufnahme, 2 nach
Punktion und Compression, 3 nach Jodinjektion und
Compression, 1 nach einfacher Punktion, 1 (Smonatl.
Kind, das mehrere Jodinjektionen gut vertragen hatte)
in Folge von Convulsionen.
Bei Erwachsenen beobachtete G. 3 Fälle. Ein
25jähr. Mann starb nach Incision einer in der obern
Hälfte der Halswirbelsäule gelegenen, ganseigrossen
Geschwulst. Bei einem 17jähr. Mann platzte die in
der Gegend des Kreuzbeins gelegene Cyste nach
spontaner Exulceration und es trat Heilung durch
Schrumpfung ein. Auf diesen Fall begründet G. den
Vorschlag, dm*ch Aufpinseln von Jodtinktur oder ver-
dünnter Salpetersäure auf die Spina bifida Schrum-
pfung des Sackes herbeizuführen. Im Ganzen hält
er jedoch eine palliative Behandlung fllr mehr em-
pfehlenswerth.
Am Schlüsse unserer Zusammenstellung geben
wir eine Uebersicht des hauptsächlichen Inhalts der
äusserst fleissigen monographischen Bearbeitung des
fragl. Gegenstandes, welche Aug. Wernitz in
seiner Inaug.-Diss. unter dem Titel: „Die Spina
bifida in ätiologischer und klinischer Beziehung'^ ge-
liefei-t hat. Dieselbe wird bei speciellern Studien
über Spina bifida mit grossem Vortheil benutzt wer-
den.
Die von Wernitz gegebene Caauisük umfasst
245 Nummern. Er beschreibt aus der Dorpater
gynäkol. Klinik und der Privatpraxis des Dr. Wil-
helmKoch 6 noch nicht veröffentlichte Fälle von
Spina bifida, die wir im Auszuge wiedergeben.
1) Knochenpräparat dner Spina bifida dorsoAumho-
sacraUs von einem neugebornen Kinde, dessen Wirbel-
säule vom 1. Halswirbel bis zur Spitze des Os coccygis
17.2 Ctmtr. lang war. Vom 2. Dorsalwirbel bis zum 8.
lassen die Bogentheile derselben eine immer breiter wer-
dende Spalte zwischen sich , so zwar , dass die Bogen ge-
rade nach hinten gerichtet sind , vom 8. ab aber immer
mehr nach den Seiten hin abweichen. An den Lumbal-
wirbeln bilden sie mit der Hinterfläohe der Wirbel fast
eine gerade Linie. Am Kreuzbein nur ein massig breiter
Spalt in den Bogentheilen. Die Querfortsätze sind nor-
mal, die der Lenden- und nntem Sacralwirbel werden
aber , von hinten gesehen , von den seitlich abgewichenen
Bogentheilen verdeckt. Die Foramina intervertebr. Ue-
gen in den untern Rücken- und Lendenwirbeln in Folge
des Flacherwerdens der ganzen Rinne an deren Boden.
2) Knochenpräparat einer Spina bifida cerviealis an
einem 32 Ctmtr. langen Skelett, dessen Hinterhauptsbein,
in seinen einzelnen Theilen noch nicht knöchern ver-
einigt, ein auf Kosten des Schuppentheils vergrössertes
Hinterhauptsloch zeigt von eiförmiger Gestalt , 2.4 : 2.9
Ctmtr., die Bogen aller Halswirbel und der beiden ersten
Brost Wirbel gespalten. Die Bogentheile des Atlas liegen
dem Hinterhauptsbein an, die des Epistropheus sind
etwas nach aussen , hinten u. stark nach unten gerichtet,
aber stark entwickelt (1.6 Ctmtr. von der Basis bis Spitze).
Die gespaltenen Bogen zeigen eine knopfförmige An-
schwellung am Dorofortsatz. Die Körper der Halswirbel
sind nach Grösse und Entwicklung sehr ungleich. Der
2. und 3. zeigt hinten in der Mitte eine tiefe Furche , der
4. eine ganz seichte Andeutung einer solchen, der 6. wie-
der eine sehr tiefe Furche und der 6. und 7. am Rande
eine Einkerbung. Von vorn erscheinen diese Furchen
und Einkerbungen noch deutlicher , so dasa der Körper
aus mehreren Stücken zu bestehen scheint.
3) Spirituspräparat einer Spina bifida lumboaacraUi
mit Hydrorrhachis interna. Das mit einem wallnass-
groBsen, in der Saorolumbalgegend breit aufBitsenden
Tumor geborene Kind starb nach 14 T. in Folge PlatzeoB
der Geschwulst und hinzugetretener Meningitis spinalis.
Krämpfe und Klumpfuss waren nicht vorhanden, doch
wurden die untern Extremitäten nie bewegt. Der über
dem letzten Lendenwirbel und dem Kreuzbein breit auf-
sitzende , wallnnsBgrosse Tnmor ist an seiner Peripherie
von normaler Haut bedeckt und mit Wollhaar besetzt,
dann folgt eine des Oberhäntchens beraubte Zone mit
zahlreichen Schweissdrüflenöffnungen , während das Cen-
trum von einer strahligen , weissen , eingezogenen Narbe
gebildet wird. Durch Spaltung der Bogen des letzten
Lendenwirbels u. Kreuzbeins ist ein ovaler (2 : 1 Ctmtr.)
Defekt der Wirbelsäule gebildet , den die Fascia Inmbo-
dorsalis umschUesst. Die obern 2 Drittel des Defekts
Bind durch ein mit der Dura verschmolzenei straffes
Bindegewebe, das untere Drittel nur durch Haut bedeckt,
nach deren Wegnahme man im Grunde des Defekts das
Filum terminale sieht. Das in seinem Centralkanal be-
deutend erweiterte Rückenmark tritt als Rohr aus der
Wirbelsäule scharf nach hinten umbiegend in den Sack,
mit dessen Wand es im obern Theile verwachsen ist, aus
dem die Nerven der Canda equina in die Wirbelhohle
zurücklaufen.
4) Spirituspräparat einer Spina bifida lumbosaeralit
mit Hydrocephalus. Der faustgrosse, längliche, mit einer
dünnen, stark vaskularislrten Haut überzogene Tumor
des 2 Tage alten, elenden und an Durchfall leidenden
Kindes, dessen untere Extremitäten gelähmt waren,
wurde durch 2 elliptiflche Schnitte, wobei aus den weiten
GefSfiBen des Sackes eine sehr starke Blutung erfolgte,
abgetragen und der Defekt durch die benacht»arte , doreh
Entspannnngsschnitte und Abpräpariren mobil gemachte
Haut bedeckt. Nach 2 Tagen war die durch Knopfnaht
geschlossene Wunde vollkommen geheilt. Das Kind e^
lag 6 Wochen später dem Hydrocephalus. In dem Tumor
war bei der Operation kein Rückenmark gefunden wer«
den. Die Untersuchung des SpirituBpräparats ergab am
10. Brustwirbel Fehlen des Domfortaatzes und Spaltung
des Knochenbogens , welche am 11. und 12. noch weit
mehr hervortritt. Die Rudimente sind stark verdickt
und nach aussen und oben gewandt. Vom 3. Lenden-
wirbel ab wird der Knochendefekt durch lateral wärts
Auseinandergehen der Bogen viel breiter, so dass eine
flache Rinne entsteht, die im Kreuzbein, deseen beide
unterste Wirbel normal sind , wieder schmäler und tiefer
wird. Das sehr dünne Rückenmark tritt auf der Höbe
des 10. Brustwirbels dem obern Knochenrande des De-
fekts hart anliegend an die Hautdecken , wobei die Dnra,
die es bis dahin eingehüllt, hinten anseinanderweioht nnd
das Rückenmark von vom her bedeckend sich gleichfalls
an die Cutis anheftet , so dasa folgende 4 Schichten nch
finden : Haut, bandförmiges Rückenmark, Spinalhaut and
Periost, welche letztem sehr eng mit einander verwachsen
sind. Vom 4. Lumbalwirbel ab sind die Nerven der
Canda equina gleichfaUs mit der Haut verwachsen.
6) Spina bifida totalis mit HemUs^hdUe und doppel-
tem Kiumpfuss. Der Kopf des 40 Ctmtr. langen weib-
lichen Fötus ist, von den Orbitalrändem beginnend, nach
hinten und unten abgeflacht. . An Stelle des Hinterhaupt-
beins findet sich ein die Reste des Gehirns enthaltender,
über den Nacken bis zur Mitte der Brustwirbel herab-
hängender Sack, welcher unten eine durch Aufliegen
auf einem mandelförmigen knöchernen, mit den obern
Bmstwirbeln beweglich verbundenen Auswuchs hervor-
gerufene Einkerbung trägt. Alle Wirbelbogea mit Aus-
nahme der beiden letzten des Kreusbeins sind gespalten,
die Halswirbel stark comprimirt , die Bogen d«r Brost-
wirbel geradeaus lateralwärts gerichtet und mit ihren
Enden stark nach vorn gebogen. Die Bogen der Lumbal-
wirbel bildeten mit den Körpern eine flache Rinne , die,
am Kreuzbein wieder tiefer werdend , am 3, Kreuzbein-
wirbel bogenförmig begrenzt wird. Die Haut zeigt m
VI. Chirurgie, Ophthalmologie a. Otiatrik.
155
demRüeken einen 3Vs— 4 Ctmtr. breiten, 5 Ctmtr. lan-
gen Defekt. Sie ist 1 Ctmtr. seitwärts von den Enden
d€r klaffenden Bogen halb darehscheinend, wird Ober den
Bofseaenden dnrchscheinend und nach innen von diesen
dneiifiiehtig. Von den Nerven der Cauda eqoina lässt
sie sieh leicht abheben , mit dem Rückenmark selbst aber
ist sie 80 fest verbunden , dass sie ohne Zerstörung des-
selben nieht abznlSeen ist. Im Bereich der anf dem
Bfiekan gelegenen Exostose fehlt das Bäckenmark. Es
bieitet sich, ans Strängen bestehend, dann aber die ganze
Wirbelrinne hin aas , an einzelnen Stellen bis hart an die
Bogenenden reichend. Die Dura bildet keinen Sack um
1» Rückenmark , sondern Hegt dem Periost des Wirbel-
kails dicht an. Die Araehnoidea bildet ein weitmaschi-
ges, lockeres Gewebe, das sich einerseits an die Dura,
atdererseits an den Ursprung der den Defekt bedecken-
kB Membran ansetzt.
6) ^nna bifida mit HemicephaUe und doppeltem
Vmpfua», An Stelle der Hinterhauptsschnppe findet
iek bei dem 40 Ctmtr. langen Kinde ein aus dem Schädel
iber den Nacken herabhängender und an seiner Basis
ehns eingeschnürter, welche Himmasse enthaltender
Siek. Das Stirnbein ist von den Orbitalrändem an stark
seh hfaiten , statt oben , gerichtet. Die Partes condyl.
«OB ocdp. gehen nach beiden Seiten stark auseinander.
Die Hilswhrbel sind comprimirt, alle 1 Ctmtr. hoch. Die
ikolk»tisehe Halswirbelsaale zeigt die Bogentheile rechts
Mdi aoflsen umgelegt, links fehlen dieselben. Die Bogen
ler übrigen Wirbel gehen gerade nach aussen von den
Wirbelkörpem ab, so dass sie oben eine 3 Vi Ctmtr. breite,
neh mten flacher werdende Rinne bilden, welche von
öeer vom Bande des For. occip. magnum ausgehenden,
Ks aber die Enden der Wirbelbogenfragmente hinaus
läeheoden fibrösen Membran, die ohne scharfe Qrenze in
te Unterhaatbindegewebe fibergeht , ausgekleidet ist.
iof ihr liegt eine äusserst dünne Membran von lockerem,
liserigem Bau mit zahlreichen Kernen und Blutgefässen,
af welcher in der Mitte der Rinne sich das flache (1 Ctmtr.
Me), sehr dfinne and durch eine tiefe Furche an seiner
Ustera Flache in 2 Stränge getheilte Rückenmark liegt.
Die Nervenwurzeln gehen von der Vorderfläche des
Biekenmarks ab , durchbrechen die Dura und verlaufen
ton Ganglien bildend zu ihren Intervertebrallöohem.
Bie äussere Haut zeigt fiber den gespaltenen Wirbeln
(iiea 1 Ctmtr. lateralwärts von den Enden der Wirbel-
losen beginnenden, bis an die untersten Kreuzbeinwirbel
reidienden Defekt, dessen Rand mit langem, dunkelblon-
tei Haar besetzt in eine als Fortsetzung der Epidermis
azuebende Membran fibergeht. Die an den Domfort-
ötuB sich inserirenden Muskeln waren sämmtlich mangei-
hift gebildet, der Cucullaris fehlte ganz.
Nach der von W. citirten statistischen Zusammen-
stellung von Chaussier kommen auf 22293 Neu-
feborne in der Matemit^ in Paris 132Missbiidangen
iBd darunter 22 Fälle von Spina bifida. Nach
Cbaassier's Angabe wurden die mit Spina bifida
behafteten Kinder meist lebend und reif geboren.
Wegen seiner nrsprflngiich geringen Dimensionen
bOdete der Sack meist kein Qebnrlshinderniss. Nach
Hohl wurde in 40 Fällen von Spina bifida die Oe-
M 22mal dnrch die Natarkräfte bewirkt , wobei 6
«b schwere Gebarten zu bezeichnen waren , welche
3oaI erst nach Zerreissnng der Wassersftcke erfolg-
^. In den 18 Fällen von Eunsthülfe wnrde Imal
& Zange angelegt, 2mal Wendung und Extraktion,
^ die Punktion gemacht, Imal der Sack mit den
Pilgern zerrissen, Imal mit der Hand zerdrückt und
5oial das Kind extrahirt, was einmal erst nach dem
Tode des Kindes und Zerreissen der Häute möglich
^* Viele Kinder mit Spina bifida gehen in den
ersten Lebenstagen marastisch, andere an Gompli-
kationen oder Meningitis nach Ruptur des Sackes zu
Grande. Von 90 nicht operirten Kindern mit Spina
bifida starben 28 in der 1. Woche, 5 in der 2., je
1 in der 3. und 4., 5 nach 1 Monat, 5 nach 6 Mon.,
über 1 Jahi* alt wurden 3 und über 5 J. alt 20,
während bei 23 das Alter nicht angegeben ist. In
den Fällen, wo die Pat. ein höheres Alter erreichten,
war die Geschwulst wohl eine reine Meningocele
spinalis ohne Betheiligang des Rückenmarks. Vor-
kommen der Spina bifida bei Geschwistern beobach-
tete Spengler, sowie bei Zwillingen Camper
und Hohl, wähi'end Ogie von 2 Geschwistern
eins mit Spina bifida, das andere mit Hydrocephalos
behaftet sah. Mit Ausnahme des bei allen Graden
der Spina bifida auftretenden Klumpfusses wurden
andere Missbildungen nur bei hohem Graden der
Wirbelspalte beobachtet, so Anen- und Hemicephalie,
Encephalocele , Spaltungen des weichen Gaumens,
Transpositio viscerum.
Der Sitz der Spina bifida war nach Wernitz's
Zusammenstellung von 245 Fällen: über dem Kreuz-
bein 53, in der Gegend der Lenden- und Kreuzbein-
wirbel 127 , in der Gegend der Brust- und Lenden-
wirbel 9 , über den Brustwirbeln allein 6 , über den
Brost- und Halswirbeln 3 und über den Halswirbeln
12 Mal; 35mal war der Sitz nicht angegeben. Die
Oberfläche der Geschwulst ist meist glatt, doch sah
sie Smith gelappt und Chaumont und Paget
aus mehreren Cysten bestehend. Im Sacke, dessen
Hüllen und Inhalt wir im Laufe unserer Znsammen-
stellung wiederholt aasführlich geschildert haben,
sah Langenbeck einmal, wo das Kreazbein
gabelförmig gespalten war , Palsation des hühnerei-
grossen Tumor. Der Tumor ist, besonders bei Spal-
tung nur einiger Wirbel nicht immer sofort bei der
Geburt bemerkbar, sondern beginnt sich oft erst all-
mälig zu entwickeln. Nach der Breite des Defekts
der Wirbelsäule hat Fleischmann 3 Grade der
Missbildung unterschieden, was indessen keine prak-
tische Bedeutung hat. Meist erstreckt sich die
mangelhafte Bildung auf beide Bogenhälften dessel-
ben Wirbels, doch ist auch zuweilen die eine mangel-
haft, während die andere bis zum Proc. spinosus voll-
kommen entwickelt ist , wie M e c k e 1 an 1 Wirbel,
Hewett aber an mehreren beobachtete. Als Be-
stätigung der Angabe von M e c k e 1 und A m m o n ,
dass auch die Wirbelkörper gespalten sein können,
giebt Wernitz ans der neuem Literatur 2 Fälle
(Spina bifida anterior), beide von Rindfleisch
(Virchow's Arch. XIX. p. 546 und XXVH. p. 137)
mitgetheilt. Der erste bot eine Spaltung der Wirbel-
säule des Halses und Rückens in einer Breite von
8/4''. Durch diesen Spalt war eine Darmschlingen
enthaltende Ausstülpung des Bauchfells, welche durch
das Foramen oesophageum in den Pleurasack ge-
treten war, in den Sack der Rückgratsspalte gelangt.
Im 2. Falle betraf die Spaltung die sämmtlichen
Rückenwirbel; die auseinauder gedrängten Hälften
derselben waren sehr ungleich entwickelt.
156
VI. Ghimrgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
Die Haut über dem Tumor wird in den 245 von
W. gesammelten Fällen 58mal als verdflnnt und
durchscheinend , 7mal als leicht excoriirt, 38mal als
theils nlcerirt, theils brandig angegeben , während
5mal Narben auf dem Sack sich fanden und in 4
Fällen die Haut dick und derb war.
Auffällig ist das weite Herabreichen des Rücken'
marke in vielen Fällen von Spina bifida. Während
nac}i Fehat das Rückenmark bei Männern in der
Mitte oder am obem Rande des 1., bei Weibern des
2. Lendenwirbels zu endigen pflegt, fand man bei
Spina bifida der untern Lenden- n. Kreuzbeingegend
im Sack das Rückenmark, was in der Dehnung des-
selben nach Verwachsen seiner Hüllen mit den äus-
sern Integumenten seinen Grund hat. Andererseits
giebt es aber auch Fälle von Spina bifida , in denen
das Rückenmark ganz oder theilweise fehlt, nament-
lich wenn Anencephalie mitRhachischisis gleiehzeitig
vorhanden ist. Oft erscheint es als breiter Strang
oder aus mehrem flachen in einander übergehenden
Strängen bestehend. Bei den gewöhnlichen Formen
der Spina bifida ist das Rückenmark, wenn es nicht
der Sackwand adhänrt, normal beschaffen, doch fand
es sich einige Male in der Höhe der Geschwnlsi; ver-
dünnt oder breit und flach, zuweilen fehlte die Cauda
equina. Bald theilt es nur mit seinem Ende der
Sackwand adhärirend die Höhle , bald liegt es mit
seiner ganzen Fläche der obem Wand hart an.
Von der Zusammensetzung der im Sack der
Spina bifida vorgefundenen Flüssigkeit giebt die
nachfolgende Tabelle eine Ueberslcht.
Liq. cere-
Hydroce-
Hydroce-
Flüssig-
Flfissigkeitbei
Flüssig-
brospinalis
phalnsflfis-
phalusflüs-
keit bei
Spina bifida
keit bei
Schtscher-
slgkeit
sigkeit
Spin, bifida
Schlscher-
Spin.biflda
bakow
Hüger
Bamel
Petit
bakow
Forster
Wasser
989.90
987.7
990.0
987.0
989.9—990.4
989.1
Feste Stoffe ....
10.10
12.3
— .
9.8—10.15
10.6
Albnmin
1.85
2.46
1.5
1.9
0.40—0.50
0.61
Extraktivstoffe. . . . |
Anorgan. Salze . . . (
8.14
—
2.9
0.99—1.45
— -
7.62
8.0
*
Ml
Chlorkalinm ....
—
0.82
—
—
—
Chlomatrinni . . .
5.42
3.97
5.0
—
Schwefels. Kaliam . .
0.32
—
—
—
Phosphors. Natriam
—
—
0.5
Natron
—
1.0
—
—
—
Phosphors. Magnesium
—
0.96
—
—
—
Osmazom
—
0.5
—
—
—
Zucker
—
0.2
—
—
* Die Natronsalze fiberwogen. ** 6\/smal mehr Natron- als Kalisalze.
Der Eiweissgehalt der Flüssigkeit nimmt nach
jeder Punktion zu, so fand Billroth auf je 100
Gctmtr. Flüssigkeit nach der I.Punktion nur Spuren,
nach der 2. 0.637, nach der 3. 1.990 und nach
dem Tode 3.306 6rmm. Eiweiss. Der Druck der
Flüssigkeit im Sacke der Spina bifida schwankt nach
Quincke zwischen 4 und 40 Mmtr. Hg; am ge-
ringsten war er in einem Falle von reiner Meningo-
cele spinalis , am höchsten bei erworbenem Hydro-
cephalus; aber höher als bei reiner Meningocele
spinalis in einem Falle von Spina bifida mit Hydro-
cephalus. Bei Besprechung der Diagnose giebt W.
einige Fälle , in denen sich die zuerst gestellte Dia-
gnose als unrichtig herausstellte.
H i 1 1 0 n ezstirpirte einen halbapfelgrossen , ffir den
Sack einer Spina bifida angesprochenen Tnmor , der sich
als ein Lipom erwies , bei einem 16 Mon. alten Kinde,
bei dem Lähmungen und Hirnsymptome nicht yorhauden
gewesen waren.
DowBon operirte eine ffir ein Lipom gehaltene,
seit der Grebnrt gewachsene Geschwulst ober denLenden-
nnd Krenzbeinwirbeln eines 4 Mon. alten Kindes , wobei
sich zeigte , dass das Lipom die Decke einer Spalte der
Wirbelsänle bildete. — In einem gleichen Falle operirte
Weiss; das Kind starb an Meningitis spinalis , obgleich
der Sack nicht geoflfhet worden war. Ebenso ging eine
Frau nach der Operation eines Lipoms über dem Kreuz-
bein zu Grunde, unter dem man den Sack der Spina
bifida fand.
Für das Fehlen von Nerven im Sacke spriebt
mit Wahrscheinlichkeit : 1) gestielte Form der Ge-
schwulst (in 16 Fällen von gestielten Geschwülsten
war nur Imal Rückenmark im Sack) ; 2) Fehlen von
Lähmungen der Extremitäten, der Blase und des
Mastdarms, sowie Fehlen des Klnmpfusses ; 3) Feh-
len von Hydrocephalus ; 4) Verkleinerung des Tu-
mor auf Drack , ohne dass Krämpfe auftreten, wäh-
rend Benommenheit eintritt.
Die Prognose wird bei Meningocele spinaliB
immer eine günstigere sein als bei Myelocele. Läh-
mungen allein, ohne Klumpfnss und Wasserkopf^
scheinen nach W.'s Zusammenstellung die Prognose
nicht wesentlich zu verschlechtem. Unter 39 Fällen
trat 15mal der Tod ein, 17 verliefen günstig nod
bei 7 war der Ausgang nicht angegeben. Von 34
Fällen dagegen, in denen Klumpfnss notirt war,
endeten 27 tödtlich und nur 7 mit Heilung; unter
36 Fällen von Spina bifida mit Hydrocephalus ver-
liefen 2 Drittel tödtlich, 9 Pat wurden geheilt, von
denen jedoch 5 in 2 — S Mon. nach der Operation
dem in Folge derselben sich stark vergrössernden
Hydrocephalus erlagen. — lieber die Aetiologie der
Spina bifida bringt W e r n i t z nichts Neues.
Die Therapie findet eine eingehende Schilderaog*
Fälle von Heilungen durch Campressüm , die nacb
VI. Chirurgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
157
Heister von einem Wundarzt Steuber zuerst
aasgeführt wurde, werden von Gooper, Wor-
mald and Moore mitgetheilt. Ihre Ausführung
geschah meist durch Platten von Metall oder Kaut-
sßhak. In einem Falle hatte Bohrend von der
ADwendong von Gollodium mit Ol. Ricini (2 : 1) Er-
folg. Die von Forestus vorgeschlagene Ligatur
worde von H a m i 1 1 o n in einem Falle mit theilwei-
stm, von Schindler und Berardi mit vollem
Erfolge angewendet Die Ligatur wurde entweder
eJD&eh um den Stiel oder subcutan angelegt. Nach
letzterem Verfahren beobachtete Paget in einem
Me von kopfgrosser reiner Meningocele lumbaris,
die schnell gewachsen war , lethalen Ausgang unter
den Erscheinungen von Himdruck ; die Sektion er-
gtb im Sacke weder Rückenmark noch Nerven.
Statt der drknlaren Ligatur wendete Benard eine
ZoBammenschnürung mittels über Gänsekiele geführ-
ter Fäden an. Statt der Gänsekiele verwendeten
Litil and Guersant mit günstigem Erfolge Stäb-
dieo. Durch Abschnüren des Tumor an seiner
Bisis mittels eines elastischen Ringes hatten Mou-
ehet und Cus hing Erfolg, üeber die vonPa-
rona mittels der von Rizzoli angegebenen Klam-
■er behandelten 4 Fälle haben wir oben berichtet.
Dofch Abklemmen des Sackes mit einer Huichin-
«m'schen Ovarienklammer erzielte Braun einen
Erfolg.
äe schon von altem Chirurgen , wie Hoff-
lano, Burdachy mit Erfolg geübte Punktion
wir selten von danemder Heilung gefolgt. G ü n -
iker pnnktirte einen Fall innerhalb 4 Mon. 70mal,
Vaeca Beriingheri ein 6 J. altes Mädchen in
8MoD. 27mal, das nach der 26., nachdem schon
tiflige Male vorher Reaktionsersoheinungen aufge-
treten waren y durch Meningitis zu Grunde ging,
lonng pnnktirte ein kleines Kind binnen 3 Mon.
^nal ohne Nachtheil für das Kind. Lähmungen
fcr Blase und der Beine will Wernitz als Contra-
iiÜkationen nicht gelten lassen, da in einigen Fällen
ueh der erfolgreichen Punktion die Lähmungen
Bdiwanden. Für die Operation fordert W. Beob-
«taiDg folgender Cautelen: 1) hVprende Stellung
Bit etwas tieferer Lage des Kopfes ; 2) Ausführung
^erPonktion mit einem feinen Trokar und allmäliges
ibffiessenlassen der Flüssigkeit; 3) Punktion an
fonntemWand des Sackes seitlich ; 4) sorgfUltigen
Tcrschloss der Stichwunde. Durch Punktion mit
ttchfolgender Injektion von mit Wasser verdünnter
Jodtinktur wurde mehrfach ein günstiger Erfolg er-
»H. Die gute Wirkung der von Brainard em-
pfohlenen Methode, wobei eine Jod-Jodkalinmlösung
^ wechselnder Stärke in den nach ausgeführter
l^ktion an seiner Basis comprimirten Sack erwärmt
flir eim'ge Minuten injicirt und der Sack dann mit
fcstilKrtem Wasser ausgespült wird, wurde auch von
>odem Autoren bestätigt. Nach einer Zusammen-
atelhmg Ton Debrus wurden von 16 mit der
Brainard 'sehen Methode behandelten Kr. 11 ge-
^ 4 starben nad 1 blieb unverändert. Morton
erzielte mit Injektion einer Jod-Jodkalium-Glycerin-
lösung in den halb entleeiiien Sack (Näheres s. oben)
in 15 Fällen von Spina bifida , die allerdings vor-
sichtig ausgewählt waren , 12mal Schrumpfung des
Sackes. C u s h i n g beobachtete dagegen nach Ein-
tritt von Besserung plötzlich lethalen Ausgang, ebenso
Abelin, dessen Pat. indessen vielleicht an zufälliger
Erstickung zu Grunde ging. — Von Operationen auf
blutigem Wege sind folgende zu erwähnen: Hoff-
mann erzielte Vernarbung des Sackes durch Spalten
der in der Regio sacro-lumbalis sitzenden Geschwulst
mit der Lancette und Ausstopfen der Wunde mit
Charpie , die , um dem Eiter Ausfluss zu gestatten,
von Zeit zu Zeit gelüftet wurde. Unter Lister '-
sehen Cautelen incidirte und heilte Wilson eine
Meningocele bei einem 14 J. alten Kinde. Die Ex-
cision mittels elliptischer Schnitte und darauf folgen-
der Vereinigung durch die Suture enchevil^e führte
Dnbourg 2mal und Newbigging 6mal mit Er-
folg aus. Heilung durch Excision erzielten ferner
Henderson, Nott und Royer, nach Amputa-
tion des Sackes Sherwood, Günther und Rei-
mer. Gigon amputirte den Sack einer Spina
bifida mit Erfolg durch den Ecraseur. — Plastische
Operationsverfahren, Childs präparirte die Haut
über dem Sacke ab , entleerte durch Punktion die
Flüssigkeit, stülpte den Sack in den Wirbelkanal
zurück und vereinigte die Hautränder. Der einzige
so behandelte Kr. starb am 3. Tage nach starken
Schweissen und Muskelzuckungen. Aehnlich operirte
Holmes, welcher die Wunde des gespaltenen Sackes
durch Silbersnturen und die Hautlappen durch ge-
wöhnliche Nähte vereinigte ; der Ausgang war gleich-
falls lethal. Dagegen erzielte B Ö h n e r durch Bil-
dung eines obem und eines untern Lappens Heilung.
Koch endlich hatte durch Abpräpariren der durch
2 den Wundrändern parallelen Schnitte entspannten
Haut unter L i s t e r 'sehen Cautelen eine reunio per
primam intentionem , doch ging der Pat. bald darauf
an Hydrocephalus zu Grunde.
Nach der von Wernitz gemachten ZnBammeDstei-
lung wurden von 245 Kr. mit Spina bifida behandelt mit :
Compression 4, davon geheilt 4, gest. —
Punktion . . 67 „ „ 17 „ 40
Injektion . . 55 „ „ 42 „ 13
iLigatnr . . 16 ^ ^ 10 „ 6
IndBion . . 5 n f» 2 „ 3
Excision . . 8 „ « 6 „ 2
Amputation . 5 ^ „ 4^1
plast. Operation 3 „ „ 1 ,» 2
~ _ ■ L _ ■ ■ ■' I
153, davon geheilt 86, gest. 67
380. Beiträge zur Chirurgie des Darm-
kanals; nach neuern Mittheilungen zusammen-
gestellt von Dr. D e a h n a zu Stuttgart.
Dr. George Brown (Med. Times and Gaz.
Sept. 20. 1879. p. 338) empfiehlt dringend bei
Darmverschliessung die oft vernachlässigte häufige
Anwendung von grossen Wasser ein giesstmgen in
das Rectum, die vom Arzte unbedingt immer selbst
besorgt werden sollten.
158
VI. Ghimrgiey Ophthalmologie u. Otiatrik.
Dr. A. E. Sansom (Ibid. Dec. 25. 1880.
p. 722) verwendete in einem mit Genesung endenden
schweren Falle von Intossusception zu Injektionen
Sodawasser und liess dasselbe gleichzeitig in grossen
Quantitäten trinken. Bei einem Knaben von 3 Jahren
gelang es ihm gleichfalls , durch reichliche in um-
gekehrter Körperstellnng des Er. applicirte Wasser-
injektionen eine Intussusception zu lösen.
Einen verhältnissmässig rasch tödtlichen Ver-
lauf einer bei einem 7monatl. Knaben aufgetretenen
Intussusception beobachtete Dr. Judson Bnry
(Ibid. Febr. 19. 1881. p.211). Man fühlte die ein-
geschobene Masse im Rectum , Einpumpen von Oel
und Luft brachte den Tumor zwar zum Verschwin-
den , das Kind starb aber nach 36 Stunden. Man
fand bei der Sektion das Ueum und sein Mesen-
terium in das Colon transversum eingeschoben und
die Innern Darmlagen vollständig unter einander ver-
klebt. B. glaubt, dass die Laparotomie, in den ersten
12 Std. ausgeführt, das Leben des Kindes vielleicht
gerettet haben würde.
Als in ätiologischer Beziehung bemerkenswerth
verdienen wenigstens kurze Erwähnung die beiden
folgenden Fälle, über welche in unsem Jahrbüchern
schon berichtet worden ist.
Dr. Carl Friedländer (Berl. klin. Wchnschr.
XVIII. 1. 1881) fand als Ursache emes zum Tode
führenden Iletts eigenthttmliche Conkremente im
Darme eines im mittlem Lebensalter stehenden Man-
nes, welche bei näherem Zusehen aus Schellack be-
standen (Jahrbb. CLXXXIX. p. 242).
Dr. Logerais (Gaz. hebd. 2. S^r. XVIL 22.
1880) beobachtete einen Fall von Darmverschlnss
durch einen Dannstein mit sehr schweren Krank-
heitserscheinungen, jedoch günstigem Ausgange
(Jahrbb. CLXXXVII. p. 248).
Einen etwas unklaren Fall von Darmverschlies-
stmg [?], in dem nach 9monatlichem Bestehen der
Krankheit durch Punktion des Colon Heilung er-
zielt wurde , ti'ug Dr. JohnM'Gown der med.-
chir. Gesellschaft zu Glasgow vor (Glasgow med.
Journ. XIIL 6 ; June 1880. p. 441).
Ein bisher g^eBiuider Mann bemerkte im März 1879
häufige Diarrhöe and Aaftreibnng des Leibes. Schmer-
zen und Erbrechen waren während der ganzen Dauer
des Leidens nicht vorhanden. Besonders auffallend war,
dass ca. 5 Min., nachdem der Kr. etwas zn sich genom-
men hatte, ein lautes gurrendes Geransch zu hören war.
Der Leib wurde immer starker aufgetrieben, es bildete
sich starkes Oedem der Beine mit Buptor der Haut, Ei-
weiss war im Harn nicht vorhanden. Durch ein 2 Fass
tief eingeschobenes Kautschukrohr wurde immer eine
bedeutend^ Quantität Darmgase entleert und der Kr.
vorübergehend erleichtert. Bei einer Consultation mit
Dr. Cameron wurde beschlossen, die Pmiktion des
Colon vorzunehmen, and diese auch sofort ausgeführt.
Der Trokar wurde in der Mitte des Colon transversum
eingestossen. Einige Minnten lang strömte Gas ans, dann
wurde der Darm durch seine Peristaltik stark nach links
gezogen, die Kanüle, aus welcher Koth floss, legte sich
schräg aaf die Banchwand. Nach Einspritzen von etwas
Wasser in die Kanüle vmrde dieselbe herausgezogen. Da
das Gas nar theilweise ausgeströmt war, so erwartete
*nan kehien grossen Effekt. Allein 3 und 4 Std. nach
der Punktion entleerte der Kr. sehr viele dunkle, fläaslgs
Fäces, 7 Std. später ging sehr viel Gas ab und am andern
Morgen war das Abdomen ganz flach and die Spannung
verschwanden. Copiöse Diärese beseitigte bald auch das
Anasarka. Seitdem hat sich der Pat. beinahe voUständig
erholt.
M ' 0 0 w n glaubt y dass zur Zeit der Punktion
die kräftige Darmbewegung des nicht cbioroformirteD
Kr. das bestehende Hindemiss für die Fortbewegung
des Kothes überwand.
In der daran sich schliessenden Diskussion be*
merkte Dr. Cameron, dass er nicht glaube, dass
ein mechanischer Verschluss des Darmes vorhanden
gewesen sei, er glaube vielmehr an das Vorhanden-
sein eines paralytischen Zustandes, vermuthlich nnr
des Dickdarmes. Von Andern wurde die Möglichkeit
einer Achsendrehung hervorgehoben , wie sie in den
folgenden Beobachtungen von Dr. Joseph Ooats
(Ibid. p. 445) bestand.
1) Bei einem blödsinnigen alten Manne entwickelte
sich enorme Tympanitis, gegen welche 2mal die Ponktion
des Colon ohne wesentlichen Erfolg angewandt wurde.
Klystire hatten gleichfalls keinen Nutzen. — Bei der
Sektion fand man, dass die Aufblähung nur die Flexora
sigmoidea betraf. Dieselbe schien den ganzen Unterleib
auszufüllen und hatte den Umfang eines Oberschenkels.
Am linken Hypoohondrinm bog der Darm in einem schar-
fen Winkel nach onten ab, legte sich um den Anfangs-
theil u. ging dann nach rückwärts in das Colon descendens
über. Das Rectum war stark nach aufwärts gezogen,
wodurch dasselbe an und für sich, noch mehr aber dnroli
den Druck des sich herumschlingenden Darmstücks ver-
engt war.
Bei dieser Position liess es sich denken , daaa
nach Einführung eines Rohres das Zusammenfallea
des Darmes keine Auflösung der Drehnng herbei-
geführt haben würde, während diess nach der Punk-
tion leicht geschehen konnte.
Der 2. Fall illnstrirt nebenbei sehr deutlich den
Zusammenhang zwischen Becketiabscess und Darm'
versehliessung.
2) Eine 34Jähr. Frau, welche vor 3 Jahren an einem
Beckenabscess behandelt worden war , litt (Dec. 1879)
an hartnäckiger Verstopfung mit starker Auftreibung des
Leibes und Kotherbrechen. Grosse Klystire hoben den
Darmverschlnss. Etwa 6 Wochen später erlag die Kr.
unter den Zeichen einer Peritonitis. — Bei der Sektion
zeigte es sich, dass die Beckeneiterung sich weit nach
oben verbreitet hatt«. Eine sehr dunkel verfärbte Darm-
schlinge — das nnterste Ende des Ileam — war dadurch
mit ihrem obern Abschnitte an die hintere Banchwand
geklebt worden, dicht beim Coecum. Auf diese Weise
lagen die beiden Üeum-Enden unbeweglich dicht neben-
einander, ungefähr wie im voiigen Falle die beiden Theile
der Flexura sigmoidea.
Unter diesen Umständen war es wahrscheinlich,
dass die verfäi'btc Darmschlinge Sitz einer Umschlin-
gnng gewesen war, theilweise konnte man eine solche
auch noch bei der Sektion erkennen. Das betreffende
Darmstück war übrigens perforirt und in der Lö-
sung vom benachbarten gesunden Gewebe begriffen.
In einer Reihe von Fällen gab die Verschlies-
sung des Darmes Veranlassung zur Eröfnung der
Bauchhöhle, um das Hinderniss aufzusuchen und
wo möglich zu entfernen. Je nachdem der Ver*
scMuss innerhalb (I.) oder avsserhalb (IL) des
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
159
Darmes sich befand, sind die Beobachtungen ge-
sondert zQBammengestellt.
I. 1) Tr^lat, Gaz. des H6p. 129. p. 1027. 1880.
Ein 35jahr. Mann hatte vor 4 J. einmal an Yerstopfnng
0. £rbreeben schwaner Massen, ungewiss, ob fäknlenter,
glitten. Vor 14 T. war Verstopfung, Leibschmerz, Auf-
getriebenheit und mehrmaliges Erbrechen aufgetreten,
aber wieder Yoräbergegangen. DreiTfeige später erneutes,
heftiges Auftreten dieser Symptome. Bei der Unter-
saehnQg bestand heftiger Schmerz in der rechten Fossa
i&ct. Da die Verschliessung nicht behoben werden
krante, wurde am 5. T. die Laparotomie (autiseptisch)
Torgenommen. Vom Schnitt in der Linea alba aus wurde
nent die Bauchhöhle vergebens nach dem Hindemisse
utersacht, bis die Hand endlich in der Gegend des Colon
deseendens auf ein Band stiess, unterhalb dessen sich
eine Oeffnnng fand, welche in eine Höhlung fährte, in
Aerdie Flexura sigmoidea lag. T. zog die eingeschnürte
DuntehliBge heraus und schloss die Wunde. Der Kr.
hatte einige fitssige Ausleerungen und befand sich besser,
itarb aber nach 48 Std. an Peritonitis, die zur Zeit der
Opention bereits vorhanden gewesen war.
2) Berger, Ibid. p. 1029. Ein 32jähr. Mann litt
seft 6 Tagen an Ileus, als dessen Ursache ein Volvulus
«der ein einsohnfirendes Band angenommen wurde. Man
eatoehloss sich zur Laparotomie. Wegen der bedeuten-
daAnBdehnnng der Eingeweide war die Einführung der
HiBd in die Bauchhöhle sehr schwierig. In der rechten
fiuebseite ftund man nach langem Suchen ein gespanntes
find, welches eine ziemlich beträchtliche Masse desDar-
Mi festhielt und nach doppelter Unterbindung getrennt
vnde. Ausser diesem Bande bestand noch ein undurch-
tehrtes Divertikel nahe der Ileo-Cöcal-Klappe. Der Kr.
fililte rieh etwas, erleichtert, starb aber, ohne dass Stuhl-
PM% erfolgt wäre, in der Nacht, 14 Tage nach Beginn
to Leidens. Bei der Sektion zeigte es sich, dass es sich
u das erwähnte Divertikel handelte, welches einem
cfipioisehen Band fest anhing.
3)E. Koeberi^. Gaz. hebd. 2. S^r. XVIU. 4.
P-i?. 1881. Eine 63jähr. Dame, welche schon öfter
vvfibeigehend an hartnäckiger Obstipation und Schmer-
n im rechten Hypochondrinm gelitten hatte, wurde von
'peai belaUen , wogegen man die Punktion des Darmes
«fter in Anwendung gezogen hatte, bis Peritonitis auftrat.
Ab letstes Mittel wurde noch die Laparotomie verlangt.
^ Schnitt wurde in der Linea alba geführt. Auf dem
Nkr ausgedehnten Colon bemerkte man die Spuren der
Auktionen. Die Bauchhöhle enthielt Gase und röth-
BAes Serum , die Darmschlingen waren bereits unter-
einander verklebt. Punktionen des Dünn- und Dickdar-
aei Hessen einen Theil der Luft ausströmen und man
IBbngte nun leicht zu dem Cirkulationshindemiss. Das
^^ war verengt, wahrscheinlich durch eine alte Karbc,
aber noch durchgängig und nicht verdickt. An der ver-
iKten Stelle war ein fibröses Band herumgeschlungen,
■ddies den Darm einschnürte. Die Trennung des Bau-
te maehte die Passage frei. Die Peritonäalhöhle wurde
^*>K^tig desinflcirt und gereinigt , allein die Kr. starb
*^e Stunden später an der septischen Infektion,
10 Tage naeh Beginn der Einklemmung.
4)Dr. JamesFinlayson, Practitioner XXV. 6.
9-416. Dec. 1880. Ein 25Jähr. Werftarbeiter erkrankte
(^. Oet. 1876) an Dens. Der Leib war massig aufge-
^ti^o, unterhalb des Nabels zu beiden Seiten derMittel-
bie bestand Schmerz, daselbst auch leerer Perkussions-
*^. Da sich die Symptome nicht besserten, wurde am
^Kov. die Laparotomie (antiseptisch) von Dr. Patter-
soa ausgeführt. Der Dünndarm war stark ausgedehnt,
a der Nähe des Cöcum stiess man auf ein starkes Band,
v^es mit den Fingern getrennt wurde. Es erfolgte
fticidieher Stohlgang, jedoch starb der Kr. am 5. Nov.
« BronehitiB. ~ Bei der Sektion fand man in die theU-
y^ Idaffende Wunde ein Stück Darm eingelagert, ein
^Baod vom Omentum in der rechten Lombalgegend
ausgehend, schien das zerrissene zu sein. Ein 13 Zol
langes Darmstück in der Nähe der Deo-Cöcal-Klappe war
stark hyperämisch, ebenso ein anderes, etwa 1 Fuss höher
gelegenes Stück.
n. 1) Berger , 1. c. p. 1028. Ein 48Jähr. kräftiger
Mann, der niemals eine wesentliche Beschwerde von Sei-
ten der Darmentleerung gehabt hatte, wurde inmitten
völligen Wohlbefindens von Ileus befallen. Man glaubte
bestimmt, mit einem Volvulns oder einem Bande zu thun
zu haben, fand aber nach der Laparotomie ein ringför-
miges kleines Carcinom des S Romanum. Es wurde. ein
künstlicher After in der Fossa iliaca angelegt und nach
Entleerung des Darmes wurden die übrigen Eingeweide
reponirt. Der Kr. starb 23 Stdn. später.
Das Vorhandensein von Gangrän des Därmen
nach Laparotomie wegen Enterostenose y gab naeh
Dr. Rieh. Wittelshöfer dem Prof. Billroth
Veranlassung zur Vornahme der Resektion des gangi'ä-
nösen Darmtheiles. (Wien. med. Wchnschr. XXXI.
5. p. 116. 1881.)
2) Der 52jähr. sehr coliabirte Kr. litt seit 6 Tagen
an Ileus. Bei Eröffnung der Peritonäalhöhle in der Linea
alba floss eine grosse Menge übelriechender Flüssigkeit
aus, die Därme waren untereinander verklebt. Circa
2 Ctmtr. oberhalb des Cöcum fand sich eine Achsendrehung
an einer narbig strikturirten Stelle mit Gangrän dersel-
ben. Diese Stelle riss beim Umdrehen ein, oberhalb und
unterhalb derselben wurde der Darm durch die Hand
eines Assistenten geschlossen und ein 2V2 Ctmtr. breites
Stück, sowie die dazu gehörige Mesenterialpartie drei-
eckig ezcidirt und durch 18 X^m^ert'sche Seidennähto
vereinigt. Es erfolgte Stuhlgang, doch coliabirte der
Kr. plötzlich und starb 5 Stdn. nach der Operation.
Die Naht war vollkommen fest.
Aussergewöhnliches Interesse beansprucht die
Operation von E. Eoeberl^ (Qaz. hebd. 2. S^r.
XVm. 5. p. 68. 1881) sowohl wegen der Grösse
des resecirten Dai'mstttckes^ als wegen der Origina-
lität der Methode.
3) Eine 2^ähr. unverheirathete Dame war mit Aus-
naimie von ab und zu auftretenden Kolikanfällen stets
gesund gewesen. Seit Anfang 1880 traten diese Sclimer-
zen täglich einige Stunden nach der Mahlzeit ein. Nichts-
destoweniger befand sie sich verhältnissmässlg wohl, hatte
guten Appetit und konnte arbeiten, Durchfälle und Fie-
ber waren nie vorhanden. Im Oct. 1880 wurden die
Schmerzen unerträglich, während 3 Tagen bestand Koth-
erbrechen und absolute Verstopfting , die endlich grossen
Wassereingiessungen bei Knie-Ellenbogenlage wich. Einer
Besserung von 14 Tagen folgte ein neuer Anfall innerer
Einklemmung. Die Ausleerungen waren stets ohne Blut
oder Schleim. Bei der Aufnahme Anfang November
kehrten die Schmerzen, die in der Umgebung des
Nabels ihren Sitz hatten, beinahe alle 5 Min. wieder,
der Darm trieb sich dabei an 3 schmerzhaften Punkten
auf, in der Zwischenzeit war der Leib ganz weich. Cöcum
und Dickdarm waren nie au^etrieben, so dass der Sitz
des Leidens in den Dünndarm verlegt werden musste.
Schwierig war es allerdings über die Natur des (ohne
Zweifel incompleten) Darmverschlusses sich Idar zu wer-
den. Trotz der sorgfältigsten Diät war der Zustand der
Kr. gerade nur erträglich u. man entschloss sich endlich
zur Laparotomie (27. Nov.), um das Hindemiss aufzu-
suchen. In der Incisionswunde der Linea alba präsen-
tirten sich sofort mehrere Dünndarmschlingen, deren eine
eine ringförnüge Einsclmürung trug. Bei weiterem Heraus-
ziehen des Darmes fanden sich noch 3 weitere derartige
Verengerungen. Der ganze ausgedehnte Theil des Darm-
traktns war congestionirt, leicht fibrinös beschlagen, be-
sonders in der Gegend derStriktnren, die Peritonäalhöhle
enthielt eine beträchtliche Menge röthliches Serum. Der
übrige Dünndarm u. der Dickdarm waren normal, ebenao
160
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
da& Mesenterium, mit Ansnahme einiger geschwellter
Lymphdrüsen. Die Länge der in die Striktaren mit ein-
bezogenen Dannschlingen musste man mindestens anf
1.6 Mtr. schätzen.
Angesichts dieser enormen Ausdehnung der Er-
krankung musste man sich fragen, ob man die Er.
ihrem gewissen Schicksale überlassen sollte. Eine
operative Hülfe konnte in dreierlei Weise geleistet
werden. Entweder konnte man 1) einen künst-
lichen After oberhalb der Verengenmgen anlegen,
oder man konnte 2) die gesunden Darmenden mit-
einander vereinigen mit Erhaltung der dazwischen
gelegenen verengten Stellen, oder man konnte 3) die
totale Resektion der kranken Theile vornehmen.
Wegen der hohen Lage des künstlichen Afters
würde die Ernährung sehr bald Noth gelitten haben,
bei dem 2. Verfahren wären die Kolikschmerzen
nicht gehoben worden. Das 3. Verfahren konnte
so ausgeführt werden, dass die verengten Theile
einzeln ausgeschnitten wurden, dazu brauchte man
3 Resektionen, da man mit einer die beiden 1 4 Otmtr.
von einander entfernten Strikturen beseitigen konnte.
Die Aussicht für das Gelingen konnte hierbei keine
sehr grosse sein, als einziger Ausweg blieb also die
Totalresektion des ganzen Darmstflckes übrig.
Nach Reposition des gesunden Darmes worden ober-
und unterhalb der anszuschneidenden Partie Je 2 Liga-
turen dicht neben einander angebracht und dann zwischen
diesen der Darm durchschnitten. Der Darminhalt wurde
durch einen Einstich entleert und dieser dann durch Pin-
cetten geschlossen. Die grosse Menge des abzuschnei-
denden Mesenterium machte die Anlegung von Massen-
ligaturen nothwendig, von denen 16 (Seide) am Rande
des Darmes je ca. 16 Ctmtr. Gewebe zwischen sich fass-
ten. Die beiden Darmenden hätten nnn ohne Weiteres
vereinigt und die Bauchhöhle geschlossen werden können,
allein es fragte sich, ob man die 12 Ligaturen versenken
dürfte, was K. nicht zulässig erschien. Die beiden Darm-
enden wurden desshalb zugebunden und in dem untern
Wnndwinkel im Niveau der Bauchhöhle befestigt. Der
Ligatnrfaden wurde an einem quer über der Wunde lie-
genden Stahlstab angebunden. Die Bauchwnnde wurde
oben nur theUweise geschlossen und im obem Winkel
das Netz mit den Massenligaturen des Mesenterium , wie
der Darm befestigt. Die Wundfläche wnrde mit Eisen-
chlorid bestrichen. Auf diese Weise war die Bauchhöhle
abgeschlossen.
Die Wundbehandlung war weiterhin eine offene. Die
Operation hatte 3V's Stunden gedauert, die Hälffee dieser
Zeit hatte die Abbindnng des Mesenterium in Anspruch
genommen ; der Blutverlust war sehr gering gewesen.
Die Kr. befand sich nach der Operation sehr wohl.
Vom Munde aus wurde sehr wenig Flüssigkeit gereicht,
dagegen viel in das Rectum injicirt. Am 3. Tage wurden
die Darmligaturen gelöst und in die Darmlumina je ein
Kantschukrohr eingeführt , welches den Branchen einer
(als Darmscheere wirkenden) Koeberli'Behen Pince h^mo-
statique als Unterlage diente. Am 3. Tage wurde die
Klemme entfernt , am 12. stiess sich das mortificirte Ge-
webe ab, ein noch bestehender kurzer Sporn wurde durch
eine wiederholte Anlegung der Klemme beseitigt. Vom
12. bis 15. Tage gingen auch die Mesenterialligatnren ab
und 0ie Wunde schloss sich bis auf einen kleinen Trich-
ter, durch welchen vom 26. Tage Koth in verschiedener
Menge abging. Die Kr. stand zu Weihnachten zum ersten
Male auf. Sechs Wochen nach der Operation war die
Heilung ganz vollendet.
Das resecirie Stück (durch v. Reckliughau-
8 en untersucht) maass 2.05 Mtr.^ war hypertrophisch,
stark ausgedehnt und zeigte 4 Strikturen, von denen
die beiden ersten 14 , die beiden andern 55 Ctmtr.
von einander entfernt waren. Das Kaliber der Strik-
turen wurde von oben nach unten immer geringer,
und zwar von 12 bis auf 4 Millimeter. Die Ursache
der Verengerungen war eine eitrige Entzündung der
Peyer*schen Drüsen mit consekutiver Narbenretrak-
tion. Die beiden untersten Verengerungen waren
vollständig durah Traubenkeme verlegt, so dass
selbst Wasser nicht mehr durchdringen konnte. Anf-
fallend ist es nach E., dass während des entzünd-
lichen Stadium kein Fieber, keine Diarrhöe vorhan-
den gewesen war.
Die Anwesenheit eines durch das Rectum einge-
führten Fremdkörpers gab in dem folgenden Falle
Veranlassung zur Laparotomie u. Enterorrhapide,
4) Wittelshöfer, 1. c. p. 118. Bin Mann, der
seit 4 Wochen an Verstopfting litt und vor 8 Tagen die
letzte Entleerung gehabt hatte, selgte hochgradigen Meteo-
rismus nnd hartnäckiges Erbrechen , heftige Schroersen
in der linken Unterbauchgegend. Am 11. Aug. theitte
der Kr. mit, er habe sich vor 3 Wochen einen 7 Zoll las*
gen Malerpinsel in den After gesteckt , derselbe sei ihm
entglitten und in den Dann hinaufgemtscht. Die sofort
angestellten Versuche, den Pinsel vom Etectum aas ko
eztrahiren, schlugen fehl, da man ihn nicht erreichen
konnte. Als einzige Möglichkeit den schwer an Perito-
nitis leidenden nnd stark collabirtenPat. zu retten, ergab
sich die sofortige Entfernung des Fremdkörpern nnd die
WiederhersteUong der DarmfunkÜon. Der Bauchsdnitt
(antiseptisch) begann an der linken Spina ant. sap. ilei
nnd zog gegen die Symphyse , ans der Bauchhöhle ergoss
sich kothige Jauche. Der harte Körper wurde sofort ge-
fanden und mit dem Darmstüek hervorgezogen. Arn
einer mehr als kreuzergrossen Oeffhung wurde in der
That der gut daumendicke Pinselstiel extrahirt. Die
Bauchhöhle wnrde gereinigt, die Wnnde im C(4ob descea*
dens mittels der Scheere nmschnitten nnd vereinigt, das
Peritonäum drainirt. Der Tod trat Abends 9 Uhr eia.
Die Perforation war 25 Ctmtr. über dem Anus erfolgt.
Bemerkenswerth ist, dass der fest eingekeilte
Fremdkörper 3 Wochen lang im Dann verweilte,
bevor Brand auftrat.
5) Berger, 1. c. p. 1029. Bei einem Manne war
im Jalil880 eine rechtseitige eingeklemmte Leistenhernie
mit gutem Erfolge operirt worden. Am 3. Sept. kam der
Kr. wieder in das Hospital mit den Zeichen der Innern
Einklemmnng. Die Laparotomie wnrde sehr bald anter
den günstigsten Bedingnngen ausgeführt Die Aufsnchnng
des Hindernisses war sehr schwierig, nach Perforation des
Darms ergoss sich Koth in die Bauchhöhle. Es bestand,
eine vollständige Obliteration des Darmes [wo?], der
„th eil weise" resecirt wurde. Die Darmlumina worden
miteinander vereinigt. Der Kr. starb am Abend. Das
Peritonäum war hochgradig injicirt ; die Darmnaht scbloss
vollkommen.
Die Darmresektion bei gangränösen Hernien
wird sich, wie Prof. Czerny (Berl. klin. Wchnschr.
XVII. 45. 1880) hervorhebt, nicht in allen PäUen
sofort ausführen lassen, recht oft wird nodi die
temporäre Anlegung einer Kothfistel oder eines
widernatürlichen Aftei*s nicht zu umgehen sein. Eine
peiilierniöse Phlegmone z. B. wird eine sichere
Desinfektion und aseptische Heilung der Opei'ations-
wunde kaum mehr möglich machen ; bei Erdffinmg
des Peritonäum wäre eine Peritonitis unvarmefdlieh.
In einem solchen Falle wäre es besser^ sich mit dem
VI. Ghirargie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
161
atten Verfahren ssa begnügen. — Andererseits wird
man bei Zuständen von hochgradiger Stase mit Ver-
erbung des Darms oder mit beginnender Dmck-
gsDgrftn in Betreff der einzuschUgenden Therapie in
Zveifel sein^ da häufig der Darm sich wieder erholt,
hiitfig; noch eine sekundäre Perforation eintritt. In
I bdden Richtungen sind die Grenzen der Indikation
eist noch festzustellen. Von besonderer Wichtigkeit
I «t die Anlegung der Naht im gesunden Gewebe ; die
lliataachey dass am centralen Ende des Darmes
vegen der Dehnungsgangrän ausgedehntere Störun-
gen za finden sind, ist gleichfalls zu berücksichtigen.
Der £nderfolg ist schlflsslich wesentlich mit von der
Technik der Darmnaht abliängig. Für das Gesagte
sprechen folgende Fälle.
1) Czerny , 1. c. Eine 43jähr. Frau litt seit dem
l Mai 1878 an EinklemmimgserBclieinaDgen. Eine link-
Kitige eingeklemmte Sclienkelhemie konnte nicht repo-
urt werden und wurde deshalb am 7. die Hemiotomie
forgenommen. Das Brachwasser war blutig and mit
fibrinflocken gemischt , die eingeklemmte Dannschlinge
Mtsdi, braonschwan und mit ringförmigen, schiefer-
fruen Schnfirfarchen versehen. Es wurde eine Schlinge
Bit einem entsprechenden Keile des Mesenterium reseoirt,
fieander eonvexen Seite 10, an der concaven 6ViCtmtr.
■II8B. Die Darmenden , welche während der Operation
fOD den Händen eines Assistenten comprimirt wurden,
wurden mit 24 in 2 Reihen gelegten Seidennähten ver-
daigt nnd die Wunde im Mesenterium mit 6 Seidennahten
geschlossen. Der Brachsack wurde abgebunden und rese-
cirt (antiBeptischer Verband). Der Verlauf war sehr ein-
tkh; Tom 9. Tage an konnte bereits Fleisch gegeben
werden. Am 8. Tage erfolgte der 1. Stuhlgang nach
diera grossen Klystir ; 2 Jahre und 2 Mon. später hatte
^ Kr. regelmässigen Stuhlgang und keine Verdauungs-
besehwerden. Der Anprall an der Bruchpforte war ver-
nefart, es wurde ein Bruchband getragen.
8) Cserny, Ibid. Eine mit einem rechtseitigen
LeUtenbrnch behaftete Frau litt seit dem 1. Oct. an den
Enchefaiangen der Einklemmung , war bei der Aufnahme
(4. Oet. 1880) bereits sehr coUabirt und erbrach faculent
riechende Massen. Die Kr. verstand sich erst am folgen-
AcD Tage zur Operation. Die Bruchgeschwulst sass unter
kr Faacie des Obliqnus extemns und wurde nach oben
T«B den Fasern des Obliquus internus und transversus
begrenzt. Der Bruchsack enthielt übelriechendes Wasser
Qd sandte ein Divertikel nach oben aussen zwischen dem
MaskelUiger 2 — 3 Ctmtr. weit , ein zweites sehr enghal-
iiges verlief dnrch den Leistenkanal nach der Scham-
Bype. In der IGtte des geöfhieten Bruchsacks präsen-
tiite nch noch eine pralle Geschwulst , welche erst den
pagnadsen Darm enthielt. Es wurden 5—6 Ctmtr. des
Dtfms und ein Stfiek des Mesenterium resecirt und war
iAon die* erste Nahtreihe angelegt , als die Kr. unter
it^hseitigem Erbrechen fäculenter Massen collabirte
nd die Athmnng still stand. Die Tracheotomie wurde
sofort gemacht und die Jauche aus den Bronchien und
^ Tnchea adspirirt. Aber alle weitem Bemflhungen,
^ Tndiea vom Darminhalt zu befreien und den Lungen
Luft anzufahren, blieben ohne Erfolg. — Die Darm-
ttUiogen fanden sich bei der Sektion aufgebläht , hyper-
iBiseh and mit Fibrin verklebt. Die Darmnaht lag im
»tersten Theil des Ilenm , die darfiberliegenden Partien
*veB mit diphtheritischen Substanzverlusten versehen,
^^^^Bsolehe fanden sich im Colon, Die Schleimhaut des
i^naenVerdauungstraktus war stark hyperämisch. — Der
^ kann in einer event. Statistik kaum einen Platz
fladea.
3)Wittelsh5fer, aus Prof. Billroth's Klinik,
Viea. med. Wchnschr. XXXI. 6. p. 116. 1881. Bei
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 2.
einer Frau bestand seit 6 Tagen Einklemmimg einer link-
seitigen Leistenhernie, seit 2 Tagen Kotherbrechen, wes-
wegen am 13. Juni 1880 Abends die Hemiotomie ausge-
fiihrt wurde. Es war fast kein Brachwasser vorhanden
und der Bruchinhalt mit der Brachsackwand Msch ver-
wachsen. Die im Bruchsack liegende Dunndarmschlinge
war an einer linsengrossen Stelle perforirt. Nach Unter-
bindung des zuführenden Gekröses wurde ein 15 Ctmtr.
langes Darmstück resecirt , während die entsprechenden
Enden comprimirt wurden , nnd die beiden Enden durch
25 Nähte vereinigt. Die Kr. starb ca. 5 Stunden später.
In der Bauchhöhle fand sich nebst Gas eitrig-jauchiges
mit Darminhalt gemengtes Exsudat. Das Peritonäum
war stark geröthet und getrübt. Die Dannnaht befand
sich an der Grenze zwischen Jejunum und Ileum, die
Schnittränder ragten nach innen so stark vor , dass das
Lumen nur für die Spitze des kleinen Fingers durchgängig
war. Der Darminhalt in der Bauchhöhle war muthmaass-
lich beim Herausziehen der perforirten Dannschlinge aus-
geflossen.
Die Darmresektion zur Heilang des Anus prae-
ternaturalis "wuväe zuerst von Prof. Czerny aus-
geführt i). Die Dupnytren'sche Methode ist
darchaos nicht ohne Oefahr, die Schwierigkeit, die
Wirkung der Scheere in der Tiefe zu controliren,
die lange Dauer der Behandlung, das häufige Zurück-
bleiben von Kothfisteln, sind weiterhin grosse Uebel-
stände. Dazu kommt noch, dass bei starker Ver-
engerung oder gänzlicher Verschliessung des rück-
laufenden Schenkels, oder in solchen Fällen, wo der
Darm nicht direkt nach aussen , sondern in andere
Leibeshöhlen, z. B. die Blase, mündet, die Scheere
nicht verwendet werden kann. In solchen Fällen
wäre die Eröffnung der Bauchhöhle, Lösung der
Schlinge von der Bauch wand, Naht der Darmöffiiung
und Verschluss der Bauch wunde das einzuschlagende
Verfahren. Sollte die Darmwand in der Umgebung
der Fistel soweit zerstört und verwachsen sein, dass
man sie nicht mehr durch die Naht zu einem ge-
schlossenen Kanäle umwandeln könnte, so müsste
dieses Stück resecirt werden. Wir stellen im Fol-
genden die bisherige Casuistik zusammen, die ab-
weichende Technik der einzelnen Operationen wird
sich dann aus jedem einzelnen Falle ersehen lassen.
1) Czerny, 1. c. p. 28. Ein 48jähr. Mann war im
J. 1867 durch Anlegung der Darmscheere (C. O. W e b e r)
von einem widematnrUchen After geheilt worden. Im
Januar 1876 trat, wahrscheinlich unter gleichzeitiger
Vergrösserung der Hernie, ein neuer Kothabscess auf.
Anfrischung der Ränder und Naht (Simon), später
Aetznng der zurückgebliebenen 2 kleinen Fistein führten
bis Februar 1876 Heilung herbei , doch öffnete sich be-
reits im November die Narbe wieder. Rechts war (3. Dec.
1876) eine 2 Fäuste grosse Scrotalhernie vorhanden, an
deren Vorderfläche 2 weisse Narben verliefen ; zwischen
diesen befand sich eine federkieldicke Fistel, die im
untern Drittel des Scrotum lag und aus der sich 20 bis
40 Min. nach der Nahrungsaufnahme gelb weisse , theils
rahmige, theils schaumige Flüssigkeit entleerte. Der
Bruch Hess sich bis auf einen zur Fistel verlaufenden
Strang reponiren. Da vielfache Aetzungen nicht zum
Ziele führten, wurde (14. Mai 1877) die Operation vor-
genommen. Die Kothflstel wurde zunächst mit einer pro-
visorischen Kürschnemaht verschlossen, um das Heraus-
>) Beiträge zur operat. Chirurgie. Stuttgart 1878.
p. 28.
21
162
VI. Chirar^e^ Ophthalmologie n. Otiatrik.
fliesflen von Darminlialt während der Operation zn ver-
hindern. Hierauf wnrde ein ca. 10 Ctmtr. langer Schnitt
durch die äussere Narbe geführt, weil hier die Darm-
schlingen mit dem Brnchsacke nicht verwachsen zn sein
schienen, und der Bruchsack eröfliiet. In demselben be-
fand sich ein Netzstrang und eine Dnnndarmschlinge, die
bis auf eine ö-Markstückgrosse Stelle in der Umgebung
der Fistel frei war. Diese Verwachsung wurde möglichst
entfernt vom Darme blutig gelöst, wobei ziemlich dicke
Schwarten an letzterem hängen blieben. Zuletzt wnrde
der Fistelrand abgetrennt, die Ränder wurden geglättet
und mit 3 Catgut-Knopfnähten vereinigt. Die Fäden
wurden 3—4 Mmtr. weit vom Rande der Fistel von der
Serosa aus eingestochen und dicht vor der Schleimhaut
herausgeführt. Ueber dieser Nahtreihe wurden die be-
nachbarten Pseudomembranen noch durch 5 Nähte ver-
einigt. Diese wurden von der Serosaseite des Darmes
nach Art der Lemberfschen Nähte geführt, ohne in das
Darmlumen einzudringen. Der Bruchsackhals wurde um-
schnürt und abgebunden, die Bruchpforte mit einer vier-
fach gekreuzten Miedemaht verschlossen und darüber
die Bauchwunde vereinigt. Der Verlauf war ein sehr
günstiger ; 16 T. nach der Operation war die Wunde ge-
heilt, von da an wurden auch feste Speisen erlaubt. Der
Kr. wurde am 7. Aug. mit fester Narbe entlassen, von
der Hernie war keine Spur nachzuweisen.
2) Derselbe, 1. c. p. 32. Ein 40 J. alter Mann
war mit einer rechtseitigen Kothflstel behaftet. Im rech-
ten Hodensacke befand sich eine Geschwulst, die vom
Leistenring bis zum untern Ende des Scrotum 25 Ctmtr.
maass ; der Umfang betrug 39 Ctmtr. ; 9 Ctmtr. unter-
halb des äussern Leistenrings fand sich eine für den
Daumen durchgängige Oeffnung, aus welcher ein deut-
liche peristaltische Bewegungen zeigendes Darmstück pro-
labirte. Die Geschwulst Hess sich bei horizontaler Rücken-
lage bedeutend verkleinem. — Die Fistel wurde wieder
provisorisch durch eine Kürschnemaht geschlossen (2. Juli
1877). Ein über 10 Ctmtr. langer Hautschnitt legte den
Bruchsack bloss. Um an den freien Darmtheil zu kom-
men, musste der Schnitt im Brnchsacke bis dicht an die
Brnchpforte verlängert und dann auch bis auf den Grund
des Hodensackes herabgeführt werden, um bei der Lö-
sung der an der Vorderfläche angewachsenen Dünndarm-
schlinge einen Ueberblick zu gewähren. Die Loslösung
gelang grösstcntheils stumpf, die Blutung war ziemlich
beträchtlich. Die Darmschlinge war seitlich geknickt,
ihre beiden Schenkel waren unter sich verwachsen. Nun
wurde der Darm vom Fistelrande abgeschnitten ; doch
floss dabei trotz sorgfaltiger Compression etwas grünlich-
gelber Darmschleim in den Bruchsack. Die Darmfistel
war jetzt 3 — 4 Ctmtr. lang, sie wurde sorgfaltig geglättet
und mit 7 Catgut-Knopfnähten vereinigt. Darüber folgte
noch eine zweite Reihe von eben so vielen Nähten, über
welchen an einer weniger dichten Stelle noch in einer
dritten Reihe 3 Nähte angelegt wurden. Dadurch wurde
das Darmlumen allerdings um die Hälfte seines Durch-
messers verengt, doch glaubte Cz. lieber eine solche Ste-
nose in den Kauf nehmen zu sollen, als die Ausschaltung
des ganzen angewachsenen Darmstückes vorzunehmen.
Die Darmschlinge wurde reponirt. Vom Bruchsacke und
von der Scrotalhaut wurde ein elliptisches Stück, welches
die infiltrirten Hautränder der alten Fistel enthielt, weg-
geschnitten. Die nun folgende Ligatur des Bruchsack-
halses schloss die Bauchhöhle nicht vollkommen ab, da
der Schnitt höher hinaufging, als die Ligatur angelegt
werden konnte. Auch der Verschluss der Bruchpforte
durch eine 5mal gekreuzte Catgut-Miedemaht war schwie-
rig. In den ersten Tagen war der Leib etwas aufgetrie-
ben, es erfolgte auch öfters Erbrechen, doch konnte der
Kr. am 14. Juli bereits Fleischspeisen geniessen und am
16. aufstehen.
3) Prof. Dittel, Wien. med. Wchnschr. XXVm. 48.
p. 1266. 1878. Eine 47jähr. Frau, bei welcher ein recht-
seitiger Schenkelbruch schon einmal mit Glück operirt
worden war, acqnirirte zum 2. Male eine Einklemmung
desselben Bruches, welche ohne Operation mit Gangrän
nnd Perforation heilte. Bei der Aufnahme (1. Aug. 1878)
fand sich in der rechten Schenkelbeuge ein 7 Ctmtr.
langer, 3Vs Ctmtr. breiter Substanzverlust, ans welchem
die stark ektropirte Darmscbleimhaut hervorragte, die
sich bei aufrechter Stellung bis auf 12 »13 Ctmtr. ver-
längerte. Die beiden Darmschenkel schienen gekreuzt
zu sein. Man konnte femer deutlich zwei nach aussen
mündende Darmlumina unterscheiden. Da keins der
gebräuchlichen Verfahren sichern Erfolg zu versprechen
schien, so nahm D. (8. Oct.) die Darmresektion vor (anti-
septisch). Rings um den ovalären Narbenrand wnrde ein
Schnitt durch Haut, Muskulatur und Peritonäum geführt,
so dass der Narbenrand der BauohöflTnnng an den Rän-
dern der Darmschenkel hängen blieb. Nach Lösung der
Adhäsionen der Darmschenkel und Beseitigung der Kren*
zung wurden dieselben hervorgezogen. Dabei zeigte ei
sich, dass der Defekt ein so grosser war, dass von der
hintern Darmwand nur eine schmale Zunge übrig blieb.
Der Substanzverlust befand sich an der Uebergangsstelle
des Dünndarms in den Blinddarm, etwa 3 Ctmtr. von der
Bauhin'schen Klappe entfernt. Der Proc. vermicularis,
welcher beim Ausdrücken ein eitriges Sekret entleerte,
wurde dicht an seiner Insertion in den Blinddarm unter-
bunden und abgeschnitten. Von dem Afterende beider
Schenkel an dem Narbenrande wurde ein ca. 3 Ctmtr.
grosses Stück resecirt. Nach Stillung der unbedeutenden
i^lutung wurden die Schnittränder in das Lumen hinein
umgestülpt, der obere Schenkel in den untern invaginirt
und die Peritonäalfläche beider Schenkel mittels der fort-
laufenden Kürschnemaht (Catgnt) vereinigt. Die Repo-
sition des Darmes wnrde so weit vollendet, dass die Naht
ungefähr in der Mitte der Bauchöffnung vorlag. Auf die
Wunde wurde Silk, hierauf Gaze und ein Lister'Mhet
Verband gelegt. Das Freiliegen der Darmschlinge hatte
keinen ungünstigen Einfluss, die grosse Oeffnung der
Bauchdecken verkleinerte sich sehr rasch, so dass die
Heilung am 7. Nov. als vollendet betrachtet werden
konnte. Aus den Winkeln der Darmvereinignng entleerte
sich niemals Koth, nur zeitweise in den ersten Tagen
Darmgas. Der Stuhlgang war immer schmerzlos, so dass
an Stelle der Einstülpung wohl keine Striktnr entstanden
sein dürfte. Vom 10. Tage an war consistente Nahrung
gereicht worden.
4) Prof. Billroth, Wien. med. Wchnschr. XXDC.
1. p. 1. 1879. Bei einer 33jähr. Frau hatte sich vor
4 Mon. nach Einklemmung einer rechtseitigen Schenkel-
hernie ein Anus praetematuralis gebildet. Die Kothent-
leerang ging bei anhaltender Bettlage immer mühsamer
vor sich und sistirte endlich 10 Tage vor der Aufhahme
vollständig unter Ileuserscheinungen. Da das Hindemiss
für die Kothentleerung in einer narbigen Verengerung
der Darmöffnung zu liegen schien, so wurde das obere
Ende des Darmes mittels elastischer Katheter aufgesucht
und dilatirt, worauf sich Koth u. Gas entleerten. Bei der
Untersuchung in Narkose (6. Nov. 1878) fand sich das ab-
führende Darmstück nach rechts, das zuführende nach
links gelagert. Ebendort befand sich auch eine tief in
das Becken hineinführende, eiternde Höhle, weshalb das
Lig. Poupart. nach oben gespalten wurde. Bei weiterer
Präparation lösten sich auch die das untere Darmstfick
fixirenden Narben. Dadurch war der Darm ganz M
geworden nnd liess sich leicht hervorziehen, auch das zu-
führende Darmstück entfaltete sich immer weiter. Unter
diesen Umständen war an die ursprünglich beabsichtigte
Anlegung der Darmscheere nicht mehr zn denken. ^
blieb nur übrig, entweder die Dannöffnung weiter vom
anzunähen, also den widernatürlichen After zu belassen,
oder die Darmresektion mit nachfolgender Naht vorzn-
nehmen. B i 1 1 r o t h wählte das letztere Verfahren. Nach
Entfernung der nlcerirten Ränder zeigte sich der Dnrcb-
messer des oberen Dannendes bedeutend grösser, als der
des unteren. Zur Ausgleichung dieser Differenz wurde
am oberen Ende eine Längsfalte gebildet, seitlich umg^
VI. Chirurgie^ Ophthalmologie u. Otiatrik.
163
I^ und mit einigen Nähten flxirt , welche am offenen
Limeo die Moscalaris ganz amfassten und dann immer
gacher wurden. Die nun gleich weiten Lumina wurden
Uenaf in der gewohnlichen Weise vereinigt. Die Mncosa
ininie nicht mitgefasst. Der Darm wurde reponirt und
dB starker Drain in die Abscesshohle eingelegt; die
inssere Wunde konnte nicht genäht werden. Am 1. Tage
erfolgte Erbrechen, am 3. Tage gingen zum ersten Male
Winde and Koth ab. Der Beckenabscess erheischte
gnMs« Sorgfalt und verzögerte lange die schlusslich ein-
tretende vollständige Heilung.
5) Dr. Bichard Wittelshöfer, Arch. f. klin.
Cbir. XXIV. 3. p. 582. 1879. Am 23. Febr. 1879 wurde
uf Prof. Billroth's Klinik ein IGjähr. Mann aufge-
nommen, welcher seit ca. 2 Mon. an einem widematnr-
fiefaen After in der rechten Ingninalgegend litt. Der Kr.
YV, trotz beinahe unaufhörlichem Essen, auf s Aeusserste
abgemagert und entkräftet. An der rechten Bauchseite
oberiialb des Lig. Ponpart. befand sich eine 16 Ctmtr.
luge, 6 Ctmtr. breite Wunde, aus welcher eine mit einer
eigai Oeflhnng versehene, aus prolabirter Darmschleim-
bist bestehende (Geschwulst sich hervordrängte. Unter
denelben fond sich eine 2. Oeffiiung, aus welcher sich
&8t oontinuirlich Fäkalmassen entleerten. Da eine Bes-
lenmg des Ernährungszustandes nicht erzielt werden
konnte, so beschloss B., die direkte Vereinigung beider
Darmenden vorzunehmen. (3. März.) Die beiden Darm-
DÜndungen worden zuerst durch Hautschnitte biosgelegt,
kieraaf — meast stumpf — losgelöst und die verdickten
iSnden des Darmes in Ausdehnung von 1.5, resp. SCtmtr.
abgeschnitten. Die Oeffnungen der Darmenden wurden
ueh Einstülpong der Bänder durch Vereinigung von
Serosa mit Serosa verschlossen. Die Nähte gingen durch
Serosa and MuBCularis. Die Ausgleichung der Differenz
itt Lomina erfolgte durch massige mechanische Dehnung
des anteren (dünneren) Endes. Nach 4 Wochen konnte
derbiahend aussehende Kr. als gehellt betrachtet werden.
6) Derselbe, Wien. med. Wchnschr. XXXI. 3.
p. 63. 1881. Ein körperlich sehr heruntergekommener
Mann war seit ca. 3 Mon. mit einer rechtseitigen Koth-
Istel behaftet, die sich nach einer Herniotomie gebildet
katte, bei welcher der Darm gangränescirend gefunden
worden war. Vor der äusseren Oeffnung des rechten
liCtstenkanals zeigte sich eine nach abwärts ziehende,
ea. 7 Ctmtr. lange eingezogene Narbe, in der 3, etwa
ertnengrosse Fistelöffnungen sichtbar waren, lieber dem
Poopart'schen Bande war gleichfalls eine Narbe mit
Fistel sichtbar. Nach sorgfältiger Pflege, Entleerung des
Dannsu. s. w., wurde am 23. Juni 1880 die Operation
Torgenommen. Nach Spaltung der Fisteln u. Abtragung
TOD deren Rändern wurde das neben der äusseren Leisten-
kanalöffnung mündende, zufuhrende Darmstück stumpf
abgelSst und vor die Wunde gezogen. Schwieriger war
das abführende Ende zu finden, das in der Tiefe der
Waodhöhle in diese aufgegangen war. Nach Resektion
von je 1.5 Ctmtr. der verdickten Darmenden wurden die-
selben durch 17 Seidensnturen mit einander vereinigt.
Die Heilang verlief ungestört und am 7. August konnte
der Kr. entlassen werden.
7) Dr. Oraefe, Berl. klm. Wchnschr. XVHI. 8.
p. 104. 1881. Bei einem 30jähr. Arbeiter wurde am
12. Mai 1880 wegen eines eingeklemmten linken äussern
Leistenbruches in der chir. Klinik in Leipzig die Hernio-
tomie aasgeführt. Wegen der üblen Beschaffenheit des
Dvmes musste man von der Reposition absehen n. wurde
die Darmsehlinge vor der Bruchpforte liegen gelassen.
Kaeh 2 Tagen erfolgte die Abtragung derselben, da sie
ginzfieh gangränös geworden war. Es bildete sich ein
Anns praeternaturalis. Am 23. Juli wurde die Resektion
mit naehfolgender Darmnaht von Prof. T hier seh aus-
gefüiirt Nach sorgfältiger diätetischer Vorbereitung des
Kr. wurden die flstelränder umschnitten und die Darm-
eoden (wahrscheinlich dem untersten Ende des Ileum an-
Miig) losgelöst und hervorgezogen. Der Verschluss
der Lumina geschah durch mit Gummiröhren gedeckte
Polypenzangen. Von dem zuführenden Rohre musste ein
6 Ctmtr. langer, von dem abführenden ein 4 Ctmtr. langer
Streifen resecirt werden, der Querschnitt beider Rohre
war gleich gross. Die Vereinigung der Lumina geschah
durch LenÄert'sohe, in 2 Reihen angelegte Nähte. Nach
Entfernung der Zangen zeigte sich keine Abklemmunga-
fnrche oder CirkulationsstÖrung. Um die Reposition des
Darmes zu erleichtem, wurde der Weichtheilschnitt nach
aufwärts erweitert, die Bruchpforte und die Bauchwunde
mit starkem Catgut, die äussere Wunde mit Seide ver-
näht. Der Verlauf war sehr günstig. Bis zum 6. Tage
nach der Operation erhielt der Kr. überhaupt keine Nah'
rungy von da ab flüssige Kost und nur ganz allmälig consi-
stentere Speisen. Der erste Stuhlgang erfolgte am 9. Tage.
Anfang September konnte der Kr. mit einem Bruchbande
entlassen werden. Strlkturerscheinungen waren auch
2 Monate später nicht vorhanden.
G. ist der Ansicht , dass bei Oangrän des Dar-
mes der Herniotomie nicht sofort die Darmnaht fol-
gen soll. Die Qefahr der einzeitigen Operation liege
besonders darin, dass die Grenze der Lebensfähig-
keit y bez. der septischen Infiltration des Darmes so
schwer zu bestimmen sei. Weiterhin sind noch die
entzündliche Reizung des Peritonänm und die Fül-
lung des Darmes beachtenswerthe Gefahren, die man
durch vorläufige Anlegung eines künstlichen Afters
vermeidet. — Die Lumina der Darmöffnungen kön-
nen am besten provisorisch in situ zugeschnürt werden,
z. B. mit der Dieffenbach*Bchen Schnürnaht, dann erst
wird der Darm mobil gemacht und vor den Zangen
genäht. Letzteres verhütet sicherer eine Infektion,
als das Nähen hinter den Zangen (Kocher). Bei
sorgfältiger Anlegnng einer doppelten Reihe von
Nähten kann man den Darm sofort reponiren, die
Bauchhöhle scbliessen und die Hautwunde, wenn
nöthig, mit Drains versehen.
381. Ueber Tuberkulose des Auges.
Dass sich Tuberkelknoten auch in der Iris bil-
den können, ist zuerst durch einen von Gradenigo
1869 publicirten Fall bekannt geworden, später ist
von Ginlio Saltini ein Fall beobachtet und nach
Enucleation des Anges die Diagnose durch Man-
fred! (1875) bestätigt worden. In Deutschland
hatte Perls 2 Jahre früher im Arch. f. Ophthalm.
XIX. 1. p. 221 eine Beobachtung bekannt gemacht,
welche auch in unsern Jahrbb. (CLXI. p. 280) refe-
rirt worden ist. Hierauf haben Weiss (Arch. f.
Ophthalm. XXIU. 4. p. 57. 1877) und Baum gar -
t e n (Das. XXIU. 3. p. 185. vgl. Jahrbb. CLXXXIII.
p. 63) eine kritisch referirende Darstellung der
Lehre von der Tuberkulose mit Beziehung auf ihre
Lokalisation im Auge gegeben. H an seil (Das.
XXV. 4. p. 1. 1873) hatte versucht, sich durch
Impfungen über die Natur der käsigen Massen
genauere Gewissheit zu verschaffen, welche aber
negativ ausgefallen waren. Samelsohn m Cöln
hat ferner (Centr.-Bl. f. prakt. Ahkde. III. p. 219.
Juü 1879 und IV. p. 39. Febr. 1880) mit Ver-
impfung der dem enncleirten Bulbus entnommenen
Masse einmal einen negativen, zweimal positiven
Erfolg gehabt.
164
VI. Chirargie, Ophthalmologie a. Otiatrik.
Bei dem einen Thiere (Kaninchen) trat zaerst ein
käsiger Abscess auf dem Bücken und an der Unterlippe
auf, in der 6. Woche waren in beiden Augen typische
Tuberkeleruptionen aufgetreten. Nachdem das Thier ge-
tödtet war, fanden sich kleine Knötchen in der Pia-mater
und auf der Leber, ein Abscess in der Paukenhohle, aber
keine Lungentnberkel. Von diesem Thiere wurde in
fünf Generationen weiter geimpft und stets wurden wie-
der tuberkulöse Produkte erhalten.
Neuerdings hat Gand. med. Arthur Costa-
Pruneda in Göttingen solche Versuche wiederholt
(Arch. f. Ophthal. XXVI. 2. p. 174. 1880.)
Bei einem 9 — 10 Mon. alten Mädchen war von
den Angehörigen ein gelbes Fleckchen auf der Iris
des linken Auges bemerkt worden, wonach die ganze
Iris alsbald tiUbe geworden war. Die Mutter war
bald nach Geburt des Kindes an der Auszehrung
verstorben. Das Auge zeigte Eiter in der Vorder-
kammer und neben dem äussern Homhautrand einen
gelblichen Buckel, die Ciliargegend war vorgetrie-
ben.
Die Untersuchung des enucleirten Augapfels ergab
Folgendes : Die vordere Kammer war mit einer käsigen
Masse erfüllt , wobei der grössere Theil der Iris, sowie
ein Stuck vom Ciliarkörper zu einer gelblichen Geschwulst
umgewandelt war , welche da , wo sie die Hornhaut vor-
trieb , letztere erheblich verdünnt hatte. Die Masse be-
stand wesentlich aus Bundzellen , zwischen denen verein-
zelte Spindelzellen als Beste der normalen Iris erschienen ;
innerhalb dieser Bundzellen waren zahlreiche Herde ein-
gelagert , deren Gentrum von typischen Biesenzellen (mit
zahlreichen Ausläufern und fein gekörntem Protoplasma
versehen) eingenommen war.
Von der aus dem Auge entleerten breiartigen Masse
wurde einem Kaninchen in die vordere Kammer des einen
Auges eingespritzt , in die des andern Auges wurde ein
Stückchen fester;ßr Masse durch eine Hornhautwunde ein-
gebracht , die Operation wurde streng antiseptisch vorge-
nommen. An dem 2. Auge trat nach ca. 5 Wochen Injek-
tion der Hornhaut ein, nachdem man noch nach 4 W. einen
Best von der eingebrachten Masse hatte sehen können.
Alsbald entstanden in der Iris kleine graue Knötchen,
welche schlnsslich die ganze Oberfläche bedeckten und
die vordere Kammer ausfüllten, während sich von der
Narbengegend aus auch in der Hornhaut miliare Knötchen
bildeten und schlüsslich hier zu einem erbsengrossen
Tumor verschmolzen. An dem ersten Auge erschien,
nachdem binnen wenigen Tagen die injioirte Masse ver-
schwunden war, am 20. Tage nach der Impfung das erste
graue Irisknötchen , dem fast täglich mehrere neue folg-
ten. Nach 10 Tagen wurde dieser Bulbus enucleirt , das
Irisgewebe war reichlich von runden Herden durchsetzt,
diese bestanden aus Bundzellen, im Gentrum war eine
strukturlose , höchst feinkörnige , stark glänzende Masse
vorhanden , welche in den grössern Knötchen vollständig
käsig ersclüen. Biesenzellen fanden sich in diesen Her-
den am KaniuQhenauge nicht.
Ganz ähnlich wie in dem Falle des Mädchens
war der Befund in einem von Dr. Steffen dem
Vf. ttberschickten Bulbus , welcher einem 6 Monate
alten Knaben enucleirt worden war. Man hatte hier
zunächst an hereditäre SyphiUs gedacht und eine
Schmierkur ohne Erfolg gemacht. Das Kind blieb
mehrere Monate nach der Enucleation gesund, starb
aber dann an »,Krämpfen^^
Dr. H. Büter in Berlin berichtet (Arch. f.
Ahkde. X. 2. p. 147. 1881) über IristuberhUose
bei einem 2jähr. Knaben am linken Auge. Von den
5 Geschwistern des Knaben waren 4 scrofoUto , er
selbst hatte in der letzten Zeit 2mal KrampfanfilUe
gehabt und die Mutter hatte schon damals einen
grauen Punkt ^^in der Pupille^' bemerkt.
Die Untersuchung ergab , dass eine käsige Masse die
nach der Schläfenseite zu gelegene Hälfte der Vorder-
kammer vollständig ausfüllte ; oben am Homhaatrande in
der Sklera sah man einen gelbweissea promineaten Kno-
ten. Die Krämpfe wiederholten sich nach der Enuclea-
tion noch einmal , wobei eine linkseitige Parese auftrat ;
über das spätere Schicksal ist nichts mitgetheilt.
Der enndeirte Bulbus hatte noch seine normale
Form. Die in der Vorderkammer befindliche Masae war
vollständig mit der Iris verwachsen. In der Zelleninfil-
tration unterschied man eine grosse Zahl kugeliger Hau-
fen , bestehend aus Kernen und mächtigen , vielkemigea
Biesenzellen mit Fortsätzen , letztere schienen in ein den
ganzen Haufen durchziehendes Netz überzugehen , zwi-
schen dessen Haschen grosse, rundliche Zellen o. weiter
nach aussen lymphoide Zellen. Das ganze kngUge Ge-
bilde war von Pigmentzellen eingesäumt. Gefässe waren
in denselben nicht vorhanden. Die Färbung mit Eosia
und Hämatozylin erwies sich zur Darstellung am geeignet-
sten , da das tuberkulös inflltrirte Gewebe nur roth , du
sonstige Gewebe blau gefärbt wurde. Ausserdem bestand
Cyklitis, partielle Trübung der zusammengedrückten
Linse, Aderhaut und Netzhaut waren normal.
Dr. Arthur Brflckner inGöttingen berichtet
(Arch. f. Ophthalm. XXVI. 3. p. 154. 1880) über
doppeheiiige disaeminirte Tuberkidose der Chorioi-
dea mit gleichzeitiger Papilloretinitis.
Ein 2Jähr. Mädchen war, nachdem 8 Tage lang wie-
derholt Erbrechen aufgetreten, unter den Symptomen
einer tuberkulösen Meningitis erkrankt. Beide Papillen
waren weisslich getrübt und etwas prominent, Venen und
Arterien ausgedehnt. Am rechten Auge nach unten und
aussen peripherisch ein gelblich-weisser , rundlicher , von
einem Netzhautgefäss überdeckter Herd , am linken Aoge
nach innen von der Papilla ein ähnlicher Herd. Zwei
Tage später starb das Kind.
Die Sektion ergab ausgebreitete Tuberkel in der
Pia-mater des Gehirns und Bückenmarks , beträchtlioheo
Hydrops der Ventrikel, femer miliare Tuberkel der
Lungen und der Schilddrüse , verkäste Bronchialdrfisen.
Femer wurde , wiewohl kein beträchtlicher Hydrops der
Sehnervenscheide vorhanden, doch das Vorhandensein
einer Neuritis optici nachgewiesen. In der Aderhaut des
rechten Auges fanden sich zwei stecknadelkopliBfrosse
Tuberkel, in der des linken Auges fanden sich deren fünf.
Die Bestandtheile dieser Knötchen waren kleine Bund-
zeUen, von denen die weissen nur einen sehr grossen
Kern hatten, nach dem Centram zu fanden sich mndliche
oder polygonale , epitheloide Zellen , im Centram selbst
Biesenzellen mit Fortsätzen, oder auch als späteres Sta-
dium eine formlose , glänzende Masse.
In der Begel kommt der Aderhauttuberkel ohne
Neuritis optici vor. Der ei-wähnte Fall ist daher
eine sehr seltene Ausnahme von dieser Regel. Vf.
erwähnt noch, dass Sieffert und Salomonje
einen solchen Fall beschrieben haben, und theüt
noch einige, bekanntlich der Deutung nach sehr uo
zuverlässige Beobachtungen Bouchnt's mit.
Prof. Manz beobachtete (Klin. Mon.-Bl. f*
Ahkde. XIX. p. 18. Jan. 1881) eine ckronisehe
Tuberkulose der Aderhaut bei einem 8jähr. Knabeo. |
Beide Augen waren nach links abgewichen, beide ^
Papillen waren sehr blass, im linken Auge fanden '
sich an mehreren Stellen buckelf&rmige Hervortrei-
bungen. Der schon vorher an mehrfachen Bewegusg<'
VI. Chirurgie, Ophthalmologie a. Otiatrik.
165
stönmgeD leidende Knabe starb mehrere Wochen
gpiter. Die Sektion ergab mehrfache Tnberkel im
Hira von Haselnossgrösse und einen solchen imLen-
dentheil des Rflckenmarks ausser miliaren Ablage-
ruDgen an verschiedenen Stellen.
Derselbe Autor berichtet übrigens noch (Das.
ph.7) von einer Tuberkulose der Bindehaut rechter-
aots bei einem 2 Vsjähr. Knaben. Ein erbsengrosser
Knoten sass im untern Lide, der Lidrand selbst
ze^ ein GeschwDr mit zerfressenen Rändern, zwei
kldne Geschwüre fanden sich am obem Lidrand.
Auf den wunden Flächen, sowie auch auf der Binde-
biot, Sassen kleine, graue Knötchen. Am Halse, in
^Unterkiefer- u. der Parotisgegend waren mehrere
Lymphdrüsen geschwollen. Das Allgemeinbefinden
bfieb mehrere Monate lang kaum beeinträchtigt, hierauf
ikr bildete sich rasch tuberkulöse Meningitis aus,
der der Knabe alsbald erlag. Das Innere beider
logen zeigte keine Veränderung.
Der Inaugnral-Dissertation von JuliusStahr
(,,Zwei Fälle von Irido-Cyclitia tuberculosa/' Halle
1880) entnehmen wir die nachstehenden Notizen.
1) In dem enuclehrten Bulbus eines l'/sJähr. Knaben
bad sich in der vordem Kammer eine graagelbliohe
Xuse, weiche am äassern Comeo-Skleralrande bereits
lucbgebroclien war. Die Hornhaut war durchgängig
starii getrabt, die Iris war bedeutend yerdiclLt. Glas-
körper, Aderhaut und Netzhaut erscliienenmalcroBkopisch
unnal. Das Mikroslcop wies in der verdickten Iris reich-
lieke Infiltration mit kleinen Ijrmphoiden und grossem
kernhaltigen Zellen nach. Dieselbe Infiltration war anch
m CiUarkörper zu bemerken. Die verkäste Masse in der
Torderkammer erschien unter dem Mikroskop feinkörnig
wie das Protoplasma der Riesenzellen. Vom Fontana'-
B^en Lymphraom ans hatte sich ein zellenreiches Ge-
webe zwischen die Hornhautlamellen eingeschoben. —
Der Knabe war ca. Vs J^^^ augenleidend gewesen und
ea. 6 Mon. nach der Entfernung des Auges an Schwind-
neht gestorben. Unter dem Unterkiefer nnd am Halse
waren bereits frühzeitig Drüsentumoren aufgetreten.
2) Bei einem Ijähr. Knaben hatte sich ausser Drüsen-
KbreOnng am Halse auf der Iris des linken Auges ein
Uemes Knötchen gezeigt. Dieses wuchs zu einem gran-
gelbUehen , gefSsslosen Knoten heran , welcher stark in
fie vordere Kammer prominirte. Es wurde eine Iridek-
tomie gemacht nnd dadurch dieser grosse Knoten entfernt,
wihrend zahlreiche submiliare KnÖtcbcu in dem sonstigen
bi^gewebe zurückgelassen wurden« Von den Wundran-
ton desiriskolobom begann aber bereits in den nächsten
Tigen eine rapide Wuoherang, deren Spitze bald die
Hornhaut erreicht hatte. Der Bulbus wurde nunmehr
aoeleirt, aber bereits nach 3—4 Wochen erfolgte der
TodanLungenphthise. — Im Innem des Tumor fanden sich
nr käsige Massen. Peripherisch verliefen in dem mit
ponea , rnndliehen , kernhaltigen Zellen versehenen Gre-
webe zahlreiche Oefässe. Die hintern Theile des Aug-
apfels (Aderhaufc , Glaskörper und Netzhaut) waren auch
■ikroskopiseh unverändert. — Mit dem bei der Iridek-
Me entfernten primären Knoten waren bei einem Kanin-
eben Impfversnche angestellt worden, indem ein Gewebs-
stfiekchen in die vordere Kammer eingeschoben wurde.
^!7^nd das eingebrachte Stückchen sich allmälig ver-
kleinerte , wurde die Iris hyperämisch und das Auge ge-
f*^ Drei Wodien nach der Impfung waren die ersten
KiStdienln der Iris sichtbar, welche durch Zusammen-
ffiesaen nach und nach einen grossem Knoten bildeten.
^ Auge wurde ca. 2 Hon. nach der Impfung enucleirt
«■ddie tuberkulöse Natur der Knoten constatirt.
(Geissler.)
382. Neuere Mittheilnngen über Farben-
blindheit aus der skandinaviaclien Literatur^
0. £. de Fontenay in Kopenhagen (Nord,
med. ark. XU. 2. 3. Nr. 8. 8. 1—44, Nr. 15.
S. 1—20. 1880) untersuchte im Ganzen 9659 In-
dividuen in verschiedenen Theilen Dänemarke auf
Farbenblindheit und fand darunter 217 (2.25o/o)
Farbenblinde. Von 4492 untersuchten Männern ge-
hörten 1001 den gebildeten Erlassen an, davon waren
31 (3.090/0) farbenblind (llrotliblind, 4 grünblind,
16 unvollständig farbenblind) ; 3491 gehörten den
ärmeren Klassen an (Handwerker, Arbeiter, Bauern
u. s. w.), davon wai'en 134 (3.87%) farbenblind
(31 rothblind, 17 grünbUnd, 2 violettblind, 84 un-
vollständig farbenblind).
In JüÜand fanden sich unter 1847 Untersuch-
ten 46 Farbenblinde (2.49%), darunter 20 Roth<
blinde, 9 Grünblinde, 1 Violettblinder, 16 unvoll-
ständig Farbenblinde. In Fünen waren unter 357
Untersuchten 10 Farbenblinde (2.80o/q) , darunter
1 Rothbl., 4 Grünbl., 5 unvollständig Farbenblinde.
In Seeland waren unter 1080 Untersuchten 35 Far-
benbl. (3.24%), darunter 8 Rothbl., 5 Grünbl., 22
unvollständig Farbenblinde ; wenn man Kopenhagen,
das de F. gesondert aufgeführt hat, mit hinzurech-
net, sinkt das Verhältniss der Farbenblinden auf
2.150/0. In Kopenhagen wurden 6375 Personen
untersucht, darunter waren 125 Farbenbl. (1.96%),
26 Rothbl., 7 Grünbl., 1 Violettbl., 91 unvollstän-
dig Farbenblinde. Dieser geringe Prooentsatz von
Farbenblinden in Kopenhagen rührt daher, dass
unter den Untersuchten die Frauen in viel grösserem
Verhältniss vorhanden waren, als in den andern
Distrikten.
Erwachsene (über 16 J. alt) hat de F. im Gan-
zen 6945 untersucht (4492 Männer und 2453 Wei-
ber), unter diesen allen fanden sich 176 (2.56%)
Farbenblinde; von den 2453 Weibern waren nur
11 (O.450/0) farbenblind.
Im Ganzen wurden 5840 Individuen männlichen
Geschlechts untersucht, davon waren 201 (3^44o/o)
farbenblind, und zwar 54 rothblind, 23 grttnblind,
2 violettblind, 122 unvollständig farbenblind. In-
dividuen weiblichen Geschlechts wurden im Ganzen
3819 untersucht, wovon 16 (0.420/o) farbenblind
waren (2 rothbl., 1 grünbl., 13 unvollständig far-
benblind). Unter den 632 weibl. Individuen, die
den gebildeten Ständen angehörten, fand sich nicht
eine einzige Farbenblinde.
Kinder hat de F. 2714 untersucht und damn-
ter 41 (1. 510/0) Farbenblinde gefunden. Unter den
untersuchten Kindern waren 1348 Knaben mit 36
(2.67o/o) Fai'benblinden , 1366 Mädchen mit 5
(0.3 70/0) Farbenblinden. Der Unterschied in dem
Procentverhältniss zwischen farbenblinden Knaben
und erwachsenen Männern, der lo/o beträgt, kann
vielleicht zum Theil durch die Annahme erklärt
werden, dass nnter den Männern sich nicht blos an-
gebome, sondern auch erworbene Farbenblindheit
fand.
166
VI. Chirurgie^ Ophthalmologie a. Otiatrik.
Von den 217 Oberhaupt bei de F.'s Unter-
suchangen gefundenen Fai*benblinden waren 56 roth-
blmdy 24 grünblind, 2 violettblind, 135 unvollstän-
dig farbenblind; Rothblindheit ist also mehr als
doppelt so häufig in Dänemark, als Grünblindheit ;
auch, wenn man beide Geschlechter gesondert be-
trachtet, ergiebt sich ziemlich dasselbe Verhältniss.
Unvollständige Farbenblindheit ist hingegen bei wei-
tem häufiger beim weiblichen, als beim männlichen
Geschlecht. In allen 217 Fällen war die Farben-
blindheit auf beiden Augen vorhanden.
Die Farbe der Augen hat de F. bei 145 von
den 217 Farbenblinden notirt; 125 hatten helle,
nur 20 dunkle Augen; von den 125 Individuen mit
hellen Augen waren 113 männlichen, 12 weiblichen
Geschlechts, unter den 20 mit dunklen Augen waren
16 männlichen und 4 weiblichen Geschlechts. Da-
bei ist indessen zu berücksichtigen, dass in Däne-
mark sowohl beim männlichen, als beim weiblichen
Geschlecht im Durchschnitt helle Augen zu dunklen
im Verhältniss von 4 : 1 vorkommen.
Unter den 217 Fällen von Farbenblindheit konn-
ten nur in 34 zuverlässige Angaben über Familien-
verhältnisse und Erblichkeit erlangt werden. Davon
wurde in 27 Fällen sowohl Vorkommen von Farben-
blindheit in den betreffenden Familien, sowie von
Ehen unter Blutsverwandten bestimmt in Abrede ge-
stellt. In 2 Fällen war der Vater farbenblind und
Art und Grad der Farbenblindheit stimmte bei Vater
und Sohn überein. In einem Falle hatte der Vater
normalen Farbensinn, aber 1 Bruder des Vaters und
2 Brüder, sowie der einzige Sohn des Untersuchten
waren farbenblind. Bei einem Farbenblinden hatten
Filtern und Grosseltem normalen Farbensinn, ebenso
wie sein Sohn, dagegen waren sein Bruder und
3 Brüder seiner Mutter farbenblind, bei einem an-
dern war der Grossvater von mütterlicher Seite far-
benblind, alle andern Verwandten normal. In einem
Falle war ebenfalls der Grossvater von mütterlicher
Seite farbenblind, sowie 2 andere Verwandte von
mütterlicher Seite; in einem Falle waren ein Oheim,
1 Vetter von mütterlicher Seite und der Grossvater
der Mutter, ebenfalls von mütterlicher Seite, farben-
blind. Ehen unter Blutsverwandten waren in kei-
ner Familie nachzuweisen.
Schlüsslich theilt de Fontenay folgenden
Stammbaum mit.
a
Vi
es
B
o
d
0
ja
to
CO
r<3)
1) 4 S5hne a. 1 Tochter, normal,
ttnverheirathet gestorben,
>
Q
B
O
CO ^
H
4) 3 Söhne u. 1 Tochter, Dermal,
5) 1 8ohn n. 1 Tochter, normal,
6) unverheirathet.
.V j 1 Sohn, rothblind,
1^)3 Töchter, normal, davon 1 yerheirathet ;
8 Kinder, davon 2 Söhne
rothblind,
' . j 3 Söhne; 1 davon rothblind,
' )2 Töchter, 1 verheirathet, von mehreren Kin-
dern ders, 1 Sohn rothblind.
Als Resultate seiner gesammten Untersuchungen
stellt de F. die folgenden auf. 1) Die Anzahl der
Farbenblinden kann in Dänemark auf über 2^/oy
genau 2.25^/0, angesetzt werden. 2) Die Farben-
blindheit findet sich bei weitem häufiger unter der
männlichen Bevölkerung (3A4PIq) als unter der
weibUchen (0.42%). 3) Die Farbenblindheit scheint
etwas häufiger zu sein unter den ärmeren Klassen
(3.87%) als unter den gebildeten Klassen (3.09%).
4) Die Farbenblindheit findet sich ziemlich gleich-
massig vertheilt über das ganze Land. 5) DieBoth-
blindheit scheint häufiger als die Grünblindheit, un-
gefilhr im Verhältniss von 2 : 1. 6) In allen Fällen
waren beide Augen farbenblind. 7) Die Faiben-
blindheit scheint nicht an eine bestimmte Farbe der
Augen geknüpft zu sein.
Die Untersuchungen der an den Eisenbahnen
Angestellten auf Farbenblindheit begannen in Däne-
mark nach de Fontenay (Hosp. - Tidende 2. R.
VIII. 37. 1881) im März 1877. de F, unter-
suchte im Ganzen 3239 Personen (2737 Männer,
502 Fi-auen). Von den 2737 Männern waren 82
(3%) farbenblind in verschiedener Art, von 502
Frauen 3 (O.60/0). Von den 82 farbenblinden Min-
nein waren nicht weniger als 33 in Stellungen, bei
welchen die Kenntniss der Signale absolut erforder-
lich ist (Bahnwärter, Zugführer u. LokomotivftUurer,
Feuermänner, Schafiiier). de F. machte in Folge
dessen den Vorschlag, dass in Zukunft periodische
Untersuchungen anzustellen seien, die, soweit mög-
lich , alle Beamten umfassten , auf alle FäUe aber
diejenigen, die inzwischen schwerere Krankheiten
durchgemacht hätten, sowie die starken Raucher und
Trinker, diejenigen, die starker Kälte ausgesetzt
seien und alle diejenigen, bei denen die vorherge-
gangene Untersuchung Farbenblindheit leichteren
Grades ergeben habe. Ferner sollten bei neuer An-
stellung die mit der geringsten Abnormität des Far-
bensinns Behafteten keinen Dienst bekommen, der
Unterscheidung der verschiedenen Signale erfordere.
Soweit de F. bekannt geworden ist, ist von dem
Allen nichts geschehen, als dass von den An-
zustellenden der Nachweis normalen Farbensinos
verlangt wird. Die Entfernung aller Farbenblinden
von Stellungen, in denen Unterscheidung der Signale
erforderlich ist, ist nach d e F. unbedingt ndthig, di
eine Aenderung der Signale nicht durchflihrbar ist,
und die Hüifsmittel, mittels deren Faifeenblinde die
Verwechslung umgehen können sollen, nicht zuver-
lässig sind.
In gleicher Weise wie bei Eisenbahnbeamten hai
die Farbenblindheit auch bei den Seeleuten grosse
Bedeutung, da auf der See dieselben Signalfarben
zur Verwendung kommen. Nach de F. muss unbe-
dingt gefordert werden, dass jeder am Bord eines
Schiffes thätige Seemann Roth, Grün u. Gelb zu unter-
scheiden im Stande ist, nicht Mos die Lotsen, Schiffii-
führer und Steuei'männer. In Dänemark besteht
seit 1877 die administrative Bestimmung, dass an
Denjenigen, die als Eleven auf der Seeofificiersschole
VI. Cliinirgie, Opliäialinologie n. Otiatrik.
167
Anfiiahme finden wollen, Prüfung des Farbensinns
Toigenommen wird and Farbenblinde kein Steuer-
DtoDspatent erhalten können. Darauf beschränken
äeh aber, soweit d e F. bekannt ist, die Bestimmun-
gto. Beim Seewesen bietet die Durchführung der
effoiderlichen durchgreifenden Maassregeln aller-
Hags mehr Schwierigkeiten als beim Eisenbahn-
dicMt, aber sie ist nach d e F. bei jenem wie bei
dieaem eine absolute Nothwendigkeit
Von den 217 Farbenblinden, die d e F. bei sei-
MD gesammten Untersuchungen gefunden hat, wandte
er bei 74 (Nord. med. ark. XII. 2. Nr. 8. S. 19.
1880) zur Untersuchung auch Eisenbahnsignale an
tUtemen mit rothem oder grünem Glas) auf einen
Abgttnd von nicht unter 40 Fuss. Di-eissig davon
mreD rothblind, 15 grflnblind, 29 nnvoUstftndig far-
kabünd ; die letzteren gaben alle die Farben richtig
Uy bis auf einen (ein Zugführer), der Roth stets
GifiD nannte, die gleiche Verwechslung beging er
bd Untersuchung mit Holmgren's Zephyrgarn-
proben, Stilling's Tafeln deutete er dagegen
loeht. Von den 30 Rothblinden nannten Roth 25
GrtD, 3 nannten es richtig, 2 waren unbestimmt in
ftniD Angaben. Von den 15 Grünblinden nannten
fiiüD 10 Roth, 3 richtig.
£. J. Meilberg (Nord. med. ark. XII. 4.
fir. 24. 1880) hat 227 Schüler des Lyoeum in
Bdinigfors mittels der Hol mgren 'sehen Zepbyr-
inben untersucht, darunter waren 10 farbenblind,
nd Ewar rothblind 4, grünbtind 1, violettblind 2,
moUständig farbenblind 3. Schwachen Farbensinn
kitteii 9, 3 konnten nicht zwischen hellerem Gelb-
NÜi und Rosa unterscheiden, 18 nicht zwischen
BiMgifln und reinem Grün, 14 nicht zwischen hei-
krem Qelbroth und Rosa und Blaugrfln und reinem
Grib. Von den beiden Violettblinden verwechselte
fcr eine Grün mit Dunkelblauviolett, auch Grau,
Gnoviolett mit Hellgrflngelb , bei Orange war er
micher und führte die Purpurprobe mit Schwierig-
bit aus ; der andere stellte zusammen Grün und
^, Purpur und Gelbroth, Roth und Orange. Die
Säiwftche des Farbensinns, die M. bei 9 Individuen,
fc nicht als farbenblind zu bezeichnen waren,
Mttditete, schien mit zunehmendem Alter abzu-
iduaen und kam von 18 J. aufwärts nicht mehr
^* M. meint, dass eine solche vorübergehende
Uiwicbe des Farbensinns als mit der Pubertätsent-
^mig in Zusammenhang stehend gedacht werden
bunte.
Die Young-Helmholtz'sche Theorie kann
>Kb M. nicht alle in Bezug auf Farbenperception
I ^ Farbenblindheit beobachteten Thatsachen er-
^^, er meint, dass auf andere Weise keine voll-
^^^Bunene Klarheit in dieser Beziehung zu erlangen
^ dflrfte, als wenn man folgende 2 Punkte an-
'^^ „1) Das Auge besitzt verschiedene perci-
P*^e Otgane nicht nur für 3 oder 4 verschiedene
°«ben, sondern für jede der verschiedenen Farben-
vtoi, die es aufzufassen vermag. 2) Das Unver-
^^"ii^ii, den Eisdraek einer gegebenen Farbenart
aufzunehmen, bedingt die Farbenblindheit und steht
nicht in nothwendigem Zusammenhang mit dem Un-
vermögen, zwischen erhaltenen Eindrücken und den
andern Farben des Sprectrum zu unterscheiden.^'
0. E. de Fontenay (Hosp.-Tidende 2. R.
VIII. 29. 1881) nimmt es für möglich an, dass
durch systematisehe Uebungen des Farbensinnes
durch mehrere Generationen hindurch eine vollkom-
menere Entwicklung des Auffassungsvermögens für
Farben erreicht werden könne. Als Stütze dieser
Annahme betrachtet er die Thatsaclie, dass Farben-
blindheit bei Frauen, die den Farbensinn von Jugend
auf viel mehr üben , weit seltener vorkommt als bei
Männern. Wenn diese Voraussetzung richtig ist,
meint de Font, müssten anhaltend fortgesetzte
Uebungen des Auffassungsvermögens für Farben bei
Männern zu ähnlichen Resultaten führen und mit der
Zeit die Neigung zur Farbenblindheit bei künftigen
Geschlechtern vermindern. Dazu wäre es indessen
nöthig, dass solche FarbenUbungen in allgemeinerem
und ausgebreiteterem Maassstabe betrieben würden,
wozu sich namentlich beim Schulunterricht Gelegen-
heit bieten düifte, z. B. in Verbindung mit dem Un-
terricht in der Botanik, der Geographie, beim Zeich-
nen und in ähnlichen Fächern.
JannikBjerrum (Hosp.-Tidende 2.R. VIII.
3. 1881) theilt aus Dr. Edmund Hansen's
Augenklinik einen Fall von Hemianopsie für Farben
mit.
Der 39 J. alte Kr., der sich im Uebrigen wohl be-
fand, litt seit nngeföhr 14 Tagen an Kopfschmerz, Seh-
schwäche und leichtem Nebel vor den Augen. Bei der
Untersuchung fand sich Emmetropie, normale Sehschärfe
anf beideu Augen. Der auf dem einen Auge gefundene
Farbendefekt nach aussen vom Centrum konnte nach
aussen nicht begrenzt werden; anf dem andern Auge lag
der Farbendefekt nach innen vom Centrum; bei ge-
nauerer perimetrischer Untersuchung fand sich nach
links zu Hemianopsie für den Farbensinn. Alle Farben
wurden vom Fat. Gran benannt ; die gefärbten Objekte
wurden im Defekte durchaus dentlich gesehen, nur mit
Ausnahme der Farben. Die Grenzlinie ging genau ver-
tikal durch den Fixationspnnkt , sobald diese Linie mit
dem geringsten Stücke des farbigen Probeobjektes über-
schritten wurde, wurde die Farbe erkannt. Weisse oder
grane Probeobjekte (Quadrate mit ungeßhr IVs Ctmtr.
Seite) wurden, wie Pat. erst auf die ausdrücklich an ihn
gerichtete Frage angab, nach links vom Fixationspnnkte
weniger deutlich gesehen als nach rechts. Beim Finger-
zählen zeigte sich excentrisch kein Unterschied zwischen
der rechten und linken Seite des Sehfeldes. Das Sehfeld
war nicht eingeengt, wenigstens nicht in irgend welchem
wesentlichen Grade; in horizontaler Richtung erreichte
es wenigstens 80», in vertikaler Richtung 40^ nach oben,
60® nach unten auf beiden Augen. Der Lichtsinn wurde
nicht untersucht. Die Pupillen waren normal, der Angen-
grund auch; eine Parese der Augenmuskeln znvermnthen,
war kein Grund vorhanden.
Am Tage nach der Untersuchung wurde der Kopf-
schmerz stärker, in der linken Schläfengegend entwickelte
sich eine Geschwulst, aus der nach Inolsion Eiter abging.
In der Naeht nach Eröffnung der Geschwulst begann Pat.
zu deUriren, oollabirte und starb nach einigen -Stunden.
Während der ganzen Krankheit war, das Sehleiden und
vorübergehende Benommenheit u. Schwerhörigkeit nach
Anwendung von sallcylsaurem Natron abgerechnet, kein
Zeichen von Hemiplegie oder ein anderes Hlrnsymptom
166
VI. Chirargie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
Torhanden gewesen. Der Kr. hatte an Vergrössernng des
Herzens gelitten. Die Sektion wurde nicht ansgefalirt.
Es handelte sich in dem vorliegenden Falle um
erworbene, jedenfalls plötzlich aofgetretene vollstän-
dige Farbenblindheit in hemianopischer Form. Eine
geringe Einschränkung des Sehfeldes, sowie eine ge-
ringe Abnahme der centralen Sehschärfe (die ja vor
der Erkrankung flbernormal gewesen sein kann) kann
wohl vielleicht vorhanden gewesen sein, excentrisch
zeigte die Sehschärfe jedenfalls nur geringe Abnahme.
Die vollkommen typische Form und die scharfe Be-
grenzung der Anomalie des Farbensinns , der nor-
male ophthalmoskopische Befund lassen eine Zusam-
menstellung mit den gewöhnlichen erworbenen Ano-
malien des Farbensinns nicht zu; die Funktions-
anomalie glich , abgesehen von der hemianopischen
Form, vollständig einem Falle von angeborner voll-
ständiger Farbenblindheit mit normaler Sehschärfe
und normalem Sehfeld.
Aus dem Umstände, dass im vorliegenden Falle
nur der Farbensinn in hemianopischer Form man-
gelte , kann man nicht schliessen , dass ein eigenes
Centrum flir den Farbensinn bestehe, denn die Mög-
lichkeit kann nicht ausgeschlossen werden, dass totale
Farbenblindheit im defekten Theile des Sehfeldes in
allen Fällen von Hemiamblyopie besteht, eben so
wenig wie die Möglichkeit, dass die geringsten Grade
dieses Leidens sich allein oder so gut wie allein
durch Verlust des Farbensinns zeigen können. Wenn
es sich indessen ergeben würde, dass Fälle von Hemi-
amblyopie vorkämen, in denen der Formsinn bedeu-
tend litte und der Farbensinn nicht zugleich, dann
wäre Grund vorhanden, anzunehmen, dass Formsinn
und Farbensinn verschiedene Centra besässen oder
dass die Leitungen verschieden lokalisirt seien. Auch
solche Fälle , in denen Hemiamblyopie mit Verlust
des Farbensinns auch in dem flbrigen Theile ver-
bunden wäre, brauchten nicht für eine besondere
Lokalisation des Farbensinnes zu sprechen, denn man
könnte sich ein Hirnleiden denken, welches z. B. den
einen Tractus opticus zerstörte und den andern nur
leicht afiicirte. Bj. hält es für möglich, dass die
Untersuchung des Farbensinns eine Bedeutung für
die Diagnose der Lokalisation eines Gehimleidens
erlangen könne.
In Bezug auf das Farbensehen der Farben-
MtW^nhatFrithjof Holmgren (Upsalaläkare-
fören. förhandl. XVL 1. S.69. 1881) Untersuchun-
gen angestellt.
Da der Eine die subjektive Empfindung eines
Andern nicht direkt controliren kann, so können wir
nicht einmal objektiv beweisien, dass alle normal
sehenden Personen die Farben absolut auf dieselbe
Weise sehen. Doch muss man nach H. annehmen,
dass wenigstens die Qualität In den Hauptfarben bei
Allen dieselbe ist, welche in ihrem subjektiven Ver-
halten zu den Farben vollkommene Ueberelnstim^
mung zeigen. Danach muss man auch annehmen,
dass alle Farbenblinden derselben Art die Haupt-
farben wesentlich auf dieselbe Art sehen.
Die Art und Weise kennen zu lernen , wie die
Farbenblinden die Farben sehen, ist nach H. nur
möglich , wenn ein normal Sehender mit gleichzei-
tigem Beibehalten seines normalen Farbensinnes in
den Stand gesetzt würde, mit dem Ange eines Far-
benblinden zu sehen und die diesem Auge eigene
Auffassung der Farben mit der seines normaleD
Auges zu vergleichen. Die Oombination eines nor-
mal sehenden und farbenblinden Auges mit einem
und demselben Gehirn ist aber bei einseitiger Farben-
blindheit gegeben. Fälle von einseitiger Farberv-
bUndheit sind aber nach H.'s Erfahrungen keines-
wegs so äusserst selten, als man bisherangenommen
hat. Er selbst hat bis zur Zeit seiner letzten Ver-
öffentlichung (28. März 1881. Vgl. Upsala läkare-
fören. förhandl. XVL 4. S.308. 1881) 3 Fälle von
einseitiger Farbenblindheit selbst nntersacht, 2 von
einseitiger Violettblindheit (ein Deutseher und ein
Schwede) und 1 von einseitiger Rothblindheit (ein
Deutscher), einseitige GrflnUindheit warH. bis dahin
noch nicht vorgekommen.
Mit den beiden zuerst von ihm beobachteten ein-
seitig Farbenblinden (Rothblinder, Violettblinder)
stellte H. seine Versuche an über den Unterschied
des Farbensehens in dem farbenblinden und in dem
gesunden Auge, nnd zwar in der Weise, dass der
Untersuchte den subjektiven Eindruck einer Farbe
auf das farbenblinde Ange an einer diesem ent-
sprechenden mit dem gesunden Ange anagewählten
Farbe zeigte. Auf diese Weise erfährt man indirekt,
welche Farbenempfindungsqoalität dem farbenblinden
Auge im Vergleich mit dem gesunden fehlt, direkt
erfthrt man diess, wenn man das farbenblinde Auge
die Controle über die subjektive Farbenempfindoag
in dem gesunden ausfuhren lässt.
Die Hanptfarben im Bpeetram des violettblinden
Auges sind in ihrem Grandton Both n. Grün. Am rothes
Ende hat das Spectram vollständig gleiche Aasdehnang
als beim normalsehenden , es ist also im Yetgleich mit
diesem unverkürzt; vom rothen Ende an erstreckt sieh
diese erste Haaptfarbe über denjenigen Theil des Spee-
trum, der dem Both, Orange nnd Gelb des normalsehen-
den Auges entspricht. Erst im Gelbgrün (etwas Jenseits
der Franenhofer'schen Linie D) sieht das violettblisde
Auge eine schmale flurblose (papierweisse) Zone n. dina
beginnt die grüne Zone , erst mehr gesättigt , dann ia
immer dunklem Sohattirangen nnd erstreckt sich über
das Grün, Grünblau, Cyanblau u. Indigo (für das nomul
sehende Auge) bis zum Anfang des Violett , dann hört
das Spectram des violettblinden Auges absolut aof mit
scharfen Grenzen (ungefähr an der Franenhofer^seheB
Linie G), es ist also an dieser Stelle bedeatend verkürzt.
Die Verwechslnng von Pigmentfarben bei Violettblinden
(Grün mit Blau , Pnrpnr mit Both , Orange mit Oelb,
Violett mit Gelbgrün oder Gran) erklärt sich dadaroh von
selbst. Das Both des Violettblinden ist nicht ganz iden-
tisch mit dem gewöhnlichen spectralen Both des noroul
Sehenden, sondern ein reineres Both, etwas dem Cannin
sich nähernd, ungefähr so, wie das änsserste Ende des
Both im subjektiven Spectrum des normal sahendea
Auges. Die andere Grundfarbe des Violettblinden, dtf
Grün, ist ein klares Grün, das zugleich für das Auge des
normal Sehenden einen schwachen Anstrich von Blaugrfin
besitzt.
Die Hanptfarben im Spectrum des rothbünden Anges
sind in ihrem Grandton Gelb nnd Blau. Das Qelb des-
Vn. Psyduatiik.
169
lelbai fingt, Fmi roflieii Ende ans gerechnet, erat später
n, ab das Roth des normal sehenden Anges (ungefähr
u der Fnnenhofer'schen Linie C) and eratreelct sieh von
dl an Aber denjenigen Theil des Spectmin , der dem
arifsn Roth, dem Orange, Gelb, Gelbgrfin und Qrün des
Borauüea Auges entspricht, bis znm Blangrfin (zwischen
den Fraoenhofer'schen Linien b und F , näher an der
letdem) ; hier bildet eine schmale nentrale, farblose und
bewegHehe Zone die Grenae gegen das Blan, das den
ttrigen Theil des Speetmm einnimmt, dem Cjranblan,
lifig» ond Violett des normalen Anges entsprechend.
ii diesem Ende des Spectrnm findet sich keine Ver-
künmg. Daraus erklärt sich die Verwechslung von
Pigment&rben (Grnn mit Gelb, Orange mit Roth, Purpur
alt Blau und Violett nnd Roth mit Bh&ugrfin und Gran)
kei BothhlindeD. Der Ton in der enten Grundfarbe ist
ndit rein Goldgelb , sondern hat f&r das normale Auge
einen sehwachen Anstrich von Grüngelb, in den hellem
T3nen ungefähr CStronengelb , in den dunklem OHven-
früD. Die andere Grandfarbe erscheint nicht als reines
Qjmbfaw oder Indigo, sondern als Blau mit einem merk-
taren Anstrich Ton Violett, ungefähr Indigoviolett.
Es ist zwar KeiDer, dessen Angen nicht einzeln
ia Bezug auf den Farbensinn untersucht sind , nach
Holmgren (Upsala läkarefören. förhandl. XVI. 2
oeh 3. 8. 223. 1881) sicher, nicht einseitig farben-
bÜDd zu seiUi doch dürfte die Wahrscheinlichkeit im
Allgemeinen nicht gross sein| bei einer Person, die
mit beiden Angen gleichzeitig die Farben normal
sieht, einseitige Farbenblindheit zn finden, dagegen
sehr gross bei den fftr normal farbensehend gelten-
den Mitgliedern von farbenblinden Familien. Die
Untersuchnng auf einseitige Farbenblindheit ge-
schieht einfach durch abwechselndes Bedecken des
einen Anges mit der Hand nnd Betrachtung der
Farbenproben mit dem andern; dabei findet der
Untersachte leicht, ob eine Farbe von den beiden
Angen verschieden aufgefasst wird. Die Benennnng
der Farben bei einseitig Farbenblinden ist ein zu-
verlässiger Ausdruck fQr die subjektive Auffassang
derselben.
In dem 3. Falle von einseitiger Farbenblindheit,
den H. nntersnchte (a. a. 0. XVI. 4. S. 308) wurde
der Fehler (Violettblindheit) dadurch entdeckt, dass
der betreffende Mann eine Blume oder einen andern
farbigen Gegenstand, den er im obersten Knopfloch
trug, anders gefbbt erblickte, je nachdem er im
rechten oder im linken Knopfloch sich befand, weil
er beim Herabblicken mit vomübergeneigtem Kopfe
nar mit dem einen oder dem andern Auge gesehen
werden konnte. (Walter Berger.)
VII. Psychiatrik.
383. Zur ProphylaxiB der Oeiateskrank-
hoiten; von Dr. J. M. Winn. (Journ. of psychol.
oed. VU. p. 1. 1881. i)
Vf. glaubt, dass nicht nur die Psychosen selbst
& Dispoflition dazu in der Nachkommenschaft ver-
erben, sondern überhaupt alle vererbnngsifthigen
OoBstitiitionakrankheiten (Scrofulose, Phthisis, Haut-
irakheiteo etc.) in andern Generation^ alsOeistes-
knokheiten auftreten können nnd vice versa. Als
Prophylaxe dagegen weist daher Vf. auf die Wich-
ti^t der dütetischen und moraliaohen Behandiang
dn Kmdea hin , wobei besonders die Ernfthrnng
faieh die Muttermilch (auch wo die Mutter ausFami-
ficB mit erblichen Constitutionskrankheiten stammt,
tber sonst gesund ist) urgirt wird. Endlich ist die
flärath dn sehr wichtiger Pankt. Ist eines der
Btern beider Verlobten consütutionell irgendwie er-
taukt, so ist fast absolnte Sicherheit der Ueber-
fnigong voriianden ; ist die Erkrankung nnr auf einer
Sole (dnrekt oder indirekt) vorhanden , so besteht
loeh dieHftlfte derOefahr ; kaum geringer wird sie,
veBB eine Generation verschont blieb ; sind aber 2
Qäierationen frei geblieben , dann kann die Gefahr
ib beseitigt betrachtet werden. Blutsverwandte,
venu sie , wie auch die Torfahren frei von Erkran-
bogen waren , können einander ohne Sehaden hei-
^^äm. (Näcke, Sonnenstein.)
384. Ueber die Anwendimg des Hyosoya-
i&in bei Geisteskrankheiten nnd Neurosen.
*)Fir die UeberBendang dankt verUndMoh Wr.
M. JahrhiK B4. 191. Hft 2.
1) Snir azione delU losciamlna etc. per Giuseppe
SeppilU e Gaetano Blva. Riv. sperlm. di flrenia-
tria e di med. leg. VU. 1 e 2. freu. p. 62. 1881.
2) Report on the use of hyoBcyamia as an hypnotic
and depresso-motor by E. C. S e g n i n M. D. Arch. of
Med. V. 2. p. 162. April; 3. p. 280. June 1881.
3) Beobachtungen über Hyoscyaminwirknngen bei
GeisteBkranken von Dr. Dörrenberg. Allg. Ztsohr.
f. Psychiatrie XXXVDI. 1. p. 99. 1881.
In neuerer Zeit ist dieser Gegenstand vielfach,
besonders von englisch-amerikanischer Seite aus, er-
örtert woi*den. Als die weitaus gründlichste Arbeit
aber hierttber ist die von Seppilli und Riva ver-
öffentlichte zu erwähnen. Da sie zudem auch sich
auf die meisten Fälle stützt , so werden wir ihr im
Nachstehenden vornehmlich folgen.
Die Anwendung des Hyoscyamin in der Psychia-
trie nnd Neuropathologie ist keine ganz neue , da
schon Mitte vorigen Jahrhunderts Stoerk in Wien
die Mutterpflanze als vortreffliches Sedativum bei
Manie und verschiedenen Neurosen anwandte. Spä-
ter folgten ihm mit ähnlichem Erfolge Fothergill
n. Michea. Das Alkaloid selbst aber (CfsHssNOs),
in unreiner Form 1821 von P e s c h i e r entdeckt (2),
in reiner dagegen 1833 von Geiger und Hasse
aus den Blättern von Hyoscyamns niger und albus
gewonnen, ward zuerst von Lawson in die Psy-
chiatrie eingeführt. Das Mittel findet sowohl im
amorphen , als im krystallisirten Znstande Verwen-
dung. Am meisten scheint das amorphe Hyoscyamin
Anklang gefunden zu haben ; es wirkt prompter, ist
billiger als das andere und wird besonders subcutan
gebraucht. Seppilli verwandte im Irrenhause zu
Beggio eine Iproc. Lösung (die aber nie älter als 1
22
170
Ytt. Psychiatrik.
Mon. sein darf) , wovon eine 0.002 — O.Ol Grmm.
entsprechende Dosis applicirt wird.
üeber die physiologischen Effekte bemerkt S e p -
p i 1 li Folgendes. Sehr constant tritt wenige Minu-
ten nach der subcutanen Injektion (schon nach
0.002-— 0.005 Grmm.) allmälig sich steigernde My-
driasis ein ; der Puls nimmt um 20 — 30 Schläge zu
(gegen Prideaux und Seguin); die Pulsform
bleibt im Allgemeinen unverändert y dagegen ist die
Pulshöhe geringer, also der Blutdruck herabgesetzt.
Im Beginn der Wirkung nimmt gewöhnlich auch der
Herzstoss an Intensität und die Respiration an Fre-
quenz zu; bisweilen tritt Gesichtsröthe auf. Die
Temperatur steigt nach Dosen von 0.005 — 0,01
Grmm. meist um 0.1 — 0.6^0. ; nach Dörrenberg
nehmen dagegen Pulszahl und Temperatur etwas ab
(Dosen von 0.002 Grmm.). Motilitätsstörungen
(Beinschwäche , Vornüberbeugen etc. bisweilen mit
voraufgehenden Spasmen) wurden erst bei Dosen
von 0.005 — O.Ol Grmm. beobachtet. Der Speichel
wird spärlicher und dichter, die Mucosa des Mundes
röther und trockner, bisweilen tritt Tenesmus der
Blase und des Mastdarms auf. Ferner bemerkt man
Ruhe y leichte Sprachhemmung , keine Sensibilitäts-
störung, oder aber leichte Betäubung, fast gänzliche
Aufhebung der Sprache, rauhe, aphonische Stimme,
gesteigerte Reflexerregbarkeit, freudiges oder ängst-
liches Gesicht (Illusionen und Hallucinationen) oder
endlich (nach Dosen von 0.008 — O.Ol Grmm.)
Schlaf, oft durch Erregungszustände unterbrochen,
und Herabsetzung der Sensibilität. Nach wenigen
Stunden sind die genannten Symptome sänmitlich
vorüber bis auf leichte Mydriasis mit Accommodations-
erschweiimg , Trockenheit des Schlundes und Mun-
des (bisweilen Schlingbeschwerden) und Appetits-
verminderung, Verstopfung, Schwere des Kopfes.
Sa vage (2) u. A. beobachteten zuweilen CoUapsus.
Das Hyoscyamin verlässt sehr bald den Organismus
durch die Nieren, zum Theil wird es auch durch den
Darm ausgeschieden (kleine Dosen sollen die Peri-
staltik anregen, gi*osse aber lähmen).
Das Alkaloid wirkt verschieden, je nach Indivi-
dualität, Geschlecht (Frauen reagiren schneller, inten-
siver und anhaltender), Qualität des Präparats, Dosis
und Anwendungsweise. Nach längerem continuir-
lichen Gebrauche stumpft sich die Empfänglichkeit
des Organismus dagegen ab. — Das Hyoscyamin
wirkt sicher auf die Herznerven ein, ob aber auf
den Vagus oder Sympathicus oder auf beide , ist bis
jetzt noch unentschieden; manche Erscheinungen
könnten für eine Wirkung auf den Sympathicus spre-
chen. Es scheint ferner das vasomotorische System
erst zu reizen , dann zu lähmen , worauf jedenfalls
die Temperatnrsteigerung nach kleinen Dosen , die
Herabsetzung der Wärme nach grossen (durch Herz-
schwäche) beruht. Das Hyoscyamin ¥rirkt lähmend
auf die nervösen Centra, auch des Rückenmarks, ein,
aber scheinbar nicht gleichmässig. Hier spielen,
ausser direkter Einwirkung auf die Centren selbst,
jedenfalls besonders Congestivzustäude eine Rolle.
— Gehen nun schon bezüglich des physiologischen
Effekts des Alkaloid die Meinungen der verschie-
denen Beobachter vielfach auseinander , so ist dieas
noch mehr bezüglich des therapeutischen Nutzens
der Fall. Dass es sedativ und hypnotisch ?nike,
geben zwar wohl Alle zu. Seppilli, Dörren-
berg u. A. stellen es aber den übrigen Narkoticis
nach. Fast einstimmig gilt die MelanehoHa agitata
als Contraindikation, dagegen wird Hyoscyamm mit
Vorliebe gegen alle möglichen Erregungszustände
mit verschiedenem Erfolge gegeben. Bei den ge-
wöhnlichen Manieformen sahen die Meisten temporäre
Beruhigung erfolgen. Seppilli, Dörrenberg
u. Richter fanden es indessen auch hier als Seda-
tivum unzuverlässig, ja Ersterer sah sogar öfters
Zunahme der En*egnng eintreten. Nach Seppilli
verdient das Mittel höchstens bei der periodischen
Manie Empfehlung. Als allgemeine Indikationen
gelten: Schlaflosigkeit, Verfolgungswahn und Zer-
störungssucht. Als Antispasmodikum wird es bei
Paralysis agitans , Epilepsie (Status epilepticus ins-
besondere), Chorea, Tabes dorsalis etc. mit sedativer,
aber wohl kaum heilender Wirkung gebraucht.
Soweit man also bis jetzt die Sache übersehen
kann, ist der Nutzen des Hyoscyamin ein sehr zweifel-
hafter, selbst als Hypnotikum ein vielfach beanstan-
deter, dabei nicht ohne Gefahr. Heilung ward wohl
kaum durch das Mittel erzielt und auch die sogen.
Besserungen sind wenig Vertrauen erweckend. Es
ist nur ein chemischer Restraint und blos da zn
empfehlen , wa andere Narkotika im Stiche lassen
oder aus gewissen Gründen nicht gegeben werden
können. Seppilli empfiehlt es event beim Trans-
port Aufgeregter in eine Anstalt. Oft wird es aber
schon dadurch contralndicirt , dass es Appetitsver-
minderung und bisweilen Aversion vor Speisen
(Dörrenberg) erzeugt.
Seppilli beginnt mit Dosen von 0.002 Grmm.
und giebt dann gewöhnlich 0.005—0.01 Grmm.
Imal täglich als subcutane Injektion.
(Näcke, Sonnenstein.)
385. Ueber suboutane Injektion yonJExgo-
tin beiPsyohosen; von Dr. Alessandro Soli-
vetti. (Arch. Ital. per le mal. nerv. XVHI. 1 e 2.
p. 99. Genn. e Marzo 1881.)
Wie bekannt, trotzte bisher das Delirium acntum
jeglicher Therapie. S. versuchte daher, von der
Annahme ausgehend, dass es sich hier um eine
Hyperämie des Gehirns und der Hirnhäute nach
Lähmung der Arterienmuskulatnr handle, das Eigo-
tin, nachdem Brown-S^quard nach subcutanen
Ergotininjektionen Contraktion der Meningealgeftoe
nnd Erbleichen des Gehirns beobachtet , endlich be-
reits van Andeel in Zütphen und Toselli in
Turin das Mittel bei Erregungszuständen angewandt
hatten. In 11 Fällen von Del. acut. (7 primär, 4
sekundär) wurde in eüiigen Tagen völlige Heilung
erzielt Drei bis vier Tage lang wurde Gmal täglich
von einer Lösung aus 1 Grmm. Ergot. Bonjesn anf
.A^
r
Vn« Psychiatdk.
171
6 Gnom. Waner eine Spriise yoU subcntan injicirt.
Am 3. T. waren meist nur 4 Einspritzungen erfor-
derüeh, am 4. und 5. Tage wnrde nur frtth und
Abends eine solche gemacht.
SehoD mit Beginn des 2. Tages nimmt nach S.^s
Beobaehtong die Erregung , der Schweiss und das
DeUrinm ab ; nach Injektion von 2 Grmm. hört der
Sehweiss und die Aufregung ganz auf, das Fieber
ist geringer und die Hyperämie der Coujunctiva ge-
Khwnnden. Am 3. Tage sinkt der Puls auf 60 und
Doeh mehr herab , kein Delirium , aber leichter 6e-
llnbiiDgszustand ; am 4. Tage endlich ist der Puls
klein und frequent (ca. 100), es besteht volles Be-
wasstsein, aber Hinfillligkeit. Dann wurden die
Injektionen ausgesetzt
Denselben vortrefflichen Erfolg hatte Vf. mit
Ergotiu in 2 Fällen von Stahis epüeptioua, in 1 F.
lebwerer alkoholischer Manie und wiederholt bei
deo apoplektifichen Insulten von Paralytikern. Hier
visnchwanden auch sehr bald die tonischen und klo-
Biseben Krämpfe.
Toselli bestätigt auf Qrund seiner sehr rei-
eben Erfahrung vollkommen die sedative Wirkung
desErgotin und findet es besonders bei chron. Manie
von Nutzen. (Näcke, Sonnenstein.)
386. Anwendung von Sleisohpepton bei
tttophobie; von A. Lailler. (Ann. m6d.-psychol.
6. S4r. V. 3. p. 417. Mai 1881.)
Zur Anwendung bei Fütterung nahrungsscheuer
Geisteskranker mit der Sonde, wie auch zur Anwen-
doDg durch den Mastdarm empfiehlt Vf. folgendes,
nadi der Methode von Catillon bereitetes Präpa-
nt, welches haltbarer sein soll als die zu Klystiren
beBotste Fieisch-Pankreas-Ldsung. Ein Kilo gerei-
nigtes und feinzerhacktes Rindfleisch lässt man 12
Standen lang bei möglichster Einhaltung einer Tem-
pentur von 45® G. mit 5 Liter angesäuertem Wasser
(20 Grmm. Add. hydrochl. pur.) unter zeitweisem
Umrflhren digeriren , nachdem man Pepsin (etwa 6
firmm. anf 200 Grmm. Fleisch) zugesetzt hat. Nach
2^6 Stunden wird die Lösung durchsichtig. Nach
der Digestion wird die Flflssigkeit filtrirt , mit Natr.
biearb. saturirt und zur Syrupsconsistenz eingedampft.
(Näcke, Sonnenstein.)
387. Fall von langwieriger Kähningaver-
Weigerung (Sitophobie), nebst Bemerkungen über
Ztoangsfutterunff; von Ernst Hjertström.
(Upsala läkarefören. förhandl. XV. 7 och 8. S. 484.
1880.)
In dem von Hj. mitgetheilten Falle war die
Nahrungsverweigerung durch Hallucinationen be-
dingt
Ein 17 J. alter Mensch war wegen des Yersnehs der
Amgtbe yod fklschem Gtolde zu einem Jahre Strafarbeit
▼ernrfbeüt worden and auf Appellation war die Strafe um
noch 1 Jahr erh5ht worden. Die Bekanntmaohang dieses
zweiten Urtheils wirkte äusserst niederschlagend auf den
Vemrflieilten, er worde nachläasig a. begann zu grabein,
»Mg aar Arbeit , ängstlich und unruhig und es began-
nen Symptome von Verfolgungswahn sich einzustellen.
Am 2. März 1879 war der Kr. vollkommen verwirrt und
tobsüchtig , in der Nacht vorher hatte er den Versuch ee-
maoht, sich za erhenken. Das Ansehen deutete auf Con-
gestionen nach dem Gehirn , die Augen waren glänzend
und geröthet , die Sprache war lebhaft und anznsammen-
hängend, oft schrie Fat. auf, war exaltirt, unreinlich,
ohne Schlaf, die Esslust nahm ab, von Lähmung oder
Krämpfen war keine Spur vorhanden. Am 4. März 1879
wurde Fat. im Hospitsde zu Upsala in der Zellenabthei-
lang aufgenommen. Seit einigen Tagen hatte er sich ge-
weigert za essen und seinen Harn getranken ; er musste
mit der Schiandrohre gefüttert werden. Nachdem er
während der ersten Tage seines Anfenthalts im Hospitale
ordentlich gegessen hatte , begann er wieder die Nahrung
auszuschlagen und meinte , man wolle ihn vergiften , war
dabei unruhig und deprimirt. Er hatte eine bleiche Ge-
sichtsfarbe , regelmässige Gesichtszüge mit ernstem Aus-
druck, einen etwas rnnden Schädel von gewöhnlicher
Grösse , kleine , aber bewegliche und gleich grosse Fapil»
len , beschleunigten Puls (104 Schlage ' in der Minute).
Am 11. März sprach er vernünftig und erkannte, dass
seine Furcht vor vergifteten Speisen unbegründet war.
Vom 10. April an zeigte sich wieder Verschlimmerung,
der Kr. wurde wieder unruhig und begann wieder die
Nahrung zurückzuweisen, znm Einnehmen von Arznei
war er nicht zu bringen. Am 1. Mai sass er unbeweglich
in hockender Stellung , das Kinn auf die Brust herabge-
sunken, mit gespannten Gesichtszüsren and gerunzelten
Augenbraneo , in den Gelenken stark flektirten Extremi-
täten, stumm oder einförmig klagend, jedem Versach,
ihn zu bewegen, eners^sohen Widerstand entgegensetzend
imd keine Bedeckung duldend. Die Haut war kalt und
livid durch venöse Stasen , der Fuls kleia , gespannt und
frequent. Stuhlgang trat nur nach Klystiren ein. Die
Ernährung nahm bei fortgesetzter Nahrungsverweigerung
ab ; manchmal war der Kr. sehr widersetzlich und schlag
um sich, an manchen Tagen still , steif im Rücken und in
allen Gelenken, die nur mit Gewalt gebengt werden konn-
ten. Vom 16. Juli an begann der Kr. manchmal wieder
zu essen , musste aber dazwischen immer wieder mit der
Sonde gefüttert werdeo, am 23. Juli ass er wieder ordent-
lich. Anfang August nahm er stuadenlang verdrehte
Stellungen an , bewegte sich abwechselnd hastig oder lag
nnbeweglich still, wurde dann unruhig und lärmend. An-
fang October wurde der Fat., nachdem er sich vorüber-
gehend ruhig verhalten hatte , wieder unbeweglich , wies
die Nahrung zurück und musste mit der Sonde gefüttert
werden. Von Ende November an wechselten Nahrungs-
verweigerung und Essen öfters ; es zeigten sich Gehörs-
hallucinationen , das übrige Verhalten war in derselben
Weise wechselnd wie vorher, aber Fat. wurde im Ganzen
etwas weniger widersetzlich, trieb allerhand unsinniges
Zeug oder lag ruhig. Weitere Besserung wurde nicht er-
zielt, der Kr. blieb schweigsam und scheu and ass heim-
lich seinen Koth.
Die Nahrungsverweigerung hatte in diesem Falle,
in dem typische Züge der Katatonie nicht zu ver-
kennen sind y zusammengenommen ungetUhr 5 Mon.
lang gedauert. Die Nahrung, die dem Kr. zwangs-
weise beigebracht wurde, betrug täglich ungefilhr
50 Oub'.-Zoll Milch, 3 bis 4 Eier mit Salz u. Zucker,
20 Cub.-ZoU Brei aus Qerstenmehl, ungeAhr 25
Cub.-Zoll Erbsbrei und etwas Cognak ; diese Menge
wurde auf 3 Einspritzungen vertheilt und erwies sich
genügend, die Ernährung in gutem Stande zu erhal-
ten. Die Nachtheile, welche die Zwangsfütterung
mit sich bringt, können bei vollständiger Nahrungs-
verweigerung nicht in Betracht kommen, weil die
Indikation drängend ist. Nach Hj. soll man mit
der ZwangsAtterung nicht lange zögern , um nicht
172
VIII. Hedidn im AllgememeiL
annöttuger Weise die Kräfte des Kranken sinken zu
lassen; natürlich mnss man sich erst überzeugen,
ob der Kr. nicht von selbst die Nahmngsverweige-
rang anfgiebt oder ob er nicht dorch geeignetes Auf-
treten dazu zu bringen ist; oft genügt es schon , die
Nahrung in den Mund einzuspritzen. In Bchwei*eren
Fällen, wenn der Widerstand des Kr. energisch ist,
ist das Zweckmässigste die Einführung einer wei-
chen, knapp bleistiftdicken Oesophagussonde in den
Magen durch ein Nasenloch. Eindringen der Sonde
in den Larynx ist allerdmgs möglich, aber leicht zu
erkennen ; wenn Hj. mit der Respiration synchroni-
schen Stridor hört, zieht er stets zurück und ftthrt
sie von Neuem ein. Den Vorschlag Leube's, in
Zweifelsfällen die Sonde rasch abwärts zu schieben,
dann zurückzuziehen und den am untern Ende der-
selben hängenden Tropfen auf saure Reaktion zu
prüfen, sowie den von Emminghaus, sich durch
die Laryngoskopie von der Lage der Sonde zu über-
zeugen, erklärt Hj. für mindestens unpraktisch.
Eher könnte man in zweifelhaften Fällen das obere
Ende der Sonde für einen Augenblick zudrücken,
dann würden , wenn sich die Sonde in der Trachea
befände, Zeichen von Respirationshemmung eintreten,
sicher entscheidend würde es sein , wenn man den
Kr. nach Einführung der Sonde bewegen kann , ein
Wort zu artiknliren. Regurgitation und Brechbe-
wegungen können zum Ausziehen der Sonde nöthi-
gen, aber nach einigen Sondirungen pflegen sie nicht
mehr vorzukommen. Die Einspritzung soll möglichst
rasch nach Einführung der Sonde vorgenommen wer-
den, damit Reizung des Magenfundns bei leerem
Magen durch die Sonde verhütet wird. Oft be-
quemen sich die Kr., wie Hj. wiederholt beobachtet
hat, lieber zum Essen, als die Sonde wieder einfüh-
ren zu lassen.
Unbestritten übt die Inanition in allen Formen
einen nachtheiligen Einflnss auf den Verlauf der
Geisteskrankheiten aus und energische Maassregeln
gegen dieselbe sind nöthig und consequentes und
kräftiges Eingreifen gegen Nahrungsverweigerung
(relative wie absolute) ist nach Hj.'s üeberzeugung
dringend geboten. (Walter B e r g e r.)
388. Multiple Psammome im Qehim eines
epileptisch Blödsinnigen ; von Dr. L u i g i F r i -
gerio. (Ann. nnivers. Vol. 253. p. 113. Agosto
1880.)
Mehrfache, unregelmässig runde, rauhe, ziem-
lich feste und adhärente , hanf kom- bis linsengrosse
Psammome sassen auf den Corpp. striatis und den
Sehhügeh), wo sie bisher noch nicht beobachtet wor-
den sind. Die Dura war sehr verdickt, die Schädel-
knodien erschienen gross und compakt. Vf. glaubt,
die Epilepsie von diesen , wahrscheinlich bald nach
der Geburt entstandenen Tumoren , nicht von einer
im 1. Lebensjahre in Folge eines Sturzes erfolgten
Eopfcontnsion ableiten zu müssen. Der noch junge
Kr., aus gesunder Familie stammend, war schon als
Knabe sehr schwach befähigt und ward im I^mfe
immer heftiger auftretender ejpileptischer Anftlle
vollends blödsinnig. (N ä c k e , Sonnenstein.)
389. Der Zusammenhang von Leber-
absoessen mit hypoohondrisoh - melanoholi-
sohen Zuständen; von Dr. William A. Ham-
mond. (Neurolog. contrib. I. 3. p. 68. 1881.)
In dieser höchst bemerkenswerthen Arbeit theilt
der berühmte Vf. 16 Fälle von mehr oder weniger
versteckten Leberabsoessen in Kürze mit, die bei
depressiven Qemüthszuständen , speciell Hypochon-
drie , gefunden und durch Adspiration entleert wur-
den. In allen diesen Fällen erfolgte in kürzester
Zeit psychische und physische Heilung. Vf. bemerict,
dass Leberabscesse ganz latent verlaufen können, ja
sehr häufig erst nach dem Tode diagnostidrt werden;
er weist femer darauf, hin , dass ein enger Oonnex
zwischen Leber und Gehirn durch Vagus, Sympathi-
cus, Rückenmark besteht, besonders aber, wie neuer-
dings erwiesen wurde, durch vasomotorische Nerven,
welche längs der Vertebralge&sse zum Gehirn laufen,
deren Ausbreitung gerade die emotive Sphäre mit Blut
versehen. Eine bestellende Störung im Gehirn, special
Hyperämie , soll nun auf diesem Wege Elmähnmgs-
Störung und somit Abscedirung der Leber verur-
sachen — Störungen anderer Organe bei Himläsio-
nen sind bekanntlich schon vielfach beobachtet wor-
den — y die wiederum verschlimmernd auf den Hüm*
zustand einwirkt.
Aus seiner reichen Eärfahrnng zieht Vf. folgende
Schlüsse: 1) Leberabscesse sind wahrscheinlich faäa-
figer, als man annimmt; 2) sie können symptomk»
verlaufen; 3) sie können mit Hypochondrie eto.combi-
nirt sein; 4) sie sind möglichst bald, noch bevor
Adhäsionen sich bilden, zu öffnen; 5) die Adspira-
tion des Eiters geschieht am besten durch einen Inter-
costalraum ; 6) die Operation selbst ist ohne jegliche
Gefahr (Vf. hat 43mal punktirt und 16mal Biter
gefunden) ; 7) daraufhin sollte in jedem Falle von
Hypochondrie und MeUncholie die Leber genaa
untersucht und auch beim Fehlen jeglichen Zeichens
eines Abscesses punktirt werden [?] ; 8) ist der Biter
entieert, so ist völlige Heilung der Psychose zu er-
warten ; 9) selbst wenn kern Eiter gefunden wird,
verschlimmert sich der Zustand der Fat m'cht
(Näcke, SonnensteinO
VIII. Medicin im Allgemeinen.
390. Ein nicht genng beachtetes auskul-
tatorisohes Phänomen (Autophonie); von Dr.
A. Brünniche. (Hosp.-Tidende 2. R. VIU. 31.
32. 40. 1881.)
Das Auskultationsphänomen , das fi. schon seit
Jahren wiederholt beobachtet hat, besteht darin,
dass bei der unmittelbaren Auskultation der Üoter-
Buchende eine eigene Modifikation des Klanges seiaer
Vm. Medicin im AUgemeinen.
173
«genen Spiechstimme wabrnimmt , die nur ftir ihn
bemerkbar ist. Nach B. gleicht diese Modifikation
la meisten einem starken Zittern oder Schnurren^
dtfl direkt in das untersuchende Ohr schallt. Einen
IFoferaehied beim Sprechen mit starker oder ge-
dlmpfter Stimme , bei hoher oder tiefer Stimmlage,
hat B. Dicht aufzufinden vermocht. Bei der mittel-
bireDAnskaltation mit dem Stethoskop hat 6. dieses
FhlDomen nie beobachtet, das ist wohl auch der
Gnmd, weshalb er es nicht an der Vorderfläche der
Brost beobachtet hat , an der er nur selten die un-
mittelbare Auskultation anwendet. Am Rücken hat
B. das Phänomen an allen Stellen gehört, am häufig-
sten in der Umgebung der Spina scapulae, vorzüglich
oberhalb derselben in der Fossa supraspinata, in
gleieher Weise an beiden Seiten und nicht häufiger
ladi der Lungenwurzel zu, als nach aussen von
leser Gegend, bisweilen hat es B. auch an der
Dtera Lungengrenze auf dem Rücken gehört , und
iwtf sehr deutlich. Wenn man den Untersuchten
^ben lässt , wird der Unterschied zwischen dem
DaDge seiner Stimme und der des Untersuchenden
nfort sehr deutlich.
Deber gesunden Stellen der Lunge hat B. dieses
Äsgbltationsphänomen nie gehört, sondein nur über
Men, die die physikalischen Kennzeichen der Ver-
fichtong darboten; da diese Verdichtungen mit über-
liegender Häufigkeit in den Spitzen vorkommen,
M» natürlich;* dass 6. es am häufigsten hier wahr-
Soommen hat, und zwar im eraten Stadium der
Misis, bei chronischer Pneumonie. Aber auch
id akuter cronpöser Pneumonie hat es B. gewöhn-
ieh deutlich und stark ausgeprägt in der Regio
inCraspinata und infrascapularis gehört. Dass es
Sber einer Caveme vorkommen kann , will B. nicht
B Abrede stellen, aber er meint, dass nicht die
Oi?enie selbst, sondern das dieselbe umgebende
vndicbtete Gewebe als Ursache zu betrachten ist.
Wie häufig dieses Phänomen vorhanden ist und ob
ei vielleicht vorzugsweise mit einem andern physika-
Sidien Zeichen verbunden vorkommt , kann B. zur
Zdt noch nicht bestimmt angeben ; «'s kommt aber
k) häufig vor , dass B. sich wundei*t , wenn es bei
öer chronischen Pneumonie fehlt, und, wie es B.
sdieiDt, ist es stets mit Veränderung des Perkus-
MDsschalls und des Stimmfremitus des Pat. ver-
Men, nicht mit Rasselgeräuschen.
B. ist geneigt, anzunehmen, dass dieses Phänomen
iber verdichtetem, luftleerem Lungengewebe mittels
fo unmittelbaren Auskultation wahrnehmbar ist;
vemi nch diess durch weitere Beobachtungen be-
tttigen sollte, wtlrde es zu diagnostischen Zwecken
verwendbar werden. Dass es nicht in allen Fällen
vwfamden ist oder wahrgenommen wird, kann nicht
lis Hinwendung gelten, da diess auch mit andern
ihyAalischen Symptomen der Fall sein kann , eine
^Urning , welche die Auffindung eines neuen dia-
S^^ostisehen Hfilfsmittels nur um so willkommener
Stehen könnte. Ferner glaubt B., dass dieses Sym-
P^ von Nutaen sein kann ^ wenn die Diagnose
zwischen pleuritischem Erguss und Lungenverdich-
tung schwankt ; bei Pleuraexsudat hat B. nie Auto-
phonie wahrgenommen , wohl aber gleich nach Ent-
leerung eines Pleuraergusses , wobei bronchiale Re-
spiration vorhanden gewesen war.
Zuerst scheint G. Tanpin (Jahrbb. XXIII.
p. 205. 206) auf dieses Auskultationsphänomen auf-
merksam gemacht zu haben. Nachdem Piorry
dasselbe ebenfalls darauf beschrieben hatte, schlug
Honrmann (Revue m^d.Fran^aise et Strang. Juill.
1839. — Jahrbb. CXXV. p. 162) den Namen Auto-
phonie daftlr vor. Er unterscheidet zwischen Auto-
phonie im gesunden Zustande und im kranken und
bemerkt, dass das Phänomen im Ganzen stärker
hervortrete, wo die Brustwand am dünnsten ist, also
bei Kindern u. an gewissen Abschnitten des Thorax ;
er hat es auch an der Vorderseite der Brust gehört^
unter den Schlüsselbeinen. H. soll auf dieses Phä-
nomen aufmerksam geworden sein in einem Falle
von pleuritischem Erguss, von dessen Vorhandensein
er vorher keine Ahnung gehabt hatte, während B.
das Vorkommen der Autophonie bei pleuritischem
Exsudat bisher als zweifelhaft bezeichnen muss,
wenigstens hat er es bei reinen, uncomplicirten Fäl-
len von Pleuraexsudat noch nicht wahrgenommen.
E. Hornemann in seiner Stethoskopie (1843.
S. 92} erwähnt die Autophonie und nennt sie eine
einfache Vermehrung des Widerhalls im äussern Ge-
hörgang. B. hebt als der Beachtung werth be-
sonders hervor , dass man die Autophonie nach den
altern Mittheilungen auch bei Gesunden , dem nor-
malen Stimmfremitus entsprechend, gefunden hat,
auch an der Vorderfläche der Brast und bei Pleura-
erguss der Aegophonie entsprechend. B. kommt
es vor, als wenn Taupin u. Honrmann zu weit
gegangen seien in ihrem Eifer, wenn Letzterer nor-
male, ägophonische, bronchophonische und pectori-
loquische Autophonie unterscheidet. B. hat bisher
nur eine Art angenommen , den zitternden Wider-
hall, der nur gehört wird, wo Verdichtung der Lun-
gen unmittelbar unter der Brustwandung vorhanden
ist, und der wohl aufzufassen ist als eine dadurch er-
zeugte hörbare Schwingung der von der Stimme des
Auskultirenden hervorgebrachten Schallwellen.
(Walter Berger.)
391. Ueber denEinflUBS des SenfteigreiBOS
auf Anästhesie und normale Empfindung ; von
Prof. A. Adamkiewicz. (Berl. klin. Wchnsohr.
XVm. 12. 13. 1881.)
Vf. theilt 3 Fälle mit, welche hinsichtlich Dessen,
was die Behandlung ergab, zur Erläuterung des
sogen. Transfert der Franzosen von grösstem Inter-
esse sind.
Bekanntlich hatte Burq schon in den 40er Jah-
ren Beobachtungen veröffentlicht, nach welchen durch
Auflegen von Metallen auf empfindungslos gewor-
dene Hautstellen diese letztem ihre Empfindlichkeit
wieder erlangen sollen. Erst in neuester Zeit JQ*
doch hat man dieser Lehre B u r q 's die längst vor«
174
Vni. Mediein im AUgemeinen.
diente Beachtung zu Theil werden lassen , nachdem
von der Pai*iser Akademie B.'s Beobachtungen be-
stätigende Berichte erschienen waren und man ge-
funden hatte, dass in dem gleichen Verhältniss als
bei hemianästhetischen Personen die Anästhesie an
der Contaktstelle der Metalle mit der Haut ver-
schwand , dieselbe genau an der correspondirenden
Stelle der gesunden Körperhälfte hervortrat (Trans-
fert). Vf. vermuthete sogleich, dass es sich hierbei
nur um einen neuen Ausdruck bilateraler Funktionen
handle, dass die Metalle nicht als solche, sondern
durch Nervenreiz wirken würden und durch andere,
die Nerven reizende Mittel ersetzt werden könnten
(vgl. Dessen „Sekretion des Schweisses'' p. ö7, und
Verh. der physiol. Ges. zu Berlin 12. April 1878.
Arch. f. Anat. u. Physiol. [physiol. Abth.] 1878).
Er bediente sich daher des Senfteiges, und es fand
sich in der That, dass derselbe bei Anästhesien alle
diejenigen Wirkungen hervoiTief, welche man bis
dabin von den Metallen beschrieben hatte.
Vf. theilt nun folgende interessante Beobach-
tungen an Er. mit.
1) Einem 27Jähr. Apoplektiaehen , dessen Haat-
empfindlichkeit auf der gelähmten Seite für alle Qualitäten
der Empfindung erloschen war, wnrde ein Senfteig anf
die Ober- oderUntereztremität gelegt. Nach 30— 45]ffin.
trat an der betr. Stelle Brennen ein und es zeigte sichf
dass die Empfindlichkeit für Nadelstiche, einigermaassen
auch für Temperatur zurückgekehrt war, ja es breitete
sich dieselbe, selbst nach Entfernung des Senfteiges, all-
mälig über die ganze gelähmte Körperfläche aus und nach
24 Std. zeigte sich keine Spur von Sensibilitätsstörung
mehr. Binnen 6— 8 Tagen jedoch war wieder Alles beim
Alten. Wiederholung des Senfteiges ergab denselben
vorübergehenden Erfolg. Ein Transfert war in diesen
Falle nicht zu beobachten.
2) In ähnlicherweise wurden bei einer Hysterischen
empfind angslose SteUen dnrch Senfteige vorübergehend
wieder reizempf&nglich, doch nicht über die gereizte Stelle
hinaus (einfache fluxionare Hyperämien daeetron, die Vf.
hervorgerufen hatte, hatten sich ohne Wirkung gezeigt).
3) Bei einer 22jähr. hemianästhetischen Hysterischen,
mit Ovarialschmerz, Amblyopie und Gehörstumpfheit auf
derselben Seite, zeigte sich eine mit einem Senfteig belegte
SteUe des Vorderarmes der kranken Seite nach etwa
1 VsStündigem Liegen geröthet u. für jeden Reiz empföng-
lich, an der symmetrisch gelegenen Stelle der cresunden
Seite dagegen Verlnst des Empfindungsvermögens. Nach
einigen Tagen Rückkehr in den ursprünglichen Zustand.
Nach Applikation eines yerschärften Sinapismas traten
zunächst dieselben Erscheinungen ein, dann aber ver-
beitete sich das Empfindungsvermögen über die ganze
kranke Körperhälfte und selbst Amblyopie und Gehör-
stumpfheit schwanden ; auf der gesunden Seite dagegen
vorübergehender Verlust der Empfindung an der corre-
spondirenden Stelle. Die durch den Senfteig geheilte
Anästhesie der kranken Seite kehrte nicht wieder zurück
und nach Monaten zeigte sich ein absolut normales Ver-
halten.
4) Ein förmliches Hinüberziehen einer mit motori-
scher Hemiparese verbundenen hysterischen Hemianästhe-
sie fand bei einer SOjähr. Frau statt, die den Anschein
einer wirklichen Hemiplegie bot. Nachdem der Senfteig
3/« Std. auf einer anästhetischen Stelle gelegen hatte,
trat ein Brennen ein, ein Rieseln und Strömen in einer
ganz bestimmten Richtung, nämlich anf der Seite des
Reizes nach abwärts und auf der gesunden in der Rich-
tung zum Kopfe. Gleichzeitig hob sich die motorische
Kraft und kehrte die Empfindung anf der ktaoken Seiti
zurück. Ein hysterischer WnthanfaU trat ein, Apatbit
nach Entfernung des Senfteiges — die Hendparete hatU
ihre Lage total gexoechseU und es zeigte sich ehiTent
peraturunterschied von 5<>, so dass sich die Tempentn
der gesunden Körperhälfte um 5o erniedrigte, die niedrige
der ursprünglich kranken Seite um h^ stieg.
Fernerhin hat Vf. bei in Verbindung mit Dr. A d l e i
ans San Francisco ^) angestellten Untersuchungen ge<
funden , 1) dass der Schmerz- und Tastsinn symme'
trisch gelegener Ort« der Haut unter normalen Ver
hältnissen in funktioneller Abhängigkeit von einan
der stehen ; 2) dass diese funktionelle Abhängigke)
den Charakter eines Antagonismus trägt, und 3) dal
dieser Antagonismus geweckt wird durch einfsA
Reize, welche dort, wo sie wirken, Schmerz aql
Tastsinn verfeinern nnd an der symmetrisch gelegj
nen, nicht gereizten SteUe dieselben abstumpfen, i
Diese Ergebnisse beweisen nach Vf. zugleiol
in Widerspruch mit E. B. W e b e r , dass Schmeiß
und Tastsinn vom Nervenreichthnm nnabhängid
rein qualitative Funktionen der Haut sind. Was q
letztem anlangt, so hat man bekanntlich längst vefl
muthet, dass den verschiedenen SinnesempfinduugiBi
der Haut auch verschiedene Sinnesnerven entspreche
weil z. B. an ein und derselben Stelle der Tastdal
gelähmt, der Temperatursinn erhalten sein kau
Es war daher von Interesse, zu untersuchen, ob sid
der Temperatursinn bilateral eben so verhalte, a|
der Tastsinn und das Schmerzgef&M. Diese Fra(|
ist durch Untersuchungen von Dr. Asch*) venm
nend beantwortet worden: Der Temperatursinn vol
feinert sich wohl an der Stelle des Reizes (Senfl»ig
stumpft sich aber an der symmetrisch gelegeoe
Stelle der andern Seite nicht ab. Dem entgegi
haben allerdings Buccola nnd Seppillini (söB
modificazioni sperimentali della sensibilitä etc. B^
gio neir Emilia 1880) einen leichten Transfert de
Temperatursinnes erhalten. Vf. bestätigt jedoe
nachträglich aus eigener Erfahrung die Angabc
Asch 's, indem er fand, dass an der gereizte
Stelle die Empfindlichkeit fflr Kälte feiner gewordei
an der nicht gereizten dagegen unverändert geblii
ben war.
Ans bilateralen Temperatnrbeobachtungen ii
Spatium inteross. I , welche Vf. noch anstellte unti
einseitiger Senfwirknng glaubt er schliessen zu dtt
fen , dass die Abstumpfung der Sensibilität anf d(
nicht gereizten Seite in keiner Beziehung zu de
Vorgängen der Cirknlation stehe, sowie, dass eii
einseitige Reizung der Haut sowohl auf der Sei
des Reizes als auf der entsprechenden nicht gerd
ten Seite für gewöhnlich Fluxionen hervorrufe, d*
sich demnach die Cirknlation wie die Schweiassekr
tion verhalte. (0. N a n m a n n.)
I) Beitrag zur Lehre von den bilateralen FunküoM
im Anschlnss an die MetalloBkopie. Inaug.-Diss. Berii
1879.
*) Ueber das Verhältniss des Temperatur- und Tm
Sinns zu den bilateralen Funktionen. Inaug.-Diss. Be
Un 1879.
r^
Vni. Medicin im Allgemeinen.
175
393. Fünf Fftlle von Bluttranaftision in
die F^ritonaalhöhle nach Ponfick; von Dr.
r. Kaczorowski in Posen. (Deutsche med.
Wehnsehr. 46. 1880.)
1) A. W., 21 J. alt, erkrankte 3 Tage nach einem
h 3. SeliwangerBchaftBinoiiat überstandnen Abortus mit
£diÄttelfro6t, darauf folgender Hitze, Uebelkeit und Er-
brechen ohne lokale Schmerzen. Am 3. Tage der £r-
Imikxmg erschien die kräftig gebaute, wohlgenährte Kr.
fss bbssgelblieher Oesiehtsfturbe , apathisch und klagte
iter Uebelkeit u. Kreusschmerz. Temp. 41.1o, Pols 120,
teq). 30; Unterleib etwas aufgetrieben, nach unten
Druck empfindlich, Uterus über der Symphyse
Muttermund für den Zeigefinger durchgängig,
[ches schleimig-eiteriges, nicht fötides Sekret. Milz
Stuhl angehalten, Urin spärlich, dunkelgelb,
, mäasiger Eiweissgehalt, Fibrincylinder nndBlntkdr-
en. — Diagnose: Nephritis embolica aus einem zer-
en Uterusyenen - Thrombus ; Ordin,: Ol. Ricini,
. beuoks., Irrigation der Scheide mit Carbolsäure.
b in den nächsten Tagen geringer Temperaturab-
bei anhaltendem Tenesmus von Blase und Mastdarm,
ie Erbrechen. Am 6. Tage Zeichen rechtseitiger Pleuro-
lonia embolica, am 7. schmerzhafte Schwellung des
fi Schulter- und Hüftgelenks, am 9. Affektion aach
rediten Sehaltergelenks, Temp. 41<). Vom 12. ab
e des Erbrechens u. der Diarrhöe, sowie abend-
Frostanfölle mit abundantem Seh weiss; am 18.
ttelfrost, stärkerer Husten mit Stichen in der linken
, hohe Prostration, unwlUkÜTlicher Abgang von
imd Urin ; am 29. Facies Hippocratiea, Puls 160,
. 40, Temp. Nm. 39.2<>, Ab. 39.8«. — Am nächsten
en Transfusion von 500 Grmm. defibrinirten Blutes
die Bauchhöhle, Abendtemp. um 1^ gefallen, Pnls un-
dert. In den nächsten Tagen trat zunächst leichte
iorie, nach einem Bade sogar Schlaf ohne Ghloral,
ad Zimahme der Kräfte ein. Am 6. Tage nach der
Tnmsfosion erfolgte aber ein neuer Frostanfall, mit stär-
farem Hustenreiz, am 6. war das rechte Schultergelenk
Mer ergriffen ; neuer Kräfteabfall. Am 9. wurden noch-
mk 500 Grmm. Blut eingespritzt. Von da ab zeigte
rieb daaemde Besserung, das pleuritische Exsudat wurde
[tllBilig resorbirt, wenn auch der Husten noch länger an-
;lielt. Unter Gebrauch Ton Eisen mit Chinin wnrde all-
itfig auch vollständige Rückbildung der Lungenhypo-
Mtten eisielt, und Fat. konnte einen Monat später ge-
jkOt entlassen werden.
2) S. Z., 25 J. alt, der Masturbartion ergeben, seit
2 J. an hochgradiger Spinalirritation mit hysterischen
Kiimpfen und zeitweiligen Magenblutungen, sowie an
^kittenden Schmelzen im Hinterkopf, linkem Hypo-
IHtriam und in den Schenkeln leidend. JNacb erfolgloser
fÄBwendnng von Bromkaliam, Eisen, kalten Waschungen
ad Bädern, wurden 560 Grmm. Blat in die Bauchhöhle
tnuBfandlrt. Vom 6. Tage ab trat langsame Besserung
tii, Krämpfe und Biuterbrechen blieben aus ; die noch
iHbandenen Sehmerzen im linken Hypogastrium ver-
lebwanden unter dem Gebrauch des Jetzt gut vertragenen
fiKDs bald, so dass Fat. nach 5 Wochen geheilt ent-
h«en werden konnte.
3) Gräfin D. , 36 J. alt , seit mehreren Jahren an
^^a&tnärer Phihisis leidend, verlangte vom Vf. selbst die
^(^lasfiision , welche zunächst mit 250 Grmm. Blut ge-
uaeht wurde. Keine schmerzhafte Reaktion, nach 3 T.
kiehte rosige Färbung des sonst leichenblassen Gesichts,
<iirker Appetit , Abnahme der Schweisse , des Husten-
iciies und des Fiebers. Acht Tage später jedoch nach
mbem Diätfehler Rückkehr des früheren Zustandes und
Tod a Monate später.
4) H. B. , 50 J. alt, anämisch, äusserst herunter-
t^kommen, klagte über Spinalgien, welche sie seit Mo-
>ate& an das Bett fesselten, nebenbei bestanden fnngöse
Ottdiwfire am Mutterhalse und chronische Bronchitis.
Nach Heilung der ersteren durch das Paquelin'sche
Glühverfahren wurde eine Transfusion von 600 Grmm.
Blut in die Bauchhohle ausgeführt. Einstich schmerz-
haft, Uebelkeit beim Eingnss, Zittern, Abendtemp. 38.2
bis 39.4<>. Vom 8. Tage an langsame, aber stetige Besse-
rung. Nach 3 Mon. wurde Pat. geheilt entiassen.
5) £. W., Potatrix, mit Typhus ezanthematicus auf-
genommen ; Temp. 40 — 41, grosse Hinfälligkeit, Husten,
hinten unten am Thorax hoch hinauf reichendes , gross-
blasiges Rasseln. Am 14. T. Schweiss, Abendtemp. 41. 2<),
Resp. 50, Puls 140, fadenförmig, blutig tingirtes Sputum,
am Thorax links lünten unten handbreite Dämpfung, bei-
derseits hinten kleinblasiges Rasseln, Delirien. Am
nächsten Morgen Bluttransfusion von 400 Grmm. in die
Bauchhöhle, Temp. früh 39.5», Mittags 40«, Abends 88.80,
Puls 124, Resp. 48, kein Bauchschmerz, weder spontan,
noch auf Druclc. In den folgenden Tagen allmäliger
Rückgang der Symptome, vom 6. Tage ab Lungen frei,
Temp. 36.3—37.50, Puls 80, Resp. 24. Convalescenz.
Nach solchen Erfahrungen glaubt Vf. die Pon-
fick'sehe Transfasion zunächst bei protrahirten
fieberhaften Krankheiten, auch in schweren Fällen
von Abdominaltyphns , nächstdem aber auch bei
fieberlos verlaufenden ehren. Anämien, namentlich
wo die Verdauung daniederliegt, empfehlen zu dür-
fen. Die Operation, führt Vf. in der Ali; aus, dass
er zunächst unter strenger Antisepsis mit einem ge-
bogenen Trokar in der Linea alba den Einstich
macht, nach Entfemnng des Stilet den mit Glas-
trichter versehenen Schlauch aufsetzt und dann das
defibrinirte Blut eingieast. Etwaiger Eintritt von
Luft in die Bauchhöhle hat nach des Vf.'s Erfah-
rungen nichts zu bedeuten. (Krug.)
393. Apparat nur Dampfentwicklung in
Krankenzimmern, benüglieh Vermehrung der
Feuchtigkeit der Luft; von William Marcet.
(Brit. med. Joum. April 30. 1881.)
Vf. hat durch zahlreiche aörometrische und hygro-
metrisehe Messungen ermittelt, dass der Feuchtig-
keitsgrad der Zimmerluft durchschnittlich um circa
lO^/o niedriger ist, als der der Aussenluft. Bei
hohen Kältegraden gestaltet sich dieses Verhältniss
noch ungünstiger, da die Zimmerluft dann durch das
stärkere Heizen noch mehr austrocknet. Um diesem
Uebelstande, namentlich in Krankenzimmern, vorzu-
beugen, hat Vf. nach dem Princip der bei Dampf-
kesseln üblichen Dampfrohre einen Apparat oon-
struirt, bestehend aus einem 7" langen, 6" breiten,
4^' tiefen Kessel, in weichen 4 im Durchmesser je 3''
haltende geknickte, 4'^ lange Rohre bis zu dessen
Boden eingelassen sind, aus welchen dann der
Wasserdampf nach allen Richtungen hin ausströmen
kann. Dieselben sind noch mit einem Sicherheits-
ventil versehen, um den Dampf sofort abschliessen
zu können. Der Kessel steht auf 4 kurzen eisernen
Füssen und kann so, mit Wasser gefüllt, auf jedes
Herdfeuer gestellt, oder auch auf andere Weise er-
hitzt werden. Vf. füllte den Kessel mit 3 Finten
kalten Wassers, nnd setzte ihn in einem Zimmer von
14ö4Cubikfns8 Luftraum 6 Min. lang an das Feuer;
nach 7 Min. war das Wasser siedend und eine reich-
liche Dampfentwicklung begann; in 42 Min. war
der relative Fenchtigkeitsgrad des Zimmers nml5Vo
176
Vni. Medlcin im Allgemeinen.
gestiegen. Aehnliche Versache hat Vf. zu verschie-
denen Tages- nod Jahreszeiten wiederholt angestellt
und stets annähernd gleiche Resultate erzielt. Die-
selben haben ihn aber auch zn der Ueberzeugung
geführt, dass die Innenlnft namentlich in grösseren
Räumen, nicht so viel Feuchtigkeit abgiebt, als man
principiell annehmen möchte. Der Feuchtigkeits-
grad derselben wächst vielmehr im Verhältniss zur
Temperatur und demFenchtigkeitsgrade der Aussen-
hift, das derselbe aber durch Verdampfen von Wasser
adäquat gemacht werden kann. Vf. nennt seinen
Apparat ,,Bronchitis-Tubular-Kettle^'. (Em g.)
394. Vierzigjährige aesundheits-Statistik
von London. (Lancet I. 24; June 11. 1881.)
London ist nicht blos die grösste und gesündeste
Grossstadt der V7elt, sondern wahrscheinlich auch
die einzige, welche eine zuverlässige Mortalitäts-
statistik Aber einen Zeitraum von 40 Jahren besitzt.
Eiue Uebersicht derselben enthält der neueste Jahres-
bericht des Registrar General über die Vitalitäts-
statistik von London und andern Grossstädten Eng-
lands auf das J. 1880, mit welchem die 4. Beobach-
tnngsdekade der von ihm veröffentlichten Wochen-
berichte abschliesst.
Die Sterblichkeitsziffer in London betrug 1880
22.2 auf 1000 Einwohner, und zwar ist nur in 5
der letzten 40 Jahre eine ähnlich niedrige Sterblich-
keitsziffer vorgekommen. Zu. bemerken ist dabei
noch, dass zur Zeit der Abfassung des Jahresberichts
das Resultat der neuesten Volkszählung Londons
noch nicht bekannt war und jedenfalls Mitte 1880
unterschätzt wurde ; es ist daher anzunehmen , dass
die wahre Sterblichkeitsziffer Londons im letzten
Jahre nicht über 21.5 auf 1000 hinausgegangen ist,
sich also niedriger gestellt hat als in irgend einem
der letzten 40 Jahre. Der Verinst durch zymotische
Krankheiten war im letzten Jahre ein etwas höherer
in Folge des epidemischen Auftretens der Sommer-
diarrhöe , wogegen Todesßllle durch Fieber — Ty-
phus, enterisches, einfaches — einen wesentlich ge-
ringem Procentsatz gegen alle frühem Jahre auf-
wies. Pockentodesftlle wurden 475 verzeichnet, 25
mehr als im vorhergehenden Jahre ; sie überstiegen
etwas die Mittelzahl epidemiefreier Jahre.
Das meiste Interesse des vorliegenden Berichts
gewährt jedoch der Rückblick anf die Gesundheits-
statistik der 40 Jahre 1841—1880. Die Dekade,
welche mit 1880 abschliesst, zeigte eine niedrigere
Mortalitätsziffer als jede der drei vorausgegangenen
Dekaden. Während dieselbe in letztem 23.7 — 24.9,
also im Mittel 24.3 betrag, ging sie während der
letzten mit 1880 abschliessenden Dekade anf 22.4
herab, wenn man die mittlere Bevölkerangsziffer mit
der der neuesten Zählung vergleicht. Die Gesnnd-
heitsverhältnisse Londons, welche während der letz-
ten 30 mit 1870 endenden Jahre im Y^esentlichen
stationär geblieben waren, haben daher in den letz-
ten 10 Jahren eine wesentliche Verbesserung er-
fahren und es verdient gewiss Beachtung, dass 70000
Personen am Ende dieser Periode noch am Leben
waren , deren Tod eigentlich nach der Mortalitilts-
Ziffer der vorangegangenen 30 Jahre zu erwarten
gewesen wäre. Nächstdem ist die Thatsaehe er-
freulich, dass, wenn man die letzte Dekade in zwei
Quinquennien theilt, die Sterblichkeitsziffer im zwd-
ten wesentlich n^pdriger ist als im ersten ; ein Be-
weis , dass die sanitären Anstrengungen der letzten
Jahre nicht erfolglos gewesen sind, was um m
schwerer wiegt, als die wachsende Dichtigkeit dei
Bevölkerung Londons eigentlich eine höhere Uoi*
talitätsziffer zur Folge gehabt haben mttsste , wen
ihr nicht durch geeignete sanitäre Maassregeln ent-
gegen gearbeitet worden wäre. Die niedrigere Mo^
talitätsziffer des letzten Decennium und die besäen
Sanitätsverhältnisse der Metropole sind um so bed«it
samer, als der höhere Procentsatz der Lebendgeblie-
benen hauptsächlich durch geringere Sterblichkeü
an zymotischen Krankheiten bedingt war. Während
letztere im Verlaufe der vorausgegangenen 3 Deceih
nien eine ziemlich stationäre war , fiel sie während
des letzten Decennium um nicht weniger als 25*/i<
Viel mag allerdings dazu beitragen, dass Loodüi
während dieser Zeit von Cholera asiatica versehoil
blieb ; allein es war auch ein wesentlicher Abfall in
den fieberhaften Krankheiten zu verzeichnen. DiQ
durchschnittliche Mortalitätsriffer der letztem unter
schied sich in den ersten 3 Decennien nur wenii
von denen der vorausgegangenen Jahre und betrog
im Mittel 0.92 per 1000; in den JJ. 1871—80
dagegen ist sie auf 0.37 per 1000 zurückgegangen.
Während zu erwarten gewesen wäre , dass nahen
19000 Personen mehr an fieberhaften Erankheitea
sterben würden , sind mehr als 100000 Einwobms
von London durch die bessern Sanitätsverhältnine
von fieberhaften Erkrankungen frei geblieb^. 8a
war z. B. die Erkrankungszahl an Scharlach in den
letzten 10 Jahren eine wesentlich niedrigere, als in
den frühem drei Decennien, ebenso die MortalitätB-
Ziffer für Masern, Keuchhusten, Diarrhöe, obwoU
minder erheblich, geringer. Das am wenigsten er-
freuliche Resultat gewährt die neueste Londoner
Mortalitätsstatistik bezflglich der Kinderaterbäek"
keit; dieselbe betrug bei Kindern unter einem Jahn
im letzten Jahre 158 per 1000 und eine gleiobe
Mortalitätsziffer ergiebt sich auch für die JJ. 1871-^
1880, während sie in den vorausgegangenen drei
Decennien 159 per 1000 betrug. Bei dem allge-
meinen Abfall der Mortalitätsziffem während jener
Zeit hätte man allerdings auch eine etwas bedeo-
tendere Abnahme der Kindersterblichkeit erwarten
dürfen. Allein die Frage der Kindersterblichkeit ist
nicht blos eine sanitäre , sondern eine viel mehr so-
ciale, welche jedenfalls von Seiten der sanitimi
Autoritäten eine grössere Beachtung verdient, als ibr
bisher zu Theil geworden ist. (ErngO
Schnrigy Ohienheilkimde.
177
B
vm. Bericht
Originalabhandlungeii
and
Uebersichten.
die Leistungen auf dem Gebiete der Ohren-
heilkunde im Jahre 1879.
Von
Dr. Edmund Schurig in Dresden.
A. Anatomie.
üeber die EnttoicMung des äuesem Gehör-
fiuigs stellte David Hunt (Amer.Joum.of Otolog.
Lp. 250. Oct.) Untersuchungen an, deren Resultate
iiD Wesentlichen mit denen v. B a e r 's übereinstimmen
[Tgl. Jahrbb. GLXXX. p.l79]. H. betont, dass häufig
Torkonmiende Abnormitäten , z. B. Atresie des äns-
aem Gehörgangs, nach seiner Ansicht Aber die Qe-
nese dieses Organtheiles leicht erklärt werden kön-
KD, während sie nach den Angaben anderer For-
Bßber aber diesen Gegenstand unerklärlich scheinen.
Schwabach (Ztschr. f. Ohkde. VIII. 2. p. 103)
bmen in den letzten 3 Jahren 7 Fälle von Fistula
mis congenita vor, und zwar bei 4 männl. und 3
vdbl. Individuen; 6mal fanden sich nur einfache,
steeknadelkopfgroBse GrQbchen und nur Imal ein
wiiklieher Fistelkanal ; in 3 Fällen bestand Abson-
derang etaer rahmartigen Flüssigkeit, in keinem
Falle jedoch, selbst nicht in 2 Fällen, wo auf Seiten
<ler seoemirenden Fistel eitrige Mittelohr-Entzündung
beetsnd, war ein Znsammenhang mit dem Mittelohr
n oonstatiren, was für die von Urbantschitsch
nfgestellte Behauptung spricht, dass die Fist. auris
coDgeDita als ein Ueberrest der normaler Weise völ-
lig geschlossenen ersten Kiemenspalte zu betrachten
iei; aueh die von Urb. mehrfach beobachtete Ver-
«rtnmg von Kiemenfisteln konnte Vf. in einigen Fäl-
len oonstatiren.
Auf das mannigfach vicarürende Verhalten zwi-
schen den pneitmatiechen und diploStischen Räu-
men des Proc. mastoideue macht E. Zncker-
kandl (Mon.-Schr. f. Ohkde. XIII. 4.) aufmerk-
ttm.
Ab 100, aus 60 Leichen stammenden Gehörorganen
M er folgende VerhältDisBe, die bessflgüeh der Perfora-
fim des JProc. mast. beaclitenswerth sind : pneumatische
WaraeBfortsatsce in 36.8% aller Fälle, total diploetische
in 20.0^/o f <nm Theil diploetische (and zwar vorwiegend
bn Spitzenthefl des Proc. mast.), zum Theil pneumatische
ta tt.go/^.
üeber das Vorkommen der Fissura mastoid,
^tptamosa, auf deren praktische Bedeutung G r u b e r
ZKist aufmerksam machte, veröfifentlichte Wilh.
M. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 2.
Kirchner (Arch. f. Ohkde. XIV. 3 u. 4. p. 190)
seine an 300 Schädeln Erwachsener und 30 Kinder-
schädeln gemachten Beobachtungen. Hiemach scheint
das Vorkommen der Fissur — entweder vollkommen
oder nur theilweise — in den meisten Fällen auf
beiden Seiten zugleich stattzufinden, bei einseitigem
Vorkommen überwiegt das linke Felsenbein. Das
Geschlecht bedingt keinen unterschied des Vorkom-
mens, ebenso findet sich die Fissur sowohl im jugend-
lichen als im Greisenalter (am Schädel eines im 83.
Lebensjahre Verstorbenen). An Kinderschädeln fand
K. die Spalte bis zum Ende des 1. Lebensjahres
durchschnittlich völlig erhalten, während in einigen
Fällen schon nach Ablauf des 3. Lebensjahres keine
Spur mehr davon zu sehen war. — Nach Messungen
an den untersuchten Schädeln betrug die Dicke des
Proc. mast. durchschnittlich nach dem 20. Lebens-
jahre 14 Mmtr., die Höhe 15, die Breite 18 Mmti'.,
welche Maasse an weibl. Schädeln im Allgemeinen
um einige Millimeter kleiner ausfallen. An Schädeln
mit gut oder ziemlich gut ausgebildeter Fissura
squam. fand sich der Dickendurchmesser etwas klei-
ner (10 — 12 Mmtr.) im Verhältniss zum Höhen- und
Breitendurchmesser.
August Rauber (Arch. f. Ohkde. XV. 2u. 3.
p. 81 : die Lymphgefässe der Gehörknöchelchen)
gab bereits im J. 1876 in seiner Abhandlung über
die Elasticität und Festigkeit der Knochen eine Ab-
bildung, welche darthut, dass die Lymphgefässe des
Knochens die Blutgefässe unmittelbar umhüllen (cir-
cumvascnlare Lymphkanäle). Besonders deutlich ist
diess — wie beigegebene Abbildungen lehren — an
Präparaten vom Griff des Hammers und den Schen-
keln des Amboses zu erkennen. Inmitten eines
Havers'schen Kanals verläuft die von Endothel um-
gebene Arterie und Vene ; zwischen diesen Gefässen
und der ebenfalls von Endothel bekleideten Knochen-
wand bleibt ein freier cylindrischer Raum, der zur
Bewegung des Lymphstroms dient.
Eine Sinus tympanicus genannte Ausbuchtung
der Labyrinth wand der Paukenhöhle fand H. S t e i n -
brügge (Ztschr. f. Ohkde. VIIL 1. p. 59) an 37
Felsenbeinen 35mal in verschiedener Grösse.
23
178
dchurigy Ohrenhdlkimde,
Es liegt der bald ovale, bald hafeisenformige Ein-
gang des Sinns nach hinten vom rnnden nnd ovalen Fen-
ster, etwas höher als das erstere; der Sinus selbst er-
streckt sich unterhalb des Canalis facial. tiefer in die La-
byrinthwand hinein und seine tiefste Stelle liegt zuweilen
tiefer als der Boden der angrenzenden Paukenhöhle.
Grösste Tiefe im Mittel 3 Mmtr., Höhendurchmesser 4.3
Millimeter. Aus den beigefugten historischen Notizen er-
giebt sich, dass der Sinus schon einigen altern Anatomen
bekannt war; seinen Namen erhielt er von Meckel
(Handbuch der menschl. Anat. 1820).
Weber-Liel (Mon.-Sclir. f. Ohkde. XUI. 3.)
fasst.daa Ergebnias seiner OntereuchuDgen über den
Aquaeductus Cochleae beim Menschen in folgenden
Sätzen zusammen : 1) Der Aquaeductus cochl. ent-
hält keinen Venenzweig , wie in den Lehrbttchem
angegeben wird, sondern stellt einen feinen, von
einer Foiiisetzung der Dura-matcr ausgekleideten
Kanal dar, weicher die Verbindung der Scala tymp.
mit einem intracranialen Raum herstellt. — 2) Von
der Vena jugul. her zieht ein Venenstämmchen unter
dem gewölbten Eingangsrand (Janua arcuata) des
Aquaeductus hinauf, und tritt hier im vordersten
Theil des Aquaeductus cochl. in eine Enochenöff-
nung ein, welche den Anfang eines eigenen Knochen-
Kanals bildet, der von dem eigentlichen Aquaeductus
durch eine etwa 1 Mmtr. breite Knochenschicht ge-
trennt , mit demselben fast parallel zur Scala tymp.
verläuft und hier in einem eigenen Loch mündet,
^/g — Vi^™*^^*' entfernt von derOeffnung des Aqnae-
duct. Cochleae.
Femer liefert Weber-Liel (Virchow's Arch.
LXXVIL 2. p. 207) den Beweis für die Richtigkeit
der schon vor 2 J. von ihm gemachten Mittheilung,
dass auch beim ausgewachsenen Menschen die endo-
lymphatischen Räume des Ohrlabyrintlia durch den
AquaeducU vestibuli mit einem iniraduralen , an
der hintern Fläche des Felsenbeins liegenden Sacke
in Verbindung stehen. Die Versuche ergaben, dass
die Communikation des Sackes mit dem Labyrinth
frei und leicht ist, so dass Druck- und Spann Wirkun-
gen , die während des Lebens von der Schädelhöhle
her auf die obere Wand des Sackes stattfinden, nach
dem Labyrinth hin übei-tragen werden, während an-
dererseits positive oder negative Druckschwanknngen
vom äussern Gehörgang her ein Ueberfliessen der
LabyrlnthflUssigkeit nach dem intraduralen Sacke
bedingen, oder aber adspirirend auf dessen Inhalt
wirken. Es ist also bei Einwäi-tsdrängung des Steig-
bügels im Aquaeduct. vestib. ein Abflussventil ge-
geben, eine Art Tuba Eustachii für das Labyrinth.
— Durch dieses anatom. Verhalten dürfte sich die bei
Ohrleiden so häufige Kopfeingenommenheit, Erschwe-
rung der geistigen Funktionsfähigkeit u. s. w. er-
klären.
B. Physiologie,
Clarence J. Blake giebt in seinem Auf-
satze: Die Verwendung des Trommelfells als
Phonautograph und Logograph (Ztschr. f. Ohkde.
VIII. p. 5), nach einem Rückblick über den Ent-
wickelungsgaug derartiger Untersuchungen, Abbil*
düngen, deren erste Reihe (1 — 6) Curven darstellt,
wie sie der Schreibstift auf berusstes Glas zeichnete,
wenn Vokale von verschiedener Tonhöhe in daa
Mundstück des Phonautographen gesungen wurden ;
die Curven veranschaulichen die mit steigender Höhe
gleichfalls steigende Stärke des Tones. In der zweiten
Reihe (7 — 10) wird die Einwirkung des veränderten
Luftdrucks auf gleichzeitige Schwingungen des Trom-
melfells dargestellt ; es ergiebt sich hieraus, dass dia
nnter dem pneumatischen Druck eines Consonanten-
tones stehende Spannung des Trommelfells 'sehr er-
heblich seine SGhwiDgungsexkui*sionen beschränkt.
Oscar Wolf (Ztschr. f. Ohkde. VIII. p. 12)
hält den £J(/t«on'schen Phonographen auch für die
Ohrenheilkunde für werthvoll, „weil er die Lehre
von der Resonanz der Membranen ebenso wie die
weitere physikalisch-akustische Definition der Sprach-
laute fördert'^ Die von W. mit dem Instrament an-
gestellten Versuche bestätigten seine frühern Anga-
ben über die akustischen Eigenschaften der Sprach-
laute. Während die mit tiefer Bassstimme gesproche-
nen Vokale A nnd 0 ziemlich grosse Klangfigureo
auf der Zinnfolie zeichneten, gaben E und I erheh-
lich kleinere, der S-Lant, als höchster Ton der
Sprache, die kleinsten. Die selbsttOnenden Oonao-
nanten B, K, T, F gaben für sich allein keine deat-
liche Klangfignr, wurden aber in Verbindung mit
Vokalen vom Apparat deutlich nachgesprochen mit
ähnlichen Verändernngen in der Klangfigur des Vo-
kals, wie durch die tonborgenden Laute L, M, N
und W. Grosse nnd tiefe Eindrücke entstanden
dureh den R-Laut, der ja auch, nach W.'s Ver-
suchen, am menschlichen Trommelfell grössere Ex-
kursionen veranlasst. Liess man das Instrument
eine vorher hineingesnngene Melodie repetiren nnd
drehte dabei die Kurbel rascher als vorher, so
konnte man die Melodie um einen oder mobilere
Töne in die Höhe treiben, gewissermaassen traos*
poniren. Man müsste daher, um exakt za experi-
mentireu, die Kurbel durch einen Mechanismus (Uhr-
werk) in Bewegung setzen.
In Bezug auf die obere Grenze der Hörbarkeit
musikalischer Töne ist Cl. Blake (Americ. Joum»
of Otolog. I. p. 267. Oct.) zu folgenden Schlusses
gelangt. 1) Die Widersprüche in den Angaben def!
vei*schiedenen Autoren haben ihren Grund höchst-
wahrscheinlich nicht in wirklichen Verschiedenheiten
der Hörkraft der untersuchten Individuen, sondetfj
in der verschiedenen Schallleitungsfähigkeit dcfj
Mittelohr-Apparates. 2) Die wirkliche obere Gren4|
der Hörbarkeit ttbersclu'eitet weit die UebertragnngSi
fähigkeit des normalen Mittelohrapparates. 3) Ve^i
änderungen im schallleitenden Apparat bedingen eo^
sprechende Veränderangen in der oberen Hörgrenz«^
Letztere variirt insofern etwas mit dem Alter, als sil^
bei jüngeren Personen im Allgemeinen etwas höhof
Uegt. DurchschnitÜich steUt ein Ton von 40000
(einfachen) Schwingungen die obere Grenze dar, dii
jedoch bei stiaffer Spannung des Schallleitungt'
apparates durch Contraktion des Tens. tymp., w<h
r
B durch er zur Uebertragung von Tönen kurzer Wel-
leoUnge geeigneter wird, um 3- selbst 10000
SehwiDguDgen sich erhöhen kann. Abweichungen
TOD der normalen Hörgrenze haben ihren Grund
entweder in Verminderung der Perceptionsfslhigkeit
flbeihaupt oder, was am häufigsten der Fall ist, in
VerftnderuDgen des Leitungsapparates. Die hier-
durch bedingte Veränderung der Tongrenze Ober-
sehreitet nach oben selten 80000 Schwingungen und
fiüt selten unter 20000. Ersteres beweist entwe-
der vermehrte Spannung des Leitnngsapparates oder
Etimination eines oder mehrerer Glieder dieses Me-
chanismus. Letzteres deutet auf vermehrte Hinder-
msse im Leitungsapparat, oder auf tiefer (im Laby-
TToth) ntzende pathol. Veränderungen, oder endlich
auf Verminderung der Perceptionsfiihigkeit an sich.
Ib einem Fall von Kalkablagerung im Trommelfell
betmg die obere Hörgrenze 35000 Schwingungen,
^Seg aber nach Ausschneidung eines Lappens gegen-
über dem langen Ambosschenkel und Befestigung
desselben an den Ambosschenkel auf 50000 Schwin-
guBgeDy nach Insertion einer Politzer*achm Oese so-
gar auf 80000 Schwingungen. Hieraus und ans
analogen Beobachtungen schliesst Bl. , dass das
dmrch den Hammer und das Hammer- Ambosgelenk
gesetzte Trägheitsmoment etwa 20000 Schwingun-
gen gleich sein möge und ebensoviel möge die durch
Ambo6 und Ambos-Steigbflgelgelenk gegebene Hem-
mmig betragen, da in Fällen von Zerstörung des
Trommelfells mit Verlust von Hammer und Ambos
die obere Hörgrenze bei 80000 Schwingungen lag.
Selbetverständlich werden Verstopfung des Gehör-
gangs, Verdickung oder Erschlaffung des Trommel-
fells, Exaudat in der Pauke n. s. w. von erheblichem
Cinflons sein, und giebt in allen solchen Fällen die
Abweichung von der oberen normalen Hörgrenze
das liaass fllr den vermehrten Widerstand gegen
Schallwellen.
Analyse der im Nebengeräiuch einer intertnit-
tirtnden Stimmgabel enthaltenen Töne, — Gele-
genUich der Hörprüfung Ohrenkranker mittels des
Telephons (Jahrbb. GLXXX. p. 274) machte E.
Herthold (Ztschr. f.Ohkde.Vm. p.l06) mitHttlfe
von Resonatoren die Beobachtung, dass neben dem
Gnmdton der intermittirenden Stimmgabel noch eine
^anze Reihe von harmonischen Obertönen mittönte.
Da dieselben auch nach Ausschaltung des Telephons
ans der leitenden Verbindung mit der Stimmgabel
iiörbar blieben, so konnte als Entstehungsursache
nar das durch Ueberspringen des Funkens und durch
das Eintanehen der Platinnadel im Quecksilbemapf
entstehende Geräusch betrachtet werden. — Bl. em-
pfiehlt die Methode, mittels des Telephons Obertöne
zn beobachten als die leichteste für den Ungeflbten.
Funktion der Chorda iympani.
Louis Blau (Berl. klin. Wchnschr. XVI. 45)
theilt folgenden Fall mit :
l^br. Knabe, seit 5 J. an linkseitiger Otorrhoe
wX gehweren HirnerBcheinungen leidend. Nach Entfer-
eloes Polypen und granulöser Wuchernng an der
Schur ig, Ohrenheilkunde.
179
hintern obem Gehörgangswand, sowie nach Erweiterung
eines von da nach dem Antr. mast. fahrenden Fistelkanals
und Ausspritzen grosser Massen eingedickten Eiters Nach -
lass der Himsymptome. Trommelfell an zwei Stellen der
hintern Hiilfte perforirt ; eine Perforation von Hirsekorn-
grösse nahe dem hintern untern Rand des Trommelfells,
eine zweite etwas tiefer als derProc.brev. im Grand einer
trichterförmigen Einziehung gelegen. Beim Ausspritzen
oder Eingehen mit der Sonde durch diese kleine Oeffnung
stellten sich Reizerscheinungen der Chorda ein, die, aus-
schliesslich auf den linken Rand der Zunge beschrankt,
die Spitze derselben, sowie die Zangen wurzel freilassend,
sich meist als säaerlicher, zuweilen süsslicher Geschmack
und Gefühl von Prickeln äusserten. Die Empfindungen
traten zusammen oder nur eine derselben auf, und zwar
nahezu in gleicher Häufigkeit. Sorgfältige Prüfung der
Geschmacksperception beider Zangenhälften hatte dieselbe
als normal ergeben.
Der Fall, so bezeichnend derselbe für das Vor-
handensein von sensiblen und Geschmacksnerven in
der Chorda ist, kann natürlich eine Auskunft über
die Herkunft der Geschmacksfasem nicht geben.
S. Moos (Ztschr. f. Ohkde. VIII. p. 222) er-
zählt einen Fall, wo in Folge einer Operation eines
Paukenhöhlenpolypen die rechte Chorda tymp. ver-
letzt und in Folge dessen eine unerhebliche Ab*
stnmpfung der Sensibilität der rechten Zungenhälfte
(der vorderen ^/s und des Randes), dagegen eine
hochgradige Abstumpfung des Geschmackes aufge-
treten war, welche abnorme Erscheinungen jedoch
im Laufe der nächsten Wochen spontan wieder ver-
schwanden.
Nach Horatio R. Bigelow (Arch. ofMed.
I. 3. p. 288) ist die Choi*da mit dem Lingualnerven
nicht ,,fibril to fibril^' vereinigt, sondern nur mit ihm
in eine gemeinschaftliche Scheide eingeschlossen;
die Facialzweige kommen vom Wrisberg'schen Ner-
ven und nicht vom Hauptstamm.
Durchschneidung des Nerv, trigem. in der
Schädelhöhle.
Zur Controle der Angabe Geil6's, der nach
Durchschneidung der absteigenden Wurzeln des Tri-
geminus trophische Störungen im Auge n. in der Nase
(Eiterung), sowie in der der verletzten Seite ent-
sprechenden Paukenhöhle (trübe, viele Eiterkörperchen
enthaltende Flüssigkeit) constatiren konnte, führte
R. Hagen (Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol.
XI. 1 u. 2. p. 39) die Durchschneidung an 13 Ka-
ninchen aus. Nur in 2 Fällen, die jedoch wegen
zufälliger Umstände nicht als bewelskräfh'g gelten
konnten, fand er Exsudat in der Pauke, in den üb-
rigen 11 dagegen nicht die Spur eines solchen.
H. schliesst daraus, dass G e 1 1 6 ' s Folgerungen, die
sich nur auf die Ergebnisse eines einzigen operirten
Thieres stützen, als unberechtigt zuiückzuweisen
sind, dass vielmehr die Integrität der Paukenhöhle
nach Trigeminus - Dnrchschneidungen geeignet ist,
die traumatische Natur der Trigeminus-Keratitis zu
stützen.
Weber- Li el (Mon.-Schr. f. Ohkde. XIH. 9)
hält die Frage durch die Hagen* sehen Experi-
mente noch nicht für abgeschlossen. Man müsse
nach der Trigeminus - Durchschneidung seine Auf-
180
Scharig, Ohr^iheilkiuide.
merksamkeit besonders darauf richten, ob dennoch
vasomotorisch-trophische Störungen im äussern Ge-
hörgang und am Trommelfell auftreten und ob —
bei hinreichend langer Lebensdauer der Thiere nach
der Operation — der Nachweis trophischer Verän-
derungen in der Mittelohrmuskulatur nicht zu geben
sei. Die bei einigen, die Operation längere Zeit
überlebenden Thieren von Hagen gefundene In-
jektion der Paukenschleimhaut deutet er als Resi-
duum einer vorausgegangenen Entzündung.
Die Funktion der Eustachi^schen Röhre wurde
von Arthur Hartmann (Experiment. Studien etc.
über die Funktion der Eustachi'schen Bohre. Leipzig.
Veit & Comp. gr. 8. 61 S. 2 Mk.) erneuter Unter-
suchung unterworfen. Wir heben aus der zu eige-
nem Studium zu empfehlenden Schrift hier folgende
die Physiologie der Tube betreffende Punkte hervor.
Nach einer im 1. Cap. gegebenen histor. Ein-
leitung bespricht H. im 2. Cap. die Durchgängig-
keit der Tuba Eust. im Ruhezustand der Mushda"
tur u. gelangt auf Grund seiner an 22 Erwachsenen
im pneumat. Cabinet angestellten Versuche zu dem
Resultat, dass die Tuben &\r gewöhnlich geschlossen
sind. Bei Einwirkung höheren positiven Drucks im
Nasenrachenraum findet ein Luftdurchtritt nach der
Trommelhöhle nicht statt, derselbe erfolgt erst bei
einer mehr oder weniger kräftig ausgeftlhrten Schluck-
bewegung. Dagegen findet ein Luftdurchtritt in der
Richtung von der Trommelhöhle nach dem Nasen-
rachenraum leicht, obschon auch mit individuellen
Verschiedenheiten statt. Die Tuben verhalten sich
wie Röhren , die an einem Ende feste Wandungen
mit offenem Lumen, am andern schlaffe Wandungen
haben. Findet am starrwandigen Ende Ueberdruck
statt, so wird derselbe den Widerstand der sich lose
berührenden schlaffen Wände am andern Ende leicht
überwinden, umgekehrt jedoch werden die schlaffen
Wände an einander gepresst und verhindern den Luft-
eintritt, indem sie als Klappe wirken. Innerhalb
der Breite des normalen Gehörs liegen nun Fälle
von abnorm leichter Durchgängigkeit, fast völligem
Offensein der Tube, andrerseits Fälle von sehr er-
schwerter Durchgängigkeit, bei denen selbst wieder-
holte Schluckbewegnngen die durch die Luftdruck-
differenz bewirkte Schmerzhaftigkeit im Ohr nicht zu
tilgen vermochten. — Bezüglich des Verhaltens der
Tuben bei der Respiration {Cap, 3) ist H. der An-
sicht, dass ein Luftdurchtritt für gewöhnlich nicht
stattfindet. Die am Ohi'manometer bei der Respi-
ration wahrnehmbaren Schwankungen werden durch
Aenderung des Tubenlumens in Folge schwacher
Muskelcontraktionen bewirkt, indem die im knorplig-
membranösen Theil der Tube enthaltene Luft bei
der Inspiration nach der Trommelhöhle getrieben
wird, bei der Exspiration wieder zurückkehrt;
sichtbare, der Respiration isochrone Trommelfell-
bewegungen können bei abnorm leichter Durch-
gängigkeit der Tube entstehen und findet dann ein
wirklicher Luftaustausch zwischen Rachen- u. Trom-
melhöhle statt. — Beim V als alv ansehen Versuch
{Cap. 4) findet ein Luftdurchtritt nach derTromiAel-
höhle schon bei geringen Druckstärken (bei 20 bis
40 Mmtr. Hg) statt ; es kann demnach hierbei dne
Ruhestellung der Muskulatur, wie H. früher glaubte,
nicht angenommen werden, sondern es muss die
Durchgängigkeit durch noch näher zu erforschende
Vermittelung der Muskeln erleichtert werden. Bei
Nasenrachenkatan'h sind beträchtlich höhere Druck-
stärken erforderlich, ohne dass eine Bednü'ächtigung
der Hörfnnktion vorhanden zu sein braucht. Die
Kopfhaltung hat ebenfalls Einfluss auf die Durch-
gängigkeit : letztere ist am leichtesten bei aufrechter
Stellung und horizontaler Kopfhaltung, etwas a-
Schwert bei nach unten gerichtetem Gesicht, und
noch mehr erschwert bei rückwärts gebogenem Ko{£
— Im 5. Cap, wird das Verhalten der Tuben bd
der Phonation erörtert. Hierüber ergaben die Ver-
suche : 1) dass die Durchgängigkeit der Tuben bei
der Phonation genau bestimmt werden kann, 2) daaa
erleichterte Durchgängigkeit eintritt, die zwar indivi-
duell verschieden sein kann, jedoch nicht beeinflusst
wird durch die Versduedenheit der intonirten Laate
oder durch die Intensität der Phonation. — Während
des Schlingakts {Cap. 6) genügt schon ein minima-
ler Druck, der geringer ist als beim Valsa Iva'-
sehen Versuch und bei der Phonation, um Luft durch
die Tuben treten zu lassen, d. h. die Tube wird
durch den Schlingakt geöffnet, und zwar erfolgt die
Eröffnung während des ersten Aktes der Schliog-
bewegung im Moment der maximalen Contraktion
der Muskulatur. — Das 7. Cap. widmet H. eiser
Besprechung der Erscheinungen, welche bei Funktio-
nirung der Gaumenmuskulatur, insbesondere beim
Schlingakt, durch die Besichtigung von der Nase
aus wahrnehmbar sind. — Sodann folgt im 8. Cof*
eine schematische Darstellung der Funktion der
Tuben auf Grund der von H. durch seine Unter-
suchungsmethode gewonnenen Anschauung. Es
wird die Tube bei Ruhestellung der Muskulatur, bei
mittlerer Contraktion (Valsava 'scher Versach,
Phonation) und maximaler Contraktion (Schlingaii^t)
dargestellt, woraus sich ergiebt, dass die Durch-
gängigkeit um so mehr erleichtert wird, jemehrsicii
die Muskulatur contrahirt. Bezüglich des Schall-
leitungsvermögens der Tube spricht sidi H. dahin
aus, dass „allerdings in der Gegend derselben eine
Uebertragung von Schall nach dem Ohre oder von
demselben stattfinden kann, jedoch nicht durch den
Tubenkanal selbst, sondern in der Weise, dass durch
den in seinem äusseren Theile offenstehenden Kanal
der lufthaltige Raum (Trommelhöhle), in welchem
der Schall erzeugt ist oder wohin er geführt werden
soll, der Oberfläche am nächsten tritt, so dass hier
durch die den Kanal umgebenden Medien eineSchaU'
Übertragung leichter stattfinden kann'^
C. Pathologie.
Allgemeines.
Auf der unter Lieitung des Oberstabsarztes Dr.
Becker stehenden Ohrenstation im Gamisorda^^'
Schür ig, Ohrenheilkande«
181
rtik zu Dresden (Sep.-Abdr. aus dem wissenschaftl.
Berichte des k. sSchs. Sanitätsdienstes) wurden vom
1.0et 1874 bis 1. Oct. 1877 821 Ohrkranke auf-
genonmien. Diese hohe Ziffer findet dadurch ihre
ErklftruBg, dass 376 der Gesammtzahl («» 45.8Vo)
M^D Yor ihrem Eintritt in den Militärdienst ohren-
krank waren; dass dieselben trotzdem eingestellt
worden y lag dann, dass sie an Erkranknngsformen
litten, die häufig Remissionen machen, so dass zur
Zeit der Aushebung gar keine oder nur unbedeutende
Symptome von Seiten der Ohren vorhanden waren. In
der beigefttgten Tabelle giebt B. eine Uebersicht der
behandelten KrankheitsfkUe, woran« hervoi^ht, dass
!)06 Kr. geheiK, 253 gebessert, 49 nngeheilt ent-
iiasen nnd 13 in Bestand geblieben sind. — Auf-
fallender Weise findet sich unter der bedeutenden
Zihl OhreDkranker kein Fall von Labyrintherkran-
knng; von 21 Trommelfellverietzungen sind 11 (ca.
52V3^/o) dnrch Ohrfeigen , resp. Schlag in die Ohr-
gegend entstanden.
Ferner berichtet K. Bflrkner (Arch. f. Ohkde.
I UV. p. 228) Aber die in der Zeit vom 20. Febr.
1 liB 31. Dec. 1878 in der Götünger Poliklinik für
Ofarenkranke beobachteten Krankheitsfälle.
Während dieser Zeit kamen 230 Ohrenerkranknngen
u 217 Fat. (129 männl. , 88 weibl. Geaehlechts) zur
Cntemichaiig. Ans der beigefügten Uebersiclit der be-
obschteten Krankheitsformen geht hervor, dass 88 Kr.
geheilt, 41 wesentlich gebessert worden, 14 blieben nn-
geheilt, 22 wurden ohne Behandlung entlassen, von 32
Hieb der £rfolg unbekannt und 20 blieben noch in Be-
Itndlong. Ueber einige interessante Fälle behält sich
B. weitere Ifittheilnngen vor.
M. Landesberg in Philadelphia (Philad. med.
ad sorg. Reporter XLI. 1. p. 5. Jnly) beobachtete in der
Zeit vom 30. Juli 1876 bis 31. Bec. 1878 833 FäUe von
Okrenerkrankungen. In der Tabelle der Krankheitsfor-
mea findet sich ein Fall von Taubheit in Folge von Blei-
▼ergiftuBg , in dem dnrch Jodkalium , sowie 2 Fälle von
Taubheit nach Chiniogebranch , in denen durch Acid.
kjdro-brom. Heilung erzielt wurde.
Ohrenkrankheiteri Lebensverncherungegesell"
Schäften gegenüber.
In einem Aber dieses Thema auf dem internat.
medicin. Congrea za Amsterdam (1879) gehal-
tenen Vortrage gelangt Patterson Gasseils za
Mgenden Schlusssätzen.
1) Es wftre willkflrlich und ungerecht, alle Fälle
von Schwerhörigkeit oder Otorrhöe gleichzustellen
od sie nnbedhigt zu verwerfen. £s fehlen die Be-
lege zum Beweis , dass Ohrenkrankheiten im Allge-
Beinen die Lebensdauer herabsetzen.
2) Bei jeder Untersuchung zum Zweck der
, LebensYersicherung muss über den frühem und
jeUigen Zustand der Ohren Nachfrage gehalten
'werden.
3) Bei noch vorhandener oder vorhanden ge-
wesener Ohrenerkrankung ist ein Specialist zu Rathe
a ziehen, um
i) die Gefahr abzuschätzen , welche daraus für
^ Leben entsteht , und die Prognose festzustellen,
& als gut , zweifelhaft , gefthrlich , sehr gefährlich
a beseichnen ist, welche Bezeichnungen bedingt
werden durch die Art und Heftigkeit des Ohrenlei-
dens, sowie durch den gegenwärtigen und frühem
allgemeinen Gesundheitszustand.
5) Zulässig sind: Ohrenkranke, die im Allge-
meinen gesund und frei von constitutioneller Infek-
tion sind; alle nicht complicirten Fälle von Otorrhöe
bei sonst Gesunden. Zurückzuweisen sind: Otor-
rhöen in Folge von exanthemat. Fiebern oder bei
scrofnlösen und syphilit. Individuen; Ohrensausen
mit oder ohne Schwerhörigkeit, das von schwanken-
dem Gange begleitet ist oder bei syphilit. Constitu-
tion.
Otitis intermitiens. So unvollständig verschie-
dener Umstände halber die Beobachtung auch ist,
so hält J. Orne Green (Amer. Journ. of Otol. I.
p. 112. April) doch den Fall für mittheilenswerth,
da er, in vielen Beziehungen abweichend von der
gewöhnlichen Form der katarrhal. Otitis , sehr gut
übereinstimmt mit frühern Beschreibungen von Otitis
intermittens (Weber-Liel, Voltolini).
Eine 23jähr. Frau, seit 1 Jahr mit linkseitiger Otor-
rhöe behaftet, zeigte bei der Untersuchung (Oct. 1878)
einen durch periostitische Prooesse verengten Gehörgang,
gänslichen Verlust des Trommelfells und granulöse Pau-
kenschleimhaut ; Tnbe undurchgängig. Acht Tage später
Schmerz im rechten Ohr in Folge von katarrhal. Entzün-
dung des rechten Trommelfells, während der Ausfluss
linkerseits aufgehört hatte. Im Laufe der nächsten Wochen
bald Ausfloss links , bald Schmerz im rechten Ohr , wo
sich eine kleine Perforation des Trommelfells im vordem
nntem Quadranten zeigte. Bei von nun an eintretender
regelmässiger Beobachtung ergab es sich, dass die Kr. an
einer intermittirenden katarrhal. Entzündung beider Pau-
kenhöhlen litt, so zwar, dass niemals beide Paukenhdhlen
gleichzeitig afficirt waren , sondern abwechselnd bald die
eine , bald die andere ; es zeigten sich Schmerz , Kothe
der Paukenschleimhaut , Ausfluss , welche Erscheinungen
einen od. zwei Tage anhielten, dann verschwanden, sofort
aber auf dem andern Ohre auftraten ; fast jeden Abend
stellte sich Gesichts- und Zahnschmerz , Schmerz um das
Ohr und Frösteln ein, worauf Hitze und Schweiss und
nach einigen Stunden ruhiger Schlaf folgten. Die Kr.
hatte vorher in einer Gegend gelebt , die zwar frei von
Malaria sein sollte , jedoch jedenfalls als ungesund zu be-
zeichnen war (schlechter Geruch im Hause , öfters Dlph-
theritis und Typhus). Die Kr., in ein Spital aufgenom-
men , kam G r. auf einige Zeit aus dem Gesicht. Später
erschien sie in unre<?elmä8sigen Zwischenzeiten wieder.
Das Frösteln trat seltner auf und die regelmässige Folge
der Erscheinungen war verwischt; es bestanden öfters
Kopfschmerzen, neuralgische Schmerzen im Gesicht,
Uebelsein , zuweilen Erbrechen ; die Entzündung im lin-
ken Ohr war constant und es zeigte sich hier keine Nei-
gung zu Vemarbung , während rechterseits die Perfora-
tion sich sehloss.
Pilzbildung im Ohr»
Charles Henry Burnett (Amer. Journ. of
Otol. I. p. 10. 93) schickt der Beschreibung der von
ihm beobachteten Fälle eine recht sorgfältige Ueber-
sicht über die Literatur der Ohrpilze nnd die ver-
schiedenen im Ohre gefundenen Arten derselben,
die sämmtlich der Abtheilung der Arthrosporen an-
gehören, voraus. Einige der hierher gehörigen
Pilze wurden auch in tuberkulösen Limgen , beson-
ders von Vögeln, doch auch von Menschen gefunden.
Als specifischen Ohrpilz betrachtet B. mit W reden
182
Schür ig, Ofarenheilkonde.
den Aspergillus , wenigstens wird derselbe in ahn-
Hoher Foim wie im Ohr nicht anderwärts angetroffen.
Er zieht den Bezeichnungen Aspergillus nigricans
und glaucus die AnsdiUcke Asperg, major u. minor
vor, da die Farbe der fruktificirenden Hyphen weder
nnvei'änderlich , noch entschieden genug sei, um
hierauf eine Eintheiiung zu gründen. Der Asperg.
nigric. (major) wird bei Weitem häufiger gefunden
als der Asperg. glauc. (minor) ; beide Formen sind
leicht unterscheidbar durch die Form ihrer Frucht-
köpfe und die Anordnung der Sterigmata, worauf
B. ihre Nomenclatur gründen vmöchte ; beide For-
men erregen dieselbe hartnäckige und schmerzhafte
Entzündung im Ohr. Einer sehr anschaulichen, mit
Abbildungen mikroskop. Präparate versehenen Schil-
derung der Entwicklung des Pilzes von den ersten
Wnrzelfasem an bis zur ausgebildeten Spore lässt
B. eine Beschreibung folgen, wie die Pilz Wucherung
im Ohr sich darstellt* Der Asperg. zeigt die Tendenz,
über das Trommelfell zu wuchern und ist im Beginn
der Ansiedlung im Fundus des Gehörgangs als blass-
gelber Fleck wahrzunehmen ; von da aus über die
Gehörgangswände sich ausbreitend , füllt er allmälig
den Gehörgang ganz aus; der dadurch gebildete
Pfropf sieht aus wie nasses Zeitungspapier oder
Wolle, während der gewöhnliche Olirenschmalzpfropf
solider , glänzender und trockner erscheint und nie
solche Schmerzen und Entzündungen erregt wie der
Pilz, der sich auch nicht, wie ersterer, durch blosses
Eingiessen von Wasser oder Glycerin von den Wän-
den lösen lässt ; in Zweifelsfäilen wird das Mikro-
skop den Ausschlag geben. Es folgen nun 20 Fälle
von Asperg. im Ohr.
1) Bei einem ISjähr. , den bessern Standen ange-
hörenden Madchen, dem ein Trommelfell seit längerer
Zeit schon zerstört war, entwickelte sich eine Pilzansiede-
lung in der Paukenhöhle, und zwar am Dache derselben,
in der Qegend des Antr. mast. , so dass dieselbe vom
Aage direkt nicht gesehen werden konnte. Aeusserer
Gehörgang blieb gesnnd.
2) Asperg. nigric. im linken Ohr einer 40Jähr. Dame ;
die ganze Wucherung, einen Abguss des Gehörgangs und
Trommelfells darstellend , wurde mit der Zange entfernt.
Die Kr. lebte in einem feuchten Hause und war schwer-
hörig in Folge mehrfacher Becidive von katarrhal. Otitis
media.
8) Asperg. nigric. im rechten Gehörgang eines 60Jähr.
Generals , der an Otitis med. pural. mit kleiner Perfora-
tion gelitten hatte. Trommelfell von einer Pseudo-Mem-
bran überzogen, die aas Pilzfäden bestand. Therapie:
absoluter Alkohol 3mal täglich, wie in den frühern
Fällen.
4) Asperg. in beiden Ohren einer 35jähr. Dame
neben akutem Ekzem der Ohrmuscheln. Ausspritzen der
Ohren mit verdünntem Alkohol; gegen das Ekzem Be-
pudern mit einem Pulver aus gleichen Theilen Zinkoxyd
und Stärkemehl. B. vermuthet, dass die Gehörgänge
durch öfteres Kratzen mittels einer Haarnadel wund ge-
worden waren, wodnroh dem Pilse die Ansiedlung er-
leichtert worden war.
5) Asperg. im Ihiken Gehörgang eines 28Jähr. Herrn,
den ganzen Gehöigang ausfallend. Der betr. Herr war
vorher mit Höllensteinlösung behandelt worden , weshalb
der Pilz ganz schwarz (wie schwarze Wolle) aassah.
6) Asperg. im rechten Gehörgang eines 36jähr. Fraa-
leins, leichter Fall ohne Entzündung, nur Jacken.
Alkohol.
7) Asperg. im rechten Gehörgang eines 40Jälir. Herm,
der seit Jahren an Unkseitiger Otorrhöe gelitten. Znr
Zeit linkes Ohr trocken ; rechtes Trommelfell mit einer
zarten Pilzmembran bedeckt. Absol. Alkohol.
8) Asperg. im rechten Ohr eines löjähr. BnrscheB,
dem Jüngsten Individnam , bei dem B. PilzwnchernngeD
im Ohr gefunden hat. — Gehörgang erfüllt von Pilzen,
eingehüllt in Ohrenschmalz ; weder Jacken noch Entzün-
dung. B. schreibt der schützenden Wirkung des Ohren-
schmalzes die Abwesenheit der genannten Symptome zu,
wie denn überhaupt der Pilz bei Anwesenheit von Ohren-
schmalz keinen günstigen Boden finde.
9) Asperg. in beiden Gehörgangen eines ITJahr.
Menschen , der vorher an Ekzem der Ohren gelitten,
10) Asperg. im linken .Gehörgang eines 30Jähr.
Herm , feine Pilzmembran über dem Trommelfell ; ekze-
matöse Ausschläge über den Körper seit mehreren Jah-
ren ; seit 1 Mon. Jacken und seröser Ausfluss. Verdünn-
ter Alkohol.
11) Asperg. im linken Ohr eines 67Jfthr. Weinbänd-
lers (ältester Fat B.'s). Sitz auf der vordem Hälfte des
Trommelfells und der vordem untern Gehörgangswaad.
Mechanische Entferaaug und danach Alkoholinstillationea.
Zweimaliges Becidiv innerhalb der nächsten 5—6 Wo-
chen.
12) Asperg. im linken Ohr eines SSJ&hr. WoU-
Kramplers. Gehörgang ganz gefüllt mit Pilzen. B. sncht
in der Beschäftigang des Kr. die Gelegenheitsarsache.
13) Asperg. in beiden Ohren eines 62jähr. Herrn.
Nach Ausspritzen von Ohrenschmalz ähnlichen Pfropfen
mehrere Recidive auf dem tum Theil von Epidermis ent-
blössten rechten Trommelfell. Instillation einer Lösang
von unterschwefligs. Natron brachte Heilang. Nach
einem Jahre Reddiv: auf dem linken Ohr als grosser
Pfropf, rechts in geringer Menge. Einspritzangen von
verdünntem Alkohol.
B. führt alle nöthigen Hülfsleistungen selbst aus und
lässt derartige Kr. zn Hause nichts thun , da sie leicht
das Ohr reizen. — Der Kr. hatte die Gewohnheit, grosse
Quantitäten von Seifenwasser zn gründlicher Reinigung
in die Ohren zu glessen ; dadurch wurde der «natüriiche
Protektor" des Gehörgangs , das Ohrenschmalz , wegge-
waschen und dem Parasiten aaf der gelockerten Haut ein
günstiger Boden bereitet.
14) Asperg. im linken Gehörgang eines 24jähr. Fräu-
leins, der sich 4—5 Wochen nach der Entfernung eines
Polypen von der Membr. flaccida entwickelt hatte. Hei-
lung durch Alkoholinstillationen. Recidiv nach 3 Mon.,
ein zweites nach abermals 3 Monaten.
15) Asperg. im linken Ohr eines 42jähr. Nachtwäch-
ters. Trommelfell perforirt. Ueber das Trommelfell and
um die Perforation weissliche, filzartige Wacherungen.
Leichter Aasfiass. Fat. blieb weg vor vollendeter Hei-
lung.
16) Asperg. im linken Ohr eines 37jähr. Katschen.
Entwicklung des Pilzes um einen alten Perforationsrand
des Trommelfells, von wo er sich in die Pauke erstredcte.
Ausspritzungen und Instillationen von verdünntem Alko-
hol. Leichte Recidive , die endlich mit Heilang der Per-
foration aufhörten.
17) Asperg. im linken Ohr eines 22jähr. Ck>mmi8; i
Jahre vorher eitrige Mittelohrentzündung. Nach Besei-
tigung wieder aufgetretener Granulationen im Gehörgang
Pilzwucherang daselbst. Heilang durch EUnspritzangea
von verdünntem Alkohol und später Instillationeii vM
essigs. Blei.
18) Asperg. in beiden Ohren eines 34jähr. Herrn,
der seit 3 Jahren schwerhörig nach einer Erkältung war;
kein Ausfluss. Seit einigen Wochen starkes Jookea.
Ekzem der Ohrmuscheln , Pilze in den Gehörgäoges. —
Pat. blieb weg nach einigen Besuchen.
19) Asperg. im rechten Ohr einer 40jähr. Dame, die
früher öfters .^i^le von Ohrenschmerz und sodann Ads-
fiuss rechterseits bei perforirtem Trommelfell gehabt
Schurig, Ohrenheüknnde. 183
Sl^^'^aÄd^tTrÄ' "^*''«'"-»^' 39J6 Ohrerkrankungen nur 30 PäUe v«,gekomn.en
20) ÄMperg. im rechton Gehörgang eines 40jähr. ®'"^/ '" "^"^'^ "*^ Erkrankiing der Syphilis zuge-
Hem, der vor einigen Monaten eine Entsündung im Ohr, schrieben werden konnte. Gleichwohl hält er den
gegen die Cacaobatter eingestrichen worden war , gehabt Procentsatz für höher, da die Schwierigkeit des Er-
den Gehörgangswänden. Einige Tage nach HeUung der- ^^^^^^ **"« unerkannt lassen mögen. — Nur in
selben PUaentwiclclnng. 2 Fällen war die Ohrmuschel Sitz des Leidens.
Nach B.'s Erfahrungen findet sich die Krank- l) £in 26jähr. Mann, angesteckt vor 4 J., hatte vor
hat öfter bei den bessern StÄnden : die Hauptursache ^ ^^"- Halsbeschwerden und Ausschlag im Gesicht, vor
der Entstehung schreibt er dem öftern Kratzen mit aV^in ttttr Ä" • "" "''•''' ^^/ l>ekommen zu dem
n ji ^ A rw. iure 1 j i. j. ^ i ^*^" *° letzter Woche ein geringer Ausfluss gesellt hatte,
flaunadel oder Ohi-löffel zu , wodurch die Gehör- Tragus und äusserer Theil des Gehorgangs geröthet, ge-
giogswände gereizt und das Ohrenschmalz entfernt schwollen und empfindlich; tiefes Geschwür an derOhr-
wird, welches letztere als ein Schutzmittel gegen die ™"«<^^eJ oberhalb der Mündung des Gehorgangs im Be-
iDfektion zu betrachten ist; ferner ist er der An- ?"" ^fJ/Tpuf '',' ^»«^«'i^tton des Geschwürs mit
-j-i.* j.« ^ u E>- • f\ t j> r^l j ^^' °^*'' ^ Blutegel vor den Tragus. — Pat. erschien
ttht, daas durch Emgiessen von Oel oder Fett oder nicht wieder.
dareh eingetrockneten Eiter die Entwicklung von 2) Ein 32jähr. Mann von schwächlicher Constitution
Pillen begünstigt wird. — Die Therapie anlangend, littansyphllit. Erkrankung der Nasenknochen ; ein grosser
»empfiehlt B. die Entfeniung des Pilzes durch die Ji!fh" nlt« J^'^l^r.^"''*' '''?' von einem Schorf bedeckt,
8..^*,« A A u K • u .XX 1 w !x 1 "^° dessen Entfernung em rundes Geschwür zu Tage
^ntze oder durch Auswischen mittels Watte und kam, das unter Anwendung einer Sol. arg. nitr. heilte.
bä fest anhaftenden Massen als pilztödtendes Mittel Vorher hatte Pat. eine Zeit lang Jodkalinm genommen.
Alkohol (rein oder verdünnt) oder unterschwefligs. ^) ®*" 44Jähr. Mann, der vor einem Jahre einen
Nitren (0 15 40 O'S Sollte wie es oft dpr Fall ®<^***'*'^®' gehabt, litt seit einer Woche an Ohrschmerz
kPt,:"\ ^I PI ^^"^^^ ^>^.«f ^" «f^**" und Ausfluss linkerseits. Das Trommelfell war roth, ge-
irt, Ekzem zu der Pilzerkrankung sich gesellen, so schwollen, nach unten perforirt ; in der äussern Hälfte
UHfls diess nach allgemeinen Prmcipien behandelt der nntem Gehörgangswand ein Geschwür, das durch die
werden ; man wende jedoch die Mittel in pulver- Ohrmuschel nach aussen begrenzt war ; die Pharyngeal-
ftnniger Gestalt an und vermeide Oele und Fette. ^"hl"^*"* ^^^ Schwellung und charakteristische
Erkrankmigen des Gehörorgans bei Typhus 4) Ein 28Jähr. Mann, vor 16 Mon. angesteckt, be-
txonthematicus, — Hartmann (Ztschr. f.Ohkde. merkte vor 7 Mon. etwas Ausfluss aus dem rechten Ohr,
p.207) untersuchte 130 männliche Keconvalescenten *®'' "*®^ einigen Wochen schwand, jedoch später wieder-
m Flecktyphus, bei denen sich in 42 Fällen (32.30/.) |,'^|?'*^ ZtulZ^^f """^^ /^'*^*T*^- ^?^ ^™«'» ^«»
HÄ«rfx«.« \r f A A \ fOJ äussern Gehorgangs war fast völlig verschlossen durch
üörstömngen fanden, und zwar : einen das Orificium umgebenden u. gegen die Ohrmuschel
Cemnienaosammlang im äussern Gehör- seharf abgegrenzten , etwas erhabenen Kranz, anschei-
gsag in 6 Fällen nend von GranuUitionsgewebe , das sieh in den Gehör-
TobeuBchwellung mit Katarrh der Pau- «f^ hinein fortsetzte. Näher zusehend erkannte man,
kenhöhle „14 „ dass dieses Gewebe aus kleinen Vegetationen oder Papil-
Otitls media acuta ohne Perforation . . „ 4 „ lomen von blassrother Farbe und etwa Hanfkomgrösse
• j, „ mit Perforation . . „ 9 „ bestand, die härter als gewöhnliche Grannlationen waren;
(3mal doppelseitig) Drüsen auf dem Proc. mast. stark geschwollen, in gerin-
Fröher vorhandenes Sausen und Schwer- gerem Grade auch die Oecipitaldrüsen ; Abschuppung des
hörigkeit verstärkt „3 „ Haarbodens; Schleimpapeln auf der linken Seite des
Frfiher vorhanden gewesene Otorrhöe Velum palatinum. Theriqne: Einreibungen von Merkur-
wicder aufgetreten „1 „ Oleat (jede Nacht 1 Drachme (ca. 4 Grmm.), Hydr.
Swaen ohne Befund „2 „ bichlor., 3mal täglich Va« Gran ca. 2 »Igrmm., Abschnei-
Ubyrintherkrankung „ 3 „ den der grossem Vegetationen, Aetzen der kleinem mit
Fast in allen Fällen von Typh. exanth. fand ^^1: J'^nn ^^'o^*^*''^- ^ v ^w'' 'P*^' Jodkalium.
si.1. n^K^« ^11 o ' ' A iz e i X, Nach a Mon. waren die Vegetationen eingeschrumpft,
Wi neben allgemeiner Hypeiamie des Kopfes hoch- Trommelfell unverletzt. (Behandlung noch nicht abge-
gridige Hyperämie und Schwellung der Nasen- und schlössen.)
Bachenschleimhaut, was beim Lebenden und an der ^) ^^°® 26jähr. Frau, die vor 2 Mon. eine akute
l4Hche zu constatiren war, und an welchen Erschel- Ä^ctrun^Ä^ ^ ^'.^^iT'
nnnoa» ^:^ u» AVI A *u .1 u »naochweUunghmter dem Ohr; Erleichterung durch den
aoBgen die Hörorgane wesentiichen Antheil nahmen. Wüd^Mhen Schnitt. Meatus verschlossen durch eine
im AUgememen war der Verlauf und Ausgang der Anzahl warzenähnlicher Exkrescenzen von fester Textur,
&knnkungen ein sehr günstiger indem Heilung ^®^®" grösste (erbsengross) an der Basis des Tragus breit
eintrat. - Es stimmen die Beobachtungen H.^s, SL^Tiihte^^^^ "mgab die Wucherungen,
vffli.«!. A'^ Q u u- • 1 •* X . Ol i. j Da gleichzeitig ein syphiht. Ulcus an der Vulva bestand,
wonach die Schwerhörigkeit erst im Stadium der wurde syphilit. Natur des Ohrieidens angenommen. Pat.
aMonvaleseens auftrat, nicht mit denen von Lebert kam nicht wieder.
(«. Zemssen's Handbuch : Infektionskrankheiten) Da B u c k eine Klassifikation der syphilit. Ohr-
fterein, nach welchem die Kr. Ende der 1. oder leiden -des mittlem und innem Ohres auf patholog.
"Ängs der 2. Woche meist schwerhörig seien. Basis zur Zeit noch für unausführbar hält, so benutzt
üebei syphiUUsehe Afektionen des Ohres be- er zu übersichtlicher Darstellung seiner Fälle fol-
*htet Albert H. Buek (Amer. Joum. of Otol. I. gende Eintheilung: 1) der patholog. Zustand des
1|P.25; Jan.) — Zum Beweis der Seltenheit syphi- Mittelohres scheint ausreichend, die vorhandene
»"eher Ohraffektionen führt B. an , dass ihm unter Schwerhörigkeit zu erklären (syphilit, Erkrankung
n
184
Schurigy Ohrenheilkunde.
des Mittelohres) ; 2) das normal gefnndene Mittelohr
gieht keine Erklärung der hochgradigen Schwer-
hörigkeit (syphilitische Erkrankung des Hörnerven);
3) das Mittelohr wird krank gefunden , doch niclit
schwer genug, um die vorhandene Schwerhörigkeit
zu erklären (syphilit. Erkrankung des Mittelohres und
Hömerven). Die folgenden 7 Fälle gehören der
1. EUisse an.
6) 24Jähr. Mann, seit 8W., besonders links, schwer-
hörig. Hammerg^ff und peripher. Trommelfellgefässe in-
jicirt, Membran massig getrabt; Tonsillen vergrösert,
roth, stellenweise ulcerirend. Pat. giebt syphilit. An-
steckung zu. (Weiteres fehlt.)
7) 35jähr. Mann, vor 8 Mon. syphilitisch angesteckt,
seit Kurzem Ausfluss aus dem rechten Ohr ohne akute
Erscheinungen. Trommelfell roth, geschwollen; mit Eiter
bedeckt, mit dem Promont. verwachsen. JodkaUnm inner-
lich , lokal : schwache Solution von essigs. Blei. Pat.
blieb weg.
8) 23jähr. Arbeiter mit Schmerz im linken Ohr;
Trommelfell verdickt, geröthet, Grenze mit der obem,
gleichfalls gerotheten und geschwollenen Oehörgangswand
verstrichen. Syphilit. Geschwüre am Gaumen. Pat. kam
nicht wieder.
9) Ein 26jähr. Mann mit herabgekommener Consti-
tution, hatte vor 3 J. Schanker, dem sjrphilit. Exanthem,
Pharyngitis u. s. w. folgten. Schmerz und Ansfluss im
linken Ohr seit einer Woche; Trommelfell roth, geschwol-
len, nach vom kleine Perforation, Proc. mast. bei Druck
empfindlich ; ausgedehnte syphilit. Ezulceration am wei-
chen Gaumen. Incision des Trommelfells zu freier Ent-
leerung des Eiters und, da nach einigen Tagen trotz Ap-
plikation von Blutegeln der Proc. mast. schmerzhafter
und mehr geschwollen war , Wilde'soher Schnitt. Zehn
Tage später hatte der Ansfluss aufgehört , der Kr. war
schmerzfrei. Weitere Data fehlen.
10) Ein 37jähr. Mann von etwas schwächlicher Con-
stitution hatte vor 3 Mon. doppelseitige Otitis med. purul.
gleichzeitig mit syphilit. Halsentzündung ; seitdem hoch-
gradige Schwerhörigkeit, oonstantes Sausen. Trommel-
felle roth und gesehwoUen, links perforirt, innere Ge-
hörgangsabechnitte geröthet; weicher Gaumen mit der
Bachenwand verwachsen, syphilitische Ulcerationen.
(Weiteres fehlt.)
11) Ein24jähr. gut genährter Mann litt seit mehreren
Wochen an doppelseitiger Otorrhöe, die ohne akute Sym-
ptome begonnen hatte. Syphilit. Geschwüre am Yelum.
Rechts Trommelfell geröthet, stark geschwellt, an 2 Stel-
len perforirt. Weitere Notizen, besonders auch vom lin-
ken Ohr, fehlen.
12) Ein 37Jähr. Mann von guter Constitution bemerkte
vor 7 J. zuerst Abnahme des Gehörs und Sausen, welche
Symptome allmälig zunahmen, so dass er bei der Unter-
suchung die Sprache nur mit erhobener Stimme verstand.
Beide Trommelfelle waren weisslich getrübt; Pharyngeal-
schleimhaut blase, sklerosirt. Trotz Behandlung bedenk-
liche Verschlimmerung während der nächsten 6 Monate :
constante Schmerzen im Ohr, Ausfluss und Perforation
erst links, später auch rechts. Nachdem links die Per-
foration geschlossen schien und der Ansfluss einige Zeit
aufgehört hatte, traten die Erscheinungen von Neuem auf
unter fortwährenden Sehmerzen und steter Abnahme des
Gehörs. — Pat. blieb jetzt weg, erchien abernachSMon.
bedeutend verschlechtert wieder. Er war sehr abgezehrt,
hatte schmerzvollen Ausdruck im Gesicht, schwachen und
frequenten Puls, Schmerzen in der linken Kopfseite;
Unks fötider, reichlicher Ausfluss, rauher Knochen am
innemEnde der obem Gehörgangswand mit der Sonde
zu fühlen ; Gehör fast erloschen ; das rechte Ohr im Aus-
sehen gegen früher wenig verändert, das Gehör ebenfalls
fast erloschen ; einen Monat später konnte der Kr. kaum
mehr gehen , die luike Qesichtshälfte war gelähmt , die
Zunge geschwollen nnd nloerös. Jetzt erst gab er eine
vor 10 J. gehabte Ansteckung zu, auf welche Halsentzün-
dung nnd andere „charakteristische" Symptome gefolgt
waren. (Erschien nicht wieder.)
Von der 3. Klasse stehen B. 11 Fälle zu Ge-
bote, die einander jedoch so ähnlich sind, dass nur
2 davon angeftlhrt werden.
13) 24jähr. Mann, hatte Schnupfen während 2 Mon.
nnd litt an stetig znnehmender Schwerhörigkeit. Beide
Trommelfelle glanzlos und getrübt; Schleimpapel aneinei
Tonsille. Schanker vor 4 Monaten.
14) 35jähr. Mann von sehr guter Constitution ; sebi
rasche Abnahme des Gehörs auf dem rechten Ohr ; Trom-
melfell ghinzlos, milchig, etwas eingesunken; Pharys-
gealschleimhaut roth, geschwollen. Syphilis neuem Dt-
tums.
Die 2. KUsse , in welcher patholog. Verände-
rungen des Labyrinths anzunehmen sind, charak-
terisirt B. durch folgende 7 Fälle.
15) Ein 31 jähr. Mann, rechts seit vielen Jahred
schwerhörig, wurde vor 18 Mon. syphilitisch angesteckt;
seit 10 Mon. Abnahme des Gehörs links; im äussern und
mittlem Ohr keine Abnormität.
16) Ein 19Jähr., gesund aussehender Mann, der
18 Mon. früher einen Schanker gehabt, verlor plötzlich
vor 2 Mon. das Gehör fast total. Ausser einem kleines
Geschwfir an der Zungenspitze keine syphilit. Symptome.
Antisyphilit. Behandlung (Einreibungen von Quecksilber-
Oleat, Jodkalium in grossen Dosen) brachte in wenigcB
Wochen entschiedene Besserung.
17) Eine 46jähr., etwas anämische Lehrerin, seit
Kindheit rechts total taub, fühlte seit einigen Wochen Ab-
nahme des Gehörs lUiks, leichte Sclunerzen und VöUe in
Ohr. Linkes Ohr bot nichts Abnormes ; rechts stark ve^
dicktes Trommelfell. In den nächsten Wochen neben
fortschreitender Hörverminderung Sausen und Schwindel
Jodkalium (3mal täglich 16, später 20 Gran ; 0.90— l.M
Grmm.) besserte das Gehör und brachte Schwindel vod
Sausen bis auf leichte Nachklänge zum Yerschwindea.
Die Kr. war frfiher von verdächtiger Periostitis beidoi
Tibiae befallen gewesen, woraus B. auf syphilit. Charaktei
auch der Ohraflfektioa schloss.
18) Ein 21Jähr., etwas anämischer Mann verlor ym
13 Mon. plötzlich das Gehör linkerseits und vor 12 Wl
auch rechterseits. Er leugnete syphilitische Ansteck
hatte aber in den letzten Jahren öfters Halsbeschwerdi
und Kopfschmerz , vor einem Jahre Iritis gehabt ; bei
Trommelfelle glanzlos, etwas verdickt, sonst nichts
normes. Antisyphilit. Behandlung brachte keine nenn«
werthe Besserung.
19) Ein 35Jähr. Mann hatte vor 10 J. Schanker, d
sekundäre Symptome folgten und gleichzeitig linksdi
Otorrhöe, die wieder verschwand. Jedoch das linke
taub machte; neuerlich Sausen und Beschwerden
rechten Ohr ; stolpernder Gang. Das linke Tronuneli
zeigte in der hintern Hälfte eine grosse Narbe, das
war etwas eingesunken ; die Nasopharyngealschleim
bot Zeichen früherer syphilit. Erkrankung. Als der
11 Mon. später sich wieder zeigte, war er ganz tanl
Gang ebenso stolpernd. Keine weitem Data.
20) Ein l^ähr. Knabe von schwächlicher Constii
lion, der im 7. Jahre an der Nase gelitten, war seitd
taub geworden; weder Ohrenschmerz, noch Ohrenfli
war dagewesen. Beide Trommelfelle verdiekt und we'
lieh gefärbt, während sie an der Peripherie roth eis'
neu ; Yelum palat. geschwollen, an der rechten Seite
uicerirt; tiefe Narben in beiden Submazillargegend
Verbreiterung derNasenbrficke ; Mundathmen [heredi'
Syphilis ?]. Antisjrphilitische Behandlung besserte die
sammtconstitntion und die lokalen Ersoheinangen ,
aber keine Wirkung auf die Taubheit.
21) Ein 45Jähr. Mann wurde vor 18 Mon. Iiiütf<^
gelähmt und schwerhörig auf dem linken Ohr;
Scharig, Ohrenheilkunde.
185
C Mob. TOiiier hatte er zuweilen doppelt gesehen ; vor
i MoD. verlor er das Gehör rechts nnter Schwindel-
endieinaiigen , die seitdem noch zunahmen. Der Kr.
war vor 10 J. syphiUtisoh gewesen. Beide Ohren nahezu
Mimal. Jodkalium. Verliess ror Vollendung der Kur
d» Spital.
SehliBstich wirft B. die Frage auf, ob die patho-
log. VerflnderoDgen , welche durch Syphilis am 6e-
hdioifane bewirkt werden y genügend deutlich und
dmakteristisch sind, am dieselben als solche, ohne
Zohflifenahme anderweiter begleitender Erscheinun-
gen; zuerkennen. Die Antwort lautet, dass wir,
il^geaehen von einigen patholog. Vorkommnissen am
ioBsein Ohr (Geschwtlre, Kondylome), nicht im
Stinde sind , aas dem Ohrbefond die Diagnose sn
Men , B. spricht aber die Hoffnung aus , dass bei
grOaBerer Erfahrung auch hierin sich mehr Licht ver-
breiten werde. Bei den Fällen, welche B. als Er-
knnkangen des Innern Ohres aufgeführt hat, Hess
aeh der Sitz der Veränderungen , welche Schwer-
liörigkeit, schwankenden Gang u. s. w. erzeugten,
ueii an der Innenwand der Paukenhöhle (rundes
ader ovales Fenster) denken , da Veränderungen an
fiesen Stellen ftlr die instrumenteile Untersuchung
kdoe Symptome machen. Ueberhaupt hält B. den
Ausdruck „Labyrinth-Erkrankung'' für jetzt nur da
fiir völlig gerechtfertigt , wo die Sektion patholog.
VeAnderungen im Labyrinth nachweist, obschon er
agiebt, dass fOr eine Reihe von ErankheitsAllen
ein besserer Ausdruck schwer zu finden sei.
H. Knapp (Ztschr. f. Ohkde. VIIL p. 122)
lieschieibt folgenden Fall von ^^Kondylomen in hei-
den Gehörgangen".
Ein 38Jähr. Mann war vor 6 Mon. syphilitisch an-
lateek tworden ; 2 Mon. später zeigten sich, ausser einem
AuBchUg über den Körper, sowie Schwellnngf derLymph-
irüen und Abnahme der Kräfte , in beiden Gehörgangs-
ttmngen rothe Flecke, die sich nach und nach über die
Oberfliche erhoben, an Zahl nnd Gr5sse znnahmen und
inerluüb der nächsten 4 W. den Gehörgang erf&llten ;
Ubei dünner Ansflnss, hier nnd da Schmerz und Sehwer-
^keit. K. fand die Gehörgangsöffinnngen rings mit
vtnenartigen Ezkrescenzen besetzt, deren Oberfläche
^eerirte und nässte; daneben ein papnlöses Syphilid
iber den Körper; Geschwüre am Gaumen. Therapie:
Cabnnel innerlieh, Einreibung vonlJng. ein. (3mal taglich
1 Drachme; ca. 4 Grmm.), örtlich Reinigung des Ohres
■it wannem Wasser, Aufstreuen von Calomelpnlver, Be-
ftawin der Kondylome mit Solut. arg. nitrici. Nach
1 Wochen Schwellung der Gehörgange zurückgegangen;
^e Trommelfelle nach vorn und unten perforirt. Hei-
^ nach 3 Mon. mit Verschluss der Perforationen. Hör-
vcmögen für Geräusche vermindert, für die Spraehe
MnnaL
K. hält nach dem günstigen Verlaufe dieses
sskweien Erkranknngsfalles die Stellung einer guten
^gBose in analogen Fällen für gerechtfertigt und
^pfiehlt die angewandte Therapie.
Maligne Tumoren,
Delatanche fils (Arch. f. Ohkde. XV. p. 21)
fteOt folgenden Fall von Epithelialkrehs des äussern
Gthörganga mit.
Eise 45jähr. Frau von lurüftigem Knochenbau , je-
f to bieiehem abgemagerten Gesicht , litt seit 1 Jahr an
Ved. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 2.
heftigen Schmerzen im rechten Ohr , die nach der ganzen
rechten Kopf hälfte ausstrahlten. Die Affeiction hatte mit
dem Erscheinen eines kleinen harten Knötchens an der
Innenfläehe des Tragus begonnen , das exulcerirte , bald
den ganzen Tragus zerstörte und auf den Umfang des
Gehörgangs sich ausdehnte ; seitdem sehr übelriechender
Ausfluss ; erbliche Anlage nicht nachweisbar. In früher
Kindheit hatte die Frau an rechtseitiger Otorrhöe gelit-
ten , die seit dem 14. Jahre mit Entwicklung der Menses
verschwunden war. Befund am 14. Februar 1878 : Ohr-
muschel intakt ; an Stelle des Tragus grosser Substanz-
verlust; Gehörgang erweitert, Wandungen und Hinter-
grund desselben mit fleischigen Wucherungen bedeckt ;
bei P o 1 i t z e r 's Verfahren Perforationsgeräusch ; heftige
subjektive Geräusche ; das Hörvermögen für die Sprache
schien rechts nicht ganz aufgehoben.
Durch die mikroskopische Untersuchung einer
abgeschnittenen Granulation wurde die auf primären
Epithelialkrebs gestellte Diagnose bestätigt. Die
Therapie war palliativ : öftere Anwendung des Gal-
vanokanter, Morphium in grossen Dosen , gegen den
üblen Geruch Injektionen von mit Chlorblei gesät-
tigtem Wasser.
Nach anscheinender Besserung in den ersten Wochen
machte der destruktive Process, besonders nach vorn und
aussen, erhebliche Fortschritte. Die £ingangsö£fnung
des Meatus verwandelte sich in einen kraterförmigcn
Hohlraum, der Unterkiefer wich stark nach links ab
wegen Zerstörung seines Gelenks ; Infiltration des Zell-
gewebes u. der Drüsen längs des M. stemo-cleido-mastoi-
deus. Anfang Mai beginnende Facialislähmung ; Eau-
bewegungen sehr erschwert, daher nur flüssige Nahrung ;
Schwellung und Röthung derWeichtheile über dem Proc.
must. ; allmälige Lösung der Ohrmuschel , die Mitte Juli
abfiel; an der untern Gehörgangwand eine kleine Oeff-
nung , durch welche die Sonde ca. 4 Ctmtr. tief in der
Hichtung der Keilbeinhöhle vordrang. Abnahme des
Sehvermögens und Hervortreten des rechten Bulbus , Pu-
pille enger als links , schwach reagirend ; Geschmack und
Geruch rechts beinahe aufgehoben. Einige Tage vor dem
Tode, der am 27. Oct. eintrat, Regurgitation der genosse-
nen Flüssigkeiten (Lähmung des Velum palat.) ; während
des ganzen Verlaufs keine nennenswerthen Bhitangen,
keine Delirien, volle Geistesklarheit.
Sektion. Körper des Keilbeins nebst dem rechten
Schläfenbein fast völlig zerstört ; Gehirn und Sinus nor-
mal ; Dura-mater verdickt, sonst bis auf einige weissliche,
bis erbsengrosse Auflagerungen gegenüber der Austritts-
öffnung des N. max. sup. und auf ihrer dem Knochen zu-
gewendeten Seite normal ; hinterer Theil des Stirnbeins.
Keilbeinflügel, der vordere untere Theil der Schläfen-
schuppe zerstört , so dass hier das Gehirn nur durch die
Dura geschützt war; Pars petrosa des Schläfenbeins osteo-
malacisch erweicht. Bulbus nach vorn gedrängt durch
eine weissliche, cylindrische Masse (Cancroid), die im
Grund der Augenhöhle , nach aussen vom N. opt. , die
äussere Knochenwand durchbohrte ; Nasenhöhle u. Retro-
nasalraum, überhaupt alle durch die Fascia bucco-pharyng.
von dem carcinomatösen Herd getrennte Theile normal.
Der äussere Theil des Gehörorgans war in einen Hohl-
raum von 8 Ctmtr. Höhe und 6 Ctmtr. Breite verwandelt ;
Proc. zygomat. bis zum Jochbein verschwunden , keine
Spur vom aufsteigenden Aste des Unterkiefers , von der
Parotis nur noch zerstreute Läppchen vorhanden ; Mus-
keln und Gefässe dieser Gegend in der Krebsnuisse auf-
gegangen. Trommelfell, Hammer und Ambos zerstört,
Steigbügel erhalten; Warzenfortsatz ebumisirt; inneres
Ohr nicht untersucht.
D. betrachtet den mitgetheilten Fall als Unicnm,
insofern der carcinomatöse Process vom Tragus aus-
ging j welche Annalime durch das Fehlen jegliclien
24
186
Schnrig, Ohrenheilktmde.
Ausflusses im Beginn der Erkrankung, der erst ein-
trat, nachdem der Tragus nebst Umgebung durch
Ulceration sclion zerstört war, gerechtfertigt erscheint.
Abweichend von den von Schwartze u. Lucae
mitgetheilten Fällen von Carcinom im Mittelohr,
blieb der Proc. mast. intakt , was wohl der in der
Kindheit überstandenen Entzündung im Mittelohr
und dadurcli bewirkten Sklerose des Knochens zuzu-
schreiben ist. Auffallend ist ferner die Widerstands-
fähigkeit der fibrösen Häute , der Dura-mater einer-
seits, wodurch das Gehirn geschützt blieb, sowie der
Fascia bucco-phaiyng. andererseits, welche ein Ueber-
greifen der Affektion auf die Nasopharyngeal-Region
hemmte.
Ein Fall von Rundzellen - Sarkom , ausgehend
von der TrommeUiöhle wird von ArthnrHart-
mann (Ztschr. f. Ohkde. VIIl. p. 213) mitgetheilt.
Ein 3V2 J. alter Knabe von blühender Gesundheit
war vor 4 Wochen mit wässrigem Aasfluss ans dem rech-
ten Ohre erkrankt. H. fand den GehOrgang von Polypen
ansgefüilt , die , zum Theil mit der Schlinge abgetragen,
rasch recidivirten nnd dann gründlich erst in der Narkose
entfernt werden konnten ; sie entsprangen von allen Sei-
ten des innem Endes des Gehörgangs nnd ans der Pan-
kenhöhle ; Trommelfell und Knöchelchen fehlten. Nach
wenigen Tagen schon erneute Wucherung der Stümpfe,
die sich auch nach einer zweiten gründlichen Entfernung
nnd Kauterisation wiederholte. Schwellung der Ohr-
gegend und Parotis ; Abscess hinter nnd nnter dem Ohr,
der mit dem Gehörgang communicirtc ; drüsenartige Kno-
ten hinter n. unter dem Ohr, sowie am Eingang des Meatus.
Die mikroskopische Untersuchung eines ausgeschnittenen
Stückes erwies dieselben als Rundzellensarkom , dessen
Durchschnitt markähnliche ßeschaflfenheit bei röthlicher
Färbung n. in spärliche Intercellnlarsubstanz eingebettete
Kundzellen und einzelne spindelförmige Elemente zeigte.
Stetige Zunahme der Geschwulst bis zu Gänseeigrösse,
Abhebung der Ohrmuschel. Bronchialkatarrh , Appetit-
losigkeit, Diarrhöe, grosse Abmagerung, anhaltende
Schlaflosigkeit wegen heftiger Schmerzen, ersehwertes
Schlingen, da die Kiefer nur wenig geöffnet werden konn-
ten , öftere Krampfanfalle , endlich Sopor und Tod nach
6monatl. Behandlung. Sektion. Auf der in verschieden
grosse Knollen zerfallenden, 14 Ctmtr. langen, 12 Ctmtr.
breiten und 9 Ctmtr. hohen Geschwulst sass die Ohr-
muschel , um welche mehrfach exulcerirende Stellen sich
befanden; hintere nnd obere Gehörgangs wand, Dach der
Trommelhöhle und ein Theil der Schuppe von der Neu-
bildung zerstört, die sich in Höhe von 1V2 Ctmtr. über
die innere Fläche der Schläfenschuppe und die äussere
Hälfte der obem Felsenbeinfläche erstreckte ; Proc. mast.
von oben her zerstört , an Stelle der Zellen Geschwnlst-
masse; Knochen zwischen Antmm mast. und hinterer
Schädelgrube von der Neubildung durchsetzt ; Labyrinth
frei ; Steigbügel in Geschwulstmasse eingebettet.
Charakteristisch ist bei fast symptomlosem Be-
ginne das rasche Wachsthum der Geschwulst , die
wahrscheinlich aus derSabmucosa der Trommelhöhle
ihren Urspmng nahm. Der tödtliche Aasgang er-
folgte in Folge von Druck der Neubildung auf das
Gehirn (analoger Fall von ToynbeCy Ei-ankh. des
Gehörorgans übers, von Moos p. 398)«
Einen ähnlichen Fall von Carcinom des Mittel-
ohrs beschreibt Polaillon (Ann. de3 mal. de
Toreille, du larynx etc. V. p. 254. Nov.)
Bei einem SOjähr. Manne von guter Constitution, der
seit Kindheit an rechtseitigem Ohrenfluss und zuweilen
recht heftigen Ohrsohmerzen litt, fand P. am 11. Oet.
vollständige rechtseitige Taubheit, Schwellong der Mastold-
Gegend , beginnende Facialparalyse , den Gehörgang mit
polypösen Wuchernngen erfüllt , durch welche eine vor-
geschobene Sonde in den Knochen eindrang. Im weiten
Verlauf hob sich die Ohrmnschel durch Zunahme der
Schwellung, die sich auch über die Schläfe u. die Gegend
der Masseteren erstreckte nnd bald flnktuirend wu^e.
Incision, Drainage ; keine Besserung , vielmehr Znnahmo
der Schwellung. Im Juni des folgenden Jahres zeigte die
rechte Ohrgegend eine harte, schmerzhafte , von glänzen-
der gespannterHaut bedeckte Schwellang, dieOhrmuschd
selbst war durch subcntane Infiltration geschwellt ; in der
Umgebung derselben bestanden 3 fungöse Geschwüre mit
aufgeworfenen Rändern , durch welche mit der Sonde er-
weichter , cariöser Knochen zn fühlen war. Gehörgaag
durch rothe, polypenartige Massen verstopft; voliständiga
rechtseitige Facialparalyse; grosse Abmagerung, Decu-
bitus, erschwertes Schlingen wegen behinderter Kiefer-
öfTnnng, trockne Zunge trotz reichlicher Speiohelsekretioa,
trockner Husten, heftiger Kopfschmerz. Bewnsstsein er-
halten bis zum Tode am 2. Juli. Sektion, Carcinom,
wahrscheinlich von der Pauke ausgehend, das die Schläfea-
und Hinterhauptsgrube ausfüllte, den Mastoideal- nad
Schuppentheil des Schläfenbeins zerstört hatte nnd sich
bis nnter die Weichtheile des Halses erstreckte; nad
vom reichte der Tumor bis zumOs sphenoid., nach ioaei
nnd unten bis zur Sella turdca. Der Atlas fehlte voll-
ständig und der Proc. odontoid. ragte frei in das HiDte^
hauptsloch. Halsdrüsen infiltrirt, Parotis vergrösscrt,
Kiefergelenk theilweiae zerstört.
Epitlielial'Carcinom des Mittelohres beobach-
tete Eugen Praenkel (Ztschr. f. Ohkde. VIII.
p. 241) bei einem 53jähr., seit Kindheit mit doppel-
seitiger Otorrhöe behafteten Manne, bei dem vor
8 Jahren aus dem linken Ohr ein Polyp entfernt
worden war, worauf die Otorrhöe aufgehört hatte.
Seit 8 Wochen Ihikseitiger Kopfschmerz nnd erneu-
ter Ausfluss, Anbohmng des Warzenfortsatzes olme £^
leichtemng des Kopfschmerzes. Eine stinkenden Eiter
entleerende, fistulöse Wunde auf dem linken Proc. mast.
wurde aufgemeisselt und mit dem scharfen Löffel ausge-
kratzt, wodurch eine Communikation mit dem GehÖrgaog
bewirkt wurde. Die Wunde entleerte anfangs guten,
später äusserst fötiden Eiter , weisse, blumenkohlartige
Wucherungen in der Tiefe, Fieber, heftiger Kopfschmen,
Somnolenz, Urinretention, Tod 11 Wochen nach der Ope-
ration. Sektion. Linke Schläfenschnppe bis zum Joch-
bogen zerstört, ebenso der Warzentheil des Schläfenbeins,
Felsenbein bis auf die Pyramidenspitze durch blumen-
kohlartige Vegetationen eingenommen, die NervenstämoK
imPorus acust. int. zerstört, ebenso die Halbzirkelkanäle.
Eitrige Basilar-Meningitis.
Die mikroskop. Untersuchung ergab den Bau
des Epithelial-Carcinom , das als primär in dei
Pauke entstanden aufgefasst werden mnss, da dk
äussern Theile (Ohrmuschel, Parotis u. s. w.) intaW
waren. Fr., der Annahme Roosa's sich a»
schliessend, bringt die Entstehung der Nenbildoig
mit der langjährig bestandenen Otorrhöe in Verbin-
dung.
In den folgenden 3 von Jas. Pattersofl
Gas seil 8 (Glasgow med. Joum. XII. 12. p. ^f*
Dec.) beobachteten und sehr kurz erzählten Fillei|
wurde die Sektion nur beim dritten gestattet.
1) Bei einer öljähr. Fiau, die über heftiges Juck^
im linken Ohr seit mehreren Jahren klagte, wurde nd|
ekzematöse Verdickung der Oehörgangswände geftindeij
Drei Jahre später (Oct. 1877) kam sie wieder mit fi^^^
den Schmeraen im Ohr. Es fand sich ein Toner» desMl
mikroskop. Untersnehnng gekernte Spindel- and Bdo^!
Scharig; (Mreiiheiikmide.
187
xeQeo eigab. Ein Operfttionsyersacb, den Tnmor ausza-
fchaten, wurde aufgegeben, da sich derselbe nach der
Psrotis herab erstreckte, möglicherweise von derselben
uq^egaogen and sekundär nach dem Gehorgang durch-
gebrochen war. Der Tumor yergrösserte sich rasch, und
fijJIte flchlisslich die Nase und den Rachenraum aus;
FaciaUs-Paralyse trat auf. Tod im Frühling 1878.
2) Ein 44Jähr. , seit mehreren Jahren an Otorrhöe (wel-
ches Ohres?) leidender Mann hatte seit einigen Wochen
heftige Schmerzen , besonders Nachts. Der Gehorgang
nr durch hartes, bei der Punktion stark blutendes Ge-
irebe Tersehlossen, das, wie die roikroskop. Untersuchung
tspby aus grossen gekernten Spindel- und Rundzellen
besUnd. Als V2 J^^ später der Kr. wieder erschien,
var er ausserordentlich abgemagert und erschöpft; es
iMitiad Faoial-Paralyse, der Tumor schien Jedoch nicht
TergrSssert. Der Tod erfolgte am nächsten Tage.
3) Bei einem 4jähr. , seit 8 Mon. mit linkseitigem
Ohrenfloss behafteten sehr erschöpften Ejiaben ergab die
UnterBachnng am 5. Nov. 1877 den Gehörgang bis fast
um Emgang mit einem harten, gelappten Tumor erfüllt ;
Bikseitige Facial-Parsiyse. Nach Entfernung eines Theils
k» Tumors (spindelzelliges Sarkom mit dickem Epithel-
hger) folgte reichliche Blutung; rasche Vergrösserung
to Geschwulst, besonders nach dem Proc. mast. hin.
Tod aun 10. Dec. 1877. Sektion. Der Tumor erffiUte die
hokenhöhle , den Proc. mast. , die Naso - Pharyngeal-
Böhle und war nach der Schädelhöhle durchgebrochen ;
ffl zwei Stellen der linkseitig^n Schläfengegend wurden
mter den Muskeln liegend ähnliche Massen gefunden.
Cholesteatom des rechten Schläfenbeins fand
H.Steinbrttgge (Ztsolir. f. Ohkde.VIII. p. 224)
bd einem 58 J. alteD, an übelriechender rechtaei-
^ Otorrhöe nnd seit 14 Tagen an Schwindel,
Sehmerz in der rechten Scheitelgegend nnd Urin-
Rieotion leidenden Lehrer, welcher vor 7 Jahren j
QDeo Ohrpoljpen gehabt hatte, nach dessen opera- 1 -
tirer Entfemong das Ohr wieder gesund gewesen
aeio sollte.
Der kaefaektisoh anseehende, aber kräftig gebaute
Kr. antwortete nur langsam nnd gleichgültig. Der rechte
Gehöigang war in der Tiefe mit weiss-gelblichen Massen
erßUt, nach deren Entfernung man durch den zerstörten
Uiteren Trommelfellabschnitt in einen ziemlich grossen
Hohliaum hineinsah, der sich in die hintere Gehörgangs-
«ud fortsetste n. ähnliche weissliohe, blätterige Massen
eBädelt. Nach Beseitigung derselben mittels der Pin-
eette, erschien die hintere Labyrinthwaud als glatte, von
(iioer Schleimhaut überzogene Fläche. Von Oehör-
Mehelehen war nichts zu sehen, nach hinten und oben
Hieben noch weissliche Massen sichtbar. Ohrbäder.
Sfihon nach 2 Tagen hochgradige Verschlimmerung : mo-
Mache und sensible Parese des linken Armes und linken
Bebet, sowie der linken Gesichtshälfte ; Schmerz in der
Nchten Kopfseite ; Somnolenz , Trismus , Nackenstarre,
Komi, Tod 6 Tage nach der Aufnahme. Sektion, Venen
^erPia-nuiter strotzend gefüUt ; im rechten Schläfenlappen
<p(eigro68er, mit jauchigem Eiter erfüllter Abscess mit
Mndegewebiger Wandung; Dura-mater der rechten
SefaSfengrabe verdickt. Auf der Höhe des Felsenbeins
^ etaie weisse, perlmntterartige Masse zu Tage, welche
^iur 12 Mmtr. iangea und 8 Mmtr. breiten Dnrchbruoh-
*Mle an der vordem Felsenbeinfläche entsprach; das
I)aeh der Pauke war intakt, die Gehörknöchelchen fehl-
^; die Labyrinthwand war in eine mit graner, verdick-
ter BcUefanhant überzogene Fläche verwandelt, an der
*cder Fenster, noch Sinus tympan. zu sehen waren.
Pukeshöhle, Antr. mast. und Substanzverlust des hin-
tem Geköigangs bildeten einen grossen , mit cholestea-
^Muttien Musen zum Theil erf&liten Hohlraum, der sich
vdi msen im Bereich des frontalen und horizontalen
^QDgttges bis cor oben genannteB Dnrchbruchsstelle
erstreckte. Die Pankenschleimliaut zeigte unter dem
Mikroskop vollständige epidermoidale Umwandlung nnd
war mit reichlichen runden Zellen Iniiltrirt.
Die Perlgeschwalst hatte sich durch epidermoi-
dale Umwandiang des Epithel gebildet und durch
Druck, vielleicht auch durch Zersetzungsprodukte
den Ejiochen usurii*t. Der Durchbruch des Felsen-
beins, sowie der Gehimabscess hatten jedenfalls
schon länger existirt, wofilr die bindegewebige Ab-
kapselung des Abscesses sprach. St. empfiehlt
deshalb von Neuem Vorsicht bei Verdacht auf Cho-
lesteatom des Felsenbeins, sowie sorgfältige Berück-
sichtigung der Dauer und etwaiger Fieberverhält-
nisse,
Aeusseres Ohr.
lieber eine Missbildung des äussern Ohres be-
richtete Dr. Beckler (Fischen bei Sonthofen) brief-
lich dem Referenten. Bei einem 6 T. alten Knaben
waren der Helix und Anthelix der rechten Ohr-
muschel, die sich vom Schädel nicht abhob, nur
durch 2 Hautfalten angedeutet; dem Tragus ent-
sprach eine kleine, erbsengrosse Tuberosität, der
Gehörgang fehlte. Auch die linke Ohrmuschel zeigte
insofern abnorme Bildung, als sie nach oben schmäler
verlief, während sie, entsprechend einer übermässi-
gen Entwicklung des Antitragus, in der Höhe des
Gehörgangs abnorm vei'breitert und nach hinten ent-
wickelt war.
Einen Beitrag zur pathoL Histologie des Ohr-
knorpels liefert Josef Pollack (Mon.-Schr. f.
Ohklde. Xin. 7). Die von P. untersuchten, von
einem Geistesgesnnden stammenden Präparate des
knorpligen Theils des äussern Gehörgangs und des
Anthelix, an denen makroskopisch senfkorn- bis
linsengrosse Knoten auffielen, Hessen mikroskopisch
an der Peripherie Rareficirung der Intercellular-
substanz , mehr medianwärts Schwund der Fibrillen
und Zerfall in punktförmige Reihen, sowie Schwund
der Knorpelzellen erkenuen ; nebenbei sah man in
Reihen geordnete und mit dem normalen Gewebe
noch zusammenhängende oder von dicker Zellmem-
bran eingeschlossene Gruppen junger Knorpelzellen
[Knoi*pelerweichung ? L. Meyer: Virchow's Arch.
XXXUI.]. In andern Präparaten durchzog den
Knorpel ein von unregelmässigen Rändern begrenzter
Hohlraum, der lose von einem Strang erfüllt wui*de,
dessen Peripherie bindegewebige Stniktur erkennen
Hess und central von einem dunkelgefäi'bten Streifen
[Blutgefäss?] durchzogen war; der Strang stand
nirgends in Verbindung mit dem unverletzten Peri-
chondrium.
Eitostosen.
Delstanche fils behandelt in einer gut ge-
schriebenen Broschüre (Contribntion ä l'^tnde des
tnmcurs osseuses etc. Bruxelles. H. Manceaux.
66 pp.) die knöchernen Tumoren des Gehörgangs.
Nachdem er die Annahme Ehrhard's, dass Ex-
ostosen im Gehörgang sich nur vor vollendetem Ossi-
fikationsprocess entwickeln, als vielfacher Erfahrung
widersprechend zurückgewiesen hat^ bezeichnet D.
188
Schur ig; Ohrenheilkunde.
}
die Frage , ob die einzelnen Völkerstämme Europas
eine verschiedene Prädisposition zu derartigen Ge-
schwülsten zeigen, als vor der Hand unentscheidbar,
während es allerdings nach den Untersuchungen von
S e 1 i g m a n n und Welker scheint , dass bei den
indianischen Stämmen Amerikas Ohr-Exostosen un-
gewöhnlich häufig vorkommen.
Die Exostosen bestehen entweder aus spongiösem
Knochengewebe, das von einer compakten Knochen-
lamelle umschlossen ist, oder sie sind gänzlich ebur-
nisirt (N 6 1 a t o n), Befunde, die (nach Schwartze
und Virchow) nur verschiedene Entwicklungs-
phasen bilden. Sie stellen sich dar als rundliche
oder elliptische Erhabenheiten , die gewöhnlich mit
breiter Basis , selten gestielt , der Gehörgangswand
aufsitzen, und zwar vorwiegend häufig der hintern,
seltener der obem oder untern und nm* ausnahms-
weise der vordem. Während v. Troeltsch sie
meist gleichzeitig in beiden Gehörgängen antraf,
fanden sie Wilde und Bonnafont übereinstim-
mend mit den Erfahrungen D. 's, vorwiegend nur ein-
seitig. Entwickelt sich nur eine Exostose im Gehör-
gang, so hat dieselbe gewöhnlich ihren Sitz nahe
dem Eingang desselben, wenn dagegen mehrere (bis
zu 3) auftreten, so sitzen sie nahe dem Trommelfell
auf und es scheint, als ob ihre Empfindlichkeit, ent-
sprechend dem noi*malen Verhalten der Gehörgangs-
wände , um so grösser würde , je tiefer sie sitzen ;
ein die Entwicklung begünstigender Einfluss der
syphilitischen, rheumatischen oder gichtischen Dia-
these ist nicht nachweisbar. Toynbee und von
Troeltsch meinen, dass der Missbrauch alkoho-
lischer Getränke ihre Entwicklung bef5rdere, woraus
sich ihr selteneres Vorkommen bei Frauen erklären
würde, welche Ansicht D. nach seinen Erfahrungen
nicht theilen kann ; er ist geneigt , ihre Entstehung
durch chronische Entzündung der Gehörgangswände,
besonders im Gefolge von OtoiThöen, zu erklären ;
die Erblichkeit scheint von entschiedenem Einfluss
zu sein. So lange die Exostosen einen Verschluss
des Gehörgangslumen nicht herbeigeführt haben,
machen sie keine erheblichen Symptome, weshalb sie
oft unserer Kenntniss entgehen mögen. Wenn com-
pleter Verschluss eintritt, stellen sich wie bei Obtura-
tion durch anderweitige Ursachen mehr oder weniger
hochgradige Schwerhörigkeit, Sausen, Schwindel,
Gefühl von Völle im Ohr und der betr. Kopfseite ein.
Nach Wiederherstellung des Gehörgangslumen ver-
schwinden diese Beschwerden, wenn nicht eine Mittel-
ohr-Erkrankung vorhanden ist. Es ist deshalb auch
bezüglich der Prognose Vorsicht geboten. Bei gleich-
zeitig bestehender Oton'höe ist wegen Gefahr der
Eiterretention die Wiederherstellung des Lumen mit
allen Mitteln anzustreben. — Von medikamentösen
Mitteln, lokalen sowohl als Innern, erwartet D. wenig,
ausser da, wo die die Exostose deckenden Weich-
theile entzündlich geschwellt sind. Vielmehr sind
die Chirurg. Hülfsmittel anzuempfehlen, die unter
Umständen lebensrettend sein können und deren Un-
gefährlichkeit durch die vorliegenden Erfahrungen
bewiesen ist. Während Bonnafont, der znersk
instrumenteile Hülfe anwendete, sehr vorsichtig ver-
fuhr, um eine reaktive Entzündung zu vermeiden,
erreichten v. Troeltsch, Miot u. A. gerade da-
durch radikale Erfolge, dass die in Folge der opera-
tiven Eingriffe entstandene reaktive Entzündung die
Exostose zum Verschwinden brachte. Die Fälle
von glücklicher Operation einer Gehörgangsexostose
haben sich in der Literatur erheblich vermehrt oni
sind dazu, je nach Beschaffenheit und Härte der
Exostosen, die verschiedensten schneidenden u. boh-
renden Instrumente gebraucht worden. Gestielte
Exostosen hat man auch mittels der Galvanokaustik
oder der Elektrolyse entfernt.
Unter mehr als 25 Fällen , die D. selbst beob-
achtete, erforderten nur 2 die Operation.
1) Bei einem Jangen Manne, der lange an Otorrböe
gelitten hatte, waren dieGehorgange durch je eine groese
Exostose in der Tiefe von etwa 1 Vi Ctmtr. völlig ver*
schlössen ; hochgradige Schwerhörigkeit bei völlig gut
erhaltener Knochenleitang. Die Operation wurde leider
verweigert.
2) Bei einem 25jähr. Manne bestand voUiger Ve^
schluss des linken Gehörgangs durch eine 1 Ctmtr. tief
sitzende Exostose ; Knochenleitang gut erhalten. Nach-
dem Erweiterungsversuche mittels mühsam eingeführter
Sonden erfolglos gebUeben, durchbohrte D. in 3 Sitzim-
gen mittels eines Bohrers die Exostose, die etwa 8 Ctmtr.
von aussen nach innen maass. Nachdem durch Naclh
bohrung mittels eines grossen Bohrers und durch Aettea
des Bohrkanals mittels Zinkchlorür, sowie durch Ab-
sprengen einzelner Knochenstücke , worauf nur sehr as*
erhebliche Reaktion folgte , das Lumen noch mehr e^
weitert worden, hörte der Kr. bei seinem Abgang dii
Uhr auf 1 Meter Entfemong
Nach der Ansicht Patterson Oassells* ifll
Exostose streng von Hyperostose zu scheiden ; die
Exostose komme nur in der äussern Hälfte des Ge*
hörgangs vor, und zwar stets an der hintern Wand;
sie entstehe durch einen subperiostealen Abscess ii
der Mastoidealgegend, der sich nach dem GehÖrganf
entleerte. Nach D.'s Meinung bedarf diese Erklft
rung noch sehr der von C a s s e 1 1 s versprocheneo
bis jetzt jedoch noch nicht gegebenen Begründung
Folgenden Fall von Beseitiffung der VersehUeS'
sung des äussern Gehörgangs durch Exostosen
bildung theilt 8. Moos (Ztechr. f. Ohkde. VIll
p. 148) mit.
Ein angeblich früher an den Ohren stets gesunde
Student klagte seit 2 T. über Taubheit und Gefühl voi
Vollsein : Hörweite für die Uhr »- beim Anlegen an di
Ohrmuschel. Das Lumen des Gehörgangs war durol
2 Exostosen verschlossen, von denen die grössere, kugli
geformte von der hintern Wand entsprang, die kleinere a
der Obern Wand ; die häutige Ueberkleidung war roth vm
verdickt, weshalb ein blos vorübergehender Verschlafl
vermuthet wurde.^ Nachdem auf Eingiessen von Adstrii
gentien die SchweUung nachgelassen hatte, konnten nae
einigen Tagen kleine Laminariastäbchen zwischen di
Exostosen eingeführt werden, die jedoch Schmers an
Eiterung erregten. Die Bedeckung der Exostosen ward
granulös und es trat nach vorausgegangenen heftige
Schmerzen starker Ausflnss u. PerforationsgerSusch beii
Politzer 'sehen Verfahren auf. Als im weitem Vei
laufe die Granulationen sich auf und hinter den Exostose
entwickelten, wurden sie theils mit der Schlinge abgetn
gen, theils galvanokanstiBeh behandelt, wobei die i^eiet
Scharig, Ohrenheilkande.
189
feiti^ Kauteriüttion der Exostosen nnvenneidlich war.
Im Verlaufe von 5 — 6 W. war das Ohr trocken, die vor-
dere Exostose war ganz geschwanden, so dass durch den
aaefa vom ond oben entstandenen freien Raum der vordere
obere Quadrant des Trommelfells zu sehen war. H5r-
veite » 8 Mtr. für Flfistersprache.
M. ist der AnBicbt, dass, wenn auch die Laminaria
20 Erweiterang der engen Stelle etwas beigetragen
hiben mag , doch der wesentlichste Antheil an dem
völligen Schwund der obem Exostose der Galvano-
kaostik zukommt. Die im Verlaufe auftretende
üttelohrentzflndong war seknndär durch Fortpflan-
zoDg vom äossem Oehdrgang aus entstanden.
Durch Anhäufung vonCerumen wurde in einem
TOQ J. Rudd Leeson (Lancet II. 23; Dec.) mit-
getfaeiiten Falle chronische Bronchitis vorgetäuscht.
Eine Dame, die mehrmaht an akuter und snbaknter
fironchitis gelitten hatte, wurde schlüsslich einen sehr
lIstigeD, zuweilen mit Erbrechen endenden Morgenhusten
jar nicht mehr los ; er bot allen Medikamenten Trotz und
i rar 80 heftig, dass dabei Blase und Darm unfreiwillig
(itteert wurden. Seit 2 J. hatte sich ihr Horvermogen
iDmälig vermindert. Bei der Untersuchung fanden sich
leide Gehörgänge mit Ohrenschmalz erfüllt, nach dessen
EDtfemung nicht nur das Gehör wieder hergestellt, son-
dern auch der Husten gänzlich verschwunden war.
Auf Grund dieser und ähnlicher Beobachtungen
iit bei jedem hartnäckigen und ansti*engendcn
HostcD die Untersuchung der Ohren zu empfehlen.
Trommelfell.
Ein traumatisches, wanderndes Hämatom des
Trommelfells beobachtete S. M o o s (Ztschr. f. Ohkde.
YUI. p. 32).
Ein 48 J. alter Lokomotivf&hrer wurde durch eine
m dem Conp^ eines vorüberfahrenden Zuges geworfene
leere Flasche an die linke Schläfe und Wange getroffen ;
iuaaf Ohrensausen, Schwindel (von der gesunden nach
der getroffenen Seite), Kopfsohmerz, Verlust des Gehörs.
Unierauchung 65 Tage nach der Verletzung : Am linken
Trommelfelle Injektion der Griffgefässe, Trübung der
Membranen, im hintern obem Quadranten eine ovale,
I oekergelbe Vererbung, tiefer als die umgebende Membran
Seiend. Hörweite für laute Sprache » 0, rechts « 1 Mtr. ;
fvdenHormesser links » 0; Stimmgabel nur rechts ge-
Kri Diagnose: Doppelseitiger alter Mittelohrkatarrh,
fiika traumatisches Blutextravasat im Trommelfell, Läsion
[Extravasat?] des Labyrinth. Therapie: 5 Jodkalium,
15Bromkaliam:200 Grmm. Aq. 3mal täglich 1 Löffel.
IMs keine lokale Therapie, rechts Injektion von Zink-
SoiaL (0.6 : 100.0) mittele des Katheters, Nasendusche,
Aetinng des Rachens. Binnen 2 Mon. erhebliche Besse-
m«: Flüstersprache beiderseits » IMtr., Hönnesser»
iCentimeter. Kopf freier, Schwindel gering, Sausen
^inetant, aber schwächer, dasBlutextravasat lag nur noch
na klemem Theil der hintern Peripherie des Trommel-
fdisauf.
Bezüglich der auch im vorliegenden Falle statt-
Sehabten Wanderung des Extravasats erwähnt M.
kurz emen Fall, in welchem eine nach Punktion des
Trommelfells entstandene kreisrunde Depression auf-
^to auf die Membr. flaccida überwanderte. Pat.
^ M. aas dem Gesicht. In Bezug auf die Affek-
loQ des LabjH'inths schliesst M. eine einfache Er-
iebltttemng aus, da 65 Tage nach dem Trauma die
»iiBktion noch völlig erloschen war, vielmehr ist ihm
^ Amiahme eines Extravasats wahrscheinlich, das
•^Aof geringe Reste, wodurch die noch vorhandenen
leichten Störungen unterhalten wurden, aufgesaugt
worden ist. Der Eintritt von Besserung war für M.
unerwartet , da er bisher in keinem Falle von trau-
matischer Läsion des Labyrinths Besserung oder gar
Heilung beobachtet hat. — Im Falle gerichtsärzt-
licher Beurtheilung ist eine vor dem Trauma etwa
schon vorhandene Erkrankung der Ohren sehr zu
beachten und sind deshalb stets beide Ohren zu
untersuchen.
James Russell (Brit. med. Joum. Dec. 13)
erzählt folgenden eigenthümlichen Fall von ^Ohr-
niessen" (Ear-sneezing).
Ein 56 J. alter Mann, nervösen Temperaments, be-
kam vor 14 T. Anfälle von Gähnen und heftigem Niessen.
Letztere besonders waren sehr heftig und hielten fast un-
unterbrochen 2 Tage und 2 Nächte an. Beim letzten An-
fall fiel Pat. nieder, blieb einige Minuten bewusstlos und
erwachte völlig taub. Am nächsten Tage begann er zwar
auf dem linken Ohr etwas zu hören, jedoch blieben hef-
tiges Klopfen in den Ohren, Sausen und Schwirren, zeit-
weilig bohrende Schmerzen hinter den Ohren bestehen.
Die Untersuchung ergab nach Entfernung einer grossen
Menge von Ohrenschmalz (besonders links) Entzündung
der Trommelfelle , hauptsächlich um die InsertionssteUe
des Hammers. [Die ganz kurze Mittheilung giebt nichts
über eine weitere Untersuchung der Obren an. Ob die
Niess-Anfälle vom Ohr ausgegangen seien, wie M. durch
den Ausdruck „Ear-sneezing** andeutet, ist mehr als
zweifelhaft, Iteinesfalls aber findet die plötzlich eingetre-
tene Taubheit ihre Erklärung durch den angegebenen
Ohrbefund, die sogen. „Entzündung der Trommelfelle",
die möglicher Weise nur durch das Ausspritzen zu Ent-
fernung des Ohrenschmalzes erzeugt worden war. Ref.]
Mittelohr,
a) Paukenhöhle.
Primäre akute eitrige Mittelohrentzündung.
Die Häufigkeit dieser Erkrankungsform, welche H.
Knapp (Ztschr. f. Ohkde. Vm. p. 36) während
seiner lOjähr. Praxis in New York auffiel, veran-
lasste ihn zu der vorliegenden Arbeit, die sich vor-
zugsweise auf eigenes Krankenmaterial unter ver-
gleichsweiser Zuziehung der Beobachtungen Anderer
stützt.
1) Die Häufigkeit der akuten eitrigen Mittel-
ohrentzündung im Vergleich mit der Gesammtzahl
der Ohrenkrankheiten, ergab nach Kn.'s Material
(2527 Privatkranke, 6102 poliklin. Behandelte) ein
Verbältuiss von 6.55%. Aus der nach amerika-
nischen Veröffentlichungen zusammengestellten Ta-
belle geht hervor, dass die Erkrankung in Amerika
nicht nur nicht häufiger (unter 27359 Ohrkranken
1666mal = 6.08<>/o), sondern eher etwas seltener
als in Deutschland ist (unter 6562 Ohrkranken
'il6mal = 6.270/0). Weiter geht aus den Tabellen
hervor, dass Wohlhabende und Arme in gleicher
Häufigkeit befallen werden.
2) Vorkommen der akuten Ohreneiterung. Das
grösste Contingent liefert das Kindesalter bis zum 5.,
demnächst das Alter vom 6.— 10. J., was einmal in
der geringern Widerstandsfähigkeit des kindlichen
Organismus, sodann in der Häufigkeit akuter Exan-
theme während dieses Lebensalters seinen Grund hat.
190
Schur ig; Ohrenheilkunde.
Auf das Eindesalter folgt zunächst das kräftige
Mannesalter zwischen 31 und 40 Jahren. Im Win-
ter kommt die Krankheit häufiger vor, als im Som-
mer. Einseitige Erkrankung beobachtete Kn. in
85.71% aller Fälle, doppelseitige in 14.290/o, in
welche Berechnung jedoch nur die zu Trommelfell-
perforation führenden Fälle aufgenommen worden
sind. — 3) Als Ursachen der Erkrankung stehen
obenan Erkältungen (mit 63.74%), sodann das
Seebad (8.79%), femer Scharlachfieber (l.U^I^)
und Diphtheritis (2<^/o), Masern und Pneumonie
(.je iVa^/o); unzweckmässiger Gebrauch der Nasen-
dusche (iVa^/o); sodann gaben Ekzem und Mumps
in je 1 Fall die Veranlassung zur Ohrerkrankung,
während in 19 Fällen die Ursache nicht zu ermitteln
war. — 4) Eintritt %md Dauer der Otorrhöe,
Gewöhnlich brach der Ausfluss am 2. bis 3. T. nach
Einwirkung der veranlassenden Ursache aus, ziem-
lich häufig auch am 4. bis 7. T., seltener erst in der 2.
und 3. Woche. Letztere Fälle sind als protrahirte
zu betrachten, die bei sorgfältiger Schonung wohl
nicht zur Perforation geführt haben würden. — Die
Dauer der Otorrhöe variuie sehr beträchtlich: in
den 208 Fällen Kn.'s dauerte die Eiterung von
3 Tagen bis zu 2 Jahren, unbestimmt lange in
52 Fällen ; 4 Fälle verliefen tödtlich. — 5) üeber
Ausgänge und Heilresuliate berichtet folgende Ta-
belle :
geheilt mit gutem Gehör 64.83o/o
gebessert aas der Behandlung weggeblieben 7. 69<^/o
Uebergang in chron. Ohrenkatarrh . . . 3.86<^/o
n 9 n Hittelohreiternng 4.39<'/o
zu einmaliger Consultation vorgestellt . . 17.03o/o
tödtlich verliefen 2.19%.
6) Behandlung. Besonderes Gewicht legt Kn.
auf Ruhe, resp. Aufenthalt im Bett, deren erheblichen
Nutzen er durch Beispiele beweist. Sonst unter-
scheidet sich seine Behandlung nicht wesentlich von
der üblichen: in den ersten Tagen Blutegel, bei
plötzlichem Nachlass der Eiterung und vermehrten
Schmerzen Warmwasser - Ohrbäder oder Einleitung
von Wasserdämpfen; Berücksichtigung des Nasen-
rachenraums (adstringirende Gurgelungen, Durch-
spritzungen durch die Nase ; die Nasendusche ver-
meidet Kn.) ; bei Schwellung der Tubenschleimhaut
adstringirende Einspritzungen mittels des Katheters ;
Lufteintreibungen mittels Politzer 's Verfahren,
da jedoch im akuten Stadium besondere Vorsicht
iiöthig ist, so zieht K n. anfangs den Katheter vor,
mittels dessen er mit sehr geringem Druck beginnen
kann. Die Paracentese machte Kn. nur selten, und
zwar dann, wenn heftige Schmerzen, starke Radsel-
p:eräusche oder Vorbauchung der Membran bestan-
den; der W i l d e 'sehe Schnitt wurde häufig und mit
Nutzen ausgeftlhrt; sehr wesentlich ist gründliche
Reinigung durch Ausspritzen mit warmem Wasser
und sorgftltiges Austupfen, wodurch meist auch Gra-
nulationsbildung verhütet wird; bei länger dauern-
der Eiterung adstringirende Ohrwässer in massiger
Concentration ; Incision bei Abscessbildung in den
Gehörgangswänden.
J. L. Hicks (Amer. Journ. of Otol. I. p. 205.
July) erzählt folgenden Fall akuter Mittelohrent'
Zündung mit Symptomen von Meningitis,
Ein 16 J. alter rasch aufgeschossener Barsche litt
nach Erkältong an Hals- a. Ohrenschmerz, welcher letz-
tere durch einen bereits offenen Gehörgangftminkel be-
dingt war. Nachdem einige Besserung eingetreten, stellte
sich nach oinem Frostanfall eine Pneumonie ein, die nach
10 Tagen voräberging; jedoch dauerte die Prostration
fort und das Fieber begann wieder zu steigen. Ausflass
ans dem rechten Ohr; dabei wurde der Kr. immei
schwächer, heftiger Kopfschmerz trat auf, die recht«
Papille warde grösser als die linke, und es zeigte sidi
Ptosis des obem Augenlids. Bei der Ohrnntersachang
fand sich der Qehörgang geröthet, das Trommelfell ver-
dickt, glanzlos. Im Verlauf der nüchsten Woche wurde
der Zustand des Kr. sehr bedenklich, der Proe. mast
wurde geröthet und schmerzhaft, plötzliche Temperata^
Steigerungen mit raschem Abfall traten anfallsweise auf.
Eines Morgens war das Trommelfell geröthet und vorgs-
buchtet. Eine ausgiebige Incision entleerte Massen tm
Blut and Eiter. Von da ab stetige Besserung and Heilung
ohne Zwischenfall.
Thos. R. Pooley (Arch. of Med. II. 2. p. 226.
Oet.) berichtet über einen Fall von akuter Mittelohr-
entzündung, die zu spontaner Perforation des War-
zenfortsatzes führte.
Eine 30Jähr. Dame hatte vor 4 Wochen nach hef-
tiger Erkältung rechtseitigen Ohrenschmerz empfanden,
der nach einigen Tagen bei Eintritt von Ausfluss aus dem
Ohre nachliess. Nach kurzer Erleichterung, bald ernea-
ter und sehr intensiver Schmerz, Schlaflosigkeit, Fieber.
GehSrgangswUnde gerOthet und geschwollen, Trommel feD
nach unten und vom perforirt ; Proc. mast. etwas aufj^e*
trieben, geröthet, bei Druck schmerzhaft. Da das antt
phlog. Verfahren ohne Erfolg blieb, wurde unter Narkose
der Wilde 'sehe Schnitt mit nur temporärer Erleichte-
rung gemacht. Schwellang und Schmerzen hinter dea
Ohre nahmen zu, und letztere wurden so intensiv, dsM
die bis dahin verweigerte Eröffnung des Proc. mast. an
folgenden Tag vorgenommen werden sollte. Bei Entfer-
nung des Kataplasma erschien jedoch der Knochen bereit!
perforirt. Die Oeffnung wurde nur etwas erweitert nnd
ein metallnes Drainrohr eingelegt. Von da ab fortschrei-
tende Besserang bis zu gänzlicher Heilung binnen etwi
6 Wochen, Die TrommclfeUperforation war jetzt ge-
schlossen, die Hörweite fast normal.
Die chronische eitrige Entzündung der Pauken-
höhle wird höchst eingehend u. übersichtlich in Form
eines Vortrages von Urbantschitsch (Wienex
Klinik. V. Jahrg. Aug.) behandelt. Anknüpfend an
einen, einen 12jähr. Knaben betreffenden Fall, bei
dem seit 4 J. nach Scharlach beiderseitige Otorrtiöe,
hochgradige Schwerhörigkeit, liukseitige Facialis-
Parese, sowie Dämpfung in der linken Lungenspitze
bestand, bespncht ü. zunächst die in Folge lang-
dauerndei* Eiterung entstehenden Qewebsverände-
rungen der Paukenschleimhaut, wobei er besonden
hervorhebt, dass die Perforation des Trommelfell«
nicht selten fehlt, also nicht als charakteristiseiiei
Merkmal der Otit. med. purul. chron. gelten kanfl«
Hinsichtlich der Aetiologie der Krankheit hebt K
hervor, ^dass dieselbe aus der Otit. med. acuta dardi
Fortbestand schädlicher lokaler Einflüsse hervorgeU
oder sich in Folge von Allgemein - Erkrankangd^
entwickelt (Typhus, Scharlach, Masern, Scroftlosjj
Tuberkulose, Syphilis). Nachdem die suijMm
Schurig; Ohrenheilkunde.
191
SgmpUme aufgezählt, wobei u. A« auf die häufigen
S^Dgen der Geschmacksempfindung und das sel-
tene Vorbandensein subjektiver Gehörsempfindungen
toflDiierksam gemacht wird, und bei Behandhing der
otjekäven Symptome die Qualität des Sekrets ein-
gehend berücksichtigt worden, wendet sich U. zur
Diagnose, die bei vorhandener TrommelfelliQcke
— wie meist der Fall — leicht zu stellen ist, doch
dir erschwert sein kann, wenn das Trommelfell in-
tikt geblieben ist.
Was Verlauf und Ausgänge betrifit, so heilt die
Knnkhelt im günstigen Fall durch Aufhören der
fdtenmg und Schluss der Trommelfelllücke, oder
ier genannte günstige Verlauf wird durch akute
Exaeerbationen, die sich durch Schmerzen und Ver-
aeehen der Eiterung charakterisiren , unterbrochen,
«der es kommt zu totaler Zerstöiiing des Trommel-
tik mit Ausstossung der Gehörknöchelchen, am
Unfigsten des Amboses allein oder des Hammers,
leiten auch des SteigbQgels. Dabei kann zwar, be-
mders wenn letzterer Knochen erhalten bleibt, ein
icUü? gntea Gehör bestehen, jedoch bedingt die
perästente Perforation die Gefahr häufiger Recidive.
1b den meisten Fällen bleiben Gewebsveränderungen
h der Trommelhöhle, besonders an den Labjrintb-
ftoBtem snrflck, die zu mehr oder weniger hochgradi-
ger Schwerhörigkeit Veranlassung geben. — Lethaler
Ausgang pflegt bei Ausbreitung der Entzündung auf
üe Meningen oder benachbarten grossen Blutgeftsse
ODzatreten, und zwar befällt die Entzündung die
Esochenwandungen selbst oder wird auf dem Wege
der Bmdegewebszflge und Blutgefässe fortgepflanzt.
— Ausser Ilimhauteuizändungen bilden sich nicht
idten Gehimabseesse j besonders bei Garies des
Felaenbeins, und zwar entwickeln sich dieselben an
der dem Tegmen tympani aufliegenden Gehirupartie
«1er auch an andern Stellen, nicht selten im Cere-
Miam. U. geht nun specielier auf den Ort, sowie
die Art und Weise des Entstehens der Geldm-
^fsse und ihrer Symptome, wobei auch der sogen.
Iitenten Abscesse gedacht wird, ein, behandelt sehr
SfiDta die Fieberverhältnisse und wendet sich dann
a specielier Eröilemng der Erscheinungen, welche
«intreten bei Fortpflanzung der Entzimdung von
^ Paukenhöhle nach unten (Bulb. venae jugul.);
Meh vom (Carotis int., Knochenlücke an der vordem
Piokenwand von U. mehrmals beobachtet, welche
durch Vermittelung der pneumat. Räume um das
I^byrinth an der Spitze der Pyramide eine Com-
onmikation mit der Schädelhöhle herstellt), nach
^^ (Proc. mast. , Sinus transv. etc.) und nach
i^n^ (Labyrinthfenster, Canalis Fallopii). Nach
Erwähnung der Symptome, welche der Phlebitis
uid TItrombosenbildung im Allgemeinen zukom-
^ werden im Einzelnen die Thrombosirung der
VeDgjQgal. int, des Sinus transv., longitudlnal. sup.
VBd des Sin« caveni. behandelt, bei welchen Erkran-
^BogeU) obsehon sie meist lethal enden, doch auch
Me von Genesung beobachtet worden sind. Auf-
^Uend ist der bedeutende Widerstand, welchen die
Dura-mater, resp. die Sinus- Wandungen der Weiter-
verbreitung von Entzündungen entgegensetzen , wie
denn auch ein wesentlicher Schutz gegen die Aus-
breitung der Faukenhöhlen-Entzündang auf die be-
nachbarten Theile durch Verdickung der Pauken-
schleimhaut u. Skleroairung der Knochen Wandungen
gegeben ist. — Dass endlich chronische Pauken-
höhlenentzündung dadurch, dass stagnirender Eiter
resorbirt wird, zu Infektionskrankheiten und allge-
meinem Siechthum Veranlassung geben könne, wurde
schon von v. Troeltsch hervorgehoben. — Nach
alledem ist bei Stellnng der Prognose nicht nur auf
die Gehörfunktion, sondern besonders auch auf die
Bedeutung dieser Erkrankung ftir das Leben Rück-
sicht zu nehmen. Die Prognose wird wesentlich
getrübt bei gleichzeitig bestehender Constitutions-
Erkrankung (Tuberkulose), sowie bei Gomplikation
mit Polypenbildung und Garies oder Nekrose.
Höchst ausführlich wird die Therapie beliandelt,
sowohl in Bezug auf ihre Technik (Ausspritzung,
trockne Reinigung u. s. w.), als auf die zur Bekäm-
pfung der Eiterung gebrauchten Mittel, deren An-
wendungsweise verschieden ist, je nachdem dieselben
in flüssiger, pulveiiöimiger oder gelatinöser Form
applicirt werden. Als eines der vorzflgliclisten
Mittel nennt U. die kaustische Lapisbehandlung von
Schwartze, bespricht sodann die verschiedenen
Adstringentien, Antiseptika, die trockne Tamponade,
die Resolventien (bei scrofulösen Individuen oft von
Nutzen), die GeUtine-Präparate, die er bei profuser
Otorrhöe verwirft, da sie den Eiterabflnss hindern
könnten, ebenso auch die pulverfi^rmigen Mittel, be-
rührt die galvanische Behandlung nach B e a r d und
Benedikt, und giebt allgemeine Verhaltnngsregeln
bei der Behandlung der chron. Ohreiterung.
Indem er sodann wieder auf den von ihm vor-
gestellten Kranken zurückkommt, geht U. genauer
auf die Anomalien des Geschmacks und der Tast-
empfindungen bei Reizung der Chorda tympani ein
und erwähnt eine von ihm beobachtete eigenthüm-
liche Beeinflussung der Speichelsekretion bei Reizung
der Innern Pauken wand. — Die vorhandene Facialis-
Parese bietet Gelegenheit näher auf den Einfiuss der
Facialis-Lähmung auf die Gehörperception einzu-
gehen, die sich als Hyperakusis [erhöhte Funktion
des M. staped.?] oder Schwerhörigkeit (Lähmung
des den M. staped. innervirenden Facialis-Zweiges)
äussern kann; die Ursache der Facialis-Lähmung
kann Diiick auf den Nerven (allmälig zunehmende,
oder dem Grade nach schwankende Lähmung) oder
Zerstörung des Knochens und des Nerven (schnell
eintretende und gleichmässig anhaltende totale Läh-
mung) sein. Die bei Paukenentzündungen häufig
vorkommenden, über die seitlichen Partien des
Kopfes ausstrahlenden Schmerzen fmden ihre Er-
klärung durch den Zusammenhang von Trigeminus-
Zweigen mit dem Plex. tympanicus. — Zum Schluss
der schönen Arbeit hebt U. hervor, dass die bei dem
vorgestellten Kranken vorhandene Dämpfung der
linken Lungenspitze jedenfalls in Folge der lange
292
Schur ig, Ohrenheilkunde.
vorhandenen Otorrhöe entstanden sei und dass also
der Kranke diese Vernachlässigung mit dem Leben
werde bezahlen müssen.
Eine Darstellung der chron, eiterigen Mittel-
ohrentzündung hat femer 8. D. Pomeroy gelie-
fert (New York med. Record XVI. 4. 5 ; July., Aug.),
aus der wir jedoch nur die Bemerkangen über die
Behandlung hier wiederzugeben brauchen, da P. im
Uebrigeu mit den von Urbantschitsch gemach-
ten Angaben übereinstimmt.
Als erstes Erforderniss bezeichnet P. die grösste
Reinlichkeit, die dieser weniger durch Ausspritzeu
als Austrocknen mit ^absorbent cotton^^ anstrebt.
Allen andern Medikamenten zieht er die Höllen-
steinlösungen vor, und zwar in der Stärke von
10 Gran:3J (0.60:30.00 Qrmm.) bis zur saturir-
ten Lösung ; in Fällen mit kleiner Perforation oder
iniperforirtem Trommelfell bei Eiterung in der Pauke,
that das Aufpinseln von starker Lösung auf das
Trommelfell gute Dienste ; Alumen in Pulver oder
sutarii*ter Lösung macht oft halte Conkremente, die
dann als Fremdkörper reizend wirken ; essigs. Blei,
schwefeis. Zink (von 2 — 10 Gran : 5J ■= 0.12 —
0.60:30.00 Grmm.) und Carbolsäure (2—4 Gran:
5J = 0.12—0.24:30.00 Grmm.) finden nach P.
oft zweckmässige Verwendung. Bei erschlaffter
Paukenschleimhaut und grosser Perforation sah der-
selbe gute Erfolge von Tamponirung des Gehör-
gangs mit absorbirender Baumwolle (die Wolle
wurde einige Stunden bis Tage im Ohr gelassen).
Das künstliche Trommelfell liebt er nicht, es reizt
und macht leicht Ausfluss. — Zur Entfernung von
Polypen zieht P. die Zange (von Hin ton) der
Wilde 'sehen Schlinge vor; nach operativer Ent-
fernung des Polypen ätzt er den Stiel mit Arg. nitr.
in Substanz oder satnrirter Lösung oder mit stärk-
ster Salpetersäure, wobei jedoch Vorsicht nöthig ist ;
zur Beseitigung von Granulationen thut gebrannter
Alaun gute Dienste, ebenso Jodoform, das jedoch
bekanntlich seines Geruches wegen unangenehm ist.
Nekrotische Knochen sind mit der Zange auszu-
ziehen, sobald diess ohne zu grosse Gewalt ge-
schehen kann. — Gehirnsymptomen baut man am
besten vor, wenn man jede Eiteranhäufung in irgend
einer Höhle des Ohres zu verhindern im Stande ist.
Folgenden ätiologisch beachtenswerthen Fall von
chron. Ohreneiterung mit Zerstörung des Trommel-
fells beschreibt Rob. Torrance (Brit. med. Journ.
March 8).
Ein 27jähr. Mädchen, welches T. wegen Schwer-
hörigkeit, Ausflnss und Sausen auf dorn linken Ohr con-
saltirte, gab an, dass ihr vor 8 Jahren eine Fliege in das
Ohr gekrochen sei, die erst nach einiger Zeit entfernt
werden konnte. Am folgenden Tage Ohrschmerz, Schwel-
lung und nach einiger Zeit Ausfluss ; eine passende Be-
handlung hatte nicht stattgefunden. T. fand Zerstörung
des Trommelfells und des Hammer-Handgriffs. Da die
Kr. durch eigenthümliche Contraktions-Bewegungen des
Gesichts und Unterkiefers im Stande war, die Hörfähig-
keit etwas zu bessern, so vermuthet T., dass die Gehör-
knöchelchen im Uebrigen erhalten, aber dislocirt waren
und durch die Contraktionen wieder in die riehtige Lage
gebracht wurden [? Ref.'\.
Intraiympanale gefässreiche Tumoren bei tmwr-
letztem puleirenden Trommelfell.
Zwei hierher gehörige Fälle theilt Robert T.
Weir (Amer. Journ. of Otol. I. p. 120. April) mit.
Bei einer 35 J. alten Dame , welche seit etwa 1 J.
an zunehmender Schwerhörigkeit und pulsirenden Geräu-
schen im rechten Ohr , sowie leichten SchwindeUmfiillen
litt, zeigte die Untersuchung das rechte Trommelfell
gleichmässig intensiy geröthetu. nach aussen yorgebachtet
ausser in einer dem Hammergriff entsprechenden Linie,
welcher letztere in einer Depression eingelagert erschien.
Die ganze Membran pulsirte synchronisch mit der Caro-
tis; bei Compression derselben hörte die Pulsation des
Trommelfells auf ; Luft konnte nicht durch die Tube ein-
gepresst werden. Nach Incision im hintern Trommelfellr
Segment folgten ziemlich reichUche Blutungen, leichte Fal-
timg des Trommelfells und einige Hörverbesserung. W.
diagnosticirte einen blutreichen Tumor, der die Paake
ausfüllte. Nach wiederholten Punktionen, nach denen
Aetznngeu mittels Salpetersäure durch die Punktionsöff-
nung ausgeführt wurden , minderte sich die Pulsation nnd
die Hörweite nahm zu. AUmälig wuchs aus der Pnnktions-
öffnung eine nach und nach das Trommelfell überdeckende
polypenartige Masse hervor, nach deren Entfernung durch
wiederholte Aetzungen das Gehör besser erschien , doeh
war Luft noch nicht in die Pauke zu bringen. Pulsation
war nicht mehr sichtbar , doch wurde sie noch von dei
Kr. gefühlt. EndUch gelang es, Luft mittels des Po:
1 i t z e r 'sehen Verfahrens einzutreiben nnd 1 Yierteljahi
später war das Trommelfell nahezu normal , nur im vor-
dem Theil weissstreifig durch Bänder , die vom Hammel
nach der Peripherie zogen. Tube leicht durchgängig.
Im 2. Falle handelte es si^h um einen Tumoi
an der hintern Paukenwand , der von einer Semm-
Anhäufung überlagert war.
Eine 35jähr. Negerin litt seit 4 Jahren an Schwer-
hörigkeit und klopfenden Geräuschen im linken Ohr;
beim Bücken Zunahme der Geräusche und Schwindel
Trommelf eU im hintern, besonders hintern nntem Theü
von röthlicher Farbe, vorgebuchtet und isochron mit den
Herzstoss pulsirend. Bei der Paracentese reichliche Blnt
entleerung und allgemeine Erleichterung , die nahezu '/i
Jahr anhielt. Als die Kr. wieder erschien war das Trom
melfell überall durchscheinend , ausser im hintern unten
Quadranten , wo ein rundUcher kleinerbsengrosser Fled
vorgebuchtet, jedoch nicht pulsirend erschien; beim Po
litz er 'sehen Verfahren sah man deutlich die Grenzlinii
einer Flüssigkeitsansammlung in der Pauke. Durch wie
derholte Punktionen mit nachfolgenden Aetzungen, sowii
endlich durch eine grosse Incision gelang es binnen eint
gen Monaten Pulsation und Schwindel zu beseitigen. Nni
im hintern obem Theil des Trommelfells bestand nocl
eine kleine, röthlich gefärbte leichte Vorbuchtung. Voi
da ab kam die Kr. nicht wieder; sie starb 4 Jahre sp&tei
an Phthisis und soll mehrere Monate vor ihrem Tod vi«
Beschwerden vom Ohre gehabt haben.
Einen analogen Fall beobachtete Albert H
Bück (1. c. p. 126) bei einer 33 J. alten, anämi
sehen Frau , welche seit 2 Mon. an einem heftigen,
dem Herzstoss synchronischen Geräusch im rechten
Ohre, ohne Schmerz oder Schwerhörigkeit litt.
Das TrommelfeU war im obem Theil dünn u. dnrch
scheinend, im untern lebhaft roth gefärbt, so dsss ai
einen Blutergnss gedacht wurde. Parac'entese nicht ge*
stattet. Zwei und ein halbes Jahr später klagte Pat. fibei
Schmerz, Schwerhörigkeit und constantes Pulsiren in
Ohr : die untere Hälfte des TrommelfeUs war noch sc
lebhaft roth wie früher, doch war jetzt die hintere Para«
Schurigy Ohrenheilkande.
193
derüembna deutiich oonvez und pnlBirte eynchronisch
mit dem Henestofis. Pat. kam nicht wieder.
B. hebt als besoDders merkwürdig daa unmerk-
liche Entstehen nnd die langsame Entwicklung der
NeabildoDg hervor.
Den BUnfiius der Facialislähmung auf die
Bmnenmudeebi des Ohre erörtert M. Bernhardt
(Berl. kün. Wehnschr. XVI. 16). Bekanntlich kön-
nen sich bei Facialislähmungen Hörstörungen ein-
stelleDy ohne dass Erkrankung des Hömerven oder
Mittelohrs nachzuweisen ist^ so besonders die ab-
Bonne Feinhörigkeit (Hyperacnsis) ^ von Lucae
dnreh Ueberwiegen des M. tensor tympan. über den
geülhmten M. staped. erklärt. Ausser diesem Sym-
ptom fand nun Hitzig ^ dass ein mit schwerer
helalparalyse nnd Hyperacusis Behafteter bei Be-
ve^gsversnchen mit dem M. frontalis und auch
ki Innervation anderer Gesichtsmuskeln einen tiefen
Ton hörte , der nach seiner Annahme durch Mitbe-
Teg:img in der Bahn des M. staped. zu Stande kam,
veshalb Facialparalysen mit dieser Erscheinung
ihren Sitz in der Nähe des Abgangs des N. staped.
U)en mflssten. In einer spätem analogen Mitthei-
Inog [derselbe Fall?] giebt Hitzig an, dass auch
Verlost der (jeschmacksempfindang an dem entspre-
ehenden Zungenrande bestanden habe. Bernh.be-
hndelte nun einen Kr. mit linkseitiger Facialparalyse,
der absolutes Erloschensein der aktiven Beweglich-
keit, sowie der faradisohen Erregbarkeit der link-
sdtigen Gesiehtsmuskeln zeigte. Es bestand keine
Hyperaeusis , vielmehr normales Hörvermögen , die
linke OaumenhäUte war nicht gelähmt, eben so
wenig der Geschmack. Bei Versuchen, zu pfeifen
oder die Augen fest zu schliessen, trat ein tiefes Sum-
TKn im linken Ohre auf; hierbei zeigte sich keiner-
Id Mitbewegnng der Gesichtsmuskeln. Beruh,
uomt daher an , dass das Auftreten von Summen
obe besondere Bedeutung sei und nicht ftir die Dia-
gnose des Sitzes der Faciallähmung verwerthet wer-
den könne.
8. Moos (Ztschi*. f. Ohkde. VUI. p. 221) fand
die Angabe Lucae 's, dass in Fällen von Facial-
ptralyse mit Lähmung des M. staped. tiefe Töne auf
der geliümiten Seite besser als auf der gesunden ge-
h5rt werden , bei einem seit 6 Wochen an Facial-
ptndyse mit Hyperacuds leidenden Kranken bestä-
tigt Die Töne tiefer Stimmgabeln wurden auf der
buken Seite nm das Doppelte weiter als auf der
genniden gehört , während die Hörweite für die Uhr
ttf der gelähmten Seite bedeutend geringer war.
b) EuetachVeehe Röhre.
Katarrh der EuetachVschen Ohrtrompete mit
Bimeymptamen wurde von K. Bürkner (Berl.
Uin. Wehnschr. XVI. 8) bei emem 27jähr. anämi-
sdien Dienstmädchen beobachtet , welches nach ein-
tlgigem Schnupfen von heftigem Ohrensausen, Kopf-
whmerz , Hitiegefflhl , Sehwindel nnd Schwerhörig-
keit mit Dröhnen der eigenen Stimme befallen wor-
war.
Med. Jabrbb. Bd. 191, Hft. 2.
Alle Erscheinungen nahmen im Laafe der nächsten
6—7 Tage noch zu nnd, alsB. die Behandlang übernahm,
fand er stieren , ängstlichen Blick , hochgradige Schwer-
hörigkeit bei normaler Knochenleitung , sehr starke £in-
ziehang der sonst normalen Trommelfelle. Nach Einfüh-
rung des Katheters , mittels dessen die Luft nur schwer
und unterbrochen die Tuben passirte , erhebliche Besse-
rung , die nnter leichten Schwankungen bei fortgesetzter
Luftdnsche und dem internen Gebrauch von Jodkalium
in den nächsten 3 Wochen immer mehr zunahm und end-
lich in Heilung überging , nachdem die Kx, beim Gurgeln
eine zähe , ca. 2 Ctmtr. lange , gelbliche Schleimmasse
ansgeworfen hatte.
c) Proceasue maetoideus.
Sklerose des Warzenfortsatzes, — Arthur
Hart mann (Ztschr. f. Ohkde. Vni. p. 18) unter-
wirft diese, wegen etwaiger operativer Eingriflfe stets
sehr wichtige Erkrankung einer eingehenden Be-
trachtung , und zwar zunächst als selbstständig ver-
laufende Periostitis und Ostitis interna des Warzen--
fortsatzeSy welche sich nach abgelaufener Trommel-
höhlenentzündung weiter entwickelt.
1) Beiderseitige Mittelohrentzündung im Verlaufe von
Typh. abdomin. bei einer 26}ähr. Arbeiterin ; nach Ab-
lauf der Entzündung, die links eine persistente Trommel-
fellperforation , rechts starke Handtrübung bei centraler
Atrophie zurückgelassen hatte, blieb intensive, periodisch
anftretende Schmerzhaftigkeit in der Tiefe des äusserlich
normalen Proc. mast. zurück. Wegen vorgeschrittener
Phthise, die sich dem Typhus angeschlossen hatte,
wurde, von der Operation abgesehen. Sektion. Links :
Perforation ; Hammer und Ambos in membranose Stränge
eingebettet; das normal grosse Antr. mast. nach allen
Seiten , ausser nach oben , von einem 6 Mmtr. breiten,
sklerotischen Knochenring umgeben, völlige Sklerose
zwischen äusserm Gehörgang und Antrum. Im rechten
Proc. mast. bei normalem Antr. vollständige Sklerose, in
welche ein erbsengrosser und mehrere kleinere lufthaltige
Räume eingebettet waren.
H. zieht eine von Wen dt gemachte Beobach-
tung an, der öfters bei Sektionen die Höhle des Proc.
mast. durch Schwellung der Schleimhaut völlig aus-
geftlUt fand, und ist der Ansicht, dass hier ein bei
andern Knochen des Körpers als Ostitis interna osteo-
plastica (condensirende Ostitis nach Volkmann)
bekannter Process vorlag. Die Sklerose kann hier-
nach als idiopathische Erkrankung des Proc. mast.
nach abgelaufener Mittelohrentzündung vorkommen
und die dabei auftretenden heftigen Schmerzen können
— wie mehrfache Ei*fahrung lehrt — durch Eröff-
nung des Proc. mast. beseitigt werden.
2) Als Complikation von Entzündungsproces-
sen der Paukenhöhle bestand Sklerose des Warzen-
fortsatzes in folgenden Fällen.
2) Eine 34Jähr. Arbeitersfirau , die seit Kindheit an
linkseitiger Mittelohrentzfindung mit wiederholter Exacer-
bation und heftigen Schmerzen im Proc. mast. gelitten
hatte, starb an purulenter Meningitis und Himabscess,
bedingt durch Caries des Tegmen tympani. SekHon. Am
obem hintern Band des Trommelfells eine kleine Perfora-
tion , durch welche ein von der hintern Paukenwand ent-
springender Polyp wucherte; cholesteatomatose Massen
in Panke und Antmm ; Proc. mast. in der Umgebung des
Antr. völlig sklerosirt, nur an der Spitze Andeutungen
von maschigem Gewebe ; äussere Oberfläche gesund.
3) Ein SOJähr. Mann , der 13 Jahre an linkseitiger
Otorrhöe gelitten hatte , starb , nachdem 3 Wochen vor
25
194
Scharigy Ohreiiheilkiinde.
dem Tode Facial-ParalyBe aufgetreten war, an Meningitis
purul. und Kleinhirnabscess in Folge von Caries des Fel-
senbeins. Der Proc. mast. war vollständig sklerosirt bis
auf einige kleine Hohlräume in der Nähe des Antr., seine
äussere Oberfläche normal.
4) Ein ISjähr. Knabe, seit früher Kindheit an recht-
seitiger Otorrhöe leidend, erkrankte mit sehr heftigen
Kopf- und Ohrschmerzen. Entwicklung eines Abscesses
hinter dem Ohr, bei Eröffnung desselben Entleerung stin-
kenden Eiters, Knochen vom Periost entblosst. Fort-
dauernd heftige Schmerzen, Schüttelfröste, Delirien,
Koma, Tod. »Sektion. Meningit. purul. ; Thrombose des
fcsinus transv., Caries des Felsenbeins, Nekrose am Dach
der Pauke. Im Antr. mast. ein kleines nekrotisches
Knochenstück; Proc. mast. bis auf einige kleine Hohl-
räume in der Spitze völlig sklerotisch; äussere Oberfläche
vom Periost entblosst , sonst nichts Abnormes.
üervorzubeben ist, dass in allen 4 mitgetheilteu
Fällen — in Fall 2 und 3 wäre bei lechtzeitiger
entsprechender Behandlung Rettung wohl möglich
gewesen — die Sklerose auf das Innere des Proc.
mast. sich beschi'änkte und die äussere Oberfläche
nicht aufgetrieben erschien. Diess ist ftlr die künstl.
Eröttnung des Knochens in analogen Fällen insofern
von Wichtigkeit , als dabei nicht tiefer y als die nor-
malen auatom. Verhältnisse gestatten, vorgedrungen
werden darf (vgl. H.'s Bemerkungen im Arch. f.
klin. Chir. XXI. 2).
R. Ellis (Brit. med. Joum. June 14) beobach-
tete Taubheit in Folge eines Schlages auf den Proc.
mastoideus bei einem 14jähr. Knaben.
Drei Tage hindurch Unbesinnlichkeit , Taubheit,
Sausen. Meat. audit. congestionirt , Trommelfell tief
dunkel, Proc. mast. bei Druck schmerzhaft; dumpfes
Druckgefühl fiuer dem rechteu Auge und in der Schläfen-
gegend ; Schwindel bei schneller Kopfbewegung. Nach-
dem während 12 Wochen durch lokale Bluteutziehungen,
Blasenpflaster, Jod-Eiiireibuugen und Jodkalium innerlich
nur eiue geringe Besserung erreicht worden war , erfolgte
plötzlich Heilung, nachdem eine ziemlich heftige spontane
Blutung aus der rechten Nasenhöhle eingetreten war.
Vier Fälle von schweren Erkrankungen des
Froc. masUy von denen 3 gflnstig verliefen ^ ver-
öffentlicht S. Moos (Ztschr. f. Ohkde. VIII. p. 136).
1) Ein 12jähr. Knabe, nach den Masern seit 2 Jahren
an rechtseitiger Otorrhöe, sowie seit 3/ 4 Jahren an Schwel-
lung des Proc. mast. und einer eiternden Fistel hinter
dem Ohr leidend , zeigte bei der Untersuchung eine fluk-
tuirende Geschwulst nebst Fistel hinter dem Ohr , poly-
pöse Wucherungen, an der hintern knöchernen Gehörgangs-
waud entspringend , woselbst rauher Knochen zu fühlen
war. Operativer Eingriff verweigert. Drei Wochen spä-
ter : Eiterabfluss fast ganz versiecht , heftige rechtseitige
Kopfschmerzen. K^iVt/^'scher Schnitt, Abtragung der
polypösen Wucherung im Gehörgang, wodurch eine Com-
munikation zwischen äusserer Wunde und Gehörgang her-
gestellt war. Nach etwa ö Wochen erneute Abtragung
aer wieder gewucherten Granulationen und nach abermals
5 Wochen Extraktion eines Sequesters, danach baldige
Heilung.
2) Ein ISjähr. Bursche, seit früher Kindheit mit
rechtseit. Ohrenfluss behaftet , bekam vor 8 Jahren einen
Absuess auf dem Proc. mast., wonach angeblich Knöchel-
chen aus dem Ohre abgingen und der Ohrenfluss aufhörte ;
seit 10 Tagen bestanden heftige Schmerzen in der ganzen
rechten Kopfhälfte. Es fand sich eine von der hintern
Obern Gehörgangswand ausgebende fluktnirende Ge-
schwulst, die, ausgiebig geöffnet, viel Eiter entleerte und
als Abscess im vordem äussern Abschnitt des Proc. niast.
diaguostieirt wurde. Neon Tage später bedeutende Ver-
schlimmerong : Schmerzen bis in den Nacken and die
linke Schädelhälfte, Schüttelfröste, Fieber, polypöse
Wucherungen im Gehörgang. Eisblase, Blutegel, Aus-
spülungen mit Salicylsäurelösung, innerlich Natr. salicyli-
cum. Unter ausgesprochenen meningitischen Erscheinun-
gen in den nächsten Wochen Abscessbildung auf dem
Proc. mast., nach dessen Oeffnnng ein kleiner Sequester
sich entleerte und die Communikation mit dem Gehorgaog
hergestellt war. Nach vorübergehender Besserung tut
eine erneute Exacerbation mit Schmerzen , Ungleichheit
der Pupillen , Harnverhaltung (Blut und Eiter im Harn)
auf, bis endlich unter Anwendung subcutaner Morphium-
Injektionen Defervescenz und definitive Beconvalescens
eintrat , so dass Pat. das Bett verlassen konnte. In der
Tiefe des Gehörgangs war dann , von Granulationen be-
deckt , ein unbeweglicher Sequester fühlbar , es bestand
ehie f^eie Communikation zwischen der Oeifoung auf dem
Proc. mast. und dem Gehörgang ; die Sekretion war Bpä^
lieh, geruchlos. Pat'. wurde auf seinen Wunsch ent-
lassen.
ObschoD wegen des Sequesters von einer HeiloDg
noch nicht die Rede sein konnte ; so ist doch das
Schwinden der schweren ComplikationskrankheiteD,
trotz Fortdauer des ursprünglichen Leidens ^ sehr
beachtenswerth.
3) Ein 29jähr. Mann hatte seit der Kindheit bis vor
12 J. an rechtseitiger Otorrhöe gelitten ; seit 3 Monaten
fühlte er Schnierzen in der Tiefe des rechten Ohrs , die,
sich aUmälig nach aussen verbreitend, ausserordentlich
heftig wurden. Erbrechen, Appetitlosigkeit, Durst, Fie-
ber. Proc. mast. weder aufgetrieben , noch bei Druck
schmerzhaft. An der hintern obern Gehörgangswand eine
fluktnirende Geschwulst, nach deren OetFaung das Messer
3—4 Ctmtr. weit in schräger Richtung vorgeschoben we^
den konnte; Entleerung stinkenden Eiters und einiger
cholesteatomatöser Massen. Erhebliche Erleiohtemnf
trat sofort , gänzlicher NachUss der Schmerzen aber erst
dann ein , als nach Abtragung der prolabirenden Abscess-
wände eine enorme Menge cholesteatomatöser Massen mit-
tels des Kautschuklöffels entfernt worden war ; trotzdem
hielt die Entleerung derartiger Massen noch 3 W. hin-
durch an , bis nach 6 Wochen die Heilung vollendet war.
Durch Zugrundegehen des vordem Abschnittes des Proc.
mast. und der nach vom angrenzenden knöchernen G^
hörgangswand, sowie der äussem und untern Umrahmnng
des Antr. mast. hatte sich ein patholog. Hohlraum gebil-
det, in dem die Sonde 6 Ctmtr. tief vorgeschoben werden
konnte. Die hintere Trommelfellhälfte u. der Ambos fehlte,
der Steigbügel war erhalten, die vordere Trommelfell-
hälfte und der Hammergriff mit der Labyrinthwand ve^
wachsen. Sprachverständniss »» 6 Meter.
M. bringt die Entstehung der cholesteatomatösen
Massen (einen analogen Fall vonBezold, vergl.
Jahrbb. CLXXX. p. 279), wodurch in den benach-
bai'ten Enochenpartien Druckatrophie entstanden
war, mit der frühem Ohrenentzündung in Zusammen-
hang , zu der sich in den letzten Monaten eine akute
Caries gesellte, wodurch die heftigen Schmerzen im
Ohr und der reichliche Eiterausfluss nach der Incision
Erklärung finden. Bemerkenswerth ist, dass die
Aussenfl&che des Proc. mast. in keiner Weise ver-
ändert war.
4) Ein 24jähr. Mann hatte in der Kindheit doppel-
seitigen Ohrenfluss, der später aufhörte. Vor S Mon.
war ein heftiger, 3 Tage n. 3 Nächte anhaltender Scbmerf-
anfall im Unken Ohr, ein zweiter ähnlicher vor 7 Wochen,
endlich ehi dritter vor 4 Tagen aulgetreten, der hei der
Aufnahme des Kr. noch anhielt. Der Gehörgang war von
einer weissen, mit der hUitera obern Gehöigangswaad vt
sammenhängenden , comprimirbaren Oeschwolst aaige-
Scbnrigy Ohrenheilkunde.
195
IfiDt, der Proe. niMt. nicht Bchmerzhaft. Die Incision
4er 6«Bchwol8t entleerte mehr Blut als Eiter ; Knochen
laoh, doch keine Commnnikation mit den Zitzenzellen
giehweisbar. Völliges Wohlbefinden nnter Qebraach
«inner OhrbSder. Nach 9 Tagen erneute Schmerzen,
die nach efaker Incision etwas nachliessen ; 8 Tage später
tnt Fieber anf, heftiger Stimschmerz, viel Eiter im
Gehörgangsabscess ; nach Entleerung desselben nur kurz
dioenide Erleichterung; bald Schwindel, Erbrechen,
beftigster Kopfsehmen, Strabismas, Nackenstarre, Harn-
Tcrhaltong, Tod.
IL hält dieAnschwellaog im Gehörgang für das
Symptom eines Senlsungsabscesses, wofür die Rautüg-
keit des Knochens and der unveränderte Umfang des
Abnesses trotz wiederholten Incisionen spricht. £r-
Mnmg der Zitienzellen vom Gehörgang aus war
geboten; M. iconnte sich jedoch nicht dazu ent-
BchGessen, da der Pat. langem Aufenthalt in Heidel-
beig ablehnte.
Ueber einen höchst interessanten Fall von nekro"
tucker Exfoliation fast des ganzen Warzeniheils
Wehtet Josef Gruber (Mon.-Schr. f. Ohkde.
XIU. 10).
£bi 16jähr. Mädchen hatte nach Scharlach, das sie
ta 10. Lebensjahre überstand, beiderseits Otorrhöe be-
kommen, die rechts zu Abscessbildung hinter dem Ohr
leAhrt hatte. Nach Oeffnung des Abscesses wurde, in
wie hager Zelt, wosste Pa^t. nicht anzugeben, der von ihr
vMsexeiirte und von Gr. abgebildete Sequester entfernt,
4er 3.7 Ctmtr. breit, 3 Ctmtr. hoch und 1.5 Ctmtr. diele
nr and dessen Aussenfläche den normal entwickelten,
aflnlieh unversehrten Proc. mast. von der Spitze bis zur
fi». mastoid.-equamosa darstellte, während an der Me-
diilfliche ein grosser Theil des Sulc. sigmoid. erkennbar
war; es hatte also die Exfoliation fast des ganzen Warzen-
tteUs Btattgefonden. Zur Zeit der Untersuchung bemerkte
■an hinter der rechten Ohrmuschel eine von oben nach
nteo verlaufende Furche, von narbiger Dermis bedeckt,
nter der fester Knochen, ohne Lficke oder besondere
Enpflndüchkeit zu fShlen war. Die Muskeln, bes. der
Hitemo-deido-mast., fupktionirten und markirten sich
gaz normal. Der knöcherne Gehörgang war etwas ver-
eint und nach innen durch eine mit der Labyrinthwand
fennchsene Narbe abgeschlossen. Von Knöchelchen
nr oiehts zn sehen, die Tuba durchgängig ; völlige Taub-
heit — Links bestand noch eine chron. eitrige Pauken-
Utüenentzfindong mit Perforation und leidlichem Gehör.
Von besonderem Interesse ist der Wiederersatz
äner so grossen Knochenmasse ohne Anomalie, we-
der in der Stellung der Ohrmuschel und des Kopfes,
noch in der Insertion der Muskeln. Trotzdem, dass
ierShras sigmoid. lange Zeit von Eiter umspült bios-
gelegen hatte, war keine Störung im venösen Kreis-
fanf zuTttckgeblieben.
OÜis media pwmlenta mit Nekrose des Proc.
BU»t. und der innem Faukenwand beobachtete J.
Michael (Ztschr. f. Ohkde. VIH. 4. p. 300) bei
ttoem 3jähr. Kinde, welches seit 2 Jahren an link-
Kitiger Otorrhöe mit Facialisparalyse litt.
Es bestand eine fluktuirende Geschwulst auf dem
Pne. nast. und im Gehörgang Hess sich, in Granulatio-
Mn eingebettet, ein wenig beweglicher Knochen er-
kesnea. Der Abscess hinter dem Ohr heilte nach Eröff-
mg hl 14 Tsgen ; binnen Jahresfrist etwa wurden theils
I^Ausspritien, theils mit derPincette 6 Kjioohenstfioke
n* dem Gehöigang entfernt, wonach die Otorrhöe anf-
kirte. An Stelle der Paukenhöhle befand sich eine mit
^MemdilhnHehem Uebenug versehene trichterförmige
Höhle; Facialisparalyse und Taubheit blieben unverän-
dert. Die Knochenstücke stammten theils vom Proc.
mast., theils von der innem Pauken wand.
Phlebitis der Venae emissariae masioideae. —
Diese Venen bewirken eine direkte Verbindung zwi-
schen den Sinns lateral, innerhalb des Schädels und
den Occipital-Venen an der Aussenfläche. J. 0 m e
Green (Amer. Journ. of Otol. I. p. 187. July)
beobachtete 3 Fälle von Entzündung dieser Venen,
die aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Entzün-
dung des Sinus lateral, übergeleitet war. In allen
Fällen bestand als gemeinsames und charaktensti-
sches Symptom eine eigenthümliche Infiltration (ähn-
lich wie bei Phlegmasia alba dolens) des Nacken -
Gewebes.
1) Ein 22jähr. Mann* seit 4 Wochen an rechtseit.
eitriger Paukenhöhlenentzündung mit kleiner Perforation,
reichlichem Ausfluss und heftigen Schmerzen leidend, be-
kam einen Abscess anf dem Proc. mast., der nach Inci-
sion rasch heilte. Die Schmerzen dauerten jedoch fort,
bis ein neuer grösserer Abscess ausgiebig eröffnet worden
war, wobei der Knochen gesund gefunden wurde. Es
folgte Nachlass der Schmerzen und des Ausflusses, doch
begann sich Jetzt über dem Proc. mast. eine harte Infil-
tration zu bilden, die sich nach dem Nacken und abwärts
nach der Wirbelsäule ausbreitete, allmälig selbst anf die
linke Seite des Nackens überging. Während anfangs
kein Fieber vorhanden war, stellten sich nun Fieber-
bewegungen ein. Kleine fluktuirende Stellen in dem In-
filtrat wurden geöffnet u. durch die Oeffhungen ein Haar-
seil gezogen ; danach Erleichterung der bes. im Hinter-
kopf heftigen Sohmerzen. Nach Entfernung des Haar-
seils heilten die Wunden rasch zu und das bis dahin vor-
handen gewesene Oedem der rechten AusrenUder schwand ;
bald trat jedoch neuer Schmerz auf, der durch Eröffnung
einer fluktuirenden Stelle über der Protuberantia occipit.
wenig beeinflusst wurde. Erbrechen nach jeder Mahlzeit,
halb komatöser Znstand, der in völliges Koma überging ;
Tod 3 Mon. nach der Aufnahme. Sektion nicht gestattet.
2) Ein 17jähr. Mädchen trat nach Schmerz und kurz-
dauerndem Ausfluss aus dem linken Ohr, wegen heftiger
Schmerzen und Induration über dem Proc. mast., in das
Spital (12. März). Trommelfell eingesunken, weder Aus-
fluss, noch Röthe ; die harte, gegen Druck empfindliche
Induration bis zur Medianlinie ausgebreitet; weder Röthe,
noch Oedem. Wegen sehr heftiger Schmerzen machte
man eine Incision über dem Proc. mast. bis auf den Kno-
chen ; kein Eiter ; bei Eröffnung der Warzenzellen wur-
den auch diese gesund befunden. Die Schmerzen Hessen
danach etwas nach, traten aber bald unter rasch vorüber-
gehender erysipelatöser Röthung des Gesichts längs des
M. sterno-deido-mast. auf ; die Kr. kam bedeutend her-
unter, Fieber stellte sich ein. Termehrte Schmerzen,
besonders im Nacken, Dyspnoe, Bewusstlosigkeit, Blut-
austritte über dem rechten Auge und auf der rechten
Stirnseite, Tod (5. April). Sektion nicht gestattet.
3) Ein 21 jähr, kräftiges Mädchen litt seit Kindheit
an rechtseit. Otorrhöe, die im letzten Jahre nur schwach
und intermittirend sich gezeigt hatte. Nach heftiger Er-
kältung Schmerz im rechten Ohr, der vorüberging, jedoch
trat 1 Woche später (18. Febr.) unter heftigen Schmer-
zen harte Induration in der Qegend des rechten Proc.
mast. auf. Fieber, leichte Delirien, dünner purulenter
Ausfluss, Trommelfell und Kn5chelchen nicht mehr vor-
handen, Paukenschleimhaut roth und geschwollen; Zu-
nahme des Fiebers u. der Induration (trotz Chinin, Opium
und örtl. Blutentziehungen), subcutane Blutergüsse unter
dem linken Unterkiefer und über dem linken Schlüssel-
bein; Bewusatlosigkeit, Tod (21. Febr.).
Alle 3 Fälle endeten tödtlich, u. zwar der erste
70 Tage, der 2. 36 Tage, der 3. 3 Tage nach Er-
196
Scharig^ Ohrenheükuiide.
scheinen der Indnration. Die emgeschlagene Be-
handlung hatte nur vorübergehende Erleichterung
gebracht, war aber ohne Einfluss auf den Verlauf
der Erkrankung. Bemerkenswerth ist, dass im 2.
Falle bei Eröffnung des Proc. mast. die Warzen-
zellen gesund gefunden wurden, obschon die Indura-
tion schon seit einigen Wochen bestanden hatte. M.
hebt noch hervor, dass in der Literatur der Phlebitis
der Venae emiss. mast. zwar gedacht sei , dass je-
doch deren wichtigstes Symptom, die Induration^
keine Erwähnung gefunden.
InnereB Ohr.
Labyrinth* — Bei der Naturf.-Vers. zu Baden-
Baden sprach S. Moos (Ztschr. f. Ohkde. VIII.
p. 278) über feinere histologische Veränderungen
im Labyrinth eines in der Irrenanstalt an hämor-
rhagischer Pachymeningitis gestorbenen 49jähr. Man-
nes, der nach wiederholten sogen, paralytischen An-
föUen innerhalb Jahresfrist völlig taub geworden
war. Es fanden sich mikroskopisch nachweisbare
Umwandlungen von Extravasaten in Pigment, femer
Folgen von Entzündnngszuständen am häutigen La-
byrinth : Hyperplasien mit theilweise fettigem Zer-
fall oder Atrophie mit reichlicher CoUoid-Bildung,
letztere in den Ganglienzellen, dem Stamm des Acu-
sticus und den terminalen Fasern derCrista der Am-
pullen nachzuweisen. Der lehrreiche Vortrag wurde
durch Abbildungen erläutert.
MenOre'sche Krankheit.
6uye (Congr^s intemat. des Sc. m6d. Amster-
dam 1879. p. 65) nimmt die Meni^re'sche Krank-
heit im allgemeinen Sinne für alle die Fälle an , in
denen Schwindelgefühl durch abnorme Reizung der
nervösen Endorgane der halbzirkelförmigen Kanäle
entsteht, sei nun der Reiz em adäquater (z.B. starke
Kopfdrehung) oder nicht-adäquater (z. B. Tempera-
tur-E^wirkungen, vorzüglich Kälte). Menl^re'sche
Krankheit im engem Sinne umfasst nach G. die Fälle,
wo durch entzündliche Vorgänge in den Halbzirkel-
Kanälen oder im Mittelohr entweder constanter oder
anfallsweise auftretender Schwindel entsteht. Letz-
tere patholog. Zustände verursachen die meisten,
wenn nicht alle Fälle von Meni^re'scher Krankheit.
Nachdem G. specieller die Art der Dreh-Empfindung
(um vertikale und horizontale Achse u. s. w.) ge-
schildert und die bei der Krankheit aufkretenden
Ohrgeräusche, die selbst ganz fehlen, sehr stark
oder massig, constant oder unterbrochen sein kön-
nen, sowie den Verlauf des Leidens , das mit oder
ohne Verlust des Gehörs vorüber gehen kann , be-
sprochen hat, wendet er sich zur Therapie. Er be-
fürwortet neben dem von Charcot empfohlenen
innem Gebrauch von Chinin die lokale Behandlung,
die in nicht zu alten, selbst verzweifelten Fällen be-
friedigende Erfolge ergebe.
Das gleiche Thema wurde bei der Badener
Naturf.-Vers. von Gottstein (Ztschr. f. Ohkde.
VIII. 4. p. 388) besprochen. Er hält die Bezeichnung
^Meni^re'sche Krankheit'' nicht für berechtigt, da
verschiedene Krankheitszustände mit Gleichgewichts-
störungen verbundene Schwerhörigkeit hervorrufen
können , ebenso sei die von Charcot herrührende
„vertigo ab aure lassa** ungeeignet , da es sich in
vielen Fällen nicht entschdden lässt, ob die Gl^h-
gewichtsstörung auricularen oder cerebralen ür-
sprangs sei. Dass in Folge von Erkrankungen des
schallleitenden Apparates Schwindelzufälle auftreten
können , die durch Druck innerhalb des Labyrinths
zu erklären sind, unterliegt keinem Zweifel. Solche
Beobachtungen sind aber ftr die Frage, ob die Halb-
zirkelkanäle fttr die Gleichgewichtsstörungen dbekt
verantwortlich zu machen seien oder ob das Central-
organ irgendwie m Mitleidenschaft gezogen sei, nicU
zu verwerthen. Hierzu sind nur Fälle brauchbar,
bei denen der schallleitende Apparat als Ursache
des Schwindels mit Sicherheit auszuschliessen ist und
nur die Annahme einer Erkrankung des Acnsticoi
in seinem centralen Ursprung , seinem Verlauf oder
seiner Endausbreitung übrig bleibt G« unterschddet
eine apoplektische und eine entzündliche Form , die.
von ihm näher charakterisirt werden, wobei dch
herausstellt, dass die Symptome nicht mit den Thier-
experimenten übereinstimmen ; meistens waren deut-
lich ausgesprochene cerebrale Erscheinungen (Oe-
dächtnissverlust , Aphasie, Augenerkrankung) bei
völliger Vernichtung des Gehörs vorhanden und es
bleibt daher noch eine o£fene Frage, ob man es
überhaupt mit einer Labyrintherkrankung zu tbon
habe.
In der sich anknüpfenden Diskussion theilte Moos
einen Fall, betreffend einen 59jähr. Herrn, mit, bei
welchem ein Leiden im verlängerten Mark von
Meni^re'schen Symptomen begleitet war. — Kuhn
beobachtete Fälle, in denen die krankhaften Er-
scheinungen nur auf einer 9eite vorhanden waren;
er glaubt deshalb, dieselben auf Veränderungen im
Labyrinth beziehen zu müssen. — Ein einseitig ia
apoplektischer Form auftretender Fall wurde von
Hartmann mitgetheilt, der auch die bei einem
Syphilitischen auftretenden Meniöre'schen Symptome
unter Anwendung von Jodkalium schwinden sah.
Einen interessanten Fall von Tvmor der Ton'
silla cerebelU, in dem 2 J« lang die Meni^re'sche.
Symptomengruppe sich gezeigt hatte, theilt Oscar
Wolf (Ztschr. f. Ohkde. VIII. p. 380) mit.
Ein 36 J. alter Mann wurde zuerst vor 3 J. wegen
kefttgen Sausens, besonders links, ontersacht : Hörweite
herabgesetzt, Störungen einzelner Tonreihen und Con-
sonantenverwechslung ; Mittelohr beiderseits frei; Jod-
kalinin unregelmässig und ohne Erfolg genommen. Nach
einem Seebad Schwindel und Erbrechen ; laute Sprache
links nur noch dicht vor dem Ohre vernommen. Die
Schwindelanfalle worden im 2. Jahre der Erkrsnkimfr
häufiger und nur Torfibergehend dnroh den oonstanten
Strom gemildert; SVa J. nach Beginn der Erkrsnksiig
Ptosis nnd Erweitenmg der Pupille links, KopflichmeneB
in der linken Scheitelgegend. Das Gehen war nur mit
UnterstatsEung möglich nnter bogenförmigen Bewegnsgea
(sogen. Hahnentritt) ; endlich wnrdePat. gans bettlägeiigr
konnte den Kopf nicht mehr allein erheben. Unksditige
FaoialparalyBe, hier und da Zustände maniakallscher Ex^
regnng; linkes Ohr gana taob; Sausen in den leti^
Schnrig, Ohrenheilkande.
197
Lebenswoehen weniger lästig , der Kopfschmerz dagegen
fliiehtbar; Sprache langsam, eigenthümlich schnarrend
[N. hXP^^ossns?]. Tod anter pneumonischen Ersehet-
Booges.
SeJtUon. In der Tonsilla eerebelli rechts ein kirsch-
ffwsa, blutreicher Tumor, der auf den Ursprung des
Aaatieos im 4. Ventrikel drückte, so dass dadurch die •
Striae aeost. rechts verstrichen waren; Hirnhäute ent-
liBdUch inflltrirt; ein zweiter kleinerer Tumor in der
Groeshinirinde im 67ms central, post., Umgebung er-
wcidit.
Die Tomoren waren wahiseheinlich Gummata ;
M hatte vor 20 Jahren eine Innnktionslnnr dnreh-
geoacbt, seitdem indessen keine luetischen Brschei-
oiBgen gezeigt.
Udber eine Geschwulst des Gehörnerven in der
Bdnhxmgrube machte Geo. T. Stevens (Ztschr.
f. Ohkde. Vra. p. 290) Mittheilung.
Ein ITJähr. Mädchen wandte sich an St. behufs der
Sdileloperation. Sie zeigte schwerßUIige, unsichere Be-
lesDJigen, schleppende Sprache bei mangelhafter geistiger
Tüägkeit. Es bestand Strabismus convergens (bis zum
i Lebensjahre war Strabismus divergens vorhanden ge-
nsen), beiderseits Lähmung der M. recti ext. , ausgeprägte
SuvDgspapüle. Das Gehör war links ganz verloren,
leebts erheblich vermindert; häufig Kopfweh, Gefühl von
Sehvere im rechten Arm und Bein. Seit den letzten
4J. bemerkte man Abnahme der geistigen Fähigkeiten,
fahrend Pat. bis dahin als gute Schülerin gegolten hatte ;
lädiBche Neigungen (Spielen mit Pappen u. s. w.), seit
\ J. ausserdem schwankender Gang. S t. lehnte die Ope-
ntion ab, da er ein Leiden an der Schädelbasis, wahr-
ffheinlich einen Tumor, vermuthete. Vier Tage später
wurde Pat. bettlägerig, die Sprache immer schleppender,
lie GeistesthStigkeit getrübt. Tod nach 4 Wochen. Die
Se^üofi ergab einen Tumor, der die Hälfte der Kleinhim-
pibe erffiUte und das Kleinhirn auf dieser Seite auf die
ffilfte seines Volumen reduchrt hatte. Ein Fortsatz des
ib Sarkom bestimmten Tumor ragte in den erweiterten
lest, audit. int. und wurde als Acusticus erkannt, dessen
Kovenftuem in Bündel getheilt, speicbenartig zwischen
Üe Faserzage des Tumor eindrangen und sich darin ver-
lonn.
Auffallend erscheint die langsame Entwickluug
des Paeudoplasma und die anfangs geringe Störung
ier FnnktioDen. Von besonderem Interesse ist das
Fehlen von Faeialislähmung, die bei der Grösse und
Uge des Tnmor wohl hätte erwartet werden sollen.
Ohrgeräusehe.
Nach Laurence Turnbull (Vortrag in d.
Brit. med. Assoc. — Ztschr. f. Ohkde. VIII. p.368)
liod die subjektiven Ohrgeränsche in der Regel nicht
ils reflektorische, sondern als Beweis einer Reizung der
Aenstieas-Bndnngen zu betrachten ; in vielen Fällen
ist Heilung möglich. Pulsirende Geräusche begleiten
gewöhnlich die akuten oder subakuten Formen katar-
Hal. Entzftndungen und es spielt hierbei die Cirku-
lation, speciell die cerebrale BIntversorgung , eine
wwenüiche Rolle. Von 317 Ohrenkranken hatten
166 subjektive Geräusche , welche nur 4mal einen
palairenden Charakter zeigten. In der grossen Mehr-
ttU der mit Geränschen einhergehenden Fälle fand
T. Veränderungen des Trommelfells, der Eustachi*-
»ten Röhre oder des Mittelohres. Als Symptome
Yon Himerkiankungen treten subjektive Geräusche
vr selten auf: nnter 1662 Fällen von Oehörstömng.
fanden Blake und Shaw nur 6mal Ohrgeräusche
mit Gehimaffektionen verknüpft. — Ueber die sich
anknüpfende Diskussion ist im Original nachzulesen
(a. a. 0. p. 369).
Einen interessanten Beitrag zur Lehre von den
subjektiven Ohrgeräuschen liefert GustavBrun-
ner (Ztechr. f. Ohkde. VIII. p. 185). Er ist ge-
neigt, das Ohrenklingen, welches auftritt, wenn eine
plötzliche heftige Lnftwelle (z. B. Detonation eines
Geschützes) an unser Ohr schlägt, als ein Analogon
der Lichtempfindung bei Druck auf das Auge auf-
zufassen, also als eine mechanische y nicht durch
die speeifischen Endorgane im Labyrinth vermit-
telte Reizung der Acusticus fasern. Gewöhnlicher
hoher Ton (gew. die eingestrichene Oktave oder
höher) wird auch bei galvanischer Reizung des Ner-
ven vernommen, so dass es scheint, als ob auf
(gi'ob) mechanische Reizung der Nerv mit Ohren -
klingen reagire. Hierher ist auch das ^^reflekto-
risehe" Ohrenklingen zu rechnen , das von andern
Nervenbalmen auf den Acusticus übertragen wird ;
so beobachtete Br. bei einem lojähi*. Mädchen
Ohren klingen beim Schliessen der Augenlider, bei
einem mit chron. Mittelohrkatarrh mit Labyrinth-
betbeiligung behafteten Herrn beim leichten Schütteln
des Kopfes. Feiner rechnet Br. zu dieser Kategorie
eine Beobachtung ZaufaTs, betreffend einen blin-
den Klavierstimmer, der bei Dmck auf den Tragus
einen hellen hohen Ton wahrnahm. Von Interesse
ist folgender von Br. selbst beobachteter Fall.
Ein junger Mann, der neben Symptomen von Mittel-
obrkatarrli in der Hauptsache von einem Labyrinthleiden
(plötzliches Entstehen hochgradiger Taubheit, fehlende
oder sehr verminderte Knochenleitnng u. s. w.) befallen
war, empfand als auffallendstes Sjrmptom im afflcirten
(linken) Ohr ein starkes, summendes Geräusch, das bei
Jedem Lidschlag, bei jeder Zuckung des Bf. orb. palpebr.
auftrat und nach einigen Minuten ausklang. Während die
oberhalb der Mitte des Piano gelegenen Töne rein ver-
nommen wurden, bestand nach unten eine an verschie-
denen Tagen verschiedene Grenze, von wo an statt des
Tones nur ein dumpfes Geräusch gehört wurde, ähnlich
wie beim Lidschlag. Bei Luftverdünnung im Meat. audit.
und bei Aussaugen der Luft ans der Pauke mittels des
Katheters verschwand das subjektive Geräusch.
B r. meint, dass gewisse Bezirke des Labyiünths
im Bereiche der tiefern Töne vorzugsweise erkrankt
und hyperästhetisch seien ; Muskelgeräusche waren
nicht anzunehmen, da dieselben tiefer liegen (18 bis
20 Schwingungen nach Preyer u. Helmholt z).
— Dem Ohrenklingen verwandte , in hohem Ton-
lagen sich bewegende Geräusche , als Grillenzirpen,
Sieden u. s. w. kommen häufig beim chron. Mittel-
ohrkatarrh, besonders in den spätem Stadien vor,
während bei akuten Entzündungen mehr über /2at<-
0cAe;i geklagt wird. Das Grillenzirpen, Siedenn. s. w.
besteht aus mehreren , rasch mit einander abwech-
selnden Tönen etwa in der 4 — ögestrichenen Oktave,
ist gewöhnlich continnirlich, nicht pnlsirend und wird
vermehrt durch geistige Anstrengung, Aufregung
u. 8. w. Lucae (Arch. f. Ohkde. IV. 1. p. 39)
erklärte das an sich selbst wahrgenommene hohe
Geräusch als durch veimehrten Labynnthdrack ent-
n
198
Sc bar ig, Ohrenheilkunde.
standen, da es nach dem Valsa Iva 'sehen Versnch
verschwand. Allein nach Politzer 's (Lehrbuch
p. 78) Untersuchungen wird durch den V als. 'sehen
Versuch der Labyrinthdruck gesteigert, während,
entgegen der bisherigen Annahme, bei Verdünnung
der Luft in der Pauke, z.B. bei verschlossener Tube,
der Labyrinthdruck vermindert wird, und es entsteht
die Frage, ob der Acusticus nicht ebenso durch ver-
minderten, als vermehrten Labyrinthdruck gereizt
werde. Dass diese Geräusche subjektive und nicht
eniotische seien , hält B r. deshalb ftlr wahrschein-
lich, weil eine continuirliche Schallquelle von so
hohem Toncharakter in der Umgebung des Ohres
nicht zu finden sei, da ja die Muskel- und Blut-
geräusche viel tiefer liegen. Wenn Kessel das
Zirpen durch zitternde Contraktionen des M. staped.
zu erklären sucht, so steht dem die zuweilen jahre-
lange Dauer des Geräusches entgegen.
Wesentlich verschieden von den besprochenen
subjektiven Gehörwahmehmungen ist das Ohrrau"
sehen (wie ein Fluss, Wasserfall u. s. w.), das Br.
in den meisten Fällen für ein entoOseheSy durch
Autoperception von Muskel- und Blutgeräuschen ent-
standenes hält, obschon eine von Preyer veröffent-
lichte und von Br. kurz mitgetheilte Beobachtung
dafür spricht , dass es auch subjektiv im Labyrintii
oder den Gentren entstehen könne. In den meisten
Fällen dürfte das Muskelgeräusch von den Blut-
geräuschen zu unterscheiden sein: ersteres geht nicht
über den tiefsten Ton des Piano (a — *■=» 27 Schwin-
gungen), die Empfindung desselben ist weniger
gleichmässig und nicht von so unbegrenzter Dauer
als das vom Blutstrom bedingte Rauschen und Brau-
sen , das bald pulsirend , bald gleichmässig ist und
hörbar wird durch alle die Resonanz im Ohr ver-
stärkenden Faktoren, z.B. eine abgesperrte Luftsäule
im Gehörgang, in der Pauke n. s. w., femer durch
abnorme Verstärkung des Blutstroms überhaupt und
durch Hyperästhesie des Acusticus und der Central-
organe ; alle genannten Momente können sich com-
biniren, z. B. bei Entzündung des Mittelohres.
Eine besondere Gruppe bildet das subjektive
Hören zusammenhängender Melodien , deren Ur-
sache Br. in einer hochgradigen Hyperästhesie des
Gentralorgans sucht.
Eine derartige Erscheinimg trat bei einer 32Jähr.
Fraa in schwerem Wochenbett nach grossen Dosen Chinin
neben hochgradiger Schwerhörigkeit anf, verlor sich aber
n ich einigen Tagen bis anf ein continnirliches Rauschen.
Ein 40jähr. Mann , zur Zeit an Schwerhörigkeit in
Folge von Sklerose der Pankenschleimhant leidend, er-
litt vor einem Jahre einen heftigen, zu halbseitiger Läh-
mung führenden apoplektischen Anfall; während der
ersten 2 — 3 Wochen hörte er bei mehr oder weniger ge-
störtem Bewnsstsein Melodien wie von einer Drehorgel,
die sehr quälend und intensiv waren.
Dass das subjektive Hören von Melodien in Folge
urspiUnglich peripherer Ohrleiden , die allraälig bis
in die Centren hinein Veränderung und abnorme Er-
regungszustände bedingen mögen, vorkommen könne,
wurde von Br. wiederholt beobachtet.
Fälle von objektiv wahrnehmbarem Ohrgeräusch,
£. L. Holmes (Ztschr. f. Ohkde. Vm. 4. p.295).
Ein seit Kindheit mit einer nicht näher beschriebenen
Ohrkrankheit behaftetes ITJähr. anämisches n. schwäch-
liches Mädchen litt an unwillkürlichen klonischen Hebiui-
gen des Kehlkopfs wie beim Schlacken, die von einem
'bis 18 Zoll (ca. 42 Ctmtr.) weit von den Ohren hörbaren
Knacken begleitet waren. Tonisirende Behandlong bes-
serte das AllgemeinbeUnden , ohne das Knacken in den
Ohren zu beeinflnssen. Bei rhinoskop. Untersnchong sah
man, dass gleichzeitig mit der Hebung des Kehlkopfe die
M. tensor veli and Levat veli sich spannten und die Lip-
pen der Ohrtrompeten von einander sBogen.
Nach H. kann das Knacken entstehen durch das
Oeffnen der Ohrtrompete , durch das Einfallen der
Luft in die Pauke oder durch spasmodische Anspan^
nung desTens.tympani. Letzteres erscheint ihm ai9|
wahrscheinlichsten. I
Victor Bremer (Mon.-Schr. f. Ohkde. ZIU. 10).|
Ein kleiner, magerer and blasser Knabe vermochte !^
seinem rechten Ohr ein auf 10 Fass weit hörbares raa«j
selndes Qeräusch zu erzeageo, ohne recht za wissen, wiej
Am stärksten war es in und unter der äussern Ohröftii
EU vernehmen und bestand fort, auch wenn durch d(
Katheter ein Boagie in die Tube eingeführt war. D
HÖrfahigkeit war normal, das Trommelfell unregelmi88S||
eingezogen, Bewegungen desselben während des Rasseh»
nicht wahrnehmbar.
B. vindicirt den Binnenmuskeln des Ohres, spe-
ciell dem Tens. tymp., bezüglich der Entstehung des
Geräusches die Hauptrolle. Der Umstand, dass das
Geräusch nur einseitig war und trotz der Einfllhrang
des Bougies fortbestand, spricht gegen die Betbei-
ligung der Gaumenmuskulatur ; auch blieb das Gaa-
mensegel vollkommen ruhig.
Intraeranielle Erkrankungen in Folge von chron.
Mittelohreiterung,
C. J. Kipp (Ztschr. f. Ohkde. VUL p. 275)
veröffentlicht folgende 4 Fälle, um zu zeigen, datt
Heilung selbst bei schweren Himsymptomen in Folge
von Otit. med. purul. nicht so selten ist, und sodann,
um auf den Werth der Augenspiegeluntersuehang
bei Krankheiten der Schädelhöhle besonders auf-
merksam zu machen. In allen von K. beobachtetea
Fällen mit Hirnsymptomen, in denen Neuritis optici
nicht zugegen war, trat Genesung ein, während von
den Fällen mit Neuritis optici die Hälfte tödtlicb
endete.
1) Ein 5jähr. Mädchen Utt seit 1 J. nach einer Man-
delentzündung, der später eine diphtherit. Halsaifektion
folgte, an beiderseitiger Otorrhoe. K. fand im November
den knöchernen Gehörgang etwas geschwollen u. gerSthet,
das Trommelfell im hintern Segment perforirt, die Pm-
kenschleimhaut granulös. Nachdem Röthe und Schwel-
lung des rechten Proc. mast. nach Blutegeln und Kata-
plasmen vorfibergegangen, erkrankte das Kind im Deebr.
an Scharlach mit Exacerbation des Ohrenleidenfl, ^^sm
sehr herunter, erholte sich aber während der nSohstan
Monate und auch die Otorrhoe besserte sich (Aetiungea
mit lOproc. Höllensteinlösung). Im März trat jedoch Fie-
ber mit Kopfschmerz und Delirien auf. Stuhlverstopfon; ;
rechter GtohÖrgang stark verschwollen ; Versehwindeo des
Ohrenflusses; ödematöse Schwellung vor dem Tragus,
allmälig Aber die rechte Gesichtshälfte ausgedehnt, leicbte
Chemosis (Calomel, Brorakalinm, Warmwasser-Eintraa-
felungen). Naohlass der Schwellung nach einer Wodie
unter Zunahme des Ohrenfluases. KopCsohmen nwl ^'
Schurigy Ohrenheilkunde.
199
breeken dauerte jedoch fort; die Augenspiegelimter-
nehmig eigab Neuritis optici in beiden Augen (Jodka-
Ibid). Während des Monate April waren die Himsymptome
biki besser, bald schlimmer, im Mai trat Paralyse des
nektea M. ext. (Strabismus converg.) nnd Nackenstarre
hiosD. Der Zustand der Ohren blieb unverändert günstig.
Tom jäli ab trat wesentliche Bessening aller Symptome
iin, anqrcsprochene Reconvalescenz, bis October wurden
die Okreo troeken, die Neurit. optici war yerschwunden.
K. nimmt eine Meningit. basilar. mit Thrombose
d£g Sin. tranfiv. und der Vena jugul. an.
%) Ein 23jähr. kräftiger Arbeiter, seit 1 J. an recht-
gotiger intermittirender Otorrhöe leidend, bekam yor
1 Woeke heftigen Schmerz über die ganze rechte Kopf-
kSfte. Befand am 10. Joni : Gehörgang voll Eiter, sehr
lat, geröthet, TrommelfeU livid mit kleiner Perforation
iiiatem Theil. Am 15. Juni: Fortdaaemder Sehmerz,
BaekeDstarre, Stuhlverstopfong (Calomel, Eisbhise, Mor-
|kiom) ; am nächsten Tag Schüttelfrost, Erbrechen, star-
les Fieber, Sensorium klar ; beiderseits Neuritis optici,
bell kurzer Besserung während der nächsten Tage am
ll.jQni Convulsionen mit halbstündiger Bewusstlosigkeit,
des Erbrechen, leichter Sopor, äusserst heftiger
lüschmerz, profuser Ohrenfluss, Bewusstsein wieder
, endlich Sopor, Koma und Tod am 4. Jnli. — Sek-
Hühnereigrosser Abscess im rechten TemporaUap-
. Sin. transv. mit einem in Zerfall begriffenen Throm-
erfallt, Sinuewand zum Theil zerstört; Paukenschleim-
granulirt, Trommelfell verdickt und perforirt; in
Varzenzellen und Antrum stinkender Eiter, knöcherne
Xfiaehenwände cariös.
Die doppelseitige Neniitis opt.; derKopfschmerz^
Icfaflttelfroät und die Convulsionen Hessen den Ab-
vennuthen, während die Zeichen der Sinus-
Aioinbose fehlten und auch die centrale Oaries im
Waizenfortsatz äusserlich keine Symptome gemacht
kte.
3) Ein lejähr. kräftiges Mädchen mit rechtseitiger
Otorhöe seit 10 Jahren behaftet, bekam vor 1 Monat
idoserz hinter dem rechten Ohr und Anschwellung, die
dmilig zunahm ; vor 1 Woche Schüttelfirost, Fieber und
Umeiss ; zwei kleine Incisionen brachten keine Erleich-
taog. Am 28. October starkes Fieber, flaktuirende
tahwolst hinterm Ohr, profuse Otorrhöe; grosse In-
«BOQ, Eataplasmen, Morphium, Fieber durch Chinin ver-
aiBdert. 31. October: Neuritis optici, Fieber massig.
7. Kovember : Fieber heftiger, Schmerz in Ohr u. Hinter-
kipf; Granulationen an der hintern Gehörgangswand;
pKer Abscess am Hinterhaupt, nach Spaltung dessel-
ki Entleerung grosser Massen Eiter. Unter Gebrauch
KB Chinin, Kataplasmirung und Drainage leidlicher Zu-
^al Am 13. November Zunahme der Schwellung hin-
kr dem Ohre ; erneute ausgiebige Spaltung, wobei eine
PMe zum Antmm f&hrende Fistel blossgelegt und die
Gnmnmikation mit dem Gehörgang hergestellt wurde.
Oedem der Augenlider und der rechten Gesichtshälfte in
da nächsten Tagen, bedeutende Schwellung der Sehner-
Teaitapuie. Die Anschwellung ging langsam zurück, das
^ber schwand, der Nackenabscess vernarbte, nach
■toialiger Entfernung polypöser Wucherungen hörte
^Otorrhöe auf, ohne Verschluss der Perforation, die
Koockenfistel schloss sich nach Entfernung des Drainage-
>>^ 10. April : Allgemeinbefinden gut, Sehnervenpapille
Mrmal.
Trotz Fehlen der gewöhnlichen Symptome
^nostksirte E. eine Meningitis basilaris ; die Ge-
'Mtosehweliung betrachtet er als em leichtes^ vom
l^nigns ausgehendes Erysipel [?].
4) Ein 21 J. altes Fräul., mit doppelseitiger Otorrhöe
*tt Kindheit behaftet, hatte schon 1874 rechts einen
VmtiA Trommelfelldefekt mit geringer Eiterung, links
dagegen profuse Otorrhöe und grosse Perforation am
Obern Rand, durch welche eine Granulation wucherte,
nach deren mehrmaliger Entfernung die Otorrhöe vsich
mässigte. 21. Decbr. 1878: Seit 14 T. Ohrenschmerz,
Fieber, leichtes Frösteln ; rechts grosse trockene Perfo-
ration, links eine kleine mit geringem Ausfluss, Stauungs-
hyperämie der Netzhautvenen. Unter Anwendung vou
Morphium und Chinin blieb das Fieber in den nächsten
Tagen massig, bald jedoch Steigerung des Fiebers, hef-
tiger Kopfschmerz, Trübung des Bewusstseins ; Böthung
und Schwellung des Warzenfortsatzes (Wilde 'scher
Schnitt ohne Erleichterung), Convulsionen, ausgeprägte
Neuritis opt. beiderseits, Bewusstlosigkeit, Tod.
E.; der erst am Todestage zur Consultation zu-
gezogen wurde, vermuthet auf Grund der wieder-
holten Wucherung von Granulationen durch die Per-
forationsöffnung des Trommelfells, dass schon 1874
Caries des Tegmen tymp. bestanden habe, und hält
eine Basilar - Meningitis mit Sinus - Thi'ombose als
Todesursache für wahrscheinlich. Er führt aus dem
Werke von A 1 1 b u 1 1 (on the use of the ophthalmos-
cope etc.) kurz 2 Fälle von Himerkrankung nach
Otit. med. purul. an, in denen Neurit. opt. bestand,
und die beide tödtlich endeten.
Die Auseinanderhaltung der Thrombose, Menin-
gitis und Abscessbildung nach Otit. med. macht am
Krankenbett oft Schwierigkeiten, da sie eine Summe
von Erscheinungen gemeinsam haben. Die 3 fol-
genden Beobachtungen hält Eretschy (Wien. med.
Wchnschr. XXIX. 11. 12) für geeignet, von je-
dem der genannten Processe ein anschauliches Bild
zu geben.
1) Otitis med,, Sinus -Thrombose. — Ein 2SJähr.
Schmiedegeselle bekam vor 8 T. plötzlich heftigen Kopf-
schmerz, besonders intensiv in Stirn und Hinterkopf,
Hitzegefühl, Stuhlverstopfung, Erbrechen. Am 9. Nov.
bestand eine eigenthümliche steife Kopfhaltung nach rück-
wärts ; die geringste Bewegung machte heftigen Schmerz,
ohne dass ein bestimmter Schmerzpunkt angegeben wurde ;
klares Bewusstsein ; Temp. 89. 2^, Puls 96. 10. Nov. :
starker Schüttelfrost. 11. Nov. : Schmerz im Nacken und
der linken Halsseite im Verlauf der Vena Jugularis. In den
nächsten Tagen Tympanitis abdominal., Schwellung der
Milz, und Leber, leichter Ikterus, Miliaria purul. auf dem
Rücken, viel Durst, enormer Schweiss, Schmerz in der
linken Schulter, jedoch Nachlass 'der Kopf- und Nacken-
schmerzen ; Bewusstsein erhalten bis einige Stunden vor
dem Tode, der am 18. Nov. eintrat. Sektion, Cholestea-
tomatöse, von Eiter umspülte Massen in der Paukenhöhle,
Trommelfell völlig zerstört, Thrombose einer Schläfenbein-
vene, des Sin. jugul. s. und transv. mit jauchigem Zer-
fall des Pfropfes; Vereiterung der vordem Wand des
Sin. jugul. mit oberflächlicher Nekrose der linken Felsen-
beinpyramide im Bereich des Sinus ; jauchige Entzündung
der linken Vena jugul. int. ; Abscess am linken Schulter-
gelenk, Metastase in der Lunge, Pleuritis.
2) Typhus entericusy Otit, med., Meningitis, — Ein
20jähr. Mädchen erkrankte an Diphtheritis der Labien,
woran sich ein typhöser Process mit hypostatischer Pneu-
monie in der 2. und Meläna in der 3. Woche anschloss.
3. Nov. : Otit. med. c. perfor., danach Minderung des Fie-
bers und Besserung des Allgemeinbefindens; plötzlich
neues Fieber, reichlicher, stinkender Ausfluss ; 28. Nov. :
CollapBUB, Sopor. 29. Nov. : Convulsionen in den Extre-
mitäten, Beaktionslosigkeit der erweiterten Pupillen, Tris-
mus. 4. Dec. : Nackencontraktur, Lähmung der linken
Gesichtshälfte, der linken obem und untern Extremität.
Tod am 5. Dec. Sektion. Meningitis, vorzüglich der Con-
vezität und an einzelnen SteUen der Basis ; linkes Trom-
200
Scharig, OhrenheOkunde.
melfell zerstört, wenig Eiter, typhöse Narben im antern
Deam.
3) Olit. med,, Abscess im Cerebellum, Eine 38 J.
alte f^au bekam vor 20 Jahren nach einem Fall aaf den
Kopf linkeeitige Otorrhöe, die zwei Jahre anhielt, später
trat noch hier und da leichtes Ohrenstechen und kurz
dauernder Ansfluss auf ; vor 14 Tagen sehr heftiger, an-
Iialtender Kopfschmerz. 13. Dec. : Bohrende Schmerzen
an einer begrenzten Stelle der linken Hälfte des Os occi-
pit. ; Vermehrung derselben bei jeder Bewegung des
Kopfes, profuse linkseitige Otorrhöe (Otit. med. c. per-
forat.), auffallende Apathie. Dieser Zustand hielt bis
zum 21. Dec. an, wo Sopor und Nachmittags der Tod ein-
trat. Während des ganzen Verlaufs waren nur geringe
abendliche Fieberexacerbationen (38.6®) vorhanden ge-
wesen. Sektion. Otit. med. suppur. c. perforat. ; wall-
nussgrosser Abscess in der linken Kleinhimhemisphäre,
Erweichung der umgebenden Himsubstanz.
Während man in Fall 1 im Beginn der Erkran-
kung an Typhus oder MeningitLs denken konnte,
wurde die Diagnose nach dem Schtlttelfrost durch
die Schmerzen im Verlauf der Vena jugul. sicher
gestellt; worauf die Erscheinungen eines pyämischen
Processes (Schwellung der Leber, Milz u. s. w.) ein-
traten. — Im 2. Fall waren Sopor, Convulsionen,
halbseitige Lähmung, welche Symptome stetig zu-
nahmen, ohne, wie bei Encephalitis mit relativem
Wohlsein zu altemiren, charakteristisch für die Me-
ningitis. — Im Fall 3 stützte sich die Diagnose
hauptsächlich auf den constanten, lokalen Hin-
terhauptschmerz, verbunden mit der auffallenden
Apathie.
Eugen Fraenkel (Ztschr. f. Ohkde. VIU.
p. 229) hat 21 im letzten Decennium (seit 1869)
veröffentlichte Fälle von Himabscesa in Folge von
Otit. med. puruL zusammengestellt. Er selbst fügt.
3 Fälle hinzu, sowie 2 Fälle, in denen es sich um
Meningitis handelt.
1) Ein 33 J. altes, seit Jahren schwerhöriges Dienst-
mädchen, hatte sich oft das rechte, vor 14 Tagen auch
das linke Ohr ausgespritzt; danach Kopfschmerz, Schwin-
del, Erbrechen, eitriger Ausfluss; der linke Gehorgang
stark verschwoUen. In den nächsten Tagen schon Be-
nommenheit des Sensorium, Steifigkeit des Nackens und
der Wirbelsäule, Abweichung der Zunge nach rechts,
plötzliche Cyanose, tonische Krämpfe, Tod (am 17. Tage
nach der Ausspritzung). Sektion. Dura-mater über dem
linken Tegmen tymp., das schmutziggelb verfärbt war,
jedoch keinen Substanzverlust zeigte, durch Eiter vorge-
wölbt und nekrotisch zerstört; Sinus transv. sin. durch
einen Thrombus verstopft; an mehrem Stellen, beson-
ders in der hintern Schädelgmbe, fibrinöse Pseudomem-
brauen auf der Dura-mater; im linken Schläfenlappen
über der dem Paukendach entsprechenden vorgebnchteten
Durapartie ein kleinhühnereigrosser Abscess mit pjoge-
ner, glatter Membran. Trommelfell zerstört, hintere
Hälfte des Gehörgangs bis in die Pauke von polypösen
Wucherungen erfüllt ; Proc. mast. osteosklerotisch.
Sehr beachtenswerth und zu grosser Voi'sicht
mahnend ist der Beginn der Exacerbation nach dem
Ausspritzen ; denn dass es sich nicht um eine akute,
sondern um eine Steigerung einer chronischen Ent-
zündung handelte, beweist der ganze Sektionsbe-
fnnd des Ohres, besondera der Ebumisation des Proc.
mastoidens. Während nach L e b e r t die Abkapse-
lung eines Hirnabscesses erst in der 3. oder 4. Woche
erfolgt, war dieser Process im vorliegenden Fall
schon binnen 14 Tagen vollendet Analoge F&llc
von frühzeitiger Abkapselung wurden von Lalle-
m a n d und Moos beobachtet.
2) Ein 22Jähr. Arbeiter hatte vor mehreren Wochei
einen heftigen Stoss gegen die rechte Schläfe erhiUea
seitdem Kopfsohmerz, besonders im Hinterkopf. Y)ie üb
tersuchnng ergab massiges Fieber, sehr heftigen Kopl
schmerz, Benommenheit, Urinretention, troekne Zun^
Somnolenz. Rasche Temperatursteigemng und Tod (ao
4. Tage nach der Aufnahme). Sektion. Im recht«
Schläfenlappen ein apfelgrosser, von fetzigen Wandangei
begrenzter Abscess; Thrombus im Sin. transv. dext.
Dura-mater aber dem Tegmen tymp., das einen Kaocfaeii
defekt mit zackigen, missfarbigen Rändern seigte, vei
dickt ; an der hmtern Fläche der Pyramide ein ähnlieba
mit dem vorigen communicirender Defekt; Trommelfd
verdickt, aber ganz erhalten, Paukenhöhle mit graon
breiigen Massen erfällt.
In dem Mangel einer Perfoi*ation des Trommel
felis, wodurch Sekretmassen in der Pauke zurück
gehalten. wurden und ihren verderblichen EinfloB
auf den Knochen ausüben konnten , sieht Fr. dii
Ursache des deletären Ausgangs. Es ist ihm nidi
wahrscheinlich, dass der Hirnabscess, der eine a
wenig scharfe Abgrenzung zeigte, durch das Traimu
entstanden sei ; vielmehr erfolgte dadurch eine £xa
cerfoation des älteren Ohrenleidens, an die nch di<
Abscessbildung anschloss.
3) Eine 28Jähr. Arbeiterin hatte seit Kindheit a
rechtseitigem Ohrenfluss gelitten, der in den letzta
Wochen unter heftigem rechtseitlgen Kopfschmerz stii
ker geworden; seit 14 Tagen Yerziehnng des Mandi
nach Imks. Bei der Aufnahme war Pat. fieberlos um
scheinbar besser, bald aber traten Zunahme der Kop(
schmerzen, Erbrechen und Urinretention auf. Der recht
Gehörgang war mit Qrannlationen erfüllt, deren Am
löffelung „resnltatlos'' blieb; leichtes Fieber, Somnoleu
die in Koma überging, Tod ca. 6 Wochen naeh der All
nähme. — Sektion. Im rechten Schläfenlappen ein kleii
hfihnereigrosser Abscess', eitrige Basilar-Meningitis. Di
Dura zeigte über dem Dach der Pauke einen linsengrosB«
Defekt, durch den man rauhen Knoohen fahlen, jedod
nicht in die Panke gelangen konnte. Proe. mast. eboi
nisirt; Tegm. tymp. dnnn, durchscheinend; anstatt de
Panke eine mit breiigen Massen erfüllte Höhle, enfestai
den durch Communikation mit dem Yorhof and dem Ai
trum; Trommelfell und Knöohelehen fehlten; nnteriii£
des 2. Knies des Canal. Fallop. war die Pankenwa»
dieses Kanals zerstört und der Kerv nur dnroh eine
dünnen, schleimhautälmlichen Ueberzng bedeckt. Offen
bar war die Facial-Paralyse in Folge von Oompressio«
des Nerven durch die in der Höhle aufgespeicherten Bi
sudatmassen entstanden.
4) s. Maligne Tumoren (S. 186).
5) Meningitis in Folge roher ExtrakOonsoerwche &M
Fremdkörpers. Ein Sjähr. Mädchen hatte sich emen Kic
seistein in das linke Ohr gesteckt. Wiedwholte Extrsk
tionsversnche mit und ohne Chloroform-Narkose führtei
nicht zum Ziel ; das Kind starb an Meningitis, die iinte
äusserst heftigen Symptomen verlief. Sektion. In de
Panke ein Steüi von keilförmiger Oestalt durch das ler
störte Trommelfell durchgedrückt , Qehörgangswand t^
Eiter und fetzigen Gewebsresten bedeckt , Paukealiöhle
Antr. mast. und Warzenzellen mit Eiter erfüllt, Pauken
Schleimhaut stark geröthet, von den Knochenw&oden ai
mehreren Stellen losgelöst, Knöchelchen dislocirt ; in dei
Gegend des Annnl. tymp. die Gehörgangswande ao^
brechen [!], Steigbügel aus dem ovalen Fenster gelost,
vom Band des letzteren ein Knochenstüokcken abge-
sprengt [I] ; kein Eiter im Vorhof. Eitrige CoavexiiSts-
Meningitis.
Schnrigy Ohrenheilkunde.
201
Die Uebertngiing der Entzündung aof den
Sehildelinhalt mag, wie Fr. vermathet, darch die die
Fi8s.petros(HBqamo8a durchdringenden Venen erfolgt
sein. Auffallend bleibt es, dass die Himbasis an der
Eotzflndung absolut nnbetheiligt geblieben war.
Alb. Burkhardt-Merian (Arch. f. Ohkde.
XIY. p. 175) theilt das Ergebniss der von ihm an-
gestellten Untersuchung der Schläfenbeine mit, welche
TOD 4 Kr. stammten, die an Otitis pumlenta verstor-
ben, aber nicht von ihm selbst behandelt worden
firen.
1) Ein 19Jalir. Mädchen, seit Kindheit an Unkseitiger
Otorrhöe leidend , hatte seit 10 T. heftigen Kopfschmerz,
Fiwt, dyspeptisehe Erscheinongen. Im Qehdrgang poly-
pöee Waeheningen. Tod unter meningitischen Sympto-
nen. Sektion: an der linkseitigen Himbasis, rückwärts
TND Chiasma eine SteUe der Pia-mater eitrig inflltrirt ;
Trigeminns, Aonstiocis nnd Facialis der linken Seite in
fiter eingebettet ; Dora-mater auf der Rückfläche des lin-
toi Felsenbeins verdickt und grünlich verfärbt ; Throm-
tas ha Sm. petros. sin. , Snlcos desselben fein durch-
Belwrt, von hier eine Sonde direkt ins Antr. mast. ein-
nfohren. Die Paoke war mit grannlösen Wacherangen
crfnilt; ein grosser vom Promontorium entspringender
PidTp durch das Trommelfell in den Gehörgang vorge-
laduen , den er völlig Verlegte ; ein kleinerer Polyp er-
iheckte sieh in die Tuba-Mündung. Stapes erhalten;
Aatmm klein , an seiner innem Wand nekrotisch mit fei-
kh, naeh dem Sin. petros. sup. führenden Löchern. Die
WanenzeDen fehlten vollständig.
Abgesehen von dem nicht gewöhnlichen Wege,
ia der ESter znm Gehirn genommen, lehrt der Fall,
iaas bei mdimentärer Entwicklung des Antrum die
operative ErOffiiung desselben von aussen unmöglich
lem kann.
2) Ein ^ähr. Kind , seit 8 Wochen erkrankt an Er-
keehen, Delirien , leichtem Exanthem an Gesäss und
Annen, eitrigem Ausfluss aus Nase nnd linkem Ohr, be-
bm SchweUong des Proc. mast., Krämpfe, Zähneknir-
Kkea, Trübung des Sensorium, Apathie. Incision hinter
te Ohr. Der Knochen war entblöest \ beim Einspritzen
k die Wunde wurden Eitennassen aus Gehörgang und
Ibse entleert, ohne dass die GommunikationsÖflfnung auf-
oflsden war. Otorrhöe auch rechts ; Wunde hinter dem
Inken Ohr gangränös, Convulsionen ; plötzlich Tod, 3 W.
neh der Anfnahme. Sektion: ehron. Mittelohreiterung
bkfl, Caries der Pauke und der Warzenzellen , Nekrose
eineB Stückes der häatigen , äussern Shiuswand , der De-
fekt durch einen Thrombus im Sinns ausgefüUt , die ent-
ipeehende Stelle im Sulcus rauh und fein durchlöchert.
^ Proc. mast. erschien naeh Wegnahme der äussern
Sehale in eine grosse Höhle verwandelt , in welche die
toblöcherte Sulcuswand convex hereinragte, und aus
welcher durch eine in der hintern Meatuswand, auch
>nter das Periost des WarzenfortBatBes sich fortsetzende
Bpitte der Eiter naeh aussen gelangt war. — Meningitis
tabereiliosa. — Käsige Pneumonie. Pyo-Pneamothoraz.
FaU 3 und 4 siehe unter : lethaler Ausgang durch
liragen-Affektionen.
Einen interessanten Fall; in dem chronisch-eitrige
MiUelohrentzündimg u. Gehimabscess unabhängig
»eben einander bestanden, erzählt J. Michael
(ZtBchr. f. Ohkde. VIU. p. 303).
Efai 31 J. alter Zimmermann hatte vor 9 J. einen
Belägen Stoss gegen die linke Schläfe erhalten , wonach
V 5 Stunden bewusstk» geblieben war, sich jedoch aU-
■ilig wieder erholt und keine Beschwerden ausser zeit-
^fXSg auftretendem linkseitigen Kopfschmerz mehr ge-
Med, Jahrbb. Bd. 191, Bit. 2.
fühlt hatte. Seit 2 Jahren bestand doppelseitige Otorrhöe.
Seit einigen Tagen waren die Kopfschmerzen, die sich
nach und nach über den ganzen Kopf hinwegzogen , sehr
heftig aufgetreten. Befund am 10. Nov. : Starkes Druck-
gefühl in Mitte des Kopfes, Benommensein, Unvermögen,
sich anf eine Anzahl von Worten zu besinnen , Bewegun-
gen des Kopfes aktiv und passiv ersehwert , Gesicht ge-
röthet, Augen glänzend, Pupillen ungleich, träge rea-
girend, Leib eingezogen, Stahl retardirt. Puls 100,
Temperatur 37. 4^. Beiderseits grosse Perforationen,
wuchernde Granulationen in den Paukenhöhlen. Nach
Abtragung einiger derselben kurz dauernde Erleichterung
(Galomel, Blutegel, Eisblase).
Unveränderter Zustand während der nächsten Tag« ;
am 16. Nov. tonischer Krampfonfall , Irrereden, hoch-
gradige Benommenheit , starke Schmerzen bei jeder Be-
wegung, steife Rückenlage (spinale Meningitis), Delirien,
Tod am folgenden Tage. Sektion: Grosse mit dicker
Wandung ausgekleidete Abscesshöhle , die einen grossen
Theil des Schläfenlappens und einen Theil des hintern
Lappens einnahm und mit dem Ventrikel communicirte,
der den gleichen eitrigen Inhalt zeigte wie die Abscess-
höhle. Pia an der Basis u. dem verlängerten Marke, sowie
in den Wirbelkanal hinein eitrig inflltrirt ; die Sinus intakt ;
Tegm. tymp. linkerseits leicht grünlich verfärbt, Dura
normal. Paukenhöhlen beiderseits mit polypös entarteter
Schleimhaut ausgekleidet; Warzenzellen mit Eiter erfüllt ;
Schläfenbeinknochen beiderseits gesund.
M. hatte die Diagnose auf Cerebral-Meningitis
in Folge Durchbruchs eines durch das Trauma ent-
standenen Himabscesses gestellt , und zwar wurde
auf letztem aus den nach dem Trauma zurückgeblie-
benen Kopfschmerzen geschlossen, während das
rasche Auftreten der schweren Gerebral-Symptome
einen Durchbruch des Abscesses vermuthen liess.
Der absolut fieberlose Verlauf der Cerebrospinal-
Meningitis gehört gewiss zu den grössten Selten-
heiten.
LethaUn Ausgang in Folge von Otit. med.
puruL durch Lungenaffektionen beobachtete Alb.
Burkhardt-Merian (Arch. f. Ohkde. XIV.
p. 181) bei einem T^ajähr. Mädchen, welches, 1/4
Jahr alt, an linkseitiger Otorrhöe mit Schwellung
des Proc. mast. erkrankt war.
Befund am 22. October : Diffuse Schwellung um das
linke Ohr , besonders auf dem Proc. mast. ; keine Fluk-
tuation; bei Druck blutiger Eiter aus dem Meatas entr
leert. 10. Dec. : Tiefe Incision bis auf den cariosen Kno-
chen. 17. Jan. : In der Tiefe der Fistel auf dem Proc.
mast. beweglicher Knochen fühlbar , übelriechende Eite-
rung. 11. Febr. : Völlige Dampf ang auf der rechten
Lunge. Tod am 8. März. Sektion: Pia-mater odematos ;
etwas Flüssigkeit an der Basis cranii. Chron. Tuberku-
lose der Langen , rechts abgesacktes Empyem. An der
Schuppe über dem Meat. ext. eine vollkommene Knochen-
lücke; in derselben ein in Qranulationen eingebettetes
loses Knochenblättchen ; Trommelfell zerstört, Pauke mit
Qranulationen erfüllt; Ambos und Hammer nekrotisch,
Stapes in normaler Lage ; vom Antrum führte eine Kno-
chendstel, deren oberen Rand der genannte Sequester
vom Scheitelbeine bildete , direkt nach aussen ; Periost
um die Fistelöffnung in weiterem Umfange losgelöst.
Frühzeitige Eröffiiung u. Auslöffelung des Proc.
mast., ehe es zu Seqnesterbildung kam , hätten viel-
leicht das Leben erhalten können.
Ein 2. Fall betrifft ein 2*/^ jähr. Mädchen , wel-
ches vor Va ^^^^^ 6>°6° ^^^ A^ ^^" ^^P^ erlitten
26
202
Sc hur ig, Ohrenheilkunde.
hatte, woraof Ohreneiterung mit Schwellung des
Proc. mast. aufgetreten war.
Beftind am 23. Febr. : Blasses, leidendes Aussehen,
stinkende linkseitig^e Otorrhoe, floktnirende Geschwulst
hinter dem Ohr, sowie über dem linken Tuber frontale.
Incision hinter dem Ohr , cariöser Knochen , Qehörgang
stark verschwollen. Unter copiöser Eiterung aus der In-
cisionswunde und geringer Absonderung ans dem Ohr er-
folgte am 1. März Collapsns und Tod. Sektion: Pia Öde-
matös , Dara auf dem linken Felsenbein nur locker ange-
heftet, geröthet nnd verdickt ; käsiger Herd In der Lunge,
Tuberkulose der Pleura , Peritonitis tuberculosa. Caries
des 12. Ruckenwirbels, Psoas - Abscess. Tronunelfell,
ELammer und Ambos nicht mehr vorhanden. Meatns mit
Granulationen erfüllt, Caries desAntrnm mit beginnender
Seqnesterbildnng an dessen äusserer, oberer und hinterer
Wand ; keine Thrombose.
Pat. erlag der allgemeinen Taberknlose; be-
merkenswerth ist das Fehlen der Thrombose, ob-
schon der Boden des Sin. transv. in der grossem
Hälfte der Fossa sigmoid. in den Erankheitsprocess
hineingezogen war.
Obschon in den meisten Fällen ein lethales Ende
bei der Otit. med. puml. entweder durch Fortleitung
der Entzündung auf das Gehirn oder durch Phlebitis
nnd Pyämie herbeigeführt wird, so ist doch nach
Williams in Cincinnati (Ztschr. f. Ohkde. VIII.
p. 175) in vielen Fällen die eigentliche Todesursache
nnklar, da manche Symptome, die der Pyämie und
andern Krankheiten gemeinsam sind, vorhanden sein
können , ohne dass Pyämie im engem Sinne bestan-
den hat. Als Beweis dafür wird folgender Fall an-
geführt.
Ein 6jähr. Knabe hatte seit mehreren Jahren an
intermittirender , linkseitiger Otorrhoe , einmal mit Ab-
scessbildung auf dem Proc. nuist. gelitten. Vor 3 Wochen
Ohrenschmerz und Fieber, bald danach Ausfluss; die
Untersuchung ergab eine fluktuirende Geschwulst auf
dem Proc. mast., nach deren Incision die Sonde in eine
Höhle des Knochens 8—10 Linien tief gelangte ; Tronmiel-
fell perforirt. Nach 1 Woche kam der Kr. wieder mit
Fieber, hatte Schüttelfröste gehabt (Chinin), die sich
während der nächsten Woche in leichterem Qrade wieder-
holten. Die Respiration wurde beschleunigt, der Ausfluss
hörte auf, die Umgebung des Ohrs war trocken und heiss ;
Rasseigerausch auf der Brust , links hinten Dämpftmg, in
der rechten Infraazillargegend metallisches Klingen, all-
mälig über die ganze rechte Seite t3rmpaniti8Cher SchaU
bei grosser Athemfrequenz ; Ohr undOeifhung im Warzen-
fortsatz immer trocken ; keine meningitischen Symptome.
Tod in der 4. Woche nach der Aufiiahme. Sdttion: Qe-
him normal ; Warzenfortsatz und Mittelohr in eine grosse
Höhle verwandelt, die mit käsigen Massen erf&llt war
und nach vom direkt mit 2 in die Vena maxiU. int. mfin-
denden kleinen Venen communicirte ; in den Lungen eine
grosse Anzahl kleiner Abscesse von Gerstenkorn- bis
Haselnussgrösse ; rechte Lunge zusammengedrückt , Luft
und wenig Flüssigkeit im Pleurasack. Herz, Leber, Nie-
ren normal [Milz? Ref.]
W. nimmt an, dass der Tod durch die bedeuten-
den j in Folge von Embolie entstandenen Verände-
rungen im Lungengewebe y durch Pneumonie und
Pneumothorax herbeigefOhrt sei.
D. Diagnostik.
Meilioden zur Bestimmung der Hörschärfe.
— üeber vorstehendes Thema hielt Magnus (Con-
gres iutem. des Sc. m^. Amsterdam 1879) einen Vor-
trag/dessen wesentlicher Inhalt in folgenden Schlu8»>
Sätzen znsammengefasst ist.
1) Die Brauchbarkeit einer Methode zur Be-
stimmung der Hörschärfe ist nach dem Zweck der|
Untersuchung und nicht nach idealen AnforderungeU]
zu beurtheilen. Universal-Hörmesser giebt es nicht 1
2) Die £inwu*kung unperiodischer Schallwellen
(Geräusche) kann auf ein einzelnes Gehörorgan —
rechtes oder linkes Ohr — beschränkt werden ; ein-
fache periodische Schwingungen (musikalische Töne)
nicht mit derselben Sicherheit.
3) AerzÜiche Zwecke erfordern zur Begrfindung'
der Diagnose solche Methoden ^ durch die man die
Hörschärfe bei Luftleitung mit derjenigen bei Kopf- \
knochenleitung vergleichen kann.
4) Hörmesser zur Begründung der Prognose nnd
zur Controle der Therapie erfordern constante Schall-
stärken (Politzer, Uhr).
5) Das brauchbarste Instrument zur Hörmessung
f&r den prakt. Arzt ist ein Uhrwerk mit Hemmunga-
vorrichtung.
6) Alle Hörmessungen sind durch subjektive
Emflttsse (Aufmerksamkeit, guter Wille, Alter, Bil-
dung) und durch objektive (Nebengeräusche, ^um-
lichkeit etc.) mehr oder weniger beeinträchtigt und
haben nur relative Sicherheit«
7) Jeder Arzt mnss eine mittlere normale Hör-
distanz für seine Verhältnisse sich feststellen , die er
mit Eins bezeichnen mag. Die Resultate der Hör-
messung sind ohne Rücksicht auf die Methode als
Bruchtheile von Eins zu bezeichnen.
Zur Hörprüfung mittels des Telephons smd
mehrfach Methoden angegeben worden. — Koer-
ting (Deutsche milit.-ärztl. Ztschr. VIU. p. 337)
suchte , zunächst wohl fftr milit.-ärztl. Zwecke , das
^«/Z^sche Telephon f&r akumetrische Zwecke brauch-
bar zu machen, indem er, elektrische Ströme als
Schallquelle benutzend, dieselben durch das Tele-
phon dem Ohre zuleitete. Der Hanptvortheil der
Methode, wegen deren Einzelheiten das Origbial
nachzulesen ist, besteht darin, einen Schall mit cou-
stanter Schwingnngsfrequenz nach seiner Intensität
genau abzustufen. Derjenige Schall , welcher von
dem normal Hörenden gerade noch als continuir-
liches Schnurren vernommen wird , wenn das Tele-
phon eben die Ohrmuschel berührt (16 — 20Schwm-
gungen) wurde als Minimalleistnng des normalen
Ohres angenommen und von hier aus die Schallinten-
sität durch Einschalten messbarer Widerstände mit-
tels des Rheochords in beliebig grossen Sprüngen
vermehrt. Die von E. vorgenommenen Untersuchun-
gen (an 283 Personen) erstreckten sich auf mono-
tische und diotische Prüfungen,, auf Lokalisation des
diotisch wahrgenommenen Schidles und auf die Em-
pfindung der Intensitäts - Schwankungen. Die dio-
tischen Prüfungen bestätigten die schon von Andeni
gemachte Beobachtung, dass die Schallempfinduog
beider summirter Ohren etwas feiner ist, als die
jedes einzelnen. Bezüglich der Lokalisation des dio-
r
Sohnrigy Ohrenheükande.
a03
Ügehea HdieDS wurde die TonempfindaDg in fast
allen F&llen in die Median-Ebene des Kopfes ver-
legt; das Gefühl der Zunahme der Schallempfindung
wir am so unsicherer ^ je langsamer der Schall ver-
atilrkt wurde, um so empfindlicher , je näher der
Hörschwelle (dem 0-Punkt) des Ohres die Schall-
iotensität lag. K. schlägt eine Skala der Hörschärfe
m, bei welcher die Zahl der Rheochord- Widerstände
JUS Eiotheünngsprincip zu Grunde gelegt wird und
fdefae den zunächst in's Auge gefassten milit-ärztl.
Bedttifiiisseii wohl genügen mag.
P r e n 8 8 e ( Arch. f. Anat. u. Physiol. [phys. Abth.]
3 a. 4. p. 377) benutzte das Telephon zur Erkennung
timiiger Taubheit. Er stützt seine Methode auf die
fon Thompson u. A. gemachte Wahrnehmung,
daas, wenn zwei Telephone in den Kreis einer gal-
Tiniseben Kette eingeschaltet und gleichzeitig an
beide Ohren gelegt werden, die zu einem akustischen
BOde vereinigte Gehörsempfindung in die Median-
Ebeoe des Hinterkopfs verlegt wird. Um diese Be-
obachtung zum Nachweis unbewusster oder bewuss-
ter oder auch simulirter einseitiger Taubheit zu ver-
wertben , bedarf es einer Vorrichtung (s. Original),
welche gestattet, den elektr. Strom beliebig durch
jedes Telephon Ar sich oder durch beide zugleich
m leiten, ohne dass der zu Untersuchende es merkt.
E^e weitere Verwendung fand das Telephon in
kmAudicmeterdeaProL Hughes, das von Ben-
jamin W. Riohardson (Med. Times and Gaz.
Hty 24.) in der Royal Soo. demonstrirt wurde. Das
Ivtnunent besteht aus 2 Leelanchi^Bchea Elemen-
ten and einem mikrophonischen Stift, der mit den
dementen und 2 feststehenden Widerstandsrollen
lobunden ist, femer aus einer Induktionsrolle (100
Mk. Draht), deren finden an einem Telephon be-
faitigt sind. Die Induktionsrolle ist an einem zwi-
sehen den feststehenden Bollen (zu 6 und 100 Mtr.
Dnht) befindlichen , von 0—200 graduirten Stabe
Tenehlebbar. Wird nun die Induktionsrolle an dem
Me verschoben, so entsteht durch den Stift ein Ge-
liosch, dessen Intensität bei 200 gross genug ist,
M von jedem nicht absolut Tauben gehört zu wer-
den, während bei 0 absolute Stille im Telephon
bemeht; es kann nun die Schallintensität von 0 bis
200 beliebig gesteigert, resp. abgeschwächt und an
kr Nummer des graduirten Stabes abgelesen wer-
^ Bei mit dem Instrument angestellten Versuchen
bod R. unter Andern, dass auch die Respiration auf
^ Hören fiinfluss habe, und man bei angehaltenem
Atbem und gef&llten Lungen etwas besser höre; die
BQBten Menschen hören rechts etwas besser als
link«, obsohon es hiervon viele durch Gewohnheit
nd Besdiäftignng bedingte Ausnahmen giebt ; auch
doFdi den atmosphärischen Druck wird die Hör-
äUgkeit beeinflusst. R. empfiehlt das Audiometer
n Untersuchung von Personen , von denen beson-
dere Schärfe des Gehörs erfordert wird (Bahnbeamte,
SehfldwBchen u. s. w.), zu Untersuchung Ohrenkran-
^ [?], zu Bestimmung des Nutzens eines künst-
lieken Tlrommelfells u. s. w.
L
. Lennox Browne (Ztschr. f. Ohkde. VIII.
p. 362) hebt hervor, dass der 0-Punkt des fragl.
Instruments absolut und nicht individuell sei , da er
auf einem festen Gesetz elektrischer Induktion be-
ruhe; der Hörmesser sei geeignet, eine Norm fttr
Hörschäife überhaupt zu bieten, nicht nur bei Schwer-
hörigen; jeder Grad der Skala repi*äsentlre einen
genau bestimmbai*en Grad elektrischer Kraft, die mit
andern Kräften vergleichbar sei. — In der bei der
Versammlung der Brit. med. Assoc. an L.'s Mitthei-
lang sich knüpfenden Diskussion wurde entgegen-
gehalten , dass das Audiometer die Prüfung mittels
der Sprache nicht zu ersetzen vermöge und für den
Ohrenarzt nur geringen Wei-th habe, bevor nicht die
Beziehungen zwischen dem Instinimente und der
menschl. Sprache .festgestellt sei.
Thomas Barr (Glasgow med. Journ. XII.
p. 265. Oct.) behandelt in klarer und ansprechen-
der Weise die Bedeutung der Stimmgabel fiir die
Diagnose von Oftrenkrank/teiten, ohne jedoch etwas
Neues zu bieten.
Einen elektrischen Spiegel construlrte H e d i n -
ger (Deutsche med. Wchnsohr. V. 7). Derselbe
besteht aus einem fein polirten silbernen Hohlspiegel,
in dessen Focus mit Hülfe einer modificirten Bun-
s^n'schen Chromsäurebatterie ein Platindraht zum
Glühen gebracht wird. Je nach der zu beleuchten-
den Lokalität muss der Hohlspiegel durchbohrt sein,
so fttr die Untersuchung der Ohren und der Nase
von vom , oder undurchbohrt für den Nasenrachen-
raum und den Kehlkopf. Als besondere Vorzüge
betont H. die EinfÜhrnng der Lichtquelle in unmittel-
bare Nähe des zu beleuchtenden Organs, die geringe
Umständlichkeit bei Vorhandensein einer Batterie
und die schöne, völlig ausreichende Beleuchtung.
Diagnose von Pilzen im Ohr. — Auf einen
hierbei leicht möglichen Irrthum macht E. Cress-
well Baber (Brit. med. Jouni. March 22.) auf-
merksam. Er fand nämlich beim Ausspritzen von
Ohren, die keine Symptome von Pilzkrankheit boten,
mehrmals schwarze Körper im Spritzwasser, die bei
mikroskop. Untersuchung Mycelium und Pilzsporen
enthielten. Er schloss hieraus, dass dieselben der
Spritze entstammen müssten , und fand in der That
an dem ledernen Stempel der Spritze, der öfters ge-
ölt worden war, Massen, die Mycelium und Sporen
(wahracheinlich Penicillium) enthielten.
D. Therapie.
Allgemeines.
Nutzen der Mineralwässer in der Behandlung
von Ohrenkrankheiten. — Ladreit de Lachar-
riöre (Ann. des malad, de roreille etc. V. p. 125.
Juillet) ist der Ansicht, dass Ohrenerkrankungen,
selbst solche, die durch eine Gelegenheitsursache,
wie Erkältung, Trauma u. s. w. entstanden sind,
deshalb so leicht chronisch werden, weil der fiinfluss
der Diathesen (Scrofeln, Gicht, Rheumatismus, Her-
petismus, Syphilis) an keinem andern Organe in so
auffallender Weise sich kundgiebt, obschon es in
^
204
Scharigy Ohrenheilkimde.
manchen Fällen nicht leicht sein mag, die Natur der
betreffenden Diathese festzustellen. Hier bieten die
Heilquellen bei passender Auswahl ein ,yUnyergleich-
lich mächtiges Hülfsmittel'^ So wird bei scroful.
oder syphilit. Otorrhöe, wenn das Periost der Pauke
oder des Gehörgangs mit ergriffen oder der Ejiochen
af&cirt ist, ebenso bei chronisch-katarrhal. Mittelohr-
leiden ohne Ausfluss und bei Ekzem des Oehörgangs
die Lokalbehandlung durch eine vorausgeschickte
Thermalkur mittels Schwefelquellen (Baröges, Cau-
terets, Bagnöres de Luchon u. s. w.) sehr gefördert.
Die arsenhaltigen Salzquellen (Bourboule, Mont-
Dore n. s. w.) sind sehr empfehlenswerth bei Scro-
fulose mit vorzugsweiser Lokalisatiou im Drüsen-
system, besonders bei nervösen Individuen. Die
Chtor-Soda-QueUen (N6ris, Vichy u. A.) sind von
vortrefflicher Wirkung bei Mittelohr-Affektionen, die
unter dem Einflüsse einer gichtischen Diathese stehen.
— Die kalten Quellen mit vorwiegend doppelt"
kohlens. Salzen eignen sich hauptsächlich f&r Fälle,
die durch Störungen in den Verdanungsorganen, be-
sonders in der Leber, complicirt sind.
Luftdusche. — fA. Ott in Luzem (Arch. f.
Ohkde. XIV. p. 186) empfiehlt folgende Modifikation
des Politzer 'sehen Badlons. Am obem beinernen
Ende des Ballons sind 2 kurze, 5 Mmtr. im Lichten
haltende röhrenförmige, in einem nach oben offenen
Winkel neben einander stehende Fortsätze ange-
bracht, über welche ein längerer (25 Ctmtr.) und
kürzerer (6 — 7 Ctmtr.) Oummischlauch gezogen
wird. Den langem Schlauch stülpt man über den
Katheter, den kurzem nimmt der Operateur zwischen
die Zähne ; nach Einftlhrung und Fixation des Ka-
theters mit der linken Hand comprimirt er den auf
seine Sternalgegend herabhängenden Ballon , indem
er ihn zwischen Brust und der rechten Hand zusam-
mendrückt, während er mit den Zähnen den kurzen
Schlauch comprimirt. Lässt man dann mit dem
Druck der Zähne etwas nach, so erfolgt die Füllung
des Ballons durch den kurzen Schlauch. Damit diess
nicht durch die Exspirationsluft des Arztes geschehe,
macht 0. während der Compression des Ballons,
wobei ja der kurze Schlauch durch die Zähne ge-
schlossen ist , eine tiefe Exspiration durch die Nase,
welcher dann bei Oefinung des Mundes eine Inspira-
tion folgen muss, wobei die reine Luft in den Ballon
stürzt. Die Metiiode hat sich 0. bei längerer prak-
tischer Prüfung sehr bewährt [dürfte aber nicht
allen Patienten, besonders Patientinnen, sehr appetit-
lich erscheinen. Ref.].
Galvanokaustik. — Die von Voltolini (vgl.
Jahrbb. CLXXX. p. 277) empfohlene Batterie hati»
den Uebelstand, dass der Porzellanbrenner von
Middeldorpf und die grosse Schneideschlinge
schlecht durch dieselbe erglühten. Diesem Mangel
hat nun V. (Mon.-Schr. f. Ohkde. XIU.) abgeholfen,
indem er durch eine einfache Vorrichtung die Com-
bination zur Säule, bestehend ans 4 Paaren von
Kohlen- und Zinkplatten, ermöglichte. Während
nuttels der Gombination zur Kette (4 Kohlenplatten
und 4 Zinkplatten) die kurzen und glatten Plaliii- i
Armaturen gut erglühen, geschieht diess mit langet
Drähten besser durch die Säule. Die so verbesaote
Batterie (Instrumentenmacher Brade, Weidenstr. 5.
Breslau) ist nun auch zu elektro-therapeui Zwecken,
sowohl Air den Induktionsstrom, als auch den sogen.
Constanten Strom verwendbar.
Aeusserer Gehörgang.
Exostosen. — F. M. Pierce in Manchester
(Verh. d. Brit. med. Assoc. — Ztschr. f. Ohkde.
Vm. p. 365), der unter 3000 Ohrkranken 9mil
Exostosen im Gehörgang beobachtete, befürwortet
Aetzungen mit Silbemitrat, Chloressig und Salpeter-
säure, und, wenn die genannten Mittel nicht genügen,
die Galvanokaustik, bei gänzlichem Verschinas dei
Gehörgangs die zahnärztliche Bohrmaschine. —
Gassells (a. a. 0. p. 366) legt zunächst nmdb
Basis der Exostose eine Drahtschlinge, sodann wiri
ein scharfer Meissel, dessen Höhlung genau der-
jenigen des Gehörgangs angepasst sein muss, an dis
Basis der Exostose unter der Schlinge angesetiC,
mittels einiger kräftiger Hammerschläge die Ge-
schwulst abgesprengt und am Draht ausgezogen fiit
nur bei gestielten Ekostosen ausfahrbar , die selten
vorkommen. Bef.]. — Stimmel (Natorf.-VeiB. in
Baden-Baden. — a. a. 0. p. 380) schlägt die von
ihm g^en Otorrhöe geflbte trockene Behandlung,
bestehend in Einlegen vonThymolwatte, auch gegen
die Exostose vor ; in einem Falle habe er dadoreh
Heilung erzielt
Calcium-'Sulphid. — Gestützt aof den Ruf dei
Sulphide, der Snppnration vorznbengen oder dieselbe
anzuhalten, versuchte Samuel Sexton (Amer.
Joum. of Otol. I. p. 41. Jan.) das Galcium-Suiphid
in allen Krankheitszuständen des äussern Gehör-
gangs, die zu Snppnration neigen (Erythem, Ekzem.
Herpes, Furunkulose u. s. w.), und zwar mit gflnsti
gem EJrfolge. Furunkel verschwanden unter den
Gebrauche des Mittels ohne Eiterung; allerdings wai
in manchen Fällen der heftigen Schmerzen wegei
die Incision nicht zn umgehen [!]. S. giebt „tlM
first decimal trituration'^, wovon in dringenden FäUei
etwa 1 Gran (6 Otgnnm.) 3stQndl. genonounen wird
Fremdkörper im Ohr. — R. Voltolini (Mon.
Sehr. f. Ohkde. XUI. 8) entfernte eine Glasperle
die durch Extraktionsversuche von unkundiger Hanc
in den Sinus meat gedrflckt worden war, mitLeich
tigkeit aus dem Ohr eines S^Jähr. Bandes , indes
er das Kind auf den Rticken mit hintenfiberhängen
dem Kopfe auf einen Tisch legte und, die Ohrmuschel
nach hinten und aussen ziehend, einige Einspritzun-
gen machte , wodurch die Perle Aber das Trommel-
fell und die obere — jetzt untere — Gehörgangs-
wand herausrollte.
Trommelfell. — Gornel Lichtenberg
(Wien. med. Presse XX. 37. p. 1186) bezeidmel
das künstliche Trommelfell „als einen Triumph dei
ärztlichen Kunst und als unentbehrliches AcquisH
der modernen Ohrenheilkunde'^ „Angeregt durch
Schnrigy Ohrenheilkimde.
305
die giflckllehe Modifikation eines Engländers^^ habe
die Lehre vom künstlichen Ti'ommelfell ihren vor-
ünfigen Abecbloas in der 0 rn b e r 'sehen Modifika-
tioD nnd seinem (L.'s) Gollodinm-Trommelfell ge-
fimdeD n. s. w.
Applikation von Collodium auf das Trommel'
fdl. — IMe schädlichen Einwirkungen eines chron.
Taben- und Panken-Katarrh werden im Wesent-
tidieii bedingt durch das Einsinken des Trommel-
fdb, wodurch Druck auf die Enöchelchen, Disloka-
tioD derselben, erhöhter Intralabyrinthdruck u. s. w.
enisteht. Die bisher dagegen angewendeten Mittel,
Lnftdosche a. s. w., sind nur für kurze Zeit wirk-
am, während es dazu eines kräftigen und längere
Zeit seine günstige Wirkung ausübenden Mittels be-
dsrf. Dieses Mittel nun glaubt William A. Mc
Keown (Brit. med. Joum. Dec. 27) in derApplika-
fioD von Collodium auf das Tronmielfell gefunden
n haben. Er hat das Mittel zuerst mit günstigstem
Erfolge gegen Erschlaffung des Trommelfells in An-
wendung gebracht und fasst das Ergebniss seiner
oehrfaehen Versuche m folgenden Sätzen zusammen.
1) Durch Collodium wurde eine Adhäsion des Trom-
nelfells am Promontorium mit Hinterlassung einer
Pdbration gelöst. 2) Es veiminderte die allgemeine
Coovexität des Trommelfells und stellte die Beweg-
fiehiceit desselben wieder her. 3) Es bewirkte, dass
Adhäsionen deutlicher erkennbar wurden, indem die
lieht adhärenten Stellen nach aussen gedrängt wur-
den. 4) Es bewirkte Zerreissung der Dermisschicht
BfidderMembr.propr., so dass die Schleimhaut bloss-
li§. 5) In den meisten Fällen bewirkte es Besse-
nmg des Gehörs, in einigen sogar sehr bedeutend.
6) Es verminderte oder brachte subjektive Geräusche
giBZ zum Verschwinden. — Ob künstiiche Perfora-
fionen des Trommelfells mit Hülfe des Collodium
danemd offen zu erhalten seien, indem man die Per-
bnttionsränder mit dem Mittel umstreicht und da-
dsreb die Oeffiinng gleichsam auseinanderzieht, ist
noch zu prüfen. — In keinem Falle sah M c K. Nach-
feile vom Collodium. Die Applikation erfolgt mittels
eines fernen Haarpinsels ; bei theilweiser Erschlaffung
wird die erschlafflie Stelle und der umgebende Rand
bestriehen , bei totaler Relaxation das ganze Trom-
nelfell, wenigstens in den 3 untern Vierteln. Be-
xweckt man Ruptur der Membran oder von Adhä-
fionen, so giesst man einige Tropfen Collodium durch
An Specnlum ein und bewegt dann den Kopf umher,
müdem kranken Ohr nach abwärts; einige Minuten
danach besteht Brennen und Gefllhl von Contraktion.
Dss Collodium haftet nicht an den Gehörgangwänden,
iber fest am Trommelfell, so dass dessen Entfernung
Bieht so ganz leicht ist : Man spritze vorsichtig mit
wmem Wasser aus, dem man einige Tropfen
Sehwefeläther zugesetzt hat. — In der Brit. med.
Aaoe., wo Mc K. einen Vortrag über seine Methode
Mt, sprach Pierce (Ztechr. f. Ohklde. VHI.
p* 3G2) sein Bedauern darüber aus, dass Mc K. das
CoQodium nicht allein , sondern noch andere Mittel
daeben gebraucht habe. Er hofft, dass das Collo-
dium auch zweckmässige Verwendung zur Bedeckung
von Pei-forationen finden werde anstatt der Gelatine,
die er bisher dazu benutzt habe.
Mittelohr.
Für den Nutzen der Behandlung des Mittel"
olvrkatarrh mittele kalten Wassers spricht nach
Mich. Onorato (Ann. des mal. de Toreille etc. V.
p. 366. D^.) folgender Fall.
Ein Student, der an häufigem Schnupfen litt, bekam
Katarrh des Mittelohres mit heftigen SchwindelanfäUen,
80 dass man an eine Cerebralaffektion denken konnte.
Nachdem die verschiedensten Mittel ohne Erfolg ange-
wendet worden waren, riethO., die Haare abzusehneiden,
jeden Morgen den Kopf in ein Waschbecken yoll kalten
Wassers zu tauchen u. danach sich über den Hinterkopf,
den Hals und die Ohren kaltes Wasser giessen zu lassen.
Nach einigen Tagen schon erhebliche Besserung, der
Schwindel verschwand und seitdem war der Pat. nicht
mehr so hanfigen Erkaltungen unterworfen. [Ueber den
Znstand des Ohres ist nichts gesagt. Bef.]
Ueber den therapeutischen Werth intratympa-
naUr Injektionen arzneiUcher Flüssigkeiten bei
katarrhal. Affektionen entspann sich in der Vera,
der Brit. med. Assoc. (Ztschr. f. Ohkde. VIII.
p. 355) eine Diskussion. Patterson Cassells
hält dieselben für werthlos und schreibt den etwa
beobachteten Effekt der gleichzeitig damit verbun-
denen Lufteintreibung zu. — Weber-Liel sah
nach Injektionen von Silbemitrat , Sublimat und
Kochsalzlösung hefüge Entzündungserscheinungen,
während solche nach lujektionen mit Lösungen von
kohlens. Natron nie aufü'aten; Schleim, eingedickter
Biter können dadurch gelöst, eine Adhäsion erweicht
werden, so dass dann die Luftdusche wirksamer
sein werde. Er habe von derartigen lojektionen mit-
tels seines Pharmako - Konianti'on gute Erfolge ge-
sehen. — Lennox Browne ist überzeugt, dass,
wenn manche Aerzte von intratympanalen Injektio-
nen keine Nachtheile gesehen haben, die injicii*te
Flüssigkeit nicht über den Isthmus tubae hinaus ge-
langt sei. Er ist ein entschiedener Gegner des Ver-
fahrens bei unverletztem Trommelfell; er hält es
nur für zulässig, wenn bei eitriger Entzündung
schon Perforation des Trommelfells besteht oder
nachdem eine künstliche Perforation angelegt wor-
den ist. — C a s s e 1 1 s hat öfters, besonders bei Kin-
dern, künstliche Perforationen angelegt und dann zur
Entfeiiiung des Schleims Salzlösungen dm*ch die
Tube eingespritzt. — Pierce zieht die Applikation
ai'zneilicher Dämpfe vor; er glaubt, dass die mit
flüssigen Injektionen gemachten Erfahrungen nicht
zur Fortsetzung dieser Methode aufmuntern.
Atropin bei akuter Mittelohrentzündung. —
Samuel Theobald (Amer. Joum, of Otol. I.
p. 201. July) fand das Atropin, das auch bei Fu-
rankulose des Gehörgangs sich wirksam erweist,
besonders vortheilhaft bei den so schmerzhaften aku-
ten Mittelohrentzündungen nach Erkältungen oder
auch nach exanthematischen Fiebern. Die Anwen-
dungsweise besteht in 3- bis 4stttndig zu wieder-
holender Einträuflung einer Lösung von schwefeis.
306
Scharigy Ohrenheillniiide.
Atropin (Oran 4 : 3j , 0.24 : 30.00 Ormm.) in den
äussern Gehörgang^ welche daselbst 10 — 15 Min.
zu verbleiben hat. In einem Fall von Perforation
beider Trommelfelle beobachtete Th. danach My-
driasis, jedoch war hier eine direkte Uebertragung
in die Augen nicht ausgeschlossen. Dass die Lö-
sung durch die Eustachi'sche Röhra in den Hals
laufe, hält Th. wegen Schwellung der Schleimhäute
in den Fällen, wo das Mittel indicirt ist, nicht fflr
wahrscheinlich. Ein Th.'s eigenen Sohn betreffen-
der kurz mitgetheilter Fall, bestätigt die günstige
Wirkung der Lösung.
ExsudaUauger, — Unter diesen Namen be-
schreibt R. S c h a 1 1 e (Ztschr. f. Ohkde. VHL p. 130)
ein Instrument zum Aussaugen von Flüssigkeiten aus
der Pauke nach der Paracentese des Trommelfells.
Dasselbe besteht aus einer massiv aus Feinsilber
gearbeiteten Kanüle von 4 Ctmtr. Länge und 1.4
bis 1.5 Mmtr. Dicke, die nach hinten nahezu im
rechten Winkel abbiegend , auf 4 Mmtr. sich ver-
dickt, durch einen ringförmigen Wulst abschliesst
und durch ein kurzes Oummirohr mit einer winkelig
gebogenen Glasröhre verbunden ist, an deren Ende
wiederum ein ca. 30 Ctmtr. langes Gummirohr an-
gefügt ist. Letzteres nimmt man nach gemachter
Perforation in den Mund, führt dm'ch den Ohrtrich-
ter hmdnrch unter gehöriger Beleuchtung mittels des
Spiegels das dünne Ende der Kanüle durch die Per-
forationsöffnung in die Pauke ein und saugt aus;
das etwa am Boden der Pauke noch befindliche Ex-
sudat erreicht man mittels einer am dünnen Ende
etwa 3 Mmtr. abgebogenen Kanüle. Selbstverständ-
lich ist eine behutsame Handhabung des Instruments
erforderlich. Es eignet sich dasselbe auch zur Aus-
spritzung versteckter Partien der Paukenhöhle oder
des Antr. mast. (zu beziehen durch Instrumenten-
macher Deiche, Dresden, Johannisstrasse 6).
Arthur Hartmann (Deutsche med. Wo-
chenschr. V. 44) benutzt zu gründlicher Ausspü-
lung der Paukenhöhle und ihrer Nebenhöhlen eine
2 Mmtr. dicke, 8 Ctmtr. lange Röhre aus Neusilber,
die, im mittleren Theile völlig gerade, am Pauken-
ende um 1 Mmtr. rechtwinkelig abgebogen ist und
am äusseren Ekide, nach der entgegengesetzten Seite
stumpfwinkelig abgelenkt, eine Anschwellung trägt,
um einen dünnen und leichten Kautschukschlauch
daran befestigen zu können, durch den die Röhre
mit der Spritze verbunden wird. Nach vorsichtiger
Einführung durch die Perforationsöffhung wird die
Röhre mit der linken Hand fixii-t, während mit der
rechten die Einspritzung unter anflLnglich sehr ge-
ringem Druck erfolgt, der, wenn gut ertragen, ge-
steigert werden kann. H. machte die Ausspülung
1) in allen Fällen von chronischer eitriger Mittelohr-
entzündung, wo zu vermuthen war, dass trotz den
gewöhnlichen Ausspritzungen Sekretanhäufungen ii
der Pauke oder ihren Nebenhöhlen noch bestan-
den ; 2) wenn bei abgelaufener oder noch bestehen-
der eitriger Entzündung Reizerscheinungen (Druck,
Schwindel, Benommenheit u. s. w.) noch vorhandea
waren ; 3) bei Caries des Gehörgangs, wo die Spiise
der Röhre in die fistulösen Oeffnungen eingefthit
wurde. !
Instrumente von Silber oder Neusilber zum direk-
ten Einführen in das Anti'. mast. werden übrigen!
seit Jahren von H. Schwartze (Arch. f. Ohkd«<
XIV. p. 225) benutzt, mit deren Hülfe oft noch eini
überraschende Menge käsigen Eiters ausgespült wirdg
während das auf gewöhnliche Weise angewendete
Spritzwasser rein ablief. Einen Nachtheil, anssei
Schwindel, hat Seh w. nie davon gesehen.
AniisepHsche Behandlung der Mitieloknit4»
rungen, — Einen bedeutenden Schritt vorwärts i|
der Therapie der Mittelohreiterungen hat Fried-
rich Bezold (Arch. f. Ohkde. XV. 1. p. 1) durcb
seine antiseptische Behandlungsweise gethan. Schon
V. Troeltsch suchte diesem Bedürfniss zu gentt*
gen durch Zusatz desinficirenter Mittel zu dem In-
jektionswasser ; B. kam es jedoch darauf an, einen
dauernden, antiseptischen Abschluss von der Luft zn
erreichen, nachdem vorher die secemirenden Flächen
von Sepsis-Keimen möglichst gereinigt worden siol
Die hierzu verwendbaren Antiseptika dürfen die
Mittelohrschleimhaut nicht reizen und keine Nieder-
schlage machen, als ein solches hat B. die Borsäuri
erprobt. Nachdem er Borsäure - Pulver zuerst bd
Granulationen im Gehörgang mit Erfolg in Gebranck
gezogen hatte, verwendete er dasselbe auch zu Ein-
blasungen bei Mittelohreiterungen, zunächst bei
chron. Formen und sodann auch bei akuten, und
gelangte schlüsslich dahin, bei jeder Eiterung in
Ohr, aus der Pauke oder dem Gehörgang, Borsäure
einzublasen. Das genannte Mittel macht Abtragun-
gen von Polypen, Aetzungen von Granulationen odei
der wuchernden Paukenschleimhaut nicht entbehr-
lich, wohl aber die Adstringentien. Die Anwen-
dungsweise geschieht folgendermaassen : 1) Reini-
gung des Giehörgangs und der Pauke durch Injek-
tionen von 4proc. Borsäurelösnng (nöthigenfalk
genügt warmes Wasser) ; 2) nach gründlicher Aus-
ti'ocknung und Anwendung der Luftdnsche Einblasei
feingepulverter Borsäure, wobei man, da beim Ein*
blasen gewöhnlich ein Theil wieder herausfliegt,
etwas Pulver in den Gehörgang nachschütten muss;
3) Verschluss des Gehörgangs mit Salicjl- odei
Carbolwatte oder Borlint. Diese Manipulation [ist
so oft zu wiederholen, als die Watte sich mit Sekret
befeuchtet zeigt.
Scharig, Ohrenheilkunde.
207
Bei Otitifl med. aenta erzielte B. hierdurch hinnen
■f&Uend kimer Zelt Heilang : im Darchschnitt 13 Tage.
Tod 102 FSllen imcomplleirter Otit. med. pnrul. chronica
kam in 70 FäUen der Ansfluss zum Stillstand, 6mal trat
TermiDderang desselben ein, 20 Patienten blieben weg,
]i 3 Fallen keine Bessemog ; dnrchschnittllche Hellnngs-
toer 19 Tage; ein Recidiv trat In 14 F. auf, In 5 F.
wied^boU ; in 4 Fällen erfolgte Schlnss der Perforation.
Die gute Wirkung der Borsäure beruht wahr-
Behdnlieh nicht bloss auf ihrer antiseptidchen Eigen-
sehift, sondern zum Theil wohl auch in ihrer Yer-
lendoDg in Pulverform, die günstig auf die secer-
jireDde Schleimhaut zu wirken scheint. Das der
ifiDblasang gewöhnlich folgende Sausen ist als me-
(bnischer Effekt des Pulvers zu betrachten und ein
Beweis, dass es an die rechte Stelle gelangte. —
i Olli med. pur. im Verlauf von Lungenphthise
die Borsäure ohne Einfluss auf die Sekretion
auch bei ausgesprochener Scrofnlose scheint
Wirkung weniger sicher zu sein, ebenso bei
r Entztlndong, welche zu Perforation, resp.
olypeubildung in der Gegend der Membr. Shrap-
i geführt hatte. Letztere Erkrankungen, die
ig auf Erkrankung des Knochens beruhen, sind
mannigfachen Complikationen halber immer
sehr ernste zu betrachten. — Nach B. kann die
ore bei längerer, consequenter Anwendung für
dlfferentielle Diagnose Anhaltspunkte geben, in-
ihre Wirkungslosigkeit Schlüsse auf einen Aus-
unkt der Eiterung gestattet, der unserer Ein-
tirknog mehr oder weniger entzogen ist, oder auf
lierkalöee oder scrofulöse Grundlage hinweist.
Trockene Reinigung bei Ohreiterungen. —
Beeker (Mon.-Schr. f. Ohkde. XIU. 5) ist der An-
iiht, dass der Grund, warum viele Otorrhöen nicht
Men, m den Einspritzungen liege. Seit 4 Jahren
faeits hat er dieselben gänzlich vermieden und die
Ohren nur anf ti'ockene Weise dm*ch Auswischen
nittels carbolisirter oder entfetteter Wattepfropfe
taeiDlgt. Bei kleiner Perforation wird der Eiter
■itieb Luftdnsehe oder, noch besser, durch Luft-
lodflmrang mit Siegle*e Trichter in den Gehörgang
{iiaeht und dann ausgewischt. Das Hauptgewicht
ki dieser Methode legt B. , abgesehen von ihrer
JMligkeit und Einfachheit, darauf, dass nichts
Viemdartiges in das Ohr gebracht werde. Grttnd-
U kann die Reinignng freilich nur vom Arzt selbst
mgefilhrt werden, jedoch reicht es aus, dieselbe
%üch dnmal vorzunehmen. Kann der Kranke
^ tftglich erscheinen, so mnss er sich das Ohr
Bitteis zosanunengedrehter weicher Leinwandstück-
dien oder Wattepropfen selbst reinigen. Nach jeder
pQndUehen Answischung bleibt ein in lOproc. Car-
M^ getauchter Wattepropf in der Tiefe des Gehör-
SS^, am Trommelfell oder in derTrommelfelllflcke
N^} hd geringer Eiterung selbst mehrere Tage
log. Beeker wendet die trockene Reinigung bei
^ mit Abeondemngen verbundenen Ohrerkran-
bugenan.
Eine analoge Methode empfiehlt R. Schalle
klin. Wchnschr. XVL 32) in Fällen, wo spe-
cialistische Hülfe für die Dauer nicht zu haben, znr
Selbstbehandlung. Ein Stück Plqudlitze, welches
der Weite des Gehörgangs entspricht, wird am Ende
mit den Fingernägeln zu einer Art Pinsel aufge-
krempelt und unter rotirenden Bewegungen von dem
Kranken in das eiternde Ohr tief eingeführt, bis das
Gefühl von Widerstand eintritt ; nach mehrmaligen
Rotationen wird die Litze ausgezogen, das mit Eiter
imprägnirte Stück abgeschnitten, die Litze von Neuem
aufgekrempelt und eingeführt, bis sie trocken aus-
gezogen wird. Jetzt wird die aufgekrempelte Litze
in die verordnete Arznei eingetaucht oder besser,
es werden einige Tropfen davon ins Ohr gegossen
und dann wird die Litze eingeführt, um die Flüssig-
keit möglichst in die Buchtungen der Paukenhöhle
u. s. w. einzupressen. Schlüsslich wird das Ohr
mit gereinigter Schafwolle locker verstopft. Diese
Manipulation ist je nach der Menge des Sekrets
mehrmals täglich zu wiederholen. In Fällen mit sehr
copiöser Eiteiimg lässt man Litzenstücken zwischen
den Reinigungen im Ohr liegen, um den Eiter auf-
zusaugen, ebenso während der Nacht. Morgens und
Abends sind Ohrbäder von erwärmter Kochsalzlösung
empfehlensweiiih , um den eingedickten Eiter aufzu-
lösen.
H. N. Spencer (Amer. Joum. of Otol. L
p. 287. Oct.) fand die Anwendung von Jodoform
bei hyperplastischen Processen der Paukenschleim-
haut von vorzüglichem Nutzen. So sah er einen
Paukenhöhlenpolypen bei einer nervösen, keine Ope-
ration gestattenden Dame nach mehrmaliger Appli-
kation von Jodoform schwinden. Ein 6jähr. Knabe,
bei dem nach Scharlach die ganze Paukenschleim-
haut geschwollen war und zottige Wucherungen
zeigte, wurde nach 3wöchentlicher Behandlung mit
Jodoform geheilt, nachdem er vorher länger als
1 Jahr erfolglos behandelt worden war. In ähn-
licher Weise wurden bei einem lOjähr. Kind granu-
löse Wucherungen im hintern obern Quadranten
rasch entfernt. Von guter Wirksamkeit ist das
Mittel auch bei hypertrophischen Tonsillen. —
Alaun wirkt nach Sp. dadurch, dass er mit dem
Eiweiss der Gewebe ein Coagnlum bildet und da-
durch die Paukenschleimhaut wie mit einer Schutz-
decke überzieht. Er ist mit Vortheil anzuwenden,
wo es gilt, bei nur noch geringer, aber hartnäckiger
Eiterung die schädlichen atmosphärischen Einflüsse
abzuhalten. — Beide Mittel dürfen nicht bei akuten
Processen gebraucht werden.
Ohrpolypen.
Ueber das operative Verfahren bei Ohrpolypen
spricht sich Adam Politzer (Wien. med. Wo-
chenschr. XXIX. 16. 18. 19. 20. 21) unter Angabe
eines neuen Instrumentes ausführlich aus. Nachdem
P. die Diagnose der Gehörgangspolypen erörtert und
die zuweilen unlösbaren Schwierigkeiten besprochen
hat, die sich einer genauen Sicherstellung des Ur-
sprungs der Trommelfell- u. Paukenhöhlen-Polypen
entgegenstellen, geht er auf die OperationsmeÜiode
208
Schurigy Ohrenheilkunde«
selbst ein. Bei Gehörgangspolypen zieht P. die
Extraktion mittels der Wüde'BcAien Schlinge, event.
mittels Eomzange, der Abschnünmg vor, weil hier-
durch die Wurzel meist mit entfernt und längere
Nachbehandlung vermieden wird. Folgt der Polyp
einem massigen Zuge nicht, so wird duix^h mehr-
malige Drehung des Instruments um die Längsachse,
bis gi'össerer Widerstand ftihlbar wird , die Wurzel
des Polypen torquirt. Letzterer mortificirt dann
und fällt bald ab. Tiefer sitzende Polypen müssen
mittels der Blake^achen oder Hartmann'BGhßu Schiin-
genträger abgeschnitten werden. P. benutzt dazu
einen 0.1 Mmtr. dicken ausgeglühten Stahldraht oder
dünnen Platindraht; der Stiel des Instruments ist
von 5 zu 5 Mmtr. markirt, um danach die Tiefe
schätzen zu können, in welcher sich die Schlmge
befindet. Bei grosser Perforationsöffhung kann die
Schlinge selbst in die Paukenhöhle eingeführt wer-
den , zuweilen mnss die Oeffnung erst durch einen
Schnitt erweitert werden. Trotzdem ist die Operation
öfters nur eine palliative und der sitzengebliebene
Rest muss noch durch längeres Aetzen zerstört wer-
den. — Zum Abtragen von Polypenresten und be-
sonders von granulösen Wucherungen verwendet P.
ein dem Meyer*8chen Ringmesser analoges Instru-
ment. Dasselbe, aus Stahl gefertigt , ist 7 Ctmü*.
lang und trägt am vordem Ende einen concav-con-
vexen Ring von 3 — 3*/^ , resp. 1 Va — 2 Mmtr. Durch-
messer, dessen innerer Rand schneidend scharf ist.
Das mittels Schraube in einem Griff, zu dem es recht-
winkelig steht, zu befestigende Meine Ringmesser-
chen wird bis zur Wucherung vorgeschoben, mit sei-
ner convexen Fläche gegen dieselbe angedrückt, bis
man eine feste Unterlage fühlt , und dann rasch zu-
rückgezogen und somit die Wucherung von ihrer
Unterlage abgeschnitten. Auch grössere Polypen
entfernte P. mit seinem Ringmesser, indem er das-
selbe bis zum Polypenstiel vorschob , fest auf den-
selben aufdrückte und dann zurückzog. Für Poly-
pen, die mit breiter Basis aufsitzen , eignet sich das
Instniment nicht; bei Polypen, deren Sitz nicht mit
Sicherheit zu bestimmen ist , wird man erst die Ab-
tragung mit der Schlinge vornehmen und dann den
Rest mit dem Ringmesser entfernen. Besondera vor-
sichtig sei man bei Abtragung von Wucherungen an
der Innern obem Gehörgaugswand , da in dieselbe
öfters der cariöse Hammerkopf eingebettet ist. —
Während P. zu Aetzungen von granulösen Wuche-
rungen früher den Höllenstein vielfach verwendete,
zieht er jetzt den Liquor ferri sesqmcfilorati vor,
da deraelbe tiefer eindringt und sicherer die Mortifi-
kation des Gewebes bewirkt; er wird mittels der
Sonde oder auch eines Pinsels auf die Wucherung
aufgetragen. Bei derben Wucherungen, besonders
wenn dieselben von der ganzen Circumferenz des
Gehörgangs ausgehen imd das Lumen desselben ver-
engen , bediente sich P. selbst des krystallinischen
Eisenchlorid mit gutem f^rfolg ; in ganz hartnäcki-
gen Fällen that die Chlorzinkpaste (Canquoin's Aetz-
paste) — natürlich unter gehörigem Schutz der um-
gebenden Partien durch Wattepfit)pf — gute EHenste ;
der Schmerz dabei ist nur ein momentaner und fast
nie folgte entzündliche Reaktion. Von der galvano-
kaustischen Behandlung sah P. sehr gute Erfolge
bei der Myringitis granulosa und der granulirenden
Mittelohreiterung:
H. Moos (Ztschr. f. Ohkde. Vm. p. 217) theill
einen Fall mit, welcher beweist, dass unter Umstän-
den die Ausrottung einer Neubildung gleichzeitig mü
dem Hammer nicht umgangen werden kann und das
diese Operation gefalu*los ist.
M. eztrahirte mit der TFtZd^schen Schlinge bei einen
öVsJäbr. Knaben einen den Gehörgang völlig aasfüllendei
Polypen, in welchem der Hammer enthalten war. Di(
Nenbildnng entsprang von der ganzen Circomferenz des
Handgriffs, der Hanunerkopf war vom Periost entblöst
Nachdem noch eine zweite Wucherung ans derPanke ent
femt worden, erfolgte Heilnng nach mehreren Momitea
Das TrommelfeU war im medialen Tbeil mit der Laby
rinthwand verwachsen ; an SteUe des Hammergriffs be
fand sich eine demselben täuschend ähnliche weisM
Leiste. Sprachverständniss >= 2 Meter.
M. würde, selbst wenn die Diagnose der Ver
wachsung des Hammergriffs vor der Operation mög
lieh gewesen wäre, nicht anders haben handeln kön
neu , da eine kunstgerechte Ablösung vom Hammer
griff nicht möglich war.
Processus mastoidius.
In einem sehr interessanten und lehrreichen Ar
tikel fasst H. Schwartze (Arch. f. Ohkde. XIV.
3 u. 4. p. 202) die Resultate der 50 von ihm ver
öffentlichten Fälle von kUnstlieher Eröffiaung do
Warzenfortsatzes zusammen. Geheilt wurden 3 5 Kr
(= 70Vo), ungeheilt blieben 5 (= lO^o) y gestor
ben sind 10 (= 20o/o). Die Durchschnittsdaner dei
Nachbehandlung betrug in den akuten (9) Fällei
6 — 7 Mon., in den chronischen 10 Monate. Die Todes
Ursachen waren : 3mal Meningitis, 2mal Pyämie j<
Imal Kleinhimabscess u. Anämie, 2mal Tubercul. pol
monum. Es erweist die Casuistik die Möglichkeit
durch die künatl. Eröflhnng des Proc. mast. selbs
die schwersten Fälle von Caries des Schläfenhdai
zu heilen, und damit die Gefahren flQr das Leben si
beseitigen , ja selbst in nicht wenigen (8) FäUen eil
normales Hörvermögen wieder herzustellen.
Als die Operation indicirend bezeichnet Schw.
folgende Affektionen. 1) Akute Entzündung dtt
Warzenfortsatzes mit Eiterretention in den EnocheD'
Zellen , bei der nach der Wilde 'sehen Indsion eil
dauernder Nachlass der Erscheinungen nicht emtrat;
Zeichen von Hirnreizung oder Pyämie sind nicht ab-
zuwarten. — 2) Wiederholte Anschwellung dei
Warzengegend, die zeitweilig rückgängig wurde
oder zu Abscessbildnng führte , mit oder ohne fista-
lösen Durchbruch des Hautüberzuges, auch wenD
zur Zeit keine das Leben bedrohenden Symptome
bestehen. Bei jeder Eröffnung eines grossem Ab-
scesses am Proc. mast. muss nach rauhem KoocheD
oder einer etwaigen Fistelöffnung geforscht werden;
findet sich eine solche , so ist sofort die EröfiEnoog
und Drainage vorzunehmen* — 3} Auch weim an
Schur lg, Ohrenheilkunde.
209
der hintern obem Qehörgangswand ein fistalöser
^terdnrchbmch vom Antrum schon besteht , ist bei
HiDZDtritt von Himsymptomen die Eröffnung des
Proc. mast. geboten, selbst wenn derselbe äusserlich
geflond ist, um dadurch der Gefahr der Eiterreten-
üoD dnrch bessere Dnrchspttlnng vorzubeugen.
Am günstigsten sind die Fälle , wo die Caries,
wie häufig im Kindesalter , auf den Proc. mast. be-
sehrinkt blieb, weniger günstig ist die Prognose,
wenn die Wandungen der Pauke oder gar schon des
Labyrinth ergriffen sind. Doch auch hier ist die
Operation noch geboten , da erfahrungsgemäss Aus-
yioDg noch erfolgen kann. Wie die Erfahrung
lehrt, kann Caries necrotica Jahre lang bestehen, so
dass nur eine dflnne Knochenschicht die nekrotische
Hdhie nach aussen begrenzt, ohne dass am Proc.
Bisi eine Veränderung bemerkbar ist. Der einzige
W^, am mit Sicherheit die Diagnose eines deraiü-
gen Processes zu stellen, ist die operative Eröffnung
des Proc. mastoideus. Die Indikation hierzu ist ge-
geben in Fällen von Eiterretention im Mittelohr
(Fieber, Schmerz, hartnäckig penetranter Geruch),
die bei Benutzung der natürlichen Wege nicht zu
beheben ist. Ergiebt sich hierbei der Knochen
sklerodrt, so darf man höchstens 2.5 Ctmtr. (bis
m Tiefe des Ti'ommelfells) vordringen und hat,
selbst wenn das Antnim nicht eröffnet werden kann,
Aussieht auf einen glücklichen Erfolg durch die
imlsive Wirkung der Operation. Selbstverständ-
lich müssen Hindemisse im äussern Oehörgang , die
denEiterabfluss hemmei^ beseitigt werden, nöthigen-
blls selbst durch Mitentfemen eines Theils der hin-
ten Gehörgangswand. — Die prophylaktische Er-
Dffniuig des Proc. mast. als Heilmittel langjähriger,
unheilbarer Mittelohreiterung ohne dringende Er-
idteinungen, wie sie von v. Tröltsch und Bill-
roth, später von Jacobi empfohlen wurde, hat
Btth Schw. nur eine zweifelhafte Berechtigung, in-
dem Anomalien des Schläfenbeins (Tiefstand des
Snus transv. und der mittlem Schädelgrube) die
Operatk>n noch zu gefährlich machen. Er operirte
vegen akuter Entzündung am Proc. mast. llmal,
ki subcutanem Abscess oder Fisteln am Proc. mast.
25mal, wegen Eiterretention im Mittelohr bei äusser-
M gesundem Proc. mast. llmal, bei Indicat. vital.
3oaL
Operationsmethode, NachAbrasiren der Haare,
Abwaschung und Desinfektion der Haut wird der
Hantachnitt etwa 1 Ctmtr. hinter dem Ansatz der
(Hinnnschel parallel demselben, 2.5 — 5 Ctmtr. lang,
je nach der Schwellung der Weichtheile , geführt,
das Periost zurückgeschoben und die Blutung gestillt.
Ist die CorticaHs zum TheU cariös erweicht oder
fatoiös durchbrochen , so wird die cariöse Stelle mit
änem kleinen Hohlmeissel durchbrochen und vom
Knochen so viel mit dem scharfen Löffel entfernt,
ab rieh erweicht zeigt, die Höhle ausgespült und
^ndnirt. Fisteln sind mit Meissel und Hammer so
^ zu dilatiren , dass man mit dem kleinen Finger
Med. Jalirbb. Bd. 191. Hft.2.
in die Warzenhöhle eindringen kann; ist ein Se-
quester vorhanden, so muss die Oeffiiung behufs Ex-
traktion desselben, wenn nöthig, erweitert werden;
etwaige Granulationsmassen und erweichter Knochen
werden ausgeschabt, was gleichzeitig auch im Gehör-
gang geschehen muss, wenn dort Wucherungen vor-
handen sind. Darauf wird mit 2proc. Carbollösung
gründlich ausgespült und drainirt , wobei , wenn die
hintere Gehörgangswand cariös durchbrochen ist, das
Drainrohr zum Gehörgang herausgeführt wird. —
Zu Eröffnung des äusserlich gesunden Knochens
giebt Schw. dem Hohlmeissel nebst Hammer unbe-
dingt den Vorzug vor Bohrer oder Trepan , weil der
Meissel am vielseitigsten verwendbar ist und Neben-
verletzungen am sichei*sten damit vermieden werden
können. Einfache Blosslegung der imverletzten,
gewöhnlich duroh den vorausgegangenen Ej'ankheits-
verlanf entzündlich verdickten Dura-mater oder Sinus
transv. hat erfahrungsgemäss keine schlunmen Fol-
gen, wenn nicht, wie es Schw. passirte, Verletzung
derselben durch abgesplitterten Knochen erfolgt.
Die Eingangsöflnung ist in der Höhe des Gehörgangs,
etwas hinter der Insertion der Ohrmuschel , zu wäh-
len dicht unter der Linea temporal., die in der Regel
tiefer, als die Basis der mittlem Schädelgrube liegt ;
man dringe in der Richtung von aussen hinten nach
innen vorn und unten vor, parallel der Gehörgangs-
achse , um den Sinus transv. zu vermeiden und lasse
den Meissel nie nach hinten wurken ; die Eingangs-
öfinung sei möglichst gi'oss (bis zu 1 2.0 Mmtr. Höhe).
Bei starker Wölbung des Sin. transv. nach aussen
und vorn bietet das von K. Wolf vorgeschlagene
Verfahren der successiven Abmeisselung der hintern
Gehörgangswand einen Ausweg, obschon es hierbei
ohne Schädigung der Pauke und ihres Inhalts kaum
abgehen dürfte. — Eröffnung des Antrum durch
Anbohren vom äussern Gehörgang ans liält Schw.
wegen zu enger Knochenöffnung und ungenügender
Durchspülung für unzweckmässig.
Die Nachbehandlung ist sehr mühsam und lang-
wierig: in den ersten Tagen nach der Operation
3mal täglich Durchspülung mit */4proc. Kochsalz-
lösung und 1 — 2proc. Carbolwasser mittels Imgator
bei sehr geringem Druck, dann Wochen oder Monate
lang 2mal täglich mittels Klysopomp ; wenn nöthig
Luftdusche, Durchspritzungen durch die Tuba, Ab-
tragen von Granulationen u. s. w. Gestatten die in
der Tiefe wuchernden Granulationen nicht mehr die
schmerzlose Einführung des Drainrohrs, so wird das-
selbe durch einen , für den speciellen Fall passend
gewählten Bleinagel ersetzt, der, allmälig kürzer und
dünner gemacht, erst dann weggelassen werden darf,
wenn die Eitemng in der Tiefe nur noch ganz mini-
mal ist ; der Gehörgang darf nicht geschwollen und
muss , wie auch die Pauke , frei von Granulationen
sein. Man halte den Kanal lieber zu lange offen als
das Gegentheil. Antiseptischer Verband , Bettlage
in den ersten 8 Tagen nach der Operation , selbst
wenn keine fieberhafte Reaktion eintritt. — Ein
27
210
Schurig y Ohrenheilkunde.
Etui mit den von Seh w. zur Operation gebrauchten
Instrumenten liefert Instrumentenmacher Fr, Baum-
gartel in Halle a. S. für etwa 100 Mark.
Ein neues Verfahren zur Eröffnung des Proc.
mast. schlägt Bogroff in Odessa (Mon.-Schr. f.
Ohkde. XIII. 5) vor : An der Stelle , wo der Kno-
chen eröffnet werden soll , lasse man den Qalvano-
kauter einige Sekunden einwirken y um die Festig-
keit des Knochens aufzuheben, entferne dann mittels
Hohlmeissels den nachgiebigen Knochen und arbeite
so abwechselnd mit Galvanokauter und Hohlmeissel
weiter. Auch zu Entfernung von Exostosen im Ge-
hörgang wird das Verfahren empfohlen.
Auriculo - mastoideale Drainage, Gillette
(Ann. des mal. de Toreille etc. V. p. 249. Nov.)
theilt einen Fall von chronischer Ohreiterung bei
einem Tuberkulösen (Caverne, Epididymitis tubercul.)
mit, in dem er, als sich anfallsweise heftige Schmer-
zen und Röthung des Proc. mast. einstellten, die
künstliche Eröffnung des Knochens bis zum Antrum
machte. Der Knochen war äusserlich gesund , zum
Theil ebumisirt, im Antrum befand sich Eiter. Durch
die Operationswunde, durch das Antrum und zum
Gehörgang heraus wurde ein Drainrohr geführt.
ZMta**scher Verband; antiseptische Durchspfllun-
gen. Heilung.
In folgendem Falle von käsiger Osteitis des Proc.
mast. erzielte A. G. Gerster (Ztschr. f. Ohkde.
VIII. p. 207) Heilung auf operativem Wege.
Ein 26jähr. Arbeiter, seit Kindheit an Otit. med.
parul. dextra und öfters an Schmerzhaftigkeit und Abscess-
bildang auf dem entsprechenden Proc. mast. leidend, kam
mit rechtseitiger Taubheit, Facial-Paralyse mid 3 die
stark verdickten Weichthelle aber dem Proc. mast. durch-
brechenden Fisteln in das Spital. Nach Ablösung der
Weichthelle Erweiterung einer in eine mit käsigen Massen
erfüllten Höhle fahrenden Fistel mittels Meissel und Ham-
mer, bis der Finger eingeführt werden konnte ; Abspren-
gung der nur durch eine schwache Leiste noch anhangen-
den Spitze des Proc. mastoideus. Nach Ausräumung der
käsigen Massen ans der etwa tanbeneigrossen, mit glatten
Wänden bekleideten Höhle , die nach vom mit der Pau-
kenhöhle , nach oben und innen mit dem Innern Ohr zu»
sammenhing , Verband mit antiseptischer Qaze. Da Je-
doch bald das Sekret übelriechend wurde , ging man zu
offner Wundbehandlung mit 2stündlich wiederholter Aus-
waschung mittels Iproc. Lösung von essigs. Alaun über
und erzielte Heilung binnen etwa 6 Wochen. Da Jedoch
noch immer eine minimale Sekretion bestand , wurde der
Kr. mit einer Kanüle in der Fistel auf dem Proc. mast.
entlassen.
Zwei Falle von Anbohrung des Proc. masL
theilt Emil Grüning in New York (Ztschr. f.
Ohkde. VUI. p. 297) mit
Ein 32Jähr. Mann bekam nach einem Seebad eine
Mittelohr-Entzündung , zu der sich , als O r. nach 4 Wo-
chen den Kr. sah, Böthe und Oedem des Proc. mast.,
Kopfschmerz und Schwindel gesellt hatten. Da lokale
Blntentziehung und der Wilde 'sehe Schnitt nur vorüber-
gehende Besserung bewirkten, Schüttelfröste, Delirien
und Erbrechen auftraten, eröffnete Gr. den äusserlich
gesunden Knochen mittels eines Haodbohrers , der direkt
ins Antrum drang. Entleerung einiger Löffel voll dickes
Eiters, mit sofortiger grosser Erleichterung. DieOtorrhöe
verlor sich bald , jedoch ohne Verschluss der Trommel-
feUperforation ; der an der Operationsstelle zurückgeblie-
bene fistulöse Oang schloss sich erst nach 2 Jahren, nach-
dem einige nekrotische Knochenstficke ansgeetoasea
worden.
Ein 42Jähr., an Lungenphtbise , seit 14 Tagen an
llnkseitiger Otorrhöe leidender Mann wurde in letzter
Zeit durch heftige , Nachts exacerbirende Schmerzen im
Ohr beunruhigt. G r. fand Perforation im vordem untern
Quadranten, Röthe und Schwellung der obern Gehörgangs-
wand , Oedem und Schmerzhaftigkeit des Proc. mastoi-
deus. LfOkale Blutentziehung, Wilde'scher Schnitt,
Incision der obern Gehörgangswand und Durchbrechen des
rauhen Knochens mittels Sonde erleichterten nur anf
kurze Zeit. Nach Anbohrung des Proc. mast. mittels
Drillbohrer und Entfernung eines wahrscheinlich von der
hintern Gehörgangswand stammenden beweglichen Kno-
chenstücks erfolgte binnen 2 Mon. Heilung.
£. Taubstummenstatistik.
Bei der Naturforscherversammlnng zu Baden-
Baden sprach Hartmann (Ztschr. f. Ohkde. VIII.
p. 387) Aber die Aufgaben, welche die Taubstummen-
Statistik sich zn stellen hat, und bezeichnete als
solche, einmal die Verbreitung des Gebrechens fest-
zustellen und andererseits Anfschluss Aber das Wesen
nnd die Ursache desselben zu verschaffen. Die bis-
her aufgestellten Statistiken stehen unter einander
im Widerspruch und sollte deshalb die Ausfbllnng
der Fragebogen durch Sachverständige (Aerzte) ge-
schehen. H. wünscht besonders auch die Zahl der
im bildungsfähigen Alter stehenden Taubstummen
festgestellt zu sehen, damit denselben specieller
Taubstummenunterricht ertheilt werden könnte. Er
vermuthet, dass die Zahl derselben sehr beträchtlich
sei ; die Volkszählung biete eine günstige Oelegen-
heit , eine specielle Taubstummenstatistik ins Leben
zu rufen.
Moritz Benedikt (Wien. med. Presse XX.
42) richtet einen offenen Brief an die Ohrenärzte, in
welchem er für die in späterem Alter taub Gewordenen
ebenso den Taubstummen-Unterricht verlangt wie für
Die, welche in der Kindheit das Gehör verloren
haben, indem er besonders das Studium der Sprach-
mimik unter Leitung eines Taubstummenlehrers em-
pfiehlt. Er fordert die Ohrenärzte zum sorgfältigsten
Studium von Gehirnen Taubstummer auf und bittet,
im Fall denselben Zeit oder hinreichende Spedal-
kenntniss zu derartigen Untersuchungen mangelt,
die Gehirne an Gehirn- Anatomen einzusenden.
H 6 n s e n , Physiologie der Zeagnng.
211
C. Kritiken.
31. Physiologie der Zeugung; von Profr
Dr. y. Hensen in Kiel. Mit 48 Abbildungen.
Leipzig 1881. F. C.W. Vogel. 304 S. (8Mk.)
Die Lehre von der Zetigung hat in der jüngsten
Zeit so bedentende Bereicherangen erfahren, dass es
voD vielen Seiten als sehr wünschenswerth empfun-
des ward, eine neuere Bearbeitung des ausgedehnten
Stoffes zu besitzen. Vermag sich eine solche auch
anf ausgezeichnete vorausgehende Darstellungen zu
atatzen, so stellt nichtsdestoweniger die befriedigende
L(toaBg des Versuches weitgehende AnspiUche an
den Unternehmer. Nicht blos auf das gesammte
Tfaierreich sich auszubreiten besteht die Aufgabe,
sondern eben so sehr bildet das Pflanzenreich eine
der Grundlagen, von welchen der Ausgangspunkt zu
nehmen ist Mehr noch als eine reiche Literatur-
kenntnisB ist sodann die sachliche Beschäftigung auf
dnem so weitschichtigen Gebiete die nothwendige
VoraoBsetzung des Gelingens. Das Gebiet selbst
aber zeigt sich fiberdiess auf allen Seiten umstellt
von den schwierigsten Problemen der Naturwissen-
»haft, welchen es gilt, nicht aus dem Wege zu
gehen«
Das interessante Buch bildet einen Theil des
grossen von Prof. Hermann herausgegebenen
Handbuchs der Physiologie, In 13 Capiteln be-
handelt Vf. die ganze Lehre von der Zeugung mit
Äasnahme der Entwicklungsgeschichte. Nur für die
Sanalprodukte und die ungeschlechtliche Zeugung
wurde die Entwicklungsgeschichte kurz berücksich-
tigt. Die geschlechtliche Zeugung hält Vf. für das
Primäre und Durchgehende, die ungeschlechtliche
Zeugung dagegen ftlr intercurrent. Die Disposition
des Werkes ergiebt sich im Uebrigen aus folgenden
Sitzen : „Die Zeugung dient dazu, das Leben auf
der Erde zu erhalten, denn ohne sie würden die In-
dividuen theils im Kampf, theils an Altersschwäche
m Grunde gehen. Die Zeugung dient aber auch,
wenn wir die Urzeugung fbr die Gegenwart aus-
schiiessen dürfen , dazu , die Bionten auf der Erde
a verjüngen und die geschlechtliche Vermischung
Usst ^eselben in stets neuer Form hervorkeimen ;
sie hflngt ab vom Ei, vom Samen und von der Ver-
mischung beider, der Befruchtung. Daran knüpft
sieh die Frage, ob die Befruchtung noth wendig ist
imd was sie bewirkt. Das Material an Experimen-
ten, welches uns Natur und Kunst an Modifikationen
der Greschlechtstheile und Befruchtungsvorgänge, in
ungeschlechtlicher Zeugung, Pädogenesis, Partheno-
genesis, Inzncht, Bastardimng, Rassen- und Stamm-
äldungy sowie in den Erscheinungen der Vererbung
vcnrftlhrten , ist ein sehr breites ; dennoch ist es filr
die richtige Beantwortung jener Fragen, wie wir
hichtea müssen, noch nicht breit genügt'. Nehmen
^ dieas auch theilweise an und gestehen zu, dass
zur Zeit noch über einige Theile der Zengungslehre
sich kein volles Licht ergiessen kann, so lässt einer-
seits jene Befürchtung immer noch der Hoffnung
Raum auf künftige Erhellung; andererseits wird
doch auch die Fülle des thatsächlich Gebotenen durch
dieselbe nicht gemessen. In beiden Richtungen ist
es nun gewiss vom höchsten Werth, wenn schon
der heranwachsenden naturwissenschaftlichen Gene-
ration ein Werk geboten wird , das ihr zum Führer
in schwierigen Fragen zu dienen vermag. Aber auch
Derjenige , welcher der goldenen Studienzeit schon
entrückt ist und über eine reichere Erfahrung be-
reits gebietet , wird gern den grossen Lehren lau-
schen, welche die Wissenschaft der alten und neuen
Zeit auf diesem wichtigen Gebiete gesammelt hat.
um die allgemeine Anschauung Vfs., welche den
Text auf ihrer Oberfläche trägt, zu kennzeichnen, sei
auf eine Stelle der Einleitung (S. 4) aufmerksam ge-
macht : „Genau dasselbe Verhalten zur En'cichung
dieses Fortschritts (der steigenden Vervollkommnung
späterer Geschlechter) fordern Naturwissenschaft wie
Lehren der Moral, aber erstere eröffnet eine legitime
Aussicht mehr als letztere. Gemeinsamer Erfolg
für beide Lehren ist die Befriedigung durch Pflicht-
erfüllung und Hebung des gegenwärtigen Wohl-
ergehens der Umgebung, aber die Naturwissenschaft
verspricht noch eine Zunahme der Machte der Ein-
sicht und des Wohlergehens kommender Genera-
tionen in der Art, wie es schon jetzt die Civilisation
für Mensch und Thier mit sich gebracht hat'^
Auch in anderer Beziehung noch wendet sich der
Inhalt direkt an den Arzt, nämlich bei der Unter-
suchung der Sterblichkeit. Hier sei auf folgende
Sätze (S.256) hingewiesen: „Die Anzahl der Todten
der einzelnen Altersklassen hängt nicht lediglich
vom Zufall ab , denn thäte sie das , so müssten bei
genügend grossen Zahlen die Todesfälle in den ver-
schiedenen Altersklassen annähernd gleiche werden.
Diess ist durchaus nicht der Fall , aber auch daran
kann man nicht denken , dass etwa für die verschie-
denen Altersklassen besondere Krankheiten existir-
ten, welche die entsprechenden Quoten des Lebens
raubten. Dass die Eanderkrankheiten u. A. mit
an der grossen Sterblichkeit des Kindesalters schuld
sind , dass die Infektionskrankheiten überhaupt die
Sterblichkeit modifioiren, ist unzweifelhaft, sie beu-
gen nur das grosse Gesetz der Sterblichkeit auf
kurze Zeiten, können aber den allgemeinen Gang der
Funktion nicht ändern. Die Statistik zeigt einen so
regelmässigen Verlauf der Sterblichkeit im Grossen,
dass es klar wird , es müssen hier tiefere Ursachen
als zufiUlige Infektionen zu Grunde liegen. In der
That wird man zu der Annahme gedrängt , dass ein
Ablaufen der Lebensuhr von so und so vielen Indi-
viduen jedes Jahr stattfinden müsse, weil die Trieb-
212
Schwalbe, Neordogie. — Vierordt, d. Qehen d. Menschen.
kräfte in diesen Individuen zu Eude gehen, weil
wenigstens in der grössern Zahl der Fälle der Or-
ganismus nach einer gewissen Anzahl von Jahren
dem Tode schon so nahe gebracht ist, dass ihn
äussere Schädlichkeiten immer leichter und leichter
herbelAlhren. Der Arzt kann hoffen, die absoluten
Werthe in der Curve herabzusetzen , den Gang der
Sterblichkeitszunahme kann er nicht ändern. Aller-
dings ist damit allein noch nicht der Verlauf der
Curve erklärt. Das rapide Absinken der Sterblich-
keit in den ersten 4 Lebensjahren kann entweder
von einem rapiden Fortsterben der schwächlichen
Individuen oder von rascher Kräftigung eines noch
mit mancherlei Schwächen behafteten Körpers her-
iUhren , wahrscheinlich spielen beide Momente eine
Rolle und maskiren dabei gänzlich den Vorgang,
welcher als das Ablaufen der Lebensnhr bezeichnet
wurde. Nach dieser Zeit wendet sich die Curve
und steigt dann zunächst sehr allmälig an. Die
Fälle, wo das Leben des Individuum durch die
eigene Constitution nur bis zum 45. Jahr bemessen
ist, sind selten , erst über dieses Jahr hinaus werden
sie zahlreicher imd zahlreicher. Die kleine Wen-
dung der Curve bei 80 — 84 Jahren ist vielleicht
wegen zu geringer Zahl der Beobachtungen incor-
rekt".
Das Capitel über die Physiologie der Geburt ist
von einem speciellen Fachmanne, Hm. Dr. W ert h ,
bearbeitet worden . R a u b e r .
32. Lehrbuch der Neurologie; von Prof. Dr.
6. Schwalbe in Königsberg. Zugleich des
2. Bandes 2. Abtheil, von HoffmamCe Lehrbuch
der Anatomie des Menschen. Mit 319 Holz-
schnitten. Erlangen 1880. E. Besold. gr. 8.
739 S. (21 Mk.)
Das in rascher Folge der einzelnen Abtheilungen
nunmehr zur Vollständigkeit gelangte Lehrbuch der
Neurologie von Prof. Schwalbe entspricht in seiner
äussern Form und Anlage derjenigen des schnell
beliebt gewordenen Quain - ZTi^mann'schen Lehr-
buches der menschlichen Anatomie, dessen Fort-
setzung es darstellt. Doch schon die grossen Fort-
schritte in der Erforschung des centralen Nerven-
systems, welche mit dem Erfolg einer gänzlichen
Umgestaltung grosser Gebietstheile der Lehre seit
der Veröffentlichung der 1. Auflage des Clnaxu"
Hoffmann^wkiGn Lehrbuches erreicht worden sind,
mussten mit Nothwendigkeit die Veranlassung ab-
geben, zunächst den neurologischen Theil des
Werkes nicht sowohl umzuarbeiten, als neu zu
schaffen. Der äussere Anlass, welcher mit dem früh
erfolgten Ableben Hoffmann 's die Fortführung des
unterbrochenen Unternehmens den Händen unseres
Autors anvertraute, könnte nun wohl die Möglichkeit
vermuthen lassen, dass die Fortführung selbst mehr
eme äusserliche sein werde, statt von der Kraft des
neuen Autors das erwartete Zeugniss abzulegen.
Aber eine aufmerksame Prüfung f&hrt alsbald zu der
bestimmten Wahrnehmung, dass eine solche Ver-
muthung weit entfernt wäre, das Richtige zu treffen.
Jeder einzelne Abschnitt legt vielmehr ein beredtes
Zeugniss davon ab, dass die Aufgabe als eine völlig
innere erfasst worden ist und dass es galt, mit Auf-
bietung aller Kräfte und in ernster Thätigkeit das
Beste zu leisten.
Es kann davon abgesehen werden, im Einzelnen
Auffassung und Darstellung einer Besprechung zu
unterziehen. Darum sei nur hervorgehoben, dass
der ungeahnte Aufschwung , dessen sich die Lehre
des centralen Nervensystems in der neuesten Zeit zu
erfreuen hatte , von dem Werke nicht allein seineffl
ganzen Inhalte nach aufgenommen und gewürdigt,
sondern auch weiter ausgebildet worden ist. Es
versteht sich daher von selbst, dass, da der Anli^e
gemäss auch die mikroskopische Anatomie eingehende
Darstellung zu finden hatte , der Haupttheil des Vo-
lumen dem centralen Nervensystem zufallen musste.
Ihm allein sind , ohne dass von einer Weitschweifig-
keit irgend etwas zu erblicken wäre, nicht weniger
als 512 Seiten Text, mit Einschlnss zahireicheri
zum grössten Thell neu aufgenommener Figuren, ge-
widmet worden.
Man begegnet nicht selten, auch in Kreisen, von
welchen man es nicht erwarten sollte, der Meinung,
das centrale Nervensystem sei entweder ein unnah-
barer oder doch noch so sehr mit Controversen be-
ladener unerfreulicher Theil der menschlichen Ana-
tomie, dass man von seiner grfindlichern Kenntniss-
nähme keinen entsprechenden Gewinn zu erwarten
habe. Umgekehrt möchten wir behaupten: WoU
dem Anfänger oder Vorgerflcktem , welchem schon
zu seiner Studienzeit eine Fflhrung zu Theil wird,
wie sie ihm hier gegeben ist! Wer kennt zwar nicht
die interessante, von Hyrtl in den zahlreiehes
Ausgaben seines Lehrbuches festgehaltene nnd da
durch weit verbreitete Sentenz von Fantoni
welche , vor fast 200 Jahren treffend geschrieben
gegenwärtig ihres Erfolges , heitere Fröhlichkeit zi
erzeugen , noch immer sicher sein kann : „Obscnn
textura, obscuriores morbi, functiones obscurissimae.'
Es ist doch wohl zu weit gegangen, diese Wort
heute noch wie früher als Einleitung fär jede Ana
tomie, Physiologie u. Pathologie des Gehirns für ge
eignet zu erklären. So viel sich auch nnsem Blicke
in Bau, Funktionen und Krankheiten dieses grosse
Systems naturgemäss gegenwärtig noch entzieht, s
berechtigen doch die gemachten Fortschritte noc
zu fernem Hoffnungen und sind an sich selbst be
deutend genug , um die neuere Forschung von dei
Banne jener niederschUigenden Worte zu befreien.
Ranber.
33. Das Gtohen des Menaohen tn gesundai
und kranken Zustanden, nach^aelbstteg^
strirenden Meüioden dargestellt von Di
Hermann Vierordt. Tttbingw 1881
H. Laupp'sche Buchhandl. 8. VII a. 206 i
mit 11 lithograph. Tafeln und 6 Holzschnittoi
(10 Mk.)
Vierordt, d. Gehen d. MenscheD.
213
In yorliegeDder Schrift hat der Vf. die in einer
llBgeni Yenochsreihe Aber Registrimng der räum-
licben und zeitlichen Verhältnisse des Gehens ge-
vonnenen Resultate niedergelegt. Er hat im Gegen-
ots ZQ frühem Untersuchen! die complicirten
BewegoDgen während des Gehens in mehr unmittel-
barer Weise zu fixiren gesucht , hauptsächlich auch
in der Absicht , die individuelle Gangart in ihren
EJDzeiphasen zu charakterisiren und das bisher so
gnt wie gar nicht berflcksichtigte pathologische Gehen
mit einfacheren y auch beim Kranken anwendbaren
Methoden in den Bereich der Untersuchung zu
äehea.
Die Arbeit zerMt in 2 Theile: 1) die gra-
jUidu Darstellung der Gehbetoegung im Raum
nd 2) die Messung der zeitlichen Verhältnisse in
itn Einzelphasen des Gehens,
Dm Stellung und liiehtung des Fusses wäh-
md des Aufsetzens, d. h. die eigentlichen Fuss-
äporen dauernd aofzuzeichnen, liessVf. dieVerauchs-
penonen in Filzschuhen gehen, an welchen an 3
bestimmten Punkten mit färbender Flüssigkeit ge-
fUlte Messingröhrchen senkrecht befestigt waren.
Während die Personen auf einem 10 Mtr. langen
Streifen Strohpapier gingen , entstanden bei jedem
Anftetzen des Fusses 3 farbige Punkte, entsprechend
den mit Baumwollpfropfen lose verschlossenen Mes-
ogiöhrchen. Vf. nennt diess das Abdruckverfah-
ren. Um die wirklichen Bewegungen des Beines
OBmittelbar aufzuzeichnen, bediente sich Vf. einer
Methode, die er Spritzmethode nennt. An jedem
Sehnh wurde ein 4. RGhrchen, spitz auslaufend, be-
festigt. Dieser kleine Cylinder stand nach oben hin
äarch einen dünnen Kautschukschiauch mit einem
fflbige Flüssigkeit enthaltenden Behälter in Ver-
iRDdoDg, welches der Versuchsperson auf dem Rücken
befestigt wurde. V^urde beim Beginne des Versuchs
& den Schlauch schliessende Pincette geöffnet , so
zeichnete die aus dem Fnssröhrchen in dünnem
Strafale ausströmende Flüssigkeit auf das untergelegte
Papier. Es wurden auch horizontal gerichtete Röhr-
ehen verwendet, die theils am Fuss , theils am Arm,
theÜB am Rumpf befestigt wurden und deren Strah-
len aaf seitlich gestellten , an Holzrahmen befestig-
ten Papierstreifen aufgefangen wurden. Die auf-
gezeichneten Fussspnren wurden nach bestimmten
Principien genau ausgemessen.
Mit der Abdruckmethode wurden zunächst unter-
socht die Schrittlänge , die seitliche Spreizweite , die
Winkelstellung beider Füsse, die seitliche Abwei-
chung von der Direktionslinie während des Gehens.
Es ist mit dem vorliegenden Materiale nicht gelun-
gen, besondere Gesetzmässigkeiten zu constatiren.
hn Gegentheil fand man bei jeder Versuchsperson
ein eigenthttmliches Verhalten nach dieser oder jener
Siehtang, Abweichungen von einer idealen Norm
to Gehens, die man als innerhalb des Rahmens der
^^esmidheit fallend annehmen muss. Die Schrittlänge
äer Erwachsenen für gewöhnliches Gehen fand Vf.
tmhen 600 und 700 Millimeter. Gewöhnlich
hatte ein Bein eine grössere Schrittlänge als das
andere.
Mit der Spritzmethode wurden untersucht die
wechselnden Zustände des Beins während des nor-
malen Gehens , die Abwicklung und Aufhebung des
Fusses vom Boden, die Vertikalprojektion des
stützenden und schwingenden Beines , die vertikale
und horizontale Rumpfschwankung und die Schwin-
gung der Arme während des Gehens , endlich der
Gang auf den Zehen , der Sprunglauf und das Rück-
wärtsgehen. Vf. schliesst sich betreffs des schwin-
genden Beins an D u c h e n n e an, welcher gegen die
Annahme eines rein passiven Pendeins protestirt hat.
Er möchte für Pendelung des Beins eine Muskel-
aktion annehmen , dabei aber hervorheben , dass die
Muskelarbeit unter sehr günstigen Bedingungen er-
folgt und vielleicht nur im Allgemeinen ftlr die rela-
tiv spontan erfolgende Bewegung Anstoss und rich-
tige Führung darstellt. Sonst bestätigt, soweit
Ref. sieht, der Vf. in allen wesentlichen Punkten die
Angaben der Gebr. Weber.
Im paüiologischen Theile beschreibt Vf. die
Selbstregistrlrung verschiedener pathologischer Gang-
arten. Er wollte zunächst nur versuchen, das flüch-
tige und unendlich variable Bild zu fixiren , für wel-
ches oft genug in der Beschreibung irgend eine der
üblichen Bezeichnungen der Kürze halber eintreten
muss, ohne damit gerade über das individuell Eigen-
thümliche des Falles auch nur das Geringste auszu-
sagen. Die Krankheit der gewählten Versuchsper-
sonen war z. Th. nicht sicher diagnosticirbar , so
dass die Fälle in der That z. Th. ein rein hidividuel-
les Interesse darbieten. Vf. führt als verschiedene
Gangarten auf: den breitspurig-schleudernden Gang,
den breitspurig-spastischen Gang, den breitspurig-
ataktischen Gang , den schmalspurigen , partiell in-
coordinirten Gang mit grosser Spreizweite, den
schmalspurig-ataktischen Gang mit normaler Spreiz-
weite. Vf. hält es für wesentlich, zwischen Spreiz-
weite, d. h. Distanz der ruhenden Füsse, und Spur-
weite, d. h. Abstand der Schwingungscnrven der be-
wegten Extremitäten, zu unterscheiden. Dass an
die vom Vf. vorgeschlagenen Specifizirungen sich
irgend welches praktische Interesse knüpfen könnte,
ist bis jetzt nicht ersichtlich.
Die Messung der zeitlichen Verhältnisse beim
Gehen ist weit weniger wichtig als die Kenntniss der
räumlichen Verhältnisse. Während letztere mit
relativ einfachen Hülfsmitteln zu erreichen war, be-
durfte bei jener der Vf. einer sehr complicirten
Technik. Die Methode , welche er anwandte , be-
steht in der Herstellung und Unterbrechung elek-
trischer Ströme. Durch das Auftreten des Fusses
wird ein Strom hergestellt ; in dem Stromkreis ist
ein Elektromagnet eingeschaltet, welcher einen Anker
anzieht. Dieser ist mit einem Schreibhebel in Ver-
bindung, welcher in dem Augenblicke, wo der Anker
angezogen wird, auf dasberussteKymographion sich
senkt und dort eine gerade Linie verzeichnet. Das
Nähere ersehe man aus dem Original.
'^
214
Nowarky Hygieine.
Anoh betreffi9 der zeitlichen Verhältnisse, der
gegenseitigen Beziehungen von Schrittdaaer , Daaer
der Schwingung, des Aufstehens etc. ergaben die
Untersuchungen desVfs. keine durchgängige Qesetz-
mässigkeit. Es ist dem natürlichen Gange eine ge-
wisse Freiheit der Bewegung eigen, die bald in dem
einen , bald in dem andern Zeitmoment sich geltend
machen kann.
Aus den Versuchen an Kranken lässt sich hier
noch weniger als im 1. Theile etwas Allgemeingül-
tiges entnehmen.
Beti'effs der vielen interessanten Einzelheiten
muss das Buch, die Frucht überaus sorgfältiger For-
schungen , zum eigenen Studium empfohlen worden.
Mdbius.
34. Lehrbuoh der Hygieine, systematische
Zosammenstellang der wichtigsten hy-
gieinisohen Iiehrsätse u. Untersuchungs-
methoden, zum Gebrauche für Studirende
der Medicin^ Phyniatecandidaten, SanitätS'
beamte, Aerzte, Verwaltungabeamte ; von Dr.
Josef Nowak, h. L Prof. der Hygiene
an der Wiener Univereität Mit 201 Abbil-
dungen. Wien 1881. Töplitz u. Deuticke.
gr. 8. 804 S. (9.60 fl. oder 20 Mk.)
Es dürften sich nicht viele Oebiete der Heil-
kunde eines so lebhaften Schaffenstriebes erfreuen,
als die Hygieine. Kaum vergeht ein Jahr, ohne
dass ein Lehr- oder Handbuch , ein System u. s. w.
erschienen wäre. Wenn man aber diese neuern
Arbeiten näher betrachtet, so weiss man häufig nicht,
ob die vorhandenen Leistungen wirklich so unzu-
länglich waren, dass es unbedingt eines neuen Lehr-
buches bedurfte. Vielleicht wäre der üppigen Be-
schämung der Vergangenheit in diesem Zweige der
Heilkunde durch die Gegenwai-t im Interesse des
Lesers und Käufers eine gewisse Zügelung heilsam
— man kann kaum alle Neuerungen aufmerksam
lesen , viel weniger sich am Aeltem erfreuen. Und
doch , wenn man — es gilt diess weitaus von der
Mehrzahl der neuen Arbeiten — wiederum eine der
anfänglich unnöthig erscheinenden Leistungen fertig
gelesen hat, dann hat man wiederum Vortheile vor
den andern entdeckt und den Beweis für die Daseins-
berechtigung erlangt, anfänglich Unbehagen über
das Drängen nach Neuem , das kaum das Olücks-
geftihl des Besitzes zulässt, und schlüsslich Befrie-
digung. Der Satz : wer Vieles bringt , wird Man-
chem etwas bringen, bewahrheitet sich auch auf
unserem besondem Gebiete. Ref. mag nicht leug-
nen, dass er dem Nowack'schen Lehrbuch gegen-
über diesen Kreislauf der Empfindungen um so mehr
durchgemacht hat , als ihm die „201 Abbildungen^'
ziemlich verdächtig vorkamen. Der „Prospekt" be-
stärkte ihn in dieser Voreingenommenheit. Denn
unzweifelhaft entsprechen die Worte den thatsäch-
lichen Verhältnissen nicht „Wohl giebt es mancher-
lei grössere und kleinere Lehr- und Handbücher der
Hygieine , die ganz trefflich sind , doch berücksich-
tigen sie in der Regel nur einzelne Interessen und
besprechen nur ausnahmsweise oder zu knapp die
Methoden der hygieinischen Untersuchung.
— Für die . fachliche Ausbildung zum öffentlichen
Hygieiniker genügt die Erwerbung bioser theore-
tischer Kenntnisse auf dem Gebiete der Hygieine
nicht. Die gegenwärtigen Verhältnisse verlangen
immer bestimmter , dass der Sanitätsbeamte mit den
physikalischen, mikroskopischen, chemischen and
sonstigen Arbeiten der vielseitigen hygieinischen
Praxis vollkommen vertraut sei. Mit Rücksicht auf
diese Bedürfiiisse wurde das vorliegende Lehrbneh
bearbeitet.^' Aber selbst wenn man die Kritik der
vorhandenen Lehrbücher als berechtigt anerkennen
müsste , so bannen die Worte des Prospekts doch
den andern Zweifel nicht, ob ein Lehrbuoh im Stande
sei , die als nicht vorhanden angenommene und viel-
leicht auch zumeist als solche anzuerkennende „Ver-
trautheit mit den Arbeiten der vielseitigen hygieini-
schen Praxis^' zu schaffen. Ref. wenigstens, wenn
er von sich auf Andere schliessen darf, mdnt, dass
diese nur in den dazu eingerichteten Arbeitsstätten
(Laboratorien) möglich sei. Vielleicht verspricht der
Prospekt zu viel in dieser Beziehung, bestimmt aber
nach der Rücksicht „dass die Gewerbehygieine in
grösserem Umfange bearbeitet sei Im Interesse des
Sanitätsbeamten , als in den meisten übrigen Lehr-
büchern der allgemeinen Hygieine.^^ Man wird anch
in Zukunft die E u 1 e n b e r g 'sehe Gewerbehygieine
nicht wohl entbehren können.
Bei aller Schätzung des Werthes des No-
wak'sehen Lehrbuchs und der autoritativen Stel-
lung des Herrn Vfs. vermag man doch wohl der
auch in der Einleitung wiederkehrenden Behauptung
nicht zuzustimmen , „dass der Leser auch ohne spe-
cielle fachmännische, analytisch - chemische Kennt-
nisse mit den hygieinischen Untersuchungsmethodei
vertraut wird und sie selbst ausführen kann.'' D
Vorwort nach ist das Buch einem „Wunsche di
Nowak 'sehen Zuhörer'' zu verdanken und d
Titel nach fttr Studenten u. s. w. bestimmt. Fflr
Studenten, Physikatscandidaten (fOr uns wohl Can
daten zum staatsärztlichen, bezirksärztlichen „Krei
physikusexamen") , Sanitätsbeamte erscheinen,
sie mitten in der Hygieine stehen sollen, die Be«
Schreibung der Methoden mit Abbildungen amwen^
sten nöthig, ftlr Aerzte und Verwaltungsbeam
wenn sie nicht bereits praktisch darin geübt sin
unzureichend. Vielleicht wird man auch von andere^
Seite diese Ausstellung fär die hauptsächliche haltet
— vom theoretischen Standpunkte , der ja bei dei
wissenschaftlichen Werthschätzung einer wissen^
schaftlichen Arbeit als der qächste gelten muss.
Anders gestaltet sich das Bild , wenn man
Dinge ansieht, wie sie sind. Zunächst wird nn(
allen genannten Kategorien das Buch viele Frennc
finden, weil es Lücken, Fehlendes, Vergessenes alle
dings auf sehr bequeme und noch dazu angenehmi
Nowak y Hygieine.
215
Weise ergänzt , lehrt , auffrischt, auch in unserem
Vaierlande, wo die naturwissenschaftlichen Anforde-
miigen an Studenten und Aerzte selbst von den Fach-
kateD als gute bezeichnet werden n. wo man immer-
hin allgemeiner von dem ärztlichen Sanitätsbeamten
Vertrzatsein mit den Methoden der immer vielseitiger
weidenden hygieinischen Praxis fordern lernt. Der
Pnktiker wkd dasBuch, wenn er es kennt, schätzen
lernen — und hiermit sei es allen Lesern unserer
Jabibflcber ^ die sich der Hygieine gegenüber nicht
juineipiell kühl verhalten, dringlichst zur Kenntniss-
Bihme empfohlen — wissenschaftlich steht es auf
der Höhe und reiht sich würdig unsem besten Ar-
beiten an und wird von der Zuknnft dazu gezählt
weiden. Unter „unsem'^ Arbeiten mögen die inner-
klb unserer politischen Grenzen, innerhalb desdeut-
Kbeu Reichs entstandenen verstanden werden. Das
Nowak 'sehe Buch ist österreichischer Nationalität
od naeh den Anfangsworten für die medicinische
tagend und das ärztliche und beamtenärztliche Alter
Hier dem beide Ufer der Leitha überragenden
Doppeladler vorerst bestimmt Man wird sich kei-
ner Uebertreibnng schuldig machen , wenn man das
Nowak 'sehe Buch für das beste hygieinische
Werk seiner Heimath hält. Wie man es im Aus-
lände benrtheilen werde, war schon angedeutet.
Dts wird um so leichter sein , es wird seine bevor-
agte Stellung überall einnehmen , überall so weit
■an deutsch spricht und deutsch denkt und foi'scht,
B 80 leichter, als es sich von den heimathlichen
8|inehgepflogenheiten fernhält und in dialektlosem
Hoehdeutseh geschrieben ist. Dass hier und da,
WDeDtlich zu Anfang, eine doch wohl nicht zu
fane neue Auflage an einige Stylhärten die ver-
besemde Feder legen möge , sei nur nebenbei ge-
wflngcht
Nor wenige spraehliche Eigenthämlichkeiten fallen
uf: nsiechfrei** wohl richtiger »aeaehenfrei^, «Anrainer'*
tegl. «Anwohner* (Rain ist eine Grundstucksgremse,
vihrend unter Anrainern wohl überhaupt An- oder Um-
volmer zn yerstehen sind, auch wenn sie nicht angesessen
^), flWeitres'' desgl. „ferner", i^Eignung" desgl. »Eigen-
■M', „Aosmaass*' wohl besser «zulässiges Maass.**
Ebenso sind nur wenige Druckfehler neben den am
Uihue veizeichneten stehen geblieben. Lemartine auf
8>770 soll wohl Lamartine heissen ; mehrmals Eolenburg
^ Eoleobeig, Aenanthäther statt Oenanthäter , Y ersch
^Peneh(S. 650).
Die Anordnung des Stoffes weicht nicht eyheb-
bh von der jetzt üblichen Eintheilung ab , nur hat
^ Vf. das Irren - und Armenwesen weggelassen
^ ),der erstere Gegenstand gegenwärtig der Psy-
^trie, der zweite den socialen Wissenschaften an-
S^iört**. Vielleicht wird der Vf. doch später beide
(^1^1 aufnehmen müssen. Vielleicht wird er bei
<Ber neuen Auflage auch die medicinische Statistik
adrt ganz unerwähnt lassen können.
^Ber Qesammtstoff ist in einer Einleitung und 8 Ab-
"Utten behandelt. Jene bespricht die Aussähe der
Hjgieiiie, ihre Beziehungen zu den Naturwissenschaften
I ^ die Durchführung hygieinischer Grundsätze. Der
. ^. AMiBitt behandelt das Wasser, der 2. die Luft, der
L ^Wime und Licht, der 4. den Boden, der 6. die Nah-
rung, der 6. die Infektionskrankheiten, der 7. die Qe-
werbebygieine, der 8. die hygieinisch wichtigsten Lebens-
verhältnisse.
Vf. betont im Vorworte, dasa er mit Rücksicht
auf den öffentlichen Sanitätsdienst Wasser, Luft,
Boden, Infektionskrankheiten, Nahrung und Ge-
werbehy^eine besonders ausführlich besprochen habe.
Ti'otz diesem Geständnisse wird wohl Niemand sich
über stiefväterliche Behandlung der übrigen Gegen-
stände gegenüber den genannten beschweren, Nie-
mand Hauptsachen vermissen. Wünsche werden
ti*otzdem nicht ausbleiben, unbekümmert, ob sie alle-
mal nach Anordnung des Buchs und sachlich von
Werth vom Verfasser der Berücksichtigung würdig
befunden werden. Ref. fordert eine andere Beur-
theilung auch nicht für seine Bemerkungen, die er
noch beifügen sich gestattet.
Auf S. 164 wünscht Vf. , dass Neubauten nur
auf Grund eines Wahrspruchs Sachverständiger be-
zogen werden sollten. Vom Standpunkte des Hygiei-
nikers mag er Recht haben, leider steht aber mit
diesem oft der Mangel und die Armuth in schroffem
Widerspruche. Wird der Hygieiniker Sanitätsbeam-
ter, dann möchte er wohl auch der Mangelhaftigkeit
eingedenk bleiben und nicht allzuviel polizeilich
reglementiren. Erfreulicher Weise nimmt Vf. die-
sen angedeuteten Standpunkt selbst ein auf S. 183
und 184, nur wäre der angehende Sanitätsbeamte
aach von Autoritäten darauf aufmerksam zu machen.
— Zu S. 165 würde sich vielleicht in Klammern
neben Luftentmischung: Sauerstoffverbrauch und
desgl., hinter Blutentmischung: Sauerstoffmangel,
als die Ursachen und Vorgänge bestimmter aus-
drückend empfehlen. Etwas genauer wäre auch der
Begriff „Sonnenstich'' auf S. 193 zu fassen. — Zn
S. 291 ist in Bezug auf die „Tonnen'' zu erwägen,
dass an manchen Orten Störungen durch Frost
beobachtet worden sind, dass man also im Tonnen-
ranm gewisse Schutzmaassregeln ergreifen mnss. Viel-
leicht empfehlen sich zu allerdings nicht zu ausge-
dehnten Kanalisationen Steinzeugröhren von gröss-
tem Kaliber, obschon sie im Ankauf nicht gerade
bilUg sind (8. 305—307). — Betreffs der Lei-
chenbestattung S. 311 vermisst man ungern die Ar-
beiten der chemischen Gentralstelle in Dresden und
wird in Zuknnft auf den 11. Bericht des säch-
sischen Landes-Medicinal-Collegium für 1879 Rück-
sicht zu nehmen sein. Ueberhaupt ist die Aufmerk-
samkeit der Hygieiniker auf diese über örtliche Ver-
hältnisse hinaus interessanten Berichte dringendst
zu lenken. — Zu S. 330 erscheint nach den vor-
hergehenden Worten der Begriff Genussmittel zn
allgemein, nicht wissenschaftlich scharf genug aus-
gedrückt.
Zum Capitel Nahrungsmittel überhaupt möchte
man stärkeres Betonen der kleinen Viehzucht, wo
sie angänglich ist, sowohl der — wie richtig be-
merkt nicht allzu billigen — Kaninchenzucht, als
der der Schweine und Ziegen wünschen, jedoch
unter der Einschränkung, dass den Soharfrichtereien
n
216
Wem ich, Desinfektionslehre.
und ähnlichen Gewerben die erwerbsmässige Mästung
der Schweine so lange zu versagen sei, als nicht
thunlichste Voi*sorge gegen die Rattenzunalime ge-
troffen ist (Trichinose). Bei den bezüglichen Oapi-
teln ist diese Schattenseite jener Gewerbsanlagen
nicht erwähnt worden. Ziemlich kurz sind die con-
densirte Milch u. die zu- n. unzulässigen sogen. Er-
satz- und Zusatzmittel zur Milch, bez. Muttermilch
weggekommen. Auch mit der amtlichen Feststel-
lung der Fleischpreise wird man nicht allseitig als
wünschenswerth oder erfolgreich einverstanden sein.
Die j^Fische'^ nehmen einen zu spärlichen Raum ein.
Nicht zu rechtfertigen ist das Uebergehen der pflanz-
lichen Nahrung für ganze Gesellschaftsklassen, na-
mentlich in wirthschaftlichen Nothzeiten. Ein Lehr-
buch der Hygieine darf schon etwas ausgedehnte
Rücksicht auf die Ernährungsweise, den Küchen-
zettel privater armer Haushaltungen nehmen (S. 334).
Die alleinige Berücksichtigung der Speiseanstalten,
der Kost in öffentlichen Anstalten ist nicht aus-
reichend^ beiläufig ist auch der praktischen Schwie-
rigkeiten bei Suppenanstalten nicht gedacht (s. auch
die Fleck'BeAien Untersuchungen der Kost in den
Dresdner Speiseanstalten). Die „Bntterprttfnngen''
im Fleck'schen Laboratorium sind leider nicht er-
wähnt. Ueber Grahambrod und Pumpernickel sind
die Ansichten sehr getheilt, ebenso wie über sog.
Weiss- und Schwarz-, neu- und altbacknes Brod.
Voll zu unterschreiben ist (Schluss des 8. Cap. der
„Nahrung''), dass Bildung und Wohlstand die wirk-
samsten Mittel gegen den Missbrauch alkoholischer
Getränke sein dürften. Grosses Interesse bietet
das Capitel „Wein''. Den zu heissspomigen Anti-
nahrangsmittelverfiUschem legt es einen gewissen
Zügel an.
Das 2. Cap. des Abschn. VI „Schutzmaassregeln
gegen ansteckende Krankheiten" ist wohl etwas zu
theoretisch ; dasselbe gilt von dem radikalen Schutz-
mittel der Demolirung oder Evacuhung regelmässig
durchseuchter Häuser (8. 538). Zu S. 350 ist an
die Eulenberg'sche Empfehlung der Luftdesin-
fektion zu erinnern durch Triohloressigsäure , die
nicht so belästigt wie Chlor bei gleicher Wirksam-
keit. (In feuchten Chlorkalk getauchte Tücher wer-
den mit Essig getränkt und aufgehängt.) — Ueber
die unbedingte Haft- und Haltbarkeit der animalen
Lymphe entgegen der humanisirten (S. 659) sind
die Urtheile wohl nicht so übereinstimmend, wie
Vf. meint.
Zu S. 571 ist bei Erwähnung der englischen,
französischen und österreichischen Gewerbegesetz-
gebung das Wegbleiben der recht rühmenswerthen
deutschen gesetzgeberischen Arbeiten und Zusam-
menstellungen (Reichserhebungen, Fabrikinspektio-
nen u. s. w.) nicht verständlich. Vielleicht thun
die Sanitätsbeamten auch gut, betreffs der Be-
schäftigung von Kindern vom 10. Jahre an, beson-
ders kräftiger, in wh*thschaftlichen Mangelzeiten
eine mildere Pra3ds walten zu lassen. — Zu S. 628
ist die von Med.-R. Siegel -Leipzig (11. Ber. d.
kön. Sachs. Landes-Medicinal-CoUegium) erw&knie
Versumpfung des Bodens und Intermittens - Erzeu-
gung durch Lachen vom Ziegeleibetrieb zu bemer-
ken. — Der Schaden der anilingefärbten Kleider
(S. 671) wird wohl vielfach übertrieben. — Za
S. 699 erleidet es für den Kenner wohl keinen
Zweifel, dass Spinnerei und Weberei nicht an sich
so sehr gefährlich sind, als vielmehr dadurch, dasa
die dadurch ermöglichte Ernährung nicht immer aus-
reichend ist, und dass die zu frühe Selbstständigwer-
düng des Individuum bei aller Fabrikarbeit auch za
frühen Geschlechtsverkehr, zu frühen Luxus, der
die Gesundheit schädigt (Tanzen), bedingt. Nicht
der Staat kann hier das Meiste thuen, sondern
der wirklich humane, nicht blos politisch liberale
Arbeitgeber.
Mit der besonders lobenden Anerkennung und
Empfehlung des über Turnen S. 783 Gesagten, bez.
Angefühiiien zur praktischen Nachachtung für Sani-
tätsbeamte sei die Besprechung des hervorragenden
iVbu7aÄ;*schen Lehrbuchs geschlossen. Die Ausstat-
tung desselben verdient alle Anerkennung.
B. Meding.
35. Grundriss der Desinfektionslehre. Zorn
prakt. Gebrauche auf krit. u. experim. Grand-
lage bearbeitet; von Dr. A. Wer n ich. Wien
u. Leipzig 1880. Urban u. Schwarzenberg.
8. X u. 258 S. mit 15 Illustrationen. (6 Mk.)
W.'s Grundriss zerßült in einen allgemeinen und
einen speciellen Theil. Ersterer beschäftigt sich mit
der Entwicklung des Infektionsbegriflfes, letzterer mit
der Feststellung des Desinfektionsbedürfnisses und
der Methodik und Ausführung der Desinfektion.
Der reiche historische , kritische und wesentlicl
auf eigne Studien begründete Inhalt des äusseml
lesenswerthen Buches gestattet weder einen einiger-
maassen erschöpfenden Auszug, noch eine umfassende
kritische Besprechung an dieser Stelle.
Bezüglich des 1. Theiles möge es genügen, di<
vom Vf. selbst hervorgehobenen Punkte anzuffliiren
die dessen Stellung zugleich hinreichend cbarakteri
siren. Dieselben lauten folgendermaassen.
1) Die Worte Miasma und Contagium drücken
wie man sie auch auffassen mag , kein Eintfaeilungs
princip für die Infektionskrankheiten aus.
2) Die F^orschungen über die parasitären Affek
tionen der Pflanzen und Insekten haben nur gelehrt
dass die Invasion vonMikroparasiten nicht ansnahms
los von einer Disposition des angegriffenen Organis
mus abhängig ist.
3) Die Mikroparasitenfunde am Menschen habe)
ergeben, dass der menschliche Köiper an sehr viele
Stellen von unzähligen niedrig organisirt^ Lebe
wesen zum Nährsubstrat benutzt wird«
4) Die Erreger der physiolog. ZeiBelzmgei
haben nur eine bedingte Specificität; ihre äeßää
ständigkeit weicht sehr bereitwillig den Einflflssei
der Nährmedien ; ihre ReproduktionsfiUugkeit kani
Wernichy Desinfektioiislehre.
217
tthldttUch als einziges Symptom ihrer Autonomie
übrig bleiben.
5) Deshalb lassen sich aus der Phänomenologie
der Mikroorganiamen selbst nur nnvollkommene
Sebiflsse auf den Grad der Wechselbeziehungen zwi-
tthen diesen and den Nährsabstraten machen.
6) Das Stadium dieser Beziehungen am inficir-
ten Thiere ist ersehwert durch die Mannigfaltigkeit
der Vorbedingangen y welche fbr das Zustandekom-
neii von Infektionen erMlt werden müssen.
7) Doch beweisen einige mit Bei'ücksichtigung
dieser Erfordernisse angestellte Thierversuche , dass
es möglich ist , dieselben Mikroorganismen mit dem-
selben Ergebniss an Krankheitssymptomen von einem
Tbier auf ein anderes derselben Gattung zu trans-
piintiren.
8) Die Erscheinung ^ dass sich im Medium eine
Eigentemperatur entwickelt, sowie dessen chemische
Teränderung in dem Maasse y dass ganz eigenartige
Zersetznngsprodukte in ihm auftreten und dass es
sichtlich consumirt wird , begründen den Verdacht,
dass in einem solchen Medium ganz besonders starke
Wechselwirkungen mit den in ihm lebenden Mikro-
o^nismen im Gange sind. Bewiesen wird dieser
Verdacht dadurch, dass ein derart erschöpftes Me-
dium sicli für die Wiederbepflanzung mit demselben
Mikroorganismus unfthig (immun) erweist.
9) Die Wechselbeziehungen der Zersetzungs-
neger zu ihren Ernährern lassen sich steigern and
Termindem; zunächst durch Variation in den äussern
Bedingungen des Incubationszustandes. Sehr ver-
ttkieden wirken der Abschluss gegen die atmosphä-
naehe Luft, sowie die Störung des sich anbahnenden
Wechaelverhältnisses durch mechanische ErschQtte«
nngeo, za niedrige nnd zu hohe Temperaturen und
elektrische (faradische) Ströme.
10) Eine Steigerung nnd Verminderung dieser
Beriehangen lässt sich auch durch die absichtlich
Tirilite chemisehe Mischung der Medien erreichen,
ünzelne Produkte , besonders aromatische , welche
ii weiter vorgeschrittenen Zersetzungen derselben
Art lieh bilden, bewirken, in Substanz dem noch in-
^nNäfarmediom zugesetzt, keine Förderung, son-
dm Henmnng.
11) Ein gegentheiliger Effekt, also ein die
Weehselbeziehnngen gflnstig vorbereitender, wird
^ die Einwirkung der Zersetzungsgase auf die
^ nicht hifioirten Nährlösungen ausgeübt.
12) Em ausruhender, momentan wirkungsloser
KbooTganismus wird am lebhaftesten zur Thätig-
keit angeregt , wenn seine Wiederbelebung mittels
der ihm adäquatesten Flüssigkeiten in's Werk gesetzt
^< Schon geringe Differenzen derselben halten
fc Wiederaufhahme der Lebensthätigkeit auf.
13) Eine auf nur sekundär verwandten Nähr-
i^ien ausgeführte Züchtung setzt die Reproduk-
^^^^it^yiitigkeit der Mikroorganismen herab in der
Me4. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 2.
Weise , dass sie später auch bei der Verpflanzung
auf den günstigsten Nährboden sich erst nach län-
gerer Zeit vollständig erholen.
14) Dagegen vermag eine systematische Züch-
tung auf immer vorzüglichem Nährboden unter
stetiger ungestörter Einwirkung der adäquatesten
Flüssigkeiten und Aussenbedingungen und die sorg-
ßlltige Auswahl der entwickelten Exemplare für die
Verpflanzung die Kraft des Organismus zu steigern.
(Ob auch seine Erscheinungsform zu beeinflussen ist,
muss erat festgestellt werden.)
1 5) Diese Steigerung durch accommodative Züch-
tung spricht sich einmal in einer Verkürzung der
Zeitdauer aus , in welcher der Mikroorganismus sei-
nen Blnt¥ncklungsgang auf dem ihm adäquatesten
Medium durchmacht. Er verkürzt seine Incubations-
zeit etwas , tritt also schneller in die Erscheinung
und consumirt das Nährmedium mit grösserer Leb-
haftigkeit.
16) Auch steckt er auf der Höhe einer solchen
besonders begünstigten Entwicklung durch die flüch-
tigsten nnd jeder Gontrole entzogenen Berührungen
noch uninficirte, aber empfängliche Nährböden an.
17) Er wird aber auch anderen, ihm sonst weni-
ger adäquaten und kaum zugänglichen Medien gegen-
über selbstständiger, indem er sie immer bereitwilli-
ger ergreift und auch an ihnen seine gestärkte Speci-
ficität zur Geltung bringt. (Natürlich gilt diess nicht
fllr absolut heterogene Medien.)
18) Diese an Eulturapparaten im gewöhnlichen
Sinne stets nachzuprüfenden Thatsachen gelten , wie
die altem Experimente vermuthen Hessen und die
Koch 'sehen beweisen, auch filr an Thieren herzu-
stellende mikroparasitäre Wechselbeziehungen.
Bezüglich des spec. Theils muss schon wegen
der Vielseitigkeit seines Inhaltes auf das Original
verwiesen werden. W.'s hinlänglich bekannte exakte
experimentelle Methode als Basis seiner Studien und
Schlussfolgerungen , seine scharfe Kritik und Frage-
stellung werden sicher nicht verfehlen , die weitere
Entwicklung unserer Erkenntniss in den vorliegen-
den Fragen zu fördern, zu erneuter Arbeit und Prü-
fung der Thatsachen anzuregen, allerdings auch die
Kritik herauszufordern (vgl. z. B. W.'s Betrachtungen
über die Gefährlichkeit stinkender Gase , den idio-
pathischen Typhus, die Ausführbarkeit seiner Des-
infektionsvorschläge.)
Vor Allem aber sind wir W. zu grossem Danke
dafür verpflichtet , dass er in die Verwirrung , die
gegenwärtig die (^emüther behen*scht, kräftig und
in überzeugender Weise sichtend eingreift , und ins-
besondere das positiv und praktisch Durchführbare
in der Desinfektionsfrage, was — in nicht geringem
Maasse gerade durch seine Leistungen — festgestellt
ist, aufrecht erhält.
Die nothwendigsten Zeichnungen und ein voll-
ständiges Sachregister sind nur geeignet, die Brauch-
barkeit des Buches zu erhöhen. W. Hesse.
28
218
Ei*ankenanstalt Rudolph-Stiftung.
36. Berioht der k. k. Krankenanstalt Bu-
dolph-Stiftung in Wien vom Jahre 1879.
Jm Auftrage des hoheji k. k. Ministeriums
des Innern veröffentlicht durch die Direktion
dieser Anstalt. Wien 1880. Druck der k. k.
Hof- und Staatsdruckerei. Verlag der Anstalt,
gr. 8. IV u. 512 S. u. 6 Tabellen «).
Wie in der Form und der immer gleich sorg-
fältigen und vorzüglichen Ausstattung, so reiht sich
auch in Bezug auf den Inhalt der vorliegende Jahres-
bericht seinen Vorgängern würdig an. Den in sei-
nem /. Abschnitte enthaltenen kurzen Angaben über
die Veränderungen in den baulichen Verhältnissen
und in der Organisirung der Anstalt im J. 1879, ein-
schliesslich der Veränderungen im Personalbestande,
folgt im IL Abschnitte die Angabe der ZaJden-
Verhältnisse y und zwar zunächst im Allgemeinen.
Es stellt sich demnach die Krankenbewegung in ge*
nanntem Jahre so, dass behandelt wurden 7825 Er.
(4466 M. , 3359 W.)) von denen geheilt entlassen wur-
den 4396 (2448 M., 1948 W.), gebessert 1386 (887 M.,
499 W.), ungehellt 516 (268 M. , 248 W.), starben 870
(493 M., 377 W.)» verblieben mit Ende des Jahres 657
(370 M., 287 W.). Im Vergleiche zum Vorjahre wurden
mehr behandelt 509 Er. (296 M., 213 W.), mehr aufge-
nommen 518 Er. (301 M., 217 W.). Anlangend die jähr-
liche Erankenbewegung seit Eröffnung der Anstalt (1865)
stehen hinsichtUch der Durchschnittszahlen die Zahlen
des J. 1879 voraus, und zwar hinsichtlich des Eranken-
bestandes um 41.0, hinsichtlich der Aufnahme um 36.8
und hinsichtlich des Abganges um 37.1.
TabeUen veranschaulichen die monatUche Eranken-
bewegung im J. 1879 (auch graphisch in ihren Schwan-
kungen veranschauUcht in der Curventabelle I), die täg-
liche Erankenbewegung, die Yerpflegungsdauer und das
Alter der Aufigeuommenen, die Schwankungen der jähr-
lichen Aufnahme einzelner wichtiger Erankheitsformen
in dem letzten Decennium, der monatlichen Aufnahme
der wichtigsten Erankheitsformen, der jährlichen Hei-
lungsprocente seit Eröffnung der Anstalt, der Heilungs-
procente in den einzelnen Monaten des J. 1879 (zugleich
graphisch veranschaulicht in der CurventabeUe IV), der
SterbUchkeitsprocente seit Eröffnung der Anstalt und in
den einzelnen Monaten des J. 1879 (hierzu Curventab. V),
das Alter der Gestorbenen, die Vertheilimg der Todes-
fälle nach dem Geschlechte und nach Altersdecennien auf
die verschiedenen Tageszeiten, sowie letztere in Procen-
ten von sämmtlichen in jedem Altersdecennium Gestor-
benen, die Betheiligung der wichtigeren Erankheitsformen
an der jährlichen Sterblichkeit in dem letzten Decennium,
die Schwankungen in der monatlichen SterbUohkeit der
>vichtigeren Erankheitsformen, die vergleichende Zusam-
menstellung der Aufnahme, Heilung und Sterblichkeit
seit 1865, die Aufnahme, Heilung und Sterblichkeit der
einzelnen Monate des J. 1879 und die vergleichende Zu-
sammenstellung derselben. Hieran schUessen sich tabella-
rische Uebersichten über die Ergebnisse der Aufnahme,
Heilung und Sterblichkeit bei den verschiedenen Erank-
heiten und der Erankenausweis vom J. 1879.
An diese vielseitige und mit gewohnter Ueber-
sichtlichkeit gegebene Verwerthung des j^ranken-
materials schliesst sich die Specißkation der (in
Abgang) gekommenen einzelnen Krankheiten, der
die gewohnte überaus mteressante Beigabe zahl-
reicher Krankengeschichten resp, Obduktionsbe^
funde und krankengeschichtlicher Notizen nicht
0 Für die Ueberaendnng dankt verbindlich Wr.
fehlt, die in ihrer Mannigfaltigkeit und Klarheit
stets einen überaus werthvollen Theil der Jahns-
berichte bilden.
Aus der Masse des hier gebotenen Stoffes sei
hervorgehoben, dass an R/ieumatismus acut 204 Kr.,
an Rheumatismus chran. 80 Kr., insgesammt somit
284 Kr. (169 M., 115 W.) behandelt wurden.
Der akute Gelenkrheumatismus war durch 118, der
akute Muskelrheum. durch 86 Fälle vertreten. Die
am häufigsten befallenen Gelenke waren die Sprang-
gelenke, hieran reihen sich in absteigender Linie die
Kniegelenke, Handgelenke, Ellbogengelenke, Schal-
ter- und Hüftgelenke. Die am häufigsten befallenen
Muskeln waren die der Unterextremitäten, nächst
diesen die Thoraxmuskeln, dann die der Oberextre-
mitäten und des Halses. Der chron. Rheumat. be-
traf in 31 Fällen die Gelenke , in 49 Fällen die
Muskeln; von ersteren waren am häufigsten Sitt
der Erkrankung die Kniegelenke, dann die Sprung-
gelenke, die Handgelenke, die Ellbogen-, Schulter-
und Hüftgelenke in absteigender Reihe, die am hau-
figsten befallenen Muskeln waren die der unteren
Extremitäten. Als Ck>mplikationen wurden u. L
beobachtet Klappenfehler bei Rheum. acut, in 11,
bei Rheum. chron. in 3 Fällen. In einem ansftthrlieh
mitgetheilten Falle von rheumat. Affektion einoB
Halswirbelgelenkes erfolgte rasche Heilung doreh
Elektricität. — An lleotyphus kamen in Behand-
lung 60 Kr. (37 M., 23 W.), wovon die meisten
(13) im September, gar keine im April und Novem-
ber aufgenommen wurden; die Altersperiode v<n
21 bis 30 J. lieferte die meisten (25), die von 51 bü
60 J. die wenigsten (2) Erkrankungsfillle. Die
durchschnittliche Behandlungsdauer betrug bei den
Geheilten 39, bei den Verstorbenen 24 Tage. Dil
Typhuskranken wurden der Ealtwasserbehandluni
unterzogen. — An Typhus eaanthemat. wurdet
7 W. behandelt, wovon 1, in der Altersperiode voi
41 bis 50 J., am 6. Tage der Behandlung starb
die mittlere Behandlungsdauer bei den Geheilten be
trug 34 Tage.
Von Febris intermittens kamen 131 Fäft
(112 M., 19 W.) zur Behandlung, wovon als Maxi
malzahl 28 im September, als Minimalzahl 3 io
März aufgenommen wurden ; die meisten (64) stan
den im Alter von 21 bis 30 J., die wenigsten (9
im Alter von 51 bis 60 Jahren. Der Typus dei
Fiebers war quotidian 57mai, tertian 59mal, qoar
tan 7mal, atypisch Smal. In je 1 Falle von Febi
interm. quotidiana und von Febr. interm. tert., ii
welchen beiden Fällen schon wiederholte Intermit
tenten mit reichlichem Chiningebrauche voransge
gangen u. bedeutende Milztumoren vorhanden waren
erfolgte Heilung durch jPou^/er'sche Solution, voi
der im 1. Falle in toto 96 Tropfen = 64 Mgrmm
Acid. arsenic, im 2. 116 Tropfen =» 76 Mgrmm
arseniger Säure ohne die geringsten Intoxikatious
erscheinungen verbraucht wurden. Dazu bemerk
Prim. Kiemann: „Von der subcutanen Injektiöi
wurde Umgang genommen, da die Injektionsein
Erankeoanstalt Rndolph-Stiftong.
219
atielie sehr gerne vereitern und langdaaemde Qe-
Miiwfire erzeagen'^ In 1 von Prim. Mader mit-
getbdlten Falle wurde wegen grossen Milztamors
Smal täglich mit feuchten Elektroden die Milzgegend
fitfidisirt, ohne irgend einen Einflnss auf die Fieber-
tuftlle und den Tumor. Erst nachdem nach Aus-
eetrang der Faradisation auf den Gebranch von
GkimdiD das Fieber ausgesetzt hatte und die Milz
I TMllbergehend verkleinert, dann aber wieder zum
ilten Yolum angeschwollen war, wurde täglich die
Mikgegend mit faradischem Pinsel elektrisirt, wo-
rauf Abschwellnng der Milz erfolgte, so dass sie sich
neh 16tSgiger Behandlung unter den Rippenbogen
nrtekgezogen hatte und nach oben bis zur nor-
nien Grenze reichte. In einem 2. frischen Falle
iRehien der ziemlich bedeutende Milztumor nach der
ästen Faradisation um ungefähi* 3 Querfinger nach
■ten hin verkleinert. Prim. M ad e r bemerkt hier-
n: ;,Ieh gestehe, dass der grosse Umfang der an-
dMinenden Verkleinerung in diesem Falle miss-
trtoisch machte ; diess um so mehr, weil ich der-
vtige Erfahrungen in keinem andern Falle gemacht
habe und anderseits weil ich wiederholt z. B. bei
Typhoskranken den deutlich gefühlten Milztumor am
Mgenden Tage nicht nachweisen konnte und an
«Bern spätem Tage wieder deutlich fand. Die Milz
U ein ziemlich bewegliches Organ, das bei Lage-
vBftiidemngen nicht selten von Gedärmen bedeckt
viid . . . Von einer Stillung der Intermittens durch
IQi&radisation habe ich mich bisher in keinem
iff ziemlieh zahh*eich geprüften Fälle überzeugen
taenen. Auch entschiedene Abschwellung von Milz-
imoien durch Hautfaradisatlon sah ich nur ganz
mahmsweise. Vielleicht war die Methode nicht
inier hinreichend lange fortgesetzt worden. Soviel
Hbeint mir sicher, dass die bisherige Behandlung
Iff Intermittena mit Chinin durch die Faradisation
ibht bemträchtigt werden wird.''
Die Tuberkulose zeigt, wie stets, die grösste
Siankenziffer mit 798 (568 M., 230 W.). Ihr Sitz
nr in den Lungen 77ömal, und zwar rechts 82-,
Us 58-, beiderseits 635mal, ün Peritonäum 10-,
■ den Meningen 5-, allgemeine Tuberkulose 4- und
Uentnberkttlose ebenfalls 4mal. Gleichzeitige Ab-
Itgemng in andern Organen : Darmtuberk. in 93 Fäl-
^1 LaryDxtnberk. in 22, Tuberk. des Bauchfells in
19, der Meningen in 5 Fällen, der Medulla spinalis
■ 1 Falle. Unter den bemerkenswerthen Fällen ist
Wrorzuheben n. A. ein Fall vonMiliartuberk. beider
^6D, in welchem trotz grosser Dyspnoe das
^U)er bat ganz fehlte , indem die Temperatur mit
Aoanahme zweier Tage, wo sie sich auf 38. 7<^, resp.
%-30 hob, zwischen 37.0^ und 37.60 schwankte.
Zahlreiche operative Eingriffe weisen die Neu"
^iidmgen gutartigen sowohl , als zweifelhaften und
^>^Bvtigen Charakters auf. — VerletzungenmitAuB"
^las8 der Selbstmordversuche kamen 381 (bei
^ M. and 72 W.) zur Behandlung. Unter den
S&faninden ist besonders bemerkenswerth 1 mit
OUiikfioDsbefandmitgetheilterFall, in welchem eine
die Brustwand und den Herzbeutel durchdringende
und auf 6 Mtmr. in das Herzßeisch eindringende
Stichwunde am 5. Tage nach der Verletzung den Tod
durch eitrige Perikarditis zur Folge hatte. — Unter
den 16 Fällen (13 M., 3 W.) von Luxationen findet
ausführliche Beschreibung 1 Fall von Resektion des
Schenkelkopfes bei einer seit 10 Mon. bestehenden
Luxation auf den horizontalen Schambeinast, in wel-
chem am 9. Tage nach derOperation Tod durch Re-
troperitonitis erfolgte. — Von den 14 Verbrennun-
gen wird durch Wiedergabe der Krankengeschichte
hervorgehoben 1 Fall von über die linke Eörper-
hälfte ausgebreiteten Verbrennungsnarben, von denen
die links am Halse in Form einer senkrechten Spange
herabziehende wegen hochgradiger Schiefstellung des
Kopfes getrennt wurde; später wurden Entspan-
nnngsschnitte an der Peripherie gesetzt, auch ortho-
pädisch theils durch Druck mit einer Cravate, theils
durch Zug mittels des überhängenden Kopfes ge-
wirkt. Dadurch gelang zwar die Richtigstellung des
Kopfes, jedoch heilte die Wunde am Halse nur bis
auf einen gewissen Grad , worauf sie immer wieder
zei*fiel; auch die 3malige Reverdin 'sehe Trans-
plantation war vergeblich , doch trat ausserhalb des
Spitals 18 Mon. nach der Operation Heilung ein.
Unter den akuten Vergiftungen ist bemerkens-
werth. 1 Fall von Roizerkrankung ohne Affektion
der Schleimhäute und Drüsen ; während des ganzen
Verlaufs bis zu dem am 26. Tage eintretenden Tode
blieben Mund und Nase vollständig intakt. Unter
den chronischen Vergiftungen wurde 1 Fall von
Pareeis satumina erkannt als veranlasst durch
Schminken mit Bleiweiss.
Unter den Krankkeiten des Nerveneystems bie-
ten die zahlreichen Neuralgien (161 Kr. ; 76 M.,
85 W.) eine Anzahl klinisch und therapeutisch inter-
essanter Fälle, ebenso Fälle von Tetanus. In 1 Falle
von Tetanus rheumaticus brachten Moiphinm-Injek-
tionen einige Erleichterung, der faradische Strom
vorübergehenden Erfolg , anhaltende Besserung und
schlüsslich Heilung warme Bäder von halbstündiger
Dauer und Chloralhydrat. Ebenso brachte bei einem
nach Quetschung derWeichtheile des rechten kleinen
Fingers am 16. Tage aufgetretenen Tetanus, dessen
weitere Entwicklung durch Enucleation des Fingers
nicht gehindert wurde, methodische Darreichung des
Chloralhydrat, von dem im Ganzen 118 Grmm. ge-
nommen wurden, Linderung der Schmerzen und
höchst wahrscheinlich auch die schlüssliche Ge-
nesung.
Unter den Krankheiten der Athmungsorgane,
speciell unter den Fällen von Stenosis laryngis, ist
u. A. bemerkenswerth ein Fall, in welchem ein ver-
schlucktes Knochenstflckchen , in der Speiseröhre
vergeblich gesucht, am 8. Tage unter dyspnotischen
Erscheinungen ausgehustet wurde; 4 Mon. später
starb der Kr. unter laryngostenotischen Erscheinun-
gen und die bei der Obduktion vorgefundene Peri-
chondritis des Schildknorpels mit einem Innern
Larynxabscesse sprach für den einstigen Sitz des
220
Krankenanstalt Buddph-StifloBg.
Fremdkörpers im Kehlkopfe. — An Pneumonie
wurden behandelt 126 Kr. (86 M., 40 W.), von
denen 41 (26 M., 15 W.) = 31.98«/o, starben.
Bei den letztem war der rechte Lungenflügel er-
griffen in 20, der linke in 18, beide Lungenflügel in
3 Fällen. Die durchschnittliche Krankheitsdauer be-
trug bis zur Heilung 27.36 Tage, bis zum Tode
10.34 Tage. Die mittlere Krankheitsdauer ohne
Rücksicht auf die Behandlungsresultate betrug 25.39,
die durchschnittliche Krankheitsdauer 21.50 Tage.
— An Pleuritis (Pyothorax mit inbegriffen) wurden
behandelt 157 Kr. (107 M., 50 W.), von denen 27
(18 M., 9 W.) = 17.100/o starben. Der Sitz der
Entzündung war rechts 58mal, links 91 mal, beider-
seits 8mal. Die durchschnittl. Behandlungsdauer be-
trug 31 Tage. In einem Fall von linkseitigem Em-
pyem wurde in der 4. Woche seines Bestehens durch
den Schnitt operirt u. drainirt ; nach 3 Mon. Heilung.
Unter den Krankheiten der Cirhdationsorgane
sind die Herzfehler mit 122 Fällen (56 M., 66 W.)
verti'eten. Der anatom. Form nach betrafen sie das
venöse System mitlnsufficienz der Bicuspidalis 78mal,
Insuff. der Bicuspidalis mit Stenose des Ostium venös,
sinistr. 20mal ; das arterielle System *mit Insuff. der
Aortenklappen 17mal und mit gleichzeitiger Stenose
des Ost. arter. sinistr. 3mal; das arterielle u. venöse
System mit Insuff. der Bicuspidal- und Aoi*tenklap-
pen Imal, mit gleichzeitiger Stenose des Ost. arter.
sin. Imal und Insuff. der Bicuspidal- und Aorten-
klappen und Stenose der Ostia ven. et art. sin. 2mal.
In 36 Fällen war Rheumatismus vorausgegangen,
imd zwar : Imal in 28 Fällen, wiederholt in 8 Fällen.
— Von Emboüe sind 2 Fälle (1 M. und 1 W.) ver-
zeichnet und die bezüglichen Krankengeschichten
wiedei'gegeben. In beiden Fällen war der Sitz der
Embolie die Arteria foss. Sylvii und fahrte sie in dem
einen Falle zu Aphasie, die sich auch nach Besserung
der übrigen Krankheitserscheinungen gleich blieb,
in dem andeni Falle erfolgte der Tod nach voraus-
gegangenen terminalen Convulsionen.
Unter den Krankheiten der Digeeixons" und
der adneaen Organe sind u. A. unter den 7 Fällen
von Strictura oesophagi 2 Fälle hervorzuheben, in
deren einem nach einem Selbstmordveranche mit
Laugenessenz eine impermeable Striktur der Speise-
röhre zurückblieb , die Anlegung einer Magenfistel
nöthig machte , worauf der Tod 30 Std. nach der
Operation an Peritonitis erfolgte. In dem andern
Falle von Verengerung der Speiseröhre nach gleicher
Ursache kam es zu Perforation des Oesophagus und
in Folge dessen zu einem pleuritischen Ei^usse,
welcher gänzlich heilte ; jedoch blieb nach dem Ob-
duktionsbefunde ein periösophageales Jauchecavum
zurück, welches in die Speiseröhre führte, aber, den
vorausgegangenen Erscheinungen zu Folge, einst
auch mit den Bronchien communicirt haben musste.
— Von Dyeentma kamen 11 Fälle (9 M., 2 W.)
vor, von denen 5 M. starben. — Vielfach inter-
essante Krankengeschichten finden Mittheilung bei
den 18 Fällen von Hemia Ubera u. den 27 Fällen
von Bemia incareerata , sowie den 29 FäUen von
Peritonitis, in deren 2 die Punctio abdominis gemadit
wurde.
Unter den Krankheiten der Hamorgane ist
Morbus Brighiii mit 51 Kr. (32 M., 19 W.) ver-
treten ; erwähnenswerth ist u. A. 1 Fall, in welehem
ebenso wie in 3 andern Fällen das Fuchsin voU-
kommen im Stiche liess, Soarifikationen hingegen ent-
schieden Erleichterung brachten, sowie 1 FUl von
Nierenatrophie mit Perikarditis , in welchem neben
eigenthümlichen embolischen Erscheinungen das
S 1 0 k e s 'sehe Phänomen beobachtet wurde.
Bei den Krankheiten der Seamalorgane wurde
in den 9 Fällen von Qfstovarium Imal die Punktion,
Imal die Dramage, 6mal die Ovariotomie gemacht
In dem erstgedaohten Falle wurde die Punktion mit
bestem Erfolge wegen unstillbaren Erbrechens aus-
geführt ; die Ovariotomien hatten in 3 Fällen einea
tödtlichen Ausgang. — An venerischen und sypkilü.
Krankheiten kamen 1313 Kr. (494 M., 819 W.)
zur Behandlung.
Unter den Krankheiten der Knochen machten
Caries u. Nekrosis (33 M., 42 W.) mehrfadie Op^
i'ationen nöthig und ist bemerkensweiih a. A. 1 FaU
von Phosphomekrose , ausgegangen vom Alveolar-
fortsatze des rechten Oberkiefers erst nach 3()jilhr.
Beschäftigung in einer Zündhölzchenfabrik. Die
Nekrose wurde erst nach 4 Resektionen , die tfaeils
beide Oberkiefer, theils die Thränen- und Nasen-
beine und auch die Stirnhöhlen betrafen, zur Heilang
gebracht und waren dann weiter 2 plast. OperatioDefl
nöthig , um den Defekt an der Nasenwurzel und ai
den Stirnhöhlen zu decken. — Bei den Krankheiiioi
der Gelenke wurde 3mal die Amputatio femm
(wovon 2mal mit tödüichem Ausgange), je Imal die
Amputatio cruris und das Redressement iov^ notii«
wendig. In einem Falle von beiderseitigen, gleiel
hochgradigen „Kniebohrern'' mitKnödieldistanz voi
28Ctmtr. erfolgte nach Resektion derCondyli intern
femoris nach Ogston Heilung mit massiger Ein
schränkung der Beweglichkeit und Reibegeränschei
in beiden Kniegelenken.
Den Krankengeschichten und krankengeschieht
liehen Notizen schliesst sich eine Zusammenstellum
der tm «/. 1879 ausgeführten Operationen an, den
U. Abschnitte aber folgt als III. Abschnitt: Aerzt
liehe Beobachtungenj physiologische und therapeu
tische Versuche^ Krankengeschichten und Opera
iionen. In diesem Abschnitte sind wir ge?Föfanl
Erfahrungen und Ergebnisse der Hospitalpraxis vei
öffentlicht zu finden , die ftlr den praktischen An
insbesondere wichtig sind, indem sie die eigenen Er
fahrungen der Praxis theils bestätigen, theils Um
Ergebnisse der Hoepitalpraxis unterbreiten , wie si'
in der Privalpraxis zu sammeln durch die Verhält
nisse derselben schwierig oder unmögüch ist Si
bietet auch der vorliegende Abschnitt Vieles des In
teressanten und Dankenswerthen.
Ein kurzer Aufsatz des Prim« Mader: zwrBe
handlung der Tubercul. pulm. mit Natron bent
Krankenanstalt Rndolph-Stiftung.
221*
zmeum giebt die Resultate einer Reihe von Versuchen,
die sieb den seither veröffentlichten negativer Art
(fber die genannte Behandlungsmethode anschliessen.
Weder wurde subjektive Erleichterung auf längere
Zeit erzielt, noch weniger eine Besserung des objek-
tiven Befundes. Die Mehrzahl der Er. verweigerte
fiHber oder später wegen Zunahme des Hustenreizes,
Verdftoangsstdrnng u. Brechneigung die Fortsetzung
der Inhalationen , und auch in solchen Fällen , wo
dieselben ohne Anstand durch mehrere Wochen ge-
macht wurden , konnte durchaus keine Abweichung
Tom frfibern nngttnstigen Verlaufe erzielt werden.
— In Betreff des Rheumatismus artieulorum aettius
giebt weiter M a d e r dahin gehende Notiz , dass die
Meiozahl der im Winter des J. 1879 der Abtheilung
ngewacbsenen Fälle auffällig veränderten Charakter
zeigten, indem sie zum Theil fortwährend hart-
Blckigste Recidive machten, die selbst fortgesetzten
gro88eD Salicylsänregaben nur bis auf einen gewissen
6nd und aaf kurze Zeit wichen und wohl auch zu
keioem vollen Abschlüsse kamen. Anderatheils
fixirte sieh in relativ zahlreichen Fällen die entzünd-
fiehe Affektion schlttsslich auf ein oder einige Ge-
knke, hier aber so heftig, dass man, zumal bei
loehrwdcbentlicher Dauer, annehmen musste, dass
loeh die Gelenksenden der Knochen von dem Ent-
zfiodangsprocesse mit ergriffen seien und dass Ge-
leDksvereitemng eintreten könne, was bis dahin zwar
in keinem dieser Fälle geschah, während allerdings
neh keine Restitutio in integrum erzielt wurde.
Die folgenden Aufsätze und Abhandlungen,
dmmtlich von Prim. W e r t h e i m , behandeln eine
Bdhe praktisch überaus wichtiger Fragen aus dem
Gebiete der Chirnrgie, zunächst die „Behandlung
dtr Gesehwäre und Wunden*'. Hier macht W.
zBvörderst darauf aufmerksam, dass er, als er im
J. 1865 die Abtheilung für Hautkrankh. u. Syphilis
llbeniahm, ohne sich gegen andere Wundwässer excln-
liv zn verhalten, als vorwiegendes Wundmittel sofort
^tAqua ereosoti einfühile. Doch glaubt er in letz-
terer Zeit einen Vorzug der Aq. carbol. (1 : 100 Aq.)
gegenüber der officinellen Aq. ereosoti (1 : 100 Aq.)
darin gefunden zu haben, dass das Buchenholztheer-
beosot, aus welchem die Aq. ereosoti bereitet wird,
in Aqua die Ldslichkeit von 1 : 80 , die Carbolsäure
dagegen von 1 : 20 besitzt, so dass zweifellos die
Verdünnung des Stoffes im Wasser der letztern Lö-
sung grösser ist als in der der erstem. Jedenfalls
»tW. mit Anwendung dieser Iproc. Carbolsäure-
kteong sehr zufrieden und wendet sie neben der Aq.
(KOBoti gern und häufig an , sieht sich aber doch
aiweüen veranlasst, diese Hauptmittcl durch andere
m eisetzen, so, wenn er trotz Anwendung derselben
auf dnem Geschwüre , sei es ein primäres , sekun-
^ires, tertiäres Syphilisgeschwür oder ein durch
Tnoma erzengies, oder ein durch Varices bedingtes
^BBBgesehwür, einen deutlich diphtheriüschen Belag
vorfindet. In solchem Falle greift er znm Vinum
<^ieafiim s. ferrugincsum. „Dieses Mittel wirkt
giu ausgezeichnet in solchen Fällen. Der häss-
liche häutige Geschwürsüberzug lockert sich rasch
u. gewöhnlich in wenigen Tagen ist die Geschwürs-
fläche wieder rein und schön granulirend.'^ Dasselbe
Bfittel kommt eventuell bei Gangrän zur Anwen-
dung, nöthigenfalls nach vorausgegangener Opera-
tion. Bei schlecht heilenden Hohlgesnhwüren kam
das altbewährte Ung. digestivum zu Ehren , ebenso
bei Erysipel ein nicht ofScinelles , in Wien aber in
jeder Apotheke zn findendes Hausmittel , die sogen.
Elisabethinerkugeln (Globulae sanctae Elisabethae),
bestehend aus : Camphorae trit. 10, Alum. crudi 30,
Ammon. chlorati 15, Cernssae venet. 250, Cretae
pulv. 370 Theilen, welche Mischung mit Wasser zu
einer plastischen Masse angestossen wird , aus wel-
cher Kugeln von 30 Grmm. Gewicht gemacht wer- .
den. „Sie sollen frisch bereitet sein, was man
daran erkennt , dass sie noch stark nach Eampher
riechen. Ich lasse damit reine Leinenlappen, die
durch wiederholtes Waschen weich geworden sind,
reichlich bestreichen und 3 — 4mal in 24 Std. frisch
auflegen. Dabei wende ich weder Wärme noch
Kälte an. Auf diese Weise sehe ich meist schon
andern Tags den Glanz der gespannten Haut wei-
chen , desgleichen die Häi*te , den Schmerz und die
Röthe und nach wenigen Tagen ist der Process zn
Ende." Sollte ausnahmsweise dieses Mittel im Stiche
lassen, so wird selbstverständlich &älte und Wärme
u. s. w. versucht. Bei Hartwerden der Wundränder
wendete W. lange Zeit das Abtragen an, schlüsslich
mit gutem Erfolge , jetzt verfährt er so , dass das
Geschwür selbst mit dem Wundwasser belegt bleibt,
das ihm bisher gut that, der Rand aber allseitig mit
einem mit Emplastrum hydrargyri messeiTücken-
dick bestrichenen weichen, reinen, früh und Abends
zu erneuernden Leinwandlappen nmfasst wird, worauf
sich fast ausnahmslos der harte Rand, ohne frischen
Eingiiff, binnen einigen Wochen verflacht, erweicht
und sich dann an die granulirende Wundfiäche zart
anlegt. Gewicht legt dabei W. darauf, dass das
Empl. hydrarg. gehörig dick und auf weiche Lein-
wand aufgestrichen werde , was bei dem dünn be-
legten und gewöhnlich steifen, mit der Maschine auf-
gestrichenen grauen Pflaster der Apotheken nicht
der Fall sei. Beachtenswerth und aus leicht er-
sichtlichem Grunde besonders hervorgehoben ist dabei
die folgende Auslassung : „Ich rede hier nicht von
jener Sklerose , die den spedfisch virulenten , den
Organismus bedrohenden Schanker umgiebt. Diesen
habe ich niemals exscidirt und denke es auch nie
zu thun . . . Wenn die Induration des Schankers
bereits zweifellos entwickelt dasteht, so ist jedesmal
so viel Zeit verstrichen, dass die nächstliegenden
Lymphdrüsen schon geschwellt sind , znm Zeichen,
dass das Virus bereits seinen Weg in den Kreislauf
des Blutes genommen hat. Dann aber hilft doch
sicher und gewiss nur eine allgemeine Kur, in ei-ster
Reihe die combinirte interne und externe Merkurinl-
kur , in zweiter eine combinirte Schwitz- und Jod-
kaliumkur u. s. w. ; dann aber hat man nur nöthig,
die Sklerose mit dem überaus wohlthätigen Empl.
222
Enuikeniuistalt Rudolph-Stiftaiig.
bydrarg. fest zu amschliesseDy dann weicht allmälig
mit dem Gesammtleiden auch die Sklerose , die fttr
den sachverständigen Arzt dasMessinstmment forden
Fortgang der Kur abgiebt. Dixi et salvavi animam
meam!'' — Grosses Lob und entsprechende Anwen-
dung findet das Empl. hydrarg. auch bei ,,Behand-
lung von Orchitis und Epididt/mitis". Bei Fällen
minderer Heftigkeit , gleichviel welcher Ursache das
Uebel seine Entstehung verdankt, wendet W. als
Hauptmittel, neben horizontaler Ruhelage des Körpers
und Unterstützung des Hodensacks durch ein cylin-
drisches, zwischen die Oberschenkel geschobenes
Polster, das frtth und Abends erneuerte, immer
frisch aufgestrichene Empl. hydrarg. an, mit dem
die kranke Hälfte des Hodensacks, da ja gewöhn-
lich nur ein Hode oder Nebenhode ergriffen ist,
ganz umfasst wird. Bei sehr starker Schwellung,
Glanz und Faltenausgleichung der Hodenhaut und
grosser Schmerzhaftigkeit werden bis zur Beseitigung
dieser Symptome eiskalte Umschläge umgelegt [kein
Eisbeutel!], dann erst das Empl. hydrarg. ange-
wendet. Geht mit der Orchitis oder Epididymitis
ein Abscess einher, so ist dieser fttr sich besonders
zu behandeln. Nach seinen Erfahrungen räth je-
doch W. , nicht , wie gewöhnlich , 2 kleine , nach
Umständen mehr oder weniger von einander ab-
stehende Einschifitte zur Eröffnung des Abscesses
und Entleerung des Eiters zu machen, vielmehr be-
schränkt er sich auf einen ausgiebigen Einschnitt.
Auch die von den Anhängern Lister 's empfohlene
Einlegnng eines mehrfach mit Wandöffnungen ver-
sehenen Drainageröhrchens in die Abscessöffnung,
verwirft W. erfahrungsgemäss , weil dieser fremde
Köiper in der Wundhöhle dem Patienten bald sehr
lästig wird, und gereicht es ihm zur Genugthuung,
dass Chiene, seinerzeit Assistent von Lister,
schon im J. 1875 die Drainageröhrchen verlassen
hat. Für höchst wichtig dagegen erklärt W. die
2mal täglich wiederholte, sanft ausgefölirU Aus-
pressung des in der Höhle angesammelten Eiters
und die dann sofort unternommene Ausspritzung mit
entsprechendem Wnndwasser, meist mit Aq. carbo-
lica, bei allzu profuser Eiterung jedoch mit sehr
verdünnter Lösung von Cupr. snlph, (1, selten über
2^/00)9 wobei sich die Eiterung aufftllig vermindert.
Mit dieser Abscessbehandlung verträgt sich ganz gut
die gleichzeitige Umhüllung des ganzen Hodensacks
mit dem Empl. hydrarg., es ist nur in letzteres ein
der Stelle der Abscessöffnung entsprechendes Fen-
stei' einzuschneiden, damit die Entleerung des Eiters
und die Einspritzung ohne jedesmalige Entfernung
des Pflasters vor sich gehen kann, so dass dasselbe
24 Stunden liegen bleiben kann, ohne erneuert zu
werden. Als einzig empfehlenswerthes Suspenso-
rium, wie ein solches Vorsichts halber Tag u. Nacht
zu tragen ist, erscheint W. das ZeissTsche (be-
schrieben im Jahresber. des k. k. allgem. Kranken-
hauses v.J. 1878). — y^Zur Behandlung des ehron,
Blasenkatarrk" wird zunächst der vollkommenen
Wirkungslosigkeit y wenn nicht sogar des vorüber-
gehenden Nachtheils, der warmen und kalten Sits-
bäder, der aufsteigenden Regenduschen, der Ein-
spritzungen von Lösung von Sulph. zinci selbst in
dem, hinter dem gebräuchlichen an Schwäche wdt
zuiückstehenden Verhältnisse von 1 : 500, der nar-
kotischen Injektionen, selbst der bezüglich des Ka-
tarrh wu'kuugslosen, den Kranken aber gewöhnlieh
fttr einige Tage obstipirenden Morphiumeinspritz-
ungen, der Mineralwässer, des Tannin gedacht
Dagegen bewährten sich W. Einspritzungen von sehr
schwacher Alaunlösung, 1 Grmm. auf 500 Cctmtr.
Wasser, 2mal in 24 Stunden eine Einspritzung von
je 25 Cctmtr. in die Blase nach deren jedesmaliger
zuvoriger Entleerung mittels des Katheters gemacht
Die Wirkung dieser Einspritzungen war in einem
Falle, dessen ausführlicher gedacht wird, nngemeia gün-
stig;, nicht die leiseste Spur von Harndran«; stellte sich
ein. „Von Tag zu Tag hellte sich der Urin mehr und
mehr aaf, der garstige Bodensatz Ycränderte sich angen-
scheinlich und schon nach einer Woche war er yon dem
Harne eines Gesunden kaum mehr zu untereoheiden.
Nach 3 Wochen war der Urin in jeder Beziehnng nor-
mal.«"
Doch ist zum Gelingen der Kur Enthaltung von
Spirituosen sowohl, wie von Sodawasser unbedingt
noth wendig, während reines Quell wasser in hdie-
biger Menge genossen werden kann. — Die Erfolg-
losigkeit aller bisher empfohlenen Mittel bei „6^-
handlung der Enuresis (nocturna und diuma)^
ausser dem Tragen des lästigen Recipienten und die
durch mehrfache Erfahrung gewonnene Ueberzeu-
gung, dass ein Defekt in der Hambereitang nicht
die Ursache der Krankheit sein könne, da, wenn
auch Combi nationen mit Blasenkatarrh und anderen
Anomalien benachbarter Organe zuweilen vorkom-
men, die Krankheit bei ganz Gesunden im vorge-
rückten Alter mit tadelloser Urinbeschaflfenheit vor-
kommt und doch unheilbar ist, brachten W. zu dem
Schlüsse, dass unter diesen Umständen die Ursache
des Leidens nur in einer Affektion jener Nerven-
complexe liegen könne, die dem Schlafenden die
FflUung der Harnblase anzeigen, und dass ein zu
fester Schlaf Ursache der Nichtberücksichtigung
dieser Anzeige sei. Er liess daher mit bestem Er-
folge den Schlaf der Patienten weniger tief machen
durch Lagerung auf dem nur mit dünner Decke be-
legten Zimmerboden oder durch Einschaltung eines
Brettes auf dem mittleren Matratzenpolster, bis der
Patient an öfteres Erwachen und Urinlaasen ge-
wöhnt war. Während des Tages empfiehlt sich
dagegen, im Gegensätze zu der gewöhnlich ange-
rathenen häufigen Entleerung der Blase oder dem
Selbstkatheterisiren, Uebung des Blasenschliessmo»-
kels durch möglichst lange Zurückhaltung des Urins.
— Bei „Behandlung der Fussgesehwüre" erwies
sich W. als vortrefflichstes Mittel der sog. Kampher-
schleim (Gamph. rasae 5, Mucil. gi. arab. 10, Aq>
dest. 35 Grmm.) in Verbindung mit täglich einmal
erneuertem Heflpflasterstreifen-Druckverbande, ohne
dass freilich, trotz bester Wirkung auch bei gross-
ten Geschwüren, bei erneuter Einwirkung derScbid-
P i f f a r d y Materia medica etc.
223
h'dikeiteD, die die Gcschwürsbildung veranlassen, Re-
cidire verhfltet werden könnten. In hai*tnäckjgen
Fällen kamen anch anderweite Wnndwasser und
Silben, selbst Wiener Aetzpaste, stets aber in Ver-
bindang mit dem Druckverbande, zur Anwendung.
— In Folge eines sehr harten Winters wurden viel-
fache Erfahmngen mit ,^ Behandlung der Conge^
laHonen" gemacht und bewährte sich dabei auf das
Tortrefflichste das alibekannte R n s t 'sehe Mittel der
Einreibangen von Ac. nitric. dilut. und Aq. cinnamom.
au mit der bekannten Voi*sichtsmaassregel, dass es
80 Anwendung findet nur bei erfrorenen Händen und
Ffiasen, wenn sie hochgeschwollen, glänzend roth,
scbmerzhaft und aktiver und passiver Bewegung un-
ähig sind, während bei geschwungen Stellen zn-
Düehst deren Ueberhäutnng durch schonendere Wund-
fisser herbeigefährt werden muss, bevor das Mittel
Anwendung finden kann. Ebenso müssen etwaige
Htntabsehflrfnngen durch Heftpflaster gedeckt wer-
den und dürfen Erfrierungen von Nase, Wangen und
Ohren nur mit der mit destillirtem Wasser lOfach
v»d1lnnten Einreibung behandelt werden, die immer
md überall nur als solche, niemals als lieber-
Kililge, und nur Imal, später 2mal in 24 Stunden
m kleiner Menge zur Anwendung kommen darf.
Der Zusammenstellung der im J. 1879 ausge-
hlirten Operationen folgt als IV, Abschnitt der
yäkolog.-anatom. Bericht^ der den Ausweis über
503 Obduktionen giebt und einzelne interessante
Behnde mxttheilt, darunter eine Lokalisation der
intestinalen Erkrankungsherde bei Typhus abdomi"
MÜ m Magen, Duodenum und in der obersten Je-
jonomflGhlinge, während sie im übrigen Jejnnum und
der obem Ileumhälfte nur spärlich erfolgt, die
Seiildmhaut des untern Ilenm aber und die des
Dickdarms intakt war.
Dem F. Abschnitte, der die üebersicht der
ökonomischen Gebahrung enthält, schliesst sich als
Anhang der Bericht über das Ambulatorium für
Okrenkranke an. Seit Eröfinung desselben gegen
Stte des Jahres 1878 bis Ende des Jahres 1879
M 172 Kr. behandelt worden. Von den als
pilholo^h oder therapeutisch besonders interes-
ttnt hervorgehobenen Fällen erwähnen wir 2 Fälle
mit breiten Papeln im äusseni Gehörgange bei Sy-
phiütisehen, einen nach Exstirpation eines Sarkom
US der Gegend der rechten Parotis sich herausbil-
den Verschluss des äussern Gehörgangs durch
BDtzQndnngsgeschwulst und Verschiebung der Ge-
Wie ein jeder der Jahresberichte der Rudolph-
^tiftong, so legt auch der vorliegende beredtes Zeug-
^ ab von den Leistungen der Anstalt auf dem ge-
ummten Gebiete der medicinischen Wissenschaft
^ wird 80 fördernd und lehrreich für Wissenschaft
i^iPraxis. Friedrich.
37. A tresÜBO on the Materia Medica and
Therapeutios on the akin; by Henry G.
Piffard, A.M., M.D. Prof. of Dermatology,
Med. Depart. of the Univ. of the City of New
York, Surgeon to Charity Hospital etc. New
York 1881. William Wood and Comp. 8.
351 pp.
Das vorliegende Buch bildet eine Abtheilung
einer von der Verlagshandlung herausgegebenen
Sammlung sogenannter „Standard works'', welche
die Absicht hat, hervorragende europäische grössere
Werke und die besten literarischen Produktionen der
Vereinigten Staaten auf dem Gebiete der gesammten
Medicin zu einem ausserordentlich billigen Preise
zugängig zu machen. Von dem zweiten Jahrgange
dieser Collektion bildet das Piffard 'sehe Buch ge-
wissermaassen das Februarheft, da monatlich ein
Band von dem Umfange der vorliegenden Arbeit aus-
gegeben wird. Der Versuch, die Materia medica in
kleineren , auf die Therapie der Erkrankungen be-
stimqater Organe und Systeme gegründeten Ab-
schnitten monographisch zu bearbeiten , ist <an sich
nicht neu und hat gewiss gerade so gut seine Be-
rechtigung wie die Beschränkung gewisser Pharma-
kologien auf die Medikamente bestimmter Schulen.
Gerade in der gegenwärtigen Zeit , wo die Arbeits-
theilung in der Medicin einen so hohen Grad erreicht
hat , dass man ihn fast als einen fUr die gesammte
Wissenschaft bedrohlichen bezeichnen könnte, hat
eine solche Beschränkung des umfangreichen Gebie-
tes der Arzneimittellehre ihre Berechtigung und ihren
besondem Nutzen für den Specialisten. Wenn uns
die neuere englische Literatur eine Arzneinuttellehre
der Pharyngo- und Larjmgopathien bringt, so wird
man die Berechtigung zu dem Erscheinen einer
Materia medica der Hautkrankheiten nicht in Abrede
stellen können , da in der That kaum eine Parcelle
der Therapie so viele ihr ausschliesslich angehörige
Arzneimittel verwendet, wie die Behandlung der
DermatopaÜiien.
Der Vf. hat seinem Buche einen Satz aus D e
Gort er (1740) als Motto vorausgeschickt: „Morbi
epidermidem, epithelium, cutim et cellulosam mem-
branam afficientes tarn multi sunt, ut vix in ordinem
patiantur redigi ; ex medicamentis autem quae maxime
ad eorum morborum curationem sunt in nsu, hie
proponemus.'^ Wenn man aber die Arbeit durch-
mustert, so wird man sich überzeugen, dass die Zahl
der gegen die Hautkrankheiten verordneten Medika-
mente eine weit höhere ist als die der Krankheiten
selbst und eine erschöpfende wissenschaftliche Dar-
stellung der auf Hautkrankheiten bezüglichen Heil-
mittel weit grösseren Schwierigkeiten unterliegt als
die der zahlreichen Dermatopathien.
Piffard 's Werk zei*fällt in zwei streng von
einander geschiedene Abtheilungen , von denen die
erste als Materia medica, die zweite als Therapeutik
überschrieben ist. Die erste hat namentlich fttr den
Pharmakologen Interesse , die zweite befiriedigt die
Bedürfnisse des praktischen Arztes in Hinsicht auf
sein im conkreten Falle einzuschlagendes Verfahren.
Wenn man den ersten Theil durchmustert , so wird
man ohne Zweifel überrascht sein von dem erstaun-
224
Piffardy Materia medica etc.
liehen umfange der Studien^ welche der Vf. znr Er-
reichung seines Zweckes angestellt hat. Wir finden
zwar in den altem Handbüchern derPharmakologie^
wie sie uns der ältere Wood und insbesondere
Stille lieferten, Beweise für den Stndienreichthum
amerikanischer Fachgenossen, und es ist ja bekannt,
dass namentlich die literarischen Forschungen des
Letztern einen Nothanker ftir europäische Fachschnft-
steller abgegeben haben. Bei Piffard sehen wir
aber, dass ihm die durch seine beiden genannten
Landsleute geschaffene Basis nicht als ausreichend
erschien und dass er ausser den amerikanischen Hand-
und Lehrbüchern der Phaimakologie nicht allein die
hauptsächlichsten deutschen, englischen, französi-
schen und italienischen Handbücher zu Rathe gezogen
hat. Hierbei ist P. bis auf weit entlegene Zeiten
zurückgegangen; Murray's Apparatns medica-
minum ist fleissig benutzt, ja selbst Mona r des und
Tabernaemontanus sind ihm nicht unbekannt
geblieben. In gleicher Weise ausführlich hat er die
zahlreichen Handbücher der Dermatologie ans bei-
den Welttheilen durchmustert, eine grössere Menge
von pharmakologischen und dermatologischen Mono-
graphien studirt , ausser den Sammeljoumalen nahe
an 100 medicinische Zeitungen durchgesehen und
es sich nicht nehmen lassen , auch bei den Eklek-
tikern und bei den Homöopathen vorzusprechen und
zum Aufbau seines Werkes ihnen Dasjenige zu ent-
lehnen, was er für werthvoll ansah. So ist denn in
der That die dermatologische Pharmakopoe, wie wir
den' ersten alphabetisch angeordneten Theil des
Werkes nennen können, eine reichhaltigere, als sich
die gewöhnliche Schulweisheit tränmen lässt, und
namentlich wird der europäische Arzt darin vieles
ihm Unbekannte finden. Dass indessen diese neuen
Mittel, oder richtiger gesagt, diese wieder aufge-
frischten Medikamente älterer Therapeuten, auch
wirklich überall eine Bereicherung des modernen
therapeutischen Heilapparats abgeben, dürfte sehr
zweifelhaft sein. Dipsacus silvestris als Mittel gegen
Warzen hätte in dem kui*zen Handbüchlein des
Apollinaris, Lapsana communis in den Werken
des Monardes füglich begraben bleiben können,
und es Hessen sich daran noch manche andere Super-
flua knüpfen. Man darf freilich nicht vergessen,
dass die Auswahl der Substanzen , denen eine Wir-
kung auf die Haut zugeschrieben wird, füglich Sache
des Autors ist, und dass Piffard für die Vermei-
dung einer grösseren Kürzung der Liste einen guten
Grund anführt, dass er sich nämlich nur da zum Strei-
chen für berechtigt gehalten habe, wo genügende
Erfahrung sehr ernste Zweifel an der Richtigkeit der
erwähnten Beobachtungen ergeben.
Der Ausdruck Pharmakopoe, den wir für diesen
Abschnitt oben benutzten , passt insofern nicht ganz,
als eine Beschreibung der betrefl^enden Arzneikörper
überhaupt nicht gegeben wird , vielmehr die ange-
führten Thatsachen sich sämmtlich auf die Wirkung
des Mittels beziehen. Diese ist dann unter 4 Ge-
sichtspunkte gebracht, welche durch die Buchstaben
A, B, C und D angedeutet werden, unter A stehen
die Effekte auf die gesunde Haut, welche der Ein-
führung emes Mittels folgen. Diese Abtheilong giebt
die hauptsächlichsten Daten über die sogenannten
Arzneiexanthemc , die allerdings nicht ohne Bedeu-
tung für den Arzt sind, und deren Znsammenstellnng
ja auch den Hauptgegenstand eines neuem deutscben
Werkes über Nebenwirkungen der Arzneien büdet
Wir liätten nur gewünscht, dass die vom Vf. ange-
deutete Differenz zwischen den beiden Kategorien
der Ai*zneiexanthemc bei den einzelnen Stoffen dent-
lichcr hervorgehoben wäre. Man muss entschieden
Stoffe unterscheiden, welche bei längerer Darrei-
chung constant einen Hautausschlag erzeugen und
solche, welche unter bis jetzt unaufgeklärten Be-
dingungen bei einzelnen Individuen , und zwar hier
selbst in sehr kleinen Dosen, einen solchen hervor-
rufen. Das Jodexahthem, welches sich bei Sättigung
des Körpers mit Jodkalinm oder noch früher mit
Jodammonium einstellt, ist, wenn es auch in der
Form übereinstimmt, von den Exanthemen verschie-
den, welche gelegentlich eine grössere oder kleinere
Dosis von Chinin oder Cinchonidin hei*vornift.
Ersteres bleibt bei Fortgebrauch grösserer Dosen
schlüsslich nicht aus und stellt sich in eine Linie mit
der Bromakne, die wir bei Epileptikeni unter Brom-
kaliumtherapie wohl kaum jemals vermissen; letz-
tere sind Zufälligkeiten auf individuellen Verhält-
nissen beruhend, nur bestimmten Individaen zukom-
mend , die , wie ein wohl constatirtes Beispiel aus-
weist, mitunter selbst durch Süssholz ein Arznei-
exanthem acquiriren können. Während wir bei den
Ausschlägen der erstem Art vielleicht berechtigt
sind , die Effekte von einer Eliminataon abzuleiten,
ist diess bei den zweiten ganz gewiss nicht derFaU.
Wenn Piffard den Zusammenhang und die Ver-
wandtschaft zwischen der sogenannten physiologi-
schen Wirkung und ihrer therapeutischen Anwen-
dung anerkennt und betont und sich damit auf die
Basis der Pharmakologie der Gegenwart gestellt hat,
so erscheint es nm so auffallender , dass nicht der
Versuch gemacht wurde , die EiTungenschaften ä&
pharmakologischen Experimente zur Scheidung bei
gewissen Symptomen zu benutzen, die, in ibrei
äussern Erscheinung gleich, doch ihrem innern
Wesen nach vollständig differiren. Es genügt mchl
mehr, einem Stoffe diaphoretische Wirkungen zuzu
schreiben, seit wir wissen, dass diese Aktion bei dei
Einwirkung einzelner Substanzen auch von einei
Erregung gewisser PaHien des Centralnervensystem!
abhängt, während bei andern die Wirkung au
periphere Nerven oder auf die Schweissdrüsen selba^
sich erstreckt. Zwischen der schweisstreibendei
Wirkung der Jaborandi u. der von Sambucus nigri
existirt ein principieller Unterschied. Dasselbe gil
von der Erscheinung der Anästhesie , die dnrchani
nicht dieselbe ist, wenn sie sich als Folge von Sapo
nin bei Vergiftungsversuchen frühzeitig einstellt, al
wenn sie sich bei Delphinin im Stadium der Agonie
beobachten lässt. Von diesem Gesichtapankfce aui
P i f f a r d , MaterU medica etc.
wire eine KIftrang der als entfernte Arzneiwirknng
anftrctenden Hantaymptome wttnscbeDSWertb und
unseres Erachtens anch mOglich gewesen.
Unter B fllhrt Piffard die Wirkungen der
eiDEelnen Drognen anf die gesunde Hant, nnterCnnd
D die tlienpentiBchen Effekte, Je nachdem die Mittet
innerlich oder Insserlich angewendet werden, auf.
Ueberall sind die bezuglichen Daten nur mit g:ro93er
Kürze angegeben , fast in allen Fällen werden die
Gew&hrsmftaner fOr die Heilefiekte citirt, and zwar
mit Zahlen , welche den Nummern der dem Werke
beigegebenen Bibliographie (S. 318 — 324) entspre-
chen. Da es sich um 210 Bücher handelt und nur
gelten die Citate so ansfllhrlich sind , dass man sich
TollstSndig damit begnOgen kann , ist diese Partie
des Buebes allerdings mehr zum Nachschlagen als
zum eigentlichen Stadium geeignet, doch wird es
keineswegs fQr den Leser zweckmässig sein, sich
ait der Lektüre des therapeutischen Theils za be-
gnügen , in welchem verschiedene hier nnr kOrzer
angeführte Thatsachen eine auanihrlichere ErQrte-
nmg erhalten, weil nämlich in den anf die Mittel
der amerikanischen nnd englischen Pharmakopoe
beztIgUchen Artikeln sich regelmassig sehr werth-
Tolle Bemetknngen finden , welche namentlich auch
die Stellung des Vfs. zu den fraglichen Mitteln cha-
rakterisiren. Wir ersehen daraus, dass der Vf. bei
einer gTSssem Anzahl der betreffenden Stoffe eigene
Er&brangen gesammelt hat, wozn ihm seine Stellung
am Charity Hospital und seine Privatpraxis biurei-
ebende Gelegenheit bot Piffard, der als echter
Empiriker, ohne Rücksicht auf Theorien und Schnt-
Hirinnngen weder die Oaben der Homäopathen, noch
die der amerikanischen Eklektiker verschmäht, ge-
langte dadurch zu mannigfachen praktischen Erfah-
rungen , welche ihm eigenthümlich sind und deren
Hittheilnng zur ferneren Prüfung anzuregen geeignet
ist. Man braacht nnr aufs Geradewohl die in Präge
stehende Abtheilnng des Buches aufzuschlagen , um
K^che dem Vf. eigenthflmliche Verwenduugs weisen
gewisser Medikamente vor Augen zu bekommen.
Solche Dinge sind dem Praktiker ganz gewiss ange-
nehm, besonders in Fällen, wo ihn die althergebrachte
Therapie im Stiche lässt, was ja bei manchen chro-
nischen Dermopathien der Fall sein kann , sei es,
dass ein Mittel nicht in richtiger Weise angewendet
wird, oder dass es im conkreten Falle seine Wirkung
Jeder Arzt weiss, dass der innere Gebrauch
npr¶ten bei Psoriasis häufig in ausge-
r Weise wirkt ; in manchen Fällen schlägt
mdnng fehl, weil sie nicht in angemessenen
er in unrichtiger Form gegeben werden ; in
%llen bewirkt das Mittel auch bei zweck-
Anwendung keine Heilung, selbst wenn es
^ Zeit hindurch genommen wird. FQr
>nn möglicherweise, so inveterirt sie auch
en, doch noch Hülfe geschafft werden durch
edikamente, welche durchaus nicht so iuten-
«wiss nicht in derselben Richtung wirken,
ahrbb. Bd. 191. HR.2,
wie Arsen n. Phosphor. Ich i
ken gekannt, dem von na
Aerzten die beliebte Fomler
folg verschrieben worden wa
eine Abkochung von Herba S;
Volksmittel gegen Flechten, ;
Der therapeutische Stand I
noch in weit anfl^lligerem Mi
in dem zweiten Theile des Bi
die Bemerkungen in der als
Bchriebenen Abtheilung bereit
uns die Einleitung in die (
peutik offen enthüllt, ist Fi
Anhänger der vorwiegend lo
krankheiten, wie sie die Lehi
nen Schülern ausgebildet hat.
dieselbe mit mitglicbster Ei
den Heb ra 'scheu Auschaui
den Titel der Ansichten der I
legen, und bei der grossen A
Hebra als Lehrer und Sehr
sich für verpflichtet, der E
gäuger Hebra 's mit Kraft <
er in Bezug auf ihro Devotior
gistri mit den Hahnemaunia
Gegensatze hierzu hat sich
nicht den Ansichten Älibe
Französischen dermatologisch«
welche, die lokale Natur von
negirend , dieselben als Aus<
der Säfte ansehen, sondern, <
gend , einerseits den internen
und andererseits den lokalen
getragen. Wir finden dabei
jenigen Mittel gewürdigt, we
hervorgerufene Fortschritt in
der Dermatosen dem Arzte
andererseits jene iouem Mit
welche seit längerer Zeit bt
Hautkrankheiten in Ansehe
charakteristisch ist in dieser I
welche der Vf. gegenüber ei
Gnind der Hebra'schen M
therapeutischen Vorrathskam
der Herba Jaceae s. Viola
Die Angabe K a p o s i 's , da
den geringsten Einflass auf
krankheiten habe, wird von 1
denheit bekämpft. Wenn m:
virte Pflanze benutzt und dii
Manier und in passenden I
bringt, so ist der Einfluss der
sich ausdrückt , eben so deut
chona bei Malaria, oder Qu
Daa bei uns in der Medicin ft
eben , in welchem nenerdingf
cylsäure nachgewiesen wurdt
fahiung bei Eczema capitis
und namentlich bei Kindern I
2S
226
Piffard; Materia medica etc.
tioD 80 raschen y entweder heilenden oder verschlim-
memden Erfolg; dass man sich kaum wandern darf,
wie man im vorigen Jahrhundert demselben einen
specifischen Einflnss zuschreiben konnte. Za reich-
lich nnd in zu grossen Dosen gegeben verschlimmert
es oft den Znstand und steigert Hitze y Reizung und
Exsudation. In chronischen Fällen erklärt Piffard
diese Verschlimmerung für oft wünschenswerth,
während sie in akuten Fällen besser vermieden wird,
was durch möglichst geringe Dosen geschieht. Die
zeitweise Verschlimmerung subakuter Fälle durch
den innem Gebrauch von Viola tricolor erfüllt ^ wie
es Seite 164 heisst, den nämlichen Effekt , wie wir
ihn bisweilen zu erreichen suchen , wenn wir äusser-
lich starke Alkalien oder andere Irritantien appli-
ciren , nach deren Beseitigung auf die Verschlimme-
rung eine Reaktion folgt, welche zur Besserung führt.
In gleicher Weise ist auch manchen andern Haut-
mitteln der altem Schulen , z. B. der Dulcamara,
ihr alter Platz wieder reklamirt.
In Bezug auf die Bearbeitung der zweiten Ab-
theilung mnss hervorgehoben werden, dass die ein-
zelnen Hautkrankheiten wiederum nach dem Alpha-
bete geordnet abgehandelt werden, und zwar so,
dass kürzere Abschnitte der Begrififsbestimmung und
Beschreibung der Diagnose, der Aetiologie und der
Prognose gewidmet sind, während der weit grössere
Theil, häufig die übrigen Abschnitte um das Zehn-
fache übertreffend, der Behandlung der Dermatosen
zufällt. Diesen speciellen Abschnitten ist eine Ein-
leitung, welche einerseits den Standpunkt des Vf.
in Bezug auf die Behandlung der Hautkrankheiten
darlegt, andererseits Bemerkungen über die Anwen-
dung de^* Elektricität und des Ferrum candens giebt,
vorausgeschickt, desgleichen ein Capitcl über Dia-
thesen, welche Hautkrankheiten zu Grunde liegen,
wobei Piffard eine besondere, von ihm rheumic
diathesis genannte als dem Ekzem, der Psoriasis und
und Pityriasis zu Grunde liegend, der scrofulösen,
syphilitischen, leprösen u. ichthyotischen gegenüber
stellt. Für die Existenz dieser Diathese, welche
im Wesentlichen der Psora des Paulus von Aegina
und anderer griechischer Schriftsteller, nicht der
Hahn emann* sehen Psora entspricht und welche
mit Hardy'g „Dartres" und Gigot-Suard's
„Herp^tisme'^ identisch ist, führt der Vf. eine Menge
von Thatsachen an, die allerdings über das Wesen
oder die eigentliche Materia peccans genügende
Aufklärung nicht geben. Doch glaubt Piffard
jene in Produkten incompleter Oxydation begründet,
welche das Blut subalkalisch machen, wenn sie sich
in demselben entweder in Folge mangelhafter Sekre-
tion der Nieren, oder in Folge von excessiver Pro-
duktion, in letzterem Falle entweder aus zu reich-
licher Einfuhr eiweissartiger Nahrungsmittel, oder bei
nicht übertriebener Stickstoffeinfuhr in Folge eines
Fehlers der Oxydation entwickeln, anhäufen. Pif-
fard sieht gegen diese Diathese, deren Zusammen-
hang mit Störang der Leberfunktion er noch be-
sonders hervorhebt, den Arsenik keineswegs als
den einzigen Rettungsanker an ; nach langjährigen
Erfahrungen, bei denen er anfangs Arsenikalien in
sehr ausgedehnter Weise verwendete, ist er zu dem
Resultate gekommen, dass man mit Arsenik zwar
prompte, aber nicht so befriedigende Resultate er-
hält wie mit einer Methode, welche er auf die oben
in Kürze zusammengestellten Theorien der rhenmic
diathesis gründet. Diese Methode ist im Wesent-
lichen die alte blutreinigende, nur sind die Mittel
dazu zum Theil andere geworden. Es handelt ach
zunächst um eine Anspannung der Sekretionsorgane,
unter denen die Nieren im Falle ihrer Integrität in
erster Linie das Reinigungswerk zn vollziehen haben,
während bei pathologischem Verhalten dieser Organe
Haut und Darm vicariiren müssen. Zur Erregung
der Hautthätigkeit hält Piffard das heisse Lnft-
oder türkische Bad f&* das mächtigste und gleich-
zeitig gefahrloseste Agens; für die Anregung der
Darmtbätigkeit benutzt er nach Hardy's Vor-
gange vorzugsweise einen Aufguss von Viola tricolor
und Senna, an Stelle deren übrigens auch die Bitter-
wässer von Seidlitz, Püllna und Friedrichshall oder
die Mineralwässer von Estill und Grab Orchard in
Kentucky angewandt werden können. Bei gesun-
den Nieren empfiehlt er als diuretisch Vinum col-
chici, Infusum digitalis, Balsamum copaivae, Pro-
pylamin, Lithium carbonicum, Kali aceticum and
Vichywasser, von denen Vichywasser und Li-
thiumcarbonat gleichzeitig auch die Alkalinität des
Blutes wiederherstellen und auf die Oxydation f5r-
dernd einwirken sollen, wobei jedoch durch 14tägige
Pause der dm'ch den continuirlichen Gebrauch dieser
Mittel leicht entstehenden Verminderung der rothen
Blutkörperchen vorzubeugen ist. Bei zu reichlicher
Einfuhr von Eiweissstoffen ist eine Verringerung der-
selben und in specie des Fleisches, trotz den regel-
mässig auftretenden Protesten der Kranken durchzu-
führen. Ist die Zufuhr stickstoffhaltigen Materials
normal und der Oxydationsprocess zu gering, so
passt häufig Eisen, wenn die Ursache der schwachen
Oxydation in einer ven-ingert^n Zahl der rothen Blut-
körperchen zu suchen ist, später Bewegung in freier
Luft, Inhalation von Sauerstoff und chlorsaures Kali.
Bei bestehendem Torpor hepatis hält Piffard ausser
Mercurialien und Podophyllin die Hepatika der Ek-
lektiker, wie Iris versicolor, Leptandra und Evony-
mus für indicirt.
Dass ungeachtet dieser internen Medikation und
ihrer vorzüglichen Wirkung in den meisten Fällen
die Kur noch durch lokale Behandlung unterstfltst
werden muss, verhehlt Piffard keineswegs, und
in den einzelnen Artikeln über die speciellen For-
men der Dermatosen finden wir den Beweis dafttr,
in wie ausgiebiger Weise Piffard von der Lokal-
therapie auch in solchen Fällen Gebrauch macht, in
denen er die Abhängigkeit der Affektion von einem
Allgemeinleiden als erwiesen betrachtet. Bei manchen
Affektionen, wo man eben eine specifische Diathese
vermuthen sollte, z. B. bei Pityriasis rubra, bei
welcher Affektion Hans Hebra 4000 asiatische
Piffard; Materia medica etc.
227
Pillen, Yon denen jede Vio ^^^^ Arsenik enthielt,
3 J. lang darreichte^ bis der Patient sich durch den
Tod der Enr entzog, gesteht er die InsufBcienz sei-
ner gewöhnlichen Methode zu. Beim Lupus ery-
thematosas, wo Piff. Leberthran in den grössten
DoBeo, welche der Patient ertragen kann , für an-
gezeigt hält, um die ihm nach seiner Ansicht stets zu
Onmde liegende scrofuldse Diathese zu tilgen, und
vo er auch Phosphor von günstiger Wirkung fand,
ohne jedoch die Gefahren dieses Medikaments bei
flicht sorgföltiger Dosirung zu unterschätzen , hebt
er hervor, dass energische lokale Behandlung in den
meisten, wenn nicht in allen Fällen nothwendig sei,
ohne jedoch dabei eine sogenannte beste Methode
2u empfehlen, da jeder einzelne Fall fQr sich studirt
ond die für diesen passende Methode in Betracht ge-
zogen werden muss. Bei Lupus vulgaris findet sich
geradezu das Geständniss des Vf., dass es ihm nie-
bbIs geglückt sei, einen Fall durch innere Behand-
lung allein zu heilen, noch dass er jemals einen ge-
sehen habe, in welchem diess der Fall gewesen sei.
Man erkennt hieraus, dass Piffard zu seiner
djskratischen oder diathetischen Theorie nicht auf
dem Wege des Glaubens an alte medicinische
Dogmen, sondern durch die eigene Prüfung gekom-
men ist.
Von einzelnen Beobachtungen Piffard 's sei
es uns gestattet, auf die bei Ichthyosis befindliche,
Iber die Wirkung von Jaborandi bei dieser Affek-
^n hinzuweisen. Ein Patient, der zwei Wochen
tfglieh das Mittel erhielt, wurde in 14 Tagen voll-
kommen von seinen Schuppen befreit und die Haut
war fast so weich wie im gesunden Zustande. Bei-
linfig sei auch erwähnt, dass der Vf. Jaborandi den
Bolztränken bei Syphilis substituirt hat und ausser-
dem eine Verbindung von Pilocarpin und Jodqueck-
lüber, mit dem Sfachen ihres Gewichts Milchzucker
Terrieben in Dosen von 0.12 — 0.3 Grmm. mit Erfolg
ioner] . bei Lues angewendet hat, freilich ohne rascher
damit zum Ziele zu gelangen, als bei anderer Be-
handlungsweise. Der Vf. hat übrigens die Syphilis,
nnd zwar nicht allein die betrefi^enden Affektionen
der Haut in dem speciellen Theile mit abgehandelt
and dieser Krankheit mehr als einen Bogen ge-
widmet.
Die Bemerkungen auf S. 286 in Bezug auf die
Qothwendlge Trennung der Seborrhoea und Sebor-
ihoea sicca, welche letztere zur Pityriasis gehört,
sind entschieden berechtigt; neuerdings hat auch
An spitz gegen die Vereinigung beider zu einem
einzigen Leiden als Seborrhöe, wie diess seit Hebra
Sitte geworden ist, reagirt. Es ist diess wichtig,
veil entschieden die Behandlung beider Formen eine
verschiedene sein muss. Gegen Seborrhoea oleosa
benutzt Piffard äusserlich eine Mischung von Er-
^otin, Silica hydrata, Snlphur praecipitatum, von
jedem 2 und 30 Theile Unguentum rosatum. Fttr
die Darstellung von Silica hydrata findet sich eine
Voischriftnach Charles Rice auf 8. 341.
Bei akuter Urticaria wird wiederum auf Jabo-
randi hingewiesen, doch empfiehlt der Vf. das von
ihm erprobte Verfahren nach Darreichung 0.6 Grmm.
Pulvis ipecacuanhae oder einer entsprechenden Dosis
von Extractum ipecacuanhae ein türkisches Bad an-
zuwenden, bis starke Diaphorese erfolgt, worauf mit
Schampoonen und Abtrocknen die Kur schliesst.
Jaborandi ist dem Vf. hier nur ein SuiTogat des
türkischen Bades, wo letzteres nicht zu haben ist.
Bei Vitiligo hat Piffard den Versuch ge-
macht, den entstellenden weissen Flecken veimittels
eines Brennglases eine braune Farbe zu geben, in
einem Falle mit entschiedenem Erfolg. Man hat
übrigens in Amerika die betreffenden Stellen mit
Wallnuss- oder Buttemussextrakt gefUrbt. Bei
Zoster ist die Bemerkung von Interesse, dass der
Vf. im Verlaufe von Arsenikkuren zweimal Erup-
tionen von Gürtelrose habe eintreten sehen. Bei
diesen Affektionen giebt Piffard innerlich Gelse-
mium oder Aconit; Elektricität, zum Zwecke der
Verhütung der Entwicklung der Vesikeln benutzt,
gab keine ausgesprochenen Resultate. Letztere
wird dagegen ganz besonders für die Behandlung
von Pemionen empfohlen.
Die Heilbarkeit des Pemphigus, wie solche von
Hutchinson gegenüber der in Deutschland herr-
schenden Ansicht von der Unheilbarkeit dieser
Affektion aufgestellt wurde, wird von dem Vf. be-
stätigt. Sowohl Piffard, wie andere Praktiker
in New York haben günstige Erfahrungen bei der
Anwendung des Arsen, in voller Dose gegeben und
noch einige Zeit nach dem Verschwinden der ört-
lichen Affektion fortgesetzt, gehabt. Auch hier be-
trachtet Piffard übrigens die lokale Behandlung
als wichtig, wozu er als am meisten geeignet die
alsbaldige Eröffnung der Blase und Applikation von
Zincum nitricum auf die entblösste Wundfiächc em-
pfiehlt, wonach die Heilung in etwa Ys der Zeit
wie ohne Behandlung erfolgt. Zinknitrat ist übri-
gens ein, wie es scheint, in Amerika viel benutztes
Aetzmittel, das anfangs bei der Behandlung breiter
Kondylome nach dem Vorgange von A u b e r t be-
nutzt, neuerdings auch von Morrow gegen Con-
dylomata acuminata und von Stur gis bei Cancroid
in Anwendung gebracht wird. Zinknitrat ätzt weit
energischer als Silbemitrat.
Als Mittel, um den Pruritus bei Ekzem zu be-
schränken, empfiehlt Piffard Zusatz von Tinctura
hamamelidis oder von rohem Petroleum zu den ört-
lich benutzten Salben (Unguentum zinci). Oleum
cadinum ist nach seiner Erfahrung, wenn das-
selbe echt ist, besser als Pix liquida und Oleum
msci.
In dem Abschnitt Leprosis hebt der Vf. als das
Resultat seiner eigenen Erfahrung hervor, dass die
leprösen Schmerzen durch Vesicantien im Verlaufe
der afficirten Nerven beschränkt werden können,
dass die Tuberkel bei Applikation von Jodsalbe
und Chaulmugra-Oel verschwinden können »und an-
228
Leeser, PupUlenbewegong.
scheinend günstiger Erfolg von dem inneren Oe-
brauche des letzteren und von Chlorb&ryum (in Do-
sen von 6 Mgrmm.) resoltirt.
Auffallend ist es uns gewesen^dass Piff, bei der
Behandlung von Scabies die Euren mit Styrax oder
Balsamum peruvianum wenig ausführlich behandelt
und an Stelle derselben die französische Methode
der Einreibung mit einer Salbe aus Schwefel und
Kaliumjodid und die Methode von Anderson setzt.
Im Interesse seiner anSarcoptes laborirenden Lands-
leute dürfte eine Prüfung der beiden deutschen Me-
thoden, welche mit der Zeit ihrer Vorzüge wegen
alle übrigen verdrängen müssen, seitens des New
Yorker Dermatologen sehr am Platze sein. Die
Verwendbarkeit des Styrax bei Morpionen scheint
Piffard entgangen zu sein. Bei den Capiteln
über Zooparasiten der menschlichen Haut sind Holz-
schnitte der betreflfenden Thiere beigegeben; auch
in einzelnen anderen Abschnitten finden wir Abbil-
dungen, besonders von Instrumenten, welche für
die Behandlung gewisser Hautaffektionen Interesse
haben und die theilweise auf Piffard 's eigener
Erfindung beruhen.
Den Schluss des Buches bildet eine Sammlung
der gebräuchlichsten Receptformeln , sowohl zum
innem als zum äussern Gebrauche, nach den einzel-
nen Krankheiten geordnet, darunter verschiedene
Gompositionen des Verfassers, u. A. ein mit Vaselin
bereitetes ünguentum diachylon.
Th. Husemann.
38. Die Pupillarbewegung in physiologi-
scher und pathologischer fiesiehung; von
Dr. J. L e e s e r. Mit einem Vorwort von Dr.
AI fr. Oraefe, Prof. a. d. Univ. zu Halle.
Von der med. Fakultät der Univ. Halle- Witten-
berg gekrönte Preisschrift. Mit 1 lithogr. Tafel.
Wiesbaden 1881. J.F.Bergmann. 8. 124 S.
(4 Mk.)
Vor Kurzem hatten wir Gelegenheit (Jahrbb.
CLXXXVm. p. 3 1 1), eine Schi-ift von R e m b o l d ,
welche sich namentlich mit der Semiotik der Pupillen-
bewegnng beschäftigt , anzuzeigen. Einen Pendant
zu dieser bildet die jetzt vorliegende Preisschrift, in
welcher wir die Summa Alles dessen , was wir über
die Histologie des Irisgewebes, ttber die Innervation
desselben und über die pathologischen Erscheinungen
der Irisbewegung wissen, mit umfassender Kenntniss
der Literatur zusammengestellt und kritisch gesichtet
finden.
Der Vf. nimmt einen Dilatator pupillae als wirk-
lichen antagonistischen Muskel des unbestrittenen
Sphinkter als erwiesen an. Was die Innervation be-
trifft , so ist dieselbe nothwendig eine doppelte : die
pupillenverengenden Fasern sind cereliralen Ursprungs
und verlaufen in der Bahn des N. oculomotorios ;
die pupillenerweiternden gehen durch den Hals- und
den Kopftheil des N. sympathicus und zum Theü
durch den ersten Ast des N. trigeminus , diese sind
nicht nur rein motorische für den Dilatator, sondern
auch vasomotorische für die Irisgefässe. Vf. nimmt
ein gemeinsames nervöses Central - Organ für die
Accommodation, die Convergenzstellung der Augen
und die Pupillenverengerung an. Dieses Organ be-
findet sich wahrscheinlich am hintern Theile des Bo-
dens des 3. Himventrikels. Das Centiiim der pn-
pillenerweitemden Fasern befindet sich vermuthlich
in dem verlängerten Mark und ist warscheinlich ein
doppeltes, indem das eine nur die muskulomotori-
sehen , das andere die vasomotorischen Fasern ver-
einigt. Das Centrum am Boden des 3. Ventrikels
wird physiologisch nur vom Lichteinfall, also durch
den Sehnerv, reflektorisch erregt; das Centmm in
der Medulla oblongata reagirt jedoch auf sensible
Reize und auf Gemüthseindrücke der verschiedensten
Art. Die normale Pupillenweite resultirt aus dei
beständigen Erregung beider Centren.
Ausftihrlich bespricht hierauf Vf. die Wirkung
der verschiedenen Mittel, welche auf dielrisbewegung
von Einflnss sind , also entweder eine Erweiterung
oder eine Verengerung der Pupille bewirken. Hier-
an schliessen sich die rein pathologischen Vor-
gänge, und zwar hat es Vf. verstanden, sie in sehi
instruktiver Weise an 4 verschiedene Formen dei
Pupille anzuknüpfen. Diese sind die spastische odei
Reizungsmyosis und die paralytische Myosis auf dei
einen, die Reizungs- und die paralytische Mydriasis
auf der andern Seite.
Wir hätten bei der Anzeige dieser auch fOr der
praktischen Arzt mehrfach lehrreichen Schrift nui
den Wunsch auszusprechen, dass einer etwaigen
2. Auflage weder eine Eintheilung in einzelne Capitel
mit den nöthigen Ueberschriften , noch ein Registei
fehlen möge. Gel ssler.
Ende Aogast verstarb kurz nach Yollendong des 44. Lebensjahres
Herr Dr. Oskar Edufird T. f^chfippel^
ordentl. Professor der patholog. Anatomie zu Tübingen.
Derselbe war längere Jahre hindurch ein sehr thätiger und durch die Gediegenheit seiner Mittheilungen
hoch geschätzter Mitarbeiter unserer Jahrbücher, denen er stets eine wohlwollende Theilnahme erhalten hat.
Ich werde meinem so früh dahingeschiedenen Freunde stets ein ehrenvolles Andenken bewahren.
Winter.
r
JAHRBÜCHER
ID- und ansländlschen gesammtea Medicln.
Bd. 191.
1881.
M 3.
lärmigen StiokstoffB sas dem Thierk&rper;
TosH. T. Pettenkofer und C. Voit. (Ztschr.
t Biol. XVI. 4. p. 505. 1880.)
N&chdem es bei einer Anzahl von Versuchen
(D Thieren Pettenkofer a. Voit gelungen war,
m Harn nnd Koth eben so viel Stickstoff anfzufinden,
^ in der Nahrung dargereicht worden war , haben
■eegeD n. Nowak mehnnala gegen diese Gleich-
Brit der N-Ansgabe ond -Einnahme Angriffe zu rich-
ten geaacht. Wir haben ktlrzlich in UDsern Jahrbh.
[CLXXXVIII. p. 3) berichtet, wie Gruber einen
dieser Angriffe widerlegt hat. Der vorliegende
Artikel beschäftigt sich nun mit der Widerlegung
dues zweiten derartigen Angriffs dnrch P. nnd V.
leLbst.
Dieser 8eegen-No wak'ache Angriff geht
Tffli dem Gedanken ans, dass ein Theil des einge-
■Ahrten Stickstoffe vom Organismus nicht mit Harn
Bfed Gotb, sondern im freien, gasförmigen Zustande
durch die Perspiration ausgeschieden werde. Dieser
Gedanke beruht anf den berühmten Regnault-
Reiset'acheDRespirationsverBucben, bei denen sich
hloGg eine geringe Veroiebmng, bisweilen Jedoch
uch eine geringe Verminderong des Stickstoffs in
der Lnft des die Versuchsthiere einschliessenden
Apparates fand. Bei Gelegenheit späterer Respi-
ntionsversnche an kleinem Thieren, welche mit
Ulen Holfsmitteln anf das Sorgfältigste von andern
Autoren angestellt worden sind, mnsste mau die
Frage nach einer Aendemng der Stickstoffmenge un-
entschieden lassen, da man nicht im Stande war,
mit Sicherheit eine Äuftiahme oder Abgabe des N
nachzuweisen. So erhielt Sanders-Ezn 1867
in Lndwig's Laboratorium bei Kaninchen unter
Med. Jabrbb. Bd. 191. Hfl. S.
Gleichgültigkeit dieses Gases schliessen liessen, und
8, welche anf eine Absorption desselben hindeuteten ;
Scheremetjewski fand 1868 ebenda in 17 Fal-
len 12 negative und 5 positive Werthe fUr denStiok-
stoff, die er nicht ans Fehlern der Versuchsanord-
nnng ableiten konnte. In Pfltlger's Laboratorinm
hatte H. Schulz 1877 bei Fröschen mittels eines
kleinen modilicirten R e g n a u 1 1 'sehen Apparates eine
scheinbare Stickstoffexhalation bemerkt; G. Gola-
santi dagegen, der ebendaselbst in demselben Jahre
bei Meerschweinchen innerhalb 3 bis 6 Std. keine
AendeniDg in dem Stic kstoffge halte des Atliemraums
nachzuweisen vermochte , sprach sich dahin aus,
daas die Stickstoffvermehmng höchstwahrscheinlich
anf einem Beobachtungsfehler beruhe. Auch nach
Speck (1879) verhalt sich der Stickstoff bei der
Respiration des Menschen ganz indifferent. Diese
also noch nicht sicher entschiedene Frage bemflhten
sich Seegen a. Nowak za beiuitworteo , indem
sie das Verhalten des Stickstoffs beim Athemprocess
vermittelst eines modificirten Regnault'scben Ap-
parates an etwas gi'össern Thieren wflhrend längerer
Zeit prüften. Sie suchten dabei den von Petten-
kofer u. Voit erhobenen Einwurf der Möglichkeit
einer Diffusion der Gase während der Dauer der
Versuche dadurch zu beseitigen , dass sie alle Dich-
tungen am Apparate, welche Regnault mit Kitt
und Kautschuk bewerkstelligt hatte, nun ausschliess-
lich durch Qaecitailbei-verscblUsse erzielten, und indem
sie femer den ans einer Mischung von Braunstein
und chlorsaurem Kali erzengten Sauerstoff in dner
Glasglocke aufsammelten, deren Sperrflttssigkeit
Wasser war, welches sie mit einer Oelschicht über-
gössen, während Regnault dafür grosse Glas-
230
L MediciniBche Physik, Chemie n. Botanik.
flaschen benutzt hatte, die mit einer wässerigen Lö-
sung von Chlorcalcium gefüllt waren. Durch diese
Anordnungen glaubten sie jede Möglichkeit einer
Diffusion ausgeschlossen zu haben. Ihre Bemühun-
gen hatten nun auch den scheinbaren Erfolg, dasa
sie nicht nur wie Regnault häufig, sondern Immer
den Stickstoffgehalt der Luft im Apparate nach dem
Versuche vermehrt fanden , was nach ihrer Ansicht
nur von einer Ausscheidung gasförmigen Stickstoffs
Seitens der Thiere herrühren konnte , und dass sie
diese Ausscheidung viel grösser fanden , als sie
Regnault und Reiset durchschnittlich gefunden
hatten. Dagegen weisen nun Petfenkofer und
Voit im vorliegenden Aufsatze nach, dass die Dif-
fusion zwischen zwei durch eine Oel chicht getrenn-
ten Gasen durchaus nicht ausgeschlossen ist, dass
ferner bei der Entwicklung von Sauerstoff aus Braun-
stein nebenbei sich auch Stickstoff bilden kann, sowie
endlich dass die Temperatur des Versnchsranroes
von See gen und Nowak nicht hinreichend ge-
messen worden ist, so dass durch den S.-N.'schen
Versuch N-Ausscheidung im gasförmigen Zustande
in Wirklichkeit nicht bewiesen worden ist. Wegen
der genauem Ausführungen der wichtigen Arbeit von
P. und V. müssen wir auf das Original verweisen.
Die neueste Abhandlung, weiche Proff. S e e g e n
und Nowak zur Frage von der Ausscheidung gas-
förmigen Stickstoffs aus dem Thierkörper (Arch. d.
Physiol. XXV. 9 u. 10. p. 383. 1881) veröffent-
licht haben, ist vorwiegend polemischen Inhaltes.
Dieselbemuss im Original eingesehen werden.
(Robert.)
396. Heber den Einfluss der Natronsalze
auf den Eiweissumsatz im Thierkörper; von
Dr. JaquesMayerin Karlsbad. (Ztschr. f. klin.
Med. m. 1. p. 82. 1881.)
Nachdem Voit (lieber den Einfluss des Koch-
salzes auf den Stoffwechsel : München 1860) durch
genaueste Versuche gefunden, dass gesteigerte Koch-
salzzufuhr eine Steigerung der Stickstoffausfuhr zur
Folge habe, und letztere durch die Annahme er-
klärt hat , dass vermöge der physikalischen Eigen-
schaften dieses Salzes die Menge der Parenchym-
flüssigkeit vermehrt und durch den gesteigerten inter-
mediären Säftestrom grössere Mengen des cirkuliren-
den Eiweisses der Spaltimg durch die Zellen an-
heimfallen, ist diese Anschanungsweise zugleich auch
für die Natronsalze Überhaupt fast allgemein als
richtig angenommen worden. Spätere Untersuchun-
gen jedoch von Vf. (Ztschr. f. klin. Med. II. 1) und
H. Oppenheim (Arch. f. Physiol. XXIII. p.446)
stimmen mit Voit 's Ansicht nicht Oberein, ergeben
vielmehr, dass die vermehrte Parenchymflüssigkeit
und die damit einhergehende vermehrte Wasseraus-
scheidnng keinen gesteigerten Eiweisszerfall , wie
diess Voit behauptet, zur Folge haben muss. So
hatte Vf. gefunden, dass, wenn er seinem im N-Gleich-
gewicht befindlichen Versuchsthier den 2 — 4fachen
Mittelwerth des bis dahin aufgenommenen Wassers
eine lange Reihe von Tagen beibrachte , der Effekt
in einer nur über den 1. und 2. Tag andauernden
vermehrten N- Ausfuhr sich zeigte, wonach es sich
also nicht um einen vermehrten Eiweisszerfall , son-
dern um eine vorübergehende Auslaugung des in den
Oeweben aufgespeicherten Harnstoffs und anderer
höher gegliederter N-haltiger Körper handeln konnte.
In ähnlicher Weise fand Oppenheim nach einer
Mehraufnahme von 4 Liter Wasser binnen 24 Std.
in derselben Zeit eine Mehransscheidung von 3000
Cctmtr. Harn Wasser und 5 Grmm. Harnstoff; allein
nur die 2 ersten gleich nach dem Mittagsmahl ge-
trunkenen Lit( r hatten Einfluss auf Vermehrung der
Hamstofljiusfuhr , denn letzterer sank später trotz
vermehrter Wassereinfuhr u. Harn Vermehrung selbst
unter die Norm. Auch J. Munk {Hoppe- Set/k/s
Ztschr. f. physiol. Chemie 2. 29. 1878) fand, dass
wenigstens rlas essigs. Natron in kleinen Gaben den
Eiweissumsat7. in nur sehr geringem Maasse steigert.
Bei solchen Widersprüchen hielt es Vf. för ge-
boten, den Einfluss der Natronsalze auf den Eiweiss-
umsatz nochmals einer nähern Prüfung zu unter-
werfen und benutzte hierbei das essigsaure, kohlen-
saure, schwefelsaure und phosphorsaure Salz. Als
Versuchsthier diente eine 22 Kgrmm. schwere Hündin,
welche unter Speck- und Pferdefleischnahrung in das
N-Gleichgewicht gebracht ward. Die Gaben waren
annähernd medicinale, die Versuchsperioden dauerten
nie über 5 Tage. Der Harn ward täglich zu der-
selben Stunde mittels des Katheter entleert und die
Blase hierauf mit einer bestimmten Menge lauwarmen
Wassers ausgespült , der Harn auf seine Menge und
sein spec. Gew. gemessen und mit dem Sptllwasser
täglich auf eine gleich hohe Menge gebracht, die
N- Bestimmungen wurden nach Schneidern. See-
gen ausgeführt. Das Thier bekam täglich 500 Grmm.
Fleisch (=17 Grmm. N), 70 Speck (— 0.14 N)
und 150 Wasser.
Es ergab sich nun aus den Versuchen Folgendes.
1) Beim Gebrauch des emgsanren Natron in
grossem Gaben (täglich 7 Grmm. wasserfrei) ward
die Zersetzung der N-haltigen Substanzen des Kör-
pers bei vermehrter Diurese um eine sehr massige
Menge vennngert. Es waren durch Harn und Koth
ausgeschieden worden vor dem Einnehmen im Mittel
täglich 16.46 Grmm. N, während des Einnehmens
täglich 15.62, die 4 Tage nach dem Einnehmen im
Mittel täglich 16.7 Gramm.
2) Beim Gebrauch von kohlensaurem Natron
wird die Zersetzung eiweissartiger Substanzen ent-
sprechend der dargereichten Menge desselben ge-
steigert. Es erfolgte nämlich ausnahmslos an allen
Tagen, an welchen das Salz — täglich 7, bez. 3.5
Grmm. geglüht — gegeben wurde, eine vermehrte
N-Ausscheidung, d. h. es hatte das Thier an den
ersten Versuchstagen eine ziemliche Menge Eiweiss
abgegeben, entsprechend 5.36 N — 157 Grmm.
Fleisch im Ganzen oder 39.25 Grmm. täglich and
an den 3 spätem Versuchstagen, wo nur 3.5 Grmm.
Salz gegeben worden waren, täglich 17.66 Grmm.
II. Anatomie n. Physiologe.
231
FieiKh abgegeben. Die Diareee war bei GeonsB des Thierkörpers am eine massige Menge verringei-t and
Siltea im Darehsduiitt am etwa 3&'*Jq der Normal- Btebt die Ersparnise &n Ei weis Bsubs tanz in geradem
ianuusclieidDng vennebrt. Verhältniss zur eingeAlhrten Salzrasn^. Ana nach-
3) Beim Gebrauch des eckweftUauren Natron folgender Tabelle ist dieses Veihältniss leicht er-
Tiid die Zersetzong der N-haltigen Substanzen des sichtlich.
I
1.1 Tage ohne Balz ' 68,66 I 66.67
}.5Tagemit 2.G Grmni. Satz . . 86.70 80.06
3,4 Tage ohne Salz ! 68.56 66.92
4.i Tage mit 6 Grmm. 3al£ . . . ! 86.70 ' TT.9Ö
6,4 Tage ohne Salz | 68.66 66.97
Id den Perioden ohne Salzzufuhr zeigt sich überall
völliges S-Gleichgewielit; in den beiden Sslzperioden
üeg, entsprechend dem N-Deficit von 4.5'*/o, bez.
T'/j das Körpergewicht desThiores um ein Beträcht-
liches, nämlich nm 320, bez. 200 Grmm., wobei
Etil gleichzeitig die Diurese um 5 — Ö^/o vermehrt
idgte.
4) Das phogphortaiire Natron, in kleinen Gaben
nnbreicht, übt keinen bemerk enswerthen Kinflnss
uf den Eiweissamsatz im Thici-körper ; beim Ge-
bnnch grösserer Gaben wird die Zersetzung der
dveissartigen Substanzen in massigem Grade ver-
mindert. Die Diurese wird in beiden Fällen ver-
mehrt.
Nach dem Gesagten steht vermehrter Eiweisa-
imsatz mit vermehrter Diurese nicht in Causalneins,
lieimehr findet sich nicht selten verminderter Ei-
Tdssamaatz bei vermehrter Diurese.
Von den 4 geprüften Salzen wirkten die zur
Glaabersalzgnippe gehörigen : das aehwefehaare u.
fiorphorfaiirt Nafron vrm'ndernd und tiir/it, wie
^Igtmein angniomme'i wird, vermf^irend auf den
ÜtttiMVTnKatz de' T/iierkörper».
Von den der Raligruppe angehörigen Salzen,
dem emgsauren und kohlensauren Natron, wirkt
iu erstere io massigem Grade verminderad , das
letztere vermehrenil anf den Eiweissamsatz.
(Naumann.)
397. Ueber d«n Elnfluas der Entziehung
dnEslkea in derlTshnuig und der Fütterung
ndt Hilchsäure auf den wachsenden Organia-
nnia; von Dr. A. Baginsky in Bertin. (Arch. f.
Anat. u. Phyriol.* [Anat. Abth.] 3 u. 4. p. 357.
1881.)
N-i.r
If im
Nder
Einnah-
Eoth
Ausgaben
menim
Tag
1.44
S8.01
17.U
1.80
81.85
17.14
1.44
68.86
17.14
t.80
78.70
17.14
1.44
68.41
17.14
Drei junge Hunde desselb
dem gleichen Putter genährt :
gekochtes Pferdefleisch, 1 7 Gri
dest. Wasser. Dieser kaftj
bei Hund I tftgl. 2 Grmm. ü
2 Grmm. phosphorsaarer Ka
Hund III die gen. Nahrung
hielt. Nach viermonatlicher
Zunahme bei Hund I 1270,
Hund III 1210 Gramm. Hub
tersten, seine Knochen waren
gnngen leicht. Hund I zeig
tete Knochen ; die Zähne wi
wegungen ungeschickt. Ael
nur nicht so intensiv, bot I
Leiche waren makro- und
demngen an den Knochen dei
Das Ergebniss seiner Un
in folgenden Sätzen zusammei
1) Die MitchaänrefUtterun
der Kalksalze aus dem Putte
die Gewichtszunahme der jung
2) Milchsäurefütterung u.
salze erzengen bei jungen Thi
sehr ahnliche Knochen verbildi
3) Die Gesammtasche des
beide Fttttemngsmethoden vei
4) Das Procentverhältnias
bestandtbeite zu einander wird
Die Knochenasche zeigt also
der Zusammensetzung.
5) Alle Veränderungen, i
der Kalksalze erzengt, werde
mit Milchsäure gesteigert
II. Anatomie u. Physiologie.
398. TTeber den TJebertritt des Eies aus und also sehr enge Spalten zu
dem Oraiium In die Tube beim Säogethler ; ren , dass dagegen im Gegens
'Ml Dr. 0. Pinner in Freiburg i. B. (Arch. f. tritt durch die weiten Tubenml
*mL Q. Phy8iol.[Physiol. Äbth.] III. p. 241. 1880.) nicht nachgewiesen worden
Die interessante Arbdt P i n n e r 's gebt von der anSällige Verhältnias klar zu '
BemeAnng aus, dasa zwar in die Bauchhöhle von liehen Kaninchen variable Hi
'Itderen gebrachte Körperchen (Tusche, Zinnober Cctmtr.) leicht erkennbarer Fa
a i w.) in die Lymphgefässe der Serosa gelangen Banchhöble gebracht. Mit i
^32
II. Anatomie u. Physiologie.
gelangen von 11 Experimenten alle ttbrigen, indem
aie nachweisen, dass allerdings ein mehr oder weni-
ger massenhafter Eintritt jener Stoffe in die Tnba
erfolgt. Sie wurden nicht allein hier, sondern selbst
im Utems und der Scheide nach verh<nissmftssig
kursser Zeit (2^3 — 3 Std.) aufgefunden.
Die Einrichtung, welche diesen so regelmässigen
üebertritt bedingt, sucht Vf. in einem constant wir-
kenden Lymphstrom, der in der Umgebung der Ova-
rien , Tuben und des Utems von den zwischen die-
sen und den andern Eingeweiden gebildeten capil-
laren Spalten ausgeht und sich in die Mündung des
Trichters ergiesst. Es ist diess nur ein Bruchtheil
des grossem Lymphstroms, der in der ganzen Bauch-
höhle sein Lager hat. Die Flimmerbewegung spielt
in jenem Brachtheil eine grosse Rolle, während
andere Momente (Dmckdifferenzen, capillare Attrak-
tion) in zweiter Linie stehen.
Wie jenen Körpern, so ergeht es dem Inhalt des
geplatzten EifoUikels, wobei die Wirkungen von
HQlfsapparaten (Bauchfellfalten u. s. w.) nicht aus-
geschlossen sind. In der Regel wird das Ei dem
gleichseitigen Ostium zugehen, es kann jedoch auch
auf die andere Seite übertreten; Vf. erinnert hier
bes. an Leopold 's Versuche. Der Tubarstrom
mit seinen Cilien wehrt dagegen mit Ausnahme der
günstig ausgestatteten Zoospermien allen übrigen
Körpern den Eintritt in den Eileiter in umgekehrter
Richtung. (Raube r.)
399. Beitrage zur EenntniBs der äussern
Formen jüngster mensohlioher Embryonen;
von Prof. Alex. Ecker in Preiburg. (Arch. f.
Anat. u. Physiol. [Anat. Abth.] VI. p. 408. 1880.]
Das betr. Ei war in der Decidua reflexa noch
fest eingebettet, die mit mehreren Lappen der Deci-
dua uteri zusammenhing. Ein glücklicher Schnitt
hatte das Ei passend eröfihet , in welchem sich ein
Embryo von 4 Mmtr. Länge befand. Das Ei von
8 Mmtr. Länge war ringsum mit Zotten besetzt , die
sich in die Reflexa einsenkten. Vom Amnion war
ein Segment abgetragen worden ; durch diese Lücke
erkannte man den nackten Rücken des Embryo,
dessen Rückenfnrche theilweise noch offen war.
Der Embryo erschien stark gekrümmt, Kopf- u.
Schwanzende lagen einander nahe. Aus der Bauch-
concavität trat der kurze Nabelblasenstiel hervor,
der sich rasch zum linksliegenden Dottersack erwei-
terte. Hinter demselben trat ein dicker Strang her-
vor , der Bauchstiel , in welchem nur einige Gefäss-
lumina auf dem Querschnitt vorhanden waren ; eine
blasenförmige Allantois fehlte. Da der Embryo jün-
ger ist als der von Krause beschriebene, 8 Mmtr.
lange 1), so hält Ecker den letztem, der eine
blasenförmige Allantois trägt, fQr anomal. Das
Grosshirn war noch wenig entwickelt , die Strecke
von der Mittelhim- bis zur Nackenkrümmung be-
trächtlich lang. Das Auge erschien als eine schwach
i; «) Vgl. Jahrbb. CLXXXVm. p. 237.
vertiefte, von einem durch die Augennasenrinne unter-
brochenen Wall umgebene, etwas bläuliche kleine
Stelle. Vom Labyrinth- und Nasengrübchen liess
sich nichts erkennen. Es waren drei Visceralbogen
erkennbar, die an die starke BrustwOlbunganstiessen.
Das hintere Körperende bildete einen stumpfen, ^/^
Mmtr. langen Vorspmng , der nach links und auf-
wärts gekrümmt war. Die deutlich erkennbare
obere Extremität bildete eine mit breiter Basis auf-
sitzende Längsleiste. (R a u b e r.)
400. Besitzt der mensohliche Embryo einen
Schwanz ? von Prof. Alex. Ecker. (Arch. f. Anat
u. Physiol. [Anat. Abth.] VL p. 421. 1880.)
Die Abhandlung Ecker 's bildet einen Nach-
trag zu seiner vorhergehenden Untersuchung „der
Steisshaarwirbel'^ und behandelt die äussere Form
des hintern Körperendes (Schwanzes) bei jungen
menschlichen Embryonen , den Bau desselben , den
Steisshöcker und die Reduktion des Schwanzendes,
Hieran schliessen sich Bemerkungen über den Baa
des Schwanzendes bei Säugethierembryonen und ein
Rückblick auf das Wesentliche der sogen. Schwanz-
frage.
Nach den vorliegenden Erfahrungen pflegt bei
jungen menschlichen Embryonen von 8 — 15 Mmtr.
Eörperlänge das untere Eörperende eine ziemlich
spitz zulaufende schwanzförmige Verlängerung zu
bilden, die bei Embryonen von 9 — 12 Mmtr. 1 Mmtr.
und mehr lang ist. Die Basis dieses Schwanzes liegt
dem Genltalkdcker an , den eine Querfurche davon
trennt, in welcher die Cloakenöffnung liegt. Meist
ist die Zuspitzung des Schwanzes eine ganz allmälige,
in einzelnen Fällen ist das Endstück abgebogen.
Das Ende enthält keine Wirbelsegmente mehr, son-
dern besteht aus der Chorda, einem dieselbe um-
gebenden Zellenblastem und dem Hornblatt. Ob
hier noch etwas vom Medullarrohr vorhanden , lägst
E. vorläufig unentschieden. Obwohl das Stück keine
Wirbelanlagen enthält, so glaubt Vf. doch nicht,
dass man demselben den Namen Schwanz verwei-
gern könne. Dieses wirbellose Schwanzstück erfährt
Mhzeitige Reduktion ; die Chorda desselben schlän-
gelt sich oder wickelt sich zu einem Knötchen auf,
während das umgebende Gewebe schwindet. Das
noch mit Wirbeln versehene Endstück der Wirbel-
säule wird zum Steissbein, welches noch längere Zeit
hindurch einen stumpfen Vorspmng, den Steisshöcker,
bildet. Dieser verschwindet darauf einerseits in
Folge der nun eintretenden starkem Krünmiung des
Steissbeins, andererseits durch die stärkere Entwick-
lung des Beckengürtels und seiner Muskeln mehr
und mehr unter der Oberfläche. Die Benennung
„Schwanz^' hält Ecker nur für den die Cloake
überragenden Theil des hintern Eörperendes ange-
messen. (Raub er.)
401. Stadien über das Waohsthum der
Extremitäten beim Menschen nach der Ge-
burt; von Julius Fridolin. (Arch. f. Anat. a.
Physiol. [Anat. Abth.] I. p. 79. 1881.)
n. Anatomie u. Physiologie.
233
Bartscher hatte an Emhiyonen gefunden,
dass deren Oberarm und Oberschenkel (die Stamm-
glieder) in ihrem Wachsthnm relativ an Tjänge stets
abnehmen, während die Endglieder (Hand und Fuss)
stetig an Länge zunehmen. Minder einfache Ver-
hältnisse fanden sich beim Wachsthum der Mittel-
glieder der Extremitäten, des Unterarms und Unter-
ächenkels. Der Unterarm nahm zuerst an Länge
ab, dann trat Gleichgewicht ein ; der Unterschenkel
zeigte zuerst eine Längenzunahme, dann Gleich-
gewicht Wie die von A e b y angegebenen Zahlen-
werthe zeigen, sind die relativen Verhältnisse beim
Erwachsenen ganz andere geworden.
I Fr. suchte nun zunächst den Zeitpunkt zu be-
I summen, zn welchem jener Umschwung der rela-
tiven Wachsthumsenergie stattfindet; für diesen
Zweck galt es, die relative Wachsthumsenergie der
einzelnen Abschnitte der Extremitäten in Bezug auf
Heren ganze Länge ßir die Zeit nach der Geburt zu
stodiren. Der Zeitpunkt des Umschwungs ist nach
Fr.'s Messungen der herauspräparirten Skelettheile
der Extremitäten für die untere Extremität, welche
den Anfang macht, in das erste Halbjahr nach der
Gebart zu verlegen ; für die obere fXLM er in das
a>eite Halbjahr. Die relative Wachsthumsenergie
der einzelnen Extremitätenabschnitte ist eine ver-
schiedene, bietet aber weniger einfache Verhältnisse
dar als bei jüngeren, ungeborenen Embryonen.
Leber das erste Lebensjahr hinaus konnte aus
Mangel an Material die Untersuchung nicht geführt
werden. (Ran her.)
402. Beitrag zur Entwicklungsgesohiohte
der Ezomphalie; von Dr. A. Chandeluc in
Lyon. (Arch. de Physiol. 2. 86r. VHL 1. p. 93—
103. 1881.)
Bei einem Kinde von 2^/2 Jahren fand sich ein
nmbilicaler Anhang von 6 Otmtr. Länge, welcher
seit der Gebart bestand. Zur Zeit der Geburt war
allerdings keine Anomalie bemerkt worden; die
Ligatnr des Nabelstrangs hatte man in üblicher
Weise ausgeführt. Das zurückbleibende Stück aber
verwelkte nicht. Das freie Ende war etwas verdickt
oikI besass eine Oeffnung, die in einen blindge-
sehlossenen Kanal führte. Die Oberfläche des An-
liuiges war granulirt , punktirt u. rosenfarbig. Die
Oberfläche sonderte beständig sehr reichliche schlei-
inige Flflasigkeit ab, die weder gelb gefärbt wai*,
noch den Geruch von Darmiuhalt besass. Beim
lÜDÜeeren des Urins drang kein solcher aus dem
Anhange. Dieser wurde mit dem Bistouri entfernt,
WM nur geringe Blutung verursachte. Nach G T.
w ohne störenden Zufall Heilung aufgetreten.
Die Untersuchung der abgetragenen und gehär-
teten Geschwulst ergab, dass die duesere Schicht
zahlreiche Lieberkühn'sche Krypten beherbergte,
während sie selbst zottenlos war; die mittlere
Schicht des Anhangs zeigte eine dicke Lage sub-
mnkSsen Gewebes, die inneiii Schichten bestanden aus
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 3.
Muskellagen. Das Ganze entsprach der Darmwand;
sie bildete ein Divertikel durch den Nabelstrang.
Dieses Divertikel aber hatte sich umgestülpt. Eine
zweite Lage von darmartiger Beschaffenheit fand
sich im Innern nicht vor ; 0 h. bezeichnet den Fall
als Exomphale fuaiforme diveriictdaire inversL
(Rauber.)
403. Ein Fall von Einmündung der obern
rechten Lungenvene in die obere Hohlvene ;
von Prof. C. Gegenbau r. (Morphol. Jahrb. VI.
2. p. 315. 1880.)
Dieser seltene Fall kam im Heidelberger Prä-
parirsaal zur Beobachtung. Herz und grosse Ar-
terienstämme verhielten sich normal. Die obere
Hohlvene nimmt wie gewöhnlich die Vena azygos
auf. P]twas weniges unterhalb dieser Stelle tritt
aus dem oberen Lappen der rechten Lunge ein kur-
zer Venenstamm hervor und senkt sich in die obere
Hohlvene ein ; es ist die recht« obere Lungenvene.
Sie setzt sich am Lungenliilns aus mehreren kleinen
Venen zusammen. Die Verzweigung in der Lunge
ist die gewöhnliche ; auch die Bronchialverästelnng
bietet nichts Abweichendes dar. Die bestehende
Einrichtung bedingt hiernach eine Einleitung des aus
dem obern rechten Lungenlappen rückkehrenden
Blutes in die V. cava superior und die Mischung des
Eörperblutes des rechten Herzens mit arteriellem
Blut. Die Lungenarterie führt den Lungen ge-
mischtes Blut zu und ein Lungenlappen liefert kein
in den Körperkreislauf übergehendes Blut. Die Be-
ziehung des Falles auf embryologische Befunde ist
bis jetzt nur vermuthungsweise auszusprechen.
(Raube r.)
404. Ueber den Trochanter tertius beim
Menschen; von Carl M. Fürst. (Hygiea XLII.
8. S. 483. 1880.)
Der Trochanter tertius, der bei verschiedenen
Säugethieren vorhanden ist, ist auch mehrfacli schon
beim Menschen gefunden worden. Wilbrand
(Ueber einen Proc. supracond. humeri et femoris.
Giessen 1843) u. B a r k o w (Anatom. Abhandl. Bres-
lau 1851) beschreiben einen zolllangen Knochenaus-
wuchs am Labium exteiiium lineae asperae, den
Barkow Proc. supracond. ext. nennt, und ver-
gleichen ihn mit dem Troch. tertius beim Pferd,
Tapir und Dasypus. Da dieser Processus aber
unterhalb der Mitte des Femur lag, da ferner in
dem Falle von Wilbrand das Caput breve bici-
pitis sich daran heftete, kann nach F. dieser Fort-
satz wohl kaum als Trochanter tei*tius gedeutet wer-
den, da sich an diesen stets der Glutaeus inaKimns
anheftet und der Trochanter tertius nur ausnahms-
weise an der untern Hälfte des Femur liegt. Gru-
ber (Monographie des Canalis supracondyl. luimeri.
St. Petersburg und Leipzig 1856 — Mem. des sav.
Strang, de TAcad. imp. de St. Petersb. Tome VIII)
erwähnt eine kurze Notiz C r u v e i l h i e v 's , in der
30
234
IL Anatomie n. Physiologie.
es sich unzweifelhaft um einen Trochanter tertins
beim Menschen handelt. Luther Holden (Hu-
man osteology V. Edit. 1878) erwähnt, wie es
scheiat ebenfalls »ach eigener Erfalirung, das Vor-
kommen eines Trochanter tertius beim Menschen.
Ausserdem spricht Seh we gel (Ztschr. f. rat. Med.
1861) von 3 Tubercula der obern Femurhälfte, von
denen das 3. möglicherweise mit dem von Orn-
veilhier und Luther Holden beschriebenen
Processus identisch ist.
Waldeyer (Arch. f. Anthropol. XU. 16;
Aug. 1880) meint, dass der Trochanter tertius eben
so oft beim Menschen vorkomme, als der Proc. sn-
pracondyloideus humeri , der fast in allen anato-
mischen Handbüchern Erwähnung findet. Dass der
von Cruveiihier und Luther Holden be-
schriebene, von Waldeyer auch abgebildete Pro-
cessus mit dem Trochanter tertins bei Säugethieren
homolog ist, dafür spricht, abgesehen von seiner
Lage, der Umstand, dass er als Anheftungsstelle
für den Glutaeus maximus dient. Der Trochanter
tertius liegt beim Menschen gleich unter dem Tro-
chanter major und stimmt so in Bezug auf seine
Lage fast genau mit dem bei den Inse<itivora und
Rodentia überein.
Unter 22 untersuchten Skeletten hat Waldeyer
7 mit einem Trochanter tertius gefunden (31.8^/o) ;
in allen Fällen war er aber nicht so stark ent-
wickelt, als in dem einen, der der Abbildung zu
Gninde gelegt worden ist, und in dem sich am
Skelett einer gracilen, durchaus nicht mnskelstar-
ken Elsässerin je ein Trochanter tertius an bei-
den Oberschenkeln fand. Bei einer 18 J. alten
Italienerin war er ebenfalls auf beiden Seiten vor-
handen ; die übrigen Fälle betrafen einen besonders
stark gebauten Piemontesen, einen Türken, sonst nur
Elsässer. Der Trochanter tertius war stets gleich
stark entwickelt an beiden Schenkeln und wechselte
in der Grösse von ungefilhr 10 Mmtr. Länge, 7Mmtr.
Breite u. 4 Mmtr. Höhe, bis 34 Mmtr. Länge, 10 Mmtr.
Breite und 11 Mmtr. Höhe.
Auf Grund dieser Untersuchungen W a l d e y e r 's,
namentlich in Hinsicht auf die Häufigkeit des Vor-
kommens des Trochanter tertius beim Menschen,
unternahm Fürst seine Untersuchungen, denen die
in der anatomischen Sammlung zu Upsala befind-
lichen Skelette zu Grunde gelegt sind, nebst einigen
Becken, an denen sich der obere Theil der Ober-
schenkelknochen noch befand. Unter 43 unter-
suchten Skeletten und Beckenpräparaten befanden
sich 12, in denen der Trochanter tertius vorhanden
war. In 3 von diesen Fällen war er besonders
stark entwickelt: bei einem 13jähr. Knaben mit
grossem Trochanter tertius an beiden Schenkeln,
bei einer Frau mit stark entwickeltem Troch. tertius
auf dem einen und schwach entwickeltem auf dem
andern J^emur, dasselbe war der Fall bei einem
Männerskelett, bei dem aber der Unterschied zwi-
schen beiden Seiten noch grösser war. Alle 12 Fälle
betrafen Schweden. Im anatomischen Museum des.
Karolini'schen Instituts hat F. feraer die Skelette
und mehrere einzelne Femora von jungem nnd
altem Individuen untersucht. Von 40 untersuchten
Skeletten zeigten 15 den Trochanter tertins (5 ein-
seitig, 10 auf beiden Seiten). Von den 6 Lappen-
Skeletten der Sammlung hatten 4 den Trochanter
tertius (2mal auf der einen Seite, 2mal auf beiden
Seiten), von den beiden mit beiderseitigem Trochan-
ter tertius versehenen Skeletten gehörte das eine
einer ihrer Zeit bekannten Riesin an, die im Alter
von 43 J. starb. Bei einer Hottentottin fand sich
der Trochanter tertius auf beiden Seiten, bei einem
Guarani-Indianer auf der rechten Seite ; die übrigen
Skelette rührten von Schweden her, davon war der
Troch. tertius bei einem 14jähr. Knaben nnd bei
einem 22 J. alten Manne auf beiden Seiten, bei
einem 31jähr. Manne links vorhanden.
Ausser diesen Skeletten hat Fürst 72 einzelne
Schenkelknochen untersucht und darunter 24 mit
einem Trochanter tertius gefunden. Von den Kno-
chen stammten 31 aus der Steinzeit (10 Troch. ter-
tius), 2 aus der Eisenzeit (beide mit Tr. t.), 18 ans
dem Mittelalter (4 mit Tr. t.), 6 von Finen (2 mit
Tr.t.), 15 von Schweden aus der neuern Zeit (6 mit
Tr. t.). Die Knochen aus der Steinzeit rührten aus
schwedischen Ganggräbem, die aus der Eisenzeit
(wahrscheinlich demselben Individuum angebörig)
aus dem Bollnäsgrab, die aus dem Mittelalter zum
grössten Theile aus schwedischen Gräbern. Ein
Skelett von einer Mumie, das F. nntersucht bat,
hatte auf keiner Seite einen Trochanter tertins.
F. hat demnach 83 Skelette nnd 238 einzelne
Knochen untersucht. Von den 83 Skeletten fand
sich der Trochanter tertius in 27 (32.5<>/o), von den
den Skeletten angehörigenl660berschenkelknoclien
besassen ihn aber nur 45 (27.1<^/o), von den 72 ein-
zelnen Schenkelknochen 24 (33.30/o), von allen 238
untersuchten Schenkelknochen G9 (29.5<>/o).
In Bezug auf das Vorkommen des Trochanter
tertius an den Skeletten stimmt die von F. gefan-
dene Procentzahl fast genau mit der von Waldeyer
gefundenen. Wenn Waldeyer 's Untersuchungen
mit denen Fürst 's zusammengestellt werden, so
ist von 105 Skeletten der Trochanter tertins an 34
(32.4<^/o) gefunden worden, er scheint also nngefiüir
bei jedem 3. Menschen vorzukommen, doch nicbt
stets in gleich hohem Grade entwickelt; der grösste,
den Ftlrst gefunden hat, war 12 Mmtr. hoch,
40 Mmtr. lang und 15 Mmtr. breit (bei einem
schwedischen Manne), er war auf beiden Seiten vor-
handen und auch auf beiden Seiten gleich gross.
Nach Waldeyer kann man an der vordem
Fläche des obern Femurrandes am obern Tlieile
der Linea obliqua fast constant 2 Knochenknötchen
(Tuberc. sup. et inf.) wahniehmen , welche beson-
ders starken Anheftungen der Hüftgelenkskapsel
entsprechen. Das Tuberc. sup. ist in französ. Hand-
büchern erwähnt und bei Sappey abgebildet, dem
Tuberc. inf. entspricht jedenfalls das von Seh we-
g e 1 (Knochenvarietäten. Ztschr. f. rat. Med. XI«
III. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
235
1861) Tnberc. IId. intertrochant. genannte. Die
Liaea aspera theilt sioh nach Waldeyer nach
oben zu in 2 Schenkel, von denen der laterale zur
Wnnel des Trochanter major geht; der mediale da-
gegen geht vermittelst seiner Fortsetzung in die
Lioea obliq[ua unter dem Trochanter minor zum
vordem ohem Theil des Trochanter major. Dazu
gesellt sich in den meisten Fällen eine 3., oft
aehwiehere, vom Trochanter minor abwärts gehende
Liiüe, die zwischen die beiden Schenkel zu liegen
kommt. Die Linea obliqua dient am obern Theile
iIb Insertionspunkt dem Ligamentum ileofemorale
osd dem Vas^s internus, der sich nicht blos an der
Linea obliqua und deren Fortsetzung gegen das
Labinm int. lineae asperae inserirt, sondern auch
am Labium int. selbst. Die mittelste, vom Troch.
minor abwärts gehende Linie bezeichnet die Inser-
tion des Pectineus; an der lateralen inserirt sich
im mittleren grossem Theile der Glutaeus maximus
(hier entwickelt sich am obern Theile der Insertion
der Ti'ochanter tertius), am obern Theile, nach dem
Trochanter major zu der Quadratns femoris, medial
vom Glutaeus maximus der Adductor minimus, late-
ral der Vastus extemns. Fast constant gesellt sich
zu diesen 3 Linien eine 4., welche keine Muskel-
insei*tion bildet, sondern eine longitudinale Kante,
sie beginnt unter der Basis des Troch. major und
verläuft parallel mit dem Labium externum und
lateral von demselben abwärts bis zum mittleren
Drittel des Femur. (Walter Berger.)
III. Hygfeine, Diätetik, Pharmalcologie u. Toxilcologie.
405. Elinisohe Erfahrungen über die Diu-
tetika; von Dr. Maure l, Marinearzt. (Bull, de
Tb6r, XCVm. p. 97. 157. 206. 254. Fövr. 15. 29 ;
Mm 15. 30. 1880.)
Vf. unterwarf eine Anzahl von Mittehd , welche
man hauptsächlich als Diuretika zu geben pflegt,
dner nähern Prtlfung und kam zu der üeberzeugung,
da88 dieselben jenen Ruf nicht in der Weise, wie
wm gewöhnlich annimmt, verdienen. [Vf. hat jedoch
seine Versuche an relativ Gesunden unter Verhält-
nissen angestellt, unter welchen man überhaupt keine
Diuretika giebt, auch waren bei denjenigen Personen,
bd welchen man letztere zu geben geneigt sein
kann (Pleuritis, Rheumat. artic), die Krankheitspro-
eease abgelaufen. Es pflegt aber nach Verabreichung
der fraglichen Mittel eine Diurese, wenn sie nicht
dnrch zugeführtes Getränk selbst unterhalten wird,
nur da ergiebig und andauernd einzutreten, wo sich
bereits grössere Ansammlungen von seröser Flüssig-
keit finden , die man zur Aufsaugung bringen will.
Man wird daher kaum von dem Ergebniss , zu wel-
chem Vf. kam, auf eine gleiche Wirkung, bez. Wir-
kungslosigkeit gedachter Stoflfe auch belEi'ankheiten
iehiiessen dürfen. Ref.]
Vf. hat die von ihm geprüften Mittel gewöhnlich
in 60 Grmm. Flüssigkeit gegeben.' Der Harn der
Boter möglichst gleiche Verhältnisse gebrachten Ver-
soolwperson ward 15 Tage hindurch — 5 Tage vor,
5 während und 5 nach dem Einnehmen — hinsicht-
lieh seiner Menge und Dichtigkeit bestimmt. In Be-
zog auf das Verhalten der einzelnen Mittel ist Vf.
ZQ folgendem Ergebniss gekommen.
1) Das KaU nitricum vermehrt in beträchtlicher
Menge die festen Harnbestandtheile , und zwar am
meijBten bei Gaben von 4 — 6 Grmm., während eine
Vermehrung des Wassers zweifelhaft ist. Diese Ver-
iDehraDg der festen Bestandtheile steht nicht im Ver-
idltniss zur Menge des eingenommenen Salzes, denn
^ war nach 4—6 Grmm. stärker als nach 8 Grmm.
^^ in letzterem Falle noch geringer, als die Menge
^«^bBorbirten Salzes betrug.
2) Das Kcdi chloricum wirkt weniger stark als
das Nitrum auf die Vermehrung der festen Bestand-
theile , vermehrt dagegen in merklicher Weise die
Wassermenge; im Allgemeinen wirkt es aber nur
schwach diuretisch.
3) Das KaU aceticum, in Gaben von 3 — 6 Grmm.
verabreicht , wirkt unsicher sowohl in Hinsicht auf
Veimehrung des Wassers , als der festen Bestand-
theile. Denn bei 6 Versuchen war die Wassermenge
nur in 2 Fällen vermehrt , in einem blieb sie unver-
ändert, ja in einem war sie sogar erheblich vermin-
dert. Auch die festen Theile zeigten sich während
der Anwendung 2mal verminder^u. in den 4 andern
Fällen stand ihre Menge unter der des absorbirten
Salzes.
4) Das Jodkalium wü*kt nicht nur nicht diu-
retisch, sondern vermindert sogar die Hamabsonde-
rung.
5) Das aaUcyhaure Natron wirkt unsicher in
Bezug auf die Menge des Wassers, vermehrt dagegen
die festen Bestandtheile ; unter 6 Fällen waren die-
selben nur einmal ein wenig vermindert, 5mal be-
trächtlich vermehrt, im Mittel um 3.42 Grmm. bei
einer Gabe von nie über 2 Gramm.
6) Von den drei pflanzlichen Stoffen wirkt nur
die Digitalis wirklich diuretisch , indem sie sowohl
feste (5.38 Grmm. nach höchstens 2 Grmm. der
Arzenei) als flüssige Theile vermehrt.
7) Die Tinctura colchici war fast ohne alle
Wirkung auf die Hamabsonderung ; einestheils zeigte
sich die Hammenge nach 2 — 4 Grmm. nur unbe-
deutend vermehrt, andererseits die Menge der festen
Bestandtheile vermindert.
8) Die Tinctura Scillae u. Oxym, scülit, zeig-
ten ebenso unsichere und entgegengesetzte Resultate,
indem die Menge des Harns, sowie dessen feste Be-
standtheile das eine Mal vermehrt, das andere Mal
vermindert waren.
Sämmtliche Mittel waran in Gaben gegeben wor-
den , wie man sie Kranken zu verabreichen pflegt.
Von ihnen allen wirkt nach Vf. das Nitrum am
236
m. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
auffälligsten und man kann bei seiner Anwendung
auf eine Vermehrung der festen Hambestandtheile,
welche Vio ^^^ i^ ^^ S^^- abgesonderten Menge
entspricht; rechnen, während sie bei den andern ge-
nannten Mitteln ^/^o bis ^/^q betrug. Eine Veimeh-
rung des Wassers ist nach Vf. mit Sicherheit nur
von der Digitalis zu erwarten. (Naumann.)
406. Ueber Wirkung und Gebrauch des
oitronensauren Coffein als Diuretikum und die
Wirkung der Diuretika im Allgemeinen.
Dr. David J. Brakenridge in Kdinburg
(Edinb. med. Journ. XXVII. p. 4. [313.] July;
p. 100. [314.] Aug. 1881) hebt in der Einleitung
zu seiner beachtenswerthen Arbeit hervor , dass die
Verhältnisse , welche bei der Hamabsonderung in's
Spiel kommen, bei der Auswahl der Diuretika häufig
nicht die gehörige Berücksichtigung finden und niur
hierdurch der gewünschte Erfolg so häufig nicht
erreicht wird. Es erscheint daher gerechtfertigt,
diese Verhältnisse, welche natürlich auch bei An-
wendung des in Rede stehenden Diuretikum in Be-
tracht zu ziehen sind, hier kurz zu erörtern.
Nachdem C. Ludwig dargethan hatte, dass
die Harnabsonderung im Allgemeinen entsprechend
der Erhöhung des Blutdrucks steige, glaubte man
auch das wesentlichste Moment für die Wirkung der
Diuretika gefunden zu haben, indem man annahm,
dass sie durch eine solche Druckerhöhung den in
den Glomernlis stattfindenden Filtrationsprocess be-
schleunigten. Dieiß Erklärung kann jedoch nm*
theilweise genügen ; sie genügt nicht für diejenigen
Fälle, in welchen trotz vermehrten Drucks keine
Diurese eintrat und in welchen andererseits eine
solche eintrat, selbst bei Verminderung des Blut-
drucks. Eben so wenig lässt sich auf gedachte
Weise die Verschiedenheit des Harns von der Blut-
flüssigkeit erklären, selbst wenn man annimmt, dass
der durch die Glomeruli filtrirte Harn bei seinem
weitem Verlaufe durch die Hamkanälchen, von den
diese umgebenden Venen theilweise resorbirt und
das Exkret hierdurch concentrirter gemacht werde.
Vielmehr sprechen alle neuem Versuche (Ustimo-
witsch, Henschen, Paulynski) dafür, dass
die Hamabsonderung durch zwei Hauptmomente be-
dingt werde, durch Filtration, welche durch die
Qlomeruli, d. h. den Blutdruck, und durch Sekretion
nach Art anderer Drüsen (z. B. der Speicheldrüsen),
welche durch das Nierenepithel vermittelt wird. Ins-
besondere war esNussbaum^^ welcher eine vom
Blutdrack unabhängige, rein sekretorische Tliätig-
keit der Niere an den Amphibien nachwies , indem
er durch Unterbindung der Nierenarterie einseitig —
wie diess wegen der eigenthümlichen Gefässanordnung
bei diesen Thieren möglich ist — die Filtrirfunktion
der Glomeruli ausschaltete und so die Niere in ein
rein secernirendes Organ, ähnlich der Speicheldrüse,
verwandelte. Es zeigte sich, dass nach Einspritzung
gewisser Substanzen, besonders von Harnstoff, in's
Blut auch jetzt, also nach Ausschluss aller Filtration,
1
eine Vermehrung der Diurese unter Ausschddang
jener Stoffe erfolgte. Eine derartage Beförderung dei
Hamabsonderung ist kaum andera zu erklären all
durch Annahme eines besondern Reizes , den jene
Stoffe auf die Epithelzellen der Niere ausüben. Di
dem Blut fremdartigen Hambestandtheile, jeden&U
der Harnstoff und wahrscheinlich noch andere, sina
es aber auch, welche hauptsächlich und in selektive!
Weise durch die Epithelzellen unter Anregung der
Sekretion ausgeschieden werden , während die Glo-
meruli auf rein physikalische Weise wirken. Ei
kann indessen ein erhöhter Blutdmck insofern anch
auf Vermehrung der Sekretion durch die Epithel*
Zellen wirken , als er die gesammte Girkulation m
der Niere beschleunigt, ein verminderter Blntdmcl^
aber dadurch, dass er, wegen stockender Filtration
in den Glomerulis, den Epitlielzellen durch das Blai
mehr feste Bestandtheile zuführt als bei normaleni
Dmck.
Es werden hiemach die Diuretika wirken
1) indem sie den Blutdruck in den GlomeruliB
steigern, resp. den Blutumlauf in der Niere be-
schleunigen (vaskuläre Diuretika, z. B. Digitalis),
2) durch Anreizung des Drttsenepithels.
Als eine dritte Art der Wirkung ist eine Ver-
änderung des Diffusionsprocesses zu nennen, wie sie
wahrscheinlich durch gewisse salzige Mittel, be-
sonders das Kali acet., herbeigeftthrt wird. Endlich
kann die Wirkung eines vaskulären Diuretikum
(Digitalis) durch ein auf das Epithel wirkendes er-
höht werden und umgekehrt.
Was nun das citronensaure Coffein anlangt, so
war auf dessen starke , fast augenblickliche diure-
tische Wii'kung bereits 1879 von Gubler, später
von Shapter und von Leech (Practitioner 1880)
aufmerksam gemacht worden. Auch Braken-
ridge fand dieselbe bei einer grossen Anzahl von
Hydropsien , bedingt durch Herz- und Nierenkrank-
heiten , bestätigt und rühmt das Mittel als ein sehr
werthvoUes Diuretikum. Nach Gubler, Shapter
und Leech wirkt dasselbe auf doppelte Weise, näm-
lich sowohl durch Erhöhung des Blutdracks, als
durch Reizung des Nierenepithels. Nach B r. ist letz-
tere Art der Wirkung die bei Weitem stärkere, ja
vielleicht allein in Betracht kommende und, nach
Meinung Aller, derjenigen entsprechend, welche das
Pilocarpin auf die Speicheldrüsen ausübt (wie denn
B r. auch nach Coffein, citi*. unter Umständen Schweiss-
und Speichelsekretion einti'eten sah). Wir ftlhren
hier zunächst einen Fall an, in welchem doffein.
citr. für sich allein gegeben Heilung brachte.
Derselbe betraf einen Mann von 40 J., welcher nach
vorausgegangener akuter desquamativer Nephritis allge-
meines Anasarka, leichten Ascites and Oedem der Lange
bekommen hatte. Er erhielt 0.18 Grmm. des Salzes 3mai
täglich, anfanglich ohne dass die Diärese vermehrt wurde,
ja es mnsste das Mittel wegen Kopfschmerz u. Erbrechen
eine Zeit lang aasgesetzt werden. Dagegen stieg, c».
3 W. nach Fehlschlagen des ersten Versuchs, bei aber-
maliger Anwendung des Coffein die Menge des Harne ali-
mälig auf 3360 Grmm. und es erfolgte Heilnag*
in. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie n. Toxikologie.
237
lo einem 2. Falle gleicher Art brachte jedoch
das Coffein keinen Ri*folg (wogegen durch Digitalis
mit Kali acet. Heilang erzielt wurde) nnd Br. stand
TOD weiterer Anwendung des Coffein in den ersten
Stadien desquamativer Nephritis ab. Von noch grös-
serem Interesse , weil die Wirkung des Coffein auf
das Nierenepithel deutlich zeigend, ist folgender
Fall, in welchem dasselbe gleichzeitig mit Digitalis
angewendet wurde.
Die 40Jähr. Kr. litt an Stenosis mitralis mit Herz-
erweitemog, Luogenddem, Ascites nnd allgemeinem Ana-
fiiika; der Pols war äosserst sohwaeh nnd unregelmässig,
es bestand Cyanose. Es worden anfänglich 0.18 Grmm.
Coff. 2mal tägl. gegeben, worauf Uebelkeit, Kopfschmerz,
Erbrechen eintrat und die Hammenge von 360 auf 300
Grmm. sank. Es wurden nun 10 Tr. Tinct. Digitalis
4BtDodig , spater 15 Tr. gegeben ; die Harnmenge sank
sof 240 und stieg die nächsten Tage nur bis 450 Gramm.
Wegen der schweren Zufalle wurden der Digitalis 0.18
Gnnm. Coffem Smal täglich zugefügt und sofort änderte
ach der Znstand derart , dass der Harn in den nächsten
6 Tagen aof 1860, bez. S400, 2150, 1290, 3180 und 4170
Gnom, stieg.
Offenbar war hiernach die nur schwache Digi-
taliswirkuDg doi'ch Zugabe von Coffein gewaltig ver-
stärkt worden , resp. hatte das für sich allein eben-
falls unwirksam gewesene Coffcinsalz sein^ mächtige
Wirkung nur durch Verbindung mit Digit-alis erhal-
teD, was noch dadurch bewiesen ward^ dass, als B r.
letztere jetzt aussetzte , die Hammenge sofort von
4170 auf 1 950 sank, dagegen bei Wiederanwendung
der Digitalis noch an demselben Tage auf 3600 Grmm. ,
tieg. Dass diese starke Diurese nicht durch die
Digitalis allein herbeigeführt worden sein konnte,
bewies ausserdem der stets nur schwach anzufühlen
gewesene nnd anregelmässig gebliebene Puls.
Br. erklärt die Gesammtwirkung beider Mittel
durch die Annahme, dass das Coffein durch sekreto-
lüehe Reizung der Epithelzellen a fronte wirke und
ioerdarch die Vis a tergo der Digitalis befördert, resp.
der Blutstrom durch die Nieren beschleunigt werde.
Debrigens achwanden unter gedachter Behandlung
dieHydropsien nnd genas die fragliche Kranke unter
späterer Anwendung von Tonicis, soweit diess ttber-
ittopt m^lich war.
Anch tlber das Verhalten des Harnstoffs nach
Verabreichung von Coffein hat Br. in 8 Fällen
UntersuchuDgen angestellt. Es zeigte sich besonders
in den ersten Tagen stets eine Vermehrung dessel-
iien, jedoch, bei ausschliesslicher Verwendung des
Coffein , nie über die eigentliche Norm ; später sank
die Menge desselben etwas , so dass es schien , als
▼enn nur die Ausscheidung einer abnorm angehäuf-
ten Menge bewirkt, nicht aber die Bildung des Harn-
stoflb vermehrt werde. In dem einen Falle betrug
die Menge des Harns die beiden Tage vor Anwen-
doDg des Coffein 420 mit 2.8, bez. 640 mit 5.62
Grmm. Harnstoff; am 2. und 3. Tage nach Vcrab-
leiehung des Coffein, 0.18 Grmm. 3mal täglich,
1860 mit 17.0, bez. 1620 mit 19.6 Harnstoff.
Auf Grund seiner Untersuchnngen stellt Br. fol-
geode Sätze auf.
1) Das Coffein, citric. führt eine Vermehrung der
Menge des Harns nicht herbei in Fällen , in welchen
die Nierenepithelzellen erkrankt sind — wie z. B.
in den ersten Stadien der desquamativen Nephri-
tis — , selbst wenn vaskuläre nnd salinische Diure-
tika die Harnmenge noch beträchtlich vermehren.
2) Eben so wenig geschieht diess in Fällen von
durch Herzkrankheit bedingtem Hydrops , bei wel-
chem man Grund hat anzunehmen, dass die DrUsen-
epithelzellen bereits das höchste Maass der Arbeit
leisten , oder durch Uebernahme der Arbeit des
Filtrirapparat^ erschöpft sind.
3) Wenn da& citronens. Coffein als Diuretikum
wirkt , vermehrt es nicht nur den Gehalt des Harns
an Wasser , sondern auch den an Harnstoff sehr be-
trächtlich, wofern letzterer vorher abnorm vermindert
gewesen war.
4) Seine Wirkung ergänzt in ausgezeichneter
Weise die der Digitalis, so dass in Fällen, in wel-
chen beide, allein gegeben, erfolglos waren, ein
schlagender Erfolg eintrat, wenn sie zusammen ge-
geben wurden.
5) Die Verbindung der Digitalis mit dem Coffein,
citric. bewirkt eine sehr auffilllige , resp. procentigc)
Vermehrung des Harnstoffs , welche nicht durch die
Hypothese der Filtration erklärt werden kann.
In Uierapeutisc/ier Hinsicht ergiebt sich hieraus
Folgendes.
1) In Fällen, in welchen das Drüsenepithel er-
krankt und bereits auf dem höchsten Punkt der Lei-
stungsfähigkeit angelangt oder gar erschöpft ist , ist
das Coff. citr. nicht anzuwenden.
2) Während der Genesung von desquamativer
Nephritis , wenn die Enieuerung des Epithels einen
gewissen Grad erreicht hat, scheint das Coff. ('itr.,
vorsichtig gegeben , entschieden günstig zu wirken
und einen trophischcn, resp. sekretorischen Reiz aus-
zuüben.
3) In den Fällen, in welchen der Blutdruck leid-
lich normal ist, ist das Coffeinsalz für sich zu geben,
nicht in Verbindung mit einem vaskulären Diureti-
kum.
4) Bei Hei'zkrankheiten ohne Compensation , wo
der Blutdruck und Blutlauf durch die Nieren herab-
gesetzt, allgemeiner Hydrops vorhanden und die
Nierenarbeit nur noch durch Sekretion , nicht Filtia-
tion vor sich geht , ist zunächst ein vaskuläres Diu-
retikum (Digitalis) zur Wiederherstellung der für die
Coffeinwirkung wesentlichen Bcdinj^iingen auf kurze
Zeit, 1 bis 3 oder 5 Tage zu geben, bevor man mit
dem Coffein beginnt.
5) Coffein, citric. in solcher Weise mit der Digi-
talis, die man nicht aussetzen darf, verbunden, wirkt
sehr rasch als ausserordentlich starkes Diuretikum
und befördert insbesondere auch s'^hr bedeutend die
Ausscheidung des Harnstoffs.
6) Weil jede starke Reizung einer Drüse, zumal
im Zustand schlechter Ernährung, fi-üher oder später
von einer Erschöpfung gefolgt zu sein pflegt , so ist
238
III. Hygieine, Diätetik, PhÄnnakologie u. Toxikologie.
gedachtes Mittel nur zeitweise und in begrenzter
Dauer zu geben.
7) Grosse Gaben sind deshalb zu vermeiden;
0.18 Grmm. 1-, 2- bis 3mal tÄglich sind für alle
Zwecke genügend.
8) Ist durch das Coffein ein günstiger Erfolg er-
zielt, so hat man sich zugleich zu bestreben, ihn
durch passende Diät, Tonika etc. dauernd zu er-
halten.
9) Bei sehr starkem Ascites , wo ein Druck auf
den Nierengefitesen , Nieren und Harnleitern lastet,
ist jedwedes Diuretikum so lange erfolglos, als jener
Druck nicht beseitigt ist.
10) Das Coffein, citric. kann in Pillen oder Lö-
sung gegeben werden.
Dr. Lewis Shapter (Med. Times and Gaz.
July 9. 1881) erklärt die diuretische Wirkung des
citi-onens. Coffein durch seinen Binfluss auf das sym^
patlnsche Nervensystem y und zwar besonders auf
die Herzganglien. Durch Reizung der vasomotori-
schen Nerven bewirke es Contraktion der GefÄsse
und in Folge derselben Erhöhung des Blutdrucks.
Aus der schon von Brakenridge erwähnten
Abhandlung von Dr. J. Leech in Manchester (Prac-
titioner Vol. XXIV. Nr. 4. 6. 7. 1880) brauchen
wir nur die in klinischer Hinsicht wichtigen Bemer-
kungen hei-vorzuheben, da die theoret. Betrachtungen
desselben von B r a k e n r i d g e schon berücksichtigt
worden sind.
Leech wandte das citronens. Coffein zunächst,
und zwar für sich allein gegeben, in 7 Fällen von
Herzkrankheit an. In 4 derselben hatte es einen
augenscheinlichen Erfolg, in einem 5., wo die Herz-
erkrankung sehr vorgeschritten, obgleich nur massige
Ausschwitzungen bestanden, blieb die günstige Wir-
kung aus, ebenso in einem 6., in welchem das Herz-
leiden von chronischen Nierenveränderungen beglei-
tet war. Im 7. schienen Magenstörungen , die das
Mittel veranlasste, seinen Erfolg beeinträchtigt zu
liaben.
Bei akuten Nierenkrankheiten trug L. kein Be-
denken, das Coffeinsalz anzuwenden; in 2 dergl.
Fällen erfolgte sofort eine Steigerung der Harn-
menge , in einem 3. zeigte sich kein Erfolg. Eben
so wenig nützte es bei chronischen Nierenkrank-
heiten [es wui-de jedoch allein angewendet]. Fol-
gender Fall möge hier Erwähnung finden.
Eine 44Jähr. Frau zeigte 4 Wochen vor der Aufnahme
die gewöhnliöhen Erscheinungen akuter parenchymatöser
Nephritis. Daneben bestand allgemeines Oedem u. Bron-
chitis. Ein Purgans ans Jalappe minderte das Oedem ;
salinische Diuretika blieben ohne Einfluss aaf die Ham-
menge. Es wurden jetzt 5 Tage hindorch 3mal täglich
18 Ctgrmm. Coff. citr. gegeben. Sofort stieg die Harn-
menge, welche vorher ca. 600 Grmm. betragen hatte, auf
900, bez. 1740, 1660, 1860, 1800, 1200, 1380 Grmm.
täglich, imd es hielt diese Steigerung auch mehr oder
weniger an, nachdem das Mittel, weil Uebelkeit n. Kopf-
schmerz eingetreten war, ausgesetzt worden war (1140,
bez. 2100, 1800, 1650, 1620, 1260 Grmm. taglich). Als
die Kr. das Hospital verliess, war das Oedem verschwun-
den , aber der Urin noch speoiflsch leicht und noch ei-
weiBBhaitig.
Ferner sah L. von demCoflf. citric. bei ^^ünier
leibswasaersucht" dunklen Ursprungs insofern Erfolg
als in dem einen derartigen Falle Heilung eintrat
in den beiden andern ebenfalls ergiebige Dinrei
erzielt wurde , doch erfolgte der Tod durch akoti
Peritonitis, bez. in Folge von Krämpfen. Im «rsten
Falle waren in Zeit von 9 Mon. 4mal, zuletzt 3 Wa
chen vor der Aufnahme, mittels der Paracentex
grosse Mengen Flüssigkeit entleert worden. Nad
Anwendung von CopaivabaUam und andern Diur&
ticis gab L. das Coffein zu 0.18 Grmm. 3stündlich.
Das Mittel musste wegen Eintretens von Kopfsofamen
und Uebelkeit 1 Woche lang ausgesetzt werden, be-
seitigte aber nach abermaliger Verabreichung dei
Ascites sehr rasch und nach 4 Mon. war die Krankt
gesund.
Auch nach L.'s Erfahrung bewirkt das Coffein,
citr. in Fällen von Oedem und Ascites verschiedeneD
Ursprungs oft noch Diurese , wenn mächtige Diure*
tika erfolglos gewesen waren , während es andere^
seits ebenfalls unwirksam bleibt, wo andere noeh
helfen. Auch nach seiner Ansicht wirkt das CofL
citr. [wie bereits oben angedeutet wurde] theils
durch Beeinflussung des Kreislaufs , theils spedfisch
auf die Nieren. In letzterer Beziehung hebt L
gleichfalls hervor , dass er in einem Falle nach An-
wendung des Coff. ausser Vermehrung der Harn-
Sekretion, noch solche des Speichels beobachtet habe.
Der Digitalis gleicht es insofern , als es direkt rei-
zend auf das Herz wirkt und den Blutdnick ver-
grössert, nicht aber, wie jene, oder nur wenig auf
den Vagus. Wenn Aubert (Arch. f. Physiol.
1872) fand, dass das Coffein den Blutdruck herab-
setzte, so beniht diess auf der Anwendung einer zo
grossen Gabe ; bei massigen Gaben wird derselbe,
sowie auch die Frequenz , stets vergrössert. Dem
entsprechend sah auch L. in 2 Fällen erst einen Er-
folg , nachdem er die Gaben vergrössert hatte (von
0.54 auf 1.20 Grmm. täglich).
Für die Annahme, dass die Wirkung des Coffein
durch gleichzeitige oder nachfolgende Anwendung
von Digitalis gesteigert werden könne, führt L. einen
Fall von Stenose der Mitralis mit Ascites an , wel-
cher letztere , nachdem vorher Coffein gegeben und
starke Diurese ei'zeugt worden war , durch nachfol-
gende Digitalis rasch beseitigt wurde , obschon die
Regelmässigkeit des Pulses nicht ganz wieder her-
gestellt werden konnte.
Zweierlei Uebelstände beeinträchtigen indessen
nach L. den Nutzen des Coffein, citric. : einmal die
rasche Gewöhnung des Organismus an und die häufig
vorkommende Intoleranz gegen dasselbe, welche
wenigstens zeitweise ein Aussetzen nöthig macht.
Schlüsslich erwähnen wir einen Fall, in welchem
die Erscheinungen der Lebercin*hose bestanden.
Nach vergeblicher Anwendung von Juniperus , Ja-
lappe und anderen Hydragogis wurden zuletzt 3 Mo-
nate hindurch Copaivabalsam zu 2.4 Grmm. 2- bis
3stündi<; , dazwischen mehrere Tage hindurch Coff.
citric, astündig 0.18 gegeben. Nachdem die
in. Hygieine, Diätetik, Pluurmakologie u. Toxikologie.
239
Flfisägkeit «ns dem Leib entfernt worden war , trat
die Diärese während des Fortgebrauchs desOopaiva-
balsam ganz besonders stark liervor und der Kranke
koDDte 3 Wochen darauf frei von Ascites entlassen
«erden. (0. Nanmann.)
407. lieber die Wirkung der gebräuch-
lichsten Antiseptika auf einige Gontagien;
TOD Ä. K r a j e w s k i , mitgetbeilt von Prof. S e m -
mer in Doi'pat. (Arch. f. exper. Pathol. u. Phar-
makol. XIV. 1—2. p. 139. 1881.)
Die Wirkung der Antiseptika auf Bakterien zer-
ftlltnach Kr. in 2 Gruppen, von denen die erste
die Wirkung auf Fäulnissbakterien, die zweite die
WiikoDg aaf Coniagien umfasst.
Hinsichtlich der ersten Gruppe sind folgende
Torarbeiten hervorzuheben. Dongallu. Crace-
C&lvert(1872) prüften das Verbalten einer gan-
m Beibe antiseptischer Mittel zu den Bakterien in
fiernnfusum, faulendem Harn und Eiweisslösungen
nd Händen am vnrksamsten Ghlorarsenik , Sublimat
und Höllenstein. Aebnliche Unterauchungen machte
1874 Billroth und fand am wirksamsten Sublimat
BDd Weinessig; Cai'bolsäure zeigte sich ziemlich
üehwach wirksam. Nach Bergeron hebt unter-
Behwefligs. Natron im Verhältniss von 1 : 10 die Be-
wegODg der Bakterien auf. Hoppe-Seyler be-
obsehtete, dass 5proc. Carbolsäurelösung in einem
Gemisch von gleichen Theilen llefebrei u. Hydrocelen-
üfiBBigkeit die Entwicklung von Pilzen und Infusorien
lundert. Nach Sanderson (1871) werden Bak-
terien von 0.5proc. Carbolsäurelösungen getödtet.
Dongall fand, dass die Carbolsäure die Eigen-
ttbaft besitzt^ die Lebensiahigkeit der Bakterien auf-
zuheben, die Virulenz der Faulflttssigkeiten aber
Dicfat vernichtet. Satterthwaite und Gurtis
«»DStaliirten das Gleiche von der Salicylsäure.
Bacbholz prüfte 1876 eine Reihe antiseptischer
Mittel und fand , dass die Bakterienentwicklung in
Putetir'scher Flüssigkeit am stärksten durch Subli-
nttt (1 : 20000) , Thymol (1 : 2000) und benzoes.
Sfttron (1 : 2000) gehemmt wird , während auf das
Fortpflanzungsvermögen der Bakterien am stärksten
vernichtend Chlor (1 : 25000) , Jod (1 : 5000) und
Brom (1 : 3333) einwirken. Haberkorn ^) prüfte
^ Wirkung derselben Antiseptika , welche B u c h -
holz gegen die Bakterien des Tabakinfuses beson-
nen wirksam gefunden hatte , hinsichtlich der Wir-
^QDg auf die Harnbakterien und fand, dass die Ent-
^eklang der Bakterien im Harn am besten gehin-
dert TOd durch Sublimat (1 : 25000) , Thymol
(1:3000) und äther. Senföl (1:900). Kühn 2)
^ Bach, dass aus verschiedenem Nährboden stam-
mende Bakterien , in die gleiche Nährflttssigkeit ge-
btMht, sich gegen Antiseptika verschieden verhalten ;
^) Das Verhalten der Etembakterien gegen einige
Antiseptika. Inang.-Diss. Dorpat 1879.
'-' *) Ein Beitrag zur Biologie einiger Schizomyceten.
^.•DiB8. Dorpat 1880.
im Allgemeinen aber wirkte am stärksten antiseptisch
das Sublimat. Nach Lane Notter (1879) zer-^
stört Chlorkalk Bakterien und üble Gerüche ; Chlor-
zink zerstöi*t Bakterien , lässt aber einen schwachen
Geruch zurück ; Carbolsäure zerstört den üblen Ge-
ruch, aber nicht ganz die Bakterien ; ein Gemisch
aus Chlorzink und Schwefelsäure zerstört den Fäul-
nissgeruch y hebt aber die Bewegung der Bakterien
nicht auf. Die Terebene wirken ähnlich. Kali
hypermang. vernichtet den Geruch, nicht aber die
Fermente ; ebenso wirkt Chloralhydrat und ein Ge-
misch von Carbolsäure und Gips.
Hinsichtlich der 2. Gruppe, die es mit der Wir-
kung der Antiseptika auf Coniagien zu thun hat,
sind zunächst die Arbeiten D a v a i n e 's zu erwäh-
nen. Er fand, dass frisches verdünntes, aber wirk-
sames Milzbrandblut am besten unwirksam gemacht
wird durch Chromsäure (1 : 6000) und Salzsäure
(1:.3000). Declat empfahl eine äusserliche und
innerliche Behandlung des Milzbrands mit Iproc.
Carbolsäurelösung und Cesard die gleiche Be-
handlung mit Jodtinktur 1:500—4000. Feser
fand , dass die Virulenz des Milzbrandblutes aufge-
hoben wird nach „längerer" Einwirkung von 0.05
Grmm. Salicylsäure auf 1 Grmm. wirksames Milz-
brandblut und nach Istündiger Einwirkung von
0.1 — 0.5 Grmm. Salicylsäure auf 1 Grmm. Milz-
brandblut. Bert theilte mit, dass die Virulenz des
Milzbrandbluts durch Einwirkung des comprimirten
Sauerstoff und des absol. Alkohol verloren geht.
Ortli (1873) konnte das Contagium des Erysipelas
durch 2proc. Carbolsäurelösung und durch längeres
Kochen vernichten. Ha liier (1867) schwächte die
liintwicklung der CÄoZerabakterien durch 0.77proc.
Chininlösung. Nesdwetzky constatirte , dass die
Bewegung und Fortpflanzungsfähigkeit der Cholera-
bakterien am besten vernichtet wird durch Salzsäure
(1 : 1820) , während das sonst so wirksame Chlor-
wasser erst bei einer Concentration von 1 : 24 wirk-
sam war und Chinin und Cai'bolsäure ebenfalls nur
wenig leisteten. Nach Braidwood und Vacher
(1877) vermag weder Kälte noch Wärme unter
46<> C. die Wirksamkeit der KrJipockenlymphe auf-
zuheben; dagegen vernichteten die Mineral- und
Pflanzensäuren und Metallsalze schon in geringen
Mengen zugesetzt die AnstecKungsiUhigkeit. Die
Impf kraft wurde aufgehoben durch schweflige Säure,
Chlor, Kupferalaun, Eisenalaun, Ozon, die Terebene,
frische Lösungen von Kali hypermanganicum, 25proc.
Carbolsäurelösungen , Carbolglycerin und längere
Einwirkung von 5proc. Carbolsäurelösungen und
Chinin. Dagegen erwiesen sich Salicylsäure , Bor-
säure und Chloralaun wenig wirksam. Nach D a -
vaine (1874) wird die Wirkung septischen Blutes
am besten zerstört durch Jod (1 : 10000) , weniger
gut durch Kali hypermang. (1 : 3000) , Chromsäure
(1 : 3000) u. Carbolsäure (1 : 100). 0 n i m u s (1873)
constatirte , dass Carbolsäure , Alkohol , Jodtinktur,
Salpetersäure, Schwefelsäure und Sublimat die Wirk-
samkeit des sept. Blutes aufheben. Nach D r e y e r
240
in. HygieinC; Diätetik^ Pharmakologie n. Toxikologie.
(1873) wird das septische Contagium vernichtet
diuch Chlorwasser, Carbolsäure (1:50) und Kali
liypermang. (1 : 3000). G u t m a n n ^) konnte durch
Beliandlung des septischen Blutes mit absolutem
Alkohol und 4proc. Carbolsäurelösung, sowie durch
Kochen und Fäulniss die Giftigkeit desselben ver-
nichten.
Krajewski prüfte zunächst die Wirkung der
Antiseptika auf das Contagium der Kaninchen-
saptikämies indem er die Resultate durch Impfungen
mit dem unversetzten Stoffe controlirte. Er fand
dabei; dass die Wirksamkeit des septischen Blutes
vernichtet wird am besten durch Jod (1:11520),
weniger gut durch Sublimat (1 : 400), Salicylsäure
(1 : 300) , Kupfervitriol (1 : 160) , Schwefelsäm-e
(1:160), Höllenstein (1:160), Aetzkali (1:160),
Salzsäure (1 : 80) , carbolsaures Natron (1 : 40),
Thymol (1 : 40) , Chlorkalk (1 : 20) , Eisenvitriol
(1 : 20), Salpetersäure (1 : 20), Alkohol (1 : 1).
Sodann machte Kr. Kulturversuche mit den nach
Davaine, Koch, Pasteur, Champerland,
Vulpian, Gntmann u. A. die Septikämie be-
dingenden Bakterien und fand, dass diese Bakterien
in Kaninchenfleischbrühe sich bei38— 40öC. schnell
vermehren, dass diese Bakterienkulturen gesunden
Kaninchen eingeimpft ebenso die Septikämie er-
zeugen wie wirksames septisches Blut, dass aber
die Fortpflanzungsfähigkeit der septischen Bakterien
schnell und sicher vernichtet wird durch lOproc.
Lösungen von Carbolsäure, Schwefelsäure, Salz-
säure, Kupfervitriol, Höllenstein u. Aetzkali ; Subli-
mat wirkte dagegen schon in 4proc. Lösung.
Weiter prüfte Krajewski die Wirkung der
Antiseptika auf das Erydpelgift und fand, dass die
Wirksamkeit erysipelatösen Exsudates vernichtet
wird durch lOproc. Lösungen von Carbolsäure,
Aetzkali, Aetznatron, Höllenstein und Kupfervitriol,
durch Sublimat jedoch bereits in 2proc. Lösung.
Endlich konnte Krajewski noch die Resul-
tate der Impfungen Toussaint's^) mit auf 55^
erwärmten Milzbrandblute auch für die Septikämie
bestätigen. Toussaint gelang es bekanntlich
dm*ch Impfungen mit 10 Min. lang auf 55<* C. er-
wäi*mtem Milzbrandblute Schafe und Hunde gegen
den Milzbrand vollkommen immun zu machen. Die
geimpften Thiere zeigten nur ganz unbedeutende
Gesundheitsstörungen und erwiesen sich nach einer
Incubationsdauer von 10 — 12 Tagen gegen Im-
pfungen mit wirksamem Milzbrandblut vollkommen
immun. Das gleiche wichtige Resultat erzielte Kr.
bei der Septikämie der Kaninchen. Für die Theorie
der Impfung sind daher seine Versuche von nicht
zu unterschätzendem Werthe. (K o b e r t.)
408. Das Verhalten der Bakterien des
Fleischwassers gegen einige Antiseptika ; von
1) Experimenteller Beitrag zur Lehre von der putri-
den Intoxikation und Septikämie. Inaag.-Diss. Dorpat
Dr. Nicolai Jalan de la Croix, Assist, am
pathol. Institute zu Dorpat. (Arch. f. exper. Pathol.
u. Pharmakol. XIII. 3. 4. p. 175. 1881.)
Vorliegende Arbeit ist so umfangreich und be-
handelt so viele Details der Bakterienfrage, dass
eine Recapitulation derselben auf engem Räume ge-
radezu unmöglich ist. Wir müssen uns daher be-
gnügen, einige Punkte, welche von besonderer Wich-
tigkeit sind, hervorzuheben.
Vf. constatirte zunächst, dass Buchholz 'sehe
Nährflttssigkeit ^) ein für das Gedeihen von ans Ei-
weissinfusen stammenden Bakterien ungünstiger Nähr-
boden ist, wie sie nach K ü h n ' s Untersuchungen ja
auch für die Mutterkombakterien ungünstig ist. In-
folge dessen wandte er als Nährflüssigkeit Fleiseh-
wasser an, welches bereits H. v. B o e h 1 e n d o r f f ^
in seinen biologischen Untersuchungen als eine för
Bakterienkulturen äusserst geeignete Nährflüssigkeit
erkannt hatte. Das Allerbeste wäre es ja freüidi
gewesen, wenn lebendes Fleischwasser, d. fa. leben-
dige Thiere hätten benutzt werden können, wie es
Klebs*) und Graham Brown für ihi^e Ver-
suche über benzoäsaures und salicjlsaures Natron
gethan haben; diese Experimente am lebenden
Thiere waren jedoch für Vf. zu complicirt, er ver-
wendete deshalb als ein dem lebenden Organismus
möglichst nahe stehendes Fluidum, das Fleisch-
wasser. Als Aussaat benutzte er Bakterien, welche
in Fleischwasser durch spontane Infektion mit Kei-
men aus der Luft herangewachsen waren. Mit
dieser Nährflüssigkeit und den aus ihr hervorgegan*
genen Bakterien war Vf. bemüht durch verschieden
variirte Versuchsreihen bestimmte Resultate über
die Wirkung antiseptischer Mittel gegen Bakterien
zu erzielen, und zwar versuchte er, solche Anti-
septika zu finden, welche auf Bakterien schon in
geringen Concenti*ationen wirken, gegen pflanzliche
und thierische Fermente aber recht unwirksam sind.
[Das Verhalten der Antiseptika gegen Emnlsin^
Myrosin, Diastase, Invertin, Ptyalin, Pankreatio,
Pepsm und Labferment war nämlich kurz vorher
von Iwan Wernitz^) untersucht worden, so dass
dieser Theil der Frage nicht erst bearbeitet zu wer-
den brauchte.] Mit Hülfe solcher Antiseptika hoffte
Vf. die endgültige Entscheidung der Frage nach der
Causalität der Bakterien bei denjenigen Processen
zu erleichtem, wo sie constant angetroffen werden,
eine Causalität, die eigentlich nur für die Essig-
gährung durch die Arbeiten von Pasteur, Adolf
1879.
■
>) Becueil de m^decine vöt^rinaire. 1880. p. 732.
0 100 Th. Wasser, 10 Th. Candiszucker , 1 Th.
weins. Ammon, 0.5 Th. phosphors. Kali.
3) Ein Beitrag zur Biologie einiger SehiKomyoeton.
Inaug.-Dlss. Dorpat 1880.
3) Uebertinige therapeatiBolie Gesichtspunkte, welebe
durch die parasitäre Theorie der Infektionskrankheiten
geboten erscheinen. Mittheil, ans dem pathol.-anat* ^^'
stitute zu Prag. Heft 2. p. 18. 1880. Vgl. J«h*
CLXXIX. p. 14.
4) Ueber die Wirkung der Antiseptika auf nngefonnte
Fermente. Inaog.-Diss. Dorpat 1880.
m. Hygieine; Diätetik^ Phannakologie u. Toxikologie.
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242
in. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
409. Pharmakologische Mittheilungen ans
der skandinavisohen Literatur.
1) Ein vom Bisquitfabri kanten M, Andersen in
Aarhus fabricirtes dänisches Kindermehl wurde von
Dr. G. G. 8 tage (Hosp.-Tidende 2. R. VIII. 17.
S. 323. 1881) untersucht und mit den gebräuch-
lichem andern Kindermehlen verglichen, namentlich
mit dem NestW^Yi^n.
Die za verschiedenen Zeiten von Breidahl und
Garn in Aarhas ausgeführten Analysen haben folgende
Zusammensetzung ergeben :
Ded. 1879. Jan. 1880. Febr. 1880. Mai 1880.
Elweissstoflfe 11.1% 12.46% 13.5% 12.0%
Fett . . 6.6 6.2 3.1 2.9
Zucker und
Dextrin 43.4 41.6 40.8 42.6
Mehlstoff . 26.1 32.0 31.9 32.6
Auf S tage's Rath sind indessen einige Veränderun-
gen in der Zusammensetzung vorgenommen worden. Der
Geschmack der zuerst zugesendeten Proben war etwas
widerlich im Vergleich mit iVe«</e'« Präparat, so dass viele
Kinder es nicht nehmen wollten; diess lag, wenigstens
zum Theil, daran, dass mit Fleiss besonderes Gewicht
darauf gelegt worden war, das Mehl so vollständig als
möglich zu Dextrin umzubilden; das Mehl selbst, wie auch
die Fäces der Kinder hatten eine stärker bräunliche
Farbe. Diesem Uebelstande ist dadurch abgeholfen wor-
den, dass die spätem Fabrikate weniger Dextrin ent-
hielten; trotzdem aber fand sich bei der Analyse der
Fäces von Kindern, die von diesem weniger Dextrin ent-
haltenden Kindermehl bekommen hatten, unverdautes
Dextrin, ein Beweis, dass die grosse Menge Kohlehydrate,
welche das Eiweiss und Fett ersetzen sollen, nicht alle
der Ernährung zu Gute kommen, sondern zum Theil un-
verdaut wieder fortgehen; später hat St. keine Klagen
wieder darüber gehört , dass die Kinder das Mehl nicht
nehmen wollten. Ferner ist die Fettmenge etwas ver-
mehrt worden, so dass sie auf mindestens 6% gestie-
gen ist.
Stage hat dieses Eindermehl in vielen Fällen,
namentlich bei Sommerdiari'höe mit oder ohne Er-
brechen angewendet. In manchen Fällen wurde die
Diarrhöe rasch gestillt , oft nachdem vorher Salep
oder Hafergrtttzsuppe ohne Erfolg angewendet wor-
den war ; namentlich war das Mittel in dieser Hin-
sicht wirksam, nachdem der Dextringehalt vermindert
worden war. In einigen Fällen dauerte die Diar-
rhöe während der Anwendung des Mehles fort, doch
kommt diess auch beim iV^^^^^schen und bei andern
solchen Mitteln vor.
In einer Reihe von Fällen liess S t. das Kinder-
mehl noch weiter anwenden , nachdem die Diarrhöe
gestillt war, und wog die Kinder in sehr kurzen
Zwischenzeiten. In mehreren dieser Fälle wurde
eine ganz beträchtliche Zunahme eraielt, namentlich
in einigen Fällen , in denen die Kinder gleichzeitig
die Brust nahmen, die Mütter aber nicht Milch genug
hatten für die ausschliessliche Ernährung mit solcher.
Wenn mit der Anwendung des Kindermehls auf-
gehört und wieder zur Milchnahrung zurückgekehrt
wurde, nahmen die Kinder in der Regel rasch weit
stärker an Gewicht zu.
In einigen Fällen hat S t. bei elenden, schlecht
ernährten Kindern das dänische Kindermehl als aus-
scliliessliche Nahrung längere Zeit hindurch ange-
wendet ; die Eltern wurden angewiesen, die Kinder,
so viel sie wollten, von dem Mehl nehmen zu lassen,
wobei aber die Zahl der Mahlzeiten streng regel-
mässig eingehalten wurde. Als Beispiel des Erfolgs
theilt S t. folgenden Fall mit.
Ein 2Vi Mon. altes aufgefüttertes Kind litt an Er-
brechen, Koliken, mit elendem Ernährungszustand n. ans-
gebreitetem Wundsein an den Nates und Oberschenkehi
und dünnen, gelblichen, sehr häufigen Stnhlentleerangen.
Bei ausschliesslicher Ernährung mit dänischem Kinder-
mehl hörte das Erbrechen bald auf, die Fäces wurden
dicker, die ^olik horte auf und das Kind befand sich im
Ganzen gut. Eine Woche lang indessen war das Wohl-
befinden gestört durch eine leichte Bronchitis mit gleich-
zeitiger Diarrhöe. Das Kind nahm das Mehl 62 T. lang
und nahm während dieser Zeit an Gewicht zu von 3490
bis 6625 Grmm., also im Durchschnitt 32 Grmm. für eüien
Tag. Es entwickelte sich leichte Rhachitis des Thoru,
die aber wohl mehr durch die frühere schlechte Emih-
rung des Kindes und die künstliche Ernährung überhaupt
bedingt, nicht als Mangel der Ernährung durch das Mehl
zu betrachten sein mag.
St. ist überzeugt, dass das fragl. Präparat dea
gebräuchlichen Kindermehlen vollständig an die Seite
gestellt werden kann. Namentlich aber hebt er her-
vor, dass dasselbe grosse Sicherheit für die Richtig-
keit der angeblichen Znsammensetzung darbietet,
da die Fabrikation von jedem Arzte in Augenschein
genommen werden kann.
2) Strohtnehl, aus getrockneten und gemahlenen
Roggenhalmen bereitet, ist ein lockeres, gelbgraues
gröberes Pulver, mehlartig von Consistenz und Ge-
sclimack. Es wird nach C. K i ö n i g (Tidsskr. f.
prakt. Med. 9. S. 137. 1881) in Hedemarken aU
Hausmittel gegen sogenannte Kolikschmerzen ange-
wendet, worunter wohl periodische Anftlle von mehr
oder weniger heftigen Magenschmerzen mit Ver-
dauungsstörungen zu verstehen sind. Es enthält
die Bestandtheile des Halmes : Holzstoff, GeUulose,
Kieselsäure, Kali-, Natron-, Kalk- und Magnesia-
salze. In 100 Theilen Asche des Halmes finden
sich nngeßUu- 61 Theile Kieselsäure, 22 Theile Kali-
und Natronsalze und 7 Theile Kalk- und Magnesia-
salze, also Stoffe, die sich gegen Magen- und Darm-
katarrh und deren Folgen wirksam erwiesen haben;
der pulveiisirte Holzstoff dient als eine Art FflUnng,
die ja auch als zweckmässig und stärkend für die
Verdauung betrachtet wird. Ob die Kieselsäure,
die sich im Strohmehl in grosser Menge vorfindet,
eine andere Wii'kung als eine mechanische hat, kann
K. nicht entscheiden , er weist aber auf die Wirk-
samkeit der kieselsauren Alkalien bei gichtiscben
und rheumatischen Leiden, Lithiasis und Oberhaupt
Krankheitszuständen hin , die in träger Verdanoog
ihren Ursprung haben. Das Strohmehl wird ein&ch
in Wasser gertthrt (1—2 Theelöffel voll auf 1 GUb)
genommen oder mit gutem Roggenmehl (gleiche
Theile oder etwas weniger von letzterem) zu Brei
gekocht, mehrmals am Tage ; die erste Portion länt
K. gewöhnlich früh nüchtern nehmen, die andere
2 — 3 Std. nach dem Mittagsessen.
Ausser in den erwähnten Fällen hat K. das
Mittel besonders nützlich befunden bei hartnäckiger
IV. Pathologie, Therapie it. medicinische Klinik.
243
ehrooiseher Diarrhöe mit Eolikschmerzen. Dass das
Mittel sowohl gegen Diarrhöe, wie gegen Veratopfung
virken soll, könnte widersprechend erscheinen, aber
bekanotlich können beide Zustände gleichzeitig be-
gteheo, wenn die verstopfenden Scybala nur dünnere
Eikiemente vorbeilassen ; durch Anregung der Darm-
moskolatar zu grösserer Wirksamkeit hebt das Stroh-
mehl dieKoprostase, die als Reiz wirkenden und die
Dlurhöe erregenden Scybala werden entfernt und
mit ihnen letztere selbst.
Djls Mittel, das mit einem systematischen Namen
Farina straminü secalia eerealis zu benennen wäre,
ist in der Apotheke des Reichshospitals zu Christiania
das Kilogramm zu 1.60 Krone (ungefähr 1 Mk.
80 Pf.) zu haben.
1 3) Greve (Tidsskr. f. prakt. Med. 16. 1881)
onpfiehlt JodkaKum in grossen Gaben als Mittel
gegen chronische Hautkrankheiten, besondere Pso-
liasis. Er beginnt die Kur mit einer Mixtur von
10 Grmm. Jodkalium zu 300 Grmm. Wasser (3mal
täglich 1 Esslöffel) mit Zusatz eines bittem Extrakts,
wenn die Verdauung nicht gut ist. Am 2. oder
3. Tage muss das Mittel gewöhnlich wegen Kopf-
Khmerz, mitunter auch mit Debelkeit, ausgesetzt
werden, kann aber bald wieder angewendet werden ;
jed» neuen Mixtur werden 5 Grmm. Jod mehr zu-
gesetzt, bei Schwindel, Benommenheit und üebelkeit
wird die Dose wieder herabgesetzt. Später wird
& Toleranz gegen das Mittel sehr gross, G. steigert
gewöhnlich bis auf 30 : 300. Wenn G. erst bis zu
Grsnundosen (bei denen die Wirkung auf die Haut-
^nokheit beginnen soll, sich zu zeigen) gelangt war,
hat er nie die Kur abzubrechen gebraucht. Je rascher
die Dosis gesteigeii; werden kann, desto rascher soll
die Hautaffektion schwinden.
4) Prof. Bamberg (Hygiea XLII. 3. Svenska
läkaresällsk. förhandl. S. 16. 1880) macht darauf
aufmerksam, dass die Morphium muriaticum ent-
haltende Gelatine im Laufe längerer Zeit undurch-
sichtig und bräunlich wird. Da ein anderer Arzt
nach Verabreichung solcher braungefärbter Gelatine
eine andere als die erwaiiiete Wirkung , namentlich
auch Ekel, beobachtet hatte, unterwarf H. dieselbe
der Untersuchung ^xd Äpomorphiny was jedoch nicht
nachgewiesen werden konnte. Holm ström hat
bei Anwendung solcher Morphiumgelatine in einem
Falle von Gallensteinen Erbrechen, aber keine
schmerzstillende Wirkung folgen sehen, Pont in
hat gefunden, dass solche Gelatine weniger wirk-
sam ist.
6) Nach Alfred Benzen (Ugeskr. f. Läger 4. B. III.
1. 2. 1881) enthielten Oahianöl-Kapseln („Capsnles Gar-
dy d'huile de Gabian*^), die er sich aas Paris kommen
Hess, nur etwa« IOV2 Grmm. rohes Petroleum, das nicht
dem frühern offloinellen Petrolenm entsprach, sondern
jedenfalls dem rohen amerikanischen Petroleum. Die
Kapseln haben nach ihm den Fehler, dass sie zu klein,
zu dick und zn thener sind, er hat deshalb selbst Kapseln
anfertigen lassen, die danner, leichter löslich a. elastisch
sind und diese mit 25Ctgrmm., 50Ctgrmm. nnd IGrmm.
reinem Petrolenm, später, als er rohes amerikanisches
Petrolenm erhalten konnte, mit diesem gefüllt. Solche
von Benzon hergestellte Kapseln haben kanm Vs <les
Preises des franzosischen Präparates. Das Petroleum
scheint sich in den Kapseln gnt za halten.
6) Elastische Gelatinekapseln werden nach Lever-
tin (Hygiea XLII. 4. Svenska läkaresällsk. förhandl.
S. 29. 1880) von Apotheker Boberg gefertigt, sie sind
29 Mmtr. lang and haben 19 Mmtr. Qaerdarchmesser,
sind von elliptischer Form und enthalten 5 Grmm. Oleam
ricinl oder Oleum Jecoris aselli. (W alterBerger.)
IV. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
410. Ueber einige Lfthmnngsfonnen spi-
nalen und peripheren Ursprungs; von Dr.
C.Eisen lohn (Dentsches Arch. f. klin. Med.
XXVI. 5 u. 6. p. 642. 1880.)
ImAnschloss an die Schilderung eines Falles von
Bleilähmnng, bei welchem die sorgfältigste mikro-
^op. Untersachnng die Unversehrtheit des Rttcken-
nwks und der Nervenwnrzeln darthat, während
Muskeln und periphere Nerven mehr oder weniger
»trophiach waren , erklärt E., dass man sich wohl
bequemen mflsse, eine periphere anatomische Ur-
»che wenigstens ftlr die meisten Fälle von Blei-
liiiniiing zuzulassen. E^ will damit die Möglich-
^^j dass in einzelnen Fällen (Valpian u. Ray-
mond) die graue Substanz des Marks erkranken
könne, nicht geleugnet haben. Gegen die myo-
pathische Theorie Friedländer 's spreche denn
to zu laut die Thatsache des ausserordentlich ver-
xhiedenen Befallenwerdens verschiedener Muskel-
P^pen. Es bleibe nichts übrig , als auf die pri-
J^ Läsion der motorischen Nerven zurück zu kom-
i^Q. E. vermathety dass auch im Verlauf peripherer
^ervenst&nmie funktionell zusammengehörige, wenn
auch nicht direkt benachbarte Nervenfasern gemein-
schaftlich erkranken können, dass sich so der schein-
bar spinale Typus der Lähmung erkläre.
Der subakuten atrophischen Spinallähmung hat
man neuerdings als klinisch verwandte, oft am
Lebenden von jener nicht trennbare Form die spon-
tane generalisirte parenchymatöse Neuritis (Joffroy)
zur Seite gestellt. E. ist auf Grund eines von ihm
beobachteten Falles der Ansicht , dass auch die am
meisten peripher gelegenen Organe des „cortico-
muskularen Leitungssystems^, die Muskeln, entweder
primär oder gleichzeitig, mit den intramuskulären
Nerven und motorischen Nervenstämmen ergriffen
werden können.
E. berichtet ferner über 2 Fälle von spinaler
Kinderlähmung mit genauer anatomischer Unter-
suchung. In beiden Fällen handelte es sich vor-
nehmlich um eine Myelitis der grauen Substanz, die
in allerdings verschiedener Intensität ziemlich lange
Strecken der Vordersänlen ergriffen hatte. Damit
wird die Angabe von Ro y e r nnd Damaschino,
Roth, Fr. Schnitze u.A. bestätigt, dass in einer
relativ frühen Periode nicht cironmscripte Herd-
244
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
erkrankungen, sondei'n mehr diffuse Veränderangen
durch längere Strecken der grauen Substanz das
Substrat der Krankheit bilden. Doch war die Nei-
gung zur Herdbildung in dem Sinne einer Lokalisa-
tion der grössten Intensität ebenfalls markirt. Auch
war der Process nicht streng auf die Vordersäulen
beschränkt , die Vorderseitenstränge und die Hinter-
hömer waren ebenfalls deutlich erkrankt. Der Pro-
cess hatte alle Gewebe mit Einschluss der Gefilsse
ergriffen, es war durchaus kein Anlass, eine primäre
Alteration der Ganglienzellen (C h a r c o t) anzuneh-
men. Klinisch fand E. bei beiden Fällen in den ge-
lähmten Muskeln die Entartungsreaktion, die er auch
bei 7 andern Fällen zu constatiren Gelegenheit hatte.
In den frischesten Fällen konnte er namentlich die
Steigerung der direkten galvanischen Erregbarkeit
in den ersten Wochen und die allmälige Abnahme
bis zu erheblicher Herabsetzung auf das Evidenteste
nachweisen. E. hat die Ansicht gewonnen, dass
die Galvanotherapie bei der spinalen Kinderlähmung
sehr wenig leiste. Der Reparationsprocess im Rücken-
mark , der Gang der Atrophie und Degeneration an
Nerven und Muskeln wird seinen Eindrücken nach
kaum dadurch beeinflusst. [Auch Ref. hat von der
Behandlung mit constanten Strömen wenig Erfolg
gesehen, dagegen scheint ihm eine methodische Fara-
disation der gelähmten Muskeln von zweifellosem
Nutzen zu sein, wenigstens mehr zu leisten als jede
andere Behandlnngsweise.] (M ö b i u s.)
411. Zur Frage der trophisohen Nerven;
von Dr. B. S t i 1 1 e r. (Wien. med. Wchnschr. XXXI.
5. 6. 1881.)
Eine Pat. St. 's litt seit ihren frühen Mädchen-
jahren an dem lästigen Uebel , durch jede Emotion,
ob aufregender oder deprimirender Natur, von einem
Herpes der Lippen oder Nasenflügel befallen zu
werden. Pat. besuchte keinen Ball, kein Familien-
fest, ohne in Folge ihrer Aufregung von Herpes lab.
befallen zu werden. St. selbst hat sich bei ge-
gebenem Anlass von dem Ausbruche des Exanthem
überzeugt und konnte dabei andere Krankheits-
ursachen, wie Katarrhe, Gastricismen, Wechselfieber,
mit Sicherheit ausschliessen. Der Anaschlag unter-
schied sich in nichts von dem gewöhnlichen Herpes
naso-lab. u. heilte nach einigen Tagen unter Krusten-
bildung. Die Dame war in den Dreissigem, kräftig,
doch nervös erregbar , litt zeitweise an Lach- und
Weinkrämpfen, selbst an Muskelzuckungen. Sie
hatte 3mal geboren, das Genitalsystem zeigte nichts
Abnormes.
S t. verftlgt noch über einen 2. derartigen Fall,
wo er jedoch sich durch eigene Anschauung vom
Gausahdexns zu überzeugen nicht in der Lage war.
Es handelte sich um eine intelligente 22jähr. Frau,
die zuweilen sich an Concerten betheiligt und dann
nie ohne Herpes das Podium betreten hatte. Auch
auf Bällen trat der Herpes auf, St. sah ihn selbst bei
einem Begiübnisse. Die Pat. war nicht hysterisch^
hatte früher an Trigeminusneuralgie und an Hemi-
kranie gelitten.
S t. benutzt diese Beobachtungen, welche er sich
ohne Annahme trophischer Nerven nicht erklären
kann, zum Ausgangspunkt eines langem Exkurses
über trophische Nerven und das Recht, solche anzu-
nehmen. (Mob ins.)
412. Seltenere Krankheitsfälle mit Affek-
tion des trophisohen Nervensystems ; von Dr.
W. Alexander zu Liverpool. (Lancet I. 25. 26;
June 18. 25. 1881.)
I. ünregebnämge symmetrische Pigmentflecke mU
Anästhesie derselben.
Ein zartes, 18 J. altes Mädchen wurde im November
1879 mit einer gonorrhoischen Endometritis autjBfenommea.
Bald nach der Aufnahme fand man einen beträchtlichen
Theil des Körpers mit gelblich-braunen Flecken bedeckt
Diese waren sehr zahlreich auf den Armen, dem Bauche
und den Oberschenkeln, seltener im Geweht, auf Bficket ;
und Brust. Sie waren nicht durchaus, aber der Heh^:
zahl nach symmetrisch angeordnet und überschritten d]«
Mittellinie nicht. Die Verbreitung der Flecke Hess keine
Beziehung zu den Gebieten bestimmter Nerven erkemieo.
Die Haut war an den betr. Stellen, abgesehen von der
abnormen Farbe, normal bis auf ihre Empflndlicbkeit,
welche sich bei oft wiederholter Prüfung beträchtliek
vermindert zeigte. Im September 1880 hatten die Flecke
sich noch vergrössert , die Anästhesie war im Gleichen,
Pat. hatte inzwischen sekundäre Syphilis durchgemacht.
Pat. war früher ganz gesund gewesen, hatte Englani
nie verlassen. Als 5Jähr. Kind bekam sie zuerst einig»
braune Flecke auf dem Bücken der linken Hand, dann
wurde der linke Arm ergriffen, dann rechte Hand and
rechter Arm. lieber den weitern Gang der Krankheit
wusste sie nichts Bestimmtes anzugeben.
U. Elephanti<uis Ortiecorumf complidrt mit braunen^
anäsihetischen Hautflecken.
Ein 40jähr. Matrose wurde im September 1878 mit
einem geschwollenen und gerötheten Gesieht und einigen
Blasen an Hand und Fase aufgenommen. Die Blasen
heilten bald, aber im November kehrte Pat. zurück mft
neuen zahlreichen Blasen und einem von rothen Knötchen
bedeckten Gesicht. Arsenik brachte keine Besserung.
Im Februar 1879 klagte Pat. über Schmerzen und Taub-
heitsgefühl in den Händen und man flEind Arme, Schenkel
und die seitlichen Partien des Rumpfes bede<&t mit
dunkelbraunen, umschriebenen, zum Theil anastheüsohea
Flecken. Der Pat. erklärte, schon vor 3 J. ähnliche
Schmerzen u. Fleeke gehabt cu haben. Dieselben hatten
während eines Aufenthaltes in Australien begonnen, sich
in Indien gesteigert, wo man sie für latente Lepra er-
klärt hatte. Der Pat. war sonst gesund, nie syphiUtiseh
gewesen. Die Flecke waren sehr dunkel, granbrann and
die Haut war an ihnen knotig verdickt, ganz besonders
im Gebiet des N. ulnaris. Diesen Nerven fühlte man
beiderseits als mndliehen Strang am Ellenbogen und ein
leichter Druck auf ihn ward ähnlich wie sonst ein Stoss
auf den Ellenbogen empfanden. Am übrigen Körper
hatten die Flecke grosse AehnUchkeit mit denen des
vorigen Falles. Das unbehaarte Gesicht war dicht mit
hochrothen Knötchen besetzt, zwischen denen sich er-
weiterte Aederchen zeigten, so dass Pat. immer aassah
wie ein Mensch, der sich in der Hitze überarbeitet hat
Dr. Henderson aus Shangai erklärte die Krankheit fSr
einen typischen Fall echter Lepra in einem frühen Sta-
dium. Gurjunöl und Leberthran wurden ohne Erfolg an-
gewendet. Unter dem Gebrauche von Chaubnoagra-Oä
trat allmälig im Laufe eines Jahres Besserung ein. Dio.
Härte und Röthe der Gesichtshaut schwand fast gans,
ebenso die Knoten in der Ulnarregion, Sohmerzen nnd
IV. Padiologie, Therapie a. mediciniBche EüJnik.
245
Aflistfaesie wurden nicht mehr beobachtet. Blasen traten
Boefa einige Male anf, waren jedoch klein. Fat. nahm
tiglieb 18 Tropfen des Oels, so yiel, als sein Magen ver-
trug, er hatte mit grosser Energie die Behandlung fort-
geaetit.
A. sacht Ar beide Fälle die Ursache der Pig-
nentatioD und Anästhesie in einer Affektion des
Rflekenmarks und erinnert an die Befände von D a -
BieUon, Boeck und Tschirjew, welche bei
Lepra die graue Substanz des Marks , resp. die hin-
ten Wnrzeln erkrankt fanden.
m. Verschorftmg der Nase und eines Theils des Ge-
«dUf hei Läsion der Hirnrinde.
Ein 48Jähr. Arbeiter wurde am 15. Juni 1878 mit
ner Venchorfang der rechten Wange und rechten Seite
der Nase aufgenommen, welche vor 1 Mon. nach Erysi-
IBlas begonnen hatte. Eine Kauterisation schien die fort-
;ieliTeitende Affektion aufzuhalten; die Wange bedeckte
«eh mit Granulationen, aber die Knochen der Nase waren
sftlAsst und die Knorpel zum Theil zerstört. Der Nasen-
nd war intakt. Eine plastische Operation wurde ans-
giffihrt und eine neue Nase aus Stimbaut gebildet. Ende
flqrtember war auch das Ulcus der Wange verheilt. Aber
m Oetober begann die Yerschorfting von Neuem, mit
MKher ZerstSmng und Verflfissigung der Gewebe. Die
Sawasehleimhant sonderte eine profuse, äusserst f5tide
nfinigkeit ab und Pat. yersank in einen komatösen Zu-
band mit typhoiden Erscheinungen. Der Gestank wurde
n ug, dass der Kr. separirt werden musste. Nach einer
Woche und nachdem Pat. 3 Tage lang moribund erschie-
la war, besserte sieh der Zustand und Ende November
iBgeD die Zerstörungen des Gesichts an zu heilen. Die
kBBken Theile bedeckten sich mit Granulationen und
sritrampften. Am 5. Dec. klagte Pat. nach einer un-
nbigen Nacht über krampfhafte Schmerzen im Leibe
od am nächsten Morgen war die Wunde wieder yer-
Kborft. Jedoch befand sich Pat. leidlich, bis man ihn
la 16. Jan. 1879 in einem Krampfanfalle fand. Nach dem
Enraehen klagte er über Magenkrampf und erzählte Jetzt
«st, dass er schon seit 13 J. an KrampfanföUen leide,
«dehe nach einem Schlage auf den Kopf aufgetreten
seieD. Man fand eine kleine Depression am linken
Scheitelbeine. Der Kr. kam seit dem 16. Jan. mehr und
aehr herunter und starb komatös am 4. März.
Bei der Sektion fand man, dass die eingedrückte
Stelle des linken Scheitelbeins auf die Mitte der hintern
Ceotnlwindimg drückte. Eine Stelle der Hirnrinde, so
irosB und so dick wie ein Schilling, war verfärbt und er-
veidit. £^ kleiner Erweichungsherd wurde auch „auf
to entgegengesetzten Seite des Gehirns" gefunden. Die
Kuenschleimhaut war verdickt, ulcerirt und schorfig, die
Kaflenknochen waren oariös. Sonst wurde nichts Krank-
haftes gefunden.
A. bezweifelt nicht, dass die trophische Störung
im Gebiete des rechten Trigeminus Folge der Läsion
der linkseitigen Hirnrinde gewesen. Er bemerkt
nsdracklichy dass Stöiningen der Motilität und Sen-
Aüitlt weder im Trigeminnsgebiet , noch sonst wo
Bi bemerken waren.
IV. Tertiäre Syphäis mit Nekrose des Schädeh ; hart-
^äetige üleeration des Nasenflügels und der Oberlippe
M». Beibmg nach Entfernung des kranken Schädel'
ttidcs.
Ebe 36jähr. Prostituirte wurde am 8. Nov. 1876
»lienommen. Vor 2 J. Syphilis. Bei der Aufnahme
Heknee am linken Unterkiefer, in der Mitte des Stirn-
IwhM, am harten Gaumen , Geschwüre der Tonsillen,
bpfeiüarbige Flecke an Händen u. Armen. Am 15. Jan.
^977 stiess sich vom Unterkiefer ein Sequester ab, am
ItFebr. vom harten Gaumen und am 11. MSrz ein Stfick
der äussern Tafel desJStimbeins. Damit schien der Pro-
cess am Stirnbein still zu stehen. In den nächsten Monaten
traten an der linken Oberlippe und dem linken Nasen-
flügel tiefe Geschwüre auf. Diese bestanden bis Februar
1878. Im J. 1879 erkrankten Lippe und Schädel von
Neuem. Von Kopfhaut und Schädel wurde ein Bezirk,
entsprechend der vertikalen Platte des Stirnbeins und
den vordem 2 Dritteln der Scheitelbeine, ergriffen. Im
December wurden der frontale und ein Theil des parie-
talen Sequesters gehoben, sie bestanden aus beiden
Tafeln und unter ihnen fand sich eine eiterbedeckte
Membran, die sich an den Bewegungen des Gehirns be-
theiligte. Das Geschwür an der Lippe, welches sehr
schmerzhaft gewesen war, wurde nun mit einem Male
schmerzlos und heilte in wenigen Tagen. Später wurde
noch der grössere Theil des parietalen Sequesters ent-
fernt.
A. erinnert daran, dass L a n e schon vor Jahren
schnelles Heilen von Ulcerationen im Gesicht nach
Entfernung von Schädelseqnestern gesehen habe.
Offenbar sei das Hirn durch den unter dem Sequester
angesammelten Eiter irritirt worden. (M ö b i u s.)
413. Ueber in Faroxysmen auftretende
Angina pectoris und andere Formen von Herz-
sehmerz] von George W. Balfour. (Edinb.
med. Journ. XXVI. p. 769. [Nr. 309.] March
1881.)
Nach einer kurzen Darstellung der Symptomato-
logie der Angina pectoris und verwandter Formen
theilt Balfour folgende Fälle mit.
I. Ein 24jähr. Mann, am 6. Oct. 1877 aufgenommen,
klagte über Herzklopfen und Schmerz im Präcordinm.
Er war seit 14 Wochen krank und der Schmerz war bald
gering, bald heftig gewesen. Er hatte einen ängstlichen
Ausdruck , war gut genährt und bis auf das Herz gesund.
Die Herzthätigkeit war beschleunigt (120 pro Min.),
tumultuarisch, Jedoch der Puls regelmässig. Der 1. Ton
an der Spitze war unrein , der 2. Pulmonalton accentuirt,
über der Aorta hörte man ein schwaches diastolisches
Qeräusch. Die Diagnose wurde auf eine entzündliche
Affektion gestellt. Ord. : Bettruhe , Diät , Jodkalium.
Bald beruhigte sich die Herzthätigkeit, doch der Schmerz
wurde starker u. bestand constant im Scrobiculus cordis.
Er exacerbirte anfallsweise, während des Anfalls und
nach demselben war der Pub rapid und schwach. Es
wurde nun eine Endarteriitis des Anfangs der Aorta
mit Affektion der Goronararterien und geringer Dilatation
des Herzens angenommen und Amylnitrit angewendet.
Dieses brachte grosse Erleichterung. Im letzten tödt-
liehen AnfaU am 24. Oct. versagte auch das Amylnitrit
und nur Chloroform brachte einige Erleichterung.
Bei der Sektion fand man eine geringe Dilatation des
Herzens und ebenso geringe Verdickung seiner Wände.
Das Oriflcium mitrale war erweitert, die Klappen normal,
das Orif. tricuspidale ebenso. Auf der Innenfläche der
Aorta, unmittelbar über den Klappen , fand sich ein Ring
atheromatdser Verdickung. Die Intima war um das 2 —
Sfaohe verdickt , war durchscheinend und zeigte nur hier
und da Stellen fettiger Degeneration. Die Oeffnungen
der Goronararterien lagen mitten in dem atheromatdsen
Bing und waren so verengt , dass sie kaum eine gewöhn-
liche chirurgische Sonde eindringen Hessen. Die Musku-
latur des Herzens war normal , bis auf reichliches bräun-
liches Pigment.
In diesem wie in den meisten Fällen ist die
eigentliche Ursache der Angina die ungenügende
Ernährung des Herzfleisches. Fast immer handelt
es sich um Störungen der intrakardialen Oirkulationy
246
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
seien diese direkte durch Verschluss der Kranzadem,
oder reflektorische durch Läsion der Herznerven.
Die ersten Zeichen dieser Störung sind schmerzhafte
EmpÜDdungen und eine geringe Dilatation des Her-
zens, dann treten die Schmerzanßllie ein, wenn
grössere Anfordenmgen an das Herz gemacht wer-
den, wenn z. B. der Vagus durch einen ausgedehnten
Magen gereizt wird. Je mehr die Ernährung des
Herzens beeinträchtigt wird, um so leichter und häu-
figer treten die Anfalle ein. Der Tod erfolgt in der
Regel in der Diastole.
II. Eine 50jähr. verheirathete Frau , welche früher
ganz gesund gewesen war, fiel auf der Strasse, ohne sich
äuBBerlich zu verletzen. Bald danach traten stenokar-
dische Anfälle auf und wurden immer heftiger. Am Her-
zen war nichts Abnormes zu finden. In einem der Anfalle
trat plötzlich der Tod ein. Die Sektion wurde nicht er-
laubt.
In diesem Falle , dem einzigen seiner Art , wel-
chen B. beobachtet hat, glaubt er zur Annahme
eines traumatischen Aoitenanenrysma berechtigt zu
sein.
Die beiden mitgetheilten Fälle sind die einzigen
B.*s, in denen der Toll im Anfall erfolgte. Alle,
andern Pat. starben plötzlich im schmerzfreien Inter-
vall. Unter Andern starb ein Mann, welcher Jahre
lang an Angina pectoris mit einer durch Atheroma-
tose venirsachten Dilatation des Herzens gelitten,
eine Woche nach seinem letzten Anfall. Er hatte
2 sehr schwere Anfälle durchgemacht und musste,
da Lungenödem eingetreten war, das Bett hüten.
Als er genesen schien, stand er auf und, während er
sich anzog , erlahmte das Herz. Er fühlte keinen
Schmerz , unterachied seinen Znstand selbst deutlich
von den frühem Anfällen und starb ruhig nach Vs
Stunde. Man fand beide Coronararterien athero-
matös und verstopft und im Fleisch des linken Her-
zens eine Stelle mit vorgeschrittener fettiger Degene-
ration. Das Herz war dilatirt.
Im Allgemeinen geht die Qefahr proportional
der Intensität und Dauer des Schmerzes und es ist
deshalb von der grössten Wichtigkeit, denselben zu
coupiren. Da die Zeit kostbar ist, hat man Inhala-
tionen oder subcutane Injektionen anzuwenden. In
erster Reihe der Mittel steht das Amylnitrit. Es
wirkt sicher und gewährt in allen leichtem Fällen
vollständige Ruhe. B. glaubt nicht, wie Lander
Brunton, dass die Wirkung des Amylnitrit in Er-
niedrigung des Blutdruckes bestehe , sondern meint,
dass ein flüchtiges Narkotikum , welches sich nur im
frisch bereiteten Amylnitrit findet, das Wirksame sei.
Obwohl altes wie frisches Amylnitrit das Gesicht
röthet und den Blutdmck herabsetzt, wirkt schroerz-
berahigend bei Angina pect, nur das frische oder in
hermetisch verschlossenen Glasgef^sen bewahrte.
Dieses Verhalten hat B. oft beobachtet und führt 2
Fälle zum Beweise an. In schweren Fällen bringt
einzig Chloroform Hülfe. Es mnss bis zur completen
Narkose gegeben werden. Ist trotz der Narkose
die Ruhe nicht andauernd, so giebt B. noch eine
Morphiummjektion. Diese Medikation hat ihn nie
im Stich gelassen : der Chloroformschlaf geht in den
Morphiumschlaf über und der Pat. erwacht dann
schmerzfrei. B. will von der Gefährnchkeit des
Chloroform bei Herzkrankheiten nichts wissen , hält
es imGegentheil für sehr nützlich, nicht nur schmerz-
beruhigend , sondern auch die Cirkulation regelnd.
Auch bei Fettherz wendet er das Chloroform an,
d. h. trotz dem Verdachte des Fettherzens. Eine
Diagnose des letzteren hält er für unmöglich , aUe
Zeichen, die es vermuthen lassen, können trügen
nnd das Herz kann fettig entartet sein ohne jedes
Zeichen. Unter allen Umständen muss bei Angina
pect, der Schmerz , welcher die Herznerven zu Uh-
men droht, bekämpft werden und diess geschieht
durch eine voraichtige, aber ausgiebige Chloroform'-
narkose : der Schmerz lässt nach , das Herz schlägt
kräftiger und der Puls wird voller. Schwefeläther
wirkt ähnlich günstig wie Chloroform, doch oft nicht
rasch genug. Eine Kr.,. M. T., war in den letzten'
Wochen ihres Lebens fast immer in Chloroform-
oder Morphiumnarkose. Sie war über 80 Jahre
und hatte lange an Angina pect, mit schweren An-
ÜWeu gelitten. Sie starb nicht plötzlich, sondern
langsam. Man fand die Aorta atheromatös entartet,
die mittlere Coronararterie (sie hatte 3) ganz aus-
gefüllt von Atheromdetritus. Das Herz war dünn-
wandig , erweitert , von hellgelber Färbung , durch
und durch fettig entartet. Trotzdem hatte dai
Chloroform keine Gefahr gebracht, sondern den
Schmerz beseitigt und das Leben verlängert
Die Behandlung ausserhalb der Anfalle mas
vor Allem den Allgemeinzustand nnd damit den
Tonus des Herzens zu heben suchen: Vermeidong
von Aufregung u. körperlicher Anstrengung, Aofent*
halt in milder reiner Luft, sorgfilltigste Regelong
der Diät, Vorsicht betreffs aller Stimulantien u.8.w.
Von eigentlichen Medikamenten verdient das Arsen
Vei*trauen. Es ist unentbehrlich bei allen Formen
der Herzschwäche mit Schmerz. In vielen Fällen
beseitigte es die stenokardischen AnfWe nach mehr-
wöchentlichem Gebrauch nicht vorübergehend , son-
dern auf die Dauer. Zweckmässig wird es mit Eisen
und Strychnin zusammen gegeben. Stört es die Ver-
dauung, so muss Opium hinzugegeben oder die Dosis
vermindert werden. In der Regel sind Individuen,
welche gegen die toxische Wirkung sensitiv sind,
auch sensitiv gegen die Heilwirkung. Auch Digi-
talis wirkt in der Regel günstig in kleinen Dosen.
B. giebt in der Regel früh und Abends eme kleine
Menge Digitalin und Tags über 2mal Arsen mit
Strychnin und Eisen. (M ö b 1 n s.)
414. Neuere Mittheilongen über Leuk-
ämie, zusammengestellt von Dr. H. M e i s s n e r. .''
Die Leukämie bildet mit der Pseudolenkämie,
dem malignen Lymphom und der essentiellen Anftmie
eine Krankheitsgmppe , welche in ihren Ursachen
und Erscheinungen mancherlei üebereinstimmung
zeigt, während sie doch durch die pathognomonlsche
Beschaffenheit des Blutes sich wesentlich von den-
IV. Pathologie, Therapie u. mediciniBche Klinik.
247
selben imterscheidet. Auch finden sich vielfache
UebergSDge zwischen diesen verschiedenen Erank-
beiteD, sowie zwischen den verschiedenen Grund-
form» der Lenkämie selbst , so dass es nicht mög-
lieh n. nicht einmal rathsam ist, diese verschiedenen
Ennkheltsformen gesondert von einander zn be-
tnebten. Im Gegentheil sind von vielen Autoren
diese verschiedenen Erankheitsformen zur Auf klä-
nmg des noch vielfach dunklen Erankheitsprocesses
Qod der Aetiologie und zur Feststellung der Diffe-
reatialdiagnoBe zusammengestellt und mit einander
Teiglichen worden.
In der folgenden Zusammenstellung sind daher
neb Voranschickung der Mo sl er 'sehen Uebersicht
iber den jetzigen wissenschaftlichen Standpunkt der
Jlmie die nennenswerthesten Beobachtungen
einander aufgeführt worden , denen sich dann '
ie Mittbeilnngen Aber besonders bemerkenswerthe
fithologiache Veränderungen und einige eigenthüm-
fißhe Symptome, die chemischen Untersuchungen und
le Behandlung anschliessen.
Ans der besonders klaren und werthvoUen Zu-
ttnmenstellung der bisherigen Erfahrangen auf dem
flebiete der Leukämie, welche Prof. Mos 1er ver-
tf^cht hat ^) y heben wu* zum bessern Verständ-
liss der andern Beobachtungen hier nur einzelne
lieaonders bemerkenswerthe Punkte hervor.
Bezüglich der Terminologie hatVirchow ftir
^phaüsche Leukämie die Bezeichnung Lymph-
me, itlr lienale Leukämie Splenämie vorgeschlagen
Q.M. empfiehlt für Neumann *s myelogene Leuk-
iioie den Ausdruck medulläre Leukämie. Viel-
kieht würde diesen 3 Formen noch die idiopathische
Leukämie (s. u. Leube und Fleischer) anzu-
sein, während die enterische Leukämie wohl
nr als besondere Form der lymphatischen Leukämie
iKtntchtet werden kann. Der Erankheitsprocess
t nach Virchow darin, dass zuerst ein lym-
Ifbatiflcbes Organ (oder die Milz oder das Enochen-
ttrk) hyperplastisch afßcirt wird, dass dann von
diesem ans sowohl chemische Stoffe , als auch mor-
pbologische Elemente in das Blut gelangen und end-
Ui heteroplastische Erkrankung anderer Organe,
ÜK Art Metastase, hinzutritt. Diesen Entwicklungs-
{ug, bei welchem sich ein ursprünglich örtlicher
Vorgang allmälig verallgemeinert , hat die kliuische
Er&hrnog sicher festgestellt, indem nach einem Sta-
te der Vorboten, der allmäligen Entwicklung des
bokäouschen Processes in den lymphatischen Orga-
^ ein Stadium der ausgebildeten leukämischen
Kachexie mit sekundärer Erkrankung anderer Or-
?we eintritt. Alle 3 Formen können isolirt vor-
kommen, meist sind sie jedoch gemischt, indem
vahrseheinlich die farblosen Blutkörperchen die
^eiterverbreitung des leukämischen Processes von
fem primär ergriffenen Organe aus vermitteln. Die-
^Iben erzeugen nicht blos mechanisch durch Extra-
i) Krankheiten der Milz a. s. w. Ziemssen'B Hand-
^ Vn. 2. Vgl. a, Jahrbb. CLXXXI. p. 186.
vasation mid Ablagerung sekundäre leukämische
Tumoren , sondern sie wirken auch als Träger der
Dyskrasie chemisch reizend auf das Bindegewebe
und führen so Neubildungen herbei.
Eein Alter , kein Geschlecht ist von der leuk-
ämischen Erkrankung ausgeschlossen. Doch erkrankt
das männliche Geschlecht häufiger ; ferner disponi-
ren dazu Störungen der Geschlechtsfunktionen beim
Weibe (Entbindungen, Abortus, Suppressio mensium),
chronische Darmkatan*he, Wechselfieber , sekundäre
Syphilis, deprimirende Gemüthsaffekte ; sehr häufig
ist keine Ursache nachzuweisen. Vorwiegend er-
kranken die niedern und arbeitenden Bevölkerungs-
klassen , bei denen die verschiedensten den ganzen
Eörper schwächenden nachtheiligen Einflüsse, sowie
auch örtliche Schädlichkeiten (Quetschung der Milz-
gegend u. s. w.) am häufigsten vorkommen.
Von den pathologischen Veränderungen heben
wir nur einzelne als besonders bemerkenswerth her-
vor. Im Enochenmark sind nach N e u m a n n zwei
anscheinend ganz verschiedene Formen von leuk-
ämischer Hyperplasie zu unterscheiden : die pyoide
Form mit eitergelbem zerfliesslichen Mark , in wel-
chem jedoch immer noch ein zusammenhängendes
Gewebe von schmalen netzförmigen Zügen nachweis-
bar ist; letztere entsprechen wahi-scheinlich den
kolossal erweiterten, mit leukämischem Blute gefüll-
ten capillaren Venenplexus ; — sodann die lymph-
adenoide Hyperplasie mit grauröthlichem bis fleisch-
rothem Mark von theils gallertiger, theils ziemlich
derber Consistenz , in welchem der Zusammenhang
der Gewebe ein festerer , mehr dem adenoiden oder
retikulären Gewebe der Lymphdrüsen entsprechen-
der ist. Bemerkenswerth ist auch der fast regel-
mässige Befund von sogen. Charcot'schen Erystallen,
welche Charcot 1853 nachwies, welche aber
schon vorher 1851 und 1852 Zenker im leuk-
ämischen Blute gefunden hatte, und welche nach
Huber Tyrosin sind [?s.u.] und nach Neumann
aus dem Enochenmarke stammen sollen.
Die Symptome sind namentlich im Anfange der
Erankheit (1. Stadium der Vorboten und der Ent-
wicklung des leukämischen Processes in den primär
afficirten Organen und im Blute) wenig charakteri-
stisch, bes. bei der medullären Leukämie. Am häu-
figsten werden spontan oder auf Druck entstehende
Enochenschmerzen, bes. im Sternum , zuweUen auch
Enochenverdickungen beobachtet ; doch spricht das
Fehlen derselben nicht gegen medulläre Leukämie ^).
Die übrigen Symptome sind je nach der Form der
Leukämie verschieden u. können als bekannt voraus-
gesetzt werden.
1) Ganz entschieden verwahrt sich MoBler(Deat-
Bches Arch. f. klin. Med. XXIV. 3. p. S42. 1879) gegen
die ihm von Dr. C. Pilz in Stettin (Ibid. XXI. p. 124)
untergeschobene nnd von Dr. G. Krukenberg (Bei-
träge zur KenntnisB d. progressiven perniciösen Anämie.
Inang.-Dlss. Halle 1879) weiter verbreitete irrige Ansicht,
als ob der Sternalschmerz überhaupt einen exquisit dia-
gnostischen Werth für Leukämie habe und bei andern
Krankheiten nicht vorkomme.
248
IV. Pathologie, Therapie u. medioiniaclie Klinik.
Im 2. Stadium (der Verbreitang der Leakämie
auf andere Organe und der ausgebildeten leukämi-
schen Kachexie) siechen die Kr. entweder allmälig
dahin oder gehen durch anhaltende oder periodisch
sich wiederholende Säfteverlnste zu G^de. Die
Hauptklage der Kr. ist flberKurzathmigkeit, welche
durch den verengerten Brnsthöhlenraum, sowie durch
die verminderte Respirationsfähigkeit des Blutes be-
dingt ist ; femer sind die leukämischen Gesichtsstö-
rungen bemerkenswerth , welche anf irritativen Ver-
änderungen der Retina in Folge von Girkulations-
störungen beruhen , oder durch die specifischen der
Leukämie eigenthümlichen Produkte herbeigeführt
werden (Roth). Am auffallendsten ist die hämor-
rhagische Diathese , welche zuweilen noch vor dem
Auftreten der Milz- oder Drflsentumoren bemerkt
wird, und mit einer massenhaften Auswanderung
weisser Zellen aus der Milz und den andern lympha-
tischen Organen (K r e t s c h 7) zusammenhängen
soll ; der leukämischen Pharyngitis liegen meistens
Pharyngeal- und Tonsillarlymphome, der Stomatitis
leuc. vermuthlich eineVerändernng der Mundsekrete
zu Grunde. Die Hamausscheidmig ist quantitativ
meist wenig verändert , nur gegen Ende der Krank-
heit regelmässig vermindert. In der Regel ist die
Harnsäure im Urin vermehrt; dieselbe wird daher
von H. Ranke als Milzabkömmling betrachtet und
ist auch von Scherer als normaler Milzbestand-
theil gefunden worden. Ausserdem ist aach das
Hypoxanthin fast stets bei der lienaien, aber nie bei
der lymphatischen Leukämie im Urin nachgewiesen
worden.
Die Diagnose kann nur durch den mikroskopi-
schen Nachweis einer dauernden Vermehrung der
farblosen Blutkörperchen sicher gestellt werden ^ da
vorttbergehende Leukocytose auch durch andere
Krankheiten mit oder ohne Milzschwellung bestehen
kann und da dieselben Symptome und derselbe Ver-
laufy aber ohne Vermehrung der weissen Blutkörper-
chen, bei der Pseudoleukämie beobachtet wird.
Der Verlauf ist fast immer schleichend und con-
tinuirlich, mitunter absatzweise beschleunigt. Die
Dauer der Krankheit ist im Mittel 22 — 23 Mon.;
bei Kindern in der Regel kürzer.
Die Prognose ist im 2. Stadium , dem der leuk-
ämischen Kachexie^ ungünstig; doch sind im l.Sta
dium der Krankheit Heilungen sicher constatirt.
Die prophylaktische Behandlung hat, seitdem
Mosler eine Anzahl neuer Ursachen der Leukämie
nachgewiesen hat, eine besondere Wichtigkeit er-
langt. Für die leukämischen Milztumoren, auch
wenn sie nicht mit Intermittens zusammenhängen,
empfiehlt sich die Anwendung des Chinin (bes. des
amorphen salzsauren Chinin) in grossen Dosen, und
Mosler theilt einen Fall von medullärer Leukämie
bei einem 12jähr. Knaben mit, welcher nach Dar-
reichung von 12^/2 Grmm. innerhalb 3 Wochen sich
rasch besserte und allmälig in völlige Heilung über-
ging. Von lokalen Mitteln hat die Splenotomie die
ungünstigsten Resultate ergeben, sollte deshalb nicht
mehr gewagt werden. Mit mehr Erfolg ist dagegen
die Transfusion defibrinirten Menschenblntes gemacht
worden und namenUich berechtigt wiederholte Tnuia-
fusion bei demselben Kranken zu der Hoffnung anf
völlige Heilung.
Die medulläre Leukämie scheint für die Behand-
lung eine günstigere Aussicht zu gewähren , als die
andern Formen. Zunächst sind alle Reize des
Knochenmarks, Traumen, Erschütterungen, Erkil-
tungen u. s. w. , fem zu halten. Femer sind bd
noch lokalisirtem Knöchenleiden energische örtliche,
und bei weiterer Entwicklung der Krankheit aneh
allgemeine Mittel anzuwenden. Englisch hat
örtiich constante Kälte (Eisbeutel) und inneriieh Jod-'
kalium (1.5 — 2 Grmm. täglich) mit gutem Erfolge
angewendet; auch parenchymatöse Injektionen vm
Carbolsäure sind zu versuchen. Mosler hat andi
nach der Anwendung von Pillen aus Chinin, (X^
Eucalypti und Piperin auffallend günstige Resultate
erhalten.
H. Persoons (Presse m^. bellte XXXI. 7. Ferr.
1879) beobachtete im Hdp. Saint Jean unter Carpea-
tler einen Fall von lienaler Leakämie bei einem 27jältr.
Manne, der nach etwa Ijähr. Krankheit, 7 Ta^ nach to
Aufnahme in das Hospital, gestorben war. Die UDte^
Bnchnng des BIntes [an der Leiche !] ergab 2 weisse arf
1 rothes Blntkörperchen. Leber, Milz und MeseBteriil-
drüsen waren beträchtlich geschwollen, die Magen- nai
Darmschleimhant katarrhalisch verändert. Im UeliH-
gen ergab weder der Erankheitsverlanf noch die Sektioa
etwas Bemerkenswerthes.
Zwei tödtliche Fälle von Leukämie bei Kindeii
beobachtete Dr . W e l c h in Birmingham • (Lancet IL
2; July 12. 1879. p. 46.)
Ein 5jähr. Kind, welches vor 2 J. Krämpfe mi
Keuchhusten, und vor 7a J- Scharlach gehabt hatte^
bekam vor 6 Wochen schmerzhafte Schwellung des
rechten Auges, vor 4 Wochen Lähmung der rechtea
Gesichtshälftie, zeigte bei der Aufnahme hochgradige
Abmagerung und Blutarmuth, vOUige Erblindung
des rechten Auges, massige Schwellung der obe^
flächlichen Lymphdrüsen, Schwellung und BSita
der Milz und Leber, Vermehrung der weissen Blut-
körperchen (fast ebensoviel wie rothe). Die anftng-'
lieh gesteigerte Hanttemperator (42<)C.) sank später
allmälig, wiederholtes Nasenbluten, blutiges Er-
brechen , blutige Stahle stellten sich ein und nach
14täg. Behandlung erfolgte der Tod im Collapsos.
Keine Sektion.
Ein 14monatl. Mädchen, das nebst ilirem älttistea
Bruder ein Albino war and nicht gestillt worden war, e^
schien bei der Anfiiahme schlecht genährt, abgemagert,
blutarm, zeigte einzelne Purpnrafleoke am EUls, Rnmpf
und an den Qliederu; der Unterleib war geschwollen,
Milz und Leber deutlich fühlbar, fest, letztere empflad-
lich. Die weissen Blutlcdrperchen waren in dem VerhaK-
niss von 1 : 7 rothen vermehrt. Nach 16täg. Behandlm«
erfolgte der Tod. Die Sektion ergab im rechten Veotrikel
ein blasses, weiches, fast eiterähnliches Blutgerinnsd ;
die Bronchial- und Mesenterialdrfisen, sowie die Fefef-
sehen Plaques, die Leber und Milz betrachtlieh g^
schwollen und hart; die Nebennieren yeigrdasert, io
graagelbliche, käsige Massen verwandelt.
IV. Pathologie^ Therapie n. medicmische ELlinik.
249
Fh)f. W. Leabe und Dr. R. Fleischer in
Erbuigen (Yiiehow's Arcb. LXXXIII. 1. p. 124.
1881} beobachteten folgenden Fall von [idiopa"
^dterf] Leakämie, in welchem weder die Eno-
eheo, noch sonst ein blutbildendes Organ wesentlich
eriarankt waren.
Bei der 80 Jahr alten, früher immer gesunden und
kiiftigen Kr. hatten sich 4 Mon. nach einer normalen
Gebort ohne nachweisbare Ursache die ErscheinuDgen
eioer schnell zunehmenden Anämie entwickelt : Abnahme
derKnfte und der Ernahmng, Schwindel, Kopfschmerz,
Appetitlosigkeit. Gleichzeitig bestand Schmerzhaftigkeit
nd Anschwellung der linken untern Extremität. Bei der
Aafoahme, 5Wochen später, ergab die UntersachnngLeuk-
inte ohne Yergroesemog der Leber, Milz und Lymph-
diüeo; die weissen Blutkörperchen waren beträchtlich
rermehrt (1 : 10—12) , die rothen vermindert (1420000
niflCub.-llImtr.). Die linke Tibia n. die entsprechenden
Fmswmrzelknochen waren schmerzhaft auf Druck ; wegen
Kbnell fortschreitender Hautgangrän wurde die Amputa-
ioi des linken Fusses ausgeführt ; die Kr. starb 6 T.
fanaf. — Die Sektion eigab hochgradige Anämie sämmt-
lidier innem Organe, Verfettung der Herzmuskulatur,
ein chron. Magengeschwür, keine Veränderung der Leber,
IGk nnd Ljnnphdrusen ; rothes hyperpUistisches Knochen-
mk mit zahlreichen kernhaltigen , rothen Blutkdrper-
tfaen und MarkzeUen.
Die Diagnose, welche im Anfang der Krankheit
wohl nur auf pemiciöse Anämie hätte gestellt wer-
den kdnneOi musste nach dem Ergebniss der Blut-
intenRicbnng Leukämie lauten, und zwar bei dem
Mangel an Milz- nnd DrüBenschwellongen und der
Sehmerzhaftigkeit der Unterachenkelknochen auf
myelogene Leukämie. Die Sektion ergab jedoch an
dem Knochenmark nicht die spedfisch leukämischen
Terändenmgen, sondern nur jene lymphoide rothe
Beschaffenheit, welche bei den verschiedensten
lochektischen Krankheiten als sekundärer Ausdruck
der begleitenden Anämie auftreten. Es müsste da-
her angenommen werden, dass in dem Fall, wo
rothes lymphoides Mark in den Knochen gefunden
wird, in der Regel keine Leukämie eintritt nnd diess
bier in dem einzigen Fall nur ausnahmsweise ge-
lehah; oder dass die Leukämie, wie Kottmann
nndBlesiadecki annehmen, anch als selbststän-
dige Blnterkranknng ohne pathologisch anatomische
Veränderung der blutbildenden Organe aufti'eten
könne. Beide Annahmen lassen aber manche Ein-
wendungen zu, so dass es nicht möglich ist, auf
diesen einen Fall hin schon bestimmte Stellung zu
Dehmen«
Bemerkenswerth ist schlüsslich, dass hier Schmerz-
Iiaftigkeit ohne leukämische Verändenmg der Kno-
chen bestand, während umgekehrt Litten bei letz-
terer keinen Knochenschmerz beobachtete.
Dr. R. Fleischer und Dr. F. Penzoldt in
Erlangen (Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXVL
p. 368. 1880 *) theilen 2 Fälle von lienaler und
1 Fall von lymphatischer Leukämie mit, welche
künisch und pathologisch-anatomisch von Interesse
sind and zur Grundlage für eingehendere chemische
Stadien dienten.
0 Ffir die UeberBenduns: dankt verbindlich W r.
VM. Jakrbb. Bd. 101. Hit. 3.
1) Lienale Leukämie mitileren Grades, Eine 33Jähr.
Frau, welche im 16. J. Intermittens tertiana und vor 1 J.
angeblich LuDgenentzündung mit intennittirenden Fieber-
anfällen gehabt hatte, bot bei der 1. Aufnahme deutliche
lienale Leukämie dar, mit einem Yerhältniss der weissen
zu den rothen Blutkörperchen wie 1 : 6 — 15. Während
der Swöcbentlw Beobachtungsdauer zeigte sich leichtes in-
termittirendes Fieber n. stellte sich nach Chiningebrauch
einige Besserung ein mit Abnahme der Milzschwellung,
aber ohne Verminderung der farblosen Blutzellen (zuletzt
1 : 5 — 7). Bei der 2. Auftiahme, 2 J. später, hatte die
Kr. beträchtlich an Korpergewicht verloren, klagte über
Schmerz bei Druck auf das Stemum, später auch bei
Druck auf die 5. und 6. rechte Rippe und besonders auf
die rechte Tibia. Nach 5 Wochen wurde die Qegend
vom 10. Intercostalraum rechts bis zum Darmbeinkamm,
hinten und etwas seitlich äusserst schmerzhaft, war ge-
dämpft und bot das Gefühl eines weich elastischen Kör-
pers dar. Der Tod erfolgte sehr bald darauf unter
zunehmender Schwäche. — Die Sektion ergab: Hyper-
plasie der Leber und Milz, leukämisches Blut, Ruptur
der rechten Nebenniere mit Hämorrhagie nnd ausgedehnte
hämorrhagische Infiltration des perinephritischen Zellge-
webes; umschriebene Lymphome der Nieren; exquisit
leukämisches Knochenmark, partielle hämorrhagische
Infiltration des Unterhautzellgewebes und Knochenmarks
am rechten Unterschenkel.
Die Apoplexie der Nebennieren ist in der Lite-
ratur nur selten erwähnt. J. Vogel nnd F. S e i t z
theilen Fälle von altern, Schepelern und Trier
von frischen Blntergttssen in die Nebennieren mit,
während die hier beobachtete Ruptur derselben,
welche den Tod herbeiführte und sich schon im
I^iCben durch den plötzlichen Eintritt von Schmerz,
Dämpfung und Pseudofluktuation kundgab, einzig
dasteht.
2) Lienale Leukämie höchsten Grades fand sich bei
einem 41jähr. Manne, welcher früher häufig an Mandel-
entzündungen und Verdauungsstörungen mit Durchfällen,
später am Tjrphus und seit 15 J. an geschwollenen Drü-
sen, aber nie an Wechselfieber gelitten hatte. Seit 1 J.
bemerkte derselbe Schwellung des Unterleibes und einen
festen Korper in demselben, sowie zunehmende Schwäche
nnd bei der Aufnahme zeigte er deutliche Leukämie mit
Schwellung der Leber und Milz und Ueberwiegen der
weissen (grossen) Blutkörperchen über die rothen in dem
Yerhältniss von 115 : 100 ; eine Zunahme der kleinern
Lymphkörperchen wurde nicht bemerkt. Während der
2monatl. Beobachtung stellten sich Durchfälle nnd etwas
Fieber ein und nahm der Milztumor deutlich um einige
Ctmtr. ab. Der Kr. verliess die Klinik mit einer un-
zweifelhaften Verschlechterung seines Allgemeinbefin-
dens, erholte sich aber in seiner Heimath beträchtlich,
so dass er sich ISVs Mon. später eher etwas bosser als
schlechter befand. Die subcutanen Lymphdrüsen waren
etwas mehr geschwollen, Stemum und Oberarmknochen
bei Druck schmerzhaft. Die Leber wegen Ascites und
Meteorismus nicht deutlich abzugrenzen; die Milz mit
ihrer Spitze am Nabel deutlich fühlbar.
Die Untersuchung des Blutes ergab das merk-
würdige Resultat, dass die Vermehrung der gewöhn-
liehen weissen Blutköi*perchen ganz verschwunden
und an ihre Stelle eine Vermehrung der Lymphkör-
perchen getreten, also aus rein splenämischem rem
lymphämisches Blut geworden war. Die Vermeh-
rung der Lymphkörperchen war aber eine viel ge-
ringere, als die der weissen Blutkörperchen gewesen
war, nämlich in 1 Cnb.-Mmtr. 560000 zu 1300000
rothen, also 43 : 100 oder 1 : 2.3. C h ar co t ' sehe
32
250
IV. Pathologie, Therapie ü. medicinische Klinik.
Erystalle [fehlten, die Zerfallskörpei'chen waren
nicht auffallend zahlreich.
Bald darauf starb der Kranke. Die Sektion ergab :
Leukämie, leakämischen Milztumor, geringen Leber-
tamor, multiple Lymphome, leuk. Knochenmark, derbe,
im Durchschnitt gelblich weisse Lymphdrüsengeschwülste
am Hals, in der Inguinaigegend, im Mediast. und Mesen-
terium ; allgemeinen Hydrops, Hydrothoraz und Ascites,
Bronchialkatarrh, katarrhalisch pneumonische Herde und
Compression der beiden untern Lungenlappen, Dilatation
und Hypertrophie des rechten Ventrikels.
Bemerkenswerth war in diesem Falle zunächst
die enorme Vermehrang der weissen Blutkörperchen ;
denn wenn auch das Vorkommen von gleich viel oder
selbst mehr weissen wie rothen Blutkörperchen öfters
erwähnt wird, so beruhen doch diese Angaben meist
nur auf Schätzungen, nicht auf genaueren Zählungen.
Jacubasch hat im Mittel 1:1 und Sörensen
144 : 100 gezäJilt, während hier das Verhältniss
von 115 : 100 bestand. Ferner war die rasche
Abnahme des Milztumor ohne Besserung des 6e-
sammtzustandes bemerkenswerth. Auch D o n s e 1 1
und Schmuziger beobachteten eine solche, ohne
dass sie eine Ursache dafür ermitteln konnten ; da-
gegen sahen Griesinger undMorill gleichzeitig
zahlreiche Durchf^e auftreten, und wenn auch die
Erklärung der raschen Milzabschwellung nach Mo-
rill durch Austritt der weissen Blutkörperchen aus
der Milz in den Darm zu gewagt erscheint, so ist
doch ein causaler Zusammenhang dieser beiden Er-
scheinungen sehr wahrscheinlich, da die durch pro-
fuse Durchfälle bedingte Verminderung der gesamm-
ten Säftemasse die Blutfülle und somit auch das
Volumen einzelner, besonders aber pathologisch ver-
änderter, jedoch contraktionsfähig gebliebener Or-
gane wesentlich zu verringern vermag. — Beson-
ders merkwürdig war schlüsslich der Uebergang
von dem Blutbefund der echten lienalen in den der
echten lymphatischen Leukämie und die Abnahme
der relativen Leukocytenvermehrung. Diese Um-
wandlung, für welche es vorläufig keine Erklärung
giebt, genügt auch nicht zur Erklärung des uner-
warteten Stillstandes in dem Erankheitsverlauf.
Vielmehr lässt sich annehmen, dass die vorüber-
gehende allgemeine Besserung mit der Besserung in
dem Verhältniss der weissen Blutkörperchen zu den
rothen im ursächlichen Zusammenhange steht, und
dass die schlüssliche Verschlimmerung und der tödt-
liche Ausgang von der absoluten Verminderung der
rothen Blutscheiben, als der lebenswichtigsten Blut-
elemente (in 1 Cub.-Mmtr. fanden sich statt ö nur
1.3 Millionen, also fast nur V«) abhängig ist. Um
daher sichere Anhaltspunkte für die Beurtheilung
der Schwere, deB Verlaufs, der therapeutischen Er-
folge in Leukämiefällen, sowie ftlr die Unterschei-
dung von einfacher Verminderung der rothen Blnt-
scheiben oder Oligocytämie zu erhalten, ist wohl
die Bestimmung der absoluten Zahl der Form-
bestandtheile des Blutes, der rothen wie der farb-
losen Elemente , für jeden Fall von Leukämie auf
das Dringendste anzuempfehlen.
3) Lymphatische Leukämie fand sich bei einem
42jähr. Manne, der 4 Mon. vor der Aufnahme ohne be-
kannte Ursache eine Anschwellung an der rechten Seite
des HaLses, darauf an der linken und vor 1 Mon. in bei-
den Achselhöhlen bekommen hatte. Bei der Aufnahme
zeigten sich an den genannten Stellen über fanstgrosse
Lymphdrüsenpackete und war der EmährungszustaDd
schlecht; im Uebrigen zeigte sieh keine Leber- oder
Milzschwellung, keine Veränderung des Blutes. Es wurde
Lymphdrüsenhjperplasie diagnosticirt und Jodoformein-
pinselung , später auch Solntio Fowleri ohne Erfolg an-
gewendet. Nach 3 Mon. trat harte Schwellung des Lei-
bes mit deutlich fühlbaren, rundlichen, ziemlich harten
Tamoren ein ; das Beünden und der Emähmngszustaod
hatten sich verschlechtert, das Blut erschien normal.
Nach 8 Mon. musste wegen hochgradigen Ascites die
Punktion vorgenommen werden und wurden 600 Ckstmtr.
einer etwas trüben, leicht blutigen Flüssigkeit entleert,
welche am folgenden Tage, ohne Gerinnung zu zeigen,
das Aussehen von dickem, rahmigem Eiter bekam, aber
trotzdem ausser feinsten staubförmigen Kömchen keine
Formelemente zeigte , sich in Essigsaure ganz, in Kali-
lange wenig, in Aether gar nicht aufklärte und mit Alko-
hol und Salpetersaure noch trüber wurde. Wenige Tage
später musste eine neue Punktion vorgenommen wer-
den, welche anfänglich wenig, durch NachsidlLern aber
700 Cctmtr. klare Flüssigkeit entleerte. Die Blutunter-
suchung ergab jetzt eine deutliche Vermehrung der farb-
losen Lymphkörperchen, welche Jedoch kleiner waren ab
die rothen. Die Menge derselben im Verhältniss zu den
rothen betrug 1 : 8.9, die Grösse 4.8 bis 6 /u, während
die rothen 6 bis 8.9^, und die ganz vereinzelten weissen
Blutkörperchen, die dunkler granulirt erschienen, 9.6 /i
maassen. Die Untersuchung eines eitrigen Belags von
einem Geschwür am Fussrücken ergab weisse Blutlior-
perchen von 9.6 ^ Grösse, aber nirgends kleinere Zellen.
Das Stemum bei Druck mit dem Finger und bei der Per-
kussion schmerzhaft. Unter zunehmender Dyspnoe e^
folgte nach wenigen Tagen der Tod im CoUapsus. Die
Sektion ergab : Lymphatische Leukämie ; enorme Schwel-
lung aller Lymphdrüsen, besonders der mesenterialen
und retroperitonäalen , der Hals- und Achseldrüsen mit
lymphatischer periadenitisoher Infiltration; diffuse lym-
phatische Infiltration der Leber und Nieren ; Schwellong
der Milz ; Anasarka, Ascites u. doppelseit. Pleuraerguss ;
Compression beider untern Lungenlappen; Schwielen
beider Lungenspitzen; massiges Emphysem, Bronchitia
und starkes Lungenödem; chron. Hydrocephalus inter-
nus. Das Knochenmark des Stemum (wo die Sehmera-
haflägkeit bestanden hatte) und Femur durchaus normal.
Die Ascitesfiüssigkeit massig getrübt, grünlichgelb, leicht
opalescirend , enthielt zahlreiche, zum Theil verfettete
Epithelien, lymphoide Körperchen von derselben Qröaae
wie die im Blute und freie Kerne ; dagegen enthielt die
eiterartig aussehende gelbe Pleuraflüssigkeit fast gar
keine zeiligen Gebilde , aber eine Unmasse feinster, in
starker Molekularbewegung befiindllcher Punkte.
Bemerkenswerth war zunächst das späte Hin*
zutreten einer leukämischen Blutbeschaffenheit so
dem Bild der ^^Pseudoleukämie^^ Wäre der Kr.
im 8. Mon.y nicht erst im 12. Monat seiner Krank-
heit gestorben y so hätte die Diagnose nicht aof
Leukämie, sondern nur auf lymphatische Form der
Pseudoleukäimie gestellt werden dürfen. In der
Literatur sind nur sehr wenige und noch dazu swd-
felhafte Fälle dieser Art verzeichnet, so 1 Fall von
Isambert, der 2 bis 3% und 1 Fall von Mos-
ler, der etwas über 30/o kleine weisse Blutkdrptf-
chen fand. Indessen beweist der vorliegende Fall
mit Sicherheit, dass es Fälle von sogenannter lym-
phatischer Pseudoleukämie giebt, wdche die V(tf-
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klmik.
251
stufen emer wirklichen lymphatischen Leukämie dar-
stellen. Die Seltenheit derselben mag zum Theil
Dor seheinbar sein, weil überhaupt nicht häufig ge-
nag bei multiplen Lymphdrüsenhyperplasien das
Blat antersucht wird ; andererseits ist es auch denk-
bar, dass eine Zahl von sogenannten Pseudoleuk-
Imien zum Tode fthrt , ehe sich die Umwandlung
in lymphatische Leukämie vollzogen hat; endlich
. wire es möglich, dass es Fälle von multiplen Lymph-
drOsentumoren giebt, welche eine von der Leukämie
I grandverschiedene Krankheitsform darstellen und
aoeh nicht in dieselbe übergehen können. Fernere
Beobachtungen müssen entscheiden, welcher dieser
SGrönde maassgebend ist; so viel steht aber wenig-
steofl fOr die lymphatische Leukämie fest, dass nicht,
wie Kottmann und Biesiadecki meinen, die
Yemiefarung der Leukocyten das Primäre, die lokale
Erkrankung das Sekundäre im leukämischen Pro-
eoBist.
Femer ist das Verhalten der Eiterzellen bei der
Ijrmphatischen Lenkämie hervorzuheben. Es fan-
den sieh hier nämlich, übereinstimmend mit dem von
Virehow zufUlig gemachten Befund und dem von
E. Neumann angestellten Experiment, die Eiter-
körperchen von genau der Grösse (9.8 /i) und dem
Aassehen der normalen farblosen Blutzellen und
dsn^ns verschieden von den kleinem Lymphkör-
perehen des lymphatischen Blutes und der Lymph-
AuüEUlig war endUch das normale Verhalten des
otersachten Knochenmarks im Stemum und Femur
trotz der im Leben beobachteten Schmerzhaftigkeit
fa Stemam ; es kann daher höchst wahrscheinlich
bei der lymphatischen Leukämie die Lymphdrüsen-
oknnkung allein ohne Betheiligung des Knochen-
Dukes die Ursache der Vermehrung lymphoider
Köiper im Blnte sein. — Die eigenthümliche Be-
iebiffi»iheit der Flüssigkeiten in der Bauch- und
Brasfchdhle blieb unaufgeklärt, da das Mikroskop
nur em negatives Resultat ergab und die (durch ein
TerBehen unvollendet gebliebene) chemische Ana-
iyae nur erwies, dass die Trübung nicht durch Fett
bedingt war.
Dr. Giovanni Lodi theilt folgende in der
KÜDik des Prof. Aug. Murr! beobachtete Fälle
voD Leukämie, malignem Lymphom und essentieller
Anifflie mit (Riv. clin. dl Bologna X. 2 u. 3 ; Febbr.
e Earzo 1880), welche in diagnostischer Beziehung
^ hiteresse sind.
1) EÜne 80JShr. Frau, welche in ihrer Jagend wie-
derholt an hartnäckigem Wechf elfleber, später mehrmals
in Folge von Abortus an reichlichen Blatverlusten und
vor 5 J. an liartnackigem Fnsserysipel and an Schwellang
der Hals- und Achneldrfisen geUtten hatte, zeigte bei der
Anfiialime die gewöhnlichen Erscheinangen der lympha-
^en Leoklmie mit Schwellang der oberflächlichen
Lymphdroaen , wohl auch der Mesenterial- and Betro-
psritonäaldrasen ; das Blat enthielt sehr zahlreiche weisse
Blutköiperdien, besonders von der kleinem Art (bei einer
3<)<)(^dien Veigrösserang etwa 800 tan Sehfeld). Der
^«A erfolgte 5 Mon. später. Die histologische Unter-
stes eigab^ dass die lymphatische Keabildung in den
Drüsen von den Follikeln ansgegangen war, deren zelli-
ger Inhalt die Follikel geschwellt nnd die Lymphsinns
comprimirt hatte ; die Drnsenaifektion konnte also nicht
darch den Lymphstrom sekundär herbeigeführt worden
sein, sondern war primär.
Während hier die einfache chronisch hyper-
trophische Form der Adenie vorlag, wie sie bei der
lymphatischen Leukämie Regel ist, war im folgen-
den Falle von bösai'tigem Lymphom oder Pseudo-
leukämie die Drflsenaffektion eine viel bösartigere,
akutere, die Vermehrung der weissen Blutkörper-
chen aber viel weniger auffällig.
Ein TOJähr. Mann, welcher in der Jagend an Syphilis
und anch später häafig an angebUch damit zusammen-
hängenden farunkulösen Hauteruptionen gelitten hatte,
erkrankte 8 Wochen vor der Aufnahme an krampfhaftem
Hasten, bekam 14 Tage später LeistendrüsenschweUang,
später Ameisenkriechen andOedem derFüsse, und zeigte
bei der Aufnahme schmerzlose Schwellang sämmtlicher
Lymphdrüsen, sowie Schmerzhaftigkeit des Stemam bei
Druck und Vergrosserung der Milz und namentlich auch
der Leber. Die Untersuchung des Blutes ergab die
rothen Blutkörperchen blass a. vermindert, die weissen in
der Zahl von 15— 20 im Sehfelde, darunter vorherrschend
die kleinere Form, und Eömchenbildungen. Der Tod er-
folgte 7 Wochen nach der Aufnahme unter rascher Ver-
schlimmerung aller Krankheitserscheinangen. — Bei der
Sektion fand man sämmtliche Lymphdrüsen geschwollen,
die Leber etwas vergrössert, weich, mit zahlreichen
miliaren Knötchen und interacinösen weisslichen Streifen
durchsetzt; die Milz gleichfalls geschwollen, mit reich-
lichem Stroma, aber wenigen und undeutlichen Malpighi'-
schen Körpern, das Knochenmark im obern Theil des
Oberschenkels röthlich, an andern Orten gelblich. Die
histologische Untersuchung ergab die Drüsenfollikel wie
im vorigen Falle durch Wuchernng der zelligen Elemente
vergrössert nnd die Sinns dadurch fast ganz obliterirt.
Dagegen bestand picht wie bei der lymphatischen Lenk-
ämie der reguläre Drüsenbau, sondern stellenweise eine
unregelmässig alveolare Struktur mit grossem, kleinern
und kleinsten Maschen u. eingeschlossenen Lymphzellen
und grossem kernhaltigen Zellen, oder, ähnlich wie bei
dem harten Lymphosarkom, vielfach sich kreuzende,
weUige Faserbündel, nur ausnahmsweise noch fast nor-
male Straktnr mit kaum nachweisbaren Spuren alveolarer
Umbildung. Das normale Drüsennetz war atrophirt,
die gewucherten runden, ovalen und platten Zellen in
eine von ihnen selbst abgesonderte fast homogene Inter-
cellularsubstanz eingebettet, welche sich organisirte und
so das Stroma des Neoplasma bildete. In der Leber
waren die interlobularen Neubildungsherde zusammen-
gesetzt aus verschieden grossen randen, ovalen oder
platten Zellen, umgeben von einer fibrillaren intersti-
tieUen Substanz; die Leberzellen in der Nachbarschaft
degenerirt, die Lebervenen nicht erweitert ; in der Milz
fanden sich nur wenig weisse Elemente und normale rothe
Blutkörperchen, die Malpighi'schen Körperchen sklero-
sirt, die Venenstränge fibrös verdickt. Das Mark des
Stemum und der Rippen enthielt Markzeilen, zahlreichere
weisse Zellen, einzelne grosse in Keimung begriffene
Zellen und gewöhnliche rothe Blutkörperchen.
Nach dem Vorstehenden hat das maligne Lym-
phom weder klinisch noch anatomisch irgend eine
Beziehung zu dem Sarkom, sondern stellt eine eigen-
thümliche typische Krankheitsform dar. Wenn auch
die Verbreitnngsweise dieses Lymphom noch dunkel
ist, so war doch im mitgetheilten Falle die Drüsen-
affektion entschieden primär, die der Leber sekun-
där, die der Knochen dagegen als eine bei kachek-
tischen Krankheiten überhaupt nicht selten auftre-
252
IV. Pathologie, Therapie u. mediciniBche Klinik.
tende Veränderung zu betrachten. Von der lympha-
tischen Leukämie unterschied sich dieses maligne
Lymphom durch das Vorhandensein einer speciellen
Neubildung, namentlich in der Leber, und den
schnellen stürmischen Verlauf.
Lymphatische Leukämie fand sich femer bei einer
32jähr. Frau, welche vor 8 J. an liartnäckiger Intermit-
tens und vor 1 J. in Folge von Erkältung an HuBten mit
Fieber und wiederkehrenden Frösten gelitten hatte. Seit-
dem bekam sie Schweregefühl im rechten Hypogastrium,
Ikterus, Oedem der Fasse, Ascites, welche Erscheinun-
gen bis zur Aufnahme immer mehr zunahmen. Sie starb
an einer unstillbaren Blutung einer kleinen Alveolar-
arterie. Die weissen Blutkörperchen waren vermehrt,
50 — 60 im Sehfeld, besonders der kleinem Varietät an-
gehörig. — Die Sektion ergab Hyperplasie sämmtlicher
Ljrmphdrüsen, welche sich aber nur auf die Follikel be-
schränkte, pleuri tische und peritonitische Exsudate, in-
terstitielle Hepatitis und Gallenstauung in Folge von
Compression des Duct. choledocbus durch geschwollene
Lymphdrüsen, fibröse Hyperplasie der Milz mit Sklero-
sirang der Malpighi'schen Körperchen.
Von lienaler Leukämie theilt Lodi 2 Fälle mit.
In dem 1. Falle, bei einem 36jähr. Manne, war nie
Intermittens vorausgegangen. Die Milz war in allen
Durchmessern vergrössert und schmerzhaft; das untere
Ende des Brustbeins bei Druck äusserst empfindlich;
in dem durch fälligen blutigen Stuhle viele weisse und
einzelne rothe Blutkörperchen. Der Tod erfolgte durch
Lungenödem.
In dem 2. Falle, bei einer 27jähr. Frau, waren nach
einer profusen Metrorrhagie Lendenschmerzen, Fieber,
Epistaxis aufgetreten und zeigten sich bei der Aufnahme
alle Erscheinungen der Leukämie. Die lyansfiaion von
Lammblut hatte schon nach wenigen Stunden beträcht-
liche Besserung des Zustandes zur Folge. Nach 1 Mon.
verschlimmerte sich derselbe jedoch wieder und es er-
folgte rasch der Tod. Die Untersuchung des Blutes er-
gab die rothen Blutkörperchen vermindert (2124000 in
1 Cnb.-Mmtr.), die weissen sehr vermehrt in dem Yer-
hältniss von 1 : 2 — 3 rothen, und zwar vorherrschend die
grossen ; kleinere, homogene und granulirte, fanden sich
in geringerer Anzahl.
Die Sektion ergab in beiden Fällen hochgradige Ab-
magerung, pleuritisches , perikardiales und peritonäales
Exsudat, bilaterale hypostatische Pneumonie, massige
Herzerweiterung durch grauliche Blutgerinnsel, enorme
Yergrösserung der Milz (bis zu 1500 Grmm. schwer) und
der Leber (3400 und 4800 Grmm. schwer) , grauliches
Knochenmark. Die Milz granröthlich , im Durchschnitt
homogen, die MalpighUschen Körperehen kaum sichtbar ;
dagegen die iutervasknlaren Stränge stark hypertrophirt
und mit weissen, grossen Blutkörperchen angefüllt, mit
seltenen rothen Blutkörperchen u. Pigmentgranulationen,
die Milzarterien stellenweise von einer zarten Zone von
Lymphkörperchen- umgeben , im Milzvenenblnt fast nur
weisse Blutkörperchen, nur einzelne Mikrocyten ; die Ge-
fässlücken stellenweise erweitert, stellenweise sehr ver>
engert; die Leber ähnlich beschaffen, das Lakunensystem
in der Peripherie der Acini erweitert, im Centrum ver-
engert, mit weissen Blutkörperchen erfüllt, die Leber-
zellen atrophirt und entartet, das Interlobnlargewebe nn-
yerändert. In dem Knochenmark, besonders des Stemum
und des Femnr, fast nur grosse weisse Blutkörperchen,
nur ausnahmsweise einzelne Mark- und Riesenzellen oder
einzelne rothe kernhaltige Zellen, die Markvenen erwei-
tert, die benachbarten Knochenkörperchen in keiner
Weise betheiligt ; nirgends, weder in der Leber, noch in
der Milz nnd in den Knochen, umschriebene lymphatische
Neubildungen nachweisbar.
Bemerkenswert}! ist in beiden Fällen von lienaler
Leukämie, dass keine Hyperplasie, sondern ein
Schwund der Malpighi'schen Körperchen vorlag und
die Hypeiplasie auf die Trabekel der Milzpulpa be-
schränkt war. Die wesentlichen Unterschiede von
dem malignen Lymphom bestanden in dem chroni-
schen Verlauf, in dem Mangel heteroplastischer Pro-
dukte u. den anatomischen Zeichen einfacher Hyper-
plasie der primitiv erkrankten Organe. Der Befund
von zahlreichen weissen Blutköi*perchen in den Fäces
ist kein Beweis fOr das Bestehen einer enterischeo
Leukämie, sondern nur für Hämorrhagien der Darm-
schleimhaut. Die Krankheitsursachen waren in dem
Falle von maliguem Lymphom unbekannt ; im 1. Falle
von lymphatischer Leukämie war Malaria-InfektioD,
im 2. Falle von lienaler Leukämie wiederholte Metror-
rhagie vorausgegangen.
Essentielle Anämie wurde in 2 Fällen beobachtet
Bei einem 27Jähr. Manne, welcher im 13. Lebens-
jahre monatelang an Tertianfieber gelitten hatte, stellten
sich vor 4 J. in Folge einer heftigen Erkältung plötzlich
die Erscheinungen einer fortschreitenden Anämie mit
Polyurie ein. Die Untersuchung des Blutes ergab bei
der Aufnahme 1500000 , später sogar nur 1 Hill, rothe
Blutkörperchen in 1 Cub.-Mmtr., aber nur 1 — 3 weisse
Blutkörperchen im mikroskopischen Sehfelde. Der Tod
erfolgte nach einer TransAision von Lammbint in die
rechte V. mediana an Blutinfektion. — Die Sektion ergsb
reichlich entwickelten Panniculus adiposus, Verfettiiiv
der Herzmusknlatur ; die Leber massig geschwollen,
fester als normal, blassgelblich; die Milz beträchtlieh
vergrössert, mit alter Eapseltrübung , im Durchschnitt
an der Peripherie fester, roth, im Centrum weicher^
stellenweise breiig, weinfarbig. Das Knochenroarit im
Stemum nnd Femur roth, etwas weich, sonst normal,
die Knochentrabekel nicht zerstört, in den übrigei
Röhrenknochen das Knochenmark schwach röthlioh ; die
Lymphdrüsen normal. Die mikroskopische Untersachum
des Knochenmarks wies viele Markzellen nnd sehr zahl-
reiche, kernhaltige rothe Blutkörperchen nach ; das Proto-
plasma in den grossem war entschieden gelb, in dee
mittlem blassgelblich, in den kleinem farblos ; der Ken
war verschieden gross, granulirt oder homogen. In dei
langen Röhrenknochen waren die Fettzellen fast ganz ge-
schwunden, atrophirt, der Raum zwischen denselben e^
ffiUt mit nengebildeten Markzellen, weissen und rothei
kernhaltigen Zellen, sowie einzelnen Riesenzellen. U
der Milz waren die Malpighi'schen Zellen fast ganz ge*
schwnnden, in den centralen erweichten Theilen die Tn-
bekel dnrch Anhäufung lymphoider Elemente verdickt.
Viele Leberzellen erschienen granulirt und entartet,^ be-
sonders im Gentrum der Acini, die V. centralis war massig
erweitert; rothe kernhaltige Zellen undPigmentkomohen
fehlten hier wie in der Milz. Die Nieren, welche ver-
grössert, fester und sehr blase erschienen, zeigten stark
gewundene, merklich erweiterte Tubuli uriniferi, die
letztem enthielten meist kein Epithel, sondern körnige,
gelbgranliche Detritusmasse. Diese Veränderungen waren
diffus verbreitet, besonders stark in der Rindensubstanz;
das interstitielle Gewebe nnd die Bowman'sche Kapsel
zeigten leichte fibrinare Verdickung. Die Nebensieren
waren normal.
Eine Pseudoleult&mie wurde trotz der bestehen-
den Milzscliwellung ausgeschlosaen, da nicht nur der
chronische Verlauf gegen diese Annahme sprach»
sondern auch die difl^e oder follikuläre Hypeipl«^*
der Milz und die heteroplastischen Lymphome in
andern Organen fehlten und die Milzschwellnng ^^
durch die überstandene Malaria und die auch in ^
andern Organen nachweisbare Btaais erktiüen 0»
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische EQinik.
253
Der 3. Fall betraf einen 32JShr. Mann, welcher im
12. Lebensjahre ebenfalls längere Zeit an Intemiittens
BDd im 21. Jahre an Typhus gelitten hatte. Vor einem
Jahre traten die Erscheinungen der Anämie ohne be-
bnote Ursache auf und steigerten sich allmälig trotz
tomsireBder Behandlung mit Chinin und Eisen. Die Zahl
der rothen BlatkSrperehen betrog IV2 Mill. und sank
km Tor dem Tode auf 264000 herab ; dieselben waren
Tenchleden gross, aber nie kernhaltig, die weissen nicht
Termehrt. — Die Sekäon ergab auch hier Verfettung des
Henens, der Leber' und der Nieren ; die Leber war
DMRg TeigroBsert, fester als normal ; die Mlla war fast
Bormal gross, mit vermehrtem Stroma, enthielt einzelne
keriihaltige rothe Blutkörperchen ; das Knochenmark im
Steronm , in den Wirbeln, Rippen und im obern Drittel
des Pemnr roth, sonst fiberall gelb, enthielt wenige kern-
kttige rothe Blutkörperchen ; die Knochenbalken waren
Mmul.
Das Blut reagirte y wie auch im vorigen Falle,
lehon kurz nach dem Tode stark sauer und enthielt
Uoe kernhaltigen rothen Zeilen.
Die Ursache war in beiden Fällen von essentieller
Ailmie dunkel und hierdurch unterscheiden sich die-
Klben wesentlich von der sekundären Anämie mit
Hcbweisbarer anatomischer UnterUge.
Die Ergebnisse seiner Arbeit fasst L 0 d i in fol-
genden Schlnsssätzen zusammen :
Bei der lymphatischen Leukämie findet sich:
in den Lymphdrüsen Hyperplasie der follikulären
Gewebe und Atrophie der Sinus; in dem Blute
Biarige Verminderung der rothen Blutkörperchen u.
im Verh<niss zu der Drüscnschwellung stellende
Termehi-ung der weissen Blutzellen; in der Lebor
iosammlnng der weissen Blutköiperchen u. massige
Erweiterung der Pfortadergefässe der Acini ; in dem
Kooehenmiirk kleine weisse Blutzellen und fort^chrei-
tende Verkleinerung der Markzellen bis zu deren
Tollstlndigem Schwund ; keine Bildung von lymplia-
tMehem Gewebe und von rothen kernhaltigen Zellen.
Bei der lienalen Leukämie findet sich fast
inner: in der Milz starke Hyperplasie der Pulpa-
ihtoge und fast gänzlicher Schwund der Malpiglü'-
sehen Körperchen ; im Blute sehr beti'ächtliche Ver-
oindening der rothen Blutkörperchen und vorwie-
Seade Vermehrung der grossen weissen Blutzcilcn^
iber keine kernhaltigen rothen Zellen ; in der Leber
betrichtliche Erweiterung der Pfortadei*ä8te in den
Adtti durch weisse Blutkörperchen , keine Lym-
phome; in dem Knochenmark gi'osse weisse Blut-
körperchen; höchst selten Markzellen, ohne Ver-
nehrangsprocess ; sehr selten rothe kernhaltige Zel-
len; nirgends erschienen die Zellen in ein Lymph-
ge&flsnetz eingeschlossen; bei der L. lymphatica
md lienalis fanden sich die weissen Blutkörperchen
uch in den Langen und Nieren abgesetzt.
Bei dem malignen Lymphom findet sich in den
Lymphdrflsen ein anf die Follikel beschränktes
Moplastisches Gewebe , bestehend aus platten oder
ipiDdelfftnnigen Faserzellen, welche anregelmässige
Maflchen oder Alveolen mit einzelnen verschieden
S^Qoen Rundzellen bilden , oder auch aus welligen
ftteibllndeln bestehend. Diese Neubildung ersetzt
te Gewehe der Follikel und bringt die Sinus znr
Atrophie ; in der Leber finden sich viele sekundäre
Neubildungen von derselben Struktur wie in den
Drüsen; in dem Knochenmark lange Infiltrationen
von weissen Blutkörperchen, unregelmässig zerstreut
in dem interstitiellen Fasergewebe. Weder bei dem
malignen Lymphom, noch bei der lymphatischen
Leukämie ist die Art der Uebei*tragung der Erkran-
kung von einer Drflsengruppe zur andern klar. Der
Befund von gleichai*tigen weissen Elementen in dem
Knochenmark wie in den primären Krankheits-
herden , die der Grösse der letztern entsprechende
Menge derselben und die grössere Erweiterung der
das Knochenmark umgebenden Venen machen eine
im Knochenmark stattfindende Ablagerung der im
Blute cirkulirenden weissen Elemente wahrscheinlicb.
Von der Leukämie unterscheidet sich das maligne
Lymphom durch seinen rapiden Verlauf, das neo-
plasiische Gewebe und die Gegenwart sekundärer
heteroplastischer Produkte, von dem primären Drit-
sensai'kom durch seine Beschränkung auf die Lymph-
follikel, das Freibleiben der Nachbarorgane und das
Ueberwiegen der Grundsubstanz über die zelligen
Elemente mit Neigung zu fibröser Gewebsbildung.
Bei der essentiellen Anämie zeigte sich : Fett-
entartung des Herzens , der Leber , der Nieren und
interstitielle fibröse Hyperplasie dieser Organe und
der Milz. Besonders bemerkenswei'th war die enorme
Verminderung der rothen Blutkörperchen, welche
nicht durch Zerstörung, sondern durch mangelhafte
Bildung derselben bedingt war; in dem Knochen-
mark und in der Milz deutliche Zeichen sogen, vica-
riirender Blutbereitung ; in dem Knochenmark zahl-
reiche typische Markzellen, viele rothe, kernhaltige
Zellen und einzelne weisse Zellen; in dem Femur
begann die Bildung des rothen Mai'ks im obern
Drittel und schritt von aussen nach innen fort. So
sehr auch die Symptome der essentiellen Anämie mit
denen der sekundären Anämie übereinstimmen, so
wenig dürfen doch beide Formen verwechselt werden.
(Schluss folgt.)
415. Ueber die ohronische stenosirende
Entsündung der Kehlkopf- und der Luftröh-
ren-Schleimhaut; von Dr. Friedr. Ganghof-
n e r. Mit 1 lithogr. Tafel. (Ztschr. f. Heilk. 1. 5 u.
6. p. 3Ö0. 1881.)
Vf. theilt einen Fall mit, bei welchem gleichzei-
tig eine narbige Degeneration der Rachenschleim-
haut und Verengerung des Nasenrachenraums cou-
statirt wurde. Der Kr. starb und bei der Sektion
fand man, dass sich die Verdickung und Wulstung
vom Larynx nach der Trachea bis zur Bifurkation
fortsetzte und das Tracheairohr verengte. Diese
Schleimhautverdickungen unterwarf Vf. einer genauen
mikroskopischen Untersuchung und stellt auf Grund
dieser Beobachtung folgende Sätze auf.
1) Es giebt eine Erkrankung des Laiynx und
der Trachea , welche , mit Verdickung der Schleim-
haut und consekutiver Stenose der Luftwege einher-
gehend, histologisch sich als ebenderselbe chronisch-
254
IV. Pathologie, Therapie u. medidniBche Klinik.
entzündliche Process darstellt, welcher unter dem
Namen Rhinosklerom bekannt ist.
2) Diese Laryngotrachealstenose verläuft unter
dem klinischen Bilde der früher als Ghorditls vocalis
infeiior hyperti*. beschriebenen , in neuerer Zeit als
Laryngitis chron.subchordalisoderliaryngitis chron.
subglottica (M a c k e n z i e) angeführten Krankheits-
form.
3) Diese als Skierom des Larynx und der Tra-
chea aufzufassende Erkrankung kann auftreten, ohne
dass bei dem betreffenden Individuum ein Rhinoskle-
rom mit Veränderungen an der äussern Nase vor-
handen ist. (K n a a t h e , Meran.)
416. UeberPneamonomykoBisundPharyn-
gomykosis saroinioa; von Cölestin Nau-
werk, Assistent d. med. Klinik in Zürich. (Schweiz.
Corr.-Bl. XI. 8. 1881.)
Nachdem Vf. die bis jetzt in der Literatur be-
kannten Fälle der genannten Erkrankungen kurz be-
sprochen hat; theilt er 4 von ihm selbst beobachtete
Beispiele mit.
Die erstem beiden Fälle betreffen zwei Phthisi-
ker^ von denen der eine starb; bei welchen Sarcine
in mehr oder weniger grosser Menge in den Sputis
anfti*at; event. bei der Sektion in dem Cavemen-
inhalt gefunden "wurde. Bei dem 3. Kr., welcher
ebenfalls, wie die Sektion nachwies , phthisische
Zerstörungen und Pleuraergüsse hatte, fanden sich
sowohl im Auswurf, wie auch bei der Sektion und
mikroskopischen Untersuchung im übrigens ganz
gesunden Pharynx massenhafte Sarcinebildungen ;
rechts nahm die Sarcine nach den Luftwegen zu ab
und war nicht über die Bronchien 2. Ordnung hin-
aus zu finden, links Hess sich Sarcine bis in die Ca-
vemen, doch nur in spärlicher Menge, verfolgen. Bei
dem 4. Kr. , ebenfalls einem Phthisiker, fand sich
nur vorübergehend Sarcine im Auswurf, bei der
Sektion konnte man jedoch nirgends Sarcinebildun-
gen finden.
Die weitern Erörternngen des Vfs. ergeben, dass
die Sarcine als direkte Ursache einer Lungenerkran-
kung sui generis noch nicht nachgewiesen werden
konnte, dass Sarcine selbst nicht im Stande zu sein
scheint, schon bestehende Krankheitszustände zu
beeinflussen, dass demnach die Pnenmonomycosis
sarcinica als Krankheitsbegriff aus der Pathologie
zu streichen ist. (K n a u t h e , Meran.)
417. Die Untersuohung des Oesophagus
mit dem Kehlkopfspiegel ; von Pi-of. S t ö r k in
Wien. (Wien. med. Wchnschi-. XXXI. 8. p. 25.
1881.)
Nachdem Störk einen kurzen Rückblick auf
die bereits vorhandenen Mittel zur Untersuchung des
Schlundes geworfen und auf deren Unzulänglichkeit
hingewiesen hat, beschreibt er sein höchst sinnreich
erfundenes Instrument zur Betrachtung der Speise-
röhre.
Dasselbe besteht aus einer 1 1 Ctmtr. langen, in
9 Ringe getheilten metallenen Röhre, an deren hin-
terem Theile die einzelnen Glieder leicht und gnt
aneinander passen, während an der Vorderseite
Zwischenräume bestehen. Der Zusammenhang der
Ringe und die Beweglichkeit der Röhre wird dnrch
seitlich angebrachte Chamiere bewerkstelligt. Um
die Empfindlichkeit an der Gart, cricoid. beim Ein-
führen des Instrumentes zu beseitigen , wurd es mit
einer Kautschukröhre überzogen und in dasselbe
eine Gummiröhre geschoben, welche am untern Bnde
einen Blindsack trägt. Vor dem Einführen wird
der Blindsack mit Luft aufgeblasen, so dass der auf-
geblasene Sack aus dem untern Ende des Oeaopha-
goskopes hervorschaut. Der Pat. führt beim Ein-
führen auf diese Weise einen Schlingakt aus und das
Instrument passirt die enge Stelle zwischen Wirbel-
säule, Schild- und Ringknorpel leichter und schmers-j
loser ; die Luft wird darauf ausgelassen und das in-j
nere Rohr wird entfernt. Das Oesophagoskap wiri-l
dann weiter herab geschoben, der Pat. sitzt, wie bd
der Tracheoskopie, auf erhöhter Unterlage. Ami
obern Ende des Rohrs ist für Die, welche mit deoL
Kehlkopfspiegel nicht umgehen können, unter eineoii
Winkel von 45^ ein Kehlkopfspiegel angebraclit.i
Der Spiegel muss natürlich vor dem Einführen er-;
wärmt werden. Die Beleuchtung geschieht mit denii
Hohlspiegel , der mit der Stimbinde befestigt wird,
wie bei der Laryngoskopie.
Ausser diesem kurzen Oesophagoskop , welcher^
die Besichtigung eines nur kleinen Thelles der Speise-^
röhre gestattet, construirte Störk noch ein zweite^^
auf denselben Principien beruhendes , mit welcbeni^
man die ganze Speiseröhre beleuchten kann. Das*
selbe besteht aus 3 in einander durch einen Hand«!
griff verschiebbaren Röhren. Die genauere BeJ
Schreibung muss im Original nachgelesen werden,
das auch die zum Verständniss nöthigen Abbildoogen^
enthält. (Knanthe, Meran.)
418. Verband für Orchitis und Bpididy-
mitis; von Dr. Jos. M. Loebl in Wien. (Wien.
med. Presse XXH. 20. 1881.)
Vf. geht von der Ansicht aus, dass eine Entzün-
dung des Hoden oder Nebenhoden der Dmckver-
band trotz den mancherlei ihm anhaftenden Mängeln
am ehesten zu bekämpfen vennag. Zn diesen gehö-
ren , was zunächst den CoUodiumverband betrifft,
die beträchtliche Schrumpfung desselben, der da-
durch ausgeübte unerträgliche Druck, sowie das
häufige Abspringen des Collodium an einzelnen Stel-
len, in Folge dessen die Epidermis abreisst und
schmerzhafte Schrunden entstehen. Die FVieke'sch^
Heftpflaster-Einwicklung hsi den Uebelstand, da»
sie, da ein bestimmter Maassstab fehlt, oft zu fest
oder zu locker gemacht wird , dass ihre Abnahnie
durch das Ankleben der Haare Schmerzen veraraaeht
und ihre Wirkung mit dem Nachlasse der Geschwulst
aufhört.
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
255
Zar Vermeicliuig dieser Uebelstände bedient sich
Vf. eines ungefthr 10 Otmtr. breiten, 18— 20Ctmtr.
liDgen, unten offenen und oben mit einem Zug ver-
lehenen Saekes aus fester, gewaschener Leinwand,
der in folgender Weise applicirt wird.
Nachdem, analog dem Fr ick ersehen Verfah-
m, mit einem Heftpflasterstreifen der Hode so iso-
firt ist, dass an ihm die Scrotalhaut glatt anliegt,
lieht man Ober jenen den Sack, schnürt seinen Zug,
welcher auf den Heftpflasterstreifen zu liegen kommt,
80 weit zu, dass er nicht stärker als dieser den Sa-
BeBStrang zusammendrflckt , und schliesst den Zug
Bit einem Knoten. Hierauf wird der unter dem
iTefltikel herabhängende Theil des Leinwandsackes
nit lUen Fingern der linken Hand , während die
pr rechten die Falten ausglätten , anfangs lose und
fum stärker, um den Verband zu spannen und den
loden zu comprimiren , zusammengefasst und z wi-
lden diesem und der linken Hand eine feste Liga-
teangel^.
Ausser der Bequemlichkeit, dass der herab-
liogende und zusammengebundene Theil des Sackes
u einem Banchgfirtel fi:drt und der Hode in eine
iiidhteLage gebracht werden kann, stellt sich noch
ierVortiieil heraus, dass die Anwendung von Um-
n nicht die geringsten Schwierigkeiten dar-
Femer gleicht die durch Verkleinerung des Ho-
angetretene Lockerung des Verbandes eine neue
der erstem angelegte Ligatur leicht aus. Eben
»leicht ist die Abnahme dieser Bandage zu bewerk-
iklügen, da es hierzu nur des Aufziehens der Schleife
Zog bedarf.
Man kann auch statt Leinewand Kautschuk wäh-
nod damit emen noch bedeutendem Druck aus-
, indessen muss der Kautschuk sehr dann und
Verband schmäler als der aus Leinewand ange-
sdn, weil sich sonst am Zug dicke Falten
, die sich schwer an den Testikel anlegen.
leichen erfordert der Bindfaden des Zuges, da-
sich derselbe bequem znsammenschnttren lässt,
reichliche Einfettang. (Pauli, Cöln.)
419. Ueber die Dauer des Inoubations-
Midiom der oonstitutionellen Syphilis und
^<r einige Fälle von im</etoöhnUch spätem Auf-
^fUn der Erscheinungen dieser Krankheit; von
Br. J. Edmund Gttntz in Dresden. (Memora-
Bien XXVL 7. p. 386. 1881.)
Gflntz theilt 3 genau beobachtete Fälle von
Syphilis mit, in denen das Auftreten der constitu-
^Uen Erscheinungen ungewöhnlich spät nach der
■Medning erfolgte, in denen also das Incubations-
PUnm ein nngewöhnlich langes war.
1) Ein 30 J. alter Mann, der früher nicht Byphilitisch
Seweaen war , zog sieh ein einer anbedeutenden Ezcoria-
Jn gldchendes Qeaehwfir za , das , nnr mittels Reinlich-
vad aromatischen Umschlägen behandelt , binnen 60
sieht heilte. Da eine syphilitische Infelction an-
en war, wurde speciflsche Behandlang angewandt,
das Qesehwür binnen wenigen Tagen rasch ver-
narbte. Am 64. Tage zeigte sich unbedentende Empfind-
lichlEeit in den rechten Leistendrüsen , die nach 2 Tagen
wieder verschwand. Keine Spnr von Syphilis war vor-
handen , der Kr. befand sich wohl und sah gut ans. Am
86. Tage trat Schwellung der rechten Leistendrasen auf
mit rheumatoiden Schmerzen in den Gliedern and Anden-
tnng von Roseola, die sich in der Folge als deutlich
syphilitisch erwies.
Die leichte Empfindlichkeit in den Leistendrüsen
der rechten Seite am 64. Tage konnte zu joner Zeit
bei Mangel jeden Syphilissymptomes nicht für syplii-
litischen Uraprnngs gehalten werden , erlangte aber
nachträglich Bedeutung für den Beginn des Aus-
bruches der Syphilis, während der deutliche Aus-
bruch erst am 86. Tage erfolgte.
2) Ein 54 Jahre alter Mann hatte 28 Tage nach dem
Coitas ein rundes rothes Geschwürchen von der halben
Grösse einer Linse, mit etwas erhabenen Rändern bemerkt.
Bei leichter specifischer Behandlang war das Geschwarchen
am 56. Tage mit glatter , nicht harter , etwas vertiefter
Narbe geheilt. Die Behandlung wnrde aasgesetzt. Es
bestand kein Zeichen von Syphilis , der Kr. befand sich
wohl and sah blühend aus. Am 123. Tage bemerkte der
Kr. nach einem angestrengten , nicht inflcirenden Coitas
einen etwas harten nnd empfindlichen Lymphgefässstrang
um Racken des Penis und gleichzeitig eine bohnengrosse,
empfindliche Drüsenanschwellung in der rechten Leiste ;
übrigens fand sich keine Spar von Syphilis, keine Wunde
am Penis oder an einer andern Stelle, die alte Narbe war
sparlos verschwanden, der Sitz des frnhera Geschwür«*
chens nicht mehr zu erkennen. Die Diagnose auf Syphi-
lis zu stellen, war man bei Mangel jeden andern Anhaltes
zur Zeit noch nicht berechtigt , zumal da die Anschwel-
lung des Lymphgefässes und der Lymphdrüse nach 3 T.
wieder beseitigt war. Am 131. Tage aber trat ein gross-
macnlöses Syphilid auf.
Nachträglich musste der 123. Tag als der Zeit-
punkt des Ausbruches der Syphilis betrachtet wer-
den , da sich durch das später auftretende Syphilid
die Anschwellung des Lymphgefässes u. der Lymph-
drüse genug charakterisirte.
3) Der 38 J. alte Kr. war vor 8 J. von G. an Syphi-
lis mit Einreibnngen behandelt worden , war dann stets
gesund geblieben , hatte sich inzwischen verheirathet und
gesunde Kinder gezeugt. Am 90. Tage nach dem letzten
Coitas hatte der Kr. Schmerzen am Penis und bemerkte
ein deutliches Schankergeschwfir , das , mit Jodoform be-
handelt , nach 7 Tagen besser anssah und Neigung zur
Vemarbang, doch eine Andeutung von Härte zeigte.
Gleichzeitig bestand Empfindlichkeit in der einen Leiste
(am 103. Tage nach dem Coitus), übrigens bestand keine
Spar von Syphilis. Nach 8 Tagen verheilte das Geschwür
rasch unter specifischer Behandlung und der Schmerz in
der Leiste war geschwunden ; nach weitem 9 Tagen war
die Narbe leicht ezcoriirt , in der Leiste bestand etwas
Schmerz, aber keine Schwellung ; Symptome von Syphilis
waren nicht vorhanden (120. Tag). Am 123. Tage nach
dem Coitus war die Narbe verhärtet , knorpelartig , am
Körper hatten sich mehrere zerstreute papalöse Erhaben-
heiten gebildet , welche sich in den folgenden Tagen als
deutlich syphilitischer Natur erwiesen , und im Laufe der
nächsten Wochen entwickelten sich noch weitere deut-
liche Symptome der Syphilis.
Der deutliche Ausbruch der Syphilis fand in die-
sem Falle am 123. Tage statt; man könnte viel-
leicht den Ausbruch um einige Tage früher verlegen
(120. Tag)y wenn man die Empfindlichkeit in der
Leiste als erstes Symptom betrachten will. Ausser-
dem hat dieser Fall noch ein besonderes Interesse
256
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
dadarch, dass es sich in ihm um zweimalige St/phüü
handelte.
In diesen Fällen war allerdings eine ganz gering-
fügige specifische Behandlung vorausgegangen , auf
deren Wirkung man den spätem Ausbruch der Sy-
philis vielleicht beziehen kann , indessen ist hierbei
zu erwähnen, dass diese Behandlung nur unbedeutend
war , erst vom 60. und 56. Tage begonnen , im 2.
Falle sehr bald wieder ausgesetzt wurde und im 3.
Falle erst am 96. Tage begann, als der gewöhnliche
Zeitpunkt des Ausbruchs der Syphilis schon über-
schritten war. Die 3 Fälle können deshalb immer-
hin als unbeeinflusst von der Therapie betrachtet
werden.
Güntz hat nach eigener Beobachtung 24 Fälle
verzeichnet, in denen der Termin der Ansteckung
und der Ausbruch der Syphilis unzweifelhaft fest-
gestellt werden konnte. In diesen Fällen erfolgte
der Ausbruch 20mal vor und 4mal nach dem 72.
Tage (2mal zwischen dem 73. und 100. und 2mal
nach dem 100. Tage), von der Ansteckung an ge-
rechnet. Als Mittel filr den Ausbruch der Syphilis,
vom Tage der Ansteckung an gerechnet, würde sich
nach Zusammenstellung dieser 24 Fälle der 6 I.Tag
ergeben, wenn aber die von Auspitz (Die Lehre
vom syphilit. Contaginm. 1866. p. 124) angeführten
12 Fälle von R o 1 1 e t , aus denen sich als Mittel der
52. Tag ergeben hatte , hinzugerechnet werden , er-
giebt sich als Mittel der 56. Tag, was mehr den Er-
fahrungen in der Praxis entspricht , die einen häu-
figem Ansbmch der Syphilis zwischen dem 40. nnd
60. Tage ergeben.
Ausserdem hat G. noch die 15 von Lance-
reaux (Trait6 histor. et prat. de la Syph. 1866.
p. 64) zusammengestellten Fälle von Impfsyphilis
mit in Rechnung gezogen nnd 23 von B an ml er
{Ziemssen^e Handbuch d. spec. Pathol. u. Therapie)
gesammelte Fälle, in denen der Ausbrach der Krank-
heit bekannt war. Von diesen im Ganzen 74 Fäl-
len ist die Syphilis in 53 bis mit dem 72. Tage nach
der Ansteckung zum Ausbruch gekommen, in 21
erst nach dem 72. Tage. In 13 Fällen erschienen
die Symptome der Krankheit zwischen dem 73. und
100. Tage, von der Ansteckung an gerechnet, in 8
erst nach dem 100. Tage. Der Ausbrach erfolgte
also in annähernd Vs aller Fälle nach dem 72. Tage,
in annähernd Vs aller Fälle vom 73. bis 100. Tage
n. in annähemd ^l^ aller Fälle nach dem 100. Tage
(eine Berechnung nach Procenten hat 6. mit Recht
unterlassen , weil die Anzahl der verwendeten Fälle
noch nicht 100 erreicht). Verhältnissmässig häufig
bricht die Syphilis , wie sich aus der Zusammenstel-
lung dieser 74 Fälle ergiebt, vom 70. bis mit dem
72. Tage nach der Ansteckung aus, vom 73. bis
mit dem 80. Tage trat die Syphilis noch immer ver-
hältnissmässig häufig, jedoch der vorhergehenden
Periode gegenüber schon auffälUg seltner auf.
Dieses Verhalten spricht einigermaassen für die
Bedeutung, welche man dem Zeiträume in der Nähe
des 72. Tages für den Ausbruch der Syphilis bei-
gelegt hat. Wenn von der Ansteckung an geredmet
und nach inzwischen erfolgter Verheilnng des Schan-
kers (Initialgeschwürs) bis zum 72. Tage kein
irgendwie durch Symptome begründeter wdterer
Verdacht einer etwa ausbrechenden Syphilis vorhan-
den ist , kann man es als annähemd sicher betrach-
ten, dass Syphilis nicht weiter und später nachfolget
wird , absolute Sicherheit in Hinsicht der Prognose
giebt indessen der 72. Tag nicht. Bei vollständigen
Mangel von Syphilissymptomen nnd bei gleichzeitig
blühendem Aussehen des Individuum kann man schon
vor dem 72. Tage annähernd voraussagen, dass da
vorher mit Schanker Behaftete von Syphilis versehoni
bleiben werde. Andererseits sind in den Fällen, ii
denen die Syphilis erst nach dem 72. Tage zno
Ausbruche kommt, immer schon mehr oder wenigei
deutliche Andeutungen als Vorläufer vorhanden
welche sich auf die Symptome einer in der E|itwick(
lung begriffenen Syphilis beziehen und im Falle ein«!
ungewöhnlich spät erfolgten Ausbruchs von Allg»
meinsymptomen zwingen, den eigentlichen Begim
des Ausbruchs auf einen frühern Zeitpunkt zu ver
legen. Man wird mit dem 72. Tage, wie ttberhaQ|l
mit einem einzelnen Tage an und für sich, nicht euu
so scharfe Grenze ziehen dürfen , sondern immer di
besondem Umstände des einzelnen Falles berflck
sichtigen müssen.
Als kürzeste Zeit, binnen welcher Syphilis nad
der Ansteckung eifolgte, ist 12 Tage anzunehmen
wie diess in 2 Fällen von Giber t und von Caz<^
nave der Fall war; Güntz selbst beobachtete d«
Ausbruch der Syphilis in einem Falle ebenfalls t|
12. Tage nach der Ansteckung unter Flebererschej
nungen, in einem andern am 15. Tage. Die längst
zwischen Ansteckung und Ausbruch der Symptoa
verflossene Zeit wird in einem Falle von R in ecke
erwähnt, in dem der Ausbruch am 159. Tage ei
folgte. (W^alter Berger.)
420. Veränderungen an den Lymphdrfl
Ben bei hartem und weichem Sohanker; ^
Obraszow. (Petersb. med. Wchnschr. VI. 3C
1881.)
Die Untersuchungen, deren Ergebniss 0. mü
theilt, wurden im pathol.-anatom. Gabinet desPrd
N. P. Iwanowsky angestellt.
I. Veränderungen an den Lymphdrüsen bi
primärer syphilitischer Sklerose :
1) Die Drttsenkapsel und die von dei'selben anfl
gehenden trabekelartigen Fasern zeigen eine stark*
Entwickelung , in der Gortikalsubstanz , besonder
aber in der Medullarsubstanz der Drüse.
2) Das zarte retikuläre Gewebe der Drfls
bietet ebenfalls eine erhebliche Verdickung seine
Fasern dar, wobei die Kerne der Endothelsellei
und die Zellen selbst vergrössert erscheinen.
3) Die Lymphkörperchen erfüllen reichlich dl*
Follikel der Drüse, sowie auch die LymphsisQ
und bedecken ziemlich ^icht jede Trabekel. Nebei
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
257
normal grossen Zellen finden sich nicht wenige ver-
grosserte, 2 — 3 Kerne enthaltende Zellen, sowie
diirchgeheDd granalirte Zellen ohne sichtbaren Kern.
Diese aufgequollenen Zellen liegen grösstentheils in
den Lymphsinas nnd Trabekeln.
4) Die Wände der Blutgefässe in den Lymph-
drüsen ei'scheinen verdickt ; die die Innenfläche der
Intima aaskleidenden Endothelzellen sind in ihrem
Umfange vergrössert und verengen die Gefässe, in-
dem sie in das Lumen deraelben hineinragen.
5) In den Lymphdrüsen und GefUssen der Drü-
sen finden sich meist in Gruppen oder Kolonien lie-
gende feinkörnige Bakterien (Kugelbakterien [C ohn]
oder MHa-okokken [B i 1 1 r o t h]).
II. Die Veränderungen der Lymphdrüsen beim
i'leu8 tnolle lassen sich vor Allem zurückführen :
1) Auf eine Hyperplasie der Lymphzellen mit
aar deutlich ausgesprochener Anschwellung und
körniger Beschaffenheit derselben.
2) Die Blntgefässe zeigen stark ausgeprägte
Hyperämie nnd Infiltration ihrer Wandungen mit
farblosen Blutkörperchen; an den in das Gefäss-
hmen hineinragenden Endothelzellen ist unzweifel-
kfte Anschwellung nnd körnige Degeneration zu
erkennen.
3) Das die Gmndlage der Follikel bildende
retikuläre Gewebe, sowie das fibröse Gewebe der
Trabekeln bieten keinerlei Veränderungen dai*.
4) In schankrösen Lymphdrüsen kommen ebenso
wie auch in den syphilitischen feinkörnige Parasiten
vor (Mikrokokken ; Billroth). Sie liegen aber
nicht ausschliesslich in Gruppen, sondern finden sich
auch zerstreut zwischen den Lymphzellen und in
denselben, wodurch auch die Anschwellung der letz-
teren bedingt wird. (J. Edm. Güntz.)
421. Zar Statistik der Schanker der Va-
gina und der Vaginal-Portion ; von Dr. Leo-
pold Glück. (Wien. med. Presse XXU. 32.
1881.)
Die Zahlen, welche dem Vf. zur Vei*ftlgung
standen, sind ihm vom Pi'imarius des St. Lazarus-
Hospitals für Syphilis zu Krakau, Dr. Zarewicz,
zur Veröfifentiichung überlassen worden. Die Be-
obachtungen erstrecken sich auf einen Zeitraum von
6 Jahren, von 1873 bis einschliesslich 1878. Bei
368 Weibern wurden im Ganzen 540 Schanker be-
handelt; es waren 235 Frauen mit 393 weichen
und 133 mit 147 harten Schankern behaftet.
Nachstehende Tabelle giebt eine Uebersicht des
Sitzes der einzelnen Schankerai*ten, wie sie im St. La-
zarus-Hospital in Krakau am weiblichen Geschlecht
beobachtet wurden.
UIcera moUia
Uleera dora .
Commi- Labia Labia Garanc.
snra inf. maj. min. myrt.
. . . 83 67 94 21
... 19 _^ 56 36 -- _
Summa 102 ~~ 113 130 21
Introit. Vagina Portio Urethra
vagin. vagin. nt.
44 4 6 7
2 2 4 5
Anus Mammae
37
4
8
46
6
10
12
41
8
Hieraus geht hervor, dass, gegenüber manchen
indem Ansichten oder Beobachtungen , die Schan-
ker der Vagina und Vaginalportion im Ganzen
selten waren ; die weichen Schanker wieder waren
seltener als die harten , die Schanker der Vagina
seltener als die der Vaginalportiqn.
(J. Edm. GUntz.)
V. Gynäkologie und Pädiatrik.
422. Hamröhrendivertikel bei einer Frau;
von Duplay. (Gaz. des Hop. 92. p. 730—31.
1880.)
Bei der betr. Kr. hat sich in der vordem Hälfte
der üretlira seit 7 J. unter Begleitung von Schmer-
zen nach dem Uriniren eine Geschwulst entwickelt ;
boren die Schmerzen auf, so flacht sich die Ge-
sehwulst ab. Es treten dann 2 — 3 Tage andauernde
Fieberbewegnngen auf.
Die schlaffe Geschwulst sitzt in der vordem
Vagiualwand ; sie ist fluktuirend und besitzt eine
Öeffnung in die Urethi-a. Nach Erweiterung der
Oeffnong mit einer gekrümmten Sonde entleert sich
Eiter und Urin.
Bei dieser bei Frauen ausserordentlich seltenen
Afektion ist es nach D. nur nöthig, eine Öeffnung
^ die Vagina anzulegen, worauf unter Suppuration
te Sack obliterirt. (0 s t e r 1 o h.)
Hed. Jahrbb. Bd. 191. Ilft.3.
423. Die Beziehungen zwisohen Affektio-
nen des Uterus und der Leber ; von A. II. F.
Camerou. (Med. Tim. and Gaz. July 31. 1880.)
Oongestion zum Uterus ist in Fällen, in denen
es sich nicht um Folgen von Schwangerschaft, Ge-
burt und Wochenbett handelt, häufig bedingt durch
Leberstörungen. Prof. Churchill giebt an, dass
bei chron. Entzündungen des Uterus gewöhnlich
Störungen in den Verdauungswegen vorhanden seien,
die häufig den Uterus als primär erkrankt erschei-
nen lassen. Von einer Abhängigkeit der uteri-
nen Congestion von Lebererkrankung aber spricht
er nicht. Nur Dr. Ayre hat auf einen Zusammen-
hang zwischen Leber- und Uterinaffektion hinge-
wiesen. Als Beweis für das Vorkommen derselben
fahrt Vf. folgende 2 Fälle an.
1) Ein lOjähr. Mädchen erkrankte häufig mit biUösen
Symptomen, die nach Gebrauch einfacher Mittel ver-
schwanden. Ein Anfall von Hepatitis mit hartnäckigem
33
258
V. Gynäkologie u. I^ldiatrik.
Erbrechen nnd Ikterus endete mit Eintritt der Menses.
Seitdem hat sich bei regehnässiger Menstruation der Ge-
snndheitsznstand erheblich gebessert und nur sehr geringe
Anfälle erinnern an die frühern schwereren Störungen.
2) Eine Frau in den 20er Jahren litt häufig bei der
Menstruation an hartnäckigem Erbrechen; in früherer
Zeit waren heftige Menorrhagien durch Ergotin beseitigt
worden. Plötzlich begannen Schmerzen in beiden Hypo-
chondrien und gichtische Schmerzen in den Zehen. Die
Leber fand sich vergrössert und gegen Druck empfind-
lich. Mit Beseitigung der letztgenannten Störungen hörte
auch das Erbrechen zur Zeit der Menstruation auf.
(Osterloh.)
424. Beitrag zur Therapie der Dysmenor-
rhöe; von Dr. Jos. M. Loebl in Wien. (Wien,
med. Presse XXII. 28. 1881.)
Eine seit 8 J. verheirathete, aber kinderlos ge-
bliebene 34jähr. Frau hatte seit ihrem 15. Lebens-
jahre an beträchtlichen Beschwerden bei der Men-
struation gelitten. Ausser schmerzstillenden Tropfen,
Umsehlägen u. s. w, wurde für dieses Leiden nichts
gethan. Erst später, als sich ernstliche Symptome
einstellten nnd ein nervöser Zustand hierdurch her-
beigeführt wurde, ferner da auch Unfruchtbarkeit
constatirt werden musste, suchte Pat. bei Prof.
Chrobak Hülfe, welcher nach Untersuchung mit
der Sonde zur Vornahme der Discision rieth. Die
Einführung der Sonde machte heftige Schmerzen
von der Art, wie sie Pat. bei jeder Menstruation
empfand. Aus verschiedenen Gründen wurde aber
die Operation unterlassen und Pat. reiste ab. Nach
3 Mon. machte sie dem Vf. die Mittheilung, dass die
Menstruation ohne Schmerzen verlaufe und auch
nach 8 Mon. waren dysmenorrhoische Erscheinun-
gen nicht wieder aufgetreten. Auf die Sterilität
war bisher ein Einfluss nicht bemerkbar. Auffallend
und zu weiteren Versuchen anregend ist es immer,
dass in diesem Falle, wo die Menstruationsbeschwer-
den, und zwar in so hohem Grade, 19 Jahre ohne
Unterbrechung bestanden hatten, durch eine ein-
malige Sondirnng des Uterus Heilung erfolgte.
(Höhne.)
425. Ueber Fälle, in denen Anteversions-
Soheidenpessarien die Symptome massigen;
von G. ErnestHerman. (Obstetr. Journ. VIII.
p. 277. 399. [Nr. 87. 88.] May, June 1880.)
Vf. verbreitet sich hier über die Fälle, in denen
eine Nachgiebigkeit des vordem Theiles des Becken-
bodens zuweilen Anteversion, öfter Cystocele und
gelegentlich beide hervorruft. Hier haben Pessa-
rien stets grossen Erfolg gegen die Anteversion auf-
zuweisen. Die Symptome in diesen Fällen sind,
gleichviel ob Anteversion oder Cystocele besteht,
eine Reizbarkeit der Blase und ein Gefühl von Ab-
wärtsdrängen. Beide Erscheinungen massigen sich
in der Rückenlage. Alle sonst aufgefQhrten Sym-
ptome hängen von andern Zuständen ab, welche
auch nicht in gleichem Maasse durch Anteversions-
Pessarien Abhülfe erfahren. Dagegen lässt sich,
wenn die erwähnten Symptome vorliegen und die
^Nachgiebigkeit der vordem Hälfte des Becken-
bodens die einzige Störung ist, an der die be-
treffende Frau leidet, sichere Hülfe durch ein pas-
sendes Pessar voraussagen. Dabei macht Vf. darauf
aufmerksam, dass ein geringer Grad von Antever-
sion normal ist (dann soll die Verlängemngslniie
des Uterus nach oben den Nabel, nach unten das
Steissbein treffen), dass aber höhere Grade entschie-
den pathologisch sind, obwohl sich eine sichere
Grenze nicht ziehen lässt. Letztere ist auch nicht
nöthig, da nicht der Grad der Anteversion, sondern
der Grad der Nachgiebigkeit des vordem Becken-
bodens die Schwere der Symptome bedingt Die
Form der Anteversions - Scheidenpessarien ist sehr
verschieden (der Katalog von Erohne nnd Sese-
mann führt allein 19 auf).
Die Form, welche das wesentliche Princip auf
die einfachste Weise darstellt , ist das Pessar von
Hitchcock. Es besteht aus einem ovalen Rah-
men mit einem Querbügel; die lange Achse des
Ovals entspricht der der Vagina, der Qnerbflgel
drückt die vordere Vaginalwand nach oben. Am
meisten gebraucht sind die Wiegenpessarien von
Graily Hewitt und Murray's Modifikation von
Thomas* Anteversionspessar ; auch Galabin's
Pessar fand Vf. in einigen Fällen nützlich. Es ist
nicht ganz klar, waram in dem einen Falle das eine
Pessar nützt, während ein anderes, das eben so
zweckmässig erscheint, nicht vertragen wird. Aber
auch die H od ge 'sehen Pessarien gegen Antever-
sion können sehr gute Dienste leisten, und zwar in
den Fällen, wo eine Nachgiebigkeit des vordem
Beckenbodens bei Frauen eingetreten ist, die keine
Kinder geboren haben nnd deren Vagina also eng
ist. Wird durch ein Hodge'sches Pessar der Grad
der Anteversion gesteigert, worauf schon Emmet
aufmerksam machte (Principles and Practice of
Gynäkology. 1. Edit. p. 309), so wird doch da-
durch Abhülfe geschaffen, weil das Collum uteri von
dem Beckenboden abgehoben wird. Dass in leich-
ten Fällen von Anteversion, besonders in akut ent-
standnen, ein Pessarium nicht sofort nothwendig ist,
sondern dass hier, besonders wenn das Leiden
durch eine üeberanstrengung plötzlich entstanden
ist, durch mehrtägige Ruhe und adstringirende In-
jektionen Heilung erzielt werden kann, betont Vf.
noch besonders. (K o r m a n n.)
426. Ueber Cervikalriase und ihre Be-
handlung; von Dr. G. H. Balleray (New York
med. Record. XVIÜ. 24 ; Dec. 1 880) nnd G a i 1 1 a r d
Thomas (Ibid. 15;0ct.).
Balleray macht darauf aufmerksam, dass,
während alte Verletzungen der Cerva die Hystero-
trachelorrhaphie benöthigen , frisch entstandene bd
ruhiger Bettlage und täglich 3mal wiederholten Aus-
spülungen mit warmem Wasser in die Vagina heilen.
Es ist stets nothwendig, genau auf das Vorhanden-
sein eines Risses zu untersuchen, ehe man einer
Wöchnerin das Aufstehn gestattet, da ein Riss ein
längeres Verweilen im Bett fordert.
V. Gynäkologie u« Pädiatrik.
259
Als Beweis fllr seine Ansicht erw&hnt B. unter
andern den Fall einer Erstgebärenden, welche mit-
tels der Zange entbanden worden war und dabei
One 4fache Zenreissung der Cervix und eine Ruptur
des Perinäam erlitten hatte. Letztere wurde 2 Tage
Bseh der Entbindung durch die Naht vereinigt und
heilte vollständig; erstere waren 3 Wochen nach
der Entbindung bei oben erwähnter Behandlung ge-
lieUl
Prof. Thomas bespricht die Folgen ausge-
ddmier Cervikcdrisse.
Eine 32 J. alte Frau, die Imal abortirt und
3quJ aasgetragene Kinder geboren hatte, litt seit
der Gebart des letzten vor 4 J. an Leib- und Hüft-
Bchmerzen, Kopfschmerzen, Ovarialschmerzen, 8 T.
lor Eintritt der stets profusen Menstruation, und
noor albus. Von einem tiefen Cervikalriss durch
die Trachelorrhaphie hergestellt, behielt die Fat.
die gleichen Beschwerden, die Th. von einer chron.
Owiitis bedingt fand, die nach seiner Meinung die
Folge der Gervikalverletzung gewesen war. In
denurtigen Fällen beseitigt die erwähnte Operation
die Krankheitserscheinungen nicht immer, aber trotz-
dem ist sie indicirt. Bleibt sie erfolglos, so wird
eine specielle Behandlung der Ovariitis nöthig, die
Ib Schonung, Stärkung und Luftveränderung u. lokal
in Jodapplikation und Elektricität zu bestehen hat.
Eine andere Folge von nicht verheilten Cervi-
Urissen ist Neigung zu Abortus, namentlich bei
itiiker Eversion der MuttermuifQslippen. Natfli^-
fieh ist auch hierbei zunächst die Operation indicirt,
ae beseitigt aber nicht immer die Neigung zum
Abortiren, weil noch andere Ursachen zum Abortus
vorhanden sein können. (0 s t e r 1 o h.)
427. Spontaner Abgang einer Plaoenta
pnevia; von Dr. Robert Lucas. (Edinb. med.
Joum. XXVL p. 433. [Nr. 305.] Nov. 1880.)
Am 31. Juli 1880 fand L. bei einer 4mal leicht
eDttmndenen Frau, bei der während des 8. und
9. Schwangerschaftsmonats Blut abgegangen war,
diB Orif. ext. so offen , dass die Fingerspitze ein-
dringen und bis zu der schwammigen Placenta ge-
Itogen konnte. Er Hess ruhige Bettlage bis gegen
Ende der Gravidität einhalten , wobei nur ein ge-
linger wässerig-blutiger Abgang stattfand. Am Mor>
S^ des 8. Aug. herbeigerufen, erfuhr L., dass in
der Nacht heftige Wehen mit geringem Blutabgang
begonnen hatten, dann war bei Verlassen des Bettes
dis Fruchtwasser abgeflossen und gleichzeitig aus
der Vagina eine Masse herausgetreten, die L. sofort
ib die Placenta erkannte. Von da bis zu der 2 Std.
9&ter erfolgenden Geburt des frisch abgestorbenen,
^ alisgetragenen Mädchens fand keine Blutung
statt. Der Verlauf des Wochenbettes war ungestört.
(Osterloh.)
428. Akuter Hydramnios ; von Dr. Alfred
H-M^Clintock. (Obstetr. Journ. VIII. p. 623
Ä631. [Nr. 192.] Oct. 1880.)
Im Fr&hUngr 1878 consaltirte eine Frau M' Ol., die
Ihre ersten beiden Kinder ausgetragen hatte, während 7
weitere vorzeitig, todt, mehr oder weniger zersetzt bei
beträchtlicher Menge des Liqa. amnii geboren worden
waren. Im Jali erwartete sie die Geburt des 10. Kindes.
Im Mai rapide Zunahme des Leibumfanges, verbunden
mit Schlaflosigkeit, Herzklopfen, Kopfschmerz, fliegender
Hitze nnd Leibschmerz. Am 1. Juni Geburt eines klei-
nen, todten, zersetzten Knaben ; enorme Menge Frucht-
wasser. Wegen Blutung manuelle Entfernung der öde-
matösen, blassen Placenta. Verlauf des Wochenbettes
ungestört.
Dieselbe Frau concipirte im Mai 1879. Ein Ver-
such , durch Bromkalium und Eisen die Erkrankung zu
verhüten, missglückte, weil diese Mittel nicht vertragen
warden. Anfang December rapide Vergrösserung des
Leibes anter den schon erwähnten Erscheinungen. Am
28. Dec. Gebart eines todten macerirten Kindes in Fuss-
lage ; mehrere Liter Fruchtwasser ; sehr grosse Placenta
spontan ausgetrieben. Ungestörtes Wochenbett.
Die 3. Beobachtung betrifft eine Frau, deren 1. Kind
2 oder 8 Tage vor der Geburt gestorben war, das 2. und
3. wurden aasgetragen, das 4. sohwäohliche starb, 3 Tage
alt, an Ikterus; das 5., einige Tage vor der Geburt ge-
storben, war nicht ausgetragen bei Hydramnios. Ebenso
das sechste. Hieran schloss sich ein Uterinkatarrh, nach
dessen Beseitigung die 7. Schwangerschaft eintrat. Brom-
kalium und Eisen wurden nicht vertragen. Im 6. Mon.
rapide Zunahme des Leibumfanges unter gleichen Sym-
ptomen wie im 1. Falle and Oedem der Füsse. Geburt
von macerirten Bwillingen, 2 grosse weiche Placenteu,
sehr viel Fruchtwasser mit jedem Kinde.
Aus den weitern Bemerkungen zu diesen Ge-
bnrtsgeschichten , welche für den beschäftigten Ge -
bortsheifer nur Bekanntes bestätigen , ist blos her-
vorzuheben, dass M^Clintock jeden Verdacht auf
Syphilis von der Hand weist, der in den mitgetlieil-
ten Fällen wohl berechtigt erscheinen könnte. Ferner
hebt er die schon früher von ihm gefundene That-
sache der grossen Gefahr des Hydramnios für das
Leben des Fötus hervor. (Osterloh.)
429. Wiederholte Fehlgeburt mit Abgang
von einer einem Abguas der Dterinhöhle gleichen-
den Masse; von Dr. F. Sydney Smith. (Brit.
med. Joui-n. Nov. 27. 1880. p. 845.)
In dieser brieflichen Mittheilnng berichtet 8.,
dass er bei einer 34jähr. Mehrgebärenden Ende des
7. Monats einen schon seit 4 — 5 Tagen abgestor-
benen Fötus in Steisslage extrahirt habe , bei dem
die Eihäute trocken und derb waren und das Frucht-
wasser fast vollständig fehlte. Die Placenta wurde
manuell entfernt. Keine Blutung; 36 Std. n. d.
Entb. erfolgte die Ausstossung einer lederartigen
Masse von der Gestalt der Uterinhöhle ohne Blut-
abgang.
Die Pat. hatte vor 11 und 8 7s Jahren am nor-
malen Schwangerschaftsende geboren , dann aber
mehrfache Fehlgebui*ten erlitten , 3mal ohne^ 5mal
mit Ausstossung gleicher Massen 24 Std. bis 4 Tage
nach der Entb. von ö^/a — 7VjMon. alten Früchten.
Da eine mikroskopische Untersuchung des Aus-
gestossenen nicht vorgenommen wurde , bleibt nur
die Muthmaassung, dass es sich dabei am die Decidua
mit alten Blutextravasaten handelte. Einen Grund
260
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
für das Absterben der Fötus zu der angegebenen
Zelt der Schwangerschaft konnte S. nicht ermitteln.
(Osterloh.)
430. Gkmgrän der Vagina und des Uterus
durch Druck bei der Geburt mit nachfolgender
Metro - Peritonitis , Tod ; von Dr. E. D e s t r ^ e.
(Presse m6d. XXXIII. 28. 1881.)
Eine in der Geburt stehende Frau [wie alt dieselbe
war und ob sie schon früher geboren hatte, ist nicht er-
wähnt] wnrde am 12. März in der Entbindungsanstalt zu
Brüssel aufgenommen. Obgleich das Wasser schon ab-
gegangen war, verzögerte sich die Geburt bis zum
15. März. Ursache dieser Verzögerung war das Vor-
handensein einer hochgradigen Beckenenge (Conjugata
vera 8 Centimeter). Drei Tage nach der Entbindung
wurde die Frau in das Ilospital Saint-Jean gebracht. Sie
hatte seit der Geburt fortwährend Schmerzen empfunden.
Das Gesicht war bleich und oft trat ein starker Schweiss
auf. Cirkulations- und Kespirationsorgane normal. Ap-
petitlosigkeit und seit einigen Tagen Durchfall. Der
Unterleib war sehr umfangreich und bei Druck besonders
in der Gegend der rechten Fossa iliaca schmerzhaft.
Hier war auch ein Tumor zu fühlen, welcher dem rechten
Ovarinm entsprach. Die Untersuchung der Geschlechts-
organe ergab sehr ausgedehnten Brand der Vagina. Trotz
der sorgfaltigsten Behandlung verschlimmerte sich der
Zustand. Am 20. März war die Geschwulst des Unter-
leibes stärker geworden und reichte bis an den Nabel.
Unfreiwillige dünne Stühle ; Delirium. « Unter Zunahme
der erwähnten Symptome während der nächsten Tage er-
folgte am 25. der Tod.
Bei der Sektion zeigte sich das Gehirn sehr blut-
reich. Die Basis der linken Lunge war stark ödematös
und enthielt mehrfach brandige Herde, eben solche be-
standen auch im obern Lappen, wo zu gleicher Zeit pneu-
monische Infiltrationen zu erkennen waren. Die rechte
Lunge zeigte ungefähr denselben Befund, nur war hier
der mittlere Lappen frei geblieben. Der Unterleib war
mit stinkenden, beim Einschneiden entweichenden Gasen
angefüllt u. zeigte in den tiefem Theilen eine bedeutende
Ansammlung von grünlichem Eiter. Der Tumor der
rechten Seite bestand aus dem nach rechts liegenden
Uterus und dem rechten Ovarium. Das Collum zeigte
nach der Peritonäalhöhle hin eine breite Perforation.
Die Wand der Harnblase war nicht perforirt, aber eben-
falls brandig. Die Uterus-Innenfläche erschien sehr un-
eben in Folge vieler buckelartiger Erhebungen mit
schmutzig grünem Ueberzuge, welche beim Einschneiden
eine fibrinös- purulente Infiltration erkennen liessen.
(Höhne.)
431. Die ersten zwei FäUe von disseoi-
render Gebärmutterentzündung, Metrids disse-
cana; von Dr. S. Syromjatnikoff in Moskau.
(Arch. f. Gynäkol. XVm. 1. p. 156. 1881.)
Vf. erwähnt zunächst kurz die 3 bisher von
Russland aus beschriebenen Fälle von Perivaginiüa
phlegmonosa dissecans ^ reiht daran einen 4. im
neuen Eatharinen-Krankenhause zu Moskau beobach-
teten Fall und geht sodann zu seinen beiden Fällen
tlber.
Am 14. Dec. 1879 wurde die Fabrikarbeiterin A. P.
in die Moskauer geburtshülfl. Klinik (Prof. Makejeff)
aufgenommen mit einer Temperatur von 39.0^ Puls über
100. Am Abend erfolgte die normale Geburt eines nicht
ausgetragenen Knaben. Das Wochenbett war complicirt
mit einem Typhus abdominalis und es bestand eine leichte
Endometritis. Am 28. Dec. trat plötzUch in beträcht-
licher Menge ein eitriges stinkendes Sekret aus den 6e-
schlechtstheilen auf und es erschien im Scheideneingang
eine fremdartige Masse, deren Heransbeförderung durch
Zug nicht gelang, denn sie sass mit dem Ende in der Ge-
bärmutter fest, ohne dass ihr Flxationspunkt erreicht
werden konnte. Die Masse wurde dicht an der Portio
abgetragen und am 3. Tage folgte das zurückgebliebene
Stuck von selbst. Darauf hörte die Entleerung der eitri-
gen stinkenden Flüssigkeit bald auf und die Lochien wur-
den geruchlos. Schmerzen und Blutung waren nicht vor-
banden gewesen.
Betrachtete man die beiden Stücke, so flberzengte
man sich, dass man es mit dem Abdruck der Uteros-
Innenfläche zu thun hatte ; beide Stücke bestanden
ausschliesslich aus glatten Muskelfasern, zwischen
denen sich ein faseriges Bindegewebe befand. Die
Muskelelemente waren in beträchtlich hypertrophi-
schem Zustand , stellenweise leicht fettig degenerirt
Es handelt sich im vorliegenden Falle um eine eigen-
thümliche und, so weit Vf. bekannt, bisher noch nicht
beschriebene Form von Metritis.
Die Existenz irgend eines septiko - pyämiscbea
Processes wird durchaus in Abrede gestellt und die;
Diagnose Unterleibstyphus aufrecht erhalten, indem
die beschriebene Dissektion der Gebärmuttersabstaoi
sehr einfach als eine sekundäre Erscheinung, als
eine Complikation des Typhus angesehen wird.
Ausser der beim Typhus bestehenden Neigung zum
Gewebszerfälle nennt Vf. als ursächliche Momente
noch 1) die am Ende der Schwangerschaft begin-
nende fettige Degeneration der nterinen Mnskel-
elemente ; 2) die vom 8. Mon. an auftretende Stö-
rung der Blutcirknlation im Uterus und 3) den Zu-
stand der der obern Schleimhautschicht beraubten
Innenfläche des puerperalen Uterus. Was das voll-
kommene Fehlen der Schleimhautelemente anlangt,
so ist ihr Untei*gang eine sekundäre Erscheinung,
Folge der dissecirenden Gebärmutterentzündung.
Vf. untei-suchte die Pat. ca. 3 Mon. nach der
Entbindung und constatirte eine beträchtliche Ver*
kleinenmg des Fundus und Corpus uteri. Die Sonde
drang nur 41/3 Ctmtr. ein; die Gebärmntterhöhle
war auch im queren Durchmesser verkleinert. Die
Menses fehlten, obgleich Pat. nicht gestillt hatte.
Der 2. FaU wurde in dem Mjasnitzki'schea
Krankenhause in Moskau beobachtet. Die Pat., eine
20jähr. Blumenmachcrin , wurde am 3. Febr. 1880 mit
Lues aufgenommen u. bis zum 22. März einer specifischen
Kur unterworfen. An diesem Tage wurde sie von Zwil-
lingen, einem todten Mädchen und einem lebenden Kna-
ben, normal entbunden. Die Temperatur betrug 38. 5^
nach 2 T. 40". Der folgende Verlauf, das ausgestossene
Stück u. s. w. ist genau wie im 1. Falle. Nach 2 Mon.
Hess sich die Sonde nur 3.8 Ctmtr. weit einführen.
Auch in diesem Falle war die Dissektion von
einer Blutung nicht begleitet. An beiden dissecirten
Abgüssen war das Gewebe an einer begrenzten Stelle
sehr beträchtlich verdickt. Für den 2. Fall glauht
Vf. noch besonders hinweisen zu müssen auf die be-
trächtliche Dicke des dissecirten Gewebes, auf den
unregelmässigen remittirenden Charakter des Fie-
bers, das 5 Wochen dauerte, und auf die Gegenwart
einer beträchtlichen Menge von Mlkrokokken in den
Blutgefässen. (Burckhardt, Bremen.)
V. Gynäkologie u. Pädiatiik.
261
432. Basilysis, ein Vorschlag sur Verklei-
nerung des Kindskopfes ; von Prof. Alexan-
der Russell Simpson. (Obstetr. Joura. VIII.
p. 427. [Nr. 89.] July 1880.)
in der £inleitnng schildert 8. die Entwicklung,
welche die Operationen der Verkleinerung des Kopfes
in England erfahren haben, das Misstrauen, welches
der Kephalotribe entgegengebracht wurde und die
Differenz der Anschauungen über den Werth der-
selben und des Kranioklast. In Besprechung der
jetzt gebräuchlichen Methoden erklärt er dieKranio-
tomie mit scharfen Haken u. s. w. für veraltet , die
Frage, ob Kranioklast oder Kephalotribe branchbarer
sei^ iässt er unentschieden, die Kephalotomie aber
it dem Forceps-scie und ähnlichen Instrumenten,
ncr in Belgien Anhänger gefunden hat, ver-
er.
Durch Hubert in Löwen und Guyon ist S.
nf aufmerksam gemacht worden , dass die Mc-
e die besten Resultate geben würde , bei der die
m eranii intercraniell zerstört wird. Da aber die
m den beiden Autoren angegebenen Instnimente
zu schwerflillig erschienen, hat er selbst ein der-
iges construlrty welches von ihm Bastlest genannt
«ird.
Durch eine Perforationsöffnung wird ein langer
ttalilemer Stab in die Knochen der Basis an ver-
lehiedenen Stellen eingeschraubt und durch einen
1 Arm des Instmment« die Zerstörung derselben
insgefflhrt. Die Extraktion erfolgt mit dem Kranio-
klast. Die Beschreibung des Basilyst wird leider
durch keine Abbildung unterstützt und ist nicht deut«
ich genug , um des Instrumentes Gestalt und Wir-
koBgsfilbigkeit ohne Weiteres beurtheilen zu können.
Doch macht sie den Eindruck , als ob nur eine ße-
Rieherung des Instrumentarium, nicht aber der
Wissenschaft der Erfolg der Construktion desselben
Kin würde.
I Bei der Diskussion in der Obst. Soc. zu Ediuburg
bmen dieser ähnliche Ansichten zur Aussprache,
lesonders hob K ei Her hervor, dass Simpson
fc Wichtigkeit der Zertrümmerung der Schädelbasis
übertreibe , die auch bei Anwendung der Kephalo-
tnbe leicht von Statten gehe. Letztere zieht K.
ten Kranioklast vor. (0 s t e r 1 o h.)
433. Dystokie in Folge von Ankylose des
Oicoecygis; von Prof. Alex. Russell Simp-
son. (Edinb. med. Joum. XXVI. p. 385. | Nr. 305.]
Ko?. 1880.)
Eine 44jähr. Erstgebärende , zum letzten Male men-
•tniirt vom 23.-26. Jnli 1879, vom 2. Aug. 1879 an von
kern Manne getrennt gewesen , fühlte die ersten Kinds-
Wwepngen am 11. Dec., die Geburt begann den 14. Mai
1880. Wahrend derselben fand Simpson die verschie-
toen Theile dee Steissbeins unbeweglich. Obgleich der
öftere Theil nnter dem Drucke des andrangenden Kopfes
^•wcglicher wurde , blieb der Widerstand so gross , dass
••MKiiid nach längerem Stande mit der ^Axistraktion"-
^e extrahirt werden mnsste nnd das Perinänm einen
w« erlitt. Das Mädchen wog 10 Pfd. ; das Wochenbett
^vüef normal.
Interessant ist die Daner der Schwangerschaft
von mehr als 292 Tagen ; ferner die Richtung der
Perinäalruptnr nach rechts von der Rhaphe , jeden-
falls eine Folge der starken seitlichen Drehung des
Kopfes bei Passirung des Hindernisses. Die Anky-
lose des Os cocc. betrifft bald alle Theile , bald nur
die Articul. sacro-coccygea ; die Ursachen siud Ent-
zündungen, Verletzungen u. s. w. Der nachtheilige
Einfluss dieses Zustandes auf den Geburtsverlauf be-
steht in Behinderung des Durchtritts aus dem Becken -
ausgang, und zwar ist dieselbe um so stärker, je
weiter nach vorn zu das Os cocc. gerichtet ist. Die
Diagnose ist nur bei direkter manueller Untersuchung
und am leichtesten während einer Wehe zu stellen.
Dabei kann man mit den Fingern die Ankylose
durcli Zerbrechen zerstören und so dem Kopf des
Kindes zum ungehinderten Durchtritt verhelfen, wie
es S. in einem frtthern Falle erfolgreich gethan, oder
mit der Zange die Geburt des Kopfes bewirken.
(Osterloh.)
434. Dystokie in Folge von Hydrooepha-
lus; von Dr. John Taylor. (Glasgow med.
Journ. XV. 3 ; March 1881.)
Der mitgetheilte Fall, welcher in seinem Ver-
laufe sonst nichts Besonderes bietet nnd mit dem
Tode der Gebärenden endete, ist nur wegen der Art
und Weise, wie es nach vielen vergeblichen Ver-
suchen , den Kopf mittels der Zange zu entwickeln,
dem Vf. doch endlich glückte, die Geburt zu be-
enden, erwälmenswerth. Er legte nämlich die Zan-
genblätter verkehrt, d. h. mit ihrer concaven Fläche
nach der Beckenhöhle gerichtet, ein u. suchte durch •
Druck auf den liydrocephalischen Schädel des Fötns
zu wirken, während gleichzeitig zwei in das Rectum
eingeftihrte Finger das Weiterrücken des Kopfes
unterstützten. Immerhin glanbt aber Vf., dass bei
analogen Fällen die Wendung auf die Füsse und das
Anbohren des Wsisserkopfs mittels des Adspirator
praktischer und für die Gebärende weniger verhäng-
nissvoll sein werde. (Krug.)
4.35. Die Behandlung von Blutungen nach
der Entbindung ; von Dr. W. E. Forest. (New
York med. Record XVIII. 10; Sept. 1880.)
F. theilt zunächst 5 Fälle aus seiner eignen
Praxis mit.
1) 25jähr. Frau ; normale mittelschnelle Geburt deB
5. Kindes ; {grosses subperitonäales Fibroid am Fundus ;
10 Min. nach der Geburt des Kindes Expression der Pla-
centa. Sofort starke Blutung ; die in den Uterus geführte
Hand entdeckte 2 grosse submnk5se Fibroide im Fundus.
Ein in reinen Essig getauchter LeinwandpfTopf in die
Gebürmntterhöhle gebracht rief dauernde Contraktion u.
Stillung der Blutung hervor. Gutes Wochenbett.
2) 38jähr. Frau. Bei Geburt des 8. Kindes schwere
Wendung bei Vorfall beider Arme. Sehr starke Blutung
der narkotisirten Frau ; nach 2mallgcr Einführung von in
starken Weinessig getauchter Leinwand in den Uterus
stand die Blutung. Ungestörtes Wochenbett.
3) 25Jähr., vom 4. Kinde entbundene Frau. Starke
Blntimg bei Atonie des Uterus. Heisses Wasser in die
Uterinhöhle injicirt stillte die Blntung. Schnelle Wieder-
herstellung.
262
V. Gynäkologie a. Pädiatrik.
4) 26Jähr. Erstgebärende. Im 8. Mon. der Schwan-
gerschaft Eklampsie ; nach dem 5. Anfall Dilatation des
Orif. uteri mit ^ames'sohen Gummiballons unter Ghloro-
formnarkose, Incision der derben Muttermundslippen,
Entwicklung des Kopfes mit der Zange. Sofort nach der
Geburt 6. Anfall ; Atonie ; starke Blutung. Helsswaseer-
injektionen und Ergotin blieben erfolglos; ebenso Ein-
legung eines Gummiballons mit Eiswasser in die Gebär-
mntterhöble. Dagegen stand die Blutung auf 2malige
Injektion von Jodtinktur mit heissem Wasser zu gleichen
Theilen. Der Blutverlust war aber zu bedeutend ge-
wesen, so dass die Entbundene nach wenigen Minuten
starb.
5) 26jähr. Frau ; 1 Jahr früher schwer von einem
todten Kinde entbunden. Verzögerte 2. Geburt, Applika-
tion der Zange. Die verwachsene Placenta wurde 1 Std.
nach dem Kinde entfernt. Sehr starke Blutung. Essig
mittels eines Schwammes in den Uterus wiederholt ge-
bracht blieb, wie auch heisses Wasser, erfolglos. Auch
nach Injektion von 60 Grmm. Jodtinktur mit eben so viel
heissem Wasser stand die Blutung nicht völlig. Dieselbe
wurde erst auf Injektion von 60 Grmm. unverdünnter
Jodtinktur gestillt. Unter Anwendung von Stimulantien
war der weitere Verlauf günstig.
6) Dr. H n n t e r führte bei einer frisch entbundenen
Frau, welche in Folge von Retention der Placenta an
starker Blutung litt, 1 Flasche mit 15 Grmm. Jodtinktur
in den Uterus und Hess die letztere daselbst auslaufen.
Eine sofort eintretende starke Contraktion trieb die Hand,
die Placenta und den sonstigen Gebärmutterinhalt heraus.
Das Wochenbett verlief ohne Störung.
Mit Bezug aaf diese Beobachtungen bespricht F.
die angewendeten Methoden.
Die Einführang der Hand in die Gebärmutter-
höble genügt häufig zur Blntangsstillang , sie ist
stets nöthig, nm die Blutgerinnsel zu entfernen, ehe
eine Einspritzung u. s. w. in die Gebärmutterhöhle
selbst gemacht werden kann.
Ergotin muss stets hypodermatisch gegeben
werden, während intern nur Stimulantien gereicht
werden dürfen.
Compression der Abdominalaorta ist bei magern
Fraaen ein gutes Mittel, zumal man gleichzeitig den
Uterus fixiren und die erstere comprimiren kann.
Eis nni^Eiswasser lähmen bei längerer Anwen-
dung die Musketbündel, während heisses Wasser (so
heiss als es vertragen ^rd) in grossen Mengen ein
ausgezeichnetes Mittel ist.
Die Wirkung des Essig beruht in dem Reize,
der starke Contraktion des Uteras hervorruft;. Die
bisher erwähnten Mittel werden jedoch von der
Jodtinktur übertroffen. Vor dem Eisenchlorid hat
dieselbe den Voiiiheil, dass sie das Blut nicht gerin-
nen lässt , sondern blos durch den Reiz den Uterus
zur Contraktion bringt. Von ihrer Anwendung hat
Vf. nie naohtheilige Folgen beobachtet.
(Osterloh.)
436. lieber Asphyzia neonatorum and
deren Behandlung; nach W. E. Forest, R.
Brnce, J. Mar6chal, J. Taylor, R. J. M.
Coffin, Mekerttschiantz, Larrey.
Dr. W. E. Forest (New York med. Record
XVII. 15. p. 409. April 1880) giebt im Anschluss
an den einen , früher veröffentlichten Fall (Jahrbb.
CLXXXVII. p. 157. 1880) und die daselbst be-
sprocbene neue Methode der Wiederbelebung bei
tiefer Asphyxie 3 weitere Fälle als Beleg ftlr deren
Nutzen.
Der erste derselben stammt aus dem Materoity Hos«
pital auf Blackweira Islaud (Dr. F a r n h a m) : Die ISjähr.
Erstgebärende hatte in Folge von Rigidität des Oriflctiun
uteri eine sehr langdauerade Entbindung mit schlusslicher |
Zangeneztraktion durchzumachen (42 Std. auf die erstem '
1 V4 Std. auf die zweite Geburtsperiode). Das Kind wtr
tief asphyktisch , vollständig weiss , ohne ein Lebenszei-
chen [Herztöne nicht mehr hörbar?]. Nachdem verschie-'
dene Wiederbelebungsmethoden 15 Min. lang, ohne dia
erste Zeichen der Athmung herbeiznfflhren , ausgefuliil«
worden waren, wurde Dr. Forest's Methode ausgeful
(künstliche Athmung im sehr warmen Bade in bald sitsi
der, bald liegender Stellung des Kindes), inzwischen ab
auclt von Mund zu Mund Luft in die Lungen des Kindi
eingeblasen ; bei dem nächsten Aufrichten des Kindes
die sitzende Stellung wurde die erste Inspirationsbew
wahrgenommen ; nach 20 Min. langer Anwendung ti
Forest 's Methode, aber mit wiederholtem Einbl
von Luft von Mund zu Mund , kam das Kind zu unregi
massigen, schwachen Respirationsbewegungen, die
mälig kräftiger wurden. Die Forest 'sehe Metii
wurde im Ganzen 35 Min. lang ausgeführt. Das
war am nächsten Tage munter [blieb es am Leben?].
Im zweiten Falle (aus F. 's eigner Praxis) wurde di
Kind einer 2SJähr. Viertgebarenden in Steisslage bis z
Kopfe normal geboren, hinter welchem sich ein Arm v
schlungen hatte. Die Losung dieses Armes erforderte
viel Zeit, dass mittlerweile die Pulsationen der NabeiJ
schnür aufgehört hatten. Das Kind war vollstäm
asphyktisch , bläulich-weiss ; die Herztone konnten n
mit Schwierigkeit gehört werden. F. setzte das Kind
ein 440c. warmes Bad, legte es abwechselnd und bli
häuHg Luft von Mund zu Mund in die kindlichen Li
wege. Nach 15 Min. langer Bemühung sah man kram,
hafte Athembewegnngen eintreten. Es dauerte aber abd|
1 Stunde , ehe die Athmung vollständig in Gang gekooi^
men war. i
Der dritte Fall, ebenfalls aus F.'s Praxis, betraf dal
26jähr. Zweitgebärende mit erster Schulterlage ersteP
Unterart. Nachdem die äussere Wendung ausgef&liiil
war , sprengte F. die Blase und erreichte leicht den lia*
ken Fuss ; auch hier verstrich längere Zeit bei der
Wicklung der Arme und des Kopfes , so dass das Kini
asphyktisch geboren wurde. Nach 10 Min. langer
Wendung von F/s Methode gab es das erste Lebenszi
eben. Es erholte sich vollständig.
In 2 von seinen 4 Fällen (incl. des Mher
richteten) waren alle andern ]tf ethoden der Wieder*^
belebung versucht worden, ehe F. 's ])fethode in Ad«^
Wendung kam. Als ihre Hauptsache betrachtet F. j
die Oombination der besten Jtfethode der kflnstlichen 1
Respiration mit dem besten Reiz für die CirknlatioDi
nämlich dem continuirliehen heissen Wiuserbade.
Letzteres ist bei nur leichter Asphyxie nicht in- !
dicirt. ^
Dr. Robert Bruce, der tlber denselben Fall
bereits anderwäi-ts (Jahrbb. CLXXXIX. p. 51. 1881)
berichtete , bespricht (Obstetr. Joum. VIII. p. 550.
Sept. 15. 1880) die Wiederbelebong asphyktiseher
Neugebomer durch Einffihmng eines elastisehsn
Rohres in den Larynx nnd abwechselndes Luftein-
blasen und Thoraxcomprimiren. Der in dem be-
treffenden FaUe, in welchem Herztöne nicht mehr sa
hören waren, erzielte Erfolg beweist die Möglichkeit,
anch da das Leben wieder anzuregen , wo man es
V. Gynäkologie n. Pädiatrik.
263
lieh allen physikalischen Zeichen fOr erloschen hal-
ten mfiaste.
Bei der an Br.'s Mittheilnng in der Obstetr. Soc.
n Edioborg sich knüpfenden Diskttssion bezeich-
leteDr. Croom Vfs. Fall für werthvoU^ da man
k alien Handbüchern bis jetzt den Grundsatz auf-
gestellt habe, dass die Anwendung der künstlichen
Reipintion nach Aussetzen des Herzschlages unnütz
Bd. k gleicher Welse sprach sich Prof. Simpson
tgi. Wegen Verstopfung der Larynxkatheter giebt
nweilen Schnitze 's Methode bessere Resultate,
gedenkt eines Falles j in welchem 45 Min. ver-
en, ehe das Eond spontan athmete; es starb
2 oder 3 Tagen. Das Lufteinblasen kann £m-
oder Atelektase erzeugen. — Dr. James
rmiehael benutzt in solchen Fällen mit bestem
Ige einen elastischen Gummikatheter , vor wel-
das Instrument , das Bruce benu^t y keinen
heinlichen Vorzug besitzt. — Dr. Angus
icdonald tadelt es ebenfalls , wenn man die
lerbelebung aufgiebt , sobald man die Herztöne
it mehr hört. Er erinnert an einen Fall; in wel-
ein in Folge von Beckenenge (Conjugata nur
^/iZoll) in Steisslage schwierig entwickeltes und
Herzschlag gebomes Kind als todt beiseite ge-
wurde, später aber — ca. nach */« Stunde —
er zum Leben kam [vgl. unten den von Tay-
r veiOffentlichten Fall]. M. hat öfters in die
durch einen Katheter Luft eingeblasen,
aber auch in den Magen. — Schlüsslich be-
ll Dr. Bruce noch die Art und Weise, auf
man sicher sein kann , die Sonde oder Röhre
h in den Larynx geschoben zu haben (Nach-
mit dem in den Larynxeingang vorgeschobe-
linken Zeigefinger). Die Gefahr, Emphysem zu
hält er für gering.
Aach Dr. J. Mar^chal bespricht eingehend
de Th6r. XCIX. p. 217. Sept. 1880) einen
rat zum direkten Lufteinblasen (insufiBateur
;) behuüs Wiederbelebung Neugeborner ; er will
damit nur die Vortheile des Einblasens von
zu Mund erzielen , ohne dessen Nachtheile zu
B. Das am besten aus Hartgummi dargestellte
nt besteht aus einem durchbohrten Mund-
ftr den Gebmlshelfer und aus einem ebenfalls
ibohrten, konisch zulaufenden Mundstück filr das
igebome, zwischen beiden, fest mit einander ver-
menen Theilen befindet sich eine ovale Papier-,
hffet^ oder Hartgummischeibe [ähnlich der Hom-
^Ite an gewissen Saugflaschen] , welche das Ein-
ziehen des Instruments in den Mund des Neu-
pbornen [dort des Säuglings] verhüten soll. Schon
Delattre zu Brest legte (1860) ein kreisrundes,
k der Mitte durchlöchertes Stück Schaf leder (basane)
'viBehen seinen und des asphyktischen Kindes Mund,
^>m er Luft einblasen wollte. Aber auch auf diese
yeiae wu^ die mindestens ftlr den Arzt so gefi&hr-
U^ and unangenehme direkte Berührung beimEin-
^ Ton Mund zu Mund nicht genügend verhütet.
^Chaassier'sche Röhre zum Einblasen direkt
in die Glottisspalte ist einerseits nicht immer zur
Hand und wird andererseits von vielen Aerzten ver-
worfen , da mindestens Uebung zu ihi*er Einführung
gehört. Deshalb benutzt Mar. den oben beschrie-
benen Apparat, dessen einziger Mangel in dem gleich-
zeitigen Einblasen von Luft in den Oesophagus wie
in die Trachea besteht. Es lässt sich diess aber ver-
meiden , wenn man , nachdem man Mund und Pha-
rynx von den Schleimmassen befireit hat, die Zunge
leicht nach aussen vorzieht, wodui*ch die eingeblasene
Luft leichter in die Luftwege eindringt.
Dr. J 0 h n T a y 1 0 r zu Edinburg (Glasgow med.
Journ. XIV. 10. p. 280. Oct. 1880) theilt folgenden
bemerkenswerthen Fall von Belebung eines hoch-
gradig asphyktisch gebomen Kindes mit.
Bei der Untersachung der 20jähr. Erstgebärenden,
deren Becken stark verengt war, constatirte T. nach
kfinstliehem Blasenspmnge eine Steisslage eines Knaben.
Nach 2 Std. holte er nnter Assistenz von Dr. Angns
Macdonald (Chloroformnarkose) den linken Fuss herab,
wobei der Oberschenkel brach, dann anch den rechten,
worauf der Körper folgte. Beide Aerzte beobachteten
hierauf den ungewöhnlichen Mechanismus des Durchtritts
des Kopfes mit nach der Symphyse hingewendetem Ge-
sichte. Das Kind war todt; beide Aerzte yermoehten
mittels des Stethoskop keine Herztöne zu vernehmen.
Das Kind wurde daher in einem Korbe unter das Bett ge-
schoben. Nach längerer Zeit — es scheint mehr als
Va Std. dazwischen zu liegen — hörte T. ein Geräusch
und, als er das Kind unter dem Bette hervorholte, be-
merkte er zwar keine Herztöne, aber ein Muskelzittern,
weshalb er künstliche Respiration u. abwechselnd warme
und kalte Bäder ungefähr iVs Std. lang an\^endete. Das
Kind kam wirklich zum Leben, worauf das fraktnrirte
Bein verbunden wurde. Mutter und Kind befanden sich
die 1. Woche hindurch gut; das Kind erlag am 14. Tage
einer Pneumonie, die Mutter verfiel in Puerperalmanie
und wurde in ein Asyl gebracht.
Auch R. J. Maitlaud C off in berichtet (Brit.
med. Joarn. Oct. 23. 1880. p. 659) jlber einen
Fall von Wiederbelebung nach 2 Stunden u. 20 Mi-
nuten.
Als er hinzukam, war das Kind seit fast 1 Std. ge-
boren und lag, obwohl zwei verheirathete Frauen zugegen
waren, auf dem Gesicht, wodurch es asphyktisch gewor-
den war. M. konnte noch eine leichte Bewegung am
Herzen wahrnehmen, die aber nach wenigen Minuten ver-
schwunden war. Er Hess deshalb das Kind in FlaneU
wickeln und suchte es dann in der Nähe des Feuers nach
Silvester *s Methode wieder zu beleben. Nach etwas
über 1 Std. wurde der erste Athemzng bemerkt; nach
weitern 20 Min. athmete das Kind normal.
Die von Sc hüll er angegebene Modifikation des
Silvester 'sehen Verfahrens der künstlichen Respi-
ration wnrde von C. Behm ungünstig beurtheUt^
während Mekerttschiantz (Qynäkolog. Centr.-
Bl. V. 2. p.36. 1881) in 5 Fällen, in denen er die
Methode, mit andern combinirt, anwendete, sehr
guten Elfolg hatte ^).
Die Angabe S c h tt 1 1 e r 's, dass die Verhältnisse
für die Anwendung seiner Methode bei Neugebomen
durchaus ungünstig lägen, besonders wegen der
Nachgiebigkeit der Thoraxwandungen u. der Klein-
heit der Theile (Ztschr. f. Geburtsh. u. Gynäkol. V,
1) Vgl. Jahrbb. CLXXXVH. p. 169.
264
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
2. p. 411. 1880) lägst M. nicht gelten, weil er eben
günstige Resultate hatte und weil ohnehin die Ath-
naung in der ereten Zeit des Lebens fast allein dai*ch
das Diaphragma unterhalten wird , ein kleines Kind
übrigens auch nnr eines kleinen Quantum Luft zur
Unterhaltung der Respiration bedarf. Zur Herstel-
lung dieser letztern bei einem asphyktischen Neu-
gebornen genügt aber gewöhnlieh das Quantum,
welches man durch die Schüller'sche Methode
einzuleiten vermag.
Ist einmal hierdurch eine unregelmässige Ath-
mungsthätigkeit erweckt, so lässt sich nachträglich
noch das Schultz e*sche Verfahren anwenden, von
M. neuerdings dahin modificirt, dass er, ehe er das
Kind abnabeln Hess, bei fixirtem Köpfe beide Beine
desselben, an den Knieen gefasst, gegen den Thorax
drückte und dann wieder ausstreckte, ausserdem
aber durch Schwenken eines Schreibheftes gegen den
Mund des Kindes einen Luftzug erzeugte , der sich
mindestens als Hautreiz nützlich erwies.
Larrey (Gaz. de Par. 4. 1881) empfiehlt als
ein einfaches und sehr wirksames Mittel zur Be-
lebung asphyktisch geborner Kinder das heisse Bad
(45—500 C).
Ein wegen Eklampsie der Mutter mit der Zange
entwickeltes Kind, bei welchem unmittelbar nach der
Geburt kein Herzschlag zu hören war, wurde nach
28tüDdl. vergeblichen Versuchen durch ein auf 45 —
50^ erwärmtes Vollbad schon nach .30 Sek. zum
ersten Athemzuge angeregt und nach weitern 5 Min.
vollständig zum Leben gebracht.
L. erinnert hierbei daran, dass Gustave Le
Bon, von der Theorie ausgehend, dass die Haupt-
gefahr bei asphyktischen Zuständen in der dadurch
bedingten Verkühlung des Blutes liege , nach Ver-
suchen an asphyktischen Thieren dieser Gefahr durch
längeres Verweilen des Asphyktischen in einem bis
zu einem gewissen Grade erwärmten Vollbade zu
begegnen vorschlägt. (K o r m a n n.)
437. Ueber eine hereditäre Folge der ohro-
niBchen Bleivergiftung; von Dr. 0. Rennert
in Frankfurt a/M. ( Arch. f. Gynäkol. X VHL 1 . p.l09.
1881.)
Ueber die Eltern der Kinder schickt Vf. Folgen-
des voraus. Sie alle sind Töpfer, die mit Bleiglätte
glasiren. In dieselbe wird, nachdem sie mit Wasser
zu einem dünnen Brei angerührt, das zu glasireude
ThoDgeschirr mit den Händen eingetaucht. Die
Arbeitsräume sind von den Wohnräumen getrennt.
Die Art der Bleierkrankung bei den Eltern bietet
nichts Besonderes.
Die Kinder der bleivergifteten Eltern bieten ent-
weder gleich bei der Geburt (die dadurch wesentlich
erschwert werden kann) oder kurze Zeit nach der-
selben eine mit einer eigenthümlichen Form des
Schädels verbundene Vergrösserung desselben dar.
Derselbe ist eckig , indem die Tnbera frontalia und
parietalia vorspringen ; dabei übertritt der hintere
Querdurchmesser (Diameter biparietalis) den vordem
(bitemporalis) bedeutend an Grösse ; die Krümmnng
der Hinterhanptschuppe erleidet keine wesentliche
Abänderung. Diese Schädel wachsen nun rasch —
übrigens nicht im Entferatesten so rasch wie hydro-
cephalische — in einem Maasse, dass sie in den
nächsten Jahren auch bei obei-flächlicher Betrachtang
(selbst den Angehörigen) ohne Weiteres als abnonn
gross erscheinen. Dabei sind aber — soweit Vf&
Material reicht — die Nähte nicht klaffend, die Fon-
tanellen nicht erweitert ; die Orbitae und die Std-
lung der Augäpfel erscheinen normal. Das übrige
Skelet zeigt zwar bei einzelnen Kindern Spuren voi
Rhachitis (an Kiefern, Thorax und Epiphysen), abä
wohl kaum liäufiger, als etwa bei einer gleichen A»
zahl von einem beliebigen andern Gesichtspunkte
ans zusammengestellter Kinder. Die andern K9i
perorgane sind gesund. Ueberhaupt entwickeln sie
die Kinder fast alle gan^ normal, weder ihre Int
genz, noch der allgemeine Ernährungs- und Kräfte!
zustand ihres Körpers zeigt sich beeinträchtigt. Hiflj
gegen macht sich jetzt eine grosse Neigung zur Ei^
krankung an Krämpfen geltend. Diese Krampf
sind oft ganz aligemeine klonische und tonische Coii>
traktionenund ti'eten als Gomplikationen leichtel
Erki*ankungen auf. Die Hälfte der Kinder stiiU
dabei , die andern überstehen die Gefahr und ver
wachsen die grossen Köpfe.
Aehnliche Krankheitsbilder werden erzeugt duiei
chronischen Hydrocephalus , Hinihypertrophie [ud
angebome Rhachitis. — Vf. nimmt in den fragt
Fällen Hirnhypertrophie als anatomisches Substnl
der Makrocephalie an. Als Gründe hierfür führt ef
an : 1) den doch nur massigen Grad der Makroce
phalie, ihr langsames Wachsthum, die Zeit ihrer Eßt
Wicklung und die diesen Faktoren cntsprechesdi
äussere Gestaltung des Schädels ; 2) die i-egelmä»
sige und im Ganzen kräftige und gesunde Entwick;
lung des übrigen Körpers, sowie die nicht gestört
Intelligenz. In dem einzigen , zur Sektion gekooi
menen Falle wurde die klinische Diagnose bestätigt
Zur Uebersicht der Morbidität und Mortalitt
werden die Kinder in 3 Gruppen getheilt, und zwai
zeigt die .1. Gruppe Kinder, deren Eltern das ge
wohnliche Bild der ausgeprägten Bleivergiftung bie
ton , in der 2. Gruppe ist die Mutter nur leicht afB
cirt, und in der 3. ist die Mutter gesund. Es ergieW
sich hieraus folgendes Verhältniss :
1. Gruppe von 19 Kindern 18 Erkrankungeo « 95%
2. „ „ 27 „ 18 „ =67
3. „ „ 33 „ 20 „ =61
Die Mortalität der so erkrankten Kinder steUt sieb
für das Ganze auf 28 = 50o/o
für die 1. Gruppe auf 13 «= 72
n « 2. ^ n 3 =*= 17
, ^ 3. „ ^12 = 60
Bei der hereditäi-en Wirkung des Bleies scheint,
nach dem vorliegenden Material zu urtheiien, dem
Vater die Hauptrolle, resp. die alleinige zuzufallen.
(Burckhart, Bremen.)
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
265
438. Vorfall der Hamröhrenschleimhaut
bei einem lOjähr. Mädchen; von V. Ingerslev
inPiistö. (Hosp.-Tid. 2. R. VIII. 26. 1881.)
Das Kind hatte im Scherz ein Taschentach in den
MbikI gesteckt , danach kam ihm das Lachen an , das
sber wegen des Knebels in dem Monde nicht znm Ans-
Iffoch kommen konnte ; dabei hatte sie die Empfindung;,
lU wenn zwischen den Beinen etwas entzwei ginge nnd
in den Geschlechtstheilen fand sich eine rothe Blase.
Binidrang trat häufig auf, aber die Harnentleerung war
etwas erschwert nnd mitunter bestanden Schmerzen in
der Genitalgegend. Bei der Untersuchung fand sich eine
rotbblane, wurstf5rmige Geschwulst von der Dicke eines
Zeigefingers und ungefähr 1 Gtmtr. lang , an ihrer Basis
etwas eingeschnürt und mit einem breiteren freien Ende,
n dessen Mitte sich eine Oeffnung mit gefalteten Rän-
iem zeigte ; dicht an der Geschwulst befand sich der In-
teitns vaginae und vor ihr die Klitoris , so dass man
ieht die vorgefallene Hamr5hrenschleimhaut erkennen
te. Versuche, die Geschwulst zu reponiren, erreg-
heftigen Schmerz. Nach Auflegen einer Eisblase war
a nächsten Tage der Zustand ganz unverändert, nur die
ibrnentleerung war weniger häufig und ohne Beschwerde
aSglieh. Die Kr. , die sich sehr ungeberdig benahm,
nnle chloroformirt nnd die Reposition mit Leichtigkeit
kwerkstelligt » aber sofort danach trat der hinterste
Theil des Vorfalls wieder heraus, eine schneppenförmige
Protnberanz bildend, und Hess sich auf keine Weise zu-
nekhalten; nach einigen Tagen hatte sich der Vorfall
wieder vollständig hergestellt. Vor einer neuen Reposi-
fioii, wozu wieder chloroformirt werden musste, wurde
üe rorgefallene Schleimhaut erst mit Tanninlösung ge-
waschen und nach der Reposition ein mit Tanninlösung
fetränkter Wattetampon in die Vulva eingelegt. Der
Yor&ll bildete sich aber trotzdem allmälig wieder und
iitte bald seine frühere Grösse wieder erreicht. Nach
öter abermaligen Reposition wurde ein durch eine Kork-
ieheibe geschobener weicher Katheter in die Harnröhre
eagefahrt und mit Bändern befestigt ; da aber der Appa-
Bt nicht genügend fest sass, bildete sich der Vorfall
fauner wieder. Endlich wurde (am 31. Oct., nach 10 T.
lugem Bestehen des Vorfalls) die vorgefallene Schleim-
hat abgeschnitten ; 2 Ligatnrfäden wurden kreuzweise,
Too ?om nach hinten und von einer Seite zur andern,
iirehgefuhrt , so dass Einstiche und Ausstiche in die
Sehleimbaut der Vulva fielen , deren Grenze von dem
Tordall leicht an der Farbe kenntlich war. Darauf wurde
ier Vorfall mit einer Klemmpincette gefasst und zwischen
fieser und den Ligaturen abgeschnitten, die dann vorge-
10^ und abgeschnitten wurden, wodurch gleich 4 Sutu-
ren gebildet wurden, die hinterste aber riss aus, als man
^Knoten knüpfen wollte ; schlüsslich wurde ein weicher
iUtheter eingelegt. Am 3. Nov. wurde der Katheter, am
1. wurden die Suturen entfernt ; es bestand noch etwas
Geschwulst am Bande des Orificium urethrae, aber kein
Vorfall.
Am 9. Nov. schien wieder Neigung zu einem neuen
Vorfall vorhanden zu sein, ohne dass er aber zu Stande
^. Es entwickelte sich unter Fiebererscheinungen ein
Sebarlaebexanthem, aber ohne Angina und ohne scarlati-
Bosen Zungenbelag und ohne dass Scharlach in der Um-
legend vorkam. Wie sich später herausstellte war das
^nthem eine Folge der Einreibung des Rückens mit
^em Volksmittel gegen Würmer (Hyoscyamusöl) ; es
verschwand am 17. Nov. vollständig, gleichzeitig aber
^ sich auch der Vorfall wieder gebildet, nur nicht in
80 hohem Grade wie früher.
Am 21. Nov. wurde von Neuem die Abschneidung
voi|genommen, diessmal aber ohne Suturen ; es wurde ein
weicher Katheter eingelegt, da er aber durch Erbrechen
^ ans der Urethra herausgedrängt wurde, wieder weg-
«elaiseiL Naeh 10 Tagen war die Schnittwunde voU-
Med, Jahrbb. Bd. 191. Hft. 8.
ständig geheilt und Alles in gutem Stande, um das Orifi-
cium urethrae fand sich eine kleine ringförmige Ge-
schwulst, die seitdem unverändert blieb, ohne zu stören:
Der Vorfall hat sich später nicht wieder eingestellt.
Wie weit die von M ' C l i n t o c k für liartnäelsige
Fälle von Vorfall der Harnröhrensckleimhaat ange-
rathene Ausschneidnng radiärer Streifen im vorlie-
genden Falle zum Ziele geführt haben könnte, kann
Ingerslev nicht sagen, aber es kommt ibm vor,
als ob diese Operation ziemlich schwer auszuführen
sein düifte, während die einfache Abtragung der
vorgefallenen Schleimhaut keinerlei bedenkliche Fol-
gen haben könne. Wodurch nach der ersten Am-
putation sich ein neuer Vorfall bildete, kann I. nicht
angeben, wenigstens hat er über eine solche Oe-
legenheitsui*sache, wie sie den ersten Vorfall erzeugt
hatte, nichts in Erfahrung bringen können. Dass
eine abnorme Schlaffheit der Hamröhrenwandung
als disponirende Ursache wirken kann, ist wohl
nicht zu bezweifeln ; I. sieht es nicht für unwahr-
scheinlich an, dass im vorliegenden Falle Masturba-
tion eine Rolle gespielt haben kann, obwohl darüber
keine bestimmte Auskunft zu erlangen war.
(Walter Berger.)
439. Ueber die Einwirktmg des Alkohol
auf den Stoffwechsel und über dessen An-
wendung bei Kindern; von Jules Simon.
(Gaz. des Höp. 31. 34. 1881.)
Vf. verordnet Küidei*n häufig Alkohol, und
zwar als Spiritus (Branntwein, Eau de vie) oder als
Wein (Malaga, Vin du Midi, Bordeaux, Champagner
u. 8. w.) oder als Bier. Im Allgemeinen ist Wein
anderen Arten Spiritus vorzuziehen. Bordeaux- Wein
verdient den Vorzug, weil das Verhältniss des Alko-
hol in demselben ein gutes ist und weil er Eisen ent-
hält. Leider ist er selten rein zu erhalten, da beim
Coupiren häufig Eombranntwein zugesetzt wird.
Dasselbe gilt von den Bieren, die ausserdem noch
mit bittern Substanzen gefälscht werden. Den in
England gebräuchlichen Zusatz von Cort. An-
gosturae, wodurch das Bier haltbar gemacht wird,
betrachtet Vf. als ein gutes Stimulans für Kinder
und Erwachsene [?]. Aber auch das helle Ale ent-
hält sehr kleine Quantitäten Nux vomica. — Ausser
diesen alkoholischen Stoffen erw&hnt S. die Tinktu-
ren, die Mixturen und die Chinaweine, welche letz-
tere aber ebenfalls mit coupirten oder gemachten
Weinen dargestellt werden.
Die hierauf folgenden Bemerkungen des Vf.'s
über die Wirkung der Alkoholika im physiologischen
Zustande und bei Krankheiten können wir, als nur
das Bekannte enthaltend, übergehen.
Bei Neugebornen, die asphyktisch zur Welt
kamen, kommen Alkoholika nach S. zur Verwen-
dung 1) äusserlich als Bad (Weinbad), 2) innerlich
i/istündl. 1 Kaffeelöffel voll eines Gemisches aus einem
Dessertlöffel voll Malaga und einem Weinglas voll
Zuckerwasser ; dieses Getränk muss den Neugebor-
34
266
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
nen tropfenweise in den Mund gebracht werden.
Ebenso ist bei geschwächten Kindern (Schlaflosig-
keity schwierige Zähnung n. s. w.) dieselbe Mischung
von Zuckerwasser und Malaga, binnen 24 Stunden
genommen, von ausgezeichnetem Nutzen. Femer
besteht die beste Behandlung von Capitlarbronchitis,
Bronchopneumonie und Pneumonie nach S. in der
Anwendung von Alkohol und Vesikatoren. Nach-
dem man im Anfange oder am Ende einer Capillar-
bronchitis die Luftwege durch eiu Brechmittel frei
gemacht hat, soll man 15 — 20 Grmm. Cognac oder
40 — 50 Grmm. Malaga in einer Gummimixtur stünd-
lich [in welcher Gabe ist nicht angegeben] verab-
reichen. Dagegen sind bei Laryngitis stridula oder
acuta, bei akuter Entzündung der grossen und mitt-
leren Bronchien Brechmittel, Nervina und Revulsiva
mehr indicirt. Die chron. Bronchitis, Bronchial-
drüsenerkrankung, selbst die chron. Phthisis erfor-
dern aber wieder Alkohol, besonders wenn bei letz-
terer der Kranke heruntergekommen ist. In solchen
Fällen verordnet S. ein schwefelhaltiges Mineral-
wasser (Enghien, Mont-Dore, Eaux-Bonnes) 14 Tage
lang neben Eselinnenmilch, femer vor und nach
jeder Mahlzeit Malaga oder Cognac, Branntwein in
Wasser, Arsenik und phosphors. Kalk, abwechselnd
jedes 14 Tage lang ; femer Mahsextraktbier, endlich
äussere Revulsiva (Jodtinktur, Turbithpflaster —
emplätre de thapsia — oder fliegende Vesikatore).
Was die Krankheiten des Verdauungskanals
betrifft, so soll man nach S. Alkohol bei akuter An-
gina und den verschiedenen Formen der Amygda-
litis nicht anwenden, wohl aber bei Diphtheritis und
Angina membranacea innerlich und äusserlich (Irri-
gationen), ohne dass man versucht, durch Kauteri-
sation die Oberfläche umzustimmen. Viel besser
passt hierzu Citronensaft, Wein- und Gewürzessig in
der Menge von 1 — 2 Esslöffel auf 1 Glas warmes
Wasser als Gurgelwasser, oder Phenol und Phenyl-
säure. Grosses Gewicht legt übrigens auch S. auf
eine kräftigende Allgemeinbehandlung, bez. Diät,
unter Vermeidung aller Mittel, die den ELr. schwä-
chen könnten.
Bei atonischen, dyspeptischen Kindern in grossen
Städten giebt man zweckmässig Alkohol, Malaga mit
China oder Wein von Bugeaud, stets mit Wasser
verdünnt, wenn sie vor, rein, wenn sie nach der
Mahlzeit gegeben werden. Nur bei gleichzeitig be-
stehender Lebercongestion und Verstopfung ist der
Wein cohtraindicirt und muss durch alkalische
Wässer ersetzt werden. Alkoholische Präparate
dürfen hier nur sehr verdünnt und nur nach der
MahbBeit gegeben werden. Bei dem in Folge von
choleriformen Diarrhöen eintretenden Schwächezu-
stande verordnet S. , wenn Opium, Wismuth und
ähnliche Mittel keinen Erfolg haben, sofort Elinrei-
bung mit Alkohol und innerlich 15 — 20 Grmm.
Malaga oder Branntwein auf 120 Grmm. Getränk,
Hat sich hierauf der Kr. erholt, so giebt S. noch«
mals Opium und Wismuth.
Bei hohen FUberzustanden^ bei Typhus, Sear»|
latina und andern Eraptionsfiebem wirken Alkol
lika nm so günstiger, je höher die Temperatur i
Sie haben jedoch den Nachtheil, dass sie die Ham^
absonderung vermindern, es sind deshalb leicht
Abführmittel indicirt In derReconvalescenz sol
fieberhafter Affektionen giebt S. Alkoholika in
sen Dosen. Nur beim Rheumatismus acutus vei
wirft er dieselben vollständig wegen der Bec
kung der Hamabsonderung.
Endlich sind Alkoholika indicirt bei Anäi
Chlorose, Scrofulose, Rhachltis und Scorbut.
akuter Anämie in Folge von Blutverlusten sind
sofort zn verordnen. Bei chronischer (kacbektischc
Anämie schlägt S. folgende Behandlung ein : 1) Vc
besserung der Ernährung und der Hygieine. 2) Ai
Wendung eines abführenden , bittem Syrup (S]
Gentianae) vor der Mahlzeit. 3) Alkoholika m
dem Essen, unter der Form von Malzextrakt
Chinawein mit Wasser. Letzterer soll jedoch, ebei
wie alle Adstringentien, nicht in den ersten 2Lebei
Jahren gegeben werden, weil er Dyspepsie
Gastralgie, die das Eand schwächen, herl
könnte. 4) Leberthran mit Wein, Porter oder Mal
extrakt, anfangs tropfenweise, später mehr, w(
sich das Kind daran gewöhnt hat. Bd Lei
gestion werden Leberthran und Wein schlecht
tragen. Stellt sich AppetiÜosigkeit oder Diarrh^
ein , so lässt man den Leberthran an 2 Tagen d(
Woche weg und giebt etwas Magnesia oder Kren
domsyrup oder ein abführendes Mineralwasser. — »^
Bei Rhachitis, Scrofulose und Chlorose verordnet
phosphors. Kalk neben Schwefelbädern, salzhalti,
Bädern und alkoholischen Frottimngen. Bei Chi«
rose ausserdem Alkohol nach der Mahlzeit, beigleidi^
zeitiger Atonie bittere Bilittel und Eisen, Hydrotheral
pie u. Massage, sowie Körperübungen, ausser wen
sich unter dem Bilde der Chlorose der Be^nn einfl^
Tuberkulose verbirgt In letzterem Falle venn-;
lassen Eisen und Hydrotherapie oft gefährliche Hft*>
moptysen.
Schlüsslich sind Alkoholika nach S. noch indi- '
cirt bei angebomen Herzfehlem , bei Persistenz der
Oeffnnng des Ductus Botalli, bei Asystolie, passiver i
Hypertrophie und Atonie des HanteapillariystemB.
Contraindicirt sind Alkoholika nach S. , ausser
in den schon erwähnten Fällen, im Allgemeinen bei ;
Affektionen des Nervensystems, sowie bei Hantknuik- 1
heiten (Ekzem, Erythem, Impetigo). Hält er bei
diesen Affektionen die Anwendung der Alkobollk*
für zulässig, so verordnet er dieselben als ernäh-
rende, nicht als Arzneimittel. (K o r m a n n.)
VI. Ghimrgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
VI. Chirurgie, Opiltliaimologie u. Otiatrilc.
267
440. Vier Fälle von Pharyngeal r- Tumor,
Myxosarkoma; von Dr. George A. Peters.
(New York Med. ßec. XVIU. 21 ; Nov. 1880. p. 565.)
Vf. theiit zuDftchst 2 Fälle aus eigener Praxis mit.
1. Fall. Eine 39Jahr. unverheirathete Wäsoherin
benerkte vor 7 J. eine wallnnssgrosse Geschwulst im
Mode an der änssem Partie des linken Unterkiefers,
weleke sie fär eine Zahnfleiscbgeschwnlst hielt. Ein
oriöeer Zahn war nicht vorhanden. Die Schwellung
w nicht von Schmerzen, aber von einer Röthe der der
Gesebwnlst anliegenden Wange begleitet. Ein Arzt er-
die Geacbwulst für einen Abscess und machte
Punktionen in 3 Mon. , von denen nur die erste etwas
und Blut entleerte. Darauf blieb der Tumor 5 J.
stationär und verursachte keine Last. Vor 2 J. be-
er aber zn waclisen , bis er die Grösse l>ei der Anf-
e der Kr. erreichte. Vor einem Jahre wurde Pat.
auf der kranken Seite und litt an Ohrenbrausen,
konnte nur noch flüssige Nahrung zu sich nehmen,
Respiration war indessen nicht beeinträchtigt, die
me klang nasal. Bei der Aufnahme zeigte Pat. be-
de Anaoh wellung der linken Wange, besonders über
Unterkiefer, die sich bis 2 Zoll unter denselben auf
Hals und nach vom bis zum 2. Buccalzahn erstreckte.
Geschwulst war ganz hart, die Haut über ihr ver-
bbar. Sie schien die halbe Mundhöhle einzunehmen,
e die Zange gegen die rechten Zähne, verdeckte
linke Tonsille, und erstreckte sich vom ersten Molar-
nlm ab nach rückwärts ; ihr hinterer Ansatz im Pharynx
feDonte nicht mit dem Finger erreicht werden. Die Ge-
Mkwidst lag innerhalb der Zähne des Oberldefers und
trtreekte sich bis zur Mittellinie. Ihre Bedeckung bil-
iite die gesunde Schleimhaut ; die Consistenz war fest
nd halbelastiach. Fluktuation nicht nachweisbar ; die
Adipiiation ergab keine Flüssigkeit. Im Urin fand sich
icder Eiweiss noch Zucker.
Nach vorausgeschickter Tracheotomie durch den
CUeo-thyreodeal-Banm und Aetherisation durch dieTren-
ieleBbajg'BChe Kanüle hindurch wurde die Wange in ihrer
pBxen Dicke vom Ejeferwinkel bis zum Mund gespalten.
Der Mund wurde mittels eines Knebels offen gehalten,
beb einer Ineieion von S'* Länge durch die Schleim-
äber dem höchsten Theil des Tumor wurde letzterer
leist mit den Fingern ausgeschält, was jedoch bei der
it und Tiefe seiner Masse sehr schwierig war.
dem fast ein Drittel enndeirt war , barst der Sack
ad es entleerte sich eine luorpelähnliche Masse. End-
ich wurde der ganze Sack mit dem Best seines Inhalts
egtfemt, wobei der Finger den Ringknorpel berührte.
Die massige Blntong wurde ohne Unterbindung gestillt.
Die Ränder der Schleimhautwunde wurden nach Ein-
ieien ^es Drainrohrs mit 2 Carbolseidenähten, die der
ViDge mit Hasensohartennadeln und Carbolseidennähten
mddossen. Pat. erbrach nicht, strenge Milchdiät. Vier
T^ später wurden alle Suturen entfernt und nach 14 T.
nren die Wunden bis auf die der Schleimhaut über dem
tsmor geheilt. Nach weitem 4 Wochen, während wei-
te dn lebhafter Husten die Pat. quälte, wurde dieselbe
gebeOt entiasBen.
Nadi der mikroskopischen Untersuchung bestanden
le weichen pulpösen und gelatinösen Massen, welche den
Timor gebüdet hatten , aus Bindegewebsfasern , dnreh-
Ktzt von verschieden gestalteten Bindegewebskörper-
(hea, die im Tbeilnngsproeees begriffen waren. Binde^
l^ebekörperchen und Bmdegewebe waren an manchen
SteHen im Zustand schleimiger Degeneration.
Bis October 1880 war kein Becidiv erfolgt.
2. Faü. Ein 40 J. alter Mann, der vor 3 J. mehr-
^ Anfälle von Baehenentzündong gehabt hatte, seit-
dem aber davon befreit geblieben war, fühlte' eines Mor-
gens beim Aufstehen Wundsein im Halse und erschwertes
Schlucken. Diese Symptome nahmen so zu, dass er in den
letzten 3 Mon. nur von Milch und Bier lebte, wobei er
30 Pfund an Körpergewicht verlor. Aeusseriich war eine
Schwellung in der Gegend des rechten Kieferwinkels
siebtbar. Beim Oeffnen des Mundes bemerkte man einen
von der hintern Rachenwand sich in den Pharynx herab
erstreckenden, ovalen Tumor, welcher unter der Pharjrnx-
schleimhaut mit breiter Basis rechts angeheftet war, die
Tonsille verdeckte und die Uvula nach links drängte.
Die Grenzen des Tumor |liessen sich nach abwärts bis
zum Ringknorpel verfolgen, aber mit dem Finger nicht
abtasten. Der Tumor fühlte sich elastisch an und war
von gesunder Schleimhaut bedeckt. Die Respiration des
leicht anämischen Pat. war im Schlaf etwas erschwert,
seine Stimme nasal. Operation : Nach Anastfaesirung des
Pat. wurde die Tracheotomie gemacht , Trendelenburg's
Kanüle eingeführt und durch sie hindurch die Narkose
fortgesetzt. Nach Oeffnen der Kiefer mit einem Instru-
mente und Durchziehen eines Fadens durch die Zungen-
spitze, durch den sie nach der linken Seite herübergezo-
gen wurde, führte Vf. ein an einem langen Faden befes-
tigtes Stück Schwamm zum Verschluss des Oesophagus
und der Trachea in den Hals ein. Nach Incision der den
Tumor bedeckenden Schleimhaut wurde die Enucleation
mit dem Finger versucht, wobei der Sack barst und sein
weichem Knorpel ähnlicher Inhalt austrat. Dann wurde
der völlig enüeerte Sack mit einer gefensterten Zange
zum Munde herausgezogen u. ganz entfemt. Die massige
Blutung stand ohne Ligatur ; die Schleimhautwunde wurde
nicht genäht, dagegen die Trachealwunde nach Entfer-
nung der Kanüle mit Garbolseide. Nach 4 Tagen waren
die Wunden im Rachen geheilt, das Schlingen ging leicht
von Statten. Die Larynxwunde heilte durch Eiterung,
so dass Pat. 1 Monat nach der Operation völlig herge-
stellt war.
Ob der exstirpirte Tumor ein Fibro- oder ein Myxo-
sarkom war, war durch die anat.-mikroskop. Untersuchung
nicht zu entscheiden.
3. Fall, beobachtet von Prof. H. R. Sanders. Ein
28jähr. Mann, bemerkte angeblich seit 9 Mon. einen
post-pharyngealen Tumor, der aber, nach dem Nasaltone
der Stimme zu schliessen, schon 18 Mon. früher bestan-
den hatte. Seit 5 Mon. hatte sich die Geschwulst nicht
vergrössert, der etwas anämische Pat. aber seit 4 Mon.
10 Pfund verloren. Appetit gut, trotzdem Klagen über
grosse Schwäche. Der längliche unter der normalen
Pharynxschleimhaut gelegene massig feste und elastische,
wie eine Punktion ergab, solide Tumor hatte seinen Sitz
links hinten und verdeckte die linke Tonsille. Die Uvula
stand rechts in Contakt mit den Fauces. Der Tumor
füllte den Pharynx unterhalb der Ganmenfläche aus und
konnte in der Unterkiefer- und Ohrspeicheldrüsoigegend
leicht gefühlt werden, die linke Parotis war indessen
anscheinend nicht vergrössert. Keine Complikationen,
Urin normal. Pat. konnte leicht schlingen, aber feste
Speisen nur schwierig zu sich nehmen, die Respiration
war zuweilen während des Schlafes behhidert.
Operation unter Narkose. Zunächst wurde die La-
ryngotomie ausgeführt und Trendelenburg's S[anüle einge-
bracht. Bierauf wurde über der am meisten hervor-
ragenden Stelle der Geschwulst ein 3 Zoll langer, verti-
kaler Schnitt geführt und der Tumor, mit Znhülfenahme
der Scheere zur Trennung von Bindegewebssträngen,
mittels des Fingers enucleirt. Der aus weichen knorpel-
ähnliohen Massen bestehende Tumor, anscheinend Myxo-
sarkom, ging beim Versuch, ihn zu entfernen, In Stücke.
Nach Entfernung der ans areolarem Gewebe bestehenden
Kapsel und Stillang der sehr massigen Blatoog ohne Liga-
268
VI. Cbirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
tur, wurde die Wunde mit 3 Seidensuturen geschlossen.
Bis nach Entfernung des Kehlkopfrohrs und Verschluss
der Wunde durch Silbersuturen hatte die Operation 45 Min.
gedauert.
Nach 3 gunstig verlaufenen Tagen wurden die Silber-
suturen entfernt ; die Wunde am Halse war p. pr. int.
geheilt. Zwei Tage später wurden auch die Suturen von
der Bachenwunde entfernt. Doch am folgenden Tage
begann nach einer unruhigen Nacht Husten mit beträcht-
licher eitriger Expektoration; 37.8o Temp., 104 Pulse.
Die linke Halsseite war in der Gegend des Kieferwinkels
geschwollen und gespannt, das Schlingen erschwert ; im
Pharynx, sowie durch Auskultation war kein Grund des
Hustens zu entdecken, die Athmung vielmehr normal.
Am folgenden Tage 124 Pulse, 38.60Temp. Der Pharynx
und die Kieferwinkelgegend waren beträchtlich geschwellt ;
das Schlingen schwierig. Die Wundhöhle wurde freige-
legt, mit Sol. Kali hypermang. ausgespült, ein Drainrohr
eingeführt. Keine Dyspnoe, aber zuweilen quälender
Husten. Vom nächsten Tage an besserte sich das Be-
finden, so dass Pat. 3 Wochen nach der Operation ge-
heilt entlassen wurde.
Nach Dr. Delafield bestand der Tumor aus
1) Bindegewebe, 2) Schleimgewebe, 3) Fettgewebe,
4) sarkomatösem Gewebe, ö) irregulären DrüsenfoUikeln,
von polygonalem Epithel begrenzt und hyaline Massen
enthaltend.
Seit der Operation sind 2 Jahre ohne Rückfall ver-
strichen.
4. Faü^ beobachtet von Dr. Morris J. Asch.
Eine 50 J. alte Frau klagte im April 1875 über das Ge-
fühl von Wundsein im Halse. Die Untersuchung ergab
Schwellung der hypertrophischen rechten Tonsille und
des Zäpfchens. Nach Hebung des Leidens durch par-
tielle Excision der Tonsille vergingen l^/^ J., bis Pat. mit
der Klage über Dyspnoe, Dyspepsie und Beeinträchtigung
der Sprache wieder erschien. Die Inspektion ergab einen
fast den ganzen Pharynx ausfüllenden harten und elas-
tischen Tumor, der rechts den ganzen weichen Gaumen
einnehmend sich bis an den freien Rand der Epiglottis
erstreckte und die Uvula an die linken Gaumenbogen
drängte. Nach hinten reichte er bis zur Pharynxwand,
gegen die er so fest angedrängt war, dass sich seine obere
Grenze nicht feststellen Hess. Der rechte vordere Gau-
menpfeiler war über dem Tumor, welcher die rechte Ton-
sille verdeckte, völlig verstrichen. Am 4. Jan. machte
Dr. Asch unter Narkose eine Incision vom harten Gau-
men nach abwärts über den Tumor hinweg und enucleirte
den Tumor, dessen Sack hervorgezogen und galvano-
kaustisch entfernt wurde. Störend war während der
Operation eine Blutung in denLarynx, aber ohne ernstere
Folgen. Pat. genas. Die funktionellen Störungen waren
durch die Operation ganz beseitigt und nach 5 J. war noch
kein Recidiv eingetreten. Nach der mikroskop. Unter-
suchung war der Tumor ein Myxosarkom.
In der Epikrise hebt Vf. die Seltenheit von Ge-
schwülsten im Pharynx hervor. Der unter 1 beschrie-
bene Fall war der erste der Art, welcher dem Vf.
seit emem SOjähr. Wirken an grossen Spitälern vor
Augen kam, und eine Reihe ihm bekannter Chirur-
gen hatten keinen ähnlichen Fall gesehen. Nur
Holmes erwähnt das Vorkommen von Tumoren
ans Fett- und Bindegewebe oder Fibro-Cellular-
Gewebe im Pharynx. Holt berichtet in den Trans-
actions of thePathological Society von einem grossen ,
gestielten Fetttnmor des Pharynx, den der Pat., ein
SOjähr. Mann, 12 J. vor seinem Tode zuerst be-
merkt hatte.
Derselbe war vor 4 J. bei einem Breehanfall in den
Mund vorgetrieben worden, von wo ihn Pat., aus Furcht
zu ersticken, schleunigst wieder zurückgebracht hatte.
Pat. konnte flüssige Nahrung besser vertragen als feste
und starb plötzlich beim Rauchen. Der Tumor war durch
einen Strang von Schleimhaut bedeckten Bindegewebe!
an der linken Seite der Epiglottis angeheftet. Der aus
Fettgewebe bestehende Tumor, welcher durch sein Ge-
wicht ein völliges Verschliesseu der Larynxöffnung un-
möglich machte, hing in den Oesophagus hinab.
In der amerikanischen laryngologischen Gesellschafl
(St. Louis med. and sarg. Jonrn. Sept. 1879) stellte
Dr. Knight einen Kr. mit einem Retro- pharyngeal
Sarkom vor und gab eine Zusammenstellung der in dei
Literatur vorhandenen ähnlichen Fälle. In der Mehrzahl
der beschriebenen Fälle war der Tumor durch einen Stid
an die Pharynxwand angeheftet.
Die meisten Schriftsteller empfehlen die Opta-
tive Entfernung der polypösen und gestielten Ge-
schwülste der Pharynx, warnen aber vor operativei
Behandlung der an den Wandungen des Phaiyn
ganz anhaftenden. Vf. glaubt, dass die Gefahieo
der Operation weit überschätzt und durch sein Ope-
rationsverfahren, das aus den oben geschildertei
ersten beiden Fällen erhellt, auf ein Minimum reÖA^
cirt werden.
In allen 4 vom Vf. mitgetheilten Fällen war di
Myxosarkom vorhanden mit einer beträchtlich festei
Sackwand. In allen war die Enncleation ausftliF
bar. Gelingt diese auch nicht immer bei breitet
Basis im Pharynx, so können Tumoren dieser Re-
gion doch immer mit Sicherheit entfernt werden;
nur bei Tumoren von bedeutender Grösse von kreb-
siger Natur räth Vf. nicht einzugreifen. Behob
der Entfernung einer Geschwulst im Pharynx em-
pfiehlt sich stets die prophylaktische Laryngot(NDie.
Das Hinabfliessen von Blut in die Trachea wird am
sichersten durch Trendelenburg's Kanüle und Em-
führung eines Schwammes an einem langen Fadeii
in den Pharynx zum Verschluss des Larynx und
Oesophagus verhütet. Selbst ein Tumor von be-
trächtlicher Grösse lässt sich durch die natürliche
Oeffnung des Mundes entfernen, obgleich es in man-
chen Fällen gerathen sein kann, die Wange zu
spalten oder bei ausserordentlichen Schwierigkeiten
den Kiefer zu durchsägen. Der einzige Einwarf
gegen Spaltung der Wange ist die zurückbleibende
Narbe, die besonders bei Franen möglichst vermie-
den werden muss. (Schill.)
441. neber Exstirpation des Pharynx.
Eine isoUrte Exstirpation des Pharyna wurde
zuerst von B. von Langenbeck ansgeßibrt.
(Arch. f. klin. Chir. XXIV. 4. p. 825. 1879.)
Die Möglichkeit der vollständigen Exstirpation des
Schlundkopfs ohne gleichzeitige Entfernung des
Kehlkopfs wird gegeben durch die sehr lockere
Verbmdnng dieses Organs mit den Nachbarthellen.
Die Verbindung mit der hintern Fläche des Kehl-
kopfs wird durch ein so lockeres und dehnbares
Bindegewebe bewerkstelligt , dass die Ablösung
ohne die mindeste Schwierigkeit erfolgen kann.
Der Zusanmienhang der hinteren Pharynxwand mit
der vordem Fläche der Wirbelsäule und den mit
ihr zusammenhängenden Muskeln und Bändern ist
noch lockerer und kann mit stumpfen Werkseogeo
VI. Chirurgie, Ophttudmologie u. Otiatrik.
269
getrennt werden. Ebenso verhält sich die Verbin-
düDg an den Seitenwänden. Ausgedehnte, in der
Höhe des Kehlkopfs sitzende Carcinome können nur
mittels Exstirpation des betr. PharynxtheiLes besei-
tigt werden. Diese ist nur möglich, wenn man von
der 3eiteDwand des Halses in den Pharynx eindringt
nod den Kehlkopf so zur Seite zieht, resp. am seine
Axe dreht, dass der ganze Pharynx vollkommen zu-
ginglich wird.
Der Hantschnitt beginnt am unteni Rande des
tx)rizoDtalen Astes des Unterkiefers in der Mitte
zwisehen Kinn und Angulus mandibulae und steigt
in gerader Ricktxmg über das grosse Hörn des
ZoDgenbeins, dem Laufe des M. sternotbyi'eoideuB
folgend, bis zm* Höhe des Ringknorpels, oder weiter,
tm Halse herab. Nach Durchtrennung der Hals-
faseie, des Platysma und des M. omohyoideus dringt
Mn in der Höhe des Zungenbeins in die Tiefe.
irt.lingaalis und thyreoidea, Aeste der Vena facialis
md die beiden Aeste des N. laryngeus superior wer-
den durchschnitten ; die Sehnen des hintern Bauchs
des Digastricus und des Stylohyoideus werden vom
Zongenbein abgelöst und der Pharynx in der ganzen
Unge der Wunde eröffnet. Der Kehlkopf wird nach
der entgegengesetzten Richtung gezogen. Vordere
lod seitliche Pharynxwand werden von der Hals-
wonde ans losgelöst; zur Abtrennung der hintern
Pharynxwand wird in der Höhe des untern Randes
des Gaumensegels ein Querschnitt durch dieselbe ge-
hhrt und die Loslösung tbeils mit stumpfen Werk-
KQgen, theils mittels Dissektion ausgeführt. Traclieo-
tomie mid Tamponade der Trachea werden voraus-
fesehickt. Die Operation an und für sich ist nicht
ttiir schwierig und als unmittelbare Verletzung nicht
lefar hoch anzuschlagen, v. Langenbeck verlor
indessen 2 seiner Operiilen durch Schluck-Pueumonie,
Ülr deren Entstehung er die nach Durchschneidung
der beiden Aeste des N. laryngeus sup. entstehen-
den Innervationsstörungen verantwoi-tlich macht.
Der verstorbene Prof. C. v. H e i n e in Prag be-
diente sich nach Dr. C. W e i 1 zur Entfernung eines
Racheniumor gleichfalls eines seitlichen Rachen-
«ehnittes, welcher indessen schräg am Tnnenrande
des Stemocleidomastoideus in vei-schiedener , von
der Grösse der Geschwulst abhängiger Länge ver-
Ünft. (Ztachr. f. Hdlk. H. 1. p. 6. 1881.)
Dnrch schichtenweise Dissektion der die Ge-
Khwnlst deckenden Weichtheile, unter gleichzeitiger
doppelter Unterbindung der Gefässe, dringt man
gleiehfalls bis auf die Geschwulst vor. Besonders
empfiehlt sich dieser Schnitt für hoch bis zur Schä-
delbasis reichende Tumoren , weiterhin kann man
von derselben Wunde aus etwaige erkrankte Lymph-
drüsen mit entfernen.
Von den folgenden 4 Operationen sind Nr. 1 — 3
von v. Langenbeck, die 4. ist von v. Heine
wsgefthrt worden.
1) Ein truher gesunder 48Jähr. Mann litt seit Sept.
1877 an Heiserkeit, Schlingbeschwerden und Stridor beim
Aflnnea. Am vordem Theile des Halses bemerkte man
(4. Jan. 1878) eine Anschwellung, Larynx und Pharynx
erschienen im hintern Theile härter. Oberhalb und seit-
lieh der Cartilago thyreoidea traten 2 seitliche Tumoren
auf, von denen der rechtseitige mit dem Kehlkopf fest
zusammenhing. Schmerzen waren nicht vorhanden. La-
rjmgoskopisch wurde der Kehlkopfeingang von einem un-
ebenen, ulcerirten, vom Pharynx ausgehenden Tumor
überlagert gefunden.
Der auf der rechten Seite geführte Hautschnitt
(9. Jan« 1878) reichte bis zum Ringknorpel , der Kehl-
kopf wurde nach Eröffnung des Pharynx nach links ver-
zogen und umgeklappt. Der Tumor nahm die rechte
Hälfte des Pharynx und Larynx ein, reichte vom falschen
Stimmbande bis zur Höhe des Zungenbeins, medianwärts
bis zum hintern Drittel der rechten Hälfte der Cartilago
thyreoidea und von da weiter gegen die Wirbelsäule.
Die Geschwulst wurde mit dem Pharynx von oben her ab-
gelöst, der hintere Theil der rechten Cartilago thyreoidea
durchschnitten und der rechte Aryknorpel bis auf den
Proc. vocalis fortgenommen. Der obere Theil der Wunde
wurde vernäht, in dem untern ein Drainrohr befestigt,
die Tamponkanule mit einer gewöhnlichen vertauscht.
Der Kr. war sehr collabirt. Die Stimmritze war nicht
Bcblussfähig , Wundsekret und Speichel gelangten in die
Trachea. Bereits am 2. Tage liess sich eine Pneumonie
nachweisen, der der Kr. am 4. Tage erlag.
2) Ein 78jähr. Mann litt seit 3 Mon. an Schling-
beschwerden, seit 1 Mon. bemerkte er eine Anschwellung
an der linken Seite des Halses in der Höhe des Kehl-
kopfs. Die Schlingbeschwerden waren sehr h6chgradig.
Betrachtete man den Kr. von der linken Seite ans , so
erschien der Kehlkopf sehr stark hervorgetrieben, bei der
Betrachtung von vom stand die linke Kehlkopfgegend
starker hervor, der Kehlkopf war um seine Achse etwas
nach rechts gedreht. Dicht unter dem linken Zunged-
beinhorn fühlte man eine feste Geschwulst, die sich bis
zum Ringknorpel erstreckte. Laryngoskopisoh erkannte
man unterhalb der etwas hervorgewölbten Epiglottis die
Geschwulstmassen an der hintern Pharynxwand. — In
der Höhe des Schildknorpels gelangte man linkerseits
(15. Febr. 1878 ) sofort auf die Geschwulst, welche bis
an die grossen Halsgefässe nach hinten reichte und von
diesen isolirt werden musste. Durch die Geschwulst hin-
durch wurde der Pharynx aufgeschnitten. Etwa 1 Ctmtr.
oberhalb der Geschwulst wurde derselbe bis auf die
Wirbelkörper quer durchtrennt und von diesen leicht ab-
gelöst. Nach abwärts zeigte sich das Carcinom mit dem
linken Lappen der Schilddrüse verwachsen, welcher vom
Kehlkopf abgelöst und mit Zurücklassung seines untern
Endes durchschnitten wurde. Nach Durchtrennung des
Oesophagus in der Höhe der Trachealwunde konnte der
Pharynx herausgenommen werden. Um einen Rest der
Geschwulst vom untern Theile der linken Schildknorpel-
platte zu entfernen, wurde deren Comu minus aus
seiner Verbindung mit dem Ringknorpel gelöst u. ein ca.
2 Ctmtr. grosses Stück des Schildknorpels resecirt.
Der durchschnittene Oesophagus wurde mit der
Hautwunde vernäht und ein Kautschukrohr in denselben
eingeführt. Um den Kehlkopf zu fixiren, wurde der obere
Theil der Halswunde genäht; die Tamponkanüle blieb
liegen.
Der Blutverlust war nicht sehr gross, doch collabirte
der Kr. und der Tod erfolgte Nachts 2 Uhr. Die Sektion
ergab auffallende Anämie aller Organe.
3) Eine 52jähr. Frau bemerkte seit einigen Wochen
ein Heiserwerden der Stimme. Bei der Untersuchung
zeigte sich die ganze rechte Hälfte der untern Pharynx-
wand von einer Geschwulst eingenommen.
Nach Eröffnung des Pharynx rechts (9. Dec. 1878)
und Umklappen des Larynx nach links konnte man mit
dem Finger eine stark wallnussgrosse Geschwulst hervor-
heben, welche die rechte Pharynxhälfte einnahm und den
rechten Aryknorpel überwucherte. Die Pharynxwand
wurde im Gesunden durchschnitten und mit der Ge-
schwulst entfernt, der rechte Aryknorpel mit dem hintern
270
VI. Chinu'gie^ Ophthalmologie ü. Otiataik.
Tbeil des reebten Stimmbandes reseeirt nnd ein Tbeil des
RingkDorpels abgekniffen.
Eine nnter dem rechten Kopfnicker befindliche
Lymphdr&se war mit der V. jngal. commnois verwachsen
und Hess sich nnr schwer abprapariren. Der Blntverlnst
war im Gänsen ein massiger. Nach der EinfQhrung von
Nahrung durch die Schiundsonde trat Erbrechen auf, wobei
das Eingegossene aus der Trachealkanüle tbeil weise wie-
der abfloss, weshalb später Peptonklystire Tcrabreicht
wurden. Die Kr. erlag am 23. Dec. einer Pleuropneu-
monie. Speisereste wurden in den pneumonischen Herden
nicht gefunden. Weder an der Operationsfläohe, welche
entschieden zur Heilung tendirte, noch an der V. Jugnl.
waren Carcinomreste aufzufinden.
4) Eine 39jähr. Frau litt seit ca. 1 Jahre an link-
sei tigen Halssohmerzen, bald darauf an Schlingbeschwer-
den, auch wurde am linken Unterkieferwinkel eine Ge-
schwulst bemerkt. Bei der Aufnahme war links eine
starke Anschwellung vom äussern Gehdrgang bis zum
grossen Zungenbeinhorn zu constatiren. Bei der Unter-
suchung vom Hunde aus war der rechte Ganmenbogeu
von einem hinter demselben befindlichen, der Halswirbel-
säule fest aufsitzenden, bis an die Schädelbasis reichen-
den Tumor hervorgewölbt. Die Consistenz desselben war
ungleich , derb bis pseudofluktuirend. Die Kr. trat in-
dessen aus dem Hospital wieder aus und kehrte erst
4 Mon. spater, am 17. April 1875, zurück, mit etwa
um das Doppelte vergrösserter Geschwulst. Die untere
Grenze war in der Höhe des Kehlkopfeingangs zu fühlen,
an einerstelle wardiePharynzschlelmhaut durchbrochen.
Aeusserlioh war die Geschwulst zwischen dem aufsteigen-
den Unterkieferaste und demProc. mastoid. stark hervor-
gewölbt. Am 5. Mai wurde die obere Traoheotomie, am
25. Mai die Exstirpation, unter Tamponade der Trachea,
ausgeführt. Der Schnitt verlief in der oben angegebenen
Weise ; die grossen Halsgefässe konnten nach rückwärts
gedrängt werden. Die äussere Hälfte der Geschwulst
konnte meist auf stumpfem Wege isolirt werden. An der
linken Pharynxwand wurde die Schleimhaut incidirt und
der Tumor von der Wirbelsäule mit der galvanokausti-
schen Schlinge abgetrennt. Die geringe Blutung ans
einigen kleinen Knochenarterien stand auf Anwendung
von styptischen Tampons. Die Wunde wurde nicht ge-
näht und ein Juteverband angelegt. Nach der Operation
waren die Erscheinungen der partiellen Facialis- und der
Hypoglossnslähmnng vorhanden, von denen die erstere
sich spontan znrüokbildete. Die Ernährung machte grosse
Schwierigkeiten, da die Kr. nioht schlucken konnte und
die Einführnng der Sohlondsonde schmerzhaft nnd wegen
der Schwellung schwierig war. Speisereste und Wund-
sekret gelangten häufig in die Luftwege, wogegen durch
Tieflagemng u. Seitenlage des Kopfes angekämpft wurde.
Continnirliche Irrigation mit 2ViProc. CarboUösung ver-
hinderte die Zersetzung des Sekrets, es entstand nnr ein
leichter Bronohialkatarrh. Von der 8. Woche an hörte
die Ernährung mit der Sehlundsonde auf. Am 3. Juli
verliess die Kr. geheilt das Hospital. Ein halbes Jahr
später trat ein Becidiv auf, dem sie rasch unter Lähmung
aller Extremitäten erlag.
Die exstirpirte etwa apfelgrosse Geschwulst bestand
aas einem Fasergerüst, in dessen Maschen rundliche
Zelienbaufen und schlauchförmige, zellenhaltige Exkre-
scenzen, einzelne grössere helle, mit einer homogenen,
vacnolenhaltigen Substanz ausgefüllte Räume eingelagert
waren. Die Struktur stimmte im Ganzen mit der des
embryonalen Gallertkems der Zwischenwirbelscheiben
überein.
Prof. Elebs erklärte den Tumor für eine patho-
logische Entwicklung eines Chordarestes^ wie sie als
weiche kleine Geschwülste von Virchow u. A. an
der Schädelbasis beobachtet nnd als Chordoma oder
Ekchondrosis spheno-occipitalis bezeichnet worden
ist. Weil schliesst sich dieser Ansicht an und weist
ausserdem noch auf die Analogie im Bau mit de
von Luschka entdeckten gallertigen Geschwi
an der Mitte der hintern Seite der Wu^belsynchondi
hin. Einen in Bezug auf Sitz und Struktur gleichf
Fall konnte W. in der Literatur nicht auffinden,
einem von R. Th. Wünsch i) mitgetheilten Fall
einer der Halswirbelsäule fest aufsitzenden binde
gewebsreichen Faserknorpel - Geschwulst fehlt di
mikroskopische Untersuchung.
(D e a h n a y Stuttgart)
442. Bntfemiing der oaroinomatös ent
arteten EpiglottiB durch die Pharyngotoml
aubhyoides ; von Dr. Clinton Wagner. (Nei
York med. Record XIX. 21. p.565. May 1881.)
Ein 63jahr. Apotheker litt seit Febmar 1880
Schmerz beim Schlocken. Bei der laryngoskopisoh«
Uotersuehnng fand sieh an der Unken obern Seite d(
Epiglottis eine Ic notige Geschwulst, die anfangs für sypi
litischer Natur gehatten wurde, aber ausserordentUc
rasch sich vergrösserte , trotz antisyphilitisoher Behang
Inng. Wegen der nunmehr zweifellosen Malignit&t d(
Tumor wurde die Entfernung derEpiglottis (4.0et. 18^
ausgeführt. Der Schnitt wurde in der Längsrichtai
zwischen Zungenbein und Protuberans des Schildknorpc
angelegt, gab aber offenbar keine genügende Uebersicl
des Operationsfeldes. Bei der Einführung des Hei
wurde die Epiglottis durch die Bewegungen der Zni
stark nach oben gezogen, so dass letztere durch eii
Assistenten wieder nach hinten geschoben werden masst
worauf die Abtrennung gelang. Ausser starkem Hust
war nach der Operation nichts Besonderes zu bemerlieiij
Am 3. Tage bemerkte man an der linken Plioa gU
epiglottica einen Best der Neubildung, welcher npi
wuchs und die Entfernung dringend erheischte. Dieselt
wnrde 12 Tage später vorgenommen. Die LangsincisioB'
wurde wieder eröffnet, ausserdem aber dicht nnter dem
Zungenbein ein noch die innem Hälften der Steno-
hyoidei trennender Schnitt angelegt, so dass im Ganzen
eine T-formige Schnittfigur entstand, die einen sehr gnten
Einblick gewährte. Die Neubildung (Epitheliom) wnrde
anscheinend vollständig entfernt Z w51f Tage später konnte
man an derselben Stelle eine bereits die Zunge einneh-
mende Neubildung constatiren, deren versuchte ZerstS*
rung auf galvanokaustischem Wege nur zu rascherem
Wachsthume führte. Der Kr. wurde nun seinem Schiclc-
sale überlassen, der Gebrauch von Ghios-Terpentin schien
einmal vorübergehend einen Stillstand des Leidens her-
beizuführen. Anfang Mai führte Pat. unter Husten,
Dyspnoe, Dysphagie und heftigen Schmerzen noch eis
trauriges Dasein. (D e a h ii a , Stuttgart.)
443. Traoheostenosis dnroh Wirbelabaoess;
von Dr. A. Beger in Leipzig. (Dentsche Ztschr.
f. Chir. XUI. 5 n. 6. p. 558. 1880.)
Bei einem 4 Jahre alten B^naben entwickelte sich
binnen 4 Wochen aümälig, aber stetig wachsend, eine
hochgradige Athemnoth. Der kräftige n. gut entwickelte
Pat. sasB bei seiner Aufnahme in die Klinik im Bett mit
aufgestemmten Händen, den Kopf stark hinten über-
geneigt, mit grosser Anstrengung athmend. Die Athem-
züge (24) waren tief und von lautem Stenosengeränsch
begleitet ; bei der Inspiratton erfolgte hochgradige Bio-
Ziehung der Halsgmben nnd untern BmstpartieD. Fat.i
bei Besinnung nnd ohne Schmerzen , antwortete laut«
Eine Ursache der Respirationsbehindening war nicht sn
<) Ueber BetrepharyngealgeschwIUate. iDaag.-Bif«
Leipdg 1864.
VI. Chirurgie, Ophthalmologe u. Otiatrik«
271
eDtdeeken. Die Wirbelsäule zeigte keine Deviation und
nr nirgends beiDniclc empfindlich ; Druck auf den Kopf
bei gestreckter Wirbelsäule gleichfalls nicht schmerzhafl;.
Bein Beogen des Kopfes entstand vollständige Asphyxie.
Die sofort aosgefGhrte Tracbeotomia sup. veränderte die
stenotiflchen Erscheinungen nicht, dagegen stellte die
Tncheotomia inf. mit Einlegen einer Trousseau'Bchen
Xnäle die Athmnng momentan frei her. Nach 12 Std.
Wiederkdir der Dyspnoe, die Jedoch nach Einführen
daer 1.6 Ctmtr. langem PUha'ßchen Kanüle verschwand.
Ii den Däehsten Tagen Fieber, Brandigwerden der gros-
len Halswnnde, starke eitrige Tracheitis. Wegen hau-
fifer Verstopfung der i^a'schen Kanüle wnrde eine wei-
tere bis smr Bifarkation reichende eingeführt. Am 8. T.
Bieh der Operation traten abermale Symptome einer Tra-
ckeo-, bei. Bronchostenosis auf und 3 T. danach erfolgte
der Tod unter Snflfokationserscheinungen.
Die Sektion ergab als primäre Erkrankung eine
Spondylitis; der K5rper des 2. Brustwirbels war zum
pStttenTheile vereitert, während die beiden angrenzen-
Bm Wh'belkörper nur zum Theil zerstOrt, die zwischen-
■iKenden Bandscheiben intakt waren. Die Wirbelsäule
aiehien nicht geknickt. Zwischen ihr und Trachea lag
dtAbeeesB von dem Umdange eines halben Hühnereies,
vddier den Oesophagus umgab u. ihn nebst der Trachea
eh vom drängte. Die vordem und hintern mediasti-
■len Lymphdrüsen, sowie die Thymus waren beträcht-
kh geschwellt, die Trachea vom Manubrium stemi bis
Her die Bifurkation eomprimirt.
Vf. glaabt; dass der Congestionsabscess die
Tnehea nnr dadurch comprimireD konnte ^ dass die
LjmphdrQsenpaekete u. die abnorm grosse Tbymns-
driee em Ausweichen derselben verhinderten. Er-
Kheinimgen von Drack aaf den Oesophagus waren,
tieiQch in einem von J arisch (Jahrb. f. Einder-
iKflk. VIIL p. 188) beobachteten Falle, nicht vor-
hadeD; Pat. konnte feste Speisen ohne Beschwerden
S«ie»en. (Schill.)
444. Zur ohirurgisohen Behaadlong der
Hämorrhoidalknoten; von Dr. George Pol-
loek (Lancet U. 1 ; Jnly 1880) n. Prof. Eichet
(Qis. des Hdp. 60. 1881).
Pollock räumt in Uebereinstimmung mit einer
sneeen Anzahl von Chirurgen dem Ecrasement den
Vomg vor der Ligatur und dem Cauterium actuale
behnfs Beseitigung von Hämorrhoidalknoten ein.
Beweisen sich auch alle drei Encheiresen als gleich
ngefthrlichey so verursacht doch die erstere Methode
viel geringere Schmerzen und dem zufolge viel sel-
tener Spasmus des Sphincter ani, Oedem und Ham-
lerfaaitongy als die Ligatur, da dieselbe das Leben
des betr. Theiies nur allmälig zerstört, und das Olah-
ciKD, das ausserdem viel grössere technische Feii^g-
iKeiten erfordert und viel eher Nachblutungen be-
fllrehten lüsst. Dazu kommt noch, dass die Ab-
VKtachong nicht die geringsten Schwierigkeiten
Btcht, wenn der Ecrasenr so constrnirt ist, dass
Kine Lippen genau aufeinander passen und nicht
BMb der einen oder der andern Seite hin aus-
weichen.
Was die Technik dieses Verfahrens anlangt, so
legt man den in Ghloroformnarkose versetzten Er.
uf Beine linke Seite und flektirt stark seinen rech-
ten Schenkel, den ein um den Nacken geführter und
Bster dem gleiehseitigen Knie befestigter Riemen in
dieser Stellung erhält. Sodann wird , nachdem der
mit einem Haken oder einer Zange hervorgezogene
Knoten an seiner Basis in die von einander entfern-
ten Lippen des Ecrasenr genommen und dessen Ver-
schluss durch die Schraube bewerkstelligt ist, mit
einer krummen Scheere die vor den Lippen be-
findliche Partie des Knotens abgeschnitten. Je nach
seiner Grösse kann das Instrument in dieser Lage
Vi — 1 Minute und länger noch verbleiben. Nach
seiner Wegnahme empfiehlt es sich, die wenigen
blutenden Geftsse sogleich zu unterbinden. ZurVer-
heilung der Wunde reicht neben warmen Bädern ein
Salicylwatte- Verband vollständig aus.
In gleicher Weise verfährt H. Smith (Lancet
I. 11; March 1880), jedoch mit der Modifikation,
dass vor der Wegnahme des Ecrasenr die Wund-
fläche mit dem Glttheisen kauterisirt wird. Sollte
dasselbe auf ein Geiäss nicht genügend eingewirkt
haben, in welchem Falle mit dem Nachlasse des
comprimirenden Instruments sofort die Blutung ein-
tritt, so empfiehlt Sm. ein rasches Zuschrauben der
Blätter desEcraseur und die erneute Applikation des
Glflheisens, ein Verfahren, das unter Umständen
mehrere Male wiederholt werden muss. Nachdem
auf diese Weise jeder einzelne grössere Hämorrhoi-
dalknoten — es sind deren in der Regel 3 bis 4 —
behandelt worden ist, bringt man mit dem gut be-
ölten Zeigefinger der rechten Hand ein Opium-Sup-
positorium In den Mastdarm.
Wenn sich die Haut m der Umgegend des Anus
in einem grossem Umfange hypertrophirt erweist,
so entfernt Sm. eme Pariie hiervon. Desgleichen
durchschneidet er den Sphincter ani , wenn derselbe
sehr fest ist, weil hiernach die DefUcation schmerz-
loser von Statten geht.
Die Nachbehandlung weicht nicht von der flbli-
chen ab.
In der Mehrzahl der Fftlle dauert der mehr oder
weniger starke Schmerz nur 1 — 2 Stunden ; durch
das Auflegen von in warmes Wasser getauchten
Schwämmen wird derselbe bedeutend gemildert
Hamretention soll nach Vf. häufiger bei Frauen auf-
ti'oten, welche nach seiner Erfahrung überhaupt mehr
als Männer an Hämon*hoiden leiden. Drei Tage
nach der Operation giebt man , um Stuhlentleerung
zu bewirken , Ricinusöl und hierauf nach 2 Tagen
noch einmal. In der Regel erfolgt die JSeilung nach
Verlauf einer Woche.
Die fragl. Behandlungsmethode, welche in mehr
als 100 Fällen immer zu den besten Resultaten ge-
führt hat, trifft jedoch der Vorwurf, dass sie zuwei-
len Strictura ani im Gefolge hat. Aus diesem Grunde
erhalten Pat, bei denen eine grössere Hantpartie
um das Orificium ani entfernt worden ist, die Wei-
sung, sich für einige Zeit der Bougies zu bedienen.
Bei dem von Prof. Riebet empfohlenen Ver-
fahren werden die innem Knoten aus dem After so
weit als möglich durch 3 Fäden herausgezogen,
welche man einzehi so einführt, dass ein kleiner Zwi-
272
VI. Chinirgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
schenraum zwischen den Tumoren bleibt. Letztere
werden dann zwischen den Branchen einer roth-
glühenden Pincette zerquetscht. Diese Methode soll
den Vortheil haben, dass sie die Veniarbung beson-
ders begünstigt und sowohl Verengerung des Rectum,
als auch Recidive am ehesten verhütet.
(Pauli, Cöln.)
445. Methode der Amputation des Penis ;
von Dr. A. W. S t o c k s. (Brit. med. Joum. March 26.
1881.)
Ein Epitheliom , an dem ein 58jähr. Mann litt,
gab Anlass zur Amputation des Penis , die Vf. , um
die hiemach gewöhnlich sich einstellende Verenge-
rung-des Orificium urethrae ext. zu verhüten, in fol-
gender Weise ausftlhrte.
Er stach ungefähr 1 Zoll hinter der kranken
Partie zwischen den Corpora cavernosa und dem
Corpus spoDgiosum ein schmales Messer ein , durch-
schnitt erstere mit der darüber liegenden Haut und
bildete, indem er vom Grunde dieser Wunde aus
einen ^/^ Zoll langen Schnitt in horizontaler Rich-
tung nach vorn und einen eben so langen nach vorn
und unten führte, einen Hautlappen. Nach Entfer-
nung eines Stückes des Corpus spongiosum an jeder
Seite der Urethra, Ablösung derselben von ihren
Nachbargebilden und Stillung der Blutung wurde
hierauf ein der Lage und Grösse der Harnröhren-
öffnung entsprechender Schlitz in dem Hautlappen
angebracht und derselbe, während ein Assistent das
Urethra-Ende in entsprechender Richtung mit einer
Zange fixirte, an die Ränder des Penisstnmpfes und
sodann das Urethra-Ende an die Ränder des Schlitzes
mit Seide genäht
Die Wunde heilte so rasch, dass Pat. schon
11 Tage nach der Operation aus der Behandlung
entlassen werden konnte. Nach Ablauf von 2 Jahren
war auch nicht eine Spur von Verengerung der Harn-
röhrenöffnung zu erkennen. (Pauli, Cöln.)
446. Trepanation des Darmbeins als Ge-
(jenöfnung eines Beckenabscesses ; von Dr. Georg
Fischer, Oberarzt der chir. Abth. am Stadtkran-
kenhause in Hannover. (Deutsche Ztschr. f. Chir.
XIII. 5 u. 6. p. 551. 1880.)
Bei Psoas- und Iliacusabscessen , die sich gegen
die Vorderfläche des Oberschenkels senken und in
der Gegend des Lig. Poupartii geöffnet werden, sind
bei horizontaler Lage der Kr. die Bedingungen fttr
einen dauernden freien Abfluss des Eiters ungünstig
und muss deshalb beim Stagniren des Eiters eine
Gegenöffnung an der hintern Körperfläche angelegt
werden. Deren Lage wird durch eine fluktuirende
Stelle in der Lumbaigegend oder an der Hinter-
backe oder durch Vordrängen einer langen Knopf-
sonde vom ersten Einschnitt ans in jene Gegenden
sich meist bestimmen lassen. In einem Falle, wo
weder Geschwulst, noch Fluktuation vorhanden war,
schritt Fischer zur Trepanation des Darmbeins.
Sie war indicirt durch die grossen Mengen Eiter, die
ans dem Becken keinen Abfluss finden konnten, trotz-
dem, dass der Abscess in der Inguinalgegend wdt
geöffnet war, und durch die Unmöglichkeit, eine für
die Gegenöffnung geeignete Stelle in den Weichthei-
len zu finden. Da man in der Eiterhöhle mit der
Sonde seitlich gegen den Knochien stiess und grosse
Magerkeit vorhanden war, so Hess sich annehme,
dass die Durchbohrung des Darmbeins ohne grosse
Schwierigkeit vorgenommen werden könnte. Und
in der That Hess sich die Trepanaüon ohne Schwie-
rigkeiten ausführen.
F. spaltete die Weichtheile der obern Glutaengegead
darch einen 6 Ctmtr. langen, direkt bis auf den Knochen
geführten Schnitt. Nach StiUimg einer ziemlich starken
Blutung (wahrscheinlich aus der Art. glut. sup.), wurd«
der Knochen durch Haken freigelegt, das Periost toiUtk
des Raspatorium zurfickgeschabt u. schlüsslich das Darm«
bein durchmeisselt. Sofort drang ans dem ca. Vi Ctmtr.
weiten Loch der Eiter aus. Das Durchführen einei
Drainagerohrs durch die ganze Beckenhöhle war ndi
Schwierigkeiten verknüpft. Unmittelbar nach der Ope«
ration trat nur geringe Reaktion ein. Die Tempentol
stieg in den nächsten Tagen von 37.4<* anfdas Maximaa
von 38.40.
Der Erfolg der Trepanation mit gleichzeitiger
Drainage der Beckenhöhle war ausserordentlich gfls«
stig. Der Eliter floss frei ab und wurde durch tag'
liehe Durchspttlungen mit Carbol- und Salicylsäare-
lösungen Monate lang aseptisch erhalten. Pat. ging
allerdings, wie die Sektion ergab, an Caries des 9.
bis 11. Rückenwirbels, Senkungsabscessen, Vereite«
ining des linken Hüftgelenks und Lungentuberkulose
zu Grunde. Allein die vor der Operation bestehende
Eiterhöhle war bis auf enge Fisteigänge zusammen«
geschrumpft und nirgends im Bedien fanden sich
Anhäufungen von Eiter, eben so wenig von Sekrei
oder Infiltration der Weichtheile in der N&he der
Trepanationsöffhnng. Auch die lange Erhaltung
des Lebens (fast 3 Monate) war wohl nur dem freien
Abfluss des aseptisch gemachten Eiters in Verbin-
dung mit kräftiger Ernährung zu danken. Vf.glaubty
die Trepanation des Darmbeins zur Anlegung ein»
Gegenöffhung bei einem Beckenabscess zum ersten
Male gemacht zu haben. (Schill.)
447. Ueber die ohirurgisohe Behandlung
der Pustula maligns.
Nach Prof. V e r n e u i 1 (Bull, de Th^r. C. p. 145.
P6vr. 28. 1881) wird der eigentliche Carbunkel mit
dem messerft^rmigen Thermokauter vollständig ent-
fernt, die angi'enzende indurirte Zone aber mit dem
Spitzenbrenner an vielen Punkten tief geätzt. In
das ödematöse Gewebe werden subcutane Injektionen
mit verdflnnter Jodtinktur (0,5%) gemacht. Jod-
tinktur wird auch innerlich gegeben , wenn bereits
heftige Allgemeinerscheinungen vorhanden sind.
In einem schweren Falle von Carbunkel des lin-
ken obern Augenlides eines 60jähr. Mannes erzielte
Vf. mit der angegebenen Behandlung vollständiges
Verachwinden der schweren Symptome innerhalb
3 Tagen.
Nach der Mittheilung von T h e v e n o t (Joum.
de Thor. VUI. 16. p. 623. Aoüt 25. 1881) W
VI. Chirorgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
273
Ghipanlt in Orleans (Du traitement des maladies
eharbonneiises chez Thomme par les injections soos-
cotisto d'iode en Solution. Paris 1880) mittels der
alleifflgen Anwendung der subcutanen Injektion von
MösoDg in Fällen von Pustula maligna rasche
HeiloDg erzielt. Auch Th^venot theilt einen sol-
eheo Fall mit. *'
Biimen 5 Tagen hatte sich aus einem kleinen rottaen
Poikt am Yorderarm ehie grosse gelblich-grane Erosion
gelRldet, umgeben von Phlyktänen und einer dunkel vio-
letten Hantzone, mit Geschwulst des Armes bis znmEllen-
kogen ond schmerzhaften DrfisenschweUongen am Arme
md in der Achselhöhle. Sofort wnrden 4 Injektionen
Qe 20 Tr.) mit wSseriger Lösang von Jodtinktur (1 : 300)
Bidi ussen von den Phlyktänen gemacht, innerlich Jod-
finktnr fai LOsnng (1 : 60) , halbstündlich esslöffelweise,
legebeo md der Ann in mit Jodlösnng getränkte Kata-
plMnen gewiekelt. Nach 2 Tagen hatte sich die Ulcera-
fioB nicht weiter aasgebreitet , das Oedem war geringer
ud die BSthung hatte abgenommen; nach 2 weitem
Tigen waren die Bothung und die Phlyktänen ganz ge-
idiwimden, der Schorf, der sich gebildet hatte, löste sich
Ib. Der Pols war normal, die Drfisenschwellnngen waren
rezsefawmiden , die Wanden begannen sich mit Qrannla-
fioien za bedecken and es erfolgte rasche Qenesung.
Das Gift konnte in dem vorliegenden Falle kaum
in die Cirinilation gelangt sein und es bleibt nach
faem Falle immer noch fraglich , ob die Behand-
lung auch dann noch wirksam sein wird j wenn all-
gemeine Infektion eingetreten ist. Diess scheinen
fe von Chipaul t beobachteten Fälle, in denen
Allgemeininfektion eingetreten war, zu beweisen.
Doch wurde im 4. Falle Chipault's, in dem es
Kh mn malignes Oedem des Gesichts bei einer 68
Jahre alien^ sehr geschwächten Frau mit sehr schwe-
ren Allgemeinerscheinungen handelte, erst nach An-
weDdong enormer Gaben von Jod (3 Grmm. zu 60
Graun. Wasser) Erfolg erzielt. Wie weit sich die
Menge des Jod oder anderer in den Organismus ein-
gefUirter Antiseptika ohne Gefahr steigern lässt, ist
biafaer noch nicht zu bestimmen, doch scheint es,
di8B ziemlich hohe Dosen , wenigstens einige Tage
lang, ohne Nachtheil ertragen werden. Vielleicht
könnte nach Th6venot die Jodbehandlnng auch
gegen Septikämie sich nfltzlich erweisen.
Prof. W. Roser m Marburg (Chir. Centr.-Bl.
VUI. 36. 1881) hält es nach von ihm gemachten
bCahrongen fttr möglich, dass Pustula maligna auch
oluie Aetsung , ja sogar von selbst heilen kann. In
obreren Fällen von Carbnnkel mit sehr ansgebrei-
tetem Oedem, in denen es ihm zur Aetzung und zur
Inciaion zu spät schien , beschränkte er sich auf An-
lendung von Chlorwasserumschlägen oder von Blei-
tasBer und sah Heilung eintreten. R. meint dem-
iieh, dass die Milzbrandpustel, ganz ähnlich der
Knhpockenpustel, ihren spontanen Verlauf zu haben
pflege. Er wllrde deshalb zum Aetzen oder Exci-
tiren nur dann rathen, wenn man den Kr. vor der
fintatehung der eigentlichen Pustel, vor Bildung
hl grossen rothen Hofes und des coUateralen
I Oedems zur Behandlung bekäme, besonders wenn
I >i& (Be ersten AnfiUle, etwa das erste verdächtige
M. Jahibh. Bd. 191. Bft. 8.
L
Bläschen, zu diagnosticiren vermöchte. Dieser Fall
dfirfte allerdings nur selten eintreffen, sollte aber
Jemand beim Abhäuten eines kranken Thieres sich
geritzt haben und sich zeitig genug beim Arzte mel-
den , so würde die Aetzung der geritzten Stelle ge-
wiss indicirt sein. (D e a h n a.)
448. Zur Aetiologie der doppelseitigen
Orbitalphlegmone; von Dr. Franz Bayer.
(Prag. med. Wchnschr. VI. 23. 1881.)
Auf der Klinik des Prof. v. Hasner wurden
nachstehende Fälle beobachtet.
1) Bei einem 43jähr. Manne war im Verlauf von
UnkBCitigem Oesichtserysipel eine Hervortreibong des Un-
ken Bnlbos aufgetreten, welcher 2 Tage später auch
rechtseitige Protmsio bnibl folgte. Die linke Vena fron-
talis war als harter Strang f&hlbar. Der Tod erfolgte
nach 4 Tagen. In der genannten Vene fand sich ein zer-
fiiUener Thrombus. Im obern Sichelblatleiter Gerinnsel.
Die Dnra-mater der Basis in den mittlem Schädelgmben,
namentlich links , mit pun]Etf5rmigen Blutanstritten und
leicht abstreif baren Exsudaten versehen, welche nach
dem Clivus zu einen eitrigen Charakter annahmen. Die
Piarmater an der Basis ebenfalls eitrig inflltrirt. In der
Orbita fanden sich in den Augenmuskeln und längs der
Venen zahlreiche Eiterherde, der Augapfel selbst war
intakt.
2) Ein Dienstmädchen erlsrankte an Gesichtsrose^
während welcher sich anfänglich rechts , dann links Ex-
ophthalmus einstellte. Das rechte Auge war vollständig
blind. Es wurden Indsionen ober- und unterhalb des
Innern Augenlidbandes rechterselts gemacht , worauf sich
etwas Eiter mit Blut entleerte, die Abschwellung bald
eintrat und auch das Sehvermögen etwas zurückkehrte.
Einige Tage darauf wurde auch linkerseits im innem Ab-
schnitt des Obern Lides ein Abscess geöffnet. Die ge-
fUrchtete Meningitis trat hier nicht ein , doch schrumpfte
der rechte Bulbus , während die Sehkraft am linken fast
normal wurde. (O e i s s 1 e r.)
449. Ueber die Entsündung der Conjuno-
tiva bulbi bei alten Leuten; von Dr. Walb in
Bonn. (Deutsche med. Wchnschr. VII. 25. 1.881.)
Vf. beschreibt eine Conjanctivitisform bei alten
Leuten, die sich von dem gewöhnlichen Katarrh
durch das vollkommene Freibleiben der Augenlid-
bmdehaut und durch das Fehlen der Sekretion unter-
scheidet, folgendermaassen.
Im Gefolge einer rheumatischen Schädlichkeit
tritt binnen 24 Standen eine Injektion des innem
oder äussern Quadranten der Conjunctlva bulbi ein,
welche von leichter Schwellung begleitet ist. Im
Laufe einer Nacht wird hierauf der ganze Bulbus
lebhaft geröthet, gleichzeitig ist die Chemosis weit
stärker geworden. Die Färbung spielt ins Violette,
namentlich am obern Umfange des Bulbus. Das
Lid ist ebenfalls etwas geschwollen. An der Ueber-
gangsfalte hören die entzündlichen Erscheinungen
auf, die Lidbindehaut ist vollkommen blass und glatt.
Das Auge ist lichtscheu und thränt, eine eigentliche
Sekretion der Bindehaut fehlt indessen.
Nachdem das ehe Auge einige Tage lang er-
krankt ist, pflegt in der Regel auch das zweite in
der ganz gleichen Weise befallen zu werden.
35
274
Vn. Staatsarzneikimde.
Das einmalige Ueberstehen dieser Krankheit
disponirt zu der Wiederkehr derselben, wenn die
rheumatische Ursache wieder vorhanden ist.
Man muss sich hüten, diese chemotische Beschaf-
fenheit der Bindehaut des Bulbus für ein Zeichen
einer schweren Hornhauterkrankung oder einer Cykli-
tis zu halten.
Atropin und Eis werden gut vertragen, dagegen
wirken warme Umschläge ungünstig. Am zweck-
mässigsten ist es, die chemotischen Stellen fiUbzeitig
zu incidiren. Binnen 8 Tagen pflegt dann die Her-
stellung vollendet zu sein. (G e i s s 1 e r.)
450. Primäres Sarkom der Bindehaut; von
Dr. Ceppi. (Progrfes m6d. IX. 22. 1881.)
Bei einem 5jähr. Knaben hatte sich schmerzlos ein
Tveissliches , stecknadelkopfgrosses Knötchen gezeigt,
welches nach wenigen Wochen zn einem gelappten, nnss-
grossen, fleischigen, stark yasknlarisirten Tumor sich
entwickelt hatte. Er hatte seinen Ursprung in der untern
Bindehautfalte , drängte das untere Lid nach vom , war
leicht an der Thränencanmkel angeheftet und f&Ute die
Lidspalte vollkommen aus. Er war übrigens leicht be-
weglich. In der Ohigegend fluid sieh eine kleine ge-
schwellte Ljrmphdrüse.
Die Exstirpation wurde mit äusserster Sorgfalt vor-
genommen. Aber bereits nach 2V2 Mon. war von der
Thränencarunkel ans ein Recidiv eingetreten. Die noch-
malige Operation wurde zunächst verweigert, so dass
später nur eine unvoUkommene Entfernung möglich war.
Das nächste Recidiv führte alsbald zu einer , die Wange
bedeckenden, apfelgrossen Wucherung. Schmerzen fehl-
ten. Der Tod erfolgte unter Convulsionen 10 Mon. nach
der ersten Operation.
Ueber die Beschaffenheit des primären Tumor ist
nur gesagt, dass derselbe ein „Granulations-Sarkom'' oder
Rundzellensarkom repräsentirt habe. (Qeissler.)
451. Inocolation mit gonorrhoischem Eiter
wegen oompleten Pannus, Herstellung des Seh-
Vermögens nach lljähr. Blindheit; von E. S.
Pcck. (New York med. Becord XX. 1 ; Jnly 2.
1881.)
Bei einem 21Jähr. Burschen bestand am rechten
Auge seit 8, am linken seit 11 Jahren trachomatöser Pan-
nus. Der Pat. konnte sich kaum mehr auf den Strassen
zurecht finden, rechts war das Sehvermögen etwas besser
als links. [Näheres über den Zustand der Hornhaut ist
nicht angegeben.] Kan versuchte zunächst den Eiter
eines Geschwürs in der Ohrgegend, dann spritzte man da
einer purulenten Ophthalmie eines Erwachsenen entnom-
menen unter [!] die Bindehaut ein, hierauf bepinselte
man die Hornhaut mit dem Sekret einer Blennorrhoea
neonatorum — keine Reaktion wurde erzielt Hienuif
wurde der Eiter einer echten Tripper-Ophthalmie auf das
rechte Auge applidrt, das linke wurde unbedeckt gelassen.
Zehn Stunden später brach eine akute Ophthalmie aus
und am Tage darauf war , ohne besondere Impfang, auch
das ungeschützt gelassene Unke Auge ergriffen. Maa
liess der Entzündung ihren natürlichen Verlauf, erst vom
19. Tage derselben an hielt man sie mittels Eiscompressea
und Höllensteinlösung in Schranken. Die Unteraachnng
einige Zeit nach der Entlassung aus der Spitalsbehandlung
ergab , dass mit dem rechten Auge Finger anf 9 Fusa,
mit dem linken auf IVs Fass gezählt werden konnten.
Am rechten Auge konnte man Pupille und Iris erkennen.
[Nähere Angabe über den Zustand der Homhaat fehlt
wiederum I] Pat. behauptete, als Schirrmeister in dnem
Pferdestalle genügend sehen zu können. (6 e i »s l e r.)
452. Die Anwendung des Glülieisens bei
Homhautleiden ; von Dr. Ernst Fuchs.
(Wien. med. Wchnschr. XXXI. 22. 1881.)
Unserer ersten Mittheilung (Jahrbb. OLXXXI.
p. 61) über diesen Gegenstand lassen wir hier das
Referat über die Versache folgen , welche auf der
V. Ar It 'sehen Klinik angestellt worden sind.
Benatzt wurde ein von den Zahnärzten gebrauch-
tes Instrument: eine Kugel von 7 Mmtr. Duichm.
mit einem schrftg angesetzten y nicht allzu spitz zu-
laufenden, über 1 Ctmtr. langen Arm. Das Instni-
ment wird an einer Berzeliuslampe erhitzt und soll
nur schwach rothglühend sein. Es bleibt genügend
lange warm, da die Kugel als Wärmequelle dient.
Beim Ulcus serpens soll man die Wirkung des
Glflheisens auf diejenige Stelle des Randes beschrän-
ken y der sich durch seine besonders satnrirte Farbe
als die progressive Stelle auszeichnet. Bei üleiu
rodens ist nur der unterminirte Rand zu zerstören;
welcher eben das Charakteristikum dieser Geschwflrs-
form ist. — Ausser in diesen Fällen wurde nur ein-
mal nach Abtragung einer Epithelialwuchenmg der
Boden mittels des Ferrum candens geätzt.
Ueber die Verwendung bei andern Hornhaut-
erkrankungen hat Vf. noch keine Untersuchungen
angestellt. Die Schmerzlosigkeit des VerfSfthrens
wird von ihm ausdrücklich betont. (Qeissler.)
VII. Staatsarzneikunde.
453. üeber die Unterbringung geistes-
kranker Sträflinge; von Dr. Knecht in Wald-
heim (AUg. Ztschr. f. Psychiatrie XXXYII. 2.p. 146.
1880) und M.-R. Dr. 0. F. Hall in in Stockholm
(Hygiea XLm. 5. S. 233. Maj 1881).
Die Ende 1876 eröffiiete Irrenstation bei der
Strafanstalt Waldheim , über welche der dirigirende
Arzt derselben y Knecht, berichtet, ist bestimmt
,,zur Beobachtung, beziehentlich Heilung und Ver-
wahrung solcher in Landes-Straf- und Correktions-
anstalten detinirter männlicher Personen , welche in
Geisteskrankheit verfallen sind oder deren geistiger
Zustand zweifelhaft erscheint Demnächst können
derselben zu gleichem Zwecke auch andere Personeo,
deren Zuführung in eine Irrenanstalt in Frage konunt^
zugewiesen werden , wenn deren Aufnahme in eine
andere Irrenanstalt, weil sie zur Zeit strafrechtlicher
Verfolgung oder der Detention in einem Gerichta-
gefängnlsse unterliegen, oder ausSicherheits-, Wohl-
fahrts- oder sittenpolizeilichen Gründen wegen ihres
verbrecherischen Vorlebens oder ilirer IndividnaiitiU
bedenklich fällt/' Die Versetzung eines Kruiken
in die Irrenstation wird durch das Minist, des lonem
angeordnet, bei Insassen von Strafianstaltea tf^
Antrag des Anstaltsarztes von der Anstattsdirektion,
verfügt ; die EntUssung erfolgt auf Antrag desifftos
VII. Staatsarzneikunde.
275
der Irrenstation bei der Strafanstaltsdirektion durch
Verordnung des Ministerium. Die Irrenstation bildet
eJDC formell von der Strafanstalt getrennte Abthei-
hm^j die jedoch nach aussen durch den Direktor
vertreten wird ^ der auch die Oberaufsicht über die
IrreBstation und die Disciplinargewalt über die Be-
amten und Anfisichtspersonen in derselben ausübt.
Die specielie Leitung in Bezug auf Verpflegung, Be-
schSfögnng, Behandlung und Unterbringung der Er.
ist dem Arzte übertragen, dem Strafanstaltsdirektor
li^ nur die Verantwortung für die sichere Bewah-
nmg der Kranken innerhalb des äussern Anstalts-
abadilnsses ob.
Die Irrenstation vermag l>ei dichtester Belegung
simmtiicher Schlafräume 40 Kranke zu fassen , der
höchste Bestand wurde während des Sommers 1880
vä 36 Kr. erreicht. Eröfihet wurde die Anstalt
nut 12 Kr. (schon seit dem Sommer 1873 wurden
onzelne filr besonders gefilhrlich oder unsicher an-
gesehene Kr. für die damals bereits projektirte Irren-
station in der Strafanstalt zurückbehalten), dazu
kamen bis Ende 1879 noch weitere 61 Kr. (53 aus
der Strafanstalt Waldheim , 8 aus Gerichtsgefäng-
Hissen und Correktionsanstalten) ; in Abgang kamen
vShrend dieser Zeit 42 (10 starben , 5 wurden in
die Strafanstalt zurückversetzt, die übrigen andern
Irrenanstalten übergeben oder in Privat- oder Ge-
meindepflege enüassen). Die Anzahl der Wärter
(6, d. h. einer auf 5 bis 6 ELr.) ist grösser als in all-
gemeinen Irrenanstalten. Die Kr. , deren körper-
licher Zustand es erlaubt, beschäftigen sich mit Hand-
aiheiten, häaslichen Arbeiten oder Gartenarbeiten.
Eine weitere Ausdehnung der Gartenarbeiten wäre
nach E« deshalb sehr wünschenswerth , weil sie sich
als dn vortreffliches Mittel erwiesen hat, die gesun-
den Keime in dem geistigen Leben der Kr. zu er-
sten und zu entwickeln, die Kr. zu zerstreuen und
zugleich den motorischen Trieben derselben eine
zweckmässige und nützliche Aeusserung zu ge-
währen.
In Bezug auf das Verhalten der Kr. kann K.
nseh seinen derzeitigen Erfahrungen nicht dem un-
göMtigen ürtheile unbedingt beitreten , welches von
den meisten Irrenärzten über die aus Strafanstalten
stammenden Irren gefällt wird. In der Mehrzahl der
Me hat sich das Verhalten der Kr. nicht wesent-
^ von dem freier Geisteskranker unterschieden,
nw könnte vielmehr eine gewisse Gewöhnung an
Ordnnng und Disciplin an ihnen rühmen, die sie aus
der Strafanstalt mitbringen. Mechanische Zwangs-
iBitel sind nur selten nothwendig gewesen, auch die
bolimng hat nur beschränkte Verwendung gefunden,
da em günstig gelegener Garten Aufgeregten Ge-
legenheit zur unschädlichen Entäusserung ihrer
nrntorischen Impulse giebt. Die schlechten Erfah-
^^0^, die an irren Verbrechern meist gemacht
^^en smd, erklären sich nach K.*s Annahme
^>>npteSchlich daraus, dass die Geistesstörung der
äffenden Kr. meist zu spät erkannt worden ist.
IKeadbe mag oft erst dann erkannt worden sein,
wenn alle Strafen an den für Simulanten gehaltenen
Kr. unwirksam geblieben sind ; solcher Irrer bemäch-
tigt sich dann allmälig ein solcher Grad von Verbit-
terung und Rachsucht, dass Bosheit und Auflehnung
gegen jede Autorität eine gewisse Herzenserleichte-
rung für sie bilden. Wenn dieser Grund , was bei
der Zunahme der psychiatrischen Bildung der Aerzte
zu erwarten steht, in Wegfall kommt, schwindet
nach K. damit ein hauptsächlicher Grund zur Er-
richtung eigner Asyle ftlr geisteskranke Verbrecher,
denn für die kleine Zahl schwer lenkbarer Kranker
bietet jede grössere Irrenanstalt genügende und
bessere Auskunftsmittel.
Wenn man jedoch in Rücksicht auf die öffent-
liche Meinung eine Trennimg bestrafter und unbe-
strafter IiTcr durchführen will , so hält K, grössere
selbstständige unter ärztlicher Oberleitung stehende
Anstalten für zweckmässiger, als kleine mit Gefäng-
nissen verbundene In'enabtheilungen. Nur in einer
grössern Anstalt lässt sich eine zweckmässige Grup-
pirung der zu einander passenden Kr. bewerkstel-
ligen, während in einer kleinen Anstalt durch wenige
complottsüchtige Elemente alle Ordnung zerstört
werden kann. Nm* in einer grössern Anstalt ist
femer Vielseitigkeit und Wechsel in der Arbeit mög-
lich , wie sie für Ableitung, Zerstreuung und zweck-
mässige Behandlung der Geisteskranken unentbehr-
lich sind. Die Nähe der Strafanstalt übt femer einen
Einflnss auf den Geist einer mit ihr verbundenen
Irrenstation aus, Geschichten über das frühere Ver-
halten der Kr. in der Sti'afanstalt werden bekannt
und beeinflussen die Stimmung des Wärterpersonals
gegen die Kranken ; auch für die Kr. selbst kann
der Anblick der verhassten Mauern, der Strafanstalts-
beamten , auch des Strafanstaltsarztes als Reiz auf
das erregte Gemüth wirken und sie in feindseliger
und gereizter Stimmung erhalten. Bei der räum-
lichen Beschränkung kann in solchen Irrenstationen
häufig UeberfÜUung eintreten, der nur durch Ueber-
führung von Kr. in eine öfi^entliche Anstalt abgehol-
fen werden kann, und dabei kommen schlüsslich die
Elemente, die man durch Errichtung jener Asyle
von den öffentlichen Anstalten fern halten will, doch
in dieselben.
Vom Standpunkte der Psychiatrie ist die Ver-
bindung von Irrenanstalt und Strafanstalt demnach
nicht zu empfehlen ; die moderne bTcnpflege hat be-
kanntlich ihren Ausgang von einer Lösung dieser
Verbindung genommen und die Wiedereinfühmng
derselben würde somit einen Rückschritt bedeuten.
Füi* die Strafanstalt ist allerdings die Möglich-
keit einer raschen Entfernung der Kr., einer Ent-
lastung von allen psychisch zweifelhaften Elementen
ein Vortheil, doch liegt die Nothwendigkeit einer
raschen Versetzung nur bei akut Erkrankten vor und
ftlr die Unterbringung derselben lassen sich die er-
forderlichen Vorkehrungen sehr leicht in einem gut
eingerichteten Strafanstaltslazareth treffen. Auch
gehen nach K.'s Erfahrangen aus der Zeit vor Eröff-
nung der Irrenstation, leichtere und rasch verlaufende
276
VII. StaatBUZneikiinde.
}
Psychosen im Lazareth eben so leicht und schnell in
Genesung über als in der Irrenstation. Wenig aus-
geprägte chronische Irreseinsformen dagegen wer-
den in der Regel erst später erkannt und es ist von
keinem Belang^ wenn solche Er. erst einige Wochen
nach festgestellter Diagnose in eine von der Straf-
anstalt getrennte Irrenanstalt überegführt werden.
K. schliesst an seine Mittheilnng eine Statistik
der Geistesstörungen unter den Gefangenen in der
Strafanstalt Waldheim.
Vom 1. Juli 1872 an bis zar Zeit der Mittheilnng
wurden in der Strafanstalt Waldheim unter 6276 männl.
Sträflingen bei 168 (27o/oo) Geiatesstörnngen beobachtet;
dieses Verhältniss ist indessen etwas zu niedrig, weil
unter den Sträflingen überhaupt eine grössere Anzahl
Individuen in Folge von wiederholter Einlieferung mehr-
fach gezählt ist, in Wirklichkeit darf man das Verhältniss
auf mehr als 30<>/oo veranschlagen. Vom Jahresbestand
waren durchschnittlich 12<>/oo, vom durchschnittlichen
Tagesbestand 18Voo Irre. Von den Erkrankungen waren
im Durchschnitt lio/oo des Tagesbestandes der Strafan-
stalt so schwer , in der Regel unheilbar , dass die Ver-
setzung der Kr. in Irrenanstalten nöthig wurde. Genesung
oder ganz erhebliche Besserung wurde in 36 von den 168
Fällen (fiber 21Vo) erzielt , nach einer Krankheitsdauer
5mal bis zu 14 Tagen , 5roal bis zu 1 Mon., 8mal bis zu
2 , 5mal bis zu 3 , 3mal bis zu 6 Monaten , Imal bis zu 1,
5nuU bis zu 2 und 4mal bis zu 3 Jahren. Von 36 Mehin-
cholikem genasen 20 , von 11 Maniakalischen 8 , von 59
an den verschiedenen Formen des Wahnsinns und der
Verrücktheit Leidenden 6 , von 22 epileptischen Irren 2.
An paralytischer Geistesstörung litten 11, an periodischem
und cirkularem Irresein 12 , an Blödsinn und Imbecillität
17. Melancholie und Epilepsie fiberwiegt bedeutend in
der Strafanstalt, Manie und progressive Paralyse sind im
Vergleich zu freien Irren ziemlich spärlich vertreten. In
39 Fällen bestand die Geistesstörung schon bei der Ein-
lieferung in die Strafanstalt und war bei 20 jedenfalls die
Veranlassung des Verbrechens gewesen ; 48 Indiv. erkrank-
ten im 1. Halbjahr der Haft, 60 bis zu Ende des 2., 22
bis Ende des 5. Halbjahres , 9 später. In 2 Dritttheilen
fiel somit die Erkrankung in die ersten 2 Jahre der Straf-
zeit. Da im Ganzen 73 Kr., also nahezu die Hälfte der
gesammten Kr., vor der Feststellung der Krankheit mehr
oder weniger lange isolirt waren , wird sich ein gewisser
ungünstiger Einfluss der Isolirung kaum in Abrede stellen
lassen; namentlich wurde ein solcher bei geistesschwa-
chen, besonders jugendlichen schwachsinnigen Detinirten
öfters beobachtet. In Bezug auf das Alter zur Zeit der
Erkrankung sind die Jahre 18 bis 26 und dann zwischen
30 und 40 in einem bedeutend hohem Procentsatz ver-
treten als unter den Gesunden.
Dass die Art des Verbrechens nicht ohne Einfluss auf
die Entstehung von Geisteskrankheit ist oder auch , dass
Geisteskranke zu gewissen Verbrechen stärker inolhiiren,
bestätigen auch K.'s Erfahrungen. Von den 168 Kr.
waren verurtheilt: wegen Mordes und Mordversuchs 13
(davon waren 3 schon zur Zeit der That krank) , wegen
Todtsohlags und Körperverletzung 6 , wegen Raubes 8,
wegen Brandstiftung 16 (davon waren 6 schon bei der
Einlieferung krank) , wegen Nothzucht 3 (davon waren 2
Mher krank) , wegen Unzucht mit Kindern 17 (7 davon
bei der Verfibung des Verbrechens krank) , wegen Eigen-
thumsvergehen 96 , wegen Meineids 6 , 1 wegen Doppel-
ehe (paralytisch bei der Einlieferung) und 6 wegen Deser-
tion oder schwerer Insubordination.
Wemi man diese Sohlen mit der Summe der in
der betreffenden Zeit wegen der entsprechenden ein-
zelnen Verbrechen in der Strafanstalt detinirt ge-
wesenen Individuen vergleicht , so ergiebt sich, dass
die Häufigkeit der Erkrankung nahezu parallel geht
mit der Schwere des Verbrechens und der Länge der
zuerkannten Freiheitsstrafe. Nur die Militftrverbre-
chen stehen ausserhalb der Reihe and ergeben einen
ausserordentlich hohen Procentsatz, doch rflbrt diess
wohl daher, dass es sich dabei h&ofig um von von
herein psychisch abnorme Individuen handelt
In Bezug auf die Erblichkeitsverhältnisse scheint
sich bei den geisteskranken Strafgefangenen vorwie-
gend allm&lige psychische und moralische Degenera-
tion zu erkennen zugeben; Verbrechen, Tmnksaoh^
Unstetigkeit, Epilepsie, Hysterie, Nervosität and sehr
häafig Schwindsucht waren die Zustände, die sich
in Bezug anf die Adscendenten der Kranken ermittehi
liesseu, selten war ausgesprochene GeistesstOrang
vorhanden gewesen.
In Schweden werden nach Ha 11 in die geistes*
kranken Verbrecher in den allgemeinen Irrenanstal*
ten behandelt, doch sind dagegen mehrflMshe Bedenke!
erhoben worden u. man hat die Hemung ao^estdl^
dass es den Oefangenanstalten zukomme für diesi
Geisteskranken zu sorgen, deren Unterbringung ii
allgemeinen Irrenanstalten gegen das Beste der:
freien Kranken und der Anstalt, sowie gegen das
Recht der Gefangenen selbst streite, wenn ihnea
nicht die Zeit, die sie in der Irrenanstalt zabringes,
von ihrer Strafzeit abgerechnet werde.
Ein in Bezug auf diese Frage eingefordertes
Gutachten des kön. schwed. Gesundheits-Ooll^um
führt zunächst aus, das der Begriff eines „Oriminal-
patienten^' genau festgestellt werden mttsse, um za
wissen, welche Kr. es sind, für die besondere An-
stalten erforderlich seien. Diejenigen, die anter dem
Einflasse einer Geistesstörung eine strafbare Hand-
lung begangen haben und als straflos erkannt wor-
den sind, weil eine solche Elandlang vor dem Qeseti
nicht als Verbrechen, sondern als UnglficksEall za
betrachten ist, befinden sich unter allen umständen
in derselben Stellung den allgemeinen Irrenanstalten
gegenüber wie andere Kranke, wenn ihre Aufnahme
in eine Anstalt erforderlich wird oder wenn sie für
die allgemeine Sicherheit gefithrlich sind, nnd ken-
nen und müssen unter den andern Kr. behandelt
werden. Von den übrigen (den eigentlichen Crimi-
nalpatienten) besteht ein Theil aus solchen, welche
nach Begehen einer strafbaren Handlang in Geistes-
störung verfallen und aus diesem Grunde nicht der
Untersuchung und der Verurtheilung unterworfen
werden können, ein anderer aus solchen, welche
während der Strafiseit in Geistesstörung verfiiUen.
Diese beiden zuletzt genannten Kategorien können
allein in Frage kommen. Wie weit unheilbare
Geisteskranke dieser Kategorien den StrafSuistaitea
angehören, muss darauf beruhen, ob vomBeohts-
Standpunkte aus geisteskranken Personen Strafe M-
dauernd auferlegt werden kann. Kann oder darf
diess nicht geschehen, dann müssen nach der Mei-
nung des CoUegium geisteskranke Strafgefimgeiie
nicht weiter als der Strafanstalt angehörig angesehen
werden, sondern nach der Entlassong aas derselben
wie andere Geisteskranke behandelt werden ; diese
Vn. Staatsaizneikaiide.
r
■ 7erbi2tDis8e treten am deuftichsten hervor, wenn es
I flieh am Qefimgene handelt, die zu Gefängnlss oder
I Stn&rbeit aof kürzere Zeit vemrtheilt sind und
welche als unheilbare Geisteskranke sonst der Straf-
instalt fttr ihre ganze Lebenszeit angehören wür-
den. Nach dem prenssischen Gesetz werden geistes-
kiuke Strafgefangene, die noch nicht für unheilbar
erklärt sind, in den Straüanstalten behandelt, oder,
venn diess nicht thunlich ist, in einer IiTenanstalt
auf Kosten der Gefangenanstalt, und die Zeit, wäh-
rend welcher sie so in Behandlung stehen, wird in
die Strafiseit mit eingerechnet. Wenn ein Gefan-
gener fhr unheilbar geisteskrank erklärt wird, wird
er frdgelassen und er ist zu betrachten wie andere
Geisteskranke, d. h. in eine Anstalt für unheilbare
Geisteskranke zu bringen, wenn diess filr nöthig
siebtet wird.
Wenn nun von den „Crimmalpatienten'' die-
jenigen abgezogen werden, die in Folge bestehender
Geistesstörung zur Zeit der That fOr unzurechnungs-
fidiig erklärt worden sind, bleibt nur eine geringe
Ansshl geisteskranker Strafgefangener übrig. Das
GoUegium hält es daher für zweifelhaft, wie weit be-
sondere Anstalten für diese geringe Zahl unter der
Verwaltung der Gefangenanstalten als nöthig er-
lebtet werden können, zumal da unheilbare schwer-
lidt als den Gefangenanstalten angehörig betrachtet
werden können und deren Unterbringung in beson-
deren Anstalten theurer zu stehen kommen würde als
sonst. Mehr würde es sich empfehlen, bei einigen
Hospitälern besondere Abtheiinngen für geisteskranke
Verbrecher einzurichten.
Was die relativen Vortheile und Nachtheile der
3 verschiedenen Arten der Unterbringung geistes-
bmker Verbrecher betrifft, so verdient nach Hallin
die Einrichtong von Irrenabtheilungen als Adnexa
n den Strafanstalten insofera Beachtung, als nach
den bestehenden Gesetzen in Schweden der Aufent-
lalt in 'solchen Anstalten den Kr. an ihrer Strafzeit
zoGnte gerechnet würde. Nur müsste die Einrichtung
YoUkommen zweckentsprechend sein und ftr Schwe-
den wäre eine Einrichtung mehrerer derartiger An-
stalten nöthig, was mit zu grossen Kooten verknüpft
sein würde, als dass dieses System Berücksichtigung
finden dürfte.
Selbststftndlge Anstalten sind, wie bereits er-
vShnt, in Rücksicht auf die geringe Zahl der für
dieselben geeigneten geisteskranken Strafgefangenen
snzweckmässig. Anders würde es sich indessen
vertialten, wenn es sich zugleich um die Unter-
bringung derjenigen handelte, die zur Zeit der That
geisteskrank gewesen sind oder es während der
Untersuchung geworden sind, wenigstens der schwe-
rer Erkrankten oder der an sogen. Verbrecherwahn-
sinn Leidenden. Hierzuwären auch zumTheil solche
Individuen zu rechnen, welche, obwohl nicht im
Entliehen Sinne geisteskrank, doch die eigen-
^bflmlicbe, auf organischem Grunde beruhende ab-
forme psychische Beschaffenheit (hereditäre oder
erworbräe psychische Degeneration) zeigen, welche
277
sich durch Mangel der moralischen Begriffe kenn-
zeichnet (moralisches Irresein). Diese Individuen,
deren Leben oft eine ununterbrochene Kette von
gesetzwidrigen Handlungen ist, kommen deshalb
wiederholt in gerichtliche Untersuchung und in Folge
von mangelnder Einsicht in Bezug auf den abnor-
men Geisteszustand oder fehlerhafter Diagnose wer-
den sie, da sie nicht zu den gewöhnlichen Geistes-
kranken gerechnet werden können, gewöhnlich ein-
fach als Verbrecher betrachtet und zu kürzerer oder
längerer Gefängnisssti'afe vemrtheilt, nach deren
Abbüssung sie als nicht zur An&ahme in Hospital-
pflege berechtigt in Freiheit gesetzt werden und ihr
Verbrecberleben von Neuem beginnen. Für diese
Individuen, die für das Gemeinwesen in hohem
Grade lästig und gefährlich sind, wäi'en die in Rede
stehenden Anstalten passende Asyle, in denen sie
erforderlich lange Zeit zui*ückgehalten werden könn-
ten. In solchen Anstalten könnten möglicherweise
auch solche unheilbare Geisteskranke Aufnahme fin-
den, welche, obwohl nicht unter die Criminalpatien-
ten gehörig, für die Irrenanstalten sehr lästig sind
und für die Aufnahme neu erkrankter und heilbarer
Geisteskranker hinderlich im Wege stehen. Die Nach-
theile, die man gegen solche Anstalten geltend ge-
macht hat, dürften durch zweckmässige fjinrichtun-
gen, grösstmögliche Isolirung und Vertheilung der
Kr., in wesentlichem Grad vermieden werden können.
Obgleich indessen die Einrichtung solcher Anstalten
von mehreren Gesichtspunkten aus Beachtung ver-
dient, dürfte doch nach H. dieselbe ftlr Schweden
mit zu grossen Kosten verknüpft sein.
Was schlüsslich das dritte System, die Einrich-
tung besonderer Abtheilungen in IiTcnhäusern, be-
trifft, so stimmt H. mit dem Gutachten des schwe-
dischen Gesundheits-Collegium überein, dass es ftlr
Schwedens Verhältnisse das zweckmässigste ist.
Solche Institute dürfen indessen nicht wie Pflege-
anstalten eingerichtet werden, sondern sie müssen
fest und zweckmässig angelegt werden, mit den er-
forderlichen Sicherheitsmaassregeln und nach allen
Erfordernissen, welche die Wissenschaft f&r erfolg-
reiche Behandlung zur Herstellung des Kr. verlangt.
Zu diesem Behufe müsste die Anstalt hinreichende
Ausdehnung haben und hinlängliche Gelegenheit
fbr zweckmässige Beschäftigung der Kr. bieten.
Ausser den geisteskranken Sträflingen könnten in
solchen Anstalten auch die verschiedenen Arten von
Geisteskranken Aufnahme finden, für die H. die
selbstständigen Anstalten als passend bezeichnet hat
Für Schweden dürften nach H. 2 solche Anstalten
für die heilbaren Kr. hinreichen, während die un-
heilbaren in gleiche Anstalten zu verweisen wären,
die mit Asylen für unheilbare Geisteskranke in Ver-
bindung zu errichten wären.
(Walter Berger.)
454. Zur geriohtsärstliohen Casuistik.
Unter dem Titel Erhängen, Erwürgen oder
Erdrosseln f theilt Krelsphysikus Dr. A dl off in
278
Vn. Staatsarzneikunde.
Schönebeck (Vjhrschr. f. gerichtl. Med. N. F.
XXXIV. p. 19. Jan. 1881) nachfolgenden Fall von
Gattenmord darch Strangulation mit, in welchem
noch der Versuch gemacht worden war, den Leich-
nam zu verbrennen.
Morgens nm 4 Uhr des 7. Jan. d. J. war der Arbei-
ter K., eine schwer gepackte Kiepe tragend, deren Inhalt
2 Fnss den Band überragte^ ans seinem Hanse getreten ;
dabei hatte auf Jeder seiner Schaltern ein etwa 3 Fnss
langer Gegenstand gelegen. £ine Stande später hatten
ihn zwei Mitarbeiter in der Fabrik anter Verdächtigen
Umständen vor demAschenlochedesCalcinirofens, dessen
Feaerang er seit Jahren zu besorgen hatte, sitzend ange-
troffen. In der Asche aber lag der Leichnam seiner Ehe-
frau, nicht weit davon stand eine Kiepe mit 2 K5cken
derselben. Um den Hals des Leichnams war mehrmals
ein 1 Ctmtr. breiter Riemen umschlangen und ein buntes
Taschentuch um Mund und Nase gebunden. Dieser Rie-
men war 4mal um den Hals geschlungen, 148 Ctmtr. lang
und lag 80 fest an, dass die Obducenten genSthigt waren,
ihn zu durchschneiden, um ihn zu losen. Er passte übri-
gens nach Dicke, Consistenz und Schnittfläche genau zu
einem kürzeren Stücke, welches sich an der Wiege eines
der K. 'sehen Kinder befestigt vorfand.
Die Haut der liCiche war durch die Asche grau ge-
färbt, an Unterschenkel, Brust, Stirn, Oberlippe, Ge-
sicht überhaupt wurden vielfache grosse u. kleine Sugilla-
tionen nachgewiesen ; die Bindehaut war roth, die Zunge
zwischen den Zähnen eingeklemmt; die verschiedenen
nm den Hals verlaufenden Einschnürungen waren dunkel-
braun von Farbe, pergamentartig hart anzufühlen, schwer
zu durchschneiden, die Haut darunter erschien 1 Mmtr.
dick. Die Einschnitte ergaben nirgends Blutunterlauf ung.
Im Innern des unverletzten Schädels fand sich starke
BlutüberffiUung. Schon die Sägefläche war blutroth und
aus dem verletzten Längsblutleiter flössen 180 Qrmm.
Blut ab ; alle Himleiter, die Hirnhäute und Himsubstanz
waren bluterfüllt. Beide Lungen strotzten von schau-
migem, schwarzem Blute, in der rechten Herzkammer traf
man auf grosse Gerinnungen. Die Luftrohrenschleim-
haut war stark injicirt, die Luftrohre enthielt schaumige
blutige Flüssigkeit, die innere Haut der Kopfschlagader
war nicht verletzt. Auch die Baucheingeweide zeigten
grossen Blutreichthum und Ekchymosen.
Der Befandschein lautete auf Tod durch Er-
stickung in Folge von Erdrosselung mittels des
4mal umschlungenen Lederriemens seitens eines
Dritten.
Die Erstickung wird bestätigt durch die Zeichen
der Bluterfdllong in Kopf- und Bmstorganen, für
die Erdrosselung durch einen Dritten spricht die
Strangrinne. Es ist nicht denkbar, dass Jemand
sich selbst einen Riemen 4mal fest um den Hals
legen und dann noch Zeit haben kann, einen festen
Knoten zu schürzen. Der rasche Verlust des Be-
wnsstseins muss den letzten Akt unmöglich machen.
Ferner ist vorauszusetzen, dass ein lebensmüder
Selbstmörder zum Erhängen einen festen Strick oder
eine Schnure, aber nicht einen dünnen 1 Ctmtr. brei-
ten Riemen von der Dicke eines ledernen Centimeter-
maasses wählt. Da das andere zum Erhängungs-
riemen passende Stück von der Kinderwiege herab-
hing, so hätte man annehmen müssen, dass die Frau
sich an der Wiege erhängt hätte. Eine schaukelnde
Wiege ist aber kein Gegenstand, um sichern Erfolg des
Erhängens zu gewähren. SchlOsslich sind der quere
Verlauf um Hals und Nacken und die 4fache Um-
schlingung für den Mord durch fremde Hand von grösa-
ter Bedeutung, und als begleitende Beweisumstände
die an vielen Stellen des Körpers vorgefundenen 8a-
gillationen.
Der Mörder hatte sich von der Frau Bier und
Schnaps herbei holen lassen, um sich zur That Matli
zu trinken, hatte mit ihr gescherzt und dann der Arg-
losen den Riemen von hinten um den Hals geworfen.
Zur Gewissheit wurde die Schuld des Angeklagten
durch sein Verfahren mit der Leiche.
Dr. R. Reh mann (a. a. 0. p. 35) berichtel
über einen Fall von Erdroaselunfff welcher nament-
lich wegen des Ausgangs des gerichtlichen Verfah-
rens bemerkenswerth erscheint.
In einem Dorfe am Rhein war ein zuvor gesund«
3/« J. altes Mädchen plötzlich grestorben. Seine schleobt ;
beleumundete Stieftnutter hatte das Kind angebUch Nach- 1
mittags 3 Uhr gesund in der Wohnung verlassen und ei
bei ihrer Rückkunft nach IVs Standen todt im Bettches
liegend gefunden. Der Leichenbeschaner entdeckte am ^
Halse eine Binne , der Stiefmutter Benehmen war ve^
däohtig, daher wurde die Sektion angeordnet.
Bei der Besichtigung des wohlgenährten LeichnaiDs
am 3. Tage fanden sich ausgebreitete Todtenflecke, das
Gesicht war etwas gedansen , aaf beiden Bindehäatea
waren flohstichartige Blutpunkte zu sehen. Kein Schanm
im Rachen, keine Abschürfung oder Sus^Uation der Kopf-
haut. Um den fleischigen Hals hemm zog sich in meist
horizontaler Richtung eine weiche, halb bläulicbOf halb
anämische Strangfurche mit lividem Saume ohne jedwede
Mumifikation. Es waren eigentlich zwei Strangrinnen,
von welchen die obere nahezu 1 Ctmtr. breit dicht unter
dem Kinne über das Zungenbein verlief und nach beiden
Seiten schmäler werdend unter den Ohren spitz endigte,
während die zweite rings um den untern Theil des HalBes
und Nackens verlief und Va Ctmtr. breit war. Auf d»
linken Seite des Halses fiand sich eine Erweiterung der
Rinne bis zu 2.5 Ctmtr., hier war der Eindruck weniger
scharf ausgeprägt. Die Ränder beider Rinnen und vom
der dazwischen gelegene mittlere Theil des Halses ragten
vor und erschienen aufgequollen. SuiVasionen unter der
Strangfurche fehlten.
Nach Incision der weichen Sohadeldec&en fand sieli
auf dem rechten Scheitelbeine, 2 Ctmtr. oberhalb des
Ohres eine taubeneigrosse Blutunterlauf^ng unter der
Galea und nach Entfernung des Blutes und Periosts eine
Fissur mit bohnengrossem Knocheneindruck im grossen
Keilbeinflügel. Diese Fissur verlief 2.5 Ctmtr. lang in
senkrechter Richtung und war der Sitz einer kleinen
Ekchymose unter der Dura-mater. Die grossen Blnt-
leiter enthielten dunkelflüssiges Blut, in den Himh5hlen
kein Erguss, das Gehirn blass, die Pia ohne Blutpunkte.
— Das ZwerchfeU stand über dem Stemalrande desKno^
pels der 4. Rippe in der Exspiration. Herzbeutel und
Pleura waren von Blutpunkten besäet ; Herz und grosse
Geisse von flüssigem, dunklem Blute massig erfüllt, die
Adern des Halses strotzten, im Halszellgewebe keine Blot-
nnterlanfungen, kein Quarriss in der Intlma der Carotis, |
wohl aber in der Wand der Unken Carotis eine geringe, |
streifige, linsengrosse Blutunterlanfung. Schleimhaut ^
Kehlkopf und Luftröhre lebhaft roth, Lungen dunkel mit ;
schaumigem Blute erfüllt. Keine Läsion der Wirbelsäule, i
Baucheingeweide blutleer. j
Der Befundschein lautete auf gewaltsamen Er- |
stickungstod durch Strangulation , wobei die Kopf-
verletzung mit concurrii*te. Letztere war sehr wahr-
scheinlich durch einen vorgefundenen Waschkidppcl |
bewirkt worden.
Vn. Staatsaizneikimde.
279
Die Annahme des firsticknngstodes gründet sich
aof eine Reihe von Allgemeinerscheinungen ; in erster
Linie auf die Zeichen von der dünnflüssigen dunklen
Beadiaffenheit des Blutes: nämlich auf die ausgebrei-
tete intensive Leichenhypostase , die Erfüllung von
Ben, grossen GefiUsen, Blutleitem und Lungen und
uf die lebhafte Injektion derLnftröhrenschleimhaut.
Ausserdem liefern die capillaren Blutaustritte in das
snbseröse Bindegewebe den Nachweis der Berstung
durch Ueberdruck.
Die Erstickong an sich setzt nan zwar noch
lieht äussere Grewalt voraus , denn sie konnte auch
dnreh Convolsionen, aus epileptischen Zufällen^ nach
Einwirkung von Giften, giftigen Gasen zu Stande
tommen. Die gewaltsame Tödtung wird erst durch
ie sn Hals und Kopf vorgefundenen Merkmale,
Umlich die Strangfurche, die Läsion der rechten
Ctiotis und die Schädelverletzung erwiesen.
An sich ist die Benrtheilang der Strangfnrche
■cht 80 einfach, weil in der weichen Kindeshaut aach
og anliegende Wftschstflcken , Bänder, Tücher
itnogähnliche Eindrücke hinterlassen können. In
diesem Falle wurde die Strangulation zweifellos durch
& doppelte, tiefe, rings um den Hals verlaufende
{Fliehe mit anfgequollenen Rändern nachgewiesen;
iwisehen beiden Furchen hob sich der mittlere Theil
i des Halses stark hervor; daneben war seitlich die
'Stelle deutlich, wo das Würgband geknüpft war.
I Dieses war mnthmaasslich weich und breit , da es
; keine Hautschürfung noch Druckschnürung verur-
sieht hatte, etwa ein Kinderhalstuch. Da der livide
Sinm der Rinne weder Ekchymosen noch Suffusionen
enthielt, so war es nicht sicher, ob die Erdrosselung
istniTitam geschehen war; hierfür blieb allein das
Sugillat in der rechten Carotiswand maassgebend.
Aber auch die Kopfverletzung war während des
Lebens gesetzt worden; dafür sprechen das Sugillat
UB Schädelbruche , die zahlreichen Ekchymosen im
Gebiete n. in der Umgebung der Knochenimpression
lud der Beginn von entzündlicher Reaktion auf der
Innenfläche der Dura-mater, welche an der Bruch-
^le stark injicirt war. Da bei Kindern alle Ge-
v^ , auch die Knochen nachgiebiger sind als bei
Erwachsenen , tri£ft man bei ihnen häufiger Fissuren
^ Frakturen. Aus der Fraktur mit Eindruck geht
^tfnm hervor, dass eine grosse Gewalt auf die Stelle
; eingewirkt hat, und dass sie nicht etwa durch einen
^n Fall aus der Wiege entstanden sein konnte.
^ der Schädelverletzung konnte immerhin eine
Gehirnerschütterung verbunden gewesen sein, welche
^ Strangulation unterstützt und paralysirend ge-
wirkt hat.
I Hiemach lautete das Schlussgntachten auf Er-
^^'(^Qng während des Lebens mit der Eopfver-
^'^Bssi^ als concurrirender Todesursache, wobei
^mtlidie Umstände und Ergebnisse es höchst un-
^^hnchemlich machten, dass das Kind nicht ab-
MtÜeh, sondern zufällig getödtet worden wäre.
Aber die Aussagen der Zeugen schwankten n. wider-
'P'^chen sich in der Schwurgerichtsverhandlang. Einige
wollten zwischen 7 und 8 Uhr Abends das Kind schon steif,
andere mit den Füssen baumelnd , bald noch warm , bald
ganz kalt , bald nur an Händen nnd Füssen kalt in den
Armen der Stiefmutter gesehen haben , welche es wie in
grossem Seelenschmerze fest umschlossen in den Armen
gehalten und der freien Beobachtung entzogen hatte.
Keine fremde Person hatte die Wohnnng betreten , der
Ehemann war durchaus gut beleumundet und bekundete
nur die grösste Sorge, seine zweite Frau, die einen höchst
rohen, sinnlichen, unheimlichen, verstockten Eindruck
machte, vor Schande zu bewahren. Wohl hatte dieselbe
einige Worte fallen lassen , dass ihr das Kind lästig sei,
jedoch — sie wurde frei gesprochen.
Durch die Länge der seit Ausführang des Selbst-
mordversachs verflossenen Zeit bemerkenswerth er-
scheint folgender von Dr. John Taylor (Glasgow
med. Journ. XIV. p. 387. Nov. 1880) veröffentlich-
ter Fall von Wiederbelebung nach Erhenkung.
Eine kräftige 44jähr. Frau war eines Abends von
ihrem Ehemanne, der sie roh behandelte, amThürschloss
mittels einer Kleiderleine aufgehängt vorgefunden wor-
den. Es bestand vollständige Bewusst- und Empfindungs-
losigkeit , das Gesicht war livid geschwollen , die Zunge
zwischen den Zähnen vorgestreckt , am Halse zeigte sich
eine braune pergamentartige Entfärbung mit Abrasion der
Epidermis in der Höhe des Kehlkopfs. In Lungen und
Gehirn schien alle Vitalität erloschen zu sein , blos eine
Spur von Herzschlag und Radialpuls war noch fühlbar.
T. leitete sofort — 11 Uhr 30 Min. — die kunstliche
Respiration nach Sylvester 's Methode ein, wobei er
die Zunge mittele einer Arterienpincette hervorgezogen
erhielt nnd die entsprechenden Bewegungen der Arme
durch 2 Freundinnen der Frau ausführen iiess. Nach
2stündiger unausgesetzter Ausführung dieses Verfahrens
unter gleichzeitigem Frottiren mit heissem Flanell wurde
— 1 Uhr 30 Min. — eine leichte spontane Bewegung in
den Beinmuskeln wahrnehmbar. Um 2 Uhr zeigten sich die
ersten Zeichen von Wiederkehr der Empfindung , um 3
Uhr erfolgte reichliches Erbrechen der genossenen Spei-
sen , und, nachdem die künstl. Respiration bis um 4 Uhr
fortgesetzt worden war, erschien die Hoffnung auf Wieder-
belebung so begründet , dass T. die weitere Behandlung
den Angehörigen ohne Gefahr anvertrauen konnte. Als
er um 8 Uhr wiederkam, fand er die Frau schlafend , er-
weckt erkannte sie ihn , hatte aber keine Erinnerung an
die Vorgänge in der verflossenen Nacht. Sie klagte nur
über heftigen Kopfschmerz , der sich jedoch binnen 3 T.
verlor, so dass die Frau ihreWirthschaft wieder besorgen
konnte. Es erfolgte binnen Kurzem vollständige Ge-
nesung.
Der zn Anfang des Jahres 1880 zu Raab in
Ungarn vorgekommene Fall, dass ein dnrch den
Strang Hingerichteter, obschon der Eintritt des Todes
von dem Physikns bestätigt worden war , noch 23
Stunden hindurch Erscheinungen des Lebens, jedoch
ohne Bewusstsein, dargeboten hatte, hat Veranlas-
sung zn sehr bemerkenswerthen Mittheilungen von
Seiten der Proff. Hofmann und Rosenthal zn
Wien gegeben.
Prof. Ed. Hof mann sprach sich in der Ges.
d. Aerzt6 in Wien (Wien. med. Presse XXL 17.
p. 533. 1880) dahin aus, dass die nächste Erklä-
rung fttr die Wiederbelebung im fragl. Falle darin
zu suchen sei , dass der Justificirte zn früh — 10
Mm. nach der Henkung , nachdem der Gerichtsarzt
den Tod constatirt hatte — abgenommen worden
war. Allerdings finde der Eintritt des Todes nach
dem Henken sehr schnell — meistens nach 5 Min«
280
Vn. Staatsarzneikimde.
— statt and Tardiea giebt geradezu an, dass 10
Min. die längste zar Herbeiführung des Todes erfor-
derliche Zeit sei. H. selbst erwähnt 3 Fälle aus
eigner Praxis , in denen die Wiederbelebung nicht
gelang , obschon die Selbstmörder fast unmittelbar
nach dem Erhenken abgenommen worden waren.
Es finden sich jedoch eine Anzahl von Fällen in der
Literatur, in denen die Wiederbelebung nach viel
längerer Zeit noch gelang, ja einzelne, in denen das
Leben erhalten blieb (Tardieu, Taylor, Bou-
chut, van Hasselt).
Bemerkenswerth erscheint , weil von 3 Aerzten con-
statirt , ein im Jf. 1858 in Boston vorgekommener Fall, in
dem der Korper, nach amerikanischer Sitte, unmittelbar
nach dem Erhenken 7 Fuss tief am Stricke herabgefallen
war. Nach 14 Min. war der Herzschlag erloschen , nach
40 Min. wurde der Leichnam abgenommen ; 50 Min. spä-
ter bemerkten die Aerzte Pnlsation über der rechten
Clavikel n. konnten am Herzen 24 Schläge in der Minute
anskultlren. Der Herzschlag stieg in der nächsten halben
Minute selbst bis auf 40 Schläge , von da an nahm er ab
und verschwand nach 2 Std., also 4 Std. nach der Hin-
richtung, ganz.
Der Tod beim Erhenken tritt durch Verschluss
der Luftwege und der grossem Halsgefässe ein. H.
hat an zwei gefromen Erhenkten durch Sagittal-
schnitt nachgewiesen , dass der Verschluss der Luft-
wege nicht sowohl durch Zusammenschnüren von
Kehlkopf und Trachea zu Stande kommt , sondern
weil der zwischen Zungenbein und Kehlkopf liegende
Strang den Zungengrund und die Epiglottis gegen
die Wirbelsäule nach auf- und rückwärts andrückt ;
wobei noch der weiche Gaumen in den Nasenrachen-
raum gedrängt wird und eine Knickung nach auf-
wärts erleidet. Der rasche Verlust des Bewusstseins
entsteht durch Unterbrechung der Cirkulation.
Nach den Prof. H. zugekommenen Mittheilungen
ist jedoch der betre£fende Justificirte 8 Tage vor der
Hinrichtung wegen Drüsenabscessen am Halse ope-
rirt worden und hat an einem Wolfsrachen gelitten.
H. hält es daher fbr möglich , dass dadurch das Zu-
standekommen der eben erwähnten Bedingungen
vereitelt worden ist. Die vorhandenen Drüsentumoren
können die vollständige Compression der Halsgef^e
verhindert und bewirkt haben, dass der Strang nicht
zwischen Kehlkopf und Zungenbein, sondern tiefer
zu liegen gekommen ist, wodurch die Luftwege nicht
vollständig verschlossen worden sind. H. hat 2
Fälle beobachtet, in denen wegen einer Struma und
wegen einer Dermoidcyste der Strang tiefer zu liegen
kam. Ebenso kann Substanzverlust am Wolfsrachen
das hermetische Anliegen der Epiglottis und des
Zungengrundes verhindert haben.
Bei der Diskussion sprach sich Prof. Billroth
dahin aus , dass den Gerichtsarzt kein Verschulden
treffe, da er den Tod durch nichts Anderes als durch
das Aufhören der Respiration und des Herzschlages
habe constatiren können. Ueber die Zeit, binnen
welcher die Wiederbelebung gelingen könne, würden
von den Chirurgen bei der Tracheotomie und der
Narkose sehr verschiedene Erfahrungen gemaeht.
Zur Erklärung des Umstandes , dass bei dem fragl.
Justificirten trotz Wiederkehr des Pulses und der
Respiration der Tod erfolgte , weist B. darauf hin,
dass die normale Ernährung des Gehirns nicht wie-
der einzutreten scheine , wenn die Blutcirkulation io
demselben einige Zeit unterbrochen war.
Prof. Hofmann ist ebenfalls der Ansicht, dass
den Gerichtsarzt keine Verschuldung treffe , er hält
es aber nicht für zulässig, einen Menschen blos des-
halb ftir todt zu erklären, weil Respiration und Herz-
schlag aufgehört haben.
Prof. M. Rosenthal in Wien (a. a. 0. 18.
p. 557) erörtert in seinen Bemerkungen über den
fragl. Fall namentlich die Möglichkeit , das völlige
Erlöschen der Thätigkeit des Herzens nachzuweisen, ;
indem er darauf hinweist , dass bei Sauerstoff-Ver-
armung der Respirationsapparat früher die Erreg-
barkeit verliert als das Herz. |
R. fand bei Versuchen an tracheotomirten and ;
curaiisirten Thieren , an denen die künstliche Ath-
mung eingeleitet war, dass, als am absterbenden
Thiere der Herzschlag nicht mehr deutlich zu fllhlen
war , nach Unterbrechung der kttnstl. Athmnng nnd
Entfernung der an Artt. iliaca und crural. gelegten
Klammer eine durch die Brustwand nnd Herz ein-
gestochene Nadel (mit angekittetem Glaafaden) noch
deutliche und allmälig verschwindende Vibrationen
zeigte. Er ist daher überzeugt , dass mittels dieser
Acupunktxxr — eine mit einem Fähnchen versehene
Nadel müsste an der 5. Rippe zur Seite des Stemnm
eingestochen werden — jeder Irrthum über den
wirklichen Eintritt des Todes der Justificirten za
vermeiden sei*).
In Bezug auf die Diagnose des Scheintodes hebt
R. noch hervor , dass auch bei tiefster Herabsetzung
der Herzthätigkeit ein schwaches, dumpfes, aussetzen-
des Geräusch zu vernehmen ist. Auch lässt sich
trotz vollständiger Unbeweglichkeit des Thorax and
gänzlichem Fehlen desAthemgeräusches beigenanem
Zusehen an der eingesunkenen Bauchdecke eine
schwache Bewegung der seitlichen Wandungen wahr-
nehmen. In einem von R. selbst beobachteten Falle
(dessen Ausgang nicht mitgetheilt ist) waren beide
Erscheinungen deutlich ausgesprochen. In einem
ähnlichen Falle von Scheintod fand Bourneville
gleichfalls das fragliche Verhalten des Herzschlages,
ausserdem aber noch Herabsetzung der Köipertem-
peratur auf 27.4<^C. im Mastdarme. Der Tod er-
folgte hier 24 Std. später. (E. S c h m i e d t)
0 Die Verwendung einer Nadel zur Constatining des
wahren Todes hat schon Prof. Middeldorpfin seinem
Aufsätze über AkidopetrtisHk (Gfinsb. Ztschr. f. Uin.
Med. YII. p. 328. 1856) empfohlen. Vgl. Jabrbb. CHI.
p. 366. Wr.
M ö b i u s y ttber Nervenkrankheiteil.
281
B. Originalabhandliing^en
nnd
Uebersichtene
IX. Beiträge zur Lehre von den Nervenkrankheiten.
Von
Dr. Paul Julius Möbiua in Leipzig.
E. Neuere Beobachtungen über Sehnenreflexe.
Wir geben hier im Anschlnss an frflhere Zu-
aunmenstellongeni) eine kurze Cebersicht ttber die
omesten VerGffentlichnngen, welche von den sogen.
Sehnenreflexen handeln, nebst dem Referat über
einige Arbeiten verwandten Inhalts.
Prof. G. Westphal (Berl. klin. Wchnschr.
XVm. 1. 2. 1881) knflpft seine Bemerkungen über
das Versehwinden und die Lokalisation des Knie^
phänamen an folgenden interessanten Krankheits-
fall an.
Ein 32Jahr. Kaufmann wurde am 27. M&ra 1877 in
die Charit^ aufgenommen. Seine Mutter war an „Büclcen-
miiksschwiudsucht' gestorben, sein Vater soll irrsinnig
gewesen sein, ein Bruder an Sehnervenatrophie gelitten
kaben, tabeslcrank und blödsinnig gestorben sein, ein
anderer Bruder an schwerer Hypochondrie leiden. Pat.
var seit 1 Jahre augenleidend, seit Vi Jahre erblindet,
Kit V4 Jahre schlaflos, seit ca. 8 Tagen psychisch gestört.
El bestand Sehnervenatrophie, reflektorische PupUlen-
itarre, Artikulationsstörnng, Schwachsinn mit Grössen-
wahn. Keine spinalen Symptome, normales Kniephäno-
men. Nach 1 Jalire war der Grössenwahn geschwunden,
Pat. äusserte Yielmehr hypochondrische Ideen, magerte
ab n. 8. w. Auch diess ver^^g und 1879 befand sich Pat.
äDiiacfa in massigem Schwachsinn ohne Affekte oder Wahn-
Torstellungen. Das Kniephänomen fehlte zum 1. Male
am 20. Oct. 1879 am rechten Beine , während es links
aoeh schwach vorhanden war. Keine andern spinalen
Symptome. Ende December traten blutige Durchfälle,
neber, GUederzittem auf und am 8. Jan. 1880 der Tod.
Am 3. Jan. war das Fehlen des Kniephänomen auch linlLS
eonstatirt worden.
Die Sektion ergab leichte Pachymeningitis int. und
Leptomeningitis cerebralis, graue Atrophie beider NN.
and Tractus opt. bis zu den Corpp. geniculata. Ulceröse
Lungenphthise. Am gehärteten Bfickenmark erschien ein
Streifen in den Hinterhömem nach auswärts von den
QoQ'schen Strängen durch die ganze Länge des Markes,
aa stärksten im Lendenmark, degenerirt, auch die Pyra-
nddenseitenstrangbahnen waren, wiewohl in geringem
Giade, ergriffen. Das Mikroskop zeigte hier und dort
lafalreiche Kömchenzellen, erheblichen Schwund der
maikhaltigen Neryenröhren und Verdickung des inter-
ititieUen Gewebes, lieber die in verschiedenen Höhen
wechselnde Gestalt der Hinterstrangsdegeneration siehe
iaa Original und seine Abbildungen.
Wenn auch schon früher aus dem Umstände,
dass das Verschwinden des Kniephänomen eines der
<) Vgl. Jahrbb. CLXXXV. p. 199.
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 8.
frühesten Symptome der Hinterstrangdegeneration
ist nnd dass der Beginn letzterer in den äussern
Abschnitten der Hinterstränge zu suchen ist , sowie
darans , dass in einzelnen Fällen , wo das Kniephä-
nomen erhalten gewesen war , eben jener Abschnitt
der Hinterstränge frei gefanden wurde, geschlossen
werden konnte, dass die Affektion dieser Abschnitte
mit dem Erlöschen des Kniephänomen zusammen-
falle , so liefert der vorliegende Fall nunmehr eine
positive Thatsache zu Gunsten dieser Annahme.
Weiter lehrt der Fall, dass die Annahme von
Gharcot nnd Pierret, nach welcher die in Form
schmaler Streifen sich darstellende Erkrankung der
äussern Hinterstrangsbündel zunächst die lanciniren-
den Schmerzen verursache, nicht ohne Weiteres rich-
tig ist, denn es fehlten die Schmerzen ganz.
W. hält seine frühem Angaben über die dia-
gnostische Bedeutung des Fehlens des Kniephäno-
men in vollem Umfange aufrecht. Die Fälle an-
geblicher Tabes, bei welchen das Phänomen erhalten
war , entpuppten sich ihm meist als andere spinale
Erkrankungen (resp, fleckweise graue Degeneration).
Er selbst hat es nie bei wirklicher Tabes gesehen
und, so lange kein Fall typischer Tabes veröffentlicht
ist, bei dem das Eniephänomen vorhanden war und
bei dem die Autopsie eine bis in den Lendentheil
reichende Erkrankung der Hinterstränge nachgewie-
sen hat, glaubt er, auch die von andern Autoren ver-
öffentlichten Fälle von Tabes mit Eniephänomen
„mit einer gewissen Vorsicht^' beurtheilen zu sollen.
Ob das Eniephänomen auch bei Gesunden fehlen
könne, ist ihm zweifelhaft, denn einmal ist das Feh-
len oft nur scheinbar (kurze Patellarsehne, starkes
Fettpolster u. s. w.), zum andern sind die angeblich
Gesunden ohne Eniephänomen nie lange genug be-
obachtet worden, um als zweifellos Gesunde zu
gelten. Vielmehr scheint W. das Fehlen des Enie-
phänomen auch bei anscheinend Gesunden nicht be-
deutungslos, da bekanntlich spinale Erkrankungen
oft lange , sehr lange latent verlaufen. Beobachtet
man aber gar das Verschwinden des Eniephänomen,
so kann man nach W. mit Bestimmtheit einen krank-
haften Process in den äussern Abschnitten der Hinter-
stränge des Lendentheils annehmen. Es ist daher
36
282
M ö b i Q s , über Nervenkrankheiten.
besondere bei Hypochondern auf das Phänomen zn
achten, wie W. schon früher empfohlen hat. Er hat
neuerdings Fälle von Hypochondrie beobachtet,
welche u. A. in der Vorstellung einer beginnenden
Rückenmarkskrankheit ihren Ausdruck fand. Ob-
jektiv war gar nichts nachzuweisen. Nach etwa
2 Jahren war W. überrascht, bei der Fortdauer der
Hypochondrie nnsichern Gang, Sensibilitätsstömngen
und Fehlen des Eniephänomen constatiren zn kön-
nen. Es war also eine Tabes durch eioe psychische
Störung mit dem Charakter einfacher Hypochondrie
eingeleitet worden.
Die Frage, ob es sich in dem erwähnten Falle um
eine Systemerkrankung gehandelt habe, beantwortet
W. dahin, dass die Affektion der Seitenstränge zwei-
fellos eine System-Erkrankung war, dass dagegen das
Urtheil über die Hinterstränge in suspenso bleiben
müsse. Man könne nicht eher mit völliger Sicher-
heit von Erkrankung der Hinterstränge nach Faser-
systemen sprechen, bevor nicht der Verlauf, die An-
ordnung u. s. w. dieser Systeme als solcher ander-
weitig festgestellt sei , denn dass diese Feststellung
allein durch pathologische Beobachtungen an Tabes-
kranken ermöglicht werden könnte , sei nicht sehr
wahrscheinlich.
In der an WestphaTs Vortrag sich anschlies-
senden Debatte (Berl. klin. Wchnschr. XVUI. 16.
1881) bemerkte Mendel, dass er doch bei einer
Anzahl ganz gesunder Personen das Rniephänomen
vermisst habe. Insbesondere sei ein Fall diagnostisch
wichtig gewesen, in welchem ein erregter Melan-
choliker kein Kniephänomen hatte. Hier hätte man
den Schluss auf organische Cerebrospinalaffektion
machen können und doch sei der Mann jetzt voll-
ständig gesund und das Kniephänomen fehle wie
früher.
R e m a k hat unter 61 Fällen von Tabes in dreien
das Kniephänomen noch beobachtet zu einer Zeit,
wo Sensibilitätsstörungen nachweisbar waren, die
Kr. bei geschlossenen Augen schwankten und Ataxie
zeigten. In 2 dieser Fälle ist es später geschwun-
den. Mit Bezug auf G. Fi seh er 's Arbeit (vergl.
Jahrbb. CLXXXVII. p. 292) bemerkte R., dass er ver-
langsamte Schmei*zleitnng 25mal beobachtet hat , in
24 Fällen fehlte das Kniephänomen; 27 andere
Fälle ohne Kniephänomen zeigten keine verlangsamte
Schmerzleitung.
Lewinsky hat sehr viele Personen auf das
Kniephänomen untersucht und es bei Gesunden nie
vermisst. Er fand es besonders kräftig bei Indivi-
duen mit langer, cylindrischerPatellarsehne, dagegen
schwer nachweisbar bei denen mit kurzer breiter
Sehne.
Tschirjew {Ueber die Bedeutung des Knie'
phänomen für die Theorie der Tabes dorsalis:
Arch. f. Anat. u. Physiol. [Physiol. Abth.] VI. p. 506.
1880) verwahii sich dagegen , dass man ihm eine
Theorie der Tabes zuschreibe, nach welcher die Ur-
sache der Ataxie Verlust des Muskeltonus sei. Er
habe nur einen Theil der ataktischen Bewegungen,
nämlich die werfenden Bewegungen , welche z. B.
eintreten, wenn der Ejt. seht Bein bis zn einem be-
stimmten Punkte erheben soll , auf diese Weise er-
klärt. Wenn nämlich der normale Muskeltonus
fehle , fehle auch die Moderation der willkürlichen
Bewegung, welche die synergische, durch Dehnung
ihrer Sehnen veranlasste Contraktion der Antagonisten
im normalen Zustande bewirke. Der Verlust der
Sehnenreflexe sei der leichteste Grad der Beeinträch-
tigung des Muskeltonus und es können daher sehr
wohl die Sehnenreflexe fehlen, ohne dass die Be-
wegungen werfend wären , während das letztere nie
der Fall sei, ohne dass auch die Sehnenreflexe
fehlten. Die werfenden Bewegungen bezeichnet T.
als periphere Ataxie im Gegensatz zn der eigent-
lichen Ataxie oder den eigentlichen Coordinations-
störungen, welche in centralen Läsionen ihre Ursache
haben.
Prof. Senator (Arch. f. Anat. n. Physiol.
[Physiol. Abth.] 1880. p. 197. Vgl. Med. Centr.-
Bl. 1880. p. 550) handelt über Sehnenreflexe und
ihre Beziehung zum Muskeltonus,
Um zu untersuchen, ob die Sehnenreflexe, spec.
der Patellarsehnenreflex, unter der Herrschaft eines
bestimmten spinalen Fasersystems ständen , machte
5. Versuche mit Rflckenmarksdurchschneidung an
Kaninchen und Hunden, durch welche zunächst
Tschirjew 's Angabe, dass ausschliesslich die
Dnrchschneidung des Markes zwischen dem 5. un^
6. Lendenwirbel das Kniephänomen aufhebt, be-
stätigt wm*de. Halbseitige Durchschneidung des
Markes in der angegebenen Höhe hob das Knie-
phänomen nur an der gleichseitigen Extremität anf.
Durchschneidnng der Hinterstränge oder Zerstörong
ihrer Lendenpartie in grösserer Längsausdehnang
blieb auf das Phänomen ohne Einflnss. Dagegen
hob es die Dnrchschneidung eines Seltenstraoges
zwischen dem 5. und 6. Lendenwirbel sofort im
gleichseitigen Bein auf, und zwar hat der Schnitt
den mittlem (äquatorialen) Theil und, wie es scheint,
namentlich die äussere Hälfte desselben zn trefi^en.
Zerstörung der Hinterhömer . liess das Phänomen
nicht verschwinden ; Dnrchschneidung der Vorder-
hömer und Vorderstränge ist zur Aufhebung des
Phänomen nicht nöthig (über die Wirkung isolirter
Zerstörung dieser Theile ist bis jetzt nichts bekannt).
Bei nicht zn ausgedehnter Rttckenmarksverletznng
war trotz Verschwinden des Phänomen die Bewegung
kaum gestört ; einige Male wurde indessen das betr.
Bein nachgeschleppt. Mehrfach wurde constatiH,
dass von dem seines Kniephänomen verlustig g^'
gangenen Beine aus allgemeine Reflexe leichter aas-
gelöst werden konnten als von dem andern Beine.
S. ist der Ansicht, dass es sich um Ansschaltong,
nicht um Reizung reflexhemmender Fasern beim
Verschwinden des Kniephänomen handle. Er möchte
annehmen, dass im Grenzgebiet zwischen Mnskd
und Sehne centripetale Nerven vorhanden sind, ^^^
nur durch bestimmte mechanische Einwirkoog^
(Erschflttemng) erregt werden und die dureh diese
MöbiuSy über Nervenkrankheiten.
283
Erregang ehiestheils den Mnskeltonus , andemtbeils
die Sehnenrefleze beherrschen. Darch Fortfall dieser
Snegangen hören entweder beide Wirkungen,
Mnskeltonos nnd Sehnenreflexe , anf oder nor die
eine und dann besonders die Sehnenreflexe, deren
Erregang etwas schwerer zu Stande zu kommen
sehemi Daher können auch unter sonst normalen
Verhiltnissen trotz vorhandenem Muskeltonus die
Sehnenreflexe fehlen.
Aus England liegen mehi'ere Arbeiten über
Selmenreflexe vor, welche theils experimentellen,
theäs kliniflchen Inhalts sind nnd sich mehr oder
weniger auf den Aufsatz von G o w e r s (vgl. Jahrbb.
GLXXXV. p. 201) beziehen.
A. Waller (On muscular spasms known as
tendon-reflex: Brain,part.X.Jul7l880^) betrachtet
lis BeprSsentanten der Sehnenreflexe das Knie- und
FoBBphänomen und sucht zunächst die Gleichartig-
keit dieser beiden darzuthun. Der Umstand, dass
dort eine einmalige Zuckung , hier eine Reihe von
sdehen auftritt, begründet keinen wesentlichen Unter-
seiiied, denn es handelt sich bei dem Fussphänomen
ueh nicht um einen einmaligen Reiz wie der Schlag
inf die Patella , sondern nach der Gontraktion des
Gtstrocnemius dauert die passive Dorsalflexion fort,
wiikt als neuer Reiz und verursacht neue Gontrak-
üoDen. Wird ein einfacher Schlag auf die Achilles-
sehne geführt, so entsteht auch nur eine einfache
Gtftrocnemiuszuckung wie beim Knie. Perkutirt
min andererseits bei fixirtem Beine die Patellar-
aeime, so kann bei Gesunden wie bei Kranken eine
2— Smalige Quadricepscontraktion folgen. Endlich
tritt bei abnormen Zuständen ein dem Fussclonus
Ihnlicher Knleclonus auf. Es handelt sich bei allen
diesen Phänomenen um dasselbe, Muskelcontraktion
dareh Mnskeldehnung. W. verbreitet sich über die
Umstände, bei denen man Knieclonus beobachte,
zuweilen gelinge es bei einer stossweisen Beugung
des gestreckten Beines, beim Versuche, das gebeugte
Bein zu strecken, zuweilen bei Patellarperkussion.
Das beträchtliche Gewicht des Unterschenkels er-
schwert natürlich das Zustandekommen des Phä-
nomen. Zuweilen gelingt es nur bei einem bestimm-
ten Yerhältniss zwischen Beugung u. Gewicht, d. h.
bei einer bestimmten Muskelspannung, wie auch ge-
wisse Nystagmusformen nur bei bestimmter Spannung
der Augenmuskeln auftreten.
W. hat 22 Fälle, hauptsächlich verschiedener
Hirn- und Rttckenmarkskrankheiten, mit Angaben
ttber das Verhalten der Sehnenreflexe und der Zeit
zwischen Schlag und Muskelzuckung in einer Tabelle
zusammengestellt. Es ergiebt sich im AUgemeinen,
dass dieRdQexe lebhafter und ausgebreiteter werden,
wenn die spinalen Centren von den hohem abgetrennt
^d, es bietet jedoch der Znstand des Centrum
nur die Bedingungen für das Zustandekommen der
Beaktion durch Vermehrung oder Verminderung des
ToDos. Betreffs der Latenzzeit ergiebt sich , dass
0 Ffir die Uebersendung dankt verbindlich M.
die Zeit vom Schlag auf die Achillessehne bis zur
Gontraktion des Gastrocnemius im Mittel 0.03 —
0.04'' beträgt und dass die Zeit vom Schlag auf die
Patellarsehne bis zur Contraktion des Quadriceps im
Mittel genau eben so lang ist, ferner dass beim
Fussclonus etwa 8 — lOContraktionen in der Sekunde
eintreten und dass beim Knieclonus es gerade so ist.
Es geht also auch aus der Gleichheit der Zeit die
Gleichwerthigkeit der Phänomene hervor.
Die Gründe, welche für die reflektorische Natur
der Sehnenphänomene angegeben werden, sind nach
W. folgende. 1) Tschirjew fand, dass das Knie-
phänomen erlösche , wenn die vordem oder hintern
Wurzeln durchschnitten oder wenn das Mark selbst,
da wo der N. cruralis entspringt, zerstört wird, dass
,auch massige faradische Reizung des N. cruralis
nicht die Bedingungen zur Wiederhervorrufung biete.
2) Die klinische Erfahrung lehrt, dass das Knie-
phänomen fehlt bei bestimmten spinalen Krankheiten
(Tabes, Kinderlähmung u. s. w.), dass es erhöht ist
bei Unterbrechung oberhalb des spinalen Centrum
und bei absteigender Degeneration. 3) Bei Strychnin-
vergiftung ist es erhöht. 4) Die Zeit der Latenz
ist bei Sehnenphänomenen grösser als bei direkter
Muskelreizung. 5) Zuweilen entstehen die Phäno-
mene auch bei Perkussion entfernterer Punkte, z. B.
bestimmter Knochenstellen, und endlich kommen ge-
kreuzte Sehnenreflexe vor. Punkt 1 — 3 ist nach
W. nur der Beweis , dass eben ein bestimmter Ein-
fluss des spinalen Centmm zur Beaktion der Muskeln
nöthig ist. Punkt 4 kann nichts beweisen, denn
wenn auch 0.03'' mehr ist als die Latenzzeit der
direkten Muskelreizung , so ist doch 0.03'^ wieder
weniger als die Reflexzeit. Handelte es sich um
einen Reflex , so mflsste wegen des langem Weges
die Latenzzeit bei der Gastrocnemiusznckung länger
sein als beim Kniephänomen (W. bestreitet die An-
gaben G o w e r s'). W. hat auch gefunden, dass die
Latenzzeit bei galvanischer Reizung des Gastro-
cnemius, resp. Rectus fem. grösser ist, als gewöhn-
lich angenommen wird , nämlich 0.02'^ Alle An-
gaben W.*s sind durch Curven belegt. Zu Punkt 5
ist zu bemerken, dass die Phänomene entstehen durch
Fortleitung der durch den Schlag hei*vorgebrachten
Vibration zum Muskel, je nach Irritabilität des-
selben mehr oder weniger weit. Bald muss der
Schlag den Muskel direkt treffen (Tabes) , bald ge-
nügt die vom Knochen aus fortgeleitete Contraktion
(bei erhöhter Muskelspannung). Sogen, gekreuzte
Reflexe hat W. nie bei einfachen Zuckungen, nie
beim Kniephänomen gesehen, sondern nur beiCIonus,
er meint daher, dass durch die heftige Bewegung
bei letztern der Rumpf mit erschüttert wird und so
die Vibration auf die entgegengesetzte Extremität
hinüberleitet. Endlich ist nach W. die Latenz zwi-
schen Perkussion und Muskelzuckung gleich lang
(0.03 ö'Oy gleichviel, ob der Muskel direkt oder die
Sehne perkutirt wird.
Zum Schlüsse stellt W. folgende Reihe betreffs
der Wirksamkeit verschiedener, die Muskelcontraktion
284
M ö b i n 8 , über Nervenkrankheiten.
bewirkender Reize auf: 1) Der galvanische Strom.
2) Der faradiBche Strom. 3) Direkte Perkussion
des Muskels. 4) Perkussion der Sehne eines Muskels.
5) Perkussion des Knochens, an welchem sich die
Sehne inserirt. 6) Perkussion noch entfernterer
Theile. Reagirt ein Muskel auf irgend einen dieser
Reize, so reagirt er auch auf alle in dieser Reihen-
folge vorhergehenden Reize. Wenn dagegen ein
Muskel auf einen dieser Reize nicht reagirt , so blei-
ben auch die in obiger Reihenfolge nachstehenden
Reize erfolglos. Die Reaktion eines normalen Muskels
rangirt zwischen 3 und 4.
In einer spätem Arbeit (Lancet II. 3; July 16.
1881) hält Waller mit Bezug auf die Einwürfe
Buzzard's u. Pr^vost's seine Ansicht durchaus
aufrecht und formulirt sie von Neuem: 1) direkte
Phänomene haben eine Latenzzeit von ^/^oo — ^/too
Sek. ; 2) Reflexphänomene eine solche von wenig-
stens ^ Vioo ^^^' 9 ^) ^^^ gi'össte Latenzzeit bei direk-
ten Phänomenen sind^^/ioo, je nach der Reizmethode;
die gewöhnliche Latenzzeit beträgt bei den ,,Sehnen-
reflexen^' Vioo*^^-? Schluss: also sind die,, Sehnen-
reflexe" direkte Phänomene. Dass bei Verlust des
Kniephänomen die direkte Muskelreizbarkeit gestei-
gei*t sein kann , ist für W. eine unerklärliche Er-
scheinung, analog der Entartungsreaktion, aber kein
Beweis gegen seine Ansicht. In den gekreuzten
Reflexen kann er auch jetzt kerne physiologische,
sondern nur eine physikalische Uebertragung des
Reizes sehen.
Alexander James {Tendon reflex and
clonus phenomena. Edinb. med. Joum. Aug., Oct.
1880. p. 135. 315) berichtet zunächst über einen
Fall von spastischer Lähmung der Beine mit lan-
cinirenden Schmerzen^ Anästhesie^ Verminderung
der Bautrefleae, Steigerung der tiefen Reflexe*
Das Fussphänomen war hier beiderseits vorhsmden,
links stärker als rechts ; links war es auch durch
„Front-tap" zu bewirken. In der Sekunde traten
6.8 Gontraktionen ein. Beim Drängen des Fusses
nach innen trat Clonus in den Mm. peronaeis ein.
Zehenclonus war nicht hervorzubringen. Wenn
beim Stehen das Bein einen bestimmten Winkel zum
Rumpf bildete, konnte durch Druck ein Clonus der
Glutaeen erregt werden (9 Contrakt. in der Sek.).
Auch eine Andeutung von Knieclonus zeigte sich.
Ueber den letzteren verbreitet sich J. des Wei-
teren.
Er hat den Knieclonus nie bei hängendem Unter-
schenkel erzielt, sondern nur wenn bei gestrecktem
Bein Ober- und Unterschenkel in einen passenden
Winkel, ca. 25^, gebracht und so ein bestimmter
Spannungsgrad des Quadriceps hervorgerufen wurde.
Die Zahl der Gontraktionen betrug höchstens 12,
gewöhnlich 4 — 5. in der Sekunde. J. giebt eine
Curve des Knieclonus und des Ejiiephänomen und
wendet sich bei der Besprechung gegen Qowers,
welcher wegen des grösseren Intei'valls zwischen
Reiz und Contraktlon (0.1 Sek. gegen 0.04 beim
Gastrocnemius) das Kniephänomen fOr reflektorisch|
das Fussphänomen für den Ausdruck dkekter Mos-
kelreizung hält. Er hat im Gegentheil bei beiden
Phänomenen nahezu das gleiche Intervall gefunden
und hält sie daher fllr gleicher Natur. Auch sucht
J. den den Clonus erregenden Reiz nicht in der
blosen passiven Spannung des Muskels, wie Go wers,
da der Ejiieclonus eben nur bei bestimmter Stellung,
d. h. ganz leichter Spannung des Muskels eintritt,
sondern meint, dass coordinatorische Reize in Frage
kommen. Die zur Erzeugung des Knieclonus gün-
stigste Stellung des Beins sei eben die, welche wir
einnehmen, wenn wir gehend den Unterschenkel
durch Gontraktion des Quadriceps vorwärts bewe-
gen. Auch beün Gesunden kann durch passende
Stellung eine Art Erregbarkeit der Muskeln zu re-
flektorischem Clonus herbeigeführt werden, z.B. tritt
Fussclonus ein, wenn man sitzend die Fussspitze
allein auf dem Boden ruhen lässt u. s. w. J. hat
an 5 gesunden Personen eine Anzahl Versuche ge-
macht und bei allen die Zahl der Gontraktionen im
Fussclonus, Knieclonus u. s. w. in der Sekunde
notirt. Die Häufigkeit dieser Gontraktionen wird
durch den Willen so gut wie gar nicht beeinflusse
Es ergaben sich folgende Zahlen :
FuBS Knie Arm Kopf
A 7.4 p. Sek. 8.4 p. Sek. 9.5 p. Sek.
B o.O f, 7.3 D 8.8 y,
C 6.2 „ 7.0 n f .5 « 18.4 p. Sek.
D 6.0 n 7.6 ,» 9.5 „ 13.0 ,
£ 6.7 f, 6.5 y, 8.4 „
Je länger also der Weg vom Gentmm zum Mus-
kel ist, um so langsamer folgen sich die klonischen
Zuckungen. J. bestinmite bei einem 5' 11^' hohen
Manne den Abstand vom 12. Brustwirbel bis zur
Mitte des Unterschenkels zu 42^', den bis zur Mitte
des Oberschenkels zu 27'', vom 5. Halswirbel bis
zur Mitte des Oberarms 20'^ Da aber ein beträcht-
liches Missverhältniss zwischen Zeit- und Längen-
unterschied besteht, ist anzunehmen, dass die Lei-
tung im Nerven den kleinsten Theil der Zeit in An-
spruch nimmt. J. hat auch gefunden ^ dass der
Muskelton sich ändert mit der Entfernung vom Cen-
trum, und zwar um so tiefer wird, je grösser die
letztere ist, dass demnach Muskelton und Clonos
parallel gehen. Das leichtere Eintreten der Sehnen-
reflexe bei „Lateralsklerose'' erklärt J. durch Weg-
fall der RcdOiexhemmung, oder genauer durch Ver-
schliessung des Hirnweges. Der Reiz theilt sich im
Gesunden, indem er theils im Hirn die Sensation
erregt, theils im Rückenmark die Reflexbewegong
auslöst ; bei Entfernung des Hirns wird der Reflex
stärker, weil der Weg zum Hirn versperrt ist, die
ganze Energie dem Reflex zu Gute kommt. Die
Verstärkung der Reflexbewegung nach Abschloss
des Himweges kann demnach als mechanisches
Aequivalent der Empfindung betrachtet werden. Bei
Erkrankung der Seitenstränge ist die Leitung vm
Gehirn nach J. auch behindert, da jene eben aoeh
centripetale, nicht nur centrifngale Fasern f&hren,
in specie an der Leitung der MuskelgeMIe bethei-
ligt sind. Auf jeden Fall sei letztere Annahme
Mob ins, über Nervenkrankheiten,
285
Hiebt hypothetischer, als die, nach welcher durch
Erkrankong der Seitenstränge die Leitung der cen-
triiiigalen Hemmungsimpnlse aufgehoben wird. J.
bemerkt, dass bei dem oben erwähnten Kranken das
Vermögen, sich bei geschlossenen Augen im Gleich-
gewicht zu halten, sehr verschieden an verschiede-
nen Tagen war, je nachdem er an Spasmen litt oder
DJdit.
Tb. Buzzard (Qti Tendon-Reflex as an aide
io diagnosia in diseases of tke spinal cord. Lancet
n. 22. 23; Nov. 27. Dec. 4. 1880) will vor-
liofig an der reflektorischen Natur der sogenannten
Seboenreflexe festhalten, da die gegen dieselbe vor-
gebrachten Grflnde ihm nicht zwingend erscheinen.
Die Angabe, es könne sich nicht um Reflexe han-
klUj da die Latenzzeit zu kurz sei, ist ihm bei der
üfficilen Natur des Gegenstandes nicht ausreichend.
Vielleicht sei kflrzereZeit ausreichend, da dercentri-
petale Impuls besonders kräftig sei. Die Haupt-
aehe sind ihm die klinischen Momente und diese
ipreehen fflr die reflektorische Natur der Phäno-
ffiene. Er hat seine Untersuchungen vorzugsweise
«if das Eniephänomen und den Fusscionus, als die
Typen, gerichtet. Zur Erzeugung des Eniephäno-
men wendet 6. entweder die gewöhnliche Methode
an oder er lässt den sitzenden Patienten den Fuss
in mehr als einem rechten Winkel auf die Erde
setzen, legt die linke Hand auf den Quadriceps und
bhlt mit ihr, während die rechte Hand die Sehne
perkn^, die Contraktion des Muskels.
B. schildert nun im Anschluss an schematische
Zaehnungen das Verhalten des Eniephänomen bei
8t5nu)gen an verschiedenen Theilen des Reflex-
bogens, ohne wesentlich Neues beizubringen, und
flicht einige casnistische Mittheilungen ein. Ein
jnnger Mann, welcher wahrscheinlich an Syphilis
des Lendenmarks litt, zeigte eine Brown - S6quard '-
sehe Lähmung; das linke Bein war gelähmt und
itrophisch, das rechte normal beweglich, aber an-
isthetischy an beiden Beinen fehlte das Eniephäno-
men. Ob auch die tiefen Theile des rechten Beines
tnilsthetisch wareu, ist nicht ange<Teben, auch fand
äeh eine anästhetische Stelle am linken Trochanter.
h einem Fall von rechtseitiger Tiügeminusnenralgie
war nach Nervendehnung Besserung eingetreten,
doch £anden noch einzelne AnfUUe statt, die Mus-
kek waren gespannt, ihre mechanische Erregbar-
st gesteigert. Hier brachte ein Schlag auf die
Sehne [?Rrf.] des Zygqmaticus maj. links eine stär-
kere Contraktion zu Stande als rechts und B. spricht
daher von einer Herabsetzung des Sehnenreflexes,
mdem er den Trigeminus als aufsteigenden, den
Fadalis als absteigenden Theil des Reflexbogens
betrachtet Ebenso soll bei Tabes Steigerung der
i&eehanischen Erregbarkeit mit Vei*lust des Enie-
phänomen zusammentreffen. Bei Hysterie sollen
(fie Sehnenreflexe meist erhöht sein, angeblich durch
Vennmderung des cerebralen Einflusses. Da bei
Hysterie Fusscionus vorkommt, ist dessen Vorhan-
^coaein kdn Zeichen anatomischer Läsion. Bei
amyotrophischer Lateralsklerose soll Steigerung der
Sehnenreflexe mit Abnahme der faradischen und
mechanischen Erregbarkeit zusammen vorkommen.
In einem Fall konnte der Pat. nicht mehr stehen,
die Muskeln waren ganz atrophisch, hingen schlaff
um den Enochen, ihre faradische Erregbarkeit war
sehr vermindert und doch war das Eniephänomen
gesteigert, der Fusscionus vorhanden.
Th. Buzzard (Lancet L 16; AprillG. 1880)
hat femer einen Fall von Verschwinden und Wieder-
erscheinen des Eniephänomen bei diphtherischer
Lähmung, der sich eben an die anderweit beobach-
teten Fälle dieser Art anschliesst, veröffentlicht,
jedoch ohne etwas Neues beizubringen.
Prof. J. L. Prevost (Revue m^d. de la Suisse
Romande I. Nr. 1 — 3. 1881) giebt eine üebersicht
über die wichtigsten Arbeiten, welche sich bisher
mit den Sehnenreflexen beschäftigt haben, und be-
schreibt dann seine eigenen Versuche. Die letz-
teren wurden am Eaninchen in der Absicht ange-
stellt, die zwischen frühern üntersuchern (besonders
Tschirjew und Burkhard) streitigen Punkte
klarzustellen und die reflektorische Natur des Enie-
phänomen zu beweisen. P r. hat fast durchgängig
die Resultate Tschirjew's bestätigen können.
Seine Schlusssätze sind folgende. 1) Durclvschnei-
duDgen des Rückenmarkes und der Rückenmarks-
wurzeln thun dar, dass die Integrität des 6. Lenden-
wnrzelpaares zur Hervorbringuug des Eniephänomen
nöthig ist (dem 6. Paare des Eaninchens entspricht
das 3. oder 4. des Menschen). 2) Läsionen des
Markes im Niveau oder ein wenig über dem Ur-
sprung des 6. Lendenwurzelpaares zerstören das
Eniephänomen, wenn sie irgend beträchtlich sind.
3) Die Anämie des Markes, welche man beim Eanin-
chen durch Compression der Aorta abdom. hervor-
rufen kann, modificirt das Eniephänomen: nach
einigen Sekunden wird dasselbe gesteigert, vermin-
dert sich dann, um nach etwa 45 Sek. der Com-
pression ganz zu verschwinden. 4) Lässt man dem
Blute seinen Lauf, indem man die Compression unter-
bricht, so erscheint das Eniephänomen nach einer
Zeit von 15 — 20 Sek. bis zu einer oder einigen Minu-
ten wieder, um so später, je länger die Compression
gedauert hat. 5) Die Anästhetika (Chloroform,
Aether) können das Eniephänomen verschwinden
lassen, wenn die Anästhesie tief ist. Dieses Ver-
schwinden des Ejiiephänomen kann als ein Vorläufer
des CoUapsus betrachtet werden. 6) Das Knie-
phänomen tritt auch auf der dem Reize gegenüber-
liegenden Eöiperseite auf, gleich wie die spinale
Epilepsie, und zwar leicht bei Thieren, denen das
Mark im Brusttheil durchschnitten ist, bei denen
also alle Reflexe gesteigert sind. Nach alledem
schliesst Pr., dass das Eniephänomen direkt vom
Rückenmark abhängt und reflektorischer Natur ist.
Die Reizung der Sehne, nicht der Haut ruft es
hervor.
Gegenüber der Darstellung W a 1 1 e r 's (s. oben)
giebt Pr. zu, dass dessen Theorie, nach welcher
286
Möbins, über Nervenkrankheiten.
das EDiephänomen durch direkte Moskelreiznng ent-
steht, Alles aber, was den Maskeltonus beeinträch-
tigt; indirekt das Eniephänomen beeinträchtigt, eben-
sogut als die Reflextbeorie erklärt, warum bei ge-
wissen Verletzungen des Markes oder der Nerven
das Eniephänomen verschwindet oder gesteigert wird.
Aber in dem gekreuzten Kniephänomen, der Con-
traktion des rechten Quadriceps bei Perkussion der
linken Patellarsehne, sieht er einen unwiderleglichen
Beweis für die reflektorische Natur des Phänomen,
einen Beweis, den zu widerlegen Waller nicht ge-
lungen sei.
Später veröffentlichte Prevost mehrere Ver-
suche, welche er mit A. Waller zusammen ange-
stellt hat und welche geeignet sind, seinen Einwurf
gegen W.'s Ansicht zu modificiren (Ibid. Nr. 6.
1881). Pr. und W. konnten sich überzeugen, dass
die Bewegung, welche durch Perkussion der Patellar-
sehne des entgegengesetzten Beines übertragen wu*d,
nicht durch eine isoliiiie Gontraktion des Quadriceps
entsteht, sondeiii eine Bewegung des ganzen Beines
mit vorwiegender Streckung und Adduktion dar-
stellt. Wenn man durch Durchschneidung der NN.
crurälis und iscbiadici, oder besser noch der hinteren
Wurzeln des 5., 6., 7. Lendenpaares und 1. Sacral-
paares das eine Bein eines Kaninchens seiner ner-
vösen Verbindungen beraubt und die Patellaraehne
des entnervten Beines perkutirt, so erhält man kein
Kniephänomen derselben Seite, aber die übertragene
Bewegung des anderen Beines besteht fort, wie vor
der Nervendurchschneidung. Andererseits wird bei
Oompression der Aorta abd. diese Bewegung erst ge-
steigert u. verschwindet dann. Es ergiebt sich also,
dass auch zur Entstehung dieser übertragenen Bewe-
gung die Integrität des Markes nöthig ist, dass aber
dieselbe keine echte Reflexbewegung ist, da sie doch
bei zerstörtem Reflexbogen fortbesteht. Man muss
annehmen, dass die Muskeln oder Sehnen des ent-
gegengesetzten Beines irgendwie durch die Vibra-
tionen der Perkussion erregt werden. Damit ftllt
denn der Einwand gegen die WestphaTsche,
resp. Wall er 'sehe Theorie, welcher sich auf die
Transmission der Erregung, die Entstehung ge-
kreuzter Reflexe begründete.
A. Joffroy (De la tripidation ipileptoide et
de la posdbiliti de la produhre dans certains cos
par rexdtation des nerfs del a peau. Arch. de Phy-
siol. 2.Sör.VIII. p.470. Mai— Juin 1881.) kommt
mit Bezug aufPrevost's Arbeit, welcher ihn falsch
aufgefasst habe, auf seine früheren Angaben über
die Sehnenphänomene zurück. Er hatte damals
einen Kranken mit Myelitis transversa beobachtet.
Bei diesem trat das epileptoide Zittern (das Fuss-
phänomen) sehr leicht ein, wenn man den Fuss dor-
sal flektirte, breitete sich über das ganze Bein und
zuweilen auch über das der andern Seite aus. Das
Kniephänomen war ausserordentlich gesteigert. Per-
kntirte man mehrmals rasch nach einander die Patel-
larsehne, so trat ein wirkliches epileptoides Zittern
des Quadriceps ein, welches längere Zeit anhielt nnd
allmälig das ganze Bein einnahm. Bei diesem Er.
trat das epileptoide Zittern oft scheinbar spontan
ein. An manchen Tagen trat dasselbe unmittelbir
nach einer leichten Reizung der Hant des Bdnes
ein, wenn man die Sohle kitzelte, oder wenn eine
Fliege über das Bein lief. J. schliesst aus diesoi
Beobachtungen, dass das epileptoide Zittern und du
Kniephäaomen gleicher Natur seien, dass beide
reflektorischer Natur seien, dass auch Reizung der
Hautnerven das epileptoide Zittern hervorrufen kann.
Dass in der Regel die Phänomene nicht durch Rei-
zung der Hautnerven, sondern durch Dehnung ^er
Sehnen oder vielmehr der Muskeln hervorgemfen
werden, bestreitet er durchaus nicht, ist viehnehr
jetzt wie früher der Ansicht , dass es sich gewöhn-
lich um Reizung der sensibeln Muskelnerven handle.
J. hat neuerdings wieder beobachtet, dass leicht«
der Sohle oder dem Bein applicirte Hantreize dtf
epileptoide Zittern (nicht das Kniephänomen) her-
vorrufen können. Er vermuthet, dass diess durch i
Vermittelung einer willkürlichen Contraktion ge-
schieht, da jede Contraktion des Muskels zur Erzen-
gung des Phänomen führen kann, nnd gesteht za, '
dass nur bei hochgesteigerter Reflexerregbarkeit die
Bedingungen dazu gegeben sind.
Also es kann nach J. das epileptoide Zittern
beginnen durch willkürliche Contraktion, durch Con-
traktion nach Reizung der Hautnerven und gewöhn-
lich der sensibeln Muskelnerven. Aber welcher anch
der Ausgangspunkt sei, die Fortsetzung des Phä-
nomen ist an die Reizung der sensibeln Nerven der
Muskeln oder Aponenrosen gebunden. Es gieM
2 sensible Systeme, das der Hant nnd das der Hob-
kein. Beide sind in gewissem Grade unabhängiff
von einander und ihre Erregbarkeit kann bei dem-
selben Individuum sehr verschieden sein. Bei den
von ihm beobachteten Personen war die Erregbarkeit
beider gesteigert.
Derselbe Autor (Ibid. p. 474) macht einige Be-
merkungen über das Verhalten der Sehnenreflexe in
der allgemeinen Paralyse. J. bespricht die Wich-
tigkeit des Fehlens des Kniephänomen ftlr die Dia-
gnose der Tabes, meint aber, dass man dabei doch
in Irrthum verfallen könne, er habe einen Mann ge-
kannt, der an Tabessymptomen gelitten habe, das
Kniephänomen sei verschwunden gewesen, nach
3 Jahren aber habe sich progressive Paralyse ent-
wickelt. Hätte J. die deutsche Literatur über die
Beziehungen zwischen Tabes und Paralyse gekannt,
so würde er wohl nicht durch diesen Fall zu be-
weisen gesucht haben, dass die Tabes-Diagnose
trotz Fehlen des Kniephiänomen irrig sein könne.
Seine allgemeinen Erfahrungen über das Knie-
phänomen bei Paralytikern sind folgende. Bei 9
Kranken war das Kniephänomen normal, bei 2
selbst gesteigert. Bei 4 Kr. fehlte es. Bei 2 war
es vermindert Die ersten 9 hatten nur cerebrale
Symptome, die 4 ohne Kniephänomen anch spinale.
Möbins, über NervenknuikheiteD.
9$7
6. Seppilli (7 rifieasi tendinei negU aUenati.
Aitb. ital. per le malattie oervose etc. XVII. 6.
Novembre. 1880) untersachte die SelineDreflexe bei
170 Inen, 86 Frauen und 84 Männern. Eine be-
fltnnmte Beziehung zwischen Fehlen^ resp. Vorhan-
deniiein des Eniephänomen und den einzelnen For-
men des Irreseins hat er nicht gefunden. Im All-
gemeinen war das Kniephänomen deutlicher bei
Anfineg^gszuständen ; bei Manie, Melancholia agi-
titi, als bei andern Formen. Steigerung des Enie-
phiDomen wurde bei Paralytikern gefunden. Der
Aehiliessehnenreflex fehlte bei 171 Kranken 2 7 mal,
war bei den flbrigen meist schwach. Der Biceps-
leflez fand sich bei 91o/o, der Tricepsreflex bei
Bei cerebraler Hemiplegie fand S. die Sehnen-
ilexe auf der gelähmten Seite immer gesteigert,
ift sogar schon wenige Stunden nach dem Eintritt
ier Hemiplegie. Letzteres beobachtete S. u. A. bei
BDer unter seinen Augen entstehenden syphilitischen
Hemiplegie. Bei Rflckenmarkskrankheiten schwin-
fa die Sehneoreflexe, sobald die Degeneration das
Lendeomark, spedell die Hinterstränge desselben
«griffen hat Als Beispiel giebt S. den Fall einer
tibeekranken Paralytika mit ausgedehnter Degene-
ntioD der Hinterstränge und ihrer Nachbarschaft.
8. ist der Ansicht, dass die sogen. Sehnenreflexe
in der That wirkliche spmale Reflexe sind , dass
tber ihre Reflexbahn nicht dieselbe wie die der Haut-
idexeist
Heber differente Wirkungen der Änäethetika
9if vereehiedene JReßeaphänomene (namentlich
Sdmemreßeae) hat Prof. Eulenburg (Med. Centr.-
N. XX. 6. 1881) Untersuchungen angestellt
1) Gewisse Anästhetika (Chloroform) bedingen
«D&ngliche , meist rasch vorttbergehende Steigerung
tttteber Reflexe (Patellarreflex bei Kaninchen und
Hunden), dann successive Abnahme und Verschwin-
^ der Reflexe. Dabei verliert sich stets der Patellar-
1^ erheblich früher als der Comealreflex (letzterer
Khwindet zusammen mit Eintritt der Myosis und
^ülenstarre). Umgekehrt tritt beim Aufhören
^ Narkose stets der Comealreflex erheblich früher
cn als der Patellarreflex. Ebenso ist die Sache beim
^bttchen , hier überdauert den Patellarreflex noch
^ Nssenreflex.
2) Andere Anästhetika (Aether) bewirken eine,
<A eDorme Steigerung einzelner Reflexe (Sehnen-,
i^- Perioetreflexe), welche zuweilen die Narkose
•kttdauert.
3) Wieder andere Anästhetika (Aethylenchlorid^
AttJyUdenehlorid, Methylenchlorid) bewirken (bei
Kaniocben und Hunden) Abnahme der Reflexe ohne
vorherige Steigerung, und zwar verschwindet der
(^ealreflex hier stets früher ab der Patellarreflex,
wihrend'dieser eher als jener wieder erscheint
4) Noch andere Anästhetika (z. B. Bromäthyl)
^iil^ Überhaupt kaum merklich oder sehr langsam
«tfcBeBeflexthätigkeit
Die Antheibahme des Reflexapparates steht nacb
diesen Versuchen kemeswegs in einem bestammten
Verhältniss zur Affektion der psychischen Centren
durch die Anästhetika. Die Tiefe der Narkose und
der Grad der Anästhesie sind nicht proportional dem
Verhalten einzelner Reflexe oder Reflexgruppen.
Eben so ungleichartig war die Wirkung der ge-
bräuchlichsten Hypnotika und Sedativa. Morphium
wirkte bei Kaninchen und Hunden wenig auf die
Reflexe. Auch bei Morphinisten fand E. die Sehnen-
reflexe unverändert. Chloralhydrat wirkte dem
Chloroform ähnlich, doch trat keine anfängliche
Reflexsteigerung ein, der Patellarreflex schwand erst
sehr spät und der Comealreflex blieb in nicht letha-
len Fällen erhalten. Bromkalium verursachte an-
fängliche Steigerung des Patellarreflexes , dann all-
mälige Reflexabnahme.
Dasselbe Thema wie Eulenburg *s Arbeit be-
handelt die Dissertation von J. Heinrichs {üeber
das Verhalten der Reflexe , insbes. des Patellar'
sehnenrefleaes in der artißciellen Itoaischen^ Nar^
kose. Inaug.-Diss. Greifswald 1880. — Ref. im
Centr.-Bl. f. Nervenhk. etc. Nr. 4. 1881).
In der Chloroformnarkose ist erst der Patellar-
reflex gesteigert , dann schwindet er und erst nach
ihm der Comealreflex. Mit dem Nachlass der Nar-
kose tritt erst der Comealreflex , dann der Patellar-
reflex wieder auf. Das Schwinden des Patellar-
reflexes scheint ziemlich gleichzeitig mit der Anal-
gesie einzutreten. Unter dem Einflüsse des Aethy-
lidenchlorid , des Aethylenchlorid und Methylen-
bichlorid hört der Comealreflex eher auf als der
Patellarreflex und kehrt später als dieser nach dem
Weglassen des Mittels wieder. Bromkalium (in ver-
giftenden Dosen, in Kaninchen- und Hundeversuchen)
ruft zuerst Steigemng des PatelUrreflexes hervor,
dann schwinden zuerst die Hautreflexe, dann die der
Cornea, schlüsslich die der Patellarsehne.
Endlich hatG. terMeulen eine Arbeit über
die Reflexerregbarkeit und die Sehnenreflexe an
der gelähmten Seite bei cerebraler Hemiplegie ver-
öffentlicht (Amsterdam 1879. — Ref. im Centr.-Bl.
f. Nervenhk. etc. Nr. 12. 1880).
M. hat 9 Fälle von cerebraler Hemiplegie zur
Untersuchung gehabt, welche indessen, da es bisher
noch in keinem zur Sektion gekommen ist,, nicht
nach dem Orte der Erkrankung klassificirt werden
können. M. stellt dieselben in Grappen zusammen
mit Rücksicht auf die Zeit, welche nach dem letzten
apoplektischen Insulte verflossen ist, und femer mit
Rücksicht darauf, ob blos ein einziger, rein apo-
plektischer Anfall stattgefunden hat, oder ob sich
derselbe wiederholt oder endlich mit andern Pro-
cessen complicirt hat. Der Cremasterreflex wurde
in 6 Fällen geprüft. In 3 complicurten Fällen war
kein Unterschied an den beiden Seiten zu bemerken,
bei 2 altem, einfachen Fällen erschien er stärker an
der gesunden Seite. Aehnlich verhielt sich auch
der (7mal untersuchte) von der Haut der Planta
pedis aus angeregte Reflex. Klopfreflexe, d. h.
2g8
MöbiaS) Aber Nervenknnkheiteii.
solche; welche durch Perkussion der Tibia, des Ra-
dios oder der Ulna oder der Maskeln hervorgerafen
worden; waren bei einem complicirten Falle an bei-
den Seiten gleich stark; in allen nncomplicirten Fäl-
len fehlten sie an der gesunden Seite ond waren bei
frischen Fällen an der paretischen Seite nor schwach,
bei altem Fällen an dieser Seite sehr deutlich zo er-
zeogen. Fast genao das Gleiche gilt auch vom
Patellarsehnenreflex , insofern dieser in den meisten
frischen Fällen an der kranken Seite nor wenig ge-
steigert; in den alten Fällen sehr deotlich erhöht
war. Schlüsslich theilt M. noch seine sehr aosftlhr-
lichen und genanen Untersuchungen Aber die Inten-
sität des Eniephänomen und über die Zeit fnit;
welche zwischen dem Reize und dem Reflexe in den
verschiedenen Fällen verstreicht. —
Nahe Beziehungen zu dem Thema der Sehnen-
reflexe hat der Inhalt der nachstehenden Arbeiten.
Dr. Moritz Mendelsohn (Arch. dePhysiol.
2. S^r. VII. 2.p.l97.MarB— AvrillSSO) hat unter
Marey's Leitung an Kranken Charcot's Unter-
suchungen über die Periode der latenten Exeita'
tion der Muskeln bei verschiedenen Nervenkrank-
heiten angestellt. Marey Hess ein besonderes Myo-
graphium zum Gebrauch am Menschen anfertigen,
welches von M. beschrieben und abgebildet wird.
Es wurden vorzüglich magere Ej'anke gewählt und
als Versuchsmuskel wurde der Biceps hum. benutzt.
Nur der inducirte Strom kam zur Verwendung.
1) Hemiplegie. Es wurden ungefähr 50 Kr.
untersucht. Bei einfacher motorischer Lähmung war
die Latenzzeit in der Regel auf beiden Seiten gleich,
zuweilen auf der kranken ein Weniges länger. Bei
Contraktur war die Latenzzeit verkürzt (z. B. 0.005''
gegen 0.009"), bei Atrophie verlängert (z. B. 0.022"
gegen 0.008 '0-
2) Progressive Muskelatrophie, Die Latenzzeit
wird verlängert in geradem Verhältnisse zor Atro-
phie (z. B. 0.015" an dem einen ; 0.02" an dem
mehr atrophischen andern Biceps).
3) Amyotrophische Lateralsklerose. Es wurde
eine Kranke im 2. Stadium der Krankheit unter-
sucht. Die Latenzzeit war an allen (atrophischen)
Muskeln beträchtlich verlängert.
4) Tabes dorsalis spasmodica. Bei einer Ej'an-
ken; welche an spastischer Lähmung litt; war die
Latenzzeit sehr verkürzt (0.003").
5) Ataxia loeomotoria. Nur wenn Atrophie
bestand; war die Latenzzeit verlängert; einmal (bei
einem ganz atrophischen Muskel) bis zu 0.04".
Die Latenzzeit war 6) bei multipler Sklerose
verlängert; wenn die Lähmung seit lange bestand;
7) bei Paralysis agitans in der Regel verlängert;
8) bei Chorea in der Regel verkürzt; 9) bei Hysterie
sehr weclisclnd. Vor dem hysteroepileptischen An-
falle war sie verkürzt. Bei Anästhesie war gegen
die gesunde Seite kein wesentlicher Unterschied zu
bemerken. Bei der künstlichen Katalepsie, dem
Somnambulismus war die Latenzzeit sehr kurz
(0.001—0.002"), die Zuckung brüsk.
M. fügt noch Einiges über das Kniephänomen
bei ; ohne damit etwas Neues zu sagen. Nach ihm
trifft Steigerung desselben mit Verkürzung der Latenz-
zeit zusammen.
Folgende sind die Schlusssätze. 1) Die Latenz-
zeit steht; wie beim Gesunden; im umgekehrten Ver-
hältniss zur Erregbarkeit und faradomnsknlarenCon-
traktilität. 2) Sie ist stets bei einem oontrakturirten
Muskel verkürzt. 3) Sie steht in direktem Verhält-
niss zu den trophischen Störungen der Muskeln.
Nach einem Referat im Centr.-Bl. f.Nervenhk« etc.
(Nr. 1. 1881^) hat Mendelsohn die Dauer der
latenten Reizung beim Frosch im Mittel zu 0.008
bestimmt und sie ziemlich wechselnd gefunden. Am
gesunden Menschen sollen sich etwa dieselben Ver-
hältnisse gefunden haben.
In einer andern Arbeit {Die Sehnenreflexe wm
pla/siologischen und klinischen Standpunkte. Gt-l
zeta lekarska Nr. 9. 1880) bespricht M. des Wei-I
teren das Verhalten der Sehnenreflexe bei verschie-
denen centralen Erkrankungen. Er kommt zu den
Schlüsse; dass jede Verstärkung oder Abschwächang
des Kniephänomen verknüpft ist mit einer Verkür-
zung; resp. Verlängerung der physiologischen Reak-
tion; d. h. der Zeit, welche zwischen dem Moment
des Schlages auf die Sehne und dem Moment des
Verkürzungsbeginns verfliesst
Ueber WebtphaPs paradoxe Muskelcontrak'
tion (vgl. Jahrbb. CLXXXV. p. 212) bemerkt A.
Erlenmeyer (Centr.-Bl. f. Nervhk. u. s. w. 17.
1880) Folgendes. Er bestätigt W.'s Beobachtangeo
und fügt hinzU|. dass die Kr. bei paradoxer Contrak-
tion des M. tibialis ant den Fuss nicht willkürh'ch
wieder senken können. Wenigstens war das letztere
bei E.'s Kranken der Fall und dieser will deshalb
das Phänomen als Contraktur bezeichnen; welche
letztere als mehr oder weniger lang dauernde Ve^
kürzung eines Muskels ; die dui'ch den Willen nicfal
zur Erschlaffung gebracht werden kanU; dei
wird. Die paradoxe Muskelcontraktur des Tibi
ant. ist nach E. die alleinige Folge der darch
Dorsalflexion des Fnsses erzeugten Dehnung d
GastrocnemiuS; seines durekten Antagonisten. Ve^
kürzung des Gastrocnemius nämlich hebe das Pfaä*
nomen auf. „Nimmt man bei Bettlage des Kr., bei-
im Kniegelenk gebeugtem Bein und bei dorsal flek-
tirtem Fusse die Muskebnasse des Gastrocnemi
also die WadC; in die Hand und schiebt sie no
starkem Drucke gegen die Ferse hin vor; was mei
^/s — 1 Zoll weit gelingen dürfte; so nähert man dt
durch den Wadenpunkt des Muskels seinem FerBen«
oder SehuenpunktC; verkürzt den Muskel, ohne da-
bei einen Zug auf seine Sehne auszuüben.** D&da
Mt der in Dorsalflexion durch die Contraktur des,
M. tibialis ant. fixirte Fuss sofort und plötzlicii in
seine natürliche Stellung zurück. Wird aof die an-
gegebene Weise vor der Dorsalflexion des Fasses die
0 Travaux da labor. de M. Marey. T. IV. iW«
]
Hartman Dy Handbuch d. Anatomie.
289
Dehnniig des Gastrocnemias unmöglich gemacht , so
kommt das Phänomen gar nicht zu Stande. E. fasst
seine Ansicht in dem Namen „aktive spinale anta-
goniatisehe Dehnnngscontraktur" zusanmien.
Westphal (Das. Nr. 20) ist der Ansicht, dass
sieii Erlenmeyer im Irrthum befinde. Nicht die
Veritlirznng des Oastrocnemius durch Herunterschie-
ben der Wade, sondern der dabei auf die Wade aus-
ruhte starke Druck sei die Ursache des Auf hörens
der paradoxen Contraktion. Das Phänomen höre
aoch anf, wenn man einfach die Wade drücke, ohne
se m verschieben.
Mendelssohn (Petersb. med. Wchnschr. 10.
1881) hat die paradoxe Contraktion des M. labialis
lot, graphisch untersucht und die dabei erhaltene
Moskulcurve der eines mit Veratrin vergifteten Mus-
kels sehr ähnlich gefunden. Der Unterschied zwi-
Bcfaen beiden Gurven bestand darin , dass in der des
reratrinisirten Muskels der absteigende Schenkel
(Erschlafiungsperiode) länger ist, während in der
Cnire der paradoxen Contraktion der Gipfel am
Ilngsten erscheint; doch kann die Dauer des ab-
steigenden Schenkels 3 — 5 Min. betragen. Oft
bemerkte M., dass die zeichnende Feder während
des Absteigens an manchen Stellen anhielt, was die
stossweise Erschlaffung des paradox conti'ahirten
Muskels anzeigt.
Es gelang M. j im Marienhospital das Symptom
bei folgenden Krankheiten hervorzurufen. 1) Unter
10 Fällen von Tabes 2mal ; Imal bei einer an Ta-
bes leidenden Hysterica, deren Beine etwas paretisch
waren, hier hielt die Doraalflexion 10 — 15 Min an.
2) In 4 Fällen von Hemiplegia sin. mit geringer
Rigidität der Muskeln. 3) In 3 Fällen von Hysterie ;
Imal bei Hysteroepilepsie mit Hemianästhesie auf
der anästhetischen Seite mit 20—30 Min. Dauer.
4) In 1 Falle von multipler Sklerose ; hier bestand
schon Rigidität, als man die paradoxe Contraktion
noch nicht hervorbringen konnte. 5) In 1 Falle
von Brown-S^quard'scher Lähmung auf der
gelähmten Seite ; das Symptom schwand mit eintre-
tender Besserung. 6) In 5 Fällen von Alcoholis-
mus chron. mit Tremor, erhöhten Sehnenreflexen und
geringer Rigidität. In 4 Fällen von „spastischer
Spinalparalyse'' fand M. das Symptom nicht, wahr-
scheinlich weil Dorsalflexion und Fnssclonus entstand.
Er zieht folgende Schlüsse : 1) Die paradoxe Muskel-
contraktion entsteht durch den Verlust des Gleich-
gewichts in der Tonicität gewisser Muskelgruppen
und deren Antagonisten. 2) Es besteht ein causaler
Zusammenhang zwischen der paradoxen Muskelcon-
traktion und dem pathologischen Zittern; beide Sym-
ptome gehören mit den Sehnenreflexen und der Con-
traktur zu einer von einem gewissen Grade des Mus-
keltonus abhängigen Symptomenreihe.
G. Eritikeii.
39. Handbuch der Anatomie des Mensohen
für Studirende und Aerzte; von Prof. Rob.
Hartmann zuBerlin. X£Xu. 928S. Strass-
burg 1881. R. Schultz u. Comp. 8. Mit ein-
gedr. Abbildungen. (20 Mk.)
I^ vorliegende Handbuch der Anatomie des
Keuschen tritt mit der ausgesprochenen Absicht an
die Oeffentlichkeit, dem Studirenden und dem Arzte
ein nicht zu ausgedehntes Bild von nnsern gegen-
vlrtigen Kenntnissen des menschlichen Körperbaues
m geben. Zu diesem Zwecke ist der erste Abschnitt
des Werkes einer Uebersicht der Gewebe des Kör-
pers gewidmet, während in den sieben folgenden
Theilen die Osteologle, Syndesmologie u. Myologie,
äieSplanchnologie, Augiologie, Neurologie u. Aesthe-
nologie abgehandelt werden. Dem Ganzen folgt
äD alphabetisches Register.
Von weitschweifigen embryologischen Angaben
tth Vf. gewiss mit Recht ab ; er glaubte , nur bei
Besprechung gewisser wichtiger Organe ein knappes
Bild ihrer Entstehung beigeben zu sollen. Sein Be-
streben , einerseits den wichtigem neuem Arbeiten
gerecht zu werden, andererseits aber das polemische
Gebiet thunlichst zu vermeiden, ohne der wissen-
MaL Jahrbb, Bd. 191. Hft 3.
schaftlichen Ejritik dadurch irgend einen berechtigten
Abbruch zu bereiten , tritt überall deutlich zu Tage.
Wenn im Verlaufe eines lange Zeit in Anspruch
nehmenden Druckes nicht jede neueste Einzelheit,
die oft genug erst sich zu bewähren hat, verwerthet
werden konnte, so entgeht wohl nur selten ein Lehr-
buch inmitten der Reihe sich einander drängender
Arbeiten auf kurze Zeit solcher unumgänglichen und
unschädlichen Gefahr. Weit wichtiger für den Werth
des Ganzen bleibt trotz aller erforderlichen Rück-
sicht auf die neuesten literarischen Erscheinungen
dasjenige Neue an Inhalt, Auffassung und Darstel-
lung, welches der Vf. eines Lehi'buches aus eigenen
Mitteln hinzu zu thun vermag.
Obwohl der Plan zu dem Buche mit dem Ver-
leger bereits vor Jahren zu Pai*is verabredet worden
war , so konnte die Ausführung doch erst sehr viel
später nach Einsammlung vieler, besonders ikono-
graphischer Materialien in's Werk gesetzt werden.
Die 465, zum Theil verschwenderisch grossen oder
mit vielleicht überflüssigen Adnexen ausgestatteten
Holzschnitte sind der überwiegenden Mehrzahl nach
auf Grundlage eigener, in Aquarell oder k deux
crayons ausgeführten Originalzeichnnngen hergestellt
37
290
He noch, Kinderkrankheiten.
11
worden. Sie betreffen zum Tlieil nicht den mensch-
lichen Körper , wo es für die Erläuterung zweck-
mässig erschien oder zum Vergleiche tauglich
war; so finden sich der Erläuterung wegen z. B.
Bilder aus der feinem Anatomie der Maus, anderer-
seits des afrikanischen Elephanten vor. Die Aus-
stattung mit einer beträchtlichen Zahl farbiger Fi-
guren , welche nicht ohne grosse Opfer hergestellt
werden konnten , ist vor Allem fttr das Verständ-
niss und die Anregung des Anfängers berechnet,
indem dieselben, alles Uebrige gleichgesetzt, ein
deutlicheres instruktiveres Bild zu gewähren ver-
mögen.
Auch der anatomischen Technik hat Vf. eine
Stelle gewähi't, indem er eine gedrängte Darstellung
der Dissektion von Muskeln, Eingeweiden, Gefässen
und Nerven ausarbeitete. Ausserdem finden sich
die wichtigsten Varietäten angeschlossen, zum Theil
nach eigenen Erfahrangen , welche auf der Berliner
Anatomie gewonnen worden sind. Seine Leistung
überblickend , lehnt Vf. es mit grosser Bescheiden-
heit ab , sein Werk als einen Concurrenten unserer
grossen klassischen Lehrbücher auszugeben ; schlles-
sen wir uns indessen dem von ihm ausgesprochenen,
dem Werk mit auf den Weg gegebenen Wunsche an,
„dass es sich als ein rechtes Stndentenbuch be-
währen wird^^ Rauber.
40. Vorlesungen über Kinderkrankheiten.
Ein Han dhuch für A erzte und Studirende ; von
Prof. Dr. E d u. H e n 0 c h , Dir. der Klinik u.
Poliklinik für Kinderkr. im k. Charit^-Kranken-
hause. Berlin 1881. A. Hirsch wald. 8. XII
u. 751 S. (16 Mk.)
Das Buch bietet, was bei seiner ganzen Beur-
theilung festzuhalten ist, ganz hauptsächlich die per-
sönlichen Erfahrungen des Verfassers. Diese rei-
chen Erfahrungen sind einer 37jähr. Praxis und
einer fast ununterbrochenen, theils poliklinischen,
theils klinischen Thätigkeit (seit 1872 in der Charit^)
entnommen. Wir kommen auf den allgemeinen Ein-
druck, welchen das Werk macht, am Schlüsse zu
sprechen.
Vf. betrachtet zwar die Kinderheilkunde nicht
als eigentliche Speciaiität, weil fast alle Krankheiten
des Kindes auch bei Erwachsenen vorkommen , will
aber doch an den Universitäten der Kinderheilkunde
eine eigene Lehrkanzel eingerichtet haben.
Nach kurzen Vorbemerkungen über die hohe
Sterblichkeit jüngerer Kinder und deren Ursachen
wendet sich Vf. zu den UnUirmehungttmetfwden
(S. 3 — 18) und spricht sich aus über die Auskulta-
tion und Perkussion beim Kinde (nie Rflckenfläche
allein untersuchen!), über dasVerhältniss des Pulses
und der Respiration (normales Verhältniss der Fre-
quenz 3Va — 4:1), über die Untersuchung der Mund-
und Rachenhöhle u. s. w. Die Beleuchtung lässt
sich für letztern Zweck nach Vf. vortrefflich durch
einen silbernen Löffel verstärken, den man als Hohl-
spiegel hinter die mit derselben Hand gefasste Kerze
hält. Die Thermometrie im Rectum wegen ihrer
Gefährlichkeit bei Seite gelassen zu sehen, mm
Verwunderung erregen.
Der 1. Abschnitt (S. 19—58) behandelt die
Krankheiten der Neugebomen, d. h. die beaoDdern
Krankheiten der ersten 4 — 6 Lebenswochen. Hier
wird zunächst der gewöhnliche gutartige Icterus neo-
natorum besprochen und dabei als noch zweifelhaft
hingestellt, ob derselbe als Hämatogen- oder als
Retentions-Ikterus zu betrachten sei , während doch
die dem Vf. anscheinend nicht bekannt gewordenen
Untersuchungen Birch-Hirschfeld's auf das
Schlagendste dargelegt haben, dass dieser gutartige
Ikterus durch ein in Folge venöser Stauung entstan-
denes Oedem der Glisson'schen Kapsel bedingt ist,
welches wiederum eine Compression derOallengänge
ausübt. In sehr klarer Weise wird der Trismus nnd
Tetanus neonat., ebenso das Cephalämatom abg^
handelt. Von hohem Interesse ist ein mitgetheilterj
Fall einer besonders hochgradigen Meningo - Bnee-
phalocele. Bei dem Eiysipelas neonat, wird vom
Vf. neben der puerperalen eine gewöhnliche traama-
matische Form nntei'schieden, und zwar als mitoDter
auch aus den ersten Lebenstagen stammend. Das
ganze Capitel kennzeichnet wieder in hohem Grade
die Gabe licht- u. lebensvoller Schilderung der Kraok-
heitsbilder. Bei der Behandlung vermisste Ref. on-
gern die Empfehlung kühler Bäder. Bei dem Skia-
rem wird (nach Parrot) das eigentliche Sklereo
von dem Oedem (mit seinen Ursachen: vorange-
gangenes Erysipel, Herzschwäche, Atelektase, Ne-
phritis) streng geschieden , dabei wieder die groeae
Aehnlichkeit beider Zustände veranschaulicht nnd
das zeitweilig gemeinsame Vorkommen zu erklären
versucht. Es finden dann unter den Krankheiten
der Neugebonien noch Besprechung der Pemphigni
(wovon Vf. nur 2 Formen, den Pemph. simplex oder
acutus und den Pemph. cachectieuB unterscheidet),
die Aphthen des Gaumens, welche namentlich bei
atrophischen Kindern seitlich, oft doppelseitig, vor-
kommen n. nie syphilitischen, sondern mechanischen
Ursprungs sind (durch Druck der Zunge, desGnmmi-
stöpseLs u. s. w.), endlich dieMelaena neonatormn.
Der 2. Abseknitt (8. 61—131) beschäftigt sich
mit den Krankheiten des Säuglingsalters (bis gegen
den 9. oder 11. Mon.), welches Alter also sowohl
den spätem Altersperioden, wie der Zeit des Neu-
geborenseins (s. den 1. Abschn.) gegenüber gestellt
wird. Bei dieser Benennung erweckt die Anordnung
des Stofies einiges Bedenken ; so ist man erstannt^
eines der 7 Capitel des vorliegenden Abschnittea
durch den Soor (welcher doch weit mehr in den
ersten 4 — 6 Lebenswodien, also beim NengebomeD,
beobachtet wird) , ein anderes durch die Dentition
(welche wieder mehr einem spätem Alter tnStiW
eingenommen zu sehen.
Das 2. Capitel schildert die atrophischen Zn-
stände in ihren äussern Erscheinungen, wie in ifar^
anatomischen Vorgängen, dabei die anch beim klei'
nen Kinde so häufige, aber oft übersehene Tober-
Henooh, Eanderkrankheiten.
291
kalose gebührend hervorhebend, endlich in ihren
iöoiogisehen Verhältnissen, theils nach eigenen Beob-
sfibtaiigen, theils nach denen Parrot's; dessen
Beseiehnong ,,Athrepsie'' statt Atrophie wird jedoch
vom Vf. nicht adoptirt. Bei der Behandlung mnsste,
am Dicht allzusehr in das Weite zn gehen, eine Be-
aehiialning auf die Besprechung der EIrnähmng
innegehalten werden, was gemftss den ziemlich all-
gemein herrschenden Grundsätzen geschieht. So-
daim wird der Soor besprochen und es werden hier
iwei Formen nnterschieden und in Erscheinung, Aus-
bieitaDg und Prognose geschildert, ein erster Grad,
du Bild der Krankheit bei gesunden Kindern, und
ein zweiter Grad, der nur bei atrophischen und
Kfawerkranken Kindern vorkommt Bei der Lues here-
fitaria wird auf die syphilit., durch merkurielle Kur
ttbwindenden Knochen-, besonders Epiphysenschwel-
tagen hingewiesen , die sich mitunter bei Kindern
derenten Lebensmonate finden; bei älteren Kindern
■One man zunächst immer an gleichzeitige Rhachitis
denken, wenn nicht etwa das Leiden nur einseitig
TOTfaanden sei. Die nicht seltenen Fälle syphiii-
tiieher Parese seien in Wirklichkeit meist als eine
bnmobilität zufolge solcher schmerzhafter Knochen-
iffektion aufzufassen und, wo solche nicht nachzu-
weisen, müsse man doch an das Vorhandensein der
m Wegner beschriebenen Veränderungen denken.
Eb finden die sjrphilitischen Affektionen der ver-
Khiedensten innem Organe Berflcksichtigung ; nur
die der Lunge vermisst man. Als häufige Folge-
krankheit der hereditären Syphilis wird die Rhachitis
(mebt die Sorofiilose) hervorgehoben. Das Vor-
kommen einer Infektion des Kindes während des
Gebortsaktes hält H. für sehr zweifelhaft. Bei der
Behandlung giebt H. dem Calomel u. dem Hydrarg.
oxjd. nigmm im Allgemeinen den Vorzug, auch
gei;enttber den Inunktionen. — Bei der Dyspepsie
nterRcheidet H. eine Dyspepsia gastrica, bei der
Erbrechen mit Schleimbeimengung, aber oft fast
Bonnale Stnhientleerung vorhanden ist, und die Dys-
n)8ia iatestin. mit den entgegengesetzten Verhält-
nasen. Gährongsprocesse mit dem schlttsslichen Re-
nitate der Bildung von Fettsäuren bilden in beiden
raien die Ursache. Bei der Ernährung, soweit nicht
Kotter- oder Ammenbrust in Frage kommt, giebt
H.) zamal bei akuter D3rspepsie, der Kuhmilch, und
iwar nach dem Abkochen auf Eis gestellter und in
dieser Temperatur löffelweise gereichter, den Vorzug.
Die mitgetheilten &ankengeschichten sind aller-
dings BOT solche von Diarrhöe, wenn schon vielleicht
cber Diarrhöe, die ans Dyspepsie hervorgegangen.
Vf. empfiehlt kleine Dosen Calomel oder Salzsäure,
twh Kreosot u. s. w. ; Wismuth und Silbersalpeter
M eintretender Diarrhöe. — Bei der Besprechung
^ Dentition stellt sich H. auf die Seite Deijenigen,
velche Reflexerscheinongen von der Dnrchbruohs-
itelle ans in ziemlidiem Umfange gelten lassen.
Der 3. Abschnitt (S. 137—282) behandelt die
Knnkheiten des Nervensystem. Der am Eingange
^Mgegproehenen Behauptung, dass Rflckenmarks-
erkrankungen beim Kinde, abgesehen von der Spina
bifida und der gewöhnlichen Kinderlähmung, seltene
Vorkommnisse bilden, kann Ref. auf Grund eigener
Beobachtungen nicht ganz beistimmen. Am Studium
dieser Krankheiten fehlt es nur leider bisher. So
z. B. ist die Compressionsmyelitis bei der Spondylitis
ein recht häufiges Vorkommniss, ein weit gewöhn-
licheres, als man in der Regel glaubt. Weshalb
Vf. Soltmann widerspricht, welcher die Häufig-
keit von Convulsionen im fiHhen Kindesalter durch
den nachgewiesenen Mangel, bezieh, die schwächere
Entwicklung der Reflexhemmungscenü*a erklärt, ist
nicht ganz durchsichtig. Gegen die Eklampsie wer-
den von H. mit grösster Bestimmtheit vor allen
andern Mitteln die Einathmungen von Chloroform
empfohlen, und es wird dabei eine Contraindikation
nur in einem sehr kleinen, rapiden Pulse und kühl
werdenden Extremitäten gefunden. Aetiologisch
wii-d , jedenfalls mit Recht , der Rhachitis und den
Reizzuständen der Verdauungsorgane (Magenver-
derbniss) ein besonders hoher Werth zugeschrieben.
Bei der Besprechung der Epilepsie wird der oft
schleichenden Entwicklung, den oft längere Zeit
vorangehenden unbestimmten Anfällen besondere
Beachtung geschenkt. Eine grössere Anzahl Fälle
von Spasmus nutans sah H. fast durchgängig mit
leichter Rotation des Kopfes, oder auch der Bulbl
verbunden ; einmal nahm der ganze Oberkörper an
den Nickbewegungen Theil. Die Ursache sucht H.
hauptsächlich in Zahnreizen. Gegen die eingehend
beschriebene Chorea minor wird primo loco Arsenik
empfohlen, dessen eminente Wirkung leider noch
immer nicht genügend gewürdigt wird. Eine Fülle
interessanter Beobachtungen wird in dem Capitcl
Hysterie (zugleich die Katalepsie und die Chorea
magna umfassend) mitgetheilt. Die peripheren Läh-
mungen, die spinale Kinderlähmung, die Psendo-
hypertrophie, die hämorrhagische Lähmimg finden
eine sachgemässe Behandlung. In dem Capitel
Hirntuberkulose überrascht der bereits 1868 von H.
ausgesprochene Satz, dass bei Kindern, welche an
ausgedehnter tuberkulöser Entartung der Lymph-
drüsen, der Lungen u. s. w. leiden und unter den
Erscheinungen einer normal , häufiger aber anomal
verlaufenden Mening. tub. zu Grunde gehen, immer
auch eine Tuberkulose des Gehirnes mit Wahrschein-
lichkeit angenommen werden könne. Trotz der un-
leugbaren Häufigkeit des Latentbleibens der Hirn-
tuberkel konnte Ref, doch eine derartige Verbrei-
tung bei den überaus zahlreichen Sektionen von
Mening. tub., welche auch ihm wie andern Pädiatern
sich boten, nicht beobachten. In dem Capitel atro-
phische Cerebrallähmung wird gezeigt, dass bis-
weilen durch halbseitige oder doppelseitige Atrophie,
bez. gleichzeitige Sklerose des Gehirnes ange-
borene oder bald nach der Geburt entstehende Läh-
mungen vorkommen. Dass derartige Vorgänge im
Gehirn die anatom. Grundlage mancher sogen, spas-
tischen Spinalparalyse des Kindesalters bilden, wurde
schon vom Ref. (Jahrb. f. Kinderheilk. XV. p. 261)
292
He noch, EinclerkTaiikheiten.
dargethan. Sehr iDteressant sind die beim ,,chron.
Hydrocephalus'^ mitgetheilten, jedenfalls auf Menin-
gitis beruhenden Fälle stärkerer Anftreibung des
Schädels mit Diastase der bereits geschlossenen
Nähte und doch später erfolgender Wiedergenesung.
Eine äusseret ansprechende Behandlung findet die
Meningitis und es mag daraus nur hervorgehoben
werden, dass H. bei dieser Krankheit in ihren ver-
schiedenen Formen die Anwendung von Blutegeln
noch immer in entschiedener Weise befürwortet
4. Abschnitt y Krankheiten der Respiraüons-
organe (S. 285 — 382). Es werden zunächst die
Rhinitis, der Pseudocroup, die Atelektase besprochen.
Zu den dem Ref, am wenigsten zusagenden Capiteln
des ganzen Buches gehört das des Croup und beson-
ders seine Behandlung. Die Abtrennung eines
nicht diphtheritischen Croup wird festgehalten. Bei
der Behandlung stehen obenan Blutegel und Eme-
tika, auch Vesikatore; der feuchtwannen Atmo-
sphäre wird kaum Erwähnung gethan. — Die
Schilderung der lobularen und der fibrinösen Pneu-
monie, zwischen denen sich indessen keineswegs
immer scharfe Grenzen ziehen lassen, wie auch H.
findet, entspricht so ziemlich dem gewöhnlich ge-
gebenen Erankheitsbilde ; bei der ersteren empfiehlt
H. im Allgemeinen Expektorantien (Tart. emet. und
Ipecac.), bei der letzteren eine exspektative Behand-
lung. Für eine operative Behandlung des pleuri-
tischen Exsudates lässt H. nur zwei Indikationen
gelten: 1) stürmische Zunahme des Exsudates mit
rascher Verdrängung des Mediastinum und beträcht-
licher Steigerung der Dyspnoe; 2) purulente Be-
schaffenheit des Exsudates. Bei der Besprechung
der Tuberkulose erscheint äusserst zutreffend die
Schilderung ihres anscheinend latenten, oder sich
hinter Atrophie und dyspeptischen oder sonst welchen
abdominalen Erscheinungen versteckenden Verlaufes
bei kleinen Kindern.
5. Abschnitt, Krankheiten der CirhdaÜons^
Organe (S. 382 — 399). Der Gegenstand wird
ziemlich kurz, hauptsächlich mit Rücksicht auf seine
Besonderheiten im Kindesalter besprochen.
6. Abschnitt y Krankheiten der VerdauungS"
Organe enthaltend (S. 399 — 509). Nach Besprechung
der Stomatitis und des Noma interessirt uns nament-
lich die der entzündlichen Affektionen des Pharynx,
wegen der Kennzeichnung ihrer Unterschiede von
den diphtheritischen Affektionen, für welche sie nur
zu oft erklärt werden. Bei der Sommercholera wer-
den vor Allem Calomel, Salzsäure und Elreosot, bei
der gewöhnlichen katarrhalischen Diarrhöe in erster
Linie Calomel, Ipecacuanha, Opium empfohlen. Eine
grosse Fülle von Erfahrungen wird dem hierdurch
mannigfach lehrreichen Capitel über die Entozo^n
des Darmkanales zu Grunde gelegt. Aus der Be-
sprechung der Peritonitis ist der eine Schlusssatz
besonders beachtenswerth , dass eine hochgradige
chron. Periton. tub. ohne jeden Schmerz und mit
sehr geringem Fieber bestehen und sich nur durch
Erscheinungen von Ascites u. zunehmende Kachexie
kundgeben kann. Die Besprechung der Tuber-
kulose der Unterleibsorgane, die der Leber- und
Milzkrankheiten und der Geschwülste des Unterlei-
bes bildet den Schluss. Sehr beträchtliche Milz-
tumoren (ohne leukämische Blutbeschaffenheit) wor-
den beseitigt unter Gebranch von Chinin und Eisen.
In dem 7. Abschnitte (S. 509—551), enthaltend
die Krankheiten der uropoStisehen Organe^ wird
die Schilderung der aknten parenchymatösen Nephri-
tis fast vollständig von derjenigen der Scharlach-
nephritis gedeckt. Dem farbenreichen Bilde, wel-
ches H. entwirft, möchten wir nur hinzuf&gen, dass
diese Nachkrankheit nicht erst am Ende der zweiten
Woche, sondern mitunter schon 9 — 10 Tage nach
Beginn des Scharlachs ihren Anfang nehmen kann
und dass die trotz vorhandener Nephritis mitunter
anscheinend fehlende Albuminurie gerade bei der
Schariachniere recht häufig erkennbar wird, wenn
die Nachforschung auch auf das Peptonei weiss (dnrch
Zusatz grösserer Mengen Salpetersäure) ausged^nt
wird. Auch Fälle der (bei Kindern nicht häufigen)
genuinen (Erkältnngs-) Nephritis werden beschrie-
ben, ebenso Fälle „artificieller^' Nephritis (nach
äusserer Anwendung von Theer, Bals. peruv. und
Carbolsäure — zweifelhafter Fall — ), endlich pri-
märe Nephritis bei einem fünfmonatlichen Kinde.
Der 8. Abschnitt (S. 551—677) begreift die
Infektionskrankheiten. H. spricht sich im Eingange
sehr entschieden gegen den „Bakterienschwindel''
aus. Bei dem fast Jahr aus Jahr ein zahlreiche
Opfer fordernden Scharlach bedauert zunächst H.,
dass betreffs seiner Ausbreitung keine strengere
polizeiliche Controle bestehe, während gegen weit
seltnere Krankheiten die strengsten Maassregeln ge-
handhabt würden. Aus der möglichst erschöpfen-
den Darlegung des Verlaufes dieser so „unberechen-
baren^^ Krankheit sei hervorgehoben, dass H. die
Bezeichnung „Diphtheritis bei Scharlach'^ als miss-
bräuchlich verwirft und statt ersteren Wortes die Be-
zeichnung „nekrotisirende Entzündung^' der Rachen-
organe u. s. w. gesetzt haben will, obgleich derartige
Entzündungen auch anderwärts und auch bei der
Diphtheritis vorkämen. Das Wort Diphtheritis solle
der selbstständigen Krankheit dieses Namens gewahrt
bleiben. Die genannten Entzündungen beim Schar-
lach böten, was schon Andere hervorgehoben, aach
den Unterschied , dass nie Paralysen in ihrem Ge-
folge vorkämen, dass eine weit geringere Neignng
zum Abwäiissteigen vorhanden sei und dass sie
— anscheinend wenigstens — ein anderes Virus be-
sässen , als die eigentliche Diphtheritis. Auf der
Neigung zu nekrotisirenden Entzündungen und auf
der specifischen Wirkung des Virus auf das Nerven-
system und von hier aus auf das Herz beruhe die
Malignität des Scharlach. Den wirklich bösartigen
Fällen gegenüber werde nichts durch starke Anti-
pyretika erreicht, eher durch solche geschadet; da-
gegen seien lauwarme Bäder und Bzcitantien am
Platze. — Darüber, ob es eine selbstständige KnA-
heit Röthein gebe, wagt H. noch kein Urtbeü la
SoltmanD, Magen-Dannkrankheiten d. Säuglinge.
293
SlkiL Bei der Diphtheritis werden mannigfache
Beispiele angeführt von Beginn der Exsndation an
andern Stellen, als im Pharynx ; gleichwohl glaubt
fl. nicht, dass die Krankheit mit Ueberspringnng
des Pbaiynx im Larynx beginnen könne. Es wer-
deo TOD H. drei Formen der Diphtheritis unterschie-
den) eine leichte, eine mittelschwere, bei welcher
die Exsudation über die Mandeln hinansgreift auf
Velnni, Nase u. s. w. und selbst starke Heiser-
kdt, ülcerationen, Blutungen auftreten, endlich eine
schwere mit den Hauptgefahren der Hei-zlfthmung
od des soffokatorischen Todes oder mit (stets zum
Tode fahrenden) septischen Processen. Die leich-
teste Form kann in die schwere fibergehen. Com-
pBeireBde Albuminurie fand H. bei allen Formen
Unfig, hüt sie aber, wie die meisten Beobachter,
Ar prognostisch nicht bedeutungsvoll. Bei der Be-
tendlnog folgt H. dem immer mehr sich befestigen-
den allgemeinen Grundsätze, dass Äetzungen zu
litterlassen und dass Reinigung der erkrankten Par-
tei (Ausspritzungen, Inhalationen) und Tonika, bez.
Aoaleptika hauptsächlich in Frage kommen. Oegen
die diphtheritischen Paralysen empfiehlt er die sub-
eotane Anwendung des Strychnin. Bei der Behand-
famg des Abdominaltyphus giebt H. nie kühlere
fiider als zu 22<> R., im Durchschnitte von 25<^ R. ;
er giebt femer der GoUapsus wegen nie mehr Sali-
eyisänre, öfters dagegen Chinin in Dosen von 0.5
bis 1 Gramm.
Im 9. AbsehnüU (S. 67S— 725) werden die
msätutianellen Krankheiten behandelt, und zwar
der Rheumatismus, die Anämie, die Purpura, die
Scrofnbsis, bei deren medikamentöser Behandlung
dem Jod (Jodeisen, LugoFsche Lösung) der Vorzug
gegeben wird. Bei der hieran sich schliesaenden
Besprechung der Bhachitis erscheint höchst verwun-
derlich, dass H. eine Schwellung der Milz nach oben
oder unten nur zweimal nachweisen konnte ; Ref.
betrachtet solche für Palpation und Perkussion leicht
Bsehweisbare Milzschwellungen bei Rhachitis im er-
to Lebensjahre geradezu als gewöhnliche Erschei-
nng. Auf Grund seiner Erfahrungen und mit
Efleksioht auf die S e e m a n n 'sehen Untersuchungen
verwirft H. die Kalksalze bei der Behandlung der
Bhachitis und giebt Eisen allein oder neben Leber-
thran.
10. Abschnitt: Krankheiten der Haut (S. 72^
bis 743). H. verhält sich gegenüber der alten Lehre
von der Metastase der Hautkrankheiten nach Innern
Organen nicht absolut ablehnend. Es werden be-
buidelt: das Erythem und die Intertrigo*, Liehen
stropholus nnd Prurigo, Eczema und Impetigo,
^yma, endlich die Abscesse des subcutanen 6e-
web«.
Den SchloBS des Werkes bildet eine Zusammen-
Btellnng von Receptformeln und ein Register.
Sollen wir den Eindruck, welchen uns das Werk
binterlassen, kurz zusammenfassen, so müssen wir
n^erst hervorheben die ans ihm sprechende
Frische und Unmittelbarkeit, welche ihre Ursache
in dem Umstände finden, dass der Vf. ganz wesent-
lich nur seine eigenen persönlichen Erfahrungen
mittheilte. Wir müssen aber auch in hohem Grade
die Liebe und Sorgfalt anerkennen, mit welcher
Derselbe das ungewöhnlich grosse ihm zu Gebote
gewesene Material zusammengetragen und nicht
minder die Anschaulichkeit, mit welcher die Erank-
heitsbilder vorgeführt werden. In der Zeichnung
dieser Krankheitsbilder liegt der Hauptwerth des
Buches. Es lassen sich zahlreiche Capitel aufführen,
bei welchen wohl die meisten Leser der überzeugen-
den Wahrheit der Darlegung geradezu Bewunderung
schenken und mit Vergnügen sich sagen werden,
dass hier, was man wohl selbst gesehen und em-
pfunden, klarer, als man selbst es zu thun vermocht
hätte, zum Ausdrucke kam. Die Annehmlichkeit
der Lektüre wird erhöht durch die Abweisung bei-
nahe aller Statistik , was freilich anderseits, insbe-
sondere betreffs der Aetiologie, als empfindliche
Lücke wahrgenommen wird. In seiner Stellung zur
hen'schenden Wissenschaft zeigt sich Vf. — und wer
möchte ihn darum tadeln — im Allgemeinen wenig
geneigt, liebgewordene ältere Anschauungen gegen-
über neueren Doktrinen über Bord zu werfen, so-
lange letztere noch einigermaassen anfechtbar er-
scheinen. Wenn er sich mitunter hierbei vielleicht
allzu skeptisch verhält und manchen in neuerer Zeit
besonders kultivirten Zweigen der Wissenschaft,
selbst wo es sich um wirklich exakte Forschungen
handelt , nicht nach allen Richtungen gleichmässig
gefolgt ist, so möchten wir entschuldigend bemerken,
dass es wohl Wenigen vergönnt ist, nach allen Rich-
tungen allen Anforderungen gerecht zu werden, und
dass bei einer derartig geübten Beschränkung dem
Buche jedenfalls gi-össerer Vortheil erwächst, als
bei einer sanguinischen Aufnahme aller neueren
Lehren. Derselbe Standpunkt ist bei der Therapie
aufzufinden; wohlthuend berührte den Ref. die in
der Verwendung auch der älteren Mittel geübte
Kritik. Die grosse Vorliebe des Vf. füi- Blutent-
ziehung, welche vor einer Reihe von Jahren so
strenge Verurtheilung erfuhr, tritt jetzt kaum irgend-
wo störend hervor. Förster.
41. Ueber die Behandlung der wichtigsten
ICagen- Dannkrankheiten des Säuglings.
Für den Praktiker. Von Dr. Otto Solt-
m an n in Breslau. Tübingen 1881. H.Laupp.
8. 37 S. (1 Mk.)
So klein auch die vorliegende Monographie an
Umfang ist , so wichtig ist sie für den praktischen
Arzt, welchen sie bei den so häufigen Mageu-Darm-
krankheiten des Säuglings in den Stand setzt , die
neuesten Errungenschaften der Therapie kennen zn
lernen. Ueber die in der Einleitung betr. der Prophy-
laxe mitgetheilten Winke zur Ernährung der Säug-
linge haben wir uns bereits an anderer Stelle (Jahrbb.
GXC. p. 163) ausgesprochen. Hier ist uns des-
halb nur noch die specielle Behandlung der akuten
294
Vachetta, Embolismo gazoBO.
Dyspepsie i der chronischen Dyspepsie ^ des akuten
und chronischen Enterokatcnrrhs , der Enteritis
acuta und chronica und der Cholera infantum zu
besprechen übrig.
üeberall macht Vf. in prägnanter Kürze auf die
Hauptsymptome, ihre Ursachen nnd ihre Behandlang
aufmerksam. Bei der akuten Dyspepsie versäume
man nie, sich von der Beschaffenheit der Mutter-
oder Ammenmilch mittels des D e s a g a 'sehen Lakto-
butyrometer zu überzeugen, stets auch die Beschaffen-
heit der Kuhmilch im Auge zu behalten. Noch viel
strenger ist aber die Diät bei chronischer Dyspepsie
zu regeln , da ohne sie eine Heilung unmöglich ist
Hier sind häufige , minimale Mahlzeiten mit Aus-
scliluss von Fettnahrung und Amylaceen das erste
Erforderniss. Die Milch ist hier stark verdünnt zu
geben ; auch kann man den Uebergang zur Milch-
nahrung durch Molken vermitteln. Beim akuten
Enterokatarrh ist stets auf einige Tage die Kuhmilch
durch Gummiwasser, Eiweisswasser, Graupenschleim
u. s. w. zu ersetzen. Auch hier verwendet Vf. gern
Molken, bes. bei Fettdiarrhöe, um später zu Mager-
milch überzugehen. Von medikamentöser Seite be-
vorzugt Vf. die Tinctura Ratanhae, meist mit wenig
Opium. Bei Kräfteverfall wendet er bald subcutane
Aetherinjektionen an. Beim chronischen Darm-
katarrh ist 8ti*engste diätetische Behandlung noth-
wendig, gute unverfälschte Thiermilch (Kuh- oder
Ziegenmilch) ist die einzig zulässige Nahrung. Ist
man gezwungen, sie wegen akuter Erscheinungen
wegzulassen, so treten Molken, besonders Alaun-
molken, oder Biedert's Rahmeonserven an ihre
Stelle, unter den Medikamenten verdienen die
Adstringentia (Wismuth- und Thonerde-Präparate)
das meiste Vertrauen. Bei Enteritis acuta kommt
es häufig darauf an, dem Kinde, das meist vor Kur-
zem entwöhnt wurde, die Brust wieder zu verschaffen.
Bei eintretender Schwäche sind Analeptika, bei
äi'meren Leuten Spiritus vini (10 — 20 Grmm. auf
einen Tassenkopf voll Haferschleim) indicirt. Bei
der Enteritis sind sehr zweckmässig die Methoden
der analen Behandlung in Anwendung zu ziehen,
besonders Auswaschungen des Colon mit einhüllen-
den oder adstringirenden Substanzen, später näh-
rende Klystire mit Fleischpankreassolution.
Bei der Cholera infantum liegt der Schwer-
punkt des ärztlichen Handelns in sofortiger Anwen-
dung von Excitantien. Wer die Behandlung nicht
damit beginnt, begeht einen Verstoss gegen die legi-
time Methode. Hierher gehören die reinen Alkoho-
Uka, Aetherea, Ammoniakalia , subcutanen Aether-
injektionen (1 — 2 Spritzen voll binnen 12 — 24Std.),
Senf bäder sind hier am Platze. Daneben hat man
gegen äieintsstinalmykose emzuaehTeitdny besonders
initCarbolsäure, Natron benzoicnm, Resorcin, Cotoin
n. dergl. Schlflsslich erwähnt Vf. noch die sub-
cutanen Chinininjektionen , am besten mit Chininum-
Carbamid, das keine Abscesse macht. Bis znm
TöUigen Verschwinden des Erbrechens und Durch-
falls ist ausschliesslich schleimiges Getränk zu ge-
statten.
Die genauem Dosirungen der einzelnen, zum
Theil neuern Medikamente sind im Originale einzu-
sehen, das wegen seiner sorgfilltigen Bearbeitung
der weitesten Verbreitung würdig ist.
Möge es den vorgeschriebenen diätetischen und
medikamentösen Behandlungsweisen gelingen, eine
grosse Reihe von Säuglingen am Leben zu erhalten!
Kormann.
42. Süll' embolismo gasoBO per penettazums
delF aria nel sistema dreolatario ; Stndi eli-
nid e sperimentali eomparativi dei Prof. Dott.
Andrea Alfonso Vachetta delP univer-
Aik di Pisa. Con 3 tavole. Pisa 1880.
0. G. A. üebelhart. 8. 158 pp.
Vf. giebt in seiner eben so gründlichen, als
fleissigen Monographie, welche, an der Hand emer
grossen Reihe von Thierexperimenten , nicht wenig
neue physiologische und therapeutische Gesichts-
punkte eröffnet , zunächst einen kurzen historischen
Ueberblick.
Hippokrates hat höchst wahrscheinlich zu-
erst Luft im Venensysteme in Leichnamen gesehen.
Unter die ersten Experimentatoren über Luftembolie
und ihre Gefahren gehörte Wepfer; Francesco
R e d i war aber der erste Schriftsteller hierüber. Im
J. 1806 hörte ein französischer Thierarzt, V e r r i e r,
als er einem Pferde an der linken Jngularis zur Ader
liess, zuerst das Eindringen vom Luft in die Vene;
beim Menschen beobachtete es zuerat Bau ebene
1818 bei Exstirpation einer grossen ScapnUr-
geschwulst , da die Jngul. ext. eröffnet worden war.
Im J. 1837 gab endlich ein Fall Amussat's in
der Pariser Akademie zu sehr erregter , aber frucht-
bringender Debatte über Luftembolie Veranlassung.
Der Gehalt an Blutgasen ist selbst bei demsel-
ben Individuum je nach Umständen ein variabler.
Störungen durch sich selbst entbindende Gase ver-
muthete man schon lange. Aber erst in neuester
Zeit hat man die Ursachen , unter denen Gas sieh
aus dem Blute des Lebenden frei machen und Er-
scheinungen der Luftembolie erzeugen kann, klinisch
und experimentell näher erforscht.
So sieht man nicht selten in Typhusleichen, beim
Chloroformtode , bei Septikämie u. s. w. Luft in den
GeHissen ; femer bei schneller Abnahme des atmo-
sphärischen Druckes. Die vielfachen Störungen, die
selbst den Tod herbeiftlhren können , bei Tauchen,
Aeronauten, Bergsteigern n. s. w. sind den doroh
Luftembolie bedingten sehr ähnlich nnd beziehen
sich in der That auf Embolie in Gefteen dareh
spontan aus dem Blute entwickelte Gasblasen.
Von aussen kann Luft in das Blut gelangen
1) durch Wunden , 2) durch starke Lnfteinpressnng
in die Lungen , z. B. bei anhaltender nnd heftiger
Exspiration und geschlossenem Larynx (Strangnliien,
Schreien, Spielen anf Blasinstmmenten). Vf. madit
Vachetta, Embolismo gazoso.
295
eodlich auch darauf aufmerksam , dass das Eindi'in-
gen ?on Luft in die Ge&sse bei einer kunstgemäss
aosgeföhrten Sektion fast UDmöglich ist.
IVaumatiaclie Laftembolien entstehen bei den
reiBchiedensten Anlässen , am häufigsten bei Exstir-
patsonen von Hals- und Brustgeschwülsten ; relativ
lila% auch nach dei* Gebai-t oder einem Abortus. Die
am häufigsten betroffenen Venen sind also die der Hals-
oncl Brustgegend. Unbedingt nöthig zur Luftembolie
and: 1) sehr stark klaffende Eröffnung der Vene
imd Berührung mit der Luft (daher nie bei subcutaner
Myo- und Tenotomie) ; 2) Durchgängigkeit des Ge-
toes bis Eom Herzen^ damit in der Diastole die
Luft angesaugt werden kann. Begünstigende Um-
sttnde sind : Starrheit der Gefässwände (durch Er-
biikuDg, Fixation an Neoplasmen , Aponeurosen^
Anspannen der Gewebe beim Operiren , Einführen
einer Kanüle u. s. w.), Weite der Vene (daher eher
toVaricen)^ grössere Nähe des Sitzes der Wunde am
Heizen^ beschleunigte Heizthätigkeit, Tiefe der Respi-
ntion. Indirekt wird das Eindringen von Luft be-
gOnstigt durch Schreien y Bewegungen des Kranken,
ünerfahrenheit , Unschlüssigkeit und Langsamkeit
dea Operateur. Bisweilen wird die Luft aber auch
kflnatlich (ohne Absicht) hineingetrieben, wie bei der
Bluttransfusion (wenn Luft schon vorher in der Spritze
var, oder wenn durch Schlagen des defibrinirten
Blutes letzteres feinste Luftbläschen enthält), bei
■edikamentösen Injektionen in die Venen, EHn-
apritzaigeii in den Uterus.
Die Symptome des Lufteintritts variiren sehr
nnd lassen sich am besten in primäre und sekundäre
eiotheUen. In sehr vielen Fällen erzeugt das Eindrin-
gen ein verschiedenes Geräusch (gross-, kleinblasig,
iddflrfend n. s. w.) ; letzteres ändert bisweilen seinen
Klang, combinirt sich mit andern Geräuschen, wie-
derholt sich u. s. w. Meist höii; man darauf am
leehten Herzen u. an derPulmonalis ein feinblasiges,
doppdzeitiges , verschiedene Zeit andauerndes Ge-
ilBScb. — Ziemlich häufig ist plötzliches Gefühl von
Beklemmung, Ausdruck von Angst und Verzweiflung
im Gesichte ; oft erfolgt nur ein Schrei und gleich
toof Ohnmacht; in den leichtesten Fällen setzt
^ Eindringen weder subjektive noch objektive
ErBcheinungen. Manchmal ist der Puls beschleu-
oigt und klein, oft findet sich Venenpuls. Die
Beapiration ist erst beschleunigt, dann verlangsamt.
Nieht selten siebt man Mydriasis. Ganz gewöhnlich
Bnd klonische , seltner tonische partielle oder allge-
DMafie Krämpfe mit folgenden paretischen und para-
lyüachen Zuständen, die bis zum Tode andauern
oder nur vorübergehend sind , wie auch die bald er-
folgende Bewusstlosigkeit. Ziemlich häufig erfolgt
^ch Urinentleerung nnd Deftkation.
Alle erwähnten Symptome können nun auch
ohne SrztKdie Hülfe gänzlich schwinden , es können
^ aber später noeh sogen, sekundäre Symptome
^eo- Die letztem, von verschiedener Dauer, sind
ii^ttmigfache Paresen und Paralysen von Muskeln,
^BlaseAhalses, des Mastdarms, Ataxie oder Hyper-
ästhesie der Haut (besonders lebhafter Pruritus), selt-
ner Anästhesie, manchmal Amaurose oder ReitbahTi-
bewegung. Die Gesichtszüge erscheinen meist ver-
ändert und die Psyche gestöi-t. Andere Male tre-
ten nach Besserung der primären Symptome allerlei
convulsive Zustände auf von sehr verschiedener
Dauer.
Die Erklärung aller dieser, bei zahlreichen
Thierversuchen festgestellten Erscheinungen ist nach
Vf. folgende. Je weiter eine oder mehrere Luft-
blasen in die Vene vordringen, desto mehr tritt eine
Verkleinerung derselben und Mischung mit dem
Finidum ein. Ein Theil wird ganz gelöst, der übrige
bildet feinen Schaum. Diese Lösung und Mischung
geschieht am vollkommensten im rechten Herzen
durch die heftigen Contraktionen desselben. Sobald
aber der Blutstrom durch Gasblasen unterbrochen
wird (eine oder mehrere grosse oder eine Reihe sehr
kleiner) beobachtet man 1) Blutstromverlangsamung,
2) Blutstase, 3) Rücklauf des Stromes nach den
Venenwurzeln hin. Die schaumige, elastische Masse
muss nämlich die Muskelkraft des Herzens und der
Gewisse allmälig schwächen , der Strom wird lang-
samer, ja kann stocken. Ist im rechten Herzen eine
gi'össere Menge von Luft vorhanden , so erschweren
die Luftblasen die Aktion der Tricuspidalis, letztere
erlahmt allmälig, bei der Systole wird ein Theil des
schaumigen Blutes in die Hohlvenen und weiteiiiin
nach der Peripherie zurückgetrieben. So können
sogar kleine Venen des grossen Kreislaufs mit Luft
verstopft werden. Wie die Tricuspidalis , so wird
auch die Pulmonalarterienklappe funktionsuntüchtig;
bei der Diastole wird dann ein Theil des schaumigen
Blutes wieder in das Herz aus der Pulmonalarterie
zurückfliessen. Je- kleiner die findgefltlsse, je elasti-
scher, je umfangreicher die Luftblasen sind, desto
leichter muss eine Embolie stattfinden mit allen
klinischen und anatomischen Störungen, welche den
embolischen Pfropfen zukommen. Die schweren
Hirn- und Rückenmarkssymptome sind auf Hirn- und
Rückenmarksembdien zu beziehen. Zunächst sind
es Venenembolien durch den rückläufigen Strom;
solche sind aber auch in den Arterien möglich
wegen der Verbindung der Arterien u. Venen durcli
Capillaren oder auch direkte Communikation an
verschiedenen Stellen. So kann Luft aus dem rech-
ten Herzen in das linke gelangen und von da weiter.
Nicht immer ist aber das linke Herz lufthaltig, wäh-
rend das rechte Herz es stets ist. Je unlöslicher
das Gas ist , desto schlimmer sind die Folgen ; die
Kohlensäure ist daher relativ unschädlich , weil sie
leicht löslich ist nnd leicht durch die Lungen aus-
geschieden wird. Die lethale Luftmenge ist je
nach den Umständen sehr verschieden; Schwache,
Anämische, Herzkranke sterben eher. Erfolgt der
Lufteintritt sehr langsam, oder in die Arterlen, oder
in entfernte oder kleine Venen, so ist die Gefahr um
so geringer. Als vorzugsweise Todesursache sieht
Vf. die v^breitele Longen- und •Gehirn-LoftemboUe
an , nicht die schnell entstehende Tricuspidaliiwutti-
[
296
Elouiy Recherches etc.
cienz oder die akate Anämie des Herzfleisches und
des Gehirns. Die Therapie ist bei Luftembolie ohu-
mächtig. Dagegen kann die Prophylaxe Viel leisten.
Man vermeide so viel als möglich die EröfEnnng der
Venen ; geht es nicht anders (z. B. durch Aderlass,
medikamentöse Injektion, Transfusion von Blut), so
wähle man keine grossen u. dem Herzen nahen Ge-
wisse. Bei der indirekten Bluttransfusion ist es wich-
tig y das defibrinirte Blut etwas über Blutwärme zu
erwärmen und wiederholt und sorgsam zu filtriren.
Die direkte Transfusion ist gefahrloser. Von Binfluss
ist auch die Narkose , weil sie den Kr. am Schreien
u. s. w. hindert. Luftresorption bei künstlicher Blut-
leere ist unmöglich , ebenso wie auch beim Operiren
unter Wasser ; letzteres ist aber meist nicht auszu-
führen. Grosse Vorsicht erheischen Operationen in
der Brust- und Halsgegend. Man comprimire die
Venen central oder unterbinde sie doppelt , um in
der Mitte durchzuschneiden , comprimiife aber nicht
die Vene peripher von der Wunde, zerre auch nicht
an der Geschwulst. Nach heftigen Uterinblntungen
(nach erfolgter Gebui; oder Abortus) binde man die
Beine zusammen, rege die Uteruscontraktionen an
oder tamponire die Höhle.
Ist aber Luft bereits eingedrungen , so hindere
man den weitern Eintritt durch schnellen Verschluss
der Oeffnung. Mittel , die Luft ans dem Blute zu
entfernen , sind machtlos , ebenso unnütz der Ader-
lass. Gegen die Bewusstlosigkeit ist neben Fara-
disation des Vagus die künstliche Respiration am
meisten zu empfehlen ; sie mussaber lange fortgesetzt
werden. Daneben sind äusserlich und innerlich Sti-
mulantien aller Art anzuwenden. Empfehlenswerth
erscheinen auch, wo es angeht, Sauerstoff-Inhala-
tionen. Näcke, Sonnenstein.
Der Fall von tödtlichem Ausgang der ExsHrpation
ekies faustgroasen Fungus durae matris in Folge von Ein-
tritt von Luft m den geöffneten Sinus longitudinaUs, wel-
chen Vachetta (nach einer kurzen Notiz von Prof.
Volkmann am Schlosse der Abhandlung des Prof.
Fischer) in seiner Tabelle unter Nr. 94 erwähnt, ist
von Dr. A. Genzmer (Arch. f. klin. Chir. XXI. 3.
p. 664. 1877) ansfahrlioher beschrieben worden.
Bei einer 63Jähr. Frau hatte sich seit 2 J. in der
Gegend des hintern Endes der Pfeilaaht eine Anschwel-
lung entwickelt, welche als ein von den Hirnhäuten
ausgehender, die Calvaria durchbrechender Tumor dia-
gnosticirt wurde. Eine Betheiligung der Hirnsubstanz
Hess sich wegen gänzlichen Fehlens isolirter Lähmungs-
und Beizungserscheinungen ausschliessen (5. März 1876).
Während des Aufenthaltes in der Klinik wuchs der Tumor
(wie sich später herausstellte, ein kleinzelliges Spindel-
zellen-Sarkom) sehr rasch, es traten nervöse Symptome
auf, 80 dass Prof. Volkmann sich zur Exstirpation ent-
schloss (2. April 1876).
Nach Spaltung der Haut (antiseptisoh) und Abscha-
bung des Periost wurde der scharfrandige Knochendefekt
mit einer Lu^r'schen Hohlmeisselzange auf 7 u. 8 Ctmtr.
Durchmesser erweitert. Der faustgrosse Tumor hing
fiberall fest mit der Dnra-mater zusammen. Derselbe
wurde rings umschnitten und als bei starkem Anziehen
der Geschwulst die Verbindung mit der Falx cerebri unter
kolossaler Blutung gel5st werden sollte, hörte man plötz-
lich das für den Lnfteintritt in Venen charakteristische
schlurfende Geräusch. In diesem Augenblicke lag die
Kr. im tiefsten CoUapsus mit schnarchendem, aussetzen-
dem Athem da. Die Operation wurde rasch beendigt;
nochmals wurde der Tumor stark angezogen und wieder
hörte man in dem Augenblicke, als die letzten Verbindnn-
gen mit der Falx dicht im Sinus longitudinalis mit dem
S. transversus getrennt wurden und man das Operations-
feld blutleer tupfte, das charakteristische Schlurfen. Die
Pat. starb bald darauf; Einwickelung der Extremitäten
mit elastischen Binden und andere Mittel waren ohne Er-
folg gewesen.
Bei der Sektion fand man das rechte Hera mit Loft
geffillt, auch die Lungenarterien und subplenralen Gefiwe
waren theilweise mit Luft injicirt. Im linken Herzen
war keine Luft. Die Anämie war nicht hochgradig. In
der Dnra-mater fand sich ein der Schädelöffnung ei^
sprechender Defekt , in welchen der Sinus longitudioalii
mündete. Die äussern Wandungen des Tomor wurden
fiberall von Resten unveränderter Dura-mater gebildet.
Da eine derartige Beobachtung noch nicht yorliegt,
so studirte G. die Möglichkeit des Eintritts von Luft hi
den S. longitud. an Hunden. Es fand sich anter 9 Ver-
suchen 6mal Luft im Herzen vor. Nicht jede einfaclie
Inspirationsbewegung reichte hin, um Adspiration yon;
Luft zu bewirken, sondern es gehörten dazu ganz be-l
sonders kräftige Inspirationen. Von 8 Thieren, die wilh
rend des Experimentes durch eine Trachealkanüle atb*
meten, adspirirte nur das eine Luft, bei welchem dieselbe
verschlossen und dadurch Dyspnoe erzengt worden war.
Als hauptsächliches unterstfitzendes Mittel ist noch dns
sorgfältige Entfernen des Blutes vom Operationsgebiet zn
bezeichnen.
Zur Vermeidung der Adspiration von Luft bei er-
öffnetem Himsinus muss man daffir sorgen, dass 1) der
Blutdruck nicht zu sehr gesunken ist, 2) der Kr. keine
heftigen Inspirationsbewegungen macht, 8) die Shias-
wunde immer durch ehie Flfissigkeitssohicht von der Loft
abgesperrt ist. Bedaktion.
43. Beoherches histologiques sur le tissa
oonneotif de la oornöe des animaux ver-
tebris; par le Docteur en m^d. Eloni, €\h^
de la mission ^gyptienne en France etc. Avee
6 planches lithogr. desain^ d*apr^s uatore.
Paris 1881. J. B. Bailli^re et fils. gr. 8.
139 pp. 1)
Es ist an dieser Stelle nicht unsere Angabe,
diese der vergleichenden Anatomie zugehörige i^beit
eingehend zu besprechen. Wir wollen aber darauf
hinweisen, dass der Vf. zumTheil wesentlich andere
Anschauungen über den Bau der Homhant vertritti
als bisher gehegt wurden. Von SaftkanAlchen and
von £otrman'schen Röhren will derselbe nichts wis-
sen, er hält sie für Eunstprodukte. Auf teleologi-
schem Princip fussend, setzt er auseinander, waram
die Hornhaut keine elastischen Fasern haben kann.
Er findet in derselben den allgemeinen T^us der
fibrösen Membranen „ä plans stratifi^". Die Apo-
neurosen, die Haut, die Sklera sind successive mor-
phologische Staffeln zwischen den Sehnen und dem
Bindegewebe der Hornhaut. In der Hornhaut ist
dieser Typus zur höchsten Ausbildung gelangt. Das
System parallel gelagerter Bündel verbürgt die
grösstmögliche Durchsichtigkeit , das damit verbun-
dene der bogenförmigen oder perforirenden Fssem
verbüi'gt gleichzeitig die Festigkeit. Es war absolot
0 Verbindlichsten Dank für direkte Zuseadimg. ^*
Beiträge zur Ophthalmologie.
297
lothweiidig, dus die fixen Zellenelemente in einer
ganz regehnftaaigen Lage, entsprechend der Flüchen-
richtong des Bindegewebes, angeordnet sind. Freie
ESome, mn Bewegung zu gestatten , durften nicht
eiiatiien, da jede Verftnderang in der Richtung der
gekrflmmten Fläche die Durchsichtigkeit beeinträch-
tig Auch mussten diese Zellen und ihr Proto-
pUflua das gleiche Breohungsvermögen haben.
In der lebenden Hornhaut sieht man daher selbst
bd der stärksten Vergrösserung keine fixen Zellen.
IM die cadaverOse Zersetzung oder ehem. Agentien,
weldie ihre Brechung des Lichts verändern, ver-
ndgen sie Bichtil>ar zu machen. Auch findet der
Aotor m dem Bau der Hornhaut Analogien zu dem
Gefilge des Eaioipelgewebes. Die Bindegewebs-
blbidel sind gewissermaassen in euie transparente
KDorpdsubstanz eingesenkt , ähnlich wie die fibrö-
KD I^m in der Nachbarschaft des Perichondrium
in die Lage eines hyalinen Knorpels eindringen.
Oeissler.
44. Beitrage rar Ophthalmologie, als Fest-
gabe Friedrich Homer zur Feier des
25jähr. Jubiläum seiner akademischen Lehr-
thätigkeit gewidmet von Marc Dufour in
Lausanne, Otto Haab und Max Knies in
Zflrichy Julius Michel in Wflrzburg, Wil-
helm Schön in Leipzig und 0. F« Wads-
wort h in Boston. Mit Abbildungen. Wies-
baden 1881. J. F. Bergmann. 8. 167 S.
(6Mk.)
Da diese Schrift im Wesentlichen der speciellen
oeaMschen Forschung angehörige Themata enthält,
wird es hier genügen, durch eine kurze Inhaltsangabe
inf cBe ehizelnen Arbdten den Leser aufmerksam zu
machen. Wir behalten uns dabei vor, gelegentlich
bei den Referaten über verwandte Gebiete auf diese
Pablikationen zurückzukommen. Die Reihe der sieben
in dieser Festachrift abgedruckten Arbeiten ist die
folgende.
Michel (p. 1 — 51) hat Untersuchungen ange-
stellt über fsdas Verhalten des Auges bei Störung
gen im OirktUaHonsgebiete der Carotis". Diese
eröffiien eine sehr weite Perspektive, indem sie, wie
68 seheint, einen Fingerzeig ftr die noch sehr dunkle
Aetiologie des Altersstaares gewähren. M. hat näm-
lieh gefunden, dass einseitiges Atherotn der Carotis
mit Linsenstaar derselben Seite, doppelseitiges Athe-
itHD der Carotis auch mit doppelseitiger Katarakte
tters vereint auftritt.
Knies (p. 53—97) erörtert in einem Artikel
tfibir sympaihisehe Augenerkrankung'* insbesondere
die Frage , welche Formen mit wirklichem Rechte
danmter gezählt werden dürfen. Bezüglich der
finuelestion steht er auf dem Standpunkte, diese
Operation prophylaktisch immer vorzunehmen, wenn
das zuerst erkrankte Auge ohnehin verloren ist, da-
gegen bezweifelt er deren Nutzen bei wirklich be-
Med. Jsliri>b. Bd. 191. Hft. 8.
reits ausgebrochener Entzündung des zweiten Auges.
Die Iritis serosa hält er nur für das Anfangsstadium
der Iritis plastica, nicht aber fllreine besondere milde
Form.
Wadsworth(p. 99—108) behandelt in eng-
lischer Sprache „die Fovea centralis des Menschen",
giebt Messungen der verschiedenen Netzhautlagen
an dieser Stelle der Macula lutea und der Form
dieser Grube.
Marc Dufour (p. 109—124) giebt in fran-
zdaischer Sprache casuistische Beiträge zu der Frage
„über die Wirkung der Iridektomie bei dem an-
gebomen Hydrophthalmus" .
Schön (p. 125—129) verbreitet sich über den
„Aplanatisimus der Hornhaut" und stellt eine Be-
rechnung über Cnrven 4. Grades an, welche der ge-
wöhnlich angenommenen Homhautkrümmung am
nächsten kommen.
Ha ab (p. 131 — 157) giebt einen ausfbhrlichen
Sektionsbericht über eine 27jähr. Idiotin mit doppel-
seitigem Anophihalmus. Letzterer war, wie man
diess auch im Leben vermuthet hatte , in Wahrheit
ein Mikrophthalmus von 4.5 Mmtr. Durchm. des
rechten und 3.5 Mmtr. Durchm. des linken Bulbus,
an welchem Sklera, Aderhaut, Pigmentepithel,
Retinaelemente nachweisbar waren, Bindehaut,
Cornea, Iris und Linse aber fehlten. Besonders
aufOÜlig war, dass sämmüiche Muskeln, wiewohl sie
nicht an dem Bulbusrudiment, sondern an einer in
der Augenhöhle ausgespannten Membran sich inse-
rirten, in ganz normaler Länge und Dicke vorhanden
waren , wie auch die Orbita selbst die normale Ge-
räumigkeit hatte. Das Chiasma fehlte total, die
Tractus optici waren nur noch als dünne Fädchen
wahrnehmbar. Das Corpus geniculatum extemum
fehlte ganz, das Corp. genic. intemum war vor-
handen. Die Sehhügel erschienen etwas abgeflacht,
die Vierhügel waren anscheinend normal.
Endlich bespricht Haab (p. 159—167) noch
den Micrococeus der Blennorrhoea neonatorum.
Er sagt , dass derselbe identisch zu sein scheine mit
dem des Trippers der Harnröhre und der Tripper-
ophthalmie. Die Kokken befinden sich fast nur auf
den Kernen oder dem Protoplasma der Eiterkörper-
chen , lassen aber die intercellulare Flüssigkeit fast
ganz frei. Sie färben sich mit Methylviolett sehr
stark, sind mittels Hartn. Nr. 7 erkennbar und mittels
Nr. 10 in Diplokokken und Gruppen von Einzel-
individuen auflösbar. Gewöhnlich liegen 2 Kugeln
durch einen ganz kleinen Zwischenraum getrennt bei
einander. Sie sind etwas grösser als die gewöhn-
lichen Fäulnisskugelbakterien und die des Sekrets
einer Thränensackblennorrhöe. — Prophylaktisch
empfiehlt H. das Resorcin in 2proc. Lösung zum
Auspinseln der Lider, da dasselbe nicht reizt und
deshalb auch in den Händen von Hebammen nicht
so gefährlich ist wie die Oarbolsänre. G e i s s l e r.
38
298
Moore 11) Glankombehandlang. — Brosius, psychiatr. Wirksamkeit.
45. Beiträge zur klinisohen und operativen
Glaukombehandlung; von Dr. Albert
Mooren, dirigir. Arzt d. städt. Augenklinik
zu Düsseldorf. Düsseldorf 1881. L. Voss n.
Comp. 8. 36 8. ^
M. theilt in dieser kleinen Schrift zunächst einige
seltene Beobachtungen von Glaukom mit, welche den
Ausbruch dieser Krankheit nach nenritischen Pro-
cessen in den peripheren oder centralen Theilen des
N. trigeminus dokumentiren. Weiterhin kommt er
dann auf die Sklerotomie zu sprechen , die er nur
für Ausnahmsfälle gelten lassen will. Zu diesen
rechnet er diejenigen Formen von Gl. simplex, die
fflch durch ungewöhnliche Empfindlichkeit der davon
befallenen Personen fbr Licht auszeichnen , so dass
die Pat. selbst bei geschlossenen Augen von Licht-
erscheinungen gequält werden. Auch giebt M. zu,
dass bei Gl. simplex überhaupt die Sklerotomie vor-
zuziehen sei , da die Iridektomie , wenn sie zufällig
eine Iritis zur Folge hätte , den Uebergang in ein
complicirtes Glaukom nur beschleunigen würde.
Dringend warnt er auch vor Ausführung der Iridek-
tomie, wenn die Pat. eine beträchtliche concentrische
Sehfeldbescfaränkung haben und im Urin sichEiweiss
findet. Beim chronisch entzündlichen Glaukom muss
überhaupt, wenn bereits excentrisch fixirt wird, jeder
Reizzustand vermieden werden, deshalb ist auch hier
die Sklerotomie zu wählen. Das Gleiche gilt f&r
solche Fälle , die bereits ein stai'k verdünntes Iris-
gewebe aufweisen. Im Uebrigen aber hält M. ins-
besondere für das akute entzündliche Glaukom den
Nutzen der Iridektomie für überwiegend, da dieselbe
nicht blos Nerven durchschneidet, sondern ausschneidet
und dabei auch ein Stück des infiltrirten Irisgewebes
entfernt wird. Geissler.
46. Aus meiner psychiatrisohen Wirksam-
keit. Eine zweite Adresse an d. prakt. Aerzte
von Dr. G. M. Brosins. Wiesbaden 1881.
J. F. Bergmann. 8. 58 S.
Die zahlreichen Fälle von beginnenden Psycho-
sen , welche den praktischen Aerzten , insbesondere
Hausärzten in ihrer Familien - Praxis vorkommen,
bereiten denselben oft bei der Frage , was zu thun
sei , grosse Verlegenheiten. Und doch sind sie ge-
rade die nächsten und competentesten Quellen fOr
die Erkenntniss der ätiologischen Momente , wie sie
in der Lebensweise , den Familienverhältnissen und
namentlich in der Erblichkeitsfrage gegeben sind.
Es ist daher für dieselben von Wichtigkeit , derglei-
chen praktische Fragen in einer Abhandlung, wie
die vorliegende, rückhaltlos und klar beantwortet
zu finden , da die Hand- und Lehrbücher über Psy-
chiatrie gerade hierüber nicht den sicheren Anhalt
geben.
Vf. bespricht an derEbind einer kleinen Statistik
seiner Privat -Irren -Anstalt und mit Hinzufttgung
^iner Anzahl erläuternder Beispiele, wie er dless
schon in seiner ersten Adresse (Berlin 1878. A.
0 Für die Uebersendmig dankt verbindlich Wr.
Hirschwald) gethan , die filr das Publikum wie fftr
die prakt. Aerzte wichtigsten Fragen und giebt la-
nächst einen praktischen Anhalt zur BetirtheUung
eines Krankheitsfalles , um den verschiedenartigstea
Klassifikationen in den Lehrbüchern aus dem Wege
zu gehen. Er stellt folgende Gesichtspunkte auf:
1) in welcher Weise das Denken gestört ist;
2) welche Gehirn- u. Nervensymptome u. 3) welche
extraoerebralen Störungen vorhanden «nd ; 4) wann
und wie die Krankheit begonnen und in ihrem Ver-
laufe sich gestaltet hat; 6) welches die vermuthlicheii
Ursachen sbid. Die ausserordentlich wichtige Frage
über die Verheirathung früher Geisteskranker ist
zwar noch nicht endgültig entschieden , aber so viel
ist sicher, dass die Heirath keinen Schutz gegen
Rückfall gewährt, obwohl nicht in jedem Falle von
einer solchen Verheirathung abznrathen ist. &
kommt eben auf die speciellen häuslichen Verhilt*,
nisse an , die bei geistig gestörten Ehefrauen in derj
Familie oft die peinlichsten Verlegenheiten bereites |
wegen derTheilnahme des unberechtigten Publikums'
und dessen skandalsüchtiger Einmischung. Bei Epi*
leptikem aber ist eine Verheirathung wegen deri
eminenten Erblichkeit und des degenerativen Ein-
flusses entschieden verwerflich. In Bezug auf das^
einzuschlagende Regime bei beginnenden Psychoaeo,
insbesondere bei frischer Melancholie, hält Vf. er-
fahmngsgemäss die Einsamkeit und die Femhaitang
aller psychischen und sensoriellen Reize ftlr empfeh-
lenswerth und verwirft entsdiieden die Zerstreuung»*
theorie und -Therapie, wie sie die Bäder, Reises
u. s. w. bieten. Ueberhanpt spricht er sich warnend
gegen die allzu lange Anwendung der Sedativa,
Morphium , Chloral , Hyoscyamin , Bromkalium ete.,
aus, wegen ihrer unsichem und unberechenbaren
Einwirkung auf das kranke Gehirn , und fllhrt die
Erfahrungen anderer Autoren als Beweis an. Sn-
gegen redet er der Darreichung von Bier, Wdn und
Alkohol mit Vorliebe das Wort, wie er überhaupt
fftr die möglichst gute und reichliche Ernährung
plaidirt.
Die Rückfälligkeit des Irreseins beruht haupt-
sächlich auf Erbanlage und auf duroh ungünstige
Lebensverhältnisse herbeigeführter erworbener Dis-
position. Und hier ruft Vf. hauptsächlich die Mithülfe
der praktischen Aei*zte an, um die Aufnahme ia An-
stalten möglichst zu beschleunigen. Diess gilt nament-
lich bei frischen Fällen von Irresein, wo die Sehen
vor den Anstalten in der Familie oft ein unüber-
windliches Hindemiss entgegenstellt. Unter solchen
Umständen räth Vf. zunächst die Unterbringung in
einer Wasserheilanstalt oder den ruhigen Landaufint-
halt, jedenfalls aber Trennung von der Familie an.
Die Rückkehr der noch nicht Genesenen in die Fk-
milie ist in den seltensten Fällen nützlich und von
Dauer, sie werden missverstanden und entbehrendes
ärztlichen und staatlichen Schutzes (nur in derProv.
Schlesien und in Oesterrdch smd die Physid mr
Gontrole derselben angewiesen). Ganz besonden
frühzeitig sollten die Paralytiker , die f&r gewöhn-
Handbach der geiichtl. Medioin.
299
fofa ent fldur spät in die Anstalt kommen , unter
Gootrole gestellt werden wegen der drohenden Ge-
üriireD ftbr ihre Person , Familie und fftr das Ver-
BMgeo. Vf. illostrirt dergleichen verkannte Para-
lysen doreh Beispiele, in denen die Pat durch Ver-
sehwendnngy sinnlose Spekulationen, Widersetzlich-
keiten, insolente Handlungen aller Art mit BehOr-
deD und Privatpersonen in die skandalösesten Con-
ffikte gerathen sipd und zu spät als krank erkannt
wurden, nachdem sie zuvor Vermögen, Ehre und
Lebeosgiflck der Familie minirt hatten.
In ähnlicher Weise gilt diese auch von den
Zißtmgfvorstellungen , welche Bezeichnung zuerst
lonKrafft-Ebing gebraucht worden ist, d.h.
TonteUangen, welche sich dem Kranken gewaltsam
infdriogen u. ihn nicht wieder verlassen. Im Grunde
iber gehören dieselben nach Br. der Melancholie
ji, denn stets sind sie mit Oemflthsverstimmung
leiiHmden und treten bald primär, bald sekundär
ii Verlaufe der bereits bestehenden melancholischen
Yentimmung auf. Aber sie unterscheiden sich von
den Hallacinationen dadurch, dass die Kranken sich
ier falschen Vorstellungen bewusst sind und sich
mr nicht davon los machen können. Wenn sie auch
wht direkt den WahnvcrsUllungen zuzurechnen
and, so treten sie doch oft mit einem Affekt auf, der
nter dem Einflüsse der Stimmung zu entsprechen-
deo, selbst geftbrlichen Handlungen ftthren kann.
Die Zusammenfassung aller dieser ans der un-
mittelbaren Anschauung gewonnenen psychiatrischen
Fragen sind ganz dazu angethan , den praktischen
Ant so recht mitten hinein zu filhren in die Vor-
bimmiBse des praktischen Lebens, und machen diese
Abhandlung zn einer sehr empfehlenswerthen Lek-
ilre. Köhler, Colditz.
47. Handbuch der geriohtliohen Medioin;
bearbeitet von Janowsky, Eulenberg,
Blumenstock, Weil, Hasner, Traut-
mann, Dragendorff, Oesterlen,
Schauenstein, Maschka, Beloh-
radsky, Falck (Kiel), Falk (Berlin),
Skrzecka, herausgegeben v(m Joseph
Maschka. 1. Bd. Tflbingen 1881. Laupp.
gr. 8. 1031 S. mit Holzschn. u. 1 lithogr.
Farbentafel. (16 Mk.)
Wie auf andern Gebieten der Hedicin u. Natnr-
vifleensehaft Sammelwerke mit monographischer Be-
ubeHong der einzelnen Gegenstände durch Autoren,
welehe in Folge specieller Studien und Erfahrungen
^ besonders berufen sind, in der letzten Zeit Aber
die von emer Hand verfassten Lehrbficher überwie-
sen, 80 sind auch fbr das vorliegende Werk von
einem berOhmten Gericfatsarzte und hervorragenden
ibdemischen Lehrer Mitarbeiter gewonnen worden,
ton Namen in dem von ihnen vertretenen Fache
Wn guten Klang haben. Die einzelnen Abschnitte
<b Boches geben dann in stetem Hinblick auf die
pnktisdien Bedflrfnisse der forensischen Medicm
^ nn&ssende Daistellnng der Disciplin auf Grund
der neuesten wissenschaftlichen Forschungen , eines
reichen, zum Theil hier zum ersten Male zusammen-
gestellten und gesichteten Materials und eigner
Untersuchungen der Autoren. Insbesondere haben
in denjenigen Oapiteln , die auf der normalen und
pathologischen Physiologie und der Chirurgie basiren,
die gegenwärtig maassgebenden Anschauungen ihren
Ausdruck gefunden.
Nach einem von Janowskyin Prag gegebenen
geschichtlichen Ueberblick der Entwicklung der ge-
richtlichen Medicin stellt Eulenberg die Aufgaben
des Gerichtsarztes bei Vornahme von Untersuchun-
gen und Abgabe von Gutachten auf Grund der in
Oesterreich und im deutschen Reiche geltenden ge-
setzlichen Bestimmungen dar, insbesondere wird eine
formelle Anleitung ftr das Verfahren bei der Lei-
chenbesichtigung und -Oeffiiung nebst einer kurzen
Erläuterung der wichtigsten Leichenbefunde und
ihrer Deutung gegeben.
In der Lehre von den Verlitsungen in gerichts-
ärztlicher Beziehung erörtert Prof. Blumenstock
in Krakau die Arten der Verletzungen im Sinne der
Strafgesetze ; er unterwirft hierbei sowohl das deutsche
als das österreichische, insbesondere das letztere,
sowie die betr. Strafprocessordnung einer kritischen
Besprechung, welche schätzbare Beiträge zu derein-
stigen neuen gesetzlichen Bestimmungei;i bietet. Auf
Ref. macht es den Emdruck, als ob die Beibehaltung
der Lethalitätsgrade, sowie der vorgeschriebenen
Fragen, welche von den vorhandenen Körperver-
letzungen an und für sich oder in ihrem Zusammen-
wirken unbedingt oder unter den besondem Umstän-
den des Falles als leichte, schwere oder lebens-
gefiUirliche anzusehen seien , in Oesterreich mitunter
Anlass zn Auseinandersetzungen allgemeiner Art
gebe, während die deutschen Bestimmungen — vom
Militär-Straf-Gesetzbuch abgesehen — die gutacht-
liche Thätigkeit des Gerichtsarztee mehr darauf ein-
schränken, sich Aber die thatsächlichen Folgen zu
äussern, welche in dem vorliegenden einzelnen Falle
aus der Verletzung hervorgegangen sind. Bemerkens-
werth ist die österreichische Vorschrift, dass jede
körperliche Beschädigung auch am Lebenden von
zwei Sachverständigen zu besichtigen sei.
Die Entstehung der tMckanisch^n Verletzungen
ist mit besonderer Berflcksichtigung der Excoriatio-
nen, Gontusionen, Schnitt-, Hieb- und Schusswun-
den von Prof. Carl Weil mPrag bearbeitet. Nach
eingehender Besprechung der Fragen : Welcher Art
war das verletzende Werkzeug? Hat das vorlie-
gende Werkzeug die incriminirte Verletzung erzeugt?
Wie wurde das verletzende Werkzeug gebraucht?
werden die einzelnen Arten der Verletzungen und
Wunden chirurgisch und forensisch beleuchtet. Sehr
ernstlich warnt Weil bei dieser Gelegenheit die Ge-
richtsärzte davor, zum Zwecke der Feststellung einer
genauen Diagnose die Wunden mit Sonden oder
Fingern zu untersuchen , insbesondere unter Ausser-
achtlassung der minutiösesten antiseptischen Can-
telen. In zahlreichen, wohl constatirten Fällen haben
300
Handbuch der gerichtl. Medicin.
solche UntersuchuDgen tödüich verianfende Erysipele,
Phlegmonen , Sepsis und Pyämie zur Folge gehabt.
Bei den Schnittwunden wird bemerkt , dass die Hei-
lung derselben nicht von ihrer oberflächlichen Lage
oder ihrer Tiefe abhänge , da eine reine , nicht infi-
cirte Schnittwunde nie eitere ; wie denn überhaupt
der EinfluBS der antiseptischen Wundbehandlung bei
der Bedeutung der Verletzungen ttberall seine Stelle
findet. In dem topographischen Theil des Abschnitts
wird bei den Halsverletzungen der event. Nothwen-
digkeit der Tracheotomie Erwähnung gethan ; den
Rückenmarksaffektionen nach EisenbahnunfUlen ist
die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet, wie
auch dem antiseptischen Verfahren und der Rippen-
resektion bei Lungenwunden.
Die Verletzungen des Auges in gerichtsärztlicher
Hinsicht sind von Prof. H a s n e r in Prag dargestellt
Es werden zunächst alle Hül&mittel und Cautelen
angeführt, um simulirte und absichtlich erzengte
Augenkrankheiten zu entdecken, sodann die Com-
motionsverletzungen, sowie die Verwundungen des
Auges mit zurückbleibenden Fremdkörpern und ohne
dieselben geschildert ; eingehend werden hierbei die
Indikationen zur Exstirpatio bulbi wegen sympathi-
scher Iridocyklitis erörtert Es schliessen sich daran
die Verbrennungen und Intoxikationen des Auges.
Dr. Trautmann in Berlin handelt von den
Verletzungen des Ohres in gerichtsärztlicher Be-
ziehung. Das Haematoma auriculae fllhrt Tr. auf
eine traumatische Entstehung zurück, bei Geistes-
kranken könne dasselbe leicht durch rohe Behand-
lung Seitens der Wärter hervorgebracht sein. Sehr
heftige Entzündung des Mittelohrs mit nachfolgender
Eiterung könne nicht nur durch ätzende Flüssigkeit,
sondern schon durch kaltes Wasser , welches in den
äussern Gehörgang dringt, hervorgerufen werden.
Auch bei den grössten Perforationen des Trommel-
fells sei die Möglichkeit der Heilung gegeben. Das
Verfahren, sich gegen übertriebene oder falsche An-
gaben in Bezug auf dasGehörsvermÖgen zu schützen,
wird kurz auseinandergesetzt
Zur Beurtheilung äet Narben lenkt Prof. Weil
die Aufmerksamkeit des Gerichtsarztes zunächst auf
die Abkunft derselben, ob sie traumatisch oder patho-
logisch entstanden, unterscheidet die sogen, falschen
Narben , giebt Anhaltspunkte zur Beurtheilung des
Alters der Narben , der durch dieselben bedingten
Folgezustände, Verunstaltungen und Funktionsstö-
rungen , und hebt ihre Bedeutung als Merkmale zur
Feststellung der Identität hervor.
Die Frage, ob Mord, Selbstmord oder ZufaUf
ist von Prof. Blumenstock eingehend behandelt
In sehr instruktiver Weise giebt Prof. D ragen-
der ff in Dorpat Anleitung zur Untersuchung von
Blutspuren; die Reihenfolge und der Gang der
Untersuchung auch bei geringem vorhandenen Ma-
terial wird im Einzelnen dargestellt. Zur Gonservi-
rung des Blutes wird eine gleiche Menge Borax-
lösung empfohlen, da alsdann das Hämoglobin noch
nach 2 Mon. in der Zimmerwärme vor Zersetzung
geschützt sei. Die Zeichen für die Abstammung doB
Blutes und das Alter der BlaUecken auf verschie-
denen Stoffen und Werkzeugen werden angeführt
Eine beigegebene Tafel zeigt die spektroskopischea
und mikroskopischen Befunde bei Blutuntersuchnn-
gen.
Abbildungen wären auch bei dem nachfolgendeo
Capitel : die Untersuchung von Haaren von Prof.
Oesterlen in Tübingen am Platze gewesen. Ob
Menschen- oder Thierhaar? von welcher Körper-
stelle das Haar stamme, ob von dem einen oder dem
andern Individuum , ob es ausgefallen , ausgensBen
oder abgeschnitten? darüber theilt Vf. die Ergeb-
nisse seiner Studien mit.
Wie die Spuren von Fusstritten und Werk-
zeugen zu untersuchen und zu conserviren seien,
wird von Prof. Schanenstein in Graz abge-i
handelt. |
Der wichtige Abschnitt „ Tod durch Erstiehm^* |
ist von Prof. Maschka nach eigenen Erfahrungoi
in khu^r und bündiger Weise bearbeitet. M. erklirt
bei dieser Todesart die Hyperämie der Schleimhant
des Rachens und des Schlundkopfes im Verein mü
andern Erstickungszeichen für sehr berücksichtignngs-
würdig; der Blutrdchthum der Nieren sei bei dersel-
ben keine blose Leichenerscheinung. Szabinsky'a
Angabe, dass nach Erstickung die Milz anämisck
und runzlig werde, kann M. nicht bestätigen. Beim
Erhängen werde der Zungengrund gehoben, der
Kehldeckel an die hintere Rachenwand gepreest,
Stillstand des Herzens durch Gompression der Vagi
trete hierbei nicht ein ; bläuliche Färbung des freiea
Randes der Lippen hatM. bei 153 Erhängten 98mil
gefunden.
Der Tod durch Ertrinken ist von Dr. Beloli*
radsky in Prag, der durch Verblutung von ProL
Oesterlen, der durch Entziehung von Naknmf
von Prof. Falck in Kiel, der durch Verbrennung
und Verbrühung hervorgebrachte von Kreisphyaün»
Dr. F a 1 k in Berlin bearbeitet Der Letztere weisl
auf die mikroskopische Untersuchung der betroffenett
Hautstellen behufs Unterscheidung vitaler und post-
mortaler Verbrennung hin, indem bei der ersten
innerhalb der Oapillaren die Blutkörperchen zerstört
sind und das Blut geronnen und zu einer oompakten
Masse zusammengebacken ist. Es folgt die Darstel-
lung des Todes durch Erfrieren von Blumen-
stock, Blitzschlag von Oesterlen, derGesuod-
heitsschiädigungen und des Todes durdi psyehischs
Insulte von Schauenstein.
Den Schluss des Bandes bildet die vorrtgücfae
Abhandlung iXberdeaat Kindesmord von Skrzecka.
Nach Wiedergabe und Erläuterung der einschlägiges
Gesetzesvorschriften wird der Begriff des Kindes-
mordes definirt , die Häufigkeit desselben statistiseh
beleuchtet , die Aufgaben der gerichtliehen Medidn
bei Feststellung des Thatbestandes und die Art der
Untersuchung dargestellt, insbesondere was das Ent*
wicklungsalter und die Reife des Kindes betiifit; die
Sonnenschein-ClasseDy Handbuch der ger. Chemie.
301
Alge, ob das Kind in oder gleich nach der Geburt
gelebt, wie lange es gelebt hat und wie lange es
todt ist, ob es filhig war, das Leben auch ausserhalb
der Matter fortzusetzen. Mit Recht werden die Be-
aehSdjgungen und Gefahren des Kindes in Folge des
Gebartsherganges und die in Folge vorsätzlicher, die
TddtoDg bezweckender Eingriffe gewöhnlich ent-
fltdieDden sehr eingehend abgehandelt u. differenzirt,
oimentlich Knochenbrflche , die durch die Geburt
nibet und solche , die durch anderweite Gewalt her-
mgebiacht sind, sowie die Ossifikationsdefekte, fer-
m die Wirkungen und Spuren der Selbsthtllfe Sei-
ta der Mntter und die Unterschiede in dem Tode
durah Erstickung in und nach der Geburt.
Jedem Capitel des Buches ist ein Literaturver-
nichniss vorausgeschickt und an geeigneten Stellen
■od casuistische Beispiele eingefügt. Die Ausstat-
tuDg des Werkes ist vorzOglich, doch wäre eine
grdflsere Anzahl von Abbildungen mit Dank aufge-
Mwunen worden. Schlockow.
48. F. Ii. Sonnenaohein's Handbuch der ge-
riohtliohen Chemie ; neu bearbeitet von Dr.
Alexander Classen, o. Prof. d. Chemie
an d. techn. Hochschule zu Aachen. Zweite
gänzlich tungearb. Auflage. Berlin 1881.
A. Hiraehwald. 8. XII u. 560 S. Mit 58 Holz-
schnitten u. 1 Tafel. (14 Bik.)
Bei der grossen Beliebtheit und Autorität, welche
Sonnenschein 's Handbuch der gerichtl. Chemie
nnter forensischen Chemikern und Aerzten, sowie
unter Juristen besass, muss es als ein verdienstliches
md dankenswerthes Unternehmen bezeichnet wer-
den, dass Gl. den analytischen Theil des Buches
den bedeutenden Fortschritten der Wissenschaft ent-
qmchend umgearbeitet und die Geschichte der Ca-
nistik durch eigene Erfahrungen bereichert hat.
Kne kurze historische Einleitung und Bibliographie,
eine Erörterung der auf den Handel mit Giften,
uf Giftmord u. s. w. bezflglichen Paragraphen des
Reiehsstrafgesetzbuchs und eine Darstellung des
üntennchungsganges beim Nachweis von Vergiftun-
gen, auf Grund des Regulativs vom G. Jan. 1875
geht dem speciellen Theil des Buches voraus. Der
letztere zerfiUlt in 2Theile: 1) in die toxikologischen
Untersuchungen, 2) in die gerichtlich -chemischen
ond mikroskopischen Untersuchungen, welche mit
Vergiftungen nteht in Verbindung stehen.
Der Hauptvorzug des Buches und besonders des
speeiellen toxikologischen Theils ist die Klarheit und
Kflize der Darstellung. Die Eigenschaften aller
anorganischen und organischen Gifte (ca. 200), ihr
Verhalten zu Reagentien , der qualitative Nachweis
und die quantitative Bestimmung werden auf nur
300 Seiten in erschöpfender Weise behandelt. Dabei
finden auch noch der Leichenbefund bei den einzelnen
Vergiftungen und die Lehre von den Antidoten, sowie
die onendliche Variation in der Art der Anwendung
der Qifte zu Zwecken des Mordes und Selbstmordes,
ItWeres auf Grund reicher Erfahrungen und der
besten F&lle aus der Literatur, eingehende Berttck«
sichtigung.
Leider sind die Angaben ttber die quantitative
Bestimmung bei einigen Körpern etwas knapp ge-
halten und daher auch für den geübten Analytiker
nicht in allen Fällen ganz ausreichend. Die wich-
tigsten sind jedoch mit einer Klarheit und Vollstän-
digkeit beschrieben , die nichts zu wünschen übrig
lässt.
Ganz vortrefflich, auf dem einfachsten, kürzesten
Wege rasch und sicher zum Ziele fahrend , ist der
allgemeine Gang der Analyse , welcher behufs Auf-
suchung von Metallen und überhaupt von anorgani-
schen Körpern in organischen Gemengen angegeben
wird, sowie der Untersuchungsgang beim Vergiftungs-
nachweis in Fällen , in denen keine speciellen In-
dicien vorliegen und auf alle Gifte untersucht wer-
den muss. Schlangen-, Muschel-, Fisch-, Wurst-,
Milch-, Käse- u. Fäulniss-Gifte werden im 1. Theile
ebenfalls besprochen, doch dürfen wir nicht un-
erwähnt hissen, dass die neuem mykologischen For-
schungen über diesen Gegenstand, besonders auch
die in forensischer Beziehung so wichtigen Unter-
suchungsergebnisse Seim i 's, Zuelzer's u. A.
über die Ptomaine eigenthümlicher Weise nicht be-
rücksichtigt sind.
Der 1. Abschnitt des 2. Theiles umfasst die wich-
tigsten gerichtUch'ckemieehen wid mikroskopischen
UnUrsuchfungsobjekie. Die Erkennung von Blut-
flecken m CriminalMen, die Untersuchung der
Haare, der Samenflecke u. s. w. zu forensischen
Zwecken werden in einer so originellen und gründ-
lichen Weise erörtert, dass jeder Bathsuchende , sei
er nun Arzt, Chemiker oder Jurist, befriedigt werden
wird.
Eis würde zu weit ftlhren, von dem reichhaltigen
Inhalte dieses Abschnittes ein vollständiges Bild zu
entwerfen; wir wollen nur bemerken, dass auch
die Medidnalpfuschereien , die Untersuchungen von
Brandschutt und Rückständen von Feuersbrünsten,
sowie von Aschen verbrannter Leichen n. s. w. einer
eingehenden Betrachtung unterzogen werden.
Der letzte sogen. adminisiraiit>e Theil, welcher
die Untersuchung der Luft, des Wassers, der Nah-
rungs- und Genassmittel und der Gebrauchsgegen-
stände behandelt, gehört theil weise nicht mehr in
das Bereich dergerichÜichenMedicin, er macht einen
Theil der Hygieine aus. Es liegt ausserhalb der
Competenz des Chemikers , darüber zu entscheiden,
ob irgend eine Luft- oder Wasserverunreüügung ge-
sundheitsschädlich ist oder nicht; auch die Behörden
werden sich dieser Ansicht, so weit diess noch nicht
geschehen ist, anschliessen müssen.
Eine Kritik der einzelnen Capitel würde uns zu
weit ftlhren ; sie enthalten viel schätzbares Material,
sie theilen mit den frühem Abschnitten des Buches
alle Vorzüge, sind aber mit einem Uebelstande inso-
fern behaftet, als sie einige neuere Untersuchungs-
methoden und Forschungsergebnisse unberücksichtigt
lassen.
302
Preofisiflche Statistik.
Die wenigen Fehler des Baches versehwinden
vor seinen Vorzügen. Das Studium und der Ge-
brauch desselben wird durch den Umstand wesent-
lich erleichtert , dass der Vf. von theoretischen Er-
örterungen absieht, jede weitläufige Kritik vermeidet
und aus der grossen Zahl der gebräuchlichen Ana-
lysen-Methoden mit gereiftem Urtheil und geleitet
durch vieljährige, reiche Erfahrungen in seinem
Fache die besten herausgreift.
Treffliche Abbildungen erleichtem das Ver-
ständniss und die Ausftlhrung entsprechender Unter-
suchungen. Die Verlagsbuehhandlung hat daftlr ge-
sorgt, dass das Gewand dem Inhalte entspricht.
Jeder, der unter Leitung des Buches arbeitet, wird
dasselbe als einen zuverlässigen Rathgeber lieb ge-
winnen.
Emmerich.
49. Preusaisohe Statiatik. AmtHchea Quellen-
loerk, herausgegeben in zwanglosen Heften
vom k. Statist Bureau in Berlin* Nr. LV. u.
LX. : Die Sterbefalle im preuss. Staate mit
Einsehluss der Verunglückungen und Selbst'
morde in den JJ. 1878 u. 1879. Verlag des
k. Statist Bureaus (Dr. Engel). Fol. XVI u.
VIU u. 186 u. 185 S. (4.80 Mk. u. 5 Mk.)
Die vorliegenden Hefte ^), nach Form u. Inhalt sich
den Heften XLIH., XLVL, L. anschliessend, mit der
einzigen Aenderung gegen frfiher, dass von den früher
gemeinsam abgehandelten 64 Städten Aber 20000
Einwohner jetzt die 6 grössern ttber 100000 Ein-
wohner zählenden Städte betreffs der Sterblichkeit
getrennt aufgezeichnet sind , sind nach des Direktor
Dr. Engel Vorwort Arbeiten der unter Hm. Dr.
Gnttstadts specieller Leitung stehenden medi-
cinalstatistischen Abtheilung des k. preuss. staust.
Bflreans. Im Vorwort zum LX. Heft wird auch
eine eingehende Abhandlung Aber den Werth der
Verunglttckungsstatistik unter Hervorhebung des
Meldewesens der Unftlle in der Zeitschrift des k.
preuss. Statist. Bflreaus aus Dr. EngeTs Feder in
Aussicht gestellt. Wir hoffen Aber diese, auch für den
Arzt sehr wichtige Untersuchung unsem Lesern Be-
richt erstatten zu können. Neu ist in den vorliegen-
den Heften noch, dass die Verunglttokungen beim
Bau und Betriebe der Eisenbahnen , sowie im Berg-
bau, bei der preuss. Armee (einschliessl. XV. Armee-
corps) und Marine — hier auch die Selbstmorde —
in gesonderten Tabellen verzeichnet sind und die
denkbar grösste Sicherheit gewähren.
Der Natur der Sache nach besteht der Haupt-
inhalt der Hefte aus Tabellen, von denen selbist-
verständlich nur das Wenigste, einzelne Schlflsse aus
den gesammelten Thatsachen im Auszuge wiederzu-
geben ist.
Sterblichkeit , Vemnglflekungen , Selbstmorde
werden in 3 Abschnitten abgehandelt, jeder der-
selben in Heft LV., in Heft LX. nur Abschn. I. mit
einer Texteinleitung versehen.
1) Für die Uebersendnog dankt verbindlich Wr.
Abschnitt L stellt in Heft LV. u. LX. die
Sterblichkeit der Oesammtbevölkerung nach Todes-
ursachen u. Altersklassen in den JJ. 1878 n. 1879
unter folgenden Gesichtspunkten dar.
1) Im ganzen Staate a) in absoluten Zahlen, flir
Stadt- und Landgemeinden getrennt, b) in relativen
Zahlen, und zwar ftlr jede Todesursache auf je 10000
Lebende jeder Altersklasse berechnet, die Häufig-
keit der einzelnen Todesursachen in jeder Alten-
klasse, die Bedentnng jeder Todesursache Ar die
einzelnen Altersklassen.
2) In den Regierungs-, bez. Landdrosteibeziikeii
mit schlüsslicher Zusammenfassung nach I^vinzen.
3) In den Städten, mit Unterscheidung in — 6 —
Grossstädte von über 100000, — 58 — Mittelstädte
von 20 — 100000 und Kleinstädte von weniger als
20000 Einwohnern, beziehentl. 3a die Sterblichkeit
der Kinder im 1. Lebensjahre in den 64 grOssem
Städten (1.— 6. in den 6 Gross-, 7. in den 58 Ifittel-
Städten).
4) In den Kreisen, mit Hervorhebung der Sterb-
lichkeit der städtischen Bevölkerung ohne Alters-
klassen.
Gleich von vom herein sei bemerkt, dass die
Bezeichnung der — 30 — Todesursachen , sowie
bei Abschn. U. u. III. (Verunglückungen , Selbst-
morde) die Bezeichnungen der persönlichen Stellan-
gen — 11 — und der Berufsarten der betr. Per-
sonen — 28 — dieselben geblieben sind wie in den
frühem Heften. Um ermüdende Wiederholungen zn
vermeiden , sei auf unsere Jahrbb. Bd. CLXXXVI.
p. 220 verwiesen.
Die Einleitung zum 1. Abschnitt des Heftes LV.
befasst sich mit Aufisählung der Methoden , nm die
Sterblichkeit des SäugUngsaliers festzustellen, und
mit Darstellung der verschiedenen Sterblichkeit der
Eander in ihren ersten Lebenstagen, während die
zu Heft LX. die statistischen Ergebnisse über die
Sterblichkeit in den JJ. 1878 und 1879 zusammen-
stellt. Soweit nicht über die vorhergehenden Jahre
und 1878 an der schon angeführten Stelle unserer
Jahrbücher berichtet ist, wird das Nene hier in Kürze
mitgetheilt werden.
Da die Sterblichkeit des Säuglingsalters er&h-
rangsgeroäss bestimmend für die Gesammtsterblich-
keit ist , ist es natürlich , dass man bestrebt ist, sie
so zu berechnen, dass sie em getreues Bild der
Wirklichkeit ist. Jetzt sind dazn 5 Methoden ge-
bräuchlich : Man berechnet die Höhe der Säuglings-
sterblichkeit aus der Zahl der im 1. Lebensjahre
Gestorbenen im Verhältniss zur Zahl 1) der Leben-
den überhaupt, 2) der Lebenden im 1. Lebensjahre,
3) aus der Summe der im Jahre Lebendgebonen
und der an euiem bestimmten Tage lebenden Säng-
linge , 4) aus dem Verhältniss zur Gesammtzahl der
Gestorbenen , 5) ans der Zahl der im Jahre gestor-
benen Säuglinge im Verhältniss zur Zahl der in dem-
selben Jahre geboraen Säuglinge. Bei allen Meäio-
den ist der Divideodus — die Zahl der gestorbenen
Prensaische Statistik.
303
Kmder — gleich, der Divisor stets ein anderer,
zwiseben beiden nach Vf. kein berechtigter Zusam-
nenhaDg. Deshalb erscheint ihm eine 6. Methode,
wdl sie diesen Zosammenhang herstellt, die bessere :
Man stellt die Zahl der im* Kalenderjahre gebomen
und gestorbenen Sänglinge fest als Dividendas und
lu&mt die Zahl der in demselben Zeitraum Lebend-
gebomen als Divisor.
In praxi WM die grösste Säuglingssterblichkeit,
gleiehviel nach welcher Methode ermittelt, in das
J. 1876 , und zwar gleichmftssig für jedes einzelne
toehlecht, fDr beide Geschlechter zusammen, ftlr
Stut, Stadt- und Landgemeinden. Aus jeder -Me-
thode folgt femer , dass mehr männliche Säuglinge
itarben als weibliche in Staat, Stadt- u. Landgemein-
deD, dass auf dem Lande im Allgemeinen weniger
Sloglfflge und im Besondem weniger weibliche ster-
ben, als in den Städten. An sich also hat sich die
Kritik meht sowohl auf die Methode, als auf die als
Divisoren dienenden Zahlen zu richten. Je nachdem
(Üese m ihrer Zusammensetzung bekannt und gleich-
artig sind , wird auch die Methode zur Ermittelung
des jeweiligen Falles gewählt werden mflssen. Die
Wahrheit dieser Behauptung zeigt sich augenfällig
an der Säuglingssterblichkeit, wenn man sie nach
den einzelnen Alterstagen betrachtet. Direktor Dr.
Engel hat sich dieser Mühe für das J. 1876 über
die ersten 300 Lebenstage unterzogen und dabei
ganz bedeutende Ergebnisse gefördert. Zunächst, dass
die Sterblichkeit der Säuglinge beider Geschlechter,
und zwar die der Knaben in erhöhterem Maasse als
die der Mädchen, erheblich abnimmt vom 1. bis 5.
und nach kleiner Steigung bis zum 10. Tage regel-
mässig und erheblich sinkt bis zum 300. Tage.
Dasselbe scharfe Ergebniss wird man erhalten, wenn
man nach dem Vorgange der EngeTschen Arbeit
auch die übrigen Altersgruppen bearbeiten wird. Wie
aus der folgenden kleinen Tabelle erhellt, waren
von 100000 an jedem der 300 Tage lebenden
Kindern nach einem halben Jahre bereits 9526.89,
d. h. 5366.16 m. und 4160.73 w. wieder ver-
storben.
Es waren von am genamiten Tsge überhaupt lebenden Kindern gestorben bis zu Ende des
m.
w.
m.
w.
1.
Lebenstages
5066
3844
937.60
749.68
d. i. von 100000 an diesem
2.
n
3076
2191
676.87
431.40
Tage lebenden
3.
91
2147
1626
406.16
302.44
4.
»
1412
1068
268.20
212.80
5.
Tl
1192
862
227.68
172.64
6.
J»
1457
1078
879.52
215.66
7.
»
1881
1241
363.19
260.68
8.
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1702
1167
330.40
236.89
■
9.
n
1649
1101
302.63
224.69
10.
n
1238
846
243.34
173.66
20.
n
811
704
167.93
161.36
30.
n
648
446
118.61
99.76
60.
n
1186
966
280.23
232.62
90.
n
934
676
262.94
187.07
120.
»
671
589
213.36
189.84
160.
»
672
433
220.70
164.38
180.
n
406
860
189.21
166.47
Die allgemeine SterblieKkeit in Preussen an- des Genauem über dieselbe aus den Jahren 1875 bis
langend, so verbreitet sich die Einleitung zu Heft LX. 1879.
Die BevSlkemngBsiffer 1878 :
des Geeammtstaats betrog 26646068 <
davon bi den Stadtgemeinden . . * . 9036193 1
davon Lebendgebome überhaupt . . . 1031285 1
davon Lebendgeb. in den Stadtgemeinden 365866 i
13084964 m.
13460104 w.
4498460 m..
4636743 w.
628496 m.
602790 w.
182107 m.
173769 w.
1879:
26890432
9140603
1061146
360600 1
13263323 m.
18637109 w.
4547089 m.
4693414 w.
639000 m.
612146 w.
184021 m.
176479 w.
1876.
1876.
1877.
1878.
1879.
m. Wa
Es werden non als gestorben veneichnet :
m. w.
366860 320942, d. h. von 1000 Lebenden 26.3 » 28.3 24.8
349009 310628 » » , „ 26.6 «» 27.6 28.8
353196 318834 » » » • 26.7 — 27.4 24.0
360126 326786 » , n » 26.8 -> 27.6 24.2
348890 317362 « « • „ 24.8 — 23.3 24.8
Sonadi ergiebt sich, dass von dem letzten Jahrfünft
<a8 J. 1879 die günstigste Sterblichkeit gehabt hat,
md zwar im Oesammtstaat wie in den Provinzen und
^knngsbeEirken (aussehliessl. Münster u. Danzig),
^ dieses günstige Vertiflltniss abhängt von dem
VeUea von verheerenden Senefaen, dass es aber nicht
für alle AltersUassen gleichmässig gilt. Aus der
folgenden Zusammenstellung der Sterblichkeit nach
Altersklassen sieht man nämlich, dass allerdings das
J. 1879 dem Kindesalter günstiger war, als die
frühern Jahre, bedeutend ungünstiger aber für die
hohem Jahre über das 50. Lebeni^ahr. Man erhält
304
PrenasiBche Statifltik.
dadarch auch die Bestätigung der Wahrnehmung,
dass die Sterblichkeit vom 50. Jahre an stetig steigt
and dass das weibliche Geschlecht In allen Alters-
klassen eine geringere Mortalität hat als das männ-
liche.
Von 10000 Lebenden waren gestorben :
1875. 1876. 1877. 1878. 1879.
unter 15 Jahre alt 402 388 395 389 358
fiber 15 Jahre alt 191 183 182 185 187
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Hinsichtlich der einzelnen Todesnrsachsi tritt
die Abnahme der epidemischen und wiederum Zu-
nahme gewisser Krankheiten des höhern Altos deat-
lieh hervor. Wir mflssen uns an diesem Orte mit
einer kurzen tabellarischen Uebersicht und betreiEk
der Einzelheiten, soweit sie denOesammtstaatalieia,
die Verhältnisse in den Provinzen , Kreisen , Regie-
rungsbezirken und Stadt- und Landgernrnndes an-
gehen, mit der Verweisung auf die EinzettabeUen ia
den Heften genflgen lassen.
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Für die Medicinalpolizel und f&r die Moni-
Statistik y ftlr die Schätzung von den Pflichten des
Einzelnen gegen seine und der Seinen Gesundheit,
von der Beeinflussung dieser PflichtUbung durch Ge-
setze ergeben sich aus dieser kleinen Tabelle, seHwt
wenn die Betheiligung der einzelnen Altersklasseo
aus dem Gesammtergebniss nicht h6rauszaieBe& ist
(auf S. VII der Einleitung zu Heft LX. ist dieselbe
ftlr die letzten 6 KrankheitsurBaohen aadigewieseD)
Preuflsisehe Statistik.
305
ernste and gewichtige Mahnungen. Wie viele Leben
iieaseD sich erhalten und grossziehen^ und wie viel
Knft kdnnte damit nutzbar gemacht werden ! Die
kleine Syphilisstatistik entspricht übrigens wohl
kiom dem vollen Thatbestand, vielleicht giebt sie
oor die lossersten Grenzen der Erblichkeit dieser
Sftoglingskrankheit an. Der Herr Vf. folgert fer-
Derweit ans ihrem frühen Anftreten nnd Vernichten
des Lebens, daas die Scbotzpocken - Impfung wohl
kanm aaf ihr Entstehn von Einfloss sein könne.
Eigenthflmlich ist es, dass Eeuchhosten, Krebs nnd
Herzkrankheiten, im Gegensatz zu allen übrigen
Ennkheitskategorien , das Leben des weiblichen
Geschlechts mehr bedrohen, als das des männlichen.
Ob diese Erscheinung auf die physiologische und
sociale Stellung des Weibes zurückzubeziehen ist?
Zogleich erklärt sie auch, dass mehr Frauen als
Hlnner über 60 Jahre alt an Altersschwäche zu
Grunde gehen, d. h. Frauen älter werden als Män-
oer. Diesen ist ja , wie ja die Krankheiten des
produktiven Alters lehren — Trennung nach 6e-
sdüechtern s. im Original — der Ejunpf um das
Dafldn mehr Lebensaufgabe, als den Frauen. Frei-
lich ist dabei nicht ausser Acht zu lassen, wie viele
Gewohnheiten sich dabei aufdrängen, die schlüsslich
ZQ Lastern werden und als solche das Leben ver-
nichten in der Form irgend welcher Krankheit. Am
ufiUligsten ist diess bei Nr. 22, 17, 14, 12, 9, 8.
Abschnitt II in Heft LV und III in Heft LX be-
bandeln die Verunglüekungen , Tödtungen und
Verletzungen von Peraonen durch Zufall, Unvor-
sichtigkeit und eigne oder fremde Schuld in den
Jahren 1878 und 1879, nach den persönlichen Ver-
hältnissen der Verunglückten im ganzen Staate, nach
ihrem Alter und der Art der Verletzung, dererwerbs-
thätigen Personen nach Art der Verunglückung,
Erwerbszweig und socialer Stellung der Verunglück-
ten, die der Armee und Marine, beim Eisenbahn-
Bau nnd Betriebe, beim Bergbau.
Ueberhaupt sind verunglückt 1878 13066
(11347 m., 1719 w.), davon 7090 im Berufe,
1879 13122 (11309 m., 1813 w.), davon 6941
im Berufe. Im J. 1878 waren tödtUch veranglückt
6218 m. und 2362 w., 1879 6270 m. und 1392 w.
Das Jahrzehnd von 1869/1879 zeigt demnach eine
stete Zanahme der tödtlichen Verunglückungen bis
1876 beim männlichen Geschlechte von 5323 bis
6706, bis 1878 einen Rückgang bis 6218, 1879
wieder ein Steigen auf 6270, beim weiblichen Ge-
schlechte aber ein stetiges Wachsen von 1059 bis
1392 (1870 nur 1045), ein Beweis, dass das weib-
liche Geschlecht sich mehr den gefährlicheren Be-
rufsarten zuzuwenden beginnt, femer, dass trotz
erhöhter Beaufsichtigung durch die Fabrikinspek-
toren die Lebensvemichtung wächst , sei es , dass
die Gefahr oder die Gleichgültigkeit gegen sie,
vielleicht im Vertrauen auf den grösseren Schutz
wächst.
Von den t5dtUch Venmglackten des J. 1878 waren
4978 Männer und 710 Frauen erwerbsthätig, 2323 M. nnd
179 W. im Berufe, 1879 2330 M. nnd 164 Weiber.
1878.
1879.
m. w.
m.
w. m. w.
bis 5 Jahre alt waren davon 710 454
= 11.42Vo
33.330/0 735 484
t, 15 „ ^ , « 603 219
= 9.62
14.44 575 183
davon im Berufe 34 18
« 7.40
4.17 32 11
über 15 ^ alt waren 4905 689
» 78.88
50.59 4960 725
davon im Berufe 2289 161
=»46.67
23.37 2298 153
Wegen der Angaben in Beeng auf specielle Verhält-
lisBe müssen wir auf das Original verweisen. Erwähnt
■ei hier nur, dass dieselben betreifen : I. Alter, Familien-
Btead, Orts- nnd StaatsangehöriglLeit ; U. die sociale Stel-
ivng; m. die VermSgensverh<nisse ; IV. die Erwerbs-
Bnd Berufsverhäituisse ; V. die Versorgung (Hülfskassen
n- 8. w.) ; VI. die Veranlassung nnd VII. die Art der
Vennigtficknng.
Ueber Abschnitt HI in Heft LV, bez. n in Heft
LX, die Beurkundung der Seibatmorde in den JJ.
1878 nnd 1879 betreffend, können wir uns, ausser
kurzer tabellarischer Auszüge, umsomehr kurz fas-
sen, als die Jahre 1878 und 1879 die Schlüsse aus
den Beobachtungen der Jahre 1869/1877 vollinhalt-
lich bestätigen, diese aber bereits im 2. Hefte des
CLXXXVI. Bandes dieser Jahrbb. znsammengefasst
worden sind. Die Bestätigung erstreckt sich auf
die Thatsache der Zunahme der Selbstmorde an sich,
bis zu den h(k^hsten Grenzen des Lebens, ftlr beide
Geschlechter, auf die Beweggründe, beziehentlich
unter dem Einflnss des Alters, auf die Jahreszeiten.
0/00 der Bevölkerung
Von 26545068 Einw. starben 1878 als Selbstmörder 4689 « 81.4 m., 18.6 w. »0.17 \^'^^ ^'
0.28 m.
26890432
1879 „
4647 — 82.01 „ 17.99 .
(2729 m., 818 w.)
0.17
0.06 w.
Davon waren (von 100000 Lebenden) im Alter von :
— 16J. —20 —25 —30 —40 —50
—60 —70 —80 üb.80J. unbek. Alters
1878.
1879.
m. w. m. w. m. w. m. w. m. w. m. w. m. w. m. w. m. w. m. w. m. w.
0.15 0.6 8.1 3.3 12.8 4.1 11.9 3.0 28.8 5.2 27.3 5.2 28.9 5.5 19.0 3.4 6.7 2.0 1.1 0.1 5.7 0.4
0.13 0.3 6.7 8.6 13.0 4.1 11.4 2.6 23.0 5.0 24.0 4.6 28.0 5.0 17.4 3.3 6.5 1.9 1.0 0.1 4.8 0.7
M«d. Jahrbb. Bd. 191. Hft. 8. ^^^
306
H i r 8 c h y hiBtor.-geogr. Pathologie.
Als Beweggrund ist angegeben bei Je 100 Selbstmordern:
Reue,
I^ter T«aer Knmmer ^^ ^^J'
sensbisse
m. w. m. w, m, w. m. w.
Lebens- irR-ner- ^*®*^'
überdmss iß|ie„' krank-
n. 8. w. heit
Leiden-
schaft
also Mottve
bek. onbek.
1878.
1879.
m. w. m. w. m. w. m. w.
10.0 8.4 7.1 9.2 19.9 38.3 2.6 5.7
m. w. m« w. m. w.
12.7 2.9 0.6 0.3 17.6 18.1 7.8 9.0 1.9 2.9 80.2 86.3 19.7 14.S
11.4 9.6 6.6 9.1 19.6 35.8 2.06 8.0 12.3 1.1 0.4 0.7 17.6 8.6 6.7 9.1 2.3 1.9 79.8 86.2 20.1 14.7
Betreffs der Todesart sind bei Je 100 Selbstmördern angegeben :
Erhängen
1878.
1879.
m.
65.1
66.4
w.
45.5
44.1
Ertrinken
m. w.
13.6 39.3
12.9 36.3
Erschiessen
m. w.
13.6 0.5
13.1 1.1
Qift Hals- u. 8. w. Schnitt Eisenbahnftberfahrea
m. w. m. w. m« w.
2.4 8.6 2.4 2.3 1.6 0.7
4.7 12.9 2.8 3.7 1.6 1.3
andere Arten 0.6 2.04
Betreffs der Jahreszeiten ist erwähnt, dass von 100 Selbstmördern entfallen anf :
Winter Frül^ahr Sommer Herbet unbekannt
1878. 20.6 30.8 26.4 20.08 1.08
1879. 19.9 31.9 28.9 18.7 0.9
Anschliessend an die Specialtabellen werden die Selbstmorde bei der Armee u. s. w. genauer behandelt.
B. Meding.
50. Handbuch der historiaoh-geographi-
sohen Pathologie; von Dr. Aug. Hirsch ,
Prof. d. Med. in Berlin. Zweite, vollständig
neue Bearbeitung. 1. Abtheilung: Die all"
gemeinen akuten Infektionskrankheiten. Statt-
gart 1881. Ferd. Enke. 8. 481 S. (12 Mk.)
Die historisch- und geographisch-pathologische
Forschung erstrebt die Lösung einer Aufgabe, deren
eminente Bedeutung ftlr die specielle Erankheits-
lehre, für Aetiologie und Hygieine kaum verkannt
werden kann. Ihr Ziel liegt nicht allein in der
Darstellung des Vorkommens und Verhaltens der
Krankheiten innerhalb der einzelnen historischen
Zeiträume und an den einzelnen Punkten der Erd-
oberfläche, sondern sie will vielmehr erweisen,
welche Veränderungen die Krankheiten in ihrer Ge-
staltung der Zeit und dem Räume nach erfahren
haben, und welche causalen Beziehungen zwischen
den örtlich und zeitlich wirkenden Krankheits-
faktoren und der abweichenden Gestaltung der ein-
zelnen Krankheits/orm^n bestehen. Was vom be-
schränkten, ausschliesslich die heimische Pathologie
umfassenden Gesichtspunkte als ein mOssiges Spiel
des Zufalls, als eine misstrauisch oder mit dem In-
teresse der Neugier angestaunte Curiosität gelten
musste, — das sucht sie dem Gesetz unterzuordnen,
indem sie die grosse Menge der exotischen Ende-
mien, den abweichenden Einfluss fremder Lebens-
bedingungen mit in den Kreis der zur Erläuterung
und Begriffsbestimmung dienenden Thatsachen zieht
— Als der Vf. vor 25 J., begeistert von dem ihm
in ähnlicher Gestalt vorschwebenden Ziele, es unter-
nahm, durch eine mühevolle Sammlung und metho-
dische Sichtung des damals unbearbeitet vorliegen-
den historisch-geographischen Materials Licht in ein
noch absolutes Dunkel zu bringen, standen ihm
nicht blos diese rein in der Sache selbst liegenden
Schwierigkeiten entgegen. So gross wie die In-
teresselosigkeit der Praktiker und selbst der in der
Tretmühle ihrer Systematik sich umherdrehenden
Kliniker auf der einen^ war die kritiklosei mehr am
Wunderbaren, als am Zuverlässigen sich erbauende
Geschwätzigkeit der Materialsammler auf der andern
Seite. Schmückten Diese die Leiden der schwer
erreichbaren und selten anf den damaligen Reise-
routen zu begegnenden Völker mit abenteuerlichen
Beschreibungen, mit unglaublich scheinenden Sym-
ptomgruppen aus , — so zuckten Jene zu B[ause die
Achseln und verweigerten der neuen Doktrin das
Bürgerrecht, weil sie selbst die Möglichkeit ihrer
wissenschaftlichen Begründung bestritten. Dazu
kam, dass, unmittelbar bevor Hirsch an seine Auf-
gabe gegangen war, ein auf den ersten Blick blen-
dender Versuch, die Lehre von der geographischen
Verbreitung der Krankheiten auf gewisse aus der
physischen Geographie abgeleitete Gesetze zurück-
zuführen, soeben ein entschiedenes Fiasko erlitten
hatte ; dazu kam endlich der nicht gleichgültige Um-
stand, dass der Vf. kein berühmter Universitäts-
lehrer, kein angestaunter Reisender, nicht einmal m
bereits anerkannter Büchergelehrter, — sondern
praktischer Arzt und Armenarzt in Danzig war.
Was aus seinem unter so zweifelhaften äussern
Anspielen unternommenen, aber von einer hohen
innem Begeisterung und dem Verständniss einiger
„Besten^' getragenen Versuche geworden ist, weiss
die medieinische Welt und sie nicht allein: Der
Aufschwung, welchen die ganze Doktrin, der ganze
immer kräftiger emporblühende ll^ssenszweig m den
letzten 30 Jahren genommen hat, ist im Wesent-
lichen an die erste Auflage des Hirsch 'sehen
Handbuches geknüpft gewesen. Die wirklich wissen-
schaftlichen Ausbauversuche auf dem Gebiete der
medicinischen Geographie, die sämmtlichen histo-
risch-pathologischen Darstellungen einzelner Krank-
heitsgebiete, sie mögen in englischer, französischer,
deutscher oder italienischer Sprache abgefasst sein,
de mögen ach in * der Gestalt wissenschaftlicher
Monographien oder amtlicher Berichte geben, fllhren
mit einer in der Medidn seltenen EÜnmüthigkeit —
d. h. soweit sie von wahrheitsliebenden und nicht
blos einfach den nächsten Vorredner abschreibeDden
r
Hirsch, histor.-geogr. Pathologie.
307
Ter&SBeni herrflhren — auf jenen Grondban zu-
iHdc. Wie viele tausend Male das Handbuch in den
„Archives de mMecine navale^', in den Sanitäts-
beriehten der englischen und nordamerikanischen
Anoee, in der klimatischen und anthropologisch-
medieimschen Literatur, in den Veröffentlichungen
des englischen Oesundheitsrathes , den amtlichen
Suutfttsberichten Schwedens, den Verhandlungen
der epidemiologischen Gesellschaft in London , in
muähligen Einzelartikeln, Dissertationen etc. citirt
oder auch ein&ch abgeschrieben ist, dflrfte unmög-
lieb festzustellen sein.
Diese umfangreiche Nacharbeit an dem Bau,
weichen der Vf. aufzuführen unteniommen hatte,
konnte aber fElr dessen doch einmal nöthig werdende
Remon und Erweiterung nicht ohne bedeutsame
Folgen bleiben. Das reiche Material, welches aus
dien Erdtheilen fOr dieses Werk herssustrOmte und
seh an allen Punkten zu häufen begann, hatte einen
durchweg geänderten, einen dem Fortschritt der
Fiflsenschaft entsprechenden, solideren und band-
Eefaeren Charakter bekommen. Wer die Leistungen
der oben zum Theil namhaft gemachten amtlichen
Sunmelwerke kennt, wird darin übereinstimmen,
di88 der Standpunkt ihrer Mitarbeiter, der Colonial-
osd Marineärzte, der ärztlich gebildeten Beisenden,
ja selbst der beobachtenden Laien, der Consnln und
Ifissionäre u. s. w. ein naiurwmenaehaftUcherer
geworden ist, ganz abgesehen davon, dass durch die
Zosahme des Beisens an sich eine Controle Aber die
betreffenden Mittheilungen ermdglicht wurde, welche
mbeabsiehtigte Täuschungen fast eben so schnell
corrigirte, wie sie absichtliche beinahe ganz aus-
So konnte eine zweite Auflage des „Hand-
iMKhes^' nur eine durchweg neue Bearbeitung des
Gegenstandes sein und eine solche ist es, die uns
thstslchlich vorliegt; schon aus Hochachtung und
Bewunderung jener Biesenarbeit, welche (obgleich
dem oberflächlichen Beobachter nur eben erkennbar)
io ihr steckt, wird man sich gern eine Deberschrei-
toog des Baumes , welchen die „ Jahrbttcher'' sonst
zmien Auflagen widmen können, gefallen lassen.
Es lag kein Grund vor, fttr die Darstellung der
hiflaenza, der Dengue, der epidemischen Schweiss-
bukheiten, der Blattern, des Scharlach, der Mala*
nsknmkheiten, des Gelbfiebers, der indischen Cholera,
äer Beolenpest und der Typhusgruppe, — kurz für
die akuten InfektionskranÜieiten, welche den ersten
Bind bilden, die einfachen und klaren Principien,
welche Vf. fttr die Beihenfolge der ätiologischen
Abschnitte früher inne gehalten hatte, aufzugeben.
So werden denn zunächst bei jeder Krankheit die
SchttupläUe, auf denen sie im Laufe der Jahrhun-
derte auftrat, nach Erdtheilen geordnet und in spe-
cUisirter Weise, soweit es sich um ihre Lage und
Bodenbesehaffenheit handelt, aufgezählt und be- .
leoditet; man wird leicht ermessen können, ein wie
^«Dgreiches neues Material allein in diese Ab- ''
«bitte Unemzuarbeiten war. Dann folgt der ge* f
achichüiehe Abschnitt ^ der weniger eingreifend um-
gestaltet werden musste, an welchen sich für jede
Krankheit eine Analyse der Formen anschliesst,
unter welchen sie ihre Erscheinung.machte.
In den ätiologischen Capiteln sind die klima'
tischen Thatsaehen mit derselben Vollständigkeit
und Gewissenhaftigkeit bearbeitet worden, welche
der ersten Auflage zur besonderen Zierde gereichten.
Und doch wird der Leser vor jener Enttäuschung
bewahrt, welche unvermeidlich ist, wenn man das
Klima und seine Einzelfaktoren als die allein wesent-
lichen oder auch nur als die gewichtigsten Momente
ftor die geographische Krankheitsvertheilung hin-
stellen will. Sonst verdienstvolle Arbeiten — wie
unter den jüngsten die grosse „Climatologie m^di-
cale" von H. C. Lombard — sind noch neuer-
dings an dieser Schwierigkeit kaum vorübergekom-
men. — Das Klima als ätiologisches Moment bedarf
also nicht nur, wie es hier überall geschehen ist, der
eingehendsten Analyse in Bezug auf seine einzel-
nen Faktoren, sondern es muss ihm als gleichwer-
thig stets eine Untersuchung der Bodenverhältnisse,
und zwar ebenfalls so speciell wie möglich nach den
Einzelfragen behandelt, zur Seite stehen. Dass eine
grosse Mehrzahl bezüglicher Detailverhältnisse noch
unerforscht dasteht, kann an der Bichtigkeit des
Untersuchungsweges nichts ändern. Hier schliessen
sich naturgemäss auch die Thatsaehen des Vorkom-
mens von akuten Infektionsepidemien auf Schiffen,
in ganz begrenzten Häusercomplexen u. s. w. an. —
Bei keiner der daftir in Betracht kommenden Krank-
heiten unterlässt der Vf., den neueren Keimtheorien
und den Entdeckungen hinsichtlich organisirter, mehr
oder weniger specifischer und morphologisch erkenn-
barer Krankheitserreger Bechnung zu tragen. Dass
er hierbei mit unbedingter Beistimmung ebenso spart,
als ihm für die Gewinnung eines sicheren Bodens
der Kritik keine Mittheilung zu entlegen, kein
Zweifel zu unbedeutend vorkommt, kann der Wissen-
schaft nur zur Förderung gereichen. — Nur durch
diese Beserve bleibt auch die Aufgabe erftUlbar, den
grösseren Gesichtspunkten, wie sie in der Verthei-
lung der Krankheiten an die Rassen und NatiO'
nalitäten, an die verschiedenen Geseüsehaftsschich"
ien und Lebensalter thatsächlich gegeben sind, ihr
Becht zu wahren.
Auf diese Weise gelingt es, das Forschungs-
resultat für jede der oben erwähnten Seuchen ganz
unabhängig von jeder vorgefassten Meinung zu er-
halten. Führen uns die auf erweiterten Grundlagen
angestellten Untersuchungen über Influenza, Dengue,
Masern, Scharlach und Blattern dem Anschein nach
nur zu einer genaueren Präcisirnng bereits bekann-
ter und geläufiger Anschauungen, so wird man doch
allerseits mit Genugthuung die Aufschlüsse über die
bekannt gewordenen Ansteckungsarten, die histo-
rischen Nachweise über die Wirksamkeit der Vacci-
nation etc. begrfissen. Der gänzlich erloschene „eng-
lische Schweiss'^ ist pathologisch genauer, als es
früher möglich war, an die noch jetzt grassirenden
308
Amiales de Demographie.
gutartigeren endemiflchen Schweisakrankheiten aDge-
Bchlossen. — Für Malaria und für die Gruppe der Ty -
phuserkraukusgen — specieli auch ftir das Rückfall-
fieber und das biUöse Typhoid — hat eine vollstän-
dige Revision der altem und neuem Literatur und
der in ihr vertretenen Anschauungen stattgefunden ;
bezüglich des Typhoid (Abdominaltyphus) erkennen
wir in der gerechten Würdigung der Beziehungen,
welche zwischen Boden, Grund- und Trinkwasser
nothwendig angenommen werden müssen und in der
Untersuchung der individuellen Prädisposition zum
Typhus ein besonderes Verdienst.
Eigentlich umgestaltend haben die Erfahrungen
der letzten drei Decennien in erster Linie auf die
indische Cholera, das Gelbfieber und die Beulen'
pest gewirkt , und diese Gapitel waren es auch , in
denen die ^beitskrafk des Vfs. am gewaltigsten
angreifen musste. Die Darstellung der jüngsten
Cholera^ Pandende (1863 — 1875) konnte wegen
der relativen Vollständigkeit der Nachrichten in einer
Abrundung gegeben werden, wie nur die grösste
Vertrautheit mit dem Gegenstande sie ermöglicht ;
die Schilderung der in den endemischen Cholera-
gebieten obwaltenden Verhältnisse gewährt in ihrer
Klarheit und Unparteilichkeit einen wahren Genuss.
Zum alten Dogma von der direkten Contagion der
Cholera stellt sich Hirsch natürlich (wie andere
moderne Choleraforscher) skeptisch, umgeht aber
gleichzeitig nicht — wie so vielfach von anderer
Seite geschehen • — die Bedenken , welche eine un-
befangene Kritik über die absolute Abhängigkeit
der Cholerapathogenese von den Bodenverhältnissen
hegen muss.
Eine ganz besonders eingehende Bearbeitung
haben die chronologischen und chorographischen Be-
ziehungen des Gelbfiebers erfahren, dessen vollstän-
dig gesammelte Literatur in einem 8 enggedruckte
Seiten umfiassenden alphabetischen Verzeichniss zu-
sammengestellt ist. Wie schon aus der Mhem Auf-
lage erhellte , mussten für diese Seuche die — übri-
gens sparsamen — Heimathsbezirke (Westindien,
die Golf küste Mexikos und ein Theil der Küste von
Guinea) aufs präciseste gegen die durch einschlep-
penden Schiffsverkehr gefährdeten Gebiete abgegrenzt
werden, um den möglichen Erfolg hygieinischer
Maassnahmen richtig abschätzen zu können. Als
vermittelndes Medium ftar die Krankheitsverbreitung
steht hier der Personen- und Waarenverkehr wohl
ausser Frage.
Mit der Beulenpest hat der Vf. im J. 1879 so
zu sagen persönlich Fühlung gewonnen, als sich
unter seinem Präsidium die nach den Wolgaufem
entsandte intemationalenPestdelegirten vereinigten.
Er beleuchtet die neue Aera in der Geschichte der
Pest, wie sie durch deren Auftreten auf gewissen
Gebieten Vorderasiens und Afrikas (Arabien, Meso-
potamien, Persien, Küste von Tripolis) inaugurirt
wurde , mit der Schärfe , wie sie ein möglicherweise
für die Ruhe Europas so wichtiger Gegenstand reich-
lich verdient. „Uebrigens wird man ,'^ so heisst es
gegen den Schluss dieses bedeutungsvollen Caj^ls,
„bei der Frage nach dem Ursprünge jener neuesten
Pestepidemien in Vordercuien die Aufmerksamkeit
nicht nur auf die alten Pestherde in Egypten und
Syrien zu lenken, sondern auch die Möglichkeit einer
Einschleppung der Seuche von Indien her ins Auge
zu fassen haben. So gewagt diese Hypothese in
Anbetracht der grossen Länderstrecken, welche
Indien von Persien trennen, auch auf den ersten
Blick erscheinen mag , so darf man doch nicht v»-
gessen, dass wir über die Krankheitsverhältniflse ge-
rade dieser Landstriche so gut wie garnichts wissen,
dass dort, im Zusammenhange mit der in Indien
herrschenden Seuche, Pestepidemien bestanden haben
mögen , von welchen wir — wie etwa jetzt erst von
der Epidemie 1871 — 73 im südwestiichen China —
erst nach Jahren , vielleicht auch niemals etwas si
hören bekommen werden, dass übrigens zwischen
Indien, dem südlichen Turkestan, Persien und Meso-
potamien nachweisbar ein sehr verdächtiger Verkehr
durch Leichentransporte besteht, und dass zwischen
den wiederholten Pestausbrüchen in Mesopotamien
und Persien wahrscheinUeh ein durch Debertragvang
des Krankheitsgiftes vermittelter ZusammetAang
bestanden hat" Man sieht leicht ein , welche Fülle
von Anregung und gedeihlichen Aufgaben für jüngere
Forscher fast aus jeder Stelle der neuen BearbdtoDg
von Hirsch sich aufiachliessen lässt.
Aber wenn wir mit Thierf eider sen., der im
J. 1859 im 103. Bande dieser Jahrbücher (p. 276)
die erste anerkennende Kritik des „Handbuches der
historisch-geographischen Pathologie'' brachte , wie
in vielem Andern auch darin übereinstimmen, „dass
nun Allen, welche über den Gegenstand zu arbeiten
beabsichtigen, die vom Vf. einmal durchgefllhrte
mühevolle Literaturdurchforschung erspart ist'^, —
so haben wir andererseits auch eine wohlberechtigte
Mahnung an die Nachkömmlinge zu stellmi. Näm-
lich die: es wolle doch Jeder wenigstens bis an dien
so reichliehe und zuverlässige Quelle gehen und
nicht , indem er sie lediglich aus Plagiaten und Ex-
cerpten zweiter Hand kennen lernt, sich eines wah-
ren Genusses und den Autor des ihm zukommenden
Dankes berauben. — Ceber die gelungene Form der
Abfassung und die äusserliche Ausstattung Worte
zu machen, ist bei solchen Büchern wohl überflüssig.
Wernioh.
51. Annales de Demographie internationale.
Recueil trimestriel de travaux originaux ei
de documenis staüstiques et bulleün bibHo-
graphique special. PubliS sous la Direction
de M, le Doctewr Arthur Ohervin. Qua-
triöme ann^e. Paris 1880. G. Massen. 8.
648 pp. (Abonnement 30 Francs par an.)
Im vorigen Jahre (Jahrbb. CLXXXVL p. 87)
hatten wir Gelegenheit, unsem Lesern eine kme
Analyse des Inhalts der erst^ 3 Bände diestf hdohBt
interessanten französischen Vierteljahrsdiiifi n
geben. Der vierte Jahrgang (Heft 13—10) ist vor
Annales de Demographie.
309
«niger Zeit vollatftndig geworden. IMe Reichhaltig-
keit desaeiben ist wiederam ein Zeugniss für die
Umsieht nnd Sorgfalt der Heraasgeber. So weit die
einzelnen Artikel aach für den Mediciner Interesse
haben , wollen wir dieselben etwas ausfährlicher be-
spreehen, die sonstigen Arbeiten statistischen und
demographiBchen Inhalts aber können wir nur mit
veoigen Worten charakterisiren.
1) Ein Easaj Aber die medieinische Geographie
Frankreichs von A. Chervin stützt sich auf eine
20j«hr. (1850—1869) Erfahrung über die bei der
Reirutenaushebung vorgefundenen Gebrechen. Die
Yerhftltnisszahlen sind^ abgesehen von den Tabellen,
durch farbige Karten mit Angabe der einzelnen
Departements anschaulich gemacht. Es finden sich
dir die nachstehenden Fehler 23 Karten: zu geringe
Körpergrösse , allgemeine Schwäche, Neigung zu
Krämpfen, Strabismus, Stottern, Taubstummheit,
Geistesstömng , Epilepsie, Cretinismus, Kropf, Sero-
fein, KlnmpfBsise, Plattfüsse, Buckel, Heinien, Blut-
adern , Yaricocele , Hydrocele , Verlust der Zähne,
Basenscharte^ Knrzsichtigkeit, Kahlköpfigkeit, Flech-
ten. Die Vertheilung dieser Gebrechen ist in den
verschiedenen Gegenden eine sehr ungleiche. Wir
vollen hier ftlr die hauptsächlichsten wenigstens die
Mittelzahlen Ar ganz Frankreich, sowie die Minimal-
nnd die Maximalziffem (abgerundet) geben. Das
Verhältniss versteht sich zu je 1000 der Gestellten
überhaupt
)t .
iien
Bes.
ipffifl8€
;(toe .
:el .
laicbtig
MtamiD
»psie
teskrai
Inismnc
Tinissij
Die Zahl der Untauglichen überhaupt betrug im
Mittel der oben genannten 20 Jahre 34.3<>/o; die
günstigste Ziffer (23.5Vo) liatte das Depart. Morbi-
han, die ungünstigste (50%) das Depait. Ardennen.
2) Em kurzer Aufsatz von Prof. Bertillon sen.
iKspricht die Verbreitung der Krankheiten in der
Nadibarechaft der Hospitäler j die sich während
der Pockenepidemie Anfang des Jahres 1880 in
Puis gezeigt hatte. Insbesondere galt diess für die-
jougen Wohnungen des Sorbonne-Quartiers, deren
Fenster nach dem Annexbau des Hotel Dieu zu ge-
legen waren , wo die Pockenkranken untergebracht
worden. Aehnlich war es in dem Quartier Quinze-
Vingts, wo die Spitäler St. Antoine und St. Eug^nie
>ich b^den. Von letzterem aus soll die Diphtherie
Ml die Luft nach einer ihm zugewendeten Knaben-
Khoie übertragen worden sein, während die un-
mittelbar anstossende Mädchenschule bei entgegen-
C^setster Fen^terriehtung frei blieb. Als man Ende
^ im Hotel Dien keine Pockenkranken mehr auf-
Mittel
MiDimnm
Mazimam
Kropf
. 13.4
0.2
183.6
Hernien . . . .
. 33.6
16
86
Varices. . . .
. 19.4
6.6
49
Klmnptfiflse . . .
, 23.6
1.2
73
Plattftoe . . . .
7.4
1.7
19
Buckel
. 16.7
4.2
29
Kmaicbtigkeit . .
6.9
1.6
17.6
Tiabstiimmheit . .
1.9
0.8
6.7
Epilepsie . . . t
. 2.76
0.9
6
Gelsteskraiikheiten .
0.94
0.3
2.6
Cretinisrnns . . .
6.96
1.6
60.7
Üitennissigkeit . .
. 67.7
22
127
nahm, wm'den auch die Erkrankungen in dessen
Nachbarschaft seltener. Man dirigirte die Pocken-
kranken nach St. Antoine u. St. Louis und einige Wo-
chen danach waren in dei*en Nachbarschaft neue
Herde entstanden. Das Laönnec - Hospital erwies
sich als unschädlich fttr die Umgebung, vielleicht
ausser wegen seiner günstigen Lage auch deswegen,
weil man daselbst gewohnt war, Kehricht und
Schmutz lediglich aus gewisser Bequemlichkeit in
das Feuer zu werfen.
3) Eine bereits in einem englischen Journal er-
schienene Arbeit von Thom. A. Welton beschäf-
tigt sich mit gewissen Veränderungen der Morta^
lität in England seit Anfang der 40er Jahre. Es
scheint, als ob die Sterblichkeit der unter 25 Jahre
alten Frauen zugenommen, die der Männer im Alter
von 35 — 60 Jahren abgenommen habe. Insbeson-
dere scheint es, alsobBronchiten, Pneumonien, Herz-
krankheiten, Wassersucht, Krebs sich vermehrt hät-
ten. [Ref. hat seine Ansichten Aber die Zuverlässig-
keit der englischen Statistik vor einiger Zeit in die-
sen Jahrbb. CLXXXVHL p. 73 mitgetheilt und hält
auch die Altersangaben der Lebenden für nicht zu-
verlässig genug, namentlich da Welton seit 1870
noch gar keine neue Zählung vorgelegen hat, um
über das relative Verhältniss der Lebenden und der
Verstorbenen im letzten Jahrzehnt urtheilen zu kön-
nen.]
4) Eine Studie von Jacques Bertillon fils
,fiber die Demographie Norwegens*^ hat das vor-
liegende Quellen-Material eingehend benutzt. Man
findet u. A. die Ergebnisse der Zählung der Leprösen,
der Blinden , Taubstummen und Geisteskranken in
diesem Lande. Wiewohl bekanntlich daselbst die
Sterbeziffer eine ungewöhnlich niedrige ist (17.5<^/oo
jetzt, Anfang des Jahrhunderts 25^/oo)> ist doch die
Phthisis ziemlich verbreitet, nnd zwar namentlich
im äussersten Süden des Landes. „Klima und
Bodenverhältnisse scheinen keinen Einfluss auf die
relative Frequenz in den verschiedenen Landestheilen
zu haben'^ sagt die benutzte norwegische Quelle.
5) Zur statistischen Technik gehört der Vor-
schlag des Italieners Messedaglia, sulide Dia-
gramme in drei Dimensionen oder Stereogramme
auszuführen, um gewisse combinirte Verhältnisse,
die sich nach dem gewöhnlichen Coordinatensystem
nicht darstellen lassen, anschaulich zu machen. [Die
Idee ist nicht neu, siehe z. B. die cubischen Dia-
gramme von Zuelzer im 3. Hefte seiner Beiträge
zur Medicinalstatistik.]
6) lieber die Colonisation Algiers.
7) üeber die Häufigkeit des Typhus und der
Poeken in der Militär^ und der Civilbevölkerung
von Paris von Jacques Bertillon. Erstere
Krankheit ist unter der Qarnison 6mal häufiger, als
unter den entsprechenden männlichen Altersklassen
von 15 — 35 Jahren des Civils, die Pocken dagegen
sind beim Militär 8mal seltner. Die Beobachtungs-
zeit bezieht sich auf die Epidemien des Jahres 1880,
Januar bis Juli.
310
MitOieiluDgen ans der Geschäfl»- a. Sterbliohkeits-Statistik etc.
8) Berieht Über die Ausf&hnmg des Gesetzes zum
Schutz der Kinder im Säuglingsalter,
9) Todesursachen in den schwedischen Städten im
Jahre 1878.
10) üeher den Einfluss der Beschäftigung auf die
Lehensdauer , Eine kurze Zusammenstellung des bekann-
ten , nicht selten unzuverlässigen und nach falschen Me-
thoden berechneten Materials.
11) Volkszählung yon 1880 in den Vereinigten Staa-
ten Nordamerikas.
12) lieber graphische Darstellung der Mortalität von
W. Lexis in Freiburg in Baden. Mathematisch-tech-
nischen Inhalts. Ebenso wie eine zweite Abhandlung über
die mittlere Normale von demselben Verfasser.
13) Memoir über die Volkszählung von Chervin.
Diesem schliesst sich später ein Rapport fiber die Zählung
in Paris an.
14) üeber Austoanderung im Allgemeinen und über
die italienische im Speciellen.
15) Die Zwillingageburten in Sckweden von
Dr. F. T h. Berg. Eine hundertjÜiTige Statistik
von 1776— 1875, sich gründend auf ca. 10 Millio-
nen Qebnrten. Im Mittel kommen anf eine Million
Gebni-ten: 15136 Zwillings-, 227 Drillings- und
4.6 Vierlingsgeburten. Die Häufigkeit der Mehr-
gebnrten war übrigens in allen Qoinquennien von
1776 — 1815 bedeutender, ging dann bis zum Jahre
1855 beträchtlich unter das Mittel herab , um seit
der Zeit wieder zu steigen, ohne jedoch bis jetzt das
Mittel wieder erreicht zu haben. Eine Abnahme der
Fruchtbarkeit überhaupt (zu den gebärfähigen Frauen
berechnet) war mit dieser Abnahme der Mehrgebnr-
ten nicht verbunden ^).
16) Kalkül der mittlem Werthe von Hessedaglia.
Es werden die Unterschiede des arithmetischen, geometri-
sehen und harmonischen Mittels besprochen.
17) Nekrolog Paul Brocc^s von Chervin.
18) Statistische Stadie über die Ehescheidung
von Jacques Bertillon. Am häufigsten sind
die Scheidungen in der Schweiz und im Königreich
Sachsen, am seltensten in Belgien und in Holland.
19) Statistik der Geburten und Sterbefalle in
der annamitischen Bevölkerung des französischen
Cochinchina von Dr. A. T. Mondi^re. Enthält
manche interessante Angaben über die dortigen
klimatischen Verhältnisse, die Lebensweise der Ein-
gebomen u. s. w.
20) üeber die MHitäriüehtigkeit in Norwegen
von Arbo. Enthält namentlich Angaben über die
Länge und das Gewicht des Körpers.
21) Oeber die Krankheitsfrequenz in Brüssel
zu verschiedenen Jahreszeiten von JacquesBer-
tillon, im Anschluss daran: Bemerkungen über die
Arbeiten der statisHschen Commission in Paris,
eine Diskussion über die Sterblichkeit in letzterer
Stadt, sowie über die Ermittelungen der Todes^
Ursachen in Italien.
22) lieber die Bevölkerungsbewegung in Eng-
land während des Jahres 1879 (aus dem Registrar
General).
unter den zahlreichen Besprechungen in der
Bibliographie wollen wir hier nur erwähnen den Be-
richt über die Farbe der Augen und der Haare
und eine Sprachenkarte Belgiens, femer über die
verschiedenen, nicht eingeboraen Bevölkerungs-
klassen Algiers ihrer Nationalität nach , mit zahl-
reichen graphischen Darstellungen. Endlich ist auch
eine Arbeit über die Verbreitung der celtischen
Sprache in Grossbritannien von allgemeinem Inter-
esse.
Geissler.
0 AuBführlicheBfittheUnngen s. Jahrbb. CLXXXVm.
p. 149. Redakäon,
52. Mittheilungen aus der G^Bohäfts- und
Sterbliohkeitfl - Statistik der Lebensver-
sioherungBbank für DeutBohland zu Gotha
für die fünfzig Jahre von 1829 bis 1878.
Herausgegeben von Dr. A. Emminghaua.
Weimar 1880. Hermann Böhlau. gr.4. 883.
und Tab. I— XXXV (unpaginirt). (20 Mk.)
53. Mortuary ezperience of the Mutual lifo
insuranoe Company of New York* From
1843 to 1874. Medical StaÜsücs by G. S.
Winston M. D. and E. J. Marsh^ M. D.
— Actuaricd Statistics by Wm. H. 0. Bart-
lett,LLD. New York. 1875/76. Printed
by Order of the board uf trustees. Part I.
46 pp. ; Part U. 26 pp. and Tab. I— XXVIII.
Diesen beiden Jubiläumsschriften mögen auch
an dieser Stelle einige Worte gewidmet sein. Sie
sind beide vorzüglich ausgestattet, das amerika-
nische Werk ist mit mehreren farbigen Diagrammen
versehen. So weit der Inhalt dieser Schriften das
rein geschäftliche Verfahren und die Finanzen der
Gesellschaften betrifft, muss der Leser auf diese
selbst verwiesen werden : nur sei gestattet hervor-
zuheben, dass sowohl für die deutsche als fiir die
amerikanische Gesellschaft die Erfahrung gezeigt
hat, dass der Abgang durch den Tod etwas geringer
im Durchschnitt der ganzen Geschäftsperiode ge-
wesen ist, als die Mortalitätstafeln erwarten liessen
— es lassen daher Beide ein ungestöiiies Wirken
für die Zukunft hoffen und es hat sich keine Veran-
lassung gezeigt, von den bisher eingehaltenen Prin-
cipien der Verwaltung irgendwie abzugehen.
Was die medicinischen Abschnitte betrifil, so
mag das Nachstehende einen kurzen Ueberblick über
die Reichhaltigkeit des Biaterials geben.
Die Oot/iaer Anstalt hat in 50 Jahren über
22000 TodesMe (gegenüber fast 86000 Versiche-
mngsfilllen) verzeichnet. Fast gleich häufig ist als
Todesursache der Gehimschlagfluss (12.1o/o) u. die
Lungenschwindsucht (11.6%) verzeichnet, hierauf
folgen entzündliche Erkrankungen der Athmungs-
organe (10.9%), Altersschwäche (7.3«/o), Typhus
(7.2%), chron. Herzkrankheiten (b.S^U) und Krebs
(5®/o). Die übrigen 40^/o der Todesursachen ver-
theilen sich auf die übrigen Erkrankungsformen.
Im Ganzen waren in den einzelnen 5 Decennien äe
Todesursachen in relativ gleicher Häufigkeit ver-
treten, nur der Typhus [und die ünterleibsentzfln-
dung ?] zeigte eine constante Abnahme, die wohl
Mittheilongen ans der Geschäfta- u. Sterblichkeits-Statistik eto.
311
Ulf eine Abnahme der Krankheit selbst schliessen
Ütest Die Limgenschwindsuehtszififer ist allerdings
auch ge£ftllen^ aber diess deutet doch wohl nur da-
wdj dass man bei der An&ahme der zu Versichern-
den mit grösserer diagnostischer Schärfe als in den
30er und 40er Jahren zu Werke geht Diabetes
mellitus y Herzkrankheiten, Bright'sche Krankheit
osd Altersschwäche haben zugenommen, letztere
nlnrgemäss mit dem wachsenden Alter der Anstalt
seibat, die ersteren 3 Todesursachen wohl nur in
Folge genauerer Diagnose.
Ffir die einzelnen Bem£akiassen der Versicher-
teo sind die wichtigsten Todesursachen in beson-
dern Tabellen zusammengestellt
Eine besondere Berücksichtigung haben femer
die Todesursachen erfahren im Vergleich mit dem
Befand bei der Aufiiahme, mit den Krankheits-
adagen, den Vorerkrankungen, den Krankheiten
der Eltern und Geschwister der Versicherten. Im
Gmzen bilden allerdings die SterbefUle Desjenigen,
welche schon bei der Aufnahme eine verdächtige
Ifarke je nach Habitus, Veranlagung u. s. w. be-
kamen, bei den Versicherungsgesellschaften einen
nr geringen Procentsatz. Man muss daher nur
adir Toraichtig in seinen Schlüssen zu Werke gehen.
ladeBsen sefaeint es mit dem Einfluss der Tuberkulose
oder des Kiehee» der Eltern auf ihre Nachkommen,
sowie mit dem Einfluss des sogen, apoplektischen
Habitus auf die Häufigkeit der betreffenden Todes-
maehe seine Richtigkeit zu haben.
Der Abschnitt Aber die Sterblichkeit nach den
Uireszeiten zeigt, dass die Infektionskrankheiten
vorwiegend auf den Herbst, die Lungenkrankheiten
(eiiiBehl. der Schwindsucht) namentlich auf den FrOh-
ÜBg ond den Winter fallen.
Von grosserer Wichtigkeit sind die Zusammen-
iteJhmgen der Todesursachen mit Rücksicht auf das
Alter des Verstorbenen und auf die Dauer der Ver-
Äehenmg. Namentlich das letztere Verhältniss ist
Ar die Lebensversicherungsbranche von Wichtig-
keit, um das Gewicht der ärztlichen Diagnose bei
der An&ahme in die Versicherung beurtheilen zu
künnen. Der Nutzen der Auswahl ist nun diesen
Tabellen nach bei Weitem nicht so beträchtlich, als
Ban gewöhnlich glaubt. Nach circa 5 Jahren un-
teraeheidet sich die Sterbenswahrscheinlichkeit der
nsmgewählten Leben'' nicht mehr von der ent-
spieehenden anderer gleichaltriger Personen. Auf-
^g ist aber doch, dass die grosse Vorsicht, die
^ bei der Au&ahme gegenüber den der Tuber-
bdose Verdächtigen allerwärts geübt wird, es nicht
weiter gebracht hat, als dass von sämmtlichen an
Taberknlose Verstorbenen fast der 4. Theil (23.75Vo)
imLanfe der ersten 5 Jahre der Versicherung (etwas
^ 2<^/o sogar schon im 1. Jahre der Versicherung)
gerben ist
Der Bericht der amerikanischen Gesellschaft ist
zwar bei Weitem weniger umfilnglich, enthält aber
^ «aeh Manches ftlr den Mediciner Interessante.
Die Todesm*sachen sind nach einer UeberfÜlle von
Namen geschieden, so dass doch nur grössere Grup-
pen derselben zm* Verwendung gelangen können.
Es kommen 5224 Todesftlle zur Verrechnung.
Setzen wir für dieselben wichtigsten Todesursachen,
wie bei der deutschen Gesellschaft, die relativen
Ziffern zum Vergleich hierher, so ist in Amerika der
Gehii*nschlagfluss nur mit 5.9%, die Schwindsucht
dagegen mit 17.6% betheiligt, die sonstigen Er-
krankungen der Respirationsorgane machen 12.4<^/o,
der Typhus 6.4<>/o, die chronischen Herzkrankheiten
5.8^/o, der Krebs endlich nur 1.9% sämmtlicher
Todesursachen aus. In besondem Tabellen sind
noch die Todesursachen nach den einzelnen Alters-
klassen und der Dauer der Versicherung geoi*dnet.
Für die Hauptgrappen sind sehr charakteristische
Diagramme in farbigen Säulen beigefligt
Charakteristisch für amerikanische Verhältnisse
ist die Häufigkeit der Verunglückungen, sie bildeten
6.8<>/o aller Todesfälle, während in der Gothaer
Gesellschaft diese Ziffer nur 1.5% beträgt. Der
Selbstmord war dagegen bei uns etwas häufiger
(l«6®/o gegenüber 1.1% in Amerika).
Wiewohl nicht sehr grosse Zahlenreihen zur
Verfügung stehen, ist doch die Uebersicht über
die Todesursachen nach verschiedenen Nationalitä-
ten nicht ohne Interesse. Es überwiegen die Deut-
schen beim Krebs, der Apoplexie und der Lungen-
entzündung, die eingebomen Amerikaner beim Ty-
phus, bei der Malaria u. der Schwindsucht. Irländer
starben öfter als die Angehörigen anderer Natio-
nalitäten an Erkrankungen des Magens und der
Nieren, namentlich aber auch an Schwindsucht. Die
Schotten überwiegen bei der Apoplexie und den
Herzkrankheiten, die Engländer bei den Krankhei-
ten des Nervensystems und der Verdauungsorgane.
Auch nach den einzelnen Staaten Nordamerikas
ist die Vergleichung für die wichtigsten Todes-
ursachen durchgeführt, wobei freilich die einzelnen
Reihen nur auf sehr kleine Ziffern basirt sind. Es
scheint, als ob der Typhus vornehmlich in Ohio, In-
diana, Illinois und den westl. Territorien, am selten-
sten in Delaware bis nach Texas hin auftrete ; die
Schwindsucht findet sich besonders in Maine, New
Hampshire, Vermont, Massachusetts, Rhode-Island
und Connecticut , dagegen selten in den westlichen
Gebieten. Der Krebs kommt am häufigsten in den-
selben Staaten wie die Schwindsucht, am seltensten
in den Weststaaten, sowie in Ohio, Indiana und
Illinois vor. In den letztgenannten Staaten, sowie
in Kentucky, Tennessee, Missouri und Arkansas ist
insbesondere die Malaria zu Hause.
Bezüglich des schon oben erwähnten Einflusses
der Auswahl bemerkt der amerikanische Bericht,
dass der Vortheil derselben sich in jedem Lebens-
alter mit der Dauer der Versicherung vermindere ;
dass er am schnellsten bei Denjenigen verschwinde,
welche ihr Leben in Jüngern Jahren versicheni ; dass
endlich im mittlem und höhern Lebensalter der
Nutzen der „Selektion'^ langsamer abnehme und
312
Medicinische Bibliographie des In- u. Auslands.
wahrscheinlich bei diesen nie gänzlich mit der län-
gern Daner der Versichemng aufhöre. Bemerkens-
werth ist für diese Gesellschaft in Amerika^ dass von
sämmtliclien Todesfällen an Schwindsacht sogar £ist
55<^/o anf die ersten 5 Versicherangsjahre (4.6%
auf das 1. Jahr) kommen. Qeissler.
D. Medicinische Bibliographie des In- und
Auslands.
Sämmtliche Literatur , bei der keine besondere Jakreazalil angegeben ist, ist vom Jahre 1881.
I. Medicinische Physik und Chemie.
Meteorologie,
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Ann. d'Hyg. 3. S. VI. p. 9. Juillet.
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von Spektralfarben. Arch. f. Anat. u. Physiol. (physiol.
Abth.) 3 u. 4. p. 336.
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u. verwandter Theile anderer Wissenschaften. Unter Mit-
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u. in melanot. Tumoren. Sitz.-Ber. d. physik.-med. Ges.
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med. Ges. in Würzb. N. F. XV. 3 u. 4. p. 247.
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Medicinische Bibliographie des In- u. Auslands.
313
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des Pigmenlaellen der Froschhant. nPbysiol. Institut d.
Wien« Uiälrenitit^*' (Stta.-Ber. d. k. Akad. d. Wiss.)
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lAiyBik.-tt«ift. Ges. hl Wttnb. K. F. XV. 3 u. 4. p. m.
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WistSlfB«Ailift)r. — b) ElBfl. yerstohied. Temperataren auf
£e Wlaten^lälti». Verhandl. d. pfayslk.-med. Ges. in
Wflnk N. Fi XV« 3 n. 4. p. 177. 187.
Jvnes, T. Whairton, Ueber LymiAhersen u. die
Bne&^nuBgen M def ProfitUsiOtt der Lymphe von dens.
au hl die Venen. Amer. J\Mfra. of med. Sc. OLXni.
h 79. Jn^.
Jonrdain,S.» Ueber die Borstenhaare der Innern
Antenne derCrustaceen, mit Bemerkungen üb. die sogen.
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Andriani, Giovanni, u. Alberto Solaro,
tleber d. psychomotor. u. sensor. Centren. II Movimento
med.-chir. Xm. 7 e 8. p. 428.
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18. p. 388.
40
314
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A. u. d. T. : Nachtrage zur allgem. n. mikroskop. Ansto«
mie von Prof. W» Krame, Hannover. Hahn. 8. VIH
u. 170 S. mit 81 eingedr. Holzschn. u. 1 TafeL 3 Mk.
(Das ganze Werk mit Nachträgen 47 Mk.)
Kunkel, Ueber Albuminurie bei gesunden Nieren.
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sohen, einschliessl. d. Histologie u. mikroskop. Anatomie.
Wien u. Leipzig. Urban n. Sohwarsenberg. 8. XVIH o«
1030 S. mit eingedr. Holzschn. 10 Mk.
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d. normalen Zungenbelag. VJhrschr. f. Dermatol. u. Syph.
vm. 2 u. 3. p. 287.
Valentin, G. , a) Verfahren zur Naohweisung des
Einflusses eines bestand. Stromes auf d. Wirkongen einer
benachbarten elektr. erregten Nervenstrecke. — b) Ueber
d. Beschleunigungswerthe d. Verkürznngsganges d. Mus-
keln. Ztschr. f. Blol. XVn. 2. p. 138. 157.
Welcker, Hermann, Die neue anatom. Anstalt
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pulmonales mit den Bronchialvenen- u. mit dem mediasti-
nalen Venennetze. (Sitz. -Ber. d. k. Akad. d. WIbb.)
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8. a. in. 1. Kunkel; 2. Bischoff, Monakow,
Vignal.
Vgl. a. I. Physiologische Chemie, in. 2. Entwick-
hmgS'OescMehte, V. 2. u. VH. Physiolog. Wirkung ein-
zelner Arzneisubstanzen u. Gifte, VEGE. 2. a. Pathologische
Beobachtungen in Bezug auf die LokaUsaHon d. Funktio-
nen d. Oehtms.
Die Anatomie u. Physiologie der toeibl. Sexualorgane,
des Seh' u. Oehör- Organs, des Zahnsystems s. IX. X.
xm. XIV. 1. XV. Ueber Missgeburten s. a. XVHI.
4) Missbildungen und angebome Bildungs-
Varietäten*
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d. Schlnndftirchen u. die verwandten Missbüdungen der
Kiemenbogen. Schweiz. Corr.-Bl. XI. 17. p. 551.
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FrüB, Hemmongsbildang der Urogenitalorgane.
Ugeskr. f. Läger 4. B. IV. 12.
Graber, Wenzel, Anatom. Noüxen: Ueber d.
sehen congenital anftretende Commnnikation d. nntem
Badio-UlnargelenkB mit d. Badio-Carpalgelenke. — Mnsc.
nlnariB ext. brevis b. Menschen. — Ueber d. Areas ten-
dineas piso-hamatas o. dessen Sabstitaten, d. M. piso-
hamatas. — Yollstand. Mangel d. M. tensor faseiae latae
b. Menschen. — Der N. radio-cataneas als 8abstitat d.
N. nlnaris am Kücken d. Hand a. d. Finger. — Dnrch d.
Theilongswinkel d. Art. brachialis tretende Ansa reoarrens
zwischen d. N. moseolo - cntaneas bracUi a. d. Nenras
medianns b. Menschen. — Abgang d. Ramus yolaris digi-
toram oommnnis in. d. N. medianns in yersohied. Höhe
am Unterarme. — Vorkommen einer Zwisehennieren-
arterie. — Dnplicitat d. V. cava saperior mit 2 transver-
salen Commnnikationsasten u. 2 W. azygae. Vircbow's
Arch. LXXXVI. 1. p. 1. 15. 19. 26. 27. 29. 33. 35. 38.
Hamilton, Edward, Angebome Deformität d.
Oberlippe. Dabl. Jonm. LXXU. p. 1. [3. S. Nr. 115.]
Jaly.
Krause, W«, Zar Asymmetrie d. Schädels. Vir-
ohow's Arch. LXXXV. 2. p. 226.
Levy, Sigfred, Zar Genese einiger angeb. De-
formitäten. Ugeskr. f. Läger 4. R. HI. 28.
Macleod, W.A., IGssbildang an Fingern a. Zehen.
Brit. med. Jonm. Jaly 30. p. 159.
V. Binecker, Fall von MikrocephaUe. Verhandl.
d. physik.-med. Ges. in Wfirzb. N. F. XV. 3 n. 4. p. XI.
Vgl. a. Sitz.-Ber. 6. p. 86.
Sangalli, Ueber d. angebomen a. erworbenen
StSrangen b. Ifangel einer Niere. Gazz. Lomb. 8. S.
m. 30. p. 298.
Schnohardt, Eigenthüml. Lnngenanomalie. Bresl.
ärztl. Ztsohr. HI. 14. p. 163.
Spitzka,£. C, Ueber einen Fall vonMlkrocepha-
los. New York med. Becord XX. 2 ; Jaly. p. 48.
Zaokerkandl, E., Ueber ein abnormes Verhalten
d. Zangenschlagadern. Wien. med.Wchnschr. XXXIX. 29.
S. a. XII. 2. Santesson.
Ueber angebome Bildungsfehler emzebier Organe
s. vm. 2. a. vra. 4. vra. 5. vin. 8. rx. x. xn. 4.
xn. 5. xn. 9. xn. 10. xni. xiv. xv. xvi.
IV. Hygieine ; Diätetik ; Sanitftts-
polizei.
Prüfimg der Nahrungamittel u. Verfähchtmgen
derselben; Desinfektion.
Adloff, Lnftvergiftangdarch Fabrikgase. VJhrsehr.
f. gerichtl. Med. N. F. XXV. 1. p. 127. Joli.
A 1 e X i , Zar Ueberbürdang d. Jagend aaf d. Schalen.
Dentsohe Vjhrsohr. f. 5ff. Geshpfl. Xni. 3. p. 407.
Ballard, Ed., Erkrankangen dnrdi Schweine-
fleisch. Praotitioner XXVn. 3. p. 231. Sept.
Bernatz, Ueber Erkrankang d. Porzellanarbeiter.
Gaz. des HÖp. 107.
Blasins, R. , Die Schalen d. Herzogthams Braan-
sohweig vom hyglein. -Statist. Standpnnkte aas betrachtet.
Deatsche Vjhrsohr. f. öfT. Geshpfl. XHI. 3. p. 417.
Brash , E. F., Ueber Milch. New York med. Re-
cord XX. 6 ; Aag.
B a g 6 1 , E d m. , Die hygieinische Bedeatg. des Trink-
wassers mit bes. Berfioksichtigang der Brunnenwässer a. d.
Gesandheitsverhältnisse d. Stadt Pressbaig, oder ben5-
thigen wir einer Wasserleitung? Pressbarg. Heckenasf s
Nachfolger. 8. 60 S. 1 Mk.
Caspary, N. , Die Trinkwasserfrage im Allgemei-
nen n. in R&cksicht aaf die Trinkwasser-Verhältnisse d.
Stadt Düren. Doren. Hamel. 8. 85 S. 1 Mk.
Diehl, Georg, Einwirkung d. MetaUstanbe« Mf
d. Bronzearbeiter. Gesandheit VI. 15.
Edis, Arthur W. , Beisevorsohriften f. Kinder.
Brit. med. Jonm. July 30.
Eulenberg, Ueber d. Einwirkung d. Säuren auf
bleihaltige ZinngeiSsse. Vjhrsohr. f. gerichtl. Med. N.F.
XXXV. 2. p. 277. Oct.
Fahre, Paul, Ueber Desinfektion von Wohnräo-
men mittels schwefliger Säure. Gaz. de Par. 31.
Fahre, Paul, Ueber Vorkehrungen gegen bSse
Wetter (Grisou) in Beigwerken. Gas. de Par. 35.
Girard, Ch. , Ueber Gipsen d^s Weins. Ano.
d'Hyg. 3. S. VI. p. 5. JuiUet.
Godefroy,A., Beweglicher Ofen. Bevne d'Hyg.
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Gross, K. H., Die rechtsschiefe Sehreibweise ik
Hanptursache d. Skoliose u. d. Myopie. Wfirtemb. Gorr.-
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Verbreitung von zymot. Krankheiten. Wien. med. Prease
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Ann. d'Hyg. 3. S. VI. p. 159. Aoüt. Vgl. a. Bevae
d'Hyg. ni. 7. 8. p. 585. 665. JuiUet, Aoftt.
Hesse, Walter, Zur Wohnnngshyg^eüie. Viertel-
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Heyman, Elias, Ueber d. Zusammensetzung d.
Luft in d. Schulen. Ann. d'Hyg. 3. S. VI. 3. 4. p. 207.
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Milch und dessen Nachtheile in Bezog auf d. kfinstl. Er-
nährang d. Kinder. Ann. d'Hyg. 3. S. VI. p. 78. Juillst.
Hfinieken, IHe Krankheiten d. JuteCabrikarbelter.
Berl. kün. Wchnsohr. XYlli. 35.
Lagneau, Gustave, Ueber Tabakmlssbraneh.
Ann. d'Hyg. 3. S. VI. p. 41. Juillet.
Liebig, H. v. , Condensirte mich n. ihre Anwen-
dung. Bayr. ärzü. Intell.-Bl. XXVXH. 82.
Linroth, Klas, Ueber d. Verhalten d. Wissen
in nnsem Kleldem. Ztsohr. f. Bk>l. XVn. 2. p. 184.
Lissauer, Ueber d. Eindringen von KanalguMiii
d. Wohnräume. Deutsche VJhrsehr. f. öff. Greshpfl. XDI.
3. p. 341.
Lochner, Der Sehwabaoher Federbaitor cor Bs-
seitigung d. krummen Haltung b. Schreiben. Bayr. änti.
InteU.-Bl. XXVin. 33.
Methode, leicht ausfChrbaie, smr UntorsaohMg d.
Genusswasaers v. J. 1876. 2. Anfl. Wien. Hof- n.
Staatsdr. 8. 75 S. 60 Pf.
Möller, Stiefel mit Ventilailonsapparat gegen Fnn-
schweiss. Ugeskr. f. Läger 4. B. IV. 16.
Munk, Immanuel, Ueber. d. Sekßrjfnehe oon-
servirte lUllch. Deutsche med. Wchnschr. vn. 36.
Nachtarbeit b. d. Bäckern. Norsk. Mag. 3.B.
XI. 7. Forh. S. 104.
Nahrungsversorgung in London. Lanoet H.
15 ; Oct.
Nowak, Josef, Der Banch in gesundheitl. Be-
ziehung. Wien. med. Wchnachr. XXXI. 98.
Fabst, J. A., Die Fälschungen d. Milch in Paris.
Ann. d'Hyg. 3. S. VI. p. 56. Juillet.
Petersen, 0., Ueber d. Desinfektion in d. Hospi'
tälem. Petersb. med. Wchnsohr. VI. 27. 28.
Pflfiger u. Stütsle, Hafermehl ala Kiadeniit-
rungsmittel. Wfirtemb. Corr.-Bl. LI. 24.
Poincar^, Ueber d. hygioskop. Eigenaohaften d.
Baumaterialien. Ann. d!Hyg. 3. S, VL p. 36. Juillet.
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Gesundheitszustands d. Stadt Dublin. Mitgetbeilt von
E. Wiebe. Deutsche VJhrsehr. f. 5«. G«0hpfl. XIH. '•
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I. GehurtshiUfe. Fehling, H., Ueber d. Cred^ache Ver-
fahren u. d. Nachgeburtszeit. S. 1. — Ploss, H., Histor.-
ethnograph. Notizen zur Behandl. d. Nachgeburteperiode.
S. 12. — Grenser, Paul , Ueber Geburten b. altem Erst-
gebärenden in d. Privatprazis. S. 32. — Sänger , M., Der
Kaiserschnitt bei Uterusflbromen. S. 47. — II. Gynäko-
logie. Hennig, C, Die Lebensdauer d. Carcinoma mam-
mae n. d. Lebensdauer bei Carcinoma mammae. S. 105.
— Leopold, G., Myomotomien mit Versenkung d. Stieles.
S. 125. — Prochovmik, L. , Ueber Pruritus uterinus.
S. 141. — m. Pädiatrik. Proriep, Aug., 2 Typen des
normalen Beckens. S. 157. — Schütz, A,, Ueber Gewicht
u. Temperatur b. Neugebomen. S. 165. — Opitz, Ueber
d. Thätigkeit d. Brastdrüse bei Neugebomen. S. 195. —
Moldenhauer, W., Zur Physiologie d. Hororgans Neuge-
boraer. S. 199. — Fürst, Livius, Zur mechan. Behand-
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mit eingedr. Holzschnitten.
S.a. V. 2. Hill. Vm. 10. Guerrier. XIL 1.
Bardeleben; 12. CrawCour. XIH. Depaul,
Hänel. XVII. 1. Gerichtliche Gebwtshülfe. XVIII.
Wolter.
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sonders mit BiederVs Rahmgemenge. Berl. klin. Wo-
chenschr. XVIU. 41.
Demme, R., 18. med. Bericht über d. Thätigkeit
d. Jenner'Bclken Kinderspitals in Bern im Laufe d. Jahres
1880. Bern. Comm.-Verl. d. J. Dalp'schen Bnchhandl.
(K. Schmid.) 8. 100 S. mit 1 Tabelle. 2 Mk.
Inhalt : Statist. Angaben über d. Krankenbestand d.
Kinderspitals u. seiner Poliklinik im J. 1880. — Fernere
klin. u. anatom. Beiträge zur Ernähr nngsf rage. — Zur
Lehre u. Behandlung d. sogen. Cholera aestiva. — Das
Zahlenverhältniss d. rothen u. weissen Blutkörperchen im
Sänglingsalter. Versuche mehrfacher Bluttransfusion zur
Hebnng gesunkener Ernährung. — Zur Contagiosität der
Diphtheritis. — Zur Wirkung d. Pllocarpinum muriaticum
im Kindesalter. — Ein Fall von Thrombose d. Vena cava
inferior. — Fall von wahrscheinl. fötaler Pankreaserkran-
kung. — Weiches Lymphosarkom der rechten Unter-
schlüsselbeingegend. — Behandlung eines consekutiv
doppelseitigen Empyem durch Rippenresektion. — Durch
Versehlucken eines Fremdkörpers bedingte Perityphlitis ;
Elimination d. Fremdkörpers durch einen d. Mastdarm
perforirenden Senkungsabscess. — Stmmitis bei einem
Neugebornen. — Tabellarische Uebersicht d. Spitalkran-
kenbestandes des Jahres 1880.
Elcke, Frz., Ueber das Vorkommen des Lungen-
emphysem bei Kindern. Inaug. -Diss. Königsberg.
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Klencke, Herrn., Das kranke Kind. Populäre
Belehrung in d. rieht, n. frühzeit. Erkennung kindlicher
Krankheitsanlagen n. Erkrankimgen u. in d. zweckmäsa.
häusl. Behandl. ders. bis zur Hülfe d. Arztes. 3. Aufl.
Leipzig. Kummer. 8. IX n. 390 S. 4 Mk.
Lentz, Max im in, Ueber Pneumothorax bei Kin-
dern. Würzburger Inaug.-Diss. Prüm 1880. 8. 45 S.
Pippingsköld, Ueber Behandltmg asphykt. Nea-
geborner. Finska läkaresällsk. handl. XXIU. 2 och 3.
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Rathschläge. Die erste Elindespflege. Herausgeg.
vom Vor. f. öff. Geshpfl. zu Schwerin. Schwerin. Schmiede-
kampf. 4. (Plakat). 10 Pf.
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Pflüger, Strohmer. V. 2. Pfeiffer, Simon,
Stage. vm. 2. b. Wising; 3. d. Vibert; 4. Day;
6. Herz; 7. Foot; 9. a. Gnibout. IX. Ingersler.
X. Beiträge. XU. 8. Wright; 12. Simon. XIII.
Colsmann, Depaal, Hänel, Nieden. XIV. 1.
Schell.
Vgl. IV. Milch/rage, Schidhygieine, VIII. 2. a. Tuber-
kulöse Meningitis; 2. b. Kinderlähmung ; 3. a. Diphtkeritt
Scrofulose, Rhachitis; 5. Ootip, Keuchhusten; 9. akuU
u. chron, Exantheme ; 9. b. Vaccination ; 10. sypküäisdte
Affektionen; 11. HelnUnthiasis, X. Krankheiten des Fötus
u. d. Neugebomen. XH. 10. Orthopädie, XV. Denätion,
e.
1) Allgemeines.
Antiseptisohe Chirurgie s. XH. 1. Bardi-
leben , Brown , Giraud , Hodges , Kocher, Rydygier, Seif-
del; 3. Moriarty; 9. Krabbel; 10. Freer»
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während d. Chloroformnarkose. Deutsche Ztschr. f. Chtr.
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land. Rec. de m^m. de m6d. etc. milit. 3. S. XXXW
p. 376. Jnillet— Aoüt.
Handbuch d. allgemeinen n. speciellen Chinugi^i
redigirt von Pitha a. BiUroih 8. XH. 12. Schede.
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durch verttkale Elevation d. Glieder erzielter iBchSmle
nach grossen Operationen oder bei Blatnngen nach Yer-
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1. 0er. 1879 bis 31. Dec. 1880. Arch. f. kUn. Chir.
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Merkel, Johann, lieber Jodoform in d. Chirargie.
Bayr. ärztl. Intell.-Bl. XXVm. 36.
Neryenchirurgie s. VIII. 2. a. Benedikt, Pre-
mix Schüssler, Southam, Weiss; 2. c. Rivington; 2. d.
Hanmond. XII. 1. Wolherg; 3. Leferts; 12. Albert,
HoU, Ruprecht, Southam. Xni. Lande^erg,
Rydygier, Zur Sprayfrage. Deutsche Ztschr. f.
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aber d. ehinirg. Abtheilong d. allgem. Krankenhauses in
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Stelz n er, Berioht über d. im J. 1880 auf d. chir.
Aliäieilnng d. Hospitals d. Diakonissenanstalt zu Dresden
behandelten Kranken. Jahresber. d. Ges. f. Natur- u.
HeOk. in Dresden 1880—1881. p. 124.
Svensson, Ivar, Aus d. chirnrg. Abtheilnng d.
SabbaUiberg-Erankenhauses. (Statistik der Operationen.
— Rippenresektion. — Behandl. d. Exsudate in serösen
H&hlen. — Osteitis chron. femoris. — Colotomie. —
Operation von Hämorrhoiden oder Mastdarmvorfall. —
Perinaoplastik. — Hydronephrose ; Operation ; Heilung.
— Cystoepasmus. — Steinoperationen. — Operationen
wegen Hamröhrenstrikturen.) HygieaXLIII. 7. 8. S. 321.
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O^^ttingen vom 1. Oct. 1876 bis 1. Oct. 1879. Deutsche
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Taiflor.
8. a. lU. 3. Engelmann, Holgate. V. 2.
Unna. VH. Falkson, Macphail. XH. 12. Du-
brenil.
Vgl I. o. XIX. 2. UnUrsuchvog von Blut, Harn,
Fremdhiktungen, V. 2. ; VU. ; XIX. 3. Anmhetika u.
ihn Gefahren. V. 3. Oabfonokauetik. VIU. 2. c. Tris-
"Mttfi. TetüHus; 8. a. Pyämie u, Sepükäme, XIX. 2. En-
^oücopie, Lcayngoskopie, Rünoskopie; 8. AdspiraHon,
«Hit^fiiffto Verfüknn, Transfusian.
Med. Jahrbb. Bd. 191. Hit. 3.
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eines Drahtecraseur). New York med. Record XX. 2 ;
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auf Epidemien in d. Garnison von Clermont-Ferrand.
Rec. de m6m. de m6d. etc. milit. 3. S. XXXVII. p. 363.
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Vgl. III. 4. Angebome Geschwülste, VIII. 3. b.
Krebsgeschwülste, IX. Geschwülste u. Polypen der wabl.
Genitalien. XII. 5. Ge/ässgeschwülste ; 6. Polypen d, Mast-
darms; ^, Knochengeschwülste; 9. Geschwülste der Harn-
blase ti. der männl. Genitalien , Polypen der Harnröhre ;
12. Operationen wegen Geschwülsten. XIII. Kropf mit
Exophthalmus. XIX. 2. Bau u, Klassificirung der Ge-
schwülste.
3) Wunden, Brand, Verbrennungen^
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Vgl. VHI. 2. a. Affektionen der Nervencentren mit
Verletzungen. XH. 1. Wundbehandlung im Allgemeinen;
4. brandige Entzündung ; 5. Gefltsseerletzungen ; 7. a. o.
7. b. compUcirte Frakturen u. Luxationen; 8. Knochen-
ii. Gelenkverletzungen ; 9. Verletzungen der Harn- u.
männl. Geschlechts- Organe. XVH. 1. Verletzungen vom
forensischen Standpunkte,
4) Phlegmonen, Abscesee, Geschwüre, Fieteh,
Stenosen, abnorme Trennungen «. Ver^
waclveungen.
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9. Macleod, Riebet.
Vgl. vm. 7. Leber- Abscess. IX. Abscesse ti. Fisteln
an den weibL OemtaUen, XH. 8 u. 9. Abscesse, Fisteln u.
Sirikturen an den Knochen y den Harn- u. männl. Ge-
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Vgl. Xn. 3. Verletzungen des Unterleibs ; 4. Steno-
sen u. Fisteln des Oesophagus u. des Magen-Darmkanah,
7) Frakturen und Luxaüonen.
a) Frakturen.
B 0 u 1 e y , E. , Fraktur d . Femur unter d. Trochanter ;
Tod am 70. Tage durch Lungenembolie. Progr^ m6d.
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Bouley, E. , Fraktur d. Femur zwischen d. Con-
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lenkwwiden; 10. PotVschee Uebei\ 12. Resektumen, Am-
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Vgl. Vm. 3. b. Operationen wegen Krebs. IX. Am-
puiation der Brust, Ovariotomie, Laparotomie^ Operationen
bei Verschluss der Vagina, bei Fisteln , Vorfall des Uterus
u. der Vagina, Polypen, Hbromen, Exstirpation des Ute-
rus, Perinäorrhaphie. X. Kaiserschnitt. Xu. 1. Antisep-
tische Behandlung , Verfahren zur Blutsparung , Nerven-
chirurgie, Lufteintritt in die Venen; 2 — 11. Operationen
wegen den einzelnen Abschnitten angehöriger Krankheiten.
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nitrit. — c) Retinitis proliferans. — d) Behandl. d. Netz-
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burg, Wilh. Schoen in Leipzig u. O. F. Wadsworth in
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Vgl. Vin. 2. a. über HypnotUmus, anünaUidun
Magnetismus^ SomnambulUmus ] 2. c. Epüeptie u. Imein.
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gen, durch welche d. Ausstellung von ärztl. Attesten zu
ngehi ist. Deutsche med. Wchnschr. VII. 36. 37. 38.
(I[ed.-Beamten-Ztg. 18. 19.)
Pontoppidan, Fälle von zweifelhafter Zurech-
aongsfähigkeit. Ugeskr. f. Läger 4.R. III. 6. 7. IV. 12.
PresI, Friedrich, Die Prophylaxis d. übertrag-
baren Infektionskrankheiten. Mit besond. Berücksicht. d.
öeterr. u. deutschen Gesetzgebung. Wien u. Leipzig.
Vrban u. Schwarzenberg. gr. 8. V u. 147 S. 3 Mk.
Prostituirte, Untersuchung dprselben. Hygiea
XLIU. 3. Svenska lakaresällsk. förh. b. 13. 14. 23. 27.
33. 55.
Reclam , C. , Ueber Selbstmord u. dessen Vorbeu-
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Sehenck, Zum Geheimmittelwesen. Aerztl. Mit-
theU. aus Baden XXXV. 16.
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blindheit, Weber. XIV. 1. Becker, Weil. XVL
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Vgl. IV. Sanitätspolizei. V. 1. Arzneitaxe, Apotheker-
wesen, Geheimmittel, VI. Beaufsichtigxmg d. Heilquellen,
VII. Vergiftungen, VIU. 3. a. Oelbßeber, Hydrophobie,
Milzbrand, Pest, Rotz-, 9.b. Pockenhospitäler, Vaccination;
10. Vacctnasyphüis , Prophylaxe d, Syphilis; 11. Trichi-
nose, X. Hebammenbildung , Gebärhäuser , Asphyxie d,
Neugebomen. XI. Kinderhygieine , Kindersterblichkeit,
XIII. Prüfung des Sehvermögens, Farbenblindheit. XIV. 1.
Prüfung des Hörvermögens ; 2. Taubstummheit, XVI. Für-
sorge für d, Irren u, Trinker. XVIU. Ueber trag bare Thier-
krankheiten, XIX. 1. Ausbildung d. Aerzte, ärztliche
Standesinteressen,' Vivisektion; 2. Gewerbekrankheiten,
plötzliche Todesfälle, Krankenpßeye u. Hospitäler, Ab-
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Fromme. 16. 173 u. 192 S. 3 Mk. 20 Pf.
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buch für Aerzte d. deutschen Reichs. 4. Jahrg. 1882.
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je 50 Pf.
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Herausg. von San.-R. Dr. Holzer. Wien. Perles. 1^*
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Technik der patholog. - anatom. Untersuchung. 1. n.
H. Theil. 1. Hälfte. Jena. Fischer. 8. XIV n. 710 S.
mit eingedr. Holzsehn. 12 Mk.
S. a. lU. 3. Boehio. IV. Hart.
Vgl. I. Patholog. -ehemische Ünteraiuekwngen. VIII. 4.
Thrombosen. Embolie. ^11.2. GeschtoulstbÜdtmg. XIX. 1.
Mikroskope u. mikroskopische Technik.
Wegen der anatomischen Veränderungen einzelner
Organe s. d. betreffenden Abschnitte unter Vin., sowie
IX. X. Xn. 3—9. Xm. XIV. l. XV. XVI. ; nach Ver-
gißungen VH. ; bei Thieren XVHI.
3) Allgemeine Therapie,
Adspirations. VIII. 6. Williams.
Antiseptische Behandlung s. VIU. 5. Mur-
ray ^ Williams. IX. Bantock , Hübner, Thomton. X.
Rheinstaedler, Spiegelberg. XII. 1. in der Chirurgie,
XIU. Forster, Homer, Kroemer, Reymotul. XVII. 2.
Antis^sis. XIX. 2. Macdonald.
B i n z , Ueber d. Wirkung n. d. Gebranch antifebriler
Arzneimittel u. über d. Einfl. innerl. Arzneimittel taf d.
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Boehm, Rudolf, Wirkung d. Arzneimittel anf d.
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mit eingedr. Holzsehn. 2 Mk.
Carson, Jos., Ueber Emetika. Therapeut. 6».
N. S. U. 8. p. 288. Ang.
Sach-Register.
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HoBp.-Tid. 2. R. Vm. 15.
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sköld. XIV. 1. Blake.
M a u r e 1 , lieber d. Temperatur herabsetzende Mittel.
Bull, et m^m. de la Soc. de Th^r. XIII. 17. p. 177.
Sept. 30.
Pneumatische Therapie 8. Vm. 5. Daklerup,
UX. 3. Corval, Lehmann.
RouBsel, lieber Bluttransfusion. Bull, et möm.
de la Soc. de Th4r. XIII. 12. p. 137. Juillet 15.
Subcutane Injektion s. Y. 2. Martineau, Ray-
mond. VIII. 3. a. Fussell. X. Maherly-Srnth. XII. 6.
SmUk. XVI. Voism. XIX. 3. Eichhorn,
Transfusion s. IX. Hirne, XIX. 3. BizzozerOt
EddoweSj Koff, Roussel.
Wood, B.C., Ueberphysiolog. Antagonismus. Bull,
de Th^. CI. p. 150. Aoüt 30.
S. a. m. 3. Daily. IV. Wiel. VI. Hydrothera-
jfie. XVI. Mc Munn. XIX. 2. Laryngoskopie, Rhino-
skopie,
4) Med, Geographie, Statistik, Geschichte,
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Metzler. 8. IV u. 64 S. mit Tab. 1 Mk.
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(Denkschr. d. Schweizer Gesellsch. f. d. ges. Naturwiss.)
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8. a. vm. 3. a. Ueher Gelbfieber, Christie,
Davidson, Rabitsch, Radcliffe; 3. e. Bur-
kart; 9. a. Lucas. Xni. Beheim.
Sach - Register.
(Die Zahlen beziehen sich auf die Seite.)
Abdomen s. Unterleib.
Abdominaltyphns s. Typhus abdominalis.
Abffihrmittel, Milchzucker 19.
Abortus, Neigung zu solch, als Folge von Cervikal-
riaaen 259. — , wiederholter mit Abgang eines Abgusses
d. Uterushöhle 259.
AbscesB, des Uterus nach Metroperitonitis 44. — , der
Leber, Zusammenhang mit hjrpochondr.-melanchol. Zn-
•tiaden 172. — , im Qehim bei Otitis (Diagnose) 199.
(Hiaügkeit) 200. (ohne Zusammenhang) 201. — , von
Med. Jahrbb. Bd. 191. Bft. 3.
Wirbeln als Ursache von Tracheostenose 270. — , im
Becken, Trepanation d. Darmbeins 272.
Achloropsie 88.
Achromatopsie 88.
Acidum s. Säure.
Acnpnnktur, d. Herzens, behufs Nachweis d. Todes
280.
Acusticus, Geschwulst an solch, in d. Kleinhimgrube
197.
Aderhaut s. Chorioidea.
45
354
Sach-Register.
Adipocire, Bildung 114. 116. (Knochen) 115. 116.
(Knochenmark) 116. 116. (Muskeln) 116. (Haut) 116.
(Beziehung zur Fäulniss) 117.
Aether s. Schwefeläther.
Aethylenchlorid, Wirkung auf d. Reflexphänomene
287.
After 8. Anus.
Aglaukopsie 88.
Akumetrie 202.
Akyanopsie 88.
Alaun, Nutzen bei hyperplast. Processen d. Trommel-
höhlenschleimhaut 207. — , Einspritzung d. Lösung b.
chron. Blasenkatarrh 222.
Albuminoidsnbstanzen, als Produkte der Fäul-
niss 3.
Albuminurie, nach Aufpinseln von Jodtinktur bei
Kindern 161.
Aldehyde, Bezieh, zur Spannkraft d. Lebenskraft 1 14.
Alkalien, Anwend. gegen Sterilität 44.
Alkaloidartige Basis s. Base.
A 1 k a 1 0 i d e , Wirkung auf d. Körpertemperatur 120. —
S. a. Opium.
Alkohol, Nutzen gegen Pilze im Ohr 183. — , Anwen-
dung b. Kindern 265. (Contraindikationen) 266. — S.
a. Schnaps.
Alopecia areata, fiber d . ganzen Kön>er ausgebreitet 30.
Alter, Verminderung d. Elasticität d. Arterienwände
118. — S. a. Greis; Lebensalter.
Amerika s. Nordamerika.
Amine, als Fänlnissprodukt 4.
Ammonium s. Bromammonium.
Amputation, d. Collum uteri mittels d. Thermokauter
44. — ^, unter d. Astragalus 72. — , d. Penis 272.
Amylnitrit, Nutzen b. Angina pectoris 246.
Amyotrophische Lateralsklerose, Dauer der
latenten Ezcitabilität d. Muskeln 288.
Anämie, Krystalle im Pfortaderblnte 4. — , chronische,
Nutzen der Bluttransfusion in d. Peritonäalhöhle 176.
— , essentielle (Bluttransfusion) 262. (anatom. Ver-
änderungen) 263. — , bei Kindern , Nutzen d. Alkohol
266. — S. a. Chlorose.
Anästhesie, Einfl. d. Senfteigreizes 173. — , an sym-
metr. gelegenen Pigmentflecken 244. — , Erlöschen d.
Reflexphänomene als Vorbote d. CoUapsus 286.
Anästhetika, Wirkung auf d. Reflexphänomene 285.
287.
Anatomie, d. Menschen, Handbuch ders. (von Rob,
Hartmanny Rec.) 289.
Anerythropsie 88.
Aneurysma, d. Aorta, Rückenschmerz b. solch. 128.
Angeborne Bildungsfehler s. Farbenblindheit;
Lungenvene.
Angina pectoris, in Paroxysmen auftretend 245.
Ankylose, d. Os coccygis als Geburtshindemiss 261.
Annales de Demographie internationale (par Arth,
Cherviny Rec.) 308.
Anophthalmus, doppelseit. b. Idiotie 297.
Anteflexion, d. Uterus, als Ursache von Sterilität 143.
Anteversion, d. Uterus, Nutzen d. Scheidenpessarien
268.
Antipyretiknm s. Chinoliu; Veratrin.
Antiseptika, Wirkung ders. 239. (auf d. Bakterien d.
Fleischwassers) 240.
Antiseptische Behandlung, bei Mittelohreiterung
206.
Antispasmodikum, Hyoscyamin 170.
Antitypikum, Chinolin 19.
Anus praeternaturalis, Darmresektion 161.
Aorta, Dyspnoe b. Erkrankung, Nutzend, subcutanen
Morphiumi^ektion 20. — , abdomifuiliSy (Aneurysma,
Rückenschmerz b. solch.) 128. (Compression gegen Ge-
bärmntterblntnng) 262.
Aphasie, durch EmboUe d. Art. fossae Sylvü bedingt
220.
Aplasie lamineuse progressive de la face 23.
Apomorphin, als Expectorans 20.
Apoplexie, d. Nebennieren b. Leukämie 249.
Apparat, zur Dampfentwicklnng in Krankenzirnmem
176.
Aqua creosoti s. Kreosotwasser.
Aquaeductus Cochleae, Anatomie 178.
Arachnoidea spinalis, Kalkplättchen in ders. 22.
Arbeiter s. Emtearbeiter.
Area C eis i (Pilztheorie) 30. (als Trophonenrose) 80.
Argentum nitricum, Wirkung auf d. Protoplasma 114.
— , Verwendung zur Verhütung d. Ophthalmia neoDa*
torum 149.
Arsenik, Nutzen bei Wechselfleber 218. — S. a. Fow«|
ler'eche Solution.
Arteria coronaria cordis (Stillstand der Herzbewepmgl
b. Verschluss ders.) 117. (Atherom als Urs. vonAxigiDs|
pectoris) 246. — , fossae Sylvii, Embolie 220. — , lin«
gualis, Schnssverletzung 68. — , mammaria interua^l
Schussverletzung 68. — , umbilicalis , Entzündung mit
tödtl. Pyämie 150. — S. a. Aorta ; Carotis.
Arterien, elast. Eigenschaften d. Wände 117. — , def|
Gehirns, syphilit. Affektion 138.
Ascites, Austritt der Flüssigkeit durch den Nabel 150.|
— , diuret. Wirkung d. Coffeinum citricum 238.
Asphyxie, d. Neugebomen, Behandlung 262. 265.
Asthma, bronchiales , Krystalle im Sputum 5. — , ner-
vöses, Nutzen d. subcutanen Morphiuminjektion 20.
Astragalus, Amputation unter dems. 72.
Ataxia locomotoria, Verhalten d. latenten Excitabilität
d. Muskehl 288.
Athem, Leuchten b. Phosphorvergiftung 125.
Atherom, d. Coronararterien d. Herzens bei Angiia
pectoris 246.
Atrophie, d. Gesichts, progressive 23. — , d.Mnskdn,
progressive, Verhalten d. latenten Excitabilität d. Hiu-
kein 288.
Atropin, Nutzen bei: Menorrhagie 20. Hämoptysis 20.
akuter Mittelohreiterung 206.
Audiometer 203.
Augapfel, Entzündung d.Bindehant b. alten Leuten 273.
Auge, Tuberkulose 163. — , Bezieh, d. Farbe dess. zam
Vorkommen d. Farbenblindheit 166. —, Blennorrhoe
b. Neugebomen, Micrococcus ders. 297. — , Einfl. tod
Störungen im Strömungsgebiete der Carotis 297. — ,
sympath. Erkrankung 297.
Augenentzündung, blennorrhoische (Verhütung bei
Neugebomen) 149.
Augenhöhle, doppelseitige Phlegmone 273.
Augenlid, Phthiriasis an solch. 137.
Autophonie 172.
Bacelli'sches Symptom bei eitr. Exsudat in der
Trommelhöhle 134.
Bad, bei Typhus abdominalis der Kinder 293. — S. t.
Wasserbad.
Bakterien, des Fleischwassers, Verhalten gegen Anti-
septika 240. — , in d. Lymphdrüsen b. hartem n. wei-
chem Schanker 257.
Balsam s. Copaivabalsam.
Basen, stickstoffhaltige alkaloidartige als Fänlnisspro-
dukt 4. (in Krystallform) 4. (im lebenden Thierkör-
per) 4.
Basilysis, Verfahren zur Verkleinerung d. Kindskopfes
261.
Bauchhöhle, Unschädlichkeit d. Eindringens von Loft
175. — , Einspritzung von Blut 175.
Bauchschnitt, b. Darmverschliessnng 159.
Becken, Hämatocele innerhalb dess. 143. — , Abseew
in solch, (als Urs. von Darmverschliessung) 168. (Tre-
panation des Darmbeins) 272. — , Nachgiebigkeit des
vordem Bodens als Urs. von Anteversio uteri 268.
Beiträge s. Glaukom ; Ophthalmologie.
Bericht s. Krankenanstalt; Ohrenheilkunde.
Betachinin 122.
Sach-RegiBter.
355
Bindegewebe d. Cornea 296.
Bindehaut s. Conu^nctiva.
Binnenmaskeln, d. Ohn, Einfluss d. Facialparalyse
193.
Blanblindheit, Farbensehen b. solch. 98.
Blaugelbblindheit, Erblichkeit 104.
BieiUbmnng, peripher, anatom. Ursache 243.
Bleivergiftung, chronische, erbliche Folgen ders.
264.
Blennorrhoe d. Augen s. Augenentzündung, blennor-
rhoisehe. — , d. Harnröhre, Impfung d. Eiters b. Pan-
nus 274.
BlSdsinn, epileptischer, multiple Psammome im Ge-
hirn 172.
Blnt, in d. Pfortader, Krystalle in solch, bei Anämie 4.
— , septisches, Wirkung d. Antiseptika auf dass. 239.
— , Einspritzung in die Peritonaalhohle 175. — , vom
Lamme, Transftision b. essentieUer Anämie 252.
BUtge fasse, Mikrokokken in solch, d. Lymphdrüsen
b. Sehanker 257. b. Metritis dissecans 260.
Blathusten s. Hämoptysis.
BUtkSrperchen, rothe, Verminderung d. Menge bei
Phosphonrergiftung 126. — , weisse, b. Leukämie 250.
Blntspuren, Untersachung 300.
Bin ts verwandte, Ehen unter solch. (Beziehung zur
Entstehung von Farbenblindheit bei d. Kindern) 104.
166. (Zulässigkeit) 169.
Blotung s. Gebärmutterblutung.
Borsäure, Nutzen b. Mittelohreiterung 206.
Brand , d. Darms, Resektion 159. 160. — S. a. Gangrän.
Brannschweig, Ergebniss der Untersuchung der
Sehireine aof Trichinen 34.
Brechmittel, Kaliumfluorid 123.
Bright'sche Krankheit, Behandlung 220.
Brille, gefärbte, zur Correktion der Farbenblindheit
111.
Bromäthyl, Wirkung auf d. Reflezphänomene 287.
Bromammonium, Anwend. bei Sonnenstich u. Hitz-
8ehhig30.
Brom k a 1 1 a m , gegen Strychninvergiftung 125. — , Wir-
kung auf d. Reflezphänomene 287.
Bronchialasthma, Krystalle im Auswurfe 5.
fironehialkatarrh, Nutzen: d. Apomorphin 21. d.
Qnecksüberpräparate 124.
Bronchitis, chronische (Krystalle in der Sputis) 4.
(^ptome ders. b. Anhäufung von Gemmen im Gehör-
gang) 189.
Bronehopneumonie, Apomorphin als Ezpectorans 21.
Brost, SchuBsverletzung 67.
Brustwirbel, Spina bifida 64. 65.
Calciumsnlphid, gegen Eiterung im äussern Gehör-
gange 204.
Calomel s. Hydrargyrum.
Carbolsänre, Verwendung zur Verhütung d. Ophthal-
nria neonatomm 149.
Carcinom, primäres d. Leber, Schwangerschaft u. Ge-
burt complicirend 146. — , d. Mittelohrs 186. — , d.
£piglottis, Ezstirpation 270.
Carotis, Verhalten d . Auges b. Störungen im Strömungs-
gebiete ders. 297.
Catarrhus siccus, Nutzen d. Quecksilberpräparate 124.
Cellnlose, Umwandlungsprodukte b. d. Fäulniss 4.
Centrnm, f. d. Farbensinn 168.
Cernmen, Anhäufung im äussern Gehörgang, chron.
Bronchitis vortäuschend 189.
Cervikalrlss s. Gebärmutterhals.
Charcot'sohe Krystalle 5.
Chemie s. Gerichtliche Chemie.
Chinidin, therapeut. Anwendung 122 .
Chinolin, therapeut. Wirksamkeit 18.
Chloralhydrat, Verhalten d. Respiration während d.
8eUafes nach solch. 120. — , gegen Strychninvergiftung
126. 126. — , Nutzen b. Tetanus 219. ^, Wirkung auf
i Befleiphänomene 287.
Chloroform, Nutzen b. Angina pectoris 246. — , An<
wendbarkeit b. Herzkrankheiten 246. — , Wirkung auf
d. Reffexphänomene 285. 287.
Chlorose, Aetiologie, Pathologie u. Therapie 27. — ,
Nutzen d. Salzsäure 27. —, bei Kindern , Nutzen des
Alkohol 266.
Cholera infantum, Behandlung 294.
Cholesteatom, d. Schläfenbeins 187. — , d. Warzen-
fortsatzes 194.
Chorda tympani, Funktion 179. — , Anomalien d. Ge-
schmacks- u. Tastempfindung b. Reizung ders. 191.
Chorea, latente Irritabilität d. Muskeln 288. — , minor,
Nutzen: d. Propylamin 21. d. Arsenik 21.
Chorioidea, Tuberkulose 164.
ChorioD, Cystenentartung d. Zotten 187.
Chromatopseudopsie 88.
Chromatoptometrische Tafel 96.
Chromatoskiameter 94.
Chromatoskioptieum 94.
Chromoptometer 95.
Cirkulationsorgane, Krankheiten ders. 220. — ,
Eindringen von Luft 294.
Cirrhose, d. Leber, akute b. einem Neugebornen 54.
Cochlea, Aquaeductus 178.
C 0 d e i n , Wirkung auf d. Chemismus d. Respiration 121.
Coffeinum citricum, dluret. Wirkung 236.
Colchicum, diuret. Wirkung 235.
C o 1 1 o d i u m , Örtl. Verwendung b. Krankheiten d. Trom-
melfells 205. — , stypticum, Bereitung 22.
Colon, Punktion b. Darm ver Schliessung 158.
Congelation s. Erfrierung.
Conchinin, therapeut. Anwendung 122. — , Vergleich
d. Wirkung mit ders. d. salii^ls. Natron 123.
Conjunctiva, Tuberkulose 165. — , primäres Sarkom
274. ^i d. AvgapfeU, Entzündung bei alten Leuten
273.
Contraktur s. Dehnungsoontraktur.
Copaivabalsam, diuret. Wirkung 238.
Coronararterien s. Arteria.
Cornea, Impfung mit gonorrh. Eiter bei Pannus 274.
— , Anwendung des Glfiheisens bei Geschwuren 274.
— , Untersuchungen über das Bindegewebe ders. (von
Elcui, Reo.) 296.
Coryza s. Schnupfen.
Craniotabes s. Kraniotabes.
Cred^'scher Handgriff 50.
Cr Ural veno, Verhalten d. Klappen 119.
Curare, Einfl. auf d. Körpertemperatur 120.
Cystenentartung, d. Chorionzotten 147.
Cy stengeschwulst, d. Kreuzbeingegend 59.
Cystovarium, Behandlung 220.
Dänemark, Vorkommen d. Farbenblindheit 165.
D a 1 1 o n i e , lineare 88.
Dammriss s. Perinäum.
Dampf, Apparat zur Entwicklung solch« in Kranken-
zimmern 175.
Darm, Wirkung pyämischer, septischer u. putrider Stoffe
8. — , Verschliessung (Bauchschnitt u. Laparotomie)
158. (Punktion d. Colon) 158. (durch Beckenabscess
bedingt) 158. — , Resektion (wegen Brand nach Laparo-
tomie) 159. (bei gangränöser Hernie) 160. (bei Anus
praeternaturalis) 161. — , Veränderungen in solch, bei
Typhus abdominalis 223. — S. a. Enteralgie.
Darmbein, Trepanation als Gegenöffhung eines Becken-
abscesses 272.
Darmnaht, nach Laparotomie wegen Fremdkörpers im
Rectum 160.
Dehnungsoontraktur, aktive spinale antagoni-
stische 289.
D e 1 p h i n i n , Unterscheidung von Ptomain 6.
Demographie s. Annales.
Desinfektion, d. Uterus mittels Ausspülung nach der
Entbindung 47.
356
Sach-Register.
Desinfektionslehre, GrondrisB den. (von A.Wer-
nick, Rec.) 216.
Diachylonsalbe, Bereitong 22.
Diarrhöe, Nutzen d. Calomel 124. — , Nutzen d. Stroh-
mehls b. chron. 243. — S. a. Sommerdiarrhoe.
Digitalis, dinret. Wirkung 235. 237.
Diphtheritis, d. Geschwüre, Nutzen d. Vinum chaly-
beatum 221. — , Paralyse nach solch., Verhalten d.
Kniephänomens 285. — , Bezieh, zu Scarlatina 292.
— , verschied. Formen u. Behandlung 293.
Dissimulation, von Farbenblindheit 110.
Diuretika, Wirkung 235. 236.
Divertikel, d. Harnröhre b. Weibe 257.
Douglas'scher Raum, Zerreissung d. Vagina nach
dems. zu 146.
Drainage, auriculo-mastoideale 210.
Drüsen s. Lymphdrüsen; SteisSdrüse.
Dura-mater, Fungus ders. , Exstirpation , Eindringen
von Luft in d. Sinus longitudinalis 296.
Dyschromatopsie 89.
Dysmenorrhoe, Behandlung 258.
Dyspepsie, Oesophagismus b. solch. 25.
Dyspnoe, Nutzen d. subcutanen Morphiuminjektion 19.
Dystokie, in Folge von Hydrocephalus d. Kindes 261.
— , in Fo^e von Ankylose d. Os coccygis 261.
Ecrasement, Anwend. b. Hämorrhoidalknoten 271 .
Ehe, unter Blutsverwandten , Bezieh, zur Farbenblind-
heit d. Kinder 104. 166. — , Bedeutung f. d. Prophy-
laxe d. Geistesstörung 169. — , Zulassigkeit nach Hei-
lung von Geistesstörung 298.
Ei , Uebertritt aus d. Ovarium in d. Tuba b. Säugethieren
231. — 8. a. Embryo.
Eis, Nutzen b. Gebärmutterblutung 262.
Eisen, Benutzung d. Präparate zu subcutaner Injektion
18. — , Nutzen b. Chlorose 27. — 8. a. Ferrum.
Eisenbahn, Farbenblindheit unter d. Personal 107.
166. (Einfl. auf d. Vorkommen von Unglücksfällen) 108.
(Correktivmittel) 111. (Einfl. auf d. Verwendbarkeit)
112. — S. a. Signale.
Eisenwein s. Vinum.
Eiterung, im äussern Gehörgange, Nutzen d. Calcinm-
sulphid 204.
Eiterzellen, Verhalten b. d. lymphat. Leukämie 251 .
Ei weiss, Uebergang in Fett 115. — , Einfl. d. Natron-
salze auf d. Umsatz dess. im Thierkörper 230.
Eiweissartige Körper, als Produkte d. Fäulniss 3.
Ekzem, Behandlung 226. — , Pruritus b. solch., Be-
handlung 227.
Elasticität, d. Arterienwandung 117.
Elektricität, Nutzen bei von d. weibl. Geschlechts-
organen ausgehenden Nervenleiden 140. — , Nutzen b.
Zoster 227.
Elektrisches Licht, Verhalten d. Sehschärfe u. d.
Farbensinns b. solch. 112.
Elektrischer Spiegel, zur Untersuchung d. Ohrs
203.
Elephantiasis graecorum, mit braunen anästhet.
Hautflecken 244.
Elisabethinerkugeln, Nutzen b. Erysipel 221.
Embolie, d. Art. fossae Sylvii 220.
Embolismo gazoso per penetrazione deir aria nel
sistema circolatorio (fiel Andrea Al/onso Vachettay Rec.)
294.
Embryo, Formen in d. frühesten Zeit 232. — , Vor-
kommen eines Schwanzes b. menschl. 232.
Emetikum s. Brechmittel.
Emphysem s. Lungenemphysem.
Emplastrum hydrargyri, Nutzen : b. Hartwerden von
Wundrändem 221. b. Orchitis u. Epididymitis 222.
Empyem, Punktion 134.
Endarteriitis luetica, im Gehirn b. hereditärer Sy-
phUis 138.
Endolymphatische Räume d. Labyrinths 178.
Entbindung, desinflcirende Ausspülung d. Utenu nach
ders. 47. — , Hämatom d. Vulva b. ders. 143. 144. ->,
b. primärem Lebercarcinom 146. — , Gangrän d. Utenu
u. d. Vagina durch Druck b. ders. bedingt 260. —, Er-
schwerung (Ankylose des Steissbeins) 261. (Hydro-
cephalus d. Kindes) 261. — , Gebärmutterblutong nach
ders., Behandlung 261. 262. — S. a. Geburt; Nach-
geburtsperiode.
Enteralgie s. Kolik.
Enterorrhaphie s. Darmnaht.
Enuresis nocturna, Behandlung 222.
Epididymitis, Behandlung 222. - , Verband 264.
Epiglottis, Exstirpation wegen Carcinom 270.
Epilepsie, Nutzen: d. Veratrum viride 21. d. Hyoe-
dnnm hydrochloricum u. hydrojodicum 122. — , mit
Blödsinn , Psammome im Gehirn. — S. a. Statos epi-
lepticus.
Epithel, Regeneration 15.
Epithelialkrebs, im äussern GehSrgaoge 186. —,(1.
Hittelohrs 186.
Erblichkeit, d. Farbenblindheit 86. 103. 166. -,
krankhafter Zustände d. Nervensystems b. chron. Blei-
vergiftung 264.
Erbrechen, unstillbares bei Ovarienoyste » Punktioi
220.
Erdrosselung, Casuistik 277.
Ergänzungsfarben 77. 83.
Ergotin, subcutane Injektion (bei LungenaffektioneD)
21. (b. Geistesstörung) 170. (b. Gebärmutterblatang)
262.
Erhenkung, Wiederbelebung 279. (bei einem Jnstifi-
cirten) 279.
Erfrierung, Behandlung 223. 227.
Ernährung s. Zwangsfütterung.
Erntearbeiter, Hitzschlag n. Sonnenstich b. solch. 87.
Erstickung, Tod durch solche 300.
Erwürgung, Casuistik 277.
Erysipel, Behandlung 221 . —, Wirkung d. Antiseptila
auf d. Gift 240. — S. a. Gesicht.
Erythrochloropsie 88.
Essig, Nutzen b. Gebärmutterblutung 262.
Eustachische Röhre s. Tuba.
Exomphalie, Entwicklung 233.
Exostosen, im Gehörgang 187. (Behandlung) 204.
Expectorans, Apomorphin 20.
Exspirationsluft, Leuchten bei Phosphorvergiftong
125.
Exsudat s. Empyem; hämorrhagisches Ebmudat; plen-
ritisches Exsudat.
Exsudatsauger, f. d. Trommelhöhle 206.
Extremitäten, Wachsthum b. Menschen nach d. 6e
burt 232.
^Fabrikarbeiter, Vorkommen von Farbenblhidheit
107.
Facialis, Einfl. d. Lähmung auf d. Binnenmusketa 1
Ohrs 193.
Fäulniss, zur Lehre von ders. (von A. Hiüery Bec) 3.
— , Produkte ders. 3. — , Wirkung d. Produkte aafd.
Darmkanal 8. — , d. Harns 13. — , d. Fleisches, Wi^
kung auf d. Trichinen 40. — , Bezieh, zur Adipodre-
bildnng 117. — S. a. Antiseptika.
Farben, Theorien 73. — , complementäre 77. — , ant-
agonistische 83.
Farbenblindheit, neuere Untersuchungen 73. —,
angeborne (Geschichte) 85. (Erblichkeit) 85. 103. 166.
— , Nomenchitur 88. — , totale 88. — , partielle 88. — ,
Untersuchung u. Hfilfsmittel zu ders., Methode von:
Holmgren 89. Mauthner 90. Thomson 91. Daae 91.
Donders 91. 94. Reuss 91. Cohn 91. SUllingn. Sadde
92. HierUnger 92. Magnus 92. Ups 92. Pßgtr 93.
Snellen 94. Dor 94. Florpapier-Contrast 93. Verwen-
dung d. Nachbilder 93. Spiegelcontrast 93. fax^
Schatten 93. farbige Laternen 95. Anwend. d. Spektro-
skops 95. Metallspektra 95. Polariskop 96. Fätrben-
Sach-Register.
357
kreisel 96. cbromatoptometr. Tafel 96. perimetr. Unter-
saehoog 96. — , Sehen b. soleh. 96. 97. 168. — , Hän-
figkeit b. mannl. n. weibl. Geschlecht 103. 165. — ,
Verbindung mit Nystagmus 103. — , Verhalten d. Seh-
schärfe 103. — , Bezieh, za Ehen anter Blutsverwand-
ten 104. 166. — , Bezieh, d. angebomen zum Pupillen-
abstand 104. — , erworbene 104. (b. Affektionen d. Seh-
nerven) 105. (b. Gellimaffektion) 105. — , mit mangel-
haftem Unterscheidungsvermdgen f. Töne 104. — , prakt.
Bedentnng 106. — , Vorkommen in verschied. Ständen
106. 107. 166. — , Dissimulation 110. — , Simulation
110. — , Unterscheidung zwischen erworbener u. ange-
bomer 110. — , Heilbarkeit 110. —, Mittel zur Correk-
tion 111. — , Vorkommen in Dänemark 165. — , bei
Khidem 165. — , Bezieh, d. Farbe d. Augen 166. — ,
Bebandl. durch Uebung 167. — , hemianopische 167.
— , einseitige 168. — S. a. Eisenbahn ; Farbensinn ;
Schüler ; Seeleute ; Signale.
Farbenbfichlein, zum Kachweis d. Farbenblindheit
(Heidelberger) 93. (Pflüaer'wiheB) 93.
Farbendreieck, von LipSf zum Nachweis d. Farben-
bfindheit 93.
Farbenempfindung, Physiologie 74. — , Theorien
78. 83.
Farbenkreisel, Verwendung zum Nachweis d. Far-
benblindheit 96.
Farbenscala, von Radde , zum Nachweis d . Farben-
blindheit 92.
Farbensehen, d. Farbenblinden 168.
Farbensinn, Beziehung zum Lichtsinn 77. — , herab-
gesetzter 89. 167. — , Prüfung d. Schärfe 94. — , plötzl.
Störung 105. — , Verhalten b. verschied. Beleuchtung
112. — , Centmm f. solch. 166. — , systemat. Uebung
167.
Farbentafeln, von Daae 91. — , von SliÜiny 92.
Farbentheorie, von Young xl, HelmhoUz 167.
Farina straminis secalis cerealis 243.
Fe bris intermittens s. Wechselfleber.
Fehlgeburt s. Abortus.
Femur, Vorsprfinge an solch. 234.
Ferrum, albuminatum, subcutane Injektion 18. — ,
hydroflnoricum , gegen Trunksucht 128. — , p3rropho8-
phoricum, subcnt. Injektion (mit Ammon. citricum) 18.
(mit Natr. citricum) 18. — , sesquichloratura (gegen
Ohrpolypen) 208. (gegen Gebärmutterblutung) 262. —
S. a. Eisen.
Ferrum candens s. Gluheisen.
Fett, d. Menschen, ehem. Zusammensetzung in ver-
schied. Lebensaltem 113. — , Uebergang d. Eiweisses
in solch. 115.
Fettsäuren, organische, als Faulnissprodnkte 4.
Fettwachs s. Adipocire.
Fieberkrankheiten, protrahirte, Nutzen d. Blut-
transfusion in d. Peritonäalhöhle 175.
Fieberzustände, bei Kindern, Anwend. d. Alkohol
266.
Filzläuse, Bezieh, zu schiefergrauen Hautflecken 137.
Finnen, Verfahren, solche enthaltendes Fleisch geniess-
bar zu machen 43.
FiBsura mastoidea squamosa 177.
Fistel s. Koth-, Magenfistel.
Flecktyphus, Erkrankung d. Gehörorgans 183.
Fleisch, Veigiftnng durch solch. 8. — , Lebensfähig-
keit d. Trichinen in gefromem u. faulem 40. — , Nähr-
werth verschied. Sorten 43.
Fleischpepton, Anwendung b. Sitophobie 171.
Fleisch sc hau, auf Trichinen 39. 40.
Fleisehwaaren, amerikanische s. Speckseiten.
Fleischwasser, Wirkung d. Antiseptika auf d. Bak-
terien dess. 240.
Fliote s. Kleingewehigeschoss.
Flüsterstimme, bei eitr. Exsudat in d. Pleurahöhle
134.
Fluoride, therapeut. Anwendung 123 .
Flnss säure, gegen Kropf 124.
Foetus, verschleppte Querlage, mechan. Behandlung
45. — S. a. Embryo.
Fowler'sche Solution, gegen Chorea minor 21. — ,
subcutane Injektion 22. — . Nutzen bei Wechselfleber
218.
Fragilitas crinium 32.
Frankreich, Trichinenepidemien 36. — , med. Geo-
graphie 309.
Frau s. Geschlechtsorgane; Harnröhre.
Fremdkörper, im Rectum, Laparotomie u. Enteror-
rhaphie 160. — , im äussern Gehörgange , Entfernung
200. 204. — , als Urs. von Larynxstenose 219.
Frost, Wirkung auf Trichinen 40.
Fuchsin, gegen Bright'sche Krankheit 220.
Fungus durae matris, Exstirpation, Eindringen von Luft
in d. Sinus longitudinalis 296.
Funiculus umbilicalis s. Nabelschnur.
Fussclonns, diagnost. Bedeutung 285.
Fussgelenk, Amputatio sab astragalo 72.
Fussgeschwür, serpiginöses, Nutzen d. Jodoform 43.
— , Behandlung 222.
Fussphänomen, diagnost. Bedeutung 284. — , bei
Myelitis transversa 286.
dabianöl-Kapseln 243.
Gährung, d. Harns 13.
Galvanokaustik, b. Ohrenkrankheiten 204.
Gangrän, d. Vagina u. d. Utenis durch Druck bei d.
Entbindung 260.
Garn s. Wollgarn.
Gasembolie, durch Eindringen von Luft in d. Girku-
lationssystem 294.
Gaslicht, Verhalten d. Sehschärfe u. d. Farbensinns
b. solch. 112.
Gebärmutter, saure Bcüchatfenheit d. Schleimes als
Urs. von Sterilität 44. — , desinficirende Ausspülung
nach d. Entbindung 47. — , syphilit. Erkrankung der
Vaginalportion 139. — , Behandlung d. nervösen Er-
schöpfung b. Affektionen ders. 140. — , Exsudate in d.
Umgebung, Nutzen d. heissen Scheidenirrigationen 142.
— , Irrigationen in d. Vagina mit heissem Wasser bei
Erkrankungen 142. ->, Anteflexion, Heilung der durch
solche bedingten Sterilität 143. — , Bezieh, zwischen
Affektionen ders. u. d. Leber 257. —, Anteversion,
Nutzen d. Sclieidenpessarien 258. — , Abgang eines
voUständ. Abgusses d. Höhle 259. — , Gangrän durch
Druck b. d. Entbindung 260. •— S. a. Para-, Perimetritis.
Gebärmutter-Blutung, im Wochenbett, in Folge
von Plaoentaresten 147. — , verschied. Behandlungs-
methoden 261. — S. a. Menorrhagie.
Gebärmutter-Entzündung, Abscess d. Gebärmut-
ter als Ausgang 44. — , chronische, Nutzen d. heissen
Scheidenirrigationen 142. — , dissecirende 260.
Gebärmutter-Hals, Amputation mittels d. Thermo-
kauters 44. — , Statistik d. Schanker 257. — , Zer-
reissung (Behandlung) 258. (Folgen ausgedehnter) 259.
Gebrechen, Statistik der b. d. Rekrutirung gefundenen
in Frankreich 309.
Geburt, prophylakt. Maassi;egeln gegen d. Augenent-
zundung d. Neugebomen 149. — , Hydrocephalus d.
Kindes als Hindemiss 231. — S. a. Entbindung.
Gefässmal s. Teleangiektasie.
Gefangene, Vorkommen d. Farbenblindheit 107. — S.
a. Sträfling.
Gegenfarben 83.
Gehen, d. Menschen im gesunden u. kranken Zustande
(von Hermann Vierordt, Rec.) 212.
Gehirn, Anatomie u. Entwicklung d. Leitungsbahnen
16. — , Verletzung, Erschütterung, Störung d. Farben-
sinns 105. — , Endarteriitis b. hereditärer Syphilis 138.
— , multiple Psammome bei epilept. Blödsinn 172. — ,
Symptome von Erkrankung b. Katarrh U. Tuba Eusta-
chii 193. — , Affektion in Folge von chron. Mittelohr-
eiterung 198. 199. 200. — , Thrombose d. Gefässe nach
Otitis media 199. — , Abscess neben Otitis (ohne Zu
358
Sach-Begister.
sammenhang mit dersj 201. — , Rindenaffektion mit
Verschorfnng d. Nase u. eines Theils d. Gesichts 245.
— , Hypertropliie b. Kindern yon an chron. Bleivergif-
tang Leidenden 264. — S. a. Dura-mater ; Embolie ;
Hemiplegie; Sl^lerose. — , kleines, Geschwulst an d.
Tonsille b. M^ni^re'scher Krankheit 196.
Gehörgang, äusserer (Entwicklung) 177. (Epithelial-
krebs) 185. (Kondylome) 185. (Exostosen) 187. (An-
häufung von Gemmen mit Symptomen von chron. Bron-
chitis) 189. (Entfernung von Fremdkörpern) 200. 204.
(Nutzen d. Calciumsulphid b. Eiterung) 204.
Gehörknöchelchen, Lymphgcfasee 177.
Gehörnerv, Geschwulst an solch, in d. Kleinhirngrube
197.
Gehörempfindung, subjektive 197.
Geistesstörung, Prophylaxe 169. — , Anwendung d.
Hyoscyamin 169. — , Nutzen d. subcut. Ergotininjek-
tion 170. — , b. Sträflingen, zur Behandlung 276. — ,
Verhalten d. Sehnenreflexe 287. — , Beurtheilung der
beginnenden 298. — , Zulässigkeit d. Verheirathung
nach d. Heilung 298. — , Rückfälle 298. — S. a. Blöd-
sinn ; Hypochondrie ; Hysterie ; Manie ; Sitophobie.
Gelatine, elastische Kapseln aus solch. 243. — , mit
Morph, muriat., Veränderungen 253.
Gelbblindheit, Farbensehen b. solch. 98.
Gelenkrheumatismus, Behandlung 221.
Geographie, med. von Frankreich 309.
Gerichtliche Chemie, F. L. Sonnensehein's Hand-
buch (bearb. von Alexander Clanen^ Rec.) 301.
Gerichtliche Medicin, Handbuch derselben (von
Maschka, 1. Bd., Rec.) 299.
Geschlecht, Häufigkeit d. Farbenblindheit b. männl.
u. weibl. 103. 165.
Geschlechtsorgane, beim Weibe (von solch, aus-
gehende Nervenleiden, Behandl.) 140. (Hämatome) 143.
Geschmack, Anomalien b. Reizung d. Chorda tympani
191.
GeschosB B. Kleingewehrgeschoss.
Geschwüre, Behandlung 221. — S. a. Cornea; Fuss.
Geschwulst, bösartige im Gehörgange 185. — , gefäss-
reiche in d. Trommelhöhle b. unverletztem Trommel-
fell 192. — , an d. Tonsilla cerbelli bei M^ni^re'scher
Krankheit 196. — S. a. Cholesteatom; Exostose;
Hämatom; Hydromeningocele ; Lymphom; Myxosar-
kom ; Psammom ; Sacralgeschwulst.
Gesicht, progress. Atrophie 23. — , Teleangiektasie,
Operation 71. — , Schorfbildung in solch, b. Affektion
d. Gehirnrinde 245. — , Erysipel, Phlegmone d. Orbita
273.
Gesundheitsstatistik, von London 176.
Gewebe, elastische, Wirkung d. Kleingewehrgeschosse
auf dies. 70.
Gicht, Schwindel durch solche bedingt 130.
Giftmord, gerichtl. Untersuchung , Unterscheidung d.
Ptomaine von Alkaloiden 6.
Glas, farbiges, Verwendung zum Nachweis d. Farben-
bUndheit 93.
Glaukom, Beiträge zur klin. u. operativen Behandlung
(von Albert Mooren, Rec.) 298.
G 1 ü h e i s e n , Anwendung bei Hämorrhoidalknoten 271 .
b. Homhautgeschwüren 274.
Glycerin s. Jodglycerin.
Gonorrhöe s. Blennorrhoe.
Gotha, Lebensversicherungsbank , Sterblichkeitsstati-
stik von 1829—1878 310.
Greis, Entzündung d. Bindehaut d. Augapfels 273. —
S. a. Alter.
Grosshirn s. Gehirn.
Grünblindheit 88.
Grundriss s: Desinfektionslehre.
aar, Erkrankungen 30. — , knotige iBeschaffenkeit
31. — , Brüchigkeit 32. — S. a. Piedra.'
Haarboden, Erkrankungen 30.
Hämatocele, innerhalb d. Beckens 143.
Hämatom, d. weibl. Genitalien 143. (d. Vulva während
d. Entbindung) 143. — , traumat. wanderndes am Trom-
melfell 189.
Hämoptysis, Nutzen d. Atropin 20.
Hämorrhagisches Exsudat in der Pleurahöhle,
Punktion 134.
Hämorrhoidalknoten, chlrurg. Behandlung 271.
Hall, in Oberösterreich, Nutzen d. Jodsoolenkur b. Sy-
philis 138.
Halswirbelsäule, Geschwulst an ders. 63. — , Spfaia
bifida 64.
Handbuch s. Anatomie; gerichti. Chemie; gerichtl
Medicin; Pathologie.
Handfeuerwaffe s. Kleingewehrgeschoss.
Harn, basenartige Substanzen in solch, nach Phosphor-
einfuhr 7. — , Gährung 13. — , Veränderung b. Stehen
13. —, Vorkommen von Nitraten u. Nitriten in solch. 14.
Harnblase, chron. Katarrh, Behandlung 222.
Harnincontinenz, nächtliche, Behandlung 222.
Harnröhre, weibliche (Vorfall d. Schleimhaut) 44. 265.
(Divertikel) 257. — , männliche, Blennorrhoe, Impfong
d. Eiters b. Pannus 274.
Harnsäure, Ausscheidung b. Phosphorvergiftnng 126.
Harnstoff, Ausscheidung nach Anwendung von Coffei-
num citricum 237.
Haut, Bildung von Adipocire in ders. 116. — , schiefer-
graue Flecke auf ders. 137. — , Verhalten über d. Ge-
schwulst b. Spina bifida 156. — , Transplantation wegen
Narben nach Verbrennung 219.
Hautkrankheiten, Materia medica u. Therapeatik
223. — , chronische, Nutzen d. Jodkalium in grossen
Gaben 243.
Hautreflexe, diagnost. Bedeutung 284.
Hebammen, Zulässigkeit operativer Hülfieleistung b.
frischen Dammrissen 147.
Heftpflaster verband b. Spina bifida 153.
Heisswasser-Irrigationen, b. Gebärmuti«rleiden
142.
H e 1 v e 1 1 a esculenta s. Morcheln.
Hemianopsie f. Farben 167.
Hemiplegie, cerebrale, Verhalten d. Reflexerregbar-
keit u. d. Sehnenreflexe auf d. gelähmten Seite 287.
— , Verhalten d. latenten Excitabilität d. MoBkeln 288.
Hemmnngsbildung s. Spina bifida.
Hernie, Gangrän, Darmresektion 160.
Herpes, zoster, Behandlung 227. — , von Affektion
trophischer Nerven abhängig 244.
Herz, Schussverletzung 68. — , Stillstand d. Bewegung
b. Verschluss d. Coronararterien 117. — , Stichwunde
219. — , Fettentartung, Diagnose 246. — , Einstechen
einer Nadel behufs Nachweis des Todes 280.
Herzbeutel s. Perikardium.
Herzfehler, zur Statistik 220. — , angeb. b. Kindern,
Nutzen d. Alkohol 266.
Herzkrankheiten, Dyspnoe, Nutzend, subcut. Mor-
phiuminjektionen 20. — , Wirkung d« Coffeinum dtricnm
237. — , Anwendbarkeit d. Chloroform 246.
Herzschmerz 245.
Historisch-geographische Pathologie 306.
Hitzschlag, Aetiologie 27. — , Behandlung 29. 30.
— , Prophylaxe 29.
Ho de s. Orchitis.
Höllenstein s. Argentum.
Hörbarkeit, musikalischer Töne, Grenze ders. 178.
Hörschärfe, Bestimmung 202.
Holmgren's Methode zum Nachweis d. Farbenblin-
heit 89.
Hornhaut s. Cornea.
Hospitäler, Verbreitung von Krankheiten in d. Nach-
barschaft 309.
Husten, Nutzen d. subcut. Ergotininjektion 21.
Hydramnios, akuter 259.
Hydrargyrum, Nutzen d. Präparate bei Katarrtien,
Durchfall, Parametritis u. Perimetritis 124. — , hydro-
chloratum corrosivum, antisept. Wirkung 239. — i
Sach-Register.
359
hydroehloTatom mite (lokale Anwendung b. Schnupfen
u. Kehlkopfkatarrh) 124. (b. Diarrhöe) 124. (gegen
Purmetritis u. Perimetritis im Wochenbett) 124. —
S. a. Emplastnim.
Hydrocephalus, d. Kindes als Gebortshindemiss 261.
Hydromeningocele, an d. Pfeilnaht 63. — , and.
Wh-betaänle s. Spina bifida.
Hjdrophobie, Symptome ders. b . einem hyster . An-
Me 24.
Hydrops, Wirknng d. Coffeinum citricnm 237.
Hydrotherapie, b. Mittelohrkatarrh 205.
Hygieine, Lehrb. ders. (von Josef Nowak, Reo.) 214.
Hyoscyamin, Nutzen b. Subsnltns tendinum 20. — ,
physiolog. Wirknng u. Anwend. b. Geistesstörung u.
Neurosen 169.
Hyoseinnm hydrochloricnm u. hydrojodicum , thera-
peat. Verwendung 122.
Hypochondrie, Bezieh, zu Leberabscess 172. — , als
Verlauf er einer Erkrankung d. Rückenmarks 282.
Hysterie, Anfall mit hydrophob. Form, Tod 24. — ,
Oesophagismus b. solch. 25. — , Verhalten d. latenten
Iiritabilitit d. Muskeln 288.
Jaborandi, Nutzen b. lehtbyoftit 227..
Jieea s. Viola.
Jahreszeit, Vorkommen d. Selbstmorde in yerschied.
306.
Ichthyosis, Nutzen d. Jaborandi 227.
letrogen 13.
Idiotie, mit doppelseit. Mikrophthalmus 297.
Iienbation s. Puerperalinfektion ; Syphilis,
lifektionskrankheiten, akute, hlstor.-geograph.
Pstbologie 306.
Iijektion grosser Mengen Wasser gegen Versehliessung
d. Darmkaoals 167. — , von Blut in die Banchhöhe
175. — S. a. Jod; subcutane Iijektion.
Uitizlsklerose, Ezcision 138.
Instrument, zur Harponirung behufs d. Diagnose d.
Trichinoee 40. — , zur Aussaugung von Flüssigkeiten
tu d. Trommelhöhle 206. — , zur Punktion : d. Pleura-
höhle 133. d. Herzbeutels 134.
Iitercostalyenen 119.
latermittens s. Wechselfieber,
litestinale Sepsis 9.
Utrafoetatio sacralis 69.
Jod, I^jektioo alkohoUscher Lösung b. Spina bifida 152.
Jodglycerin, Injektion gegen Spina bifida 64. 65. 66.
iodkalium, Injektion gegen Spina bifida 64. 65. 66.
— , diuret. Wirkung 236. ~, in grossen Gaben : gegen
ehroo. Hautkrankheiten 243.
Jodoform, gegen serpiginöee Geschwüre 43. — , gegen
lyphilit. Erkrankung d. Vaginalportton 139. —, gegen
byperplast. Processe in d. Trommelhöhle 207.
Jodsoolenkur in Hall in Oberösterreich, Nutzen b.
SyphUis 138.
Jodtinktur, Aufpinseln b. Kindern als Urs. von Albu-
ndonrie 151. — , Nutzen b. Gebärmutterblutung 262.
Iridocyklitis tnberoulosa 166.
Irrenanstalt f. Verbrecher 274. 276.
Iris, Tnberkelknoten in ders. 168.
Irrigationen d. Vagina mit heissem Wasser 142.
iBchifts, Nutzen d. Kalinmfiuorid 123.
Jostificirter, Bfiekkehr von Lebenserscheinungen
nach £rhenken 279.
Üälte, Anwend. b. Behandl. d. Sonnenstichs u. Hitz-
Behlzgs 29. — , Wirkung auf Trichinen 40.
Kalbfleisch, Wassergehalt u. Nährwerth 43.
Kali, aeeticum, diuret. Wirkung 235. — , chloricum,
diuret. Wirkung 236. — , nitricum, diuret. Wirkung
236. - S. a. Jodkalium,
^aliomfluorid, therapeut. Anwendung 123.
Kalk, Einfi. d. Entziehung dess. auf d. wachsenden Or-
Msmus 231.
Kalkplättchen, ind. Arachnoidea spinalis 22.
Kampherschleim, Nutzen b. Fussgeschwür 222.
Kapseln s. Gabianölkapseln, Gelatine.
Karyokinose 15.
Katarrh, chron. der Luftwege, Apomorphin als Expcc-
torans 21. — , d. Tuba Eustachii, mit Himsymptomen
193. — , d. Hainblase, chronischer, Behandlung 222.
— S. a. Bronchialkatarrh.
Kauterisation, mit glühenden Nadeln gegen Telean-
giektasie 71.
Kehldeckel s. Epiglottis.
Kehlkopf s. Larynx.
Kehlkopfspiegel s. Laryngoskop.
Kern , freie Bildung 15.
Kernmetamorphose 15.
Keuchhusten, Nutzen d. Hyoscinum hydrojodicum u.
hydrochloricnm 122.
Kind, Apomorphin als Ezpectorans 21. — , allgem.
Miliartuberkulose 150. — • , chron. Peritonitis ohne
tuberkulöse Grundlage 151. — , Albuminurie nach Auf-
pinseln Yon Jodtinktur 161. — , Vorkommen von Far-
benblindheit 165. — , Sommerdiarrhöe, Nutzen d. dän.
Kindermehls 242. — , Spinalparalyse, Veränderungen
im Rückenmark 243. — , Leukämie 248. -— , Anwend.
d. Alkohol b. verschied. Erkrankungen 266. (Contra-
indikationen) 266. — , nekrotisirende Pharyngitis 292.
— , Behandl. d. Typhus abdomin. mit Bädern 293. —
S. a. Harnröhre; Neugebome; Säugling. — , in ge-
hurtshiÜfUcher Beziehung (Hydrocephalus als Geburts-
hindemiss) 261. (Verkleinerung d. Kopfes durch Basi-
lysis) 261. S. a. Foetus ; Querkige,
Kindercholera, Behandlung 294.
Kinderkrankheiten, Vorlesungen über solche (von
Ed. Henoch, Reo.) 2Q0.
Kindermehl, dänisches, Zusammensetzung u. Wirkung
242.
Kindesmord 300.
Kleingewehrgeschosse, Einwirkung auf d. Organe
ip d. menschl. Körpers 69. — , Sprengwirkung 71.
^ Kleinhirn s. Gehirn, kleines.
Klemmapparat, zur Abtragung von Geschwülsten 64.
Klemmpincette i2tzzo/rs 63.
Klystir, mit grossen Wassermengen gegen Verschlies-
»' sung d. Darmkanals 157. — , mit Fleischpepton 171.
Knieclonus, diagnost. Bedeutung 284 .
Kniephänomen, Verschwinden u. Lokalisation 281.
— , Bedeutung f. d. Tabes dorsalis 281. 282. 286. — ,
Verhalten b. diphtherit. Lähmung 285. — , diagnost.
Bedeutung 285. — , Verhalten b. allgem. Paralyse 286.
Knochen, Wirkung d. Kleingewehrgeschosses auf dens.
70. — , Erweichung b. Umbildung d. Knochenmarks in
Adipocire 116. 116. — , Deformation durch Entziehung
von Kalk und Fütterung mit Milchsäure 231 .
Kn och engeschwulst s. Exostose.
Knochenmark, Bildung von Adipocire in solch. 115.
116. — , Bezieh, zur Entstehung d. Leukämie 248.
Knorpel b. Ohrknorpel.
Knotenbildung s. Haar; Nabelstrang.
Körperwärme, Wirkung einiger Alkaloide auf dies.
120. -— , Herabsetzung durch Conchinin 123.
Kohlensäure, Wirkung d . Opiumalkaloide auf d. Ex-
halation ders. 121.
Kolikschmerzen, Nutzen : d. Hyoscin 122. d. Stroh-
mehl 242.
Kondylom, im äussern Gehörgange 185.
Kothfistel, Darmresektion zur Heilung 163.
Kraniotabes, Aetiologie 53. (Bezieh, zu Syphilis) 53.
Krankenanstalt, Rudolph-Stiftung in Wien, Bericht
vom J. 1879. (Bec.) 218.
Krankenzimmer, Vermehrung d. Luftfeuchtigkeit
durch Dampfent Wicklung 175.
Krankheiten, Verbreitung in d. Nachbarschaft von
Hospitälern 309.
Krebs, Bezieh, d. Trichinose zur Entstehung 40. — , d.
Unterleibsdrüsen, Rückenschmerz b. solch. 128. —
n
360
Sach-Register.
S. a. Carcinom; EpitheUalkrebs ; Myxosarkom; Sar-
kom.
Kreosotwasser, gegen Qeschwfire n. Wanden 221.
Krenzbeingegend s. Sacralgeschwulst.
Kropf, Nutzen d. Flusssäure 124.
Krystalle, Auftreten b. Fäulniss 4. — , in der Milz 4.
— , in d. Sputis b. chron. Bronchitis 4. — , im Pfort-
aderblute b. Anämie 4. — , Charcot'sche 6. — , im
Sperma d. Menschen 5.
Kngelschüsse, Vorkommen u. Mortalität 67.
Kuhpockenlymphe, Wirkung d. Antiseptika auf
dies. 239.
liabyrinth, d. Ohrs (endolymphat. Räume) 178. (Er-
krankungen) 196.
Lammblut, Transfusion b. essentieller Anämie 252.
Laparotomie, b. Darmverschlingung 159. — , wegen
eines Fremdkörpers im Rectum 160.
Laryngoskop, Untersuchung d. Oesophagus mittels
dess. 254.
Laryngotomie, prophylaktische b. Exstirpation von
Racbengeschwülsten 268.
Larynx, Entzündung (Apomorphin als Expectorans211.
(ortl. Anwendung d. Hydr. chlor, mite) 124. (steno-
sirende d. Schleimhaut) 258. — , Stenose durch einen
Fremdkörper 219.
Lateralsklerose s. Sklerose.
Laterne, farbige, Verwendung d. Nachweises d. Far-
benblindheit 95.
Laus s. Filzlaus ; Morpionen ; Phthiriasis.
Leben, ehem. Grundlage 114. — , Rückkehr d. Erschei-
nungen b. einem Qehenkten 279.
Lebensalter, hohes von mit Spina bifida Behafteten
66. — , Zusammensetzung d. Fettes in versch. 113.
Lebenskraft, ehem. Grundlage 114.
Lebensversicherung, Bedeutung d. Ohrenkrank-
heiten 181. — , Statistik d. Todesursachen, mit Rück-
sicht auf Alter d. Verstorbenen u. Dauer der Ver-
sicherung 311.
Lebensversicherungsbank zu Gotha, Sterblich-
keitsstatistik von 1829—1878 310. S. a. Mutual Life
Insurance Company.
Leber, akute Cirrhose b. einem Neugebomen 54. — ,
Bezieh, d. Funktion zu d. abnormen Produkten d. Stoff-
wechsels 126. — , primäres Carcinom, Schwangerschaft
u. Geburt erschwerend 146. — , Abscess, Zusammen-
hang mit hypochondr.-melanchol. Zuständen 172. — ,
Bezieh, zu Affektionen d. Uterus 257.
Lehrbuch, s. Hygieine ; Neurologie.
Leitungsbahnen im Grosshinie 16.
Lendenwirbel, Spina bifida 62. 65.
Leprose, Behandlung 227.
Leuchten s. Phosphorescenz.
L e u c i n , als Fäulnissprodukt 3.
Leukämie, KrystaUe in d. Milz 4. — , verschied. Arten
u. Wesen 246 flg. (medulläre) 248. (lienale) 248. 249.
252. 253. (idiopathische) 249. (lymphatische) 250 flg.
— pathol.-anatom. Veränderungen 247. — , Symptome
247. — , prophylakt. Behandlung 248. — , Prognose
248. — , b. Kindern 248. — , Apoplexie d. Nebennieren
249. — , Vermehrung d. weissen Blutkörperchen 249.
250. — , Verhalten d. Eiterzellen ?51. — , Bluttrans-
fusion 252. — , Diagnose d. verschied. Formen 253. —
S. a. Anämie.
Licht, Verhalten d. Sehschärfe zum Farbensinn bei
verschiedenem 112.
Lichtsinn, Bezieh, zum Farbensinn 77.
Ligatur, elastische, bei Spina biflda 61. 153. — S. a.
MetallligatuT.
Lippe s. Oberlippe.
Logograph, d. Trommelfell als solch. 178.
London, Gesundheitsstatistik 176.
Luft, Vermehrung d. Feuchtigkeit in Krankenzimmern
durch Dampfentwicklung 175. — , Unschädlichkeit d.
Eindringens in d. Bauchhöhle 175. — , Eintritt in d.
Gefässsystem b. Operationen u. Verletzungen 294. (in
d. Sinus longitndinalis) 296. (Maassregeln zur Ver-
hütung) 296.
Luftdusche, b. Ohrenkrankheiten 204.
Luft einblasen, b. Aphyzie d. Neugebomen 263.
Lunge, Erkrankung als Todesursache b. Otitis media
purulenta 201. — , Sarcina in solch. 254.
Lungenemphysem, mit Bronchialkatarrh, Nutzen d.
Quecksilberpräparate 124.
Lungenentzündung, chron., Autopbonie als ass- i
kultator. Erscheinung d. Verdichtung d. Gewebes 173. !
— , akute, zur Statistik 220. — S. a. BronchopneB-
monie.
Lnngenkrankheiten, subcut. Injektion mit Ergotia
gegen d. Husten 21.
Iiungenphthisis, Nutzen d. Morphiuml22. — , Anto-
phonie als auskultator. Erscheinung 173.
Lungentuberkulose, zur Statistik 219. — , BebandJ.
mit Natron benzoicnm 220.
Lungenvene, obere rechte, Einmündung in d. obere
Hohlvene 263.
Lupulin, Vergiftung 12.
Lymphdrüsen, Veränderungen b. hartem n. weicbem
Schanker 256.
Lymphge fasse, d. Gehörknöchelchen 177.
Lymphom, malignes (subcutane Injektion von Sol.
Fowleri) 22. (Bezieh, zu Sarkom) 251. (Diagnose)
253.
Lymphatische Leukämie 250. 253.
maculae caeruleae 137.
Männliches Geschlecht, Vorkommen d. Farben*
blindheit 103.
Magen, Venae coronariae dess. 118.
Magendarmkrankheiten d. Säuglings, Behandl. d.
wichtigsten (von Otto SoUmann, Rec.) 293.
Magenfistel, künstKche, wegen Striktar d. Oesopha'
gus 220.
Magenschwindel 129.
Mais, verdorbener (Gehalt an Ptomain) 12. (Ven^-
tnng) 12.
Makrocephalie, b. Kindern an chron . Blei vergiftmif
Leidender 264.
Mandeln, bittere, Vergiftung 120.
Manie, Nutzen: d. Hyoscyamin 170. d. subcut. IiU«k*
tion mit Ergotin 171.
Massage, gegen Nervenkrankheiten von d. weibi. Ge*
schlechtsorganen ausgehend 140.
Mastdarm s. Rectum.
Materia medica s. Treatise.
M e d i c i n s. gerichtiiche Medicin .
Melancholie, Bezieh, zu Leberabscess 172.
Membran, Untersuchung d. Resonanz mittels d. Pho-
nographen 178.
Meni^re'sche Krankheit 196.
Meningitis, Symptome ders. b. akut, eitriger Mittel-
ohrentzündung 190. (Diagnose) 199.
Meningocele s. Hydromeningocele.
Menorrhagie, Nutzen d. Atropin 20.
Mensch, Zusammensetzung d. Fettes in verschiedeBaB
Lebensaltern 113. — S. a. Embryo; EztremititeB.
Menstruation, vicariirende Blutung ans einem 0«'
schwüre 43. — , während d. Schwangerschaft 144. -^
S. a. Dysmenorrhöe ; Menorrhagie.
Metallligatur, Verwendung b. Spina biflda 62.
Metallspektrum, Verwend. zum Nachweis d. Fa^
benblindheit 95.
Methylenchlorid, Wirkung auf Reflezphanomene S87.
Metritis s. Gebärmutter-Entzündung.
Metroperitonitis, mit Ausgang in Gebärnrntter-
Abscess 44.
Mikrokokken, in d. Lymphdrüsen b. hartem a. wei-
chem Schanker 257. —, in d. Blutgefässen b. Metriös
dissecans 260. — , b. Augenblennorrhöe d. Neogebor-
nen 297.
Sftch-RegiBt er.
361
Mikrophihalmas b. tdiotie 297.
Mikroskopische Uiiter8uc>hung des Schweine-
fleisches auf Trichinen 39. 42.
Milehsänre, Einfi. auf den wachsenden Organisrnns
231.
Milchzucker, abfahrende Wirkung 19.
Miliartuberkulose, allgemeine b. einem Kinde 150.
— , Perikarditis yon solch, abhängig 150.
Milz, Krystalle in solch, b. Leukämie 4. — , Beziehung
zur Entstehung von Leukämie 248. 249. 252. 253.
— , Auschwellnng b. Rhachitis 293.
Milzbrandblut, Einwirkung d. Antiseptika 239.
Mineralwasser, Anwendung b. Hautkrankheiten 203.
Missbildnng s.Exomphalie; Ohrmuschel; Spina bifida.
Mitralklappe, Dyspnoe b . Erkrankung solch. , Nutzen
anbeut. Injektion von Morphium 20.
M i 1 1 e 1 o b r , krebsige Wucherung von solch, ausgehend
186. — , akute eitrige Enlzündung (Häufigkeit) 189.
(Behandlung) 190. (mit Symptomen von Meningitis)
190. 199. (spontane Perforation d. Warzenfortsatzes)
190. — , ckron. eitrige EntT^indung 192. (mit Nekrose
d. Waizenfortsatzes) 195. (intracranielle Erkrankungen
dnrch solche bedingt) 198. — , Entzündung (Diagnose
von Thrombose, Meningitis u. Abscess in Folge solch.)
199. (neben von ders. unabhängigem Gehimabscess)
201. (akute, Nuti^n d. Atropin) 205. — , eiirige Ent-
zündung (Gehimabscess durch solche bedingt) 200.
(Tod an Erkrankung d. Lunge) 201 . (antiseptische Be-
handl.) 206. —, Katarrh , Behandl. (kaltes Wasser)
205. (Injektion medikamentöser Flüssigkeiten) 205.
Mittheilnngen s. Lebensversicherungsbank .
Morbua Brightii, Behandlung 220.
Morcheln, Vergiftung 8.
Mord s. Kindesmord.
Morphinismus, Unterscheidung von Hysterie 24.
Morphium, Unterscheidung von Ptomain 6. — , subcut.
Iijektion mit solch, bei : Dyspnoe 19. Tetanus rheu-
mat. 219. Angina pectoris 246. — , Verhalten d. Respi-
ration während d. Narkose 120. — , Einfi. auf d. Che-
mismus d. Respiration 121. — , Einfi. auf d. Stoff-
wechsel 122. — , Nutzen b. Phtbisikem 122. — , Einfi.
auf d. Beflezphänomene 287.
Morphium hydrochloratum, Veränderungen in
Gelatine-Lamellen 243.
Morp Ionen, Bezieh, zur Entstehung schiefergrauer
Hautflecke 137.
Morton 'b Flüssigkeit zur Injektion b. Spina bifida 65 fig.
Mortuary ezperience of the mutualLife Insurance Com-
pany of New York from 1843 to 1874 (by Wintton,
Manh and Bartlett, Reo.) 310.
Masculns tibialis, paradoxe Contraktion 289. — S. a.
Serratns.
MuBkelatrophie, progressive, latente Muskelirritabi-
fität 288.
Muskeln, chrou. Affektion b. Trichinose 40. — , Adi-
podre-Bildong 116. — , latente Ezcitabilität b. ver-
schied. Nervenkrankheiten 288. — , paradoxe Contrak-
tion 288. 289. — S. a. Binnenmuskehi.
Muskeltonns, Bezieh, zu d. Sehnenreflexen 282.
Matnal life Insurance Company of New York,
SterbUehkeitsstatistik von 1843—1874 310.
Myelitis s. RüdLcnmark.
Mykosis sardnica, d. Pharynx u. d. Lungen 254.
Myopie, chromatische 89 .
Hyxosarkom im Pharynx, Exstirpation 267.
Kabel, Durchbmch von Ascitesflfissigkeit durch dens.
150. — S. a. ExomphaUe.
Kabelsehnnr, Knotenbildung b. beiden Zwillingen 51 .
— , Torsion, Vorkommen u. Zustandekommen 51. — ,
Entzündung d. Arterie, todtl. durch Pyämie 150.
Kaehbilder, subjektive, Erzeugung zur Correktion d.
Farbenblindheit 111.
Kachgebnrtsperiode, BehaudlaDg48. ,
Med. Jahrbb. Bd. ]91 . Hft. 3.
Nackengegend, Geschwulst in ders. , Behandlung 63 .
Nadel, glühende, Kauterisation mit solch, gegen Telean-
giektasien 71. — , Nachweis des Todes mittels Ein-
stechen einer solchen in d. Herz 280.
Nagel, Bau u. Wacbsthum im normalen u. abnormen
Zustande 136.
Nährwerth verschiedener Fleischsorten 43.
Nahrungsverweigerung s. Sitophobie.
Naht 8. Darmnaht.
Narben, nach Verbrennung, Hanttransplantation 219.
Narcein, Wirkung auf d. Respiration 121.
Narcotin, Wirkung auf d. Respiration 121.
Narkose, durch Morphium oder Chloral, Verhaltend.
Respiration 120.
Nase, Verschorfüng : b. Affektion d. Hirnrinde 245.
b. Nekrose d. Schädels von tertiärer Syphilis 245.
Nationen, Todesursachen b. verschied. 311.
Natron, benzoesaures, gegen Lungentuberkulose 220.
— , essigsaures, Einfluss auf d. Eiweissamsatz 230.
— , phosphorsaures (gegen Sterilität) 44. (Einfi. anf d^
Eiweissumsatz) 231, — , salicylsanres (Vergleichung d.
Wirkung mit der d. Conchinin) 123. (diuret. Wirkung)
235. — , schwefelsaures, Einfi. auf d. Eiweissumsatz
231. — , unterschwefiigsaures, Nutzen gegen Pilze im
Ohr 183.
Natronsalze, Einfi. auf d. Eiweissumsatz 230.
Nebengeräusch, d. intermittirenden Stimmgabel, in
solch, enthaltene Tone 179.
Nebenhode s. Epididjrmitis.
Nebennieren, Apoplexie b. Leulcämie 249.
Nekrose, d. Warzenfortsatzes 195. — , d. Scliädels b.
tertiärer Syphilis, hartnäckige Ulcerationen 245. —
S. a. Phosphomekrose.
Nerven, Degeneration u. Regeneration zerquetschter 1 7 .
Nervenkrankheiten, Beiträge zur Lehre von dens.
281.
latente Excitabilität d. Muskeln b. solch. 288.
— , paradoxe Mubkelkontraktion b. solch. 288. 289.
Nervenleiden, von d . weibl. Geschlechtsorganen aus-
gehend, Behandlung 140.
Nervensystem, sympathisches, Wirkung d. Coffeinum
citricum auf dass. 238. — , trophisches, Affektionen als
Urs. verschiedener Krankheiten 244.
NervöseDepression, von Verdauungsstörungen ab-
hängig 131.
Nervöse Erschöpfung b. Uterusleiden, Behandlung
140.
Nervosität, Oesophagismus b. solch. 25 .
Nervus s. Acusticus; Chorda tympani; Opticus; Trige-
minus; Vagus.
Netzhaut s. Retina.
Nengeborne, akute Lebercirrhose 54. — , Bestand-
theile d. Panniculus adiposus 113. — , Verhütung d.
Angenentzundung 149. — Asphyxie, Behandlung 262.
265. — , Micrococcus d. Augenblennorrhöe 297.
Neurasthenie, b. Uterusleiden, Behandlung 140.
Neurologie, Lehrbuch (von G. Schwalbe, Kec.) 212.
Neurose, Anwendung d. Hyoscyamin 169. — S. a.
Trophoneurose.
Niere, akute Erkrankung, Nutzen d. Coffeinum citri-
cum 238.
N i e s s e n , Anfälle b. gichtischer Diathese 130. — , durch
Ohrenaffektion bedingt 189.
Nikotin, Einfi. auf d. Körpertemperatur 120.
Nitrate, Vorkommen im Harne 14.
Nitrite, Vorkommen im Harme 14.
Nordamerika, Trichinen in den von dort eingeführ-
ten Fleischwaaren 33. 34. 36. 37. 40. 41. — , Statistik
d. Todesursachen 311.
Nystagmus, Verbindung mit angeb. totaler Farben«
blindheit 103.
berkiefer, Phosphomekrose 220 .
Oberlippe, hartnäckige Ulceration b. Nekrose d . Schä-
dels in Folge von tertiärer Syphilis 245.
46
362
Sach-KegiBtef.
Oedem , diuret. Wirknog d. Coffeinum citricnm 238.
Oesophagisinns, Formen 24. — , UrsAChen 25. — ,
Behandlnng 26.
^Oesophagus, Striktur 220. — , Untersuchung mit d.
Kehlkopfspiegel 254.
Ohren flu SB s. Otorrhoe.
Ohrenheilkunde, Bericht über d. Leistungen auf d.
Gebiete ders. 177.
Ohrenkrankheiten, Bedeutung f. d. Lebensyer-
sicherung 181. — , Therapie (Mineralwässer) 203.
(Luftdusche) 204. (Galvanokaustik) 204.
Ohrenschwindel 180.
Ohrgeräusche, subjektive, Entstehung 197. — , ob-
jektiv wahrnehmbare 198.
Ohrknorpel, patholog. Histologie 187 .
Ohrlabyrinth s. Labyrinth.
Ohrmuschel, Missbildung 187.
Ohrniessen 189.
Ohrpolypen, Behandlung 208.
On^chopathologie 136.
Ophthalmia s. AugenentzGndung.
Ophthalmologie, Beiträge zu ders. (Rec.) 297.
Opium, Wirkung d. Alkaloide auf d. Chemismus d.
Respiration 120.
Opticus, Farbenblindheit b. Affektionen dess. 105. — ,
Entzündung d. Papille u. d. Retina b. TnbertLulose d.
Chorioidea 164.
O r b i t a s. Augenhöhle.
Orchitis, Behandlung 222. — , Verband 254.
Os coccygis, Ankylose als Geburtshindemiss 261.
Otitis, intermittens 181. — , media pnrulenta, mit
Nekrose d. Warzenfortsatzes 195.
Otorrhoe, Eintritt u. Dauer b. eitriger Mittelohrent-
zündung 190. — , trockne Reinigung b. solch. 207.
O V a r i e , Behandlung 141 .
Ovaritis, als Folge ausgedehnter Cervikalrisse 259.
Ovarium, Cyste, Behandlung 220. — , Uebertritt d.
Eies aus dems. in d. Tuba 231.
Oxymel scilliticum, diuret. Wirkung 235.
Palaestina, Trichinosenepidemie 88.
Panniculs adiposus, Entwickelnng u. ehem. Zusam-
mensetzung 118.
Pannus s. Cornea.
Papaverin, Wirkung auf d . Stoffwechsel 122.
Papilloretinitis, b. Tuberkulose d. Chorioidea 1 64.
Paralyse, d. Serratus, Diagnose 23. — , d. Vagus 127.
— , der Facialis , Einfl. auf d. Binnenmuskehn d. Ohrs
193. — , spinalen u. peripheren Ursprungs 248. — ,
nach Diphtheritis , Verhalten des Kniephänomen 285.
— , allgemeine, (Diagnose von Tabes dorsalis) 286.
(Verhalten d. Kniephänomen) 286. •— S. a. Bleiläh-
mung; Spinalparalyse.
Paralysisagitans, Verhalten d. latenten Irritabilität
d. Muskeln 288.
Parametritis, im Wochenbett, Nutzen d. Calomel 124.
Paris, Vorkommen von Typhus u. Pocken 309.
Pathologie, historisch-geograph. , Handbuch ders. (von
Aug. Hirsch, 1. Abth. Rec.) 806.
Paukenhöhle s. Trommelhöhle.
Pemphigus, Behandlung 227.
Penis, Amputation 272.
Pepton s. Fleischpepton.
Perikarditis, tuberkulöse 258.
Perikardium, Diagnose der Verwachsung 151. — ,
Punktion 134.
Perimetritis, im Wochenbett, Nutzen d. Calomel 124.
Perinaeum, Riss, Zulässigkeit der operat. Behandlung
eines frischen durch die Hebammen 147.
Peritonäalhöhle, Injektion von Blut 175.
Peritonitis, nach Zerrelssung der Vagina gegen d.
Douglas'schen Raum hin 146. — , chroniBohe idiopa-
thische b. einem Kinde 151. — , sarkomatöse 151. —
S. a. Metroperitonitis.
Pernionen, Behandlung 223. 227.
Pessarinm, Nutzen b. Anteverdo uteri 258.
P f e i 1 n a h t , Geschwulst an solch. 63.
Pferd, Vergiftung durch Lupinen 12.
Pflanze, Produkte d. Vermodems 4.
Pfortader, Krystalle im Blute b. Anaemie 4.
Pharyngomykosis sarclnica 254.
Pharyngotomie, seitl. zur Ezetirpation von Rachen*
gesch Wülsten 269. — , unter d. Zungenbein zur Ent*
femung d. careinomatös entarteten Epiglottts 270.
Pharynx, Geschwülste in solch., Ezstirpation 267»
(mittels seitl. Rachensohnittes) 269. — , isoUrte Exstir-
pation 268. — , nekroeirende Entzündung b. Kindern
292.
Phlebitis s. Vena.
Phlegmone, doppelseitige, in d. Augenhöhle 278.
Phonautograph, das Trommelfell als solcher 178.
Phonograph, nach Edison, Verwendung zur unter«
Buchung d. akustischen Eigenschaften d. Spraehlaot«
u. der Resonanz der Membranen 178.
Phosphor, basenartige Substanzen im Harn nach Ein*
führnng dess. in d. Organismus 7.
Phosphorvergiftung (Nachweis 8 Mon. nach def
Beerdigung) 124. (gleichzeitig mit Strychnin) 126»
(Leuchten d. Athems) 125. (Myelitis nach solch.) 125.
(abnorm grosse Harnsäure- Ausscheidung) 126. (Vermin-
derung d. rothen Blutkörperchen) 126.
Phosphorescenz, d. Athems 80.
Phosphorige Säure, im Leichnam nach Phospbo^
Vergiftung 125.
Phosphornekrose, des Oberkiefers 220.
Phthiriasis palpebrarum 187.
Phthisis s. Lungenphthisis.
Physiologie, der Zeugung (v. F. Henten, Rec.) 211.
Piedra 33.
Pigment, Ablagerung b. Urticaria 138.
Pigment flecke, symmetrische, anästhetische 244.
Pikrotoxin, Einfl. auf d. Körpertemperatur 120.
Pilze, als Ursache von Area Celsi 30. — . Entwickelnng
im Ohre 181. (Diagnose) 203. — S. a. Mykosis.
Pityriasis, Behandlung 226.
Placenta, Methoden d. Entfernung 48. — , Znrfiek-
bleiben von Theilen als Ursache von Blutung 147. — .
praevia, spontaner Abgang 259.
Plastische Operation, b. Spina bifida 157.
Pleurahöhle, Punktion 132.
Pleuritis, zur Statistik 220.
Pleuritisches Exsudat, Punktion, Indikationen n.
Technik 132. 292. (bei eitrigem u. hämorrhagischem)
134.
Plumbum s. Blei.
Pneumonomykosis sarcinica 254.
Pneumothorax s. Pyopneumothorax.
Polariskop, Verwendung zum Nachweis d. Farben-
blindheit 95.
Politzer 's Ballon, Modifikation 204.
Polyp s. a. Ohrpol3rp.
Preussen, Ergebniss d . Untersuchung 4. Schweine snf
Trichinen 33.
Preusische Statistik, LV. u. LX. : die SterbefUle
im pr. St. in d. JJ. 1878 n. 1879 (Rec.) 302.
Probetafeln s. Tafeln.
Processus mastoideus, Anatomie 177. — , spontane
Perforation b. akuter eitriger Mittelohrentzündung 140.
— , Sklerose 193. — , Schlag auf dens. als Urs. v. Tkob-
heit 194. — , cholesteatomatöse Massen in dems. 194.
— , Nekrose 195. — , Entzündung d. Venae emissarise
195. — , Operationen an solch. 208. — , Drainage nMh
d. Ohre zu 210.
P r o j e k t i 1 aus HandfeuerwalTen, Wirkung auf d. Orgtne
d. menschl. Körpers 69 flg. (Sprengwirknng) 71.
Propylamin, gegen Chorea minor 31.
Protoplasma, Unterschied zwisehen todtem a. leben-
dem 114.
Pruritus, b. Ekzem, Behandlung 227.
Psammom, im (Gehirn eines epilept. Blödsinnigen ITS.
Psendoleukämie, lymphatische 250.
Psoriasis, Behandlung 226. (Nutzen d,JodkaIiiu&)M
Sach-Register.
363
Psychiatrische Wirksamkeit , aus meiner (v. C. M,
Broäus, Bec.) 298.
Ptomaine (Entstehang b. d. Fäulniss) 3. (Unterschied
Ton Alkaloiden) 6. (Vergiftung durch solch.) 7. (Reak-
tionen) 11. (in Terdorbenem Mais) 12.
Paerperalinfektion, mit langer Incubation 46.
Pulver, farbige, Nachweis d. Farbenblindheit mittels
ders. 90.
Punktion, d. Pleurahöhle 132.292. — , d. Herzbeutels
134. — , d. Sacks bei Spina bifida 151. 153. 157. — ,
d. Colon b. BarmyerBchliessnnglÖS. — , einer Ovarien-
eyste wegen unstillbaren Erbrechens 220.
Papillär bewegung, in physiol. u. pathol. Bezieh,
(▼on J. LeeseTj Bec.) 228.
Pnpillen, Bez. d. Abstandes zur Farbenblindheit 104.
Pnstnla maligna, chirur. Behandlung 272.
Pyamie, in Folge von Arteriitis umbilicalis 150.
Pyämische Stoffe, Wirkung auf d. Darmkanal 8.
Pjo-Pneumothorax, Punktion 134.
Pyosalpinx, Durchbruch in d. Bauchhöhle 142.
Pythologie 3.
f neeksilber s. Hydrargyrum.
Querlage, d. Kindes, verschleppte, mechan. Behand-
long 46.
Rsnula, ongewohnl. Form 72.
Ratten, Trichinen in solch. 37.
Beeherches histologiques sur le tissu oonnectif de la
eorn^e (par Eioiti, Bec.) 296.
Seetum, Fremdkörper in solch., Laparotomie u. £n-
terorrhaphie 160.
Reflexe, tiefe, Steigerung, diagnost. Bedeutung 284.
— 8. a. Haut-, Sehnenreflexe.
Reflexerregbarkeit, auf d. gelähmten Seite b.cere-
bnler Hemiplegie 287.
Regenbogenhaut s. Iris.
Rekruten, Statistik d. Gebrechen solch, in Frankreich
309.
Resektion, d. Darms (wegen Brand nach d. Laparo-
tomie b. Darmverschliessung) 159. (wegen gangränöser
Hernie) 160. (wegen Anus praeternaturalis) 161.
Resonanz, d. Membranen, Untersuchung mittels d.
Bdison'sehen Phonographen 178.
Resorcin, prophylakt. Anwendung gegen Augenblen-
norrhöe d. Neugebornen 297.
Resp irati o n , Verhalten b. Menschen während d. Schla-
fes 119. — , Wirkung d. Opiumalkaloide auf d. Che-
mismus 120. — , künstliche , b. Asphyxia neonatorum
263.
Respirationsorgane, chron. Katarrh, Apomorphin
als Expectorans 21. — , zur Statistik d. Krankheiten
219. — , Erkrankungen b. Kindern, Nutzen d. Alkohol
266.
Retina, Alf ektion mit umschriebenen Farbenskotom en
105. — , Entzündung b. Tuberkulose d.Chorioidea 164.
Retropharyngealsarkom 268.
RevolYerschfisse, Gefährlichkeit 69.
Rhachialgie s. Bückenmark.
Hhachitis, Nutzen d. Alkohol 266. — , Anschwellung
d. Milz 293.
Rhenmatismus, Nutzen d. Kaliumfluorid 293. — S.a.
Gelenkrheumatismus.
Rheumatoide Muskelschmerzen b. Trichinose 40.
Rindfleisch, Wassergebalt u. Nährwerth 43.
BizioUi's Klemmpincette 63.
Bohr, elastisches, Einführung in d. Larynx zur Wieder-
belebung asphyktiscber Neugebomer 262.
Rothblindheit 88. — , Sehend. Farben b. solch. lÖO.
— , einseitige 168.
Rothgrünblindheit, Farbensehen b. solch.99. 100.
— , Erblichkeit 103. — , Häufigkeit d. Vorkommens 106.
Rotierkrankung ohne Affektion d. Schleimhäuten.
Drüsen 219.
Rndolph-Stiftung s. Krankenanstalt.
Rückenmark, Verhalten innerhalb d. Sackes b. Spina
bifida 65. 155. — , Bückenschmerz b. Knmkheiten dess.
128. — , Verhalten bei Bleilähmung 243. — , anatom.
Veränderung b. Spinalparalyse d. Kinder 243. — , Hy-
pochondrie als Vorläufer d. Erkrankung 282. — , dia-
gnost. Bedeutang d. Schnenreflexe 284. — , Sklerose
d. Seitenstränge , Störung d. Mnskelemährung 288. —
S. a. Arachmoidea ; Myelitis ; Sklerose ; Tabes.
Bückenschmerz, Aetiologie, Diagnose u. Behandlung
127. 129.
Bücken wir bei s. Brustwirbel.
Bumpf , subcutane Venen an d. vordem Wand 119.
Bundzellensarkom, vom Trommelfell ausgehend
186.
B u s s 1 a n d , Vorkommen von Trichinöse 38.
Saccharum lactis s. Milchzucker.
Sacralgeschwülste 55. 59.
Säugling, über d. Behandl. d. wichtigsten Magen- u.
Darmkrankheiten (von Otto Soltmann, Bec.) 293.
Säuren, organische fette als Fäulnissprodukte 4. —
S. a. Fluss-, Kohlen-, Salicyl-, Salpeter-, Salz-, Schwe-
felsäure.
Same s. Sperma.
Salicylsäure, Wirkung auf Trichinen 35. — , Ver-
wendung zur Verhütung d. Ophthalmia neonatorum 149.
Salpetersäure, verdünnte, Nutzen b. Erfrierungen
223.
Salzquellen, arsenikhaltige, gegen Ohrenkrankheiten
204.
Salzsäure, Nutzen b. Chlorose 27. —, Vergiftung 127.
Sarcina, Vorkommen im Pharynx u. in d. Lunge 254.
— , in d. Sputis 254.
Sarkom, primäres, d. Lidbindehaut 274. — S. a. Myxo-
sarkom; Bundzellensarkom.
Scarlatina, nekrotisirende Pharyngitis b. solch. 292.
Schädel, Schussverletzung 67. — , Nekrose b. tertiärer
Syphilis, hartnäckige Ulcerationen245. — , eigenthüml.
Form u. Vergrössemng b. Kindern von an chron. Blei-
vergiftung Leidenden 264. — S. a. Kraniotabes.
Schaf, Lupinenvergiftung b. solch. 12.
Schamlippe, grosse, Hämatom während d. Entbindung
144.
Schanker, Excision d. Initialsklerose 138. — , Ver-
änderungen an d. Lymphdrüsen b. hartem u. weichem
256. — , in d. Vagina u. an d. Vaginalportion 254.
Schatten, farbige, Verwendung zum Nachweis b. Far-
benblindheit 93.
Scheintod, Verfahren zum Nachweis dess . 280.
Schläfenbein, Cholesteatom 187.
Schlaf, Verhalten d. Bespiration während dess. b. Men-
schen 119.
Schleim s. Gebärmutter.
Schleimhaut, d. weibl. Harnröhre, Vorfall 44. 265.
— , d. Larynx u. d. Trachea , chron. stenosirende Ent-
zündung 253.
Schnaps, Wirkung auf Trichinen 34. 35.
Schnellpökelung 43.
Schnupfen, Nutzen d. örtl. Anwend. d. Calomel 124.
Schorf, d. Nase b. Affektion d. Hirnrinde 245.
Schrotschüsse, Vorkommen 67.
Schüler, Häufigkeit d. FarbenbUndheit 106. 167.
Schussverletzung, zur Statistik 67. — , d. Brust
67. — , d. Herzens 67. 68. — , d. Art. lingualis 68. — ,
d. Art. mammaria int. 68. — , Behandlung 88. — S. a.
Kagelschüsse ; Bevolverschüsse ; Schrotschüsse.
Schwangerschaft, Menstruation während ders . 1 44.
— , b. primärem Lebercarcinom 146.
Schwanz, Vorkommen b. menschl. Embryo 232.
Schweden, Unterbringung geisteskranker Verbrecher
276.
Schwefeläther, Wirkung auf d. Beflexphänomene
285. 287.
Schwefelquellen, gegen Ohrenkrankheiten 204.
Schweinefleisch, mikroskop. Untersuchung auf Tri-
chinen 33. 34. 39. 40. 41. 42. — , Methode, finniges
u. trichinöses f. d. Qenuss brauchbar zu machen 43.
6 0 h w e i a , Vorkomnen von Trichinen 36.
364
Sach-Register.
Schwindel, vom Magen aasgehend 129. — , von Ohren-
affektionen abhängig 130.' ~, durch Gicht bedingt 130.
Scilla, dinret. Wirknng 235.
Scorbnt, b. Kindern, Nntzen d. Alkohol 266.
Sero fa lose, b. Kindern, Nntzen d. Alkohol 266.
Seeleute, Farbenblindheit b. solch. 107. 166. (Gefahren
ders.) 110. — - S. a. Signale.
Sehnenhüpfen, Nutzen d. Hyoscyamin 20.
Sehnenreflexe, diagnost. Bedeutung 281. 284. 286.
287. — , Bezieh, zum Muskeltonus 282. — , Theorie
ders. 283. 285. — , Wirkung d. Anästhetika auf dies.
285. 287. — , Verhalten auf d. gelähmten Seite bei
cerebraler Hemiplegie 287. — S. a. Fussclonus ; Fuss-
phänomen; Knieclonus; Kniephänomen.
Sehnerv s. Opticus. ^
Sehschärfe, Verhalten b. Farbenblindheit 103. — ,
b. verschied. Beleuchtung 112.
Selbstmorde, im prenss. Staate in d. JJ. 1878 u.
1879 302. 305. — , zur Statistik d. Todesarten 306.
— , Vorkommen in d. verschied. Jahreszeiten 306.
Senfteig, Einfl. auf Anästhesie u. normale Sensibilität
173.
Sensibilität, normale, Einfl. d. Senfteigreizes 173.
Sepsin, Entwickelung b. d. Füulniss 3,
Sepsis, intestinale 9.
Septikämie, Wirkung d. Antiseptika 239. 240.
Septische Stoffe, Wirkung auf d. Darmkanal 8.
SerpiginÖses Geschwür, am Fusse (Blutung aus
solch, als vicariirende Menstruation) 43. (Nutzen d.
Jodoform 48. — , d. Hornhaut 274.
Serratus, Lähmung, Diagnose 23.
Signale, farbige (Sicherheit ders.) 109. (Verwendbar-
keit f. d. Eisenbahndienst) 112. (Verwendung zur Un-
tersuchung auf Farbenblindheit) 167.
Silvester's Verfahren zur künstl. Respiration b. As-
phyxia neonatorum 263.
Simulation d. Farbenblindheit 110.
Sinus, longitudinalis , Eindringen von Luft in dens. b.
Exstirpation eines Fungus dnrae matris 296. — , tym-
panicus 177.
Sitophobie, Anwendung d. Fleischpeptons 171. — ,
langwierige Zwangsfütterung 171.
Sklerom, d. Larynx u. d. Trachea 254.
Sklerose, d. Warzenfortsatzes 193. — , primäre syphil.,
Veränderungen an d. Lymphdrüsen 256. — , d. Gehirns
u. Bückenmarks, multiple, Verhalten d. latenten Exci-
tabilität d. Muskeln 288. — , d. Seitenstränge, Verhal-
ten d. latenten Excitabilität d. Muskeln 288.
Skotom, umschriebenes f. Farben b. Afifektion d. Netz-
haut 105.
Soldaten, Vorkommen von Farbenblindheit 107.
Sommerdiarrhöe, d. Kinder, Nutzen d. dänischen
Kindermehls 242.
Sonde, Einführung in d. Uterus, Nutzen g9gen Dysme-
norrhöe 258.
Sonnenstich, Aetiologie 27. — , Behandlung 29. 30.
— , Prophylaxe 29.
Soole s. Jodsoolenkur.
Speckseiten, amerikanische, Vorkommen von Trichi-
nen in solch. 34. 36. 37. 40. 41.
Speichelgeschwulst B. Ranula.
Spektroskop, Verwendung zum Nachweis d. Farben-
blindheit 95.
Sperma, Krystalle in solch, b. Menschen 5.
Spiegel, elektrischer, f. d. Ohrenuntersuchnng 203.
Spiegelcontrast zum Nachweis d. Farbenblindheit 93.
Spina bifida, Entstehung 55. 57. 58. -r-, Diagnose
66. 61. — , Prognose 56. 61. 156. — , Behandlung 56.
(Chirurg. Eingriffe) 58. (elast. Ligatur) 61. (Jodinjek-
tion) 64. 65. 66. 152. (Punktion) 151. 152. 153. 157.
(Exstirpation einer Hautfalte) 153. (Compression) 156.
(plast. Operationen) 157. — ;, Verhalten d. Rücken-
marks 65. 156. — , Erreichung eines höheren Lebens-
alters bei solch. 66. — , spontane Heilung 152. — ,
Schutzhülle aus Heftpflaster f. d. Sack 153. — , Sta-
tistik 155. — , Sitz 155. — , Verhalten d^ Haut über d.
Geschwulst 156. '—^ Zusammensetzung d. im Sack ent-
haltenen Flüssigkeit 156.
Spina bifida cervicalis 63. 64. — dorsalis 64. 65.
— dorso-lumbo-sacralis 154. — iumbalis 62. 64. 65.
151. — lumbo-sacralis 57%. 151. 154. — aacraUs
57flg. 151. 152. — totalis 154.
Spinalparalyse b. Kindern, anatom. Veraaderungen
im Rückenmark 243.
Spiroptera, Verwechslung d. eingekapselten Larven
mit Trichinen 37.
Sprachlante, Untersnchung d. akust. Eigenschaften
mittels d. £c{»on'schen Phonographen 178.
Sprengwirkung d. Kleingewehigeschosse 71.
Sputum, Krystalle in solch, (b. chron. Bronchitis) 4.
(b. Bronchialasthma) 5. — , Vorkommen von Sardna in
solch. 254!
Staatsarzneikunde s. Adipocire; Asphyxie; Blnt-
spnren ; Dissimulation ; Eisenbahn ; Erdrosselung ; Er-
henkung; Erwürgnng; Fabrikarbeiter; Farbenblind-
heit ; Fäulniss ; Fleisch ; Gefangene ; gerichtl. Chemie
u.Medicln; Gesundheitsstatistik; Giftmord; Hebamme;
Hitzschlag ; Hospital ; Hygieine ; Justificirter ; Kindes-
mord; Krankenzimmer; Lebensversicherang ; Recrn-
tirung; Schüler; Seeleute; Selbstmord; Simnlatioa;
Soldaten; Sterblichkeit; Sträfling; Taubheit; Tod;
Todesart; Todesursache; T5pfer; Trichinen; Trunk-
sucht ; Vacoina ; Verbrennung ; Vergiftung ; Verhein-
thung ; Verletzung ; Verwandte ; Wiederbelebung.
Statistik, d. Taubstummen 210. — , preusslsche (LV.
n. LX., Rec.) 302. — S. a. Gesundheit; Sterblichkeit
Status epileptieus, Nntzen d. subcut. Ergotinii^ektioiten
171.
Steissbein, Ankylose als Geburtshindemiss 261.
Steissdrüse LttfcAita's, Degeneration 153.
Stenose, d. Kehlkopfs (durch einen fremden Körper)
219. (durch Schleimhautentzündung) 253. (durch Wir-
belabscess) 270.
Sterbefälle, im preuss. Staate in d. JJ. 1878 n. 1879
302.
Sterblichkeitsstatistik, d. LebensversichenuigB-
bank zu Gotha 310. — , d. Mutual Life Insunnoe
Company zu New York 310.
S t e r i 1 i t ä t b. Frauen (Behandl. mit Alkalien) 44. (doich
Anteflexio uteri bedingt, Behandlung) 143.
Stichwunde d. Herzens 219.
Stickmuster zum Nachweis d. Farbenblindheit 98.
Stickstoff, Ausscheidung (b. Phosphorvergiftnng) 136.
(in Gasform) 229.
Stickstoffhaltige Basen, Produkte d.Fäuhiiss 3.4.
Stimmgabel, intermittirende, im Nebengeräusch ent-
haltene T5ne 179.
Stoffwechsel, Einfl. d. Opiumalkaloide 120. d.Pko«-
phorvergiftung 126. d. Natronsalze 230.
Sträfling, geisteskranker, Unterbringung 276.
Striktnr, d. Oesophagus 220.
Strohmehl, therapeut . Anwendung 242.
Strychnin, Einfl. auf d. Körpertemperatur 180. —i
Vergiftung (mit solch, u. Phosphor) 125. (Nutzen d.
Chloralhydrat) 126.
Studenten, Vorkommen von Farbenblindheit b. soleh.
107.
Subcutane Injektion, von Wasser b. Ovarie U2.
— , von Eisenpräparaten 18. — , von Ergotin (h. Lna-
genafFektionen) 21. (b. Geistesstörang) 170. (gegen
Gebärmutterblutung) 262. — , von Hyoscinum hy^
chloricum u. hydrojodicum 122. — , von Moiphinn"
(gegen Dyspnoe) 19. (Nutzen b. Tetanns rheumsÄions)
219. (gegen Angina pectoris) 246. — , von Sointio
Fowleri22. 218. — , von Veratrum virideb.Epflep»ie 81.
Subsultus tendinum, Nutzen d. Hyoscyamin 80.
Sutura saglttalis, Hydromeningocele an ders. 63.
Sympathicus, Wirkung d. Coffeinum citricnm ^^^
dens. 238.
Sympathische Augenentzündnng 297.
Syphilis, Bezieh, zur Entstehung von Kraniotsbe« W»
— •, hereditäre, EndartmrUtis im Gehini 138. -, Nnti«
Sach-Register.
365
d. Jodsooleokiir zu Hall 138. — , Verhfitnng durch £x-
etsion d. InitialBkleroBe 138. — , Initialerkrankung d.
Vaginalportiou 139. — , Aifektion d. Ohrs 183. ^, ter-
tiäre mit Nekrose d. Schädels u. hartnäckigen UIcera-
tionen 841. — , constitntionelle, Dauer d. Incuhations-
Stadium 256.
Syrien, Triohinosenepidemie 38.
Tabes dorsalis, Bedeutung d. Kniephänomen 281. 282.
— , Diagnose von allgem. Paraljrse 286. — , spasmo-
dica, latente Huskelirritabilität 288.
Taehes bleues, ombr^es u. ardois6es 187.
Tafel, snrPrfiftingd. Schärfe d. Farbensinns 94. — ,
lam Nachweis d. Farbenblindheit (nach Sneüen u. Dor)
94. (ehromatoptometrische) 96.
Tageslicht, Verhalten d. Sehschärfe u. d. Farbensinns
112.
Tastempfindung, Anomalie b. Beizung d. Chorda
tympani 191.
Taubheit, nach Schlag auf d. Proc. mastoideus 194.
— , einseitige, Nachweis mittels d. Telephon 203.
Taubstumme, Statistik 210.
Teleangiektasie, im Gesicht, Operation 71.
Telephon, Verwendung : zur Prüfung d . Hörfahigkeit
202. zum Nachweis einseitiger Taubheit 203.
Temperatursinn, Einfl. d. Senfteigreizes 174.
Testikel s. Orchitis.
Tetanus rhenmatieus, Behandlung 219.
Thebain, Einfl. auf d. Chemismus d. Respiration 1*21.
Thermokaater, Verwendung: zur Amputation des
Gebärm. -Halses 44. bei Pustula maligna 272.
Thorax, Schussverletzuog 67. — , subcutane Venen an
solch. 119.
Thrombose, im Qehim bei Otitis media 199.
Tod, in einem hyster. Anfalle mit hydrophob. Sympto-
men 24. — , Yon Zwillingen, in Folge von Knotenbil-
dung an d. Nabelsträngen 61. — , Mittel zum Nachweis
d.£intritte8.280.
Todesanzeige, von O. v. Schiippel ^^S.
Todesart, verschiedene b. Selbstmord 306.
Todesursache, zur Statistik 310 flg. — , mit Bezug
auf d. Lebensversicherung 311.
Töne, mangelhaftes Unterscheidungsvermogen bei Far-
benblindheit 104. — , musikalische, Grenze d. Hörbar-
keit 178. — , im Nebengeräusche einer intermittiren-
den Stimmgabel 179.
T 0 p f e r , chron. Bleivergiftung, Einfl. auf d. Kinder 264.
Tons i IIa, cerebelli, Geschwulst an solch, b. Meniere*-
scher Krankheit 196.
Tonus s. Muskeltonus,
Torsion, d. Nabelschnur, Vorkommen u. Entstehung 51 .
Trachea, chron. stenosirende Entzündung d. Schleim-
haut 253. — , Stenose durch Wirbelcnries bedingt 270.
Transfusion, von Blut in d. Peritonäalhohle 175. — ,
direkte, von Lammblut b. essentieller Anämie 252.
Transplantation, von Haut, wegen Narben nach
Verbrennung 219.
Treatise on Materia medica and Therapeutics of the
Skin (von Henry G. Piffard, Rec.) 223.
Trepanation, des Darmbeins b. Beckenabscess 272.
Trichinen, Vorkommen (inPreussen)33. (in Amerika,
In versandten Fleischwaaren) 34. 36. 37. 40. 41. (in
Braunsehweig) 34. (in d. Schweiz) 36. (in Frankreich)
36. (in Bussland) 38. (in Kleinasien) 38. — , nester-
weises Vorkommen in einzelnen Muskeln d. Schweines
34. — , Fleischbeschau zur Ermittelung ders. 35. 39.
40. 41. — , Wirkung verschied. Mittel auf dies. (Saly-
säure) 35. (Kochen, Braten u. Räuchern) 35. (Frost)
40. (Fäulniss) 40. — , Verwechslung mit andern Hel-
minthen 37. — , in Ratten 37.— , in Wildschweinen 38.
— , Färbemittel zur Erkennung des Abgestorbenseins
43. — , Verfahren solche enthaltendes Fleisch geniess-
bar lu machen 48.
Trichinenschau 39. 40.
Trichinose, Vorkommen u. geograph. Verbreitung (in
PreoBsen) 88. (in Amerika) 88. 86. 87. (in Braun-
sehweig) 34. (in Bayern) 35. (in Wfirtemberg) 35. (in
d. Schweiz) 36. (in Frankreich) 36. (in Russland) 38.
(in Kleinasien) 38. ^y Prophylaxe (persönliche) 35.
(difentliche) 39. 40. 41. 43. — , Symptomatologie n.
Diagnose (verschied. Stadien u. Perioden) 39. (Aifek-
tion d. Muskeln) 40. — , Bezieh, zur Entstehung von
Krebs 40.
Trichorrhexis nodosa 32.
Trigeminus, Durchschneidung in d. SchädelhShle, Ein-
fluss auf d. Gehörorgan 179.
Tripper s. Harnröhre.
Trochanter tertius b. Menschen 283.
Trommelfell, Prüfung mittels des Phonautographen
u. des Logographen 178. — , krebsige Ablagerung in
solch. 186. — , traumat. wanderndes Hämatom 189. — ,
Erschlaffung, Applikation von Collodium 205. — , künst-
liches 204.
Trommelhöhle, akute Entzündung 189. — , chron.
eitrige Entzündung 190. (Behandlung) 191. — , geföss-
reiche Geschwulst in solch, b. anverletztem Trommelfell
192. — , Entzündung mit Sklerose d. Warzenfortsatzes
193. — , Injektion medikamentöser Fldssigkeiten 205.
— , Ausspülung 206. — , Instrument zum Aussaugen
von Flüssigkeiten 206. — , Nutzen d. Jodoform u. des
Alaun gegen hypertroph. Processe 207.
Trophoneurosen 30. 244.
Trunksucht, Nutzen des Eisenfluorid 123.
Tuba Eustachii, Katarrh mit Himsymptomen 193.
— , Fallopii, Uebertritt des Eies aus dem Ovarium in
solche 231. S. a. Pyosalpinx.
Tuberkulose, d. Auges (Iris) 163. (Chorioidea) 164.
(Bindehaut) 165. (d. Iris u. d. CiUarkörpers) 165. —
S. a. Lungen-, Miliartuberkulose.
Typhus abdominalis, Behandlung mit: Chlnolin 19.
Conchinin 223. Bädern 293. —, Einspritzung von Blut
in d. Bauchhöhle 175. — , Erkrankung d. Gehörorgans
183. — , Veränderungen an d. Darmschleimhaut 223.
— , Metritis dissecans b. solch. 260.—, Vorkommen in
Paris 309.
Typhus exanthematicus, Affektion d. Gehörorgans 183.
T y r o s i n , als Fäninissprodukt 3.
Unfruchtbarkeit s. Sterilität.
Unguentum diachyli, Bereitung 22.
Unterleib, subcutane Venen an d. Wandung 119. — ,
Klappen in d. grossen Venen in solch. 119. — , kreb-
sige Entartung d. Lymphdrüsen als Urs. von Rücken-
schmerz 128.
Urticaria pigmentosa 138. — , Behandlung 227.
ITaccina, Einwirkung d. Antiseptika 239.
Vagina, saure Beschaffenheit d. Schleims als Urs. d.
Sterilität 44. — , Irrigationen mit heissem Wasser 142.
— , knöcherner Verschluss 146. —, Zerreissung nach
d. Douglas'schen Räume zu, Peritonitis, Heilung 146.
— , Statistik d. Schanker in ders. 257. — , Gangrän
durch Druck b. d. Entbindung 260.
Vaginalpessarium, Nutzen b. Anteversio uteri 258.
Vaginalportion s. Gebärmutterhals.
Vagus, Lähmung 127.
Variola, Vorkommen in Paris 309.
Vena, cava superior, Einmündung d. rechten obem
Lungenvene in dies. 233. — , coronaria ventriculi, ana-
tom. Verhalten 118. — , cruralis, Verhalten d. Klappen
119. — , emissaria mastoidea, Entzündung 195. — ,
epigastrica 119. — , intercostalls 119. — , portae, Kry-
stalle im Blute b. Anämie 4. — , pulmonalis superior
dextra, Einmündung in d. Cava sup. 233.
Venen, grosse d. Unterleibs, Klappen in solch. 119.
— , subcutane an d. vordem Rumpfgegend 119.
Vera tr in, Einfl. auf d. Körpertemperatur 120.
Veratrum viride, günst. Wirkung b. Epilepsie 21.
Verband, f. Orchitis u. Epididymitis 254.
Verbrecher, Entwicklung von Geistesstörung 276.
Verbrennung, Verbrühung, ausgebreitete Narben,
Hauttransplantation 219. — , Tod durch solche 300. — ,
Nachweis d. Zufügung vor u. nach d. Tode 300.
366
Namen-Register.
Verdanan^Bkanal, Krankheiten b. Kindern, Nutzen
d. Alkohol 266.
Verdauangsorgane, Krankheiten (als Urs. nervöser
Depression) 181. (Statistik) 200. (Nutzen d. Stroh-
mehls) 242.
Vereinigte Staaten s. Nordamerika.
Vergiftung, Erscheinungen solch, b. Hämatocele in-
nerhalb d. Beckens 143. — S. a. Blei ; Lupinen ; Mais ;
BKandeln, bittere ; Morcheln ; Phosphor ; Ptomain ; Salz-
säure; Strychnin; Wurst.
Verheirathung, Zulässigkeit nach Heilung von Gei-
stesstörung 298. — S. a. £he,
Verletzungen, in gerichtl.-med. Beziehung 299. — ,
durch Unfälle im preuss. Staate in d. JJ. 1878 u. 1879
306. — S. a. Schnssverletzung ; Stichwunde.
Vermoderungsprodukte 4.
Verunglückungen, im preuss. Staate in d. JJ. 1878
u. 1879 306.
Verwandte s. Blutsverwandte.
Vinum chalybeatum s. Eisenwein.
Viola trieolor, Nutzen b. Hautkrankheiten 226.
Violettblindheit, Farbensehen b. solch. 98. — ,
einseitige 168.
V i t i 1 i g o , Behandlung 227.
Vorfall, d. Hamrdhrenschleimhant (b. einer Frau) 44.
(b. einem lOjähr. Mädchen) 266.
Vorlesungen s. Kinderkrankheiten.
Vulva, H&maton 143.
%Warzenfortsatz s. Processus mastoideus.
Wasser, subcutane Injektion b. Ovarie 142. — , kaltes,
Nutzen b. Mittelohrkatarrh 206. — S. a. Heisswasser.
Wasserbad, heisses, Nutzen b. Asphyzia neonatorum
262. 264. — , b. Typhus 293.
Wassersucht s. Hydrops.
Wechselfi eher, Nutzen: d. Chinolin 19. d. Conchi-
nin 123. — , Vorkommen u. Behandlung 218.
WeiblichesGeschlecht, Vorkommen von Farben-
blindheit 103. 107. 166.
Wein, Anwendung verschied. Sorten b. Neugebomen n.
Kindern 266. — S. a. Eisenwein.
Wiederbelebung, asphyktischer Nengebomer 268.
— , eines Erhenkten 279.
Wien s. Krankenanstalt.
Wirbel, Abscess als Urs. von Trachealstenose 270. —
S. a. Brustwirbel ; Halswirbel ; Lendenwirbel ; Bookeft-
wirbel.
Wirbelkörper, Spaltung b. Spina bifida 166.
Wirbelsäule, Bfickenschmerz b. Krankheiten den.
128. — S. a. HydronhaohiB ; Spina bifida.
W i s m u t h , Färbung d. Zunge nach Anwend. dess. 22.
Wochenbett, Parametritis u. Perimetritis währeod
dess., Nutzen d. Calomel 124. — , Subinvolntion d. Ute-
rus, Nutzen heisser Scheidenirrigationen 142. — , 6e-
bärmutterblntung während dess. in Folge von Piacents-
resten 147.
Wollgarne, verschieden gefärbte, {Verwendung lam
Nachweis d. Farbenblindheit 89. 91.
Wfirtemberg, Triohinenepidemie 36
Wunden, Behandlung 221.
Wurst, Vergiftung 7.
X.anthokyanopie, Xanthokyanopsie 88.
3S e 1 1 e , Bau u. Lebenserscheinungen 16.
Zeugung, Physiologie ders. (von V. Hensen, Rec.) 211.
Zink, salpetersanres, Nutzen b. Pemphigus 227.
Zittern, epileptoides, Zustandekommen 286.
Zoster, Behandlung 227.
Zunge, gefärbter Belag nach Anwendung von Wis-
muth 2*2.
Zungenbein, Pharyngotomie unter dems. 270.
Zwangsfütternng, b. Nahrungsverweigerung 171 .
Zwillinge, Knotenbildung an beiden Nabelschnüren 51.
Namen - Begister.
Abegg, H., 60. 149.
Adamkiewicz, A., 173.
Adloflf 277.
Ahlfeld, Fr., 163.
Alexander, W., 106. 244.
Allan, James, 21. 43.
Andersen, M. (Aarhns), 242.
Angus, Ackwortb, 66.
Asch, Morris J., 268.
Atwood, H. T., 37.
Baber, E. Creswell, 203.
Baginsky, A., 281.
Baker, J. B., 126.
Balfour, George W., 246.
Balleray, G. H., 268.
Barlow, Thomas, 63.
Barr, Thomas, 203.
Bartlett, Wm. H. C, 310. (Rec.)
Baumert, G., 13.
Bayer, Franz, 273.
Beck, Carf, 29.
Becker, Otto, 98.
Becker 207.
Becker (Dresden) 180.
Beckler (Fischen b. Sonthofen) 187.
Beger, A., 270.
Behrendt, J., 143.
Belfleld, Wm. T., 37.
Benedikt, Moriz, 210.
Benicke, F., 142.
Benzon, Alfred, 243.
Berg, F. Th., 310.
Berger, Paul, 169.
Bernhardt, M., 193.
Perry, Wm., 67.
Berthold, E., 179.
Bertillon sen. 309.
Bertillon jun., Jacques, 309.
Beschomer, Osk. Herrn., 133.
Bezold, Friedrich, 206.
Bidder (Petersburg) 46.
Bjerrum, Jannik, 167.
Bigelow, Horatio R., 179.
BiUroth, Theodor, 162. 280.
Blake, CUrence J., 178.
Blau, Louis, 179.
Bochefontaine 117.
Bogroflr (Odessa) 210.
Bokomy, Thomas, 114.
BoUinger, 0., 8. 40.
Boutmy 11.
Brakenridge, David J., 236.
Breisky, A., 60.
Bremer, Victor, 198.
Broeius, G. M., 298. (Rec.)
Brouardel 11.
Brown, George, 167.
Browne, Lennox, 208. 206.
Bruce, Robort, 262.
Brücke, E., 83.
Brückner, Arthur, 164.
Brfinniche. A., 172.
Brugnatelli 12.
Brunner, Gustav, 197.
Bruns, Victor v., 69.
Bmnton, T. Lander, 131.
Bück, Albert H., 183. 192.
Burkner, K., 181. 193.
Bull, Ole B., 77. 96.
Bnrkhardt-Merian 201.
Bomett, Charles Henry, 181.
Bnmier, H., 142.
Burton, J. £., 66.
Bury, Judson, 168.
Bnzzard, Thomas, 286.
Callender; George W., 66.
Cameron, A. H. F., 267.
CappelUni, Baidasare, 62.
Caradec 161.
Caspari (Meinbeig) 147.
CasseUs, James Patterson, 181. 186.
188. 204. 206.
Catrin 20.
Cavafy 138.
Geppi 274.
Chandeluc, A., 233.
Charrier, A., 44.
Chatin, E., 36.
Cheever, Dav. W., 162.
Chervin, Arthur, 308. (Rec.) 309.
Chiari, Hans, 139.
CThvostek, Franz, 22.
Classen, Alexander, 301. (Rec.)
Coats, Joseph, 168.
Coffin, R. J. Maitland, 263.
Cohn, Hermann, 90. 92. 112.
Colin, L^on, 37. 62.
Colognese, Carlo, 61.
Costa-Pruneda, Arthur, 164.
Cred6, C. Sigmund Franz, 48. U9.
Cullimore, D. H., 29.
Czerny, Vinoenz, 160. 161.
Daae, A. (Krageröe), 91.
Da Costa, J. M., 40. 123.
Danillo (Petersburg) 126.
David, Howard, 66.
Kamen-ßegistet.
367
Dtthittl57.
Delamire 23.
Delboeoflll.
Dele (ÄDtwerpen) 37.
Deifltanehe jon. 185. 187.
Depaiil58.
DeBtree, E., 260.
Dittel (WieD) 162.
DÖrrenbeig 170.
Dohrn, A., 49.
Doitald, James, 125.
DoDders, F. C, 91. 94. 97.
Dngendorff (Dorpat) 300.
Dreyfas-Briesac, L., 19.
Da Cazal 36.
Dnfoar, Marc, 297. (Rec.)
Dognet 137.
Dnhring Lonia, 22.
Doplaj, Simon, 257.
Ecker, Alex., 232.
Edlefsen (Kiel) 122.
Eichenberg, Friedrich, 8.
Eisenlohr, C, 243.
EUis, B., 194.
EloDi 296. (Rec.)
Hoj, Gh., 24.
Emminghana, A., 310. (Rec.)
Engel (BerUn) 302. (Rec.)
Engelhardt (Nenstadt a. d. Orla) 34.
Erlenm^er, A., 288.
d'Espine, A., 54.
Enlenberg, H., 33.
Eolenboig, Albert, 287.
Eostache, G., 44.
Falk, Friedrich, 300.
Favre 110.
Fenwick, E. Harry, 119.
Fiedler, A., 132.
Finlayson, James, 159.
Piseher, Georg, 272.
Fleehsig, Paul, 16.
Fleischer, R., 249.
Ftenmüng, Walther, 15.
Fluuer, Max, 9.
Fontenay, O. E. de, 165. 166. 167.
Forest, W. E., 261. 262.
Fraenkel, A., 125.
Fnenkel, Engen, 186. 200.
Freadenberger, Josepi, 122.
Freund (Strassbnrg) 49.
Friedberg, Herrn., 124.
Friedländer, Carl, 158.
Frigerio, Luigi, 172.
Friedreicb, N., 119.
Fmth, Wilh., 43.
Font, Carl M., 118. 238.
Pubini, 8., 120.
Fnehs, Ernst, 274.
CSalezowski, Xavier, 93.
Ganghofner, Friedrich, 253.
Gay 71.
Gegcnbanr, C, 233.
Getosler, Arthur, 73.
▼an Gelder 11.
Geofmer, A., 296.
G«wier, A. G., 210.
Gherini, Ambr., 153.
Gieseler (Moskau) 38.
Gfllette 210.
Ginfl 102.
Glaa, P., 95.
Glasier 37.
Guck, Leopold, 257.
teteinl96.
Gonld, A. Pearce, 66.
Graefe, Alfred, 228.
Graefe, F. B. Rud., 163.
Graham 30.
Gratter, Julius, 114.
Gray, George, 126.
Green, J., Orne, 195.
Grenfell 125.
Greve 243.
Gruber, Jos., 177. 195.
Gruning, Emil, 210.
Guöniot, P., 51.
Güntz, J. Edmund, 255.
Gu^rin, A., 52.
Guttmann, Paul, 151.
Guttetadt (Berlin) 302.
Guye 196.
Haab, Otto, 297. (Rec.)
Häberlein (Crailsheim) 35.
Hagen, R., 179.
Hallin, O. F., 276.
Hamberg (Stockholm) 243.
Hamilton, J. Lawrence, 22.
Hammond, William A., 172.
Hansen, Edmund, 167.
Hartmann, Arthur, 183. 186. 193.
206. 210.
Hartmann, Robert, 289. (Rec.)
Hanssmann (Berlin) 149.
Hayes, P. J., 72.
Hebra, Hans, 136.
Hedinger 203.
Heine, C. v., 269.
Heinrichs, J., 287.
Henoch, Ed.^ 150. 290. (Rec.)
Hensen, V., 211. (R«c.)
Hering, Ewald, 82.
Herman, G. Emest, 258.
Hicks, J. L., 190.
Hierlinger 92.
HJertström, Ernst, 171.
Hiller, A., 3. (Rec.)
Hippel, A. Y., 100.
Hirsch, Aug., 306. (Rec.)
Hirschberg, J., 100.
Hochecker 101.
Hdgyes, A., 120.
Hofmann, Ed., 279.
Hofmeier, M., 47.
Hofmokl, J., 55.
Holmes, E. L., 198.
Holmgren, Frittl^of, 89. 104. 168.
Holt 268.
Hudson, James, 44.
Hughe 203.
Hunt, David, 177.
Husemann, Theodor, 6. 12.
JFaksch, Rud. y., 18.
Jabin de la Croix, Nicolai, 240.
James, Alexander, 284.
Jamieson, Allan, 31.
Illing 122.
Ingersley, Y., 265.
Joflfroy, A., 286.
Johnson, George, 127.
JoUyet, A., 36.
Israel, James, 22.
Iwanowsky, N. P., 256.
Kaatzer (Rehburg) 7.
Kabierske 49.
y. Kaczorowski (Posen) 175.
Katser, S. (Hall), 138.
Kernig, W., 38.
Kiemann (Wien) 218.
Kiönig, C, 242.
Kipp, C. J., 198.
Knapp, H., 185. 189.
Knecht, Adolph Emil, 274.
Knight 268.
Knoch (Petersburg) 38.
Kobert, R., 3.
Kocher, Theodor, 69.
Koeberl^, E., 159.
Koemer, Robert, 67.
Koerting 202.
Kolbe, B., 96.
Kormann, Ernst, 144.
Krajewski, A., 239.
Krenchel 84.
Kretschy (Wien) 199.
y. Kries 99.
Kröwoczynski, J., 138.
Kudlich, W. T., 40.
Kuhn, J., 13.
Küster, Friedr., 99.
Kuschel (Oberglogau) 21.
liaboulb^ne 36.
Ladreit de Lacharriäre 203.
LaiUer, A., 171.
Landesberg, M., 181.
Langenbeck, B. y., 268.
Langer, Ludwig, 113. 127.
Laroyenne (Lyon) 61.
Larrey 264.
Leber, Th., 81.
Lederer 83.
Leech, J., 238.
Lees, David B., 53.
Leeser, J. Rudd, 189.
Le Roy de M^ricourt 36.
Leube, W., 249.
Levertin 243.
Levy (Mflnohen) 144.
Lewin, L., 119.
Lewinski (Berlin) 23.
Lewinsky (Wien) 282.
Lichtenberg, Comel, 204.
Liebscher, G., 13.
Lochner (Schwabacb) 35.
Lodi, Giovanni, 251.
Loebl, Jos. M., 254. 258.
Loew, Oscar, 114.
Logerais 158.
Lucas, Robert, 259.
Luce, J. B., 31.
ni'Clausland 30.
M'Cllntock, Alfired H., 259.
Macdonald, Angus, 44.
Macdonald, Archibald, 127.
M'Gown, John, 158.
Mach, Ernst, 82.
Mackenzie, Stephen, 138.
M'Keown, William A., 205.
Macquillan, Charles F., 143.
M'Watt, John, 66.
Mader (Wien) 219. 221.
Magnus, Hugo, 88. 94. 97.
Magnus, A., 202.
Mauz 164.
Marcet, William, 175.
Mar^hal, J., 263.
Marsh, £. J., 310. (Rec.)
Maschka, Joseph, 299. (Rec.) 300.
Manrel 235.
Mauthner, Ludw., 91.
Mayer, Jaques (Karlsbad), 230.
M^gnin, P., 37.
Meissner, G. Hermann, 33. 246,
Mekerttschlants 263.
368
Namen-Register.
Mellberg, E. J., 167,
Mendel 282.
Mendelsohn, Moritz, 288. 289.
MeBsedaglia 309.
ter Meulen, G., 287.
Meyer (Allershausen) 27.
Michael, J., 195. 201.
Michel, Jalias, 297. (Rec.)
Michelson 30.
Minder, Franz, 92.
Mobins, Paul Jnlias, 27. 281.
Monsally, S., 38.
Monti, Aloifl, 160.
Mooren, Albert, 298. (Rec.)
Moos, S., 179. 188. 189. 193. 194.
196. 208.
Mordongh, Edw. F., 21.
Moretti, Odorico, 58.
Morris, Malcolm, 33.
Morton, James, 64. 65.
Mosler, W., 247.
Moarson 137.
Mracek, Franz, 139.
MüUer (Minden) 10.
Marri, Aug., 251.
Manwerk, Colestin, 264.
Neamann, E. (Königsberg), 17.
Nenss, H., 18.
NeviUe 147.
Nicaise 61.
Niooli 63.
Nowak, Josef, 214. (Bec.)
Nnel (Loewen) 105.
Obraszow 256.
Ogston jnn., F., 143.
Oldoini, Stefano, 62.
Olshausen, R., 149.
Onorato, Mich., 205.
Osterloh, Paul, 62.
Ott, A. (Lnzem), 204.
Parinaud 95.
Parona, f^Fancesco, 63.
Peck, E. 8., 274.
Peebler, J^H. M.. 37.
Penzoldt, Franz, 249.
Persoons, H., 248.
Peters, George A., 267.
Pettenkofer, Max v., 229.
Pflfiger (Bern) 90. 93. 104.
Pieree, F. M., 204. 205.
Piffard, Henry G., 223. (Rec.)
Pinner, 0., 231.
Playfair, W. 8., 140.
Polaillon 61. 186.
Politzer, Adam, 208.
Pollack, Josef, 187.
Pollock, George, 271.
Pomeroy, 8. D., 192.
Pooley, Thos. R., 190.
Prensse 203.
Prevost, J. L., 285.
Preyer, W., 84. 99. 101.
Pye, Walter, 64.
Radde 92.
R&hlmann 81.
Ragona, Scina, 93.
Ranke, H., 57.
Raaber, Angqst, 177.
Raynaud, Maurice, 24.
Rebourgeon 36.
Rehmann, R., 278.
Rennert, O., 264.
V. Reuss 91.
Riehardson, Benjamin W., 203.
Riebet, Gh., 271.
Richter, Ubbo, 143.
Riva, Gaetano, 169.
Rizzoli, Francesco, 63.
Robin, Gh., 11.
Röhmann, F., 13. 125.
RoUett 78.
Rose, Edm., 81. 95. 97.
Rosenthal, M., 280.
Roser, Wüh., 278.
Roth, N. (Basel), 36.
Roussy 117.
Roux 152.
Roy, Charles 8., 117.
Rfiter, H., 164.
Rupprecht (Hettstadt) 34. 39.
Russell, James, 129. 189.
i^ansom, Arthur Ernst, 158.
Sawyer, J.. 129.
Sayre, Lewis A., 152.
8challe, Robert, 206. 207.
Schanta, Friedrich, 51.
8chenkl (Prag) 91.
Schill, Ernst, 55. 151.
Schirmer 93. 96. 105.
8ch5n, Wilhelm, 297. (Rec.)
Schreiber 59.
Schreiner, Ph., 4.
Schüler (Cfistrin) 8.
Schuller 263.
Schultze, H., 30.
Schurig, Edmund, 177,
Schwabach 177.
Schwalbe, G., 212. (Rec.)
Schwartze Hermann, 206. 208.
Schwing, Karl, 146.
Scolari, Gaetano, 62.
S6e, Germain; 117.
Seeeligmüller, A., 141.
Seguin, E. C., 170.
Selmi, Franc, 6.
Bemmer (Dorpat) 239.
Senator, H., 282. '
Seppilli, Giuseppe, 169. 287:
Sexton, Samuel, 204.
Shapter, Lewis, 288.
Silberschlag, C., 39.
Simon, Jules, 265.
Simon, 0., 137.
Simpson, Alexander Russell, 261.
Slisielderup, M., 124.
Skrzeczka 300.
Smith, F. Sydney, 259.
Smith, Noble, 65.
Smith, Thomas, 66.
Smith, Walter G., 31.
Snellen 94.
Snyder, D. J., 146.
Solivetti, Alexandro, 170.
Soltmann, Otto, 21. 293. (Rec.)
Sonnenschein, F. L., 301. (Rec.)
Spencer, H. N., 207.
Spiegelberg, Otto, 49.
Spring 111.
Square, Wm., 129.
Btage, G. G., 242.
Stahr, Julius, 165.
Steinbrügge, H., 177. 187.
Stelwagon» R. W«, 137.
Stevens, Gpo. T., 197.
StUler,B., 244.
StiUing 92. 93. 97.
Stimmel, EmU Fr. Karl, 204.
Stocks, A. W., 272.
Störk, Kaxl, 254.
Straatmann (Duisburg) 72.
Strauss (Barmen) 85.
Syromjatnikoif, 8., 260.
Tacke (Wesel) 20.
Tarnier51.
Taylor, John, 261. 263. 279.
Theobald, Samuel, 205.
Th^venot 272.
Thomas, T. Gaillard, 259.
Thomson, William, 91.
Thomson, W. Sinclair, 129.
Tichomirow 38.
Torrance, Rob., 192.
Toselli 171.
Traube, Moritz, 19.
Treitel 96.
Tr^lat 159.
Tripe 12.
Tschirjew 282.
Turle, James, 129.
Tumbull, Laurenoe, 197.
IJhde, C. F. W., 34.
Unna, P. G., 1.96.
Urbantschitsch, Victor, 190.
ITachetta, Andrea Alfonso, 294. (Rec.)
Valenta, Alois, 147.
Valentinotti, F., 62.
Veit, T. (BerUn), 46.
Vemeuil, Aristide, 272.
Vierordt, Hermann, 212. (Rec.)
Virohow, Carl, 42.
Voit, C, 229.
Voltolini, Rud., 204.
Vosburgh, H. D., 20.
ÜTadsworth, O. F., 297. (Rec.)
Wagner, Clinton, 270.
Walb 273.
Waller, A., 283.
Watkins, C. J., 146.
Watt, Ross, 64.
Weber, M. M. y., 108.
Weber-Liel, E., 178. 179.
Wecker, L. V., 97.
Weil, C, 269.
Weir, Robert T., 192.
Welch (Birmingham) 248.
Welton, Thom. A., 309.
Wendt, Edm. C., 40.
Wemich, A., 216. (Rec.)
Wemitz, Aug., 154. (Rec.)
Wertheim, Gust., 221.
Westphal, C., 281. 289.
Williams (Cincinnati) 202.
Winn, J. M., 169.
Winston, G. L., 310. (Rec.)
Wittelshöfer, Rieh., 159. 161. 163.
Woakes 124.
Woinow 81. 96. 100.
Wolf, Oskar, 178. 196.
Wortabet, John, 38.
Wfinsche (Dresden) 153.
Wundt, W., 84.
Zander (Eschweiler) 27.
Zenoni 12.
Zuckerkandl, £., 177.
DmokTon Walter Wigand in Leipzig.
SCHMIDTS
JAHRBÜCHER
DER
IN - UND AUSLÄNDISCHEN
GESÄUMTEN MEDICIN
REDIGIRT
VON
Prof. Dr. ADOLF WINTER
HUNDERT ZWEIUNDNEÜNZIGSTER BAND.
LEIPZIG. 1881.
VERLAG VON OHO WIGAND.
.1 - ••
in- und ausländls
ammteD Medlcin.
Bd. 192.
1881.
M 1.
A. Auszüge.
I. Anatomie u. Physiologie.
455. DasVerhaltnisB der Niere sor Bauch-
höhle; von Prof. Mathias Daval in Paris.
(6az. de Paris 11. p. 145. 1881.)
Die neuem entwicklongsgeschichtlichen Unter-
sochuDgen haben die ümiere und von hier ans die
bleibende Niere in mehr oder weniger enge Verbin-
dimg mit dem Peritonäalepithel gebracht. Da in
den letzten Jahren die Aufmerksamkeit der Kliniker
sieh ausgesprochenen Beziehungen zwischen Nieren-
md peritonäalen Erkrankungen zugewendet hatte^
80 bringt D u v a 1 die Erklärung fOr dieses Verhält-
Di» der beiderlei Erkrankungen auf entwickluugs-
gesehichtlichem Boden. Eine ähnliche Beziehung be-
steht zwischen Linsenkrankheiten und Hautkrank-
heiten, indem Linse und Epidermis gleicher Abkunft
äod. Es ist in solchen Fällen nicht die Contiguität
deB Gewebes, welche den Ausschlag giebt, sondern
der ursprüngliche Ausgangspunkt bleibt selbst in
solchen Fällen zu berücksichtigen, in welchen sekun-
där eine Trennung der Organe oder Gewebe statt-
gefimden hat, wie in den erwähnten Beispielen.
Dnval sprach bei Mittheilung seiner Untersuchun-
gen in der Soc. de Biol. sein Bedauern aus, dass die
Embryologie bei den Pathologen seines Landes noch
in geringerer Gunst stehe, aU sie es verdiene.
Malassez entgegnete auf Du vaTs Vortrag,
man müsse nicht nothwendig die Niere als einen ab-
gezweigten, vielverschlungeuen Serosatheil des Peri-
ton&alsaekes halten. Sekundär habe sich der zum
Crogenitalapparat entwickelnde Theil zu einem Ge-
bilde von anderer Dignität umgewandelt und stelle
sieht mehr eine Serosa dar. (Räuber.)
456. lieber den Einfluss des Büokenmarka
aufdieHamaekretion; von Dr. Barney Sachs
Med. Jahrbb. Bd. 192. Hfl. 1.
aus New York. (Arch. f. Physiol. XXV. 7 u. 8.
p. 299. 1881.)
Der Einfluss des centralen Nervensystems auf
die Hamabsondeiiing ist seit Claude Bernard 's
berühmter Entdeckung schon oft untersucht und als
sich in zahlreichen Leistungen wirksam erweisend be-
trachtet worden. Den vorliegenden neuen Beitrag
veranlasste Prof. Goltz, unter dessen Leitung B.
Sachs arbeitete. Es sollten die Beziehungen des
Rückenmarks zum künstlichen Diabetes, sowie auch
zur aligemeinen Sekretionsthätigkeit der Nieren von
Neuem geprüft werden« B. berichtet zunächst über
den letztern Theil der angestellten Beobachtungen.
Als Versuchsthier diente meist der Hund, indem Ka-
ninchen wegen geringerer Widerstandsfähigkeit sich
minder tauglich erwiesen. Die Wirbelsäule des
chloroformirten Thieres wurde in der Medianlinie
trepanirt, unter das Mark ein stumpfer Haken ein-
geführt und dasselbe nunmehr durchschnitten. Zum
Nachweis stattgefundener Sekretion begnügte sich
S., in dem Bestreben, die Methode möglichst wenig
eingreifend zu machen, zumeist der Auspressung der
Blase, nachdem links von der Mittellinie oberhalb
der Symphyse ein Einschnitt gemacht worden war,
welcher die Einführung zweier Finger zuliess. Ent-
gegen anderweitigen Angaben findet S. , dass dem
Rückenmark kein direkter nervöser Einfluss auf die
Nierenthäügkeit zugeschrieben werden könne. Mochte
das Mark ganz oder theilweise an den verschieden-
sten Stellen durchschnitten worden sein , so zeigte
sich die Hamsekretion nicht unbedingt aufgehoben,
ja oft nur wenig beeinträchtigt.
Zu- diesem Ergebniss führten die verschiedensten
Methoden : Reaktion mit chemisch leicht nachweis-
baren Substanzen (Jodkalium, gelbes Blutlaugen-
1
I. Anatomie u. Physiologie.
L
salz a. s. w.) , AaspressuDg der Blase and Messung
des später eingeflossenen Sekretes , scblüsslich
auch Einführung von Kanülen in die Haraleiter und
Bestinunnng des nach aussen träufelnden Harns. Je
geringer die anderweitigen operativen Eingriffe wa-
ren, eine desto bedeutendere Hammenge wurde nach
der Durchschneidung geliefert. Blutdruckherab-
setzung in Folge einer Durchschneidung des Hals-
marks bewirkte eine starke Einbusse der sekretori-
schen Nierenthätigkeit ; diesem Ausfall aber konnte
durch vorausgeschickte Durchschneidung des Brust-
marks entgegengewirkt werden. Beträchtlichen
Blutdruckschwankungen entsprachen indessen keines-
wegs die Aenderungen der Hammengen, so dass auch
hier keine ganz einfachen Verhältnisse vorliegen.
Das Dasein von Sekretionsfasera , welche, von der
MeduUa oblongata ausgehend, durch das Rücken-
mark zur Niere gelangen sollen, erklärt S. hiernach
für völlig unerwiesen . (R a u b e r.)
457. Heber das Besorptionsvermögen der
Harnblase und der Harnröhre.
Versuche über das Resorpiionsvermögen von
Blase und Hartiröhre haben Prof. H. Maas und
Dr. 0. P inner in Freiburg i. B. (Chir. Centr.-
Bl. VU. 48. 1880 — Deutsche Ztschr. f. Chu-.
XIV. 5 n. 6. p. 421. 1881) theils am Menschen,
theils an Kaninchen und Hunden, sowohl im gesun-
den, als im kranken Zustand der Blase, mit allen
Cautelen ausgeführt.
Von der gesunden thierischen Blase wurden
Kaliferrocyanat und Natron saUcylicum leicht auf-
genommen und durch die Nieren ausgeschieden.
Eme sehr rasche Aufnahme erfolgte bei Injektionen
von CyankcJium und Strychrdnum nitricum. Nach
Injektion von Atropin und Curare traten keine All-
gemeinwirkungen auf, weil langsam resorbirt und
rasch ausgeschieden wurde. Unter 41 auf Jod-
iaZitim-Resorption untersuchten Menschen, welche
zwischen 19 und 70 Jahren alt waren, boten 26 die
Erscheinungen der Resorption dar (Nachweis von
Jod im Speichel durch Chloroform und Salpeter-
säure). Die Wirkung von Pilocarpin war trotz
ansehnlichen Dosen nur eine geringe. Auf Grund
ihrer Versuche glauben Vff. auch auf eine physio-
logische Resorption von Hambestandtheilen schlies-
sen zu sollen; jedoch da die circulirende Menge zwar
einen constanten , aber nur geringen Faktor bildet,
so erwachsen daraus keine Stöiiingen.
Bei entzündlichem Zustande der Blasenschleim-
haut fand die Resorption des injicirten Jodkalium,
Pilocarpin und Morphium mit grösserer Lebhaftig-
keit statt, als bei gesundem Zustande. Eben darum
können auch infektiöse Stofife bei Cjstitis leichter
resorbirt werden.
Versuche mit Pilocarpin stellten auch das Re-
sorptionsvermögen der gesunden und kranken Harn-
röhre ausser Zweifel.
Dr. R. Fleischer und L. Brinkmann
(Deutsche med. Wchnschr. VI. 49. 1880) heben
die Wichtigkeit der Eenntniss von dem Absorptions-
vermögen der Blasenschleimhaut für die Phyäol
des Stoffwechsels hervor, da die Menge der in dner
gegebenen Zeit ausgeschiedenen Hambestand&eile
nicht als der unverfälschte Ausdruck des Stoffwech-
sels betrachtet werden kann, wenn wirklich bei
längerem Verweilen des Harns in der Blase eine
reichlichere Resorption stattfindet, und ^e Gegen-
wart von Harnstoff im Blute nicht mehr ohne Weite-
res als Beweismittel gegen die Annahme gelten kann,
dass die Nieren die einzige Bildungsstätte des Hani-
stoffs sind. Sie wandten bei ihren Versachen , die
sie an Menschen ausführten, Jodkalium an , das sie
in die Blase injicirten. Im 1. Versuche, in dem nnr
eine VaP^o^* Lösung injicirt wurde, erhielten sie ein
negatives Resultat , in den übrigen Fällen war das
Resultat positiv, namentlich deutlich nach Anwen-
dung einer Iproc. Lösung. Die Möghchkeit , diBS
beim Herausziehen des Katheters geringe Mengen
Jodkalium in die Harnröhre geUngt und von da ans
resorbirt sein konnten, wurde dadurch ausgeschlossen,
dass in einem Falle durch den bei der Einf&hrong
mit einem Mandrin verschlossenen Katheter kleine
Kugeln von geschmobsenem Jodkalium nach Entfer-
nung des Mandrin sehr rasch in die Blase eingefiihrt
wurden und der Katheter dann rasch entfernt wurde;
in andern Fällen wnrde ein doppelläufiger Katheter
liegen gelassen. Nach dem Ergebniss ihrer Ver-
suche schreiben F. und L. der normalen Blasen-
schleimhaut die Fähigkeit, Jodkalium zu resorbiren,
zu und nehmen an , dass andere lösliche Stoffe sich
kaum anders verhalten werden^ Die Resorption ist
aber eine äusserst langsame und geringfilgige und
wird wahi'scheinlich durch die beträchüiche Dicke
des Blasenepithel erschwert.
Dr« B. London in Carlsbad (Berl. klin. Wo-
chenschr. XVHI. 11. 1881) hat zur Prüfung der
Resorptionsvorgänge der normalen Blasenschleim-
haut Injektionen von erwärmter 7aP'oc. Jodkaliam-
lösung und Ghlorlithionlösung in die Blase gespritzt.
Dieselben ergaben bezflglich der Resorption ein Mai
ein negatives Resultat, ein zweites Mal konnte Jod
im Speichel nachgewiesen werden. Eine stattgehabte
Resorption des Chlorlithion konnte spektralanalj-
tisch festgestellt werden, indem der charakteristische
rothe Streifen im Spektrum hervortrat.
L. stellte femer Beobachtungen an ober die
Veränderungen, welche das Epithel der Blase iw
ausgedehnten und contrahirten Zustand erfilbri
Zu diesem Zweck wurden an mikroskopischen Pri*
paraten von ausgedehnten und contrahirten Blasen
die Formveränderungen studirt und Messungen vor-
genommen. Es ergaben sich auffallende Dicfcen-
unterschiede der Epithelschicht je nach dem Zustand ;
ebenso auffallende Formveränderungen. Trotz der
enormen Ausdehnung, deren die Blase fthig ist;
findet weder eine Contmuitätstrennung, noch eine
Verschiebung der Epithelien statt; in Folge der
ausserordentlichen Elasticität des Epithel treten
allein Abplattungen der emzelnen EpiÜielzelleo m
pperti^
I. Anatomie u. Physiologie.
x^lhpertional der Oberfläcbenänderong des Gesammt-
' In einer 2. Arbeit (Arcb. f. Anat. n. Physiol.
1881. [Physiol. Abth.] p. 317—370) nnterauchte
li. die Veränderung des EpiUiel bei verschiedenen
Füllungszuständen eingebender und fQgte dem be-
leits Angegebenen einige neue Ergebnisse bei. Von
der höchsten Contraktion nämlich bis zu massigen
Graden der Fflllnng tritt zn der Veränderung der
Epithelschicht das bekannte Hülfsmoment, die Fal-
toiig der Schleimhaut, so dass die Vergrösserung
•der Oberfläche hier der Vergrösserung der Fflliung
nicht proportional geht. Bei der Vergleichung der
Blasen verschiedener Thiere ergiebt sich ein dritter
Satz: bei gleichem Grade der Füllung hat die
diekere. Epithelschicht diejenige Blase, welche dem
» grossem Thier angehört, d. h. diejenige, welche der
grdssern Fflllnng im Leben ausgesetzt ist Ob die
Blase oontrahirt oder ausgedehnt ist, das Volum der
einzelnen Zelle bleibt unter allen Umständen gleich
gross. Wie in einer elastischen Membran, welche
durch einen Druck gedehnt wird, rücken in dem
Blasenepithel bei der Ausdehnung die einzelnen
Theile auseinander, behalten aber ihren Zusammen-
baog und ihre relaÜTe Anordnung ; so ist es leicht
erklärlich, wie Alles wieder in die alte Ordnung
lorfickkehrty wenn der Druck nachlässt. In einer
Beziehung ist indessen eine Verschiedenheit bemer-
keDBwerth. Der FüUnngsdruck auf das Epithel ist
gerioger als der Gontraktionsdruck, bei dem es in
seine Ruhelage zurückkehrt. Das Epithel wird also
dicker unter hohem Dnick. Es ist hier wohl der
Seitendruck auf die Epithelien in Betracht zu ziehen,
welcher dem Radialdmck entgegenwirkt. Doch ver-
mathet L., dass vielleicht das Epithel während der
Contraktion mit einer höhern Elasticität begabt ist
als während der Ausdehnung.
F. Cazenave und R. Lupine (Gaz.desHöp.
111. p. 885. 1881) stellten Versuche an Hunden
Aber die Resorption des Harnsiofs u. der Phosphor^
iäure in der lebenden Blase in der Weise an , dass
sie Dieteren und Blasenhals unterbanden, zu Anfang
des Versuches den mittels Punktion der Blase erhalte-
nen Harn untersuchten, die Punktionswunde unterban-
den und nach 24 Std. die Blase ausschnitten und den
darin enthaltenen Harn untersuchten. Es zeigte
sieh dabei constant ein beträchtlich geringerer Gehalt
des Harnes an Harnstoff bei der letzten Untersuchung.
Die Phosphorsäure fand sich in geringerem Verhält-
insse vermindert. Auch die Dichtigkeit des Harns
War in einem Versuche vermindert, der Chloniatnum-
gehalt dagegen vermehrt. Demnach findet unzwei-
felhaft in der gesunden Blase Absoiption von nor-
malen Elementen des Hains statt. Auch die Ab-
sorption von Stryohnin konnten C. und L. auf diese
Weise nachweisen; anfangs zeigten die Versuchs-
thiere kein Symptom von Strychninvergiftung , aber
Bach 16 — 20 Stunden traten Vergiffcungserscheinun-
gen auf und ftlhrten rasch zum Tode. Die Blasen-
addeimbaut fand sich am Halse, also an der untern
Ligatur, geröthet, und diese Affektion halten C. und
L. fUr die Ursache der Absorption des Giftes, das
von der gesunden Blasenschleimhaut nur in geringem
Grade absorbirt zu werden scheint. (Redaktion.)
458. Oberflächenmessungen des mensoh-
liohen Körpers; von K. Meeh. (Ztschr. f. Biol.
XV. 3. p. 425. 1879.)
Bisher lagen, abgesehen von Schätzungen, nur
wenig direkte Messungen der Körperoberfläche vor,
obwohl die Untersuchungen über die Funktionen der
Haut (z. B. Seh Weisssekretion, Perapiration, Wärme-
regulirung) an genauen Bestimmungen jener Fläche
ein bedeutendes Interesse haben.
Die vorliegende Arbeit, zu welcher Prof. Vier -
ordt in Tübingen die Anregung gegeben, enthält
Messungen an 16 männlichen Individuen verschie-
dener Altersklassen. M. bediente sich dabei theils
einer Modifikation der von Funke angegebenen
Methode, den Körper mit Flächen von bekannter
Grösse zu bedecken ; theils bedeckte er den Körper
mit Papierstücken, die erst nachträglich gemessen
werden sollten.
Im Verlauf der Messungen stellte sich eine an-
nähernd constante Beziehung zwischen Oberfläche
und Gewicht heraus. Für ähnliche Körper existiren
bekanntlich mathematische Beziehungen zwischen
ihren homologen Dimensionen einerseits und den
Oberflächen und den Volumina andererseits.
Eine constante Beziehung zwischen Oberfläche
und Volum kann auch bei unähnlichen Körpern
existiren, indem aus einem Körper von bestimmtem
Volum u. bestimmter Oberfläche eine Menge einander
unähnlicher Körper hergestellt werden kann, ohne dass
jene Werthe sich verändern. Bei sämmtlichen nor-
mal gebauten Individuen zeigten sich nun unabhängig
von Alter, Köi*perstatur und Constitution, zwischen
Körperoberfläche und Gewicht constante Beziehungen.
Die Constante
(0/6,
G
worin 0 = Hautareal, G =
Körpergewicht) liess bis in das neunte Lebensjahr
nur geringe Abweichungen erkennen ; später nahm
sie einen etwas höheren Werth an , sank aber beim
Erwachsenen wieder etwas. Der durchschnitt-
liche Werth der Constanten ist 12.312. Besonders
praktisch ist die annähernde constante Zahl 12.3 =
a
^y G fUr die Berechnung der Gesammtoberflftohe
G
irgend eines Individuums aus seinem Gewichte. Ist
das Gewicht z. B. 60.000 Grmm., so hat man für
die Oberfläche den Werth 12.3. /60000 =
18870 Quadratcentimeer.
Die obeni Extremitäten sammt dem obem Rumpf-
theil nehmen durchschnittlich ein Drittel der Gesammt-
oberfläche ein, wogegen Kopf, Hals, unterer Rumpf-
theil und untere Extremitäten zusammen zwei Drittel
betragen. (Raub er.)
n. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie a. Toxikologie.
459. Bestimmungeii der Körperlänge und
des Körpergewichtes der Mannschaften des
XI. Jägerbataillons; von Prof. F. W. Beneke
in Äfarbnrg. (Virchow's Arch. LXXXV. 1. p. 177.
1881.)
Vf. nahm seine anthropometrischen Untersuchmi-
gen der Mannschaft an dienstfreien Tagen Morgens
nach dem 1. Frühstück am unbekleideten Körper
vor. Im Ganzen sind 339 Mann gemessen und ge-
wogen worden. Sechs derselben standen im Alter
von über 24 Jahren ; sie sind bei der Berechnung
der Ergebnisse unberücksichtigt geblieben. Als
Mittelzahi ergiebt sich eine Körperlänge von
168.47 Ctmtr. und ein Gewicht von 63.074 Kilo-
gramm. Merkwürdiger Weise zeigen die Körper-
gewichte im Laufe der Dienstjahre eine zweifellose
Abnahme, Zwischen den Mannschaften des 21. und
des 24. Lebensjahres existirt sogar ein Unterschied
von ann&hemd 8 Pfund zu Ungunsten der letz-
teren.
Vf. erblickt in diesem auffallenden Umstand
nicht sofort einen Beweis für eine ungenügende Er-
nährung, sondern denkt auch an andere Ursachen,
wie Abnahme des Wassergehaltes, späte Einstellung
vieler von Haus aus schwacher Jünglinge, ohne in-
dessen für jetzt zu bestimmten Schlüssen zu ge-
langen. (Raub er.)
460. Beiträge BurKntwioklungsgesohiohte
der knorpeligen Gehörknöchelchen bei Säuge-
thieren; von Prof. W. Salensky in Kasan. (Mor-
phol. Jahrb. VL 3. p. 415—431. 1880.)
Die Untersuchungsmethoden bestanden theils in
der Präparation conservirter Embryonen vom Schaf
und Schwein , theils in der Anfertigung von Quer-
schnitten. Die jüngsten zur Beobachtung gewählten
Embryonen waren solche, welche noch keine Spur
von Knorpel in den Visceralbogen besassen (Schaf-
embryonen von 1.5 Ctmtr.). Bei solchen hat natür-
lich die Bildung der Gehörknöchelchen noch gar
nicht begonnen. Die erste Anlage des Meckerscben
Knorpels, sowie der Gehörknöchelchen beginnt erst
mit der Ghondrifikation der Visceralbogen. Dass
das Labyrinth mit dem Steigbügel zu einer Zeit der
Anlage nach verbunden sei , in welcher sämmtUche
Anlagen noch weich sind , kann S. daher nicht za-
geben. Die Verknorpelung der Gehörkapsel geht
ziemlich gleichzeitig mit der Bildung des Knorpek
in den Visceralbogen vor sich und es giebt keine
Entwicklungsperiode, in welcher diese Theile in
Form von differenzirten weichen Anlagen voriianden
wären. Bei der Bildung des Hammers u. Amboses
nun ninmit ausschliesslich der erste Schlundbogen,
bez. der Meckersche Knorpel, Theil; der zweite Bo-
gen, bez. der Seichert'sche Knorpel, ist hierbei, im
Gegensatze zu der Behauptung von Parker, an-
betheiligt. Schon in ziemlich frühem Stadium trennt
sich von dem ersten Knorpelbogen ein hinterer Theil
ab und stellt die Anlage des Amboses dar, während
der übrig gebliebene vordere Theil zur Anlage des
Hammers nebst Meckerschem Knorpel wird. Der
Steigbügel dagegen bildet sich unabhängig von den
andern Gehörknöchelchen. Er erscheint in Form
eines Zellhaufens um die Art. mandibularis, bekommt
später die Form der trapezoiden Platte, die sich
darauf in eine fünfeckige und endlich in eine glocken-
förmige verwandelt. Von seinem ersten Auftreten
an ist er durchlöchert , nicht eine solide Platte , wie
die meisten Embryologen annehmen. Die Dnrch-
löcherung ist bedingt durch die Gegenwart der Ait
mandibularis; eben daher rührt auch die rinnen-
förmige Aushöhlung des vordem Stapesschenkels.
Die genannte Arterie spielt meist nur eine proviso-
rische, für die Entstehang desStapes wichtige Rolle;
ausnahmsweise bleibt sie bekanntlich bei einigen
Thieren in ausgebildetem Zustande bestehen.
(Räuber.)
II- Hygieine, Diätetik, Pliarmalcoiogie u. Toxilcoiogie.
461. Ueber die phytdologisohe Wirkung
des Alkohol in seinen Beziehungen sur ani-
malischen Wärme und über seinen Einfluss auf
das vasomotorische Nervensystem; von Dr. W.
Bevan Lewis in London. (Joum. of mental Sc.
April 1880. p. 20.)
Vf. untersuchte die Wirkungen des Alkohol (und
Chloral) auf die Köi-pertemperatur mit Hülfe des
Calorimeter von Burdon-Sanderson. Die Versuchs-
thiere waren meistentheils Kaninchen ; der Alkohol
wurde in den Magen eingeführt. Es zeigte sich bei
den Versuchen ein Unterschied grosser und kleiner
Dosen. Unter kleinen Dosen ist V/^ Drachme
(ca. 4.50 Grmm.) Alkohol auf 2—2.5 Kilo Kanin-
chen verstanden. Die Resultate fasst Vf. selbst am
Ende seiner Arbeit in folgende Sätze zusammen.
Anfibiglich wird eine Herabsetzung der Wärme-
bildnng durch Alkohol hervorgerufen ^ besonders
wenn er in kleinen Dosen gegeben worden ist.
Gleichzeitig tritt ein Temperaturabfall ein, der beson-
ders deutlich ist in der ersten Viertelstunde. Sodann
folgt aber eine sehr gesteigerte Wärmebildung,
welche je nach der Grösse der Alkoholdose verschie-
den ist. War letztere wirklich gross, so ist das
Stadium der vermehrten Wärmebildung sehr protra-
hirt. Der Zeitpunkt der stärksten Wärmebildang
fällt zusammen mit der niedrigsten K9rpei*tempe-
ratur. Die Zeit, welche versti'eicht, ehe Alles wieder
normal ist , ist bei grossen Alkoholdosen eine sehr
lange. Die gewöhnliche Ansicht , dass der Alkohol
durch eine Herabsetzung der Wärmebildung die
Temperatur erniedrige, erklärt Vf. nach seinen Ver-
suchen f(ir falsch. Dass trotz vermehrter Wärme-
bildung die Temperatur des Eöipers nicht steigt,
sondern sinkt, hat seinen Grund in einer Parese der
peripheren Vasomotoren und dadurch bedingter stftr-
n. Hygieiney Diätetik^ Pharmakologie u. Toxikologie.
k^er W&rmeabgabe. Die Wirkung des Chloral ist
der des Alkohol ähnlich. (Robert.)
462. Versuche über die physiologischen
Wirkungen des deutschen, englischen und
Duquesnel'schen krystallinisohen Aconitin;
TOD Dr. B. V. Anrep. (Arch. f. Anat. n. Physiol.
[Physiol. Abth.] Snppl.-Bd. p. 161. 1880.)
Anrep benutzte die gen. 3 Sorten des fragl.
Alkaloid als salz- oder Salpetersäure Salze. Am
giftigsten erwies sich das 1873 von Dnquesnel
dargestellte krystallinische Alkaloid. Die Darstel-
Imig dieses wichtigen Präparates geschieht in fol-
gender Weise.
Das palveriairte Kraut des Aconitum' Napellus wird
dnich eine Mischung von Alkohol mit 0.01 Th. Ac. tartar.
extrahirt ; das Extrakt bei einer Temperatur, welche nicht
höher als W* sein darf, abdestillirt, dann in Wasser ge-
ISflt und mit Aether ausgeschüttelt ; später wird die Lo-
Mmg nach Neutralisation nochmals mit Aether ausgeschüt-
telt. Die Krystalle sind farblos, von rhomboidaler und
hexagonaier Form und haben wahrscheinlich die Formel
CrHsoNOio- Sie sind leicht in Alkohol, Aether u. Chloro-
fonn löslich, in Wasser und Olycerin unlöslich. Ihre
Beaktion ist aU^alisch. Mit Sauren bilden sich daraus
toystallinische lösliche Salze.
Anrep fand bei seinen Versuchen ^ dass die
Wirkung aller drei Aconitarten qualitativ gleich,
quantitativ aber verschieden ist, indem das krystalli-
nische Präparat natfirlich das giftigste ist. Schon
Gaben von 0.00002 Grmm. davon waren oft und
Gaben von 0.00003 Qrmm. immer tödüich ftlr
Frösche.
Die Wirkung des Alkaloid auf das Herz der
Warmblüter erwies sich hauptsächlich als eine läh-
mende. Bei gewissen Gaben liess sich eine reizende
Wirkung auf die Herzvagnsperipherie constatiren.
Eine Lähmung der Vagi trat stets erst spät ein.
Das vasomotorische Gentrnm wurde erst gereizt,
dann geschwächt, aber nie vollständig paralysirt.
Auf das sogen. Erampfcentmm schien das Aconitin
eine direkt reizende Wirkung zu haben, welche aber
wesentlich unterstützt wurde durch das schnelle Ab-
änken des Blutdinicks. Ebenso musste der erste
idntritt einer häufig zu constatirenden Dyspnoe auf
tes schnelle Sinken des Blutdrucks bezogen wer-
den, da durch künstliche Steigerung des Drucks bis
zur normalen Höhe (durch Compression der Bauch-
lorta) die Dyspnoe vorläufig beseitigt werden konnte,
während später die künstliche Erhöhung des Blut-
drucks sie nicht mehr beseitigte und eine Aenderung
der Gasverhältnisse des Blutes weder bewiesen, noch
wahrscheinlich ist , so dass ftlr dieses Stadium eine
direkt reizende Wirkung auf das Athemcentrum zu-
gestanden werden muss, was auch mit den Versuchen
ui Fröschen in Uebereinstimmung steht. Die künst-
liche Respiration hatte entschieden einen günstigen
^Qfluss bei Vergiftungen mit kleinen Gaben, indem
dadurch der Eintritt des Todes verschoben werden
konnte.
Die Muakelsehtoäche und die Lähmungaerschei"
*^afi , weiche stets zu beobachten waren , lassen
sich mit Wahrscheinlichkeit auf Anämie des Hinis
und Rückenmarks zurückführen. Die Erweiterung
der Pupillen bei innerlicher Anwendung ist zum
grössten Theile wahrscheinlich eine dyspnotische.
Das kiystallinische Aconitin rief bei örtlicher
Applikation intensive Reiznngserscheinungen an der
Conjunctiva, sowie Thränenfluss und Pupülenver-
engerung hervor. Möglicher Weise ist die Myose
durch die heftige sensible Reizung bedingt. Der
nächste Grand des Todes war in den meisten Fällen
Herzlähmung; es gab aber auch Fälle, wo der Herz-
lähmung die Athmungslähmung vorausging, nament-
lich war diess der Fall bei kleinern Gaben.
(Robert.)
463. Experimentelle Untersttohungen über
die Wirkung der Borsäure; von Dr. I. Neu-
mann, mitgetheilt von Prof. S e m m e r in Dorpat.
(Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. XIV. p. 149.
1881.)
Aus der von Vf. gegebenen histor. Uebersicht
der therapeut Verwendung der Borsäure heben wir
Folgendes hervor.
Homberg, der 1702 die Borsäure aus borsaurem
Natron darsteUte, empfahl dieselbe als Sedativum und
Antispasmodikum. Mitscherlioh bezeichnete 1847 die
Borsaure als die mildeste aUer Mineralsänren. Auf die
äussere unverletzte Haut habe dieselbe gar keine Wir-
kung; 4 Grmm. tödteten ein Kaninchen in 17 Std. durch
Gastroenteritis und Lähmung vom Herzen und von der
Lunge aus. Binswanger steUte gleichzeitig an sich
selbst , sowie an gesunden und kranken Menschen Ver-
suche an und fand, dass die Borsäure in kleinen Gaben
indifferent ist ; nach Verbrauch von 12 Grmm. (in 12 Std.
in 3 Gaben) erfolgte Uebelkeit und Erbrechen. Anfang
der 70er Jahre wies Gähn in Upsala auf die antisepti-
schen Eigenschaften der Borsäure hin und empfahl sie
zur Conservirung des Fleisches. Eine wasserige Lösung
derselben, welche in Schweden unter dem Namen Aseptin
käuflich ist, schützt allerdings gegen Fäulniss, aber nicht
gegen Schimmelbildung. Nach Nyström hindert die
Borsaore die Entwicklung von Bakterien und Sunde-
vall benutzte dieselbe zum Aufbewahren von Leichen-
theilen *). Nach B u c h h o 1 z (1875) genügt eine Lösung
von 0.75proc. Borsäure, um Bakterienentwicklung zu ver-
hindern. L i s t e r (1875) empfiehlt die Borsäure bekannt-
lich als antiseptisches Verbandmittel und gegen einige
Hautkrankheiten , wie Prurigo , Ekzem u. s. w. Auch
Cane (1876) rühm^ die Borsäure als Antiseptikum und
Heilmittel gegen parasitäre Hautkrankheiten. Als Wnnd-
verbandmittel wirkt sie nach ihm weder reizend, noch
Entzündung erregend und ist dabei vollkommen geruch-
los. Wertheimer (1878) fand die Borsäure wirksam
gegen Rachendiphtherie, Mayer, Renk u. Seitz em-
pfehlen dieselbe bei syphilit. Affektionen und Blennor-
rhöen, sowie bei der Wundbehandlung und als Desinfek-
tionsmittel. Nach V. Ziemssen kann eine 4proc. Lö-
sung ohne Gefahr innerlich und äusserlich angewandt
werden. Neumann wandte die Saure gegen Hautkrank-
heiten, wie Pityriasis versicolor, Herpes tonsurans, Pru-
ritus cntaneus und Urticaria mit Erfolg an. Cy on em-
pfiehlt das borsanre Natron als Vorbengnngsmittel gegen
epidemische Krankheiten.
Nach Neumann 's eigenen Versochen vertragen
Hunde von 15 Kilo 5 — 6 Grmm. Borsäure inner-
lich ohne jeglichen Nachtheil. Die Körpertemperatur
») .Vgl. Jahrbb. CLIV. p. 218.
8
n. Hygieine, Diätetik^ Phannakologie u. Toxikologie.
nimmt dabei beträchtlich ab. Grössere Gaben ver-
ursachen Erbrechen n. Durchfall unter Temperatur-
abnahme. Ebenso können Quantitäten bis zu 4 Grmm.
in 3proc. Lösung in die Bauch- und Brusthöhle in-
jichi; werden, ohne Peritonitis und Pleuritis zu ver-
ursachen ; 5proc. Lösungen erregen dagegen Peri-
tonitis. Grosse Gaben (10 Grmm.) führen den Tod
durch Lähmung des Nerven- und Muskelsystems
herbei. Kaninchen kann man 1 Grmm. Borsäure
innerlich ohne Nachtheil geben , nur sinkt die Tem-
peratur dabei um einige Grade. Grössere Gaben
verursachen Gastroenteritis. Ferkel von 2 bis 2.5
Kilo Gewicht ertragen 2 Grmm. der Säure innerlich
ohne ersichtlichen Nachtheil. Pferde ertragen In-
jektionen der Iproc. Säurelösung nicht in die Brust-
und Bauchhöhle ; wohl aber in die Gelenke. Inner-
lich verabreicht, verursachen selbst 120 Grmm. nur
Temperaturabnahme. Hühnern kann man 1 bis
1.5 Grmm. Borsäure innerlich ohne Nachtheil geben
und 2proc. Lösungen ohne Gefahr in die Brust- und
Bauchhöhle spritzen.
Bei Conservirnngsversnchen hielt sich Fleisch
frisch 8T. lang in ^/^procUisang, 11 T. in Iproc.,
18 T. in 2proc., 21 T. in 4procentiger. Um A/üch
zu conserviren , genügte ein Zusatz von 1 Th. Bor-
säure zu 500— -1000 Theilen.
Bei therapeutischen Versuchen fand N e u m a n n ,
dass der Motz der Pferde durch Borsäure zwar ge-
bessert, aber nicht geheilt wird. Bei Wunden und
Hautkrankheiten, z. B. bei der Mauke, wurden gute
Resultate erzielt. (E o b e r t.)
464. Zur therapeutisohen Verwendung des
Nitroglycerin; von Wm. Martindale (Prac-
titioner XXIV. 1. p. 35. Jan. 1880) u. M'Call
Anderson (Glasgow med. Joum. XVI. 1. p. 33.
July 1881).
Das fragliehe, neuerdings bekanntlich gegen ver-
schiedene Krankheitszustände empfohlene Präparat
wird nach Martindale am zweckmäsaigsten in
Form von Chokoladenplätzchen verabreicht, von
denen jedes Vioo Grain (0.6 Mgrmm.) oder auch
eine grössere Menge [genauer ist dieselbe nicht an-
gegeben] enthält. Die Darstellung geschieht in
folgender Weise. Das Nitroglycerin, welches in
Fetten und fetten Oelen ohne Zersetzung löslich ist,
wird zunächst in geschmolzener Cacaobutter gelöst
und diese Lösung, um eine ungleichmässige Aus-
scheidung zu verhüten , bis zu ihrem Erstarren ge-
schttttelt. Das so erhaltene Präparat wird sodann
in der Wärme mit Chokoladenpaste verrohrt und
diese Paste in Form von Plätzchen oder Täfelchen
gebracht. In solcher Einhüllung ist das Nitrogly-
cerin beständig, nicht flüchtig, nicht entzündlich wie
die alkoholische Lösung und kann nicht explodiren.
Die Lösbarkeit des Nitroglycerin in Fetten u. fetten
Oelen ISsst sich nach M. verwerthen, nm dasselbe (aller-
dings nur in kleinen Mengen, denn es ist nur zu 15% in
Gel löslich), gefahrlos zu versenden, da solche Losungen
durch Schlag nicht explodiren. Um daraus das Nitroglycerin
Wieder asu gewinnen, schüttelt man das es enthalle&deOel
mit methylhaltigem Alkohol, lässt die Misohnng sich klä-
ren and schüttelt dann den abgegossenen Alkohol mit
Wasser, aus welchem sich dann das Nitroglycerin onver-
ändert ansacheidet.
Die Verschiedenheit der Berichte Aber die Wir-
kung des Nitroglycerin führt M. darauf zurück, dass
man unter diesem Namen nicht ausschliesslich Tri-
nitroglycerin, sondern Mononitroglycerin oder Dmi-
troglycerin oder Mischungen dieser Arten verwendet
habe.
M'Call Anderson berichtet Aber einen Fall,
in welchem er das Nitroglycerin , das seiner Erfah-
rung zufolge nachhaltiger wirkt als das Amylmtrii,
bei einem 46 J. alten Manne mit gutem Erfolge
gegen die Symptome von Angina pectoris anwen-
dete, welche auf Verfettung des Herzens beruhten.
Eine deutliche Vergrösserung des Herzens war nicht
vorhanden, die Herztöne waren aber schwach, klang-
los, der Puls zeigte nur 52 regelmässige Schläge
in der Minute.
A. verordnete von einer Iproc. Spirituosen Lö-
sung des Nitroglycerin innerlich, anfangs einen
Tropfen 6mal täglich, allmälig bis auf 15 Tr. stei-
gend, ohne dass, abgesehen von leichter Benommen-
heit des Kopfes, eine nachtheilige Wirkung aufbat
Die Gabe von 3mal tägl. 10 Tr. erwies sich jedoch
als zur Verhütung der Anfälle ausreichend, unter
dieser Behandlung besserte sich der Zustand so, dass
Pat. nach 3 Wochen, als er das Hospital verb'esa,
^1% [^iigl*] Meile zu Fuss ohne jede Beschwerde sa-
rücklegen konnte. Traten Erampfsymptome auf, so
wurden sie durch die Gabe von 10 Tr. der Lösung
sofort unterdrückt. Vier Wochen später war der
Zustand noch ganz befriedigend , der Puls hatte 60
Schläge, war kräftiger, die Herztöne waren dent-
licher hörbar. Pat. gab an , dass jetzt eine Oibe
von 3 Tr. der Lösung zur Beseitigung der anginö-
sen Beschwerden ausreiche. (0. Naumann.)
465. Der Salbenmoll- Verband ; von Dr. P.
G. Unna in Hamburg. (Berl. klin. Wchnschr. XVII.
35. 1880; XVIH. 27. 28. 1881.1)
Vf. theilt eine eigenthümliche Verbandmethode
mit, welche er Salben*, bez. Pßastermull^ Verband
nennt und die er zunächst bei Behandlung von Ekzem
des behaarten Kopfes , der Ohren , des Gesichts and
Halses, der Genitalien , Intertrigo haemorrhoidalis
u. dergl., dann auch bei St/philis anwendete. Er
benutzt hierzu einfachen ungestärkten (nicht den?iel
theurem gereinigten) Mull, welcher in Binden ?on 1,
bez. 2,3,4 Gtmtr. Breite und 1 Mtr. Länge oder
auch in breite Stücke geschnitten und mit der die
Arznei enthaltenden Salbe oder Pflastermasse ^'
tränkt wird. Von Wichtigkeit ist , dass die betr.
Stücke möglichst glatt auf die erkrankten Theile ge-
bracht werden, besonders da, wo die Haut Falten
macht ; desgl. auch : dass man die betr. Stellen vor-
her möglichst gut, z. B. bei Ekzem am Anns dorch
vorheriges Bepudem und dann Abtupfen, reinigt
>) Für die Uebersendiung dankt veilriMIieli ^''
n. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
Die Grandlage von U.'s CompositioDen bildet
Benzoetalg npd Benzoesehmalz , deren ganz allge-
meine Verwendung als Salbenconstitnentien (billig,
haltbar, schöne Salben liefernd) nach der englischen
Pharmakopoe U. den Revisoren der D. R. Ph. drin-
gend empfiehlt. Ihre Zusammensetzung ist fol-
gende.
1) S^bum benzomat. : Sebi taarin. 10 Qrmm., Benz,
sobt pnW. 1 Grmm., dlgere in balneo vaporis per horas
dnas et oola.
2) Adeps bemainat, : Adip. suiU. 10 Gitnm., Benz,
sabt. pnlv. 1 , digere in balneo vaporis per horas dnas et
coia.
Ausser diesen Hanptstoffen lässt U. nur noch
Süssmandelöl zum Anreiben der differenten pulver-
fitrmigen Bestandtheile und Paraffin als erhärtendes
Corrigens beim Znsatz differenter flüssiger Stoffe zu.
Fflr ein gutes Prftparat ist erforderlich , dass es bei
der gerade herrschenden Temperatur, zwischen 2
Fingern leicht gestrichen, auf denselben bereits einen
talgigen Ueberzug lässt , weil es dann ohne Spatel
oder dergl. lediglich durch sanftes Streichen an jeder
Hantfläche dauernd angeklebt werden kann. Schmie-
rig anzufühlende Präparate sind zu vermeiden. Für
den Winter sind dieselben etwas weicher herzustellen
ils fOct den Sommer, weil sie sonst nur schwer kle-
ben. Wir geben hier die von U. empfohlenen Compo-
sitionen wieder, wobei wir bemerken, dass die erste
Zahl fbr die Winter-, die zweite für die Sommer-
prlparate gilt.
1) Bleipflaster - Salbenmull. — Empl. plamb. simpl.
10—10, Sebi benzoinat. 10—10, Adipis benzoinat. 2.
2) Bleipflaster -Salbenmnll mit lOo/o Pernbalsam. —
Empl. plomb. simpl. 9 — 9, Sebi benzoinat. 9 — 8, Balsam.
Pemv. 2—2, Paraffin. — 1.
3) Bor - Bleipfiaster - Salbenmall. — Empl. plnmb.
fmpl. B— 9, Sebi benzoinat. 8—8, Acid. boric. sabt.
p. 2—2, Ol. amygdal. dnlc. 2—1.
4) Camphor-Salbenmall. — Sebi benzoinat. 98 — 99,
Ctonphor. 1 — 1, Ol. amygdal. 1 — .
5) Carbol-Salbenmall (IQo/o). — Sebi ben^inat. 8—
7Vji Acid. carbolic. 1—1, Paraffin. 1—1 Vi-
6) Carbol-Salbenmall (20o/o). — Sebi benzoinat. 6—5,
Add. carbolic. 2—2, Paraffin. 2—3.
7) Carbol- Bleipflaster -Salbenmall (IQo/o). — Empl.
plmnb. simpl. 9 — 9 , Sebi benzoinat. 8—7 , Acid. carbol.
8-2, Paraffin. 1—2. <*
8) Carbol -Bleipflaster- Salbenmnll (20o/o). — Empl.
ploml). simpl. 7—6, Sebi benzoinat. 6—6, Paraffin. 3—4,
Add. oarbol. 4—4.
9) Chloralcamphor - Salbenmnll (5<>/o). — Sebi ben-
zoinat. 90—96 , Adip. benzoinat. 6— , Chloralcampbor.
5-6.
10) Jodoform -Salbenmnll (6%). — Sebi benzoinat.
90—96, Adipis benzoinat. 6, Jodoform. 6—6.
U) Weisses Praecipitat - Salbenmnll (10%). — Sebi
^ benioinat 70—76 , Adipis benzoinat. 16—10 , Hydrarg.
Pneeipit. alb. 10—10, Ol. amygdal. dnlc. 6—5.
12) Quecksilber -Salbenmnll (40/0) • — Hydrargyr.
^ep. 37—, Ungt. hydrargyr. Ph. G. 10—, Sebi benzoi-
iist 40, Adip. benzoinat. 13.
13) QneckBilber- Salbenmnll (20Vo)- — ^^lo Qaeck-
"Ober-SalbenmaBse 6—, Sebi benzoinat. 4, Adip. benzoi-
I«Ä.l.
14) SaUeyl-galbenmnll (6%). — Sebi benzoinat.
7^86, Adip. benaoinat. 16—5, Add. saUoyl. 6—5, Ol.
^o^güal. dnlc. 5--6.
Uta. Jafafbb. Bd. 192. Hft. 1.
15) Salicyl- Salbenmnll (lOo/o). — Sebi benzoinat.
86—90, Acid. salicyl. 10—10, Ol- amygrdal. 6.
16) Thymol-Salbenmnll (5o/o)- — Sebi benzoinat. 96,
Thymol. in panx. spir. solat. 5.
17) Theer- Bleipflaster -Salbenmnll (5o/o). — Empl.
plnmb. simpl. 9 — 10 , Sebi benzoinat. 9 — 9 , Adip. ben-
zoinat. 1, Picis liq. 1 — 1.
18) ZinkbenzoS-Salbenmnll. — Sebi benzoinat. 70 —
76, Adip. benzoinat. 16—10, Zinc. oxyd. alb. 10—10,
Ol. amygdal. dnlc. 6—6.
Diese arzneilichen Verbandstoffe lässt U. zumeist
gleich beim Dispensiren auf der einen Seite mit dem
gewöhnlichen Verbandmull (entfetteter Mull) belegen,
wodnrch der Salbenmull leicht fixirt werden kann,
die Wäsche vor Beschmutzung geschützt und , was
besonders in heisser Jahreszeit von Wichtigkeit ist,
die Verdunstung durch die Haut wenig beeinti'ächtigt
wird.
Ausser dem genannten Salben- empfiehlt U. auch
noch, /^a^^^mu// als Verbandstoff anzuwenden, und
benutzt zu solchem Zwecke Heftpflaster oder andere
entsprechende Harzmittel. Diese Pflastermulle sind
da anwendbar , wo ein oberflächlicher Hautreiz ent-
weder gleichgültig oder sogar erwünscht ist, beson-
dere bei den nicht oberflächlichen und zumal den
mit venöser Stauung verbundenen Entzündunge-
Processen, vor Allem den Herdphlegmonen (Furun-
kel, Carbunkel), bei Akne und Sykosis^ den chro-
nischen Infiltrationen der Lederhaut , Psoriasis^
Liehen u. s. w., bei Affektionen der Lymphdrüsen,
Muskeln , Gelenke u. s. w. Als empfehlenswerth
bezeichnet U. folgende Präparate.
1) Jodblei-Pflastermnll. — Empl. adhaes. Ph. 0. 85,
Terebinth. venet. 5, Plnmb. jodat. 5.
2) Qnecksilber- Pflastermall (20%). — Hydrarg. 10,
Terebinth. 10, Empl. plnmb. spl. 25, Resin. pini 6.
8) Bor-Pflastermall (lO^/o). — Empl. plarab. spl. 8,
Resin. pini 1, Acid. boric. saht. palv. 1.
Die gedachten Verbandmittel wandte U. bei fol-
genden Krankheiten an.
1) Oonorrhoische Epididymitis. Mittels An-
wendung des Jodblei-Pflastermulls verbindet man hier
den Nutzen des Heftpflasterverbandes mit dem des
Jod nnd die Kranken können dabei herumgehen.
Auf die fertige Pflasterkapsel wird ein Stück Ver-
bandmull geklebt; es ist dabei nützlich, abwechselnd
die kranke Seite allein, das nächste Mal die kranke
nnd gesunde zusammen einzuwickeln; dieser Nutzen
erklärt sich wohl durch die veränderte Lage der ge-
drückten Lymphabflusswege. Der Verband ist mög-
lichst frühzeitig anzulegen.
2) Pigmentflecke (Epheliden, Chloasmata).
U. lässt vor dem Schlafengehen etwa von dem
weissen Präcipitat - Salbenmull oder dem grauen
Quecksilber-Salbenmull den Ephelidengruppen oder
Chloasmaflecken ziemlich genau entsprechende Stück-
chen, nach Entfernung der Haut mittels Eau de Co-
logne oder Spiritus , möglichst lange und innig an
die betreffende Stelle der Stirn , Nase , Wange an-
drücken und des Morgens abwaschen. Während des
Tages lässt U. folgende Salbe auftragen : Bismuth.
2
10
II. Hygieine, DiAtetik, Phannakologie a. Toxikologie.
oxychlorati 2.0, Amyl. oryz. 2.0, Kaolin. 4.0,
Ungt. Glycerin. 10, Aq. rosar. Gutt. nonnullae. Unter
diesem abwechselnden Gebrauch von Quecksilber
und Wismuth, ganz besonders des Bism. oxychlorat.
schwinden nach U. die Pigmentflecke ohne beson-
dere Röthung und Abschuppung sehr rasch , wenn
sie eben ihrer Lage nach den gedachten Arzneien
überhaupt zugänglich sind.
3) Gefichtüüre am Penis, und zwar: ulcerirte
Formen von Herpes progenitalis, ulcerirte spitze
Kondylome f einfache Einrisse und harte Schanker,
nicht dagegen multiple weiche und reichlich secer^
nirende Geschwüre, werden hauptsächlich mit Queck-
silber-, Carbolqnecksilber-, Jodoform-Salbenmull be-
handelt.
4) Bei Ekzem des Naseneinganges fand U.
Zinkmull sehr vortheilhaffc.
5) Allgemeine' SyphiUs- Behandlung mittels
Quecksilber-Salben- und -Pflastermull , wird zu glei-
chen Zwecken benutzt wie die Schmierkur , besitzt
aber vor dieser nach ü. folgende Vorzüge. 1) Ab-
solute Verheimlichung des Quecksilbergebrauchs. —
2) Sehr genaue Gontrole über das zur Wirksamkeit
gelangte Quecksilber, da man bei der Abnahme des
Verbandes sich überzeugen kann , wie weit Resorp-
tion stattgefunden hat (zum ungefähren Anhalt hier-
für ist zu erwähnen, dass 1 Mtr. 20proc. Quecksilber-
Salbenmull 80 Grmm. wiegt, mithin 16 Grmm.
Quecksilber enthält und 48.0 der grauen Salbe ent-
spricht ; 1 Mtr. des 40proc. Quecksilber-Salbenmulls,
an Gewicht 90 Grmm., dagegen 36.0 Hg und 108
Grmm. der grauen Salbe entsprechend ist). — 3) Die
Methode gehört zu den rein ambulatorischen. —
4) Sie ist für den Kranken angenehmer als die
Schmierkur. — 5) Sie ist zugleich die rascheste und
sicherste Örtliche Behandlung aller schweren syphi-
litischen Exantheme.
Verfertigt werden die betr. Verbandstoffe vom
Apotheker Bombelow in Hamburg.
(0. Naumann.)
466. Toxikologiaohe Mittheilungen.
In einer sehr ausführlichen Abhandlung über
die anatomischen Veränderungen des Verdauungs^
kanals durch Aetzgifte macht Dr. Adolf Lesser
in Berlin (Virchow's Arch. LXXXIU. 2. p. 193.
1881) interessante Mittheilungen über die gegen-
wärtig vorzugsweise zur Vergiftung benutzten Sub'
stanzen.
In den 3 Jahren 1876—1878 kamen in Berlin
etwa 432 wohlconstatirte Vergiftungen vor. Diese
Angabe ist eher zu klein als zu gross , da sie sich
nur auf die Krankenhäuser bezieht. Von diesen Ver-
giftungen waren 32<^/o durch Aetzgifte und von die-
sen wiederum 85% durch Säuren bedingt; 78 Per-
sonen hatten Schwefelsäure, 19 Oxalsäure oder ozal-
saures Kall, 8 Salzsäure, 7 Salpetersäure oder Königs-
wasser, 2 Carbolsäure getrunken.
Nur einem einzigen Gifte sind mehr Opfer ge*
fallen als der Schwefelsäure: dem Kohlenowyd;
155 Intoxikationen mit letzterm kamen vor. Phos-
phor, der gegen Ende des sechsten und während dar
ganzen Dauer des siebenten Decenninm ausserordent-
lich bevorzugt wurde, wurde nur 40mal genommen;
Arsenik , dem gegenüber bis in die Mitte der 50er
Jahre die übrigen Gifte fast vollkommen veraohwan-
den, ist noch beträchtlicher im Gebrauche gesunken:
nur 12 Personen griffen zu demselben. Dagegen
sind die erst in letzter Zeit bei uns populär gewor-
denen Cyanide, das Cyankalium und die Blausäure
selbst 40nial und die Zuckersäure, resp. das Klee-
salz 19mal in Anwendung gezogen worden.
Wegen der Bemerkungen , welche L., gestützt
auf zahkeiche Versuche an Thieren , über die Ver-
änderungen macht, die sich bei den einzelnen Ver-
giftungen im Darmkanale vorfinden , müssen wir,
da sie einen Auszug nicht gut zulassen , auf die vor-
treffliche Arbeit selbst verweisen. Wir fügen hier
nur Das noch an, was L. über das Robert' KUssner''
sehe Symptom der Oxalsäureniere (Jahrbb.OLXXXlL
p. 13) sagt.
„In einer vor etwa einem Jahre veröffentUehtei
interessanten Arbeit gelangen Kobert und Kfissner
in Betreff des Leichenbefundes nach Oxalsäarevergiftmig
zn dem Resultate , dass die Nieren allein nnd aosschUeBs-
lich, aberoonstant cliaraicteristischeandpathognomoniflche
Veränderaiigen darböten , and zwar dorch AnfüUnng d«r
Haml^anälchen mit Oxalaten. Diesen Satz in seinem vol-
len Umfange anzuerkennen , ist mir nach Obigem nicht
möglich: eine Differenz der Meinangen, die sich wohl
ungezwungen ans dem Umstände erklärt, dass Jene Aai(K
ren nur diluirte Lösungen , nnd häufig mit Umgehung des
Magens und Darms in Anwendung gezogen haben. Dk
Constanz der Nierenverändemng , das Auftreten wm oxalr
saurem Kalk in den Hamkanälchen kann ich aber vollauf
bestätigen. Selbst in dem am schnellsten lethal geeadi^
ten Falle , den ich gesehen — der Tod trat et?ra 15 Hin.
nach Einnahme von 16 Grmm. reiner Oxalsäure, gelSst
in Va— '/4 Liter Wasser, ein — fehlten dieselben nicht,
ja sie waren in so grosser Menge in den gewundeneo
Hamkanälchen vorhanden, dass an dem durch Zusati tod
Kalilauge geklärten Schnitte schon makroskopistth fiber
ihre Existenz kein Zweifel obwalten konnte : es traten ts
der Bindensubstanz ganz feine, weissliche, stark glänzende
Striche und Punkte auf. Dieselben bestanden aber nieht
nur in Krjstailen, deren Formen gleich waren den der im
Tractus intestinalis gefundenen , sondern es fanden sieh
hier wie dort ausserdem noch eine Unzahl amorpher
Kömchen von derselben chemischen Zusammensetzong,
von demselben Verhalten gegen Reagentien. Auch schon
in diesem Falle liessen sich in einzelnen geraden KanäleOi
selbst des Markes, wenn auch häufig nur vereinzelte Kiy-
stalle entdecken. In den Gefässen , sowie in den Glome-
ralis habe ich ebenso wie Kobert und Küssner stets
vergeblich nach ihnen gesucht. Auch im Harn fand ick
charakteristische KrystaUe."
Folgende interessante Beobaektong ikbetBämO'
globinurie, hervorgerufen durch Einathmen vw
Arsenik 'Wasserstoff , theilt O.-Stabsarzt Dr. Eit-
ner in Breslau mit (Berl. klin. Wchnschr. XTIH«
18. 1881).
Der Lehrer der Physik X. erkrankte am 1. Nov.
1880 Abends gegen 6 Uhr unter starkem Fröstefai. ^
begab sich zwar noch zu einem Abendessen , mosste ^^
nach Genuss einiger Löffel Siq>pe schleunigst sich v»^
Hanse fahren lassen und zn Bett gehen. Bie Nuht ▼e^
brachte er angeblich fieberhaft, in unmhigemSehlafb, h0-
Btändig von ein nnd demselben Traume verfolsti HIttf
n. Hygieme, Diätetik, Pharmakologie a. Toxikologie.
11
waobseRe mit FrdBtehi; gegen Morgen trat Sehweiss ein.
Am nicbsten M eigen hatte der während der Nacht ent-
leerte Urin das Aussehen yon flüssigem Blute, Im Uebri-
gen klagte Pat. fiber ein Gefühl allgemeiner Abgesehlagen-
heit, besonders fiber grosse Mattigkeit in den Beinen , so
diss Treppensteigen ihm sehr beschwerlich sei, nnd über
ginsliehe Appetitlosigkeit. Der befragte Arzt fand nor-
male Temperatur, etwas Ikterus und Hämoglobinurie.
Am 8. Not. yöUige Euphorie, weshalb Pat. wieder in die
Sehnle ging; Abends jedoch bekam er wiederum Frost
und fühlte sieh elend. Nachturin wieder blutroth. Die
ndkTOskopiBche Untersuchung desselben ergab keine Blut-
kSrperehen , wohl aber die chemisehe Hämoglobin. Am
5. Kot. wieder ydlUge Euphorie.
Am 6. Nov. wurde ermittelt, dass anch *2 Schü-
ler und ein anderer Lehrer an denselben Erschei-
nuDgen erkrankt waren nod als Ursache ergab sich,
dasB sie gemeinsam mit dem Kr. Sprechversuche in
Wasserstoffgas- angestellt hatten, nm zu zeigen, dass
dabei die Stimme ein anderes Timbre annimmt. Das
Wasserstoffgas hatte Pat. selbst aus rohem Zink nnd
kioflicher stark arsenlkhaltiger Schwefelsäure her-
gestellt und dasselbe am 1. Nov. probeweise und
am 3. zur Demonstration zugleich mit den 3 genann-
ten Personen eingeathmet. Die Schüler, welche
weniger geathmet hatten, bekamen Ikterus und
HimoglobinnTie , und zwar erst Ikterus und dann
erst methämoglobinhaltigen Harn.
Schwefelkohlenstoff betrachtet Jules Simon
(Gaz. des Höp. 65. 1881) als Ursache der ttblen
Zoftlle bei einem Kinde , weiches wegen eines Ec-
zema impeügenoeum eine Maske aus Guttapercha-
papier erhalten hatte. Bald darauf traten Erbrechen
und Durchfall ein, das Kind magerte ab, verlor den
Appetit, wollte nicht trinken und die Haut bedeckte
neb mit schwarzen Flecken und Pusteln. Nach Ab-
nahme der Maske verschwanden alle Erscheinungen.
Ver^ftungserscheinungen nach innerlicher Ver-
(Areichung von Cantliariden, [die jedoch eigentlich
Dor die bekannte Wirkung der Canthariden auf
die Nieren darbieten] beobachtete T. F. Glarke
(Läncet L 13. p. 499. March 1881.)
Cl. pflegt bei Gonorrhöe ^ wenn das Stadium
der Entzündung vorüber ist, Eisenchlorid und Can-
ttttriden innerlich zu verordnen. Er lässt 3mal
tigl. 0.25 Grmm. Tinct. Cantharidum nehmen und
behauptet, abgesehen von den beiden nachstehenden
mien, stets sehr guten Erfolg, ohne flble Neben-
erscheinungen, erzielt zu haben.
Im 1. Falle hatte der Pat. die Cantharidentinktnr
& Ta^e lang eingenommen und war voUstandig karirt.
£ine Woche nach dem Aussetzen der Medicin bekam er
jedoch hedige Schmerzen oberhalb der Blase nnd am
folgenden Tage Strangnrie. Diese Symptome, welche
taftogB sehr heftig waren, schwanden nach 4 Tagen unter
Aawendmig Ton Hyoscyamns.
Im 9. Falle hatte der Pat schon nach der 2. Dosis
Cintharidentinktnr Vergiftungserscheinungen, namentlich
Hirndrang, Schmerz nach dem erschwerten Wasserlassen
Qid Abgang einzelner Tropfen Blnt nach der Urinent-
loenmg. Alle diese Symptome schwanden aber spontan,
^^hl Pat. den Gebrauch der Arznei nicht ausaetzte.
Ein Fall von Vergiftung durch die Blätter von
^Ichicvm autumnale, über welchen Dr. T a r t a -
riB in BeUegarde (Gaz. des Höp. 54. 1881) be-
richtet , erscheint deshalb bemerkenswerth , weil
Vergiftungszufälle fast nur nach dem Genüsse der
Tinktur oder der Samen des Colchikum beobachtet
worden sind. Im vorliegenden Falle hatte eine Ver-
wechslung von Colchikum mit der wilden Scorzonera
stattgefunden.
Drei Junge Mädchen a^sen die als Salat mit Essig
zubereiteten Blätter des Colchikum. Die eine, B., welche
sehr hungrig war, verzehrte gierig grosse Mengen davon
nnd danach etwas Brod und Käse. Eine halbe Stunde
darauf, empfand sie Brennen im Epigastrinm und brach
schneU Alles wieder aus , was sie verspeist hatte. Die
Menge der ausgebrochenen Colchikumblätter betrug wenig-
stens 60 Qramm. Später trat unstillbares Würgen und
Erbrechen ein; das Erbrochene enthielt Galle u. Schleim.
Nebenbei bestand Stuhlzwang and heftiger Schmerz im
Epigastrium und Hypochondrium. Die Zunge war ver-
breitert, glatt roth, der Durst brennend, der Puls klein,
zusammeujirezogen , die Extremitäten waren kalt , der
Bauch erschien kahnf5rmig eingezogen und hart. Die
Therapie bestand in Opium und Analepticis und suchte
den kalten Körper wieder zu erwärmen. Am folgenden
Nachmittage folgte auf ein Klystir reichliche Stnhlent-
leerung. Der Puls war jetzt voll und beschleunigt, die
Zunge breit und glatt. Im Epigastrium bestanden noch
unangenehme Empfindungen. Nachmittags 6 Uhr häu-
figes Erbrechen schleimiger Massen, Schmerz im Epi-
gastrium, Durst. Opiumklystir. In der folgenden Nacht
gerinue Besserung. Am Morgen kein Erbrechen mehr ;
nur noch Würgen ; beständige Kalte ; Puls klein und zu-
sammengezogen ; Zunge rauh u. trocken ; Durst, Schlaf-
losigkeit; Hauch weicher, aber noch schmerzhaft. Am
Nachmittag quälende Kolikanfälle ; Zunge trocken, rauh ;
Puls fadenförmig. Am folgenden Tage Verschlimmerung
aUer Symptome, hochgradige Cyanose, Augen tiefliegend,
krampfhaft rollend, Pupillen weit, Augenlider herabge-
sunken ; Zunge pergamentartig, trocken ; reiswasserartige
unfreiwillige Stuhlentleerungen; unaufhörliche kolik-
artige Schmerzen; Bauch meteoristisch aufgetrieben;
Schlucken unmöglich; Cyanose des ganzen Körpers;
krampfhaftes Zucken in den Gliedern ; allgemeine Kälte ;
Aufhören des Radialpnlses und des Herzschlages. Mit-
tags erfolgte der Tod.
Bei den beiden andern Mädchen waren die Erschei-
nungen ähnlich, aber viel schwächer und gingen bald
vorüber.
Vergiftung durch Oenanthe crocata (rothen
Steinbruch-Schierling) beobachtete Dr. H. A. Bam-
pton (Lancetl. 19; May 21. 1881} bei 3 Ma-
trosen.
Vergiftungen durch diese Pflanze sind, wie B.
hervorhebt, schon wiederholt, und zwar namentlich
bei SchiflSsleuten und Matrosen, welche dieselbe für
wilden Sellerie gehalten hatten, vorgekommen. Es
starben im J. 1869 zu Falmouth von 27 Personen,
die davon gegessen hatten, 4, ferner im J. 1880 von
der Mannschaft einer italienischen Barke Ö, endlich
vor einigen Jahren 2 unter 8 schwer erkrankten
Matrosen eines andeni Schiffes.
Der eine der Matrosen, auf welche sich B.'s Mitthei-
Inng bezieht, hatte die Ueberbleibsel und Strünke von
2—3 Pflanzen verzehrt, die, wie er aussagte, wie Zucker
so süss schmeckten. An Bord zurückgekehrt fühlte er
nach 3/4 Stunde Brennen in der Nase und es traten Eruk-
tationen, sowie fortwährendes Ausspucken einer dick-
lichen Masse auf. Pat. klagte über Schwäche, Muskel-
krämpfe und Zittern in den Gliedern und Qelenken. In
der Meinung, sich überarbeitet zu haben, trank er circa
V« Pinto Bnm, worauf alle Vergiftungssymptome alsbald
sdiwanden.
12
m. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
Der 2. Matrose, der ein mehr als 1 Zoll (2.5 Ctmtr.)
grosses Stück Wurzel gegessen hatte, rfihmte gleichfalls
deren Geschmack , hatte aber kein Brennen verspürt.
Nachdem er anf sein Schiff zurückgekehrt war nnd dort
noch einige Arbeit yerrichtet hatte, wurde ihm nach circa
3/4 Stunde schwindelig, er klagte über Kältegefühl , be-
kam Zittern in den Beinen, konnte weder sehen, noch
hören, war V2 Stunde hindurch bewusstlos und bekam
nach Wiederkehr des Bewusstseins heftigen Kopfschmerz,
sowie liagenschmerz. Dicker Schleim sammelte sich hin-
ten im Schlünde an. Nachdem durch Zinksulphat Er-
brechen hervorgerufen worden war, wurde Pat. 5 Stdn.
nach erfolgter Vergiftung in das Spital gebracht. Hier
zeigte er sich zwar scheinbar bei Bewusstsein, konnte
sich aber an das Vorgefallene nicht recht entsinnen, auch
für die Zeit von da bis zum nächsten Tage fehlte ihm Jede
Erinnerung. Dabei bestand Erweiterung der Pupillen,
starke Röthung der Bindehaut, Kälte der Extremitäten,
anhaltendes Räuspern; der Puls war jedoch gut. Es
wurden Senfteige auf Schenkel und Brust, Wärmflaschen
an die Füsse, innerlich heisser Brandy mit Wasser ver-
ordnet, welchen letztern Pat. aber wieder ausspuckte.
Am folgenden Tage klagte er neben grosser Schläfrigkeit,
bei gutem Pulse, über Schmerzen in den Augäpfeln ; die
Cornea erschien glanzlos, die Conjunctiva injicirt, er sah
die Gegenstände nur in verkleinertem Maassstabe. Nach-
dem noch wegen Verstopfung ein Abführmittel verab-
reicht worden war, erfolgte unter Expektoration zäher
grünlichbrauner Massen binnen 3 Tagen Genesung.
Der 3. Kr., welcher IV'2 Wurzel gegessen hatte, war
noch 1 Stunde hindurch im Stande gewesen, auf dem Schiff
seine Arbeit zu verrichten, aber plötzlich umgefallen, wo-
bei er eine Wunde an der Kopfhaut erlitten hatte. Unter
Aufschreien erbrach er grünliche Massen, das Gesicht
färbte sieh grünlich, die Augäpfel waren nach oben ver-
dreht, im Munde sammelte sich dicker Schleim an, den
er nicht herauszubringen vermochte, auch konnte ernicht
schlucken, die Hände waren fest geschlossen, es erfolgten
krampfhafte Zuekungen der Bein- und Geeiehtsmuskehi.
Fünf Stunden nach erfolgter Vergiftung wurde er voll-
ständig bewusstlos in das Spital gebracht ; die Extremi-
täten waren kalt, die Pupillen stark erweitert, der Pols
war verlangsamt, das Athmen durch die grossen Schleim-
massen erschwert, welche Mund nnd Schlund füllten.
Nach 10 Min. trat der Tod ein. Sektion [zu welcher Zeit?].
Starke Todtenstarre, anf Rücken, Nacken und Schulten
kleine rothe Flecken. Im Abdomen geringe Menge voo
Gas, Zwerchfell bogenartig gespannt, Magen dilatirt,
durch Gefässinjektion helhrosa gefärbt, Colon transver-
sum contrahirt, in ihm eine geringe Menge trocknerFäoes.
Irgend eine Spur von einer vegetabilischen Faser war in
letztem, selbst bei starker Vergröseerung, nicht nachweis-
bar, ebensowenig im Mageninhalt. GaUenblaae gefüllt,
Leber blutreich, dunkel geförbt, Milz nnd Nieren normil,
Blase contrahirt, nur 1 Unze Urin enthaltend. Colon
descendens und Rectum aufgetrieben, keine Fäces ent-
haltend. Im rechten Herzventrikel wenig dnnkles, flüs-
siges, im linken etwas geronnenes Blut, die Wandungen
erschlafft, das Muskelgewebe weich, blutreich, Lungen
mit dunklem Blut erfüllt, die Bronchialäste .voU Schleim,
ebenso Trachea und Mund; nirgends ein Bluterguaa,
kein Knochenbmoh an der Stelle der Schädelwunde.
Himsinus ausgedehnt, Meningeal- und Cerebralgefässe
stark injicirt. Pia-mater beim Schnitt leicht blutend; tn
der Himoberfläche ein kleiner Lympherguss; Kleinhirn
sehr weich, zwischen den hintern Hirnwindungen kleine
dunkle Blutcoagula; in den Ventrikeln geringe Mengen
Flüssigkeit. (Kobert.)
III. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
467. Heber die Behandlung der Hyper-
ämie des Qehims und der Hirnhäute mit
Hautreizen; von Dr. M. B.uch in Helsingfors.
(Arch. f. Psycbiatr. u. Nervenkr. XII. 1. p. 189.
1881.)
Vf. empfiehlt für die Fälle, welche gewöhnlich
als Hirnhyperämie diagnosticirt werden, das sogen.
Baunscheidt'sche Veifahi^en, von dessen gtln-
stiger Wlrknng ihn zuerst eine gelegentliche Be-
obachtung überzeugte. Die Beschreibung des Ver-
fahrens ist kurz folgende.
An der Basis eines Metallcyiindersvon etwa 1.5 Ctmtr.
Durchmesser sind 30 scharfe Nadeln befestigt. Das Ganze
befindet sich beweglich in einer nach unten offenen Hom-
kapsel. Die Nadeln schauen aus derselben etwas heraus,
können aber mittels einer am Metallboden befestigten
Spiralfeder binaufgezogen werden und schnellen, los-
gelassen, wieder ans der Kapsel heraus und, falls man
die offene Seite der Kapsel auf die Haut gesetzt hat, in
dieselbe hinein. Auf die winzigen Wunden wird ein rei-
zendes Oel eingerieben. Das Baunscheidf sehe Oel ist
Geheimmittel. Vf. ersetzt dasselbe durch ein Gemisch
von Ol. Terebinth. gallicum und Ol. Crotonis tiglii zu
gleichen Theileu. An Jeder Einstichsstelle entsteht eine
kleine Pustel, welche nach 7—10 Tagen abgeheilt ist.
Solche Pustelgruppen applieirt Vf. auf dem Rücken von
der Haargrenze abwärts in 5 — 7 senkrechten Reihen zu
je 18—20 und wiederholt eventnell nach 10 Tagen das
Verfahren. Der Rficken wird mit Watte bedeckt und
Pat. hütet während der ersten 3 Tage das Zimmer.
Schmerzen werden fast gar nicht erzeugt, nur ein circa
7 Tage dauerndes starkes Jucken.
Vf. theilt 5 in der beschriebenen Weise behan-
delte Falle mit; deren ersten wir kurz wiedergeben.
Ein 39jähr. Arbeiter Utt schon seit 7 J. an bestia-
digen Kopfschmerzen, besonders der Stimgegend. Er
hatte wegen der im Orte herrschendeu Malaria viel CbiaiB
genommen, war sehr anämisch, abgemagert und klagte
über Schwindel und Flimmern vor den Augen, Erschei-
nungen, welche durch Backen gesteigert worden. Aber
Appetitlosigkeit und zeitweise Uebelkeit. Im Jan. 1878
wandte Vf. das Baunscheidt'sche Verfahren an und
fand nach 10 Tagen den Pat. voUstäadig von seinen Be-
schwerden befreit. Im Febr. 1880 stellte sich derselbe
wieder vor wegen Intermittens. Er war bis dahin yoU-
ständig gesund gewesen.
Die nächsten 3 Fälle sind ganz ähnlich. Im
5. handelte es sich um hypochondrische Verstim-
mung mit Eopfhitze, es trat keine Besserung ein.
In Fall 6 glichen die Beschwerden denen des
1. Falles. Es wurde dem Pat ein Streifen voa
6 — 7 Ctmtr. Breite von der Stirn bis znm Scheitel
rasirt und wurde ihm täglich Imal durch 4 T^
eine Salbe, bestehend aus 1 Th. Tartarus stib. nnd
3 Th. Axung. porci, in die Stirn- und Kopfhaut ein-
gerieben. Die pockenähnlichen Pusteln waren sehr
schmerzhaft. Am 6. Tage trat Besserung ein nad
nach der Abheilung fühlte Pat. sich ganz wohl.
In Fall 7 bestanden bei beiderseitiger Otitis media
Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schwindel, epilep-
tische Anfälle. Nach Anwendung der Pusteisalbe
waren die Kopfschmerzen und der Sehwindei ge-
ringer, die epileptischen Anfiille traten nicht wie-
der auf.
Aehnliche Fälle wie die seinigen bat Vf. in der
Literatur, von dem Mos 1er 'sehen Falle (s. UBten)
III. Pathologie, Therapie u. medicimsche Klinik.
13
abgesebeo, nur bei Scbfltzenberger (Oas. m6d.
de Straaabourg 1880. p. 11) gefunden, welcher
2 Fälle von ,,Pachymeningiti8 oder Meningo-ence-
phalitis diffusa chronica'^ beschreibt und den einen
mit PnsteUalbe, Abführmitteln und Jodkalium, den
indem mit Fontanellen im Nacken heilte.
Zar Erklärung des Effektes der Hautwirkung
erinnert Vf. u. A. an die Versuche 0. Naumann 's
Ober die Wirkung von Hautreizen auf die Oefäss-
weite tt. die Geschwindigkeit der Clrkulation und an
die neueren Versuche S c h fl 1 1 e r 's, welcher direkt
die Verengerung der Pia- Arterien nach energischen
Hautreizen beobachtete. Er ist der Ansicht, dass
es sich wesentlich um eine reflektorische Gefksscon-
trsktion handle, dass aber auch der depletirende
Einfluss der peripheren Congestion in Betracht
komme. Man muss nach Vf. von der Methode ver-
langen, dass der Schmerz nicht zu heftig sei, dabei
aber der Reiz möglichst anhaltend einen möglichst
grossen Theil der Haut betreffe. Diesen Indikatio-
oen genflgt die Baunscheidt'sche Methode in
der allervollkommensten Weise. Die Pustelsalbe
ist wegen der durch sie erregten Schmerzen nur für
sehwerere Fälle zu empfehlen.
[Die Behandlung der als Gehirnhyperämie be-
zeichneten Zustände und der chronischen Meningitis
mit energischen Hautreizen, welche theils direkt auf
den Kopf, theils auf Nacken oder Rttcken applicirt
worden, die sogen. Ableitung auf die Haut, ist von
den Praktikern nie verlassen worden. Die Senf-
teige, Blasenpflaster, Fontanelle, Haarseile haben
immer ihre Rolle gespielt. Sie kamen, wie manches
Andere, wegen mangelnder „physiologischer^' Be-
grttndung in Misscredit Neuerdings aber, theils
weil man die reflektorische Gontraktion der Pia-
i geftsse durch den Versuch kennen gelernt hat,
i theils wohl auch weil man sich wieder von dem
Bationalismas ab- und der vorurtheilsfreien Beobach-
toDg zugewendet hat, scheinen die alten Methoden
aoeb wissenschaftlich wieder zu Ehren zu kommen.
Dm Sigillum Jakobi ist durch L. Meyer (Berl.
klin. Wchnchr. 21. p. 289. 1877; 15. p. 211.
1880) rehabilitirt worden. Ueber die Mosler*-
^n Publikationen (Biasenpflaster auf den Kopf
bei meningitisohen Erscheinungen: Deutsche med.
Wchnschr. 23. 24. 1878 ; Brechweinsteinsalbe bei
Hirnhyperämie : Deutsches Arch. f. klin. Med. XXVI.
P« 246. 1879) sind unsere Leser untenichtet (vgl.
Jthri)b. CLXXXIV. p. 132). Betz empfahl, eine
Soblimatsalbe auf die Kopfliaut einzureiben (Memo-
rtbiUen XXV. p. 33. 1 880). Rumpf (Der faradisohe
I^l bei Hyperämien der Gentralorgane und ihrer
Htate: Deutsche med. Wchnsclu*. 36. 37. 1881)
4th, durch faradische Pinselung des Rückens und
»er Bmst eine intensive Hautreizung und Hyperämie
^ bewirken. Dieses letztere Verfahren hat manche
Analogie mit der Baunscheidt'schen Methode
I^d dürfte bei leichteren Fällen dasselbe leisten^
^ diese bei schwereren. Auch Ref. hat sowohl
^ Anwendung der reizenden Eopftalben^ resp. der
Biasenpflaster, als bei faradischer Pinselung des
Rückens sehr befriedigende Erfolge zu beobachten
Gelegenheit gehabt.] (M ö b i u s.)
468. Beiträge sur Lehre von der Neuritis;
von Dr. Käst in Freiburg. (Arch. f. Psyehiatr. u.
Nervenkr. XII. 1. p. 266. 1881.)
Ein 67Jähr. Kassenbote erkrankte im Mai 1880 mit den
Erscheinmigen des Rheamatismns acatus : hohem Fieber
und Anschwellang Bämmtlicher grossen Gelenke mit ganz
excessiver Schmerzhaftigkeit derselben und ihrer Um-
gebang. Nach Rfickgang des Fiebers in 14 Tagen Streck-
lähmnng am linken Vorderarm, 8 Tage später beim ersten
Gehversuch erhebliche Motilitatsstörang im rechten Bein.
Im Juni: links, SadialispanUyse Inclas. M. snpina-
tor br., exclus. M. tiioeps, Schwache der MM. biceps und
brach, internus. Geringe Atrophie. Ausgesprochene Atro-
phie der kleinen Handmnskeln beiderseits, besonders
rechts. Keine Spur von Motilitatsstörnngen In den hoch-
gradig atrophischen Muskeln der rechten, nur ganz ge-
ringe in denen der linken Hand. An den Beinen allge-
meine gleichmSssige Mnskelabmagerung, am stärksten im
rechten Quadriceps, im Allgemeinen gute Motilität, nur
rechts Peronäuslähmung. Lebhafte subjektive Sensibili-
tätsstörnngen .* Formikationen und Pelzigkeitsgefühl, be-
sonders in den Händen und Vorderarmen. Anästhesie
(Abstumpfung des Tast- u. Temperatursinnes) am Unken
Arm, etwa entsprechend den gelähmten Muskeln und auf
der Vorderfläche des rechten Unterschenkels. Leichte
Steifigkeit der Mittelhand- und Fingergelenke, geringe
Schwellung des rechten Fnssgelenkes. Zwischen Muse,
brach, int. u. Caput ext. tricipitis ein consistenter, schnur-
artiger, äusserst leicht schmerzhafter Strang : der stark
geschwollene N. radialis. Kniephänomen rechts schwach,
links fehlend. Hautreflexe normal. Interessant waren
die Verhältnisse der elektrischen Erregbarkeit. Bei der
ersten Untersuchung: farad. Erregbarkeit vom Nerven
aus normal, ausgen. im M. radialis, bei direkter Reizung
erloschen im linken Radialisgebiet, vermindert mit träger,
langgezogener Gontraktion im rechten Peronäusgebiet,
bei galvan. Reizung im linken Radialisgebiet complete, im
rechten Peronäusgebiet die Mittelform der Entartungs-
reaktion. Acht Wochen später: überall complete Ent-
artungsreaktion. Allmälige Besserung. Ende Oct. 1880
konnte Pat. seine Beschäftigung wieder aufnehmen.
Ein 25Jähr. , kräftiger Hausknecht hatte in Folge
einer im 8. Lebensjahre erlittenen Fraktur des Humer us
eine Difformität des rechten Armes erworben. Im 20. J.
nach strenger Handarbeit, von , initialen vasomotorischen
Erscheinungen eingeleitet**, allmälig zunehmende Funk-
tionsschwäche und Abmagerung des rechten Vorderarms
und der rechten Hand. Parese und hochgradige Atrophie
der MM. interossei, des Hypothenar, geringe Abmagerung
des Vorderarms, massige Anästhesie in der Ausbreitung
des N. ulnaris. Der linke N. ulnaris war als verdickter,
plattrundlicher Strang zu fühlen. Mittelform der Ent-
artungsreaktion und auch hier die eigenthümliche träge
Contraktionsweise bei faradischer Reizung des Hypothe-
nar, sowohl vom Nerven aus, als bei direkter Appli-
kation.
Zum Schluss bringt Vf. Mittheilungen über Ver-
suche im Cohnheim'schen Institut, betr. die
„Wandemeuritis.^ In Uebereinstimmung mit Ro-
senbach gelangte er durchweg zu völlig negati-
ven Resultaten und erklärt den Widerspruch, in den
er sich dadurch mit den Angaben K 1 e m m 's und
Feinberg 's setzt , durch die von den Genannten
ausser Acht gelassene Complikation und Trübung
der Verauche durch sekundäre Wunderkrankung.
Bei streng aseptischem Verlauf wird nur lokalisirte
14
m. Palbologie, Thenqpie u. mediciniBche Kludk.
vernarbende Entzündung, bei eitriger Neoritis da-
gegen adecendirende Phlegmone des perineuritiBchen
Bindegewebes erzeugt, welche aaf dem von Key
nnd Retzius festgestellten Wege der Continuität
gegen das Gentralorgan aufsteigt. (M ö b i u s.)
469. Ueber Lähmung der Hände und
Fasse in Folge von Neuritis; von Dr. Th.
Grainger Stewart. (Edinb. med. Journ.XXVI.
[Nr. 310.] p. 866. April 1881.)
I. Ein 52jähr. Mann, am 18. Febr. 1880 anfgenom-
men, klagte über Schwäche, Steifheit nnd Schmerzen in
Händen und Füssen seit 6 Wochen. Anfang Deceraber
1879 war er eine Treppe herunter gefallen. In der fol-
genden Woche nnbeständige Schmerzen. Etwa 14 Tage
später Gefühl von Prickeln und Taubheit in Händen und
Füssen mit Steifigkeit und Schwellung der Hand- und
Fnssgelenke, bald auch heftigen Schmerzen. Alle Sym-
ptome hatten aUmälig zugenommen.
Fat. klagte aber schneidende intermittirende Schmer-
zen in Händen und Füssen, Empfindlichkeit bei Druck
daselbst, besonders auf Hand- und Sohlenfläche und bei
Bewegung, Taubheitsgefühl , kein Prickeln. Betracht-
liche Anästhesie der Hände, geringe der Vorderarme bis
zum Ellenbogen. Verminderung des Tast- und Tempe-
raturgefühls der Fasse mit Verlangsamung der Schmerz-
leitung. Lebhafter Sohlen reflex bei stärkerem Reiz. Kein
Kniephänomen. Schwäche der Glieder nnd vollständige
Lähmung der Finger nnd Zehen. Verminderung der fara-
dischen Erregbarkeit „entsprechend dem Grade der Läh-
mung"*. Die Haut der Finger war glänzend, die Zehen
schienen etwas gesehwollen zu sein. Geringe Atrophie
der betr. Muskeln.
Ord. : Extr. See. cornuti und Faradisation. Allmä-
lige Besserung. Ende Mai: kein Schmerz, geringeres
Taubheitsgefühl, Aufbesserung aller Empflndungsquali-
täten, beträchtliche Zunahme der Motilität trotz stärkerer
Atrophie und noch bestehender Gelenksteiflgkeit. Im
Juli war die Sensibilität normal, das Kniephänomen vor-
handen, Pat. konnte stehen, wenn auch nicht gehen.
Im September waren Hautrefleze und Kniephänomen eher
gesteigert, die Bewegungen bis aaf die von den MM. inter-
OBsei abhängenden normal.
II. Ein 61Jähr. Mann, am 11. Juni 1880 aufgenom-
men, klagte über Schwäche nnd Taubheitsgefühl in Hän-
den und Füssen und Schmerz im Rücken. Pat. hatte
zuerst am 6. Juni, als er einige Stunden auf dem Sopha
geschlafen hatte, das Gefühl von Eingeschlafensein in
den Füssen empfinden. Er hatte am nächsten Tage noch
trotz beträchtlicher Beschwerden gearbeitet. Am 8. Tage
war diess nicht mehr möglich und waren auch die Hände
erkrankt.
Pat. klagte über massigen Schmerz des Rückens bei
jeder Bewegung, über Gefühl von Kälte, Formikation und
Taubheit in den Füssen und Fingerspitzen. Das Tast-
gefühl war an eben diesen Stellen vermindert, ebenso das
Temperatuiigefühl. Schmerzgefühl u. Muskelgefühl waren
normal. Rechte Hand und rechter Fuss waren schlechter
als die linken. Der Sohlenreflex fehlte am rechten Fuss,
war am linken vermindert. Kein Kniephänomen. Die
Beweglichkeit der Zehen war aufgehoben, die der Fuss-
gelenke vermindert, die der Knie und Hüften normal.
Die Bewegungoi der Hand und Finger, besonders rechts,
waren schwach und ungeschickt. Pat. konnte nicht
stehen, nicht gehen, nicht schreiben, nur mit grosser
Mühe einen Knopf einknöpfen. Die Füsse und in gewis-
sem Ghrade anoh die Hände waren ödematös. Die Mus-
keln waren schlaff und etwas atrophisoh.
Ord. : Extr. See. eomuti. Einige Wochen später
klagte Pat. über ein Gürtelgefühl rund um den Bauch. Im
Juli trat Incontinentia nrinae auf. Im August besserte
sieh der Zustand insofern, als dieBeweg^hkeit der Hände
zunahm. Im September wurde die Besseraag eine all-
gemeine und Ende October konnte Pat. wieder eine ziem-
liche Strecke weit gehen.
lU. Ein 31jähr. Mann, am 8. Nov. 1880 aufgenom-
men, klagte über allgemeine Schwäche, Schmerz, Steifig-
keit und Bewegungshinderung der Hände nnd Fasse, Sek-
störung. Im August hatte er zuerst die Schwäche der
Füsse bemerkt, die Objekte tanzten ihm zeitweise vor
den Aii{;en. Im September trat ein prickelnder Schmerz
in den Füssen auf, der sich allmälig steigerte. Ende
October trat ein gleiches Gefühl in den Fingern nnd dann
in der Hand ein.
Bei der Aufnahme bestand prickelnder Schmerz von
den Knieen bis zum Fussrücken, mit Taubheitsgefühl und
ein Gefühl der Kälte in den Zehen und Fusssohlen. An
den Händen waren die Erscheinungen weniger ansgeprisfi
Die Tastempfindiiohkeit war von den Knieen abwärts iiai
an den Händen vermindert. Die Empfindung war ver-
spätet und Pat. hatte Schwierigkeiten in der Lokalisation.
Die Empfindlichkeit gegen Hitze und Sehmerz war eben-
falls vermindert, die Muskelsensibilität schien nur an den
Fassen gestört zu sein. Das Sehen schien normal zu seni,
aber Pat. beklagte sich über Tanzen der Objekte. Der
Sohlenreflex fehlte, ebenso das Kniephänomen. Die Mo-
tilität der Unterschenkel und Hände war stark beeinträch-
tigt. Die Finger standen in Semiflezion. Die elefctriselie
Empfindlichkeit und Erregbarkeit war an Händen und
Unterschenkeln vermindert. Jede Bewegung war schmers-
haft, Pat. war schläfrig, gedächtnissschwach, nannte
Jeden Tag Sonntag n. s. w. Am 4. Dec. starb er an
Pneumonie.
Die gemeinsamen Hauptsjmptome in dieseo
3 Kranicengeschiohten waren : das gleichzeitige Be-
stehen sensibler , motorischer nnd trophisoher Stö-
mngen, die Lokalisation an Händen nnd Fassen mit
grOsster Intensität an den vomCentmm entfemtesten
Punkten nnd mit Affektion bestinunter Abschnitte
der Extremitäten, nicht bestimmter Gebiete einzelner
Nerven. Musste schon die klinische Betrachtang
eine Erkrankung der peripheren Nerven wahrschem-
lich machen , so wurde diese Diagnose sieher darch
die Sektion des 3. Kranken.
Die Sektion ergab (Dr. Hamilton): Oedem
der Arachnoidea auf der convexen Himoberfläche.
Leichte Induration der Oblongata in der Nachbar«
Schaft der Oliven. An der Halsanschwellnng des
Markes und weniger an der LendenanBchwelloDg
war degenerirt ein Theil der Qoirschen Stränge and
der äusserste Abschnitt der hintern Seitenstränge.
Die NN. medianns , nlnaris nnd tibialis zeigten be-
trächtliche Veränderungen. Bei schwacher Vergrde-
serung schienen auf dem Querschnitt einzelne Bfindel
gänzlich fettig degenerirt zu sein , andere theil weise
und einige gar nicht. Im Medianns sah man kaum
ein intaktes Bttndel. Bei stärkerer VergrOssenog
sah man den Achsencylinder theils knotig geschwol-
len, theils an seiner Stelle eine Reihe hügliger, homo-
gener, colloid erschdnender Körperohen. Zahlreiche
Kdmchenzellen. An einzelnen Stellen war die ner-
vöse Substanz ganz geschwunden nnd sah man an
ihrer Stelle nur Bindegewebe. Einzelne Nerven des
PI. brachialis, die NN. ischiadici schienen ganz ge-
sund zu sein.
Die im Rückenmark gefhndenen VerindenDgeB
betrachtet Vf. wegen ihrer GeringAtgigkeit als sekun-
däre nnd wegen der Lokaliaation als seknudir auf'
j
ni. Pathologie, Therapie u. medicinisohe Klinik.
16
BtdgeDde DegeneratioD. Da für dieselbe sich keine
anderweite Ui'sacbe fand, macht sie Vf. von der
DegeDeration der periphereu Nerven abhängig, dabei
heiTorhebend, dasseineContinuit^t der Läsion durch-
aos DJclit bestand nnd dieRückenmarkswurzeln ganz
D(HnDal erschienen. Die Erkrankung stellt sich dem-
naeb wesentlich als primäre , multiple Neuritis dar.
Eine primäre Erkrankung der Muskeln verwirft Vf.,
weil die ersten Symptome sensible waren. [Auf-
fälliger Weise ist über den Befund an den Muskeln
Diebts Näheres gesagt.] Was Ursache der Neuritis
gewesen, lässt Vf. unentschieden. Eine constitu-
tioDelle Ursache wird wahrscheinlich wegen der gleich-
idtigen Erkrankung beider Extremitäten.
Vf. reiht seine Fälle den Beobachtungen von
Nearitis an, welche von Dum^nil (Gaz. hebd.
1864 n. 1866), Eich hörst (Virchow's Arch.
LXIX. 1877), Eisenlohr (Centr.-BL f. Nerven-
heilk. u. s. w. 1879), Jeffrey (Arch. de Physiol.
VI. p. 172. 1879) und Leyden (Ztschr. f. klin.
Med. 1880) veröffentlicht worden sind.
Der Beginn dieser Art von Neuritis ist meist
akot and von mehr odei^ weniger Fieber begleitet.
Sensible Reizerscheinungen bestehen von vorn herein:
Schmerz, häufiger noch Tanbheitsgefühl u. Prickeln
in den erkrankten Theilen. Ihnen schliesst sich An-
isthesie an : Vergrösserung der Tastkreise^ Verlang-
umnng der Leitung und häufig Hyperalgesie. Diese
sensiblen Störungen beginnen entweder zugleich in
FoBgem und Zehen oder erst in den einen und dann
Id den andern. Bald kommen auch motorische Stö-
nngen dazu , zuerst reine Parese , welche von den
Endgliedern nach oben steigt, gruppenweise die
Miukeln ergreifend. Selten und gewöhnlich erst in
spfttem Stadien werden Miktion und Defäkation ge-
stört. Die Hautreflexe sind entsprechend der An-
iflthesie vermindert, oft fehlend, zuweilen nur bei
lachten Reizen fehlend, bei starkem lebhafter als im
gesunden Znstande. Am ehesten leidet natflrlich
der Plantarreflex. Das Kniephänomen verschwindet
tthon sehr früh. Die Motilität einiger Muskeln ist
gewöhnlich ganz erloschen, die anderer nur vermin-
dert. Nach einer Woche sind vielleicht nur die
Bewegungen in den Fingergelenken verloren, nach
2 auch die in Hand- nnd Fussgelenk , noch später
können Vorderarm und Unterschenkel ganz gelähmt
werden. Untersuchungen Aber den Eintritt der Ent-
artnngsreaktion anzustellen , hat Vf. keine Qelegen-
lieit gehabt. Ziemlich rasch pflegt Atrophie der ge-
lernten Muskeln einzutret^. Die Haut wird oft
bankhaft verändert , wird congestionirt oder bläu-
lich and glänzend, besonders an den Fingern. Zu-
wdlen tritt leichtes Oedem auf. Andei*weite Störun-
gen pflegen in der Regel nicht zu bestehen. Nach
einigen Wochen oder Monaten hat der Process seine
Höhe erreicht , nach einer Periode des Stillstandes
li^innt dann allmäiig die Besserung. Die Erank-
kitsdauer kann 2 — 6 oder mehr Monate sein. Re-
zidive icheinen nicht selten zu sein« Auch kann
vämcfaeinUc^ die Krankfadt swh auf das Mark fort-
setzen u. zur Myelitis werden. Während die Mehrzahl
der Fälle mit Heilung endet, kommt doch auch
dauernde Lähmung und Atrophie vor und kann der
Tod , ausser durch Gomptikationen , durch Erkran-
kung lebenswichtiger Nerven herbeigeführt werden.
Vf. ist der Ansicht, dass die allgemeine Neuritis
häufiger sei, als man gewöhnlich annimmt, und nicht
selten mit spinaler Congestion, leichter Myelitis
n. s. w. verwechselt werde. Vf. bespricht ferner
die Diiferentialdiagnose zwischen der hier beschrie-
benen peripheren Lähmung und der L a n d r y 'sehen
Paralyse, der akuten und subaknten Spinallähmung,
der akuten ti'ansversalen Myelitis und der diphtheri-
tischen Lähmung, bei welcher sich ganz ähnliche
Veränderungen finden können , und ist der Ansicht,
dass im Laufe der Tabes auch Neuritiden peripherer
Nerven vorkommen mögen , wie diess von den sen-
sorisehen Nerven schon bekannt ist. Bezüglich der
Behandlung glaubt er nicht viel Bestimmtes sagen
zu können. Ergotin hält er im Anfang , Strychnin
in spätem Stadien für nützlich. Gegen die Schmer-
zen ist Chinin, Salicylsäure, Morphium zu empfehlen.
Während des Ansteigens der Krankheit muss Pat.
ruhen, die Reconvalescenz kann durch Friktionen,
Elektricität , passive nnd aktive Bewegungen be-
schleunigt werden.
Aus der an die Verlesung von Vfs. Aufsatz
sich anschliessenden Debatte^) heben wir hervor,
dass Dr. Hamilton erklärte, in dem betr. Falle
sei offenbar der Achsencylinder primär erkrankt
gewesen. Die Umwandlung desselben in spindel-
förmige Gebilde und sein Zerfall zu coUoiden Körper-
chen sei das Wesentliche. Die Veränderungen am
Bindegewebe seien sekundärer Natur. Daher „ähnele
der vorliegende neuritisehe Process der grauen In-
duration bei Tabes, nicht der sekundären Degenera-
tion''. Die Veränderungen des Rfickenmarks seien
leichtester Natur (geringer Unterschied der Transpa-
renz von der Umgebung) gewesen und hätten sich
auf die GoH'schen Stränge und Kleinhimbahnen be-
schränkt.
Vf. erklärte auf Byrom Bram welTs Frage,
wie er die spinale Läsion für eine Folge der peri-
pheren Neuritis halten könne : 1) die spinale Läsion
habe sich da gefunden , wo aufsteigende sekundäre
Degeneration vorkomme , 2) es seien 2 Herde der
sekundären Degeneration dagewesen, 3) es fand sich
keine Veränderung im Rttckenmarke, welche die
Degeneration hätte erklären können, 4) der Sitz der
spinalen Läsion entsprach der Einmttndungsstelle der
erkrankten Nerven in das Mark. Der Fall scheine
eben fSr sich zu beweisen , dass auch periphere Lä-
sionen sekundäre Degenerati*on des Markes bewirken
könne. (M ö b 1 u s.)
470. Bigenfhümliche Erkrankung des Sym-
pathions, der Nebennieren und der per^heri-
Bohen Nerven ohne Bronsehaut ; von Dr. Fe*
>) 1. 0. p. 929,
16
III. Pathologie, Therapie a. mediciniflche Kliiuk.
iix Marchand in Breslau. (Virchow's Arch.
LXXXI. 3. p. 477. 1880.)
Der 37J&hr. Kr., Potator, wahrscheinlich seit länge-
rer Zeit tuberkulös, bekam seit Juni 1876 ganz allmälig
eine Lähmung der rechten Eörperhälfte, zunächst im
Bein, seit Anfang 1877 im Arm, später auch im Qebiet
des rechten Facialis. Unter der Behandlung des Dr.
Seeligmüller in Halle seit Febr. 1877 ging die Läh-
mung des Beines zurück, steigerte sich aber die des rech-
ten Armes unter heftigen Schmerzen in der Schulter und
der Brust ; dazu gesellte sich Anästhesie in der Schulter
und der Brust. Allmälig traten auch Schmerzen in der
linken Schulter u. dem ganzen linken Beine auf, woselbst
sie nach Dehnung des linken N.ischiadicus vorübergehend
sich auf den Fuss beschränkten. Die faradische und
galvanische Erregbarkeit der gelähmten Muskeln war be-
deutend vermindert, selbst aufgehoben. Der Tod er-
folgte etwa 13 Mon. nach Beginn des nervösen Leidens.
Die Sektion ergab ausser einer ziemlich be-
schränkten chronischen Taberknlose beider Langen
eine sehr ausgedehnte Erkrankung des Nerven-
systemSy besonders desN.sympath. im rechten obem
Halsganglion und im Plexus coeliacus , sowie der
peripherischen Nerven, am stärksten im Bereiche
des Plexus brachialis dexter und des linken Nerv,
ischiad. ; die Centralorgane waren unbetheiligt, beide
Nebennieren in umfangreiche Geschwülste verwan-
delt. Ihrem Wesen nach mosste die Krankheit als
eine chron. Neuritis betrachtet werden, welche ihren
Ausgangspunkt höchst wahrscheinlich von der Ver-
bindungsstelle desSympathicusmit den Spinalnerven,
als der am meisten erkrankten Stelle, genommen,
und welche sich von dem ausserhalb der Dura ge-
legenen Theile, bes. des rechten Plexus brachialis und
des linken N. ischiadicus in peripherischer Richtung,
dagegen fast gar nicht nach dem Rückenmark zu
fortgepflanzt hatte. Diese Affektion hatte sich nach-
weisbar primär innerhalb der einzelnen Nervenbün-
del verbrdtet und war erst sel^undär auf das peri-
fascikulare Bindegewebe fortgeschritten. An den
Nervenbündeln war ausser der Scheide, das intra-
fascikulare Bindegewebe, und in sehr hohem Maasse
die Nervenfaser selbst erkrankt. Die entzündliche
Zelleninfiltration war in der Umgebung der meist
stark gefällten Gefilsse am dichtesten und hatte stel-
lenweise die Nervensubstanz gänzlich verdrängt ; es
zeigten sich alle Stadien der Degeneration der Mark-
scheiden und Schwund der Achsencylinder, stellen-
weise aber auch Andeutungen von Regeneration.
Die Nebennieren zeigten weder eine charakte-
ristische Knötchenbildung, noch eine Spur von Ver-
käsung , so dass an eine tuberkulöse Affektion der-
selben nicht gedacht werden konnte ; doch war auch
keine einfache Hyperplasie der Marksubstanz vor-
handen. Vielmehr bestand die ganze Gewebsmasse
aus einem engmaschigen Bindegewebsgerüste mit
massenhaften eingelagerten Zellen von indifferenten
Formen, welche einerseits den normalen Markzellen,
andererseits aber auch den lymphoiden Zellen ähn-
lich waren. Es bestand somit eine Art Neubildung,
welche vom ursprünglichen Mark auf die Rinden-
Bubstanz und das umgebende Bindegewebe überge-
gangen war, und einem derben Lymphosarkom
ähnelte, aber dem Wesen nach sich als die Folge
einer chron. Entzündung darstellte. .
Dieser FaU stimmt in vieler Beziehung mit der
Beobachtung von Hertz (Virchow's Arch. XLIX.
p. 1. 1870) überein. Auch dort war keine Tuber-
kulose der Nebennieren, sondern chron. Entzündung
derselben vorhanden, auch dort bestand eine erheb-
liche Affektion des Plexus solaris ; auch dort fehlte
der der Addison'schen Krankheit eigenthümliche
kacheküsche Zustand, die chron. Verdauungsstörung,
sowie jede Spur einer abnormen Pigmentirung. Auch
ist gleichzeitige Erkrankung der Nebennieren and
des Plexus solaris so oft beobachtet worden , dass
ein inniger Zusammenhang des Sympathicus mit den
Nebennieren nicht geleugnet werden kann. Doch ist
Mar eh. geneigt, nicht die Nebennierenerkranknng
als das Primäre aufzufassen , wogegen die Erkran-
kung des Sympathicus an soweit auseinander liegen-
den Stellen (am Halse u. am Plexus solaris) spricht,
sondern die schwere Alteration der sympathischen
Ganglien als Ursache der Nebennierenerkranknng
zu betrachten.
Die Muskeln waren im Bereiche der veränder-
ten Nerven im höchsten Grade atrophirt. Diese
Atrophie war, da sie erst im Gefolge der Schmerzen
aufgetreten war, ohne Zweifel von der Nervenerkran-
kung abhängig und wird von Mar eh. lediglich als
Folge der Inaktivität aufgefasst.
Als gemeinsame Ursache der multiplen Affektion
der peripherischen Nerven und der Veränderung in
den Nebennieren betrachtet Mar eh. die in dem
Sympathicus gefundene, gleichfalls als chron. Ent-
zündung zu deutende Veränderung, und bringt diese
wieder mit dem nachgewiesenen Grundleiden der
Tuberkulose in wahrscheinliche Beziehung. Wirk-
liche Tuberkulose des Sympathicus ist allerdings erst
einmal von Colomiatti mit Sicherheit nachgewie-
sen und einmal von Giovanni mit Wahrschein-
lichkeit angenommen worden. (H. Meissner.)
471. NeaereMittheiluiigenüberlaeukämie;
zusammengestellt von Dr. Hermann Meissner
zu Leipzig. (Schluss; vgl. Jahrbb. CXCI. p. 251.)
Akute diphtheritische Leukämie hatte Boo-
chut schon 1868 beobachtet. Durch weitere, in
Verbindung mit Dr. Dubrisay in 177 Fällen vor-
genommene Zählungen ist B. (Gaz. des Hdp. 20.
1879) zu dem Schlüsse gelangt, dass bei der schwe-
ren septikämischen Diphtheritis stets eine aknte
Leukämie auftritt, welche mit der Verschlimmemng
des Uebels zunimmt und welche mit eintretender
Genesung wieder abnimmt, dass dagegen bei der
leichtem Diphtheritis ohne Septikämie keine Leuk-
ämie sich entwickelt und die Kinder immer genesen.
In den ersten Untersuchungen fanden B. nnd
D. in 12 Analysen 5—10000, in 81 andern 10—
100000 weisse Blutkörperchen auf 1 Cnb.-HBitr.
Blut, im mttel 26824, d. h. 3mal so viel als im
normalen Zustande. C uff er fand bei den Control-
ontersuehungen, welche er bei 13 Kranken anstoB^
ni. Pathologie, Therapie a. medicinische Klinik.
17
(je 1, nnr Imal 2 BlutzählaDgen), ein weniger anf-
ftUiges Resoltat , indem er weder die leichten Fälle
TOD Diphtheritis ausschloss , noch auch die Krank-
beitsperiode berflcksichtigte ; immerhin fand auch er
in 6 F. eine beträchtliche Vermehrung der weissen
BlotkOiperchen, von 15S70 bis za 32218.
Zwei Beispiele mögen znr Erläatenmg dienen.
Bei einem 4jähr. Kinde , welches an septikSmisober
Diphtheritis mit Cronp litt, operiit wurde und am 4. Tage
stirb, fanden sich am 1. T. (vor der Operation) 4800S76
rolhe n. 23631 weisse, am 2. T. (nach derselben) 4110126
rothe and 31376 weisse, am 3. Tage 6490626 rothe and
S4612 weisse, am 4. Tage (Tod) 6020000 rothe n. 84712
weisse Blntkörperchen.
Bei einem lljähr. Mädchen mit Diphtheritis der
: Mudeb ergab die 1. Zählung 6490626 rothe and 47062
I weiBse, die Zählang am folgenden Tage 6333760 rothe n.
{ 15687 weisse, am 3. Tage 6239626 rothe u. 18826 weisse,
im 4. Tage 4803126 rothe and 31375 weisse, am 6. Tage
I &i26000 rothe and 16076 weisse, am Tage der Entlassung
iber, 1 Woche später, 6176760 rothe u. nnr 6026 weisse
BfaitkSrperehen, also wieder normale Verhältnisse.
[So interessant diese Beobachtungen sind, so dürften
sie doch wohl kaum znr Diagnose einer wirklichen Leuk-
toie berechtigen.]
Diffuse leuiämtsehe Infiltration der Nieren ist
Bieh Dr. H. Stilling (Virchow's Arch. LXXX. 3.
p. 475. 1880) äusserst selten beobachtet worden,
wogten mehr oder weniger umschriebene Infiltra-
tioBen oder leukämische Tumoren in denselben häu-
figer vorkommen. Nur P o n f i c k (Virchow*s Arch.
LYI.) erwähnt einmal eine kleinzellige Infiltration
in den interstitiellen Geweben der Rinde und in den
OlomeniliSy und Olli vier und Ranvier beobach-
teten eine ausgedehnte Durchsprengung des inter-
stitiellen Gewebes mit weissen Blutkörperchen mit
inchgradiger Erweiterung derCapillaren durch dicht-
gedrängte farblose Zellen und zahlreichen Hämor-
Aigien derselben in das Parenchym der Nieren;
gleichzeitig bestand fettige Degeneration des Epi-
thels der Hamkanälchen und fanden sich colloide
Cylinder. Es bietet daher folgender Fall beson-
deres Interesse dar.
Die Sektion eines 18 Mon. alten Kindes, welches aus
emerphthisisohen Familie stammte, bei Lebzeiten ausser-
oiüentlich bUu», wachsgelb ausgesehen hatte und bei dea
geriogsten Verletzungen Blutungen in die subcutanen Ge-
webe bekommen hatte , ergab zahlreiche subcutane £k-
chynKMen, IHsche blutige Beläge auf der Innenfläche der
I^mater, Schwellung sämmtlioher subcutanen Lymph-
^füen, der Bronchial-, Mesenterialdrfisen und Darmfel-
le], ohne spedflsche Einlagerungen. In den Lungen
w man leichtes Oedem und bronchopnenmonische Herde
obne Taberkel ; im Herzen brfichlge grauröthliche Blut-
g^ioBsel und geringe Mengen hellrothen flfissigen Blutes.
I ^e MOi war TeigrSssert , mit undeutlichen Follikeln ;
^ Leber gross, ziemlich schwer, stellenweise mit weiss-
ndieii Zfigen im Verlaufe der Pfortaderyerästelnngen,
^dmit miliaren weissen Herdehen im Gewebe. Beide
21^ erschienen gleichmässig stark vergrössert, fast
*w bei ehiem Erwachsenen, 112 und 108 Grmm. schwer,
jMer bUsB grangelblichen Oberfläche durch zahlreiche
l^^ns Ekchymosen marmorirt , ohne Herdbildungen oder
^^^. In den untersuchten Knochen bestanden keine
"ctindenmgen.
IKe merenvergrOsserung war durch eine dichte
^>^tion des interstitiellen Gewebes mit farblosen
^ Jahrbb. Bd. 192. Hit. 1.
Blntkörperchen bedingt; hauptsächlich war die Rinde
betheiligt , weniger das Mark , die Spitze der Pyra-
miden fast ganz frei ; die Hamkanälchen mit ihrem
Epithel , die Glomeruli und das Stroma erschienen
vollkommen normal; die Gefässe nicht erweitert,
aber mit zahlreichen farblosen Blutkörperchen erfflUt.
Die charakteristische Anordnung der absondernden
Kanälchen und Gefässe war durch diese Einlageiung
in das Stroma nicht verändert, die eigentliche Nieren-
substanz nirgends verdrängt ; es schien demnach an
Stelle der geringfügigen Zwischensubstanz zwischen
Hamkanälchen und Gefässen ein breites, der adenoi-
den Substanz ähnliches Zwischengewebe getreten zu
sein.
Sämmtliche Veränderungen waren entschieden
leukämischer, nicht entztlndlicher Natur. Es fehlten
hier die von Ollivier u. Ranvier geschilderten
regressiven Veränderangen des eigentlichen Nieren-
gewebes, welche jedoch auch bei 0. u. R. nicht auf eine
Entzündung, sondern auf ein längeres Bestehen der
Infiltration sich zurückführen Hessen ; es fehlten die
Veränderungen des Epithels der Hamkanälchen,
Cylinder und sonstige pathologische Produkte ; nir-
gends war eine abscessähnliche Veränderung mit Ein-
schmelzung des Gewebes nachweisbar. Für die
leukämische Natur des Leidens sprachen namentlich
die eigenthttmliche Beschaffenheit der in der Leiche
gefundenen Blutgerinnsel, welche durch eine ausser-
ordentliche Vermehrung der farblosen Blutkörperchen
bedingt war; ferner die Schwellungen der Milz,
Lymphdrüsen und lymphatischen Follikel, von denen
das erstere Organ gleichzeitig stark verfettet war
und eigenthümliche grosse Zellen mit dunkelkömigem
Protoplasma (ähnlich der Typhusmilz) enthielt. End-
lich sprach dafür der Umstand , dass die Leber der
Sitz einer analogen Erkrankung war. Das die Pfort-
aderverästelungen begleitende Bindegewebe wai* in
ähnlicher Weise wie das Nierenstroma von Rand-
zellen durchsetzt u. die Capillaren enthielten gleich-
falls zahlreiche farblose Blutkörperchen. Doch unter-
schied sich die Leberaffektion durch das Daneben-
bestehen von kleinen Lymphomen und durch die
Zerstörang des eigentlichen Lebergewebes, indem
die lymphoiden Zellen an manchen Orten in die peri-
pherischen Theile der Acini eindrangen , Theile von
Leberzellenbalken abschnüiien u. atrophische Zellen-
reihen hervorbrachten.
Nach alledem nimmt S t. hier eine etwas eigen-
thümliche Erscheinungsform der Leukämie an, glaubt
jedoch trotz der so stark hervortretenden Nieren -
affektion nicht in dieser die eigentliche Ursache der
Blutveränderong suchen zu dürfen , eben so wenig
wie bei der myelogenen Leukämie das vorwiegend
betroffene Organ der Ausgangspunkt des Leidens zu
sein braucht.
Einen Fall von multiplen leukämischen Neubil-
dungen im Oehirn und in der Retina , mit den kli-
nischen Erscheinungen eines Hirntumor bekam Dr.
Carl Fried län der in Berlin (Virchow's Arch.
3
18
III. Pathologie, Therapie n. medidniBche Elinik.
LXXVm. 2. p. 362. 1879) im Sept. 1878 als Assi-
Stent am patholog. Institut za Strassburg zur Sek-
tion.
Der SOjfihr. Er. hatte seit iVs J- an zunehmendem
Kopfschmerz, Taubheit auf dem rechten Ohre , Unsicher-
heit des Ganges , seit 6 Wochen auch an Schwerhörigkeit
links , später an Sehstörung beider Augen f^eWüen. Die
Untersuchung ergab sehr starke Milzschwellung u. hoch-
gradige Blässe. In der folgenden Nacht bekam der Kr.
plötzlich einen heftigen Krampfanfall mit Bewusstlosigkeit
und starb nach V2 Stunde im Koma. Die Sektion ergab :
Leukämie, kolossalen Milztumor, nur geringe Lymph-
drüsenschwellnngen, diffuse leukämische Neubildungen in
der Leber und im Knochenmark ; multiple leukämische
Knötchen im Gehirn und in derBetina; Volumenzunahme
des Gehirns, Resorption slacunen der Tabula vitrea des
Schädeldachs , frische Hämorrhagie des linken Corpus
striatum.
Das Blut war auffallend dicklich, hellbraunroth, ähn-
lich wie Milchchokolade , zeigte unter dem Mikroskop
mindestens eben so viele weisse wie rothe Blutkörperchen,
sowie zahlreiche Charcot-Neumann^Bfühe Krystalle.
Als Ui-sache des plötzlichen Todes hatte die
Sektion eine Hirnhämorrhagie ergeben, welche ihrer-
seits wieder durch die leukämische Dyskrasie bedingt
war ; als Ursache der im Leben beobachteten , auf
einen Hirntumor deutenden Erscheinungen ergab sie
dagegen lediglich eine diffuse Volumenvermehmng
des Gehirns. Dasselbe war entschieden schwerer
als normal und die grosse Spannung der Dura , die
Abplattung der Oyri und die Resorptionslacunen der
Schädelkapsel bewiesen, dass diese Volumenvermeh-
rung eine erworbene war. Dieselbe war nach der
mikroskopischen Unterauchung durch Einlagerung
kleinster, mit blossem Auge nicht erkennbarer Knöt-
chen bedingt , die sich ganz wie leukämische Neu-
bildungen verhielten. Auch die mit blossem Auge
sichtbaren weissen Fleckchen auf der Retina ergaben
sich als kleine leukämische Neubildungen, als Zellen-
anhäufungen, welche bei geringer Ausdehnung in
der innem Eörnerschicht der Retina gelegen waren,
aber, wenn sie grösser wurden, als 1 — 1.2 Mmtr.
grosse Knötchen flber die innere und äussere Ober-
fläche der Retina hervorragten.
Dr. G. Heuck in Heidelberg (Virchow's Arch.
LXXVm. 3. p. 475. 1879) beobachtete 2 Fälle von
Leukämie mit eigenthümlichem Blut', resp.Knocken"
befund.
1) Eine 46jähr. Näherin , welche in ihrem 18. Jahre
3 Wochen lang an VVechselfieber gelitten hatte, erkrankte,
nachdem sie im April 1877 schwanger geworden , mit mi-
regelmässigem Fieber, bekam zunehmende Schwäche,
Abmagerung, Blässe, Athem- und Herzbeschwerden,
Schwellung derFüsse. Nach ihrer vorzeitigen Entbindung
im 8. Schwangerschaftsmonate bekam sie eine mehrere
Standen dauernde heftige Metrorrhagie und bemerkte in
der linken Bauchseite einen grossen festen Tumor. Bei
der Aufnahme in die Elinik , 16 T. später , erschien die
Milz enorm vergrossert, 32 Ctmtr. lang, 19 Ctmtr. breit,
die Leberdämpfang gleichfalls vergrössert , mit der Milz*
dämpfung zusammenstossend ; Lymphdrusenschwellungen
nirgends vorhanden; das untere Ende des Stemnm bei
leichtem Klopfen ziemlich schmerzhaft , das übrige Ster-
nnm, die Rippen , Ciavikeln u. s. w. unempfindlich. Die
Untersuchung des Blutes ergab beträchtlich vermehrte
weisse Blutkörperchen, daneben massig viele agglomerirte,
kleine , blasse Kömchen {Schultzens Kömchenbildungen) ;
die rothen Blutkörperchen meist normal , biconcav , ohn«
Kern , einzelne geschwänzt oder in feine Spitzen aosge*
zogen (Poikilocyten). Der Harn zeigte massenhifte Unt-
ansscheidungen und ziemlich viele HamBänrekrystaUe,
kein Eiwelss ; profuse Schweisse, heftiges Fieber (Temp.
früh 38.6—39.6 , Abends 39.2—40.20 C. , Puls 180-
138), rasche Abnahme der Kräfte. Nach dem Gebranok
von salioyls. Natron Hess das Fieber sofort nach; der
Harn wurde klarer, die Milz verkleinerte sich entschieden,
die Kr. fühlte sich kräftiger und sah besser ans; gleich-
zeitig zeigte das Blut enorm viele kleine, kernlose, kugel-
förmige Körperchen vom halben Durchmesser der rothen
Blutzellen, sog.Mikrocyten, femer ziemlich viele Poikilo-
cyten und blasse Kömchenbildungen , sowie anscheinend
verminderte weisse Blutkörperchen. Die Milz hatte,
nachdem das salicyls. Natron wegen Ohrensansen und
Nausea nach 8 Tagen ausgesetzt worden war, eine LSoige
von 23 und eine Breite von 13 Ctmtr., war also in beiden
Durchmessern um 9 und 6 Ctmtr. kleiner geworden«
Später trat wieder Verschlimmerung ein trotz öttßn wie-
derholter Salicylsänre , die Mikrocyten nahmen ab, die
Milz schwoll wieder an , die weissen Blutkörperchen stan-
den 2 Mon. später zu den rothen in dem VerhältniBs wie
1:6, 3 Mon. später wie 1 : 3 ; Decubitus stellte sich ein
und der Tod schien nahe bevorzastehen , als im 4. Mon.
wieder Besserang eintrat. Trotzdem nahm die Mili*
Schwellung nicht wieder ab, das Verhältnlss der Blnt»-
körperchen blieb wie ] : 2 bis 4 und deshalb wurde 6 Mon.;
später die 34 Ctmtr. lange, 19 Ctmtr. breite, 9 Ctmtr.:
dicke, 3886 Grmm. schwere Milz exstirpirt , wonofdie
Kr. nach wenigen Stunden unter CoUapsus znGmndeghv*
Die Sektion ergab ausgedehnte Blutungen in die Bnoek-
höhle, lienale und myelogene Leukämie; im Uebrigen
bot der Sektionsbefund nichts besonders Auffälliges.
Bezüglich der Frage , ob hier die lienale oder
die myelogene Form die primäre war^ entscheidet
sich H. far die erstere QenesO; weil die Kranke ror
27 Jahren 3 Wochen lang an Wechselfieber gelitten
habe [?]. Bemerkens werth war aber besonders das
so plötzliche massenhafte Auftreten von Mihoeytm
im Blute.
Vanlair u. Masins, welche die Mikrocytei
zuerst entdeckten, sowie Quincke, betrachten die-
selben als alternde, dem Untergänge nahe Fonnen
der rothen Blutkörperchen; Henck dagegen hSit
sie, in Uebereinstimmung mit Hayem, Eich-
horst and Eisenlohr fbr jagendliche , nnv^i-
kommen entwickelte, rothe Blutkörperchen; dafür
spricht im vorliegenden Falle besonders das plötz-
liche Auftreten derselben nach der Darreichung der
Salicylsänre, anter gleichzeitiger Besaemng des All-
gemeinbefindens und des Emähmngszostandes, Ab-
nahme der Milzschwellang and Vermlndemng der
farblosen Blutelemente. Da die Mikrocyten aber
nur in einzelnen Fällen von Leokämie and schwerer
Anämie beobachtet werden, also die Erkranknsg der
blatbildenden Organe an sich nicht znr Entstdioiig
derselben genügt, so muss mit Litten einverio-
derter Salzgehalt des Serum oder ein sonsfiges on-
bekanntes Moment als Grand der FcHrmverändtfimg
der rothen Blutkörperchen angenommen werden.
In dem 2. Falle war der Sektionsbefund wn
besonderm Interesse.
Der 24Jähr., seit 1 Vs J* leidende Kr., leigte bei der
Aufnahme in die Klinik von Friedreicfa reia lieriaie
LenlEämie, bekam nach wenigen Tagen einelinlueiti^^'
sndative Pleuritis, welche in Empyem fibeigiogi dorco
III. Pathologie^ Therapie a. medidnische Klinik.
19
die naeh 12 Wochen yorgenommene Thorakotomie warde
der Eiter entleert und rasche Besserung errielt. Es trat
eine Dicht unbeträchtliche Zunahme der Formelemente
fiberhiopt und eine starke Verminderung der weissen
Blutkörperchen ehi, während sich Mikrocyten nicht reich-
licher wie vorher zeigten. Die Blatuntersuchungen er-
gaben 5T. nach der Aufnahme in 1 Cnb.-Mmtr. 2.25 Mill.
Blutkörperchen (weisse zu rothen wie 1 : 4 — 5) ; 14 Tage
ipüer 1.5 Mill. (w. : r. » 1 : 9) ; nach 3 Wochen iVsMill.
(1:14); später 3 Wochen nach der Punktion 2V4 Mill.
(1 : 26) ; 6 Wochen nach derselben 3 Mill. (1 : 28) ;
12 Wochen darnach 3Vs Mill. (1 : 30). Im folgenden
Winter verschlimmerte sich Jedoch der Zustand des Kr.
wieder and im Frühjahr, nach 2VsJähr. Krankheit, starb
der Kr. in einer exsudativen Perikarditis.
Sektion : Leukämie ; beträchtliche Vergrosserung von
fib and Leber; Schwellung der Lymphdrüsen; link-
idtigeB abgekapseltes pleurit. Exsudat; Perihepatitis;
Umorrhagische Perikarditis. Die Untersuchung der
iBoehen ergab in den Röhrenknochen die Cortikalsub-
iteiz sehr dick und compakt und den Markraum so von
boekenbälkehen durchzogen und ausgefüllt, dass von
ejoer wirklichen Markhöhle und einem richtigen Mark-
i^iinder kaum etwas vorhanden war. Ebenso waren das
Steroom, die Rippen und das Schädeldach so fest und
Kkwer, dass man kaum einige Tropfen zähflüssigen Mar-
kes erlangen konnte. Das Mark selbst zeigte unter dem
Mikroskop einen geringem Fettgehalt und theilweise Um-
wadlang in lymphoides Mark , also nur Veränderungen,
vie rie sekundär nach vielen chronischen zu hochgradiger
iiämie und Ifarasmus führenden Krankheiten sich ent-
wiekehi.
Der hier bestehende osteosklerotische Process
Mte das volle Qegentheil des von Neamann
geschilderten lenkämischen Processes in den Eno-
ehen dar, wobei das Knochenmark anf Kosten der
umachliessenden Knochensnbstanz an Umfang zn-
ummt, und sprach somit gegen die Annahme von
Neamann, dass wahrscheinlich jede Lenkämie
nedoUaren Ursprongs sei. Vielmehr war hier die
Unprongsstätte der Leukämie in der hochgradig
geschwellten nnd dorchaus abnorme Stniktnrverhält-
msse zeigenden Milz zu suchen.
Bemerkenswerth war femer das Fehlen kem-
Utiger rother Blntkörperchen im Blute und das
Auftreten derselben in dem Milzsaft, besonders aber
in dem abgestrichenen Lebersaft. Gleichzeitig wur-
den dieselben in dem Pfortadersaft nur sehr spär-
lich gefunden, so dass sie nicht aus der Milz in die
Leber eingeschwemmt, sondern in der letztern selbst
g^iidet zu sein schienen. Wenn nun diese „Ueber-
gngsformen'^ auch bei Knochenmarksaffektionen im
Blnte erscheinen, so ist man doch nicht berechtigt,
diB Vorkommen derselben im Blute zur Diagnose
einer Erkrankung des Knochenmarks allein zu ver-
werttien.
Endlich war noch die enorme Menge von Köm-
ehenbiidnngen im Blute bemerkenswerth. H. hält
dieselben mit M. Schnitze und Riess für Zer-
Ulsprodnkte der weissen Blutkörperchen, während
sie nach Hayem nichts Anderes als entfärbte und
mit einander verschmolzene Hämatoblasten sein
loUen. Diese erstere Ansicht erhält eine neue
Stttze dadurch, dass Heuck inmitten dieser Körn-
cbenbildungen unverkennbare Bruchstücke weisser
Blntkörperchen, sowie auch freiliegende, im Zerfall
begriffene, mitunter nur noch stellenweise deutlich
contourirte weisse Blutzellen fand, und dass diese
Körochenbildungen gerade bei der Leukämie, bei
der eine Ueberproduktion und wohl auch ein reich-
licherer Zerfall weisser Blutkörperchen stattfindet,
regelmässig äusserst zahlreich im Blute sich finden.
Bemerkenswerth hinsichtlicli der Veränderungen
des Knochenmarks erscheint femer der von M.-R.
Dr. Birch-Hirschfeld (Jahresber. d. Ges. f.
Natur- u. Heilk. in Dresden 1879. p. 67) zuerat
bei einem jugendlichen Individuum beobachtete Fall
von medullärer Leukämie.
Ein 137s J* altes Mädchen, welches ohne bekannte
Ursache an anämischen Erscheinangen erkrankt war,
zeis^te im Febr. 1878 sehr beträchtlichen Milztumor und
Vermehrung der weissen Blutkörperchen (1:7). In den
folgenden 8 Mon. stellten sich starke Leberschwellnn;?
mit Ascites, allgemeine Abmagerung, hektisches Fieber,
kaum stillbare Durchfalle mit Peritonitis, Dysurie und
zuletzt sehr heftiges Nasenbluten ein, welches einen
CoUapsns mit tödtUchem Ausgang herbeiführte.
Bei der Sektion fand sich die Milz im 3. Stadium der
lenkämischen Veränderung, 3 Pfd. schwer, die Leber
7—8 Pfd. schwer; das Mesocolon descendens durch
difTuse leukämische Neubildung in eine starre Masse ver-
wandelt; ebenso das Colon selbst in seiner Muscularis
und Serosa ringförmig verdickt ; die Dünndärme in der
Muscularis und Submucosa gleichfaUs erheblich dicker als
normal, die DarmfolUkel nicht geschwollen; am Peri'
tonäum bestand fibrinöse Peritonitis mit wenig freiem,
trübem zellenreichen Exsudat.
Das Knochenmark in grosser Ausdehnung leuk-
ämisch erkrankt, von eiterartigem lehmfarbigen Aus-
sehen, zeigte unter dem Mikroskop zahlreiche grosse
Mai'kzellen, doppelt so gross wie weisse Blutkörper-
chen, erfüllt mit Fettdetritus, femer kleine Rund-
zellen und einzelne sehr grosse vielkemige Zellen,
sowie sehr seltene kernhaltige Blutkörperchen. Kli-
nische Erscheinungen dieser ausgedehnten Knochen-
markerkrankung hatten nicht bestanden'; Birch-
Hir Sehfeld glaubt daher, dass die von Mosler
angegebenen Symptome der medull. Leukämie durch
leukämische Periostitis bedingt sind. Die weissen
Blutköiperchen waren vor dem Tode in dem Ver-
hältniss von 1 : 5 vermehrt ; sie waren sehr gross,
die farbigen Blutkörperchen fast verdeckend, mit
mehrfachen, den rothen Blutkörperchen ähnlichen
Kernen, welche besonders durch Methylviolett dunkel
gefärbt wurden.
Mikrokokken in dem Blute eines angeblich leuk-
ämischen Kr. wurden von Mac Gillavry (Weekbl.
van het Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 1879. 1.)
in den Leukocyten beobachtet.
Ausser den gewöhnlichen rothen Blutkörperchen
waren noch andere äusserst kleine Zellen von glei-
cher Beschaffenheit (Mikrocyten) und äusserst zahl-
reiche farblose Zellen vorhanden, von sehr verschie-
dener Grösse, grössere Zellen mit grossem blasigen
Kern, äusserst kleine kernlose Körperchen (Trüm-
mer zerfallener Leukocyten) und endlich sehr grosse
Protoplasmakörper ohne Kern, mit zahlreichen Ueber-
gangsformen. In den grossem Leukocyten fanden
sich bei genauerer Untersuchung zahlreiche gleich-
20
m. Pathologie, Therapie u. medioinische KlmiL
grosse, gleich weit von einander abstehende Körn-
chen, welche den Eindruck von Mikrokokken mach-
ten. Nach Zusatz von Pikrocarmin wurden die
Umrisse dieser Körnchen deutlicher, die Leukocyten
platzten und hinterliessen eine homogene, schnell
sich roth färbende Masse ( — ein Zeichen des Todes
der Leukocyten — ), während die Kömchen selbst
gelbbraun wurden und die gewöhnlichen Brown* -
sehen Molekularbewegungen machten, ohne jedoch
die eigenthümliche Bakterienbewegung zu zeigen;
ein Körperchen hatte eine deutliche Achterform.
Znsatz von 5proc. Kalilauge löste die Kömchen
nicht auf.
Wenn auch die Bakterienbewegnng hier fehlte
(dieselbe ist bei den Bakterien nicht immer vorhan-
den), so spricht doch die gleichmässige Grösse und
Anordnung der Körnchen, ihre Reaktion gegen Kali-
lange und gegen Pikrocarmin, sowie die Zerstörang
der sie einschliessenden Leukocyten fttr die Mikro-
kokkennatur derselben. Ob die Mikrokokken bei
allen Leukämischen sich finden, bedarf weiterer
Untersuchungen ; mittlerweile schlägt Vf. vor, den
gemachten Befund als Leukomykosis zu bezeichnen.
Eine bisher noch nicht beobachtete Eigenthüm-
lichkeit des leukämischen Blutes wurde von 0. E.
Bonsfield (Lancet II. 1; July 5. 1879) gefun-
den, nämlich die Gegenwart unregelmässiger granu-
lirter Massen von beträchtlicher Grösse, welche
durch schwache amöboide Bewegungen ihre Proto-
plasmanatur und durch ihre meist cylindrische Form
ihren Ursprung ans den Capillaren veniethen. Bei
dem betr. 50jähr. Kr. war die Milz nicht sehr ge-
schwollen , die weissen Blutkörperchen aber waren
sehr stark vermehrt und es bestand hochgradige
Kachexie. In einem andern Falle , bei einer sonst
wohl genährten Frau, mit massig vermehrten weissen
Blutkörperchen und enormer Milzschwellung, fan-
den sich diese Körper nicht.
Dieser Befund erinnert an den von Dr. Klein
beobachteten Process in den Lymphdrüsen bei Miliar-
tuberkulose, wo sich durch wiederholte Vermehrang
einer Zelle ohne Theilung, oder durch Verschmelzung
mehrerer kleiner Zellen eine gi*osse vielkernige Pro-
toplasmamasse bildet. Der Umstand, dass diese Be-
schaffenheit des Blutes mit hochgradiger Kachexie
verbunden ist, spricht dafür, dass die Lebensthätig-
keit herabgesetzt ist , und deshalb der gewöhnliche
Process der Zelltheilung nicht vollendet wird.
Aehnliche VerändemDgen des Blntes fand Dr. An-
drew bei einem Knaben, wo die Leukämie tödtlich
verlief, undHaywood in einem Falle im Westminster
Hospital.
Chemische Untersuchungen über die Beschaffen-
heit des Urins und der Fäces bei Leukämie wur-
den von Dr.R. Fleischer und Dr. F. Penzoldt
(Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXVI. p. 368. 1880)
veröffentlicht.
Wegen der einzelnen Angaben auf das Original
verweisend, heben wir nur als Gesammtresultat her-
vor, dass in schwerem Fällen von Lenkämie und
bei Zunahme der Kachexie eine absolute oderrelatiYe
Erhöhung der Stickstoffexkretion vermuthlioh immer
stattfindet. Da nun diese vermehrte Sfackstoffaus-
Scheidung auch ti'otz verminderter Nahmngsdnfuhr
fortbesteht, so ist es wahrscheinlich, dass beider
Leukämie der Verlust an eiweisshaltigem Körper-
gewebe nicht allein auf die mangelhafte BesotptioD
und Assimilation des stickstoffhaltigen Nährmat^ials,
sondern anch auf einen andern Eiweisszerfali bewir-
kenden, aber bis jetzt noch nicht genauer zu be-
stimmenden Faktor bezogen werden mosB.
Ueber die chemischen Verhältnisse des Uvkämi'
sehen Blutes und der leukämisehen Milz madite
Prof. E. Ludwig (Wien. med. Presse XTIT 5.|
1881) in der Ges. der Aerzte in Wien eingeheodel
Mittheilungen.
Scherer hatte zuerst 1851 im leukämischei
Blute einen Körper nachgewiesen, dessen LösaDg:
das Vermögen zu gelatiniren besass und der voi
Gorup - Besanez 1874 als Pseadoglutin b^
zeichnet wurde. Femer wurden von verschiedeiMi
Autoren Hypoxanthin, Milchsäure, Ameisensäure un{
Essigsäure gefunden, Stoffe, welche ftlr die Keimt'
niss der Leukämie belanglos sind, da sich Hypo-
xanthin und Milchsäure nach S a 1 o m o n im Leic^en-
blute überhaupt finden und Ameisen- und Essigsäars
durch Zersetzung des Blutfarbstoffes entstehen, in
der leukämischen Milz fand E. Salkowski Xsn-
thinkörper, Pepton, Tyrosin und Hypoxantfaitt,
Scherer undSalomon auch Leim. Die (]Kar-
eoVschen Krystalle endlich im Blute und in ve^
schiedenen Organen und Sekreten Leukämischer
sind durch Dr. Philipp Schreiner 1878 als
phosphorsaure Verbindung einer organischen Base
von der Zusammensetzung CgHsN nachgewiesei
worden.
Die chemische Untersuchung, welche L. aiij
Blute und der Milz von 5 an lienaler Leukämie Ge-
storbenen vornahm, ergab zunächst in keinem Falle
einen leimartigen Körper im Blute , wohl aber stets
Eiweisspepton und zwar proportional der Vermeh-
rung der farblosen Blutzellen ; L. weist hierbei auf
das Vorkommen von Eiweisspepton im Eiter, resp.
in den Eiterköi*perchen (Hofmeister) Iüd. —
Aus leukämischer Milz erhielt dagegen L. dnidi
kurzes Kochen, Filtriren und Eindampfen rdchliehe
Leimgallerte, und da dieser Stoff auch bei nonnalaa
Milzen von Kindern unter 1 J. , aber nicht von Er-
wachsenen gefunden wird , so folgert L. , dass das
leimgebende Gewebe im Verlaufe der Zeit solche
Veränderungen erleidet, dass es beim Koohen init
Wasser keinen Leim mehr liefert.
Da chemische üntersuchvmgen leukämischer Or-
gane bis jetzt nur in Bezug auf die Milz angestellt
worden sind, erscheinen folgende Mittheüangen von
Prof. E. Salkowski in Berlin (Viichow's Arßh.
LXXXL 1. p. 166. 1880) und von A. Bocken-
dahl und H. A. Landwehr (Ibid. LXXXIV.3.
p. 561. J881) von besonderem Interesse. Dw D»'
in. Pa&ologie, Therapie a. medidnisehe Klinik.
r
:i temicboBgen wurden nach folgendem Schema vor-
:| geoommen :
Der wäflsrige Auszug der Leber oder Milz ein-
gedampft und mit Alkohol versetzt ergab Fällung :
Peptone (Leim?) und einen alkoholischen Auszug.
Letzterer hinterliess nach dem Verdunsten a) Ery-
stalle, die mit heissem Wasser behandelt als Rttck-
gtand Tyrogin und in der Lösung Leucin ergaben ;
b) eine Lösung , in welcher nach Ansänernng mit
SchwefelsAure bei Zusatz von Ammoniak und Arg.
nitr. Xantfdnverbindtmgen , ;iach Schütteln u. Aus-
ziehen mit Aether Bemsteinaäure nachgewiesen
wurde.
Im Ganzen waren in 2500 Grmm. Leber enthal-
ten : peptonartige Substanzen in erheblicher Menge
(ein bisher noch nicht genflgend beobachteter und in
seiner Bedeutung noch dunkler Befund); 1.718 Grmm.
Tyrosin (ein nur pathologisch in der Leber vorkom-
mender Körper) ; 0.864 Grmm. Leucin, 0.246 Grmm.
Hypoxanthin, 0.538 Grmm. andere Xanthinkörper
and kleine Mengen von Bemsteinsäure. S a 1 o m o n
bat die Gregenwart von Hypoxanthin als eine post-
mortale Bildung nachgewiesen; welche jedoch nicht
als eigentliche Fäulnisserscheinung, sondern als eine
Fortsetzung des vitalen Chemismus zu betrachten ist.
Gleichwohl hat das Hypoxanthin bei der Leukämie
eine speeifische, wenn auch nicht pathognomonische
Bedeutung, da es hier gerade in doppelt so grosser
Menge, als bei andern Krankheiten gefunden wird.
Aehnlich verhält es sich mit den übrigen Xanthin-
körpem. Der Befund von Bemsteinsäure in der
Leber ist bisher ein isolirter und hat schwerlich eine
pathognostische Bedeutung. Bemerkenswerth war
namentlich der Mangel an Harnsäure, welche sonst
als constanter Bestandtheil der Leber gilt.
Dieser Befund in der Leber stimmte, abgesehen
von der Bernsteinsäure, sehr nahe mit dem von
Salomon u. vielfach auch mit dem von Scherer
für die Milz festgestellten Resultate tiberein.
Ganz ähnlich war nach Salkowski auch der
Befund in der Milz. Der sehr reichliche Alkohol-
niederschlag enthielt als Hauptmasse Pepton, so'
wie Sparen des Bence Jones'schen Eiweisskörpers
(Kühne*s Hemialbuminose) ; dagegen war Glutin
oder ein leimartiger Körper nicht sicher nachweis-
bar; während dieses nach Schererund Salomon
in der Milz, und nach Scherer, Salkowski,
Gornp-Besanez und Salomon im Blute con-
statirt worden ist. . In der alkoholischen Lösung fand
man femer 0.426 Grmm. Tyrosin, 0.368 Grmm.
Hypoxanthin, 0.134 Grmm. anderweitige Xanthin-
körper ; Bemsteinsäure war zweifelhaft, Harnsäure
fehlte. Von der Identität der sogen. Charcofochen
Krystalle mit Tyrosin (Hub er) konnte sich Sal-
kowski nicht überzeugen, da namentlich die Kry-
stallform bdder Körper durchaus verschieden ist.
Nach Bockendahl und Landwehr ergab
die Untersuchung einer exstirpirten leukämischen
Milz (1 Stande nach der Operation) und der Leber,
des in die Bauchhöhle ergossenen Blutes, der Peri-
21
kardialflüssigkeit und des Knochenmarks (12 Stdn.
nach dem Tode, 18 Stdn. nach der Operation) fol-
gende Resultate :
Die 3250 Grmm. schwere Milz ergab kein Glykogen,
kein Tyrosin, kein Hypoxanthin und keine Harnsäure,
aber 1.036o/o Pepton, 0.012o/o Milcheänre, 0.002% Bem-
BteinsSure, 0.039o/o Xanthin. In der Leber fand sich das
ca. l^/xfache des Hilzleucin, etwa gleichviel Pepton, nur
O.OOeö/o Milchsäure, 0.0025% Bemsteinsanre, 0.044<>/o
Xanthin, kein Hypoxanthin und keine Hamsänre. In
dem ergossenen Blnte fanden sich ziemlich viel Peptone
(6.8^/o Alkoholfallung), femer Leucin u. Tyrosin, sowie un-
geßlhr 0.06% Milchsäure, O.OI80/0 Bernsteinsänre, 0.3%
Xanthin nnd 0.08<^/o Hypoxanthin (ca. Ve des Aether-
extrakts war verschfittet worden) ; Harnsäure fehlte.
Das Mark des Femur enthielt 0.655% Peptone ; die klare
Perikardialfiüssigkeit, die frei von morphologischen Ele-
menten war, zeigte dagegen keine Peptone.
Dieser letztere Umstand scheint bei dem gleich-
zeitigen Vorkommen des Pepton in den übrigen Kör-
pertheilen bei Leukämie und bei dem Befunde von
Pepton im Harn bei Rrankheitsprocessen mit eiter-
haltigen Exsudaten (nach Maixner und Hof-
meister) dafür zu sprechen, dass das Pepton ein
normaler Bestandtheil der Wanderzelle und dass
seine Menge den weissen Zellen im leukämischen
Blute proportional ist. Nach der Beobachtung von
Ad. Schmidt-Mühlheim, dass Blut, welches
nach dem Einspritzen von Pepton abgelassen war,
seine Gerinnbarkeit eingebüsst hatte ^), liegt die Ver-
muthung nahe, dass die schwer stillbaren Blutungen
bei Leukämie nicht blos auf Gh'kulationsstörun-
gen, sondern auch auf einer durch die Peptone be-
dingten Schwergerinnbarkeit des Blutes beruhen.
Hypoxanthin scheint nach dem negativen Befunde
in der Milz erst postmortal zu entstehen, aber auch,
wie das Fehlen in der Leber zu beweisen scheint,
durch Fäulniss rasch wieder zerstört zu werden.
Punktionen der Milz, welche in einem Falle von
lienaler Leukämie auf der Klinik zu Strassburg
unter Prof. Kussmaul in der Absicht vorgenom-
men wurden , durch Erzielung einer grossem Zahl
von Hämorrhagien in das Gewebe der Milz hinein
eine wenigstens theilweise Verödung und Verkleine-
rung der Milz herbeizuführen , hatten nach der An-
gabe von Jul. Jäger ^) allerdings nicht den ge-
wünschten Erfolg. Doch ist dieser Fall noch von
besonderm Interesse durch die merkwürdige Be-
obachtung, dass die traumat. Läsionen der Milz con-
stant eine vorübergehende Polyurie herbeiführten, und
dadurch , dass die Injektion einer verhältnissmässig
schwachen , entschieden nicht toxischen Lösung von
Sclerotinsäure raschen Tod zur Folge hatte.
Ein 88jähr. Mann, der seit 4Vs Jahren öfters an
Stechen in der Unken Seite und seit IJ. an zunehmender
harter Milzgeschwulst gelitten hatte , zeigte bei der Auf-
nahme alle Erscheinungen einer entwickelten lienalen
Leukämie mit hämorrhagischer Diathese. Die Zählung
des Blutes ergab 470000 weisse auf 3590000 rotfae Blut-
körperchen (« l ; 7 — 8).
») Vgl. unten p. 81. 86. Wr.
>) lieber Punktionen der Milz zu therapeutischen
Zwecken, insbes. bei lienaler Leukämie. Inaug.-Diss.
Strassburg 1880. B. Schultz n. Comp. 8. 66 S.
22
m. Pathologie^ Theri^ie u. medioiiiische Klinik.
Da Punktionen der Milz schon seit langer Zeit in
Indien üblich und auch neuerdings mit oder ohne Absicht
(von P^ de Laborde, Schmucker, Kussmaul,
L e y d e n) ohne naohtheiligen Erfolg vorgenommen worden
sind, so wurden dieselben auch hier, nachdem 4 Wochen
lang ohne Erfolg Carbolsaure in die Bauchhaut injicirt
worden war, in der Zeit von 9Mon. 14mal vorgenommen,
und zwar in den 4 ersten Mon. mit einer einfachen Hohl-
nadel, später mit einer stählernen soliden Nadel in Ver-
bindung mit Elektropunktur. Der unmittelbare Erfolg
der Operation war in der Regel ein geringer Schmerz,
Schwellung und Härte der Milz , peritonitisches Reiben,
später anscheinende Milzverkleinerung. Die an der Hohl*
nadel hängen gebliebene blutige Substanz bestand aus
rothen Blutkörperchen von allen Grössen, darunter ganz
kleinen ohne deutlichen Kern, Leukocyten, sehr grossen
weissen Plasmakugeln , die meist rothe Blutkörperchen,
zum Theil auch einzelne Fetttröpfchen einschlössen, und
unförmigen, feinkörnigen Protoplasmamassen, die 10 bis
20mal so gross waren wie die weissen Blutkörperchen ;
einmal zeigten sich auch viele feinkernige weisse Pulpa-
Zellen und Charcot'sche Krystalle, die während der
mikroskopischen Untersuchung noch an Zahl zunahmen.
Nach mehrmonatlieher Behandlung war (wohl nur in
Folge der guten Pflege) das Befinden wesentlich ge-
bessert, das Körpergewicht um 6 Pfd. gestiegen, die
Zahl der Blutkörperchen in 1 Cctmtr. 270000 weisse und
4340000 rothe (»1:16); doch waren die Milzverhält-
nisse im Ganzen unverändert u. auch das übrige Befinden
verschlimmerte sich bald wieder. Die Elektropunktur
mit einer nicht durchbohrten stählernen Nadel blieb
gleichfalls ohne wesentlichen Heilerfolg. Bemerkens-
werth ist nur, dass jedesmal den Tag nach der Punktion
Polyurie mit entsprechender Verminderung des spec.
Gew. des Urins eintrat, obwohl genau dieselbe Diät ein-
gehalten worden war. Das Mittel der täglich verzeich-
neten Urinmenge während der Zeit der einfachen Milz-
pnnktionen (mit Ausnahme der Tage nach der Punktion)
betrug 2620 Cctmtr., während der Zeit der Elektropunk-
tnren (im Winter) 2100 Cctmtr. ; am Tage nach der
Punktion stieg sie dagegen regelmässig auf 2400 — 6000
(im Mittel 4300) Cctmtr. , und zwar trat der Harndrang
ungefähr 1 Std. nach der Operation auf und dauerte bis
zum nächsten Morgen. Häufig ging dabei der Urin auch
unwillkürlich ab und manchmal war das Bett vollständig
durehnässt , was für eine grössere Urinmenge an jenen
Tagen sprechen würde.
Nachdem die Punktionen sich im Ganzen erfolglos
erwiesen hatten , wurde nach Ijähr. Beobachtungsdauer
eine Injektion von 0.1 Grmm. Sclerotinsäure in die MHz
voigenonnnen. Berechtigt war diese Operation durch
den Vorgang von M o s 1 e r , welcher 2o/o Carfoolsäurelösung
ohne Schaden, u. von Hammond, welcher 3.75 Grmm.
Eztr. secal. comuti fluidi mit definitiver Verkleinerung
des Organs eingespritzt hatte. Doch schon nach 10 Min.
erfolgte ein heftiger Schüttelfrost , und ein 40 Min. an-
haltender tetanischer Anfall mit Schmerzen und Starre in
den Beinen und der Bauchmuskulatur stellte sich ein;
darauf hochgradige Cyanose, hohes Fieber (40.1^ C),
Bewnsstlosigkeit und Tod. Die Sektion ergab lienale
Leukämie mit Betheiligung des Knochenmarks, ohne
Drüsenaffektion , keine Spur einer durch die Punktion
hervorgerufenen Hämorrhagie im Milzparenchym und nur
geringe Verdickung der Milzkapsel ; keine Adhäsionen ;
keine nachweisbare Ursache des plötzlichen Todes.
Man darf hiernach nicht erwarten, durch Punk-
tionen der Milz eine narbige Verödung des Gewebes
herbeizuführen. Den Tod erklärt J. als eine Folge
der Flflssigkeitseinspritzang in die Milz an sich , da
schon nach Einspritzungen von geringen Mengen
von dünner Kochsalzlösung oder Brunnenwasser in
die Venen nach Albert und Stricker Schüttel-
fröste und hohes Fieber beobachtet worden smd.
Der günstige Ausgang der Injektionen bei Mosler
nnd Hammond ist vielleicht nur einer festem Be-
schaffenheit der Milz, welche die Flüssigkeit hinderte,
sofort in das Gefässsystem einzudringen, zu danken.
Die Transfusion von Blut wurde in einem
Falle von subakuter oder galoppirender Leuk-
ämie von Prof. Qubler im Höp. Beanjon (Jonm.
de Th^r. VI. 5 ; Mars 1879) mit günstigem Erfolge
vorgenommen.
Der 24Jähr. Kr., früher immer gesund, klagte seit
2 Mon. über unbestimmtes Krankheitsgefühl, hochgradige
Schwäche und unablässiges Ohrensausen. Bei der Auf-
nahme am 21. Jan. erschien er ausserordentlich bhus
und blutarm, zeigte deutUche Schwellung der Leber,
Milz u. Lymphdrüsen ; die mikroskopische Untersuchung
des Blutes ergab enorme Vermehrung der weissen Blut-
körperchen, in dem Verhältniss von 1 : 6. Tonische Be-
handlang, Eisen, Arsen, Hydrotherapie hielten den
Krankheitsverlauf nicht auf ; am 28. Jan. trat beträcht-
liche Blutung aus der Nase auf, die sich später wied6^
holte ; Oedeme, Gesichtsstörung mit Nebelsehen und sub-
conjunctivaler Blutung stellten sich ein. Mitte Febr. zeig-
ten sich im Blute stellenweise eben so viel weisse wie
rothe Blutkörperchen; die kymographische Curve stieg
nur sehr langsam an, ein Zeichen der Schwäche und
energielosen Herzcontraktion. Die Transfusion warde
unter Zustimmung des Prof. L6onLeFortam22. Febr.
vorgenommen.
Aus der V. cephalica des kräftigen und gesunden
Bruders des Kr. wurden 100 Grmm. Blut entnommen
und dem Kr. mit dem Collin'schen Transfusionsapparat
eingespritzt. Sofort stellte sich ein steigendes Wärme-
gefnhl im Arm und in der Schulter und kurz darauf ein
trockner häufiger Husten ohne Auswurf ein ; der Pols
war 5 Min. nach der Operation noch ebenso freqnent wie
vorher (104), aber kräftiger, die sphygmograpbisehe
Curve steil ansteigend ; die Temperatur stieg von 38*
auf as.i^* C, fiel aber bis zum Abend wieder bis auf SSof;
der Kr. fühlte sich viel kräftiger, der Appetit hatte sieh,
zum I.Mal seit 2 Wochen, wiedereingestellt; derTorpor,
das Kopfweh u. lästige Ohrensausen waren gesehwunden,
der Puls nur noch 94.
Diese Besserung war nur vorübergehend , und einer
Wiederholung der Transfusion entzog sich der Kr. dnreli
Verlassen des Hospitals.
Durch die hämorrhagische Diathese werden
nach Mosler (Ztschr. f. klin. Med. I. 2. p. 265.
1879) operative Eingriffe bei Leukämie und Uir
verwandten Processen contraindicirt, nnd selbst in
Fällen y wo bisher noch keine Blutungen stattgeiiiD'
den haben , ist bei Operationen die grösste Voraicfat
angezeigt, wie folgender Fall beweist.
Ein 40Jähr. Mann, der 1865 Typhus ezaathematicaB,
1868 Intermittens anonoala überstanden, bekam 1869
heftige Coryza und Supraorbitalnenralgie , welche 1872
recidivirte. Seitdem war er dauernd krank ; 1877 worde
lienale Leukämie diagnosticirt. Durch Eisen und Chinin
wurde Besserung erzielt, doch blieben die weissen Blnt-
korperohen immer vermehrt (451200:2106600 « 1:5).
Der seit Kurzem bestehende Stemalsehmerz verlor sich
nach dem Gebrauche von Moorbädern. Der Kr. woUte
sich die Milz exstirpiren lassen , doch widerriethen M.
und P^ an in Paris diese Operation wegen der latent vor-
handenen hämorrhagischen Diathese. Wie sehr dieie
Besorgniss begründet war, ergab sich daraus, dass wenige
Monate später in Folge der Oefihung eines perianalen
Abscesses enorme Blutungen sich einstellten, welche erst
nach länger fortgesetzter Digitaloompreasion mit Kisen-
chloridtampou gestillt' werden konnteii. Es blieb enorme
III. Pathologie, Therapie n. medicinische EXiiik.
23
Schwiehe, namentlich aber hochgradifre DyBpnde znrüek,
der Sternalsehmerz kehrte wieder and im Jannar 1878
erfolgte der Tod in Folge einer retroperitonäalen Blatang,
deren Qnelle jedoch bei der Sektion nicht nachgewiesen
werden konnte. ImUebrigen ergab sich der belLenkämie
i;ew5bnliche Sektionsbefnnd ; die Knoehensobstanz des
Bnutbeins nnd der Rippen hatte normale Festigkeit, war
aber etwas bleicher als normal, war also, wie M. ver-
mntbet, wieder durch die Behandlung normal geworden.
Die hämorrhagische Diathese wurde von Mos 1er
10 mehr als der Hälfte aller Fälle, 13mal in 25 Fäl-
len, beobachtet, und zwar kamen Nasenbluten 5mal,
Magen- u. Darmblutungen 5mal, Bronchialblutungen
3mal, Blutungen aus der Mundschleimhaut 2 mal, in
den Tonsillen und der Retroperitonäalgegend je
Imal vor, in Folge von operativen Eingriffen 3mal.
In 2 Fällen erfolgte unmittelbar darauf der Tod ; in
allen Fällen blieb enorme Schwächung und Ver-
schlimmerung aller Erscheinungen zurück. Aehn-
liche Resultate ergiebt die Zusammenstellung von
Gowers. unter 150 Fällen fanden in 80 Blu-
tungen statt, besonders aus der Nase, dann in Darm
and Magen, aus Ulcerationen des Zahnfleisches, aus
dem Uterus, ferner Hautextravasate. Sämmtliche
Milzexstirpationen verliefen deswegen auch tödtlich.
Es ist daher die Splenotomie sowohl in frühem wie
in spätem Stadien der Leukämie contraindicirt ;
überhaupt sind operative Eingriffe auf das geringste
Maass zu beschränken. Ebenso wie bei der Leuk-
ämie besteht die hämorrhagische Diathese aber auch
in einer grossen Anzahl von Fällen mit einer Milz-
hypertrophie, bei Pseudoleukaemia lienalis, be-
sonders auch bei chronischem Intermittenstumor.
Die Ursache dieser Blutungen sucht M. in einer Ver-
annong des Blutes an rothen Blutkörperchen und da-
durch bedingter mangelhafter Ernährung, Schwäche
nnd Brttchigkeit der Oe&sse, da nach glücklich ver-
laufener Transfusion die hämorrhagische Diathese
?ench windet. Die Annahme, dass die Blutungen
auf einer Verstopfung der Capillaren durch weisse
Blutkörperchen beruhen, und die Behauptung von
Kretschy, dass die Hämorrhagien in einzelnen
Flllen gleichzeitig mit einer massenhaften Auswan*
dernng farbloser Blutkörperchen aus der Milz und
andern lymphatischen Organen auftreten, scheint
weniger begründet zu sein , da eine Zählung [der
wdssen Blutkörperchen vor und nach der Hämor-
rhagie keine daftlr sprechenden Resultate ergab nnd
da die therapeutische Anwendung von die Milz con-
trahirenden Mitteb bei Leukämie durchaus keine
Blutungen zur Folge hat.
Dr. J. Admiraal (Weekbl. van het Nederl.
Tijdschr. voor Oeneesk. 39. p. 597. 1880) beob-
achtete folgenden Fall von zweifelliafier Leukämie
(oder Pseiidoleukämie).
Ein 27Jähr. Mann, früher immer gesnnd, erkrankte
Ende 1878 mit Kolikschmerzen , welche 14 Tage lang
heftig anhielten n. später nie ganz wieder verschwanden ;
AnCauDg 1879 bekam er Epistazis. Bei der Aufnahme am
12. Jnli 1879 erschien die Haut schwach ikterisch ge-
erbt; die Herzdämpfnng beträchtlich nach oben verscho-
^; die Milz- nnd Leberdämpfung stark vergrössert.
Wegen der KbUkscfamerzen, des Ikterus und zeitweiligen
Durchfalls wnrde nach Ansschlnss von Echinocoecns n. s. w.
Gallensteinkolik vermuthet; gegen die Annahme einer
Lenkämie, an welche man bei der starken Milz- nnd
Leberschwellnng nnd der Epistazis denken musste, sprach
die Abwesenheit Jeder Blntveränderung, sowie von Drü-
senschwellnngen n. Knochenschmerzen. In der Folgezeit
zeigte der Kr. sehr schwankende Temperatur (zwischen
H6.2 nnd 39.4<> C), Oedeme der Beine, wiederholtes
Nasenbluten nnd erschöpfende Blutverluste nach Blutegel-
stichen, Parotitis, zuletzt enorme Abmagerung nnd be-
nommenes Sensorium. Der Tod erfolgte nach etwa
IJähr. Krankheitsdauer, ohne dass die Erscheinungen die
Diagnose aufgeklärt hätten. — Die Sektion ergab die
Leber enorm gross, hart, stumpfrandig, dunkelblauroth,
glatt, ohne Gallensteine ; das Farenchym mit schwachen
Granulationen ; die Gefässe von einem weissen Saum um-
geben, im weitern Umkreise von dunkelrothen, stellen-
weise violetten, langgestreckten Flecken eingefasst ; das
Pankreas härter als normal und vergrössert, mit dem
Duodenum nnd der Milz durch kurze feste Stränge ver-
bunden. Milz 19 Ctmtr. lang, 10 breit, 4.6 dick, fest,
dunkelroth, homogen.
Die mikroskopische Untersuchung der 3 Wochen in
Alkohol gehärteten Leber ergab eine diffuse Verände-
rung des Leberparenchym. Das Parenchym schien aus-
einandergedrängt, die interacinösen Räume sehr verschie-
den weit; die Vena centralis ohne zwischengelegenes
Bindegewebe unmittelbar durch Leberzellen begrenzt.
Die Lymphspalten anscheinend durch einen von innen
aus wirkenden Druck auseinander gedrängt , das Leber-
parenchym comprimirt, mit zahllosen punktförmigen Kor-
perchen durchsetzt ; die Leberzellen im Innern der Acini
kleiner, in der Peripherie grösser, granulirt, mit rundem
Kern. Sämmtliche interacinösen Gefässe mit kernhalti-
gen Rundzellen erfüllt, nur die grössten derselben mit
polygonalen Zellen; die in den interlobnlaren Räumen
verlaufenden Gefässe von einander isolirt, vielfach spur-
los zwischen den Zellen der Acini verschwindend oder
kolbige Enden an der Peripherie der Adni zeigend. Gal-
lengefässe nur am Beginn der V. portae in Spuren vor-
handen; das ganze Lebergewebe schien nur aus Blut-
gefässen, LeberzeUen und wucherndem Bindegewebe zu
bestehen und war dicht mit lymphoiden kernhaltigen
Zellen durchsetzt, als ob eine enorme Auswanderung der
weissen Blutkörperchen , eiqe Ergiessnng derselben aus
den Enden der Pfortaderverzweignngen in die Lymph-
spalten und Acini mit Compression des Lebergewebes und
der Gallenwege stattgefunden habe.
Während die* Leukämie in der Leber stets in
Form von Tamoren auftritt, so war hier die Loka-
lisation eine diffdse und somit von der leukämischen
durchaus verscbieden und da auch der klinische
Verlauf ein anderer war, so hält A. die Diagnose
Pseudoleukämie mit Lokalisation in der Leber für
gerechtfertigt.
Einen Fall von Pseudoleukämie, in welchem
der Prosektor des Nikolai - Militärhospitals Dr.
W. Afanassjew einen typhösen Process mit in-
tensiver Entzündung der Hals-, Achsel-, Leisten-
und Retroperitonäaldrflsen angenommen hatte, theilt
Dr. LeoBerthenson mit (Petersb. med. Wochen-
schr. IV. 12. 1879).
Der Kr. hatte seit 2 Wochen über Kopfschmerz
mit trockenem Husten geklagt und seit mehreren Wo-
chen an heftigem Durchfall gelitten. Bei der Aufnahme
waren die Hals- und Achseldrüsen bis zu faustgrossen
Paqueten angeschwollei^ schmerzlos, der Unterleib em-
pfindlich, Milz nnd Leber massig geschwollen ; der Puls
schwach und klein ; in den Lungen Zeichen der Hypo-
stase. Die rothen Blutkörperchen waren vermindert, die
weissen aber relativ nicht vermehrt. Es wnrde Pseudo-
24
III. Pathologie, Therapie u. mediciniBche SLlinik.
leakämie mit Darmgeschwfiren , event. Taberknlose dia-
gnosticirt. Im Hospital worden nur 6 Tage lang geringe
Fiebererscheinungen mit einer Temperatur von höchstens
38.30 0. beobachtet; dagegen schwoll die Milz rasch an.
Die Darmentleeningen wurden, trotz aller Behandlung,
immer häufiger, schlüsslich unwillkürlich, blnthaltig und
führten schnelle Entkräftung des Kr. mit todtlichem Aus-
gange am 17. Tage nach der Aufnahme herbei.
Für die Annahme eines Typhus sprach nach
A f. zunächst die heträchtliche Milzschweliung , da-
gegen war die Milz nicht wie bei Typhus weich,
zerfllesslich , sondern wie bei der Leukämie und
Pseudoleukämie ziemlich derb und von rother Fär-
bung ; femer sprach dafür die Schwellung der folli-
kulären Gebilde im Darmtraktus, doch kommen mar-
kige Schwellungen auf der Schleimhaut auch bei der
Leukämie (leukämische Lymphome) vor und spricht
namentlich das Vorhandensein von Geschwüren im
Dickdarm bei Fehlen von Geschwüren und Narben
im Dünndarm gegen die Annahme eines Typhus.
Der Befund von grauen und rothen, hühnerei- bis
faustgrossen Knoten in den untern Lappen beider
Lungen spricht nach Af. für die Diagnose eines
Typhus; doch kann Lungenentzündung auch als
Complikation der Leukämie (und Pseudoleukämie)
auftreten, und, da eine mikroskopische Untersuchung
der Knoten nicht vorgenommen wurde, ist die Mög-
lichkeit, dass Lymphome vorlagen, nicht ausgeschlos-
sen. Der hier beobachtete Zerfall der Lymphdrüsen
in käsige und eitrige Massen wird auch bei der
Leukämie und Pseudoleukämie, wenngleich selten,
beobachtet und kann namentlich der käsige Zerfall
als chronischer Process unmöglich als pathologisches
Symptom des Typhus gelten. Ebenso kommen
Extravasate auf der serösen Decke des Darmrohres
auch bei Leukämie vor. Der Gang des Fiebers
sprach durchaus gegen Typhus , entsprach dagegen
der Leukämie, ebenso das längere Bestehen der
Lymphdrüsenschwellungen vor dem Beginne der
Durchfälle. [Diese — zum Theil polemisch gehal-
tenen — Mittheilungen des Dr. Berthenson be-
weisen , dass die Pseudoleukämie ähnliche Sektions-
befunde ergeben kann wie der Typhus und dass,
um Irrthümer zu vermeiden, der Sektionsbefund und
die klinische Diagnose neben einander gestellt und
verglichen werden müssen.]
Mit dem Namen Chloro- Pseudoleukämie ^) be-
zeichnet Dr. Luigi Maria Petrone in Neapel
*) Die Bezeichnung Chloro-Psendolenkämie recht-
fertigt P. damit, dass durch den Ansdrack ,,Chloro" das
Wesen der Krankheit, die Chlorose, dnrch den Ansdruck
„Pseadoleakämie" die Vermehrnng der weissen Blut-
körperchen, aber ohne die sonstig^en schweren Erschei-
nungen der Leukämie, angedeutet sei. Da man jedoch
unter Pseudoleukämie nach Wunderlich allgemein ein
unter dem Krankheitsbilde der Leukämie verlaufendes
schweres Leiden, besonders der Drüsen, aber ohne Ver-
mehrung der weissen Blutkörperchen, versteht nnd der
Ansdruck „Leukämie'* etymologisch zunächst nichts als
eine abnorme Vermehrung der ^^eissen Blutkörperchen
bezeichnet, so dürfte der Ansdruck Chloro-Pseudolenk-
amie wohl nicht gans passend und„Chloroleakämie<' rich-
tiger sein, H. M.
(Virchow's Arch. LXXVIII. 2. p. 370. 1879) eine
wichtige und seltene Form der Chlorose, bei welcher
die weissen Blutkörperchen bis zu dem Verhältnisse
von 1 : 2 rothen vermehrt sein können und welche
schon von Lloyd Roberts (Brit. med. Jonrn.
1869) bei einem 26jähr. Mädchen beobachtet, aber
als ,,Leukämie^' beschrieben worden ist. Das Ge-
sammtbild einer Chlorose, die Abwesenheit einer
jeden schweren Lokalstörung , die völlige Hebung
durch Eisen gestatten nicht die Annahme einer wirk-
lichen Leukämie, welche stets als schwere Dyskrasie
aufzufassen ist und nur eine geringe Wahrschein-
lichkeit der Heilung bietet.
P.*s Kr., ein 17j&hr. Mädchen, hatte vor 3 Hon. ia
Folge eines starken Verdrusses plötzUch ihre Periode
verloren und fühlte seitdem zunehmende Schwäche, hatte
blitzartige Lichtempfindungen, Schwindel, Hallucinationeii
und anhaltend nächtliche Träume. Sie wurde mürrisch,
reizbar, gedächtnissschwach und bekam bei jeder Arbeit
schnell Athembeklemmungen und beschleunigte Herz-
thätigkeit. Bei der Aufnahme erschien Pat. sehr blass,
anämisch, dfirftig genährt, zeigte Nonnensausen, arrhyth-
mischen verstärkten Herzstoss, Auftreibung des Unter-
leibes mitUeocSkalknurren. Die Untersuchung des Blutes
ergab 1 weisses auf 25 rothe Blutkörperchen. Unter
fortgesetzter Behandlung mit Alkalien nnd £isen, kräf-
tigender Kost nnd Landluft besserten sich zunächst die
Verdauungsstörungen, die Kräfte nahmen allmälig za,
nach 7 Wochen nahmen auch die GehimerscheinungeB
und das Herzklopfen ab, der Puls wurde kräftiger nnd
voller und nach 16 Wochen konnte das Mädchen genesen
entlassen werden. Das Verhältniss der weissen zo den
rothen Blutkörperchen war nach 2 Wochen wie 1 : 4%,
nach 4 W. wie 1 1 81 , nach 7 W. wie 1 : 161 und naeh
13 W. wie 1 : 263.
Als ursächliches Moment dieser Form von Chlo-
rose nimmt P. eine besondere Reizung der lymph-
bildenden Organe an ^ vielleicht unter dem Einflass
der trophischen Nerven und Centren.
Eine ungewöhnlich hohe Pulsfrequenz bei Pseudo-
leukämie beobachtete Dr. Teschemacher in
Neuenahr (Deutsche med. Wchnschr. IL 51. 52.
23. u. 30. Dec. 1876).
Der Kr., ca. 60 J. alt, Mher immer gesund, litt
seit einem Jahre an Mfidigkeit, Abnahme der K5rpe^
kräfte und Athembeschwerden und bemerkte gleichzeitig
stetig zunehmende, knotige Schwellungen am Halse, in
den Achsel- und Inguinalgegenden ; in der letzten Zeit
traten Herzklopfen, Diarrhöen, Schlaflosigkeit hinzu.
Bei der Aufnahme zeigte er ausser den erwähnten über
mannsfaustgrossen Drfisenpacketen zerstreute Lymph-
dräsen am ganzen Körper, besonders in den Intercostsl-
räumen und zu beiden Seiten der Wirbelsäule bis zam
Os sacrum. Der Kr. war abgemagert, kachektiseh, blass,
im Gesicht cyanotisch ; beiderseits massiger Exophthal-
mus ; die Haut am Halse und an den obern Theilen der
Brust leicht ödematös geschwollen, die Jugular- o. ober-
flächlichen Venen fiber den Tumoren aufgetrieben , die
Respiration erheblich beschleunigt, zeitweise dnich
trocknen Husten unterbrochen, welcher häufig Anfälle
höchster Athemnoth einleitete; Puls klein, weich, 164 bis
168 in der Minute. Die Perkussion der Lungen ergab
nichts Abnormes ; auf demStemum dagegen nnd dasselbe
beiderseits 2 Finger breit fiberragend ein in die Here-
dämpf ung übergehender gedämpfter Schall ; beträchtlicher
Ascites; Leber und Milz anscheinend nicht yeigrSssert;
massiges Oedem derFusse, geringe Albuminurie; keine
Vermehrung der weissen Blutkörperchen. Der Tod er-
folgte nach 14 Tagen ; die Sektion wurde nioht gestattet
■
f
if
ni. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
25
Ans der sehr ansfllhrlichen Epikrise heben wir
$k besonders bemerkenswerth die Besprechung der
Komthmigkeit und der enorm hohen Pulsfrequenz
hervor. Erstere erklärt T. mit T r a u b e als Folge
der mechanischen Behinderung des Athmens durch
dieDrflsentnmoren und andere Momente, welche eine
Stanong des Blntes und Ansammlung von CO3 in
demselben und dadurch eine Reizung der Vagusfasern
und der Respirationscentra in der Mednlla oblong,
bewirken. Eine Pulsbeschleunigung von 90 — 120
SehUgen in der Minute ist hiermit in der Regel ver-
banden. Hier aber, wo die Pulsfrequenz beträcht-
lich grösser war (164), musste ausserdem eine direkte
Nervenaffektion, Reizung des Sympathicus oder ein-
seitige Lahmung des Vagus angenommen werden.
T. ist zu der letztem Annahme geneigt , da eine ex-
perimentelle Reizung des Sympathicus bei Thieren
dareh Elektricität nur eine Pulsbeschleunigung von
21 — 30% hervorruft, da in einigen entsprechenden
FUlen von Riegel und Hajem der Vagus in
Drflsentnmoren eingebettet und entartet gefunden
wurde und da endlich in dem vorliegenden Falle die
bestehende Heiserkeit des Er. auf eine Affektion des
Run. recurrens vagi hindeutete.
472. Zur Therapie der Hautkrankheiten«
I. Goapulver, Chrysarobin, ChrysO'
phansäure.
Nachdem durch die Mittheilnngen von D a S i 1 v a
Lima (Med. Times and Qaz. March 6. 1876. -—
Jahrbb. CLXX. p. 9) das Goa- oder Araroba-Pulver
als ein in den Tropen sehr häufig und mit vorzttg-
liehem Erfolge bei Herpes tonsurans angewandtes
Mittel bekannt geworden war , wurde dasselbe sehr
bald von den Dermatologen der verschiedensten
Under in Bezug auf seine Wirksamkeit bei den ver-
Mhiedensten Hauterkrankungen geprüft ; und wenn-
gteich der Enthusiasmus y mit welchem dieses Mittel
infangs begrflsst wurde , sehr bald einen starken
Rflckschlag nach der entgegengesetzten Richtung
zur Folge hatte , so haben sich doch heute die An-
sichten wesentlich geklärt und nach den in der Lite-
ratur niedergelegten Erfahrungen ist es nicht mehr
zweifelhaft y dass es bei gewissen Krankheiten,
namentlich bei Herpes tonsurans und Psoriasis , als
ein ausserordentlich wirksames liGttel betrachtet
werden muss.
Die pharmakologische Seite dieses Stoffes hat
durch die Arbeiten von Attfield und Lieber-
mann (Jahrbb. CLXX. p. 9) eine erschöpfende
Darstellung erüahren, n. daher kann dieselbe an die-
Ber Stelle nm so weniger Gegenstand der Erörterung
sein, als wir es hier nur mit seiner therapeutischen
Wirkung, speciell mit seiner Wirkung bei Haut-
krankheiten zu thun haben , wobei wir nur kurz die
n. A. von Thompson (Brit. med. Jonm. May 19.
1877) studirte drastische und emetische Wirkung
des Mittels erwähnen wollen.
Ued. Jabrbb. Bd. 102. Hft. 1.
Bald nachdem die Mittheilnngen Da Silva
L i m a *s ttber das Goapulver bekannt wurden , was
in Deutschland namentlich durch Ullersperger
(Berl. klin. Wchnschr. XIII. 3. p. 40. 1876. vgl.
Jahrbb. a. a. 0.) geschah, wurde fast ausschliesslich
der aus demselben dargestellte wirksame Stoff, das
Chfysarobin , welches man anfangs mit der Chryso-
phansäure für identisch hielt ^), therapeutisch ver-
wandt , und zwar wurde seine Wirkung zuerst von
Balmanno Squire (Brit. med. Journ. Febr. 10.
1877 und Essays on the treatment of skin diseases
Nr. IV. Nov. 3. 1877) bei Psoriasis ausftthrlich
studirt.
Therapeutische Vergleiche zwischen dem Goa-
pulver und dem Chiysarobin liegen in der Literatur
nicht vor. Gleichwohl lässt sich aus den vorhan-
denen Mittheilungen schliessen , dass beide in glei-
cher Weise wirken und Gründe fttr die allgemeine
Bevorzugung des letztern nicht vorhanden sind.
Das Goapulver wird in den Tropen als Volks-
mittel in Form einer mit Essig angerührten Paste
gebraucht. Da Silva Lima wandte es in der
Weise an , dass er es auf die zuvor mit Essig be-
feuchteten erkrankten Hautpartien aufstreuen lieds,
oder er bediente sich einer Salbe aus Goapulver und
Fett (gewöhnlich in dem Verhältniss von 1—2 : 24)
mit Zusatz von einigen Tropfen Essig. Das Chrysa-
robin kam gewöhnlich im Verhältniss von 1 : 10 Fett
oder Gel als Einreibung zur Anwendung , und zwar
a) bei Dermatomykosen.
Radcliffe Orocker (Lancet I. 4; Jan. 27.
1877. p. 124) behandelte 9 Fälle von Herpes ton-
siirans des Stammes und der Extremitäten mit Goa-
pulver : alle wurden im Laufe von 8 — 10 Tagen,
einige selbst nach einer einmaligen Applikation ge-
heilt. In mehreren Fällen bestand die Erkrankung
mehrere Monate und war zuvor schon mit andern
Mitteln behandelt worden. Dagegen war der Erfolg
in 20 Fällen von Herpes tonsurans des Kopfes keines-
wegs befriedigend. Alle diese Fälle bestanden schon
längere Zeit und waren vorher behandelt worden ;
bei 2 trat eine Heilung in 6 Wochen , resp. 2 Mon.
ein, 7 wurden insofern gebessert, als einzelne Stellen
heilten, während bei den übrigen 11 selbst nach 3
Monaten kaum ein Erfolg zu verzeichnen war.
Während die 'Einreibungen an unbehaarten Stel-
len eine weit über die Grenzen des Applikations-
ortes hinausgehende entzündliche Röthe der Haut
mit darauf folgender Desquamation hervorrief, war
dieselbe an der behaarten Kopfhaut noch viel erheb-
licher. Zum Theil rührte die rothe Färbung von
dem Goapulver selber her und war auf die Einwir-
kung des Alkali der zum Waschen gebrauchten
Seife zurückzuführen.
Der geringe Erfolg des Mittels bei Affektion der
behaarten Kopfhaut spricht nach Vf. nicht gegen
>) Vgl. in Berag hierauf Jahrbb. GLXXXV. p. 285.
4
26
III. Pathologie, Therapie a. medieinische Klinik.
die pilztödtende Wirkung des Mittels, sondern ist
allein darauf zurückzuführen , dass die Pilze in der
Tiefe der Follikel nicht zu erreichen waren.
Walther G.Smith (Dubl.Joum.LXVn.[3.8.
Nr. 87.] p.l93.Marchl879) behandelte 3 Fälle von
Pityriasis v^nco/ormit Chrysarobinsalbe. Im 1. Falle
wai-en die üblichen Mittel (Sublimat, Schmierseife etc.)
ohne daueraden Erfolg angewandt worden; nach
einer einmaligen Einreibung am Rücken und einer
dreimaligen an der Bimst trat Heilung ein y nachdem
zwei erbsengrosse Flecke, die 5 Wochen später auf-
getreten wai*en y in derselben Weise behandelt wor-
den waren. Im 2. Falle verordnete er eine Salbe
von Chiysarobin. 1.75, Chloroform. 4.0, Ungt.simpl.
30.0, die in 3 Wochen vollkommene Heilung herbei-
ftibrte. Im 3. Falle, in welchem es sich um aus-
gedehnte an beiden Eörperhälften symmetrisch an-
geordnete Flecke an Brust, Bauch, Rücken und an
den Armen handelte, wurde die eine Seite mit Chrysa-
robinsalbe (4:30 Fett), die andere dagegen des
Vergleichs halber mit dem dem Chrysarobin chemisch
nahe stehenden AUzarin (gleichfalls 4 : 30) behan-
delt. Die Einreibungen wurden Morgens und Abends
gemacht und schon nach 12 Tagen waren die Flecke
an der mit Alizarin behandelten Seite weit mehr
zurückgegangen als an der mit Chrysarobin behan-
delten. Einige Wochen später war vollkommene
Heilung eingetreten, schneller jedoch nach dem Ali-
zarin als dem Chrysarobin. Auch jenes färbte wie
letzteres die Wäsche, die Flecke Hessen sich jedoch
ein wenig auswaschen. In Bezug auf die Wirkung
des Chiysarobin bei Herpes tonsurans stimmt S m.
vollkommen mit C rock er flberem.
Auch Is. Neumann (s.u.) bestätigt die Wirk-
samkeit des Mittels bei Pityriasis versicolor, Herpes
tonsurans an unbehaarten Eörperstellen , sowie bei
Eczema marginaium. Die Färbung an den von
Pityriasis versicolor befallenen Stellen wird in Folge
der Salbeneinreibungen schmutzig braun, während
sie an gesunden Hautstrecken fleischfarbig oder in
verschiedener Schattirung hell- oder dunkelroth ist,
und es genügen schon drei Einreibungen, um die mit
Pilzen durchwachsene Epidermis in grossen Lamellen
zur Abstossung zu bringen. Die schnelle Wirkung
dieses Mittels bei Pityriasis versicolor, Eczema mar-
ginatum und Herpes tonsurans wi]:d übrigens auch
von Kaposi (s. u.) bestätigt.
b) Bei nicht parasitären Dermatosen»
Die Mittheilung Balmanno Sqnire's über
die Wirksamkeit des Chrysarobin bei Psoriasis (s. o.)
wurde von andern Autoren bestätigt
Stansbury (Arch. of Dermatol. IV. p. 297.
1878) berichtet über 3 Fälle, von denen der eine
5^/2 Jahre lang bestand und mit den verschiedensten
Mitteln vergeblich behandelt worden war. Die Affek-
tion schwand nach 5 Wochen bei täglich 2maliger
Applikation einer Salbe aus 5.0 Chrysarobin auf
30.0 Fett. Im 2. FaUe hatte die Krankheit gleich-
falls eine Dauer von mehreren Jahren , hier wurde
mit einer etwas schwächeren Salbe innerhalb 8 W.
Heilung erzielt, und ebenso schwand bei einer 22jähr.
Dame , die schon 16 Jahre bestehende Erknunkong
in 5 Wochen.
Is. Nenmann (Wien. med. Presse Nr. 14. 15.
16. n. 37—40. 1878) theilt eine grössere Anzahl
von Psoriasisfilllen mit, die zum Theil schon viele
Jahre lang bestanden u. mit den üblichen Mittein mit
mehr oder weniger gutem Erfolge behandelt worden
waren , unter der Einwirkung des Chrysarobin aber
in kurzer Zeit geheilt wurden. Zuweilen genügten
schon 2 Einreibungen, wie bei einem 16 Mon. alten
Kinde , in der Regel jedoch waren bis zn 20 Einrei-
bungen erforderlich und die Behandlungsdauer be-
trug etwa 3 Wochen. Die Salbe wurde auf die mit
dem scharfen Löffel oder durch Seife und Bäder von
den Schuppen befreiten Flecke eingerieben, an stark
infiltrirten Partien dagegen messerrückendick auf
Leinwand aufgestrichen aufgelegt und mit einer
Binde fixirt.
Während nach Neumann das Chrysarobin bd
den Anfangsformen der Psoriasis am schnellsten
wirkt, eignen sich nach Kaposi (Wien. med. Wo-
chenschr. Nr. 44. 1878) diese Formen am wenig-
sten für die Chrysarobinbehandlung ; es eignen sidi
nach ihm hierfür am meisten die Fälle von Psoriasis
circumscripta und dispersa, weniger Psoriasis uni-
versalis, bei welcher wegen der reizenden Eigen-
schaft des Mittels nur successive einzelne Strecken
zu behandeb sind.
Bei Psoriasis des Kopfes , des Gesichts nnd der
Genitalien ist das Mittel nicht oder nur mit äuaser-
ster Vorsicht zn gebrauchen, da es an diesen Stellen
Oedeme nnd an den Augen Conjunctivitis erzeugt
Ob der ohne Zweifel eclatante, ja, wir mdchtoi
sagen, unübertreffliche therapeutische Effekt des
Chrysarobin bei der Psoriasis von Dauer ist, d. h.
ob nach Beseitigung der vorhandenen Krankheits-
symptome Recidive gänzlich ausbleiben oder wenig-
stens nach einem langem Zeiträume auftreten sIb
nach andern Behandlungsmethoden , ist eine Fr^e,
welche von den Autoren nicht hinreichend beantwor-
tet worden ist, die aber gerade für die Benrtheilnng
des Werthes der Chrysarobin Wirkung wesentlich mit in
das Gewicht fiUlt. Nur Alfred Sangster (Lan-
cet L 11 ; March 16. p. 402. 1878) theilt mit, dass
von 2 Pat., welche in kurzer Zeit von ihrer Psoris-
m von ihm geheilt wurden, der eine schon nach 14
Tagen ein Reddiv bekam , der andere jedoch noch
3 Monate später gesund war. Auch Grellety
(Presse m^d. XXX. 47. p. 374. 1878), der ein sehr
überschwenglicher Lobredner des Chrysarobin bei
Psoriasis ist, hat Recidive beobachtet Dieselben
kommen aber nach ihm nur bei solchen Personen
vor, die Excesse in Wein, Schnaps nnd — Ksifee
lieben, und deshalb ist auch die Femhaltong dieser
Schädlichkeiten wie überhaupt, so auch besonden
bei der in Rede stehenden Behandlnngsweise dringen-
des Erfordemiss.
III. Pathologie^ Therapie u« medicinische EUnik*
27
Nach den Erfahrangen des Referenten in Bezog
aof diesen Punkt, steht die ansserordentliche Wirk-
gtmkeit des Mittels bei Psoriasis ohne Gleichen
da. Dagegen hat Ref. Recidive fast regeL-
miSBigy ja in vielen Fällen viel früher als nach an-
dern Befaandlnngsweisen auftreten sehen , und zwar
waren die Efflorescenzen zuweilen viel zaiilreicher
aufgetreten, als sie flberhanptvor der ersten Behand-
lung waren. Hieraus also ergiebt sich jedenfalls,
daas Goapnlver sowohl als Chrysarobin — Ref. hat
beides in Anwendung gebracht — wohl im Stande
und, die augenblicklich vorhandenen Efflorescenzen
ni beseitigen, aber nicht die Disposition der Haut
zur Erkrankung. Ja, es hat ihm geschienen, als ob
das Mittel bei Recidiven viel langsamer wirke als
bd der ersten Applikation.
Balmanno Squire (Med. Times and Gaz.
Jone 23. 1877. p. 665) behandelte eine in der Meno-
pause befindliche Dame, die seit einem Jahre an i46*ne
TO^acta mit erheblicher Knotenbildung litt, mitCbry-
sarobinsalbe (anfangs 1.25 : 30, später 2.5 : 30) n. sah
im Laufe von 5 Wochen vollkommene Heilung ein-
treten. Die Salbe wurde 3mal täglich unter sorg-
dltiger Schonung der Augenlider eingerieben, ohne
dass, abgesehen von einer zeitweilig aufgetretenen
leichten Schwellung, irgend welche nachtheilige Ne-
benwh'kangen bemerkt worden wären.
N e n m a n n (a. a. 0.) hat das Mittel bei Chloasma
uterinwn angewandt und sah vollständiges Schwin-
den der Flecke nach 4 — 6täg. Behandlung. Die
Salbe wurde, auf Lappen gestrichen , Morgens und
Abends aufgelegt und die gesunde Haut vor ihrer
Einwirknng durch Heftpflasterstreifen geschützt.
Nach Entfernung der Salbe erscheint die Haut pur-
püiToth oder braun , sie wird ödematös und selbst
ekzematös, doch löst äch vom 12. Tage ab die
donkelgefkrbte Epidermis los, nachdem die Schwel-
lung zuvor abgenommen hat , und damit ist gleich-
zdtig die krankhafte Pigmentirung geschwunden.
Bei LupuB eryfhematosus ist nach demselben
Autor der Erfolg erst nach längerer Behandlung zu
gewärtigen, und da die Erkrankung zumeist an der
Gedehtshant erscheint, wo die unangenehmen Neben-
wirkungen der Salbe am intensivsten auftreten , so
ist ihre Anwendung hier nur dann angezeigt , wenn
die flbrigen Mittel nicht zum Ziele führen.
N. erwähnt -endlich einen Fall von Lupus vul"
garis (macnlosus und tuberosus), bei welchem nach
Bmonatl. Behandlung die Flecke geschwunden wa-
rn, während die hypertrophische Stelle unverändert
blieb.
Zum Schluss fähren wir die Ergebnisse an , zu
denen eine Reihe italieniseher Autoren auf Qrund
ihrer Erfahrungen in Bezug auf das in Rede stehende
Mittel geUngt sind.
Scarenzio (Giom. ital. delle maL ven. etc.
1879. p. 263) rtthmt das Chrysarobin als das beste
Mittel nicht allein gegen Psoriasis, sondern auch
gegen Lupus erythematosus u. tuberosus, wiewohl
«wie alle bei diesen Erkrankungen angewandten
äusserlichen Mittel keinen Schutz gegen Recidive
bietet. Um die Braunfärbung der Haut beim Ge-
brauch desselben zu verhüten, empfiehlt er, die ge-
sunden Partien vor der Einwirkung desselben durch
Collodium zu schlitzen. Nach seiner Angabe über-
steigt der Preis eines Grammes in Mailand nicht
20 Centimes. [Diese Angabe muss unbedingt auf
einem Irrthum beruhen, da unsere Apotheker das
Gramm dieses durch seine Herstellung so theuern
Mittels mit 40 — 50 Pf. berechnen.]
Camp an a (Giom. intern, delle Sc. med. 1.
1880. p. 76) kommt auf Grund der von ihm ange-
stellten Versuche zu folgenden Schlüssen.
1) Das Chrysarobin ist ein vorzügliches Mittel
gegen Psoriasis in allen ihren Formen.
2) Es vermag das paprdöse und Knotensyphilid,
desgleichen die Knoten des Lupus hypertrophicus
zur Resorption zu bringen und erweist sich nament-
lich bei letzterem als gutes Hülfsmittel nach voraus-
gegangener Abschabung.
3) Eben so wirksam ist es gegen Lepra, sowohl
gegen die tuberöse, als gegen die maculöse Form
derselben.
4) Es schützt in keiner der erwähnten Erank-
heitsformen vor Recidiven.
5) Die schnelle Resorption der knotigen und dif-
fusen Lepra-Infiltrate begünstigt weder neue Eruptio-
nen, noch führt sie zu irgend welchen Störungen im
Allgemeinbefinden.
6) Gelegentlich fand C. bei Leprösen , die nur
an eiper Seite erkrankt waren, an dieser, gegenüber
der gesunden Seite, eine Erhöhung der Temperatur.
G am her in i (Giorn. ital. delle mal. ven. etc.
1879. p. 89) hat bei demselben Er. , welcher an
universeller Psoriasis litt, an einer Seite Chrysarobin,
an der andern Theer applicirt und sah an beiden
Stellen fast zu gleicher Zeit Heilung eintreten , je-
doch hatte der Kr. an der Applikationsstelle des
Chrysarobin von der durch dasselbe erzeugten aku-
ten Dermatitis erheblich zu leiden.
TommasodeAmicis (II movim. med.-chir.
Maggie 15. 1879) hat von der Anwendung des
Chrysarobin keine besondem Vortheile beobachtet,
dagegen besitzt es verschiedene Nachtheile. 1) Es
erzeugt Erytheme und hinterlässt dunkle Flecke auf
der Haut, durch welche seine Anwendung an sichtbaren
Eörperstellen unmöglich wird. 2) Der Preis ist sehr
hoch. 3) Die Reizung der Haut überachreitet zu-
weilen die Grenzen des einfachen Erythem und kann
in die schmerzhafteste ekzemat. Dermatitis übergehen.
4) Es hinterlässt in der Wäsche Flecke , die nicht
mehr zu entfernen sind. 5) Es bietet keinen Schutz
gegen Recidive. 6) Es ist bei Favus nicht wirksam
nnd wegen der erwähnten nachtheiligen Nebenwir-
kungen an der behaarten Kopfhaut nicht verwendbar.
Breda (Gaz. Venet. XXH, 2. 3. 1879) da-
gegen kommt auf Grund seiner klinischen Beobach-
tungen zu folgenden Schlüssen. Das Chrysarobin
ist zwar nicht gegen nässende Hautausschläge ver-
wendbar, gleichwohl erweist es sich als ein ansgezeich-
28
III. PathologiCi Therapie u. mediciniBohe Klinik.
netes Mittel bei der Behandlung der Psoriasis, des
Herpes circinatus und im Allgemeinen bei allen my-
kotischen Hautkrankheiten und ist ferner ein aus-
gezeichnetes Mittel gegen den symptomatischen und
essentiellen Pruritus, Er empfiehlt jedoch, auf dieses
Mittel erst zurückzukommen, nachdem andere Mittel
vergeblich versucht worden sind , seine Anwendung
am behaarten Kopfe und im Gesicht ist (wegen der
Verfärbung der Haut) zu unterlassen.
IL Pyrogallusaäure,
Die Pyrogallussäure , welche von Ja risch als
ein Ersatz für das theurere Cbrysarobin in die Therapie
eingeführt wurde, steht dem letztem, wie B a 1 m a n n o
Squire (Brit. med. Journ. Dec. 11. 1880. p.922)
bemerkt, an Wu*ksamkeit nach. Dasselbe wird auch
von Finny (Ibid. Dec. 18. 1880. p.972) bestätigt,
der Control versuche, in der Weise anstellte , dass er
bei denselben Pat. die eine erkrankte Körperhälfte
mit Chrysarobin, die andere mit Pyrogallussäure be-
handelte und an der erstem die Efflorescenzen bei
Weitem schneller schwinden sah als an der letztern.
Jarisch (Ztschr. f. klin. Med. I. 3. p. 631.
1880) knüpft einige Bemerkungen über die Anwen-
dung der Pyrogallussäure bei Hautkrankheiten an die
Mittheilung Neisser's über eine nach äusserlicher
Anwendung der Pyrog. bei Psoriasis diffusa tödt-
lich verlaufene Vergiftung [vgl. Jahrbb. CLXXXV.
p. 237]. J. weist darauf hin, dass dieser Stoff nach
den Untersuchungen von J ü d e 1 1 , in einer Dosis von
1 — 3 Grmm. bei Hunden in den Magen oder unter
die Haut gebracht, toxische Wirkungen gezeigt habe,
und dass eine solche Wirkung naturgemäss auch
beim Menschen eintreten müsse, wenn, wie in dem
obigen Falle , grössern Quantitäten Gelegenheit zur
Aufnahme in die Girkulation gegeben werde. J.
hat immer nur eine lOproc. Salbe angewandt, und
zwar reichten bei mittelgrossen Individuen , welche
vom Scheitel bis zur Zehe eingepinselt wurden,
100 Grmm. derselben für 6 — 8 Einreibimgen, resp.
3 — 4 Tage aus, so dass pro die etwa 3 Grmm.
Pyrog. verbraucht wurden, und, da ein grosser
Theil der Salbe in die Flanellkleider des Kr. oder
in die Decken, in welche er gehüllt wurde, em-
drang, höchstens die Hälfte der obigen Menge, also
1.5 Grmm., zur Resorption gelangen konnte. Hier-
nach kam, das Körpergewicht eines Menschen zu
50 Kgrmm. angenommen, 1 Grmm. Pyrog. auf
33 Kgrmm. Körpergewicht, während nach Ne is-
ser's Untersuchungen die intensiven toxischen Er-
scheinungen bei Kaninchen eintraten, wenn iGrmm.
Pyrog. auf 1 Kgrmm. Körpergewicht einverleibt
wurde.
In Bezug auf die Wirkung der Pyrog. hebt J.
hervor, dass sie derjenigen des Chrysarobin voll-
kommen gleichkommt, ohne die nachtheiligen Eigen-
schaften desselben zu theilen. Die von ihm im
Jahresberichte des Wiener k. k. allgem. Ejranken-
hanses vom J. 1878 ausgesprochene Ansicht, dass
die Pyrog. auf die pflanzlichen Hautparasiten einen
schädigenden Einfluss ausübe, habe durch Bovet
(Journ. f. prakt. Chemie N. F. XIX. Nr. 9. 10.
1879) experimentelle Bestätigung gefunden. Diese
Wirkung hat J. praktisch beim Herpes Umeurans
maculoeus erprobt und Heilung desselben in 3 bis
5 Tagen durch 6 — 10 Einreibungen erzielt, nach-
dem im Laufe weiterer 10 — 14 Tage die Abadiup-
pung der Haut vollendet war. Bei 2 Fällen trat
nach 4maliger Applikation der Salbe hefläges Jocken
auf, so dass dieselbe ausgesetzt werden mosste und
es sich mit Rücksicht hierauf empfiehlt, bei dieser
Erkrankung eine 5proc. Salbe zu verwenden. Die
früher von J. berichtete günstige Wirkung der Salbe
beim Eczema marginatum (Wiener med. Jahrbb.
1878) fand er neuerdings in einem feroem Falle
bestätigt.
m. NaphthoL
Kaposi hat (Wien. med. Wchnschr. Nr. 22—
24. 1881) als Ersatzmittel für den Theer den als
/?-Naphthol bekannten Bestandtheil desselben niit
Erfolg angewandt. Dasselbe ist in einer fast glei-
chen Menge Alkohol , nicht aber in Wasser UtolicL
Wird zu einer alkoholischen Lösung Wasser hinzu-
gesetzt, so bleibt das Naphthol so lange gelöst, als
die Quantität des Wassers die des Alkohol nicht
übersteigt. Eben so leicht löst es sich in Oelen mA
Fetten. Vor dem Theer hat es den Vorzug, dass
es geruchlos ist, weder Haut, noch Haare fi^bt und
in der Umgebung des Applikationsortes keine Ent-
zündung hervorruft.
Angewandt wurde es bei Scabies in Salbenform
(Naphtholi 15.0, Axungiae 100.0, Sapon. virid. 50.0;
Cretae 10.0 oder 15 Naphthol auf 100 Fett), bei
Ekzem in einer 5 — 2 — ^/sproc. alkoholisch-wässeri-
gen Lösung, bei Psoriasis in einer 15 — lOproc.
Salbe, bei welcher es eben so gnt, aber nicht so oon*
stant wie Chrysarobin wirkt und, da es keine Ver-
färbungen erzeugt, besonders bei Erkrankung der
Oesichtshaut dem letztem vorzuziehen ist Auch bei
Pityriasis versicolor, Prurigo, Ichthyosis u. Lupus
erythematosus hat es gute Dienste geleistet, nur bei
Lupus vulgaris und Epitheliom hat es nicht genflgt.
Das Naphthol wird von der Haut resorbirt aod
schon nach wenigen Stunden durch den Urin aus-
geschieden. Auch wenn sich die Applikatioo nur
auf eine grössere Partie der Körperoberfläohe er-
streckte, war der Urin schon nach 12 Std. trfibe,
von der Farbe eines „gelbröthlichen Weinmostes^^
und er besass bei einzelnen Personen sdion nacfa
den ersten Einreibungen, bei andern erst später eine
olivengrüne Farbe , ähnlich wie bei AnsscheidoDgeD
grösserer Mengen resorbirten Theers. Ein mit Pra-
rigo behafteter Knabe entleerte während der Be-
handlung blutigen eiweisshaltigen Urin, er zeigte die
Symptome eines akuten Morbus Brightii, Isebone,
Erbrechen, Bewusstlosigkeit und mehrere Tage bin-
durch eklamptische Krämpfe mit halbseitigen Zockna-
gen , die K. jedoch nicht auf die Resorption des
Naphthol zurückführen zu dürfen glaubte, da das-
in. Pathologie^ Therapie a. medicuiische Klinik.
29
lelbe onr 2 Tage hindurch angewandt worden war.
Der Knabe genas und wurde alsdann weiter in der-
selben Welse behandelt.
MitRflcksicht auf diesen Fall macht Neisser
(Med. Centr.-Bl. Nr. 30. p. 245. 1881) auf die
eminent toxischen Wirkungen des Naphthol auf-
merksam, die er durch Experimente an Hunden und
Kaninchen constatirte. Er fand, dass höhere Dosen
dieses Mittels Hämoglobinurie erzeugen, und zwar
starben Kaninchen von 1000 Grmm. Gewicht nach
sobentaner Injektion von 1 Grmm. (in concentrirter
Oelldsung), Hunde von 4500 Grmm. nach 1.5 Grmm.
des Mittels. Der Befund des ausgeschiedenen Harns,
die Se- und Exkretionsverhältnisse desselben, sowie
die Bintverändemngen unteracheiden sich nach N.
in keiner Richtung von andern Blutdissolutionen, die
mm Freiwerden von Hämoglobin führen, und des-
iudb ist bei der Anwendung des Naphthol dieselbe
Vorsicht wie bei der der Pyrog., namentlich eine
sorgßlltige Controle des Urins erforderlich. Bei
schon vorhandener Nephritis ist die Anwendung des
Mittels noch bedenklicher, einmal weil es die Nieren-
affektion steigern kann, sodann aber, weil durch die
behinderte Harnausscheidung eine Accumulation des-
selben im Blute bedingt und eine Dissolution des
letztem begünstigt wird. (GustavBchrend.)
473. Selbststandige Syphilis im mittleren
Drittel der Traohea.
Dr. John N. Mackenzie aus Baltimore
(Wien. med. Jahrbb. I.' p. 75. 1881) theilt aus
Dr. H. Chiari's Prosektur im Rndolfspitale zu
Wien den Sektionsbefund eines Falles mit , in dem
sieh eine unzweifelhaft syphilitische Narbe an der
famtern Wand der Trachea im mittleren Drittel der-
selben fand nnd schickt Bemerkungen über das Vor-
kommen der Syphilis in der Trachea voraus.
Während Nase und Kehlkopf ungemein häufig
der Sitz von syphilitischen Erkrankungen sind, findet
sieh diese seltener in den untern Luftwegen, in der
Trachea und den Bronchien. Morell Mackenzie
io London (Diseases of the tbroat 1880. p. 353.
365) fand nnter 1145 Fällen von syphilitischer Er-
kruikang der Halsorgane, überhaupt nur 8 Mal
Syphilis der Trachea. Meist ist in solchen Fällen
die Syphilis vom Larynx fortgeleitet; selbstständige
syphilitische Erkrankung der Trachea, ohne gleich-
zeitige Erkrankung des Larynx oder doch wenig-
stens nicht in continuirlichem Zusammenhang mit
den Veränderungen im Larynx stehend, kommt sehr
selten vor, gewöhnlich ist sie im untern Drittel der
Trachea lokalisirt und erstreckt sich von da auch
manchmal auf die Bronchien, die übrigens ebenfalls
selbstständig an Syphilis erkranken können. Von
selbstständiger syphilitischer Erkrankung der ganzen
Tnehea hat M. nur die Fälle von Z u r h e 1 1 e (Berl.
klin. Wchnschr. IX. 35. 1872) und Wilks (Guy's
Bo8p..Rep. IX. 1863. — Jahrbb. CXXIU. p. 178)
^ der Literatur aufzufinden vermocht , von selbst-
ständiger Syphilis im mittleren Drittel nur eine
kurze Angabe von Eppinger (in seinem Werke
ttber d. pathol. Anatomie des Larynx u. d. Trachea
p.289), deuFall vonCharnal (L'ünion21. 1859)
u. den von B e g e r (s. u.). Er selbst hat in folgendem
Falle die genauere Untersuchung der Präparate an-
stellen können.
Ein 46 J. alter Mann war im Budolfspital gestorben
und am 10. April 1881 wurde die Sektion ausgeführt.
Auf der Haut fanden sich zerstreute bis Unsengrosse,
leicht bräunlich pigmentirte Narben, Hyperostose des
Schädels und der rechten Tibia. Die Schleimhaut des
Pharynx , des Larynx und der Trachea war dunkel ge-
rothet und etwas geschwellt. In der Pharynzschleim-
haut zeigten sich zarte Narben nnd theilweise eitrige
Infiltration des snbmukösen Gewebes, in der Larjrnx-
Schleimhaut weder Narben, noch Ulceration. An der
hintern Wand der Trachea , ziemlich in der Mitte der-
selben fand sich eine umfängliche, alte, strahlige Narbe.
Im Uebrigen ergab die Sektion Pleuritis und Pneumonie,
sowie Taberkulose der Lungenspitze und der Bronchial-
drüsen rechts, Lebercirrhose, chronische Milzgeschwulst,
chronischen Morbus Brightii und ausser den erwähnten
Zeichen der Syphilis Anschwellung der Leisten- und
Acbseldrüsen.
Die Narbe in der Trachea reichte vom 5. bis 11.
Enorpelring, war 4 Otmtr. lang nnd 1.5 Otmtr.
breit , exquisit strahlig , so dass von der Mitte ans
nach allen Seiten hin, besonders aber nach oben und
unten zu, Narbenstrahlen sich abzweigten. Die in
den peripheren Theilen der Narbe zwischen den
einzelnen Strahlen befindliche Schleimhaut, wie auch
die in der Nachbarschaft der Narbe, erschien geröthet
und geschwellt und zeigte einzelne Ekchymosen.
Epithel Hess sich an der Oberfläche der Narbe im
Centrum derselben nicht nachweisen ; nach aussen
durchsetzte die Narbe auch die Muskulatur der
Trachea. Eine deutliche Stenose der Trachea hatte
die Narbe nicht erzeugt, wenn auch die von ihr
betroffene Stelle weniger leicht dehnbar war. Die
übrige innere Oberfläche der Trachea war ganz
glatt und zeigte nirgends Narben.
Obgleich sich in der Krankengeschichte über
eine syphilitische Erkrankung* der Trachea , über-
haupt über eine syphilitische Erkrankung nichts an-
gegeben fand, fasst M. doch die Narbe als ent-
schieden syphilitisch auf. Dafür spricht schon die
Configuration der Narbe, ihr strahliger Bau und
ihre bedeutende Dicke, ferner die anderweitigen,
auf Syphilis zurückzuführenden Veränderungen , die
narbigen Pigmentflecke auf der Haut, die Hyper-
ostose des Schädels und der rechten Tibia, die
Schwellung u. Induration der Lymphdrüsen. End-
lich spricht für die syphilitische Natur der Narbe
noch der Umstand , dass kein anderer Ulcerations-
process in der Trachea, weder scrofulöse, noch
tuberkulöse, noch phlegmonöse, noch auf Zerfall von
Neubildungen zu beziehende Geschwüre, noch trau-
matische Substanzverluste eine ähnliche Narbenbil-
dung bedingen können.
Dr. Albert Beger (Deutsches Arch. f. klin.
Med. XXm. 5 u. 6. p. 614. 1879) theilt folgenden
Fall mit, in dem ein syphilitisches Geschwür an der
30
ni. Pathologie, Therapie u« medidiiiache Klinik.
hintern Wand der Trachea in den Oesophagus durch-
brach.
Ein 35 Jähre alter Gärtner hatte wiederholt an
BTphilitischen Affektionen , zuletzt an einem tiefen , zer-
Uüfteten Geschwür im Rachen gelitten, das aller lokalen
Behandlang getrotzt hatte, nach Anwendung von Jod-
kalinm aber rasch heilte. Seit 4 Wochen bestand trockner
Husten, später reichlichen eitrigen Auswurf heransbefSr-
demd; die Stimme wurde heiser. Am 31. Oct-, zu An-
fang der 4. Kranlüieitswoche , trat Abends Schüttelfirost
und Fieber, in der Nacht heftiger Schweiss ein; am
nächsten Abend wiederholte sich der Schüttelfrost. Der
Kr. wurde ganz aphonisch und beim Schlingen trat häufig
Verschlucken ein. Bei der am 7. Nov. 1878 erfolgten
Aufnahme in der med. Abtheilung des Krankenhauses in
Leipzig fanden sich die Plicae glosso-epiglotticae stark
geschwollen und gerdthet, die Epiglottis erschien normal,
die Schleimhaut über der linken Arjtaena beträchtlich
ödematSs, die der rechten nur gerötb et ; die Glottis war
weit geöffiiet , das linke Stimmband , das , wie auch das
rechte , sonst normal erschien , stand beim Athmen wie
beim Anlauten still, das rechte bewegte sich normal, die
Trachea zeigte sich intensiv geröthet, eine Ulceration war
in ihr nicht sichtbar. Beim Sprechen entwich die Luft
zu schnell , so dass der Kr. immer nach wenigen Worten
Athem holen musste. Beim Versuche zu trinken trat
unmittelbar nach dem ersten Schluck ein heftiger Husten-
parozysmus auf und die genossene Flüssigkeit strSmte,
mit eitrigem Auswurfe vermischt , durch Nase und Mund
zurück. Ein Bissen rohes Fleisch dagegen gelangte ohne
Hinderniss und ohne Husten zu erregen in den Magen.
Der Auswurf war reichlich, gelblich, nicht f5tid riechend,
und confluirend. Die Temperatur betrug 39.8<^, die Puls-
frequenz 108, die Respirationsfirequenz 32 in der Minute.
Es bestand intensive Bronchitis.
Die Diagnose lautete auf Communikation zwischen
Ti'achea und Oesophagus, wahrscheinlich in Folge
eines syphilitischen Processes , Lähmung des linken
Recurrens, der in seinem Verlaufe zwischen Trachea
und Oesophagus an einer Stelle in den syphilitischen
Process hineingezogen sein musste; die Schüttel-
fröste deuteten auf durch eingedrungene fremde
Körper bedingte Pneumonie.
Zur Ernährung wurden Eierkljrstire gegeben, znr
Stillung des brennenden Durstes Wasserklystire. Täg-
lich wurde eine subcutane Injektion mit 0.01 Grmm.
Sublimat gemacht ; auf seinen Wunsch liess man den Kr.
eine dünne Tanninlösung inhaliren, ausserdem wurde
eine Eisblase um den Hals gelegt. In den nächsten
Taigen befand sich der Fat. besser, das Fieber liess nach,
doch stellte sich erst über dem linken untern Lungen-
lappen an einer umschriebenen Stelle Bronchialathmen
ein, später auch rechts hinten unten mit Dämpfung. Am
11. Nov. konnte der Kr. etwas feste und flüssige Nahrung
durch den Mund zu sich nehmen, ohne dass die Speisen
regurgitirten. Am Abend desselben Tages überfiel den
Kr. plötzlich heftiges Unwohlsein, er bekam Schüttelflrost,
die Temperatur stieg schnell auf 42.2 , später auf 42. 6^
der Puls wurde klein und frequent , die Respiration sehr
frequent, der Kr. fühlte sich sehr matt und war stark
cyanotisch im Gesicht. In der Nacht trat Trachealrasseln
ein und es erfolgte der Tod im Koma.
Bei der Sektion fand sich die Schleimhaut des Kehl-
kopfs geröthet, zum Theil, namentlich in der Gegend der
linken Arytaena, etwas ödematös geschwollen, sonst war
der Kehlkopf normal , Narben fanden sich in ihm nicht.
In der Höhe des 6. Halswirbels, dem Querfortsatz des-
selben aufliegend, fand sich eine fast wallnussgrosse
Lymphdrüse in eine käseartige , sehr consistente Masse
verwandelt, am meisten einem in Verkäsung begriffenen
Gummaknoten ähnlich; die umgebenden Weichtheile
waren massig schwielig verdickt, in diesen Process war
ein nngefSbr 1 Ctmtr. langes 8t(kk deeVagas mit Un^-
gezogen, das indessen bei der mikroskop. Untersucbmig
nichts Abnormes zeigte . Unmittelbar an die verkäste Masse
grenzte ein etwa wallnussgrosser Sack zwischen Trachea
und Oesophagus , mit der erstem durch eine 1.25 Ctmtr.
lange, 0.3 Ctmtr. breite Oeffnung, mit dem letztem durch
2 ovale Oeffnungen in Verbindung stehend , von denen
die eine linsengross , die andere etwas grösser war ; die
Wände des Sackes wurden von der Trachea und vom
Oesophagus gebildet , die Innenfläche war höckrig , mit
membranösen, leicht abziehbaren Massen von weissgdber
Farbe bedeckt. Der Inhalt des Sackes bestand am
einer massigen Menge schleimig eitriger Flüssigkeit. Die
Perforationsstelle in der Trachea sass an der Grenze des
häutigen und knorpligen Theiles ; ihr oberer Rand wir
4*/s Ctmtr. vom Ringknorpel entfemt; die Ränder dei
Defektes waren glatt , nicht gewulstet , die 3 davon be-
troffenen Tracheallmorpel waren mit dem Rande des De-
fektes wie scharf abgeschnitten, nicht in die Oeffoung
hineinragend. Oberhalb und unterhalb des Gksschwnn
war die Schleimhaut der Trachea stark geröthet, ge-
schwellt und gelockert , aber ohne weitere Snbstanzver-
luste, stenotische Stellen fanden sich nicht. Auch die
Ferforationsöfltoungen in dem sonst keine weitem Ver-
änderungen zeigenden Oesophagus hatten glatte Ränder.
Der N. recurrens der linken Seite lag an einer Stelle in
der Wand des Sackes und zeigte hier eine deutliche
knotige Verdickung. Im Uebrigen fanden sich die Zei-
chen von Bronchitis und von durch fremde Körper be-
dingter Pneumonie , syphilitische Veränderungen an den
Tonsillen, im Rachen, an den Tibiae und Clavioulae und
an beiden Hoden.
Wenn die Veränderungen in den Lungen, durch
die der Tod herbeigeführt wurde, nicht bo bedeutend
gewesen wären, so hätte nach B. die eingeleitete
antisyphilitische Behandlung wahrscheinlich noch zu
einem befriedigenden Resultate gefElhrt, da das Ge-
schwür nur noch einen kleinen Umfang hatte and
die Stenose nach vollendeter Heilung jedenfalls nicht
beachtenswerth geworden wäre.
(Walter Berger.)
474. Ueber Qammigesohwülate , Orann-
lome, Syphilome ; von Prof. B.v.Langenbeck.
(Arch. f. klin. Chir. XXVI. 2. p. 265. 1881.)
Diese Geschwülste verdienen insofern ein luia-
esse, als sie mit andern Geschwülsten verwechselt
werden können; diess kann namentlich dann ge-
schehen , wenn nur eine Geschwulst vorhanden ist«
In dieser Hinsicht wird folgender Fall erwähnt
Im Jahre 1850 oonaultirte den Vf. etai 66Jähr. Heir
wegen einer schmerzhaften fluktuirenden Geechwulst anf
der Mitte der Tibia, sie hatte die Grösse eines Tanben-
eies und wuchs unzweifelhaft aus dem Knochen hervor,
welcher in der Umgebung wallartig aufgetrieben war.
Bei Berührung war grosse Schmerzhaftigkeit yorhandeo;
mittels Probepunktion wurde keine Flüssigkeit entieert ;
nirgends waren sonst Auftreibungen vorhanden ; syphilit.
Ansteckung wurde nicht zugegeben. Die Entfemnng
der Geschwulst wurde vorgenommen, wobei Vf. die be-
nachbarten Theile des Knochens heransmeisselte ; hie^
bei entleerte sich eine graurOthliche, halb klare, zähe,
Bulzige, einem dicken Gummibrei nicht unähnliche Masse,
in welcher ein feinkörniger Detritus mit vielen Fetttröpf-
chen vorhanden war. Der Wundverlauf war in den ersten
8 Tagen gut, dann trat nach groben DiUfehlem Fieber
und Schüttelfrost auf. Die nun zufSllig vorgenommeBe
Untersuchung der Schenkelbeuge ergab ausgedehnte Kar-
ben geheilter Bubonen. Der Kr. starb an Pyämie ; die
Sektion wurde nicht erlaubt. Später erfahr Vf. dorcli
III. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
81
den frühem Ant des Fat. , daBs der Kr. vor 15 Jahren an
Syphilis gelitten hatte and deshalb mit Einreibungen nnd
Jodkalinm behandelt worden war.
Im Anschlnss an diesen Fall hebt Vf. hervor,
di8B es sehr wichtig sei, Mittel zu finden, die
OuDmigeschwfilste mit Sicherheit zu erkennen, da
selbst der makroskopische und mikroskopische Be-
fand nach Vf. nicht immer so charakteristische Merk-
male bietet, am vor Irrthom sicher zo sein. Die
iwei Arten des Auftretens der Gammigeschwulst
and die difiiise und die umschriebene Form; die
Geschwulst ist meist schmerzhaft in verschiedenem
Gnde. Ein anderes Gharakteristikam ist die Art des
Waehsthnms; Vf. fand nämlich, dass sie meist sprung-
weise wuchsen und dann meist Entzündungserschei-
noDgen in der Umgebung darboten, und hierbei ging
der orsprfiDgliche Charakter der Geschwulst zuweilen
veiloren , es hatte sich dann eine entzündliche In-
filtration gebildet. Wenn nun der Ausspruch Vir-
chow's (die krankhaften Geschwttlste II. p. 390):
i4^ eigentäche Gesckwvhihabitus tritt sehr in
dm Hintergrund bei den Granulomen. Niemals
entsteht aus dem Granulationsgewebe eine Ge-
ichwulst im eigentlichen Sinne des Wortes", nach
Vf. vom pathologisch-anatomischen Standpunkte zu-
treffend nnd „vollkommen berechtigt" ist, so kann
diese Behauptung doch für den Chirurgen keine
Geltung haben, denn die Granulome können, wie Vf.
iD Beispielen lehrt, den Umfang eines Tauben- bis
GtDseeiea erreichen und übertreffen und dann den
andern Geschwülsten vollkommen ähnlich sein. Eine
Eigenthflmlichkeit bieten diese hier in Frage kom-
menden Gesehwülste allerdings in Bezug auf die
Art des Wachsthums durch Agglomeration isolirter
Knollen , wodurch zuweilen ein höckriges Ansehen
erzeugt wird wie bei Sarcocele syphilitica. Sehr
meriswürdig fand Vf. die Leichtigkeit, mit welcher
selbst grosse Geschwülste durch leichte Einreibungs-
knr und Jodkalium zur Resorption kommen, so dass
nuui dann die Diagnose auch ex juvantibus stellen
kann. Bei Cardnom entstand dagegen nach Ein-
leibungen ein rascheres Umsichgreifen. [Schon Ref.
weist in seiner Schrift: l^eue Erfahrungen über
die Behandlung der Syphilis (p. 93) darauf, hin,
t$dass man bei ulcerirenden Carcinomen Einrei-
bungen mit grauer Salbe nicht vornehmen darf,
toeil hierauf ein rapider , deletärer Zerstörungs-
process, ein rasch fortschreitender Zufall einzu-
treten pßegV]
Gummigeschwülste der Muskeln können bei Man-
gel an anderen Syphüiserscheinungen mit Fibrosar-
kom verwechselt werden; Vf.saheinetaubeDeigrosse
syphilitische Geschwulst amEopfnicker mit gleichzei-
tig vorhandenen Ekthymapusteln im Gesicht, welche
in Folge einer ^wöchentlichen Einreibungskur heilte.
Dem entgegen weist Vf. auf einen Fall von Sydney
Jones (PathoL Transact. VII. p.364 vgl. H. S enft -
leben: (Archiv f. kli«. Chir. I. p. 109. 1861) hin,
in dem 8 Jahre nach einem syphilitischen Geschwür
«nie Geschwulst auf der Seapola in 14 Tagen
unter bedeutenden Schmerzen entstand ; die in der
Fossa infraspinata aufsitzende Muskelgeschwulst war
6^/s Zoll lang und 8 Zoll breit und wurde mit dem
Collum scapulae, welches abgesägt wurde, entfernt.
Hieran fügt Vf. zwei eigene Fälle.
Grosse Gummigesehtoulst der linken Scapula mit
Lipom verwechselt. Heilang durch Inonktionskar.
Der 26 J. alte, blaas aussehende Er. wurde von
einem Arzt der Klinik mit der Bemerkung überwiesen,
dass es sich um die Exstirpation eines Lipom amSchulter-
^ blatt handele. Eine syphilitische Ansteckung wurde vom
Kr. durchaus nicht zugegeben. Die Geschwulst sollte
sich seit 5 Mon. ans einem kleinen Knoten nach einem
Stoss entwickelt haben. Auf der Rückseite des linken
Schulterblattes fand sich eine ziemlich scharf begrenzte
Geschwulst, welche die Fossa infraspinata einnahm und
sich 6 Ctmtr. über das Niveau des Schalterblattes erhob ;
die Umrisse des Schalterblattes waren scharf gezeichnet,
eine Aaftreibung des Knochens war nicht nachznweisen ;
die Geschwulst folgte den Bewegungen der Scapula, war
auf derselben nicht beweglich und unter der Haat nicht
verschiebbar ; die Oberfläche war undeutlich gelappt, wie
aus dem Zusammenfliessen von 3 — 4 Geschwülsten her-
vorgegangen. Auf der Höhe der Geschwulst war die
Haut an 3 verschiedenen Stellen durchbrochen. Diese
Hautgeschwüre hatten gezackte, etwas unterminirte Rän-
der und einen gelblichgrauen, glatten, glänzenden Ge-
schwürsgrund, als wäre derselbe durch ein Stück nekro-
tische Fascia gebildet. In der Umgebung dieser Ge-
schwüre, welche eni spärliehes, schleimig-seröses Sekret
absonderten, war die Haut livid, phlegmonös geröthet
und gegen Druck empfindlich. Die Beweglichkeit des
Armes war erschwert. Fat. wünschte die Entfemnng
der Geschwulst. Es war aus verschiedenen Gründen
anzunehmen , dass es sich hier nicht um ein vereiterndes
Lipom bandele, sondern dass vielmehr eine Gummi-
geschwulst vorliege, was ausser allem Zweifel war, als
sich eine höckerige Geschwulst des einen Hodens nnd
eine strahlige Narbe an der Corona glandis fand. Ein-
reibungsknr und Jodkalium bewirkten schon nach 8 T.
eine beträchtliche Abnahme der Geschwulst und der
Schmerzen; die Geschwüre heilten bei Fortsetzung der
Knr ohne Abstossung von Gewebsmassen mit tiefen, ein-
gesenkten, weissen Narben, die Hodengeschwnlst ver-
schwand und Pat. konnte naeh 4 Wochen geheilt ent-
lassen werden. Er gestand nunmehr eine Ansteckung,
"^ ' welche vor 3 J. stattgefunden hatte.
GummigeachwuUt [?] tm M. hiceps brachü mit Sar-
kom verwechselt. Heilung durch Jodkalinm.
Hauptmann v. N., 36 J. alt, von gesundem blühen-
den Aussehen, kam im Juni 1869 zur Behandlung. Es war
. längere Zeit ein Gefühl von schmerzhafter Spannung des
Arms, besonders bei Streckung des Vorderarms voraus-
gegangen , als Pat. vor 3 Wochen eine haselnussgrosse
y, Geschwulst im unteren Dritttheil des rechten Oberarms
bemerkte, welche unter Zunahme von Schmerzen bis zur
Grösse einer Wallnnss wuchs. Die Geschwulst sass im
M. bioeps brachü, 6 Ctmtr. oberhalb der Ellenbogenbeuge,
' war fest, beinahe hart anzufühlen, gegen Druck massig
.. empfindlich und bewegte sich mit dem Muskel. Eine
. Verwachsung mit der Haut war nicht vorhanden, Jedoch
bei dem noch fortschreitenden Wachsthum alsbald zu er-
warten. Eine syphilitische Ansteckung war auf das Be-
stimmteste geleugnet worden. Vf., welcher am meisten
geneigt war, die Geschwnlst für ein Myosarkom zu
j halten , die Nothwendigkeit dieselbe za ezstirpiren
, voraussehend, hielt es vorher noch für angezeigt, die Re-
sorption zu versuchen ; die Geschwnlst wurde mit einem
. Pfiaster bedeckt und innerlieh wurden täglich 1.5 Grmm.
Jodkalium gegeben. Die Schmerzen in der Geschwulst
- hörten bald auf und nach Verbrauch von 60 Grmm. Jod-
' kalium war an der Stelle der Geschwnlst nur noch eine
Vertiefung im Muskel zu bemerken.
32
III. Pathologie, Therapie u. mediciniBche EUnik.
Gummigeschwülste der Zunge kommen sehr
häufig zur Beohachtuog, während die Kranken glau-
ben, an Zungenkrebs zu leiden. Diese Geschwülste
können allerdings, wenn sie tief sitzen, manchmal
zu einer Verwechselung Veranlassung geben ; wegen
der Fluktuation können sie mit Zungenabscessen ver-
wechselt werden. Es ist zwar charakteristisch für
diese Geschwulst, dass sie sich aus mehreren Herden,
welche in einander confluiren, herausbildet, doch
sind nicht immer mehrere Herde zu erkennen, so
dass, wie es Vf. begegnete, Verwechselung mit Car-
cinom möglich ist.
Eine 36 J. [alte Frau hatte an der Spitze der Zunge
eine harte, fast pilzförmig gestaltete, gegen Berührung
empfindliche Geschwulst, welche aus der Substanz der
Zunge hervorragte und fast wie ein Anhängsel der Zunge
erschien. Auf der Hohe der Geschwulst fanden sich
*3 Geschwürchen mit nnregelmässigen Rändern und mit
gelblichgrauem Grund. Es soUte schon die Fremdbildung
mit dem Thermokanter entfernt werden, als in Erfahrung
gebracht wurde, dass die Kranke früher an Syphilis ge-
litten hatte. Einreibungskur mit innerlicher Anwendung
von Jodkalium beseitigte die Geschwulst rasch.
Isoürt stehende Gummigeschtmdst tn der Zunge. Het-
lang durch Jodkalium.
Im J. 1872 kam ein sehr erfahrener, 50 J. alter Arzt
in grosser Aufregung zum Vf., um sich einer Amputation
der Zunge zu unterziehen. Er war sehr kraftig gebaut,
nie krank gewesen, bis er vor 2 Mon. spannende Schmer-
zen beim Sprechen und nach dem Essen bemerkte. Dann
fand er vor 6 Wochen einen Knoten in der Zunge, wel-
cher an Umfang zugenommen hatte und bei der Unter-
suchung zeigte sich die Geschwulst seitlich von der Mitte
links als ein härtlicher lampertsnnssgrosser Knoten,
welcher empfindlich war. Sonst erschien die Zunge ge-
sund. Pat. gab auf Beflragen an, dass er vor 30 J. an
einem Ulcus dumm gelitten, welches ohne Folgeerschei-
nungen geheilt sei. Nach einer Einreibungskur von
5 Wochen und nach dem gleichzeitigen Gebrauche von
Jodkalium war die Geschwulst geschwunden.
Die Diagnose wird dadurch noch schwieriger,
dass die syphilitische Zungenaffektion zum Krebs
der Zunge in einer gewissen Beziehung steht. Vf.
stehen 2 Beobachtungen zu Gebote, in denen sich
nachweisen lässt, dass sich Krebs der Zunge aus
einer lange Zeit bestehenden syphilitischen Affektion
entwickelt hatte. In einem Fall entstand bei einem
Mann von 30 J., welcher längere Zeit an verschie-
denen Formen der Syphilis gelitten hatte und bei
dem gummöse Qlossitis und Drttsen am Halse noch
vorhanden waren, eine harte Geschwulst der Zunge.
In der Voraussetzung, dass auch hier ein Gumma
vorliege, wurde eine Einreibungskur begonnen. Die-
selbe mnsste schon nach 8 Tagen abgebrochen wer-
den, weil unter heftigem Fieber und unter Schmerzen
die ganze Zunge von der Induration ergriffen wurde.
Grosse Dosen Jodkalium hatten ebenfalls keinen
Nutzen; es bildete sich ein Geschwür mit buch-
tigem Gmnde und harten Rändern, welches, sich
vergrössemd, mit auf den Mundboden übergriff. Die
mikroskopische Untersuchung ergab Carcinom. Un-
ter häufigen Blutungen aus der Znnge ging der Kr.
nach 4 Wochen an Schwäche zu Grunde. Ein zwei-
ter solcher Fall wird vom Vf. ausführlicher mit-
getheilt.
Sublinguales Carcinom mit gummöser /n/Q(rafion der
Zunge.
Ein 48 J. alter, grosser, kräftiger, aber blass «os-
sehender Mann gab an, als Kind schwächlich gewesen n
sein ; er zog sich 1857 einindnrirtesGeschwflran, welches
nach 3 Mon. noch nicht verheilt und von einem pigmen-
tirten Ausschlag gefolgt war. Nach Decoct. Zittmuni
und einer Kur in Kreuznach erfolgte HeUung ; im darauf
folgenden Winter traten Kondylome am Anus und in den
Mundwinkeln auf; besserten sich nach Anwendung voo
Jodkalium, schwanden aber nicht ganz. Im J. 1863 Te^
heirathete sich Pat. ; er war Vater von 7 gesunden Kin-
dern, von denen das jüngste zur Zeit der Beobaohtosg
3/4 J. alt war. Mit geringen Unterbrechungen wnrde Jod
bis 1864 fortgebraucht, in welchem Jahre Erscheinung
an der Zunge auftraten; letztere nahm ein rissiges,
filziges Aussehen an, war etwas geschwollen und es stan-
den kleine, beim Essen schmerzhafte Geschwüre au den
Rändern, ausserdem bestanden platte Kondylome an den
Mundwinkeln. Von 1866 an wurden al^ährlich Schwefel-
bäder in Anwendung gezogen und wegen einer Lebe^
anschwellung zwei Mal Kissingen gebraucht. Die Zungen-
affektion besserte sich dabei, schwand aber nicht gaax;
die Zunge blieb geschwollen und die Affektion der Mund-
winkel trat zeitweilig wieder auf. Im J. 1879 traten
sehr lästige Schmerzen in den Ohren und im Monde aaf,
wodurch die Nachtrohe gestört wurde. Die Znnge wv
etwas geschwollen, hatte ein rissiges Aussehen und eiaea
fest anhaftenden gelblichweissen Belag. Mehrere harte
Stellen waren amRficken der Znnge durchzufühlen. Unter
der Zunge war ein grosses, von callösen Rändern begrao-
tes, bei Berührung sehr schmerzhaftes Geschwür vorhan-
den, welches wegen Schwerbeweglichkeit der Znnge niclit
zu übersehen war. An den Seiten des Halses einzelne
gegen Druck empfindliche Lymphdrüsen. An versohie-
denen Stellen des Körpers zeigte sieh eine in ooneen-
trischen Kreisen gestellte Ekthymaeruption. Obgleieh
die Besorgniss eines Mnndcarcinom entstand, so drängte
doch das Vorhandensein von deutlichen Syphilis-
erscheinnngen zu einer speciflschen Kur. Nach einer
3 Wochen dauernden Schmierkur, bei innerlicher An-
wendung von Jodkalium, war die Hautaffektion geheilt,
der filzige Belag der Zungenschleimhaut und das rissige
Aussehen waren geschwunden, die Zunge erschien glatt
und gesund. Die früher von harten Stellen dnrohsetste
Zunge war weich, dünn und atrophisch geworden. Bai
Geschwür unter der Zunge dagegen war grösser gewo^
den und verursachte die heftigsten Beschwerden. Von
demselben ausgehend erstreckte sich eine Härte bis rar
Mitte der rechten Znngenhälfte ; die Znnge war an dem
Mundboden unbeweglich fizirt geblieben. Eine Lymph-
drüse am Halse hatte an Umfang zugenommen. Das Oe*
schwur unter der Zunge stellte sich bei der mikroskop.
Untersuchung als Epithelialcarcinom heraus.
QummigeschwQlste der Blutgefässe sind in der
Literatur , welche Vf. eingehend citirt , ausführlich
beschrieben und bekannt Für den Chirurgen sind
dieselben von besonderem Interesse j weil die Frage
der Operation oder der (Innern) speoifischen Behand-
lung genau und sicher zu beantworten ist.
Gummigeschwulst im Bereiche der Art. braehiaHs in
der Innenseite des rechte Oberarms, anfangs mit Newrm
verwechselt. Heilung durch Innnktionen und Jodkaünsu
Die Pat., 28 J. alt, steUte sieh vor mit einer hasel-
nussgrossen Geschwulst am Ende des obem DritttbeOs
des Oberarms im Bereiche des Nervus medianns und der
Arteria brachiaUs. Die Geschwulst wnrde we^ 11^'
Schmerzhaftigkeit in der Ghloroformnarkose untennoht
und für ein Neurom gehalten. Nach knraer Zeit hatte sie
die Grösse eines Taubeneies enreicht und war von ent-
zündUcher Haut bedeckt. Jetzt trat die Vermothnng Wt
dass es sich um eine Gununigesohwalit haodelef ^
steekung wurdo awar nicht mgecaben, aber die U^^
IV. Gynäkologie n. Pädiatrik.
33
fluehoog der Kinder der Frau ergab angebome Lues , so
dis8 sich die Annalime bestätigte. Es war th eilweise
Aoästliesie des IcranlLen Arms vorhanden. Nunmehr wur-
den täglich 2.0 Grmm. Ung. hydrarg. eingerieben nnd
ti(^ch 2.0 KalU Jodat. eingenommen. Schon nach 3 T.
■ahm die Anästhesie des Armes ab ; die Geschwulst war
; kleiner geworden nnd die Hantröthe auf derselben war
' Cut geschwunden. Nach 16 Einreibungen war von der
: Gesehwulst keine Spur mehr zu sehen. Pat. wurde als
geheilt entlassen.
Oummigeschwulßt an der rechten Seite des Halses^
ExstirpaHon der Oeschwtäet mü sammt der Vena jugul,
wmmmis. Heilung.
Der Vater der 68 J. alten Pat. soll angeblich an Car-
d&oma ventriculi gestorben sein. Sie hatte 11 Kinder
feboren, von denen noch 6 lebten. Vor etwa 4 Mon. be-
merkte Pat. eine bohnengrosse Anschwellung an der rech-
ten Seite des Halses in der Höhe des Kehlkopfs; sie
wuchs langsam , behinderte Athmen und Schlingen aber
Dieht. Pat. hatte flrfiher lange Zeit an Fluor albus ge-
fitten, sie war mager, bleich , von kleiner Gestalt. Auf
der rechten Seite des Halses in der Hohe des Ringknorpel
be&nd sich eine hfthnereigrosse Geschwulst von fester
CooBistenz. Die Geschwulst war mit der Haut und mit
dem Kopfhick er verwachsen, verschiebbar, aber möglicher
Weise auch mit tiefem Theilen verwachsen. An der
liöehsten Stelle der Geschwulst war die Haut roth ; spon-
tae Schmerzen waren nicht vorhanden , Berührung ver-
naschte aber Schmerzen ; eine Anschwellung der Lymph-
drüsen am Halse war nicht zu bemerken. Vf. stellte die
Diagnose auf Carcinom.
Operation am 22. November. Durch einen Haut-
lehsitt in der Richtung des Sternocleidpmastoideus wurde
die Geschwulst A-eigelegt, sie war mit der Umgebung
durch viele feste Faserstrange verwachsen, die sehr müh-
8UD and unter grossem Zeitverluste alle einzeln mit dem
Xesser getrennt werden mussten. Die Carotis communis
wnide freigelegt nnd es gelang, die Geschwulst von dieser
Arterie zu lösen; der freigelegte Nervus vagus war gesund.
Die Vena jugularis war vollkommen von der Geschwulst
umwachsen und bei dem Versuch der Ablösung riss die
Vene ein und Blutung stellte sich ein, welche durch
Sohieberpincetten gestillt wurde ; nach doppelter Unter-
bindung der Vene wurde ein Stück derselben sammt der
Gescliwnlst mit herausgenommen. Die tiefere Partie die-
ser Wunde heilte alsbald durch Verklebung; an den
äussern Wnndrandern trat unbedeutende Abstossung durch
Gangrän ein. In den ersten 3 Tagen nach der Operation
bestand Fieber ; am 23. Dec. war die Wunde vernarbt.
Die mikroskopische Untersuchung der Geschwulst durch
Virchow und Wegner ergab Granulationsgewebe.
Die Anamnese und der spätere Verlauf ergab deutliche
Erscheinungen einer veralteten Syphilis, obgleich die Kr.
eine Infektion nicht zugab. Wegen des Speciellem muss
auf das Original verwiesen werden.
Grosse Gwnmgeschvmlst in der rechten Schenkelbeuge.
Unvollständige Exstirpation. Tod an Pyämie.
Bei der Aufnahme fand sich in der rechten Schenkei-
benge unterhalb desLig. Poupartii eine faustgrosse, rund-
liche Geschwulst von fester Consistenz und unebener,
höckriger Oberfläche ; von den tiefern Theilen der Schen-
kelbeuge war die Geschwulst nicht zu isoliren , so dass
eine Verwachsung derselben mit den Gefässen vorhanden
sein konnte; die Verwachsung bestätigte sich bei der
Operation, so dass der Theil der Geschwulst, welcher die
grossen Gefässe umgab , zurückgelassen werden musste.
Die Diagnose schwankte vor der Operation zwischen Sar-
kom und Carcinom; die mikroskopische Untersuchung
ergab stark verfettetes Granulationsgewebe. Das exstir-
pirte Stück der Geschwulst hatte die Grösse eines Gänse-
eies. Die Kr. starb an Pyämie. Die Untersuchung des
in der Wunde zurückgebliebenen Stückes ergab eine
deutliche Gummigeschwulst, was auch Virchow be-
stätigte. Verschiedene Befunde bei der Operirten Hessen
ausserdem die Ueberzeugung gewinnen , dass sie an Sy-
philis gelitten hatte. (J. E d m. G ü n t z.)
iV. Gynäkologie und Pädiatrik.
475. Ueber physiologische und patho-
logiBohe Contrsktionen des Levator ani beim
Weibe; von P. Bad in. (Progr&s m6d. IX. 32. 33.
34. 35. 1881.)
Bei einer Fraa , zu welcher er wegen Abortus
gerufen worden war, beobachtete Vf., dass beim Tou-
efairen hinter dem Scheideneingang eine momentane
Yerengemng entstand, was ihm um so mehr auf-
fallend war , als Pat. schon 2mal normal geboren
bitte. Wahrend einer spätem Untersuchung wurde ein
^er^uMon'sches Speculum ohne Anstrengung von
Sdten der Pat herausgeschleudert und Vf. fühlte ein
ea. 2 Ctmtr. langes Stück der Scheide ringförmig
eontrahirt Oberhalb des Ringes war die Scheiden-
wand weich nnd dehnbar und mit dem hakenförmig
gekrflmmten Finger Hess sich die Entstehung des
Biogs verfolgen. Aber nicht nur der Ring contrahirte
äch, sondern der Beckenboden bildete eine resistente
FlSche und, wenn die Contraktion aufholte, ver-
Khwand der Ring , er wurde weich nnd liess sich
eiodrflcken. Als Ursache musste die Wirkung des
abnorm entwickelten Levator ani angenommen wer-
^ Die Anamnese ergab, dass die ersten Cohabi-
tiäonen leicht, schmerzlos und unblutig waren, dass
Pat. die Contraktion willkürlich erzeugen und so die
MeA, Jalirbb, Bd. t98. Oft. 1.
Immissio penis verhindern konnte. Nach den beiden
Geburten hatte sich diess zwar nicht verloren , aber
sie konnte nicht mehr mit der frühem Kraft „klem-
men'^ Hildebrandt theilt folgenden ähnlichen
Fall mit.
In dem Momente, als der Ehemann den bis dahin
regnlären Coitns beendet glaubte , fahlte er plötzlich die
Qlans tief in der Vagina zurückgehalten , fest umschnürt,
wahrend das ganze Qlled in der Vagina befindlich war.
Alle Versuche der Befreiung missglückten, sie riefen viel-
mehr heftige Schmerzen bei beiden Ehegatten hervor,
nnd, durch Aufregung, Besorgniss , vergebliche Versuche
in Schweiss gebadet , musste der Mann endlich in gedul-
diges Abwarten sich ergeben. Nach einigen Minaten,
wie viele wusste er nicht anzugeben , liess das Hinderuiss
von selbst nach. Bei einer Exploration mehrere Wochen
spater fand sich eine massige Anteflezion des hyper-
trophtrten Uterus, sonst nichts Abnormes.
Vf. selbst hat mehrere Fälle beobachtet, in denen
sich der Levator ani willkürlich contrahiren liess.
Als er bei einer Näherin , nachdem sie auf die linke
Seite gelegt worden war, von der Vagina aus mit
dem Zeigefinger das Steissbein aufsuchte , konnte er
fühlen, wie sich der Beckenboden hob und zusammen-
zog in demselben Momente, wo sich der Vaginalring
bildete. Bei einer andern Pat. im St. Louis-Hospital
bot sich dieselbe Erscheinung dar.
5
34
IV. Gynäkologie u. Pädiatrik.
Kur der Levator ani ist im Stande , wenn er bei
Frauen stark entwickelt ist, durch seine vom Willen
abhängigen Contraktionen den Beckeuboden zu heben
und in der Scheide, in bestimmter Entfernung vom
Eingang, einen vollkommenen Hing zu bilden.
S a V a g e nimmt nicht 2, sondein 3 Muskeln in
der tiefen Schicht des Dammes an und nennt sie M.
pubo-coccygeus , obturato-coccygeus , ischio - coccy-
geus. Nach seiner Beschreibung ist es der M. pubo-
coccygeus (einTheil des Levator ani), welcher diesen
Krampf en'egt.
Hildebrandt schreibt diese Contraktion direkt
dem Levator ani zu. Die stärksten Bündel des Le-
vator ani entspringen neben der Symphysis ossium
pubis, nämlich 1.5 Ctmtr. von der Mittellinie des
Schoossgelenks und 3.5 Ctmtr. unter dem Ramns
horizontalis Oss. pubis, also Vs Ctmtr. über dem
untern Rande der Schoossfuge , kreuzen die Seiten-
wand des Scheidenkanals und vereinigen sich theils
vor, theils hinter dem Mastdarm, während ein anderer
Theil gegen das untere Ende des Steissbeins geht.
Sie verlaufen also in der Richtung des geraden
Durchmessers des Beckenausgangs , mithin bei auf-
rechter Eöi-perhaltung beinahe parallel dem Erd-
boden mit ein wenig Neigung von hinten oben nach
vorn und unten, da die Steissbeinspitze 16 — 18
Mmtr. höher liegt als der untere Rand der Symphy-
sis ossium pubis. Diese derben Bündel können durch
ihre Contraktion den Scheidenkanal in doppelter
Weise verengem : erstens, indem sie mit dem Mast-
darm die hintere Wand der Scheide der Symphyse
näher bringen, und zweitens, indem sie bei ihrer Zu-
sammenziehung im queren Durchmesser annähernd
so viel zunehmen, als sie im Längendurchmesser ver-
lieren. Je dicker aber der Muskelbauch eines sol-
chen seitlichen Stranges wird , desto mehr wird die
Vagina auch von einer Seite zur andern verengt
werden. Es geht hieraus nach H. hervor, dass der
Levator ani keineswegs als vollständiger Ringmuskel
gleich den andern Sphinkteren wirken und also die
Vagina ringförmig zusammenziehen kann , wie diess
der Constrictor cunni thnt.
Da Vf. diese Ansicht nicht für absolut richtig
hält, verfuhr er zur Sicherstellung folgendermaassen:
Er formte Wachscylinder von 37 Mmtr. Durchmesser,
11.5 Ctmtr. Länge, vorn abgerundet. Diese wm*-
den bei Rückenlage wie einSpeculum eingeführt und
dann Hess er die Frauen pressen. Die herausgenom-
menen Cylinder zeigten eine ringförmige Depression,
der Durchmesser dieser Stelle, von oben nach unten
gemessen, betrug 26 Mmtr. gegen 37 vorher, der Um-
fang war 10.5 Centimeter. In einem zweiten Falle
war die Depression noch tiefer. Der Ring war ziem-
lich regelmässig und entsprach keineswegs der von
Ilildebrandt beschriebenen Form. Die Versuche
zeigten auch, dass die hintere Scheidenwand während
der Contraktion nach vom gegen die Symphyse ge-
zogen wurde. Der Ring war wirklich perivaginal.
Bei einer Anzahl Frauen beobachtete B. femer,
dass durch die Contraktion kein Ring erzeugt, son-
dern die hintere Wand der Scheide als breites Band
gehoben und der vordem genähert wurde. Sims
nimmt einen Constrictor vaginae superior an und
schreibt ihm die Wirkung zu, in einem gewissen
Momente die Eichel gegen die Portio gewaltsam za
drücken. Er hat zwar die Existenz eines solchen
anatomisch nicht nachgewiesen , hat aber zahlreiche
Thatsachen beobachtet, welche aufsein Vorhanden-
sein schliessen lassen. Der M. constrictor vaginae
superior von Sims ist nach Vf. sicher nichts Anderes
als der Levator ani. Die Differenzen in den Ooo-
traktionen berahen wohl auf der individuell ver-
schiedenen Entwicklung der einzelnen Mnskelzflge.
Die ringförmige Contraktion bedingt eine starke Ent-
wicklung des von Savage M. pubo-coccygeus ge-
nannten Muskelzuges.
Der Levator ani kann Sitz vorübergehender und
permanenter Contraktion werden, ftir erstem Zu-
stand ist Hildebrandt's Fall ein Beispiel, für
letztern fahrt Vf. folgende Fälle an.
Bei der Untersachung einer Kreissenden konnte er
den Mattermnnd nicht erreichen, weil er durch eine feste
Einschnürang im nntern hintern Theile der Scheide Ye^
hindert wurde. Bei der leisesten Berührung der aussein
GenitaUen klemmte die Frau heftig die Oberschenkd
zusammen. Als sie selbst die Schamlippen auseinander
hielt, wurde ein weiter und voUkommen durchgängiger
Soheideneingang siehtbar. Der nun eingeführte Finger
fühlte deutlich die contrahirten Muskelstränge. In tiefer
Narkose bestand nicht das geringste Hlndemlss, die hin-
tere Scheiden wand war weich. Der Muttermund war Te^
strichen und begann sich zu erweitern. Sobald die Nar-
kose schwächer wurde, trat die Contraktur wieder dn ;
die Schleimhaut zeigte keinerlei Läsionen oder Uloeift-
tionen. Die Geburt wurde am folgenden Tage mit der
Zange beendet.
Einige Monate später untersuchte Vf. eine Dame,
welehe in Folge von UteruBflbromen an Blntnngen litt;
die Cohabitation war sehr schmerzhaft. Auch hier fShlte
er den Bing, der nur mit Muhe und unter lebhaften
Schmerzen vom Finger fiberwunden wurde. Der zurück-
gezogene Finger wnrde fest umspannt und gegen die
Sjrmphyse gedrängt; auf der Höhe des Krampfes hatte
Pat. ein brennendes Gefühl.
Simpson hat die Contraktur einzehier Mnskel-
bfindel mit einigen Worten erwähnt und gUtnbt, dass diese
dem Levator ani angehören.
Die gewaltsame Dilatation ist entweder ohne
Narkose oder wenigstens nm* bei anvollständiger
Betänbnng auszuführen , da bei tiefer Narkose die
Contraktur verschwindet. Bei der Inoision aber ist
der Schnitt nicht in grosser Ausdehnung, wie Sims
es will, zu machen, sondein sie braucht nur die be-
treffenden Muskelbündel zu treffen.
Dass abnorme Entwicklung des Levator ani zum
Geburtshindemiss werden kann, beweisen ausser dem
schon erwähnten noch folgende Fälle.
Bei einer Frau bestand Beckenendlage nnd nach
ca. 24 Std. war der Steiss im Isleinen Becken. Es wurde
ein Bein herabgeschlagen und daran gezogen. Nachdem
der Nabel geboren war, entdeckte man, dass das Kind
abgestorben war. Die aufgeschlagenen Arme konnten
nur mit grosser Muhe gelöst werden. Der Kopf folgte
jedoch dem mit grosser fi^ft ausgeführten Prager Hand-
griff nicht, er war im Becken festgehalten. Nach 20tfin.
trat er plötzlich von selbst ans. Das Frenohun war ein-
IV. Gynäkologie u. Pädiatrik.
35
geriflsen, der Damm intakt, der Krampf später ver-
soh wanden.
Die beiden von RÖTillout nnd Benicke ver-
dffentiiehten Fälle leigen, wie beträohtlioh die Schwierig-
keiieo sein können.
B6villoat'8 Fall betraf eine junge kräftige Primi-
pirs, welche im Hdtel-Dieu niederkam. Die Geburt sog
sich in die Länge, es wurde die Zange an den hoch-
stehenden Kopf gelegt, aber die Extraktionsversuche blie-
beo Tei^eblich. Ein zweiter Geburtshelfer war nicht im
8ttnde, die Zangenldffel einzubringen ; er fand die Vagina
durch 2 von vom nach hinten yerlanfeüde Wülste in
2 Hälften getheilt. Man machte beiderseits parallel der
Seheidenaehse Incisionen in die fraglichen Falten, woraaf
das KhMi leicht eztrahirt werden konnte. Die Wöchnerin
stirb nach 3 Tagen. Die SekHan ergab Eiter in den Sinus
des Uterus nnd in den Beckenvenen als Ursache des todtl.
Ausgangs. Die Scheide war Tollkommen normal bis auf
die Indsionswunden. (Gaz. des Höp. 100. 1874.)
Benicke's Fall betrifft «ine 26 J. alte Frau, die
dch der Cohabitation wegen heftiger Schmerzen und
grosser Angst bei Annäherung des Mannes nur unvollstän-
dig hingeben konnte. Der Mann vollzog den Beischlaf
während tiefen Schlafes der Frau nnd sie conoipirte. Am
normalen Ende der Sehwangerschaft traten Wehen ein
und in der Nacht Wasserabflnss. Am folgenden Tage
fimd B. kolossalen Vaginismus. Bei der nur mit Muhe
ausfahrbaren Digitaluntersuchung contrahirte sich die
Scheide eng um den Finger, besonders hart war die
lihitere. Scheiden wand. Die 2 Tage später unter tiefer
Narkose ausgeführte Anlegung der Zange blieb erfolglos.
Es wurde daher die Perforation des lebenden Kindes
Döthig , nach welcher der Kopf mittels des Kranioklast
sehr schwierig, der Rumpf erst nach Lösung eines Armes
mittels des Hakens entwickelt wurde. Die Wöchnerin
genas, es blieb aber Vaginismus zurück. B. hält es für
sehr nnwahrseheinlich , dass in der tiefen Chloroform-
narlsose der Muskelkrampf noch angehalten haben sollte,
er nimmt vielmehr an, dass durch die jahrelang auftreten-
den krampfhaften Contraktionen die Muskulatur einen
abaormen Orad von Unnachgiebigkeit nnd Starrheit er-
langt hatte. (Ztschr. f. Gebtsh. u. Gynäkol. p. 262. 1878.)
Bildet der Levator ani das Oeburtshindemiss, so
riehtet sich die Therapie nach den individaellen Um-
ständen. Geht die Gebart nicht von Statten , weil
der stark entwickelte Muskel Widerstand leistet , so
warte man ab, dann chloroformire man tief und
extrahire mit der Zange. Ist die Extraktion anmög-
lieb, so ist die Kraniotomie des lebenden Kindes
iodiciri Die seitlichen Incisionen sind höchstens
anzuwenden, wenn die Gontraktnr keine vorttber-
gefaende ist
Schlflsslich weist Vf. darauf hin, dass bei Franen,
die geboren haben , eine geringe Entwicklung oder
die Zerreissong von Fasern des Levator ani ftir die
Pathogenese gewisser Erkrankungen , besonders der
Lageverändemngen von Scheide und Uterus eine
gewisse Bedeutung haben dttrfte.
(Burckhardt, Bremen.)
476. Die Utemssohleimhaut in den ver-
schiedenen Altersperioden und snr Zeit der
Kenatrastion ; von Dr. R. Möricke, Sekundär-
trzt an der gynäkolog. Univ.-Klinik zu Berlin.
(Ztschr. f. Geburtsh. u. Gynäkol. VII. 1. p. 84.
1881.)
Die vorliegenden Untersuchungen , über welche
Tf. eme kurze Mittheilung im Oentr.-Bl. f. Gynftkol.
(Nr. 13. 1880) gemacht hatte, gehört unstreitig in
die erste Reihe der ausgezeichneten Arbeiten, die
ans Schröder *s Klinik hervorgegangen sind.
Vf. beginnt mit dem Uterus des Neugebornen
und betrachtet Cervix und Corpus gesondert. Die
Präparate waren vollkommen frisch u. zeigten stets
die Epitheldecke durchaus wohl erhalten.
Der kindliche Uterus unterscheidet sich vom er-
wachsenen durch das zwischen Corpus und Cervix
bestehende Grössen verhältniss, schwankend zwischen
1 : 2 — 3. Dieser Znstand bleibt bis zur Pubei^tät,
von da an tritt das Uebergewicht des Corpus deut-
lich hervor. Die Länge des kindlichen Uterus
schwankt nach Wyder zwischen 2.5 u. 3.5 Centi-
meter. Die Schleimhant ist blassröthlich , in der
Cervix etwas weniger gefärbt, sie sitzt dem inter-
muskularen Gewebe fest anf, da sie einer Submucosa
entbehrt. Die Plicae palinatae sind Verdickungen
der Mucosa. Die Regelmässigkeit der Gestalt des
Arbor vitae verliert sicli erst nach der Entbindung.
Das Corpus uteri von Rindern ist bisweilen glatt, bis-
weilen zeigt es tief gehende Faltenbildnng, letzterer
Vorgang ist der häufigere. Bei menstrnirenden
Frauen erreicht der Arbor vitae selten das Orif. ext.,
bei Neugebornen enden die Plicae palmatae fast stets
direkt am äussern Muttermund. Fast regelmässig
finden sich Papillen, und zwar über die ganze Länge
der Cei-vix vertheilt.
Das Epithel ist ein cylindrisches und entbehrt
der Flimraerhaare ; die Mucosa uteri im Kindesalter
flimmert demnach nicht. Die Epithelien des Mutter-
halses sind bedeutend länger als die des Corpus ; sie
schwanken zwischen 0.024 u. 0.064 Millimeter. Die-
selben Grössenverhältnisse , sowohl der Epithelicu
wie der Interglandular-Elemente, finden sich zur Zeit
der Pubertät.
Die Form der einzelnen Zellen ist eine sehr ver-
schiedene, cylindrisch, pallisadenartig , bald mehr
dreieckig oder mehr flaschenförmig, manchmal nach
nnten in einen fadenartigen Fortsatz auslaufend, der
mit den Zellen derinterglandularsubstanz zusammen-
hängt. Ein allgemeines Gesetz ist nicht aufzustellen,
denn die Gestalt der Zelle bildet sich durch den
gegenseitigen Druck, den sie während ihres Wacbs-
thums erleidet, wodurch natürlich unendlich viele
Spielarten entstehen können. Das Protoplasma der
Zelle ist trübe und körnig. Der stets einfache Kern
ist stark granulirt, gross, rundlich und liegt meist
im untern Drittel. Das Interglandulargewebe der
Cervix zeigt kleine rundliche und cylindrische Ele-
mente.
Die Schleimhaut besteht aus Rund- und Spindel-
zellen, sowie freien Kernen, Bindegewebe und amor-
pher, fein granuliiier Masse; glatte Muskelfasern
sind nicht nachzuweisen. Die Rundzellen sind grösser
als im Corpus, nämlich 0.008 u. 0.018 Millimeter.
Die Spindelzellen haben einen eiförmigen, glänzen-
den Kern , fast die ganze Zelle ausfüllend und mit
einigen dunklen Kemkörperchen. Die Spindelzellen
hängen durch zarte Protoplasmafortsätze unter ein-
36
IV. Gynäkologie n. P&diatrik.
1
ander zasammen. Die freien Kerne gleichen denen
der Spindelzellen, zeigen im Corpus und Cervix
0.008--0.01 2 Millimeter. Ein sehr zierliches Netz-
werk von feinen Bindegewebsfasern in der Schleim-
haut wiesen schon Henle, Kundrat a. Engef-
mann nach.
Diess die Resultate von frischen Präparaten.
Schnittpräparate zeigten jedoch , dass eine scharfe
Abgrenzung der Schleimhaut gegen die Muskulatur
hin nicht existirt. DerUebergang ist verwischt, nicht
regelmässig, sondern wellig u. zackig. Am Ost. e^^t.
eiTeicht das Cylinderepithel manchmal fast das Plat-
tenepithel der Port, vagin., beide sind dann nur durch
eine ganz dünne Schleimhautschicht getrennt. Ausser-
dem finden sich zwischen den eigentlichen Cylindern
noch Zellen von eigenthümlicher Gestalt, die sogen.
(Schleim) Becherzellen. Sie finden sich besonders
in den Buchten der Plicae palmatae, in den Drüsen
und Naboth'schen Eiern. Diese Zellenform dürfte
wohl als Bildungsstelle des Cervikalschleims anzu-
sehen sein.
Das Cylinderepithel geht nicht, wie Fried -
1 an der meint, direkt am Ost. ext. in das Platten-
epithel der Port vagiu. über; wie Lott u. Veit
gezeigt haben, geht dasselbe vielmehr erat hoch
oben im Cervikalkanal , ungefähr in der Höhe,
wo auf der Aussenseite der Portio die Umschlag-
stelle auf die Scheide liegt , in das Cylinderepithel
über. Die Verbindnngsbrücken sind an ihrer weiss-
lichen Färbung deutlich zu erkennen. Die Spindel-
zellen finden sich namentlich in den tiefern Schichten
längs der Drüsen, Gefässe und Falten, hier sind sie
bandartig angeordnet, mit ihrem Längsdurchmesser
parallel diesen Gebilden verlaufend. Die Rundzellen
liegen im übrigen Gewebe zerstreut. Das Epithel
ruht überall auf einer sehr feinen, zarten Basal-
membran auf, die sich in die Buchten und Drüsen
fortsetzt. Nach Vfs. Beobachtungen, die sich denen
von Sin^ty anschliessen , enthält jeder Uterus
Neugebomer eine grössere oder geringere Anzahl
Diüsen. Sie stellen in der Cervix entweder em-
fache Hohlkugeln mit weitem Ausführungsgang dar,
oder sie haben mehr die Flaschenform mit etwas
verengter Mündung. Sie sind in den Buchten und
auf der Höhe der Falten zu finden, nehmen aber
gegen das untere Ende der Cervix bedeutend an
Zahl ab. In der Cervix liegen noch die sogen.
Naboth'schen Eier, es sind diess einfache Retentions-
cysten, Abkömmlinge der obliterirten Cervikaldrüsen.
Vf. fand sie in jeder von ihm untersuchten Cervix.
Von ihrer Innenwand sprossen massenhaft Papillen
oder Leisten hervor , die oft den ganzen Hohlraum
dm*chziehen und abtheilen. Die Ovula Erwachsener
sind viel grösser und haben glatt^e Wandungen.
Auch in dem intermuskularen Gewebe werden sie
angetroffen.
Corpus uteri Neugebomer. Das Epithel ist ein
cylindrisches, nicht flimmerndes. Der Kern hat die-
selbe Gestalt wie im Cervikalepithel, nur liegt er in
der Mitte der Zelle und ist letztere an dieser Stelle
ebenfalls leicht aufgetrieben. Die Zellen sind viel
kleiner und zarter als in der Cervix, 0.016 — 0.028
Mmtr. lang. Das Interglandulargewebe zeigt die-
selben Elemente, nur tritt das Bindegewebe an Menge
sehr zurück, ist zarter und feiner und bildet ein sehr
zierliches Netzwerk. Die amoi*phe Zwischensubstanz
ist wie in der Oervikalschleimhaut. Die Dick^-
dimensionen der Schleimhaut überwiegen bedeutend
die der Cervix. Sie ist an verschiedenen Stilen
verschieden dick, gegen den innem Muttermund und
die Tubenmtlndungen verdünnt sie sich. Die Grenze
gegen das intermuskulare Gewebe ist schärfer, aber
keineswegs überall distinkt. Stets ist die Linie an-
regelmässig, indem Schleimhautzacken oft tief in
die Muskulatur eindringen. Die Epitbelialdecke,
von der die Schleimhaut, sowie Buchten und Drüsen
überkleidet werden, besteht aus einem einfachen
Cylinderepithel. Becherzellen wurden nicht im Cor-
pus gefunden. Der Uebergang des Cervixepitheb
in das des Corpus erfolgt allmälig. Die Drüsen sind
nicht glelchmässig vertheilt , das eigentliche Corpus
ist drüsenarm, der Fundus dagegen weist einen mehr
oder weniger grossen Reichthum auf. Sie sind ein-
fache Schläuche mit relativ weitem Lumen. Für die
Drüsen des Corpus ist eine zarte Membrana proprii
anzunehmen, sie ist eine Fortsetzung der Membraoa
basilaris der Oberfläche. Die Geßlsswandongen sind
dünner, das Capillametz dichter.
Aus Vorstehendem ergeben sich folgende Sätze.
1) Das Cylinderepithel des Uterus Neugebomer
entbehrt der Flimmerhaare , es reicht meist bis zum
Ost. ut. ext., manchmal jedoch dringt das Platten-
epithel der Portio mehr oder weniger hoch in die
Cervix ein. Zwischen den Cylinderzellen der Cervix
finden sich Schleim- oder Becherzellen, dieselben
fehlen im Corpus. 2) Das Epithel der Cervix unter-
scheidet sich durch seine Länge, Sitz des Kerns und
Färbungsverhältnisse deutlich von dem des Corpus.
3) Die Rundzellen des Interglandulargewebes der
Cervix übertrefifen die des Corpus bedeutend an
Grösse. 4) Drüsen finden sich in der ganzen Cervix,
sie stellen hohlkugelfftrmige Buchten mit eiusprin-
genden Leisten dar, öfters stösst man auch auf
Schlauchdrüsen. 5) Das Corpus enthält tubulöee und
verzweigte Drüsen, letztere gehören dem Fundus an.
6) Die Uterusschleimhaut besitzt eine Membrana ba-
silaris, die Drüsen zeigen eine Membrana propria.
Die Grösse der Gebärmutter Erwachsener ent-
springt zum grösstenTheile aus dem stärkern Waeha-
thum des Corpus. Die Plicae palmatae reichen ge-
nau bis zum Ost. int., zeigen nicht mehr das scharfe
Gepräge und verwischen sich von Jahr zu Jahr mehr.
Das Cylinderepithel trägt Flimmerhaare. Vf. schlieaat
sich Lottes Ansicht an, dass die Weiterbeförderung
der Spermatozoon im Uterus nicht vom Flunmer-
strom abhängig gemacht werden kann. Die Eigen-
bewegung der Spermatozoon bewirkt die Looomotion
derselben. Bei Weiterbef)(rderung des Eies in den
Tuben ist die Wimperung nicht unwesentlich.
IV. Oynftkologie a. Pftdiatrik.
37
Die Certna uteri Erwaehsener. Die Schleim-
haat verhält sieh wie beim Neugebornen in Bezug
auf ihren Ban^ nur scheinen die grössten Exemplare
der Epithelien etwas seltener zu sein , was in dem
nseheren Wechsel seine Erklärung findet. Die
frisehen Isolirongspräparate entnahm Vf. der Leben-
deo, indem er mit dem scharfen Löffel kleine Stttck-
ehen auskratzte. Die Epithelzellen zeigen meist
Bch^ne Flimmerhaare; aber auch wimperlose sind
dtfonter. Die Cilien sind oft bedeutend länger als
im Corpus. Vf. fand keine Becherzellen , während
Lott und Wyder sie mehrfach sahen. Was die
Grenze des Cylinderepithels nach unten anlangt ; so
ist dieselbe individuell sehr schwankend. Bald findet
mso die ganze Cervix mit cylindrischem Flimmer-
epithel bekleidet, bald rückt das Plattenepithel mehr
oder weniger hoch über den äussern Muttermund
hinauf. Die im untern Theil der Cervix befindlichen
Papillen sind bei Erwachsenen viel reichlicher und
sehdner gestaltet als beim Neugebornen. Eine deut-
liche Grenze der Muscnlaris gegen das intermusku-
lare Gewebe existirt auch hier nicht. Auch M.
konnte in der Cervix eine Propria (Bowman's base-
ment membrane) constatiren y d. h. ein feines Häut-
ehen zwischen Schleimhaut und Epithel. Eine sehr
groflse Menge Drüsen liegen in der Cervix , in den
Bnchten der Plicae palmatae und auf der Höhe der
Falten, gegen den äusseren Mutteimund nehmen sie
an Zahl ab ; sie sind schlauchförmige und hohlkuge-
lige Gebilde, letztere viel seltener als erstere Form
und vom Vf. mit Lott als Vorstufen der schlauch -
iäratigen angesehen. Diese schlauchförmigen Drüsen
and schmale langgestreckte Röhren, welche sich
blnfig theilen, tief in die Schleimhaut eindringen und
tn ihrem blinden Ende oft phiolenartig anschwellen.
Die Drüsen sind mit flimmerndem Cylinderepithel
aosgekleidet nnd besitzen eine Membrana propria,
dne Fortsetzung von Bowman's basement membrane.
Die Ovula Nabothi, Abkömmlinge derCervicaldrüsen
sind beim Erwachsenen ^iel grösser und zahlreicher
und mit cylindrischem Flimmerepithel ausgekleidet
Oefters aber sieht man auch ein kubisches Epithel,
das allmälig in Plattenepithel übergeht. Es sind
dieas unzweifelhaft Umbildungsprodukte des früheren
Cylinderepithels , hervorgerufen durch den vom In-
halt ausgeübten Druck. Ausser Schleim enthalten
die Ovula Zellen im Stadium der regressiven Meta-
morphose.
Das Corpus uteri Erwachsener. Epithel und
Interglandnliurgewebe unterscheiden sich weder in
Grosse noch Anordnung von dem des Neugebornen.
Die Epithelien sind mit Flimmerhaaren besetzt, doch
werden auch wimpemlose gefunden und stellen diese
wohl den jungen Nachwuchs dar. Die Drüsen sind
im Corpus einfache Schläuche oder Röhren, die sich
^^ßers an ihrem blinden Ende gabeln und etwas er-
weitem. Sie verlaufen senkrecht zur Oberfläche,
Biad öfters leicht gewellt und münden trichterförmig.
Im Fundus, wo sie am zahlreichsten sind, verlaufen
4e mdir oder weniger schräg. Oft durchziehen sie
die ganze Schleimhaut und sitzen mit ihrem Ende
der Muskulatur auf. Die Spindelzellen der Inter-
glandularsubstanz hält Vf. für identisch mit Leo-
pold's ^Zellenplatten , plattenförmigen Zellen^,
welche L. für Endothelien erklärt und deren binde-
gewebigen Charakter er leugnet. Vf. hält an dem
bindegewebigen Charakter dieser Zellen fest und
betrachtet sie als einfache Spindelzellen.
Unter dem Epithel der Oberfläche war deutlich
ein feines , zartes Häutchen zu erkennen , welches
sich in die Drüsen ihrer ganzen Länge nach fort-
setzte. Die Membran stellte sich als ein homogenes,
strukturloses, wasserhelles Häutchen dar, dem noch
da und dort Epithelien aufsassen. Sie war an frischen
nnd Schnittpräparaten nachzuweisen. Das Cylinder-
epithel der Drüsen ist keilförmig und je enger das
Lumen , um so mehr nähert sich ihre Gestalt dem
Dreieck. Die Zellenform hängt auch hier vom
Wachsthumsdruck ab. Das Epithel der Drüsen
trägt Cilien und Vf. konnte häuflg die Flimmerung
bis tief in die Drüsen verfolgen.
Das Ergebniss seiner Untersuchungen fasst Vf.
in folgenden Sätzen zusammen: „1) Das Cylinder-
epithel ist mit Flimmerhaaren besetzt, die Wimpe-
rnng lässt sich tief in die Drüsen hinein verfolgen.
2) Die Cervix enthält neben schlauchförmigen Drüsen
aubh vereinzelte mehr halbkuglige oder flaschenför-
mige. 3) Die Drüsen besitzen eine Membrana pro-
pria , deren Isolirung im Corpus gelingt. Dieselbe
stellt ein homogenes, wasserhelles Häutchen dar^.
Die Gebärmutter alter Frauen. Zur Unter-
suchung gelangten 5 Uteri von Frauen im Alter von
45 — 75 Jahren; die jüngste war noch menstruiii;.
Die senile Atrophie des Uterus im Klimakterium
kommt allmälig zu Stande. Die Processe, welche
sich um diese Zeit in der Schleimhaut abspielen, ver-
laufen ganz langsam , bilden sich weiter und weiter
ans und fähren zum Schluss zu ganz bedeutenden
Strukturveränderungen des Gewebes. Bei Frauen,
die 1 — 2 Jahre erst die Regel verloren haben, sah
Vf. noch Cylinderzellen mit deutlichem Flimmerbe-
satz , bei Frauen dagegen , bei denen schon länger
Menopanse bestand, suchte er vergebens nach Cilien.
Da das flimmernde Epithel erst bei geschlechtsreifen
Individuen gefunden wird und es im Klimakterium
wieder verschwindet, so darf der Satz, dass die
Wimperang bei der Befruchtung mitzuwirken hat,
als richtig angesehen werden.
Aus den genauen Beschreibungen der Präparate
geht hervor , dass die Schleimhaut im Dickendurch-
messer abnimmt. In der Cervix verschwinden die
Plicae palmatae. In der Schleimhaut des ganzen
Uterus vermehren sich das Bindegewebe u. die Spin-
delzellen, die Rundzellen nehmen ab, Epithelien
werden kleiner. Die Cervikaldrüsen nehmen rasch
an Zahl ab nnd verschwinden endlich ganz. Die
Drüsen des Corpus erweitem sich, obliteriren an
den Mündungen nnd werden zu Hohlräumen, die
nicht selten in einander übergehen durch Schwund
der sie trennenden Septa. Auch das Gefässsystem
38
IV. OyiUikologie u. P&diatrik.
nimmt Theil an der Atrophie. Dieses Verhalten der
Drflsen ist hei einzelnen Formen der Endometritis
chron. auch schon in jüngeren Jahren zu beobachten.
Die ansgebnchteten Hohlräame sind öfters mit Epi-
thelzellen ansgefttUt und es entstehen hierdurch
Bilder, die beim ersten Anblick lebhaft an Drflsen-
carcinom erinnern. Es wäre denkbar , dass diese
Zellen in Folge eines Reizes malignen Charakter an-
nehmen könnten.
Schlußssätze. 1) Das Epithel wirft im Alter seine
Flimmerhaare ab. 2) Epithelien and Interglandular-
Zellen verkleinem sich, das Bindegewebe erfiihrt
eine starke Vermehrung. 3) Die Drüsen der Cerm
gehen zu Grunde y die des Corpus wandeln sich in
kleine Cysten pm.
Die Menstruation. Vf. beginnt mit der An-
fahrnng der Autoren und ihrer Ansichten über die
Menstruation; die neuesten Arbeiten stammen von
Leopold und Wy der. Die Präparate, welche
die Basis von M.'s Untersuchungen bilden, ent-
stammen der Lebenden , zur Darstellung derselben
benutzte M. den scharfen Löffel; untersucht wurde
nur die Schleimhaut des Corpus. Die Schleimhaut
von 45 Frauen aus den verschiedenen Menstruations-
tagen, sowie kurz nach und vor der Regel wurde
durchmustert. Die Präparate wurden theils frisch
untersucht, theils in Spiritus gehärtet und gefärbt.
Die frischen Präparate zeigten stets deutliche Flim-
merung, die sich oft bis in die Drüsen verfolgen
Hess. Von fettiger Degeneration war keine Spur
vorhanden , weder im Epithel , noch im Interglan-
dulargewebe, die Contouren waren scharf ausge-
prägt. Messungen an Zellen und Kernen ergaben
keine Differenzen. Von einem Wucherungsprocess
oder Zeilentheilung war nichts zu finden. Es wer-
den nun 17 gehärtete , verschiedenen Frauen ange-
hörige Präpai'ate beschrieben. Aus ihnen geht her-
vor, dass, wie schon C. Rüge behauptete, ein auch
nur partieller Untergang der Uterusschleimhant wäh-
rend des menstruellen Processes nicht stattfindet.
Es handelt sich nicht um eine regressive Metamor-
phose, sondern um einen einfachen Congestionszu-
etand der Schleimhaut. Die GefStese erweitem sich,
füllen sich stäi'ker mit Blut , es kommt zu kleinen
Extravasaten und zu einer Ausschwitzung in das
Gewebe der Mucosa. Diese kommt in einen Zu-
stand, der ftir die Aufnahme und Einbettung des be-
fruchteten Eies nur günstig sein kann. Für die Ur-
sachen der Menstruation giebt die Pflüg er 'sehe
Theorie genügenden Aufschluss. Die Hämorrhagie
scheint nicht per rhexin, sondem per diapedesin
oder per anastomosin stattzufinden. M.'s ganz ab-
weichende Resultate erklären sich ohne Weiteres
aus dem Umstände, dass er seine Präparate der
Lebenden entnahm und frisch unter das Mikroskop
brachte, während die früheren Beobachter uns
Leichenerscheinungen geschildert haben.
Vf. geht nun über auf die Arbeiten , welche die
neue von Sigmund angegebene SchwangersehaftS"
thearie vertheidigen , und sagt, nachdem er Leo -
pold's und Bisohoff 's Ansichten angefahrt, ^id
demselben Sinne möchten wir uns . aussprechen.
Unsere Untersuchungen haben auf das Schlagendste
dargethan, dass während der Menstruation vob
einem auch nur theilweisen Untergang der Schleim-
haut keine Rede ist, dieselbe wird nur aufgelockert,
gewulstet, serös durchtränkt, d. h. sie wird zur
Aufnahme der befruchteten Eier vorbereitet Wir
müssen demnach die neue Schwangersehaftstheorie
auf das Entschiedenste bekämpfen und als unrichtig
zurückweisen **. Mit Bischoff stimmt M. auch darii
überein, dass es von individuellen und örtlichen Ve^
hältnissen abhängt, ob der Follikel zuerst platit,
oder ob die Blutung sich schon früher einstellt, oder
ob beides zu ganz gleicher Zeit auftiitt.
Auch Ahlfeld 's Beweisführungen, die afeh
auf die kleinsten menschlichen Eier , von denen die
Zeit ihres Abganges im Verhältniss zur weggebb'e-
benen Periode bekannt geworden , stützen, könnei
M. in seiner Ansicht nicht wankend machen. ZaiB
Schluss wird zu Gunsten der alten Ansicht folgender
Fall mitgetheilt :
Frau St., SO Jahre alt, kam am 15. Jan. 1880 inBe-
handlang. Mit 16 Jahren regelmftMig menatmirt, wnnte
sie im vorigen Jahre leicht entbanden , klagte aber seit-
dem über Schmerzen rechts unten im Leib, Vor 14 Tages
letzte Regel. Uterus normal gelagert, hinter ihm peri-
metritische Reste. Pat. warde zu Beginn der nächsten
Regel wieder bestellt. Als sie am 6. Febr. 1880 kam,
war die Regel seit einigen Tagen eingetreten , profnaer
als Je Yorher. Ein mit dem scharfen Löffel entnommeDei
Schleimhantstückchen zeigte unter dem Mikroskop, dass
das Endometrium bedeutende VeränderuDgen erfahiea
hatte, die Intersrlandalarzellen waren sehr stark ▼e^
grössert, der Kern fftUte nicht mehr die ganae Zelle ans,
vielmehr enthielt der Zellenleib viel feinkörniges Proto-
plasma.
Diese Verhältnisse sprachen nach Wyder'i
Untersuchungen u. nach Vfs. jetzigen Anschauungei
mit aller Bestimmtheit f&r Gravidität ; trotzdem war
die Regel nie ausgebliehen.
Als Resultat seiner Untorsnchungen stellt Vf. fol-
gende Sätze auf: „ 1) Während der Menstmatton geht
die Schleimhaut weder theilweise noch vollkommefl
zu Grunde, sie trägt vielmehr stets ihr flimmerndes
Cylinderepithel. 2) Interglandnlarzellen werden
nicht vermehrt y noch vergrössert. Verfettangen
auch nur geringen Grades sind niemals nachzuweisen.
3) Gefässe erweitern sich und werden stark geAUt
Extravasate finden sich in den obersten Schleimhaot-
schichten. Die homogene Gmndsnbstanz erfiibrt stets
eine Vermehrung. 4) Das befruchtete Ei entstamat
der letzten Menstruation**. (Burokhardt| Bremen.)
477. Experimentelle Untersnohungen über
die Physiologie derütenubewegang; von Prof*
Dr. A. Röhr ig in Preiburg. (Virchow's Arch.
LXXVL 1. p. 1. 1879.)
Seit Kilian die Frage nach dem Nervensystem,
welches die Bewegung des Uterus befaenrscht, an-
geregt hat, haben sich viele Forscher nait äeeßB^
Thema beschäftigt^ aber in ihren Arbeiten herrseht
IV. Gynäkologie n. Pädiatrik.
89
aoe DjrdianDOiiie, die ihre Erklärung findet in der
Sdiwierigkeity eine ganz zuverlässige VersnchBmethode
md ein geeignetes Versuchsobjekt zu finden. Sohle-
ginge r lenkte unsere Aufmerksamkeit endlich auf
die zweckmässige Benutzung der jugendlichen noch
Dicht befruchteten Kaninchen im Zustand völliger Oe-
aehlechtsreife.
Die in der Rackenlage fixirten Thiere wurden
Ihireh Curare bewegungslos gemacht und dann die
kflnstliche Athmung eingeleitet. Bei der Curarisa-
iioD wurde immer nur das leichtere Stadium der
Vergiftung, welches eben noch genflgt, das selbst-
tOodige Athmen auszuschliessen ^ abzuwarten ge-
fleht Chloroform und Chloralhydrat wurden ver-
wösÄ&iy da sie fOr den Gang der Wehenbewegung
seht bedentongslos zu sein schienen.
Zur Beantwortung der Frage nach der Uterus-
imiervatioa haben wir zunächst das Centralorgan
nd die Nervenbahnen nachzuweisen und unsschlflss-
lieh bekannt zu machen mit den Verhältnissen der
direkten Erregung des muskulösen Organs und seiner
Nervenendigungen.
Budge, Valentin und Spiegelberg ver-
kgen den Ursprung der Uterinnerven in das Cere-
MniDj Kehrer, Körner n. später auch Schle-
linger nehmen Gehirn und Rflckenmark für die
Geoitalbewegungen in Anspruch, Kilian, sowie
frfihem Aensserungen zu Folge, 0 s e r und Schle-
singer vermuthen die motorischen Uterusceniren
in der Medulla oblongata und Frankenhäuser
in Kleinhirn und Medullär Nach Brächet, Lon-
get, sovne nach Barlow's und Goltzes Er-
mittelungen dagegen werden die Bewegungen der
Gebärmutter vom untern Theil des Rflckenmarks
au innervirt, während endlich Simpson, Scan-
loni und Berti in g sich daflQr entscheiden, die
Guglien des Sympathicus als Centralorgan hinzu-
itellen, und Obernier neben den Lumbal- und
Sifflüganglien des Sympathicus noch den Lumbal-
theii des Rückenmarkes dabei betheiligt findet. Vf.
Tenacht nun aus den eigenen Experimenten zwin-
gende Grande für die centrale Lokalisirung des
vterinbewegenden Nervenapparats abzuleiten.
Die eUktrische Reizung verschiedener Partien
des unversehrten Cerebrospinalsystem lenkte die Auf-
inerksamkeit auf das Lendenmark, als der vomehm-
rten und wirksamsten Ursprungsstelle der motorischen
Utensnörven. Diese Annahme gewann an Berech-
%nig durch die Versuche mit Durchschneidung
^ ROckenmarks, welche der elektrischen Rei-
^ vorangingen. War das Halsmark zwischen
Oedput und Atlas durchschnitten, so lösten die in
^ Hinterhaupt eingestochenen Elektroden keine
Voakelerregung im Genitalrohr aus, unterhalb der
^^^htittflSche eingesenkt riefen sie ausgiebige Be-
v^gtingen hervor. Dass der Lendentheil des Rflcken-
^■'sriui der Geburtsthätigkeit vorstehe , hatte schon
Goltz bewiesen durch ein höchst geniales Experi-
^t Einer 9 Mon. alten Hflndin durchschnitt er
^ BOckenmark am ersten Lendenwirbel und
brachte die Wunde zur Heilung. Sie wurde brünstig,
empfing und gebar ein lebensfähiges Junges ohne
Kunsthülfe. Wurde das Rückenmark in der Höhe
des 10. Brustwirbels durchschnitten, so war das
Bild der elektrischen Reizwirkung verändert. Man
erhielt sehr ausgiebige, krampfhafte Uterusbewegun-
gen von der untern Rückeumarkspartie aus, während
die elektrische Reizung des über dem Schnitt be-
findlichen Brusttheils resultatlos verlief. Damit war
allerdings für Gehirn, Medulla oblongata und den
grössten Theil des Rückenmarks die Betheiligung
an der centralen Gebärmutterinnervation höchst un-
wahrscheinlich geworden.
Den frühern Forschern stand fUr die direkte
Erregung des Rückenmarks nur die elektrische Rei-
zung zur Verfügung, seit Schlesinger aber ken-
nen wir in der venösen Beschaffen/ieit des Blutes,
welche wu* durch zeitweilige Unterbrechung der
% Athmung herzustellen vermögen, ein mindestens
eben so wirksames Mittel, die nervösen Centren in
Thätigkeit zu versetzen. Setzt man am cnrarisirteu
Thiere die künstliche Athmung aus, so beobachtet
man 5 -r 10 Sekunden lang lebhafte peristaltische Be-
wegungen am blosgelegten Uterus. Je länger der
Eingriff dauert, desto ausgiebigei* und nachdrück-
licher ist sein Einfluss auf den Uterusmuskel, und
die umfassendsten und nachhaltigsten revoltirenden
Bewegungen kann man an letzterem wahrnehmen,
wenn man den Versuch bis zur tödtlichen Asphyxie
fortsetzt. Die Contraktionen dauern unter nur merk-
licher Abschwächung oft noch eine volle Stunde
nach dem Erlöschen der Herzthätigkeit fort;
hieraus will Vf. auch die durch die gerichtliche
Medicin verbürgten partus post mortem erklären«
Diese energischen Uteruscontraktionen in Folge von
unterbrochener Athmung wurden mit derselben Prä-
cision und Energie hervorgerufen, wenn das Rücken-
mark am 10. Brustwirbel durchschnitten war. In
der dyspnotischen Blutbeschaffenheit ist somit ein
kräftiger Reiz gegeben für das im untern Rücken-
mark gelegene Uterusoentrum. Es galt nun Cyou*s
Einwand zu beseitigen, der angab, dass das an Zer-
setzungsprodukten reiche Blut, als peripherer Reiz,
ohne irgendwelche centrale Nervenvermittelnng die
Uterusmuskulatur direkt in Contraktion versetze,
und in der That nimmt ja der Uterus gleich nach
der Athmungssuspension eine bläulichrothe Färbung
an. Es wurde nun nach der Durchschneidung des
Rückenmarks das ganze Rückenmark von der Schnitt-
wunde aus bis nach unten vollkommen zerstört, und
wenn alsdann die künstliche Athmung abermals
unterbrochen wurde, so konnte man auch nicht
mehr die Spur einer Uterusbewegung gewahren,
mochte man auch den Versuch bis zum Erstickungstode
fortsetzen. Hiermit war Cyon widerlegt und das
Uteruscentrum auf den Theil des Rückenmarks be-
grenzt, welcher von den letzten Brustwirbeln herab-
steigt.
Spiegelberg führte die Aortencompreseion
als wirksames Erregungsmittel für den Uterus ein ;
40
IV. Gynilkologie u. Pädiatrik.
jedoch auch ihre WirkuDg ist an die Unversehrtheit
des Rückenmarks gebunden und findet die Erklä-
rung wieder in jener direkten lokalen Erregung des
im Lendenmark gelegenen Uteruscentrum.
Die nervösen Centralapparate erfahren bekannt-
lich auch durch gevnaae Gifte, welche dem Blute
beigemischt gleichsam an Ort und Stelle reizend
oder lähmend wirken, entsprechende Alterationen
ihrer Fonktionen. Die Wirkung der Alkaloide auf
das Uteruscentrum ist bisher wenig berücksichtigt;
obgleich es nicht nur fbr den Physiologen, sondern
auch für den Gynäkologen und Pharmakologen von
grossem Interesse ist. Strycknin ruft in geringen
Dosen (0.4 Cctmtr. einer ^/^proc. Lösung) nach
wenigen Sekunden tetanische Uteruscontraktionen
hervor, die ^/^ — 1 Min. anhalten und nach 10 bis
15 Sek. Ruhe von Neuem auftreten. Sie werden
aber von kürzerer Dauer und sind von grösseren
Ruhepausen gefolgt, bis sie dauernd erlöschen. Die
Wirksamkeit des Strychnin besteht in einer lokalen
Reizung des centralen Herdes, denn nach Zerstörung
des Lendenmarks wird keine Wirkung wahrgenom-
men. Genau so verhält sich Pikrotoxin. Analog,
aber weniger energisch, wirken Nicotin und Car-
bolsäure. Die heftigste Wirkung äussert das
Ammoniak; 5 — 8 Cctmtr. einer 2proc. Lösung
erzeugen tetanische, oft 1 Stunde anhaltende Uteros-
contraktionen. Der Erfolg ändert sich nicht im
Mindesten nach Zerstörung des Lendenmarks, so
dass uns im Ammoniak zum ersten Male eine Sub-
stanz entgegentritt, mit welcher wir auch ohne Ver-
mittelung des Centralnervensystem von der Peri-
pherie aus den Uterus in Reizzustand versetzen
können. Auch am ausgeschnittenen Uterus vermisst
man bei Berührung mit Ammoniak den Tetanus
nicht; dass diess aber eine motorische Lebens-
äusserung des Muskels ist, liegt auf der Hand, denn
von einer Erstarrung kann nicht die Rede sein, da
Alkalien die Ooagulaüon nicht begünstigen. Die-
selbe Wirkung haben die Ammoniaksalze.
Dem Eintreten des allgemeinen Tetanus wurde
bei den bisherigen Mittehi dm'ch Curare begegnet ;
diess ist nicht nöthig bei Calabar und Ergotin,
Beide beeinflussen die Locomotion des Uterus viel
langsamer und die Ermüdung tritt viel später ein.
Nach 8 — 10 Min. beginnt die regelmässige, wellen-
förmig fortschreitende Contraktion. Vom Calabar
wurde behauptet, dass es auf die animalischen Mus-
keln einen lähmenden Einfiuss habe und dass es
analog dem Curare auf die peripherischen Endignn-
gen der motorischen Nerven zunächst wirke. Vfs.
Experimente aber beweisen unzweideutig, dass stets
mit der Rückenmarkszerstörung das Gift absolut
unwirksam fbr den Uterus wird. Dem entspricht
auch die weitere Beobachtung, dass seine Applika-
tion auf den ausgeschnittenen Uterus durchaus er-
folglos ist. Zur Calabarvergiftung wurden 0.025
Grmm. Extrakt in die Drosselvene gespritzt.
Zum Studium der ErgoHnwirkung wurde das
£xtr, Mcal. com. aquos. Pharm. Germ, in Dosen von
0.3 — 0.6 Grmm. intravenös injicirt. Nach spätestens
8 — 10 Min. treten regelmässige peristaltische Uterus-
contraktionen auf, die sich eine Stunde und darüber
verfolgen lassen. Subcutan injicirt wirkte Ergotin
nicht im Geringsten auf die Thätigkeit der Gebär-
mutter, was mit Wem ich 's Beobachtung in Ein-
klang steht; er fand nämlich noch 10 Tage nach
del* subcutanen Applikation beträchtliche Spuren
jener charakteristischen braunen Ergotinflflssigkeit
an der Einstichstelle unter der Haut, wonach die
Erfolglosigkeit des Mittels mit seiner schlechteo
Resorption im Unterhautbindegewebe zusammenfällt
Dem gegenüber ist die Resorptions£ähigkeit des Se-
cale com. und Ergotin vom Darm aus, besonden
von Seiten desRectum bei klyßmatischer Anwendmig
durch die Erfahrung genügend dargethan. Vf. saeht
mit Wem ich den Grund der Wirkungsweise des
Ergotin im Centralnervensystem, aber an einer an-
dern Stelle, nämlich wiederum im Lendenmark and
dafür sind seine Experimente beweisend. Dass dis
Ergotin, ähnlich wie Strychnin u. s. w. , zugleich
mit dem Uteruscentrum noch andere im Rückenmark
gelegene Centralapparate in Erregung versetzt, da-
rauf deuten hin die häufig auftretenden epilepti-
formen Convulsionen an nicht cnrarisirten Thieren
nach grossen Dosen, sowie die Erfahrung, dass
Krämpfe epileptiformer Natur die gewöhnliche Be-
gleiterscheinung der akuten Ergotinvergiftung beim |
Menschen bilden.
Wir kommen zu den Anäsiheticis. Winckel
sprach schon die hemmende Wirkung des ChlorO'
form auf die Uteruscontraktionen aus und sie wird
auch beim unbefruchteten Kaninchen nicht vermiatt;
sie äussert sich zunächst darin, dass die als Folge ;
der Rückenmarksreizung anzusprechende Uterus- |
contraktion stets um das achtfache später eintritt^ i
als beim nicht betäubten Thiere, wie denn auch der |
Versuch, den ruhenden Uterus durch eine Ergotin- 1
Injektion zur Thätigkeit anzuregen, vollständig miss-
glückte. Noch anschaulicher wurden diese Erschei-
nungen bei Anwendung von Chloralhydrat Es
handelt sich hier um eine Ermüdung des nervdsen
Centralorgans, denn direkte Reizung der Uterin-
nerven mit den Platinelektroden erzeugte prompte
tetanische Contraktionen. Morphium and O/num
haben den gleichen nachtheiUgen Effekt fflr die
Wehenthätigkeit. Atropin ist ein Präparat, welches
die Erregbarkeit des Uterus in einer Oberraseheo-
den Weise herabsetzt, besonders in verhältnissmässig
grössern Dosen. Bei einem trächtigen ELamnchen
lähmen 3 Mgrmm. Atropin. sulphur. in die Vene
gespritzt sofort die Peristaltik , während die direkte
Muskelerregbarkeit des Uterus intakt bleibt
Einige Abführmittel und Diuretika stehen Im
Rufe, wehenbefbrdemd zu wirken« Von ersteren
Aloe und Coloqidnten, welche beide Im Volke xom
Abortus gemissbraucht werden. Die Experim^te zeig-
ten nach Applikation von 1.0 Grmm. Extr. Alo^ hidie
Vene mächtige Darmperistaltik und KoÜmÜeeram
bald darnach nngfSrmige, langsam fortschreitende
IV. Gynäkologie u. Pädiatrik.
41
EmsehnfiruDgen an den Uterashörnern. Sabina
wird Dicht selten mit dem besten Erfolg al» Abtrei-
boDgsmittel benatzt. Die Experimente zeigten^ daas
man nicht allein mit Hfllfe der Sabina den inihenden
Uterus in den thfttigen Zustand überführen kann,
sondern, dass wir es hier mit einem Stoffe za thun
haben, dessen Wirkung sich allerdings nicht mit
jener der starkem Rttckenmarksgifte messen kann,
der aber nach ihnen als das einflussreichste wehen-
befordemde Agens anzusehen ist, und auch das Er-
gotin an Wirksamkeit entschieden ttbertrifit. Die
ContraktioDen haben häufig von vom herein den
rein tetanischen Charakter und erst im spätem Ver-
laofe wird der peristaltische Modus vorherrschend.
Dabei tritt der Effekt für den Uterus sehr rasch
naeh der Applikation auf und folgen sich die ein-
leben Znsammenziehnngen so schnell, dass nur
Bohepauaen von einzelnen Sekunden dazwischen
liegen. Während man bisher die abortive Wirkung
dieses Mittels mit der von ihm erzeugten heftigen
Entsfindnng der Eingeweide und Nieren und allge-
meinen Congestion nach allen Unterleibsorganen in
Veitnndung brachte, so zeigten die Experimente,
dass auch itkr die Sabina der Angriffspunkt im Len-
denmark ea suchen sei, nach dessen Zerstörung keine
Wirkung mehr eintrat. Eine gewisse Reizwirkung
tof die Nieren lässt sich nicht absprechen, hervor-
stechender aber ist die krampfhafte Erregung 'der
Blasenmnskulatur.
Was die Erregbarkeit der Uternscentren durch
die reflektorische Reizmethode anlangt, so zeigte
die elektrische Erregung einer Reihe centraler Ner-
Tenstümpfe des Rückenmarks, dass diese reflekto-
rische Rückenmarksreizung zu den allerwirksamsten
Uterosreizen gehört. Der Effekt tritt sofort ein in
Gestalt von Tetanus. Nach Zerstörong des Lenden-
marks ist die reflektoiische Reizung wirkungslos.
Die reflektorische Erregbarkeit des Uterus war schon
bdumnt durch verschiedene Thatsachen, z.B. Scan-
ioni*s Beobachtung, dass ein Reiz der nerven-
reichen Bmstwarze die Wehenthätigkeit verstärke.
Auf die Uteruscentren wirken schlflsslich auch Ein-
drücke der Sinnesorgane und psychischer Natur. Die
Intensität, mit der der Uterus auf die reflektorische
Ansprache antwortet, ist individuell und es hängt
die Wehenthätigkeit ab von Temperament, Emäh-
roDgsverhältnissen , Erziehung, Nationalität, Ver-
erbung n. s. w.
Fragen wir nun nach den motorischen Nerven"
höhnen, auf welchen die Erregungen dem Uterus zu-
geleitet werden, so sind es ebenfalls 5 Wege, weiche
hier in Betracht kommen könnten : der Vagus , der
obere Grenzstrang , der Plexus uterinus , die Sacral-
nerven und die Ovarialnerven. Während Spiegel -
berg, Frankenhäuser und Obernier dem
Vagus jeden Einfluss auf den Uterus absprechen,
behauptet Eilian, dass jener ihn zur Contraktion
veranlasse, ebenso hält Kilian an der motorischen
Natur des obera Orenzstranges fest , entgegen den
UCNlt Jalurbb. Bd. 198. Hft. 1.
Versicherungen von Körner und Schlesinger,
welche ihm eine solclie Bedeutung absprechen.
Andererseits stimmen Frankenhäuser, Schle-
singer, Cyon, und zwar im Widerspruch mit
Kehr er, darin überein, den Plexus uterinus für den
wichtigsten motorischen Leitungsnerven zu erklären,
während Longet, Valentin, Budge, Bert-
iin g und 0 b e r n i e r die Plexus aortici und uterini
für die leitenden Bahnen halten, Körner und
Basch-Hofmann neben den NN. uterini noch
die NN. saerales als Motoren, Kehrer nur die letz-
tern als solche anspricht, Frankenhäuser da-
gegen die NN. saerales für Hemmungsnerven erklärt,
welcher Ansicht übrigens auch Obernier nicht
ganz fernsteht. Auch Spiegelberg zählt die
Sacralnerven zu den Bewegungsnerven der Gebär-
mutter, aber der ganze Plexus uterinus erscheint ihm
mehr wie ein Geflecht von Ge&ssnerven, während
Gyon die Sacralnerven für sensible Elemente hält,
mit der Bestimmung , Uterinreize vom Uterus durch
das Centralnervensystem auf die motorischen NN.
uterini zu übertragen. Reizung der Ovarialnerven
endlich kann nach Obernier und Franken-
häuser Uterinbewegungen veranlassen ; die andern
Forscher haben diesen Nerven keine Beachtung ge-
schenkt; Kehr er hat auf Reizung der NN. sperma-
tici keine Contraktion erhalten.
Diese grosse Anzahl divergirender Ansichten
lässt eine experimentelle Revision sehr wünschens-
werth erscheinen.
Die elektrische Reizung des N. vagus, am Halse
sowohl, als auch an der Kardia, war ohne Einfluss
auf die Aktion des Uterus ; dasselbe gilt von dem
obern Grenzstrange. Dagegen haben R.'s Experi-
mente mit Zuverlässigkeit den motorischen Charakter
der Plexus uterini, sowie der Kreuzbeinäste erwie-
sen und zugleich diese beiden Nervenbahnen als die
einzigen Wege bezeichnet, auf welchen centrale Er-
regungen überhaupt Bewegungseffekte in der Gebär-
mutter auszulösen vermögen. Die ermittelten That-
sachen sind folgende:
„1) Im Moment« der Durchschneidung der NN.
uterini, wie der Kreuzbeinnerven geräth der Uterus
gewöhnlich in eine einmalige peristalt. Contraktion von
kurzer Dauer, worauf wieder vollständige Ruhe eintritt.
2) Wird nach der Sektion der NN. uterini das
Rückenmark auf elektrischem Wege gereizt oder
durch zeitweilige Athmungssuspension oder reflek-
torisch durch Reizung des N. ischiadicus in Bewegung
versetzt, so ist eine verhältnissmässig schwache peri-
staltische Bewegung des Uterus die regelmässige
Folge.
3) Viel kräftigere, oft tetanische Bewegungen
werden dagegen erzeugt, wenn nach Durchschneidung
der NN. saerales die genannten Reize dem Rücken-
mark zugefbhrt werden.
4) Sind beide Nervenverzweigungen, der sympa-
thische, wie derKreuzbeinplexus abgetrennt, so ver-
mag weder die direkte, noch die reflektorische
6
42
IV. GynKkoIogie n. Pftdiatrik.
RückeDmarksreizuDg mehr Znsammenziehangen in
dem Gebärorgane auszulösen ^ obwohl sich letzteres
auf direkte elektrische EiTegung noch als sehr wohl
contraktionsfähig erweist.
5) Die schwache elektiische Reizung der peri-
pheren NeiTenabschnitte des Plexus uterinus ver-
setzt den Uterus in der Regel in TetanuSi
6) Schwächere Uteruscontraktionen erfolgen auf
elektrische Erregung der abgetrennten peripheren
Sacralnervenstttmpfe.
7) Die elektrische Reizung der centralen Nerven-
abschnitte ergiebt sowohl für den Plexus uterinus,
wie für die Rami sacrales die Anwesenheit sensibler
Nervenfasern ; insbesondere löst die centripetale Rei-
zung der Kreuzbeinnerven tetanische Zusammen-
ziehungen der Gebärmutter aus.''
PiHfung der Ovarialnerven ergab, dass die
Durchschneidung der NN. spermatici schmerzlos nnd
ohne jeden motorischen Einflnss ist, ebenso die centri-
fugale Reizung des peripheren Nervenabschnitts;
dagegen ergab die centripetale Erregung des cen-
tralen Nervenstumpfes tetanische Bewegungen reflek-
torischer Natur, ein Zeichen dafür, dass eine be-
trächtliche Menge sensibler Fasern in diesen Nerven-
zttgen verläuft. — Die ungeahnte Verbreitung sen-
sibler Nervenfasern im Uterus und in den Ovarien
machen zahlreiche normale und abnorme Zustände
während der Menstruation, Schwangerschaft und Ge-
burt verständlich.
Die direkte Gebärmutterreizung nun sollte die
Frage entscheiden , ob wir das Lendenmark als die
einzige Innervationsquelle filr die Locomotion des
Uterus betrachten dürfen , odei* vielmehr für das Zn-
standekommen von Bewegungsäusserungen im Ge-
bärorgan durch dasselbe örtlich treffende Reizein-
flüsse, noch ausserdem ein in sein Gewebe eingebet-
tetes peripheres Nervencentmm anzunehmen genöthigt
sind. Der Uterus wird durch die lokale Einwirkung
mechanischer , thermischer nnd chemischer Reize in
Contraktion versetzt; ebenso vermögen wir auch
durch direkte elektrische En*egung dauernde Con-
traktionen za erzielen, nur steht der constante Strom
dem inducirten an Wirksamkeit weit nach. Wollte
man den constanten Strom zur Erzielung kräftiger
Contraktionen verwenden, so wäre eine Stromstärke
erforderlich, bei der die chemische Wirkung nicht zu
vermeiden wäre , der inducirte Strom dagegen ver*
mag von den Bauchdecken her das Uterusparenchym
in so nachdrücklicher Weise zu reizen , dass neuer-
dings wieder Grünwaldt in Petersburg die In-
duktionselektricitüt zur Einleitung der künstlichen
Frühgeburt empfohlen hat. Glatte und quergestreifte
Muskelfasern reagiren in derselben Weise auf die
verschiedenen direkten Reizeinflüsse. Der Herz-
muskel , aus dem Körper herausgenommen , schlägt
eine Zeit lang fort, das ausgeschnittene Darmstück
zeigt noch deutliche Bewegungen, dagegen erlöschen
die spontanen Uteruscontraktionen sofort, sobald die
nervösen Verbindungen mit dem Rückenmark durch-
schnitten oder letzteres zerstört ist. Trennt man
endlich den Uterus auch noch so behutsam aus dem
Körper, stets verhält er sich absolut ruhig wie jeder
quergestreifte, ganglienfreie Muskel. Hiemach
scheint die absolute Integrität der reflektorischen
Verknüpfung sensibler und motorischer Uternsnerven
im Rückenmark die Voraussetzung für das Zustande-
kommen der Utemsperistaltik zu sein. Uebrigens
kommt überhaupt ein gut Theil der sonst als die
Wirkung direkter Uterusreizung aufgefassten Be-
wegungen bei genauerer Betrachtung auf Rechnong
der reflektorischen Vermittelung. Was endlich das
Ammoniak anlangt, so haben die Experimente in er-
schöpfender Weise den Beweis geliefert, dass es auch
für die organische Muskelfaser als ein specifiscbes
Muskelgift zn betrachten ist , nnd dass wir in ihm
ein ganz unzweideutiges Mittel besitzen, nm den
Uterus ohne Vermittelnng irgend eines centralen
oder automatischen Nerveneinflusses in unmittelbare
Erregung zn versetzen.
Den quantitativen Blutversorgangsverbältnissen
wird von vielen Seiten ein gestaltender Einflnss auf
die Muskelbewegnng zugeschrieben nnd der Einflnss
der lokalen Blutcirknlation im Uterus vielfach mias-
verstanden. Aber auch hier beweisen die Experi-
mente , dass die motorische Innervation des Uten»
wenigstens von dem hyperämischen Zustande sdner
Cirknlationsverhältnisse nach keiner Seite hin be-
rührt wird ; und genan dieselbe Bewandtniss hat es
mit der peripheren Anämie desselben. Kehr er
nnd Spiegelberg machten den Uterus dnrch all-
gemeine Verblutung anämisch und erklärten die da-
nach folgenden Contraktionen durch lokale Anämie.
Wird aber das Rückenmark vom zehnten Brustwirbel
abwärts zerstört und dann die Verblntung des Ver-
suchsthieres aus der Carotis vorgenommen, so bldbt
jedwede motorische Veränderung am Kaninchen-
ntems aus, wird er auch bis zum Eintreten des Todes
durch den fortgesetzten Blutverlust beobachtet Nach
diesen Thatsachen kann gar kein Zweifel darüber
herrschen , dass die Blutftllle des Utema an seinen
Bewegungen unschuldig ist. Um aber die Wirkung
der Anämie recht genau zn studiren und zugleich
die Funktionen des Gangliensystems in seiner vollen
Unabhängigkeit zu sehen , verfahre man ebenso wie
beim Herzen, d. h. schneide mit zwei raschen Schnitten
den Uterus aus nnd betrachte ihn in einer schwaeben
Kochsalzlösung. Man constatirt dann niemals die
leiseste Einschnürung, geschweige denn eine Znsam-
menziehung an dem anämischen Muskel ; genan wie
der ausgeschnittene ganglienlose, quergestreifte Mus-
kel verharrt er dauernd in absoluter Ruhe , obgleich
beide auf direkte elektrische Erregung ihre Lebens-
fähigkeit ausreichend beknnden. „Schwieriger freilich,
sagt R., gestaltet sich die Beantwortung der Frage,
welche physiologische Bestimmung denn sonst den
Utemsganglien zuzuweisen sein dürfte ^ nachdem wir
sie ihrer motorischen Bedeutung verlustig erklflrt
Ich meine aber, dass wir in einem Organ, wie es der
Uterus ist , dessen Cirknlationsveriiftltnisse niefat nur
bei der periodischen Wiederkehr der MeDStmalion,
IV. Gynäkologie u. Pädiatrik.
43
sondern auch bei der gewaltigen Entwicklang der
Gewebe während der Schwangerschaft; und deren
rascher Rflckbildong während des Wochenbetts eine
80 eminent wichtige Rolle spielen und so weitgehen-
den Verändernngen unterworfen sind, entschieden
gewisse nervöse Apparate voraussetzen müssen,
welche den Wechsel der Blutbewegung behen*8chen;
and dass wir ans ganz gut die Uterusganglien als
mit dieser Funktion betraut, als sogenannte periphere
Oeftssganglien vorstellen können.'^
Es folgen nun ca. 30 Versuche aus der langen
Reihe der interessanten Experimente , unter diesen
sind 2 bestimmt, den Einfluss der Reizung des Ova-
rinm auf den Blutdruck zu eruiren. Sie ergaben,
dass man durch centrale Reizung der Ovarialnerven
nieht nnr den Uterus in Contraktion zu versetzen
vermag, sondern auch beträchtliche Blutdrucksteige-
rongen im Gesammtorganismus auszulösen im Stande
ist. Wir mttssen daraus schliessen, dass in ähnlicher
Weise, wie die fQr die Locomotion des Uterus auf
reflektorisehem Wege wirksamen Nervenfasern direkt
in die motorischen Uteruscenti'en imRtlckenmark ein-
mflnden , die den Blutdruck beeinflussenden Nerven
unmittelbar mit den vasomotorischen Centren ver-
knüpft sind. (Burckhardt, Bremen.)
478. Heber ein verbesserteB Mutterrohr
und die Vaginaldusohe während der Hen-
stroation; von Dr. J. Eocks in Bonn. (Gynäkol.
Centr.-Bl. V. 19. 1881.)
mehrmals injicirt werden. Besonders ist das Ver-
fahren zu empfehlen, wenn die Frauen genöthigt
sind, ein Pessarium zu tragen. (Höhn e.)
479. Beitrag zur Emmef sehen Operation
der Cervizrisse ; von Dr. Ed. A r n i n g. (Wien.
med. Wchnschr. XXXI. 32. 33. 1881.)
Vf. stellt aus der Praxis des Dr. A. Marti n in
Berlin 22 Fälle tabellarisch zusammen, welche er
selbst zu beobachten Gelegenheit hatte. Die Be-
handlungsweise M.'s, welche in manchen wesent-
lichen Punkten von derjenigen E m m e t 's abweicht,
wird nun vom Vf. ausführlich besprochen ; hier sol-
len nur die wesentlichen Momente, in denen diese
Behandlungsweise von derjenigen E.'s sich unter-
scheidet, mitgetheilt werden.
E. schreibt als wesentlich bei seiner Behandlung
der Cervixrisse eine Monate lange der eigentlichen
Operation vorangehende Kur vor. Bei M. fällt diese
lange Vorbehandlung weg ; derselben Ansicht sind
auch Breisky, Schröder und Spiegelberg.
Diese Differenz hängt mit der verschiedenen An-
schauung über die pathologische Bedeutung der Cer-
vixrisse und der Erkrankung der Cervikalschleim-
haut zusammen. — Während E. bei der Operation
die Seitenlage empfiehlt, operirt M. bei Steinschnitt-
lage. Vorher wird die Vagina mit einer 5proc. Car-
bollösung ausgespült. Nachdem nun das Operations-
feld mit Hülfe der Simon 'sehen Scheidenrinne und
seitlicher Scheidenhalter sichtbar gemacht worden ist.
Die Beobachtung, dass bei Vaginalinjektionen 'S beginnt und verläuft die Operation unter fortwähren-
doch zuweilen Erscheinungen zu Tage treten, welche ^ der Berieselung mit einerkalten 2proc. Carbollösnng.
aof ein Eindringen von Luft oder Flüssigkeit in die ' Hierdurch wird auf der einen Seite die Blutung bald
UtemshöUe schliessen Hessen, führte den Vf. zur «^ gestillt, auf der andern aber das Operationsfeld durch
Anwenduog eines besonders construirten, von Esch-, Schwämme oder die Hände der Assistirenden nicht
bman in Bonn verfertigten Muttorrohrs, das eben verdeckt. Endlich heilen auch die durch Nähte
den Vortheil hat, dass Luft oder Flüssigkeit bei der . verbundenen Wundflächen viel rascher, da kein Ge-
Injektion nicht in den Uterus eindringen kann. Vf. * rinnsei sich dazwischen festsetzen kann. Bei starker
bttchreibt selbst das Rohr mit folgenden Worten: Entartung der Schleimhaut wird dieselbe mit der
„Das unten einfache Rohr spaltet sich an der Spitze
in zwei sich oben vereinigende Aeste, so dass es hier
die Form eines grossen Nadelöhrs von etwa 5Ctmtr.
Linge und 0.5 Ctmtr. grösster Breite gewinnt. In
dieses Oehr münden nun die Ausflussöffhungen von
beiden Seiten herein , so dass das Rohr , welches an
der Aussenfläche also keine Oeffnungen besitzt, in
die Cervix eingeführt diese tamponirt und das Oehr,
welches als Drain wirkt, dem ausfliessenden Wasser
den Weg direkt in die Vagina zu nehmen gestattet.'^
Die Oese ist aus Hartgummi gefertigt, sie sitzt auf
einem gewöhnlichen biegsamen Rohre. Ein längeres
Zorflekbleiben von Flüssigkeit in der Vagina, wie es
bei den gewöhnlichen Vaginalduschen vorkommt,
bmn bei Anwendung dieses neuen Mutterrohres nicht
stattfinden.
Endlich befürwortet Vf. auch reinigende Aus-
Bpritzongen der Vagma während der Menetruationy
von welchen er bei vielen Frauen die heilsamsten
Wirkungen gesehen hat. Das Wasser muss eine
'Fempenitar von 280R. besitzen und kann des Tages
/Z^camt^'schen Curette abgekratzt. Bei starken en-
dometritischen Erscheinungen wird die Auskratzung
auch der Mucosa der Uterushöhle vorgenommen. Tritt
starke Blutung ein , so wird eine Eisenchloridlösung
injicirt und dann mit einer schwachen Carbollösung
ausgespritzt. Hierauf folgt die Anfrischung der
Lippen und Excision der Narbe, wozu sich M. nicht
der Scheere, sondern des von Schröder empfohlenen
zweischneidigen Lanzenmessers bedient Zur Naht
verwendet M. die geflochtene 7urner'sche Seide, stark
geki-ümmte Nadeln und einen Langenbeck'wahßn Na-
delhalter. M. ist nicht der Ansicht , dass die An-
finschung in sehr ausgiebiger Weise, wie es E. em-
pfiehlt, zu machen sei, da sonst Uebelstände (Dellen-
bildung oder wohl gar Stenosirung des Cervikal-
kanals) eintreten können. Femer wird auch vor
dem zu festen Zuschnüren der Nähte gewarnt , da
sonst leicht ein Durchschneiden der untersten Naht,
wie das in einigen Fällen beobachtet wurde, ein-
treten kann. Die obern Nähte wurden am 10. Tage,
die untern gewöhnlich noch später herausgenommen.
44
IV. Gynäkologie u. Pädiatrik.
Wenn nöthig , müssen nach der Operation auch pas-
sende Pessarien eingelegt werden.
M. hat ohne Schaden auch in Fällen operirt, wo
Empfindlichkeit und leichte Infiltration des Scheiden-
gewölbes vorhanden war. In Fällen, wo ausser
Rissen an der Cervix noch Senkung des Uterus und
Vorfall der Scheidenwände mit altem Dammrisse
vorhanden war, verband M. die E mm et 'sehe Ope-
ration mit der chinirgischen Behandlung des Pro-
lapsus.
Was endlich die Indikationen für die operative
Behandlung der Cervixrisse betrifit, so sind nach
den Erfahrungen M.*s frische Cervixrisse unmit-
telbar nach der Geburt durch die Naht zu ver-
einigen. Werden hingegen erst nach einiger Zeit,
aber noch vor der Rückbildung des Uterus Cervix-
risse bemerkt, so soll man abwarten , ob nicht doch
noch eine Ueberhäutung des Risses eintritt. Stellen
sich aber Reizei'scheinungen oder Blutungen u. s. w.
ein, dann ist nicht mit der Operation zu zaudern.
Bei den alten Gervixrissen unterscheidet Vf. die tor-
piden von solchen, die mit Reizerscheinungen einher-
gehen. Bei altern Frauen ist die Operation nur
dann angezeigt, wenn durch die Cervixrisse and die
dadurch entstandenen Narben Schmerzempfindungen
hervorgebracht werden. Bei Jüngern Frauen ist
unter allen Umständen zu operiren. Ist leichte Em-
pfindlichkeit im Pen- und Parametrium vorhanden,
so kann trotzdem die Operation vorgenommen wer-
den, da gerade hierdurch der chronische Reizzustand
in Wegfall gebracht wird. (Höhn e.)
480. Eine Verbesserung der Behandlungs-
methoden der Uterusdeviationen ; von Dr. Ro-
bert Bell. (Edinb. med. Jouni. XXVII. p. 28.
[Nr. 313.] July 1881.)
Nachdem Vf. als die Ursachen von Uterusdevia-
tionen die habituelle Verstopfung, den Blasenkatarrh
und den mit der Dyspepsie einhergehenden Meteoris-
mus aufgeführt hat, bespricht er ein Hülfsmittel, das
er in den letzten 2 Jahren mehr als 200mal allein
angewandt hat und welches den Gebrauch der Pes-
sarien überflüssig macht. In Wirklichkeit hat auch
Vf. letztere seit den letzten 18 Mon. nicht mehr an-
gewandt. Er benutzt Wattetampona ^ welche er
in eine Lösung von Alum. depur. 30 Grmm. und
Acid. carbol. cryst. 3.75 Grmm. in Glycerin. depur.
240 Grmm. eintaucht. Da das Glycerin eine vor-
handene Uterushypertrophie oder Metrilss dadurch
bessert, dass es in Folge seiner grossen Neigung,
Wasser anzuziehen , das Blut aus den Theilen , mit
denen es in Berührung kommt, ableitet, so ist die
Tamponbehandlung gerade da mit Vortheil anwend-
bar, wo Pessarien wegen derSchmerzhaftigkeit nicht
vertragen werden.
Vf. wendet sich zuerst zu dem Prolapsus uteri
in seinen verschiedenen Graden. Er ist die Folge
entweder einer Gewichtszunahme des Organs oder
einer mangelhaften Stützung desselben oder eines
Druckes von oben^ oder einer Combination dieser
Faktoren. Handelt es sich um eine Perinftalruptur,
so mnss zuerst diese beseitigt werden. Bei j^em
Prolapsus aber handelt es sich um Hypertrophie des
Uterus und Schlaffheit der Vaginalwandungen und
der Uterusligamente. Nachdem der Uterus reponirt
ist, erhält man ihn in seiner Lage durch einen Watte-
tampon, der in die genannte Lösung getaucht wor-
den ist, und Iftsst letztern 3 — 4 Tage liegen. Dabei
tritt eine reichliche Wasseransscheidung ans der Va-
gina ein, so dass die Kr. stets ein Verbandtach tra-
gen muss. Die Behandlung mnss aber 2 — 7 Mon.
lang fortgesetzt werden.
Bei Versionen imd Flexionen des Uterus, von
denen Vf. viele Fiüle behandelte, bei denen vorha
Pessarien und intrauterine Stifte erfolglps gebraucht
worden waren, brachten einige Tampons meist grosse
Erleichterung. Bei Retroflexionen legt Vf., naohdem
er die oft hartnäckige Verstopfung beseitigt hat,
einen kleinen Tampon in das hintere Seheiden-
gewölbe nach dem JDouglas^wAien Baume hin, wäh-
rend er einen zweiten , grossem Tampon hinter die
Cervix legt ; er soll als Stütze des kleinem Tam-
pons dienen. Auch bei Ant^exionen wendet Vf.
zuweilen zwei Tampons an, obwohl gewöhnlich dner
allen Anforderungen^ genügt. Auf diese Welse sah
Vf. bei Anteflexionen und Anteversionen schnell die
Symptome der Blasenreizung schwinden.
(Kormann.)
481. Ueber das Verhalten des xmteren
Absohnittes der Uterus am Ende der Qravi-
dität; von Dr. Felix Marchand, Assistentam
patholog. Inst, zu Breslau. (Breslauer ärztl. Ztscbr.
n. 22. 1880.)
M. hat Gelegenheit gehabt, bei einer am Ende
der Gravidität in Folge einer Blntang ans einem
geborstenen Varix des rechten Unterschenkels ge-
storbenen Schwangeren den unteren Abschnitt des
Uterus zu untersuchen.
Der Utems wurde uneröfhiet herausfirenommen imd
von der Art. Bperm. int. dextr. mit blauer heimmuK
injicirt. Sodann wurde nach Erkaltung der Masse das
Kind durch einen Medianschnitt an der vorderen Flaebe
entfernt. Der Uterus wurde sodann mit Miüler'ocha
Flüssigkeit gefOllt und nach sorgfältiger Vemähanf des
Schnittes in einem GefEsse mit Mil//er'sober Flüssigkeit
aufgehängt. Später wurde nach mehrtägiger AnswSsse-
mng die Flüssigkeit durch Spiritus ersetzt und der Uterus
nach einigen Tagen in der Sagittalehene median durch-
schnitten. Hierbei fielen zunächst am hinteren Umfito^
der Cervix in der Gegend des Os int. zahlreiche weite
Gefässe auf, die ein förmliches Geflecht bildeten, welches
sich auch noch auf die hintere Wand der Scheide fort-
setzte. Die Achse des Cervikalkanals war ebenfalls oseh
oben und vom zu der des Uterus geneigt. Dielin^
der ganzen Cervix betrug, von derVorderlippe bis ta des
Eihäuten, 6 Centimeter. Nur der untere, 3—3.6 Ctmtr.
lange Abschnitt der Cervix war kanalförmig, in der BGtta
1 Ctmtr. weit, am Os ext. etwas verengt. Der obere
Theil dagegen, 1.6 Ctmtr. lang, war trichterf5niig ^
oben erweitert, so dass der obere Durohmesser desTticIi'
ters 4 Ctmtr. betrug. Die Grenze dieses trichterfSrmigeB
Abschnittes gegen den Uterus wurde gebildet durch die
Insertionslinie der Eihäute an die Utemswand, nod iwsr
befand sich dieselbe an der Yorderwand 3 Ctmtr., an ^^
IV. Gynäkologie n. Pädiatrik.
45
Binterwaod nur etwa 1.5 Ctmtr. oberhalb des oberen
Endes des kanalfSnnigen Abschnittes, des sog. Miüler'-
sehen Binges. Ueber die obere kreisförmige Oeffnnng
dieses Trichters spannten sich die Eih&nte seltartig hin-
weg; der ganze Baum des Kanals war unmittelbar bis
an die letstere mit einem zähen , glasigen Schleimpfropf
gef&llt. Nur im obersten Theil des Trichters, namentlich
Yora, lagen die Eihäute eng an der Wand an ; nur dieser
etwa 1 Ctmtr. betragende Abschnitt der Wand war innen
glatt, in dem fibrigen Theil des Trichters liessen sich so-
wohl Yom als hinten die durchschnittenen Palmae plicatae
und efauelne Schleimcystchen erkennen.
M. hebt hervor y dasa das makroskopische Ver-
hilten dieses unteren Segmentes mit seinen früheren
Beobachtangen übereinstimme ; es komme auch den
Beschreibungen der älteren Qeburtshelfer nahe, nur
mit dem Unterschiede, dass das „Verstreichen'* des
Cervikalkanals wähi*end der Gravidität sich nur auf
den obersten Theil desselben beschränke und erst
in der Gebort vollständig werde. Auch betreffs der
mikroskopischen Untersuchung könne er auf seine
früheren Schilderungen verweisen. Das Cervikal-
epitbel setze sich in continuirlicher Schicht tiber die
Unebenheiten der Plicae palmatae und der ziemlich
sttfk entwickelten Schleimdrüsen fort, nach oben
alhnälig niedriger werdend. Von einer decidualen
Veränderung der Schleimhaut' sei nichts zu ent-
decken, auch an der vorderen Fläche finde sich
nichts, was als solche gedeutet werden könne.
Die cystenfthnliche Ausdehnung der Schleimdrüsen
hänge mit der Sekretion des massenhaften Schleims
KQSammen, welcher den ganzen Cervikalkanal er-
ftlle.
Das fast cavemös zu nennende Venengeflecht
in der Gegend des Os int. und des oberen Theils
der Scheide sei geeignet , die Aufnahme septischer
Stoffe in dieser bei jeder Geburt mehr oder weniger
verietzten Gegend zu erleichtem. Ein besonderer
Snos, welcher die Gegend des Müller^Bdaen Ringes
bezeichnet hätte, war nicht vorhanden.
(Zschiesche, Erfurt.)
482. Ueber den künstüobenBlasenaprang
beiPlaoenta praevia lateralis ; von Dr. K u c h e r
in Wien. (Wien. med. Presse XXI. 19— 21 ; Mai
1880.)
Schroeder empfiehlt das fragliche Verfahren
in seinem Lehrbuche (p. 557) nicht unbedingt,
dringt aber an anderer Stelle (Ztschr. f. Geburtsh.
II. Bd. 1. Heft) auf möglichst frflhzeitige Ausführung
desselben, liit Bezug auf das so häufige Vorkom-
men einer Trennung zwischen Ghorion und Amnion
nnter der Geburt — von 175 Plac. waren beide
vollkommen getrennt an 46, zum Theil getrennt an
33, vollkommen verklebt an 96 — glaubt er, dass
nach dem Blasensprunge Amnion und Ghorion
adhärent blieben.
Vf. bdiauptet dagegen, dass auch nach frtlhem
Blasensprunge eine Trennung der Eihäute erfolgen
kOnne. Ueberhaupt fand er von 128 Plac. die Ei-
blnte vollkommen getrennt an 43, zum Theil ge-
trennt an 20 1 ganz verklebt an 65. Im Weitem
weist Vf. nun an der Hand von einschlagenden Fällen
nach, dass durch die Blasensprengung eben so wenig
wie durch spontanen frühzeitigen Blasensprung bei
Plac. praev. lat. eine spätere Blutung verhütet wird,
sobald nachher die Hoffnung, die den Geburtshelfer
zu dem Eingrifie bewegt , nicht in Erfüllung geht,
nämlich dass der vorliegende Kindestheil die Plac.
tamponirt. Dauert die Blutung nach dem Blasen-
sprung fort, so bleibt nur die Wendung nach
Braxton Hicks oder die Tamponade übrig.
Denn eine frühzeitige Entbindung bedingt viel
grössere Gefahren als die Plac. praev. lat. selbst.
Aber auch die Wendung nach Braxton Hicks
ist nicht immer leicht , besonders wenn dem Arzte
die ndthige Uebung mangelt.
Es bleibt also für die Praxis nur die Tamponade,
die bei unversehrter Blase viel weniger Gefahren
hat, als bei gesprungener resp., gesprengter. — Im
Allgemeinen räth Vf., den Blasenstich nur bei ver-
strichenem oder nahezu verstrichenem Orificium und
constatirter Längslage des Kindes zu machen. Denn
dann' tritt entweder bei guten Wehen der vor-
liegende Kindestheil tamponirend tiefer oder kann
sofort extrahirt werden ; bei Wehenmangel u. hoch-
stehendem Kopfe würde sich die Wendung leicht aus-
führen lassen. Den frühzeitigen künstlichen Blasen-
sprung soll man nur für die Fälle in Aussicht nehmen,
in denen der vorliegende Kindestheil leicht tampon-
nirend wirken kann. In solchen Fällen ist das Ver-
fahren zuweilen das beste Mittel. (Kor mann.)
483. Binleitcuig derGleburt und Anlegung
der Zange während einer Puerperalmanie ; von
Dr. V a 1 e n t i n e B i r d. (Brit. med. Joum. April 12.
p. 544. 1879.)
Ehie im 9. Monat stehende Viertgeschwängerte,
deren Mutter nach einem Abortus einen Anfall von Pner-
peralmanie geseigt hatte, kehrte, nachdem sie sich einige
Tage lang unwohl gefühlt hatte, von einer höchst an-
strengenden Reise mit heftigen Kopfschmerzen nnd Schlaf-
losigkeit nach London zurück. Nachdem einige Zeit lang
unter Gebrauch von Abführmitteln, abwechselnd mit einer
Bromkalinmlösang mit Znsatz von Hyoscyamns Beese-
mng mit Verschlimmerang abgewechselt hatte, stellte
sich ein maniakalischerZastand ein, der Inhalationen von
Chloroform n. inneren Gebranch vonChloralhydratnöthig
machte. Am 9. Tage nach der Rückkehr von der Reise
leitete Vf. , da keine Besserang eintrat, die Frühgeburt
ein durch Einlegen eines Bongie nach dem Fnndns uteri
(Barnes), welches aber während der Nacht herausrutschte.
Hierauf wurde ein Kolpenrynter eingelegt , der auch nur
schwache Wehen erzeugte, so dass Vf. endHch die Blase
sprengte nnd einen Theil des Fruchtwassers abUess«
Nach genügender Dilatation des Orificium uteri mit der
Hand, legte Vf. (29 Stunden nach Einlegen des Bougies,
16 Stunden nach Anwendnng des Kolpenrynter und 11
Stunden nach dem Blasensprengen) die Zange an und
extrahirie einen gut entwickelten Knaben. Bald nach
der Geburt begann die Manie nachzulassen nnd war nach
1—2 Tagen vollständig geheilt. Die Frau konnte 9 Mon.
lang stillen und befand sich während dieser Zeit ebenso,
wie der Junge, ausgezeichnet.
EpikritiBch bespricht Vf. den BiDfluss der an-
strengenden Reise ; namentlich auch in Folge der
Unregelmftssigkeit der Entleerung von Blase nnd
46
IV. Gynäkologie n. Pädiatrik.
Mastdaim , auf die Entstehung der Puerperalmanie
im firagl. Falle. Dieselbe sei als der Ausdruck einer
ReflexiiTitation von Seiten einer hochgradigen Oon-
gestion der Beckenorgane zu betrachten. Vf. stellt
diese Form der Manie (Mania hysterica) jener Form
von Delirium zur Seite, die zuweilen beobachtet
wird, während der Kopf des Kindes die Vulva passirt,
und die Folge der geistigen Erreguug und des
Schmerzes ist. (K o r m a n n.)
484. Verfiahren, am Ende der Schwanger^
sohaft den Bücken des Kindes genau su füh-
len lind die Herstöne deutlich zu hören ; von
Dr. P. Budin. (Qaz. de Par. 21. 1881.)
Von allen Methoden , am Ende der Schwanger-
schaft Lage und Stellung des Fötus zu diagnosti-
dren, ist die Palpation des Abdomen die wichtigste.
Pinard empfiehlt zur Aufsuchung des Rückens das
leise Palpiren mit den Fingerapitzen und weist darauf
hin, dasSy je nachdem der ROcken unmittelbar der
Uteruswand anliegt oder von ihr durch Fruchtwasser
getrennt wird, die Empfindung verschieden isti Die
im 2. Falle entstehenden Zweifel nun beseitigen
Tarnier und Chautrenily indem sie eine Hand
auf die entgegengesetzte Seite des Abdomen legen
und aus der Anwesenheit kleiner Theile daselbst
den Schluss auf die Lage des Rflckens ziehen. Liegt
der Rttcken nach hinten rechts oder links , so fühlt
man nur die seitliche Partie. Diese Schwierigkeiten
und die Veränderung der Lage sind störend , wenn
man die Stellung des Rflckens demonstriren will; in
diesem Falle verfilhrt Vf. folgendermaassen. Be-
steht eine Schftdellage mit dem Hinterhaupt hinten,
so legt er eine Hand auf den Steiss und schiebt ihn
möglichst von innen nach aussen , indem er gleich-
zeitig einen gewissen Druck von oben nach unten
ausübt. Der Fötus, auf diese Weise fixirt und ge-
nau an die Uterus- und Bauchwand geschmiegt,
krümmt sich durch den Druck im Rumpfe und letz-
terer wird dadurch deutlich ftlr das Gef&hl ; mit der
andern Hand kann man dann vermöge der Finger-
spitzen die charakteristischen Merkmale des Rückens
nachweisen. Bei Beckenendlagen fixirt man mit der
linken Hand den Kopf und palpirt mit der rechten
Hand , indem man sich zur Rechten der Frau stellt.
Bei Querlagen lässt man Kopf u. Steiss durch Assi-
stenten fixiren und sieht dann nach dem Rücken,
dessen Lage nach hinten allein Schwierigkeiten für
das Auffinden macht. Hat man auf diese Weise
Lage, Stellung und Haltung ermittelt, so weiss man,
wo die Imke Seite des Fötus ist, und dort setzt man
das Stethoskop auf. Wenn nach einander Viele das
Ohr anlegen , so sinkt der Rumpf allmälig zurück
und die Töne werden undeutlicher. Wenn man diess
vermeiden will , setze man das Stethoskop an dem
nach oben liegenden Theile auf.
(Burckhardt, Bremen.)
485. Ueber die Bewegungen des Kinds-
kopfes bei dem Wege duroh den verengten
Beckeneingang; von Prof. Wm. Stephenson
zu Aberdeen. (Obstetr. Journ. VUL p. 513. [Nr. 91.]
Sept. 1880.)
In Bezug auf den fragl. Mechanismus schliesst
siehst, ganz an Spiegelberg an, dessen An-
sicht er wörtlich wiedergiebt. Ausserden von Spie-
gel borg für den Durchgang beim flachen Becken
angegebenen 2 Rotationen theils um die fronto-ocd-
pitale, theils um die transversale Achse beschreibt
S t. noch eine dritte um die vertikale , bei der du
Hinterhaupt sich nach vorn, resp. nach hinten drebt,
so dass dadurch ein schmälerer Theil des SchXdels
zwischen Promontorium und Symphyse kommt. Seit
St. auf diese Rotation aufmerksam gewoi'den iBt,
hat er sich bestrebt, dieselbe bei der Zangenextrak-
tion nachzuahmen) und dadurch die Entbindung er-
leichtert gefunden. (0 s t e r l o h.)
486. Ueber die nOeintore eutooique'^ bd
fehlerhaften Kindeslagen; von Dr. Alphonse
Herrgott in Nancy. (Rev. m^d. de TEsi XII. 4;
p. 110—120. Febr. 1880.)
In diesem woi*treichen Aiükel, dessen erste
Hälfte fast allein den Ansichten des Hipp okrates
über Entstehung der Kindeslagen gewidmet ist, em-
pfiehlt Herrgott, besonders für Fälle , bei denen
Erschlaffung der Bauch* und Gebärmutterwäude in
Folge zahlreicher Entbindungen die Entstehung von
Schieflagen befördert, die von Pinard angegeboie
Leibbinde. Dieselbe hat an den den beiden Sdten
des Leibes anliegenden Theilen je einen wie dn
Luftkissen aufzublasenden Einsatz, durch dessen
nach Bedürfniss vermehrte Spannung ein Abweicben
des Kindeskopfes nach rechts oder links unmöglich
gemacht werden soll. Ref Atrchtet, dass, wenn der
gewünschte Erfolg erreicht werden soll , der DraA
auf den Leib schon ein ziemlich bedeutender und Üi
die Dauer wohl unerträglicher sein müsste.
(Osterloh.)
487. Eine seltene Kindeslage ; von Dr. J.
Turner Parkins. (New York med. Record XIX.
16. p. 429. April 1881.)
Vf. beobachtete eine vollständige Rückenlage
(die er gut abbildet) bei einer ca. 30 J. alten Pnn,
die schon mehrmals (vor 6 J. zuletzt) geboren hatte.
Die Geburt hatte schon vor 5 T. begonnen , seit
48 Std. aber keine Fortschritte gemacht.
In der Vulva waren beide Hände des Kindes n
sehen; ihre Palmarflächen waren gegen einander ge-
richtet. Mit dem eingeführten Finger gelangte Vf. u
die Soapulae nnd die Halswirbel, fand also weder Kopf
noch Füsse, welche znsammen im Fundus uteri lageo.
Wegen heftiger Uterusoontraktionen , Folge von ter-
abreiohtem Ergotin [!], war der Muttennnnd so oontit-
hirt, dass Vf. weder die Arme zurückbringen, noch die
Ffisse erreichen konnte, selbst nicht belKnie-Ellenbogeii-
läge. Erst bei tiefer Chloroformnarkose erochlafite der
Uterus, wonuf Vf. die Hände des Kindes snrfiekbnehte,
die Füsse herabholte, das Kind wendete und ohne weitere
Schwierigkeit die Entbindung vollendete. JTDas Kind wv
mindestens seit 24—48 Std. abgestorben. ~ Die Fran ge-
nas ohne Zwischenfall. (Kormaan.)
IV. Gynäkologie n; Pädiatrik.
47
488. Sohlinge sur Vollendung der Geburt
bei fieekenendlagen; von Dr. 0. Bunge in
BerliD. (Gynftkol. Centr.-Bi. V. 8. 1881.)
Die vom Vf. in einem Falle mit sehr gutem Er-
folge benutzte Schlinge besteht ans einer 1 Mtr. lan-
gen, 3 Mmtr. dicken Hanfscbnur, welche mit dem
einen Ende in den Hals eines vom olivenförmigen
Metallknöpfchens von etwa 8 Mmtr. Dicke einge-
lassen ist üeber die Schnur ist ein Gummischlanch
gezogen und mit einem Seidenfaden auf den Hals
des Endpfchens festgebunden. Auch das hintere
Ende des Schlauches kann man auf die Hanfschnur
fest- und am äussersten Ende zubinden, um die
Schnur vorDurchn&ssung zu schätzen. In eine Riefe
im vordem Ende des Knöpfchens kann man einen
Faden binden, an den beim Einlegen der Schlinge
in die Httftbeuge der von der andern Seite des
Schenkels her entgegengeftlhrte Finger besser haftet
iIb an dem glatten Metallknöpfchen. Als Vorzüge
dieser Schlinge vor andern werden angegeben : Sie
biete nur abgerundete glatte Flächen dar und ge-
ehrte also die Weichtheile des Kindes nicht im Ge-
ringsten ; sie lasse sich gut reinigen und desinficiren ;
sie habe nicht nur die Weichheit des Fingers , son-
dern sogar noch eine gewisse Elasticität vor ihm
rorans ; sie lasse sich leichter mit Hfllfe des glatten
Metallknöpfchens durch dieHflftbeugehindurchschie-
boi als ein Seidenband. (Zschiesche, Erfurt.)
489. Ueber die Herkunft des Fruohlr
WBSsera; von Dr. M. Wiener, Priv.-Docent der
Gynäkol. zn Breslau. (Arch. f. Oynäkol. XVII. 1.
p. 24. 1881.)
Ahlfeld ondFehling gestehen eine (wenn
loeh minimale) Thätigkeit der Fötalniere zu, bestrei-
ten aber die Entleemng des Harns in das Frucht-
wasser während der Schwangerschaft und fassen
letsteres einzig und allein als Transsudat auf. Diese
Ansicht scheint unterstfltzt zu werden durch die Ver-
Boehe von Znntz, der nach Injektion von indig-
schwefelsaurem Natron in die Jugularvene des
Mntterthieres den Farbstoflf im Fruchtwasser, nir-
gends aber im Fötus gesehen hatte. Der Farbstofif
fand sich in gleicher Weise vor, wenn der Fötus vor
der Injektion getödtet, der fötale Kreislauf also aus-
geschaltet war. Es folgt daraus, dass Substanzen
«n dem mfltterlichen Blute in den Ldq. Amnii flber-
gehen können, ohne den Fötus passirt zu haben,
womit die Abstammung, wenigstens eines Theiles
dieser Flüssigkeit, direkt aus dem mütterlichen Blute
erwiesen ist Der weitere Schlnss aber, dass diese
Versaehe gegen eine Betheilignng der Fötusniere an
der Fmehtwasserbildung sprächen, ist nach W. nicht
bereehtigt
W. hat nun versucht , diese Betheiligung durch
Experimente festzustellen. Er wiederholte zunächst
^ Versuche von Znntz mit demselben Erfolge.
^Qn versuchte er dem Fötus (Eanmchen) den Farb-
^ff direkt beizubringen, indem er durch die Bauch-
deckea der Mutter hindurch eine Pravo^^'sche Spritze
voll Farbstofflösung unter die Haut injicirte, was
nach einiger Uebung leicht gelang. Schon nach
20 Min. trat der auf diese Weise beigebrachte Farb-
stoff in den Nieren der Fötus , sowohl sehr junger
wie nahezu reifer auf. Damit war erwiesen, dass
der Niere des Fötus die gleichen Eigenschaften zu-
kommen wie der des Geborenen. Ausser Zweifel
gestellt wurde diess durch die Beobachtung, dass bei
einem so behandelten Fötus, der nach wenigen Stun-
den ans der Fruchtblase herausgenommen wurde,
sich ein Tropfen schön blau gefärbten Urins aus der
Blase exprimiren Hess ; bei einem andern Versuche
konnten schon nach 25 Min. 3 — 4 Tropfen heraus-
gedrückt werden. Die mikroskopische Untersuchung
der Nieren ergab , dass nahezu aller Farbstoff be-
reits ausgeschieden war. Diese verhältnissmässig
rasche Ausscheidung war natürlich ohne eine ent-
sprechend rasche Harnsekretion nicht zu erklären ;
es musste also wohl schon vorher eine Entleerung
der Blase stattgefunden haben.
W. kommt zu dem Schlüsse, dass die Sekretion
der fötalen Niei'e keineswegs langsam sei , sondern
dass die Harnproduktion in der Schwangerschaft so
lebhaft vor sich gehe, dass es wiederholt zur Füllung
der Harnblase des Fötus und zur Entleerung .der-
selben in das Fruchtwasser komme. Wenn auch
im Anfange der Schwangerschaft dieTheilnahme der
sehr geftssreichen f5talen Köi*peroberfläche , worauf
Scher er besonders hingewiesen hat, sehr wahr-
scheinlich , in den spätem Monaten aber ein Antheil
des mütterlichen Blutes nicht in Abrede zu stellen
sei, so scheine es doch ausser aller Frage, dass die
Hanptquelle des Fruchtwassers in den fötalen Nie-
ren zu suchen sei. (Zschiesche, Erfurt.)
490. Zur Frage nach der üraache des
ersten Athemzuges des Neugeborenen; von
Dr. M a X R u n g e in Berlin. (Ztschr. f. Oeburtsh.
u. Gynäk. VI. 2. p. 395. 1881.)
R. vertheidigt in ausgezeichneter Weise die
Schwartz'sche Theorie, dass der gehemmte Gas-
austausch zwischen Mutter und Frucht und die
dadurch gesetzte Veränderung des fötalen Blutes
das primum movens des ersten Athemzuges sei,
gegen ihre Gegner v. Preuschen und Preyer.
Letztere behaupten, dass die Erregung der Haut-
nerven ein starker, ja nach Preyer der ausschliess-
liche Inspirationsreiz für den Fötus sei. Beide lassen
aber die 2. Arbeit von Schwartz unberücksichtigt,
in der er bereits überzeugend nachwies, dass es un-
möglich ist, in der von Beiden angewandten Methode
den Fötus in seiner normalen intrauterinen Apnoe
mit Sicherheit zu fassen, da derselbe meist durch den
Eingriff mehr oder weniger asphyktisch wird. R. wie-
derholte die Schwartz 'sehen Versuche, erhielt aber
keine befriedigenden Resultate, ebensowenig durch die
von Zweifel angewandten Operationen unter Koch-
salzlösung. Endlich suchte er, wie Schwartz,
bei möglichst jungen Thieren Apnoe herzustellen und
die Resultate waren dieselben, wie sie Schwarte
48
IV. Oynftkologie n. Pftdiatrik.
erhalten hat. Nach R. gelingt es am trächtigen
Thiere niemals, den Fötus znm Experiment zu-
gänglich zu machen, ohne den Placentarverkehr
zu stören; bei künstlich durch Lungenventilation
apnoisch gemachten jungen Thieren befördert Rei-
zung der Hautnerven den Eintritt der Inspiration
nicht. Hiermit ist der Beweiskraft der Versuche
von V. Preuschen und Preyer die Spitze abge-
brochen. Bei einem Versuche aber schloss Preyer
aus dem Verhalten des Blutes in den Nabelgefilssen,
dass eine reguläre Athmung ohne Sauerstoffmangel
und ohne chemische Veränderung des Blutes ange-
facht und unterhalten werden könne, und dieser Ver-
such schien in der That der Schwartz 'sehen
Theorie den Boden auszuschlagen.
R. wies aber durch eine Reihe sehr sorgfältiger
Versuche nach, dass jenes von Preyer beobach-
tete Verhalten der Gefksse während der Lnngen-
athmung nicht als Beweis dafür angesehen werden
kann, dass die placentare Respiration völlig unge-
stört ist, dass ferner auch physiologische Gründe
dagegen sprechen, denn wie Schnitze nachge-
wiesen hat, können Lungenathmung und ungestörte
placentare Respiration nicht nebeneinander bestehen,
sondern schliessen sich ans.
Wenn Preyer behauptet, dass das Venöswer-
den des fötalen Blutes beim Geborenwerden nur ein
begünstigender Nebenumstand sei, welcher für sich
allein die Athemcentra nicht erregt, so kann man
als Gegenbeweis nur die durch nichts anzufechten-
den Fälle von vorzeitiger Athmung des menschlichen
Fötus anfahren. Umgekehrt hatSchwartz leichte
Wendungen nnd Nabelschnurrepositionen gemacht,
ohne inspiratorische Zuckungen auszulösen.
Hoppe sagt: „Der erste Athemzug ist wohl
unzweifelhaft die Folge der Reizung der sensiblen
Nerven durch den jetzt beginnenden Wärmeverlust
der Hanf „Bleibt er aus, so wendet sich der
Geburtshelfer nicht an das Athemcentrum, sondern
er reizt die Haut . . J^ R. macht dem gegenüber
geltend, dass ein Kind, das nach der Geburt nicht
athmet, fast ausnahmslos im Zustande der Asphyxie
nnd nicht im Zustande der Apnoe ist. Nach der
Sc hwartz 'sehen Lehre aber sind Hautreize bei
bestehender Asphyxie ein sehr kräftiger Reiz fQr
die MeduUa oblongata. Bei schwerer Asphyxie da-
gegen wendet sich der Geburtshelfer direkt an die
Medulla oblongata, indem er die künstliche Athmung
einleitet. „Die Wirksamkeit der Hautreize auf das
Athmungscentrum bei Früchten, welche nach der
Geburt nicht sofort inspirirten, kann demnach nicht
als Beweis angefahrt werden, dass diese den ersten
Athemzug überhaupt anfachen, denn diese Früchte
sind unter der Geburt bereits asphyktisch geworden
und haben fast ausnahmslos den ersten Athemzug
intrauterin gethan.'^ Schwartz hat wiederum
gezeigt, dass die Frucht intrauterin durch Sauer-
Btoffinangel, z. B. bei Nabelschnurcompression zu
Grunde gehen kann, und dass sich bei solchen todt-
geborenen Kindern in den Luftwegen Fruchtwasser
findet, wie wir solches auch bei asphyktisch ge-
borenen Kindern mittels Katheten entfernen. Hier
sind also Beweise für Inspiration, dagegen fehlen Haut-
reize, während die Sauerstoffzufuhr beschränkt ist
Den einzigen Angriffspunkt, den die Schwartz'-
sche Beweisführung bietet, findet R. in der Identi-
fikation intrauteriner und künstlicher Apnoe. Vor-
läufig bleibt aber die Schwartz'sche Lehre an-
widerlegt bestehen, ihre Hauptsätze lauten :
„Erregung der Hautnerven allein vermag den
apnoischen Zustand des Fötus nicht zu stören, sie
ist aber ein sehr wirksames Mittel zur Einldtnog
der Athmung bei bestehender Asphyxie (leichten
Grades).
Der gestörte Gasaustausch zwischen Mutter nnd
Frucht und die dadurch geschaffene Veränderung
des fötalen Blutes ist dasjenige Moment, welclM»
allein die Apnoe des Fötus zu stören vermag, dem-
nach als primum movens des ersten Athemzuges, sei
er extra-, sei er intrauterin, anzusehen ist.'^
(Burckhardt, Bremen.)
491. loteroa neonatoram und seine Be-
siehung sur Nabelblutung ; von Dr. Board-
man Reed. (Philad. med. and surg. Reporter
XLIV. 13. p. 342. March 1881.)
Spontane Nabelblutungen während der ersten
8 — 14 Lebenstage sind ziemlich selten. Unter
2000 Geburten {Emigrant^s Refuge, Ward's Island)
kamen nur 2 Fälle von Nabelblutung vor; unter Aber
9000 Kindern, die binnen 2 Jahren im Pariser Fin-
delhause beobachtet wurden, kam nur ein Fall von
Nabelblutung vor. Im Dubliner Geburtshause wurde
in den letzten 12 Jahren unter 6664 Geburten kdn
einziger Fall beobachtet Vf. sah folgende 2 Fälle.
Im ersten Falle handelte es sieh um ^nen reifen,
oa. 8 Pfand schweren Knaben. Weder bei den Eltern,
noch bei dem Knaben war eine Spur vonSyphUis sichtbv.
Am 6. Tage fiel der NabelBchnnrrest ab und der Nabel
bellte wie g^wöhnUoh. Am 10. Tage trat Iktenu ein,
der aber auf kleine Dosen von blaaen Pillen (calomel-
haltig) allmälig geringer wurde. Am 19. Tage war eine
Nabelblutung aufgetreten, die seit 1—2 Tagen bereits
spurweise sichtbar gewesen war. Es trat ein wenig Blnt
ans der wiedergeöiftaeten Oberfläche des Nabels. P>
Applikation eines Adstringens erfolglos blieb, legte Vf-
benzoShaltige Zinkoxydsalbe auf, worauf in einigen Tsgen
die Wunde geheilt war.
Im zweiten Falle hatte die Mutter vor 1 Jahr «
Anfimie, Herzpalpitationen und andern Symptomen dner
gestörten Ernährung gelitten nnd einige Monate nach der
Geburt war eine Endometritis cervicis nachweisbar. -
Der Vater des Kindes litt an Dyspepsie, Kopfschmenen
und nervöser Erschöpfking. — In den lotsten Schwange^
schaftsmonaten nahm bei der Matter das Erbrechen m,
so dass sie nur wenig Nahrung bei sich behielt. SohlfiiB-
lieh wurdo das Erbrechen so hartnäckig, dass es nur nacb
subcutanen Morphiumiiuektionen 8—12 Stdn. lang aus-
blieb. Vf. hatte die Ernährung vom Rectum ans nllt8^
halten ; die Geburt war 4 Wochen vor der erwarteten
Zeit eingetreten, das Kind, 6 Pfd. schwer, sefaiemAe«0e-
ren nach aber nur um 1 — 2 Wochen zu frfih geboren. Bei
der Mutter steUte sich fast gar kehie MUchsckretioo ein
und das Kind musste künstlich ernährt werden, j^
4. Tage war, nachdem Pnrpurafleoken an der Stin ^ ;
an andern Stellen anfgetreten waren, die Sbbelbiade m
j
V. Chirurgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
49
JBfait getraokt. DasBlnt drang von den Seiten des weichen
Nabeistranfi^eates an mehrera Stellen aas. Styptika, mit
oad ohne CompresBion angewandt, hatten nar vorüber-
gehenden Erfolg. In VfB. Abwesenheit legte Dr. Ben -
DettHasensehartennadeln durch die (Gewebe unter dem
Nabel oad unterband die ganze Masse. Hierdnreh wurde
die BlutoBg sehr gemässigt und stand schlfisslich anter
ism Gebraoehe von Ergotin undLiq. ferri sesquiohlorati.
Ehiige Tage später trat deutlicher Ikterus ein. Am
U. Tage wurden die Nadeln entfernt ; am 14. Tage war
der Kabel geheilt. In der letitem Zeit war das Kind
mehrere Male täglich von einer Jungen Frau in der Nach-
buBchaft gestillt worden. Als die Krankheit geheilt
lehien, kehrte man wieder zur Kuhmilchnahrnng zurück.
Es tmi Diarrhöe mit Zunahme des Ikterus auf, welcher
das Kind am 17. Tage des Lebens erlag.
In einem weitem Falle , den Vf. nicht selbst sah,
lionnte die Blutung auf keine Weise gestillt werden. Das
Kind starb, aber ohne ikterisch zu werden.
Unter 196 andern Fällen von Nabelblutung;
die zu Vfi9. KenntniBS gelangten [Literatur ist nicht
angegeben], kun 70mal Ikterus, ITmal Purpura
nid 5mal Ekchymosenbildnng vor. Es bestand also
in nahezu der Hälfte der Fälle eine fehlerhafte Blut-
mischung. Wenn Vf. obige 3 Fälle zuzählt, so
YerUefien von 199 Fällen 165 tödtUch (830/^).
Weiterhin geht Vf. näher auf das Verhältniss
zwischen Blntong und Ikterus ein und nimmt nach
den experimentellen Untei^uchungen von Austin
Plint jun. und is:oloman Malier (1873) an,
dass in Folge mangelhafter exkretorischer Thätig-
keit der Leber sich Ohdestearin im Blute anhäuft
und eine Reihe von VergiftungseiBcheinungen er-
zeugt, die unter dem Namen Cholesterämie zusam-
menzufassen sind. Es ist zwar nicht bewiesen, dass
hierauf die Blutungen bei Neugeborenen beruhen,
aber mindestens nicht unmöglich, wenigstens für die
schweren Formen des Ikterus im zarten Alter. Es
kann jedoch in allen diesen Fällen sowohl der
Ikterus, als die Cholestearinanhäufung im Blute nur
die Folge, nicht die Uraache der Blutvergiftung
sein , während ^ eine Ernährungsstörung das erste
Glied der Kette darstellt. Vf. stellt daher die
, Sohlnssfolgerang auf, dass es verschiedene Ursachen
des Ikterus neonatorum (wie der Gelbsucht beim
l^rwachsenen) giebt und dass, wenn er mit Blutung
zusammentrifft, eine Verschleohterung der Blut-
beschaffenheit vorhanden sein muss. Wodurch das
Blut vergiftet wird, ist zwar noch nicht bewiesen,
wahrscheinlich aber geschieht es durch Anhäufung
exkrementitieller Stoffe in ihm, welche normaler
Weise durch die Leber ausgeschieden und durch
den Darmkanal entfernt werden. (K o r m a n n.)
V. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrilc.
492. Beiträge aur operativen Behandlung
des Srebees; zusammengestellt von Dr. Deahna
n Stuttgart.
Die Behandlung der Carcinome an Eörperregio-
neu, an welchen eine operative Beseitigung derNeu-
bildung theüs für schwierig und gefilhrlich , in ihren
Endaussichten auf Erfolg als ganz besonders trost-
los, theüs &\r gänzlich unzulässig galt, hat neuer-
dings bedeutend bessere Besnltate aufzuweisen , die
dnrehaos der verbesserten Methodik und der streng
dniehgefllhrten Antisepsis zuzuschreiben sind.
Das von Volkmann bei der Exstirpatio mam-
mae anfgestdlte Prineip , dass nicht die Entfernung
einzelner DrOsen, sondern nur die gänzliche Aus-
ränmimg der Achselhöhle einige Sicherheit biete,
oiU DrusengußLwiUsU zu entfernen , ist von Prof.
Kocher in Bern verallgemeinert worden (Dentsohe
Zteohr. f. Ohir.Xin. 1. 2.p. 134. 18B0), indem der-
selbe die Mitentfenrang der ersten DrOsenstalion und
der Lymphwege von da rflckwärts bis zam ur-
8pi%^liaben Iterde, prindpiell bei der Regelung
dos Operatioiiaver&ihreni zur Ausrottung der Krebse
mit k Betracht gezogen und ausgeführt wissen will,
da m den zur Operation kommenden Fällen gewöhn-
M eine Infektion d^ir nächstgelegenen DrOsen be-
1^ atattgefimden habe.
A. Krebs dea Pharynx.
Fftr die ExBtirpatio pharyngis muss die Schnitt-
Athnmg von der Absicht bestimmt werden, dicFossa
8QbII^l^dibalaris vollständig freizulegen | die grossen
Mea*Jahrbb. Bd. 192. Hft.l.
Halsgeftsse frei zu präpariren und endlich die Innen-
fläche des aufsteigenden Kieferastes leicht zugäng-
lich zn machen. Am besten entspricht diesen Indi-
kationra ein Winkelschnitt , der in der Medianlinie
oder senkrecht unter dem Mundwinkel am ünter-
kieferrand beginnt, bis zur Höhe des Zungenbeins
ab-, dann rückwärts zum Vorderrände des Stemo-
cleidomastoideuB verläuft und von da aufwärts am
Hinterrande des aufsteigenden Kieferastes entlang
bis in die Höhe des Ohrläppchens und abwärts bis
in die Höhe des Larynx g^t. Der dadurch erzielte
dreieckige Lappen wird nun in die Höhe geschlagen,
am Vorderrande des Sternodeldom. bis auf die grossen
Halsgefilsse eingegangen, vorwärts bis auf das grosse
Zungenbeiohom und entlang dem vordem Rande des
Digastrieus bis auf den Kieferrand , diesem entlang,
auf den Knochen schneidend, rückwärts bis zum
Kieferwinkel. Die Glandula submaxillaris muss mit
den Lymphdrüsen gleichzog entfernt werden, häu-
fig audi der untere Theil der Parotis wegen fester
Verwachsungen. Die MM. digastrieus und stylo-
hyoideus können nach Bedttrfniss entweder durch-
schnitten od^r excidirt werden , die Artt. Ungualis
und maxill. ext. werden vor der Durchschneidung
doppelt unterbunden, ebenso die zahlreichen venösen
Gefässe.
41s einleitende Operation ist die Tracheotomie
unumgänglich nothwendig ; die T r e n d e 1 e n b u r g'-
sche Tamponade kann durch Verschluss des Aditus
laryngis mit einem grossen, in vollständiger Narkose
tief eingepressten Schwämme gut ersetzt werden.
7
50
V. Ohirorgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
Die Mundhöhle eröffnet man an der Innenfläche des
Kiefers durch den M. mylohyoideus hindorchy was den
Vortheil hat^dass der Finger in die Mund- u. Bachen-
höhle eingeführt werden kann^ um die Grenzen der
Neubildung zu controliren und die Weichtheile zu
leichterer SchnittfUhrung hervorzudrftngen , bez. zu
unterbinden. Die weitere Trennung beginnt am
Zungenbein und von da vorwärts. Die Trennung
der seitlichen und hinteni Rachenwand kann von
unten her mit grosser Genauigkeit ausgeführt wer-
den. Die Ablösung im weichen Gaumen und an der
Innenfläche geschieht besser vom Munde ans, wenn
man nicht die Dureksägung des Unterkiefers am
vordem Rande des Masseter vorzieht Dadurch
wird es möglich, den aufsteigenden Kieferast nach
aussen zu hebeln, so dass man ihn an der Innenfläche
des Pterygoideus internus nach oben zu lösen ver-
mag. Doch ist diese Trennung möglichst zu ver-
meiden y da trotz Knochennaht keine solide Heilung
wieder eintritt.
Bei der Nachbehandlung sind ausser der sep-
tischen Infektion insbesondere die Verschluckpneu-
monien in Betracht zu ziehen. Diess wird d
erreicht, dass nicht nur die Wunde mit Seh
oder mit m concentrirter Borlösung ge
gaze austampomrt wird, sondern dass
Pharynzraum undAditns laryngis als zur
gehörig betrachtet , gehöiig ausgefüllt und
ein antiseptischer , nur unter Spray zu wechs
Occlusivverband angelegt, zugleich aber die
Sepsis mit einer forcirt offnen Wundbehandlung ver-
bunden wird. Der zurückgeschlagene Hautiappen
wird durch Nähte an der Umgebung fixirt erhalten.
Auf diese Weise wird auch das seitliche Einfliessen
von Wundsekreten in den Larynx verhütet. Die
Ernährung des Kr. findet nur durch die Schlond-
sonde unter Spray statt. Die Trendelenbiofg'aebe
Kanüle ist zu schwierig zu handhaben, als dass man
sich auf sie aligemein verlassen könnte : die Tampo-
nade kann sich lockern, bei stärkerer Spannung tritt
Ulceration oder Gangrän der Tracheaischleimhaut
auf. K ö n i g *s Vorschlag, den Operirten eine Stel-
lung mit gesenktem Kopf einnehmen zu lassen, und
den Barker's, ein iJrainagerohr in Carbolwasser
zu leiten, hält Kocher für unzuverlässig.
K 0 c h e r hat die Operation 5mal ausgeführt und
in einem Falle Kadikaiheilung erzielt.
1) Bei einem 46Jfihr. Manne war im Mai 1879 die
Zange bis auf eloen schmalen Streifen des rechten Ban-
des und die Spitze vom Halse aus excidirt worden. Am
6. uct. 1879 bestand ein ausgedehntes Kecidiv vom vor-
dem Bande des iklaseeter bis zum Zungenbein , den wei-
chen Gaumen bis zum Zäpfchen, die ganze seitliche
Maudelgegend and seitliche Pharynxwand bis in denobem
Nasenrachenraum einnehmend. Ein Winkelschnitt vom
linken Mundwinkel u. vom Ohrläppchen, mit Vereinigung
am Vorderraud des Stemocleidom. in der Höhe des Zungen-
beins, legte das Operationsfeld frei. Nach Freilegung
von Carotis und Jugularis wurde der Tumor anten herum
nmgangen bis auf das Zungenbein and an dem Kiefer,
welcher in der Medianlinie wegen fester Verbindung mit
der Geschwulst getrennt werden masste. Nan wurde von
oben her bis aof die Mondsohleimhaut präparirt and Mn-
ten anter querer Durchschneldang des Masseter bis lam
aufsteigenden Kieferast. Dann wurde am Zongenbdn
and gegen die Wange zu die Schleimhaat getrennt nnd
der Zangenrest weggenonunen. Die Trennung desTnmots
konnte nun bequem in der Pharynxwand bis gegen die
Basis oranii hinauf ansgef&hrt werden, woranf der welche
Gaomen getrennt , die Muskeln am Flfigelfortsati abge-
löst, der hintere Rand des obemAlveolarfortsataes sammt
anstossendem Gaumenüberzug abgetragen and sehlfissUeh
die Ezartikulation der Unterkiefer nach Abtrennung der
Spitze des Proc. coronoid. aasgef&hrt wurde. Der Ver-
lauf war ein sehr günstiger. Die TrachealkanfUe wnrde
nach 14 Tagen entfernt , nach 4 Woohen konnte der Kr.
aufstehen. Nach 7 Wochen zeigte sich indessen an der
hintern Pharynxwand nnd am Zangenbein ein Beddi?,
worauf derselbe das Hospital verliess , ohne eine weitere
Operation zu gestatten.
2) Ein 63jähh. Herr litt an einem aof den vordem
Ganmenbogen nnd die Zungenbasis fibeigreifenden Car-
einom der linken Mandel, in Folge dessen grosse Drosen-
packete von der Fossa retromandibularis bis cur GUtI-
cala entstanden waren, welche anter Freilegnng der
grossen Halsgefässe nnd unter Mitexcision des Sterao-
cleidomastoid. in etwa Ys seiner Länge, ezstirpirt wurden.
Nach 8 Wochen stellte sich unterhalb des Kieferwinkels
ein Recidiv ein , woranf (80. Sept 1879) die Pharyngo-
enommen wnrde. Der Reddivknoten war mit
alsgefSssen verwaelisen , so dass deren Ex-
oision mir d^pli(ter Unterbindung oben nnd nnten notfa-
die Neubildung bis znm linken Hon
eichte, so wnrde dasselbe exsttrpirt,
iröihiet nnd aufwärts bis gegen die
{deiinhaat ^es Sandbodens von aussen her eingedron-
delenbarg*8che Tamponade wnrde
so dass eine einfache Kanüle eingelegt
8 laryngis mit einem Sehwamme versohlosses
warne. Nun erfolgte die Durchschneidong der Zonge tos
vom nach hinten her unter Abtragung des hintern Drittek
der Zungenbasis links. Da die Resektion des Kiefers
vermieden werden sollte, so konnte nur die seitUehe
Pharynxwand, welche oben bis zur Medianlinie an der
Rfiekfläche erkrankt war, von nnten her exoidirt werden;
die Excision des bis aum Zäpfchen caroinomatösen wei-
chen Gaumens nnd vordem Qaumenbogens mnsste vom
Munde aus vorgenommen werden. Der Digastricus und
die sämmtliohen Stylomnskeln wurden mitexstirpirt. Der
Verlauf war ein aseptischer. Am 6. Tage nach der Ope-
ration trat in Folge vonEmbolie der Art. centralis retinae
vollständige Amaurose des linken Auges ein. Am 28. Oet.
mnsste ein am obem Ende der Wunde auftretendes Bed-
div durch Entfernung der Weichtheile bis zur Spitze dei
Proc. mastoid. und die Querfortsätze der obersten Wirbel
operirt werden. Wegen grosser Beschwerden wnrde die
KanQle ans der Trachea entfernt, es entwickelte licli
rasch eine Bronchopneumonie und Pleuritis links, weioher
der Kr. am 11. Nov. erlag.
3) Einem 68Jähr. Kr. wnrde am 5. Juli 1876 ein
Caroinom exstirpirt, welches sich vom linken Zungeniand
bis an die Mandel , die Uebergangsfalte des Kiefers oad
über den vorderen Qanmenlwgen bis zum Zäpfchen siu^
breitete. Der Schnitt erstreckte sich amVorderraadedee
Stemocleidom. dem Unterkieferrande entlang vorwärts»
der Unterkiefer wurde am Yorderrande des Masseter
durchsägt, die Geschwulst theiis durch Messer, theU»
durch Galvanokaustik entfernt. Die Tampoaade der
Trachea blieb 6 Tage, die Kanfile 18 Tage. Der Kr.
wurde nach 6 Wochen entlassen. Am 86. Oet bestauid
eine kleine Fistel, die Zahnreihen konnten danmenbreitvoB
einander entfernt werden , der rechte vordere Gaomes-
bogen mit dem Rest des Gaumens war stark nsdi vom
gezogen nnd der Isthmus fkucinm bildete ebie einüMlie
runde Oeffiaung, nach linlu hin durch den vertikalen
Kieferast gesehlossen. Der durchsägte Kiefer wir mit
Pseudarthrose geheilt, die Sprache ventändüeh, dns
V. Chirurgie^ Ophthalmologie u. Otiatrik.
51
SeUneken gat. Am 17. Jan. 1877 mnsste eine Drfisen-
exstirpation vor der alten Operationsstelle gemacht wer-
den. Seither (bis Febr. 1880) befand sich der Oper. wohl.
4) Bin 56Jähr. Mann litt an einer Ulceration mit
liarter Infiltration der Basis lingoae links , die bis znm
Fülatom dnmm anf die seitliche Pharynzwand fiberge-
griffen hatte. Behnfs TollBtiindiger Excision mnsste der
Untere Theil des Kiefers ezarticnlirt werden. Die Tam-
ponade der Trachea wurde nach der Operation nicht
fortgesetzt, der Kr. starb am 5.Tage an Bronchopnenmonie.
5) Einem 62j&hr. Hanne war im Hai 1875 mittelst
Otlranokaustik die linke Znngenhalfte exstirpirt worden.
Im Febr. 1876 bestand ein mit dem Kiefer Terwachsenes,
Ms snm Znnsrenbein reichendes Beeidiy, welches aach in
den Znngenstnmpf hineinragte. Am 39. Febr. wnrde
ron dem gewöhnlfehen Schnitte ans die Excision mit dem
Messer nnd dem Ecrasenr vorgenommen. Das linke
grosse Znngenbeinhom nnd ein Stfick d^s Unterkiefers
mnssten mit entfernt werden. Der Pat. konnte bei der
Eatlassnng am 4. April schlucken nnd sich yerstfindlich
machen, starb aber am 19. Jan. 1878 an Recidiv; (»er
mosste nach nnd nach förmlich verhungern*').
B« Krebs der Zunge.
Der Sohnitty welchen Kocher (a. a.O. p. 162)
Ar die Excision der Zange benutzt, ist zonächst
darauf angelegt , alle etwa erkrankten oder ttber-
hanpt sichtbaren DrflseDgeschwfllste in der Richtung
des Lymphabflnsses entfernen za können. Der erste
Schnitt geht entlang dem Vorderrand des Stemo-
dddom. bis anf das Mnskelfleisoh desselben n. endigt
am Kieferwinkel, ein zweiter geht von der Mitte des
genannten Muskels in der Mundbodenhalsfialte nach
vorn bis zum Zungenbeinkörper und dem vorderen
Banche des Digastricus entlang bis znm Kiefer.
Hierdurch wird ein dreieckiger Lappen gebildet,
welcher als Hautlappen bis zum Kiefeirande nach
aufwärts losgelöst und emporgeschlagen wird. Das
weitere Verfahren gleicht dem bei der partiellen
Phaiyngotomie. Regelmässig wurde die Vena fac.
aot, die Art. max. ext. und lingualis unterbunden
and eine vollständige Ausräumung der Fossa
nbmandibnlaris mit Einsehluss der Glandula sub-
maxillariSy oft auch der subungualis ausgefQhrt Die
Sdileimhaut der Mundhöhle wird entlang dem Unter-
kiefer getrennt, mit mehr oder weniger weiter Los-
lösong. Nun ist die ganze Seitenfläche der Zunge
von der Spitze bis zur Basis zugänglich und kann
▼OD der Seite her eben so gut, ja noch besser, in
tote entfernt werden , als von einem Medianschnitt
taa. Selbst ein kleuierer Knoten aber kann in der
Riektung gegen das Zungenbein sehr grflndlich ex-
ddirt werden , und diese ist im Interesse einer radi-
kalen Entfernung von sehr hohem Werthe. K. be-
innnt seine Schnittftlhrung zur Bezeichnung des an
flff wichtigsten Punktes als Methode der Zungen-
^»^ifpation von der Ztmgenbarie aue.
Die fllr die Zungenexstirpation aufzustellenden
Postolate, 1) Sicherheit der Blutstillung, 2) Ueber-
«eiitliohkeit des Operationsfeldes, 3) Sicherung des
AbfloBses der Mundsekrete nach der Operation, wer-
den durch die Operation vom Munde aus nicht vollstän-
dig erfDllt. Letztere ist des wegen (L a n g e n b e c k)
^ ganz drcumscripte Krebse der Zungenspitze zu
Iwiehränken. Die grosse Mortalität bei der Halsope-
ration ist ausschliesslich der R e g n o 11 - B i 1 1 r o t h ' -
sehen Methode zuzuschreiben, weil durch die Re-
sektion des Kiefers eine bedeutende Schwierigkeit
beim Schlucken entsteht, die die Entstehung von
Fremdkörper-Pneumonie ausserordentlich begünstigt,
femer eine Pseudarthrose eintritt und endlich die
Eröffnung der Markhöhle im Bereich einer krebsigen
Infiltration in Rücksicht auf ein Recidiv sicher nicht
gleichgültig ist. Nothwendig ist die Kiefertrennung
(oder besser gleich partielle Resektion) nichts desto-
weniger in allen Fällen, in welchen der Mandboden
mit ergriffien, und die Infiltration an der Innen-
fläche des Kiefers nicht mehr vollständig beweglich
ist. Die Galvanokaustik schützt eben so wenig wie
das Ecrasement vor Nachblutung, allein der Schutz
gegen Diphtherie und Recidiv ist ein grösserer, da
nachträglich an der Durchschneidungsstelle noch
ein dicker Schorf abfällt. Die Ligatur der Lingualis
ist ein Hauptmittel zur Erzielung voller Sicherheit
im gesunden Gewebe. Wenn die Operation irgend
ausgedehnt ist, so ist principiell anf die Naht zu
verzichten, die exakte Lister 'sehe Behandlung ist
absolut nothwendig. (Die Ausführung ist wie bei
der Pharyngotomie.)
Unter K.'s 14 Fällen von Zungenexstirpation
kam ein einziger Todesfall vor (in Folge von Naeh-
blutqng aus der Tracheotomiewunde, die zu lethaler
Pneumonie führte). In den übrigen 13 Fällen trat
8mal Recidiv ein , 5 wurden geheilt. Die Lebens-
dauer schien da, wo es zum Recidiv kam, überhaupt
durch die Operation nicht wesentlich beeinfiusst.
Die 5 Kr., bei denen Heilung erfolgte , waren ver-
hältnissmässig früh zur Operation gekommen, 4
davon waren Privatkranke.
1) Ein Herr wnrde am 3. Aog. 1874 wegen einer
harten Ulceration am rechten Znngenrand operirt. Von
einem Schnitte über dem Zangenbein ans wurde znerst die
galvanokaastiBche Schlinge , und, als diese versagte , die
Ecrasenrkette eingeführt n. in 4 Schnitten hinten, vorn,
aussen nnd in der Medianlinie der Zange die Trennnng
vorgenommen. Der Kr. ist seither gesnnd geblieben.
2) Ein Herr litt (20. März 1875) an einer das mitt-
lere Drittel der rechten Zangenhälfte einnehmenden Ver-
härtung nnd Ulceration, die eine zapfenformige Verlänge-
rung des hinteren Endes nach abwärts gegen den Kiefer-
Winkel zu trug. Am Kieferrande wnrde an der SteUe der
Art. maxill. ext. incidirt, dann in der Medianlinie über
dem Zungenbeinkörper ; von diesen 2 Oeffnungen aas wur-
den von unten her die PlatindrShte des Qalvanokauter
nm die Zunge geführt, mit Trennung erst der Basis
rechterseits bis zum Gaumenbogen , dann der Mittellinie
der Zunge, hierauf Abtrennung von der Spitze u. endlich
entlang der Innenseite des Unterkiefers. Am 10. Tage
erfolgte eine Nachblutung. Seitdem ist der Kr. gesnnd
geblieben.
8) Ein 64J&hr. Bauer hatte am rechten Zungenrand
in der Mitte zwischen Spitze und vorderm Gaumenbogen
ein Geschwür. Mittels eines Bogenschnittes (17. Jan.
1879) um den Kieferrand herum wurde die Fossa sub-
mandlbnlaris freigelegt, um die vorhandenen weichen
Drüsen in toto mit der Glandala submax. auszuräumen
(dieselben waren nur hyperplastisch vergrössert). Nach
Unterbindung der Art. lingualis wurde das Krebsgeschwür
mit der Scheere Je 1 Gtmtr. vom Rande entfernt ge-
trennt und ein gegen die Fossa sabmaodibularis zu sich
veijüngender Keil ezcidirtp Am 1. März war der Ope-
52
V. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiafoik.
rirte noch vollständig wohl, und konnte ohne HinderniBS
sprechen, schlacken and kaaen.
4) Ein im Jali 1875 wegen eines kleinen krebsigen
Geschwürs an der Zungenspitze operirter Herr starb ein
Jahr nachher an Pneamonie, ohne dass er bis zn der Zeit
ein Becidiy bekommen hatte.
5) Ein am 6. Jnni 1873 mittels Galvanokaastik ope-
rirter Er. befand sich bis April 1880 vollständig wohl.
Prof. Billroth hat nach Dr. A. Woelfler
(Zur Geschichte u. operat. Behandlung des Zungen
krebses ; Arch. f. klin. Chir. XXVI. 2. 1881. *) in den
letzten Jahren die partielle oder totale Zungenexstir-
pation fast ausschliesslich nur nach vorausgeschickter
einseitiger oder doppelseitiger Unterbindung der Art.
lingualis vorgenoromen , ohne jede grössere weitere
Hülfsoperation. Abziehen der Mundwinkel und der
Unterlippe, Aufsperren des Mundes mittels des
H^^^r'schen Mundspiegels schaffen genflgenden
Einblick und Raum zum Operiren ; ist ein grösserer
Theil des Mundbodens mit erkrankt , so müssen die
Zähne der erkrankten Seite extrahirt, oder auch
Theile des Alveolarfortsatzes resecirt werden.
Die Operation wurde meist mit der Hohl-
scheere ausgeführt und die Abtrennung am Mund-
boden begonnen. Nach Durchtrennung des Frenu-
lum kann die Zunge mit einer MtLzeua'schen Zange
ausserordentlich weit hervorgezogen werden, ebenso
auch der Zungenstumpf, so dass eine event. Blutung
sich gut überblicken und beherrschen lässt. Bei
der Amputation der halben Zunge in der Richtung
ihrer Länge wurde zuerst die Längsspaltung und
dann die Trennung in der Quere am Zungengrunde
vorgenommen. Bei der Entfernung kleinerer Theile
der Zunge wurde von der präventiven Lingualis-
Unterbindung abgesehen und die Excision so vor-
genommen, dass unter starker Hervomehung des
zurückzulassenden Zungenstumpfes successive durch-
trennt und nach jedem Scheerenschlag die nothwen-
dige Blutstillung vorgenommen wurde. Der Schnitt
für die Lingnab's-Unterbindung ist femer ein aus-
reichender Htllfsschnitt Hlr die Exstirpation aller
Drüsen und bei Verlängerung nach vorn selbst fElr
die Exeision des Mundbodens. In einigen Fällen,
wo die Erkrankung weiter fortgeschritten war,
mnsste der Stamm der Art. lingualis am Znngen-
grunde unterbunden werden, wobei man die Ueber-
zeugung gewann, dass auch die totale Zungenexstir-
pation selbst ohne Lingnalis-Unterbindung , aller-
dings mit grösserem Blutverlust und geringerer Be-
quemlichkeit ausfiihrbar sei.
Nach der Operation wurde eine exakte Drainage
angebracht und die ganze Wundfläche mit Kali hyper-
manganicum, entweder in Substanz oder in satnrirter
wässeriger Lösung geätzt. In allen den Fällen, in
welchen ausgiebig drainirt u. zugleich geätzt wurde,
waren keine Phlegmonen im Halszellgewebe zu beo-
bachten, keine Munddiphtheritis und keine capillare
Bronchopneumonie. Die Kr. fühlten sich verhält-
nissmässig sehr wohl, Fieber war meist gering. Die
1) Für dea Sep.-Abdrack dankt verbindlieh Wr.
Drainrdhren konnten am 5. bis 7. Tage entfenrt
werden. Bis dahin und bis zur Schliessung der
Drain wunden wurde mit der Schlundsonde ernährt
Die Unterbindnngswunde heilte in der EegA raak-
tionsloe. Abgesehen von der guten AosMurbarkeit
der Exstirpation, der leichten Beherrschung der
Blutung, war die Zahl der Recidive eine geringere
und die Zahl der unmittelbar nach der Opwaikm
Gebeilten (84.2^/o) eine wesentlich höhere, als bei
anderen Operationsmethoden. Eine Wiedergabe des
weiteren Inhalts von W.'s Abhandlung, welche ihren
Gegenstand von den verschiedensten Gesichtaponkten
aus erschöpfend behandelt , müssen wir hier leider
unterlassen und auf das Original verweisen.
Prof. Verneuil (Gaz. des Höp. 141« p.ll2o.
D^. 1880) verwirft bei grösseren Eingriffen an der
Zunge die Operation vom Munde ans und zieht die
Regnoli-Billroth'sche Operation vor. Vom
Munde aus soll man nur bei kleinen Abtragungen
operiren. Die Wahl des trennenden Instrumentes,
Messer, Ecraseur u. s. w. sei gleichgiltig.
Für Fälle, in welchen mindestens die halbe
Zunge entfernt werden mnss und wenn dieRced^tieD
des Unterkiefers nicht nothwendig erscheint, em-
pfiehlt Dr. W. Morrant Baker (Lancet 1.15.
17 ; April 1880. p. 559. 635) die Trennung der
Zunge in der Mittellinie, da wegen der geringeo
Zahl von Anastomosen beim Gebrauch des MeseerB
die Blutung geringer, und beim Gebrauch des Een-
seur [welchen B. dem Messer voRsuziehen scheint]
die Anlegung desselben leichter sei, zudem anoh
noch die halbe Zunge leichter hervorgezogen wer-
den könne, nach Trennung des Frennlnm und der
Mnskelverbindungen nach vom. Dieselben Vor-
theile machen die Spaltung in der Mittellinie auch
Air die Entfernung der ganzen Zunge empfehleoB-
werth.
B. verfilgt über 9 Beobachtungen, bei denen nach
diesem Plane operirt und ohne Ausnahme die Nea-
bildung mit der Drahtschlinge entfernt wurde. Da-
bei wurde auf die Entfernung bereits erkrankter
Drüsengeschwülste stets verzichtet.
1) Eine 87J&hr. Frau hatte an der linken Znogeii-
hälfte ein ca. 1 ZoU langes , bis sum leisten Malilsalio
reichendes carcinomatöses Geschwür, dessen Entfemiuis
(7. Oct. 1876) ohne bedeutende Blatung gelang. Am
18. Oct. erkrankte die Fat. mit Hals- und Brostschmenen
n. starb am folgenden Tage plötzüch asphyktlsch. Beider
Sektion waren Sachen und Trachea mit einer diphtheri-
tlBchen Membran ausgekleidet. Der rechte Bronefavs
war von einem losgelösten Membranstuck ganz verstopft.
2) Bei einem 64Jähr. Manne sass ein grosses Carci-
nomgeschwflr in der Mitte der Zunge, der Zangenboden
war hart und die benaehbaiten Drüsen am Kto iiwea
infiltrirt. Am 26. Mai 1877 wurde die Zunge in der
Mitte gespalten u. Jede Hälfte besonders entfernt. Eäoige
Wochen später war noch kein Becidiv yorhanden.
3) Ein 46Jähr. Mann hatte seit 4 Monaten (27* ^^'
1877) eine SchweUung der rechten Parottegegendbemerti
Erst 2 Mon. später trat eine Oesohwürsbildung u ^^
rechten Seite der Zunge auf. Bei der Aufhalune (o»
sich von der rechten Parotis bis nach der SubnuuiU^'
gegend und dem Hals zu eine harte Schwellniig. An der
Znnge konnte die hhitere Grenze derNeubUdiug lalt de«
V. Chirurgie^ Ophthalmologie n. Otiatrik.
53
Fiiger meht erreicht werden. Am 12. Sept. wurde wegen
dergroBsen Schmerzen die rechte Zungenhälfte, ohne im
Oesonden m Operiren, abgetragen. Die Schmerzen Hessen
etwas nach, doch ging der Kr. 4 Tage später septisch zu
Grande.
4) Ein 62Jähr. Mann litt seit 14 Mon. an einer Ge-
scbwuist der rechten Znngenhälfte. Die Neubildung er-
Btreekte sich sehr weit nach hinten, der Mundboden war
frei, ebenso anscheinend die linke Zungenpartie. Bei der
Operation (28. Nov. 1877) wurde der vordere Bogen des
weiehen Gaumens, bis zu welchem das Carcinom reichte,
gespalten. Der Kr. starb im Dec. 1878 an einem Drüsen-
recidiv, welches sich am rechten Kieferwinkel wenige
Monate nach der Operation entwickelt hatte.
5) Bei einem 44jähr. Mann hatte B. am 26. Dec.
1873 Ton der rechten Zungenseite ein Carcinom entfernt,
welebes 2 Mon. vor der Auftiahme des Kr. (22. Mai 1878)
reddivirte. Die Zunge wurde nach der Spaltung in der
lOttelliDie, mit einem Theii der Schleimhaut des Mund-
bodens <26. Mai) entfernt. Die weitere Beobachtung
dnerte nur Us 81. Jmil.
6) Bei einem 60Jähr. Manne hatte sich innerhalb
} MoD. ^ne Ton der Spitze bis zu den Papulae circum-
TsItatM reichende Neubildung entwickelt; der Mund-
boden war nicht betheiUgt, aber benachbarte Drfisen
waren ioflcirt. Am 80. Juni 1878, 9 Mon. nach der
Operation, fand sich an der Zunge kein Recidiv, wohl aber
tu den Drusen. Der rechte Nerrus facialis war gelähmt.
7) Ein 66Jähr. Mann bemerkte seit 15 Mon. die Ent-
wiekelung efaies Geschwfirs auf der linken Seite der Zunge.
Bei der Aufnahme (3. Dec. 1878) nahm die Neubildung
fie Zunge, den Mundboden und den Unterkiefer linker-
witB ein. Drfisenschwellung war nicht vorhanden. Nach
Spaltung der linken Wange bis zum vorderen Rande des
Masseter (14. Dec. 1878), wurde die Zunge in der Mittel-
linie bis zur Epiglottis gespalten und jede Hälfte mit dem
Eerasenr entfernt. Die Heilung erfolgte rasch.
8) Ein 45jähr. Metzger bemerkte seit 6 Mon. ein
Geschwfir auf der linken Zungenseite, welches sich bei
der Aufnahme you der Spitze bis zum letzten Mahlzahn
entreckte. Die Drfisen am Kinn und Kieferwiukel waren
beträchtlich geschwollen. Am 18. Jan. 1879 wurde die
befallene Zungen hälfte entfernt. Bis zum 15. Febr. war
zwar die Wunde geheilt, es war aber Drüsenschwellung
rechts und bedeutende Vergrosserung der bereits vorhan-
den gewesenen Tumoren links aufgetreten.
9) Ein 52Jähr. Schuhmacher litt seit 10 Wochen an
einem Oeschwfir an der linken Zungenhälfte, welches
ingefähr an der Mitte des Bandes sass. Eine Drüse am
Kiefer war bedeutend vergrössert. Die Zunge wurde ui
8 Hälften (1. Nov.) vermittelst des Ecraseur entfernt,
der nicht ganz durchtrennte Stumpf aber beiderseits in je
eine Ligatur gefasst und die Abtrennung vermittelst des
Messers vollendet. Die vergrösserte Drüüc wurde heraus-
gesohält. Der Kr. verliess das Hospital am 24. November.
Eine Debatte Id der Ges. der Cbir. zu Paris
(6m. des H6p. 147. p. 1172. 1880) gab den fran-
><^li6n Chirurgen Veranlassung, ihren Standpunkt
gcgenflber der Behandlung des Zungenkrebses dar-
zulegen.
MaurieePerrin theilt vom klinischen Stand-
puikte die Zangenoardnome in 2 grosse Omppen :
1. lolehe, die mit, und 2* solche, die ohne Bethei-
%mg der Lymphdrttsen einhergeheo. Fttr die
('Unvgie sind entere kein Gegenstand der Behand-
lung mehr, die 2. Gruppe erheisoht schon bei einiger
Dehnung die schleunige und gründliche Bntfer-
i^g des Erkiankten , dann wird man auch noch
^ HdUmgen , die Monate bis Jahre anhalten
CTrilat: 8 J.) erfi^ai FttrDespris giebtes
keine definitive Heilung des Leidens, der Er. ttber-
lebt nur die Operation eine kürzere oder längere
Zeit [!]. Verneuil räth noch zu der Operation,
wenn nur die snbmaxillaren Drüsen erkrankt sind,
häufig wird man sich zur Erleichterung des Er. bei
sehr ausgedehnten Zerstörungen zu einer Palliativ-
Operation gedrängt sehen.
Die Frage der principiellen Ausräumung des
Mnndbodens wurde von keinem der Redner erörtert
oder nur berührt. Der suprahyoideale Schnitt, Ecra-
seur, Thermo- und Galvanokauter werden für die
Operation bevorzugt, die Unterbindung der Art.
lingualis scheint nur selten angewendet zu werden.
Dr. T e r r i 1 1 o n betont deswegen die Nothwendig-
keit, nach E o c h e r *s Vorgang, mehr als bisher ge-
schehen, eine Radikalkur anzustreben. (Bull, de
Thor. C. p. 247. Mars 30. 1881.)
Dagegen wird die Unterbindung der Art. lingualis
nahe ihrem Ursprung als vorbereitende Operation
zur Exstirpation der Zunge von Dr. George P.
Shrady (New York med. Record XIV. 11. p.204.
Sept. 14. 1878) befürwortet.
Sh. räth, behufs der Exstirpation von Neubil-
dungen an der Zunge stets den Weg vom Munde
aus zu wählen. Ist die Art, lingualis vorher unter-
bunden worden, so ist das Messer oder die Scheere
weitaus allen anderen Instrumenten vorzuziehen, da
nur dadurch eine übersichtliche, glatte und rasch
heilende Wunde erzielt werden kann. Die Arterie
soll stets unter dem hinteren Bauche desM.digastri-
cus aufgesucht und unterbunden werden, weil von
da aus der Blutzufluss zu der betreffenden Zungen-
hälfiie vollständig aufgehoben wird. Operirt man
oberhalb des Digastricus, so wird man meistens die
Ligatur vor der Ai*t. dorsalis linguae anlegen,
und unter Umständen aus der Basis der Zunge noch
eine schwer zu bewältigende Blutung bekommen
können. Die Unterbindung der Arterie könnte viel-
leicht auch noch in dem Sinne günstig wirken, dass
durch sie einem Recidiv der Neubildung vorgebengt
wird. [? Demarquay.]
Die von Sh. operirte Kr. war eine 32jähr., mit ge-
spaltenem Gaumen behaftete Frau, bei welcher vor 8 Mon.
an der linlcen Seite der Zunge, gegenüber einem cariösen
Zahne sich eine Ulceration entwiolcclt hatte. Eine Vatera-
Schwester der Frau war an Brustkrebs gestorben. Bei
der Aufnahme (12. Juni 1878) war die linke Seite der
Zunge von beinahe der Spitze an bis zum weichen Gau-
men von einer indurirten, stark wuchernden Neubildung
eingenommen. Auch die innere Seite des Zahnfleisches
und des Bodens der Mundhöhle war der Sitz einer solchen
Wucherung. Die benachbarten Lymphdrüsen waren nicht
inHcirt. Die Entfernung des Tumor auf der linken Seite
verlief ganz ohne Blntnng. Auf der rechten Seite, auf
welche sich die Incision eine kurze Strecke weit er-
streckte, musste eine Arterie unterbunden werden, eine
kleine Blutung am Mundboden wurde durch Eis gestillt.
Die Neubildung erwies sich als Epitheliom. Die Wunde
war nach 10 Tagen geheilt. Zwei Wochen nach der
Operation wurde die Kr. von einer Entzündung des lin-
ken Obern Lungenlapper.s befallen, der sie in 3 Wochen
erla?. Eine Sektion durfte nicht gemacht werden.
Den Fällen von Radikalheilung des Zungen-
krebses schliesst sich der folgende von Christo-
54
V. Ohirnrgie; Ophthalmologie n. Otiatrik.
pher Heath an. (Lancet IL 25; Nov. 1880.
p. 812.)
Ein 68jähr.Mann bemerkte seltOct. 1878 ein kleines
Geschwür auf der linken Seite des Mnndbodens, welches
sich langsam vergrosserte und mit Aetzmitteln behandelt
wurde. Bei der Aufnahme (9. Jan. 1879) nahm eine
nloerirende Geschwulst die linke Hälfte des Mundbodens
und des angrenzenden Unterkiefers ein , und erstreckte
sich nach hinten bis zum aufsteigenden Ast des Unter-
kiefers, nach innen bis zur Mittellinie und nach yorn über
letztere hinaus bis zum rechten Eckzahn. Drüsen waren
nicht infiltrirt. Die Zunge war frei. Die Neubildung
(uloerirendes Epitheliom) wurde mit Resektion des be-
fallenen Unterkieferabschnittes entfernt. Im Nov. 1880
war der Kr. noch ganz wohl.
Dr. William Dunnet Spanton (Lianoetl. 23;
June 1881. p. 911) berichtet über 3 Totalezstirpationen
der Zunge wegen Carolnom, die er mittels des Ecraseur
ausführte, einmal mit Spaltung der Wange, eine Methode,
für welche er sehr eingenommen ist. In letzterem Falle
trat 4 Stdn. nach der Operation eine sehr heftige Nach-
blutung auf, der man erst nach Wiedereröffhung der
Wangenwunde Herr werden konnte. — Die ersten beiden
Kr., eine 40Jähr. Frau und ein 34jähr. Mann, starben 18,
resp. 5 Mon. nach der Operation an lokalem und Drüsen-
recidiv, bei dem 3. Kr. reichte die Beobachtung nur bis
8 Wochen nach der Entlassung.
Heiiang Dach Excision eines an der Seite der
Zange sitzenden Epitheliom beobachtete Dr. J. C.
Ogilvie Will (Lancet II. 1; July 1877. p. 4)
bei 2 Männern im Alter von 49 nnd 50 Jahren.
In beiden Fallen wurde (nach Annandale 's Me-
thode) unter Chloroformnarkose eine Incision durch die
Mittellinie der Unterlippe bis ca. 1 Zoll unterhalb des
Kinnes ausgeführt u. alsdann nach Loslösung der Weich-
theile vom Knochen die Symphyse des Unterkiefers durch-
gesägt, jede Hälfte aber mit einer Schlinge zur Seite ge-
zogen. Dann wurde durch die Spitze der Zunge, zur
Seite der Mittellinie, Je eine starke Ligatur eingelegt und
mittels derselben die Zunge nach vom und oben, nach
der der afficirten Stelle entgegengesetzten Seite gezogen,
während die Verbindungen der Zunge mit dem Boden der
Mundhohle an der afflcirten Seite mit einem Scalpell durch-
trennt wurden. Nach Ligatur der Blutgefässe mit Catgut,
wurde ein Scalpell durch die Zungenwurzel genau in der
Mittellinie durchgestossen und bis zur Zungenspitze durch-
gezogen, endlich mittels der rund um die Basis der affl-
cirten Seite so weit als möglich nach hinten angelegten
Kette eines Ecraseur die eine Zungenhälfte entfernt, wo-
bei kein Blut floss. Dann wurde die durchsägte untere
Kinnlade Jederseits mit zwei Bohrlöchern versehen und
mit starkem Silberdraht in Apposition gebracht, worauf
die Weichtheile vereinigt wurden. Durch den Boden der
Mundhöhle wurde ein Drainrohr eingelegt u. nach aussen
in die Gegend des Zungenbeins geleitet. Drei Tage nach
der Operation wurde eine äussere Guttaperchaschiene, mit
Borlint gefuttert, um das Kinn gelegt.
Der eine Fat. wurde in der 5. Woche, der 2. am
18. Tage nach der Operation geheilt entlassen. Letzterer
ging später an einem Recidiv in den benachbarten Lymph-
drüsen zu Grunde. Ob bei dem erstem die Heilung Be-
stand gehabt hat, ist nicht angegeben. Bei ihm war beim
Bohren der Kinnlade eine Nadel abgebrochen und hatte
im Knochen zurückgelassen werden mfissen.
Dr. Charles B. Crandall (Philad.med.andsurg.
Rep. XLn. 21 ; May 1880) exstirpirte die krebsig ent-
artete linke Hälfte einer Zunge mittels des Ecraseur,
dessen Kette er zunächst mittels Nadeln um den Tumor
flxirt. Die Zunge lässt er mittels einfacher Zangen nach
vorwärts ziehen. Die Operation, welche 19 Min. dauerte,
wurde unter Narkose mittels Bromäihyl ausgeführt, von
dem 10 Drachmen (37.5 Grmm.) verbraucht wurden.
(Schluss folgt.)
493. Pharyngotomia subhyoidea sur Ez-
stirpation der krebsig entarteten BpiglottiB;
von Dr. M. W. af S c h n 1 1 6 D. (Finska läkaresäiUk.
handl. XXIII. 2 och 3. 8. 147. 1881.)
Der Kr., ein 54 J. alter Mann, hatte ungefähr 1 J.
vor seiner am 6. Dec. 1880 erfolgten Aufnahme in die
chirurgischen Klinik des Krankenhauses in Helsiogfon
Schmerzen beim Schlucken bekommen; die Schling-
beschwerden hatten immer mehr zugenommen und die
Speisen geriethen oft in den Kehlkopf, seit einigen Wo-
chen hatte sich Heiserkeit hinsugesellt. An Steile der
Epiglottis fand sich eine knollige, theil weise geschwfliige
Geschwulst von harter Consistenz, die den Kehlkopf-
eingang verdeckte. Sie wurde als Epitheliom diagnoeü-
cirt und ihre Entfernung mittels der Pharyngotomia sab-
hyoidea beschlossen.
Am 6. Jan. 1881 wurde die vorbereitende Tracbeo-
tomie ausgeführt, wobei eine ziemlich bedeutende Blu-
tung eintrat, so dass die ganze Operation nicht sofort be-
endigt werden konnte. In Folge des Eindringens von
Blut in die Luftwege stellte sich in den folgenden Tages
Bronchitis mit hohem Fieber ein und im Verlaufe dieser
Bronchitis entwickelte sich eine Phlegmone am reehteo
Schenkel. Nach Beseitigung dieser Complikationen ward«
am 14. Febr. mittels eines ungef&hr 7 Ctmtr. langen Schnit-
tes die Pharyngotomia subhyoidea nach Malgaigne'8
Vorschriften ausgeführt und bei niederhängendem Kopfe
des Pat. eine Tamponkannle eingeführt. Die Ghlorofor-
mirung wurde durch die Trachealkanüle bewerkstelligt
Nachdem alle Weichtheile bis auf die Schleimhaut dan^
schnitten worden waren, wurde diese an der Seite der
Geschwulst durchtrennt und nun konnte man mit dem
Finger fühlen, dass die Epiglottis in ihrer ganzen A»-
dehnung entartet war. Die Schleimbaut zwischen Zu-
genwurzel u. Geschwulst wurde hierauf vollständig doroh-
trennt und die Geschwulst theils mit dem Messer, theOs
mit dem Thermokauter nicht ohne Schwierigkeit ezstir-
pirt; sie hatte ungefähr 6 — 7 Ctmtr. Durchmesser nnd
erwies sich als Epitheliom. Bei der Operation drang kern
Blut in die Trachea. Die Tamponkannle wurde bis vm
nächsten Tage liegen gelassen. Am folgenden Tage
stellte sich massige Bronchitis mit Fieber ein. Der Er.
wurde durch die Oesophagussonde ernährt.
Am 3. März wurde die Trachealkanüle entfent,
musste aber wegen durch Perichondritis in dem bei der
Operation theilweise biosgelegten Schildknorpel bedingter
Athemnoth am 23. März wieder ehigelegt werden. Un-
gefähr 8 Wochen nach der Operation, als die Haotwnnde
fast geheilt war, begann der Kr. wieder selbst zu essen
und konnte diess bald ohne Schwierigkeit thun. Am
11. Juni wurden einige halb nekrotische Knorpelstfickchen
entfernt ; die Trachealkanfile musste noch liegen bleiben.
Von einem Recidiv war bis dahin noch keine Spur zu b^
merken. (Walter Berger.)
494. üeber die Behandlimg der suppn-
rirenden Bubonen; von Dr. Cäsar Boeck.
(Tidsskr. f. prakt. Med. 9. 10. 1881.)
Behufs der Zertheilang der Geschwülste zieht B.
Bleiwasserumschlftge mit Oammipapier bedeckt dem
AafpiDseln von Jodtinktur nnd der Anwendung an-
derer Hautreizmittel vor in Hinsicht anf die in Zu-
kunft möglicher Weise nötiiig werdenden operativen
Eingriffe y fttr welche eine intakte Haut wttnsebens-
werth ist. Wenn man indessen nach einigen Tsgen
noch kein Zurückgehen der Geschwulst bemerkt, iat
nach B. sofort zur Punktion zu schreiten, die jedoch
nur anwendbar ist, wenn die Krankheit ein gewisses
Stadium noch nicht Oberschritten hat. Am meisten
T. Chirurgie; Ophttialmologie n. Otiatrik.
55
kwsaM auf em gflDstiges Resultat bietet die Punk-
tkni; wcDu die EutzflnduDg noch nicht das periglan-
duläre Gewebe ergriffen hat ; aber selbst wenn dieses
nnd sogar die bedeckende Haut entzündet und ge-
r5tbetist| kann man immer noch die Punktion mit
Anneht auf Erfolg versuchen^ sobald noch nicht die
Drttee und das Zellgewebe in der Umgebung eine
emage fluktnhrende Abscesshöhle bilden. Wenn es so
weit gekommen ist, bleibt nur die Eröfihung des
Abseeflses ttbrig.
Die Methode der abortiven Punktion, die B. an-
wendet, weicht in manchen Punkten von den ge-
brloeblichen ab. Die Drttse wird, so weit sie noch
iBoIiit von dem umgebenden Zellgewebe fühlbar ist,
iwisehen Daumen und Zeigefinger der linken Hand
gefant und gegen die bedeckende Haut gedrückt,
mit einem spitzen Bistouri wird an dem hervor-
ragendsten Punkte ein senkrechter Einstich durch
& Haut und in die Drüse hinein gemacht, eine
ilbeioe Enopfsonde eingeführt und in der Drüse
beramgeftlhrt, um möglicher Weise noch bestehende
Biadegewebsbalken zu zerstören und den Ausfluss
MB der kleinen Oeflhung zu erleichtem , die durch
& Bewegung der Sonde etwas erweitert wird.
Während der ganzen Operation wird die Drüse mit
den Fingern zusammengedrückt und man fühlt sie
nttmmenfallen und fast verschwinden. Wenn der
hhalt nach Möglichkeit entleert ist, wird mittels
«mer Glasspritze Iproc. Carbolsäurelösung durch
a€D engen Stichkanal langsam eingespritzt, das
Cwbolwasser wieder ausgepresst u. die Einspritzung
wiederholt, bis sich in der ausgepressten Flüssigkeit
kein Eiter mehr findet. Schlüsslich wird wieder ein
BWwMserumschlag aufgelegt. Die Einspritzung von
Ctfbolwasser wird 2— 3mal täglich wiederholt, bis
iKfa die Punktionsöflbung geschlossen hat. In den
^ Tagen der Behandlung muss der Pat das
^ boten.
Alle Fälle, in denen B. diese Metiiode der Punk-
tKHi anwendete und in denen die Nachbehandlung
gewigaenhaft durchgeffthrt wurde, sind günstig ver-
l^ofen; die Heilung erfolgte meist rasch, in 2 Fialen
konnten die Er. schon nach 2 Tagen wieder ihre
^häfte verrichten. Nur in einem Falle hat B.
Reber nach der Operation folgen sehen, dessen Ur-
'^ er indessen nicht anzugeben vermag; im
Debrigen verlief der Fall in jeder Hinsicht günstig.
^ einer Frau hat B. diese Operation nur ein ein-
ziges Mal ausgefthrt
Wenn es für die Punktion zu spät ist, muss man
ue Abscessbildung zu beschleunigen suchen , den
Abecess. öffnen nnd die Höhle fleissig mit Carbol-
waner ausspritzen , damit nicht die virulente Masse
^ in der Eiter- oder „Schankerhöhle'< — als
^e ist die Abscesshöhle nach B. in der Regel zu
P^achten , wenn sie von weichem Schanker ihren
^isprong hat — ansammelt und destruu-end auf die
^vebe wirkt, wobei Eitersenkungen zu befürchten
^* Die Eitmenknng oder FistelbUdung vermeidet
man am sichersten durch Ausstopfen der Höhle mit
in irgend einer desinficirenden Flüssigkeit getränkter
Charpie , sobald diess die Empfindlichkeit gestattet.
Die Charpie muss , wenigstens anfangs , öfters ge-
wechselt werden. Als desinficirende Flüssigkeit be-
nutzt B. ein Infusum aus Species resolventes mit
Eampherspiritus ; B. taucht die Charpie erst in den
Kampherspiritus und dann in das Infus und hat bei
dieser Mischung selbst bei sehr empfindlichen Indi-
viduen keinen Schmerz auftreten sehen wie bei der
früher von ihm angewendeten, mehr Eampherspiritus
enthaltenden Mischung. Die Oranulationsbildung
wird durch diese Behandlung sehr befördert ; selbst
grosse Abscesshöhlen mit Buchten und Vertiefungen
können binnen 3 — 4 Wochen nach der Eröfinung
zuheilen , kleinere noch rascher , und der Er. kann
fast während der ganzen Zeit seine Geschäfte ver-
richten.
Das Gesagte gilt für die Fälle mit stark aus-
gesprochenem entzündlichen Charakter und rascher
Entwicklung, bei lentesch'enden Fällen empfiehlt B.
Bleiwasserumschläge allein oder mit gleichzeitiger
Compression oder ableitende Mittel. Wenn damit
keine Heilung erzielt wird, soll man Eiterung zu er-
regen suchen und dann den Abscess in der ange-
gebenen Weise behandeln. (W a 1 1 e r B e r g e r.)
495. Hydrooele, geheilt durch eine Chlor-
zinkinjektion ; von Dr. Cäsar Boeck. (Tidsskr.
f. prakt. Med. 11. 1881.)
Bei einem 17 J. alten Er. wurde eine seit Monaten
bestehende ziemlich hühnereigrosse Hydrooele 2mal mit-
tels Punktion entleert und bildete sich danach rasch wie-
der. Am 18. März spritzte B. von einer lOproc. Chlor-
zinklösung einige Tropfen, zu gleichen Theilen mit Wasser
verdünnt, ein, mitten in die vorher nicht entleerte Hydro-
celenflüssigkeit hinein. Einige Minuten nach der Ii\)ek-
tion fühlte Pat. ein leichtes Brennen längs des Samen-
strangs in die Höhe, aber keinen eigentlichen Schmerz.
Am nächsten Tage war die Geschwulst deutlich kleiner
und weniger gespannt ; es bestand geringe Empfindlich-
keit bei Druck und Bewegungen ; 5 Tage nach der In-
jektion (am 23. März) war die Geschwulst fast ganz ver-
schwunden, am 30. März fühlte man nur noch eine Ver-
dickung am Samenstrang von ungefähr IVs Zoll Ausdeh-
nung. Am 10. Mai, als B. den Kr. wieder sah, war Alles
normal.
Wenn es sich zeigen sollte, dass man in der
Regel auf gleich gute Resultate rechnen könnte,
würde diese Behandlungsweise als grosser Gewinn
zu betrachten sein. Wie weit sie bei Hydrocelen,
die mit der Peritonäalhöhle communiciren, zu ver-
suchen sei f lässt sich erst beantworten , wenn eine
grössere Erfahrung erreicht ist. Wie im mitgetheil-
ten Falle das Chlomnk, ohne irgend welche be-
deutendere Reaktion hervorzurufen, die Absonderung
zum Stillstand und die angesammelte Flüssigkeit zur
Resorption bringen konnte, ist nicht leicht zu erklä-
ren, aber man sieht , dass es auch als Aetzmittel,
ausser seinen rein destruktiven Eigenschaften, einen
ganz eigenthümlich modificirenden Einfluss auf ver-
schiedene pathologische Processe in der Haut be-
sitzt. Ob der Umstand , dass die Hydrooele kurz
56
VI. Chirorgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
vorher 2mal durch Punktion entleert worden war,
einen Einfluss in der Weise ausgeübt hat, dass die
seröse Membran vielleicht in Folge davon leichter
beeinflnsst werden konnte, lässt B. dahingestellt. B.
veimuthet, dass diese Behandlungsweise auch bei
Hygroma patellare, vielleicht auch in verzweifelten
Fällen von Ovariencysten, in denen aus irgend einem
Grunde eine radikalere Behandlung nicht thunlidi
ist, natürlich mit der nöthigen Vorsicht, angewendet
werden könnte. (W a 1 1 e r B e r g e r.)
496. Fall von intraabdomineller Hämato-
oele; von Dr. H. Till man ns zu Leipzig. (Arch.
f. klin. Ohir. XXVI. 4. p. 1009. 1881.)
Der betr. Kr., ein 30 J. alter Cigarrenarbeiter , gab
ao, seit frühester Kindheit an rechtseitiger Hydroeele des
Scrotnm gelitten zn haben , welche etwa 12mal , zuletzt
vor 2 Jahren , punktirt worden sei. Von da ab erfuhr
eine angeblich schon früher bemerl^te Geschwulst in der
rechten untern Bauch-, resp. Leistengegend in kurzer
Zeit eine betrachtliche Zunahme.
Die Untersachung wies eine etwa mannskopfgrosse,
prall elastische, massig bewegliche, mit den Bauchdecken
scheinbar nur locker verwachsene Unterleibagesohwulst
nach , welche von der rechten untern Bauchgegend über
dem Ligam. Foupart. ausging , über die Linea alba nach
links hinfiberragte und bis über den Nabel hinaufetieg.
Wie bei Jeder grossem intraabdominellen Hydroeele war
auch hier die rechte Leistengegend durch die von deren
Kanäle aus sehr deutlich fühlbare Geschwulst vorgedrängt.
Keine Hydroeele des Scrotum. Die Untersuchung per
Rectum ergab nichts Besonderes. Athem- und Stahl-
beschwerden in Folge von Compression Seitens der Ge-
schwulst; ziehende Schmerzen nach der rechten Niere
hin ; Urin ohne Abnormität. — Die Diagnose wurde auf
intraabdominelle Hydroeele funiculi gestellt und, da
der Kr. radikal geheilt zu werden wünschte , die Exstir-
pation derselben unternommen.
Nachdem von der Linea alba aus unter antisept. Gau*
telen die Laparotomie gemacht worden war, zeigte es sich,
dass die Geschwulst mit einem Stiele aus dem erweiter-
ten rechten Leistenkanal entsprang n. zwischen Perito-
näumu. der vordem Bauchwandung lag. Diese Geschfrulst,
bes. in ihrem obem Theile mit dem abgehobenen u. nach
oben gedrängten Bauchfelle fest verwachsen , Hess sich
von den Bauchwandungen mit den Händen leicht ablösen.
Die Probepunktion lieferte eine bräunlich-blutige Flüssig-
keit , von welcher etwa 4 Liter abflössen. Da die staik
verkalkten , starren Wände der Hämatoceie nach deren
Entleerung nicht zusammenfielen, so schien es zweck-
mässig , die Geschwulst vollständig mit den Händen und
unter Ligatur verwachsener Stränge , Adhäsionen u. s. w.
auszuschälen. Diess geUing auch bis auf den obem Theil
der Geschwulst, wo, wie gesagt, das stark verdünnte
Peritonäum so fest mit der Gystenwand verwachsen war,
dass es einriss und mit letzterer entfernt werden musste.
Ehie 10 Ctmtr. grosse Verwachsung der Hämatoceie an
ihrer hintern untem , vom Bauchfelle bedeckten Fläche
mit einer Dünndarmschlinge Hess sich dagegen sehr leicht
mit den Fingern ablösen. Mit Anlegung von 2 Garbol-
seideligaturen um je eine Hälfte des im erweiterten rech-
ten Leistenkanale befindlichen Stieles der Hämatoceie,
auf welchem mehrere etwa linsen- bis erbsengrosse , eine
klare, seröse Flüssigkeit enthaltende Cysten aufeassen,
wurde die Operation beendet.
Nach sorgfältiger Blutstillung , Reinigung , Drainage
des von der Geschwulst eingenommeuen Raumes , Bauch-
naht, antiseptischer Ocdusions-Verband. Tod an Peri-
tonitis am Morgen des 3. Tages nach der Operation.
Die Sektion wurde nicht gestattet.
Wie Vf. meint , hat hier vielleicht die Drainage
mehr geschadet als genützt, weil durch sie ein voll-
st&ndiger Verschluss der Bauchwunde verhindert und
dadurch der Entstehung der Peritonitis Vorschub
geleistet wurde. Wahrscheinlich wäre es zweck-
mässiger gewesen, den Rest des von den Bauchwän-
den abgelösten Bauchfells vollständig eu entfernen,
dft ja ohnehin schon ein Theil desselben mit hatte
entfernt werden müssen , und weil dann keine Hoble
zwischen dem Peritonäum und den Bauchwandungen
vorhanden und damit ^e Drainage flberflüsslg ge-
wesen wäre.
Die mikroskopische Untersuchung der Wandug
der Hämatoceie ergab im Wesentlichen nur reich
vaskularisirtes Bindegewebe mit an der Innenwand
aufliegendem Blutdetritus , während nach der von
Prof. Hof mann ausgeführten Analyse in dm
Cysteninhalte ausser den bekannten Befunden wenig
Cholestearinkrystalle vorkamen.
Ausgezeichnet war diese Hämatoceie durch ihre
bedeutende Grösse, ihr rapides Wachsthom seit %m
Jahren und besondera durch das Fehlen eiaer gldeh-
zeitigen Scrotalhydrocele , welche früher angebM
vorhanden gewesen war.
Dass nach dem Verschwinden der früher vor-
banden gewesenen Hydroeele scrotalis die Hämato-
ceie so rasche Fortschritte machte , hing vielleicht
davon ab , dass es eine Hydroeele funiculi war und
tief in den Hodensack herunterreichte , welche fleh
nach der letzten Punktion in ihrem untern Theile
schloss , während sie in ihrem obem nun nach der
Bauchhöhle hin an Umfang um so schneller zunahm.
Ob die Hämatoceie irgend einem Trauma ihre Ent-
stehung verdankte^ hat nicht ermittelt werden kön-
nen.
Vf. erinnert hierbei daran, dass Prof. Kocher
{Pitha-BülroUi, Handbuch d. Ohir. III. 2. p. 279)
10 Fälle von abdomineller Hydroeele, resp. Häouito-
cele zusammengestellt hat, in welchen gleichzeitig
eine damit communicirende Scrotal-Hydrocele vor-
handen war, und dass Prof. Trendelenbarg
(Beri. klin. Wchnschr. XIH. 2. 1877) unter Verweis
auf eine früher von ihm in v. Langenbeck's
Klinik gemachte ähnliche Beobachtung einen neuen
Fall von Hydroeele intraabdominalia bilocularü
veröffentlicht hat. Er theilt die von T r. bei dem
letzten Chirurgen-Congress (vgl. Arch. f. klin. Chir.
XXVI. 4. p. 867) ausgesprochene Ansicht von der
anatom. Analogie zwischen Hernia ingianali* pfO"
periionaealis und Hydroeele iniraabdom, biloeu-
laris. Beide Zustände beruhen auf abaormer Bil-
dung des Proc. vaginalis peritonaei ; in d^oii eioeii
Falle ist die abnorme Ektasie des gen. P)foc. g«geo
die Peritonäalhöhle hin offen geblieben, in dem
andern hat sie sich geschlossen.
Bei der Seltoiheit der HydroceU väraabdommalif
büocularis lassen wir die von Prof. TrAPdoJeatff't
gemachte Beobachtung kurz folgen.
Einiejähr. Bursche Utt an einer rechtBcitigcn Hyw
cele, welche vor 1% J. sich zuerst als eine Amtwemg
am Hoden bemerkbar gemacht und von da raish nf^'
V. Chirurgie, Ophthalmologie a. Otiatrik.
57
BoauBOi hatte. Dieselbe erstreckte sieh durch den gleich-
seitigen Leistenkanal bis hinter die vordere Bauchwand.
In Folge dessen war eine dentlich fühlbare Gedchwulst
entstanden t welche aus 2 eiförmigen Abtheilungen, einer
grossem in der Bauchhöhle und einer kleinem im Scro-
tBffl gelegenen , bestand. Erstere , die vordere Bauch-
wand in der Regio iliaca dextra etwas henrorwdlbend,
liitke nach oben und aussen , an welcher letstem Stelle
ihre Grenze nur 2 Querfinger breit von der Spina anter.
rap. entfernt war , ihre grösste Ausdehnung und reichte
nadi innen bis zur Medianlinie , während mit dieser Qe-
flchwnlstpartie die kleinere, scrotale, durch ein etwa 3
Qoerfinger breites , im erweiterten Leistenkanale liegen-
des Mittelstnck commnnicirte.
Die Geschwulst war deutlich fluktuirend, durchschei-
nend und unempfindlich. Bei Compression des scrotalen
Ttieils entleerte sich derselbe etwas und füllte sich ent-
sprechend der abdominale und umgekehrt. Hustete der
Kr., so drängte sich die ganze Geschwulst etwas aus der
Baaehhöhle und der serotale Theil schwoll stärker an.
Da Punktion u. Compression erfolglos angewendet waren,
unternahm Tr. die Badikaloperation. Er machte vom
Obern Theile der vordem Scrotalfläche nach oben und
aossen bis zur Apertur des Leistenkanals einen Schnitt,
der die Hautdecken und dieScheidenhant in gleicher Aus-
dehnung erdihiete. In der Höhle der Hydrocele fand sich
ein in der Flüssigkeit schwimmendes , festes, gelblich ge-
erbtes Fibringerinnsel von der Grösse eines kleinen Fin-
gers. Nach Entleemng des Inhalts und Einlegnng eines
langen Drainrohrs in den Bauehtheil der Geschwulst und
eines kleinem in die untere Wundöffiaung folgte die Ver-
einigung der Rander der Scheidenhaut mit denen der
Hant durch Snturen. Bei der Operation wurde das
List er 'sehe Verfahren eingehalten, jedoch mit Wegfall
des Carbolspray , welchen Vf. für entbehrlich und lästig
batt. Hieran schloss sieh der von Volk mann ange-
gebene Verband , mit dem noch die Vorsichtsmaassregel
Tttbonden wurde , dass den obem Recessus Schwämme
und Bäusche von Salii^lwatte gehörig comprimirten. Es
erfolgte Heilung. (Pauli, Cöln.)
497. Ueber die Behandlung versohiedener
Formen von Hamretention ; von Prof. Carl
Weil. (Prager med. Wchnschr. VI. 17. 18 u. 19.
1881.)
Vf. knflpft seine Bemerkungen an eine Anzahl
von ihm beobachteter Fälle.
1. FaU. Ein Junger Mann von 24 J., welcher seit
6 Wochen an einem Tripper ohne wesentliche Harn-
besehwerden litt, konnte plötzlich nach einer lustig durch-
lebten Nacht den Urin nicht entleeren.
Da der hinsngerufene Arzt die Harnblase bedeutend
aoagedehnt fand, so versuchte er vielfach den Kathete-
rismos, Jedoeh ohne Erfolg, und da auch warme Bäder
ond Eataplasmen auf den Damm nichts nutzten, so wurde
die Pu^tion der Blase über der Symphyse gemacht, die,
mit Ausnahme eines einmaligen Schüttelfrostes, keine
weitem üblen Folgen hatte. Hiemach entleerte der Kr.
Bsoh 5 Tagen zum 1. Male etwas Urin durch die Urethra
und im weitem Verlaufe immer mehr, so dass nach 12 Ta-
gen die Kanüle aus der Stichwunde, die rasch zuheilte,
entfernt werden konnte. Vf., 3 Wochen nach dieser Ope-
ntlon hinzugezogen, führte leicht einen Katheter Nr. 6
engl. M. in die Blase und wenige Tage später einen sol-
ehen Nr. 12 in gleioher Weise ein.
Ab Ursache der Harnverhaltung in solchen Fäl-
len betrachtet man gewöhnlieh einen Krampf des
Blasenhabes« Nach Meroier, welcher diese An-
rieht nameDtlich vertritt , wird in Folge von Con-
tmktor der hintern Lippe des Orifioiam vesicale die
IM. Jahrbb. Bd. 198. Hft. 1.
Spitze des Trigonum Lieutaudii nach oben und vorn
über die untere Wand der Harnröhre erhoben und
so eine einen Verschluss bedingende Klappe (Valvule
du col vesicale) gebildet. Coudmont nahm einen
Krampf beider Sphinkteren des Blasenhalses an,
während Civiale die Ursache in einem Spasmus
colli vesicae et urethrae (R^tr^cissementspasmodique)
suchen zu mflssen glaubte.
Diesen Anschauungen trat H. Thompson (Vor-
lesungen über die chirurg. Krankh. der Harawege,
übers, von Dr. Depuis. Berlin 1877) mit der Be-
hauptung entgegen, dass es sich in diesen Fällen
nicht um eine Striktur, sondern um eine sich bis zum
Blasenhalse erstreckende Entzündung des prostati-
schen Theiles der Urethra handle. Neuerdings hat
sich jedoch Esmarch wieder für die spastische
Natur dieser Ischurie ausgesprochen. Vgl. Jahrbb.
CLXXXVffl. p. 160.
Bei dieser Meinungsverschiedenheit liegt die An-
nahme nahe, dass unter solchen Umständen bald eine
entzündliche Schwellung, bald Krampf, bald eine
Combination beider Zustände , wobei der eine oder
der andere prävaliren kann , als Causa proxima in
Frage kommt.
Anders steht es dagegen um die Beseitigung
dieses deuteropathischen Leidens, das bei irgend er-
heblichem Grade den Katheterismus nothwendig
macht. Hängt die Ischmüe hauptsächlich von An-
schwellung der Prostata ab, so empfiehlt es sich,
einen dünnen elastischen Katheter mit starker Krüm-
mung oder den Mercier'schen zu wählen. Scheitern
indessen diese, selbst in der Chloroformnarkose an-
gestellten Versuche, so bleibt nichts weiter übrig,
als die eben so leicht ausfahrbare als ungefährliche
Punktion der Blase über der Symphyse nach der
D i e u l a f 0 y 'sehen Adspirationsmethode.
2. Faü. J. K., 62 J. alt, erlitt vor 30 J. durch
Sturz auf eine Stuhllehne ehie Wunde des Mittelfleisches,
aus welcher sich 2 Mon. hindurch Harn entleerte. Der-
selbe floss bald nach der Verheilung der Wunde in einem
nur sehr dünnen Strahle und später nur tropfenweise
ab, worauf es zu wiederholten Malen zur vollständigen
Retention kam, die aber immer wieder durch Anwendung
von Hansmitteln behoben wurde. Eine solche complete
Harnverhaltung trat auch am 8. Juni 1878 auf, welche
dem Gebrauche von Bädern und Kataplasmen nicht wich.
Da nun aber alle Versuche, den Urin auf künstlichem
Wege zu entleeren, fruchtlos blieben, kam der Kr. in die
vom Vf. zur Zeit dirigirte Klinik. Hier ergab die ünter-
snohnng am 12. Jnni Folgendes. Enorme Ausdehnung der
Harnblase, ehie von der frühem Verletzung herrührende
Narbe des Mittelfleisches und ein fingerdicker, fester, die
Harnröhre umgebender Strang, dessen hinteres Ende nicht
abzugrenzen war. Ausserdem bestanden Collapsus, Anf-
stossen und Brechneigung.
Der Katheterismus führte nicht zum Ziele, weshalb
alsbald zur Bontonnifere geschritten wurde , die nach ca.
8 Wochen vollständige Heilung zur Folge hatte.
Dass hier die Verengerung das Hindemiss für die
Entieemng des Exkrets abgab , beweist besonders der
Umstand, dass, wie sich bei der Operation herausstellte,
der hinter der Stenose gelegene dilatlrte Theil der Urethra
Btagnirenden Urin enthielt.
58
V. Chirurgie^ Ophthalmologie n. Otiatrik.
Ob nnter solchen Umständen der Blasenstich oder
die Urethrotomia exteina den Vorzng verdient, hän^
von vielen änsseni Umständen , sowie von der indi-
viduellen Ansicht der Aerzte ab, indessen spricht
sich die Mehrzahl fflr die sofortige Vornahme der
letztem Operation aus.
3. Fiül, Bei einem 46J&hr. Tischler, welcher sich
am 16. Jan. 1875 eine Contnsion der Perinäalgegend zu-
zog, erflchienen daselbst sogleich heftige Schmerzen, zu
welchen sich in der folgenden Nacht heftiger Harndrang,
wobei nur einige Tropfen Blnt aas der Harnr5hre ab-
flössen, gesellte. Am andern Tage wurde yermittelst eines
elastischen Katheters die sehr angefüllte Blase entleert
und die hierdurch veranlasste Blntong aus der Urethra
durch Einspritzungen von Eiswasser u. Applikation eines
Eisbeutels auf das Perinäum gestillt.
Da der Harndrang fortdauerte, so kam Abends der-
selbe Katheter wieder zur Anwendung, der liegen blieb,
aber am folgenden Tage wieder herausgenommen werden
musste, weil neben ihm bestandig Blut aus der HamrQhre
abfloss. Am folgenden Tage ging die Entleerung des
Harns auf natürlichem Wege von Statten, doch nahm die
Geschwulst und Schmerzhaftigkeit des Dammes zu und
erfolgte schlnsslich Suppuratlon.
Eine am 23. Jan. gemachte Incision entleerte eine
reichliche Menge eines übehriechenden, mit Harn ver-
mischten Eiters. Jener nahm am 24. zum Theil durch
die Wunde, zum Theil durch die Harnröhre und vom 29.
ab nur durch dieselbe seinen Ausgang. Am 8. Febr.
wurde der Kr. geheilt entlassen mit der Weisung, sich
anfänglich täglich und später alle 2 Tage einen Katheter
Nr. 13 engl. M. einzuführen.
4. Fall. Ein 25 Jahre alter Fabrikarbeiter fiel am
1. Mai 1878 in ein leeres Fass, wobei er auf den Rand
desselben mit dem Damme aufstiess. Die sofort ein-
getretene heftige Blutung aus der Urethra und complete
Harnverhaltung machten die Aufnahme in das Hospital
nothwendig. Hier fand man eine fast kindskopfgrosse
Anschwellung des Scrotum, dunkelblaue Färbung des-
selben und des stark geschwellten Penis, hochgradiges
Oedem des Präputium, bedeutende Vorwölbung des sugil-
lirten Perinäum, fast bis zum Nabel sich erstreckende
Ausdehnung der Blase. Der vorsichtig eingeführte Ka-
theter gelangte am Ende der Pars spongiosa in eine dicht
nnter der Haut 'gelegene geräumige Höhle, jedoch nicht
weiter, weshalb Vf. sogleich die Boutonniere machte.
Nach Dnrohschneidung der Haut drang er in eine
grosse, mit Jauche, Blutcoagulis und Gewebsfetzen aus-
gefüllte Höhle, in welcher nach sorgfältiger Desinfektion
die Corpora cavemosa penis quer durchtrennt erschienen,
nicht aber die einzelnen Gewebe an den gequetschten
Wandungen unterschieden werden konnten. Mit einem
vom Oriflcium ext. urethrae eingeführten Katheter gelang
es nun, das eingerollte periphere Ende der Harnröhre
und das retrahirte centrale Ende derselben durch das
Erscheinen eines Urintröpfchens nach Druck auf die Blase
zu entdecken. Nachdem hierauf die eingerollten Läpp-
chen der Hamröhrenschleimhaut mit Häkchen aufgerichtet
und auseinander gezogen worden waren, Hess sich vom
centralen Ende aus ein dicker Nelaton'aeher Katheter
leicht in die BUse leiten und eine reichliche Menge klaren
Harns entleeren. Nach mehreren noch gemachten In-
cisionen in die blutig infiltrirten und prall gespannten
Partien des Scrotum und Penis, wurde der Katheter ent-
fernt und ein anderer, vom Oriflcium cutaneum aus bis in
die Wunde und von da in das mit Häkchen auseinander
gehaltene centrale Ende geleitet und liegen gelassen.
Von jetzt ab ging Alles gut, das bereits vorhandene
hohe Fieber nahm rasch ab und war nach 3 Tagen voll-
ständig verschwunden. Am 4. Tage fand ein Wechsel
des iV^Za/ori'schen Katheters statt, der vom 10. Tage an,
da er eine leichte Urethritis veranlasst hatte, täglich nur
auf kurze Zeit zur Anwendung kam. Gegen diese sekun-
däre Hamröhrenaffektion erwiesen sich Einspritznogea
von Borwasser nützlich. Die grosse Wundhöhle f&Ute
sich rasch mit Granulationen und hatte sich am 16. Juni
geschlossen. Der Kr., vertraut gemacht mitder AppU-
kation des Slatheters Nr. 12 engl. M., wurde mit der Wei-
sung, durch lange Zeit den Katheterismus fortzusetzen,
entlassen.
6. Fall. Ein d2Jähr. Dienstmann wurde von ehier
herabrutschenden schweren Kiste im Rücken und nament-
lich in der Kreuzbeingegend getroffen und hingeworfen.
Er war unfähig, sich selbst zu erheben, und wurde in dai
Krankenhaus geschafft, wo ein shockartiger Zustand,
Schmerz im Kreuz und an der Schambeinfuge und Stilli-
cidium sanguinis aus der Urethra constatirt wurde.
Nach Einwiekelung des ganzen Körpers in warme
Tücher und Darreichtmg von Kaffee und Weinsuppe und
dadurch bewirkter Hebung des Collapsus constatirte man
eine Fraktur des rechten horizontalen und linken abstei-
genden Schambeinastes, abnorme Beweglichkeit u. groBse
Schmerzhaftigkeit der Synchondrosis sacroiliaca.
In der Nacht trat starker Harndrang auf, jedoch floes
bei Versuchen zu uriniren nur Blut aus der Urethra ab.
Der applioirte Katheter verfehlte insofern seinen
Zweck, als derselbe, nur bis an das Ende der Pars pen-
dula dringend, hier in einem leeren Räume stecken blieb,
der sich bei der am andern Tage ausgeführten äusseren
Urethrotomie als eine mit BlntcoaguUs angefüllte Hoble
auswies , in welcher man den scharfen Rand des oben
Fragments des linken absteigenden Schambeinastes fühlte.
Nach Ausräumung aUer Blntcoagula und Desinfektion
der Wundhöhle wurde der Näaton*BChe Katheter vom
Orific. urethrae ext. in die Wundfläche und ron da dordi
das centrale Ende der vollkommen dorchrissenen Harn-
röhre, welches durch Häkchen auseinander gezogen wurde,
in die Bhise geführt und ein halbes Liter klaren Hanu
entfernt. Auch dieses Mal blieb der Katheter liegen , im
Uebrigen war das Verfahren wie im vorhergehenden FÜle.
Trotzdem und trotz dem ft*eiesten Abflüsse der Wund-
Sekrete durch Einlegen dicker Drainröhren und troti
immerwährender Irrigation mit Borwasser kam es zu eite-
riger Phlebitis des Beckenzellgewebes, an der der Kr.
septisch zu Grunde ging.
Sektion. Fraktur des rechten und Impreaskm dei
linken horizontalen und absteigenden Sohambeinastes mit
Missfarbigkeit der Bruchenden , eine Fraktur des Kreuz-
beins , welche von der rechten Synchondrosis saoroilinen
nach links und aufwärts verlief. Femer fand man eitrige
Infiltration der Weichtheile des kleinen Beckens , eitrige
Thrombose der Venen desselben , sowie eine vollständige
Durchreissung der Harnröhre am Uebeigange der Fan
bulbosa in die Pars membranacea.
Dass complete Trennungen der Hamrölire nach
Traamen anf den Damm niclit zu den SeltenlieiteD
geliören, gellt einestheila aue den HitthdlnngeD
Orlowski's, andemüieils ans den vom Vf. be-
scliriebenen Fällen henror. Aber auch indirekt
kommt jene Läsion dem Obigen zufolge nach Bmch
der Beckenknochen vor , indem die disloeirten Frag-
mente diesen Kanal entweder anspiessen oder gegen
einen andern Beckenknochen andrückend dessen
Continuität völlig anfheben.
Anlangend die Diagnose der HamröhrewrHP'
tur, so kennzeichnen dieselbe im Verein mit der
Aetiologie sofort anftretender heftiger Schmerti
Schwellang nnd Blntnnterlaufnngen der Regio peri-
naeiy sowie beständiger den Ansflnss einiger Trojrfen
Blnt ans der Harnröhre begleitender Harodruig*
Völlige Gewissheit verschafft aber erst der Kathete-
lisrnnSy der immer anf ein Hindemiss stMt uocl ge-
wöhnlich misslingt.
r
V. Chiiurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
59
Sehlflsslich stellt Vf. fltlr die Behandlang der
bchorie folgende Regeln auf. ^yEntzttndliche und
sptgtische Retentionen 8ind durch Eatheterismos zn
beseitigen. Das wichtigste Hülfsmittel zur Erleichte-
rmg des Eatheterismos ist in diesen Fällen die tiefe
Narkose. Es ist nicht gestattet, bei geftillter Blase
iDZQwarten y ob nicht durch Bäder , Opium , Atropin
Dod ähnliche Mittel die Hamentleeining erzielt wer-
den konnte ; da neben den Qualen des Kranken auch
die Gefahr der folgenden Blasenatonie vorliegt.
Retention in Folge von alten, meist traumatischen,
Mgen. hnpermeaUen Strikturen ist, wenn die Ein-
fiihnuig eines Instruments nicht gelingt , durch die
iossere Urethrotomie zu beseitigen, da damit gleich-
zeitig das Grundübel behoben wird; nur in Aus-
lahmefimen ist die Punktion der Blase über der
Symphyse auszufahren. Retention nach Ruptur der
Drellu« erfordert die sofortige Vornahme der Drethro-
tomia externa, und nur in den leichtesten Fällen den
Katheterismus, in den schwersten die Punktion neben
ierlndaion. (Pauli, GOln.)
498. XTeberCommtinikation smriBOhen dem
Darmrohr tind den mitem Hamorganen; von
Prof. Dittel in Wien. (Wien. med. Wchnschr.
nXI. 10. 11. 12. 1881.)
Direkte Verbindungen derBlasenhöhle mit einem
Abschnitte des Dünndarms odei* des Colon transver-
üQiD, sowie des prostatischen oder häutigen Theiles
der Harnröhre oder beider zugleich mit dem Rectum,
wodurch die Hamröhren-Mastdarmfistel zu Stande
kommt, gehören nicht zu den Seltenheiten.
Im ersten Falle kann der Inhalt des Darms in
die Blase übergehen und umgekehrt der Harn in den
Darm. Letzteres Vorkommniss lässt sich indessen
sehr schwer nachweisen, weil zur Feststellung seiner
beiden charakteristischen Kennzeichen, des urinösen
Gemches und der Gegenwart von Harnstoff, wieder-
holt eine grössere Menge Urin in den Darm fliessen
Qsd sich schlüsslich im Mastdarme ansammeln oder
dnrch denselben entleeren mflsste, Bedingungen, die
eme sehr grosse Gommunikationsöffiiung voraus-
setzen.
Anders verhält es sich dagegen mit dem Ueber-
gsoge des Darminhalts in die Blase, insofern den-
selben feste, dunkelbraune oder braunschwarze Par-
tikelchen im Urin hinreichend kennzeichnen, welche
sich bei der mikroskop. Untersuchung als pflanz-
Uebe oder animalische Speisereste (quergestreifte
Moflkelfasem) ausweisen und jedenfalls Oallenfarb-
stoffentiialten.
Es liegt nahe, anzunehmen, dass, wenn sich
Gallenfarbstoff nachweisen lässt, die Blase mit dem
Dickdarme conmiunicire | dagegen eine Communi-
kation mit dem Dünndarme bestehe, wenn dieser
Farbstoff fehle, wohl aber Speisereste nachweisbar
«Dd. Dieser Schluss ist indessen nicht zutreffend,
weil sehen im Dünndarme Fäkalstoffe vorkommen,
welehe Gattenfarbstoff enthalten, und weil anderer-
setts auch Speisereste mit den Fäces nicht selten bis
in das Colon, ja selbst bis in das Rectum mitge-
schleppt werden.
Mehr Aufschlüsse giebt die klinische Beobach-
tung und die Anamnese. Ist z. B. die fragl. Ano-
malie in einem Falle nach Typhus, in einem andern
nach Dysenterie entstanden, so liegt die Annalime
sehr nahe, dass im ersten Falle eine Communikation
mit dem Dünndarme und im zweiten eine solche mit
dem Dickdarme bestehe.
Aber auch wenn keine festen Bestandtheile mit
dem Urin ausgeschieden werden, sichert schon das
Vorhandensein von Gasen in der Blase die fragliche
Verbindung. Eine Ausnahme hiervon macht aller-
dings die diphtheritische oder jauchige Cystitis, da
sich auch hier in dem Eiter Fäulnissgase entwickeln.
Der Umstand, dass es sich hier um einen akuten,
von vornherein allein auf die Blase beschränkten
Process, welchen die Kranken gewöhnlich nicht
lange überleben, handelt, sowie der fürchterliche
Gestank des Blasensekrets lassen jedoch eine Ver-
wechselung mit Darmgas nicht zu.
Ist die Menge desselben eine bedeutende und
mit ziemlich rapiden Nachschüben verbundene, was
wahrscheinlich von der Grösse und Lage der Com-
munikationsöffnung abhängt, so sammelt sich das
Gas in den obern Theilen der Blase an, reizt die-
selbe zu Contraktionen und entweicht durch die Harn-
röhre mit wenigem oder gar keinem Urin. Einen
solchen Fall hat Vf. mit Prof. Zeissl bei einem
phthisischen Jüngling beobachtet, bei welchem sich
durch tuberkulöse Darmulceration, Verwachsung und
Perforation der Blase eine Communikation zwischen
dieser und wahrscheinlich einem Dünndarmstücke ge-
bildet hatte.
In andern Fällen dringt das Darmgas in kleinen
Mengen nicht continuirlich, sondern nur zeitweise in
die Blase. Wahrscheinlich ist dann die Oeffnung
klein und der Uebertritt des Gases vielleicht durch
eine klappenförmige Verschiebung der Randschleim-
haut zeitweise gehindert. In Folge dessen fiiesst
der Urin zu gewissen Zeiten in vollständig normaler
Weise ab, während ein anderes Mal am Schlüsse
der Harnentleerung Luft austritt, ein Zustand, wel-
cher, den Harnstrahl zersplitternd, den Eindruck
macht, als ob die letzten Tropfen mit einem ge-
wissen Geräusche herauskämen.
Hierher gehört auch der folgende von Dr. P i c h -
ler in Carlsbad (Allg. Wien. med. Zeitung I. 1881)
unter der Diagnose „Pneumaturie'' mitgetheilte Fall.
Am 11. Aug. wurde Dr. P i c h 1 e r von einem kräftig
gebauten, wohlgenährten, vollkommen gesand aasaehen-
den Mann in den besten Jahren, welcher wegen einer
Cystitis und arthritiBoher Beschwerden nach Carlsbad ge-
kommen war, consoltirt, weil ihm seit 8 Jahren „ein
Wind durch die Blase gehe**. Als der Kr. vor den Angen
P.'s nrinirte, fiberzengte sich Letzterer, dass in der That
mit den letzten Urintropfen nnter lant hörbarem, zischen-
dem Geräusche eine, nach der Menge der sich bildenden
Luftblasen zu artheilen, ziemlich bedeutende Menge Luft
ausströmte. Dieses wiederholt angestellte Experiment
gelang jedoch nicht immer, indem manchmal die Ent-
leerung des Harns ganz normal von Statten ging. Zwei
L
60
V. Ghimrgie; Ophthalmologie n. Otiatrik.
Mal während der Öwöchentl. Beobachtnng fonden sich
auch bedeutende Quantitäten Eiter im Harne , welcher,
sonst von saurer Reaktion, unter diesen Umständen die
alkalische annahm. In normaler Menge entleert, zeigte der
Harn bei einem spec. Gew. von 14 — 19 u. einer hellgelben
Farbe mit mehr oder weniger trübem Aussehen, gewöhn-
lich einen nicht sehr reichlichen, aber zahlreiche Eiter-
und Blutkörperchen enthaltenden Niederschlag, Eiweiss
in einer grössern als dem Eiter- und Blutgehalte ent^
sprechenden Menge (1.6%), sowie endlich noch die be-
kannten Charaktere des chron. Blasenkatarrhs. In sub-
jektiver Hinsicht klagte der Kr. nur über zeitweilige
Stiche in der Blase und über das von Zeit zu Zeit wieder-
kehrende Gefühl des Eintritts von Luft in dieselbe.
Hiernach blieb, wie Dr. P. hervorhebt, nur die
Annahme übrig, die Pneumatosis vesicae arinariae
sei von einer Verwachsung der Blasen- und Darm-
wandungen mit Perforation abhängig. Für diese
Annahme sprach auch die Anamnese, indem das
fragl. Symptom, den Angaben des Er. zufolge, nach
einer schweren, mit wochenlanger Bewosstlosigkeit
verlaufenden Krankheit, jedenfalls einem Tjrphus,
aufgetreten war, während welcher der Urin längere
Zeit hindurch mittels des Katheter hatte entleert
werden müssen und jedenfalls eine Verldthung der
Wand des Ilenm mit der Blase und Perforation
der letztem stattgefunden hatte. Dass diese Con-
tinuitätstrennung nicht im Mastdarme ihren Sitz
hatte, ging aus der Gemchlosigkeit der ausströmen-
den Gase und dem vollständigen Fehlen von Fäkal-
stoffen im Urin hervor.
Desgleichen Hessen die erwähnten Erscheinangen
in Rücksicht darauf, dass zu manchen Zeiten, wahr-
scheinlich wegen katarrhalischer Schwellung oder
Verlegung durch Eiter von zäher Gonsistenz u. s. w.,
die Gasausströmnng aufhörte, eine sehr feine und
dünne Dnrchbruchs- oder Fistelöfiiinng vermnthen.
Die Albuminurie dürfte mit grosser Wahrscheinlich-
keit auf Rechnung eines nephritischen Processes in
Folge der Fortpflanzung der Blasenentzündung auf
die Nieren zu setzen sein, als auf den Eintritt von
Eiweiss vom Darm ans in den Urin, da dasselbe
jene Flüssigkeit beständig enthielt.
Nach Prof. Dittel steht es ziemlich fest, dass
ein Typhus vorausgegangen ist, obschon zwischen
diesem und dem Auftreten der fraglichen Erschei-
nungen ein Zeitraum von beinahe 5 Jahren liegt.
Im October desselben Jahres erschienen gelbliche
Partikelchen im Urin des betr. Er., welche aus Pflanzen-
zellen und quergestreiften Muskelresten bestanden, aber
nach Ultzmann's Untersuchung keinen Gallenfarbstolf
enthielten. Am 2. Nov. berichtete Pat. aus Manchester,
dass Jetzt deutliche Kothpartlkelchen im Urin vorhanden
seien. Auch enthalte der Harn nach Einspritzungen von
Stärkemehl in den After deutliche Spuren davon und biete
die Jodreaktion dar, weshalb sein Arzt sich für eine Ver-
bindung der Blase mit dem Rectum ausspräche. Auf-
fallend bleibt dabei, wie Prof. Dittel bemerkt, dass
nicht auch zeitweise Urin in den After gedrungen und
wahrgenommen ist.
Bei einem von D. behandelten Landmanne ge-
lang es, vermittelst des iVt>f2:tf-Z«tWschen Endos-
kop an der lachten Seite des Blasengrundes eine
runde, etwa 1 Ctmtr. im Durchmesser haltende
Stelle wahrzunehmen, welche, wie eine granulirende,
in ihrer Mitte eingetiefte Wundfläche aussehend, bd
dem sonst normalen Verhalten der Blasenwand flu
die Communikationsstelle gehalten wurde. Wahr«
scheinlich hätte sich auch auf die angegebene Wdso
bei dem Patienten H. eine solche Oontinuitätstren
nung nachweisen lassen. Indessen wäre dadurch
bei der Unsicherheit und Gefiüirlichkeit eines opera-
tiven EingrilBb — Laparotomie, Ablösung der Ver-
wachsung, Vernähen des Loches an der Blase uod
des Darmrohrs u. s. w. — nichts gewonnen ge-
wesen.
Auch Fremdkörper bedingen höchst wahrschein-
lich eine solche Perforation. So operirte Vf. im
Jan. 1880 einen 66 J. alten Tagelöhner vermitleM
des hohen Blasenschnitts, weil ihm das 6 Ctmtr.
lange Schnabelstack eines schadhaften Metallkathe«
ter, welchen er sich 27 Tage vor der Operation ein-
geführt hatte, abgebrochen und in der Blase unbe«
weglich eingekeilt zurflckgeblieben war. Nach dem
durch Peritonitis erfolgten Tode zeigte die SektioB
einen durch das eingekeilte Katiieteratflok berate
entstandenen perforirenden Deeabitns an der hintern
Blasenwand. Wäre vorher eine Verwachsung die-"
ser Stelle mit einer Dannwand zu Stande gekom-
men, so würde auch hier sicherlich eine Oommmi-
kation zwischen Darm und Blase eingetreten sein.
BZo«^ - Mastdarm - Fisteln können mancherid
Bedingungen ihre Entstehung verdanken.
1) Es können epitlieliale Neubildungen sein,
welche vom Rectum aus in die Blase oder von der Pro-
stata aus in das Rectum hineinwuchem, ein Prooefls,
der bei Frauen besonders häufig von der Scheide aofl
stattfindet und zu unheilbaren Blasenscheidenfisteln
fahrt. Vf. beobachtete einen Fall, wo einNeopbsma
der Prostata nach jahrelangen, zeitweise profuseD
Blutungen, bei sonst nnverändertem Bestände, dnige
Monate vor dem Tode in den Mastdarm und di8
Perinänm durchbrach und ein Durchsickern desürios
nach beiden Richtungen hin veranlasste.
2) Es gehört nicht zu den Seltenheiten, dass
Fremdkörper die Harnblase mit dem Rectum in
Verbindung bringen, wie folgender vom Vf. am
16. Febr. 1854 in der k. k. Oes. d. Aerzte mit-
getheilter Fall beweist.
Von einem an Tuberkulose leidenden 35Jähr. Maoae
war mit einem Bissen Brod eine 3 Ctmtr. lange und vit
einem dicken Kopfe versehene Stecknadel verscUnekt
worden. Nach ihrem Durch tritte durch den Magen und
Darm in die Blase und nach Bildung eines phosphatisebeo
Conkrements von ovoider Qestalt von 3V2 Ctmtr. Läog«
und 2 Vs Ctmtr. Breite um den Kopf der Nadel hatte deren
Spitze den Blasengrnnd und die vordere Mastdaimwaad
perforirt und so eine Blasenmastdarmflstel gebildet, dnrch
welche Vf. nach vorausgegangener hinreichender £hrweite-
rung in der Längsrichtung mit dem Knopfbistonri sm
31. Jan. 1854 den Stein entfernte.
Viel häufiger noch ist die m Rede stehende Pw-
foraüon eine Folge des Bltuenachnüts, *
Am 12. Jan. 1880 bef^ite Vf. einen S8J&hr. Baaeni-
bnrsohen mittels des Seitenblasenschnitts von eiaam
grossen, 47 Grmm. schweren Oxalsäuren, auf seiner gas-
len Oberfläche mit 2— 3Mmtr. langen Warsen u. staobel-
förmigen, sehr harten Fortsätzen versehenen Stefai, wel*
V. Chirurgie, Ophthalmologie xl Otiatrik.
61
eher wihrend des Anziehens die Sehnittwunde imgewölm-
Bdi stark serrte. Nachdem endlich das Conkrement ent-
ferst worden war, fand sich in der yordem Wand des
Beetom du etwa 1 Ctmtr. langer nnregelmSssiger Riss,
denen Heilnng lange an schaffen machte.
Weiter gehören als Ätiologisches Moment dieser
tbnormen Verbindungen die mit Metailsonden oder
Katheter gemaehten faleehen Wege hierher. An-
lasB ni letitem giebt in der Regel der nngeschiekt
aoBgefllhrteEatheterismas, besonders wenn denselben
Ischnrie dringend nothwendig macht.
Am hXofigsten aber entstehen Perforationen der
genannten Sjttegorie ans Entzündungen mit Ab^
mubädung m der V&rateherdrüee und in der
Pars tnembranaeea urethrae.
Die Prostata-Abeeeeee können nftmlich nach
drei Riehtangen hin perforiren. Am gewöhnlichsten
üodet dieser V<Hrgang nach der Harnröhre hin nnd
bd blennorrhoischer Prostatitis statt. Bleibt es bei
dieser Continnitätstrennnng allein , so kommt keine
Fistel zn Stande nnd in der Mehrzahl der Fälle^
Bimentlich bei jflngem Snbjekten ; heilen diese Ab-
Messe vollstftndig, wenn man sie sorgfältig vom
Rectum ans ansdrflckt nnd von der Harnröhre ans
mittels eines bis dahin vorgeschobenen Katheter aus-
q>fllt. Wenn aber ein solcher Abscess noch das
Perinänm oder Reotnm durchbohrt, so sind Perinäal-
oder Drethrorectalfisteln die unvermeidliche Folge.
l^Agegen bedingen Processe dieser Art im caver-
sdMnTheile der Harnröhre nach Vfs. Beobachtungen
niemals eine Hamröhren-Mastdarmfistel, da dieselben
in irgend eine Partie von der Lamina media fasciae
peiinaei, sei es indasMitteifleisch, Scrotnm, Leisten-
gegend und noch weiter hinauf, münden. Die auf
die beschriebene Art zu Stande gekommenen Harn-
röbren-Mastdarmfisteln, welche ein vorausgegangenes
Trauma oder eine stattgehabte Entzflndung der be-
treffenden Lokalität, Ausfluss von Eiter und Blut aus
der Urethra nnd von Urin aus dem Mastdarme kenn-
zeichnen, haben einen verschiedenen Verlauf. Meist
heilen sie von selbst unter Hinterlassung einer wenig
▼endiiebbaren eingezogenen Narbe im Rectnm.
Bei der Behandlung einer derartigen Fistel muss,
80 lange sich dieselbe noch im Stadium der Eiterung
und Orannlationsbildung befindet, das Hauptaugen-
merk darauf gerichtet sein , dass der Urin nicht be-
ständig durch die Fistel dringt, ein Ziel, welches
das Einlegen eines Verweilkatheters oder, falls der-
selbe nicht vertragen wird, durch das regelmässige
Ablassen des Harns aus der Blase erstrebt wird.
Ausserdem kommen Granulationen befördernde Me-
dikamente: CarboUiniment, Ealilösung, Eampher-
oder Präeipitatsalbe und warme Bftder zur Anwen-
dung. Dieses Verfahren muss, wie Vf. hervorhebt,
wohl jene Läsion, wenn dieselbe sich noch nicht mit
«iner Narbenmembran bedeckt, sich also noch nicht
in eine nicht spontan heilende Narbenfistel verwan-
delt hat, und wenn der Substanzverlnst in der Harn-
rohre ein nicht zn grosser ist, in der Regel zur Hei-
lung fähren, weil sonst nicht die Literatur so wenige
favttge ungeheOte FäUe — in den 47 Jahrgängen
unserer Jahrbücher ist kein einziger mitgetheilt —
aufzuweisen hätte.
Diese hat Vf. veranlasst, seine nach dieser Rich-
tung hin gemachten Erfahrungen, welche sich auf
4, aber nur auf 3 genau beobachtete Fälle beziehen,
zu veröffentlichen, indem er zugleich, in Rtick-
sicht auf den wenig befriedigenden Erfolg des von
ihm eingeschlagenen Enrverfahrens , weitere Unter-
suchungen zur Ermittelung eines bessern anzuregen
wünscht. Die ausführlichere Mittheilung dieser Fälle
erscheint daher gerechtfertigt.
1. Faü, B. J., Kanftnann, anfgenommen itm 28. Joni
1876, entlassen am 88. Augf. ejnsdem. AnaUblösong wegen
FistnU nrethrorectalis. Näheres kann nicht angegeben
werden, da die Krankengeschichte verloren gegangen ist.
2. Faü. F. ans Constantinopel , ein stämmig ge-
bauter Jfingling von 16 J., gnt genährt, von blähendem
Aussehen, erkrankte vor 8 J. am Typhns. Gegen Ende
desselben machte anhaltende Ischnrie den Katheterismns
ndthig, welcher dem Operateur viel Schwierigkeiten be-
reitet haben soll. Es floss viel Blut durch den Katheter
nnd nach einigen Tagen bei jeder HarncDtleemng Harn
durch den Mastdarm ab. Seit 8 J. bestand eine Mast-
darm-Hamr5hren-Narbenfistel mit chronischem Blasen-
katarrh nnd nnregelmässigen Stnhlentleemngen, nament-
lich mit Diarrhöe abwechselnder Verstopfung. Vf., im
Voraus fiberzengt, dass dieser Narbenflstel mit Verweil-
katheter nnd Aetzen der Oefftiung nicht beizukommen,
sondern nur von einer Keotalabldsung ein sicherer Erfolg
zu erwarten sei, besohloss, ausserdem von dem bisheri-
gen steten Misslingen des Katheterismns in Kenntniss ge-
setzt, von einer vorläufigen Untersaohung Abstand zu
nehmen und dieselbe unter Narkose mit der genannten
Operation zu verbinden, die am 11. Juli 1878 in folgender
Weise gemacht wurde.
In dem zuerst untersuchten Rectum fand sich an der
vordem, der Gegend der Pars membranacea urethrae
entsprechenden Wand eine narbig eingezogene Oeffiiung
von der Grösse einer Lhise, durch welche eine gebogene
Knopfsonde unmittelbar vor der Prostata auf den vorher
ohne besondere Schwierigkeiten in die Blase geleiteten
Katheter stiess. Nach der hierauf ausgeführten Ablösung
der vordem Mastdarmwand bis zur Prostata wurde oben
die Contionitätstrennung im häutigen Theile der Urethra
und unten die vordere Wand des Mastdarms mit ihrem
Loch sichtbar. Erstere wurde geätzt, letzteres nach Ab-
tragung der Narbenränder mit 2 Catgutnähten geschlos-
sen und die Hamblase hierauf durch einen in dieselbe
von der Wunde aus durch dieOeffnung geleiteten weichen
Kautschukkatheter drainirt. Blutung aus beiden Art.
transvers. perinaei unbedeutend. CarboUiniment. Kein
Wnndfleber. Uria klarer.
Am 13. Juni trat Diarrhöe auf, in deren Folge die
Nähte ausrissen und Koth in die Wunde, Harnröhre und
sogar in die Blase drang ; hierzu kam am 13. Juli noch
eine parenchymatöse Blutung, welche die Prima-intentio
vollständig vereitelte.
Vom 25. Juni bis 4. Juli zeij<ten sich Erscheinungen
einer akuten Nierenrelznng und eines intensivem Blasen-
katarrhs, welche indessen die Wunde durchaus nicht nach-
theilig beeinflussten, im Gegentbeile sah dieselbe sehr gut
aus, granulirte lebhaft und verkleinerte sich.
Am 8. Juli hatte sich die Wunde fast gänzlich ge-
schlossen. Von Jetzt ab wurde die Drainage durch einen
durch die Harnröhre angebrachten englischen Katheter
ersetzt. Ende JuU floss auch ohne diesen kein Tropfen
Urin mehr durch die Wunde. Der Kr. wurde mit dem
Rathe entlassen , Vorsichts halber etwa noch 4—6 Wo-
chen den Urin vermittelst des Katheter zu entleeren.
8. Fall. F. H., 31 J. alt, welcher sich bei schwäch-
licher Körperconstitution stets einer guten Gesundheit er-
freute, erkrankte, angeblich am 6. Mai 1874, an einer
62
V. Chirurgie^ Ophthalmologie u. Otiatrik.
Urethritis, welche sehr bald die Harnentleeniiiff sohmen-
haft und schwierig machte und am 8. Mai Ischnrie zur
Folge hatte, weshalb an demselben Tage ein Arzt einen
elastischen Katheter zn applioiren versnohte. Diese Ope-
ration verursachte so heftige Schmerzen, dass plötzlioh
Bewusstlosiglceit eintrat. Ob Urin durch den Katheter
abgeflossen ist, Iconnte der Kr. nicht angeben. Als Pat.
wieder zu sich kam, war der Katheter weit aus der Harn-
röhre herausgeschlendert und der Arzt nicht mehr da.
Die Jetzt sieh einstellende Dysurie verwandelte sich bald
in Strangurie mit Entleerung eines blutig gefärbten Urins.
Vier Tage nach dem Katheterismus erschienen Stuhl-
beschwerden, eine fühlbare Geschwulst im Rectum und
heftige Schmerzen im Kreuze, welche den Kr. mehrere
Tage an das Bett fesselten. Am folgenden Tage be-
merkte derselbe, dass am Schlüsse jeder Entleerung Urin,
welcher anfangs zum grossten Theile durch die Urethra
gin|, durch den Mastdarm abfloss, was auch dann spontan
der Fall war, wenn der Harn längere Zeit nicht entleert
worden war.
Bei der Untersuchung erwiesen sich die innem Or-
gane, sowie die Genitalien änsserlich normal. Der in den
Mastdarm geschobene Finger fühlte an der yordem Wand,
nahe der Aftermündung , einen etwa linsengrossen , mit
glatter Narbenmembran überdeckten Substanzverlust ;
auch erschien in diesem Darmstück in die Harnröhre ein-
gespritzte Flüssigkeit. Femer Hess sich nach Einführung
einer Steinsonde eine Communikation des Rectum mit der
Harnröhre in der Pars membranacea mit Hülfe einer ge-
krümmten Sonde nachweisen. Ausserdem bestand noch
Cjstitis.
Operation am 9. Nov. : Ablösung des Mastdarms bis
an die Prostata, Vordringen bis zur Fistel, Durchtrennung
derselben ; Naht der gesetzten Mastdarmspalte, 6 Catgnt-
nähte, Einführung eines Kautsohukkatheters, welcher lie-
gen bleibt.
18. Nov. : In der Nacht drei Mal Urinentleerung und
am Morgen ein Mal Stuhlgang; Entfernung des Kathe-
ters, Ausspritzung der Harnröhre mit OarboUösnng , Ein-
spritzung in den Mastdarm, wobei fäknlente, mit Blut
vermischte Massen aus der Wunde hervordringen, ein
Beweis , dass die Naht nicht gehalten hatte. Irrigation
des Rectum. Einlegung von Drainageröhren in die Wuhd-
decken.
25. Nov. : Die Wunde zieht sich zusammen.
14. Dec. : Von der Wunde ausgehendes und über den
ganzen Körper wanderndes Erysipel.
31. Dec.: Wunde Im Mittelfleische kaum für die
Spitze des kleinen Fingers durchgängig. Wundrose ver-
schwunden.
9. Jan. 1880 : Touchiruug der sehr kleinen Wunde ;
beim freien Urinlassen fliesst derselbe theilweise in den
Mastdarm und von da durch die Wunde ab.
17. Jan.; Zweite Operation. Da die Perinäal wunde
sich zn schliessen droht , wird der Mastdarm wieder so
weit abgelöst , bis die Sonde auf den durch die Urethra
eingeführten Katheter stösst und der Defekt in jener zu
Tage tritt. Ein hierauf durch die Urethralfistel einge-
führter Katheter wird daselbst mit Hülfe eines Stativs
befestigt.
30. Jan. : Substanzverlust kleiner , Touchirungen
Jeden 3. Tag. Der in der Urethralfistel befindliche E[a-
theter wird durch einen durch die Harnröhre eingeführten
ersetzt.
5. Febr. : Wegnahme des M/a^on'schen Katheter.
Bei Jedesmaligem Bedürfnisse wird der Urin in der ge-
wöhnlichen Weise künstlich entleert.
16. Febr. : Pat. katheterisirt sich selbst mit einem
Nelaion'Bcheu Katheter , da es öfters gelingt , denselben
in die Blase zu bringen , ohne vom Mastdarme aus die
Fistelöffiiung mit dem Finger verschliessen zu müssen.
29. Febr.: Dritte Operation, Mastdarmablösung
durch 2 bogenförmige Schnitte bis zur Fistelmündung der
Barnröhre , welche auch abgelöst wird. Substanzverlast
im Rectum ungefähr noch 2 Centimeter. Nach Veraiiilr
gung der Urethralfistel durch 4 Nähte wird auf dem ge*
wohnlichen Wege ein Kautschukkatheter eingeführt, der
liegen bleibt.
1. März: Kein Fieber. In die Harnröhre injictite
Flüssigkeit dringt nicht mehr in den Mastdarm. Von
Jetzt ab liegt der Netaton^aohe Katheter nur Nachts in der
Blase.
2. März : Nach Herausnahme des Katheter am Mor-
gen stellte sich plötzlicher Harndrang ein , weshalb siek
der Kr. den Katheter selbst ehiführte, was Jedoch ent
nach einigen Schwierigkeiten geUing. Nach der bei der
Visite vorgenommenen Entfernung dieses Instrumeati
zeigte dasselbe in seinem Lumen und an seiner Spitn
Koth , ein Beweis , dass der Katheter in dem Mastdime
gewesen war. Der wieder appücirte Näatan^uche Kathe-
ter bleibt liegen.
7. März : Wunde in der Tiefe belegt, sonst normales
Befinden.
10. März: Dasselbe gilt von dem Snbstanzverlnste
in der Urethra. Das vom Pat. selbst ausgeführte Kathe-
terisiren geht leicht von Statten.
14. März: Pat. rutschte ans und fiel auf die Bett-
kante, wobei er sich den linken Hoden quetschte, welcber
in Folge dessen stark vergrössert , hart und sohmerzhaft
erschien.
20. März : Starkes Oedem der linken Sorotalhälfte.
Scarifikation.
26. März : Abscessbildnng im Hodenparenohjrm. In-
cision. Entfernung mortificirten Hodengewebes. Lister-
verband.
5. April: Inoision dreier kleiner Absoesse am Hoden-
sacke, Entleerung des Eiters. Die Wunde von der frühen
Incision fast vollständig vernarbt. Substanzverlust in der
Harnröhre wie früher.
29. April : FistelöfFnung touchirt.
1. Mai: Die Fistelöffnung so klein, dass nur geringe
Mengen injicirter Flüssigkeit nach anssen dringen.
20. Mai : Pat. giebt an, dass er ohne Katheter nrinire,
ohne dabei nass zu werden.
21. Mai, 10. Juni u. 18. Juli : Fistelöffnung mit Lapifl
touchirt. Bei der Entleerung des Urin fiiesst nur noek
wenig davon in den Mastdarm.
29. Juli : FistelÖffnnng in demselben kaum anfltad-
bar. Pat. wird gebessert entlassen.
4. Fall. B. Seh., 22 J. alt, sehr anämisch und toi
sohwächlicbem Körperbau , zog sich im Mai 1879 daen
Tripper zn , auf welchen gegen Ende dieses Monats eine
bedeutende Schwellung im Perinäum, Mitte Juni eine
plötzliche Entleerung einer erhebliohen Menge eines etw»
blutig gefärbten Eiters ans der äussern q^rnröhreamnii-
düng und hierauf Abschwellung der Dammgeschwukt
folgte.
Vom 2. August ab, an welchem Tage zuerst der Ans-
flnss von Urin ans der Aftermfindung wahrgenommeD
wurde, trat oft Tenesmns derselben auf, welcher den Kr.
nöthigte , sich auf einen Topf zu setzen , wobei nicht sel-
ten nur Urin, nicht aber Fäces zum Vorschein kamen.
Die Untersuchung des Rectum wies eine an seiner
vordem, dem hintern Ende des häutigen Theiles der Harn-
röhre entsprechenden Wand eine beilänflg linsengroae,
mit glatter Haut überzogene Oeihinng nach.
Am 13. Nov. wurde die Operation unter Narkose anf
folgende Weise ausgeführt :
Zuerst brachte Vf. ein breitgefurohtes Itinerarinm
ein, auf welches nach einigen Versuchen eine von der
Rectalfistel aus eingeleitete Sonde am hintern Ende der
Pars membranacea urethrae stiess. Nach einem bogen-
förmigen Schnitt in das Mittelfieisch begann Jetzt die Ab-
lösung des Mastdarms , und zwar zuerst die der vorderVi
dann der linken und zuletzt der rechten Seitenwand des-
selben. An letzterer Stelle entleerte sich etwas dönner,
hellgelber Eiter aus einem HoUgsnge, welcher geq^^
V. Chinu^e, Ophthalmologie n. Otiatrik.
6a
wirde. Jedes Mutende GefSss ligirte sofort ein Assistent
Vit Cat^t. Naeh Abldsong^ der ganzen vordem Wand
des Rectum rings am den mit demselben fest verwach-
leoen Fistelkanal bis über die Mitte der Prostata lag der-
lelbe frei, die vomBectnm aus eingeführte Sonde bergend
nd die einzige Verbindung zwischen der EEamrohre und
jenem Darmstüek bildend. Dadurch, dass hierauf der
Bit einer gekrümmten Hohlsonde nach vom gedrängte
Fbtelkanal etwas näher seiner Insertion am Rectum mit
dem Bistouri durehschnitten worden war , hatte sich das
liBgiiebe Loch im Rectum in einen mehr ovalen , ca. 25
Mmtr. langen und 15 Mmtr. breiten Schlitz und die Ham-
ifthrendlfnung in einen eben solehen , ca. 1 Ctmtr. langen
rerwandelt. Bei dieser Qelegenheit fand sich noch ein
10 gearteter akuter Oewebszerfall am rechten Lappen der
Prostata, dass von demselben nur noch eine kleine Brücke
äbrig geblieben war , welche Vf., um Eiterverhaltung zu
rerhfiten und ArzneistofFe in diese Drüsenhöhle appliciren
la kQimen , durchschnitt. Auf die sodann gemachte Ab-
tngnag der Ränder der im Rectum befindlichen Oeffnung
folgte die Vereinigung derselben mit 4 Catgutnähten und
Khlösslich noch die vorläufige Touchirung der Hamröhren-
btel mit Lapis. Bedeckung der Wunde mit CarboUini-
BMDt und Applikation einer iV/toton'schen Sonde ä
demeure.
Nach der Operation, die einen Zeitraum von ungefähr
eiser Stunde in Anspruch genommen hatte , trat in ver-
sehiedenen Zeiten wiederholte Cystitis und Pyelitis auf;
2Dal auch Ersoheinnngen von rechtseitiger Pleuritis. Da
alle diese Umstände das Aussetzen des Katheterismus er-
keiwhten, so war die Folge hiervon, dass bei jeder Ham-
estleerong einige Tropfen Urin in das Rectum sickerten,
was jedoch nicht geschah , wenn während dieses Aktes
ein gelinder Druck auf das Perinänm ausgeübt wurde.
Obgleich noch eine kleine, etwa stecknadelkopfgrosse
Oefhung in der Harnröhre, durch welche zuweilen ein
Tropfen Urin abfloss, bestand , so wurde doch der Pat.
am 2. Juni nach einem Aufentbalte von 61/2 Mon. in der
Anstalt auf seinen Wunsch entlassen. Da derselbe der
Tuberkulose verdächtig war, so konnte man von dem
beabsiebtigten Aufenthalte in der frischen Karpathen-
Inft am ehesten eine Besserung seiner constitutionellen
Veriiältnisse und eine vollständige Schliessung des Flstel-
restes erwarten.
Sehlüaslich hebt Vf. nochmals die hauptsächli-
ehen Punkte der 3 voretehenden Beobachtungen
hervor.
Was zonflchst deren Aetiologie betinfift, so ist
bei Pat. F. (Fall 2) die Harnröhre darch den Eathe-
terismoSy welchen Ischarie während eines Typhus
iwthwendig machte , zweifellos erheblich verletzt
worden. Im 3. Falle (H.) sprach Alles für einen
miaslangenenEatheterismaS; da derselbe, gegen eine
ans Urethritis hervorgegangene Retentio urinae in
Anwendung gezogen, 2 Tage hindurch den Aosfluss
^68 blutigen Urins ans der äussern Harnrdhren-
Öffaimg und am 5. Tage den von unvermischtem
Urin in das Bectam zur Folge hatte. Im 4. Falle
(B. Seh.) war ganz entschieden ein blennorrhagi-
Kher Prostataabseess als Ursache zu betrachten,
welcher zaerst eine Eiterentleemng durch die Ure-
thra mit nachfolgender Abschwellong des Mittel-
fl^hes veranlasste und später das Rectum perfo-
rirte. Es ist diess ein Fall von Urethrorectalfistel,
welcher ohne Intervention des Eatherismus zu Stande
gekommen ist.
Was nun schlflsalich die Therapie dieser Fisteln
»lagt, so fehlten VorbOder nach dieser Richtung
hin gänzlich, und auch Billroth u. Thompson
standen bezügliche Erfahrungen nicht zu Gebote.
Der angestrebte Verschluss der Oeffnung in der
vordem Mastdarmwand gelang in keinem Falle voll-
ständig , wahrscheinlich wegen der unvermeidlichen
Verunreinigung der Wunde. Aber auch die anato-
mische Struktur und die Funktion dieses Intestinum
mögen wohl hierzu beigetragen haben, denn so lange
dasselbe nicht uuterbroclien ist, verengert es sich
durch die Gontraktionen der Ringfasern; kommt
aber jener Umstand in Frage, so muss sich bei die-
sen Gontraktionen dieGontinuitätstrennung nothwen-
diger Weise erweitern , also die genähte Stelle aus-
einander gezerrt werden, ein Uebelstand , welchem
sich vielleicht durch die Dnrchschneidung des Sphink-
ter nach rückwärts gegen das Steissbein zu begeg-
nen Hesse.
Dazu kommt endlich noch, dass das Andrängen
von Koth schwer, von Gasen aber gar nicht zu ver-
meiden ist.
Nicht besser steht es in curativer Hinsicht um
die Hamröhrenfisteln , welche sich dem Verschlusse
dadurch widersetzen , dass das durch den Vernar-
bungsprocess eingeschrumpfte Gewebe zur Ausfallung
der Oeffnung und zur Granulationsbildung nicht aus-
reicht, dass also, wenn auch kleine, etwa stecknadel-
kopfgrosse Oeffnungen zurückbleiben , welche mög-
licher Weise eine wiederholt ausgeführte Operation
noch zum Verschlusse zu bringen vermag.
(Pauli, Göb.)
499. Cellulitis progressiva septioa perinaei,
scroti et regionishypogastricae ; von Dr. E. Rade.
(Petersb. med. Wchnschr. VI. 10. 1881.)
Ein in den besten socialen und hygleinischen Ver-
haltnissen lebender schmächtiger Mann , noch nicht 40 J.
alt , verbeirathet nnd Vater gesunder Kinder , fühlte am
4. Nov. ischiasartige Schmerzen in dem reehten Unter-
schenkel , die , sich augleich anch auf den linken verbrei-
tend, trotz den angewandten subcutanen Morphiuminjek-
tionen bald einen so hohen Grad erreichten, dass der Kr.
zur Beschwichtigung derselben sich gegen das Tuber
ischii mit den Fersen geschlagen und sich auf dieselben
gesetzt haben soll. Diese Schmerzen waren in der Nacht
vom 6. und 7. Nov. so heftig , dass der Kr. zu einem in
der Nähe wohnenden Arzte ging nnd sich eine Morphium-
injektion machen Hess. Dieselbe erzielte Anfangs eine
Remission der Schmerzen, welche jedoch bald wieder
verschwand. Ein am 7. Nov. gerufener Arzt, Specialist
für Hirn- und Nervenkrankheiten, erklärte auf Grund der
Resultate einer elektrischen Untersuchung die Schmerzen
ffir solche , wie sie im Beginne und Verlaufe der Tabes
aufzutreten pflegen , obgleich bis dahin weder der Hans-
arzt noch die Familie Je tabesartige Symtome am Kr. be-
obachtet hatten. Am 8. Nov. traten zum ersten Male
Schmerzen im rechten Hoden auf, der sich, sowie der ent-
sprechende Nebenhode bei der Untersuchung geschwol-
len erwies, desgleichen zeigte das Scrotnm nnd Perinänm
eine ödematöse Infiltration.
Da ehie vorhergegangene Tripperinfektion entschie-
den in Abrede gestellt wurde , so glaubte man die eben
genannten Befunde auf ein durch die oben beschriebenen
Manöver gesetztes Trauma beziehen zu müssen. Am 7.
Tage der Krankheit (11. Nov.) sah Vf. den Kr. zum 1.
Male und nahm gleich beim Eintritt in das Zimmer , in
dem der Kr. mit angezogenen Beinen auf einem Divan
64
V. Ghimigie; Ophthalmologie lu Otiatrik.
lag , einen penetranten , die Atmosphäre des geräumigen
Zimmers verpestenden Brandjanche-Gemch wahr.
Die Untersnchnng ergab hochgradige Schwellong nnd
Infiltration des Perinanm vom vordem Afterrande bis zur
Hodensackwurzel, des Scrotum und der ganzen Unter-
bauchgegend über der Symphyse und den horizontalen
Schambeinästen hinauf bis zu den Spinae ilei.ant. super.,
an letztem beiden Partien rechts mehr als linlcs. Neben
der Zellgewebsinfiltration bestand in der ganzen Region
deutliche Luftcrepitation und deutliches Luftgurren mit
tympanitischem Perkussionsschall; an mehreren Stellen
des Perinanm, welches dicht vor dem vordem Aiterrande
eine kleine Oeffhung darbot , aus welcher bei Drack stin-
kende Jauche mit Luft sich entleerte , sowie am Scrotum
zeigten sich schwarze, gangränescirende Flecke der Haut.
Temperatur 40— 41», Pnls beschleunigt und klein , grosse
Unruhe und Jaktation , Extremitäten und Gesicht kühl,
dem Anschein nach beginnende Agonie.
Vf. machte ergiebige Incisionen am Perinäum und
Scrotum zu beiden Seiten der Rhaphe und im Hypogastrium
in der Höhe der rechten Spina ilei ant. sup., wobei sich
überall ein eitrig seröses , jauchig stinkendes Exsudat mit
viel Gas und nekrotischen Zellgewebsfetzen entleerte , jso
dass eine Harninfiltration ausgeschlossen werden konnte.
Das Zellgewebe, überall von weit decollirter Haut be-
deckt , war in grosser Ausdehnung zerstört ; es bestand
eine continuirliehe Höhle vom Afterrande bis zum Hypo-
gastrium, mit nur wenigen erhalten gebliebenen Zwischen-
wänden, so dassE. den Finger unbehindert vom Perinäum
in das Scrotum, vom Scrotum in den Ingninalkanal, von hier
bis zar Spina ant. sup. einführen konnte. Nach den In-
cisionen wurden Ausspülungen nnd AuswaschuDgen mit
5proc. Carbollösnng, bis diese ungetrübt abfloss, gemacht,
ein antiseptischer Verband angelegt.
Am folgenden Tage war die Temperatur unter SS^
gesunken (CoUapsustemperatar). Auf der rechten Seite
hatten die Einschnitte die Cellulitis begrenzt, auf der
linken aber schritt sie unaufhaltsam bis zum linken Hypo-
chondrium vor , überall durch entzündete Lymphgefässe
und Luftcrepitation angedeutet. Bei der stetigen Zu-
nahme des Collapsus war nicht daran zu denken, der
fortschreitenden Infiltration durch erneuerte Incisionen
Einhalt zu thun. Die Temperatur stieg auch einmal wie-
der unerwartet auf gegen 41^, Frösteln weehselte mit
Hitze, es traten septikamlsohe Delirien mit Bewusstlosig-
keit ein nnd am Nachmittage des IS. Nov. verschied der
Kr., am 9. Tage nach Beginn der ICrankheit, weniger als
zweimal 24 Std. nach den Incisionen.
Die DiagDose einer Gelinlitis progressiva septica
war mithin unzweifelhaft , die Aetiologie derselben,
die, wie die Digitalnntersnchnng nachwies , mit dem
Mastdarme in keinem Zusammenhange stand , ganz
dunkel. Auch eine Haminfiltration konnte nicht als
veranlassendes Moment angenommen werden, da der
Urogenitalapparat vollständig intakt war.
Somit blieb also weiter nichts übrig , als diese
Bindegewebsentzflndung entweder als eine trauma-
tische oder als eine idiopathisch entstandene aufzu-
fassen. Im ersten Falle lässt sich die Entstehung
der Neuralgie nicht erklären , selbst wenn man an-
nimmt, dass die gegen die fraglichen Partien gerich-
teten Insulte zur Hervorrufung der entzündlichen
Erscheinungen ausgereicht h&tten. Es liegt daher
die Annahme einer idiopathischen Cellulitis um so
näher, als die Neuralgie in der akuten Schwellung
und InBltration der Gewebe in der Tiefe und m Aem
dadurch veranlassten Druck auf die Nerven leicht
ihre Begründung findet.
Das Wesen der fragl. Bindegewebsentzündnng
{Oedema acutum pundentum nach Pirogoff;
Phlegmon diffus der Franzosen) .besteht namentlich
in ihrem progressiven und septischen Charakter, der
sie der Angina Ludovici {Cellulitis septiea der
Engländer) zur Seite setzt. (Pauli, COln.)
500. Epitheliom der Augenlider ; von Dr.
M. Landesberg. Philad. med. Bull. UI. 5; May
1881.)
Vf. erzählt 3 Fälle, in welchen mittels cUor-
sauren Kali* s vollständige Herstellung erzielt wurde,
und zwar ohne dass es zur Bildung eines Ektropion
kam , auch nach 2 Jahren kein Recidiv eingetreten
ist. Die Applikation geschah anfangs täglich, dann
jeden 2. Tag einmal einfach in der Weise, dass anf
die Geschwüre eine dünne Schicht des fein gepulv^-
ten Salzes aufgestreut wurde. Wenn die OeschwOre
an der Lidkante, sowie auf der Bindehaut selbst
sitzen , ist die Applikation einigermaassen schmen-
haft. Der Heilungsprocess geht allerdings langsam
und zögernd vor sich , es brechen frische KnOteheo
auf, aber endlich verschwindet doch die Infiltration
volliBtändig und das Geschwür heilt mit einer weissen
glatten Narbe. [Vgl. über den Nutzen des chlor-
sauren Kali bei Cardnomen : Jahrbb. OLXI. p. 93.]
(Geissler.)
501. Beitrag sur Behandlung der an-
steckenden Augenkrankheiten ; von Dr. Lad -
wigSchaffer. (Wien. med. Presse XXII. 24. 25.
1881.)
Bei Gelegenheit einer unter der Bemannung eioeB
Kriegsschiffes ausgebrochenen AugenblennorrhOe ist
Vf. von der üblichen Therapie abgewichen und in
folgender Weise verfahren.
Nach jedesmaligem Erwachen wurde, so oft sich
eitriges Sekret zeigte, bei geschlossenen Augen (V-
bobpray gegen die Augen gerichtet, dann die Angen-
gegend mit Calicotläppchen getrocknet Jeder Er.
musste sich öfters in Carbolwasser die Hände waschen.
Bei der ärztlichen Visite wurde der Carboloebd
ebenfalls angewendet, dabei aber das Auge geöffbet
Jeder Kranke erhielt bei Beginn der Krankheit
1 Grmm. Jodkalium innerlich, nnd darauf in ein-
tägigen Pausen noch 2mal je ^/^ Grmm. desselben
Mittels.
Eine lokale Therapie wurde im üebrigen nicht
angewendet.
Der Erfolg war ein auffallend günstiger, da i^in
wenigen Tagen Das erreicht wurde, was inHooatan
nicht gründlich gelingen wollte.^' (Geissler.)
f
Hflller, Beiträge znr Lehre von der Verdaaang.
65
X.
B. Orig^alabhandlimg^en
und
Ueberslchten.
Beitrage zur Lehre von der Verdauung und Absorption
der Nahrungsstoffe.
ZnaammengeBtellt von
Dr. Rudolph Müller in Dresden^).
Noch immer wendet man sich , wie es scheint,
mit einer gewissen Vorliebe dem Stadium der Ver-
daaongsvorgänge zu , denn wiederum liegt ein fast
überreiches Material znr Berichterstattung über die-
sen allerdings eben so interessanten , wie praktisch
wichtigen Theil der Physiologie vor.
Literatur.
1} Hoppe-Seyler, Felix (Strassbarg i. E.), Die
VerdannDg n. Besorption der Nährstoffe .* Desselben Phy-
■iol. Chemie 2. TheU p. 175—863. Berlin 1878. Ang.
Hirsehwald.
2) Smith, Robert Meade (Philadelphia), Lecta-
res OD Digestion: Philad. med. and sarg. Reporter
Vol. XXXIX— XLI. 1878 and 1879.
3) Roberts, Wm. (Manchester), Lectnres on the
Digestive Ferments, and the Preparation and Use of ar-
tificiaUy digested Food : Lancet I. 14—22; April, May.
1880.
4) Ewald , CA. (Berlin), Die Lehre von der Ver-
daniuig. Einleitung in die Klinik der Yerdanungskrank-
heiten. 12 Vorlesungen. Berlin 1879. Ang. Hirsch wald.
8. Vm u. 132 S. 3 Mk. 60 Pf.
5)Ellenberger, Prof. Dr. , Der gegenwärtige
Standpunkt der Verdanongslehre. (Vortrage für Thier-
inte.) Jena 1880. Dege n. Haenel. 8. 46 S. 1 Mk.
50 Pf.
6) Heidenhain, R. ; R. Maly; W. v. Wittich,
Physiologie der Absondemngsvorgänge. Chemie der Ver-
daoungssafte u. Verdauung. Aufsaugung, Lymphbildung,
Animüation : HermanrCs Handbuch d. Physiologie Bd. V.
Leipzig 1880 u. 1881. F. C. W. Vogel.
7) Astaschewsky, P. (Kasan), Reaktion des Pa-
rotisspeichels beim gesunden Menschen : Med. Centr.-Bl.
XVL 16. p. 267—260. 1878.
8) von denVelden, Reinhard (Strassbnrg im
Sls.) , Zur Lehre von der Wirkung des Mundspeichels
im Magen: Ztschr. f. physiol. Chemie HI. 3. p. 206 u.
206. 1879.
9) Derselbe, lieber die Wirksamkeit des Mund-
speichels im Magen : Deutsches Arch. f. klin. Med. XXV.
1. p, 106—114. 1879.
10) Defresne, Tb. (Paris), ^tudes exp^rimen-
tales sur la digestion. Paris 1880. J. B. Bailli^re et Als.
8. 48 pp.
11) D e f r e s n e , T h. , ]ätudes comparatives sur la
ptyaline et la diastase: Compt. rend. LXXXIX. 26.
p. 1070. D^. 22. 1879.
») Vgl. Jahrbb, CTAXl. p. 113—128; CLXXIX.
p. Ii8--161 1 CZC. p« 8—10.
Med. Jabrbb. Bd. 192. Hft. 1.
12) Musculus, F., u. Arthur Meyer, lieber
Erythrodextrin : Ztschr. f. physiol. Chem. IV. 6. p.461 —
464. 1880.
13)Watson, William H. , Notes on the effect
of Alcohol on Saliva, and on the Chemistry of Digestion :
Joum. of the Chem. Soc. XXXV. p. 639—644. 1879.
14) Vulpian, A. , Comparaison entre les glandes
salivaires et les glandes sudoripares, relativement ä
Taction qu* exerce sur leur fonctionnement la section de
leurs nerfs excito-s^cr^tenrs : Compt. rend. LXXXVU.
9. p. 360—364. Aoüt 26. 1878. — Oaz. de Paris 37.
1878. p. 464.
16) Jaenicke, Adolph (Königsberg), Unter-
suchungen über die Sekretion der Glandula parotis : Arch.
f. Physiol. XVIL p. 183—214. 1878.
16) F u b i n 1 , S. , Beiträge zur Physiologie des Pa-
rotisspeichels u. des Seh weisses: Moleschott's Untersuch.
Xn. 2. p. 161—174. 1879.
17) Aschenbrandt, Th. , Ueber reflectorischen
Speichelfluss nach Coi^anctivalreizung, sowie über Ge-
winnung isolirten Drusenspeichels: Arch. f. Physiol.
XXV. 3 u. 4. p. 101—112. 1881.
18) Unna, P. G. (Hamburg), Zur Theorie der
Drfisensekretion , insbesondere des Speichels: Med.
Centr.-Bl. XIX. 14. p. 267—263. 1881.
19) Kronecker, H. , u. F. Falk, Ueber den
Mechanismus der Schlackbewegung: Arch. f. Anat. u.
Physiol. (physiol. Abth.) 1880. p. 296—299.
20) Kronecker, H. , u. S. Meltzer, Ueber die
Vorgänge beim Schlucken : Das. p. 446 u. 447.
21) Dieselben, Ueber den Schluckmechanismus
u. dessen nervöse Hemmungen: Mon.-Ber. d. Akad. d.
Wiss. zu Berlin 1. p. 100—106. Jan. 1881.
22) Weissgerber, P. , Ueber den Mechanismus
der Ructus und Bemerkungen über den Lufteintritt in
den Magen Neugeborner: Berl. klin. Wchnschr. XV. 36.
p. 621—626. 1878.
23) Arnozan, Etüde exp^rimentale sur les actes
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1881.
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Menschen u. bei Wirbelthieren. Inaug.-Diss. Bern 1873.
8. 31 S.
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lungen über die Länge u. Capacitat des menschlichen
Dannkanals: Marburger 81tz.-Ber. Nr. 7. Oct. 1879.
27) Derselbe, Ueber die Länge des Darmkanals
bei Kindern, sowie über die Capacitat des Magens Neu-
9
66
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gebomer : Deutsche med. Wchnschr. VI. 82. p. 433—436 ;
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1881.
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lichen Magens : Berl. klin. Wchnschr. XV. 47. p. 703.
1878.
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Menschen : Arch. f. mikrosk. Anat. XVII. 2. p. 193—211.
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lichen Magens : Verh. d. physik.-med. Gesellsch. zu Würz-
bürg. N. F. XV. 1 u. 2. p. 101—119. 1880.
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Vorderdarms einiger Amphibien u. Reptilien: Arch. f.
mikrosk. Anat. XIV. 2. p. 179—203. 1877.
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Magen von Tropidonoius natrix: Das. XVII. 2. p. 212.
1879.
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2 S^r. V. 1. p. 66—75. Janv.-Fövr. 1878.
36) L o r e n t , H. , Üeber den Mitteldarm von Cobitia
fossilis: Arch. f. mikrosk. Anat. XV. 4. p. 429—442.
1878.
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den Darmkanal einiger Amphipoden : Zool. Anzeiger II.
39. p. 511—516. 1879.
38) Joyeuz-Laffuie, J. , Recherches anatomi-
ques sur les appareils digestif, nerveux et reproducteur
de YOncMdie: Ck)mpt. rend. XCU. 3. p. 144—146.
Janv. 17. 1881.
39)Ro8sacha, Louis, lieber eine Methode zur
Bestimmung der Lage der Kardia , sowie über den im
Oesophagus und im Magen herrschenden Druck. Inaug.-
Diss. Königsberg 1880. 8. 31 S. n. 3 Curven-Tafeln.
1 M. 50 Pf.
40) Oser (Wien), lieber das Ausheben von Magen-
luft zu wissenschaftlichen u. therapeutischen Zwecken:
Wien. med. Presse XX. 3. p. 73—76. 1879.
41) K 0 r a c h , 8. , AUgemehies Hautemphysem mit
Ansammlung brennbarer Gase nach Perforation eines Ul-
cus yentriculi: Deutsche med. Wchnschr. VI. 21. p. 275 ;
22. p. 290. 1880.
42) Kronecker, H. , u. M. Ph. Meyer, Ein
neues, einfaches Verfahren, die maximale Binnentempe-
ratur von Thieren zu bestimmen: Arch. f. Anat. u.
Physiol. (physiol. Abth.) 1878. p. 546 u. 547.
43) Winternitz, Wilhelm (Wien), Temperatur-
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44)Leven, La thermomötrie de la r^onstoma-
cale : Gaz. de Par. 29. 1879. p. 375.
45) Maly, Richard (Graz), üeber die Wärme-
tonung bei der künstlichen Verdauung : Arch. f. Physiol.
XXn. 3 u. 4. p. 111—125. 1880.
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Wassers auf die Schleimhaut desMagen-Darm-Kanals des
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1879.
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torische u. perkutorische Ersdieinungen yon Seiten des
Magens : Allg. med. Centr.-Zig. XLVHL 62. p. 799. 1879.
50) Lohmann (Loevenich), Ein Fall von eiges-
thümlichen Magengeräuschen : Das. 67. p. 857. 1879.
51) Ebstein, Wilhelm, lieber die Nichtsehloss-
fähigkeit des Pylorus (Incontinentia pylori). (Sammig.
klin. Vortr. Nr. 155.) Leipzig 1878. Brdtkopf u. Härtd.
Lex.-8. 16 S. 75 Pf.
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ungsprocesse der Magenschleimhaut. Graz 1877. Lenacli-
ner u. Lubensky. Lex.-8. 34 S. 1 M. 20 Pf.
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37 S. 80 Pf.
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der : Petersb. med. Wchnschr. IV. 19. p. 185—187. 1879.
57) von den Velden, Reinh., lieber Voikom-
men und Mangel der freien Salzsäure im Magensaft bei
Gastrektasie : Deutsches Arch. f. klin. Med. XXni. 4.
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58) Ewald, 0. A., lieber das Verbalten der freia
Salzsäure im Magensaft : Deutsche med. Wchnschr. VL
30. p. 418. 1880.
59) Derselbe, lieber das angebliche Fehlen der
fireien Salzsäure im Magensaft : Ztschr. f. klin Med. L S.
p. 619—630. 1880.
60) von den Velden, R., üeber das Fehlen der
freien Salzsäure im Magensafte : Deutsches Arch. f. kÜD.
Med. XXVU. 1 u. 2. p. 186—192. 1880.
61)Edinger, L., Das Verhalten der freien Sslc*
säure des Magensaftes in zwei Fällen von amyloider De-
generation der Magenschleimhaut: Berl. klin. Wchnschr.
XVH. 9. p. 117—120. 1880.
62) Uf feimann, J. (Rostock), lieber d. MeUiode
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suche an einem Gastrotomirten : Deutsches Arch. f. klis.
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in Dresden (Sitzungsperiode 1880—1881). p. 77. 1881.
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Verdauung im Magen. Inaug.-Dlss. Erlangen 1881. 8.
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auf die verdauende Kraft des Magensaftes, sowie auf des
Säuregrad des Magensaftes u. des Harnes : Petersb. med.
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66) Görges, Th. (GSttingen), Ueber die mter
physiologischen Bedingungen eintretende Alkalescens des
Harns: Arch. f. ezper. Pathol. u. Pharmak. XI. S*
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sonderung d. Fnndusdrüsen des Magens : Arch. f. Physid.
XIX. 2 u. 3. p. 148—166. 1879.
69) Derselbe, lieber die Thätigkeit der Drfisea
des Fundns ventricuU : Bresl. ärztl. Ztschr. I. 4. p. 32.
1879.
70) Derselbe, lieber die Pepsinbildung in den
Pylorusdrfisen : Arch. f. Physiol. XVHI. p. 169-1^.
1878. ^
71) Nnssbaum, Moritz (Bonn), Die FenneoWl-
dnng in den Drflsen : Aroh. f. mikrosk. Anat XYI* 3.
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r
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67
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Aoaiefaeidiiiig von Fermenten: Aroh. f. Physiol. XX. 8 u.
9. p. 395—420. 1879.
73) Langendorf f , Oscar, Ueber d. Entstehung
der Yerdaunngsfermente beim Embryo: Arch. f. Anat.
IL Physiol. (physiol. Abth.) 1 u. 2. p. 96—112. 1879.
74) Albertoni, P. (Padua), Ueber die Wirkung
des Pepsin auf das lebende Blut : Med. Centr.-Bl. XVI.
96. p. 641—644. 1878.
75) Salko wski , £. (Berlin), Ueber die Wirksam-
keit erhitzter Fermente , den Begriff des Pepton u. die
Bemialbumose Kühne^s: VirohoVs Aroh. LXXXI. 3.
p. 552—567. 1880.
76)8ehmidt-Mülheim, Adolf, Untersuchun-
gen über die Verdauung der Eiweisskörper : Arch. f. Anat.
a. Physiol. (physiol. Abth.) 1879. p. 39—58.
77)Rttbner,Max (Hünchen), Ueber d. Ausnutzung
einiger Nahrungsmittel im Darmkanale des Menschen:
ZtBChr. f. Biol. XV. 1. p. 115—202. 1879.
78) D e r s e 1 b e , Ueber die Ausnützung der Erbsen
iffl Dzrmkanale des Menschen : Das. XYI. 1. p. 119 — 128.
1860.
79) Kessler, Friedrich, Versuche über d. Wir-
kung des Pepsins auf einige animalische u. vegetabilische
Kahrungsmittel. Inang.-Diss. I>orpatl880. 8. 49 8. IM.
80) Ludwig, E. , Ueber die durch die Magenver-
dannng bewirkten Veränderungen der EiweisskSrper :
Mittheil, des Ver. d. Aerzte in Nieder-Oesterr. VII. 4.
p. 46-49. ; 5. p. 62—64. 1881.
81) Leven, Dujardin-Beaumetz, Budin,
Oiseossion sur lliygiöne de l'estomac : Bevue d'byg. I. 2.
p. 148—152 ; 8. p. 243—247. 1879.
82) V u 1 p i an , Sur Taction des ferments digestifs
employ^ dans le traitement de la dyspepsie: Bull, de
rAead. 2 8ör. Vni. 32. p. 901—903. 1879.
I 88)Moarrut, Beeherches sur les digestions arti-
I lldeUes: Ibid. p. 903— 905.
I 84) Leven, Petit et 8^merie, Exp6riences sur
ia digestion : Gaz. de Par. 13. 1880. p. 162.
I 85) Henninger, A. (Paris), Beeherches sur les
' peptones: Gompt. rend. LXXXVI. 23. p. 1464—1466.
Jiiin 10. 1878.
86) Henninger, A., De lanatureetdurdlephysio-
logiqae des peptones. Paris 1878. F. 8avy. 8. 68 pp.
87) Hofmeister, Franz (Prag), Ueber d. Bück-
biidnng von Eiweiss aus Pepton : Prager med. Wchnschr.
m. 27. p. 271 ; 3. Juli 1878. — Ztschr. f. physiol. dhem.
n. 2 a. 8. p. 206. 1878.
88)KoBsel, Albrecht (Strassburg i. E.), Ueber
die ehemisehe Zusammensetzung der Peptone : Ztschr. f.
physiol. Chem. III. 1 u. 2. p. 58—62. 1879.
89) Maly , Bichar d (Graz), Ueber die Verwirrun-
gen u. Entstellungen in der Peptonlehre : Arch. f. Phy-
dol. XX. 6 u. 7. p. 315—331. 1879.
90) Kossei, Alb r., Ueber die Peptone n. ihr Ver-
hälüdss zu den Eiweisskörpem : Das. XXI. 3 u. 4.
p. 179—184. 1880.
91) Adamkiewicz, Albert, Ist die Besorption
des verdauten Albumin von seiner Diffusibilität abh&ngig,
Qod kann ein Mensch durch Pepton ernährt werden?
Virchow's Arch. LXXV. 1. p. 144—161. 1879.
92)Pekelharing, C. A. (Utrecht), BiiJdrage tot
de kennis van het pepton: Weekbl. van het Nederl.
TUdschr. voor Geneesk. 5. 1880. p. 65—76.
93) D e r s e 1 b e , Beitrag zur Kenntnlss des Pepton :
Arch. f. Physiol. XXU. 6 u. 6. p. 185—206. 1880.
94) Schmidt -Mülheim, Adolf (Hannover),
Beiträge zur Kenntnlss des Pepton u. seiner physiol. Be-
dentung: Arch. f. Anat. u. Physiol. (physiol. Abth.)
1880. p. 33—66.
95) Adamkiewicz, Albert (Krakau), Schmidt-
UmemeB «Propepton*' : Virchow's Arch. LXXXI. 1.
p. 185-189. 1880.
96) Schmidt-Mülheim, A., Zur Richtigstellung
der Geschichte des Propepton: Das. 8. p. 575—577.
1880.
97) A 1 b e r 1 0 n i , P. (Genua), Ueber die Peptone :
Med. Centr.-Bl. XVHI. 32. p. 577. 1880.
98) Ewald, C. A., Versuche über die Wirksamkeit
künstlicher Verdauungs-Präparate: Ztschr. f. klin. Med.
L 1. p. 231—237. 1879.
99) Dowdesnell, G. F., Observatlons on medical
pepsin and artificial digestion: Practitioner XXTV. 3.
p. 192—201. March 1880.
100) Lees, Arnold, Therapeutical ezperiences
with the digestive ferments: Brit. med. Journ. March 20.
27 ; April 3. 1880.
101) Söe, Des pepsines: Journ. de Th6r. VHI. 4.
p. 125—131. 1881.
102)Chapoteaut, P., Remarques sur les peptones
de viande de diff^rentes origines: LUnion 74. p. 947.
Juin 12. 1880.
103) Laprade, Contribution k T^tude des peptones
et spöcialement de la peptone phosphat^e: Ibid. 153.
p. 832. Nov. 20. 1880.
104) Sanders, H. (Amsterdam), Die Bedeutung
der Verdauung für die Ernährung u. die Ernährung mit-
tels Peptonen. S. 1. e. a. 8. 24 S.
105) Catillon, A. (Paris), Des peptones : Bull, de
Th6r. XCVm. 3. p. 116—122 ; 4. p. 169—178 ; F6vr.
15. 29. 1880. — Auch separat: Paris 1880. Octave
Dein. 8. 16 p. 1 Fr.
106) Raymond, Contribution k Tötude de lavaleur
nutritive des peptones : L'Union 24. p. 319. 1880.
107) Bergeron, P. J., Contribution k Tötude des
peptones : Gaz. des Hdp. 65. p. 515. 1880.
108) Defresne, Contribution k T^tude physio-
logique des peptones : Bull, de Thor. XCIX. 10. p. 453—
463. 1880.
109) Catillon, Remarques critiques sur les pep-
tones. Valeur nutritive des Solutions fix6e d'aprös le
dosage de Tazote: Bull, de Thor. C. 1. p. 22—25. 1881.
110) D e f r e s n e , T h., Sur la valeur des peptones :
Ibid. 5. p. 221. 1881.
111) C a t i 1 1 0 n , A propos des peptones : Ibid. 6.
p. 259. 1881.
112) 8 6 e , Peptones m^idnales de diverses espöces :
Journ. de Th^r. VHI. 5. p. 164—168. 1881.
113) Wildt, E. (Posen), Entgegnung auf die
Wilckeru^Bdhe Kritik meiner Arbeit » Ueber Resorption
im Verdaunngskanal des Schafes <* : Ztschr. f. Biol. XIV.
8. p. 415-421. 1878.
114) Wilckens, M. (Wien), Entgegnung auf die
Antikritik des Herrn Dr. E. Wüdt: Das. XV. 1. p. 203
u. 204. 1879.
115) Wildt, E., Eine kurze Bemerkung zur letzten
Entgegnung des Herrn Prof. Dr. Wilckens: Das. 2.
p. 348. 1879.
116) Riebet, Ch. (Paris), Sur Facide du suc
gastrique (des poissons): Compt. rend. LXXXVI. 10.
10. p. 676—679. Mars 11. 1878. — Gaz. de Par. 14.
1878. p. 170.
117) Riebet, Ch. , et Mourrut, De quelques
faits relatifs k la digestion gastrique des poissons: Compt.
rend. XC. 15. p. 879—881. Avrii 12. 1880.
118) Riebet, Ch., Du suc gastrique chez Fhomme
et les animaux, ses propri6t^s chimiques et physiologi-
ques. Paris 1878. Germer Bailliöre et Cie. 8. 165 p.
119) Krukenberg, C. Fr. W. , Veigleichend-
physiol. Beiträge zur Kenntnlss der Verdauungsvorgänge:
Untersuch, aus d. physiol. Inst, zu Heidelb. U. 1. p. 1 —
45. 1878.
120) Haller, Graf B. , u. Krukenberg, Der
Verdauungsapparat u. die Eigenschaften der verdauen-
den Sekrete bei Luvarua mperiaUs Baf,: Krukenberg^a
Vergl.-physiol. Studien I. 4. p, 9—14 ; p. 36—44. 1881,
(Heidelberg, C. Winter.)
68
Müller; Beiträge zur Lehre von der Verdanong.
121)Erakeiiberg, C. Fr. W. , Zur Verdaunng
bei den Krebsen: Untersncli. aus d. physiol. Inst, in
Heidelb. H. 3. p. 261—272. 1878.
122) Weber, Max (Amsterdam), Ueber den Bau
u. die Tbatigkeit der sog. Leber der Cmstaeeen : Arch.
f. mikroskop. Anat. XVU. 4. p. 385—467. 1880.
123) Fr^deriqne, L^on (Gand), Snr la digestion
des albuminoldes chez quelques invertöbr^s: Bull, de
VAcad. Roy. des Scienees de Belg. 2. S6r. XLYI. 8.
p. 213—228. 1878.
124)Met80hnikoff, Elias (Odessa), Ueber die
Verdauungsorgane einiger Süsswasserturbellarien : Zool.
Anzeiger I. 17. p. 387—390. 1878.
125) Jousset de Bellesme, Recherohes sur le
foie d es mollusques c^phalopodes : Compt. rend. LXXXVIII.
6. p. 304—306. Pövr. 10. 1879.
126) Jousset de Bellesme: Recherches sur la
digestion chez les mollusques c4phalopodes : Ibid. 9.
p. 428 et 429. Mars 3. 1879.
127) Krukenberg, C. Fr. W. , Ueber die En-
zymbildung in den Geweben u. Geissen der Evertebra-
ten : Untersuch, ans d. physiol. Inst, zu Heidelb. II. 3.
p. 338—366. 1878.
128) Krukenberg, Nachtrag zu den Untersuchun-
gen über die Emährungsvorgange bei C51enteraten und
Echlnodermen ; Das. p. 366—377.
129) Krukenberg, Ueber den Verdauungsmodus
der Actinien: Desselben Vergl.- physiol. Studien I. 1.
p. 38—66. (Heidelberg 1880. C. Winter.)
130) Krukenberg, Weitere Studien über d. Ver-
danungSYorgange bei Wirbellosen : Das. p. 67 — 76.
131) Krukenberg, Nachträge zu meinen vergl.-
physiol. Untersuchungen über die Verdanungsvorjänge :
Das. 6. p. 68—71. 1881.
132) Krukenberg, Ueber ein peptisches Enzym
im Plasmodium der Myxomyceten und im Eidotter vom
Huhne : Unters, d. physiol. Instit. zu Heidelberg U. 3.
p. 273—286. 1878.
133) Albertoni, Pietro, Sui poteri digerenti
del pancreas nella vita fetale : Lo Spcrimentale XLII. 7.
p. 16—20. 1878.
134) Albertoni, P., Azione della pancreatina sul
sangne: Ibid. XLI. 6. p. 596—614. 1878.
136) Langendorff, Oscar (Königsberg), Ver-
suche über die Pankreasverdauung der Vogel: Arch. f.
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136) H e r z e n , A. , La glicerina, e la digestione pan-
creatica : Atti della R. Accad. dei Lincei. Serie terza.
m. 7. p. 211—216. Giugno 1879.
137) Roberts, William (Manchester), Note on
the Existence of a Milk-curdling Ferment in the Pancreas:
Proceed. of the Roy. Soc. of London XXIX. 197. p. 167.
June 1879.
138) Renan t, J., Sur les organes lympho-glandu-
laires et le pancreas des vert^br^s: Compt. rend.
LXXXIX. 4. p. 247—250. Juillet 28. 1879.
139) Renaut, J., Sur la structure des glandes ä
mucuB du duodönum (glandes de Brunner) : Gaz. de Par.
41. p. 515—617. 1879.
140) Brown, T. Horace, u. John Heron,
Ueber die hydrolytischen Wirkungen des Pankreas u. des
Dünndarms: Ann. d. Chem. CCIV. 2. p. 228—251.
1880.
141) Herter, Erwin, Ueber Pankreas - Sekret
vom Menschen : Ztschr. f. physiol. Chem. IV. 2. p. 160—
164. 1880.
142) B6champ, A., Sur les parties du pancr^
capables d'agir comme ferments : Compt. rend. XCU. 3.
p. 142—144. Janv. 17. 1881.
143) Salomon, Georg, Bildung tou Xanthinkor-
pem aus Eiweiss durch Pankreasverdauung : Bericht d.
deutschen chem. Ges. XI. 6. p. 674 --576. 1878. —
Arch. f. Anat. u. Physiol. (physiol. Abth.) 1878. p. 320.
144) Salkowski, E., Zur Kenntniss d. Pankreas-
verdauung : Ztschr. f. physiol. Chem. H. 6. p. 420—424.
1879.
145) Salkowski, £., u. H. Salkowski, Ueber
d. Bildung von Hydrozimmtsätire b. d. Pankreasverdauong:
Bericht d. deutschen chem. Ges. XII. 1. p. 107 u. 108.
1878. — Arch. f. Anat. u. Physiol. (physiol. Abth.) 1879.
p. 374.
146) Ossikovszky, J. (Klausenburg), Ueber
Zünmtaldehyd als Spaltungsprodukt bei der Fibrin-Fuh
kreasverdauung : Berieht d. deutschen chem. Ges. XIIL
4. p. 326—828. 1880
147) Engesser, H. (Freiburg i. Br.), Beitrage snr
therapeut. Verwendung der Bauehspeieheldrtse Yon
Sohlachtthieren u. deren Präparate : Deutsches Arch. f.
kUn. Med. XXIV. 6. p. 639—582. 1879.
148) Ewald, C. A., Das Efigesser^acitie Pankreas-
praparat : Berl. klin. Wehnschr. XVIL 8. p. 112. 1880.
— Ztschr. f. klin. Med. I. 3. p. 615—619. 1880.
149) Engesser, Zur Wirksamkeit d. kfinstliehen
Pankreaspräparate: Berl. klin. Wehnschr. XVH. 21.
p. 296—298. 1880.
150) Ewald, Das Engesser^Bche Pankreaspulver:
Das. 25. p. 359. 1880.
161) Derselbe, Ueber Eiweissverdaanng durah d.
Pankreas nach Milzexstirpation : Arch. f. Anat. u. Pliy-
siol. (physiol. Abth.) 1878. p. 637.
151b) Corso, Francesco, n panoreas degU aiu-
mall smüzati digerisce? Firenze 1878. Tipogr. eoopen-
tiva. 8. 31 pp. 1 Lira.
162) B u f a 1 i n i , G., SuU' attivitä digerente del pan-
creas negli animalismilzati : Rendie. deUericerchesperim.
eseg. nel gabinetto flsiol. delle R. Univ. di Siena. 1878—
1879. p. 35—64. (Slena 1879.)
153) Stolnikoff, J., Ueber d. Wirkung d. GaUe
auf d. Fäulniss von Fibrin u. Fett. Ztsohr. f. physiol.
Chem. I. 6. p. 343 u. 344. 1878.
154) Hammarsten, Olof, Beitrag zur KenntniB
d. Galle behn Menschen: Upsala läkarefSren. f5rh. Xin.
6 och 7. p. 574. 1878.
156) H ü f n e r , Zur Chemie d. GaUe : Joam. f. prakt.
Chem. N. F. XIX. 6—7. p. 302—309. 1879.
166) Tapp einer, H., Ueber die Auftougung der
gallensauren Alkalien im DGnndarme: Sitz.-Ber. d. k.
Akad. d. Wiss. zu Wien LXXVH. 3. Abth. April 1878.
— Auch separat : Wien 1878. Gerold's Sohn. 24 S.
40 Pf.
157) Kunkel, Ueber die Wiederanfkiahme von
Gallenbestandtheilen im Darm : Sitz.-Ber. d. phy8.-med.
Gesellsoh. zu Wfirzburg auf d. Jahr 1878. p. 28.
158) Rosenkranz, Ueber das Sohicksal n. die
Bedeutung einiger Gallenbestandtheile : Verh. d. phys.-
med. Gesellsch. zu Wnrzb. N. F. ^JJl. 3 u. 4. p. 218-
232. 1879.
159) Quincke, Georg, Ueber Emulaionsbildimg
u. den EinfluBs der GaUe bei der Verdauung : Arch. f.
Physiol. XIX. 2 u. 3. p. 129—144. 1879.
160) Spiro, P., Ueber die Gallenbildnng bein
Hunde : Arch. f. Anat. n. Physiol. (physiol. Abth.) 1880.
Suppl.-B. p. 50—94.
161) Audouard, A., La bile bleue : Ann. d'Hyg.
2. S6r. XLTX. p. 361—365. 1878.
162) Gad, Johannes (Berlin), Zur Lehre von der
Fettresorption : Arch. f. Anat. u. Physiol. (physiol. Abth.)
1878. p. 157 u. p. 181—206.
163) Brücke, E., Ueber den Zusammenhang iwi-
schen der freiwilligen Emulgirung der Gele u. dem Ent-
stehen sogenannter Myelinformen : Sitz.-Ber. d. k. Akad.
zu Wien. LXXIX. 3. Abth. p. 267—276. 1879. — Auch
separat : Wien 1879. Gerold's Sohn. 10 S. 24 Pf.
164) Munk, Immanuel (Berlin), UeberdieBe-
Sorption der Fettsäuren, ihre Schicksale u. ihre Ver-
werthung im Organismus: Aroh. f. Anat. u. Physiol.
(physioL Abth.) 1879. p. 371—374. — Auch: rirchoWs
Arch. LXXX. 1. p. 10—39. 1880.
Müll er y Beiträge zur Lehre von der Verdanung.
69
165) Will, Alfred, Vorläufige Mittheilang über
Fettresorption: Arch. f. Pbysiol. XX. 4a. 5. p. 255—262.
1879.
166) Lash, Tb., lieber den Antbeil des Magens
B. des Pankreas an der Yerdaanng des Fette#: Arcb. f.
Anat. n. Physiol. (pbysiol. Abtb.) 1880. p. 323—333.
167) Demme, R. (Bern), Weitere Beitrage zar
Kenntniss d. Fettdiarrböe im Säuglingsalter: XV. med.
Bericht über d. Jenner'ache Kinderspital in Bern im Laufe
d. J. 1877. p. 20--23. (Bern 1878. Dalp'BChQ Bucbbdlg.)
168) Biedert, Tb., lieber das Verbalten des Fettes
im Kinderdann n. Aber Fettdiarrböe : Jabrb. f. Kinder-
heilk. N. F. XIV. 4. p. 336—352 n. p. 382. 1879.
169) 8 e 7 d e 1 e r , R. (Bromberg) , Diarrboea adiposa :
B&l klin. Wcbnsohr. XVI. 7. p. 94. 1879.
170) Block, L. , Beobacbtnngen über die EUiwir-
kimg qualitativ yersobiedener Kost u. die Resorption von
Fett im Diabetes : Deutscb. Arob. f. klhi. Med. XXV.
4 a. 5. p. 470. 1880.
171) Uffelmann, Julius (Rostock), lieber den
Fettgebidt der Fäces gesunder Kinder des ersten Lebens-
jahres: Arcb. f. Kinderheilkunde II. 1881.
172) M a 8 1 0 f f , A. , Zur Dünndarmverdauung : Un-
tersaehungen ans dem physiol. Inst, zu Heidelberg II. 3.
p. 290—306. 1878.
173) Ewald, CA. (Berlin), lieber das Verhalten
desFlstdsekretes u. über Phenol- u. Indican-Ausscbeidnng
bei einem an Anus praeternaturalis leidenden Kranlsen :
Yirchow's Arch. LXXV. 3. p. 409—419. 1879.
174) Demant, Bernhard, lieber die Wirkungen
d» menschlichen Darmsafts : Das. p. 419—430.
175) Salvioli, Gaetano, Eine neue Methode
für die Untersuchung der Funktionen des Dünndarms :
Ai«h. f. Anat. u. Physiol. (physiol. Abtb.) 1880. Suppl.-
Bd. p. 95—112.
176) Nencki, M. (Bern), Vortheilbafte Darstellung
desSkatols: Med. Centr.-Bl. XVL47. p. 849— 851. 1878.
177) Derselbe, Die empirische Formel des Ska-
tols: Joom. f. prakt. Chemie N. F. XX. 9 u. 10.
p. 466—469. 1879.
178) Derselbe, Zur Kenntniss der Skatolbildung :
Zisehr. f. pbysiol. Chemie IV. 5. p. 371 u. 372. 1880.
179) Brieger, L., lieber die flüchtigen Bestand-
tkeUe der menschlichen Excremente: Jonm. f. prakt.
(Jhcm. N. F. XVn. 2—4. p. 124—138. 1878.
180) Derselbe, Zur Kenntniss der Fäulnisspro-
dokte im Darm: Ztschr. f. pbysiol. Chem. III. 1 u. 2.
p. 147 u. 148. 1879.
181) Derselbe, lieber Skatol: Ber. d. deutscb.
ehem. Gesellscb. XII. 15. p. 1985—88. 1879.
182) Derselbe, Weitere Beiträge zur Kenntniss
des Skatols : Ztschr, f. pbysiol. Chem. IV. 6. p. 414—418.
1880.
183) Salkowski, £. u. H. (Berlin u. Münster),
Ueber eine skatolbildende Substanz : Bcr. d. deutschen
ehem. Gesellscb. Xin. 2. p. 191. 1880.
184) Dieselben, lieber die skatolbildende Sub-
stanz: Das. 18. p. 2217. 1880.
185) Szydlowski, Joseph, Beiträge zur Mikro-
skopie der Fäces. Inaug.-Diss. Dorpat 1879. 8. 54 S.
tt. 1 Taf .
186) Nothnagel, H. (Jena), Bacilhu Amylobacter
(Clostridium hulyricum) im Darminhalt: Med. Centr.-Bl.
XIX. 2. p. 19. 1881.
Hehr oder weniger umfassende Uebei'sichteu
Aber den gegenwärtigen Stand des Wissens von
den Vorgängen bei der Verdauung und der Absorp-
tion der Nabmngsstoffe erschienen von Hoppe -
Seyler (1), Smith (2), Roberts (3), Ewald
(4), Ellenberger (5), sowie von Heidenhain,
Kalynndv. Wittich (6).
Die Reaktion des ParotiasipeicheU vom gesun-
den Menschen prüfte Astaschewsky (7).
Der (durch eine Glasröhre abfliessende) Parotis-
Speichel reagirt nicht alkalisch^ sondern im Anfange
amphichromatischy d. h. er bläut das rothe Lackmus-
papier und röthet das blaue. Bei längerem Abfluss
verliert das Sekret aber die sanre Reaktion. [Nähe-
res siehe Jahrbb. CLXXX. p. 117.]
Untersuchungen über die Wirksamkeit des
Mundspeichels im Magen ^) stellte von den
Velden (8 u. 9) an.
Das Ergebniss von über 200 Versuchen war
folgendes: ,,In Magensaft, der seine Acidität der
Anwesenheit von freier Salzsäure verdankt, gelang
es nie, durch Zusatz von Speichel Kleister so weit zu
saccharificiren, dass beim Hinzuftlgen von Jodkaliom-
jodlösnng keine blaue Färbung mehr anfgetreten wäre.
Dagegen gelang diess stets, wenn die Acidität
des Magensaftes zwar noch so hochgradig, aber
nur durch organische Säuren bedingt war.
War in den zur Untersuchung genommenen
Magensäften von vornherein noch Amylnm enthal-
ten, so blieb bei den salzsäurehaltigen zugesetzter
Speichel unwirksam, bei den salzsäurefreien dagegen
bewirkte er jedes Mal, dass Jodkaliumjodlösnng
nicht mehr die vorher beobachtete blaue oder bor-
deauxrothe, sondern sehr bald nur eine leicht gelb-
liche Färbung gab.''
Ebenso wie das Speichelferment verhielt sich
(in den verschiedenen Magensäften) pflanzliche
DiastasCf worauf v. d. V. mit Rücksicht auf die in
neuerer Zeit in Aufnahme gekommene therapeutische
Verwendung derselben aufmerksam macht.
Durch eine andere Reihe von Versuchen zeigte
V. d. V., dass im gesunden menschlichen Magen und
bei gemischter Kost Salzsäure — wie mit Fuchsin,
Tropäolin und Methylanilinviolett [vgl. Jahrbb.
CLXXIX. p. 124] nachgewiesen wurde — erst
1 — 2 Stdn. nach Beendigung der Mahlzeit auftritt.
Zwar reagirt auch der ^/^ Stunde nach der Mahlzeit
heraufgeholte Magensaft schon stai'k sauer, diess
rührt aber von organischen Säuren her. Dass die
Einen im Magensaft des Gesunden Salzsäure fanden.
Andere nicht, erkläii; sich also daher, dass der
Magensaft in letzterem Falle zu Anfang der Ver-
dauung dem Magen entnommen war.
Zieht man nun die Ergebnisse beider Versuchs-
reihen zusammen in Betracht — nämlich einerseits
die Fähigkeit des Mundspeichels, seine diastatische
Wirksamkeit wohl in saurem Magensafte, aber nicht
in solchem, der Salzsäure enthält, auszuüben, an-
dererseits den Mangel der Salzsäure in der ersten
Zeit der Magenverdauung — , so scheint hinsicht-
lich der Umwandlung der beiden wichtigsten Nah-
rungsstoflfe die Magenverdauung in zwei Perioden
eingetheilt werden zu können. In der ersten Periode
(der des salzsäureireien Magensaftes) ist der mit den
i)Vgl. hierzu namentlich BrüclLC: Jahrbb. CLXXI.
p. 115.
70
Müller^ Beiträge zur Lehre von der Verdaaang.
Speisen verschlackte Speichel noch im Stande, Amy-
lum in Dextrin nnd Zucker zu verwandeln, in der
zweiten Periode (der des salzsäurehaltigen Magen-
saftes) kann von den ungeformten Fermenten im
Magen nur noch das Pepsin seine Tbätigkeit ent-
falten. Dem entsprechend zeigt sich auch, dass
der Magensaft nur in der zweiten Periode reichlich
Peptone enthält, während man in der ersten Periode,
neben viel Syntonin, nur wenig Peptone findet.
Gleichwohl darf man nicht eine Periode der Amy-
lumverdauung und eine der Eiweissverdauung im
Magen statuiren, da das Pepsin schon zu wirken
beginnt, sobald überhaupt Säure auftritt, sei es auch
nur organische.
Dem Vorstehenden gemäss wird in Krankheiten^
bei welchen dem Magen die Salzsäure fehlte die
Umwandlung des Amylum durch Speichelferment
während der ganzen Dauer der Magenverdauung
vor sich gehen können, während die Eiweissver-
dauung, wenn der Magensaft nur überhaupt sauer,
zwar nicht aufgehoben ist, aber doch durch das
Fehlen der Salzsäure eine erhebliche Erschwerung
und Verlangsamung erfährt. Salzsäuremangel ist
aber hauptsächlich bei drei Erankheitsformen nach-
gewiesen : bei der im Verlauf fieberhafter Krankhei-
ten auftretenden Dyspepsie (speciellbeimlleotyphus),
bei dem mit reichlicher Schleimabsonderung verbun-
denen MagenkataiTh und bei in Folge eines steno-
skenden Pyloruscarcinom entstandener Gastrektasie.
„Seit den Zeiten des Hippokrates — sagt v. d. V. —
giebt deswegen eine rationelle Diätetik Fiebernden fast
ausschliesslich amylaceenhaltige Kost und eine gleiche
Emährnngsweise wird bei den akuten Magenkatarrhen
eingeschlagen, bei denen eine Fleischspeise eben aas
Hangel der verdauenden Salzsaure wie ein Fremdkörper
im Magen Uegt nnd dann nicht selten durch Erbrechen
entfernt wird."
Ganz entgegengesetzte Ansichten über die Zeit,
zu welcher Salzsäure im Magensafte vorhanden ist,
hatte früher Riebet [vgl. Jahrbb. CLXXIX. p. 125]
ausgesprochen.
Nach ihm enthält — beim Menschen — der
reine frische Magensaft anfange hauptsächlich
eine Mineralsäure (Salzsäure), daneben eine orga-
nische Säure , wahrscheinlich Fleischmilchsäure.
Wird er mit Speisen zusammengebracht, so ver-
mehrt sich die Menge und die Zahl der organischen
Säuren, — durch eine Art Gährung, wie R i c h e t
meint, während Defresne (10), der die Richtig-
keit der Angaben von Riebet auch beim Kanin-
chen bestätigen konnte, die Erklärung für die stei-
gende Addität darin findet, dass die Sabssäure im
Verlaufe des Verdauungsprocesses die phosphor-
sauren, milchsauren, fleischmilchsauren und fhicht-
sauren Salze der Nahrungsmittel und der säurehal-
tigen Getränke (Wein) zersetzt und die entsprechen-
den Säuren frei macht, wobei sie selbst sich ver-
mindert, ja verschwindet, indem sie an die Stelle
der freigemachten Säuren tritt.
Die Ldsung des Widerspruchs zwischen den
Befunden von v. d. Velden einerseits und denen
von Riebet und Defresne andererseits mnss
weiteren Untersuchungen überlassen bleiben.
Nach Defresne (11) wird das Speiehelfer-
ment anftuglich durch den reinen, wie D. mit
Riebet [vgl. Jahrbb. CLXXIX. p. 126] annimmt,
Salzsäure in Verbindung mit Leucüi enthaltenden
Magensaft ausser Wirksamkeit gesetzt; später aber,
in dem mit Speisetheilen gemischten Magensaite,
der seine starke Acidität organischen Säuren ver-
dankt, geht die Zuckerbildung so gut vor sich, wie
im Munde. [Abgesehen von der Differenz in Bezog
auf die Zeit des Eintritts der StärkeumwandluDg
stimmt diese Angabe mit der von v. d. Velden
überein.]
Ein wesentlich anderes Verhalten als das Spei-
chelferment zeigt die Diastaee. Während das
Ptyalin sein saccharificirendes Vermögen nur kurze
Zeit, in der Periode des rein salzsauren Magen-
saftes, verliert und dasselbe im vermischten Magen-
saft, noch vollkommener im Duodenum wieder erlangt,
wird die Diastase durch verdünnte Salzsäure oder
durch reinen Magensaft tief und dauernd alterirt,
was daraus hervorgeht, dass sie in dem gemischten
Magensaft der späteren Verdauungszeit Stäi^emebl,
wenn sie es überhaupt noch löst, wenigstens nicbt
mehr in Zucker überführt.
Musculus und Meyer (12) kamen auf Grand
verschiedener (im Originale nachzusehender) chemi'
sehen Reaktionen zu der Ansicht, dass die bei der
Magenverdauung der Kohlehydrate auftretende, mit
Jod sich roth färbende und darum von Brücke
[Jahrbb. CLXXl. p. 114] Erythrodextrin genannte
Substanz nicht eine Modifikation des Dextrin sei,
sondern aus einem Gemisch von einer (mit Jod sieh
rotli färbenden) Modifikation löslicher Stärke und
reinem Dextrin bestehe. Ihnen zufolge haben da-
her die Ausdrücke Erytftrodextrin und Achroodex-
trin [vgl. ebenfalls Jiüirbb. 1. c] ihre Berechtigong
wohl verloren.
Watson (13) prüfte den Einfluss des Alkohol
auf die Speichelwirkung.
Er fand, dass Speichel, dem etwa ein Zehntel
absoluter Alkohol zugesetzt war, ungefähr um den
vierten Theil weniger Glukose bildete, als reiner
Speichel.
Ein geringer Säureznsatz begünstigte die Wir-
kung des Speichels, der verzögernde Einfluss des
Alkohol wurde aber durch die Gegenwart der Säure
nicht vermindert.
Die Arbeiten vonVulpian (14), Jaenicke
(15), Fnbini (16), Aschenbrandt (17) nnd
Unna (18) behandeln fast ausschliesslich dieinn^r-
vaüonsverhältnisse der Speicheldrüsen ^ nicht die
verdauende Wirkung des Sekretes der Letzteren,
daher sie an dieser Stelle nur erwähnt, nicht näher
berücksichtigt werden können.
Nach Eronecker nnd Falk (19) erfolgt die
Beförderung der Speisen in der Speiseröhre nicht
durch die langsame peristaltische Bewegung der
Müller, Beiträge zur Lehre von der Verdauung.
71
Olganischen Muskelfasern dieses Organs, sondern
durch die schnelle Contraktnr quergestreifter Mus-
keb, und zwar der der Zungenwurzel.
4,Die Rachenhöhle — sagt Eronecker — ist
beim normalen Schlucken luftdicht abgeschlossen,
einem Spritzenraume vergleichbar, dessen Stempel
die Znngenwurzel nebst Kehlkopf bildet. Hierdurch
werden alle in diesem Räume angesammelten Massen
(anch flüssige und gasförmige) nach dem Orte des
geringsten Widerstandes verdrängt, d. h. in den
schlaff zusammengelegten Oesophagus, während die
Constriktoren des Pharynx und das straffgespannte
Yelom relativ starre Resistenz bieten. Falls die
Mnnd-Contenta nicht durch besondere Grösse Wider-
stand finden, werden sie bei dem gewöhnlichen
Sehlneken durch den Oesophagus gespritzt^ so dass
sie häufig, noch bevor die Peristaltik sich geltend
zo machen vermag, den mittels der contrahirten
Lftngsmuskulatur klaffend gemachten Schlauch pas-
art haben."
[Nach dieser Auffassung wird dem Ref, die ihm
bisher unerklärliche Thatsache verständlich, dass
es, freilich nicht sehr häufig, Menschen giebt, welche
Vs Liter Flüssigkeit, ohne zu schlucken (wie er ge-
nan gesehen zu haben meint), in den Magen hinunter
ZV giessen vermögen, in viel kürzerer Zeit, als sie
diese Quantität bewältigeif, wenn sie in gewöhn-
lieber Weise schlucken. Derartige Individuen be-
sitzen jedenfalls die Fähigkeit, den Kehlkopf mittels
der Zungenwurzel und des Kehldeckels zu schliessen
imd die Speiseröhre in ihrer ganzen Ausdehnung
zam Klaffen zu bringen, so dass die Flüssigkeit
direkt in den Magen hinunter fallen kann.]
Ueber weitere hierher gehörige Untersuchungen
von Kronecker u. Meltzer (20), ist in unsem
Jahrbflchem [CLXXXVm. p. 6] schon Mittheilung
gemacht worden.
Eme spätere Versuchsreihe derselben Foi'scher
(21) lehrt Folgendes:
1) Jeder Anfangsschluckakt regt nicht nur die
dazQ gehörige Oesophaguscontraktion an, sondern
benmt zugleich die zuvor etwa ausgelösten, aber
nocb nicht manifesten Oesophaguscontraktionen.
2) Der zweite motorische Reiz wird erst wirk-
st, wenn die dem ersten folgende Bewegung vor-
über ist.
3) Wenn der gesammte Olossopharyngeus er-
'cgt wird, so kommt auch bei stärksten Schluck-
Beizen (durch Füllen des Rachens mit Flüssigkeit
^^T Reizung der Nn. laiyngei superiores) kemerlei
Schluckbewegung zustande: weder der erste reflek-
^^^beSchluckakt, noch eine Oesophaguscontraktion.
^) Wenn Pharyngealäste einzeln gereizt wer-
den, 80 machen sich die Hemmungserscheinungen in
^ Hals- oder in dem Bmsttheile des Oesophagus
geltend.
^) Wenn der Nervus glossopharyngeus durch-
ist ist, so geräth der Oesophagus in tonischen
p^pf, welcher mehr als einen Tag lang andauern
Unn.
Dass die Wandungen des Schlundes nur ganz
leicht, ^gleichsam flottirend", an einander liegen,
hatte schon Weissgerber (22) angegeben. Dass
dennoch für gewöhnlich Nichts aus dem Magen in
den Schlund zurücktritt, liegt nur an der Kardia;
und dass von oben her bei auftretendem negativen
Druck im Thorax, also bei der Inspiration, keine
Luft in den Oesophagus tritt, beruht auf dem festen
Anliegen des Kehlkopfes am Oesophagus.
Der Mechanismus der normalen Ructus nun,
d. h. der bei jedem Gesunden nach dem Essen oder
dem Genüsse gashaltiger Getränke durch Entweichen
von Gas ans dem Magen durch den Rachen zu Stande
kommenden Geräusche ist ein vierfach verschiedener.
„1) Durch blosse Contraktion des Magens ent-
weicht das Gas direkt nach aussen. Die Luft wird
hier (ohne Mithilfe der Banchpresse) mit solcher
Kraft durch die Kardia getrieben, dass sie auch den
am Oesophagus anliegenden Kehlkopf noch abzu-
heben vermag. — 2) Durch Contraktion des Magens
wird Magengas in den Schlund gedrängt; bei der
nächsten Exspirationsbewegung schliesst oder ver-
engert sich die Glottis; dadurch wird im Thorax ein
positiver Druck erzeugt und durch diesen die im
Oesophagus enthaltene Luftblase hinter dem Kehl-
kopf her nach aussen gedrängt. — 3) Durch die
Bauchpresse, vielleicht auch durch gleichzeitige Con-
traktion des Magens, wird das Gas aus dem Magen
direkt in den Rachen getrieben. — 4) Während der
Magen sich nur schwach contrahirt, so dass er allein
den Widerstand in der Kardia nicht überwindet, wird
durch eine Inspirationsbewegung bei geschlossener
oder verengter Glottis ein negativer Druck im Tho-
rax erzeugt und das Magengas sowohl durch den
gesteigerten Magendruck in den Oesophagus ge-
drängt, als auch durch den negativen Thoraxdruck
in den letzteren adspiiirt. Bei der nächsten Exspi-
rationsbewegung wird dann das Gas aus dem Oeso-
phagus in derselben Weise wie bei dem sub 2. an-
gegebenen Mechanismus nach aussen getrieben.'^
Diese vierte Art des Zustandekommens der nor-
malen Ructus bedarf noch genauerer Beobachtung.
Hiergegen ist der Mechanismus deijenigen Ruc-
tus, welche Weissgerber (wie mancher Andere)
willkürlich erzeugen kann und die immer aus zwei
Geräuschen bestehen (eine Eigenthümlichkeit, die
nach seinen Beobachtungen auch den meisten Ruc-
tus Hysterischer zukommt) folgender :
n Durch Inspirationsbewegung bei geschlossener
Glottis entsteht im Thorax negativer Druck. Wird
dann der Kehlkopf nach oben oder vorne gezogen,
80 stürzt die Luft, um den negativen Druck im Tho-
rax auszugleichen, in den Oesophagus und bläht
denselben auf. Hierauf wird, nachdem der Kehl-
kopf sich wieder angelegt hat, durch Exspirations-
bewegung bei geschlossener Glottis positiver Druck
im Thorax erzeugt und dadurch die Luft, welche
den Oesophagus ausdehnt, nach aussen gedrängt. • •
Der Magen ist hiemach bei den in Rede stehenden
Geräuschen , welche für das Ohr von den gewöhn-
72
M Aller, Beiträge zur Lehre von der VerdauuDg.
liehen Ractus nieht verschieden sind, gar nicht be-
theiligt, und der Ausdruck Ructu8 für dieselbe,
wenn man hierunter ein Geräusch versteht, das
durch Entweichen von Oas aus dem Magen durch
den Rachen entsteht, ungeeignet; passender wäre
die Bezeichnung Schlundaufblähung. — Es liegt
nahe, anzunehmen, dass der Mechanismus der
Schlundaufblähungen auch bei den sog. Ructns
Hysterischer statt hat, und ich (W.) nehme unter
Vorbehalt weiterer Beobachtungen am Krankenbette
denselben Mechanismus für alle die Fälle an, wo die
sog. Ructus in grösserer Zahl rasch hinter einander
erzeugt werden, und wo sie doppelschlägig sind.^
Wegen des Näheren muss durchaus auf die Ab-
handlung selbst verwiesen werden.
Hinsichtlich des Lufteintritis in den Magen und
Dannkanal Neugeborner, eines normalen Vor-
ganges, bestreitet Weissgerber, auf Grund der
mechanischen Verhältnisse, die Richtigkeit der An-
sicht von Kehr er, dass das freie Magen- und
Darmgas der athmenden Neugeborenen durch inspi-
ratorische Thoraxbewegungen in den Darmkaual
gelange, stellt aber seinerseits keine abgeschlossene
Theorie aber diesen Punkt auf, sondern hält noch
fernere Untersuchungen darüber fllr nöthig, ob der
Neugeborene, um zum Zwecke des Druckausgleichs
Luft in den Magen zu bringen, sich der Schlnndauf-
blähung mit darauffolgender Schlnckbewegnng be-
dient, oder ob er die Kunst des Luftschlnckens ver-
steht.
Den Mechanismus des Erbrechens studii-ten
neuerdings Arnozan und Mellinger.
Arnozan (23) unterscheidet beim Erbrechen
zwei Phasen : die der Adspiration des Mageninhalts
in den Oesophagus — sie geht einher mit positivem
Druck im Unterleibe und negativem Druck im Tho-
rax — und die der Ausstossung der Massen — sie
kommt zu Stande unter Drucksteigerung im Thorax
und im Unterleib. (Die Druckunterschiede wurden
mittels Kantschukblasen und Sonden controlirt,
welche A. in den Magen, ins Rectum, in die Bauch-
höhle und in die Brusthöhle einführte. Mit den
Sonden in VeiHbindung stehende Hebel zeichneten
die Druckschwankungen auf eine Trommel auf. Wie
es scheint, experimentirte A. an Hunden.)
Der Magen und der Oesophagus nehmen an den
Erscheinungen nur einen sehr untergeordneten An-
theil. Die Hauptrolle fällt dem Zwerchfell, den
Binist- und den Bauchmuskeln zu.
Viel eingehender als Arnozan beschäftigte sich
Mellinger (24) mit den Voigängen beim Erbrechen.
Ueber das Ergebniss seiner Untersuchungen ist bereits
in nnsem Jahrbüchern [CXC. p. 188] berichtet worden.
Eine Reihe von Arbeiten behandelt die Grössen'
Verhältnisse des Verdauungskanals»
Sehr mühsame, unter Leitung u. Mitwirkung von
Aeby ausgeführte Untersuchungen von Custor
(25) zeigen unter Anderem, dass in allen Klassen
der Wirbelthiere die relative Grösse desVerdauungs-
kanalesy worunter C. nicht das Verhältniss der Länge,
resp. der Schleimhantflächenausdehnung des Ver-
dauungskanales zur Körperlänge, sondern das Ver-
hältniss der Schleimhautfläche des letzteren zum
absoluten Körpergewicht versteht, sehr beträcht-
lichen Schwankungen^ wenngleich in verschiedenem
Grade, unterworfen ist. [Näheres siehe im Orig.]
Aus den von C. gefundenen Verhältnisszahlen
geht femer hervor, dass entgegen den bisherigen
Annahmen die Darmgrösse in keinem bestimmten
Verhältnisse zur Fleisch- oder Pflanzennahrung steht.
^Die Kaltblüter lassen allei'dings hinsichtlich
der Nahrung keine allzu scharfe Scheidung zu, aber
es darf doch hervorgehoben werden, dass bei den
Fischen gerade solche, welche, wie Ohondrostonut,
Leuciscus u. A., in ausgiebiger Weise auch Pflan-
zenkost gemessen, einen weit kleineren Darm be-
sitzen als solche, bei denen, wie bei Gadns, Salmo
und Perca, die Fleischkost sehr entschieden in den
Vordergrund tritt. — Ebensowenig liefern die Vögel
eine Stütze für die hergebrachte Ansicht ; denn es
sind gerade die entschiedensten Fleischfresser (Faleo,
Strix, Gallinago), welche unter allen den untersuchten
die ergiebigste Darmfläche besitzen. Freilich mögen
die Kömerfresser einigermaassen einen Ersatz im
Kröpfe finden , der nicht mitgerechnet wurde, aacb
stellenweise (z. B. bei der Taube) einen sdir an-
sehnlichen Umfang erreicht. Die Säugethiere allein
unterziehen sich , wenigstens in der Mehrzahl , dem
herkömmlichen Gesetze. Hier ist der Darmkmuü
der eigentlichen Fleischfresser entschieden kleiner
als derjenige der Pflanzenfresser. Er zeigt freilich
beträchtliche Schwankungen, aber auch sein kleinster
Werth steht noch ansehnlich über dem grössten bei
Pflanzenfressern. Diese wiederum scheiden sich sehr
bestimmt in Wiederkäuer und Nagethiere. Letztere
besitzen unter allen Wirbelthieren verhältnissmässig
den grössten Darmkanal Der untersuchte
Affe stimmt mit den Pflanzenfressern, was kanm
überraschen kann. Dagegen widerspricht die vom
Menschen und vom Schweine eingenommene Stellang
allen theoretischen Voraussetzungen. Beide erschei-
nen mitten unter den Fleischfressern und sogar in
der oberen Hälfte derselben.^
Die relative Grösse des Magetis zeigt sehr un-
gleiche Werthe. Sie schwankt zwischen 3 % xaA
56 <^/o der ganzen Darmfläche.
^Den beträchtlichsten Schwankungen unterli^
die Fische. Mächtig ausgeweitet erscheint der Hagen
einiger Räuber, wie Esox [Hecht], Plenronectes
[Scholle] und Gadus Iota [Quappe, Aalraupe], wäh-
rend andere, die ebenfalls thierische Nahrong 2a
sich nehmen, jedoch in feiner vertheiltem Zustande
als Gewürm u. s. w. , das gerade Widerspiel ab-
geben. Beispiele dieser Art liefern der Aal, die
Forelle, der Barsch und Gadus Merlangns [Witt-
ling]. Pflanzenfresser, wie Chondrostoma, Lencis-
cus [Plötze, Rothauge], Cyprinns [Karpfen], halten
so ziemlich die Mitte. Bei Amphibien und Reptilien
beträgt der Magen zum mindesten ein Viertheil der
ganzen Dannfläche, en'eicht aber daneben aach das
Müller 9 Beiträge zur Lehre von der Verdaunng.
73
volle Dritttheil. Niedriger, aber ebenfalls sehr un-
gieioh stellen sich die Vögel mit 2 — 18^/o> ohne
dass für die einzelnen Fälle sich etwas Typisches
erkennen liesse. Die Säagethiere ordnen sich in
drei Gruppen. Der kleinste Magen (3 — 12®/o) ge-
hört den Nagern; der grösste (31 — 34®/o) den
Wiederkäuern. Die Ranbthiere halten mit 19 —
28% die Mitte. Ihnen gesellt sich der Mensch mit
20o/o zu.**
lieber die von Beneke (26) ansgeführten Unter-
snebimgen über die Läjnge fmd Capacität des menschlichen
Darmkanals wurde in luiBem Jahrbüchern (CLXXXYI.
p. 114) bereits berichtet.
Beneke (27) theilt femer mit; dass die Capa-
cität des Darms ; berechnet anf das normale Körper-
gewicht, bei Kindern entschieden grösser ist, als bei
Erwachsenen , woraus sich , nach B. , die Folgerung
entnehmen lassen dürfte , dass in dieser relativ be-
trüchtlichen Grösse der Darmfläche bei Kindern eine
der Bedingungen für die Möglichkeit des Wachs-
thums der Individuen liegt; denn zu der Zeit, wo das
Wachsthnm aufhört, d. h. also etwa im 20. Lebens-
jahre , hört auch diese Bedingung für relativ gestei-
gerte Resorption der Nahrungsstoffe auf.
Die (durch Einfüllen von Wasser ermittelte)
Capacität des Dünndarms bei Neugebomen und
Kindern von 3, 6, ja 12 Jahren ergab, auf ein
Körpergewicht von 100 Pfd. berechnet, einen Inhalt
von 5000, 8000, 9000, 7700, 7400 Cubikcenti-
meter. Bei Erwachsenen hingegen resultirten nur
Zahlen von 4400, 3700, 4200, 4100 u. s. w. Cctmtr.
Capacität auf je 100 Pfd. Körpergewicht.
Die Magencapadiäi betrug bei gut entwickel-
ten „gesunden^' (aber asphyktisch zu Grunde ge-
gangenen) Nengebomen 35 — 43 Cnbikcentimeter.
Bei 14 Tage alten Kindern ist die Capacität schon
anf 153—160 Gotmtr., bei 2jähr. Kindern bis auf
740 Ctmtr* gestiegen.
Henning (28) stellte am Menschen verglei-
^nde Meflsnngen der Darmlänge an.
Wird die Darmlänge des Menschen mit seiner
vergleichend anatamieohen Körperlänge , also dem
Oberkörper (vom Kopfscheitel bis zum Sitzhöcker)
verglichen , so ergiebt sich nach 18 von H. vorge-
nommenen Messungen die Verhältnisszahl von 1 : 10,
bei Kindern ebenso, wie bei Erwachsenen.
„Somit — sagt H. — ist jene Behauptung so
vider Naturforscher, mit welcher sie die Berechtigung
des Menschen als ammal omnivomm zu beweisen
flacbten, unhaltbar geworden ; denn die richtige Ver-
hältnisinahl ftllt schon in das Gebiet der pflanzen-
fressenden Säagethiere und kommt , laut meinen im
zootomischen Institute des Herrn Prof. Brühl an
3 Ohimpanmi ausgeführten Messungen, den früohte-
fressenden Affen so ziemlich gleich.''
SchlttflsUch giebt H. zu bedenken , ob es nicht
vortheilhafter wäre, beim Vergleichen der Darmlänge
mit der Körperlänge der Wirbelthiere Kopf und Hals
ganz ausser Acht zu lassen^und den Pannkanal mit
IM, Jalirbb. Bd. 192. Hft. 1.
dem eigentlichen Rumpf, vom 7. Halswirbel (Vertebra
prominens) bis zum Sitzhöcker zu messen. Kopf
und Hals zeigen besonders bei Vögeln ganz ausser-
ordentliche Längenverschiedenheiten und sind in der
Säugethieiklasse gerade bei Pflanzenfressern sehr in
die Länge gezogen.
Mit der Anatomie und Histologie des Ver^
dauungskanals beschäftigen sich folgende Autoren
(29—38).
Kupfer (29) hatte Gelegenheit, drei absolut
fiische und gesunde menschliche Magen zu unter-
suchen.
Bei zwei von den Magen zeigte sich das Ober-
flächenepithel in continuo intakt; im dritten Falle er-
schien dasselbe wie abgesprengt. Die Drüsen waren
vollständig der Art, wie sie Rolle tt vom normalen
Hundemagen beschreibt. Die Angabe von H e n l e ,
daas auf den Riffen der Magenschleimhaut das Epi-
thel fehle, konnte K. nicht bestätigen. Das Epithel
ist ein exquisit cylindrisches. Während an Alkohol -
Präparaten die Zellen oben offen erscheinen , bieten
sich bei Oamiumsäurebebandlung durchaus geschlos-
sene Zellen dar; man muss also annehmen, dass der
Alkohol eine Destruktion der Gebilde bewirkt hat.
Das Epithel hat zwei Zonen. Die obere Zone,
welche den grössten Theil der Dicke des Epithels
ausmacht , wird von Vielen als Schleim bezeichnet ;
sie besteht jedoch nicht aus r^tnem Schleim, sondern
vielmehr aus einem modificirten Protoplasma, für
welches K. den allgemeinen Namen t^Paraplasma^'
vorgeschlagen hat. Die untere Zone ist echt proto-
plasmatisch und enthält den Kern der Zellen. In
den Gruben liegt der Kern ganz an der Basis der
Zellen; hier kommen auch wirkliche Becherzellen
vor.
Die Drüsen der Mucosa zeigten im obersten,
zugleich engsten Abschnitt einen Saum von cnbischen
Zellen, Im mittlem Abschnitt fanden sich in zwei
Fällen sowohl Haupt- als Belegzellen, im dritten
Falle aber waren daselbst keine Hauptzellen auffind-
bar ; im Fundus waren stets beide Kategorien vor-
handen.
Die Fgloruszone ist durch eine mächtige Ent-
wicklung der Gruben ausgezeichnet ; die Drüsen hat-
ten daselbst keine Beleg(Lab)-Zellen , sondern nur
eine Sorte von Zellen , die K. aber doch nicht ganz
mit Hauptzellen identificiren möchte. Die Drüsen
winden sich hier eigenthümlich auf, so dass das Bild
wahrer Knäueldrüsen entsteht.
Nach Edinger (30) sprechen viele Gründe
dafür, dass aus den Hauptzellen durch Zunahme
des Volumens und Füllung mit Ferment Beleg-
Zellen werden^ dass also der Magen nur eine Zell"
art besitzt.
Den Vorgang ganz sicher zu stellen, ist ihm nicht
gelungen, aber er wird doch äusserst wahrscheinlich
1) durch das Vorkommen von Uebergangsformen zwi-
schen Haupt- und Belegzellen ; 2) durch die Analogie,
die eine solche Veränderung mit den uns schon be-
10
74
Hüll er, Beiträge zur Lehre von der Verdauung.
kannten Vorgängen in andern Drüsen während der
Sekretion bietet ; 3) durch die Thatsache , dass viele
Pepsin absondernde Thiere nur Belegzellen besitzen ;
4) durch den Befund am Magen von hungernden
ludividaen , bei denen sich nur Hauptzellen finden ;
5) durch die Thatsache, dass viele Forscher mit ge-
wichtigen Gründen für die Hauptzellen und viele
andere für die Belegzellen als Pepsinbildner einge-
treten sind. — Ob die Salzsäureabsonderung über-
haupt mit den Zellen etwas zu thunhat, bleibt dahin-
gestellt.
Wegen der Arbeit von Stohr (31) können wir auf
die in nnsern Jahrbüchern (CLXXXym. p. 7) schon ent-
haltene Mittheilnng verweisen.
Gondereau (32) beschreibt ein eigenthumliches
Divertikel am fötalm Schweinemagen.
Dasselbe findet sich am hintern linken Theil der
Kardia. Am Magen des erwachsenen Schweines sieht
man an der dem fötalen Divertikel entsprechenden Stelle
eine ziemlich kreisrunde Ausbnchtnng von 7 — 8 Ctmtr.
Durchmesser, die von dem übrigen Magen dnrch eine 2 —
4 Ctmtr. hohe Leiste abgegrenzt und dnrch eine klappen-
artige Schleimhautfalte in zwei Abtbeilungen zerlegt wird.
Auf die morphologischen und entwicklungsgeschichtlichen
Details kann hier nicht näher eingegangen werden.
Erwähnt sei nur noch, dass nach Gondereau
diese Ausbuchtung den It^en des Schweines dem
Magen der Wiederkäuer nahestehend erscheinen lässt
und dass der Genannte das Schwein als ein Mittel-
glied zwischen den Thieren mit zusammengesetztem
und denen mit einfachem Magen betrachtet.
Den Untersuchungen von Part seh (33) lag die
Idee zu Grunde , der Frage , welchen Zellen der
Magendrüsen der Sänger die Pepsinbereitnng zuzu-
sprechen sei, auf dem Wege der vergleichenden
Physiologie und Histologie näher zu treten.
Nach P. sind bei Rana (Wasserfrosch) die das
alkalische , pepsinhaltige Sekret bereitenden Zellen
im Oesophagus lokalisirt, scharf getrennt von den
im Magen vorkommenden säurebildenden Zellen.
[Vgl. hierzu auch v. S w i e c i c k i , Jahrbb. CLXXIX.
p. 132.] ,yNun ist die Identität der im Froschmagen
vorkommenden Drüsenzellen mit den Belegzellen der
Säuger stets und von allen Forschern behauptet und
anerkannt worden. Eben so wenig lässt sich aber
auch bezweifeln , dass die Drüsenzellen des Frosch-
Oesophagus analog den Hauptzellen der Säuger seien.
Der daraus zu ziehende Rückschluss kann nur zu
Gunsten der Heidenhain 'sehen Hypothese dahin
ausfallen y dass auch bei den Sängern den Barq>U
Zellen die Pepsinbildung ^ den Belegzellen die
Säurebildung zuzuschreiben ist"
Ganz anders als bei Rana fand P. die Verhält-
nisse bei Hyla (Laubfrosch) , Bufo (Kröte) , Triton
(Wassersalamander) , femer bei Lacerta (Eidechse),
Coluber natria (Ringelnatter) und Vipera Berus
(Kreuzotter). Während beim Wasserfrosch die Be-
reitung des verdauenden Sekrets zwei Zellformen zu-
gewiesen ist; von denen jede einen besondern Ab-
schnitt des Vorderdarms fOr sich allein in Anspruch
nimmt , muss bei den erwähnten Thieren eine Zell-
form ; die nicht über den ganzen Vorderdarm ver-
breitet ist y sondern nur in einem bestimmten Thdle
desselben vorkommt , die Absondemng des saureo,
pepsinhaltigen Sekrets besorgen.
Bei den erwähnten Schlangenarten beobachtete
P. während der ersten 24 Verdauungsstunden dne
auffilllige Vermehrung der Schleimzelletu Im
Pylorustheile von Coluber natrix vermisste er die
Schleimzellen.
Nach Edinger (34) finden sich dieselben aber
doch daselbst vor , auf einer Strecke von etwa '/i
Ctmtr. Breite.
Das Extrakt aus dem Magen von Coluber (Tropi-
donotus) natrix fand E. sauer, doch gab dasselbe
nicht die Tropäolinreaktion; enUiielt also keine fme
Mineralsänre. Mit Salzsäure versetzt verdaute es got
Der Verdauungskanal ^ex gemeinen TeiehschUd"
kröte (Cistudo Europaea) zeigt nach MottaMaia
und Ren au t (35) einen Uebergangsiypus von den
Reptilien zu den hohem Wirbelthieren. Das Nähere
sehe man im Originale.
Während nach Leydig und nach Edinger
dem Mitteldarme von Cobitis fossiUs (Schlammpeits-
ger) ein Epithel völlig abgeht, fand Lorent (36)
nach Silberinjektion in das Darmlumen, dass ein sol-
ches allerdings vorhanden ist, dass dasselbe aber in
eigenthümlicher Weise mit einem äusserst reichen
Capillarnetze in Verbindung tritt, so dass es nur
schwer gelingt, die Epithelzellen zwischen den
Maschen desselben zu erkennen.
Bezüglich der Schilderung der grobem anato-
mischen Verhältnisse und der übrigen mikroskoi»-
schen Straktur des Darmes von Cobitis muss auf die
Originalarbeit verwiesen werden.
Wrzedniowski (37) veröffentlicht vorläufig Mit-
tlieilnngen über die HiBtologie des Dannkanals einiger
Amphipoden (Flohlurebse) und der drüsigen Anhänge des-
selben.
Joyenz-Laffaie (38) giebt a. A. einige Details
Über den Bau des Verdanangskanales von Onchidiumt
einer zur Familie der Doppelathmer (Amphipnenstea) g^
hörigen Lnngenschnecke.
Rossacha (39) versuchte, in Anknüpfung an
die Untersuchungen von Gerhardt, Emming-
haus undPurgesz, folgende Fragen zu beant-
worten.
A. Geht der von allen Untersnchem überein-
stimmend gefundene negative Druck im Oesophagus
in einen positiven über, sobald die Sonde den ffiatos
oesophageus passirt, so dass aus dem Auffareten dee
positiven Drucks mit Bestimmtheit der KardialtheS
des Magens an der Sondenlänge anzugeben ist?
B. Treten im Magen respiratorische Sdiwankun-
gen der mit der Sonde m Verbindung gesetzten
Magenlufk auf , so, wie sie im Oesophagus überein-
stimmend angenommen werden?
R. bediente sich bei seinen Untersnchnngen einer
guten englischen Magensonde, die durch einen stark-
wandigen Gnmmischlauch mit einem Qnecksilber-
manometer (später mit ehiem Wassermanometer) in
Verbindung gesetzt wurde. Von den Ergehninen,
Hflller, Beiträge zur Lehre von der Verdauung.
75
so denen er gelangte , seien die folgenden hervor-
gehoben :
unter normalen Verhältnissen entsteht im Magen
mid in speeie an der Uebergangsstelle des Oeso-
phagus in den Magen kein positiver Druck; der
o^tive Thoraxdrnck gleicht sich, sobald die Sonde
die Kardia ttberschritten hat, nur allmälig, doch
meistens nicht ganz aus.
Ein positiver Druck im Magen wkd ei*8t dann
hervorgerufen, wenn durch zu weites Hineinschieben
der Sonde Contraktion der Magenwand ausgelöst
wird.
Eine solche Contraktion des Magens besteht im
Sinne einer positiven Druckwirkung auf die Luft im
Magen für längere Zeit während der Verdauung und
Termnthlich bei pathologischer Gasansammlung im
Magen.
Die Respirationsschwankungen verhalten sich im
Magen und im Oesophagus gleich , d. h. es tritt bei
der Inspiration eine Abnahme , bei der Exspiration
ein Zuwachs des jeweiligen Durchschnittswerthes auf.
Nach Oser (40), der verschiedene Methoden,
die Magenluft zu entleeren, angiebt, befindet sich
die letztere „in der Regel^' unter positivem Druck
nnd es entweicht Luft, wenn die Sonde in den Magen
eindringt.
Kor ach (41) berichtet über einen Fall von
allgemeinem i7au^mpAy««m nach Perforation eines
Magengeschwürs.
Das gesammelte Gas brannte angezündet mit den
diarakteristischen Eigenthümlichkeiten der Wasser^
fiofflamme. (Eine genauere Analyse desselben
wurde wegen Bfangels der dazu nothwendigen Ap-
parate nicht vorgenommen.) Das Auftreten von
Wasserstoff ist um so weniger aufßlllig, als der
(moribund in das Hospital gebrachte) Pat., wie sich
bei der Sektion ergab, ausser an einem Magen-
geschwür auch an hochgradiger, durch eine narbige
Pyiomsstriktur bedingter Ektasie des Magens ge-
litten hatte, bei letzterer aber sich die Organismen,
welche Buttersäuregährung und damit Wasserstoff-
entwicklung hervorrufen, besonders häufig im Magen
vorfinden. Hierzu kommt, dassDenatus, wie die
Sektion zeigte, am Tage der Katastrophe eine grosse
Quantität Brod und Kartoffeln gegessen hatte , also
sehr stärkemehlreiche Nahrungsmittel, welche die
Buttersäuregährung besonders begünstigen.
[Das Nähere über den FaU vgl. Jahrbb. GLXXXYU.
p. 846. — Ueber brennbare Magengase vgl. anch
Popoff (Jahrbb. CXLIX. p. 169), Ewald (Jahrbb.
CUV. p. 8) nnd Poensgen (Jahrbb. CLXXXVII.
P. 244).]
Um ^Qfnaaimale Temperatur im Verdauungs*
Kaktus zu bestimmen, bedienten sich Kronecker
1. Meyer (42) eines Thermometers, welches nach
Art des von Dnlong und Petit angegebenen Ge-
^ts- oder Ausflussthermometer geblasen ist.
»Dieses (yom Glasbläser Florenz Müller in BerUn
HergeBteUte) llazimamthermometer besteht aus einem
I Gliben kngeligen GlasgeflUs, das in ein feines, etwa
L 1 CtQtr. langes (nach Bedürfniss mit ehier Erweiterung
▼ersehenes) CapUlarrohrchen ausläuft. Dieses kleine
System wird bei Zimmertemperatur mit Quecksilber ge-
füllt, in eine passende, innen lackirte Kapsel von gut
Wärme leitendem Metall (am besten Silber oder auch
Messing) eingelegt, die Ausflnssspitze durch Korkfütte-
rung fizirt und der Deckel der Kapsel fest aufgesetzt.
Diese Kapsel lässt man von einem Thiere verschlucken.
Um die höchste Temperatur zu finden, welche die
Thermometer während ihres Aufenthaltes im Darmkanale
ausgesetzt waren, versenkt man sie, von der HüUe be-
freit, in ein Wasserbad, durch dessen Wände man das
aufrecht gestellte CapUlarrohrchen mittels einer Lupe ge-
nau beobachten kann. In dem Bade von Zimmertempe-
ratur sieht man nunmehr das CapiUarrdhrchen , dessen
Erweiterung und zuweilen auch einen TheU des Kugel-
gefässes frei von Quecksilber. Nunmehr steigert man die
Temperatur des Bades allmälig so weit, bis das sich aus-
dehnende Quecksilber das kleine thermometrische System
bis zur Spitze gefüllt hat, und bestimmt mit Hülfe eines
Normalthermometers die jetzt im sorgfältig gemischten
Bade herrschende Temperatur.
Die Temperatur des Bades, bei welcher das Ausfluss-
thermometer gerade voll Quecksilber ist, kann man als
die höchste Temperatur ansehen, welcher das Thermo-
meter vorher ausgesetzt war. ^
Verschiedene von einem Hunde (dessen Rectal-
temperatur 37.8<^ bis 38.2^ betrug) entleerte Aus-
flussthermometer (deren Angaben bis auf 0.1^ 0.
genau sind) ergaben bei obigem Verfahren eine
Maaimaltemperatur von 39.2<^ C.
Auch Hoppe-Seyler (1) fand im Pansen
von Rindern in mehreren Fällen die Temperatur
ziemlich hoch, bis über 39^ (1. c. p. 206).
Winternitz (43) brachte vom Optiker (rr^tVier
in München gefertigte , 6 Ctmtr. lange Maximai -
thermometer, welche, um leichter die Zungonwurzel
und den Kehlkopf passiren zu können, in ihrem
untern Drittel ein wenig von der geraden Linie ab-
gebogen sind, mittels der Magensonde oder des
Magenschlauchs in den Magen hinab.
Ueber die Temperaturverhältnisse während der
Verdauung macht W. (1. c.) keine Mittheilung,
wohl aber über den Einflnss kalter Irrigationen des
Rectum auf die Magentemperatur.
Es wurden lOOOCctmtr. eines Wassers von ll®
in das Rectum irrigirt; 25 Min. nach Beginn der
Irrigation , 5 Min. nach ihi*er Beendigung war die
Temperatur im nüchternen Magen um 0.9<^ C. ge-
sunken (von der Anfangstemperatur, 37.15<^, auf
36.250). Zu dieser Zeit war der Magen kühler als
die Achselhöhle, mit 36.700. Noch 4 Std. lang,
d. h. bis zur nächsten Mahlzeit, liess sich ein niedri-
ger Stand der Magentemperatur als Folge der Irri-
gation des Rectum wahrnehmen.
Das Resultat war ein ganz constantes, so oft
auch der Versuch wiederholt wurde.
Da schon bisher bekannt war , dass man durch
Einspritzung kalten Wassers in den Mastdarm die
Körpertemperatur im Ganzen herabzusetzen vermag,
bezeichnet W. als neu und nur durch seine Unter-
suchungsmethode feststellbar, dass bei Kälteeinunr-
kung vom Mastdarme aus die grösste Abkühlung
die Organe in der Tiefe der Bauclihöhle treffe.
Leven (44) stellte äusserlich Temperaturmes-
sungen am Magen an^ und zwar indem er das Ther-
76
Müller 9 Beiträge zor Lehre von der Verdaaung.
mometer einfach auf die Banchwand legte and mit
einer Schicht Watte bedeckte.
Die Temperatur differirt nach ihm auf der rech-
ten und linken Seite der Magengegend mindestens
um 0.1^, mitunter um 1.0<>, was davon herrührt,
dass die rechte Seite des Magens eine andere phy-
siologische Funktion hat als die linke. [Der drüsen-
reiche Fundns ist nach L e v e n wesentlich ein Speise-
reservoir, während die muskelreiche Portio pylorica
die Bedeutung eines Trituritionsapparates hat ; vgl,
hierüber Jahrbb. CLXXL p. 119.]
Bald ist die rechte, bald die linke Seite der
Magengegend höher temperirt. Die Temperatur
vanirt nach den Tageszeiten. Früh, bei nüchternem
Zustande, zeigt das Thermometer links 35.9^, rechts
35.70, in der Achselhöhle 35.6<>. Je mehr man
sich der Mittagsstunde nähert, desto mehr sinkt die
Temperatur. Sie beträgt um 12 Uhi- links 34.9»,
rechts 35.1^
Eine Stunde nach der nun eingenommenen zwei-
ten Mahlzeit ist die Temperatur links auf 35. 2<^ ge-
stiegen , rechts dieselbe geblieben. Um die dritte
Stunde beträgt sie links 35.50, rechts 36.5o. Die
Achselhöhlentemperatur ist zu dieser Zeit um 0.4^
gesunken, was das Frösteln (Verdanungsfleber) er-
klärt , welches sich im Verlaufe der Verdauung bei
Manchen einstellt. Um die vierte Stunde nach der
Mahlzeit beginnt die Temperatur zu sinken. Sie
beträgt jetzt links 34. lo, rechts 34.80, welche Diffe-
renz sich um die fünfte Stunde noch mehr ausge-
glichen hat.
Bei Dyspepükem beträgt die Temperatur in
der Magengegend 36 — 37o (d. h. 1— 20 mehr als
noimal), bei Dilatation u. bei Cardnom des Magens
36.5 — 370, links sowohl als rechts.
Während die Angaben von Leven zu der An-
nahme berechtigen, dass während der Verdauung
die Temperatur im Magen (streng genommen aller-
dings nur in der Magenwand) steigt, scheinen künst-
liche Verdauungsversuche, welche Maly (45) an-
stellte, das Gegentheil zu beweisen.
Wie nämlich schon v. Vintschgau und
Dietl^) angeben, dass — beim Hunde — die Tem-
peratur des Speisebreies während der Verdauung
sinkt, und zwar etwa in dem Maasse, dass 2 bis
3 Std. nach der Mahlzeit eine Verminderung um
0.2—0.60 C. eintritt, so fand Maly durch künst-
liche Verdauungsversuche, dass bei der bei Körper-
temperatur ablaufenden Verdauung van Fibrin
und Eiweise durch Pepsin und bei der von Starke
durch diaetatische Fermente ein so bedeutender
Wärmeverbrauch eintritt, dass derselbe schon
durch einfache calorimetrisehe Mittel unzweideutig
nachweisbar ist, [Eine genaue quantitative Be-
>) M. V. Vintschgau und M. Dietl, Unter-
Buchangen über das Verhalten der Temperatur im Magen
und Rectum während der Verdauung: Sitz.-Ber. der
Wiener Akad. LX. 2. Abth. p. 693—749. 1869. — Auch
separat : Wien. 1869. Gerold'ß Sohn. 8. 63 S. (1 Mk.
60 Pf.)
Stimmung des Wärmeverbrauchs wurde nicht Tor-
genommen.]
Kostjurin (46) eTtonchtedenEinßussheissen
Wassers auf die Schleimhaut des Magen-Darm'
Kanals beim Hunde.
Vier ca. 4 Mon. alte Hunde desselben Wurfes er-
hielten jeder Morgens u. Abends 60 Grmm. xerklehiertes
rohes Fleisch und SOOQrmm. unverflUschte fUsche MUeh.
Zweien der Hunde (Nr. 3 und 4) ward 16 Ifin. nach der
Fütterung 260—330 Grmm. Wasser, das auf 46-~65o G.
erwärmt war, mittels der Schlundsonde beigebracht. Den
andern Hunden (Nr. 1 und 2) wurde nur die Sonde, keine
Flüssigkeit eingeführt.
Die Hunde Nr. 1 und 2 blieben frisch und munter,
frassen gut und wuchsen sichtlich. Dagegen wnrdeo
Nr. 3 und 4 schon am 2. Tage missmuthig, y erkrochen
sich in die Ecke und frassen nicht, so dass sie gewaltsam
gefüttert werden mnssten. Sie hatten flässige Auslee-
rungen und verfielen zusehends. Hund Nr. 3 starb 81 T.
nach Beginn des Versuchs, nachdem er in dieser Zeit
620 Grmm. an Gewicht verloren hatte, Hund Nr. 4 3 T.
später, nachdem er 720 Grmm. an Gewicht verloren hatte.
Die Sektion zeigte, dass die Einführung heissen
Wassers sowohl parenchymatöse, wie interstiUelk
Entzündung der Magenschleimhaut hervorgerufen
hatte.
Im Anschluss an diese Beobachtungen warnt E.
angelegentlich vor dem Genüsse heisser Speisen und
Getränke.
Die Bewegungen des Magens haben nadi
Leared (47) eme viel grössere Wichtigkeit ftr
den normalen Verlauf der Verdauung, als man ihneo
gemeinhin zuzuschreiben pflegt, und eine Verminde-
rung der peristaltischen Bewegungen des Magens
soll in der bei Weitem grossem Mehrzahl der Fälle
von Dyspepsie das nächste ursächliche Moment
bilden.
L. theilt daher, indem er den Begriff eOonüehe
Dyspepsie als zu unbestimmt und den Begriff 6ra9&t-
tis oder Magenkatarrh als zu eng ganz bei Seite
lässt, alle Fälle von wahrer Dyspepsie ein in solehe,
die auf gestörter Magenbewegung und in solche, die
auf (quantitativ oder qualitativ) mangelhafter Sekre-
tion von Magensaft beruhen. Die Dyspepsie der
erstem Art [mit welcher sich Leared (1. c.) allein
beschäftigt], die durch Unbehagen nach der Mihl-
zeit (Gefbhl von Druck und Vollsein in der Magen-
gegend), seltener durch eigentlichen Magenschmen,
besonders aber durch Flatulenz , fast immer durch
Verstopfung charakterisii*t ist, hat ihre entferntem
Ursachen in allen denjenigen Momenten, welche die
Energie des Nervenlebens und somit aveh die In-
nervation der Magenmuskulatnr beeinträchtigen, näm-
lich in anstrengender geistiger Arbeit, deprimiren-
den Affekten, fortgesetzten körperlichen Ueber-
anstrengungen u. s. w.
Dass L. in allen diesen Fällen von Dyspepsie
das auf die Muskulatur wirkende Strychnin sdion
seit länger als 20 Jahren (in Dosen von höchstens
0.003 Grmm.) sehr wirksam findet, bestätigt ihm
die Richtigkeit seiner Ansicht ttbei* die Entstehns^
dieser Art von Dyspepsie«
Müller, Beitrftge zur Lehre von der Verdammg.
77
Wie sehr die Bewegungen des Magens die Ver-
dauong begünstigen, sachte L. experimentell dadurch
sa zeigen, dass er Verdauungsgemische in Glas-
cjrliDder mit innen gefurchten Wftnden brachte und
die Gylinder mittels eines Uhrwerks in Rotation ver-
setzte. Der Inhalt des Glases geräth dann in leichte
Bewegung und die Lösung stickstoffhaltiger Sub-
stanzen volbsieht sich früher als in Gläsern , welche
nicht bewegt oder nur gelegentlich geschüttelt wer-
den. [Genaueres über diese Versuche wird (1. c.)
nicht mitgetheilt.]
Eigenthnmlieh , und zwar pathologisch gssidgerte
Bewegungen de» Magens beobachteten K u s s m a u 1 (48) ,
Strümpell (49) und Loh mann (50), indessen muss
bezüglich dieser Hittheilungen auf die Orig. -Artikel ver-
wiesen werden.
Die Frage, ob der Pylorus im Stande ist, unter
normalen Verhältnissen einen vollkommenen Ab-
sehluss gegen das Duodenum hin zu bilden , wurde
ni diagnostischen Zwecken von Ebstein (61) ex-
perimentell erörtert.
E. entwickelte im Hagen der Versuchsthiere
(4 Hunde und 1 Katze), die theils nüchtern , theils
in voller Verdauung begriffen waren , mittels Wein-
slore und doppeltkohlensauren Natron eine reich-
behe Menge von Kohlensäure. So sehr sich aber
auch der BCagen ausdehnte , so entwich doch keine
Kohlensäure durch das Glasrohr, welches in den An-
fangstheil des Dünndarms eingebunden war. Selbst
anige Zeit (V« Std.) nach der Tödtung des einen
derThiere bedurfte es des vollen Druckes einer kräf-
I Sgen Mannsfaust, um den Widerstand des Pylorus
zu überwinden. (Ob die Kohlensäure bei diesen
Versuchen eine specifische Rolle spielte, musste
dahingestellt bleiben.)
\ Nichtsehlussfä/dgkeit (Incontinentia) des Pylorus,
^ die E. in 8 klinischen Fällen mittels im Magen ent-
wickelter Kohlensäure constatirte , beruht nach ihm
meiBt auf carcinomatösen oder ähnlichen Erkranknn-
I gen des Organs. Doch ist es ihm höchst wahr-
scheinlich, dass auch lediglich nervöse Ursachen
(Hysterie) Incontinenz des Pförtners hervorrufen
können.
Kundrat (52) bespricht die anatomische An-
ordnung der Gefässe der Magenmucosa, durch
welche die Seibetverdauung des Organs , der herr-
schenden (Pavy 'sehen) Ansicht nach, verhindert
wird, und erörtert im Anschlnss daran die Ent-
stehang der hämorrhagischen Erosionen und des
Ulcus rotundum in Folge von Oirkulationsstörungen,
sowie die Bedingungen für das Zustandekommen der
Magenerweichnng während des Lebens und in der
Leiche.
Samelson (53) glaubt, wie früher bereits
Vierordt, die Ansicht, dass die Alkalescenz des
Blutes ein Schntzmittel gegen die Selbstverdauung
der Magenwandungen bilde, als eine unzutreffende
bezeichnen zn müssen. Ehr zeigt durch Versuche an
Kaninchen zunächst, dass man die Ursache der
Solbstverdaaung nicht im Nervensystem zu suchen
habe, wie J ä g e r und C a m e r e r wollten. Durch-
schneidung der Vagi und des Sympathicus machten
in keinem Falle den Magen weniger widerstands-
fähig gegen die Einwirkung des Verdauungssaftes.
Weitere Experimente lehrten, dass beträchtliche
Steigerung des Säuregehaltee des Mageneaftee
(durch Einbringung von Salzsäure in den Magen)
nicht zur Selbstverdauung fahrt, dass aber anderer-
seits auch bedeutende Verminderung der Alkale^
scenz des Blutes (durch Injektion von saurem, phos-
phorsaurem Natrium, von Citronensäure, von Phos-
phorsäure in das Blut, unter die Haut und in das
Rectum) keine Selbstverdauung des Magens hervor-
ruft.
Diese Versuche scheinen S. zur Genüge den Be-
weis zu liefern , dass durch Herabsetzung der Alka-
lescenz des Blutes keine Selbstverdauung des Magens
eintritt, und er glaubt daraus den Schluss ziehen zu
dürfen, dass es nicht die Alkalescenz des Blutes ist,
welche normaler Weise die Selbstverdauung ver-
hindert.
[lieber die Unverdaulichkeit der lebenden Magen-
wand vgl. auch ClandeBernard ( Jahrbb. CIL p. 865),
Harley (Jahrbb. CVI. p. 152), Pary (Jahrbb. CXXI.
p. 154).]
Bufalini (54) beobachtete bei in der Ver-
dauung begriffenen Meerschweinchen und Kaninchen,
dass elektrische Reizung der Hirnrinde in der
l^ähe des Kaumuskelcentrum vermehrte Absonderang
eines klaren, stark säuern Magensaftes hervorrief.
Zu den Folgen der Vagusdurchschneidung bei
Vögeln gehört nach Zander (54b) auch die Läh-
mung des obem Theils des Digestionstraktus.
Der Oesophagus, resp. der Kropf verliert seine
Motilität. Das Hungergefühl bleibt erhalten. Die
Thiere füllen daher die Speiseröhre oft kolossal mit
Futter, vermögen es aber wegen Lähmung der
erstem nicht in den Magen zu befördern. Die Nah-
rung fault nun und kann, wenn sie in die Lunge ge-
räth , eine septische Pneumonie veranlassen und so
zum Tode filhren. Im Allgemeinen gehen aber
Vögel nach Durchschneidung des Vagus an Inanition
zu Grunde, weil keine Nahrung in den Magen
kommt.
Die Sekretion der Kropfschleimhaut wird durch
die Vagotomie nicht unterbrochen.
Der Magen wird bei der Autopsie leer gefun-
den , weil der gelähmte Schlund keine Nahrang in
denselben befördert, aber die Nahrung, die zur Zeit
der Operation unbedingt darin vorhanden gewesen
sein muss, war daraus entfernt. Die Magenverdauung
ist also nicht beseitigt, höchstens etwas geschwächt.
Die Leber sondert reichlich Oalle ab. Glykogen
und Zucker verschwinden sehr bald nach der Opera-
tion daraus. Bei der Sektion wird das Organ mei-
stens atrophisch, hart, heller als normal gefärbt ge-
funden, was durch die Inanition bedingt ist.
Das Pankreas scheint zu secerniren , denn bei
zwei Thieren, denen Z. durch eine Darmfistel ober-
halb der ESnmündungsstelle der Pankreasgänge
78
M ü 1 1 e r y BeiMge zar Lehre von der Verdannog.
Hartenstein 'sehe Leguminose beibrachte, wurde
diese verdaut.
[Nach Arloing und Tripier scheint es, als
ob — beim Hunde — die Durchschneidung beider
Vagi die Magenverdauung aufhebe, letztere aber bei
Durchschneidung nur eines Nerven nugestöii; ihren
Fortgang nehmen könne ; vgl. Jahrbb. CLVIU. p. 10.]
Während U f f e l m a n n [vgl. Jahrbb. CLXXXIL
p. 75] bei fieberhaften Krankheiten nur eine Ver^
mindemng der freien SaUeättre des Magensaftes con-
statii*en konnte, beobachtete von den Velden (55)
bei einem 60jähr. Manne, den er seit mehreren Mo-
naten wegen Gastrektasie in Behandlung hatte , ein
vollkommenes Verschwinden der früher stets vor'
handenen Salzsäure, als Fat. an lleotyphus er^
krankte.
Dieser Mangel der freien Salzsäure zog sich bis
in die Reconvalescenz hinein. Erst am 8. fieber-
freien Tage Hessen sich wieder Spuren der Säure
nachweisen. — Ein Mangel oder auch nur eine merk-
liche Verminderung des Pepsin wurde während dieser
ganzen Zeit nicht beobachtet.
„Von Neuem — bemerkt v. d. Velden —
ergiebt sich hieraus die grosse Zweckmässigkeit der
Darreichung von Acidum muriaticum in fieberhaften
Zuständen, und ausserdem scheint der Termin des
Wiederauftretens der Salzsäureausscheidung (8. fie-
berfreier Tag) mit dem empirisch für die erste Dar-
reichung substantiellerer Nahrungsmittel nach einem
überstandenen lleotyphus festgestellten aufs Schönste
zu harmoniren.'^
Sassezki (56) schliesst aus Fibrinverdauungs-
versuchen mit dem Magensaft von 9 fiebernden
Kranken, „dass nicht bei allen fiebernden Sub-
jekten der quantitative Qehalt an Säure im Magen-
saft verringert wird, aber dass, wenn diese fiebern-
den Subjekte an Dyspepsie leiden, letztere eintritt
in Folge von Mangel an SäureJ^ Nur in einem
Falle, und zwar bei einem Potator, dessen chronische
Gastro - Enteritis eine fieberhafte akute Steigerung
zeigte, war ein Mangel an Pepsin im Magensafte zu
beobachten.
Von den Velden (57) prüfte das Verhalten
des Magensaftes in 18 Fällen von Gastrektariej
und zwar hauptsächlich hinsichtlich der An- oder
Abwesenheit von freier Salzsäure.
Der Magensaft wm*de durch Auspumpen des
Magens gewonnen. Zur Prüfung auf die Salzsäure
dienten Methylanilinviolett , salzsawres RosanHin
(Fuchsin) und TropäoUn (phenylamidoazobenzol-
snlfonsaures Kalium). Die gewonnenen Resultate
sind die folgenden: „1) Der morgens früh Kranken
mit typischer Magenerweiterung entnommene Magen-
saft enthielt stets Pepsin und war stets sauer.
2) Die Acidität desselben war entweder durch
Salzsäure (wohl meist in Verbindung mit organischen
Säuren) oder durch organische Säuren allein bedingt.
3) Fand sich Salzsäure im Magensaft, so war
die Magenerweiterung nie durch eine carcinomatöse
Pylorusstenose bedingt.
4) Fand sich keine Salzsäure, so war daran
entweder ein durch die Stagnation der Contenta er-
zeugter oder doch unterhaltener Magenkatairh, oder
Fieber, oder Magencarcinom schuld.^'
Im ersteren Falle gelang es durch eine metho-
dische mechanische und diätetische Behandlung Idcht,
die Salzsäure wieder zum Erscheinen zu bringen, im
zweiten Fall trat sie nach Beendiguig des fieber-
haften Processes wieder auf, im letzten Falle blieb
sie verschwunden.
Ewald (58 u. 59) bestreitet die genügende
Feinheit und Zweckmässigkeit der von v. d. Vel-
den zur Auffindung freier Salzsäure in Anwendung
gezogenen Reaktionen und kann die Angaben des
Ebengenannten, dass nämlich die freie Salzsäure
bei durch Caroinom heiTorgerufener Dilatatio ven-
triculi, ja bei Magenkrebs überhaupt im Magensaft
fehlen soll [vgl. indessen (60) !], ferner dass sich im
Anfange der Verdauuug gesunder Menschen nacii
Aufnahme gemischter Nahrung keine freie Salzsämie
finden soll, endlich, dass währand der zweiten
Periode der Verdauung die diastatische Wirkung
des Speichelferments zerstört sei [vgl. oben (8 u. 9)],
nicht durchgehende bestätigen. ,
Seinen Versuchen nach hat ein typisches Fehlen
der Salzsäure beim Magenkrebsy mag derselbe mit
oder ohne Dilatation einhergehen, selbst anter Aner-
kennung der Anilinreaktion nicht statt. Unter
23 Untersuchungen von Magensaft carcinomatöser
Personen fiel die Reaktion auf Salzsäure 13 Mal
positiv, 5 Mal zweifelhaft, 5 Mal negativ aus.
Auch das constante Vorkommen von zwei Perio-
den der Magenverdauung, in deren ersterer die
Methylanilinviolett-Reaktion fehlt, in deren zweiter
sie vorhanden ist, konnte Ewald nicht nachweisen.
Die diastatische Wirkung des Speichels fand er
in saui'em, die Methylviolett - Reaktion gebendem
(salzsäurehaltigem?) Magensafte nicht aufgehoben,
sondern nur vermindert.
Den Einwänden Ewald 's gegenüber hebt von
den Velden (60) hervor, dass er ein Fehleo der
Salzsäure bei Magencarcinom im Allgemeinen nicht
behauptet, sondern nur von solchen Fällen ge-
sprochen habe, die zu Pylorusstenose ftlhren. Im
Uebrigen bleibt er bei der Ueberzeugung, dass die
von ihm zur Auffindung freier Salzsäure benutzten
Anilinfarbstofitoaktionen ihrem Zwecke vollständig
entsprechen.
Edinger (61) beobachtete — mittels dersel-
ben Methode wie v. d. Velden — das Fehlen der
freien Salzsäure in zwei Fällen van amyloider
Degeneration der MagenschleinAaut,
Uffelmann (62) benutzte zur Prüfung auf
freie Salzsäure eine amylalkoholische Lösung ven
Rothweinfarbstoff. Eine solche Lteung, welche
auch zur Herstellung eines Reagenzpapiers dienen
kann, wird von Salzsäure rosa gdäb'bt. — Auf
Milchsäure prüfte U. den Mageninhalt mit einer
Mischung von EisencUorid u. Carbolsäure, Diese
Mflller, Beiträge zur Lehre von der Verdannng.
79
ametbyBtblaiie Flüssigkeit wird von Milchsftare gelb-
grfln geftrbt.
Die an dem früher [vgl. Jahrbb. CLXXIX.
p. 130] erwähnten gastrotomirten Knaben ^) ange-
fltellteD Versnche ergaben nun, dass bei diesem in
den ersten 30 — 40 Min. nach der Mahlzeit die Um-
windloDg von £iweiss in Pepton neben derjenigen
TOD Amylnm in Dextrin und Zucker statt hatte, dass
aber in diesem Stadium mit den benutzten Methoden
freii Salzsäure nicht nachzuweisen war. Da diese
Methoden es ermöglichen, einen Gehalt von nur
7sVoo ^i>d i^<x^h weniger zu constatiren, so ist jene
Säure, wenn überhaupt, nur in der mmimalsten Menge
vorhanden gewesen.
Mitunter liess sich freie Salzsäure schon nach
45 Min., in einigen Fällen erst nach 60 Min., ein
Mal aach dann noch nicht nachweisen.
Das Ergebniss, dass freie Salzsänre erst eine
gewisse Zeit nach der Einführung von Speisen auf-
zufinden war, stimmt mit der zuerst von Leh-
mann, neuerdings von v. d. Velden [siehe oben]
gemachten Angabe überein.
Die freie Säure, welche sich bei dem Oastro-
tomirten in der ersten Zeit nach Speisezufuhr ganz
regeUnässig nachweisen liess, war Milchsäure und
mehrere Versuche machten es sehr wahrscheinlich,
dass wenigstens ein Theil dieser Milchsäure nicht
ans den eingeftlhrten Nahrungssubstanzen herstammte.
Fleischer (63) fand [wie er in einem in
Dresden gehaltenen Vortrage mittheilte] im norma-
len Magensafte keine Milchsäure. Dagegen liess
sieh die Gegenwart freier Salzsäure 2 Stdn. nach
dem Genüsse von 250 Cctmtr. Milch nachweisen.
Vorhandene chronische Katarrhe, allgemeine
Anämie, Garcinom des Magens schoben das Auf-
treten freier Salzsäure noch weiter hinaus und
mitunter fehlte in solchen Fällen die freie Säure
gänzlich.
Eine von Kietz (64) unter Leube's Leitung
ausgeführte Reihe von Versuchen führte zu folgen-
den Resultaten :
„1) Im normalen Magensaft und in den ersten
Stunden normaler Verdauung ist Milchsäure in nen-
nenswerther Menge nicht nachweisbar. Ebenso ist
das Vorkommen derselben im Mageninhalt von
Magenki*anken nicht so häufig, wie früher ange-
nommen. 2) Die Magensäure besteht aus Salz-
sänre. 3) Auf das fiHhere oder spätere Auftreten
der freien Säure im Magensaft ist neben individuellen
0 Derselbe, nunmehr 10 Jahre alt, ernährt sich noch
immer in der Weise, dass er die Speisen zerkant und sie
dann yom Monde mittels eines Schlancbes in den Magen
bringt. — Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass, wie
das Brit. med. Jonm. vom 6. Sept. 1879 (p. 381) mit-
theilt, der Kanadier mit der Magenfistel, an welchem
Beanmont ezperimentirte (vgl. Jahrbb. I. p. 58; IV.
p. 344; y. p. 5) ebenfalls noch immer am Leben ist.
1879 stand er im 79. Jahre. Die Oeflhnng in seinem
Magen betragt ungeiähr 1 Zoll. Er ist für sein Alter
^ftig und vollkommen gesnnd. Bei strenger Arbeit ist
■^ Verdannng Immer eine gnte gewesen. Ref,
Schwankungen die Qualität oder Quantität der Nah-
rung von Einfluss. 4) Das Fehlen oder Vorhanden-
Bein freier Säure, wie es v. d. Velden für die ein-
zelnen Fälle von Magenektasie angegeben, ist nicht
constant.'^
Versuche, welche Sassezki (65) an Gesunden
und Kranken über den Einfluss des Schwitzens auf
Magensaft und Harn anstellte, fahrten ihn zu
folgenden Schlusssätzen :
„1) Das Auftreten von Seh weiss vermindert die
verdauende Kraft des Magensaftes. 2) Der Säure-
grad des Magensaftes wird dabei herabgesetzt.
3) Die absolute (aus der ganzen 24stttndigen Menge
berechnete) sowohl als die relative (aus 10 Cctmtr.
berechnete) Acidität des Harns wird ebenfalls ver-
mindert. 4) Je stärker der Schweiss, in desto
höherem Maasse modificirt er die verdauende Kraft
des Magensaftes, seinen Sänregrad und denjenigen
des Harns.''
Von den Resultaten, zu welchen Görges (66)
bei einer Untersuchung über die unter physiolo-
logischen Bedingungen eintretende Alkalescenz des
Harns gelangte, seien die folgenden hervorgehoben :
„1) Nach jeder Mahlzeit, mochte dieselbe in ge-
mischter, in animalischer oder vegetabilischer Nah-
rung bestanden haben, fand eine Abnahme der Säure
des Urins statt, in der Weise, dass bei animalischer
und gemischter Kost nach 2 Stdn. die saure Reak-
tion in die alkalische überging , in der 3. bis zur
5. Stunde nach der Mahlzeit die Alkalescenz des
Urins ihren Höhepunkt erreichte, worauf derselbe
meist ziemlich schnell wieder seine saure Reaktion
bekam. Diese Säureabnahme war ceteris parlbns
nach einer gemischten Mahlzeit grösser als bei einer
aus rein animalischer Kost bestehenden. Bei ledig-
lich vegetabilischer Nahrung (excl. pflanzensaure
Alkalien) war die Abnahme der Säure, wenn auch
constant, doch nicht immer genügend, eine alkalische
Reaktion zu veranlassen.
2) Die Säureintensität des Urins war des Mor-
gens beim Erwachen am grössten, und nahm dann
von Stunde zu Stunde ab, bis sie zwischen Früh-
stQck und Mittagessen ihren niedrigsten Punkt er-
reichte.
3) Die alkalische Reaktion des Urins trat früher
ein und dauerte kürzere Zeit, wenn die Hauptmahl-
zeit zu einer frühern Stunde eingenommen wurde.
4) Die saure Reaktion des Urins wurde erhöht
durch die Einführung verdünnter Salzsäure ; wurde
dieselbe gleichzeitig mit der Mahlzeit einverleibt, so
wurde der Einfluss der Mahlzeit auf die Säui*e des
Urins so beschränkt, dass die saure Reaktion nicht
aufgehoben, aber vermindert wurde.
5) Wurden neben den Nahrungsmitteln kohlen-
saure Alkalien in den Magen eingeführt, so trat die
alkalische Reaktion des Urins früher ein, erreichte
eine grössere Intensität und dauerte längere Zeit an
als nacl) einer gewöhnlichen Mahlzeit.
6) Die alkalische Reaktion des Harns nach der
Nahrungsaufnahme wurde wahrscheinlich durch die
80
Mflller, Beiträge zur Lehre von der Verdanang.
basischen Ealkm- und Natriumphosphate, besonders
das zweibasisohe y alkalisch reagirende phosphor-
saure Natrium^ und die kohlensauren Alkalisalze^
vor Allem das kohlensaure Natrium verursacht/'
[Vgl. zu YorBtefaendein Quincke (Jahrbb. GLXIV.
p. 157), Maly (Jabrbb. CLXXIX. p. 123) und Stein
(Ibid. p. 130).]
Ralfe (67) beobachtete 12 Fälle von Dyspep-
sie, bei welchen Alkalescenz des Harnes auftrat, die
nicht von flüchtigem Alkali, sondern von kohlen-
saurem Natrium und Kalium herrührte. In vier von
diesen Fällen zeigte sich auch der Gehalt des Harns
an Brdphosphaten bedeutend gesteigert.
R. nimmt an, dass die dyspepüsohen Erschei-
nungen in diesen Fällen durch einen abnorm grossen
Gehalt des Blutes an kohlensauren Alkalien bedingt
waren. Die Erscheinungen wichen nach Verab-
reichung von verdünnter Salzsäure und von Nux
vomica.
Da man bei den üblichen Methoden, Magen-
fisteln anzulegen, nur ein Gemisch des Fundns- und
des Pylonissaftes gewinnt, noch dazu verunreinigt
durch verschluckten Speichel, Mund- und Oesopha-
gnsschleim, auch wohl durch Speisebestandtheile
und deren Verdauungsprodukte, so suchte Heiden-
hain (68 u. 69) einen Theil des Magenfundns aus-
zuschalten und zu einem nach aussen mündenden
Blindsack umzugestalten.
Der Erfolg der Operation war, obgleich eben-
falls das antiseptische Verfahren in Anwendung kam,
nicht so günsüg, wie der bei Isolimng des Pylorns
[siehe (70)] ; indessen gelang es doch, von 8 Hunden
zwei, und zwar den einen 14 Tage, den andern
über 4 Wochen lang, am Leben zu erhalten.
Die Schleimhaut des Fundus liefert ein Abson-
derungsprodukt, welches sich aus dem zähen Schleim
der Oberflächenepithelien und dem dünnfllüssigen Se-
krete der Drüsen zusammensetzt. Die Schleün-
produktion ist sehr gering. Das Sekret war stets
wasserhell, selten schwach opalescent, niemals gelb-
lich, wie Bidder u. Schmidt [Jahrbb.LXXVHI.
p. 248] ab und zu den gemischten Magensaft fan-
den. Die Reaktion war ausnahmslos stark sauer.
Der Gehalt an festen Bestandtheilen betrug im Mittel
von 42 Bestimmungen 0.45<>/o, der an freier Salz-
säure im Mittel von 36 Bestimmungen O.ö20/o.
Diese hohe Ziffer hat nichts Auffälliges. Es ist
selbstverständlich, dass reines Fundussekret stärker
sauer ist, als gemischter Magensaft, da in dem letz-
teren ein Theil der freien Säure durch das alkalische
Pylorussekret, sowie durch Mund- und Oesophagus-
Bchleim neutralisirt wird.
Eine Zunahme des Säuregehalts bei längerem
Stehen, wie sie Riebet beim gemischten (mensch-
lichen) Magensaft beobachtet haben will , vermochte
H. beim Fundussekret des Hundes nicht wahrzuneh-
men, auch dann nicht, als dem Fnudnssekret das
Pylorussekret eines andern Hundes beigemischt, so-
mit gemischter Magensaft heigestdlt wurde.
Hinsichtiich der Absonderungsbedingungen fthr-
ten die Beobachtungen zu folgenden Schlüssen:
1) Rein mechanische Reizung der Schleimhaut wirkt
nur örtlich auf die Absonderung ein. 2) Die Ab-
sonderung breitet sich aber über den Reizort auf fern
davon liegende Schleimhantpartien aus, wenn an
jenem Resorption stattfindet. Resorption von Wasser
liat nm* vorübergehenden Effekt.
Der Pepringehalt des Fundussekrets sinkt [ähn-
lich wie der des gemischten Magensaftes; vergl.
Qrützner, Jahrbb. GLXXI. p. 121] mit Beginn
der Absonderung schnell, erreicht während der 2.
Stunde den geringsten Werth, steigt dann gegen die
4. bis 5. Std., und zwar fast stets über den Anfangs-
werth hinaus und htit sich in den spätem Stunden
in der Regel auf einer nur wenig geringeren HGbe.
Was Klemensiewicz [vgl. Jahrbb. CLXXl.
p. 122] vergeblich erstrebt hatte, Hunde nach An-
legung einer Pyloruafiatel auf die Dauer am Leben
zu erhalten, ist Heidenhain (70) unter Anwen-
dung des antiseptischen Verfahrens nach Lister
in 6 Fällen 3mal gelungen.
Soweit die Thiere nicht aus andern Gründen ge-
tödtet wurden, lieferten die Fisteln ein constant
alkalisches, zäh schleimiges, glashelles, an Pepm
und an Labferment reiches, nach Zusatz von Salz-
säure Fibrin energisch verdauendes Sekret. H. hilt
hiernach die letzten Zweifel an der Pepsinbildung in
den Pylorusdrüsen für beseitigt.
Nussbaum(71) findet sich durch die Beob-
achtung von Heidenhain in der üeberzeugaog
bestärkt, dass die Belegzellen, nicht aber die Haapt-
zellen die Pepsmbildner smd , denn er fand „proto-
plasmatische'', mit Ueberosmiumsäure sich schwär-
zende, also nach N. fermenthaltige Zellen, die ihm
identisch mit Belegzellen zu sein schienen , in der
Pylorusschleimhaut auf. Ihnen schreibt er den
Pepsingehalt des Pylorussekrets zu.
Nach Grützner (72) haben indessen diesa
von Nussbaumim Pylorns entdeckten Zellen ein«
andere Gestalt als die Belegzellen. Sie haben femer
eine andere Färbung und ein ganz anderes Gefttge
als diese. Auch verhalten sie sich zu Färbeflflsslg*
keiten (Anilinfarbe) anders als Belegzellen. Ana
ihrer Lage und Gestalt glaubt Gr. schliessen zu dür-
fen, dass es sich um Hauptzellen handelt, also uai|
dieselben Zellen, wie sie in den PylomsschläucheDi
durchweg vorkommen, die sich aber in irgend einem
bestimmten physiologischen oder pathologischen —
vielleicht der Verfettung ähnlichen — Zustande be-
finden, kurz in einem Zustande, in welchem ihr Proto*
plasma stärker reducirend wirkt als gewöhnlich and.'
aich demzufolge mit Ueberosmiumsäure schw&rzt.
Gr. beharrt daher betreffs der Pepsinbereitang iQi
den Drüsen des Pylorns bei der Ansicht , datf dasj
Ferment in den untern Sohlauchabschnitten , den
Drttsenkörpem, von den daselbst befindlichen Zellen
gebildet werde.
Langendorff (73) macht Mittheihmgen Aber
von ihm angestellte experimentelle Vorstadien 20
Müller, Beiträge zur Lehre von der Verdauung.
81
dner Entsieliungsgesehiehte der Verdauungsfer-
mente.
Er untersnehte mehrere Hundert thierische und
menschliche Embryonen und Neugeborne (so allein
289Sehwein8embryonen) hinsichtlich des Vorhanden-
seins von Pepsin, Trypsin und Pankreatin (welchen
letzteren Namen er dem diastatischen Fermente des
Pankreas beilegt) und gelangte zu folgenden Ergeb-
nissen.
Die Verdauungsfermente erscheinen bei verschie-
denen Thierklassen zu sehr verschiedenen Epochen
des fötalen Lebens zum ersten Male. Während z. B.
das Pepsin bei den pflanzenfressenden Thieren
(Wiederkäuern und Nagern) und beim Menschen
dnrcbgehends bereits in sehr frühen Fötalzeiten auf-
tritt, erscheint es beim Schweine meistens erst kurz
vor der Geburt, bei Fleischfressern erst während des
extraaterinen Lebens. Trypsin tritt bei allen darauf
nntersnchten Thieren (Embryonen von Hund und
Katze wurden nicht untersticht) schon sehr früh auf.
Das Pankreatin fehlt beim neugebomen Menschen
nnd beim neugebomen Kaninchen, erscheint aber bei
Sehweinen; Ratten u. Rindein in frühester Fötalzeit.
Es zeigte sich femer , dass verschiedene Fer-
mente einer und derselben Drüse zu verschiedenen
Zeiten auftreten. Im Pankreas erscheint bald das
tryptische, bald das diastatische Ferment früher;
das eine kann schon sehr reichlich vorhanden sein,
während das andere noch gänzlich fehlt. Es wird
hierdnrch ersichtlich , dass die Bildung der verschie-
denen Fermente einer Drüse nicht ein einheitlicher
Vorgang , sondern das Resultat mehrerer neben ein-
ander einhergehender Processe ist. Ja L a n g e n -
dorff ist geneigt; anzunehmen , dass es sich gar
nicht um eine FeTmenÜildung in der Drüse selbst
handelt. Vielmehr ist es ihm wahrscheinlich , dass,
wenigstens für gewisse Fermente ; der Entstehungs-
ort ein ganz anderer, die Drüse aber nur der Ort
ihrer Anhäufung und ihrer Ausscheidung ist. Es
lässt sich nämlich zuweilen zu einer Zeit ; wo die
Banchspeicheldrflse noch keine Spur von Pankreatin
enthält, diastatisches Ferment in andern, der Ferment-
usacheidmig sonst fernstehenden Organen (Muskelo,
liQngen) nachweiflen. Aus diesen Beobachtungen
schehit, nach L.; hervorzugehen; dass wenigstens
das diastatische Ferment diffus im Embryonalkörper
entsteht und sich dt^j^ aufspeichert; um erst zu einer
spätem Fötalzeit sich auf bestimmte Organe zu con-
eentriren.
Ans einer Reihe von Albertoni (74) ange-
BteUter Versuche geht hervor, dass da$ einem Hunde
Meh Emtpriizung einer genügenden Menge guten
Pipms entzogene Blut sehr langsam und unvoll-'
hfnmen gerinnt und eine viel geringere Menge
Rififi giebt^ als das vorher entnommene Blut.
[Vgl. hierzu auch (134).]
Daas Pepsin im Blute , also in einem alkalischen
KediniD; eine Wirkung ausübt; erklärt sich dadurch;
^ das Blutserum ungeachtet der alkalischen Reak^
V«(UJahrbb, B4.m. mt.1.
tion einige saure Salze enthält (NaH3P04 und
Na Ha CO3). [Vgl. hierzu M a 1 y , Jahrbb. CLXXK.
p. 124.]
Da im Blute und in andern Eörpersäften mehr-
fach Pepsin gefunden worden ist und da die Thiere,
welchen er Pepsin einspritzte, keine Aenderung ihres
Gesundheitszustandes zeigten, so glaubt A., dass die
Wirkung der verdauenden Fermente, welche man
bis jetzt fast nur auf Magen- und Darmkanal be-
schränkt glaubte, sich vielmehr bis auf das Blut und
die Gewebe erstreckt und hier vielleicht keine un-
bedeutende Rolle bei den Processen des Stoffwechsels
spielt.
Im Gegensatze zu der Angabe von F i n k l e r ,
dass Pepsin durch Temperaturen zwischen 40<> und
70<^C. in eme (von ihm Isopepsin genannte) Modi-
fikation übergeführt werde , welche coagulirtes Ei-
weiss hauptsächlich in Parapepton, nur zum kleinern
Theile in Pepton umwandele [vgl. Jahrbb. CLXXIX.
p. 120], fand Salkowski (75) zwischen der Wir-
kung des genuinen nnd des in trocknem Zustande
3 — 4 Std. lang auf 100^ erhitzten Pepsin keinerlei
Unterschied,
Das erhitzte Ferment bildete dieselben Produkte,
wie das nicht erhitzte, nämlich Syntonin, Hemialbu-
mose (Kühne ; das durch Essigsäure und Kochsalz
filllbare Produkt der Pepsinverdauung, nach S. höchst
wahrscheinlich identisch mit dem sogenannten Bence
t7on««'schen Eiweisskörper) und Pepton, worunter
S. die durch Essigsäure und Kochsalz nicht fällbaren
Verdauungsprodukte der Eiweisskörper versteht.
Auch die Menge der gebildeten Produkte war in
beiden Fällen dieselbe.
Da methodische Untersuchungen über die Ver-
änderungen der Eiweisskörper innerhalb des Ver-
dauungsapparates selbst bis jetzt nicht vorgelegen
haben, sich vielmehr unser Wissen von dem Chemis-
mus der Verdauung hauptsächlich auf künstliche
Verdauungsversuche stützt, so suchte Schmidt-
Mülheim (76) die Verhältnisse bei der natürlichen
Eiweissverdauung innerhalb des Digesiionsappa-
rates des Hundes kennen zu lernen.
£8 wurde bei 6 Hunden , die nach Körpergewicht,
Bau , RaBse nnd Temperament moglichBt genan überein-
stimmten, der Verdannngsapparat durch 2tägi^es Hangern
von alten Futterrückstanden mögUchst zu befreien ge-
sucht; 24 Std. vor der y erabreichnng desVersuchsfatters
erhielten die Thiere je 50 Grmm. Kalbsknochen zur Ab-
grenzung des Darminhalts. Das Versuchsfutter bestand
aus bestem Pferdefleisch, welches zerkleinert und alsdanu
eine Viertelstunde hindurch gekocht wurde. Jeder Hand
erhielt davon 200 Gramm. Nach Verlanf bestimmter Zeit-
räume (nämlich 1, 2, 4, 6, 9 u. 12 Std. nach der Ffitte-
rang) tödtete man die Thiere darch Injektion von Cyan-
kaliam in den Thorax. Magen- und Darminhalt wurden
alsdann getrennt untersucht und auf ihren Gehalt an ein-
fach gelöstem Eiweiss , an Pepton nnd an ungelöstem £i-
weiss geprüft. (Das Nähere siehe im Original.) Im
Darminhalt wurde aueh aaf krystaUinische Zersetzangs-
prodakte (Leacln, Tyrosin) Rücksicht genommen.
Hinsichtlich der Magenverdauung geht aus den
mitgetheilten Versuchen hervor, dass zu dem Ablaufe
derselben eia viel grosserer Zeitraum erforderlich
11
82
Müller, Beiträge zar Lehre von der Verdauung.
ist , als man gewöhnlich annimmt. Während viel-
fach angegeben wird, das Fleisch verschwinde schon
nach 5 — 6 Std. aus dem Magen, zeigte es sich, dass
nach Verabreichung massiger Quantitäten eines Flei-
sches, dem durch tüchtiges Zerkleinem auf der
Fleischschneidemaschine und durch Kochen die leich-
teste Verdaulichkeit gegeben wurde , noch nach Ab-
lauf von 9 Std. eine nicht unbedeutende Menge un-
verdauten Futters im Magen angetroffen wurde und
dass erst nach 12 Std. der Verdauungsprocess als
vollendet betrachtet werden kann. Die Magenver-
dauung begann bald nach erfolgter Einfuhr des Fut-
ters, erreichte ihre grösste Intensität um die 2. Std.,
nahm von dieser bis gegen die 9. Std. langsam ab
und erreichte gegen die 12. Std. ihr Ende. Ueber-
raschend war die physikalische Beschaffenheit des
Mageninhalts. Derselbe war, wenigstens in den
ersten 6 Stunden der Verdauung , von so trocknei*
Beschaffenheit, dass er krümelig aus einander fiel.
Hinsichtlich der bei der Magenverdauung gebil-
deten Produkte ergab sich, dass das Pepton zu allen
Zeiten der Verdauung die einfach gelösten Eiweiss-
stoffe nicht unerheblich an Menge übertrifft, dass
aber in dem Mengenverhältnisse der beiden Eiweiss-
arten zu einander in den verschiedenen Stadien der
Verdauung wesentliche Differenzen nicht bestehen.
Die Menge der im Magen vorhandenen gelösten und
verdauten Eiweissstoffe war zu allen Zeiten der Ver-
dauung annähernd dieselbe (ungefähr 5 Grmm.),
ohne dass man bis jetzt eine Erklärung für diese Er-
scheinung zu geben im Stande wäre.
Die Versuche zeigen femer, dass die Peptonisi-
rung der Eiweisskörper schon innerhalb des Magens
in einem viel grossem Umfange erfolgt , als bisher
angenommen wurde.
Hinsichtlich der Darmverdauung erscheint be-
merkenswerth , dass der Dünndanninhalt — beim
Hunde und bei Fleischfütterang — durchgängig
saure Reaktion zeigte. Durch diesen Befund wird
die allgemeine Angabe widerlegt, dass der Znfluss
der alkalischen Verdauungssäfte des Dünndarms im
Stande sei, den in diesen Darmabschnitt übertreten-
den Massen sofort alkalische Reaktion zu verleihen.
Schm. -M. weist hierbei darauf hin, dass die
Reaktion des Danninhalts für die Einwirkung des
Bauchspeichels insofern nicht ohne Bedeutung ist,
als in alkalischen Verdauungsgemischen sehr schnell
Fäulnisserscheinungen u. krystallinische Zersetzungs-
produkte (Leucin , Tyrosin) , sowie Indol auftreten,
während bei Einwirkung eines sauren Pankreasinfases
auf die Eiweisskörper der Process den Charakter
eines reinen Verdauungsvorganges hat. Dasselbe
wird von der natürlichen Verdauung gelten.
Aber auch nach einer andern Richtung hin, sagt
S c h m. - M., erscheint die saure Reaktion des Darm-
inhalts von Bedeutung , nämlich für die Entstehung
des zähen gelben Niederschlags, den man im Dünn-
darm antrifft. Bei der Anwesenheit dieses Nieder-
schlags könne mit Sicherheit auf saure Reaktion ge-
schlossen werden. Die zähen Massen lösen sich aber
leicht, sobald die Säure abgestumpft wird, daher
finde man den Niederschlag in den allerletzten Ab-
schnitten des Dünndarms in der Regel nicht mehr.
Der Dünndannniederschlag dürfte nun ftlr die Sisti-
mng der Pepsinverdauung von der grössten Wichtig-
keit sein. Mit ihm wird das Pepsin ausgefällt und
der Möglichkeit beraubt, das pankrealasche Ei weiss-
ferment zu zerstören. Erst wenn der Qallennieder-
schlag in Folge der alkalischen Reaktion am End-
abschnitte des Dünndarms wieder in Lösung geht,
wird das Pepsin wieder frei , vermag aber keinen
Schaden mehr zu stiften , weil es in alkalischer Lö-
sung unwirksam ist.
In Betreff der Umwandlungsprodukte der EXr
weiaskörper im Darmkanal zeigte sich, dass auch
hier das Pepton am reichlichsten vertreten ist
Neben diesem fanden sich stets nicht unbeträcht-
liche Mengen einfach gelöster Eiweisskörper vor,
und zwar zeigte das Mengenverhältniss beider Sab-
stanzen zu einander nicht wesentliche Differenzen
von demjenigen , welches für den Magen festgestellt
wurde. Da nun bei der Einwirkung des pankrea-
tischen Saftes auf Eiweisskörper eineeinüacheLösnng
nicht erfolgt, so dürfte dieser Befund ein wichtiges
Zeugniss für die untergeordnete Rolle des paukrea-
tischen Saftes bei der Eiweissverdauung der Fleisch-
fresser sein und es dürfte die Annahme begründet
sein, dass bei diesen Thieren fast die ganze Eiweiss-
verdauung durch Pepsinbildung in sauerer Lösung
zu Stande kommt. Für eine solche Anschauung
spricht auch der Umstand, dass der Darm stets eine
bedeutend geringere Menge von Verdauungsprodnk-
ten enthält als der Magen und dass niemals ein
grösseres Quantum verdaubaren Futters in ihm an-
getroffen wird. — Noch sei bemerkt, dass sichLen-
cin und Tyrosin im Dünndarm nur in äusserst ge-
ringen Mengen fanden.
Die herrschende Lehre von der Eiweisgüer-
dauung im Dünndarm hat durch die Versuche von
Schm. -M. also keine Bestätigung gefunden.
Rabner (77 n. 78) stellte am Menschen eingehende
Untersuchungen fiber die seitens des Yerdauungskanals
erfolgende Ansnützong von Fleisch, Speck, Eiern, Ifileh.
Butter, Käse, Mais, Reis, Kartoffehi, Wirsing, gelben
Rfiben, Weiasbrod, Schwarzbrod, Maccaroninudehi und
Erbsen an. — Da sich in Kürze über die sehr omfiuig-
reichen Arbeiten nicht berichten ULsst, muss auf die leicht
zugänglichen Orig.-Artilcel verwiesen werden.
Kessler (79) prUfte die Verdaulichkeit der
verschiedensten animalischen und vegetabilischen
Nahrungsmittel y und zwar mittels Pepsin-Essens
von Friedr. Witte in Rostock.
Zur Verwendung kam Jedes Mal eine Menge des
Kahrnngsmittels , welche 0.76 Grmm. der Trookensnb'
stanz desselben entsprach. Die Substanz wurde fein se^
theilt, alsdann 100 Cctmtr. Wasser, 1 Cctmtr. PepshH
essenz, sowie 2 Cctmtr. 13 procentiger Salzsaare zuge-
setzt und das Gemisch bis zur erfolgten Peptonisinag
einer Temperatur von 40 ® ausgesetzt.
Bezuglich der gewonnenen Resultate muss dnrcbios
auf die Tabellen des Originals verwiesen werden.
HeiTorgehoben sei nur, „dass durch das Pep-
sin sämmtliche stickstoffhaltigen Bestandtheile der
Mflller, Beitrflge znr Lehre von der VerdaauDg.
83
nntennchten vegetabilischen Nahrnngsmittel in den
geUtoten Zustand flbergeftUirt werden können, dass
also auch derjenige Theil, welcher weder durch
Wasser noch dnrch verdünnte Säuren, noch durch
verdflante Alkalien gelöst wird, durch das Pepsin
veidaniich gemacht werden konnte.**
Ludwig (80) giebt eine Zusammenstellung
einiger der neueren Errungenschaften auf dem Ge-
biete der Verdauungslehre.
Eine Debatte über die Wirkung der alkohol-
haltigen Getränke auf die Verdauung fand in der
Pariser Gesellschaft für öffentliche und gewerbliche
Gesundheitspflege statt (81).
L e V e n sprach die Ansicht aus, dass der Mensch,
wie der Bau seines Magens zeige, von Natur Cami-
?or, nicht Omnivor sei. Er solle also so viel als
möglich Fleisch essen, dazu aber keinen Wein
trinken [doch wohl weil derselbe die Verdauung des
Fleisches hindere].
Dujardin-Beaumetz belehrte Herrn Leven
darüber, dass bei Beurtheilung des natürlichen Er-
nähmngsmodus eines Organismus nicht nur einTheil
, deaVerdauungstractus, sondern dieGesammtbeschaf-
I fenbeit des letzteren in Betracht zu ziehen ist. Er-
I fahrongsgemäss sei der Mensch auch nicht im Stande,
I aeh ausschliesslich von Fleisch zu ernähren. Was
den Weingenuss betreffe, so sei daran zu erinnern,
dass die Fleischnahrung gerade den Weingenuss
nach sich adehe, was, wie Riebet zeigte, physio-
logisch darin begründet ist, dass der Wein die
Addität des Magensaftes erhöht [vergl. Jahrbb.
CLXXIX. p. 126], also die Verdauung des Fleisches
erieichtert. Daher rühre auch die Erscheinung, dass
alle Völker , welche viel Fleisch verzehren , gleich-
zeitig viel alkoholhaltige Getränke gemessen. An-
dereiseits vermöchten Diejenigen, welche nur Vege-
tabilien ässen , lediglich mit Wasser auszukommen
and die Legumisten [so werden in Frankreich die
Vegetarianer genannt], welche den Menschen nur
mitPflanzenstoffen ernähren wollen, verführen wenig-
stens in physiologischer Beziehung ganz logisch,
wenn sie auch die alkoholhaltigen Getränke aus-
sclüiessen. Nach reichlichem Fleischgenusse aber
nnd besonders bei putrider Dyspepsie sei nach jeder
Mahlzeit ein kleines Glas Liqueur , am besten alter
Franzbranntwein zu empfehlen. Und bei Fleisch-
gennss die alkoholhaltigen Getränke ganz zu ver-
bieten, sei eben so unrichtig, als eine ausschliessliche
Fleischnahrung zu empfehlen.
Badin theilte der Oesellsohaft mit, dass er bis zu
Minem 23. oder 34. Jahre nur wenig Fleisch und so gut
wie keinen Wein genossen habe. Er war dabei oft un-
wohl ukd kränklich. Dann in einem Hospitale angestellt,
in er mehr und begann namentlich Wein zu trinken.
Von da an hatte er alltaglich und fast bestandig Magen-
Bcbmerzea, mitunter sehr lebhafte, ohne die Ursache der-
lelben aosflndig machen zu können. Im J. 1876 ging er
^ 3 Monate nach England, wo er fast nur Wasser trank
— sefaie Magenschmerzen waren vollständig verschwun-
den. Und doch arbeitete er mindestens eben so viel, wenn
bM mehr, als In Paris. Nach Frankreich zurückgekehrt,
nahm er seine alte Lebensweise wieder auf und litt von
Neuem sehr lebhaft. Im J. 1877 reiste er nach Oester-
reich und Deutschland. In Wien konnte er das Bier nicht
vertragen ; er trank daher nur Wasser — und niemals trat
der Magenschmerz auf, eben so wenig wie später in Sachsen
und Preussen. Wieder in Paris angekommen, hütet er
sich nun auch da, Wein zu trinken und befindet sich fort-
während sehr wohl, bei sehr thätigem Leben und reich-
lichem Fleischgenuss. Wenn er gegenwärtig ausnahms-
weise bei einem Diner mehr als ein kleines Glas voll
Wein trinkt, so kann er mit Sicherheit darauf rechnen,
den Tag darauf in der alten Weise zu leiden.
Dagegen nimmt er jetzt nach jeder Hauptmahl-
zeit ein Qlas Cognac ; unterlässt er diess, so stockt
die Verdauung (ne se fait pas). B. findet in letzte-
rer Thatsache eine Bestätigung für die Richtigkeit
der Ansicht von Dujardin-Beaumetz über die
Beziehung zwischen Fleisch- und Alkoholgenuss.
Vulpian (82) und Mourrut (83) fanden,
dass Alkohol die Pepsinwirkiing aufhebt oder min-
destens verzögert, selbst wenn der procentische Ge-
halt des Verdauungsgemisches geringer als der von
Bordeaux- oder Burgunderwein ist. Mourrut be-
obachtete auch einen verlangsamenden Einfluss des
Alkohol auf die Wirkung der Diastase und des
Pankreatin.
Leven, Petit u. S6merie (84) gaben zwei
Hunden je 200 6rmm. gekochtes Fleisch und dem
einen (Hund I) 75 Grmm., dem andern (Hund U)
25 Ormm. Branntwein,
Nach 53/4 Std. wurden die Thiere getödtet.
Bei Hund I war das Fleisch nicht angegri£fen. Mit
destill. Wasser behandelt gab es kein Eiweiss ab
und ertheilte dem Wasser keine saure Reaktion —
der Verdauungsprocess war vollkommen gehemmt.
Bei Hund II fanden sich im Magen noch 50
Grmm. feinzertheilter Rückstand , der, mit Wasser
behandelt, dasselbe stark sauer machte und sich fast
vollständig darin auflöste — die Verdauung kann so-
mit als eine vollkommene bezeichnet werden.
Auch bei einem dritten Hunde, dem 300 Grmm.
Wein gegeben worden waren , zeigte sich die Ver-
dauung weit vorgeschritten. In geringer Menge
schien Alkohol also die Verdauung nicht zu hindern.
Fleischer (63) fand, dass im Verdanungs-
ofen ein Zusatz von 1 — 3^/q Alkohol die Eiweiss-
verdauung nicht beeinträchtigte. Von b^Q an trat
eine Verlangsamung derselben ein, bei 14<^/o hörte
sie auf. Bier (Erlanger, das [am Erzeugungsorte,
wo F 1. experimentirte] etwa 3 — 4®/o Alkohol ent-
hält), sowie mittelstarke Weine hinderten im Ver-
dauungeofen gleichfalls die Verdauung. Hier ist es
also nicht der Alkohol, sondern ein anderer Stoff,
der hindernd einwirkte , im Weine vielleicht unter
Anderem die Gerbsäure. Aus weiteren Versuchen
ergab sich, dass bei allen gesunden Mägen Bier
oder Wein, in nicht zu grossen Quj&titäten ge-
nossen, keine Verlangsamung der Verdauung be-
wirkten, wohl deshalb, weil diese Flüssigkeiten
durch die Magengeftsse schnell resorbirt werden.
Henninger (85 u. 86) giebt einen Ueber-
blick über die chemische Geschichte der Peptone,
84
Müller, Beiträge zur Lehre von der Verdaausg.
bespriofat die DarstelluDg der letzteren, und macht
Mittheilungen über von ihm ausgeführte Analysen
von Peptonen verschiedener Herkunft, über salz-
ai'tige Verbindungen der Peptone, sowie über re-
gressive Umwandlung des Fibrin-Pepton.
Um die Peptone zum Zwecke der Elementar-
analyse möglichst aschefrei herzustellen, verwandte
H. zur Verdauung der Eiweisskörper Schwefelsäure
(die durch Baryt leicht entfernt wird). Diese Säure
ist zwar weniger wirksam, als Salzsäure, abei* durch
Verdoppelung oder Verdreifachung der Digestions-
zeit lässt sich die geringe Intensität der Wirkung aus-
gleichen.
Die Peptone, und zwarFibrinpepton, Albnminpeptoii
and Caseinpepton , wurden bei 110<* bis zur Gewichts-
ooDBtanz getrocknet. Die Verbrennungen erfolgten im
Sauerstoffstrom und anter Verwendung von Kapferoxyd,
chromsaurem Blei and metailischem Kupfer.
Es ergab sich folgende procentiBche Zosammen-
Setzung der aschefreien Peptone :
C H N
irshr5««o«t«« i 51.58 7.02 16.66
Fibnnpepton | ^^^^ ^^g _
Aih««;««o«f«« ) Ö2.31 7.05 16.38
Albummpepton | ^^.26 7.01 -
Caseinpepton 52.13 6.98 16.14
Diese Zahlen zeigen , dass die Peptone sich in
ihrer elementaren Zusammensetzung zwar den £i-
weisskörpern sehr nahem, sich aber durch einen um
0.5 — l^/o geringeren Gehalt an Kohlenstoff von
ihnen unterscheiden. Auch der Stickstoffgehalt ist
etwas geringer.
Auf Grund seiner analytischen Befunde hält
H., wie Kossei und Hoppe-Seyler [vergl.
Jahrbb. CLXXII. p. 231 und (1) p. 227] den
Vorgang bei der Umwandlung der Eiweisskörper in
Peptone für eine Hydratation und in der That ge^
lang es ihm andererseits, durch Yr2Ja»^Tentziehende
Substanzen (Phosphorsäui^eanhydrid , Phosphoroxy-
Chlorid, Essigsäureanhydrid) Fibrinpepton in einen
Körper zurückzuverwandeln, der fast alle Eigen'
Schäften des Syntonin zeigt,
H. schliesst seine Arbeit mit folgenden Sätzen :
^1) Den verschiedenen Eiweisssubstanzen ent-
sprechen verschiedene Peptone, die sehr ähnliche
Eigenschaften besitzen und eine Gruppe ziemlich
gut charakterisirter Körper bilden.
2) Ihrer Zusammensetzung und ihren Eigen-
schaften nach stellen sich die Peptone als Eiweiss-
snbstanzen dar, die durch chemische Einfügung von
Wasser (Hydratation) modificirt sind; sie besitzen
die Eigenschaften der Amidosäuren [d. h. sie ver-
einigen sich sowohl mit Säuren als auch mit Basen].
3) Umgekehrt kann man Fibrinpepton durch
Entziehung der Elemente des Wassers (Deshydra-
tation) in einen Körper «umwandeln , dessen Reak-
tionen denen der Eiweisssubstanzen sehr ähnlich
sind."
Hofmeister (87) beobachtete ebenfalls eine
Ruckbildung von Pepton in Eitoeiss.
Erhitzte er trockenes, bis auf eine kleine Menge
Chloride von fremden Beimengungen freies Fibrin-
pepton einige Stunden auf 140^ oder kflnere Zeit
auf 160 — 170<>, so wurde es unter Bräunnng und
Entwicklung alkalischer Dämpfe zum Theil in eiweias-
ähnliche Substanzen umgewandelt. Kaltes Wasser
löste einen grossen Theil des Produktes auf, wäh-
rend ein flockiger Rückstand zurflckblieb, weldur
die Reaktionen des frisch gefällten Protein zeigte.
Kossei (88), der im Pepton einen am ca. 2<^/|
niedrigeren Kohlenstoffgehalt gefunden hatte aU
Henninger, erklärt sich diese Verschiedenheit
durch die Annahme, ^dass das Pepsin auf die an-
fangs entstandenen Produkte [die Henninger
analysirt haben möge] weiter einwirke und dass die
Zusammensetzung der Verdanungsprodokte von der
Stärke der Pepsinwirkang abhängt.**
Maly (89), der schon 1874 ähnliche Zahlen
wie Henninger gefunden hatte, bestreitet die
Statthaftigkeit dieser Erklärung und stellt in Ab-
rede, dass Kossei nach der Art, wie er seine Pep-
tone bereitete (mittels Schweinsmagen-Infus), reine
Substanzen unter den Händen gehabt haben könne.
Kossei (90) vertheidigt aber die Anwendung
von Magenschleimhaut-Infns zur Herstellung von
Pepton , weil dasselbe kräftiger wirke als gereinigte
Fermentlösung, und betrachtet als nunmehr fest-
stehend, dass Pepton aus Eiweiss unter Wasser-
aufnähme entstehe , aber kein Eiweiss sei [während
Maly das Pepton als ein nicht fällbares Eiweifls
auffasst].
Adamkiewicz (90) versteht unter Pepton
das erste Produkt einer wahren Verdauung, eine
in der Kälte durch die bekannten Fällnngsmittel
des Eiweisses ebenfalls fällbare Snbstans , während
der gewöhnlich Pepton genannte unfäübare Körper
erst in dem zweiten Stadium einer künstlichen Ver-
dauung sich bilde [vgl. auch Jahrbb. GLXXIX.
p. 127]. Er sachte nun festzustellen, ob dieses
filllbare [nicht mit Syntonin zu verwechselnde] Pro-
dukt derEiweissverdanungein erstens zur Resorption
und zweitens zur Ernährung der Glewebe geeignetes
Material ist.
Schon mehrere Forscher hatten, im Gegensatze
zu der von Funke herrührenden Angabe, dass dss
Pepton ein sehr diffusibler Körper sei, die Beobach-
tung gemacht, dass dasDifTusionsvermögen der nicht
fällbaren Produkte der Eiweissverdauung keineswegs
ein sehr bedeutendes sei. Das fällbare Produkt
der Eiweisskörper besitzt aber selbst nicht den ge-
ringsten Grad von Diffnsibilität, weil es sogar dareh
Wasser gefällt wird. Trotzdem zeigte sich bei Ver-
suchen am Hunde , und zwar durch den Gang der
Indolbildung , resp. der Indtean- und Hamstoffans*
Scheidung 1) nach Fütterung mit Leim, dann mit
Pepton und hierauf mit Fleisch , dass das fäUbare
Pepton mit Leichtigkeit resorbirt toird, während
das unveränderte Eiweiss nur schwer der Resorption
anheimfällt. Nun war das zu den Versuchen ver-
0 Ueber die Beziehungen swiflchea Indol tl Indieu
vgl. Jahrbb. CLXXIV. p. 134 u. 135.
Müller, Beiträge zur Lehre von der Verdaaung.
35
wandte Pepton ein ganz indiffdsibler Stoff. „Folg-
Uck steht die IHffusibilität des verdauten Albumin
zur Resorption desselben vom Darm aus in keiner
Beziehung**.
Dass das fiUlbare nnd indiflfiisible Verdauungs-
prodakt der Eiweisskörper die Eigenschaft besitzt,
die Ernähmng und das Wachsthum der Gewebe zu
unterhalten, hatte A. schon früher gezeigt. Neuere
Pfl^rongsversuche am Hunde und Ernährungsver-
ssehe beim Menschen mittels Peptonklystiren bestätig-
ten diese seine Fähigkeit.
Mach allen diesen Ergebnissen betrachtet es
Adamkiewicz als sichergestellt, dass „das fäll-
bare Produkt der Eiweissverdauung alle Quali'
täten eines wahren Pepton besitzt*'.
Da bei der Darstellung von Pepton mittels
Alkoholfällnng vielleicht noch andere Stoffe nieder-
geschlagen werden, welche die Reaktionen beein-
flussen können, so bediente sich Pekelharing
(92 u. 93) zur Abscheidung des Pepton aus der Ver-
dauangsflüssigkeit einer Methode, welche darauf be-
robt, dass die genannte Substanz bei saurer Reaktion
Ib der Kälte durch Mittelsalze aus ihrer Lösung ge-
flUit wird, bei Erwärmung aber sich wieder löst.
(Die Einzelheiten des Verfahrens sehe man im Ori-
ginale ein.)
Da die gewonnene Substanz, von vollkommen
neatraler Reaktion, mit Hülfe eines Minimum von
Salz sich in heissem Wasser zu einer völlig klaren
Flflssigkeit löst, aus der sie bei Abkühlung wieder
zam grössten Theile niederfsilit , und da sie mit
Essigsäure und 4proc. Kochsalz in der Hitze keine
Spur von Trübung zeigt, so bezweifelt P. nicht,
dass sie ein ganz eiweissfreies Pepton ist.
Zwischen dem aus Rindsfibrin und dem aus
Hfihnereiweiss erzeugten Pepton konnte P. irgend
welche Differenzen nicht auffinden, namentlich auch
nicht hinsichtlich des optischen Drehungsvermögens.
In einer Untersuchung über die Schicksale des
Pepton im Organismus theilt Schmidt-Mül-
heim (94) unter Anderem eine coloriraetrische Me-
thode zur quantitativen Bestimmung des Pepton^)
niit. (Näheres hierüber siehe im Original.)
In dem von Witte in den Haiulcl gebrachten
Peptonum siecum fand Schm.-M. einen (schon
vonBenceJones gekannten) Ei weisskörper, der
doich einen Zusatz von Salpetersäure in der Kälte
ansfUlt, sich — im Gegensatze zu Syntonin — beim
Erhitzen mit dieser Säure löst nnd beim Erkalten
wieder unlöslich wird. Schm.-M. nennt diesen
Körper , der im Anfange jeder Pepsinverdauung in
reichlicher Menge anzuti-effen ist, Propepton.
Verschiedene von Schm.-M. ausgeführte Blut-
0 Schm.-M. versteht unter Pepton einen Körper,
dessen Lösmig weder dmcb Salpetersäure, noch durch
Zusatz von Essigsäure und Blutlaugensalz getrübt wird,
Qid dem , wenn er in trockenem Znetande auf 100<> C.
erhitst wird , die Beaktmen des Albumin wieder ertheüt
worden k5nnen«
analysen zeigten, dass das Blut nüchterner Thiere
(Hunde) kein Pepton enthöbt.
Es wurde nun Hunden, die mehrere Tage nichts
zu fressen erhalten hatten, eine vorzugsweise eiweiss-
haltige Nahrung gegeben. Nachdem sie diese ge-
fressen, wurden beide Ductus Hioraciei unterbtm"
den und einige Stunden nachher ein Aderlass vor-
genommen. In zwei auf die angegebene Weise an-
gestellten Versuchen fand sich in dem Blute Pepton
vor, weshalb man als bewiesen ansehen darf, dass
die Blutgefässe aus dem Darminhalte Pepton auf-
zunehmen vermögen.
Dagegen Hess sich weder in der ans dem Duct.
thorac. ausgeflossenen, noch in der durch Lymph-
stauung in die Bauchhöhle getretenen Flüssigkeit
Pepton auffinden, obwohl die milchweisse Farbe des
Chylus den Beweis lieferte, dass er ans einem in
Verdauung begriffenen Darme abfloss, und obgleich
im Blute des Thieres Pepton vorhanden war.
Ob der in den Chylus flbergegangene Theil des
Pepton dort rascher als im Blute umgewandelt oder
ob das Pepton unter Vermeidung der Lymphwege
allein durch die Blutgefässe aufgesaugt wird , Hess
sich nicht mit Sicherheit entscheiden.
Da bei der PiHfung des Blutes der Art. carotis
und der V. portarum auf den Peptongebalt sich
theils ergab, dass die Peptonprocente der beiden
Blutarten nur innerhalb der Fehlergrenzen von ein-
ander verschieden sind , theils , dass in keiner der
beiden Blutai*ten Peptonreaktion vorhanden war,
so scheint das Pepton fast augenbHokHch mit seinem
Eintritte in das Blut um seine charakteristische
Reaktion gebracht, also in einen andern Körper um-
gewandelt zu werden.
Schm.-M. beobachtete femer eine eigenthüm-
Hche Wirkung des Pepton auf das lebende Blut.
Wurden einem Hunde auf je 1 Kilo seines Kör-
pergewichts 0.3 — 0.6 Grmm. Pepton in das Blut
injicirt, so erhielt das letztere im Verlaufe von einer
Minute die Eigenschaft , auch ausserhalb der leben-
den Gefi&sse flüssig zu bleiben. Diese Eigenschaft
bewahrt das lebendige Blut nach voUzogener Ein-
spritzung mindestens ^/s Std., öfter auch über 1 Std.
lang, selbst wenn kein Pepton mehr darin nachweis-
bar ist.
Dass hierbei nicht an eine Verunreinigung des
Pepton mit Verdauungsfermenten zu denken ist,
welche letztere eine ähnliche Veränderung des Blutes
herbeiführen können [s. Albertoni (74 u. 134)],
geht daraus hervor, dass das Pepton auch dann die-
selbe Wirkung ausübte, wenn es wiederholt gekocht
war.
Adamkiewicz (95) erklärt Schmidt-Mül-
heim's Propepton [s. oben] ftlr identisch mit dem,
was er (A d.) Pepton nennt. [Vgl. hierzu Jahrbb.
CLXXIX. p. 127.]
Schmidt-Mülheim (98) dagegen hält seine
Ansicht aufrecht, dass der von ihm untersuchte Kör-
per eine Mittelstufe zwischen Pepton und Eiweiss
einnimmt, und theilt mit, dass es ihm gelungen ist.
86
Müller, Beiträge zur Lehre von der Verdanung.
nach einem ungemein einfachen Verfahren das Pro-
pepton krystaliinisch darzustellen.
Das reine Propepton besitzt nämlich basische
Eigenschaften und verbindet sich mit der Salpeter-
säure zu krystallisirbaren Verbindungen. Die Kry-
stalle sind mehr oder weniger kubisch und völlig
durchsichtig. Sie besitzen nicht selten einen Durch-
messer von . mehr als 1 Mmtr. und enthalten nur
äusserst minimale Spuren von Asche. Man kann
aus ihnen durch geeignete Mittel mit Leichtigkeit das
Propepton abscheiden.
Auch Albertoni (97) hat gefunden, dass
Peptone, in das Blut des Hundes gespritzt, dasselbe
un^erinnbar machen. Beim Kaninchen dagegen war
die Wirkung unbedeutend.
UeberdieUntersnchimgen von Ewald (98) fiber die
Wirksamkeit künstlicher Verdauungspräparate ist bereits
an anderer Stelle berichtet worden (Jahrbb. CLXXXVI.
p. 229).
Auch Dowdesnell (99) nndLees (100) prüften
verBchiedene (meist englische) Pepsinpräparate. Die
Mehrzahl derselben zeigte energische Wirkung.
86 e (101) theilt Resultate mit, die bei Prüfung fran-
zösischer Pepsinsorten erhalten wurden. Die Präparate
erwiesen sich meist wirksam.
[lieber die Prnftmgsmethode und die Wirksamkeit
von Pepsinpräparaten vgl. auch Jahrbb. CLXIX. p. 234.]
Chapoteaut (102) unterwirft die verschie-
denen Methoden y Fleischpepton herzustellen , einer
kurzen kritischen Betrachtung.
Zur Umwandlung des Fleisches in Pepton kön-
nen drei Substanzen in Anwendung kommen : Pan-
kreatin, der Saft von Carica Papaya [vgl. Jahrbb.
CXC. p. 8] und Pepsin. Man erhält je nachdem
Fankreatinpepton , Papainpepton , Pepsinpepton.
Das Pankreatinpepton wird hergestellt, indem
man Pankreas vom Schweine unter Zusatz von sehr
verdünnter Salzsäure oder Milchsäure bei 30^ oder
AO^ auf Fleisch einwirken lässt. Diese Methode er-
fordert beträchtliche Mengen Pankreas und führt
dennoch nur zu partieller Verdauung. Die Operation
darf nicht lange fortgesetzt werden , weil sonst Zer-
setzung eintritt, die sich durch Entbindung von SH^
kundgiebt. Hierzu kommt, dass das Pankreas vom
Schweine sich sehr schwer aufbewahren lässt , dass
es leicht einen ekelerregenden Genich bekommt, der
sich den Peptonen mittheilt, und dass diese letztem,
auch wenn eigentliche Fäulniss nicht aufgetreten
war, einen unangenehmen Geschmack haben und
leicht der Zersetzung unterliegen.
Die Papainpeptone werden dargestellt mittels
des aus dem Stamme, den Blättern und den Früch-
ten der Carica Papaya gewonnenen Saftes. Der-
selbe bildet eine ölige Substanz von unangenehmem,
sehr lange haftendem Geruch und Geschmack. Die
lösende Kraft des Papayasaftes ist sehr schwach ;
man braucht 25 Otgrmm. bis 1 Grmm. , um
10 Ctgrmm. Fleisch in Pepton zu verwandeln. Nach
der Operation giebt die Flüssigkeit mit Salpeter-
säure beständig einen Niederschlag — ein Beweis,
dass das Fleisch wohl mehr oder weniger umgewan-
delt, aber nicht vollständig verdaut worden ist
Weit bessere Resultate erhält man mit Pepsin^
daher Chapoteaut fiir die Praxis nor sein Pepmn-
pepton zu empfehlen vermag. Er stellt ein Pepön
dar, welches die 15 — ISOOfache Fibrinmenge ver-
daut, und verwendet dasselbe zur Fleischverdanimg.
Das so gewonnene Verdauungsprodukt bildet bk
15® eine gallertige Masse, die sich bei 35® ver-
flüssigt nnd die Reaktionen der Peptone zdgi. Die
gut haltbare Masse reagirt neutral, besitzt einen an-
genehmen Geschmack und ist leioht assimiliibar.
Ein Kaffeelöffel voll dieser yfiomerve de peptom
de Chapoteaui^^ entspricht 20 Grmm. vom besten
Rindfleisch. Die Masse kann auch in Wein (Lunel
oder Frontignac) verabreicht werden.
Mit Rücksicht darauf, dass Demarquay bei
Hunden, welche Fleisch mit einem Znsatze von
Kalkphosphat erhielten, besseres Aussehen und leb-
liafteren Stoffwechsel (reichlichere Harnstoffausscbei-
dung) beobachtete, als bei Hunden, welche nur
Fleisch erhielten, empfiehlt Laprade (103) ein
von Bayard hergestelltes Phosphaipepton j —
„ein vollkommenes, direkt assimilirbares Nährmittel
und gleichzeitig ein unvergleichliches Eupeptikam":
Dasselbe wird in altem Malaga gegeben.
Sanders (104) empfiehlt sieh mit folgenden Pii-
paraten:
1) Fleischpepton; es entspricht ungefähr der drei-
fachen Menge Muakelfleiseh. 2) Brodpepton; es ent-
spricht ungeföhr der dreifachen Menge Weizenbrot
3) Fleisch' Brod- Pepton \ V4 Kilo entspricht nngefihr
Va Kilo Fleisch nnd »/«Kilo Brod. 4) Pepton-Syrvp ; wird
dargestellt durch Verdauang des Fleisches zugleich mit
Honig und etwas Citronensaffc. 5) Pepton -Chokolade,
Dieselbe enthält auf ehien Theil Cacao zwei Theiie des
reinen Fleischpepton.
Ueber den Emährungswerth der Peptone liegt
eine grössere Reihe von Beobachtungen vor.
Catillon (105) prüfte die Wirkung der Pep-
tonzufuhr an sich selbst und an zwei Hunden.
Es zeigte sich, dass bei ihm die ausgeschiedene
Menge von Harnstoff proportional der. Zufuhr von
Pepton stieg, mochte letzteres durch den Mund oder
durch das Rectum eingeführt werden. [Die Zablen-
nachweise siehe in der Tabelle des Original.] Bei
Zufuhr durch das Rectum erwies sich die Harnstoff-
menge noch grösser als bei Zufuhr durch den Mund.
Das Körpergewicht vermehrte sich unter dem Ein-
fluss der Peptonnahrang. Täglich 160 Grmm. ge-
sättigte Fleischpepton-Lösung genügen nach C, nm
einen Erwachsenen zu erhalten.
Bei Hunden bedurfte es verhältnissmässig viel
grösserer Peptonmengen , um sie genflgend zu er-
nähren.
Raymond (106) ernährte einen Mann, der im Älter
von 38 Jahren wegen atoniscfaer Dyspepsie (mit Magen-
saftmangel) in seme Behandlung kam and weder feste
Nahrung, noch Milch oder andere Flüssigkeiten bei sich
behielt, zwei Jahre lang ausschliesslich [? Ref.] mit tag*
lieh 125 Qrmm. Fleischpepton (von Defresne), wis
250 Grmm. Fleisch entsprechen soll. Pat. kam dabei n
Kräften nnd Wohlbeleibtheit.
Eine 56jähr. Fran war von B. zur Zeit seüies Be-
richtes bereits 4 Monate lang mit bestem Erfolge diveii
Peptonklystire (2mal tSglich 45Grmm.) emihrt worden.
Müll er y Beiträge zur Lehre von der Verdauung«
87
Aoeh Bergeron (107) and Defresne (108) er-
Belten gute Erfolge mit Peptonverabreichang. Gatil-
Ion (109) bemäkelt aUerdings die Zahlenangaben des
LetrtereD. [Es mnss hierbei bemerkt werden, dass beide
letztgenannten Pharmaceaten Conknrrenten sind , indem
Beide Peptonprüparate in den Handel bringen. Jeder
experimentlrte natürlich mit seinem Präparate.] De-
fresne (110) bleibt die Antwort nicht schuldig, nichts-
destoweniger verharrt Catillon (111) bei seiner Mei-
BBOg. Es mnss dem specieUen Interesse überlassen
Meil>en, die Originalarbeiten einzusehen.
S^e (112) konnte in mehreren Fällen von Dys-
pepsie und Magenkrebs eine genügende Ernährung
dareh Peptone nicht erzielen.
Zahlreiche Arbeiten behandeln die Verdanungs-
Toigftnge bei höheren und niederen Thieren.
Wildt (113) hält seine Ansicht von der Nicht-
wimiUrbarkeit der Kiesehävre im Darmkanale
des Schafes aufrecht^ stellt auch weitere Versuche
io Aussicht.
Er bezeichnet die früher erwähnte Kritik von
Wilekens [vgl. Jahrbb. CLXXIX. p. 131] als auf fal-
leheD Berechnnngsweisen nnd Trugschlüssen beruhend
nd sncbt hierfür den Nachweis zu führen.
Wilekens (114) findet seine Kritik durch die eben
erwähnte Antikritik nicht entkräftet, in Folge dessen sich
Wildt (115) zu einer nochmaligen Bemerkung veranlasst
iielit. — Die genannten Autoren beabsichtigen, ihren Streit
Bim in landwirthschaftUchen Journalen zum Anstrag zu
Mögen.
Riebet (116) bestätigte von Heuern, dass
uch der Magensaft der Fische^ der eine schleimige,
mit Wasser schwer mischbare Masse bildet , Salz-
sänre enthält, und zwar in Verbindung mit einer
organischen Substanz (Tyrosin, Leucin und vielleicht
andern ähnlichen Körpern).
In Gemeinschaft mit Mourrut untersuchte
Riebet (117) das Verhalten des Magensaftes beim
Seeteufel oder Angler {Lophius piacatoriua) und
bei verschiedenen Haifisch- (/So^/Ztum*) Arten.
Es fanden sich bei diesen Thieren beträchtliche
graduelle Unterschiede hinsichtlich der Verdaunngs-
baft (d. h. also hinsichtlich des Pepsingehalts) der
äefaieimhaut. Während 6 Grmm. Magenschleimhaut
»oes Scyllinm 6 Grmm. Fibrin in einigen Stunden
mit Leichtigkeit verdauten, so bewältigten 40 Grmm.
der Mucosa des Seeteufels [der bekanntlich ebenfalls
ein Raubfisch ist] auch bei genügender Ansäuerung
kanm 3 Grmm. Fibrin. So oft und unter so ver-
lehiedenen Bedingungen dieser Versuch angestellt
wurde, das Resultat war immer dasselbe.
DieAdditätdesMagensaftes der Fische schwankte
zwischen 6 und 15<>/oo* Mit Wasser verdünnt nnd
fiitrirt war er viel weniger wirksam, als vorher. Es
Bebeint, dass das Pepsin das Filter nicht passiren
^nnn. Vielleicht ist das Ferment nicht in gelöstem
Zustande vorhanden, sondern in Drüsenzellen ein-
gesebloasen, die sich nicht vollkonunen zertheilt
Temperatitferhöhung steigert die Wirksamkeit
des Magensaftes, indessen wird Fibrin schon bei ver-
hUtnisamäsfflg niedrigen Temperaturen (12<^ C.) in
P^n umgewandelt. Ein kräftigee Pepsinpräparot
vom Schwein Hess bei dieser Temperatur keine deut-
liche Wirkung erkennen. Ein Vergleich zwischen
dem Magensafte der genannten Fischarten mit dem
vom Hunde zeigte, dass bei 40^ der Magensaft des
Hundes, bei 32^ der der Fische der wirksamere
war. [Vgl. hierzu die Beobachtungen von Hoppe-
S e y 1 e r , Jahrbb. GLXXIX. p. 1 33.] Auf Stärke-
mehl wirkte der Magensaft der Fische nicht
[An dieser SteUe sei bemerlct, dass die frfiher (Jahrbb.
CLXXIX. p. 126) erwähnten eingehenden Untersuchungen
von Riebet (118) über den Magensaft des Menschen und
der Thiere später auch separat erschienen sind, also leicht
durch den Buchhandel bezogen werden können.]
Nach Krukenberg (119) sind wir berech-
tigt, bei den Fhchen die sog. Leber, ein oberfläch-
lich als einheitlich ei'scheinendes Drüsenorgan, als
2:11^^' Organe zu betrachten. Das complicirt zu-
sammengesetzte Sekret dieser Drüse stammt aus
funktionell verschiedenen Zellen. Was als Leber
bezeichnet wurde, ist Leber und Pankreas zugleich,
es ist ein Hepatopankreaa,
Entgegen der auf grob anatomische Befunde sich
stützenden Ansicht, dass Machen (und Wassersäuge-
thieren) die Speicheldrüsen vollständig fehlen, fand
Kr., dass sich aus der Mundschleimhaut von Cypri--
nus ^mca [Schleie] \iiidLeuciscusfnelanotus[k[9iXidi\
ein kräftig wirkendes diastatisches Enzym durch
Wasser extrahiren lässt. — Wie es sich mit den
Wassersäugem in dieser Beziehung verhält, müssen
fernere Untersuchungen lehren.
Krukenberg und Haller (120) waren in
der Lage, ein im Meerbusen von Triest gefangenes
Exemplar eines ausserordentlich seltenen Fisches,
des Luvarns imperiaUs Raf,, wie im Allgemeinen,
so auch hinsichtlich der Verdauungsorgane zu unter-
suchen.
Bei diesem den Thunfischen nahe stehenden
Thiere ragen mächtige, bis 1.5 Zoll lange nnd fast
fingerdicke Zotten von der Wandung in den Magen-
raum hinein. — Der Mageninhalt besass eine stark
sauere Reaktion und lieferte mit Olycerin verrieben
ein äusserst kräftig peptisch wirkendes Filtrat.
Dieses verdaute in 0.2 procentiger Salzsäure rohes
und gekochtes Fibrin bei 38 — 40^ C. in wenigen
Minuten , unter Bildung von Peptonen, und besass
keine Eigenschaften, welche an einen Unterschied
zwischen dem Pepsin der Fische und dem der Warm-
blüter denken Hessen.
Beiläufig bemerkt Krukenberg (der den
physiologisch -chemischen Theil der Arbeit über-
nommen hatte), dass die Angaben von Riebet und
Mourrut hinsichtlich der versclüedenen Wirksam-
keit der Magensäfte verschiedener Thierspecies bei
verschiedenen Temperaturen [siehe oben (117)] sei-
nen Erfahrungen nach unrichtig seien ; vielmehr sei
bei allen Vertebraten die verdauende Kraft des
Magensaflies bei 40^ am gr(issten und verringere
sich bei allen Species proportional der sinkenden
Temperatur.
Der Glycerinauszug der Magenschleimhaut von
Luvarus erwies sich frei von diastatischem und frei
88
Müller, Beiträge zur Lehre vod der Verdauung.
von tryptiBchem Enzym, denn gekochte Stärke er-
fuhr keine Umwandlung in Zucker und rohes Fibrin
wurde bei neutraler oder alkalischer Reaktion nicht
verdaut.
Die Leber von Luvams weicht von dem Ver-
halten dieses Organes bei anderen Fischen msofem
bemerkenswerth ab, als sie eine echte Leber ist,
während die sogenannte „Leber'^ vieler anderer
Fische ein Hepatopankreas darstellt.
Der Darminhalt von Luvarus reagirte stark
alkalisch und löste, filtni*t, bei 40^ C. rohes und ge-
kochtes Fibrin sehr rasch auf. Er enthält demnach
Trypsin, als dessen Bildungsstätte die Schleimhaut
des Mitteldarms anzusehen sein wird. Peptische
Wirkung fehlte dem Darmsafte gänzlich. Wohl
aber enthielt derselbe ausser Trypsin ein diasta-
tisches Ferment in reichlicher Menge.
Krukenberg hatte bereits in einer früher
[Jahrbb. CLXXIX. p. 133] erwähnten Arbeit die
Beobachtung mitgetheilt, dass beim Fluaskrebse
(Astacus fluviatilis) und ebenso bei noch anderen
Arthropoden sowohl der Auszag der sog. „Leber^^,
als auch das natürliche Sekret dieses Organs zwei
eiweissverdauende Enzyme enthält, ein tryptisches
und ein peptisches.
Der Genannte giebt nun (121) weitere hierher-
gehörige Thatsachen bekannt, von denen nur die
folgende hervorgehoben sei. Beim Hummer (Ho-
marus vulgaris), bei welchem das tryptische Enzym
der Leber sehr zurücktritt, zeigt das peptische
Enzym — von Erukenberg Homaropepnn ge-
nannt — die Eigenthümlichkeit, dass es in 0.2proc.
Salzsäure rohes Fibrin auf das Schnellste verdaut,
während es gekoehtes Fibrin ganz unverändert lässt.
Es kann hiernach kein Zweifel sein, dass das Pep-
sin des Hummers (und ebenso das aller übrigen bis
jetzt untersuchten Arthropoden) von dem echten
Pepsin wesentlich verschieden ist, da letzteres auch
gekochtes Fibrin in kurzer Zeit verdaut.
Weber (122) fand in der Mitteldarmdrüse der
OruBtaceen, der sog. Leber, „Fermentzellen^^ und
„Leberzellen^^, betrachtet die Drüse daher als ein
doppelt funktionirendes Organ und schlägt auch für
sie den [zuerst von Krukenberg (119) ge-
brauchten] Namen Hepatopankreas vor.
Krak6nberg(119) giebt auch Mittheilnngen über
die Verdanungsvorgange beim Regenwurm (Lambricus
terrestris), bei verschiedenen Insekten (Periplaneta s.
Blatta orientaUs , Hydrophtlns piceus), sowie bei einigen
I\ibnonaten and Cepkalopoden.
Hier sei nur hervorgehoben, dass sich in den
sogenannten Lebern einiger Mollusken (z. B. Myülus
edulis , Miessmnschel) ein peptisches Enzym findet,
welches durch 2proc. Oxalsäure in kurzer Zeit (nach
2 — 3 Std.) zerstört wird , während das Pepsin der
Vertebraten selbst durch 3 Tage lang anhaltendes
Digeriren mit Oxalsäurelösung von gleicher Stärke
nichts von seiner Wirksamkeit einbttsst. K r. nennt
dieses Enzym Conchopepsin.
Dagegen findet sich bei den HeUeiden (z. B. bei
Helia pomaHa, Weinbergsschnecke) ein Enzym|
welches eben so wenig wie das Pepsin der Verte-
braten , mit welchem es jedoch keineswegs identisch
ist, von Oxalsäure zerstört whrd. Dieses Enzym
wird von Kr. Helieopepein genannt.
Eine mehrstündige Digestion mit Soda (die
enzymatische Flüssigkeit wurde dabei auf einen Gle-
halt von I^/q an diesem Salze gebracht) vernichtete
bei 40^ sowohl das Pepsin und das Heltcopepsiii,
als auch das Conchopepsin.
Unter Leitung von Hoppe-Seyler unter-
suchte Fr^deriqne (123) die Verdauungsenzyme
des Regenwurms, der rothen Nacktschnecke (Arion
rufus) und einiger anderer Invertebraten. Er fand,
dass das eiweissverdauende Ferment bei den unter-
suchten Species immer ein tryptisches war. Im Ex-
trakte aus der den Dünndarm des Hundes bewoh-
nenden Taenia serrata liess sich keine Spur h^nd
eines Fermentes entdecken. Gegen die Verdanoogs-
fermente ihrer Wirthe scheinen die Entozoen doreh
ihr Tegument geschützt zu werden. Wenigstens
wurden Exemplare von Ascaris marginata (aus dem
Dünndarme des Hundes) von künstlichem Pankreas-
saft nicht angegriffen , so lange sie nicht in Stücke
zerschnitten waren , während sie im letztem Falle
schnell der Verdauung anheimfielen.
Metschnikoff (124) untersuchte die Ver-
dauungsorgane einiger SOsswasser- Turhellanen
(Strudelwürmer).
Es giebt nach ihm Turbellarienarten , welehe
entweder eines gesonderten Verdauungssystems noch
ganz entbehren oder im Falle des Vorhandenseins
eines solchen noch den ursprünglichen Modus der
Verdauung durch die Aufnahme der Nahrungskorper
ins Innere der Darmzellen beibehalten haben, anderer-
seits solche Arten , welche die aufgenommene Nah-
rung auf gewöhnliche Weise verdauen, ohne dieselbe
zuerst in die Epithelzellen des Darmkanals gelangeo
zu lassen.
Das Sekret der „Leber*' von Oeiopus mdgarifi
dem gemeinen Meerpolypen , fand Joa8set(12ö)
deutlich sauer. Es löst Eiweisskörper , zdgt aber
keine Einwirkung auf Stärke und emulsionirt weder
Fette, noch spaltet es dieselben.
Das Sekret der untern Speicheldrüsen von
OctopuSs welches sich in den Kropf des Thieres ent-
leert, lässt nach Jousset(126) Kohlehydrate, Ei-
weisskörper und Fette unverändert und hat nur die
Wirkung, den Zerfall der Muskelbflndel herbeiso-
ftthren. Die Primitivbündel zerfallen nnter seinem
Einflüsse, das Sarkolem scheint sich zu lösen, aber
die Muskelfaser selbst wird nicht angegriffen.
DasSeki-et der ohem Speicheldrüsen scheint nor
mechanischen Zwecken zu dienen, da es keineriei
chemische Wirkung ausübt.
Da also keiner der Drüsenanhänge des Dann^
von Octopus ein Sekret liefert , welches un Stande
ist , Stärkemehl in Zncker umzuwandeln und Fette
zu emulsionii-en , so ist Octopus ein Thier, dessen
Verdauungsvermögen darauf beschränkt Ist, Eiweiss-
körper und bindegewebige Substanz zu veidanen«
Müller, Beiträge zur Lehre von der Verdauung.
89
Diess ist um so auffälliger , als einige seiner eignen
Organe, z. B. gerade die sogenannte Leber, eine be-
triehtliche Menge Fett enthalten. Wenn man nicht
annehmen will , dass sich die Resorption dieser Sub-
stanz auf andere Weise als nach vorhergehender
Emulsionirung und Spaltung vollzieht , so mnss man
sdiliessen , dass der Organismus von Octopus sein
Fett selbst bildet.
In einer Untersuchung über die Enzymbildung
in den Geweben und Ge fassen der Evertebraten
kam Krukenberg (127) unter Anderm zu folgen-
den Resultaten.
Selbst bei sehr wenig organisirten Wesen (Myxo-
myceten und Poriferen) finden sich verdauende En-
zyme, eine funktionelle Bedeutung derselben ist aber
Dicht nachgewiesen.
Das peptische Enzym ist bei den niedem Thie-
ren viel verbreiteter im Vorkommen , als das tryp-
tehe , und nur bei den Würmern und den Ärihro-
poden scheint das letztere constanter als das erstere
ZD sein.
Der Annahme von enzymatischen Verdauungs-
sekreten bei den Cölenteraten fehlt jeder experimen-
telle Anhalt.
Die Verdauungsvorgänge der untersuchten Asd-
dien sind unvollkommener als die mancher Echino^
dermen und nähern sich mehr den Verhältnissen bei
den AcaUphen.
Das tiTptische Enzym der Würmer [von Kru-
kenberg Isoirypsin genannt] unterscheidet sich
von dem Trypsin der Vertebraten, Arthropoden und
Mollusken und ist vielleicht mit dem der Asteriden
identisch.
Bei keinem Wirbellosen ist ein dem Magen der
Vertebraten funktionell vergleichbarer Darmabschnitt
Dichgewiesen ; stets wurden kropfartige Darmerwei-
terungen als Magen bezeichnet.
Auch weitere Untersuchungen von Kruken -
berg (128) bestätigten, dass der Organismus der
Cölenteraten nur eine Ernährung per resorptionem
kennt Diese Thierklasse ist, wie schon Kflhne
vermnthete, vorzugsweise auf die Enzyme ihrer
Beute angewiesen und nur mittels dieser ist eine
enzymatische Verdauung in dem sogen, cölenterischen
Räume möglich. Fibrin erfuhr in letzterem so gut
wie keine Veränderung , vielmehr wurde es regel-
^^l^^ in ^/s his 2 Tagen von dem Thiere ausge-
stossen. Wohl aber verschwanden Fibrinoiden,
welche mittels Nadeln durch das Gewebe von Acti-
men hindurch gezogen wurden und liegen blieben,
im Verlaufe von 8 —14 Std. vollständig. Die bei-
den ans dem Körper hervorstehenden Enden der
Flocke fanden sich dann im Wasser.
Krukenberg (12 9) stellte endlich Ffltterungs-
verauche heiActinien mit rohem und mit gekochtem,
in einem Beutel von feinem Mull oder m einer durch-
löcherten Federspule befindlichem Fibrin an. Es
zeigte sich wiederum , dass verdauende Sekrete von
diesen Thieren nicht abgesondert werden , sondern
Med. Jahrbb. Bd. 192. Hft. 1.
dass das Fibrin nur an denjenigen Stellen erweicht
und verflüssigt wurde, wo sich ihm die sogen. Mesen-
terialfilamente anlegen konnten.
Aach noch in drei andern Arbeiten giebt K r u Ic e n -
berg (130—132) Mittheilangen aber die Verdanungsvor-
gänge bei den untersten Thlerklassen. Wegen derselben
muss auf das Original verwiesen werden.
Zahlreiche Arbeiten erschienen ttber die Pati-
kreasverdauung der höheren Thiere,
Albertoni (133) untersuchte das Pankreas
von Schweins- und von Kalbsembryonen hinsichtlich
der Zeit des Auftretens von Zymogen.
Es ergab sich, dass die verdauende Wirkung
des Pankreas auf Eiweisskörper sich gegen Anfang
des letzten Drittels des intrauterinen Lebens wahr-
nehmen lässt. Sie fehlt noch im Kalbsfötus von 4
Mon. und im Schweinsf9tus von 10 Wochen.
Hinsichtlich der Wirkung des Pankreatin auf
das lebende Blut beobachtete Albertoni (134),
dass das erstere, ähnlich dem Pepsin [vgl. (74)], die
Gerinnbarkeit des Blutes verlangsamt oder aufhebt.
In cirkulirendes Blut gebracht, zerstöi*t das Pankrea-
tin die weissen Blutkörperchen.
Langendorff (135) stellte Versuche über die
Pankreasverdauung der Vögel, speciell der Tau-
ben an.
Werden bei Tauben die Pankreasgänge unter-
bunden , so fangen die Thiere kurze Zeit nach der
Operation wieder zu fressen an. In einigen Tagen
hat ihre Fresslust eine ganz abnorme Höhe er-
reicht. Das Auftreten dieses schon von C 1. B e r -
nard in ähnlichen Fällen bemerkten und von vielen
ärztlichen Beobachtern bei Erkrankung der mensch-
lichen Bauchspeicheldrüse hervorgehobenen Sym-
ptoms konnte auf das Bestimmteste constatiii; wer-
den. Aber die in so beträchtlicher Menge aufgenom-
mene Nahrung verlässt den Körper fast unverändert.
Im Koth finden sich grosse Mengen unveränderter
Stärke; die Amylaceenverdauung scheint somit völlig
aufgehoben zu sein. Die Thiere magern in Folge
dessen ab, verlieren stetig an Körpergewicht und
gehen in kurzer Zeit unter den Erscheinungen der
Inanition zu Grunde. Durch Dan*eichung von Zucker
kann der tödtliche Ausgang etwas hinausgeschoben
werden. Im Blute der operirten Thiere lässt sich
Zymogen (Trypsinogen) und diastatisches Ferment
(Pankreatin) nachweisen , selbst zu einer Zeit , wo
die Drüse schon in Folge der Unterbindung ihrer
Gänge völlig funktionsunfähig geworden ist. Das
Blut der operirten Thiere ist reicher an Pankreatin,
als das gesunder.
Herzen (136) prüfte die Angabe von Lus-
sana, dass das Glycerin an und für sich Ei weiss
löse, dass man also mittels Glycerineiirsikt des Pan-
kreas nicht den Nachweis führen könne , dass das
letztere Albumin verdaue.
H. fand nun in der Tliat, wenn er 30 Cotmtr. reines
Glycerin (von Merck in Darmstadt) auf 30 Cctmtr. coas
galirtes , in Icleino Würfel zerschnittenes Hühnereiweis-
12
90
Mfliler, Beiträge zar Lehre von der Verdaanng.
brachte und das GemiBch 24 Std. lang bei 12 — 16<>C.
stehen Hess, dass das Glycerin, mit Wasser verdünnt und
gekocht, keinen Niederschlag gab, dass es aber durch
Millon'sches Keagens, in der Wärme zugesetzt, rothe
Färbung annahm , während durch Zusatz des genannten
Eeagens in der Kälte eine leichte Opalescenz hervor-
gerufen wurde , die sich sehr allmälig in ein fein vertheil-
tes weisses Coagulum umwandelte. Beim Erwärmen löste
sich das letztere wieder und die nun ganz klar werdende
Flüssigkeit nahm eine dunkelrothe Farbe an (wie von
Himbeersaft).
Das Glycerin enthält also , nachdem es mit den
Eiweisswürfehi in Berühmng gewesen war, einen
eiweissähnlichen Körper ^ welcher sich , nach Her-
zen, vom £iweiss selbst dadurch anterscheidet| dass
er durch die Siedehitze nicht gerinnt, vom Pepton
aber dadurch , dass er mit M i 1 1 o n 'schem Reagens
ein Coagulum giebt, welches beim Erwärmen statt
die charakteristische Farbe anzunehmen und die
FlOssigkeit farblos zu lassen, sich wieder auflöst und
die Flüssigkeit &rbt
[Nach Pekelharing (93) verhält sich frei-
lich eine Peptonlösung unter Umständen ähnlich:
,,Die durch Mi Hon 's Reagens veranlasste Fällung
löst sich, wenn sehr wenig von dem Quecksilber-
salze zugeßgt ist , in der Wärme mit rother Farbe
auf. Eüi Mehrgehalt des Reagens verursacht ein
auch beim Erwärmen bleibendes, sich röthendes
Präcipitat" (1. c. p. 192).]
Herzen ist trotz seinem Befunde der Ueber-
zeugung, dass die zahlreichen mit Glycerin-Pankreas-
extrakt angestellten Versuche über die Verdauung
des Albumin ihren ganzen wissenschaftlichen Werth
behalten.
Vnlpian (82) giebt an, dass Diastase sowohl
als auch Pankreatin in natürlichem oder künst-
lichem Magensäfte bei Weitem nicht so energisch
auf Amylaceen wirken , wie wenn man letztere nur
in Wasser mit den Fermenten zusammenbringt.
Diese Erscheinung bestätigt also den hindernden
Einfluss der Säuren auf das Saccharificirungsvermö-
gen der genannten Fermente.
Auch Mourrut (83) fand, dass Salzsäure in
dem Verhältnisse , wie sie sich im Magensaft findet,
die Wirkung der Diastase verzögert , die des Pan-
kreatin aufhebt , und zwar bei letzterem auch hin-
sichtlich der Eiweisskörper.
Neutralisirte M. die Verdauungsgemische nach
zweistündigem Aufenthalte im Verdauungsofen,
so gewann die Diastase ihre Kraft wieder, das Pan-
kreatin aber blieb dauernd unwirksam auf Amylaceen.
Auch die peptonisirende Wirkung des Pankreatin
schien nicht wiederzukehren, doch war hier das Re-
sultat weniger bestimmt.
Defresne (10) kam auf Qrund seiner Ver-
suche zu der Ueberzeugung , dass das Pankreatin
nach zweistündigem Aufenthalte in reinem Magen-
saft (dessen saure Reaktion von Salzsäure in Ver-
bindung mit Leucin herrührt) und nachheriger Neu-
tralisation allerdings keine merkliche Wirkung auf
Stärkemehl ausübt, dass es aber nach Berührung mit
Magensaft, der, wie es physiologischer Weise im
Chymns der Fall sei, seine Aeidität organischen
Säuren verdankt , durch Neutralisation (also auch
im Dünndarm) seine Wirksamkeit auf Stärke wieder
erlangt. — Ganz Aehnliches gilt hinsichtlich der
Wirkung des Pankreatin auf Eliweisskörper.
Für die drei Fermente des Pankreas schlägt
Defresne die sich selbst evklärenden Namen Amy*
lopsin, Myopsin und Steapsin ^) vor.
Roberts (137) beobachtete, dass das Pan-
kreas, wenigstens das vom Schwein, vom Rind und
vom Schaf, ein Ferment enthält, welches, gleich
dem Magensafte, Milch von neutraler oder alka-
lischer Reaktion zur Gerinnung bringt» Nament-
lich die mit gesättigter Kochsalzlösung hergestellten
Pankreasextrakte besassen diese Eigenschaft, weniger
die Glycerinextrakte.
Auf die rein anatomischen n. histologischen Arbeiten
vonBenant (138 a. 139) Aber das Poiikreas and die
Brtmner'schen Drüsen verBohiedener Wirbelthiere kann
an dieser Stelle nicht naher eingegangen werden.
Brown und Heron (140) stellten Unter- !
suchungen über die hydrolytischen Wirkungen des <
Pankreas und des Dünndarms an* i
Sie kamen zu folgenden interessanten Resultaten:
„1) Die Einwirkung des künstlichen Pankreas-
Saftes auf Stärkekleister oder lOsliohe Stärke bei 40*
ist in den ersten Stufen der Reaktion derjenigen von
unerhitztem Malzextrakt bei 60® und darunter gleich;
die Zusammensetzung der Stärkeprodukte ändert sieh
in beiden Fällen nicht mehr erheblich, wenn 80.8^/o
an Afaltose gebildet worden sind.
2) Malzdiastase sowohl, wie Pankreasdiastase
sind fkhig, das niedrigste Achroodextrin- in Maltose
zu verwandeln.
3) Die Pankreasdiastase ist bei lange fortgeeeti-
ter Einwirkung bei 40<> im Stande, eine, wenn auch
langsame, so doch merkliche Verwandlung der Mal-
tose in Dextrose zu veranlassen ; eine solche Ver-
wandlung vermag jedoch Malzdiastase selbst unter
den günstigsten Umständen nicht hervorzubringen.
4) Weder der künstliche Pankreassaft, noch dss
Gewebe der Drüse selbst enthält irgend ein Ferment,
welches fähig wäre, den Rohrzucker zu invertiren.
6) Der Dünndarm besitzt die Fähigkeit, den
Rohrzucker zu invertiren, die Maltose zu hydro-
lysiren [d. h. in Dextrose (Traubenzucker) zu ver-
wandet] und als ein schwach stärkeverwandelndes
Ferment zu wirken.
6) Die Energie , mit welcher diese Verwandlon-
gen hervorgebracht werden, ist bei dem Gewebe des
Dünndarms eine bei Weitem grössere als bei seinem
wässerigen Auszuge und ist bei den einzelnen Thei-
len des Dünndarms wieder wesentlich verschieden«
7) Die Verschiedenheit der hydrolytischen Wir-
kungen verschiedener Partien des Dünndarms steht
mit der relativen Häufigkeit des Vorkommens der
0 Jedenfalls mit dem Verbum fyny (kochen, gv
machen) gebildet. Aber es müsste dooh wolü keinsB
Steatopsm oder» noch richtiger» Steathepsmt — Brf»
Mflller^ Beiträge zur Lehre von der Verdaunng.
91
Idebefkähn'achen oder Brunner'achen Drüsen in
keinem ZoBammenhange, sie scheint vielmehr in der
Vo^heilang der Pet/er^mhen Drüsen begründet zu
sein.
8) Bei der Ueberfühning der colloidalen Stärke
in die leicht diflfüsibie und assimilirbare Dextrose
finden wir die Wirkungen des Pankreas und der
Pet/et'Bchen Drüsen wechselseitig von einander ab-
hängend und gegenseitig sich wieder ergänzend.
Das Pankreas bewirkt ohne Schwierigkeit eine Ver-
wandlung der Stärke in Maltose, aber es vermag
die entsprechende Maltose nur äusserst langsam in
Dextrose flberzuftihren. Die P^y^'schen Drüsen,
die auf Stärke selbst keine Wirkung ausüben , neh-
men nun ihrerseits die Arbeit da auf, wo das Pan-
kreas beinahe aufhört, wirksam zu werden, und füh-
ren somit die Umwandlung der Stärke in Dextrose
zn Ende.'^
Herter (141) hatte Gelegenheit, Pankreas-
wkret zu untersuchen , welches sich in einem Falle
Ton Oarcinom des Duodenum im Ductus Wirsingianus
ingestaut hatte. Das Pankreas selbst hatte eine
derbe Beschaffenheit , zeigte aber normale Struktur.
Das Sekret enthielt kräftiges diastatisches Fer-
ment, bewirkte gute Emnlgirung und schnelle Spal-
tang von Fett und verwandelte Fibrin in Pepton.
Dasselbe enthielt 24.1<^/oo feste Bestandtheile, näm-
lich Pepton und Ferment 11.5, in Alkohol lösliche
organ. Stoffe 6.4, Asche 6.2.
Der von Prof. Hoppe-Seyler untersuchte, in
ähnlicher Weise gestaute Saft eines atrophischen
Pankreas zeigte keine fermentative Wirkung.
B^champ (142) suchte die fermentativ wirk-
samen Theile des Pankreas zu isoliren. Er be-
handelte zerriebenes Rindspankreasmtt schwach alko-
holischem Wasser. Nach der Filtration setzt sich
eine Masse ab, welche im Grossen wie gute Weiss-
hierhefe aussieht. Die Eörperchen („Mikrozymen"),
welche diese Masse bilden, sind jetzt noch mit
einer Fetthülle umgeben, von der man sie durch
Waschen mit schwach alkoholhaltigem Aether be-
freit Durch nochmaliges Waschen mit Wasser
werden nun alle darin löslichen Substanzen, so
auch jede Spur von Leucin u. s. w. entfernt. Die
Kdrperchen zeigen dann einen Durchmesser von
weniger als 0.0005 Millimeter. Ihre Farbe ist grau-
bräunlich. Man entdeckt an ihnen keine Spur von
Bakterien. Zwanzig Stück Ochsenpankreas liefern
mehr als 130 Grmm. feuchte Mikrozymen, die un-
gefthr 12% Trockensubstanz enthalten.
Bringt man etwas von der Masse, von B. Pari'
breazymase genannt, zu Stärke, so wird dieselbe
schnell verflüssigt.
Ebenso werden die verschiedenen Arten von Ei-
v^Bskörpem durch Pankreazymase gelöst. (So ver-
daaten 3—4 Grmm. der Substanz 36—45 Grmm.
feuchtes Fibrin bei 36—45« C. in Zeit von 1—2
Stunden. Die übrigen Eiweissarten erfordern etwas
^^^^ Zeit.) Dabei tritt immer Leucinbildung auf,
*ber kdne Fäulniss ; selbst nach 24stündig6m Aufent-
halt des Verdaunngsgemisches im Ofen zeigt sicli
keine Spur von üblem Geruch.
Die Mikrozymen erschöpfen ihr Wirkungsvermö-
gen nicht dnrch einmalige Thätigkeit. Sie können
ein zweites Mal zu Versuchen dienen und gehen aus
denselben hervor, ohne ihre Form wahrnehmbar ge-
ändert zu haben.
Die Erscheinung, dass unlösliche Körper, wie
diese körnigen molekularen Gebilde des Pankreas,
andere unlösliche Körper, wie Casein, Fibrin u. s. w.
löslich machen, ohne sich selbst zu lösen, ist
B 6 c h a m p diu'ch die Annahme zu erklären geneigt,
dass diese Granulationen Zellen sind , die einen lös-
lichen Inhalt in einer unlöslichen Hülle besitzen,
durch welche letztere der erstere in Folge von Osmose
entweicht.
S a 1 0 m 0 n (1 43) gelang es , durch die Einwir-
kung von Pankreasferment auf reines Blutfibrin
Hypoxanihin und Xant/iin darzustellen. Auch bei
der Pepsinverdauung beobachtet man bereits nach
24 Std. eine reichliche Ilypoxanthinbildung , die in-
dessen wohl ausschliesslich auf Rechnung der ver-
dünnten Salzsäure zu setzen ist.
E. und H. Salkofvski (144 n. 145) beobachteten
bei Pankreasyerdanung von Homsnbstanz (Wolle) das
Auftreten von Phenylessigsäure (Alphatolaylsaure), bei
der von Eiweiss das Auftreten von Phenylpropionsäure
{Hydrozimmt8äure). Ossikovszky (146) wies nach,
dass bei der Verdauung yon Fibrin durch Pankreas auch
Zimmtaldehyd auftritt. [Ueber andere im Darmkanale
entstehende aromatische Fanlnissprodnkte siehe (176 —
184).]
Im Anschlüsse an seine frühern Untersuchungen
über die Verwerthbarkeit der Pankreasdrüse als
diätetisches Heilmittel [vgl. Jahrbb. CLXXIX.
p. 139] berichtet Engesser (147) über die gün-
stigen Erfolge, die er in 14 ausführlich beschrie-
benen Fällen von Verdauungsstörungen i) durch Ver-
abreichung von frischem Drüsengewebe oder von
einem nach seinen Angaben in der Fabrik der Ge-
brüder K e 1 1 e r in Freiburg i. Br. hergestellten Pan-
kreaspräparate erzielte. Die Zubereitung, des Prä-
parates ist die folgende. Die fein zerkleinerte
Drüse wird im Vacuum bei 40** C. auf Extrakt-
consistenz eingedampft und die Masse ca. 48 Std.
lang mit absolutem Alkohol behandelt. Letztem
lässt man alsdann abtropfen, bez. im Trockenraume
oder im Vacuum abdampfen. Das so gewonnene
Präparat stellt ein hellbraunes grobes Pulver dar,
welches sich leicht in Oblaten oder einfach mit Was-
ser nehmen lässt. Da es in hohem Grade hygro-
skopisch ist, muss es stets, trocken aufbewahrt wer-
den. Die Masse ist nicht, wie E. hervorhebt, durch
Alkohol gefeites Ferment, sondern das ganze, durch
Alkohol nur gehäi-tete Parenchym des Pankreas,
>) Es handelt sich um Je 1 Fall von Dyspepsia ner-
vosa, Geschwulst der Bauchspeicheldrüse, Dyspepsia
acida, 3 Fälle von atonisoher Dyspepsie, 8 Fälle von
„sekundärer (d. h. als Folgeznstand und Theilglied einer
allgemeinen autogenetischen Ernährungsstörung auftreten-
der) Dyspepsie*'.
92
Hüll er, Beiträge zur Lehre von der Verdauung.
'
daher es die volle Wirksamkeit des letztem besitzt,
während sich verschiedene andere Pankreaspräparate
(von Savory und Moore in London, Defresne
in Paris, Witte in Rostock) unwirksam erwiesen,
weil sie nicht widerstandsfähig gegen die Einwirkung
des Pepsin sind. In dem Parenchym der Bauch-
speicheldrüse dagegen ist ein Stoff enthalten, welcher
durch die Magenverdauung in seiner Wirksamkeit
nicht beeinträchtigt wird. Aus diesem Stoffe, der
wahrscheinlich identisch ist mit dem Zymogen H e i -
denhain's [vgl. Jahrbb. CLXIX. p. 230] spalten
sich erst im weitem Verlaufe die wirksamen Fer-
mente ab.
Man lässt von dem Präparate zu jeder Mahlzeit
1 — 3 Kaffeelöffel voll nehmen. Zu grosse Mengen
bewu*ken leicht ein unangenehmes Aufstossen von
Gasen.
Dass Ewald (148) wie alle andern Pankreaspräpa-
rate auch das von Keller angefertigte unwirksam fand,
kann nach Engesser (149) nur dnrch die Annahme er-
klärlich werden , „dass entweder ein verdorbenes Prä-
parat zur Yerwendang kam , oder dass zu den
Untersachungen eine andere als die angegebene Methode
angewendet, oder aber endlich, dass bei der richtigen
Methode Fehlerquellen zugelassen wurden, welche das
Resultat illaBorisch machten".
Ewald (150) stellt diess in Abrede und findet keinen
Qrund, den von ihm vertretenen Standpunkt zu yerlassen.
Ueber die Beziehung der Milz zur Pankreas-
Verdauung liegen mehrere neuere Untersuchungen vor.
Schiff [Jahrbb. CXIV. p. 165; CXIX. p. 11;
CLXXX. p. 233] und Herzen [Jahrbb. CLXXIX.
p. 140] haben bekanntlich die Behauptung aufge-
stellt, dass nach Wegnahme der Milz der pankrea-
tische Saft nicht mehi* verdauend auf Eiweisskörper
einwirke (unbeschadet seiner Wirkung auf Kohle-
hydrate und Fette). Indessen so wenig wie Lus-
sana und Andere [vgl. Jahrbb. CLXXIX. p. 140]
konnten neuere Beobachter die Richtigkeit dieser
Angaben bestätigen.
Ewald (151) erhielt von einem Hunde, bei
dem die Milz entfernt und 6 Tage später, als das
Thier sich vollkommen wohl befand, eine Pankreas-
fistel angelegt worden war, ein Sekret, welches
Fibrin vollkommen löste, Eiweisswürfel an den Kan-
ten lockerte. In den eiweiss- und fibrinhaltigen
Flüssigkeiten Hess sich überall eine deutliche, resp.
starke Peptonreaktion constatiren.
Auch Cor so (151b) erhielt positive Resultate
mit dem Inihse der Bauchspeicheldrüse entnülzter
Hunde und kam dadurch zu der Ueberzeugung,
„dass das Pankreas, um sein Ferment zu bilden, der
Milz nicht bedarf'.
Ebenso fand Bufalini (152) durch vielfach
wiederholte Versuche, dass das Extrakt des Pan-
kreas von Hunden und Kaninchen, denen Monate
lang vor der Tödtung die Milz exstirpirt worden
war, seine volle Wirksamkeit besass.
Auch Heidenhain (69) theilt gelegentlich
mit, dass seine Prüfung der Angaben von Schiff
zu Ungunsten des Letzteren ausgefallen ist.
Bei Ausschluss der Galle vom Darmkanale tritt
bekanntlich starke Gasentwickelung und sehr übler
Geruch der entleerten Kothmassen auf. Diese Er-
scheinungen könnten verursacht sein durch schnellere
Fäulniss des Darminhalts bei Abwesenheit der Galle
oder durch eine Beeiuträchtigung der Resorptios
desselben. Um hierüber Aufschluss zu gewinnen,
Hess Stolnikoff (153) Gemische von a) Galle und
Wasser, b) Fibrin, Galle und Wasser, c) Fibrin,
Fett und Wasser, d) Fibrin, Fett, Galle und Wauer
2Mon. lang bei Sommertemperatur in Kolben steben,
die so vorgerichtet wurden, dass man die entweichen-
den Gase unter Quecksilber auffangen konnte.
In allen Kolben stellte sich Fäulniss ein, aber
die Gasentwickelung war eine verschiedene. Zuerst
wurde dieselbe bei der Mischung von Fibrin, Fett
und Galle beobachtet. Die nur mit Wasser ver-
dünnte Galle zeigte gar keine, die Mischung von
Fibrin und Fett ohne Galle die reichlichste Gasent-
Wickelung. Die entwickelten Gase, die in den ver-
schiedenen Kolben keine wesentliche Verschieden-
heit zeigten, bestanden hauptsächlich ans Koblm-
säure (bis über 92^ U) ; ausserdem fand sich ein
Wenig brennbares Gas (0.8—5%) ^^y ^^ Rück-
stand der in den Kolben eingeschlossenen atmosphä-
rischen Luft, ein wenig Stickstoff. — Bei Unter-
suchung des Inhalts der verschiedenen Kolben zeig-
ten sich die Gallensäuren in Cholalsäure, Taurin
und GlykokoU gespalten und die Fette grösstentheilB
in die Calciumverbindung der fetten Säure umge-
wandelt. Die Zersetzungsprodukte des Fibrin wur-
den nicht weiter untersucht.
Stolnikoff schliesst ans seinen Versuchen,
dass die Galle die Fäulniss vielleicht sehr kurze Zeit
zu verzögern, aber nicht aufzuheben vermöge. „Hure
Wirkung im Darmkanale ist durch Hinderung der
Fäulniss nicht zu erklären und es wuxl um so wahr-
scheinlicher, dass sie die Resorption der Stoffe be-
günstigt, die, im Darmkanale länger verbleibend,
der Fäulniss unterliegen müssen.''
An die rein chemischen Arbeiten von Hammar-
sten (164), über welche bereits in unsern Jahrbüchern
[CLXXXI. p. 4] berichtet worden ist, sowie von Haf-
ner (155) kann hier nnr erinnert werden.
Die Richtigkeit der Angaben von Liebig nnd
von Schiff, dass die Galle im Darme theilweise
wieder aufgenommen und der Leber wieder zn-
geführt werde, war bereits mit einer gewissen
Einschränkung von Tapp ein er (156) bestätigt
worden. Vgl. Jahrbb. CLXXXVHI. p. 113.
Die Arbeit von Quincke über Emnlsionsbü-
dung und den Einfluss der Galle bei der Verdanong
(159) ist bereits in unsern Jahrbüchern (a. a. 0.
p. 5) besprochen worden.
Unter der Leitung von Kunkel unterzog auch
Rosenkranz [siehe (157 u. 158)] die Behanp-
tung von Liebig und Schiff einer experimen-
tellen Prüfung. Die Versuche, die an Hnndeo mit
Gallenfistelu angestellt wurden, bestätigten im Gros-
sen und Ganzen durchaus die Meinung der genann-
ten Forscher.
'
Müller; Beiträge zur Liehre von der Verdannng.
93
Die Untersachangen von Spiro (160) über die
Hmdegalle ergaben, dass der Procentgehalt der
festen Galle an Schwefel ausser aller Beziehung zur
Art und Menge der gereichten Nahrung steht. Auch
Vermehrung der Blutmenge, mit Hülfe der Trans-
fmoBf blieb ohne allen Einfluss auf die Abscheidung
der schwefelhaltigen Gallenbestandtheile.
Der Stickstoffgehalt der Galle wächst mit Ver-
mehmog der Aufnahme stickstofifhaltiger Nahrung,
doch keineswegs in geradem Verhältnisse, sondern
in geringerem Maasse.
I Der procentische Wassergehalt war bei einer
N&hmng ans Kohlehydraten nicht grösser, als bei
einer solchen aus Fleisch. Eben so wenig stieg der
Wassergehalt mit Zusatz von Wasser zur festen Nah-
roDg. Während des Hungems wurde eine unge-
wöhnlich wasserarme Galle abgeschieden.
Die Absonderungsgeschwindigkeit der Galle,
die bekanntlich continuirlich secemirt wird, sinkt,
wenn man das Thier hungern lässt, langsam ab.
hidessen ist dieses Absinken kein stetiges , denn es
wurde in den Nachmittagsstunden mehr als in der
Naeht und in den darauf folgenden Morgenstunden
wieder etwas mehr ausgeschieden. — Sehr ähnlich
wie in den Hungertagen verhält sich die Gallen-
bildnng bei der Darreichung eines Futters, das vor-
zDgsweise aus Kohlehydraten besteht.
(lieber einen Fall von mehrmaligem Erbrechen
blauer Galle berichtet Andouard (161). Da die
Pat. bald nach dem Erbrechen starb, entstand das
Gerücht, sie sei von ihrem Gatten mit einem Kupfer-
salz vergiftet worden. Die chemische Analyse er-
wies die Grundlosigkeit dieser Ansicht.)
Eme Reihe von Gad (162) angestellter Ex-
perimente über die Emulgirung der Fette führte
unter Anderem zu folgenden, zum Theil sehr über-
raschenden Ergebnissen :
1) Ein Tropfen ranzigen Fettes liefert bei der
blossen Berührung mit einer alkalischen Flüssigkeit
so viel Emulsion von der für die Resorption erforder-
lichen Feinheit, als er bei den gewählten Bedingun-
gen überhaupt, selbst unter Anwendung äusserer
mechanischer Kräfte zu liefern im StaLile ist.
2) Die Emulgirbarkeit verschiedener Fette bei
Berührung mit derselben Flüssigkeit ist abhängig :
a) vom Säuregrade des Fettes, b) von der Ldslich-
keit der aus den Säuren des Fettes gebildeten Seifen
in der betreffenden Flüssigkeit, c) von der Zäh-
flüssigkeit des Fettes.
3) Die Emulgirbarkeit desselben Fettes bei Be-
rührung mit verschiedenen Flüssigkeiten ist abhängig :
a) von dem Grade der Alkalescenz der Flüssigkeit,
b) von ihrer sonstigen Zusammensetzung, nament-
lich insofern diese die Löslichkeit der gebildeten
Seifen beeinflusst.
4) Kochsalz und Galle sind geeignet, Verhält-
nisse, welche dem Entstehen einer guten Emulsion
imgttnstig sind^ in entgegengesetztem Sinne zu cor-
rigiren.
5) Leberthran besitzt einen auffallend hohen
Grad der Emulgirbarkeit innerhalb sehr breiter
Grenzen. (Dagegen lieferte Ricinusöl bei gleichen
Bedingungen überhaupt keine Emulsion.)
6) Fetttropfen zeigen unter gewissen beherrsch-
bai*en Bedingungen amöboide Bewegungen.
Daraus, dass Fett nur so lange gute Emulsion
liefert, als es noch freie Säure enthält, und dass es
an dieser durch den Emulgirungsprocess selbst er-
schöpft wird, ergiebt sich die Bedeutung der Fähig-
keit des pankreatischen Saftes, die Fette in Fett-
säuren und Glycerin zu spalten. Letztere Substanz
scheint die Emulgirung nicht in bemerkbai*er Weise
zu beeinflussen.
Der Nutzen der Galle Air die Resorption der
Fette dürfte, nach Gad, darin bestehen, „dass sie
erstens die Bildung fester Seifen verhindert, welche
für die Resorption ganz ungeeignet wären, zweitens,
dass sie bei gewissen Zusammensetzungen des Darm-
iohaltes das Zustandekommen einer Emulsion von
solcher Feinheit bewirkt, dass das Fett die Darm-
wand passiren kann, ohne das Lumen der hypo-
thetischen Capillaren auszufüllen, drittens, dass sie
in den Fällen, wo sich wegen ihres Ueberwiegens
im Darminhalt eine Emulsion von dieser Feinheit
nicht bilden kann, den Durchtiütt des das Lumen
der Capillarröhren erfüllenden Fettes durch diese
begünstigt
Von der peristaltischen Bewegung des Darmes
wird fernerhin nicht mehr anzunehmen sein, dass
sie die zur Herstellung einer Emulsion von der
nöthigen Feinheit erforderliche mechanische Kraft
liefere. [Vgl. hierzu Steiner, Jahrbb. CLXXL
p. 123.]
Bei der Wiederholung der Versuche von Gad
fiel es Brücke (163) auf, dass die dabei wahr-
nehmbaren Erscheinungen in continuirlicher Reihe
übergeführt werden können in solche, wie man sie
beim Entstehen sogen. MyeUnbildungen beobachtet.
Namentlich wenn man den Zusatz von Oelsäure zu
dem Olivenöle, mit dem man arbeitet, und auch die
Menge des kohlens. Natron nach und nach steigert,
treten die Myelinformen sehr charakteristisch hervor.
[Das Nähere siehe im Originale ; über Myelin vgl.
Jahrbb. OXIV. p. 398 ; CXVIL p. 258 ; OXXXIV.
p. 147 und p. 276.]
Um der Beantwortung der Frage näher zu kom-
men, wie gross der Antheil von Nahrungsfett ist,
welcher im Darmrohre nicht emulgirt wird, sondern
der Spaltung durch Pankreas- und Fäuhiisaferment
- unterliegt, fütterte J. Munk (164) Hunde abwech-
selnd mit Fett und mit Fettsäuren, und controlirte
die Ausnutzung dieser Substanzen im Darmkanale,
.sowie ihre Einwirkung auf die Ei Weisszersetzung im
Organismus durch eine Reihe von Harn- und Koth-
analysen.
^/ Es ergab sich, dass ein Hund, der mit einem
Futter aus Fleisch und Fett in N- undKörpergleich-
\ gewicht sich befindet, im Gleichgewicht vei'harrt,
( auch wenn 21 Tage hindurch statt des Fettes nur
94
Müll er y Beitrüge zar Lehre von der Verdaanng.
die in letzterem enthaltenen Fettsäuren gegehen
werden ; es kommt also den Fettsäuren die gleiche
Bedeutung als Sparmittel zu, une dem Fett.
Eine zweite Reihe von Versuchen ergab , dass
die Fettsäuren überwiegend in emnlgirter Form zur
Resorption gelangen dtiiften. Die Cnrve der Resorp-
tion der Fettsäuren verläuft ähnlich der von Za-
wilski [vgl. Jahrbb. CLXXIX. p. 142] für das
Fett gefundenen. Die Fettsäuren scheinen nicht nur
resorbirt, sondern auf dem Wege von der Darmhöhle
bis zum Brustgang — durch Synthese mit Glycerin
— einer Umwandlung zu Fett zu unterliegen.
Anknüpfend an die Arbeit von Perewozni-
koff [vergl. Jahrbb. CLXXIX. p. 141] stellte
Will (165) an Fröschen eine Reihe von Fütterungs-
versuchen mit Oel y Fettsäuren , Glycerin nnd Seife
an, deren Ergebnisse ihn zu der (ähnlich bereits von
Perewoznikoff ausgesprochenen) Ansicht führ-
ten, ,,da8S die Fette nicht in Form von Emulsion als
Fettkügelchen aufgenommen werden , sondern dass
sie innerhalb des Darmrohrs zuerat zersetzt und da-
bei in Fettseifen und Glycerin verwandelt werden,
welche in Wasser löslich auf dem Wege der Diffusion
in das Epithelprotoplasma eindringen , um daselbst
aufs Neue als Fettregeneratoren zu dienen. ^^
Den Beweis , dass die Zertheilung der Fette in
feinste Tröpfchen und deren Umkleidung mit einer
Seifenhaut, wie beides in den Chylusgefässen in
höchster Vollendung auftritt, schon innerhalb des
Darmes geschehen sei, erachtet Cash (166) erst
dann fiir erbracht , wenn es gelänge , auf der freien
Schleimhautfläche des Dünndarms eine Emulsion
nachzuweisen.
Es zeigte sich nun aber bei Versuchen an Hun-
den , dass nach Fütterung mit einem Gemenge von
Fetten und Stärke der Inhalt des Dünndarms vom
Pfortner bis zum Blinddarm hin stets und überall
sauer reagirte und dass auf der dem Darm entnom-
menen und centrifugirten Flüssigkeit jedes Mal Oel-
tropfen schwammen. Niemals fand sich der ge-
ringste Anflug der weisslichen Emulsionsfarbe.
Da dennoch die Lymphgefässe mit Chylus gefüllt
waren , so muss das Fett im freien Zustande aufge-
saugt worden und seine Uebeiführung in eine Emul-
sion erst nach der Aufnahme in die resorbirenden
Wege vor sich gegangen sein.
Wenn nüchternen Hunden Gemenge ans ver-
schiedenen neutralen Fetten gereicht wurden, so
fanden sich nach 4 Std. im J/a^eninhalt neutrale
Fette, Fettsäure und eine andere Säure, die mit
Zinkoxyd ein in Nadeln krystaUisirendes Salz bil-
dete.
Wurden die Ausführungsgänge des Pankreas
unterbunden, so zeigten sich, wenn einige Tage nach
gelungener Operation neutrale Fette verabreicht
wurden, einige Stunden später die Chylusgefässe
mit Emulsion gefallt. Der Inhalt des Dünndarms
reagirte in allen Abschnitten des letzteren sauer;
eine Emulsion Hess sich aus demselben nicht ge-
winnen.
Hieraus geht hervor, dass eine Emulsion in
den Chylusgefässen anwesend sein kann, ohne dass
pankreatischer Saft im Darmrohre vorhanden ist
Die Bildung der Fettsäure kann also unabhängig
von dem Pankreas und bereits im Magen vor sid^
gehen. In der That zeigten weitere Versuche, daas
die SchleimhaiU des Magens vom Bunde zur Zer^
legung neutraler Fette befähigt ist. Am kräftig-
sten wirkte die Schleimhaut in dieser Beziehung,
wenn 0.2pi*oc. Salzsäure beigemischt war ; aber sie
äusserte ihre fettzerlegende Kraft auch, wenn sie mit
Wasser oder 0.5proc. Kochsalzlösung gemengt war.
Dafür, dass diese Wirkung auf der Anwesenbdt
eines Fermentes beruht , spricht die Leistungsfähig-
keit des Auszuges , welcher niit Hülfe des Glycerin
aus der Magenschleimhaut dargestellt war.
In das Gebiet der Pathologie der Fettverdauaiig
nnd Fettresorption gehören die Beobachtungen ?<mi
Demme und von Biedert, vielleicht auch die
von Seydeler.
Demme (167) beobachtete wiederum 5 sehr
deutlich ausgesprochene Fälle von Fettdiarrhöe der
Säuglinge.
Es handelte sich um Kinder der 3. bis 15.
Lebenswoche. Bei allen 5 Kindern traten die cha-
rakteristischen schmierigen, fettglänzenden, einen
penetranten Fettsäuregeruch verbreitenden, meist
reichlichen Darmausleerungen auf. Drei Kinder ge-
nasen, zwei starben. Das Pankreas erschien, wie in
3 fiüher zur Sektion gekommenen Fällen , gröflser
und massiger als gewöhnlich, von blassgrauer Farbe
und derber, trockner Consistenz ; die Acini fest an-
einander gedrückt. D. ist geneigt, die Ursache der
Fettdiarrhöe in einer Funktionsinsufficienz des Pan-
kreas und der Leber zu suchen.
Ueber die Arbeit von Biedert (168) ist bereits
in unsern Jahrbüchern (CLXXXV. p. 45) berichtet
worden.
Seydeler (169) fand bei einer ISjähr. Phthi-
sika, die sich vorzugsweise von Fleischbrühe nnd
Milch nährte, im Stuhle weissliche höhnen-, basel-,
selten wallnussgrosse Massen , die er für Fett hXlt
Er neigt zu der Annahme, dass die gute Landmilch,
welche von der Pat. genossen wurde, in Folge
[vorausgesetzter, nicht durch die Autopsie consta-
tirter] tuberkulöser Degeneration der Leber und des
Pankreas nicht verdaut, sondern im Magen und im
Darm wie in einem Butterfasse geschüttelt und so in
Butter umgewandelt wurde.
[Ob die Massen, welche S. vor sich hatte, nicht
als etwas Fett einschliessende Kalkseifen aufzufassen
sind, wie sie nach reichlicher Milchnahrnng bei Kin-
dern und Erwachsenen häufig gefunden werden (vgl*
z. B. Forster, Jahrbb. CLXXES. p. 146) muss
dahingestellt bleiben.]
Die Arbeiten von Block (170) und von üffel-
mann (171) haben schon früher Erwähnung geta
(Jahrbb. OLXXXVm. p. 299 u. GXC. p. 160).
Masloff, Ewald und Demant geben Bei-
träge zur Kenntniss des Dünndarmsaftes.
iD
Müller, Beiträge zur Lehre von der Verdanung.
95
Masloff (172) experimentirte theils mit dem
nach verschiedenen Methoden isolirten Dttnndarm-
eazyme von Hunden nnd Schweinen, theils mit dem
mittels T h i r y 'scher Fisteln gewonnenen Darmsafte
Tou Hunden.
Die Wirkung des letztern , der eine weingelbe,
mdurchsichtige , schwach opalescirende Flüssigkeit
TOD eigenthflmlich aromatischem Gemche and alisa-
Bacher Reaktion darstellt , war fast gleich der Wir-
kung der kflnstlich gewonnenen Dttnndatmenzyme
ia beiden genannten Thierspecies. Es zeigte sich,
dsss rohes Fibrin (nicht aber rohes oder gekochtes
Fleisch und gekochtes Hühnereiweiss) bei saurer
Reaktion gelöst, Stärke — am schnellsten bei alka-
heher Reaktion — in Zacker nmgewandelt ward.
Stark saure Reaktion hinderte die Zackerbildung.
Ein in neutraler oder alkalischer Lösang Eiweiss
Terdauendes Enzym fand sich im Dünndarm nicht
TOT.
Ewald (173) prüfte das Sekret einer Dann-
darmfistel, welche sich bei einem Manne nach Darm-
incarceration gebildet hatte.
Dasselbe enthielt anveränderte, wenig veränderte
oder ganz zerfallene Reste der Nahrungsmittel, näm-
lich Muskelfasern in den verschiedensten Stadien der
I Verdauung, Stärkekömer und Detritus. Femer in
der Hitze coagulh-bares Eiweiss, Globulinsubstanzen,
vielleicht Syntonin, Peptone und wahrscheinlich
Tyrosin. Endlich Gallenfarbstoff, Gallensäuren,
Maein.
Das Sekret zeigte eine Wirkung auf Fibrin,
Stärke und Fett, welche der des frischen pankrea-
tiichen Saftes nur wenig naclistand, jedenfalls alle
aktiven Eigenschaften desselben besass.
Auch Demant (174) hatte Gelegenheit, unter
der Leitung vonLeube, die Wirkung des Darm-
8^8 bei einem Kranken mit einer Dünndarmfistel,
die nach einer Hemiotomie entstanden war , genau
zu untersuchen.
Er fasst seine Erfahrungen in folgenden Sätzen
losammen : „1) Der menschliche Darmsaft ist eine
dfinne helle Flüssigkeit von stark alkalischer Reak-
tion. 2) Seine Sekretion war im vorliegenden Falle
keine bedeutende; während der Verdauung wurde
mehr Saft abgesondert , als zur gewöhnlichen Zeit ;
während der Nacht fand fast gar keine Sekretion
statt. Abfiilhrmittel übten gar keinen Einfluss auf
die Sekretion, Beschaffenheit und Verdauungskraft
^Iben aus. 3) Der Darmsaft enthält kein pep-
tiflches Ferment und ist ganz indifferent gegen die
venchiedensten Proteinkörper. 4) Amylum wird
donsh die Einwirkung des Darmsaftes in Trauben-
zneker umgewandelt. 5) Rohrzucker wird ebenfalls
ui Tranbenzucker umgewandelt [vgl. hierzu Brown
^ Heron (140)]. 6) Fette, die freie Fettsäuren
^ftalten, wurden vom Darmsalfc emulgirt, dagegen
Beotrale Fette durch denselben nicht angegriffen.^'
[Ueber den Dannsaft siehe namentlich auch Zan-
der (Jahrbb. LXIX. p. 4), Kölliker und H. Müller
(Jahrbb. LXXXVI. p. 4. u. XCH. p. 169), Funke
(Jahrbb. LXXXVI. p. 268), Busch (Jahrbb. CI. p. 33),
Czerny u.Latschenberger (Jahrbb. CLXXI.p. 125)
u. Marckwald (Ibid. p. 126).J
Salvioli (175) theilt eine neue Methode für
die Untersuchungen der Funktionen des Dünn-
darms mit. Dieselbe ermöglicht es, ein ausgeschnit-
tenes Stück des Dünndarms mittels Durchleitung ge-
eigneter Flüssigkeiten durch die Blutgefässe 4 — 5
Stunden lang lebendig zu erhalten und die Bewegun-
gen der Muskelhaut, sowie das Resorptionsvermögen
der Schleimhaut unter den mannigfaltigsten willkür-
lich abgeänderten Bedingungen zu studiren.
Hinsichtlich des Ergebnisses der von Nencki (176
bis 178) und von Brieger (179 biBl82) über das Skaiol
angesteUten Untersuchungen können wir auf die in nnsem
Jahrbüchern (CLXXXIX. p. 220 flg.) bereits enthaltene
Mittheilung verweisen.
£. und H. Salkowski (183) entdeckten bei Fäul-
nisBversuchen mit Eiweisskörpem eine skatoUnldende Sub-
stanz, Diese Muttersabstanz des Skatol erwies sich später
(184) als Skatolcarhonsäure.
Szydlowski (185) unterwarf zahlreiche nor^
male und patlwlogische Stülde , meist solche , wie
sie bei gemischter Nahrung vom Menschen deponirt
werden, der mikroskopischen Untersuchung. Die
Resultate , zu denen er kam , fasst er in folgende
Sätze zusammen: 1) Es giebt keine Unterscheidungs-
grenzen , um zu bestimmen , wann ein Stuhl physio'
logisch ist und wann derselbe als pathologisch be-
zeichnet werden muss. — 2) Es giebt entschieden
keine specifischen Gebilde im Stuhle , welche einer
besondem Krankheit eigen wären. — Wenn schon
diess , z. B. hinsichtlich der Bakterien zuweilen be-
hauptet werde, so seien unsere Eenntniss dieser
Organismen und unsere Untersuchungsmethoden zu
mangelhaft , um irgend welchen positiven Schluss in
dieser Beziehung zu machen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung mensch-
licher Darmdejeküonen fand Nothnagel (186)
neben andern kleinsten parasitären Organismen sehr
häufig Bacillus Amylobacter (Clostridium buty-
ricum).
Dass es sich in der That um das Clostridium
butyricum Prazmowski's (Vibrion butyriqne Pa-
steur's Bacillus Amylobacter van Tieghem's) han-
delt, lehrt ausser der Form der Gebilde zweifellos
der Umstand , dass dieselben auf Jodzusatz sich in
höchst charaktenstischer Weise intensiv blau färben,
auch in solchen Stühlen, in welchen keine freie Stärke
nachzuweisen ist (zum Unterschiede von Clostridium
Polymjxa gemäss den Angaben P r a z m o w s k i 's) .
Da wiederholt im Darminhalt und in den Dejek-
tionen Buttersäure gefunden worden ist, so liegt es
nahe , das Auftreten dieser letztem mit dem Clostri-
dium butyricum in Verbindung zu bringen.
[Ueber die neuem Beobachtungen von Ver^
dauungserscheinungen im Pflanzenreiche vergl.
Jahrbb. CXC. p. 3—10.]
96 Ecker^ Anatomie d. Frosches. — Winckel^ die Pathologie d. weibl. Sexaal-Organe.
G. Kritiken.
54. Die Anatomie des Frosches. Ein Hand-
buch für Physiologen^ Aerzte und Studirende ;
von Dr. Alexander Ecker, Prof. d. Ana-
tomie n. d. vergl. Pathologie an d. Univ. zu
Freiburg. 2. Abth,: Nerven- und Gefäes"
lehre ; mit Beiträgen von Prof. R. W i e d e r s -
heim. Brannschweig 1881. Fr. Vieweg u.
Sohn. gr. 8. 115 S. Mit 1 Tafel u. ein-
gedr. Holzstichen. (9 Mark.)
Als vor nunmehr 16 Jahren der erste Theil dieser
Anatomie des Frosches (Knochen und Muskeln) den
physiologischen Kreisen dargeboten wurde, da ahnte
wohl Keiner der Interessenten, welch' ein langer Zeit-
raum die zweite von der ersten Abtheilnng trennen
werde, am wenigsten vielleicht der Vf. selbst. Von
literarischen Arbeiten anderer, besonders anthropolo-
gischer Art vollauf in Anspruch genommen, hatte
der Vf. die Nerven- und Geßisslehre des Frosches
zwar bald in der Hauptsache zu vollenden ver-
mocht ; nur einzelne Abschnitte bedurften einer Re-
vision, so vorwiegend die Gehirnnerven. Lebhaft
ist es darum zu begrüssen , dass dem Unternehmen,
welches zum Schaden für den Fortschritt der Wissen-
schaft schon so lange in seiner Vollendung zögerte,
wider Erwarten doch noch ein neuer Lebenshauch
zu Theil geworden ist. Dieser wird die retardirte
Entwicklung in einen sehr raschen Gang bringen,
indem die Schlussabtheilung des Werkes, Eingeweide
und Sinnesorgane , schon ftlr das Frühjahr 1882 in
bestimmte Aussicht gestellt ist. Die Anatomie des
Frosches erfüllt den Zweck, allen Denen, welche
dieses physiologische Hausthier zu wissenschaftlichen
Zwecken benutzen , als ein Leitfaden zu dienen für
ihre physiologischen und histologischen Arbeiten.
Vielfältig empfundene Klagen über mangelhafte
Orientirung auf einem wichtigen Arbeitsfelde werden
damit endlich beseitigt. Es lag in der Absicht des
Vfs., eine möglichst vollständig descriptiv-anato-
mische Monographie zugeben; auf den histologischen
Ban des Centi*alnervensystems z. B. einzugehen, war
dagegen ausserhalb des Planes. Vorzügliche und
zahlreiche Abbildungen fördern die Zwecke des
Werkes sehr wesentlich. R a u b e r.
55. Die Pathologie der weiblichen Sexual-
organe in lAchtdrtiek' Abbildungen nach der
Natur in Originalgrösse, durch anatomische
und klinische Erfahrungen erläutert von Dr.
F. Win ekel, G. M.-R. Prof. d. Gynäkologie,
Dir. d. k. Entbindungs-Instituts in Dresden
u. 8. w. Lief. I— XVL Leipzig 1878—81.
S. Hirzel. 4. VUI u. 439 S. mit 40 Tafeln.
(85 Mk.)
Die günstige Aufnahme, welche W.'s Werk in
der Natarforacher-Versammlnng seu München 1877
fand, veranlasste den geehrten Vf., der damaügeo
1. Lieferung ein anderes Gewand zu geben, in wd
chem nun das vollendete Werk vor uns liegt
Es gehörten 4 Jahre dazu , um das gesammt^
Gebiet der jetzt so fein ausgebauten Oynäkologiai
auf Grund frischer Präparate zn illostriren. Noch]
nicht berücksichtigt werden konnten nur zwei Ano«
malien: das Utemssarkom und die Haematocela
pelvis. Zwar besitzt W. das Lichtbild einer Haem.
antenterina [welche auch dem Ref. einmal begeg<
nete], doch eignete sich dasselbe nicht zor Verviel
fältigung.
Die Unbequemlichkeit, welche das fertige Werl
einschliesst , dass die Gegenstände je nach der Ge-
legenheit frischen Materials aneinander gereiht mä^
wird durch genaue Inhaltsverzeichnisse nnd Registec
ziemlich ausgeglichen.
Wenn diese stattliche Reihe von sorgfllltig aiUK
gewählten Bildern auch nicht, wie W. hoffl, die dia-
grammatischen nnd schematischen Zeichnungen ftK
den Unterricht entbehrlich macht und als Lichtdrock
die unvermeidliche Schattenseite hat , dass bei ge-
nauer Wiedergabe Alles, auch das NebensächlidM
und , weil störend , Nichtgewttnschte mit peinlicher'
Treue wiedergegeben ist, so ist doch durch W.'s
Bilder die klinische Anschauung mit einem Schlage
wesentlich gefördert. Zn einigen Wiedergaben hat
man , wie zur kleinwarzigen Oberfläche eines Eier-
stocks (Taf. XXXVL, Fig. 1) und zur feinem Auf-
fassung der leider nur stückweise vorhandenen Deeidot
menstrualis nicht nur eine gute Lupe nöthig , son-
dern mittels derselben sogar einen besondem Ge-
nuss.
Die Erklärung der Figuren ist in der gegenwär-
tigen Ausgabe gleich nebenan auf die Tafel gedruckt.
Sämmtliche Bilder sind Originale.
Dem Texte zu den einzelnen Krankheiten axA
geschichtliche Vorbemerkungen, an passenden Stellen
auch Krankengeschichten, einverleibt — kurz, das
Werk hat die Bedeutung eines cnrsorisoben Lehr-
buchs — man fühlt sich in die Dresdener Klinik ver-
setzt. Dazu kommen Originalbeiträge für Raritäten.
Das Material, welches Vf. benutzt hat, bilden an
3000 Patientinnen und Sektionsbefnnde.
Einzelne Vorkommnisse sind mehrfach vertfeten
und von verschiedenen Seiten zur Ansicht gestellt
worden, insofern, als ein Präparat bisweilen mehrere
pathologische Species zugleich enthielt.
Unter den Einzelheiten fällt z. B. anf Taf. VH
Fig. 4, ein Hymen mit einer mittlem obem Schnappe
[Andeutung der Mittelsäule? Ref.] auf. Merkwürdig
ist , dass unter der verhältnissmässig kleinen Reibe
von Befunden mehrmals das Vorkommen von dra
Ovarien in einem Individuum, einmal das 3. median 1
constatirt ist.
M i n a t i , Ostetricia minore.
97
Der Zeichnung unmöglich, im Lichtbild glänzend
ist der Hymen fimbriatus papiilosus Taf. II. S. 35
ist ein Befand des Ref. [vgl. Gerhardt's Handb. d.
Kioderkrankh. IV. 3. p. 70] erwähnt und dazu be-
merkt, Infektion als Ursache des Papillom der
Klitoris bei dem betr. 6jähr. Mädchen sei mit
Wahrseheinlichkeit, aber nicht absolut sicher aus-
zDscbliessen. Hierzu habe ich zu bemerken , dass
ich die Eltern des betr. Kindes seit vielen Jahren als
frei von Lues (W. erwähnt nämlich ,, syphilitische
Geschwflre'O kenne und als Consiliar öfter besuche.
Äneh weiss ich genau, dass betr. Kind nicht, wie
ich von einem andern gleich alten Eande weiss, dem
dn Wüstling den Penis in den Mund gesteckt hatte,
Ton dergleichen Unholden in Verstecke gelockt wor-
den ist. Endlich ist allgemein bekannt , dass ftpitze
Kondylome, womit obiges Papillom verglichen wer-
den mag, mit Syphilis nichts zu thun haben, sondern
mit Blennorrhoe, und dass solche Warzen fast bohnen-
grofis an sonst gesunden Schwängern bisweilen zahl-
reich vorkommen, der Behandlung ti*otzen, aber
nach der Entbindung schrumpfen und abfallen.
Umfassend und ein Ergebniss grtlndlicher Er-
fahrung ist die Abhandlung von den Myomen und
Fibromen, denen der therapeutische, bez. operative
Theil nicht abgeht. In dem schwierigen Capitel
der Flexionen und Versionen ist die neueste Litei*atur
berfleksiehtigt. Das Drehen der Sonde um ihre
Längsachse in einem retrolSektirten Uterus (S. 132)
sollte für Anftnger den wichtigen Zusatz enthalten,
dass man meist Schmerzen , manchmal Metritis ver-
anlasst, wenn man diese Achsendrehnng ohne Wei-
teres und nicht so unternimmt, dass der im Uterus
Tvhende Schnabel der [kupfernen] Sonde den allei-
nigen Drehpunkt bildet, um welchen der Ghiff des
Instruments in entspr<H^hendem Kegelscheitel bewegt
wild , so dass die gi*össte Exkursion in der OrifT-
spitze liegt. — Die von Courty (S. 135) erfundene
kleine Hohlkugel mit galvanisch wirkendem Zink-
Knpferstifte war schon von Sir Simpson (1848)
einmal erfunden worden.
Auf Verdeutlichung der Ovarienkrankheiten ist
besondere Mflhe verwendet worden ; Seite 141 und
Taf. XXXVI. bringen eine fötale erhebliche Cysten-
bildnng und die Cyste eines tlberzähligen Eierstocks,
bedeutend fOr die Menstruation nach Oophorotomie.
W. hält das Carcinoma uteri fflr eine nicht ab-
znlengnende Folge sehr zahlreicher Geburten, sowie
solcher, die im gegebenen Falle mit einer besondern
Beizung der Genitalien verknüpft waren. Er unter-
wirft die G 0 h n h e i m 'sehe Theorie vom embryonalen
Anstoese zu Gesohwfllsten einer Kritik, legt aber mehr
Oewicht auf Traumen nach der Geburt, als auf An-
bige im Keime und als Erbfehler.
Die Erkrankungen des Muttermundes (Taf. XII.),
der Alveolarkrebs des Uterus (XXIII c) gaben schö-
nere Bilder als der Echinococcus desselben Organs
"^ das liegt eben an dem nicht fiberall zu contro-
firenden Lichteffekte.
KeO« Jahrbb. Bd. 192. Hft. 1.
Seltene Geschwülste der runden Bänder kom-
men auf Taf. XXXr. zur Anschauung.
S. 248 erläutert ein Diagramm die von Simon,
Bischoff u. Hegar abweichende W i n c k e Tsche
Methode der Opemtion gegen Vorfall der Gebär-
mutter, welche Methode die Möglichkeit einer
Schwängerung nicht aufhebt.
Ein Curiosum ist S. 321 der an der hintern
Wand des Uterus vorgefundene verkalkte Spulwurm.
Gut abgebildet ist auf Taf. lUa eine Hernia
labialis posterior mit Divertikel des Bruchsackes.
Eine Tubo-Ovarialcyste ist beschrieben S. 407,
eine merkwtlrdige Tuberkulose, welche zu Operation
Anlass gab, S. 409.
Das Sondiren der Tuben, dessen Ausführbarkeit
bei normalen Verhältnissen Vf. (S. 414) als noch
nicht bewiesen bezeichnet , ist mir gelungen , aber
nicht zuverlässig.
Auch die Krankheiten der Harnblase finden Be-
rücksichtigung ; einzig in ihrer Art ist eine in die
Blase gewachsene Ovariencyste Taf. VI.
Bemerkenswerth ist eine Salpingitis puerperalis
bei Uterus septus Taf. XXV. -- S. 403 demonstrirt
W. die ihm eigenthümliche Methode der doppelt-
keilförmigen Exddon des gespaltenen Os uteri ext.
wegen Stenose.
Nur Taf. XXII. enthält eine Abbildung, welche
kleiner als das Original (Myoma uteri) aufgenommen
ist; die Geschwulst ist verkalkt und wird S. 418
ausführlich beschrieben.
W. vertheidigt den Carbolspray während der
Laparotomie mit triftigen Gründen und legt seine
Ergebnisse in Bezug auf Gebärmutter- und Eier-
stocksgeschwülste offen dar. Die dreifache Oopho-
rotomie (S. 365) ist der höchsten Beachtung wertb.
Wir empfehlen das vorliegende Werk — über
dessen Inhalt wir nur eine allgemeine Uebersicht geben
konnten — dem eigenen Studium angelegentlich.
Namentlich wird es ftlrSpecialistenvon hohem Nutzen
sein, welche entfernt von grössern gynäkologisch-
obstetricischen Anstalten ihren Wohnsitz haben.
Die sehr exakte Ausführung des Lichtdrucks
(durch Römmeler und Jonas in Dresden), sowie
überhaupt die Ausstattung des Buches von Seiten der
Verlagshandlnng verdienen alle Anerkennung.
C. H e n n i g.
56. Ostetrioia minore. Lezioni di Carlo
Minati, Prof.ord. nella R. Universitä di Pisa.
Con 102 incisioni. Milano 1881. U. Hoepli.
gr. 8. XIV e 400 pp.
Ein Hebammenbuch für Italien steht zwar unse-
rem Leserkreise einigermaassen fem. Doch ist die-
ser ,, kleine Katechismus^ ein fast vollständiges Lehr-
buch der Geburtshülfe und stellt den gewiss auch
für uns wichtigen Zustand der gegenwärtigen Ge-
burtskunde in Italien dar, lehnt sich aber mehr an
englische und französische als an deutsche Vorti*äge
an, wogegen wieder unter den zahlreichen, recht
13
98
M i n a t i , Ostetricia minore.
klaren Holzschnitten, deren eine Anzahl Originale
zu sein scheinen , uns Copien aus B. Schultzens
Atlas begegnen.
Das Ganze ist in 46 Vorlesungen eingetheilt,
deren 30 die Physiologie, 13 die Pathologie, 3 die
wenigen den Hebammen anzuvertrauenden Opera-
tionen erläutern ; doch ist den Schülerinnen mit ge-
hörigem Vorbehalt ein ihnen dienlicher Einblick in
den ärztlichen hohem Cursus und die rein ärztl.
Hülfeleistungen verschafft. Hier sei gleich bemerkt,
dass dort auch die Wendung den Händen der Heb-
ammen anvertraut ist, nicht aber die Zange.
Vf. warnt (p. 2) ernstlich die Frauen vor dem
modischen Einschnüren des Hypochondrium und
leitet die Anlage zu den gefürchteten Krämpfen der
Schwängern zum grossen Theile von dem Drucke
her, welchen von Seiten der Rockbänder und Leib-
chen Magen und besonders Leber erfahren, die hin-
wiederum auf den Fruchtträger und dieser vom
6. Monat an auf die Nieren stauend drücken. [In
dieser Hinsicht wäre es wichtig, zu eifahren, ob
nackt gehende Frauen überhaupt und in welcher
Häufigkeit sie von puerperalen Krämpfen befallen
werden.]
Durch das ganze M.'sche Werk geht ein Bestre-
ben , die einschlagenden Verhältnisse mathematisch
und geometrisch zu verdeutlichen, dieses setzt wie-
der eine ungewöhnlich ausgebildete Fassungskraft
der Lehrtöchter voraus — und allerdings zeichnen
sich die Italieneiinnen durch natürliche Anstellig-
keit aus.
Die instinktive starke Beugung der Oberschenkel
und der Beine nach dem Unterleibe herauf läast Vf.
(p. 29) der Kreissenden während der Wehe zu Stat-
ten kommen , insofern als durch diese Haltung die
den Beckeneingang beschränkenden Bäuche beider
lliopsoas-Muskeln auf den kleinsten Raum zurück-
gebracht werden.
Neu ist die Auffassung (p. 32) , dass ^die Bar-
tholin'schen Drüsen in ihrer Entwicklung den Ova-
rien entsprechen.^ Vf. ist überhaupt Teleolog; so
(p. 45) scheinen ihm die Montgomery'schen Drüsen
dazu bestimmt, die Reizung des Warzenhofes dann
zu mindern, wann Milch , an der Luft säuernd , auf
demselben liegen bleibe ; jene Drüsen sondern eine
schützende [und nicht ranzig werdende?] Fettigkeit
ab. So ist es ferner (p. 46) von der Natur weise
vorgesehen, dass die einzelnen Abtheilungen der
Milchdrtlse gesondert münden , damit nicht bei Er-
krankung eines Lappens dessen verdorbener Saft
sich mit dem der gesunden mische.
Eine ausführliche, auch bildliche Darstellung
erfahren die verschiedenen Muskelschichten des
schwängern Uterus, dessen „Grund und Flanken
die mächtigere Schicht besitzen."
Hierbei stellt Vf. sogar (p. 71) das dem Ref. von
mehreren Seiten streitig gemachte Axiom auf, dass
der Uterusgrund , weil er am reichsten an glatten
Muskelfasern sei, auch am kräftigsten in der Oeburt
wirke. — Ein ferneres physiologisches Dogma ist.
dass der Uterus während der Schwangerschaft ein
sehr geringes Empfindungs- und Reaktionsvermögen
besitze, daher er erst in den letzten Wochen norma-
ler Schwangerschaft zu Wehen aufgelegt sd (ent-
gegen der Lehre M. Dune an 's) und auch diese
meist schmerzlos erfolgen. Vf. trennt scharf die
Oebärmutter-Elasticität von der Gontraktilität.
Auf p. 76 ist zu lesen : die Membran, in welche
sich das Ei zuerst einsenkt, heisst Serotina, weil sie
später verschwindet; noch eher verschwinden (p.79)
Reflexa n. Vera ; auch das Nabelbläschen sei (p. 83)
vom 3. Mon. an nicht mehr auffindbar. — Nach
den (p. 88) aufgeführten Maassen sind die Schädel
der ital. Neugebornen etwas länger, niedriger und
breiter als die der mitteldeutschen. Der Kuchen
würde nach Vfs. Angaben durchschnittlich kleiner
und dünner sein, als bei unsem Frauen.
Vf. nimmt (p. 91) an, dass das Fruchtwasser in
den letzten Monaten wahrscheinlich absolut noch za-
nehme, relativ zum Volumen der Frucht aber ab-
nehme. Vf. meint (p. 92), dass die Annahme, die
Knaben seien etwas schwerer und haben emen
etwas umfiinglichem [und hartem] Schädel als die
Mädchen , noch nicht hinreichend bewiesen sei. In
dieser Beziehung ist auf die Gewichte und MaasK
zu verweisen, welche Spiegelberg veröffentlicht
hat (Mon.-Schr. f. Oebu^tsk. XXXIL p. 276. 1868).
Gefilhrlich für den Ruf einer Jungfraa kann der
Ausspruch Vfs. werden (p. 103) , dass die weissen
Striae am Bauche unleugbar auf voraosgegangene
Schwangerschaft deuten, während sie doch bekannt-
lich auch an Personen vorkommen, die, nie schwanger,
nur schnell fett oder wassersüchtig wurden. Die rothen
oder bläulichen Striae ftlhrt er auf eine andere Ge-
nese zurück.
Carbol oder andere Desinficientia behufis der
Untersuchung per vaginam sind in Pisa noch nicht
eingeführt, wohl aber behufs Ansspfilung nach der
Geburt.
Vf. unterscheidet Ballotement und Rückprall
(„rimbalzo'^ p. 113); ersteres kommt auch andern
Geschwülsten, letzterer nur dem schwängern Ute-
rus zu.
Vf. sucht den Herzschlag der Frucht näher deren
Kopfende als dem Steissende. Für die Kliniken bat
Tibone einen Schwangerschaftskalender mit stell-
barem Zeiger angegeben ; letzterer bildet mit dem
den Anfang der Schwangerschaft angebenden Zeiger
einen Winkel von 85® und lässt somit nach rflcic-
wärts das Datum der Geburt ablesen.
Auf p. 126 hätte das bisweilen schon am Ende
des 4. Mon. vorhandene Arteriengeränsch der Mutter
erwähnt werden können. Fünflinge (p. 129) rechnet
Vf. unter die Fabeln [I] ; auch die nähere Beschaf-
fenheit des Blutiaufes bei Zwillingen verschiedener
Grösse (p. 132) ist ihm unbekannt; ausserdem ist
das oft vorkommende Beiwort „ anormale ** [statt
anomale] inoorrekt.
Vf. Üieilt die 1. (vorbereitende) Gebartsperiode
noch in 2 Abschniti» und behält mit Recht die vor-
r
Karpinskiy künstliche Qlieder.
99
benagenden, den Mntterhals verstreichenden Wehen
als ersten bei.
Den Vorgang bei der natürlichen Lösung der
Nachgeburt Iftsst er in drei verschiedenen Weisen
geschehen : 1) als marginale, 2) als centrale (wie
B. Schnitze), 3) als obere marginale Trennung.
Vorsichtiges Ziehen am Nabelstrang behnfs Heraus-
befördemng billigt er.
Primäre Rücken- und Bauchlagen der Frucht
werden zn Ende der Schwangerschaft nicht ange-
nommen.
Die aktiven Bewegjmgen der Frucht findet Vf.
in der Gegend der Füsse derselben am deutlichsten ;
nach ihm (p. 152) entwickelt sich der Schädel aus
vorderer linker Hinterhauptslage immer mit der klei-
nen Fontanelle von hinten links her; wenigstens
bcBennt man in Italien (p. 21) die schrägen Durch-
messer nicht, wie wir, nach ihrem hintern, sondern
nach ihrem vordem Endpunkte. Bei Steisslagen
(p. 168) hätte zur Erkennung der Gegend des Fö-
tnskopfes die Nackenteile der Frucht angeführt wer-
den können.
Eine seltene Entwicklung des nachfolgenden
Kopfes ist auf p. 145 abgebildet, wo das Hinterhaupt
firflher als das nach vom sehende Gesicht ans dem
Damme hervorgeht. Einmal sah Vf. die Schulter-
glae sich zmiächst in Schädel-, sofort aber inBecken-
eodlage verwandeln (Selbstentwicklung p. 184).
Nach der Angabe auf p. 191 müssen die Ita-
lienerinnen ihre Lochien schneller abmachen als un-
sere Weiber, daher mag es auch kommen, dass um
die 5. Woche nach der Geburt sich dort eine Nach-
blutung einstellt, deren Ausbleiben von Nichtstillen-
den fftr Zeichen eines Uterinleidens genommen wird
(p. 197).
Die Unterweisung zum Beistand während der
Gebiurt geschieht ausführlich; der dortigen Hebamme
wird viel Spielraum gegeben zur Nachhülfe mit/;els
der Finger bei zögernder Erweiterung des Mutter-
mundes und bei unpassender Einstellung des Kopfes.
Vf. räth sogar, bei Vorliegen beider Füsse den einen
oder, wo thunlich, beide Schenkel wieder hinauf zu
bringen, um eine unvollkommene oder sogar voll-
kommene Steisslage herzustellen (p. 209).
Die Nabelbinde darf in Pisa noch 2 — 3mal um
den Leib des Neugebornen gehen. Warum eine
kräftige Amme nicht zum 2. Male stillen solle , ist
mierfindlich. In Pisa reicht man schon am 2. Tage
nach der Geburt ein Abführmittel , wofern nicht von
selbst Stnhlentleerung erfolgt.
Bei der Nachforschung nach Schiefheit des Beckens
einer Lebenden (p. 251) vermisst man das Auflegen
der Hflnde auf die Httftkämme der zn Untersuchen-
den ; unter den Ursachen der Osteomalacie das zu
lange Stillen , bei den Zeichen der Gravid, extraut,
den Abgang von Decidna. Vf. erkennt einen Teta-
nus uteri nicht an. Er scheidet die Wendung aus
Schulter- oder Schieflage von der Umdrehung (Ri-
Yolgimento) aus vollkommener Quer- oder Kopflage.
Der Druck ist vortheilliaft gross und deutliche
Druckfehler giebt es wenige: p. 317 fisiometra statt
fisometra ; p. 327 ammios statt amnios.
C. Hennig.
57. Stadien über künstliohe Glieder; im
Auftrage des kön. preuss. Eriegs-Ministerium
bearbeitet von Dr. 0. K a r p i n s k i , Oberstabs-
und Regiments-Arzt des 3. Garde- Grenadier-
Regiments Königin Elisabeth. Berlin 1881.
E. S. Mittler u. Sohn. 8. XI u. 231 S. nebst
88 S. Beilagen und 1 Atlas von öOTaf. in 4o.
10 Mk. (Beilage zu Heft 4 u. 5 der Deutschen
milit.-ärztl. Ztschr. 1881.)
Der im J. 1878 dem Vf. gewordene ministerielle
Auftrag lantete dahin, die in seiner damaligen Stel-
lung als Stabsarzt beim Bezirks-Commando des Re-
serve-Landwehr-Regiments (Berlin) Nr. 35 gewon-
nenen praktischen Erfahrungen über die verschiedenen
kflnstlichen Glieder, ihre besondern noth wendigen
Eigenthflmliciikeiten mit Rücksicht auf die Amputa-
tionsstümpfe, die Vorzüge und Nachtheile der ein-
zelnen Fabrikate nach den Verfertigem derselben
u. s. w., in Form einer dienstlichen Zusammen-
stellung zu bearbeiten ; — ein Thema, welchem Vf.
schon früher seine Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
Trotzdem, dass Vf. mehr eine compilatorische Arbeit
geliefert, ist schon die Uebemahme einer solchen
und noch mehr die sorgfältige, objektive Art ihrer
Durchführung mit grösstem Danke anzuerkennen
und der allseitigen Beachtung und Prüfung anzu-
empfehlen. An mancher Stelle wäre vielleicht eine
übersichtlichere Ordnung und Vertheilung des reich-
haltigen, dabei aber etwas trockenen Materials er-
wünscht gewesen, wobei das Charakteristische der
einzelnen Apparate schärfer hervor-, das minder
Wichtige mehr zurückgetreten wäre. Allerdings
durfte das viele Fehlerhafte und Unbrauchbare —
sei es auch nur zur Lehre und Warnung — nicht
ganz mit Stillschweigen übergangen werden, wie
auch gerade die Beachtung sogenannter Kleinig-
keiten auf diesem Gebiete oft genug von recht grosser
Bedeutung wird.
Bei der heutigen Richtung der Medicin ist be-
kanntlich das Studium der Geschichte, die Berück-
sichtigung der Leistungen unserer Vorfahren in den
Augen Vieler etwas ganz Ueberflüssiges, eine reine
Zeitverschwendnng. Wäre Solches nicht auch auf
dem vorliegenden so beschränkten Gebiete der Fall,
so würden nicht — wie Vf. wiederholt constatiren
konnte — alte, längst als Irrthümer widerlegte Con-
struktionen neuerdings als ganz frisch entdeckte
Wahrheiten reproducirt werden.
Die Mittheilungen des Vfs. beziehen sich nur auf
den Ersatz durch verstümmelnde Operationen ver-
lorener Extremitäten (Arme und Hände, Beine und
Füsse), nicht aber auf den Ersatz für angeborene
Formdefekte oder verlorene Organe (Nase, Ohr,
Auge). Ebenso sind ausgeschlossen die mechan. Vor-
richtungen, welche zum Ersatz für vorhandene, aber
100
Earpinski, künstliche Glieder.
in ihrer Fanktion gestörte Glieder bestimmt sind.
Insbesondere beschäftigt sich Vf. mit der Kunst des
Baues von Gelenken (Arthroplastik). Von einer
statistischen Verweiihung des vorhandenen Materials
wurde abgesehen, weil dasselbe einestheils zahlen-
mässig zu gering, andemtheils nicht gleichartig ge-
nug erschien.
Trotz allen Fortschritten der modernen Chirurgie,
namentlich der sogen, conservirenden mit strenger
Durchführung der Antisepsis, trotz den Staunens-
werthen Vervollkommnungen des militärischen Kran-
kentransportwesens und Zerstreuungssystems, wer-
den in Kriegszeiten immer noch eine Anzahl Fälle
übrig bleiben, in denen das Leben des verwundeten
Kämpfers nur mit theilweiser oder gänzlicher Auf-
opferung eines Gliedes erhalten werden kann, —
und auch hier gilt es, wie Vf. sehr richtig bemerkt,
neue Mittel und Wege zu finden, um für die Krüppel
so gut wie möglich zu sorgen, denn es entspricht
nicht mehr dem patriotischen Gefühl, dem heutigen
Zeitgeiste, den Invaliden einfach mit Krücke oder
Leierkasten abzufinden und ihn dem seiner harren-
den Elende preiszugeben. Der, wenn auch oft arg,
Verstümmelte soll der Gesellschaft als ein noch
nützliches, möglichst erwerbsfähiges Mitglied —
nicht als Bettler — erhalten bleiben. Man stattet
ihn deshalb aus mit dem künstlichen Bein oder Arm,
die einerseits ihn arbeitsfähig machen, andererseits
ihn gleichzeitig über den Verlust gesunder Glieder
trösten, ihm das Frohgefühl am Lebensgenuss er-
halten oder seine Entstellung, wenn auch nicht voll-
kommen, so doch oft recht glücklich verdecken
sollen.
Mit Recht wird bei Schätzung des Werthes der-
artiger Construktionen das Hauptgewicht weniger
auf die Empfehlung oder den Ruf des Fabrikanten
gelegt, sondern weit mehr auf das Urtheil und die
praktische Erfahrung der verstümmelten Träger
selbst. Man vergleiche bezüglich dieses Punktes
besonders die Beilagen A und B. Diese liefern zu-
gleich auch den Beweis, dass nach richtigen Prin-
cipien constiiiirte künstliche Glieder den Verstüm-
melten in zahlreichen Fällen und besonders bei
Voraussetzung eines gewissen Bildungsgrades einen
wirklichen praktischen Nutzen und eine nicht zu
unterschätzende Verbesserung ihrer sonst oft recht
tramngen Lage zu verschaffen vermögen — eine
Thatsache, die bei den nicht wegzuleugnenden
mancherlei Unvollkommenheiten der bisherigen Lei-
stungen auf dem Gebiete der Prothese selbst von
einzelnen Chirurgen immer noch angezweifelt wird.
Die Funktionen des natürlichen Gliedes vollkommen
zu ersetzen, darf allerdings Nienuind von einem künst-
lichen Gliede verlangen. Das bis jetzt — zumal in
Nordamerika und theil weise auch in Deutschland —
Erreichte ist doch etwas mehr als blosse Künstelei
und Spielerei der Fabrikanten und nichts weniger
als eine unnütze Verschwendung oder eine Quälerei
der Verstümmelten. Um jenes Vorurtheil noch nach-
haltiger, als bereits geschehen, zu beseitigen, ist es
jedoch ein ganz wesentliches Erfordemiss, dass dag
seither vielfach übliche Verhältniss des Arztes zum
Techniker ein anderes, richtigeres werde; denn der
Arzt muss wissen, wie am zweckmässigsten zu
operii*en und der Stumpf zu behandeln ist, wann und
wie das künstliche Bein angelegt werden soll, der
Arzt soll den Mechaniker anweisen and onterrichten,
nicht aber von ihm abhängig sein und durch seine
Principien sich leiten lassen. Am richtigsten ist
wohl ein consequentes Ehuid in Hand Gehen dieser
beiden Faktoren.
Nachdem Vf. nochmals in Kürze dargelegt, dnreh
welche verschiedenen Verhältnisse möglichst voll-
kommene Ersatz-Apparate fElr verlorene Theile ver-
langt werden und was die Arthroplastik überhaupt
leisten soll und will, auch die physiologischei\ Grund-
sätze für das Gehen und Stehen des Menschen (nach
Gebrüder Weber, H. Meyer u. A.) in Kflize
dargelegt hat, geht er zum historischen Theil semer
Arbeit über.
An erster Stelle werden künstliche Arme und
Hände besprochen.
Das in historischer, wie technischer Beziehmig
interessanteste Stück ist hier die weltbekannte dserse
Hand des Ritters Götz von Berlichingen, welcher in
seinem 23. Lebensjahre 1504 seine rechte Hasd
durch einen Schuss verlor. Ueber den Mechanis-
mus derselben hat Ref. schon früher (Jahrbb. CXV)
Mittheilung gemacht. Von künstlichen Armen aos
späterer Zeit werden näher beschrieben der vomMe-
chanikns C. H, Klingert in Breslau construirte, dana
die von Bollif und Geissler aus dem Anfange an-
seres Jahrhunderts, ebenso dx(d^&[ Margareihe Caro-
line Eichler in Berlin (1836). Aus neuerer Zelt
ist besondera der von Charriire &\r den Pariser
Opernsänger Roger gefertigte künstliche Arm zu er-
wähnen, sowie der vom Grafen de Beaufort er-
fundene künstliche Arm mit Selbstbewegung. Unter
den Berliner Fabrikaten der Jetztzeit sind nameot-
lich die Arbeiten von Pfister wegen ihrer nicht
schablonenmässigen Gonstruktion rühmend hervor-
zuheben, desgleichen die patentirten künstlichen
Arme des Mechanikers 0. DaUsch, welchem als
14jähr. Knaben die linke Hand dui-ch Pulverexplo-
sion zerrissen und deshalb exartikulirt worden war.
Um seiner künstlichen Hand eine gewissennaassea
vollkommene willkürliche Bewegung zu verschaffen,
bediente sich dieser Verstümmelte zuletzt einer Luft-
druck-Einrichtung, über deren praktischen Werth
sich allerdings noch nicht uriheilen lässt. Vf. meiiit,
dass alle Versuche, dem Ersatzmittel ftlr Arm und
Hand durch complicirte Mechanismen eine scheinbar
selbstständige Bewegung zu verschafifen, ohne jeden
praktischen Werth sind. Es genüge in den meisten
Fällen, dem künstlichen Arm eine passive, dnieh
den natttriichen bestimmbare Beweglichkeit zu geben,
und dazu einfache aber dauerhafte, den VerstfiDunel-
ten wirklich unterstützende, ihn nicht unnöthig be*
lästigende Mechanismen zu verwenden. Stets riebte
K a r p i n 8 k i , kflnstliche Glieder.
101
ach die Ck>n8trnktion im Einzelfalle nach der socia-
len Stellung des Anszurüstenden. In neuerer Zeit
ist man flberhanpt von allen eomplicirten Vomeh-
tnngen znrfickgekommen und zu einfacheren Modellen
znrflekgekehrt; die dem Verstümmelten wenigstens
den Genuss bereiten, den leeren Rockäimel nicht auf
der Brust angeknflpft tragen zu müssen und den
Doppeltampntirten vor völliger Hülflosigkeit und
Abhängigkeit bewahren. Hierzu genügen schon die
einfachen Construktionen von. Reindl in München,
Pfister in Berlin n. A.
Ein reicheres und zugleich auch dankbareres
Feld bieten diejenigen künstlichen Apparate, welche
zam Ersatz der verlorenen Beine und Füsse ange-
geben worden sind, zumal als man die alten Krücken
nod die alten Stelzftlsse wegen ihrer mannigfachen
Uebelstftnde und Unzuträglichkeiten immer mehr
verlassen musste. Die Franzosen begannen zuerst
die Stelze in ein künstliches Bein umzuwandeln,
dann folgten die Engländer, später mit ziemlich
gutem Erfolge die Nord- Amerikaner und Deutschen.
Es ist jetzt — trotz den vielfachen an solche Appa-
rate zu stellenden wichtigen Anforderungen — in
der That gelungen, künstliche Beine zu construiren,
▼eiche die Verstümmelung nicht nur verdecken,
sondern aneb im wirklichen Sinne des Wortes einen
gewissen Fonktionsersatz bieten. Vf. folgt auch in
diesem Abschnitte dem historischen Entwickelungs-
gange.
Die Erfindung der künstlichen Beine gehört
keineswegs unserem Jahrhunderte an, denn bereits
aas dem 16. Jahrhunderte sind uns von A. Par6
Aber ein solches Nachrichten zugekommen. Nach
dieser Zeit finden wir erst im J. 1696 wieder ein
kflnstliches Bein (für den Untei*schenkel) von dem
holländischen Chirurgen Verduin beschrieben;
dann constmirte erst im J. 17^5 Hugo Ravaton
einen künstlichen Fuss für einen dicht über dem
reehten FuBSgelenk amputirten Dragoner, welcher
damit noch an 3 Feldzügen Theil nehmen konnte.
Von späteren Arbeiten sind zu erwähnen die Appa-
rate der Engländer Ch. White, G. Wilson und
Addison. In Deutschland war es zuerst Professor
Brflnninghausen, welcher einen Apparat zum
Ersatz des Unterschenkels constmirte; derselbe
wurde von Prof. Dr. Stark auch zum Ersatz des
Oberschenkels eingerichtet. Andere mehr oder weni-
ger unbrauchbare Apparate rühren von Gechter,
Behrens, Scheuring, J. G. Heine, C. F.
Gräfe her; von besserer Oonstruktion sind die
Konstbeine des russischen Leibarztes Dr. v. Rühl,
dessen Sohne in der Schlacht beiBorodino das rechte
Bein unter der Wade durch eine Kanonenkugel ab-
gerissen worden war, sowie der Stelzfuss des 1814
Aber dem ELnie amputirten Leutnants, später Geh.
Postrath Schmückert in Berlin, welcher in seiner
Oonstruktion wesentliche Neuerungen zeigte, dabei
sehr leicht, dauerhaft, brauchbar und von gewöhn-'
liehen Handwerkern anzufertigen war. Nicht min-
to vollendet und sinnreich war das vom Hofirath
P. Ballif in Berlin fast in der nämlichen Zeit an-
gegebene künstliche Bein, das nur den Fehler der
Kostspieligkeit (90 Thaler) hatte. Weniger zweck-
mässig war das von Prof. Dr. Autenrieth in
Tübingen 1818 constmirte künstliche Bein. Von
grösserer Bedeutung sind dagegen die Apparate des
Schwerin'schen Ereisphysikus Dr. Dornblüth
(1826), welche sich auch dadurch auszeichneten,
dass sie in jedem einzelnen Falle der Individualität
des Verstümmelten angepasst waren. Vf. beschreibt
D.'s künstlichen Oberschenkel und künstlichen Unter-
schenkel mit beweglichem und unbeweglichem Knie.
Margarethe Caroline Eichler in Berlin, deren künst-
liche Hand schon oben Erwähnung gefunden, unter-
nahm es auch, ein künstliches Bein zum Ersätze des
Ober- und Unterschenkels zu constniiren. Die Be-
schreibung datii*t vom J. 1834. Die Eiehler ver-
warf alle bisher bekannt gewordene derartige Ap-
parate als unzweckmässig und mehr oder weniger
unbrauchbar, weil sie nach falschen Principien con-
struirt seien. Bei den Kunstbeinen ^ex Eichler wird
die Polsterung nicht an dem (blechernen) Trichter
befestigt, sondern der Stumpf selbst von oben nach
unten zu mit einer Bandage von weisser Leinwand
umwickelt, und zwar so, dass dadurch der Stumpf
unten an der Ampntationsstelle dui*ch das Hervor-
treten der Fleischmasse gleichsam eine natürliche
Polsterung erhält. Ferner darf der Trichter für
den Oberschenkel nicht bis an den Sitzknochen
reichen, sondern muss wenigstens 1 — 1^/^ Zoll da-
von entfernt bleiben. Endlich sucht die E. dem Fusse
seine gehörige Gelenkigkeit dadurch zu verschaffen,
dass sie im Innern des Apparates drei starke Spiral-
federn anbringt, von denen Darmsaiten nach dem
Fussstücke gehen. Diese Federn und Darmsaiten
vertreten die Stelle der Muskeln, welche durch ihr
Zusammenziehen und Auseinanderdehnen die Hebel
bewegen, d. b. den Unterschenkel und Fuss, wie es
bei dem natürlichen Gehen der Fall ist. Dieses
Princip des Innern Mechanismus, namentlich dessen
Einfachheit, Anordnung, Zugänglichkeit und Zuver-
lässigkeit, glaubt Vf. als neu und eigenthümlich be-
zeichnen zu müssen. Der Preis eines solchen Beines
betrug 30 — 40 Thaler, das Gewicht des künstlichen
Oberschenkels mit allem Zubehör 4 Pfund 15 Loth,
dasjenige des Unterschenkels 3 Pfund 17 Loth.
In Frankreich construirte Anfangs der 30er Jahre
der Orthopäd Mille zu Aix in der Provence ein
künstliches Bein , dessen ausführliche Beschreibung
wir dem Chirurgen Goyrand verdanken. G. rühmt
dieses Bein als etwas ganz Ausserordentliches und
zugleich in dem Principe seiner Oonstruktion als
etwas ganz Neues, was indessen keineswegs der Fall
ist. Charriöre und Martin brachten an diesem
Apparate noch Verbesserungen an. Ein von dem
amputirten Studenten der Medicin RichardOante-
gril der Akad. d.Med. zuPains im J. 1835 vorgeleg-
tes künstliches Bein wurde als zu complicirt von die-
ser verworfen und dem einfachen Stelzfuss als dem
bequemsten und dauerhaftesten Apparate der Vorzug
102
K a r p i n s k i , künstliche Glieder.
gegeben. Weitere in neuerer Zeit in Frankreich aof-
getauchte Apparate rtthren von Serre, Char-
riöre, Mathieu, Bichard, Graf de Beau-
fort, de la Hayrie n. A. her.
Von den 40er bis zu den 60er Jahren ist aaf
dem Gebiete der Arthroplastik wenig Brauchbares
geleistet worden. Im J. 1871 erschien die Schrift
des (selbst an dem einen Unterschenkel amputirten)
Dr. D.E.Meier: „üeber künstliche Beine", welche
neben manchen eigenthümlichen , heutzutage nicht
mehr zulässigen Anschauungen , besonders über die
englischen und amerikanischen Modelle und deren
Entwicklungsgang Näheres mittheilt. Vf. folgt hier
der Beschreibung M e i e r 's. Hervorzuheben ist zu-
nächst das von Pott (oder Potts) im J. 1816 fOr
den bei Waterloo eines Beins beraubten Marquis of
Anglesey construirte künstliche Bein (Anglesey-Bein),
welches später durch Palmer, Selpho, Jewett,
DouglasBly in Nordamerika vielfach verbessert
wurde. Namentlich waren es die Construktionen
von P a 1 m e r und B 1 y , welche auch auf dem Con-
tinente Anerkennung und grössere Verbreitung fan-
den. In Oesterreich war es der Oberstabsarzt Dr.
Russheim, welcher ein von Dr. Hermann in
Prag beschriebenes künstliches Bein für Oberschenkel-
amputii*te con8truii*te. Die ausserordentlich vortheil-
hafte Befestigungsweise wird hier besonders gerühmt.
Einen ähnlichen Apparat hatte sich bereits Ende der
40er Jahre der Telegraphist Gärtner in Tharandt
bei Dresden für seinen in der Mitte amputirten Ober-
schenkel zusammengestellt und haben wir in nnsem
Jahrbb. Bd. CXV. seiner Zeit den ersten Bericht
hierüber gebracht. Sehr wesentliche Vorzüge , als
Einfachheit der Construktion , leichten und sichern
Gang, billigen Preis u. s. w. rühmt Prof. W. Busch
an seinem 1863 beschriebenen künstlichen Beine für
den Amputationsstumpf des Oberschenkels. Nach
dem zweiten Schleswig - Holsteinischen Kriege war
Prof. Esmarch in Gemeinschaft mit dem Instru-
mentenmacher Beckmann in Kiel bemüht, zweck-
mässige Apparate zum Ersatz des verlornen Ober-
und Unterschenkels zu beschaffen und glaubt, die
bisherigen Leistungen auf diesem Gebiete übertroffen
zu haben. Die Berliner Fabrikanten haben theil-
weise nach amerikanischen Mustern gearbeitet. Ni-
colas und Geffers wendeten statt der Holzftlsse
an ihren Beinen GummifÜsse an. Kugelgelenke an
Stelle von Chamiergelenken für das künstliche Fuss-
gelenk haben sich nicht bewährt. Pfieier fertigt
die Hülsen für den Stumpf aus Metall (Eisenblech,
Neusilber, Aluminium-Bronze). Lange Unterschenkel-
stümpfe sind für das Gehen mit künstlichen Beinen
geeigneter, als kurze. In neuerer Zeit ist von einem
gewissen Munique, dicht unter dem Knie ampu-
tirt, ein Kunstbein gefertigt und mit Patent versehen
worden. Am Schlüsse dieses Abschnitts bespricht
Vf. noch einige Apparate für Leute mit exartikulir-
tem Oberschenkel, für Solche, welche nach Gritti
oder Garden im Knigelenk oder nach C h o p a r t
pder Lisfranc im Fusse amputirt sind.
Das „Kritik" fiberschriebene Capitel verbratet
sich hauptsächlich nach 3 Gesichtspunkten, nämlieh
a) die Arbeit des Techniken , b) das Mitwirken de«
Arztes dabei u. c) das Verhalten des Verstümmdten.
a) Bei dem Technischen werden zuerst die ver-
schiedenen Materialien besprochen, dann die Anbiio-
gnng des Polsters (eine gepolsterte Hülse ist gm
fehlerhaft), die Construktion der Gelenke (deren Be-
standtheile müssen aus Eisen , bez. Stahl gefertigt
sein, desgleichen etwa nöthige Seitensohienen). Am
besten sind doppelt gefensterte Charniergelenke mit
Gummieinlagen nach Pßeter. Vf. kommt auf Grand
seiner Studien und Beobachtungen zu dem ResaltatCj
dass die unbedingt zu stellenden Anforderungen, als:
geringe Schwere bei dauerhaftem Material, einfaehe,
bequeme und doch sichere Befestigang am Glied-
stumpf, naturgemässe , leichte, der Art und dem
Grade nach zu modificirende Bewegnogsfthigkeit
der Gelenke , einfacher , zuverlässiger und zo^g-
lieber Mechanismus , relative WohifeUheit in Bezog
auf Anschaffung u. nöthige Reparaturen you Pfister^t
künstlichen Metallbeinen im vollsten Maasse erfüllt
werden.
b) Was das Zusammenwirken des Arztes and
des Technikers betrifft, so wird der Erstere znnäebat
mit Rücksicht auf Erhaltung der Kraft des Stumpfes
diesem selbst die grdsstmögliche Länge geben. Im
Allgemeinen verdient der Lappenschnitt den Vorzog.
Die Spitze des Amputationsstumpfes darf niemaJi
allein als Stützpunkt im künstlichen Bein gewählt
werden. Das künstliche Glied soll erst dann ange-
legt werden , wenn die Amputationswunde vollstio-
dig fest vernarbt ist (nach 6 — lOMon.). DerAmpo-
tirte muss sich auf alle Fälle dem Techniker persön-
lich vorstellen.
c) Der Verstümmelte muss erst allmälig mit dem
künstlichen Beine gehen lernen und dabei, wenig-
stens in der ersten Zeit, vom Arzt und Techniker
beobachtet werden, um etwaige Fehler des Apparats
corrigiren zu können. Der Träger eines kttnstlicheB
Beins muss sich die Conservirung desselben ange-
legen sein lassen , namentlich seinen Stumpf richtig
behandeln. Das abwechselnde Tragen eines Eonst-
beins und eines Stelzfusses ist ans naheliegenden
Gründen nicht zulässig. Am besten wäre es vid-
leicht, wenn jeder Verstümmelte nicht blos ein, son-
dern zwei künstliche Glieder erhielte ; doch ist ene
solche Beschafixing nicht nur äusserst kostspielig,
sondern die Erfahrung lehrt uns auch , daas selbst
dadurch keineswegs alle Hoffnungen auf wirkliehe
Arbeits- und Erwerbsfilhigkeit reatisirt werden k(Hi-
nen. Die Beobachtungen des Vfs. an Invaliden er-
geben nämlich, dass von 25 mit künstliehen Unter-
schenkeln Ausgestatteten 1 gar nicht orwerbsfthig,
7 kaum theil weise, 17 nothdürftig arbeitsfthig sind,
von 20 mit künstlichen Oberschenkeln Ausgestatteten
1 gar nicht, 7 kaum theil weise, 12 auch nnr noth-
dürftig zu bestimmten ganz leichten Arbeitsleistangen
befähigt sind. Der Grund hierfür li^ zum gering-
sten Theil bei Arzt und Techniker, sondem in der J
Handbuch d. öffentl. Gesundheitspflege.
103
Haaptsache in dem Bildungsgrade des Verstflmmel-
ten. Nach Vfs. Ansicht muss man gegenüber dieser
Thatsaehe bei der Beschaffung prothetischer Appa-
rate ftir Kriegsverstümmtelte zwei Kategorien , nach
ihrem Bildungsgrade, nach ihrer fillhem Beschäf-
tigimg als Handwerker u. s. w. unterschieden , ge-
trennt aufstellen. Während sich für die eine Klasse
Besehaffong der besten künstlichen Glieder in der
That eignet y hat die andere nur Plage und Last
diTon und keinen grossem Vortheil, als von minder
kostspieligen, einfachen Apparaten. Die grösste
Zihl unserer Yei-stümmelten hält K. ausserdem nicht
Dir fflttlich reif genug, oder, milder ausgedrückt, für
intellektuell nicht befähigt genug , die Wohlthat in
der Lieferung ktlnstlicher Glieder zu würdigen und
den Zweck , der damit erreicht wei*den soll , einzu-
gehen. Für solche Leute kann sich der Staat das
kflnstliehe Bein sparen, denn der Stelzfnss leistet
hier in Bezng auf ErwerbsfUiigkeit noch gerade ge-
rn^. Stromeyer gebrauchte bei der Vertheilung
kflnstiicher Glieder die Vorsicht , dieselben erst zu
bezahlen, nachdem die Amputirten eine Zeit lang
diTon Gebrauch gemacht und dem Künstler ein
Attest ausgestellt hatten, dass sie vollkommen befrie-
digt seien — ein heutzutage von den Fabrikanten
wohl schwerlich acceptirter Modus. Er erklärt übri-
^ns die allgemeine Anwendung künstlicher Glieder
ebenfalls für eine unnütze Verschwendung. Sehr
empfehlenswerth ist das Verfahren des Stuttgarter
Vereins für künstliche Glieder, welcher bezüglich der
Verabreichung solcher Apparate seine Entscheidung
nur von Fall zu Fall trifft. Unter 457 von diesem
Vereine mit yerschiedenen ktlnstlichen Gliedern Aus-
gerüsteten befanden sich nicht weniger als 186 Stelz-
ftlsfle. Die Entscheidung der filr künstliche Metall-
heine und der für vervollkommnete Stelzftisse ge-
eigneten Fälle wird am richtigsten aus competenten
Kräften zusammengesetzten Vereinen oder Comit^'s
flberlassen. Vf. macht einige Vorschläge , wie sich
diese Vereine u. der Staat den Verstümmelten gegen-
flher zu verhalten haben, um diesen wirklich zu
nStzen und den Kostenaufwand nicht allzu bedeutend
werden zu lassen.
Von grossem Interesse sind die „Beilagen^' der
vorliegenden Arbeit. Dieselben bringen in tabella-
rischer Form zunächst Fälle von künstlichen Beinen
ond Armen , wobei , soweit Solches zu ermöglichen,
m besondem Golonnen Mittheilungen über folgende
Punkte geliefert werden : Charge und Tmppentheil ;
Vor- und Zuname , jetziger Stand ; Ai*t und Ort der
Verwundung, bez. Verstümmelung, sowie der spätem
Operation ; erste Verabreichung künstlicher Glieder,
Bezeichnung des Bandagisten und der Art des ge-
lieferten Ersatzes; Kosten der ersten Verabreichung
in Mark ; Reparaturkosten der ersten Verabreichung,
von welchem Bandagisten , in Mark ; zweite Verab-
leiehong von künstlichen Gliedern; Kosten der zwei-
ten Verabreichung in Mark ; Reparatnrkosten der
zweiten Verabreichung , von welchem Bandagisten ;
l'ngezeit der kflnstliohen Glieder; Seitens des
Arztes , bez. Fat. gemachte Beobachtungen von An-
fang 1873 bis Anfang 1880.
Künstliche Beine erhielten 46 Mannschaften,
5 Officiere, sowie 2 Privatpersonen, künstliche
Arme 13 Mannschaften, 1 Officier. Von Mannschaften
mit Krücken werden 6 Fälle erwähnt. In ausführ-
licherer Weise berichten über die mit ihren künst-
lichen Gliedmaassen nach längerem Gebrauche ge-
machten Erfahrungen einzelne Invaliden und Offi-
ciere.
Eine sehr wichtige Beigabe zu den „Studien über
künstliche Glieder^' ist ein ebenfalls von K a r p i n s k i
bearbeiteter Atlas, welcher in chronologischer Reihen-
folge auf 50 Tafeln die Abbildungen der beschrie-
benen Arme, Hände, Beine und Füsse vorführt.
Martini.
58. Handbuch des offentliohen Geaund-
heitswesens. Im Vereine mit Fachmännern
bearbeitet und herausgegeben von Dr. Her-
mann Eulenberg, Geh. O.-M.-R. u. s. w.
Erster Band. Berlin 1881. Hirschwald. gr. 8.
751 S. Mit Holzschnitten. (17 Mk.)
Anlass zum Erscheinen desV^erkes gab das Ver-
griffensein von Pappenheim 's bekanntem Hand-
buch der Sanitätspolizei. Die einzelnen Artikel,
welche in alphabetischer Reihe aufeinander folgen,
sind bewährten Fachmännern, die mit dem betreffen-
den Gegenstande besonders vertraut sind , zur Be-
arbeitung übergeben worden. Die Privathygieine
blieb ausgeschlossen.
Dem speciellen Theile ist eine vom Herausgeber
geschriebene historische Einleitung vorausgeschickt,
welche eine kurze Geschichte der Seuchen, sowie die
Entwicklung des öffentlichen Gesundheitswesens in
den verschiedenen Staaten in sich schliesst. Dem
Buche ist folgender Plan zu Grunde gelegt, in den
sich die besondem Capitel organisch einreihen lassen.
I. Oeffentliche Gesundheitspflege: A. Mittel
zur Erhaltung und Förderung der allgemeinen Ge-
sundheit. B. Sorge für die Beseitigung allgemeiner
GesundheitsgeAhrdungen.
II. Sarge für die Beseitigung einzelner Ge^
aundheitsgefä/irdungen ; Sanitätepolizei,
III. Das Heilweeen. MedicinalpoUzei : A. Das
Medicinalpersonal u. Apothekenwesen. B. Kranken-
anstalten. C. Statistik. D. Veterinärwesen.
Von den im vorliegenden eraten Bande ent-
haltenen Artikeln sind hervorzuheben unter I. : All-
gemeine Ernährung von Dr. Flu egge (Göttingen),
Kinderernährung von Dr. Lothar Meyer (Ber-
lin). Die gegenwärtig im Vordergrunde stehende
Frage Mer Beschaffenheit derNahrungs- und Genuss-
mittel findet Erörterung in den Aufsätzen von Prof.
Tollens (Göttingen) über Butter, von Thierarzt
D u n c k e r (Berlin) über Fleisch, von M.-R. P i s t o r
über Conserven, vom Herausgeber über Branntwein
und Liqueure ; der Alkoholismus, seine Folgen und
die gegen denselben in Anwendung zu bringenden
Mittel und Maaasnahmen sind von San.-R. B aer
104
Jahresbericht d. k. aächs. Landes-Med.-Colleginms.
(Berlin) bearbeitet. Badeanstalten, Baden u. Bäder
sind von San.-R. Lehmann (Oeynhausen), die
Hygieine des Auges von Dr. Katz (Berlin), Ammen-
nnd Findelwesen von Dr. L. Meyer besprochen
worden.
Die Reinhaltung des Bodens haben die Artikel :
Boden von Prof. Orth, Kanalisation u. Berieselung
von Baurath Wiebe, Abfälle von Prof. Alex.
Mueller, A-B-C-Process vom Herausgeber zum
Gegenstande, die der Flüsse u. öffentlichen Wasser-
läufe der Artikel Algen von Prof. Magnus (Berlin).
Der Prophylaxe der Seuchen sind die Aufsätze:
Blattern u. Impf wesen von Dr. L. Meyer, Cholera
asiatica von Dr. Bugen Fraenkel (Hamburg),
Diphtheritis von Prof. Ewald (Berlin), Bau- und
Wohnungspolizei von Stadtbaurath Blankenstein
(Berlin), Desinfektion von Dr. Flu egge, Fäulniss
von Stabsarzt H i 1 1 e r (Berlin) und Bakterien von
Prof. Birch-Hirschfeld (Dresden) gewidmet.
Bemerkenswerth sind folgende Schlusssätze des Letz-
tem in der Bakterienfrage : „Die Vertreter der prak-
tischen Hygieine werden sich dagegen verwahren
müssen, dass man ihnen von hypothetischen und auf
ein unvollständiges Beweismaterial gegründeten An-
schauungen aus die Direktive für ihr Handeln an-
geben will, und um so mehr wird diess der Fall
sein, wenn solche Forderungen in Widerspruch treten
mit Gnmdsätzen, welche durch die Erfahrung bisher
bewährt erachienen sind. Die praktischen Maass-
regeln der Gesundheitspflege gegenüber den Infek-
itonskrankheiten werden sich immerhin sicherer auf
die Erfahrung, welche die Geschichte der Epidemien
ergeben hat, stützen als auf Hypothesen, welche
jeden Tag durch eine neue Erfahrung in Frage ge-
stellt werden können.''
Zu U. gehören die Artikel sanitätspolizeilichen
Inhalts: Abdeckereien von Prof. Esser (Göttingen),
Gefängnisswesen von Dr. Knecht (Waldheim i/S.),
Gifte und Gegengifte, giftige Pflanzen von Prof.
F a 1 c k (Kiel) , Bordellwesen , Syphilis und Prosti-
tntion von Dr. L. Meyer.
Die gewerbliche und Industrie-Hygieine nimmt
in dem Werke entsprechend ihrer hohen Bedeutung
einen erheblichen Raum ein und ist von Autoren, die
auf diesem Gebiete wohl bewährt sind , bearbeitet.
Im allgemeinen Theile wird von Prof. Hirt (Breslau)
die Arbeiterhygieine im Allgem., von M.-R. Pistor
die Gewerbe-Sanitätspolizei besprochen ; der Artikel
Gewerbekrankheiten istvonPriv.-Doc. Dr. Popper
(Prag) verfasst. Noch immer wird hier eine zuver-
lässige und rationelle Statistik vermisst. Zur Aus-
übung der Gewerbe-Sanitätspolizei hält P i s t o r die
Ueberwachung der gewerblichen Anlagen durch
eigene Aufsichtsorgane für erforderlich, denselben
dürfe jedoch eine gute medicinische Vorbildung nicht
fehlen, wie denn auch unter den schweizerischen
Fabrik-Inspektoren sich zwei Aerzte befinden.
Von bekannter Gründlichkeit und Klarheit sind
die von dem Herausgeber geschriebenen Artikel:
AkroleiOy Alaun-Industrie, Ammoniak und Ammon-
salze, Baumwollen -Industrie, Blei-Industrie; von Dr.
Uloth (Bensheim) rühren diejenigen über Arsen,
sein Vorkommen u. seine Verwendung, über Bronce-
Industrie, Cyan, Farben, Fimiss-Indnstrie ; von Hof-
apotheker Dr. Hoermann (Berlin) diejenigen über,
Aether u. Alkoholpräparate, Bor-, Baryum-, Chinin-,
Chrom-, Cichorien - Industrie ; von Dr. Grand-
h 0 m m e (Hof heim) diejenigen über Anilismus, Ad-
thracen und Fuchsin. Das Capitel Bergbau hat den,'
Berg-Ingenieur Dr. Purlt (Bonn) zum Verfasser. I
Ferner finden sich Artikel über Bierbrauerei von
Dr. Griessmayer (München), über Düngerfabri-
kation vom techn. Direktor Dr. B l u e g e 1 (Oranien-
bürg), über Gerberei von Gewerberath Dr. Ber-
noulli (Oppeln), über Glas-Industrie von Med.-
Assessor Dr. Kind (Kassel), über Gold-Industrie
von Chemiker Dr. Bise hoff (Berlin). Die hygici-
nischen Verhältnisse des Eisenbahnpersonals aod
von Geh. M.-R. Prof. Finkeinburg (Bonn) dar-
gestellt.
unter III. handelt M.-R. Pistor vom Apotheken-
wesen, von der Beaufsichtigung der Arzneien und
der Arzneimittel-Polizei ; insbesondere giebt P. ein-
gehende Anleitung zur staatlichen Beaufsiohtigang
der Apotheken und entwickelt die Gesichtspunkte,
welche für die Concessionirnng derselben von Be-
deutung sind.
Die Erwartungen , die sich an die Namen der
VfT. dieser wichtigen Ai*tikel knüpfen , sind in dem
Werke voll und ganz erfüllt, so dass dasselbe jedem
mit der Verwaltungsmedicin in Berührung stehenden ;
Beamten und Privaten ein zuverlässiger Führer and
Rathgeber sein wird. Schlockow.
59. Elfer Jahresbericht des Landes -Medi-
cinal - CoUegiums über das Medioinal-
wesen im Königreich Sachsen auf das
Jahr 1879. Leipzig 1881. F. C. W. Vogel,
gr. 8. VI u. 81 S. (4 Mk.)
Der vorliegende Bericht reiht sich seinen Vor-
gängern in jeder Beziehung würdig an.
Wie früher wird in der Einleitung der Fort-
schritte der Medicinal'Gesetzgebung im J. 1879
gedacht. Die Reicfisgesetzgebung zunächst hat
ausser Verordnungen gegen die von Russland dro-
hende Pestgefahr 2 wichtige Gesetze gebracht:
das Gesetz vom 14. Mai 1879 „der Verkehr mh
Nahrungsmitteln, Genussmitteln, Gebrauchsgegen-
ständen^ (Ergänzung und Erweiterung des § S67.
sub 7 d. d. Strafgesetzbuches) und das Gesetz Tom
2^. Juli 1879, die Abänderungen einiger Bestim-
mungen der Gewerbeordnung betr. (Art. 1. Er-
ziehung von Kindern gegen Entgelt — Ziehkinder
wesen — Art. 2. strengere und sachgemässere
Bedingungen bei der Ooncessionsvertheilniig ^
Unternehmer von Privat-Kranken-, Entbindungs- u.
Irrenanstalten), femer bundesräthliche BestiouDan*
gen über Beschäftigungen von Arbeiterinnen no^
jugendlichen Arbeitern in Walz- und Hammer-
werken ^ beziehentlidi dieser letsteni in Spa»-
Jahresbericht d. k. sftchs. Landes-Med.-Collegiums.
105
reien nnd Aber Terminverlegnng der PrttfaDgen
von Apothekergehttlfen. —
Von Seiten der Landesgesetzgebung sind fünf
nicht anwichtige Verordnungen des k. CultuBmini-
steriams verzeichnet : Die Berechtigung zur Füh-
roog akademischer Würden betr. (nur die von
Dicht-deutschen Universitäten verliehenen bedürfen
der Genehmigung des k. Cultusmipisteriums), Re-
vision der Verordnung über Anlage und Einrich-
toDg von Schulgebäuden betr. vom 24. März 1879
(die Normativbestimmungen sind den jeweiligen
örtlichen Verhältnissen anzupassen und auch die
Baupläne für Schulgebäude den Bezirksärzten vor-
sulegen), Bestimmungen über die Einrichtung von
Schalimpflisten betr. vom 2. Jan. 1879, Errichtung
der Irrenstation beim Zuchthause Waldheim betr.
Tom 27. Märzl8799 Verbot an die Apotheker, Ge-
währung von Vortheilen an Kurpfuscher f&r ent-
nommene Arzneien betr. vom 21. Mai. Schlüss-
lich gedenkt die Einleitung noch der Berichte der
Fabrikinspektoren des Königreichs Sachsen.
/. Abschnitt Die ärztlichen und pharmaceatischen
Orguie der Medicinalyerwaltang haben beim Medicinal-
eolleginin nur zwei Veränderungen erfahren : 5 Aerzte
haben die staatsärztliche Prüfung, 76 Lehrtöchter in
Breeden die Hebammenprüfnng bestanden. Es worden 18
gewöhnliche Sitzungen und 1 Plenarsitzung abgehalten.
In ersteren worden 18 Gegenstände der Medicinalyerwal-
tang erledigt nnd 10 juristische Obergntachten (6 zweifei-
hilto Seelenzustände) erstattet. In der Plenarsitzung
worde — zum 1. Kaie öffentlich — über die Anregung
des Beichslcanzlers „dauernde Entziehung der ärztlichen
vdA phannaceutlschen Approbation betr.*^ über „Begräb-
ninwesen'*, « Aerzte und die Bestimmung der Gewerbe-
, oidnimg'' und ^yVerkauf von Arzneistoffen ausserhalb der
i Apotheken* (diese 2 letzteren Anträge vom ärztlichen
Bezirksverein Pirna nnd pharmaceutischen Kreisverein
Leipzig) verhandelt. Ueberdem worden die Irrenanstalt
Hnbertosburg, die Heil- ond Pfleganstalt für Epileptiker
in Rönigswarthe und die Blindenvorschnle und Hfilfsan-
stilt für erwachsene Blinde in Moritzbnrg von einzelnen
IfitgUedem des CoUegioms besocht ond über den Befund
sn das k. Hinisteriom des Innern Bericht erstattet.
Die Thätigkeit der ärztlichen und pharmaceutischen
Bezirks-Vereine ist auch im J. 1879 mehr lokaler Nator
gewesen, wenn schon ans den Mittheilongen einzelner
Vereine regeres Leben sich folgern lässt. Neo ist das
Capitel ^städtische Gesundheitsausschüsse, *" Gemäss § 121
f' d. revid. St.-Ordng. war 1874 in Dresden ein Gesond-
keitszosschoss aus 9 Personen bestehend (je 2 Mitglieder
des Stadtraths, der Stadtverordneten, dem Stadtbezirks-
uzte, eisern Mitgliede der k. Polizeidirektion, 2 desgl.
des ärztlichen Bezirksvereins und einem des Ingenienr-
nnd Arehitektenvereins), 1878 in Leipzig desgl. aus 12
I»estehend Oe 8 Mitglieder des Bathes nnd der Stadtver-
ordneten, dem Stadtbeeirksarzte , den Direktoren der
innen Klinik des Stadtkrankenhauses und der Distrikts-
poÜkUnik, 2 vom Bezirksverein zu wählenden Aerzten
^ 1 Chemiker, letzterer ohne Stimmrecht) errichtet
werden. Der Dresdner Ausschoss hat eine nur berathende,
Bieht verfOgende Stellung, im J. 1878 2 und 1879 4Sitz-
VBgen gehiüten, der Leipziger, dem ein Dispositionsfond
▼on 1500 Mark zur selbstständigen Verfügong überwiesen
^f bat eine einflnssreichere Stellnng; er hielt ausser
■^UreiehenSItsnngen vonSoboommissionen 1878 7, 1879
4 flttniagen und erreiohte, dass der Rath den meisten
"Qte Qutaehten Folge ga^. Beide Aosschosse haben
■dt grossem Flelsse ond grosser Sachkenatniss Gegen-
I Med. Jahrbb. Bd. 192. Hft. 1 .
stände aos den verschiedensten Gebieten der Hygieine,
auch schwierigster Art, erledigt.
lieber Heilpersonal ond Heilanstaüen berichtet Ab-
schnitt III., dass die Zahl der Aerzte sich seit I.Jan. 1879
bis 1. Jan. 1880 von 1009 anf 1026 erhöht hat (daronter
ein Zahnarzt mehr) , davon die eine Hälfte in Dresden,
Leipzig, Chemnitz, die andere im übrigen Lande (im
Regiernngsbez. Baotzen ist die Zahl gefallen von 95 anf
85 am 1. Jan. 1880, Dresden gestiegen von 144 aof 152,
Leipzig von 123 anf 126, Zwickau von 183 aof 184), 33
Aerzte haben das Extemat benotzt, davon 27 an dem
kgl. Entbindongsinstitnt.
Die Zahl der Apotheken ist um 3 gestiegen (Dresden,
Planen i/V., Molda b/Freiberg). Von den 242 überhaopt
vorhandenen sind 80 revidirt worden, 17 mit Ergebniss
„vorzfiglich** (eine als Mosterapotheke bezeichnet), 88
„sehr got**, 18 «got", 6 „genügend'', 1 nongenügend** ;
nnr bei 8 ist gar keine Erinnernng, betr. Droguen,
Waagen o. s. w. nöthig gewesen; 50 betrieben aus-
schliesslich das Apothekergeschäft. Der Mangel an Hülfs-
personal scheint verschwonden zo sein: 41 CandiÜatcn
sind geprüft worden, 1 ohne Erfolg. Aerztliche Hans-
apotheken wurden 10 revidirt, fast alle mit dnrchans
befHedigendem Ergebniss.
Die Zahl der Hebammen ist von 1714 aof 1703 , die
der Bezirke von 943 anf 935 gefallen (82NeoangestelIte).
Wegen Pflichtwidrigkeiten ist eine ziemliche Anzahl
bestraft worden (3mal wegen Vemachlässigong von
Ophthalm. neonat.), je eine ist wegen Ansteckong mit
SyphUis — nach einem Aussprache desL.-M.-CoU. sollen
mit constitationeller Syphilis behaftete Hebammen nicht
daoernd, sondern nur während der Krankheit von der
Berofsaosübong sospendirt sein, nach erfolgter Genesong
wieder zngelassen werden — nnd HäofüngvonPoerperal-
fleberfSUen in ihrer Praxis auf Zeit sospendirt worden.
Die Gebnrtstabellen nach dem neuen Formolare vom
1. Jan. 1880 wurden im Allgemeinen befriedigend ge-
führt. In einzelnen Bezirlcen sind die Hebammen durch
bezirksärztliche Instntktionen zom Gebrauch von Carbol-
sänrelösong ond Carbolöl verpflichtet worden. Die Liefe-
rong dieser Präparate hat in Dresden der Stadtrath aof
seine Kosten übernommen (90% wässr. Losung, in Leipzig
70% spiritoöse, bei Anwendung anf 2% zo verdünnen).
Die Klagen über mangelhafte Bezahlung sind die gleichen.
Unter Nr. IL, Heilanstalten, ist erwähnt, dass neue
Krankenanstalten gebaot ond errichtet sind von Gebr.
Preihiesch in Reichenau, vorzüglich, für 40 Betten, in
Volkmarsdorf b/Leipzig für 17 Betten, in Colditz neues
Krankenhans, vorzüglich. Verträge sind abgeschlossen
Seitens der bezüglichen Bezirksverbände zor Verpflegung
der Kranken von Landgemeinden mit den Städten Borna,
Pegao, Groitzsch einer-, Grimma, Würzen ond Colditz
andrerseits. Neubaoten beabsichtigt ond Pläne zor Prü-
fong vorgelegt sind in Borna, Riesa (Johanniterhans),
Colin b/Meissen, Sebnitz, Döbeln —ist im Sept. 1881
eingeweiht worden. Arzt Dr. med. Korb. Ref. —
Dr. B. C r e d e hat in Dresden ein vorzügliches Privat-
krankenhaus mit einer Anzahl Freibetten für unbe-
mittelte Kranke eingerichtet, das planmässiger Erweite-
rong zogeführteCarobihaoserlreot sich zonehmender Fre-
qoenz. Die von der Staatskasse unterhaltenen Frei-
betten in der Diaconissenanstalt und dem Carolahause
sind mit 4380 und 2185, die in den Stadtkrankenhäusem
zo Freiberg ond 'Grossenhain mit 1932 ond 1253 Ver-
pflegtagen benutzt worden. Die vortrefflichen Siechen-
hänser Bethesda (Lossnitz b/Dresden) , zu Tancha und
das Friedrichsstift in Trachenau b/Botha (Schöpfung der
Freifrau v. Friesen) sind fast immer überreich gefüllt.
Von den Irrenanstalten betrug in Sonnenstein bei
Beginn des Jahres die Zahl der Verpflegten 435; im
Laufe des Jahres wurden 248 aufgenommen ; nach Ab-
gang von 131 geheilt oder gebessert , 14 ungeheilt Ent-
lassenen, 64 als unheilbar an die Pflegeanstalten Abge-
14
106
Jahresbericht d. k. sächs. Lande8-Med.-Colleginm8.
gebenen n. 36 Gestorbenen stellte sich die Zahl am Schlosse
des Jahres auf 436 Köpfe heraus. Der beantragte Neu-
bau für 50 Köpfe ist bisher an der ungunstigen Finanz-
lage des Landes gescheitert. Colditz begann mit 845 und
schloss mit 875 Köpfen — neu aufgenommen 169, ge-
storben 76, nach Hochweitzschen versetzt 84, entlassen
9 ; die Meierei Zschadras hatte gewöhnlich ca. 280 Köpfe.
An Stelle des in Ruhestand getretenen M.-R. Voppel
ist Dr. Köhler, früher in Hubertosbnrg, zum Direktor
ernannt worden. Hnbertusbnrg mit Colonie Reckwitz
umfasste am Jahresanfänge einen Bestand von 1228
Personen und schloss mit 1279 Köpfen — (207 auf der
Kinderstation) — neu aufgenommen- 170, gestorben 81,
beurlaubt 36, entlassen 14, nach Colditz versetzt 15.
Hochweitzschen mit 367 Köpfen beginnend, schloss mit
371 — gestorben 104, neu aufgenommen 108. — Ueber-
all sind die Gesundheitsverhältnisse günstige gewesen.
Die Irrenstation Waldheim - Zuchthaus begann mit 26
Köpfen und schloss mit 31.
Das Capitel Bäder berichtet von Elster (4998 Be-
sucher und 2585 eigentliche Kurgäste) und Warmbad
Wolkenstein Erfreuliches, sowie die Neuerriohtung eines
Eisenbades im Dorfe Zittel b/Zittan.
Abschnitt 11 beschäftigt sich nnter B., wie
bisher mit ^der öffentlichen Gesundheitspflege^
Capitel 1 und 2. ^Nabrangsmittel und Getränke^
lassen schon jetzt den Einflnss des Reichsgesetzes
vom 14. Mai 1879 ^ Verkehr mit Nahrungsmitteln
u. 8. w.^ erkennen y obschon die im § 5 des Ge-
setzes vorgesehenen kaiserlichen Verordnungen
noch nicht erschienen sind. Wie bisher ist auch
in diesem Berichtsjahre die Fleisch- und Milchcon-
trole die hauptsächlichste Arbeit der Verwaltungs-
behörden gewesen^ in viel minderem Grade die der
übrigen Nahrungsmittel.
Allgemeiner ist zunächst dieUeberzeugung von
der Nothwendigkeit eines Centralschlachthofes und
Schlachtzwanges geworden. Dass dieselbe nicht mit
den thatsächlichen Verhältnissen gleichen Schritt hält,
liegt an dem Widerspruche der verschied ., in Frage
kommenden Interessen. Dresden, Leipzig, Chemnitz
haben solche, oder ernsthaften Anfang gemacht;
Plauen, Borna, Bad Elster ergriffen Maassregeln
gegen den Verkauf unbankwdrdigen Fleisches ; all-
gemeiner ordnete man behördlich die Trichinenschau
an, in zahlreichen Orten hat man sie eingeführt oder
sind die Fleischer freiwillig zu dieser Einrichtung
zusammengetreten. Von 8 Orten werden „Trichi-
nen^ gemeldet, ausserdem sind in Dresden in einer
grösseren Anzahl geschlachteter Schweine , häufig
auch in amerikanischen Schinken und Speckseiten
Trichinen gefunden worden. Deshalb sind zur Er-
lernung der Trichinenschau an der k. Thlerarznei-
schule ünterrichtscurse und Prüfungen in der
mikroskop. Fleischschau eingerichtet und ist die
Prüfung von 118 Personen bestanden worden.
Zwölf oder, eine unsichre eingerechnet, 13
Gruppen-Erkrankungen an Trichinose sind vor-
gekommen mit mindestens 150 Erkrankungs-, 3
Todes-Fällen (2 in Zittau und 1 in Cannewitz bei
Grimma.) — In 7 Orten sind Massenerkrankungen
(in Chemnitz 243, Zittau 80 Soldaten; Boden-
bach bei Nossen 80 Eisenbahnarbeiter, Nähe von
Oschatz 10 Personen , auf 1 Rittergute , Langen-
chursdorf — Bez. Glauchau — 18 Personen) in
Folge von Fleischvergiftung vorgekommen.
Betreffs derMilchcontrole ist Neues nicht hinzu-
gekommen. — Neue Wasserleitungen erhielten nur
Bautzen und Schellenberg -Augustusburg, erheb-
liche Untersuchungen der bestehenden Leitungen
und ihrer Wässer machten sich in emstrer Weise
nöthig in Leipzig und Chemnitz (Papierfabrik-Ab-
wässer drohen den Boden zu infiltriren) , Franken-
berg hat die meisten seiner Holzröhren durch u-
phaltirte Eisenrohre ersetzt; die Correktionsan-
stalt Sachsenburg bei Frankenberg hat eine — oft
gestörte — Leitung durch hydraulischen Widder
erhalten; Pumpbrunnen sind wiederum vielfach von
den Bezirksärzten untersucht worden (das Nähere da-
rüber siehe im Berichte selbst). — Die ^Bau- und
Wohnungspolizei^ hat auch im J. 1879 zu viel-
fachen Verhandlungen Anlass gegeben. Localbaa-
Ordnungen sind in einzelnen Städten and Dörfern
fertiggestellt oder in Berathung [vorläufig mflssen
die Gemeinden wohl davon absehn, da der Ent-
wurf der Stadt Dresden vom k. Ministerium Geneh-
migung nicht erlangt hat, weil ein Landeabaugesett
in Vorbereitung ist. Ref.]. Bebauungspläne von
Ortstheilen haben weniger, Pläne zu EinzelneB-
bauten, sowie die Untersuchung bestehender Wohn-
gebäude häufig den Bezirksärzten zur Begutaeh-
tung vorgelegen. Namentlich häufen sich diese
Arbeiten in grossen Städten (Dresden, Leipzig).
Betreffs der Reinhaltung der Städte und Dörfer^
dieser wichtigen Aufgabe der öffentlichen Gesund-
heitspflege, hat das L.-M.-C0II. Anträge auf ErUse
gesetzlicher Bestimmungen für deren Regelung ge-
stellt. Ist dieser auch noch nicht Folge gegeben
worden, so sind die Vorbereitungen doch im voUen
Gange und sollen die Bezirksärzte unter Zugrunde-
legung ihrer Erfahrungen sich nochmals über des
Gegenstand aussprechen. Mit Recht constatiit
man schon jetzt gegen 2 Jahrzehnte früher erheb-
liche Fortschritte, die ihren bestimmten Ausdruck
in der Sterblichkeitsziffer finden (z. B. Zittau weift
ein Fallen der Sterblichkeit auf von 34, bez.30*/»«
auf 27<^/oo 86^^ Trinkwasserversorgung, guter Be-
schleussung, besseren Düngergruben und Regelong
der Dflngerabfbhr). Erfreulicher Weise sind von
vielen Orten Schleussenbauten zu verzeidmen,
wenige von Flussverunreinigungen; von manchen
Orten wird Revision der Abtrittsgruben gemeldet
— ein Capitel, reich an guten Wünschen. Aehn-
lich wie die Abtrittsgruben und Dflngerhaufen
haben die Schlächtereien und gewerbliche Anlngco
Strassen und Höfe verunreinigt und deshalb den
Bezirksärzten viel Arbeit gemaeht. Von groisen
Interesse ist die Häufnng von IntermitUnsfäUm
bei Leipzig in Gohlis, Möckem und Stahmeln.
Dieselben sind nach M.-R. SiegeTs IJnte^
suchungen auf die durch den Ziegeleibetrieb ent- «
stehenden Lachen zurückzuführen, weil sie leicU^
wenn nicht wieder zugeschüttet und planirt, bei*
zu rationeller Weidencultur benutzt . lu Teidifli
Jahresbericht d. k. Bachs. LaDdes-Med.<Collegiaiii8.
107
mit dem Zwecke der winterlichen Eisgewinnang,
oder gar zn zwecklosen Sümpfen mit sehr wechseln-
dem Wasserstande umgebildet werden oder sich
entwickeln. Einige Teiche haben sich durch die
ilmen zngeführten Abgänge als Last erwiesen^
ebenso Haldenbr&nde bei Zwickau. Lobend wird
der Errichtung der Stadtparke in Grossenhain und
Biesa gedacht.
Aus dem reichen Arbeitsgebiete der Bezirks-
ärzte „der gewerblichen Geaundheitepolizei^ wird
namentlich der Schlftchtereien, besonders der —
snnehmenden — Rossschlächtereien gedacht. Drei
Mal musste über Leimfabriken entschieden wer-
den. — Einmal hat sich wegen eingegangener Be-
schwerden Bez.-A. N i e d n e r (Dresden) über eine
— nicht unter § 16. d. d. Gew.-O. fallende —
Fabrik pkotographücker Papiere auszusprechen
gehabt. Das Papier wird mit Eiweiss benetzt und
in stark geheizten Stuben schnell getrocknet. Ein-
mal kann beim Gähren des Eiweisses — durch
Versetzen mit Wasser — durch Verspritzen übler
Gerueh sich in lästiger Weise geltend machen^
iuioptsächlich aber durch das Abtropfen in den
Trockenstuben, wo thatsächlich ein süsslich-ekel-
liafter Geruch herrscht, der die bewohnte Nach-
barschaft sehr belästigt. Trotz strengerer Mass-
nahmen beim Neubau derartiger Anlagen ist ihnen,
da sie nicht unter § 16 fallen, doch nicht beizu-
kommen. — Eine Droguenfahrik hat erhebliche
üebelstände für die Arbeiter bei der Revision er-
geben, die Arsenentwicklung beim Fachen der
Wollhaare in einer dieserhalb bezichtigten Filz-
fabrik sich aber nicht bestätigt. Zwei Phosphor-
nekrosen sind 1879 zur Kenntniss gekommen.
Das Ziehkinderwesen ist in einigen Orten energisch
in die Hand genommen, ebenso sind Maassregeln
bei der Verwaltung der Nickel- und Kobaltgruben
des Sehneeberger Reviers zur Verhütung der sich
h&nfenden Lungenkrebse bei den betreffenden Berg-
leuten von Bez.-A. Dr. Hesse und Dr. Härting
l)«uitragt worden.
Die Sehdgeeundheitspflege hat gemäss den
Verordnungen vom 3. April 1873 und 24. März
1879 ^Anlage und Einrichtung von Schulgebäuden "^
^beziehentlich Begutachtung der Pläne zu Um- und
Neubauten von diesen durch die Bezirksärzte^
betr. wiederum in 110 Fällen deren Mitwirkung
vernraaeht. Trotz dieser erheblichen Thätigkeit
sof dem Schnlgebiete sind aber doch noch viele
Wunsche unerftlllt geblieben und EJagen laut ge-
worden in Bezug auf ungenügende Luftmenge
(BeK.-A. Hesse, in Schwarzenberg, in 19 Land-
«dmlen unter 2.5 Cub.-Mtr, resp. 2.0 Cub.-Mtr.),
Ueht und Trockenheit, Beleuchtung [s. die im
letzten Beridite erwähnten Normalbaupläne des
SehulrathDr. Hahn] Beheizung. Betr. der ^tVte«/-
^'^^^M werden viele Klagen und wiederum
Wünadie nach einem nMinisteriahiormalschulofen'*
Ü?] erhoben. Grossen Beifall fanden die Born'"
•c4«n (kfen und die Kmerelautemer Wolpert- w.
Meidinger Oefen (in der Boruaer Realschule rühmt
man sie sehr mit Rücksicht auf Ventilation und
Heizung und Billigkeit des Aufwands = 27.5 Pf.
durchschnittlich pro Heizung und Ofen ; man be-
nutzt Würfelbraunkohle aus der Nachbarschaft,
aber auch Coak und Steinkohlen eignen sich zur
Beheizung). Ueber die Centralheizungen, beson-
ders Luftheizungen lauten die Berichte günstig —
interessante Versuche über Luftbewegung, Luftrich-
tung, Verdunstung hat Bez.-A. N i e d n e r (Dresden)
angestellt. — Noch immer ist häufig die Herstellung
der Subsellien mangelhaft, anstosserregend viel-
fach die Anlage der Abtritte. Merkwürdigerweise
hat der Bericht rügend zu erwähnen, dass ein
Bezirksarzt sich gegen die Nordlage eines Schul-
zimmers erklärt hat. In einer Anzahl Dresdner
Schulen hat sich follikuläre Augen 'Entzündung
epidemisch gezeigt (einige Tansende Kranke),
ebenso in der Fürstenschule St. Afra zu Meissen
so arg, dass sie auf Wochen geschlossen werden
musste.
Endlich ist die Verfügung des Cultusministeriu ms
mitgetheilt, dass die Bezirksärzte die Schulen ohne
vorherige Erlaubniss der Schulbehörden auch wäh-
rend des Unterrichts revidiren dürfen.
So ist zweifellos viel und nützliche Arbeit auf
die Schulgesundheitspflege verwandt worden ; mit
Bedauein aber vermisst Ref. im Berichte des
L.-M.-G0II. und nach diesem in den bezirksärztl.
Berichten die Fürsorge für den nicht minder wich-
tigen Theil der Schulgesundheitspflege , die Sorge
für die körperl. Entwicklung, d. h. das Turnen.
Dass die Lehrerwohnungen hier u. da als zu luxu-
riös im Widerspruch mit dem Hausgeräth des
Lehrers stehend angelegt werden und in Lehrer-
kreisen gewissen Widerspruch erregen, erwähnt
ein Bericht, aber keiner, wie es um den Sommer-
tumplatz , um den Wintertumraum, um die Unter-
richtsentwicklungy die Turnlehrmittel steht. Man
baut, wie Ref. aus seiner nächsten Nähe durch
täglichen Augenschein bekannt ist, schöne und guta
Schulhäuser — in keinem einen Turnraum. Ist
für die Bezii'ksärzte das Schulgesetz vom 26. April
1873 u. die AusfUhrungsverordnung vom 25. Aug.
1874 nicht da, welches unter §2 das Turnen unter
die nothwendigen Lehr-Qegenstände der einfachen
Volksschule rechnet? Kennen sie nicht die schöne
Bekanntmachung des k. Cultusministeriums vom
20. November 1878, welche in § 9 sich über die
Ertheilung des Turnunterrichts auslässt, diesen für
einfache Verhältnisse in den denkbar einfachsten
Grenzen festsetzt und als Zweck desselben ^die
Entwicklung der körperlichen Kraft und Gewandt-
heit der Schulkinder unter Gewöhnung derselben
zu anständiger Haltung und pünktlichem Gehor-
sam^ hinstellt? Oder ist für diese „Leibsorger
ex officio^ nur die Bekanntmachung desselben
hohen Ministeriums vorhanden vom 15. März 1878,
welche in »Orten, wo sich die dazu nöthige Ein-
richtung nicht sofort treffen lässt; den Turnunter-
108
Jahresbericht d. k. sächs. Landes-Med.-GoUegiams.
rieht in der einfachen Volksschale bis Ostern 1883
zu beanstanden gestattet?^ Liegt ihnen nicht viel-
mehr die Pflicht ob, die einer harmonischen Ent-
wicklung von Geist und Körper im Turnen noch
hinderlichen irrigen Auffassungen durch die Macht
ihrer Stellung und Wissenschaft zu verbessern?
Recht sehr zu wünschen wäre auch die Revision
während des Unterrichts und der Zwischenpausen^
um zu sehen , mit welchem Verständniss und Ge-
schick der Lehrer die Kinder ausruhen lehrt. Denn
es ist wahrlich nicht genug , durch irgend welche
Ventilationsapparate, mit Unbeachtetlassung der
natürlichen Lüftung durch Fensteröffnen — s.
Bez.-Aerzte Hesse L und IL im vorigen Berichte
— gute Luft zuzuführen , wenn die Kinder nicht
einmal athmen können. Man halte diese Behaup-
tung nicht ftir übertrieben ! Wie viele Erwachsene
benutzen ihren Athmungsapparat ausgiebig und in
noch höherem Grade wie wenig Kinder ! Ref. ist
überzeugt, dass weniger Schwindsüchten mit Noth-
wendigkeit aus den äussern Verhältnissen sich ent-
wickeln y als aus dieser jähre - und jahrzehnte-
lang geübten Trägheit des Athmens.
Der Lehrer und die Schule kann hier viel
nützen, wenn jener die Kinder in jeder Pause
einige Minuten stehen und stehend mit erhobenen
Armen tief athmen und den Athem halten lässt.
Diese Schulgesundheitspflege ist ein weites Feld
und hat, wenn recht geübt, das Gute, dass sie bei
aller Billigkeit manche andere gesundheitliche,
geldkostende Maassnahme überflüssig macht.
Die Hygieine der Armenhäuser hat sich im Be-
richtsjahre erfreulich entwickelt, indem an dessen
Schlüsse für 9 Amtshauptmannschaften Armen-
anstalten vorhanden waren, wovon 5 auch Sieche,
zum Theil in getrennten Gebäuden aufnehmen.
Ausserdem besteht noch eine Anzahl andrer, von
freiwillig zu diesem Zwecke zusammengetretenen
Gemeinden gegründeter „Bezirks -Armenhäuser'^,
die in Bezug auf Reinlichkeit und Ordnung manches
Gute geleistet haben. Hier und da freilich blieb
auch da noch zu wünschen übrig. Rühmend sind
noch das Siechenhaus Bethesda in der Lössnitz bei
Dresden, das Kinderrettungshaus zu Oppach (Bez.
Löbau), die Asyle für blödsinnige Kinder in Soh-
land am Rothstein, in Bethesda - Lössnitz und
Hubertusburg erwähnt. Leider aber genügen diese
noch lange nicht, alle die stummen Hülferufe dieser
vielen Jammergeschöpfe im Lande um Erlösung
aus dem geistigen Banne zu erhören. Das Meiste,
was geschehen ist, haben Geistliche gethan, etwas
der Staat, Aerzte fast nichts, etwa Dr. Kern und
den Grafen Recke ausgenommen.
Im Capitel nGefängnisee'* macht die Beköstig-
ungsfrage einen Haupttheil aus. Nach den ange-
stellten Untersuchungen — s. 8. u. 9. Jahresbericht
der ehem. Centralstelle von Prof. Dr. Fleck —
i^ die Kost überwiegend pflanzlich gewesen. Des-
halb hat das L.-M.-Coll. in seinem Vortrage an die
Minist, des Innern und Cultus auf das Unzuläng-
liche dieser Nahrung hinweisend Verminderung der
Brodmenge und 4 — 5mal wöchentliches Verab-
reichen von magerem Käse beantragt. Das k. Justiz-
ministerium hat dem entsprechende Verfügung e^
lassen. Die Gerichtsgefängnisse sind vorschrifis-
massig revidirt worden.
Im Männerzuchthause Waldheim ist die Zahl
der Sträflinge von 1686 auf 1750 gestiegen (883
erkrankten, 42 starben, 20 wurden in die Irren-
anstalt versetzt, überhaupt 50 wegen Geistesstö-
rung in Behandlung genommen). Im Ganzen wurden
52 auf der Irrenstation verpflegt, wovon 12 ent-
lassen, einer in die Strafanstalt zurückversetit
wurde und 6 starben. Ueberhaupt sind 29 an
Tuberkulose der Lungen und des Bauchfells —
über die Hälfte schon bei der Einlieferung schwer
krank — gestorben. — Das Weiberzuchthans
Hoheneck hatte einen Bestand von 399Sträflingeny
131 in der Krankenstation Behandelte u. 6 Todte,
die Filiale Voigtsberg 68 Detinirte mit 18 Er-
krankungen, 7 Entbindungen und 1 Todesfall eines
kleinen Kindes. —
Die Männerstrafanstalt Zwickau hatte eme Be-
legschaft von 1753 Mann, wovon 320 auf der!
Krankenstation Aufnahme &nden (Typh. abd. 2,
Diphtherie 6, Rheum. art. acut. 18, Lues 12Fill6y
keine Geisteskrankheit), 15 starben (1 Phthis.),
7 sind in Behandlung geblieben.
Nr. 9 ^Begrähnisswesen"' hat das L.-M.-Coü
im Berichtsjahre ungewöhnlich beschäftigt, u. zwar
bes. in der Richtung einer zeitgemässen Um-
änderung der hierher gehörigen gesetzlichen Be-
stimmungen vom 20. Juli 1850, welche den £^
gebnissen der Wissenschaft nicht mehr entsprechei
und häufig deshalb bei Entscheidungen praktisebe
Widersprüche herbeiführen. In Verfolg dessen hai
das Collegium den Bezirksärzten eine Anzahl
Fragen zugehen lassen , die sie auf Grund von Be-
obachtungen bei Exhumationen zu beantwortei
hatten. 'Die Gesammtsumme dieser stellenweifie
allerdings lückenhaften Beantwortungen, sowie
eigene gründliche Untersuchungen und Rücksicht-
nahme auf diessbezttgliche Arbeiten von Fleck
und andern Forschern ist in der sub G. als Beilage
enthaltenen werthvoUen Arbeit vom Präs. Dr. R e i fl*
hard y^ Beobachtungen über die 2^seiz\mg8^
gänge in den Gräbern und Grüften der Fried-
höfe^ zusammengefasst. Leider können wiranaeni
Lesern nur die 12 Folgerungen, womit die Arbeit
schliesst, wiedergeben:
1) In Kies- und Sandboden ist die ^ersetzmig
von Kinderleichen spätestens nach 4 , die von Er-
wachsenen nach 7 Jahren so weit vollendet, dztf
nur noch Knochen und etwas amorphe Homius^'^
stanz übrig smd.
2) Verzögerungen der Zersetzung kommen hier
selten, und zwar nur in feinkörnigem Sande vorj
im Verhältniss etwa von 1 : 16, und beruben nur
auf Zurückbleiben von Gehimresten.
Jahresbericht d. k. sftchs. Landes-Med.-GoUeglams.
109
3) Id Lehmboden ist die Zersetzung von Einder-
leiehen in der Regel spätestens nach 5 , die von
Erwachsenen nach 9 Jahren beendet.
4) Verzögerangen der Zersetzung kommen
hftnfiger vor, etwa im Verhältniss von 1 : 5. Siebe-
rohen theils anf Fettwachsbildnng in geringer oder
grösserer Ausdehnung und mit oder ohne Zurück-
bleiben von Gehimresten, theils im letzteren allein.
5) In Grütlien auf Kirchhöfen erfolgt die Zer-
setzung der Leichen nicht langsamer, als in durch-
liBsigem Boden.
6) Mumification einzelner Körpertheile kommt
auf Kirchhöfen selten (ca. 1 : 50) zur Beobachtung
and nur in besonders trocknem Boden.
7) Alle Beobachtungen an Adipocireleichen
imterstfitzen die Ansicht, dass sich Fettwachs nur
ans präformirtem Fettgewebe, nicht aus andern
Organgeweben bilde.
8) Der Fäulnissgeruch der Leichen ist in der
Regel schon nach 3 Monaten, spätestens aber nach
einem Jahre verschwunden. Die seltenen Aus-
nahmen sind durch aussergewöhnliche Umstände
bedingt.
9) An der Zersetzung der Leichen wirken in
mindestens einem Drittel der Fälle die Larven ^er
Fliegen und andere niedere Thiere mit; ebenso
anch niedere Pilze.
10) Die Kleidungsstücke der laichen zerfallen
meist langsamer, als diese selbst, am frühesten die
ans vegetabilischen Fasern , erst spät die aus ani-
malischen hergestellten. Am längsten widersteht
Seide und Leder.
11) Eine Veruni*einigung der Brunnen von den
Kirchhöfen aus findet mit äusseret seltnen Aus-
nahmefällen nicht statt. In der Regel ist das
Wasser der Kirohhofsbrunnen reiner , als das der
Brunnen in bewohnten Statten.
12) Gesundheitsschädigungen der nahe bei
Kirchhöfen Wohnenden von den Kirchhöfen aus,
sind nirgends zu constatiren gewesen.
Auf Grund dieser Schlüsse hat die Plenarver-
Banunlung vom 24. November 1879 eingehende
Berathungen gepflogen und eine Anzahl Anträge
&n das k. Ministerium des Innern gerichtet, lieber
den Erfolg derselben wird der nächste Jahresbe-
richt Aufschluss bringen.
Ueber Fragen der Giftpolizei hat dasL.-M.-CoU.
sich 3mal auszusprechen gehabt, „Farben in Kin-
derfarhekästen betr.", „anilingefärbte Wollwaaren
betr.^ n. „Arsengrün zur Färbung von künstlichen
Blumen betr." Ein Mal ist eine Benzinvergiftung
bei 2 in einer chemischen Wäscherei beschäftigten
Hännem, bei dem jungem 17jährigen mit tödt-
Uchem Ausgange, vorgekommen, 2mal Kohlenoxyd-
guvergiftung (Kanonenofen und glühende Kohlen
im Ascheuraum), Imal eine Leuchtgasvergiftung.
Geheimmittelwesen und Kurpfuscherei sind un-
verändert geblieben ; 57 Personen sind wegen Ge-
heimmittel- und unbefugten Arzneiverkaufes als mit
Hift. und Gddatnfen belegt verzeichnet — frei-
lich gegenüber dem thatsächlichen Verhältnisse
eine lächerlich kleine Zahl.
Der letzte Theil des Berichts umfasst unter
Abschnitt IL Oeffentliche$ Gesundheitswesen, A.
öffentliche Gesundheitszustände, 1 u. 2. Sterblich^
keitS' und Krankheits- Verhältnisse im Allgemeinen
und epidemische Krankheiten im Besonderen.
Gegenüber den früheren Jahren sind iie Sterb'
liclikeitsverhältnisse 1879 absolut und relativ zur
Bevölkerungszahl günstigere gewesen. Die Morta-
lität fiel von 28.31<>/oo auf 27.61^00, niedrigster
Stand seit 1870. Leider allerdings gestaltet sich die
Sachlage dadurch unvortheilhafter, dass an dieser
Sterblichkeit weniger das Kindes- Alter, aber er-
heblich mehr — um 3.2®/o — die produktiven
Jahre und das Greisenalter über 60 Jahre — um
6.7% — betheiligt sind.
Im 1. Jahre sind gegen 1878 gestorben Ll^o mehr,
vom 1.-6. J. 170/0, -10. J. 24.70/0, —14. J. 90/0
weniger, —20. J. 6.7% mehr, —30. J. 2.00/0 mehr,
—40. J. 0.6% weniger und von da jedes Jahrzehnt bis
über 80 Jahre 7.3%, 2.90/0, 8.70/0, 6.20/0, 50/0 mehr.
Auf die günstige Eindersterblichkeit ist der
Mangel der epidemischen Krankheiten von hohem
Einflüsse (Scharlach und Diphtherie allein um
2000 = 320/0 weniger), die Ursache der erhöhten
Sterblichkeit der übrigen Altersgruppen dagegen
nicht völlig durchsichtig. Bemerkenswerth ist das
gleiche Verhältniss im Greisenalter in den übrigen
deutschen Städten über 15000 Einwohner. Diese
Durchschnittssterblichkeit wird in den Reg.-Bez.
Bautzen, Dresden, Leipzig nicht erreicht, dagegen
überschritten im Reg.-Bez. Zwickau (29.07Voo)-
Eine Ueberschreituns^ findet sieh auch in den Amts-
haoptmannschaften : Zittau (32.05), Dresden (27.76),
Freiberg (27.98), Leipzig (28.71), Borna (290/00), Oschatz
(30.56), Döbeln (27.87), Rochlitz (29.78), Chemnitz
(32.97), Flöha (29.40), Annaberg (30.69), Schwarzen-
berg (29.15), Zwickau (28.13), Glauchau (31.60) — und
von den 24 Städten über 8000 Einw. in 13 : Chemnitz,
Crimmitzschan, Döbeln, Frankenberg, Freiberg, Glauchau,
Grossenhain, Meerane, Meissen, Mitweida, Zwickau nnd
am höchsten — fast regelmässig wiederkehrend — Werdau
und Zschopan mit 35.84<»/oo und 39.49o/oo. Unter dem
Mittel steht die Sterblichkeit in 13 Amtshauptmannsch.,
am niedrigsten ist sie in Hainichen und Leipzig mit 22.03
und 23.46o/oo-
Die Geburtenfrequenz ist wieder von44.31^/oo
im J. 1878 auf 44.417oo gestiegen. Weniger
als diese Durchschnittsziffer zeigen die Reg.-Bez.
Bautzen u. Dresden, sowie die Amtshauptmannsch.
Zittau, Löbau, Kamenz, Bautzen, Pirna, Dippoldis-
walde, Meissen, Grossenhain, Grimma, Oschatz,
Döbeln, Plauen, Oelsnitz i/V. , und von den 24
Städten über 8000 Einw. 12 : Annaberg, Bautzen,
Dresden, Freiberg, Grossenhain, Leipzig, Hainichen,
Meissen, Mitweida, Pirna, Schneeberg, Zittau.
Ueber die Todesursachen geben noch immer
die fast ausschliessliche Erkennungsquelle die offi-
ziellen Todtenbestattungsscheine ab. Die ärztliche
Beglaubigung auf diesen Leichenscheinen ist gegen
das Vorjahr nur von 42.6 auf 42.7^/o gestiegen.
Im Reg.-Bez. Bautzen nnd Zwickau beträgt sie nur
110
Jahresbericht d. k. sftchs. Landes-Hed.-Collegiams,
35.6 und 32.5<^/o ; von den 30 Medicinalbezirken
erreiclien 17 nicht das VerhältniBS des Vorjahres,
bes. im Reg.-Bez. Bautzen und Dresden, während
im Beg.-Bez. Leipzig und Zwickau dasselbe etwas
überschritten wird.
Die Beglaubigung in den einzelnen Altersklassen ist
die gleiche geblieben, nämlich — -IJ. 18.2Vo> — 6 J. 52.2,
—10 J. 73.3, —14 J. 71.6, —20 J. 76.0, —30 J. 79.6,
—40 J. 70.8, —50 73.7, —60 J. 67.3, —70 J. 68.4,
— 80 J. 41.2, fiber 80 J. 29.6%. Beglaubigt waren Ton 100
Todesföllen an Kenohhnsten 47.8, Masern 63.5, Schar-
lach 67.9, Pocken 70.0, Lnngensohwindsnoht 74.8, Croap
n. Diphtherie 76.4, Rohr 81, Krebs 87.3, Kindbettkrank-
heiten 90 , Abdominaltjrphus 93.2 , Fleektjrphus lOOmaL
Pocken M«.rn 8ch«l«h J^^J^p fÄ
1878. 31 614 2033 3938 386
1879. 30 370 1101 2963 667
Hat sich sonach in der ftrxtlichenBeglanbignDg
der Todesursachen kaum eine Besserung gezeigt,
so ist sie deutlich beim Urmaterial, den Leiohen-
scheinen; denn die Differenz in der Zahl der Todes-
fälle aus den Zählkarten der Standesamter (k. Statist
BüreaU) und den Listen der Bezirksärzte betrügt
gegen eine solche von 1878 von 0.8<^/o nur noch
O.ÖO/o (dort 81292, hier 80869 Todesfillle).
Die näheren Einzelheiten über die ermittelten
Todesursachen sind in den ausführlichen Tabellen
des Anhanges B. enthalten. Hier muss eine kune
üebersicht genügen. Es starben an :
Abdom.. FledL- Kindbett- ^^ ^^^^^^ ^^f',
Typhus Typh. fieber sehwindsodit
780 8 696 67 1878 7410
887 12 692 42 2066 7461
Ein EinfluBs der Bevölkemngsdichtjgkeit auf
Erkrankung und Sterben an genannten Krankheiten
ist nur bei der Phthise ersichtlich , die etwaigen
übrigen Schwankungen sind belanglos.
Auffällig ist die Abnahme von Masern, Schar-
lach, Group und Diphtherie, die Zunahme von
Keuchhusten, in welcher Kategorie wohl manche
Bronchitis oder Lungen-Entzündung enthalten sein
mag. Dem ersteren Umstände dürfte der Rück-
gang der Kindersterblichkeit zuzuschreiben sein.
Es waren nämlich von 100 Todesfällen in Jeder Gruppe gestorben an :
Masern Scharlach Diphtherie Typhös
in den Städten fiber 8000 Ehiw. 0.77 1.22 3.48 1.06
im übrigen Lande 0.84 r.41 3.73 1.11
Pocken , Fleoktyphns und Ruhr sind der Geringffigigkeit der Zahlen wegen in den Uebersichten io der
Folge überhaupt weggebUeben.
Ph^ise
12.0
8.22
Addirt man die Relativzahlen der zymotisohen
Krankheiten besonders, so stellt sich deren Ge-
sammtantheil an der Summe der Todesfälle über-
haupt auf 7.490/09 die geringste Ziflfer seit 1873,
(seit Einfähmng dieser Statistik der Todesursachen),
der von Krebs, Kindbettfieber, Phthise auf 12.51<>/o.
Wie gewöhnlich ist an jenen die Altersgruppe vom
6. — 10. Jahre am stärksten betheiligt: nämlich
47.72<^/o aller in diesem Alter Gestorbenen sind an
genannten zymotlschen Krankheiten gestorben.
Zum Schlüsse dieses Capitels mögen nochemige
tabell. Uebersichten folgen. Sie vergegenwärtigen:
Fruchtbarkeit und SterbUehkät im Jahre 1879 a)
m den Städten mit mehr als 8000 EinwokMm,
Bevölk.
Sterbefälle
Geburten
Reihenfolge 0 in der
Städte- »'»^ Mitte
von 1000 Lebenden
SterbUchkeit
Fruchtbarkeit
ezclos.
inelus.
berechnet
Todtgeb.
Todtgeb.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
73.
74.
76.
76. 77. 78. 79.
1) Annaberg 11760
24.75
41.33
15
18
1
4
4
2
4
14
16
19
18 16 22 15
2) Bautzen 16092
25.54
33.88
5
14
5
5
7
9
7
21
21
24
24 28 24 83
3) Chemnitz 87156
30.08
45.11
19
15
17
15
19
14
16
4
6
6
6 9 9 18
4)GrimmitMchau 19776
28.32
48.19
13
17
21
20
14
22
12
2
2
2
8 3 3 7
5) Döbehi 11770
35.43
46.13
18
16
20
19
8
21
21
11
7
9
10 10 7 9
6) Dresden 215400
24.02
37.84
6
6
3
3
3
3
3
15
17
20
20 20 19 80
7) Frankenberg 112S0
30.28
45.86
7
12
14
12
18
6
17
8
9
13
11 12 11 11
8) Freiberg 25260
28.67
38.30
8
10
9
11
10
13
13
13
13
18
19 21 18 19
9) Glauchau 21360
37.17
54.12
21
13
22
21
22
20
23
3
5
3
4 4 4 3
10) Grossenhain 10908
28.97
39.05
10
2
10
23
12
15
14
16
14
16
16 17 13 17
11) Hainichen 8680
22.03
38.93
3
1
11
6
15
7
1
12
12
14
14 13 14 18
12) Leipzig 145720
23.46
35.27
4
4
2
2
1
1
2
18
18
23
21 22 20 81
13) Meerane 23160
34.15
54.45
12
21
18
18
20
18
20
1
1
1
113 8
14) Meissen 14390
32.31
41.49
9
9
16
17
13
16
19
17
15
17
16 15 17 14
15) Mitweida 9315
29.20
40.79
11
7
13
13
6
19
15
15
11
15
17 18 16 16
16) Pirna 12080
27.57
32.20
17
11
8
14
21
11
10
20
20
22
23 24 21 84
17) Plauen 33586
24.92
47.25
1
5
7
1
2
4
5
9
10
12
13 11 18 8
18) Reichenbach 16135
25.47
48.59
16
3
19
16
16
5
6
7
6
5
5 5 8 6
19) Bchneeberg 8150
27.48
41.84
6
8
11
8
9
>—
11
9 14 15 13
20) Werdau 12110
35.84
58.96
20
20
23
22
23
23
22
5
3
4
3 2 11
21) Würzen 8415
28.16
50.98
—
15
10
6
12
11
—
10
12 6 5 4
22) Zittau 22704
26.60
36.06
2
8
4
7
9
10
8
19
19
21
22 19 83 88
28) Zsohopau 8180
39.49
48.90
—
—
24
24
24
24
24
—
—
7
8 8 10 5
24) Zwiokan 35225
30.92
46.10
14
19
12
9
17
17
18
6
8
8
7 7 6 10
0 Die niedrigste SterbUohkeits- und die höchste Oebortsiiffer sind mit 1 bezeichnet, aof- u. absteigend bisssf 84.
JahreBbeiicht d. k. sftchs. Landes-Med.-CoUegiams.
111
Abb den zwei letzten Reihen ist die grössere ihr Einfluss anf die Sterblichkeit, die beständig
Gleichheit bei der Fruchtbarkeit ersichtlich, sowie hoch bleibt bei grosser Gebortenfreqnenz.
b) SierhUchkeU und Fruchtbarkeit 1879 in den Verwaltungsbexirken (ohne die Städte mit mehr
als 8000 Einwohnern).
Auf 1000 Lebende kommen in den Begiemngsbeslrken :
Amtshanptmann-
Schäften :
Zittau
Löban
Bantien
Kamens
BantEOn
Qebome Gestorbne
incl. Todtgeb. exd.
39.33 32.06
37.60 27.23
38.81 23.64
38.07 23.24
Leipoig
schatten:
Geb.
incl.
Gest.
exd.
Leiprig
64.11
28.71
Borna
47.10
29.0
Grimma
41.74
26.03
Oschats
43.0
30.66
Döbehi
42.20
27.87'
BochUts
47.34
29.73
Amtshauptmann-
Bchaften :
Dresden
Pirna
Dippoldiswalde
Frdberg
Meissen
GroBsenhain
Amtshanptmann-
Bchaften :
Chemnitz
F16ha
Marienberg
Annaberg
Schwarzenberg
Zwickau
Planen
Anerbach
Odsnitz
Glauchau
Dresden
Geb.
ind.
46.37
38.66
41.41
46.81
43.14
41.19
Gest.
exd.
27.76
24.10
26.63
27.98
26.69
26.62
Zwickau
Geb.
incl.
63.86
48.70
46.06
47.62
48.69
63.60
42.66
46.04
36.66
49.37
Gest.
excl.
32.97
29.40
26.39
30.69
29.16
28.13
23.88
26.07
20.93
31.60
c) Im ganzen Lande mit Einichluse der Städte über 8000 Einwohner,
Beg.-Bex.
Bautzen
Dresden
Leipsig
Zwickau
BeT6lk. in
der Mitte
1879
346600
814820
684096
1098836
Lebend-, Todt-
geborne
12666 607
32244 1646
29396 1136
61266 2013
Gestorbene
excLTodtgeb.
9227
21282
18842
31941
auf 1000
Geb.
induB.
37.97
41.47
44.63
48.48
Lebende
Gest.
exduB.
26.62
26.12
27.64
29.06
Königreich 2944360 126449 6301
81292
44.41 27.61
d) Den Antheil der einzelnen AlterskUueen an den einzelnen tödtlich gewesenen Krankheilen.
Von Je 100 SterbefUlen der dnzelnen AttersUassen kommen auf :
—IJ. — 6J. — lOJ. —14
Pocken
Msflem
Sehariaeh
Croup u. Diphth.
Keuchhusten
Abdom.-Typhns
Rohr
0.02
0.24
0.18
0.69
0.96
O.Ol
0.06
0.02
2.42
7.07
20.64
2.94
0.41
0.11
0.07
l.§2
12.69
28.96
0.88
3.61
0.16
0.47
9.46
9.78
0.32
8.36
—20
0.29
1.16
1.16
9.46
0.07
—30
0.11
0.11
0.27
6.72
0.06
—40
0.08
0.08
0.03
0.08
3.37
—60
0.09
0.06
0.09
2.80
0.02
—60 —70
0.02 0.03
—80 üb. 80
0.03 —
0.06 O.Ol 0.02 —
1.48 0.60 0.19 —
0.04 0.04 0.03 —
alle
Alterski.
0.04
0.46
1.36
3.67
0.81
1.10
0.05
2.06 38.61 47.72 28.66 12.12 6.26 3.69 3.06 1.69 0.68 0.27 —
0.18 2.10
2.24 36.61
_6j61 14.67 37.43 66.34 60.04 39.37 31.87 17.96
64.33" 43.22^4^.66 6^60 63763 4V.42 33.46^^^^^
7.49
lündbettkrankh. — — — — 1.61 6.68 6.45 1.68 0.02 — — ^ 0.73
Krebs — 0.07 0.13 0.32 0.22 0.67 3.16 8.07 12.19 9.14 3.71 1.11 2.66
Ungensehwinds. 0.18 2.08 6.48 14.36 36.70 49.19 40.43 29.62 19.66 8.81 1.78 0.34 9.22
6.49 1.46 12.61
5.76 1.46 20.00
e) Den Einfluss der einzelnen Krankheiten auf die Altersgruppen,
Es standen Ton je 100 an nebenstehenden Krankheiten Gestorbenen im Alter von :
therhanpt
Kttern
Seharlach
Croup u. Diphth.
Keuehhusten
Abdom.-Typhu8
Kbdbettkiankh.
Krebs
Umgensehwiiidi.
41.89
21.36
6.46
6.66
49.01
0.84
0.82
13.46
71.08
69.86
75.40
48.71
5.07
0.89
2.97
1.83
6.49
17.08
14.48
1.98
6.86
0.10
1.29
0.78
0.81
6.46
2.09
0.30
6.98
0.10
IM
1.73 4.69 4.85 6.21 6.85 8.51 7.81 2.56
— — 0.27 — — — — —
1.45 0.36 0.09 0.18 — — — —
0.54 0.84 0.10 0.13 0.10 0.03 0.08 —
14.88 23.90 14.88 13.30 9.24 4.62 1.36 —
8.55 41.22 42.74 12.0 0.17 _ -- —
0.15 1.02 6.0 16.46 82.72 80.44 11.33 1.11
6.69 24.48 21.27 16.75 14.68 8.14 1.60 0.09
112
Jahresbericht d. k. sächs. Landes-Med.-Gollegiums.
Die Morbiditätsstatistik zeigt scheinbar in den
einzelnen Medicinalbezirken einen Rückgang , die
der Krankenhäuser aber giebt fttr die Morbidität
der Gesammtbevölkerang des Landes nur einen
sehr unzuverlässigen Maassstab. Die bezüglichen
Berichte auf 1879 hat Assessor Dr. Geis s 1er er-
stattet. Demnach sind in den allgemeinen Kranken-
häusern 1879 27317 aufgenommen worden (1878
nur 24833), die Verpflegdauer für den einzelnen
Kranken betrug aber nur 32.7 Tage gegen 33.9 im
Vorjahre, die Mortalität aber ist ungefähr gleich
geblieben. Erheblich .zugenommen hat die Be-
nutzung der Krankenhäuser der mittleren, kleinen
Städte und Dörfer, wahrscheinlich zum Theil in
Folge von Zuzug stromernder Arbeiter. Dafbr
spricht das Steigen der KrätzefäUe von 2129 im
Vorjahre auf 3826, ebenso wie die zahlreich im
Berichtsjahre verzeichneten Fälle von Rückfall-
fieber fast alle auf diese Leute kommen.
üeber die epidemischen Krankheiten (Abschn. IL
Nr. 2.) theilt der Bericht betr. der Pocken mit,
dass sie nur vereinzelt sich zeigten (30 Todesfillle),
eingeschleppt aus Böhmen in der Lausitz, im Voigt-
land mit 35 Erkrankungen in 2 Dörfern und bez.
4 Todesfällen, wie der Bez.-Arzt vermuthet als
Fortsetzung der im vorigen Jahre dort herrschenden
Seuche. Das Impfwesen zeigt eine erfreuliche
Besserung.
Die Erstimpfungen nahmen zn von 84560 auf 87707
(Reg.-Bez. Bautzen von 8302 auf 8511, Dresden 22276
fallend auf 22037, Leipzig von 20610 aaf 21419, Zwickau
von 33372 anf 35740) , die Zahl der vorlänflg Zarück-
gestellten fiel von 19312 auf 18241, die der pflichtwidrig
Entzognen betrug 3205, die Wiederimpfungen fielen von
64697 anf 63064 (Bautzen 6859 im Vorjahre und 6923
im J. 1879, Dresden 17329 und 16839, Leipzig 14664
und 14321, Zwickau 25845 und 24981), die der pflicht-
widrig entzognen Wiederimpflinge von 1214 anf 820.
Ohne Erfolg blieb die Erstimpfung b. 2.68% ( 1878 2. 75o/o),
die Wiederimpfung b. 11.18% C1878 13.4%), unbekannt
blieb der Erfolg dort b.0.96o/o, hier b. 0.597o; mitTbier-
lymphe wurden 3070 Erstimpfungen = 3.50% n. 1.22%
Wiederimpfungen ausgeführt.
Die Fflhrung der Impf listen lässt noch Manches
zn wünschen übrig , doch scheint es allmälig besser
zu werden. Die Agitation gegen das Impfen hat
nicht viel Klagen veranlasst; mehr wie früher die
Weigerung der Mutter, Lymphe abnehmen zu lassen.
Angebliche Gesundheitsbeschädigungen sind den
Bez.-Aerzten theils in Folge ausdrücklicher Auf-
forderung ihrerseits in einer ziemlichen Anzahl von
Fällen zur Kenntniss gekommen, aber kein Todes-
fall und keine Uebertragung von Syphilis ist con-
statirt worden ; eine Erkrankung in Leipzig stellte
sich bei der Untersuchung als nicht -syphilitisch
heraus. In den vermeintlichen Impftode^Uen er-
gab die Sektion mit dem Impfen nicht zusammen-
hängende Todesursachen; bei einem Todesfalle,
der zu spät angezeigt und erörtert wurde, war
die Todesursache nicht zu ermitteln. Leichtere
Erkrankungen sind allerdings vorgekommen, ent-
weder abhängig vom Impfen (leichte Hautausschläge
u. s. w.) oder unabhängig davon.
Verbreitetere nnd schwerere Epidemien an Scharlach
herrschten im Med.-Bez. Kamenz, Freiberg, Annabeig,
Schwarzenberg , Zwickau , Plauen , Auerbach , im Allg.
wie erwähnt mit der Hälfte der TodesfaUe des Voijahn.
Dasselbe gilt von den Masern, Verbreitet traten sie auf
im Bez. Planen, Chemnitz ; in 16 Bezirlcen kamen keine
TodesfäUe an Masern vor. Hervorgehoben ist schon die
Abnahme der Mortalität an Croup und Diphtherie um
nahezu 1000 Fälle (25o/o) und zwar in allen Bezirken.
Aus der TyphustlaiistUc ist erwähnenswerth die
Hartnäckigkeit, mit welcher der Typhuskeim dem Woho-
hause eines Bauerngutes in Hohbarg b/Wnrzen anhaftet
(s. darüber 8. Jahresber. des L.-M.-CoII. v. J. 1876}.
Von 1874 — 1876 hatte er dort geherrscht und trat enient
aaf 1878 und 1879. Alle Erkrankten hatten sich in der
Wohnstube aufgehalten. Die chemische Untersnchrni;?
von bezüglichen Bodenproben ergab keine aufi^Uige Ve^
uoreinigung, die mikroskopische ziemlich reichliehe
Bakterienentwicklung. Angerathen wurde Entfemiuig
des Untergrunds, Ersetzen durch reinen Boden, bezieheal-
lieh Bedecken desselben mit einer Cementschicht. Epi-
demisch herrschte der Typhus in einigen Dörfern an drr
Jahna (Med.-Bez. Oschatz), in der Stadt D5beln, imDorfe
Heinrichsort b/Callnberg (dabei starb eine von 2erkranl[-
ten Diakonissen), in kleinerer Häufung von Fällen
noch in einzelnen Orten. — Typhus exanthem. kam nnr
spärlich und nicht immer zweifellos vor , (6 im Kranken-
hause zu Frauenstein , durch einen Oesterreicher eiDg^
schleppt, 8 starben, 7 ebenda in Meissen, 2 starben —
in Snmma 16 FäUe mit 6 TodesflUlen « 37.6Vo- — Zahl-
reich waren die FäUe von Recurrens, sämmtlich tnf
wandernde Arbeiter beschränkt, seit 1872 zum 1. Male
wieder in Sachsen, in Snmma 807 Kranke mit 7 Todes-
nUlen = 2.3% (leider darunter der verdiente Dr. Walther
in Freiberg). ^
Von Cerebrospinalmeninffitis kamen einzelne Fälle
in den Kasernen von Dretsden nnd Leipzig nnd 17
FäUe im Jacobshospital in Leipzig vor (6 Todesfälle).
Puerperalfieber, wahrscheinlich gemischt mit andern
Todesfällen im Wochenbett hat seit 1873 abgenommea i
von 718 anf 635 im J. 1877, 1878 und 1879 etwas la«
genommen anf 690 n. 592.
Von Epizootien sind nur Milzbrandpustein bekaool
geworden in 40 Orten. Unter 60 von der ToUwnth ver
däohtigen Thieren Gebissenen starben nnr 4 an Lyssa,
Im Qanzen sind sonach in Sachsen Lyssafälle selten.
B. Meding.
JAMBOCHEß
der
io- und ausländischen gesammten Medlcin.
Bd. Id2.
1881.
M 2.
A. Auszöge.
I. Medicifiische Physik, Ohemie und Botanik.
602. Neue Methode snrüntersnobiiiig der
StaentoffaTissoheidiixig pßamUeher und thie-
liieher Organimien; von Prof. Th. W. Engel-
mann in Utrecht. (Arch. de PhyBiol. XXV. 5—6.
p. 286. 1881.)
Die bisher zur Untersachong der Sanerstoffans-
ttbddiing angewandten Methoden sind die gasanaly-
tiKhen von Ingenhousz^ Th. de Sanssare^
Bonssinganlt n. A., die Methode des Blasen-
dhlens von Datrochet^ Sachs, Pfeffer n. A.
und die Phosphormethode von Bonssinganlt.
Die von Engelmann eingeführte verwendet
ils Reagens die gewöhnlichen Fävlnissbaklenen,
nimentlieh Bacterium termo Cohn. Diese Methode
eignet sich vorzflglich zn Mikroreaktionen nnd ist so
empfindlich y daas Sanerstoffmengen von einem Hun-
dertbillionstel Milligramm nnd noch weniger noch
bequem damit nachgewiesen werden können. Die
Methode ist femer sehr schnell ansfilhrbar nnd er-
ianbt, die Abhängigkeit der Sanerstoffiinsscheidnng
von verschiedenen ph3r8ikalischeny chemischen, mor-
phologischen und physiologischen Bedingungen zn
untersuchen. Sie beruht auf dem aueserordenüieh
yronen Saueretoffbedürfinee der beweglichen Zu-
ttände der Bakterien, namentlich der frisch ge-
sQcfateten. In einem an beweglichen Bakterien sehr
rächen Tropfen, der auf einen Objektträger gebracht
und mit ehiem gewöhnlichen Deckglas bedeckt wird,
^Angen sie sich alsbald in dichtem Gewimmel an
^ Bändern des Tropfens zusammen; sind Luft-
bbsäi unter dem Deckglas im Tropfen eingeschlossen,
auch mn diese. Nach einiger Zeit, und zwar desto
&tt^ je mehr Bakterien der Tropfen enthält , er-
Uunt die Bewegung und hört endlich ganz auf, zu-
^ in der Mitte des Tropfens , später im Umkreise
M. Jabrbb. Bd. 192. Hft. 8.
etwaiger Luftblasen und zuletzt an der Peripherie,
und zwar hier nur, wenn daselbst sehr viele Bakte-
rien liegen. Lüftet man das Deckglas einen Moment,
so tritt wieder für einige Zeit lebhafte Bewegung ein.
In der Gaskammer einem Strome möglichst reinen
Wasserstoffgases ausgesetzt nimmt die Bewegung,
wie Grossmann u. Mayerhausen im Utrech-
ter Laboratorium zeigten, bald bis zum völligen Still-
stand ab. Dieser kann durch atmosphärische Luft
sofort wieder aufgehoben werden. Bringt man in
einen an bewegungsfähigen Bakterien reichen Tro-
pfen einige grüne Zellen, z. B. Stückchen von Faden-
algen, bedeckt mit dem Deckglas und stellt das
Ganze im gut erleuchteten Gesichtsfelde des Mikro-
skopes bei 2 — SOOmaliger Vergrösserung ein, so
sieht man , wie sich in kurzer Zeit lebhaft schwär-
mende Bakterien um diese Zellen anhäufen. Ver-
dunkelt man aber das Gesichtsfeld etwas , so hört
die Bewegung schnell auf, während sie beim Wieder-
einfallen des Lichtes schnell wieder beginnt Die
Erklärung dieser sehr constanten Erscheinung liegt
darin , dass die chlorophyllhaltigen Zellen im Lichte
Saaerstoff abscheiden und dieser die Bakterien ver-
anlasst, sich zu bewegen nnd an der Sauerstoffquelle
sich anzusammeln. Die Bewegung der Bakterien
ist demnach ein Reagens auf Sauerstoff.
Mit Hülfe dieser Methode kam Engelmann
zu folgenden Resultaten.
Alle chlorophyllhaltigen Zellen niederer und
höherer Pflanzen scheiden im Lichte (es genügt auch
Lanqienlicht) Sauerstoff ab. Diess gilt auch von
denjenigen niedem Pflanzen, welche statt der grünen
Farbe eine braune haben, wie die Diatomeen, oder
eine oUven-, resp. spangrflne, wie die Flagellaten
nnd Osciilarien. Auch chlorophyllhaltige Thiere,
16
114
L Medicmische Physik, Chemie n. Botanik.
wie Panunaeciam bursaria und Hydra viridis, ent-
wickeln im Lichte Oj. Chloropbyilfi*eiey aber etiolin-
haltige Zeilen des Blattparenchym im Dunkeln ge-
keimter Pflänzchen von Nastartium scheiden, was
sehr anfiällig ist , im Licht augenblicldich Og ab.
Zellen mit farblosem Protoplasma scheiden keinen
Sauerstoff ab (Monaden , Mycelfäden von Schimmel-
pilzen, farblose Zellen albinotischer Ahomblätter,
endlich alle chlorophyllfreien thierischen Zellen).
Licht verschiedener WellenlAnge hat einen specifisch
verschiedenen Einflnss anf die Energie der Saner-
stoffentwicklong. Ultraroth blieb stets inaktiv;
sehr aktiv dagegen war Roth, Orange und Gelb
ebenfalls, vielleicht noch stärker. Grün wirkte fast
immer am schwächsten , Blau oft merklich stärker.
Zwischen dem Momente des Lichteinfalls und dem
Beginne der Sauerstoffentwicklnng verläuft keine
merkbare Zeit ; ebenso scheint im Momente der Licht-
entziehuDg auch die Sauerstoffproduktion still zu
stehen. — Defibrinirtes mit Luft geschütteltes Blut
giebt Sauerstoff ab und versetzt die als Reagens
dienenden Bakterien in Bewegung , Kohlenoxydblut
aber nicht. (Robert)
503. Zur Frage über die Bildung ozal-
saurer Sedimente and Conkremente im Harn
des Menschen; von Prof. A. J. Schtscherba-
kow zu Kasan. (Petersb. med. Wchnschr. Nr. 51.
p. 427. 1880.)
Wenn Seh unk behauptet, der oxalsaure Kalk
bilde sich erst bei der sauren Gährung des Harns
durch Zerfall complicirterer Gruppen, so scheinen
doch gegen ihnVoit und Hoffmann die Nicht-
existenz einer sauren Hamgährung^) zur Genflge
nachgewiesen zu haben. Andererseits lässt sich auch
die Hypothese Neubauer 's nicht halten, nach
welcher bei der Verwandlung des einbasisch phos-
phors. Natron in das zweibasische Salz durch Wechsel-
wirkung mit dem hams. Natron das schon frUher als
solches im Harn vorhandene Kalkoxalat aufhört lös-
lich zu sein und neben Harnsäure im Sedimente er-
scheint, denn das Calciumoxalat ist allerdings fttr
sich allein in einer Solution von einbasisch phospfaors.
Natron löslich, nicht aber bei gleichzeitigem Vor-
handensein von phosphors. Kalke, der doch ein con-
stanter Hambestandtheil ist
Die Methoden, nach welchen Neubauer und
Lehmann den oxals. Kalk in frisch gelassenem
0 Vgl. über dieselbe unsere Jahrbb. CXC. p. 10.
Ferner sei angeführt, was Cohnheim in seinen Vor-
lesungen über aUgemeine Pathologie 1880. p. 411 n. 413
sagt : ff Was im entleerten Harne die sogen, saure Gäh-
rung bewirkt , das mnss unter Umständen schon im Orga-
ganismus innerhalb der Hamwege vor sich gehen , denn
es giebt zahlreiche Menschen , deren Harn schon bei der
Entleerung KrystaUe von Hamsäore enthält. — Im Einzel-
falle ist es in der Begel kaum festzosteUen , ob der Harn
von der Niere mit stark saurer Reaktion secemirt worden
oder ob er nach der Absonderung in Folge einer Art sau- *"
rer Gäbrang, die aber noch innerluilb der Hamwege ein-
getreten, naohgesänert ist. **
Harne nachwiesen , sind durchaus nicht frei von
Fehlerquellen , und wenn man die Einwirkung von
Sänren und sauer reagirenden Substanzen eUminirti
unter deren Einfluss eine Reihe von Zersetsungen
vor sich geht, so gelingt es nach Schi nie^ auch
nur eine Spur des fraglichen Salzes im frischen Harne
aufzufinden. Seht, bestreitet feilier die Bjchtigkeit
der Voit 'sehen und Hoffmann 'sehen Auffassung,
wonach eine saure Hamgährung flberhanpt nicht
existirt. In der Mehrzahl der Fälle lässt sie sidi
allerdings beobachten , wie Vf. in Gemeinschaft mit
Ghomiakow nachgewiesen hat und wie aadi
Potechin und Riassenzew constattrt haben.
Die Frage nach der Präexistenz des Kalkoxalat im
frisch gelassenen Harne ist somit im negativen Sinne
erledigt.
Ist aber der oxals. Kalk im Harne nicht pri-
formirt, so entsteht die Frage, woraus er sich bil-
det. Zur Beantwortung dieser Frage schemt die
Schunck'sche Hypothese am meisten geeignd,
wonach ein Zerfall der Oxalursäure in Harnstoff und
Oxalsäure stattfindet. Versuche ausserhalb des Kör-
pers zeigen allecdings, dass das oxalurs. Ammoniik
nur durch starke Mineralsänren rasch in Harnstoff
und Oxalsäure umgewandelt wird; aber Potechin
und Riassenzew haben nachgewiesen, dass bei
der sauren Elamgährung constant Schwefelsäure eit-
steht, welche geeignet ist, aus den Chlorverbindungen
des Harns Salzsäure frei zu machen, und diese letz-
tere könnte somit wohl jene Zersetzung einleiten.
Dem widersprechen indessen die Resultate einer
Reihe von Versuchen, die Vf. angestellt hat, nnd
welche zu derUeberzeuguug drängen, dass das oxal-
ursäure Ammoniak, welches nach Schnnk nnd
Neubauer als normaler Hambestandtheil aozn-
sehen ist, im normalen Harne eben so wenig vor-
kommt wie der oxals. Kalk , dem es mithin nach
nicht als Entstehungsqnelle dienen kann. Auf Orond
verschiedener Thatsachen nnd Erwägungen kommt
Vf. zu dem Schlüsse, dass das Erscheinen des Kalk-
oxahit coincidirt mit der sauren Harngährung, dn»
die Gruppe von Körpern jedoch^ durch deren Zer-
setzung sich jenes Salz bildet, wegen ihrer lebhten
Zersetzlichkeit im sauren Vehikel schwer zu isoUren
und einstweilen noch unbekannt int
In einem weitem Theile seiner Arbeit bespricht
Vf. die Bildungsweise oxals. Conkremente. Hier
wird zunächst constatirt, dass oxals. Schichten inner
halb eines Conkrementes stets auch mehr oder weni-
ger Harnsäure enthalten und femer, dass fflch in
diesen Schichten, in demMaasse, als sieKalkoxalate
enthalten und tief geftrbt erscheinen , Eisen nndi-
weisen lässt, wie denn auch die bekannte Färbong
.der Haulbeersteine von einem Eisengehalte herrührt
Dieses Eisen stammt aus dem Blute , denn es lassen
sich an solchen Steinen auch andere, namentlich
spektral-analytische Beweise ftlr die Gegenwart von
Zerfallprodukten des Hämoglobin beibringen, l^
Ursache dieser Coinddenz von Blntergttssen nnd
Kalkoxalatansscheidungen lässt sich mit Besfiomt'
L MedidniBche Physik, Chemie u. Botanik.
115
beü nicht nachweisen ; ein Cansalnezas zwischen bei-
den iit eben noch nicht entdeckt. ' Bezeichnend und
mteresBant ist aber immerhin ein Experiment y wel-
ches Vf. hinfig und mit stets gleichem Erfolge ge-
macht hat. Uebergoss er eine dflnne Schicht frischen
Blnies mit Harn, so beobachtete er, dass in dem
Maaase , als die Blntkffrperchen in den sich bilden-
doi Gerinnseln sowohl, als in der darttber stehenden
FlttBsigkeit zerfallen , sich Kalkoxalatkrystalle ans-
sehaden. Ob das Erscheinen dieses Salzes unmittel-
bare Folge des Zerfalles von Blutkörperchen ist oder
ob das Vorhandensein des Blutgerinnsels im Harn
die Bildung dieses Salzes anregt, Iftsst Seht, dahin-
gestellt. (Kobert.)
504. Ueber Indioan; von Dr. R. Robert^).
Die nachstehenden Mittheilungen schliessen sich
an die von uns (Jahrbb. CLXXXIX. p. 220) be-
gonnene Zusammenstellung über die aromatischen
Fcadnissprodukie an , auf welche wir, um Wieder-
holungen zu vermeiden, verweisen müssen.
Wir beginnen mit einer Aufzählung der seit
1877 erschienenen wichtigsten das Indican betreffen-
den Arbeiten.
1) Jaff^, Ueber die Ausscheidung des Indican
unter physiol. n. pathol. Verhältnissen. Virohow's Arch.
IC. p. 72. 1877.
2) Penroseh, Beiträge zur Lehre fiber die £nt-
stehnng des Indican im Thierkörper. Inaug.-Diss.
KSoigsberg 1877.
3) Senator, Ueber Indican- u. KaUcausscheidungen
in Kranklieiten. Med. Gentr.-Bl. 20. 21. 22. 1877.
4)Brieger, Ueber die flficbtigen Bestandtheile der
messdüiehen Exkremente. Jonm. f. prakt. Chem. N. F.
(2) 17. p. 124. 1878.
6) Nencki, Ueber die Zersetzung des Eiweisses
tooh schmelzendes Kali. Jonm. f. prakt. Chem. N. F.
(») 17. p. 97. 1878. — Med. Centr.-Bl. 17. 1878.
6) Odermatt, Zur Kenntniss der Phenolbildung
bei der Fäulnlss der Eiweissk5rper. Inang.-Dlss. Bern
1878. — Jonm. f. prakt. Chem. N. F. (2) 5. p. 249.
1878.
7)ChriBtiani, Ueber das Verhalten von Phenol,
Indol, Benzol in Thierkörpem. Ztsohr. f. physiol. Chem.
n. p. 273. 1878.
8) Jaqaet, Note, das Stadium der Addis&n'atihen
Knnkheit betreffend. Arch. de Physiol. norm, et pathol.
p. 679. 1878.
9) Ord, Ein Nierenstein ans Indigo. Berl. klin.
WehnBchr. 25. 1878.
10)Baamann n. Brieger, Ueber Indozylsehwe-
fotefiore das Indican des Harns. Ztschr. f. physiol. Chem.
nL p. 264. 1879.
11) £. n. H. Salkowski, Weitere Beiträge zur
Keoatnlss der Fänhiissprodakte des Eiweiss. Berl. ehem.
Berichte XH. p. 448. 1879.
12) Brieger , Ueber die aromatischen Produkte der
^"nbiBs des Eiweisses. Ztsohr. f. physiol. Chem. ni.
p. 134. 1879.
13) Ma^on, Ueber die färbenden Stoffe der Indigo-
gnippe mit R&cksicht auf ihre physiologisohe Bedentnng.
hnng.-DlBs. Bern 1879.
14) Ewald, Ueber das Verhalten des Fistelsekretes
«. über diePhenol- n. Indican-Aussoheidung bei einem an
*) Nach einer unter Leitnng des Referenten von
^Stephan angefertigten Dissertation. Halle 1881.
8^ 33 8.
Anns praetemataralis leidenden Kranken. IVirchow's Arch.
LXXV. p. 409. 1879.
16) Nothnagel, Experimentelle Untersachungen
aber die Addi8on*BChe Krankheit. Ztsohr. f. klin. Med.
I. p. 77. 1879.
10) Baumann-Tiemann, Znr Constitution des
Indigo. Berl. ohem. Berichte XII. p. 1098. 1192.
1879.
17) Hennige, Die ludicanausscheidung in Krank-
heiten. Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIU. p.271. 1879.
18) Wer n ich. Die aromatischen Fäulnissprodukte
in ihrer Einwirkung auf Spalt- u. Sprosspilze. Virchow's
Arch. LXXXVm. p. 61. 1879.
19) Heinemann, Indican bei gesundem u. kran-
kem Zustande. Arch. of med. IV. 1. p. 24. 1880.
20) Olof Hammarsten, Prfiftang des Harns auf
Indican. Upsala läkaref5ren. Förhandl. XV. S. 213. 1880.
21) Baeyer, Darstellung von Skatol aus Indigo.
Berl. chem. Berichte Xm. p. 2339. 1881.
22) B r i e g e r , Einige Beziehungen der Ei weisskör-
per zu den Krankheiten. Ztschr. f. klin. Med. UI. p. 466.
1881.
23) L 0 e b i s 0 h , Anleitung zur Harnanalyse. Wien
u. Leipzig 1881. p. 160.
24)Hoppe-Seyler, Physiol. Chemie. IV.Theil.
p. 660. 1881.
Der nnter dem Namen Indigo (IvSmov) seit
uralten Zeiten bekannte blane Farbstoff entstammt
dem Pflanzenreiche, und zwar verschiedenen Species
der Gattung Indigofera, Polygonnm tinetorium, der
Isatis tinctorla, sowie einer grossem Anzahl von
andern Gattungen angehdrigen Pflanzen^). Der
chemisch reine Indigo, Indigotin genannt, hat die
Zusammensetzung CieHioNsOs. Diese Formel war
lange Zeit fraglich, bis sie durch die in neuerer Zeit
von Baeyer (21) glucklich gelungene synthetische
Darstellung des Indigo endgültig festgestellt wurde.
Derselbe stellte Indigoblau künstlich aus o-Nitro-
phenylpropinolsäure und ans o-Nitrophenyloxyacryl-
säure dar. Erstere geht unter Einwirkung alka-
lischer Reduktionsmittel leicht und vollständig in
Indigoblan über, während letztere schon bei blossem
Erhitzen mit und ohne Lösungsmittel Indigoblau
liefert.
Für den Arzt und Physiologen war der Indigo
von keinem Interesse, so lange er mit der thierischen
Natur in keinem Znsammenhange stand. Dieses
Interesse weckte zunächst Hill Hassal (1853),
indem er auf das häufige Vorkommen und Auftreten
von Indigo im menschlichen Urin aufmerksam machte.
Der von ihm aus Harn nach langem Stehen gewon-
nene Indigo war natürlich noch sehr verunreinigt
mit Erdphosphaten, Vibrionen, Schleun, Epithelien
u. s. w. , er gab aber doch die charakteristischen
Indigoreaktionen, d. h. er war löslich in concentrir-
ter Schwefelsäure und wurde durch Zuckerlösung
reducirt. Nicht allzulange, nachdem Hassal einen
indigohaltigen Drin untersucht hatte, fand er andere
zahh*eiche Indigo liefernde Urine, welche in ihrem
Verhalten mit dem erwähnten gut übereinstimmten,
nur mit dem Unterschiede, dass die Indigomeuge
manchmal grösser u. mauclunal kleiner war. Uebri-
0 Das Nähere s. in FehUug's u.Dammer's chom. Hand-
wörterbuehe.
n
116
L Medicinische Physik; Ghenue u. Botanik.
gens erkannte H. sehr bald^ daas die blaue Sub'
stanz niemals im Urin präformirt ist, sondern
sich erst dnrch eine Art Oxydation beim frden Zu-
tritt der Lnft bildet.
Fflr die Bildung des Indigo ist es n&mlich im
Allgemeinen nothwendig, dass der Urin einige Tage
lang in einem offeuen Geftsse der Luft ausgesetzt
wird; indem dabei Sauerstoff aufgenommen wird,
kommt der Indigo zum Vorscheio. Alles, was die
,,Oxygenation'' erleichtert, als freies Aussetzen dem
Lichte, der Luft, der Wärme und dem Sonnen-
scheiu, befördert das Erscheinen des blauen Indigo.
Daher gehen im Sommer die beschriebenen Verän-
derungen viel schneller vor sich, als im Winter;
umgekehrt werden diese Erscheinungen ganz ver-
zögert, ja gänzlich aufgehoben durch Abschluss von
der Atmosphäre. Selbst schon fertig gebildeter
blauer Indigo kann seiner Farbe beraubt und zu-
rückgebildet werden, wenn man den Luftzutritt auf-
hebt. Nur in einigen wenigen Fällen schien es^
als ob der Indigo im Hamsystem bereits fertig ge-
bildet worden und als solcher mit dem Harn entleert
worden wäre. So beobachtete B e n e k e einen Fall
von Morbus Brightii, wo geradezu blauer Harn (In-
digurie) längere Zeit hindurch aus der Blase entleert
wurde.
Nachdem Hill Hassal seine Beobachtungen
veröffentlicht hatte, fand Schunk (1857) eine con-
stant im Harn auftretende Substanz, welche bei
gährungsartigen Zersetzungen oder Kochen mit
Mineralsäure Indigoblau lieferte. Hingeleitet zu
dieser Entdeckung wurde Schunk durch seine Un-
tersuchungen des Pflanzenindigo. Er hatte nämlich
kurz vorher (1855) nachgewiesen, dass die Pflan-
zen, aus welchen Indigoblau gewonnen wird, dieses
Pigment nicht fertig gebildet enthalten, sondern
nur einen ganz besonderen gb/kosidartigen Stoff,
welcher erst durch Gährung oder Säuren in Indigo-
blau übergeftlhrt werden muss. Schunk führte
für diese Substanz den Namen „Indiean" ein.
Dieses Pflanzen-Indican (CseHsfNOiy) ist meist ein
hellbrauner, bitter n. übel schmeckender Syrup, wel-
cher sauer reagirt und leicht zersetzlich ist, wobei
er dnrch Aufnahme von H^O in Indigoblau und
Indigglucin zerfUlt.
Zur Gewinnung jener oben erwähnten constant
im Harn befindlichen thierischen Indican- Substanz
verfolgte Schunk ganz denselben Weg, wie zur
Darstellung des Indican der Pflanzen und folgerte
daraus, dass auch das im Ham gebildete Indigo^
blau vom Indican abstammen müsse, zumal die-
selben Reagentien , welche den Pflanzenindigo aus
dem Indican der Pflanzen entstehen lassen, in den
meisten Fällen den Hamindigo aus dem Indican des
Harns erzeugen. Ausserdem hielt er das Ham-
indican für identisch mit dem in den Pflanzen vor-
kommenden Glykosid und glaubte es zusammen-
gesetzt aus Zucker und Indigoblau.
Schunk 's Angaben bezüglich des Indican als
constanten Bestandtheiles des Harns wurden von
Hoppe-Seyler (1863) durch Untersnehnngea
bestätigt, welche, gleichzeitig eine Indicanvermeh-
rung im Harn einer mit Carcinoma orbitae behaf-
teten Frau nachwiesen und einen reichen Indicaa-
gehalt im Pferdehani, sowie im Ham von rdch-
lieh mit Fleisch geftltterten Hunden conatatirtcD.
Hoppe-Seyler hielt anfangs in Uebereinstiin-
mung mit Schunk die Muttersubstanz des aus dem
Ham gewonnenen blauen FarbstofilB fär identisch ouk
der des Pflanzenfarbstoffs (in Folge der Identittt der
Tochtersubstanzen vor dem Spektroskope), während
er später die Identität derselben mit der Indigo ba-
denden Substanz des Harns bezweifelte.
Baumann und Brieger (10) haben nun den
Nachweis geliefert, dass d^ Indigo bildende Sub-
stanz des Harns im Osgensatz zum Indican der
Pflanzen kein Glykosid ist, sondern die Eigeo-
Schaft einer Säure besitzt und bei ihrer ZersetEong
mit Salzsäure in Schwefelsäure und einen in AlkoM
mit purpurrother Farbe Utelichen Farbstoff der Ib-
digograppe gespalten wird, wobei sich kein Zociur
bildet. Das Hamindican ist also kein Glykosid,
sondern als gepaarte Aetherschwefelsäure aufssr
fassen. Diese Ansicht wird durch die Darstellnng
und Untersuchung des reinen Hamindican bestätigt,
wobei man nach den genannten Autoren folgender-
maassen verfilhrt
Ein an Indioaa sehr reicher Ham wird inr Kryitilli-
salion eingedampft und die von Salzen und kiyetalli-
nisohem Hamstoff getrennte brannrothe Mntterlaige wtzd
mit 90proc. Allcohol extrahirt. Der allcoholiBOhe Anzog
wird in der Kälte mit alkohoHsoher Lösung von Ozabiiin
versetst, so lange noeh ein Niedeisohlag erfolgt. Der
ahfiltrirte Niederschlag wird mit weingeistiger Kalilfiinf
bis zur schwach alkalischen Beaktioa versetzt, von in-
geschiedenem ozalsanren KaU abflltrirt, eingedamirfl ond
der Best mit einem gleichen Volomea Aettier geflUlt. Si
bildet sich ein reichUeher sympöser NiedendUiK, der
neben Salzen, Harnstoff, Extraktiv- und Farbstoffes des
grössten Thett der Indigo bUdenden Substana eatfaih.
Dieser Symp wird mit 96proc. Alkohol wiederholt sasg^
kocht und wieder mit dem gleiehen Volnmen Aether ge-
flUlt Doreh diese wiederholte FäUung der aftaBsehei
Lösung mit Aether gelingt aUm&Ug eine voUkommese
Abtrennung des Harnstoffs, während beim Wiedersnf-
lösen des Niederschlages in Alkohol ein Theil derEitnk-
tivstoffe ungelöst zoriickbleibt. Die so gereinigte sflcoho*
lisehe Lösung wird nun mit Aether so hinge versetst, Mb
ehie bleibende Trftbung entsteht. Beim Stehen is der
Kälte scheiden sich dann an den Wänden des GefSieei
KrystaUe von mikroskopischen Blättehea ab; snweilei
finden sich auch in der Flflssli^eit grosse, dorehäelitige
Nadehi und Tafeln ; beide Krystaüisationsformen bestehei
aus der Kalinmverbindung der Indigo bUdenden Sobsten-
zen. Diese KrjrstaUe werden nun durch mehrmsUces
ümkrystallisiren ans siedendem Alkohol gereinigt y^
erhält sie so in blendend weissen, glänzenden Tafetai nsd
Blättehen, welehe die Formel haben G^HcNSO«!. Die«
Verbindung zeigt in ihrem chemisohen Verhattes die
grösste Uebereinstimmung mit dem phenolsohwsfebaoreo
KaUnm ; ihre KrystaUe sind leicht in Wasser, sehr seliwer
in kaltem, leichter in heissem AUiohol löslich. Mm Er-
wärmen mit verdflnater Salzsänre werden sie leiekt in
Sohwefelsänre und einen pheaolartigea Körpei gesp*^'
Das erste Spaltungsprodukt ist daslndozyl, das sidi sber
leicht weiter verändert und wahrscheinlich dandi eise
Condensation in einen rothen Farbstoff fibergeht, deeeee
Formel bis Jetzt noch nicht festgesteUt werden kosate.
I. Medicinisohe Physik, Chemie u. Botanik,
117
Mit (hydatioBsmittehi (Eiteiiclilorid , Chlorwaaser oder
nntereUorigBaiires Natron) wird das Indozyl in Indigo
ibeiie^effihrt. Erhitzt man indoxylscliwefelsaares Kali in
wtoeriger LQsnng, so tritt vollBtändige Zersetanng ein ;
es entsteht ein brauner Niedereehlag, der neben Indigo
den lothen Farbstoff enthfilt. Wird er als troeltene Snb-
stsns in einem Beagenxglase raseh bis znm sehwaohen
Glühen fiber einer starken Flamme erhitzt, so entwickeln
Bieh unter Zersetzung purpurne D&mpfe von Indigo, der
rieh im kSttem Theile verdiehtet. Zugleich tritt der
Oemch auf, der sich beim Snblimiren von Indigo ent-
wickelt.
Das Indiean des Hama ist also, wie aas der
Analyse und den vorstehend beschriebenen Eigen-
Behaften hervorgeht , die Alkaliverbindung eines
hfdroxyUrtenlndolj welches Baumann n. Brie-
ger „Indoxylschwefelsäure'' nennen, während sie
den Namen Indiean ausschliesslich fllr die Indigo
bildende Substanz der Pflanzen , die ja von der
lodoxylachwefelsäure vollständig verschieden ist, an-
gewandt wissen wollen. Da sich indessen der Aus-
drock Indoxylschwefelsänre bei den Aerzten noch
Dieht eingebürgert hat, so ist auch für diese Zusam-
menstellnng noch die alte Bezeichnung thierisches
bdiean fOr die Indigo bildende Substanz des Harns
beibehalten worden.
Um nun die Anwesenheit des Indiean im Urin
Dsehzuweisen , benutzt man seine Eigenschaft , sich
bei Behandlang mit Mineralsänren so zu zerlegen,
dasB Indigoblau abgeschieden wird , während die
flbrigen Spaltungsprodukte (Indigglucin etc.) in Lö-
soog bleiben. Man schliesst also von dem Nach-
mse des Indigo auf das Vorhandensein des Indi*
ttau Die altem, einfachen Methoden der Indiean^
bestimmung, die sich meistens damit begnügten, einen
Urin fllr indicanreich zu erklären, wenn er beim
Kochen mit Mineralsäuren sich roth, violett oder
bbm färbte, fttr indicanarm, wenn die Färbung we-
niger intensiv ausfiel, sind absolut unzureichend.
Denn abgesehen davon, dass auf diese Weise nur
der relative Gehalt an Indiean , nicht der absolute
gesehätzt werden konnte, abgesehen davon, dass
Bolehe Farbenschätzungen der subjektiven Willkür
anbdmgesteUt sind, so sind die Resultate einer der-
artig gewonnenen Bestimmung schon ans dem Grunde
vdUig werthlos, weil der Urin auch andere zufällig
in ihn übergegangene Substanzen enthalten kann,
welche beim Kochen mit Säuren ähnliche Farben-
Reaktionen geben. So berichtete Julia Fön-
ten eile von einem Knaben, der Tinte verschluckt
bitte, und dessen Harn mehrere Tage Berliner Blau
enthielt. Auch Monj ou fand im blauen Harn eines
Mädchens, welches täglich 6 Grmm. Aethiops mar*
tiiUs (Fexrum oxydulatnm nigrum — Eisenoxydul)
^el^ blauen Farbstoff. Eine indigoblaue, in
Wasser Ideliche Substanz , die durch Alkalien und
Bebwache Säuren nicht verändert, jedoch durch con-
^trirte Salpetersäure und starkes Erhitzen zerstört
^^e, fanden Granier u. Dolens imHarn. Der
Btfn eines seit 2 J. blaue Massen erbrechenden und
blauen Han entleerenden Mannes enthielt nach B r a -
tonnet Melanurin u. pechartige Harze. Man sieht
also aus diesen Beispielen, dass eine einfache Blau&r-
bung des Urins nicht immer auf Indiean bezogen werden
darf. Die Anwesenheit dieses Körpers ist erst dann
sicherer gestellt, wenn es gelingt, Indigo daraus
darzustellen, ein Erforderniss, dem noch bei minima-
lem Indicangehalte durch ein höchst einfaches^ in
wenigen Minuten auszuführendes Verfahren entspro-
chen werden kann. Das Verfahren, welches von
Jaff6 (1870) angegeben ist, besteht in dem Zu-
satz von Chlorkalk zu einer angesäuerten Indiean'
lösung. Wenn man nämlich eine farblose oder nur
schwach gelb gefärbte Indicanlösung mit dem glei-
chen Volumen von reiner Salzsäure versetat u. dann
vorsichtig unter Umschtttteln einige Tropfen Chlor-
kalklösung zuftlgt, so fäi'bt sich das Gemisch äugen*
blicklich intensiv blau, trflbt sich sofort durch den
ausgeschiedenen Indigo und nach wenigen Minuten
schon sieht man denselben in deutlichen Flocken
vereinigt, die sich in einigen Stunden vollständig
abgesetzt haben. Aus der abfiltrirten Flflssigkeit
gelingt es nie, selbst nach Tage langem Stehen, eine
weitere Spur Indigo zu gewinnen. Diese Reaktion
fällt eben so schön aus, wenn die Indicanlösung un-
rein ist. Indicanreicher Harn giebt ohne jede Vor-
bereiteng eine eben so prompte Ausscheidung des
Indigo, wie Lösungen von reinem Indiean. Selbst-
verständlich wird namentlich bei geringem Indican-
gelialte die auf Ghlorkalkzusatz erfolgte Färbung
durch die ursprüngliche Färbung der Flflssigkeit
etwas modificirt, so dass sie manchmal mehr dunkel-
gi'ün, in andern Fällen mehr violett erscheint ; fil-
trirt man aber nach einigen Minuten, so bleibt stets
reiner blauer Indigo auf dem Filter, gleichgültig wie
die Flüssigkeit vor dem Filtriren aussah. Mensch-
licher Harn , der in der Norm nur Spuren von Indi-
ean enthält , wird nur sehr selten blau oder grün ;
vielmehr zeigt er nach Zusata von Chlorkalklösung
eine rothe oder violette Färbung, die von andern
Stoffen, vielleicht Zersetaungsprodukten des Harn-
stoffs, herrührt. Gleichwohl hinterlässt eine solche
Probe selbst bei überaus geringem Indicangehalte
nach dem Filtriren einen deutlichen blauen Anflug
auf dem Papier. Nur in seltenen Ausnahme&Uen
kann eine reine blaue Farbe auch bei geringem In-
dicangehalt auftreten, dann nämlich, wenn jene an-
dern durch Chlor gefüllten Hambestandtheile fehlen
oder nur in geringern Mengen vorhanden sind.
Uebrigens wurde zumNachweiB des Indiean im Men-
schenharne diese von Jaff6 angegebene Methode
von Senator und Salkowski etwas modificirt.
Nach den genannten Autoren wird eine gleiche Menge
Harn und rauchende Salzsäure in einem Reagens-
glase gemischt, allmälig tropfenweise eine concen-
trirte ChlorkalklöBung bis zur vollständig eingetrete-
nen Blaufärbung zugesetat und mit Chloroform ge-
schüttelt, welches letatere den frisch entstandenen
Indigo leicht aufnimmt und sich je nach der Menge
desselben in verschieden tiefen Färbungen von Blau
am Boden des Glases absetat. Nach einer Modifi-
kation von Hammarsten (20) wird stett der ge-
118
L Medicinische Physik, Chemie n, Botanik.
flftttigten ChlorkalklösuDg eine VaP^'o^* Lösang von
Ealipermanganat tropfenweise zngefdgt. Bei blas-
sem Harn wird die Probe direkt vorgenommen;
dnnkler Harn muss vorher durch Ausftllen mit Blei-
essig, Bleizacker, Thierkohle, wobei man sich vor
einem za grossen Ueberschuss dieser Mittel zu hflten
hat, entfärbt werden. Allerdings erhält man hier-
durch quantitativ einen recht bedeutenden Ausfall
an Indigo, den grössten bei Thierkohle. Aus eiweiss-
haltigem Urin ist das Eiweiss vorher zu entfernen.
Die quantitative Bestimmung des Indican grün-
det sich auf dieselbe Chlorkalkreaktion und besteht
im Wesentlichen darin, dass in einer gemessenen
Menge Indigolösung , resp. Harn , die Ausscheidung
des Indigo durch Salzsäure und Chlorkalk vorge-
nommen, der ausgefällte Farbstoff auf einem ge-
wogenen Filter gesammelt , mit kaltem und heissem
Wasser, endlich mit heissem Ammoniak gewaschen,
getrocknet und gewogen wird. Bei indicanreichem
Urin genflgen 200 — 500 Cctmtr. zur Untersuchung.
Diese Reaktion ist also, umsomehr, da sie durch
Verunreinigung nicht im mindesten gestört wird und
überaus empfindlich ist, flberall anwendbar. Man
findet bei ihrer Anwendung, dass menschlicher Harn
noch deutliche Indicanreaktion giebt, wenn er 0.4
Mgrmm. in 100 Cctmtr. enthält. Normaler Weise
ist nach Jaff 6 im menschlichen Urin in 1500 Cctmtr.
4.5 — 19.5 Mgrmm., im Durchschnitt in 1000 Cctmtr.
6.6 Mgrmm., Indigo enthalten, in den Tropen-
ländem mehr ; Pferdeharn enthält 23mal mehr als
menschlicher.
Die Frage nach der Abstammung des Indican
im Harn macht es zunächst nöthig, zu untersuchen,
ob dasselbe im thierischen Organismus gebildet oder
mit der Nahiiing in denselben eingeführt wii'd. Im
letztem Falle sind uneder zwei Möglichkeiten denk-
bar, indem entweder fertiger Indigo in der Nahrung
enthalten ist, oder wenigstens ein Körper der Indigo-
gruppe, welcher im Organismus oder im Harn in
Indigo übergeht. Da aber die Nahrung der Men-
schen und meisten Thiere keinen Indigo enthält, so
kommt es nur darauf an, die in den Nahrungsmitteln
enthaltenen Substanzen der Indigogruppe oder viel-
leicht auch die der aromatischen Gruppe überhaupt
auf ihren Uebergang in Indican zu prüfen , sei es,
dass aromatische Substanzen als solche in den Or-
ganismus eingeführt werden, oder erst innerhalb
desselben aus complicirten Verbindungen entstehen ;
zahlreiche Reaktionen lassen ja bekanntlich eine
nahe Beziehung der aromatisehen Substanzen zur
Indigogruppe mit Gewissheit erkennen. In dieser
Hinsicht hat Eletzinski (1859) die interessante
Beobachtung gemacht, dass Kreosot und Bitterman-
delöl, schon in kleinen Gaben genommen, die Menge
des Indigoblau im Urin auffallend vermehren. Auch
beim Gebrauche von Terpentinöl und Nux vomica
soll die Menge des Hamindican zunehmen. Wenn
nun auch solche aromatische Körper für gewöhnlich
direkt nicht in der Nahrung enthalten sind , so kön-
nen sie sich doch ans complicirten Verbindungen im
Organismus abspalten. Von derartig complicirten
Verbindungen interessh'en uns hier hauptsäcblidi die
Ei Weisskörper. Durch zahlreiche Untersuchungen von
Kühne, Nencki, Brieger, Salkowski und
vielen Andern ist nachgewiesen worden , dass beim
Faulen^ sowie beim künstlichen 2^sstzen und na^
türlichen Verdauen des Eiufeisses aus dem Eiweist-
moleküle ein aromatischer Atomcompka abgespal-
ten wird. (Dieser wichtige Satz ist zuerst von
Guckelberger andeutungsweise ausgesprochen
worden : Ann. d. Chem. u. Pharm. LXIV. p. 39. 1847.)
Bei der natürlichen Verdauung wird im Darm-
kanale durch dasPankreasferment eine Spaltung der
Peptone bewirkt. Ein Theil dieser Spaltungsprodukte
gehört der aromatischen Gruppe an, aus welcher
wir hier nur das Indol berücksichtigen mttnen.
Dieses Indol wird resorbirt, setzt sich im Organis-
mus in Indigo um und wird unter Paarung mit an-
dern Substanzen im Harn als Indican (Indoxyl'
Schwefelsäure) ausgeschieden. Fflr diese Ansicht
spricht zunächst der Umstand, dass Ktthne (1868)
unter den letzten Produkten der Eiweissverdanung
durch Pankreassaft eine Substanz fand , welche mit
grosser Wahrscheinlichkeit fOr Indol zu halten var.
Später ist es Nencki in Gemeinschaft mit seinem
Schüler Frankiewicz (1875) gelungen, Indd
als ein bei Digestion von Pankreas mit Eiwmty
und zwar sowohl Serum- wie Eiereiweiss, entstehen^
des Produkt darzustellen ; gleichzeitig fand er, dass
Leim mit Ochsenpankreas digerirt kein Indol liefert.
Es ist nun allerdings von Hüfner und Kühne
gezeigt worden, dass die ungeformten Fermente des
Pankreas kein Indol aus Eiweiss bilden können, dass
das Indol in künstlichen Verdauungsgemischen nwt
unter Mitwirhing von Bakterien entsteht^ also ein
wahres Fäulnissprodukt ist; allein es ist anerkannt,
dass Fäulnissprocesse auch im lebenden Darmkanale
an dem Zerfall des Eiweisses wesentlich mit bethei-
ligt sind und dass es im Inhalt des Dünn- und Dick-
darmes von niedem Organismen winunelt. Es üt
also das Indol ein Spaltungsprodukt der Eiweiss-
moleküle. Radziejewski's zahlreiche Fäkal-
analysen (1870) zeigten denselben Körper in den
Exkrementen ; später fand auch Brieger (27) bei
seinen Untersuchungen über die flüchtigen Exkre-
menten-Bestandtheile im Destillate der Fäces neben
flüchtigen Fettsäuren Indol im Verein mit Skatol
und Phenol. Im Darmkanale von Menschen, welche
durch äussere Ursachen plötzlich verstorben waren^
wurde constant auch Indol gefunden. Es ist mitiiin
das Indol ein normales Spaltungsprodukt des Ei-
weisses bei der Darmverdauung. Jaff^ (1) end-
lich lieferte den Nachweis, dass Indol ein spätres
Produkt der Pankreasverdauung ist, welches sich in
erheblichen Mengen nur dann bildet, wenn der Darm-
inhalt längere Zeit stagnirt; zu dieser Stagnation
bei weiterem ungestörten Fortgange der Pankreas-
verdauung muss aber als zweiter Faktor noch hin-
zukommen, dass das Bindemiss für die Koth-
I. MediciiiiBche Physik , Chemie u. Botanik.
119
biwegung in Dünndarm sitzt; denn wenn es im
Dickdarm liegt, so ist das Material fflr die Indolbii-
doQg bereits resorbirt and eine weitere Abspaltang
desselben anmöglich.
Abgesehen von der natürlichen Verdaaang
liodet sich Indol auch bei künstlicher Zersetzung
md bei Fäulniss des Eiweisses, So erhielt Kühne
(1875) dorch Einwirken von schmelzendem Kali
inf Eiweiss einen Körper , dessen Identität mit
Indol von ihm angezweifelt wurde; Engler und
Janecke (1876) nannten diesen Körper Pseado-
indol. Nencki (5) gelang es indessen, beim Zer-
Ktien des Eiweisses mit demselben Mittel Pepton,
Lenein, T^osin, späterhin Wasserstoff, fltichtige
Fettsäuren, Skatol and Indol za bilden and den
Nachweis za liefern, dass die Sabstanz, welche
Ktthne, Engler and Janecke anter den Hän-
den hatten, kein einheitliches Prodakt, sondern ein
Gemisch von Skatol and Indol war. Weitere Zer-
letsongsversache des Eiweisses stellten E. und H.
Salkowski (11) an. Sie tibergossen Eiweisssub-
itanzen mit einer sehr verdflnnten Lösung von koh-
lens. Natron and digerirten bei 9CH> mit und ohne
Zosatz weniger Tropfen faulender Fleischfltlssigkeit,
die vorwiegend Bacillas snbtilis enthielt. Nach
2 Vi— 60 Tagen wurde die Mischung bis auf Ve
ihres Volumens abdestillirt, der Rtlckstand und das
Destillat getrennt untersucht. Bei der Untersuchung
&Dden sich stets aus dem Eiweiss durch Spaltung
entstandene aromatische Körper ; unter den in das
Destillat übergegangenen flüchtigen Produkten beob-
aehteten sie neben einer unbekannten organischen
Sehwefelverbindung stets Indol, Skatol und Phenol.
Bemerkenswerth war hierbei die grosse Quantität
hdol, welche in einem Falle aus Blutfibrin erhalten
wurde; ein etwa 100 Ormm. Trockensubstanz ent-
sprechendes Quantum lieferte nämlich 0.9 Qrmm.
leines Indol. Diese Versuche erklären recht deut-
lich die Vorgänge der bereits oben erwähnten Indol-
bildong im Darm bei Stagnation. Indol bildet sich,
wie wir gesehen , erst im spätem Stadium der Pan-
kreasverdauung in grossem Mengen unter Einwir-
knng von Fftulnissbakterien« Bei normalem Ver-
daanngskanal wird das Eiweiss bald resorbirt und
es bleibt wenig Material zur Indolbildung. Ist aber
der Darmkanal unwegsam und noch gefüllt, so ver-
hält sich sein Inhalt wie ein künstliches , lange im
Topf befindliches Verdanungsgemisch, das unter dem
Einfluss der Verdaunngssäfte und der verlängerten
Bakterienkultur, eine reichlichere Bildung von Indol
veranlasst , welches dann resorbirt, reichliches Indi-
can geben muss, wie wir weiter anten sehen wer-
den.
Aehnliche Versuche stellte auch Brieger (12)
ui, wobei es ihm darauf ankam, die Bedingungen
der Fäulniss kennen zu lernen , unter welchen Indol
entsteht Er unterzog dabei nachstehende Umstände
<iiner eingehenden Prüfung, nämlich : die Natur der
{'tahüssfermente, die Form, in der das Eiweiss sich
der FäulmsB darbietet, die Temperaturverhältnisse
und die Betheiligung des Sauerstoffs an der Fäulniss.
Da Hoppe-Seyler (Lehrb. d. pbysiol. Chemie
1879) Cloakenschlamm als reich an besonders kräf-
tig wirkenden Fermenten empfohlen hatte, so be-
nutzte Brieger als Fäulnisserreger den Schlamm
der Panke in Berlin, der an und für sich selbst nach
tagelangem Erwärmen bei 40^ frei von Indol ist.
Liess er dieses Schlammferment auf Lebersubstanz
einwirken , die für die Fäulniss ein sehr günstiger
Boden ist, so entstand in kurzer Zeit Indol. Diese
Indolbildung ging selbst bei nur 3 — 9<> Wärme vor
sich , wai' jedoch bei höherer Temperatur bedeuten-
der. Von Einfluss war ferner der Luftzutritt ; nur
wenn er reichlich war , war auch die Indolbildung
reichlich. Einige Versuche , welche zehn Tage und
länger fortgesetzt wurden , zeigten , dass das Indol
im weitem Verlaufe der Fäulniss schlüsslich vne-
der vollständig verschwindet, Odermatt (6)
suchte Indol dai'zustellen durch Faulenlassen ver-
schiedener eiweisshaltiger Substanzen, z. B. Mnskel-
fleisch, Hühnerei weiss. Er fand in allen Fällen
Indol , und zwar nahm seine Menge mit der Länge
der Einwirkung der Fäulniss zu. Ferner constatirte
Eoukol (1875), dass sowohl die Leber , wie die
Muskeln, wenn man sie unmittelbar nach ihrer Ent-
fernung aus dem Körper unter Bedingungen bringt,
welche den Zutritt von Bakterien von aussen anmög-
lich machen, gleichwohl einen wahren Fäulniss-
process durchmachen , unter dessen Produkten stets
Indol auftritt.
Ueber die weitere Thatsache, dass das Indol,
welches, wie wir eben gesehen, beim Zerfall der Ei-
weisskörper gebildet, zu Indigo oxjdirt wird, muss
die Frage entscheiden, ob das dem Organismus ein"
verleibte Indol die Indicanausscheidung im Harn
vermehrt. An der Beantwortung dieser Frage be-
theiligte sich zunächst Christi an i (7), indem er
die Indolverhältnisse an Thieren nntersuchte. Er
fand, dass Hühner, die Indol mit dem Futter erhiel-
ten , daraus Indican bildeten. Der direkte Beweis
jedoch wird durch subcutane Injektionen von Indol
geliefert. Dieselben, von Jaff6 an Hunden aus-
geführt, hatten constaint eine bedeutende Indicanver-
mehrang im Harn zur Folge. Ma9on (13) wieder-
holte dieselben Versuche mit dem gleichen Resultate.
Einen weitern Beleg für die Umwandlung des Indol
in Indigo müssen Fütterungsversuche mit eiweiss-
reicher , resp. eiweissarmer Nahmng geben , da ja
Eiweiss, wie erwähnt, in Indol umgesetzt wird.
Solche Versuche wurden wiederum von Jaff^ und
unter dessen Leitung von Penrosch(2) angestellt
mit dem Ergebniss, dass bei eiweissreicher Kost
Indiean reichlich im Harn enthalten ist, während
es bei eiweissarmer Diät fast vollständig daraus
verschwindet. Ferner fand Salkowski 1876
nach Fütterung von Fibrin oder Fleisch eine erheb-
liche Zunahme des Indican , während dieselbe nach
Leimfätterang ausblieb ^ entsprechend der oben er-
wähnten und von Nencki gefundenen Thatsache,
dass Leim bei der Pankreasverdauung kein Indol
120
I. Medicinische Physik^ Chemie n. Botanik.
giebt. Schlusslich ist N e n c k i auch die hünstliche
Oxydation des Indol zu Indigo durch Ozon ge-
lungen. Somit ist also bewiesen y dass das Indol
im Organismus zu Indigo oaydirt und nach Paa^
rung mit andern Substanzen , von denen hier nicht
weiter die Rede sein soll , als Indican ausgeschie^
den xmrd.
Ebenso wie ans den Eiweissstoffen der Nahrang
kann auch aus den Albuminaten des Körpers selbst
Indigo entstehen. Diess wird dnrch die von Sal-
kowski constatirte Thatsache festgestellt, dass bei
vollständiger Nahrungsentziehung die Indicanaus*
Scheidung nicht aufhört , ja dass sie im Hunger*
zustande bedeutender ist, als bei ausreichender,
aber eiweissarmer Nahrung. Jaff6 machte die-
selbe Beobachtong in einem Falle von Inanition, be-
dingt durch vollständigen Verschluss der Speiseröhre
durch Carcinom. Mehrere Tage vor dem Tode hatte
nicht die geringste Nahrungszufuhr, auch nicht per
Klysma stattgefunden. Der Urin der kolossal ab-
gemagerten Pat. enthielt am Todestage 17 Mgrmm.
Indigo.
Mit Bezug auf diese Thatsachen sind die Ergeb-
nisse der Beobachtungen Ober die quantitative Ver-
änderung der Indicanausscheidung unter pathologi-
schen Verhältnissen von besonderem Interesse. Voran
stehen hier die Beobachtungen und experimentellen
Versuche Jaf f 6's. Er fand nämlich , dass die im
menschlichen Harn enthaltene Indigomenge bei
Ileus beträchtlich gegen die Norm vermehrt ist.
Daher untersuchte er an Thieren den Einfluss von
Darmunterbindungen auf die Indicanausscheidung
und fand dabei anal(^ den Verhältnissen beim Men-
schen die Indicanmenge vermehrt , wenn der Dflnn-
darm unterbunden wurde , während Unterbindungen
des Colon niemals dieses Resultat hatten. Dieses
verschiedene Verhalten von Dfinndarm und Colon
beruht auf einer vermehrten Bildung von Indol,
nicht auf vermehrter lÜsorption der in normaler
Weise mit den Fäces entleerten geringen Indolmen-
gen. Denn im letzteren Falle mflsste man bei allen
länger dauernden Stuhlverstopfungen eine Zunahme
des Indican finden, was aber durchaus noch von kei-
nem Beobachter constatirt ist. Es sind Fälle von
lAtägiger Obstruktion beobachtet worden, ohne
dass man jemals vermehrtem Indicangehalt be-
gegnete. Auch Ewald (14) findet es nicht zulässig,
eine andere Quelle des Indican anzunehmen, als den
untern Dttnndarmabschnitt. Er untersuchte nämlich
das Verhalten des Fistelsekretes und die Indicanaus-
scheidung bei einem an Anus praeternaturalis leiden-
den Patienten. In Folge einer Hemiotomie war
demselben ein Stück incarcerirten gangränösen Dünn-
darms excidirt worden. Vier Monate lang fand
keine Communikation zwischen dem obem u. untern
Darmstück statt und war letzteres vollständig ausser
Funktion gesetzt; dann wurde die Communikation
auf operativem Wege wieder hergestellt. Vor, wäh-
rend und nach der Herstellung der Verbindung zwi-
schen beiden Darmstfloken wurde der Harn und, so
lange es anging, das Sekret auf Indican untersneht
Es fand sich , so lange die Verbindung nicht her-
gestellt war , keine Spur von Indican im Sekret und
Harn. Daraus geht hervor, dass während des Be-
stehens der Fistel weder in dem in Gebrauch stehen-
den obem Darmstück Produkte der Pankreasrer
dauung (vielleicht mit Ausnahme von Tyrosin und
Leucin) gebildet wurden , noch auch in dem jensei-
tigen Darmabschnitt oder den andern Oeweben oder
Drüsen Indican vorhanden oder erzeugt war; 36Std.
nach der Eröffnung des Weges dnrch den ganzes
Darmkanal traten anfänglich Spuren, dann reidi-
lichere Mengen von Indican im Harn auf, während
die letzten Reste des Fistelsekrets immer noch davon
frei blieben.
Weiterhin suchte Jaff6 festzustellen, ob bd
einer allgemehxen Steigerung des Eixoeiesumsatsa
im Körper, uns ihn das Fieber bedingt, auch dii
Indieanproduktion über die Norm vermehrt sei.
Bei zahlreichen in dieser Richtung bei den verBchie-
densten fieberhaften Krankheiten unternommenen
Harnanalysen konnte niemals eine Indicanvermeb-
rung nachgewiesen werden. Senator (3) gelangte
bei seinen Untersuchungen über die vermehrte h-
dicanausscheidung in patholo^schen Zuständen sa
dem Resultate, dass eine abnorme Ausseheidm^
viel häufiger bei chronischen, als bei akx^
Krankheiten auftritt und dass es vorzugswAt
Consumpüons* und Inanitiotiskrankheiten sind, bei
denen eine solche Vermehrung des Indigo stattfindet
Kranke, die wenig oder nichts gemessen oder das
Genossene schlecht verarbeiten , zeigen oft enonne
Indicanmengen im Harn, zumal im Vergleich mit
Personen, welche dieselbe Kost haben, dieselbe aber
besser verdauen. Für die einzelnen Krankheiteo
hat sich Folgendes ergeben. Ausser bei Ileus scbeiiit
von den akuten Krankheiten die diffuse Peritoniü
die einzige zu sein, bei der eine abnorme Indican-
ausscheidung stattfindet, wohl hauptsächlich ans dem
Grunde, weil hier in Betreff der Fortbewegung ond
Resorption der Darmcontenta ganz analoge Verliilt-
nisse bestehen wie bei der Darmverschlingong.
Schon bei circumscripter und siAakuter Peritoniü
findet sich eine beträchtliche Steigerung. Bei Pn^
monie, Pleuritis ist häufig ein mit Rücksicht aof
die geringe Nahrungszufuhr ansehnlicher Indican-
gehalt gefunden worden, zuweilen auch bei T^iCi
Cholera asiatica (Wyss) und Cholera nostrat.
Von den chronischen Krankheiten zeigt vor AUeD
das Magencarcinom eine enorme Vermehrung des
Indican , unabhängig von dem Verhalten des Stuhl-
ganges ; geringer ist sie bei Magengeschwür. BSne
auffallende Vermehrung ist auch gefunden worden
bei multiplen Lymphomen und Lymphosarkome
der Bauchhöhle, bei Kindern mit multiplen Drusm'
anschwellungen^ bei Tabes meseraica, vorgeseknt'
tener Phthise mit Durchfällen und amyloider Gnt*
artung der Organe, Cirrhose der Nieren, J^wWw^»
Chlorose, Morbus Addisonii, bei welcher Krtxk'
heit Rosenstirn (1872) zuerst vermehrte bdicftn^
n. Anatomie n* Physiologie.
121
unsheidiisg beobachtete. Ans der betrftchtlichen
yermefaniDg des Indican im Urine bei der zuletzt
erwfthnten Krankheit glaubt Jaqa et (8) schliessen
n dttrfen, dass die Funktion der Nebenniere darin
beitihe, die aus den Blutkörperehen stammenden
färbenden Substanzen durch Zerstörung oder Um-
wandlung wieder für den Körper zu verwerthen
nod dass bei aufgehobener Funktion derselben diese
Farbstoffe in das Blut übergehen und Vergiftungs-
eneheinungen erregen [?]. Nothnagel (15) sagt
jedoch, er habe zwar bei seinen an Broncekrankheit
leidenden Patienten Vermehrung deslndican im Harn
bemerkt, nicht aber anThieren, denen er dieNeben-
liere zerstörte. Hennige (17), welcher sich eben-
falls mit der vermehrten Indioanausscheidnng in
Kraolcheiten besohftftigte , machte bei den schon er-
wlhnten pathologischen Zustftnden dieselben Beob-
aebtongen. Ausserdem constatirte er Indicanvermeh-
nmg bei pemieiöser progressiver Anämie und
Mushelatrophie^ ckronisehemDarmkatarrh^Leber'
tertinom und mehreren ekronisehen Eiterungen
(Oberschenkel -Phlegmonen, fungöse Kniegelenks-
entsflndung, Fusswurzelcaries). Schlflsslich sei noch
da einzig bis jetzt beobachtete und von Ord (32)
mitgetheilte Fall über das Auftreten von Indigo in
emem Nierensteine erwähnt. Der Stein stammte
aus einer durch Rundzellensarkom und Ureteren-
abeehluss zerstörten Niere. Er war lang, zackig,
▼OB dunkelbrauner Farbe, wog 2.5 Qrmm. und gab
auf dem Papiere einen blanschwarzen Strich. Ausser
aas Indigo, der durch Sublimation gewonnen wurde,
bestand er aus phosphorsaurem Kalk und einem Blut^
gerinnsei. Bizio (Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d.
Wiss. 1860. p. 33) fand Indigo auch im Schweisse ;
es scheint sonach auch eine Bildung von Indican in
des Schweissdrüsen stattzufinden, ein Vorgang, über
des wir indessen nichts Nilheres wissen.
In Bezug auf die Frage, ob das Indol und dessen
Derivate irgend eine physiologische oder pharmako-
logische Wirkung auf den Organismus besitzt, ist
eine Arbeit von Wernich (18) von Interesse,
welche das Indol als ein bakterienuridriges Mittel
erkennen Iftsst. Die sehr zahlreichen Vei-suche, auf
deren hiteressante Einzelheiten wir hier nicht wieder
einzogehen brauchen, da wir sie bei Gelegenheit der
Skatolznsammenstellung eingehend besprochen haben,
bewiesen bekanntlich den paradoxen Satz, dass jedes
Fänlnissprodukt , welches untersucht wurde, nicht
wieder Fäulniss, sondern im Oegentheil Antisepsis
bewirkt. Gleichzeitig constatirten sie, dass die
bakterienwidrige Wirkung des Indol weit stärker
ist aU die der bekannten Carbolsäure, welche man
als das hauptsächlichste Antiseptikum zu betrachten
gewohnt ist
Der Vollständigkeit wegen sei noch erwähnt,
dass man das Indplderivat Indigo auch innerlich
angewendet hat, und zwar in älterer Zeit gegen
Gelbsucht, in diesem Jahrhundert eine Zeit lang gegen
die Epilepsie. Die therapeut. Verwendung des In-
digo ist jedoch jetzt in Vergessenheit gerathen und
scheint auch, so weit zuverlässige Mittheilungen über
seine physiologischen Wirkungen vorliegen, kaum
Grund zu neuen Versuchen vorzuliegen. Nach Roth
bewirkten grosse Dosen besten Guatemala-Indigos
(vielleicht nur auf mechanische Weise oder reflekto-
risch vermöge seines herben metallischen Geschmacks)
meist Wflrgen und Erbrechen dunkelblau gefärbter
Magencontenta, welche Erscheinungen sich bei Fort-
gebrauch des Mittels in 3 — 4 Tagen verloren, später
weiche dunkelblauschwarze Sttthle mit oder ohne
Koliken , allmälig Gastricismus mit Kopfschmerzen.
Dass der Indigo nicht zur Resorption gelange , lässt
sich allerdings nicht behaupten, obschon der weitaus
grOsste Theil unverändert mit den Fäces wieder ab-
geht. Nach dem Einnehmen von Indigo ist vielmehr
wiederholt, jedoch nicht constant das Auftreten eines
blauen Farbstoffs im Urin und Schweiss beobachtet
worden , welcher sich erst nach dem Stehen an der
Luft bildete. In diesen Fällen scheint nach Ranke
das Indigoblau in den untern Theilen des Darms zu
Indigweiss reducirt und als solches aufgesogen zu
sein. Nach Hubert-Rodriguez soll nicht das
Indigbku bei der Epilepsie das Wirksame im Indigo
sein, sondern eine eiweissartige , dem Leucin ähn-
liche Substanz, welche zur Bildung von Valerian-
säure Anlass geben soll. Kletzinsky hat statt
des Indigblau indigblauschwefelsaures Alkali zu geben
vorgeschlagen, da dieses in Wasser löslich ist. Auch
dieser Vorschlag findet jedoch gegenwärtig keine
Befolgung mehr.
IL Anatomie u. Physiologie.
505. Ueber Vermehrang oder Verminde-
nmg der Zahl der Wirbel; von Prof. H. Welcker.
(Aich. f. Anat. u. Physiol. [Anat. Abth.] 2 u. 3.
p. 174. 1881.)
Von der normalen Zahl der freien oder wahren
Wirbel des Menschen giebt es bekanntlich Abwei-
chungen. Vor mehreren Jahren hatte nun Rosen-
berg die interessante Hypothese aufgestellt, dass
<Ue Hflftbeiae des menschlichen Embryo zunächst
■Mit den 25«, sondern den 26. Wirbel ergreifen, so
Med. JalvM. Bd. IM. Hft. S.
dass jeder menschliche Embryo ursprünglich 25
wahre Wirbel besitze. Deren Zahl werde durch
Vorwärtswanderung der Hüftbeine und allmälige
Ergreifung auch des 25. Wirbels der Regel nach
auf 24 beschränkt. Der Besitz 25 wahrer Wirbel
würde hiemach als Entwicklungshemmung zu gelten
haben. Menschliche Wirbelsäulen mit nur 23 Wir-
beln nannte R. darum eine Zukunftsform ; in der
Vermehrung der Wirbel erblickt er einen atavistischen
Rückschlag. Der 30. Wirbel eines Thieres ist nach
16
122
U. Anatomie n. Physiologie.
1
R. dem 30. Wirbel eines andern Thieres homolog,
d. h. genetisch entsprechend, mag dieser 30. Wirbel
nun hier Lendenwirbel , dort Beckenwirbel , dort
Schwanzwirbel sem.
Von dieser Ansicht weicht W e 1 c k e r ab. Der
Haupt Wirbel des Sacrum (der Stützwirbel W.'s) ent-
spricht nach ihm dem Stützwirbel des 2. Thieres,
mag die Nummer der Wirbel welche immer sein.
Die Halswirbel des einen Thieres, hier 5, dort 7, ja
11, entsprechen den Halswirbeln des andern Thieres.
Je nach den verschiedenen Leistungen der Thiere
gliedert sich der dem Brust- oder Lendenabschnitt
zufallende Theil des Keimes hier reichlicher, dort
weniger reichlich« aber die Wirbel sind einander den
Regionen nach , nicht den Nummern nach homolog.
Nach W.'s ausgedehnten Untersuchungen sind 26
wahre Wirbel die Zahl der anerkannt niedrigsten
Säugethiere (Schnabelthier, Echidna) ; den nachweis-
bar ältesten Säugethieren, den Bentlem, kommt die-
selbe Zahl zu ; 26 wahre Wirbel ist zugleich aber
die weitaus häufigste Zahl in der ganzen Säugethier-
klasse. Sie ist als die Zahl der primitiven Sftnge-
thierform anzusehen. Von ihr ausgehend, nimmt W.
einen divergirenden Gang der Entwicklung an. Die
sekundären Thierformen bildeten sich dadurch, dass
neben andern Umwandlungen einzelne Descendenten
Wirbel ablegten (lipospondjle Thiere), so die unge-
schwänzten Aflfen und der Mensch, während andere
Formen die Wirbel vermehrten (auxispondyle Thiere),
wie niedere Affen, Fleischfresser u. s. w.
(Rauber.)
506, Ueber Nervenendigungen im quer-
gestreiften Muskel; von Dr. W. Wolff. (Arch.
f. mikroskop. Anat. XIX. 3. p. 331—346. 1881.)
Die Muskeln von Oliederthieren und allen Klas-
sen der Wirbelthiere dienten W. zur Untersuchung,
welche ihr Objekt theils frisch , theils mit verschie-
denen Keagentien (Goldchlorid, Silbemitrat, Essig,
pikrin-schweflige Säure), sowohl im Zusammenbang
als an der isolirten Faser prüfte. Einen wesentlichen
Unterschied der motorischen Nervenendigungen der
verschiedenen Wirbelthierklassen erkennt W. nicht
an, sondern setzt fär sämmtliche untersuchte Thiere
dasselbe Princip fest. Diess ist folgendes : Die End-
verzweigungen liegen ausserhalb des Sarkolemma-
schlauchs ; dieselben sind stets markhaltig und be-
sitzen die Schwann'sche Scheide. Der Endigungs-
punkt der einzelnen Ausläufer ist dadurch gegeben,
dass die Schwann'sche Scheide (Neurilemma) con-
tinuirlich in das Sarkolemma übergeht, der Nerven-
inhalt (Achsencylinder und Markmantel) aber an
dieser Stelle die quergestreifte Substanz berührt.
An diesem Punkte hört der Nerv auf. Ob er con-
tinuirlich mit einer Fibrille zusammenhängt oder
sich nur in Contiguität befindet, lässt W. unentschie-
den ; der Zusammenhang ist jedenfalls ein inniger.
Das Perineurium zusammen mit dem intermuskularen
Bindegewebe Ist der Ursprung der um die Nerven-
endigungen herumliegenden Kerne* (R a u b e r.)
507. Zur Anatomie des Miuoiilaa stenuh
cleidomastoideus ; von Prof. L. H. Farabenf
in Paris. (Progrös m^d. IX. 15. 1881.)
AmStemocleidomastoideus unterscheidet Fara«
beuf (wie Theile) 2 Muskeln, den Stemomastoi«
deus (Stemo-cleido-occipito-mastoideus) und Cleid0<
mastoideus. Der erstere, oberflächliche, heftet aiek
an die Linea semiciroularis sup., die äussere FUebi
und den vordem Rand des Proc. mastoideus, indes
er hier ein wenig mit dem andern Muskel Ye^
schmilzt. Die meisten seiner Bündel gehen in dls
Stemalsehne über, die übrigen breiten sieh rneoh
branartig aus und gelangen zu dem Innern Abschnitt
der Glavicula in einer Linie, welche bis anf 6 Ctmitr«
auswärts des Qelenkes betragen kann. Der Cleido*
mastoideus heftet sich an die Spitze und die beidea
Ränder des Proc. mastoideus und geht zur Clan
cula längs einer Rauhigkeit, welche einen Querfing«
breit auswärts des Gelenkes beginnt
Der oberflächliche Muskel ist oben fastebeDa0
breit, als unten. Das stemale Bündel variirt sv;
wenig, beträchtlich aber das daviculare. Bd sttf*
ker Entwickelung verbirgt es den tiefen Mnakd
völlig. Wenn es dünn ist, schimmert der tieft
Muskel durch ; ist es von der Stemalsehne getreont^
so tritt der tiefe Muskel im Zwischenraum henroE.
Selten nur erstreckt sich das daviculare Bfiodd
weniger wdt nach aussen, als der tiefe MoskeL
Einmal in 24 Fällen fehlte das oberflächliche clavh
culare Bündel reohterseits völlig, linkerseits war tf
sehr dünn. (R a u b e r.) }
508. Ueber einen SpannmuBkel der ob6^
fläohliohen Halsfasoie (Musculus ansi/armis mr
praclavicularis) ; von Prof. LouisDubarin Paris.
(Progr^s m4d. IX. 8. 1881.)
Dubar stiess bei dem Versuche, die Arterii
subclavia zu unterbinden, auf einen kleinen Muskelt
welcher bei genauerer Nachforschung von der oben
Fläche der Clavicula, 5—6 Mmtr. hinter dem clavi-
cularen Ursprung des Sternocleidomastoideos aus-
ging und sich auf der untern Fläche der Clavicoli,
in der Nähe des Ansatzes des Lig. coracodaviGuUre,
1 Ctmtr. vor der Insertionssehne des Subelavios,
festheftete. Der Muskel bildet einen Bogen mit
nach oben gerichteter Convexität und befindet oA
zwischen 2 Lagen der oberflächlichen Halsfiscie,
die er durch seine Contraktion zu spannen vermag.
Linkerseits und reohterseits war er in gleicher Weise
entwickelt. Man kennt den sehr seltenen MasU
unter dem Namen M.anomalus daviculae odersapn-
clavicularis proprius. (Rauher.)
509. Ueber das Verhalten der Vorderarm-
muskeln zu den Band- und Fussgelenken; von
E. Weber. (Verb. d. phys.-med. Ges. zu Wfln-
bürg. XV. 1 u. 2. p. 63. 1881.)
Man vermag bekanntlich in der durch Beogong
der Finger geschlossenen Hand sehr bedeutende
Lasten zu tragen, ohne dass die finger in Streck-
II. Anatomie u. Physiologie.
123
steUoDg ttbergehen. W. suchte nun experimentell
zn eotseheidai, ob die Spannnng der contrahirten
Yorderannmuskeln dem an den Fingern entgegen-
wirkenden Zag des Gewichtes gleich, ob grösser
odtf kleiner sei. Es konnte von ihm festgestellt
werden, wie gross die Belastung an der Hand
gegenflber einer gewissen Spannung der Benge-
nmskeln sein musste, bis die gebengten Finger sich
ZD strecken begannen. Dabei stellte sich ein be-
deotender Ueberschnss von Belastung an der Hand
aber die Moskelspannung heraus. Diess schien, wie
fermnthet worden war, fttr die Gegenwart beson-
derer Einrichtungen in den Fingergelenken zu
ipreehen. Indessen war auch wieder bei bestimm-
ter Belastung der gebeugten Finger ein sehr grossei*
SptDoungsttberschuss an den Beugemuskeln nöthig,
um die Finger ein wenig stärker zu beugen. Es
effcUrt sich diess leicht durch die starke Reibung
der Sehnen an ihren Scheiden in Folge des auf die-
selben ausgeübten Druckes. Der Flexor profundus
ergab sich als der stftrkere der beiden gemeinsohaft-
li^en Fingerbenger.
W. untersuchte sodann das gegenseitige Ver-
hlitDiss der Vorderarmmuskeln in ihrer Wirksam-
keit auf Streckung und Beugung der Finger und
der Hand. Er gelangt dabei zu dem zahlenmässigen
Nachweis der Intensität, mit welcher jeder einzelne
Muskel das Hand- und die Fingergelenke zu beugen
und zu strecken und das Handgelenk zu ab- und
adduciren vermag. (Rauber.)
510. Von der Bewegung der Bippen und
des Stemum; von Dr. L. Ghabry. (Journ. de
TAnat. et de la Physiol. XVH. 4. p. 301. 1881.)
Die Bewegungen der Rippen und des Stenium,
welehe die Elrweiterung der sagittalen Durchmesser
des Thorax hervorbringen, lassen sich nicht genau
doith einen Gelenkapparat herstellen, in welchem
die Rippen durch starre Hebel ersetzt wären. Es
ist vielmehr auch die Elasticität der Rippen in An-
8cUag zu bringen. Sie hat bei dem Menschen zur
Folge die theilweise Unabhängigkeit von der Er-
bebimg der ersten und letzten Rippen. Dadurch
werden dem Thorax zwei respiratorische Typen ge-
siehert, die Ober- und Unterrippenathmung. Die
Eigenbewegungen der Rippenknorpel, zuerst durch
Sibson genauer untersucht und als Streckung bei
der Inspiration, als Beugung bei der Exspiration
cikannt, smd im normalen Zustand nur von geringer
Bedentimg und können vernachlässigt werden. Ano-
nuderweise kommt hier und da eine Rflckwäi-tsbeu-
^g der Knorpel während der Inspiration vor.
In der mittlem Gegend des Brustkorbes ist die
^cigrösserung des queren Durchmessers minder be-
trichtli<^ für jeden Rippenbogen an der Stelle seiner
gröflsten Breite, als weiter vorn an der Grenze zwi-
aehen Knochen und Knorpel. In Folge ihrer doppel-
^ Gelenkverbindung hat jede Rippe eine natOrliche
Rotationsachse, welche schräg nach vorn, innen un^
^ten geriditet ist* Die wirkliche Bewegung der
Rippe besteht nur aus einer einzigen Rotation um
diese Achse. In der obern Brustgegend zeigen die
Rippen zwei deutliche Bewegungen, Elevation und
Rotation. In der untern Brustgegend finden sich
ebenfalls zwei Bewegungen vor ; es sind diess aber
Elevation nnd Abdnktion . (R a u b e r.)
511. neber die untere und obere Fleura-
grenze; von Prof. Ad. Pansch. (Arcb. f. Anat.
u. Phys. [Anat. Abth.] 2 u. 3. p. 111. 1881.)
Die schräg liegende Ebene der ersten Rippe
wird durch die- Pleura und die Lunge mit 2 Wöl-
bungen überschritten, die durch eine von der Sub-
clavia herrührende Querfurche (Sulcus subclavius)
getrennt werden. Die hintere Wölbung ist kleiner,
aber stärker, die vordere grösser, aber schwächer.
Diese Wölbungen überragen die Fläche des ersten
Rippenbogens im Mittel etwa 1.5 Centimeter. Auf
die Horizontale bezogen, beträgt bei einer mittlem
Thoraxsenkung die senkrechte Höhe der hintern
Wölbung etwa 1, die der vordem etwa 2 Centi-
meter. Die senkrechte Höhe der ganzen Lungen-
spitze über dem vordem Ende der ersten Rippe be-
trägt im Mittel 3.5 Ctmtr., indem sie zwischen 2.5
und 5.5 schwankt. Ein durchgehender Unterschied
zwischen rechts und links war für die absolute Höhe
nicht nachzuweisen.
Die häufige Angabe, dass die Lunge 3— 5 Ctmtr.
über das Steraalende der Clavicula hinausrage, ist
demnach unrichtig. Durch die Clavicula wird das
Sternalende der 1. Rippe um 1.5 — 2 Ctmtr. über-
schritten, so dass ftlr die Lunge nur 1 — 3 Ctmtr.
senkrechter üeberragung übrig bleiben. Der Wechsel
in der Höhe der Lungengrenzen wird nicht dm*ch
eine wechselnde Höhe der Lungenspitze, sondem
durch die wechselnde Höhe der Clavicula bedingt.
Was das anatomische Verhalten der Lungenspitzen
bei der Inspiration und bei dem Emphysem betrifft,
so hebt P. hervor, dass am Rippenhalse kaum eine
Hebung vorkommt, so sehr das Sternum auch auf-
steigen mag. Die vordere Wölbung der Lungen-
spitze wird sich heben, normalerweise jedoch nie so
hoch, dass sie die horizontale Höhe der hintern
Wölbung übertrifft. Die senkrechte Erhebung der
Lungenspitze über dem Steraaltheil der Clavicula
nimmt also bei der Inspiration ab : die Lungenspitze
ändert ihren Ort nicht, während die Clavicula auf-
steigt. Anders ist das Verhältnlss beim Emphysem,
da hier bei der Exspiration ein aktives Andrängen
der Lunge stattfindet. Aber auch hier wird der
hinter der Subclavia gelegene Theil sich in ge-
ringerem Grade ausdehnen können, da er eine feste
Ueberlagerung besitzt. Der vor der Subclavia ge-
legene Theil dagegen kann vorgedrängt werden.
Die untere Pleuragrenze entspricht im mittlem
Verhalten hinten der halben Höhe des Vertebral-
randes der 12. Rippe und zieht von da zuerst hori-
zontal, dann sanft aufsteigend weiter und an der
vordem Seite des Thorax über die Vereinigungs-
stelle zwischen dem Knochen und Knorpel der
124
lU. Hygieine; Difttetik, Phannakologie n. Toxikologie.
7. Rippe weg. ZwischeD rechts und links ist hin-
ten kein durchgreifender Unterschied, während an
der vordem Seite rechts gerade die genannte Stelle
der 7. Rippe geschnitten wird, links dagegen die
Linie etwas tiefer liegt.
Die Abweichungen vom mittlem Verhalten sind
besonders hinten beträchtlich. Zu wiederholten
Malen fand P. die Pleura bis zum Querfortsätz des
ersten Bauchwirbels, ja zuweilen selbst bis zu dessen
unterm Rand hinabsteigend. Diese Tieflage kann sich
auch noch weiter seitlich geltend machen. Bis auf
9 Ctmtr. Abstand von der Medianlinie fand P. die
Pleura über die 12., oder bei abnormer Eflrze der-
selben über die 11. Rippe hinausragend. Beim
operativen Eindringen in die Bauchhöhle, d. i. beim
Durchschneiden des Quadratus lumborum, darf man
also nicht näher als etwa 2 Fingerbreiten an die
letzte fühlbare Rippe hinangehen. Beim Abzählen
der Rippen darf man sich nie auf die letzte fühlbare
Rippe verlassen, da diess eben so gut die 11., wie
die 12. sein kann. (Raub er.)
512. Anatomische Betraohtongen über die
Paaoia transversa; von Prof. Pietro Lnpö in
Neapel. (Giom. intemaz. delle Scienze med. Nuova
Ser. Anno I. Fase. 12. 1879.)
Entgegen der gewöhnlichen Ansieht
Thompson die F. transversa anfgefassfc alsttnt
Fortsetzung der Fascia lata, welche, unter d<
Poupart'schen Bande durchtretend, sieh anf de
Innenfläche verbreitet, bis sie allmälig oelli
werde. Lupö glaabt sich dieser Ansicht auf<
der Analogie und genauestw Präparationen voU^
ständig anschliesaen zu müssen.
Die Fascia lata spaltet sich nämlich in der Hdl
der Fossa ovalis in zwei Blätter, ein o1
nnd ein tiefes. Das oberflächliehe Blatt, welohes
mit einem die Fossa ovalis deckenden Zuge die
Lamina cribrosa bildet, gelangt zom Poapart'sebtt
Bande and spaltet sich seinerseits in zwei Blätter.
Das eine ist ein fibröser, als Membran sdiwer dar-
zustellender Faserzug, welcher das Poupart'ache
Band überschreitet u. sich in dorFascie der vorden
Bauchwand verliert Ein anderes stärkeres Stratum
dringt unter dem Bande durch and breitet sich is
der innem Fasele des untern Abschnitte der vorden
Banchwand aus. Diess ist eben die Fasoia trani-
versa. So ist die ganze Dicke der vordem Banch-
wand umfasst von. zwei aponeurotischen Blatten,
besonders mächtig in jenem Theil der Baachwaiid,
welcher an Muskeln schwächer erscheint.
(Raaber.)
Hl. Hygieine, Diätetik, Pliarmalcologie u. Toxilcologie.
513. Ueber Piaoidin, Fikrotin, Tulipin,
Golohioum.
Ueber die physiolog. Wirkung des wirksamen
Bestandtheils von PiscicUa erythrina (Jamaiea"
nischer Hartriegel) hat Dr. Isaac Ott (Aroh. of
Med. V. 1. p. 69. 1881) mit einem von Prof. Ed.
Hart dargestellten Präparate: Piscidia oder Pm-
ddin an Kaninchen und Fröschen Versuche ange-
stellt.
DasPiscidin ist löslich in Alkohol, aber unlöslich
in Wasser und wurde daher meist in Wasser oder
Glycerin und Wasser suspendirt eingespritzt. Die
Allgemeinwirknng unterscheidet sich von der des
Extraktes der Piscidia in keiner Weise. Es steigert
zunächst die Respirationsthätigkeit, bringt dann in-
coordinirte Bewegungen hervor, stumpft die Sensi-
bilität ab , verlangsamt die Herzcontraktionen , ver-
engert vorübergehend die Pupille, die sich später er-
weitert, und bewirkt endlich Convulsionen, Asphyxie
und Tod. Das Nervensystem anlangend , so erregt
das Mittel zunächst Tetanus und hebt dann die Sensi-
bilität ganz auf. Letzteres kommt zu Stande durch
eine Beeinflussung der Centra, während die peri-
pheren Nervenenden ganz intakt bleiben. Die Mus-
keln sind dagegen an den Krämpfen mit betheiligt,
so dass man die Krämpfe wohl als spino-muskularen
Urspmngs bezeichnen kann. Durchschneidung des
Halsmarkes hebt die Krämpfe nicht auf, wodurch
bewiesen wird, dass das Oehim daran unbetheiligt ist
Dnrchschneidung der Ischiadici hebt die Zuckungen
in den hintern Extremitäten nicht ganz anf, wodurch
bewiesen ist , dass sie theilweise mnakolaren Dr-
sprangs sind. Die Reflexthätigkeit wird anfioigi
durch Reizung der5«focA«nouy'schen Hemmungsoenta
vermindert, später durch Lähmung der sensorischen
Ganglien und des Rückenmarkes ganz aufgehobeo.
Die Zuekungscurve des MuskeLs wird erst an H5be
vermehrt, dann vermindert, im Ganzen aber lang-
gezogen , wie nach Einwirkung von Veratrin. Im
Bereiche der Cürknlationsorgane setzt das PisddiB
den Puls nnd die arterielle Spannung henA, und
zwar wahrscheinlich durch Beeinflnssong des Ben-
muskels. Der Blutdmck steigt anftnglich daroh
Reizung des vasomotorischen Gentmm und fällt dum
durch Lähmung desselben nnd des Herzmuskels
rasch ab.
lieber die physiologische Wirkung des Pibratin
hat Dr. Vincenzo Ghirone (Ann.nniv*Vol.2Ö5.
p. 128. Febbr. 1881) Versuche angestellt — jedoch
ohne Berücksichtigung der letzten ohem. Arbeit
über das Pikrotoxin von Löwenhardt (Jahibb.
CLXXXVm. p. 246).
Er ist dabei zu dem Resultate gelangt, dass das
Hydrat des Pikrotoaid, welches von Barth mid
Kretschy den Namen Pikrotin erhalten hat, weil
Dieselben es für bitter, aber nicht für giftig hielten,
diesen Namen nicht verdient, da es bitter und giftig
ist. Die Giftigkeit des Hydrat des Pikrotoxid ver-
hält sich zu der des Pikrotoxin nngefiUir wie 1 :30.
Die vom gen. Hydrate hervorgerufenen epUeptifloto
Krämpfe sind denen, welche bei der Hkrotozin-Ver-
giftung auftreten, sehr ähnlich, aber sohwidier
in. Hygieine, Diftteiik, Phannakologie a. Toxikologie.
125
entspieeheii mehr dem EmprosthotoniiB als dem
Opisthotonus. Die Todtenstarre tritt gleich nach
dem lethalen Exitus ein. Die Krämpfe werden her-
Torgerofen durch Einwirkung des Pikrotoxid auf die
motorischen Centren im verlängerten Marke und
Bflckenmarke, weshalb sie an decapitirten Fröschen
und enthimten Tauben besonders deutlich zur Beob-
achtung kommen.
Die physiologische Wirkung des Tulipin ist von
Prof. Sidney Ringer (Practitioner XXIV. p. 241.
Oct. 1880) geprflfi; worden.
Das genannte Alkaloid wird aus den KnoUeu,
Blftttem und Blfltben der Gartentulpe dargestellt,
nnd zwar lieferte jedes Pfund (ca. 500 Grmm.) der
Pflanze einen Gran (0.06 Grmm.) des Nitrat dessel-
ben. Das Ergebniss der mit 5proc. Lösung an
FrOschen nnd am Auge der Katze angestellten Ver-
nche fasst Ringer selbst in folgenden Sätzen zu-
nnunen.
Tulipin unterscheidet sich in seiner Wirkung
sdir von den Alkaloiden, welche aus den Amarylli-
daeeen gewonnen werden können. Es ist ein Mus-
kelgift und wirkt auf die Muskeln wie Veratrin y ist
jedoch schwächer als dieses. Es paralysirt wahr-
scheinlich die zuführenden Nerven. Seine Wirkung
auf die motorischen Nerven ist eine sehr geringe
oder gar keine. Auf das Froschherz wirkt es wie
Veratrin. Die Pupille afficirt es nicht.
Die Einwirkung von Colchicum auf den Intesti^
naltractus bat Dr. Gh. Roy aus Vevey (Arch. de
Physiol. 2.S^r. V. 5. 6. p.648. 1878) mittels sub-
ciilaner und intravenöser Einverleibung von Infusum
seminum colchici bei Meerschweinchen und Katzen
erforscht Injicirt wurden meist 10 Cctmtr. eines
hiinses von 10 : 50, eine Dose, welche stets toxisch
virlLte. Die gewöhnlichen Symptome waren Dys-
pnoe, Convnlsionen, heftige Diarrhöe mit wässrigen
Stuhlen, Erbrechen galliger Massen, Schmerzhaftig-
keit des Abdomen. Diese Erscheinungen traten erst
1—3 Std. nach der Injektion auf; nach Verlauf
von 1—2 Std. folgte dann der Tod. In allen Fällen
ergab die Autopsie eine lebhafte Entzündung der
Darmschleimhaut. Bei interner Applikation waren
die Symptome und der Sektionsbefund ganz ähnlich.
Bei Meerschweinchen traten alle Erscheinungen schon
nach Snbcutaninjektion von 1 Octmtr. des Infuses
anf.
Vf. nimmt an , dass das Gift durch die Darm-
winde ausgeschieden wird nnd dabei dieselben in
^tsflndnng versetzt. Bisweilen fand sich auch ein
Krttaer Ergnss im Herzbeutel und Oedem der Nie-
ren. (Kobert.)
514. Ueber einige Wirkungen des salz-
aauren Ozal%thylin; von Dr. Hugo Schulz in
Bonn. (Ärcb* f* exper. Pathol. u. Pharmakol. XIII.
5. p. 304. 1881.)
Binz und Hertz untersuchten 1875 die Wir-
bogen des Chlorozaläthylin. Harnack bestätigte
& Sesnltate und wies zugleich auf die Aehnlichkeit
der Wirkungen zwischen Ghloroxaläthylin , Spartein
und Lobelin hin. Das ehlorfreie Oxaläthylin ist von
Stricker u. Wallach^) dargestellt, aber noch
nie auf seine Wirkung untersucht worden.
Zur Dantellung des letistgenannten Korpers worden
10 Gnnm. Jodwasserstoffs. Ghloroxaläthylin mit 4.5—6.0
Grmm. Jodwasserstoffsäure vom spec. Gewichte 1.825
nnd 0.8 Grmm. amorpher Phosphor im verschlossenen
Bohre 8—9 Standen lang anf 170—1800 erhitzt. [Die
Ansbente an oonstant siedender Basis betrog 78— 80<^/o.]
Die so dargestellte Base siedet bei 212.5— 213.0<> und
stellt in frischem Zustande eine wasserhelle, ölige Flüssig-
keit dar , die bei längerem Stehen im Sonnenlichte sich
schwach gelblich fSrbt. Der Geruch derselben ist stark
narkotisch, wenn aoch weniger intensiy als der des Mono-
chlorprodoktes. Der Korper brennt leicht mit bläulicher
Flamme, ohne die für Chlor charakteristische grüne Fär-
bung. In Wasser löst er sich leicht , zum Unterschiede
von Chlorozaläthylin , welches in kaltem Wasser leichter
als in warmem löslich ist; femer wird er von Alkohol
nnd Chloroform au^enommen. Ein weiterer Unterschied
zwischen dem Oxaläthylin und dem Ghloroxaläthylin be-
steht in dem verschiedenen spec. Gewichte, indem die
chlorfreie Base leichter als Wasser (spec. Gew. o^ 0.982),
die chlorhaltige schwerer als dieses («=> 1.142) ist. Die
Elementaranalyse fährte für das Oxaläthylin zn der For-
mel CßHioNs, während die des Ghloroxaläthylin CsHgClNa
ist. Neutralisirt man eine wässrige Lösung von Oxal-
äthylin mit Salzsäore , so scheidet sich beim Verdonsten
onter dem Exsiccator eine weisse krystallinisohe Blasse ab.
Diese ist stark hygroskopisch , snblimationsfShig ond er-
starrt nach dem Schmelzen zo einem krystallinischen
Aggregate. Die Analyse führte zo der Formel CeHioNsHCl,
d. h. der Körper ist das salzsäore Salz des Oxaläthylin.
Lösungen dieses Salzes in Wasser (1 : 10) dienten so den
nachstehenden Yersochen. Sie reagirten neotral.
Die ersten Versuche an Kaltblütern ergaben fol-
gendes Vergiftnngsbild. Es treten zuerst Lähmungs-
erscheinungen im motorischen Systeme aof^ nach
Anwendung kleiner, allmälig steigender Dosen deut-
lich an den Hinterbeinen beginnend nnd von da aus
aufsteigend. Dio Reflexerregbarkeit ist nach klei-
nen Gaben anftoglich in eigentbümlicher Weise ge-
steigert y so dass y während die Lähmung der Bein-
muskeln schon ziemlich weit gediehen ist, ein leises
Berühren der Zehen genügt y um partielle Muskel-
contraktionen hervorzurufen. Nach grösseren Dosen
sind schon stärkere Reize nöthig y um diese eigen-
thflmlichen Muskelzuckuugen auszulösen, hier jedoch,
wie auch im weitem Verlaufe der Vergiftung mit
mehrfachen kleinen Dosen treten die Muskelbewegun-
gen allmälig auch spontan auf. Gleichwohl nimmt
die Lähmung der motorischen Nerven zu , so dass
Bchlüsslich selbst die Durchschneidung des Ischiadicus
kaum noch von sichtbarem Effekte begleitet wu*d.
Jedenfalls werden die motorischen Nerven früher und
energischer afficirt als die sensibeln , ja es scheint,
als ob letztere längere Zeit hindurch sich in einem
Stadium erhöhter Erregbarkeit befänden. Das Sen-
sorium scheint rasch benommen zu werden. Einige
Zeit nach der subcutanen Injektion des Giftes tritt
Dilatation der Pupillen ein (während das Ghlor-
oxaläthylin auf die Pupille absolut nicht einwirkt).
Athmung und Herzthätigkeit sinken progressiv.
1) Bericht d. deotsohen ehem. Qes. 1880. XUI. p. 511,
126
m. Hygieise^ Diätetik^ Pharmakologie u. Toxikologie.
Durch Atropin geliogt ea nicht, die immer mehr zu-
Dehmende Verlangsamung der Herzaktion anfzuheben,
dagegen lässt sich durch Oxaläthylin der Mnscarin-
stillstand beseitigen. Dieses Verbalten des Giftes
spricht deutlich für seine Beziehungen zum Herz^
vagus. Die gewaltige Reizung, welche der letztere
durch Muscarin erleidet, wird durch die lähmende
Kraft des Oxaläthylin wie die des Atropin aufge-
hoben, so dass der Herzmuskel seine Thätigkeit wie-
der beginnen kann. Die besonders hervortretende
starke systolische Contraktion des Ventrikels unter
dem Einflüsse des Oxaläthylin gleicht durchaus der,
welche wir auch durch Atropin hervorzurufen im
Stande sind ; nur ist die Dosis Oxaläthylin , welche
ndthig ist, um dauernd den Muscarinstillstand zu
überwinden , eine grössere wie die des Atropin zu
gleichem Zwecke.
Vergleicht man nun die Wirkungen des Oxaläthylin
auf den Frosch mit denen des Ckloroxaläihylin nach
Hertz, 80 findet man hinsichtlich des Allgemein-
verhaltens, dass beide Stoffe narkoiinrende Kraft
haben. Jedoch zeigt sich der Unterschied, dass Läh-
mung der sensibeln Nerven beim Chloroxaläthylin
viel schneller und intensiver zu Stande kommt wie
bei der chlorfreien Verbindung. Letztere bewirkt
vielmehr eine Art von Hyperästhesie, die sich dadurch
manifestirt, dass das vergiftete Tbier auf ganz sanfte
Berührung der Zehen mit partiellen Muskelzuckun-
gen antwortet, entsprechend der bereits vorgeschrit-
tenen Lähmung der motorischen Nerven, die es nicht
mehr zu einer ausgeprägten Allgemeinzuckung der
ganzen Extremität gelangen lässt. Auch die spon-
tan auftretenden Contraktionen in einzelnen Muskel-
gruppen , wie sie nach grösseren Dosen von Oxal-
äthylin sich zeigen, lassen sich auf Hyperästhesie
der sensiblen Nerven oder auf einen Reizzustand
ihrer Gentren in der MeduUa zurQckftlhren. Was
das Verhalten des Herzens unter dem Einflüsse bei-
der Gifte anlangt, so ist dieses in beiden Fällen das-
selbe. Die antagonistische Wirkung zwischen dem
Chloroxaläthylin und dem Muscarin zeigt sich auch
bei der Anwendung der* chlorfreien Base. Ebenso
existirt ein Antagonismus in Bezug auf das Herz
zwischen Spartein und Muscarin.
Was die Allgemeinwirkung des sabssauren Oxal-
äthylin auf Warmblüter anlangt , so zeigte sich ein
auffallender Unterschied gegenüber dem Verhalten
der chlorhaltigen Base, indem bei Katzen ersteres
Krämpfe, letzteres aber Betäubung verursachte. Das
Oxaläthylin mrkt also tüie Atropin, das Chlor-
oxaläthylin wie ChloraL Die Atropinwirkung spricht
sich auch in der Pupillendilatation aus. Der Grund
der Verschiedenheit der Wirkung beider Präparate
ist der , dass von dem chlorhaltigen im Körper sich
das Chlor abspaltet und narkotisch wirkt und daher
die excitirenden Wirkungen des nicht chlorhaltigen
Präparates verdeckt. (K o b e r t.)
Wolberg. (Arch. f.Physiol. XXIL 7u.8. p.291.
1880.)
Vf. weist zunächst darauf hin, dass die bekannte
Thatsache, dass durch manche Salze (z. B. Natrium
chlor., Magnes. sulph., Natrum sulphur.) die Fäal-
niss, bez. die letztere bedingende Fermentbildnng
gehemmt wird , bei der ausgedehnten Verwendung
der Salze in der Diätetik und Therapie alle Beach-
tung verdiene. Es sei daher von Wichtigkeit, zu
untersuchen : welche Salze die Fermentfoildung hem-
men, bei welcher Menge diess geschieht, ob dasselbe
Salz auf verschiedene Fermentationen die gleiche
Wirkung ausübt, ob es Salze giebt, welche eine Be-
schleunigung anstatt einer Hemmung der Fermen-
tation bedingen, endlich ob die Beeinflussung der
Fermentation durch die Basis oder die Säure erfolgt
Vf. giebt eine kurze Uebersicht der in der Literatur
über die Wirkung der Salze auf die Fermentwirkung
vorhandenen Angaben i) und führt dann die Resnl-
tate der von ihm selbst mit 10 Salzen und 6 Alka-
leiden hinsichtlich des Einflusses derselben auf die
Verdauung angestellten Versuche ^ an.
Um die Magenfermentation künstlich herzustellen^
benutzte Vf. wohlgereinigten Blutfaserstoff, dessen
Wassergehalt vorher durch Austrocknen bestimmt
worden war, so dass alle Resultate auf wasserfreies
Fibrin berechnet worden sind. Als Verdauungs-
flüssigkeit diente ein Glycerininfus der Schleimhant
des Pylorustheils eines Rindsmagens ; bei Verwen-
dung von gleichen Gewichtsmengen von Glycerin
und Schleimhaut, war das Infus schon nach 5 — 6T.
brauchbar. Der Znsatz von 7 Cctmtr. desselben zu
100 Cctmtr. einer 0.5proc. Salzsänrelösung lieferte
ein die Verdauung des Fibrin bewirkendes Prä-
parat.
Von dieser Verdauungsflüssigkeit wurden 100
Cctmtr. mit einer bestimmten Menge (gew. 1 Graun.)
Fibrin in einem ballonähnlichen Glasgef^ zusam-
mengebracht und dasselbe in ein Wasserbad gestellt,
dessen Temperatur beständig auf 40 — 45^' C. er-
halten wurde. Nach 24 — 48 Std. wurde die ganxe
Flüssigkeit durch gewogenes, sehr trockenes schwe-
disches Papier filtrirt, das auf dem Filter bleibende
unverdaute Fibrin einige Male mit heissem Wasser
gewaschen, dann sammt dem Filter so lange bei
100^ C. getrocknet, bis es bei 2 nach einander fol-
L'
515. Ueber den EinfluBs einiger Salse und
Alkaloide auf die Verdauung; von Dr. Louis
0 L 1 e b i g : Ueber Gähnmg, Quelle der MuskeUanft
und Emährnng; Ann. d. Chem. u. Pharm. 1870. —
Heidenhain: Beiträge zur RenntniBs des Pankreas;
Arch. d. ges. Physiol. X. p.557. 1875. — Wm. Ebstein
u. JnL Mfiller: Ueber den Einfl. der Sauren und Al-
kalien auf das Leberferment ; Ber. d. deutsch, ehem. 6«.
Vm. p. 679. 1875. — K. Knapp: Ueber den Einfl.
der Kali- n. Natronsalze auf die Alkoholgahmiig ; Abb.
d. Obern, n. Pharm. CLXin. p. 65. 1878. — Alex.
Schmidt: Ueber d. Bezieh, d. Kochsalzes m einigen
thier. Fermentationsprocessen ; Arch. d. ges. PhysioL
Xm. p. 591. 1876. — Otto Nasse: Untersnchnngen
über die angeformten Fermente ; Das. XI. p. 138. 1875.
>) Dieselben wurden im J. 1878 im Institut f. plijsioL
Ohem. zu Warschan unter Prof. F udako WS tanflgeffifert
m« Hygieioe, DiAtetik, Phannakologie n* Toxikologie.
127
geDden Wftgongeii keinen unterschied mehr zeigte.
Durch Abziehen des Gewichtes des Filtrirpapiers
TOD dem jetzt gefnndenen, ergab sich das Gewicht
des unverdaut gebliebenen Fibrin. In ein und das-
selbe Wasserbad stellte Vf. gewöhnlich 2—4 Bal-
lons; einen von denselben liess er ohne Salz, behnfs
der Vergleichnng mit den andern , in denen ver-
Mbiedene Quantitäten verschiedener Salze, resp.
Alkaloide enthalten waren.
Um den Einfloss der Salze 9x£ die Verdauung
IQ prflfen, benutzte Vf. Kalium chloratum^ Kali
nJfhuncum und nitrieum, Natrium chloratum,
Natnm tulphurieum und nitneum; Ammonium
chloratum, sulphuricum und nitricum; Natrum
liboraeicum* Jedes dieser Salze wurde in 6 Dosen,
Dimlich zu 0.5 ; 1.0 ; 2.0 ; 4.0 ; 6.0 ; 8.0 Grmm.
nur Verwendung gebracht. Das Resultat seiner Ver-
ndbe — wegen des Genauem muss auf das Original
verwiesen werden — fasst Vf. selbst in folgende
Sätie zusammen.
1) Die Verdauung wird durch die genannten
Verbindungen gehemmt.
2) Die Grösse der hemmenden Wirkung hängt
ucht nur von der Salzart ab, sondern auch von der
Qualität der in der Verbindung befindlichen Säure.
3) Dem Hemmungsgrade nach kann man die ge-
ounten Salze in nachstehende Reihenfolge bringen :
Katr. snlphurio. (wasserfrei) 69.6% Dorchachn.-Zahl.
Natr. biboracic. (wasserfrei) 63.3 n -n n
Kalinm cliloratam 24.0 „ n „
Natnim nitricum 16.1 ^ n »
Kali sniphnTieiim 14.8 « » »
Ammomom solpharicnm 14.4 ^ „ ,
Natrium chloratum 11.7 » « n
Kali nitricum 10.8 » » »
Ammonium nitricum 4.8 , » »
Ammonium elüoratnm 8.0 « ^ »
4) Was die Wirkung des Kalium, Natrium und
Ammonium — abgesehen von den Säuren — be-
triilt, so hemmt Ammonium in kleinen Mengen stär-
ker als Ka und Na, von 4 Grmm. ab aber ist die
Wirkung der letztem stärker; zwischen der Wir-
kimg des Ea und Na kam kein besonderer Unter-
aehied zur Beobachtung.
5) Die mächtigste hemmende Wirkung übt die
SehwefS^änre aus; die Salpetersäure ist der Salz-
alne nur um Weniges flberlegen.
6) Nur bei 6 Grmm. trat bei allen Salzen eine
kenunende Wirkung ein ; Natr. chlor., Natr. sulph.,
Natr. biborac. und Ammon. cblorat ergaben bei der
6abe von 0.5 , letzteres sogar bei solcher von
4 Grmm. eine Beschleunigung.
Zur Ermittelung des Einflusses der A Ikaloide
auf die Verdauung benutzte Vf. Morphium hydro-
däaratum, Stryehmnum purum, Veratrinum pu*
nun, Narcotinum, Digitaünum, Ckimnum sulphw
rxeum. Jedes dieser Alkaloide wurde in 3 Dosen :
0.006; 0.012; 0.03 Grmm. verwendet und es er-
giebt sich aus VCb. Versuchen Folgendes.
1) Die 5 zuerst genannten Alkaloide wirken
■ifluitlieh hemmend auf die Verdammg, und zwar
Morphium, Veratrin und Digitalin in allen 3 erwähn-
ten Gaben, dagegen Strychnin nur bei der Gabe von
12 und 30 Mgrmm., Narcotin bei der von 6 und
30Mgramm. Chinin wirkt bei allen Gaben beschleu-
nigend, Strychnin bei der Gabe von 6, Narcotin bei
solcher von 12 Milligrammen.
2) Nach der Stärke der Hemmung — die wegen
der geringen Gaben keine grosse ist — , ergiebt sich
nachstehende Reihenfolge.
Morphium hydrochloratnm 1.466o/oDnrchBchn.-Zahl.
StiychniDum 0.960 » n **
Digitalinam 0.933 n » »
Narcotinum 0.866 « n »
Veratrinam 0.440 „ n n
Ffac die beschleunigende Wirlcnng des Chinin ist die
DnrchBChn.-Zahl 0.683%.
3) Die hemmende Wirkung des Morphium ist
nur bei der Gabe von 30 Mgrmm. am stärksten, bei
der von 6 und 12 Mgrmm. hingegen viel schwächer,
als die der übrigen geprüften Alkaloide.
In Bezug auf die Eingangs erwähnten Fragen
ergiebt sich aus Vfs. Versuchen noch, dass ein und
dasselbe Salz auf zweierlei Fermente verschieden
wirken kann. Er fand, dass das Natr. sulphur. auf
die Magenverdauung stark hemmend wirkt, während
dasselbe nach Knapp 's Beobachtungen einen be-
schleunigenden Einfluss auf die Alkoholgährung aus-
übt. Dasselbe gilt hinsichtlich der Hemmungswir-
kung der Kalisalze, welche nach Knapp die Fer-
mentation für kurze Zeit beschleunigen, bei längerer
Einwirkung aber indifferent werden, so dass weder
Hemmung noch Beschleunigung des Fermentations-
processes bemerkbar wird. (Winter.)
516. Natron&thyl und seine Anwendung
bei Nävus und andern Erankheitsformen ; von
Dr. Benjamin Ward Richardson. (Lancet I.
5. 7 ; Jan., Febr. 1881.)
Vf. thdlt zunächst 9 Fälle von Naevus cutanens
bei Kindern mit^ welche er mittels lokaler Appli-
kation von Natronäthyl sämmtlich binnen kurzer
Zeit dauernd beseitigt hat.
Der 1. Fall betrifft einen Nävus auf der Kopfhaut
eines Smonatl. Kindes von der Grösse einer mittlem
Haselnnss. Nach Anftragang des Natronäthyl mittels
eines Glasstäbchens bildete sich zanächst ein derber
Schorf, welcher am 6. Tage sich ablöste. Diese AppU-
kation wurde noch 7mal in gleichen Zwischenzeiten und
mit gleichem Erfolge wiederholt, worauf der Tumor voll-
ständig ohne Narbenbildung verschwunden war. Con-
stitutionelle Nebenerscheinungen waren während der Be-
handlung nicht aufgetreten.
Im 2., sonst ganz analogen nnd mit gleich gutem Er-
folge binnen 6 Wochen beendeten Falle musste das Mittel,
weil das Kind sehr widerspenstig war und dasselbe stets
wieder abkratzte, während des tiefen Schlafes aufgetra-
gen werden, ein Verfahren, das Vf. bei renitenten Pat.
als nachahmenswerth empfiehlt.
Der 3. Fall war insofern weniger günstig, als der
Nävus nahe der vordem, noch sehr weiten Fontanelle
sass und die deutlich ausgesprochene Uirnpulsation sich
demselben mittheilte, woraus Vf. anf Communikation des
Nävus mit einer Gefässerweiterung an der Innern Schädel-
decke schloss. Das Kind war 8 Mon. alt, blass und
schwächlich nnd hatte einen sehr grossen Kopf, der Nävus
128
ni. Hygieine^ Diiltetik^ Phannakologie n. Toxikologfe.
war wallnnssgross imd stark prominirend. Die erste
Kroate wurde am 5. Tage entfernt, die zweite blieb eine
Woclie lang sitzen ; nach ihrer Losung erschien der Nävus
wesentlich kleiner, aber stark ger5thet und sehr gefäss-
reich. Während der dritten Krustenbildung wurde das
Kind fiebernd. Temp. 10S<> F. (ca. 39.6o C), der Nävas
zeigte sich sphacelös und verbreitete Zersetzungsgeruoh.
Er wurde mit Watte sorgfältig abgetupft und das dann
aufgetragene Natronäthyl durch einen Watteverband leicht
bedeckt. Sofort liess der Zersetzungsprocess nach, es
bildete sich ein fester Schorf, das Kind erholte eich und
schlfisslich verschwand der Nävus, eine kanm sichtbare
Narbe hinterlassend.
Vf. glaubt, dass in diesem Falle die Lösniig der
Kruste vielleicht zu frQh und etwas gewaltsam er-
folgt und dadurch der Zersetzungsprocess in dem
Nävus angeregt worden sei. Er räth daher, in ähn-
lichen Fällen ruhig zu warten, bis die Ernste locker
wird und von selbst sich abhebt.
Fall 4 — 7 bieten nichts wesentlich Besonderes,
nur dass in einem 2 Gewächse bei demselben Pat.
vorhanden waren, welche Vf. zu verschiedenen Zeiten
beseitigte; beide Male war der Erfolg ein gleich
günstiger.
Im 8. Falle, ^ähr. Kind, sass der Nävus über dem
linken Augenlid ; er hatte den Umfang einer mittelgrossen
Erdbeere und war annähernd in 2 Hälften getheilt. Vf.
behandelte erst das eine, später das andere Segment mit
dem Aethyl und Hess erst nach der 4. Applikation ehie
allgemeine Inkrustation, welche 7 Wochen stand, nach-
folgen, ja wiederholte dieselbe dann nochmals. Nach
weiterem Verlauf einiger Wochen war der Nävus bis auf
einen kleinen Rest beseitigt. Auch hier blieb keine auf-
fallende Narbe zurück, die eine Zeitlang noch vorhandene
Rothang der Stelle verschwand, ond die Angenbrauen
begannen sich normal zu entwickeln.
Der 9. Fall betrifft ein lOmonatl. Kind mit einem
Nävus von der Grösse eines Halbkronenstücks an der
Vorderseite des Halses, unmittelbar über dem Larynz.
Die Behandlung wnrde hier dadurch erschwert, dass nach
jedesmaligem Auftragen des Aethyl ein eigenthümHcfaer,
scharfer, croupartiger Husten sieh einstellte und daher
nur einen moderirten Gebrauch des Mittels gestattete.
Trotzdem verlief auch dieser Fall günstig und olme stö-
rende Narbenbildung.
Nach diesen Erfahrungen glaubt Vf. das Natron-
äthyl als ein liittel empfehlen zu können , welches
sicher und, ohne entstellende Narben zu hinterlassen,
den Nävus beseitigt. Nur muss das Präparat rein
sein und es dürfen gleichzeitig weder Brei- noch
Wasserumschläge applicirt werden. Ebenso darf
man die Kruste nicht früher entfernen, als bis sie
sich selbst ablöst ; man muss überhaupt den Verlauf
des Ablösungsprocesses geduldig abwarten.
Als Affektionen , bei denen er das Natronäthyl
ebenfalls mit gutem Erfolge angewendet hat, fülurt
Vf. fdgende auf.
1) TätoxDvm<xrben und Muttermale.
2) Nasenpolypen, namentlich wenn dieselben
klein , leicht erkennbar und leicht erreichbar sind.
Vf. applicirt dann das Aethyl auf den Stiel des Po-
lypen mittels eines mit dem Mittel getränkten Stück-
chens Baumwolle, was mit einer gekrümmten Zange
eingeführt wird. Gewöhnlich genügte eine einmalige
Applikation , um nnter etwas Nasenbluten den Po-
lypen SU entfemeD.
In einem Falle, bei einem Jungen Manne, bei dem
der Polyp schon 2mal operirt worden, aber immer wieder
gewachsen war und die ganze Nasenhöhle ausfüllte, ao
dass die Ursprungsstelle nicht zu sehen war, applicirte
Vf. das Mittel in der Weise, dass er eine mit demAethylat
gesättigte BanmwoUkugel mittels gekrümmter Zange li
die Polypengeschwulst eindrückte und hier 3 Min. lang
liegen liess. Es erfolgte nach Entfernung des Tampon
starkes Niessen und Massenabgang dicken, mit etwu
Blut vermischten Schleims, worauf die Na^engänge frei
wurden, so dass man mittels gekrümmter Sonde ohne
Hindemiss bis zu den hintern Gängen gelangen konnte.
Schon nach einigen Wochen war die polyp&se Wncbe-
mng in gleicher Weise zwar wieder bemerkbar, wurde
aber abermals mittels derselben Methode zerstört. Jetzt
konnte Vf. mittels des Speculum die AnsatzsteUe des
Polypen erkennen und dieselbe nochmals auf die ange-
gebene Weise touchiren, worauf nach kurz dauernder UI-
ceration der tonchirten Stelle vollständige DurehgäBgig-
keit des Nasenkanals eintrat, welche 11 tfon. nach der
Operation noch erhalten war.
Vf. glaubt, dass in iUinlicber WelM Ohren" find
selbst üteruS'Polypen sich würden behandeln las-
sen, obwohl er selbst darüber noch kdM Er&hroog
3) Oegen Ozaena fand Vf. diese Behandlungs-
methode bei einem jungen Mädchen erfolgreich, ba
welchem in dem einen Nasengang , ungefähr 1 Z41
hinter dem Naseneingang eine deutliche ülceratioD
der Schleimhaut mit höchst fibelriechender Ab8ond^
rung vorhanden war. Vf. liess den mit Natronifli^ft
getränkten und mittels gekrümmter Zange einge-
führten Banmwolltampon 5 liin. lang liegen nnd
wiederholte die Applikation aller 3 — 4 Tage mehrere
Male, worauf der fötide Geruch verschwand md
mehrere Monate später noch nicht wiedergekehrt
war.
4) Bei Lupus non exedens fand Vf. die Aethyl-
behandlung erfolglos, während er beiLnpns ecedm
gute Erfolge mit derselben ersielte, so z« B. bei
einem Manne mit einer fongösen , schnell wadisen-
den Qefässgeschwnlst neben dem Ohr, deren ulee-
rhrte Umgebung einen pene^anten, selbst aus der
Feme wahrnehmbaren Oestank verbreitete. Bd der
ersten Applikation des Mittels trat massige Blutimg
ein, welche aber mittels Spray von Alkohol, Aettjl-
äther und Tannin gestillt wnrde. Es bildete ach
dann eine feste Kruste , mit welcher scfatösslich die
Qeschwnlst entfernt worde, wähxcDd die uloerirte
Umgebung mit Hülfe des alkoholischem Tanninspray
zur Vemarbung kam. Jedoch hielt diese gfls-
stige Wendnng nicht lange an , indem des Pai All-
gemeinbefinden bei anhaltend feachtkalter Wittenng
zurückging und der Ulcerationsprooess auf's Neoe
zum Ausbruch kam. Immerhin aber ist die von Vf.
eingeschlagene Methode als palliative Hülfe bei Lupus
exedens beachtenswerth , da sie die Zersetzung n
verhindern, die Gef&BSgeschwulst zu zerstüren^ die
Eiterung zu massigen vermag.
5) Endlich empfiehlt Vf. das Natronätbyi ^^
zu subcutanen Injektionen in derart2ge Oesdiwdbte
und theilt den Fall einer Dame von 56 Jahren mi^
welche seit Jahren an enormer Bjfperttcftie i»
III. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
129
Thyreoidea litt xmA seit einiger Zeit mittels der Gal-
Tsookaostik bebandelt worden war.
Dabei war die verwendete Nadel abgebfocben nnd
ein 3—4" langes Stück derselben in der Geschwnlst
stecken geblieben, wodnrcb der Fat. keine wesentlichen
Unbeqnenilichkeiten erwacbsen waren. Die Stmma hatte
. dagegen in einer Weise sngenommen, dass schlüsslich die
Trachea nach der Seite gedrängt, der Oesophagus zn-
sammengedrückt, die Halsvenen mehr oder weniger com-
primirt wurden, so dass Fat. nnr noch etwas flüssige
Kahrong in sich nehmen konnte. Vf. injicirte 30 Tr.
derSolntion [welche Concentration?] ca. 1'' tief in die
Geachwnlstmasse an verschiedenen Stellen, woranf schon
nach wenigen Tagen an den betreffenden Stellen eine
Verkleinemng der Geschwnlst nachzuweisen nnd dieselbe
nach 6 weitem Injektionen auf das Viertel ihrer frühem
OiOsBe zurückgegangen war. Einer jetzt intercurrirenden
durch Erkältung herbeigeführten Bronchitis mit heftigem
Husten nnd Answarf folgte sehr bald Congestion und Ent-
zfindnng der Thyreoidea, es bildete sich ein Abscess in
derselben mit freiem Eiterabflnss, wobei sich Fat. aber
trotzdem allmälig wieder so weit erholte, dass sie ihre
gewöhnlichen häuslichen Arbeiten verrichten , auch sich
besser ernähren konnte. Eines Abends fand man jedoch
Fat., während sie noch häusliche Arbeiten verrichtet
liatte, todt anf dem Yorsaale. Die Untersuchung ergab,
dass sie den Wnndverband abgerissen nnd hierbei eine
mit demselben verklebte Vene zerrissen hatte, ans welcher
Yerblntmig erfolgt war.
Näehstdem hat Vf. diese Methode der Applika-
tion des Natronftthyl anoh bei Warzen y kleinen
melanoiUchen Geschwülsten im Gesicht, Hämor-
rhoidalknoten , bei einer kleinen Gefässgesehwulst
m Folge eingewachsenen Nagels ^ sowie bei Area
Celsi, welche schon längere Zeit vergeblich mit an-
dern Mitteln behandelt worden war, mit bestem Er-
folg angewendet.
Um die mit der Applikation des Mittels verbun-
dene Schmerzhaftigkeit zu mildem, setzt Vf. bisweilen
eine alkoholische Opiamlösnngza, widerräth dagegen
ansdrflcklich die Anwendung des Chloroform , weil
dasselbe , mit dem Natronäthyl gemischt , leicht ex-
plodirt. (Winter.)
517. Toxikologisohe Mittheilungen aus der
Aandinavischen Literatur»
Die Frage, in wie weit das Vermögen derSchmerz-
empfindong bei Curarevergiftung fortbesteht, dOrfte
sieh schwer experimentell entscheiden lassen. H o 1 m -
gren ([Jpsalaläkaref5ren.f9rhandl.XVI. 7. S. 557.
1881) hat indessen versucht, einen Wahrscheinlich-
keitsbeweis dadurch zu erlangen, dass er als Maass-
stab f&r das Empfindungsvermögen das Erweite-
rongsphänomen der Pupille verwendete. Dieses Phä-
nomen zeigt sich nämlich in allen Fällen, wenn ein
plötzlicher Eindruck das unvorbereitete Sensorium
commune trifft oder durch das Organ des Bewusst-
sems im Gehirn geht, es fehlt aber, wenn das Organ
des Bewusstseins durch Aether, Chloral oder eine
andere Einwirkung gelähmt ist. Bei der Curare-
vergiftung bleibt es nicht aus und daraus kann man
achliessen , dass entweder bei der Curarevergiftung
das Bewusstselu nicht erloschen ist, oder dass das
Med. Jahrbb. Bd. 198. Hfl. 8.
erwähnte Pnpillenpbänomen zugleich ein Phänomen
des unbewussteu Reflexes sein kann. Um diese Frage
zu entscheiden, exstirpiiiie H. bei Kaninchen die
Grosshirnhemisphären und es zeigte sich nun , dass
trotz der vollständigen Exstirpation das Pupillen-
erweiterungsphänomen vorhanden war, wenn auch
in etwas modificirter Form, sehr ähnlich wie bei der
Curarevergiftung. Es könnte demnach das erwähnte
Phänomen auch als unbewusster Reflex vorkommen
und die Wahrscheinlichkeit spräche mithin im Gan-
zen fQr die Abwesenheit des Bewusstseins bei Curare-
vergiftung.
Prof. Adolf Kjellberg (Nord. med. ark.
XIII. 4. Nr. 28. S. 7. 1881) theilt einen Fall von
Airopinvergifiung nach äusserlicher Anwendung bei
einem 7 J. alten Knaben mit, der im Kinderkranken-
hause zu Stockholm unter specieller Behandlung des
Dr. P. Silfverskjöld beobachtet wurde.
Das Kind war wegen Verbrennungen 1. bis S.Grades
an einem Arme aufgenommen worden nnd durch Versehen
der Wärterin war eine gleichzeitig mit der für den Kr.
bestimmten Höllensteinlösung zu andern Zwecken aus der
Apotheke gekommene Atropinlösung zur Befeuchtung von
Compressen benutzt worden. Nach einigen Minuten wurde
das Kind roth im Gesicht, klagte über Trockenheit im
Halse und Durst, schlief ein, wachte aber plötzlich anf,
schrie, hatte Zuckungen an Kopf nnd Armen und schlüss-
lieh erfolgte heftiges Erbrechen. Das Versehen wurde
Vi Stde. nach Anflogen der Compressen entdeckt, die
Compressen wurden entfernt nnd die Wunden mit Wasser
gut abgespült. Bald wurde das Gesicht blass, Delirien
heiterer Art stellten sich ein und nahmen rasch zu, mit
Unruhe und vielen Bewegungen, später schlug die Stim-
mung um ; das Gesicht wurde oft zu einem eigenthüm-
liehen boshaften sardonischen Lachen verzogen. Die
Zuckungen breiteten sich immer mehr aus, von Zeit zu
Zeit schlössen sich die Finger krampfhaft, die Arme wur-
den im Ellenbogengelenk flektirt und V2 ^is i Min. lang
von klonischen Krämpfen geschüttelt ; später traten die
Krämpfe am ganzen Körper auf und waren auf der Höhe
der Vergiftung (ungefähr 3 Std. nach der Auflegung des
Giftes) unaufhörlich. Die klonischen Krämpfe gingen in
tonische über, oft stellte sich Opisthotonus ein mit Starre
in aUen Gliedern, wobei sich die Gelenke nicht ohne
Schwierigkeit passiv fiektiren Hessen. Die Pupillen waren
im höchsten Grade erweitert und reagirtcn nicht gogen
heUes Licht, die Augen schienen ans den Orbitae hervor-
getreten, die Augenlider weit anfgerissen. Reizung der
Corneae erregte keinen Reflex. Das Hörvermö^^cn schien
ganz aufgehoben zu sein, Schleim- oder Speichelsekretion
wurde nicht wahrgenommen, das Schlingen war nicht un-
nKögUeh, aber sehr erschwert ; beim Schlucken von Flüs-
sigkeit, kam oft etwas in die Luftröhre. Die Sprache
war unverständlich, die Stimme heiser, die Hantsensibili-
tät vollständig aufgehoben, ebenso die Schweisssekretion,
die Haut kühl, bläulich blass. Die Temperatur, imRei^tum
gemessen, betrug 87. 2^^ C. auf der Höhe der Vergiftung,
der Puls war klein, weich und rasch, wiederholt bis zu
160 Schlägen in der Minute ansteigend, die Respiration
war beschleunigt, oberflächlich. Harn- und Stuhlent-
leemng waren angehalten. Die angeführten Symptome
hielten die ganze Nacht hindurch an. Am nächsten Mor-
gen kehrte das Bewusstsein wieder, Harn- nnd Stuhle ut-
leemng erfolgten nnd es trat überhaupt Besserung ein,
doch hatten die krampfhaften Bewegungen, namentlich
im Gesicht, noch nicht aufgehört, der Kr. war noch som-
nolent, der Puls noch rasch (130 Schläge in der Minute)
nnd aussetzend, die Sensibilität herabgesetzt und die
Haut kühl und trocken, diePnpiUen waren noch erweitert
17
130
in. Hygieine, Diätetik, Fhannakologie n. Toxikologie.
nnd unbeweglich. Nach nihif^em Schlaf, der zn Mittag
eintrat und einige Standen lang dauerte, war nur noch
etwas Erweitenmg der Papillen vorhanden. Die Behand-
lung hatte ausser Klystiren mit Terpentin in innerlicher
Darreichung von Cognac mit Wasser, 2 bis 3mal in der
Stande 1 Theelö£fel voll, bestanden. Der Cognac zeigte
eine deutliche Wirkung, aber nur vorübergehend, das
Gesicht färbte sich etwas, der Puls hob sich, die Delirien
nahmen etwas ab.
Das hervortretendfite Symptom waren die Stö-
rungen im motorischen Nervensystem ; auch die, wie
es schien, vollständige Aufhebung der Hautsensibili-
tät verdient hervorgehoben za werden. In Bezug
auf die Behandlang hebt Ej. hervor , dass weder
Opium oder Morphium^ noch Calabar als Antidote
angewendet worden , und meint , dass in solchen
Fällen, wie der angeführte, diese Mittel gegen die
Anwendung der Stimulantia in den Hint^gmnd
treten müssen. Die am meisten zu befürchtende
Gefahr bei schwerer Atropinvergiftung ist wohl die
Herzlähmung und diese lag auch im vorliegenden
Falle sehr nahe, wie der kleine, aussetzende Pols
zeigte ; nur der energischen Anwendung des Cognac
als Stimnlans ist nach Ej. der glflckliche Ausgang
zu verdanken.
Arsenikvergiftung dnroh arsenikhaltige Ma^
tratzenüberzüge stellte Prof. Adolf Ejellberg
(Hygiea XLUL 8. S* 456. 1881) bei einer Frau
fest, bei der auch die Untersuchung des Harns
Arsenikgehalt desselben ergab. Der Deberzug be-
stand ans roth-, mit einem Stich in das Braune ge-
streiftem Zeug und das in einer Fläche von 18 Qu.-
ZoU enthaltene Arsenik gab einen dunkeln, undurch-
sichtigen Arsenikspiegel. Bald nach Entfernung der
schädlichen Matratzen schlief die Frau gut und
die Erankheitserscheinnngen verschwanden allmälig,
doch fand sich noch lange danach immer noch eine
Spur von Arsenik im Harne (alle zur Untersuchung
verwendeten Reagentien waren vorher untersucht
und arsenikfrei gefunden worden) ; ziemlich 1 Jahr
später untersuchter Harn war aber frei von Arse-
nik.
In einem andern Falle von Arsenikvergiftong,
den Ej. beobachtet hat, war ebenfalls das arsenik-
haltige Bettzeug als Ursache zu betrachten.
In Bezug auf die Gefilhrh'chkeit arsenUckaUiger
Bronze^ auf dieHamberg aufmerksam gemacht
hatte, erwidert N. J. Berlin (Hygiea XLHI. 6.
Svenska läkaresällsk. förhandl. S. 147. 1881), dass
sich im Messing zwar Arsenik finde, aber wohl
nicht in hinreichender Menge , um Schaden verur-
sachen zu können. Als gefährlicher müssten nach^
B. die Zinkgefässe betrachtet werden , die bis zu
V4^/o Arsenik enthalten könnten, namentlich wenn
sie für Milch verwendet würden; Milch löst das
Zink und die arsenige Säure würde dann frei.
Uamberg (a. a. 0. S. 148) erwiderte darauf,
dass er hauptsächlich die Bronze auf Tapeten im
Sinne gehabt u. nur die Vermuthung ausgesprochen
habe, dass diese eine schädliche Wirkung äussern
könne.
Bleigehali in Zinnge fassen kommt nach Hey-
mann (a. a. 0. S. 150) oft in nicht geringer Menge
vor. Wenn der Bieigehalt eine gewisse Menge über-
steigt, werden, wie Hamberg (a. a. 0.) hervor-
hebt, die darin aufbewahrten Speisen bleihaltig, er
meint indessen, dass die Gefahr nicht besonder!
gross sei, weil Zinngefässe fast kaum mehr benotit
würden, die Zinnlöffel aber nach jedesmaligem Ge-
brauch gereinigt werden«.
Nach Prof. Hamberg (Hygiea XLIH. 7. 8.
Svenska läkaresällsk. förhandl. S. 170. 181. 1881)
haben die Phosphorvergiftungen in Schweden seit
einigen Jahren in bedenklicher Weise zugenommeo,
während die Arsenikvergiftnngen bedeutend abge-
nommen haben, seit die Beschaffung dieses Giftes
bedeutend erschwert worden ist. Die meisten Phos-
phorvergiftungen betrafen junge Frauenzimmer, die
das Oift behufs der Fruehtabtreibung eingenommeo
hatten. In 15 von 16 Fällen, die junge Franen-
Zimmer betrafen, fanden sich bei der Sektion im
Uterus entweder Früchte oder die Zeichen dner
kurz vorher stattgefundenen Entbindung. In vielen
Fällen waren PhosphorzündhöbEchen zur Veigifl&og
benutzt worden, wahrscheinlich in den meisten, mir
selten Phosphorpaste. H. ist der Ansicht, dass die
Phosphorstreichhölzchen gänzlich zu verbieten setes
[nach N. J. Berlin (a. a. 0. 6. Svenska läkare-
sällsk. fSrh. S. 148) sind die Phosphorzündhölzeben
in Dänemark verboten]. Terpentinöl hält er wegen
seiner reizenden Wirkung nicht für passend als Anti-
dot gegen Phosphorvergiftung.
Auch Prof. Jäderholm (a. a. 0. S. 181) be-
stätigt die Thatsache, dass seit einigen Jahren in
Schweden Arsenikvergiftnng abgenommen, Pboe-
phorvergiftnng aber zugenommen hat und dass dns
Gift vorzugsweise als Mittel zur Fruchtabtreibang
angewendet worden sei ; firüher verhielt es sich an-
ders , von den 16 Fällen von PhosphorvergiftaDg,
die von 1866 bis 1870 vorkamen, betrafen 7 Männer
und 9 Weiber. Unter den 15 Fällen von Phos-
phorvergiftung, die J. binnen fast 12 J. beobachtet
hat, betrafen 3 Männer und 12 Weiber, von den
12 Weibern waren 2 schwanger und 3 hatten kurz
vorher abortirt Von diesen 5 Fällen, in denen
Fruchtabtreibung oder der Versuch dazu mit Sicher-
heit als Ursache der Vergiftung zu betrachten war,
war die Form, in der der Phosphor genommen wor-
den war, in 3 unbekannt, nur in einem waren Phos-
phorzündhölzchen nachweisbar angewendet worden,
dieser Fall betraf kein unverheirathetes Frauen-
zimmer, sondern eine verheirathete junge Frau, die
Phosphor als Fruchtabtreibungsmittel genommen
hatte. Die Anwendung des Phosphor als Fmcht-
abtreibungsmittel Ist nach J. sehr verbreitet, so dasi
J. kaum Zweifel gehegt hat, dass eine Phosphor-
Vergiftung vorlag, wenn er bd einer Sektion eine
Frucht im Uterus oder Zeichen von vorausgegan-
genem Abortus und die ftlr Phosphosvergiftongen
charakterist. Erscheinungen fand, selbst wenn dorch
die chemische Untersuchung kein Phosphor mebr
in. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
131
nacbgewieseD werden konnte oder andere anamne-
stische Tbatsachen fehlten. In einem solchen in
pathologischer Hinsicht vollständig typischen Fall,
in dem die Untersnchung auf Phosphor ein nega-
tives Resultat ergab, fand J. bei fortgesetzter che-
mischer Untersuchung unzweideutige Spuren von
Strychnin in den Eingeweiden, aber die Erschei-
nuDgen sprachen im Uebrigen mit solcher Bestimmt-
heit für Phosphorvergiftung, dass J. das Strychnin
snr als ein zufälliges Plus bei der Vergiftung an-
sehen musste, möglicherweise konnte auch Tinct.
nucis vomicae als Heilmittel gegeben worden sein.
Von den 15 an Phosphorvergiftung Gestorbenen,
an denen J. die Sektion gemacht hat, waren 4 am
1. Tage der Erkrankung gestorben; die kürzeste
Zeit, binnen der nach Einnahme des Giftes der Tod
erfolgte , waren 7 Stunden , in einem Falle waren
11 Stunden verflossen, in einem andern 14^/^ Stun-
den, im 4. konnte keine Aufklärung über die Dauer
der Erkrankung erhalten werden, doch musste, nach
dem Sektionsbefunde zu urtheilen, der Tod bald ein-
getreten sein. In 1 von den 4 Fällen war durch
die Anamnese die Phosphorvergiftung sicher fest-
gestellt, in 2 wahrscheinlich, im 4. unsicher. In
diesen Fällen mit raschem Verlaufe waren die ana-
tomischen Kennzeichen der Phosphorvergiftung ent-
weder gar nicht oder nur andeutungsweise vorhan-
den, nur kleinere Blutaustritte oder beginnende Fett-
entartung, kein Ikterus. In der Leiche einer am
2. Tage Verstorbenen fanden sich kleine Blutaus-
tritte an einzelnen Stellen mit Fettentartung in
Herzmuskulatur, Leber, Niere und Pepsindrttsen des
Magens, aber ebenfalls kein Ikterus. Nach einem
Verlaufe von 3 Tagen erfolgte der Tod in 3 Fällen,
m 4 Fällen betrug die Dauer mehr als 3 Tage, in
4 Fällen war sie unbekannt, obwohl der Sektions-
befund darauf schliessen Hess, dass der Tod erst
nach mehreren Tagen^erfolgt war.
Dr. J. L. Lundblad (Upsala läkarefören.
fftrhandl. XVH. 1. S. 41. 1881) theilt 2 Fälle von
festgestellter und einen von vermutheter Phosphor-
Vergiftung mit, von denen in den beiden ersten Fäl-
len das Gift als Mittel zur verbrecherischen Frucht-
abtreibnng genommen worden war; im 1. dieser
beiden Fälle blieb die Mutter am Leben und die
Frucht starb, im 2. starben beide.
1) Ein Frauenzimmer hatte Abends ein Bund Phos-
phurzündhölzchen in einer halben Tasse Flflseigkeit (aus
Kaffee, einer wahracheinlioh qaecksilberhaltigen Salbe
und einer Tinktur aus Sassafras, Jnniperns, Santalnm
and Qnajak mit Tinctura asae foetidae bestehend) gelöst
imd die Mischnng getmnken. Am andern Morgen er-
wachte sie mit heftigem Schmerz im Unterleibe nnd an-
haltendem starken Erbrechen, später trat Abortus ein.
Die todte Frucht wurde später im Ofen verbrannt nnd nur
ehizelne;Enoohen wurden vorgefunden.
L. hatte ein gerichtliches Gutachten über den Fall
üi Bezog darauf abzugeben » ob die angewandten Mittel
Froehtabtreibnng bewirken könnten, und über die Iden-
ti^t der Knochen. Die Bestandtheile der Tinktur mnss-
ten, wenigstens in den angewendeten Gaben, als unschäd-
lich erkannt werden , ob die Flüssigkeit wirklich queck-
sUberhaltig war, konnte bei der geringen Menge , die von
derselben noch vorhanden war, nicht mit Bestimmtheit
festgestellt werden. Der Phosphorgehalt in der Flüssig-
keit muss indessen als genügend bezeichnet werden , in
Folge seiner reizenden Wirkung auf den Organismus eine
den Abortus herbeiführende Wirkung zu äussern und die
Frucht, die nach allen vorhandenen Anzeichen nicht alter
als 165 Tage, also ausserhalb des Uterus noch nicht
lebensfähig war, zu todten.
2) Ein 25 J. altes Frauenzimmer , der Schwanger-
schaft verdächtig, erkrankte am 6. Jan. 1881 an Mattig-
keit , mit blasser Gesichtsfarbe , die später in das Gelbe
überging; die Haut war mit kaltem Schweisse bedeckt,
die Kr. klagte hauptsächlich über Kopfschmerz , Kälte-
gefühl im ganzen Körper und Schmerz in der Magengegend.
Nach vorübergehender Besserung trat wieder Verschlim-
merung ein und am 11. wurde die Kr. von einem nnaus-
getragenen todten Fötus entbunden. Die Entbundene
lag in einem komatösen Zustande und starb kurz nach der
Entbindung, Erbrechen oder Durchfall waren während
der ganzen Krankheitsdauer nicht vorhanden gewesen.
Durch die gerichtliche Untersuchung wurde nachgewiesen,
dass die Verstorbene Phosphor genommen hatte.
Die Sektion ergab die für die Phosphorvergiftung
charakteristischen Erscheinungen in sehr ausgeprägtem
Grade, die chemische Untersuchung des Mageninhalts
wies die Gegenwart von freiem Phosphor nach.
3) Ein 43 J. altes unverheirathetes Frauenzimmer
erkrankte am 30. April 1881 mit Schwindel , Schmerzen
in den Gelenken und starkem Durst. Nach Trinken von
abgekochter Milch mit Branntwein erfolgte heftiges Er-
brechen und anhaltender Durchfall. Am nächsten Tage
war die Kr. nicht ganz bei Bewusstsein , verlangte aber
unaufhörlich nach Wasser. Sie starb am Abend und meh-
rere Stunden vor dem Tode zeigte sich der Körper überaU
bedeckt mit zerstreuten rothblauen , grössern oder klei-
nem Flecken, Ekchymosen, die sich bei der Sektion auch
an der Conjunctiva und am Zahnfleische, sowie unter der
Peritonäalbekleidung des Darmes u. unter der Pleura vor-
fanden. Im Uebrigen zeigte sich der gewöhnliche Befund
bei Phosphoivergiftung.
Obgleich durch die chemische Untersuchung kein
Phosphor in den Leichentheilen nachgewiesen wer-
den konnte y hält L. doch Phosphorvergiftung für
wahrscheinlich. Die Leiche hatte bis zur Ausführung
der Sektion 11 Tage lang gelegen und der Phos-
phor konnte, wie L. meint , unterdessen Verbindun-
gen mit andern Stoffen eingegangen sein.
Von der äusserst selten vorkommenden Vergif-
tung mit salpetersaurem Baryt theilt Oberarzt
Eschrichtin Farum (ügeskr. f. Läger 4. R. IV.
16. 1881) einen Fall mit.
Eine 47 J. alte Frau hatte statt doppeltkohlensaures
Natron, das sie gegen Kardialgie nehmen wollte, salpeter-
sauren Baryt bekommen und davon 1 Theelöffel in einem
Glas Wftsser am 18. Aug. 1881 Abends 7 Uhr genommen.
Gleich darauf trat heftiger Schmerz im Unterleib und Er-
brechen auf, die Kr. hielt es aber fQr eine Exacerbation
ihrer Kardialgie und Hess E. erst Abends 10 Uhr holen.
Sie war cyanotisch und kalt an Gesicht und Extremitäten,
mit kaltem Seh weiss bedeckt, mit kleinem, unregelmässi-
gem, intermittirendem Pulse» klagte über beständigen
Schmerz in der Kardia und Unruhe , Erbrechen , bei dem
nur etwas Schleim trotz aller Anstrengung entleert wurde.
Anätzung in Mund oder Schlund war nicht vorhanden.
Bei dem fortwährenden Erbrechen und der langen
seit der Einführung des Giftes vergangenen Zeit konnte
E. von der Anwendung der Magenpumpe absehen; er
verordnete kräftige Incitantien u. machte eine Morphinm-
injektion , um der Kr. Ruhe zu verschaffen. Erbrechen
nnd Schmerzen im Unterleib hörten bald auf und der Puls
wurde kraftig und regelmässig, aber gegen Mitternacht
132
m. Hygieine^ Diätetik^ Pharmakologie u. Toxikologie.
hatte sich voUständigre Paralyse des Stammes und der
Extremitäten eingestellt, Lähmnng der Zange und des
Pharynx und in Folge dessen Unmöglichkeit zu schlucken ;
die Hau^ßensibilität war stark geschwächt, vielleicht auch
ganz aufgehoben ; das Sensorinm war dagegen frei , die
Er. antwortete und sprach vernünftig , aber schwer ver-
standlich wegen der Zungenlähmung. Seh- und Hor-
vermogen waren normal, ebenso auch Geschmack und
Temperatursinn im Munde. Besonders klagte die Er.
über Schmerz an einer umschriebenen Stelle im Nacken,
der durch Druck gelindert wurde , und über Athemnoth.
Die Behandlung bestand in subcutanen Injektionen von
Spir. camph. aethereus. Am nächsten Morgen ging der
Harn unwillkürlich ab; am Vormittag trat ein Agonie
ähnlicher Zustand ein, ging aber vorüber und der Zustand
blieb den Tag über unverändert , Lähmung und Athem-
beschwerden blieben , der Puls war unregelmässig , das
Sensorium klar. Am 19. Aug. Abends 7 Uhr (24 Std.
nach Einverleibung des Giftes) trat der Tod ziemlich
plötzlich ein.
Bei der Sektion fand man den After offenstehend und
die Haut um denselben herum bläulich-roth , die Lungen
ödematos, an der hintern Fläche hypostatisch bluterfüllt,
den Herzbeutel leer, das Herz schlaff mit etwas flüssigem
Blut im rechten Ventrikel , den Magen längs der grossen
Curvatur stark injicirt , den Dünndarm an einzelnen Stel-
len gangränescirend , die Nieren stark mit Blut gefüllt,
die Milz matschig, die Leber gesund. Das Hirn war
etwas blutreich, die Ventrikel waren leer, die Plexus
chorioidei mit Blut gefallt.
Von den Barytsalzen findet nur Chlorbaryum,
neuerdings auch Jodbaryam Verwendang zu medici-
nischen Zwecken , die übrigen werden nnr zu tech-
nischen Zwecken angewendet; man weiss deshalb
nur, dass sie in geringer Menge schon giftig wirken,
die lethale Dosis kennt man aber nicht. Parkes
hat indessen einen Fall mitgetheilt , in dem der Tod
nach 4 Ormm. kohlensauren Baryts eintrat (Eulen-
bnrg's Real - Encyklopädie II. S. 14. 1880) und
La gar de (ügeskr. f. Läger 3. R. XVI. 8. 9)
einen tödtlich verlaufenen Fall von Vergiftung mit
etwa 10 Grmm. essigsaurem Baryt. In Esch-
r i c h t 's Falle betrug die Gabe einen Theelöffel voll
(also 4 — 5 Grmm.) und , da das Salz in 8 Theilen
kalten Wassers aufgelöst war, ist wohl anzunehmen,
dass diess in den Magen gelangte , hingegen ist un-
gewiss , wie viel davon wieder ausgebrochen wurde.
Von den Symptomen stimmten im vorliegenden
Falle das Erbrechen, die Schmerzen, die Athemnoth
und die Prostration mit den Beobachtungen in andern
Fällen von Vergiftung mit Barytsalzen überein ; eine
Wirkung als Herzgift hingegen, die den Baiytsalzen
sonst zugeschrieben wird , war in diesem Falle nicht
vorhanden. Der Puls war allerdings, als E. die Er.
zuerst sah , klein und unregelmässig , aber die Kr.
hatte auch seit 3 Stunden heftiges Erbrechen gehabt
und der Puls hob sich bald und bUeb bis zum Tode
voll und regelmässig. Das am meisten hervortretende
Symptom in E.'s Falle war die Lähmung, die unge-
fähr 5 Stunden nach Einverleibung des Giftes eintrat
oder doch vollständig ausgesprochen war ; auch in
Lagarde's Falle trat Lähmung auf, aber rascher,
entsprechend der bedeutenderen Menge des emge-
nommenen Giftes. Gesichts- und Gehörsinn , sowie
die andern Funktionen des Gehirns waren nnge-
schwächt, so dass es sich um eine Affektion der
MeduUa zu handeln schien.
Dr. Warfvinge (Hygiea XLIII. 6. Svenska
läkaresäUsk. förh. S. 145. 1881) machte Mittheilung
über Leuchtgasvergiftungen in einem Hansei in dem
sich keine Gasleitung befand.
Mann und Fran, beide ungefähr 40 J. alt, waren am
Morgen des 16. März 1880 mit Unwohlsein, Beklemmon;
in der Herzgrube , Brechneignng , Schwere und Böhmen
im Kopfe und grosser Mattigkeit erwacht (die 10 J. alte
Tochter hatte nnr Kopfsehmers , eine alte Frau war nicht
erkrankt) , nachdem sie am vorhergegangenen Abend in
der Schlaf kammer einen eigenthümlichenphosphorartigeB
Geruch bemerkt hatten, der auch am nächsten Morgen
noch wahrgenommen wurde , aber fast nnr in der Sehlsf-
kammer , nar wenig oder gar nicht in den andern Wohn-
räumen. Genaue Nachforschnngen im ganzen Hanse,
auch im Keller führten nicht zur Entdeckung der Quelle
dieses Geruchs , bei der genauem Nachforschung tat der
Strasse durch Beamte der Gasanstalt fand sieh aber eine
defekte Gasrohre , ungefähr 3 Fnss von der Ecke des
Hauses entfernt, an welcher die Schlafstube gelegen war.
Die Erkrankten erholten sich rasch unter der Einwirkung
der frischen Luft, nur die Frau blieb noch einige Woefaen
lang matt und litt an Schwere im Kopfe undBeklenunong
in der Magengrube.
W. nimmt es als wahrseheinlieh an , dass dts
Gas aus dem der Ecke des Hauses nahe liegendei
schadhaften Gasrohre durch den Boden und eine
Mauerspalte den Weg in das Haus und die Sehlaf-
kammer gefunden habe, inderderGeruch; der merk-
würdiger Weise an Phosphor erinnerte, am stärksieD
war.
Jäderholm (a. a. 0. S. 147) erwähnt eben-
falls einen Fall , in dem der Geruch des aus eioer
gesprungenen Gasröhre in einen Fabrikraam dnge-
drungenen Gases durch andere Gerüche so vermiseht
und verdeckt war, dass er schwer zu erkennen war.
Mehrere Personen zeigten starke Vergiftangserschei-
nungen. Bamberg (a. a. 0. S. 146) erwähnte
einen Fall , in dem in ein mit Gasleitung versehenes
Haus das Gas aus einer gesprungenen Röhre von der
Strasse aus eingedrungen war; alle Röhren im
Hause wurden unversehrt gefunden. Vergiftungen
wurden dadurch nicht bedingt , da die betr. Räume
in der Nacht , in welcher der Fall sich ereignete,
nicht bewohnt waren.
Jäderholm knüpfte ferner daran eine Beme^
kung über den Vorschlag , durch Verwendung einer
Gasmischung die Zimmer zu 'heizen. Diese 6as-
mischnng enthält mehrere Male so viel Eohlenoxjd
als Leuchtgas und ist deshalb ohne Geruch. Die
Gefahr von Vergiftung ist demnach immer gross bei
der Anwendung dieses Gases.
(Walter Berger.)
IV» Pathologie, Therapie n. medicüiiache Eluiik.
133
IV. Pathologie, Therapie und medicinische Klinilc.
518. Fall von Heilnng bei organischer
Gehimkrankheit ; von J. Hughlings Jack-
80D. (Brit med. Journ. Oct. 23. 1880.)
Ein 2fU&hr. , gatgenfthrtes Mädchen wurde am
Sl. Deo. 1879 als Hysterische in das Londonhospital
gebracht. Sie war nicht erblich belastet, ihre innem
Organe waren gesund, keine Zeichen von Syphilis bestan-
den. Im J. 1878 war ihr ein Karren über die Beine gefahren,
doch ohne sie ernstlich zn verletzen. Sie befand sich bis
)lai 1879 wohl bis auf Schwäche der Beine. Letztere
katte dann langsam zugenommen, so dass sie bei der
AafDahme weder gehen, noch stehen konnte. In letzter
Zeit war zeitweise der rechte, dann auch der linke Arm
lefameh geworden, sie hatte Prickeln in den Beinen ge-
fühlt und seit 8—8 Wochen hatte das Gesicht abge-
noinineB«
Die Symptome waren nach J.'s Auffassung theils
Bolehe, welche nur auf ein oiganisches Hirnleiden hin-
wieseo, theils solche, welche eine Lokalisation gestatteten.
Zn jenen zählt er die Neuritis opt. dupl. und den heftigen
Kopfschmerz. C o u p e r fand ophthalmoskopisch am lin-
ken Auge: ödematöse Schwellung der Papille mit Blut-
extravasaten. Auch die der Papille benachbarte Retina
war OdematÖB , d. h. opak , gelblichgrau, fleckig. Die
Mienia zeichnete sich als blutrother Fleck ab. Obwohl
rechts die Schwellung der Papille noch starker war, war
doch das umgebende Oedem viel geringer und man sah
die natfirliche Farbe der Chorioidea. An der Macula
fehlte das Pigment fast ganz, sie war daher schwer zu er-
kennen. Auch hier zahlreiche Hämorrhagien. Die Venen
breit und gewunden. Drittens sprach im Allgemeinen für
eine organische Hirnkrankheit dieAnosmIe, wiewohl diese
neb ein lokalisirendes Symptom sein konnte. Pat. wollte
früher gut gerochen haben. Als lokalisirende Erschei-
vm^en bezeichnet J. a) das Fehlen des Kniephänomen,
b) euien unterhalb des linken Knies zeitweise auftreten-
den heftigen Schmerz (der Kopfschmerz hatte keinen lan-
einirenden Charakter), c) den schwankenden Gan^, der
dem einer Betrunkenen glich und durch Augenschluss
nieht verändert wurde (während der Besserung beobach-
tet), vielleicht d) Schwäche des Arms und Empfindlich-
keit im untern Theil der Wirbelsäule.
Durch eine Schmierkur und kleine Gaben von Jod-
kafiom trat rapide Besserung ein. Während Pat. anzüg-
lich nor den Lichtschein sehen konnte, las sie am 26. Jan.
Snellen Nr. I anf 6 Zoll mit dem linken Auge, Nr. III mit
dem rechten. Bei ihrem Anstritt am 23. März konnte
sie mit beiden Augen Nr. I lesen und war gesund bis auf
Anosmie und Fehlen des Kniephänomen. Die Augenunter-
sachnng am 31. Jan. ergab folgenden Befund. Links:
kerne Schwellung, normale Gefasse, Chorioidealrand der
Papille verschwommen, Papille blass und undurchsichtig,
MacnUi gut pigmentirt, bis auf blasse punktförmige
Fleeke, welche sich auch zwischen Macula und Papille
^nden. Rechts: Papille ebenfalls blass, Bindegewebs-
vermehmng stärker, Verdickung der Ge^sscheiden,
▼erschwommener Hand der Papille, massige I^gment-
atrophie der Macula mit einzelnen hellen Flecken, welche
zahlreicher als links waren. Coup er fand nichts Spe-
ciflsehes in dem Beftind , bis auf die runde Gestalt der
kldnen atrophischen Flecke, als welche bei speciflscher
Chorioiditis oft gesehen werden sollen.
In der Epikrise bespricht J. zunächst die Unter-
scheidung solcher Fälle von Hysterie und betont
nachdrücklich die Wichtigkeit der ophthalmoskopi-
Khen Untersnchnng. Zeigt dieselbe Neuritis opt.,
80 besteht auf keinen Fall nar Hysterie. Von be-
sonderer Wiehtigkeit ist, dasa Neoi-itis opt. be-
stehen kann, lange bevor Sehstörungen eintreten,
ja dass trotz jener diese ganz fehlen können.
J, weist auf den Fall eines jungen Arztes hin, wel-
cher sich bei einer geburtshülflichen Operation in-
ficirt hatte. Derselbe hatte heftigen Kopfschmerz
und deutliche doppelseitige Neuritis opt., später
Paraplegie, er wurde vollständig geheilt und hatte
während der ganzen Krankheit nie Sebstörungeii.
Man soll daher bei schwerem Kopfschmerz die
Augen nntersuchen und findet man Neuritis opt., so
soll man Hg und Jodkalium geben. Manche Blind-
heit würde auf diese Weise verhindert werden.
Beide Symptome zusammen sind der beste Beweis
für eine örtliche organische Himläsion. Weiter be-
spricht J. die Differentialdiagnose von Tabes. Er
nimmt an, dass in seinem Falle auch eine Erkran-
kung des Lendenmarkes bestanden habe, welche
das Fehlen des Kniephänomen und den oben ge-
schilderten Schmerz veinirsachte. üeber die Pu-
pillen fand sich keine Notiz. J. urgirt den Unter-
schied zwischen Neuritis und Atrophia simpl. opt.,
jene komme bei Tabes nicht vor. Der Gang der
Krauken deutete auf ein Leiden des Kleinhirns hin
und J. hält in der Tbat einen Tumor desselben für
die wahrscheinlichste Krankheitsursache. Die Natur
der Krankheit war wahrscheinlich syphilitisch, aber
J. leugnet ausdrücklich, dass der Erfolg der anti-
syphilitischen Behandlung ein Beweis für Syphilis
sei. Er würde dieselbe Behandlung angewandt
haben, wenn er gewiss gewesen wäre, dass es sich
nicht um Syphilis handelte. Bemerkenswerth er-
schien J. das Fehlen von Taubheit. Abgesehen von
den Fällen mit Felseubeinerkrankung, ist Taubheit
aus nervöser Ursache ein lokalisirendes Symptom,
ein Beweis für direkte Läsion des Acusticus, im
Gegensatz zur Blindheit, welche nur eine organische
Hirnläsion im Allgemeinen anzeigt. (Möbius.)
519. Doppelseitige sekundäre Degenera-
tion des Büekenmarkes bei einseitigen Him-
herden ; von A. P i t r e s. (Gaz. hebd. 2. S. XVIII.
27. 1881.)
Unter 20 Rückenmarken, welche alten Hemi-
plegikern entstammten, fand P. 4, bei welchen sich
in beiden Seitensträngen eine symmetrische Dege-
neration zeigte, obwohl nur eine Hemisphäre er-
krankt war.
I. S. M., 72Jähr. Frau, hatte eine totale und com-
plete linkseitif^e Hemiplegie gehabt, mit starker Oon-
traktur des Armes. Der rechte Arm war nicht oontrak-
turirt gewesen, die Kranke konnte ihn langsam, aber
präcis nach aUen Richtungen bewegen. Beide Beine
waren rigid gewesen mit leichter Beugung im Knie, doch
waren noch einige willkfirHche Bewegungen, besonders
rechts, möglich gewesen. Es hatte Demenz bestanden.
Bei der Autopsie fand man im Innem der rechten
Hemisphäre 2 Herde, deren einer dieCapsuU int. lädirte.
Die linke Hemisphäre war gesund. Die rechte Hälfte
der Brücke war etwas verkleinert, die rechte Pyramide
134
IV. Pathologie, Therapie a. mediomiBche Klinik.
Bohmachtiger, als die linke, ohne deutliche Verförbuni;.
Mikroskopisch erwies sich die rechte Pyramide sklero-
tisch, doch sah man im sklerotischen Gewebe noch eine
Anzahl normaler Fasern. Im Rückenmark fand sich
symmetrische Sklerose, das bekannte Dreieck in den
Seitensträngen einnehmend. Sowohl rechts, als links
war im sklerosirten Gewebe eine nicht geringe Zahl
gesunder Fasern za sehen. Die Tfirck'schen Bündel
waren d^enerirt, rechts sehr deutlich, links kaum wahr-
nehmbar.
II. 70jähr. Frau, seit 6 Jahren totale und complete
linkseitige Hemiplegie; tardive Contraktur, besonders
des Armes ; Gang unmöglich ; Schwachsinn.
In der rechten Hemisphäre ein Herd, die vordere
innere Kapsel lädirend. In der iitfken Hemisphäre die
motorische Region normal, ein erbsengrosser Herd im
Lob. sphenoidalis. Im Rückenmark symmetrische Dege-
neration, gleich der im Fall I. Geringe Bindegewebs-
vermehrung in den Türck'schen Bündeln.
HI. Seit 1879 totale nnd complete linkseitige Hemi-
plegie, mit permanenter Rigidität der gelähmten Mosk ein.
Die Kranke hatte nie allein aufstehen können, sie lag
stets im Bett, konnte sich der rechten Hand zum Essen
bedienen. Abstumpfung der Sensibilität. Stumpfsinn.
Linke Hemisphäre gesund, rechts ein Herd in der
Capsula interna. Sjrmmetrische SIclerose des Pyramiden-
bündels, mit zahlreichen gesunden Fasern. Türck'sches
Bündel normal.
rv. 56jähr. Frau; seit 1875 rechtseitige Hemiplegie ;
sekundäre Contraktur nur an der Hand intensiv. Paf.
konnte bis 1879 gar nicht gehen, seitdem mit Hülfe einer
Krücke.
Rechte Hemisphäre gesund, links ein Herd im Lin-
senkem und der benachbarten innem Kapsel. Im Rücken-
marke rechts intensive Sklerose des Hinterseitenstranges,
mit wenigen gesunden Fasern, links nnr massige Binde-
gewebsvermehrung mit geringer Abnahme der Nerven-
faserzahl.
P. betrachtet die doppelseitige Degeneration bei
einseitigen Himherden als Ausdruck einer ungewöhn-
lichen Vertheilnng des Pyramidenbitndels, giebt aber
nicht näher an, wie er sich dieselbe denkt.
Er erinnert an das doppelseitige Auftreten von
Spinalepilepsie bei Hemiplegie^ an die doppelseitige
Contraktur der Beine, welche Brissaud beobach-
tet hat. Während die meisten Hemiplegischen
ganz leidlich gehen, konnten die 3 ersten Kranken
P.'s gar nicht, die 4. nur mit einer Erttcke wenige
Schritte gehen. Dieses Unvermögen zugehen, dürfte
nach P. auch auf die Doppelseitigkeit der sekun-
dären Degeneration zu beziehen sein. (M ö b i n s.)
520. Fall von sogenannter Compressions-
myelitlB mit hochgradiger Steigerung des Tast-
sinnes der gelähmten XJnterextremitaten ; von
D. de Jonge. (Deutsche med. Wchnschr. VII. 35.
1881.)
Der zur Zeit 27jahr. Kranke hatte im 3. Lebensjahr
nach den Masern eine Bückgratsverkrfimmnns^ acqnirirt,
welche allmalig zunahm. Im 13. J. trat Schwäche der
Beine auf. Nach weiteren 3 J. war die Paraplegie com-
plet. Um diese Zeit traten dumpfe anhaltende Schmer-
zen in der Lenden Wirbelsäule auf, desgleichen Blasen-
störungen, in Harndrang nnd zeitweiliger Inoontinenz be-
stehend, Obstipation und nnzeitige Entleerungen, häu-
fige Erektionen und Samenergfisse. Starke Kyphose der
Brnstwirbelsänle. Normales Verhalten des OberkSrpers.
Beide Beine sehr abgemagert, die Füsse in Equinus-
BteUung, vollständige Aufhebung der Motilität; hooh-
gtadige Steigerung der oberflächlichen und tiefen Re-
flexe. An den Beinen wurden die leisesten Berührniifei
sehr deutlich empfunden und genau lokalisirt. Am auf*
fälligsten war die Verkleinerung der Tastkreise. Auf der
Vorderfläche des Unterschenkels, wo nach G. Vierordt
die Raumschwelle 36—40 Mmtr. beträgt, konnten di«
Nadelspitzen bis auf 8 Mmtr. genähert werden, ohne da«
die Doppelempflndung aufhörte, am Fussrueken (nonnl
25 Mmtr.) bis auf 5 Mmtr. ; zahlreiche Vezirversnche onfl
häufige Wiederholung der Versuche bestätigten nur die
Angaben des intelligenten Patienten. Die Stöigenmg d«
Tastsinnes war beiderseits dieselbe. Auch die Empfiad-
lichkeit der Haut für elektrische Reize war gesteift
ebenso die Feinheit des Temperatursinnes. "Die Sehmen-
leitnng war nicht verlangsamt, es bestand keine Hyper-
algesie.
Vf. meint, dass in diesem Falle vielleicht sen-
sible Hemmongsvorrichtangen , welche man nadi
den Versuchen von Woroschiloff in den Seiten-
Strängen vermathen kdnne, zerstört seien.
(Möbins.)
521. lieber Alloohirie; von H. Ober-
st e i n er i). (Brain IV. p. 153. Joly 1881.)
Mit dem Namen ,,sen8ori8che Allochirie'' oder
schlechtweg „Alloohirie^' (äHog^ X^^Q) bezeichoet
0. den Zastand eines Kranken ^ wo, bei relativem
Erhaltenbleiben der Sensibilitftt, derselbe nicht oder
nicht sicher weiss, ob der Reiz die rechte oder die
linke Körperseite getroffen hat, resp. die sooil
richtig lokaliairte Empfindung auf die falsche Edr-
perhftlfte verlegt. 0. giebt folgende Beispiele.
I. Ein S5JShr. Chemiker, früher syphilitisch, bemu
nach intensiver Erkältung an Tabess3rmptomen zn leidra
und wurde zeitweise melancholisch. Der Muskelsinn d«r
Beine war gut, Temperaturunterschiede wurden riehtis,
leichte Betastungen nicht empfunden. Die LokalisaHoa
war nicht deutlich beeinträchtigt. Die Empfindung wir
beträchtlich verlangsamt. Oft empfand Pat. einen Eil-
druck , welcher den einen Fuss getrolTen hatte, an der
richtigen Stelle des Fusses, aber auf dem andern Föne.
II. Ein Arbeiter war nach einem Schlag auf dei
Rucken paraplegisch geworden. Die Sensibilität mr
nicht wesentlich beeinträchtigt, aber Pat. lokalinite
schleclit und verwechselte gewöhnlich die Seite. Der Kr.
ging zu Grunde und die Sektion ergab dliftise Myelitis tob
Conus medullaris bis zum obersten Theil der Lenden-
anschwellung mit aufsteigender Degeneration in den Hii-
tersträngen und allgemeiner Bindegewebszunahme in
Marke.
III. Ein Tabeskranker gab, wenn er mit dem Kopf
der Nadel oder leicht mit der Spitze berCUirt wurde, p-
wohnlich den falschen Fuss an, während bei krafUgw
Reizen er richtig lokalisirte.
IV. Ein 12VsJ&l^r. Mädchen, mit eigenthnmlieb«
Erampfanfällen und zahlreichen intervallären Störangw.
zeigte eine allgemeine Abnahme der Sensibilität. Se
empfand den Reiz des rechten Fusses im linken. Vf«
lenkte ihre Aufknerksamkeit ab und knipp sie heftiger
und heftiger in den linken Arm; bei einer gewissen Stärke
des Reizes schrie sie plötzlich und griff nach der n^
sprechenden Stelle des rechten Armes.
0. erinnert an die der Aliochirie mehr oder
minder verwandten Erscheinmigen der Mitt>ew^'
gen, der bilateralen DrOsenthätigkeit, des Trani'
fert. Der Aliochirie wesentlich ist, dass zwiflohflo
der Sensibilität correspondirender KöipenteDeD
1) Ffir die Uebersendong dankt verUadBoh V*
IV. Pathologie, Therapie o. medicinisdie Klinik.
135
Hieiehaiiiiigey nicht antagoniatische Beziehnngen be-
sfeeheiL
Vor 0. haben das Faktum der Allochirie auf-
gefimden (wie er selbst erwähnt) Leyden, Hertz-
berg (Beitr. zur Kenntniss der Sensibilitätsstdrnn-
gen bei Tabes dorsalis. Jena 1875) a. G. Fischer.
Doch irrten die Autoren , wenn sie die AUoehirie
inr fdr eine Erscheinnng grosser Unfthigkeit zu
lokaliaren ansahen, da doch oft trotz der Allochirie
ie gereizte Stelle sehr genau angegeben wird.
Da das Phftnomen am häufigsten bei Tabes zu
KJn seheint, glaubt 0. es in Beziehung zur Dege-
neration der Hinterstränge bringen zu dflrfen.
(Mdbius.)
522. lieber die nervösen A£fektionen der
Hand; von Dr. G. VivianPoore. (Lancetü.
10. 12;Sept. 1881.)
Nach einer anziehend geschriebenen Einleitung
Aber die anatomischen Verhältnisse des Plexus brach.,
welche durch ein aus farbigen Fäden construirtes
Sefaema iUustnrt wird, bespricht P. die verschiedenen
libmongsformen der Hand* Wir beschränken uns
danaf, 2 Fälle von Neuritis, welche den Schlnss
der Abhandlung bilden, kurz zureferiren. Im erstem
blieb es nach P. zweifelhaft, ob es sich um eine
Poliomyelitis oder Neuritis handelte.
Eine 24jähr. schwangere Fraa hatte sich nach er-
Mtunder Arbeit einem kalten Laftznge ausgesetzt mid
nr darfiber eingeschlafen. Zwei Tage später bekam sie
fichmenen Unks im Nacken, Erbrechen u. Fieber. Nach
S6 8td. hörte der Schmerz auf, aber der linke Arm war
selihmt. Bewegungen desselben waren schmerzhaft,
seine Sensibilit&t nicht gestört. Der Nacken blieb em-
pflodücli. Schulter und Annmuskeln mit Ausnahme der
Bhomboidei waren gel&hmt , zeigten Entartungsreaktion.
Keine trophischen Veränderungen der Haut, keine Nei-
gung, kalt zu werden. Ffinf Mon. später gebar Fat. ein
gesiindes Kfaid. Ihre aUgemebie Gesundheit war treff-
fieh, aber der Arm blieb trotz Galvanisation, Stiyehnin,
Jod 0. 8. w. gelähmt. Nur massige Atrophie trat ein,
keine Contraktnren.
Ehie ÖOJähr. Dame fiel mehrere Stufen herunter auf
fie rechte Schulter. Bald wurde der rechte Arm be-
wegDugs- n. empfindungslos. Drei Monate sp&ter bestand
bcMchtliehe Atrophie, in den meisten Muskeln von der
Schulter abwärts Entartungsreaktion. Anästhesie von der
IGtte des Vorderarms abwärts. Auf den anästhetischen
Stellen war die vasomotorische Reaktion hmgsam und un«
regefanässig. Die Finger schilferten ab, ihre Spitzen
waren kolbig, Fat. empfand Hitze in ihnen. Bei regel-
Däasiger Galvanisation kehrte nach 8 Mon. die Sensi-
Uütfit in die Fingerspitzen zurück; Beweglichkeit im
Handgelenk ; Klauenhand ; Nägel gefurcht und weiss. Im
Winter bedeckte sich die Hand mit Frostbeulen. Nach
einem Jahre war der Arm leidlich wieder hergestellt, aber
die klehien Handmuskeln blieben gelähmt, zeigten Ent-
Artongsreaktion, die Nägel behielten ihr mattes Weiss.
Erst nach 2 Jahren begannen die Handmuskeln wieder
anf den fkradischen Strom zu reagiren. Noch im folgen-
den Jahre war der Zustand ziemlich derselbe, Parese der
Hand, Taubheitsgefühl, trophische Störungen der Nägel,
Neigung zur Bildung von Frostballen. Erst n^ch 4Vs J*
^^ die Heilung voUständig bis auf Unbehfilflichkeit des
l^somens und Zeigefingers.
In der Epikrise polemisirt P. gegen tropblsche
Fnoktionen im engem Sinne. Die Degeneration
der Nerven und die Atrophie der Muskeln hängen
von dem Mangel an Erregungen ab. P. glaubt
sogar noch ^ dass ein Muskel dnrch künstliche Er- ^
regnng vor der Atrophie bewahrt werden könne.
Die anderweiten trophischen Störungen bei Lähmun-
gen sollen von Unregelmässigkeiten der Cirkulation
abhängen. Dieselbe werde nicht mehr durch Muskel-
contraktionen unterstützt und die cutanen Erregun«
gen seien wegen der Läsion sensibler Nerven ausser
Stande, die Vasomotoren reflektorisch zu erregen.
(Möbius.)
523. Gongenitale Atrophie der rechten
Handy verbunden mit einer umschriebenen AtrO'
p/iie des rechten Yorderhoms der HalsanschweU
lung; von Dr. P. Spill mann. (Revae m^d. de
l'Est XIL p. 208. Avril 1. 1880.)
Bei einem 24Jähr. Manne, welcher in Folge einer
Fraktur an der Schädelbasis starb, fand sich eine Atro-
phie der rechten Hand. Metacarpus und Finger waren
hochgradig verkämmert ; der Daumen war halb so gross
wie der linke, Zeige- und Mittelfinger glichen Zehen, nur
der 5. Finger war leidlich entwickelt. Alle Fingerradi-
mente waren in Hyperflexion, die Hand war gebeugt und
abduoirt ; auch Arm und Vorderarm waren rechts weni-
ger entwickelt als links, die Differenz betrug 4 Centimeter.
Dss Yorderhom der rechten Halsanschwellung war
in einer Höbe von einigen Millimetern deutlieh klehier
als das linke. Die atrophische Stelle fand sich im obem
Abschnitt der Halsanschwellung. Mikroskopisch con-
statirte man die Abwesenheit einer Zellengruppe, welche
am linken Hom den Innern Winkel desselben einnahm.
Auch mit blossem Auge sah man hier den Rand des
Yorderhoms, dessen Dimensionen überhaupt verkleinert
waren, eingezogen. [Ueber die weitere mikroskopische
Beschaffenheit und fiber den Zustand der Nervenfasern,
der Muskeln u. s. w. ist nichts gesagt.] (Möbius.)
524. KopfisohmerB und nervöse Ersohöpfting,
ihre Ursache und Behandlung; von Dr. Edwin
Hill. (Philad. med. and sarg. Rep. XLV. 4 ; Jnly
23. 1881.)
Hill erzählt einige Fälle, woNenrasthenie durch
Gorrektor der Refraktionsfehler des Auges geheilt
worde. Es handelt sich in allen Fällen um AsHg^
matismus und die Diagnose war öfters dadurch er-
schwert y dass die Pat. zwar über ihre nervösen Be-
schwerden, aber nicht über die Augen klagten. In
allen Fällen brachte eine passende Brille Heilung.
Hier nur 2 Beispiele.
I. Ein 48Jähr. Geschäftsmann, dessen linkes Auge
leicht astigmatisch, dessen rechtes Auge normal war,
klagte darüber, dass er Abends nur wenig lesen könne,
ohne dass ihm die Buchstaben durch einander liefen und
dass, wenn er im Geschäft angestrengt gearbeitet habe,
etwa am Zahltag, er sieh fibel und unwohl befinde. Er
bekam dann eine „biliöse Attaque**, welche 3 Tage dauerte.
Nach Correktur des Astigmatismus blieben alle Beschwer-
den weg.
IL Ein kräftiges Junges Mädchen hatte während ihrer
Bchukeit mit fortwährender Erschöpfung und unaufhör-
lichem Kopfschmerz zu kämpfen gehabt und hatte im
letzten Jahre an ehiem so heftigen Schmerz im untern
Theile der Wirbelsäule gelitten, dass sie eine Bfioken«
marks- oder Uteruskrankheit ffirohtete. Ein Jahr lang
war sie wegen Nervosität ohne Erfolg behandelt worden.
Sie hatte zwar eine Brille, aber diefle corrigirte ihren
Astigmatismus nicht vollständig. H. gab ihr die passende
136
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
Brille und beseitigte die Erechlaffang der überanstrengten
MM. recti int. darch Anwendung von Prismen. Nach
4 Wochen war sie wohlan f und begann Zeichen- nnd
^ Mnsikstnnden zn nehmen, wozu sie sich früher ganz un-
fähig gefühlt hatte.
H. fasst seine Ansicht in folgenden Sätzen zu-
sammen. 1) Der habitnelle sowohl, wie der perio-
dische Kopfschmerz beruht gewöhnlich auf Ueber-
anstrengung der Augen. 2) Diese letztere ver-
ursacht ansserdem Schmerz im Nacken und längs
der Wirbelsäule, Uebelkeit, Schlaflosigkeit, nervöse
Gereiztheit und Hinfälligkeit, Neuralgien, Palpita-
tionen, Dyspepsie. Alle diese Erscheinungen wer-
den nicht durch Medikamente, sondern durch Brillen
oder Prismen beseitigt. [So einseitig diese Ansichten
sind, so haben sie doch vielleicht das Verdienst, bei
Neurasthenie, insbesondere bei Schulneurasthenie,
zur regelmässigen Untersuchung auf Astigmatismus
Anstoss zu geben.] (M ö b i u s.)
525. Beiträge zur Lehre von der Perikar-
ditis, mit besonderer Berücksichtigung der Be-
handlung mittels Punktion. Nach neueren Beob-
achtungen zusammengestellt von Dr. Krug in
Chemnitz.
Die Diagnose der Perikarditis ist nach Prof.
Wagner in Leipzig (Berl. klin. Wchnschr. XVIII.
25. p. 261. 1881) in der Mehrzahl der Fälle leicht,
in einzelnen jedoch geradezu unmöglich; er be-
tont namentlich, dass Beibegeräusche nicht immer
das Vorhandensein von Perikarditis beweisen, da sie
auch ohne dieselbe vorkommen können. W. erwähnt
einen Fall , in dem zahlreiche kleine Blutergüsse in
das Gewebe des Perikardium das Reibungsgeräusch
vermittelten , sowie einen zweiten , in dem bei der
Autopsie Perikarditis mit reichlichem Exsudat und
FlUssigkeitsansammlungen in Pleura u. Peritonäum
gefunden wurden , während des Lebens aber nicht
diagnosticirt werden konnten^ weil in Folge von Ver-
wachsung der obernTheile des Perikardium mit den
grossen Gewissen der typische dreieckige Dämpfungs-
bezirk fehlte.
In einem Falle von Pericarditis exsudativa machte
W. wiederholt die Punktion bei einem 12Jähr. Knaben
von toberknlösem Habitns mit Entzündung des linken un-
tern Lnngenlappens. Am 10. Tage nach Ablauf der letz-
tern stellte sich Dyspnoe ein, W. fand Reibungsgerausche
am Herzen, den Dämpfnngsbezirk desselben auffallend
nach rechts verschoben, Puls klein. Punktion erst rechts,
neben dem Sternnm, wo mittels Adspiration nur Spuren
von seröser Flfissigkeit sich entleerten, dann links neben
dem Btemum, wobei 120 Grmm. sero-fibrinoses Fluidum
adspirirt wurden. Hierauf vorübergehende Abnahme der
Dämpfung, Reibungsgerausche am Herzen wieder hörbar;
am nächsten Tage jedoch dasselbe Krankheitsbild wie
vor der Punktion. Nach einer deshalb yor(;enommenen
3. Punktion während der nächsten 14 Tage erhebliche
Besserung, dann aber plötzlich neue Dyspnoe und schnel-
ler Exitus letbalis. Die Sektion ergab tuberkulöse Peri-
karditis, Tuberkel in den Langen, in den verwachsenen
Pleuren, sowie ältere käsige Herde in den Bronchial-
drfisen.
Trotz dem tödtlichen Aasgang ist der Fall mit
Bezug anf den Nntzen der Punktion bei exsudativer
Perikarditis lehrreich.
Mit Bezug anf die Diagnose der latenten Peri-
karditis hat Maurice Letulle (Oaz. de Par. 22.
24. 27. 31. 35. 38. 41. 44. 45. 47. 50. 1879;
8. 9. 1880) Experimente zur Feststellung derLag^
des Herzens und seiner Adnexa angestellt in der
Weise, dass er 2 gerade Nadeln vertikal in die In-
tercostalräume verschiedener Leichen einstach , und
zwar die eine in den 2. linken Intercostalranm in
einer Entfernung von 2 queren Fingern vom Stemal-
rand , die andere in den 4. linken Intercostalnuffl
am linken Sternalrande.
1) An der Leiche einer im 26. Lebensjahre an Lun-
gentuberkulose Verstorbenen glitt die erste Nadel in einen
Ranm zwischen dem linken Rande der Art. pulmonalis,
der linken Auricnla und dem Perikardinm bis in eine Pol*
monalvene ; eine zweite drang in das Herz im Niveaa der
Intraventriknlarfnrche, ungefähr 8 Ctmtr. von der Hen-
spitze.
2) An der Leiche einer an Uternscarcinom mit üri-
mie verstorbenen 47 J. alten Frau drang die erste Nadel
genau zwischen dem rechten Aortenrand und der rechten
Anricula ein, die zweite traf nicht das Herz, sondeni
streifte nur den rechten Rand des rechten Ventrikels.
3) An der Leiche eines an Tuberkulose mit CsTer-
nenbildnng nnd frischer linkseitiger Pleuritis im 35. L^
bensjahre Gestorbenen drang die erste Nadel mittn in
die Pulmonalarterie in gleicher Distanz vom Ursprang
dieses Gefasses und der Reflexstelle des Perikardium anf
dieGefässe, die zweite In den rechten Ventrikel, 2 Ctmtr.
von der Intrayentriknlarfurche, 6 Ctmtr. von der Herz-
spitze entfernt.
4) An der Leiche eines an chron. Pneumonie im
40. J. Gestorbenen stiess die erste Nadel unmittelbar an
der Reflexstelle des Perikardium anf die Ge fasse, ca. 5
Ctmtr. von der Ursprungsstelle der PulmonaUs, die zweite
drang IVs Ctmtr. von letzterer und 2 quere Finger von
der Intravcntrikularfnrche in den rechten Ventrikel.
5) An der Leiche eines an akuter Miliartuberlciilose
im 35. J. gestorbenen Individuum drang die erste Nadel,
V/t Ctmtr. von der Pulmonalis und ca. 2 Ctmtr. von der
Intraventriknlarfurche entfernt, direkt in das Fleisch des
rechten Ventrikels.
Aus diesen Experimenten ergiebt sich nach L:
1) dass im Niveau des untern , nach dem Stemao
zu gelegenen zweiten Zwischenrippenraumes eloe
grosse Unregelmässigkeit in der Lage der Ober-
flächen der intraperikardialen Organe, also auch der
Gegend, wo die intraperikardialen Reibnngsgerftosdie
zu hören sind , vorherrscht.; 2) dass der 4. linke
Intercostalranm am Bande des Stemum, stets, auch
bei den verschiedensten Herzaffektionen , dem rech-
ten Ventrikel entspricht ; hier, sowie an der Hea-
spitze, werden daher auch die Reibungsgerausche
voi^ugsweise zu hören sein.
Aber auch beim Vorhandensein dieser Oeräoscbe
kann die Diagnose der latenten Perikarditis zweifel-
haft bleiben , zumal wenn dieselben auf bestimmte
Gegenden beschränkt, wenn sie rauh sind oder mehr
den Charakter wirklicher Blasegeräusche haben.
Graves bezeichnet diese Art Geräusche mit dem
Namen „Souffles frottements"". Fehlt aber das Hei-
bungsgeräusch gänzlich, so wird die Diagnose noch
schwerer sein, und es muss dann um so BOTgtÜ^ff^
nach den funktionellen und physikalischen Symp^'
men geforscht werden, da auch nach Stokes die
Abwesenheit der Reibungsgeräusche noch nicht m
IV. Pathologie; Therapie n. medicioische Klinik.
137
Integrität des Perikardinm schliessen lässt; ist an
der Vorderfläche des Thorax eine weit ausgebreitete
Dftmpfong, unterhalb derScapula an der Hinterfläche
dagegen ein abnorm sonorer Schall vorhanden , so
wird man nach L. stets ein intraperikardiales Exsu-
dat diagnosticiren können. Nächstdem lässt aber
aach plötzlich auftretende Unregelmässigkeit des
PolseS; ein charakteristisches^ von Prof. Peter als
„doolenr phränique^ bezeichnetes Schmerzgefühl an
der Basis des Halses, sowie endlich ein plötzlich auf-
tretender Temperatnrabfall die Vermuthung einer
latenten Perikarditis gerechtfertigt erscheinen.
Trotzdem gesteht L. zu, dass von allen akuten
oder chronischen Entzündungen die Perikarditis am
häufigsten latent verläuft. Die allgemeinen oder
lokalen Bedingungen , welche dieses Latentbleiben
begünstigen j sind theils auf die Natur der Erkran-
koDg, welche die Perikarditis zur Folge hat, theils
anf das Allgemeinbefinden des Kr. , theils auf die
Entzflndnngaform des Perikardium, theils auf Com-
plikationen in der Nachbarschaft zu schieben. Da-
neben giebt es aber einzelne allgemeine und eine
gewisse Anzahl funktioneller Symptome, welche auf
das Perikardinm hinweisen und bisweilen die Dia-
gnose der latenten Perikarditis erleichtem. Zu die-
sen gehören vor Allem die perikardialen Reibungs-
gerftosche, welche mit Vorliebe an gewissen Stellen,
die man als Auskultationsherde bezeichnen könnte,
anitreten, und zwar in erster Linie in der Nähe der
Herzspitze, dann im linken 4. Intercostalraume gegen
das Sternnm hin , endlich in beiden 2. Intercostal-
rinmen in der Nähe des Sternnm.
Einen Fall von Perikarditis mit zaiilreichen
CompUkationen theilt HenryThompson (Med.
Times. Nov. 15. 1879) mit.
Eine 46 J. alte, aus gesunder Familie stammende
Fraa hatte zeitweise über rhenmatlBChe Schmerzen in den
Fiogergelenken geklagt» war im letzten Jahre abgemagert
und blass geworden und litt seit 2 Mon. an Kurzatbmig-
keit and Hosten, ohne dass letzterer schmerzhaft ge-
wesen wäre; seit 14 Tagen war Oedem der Untereztremi-
tatea aofgetretea. Bei der Aufnahme am 3. Jan. fand
Th. die Kr. sehr anämisch, gedunsen, die Beine bis zum
Knie geschwollen, sonst aber war nirgends Geschwulst
vorhanden; kein Bmstschmerz. Lungenresonanz über
der linken Bmsthälfte vermindert, hinten über beiden
Lasgenspitzen ganz fehlend, nur im Centram der hintern
Imken ThorazhaUte noch erhalten. Herzstoss nicht za
fahlen, Herztöne schwach und undeutlich, Präcordial-
dimpfong bis zum 2. linken Zwischenrippenranm reichend.
Hosten paroxysmenweise auftretend, Sputa dünn, wäs-
serig. Jognlarvenen varikös, beim Husten anschwellend.
Der Harn hatte ein spec. Gewicht von 1016 und enthielt
kein Eiweiss. — Am 5. Jan. war schwacher Herzimpnls
Jlber dem 6. Intercostalranm , über dem 3. deutliches
systolisches (}erSnsch wahrnehmbar; am 7. waren die
Herztöne über dem 4. Intercostalranm kaum, über dem
3. sehr schwach hörbar, ihr Rhythmus galoppartig (can-
^lBg)i Oeränsoh nicht vorhanden. Am 9. fand man rechts
gute Resonanz, nur 1" breit längs des Stemalrandes
Dimpfuig, links absolute Dämpfung über dem 3. bis
&• lotercostalRinm , über dem 2. und am hintern Rand
der Azilla verminderte Resonanz ; am 18. Dämpfung in
Nden Axillargegenden von oben bis zum 4. Intercostal-
i^vm, feine Rasselgeräusche über dem untern Lungen-
Med. JafarM). Bd. 192. Hft. 2.
läppen; am 21. links weder vom noch seitlich Resonanz,
ansser an der Aussenseite der beiden ersten Intercostal-
raume, in der Axilla Dämpfung bis zur Spitze. Am 24.
war deutliches Schwappen bei Perkussion des Abdomen
bemerkbar ; am 28. ein kratzender Ton (graziug sound) bei
Systole und Diastole zu hören; am 6. Febr. Reibungs-
geränsch in der Präcordialgegend ; am 8. Schwellung der
Hände und Arme; am 11. erfolgte der Tod. Eiweiss
war nie im Harne gefanden worden.
Sektion, Beide Langen mit den Brnstwan düngen,
dem Perikardinm und Diaphragma vollständig verwachsen,
der Herzbeutel sehr vergrössert, seine Anssenseite sehr
fettreich und verdickt, ebenso seine Visceralfläche in
massigem Grade verdickt, das Herz mittels einer Lage
rauhen granulirten Lymphgewebes fest mit dem Herz-
beutel verwachsen. Das Herz selbst war mit reich-
licher Fettlage überzogen, seine Spitze abgerundet, der
rechte Ventrikel durch Blutcoagula ausgedehnt, seine
Wandungen verfettet , das Myokardinm in eine ans zer-
reiblichem blassbräunlichen Gewebe bestehende Lamelle
verwandelt ; die Wandung des linken Ventrikel ähnlich
gefärbt, aber noch weicher und brüchiger im Gewebe.
Die Klappen beider Ventrikel waren ziemlich normal, die
innere Aortenmembran zeigte atheromatöse Entartung.
Die Substanz beider Lungen wesentlich verdickt, zähe,
die linken Lappen halb camificfrt, beim Einschnitt trat
ans der glatten, dunkelrothen Schnittfläche etwas seröse
Flüssigkeit ans. Dio Leber zeigte die charakteristischen
Veränderungen der Muscatnnssleber, die Milz war welch,
dem linken Leberlappen adhärirend, ihre Kapsel mit
gelben , halb knorpeligen Knötchen besetzt ; die Nieren
dunkelrotb, blutreich, an ihrer Oberfläche granulirt und
wesentlich verhärtet.
Von Pericardiüs tubereuloaa beschreibt Dr.
Arthur Ernest Sansom (Brit. med. Journ.
Dec. 27. 1879) folgenden Fall.
Ein 6 J. altes Mädchen , das ansser an Scharlach im
3. Lebensjahre nie ernstlich krank gewesen war, wurde
am 27. Juni, an Husten und allgemeiner Mattigkeit lei-
dend, im North-Eastem- Kinderhospitale aufgenommen.
DieUntersnchnng ergab vergrössertePräcordialdämpfung,
deutliches Reibungsgeräusch in der Nähe des Manubrium
sterni-, über der linken Lungenspitze Mangel des Brust-
tons und Fehlen der Lungenresonanz. Das Kind war nicht
schlecht genährt, das subcutane Fettpolster gut ent-
wickelt. Die Diagnose lautete auf Perioarditis exsudativa
mit Bronchopneumonie. Die Behandlung bestand in Ein-
reibnng von Ungt. einer, mit Belladonnaextrakt im Prao-
cordlum und innerlicher Anwendung von Jodkalium mit
Natronbicarbonat. Bis zu Ende Juli waren alle Symptome
der Perikarditis verschwunden, doch blieb ein eigenthüm-
licher Torpor bei dem Kinde zurück ; Ende August trat
bei kleinem , schnellem Puls kurzer stossweiser Husten
anf, mit starker Dyspnoe (56 Athemzüge in der Minute),
zwei Tage später vollständige Dämpfung anf der ganzen
rechten Seite, unbestimmter Brustton mit Crepitations-
geränsch, wobei sich die betroffene Brusthälfte nur un-
vollkommen ausdehnte ; doch auch diese Symptome eines
pleuritischen Exsudats schwanden wieder und es blieben
nur an einzelnen Stellen Zeichen von Bronchopneumonie
zurück. Am 15. Sept. schweres Athraen, neue Ansamm-
lung von Flüssigkeit in der Brust, Bauch aufgetrieben,
Decubitus mit Zeichen von Peritonitis, aber kein Ascites.
Unter fortdauerndem Torpor starb das Kind am 17. unter
Convulsionen. Die während des Lebens vorgenomme-
nen Untersuchungen des Auges hatten, ausser etwas
BlntfüUe der Iris, nur negative Resultate ergeben; dio
Temperatur, in den ersten 8 Tagen subnormal, hatte sich
später bis zum 22. Jnli auf 37.8^ 0. gesteigert, war dann
wieder zur Norm abgefallen, vom 4.— 17. Sept. war wie-
der eine nächtliche Steigerung von 37.8» bis 38.7» C.
beobachtet worden.
18
138
IV. Pathologie^ Therapie n. medicinische Klinik.
Bei der Sektion fand man die Lungen mit kleinen
Tnberkelknötchen durchsetzt, in der rechten Spitze einen
orangengrossen verkästen Knoten, einzelne Stellen bron-
chopneumonisch verdichtet, in der rechten Pleurahöhle
IV2 Finten Flüssigkeit, das Perikardinm stark verdiekt,
seine Aussenwand mit Miliartaberkeln reichlich besetzt,
das Visceralblatt glatt, im Herzbeutel 15 Grmm. gelb-
liche Flüssigkeit ; die Herzoberflache mit Lymphplatten
bedeckt, das Herzfleisch blass n. degenerlrt; keine Endo-
karditis, die Klappen alle gut schliessend. Leber und
Milz fand mau tuberkulös, in der Bauchhöhle kein Exsu-
dat, die Nieren gesund. Zwischen den Hirnwindungen
zeigten sich auf der Qehirnoberfläche hier und da kleine
Exsudatflecke , auf jeder Seite des Sinus longitudinalis
tuberkulöse Ablagerungen, ein haseloussgrosser Knoten
auf der Oberfläche des rechten Corpus striatum, das nach
unten bis in den Seitenventrikcl reichte-, derselbe war
leicht zu eoucleiren und zeigte sich beim Durchschnitt als
verkäster Tuberkel. Im Ventrikel ziemlich viel Flüssig-
keit, um die FossaSylvii zahlreiche graue Miliartuberkeln
zerstreut.
Richard (Rec. de m^m. de m^d. etc. milit.
3. S. XXXVL p. 97. Mars — Avril 1880) theilt
ebenfalls 2 Fälle von Pericarditis tuberculosa mit.
Der erste Fall betraf einen 23 J. alten Soldaten, bei
dem nach Wechselfleber mit quotidianem Typus hoch-
gradige Anämie zurückgeblieben war. Am 15« Nov. 1878
trat wieder Frost mit nachfolgendem Fieber und Dyspnoe,
kleinem, unregelmassigem Puls auf. Es wurde ein be-
deutendes perikardiales Exsudat nachgewiesen mit Däm-
pfung, 2 Ctmtr. nach aussen vom rechten Stemalrand
bis zum obem Band der 2. Rippe sich erstreckend und
die linke Axillarlinie um 2 Ctmtr. überschreitend, kein
Herzstoss fühlbar, Herztöne schwach, wie aus der Ferne
zu hören. Vesikator auf die Pericordialgegend und Digi-
talis, sowie starker Kaffee blieben ohne Wirkung. Am
27. leichtes Blasegeräusch und matter Ton hinten unten
an der linken Brusthälfte. Athembewegnng des Brust-
korbes noch vorhanden, kein Seitenstechen, leichter
Husten ohne Auswurf, Temp. 88<> C. , mit geringen
Schwankungen. Pat. will nie vorher an Husten gelitten
haben, hereditäre Verhältnisse günstig. Man diagnosti-
cirte Compression des linken untern Lungenlappens durch
das ausgedehnte Perikardinm. Während der nächsten
4 Wochen trat keine Veränderung in der Dyspnoe ein,
der Puls war klein , unregelmässig , oft unzählbar , der
Herzstoss nicht fühlbar, die Periliardialwölbung stark
markirt; Anfang Dec. stellten sich schleimig - eitrige
Sputa ein, aber ohne Beimischung von Blut. Milz-
dämpfung war nicht vorhanden. Die Auskultation ergab
an den Lungenspitzen puerile Respiration, ohne Rhonchi.
Dabei war der Appetit gut, die Zunge roth und feucht,
Diarrhöe war nicht vorhanden, der dunkle Harn enthielt
kein Eiweiss und hatte 1021 spec. Gewicht. In den
letzten Tagen des Jahres konnte Pat. zeitweilig das Bett
verlassen. Am 3. Januar 1879 trat plötzlich ein heftiger
Schmerz in der rechten Wade auf, Unterschenkel und
Fuss schwollen ödematös an und man constatirte eine
Thrombose der Anfangsstränge der V. saphena interna.
Am 5. war die Dyspnoe so gesteigert, dass Pat. im Bett
nur sitzen konnte. Puls nicht zu fühlen, Herzgeränsch
nicht zu hören, Dämpfung bis zur ersten Rippe aufstei-
gend, seitlich 4 Ctmtr. nach aussen vom rechten Stemal-
rand bis zum 3. Intercostalraum reichend und die linke
Axillarlinie um 5 Ctmtr. überschreitend, nach unten be-
grenzt durch eine massig schräge, die Mamillarlinie
7 Ctmtr. unterhalb der linken Brustwarze kreuzende
Linie; rechter Unterschenkel und Fuss noch geschwollen,
aber weniger schmerzhaft, Oedem am linken Knöchel.
Pat. war sehr matt, schlafsüchtig, erwachte aber sofort,
wenn der Kopf beim Einschlafen nach der Brust herab-
sank. Am 8. beginnender Ascites, vermehrtes Oedem
am linken Knöchel, Urin sehr spärlich, hoch gef^bt,
beim Erkalten stark sedimentirend , weder Albumin,
noch Cylinder enthaltend, spec. Gew. 1029. In den fol-
genden Tagen zunehmendes Anasarka der untern Extre-
mitäten, Ascites bis zum Nabel gestiegen, trotzdem keine
vermehrte Orthopnoe. Am 15. Venenthrombose am lio-
ken Arm und rechten Schenkel von grossem Umfange
und schmerzhaft ; schweres Athmen, einzelne Blntstreifei
im Auswurf. Auch die zweite Hälfte des Januar verlief
ohne wesentliche Aenderang der Symptome; Anfaog
Februar aber trat vollkommene Asystolie auf und am 7.
erfolgte der Tod, am 85. Tage nach Auftreten der Peri-
karditis.
Sektion. Bei Oeffnung der Bauchhöhle flössen iUia
citronengelbe Flüssigkeit ab. Mnscatnussleber , 1676
Qrmm. schwer, Bfilz normal, Nieren klein, congestioniit.
Bei Oeffiaung des Thorax fand sich eine die BrnsUiSlde
zum grossen Theil ausfüllende, durch das enorm aoage*
dehnte Perikardinm gebildete eiförmige Geschwulst, im
Qnerdurchschnitt 26, im kleinen Durchschnitt 20, im Um-
fang des grossen Durchmessers G6, des kleinen 56 Ctmtr.
messend. Aeusserer Ueberzug des Perikardium, beua-
ders in der Höhe des rechten N. phrenicus, getöthet,
gefässreich, mit grauen, tuberkulösen Qranulationen über-
säet, wie auch das (ausserdem serös infiltrirte) ZeUgewebe
des Mediastinum. Linke Lunge klein, crepitirend oad
lufthaltig im obem Lappen; der untere camifloirt, er-
weicht, nicht lufthaltig, ütelektatisch, weder Lunge, aoek
Pleura enthielten Tuberkel. Bechte Lunge der Pleon
parietalis adhärent, mit fibrinösen Pseudomembranen be-
deckt, Gewebe hyperämisch und in massiger Menge graae,
harte, für Gesicht und Gefühl wahrnehmbare Gnaala-
tionen enthaltend. Die rechte Pleura zeigte auf ihrer
Oberfläche Tuberkel in grosser Anzahl, und zwar haapt-
sächlich da, wo die Pleura mit dem Perikardium verboa-
den ist; dasselbe wurde an der Uebergangsstelle der
Mediastinalpleura auf das Zwerchfell bemerkt. Das Ge-
sammtgewieht der Brusteingeweide betrug 3.0S6 KiKi.
Nach Punktion des Perikardium flössen 2.800 Liter efawr
bräunlichen, trüben Flüssigkeit ab. Am Herzen sassea
aussen fibröse Excrescenzen auf den Ventrikeln atalakti-
tenartig oder Eiszapfen ähnlich, welche durcheohnittlidi
3 Ctmtr. lang waren, in sehr feinen Spitzen endigten aad
gelb gefärbt erschienen. Aehnlich verhielt sich das
Visceralblatt des Perikardium, ebenso war dessen oben
Wölbung fibrinös durchsetzt, glatt an ihrer Innenflaehe
und ähnlich der innem arterieUen Gefässfläehe von glia-
zendemBefiex, dabei gelblich geßrbt, mit ekchymotisebea
Flecken durchsetzt, und ausserdem mit einer Anzahl
weisslicher, opaker Miliartuberkel und zwei rundlidieB,
graulich gefärbten tiefen tuberkulösen Geschwüren, voa
der Grösse eines 5 Centimesstückes besetzt. Aussödem
war das Perikardium in seiner ganzen Ausdehnung fibri-
nös durchsetzt, 5 Mmtr. dick, und ähnelte seiner Ooa-
sistenz, wie seiner gelblichen Farbe nach der Aorta eiaes
grösseren Thieres, z. B. eines Ochsen. Die InnenflSehe
war mit weissen, confinirenden Granulationen bedediii
neben der Herzspitze bis auf 4 Mmtr. verdickt; maa
konnte deutlich drei Lagen, eine superflcielle, eine tiefe,
weissliche und eine intermediäre speckige nnterscfaeidea.
— Herz klein, wie atrophirt, seine Muskelsubstanz gelb-
lich verfärbt, Myokardium und Endokardinm gemd,
nicht tuberkulös granulirt ; das subseröse Fettgewebe e^
halten, theilweise mit kömiger Proliferation, hier und da
auch mit im Verkäsen begriffenen tuberkulösen Granula-
tionen durchsetzt. Das Visceralblatt des Perikardium zeigte
Granulationen Jeder Entwicklungsstufe, meist mit der
Tendenz zur Verkäsung; in den Zwisehenrftumen der
GranulaÜonen zeigten sich die Bindegewebszellen im an-
stände kömiger Proliferation. Das Parietalblatt des Peri-
kardium zeigte analoge Veränderungen, doeh beechiänktea
sich dieselben auf dessen innerste Gewebslage, wäkread
sonst seine Faserbfindel parallel, und zwar nicht wdlea-
förmig, sondern gradlinig an der Oberfläche yeriieftfi
woraus hervorgeht, dass das Perikardinm während dei
Lebens lange Zeit hindurch eine bedeutende SpamniBf
und Ausdehnung erlitten hab^ mnss« Die daas^ihe be-
IV. Pathologie, Therapie u. mfidicinisohe Eliiiik.
139
deekendepBeodomembran variirte in ihrer Bescbaifenheit,
je oaehdem sie von der Tnberkalisirnng bereits ei^iffen
war, oder niobt. Im letztem Falle bestand sie ans einer
oberflaehliehen aus granulirtem Faserstoff gebildeten Lage,
über weieher eine zweite ans embryonalem Gewebe, 6e-
w^tzeOen und Blntcapillaren bestehende Sohioht sich aus-
breitete ; an andern Stellen bestand die Pseudomembran
ans einer festen Sehicht nicht mehr embryonaler, sondern
ToMstandig verkäster Granulationen.
Die Exsudatflüssigkeit enthielt keinen Faserstoff,
I aber Eiweiss in grosser Menge, zahlreiche rothe Blut-
: kn^elchen, theil weise in ihrer Form erhalten, zum Theil
gezackt, oder auch ihres Inhalts baar, als blasses, kaum
wahrnehmbares. Stroma sich darstellend; femer eine
grosse Anzahl Leukocythen mit 2 — 3 Kernen und feinen
Fetttröpfchen. Feine Leberschnitte Hessen Compression
der Licbertrabekel , Erweiterung der Centralveno der
Acini mit strahlenförmigen Capillaren im Gentrum der-
selben, nebst Infiltration der am meisten nach aussen
liegenden Leberzellen mit dicken Oeltröpfchen, und ausser-
dem einzelne zerstreute embryonale Tuberkelgranulatio-
aen, thells im intralobularen Bindegewebe, theils mehr
der Aussenseite der Acini, erkennen.
Der 2, Fall betrifft einen 28 J. alten Maroccaner von
kraftiger Constitution, der früher nie krank gewesen war
und trotz in Folge von Erkältung entstandenem Fieber
mit Oppression sieh fortwährend den Witternngseinflüssen
aoasetzte. Bei seiner Aufnahme am 12. Febr. fand man
ersehwerte Bespiration, kurzen, trockenen Husten, klei-
aen, frequenten, aber regelmässigen Puls (108 Schlage
In der Hin.), etwas Rhonchus sibilans. Die Präcordial-
dämpfnng erstreckte sich bis 4 Ctmtr. nach rechts vom
Sternalrand in der Höhe der 4. Rippe und 12 Ctmtr. nach
anssen vom linken Sternalrand in der Höbe des untern
Bandes der 4. Rippe. Die DämpAingsfigur war fächer*
artig, mit der untern Spitze 10 Ctmtr. unterhalb der lin-
ken Brustwarze gelegen , am rechten Rand 18, am lin-
ken 9 Ctmtr. messend, die obere Grenze bis über die
2. Hippe hinansreichend ; bedeutende Yorwölbung, Herz-
sehlag weder bei sitzender, noch liegender Stellung wahr-
aehmbar, die Herztöne daroh starkes perikardiales Rei-
bimgvgeränsch verdeckt. Es wurden Vesikatore u. Tinct.
digitalis verordnet. Am 16. reichte die Dämpfung bis
zur Axinarllnie, dasReibungsgeräusch war woniger stark,
Sespirattonsgeränsoh Jenseits der Dämpfungsgrenzen über-
all lidrbar, links mit leichtem Blasegeräusch verbunden.
Am 18. heisse Haut, starke Dyspnoe, viel Husten wäh-
rend der Naeht mit reiohliehem , schaumigem , ungefärbtem
Aoswoif; disseminirter Rhonchus sibilans über der gan-
zen Brust hörbar, Herssymptome unverändert, Puls klein,
UBiegelmässIg. Es wurde Queokenanfguss mit Nitram
verordnet. Am 19. und 20. reichliche Urinabsonderang,
Athmen freier. Puls wieder regelmässig, Herzstoss noch
nicht sn fühlen. Die Ausdehnung der Dämpfnng war
wesentlieh kleiner, sie reichte nicht über das Sternum
hinaus, die obere Grenzewarum 8 Ctmtr. niedriger, ebenso
nach anssen und unten, dagegen das Reibnngsge rausch
stärker, aber nur an einer einzigen gegen die Basis hin
finics vom Stemum gelegenen Stelle hörbar ; an der Herz-
basis ideder unbestimmte Geräusche, am nächsten Tage
als swei Geräusche deutlich untersoheidbar zu hören.
Dagegen war die Temperatur auf 89.4 — 39.6<> gestiegen,
anch der Rhonohus sibilans in beiden Lungenhälften
stärker und reichliehe schaumige Expektoration vor-
handen. Am 28. neue Zunahme der Dämpfung, Puls
äusserst klein und unregelmässig, Reibungsgeräusoh nicht
vorlianden, Dyspnoe nicht beträ<ditlioh, wohl aber grosse
Prostaitlon. AehnUche Schwankungen auch in den näch-
sten Tagen. Anfang März Herzgeräusche kaum zu hören,
Tom 5. bis 12. wesentliche Verschlimmerang der allge-
mefaien wie der lokalen Erscheinungen, Puls kaum zu
fühlen, groBse Dyspnoe (86 Athemafige in der Min.) unter
starker Anstrengnng der Inspirationsmuskeln ; kein Herz-
geiänseli xa kören, enorme Erweiterung der Dämpfüngs-
grenzen bis zu 33 Ctmtr. nach links, während sie vertikal
nach vom 14, in der Achselgrube 12, noch mehr nach
hinten 11 Ctmtr. weit sich ausbreitete; kein Athem-
geräusch zu hören, keine Thorazschwingungen zu sehen,
im übrigen Brusttheil nur sonores Rasseln. Unter diesen
Umständen wurde am IS, die Punktion mittels des Po^asV-
schen Ädtpitator im 4. Intercostalraum, 5V'a Ctmtr. nach
aussen vom linken Stemalrande gemacht und 1180 Grmm.
einer stark röthlich-braun gefärbten Flüssigkeit entfernt,
wobei kein Anschlagen der Herzspitze an die Kanüle be-
merkt wurde. Die Flüssigkeit setzte nach dem Erkalten
zwar kein Fibrincoagulum, wohl aber eine dicke, lebhaft
rothe, aus Blutkörperchen gebildete Lage ab, welche ca.
Vso der Flüssigkeitshöhe betrug. Die Flüssigkeit schäumte
stark beim Umschütteln, hatte ein speo. Gew. von 1030,
beim Kochen bildete sich eine so consistente grauliche
Masse, dass man das Reagensglas umkehren konnte, ohne
dass etwas herauslief. Die Masse bestand zunächst vor-
wiegend aus rothen, verschieden grossen, zum Theil in
ihrer Form veränderten und gezahnten Blutkügelchen,
während weisse nur in geringer Menge (1 : 400 rothe)
vorhanden waren, die in ihrem Innern 1—2 Kerne und
Fettkügelchen zeigten. — In den nächsten Tagen war
wesentliche Besserang des Allgemeinbefindens eingetre-
ten, der Ascites war ganz, das Oedem der Füsse und des
subcutanen Zellgewebes der Unterschenkel fast ganz ge-
schwunden ; auch der Perikardialergnss schien nicht zu-
genommen zuhaben, man hörte deutlich die Herzgeräusche
und nur sehr schwaches Reibungsgeräusch. Da aber in
den nächsten Tagen ein vorher nicht gehörtes leichtes
Blasegeräusch an der hintern linken Lungenbasis auftrat,
die Dämpfung bis zur Spitze des Schulterblatts aufgestie-
gen, auch hier keine Thorazvibrationen zu bemerken
waren , so schloss man anf einen Erguss in den Pleura-
sack und es lag die Vermuthung nahe, dass letzterer bei
der Operation angestochen worden sei u. die perikardiale
Flüssigkeit durch diese Oeffnung in den Pleurasack über-
gesickert sei. Es wurde daher am 24. eine nochmalige
Punktion hinter dem Vorderrand des grossen Dorsal-
muskels im 7. Intercostalraum gemacht und 1200 Grmm.
einer gelblichen sohillernden Flüssigkeit adspirirt, welche
nach dem Erkalten die gleiche Beschaffenheit wie die
zuerst entleerte zeigte. In den nächsten Tagen wesent-
liche Besserang. Vom 1. April ab zeigten sich jedoch
kleine Blutstreifen im Auswurf, das Athmungsgeräusch
war zwar über beiden Lungen zu hören, aber rauh und
mit sonorem Rasseln vermischt, die Herzdämpfung nahm
wieder zu, obwohl beide Herztöne zu hören waren. Epi-
gastrinm aufgetrieben, gegen Druck empfindlich, gleich-
zeitig eine schmerzhafte Empfindung hinter dem Sternum
beim Verschlucken fester Nahrang; noch kein Ascites,
aber leichtes Oedem, welches vom 4. ab zunahm, wäh-
rend das Athmen wieder immer beschwerlicher, der Puls
kleiner wurde. Die Herzdämpfnng stieg wieder bis zum
Obern Rand der 2. Rippe mit einem Yertikaldurchmesser
von 12V2 Ctmtr., während sie nach rechts bis 4 Ctmtr.
nach aussen vom Stemalrande, im 3. und 4. Intercostal-
raume, nach links 4 Ctmtr. nach aussen von der Brust-
warze sich verbreitete. Trotz dieser enormen Exsudat-
ansammlung hörte man aber doch, wenn auch schwach,
beide Herztöne sowohl an der Basis wie an der Spitze,
was die Räthlichkeit einer nochmaligen Panktion zweifel-
haft erscheinen Hess, da bei der wahrscheinlichen Ver-
wachsung zwischen Herz u. Thoraxwand eine Verletzung
des erstem leicht möglich war. Die Sputa blieben blutig,
die Quantität des gelassenen Urins wurde sehr gering und
unter Zunahme der Athemnoth und eintretender vollstän-
diger Asystolie starb Pat. am 11. April, 71 Tage nach
Beginn der Perikarditis.
Sektion, In der Bauchhöhle ca. 2 Liter Serum, Bauch-
eingeweide gesund, nur an einzelnen Punkten auf der
Serosa Grappen grauer Granulationen ; Leber gross, von
Weinhefenfarbe, auch auf ihren Oberflächen ähnliche
Granulationen, ebenso links vom Ligamentum falciforme
auf dem Zwerchfellperitonäum auf der nach dem Perikar«
140
IV. Patholo^ey Therapie n. medieiniflche Klinik.
dium zu gelegenen Seite Gruppen confluirender Granula-
tionen, sowie mehr vereinzelt an andern Stellen desselben.
Milz yergi-össert, bläulich gefärbt, ihre Oberfläche eben-
falls mit Granulationen übersät, in ihrem Parencbym, wie
aueh in dem der Leber mit blossem Auge keine Tuberkel
wahrzunehmen. Bei Eröffnung des Thorax wurde ein
umfänglicher, fluktuirender Sack (das enorm ausgedehnte
Perikardium) blossgelegt, welcher den ganzen vordem
Theil der Brusthöhle vom Zwerchfell bis zum untern Band
der 1. Rippe einnahm und in dessen Innern man bei
leichtem Druck einen harten Gegenstand, das Herz,
fühlte. Das zwischen Perikardium und Sternum gelegene
l^ellgewebe war zwar nicht indurirt, enthielt aber eine
traubenartige Anhäufung von weisslichen Miliargranula-
tionen, welche, längs einer Arterie gruppirt, nicht weit
von der Medianlinie aufsassen. Der obere Theil des
Perikardium war von einer compakten Masse geschwol-
lener, umfänglicher, augenscheinlich tuberkulöser Knoten
besetzt, welche die Ursprungsstelle der grossen Gefässe
umgab ; andere, ebenfalls sehr umfängliche Knoten, welche
am Perikardium, wo letzteres sich zum Diaphragma um-
beugt, aufsassen und während des Lebens jedenfalls die
epigastrischen Schmerzen veranlasst hatten, waren eben-
falls mit Tnberkelmasse erfüllt und theilweise verkäst.
Aehnliche Miliargranulationen auf Pleura parietalis und
visceralis, namentlich links, wo letztere auf das Peri-
kardium übertreten. Die Pleura pericardii war rechts mit
der Lunge , links mit der Pleura parietalis verwachsen,
und zwar vom 5. bis 10. Intercostalraum, vom rechten
Stemalrande ab bis zu einer schräg von der linken Brust-
warze zum Yorderrand des M. dorsalis major an der
11. Rippe gezogenen Linie. Aus dem Herzbeutel wur-
den noch 2100 Grmm. einer braunen, dicklichen, fast
öligen Flüssigkeit entleert. Das Herz erschien von zotten-
und stalaktitenartigen Faserstofflagen bedeckt und sehr
vergrössert, die ganze Vorhofsgegend mit der entsprechen-
den Perikardialfläche durch feste Fibrinadhäsionen ver-
wachsen. Das Parietalblatt des Perikardium war an sei-
ner Innenfläche ebenfsüls mit einem fibrinösen Ueberzug
bekleidet, nur eine handbreite Stelle desselben war frei
davon und an ihrer Oberfläche so glatt wie die der innem
Arterienwandungen ; inmitten dieser glatten Stelle befand
sich ein tuberkulöses, mit erhabenen Rändern versehenes
erbsengrosses Geschwür. Das Parietalblatt des Perikar-
dium war 8 Mmtr. dick und hatte eine feste elastische
Consistenz. Ein Einschnitt in das Perikardium an der
Stelle, wo es den vordem Rand des Diaphragma berührt,
drang neben einer dicken käsigen Masse in die Muskel-
bnndel des letztern, welche ebenfalls mit Stecknadelkopf-
grossen weisslichen Granulationen durchsetzt waren. Das
Herz wog mit dem entleerten Perikardiom 1760 Grmm.,
das Herz allein nach Entleerung der Blutcoagula 680
Grmm., also, da ein gesundes Herz im Mittel 280 Grmm.
scbwer ist, 400 Grmm. zu viel ; der linke Ventrikel war
3, der rechte 2, die Vorhöfe 1 Ctmtr. dick. Die grossen
GefäsBstämme an ihrer Austrittsstelle in Ezsudatmassen
eingebettet, welche um die Aorta in einer Ausdehnung
von 6 Ctmtr. eine weite, nicht adhärente Schale bildeten.
In beiden Pleurahöhlen nur geringe Mengen Flüssigkeit,
linke Lunge hinten und seitlich am Perikardium adhärent,
eine nach vom und unten liegende Schicht ihres obeni
Lappens atelektatisch und zwischen Costalwand und Peri-
kardialsack eingeklemmt, der übrige Theil der Lungen
emphysematös und sowohl oberflächlich als in der Tiefe
eine grosse Anzahl Miliargranulationen enthaltend. Nie-
ren klein, nur Spuren von Granulationen enthaltend, sonst
gesund.
Dr. 0. Hindenlang (Deutsches Arch. f. klin.
Med. XXIV. 4 u. 5. p. 452. 1879) iheilt 2 Fälle
mit, in denen die Paracentese des Perikardium aas-
geführt wurde.
Der 1. Fall betrifft einen 20 J. alten Kr., welcher
nach kaltem Trunk bei erhitztem Körper Bauchgrimmen
und Durchfall, später Schüttelfrost mit nachfolgender
Hitze und Sohweiss bekam und 14 Tage spater Anschwel-
lung der Ffisse und Ascites mit zunehmender Dyspnde,
wozu sich bald starker Hustenreiz und profttser Auswurf
gesellten. Bei der Aufnahme (am 26. Oct.) zeigte sicii
die Gesichtsfarbe leicht cyanotisch, Lippen und Nigd
bläulich gefärbt; an der Innenfläehe der Obersehenkd
und an den Malleolen starkes Oedem, Halsyenen nicht
stark überfüllt, nur Jngularis ext sichtbar, mehr au-
gedehnt, bei der Inspiration kleiner werdend. Der Hen-
stoss war weder sichtbar, noch fühlbar, die Bespiratioo
äusserst beschleunigt (58 Athemzüge in der Minute), ortiio-
pnoisch, vorwiegend costal ; der sehr beschleunigte Pub
(124 Schläge in der Minute) war unregelmässig, aussetsesd,
namentiich bei jeder Inspiration. Der Unterleib warge^
spannt, das Epigastrinm gegen Druck empflndlieh, Fluk-
tuation aber nirgends nachweisbar. Die Perkussion ogA
an den Lungenspitzen hellen Schall , über dem ganzea
Sternum absolute Dämpfung, die, nach unten breiter wer-
dend, links bis zur Mamillariinie, rechts in der Höhe der
Mamilla bis zur vordem Azillarlinie sich erstreckte, rechte
vorn in die Leberdämpfung überging ; über der Symphyse
und in der linken Lumbargegend hell tympanitischer
Schall, halbmondförmiger Baum ziemlich gross. HerztSne
schwach, kaum hörbar, aber rein, 2. Pulmonalton etwas
lauter, nirgends perikardiales Beiben. Athmnngsgeräiueh
rechts vom rauh vesikular, unten und nach dem Stemu
bin abgeschwächt, kein Baseein, Ijnks scharfer, in to
Gegend des zungenförmigen Lappens feinblasiges BasselB
trotz absoluter Dämpfung. Hinten oben begann die DiiD-
pfung rechts an der 9., links an der 11. Bippe, Stimn-
fremitus hinten rechts abgeschwächt; Athemger&ouk
vesikular, nur rechts unten schwaches Bronchialathmen,
links verschärftes Athmen, links unten feinblasiges Bas-
sein.
In den nächsten Tagen Zunahme der Dyspnoe , bei-
derseits Basselgeräusche , Temp. 37. 8^ Puls 184, paii-
dox, pleuritisches Beiben beim Exspirium. Am 28. Oet
wiederholte vergebliche Versuche, das Perikardialezsodat
mittels D<6t«^o^'«Hohb[iadelapparat zu entfernen; jedes-
mal fühlte man die Spitze an einen rauhen Gegenstand,
der sich an ihr bewegte, anstossen. Am nächsten Mozgea
Wiederholung der Punktion mit einem feinen, 1.5 Motr.
dicken Trokar bei Chloroformnarkose. Es wurden 300
Grmm. dunkebrother, dünner Flüssigkeit, welche viel Ei-
weiss und wenig Fibrinflooken enthielt, adspirirt; aoek
diessmal wurde das kratzende Anstreifen des Herzens ai
das Ende der Kanüle gespürt. Nach der Operation Flanell-
drackverband , Eisblase. Nach der Punktion fühlte sieh
Pat. wesentlich erleichtert, der Puls war kräftig u. faiter-
mittirte nicht mehr, die Qyaaose und die Anabreitong der
Dämpfung hatten abgenommen , man sah diffhses systo-
lisches Heben in der Herzgegend. Die Haramenge nahm
zu. Trotz Anwendung von Pilocarpin, *Ck)palvbaIsaiB,
salicyls. Natron , Digitalis und andern Mitteln versehlim-
merte sich in den nächsten 4 Wochen der Zustand wie-
der so , dass am 11. Dee. nochmals die Punktion taag^
führt werden musste , wobei der Trokar nur schwer ?o^
wärts geschoben werden konnte , als wenn er eine dieke
Membran zu durchdringen hätte ; auch die HenbewegsB-
gen waren an der Kanüle wieder deutlich zu fühlen. Naeli
langsamer Adspbration von 100 Cctmtr. Flüssigkeit nak-
men die Intermissionen des Pulses ab , nach Adspiratioa
von weitern 500 Cctmtr. wurde der Puls gleichmässiger,
nur kleiner bei der Inspiration , jedesmal nach der Is-
spüration um so stärker ; die Herztöne waren auch wih-
rend der Inspiration regelmässig zu hören , laut und reia,
der 2. verstärkt, Beibungsgeränseh war nicht hörbar; der
Herzstoss wurde nicht sichtbar oder fühlbar. An den
Halsvenen war Pulsation in Form eines Erzittems neben
ezspiratorischer Schwellung der Jugularis ext. wahniehn-
bar , die zitternden Bewegungen der Jug. interna warea
dicrot. Die klare, gelblich-grünliehe Flüsslfl^eit enOielt
Fetttröpfchen, Körnchen, Zellen, weisse verfottendeBlit-
körperchen , die rothen theilweise mit langen AiuBb>^
lungen , theilweise in Morgenstemform , ausBeidem selioi'
IV. Pathologie, Therapie a. medicmische Eliiük«
141
Ijge PigmentmABsen mit zahlreidh elBgelagerten Fett-
körnchen. — Aach diesamal folgte grosse Erleichterong ;
Dyspnoe nnd Gyanose , Hasten und Auswarf wurden ge-
ringer , das Oedem der Fasse nahm ab , die Lebergrenze
rnekte wesentlich nach oben , die Hammenge nahm be-
deutend zn. Später nahm die Dämpfung über dem Ster-
nom stetig ab, deatliohes Heben in der Herzgegend wurde
bemerkbar. Aber anch diese Besserung war nur eine
Torfibergehende, obwohl Fat. bis Ende Februar des fol-
genden Jahres Tollständig fieberfrei blieb nnd auch einige
Stunden aosser Bett sein konnte. Von da ab erschienen
wieder leichte abendliche Temperatursteigerungen , zeit-
weilig zeigte sich Oedem , Dyspnoe und Qyanose , später
Sobmen undEmpflndliehkeit gegen Druck imEpigastrium
laoh dem Essen. Als Fat. am 20. März auf seinen
Wunsch entlassen wurde , war er cjranotisch , die Ober-
baachgegend stark vorgewölbt, die untere Brustapertur er-
weitert ; die rechte Seite erschien gegen die linke auffallend
•higezogen , letztere , namentlich beim Stehen von hinten
betrachtet, stark ausgeweitet, der Umfang betrug in der
Höhe der Mamllla rechts 41 , links 44 Ctmtr., der Per-
kassionsechall war rechts nicht so voll wie links, die Däm-
pftrag in dw Hamillarlinie links am untern Rande der 4.,
m der Axillarlinie an der 6. Bippe. Athemgeräusch links
vom oben scharf vesiknlar, rechts oberhalb der Clavicula
unbestimmt , schwächer , Exspirium verlängert. Bechts
hinten oben erschien der Perkussionsschall etwas höher,
von der Spina scapulae ab deutliche Dämpfung ; links lee-
rer Schall bis zum obem Rand der 9. Rippe in der Axillar-
Unle. Athemgeräusch links hinten oben scharf vesiknlar,
fan Bereich der Dämpfung abgeschwächt , unten fehlend,
ebenso der Stimmfremitus ; keine Rhonchi. Rechts
hinten oben Inspiration vesiknlar, schwächer als links,
Exspiration bis zum Angnlus scap . verlängert, unbestimmt,
von der Mitte derScapula anlnspiration schwach, vom An-
gnlus an fehlend, Stimmfremitus abgeschwächt ; unter der
Ifitte der rechten Scapnla verschärftes saccadirtes Ath-
men ; Exspirium bis unten unbestimmt , verlängert , am
Ende des Inspirinm fein blasiges Rasseln. Herzstoss
weder fShlbar noch sichtbar , nur leichte Erschütterung
in der linken Parastemalgegend wahrnehmbar, an den
Halsvenen sehwache Doppelpulsation , Venen am obem
Thorax nnd Armen erweitert ; Leber nicht tastbar. Die
Wirbelsänle zeigte im obemBrusttheil leichte Ausbiegung
naeh Hnks , im untern nnd im Lumbaltheil nach rechts ;
der Domfortsatz des 3. Lendenwirbels trat stärker her-
vor. Der Puls hatte 114 — 128 Schläge , die Temperatur
betrag Abends 38<>C. Mitte Juni starb Fat. in Frivat-
pflege, weshalb die Sektion nicht gemacht werden konnte.
Der 2. Fall betraf einen 27 J. alten Mann , mit erb-
Beher Anlage an Fhthisis. Er erkrankte Anfang Novenr-
ber 1876 an rechtseitiger Flenritls, war deshalb am
7. Jan. 1877 M Hospital zu Kehl punktirt nnd am 11. in
das Hospital zu Strassburg aufgenommen worden. Star-
kes Oedem der nntem Körperhälfte und Ascites , ausser
einem , vom in der Mammarlhiie bis zum obem Band der
4. mppe , Unten bis zur Mitte der Scapnla reichenden,
re^tseitigen pleoritischen Exsudat fand sieh ein grosser
Perikardialergass mit oben zu beiden Seiten des Steranm
durch die 2. Rippenknorpel, naeh links durch die Axillar-
linie begrenzter Dämpfung. Unterer Leberrand dicht ober-
halb des Nabels ; grosse Athemnoth bis zur Orthopnoe,
Foto klein, anregelmässig, 100—180. Am 14. Thorax-
punktion durch Frof. Kussmaul mittels des I)ieula-
/oy'sehen Apparates im rechten 6. Intercostalraume 1.5
Ctantr. nftch aussen von der Mammarlinie. Nach Abfluss
von 20 Cctmtr. khuren hellen Serams wurde die Nadel
tiefer eingeschoben und jetzt entleerten sich 750 Cctmtr.
trüber, brannrother Flfissigkeit, welche eine Menge ver-
änderter , aber keine frischen , normalen Blutkörperchen
enädelt. Knssmanl schloss , dass die Nadel zuerst in
den Plenxasaok and dann erst in den Herzbeutel einge-
droBgen sei. Die Funktion wurde am 18. wiederholt und
genau in derselben W^e verfahren; es flössen wieder
zanäehst 660 Getmtr. klares, seröses Fluidom , und beim
tiefem Einschieben der Nadel 250 Cctmtr. heUrothes,
blutiges Seram mit frischen, normalen Blutkörperehen ab.
Beide Funktionen brachten wesentliche Erleichterung,
obgleich eine Abnahme des perikardialen Exsulats sich
durch Ferkussion nicht nachweisen Hess. Oedem und
Ascites waren bis März ganz verschwunden , die Brust*
schmerzen seltener, die Athemnoth geringer, der Fuis
regelmässig, aberfrequent(90-— 100 Schläge). Ende März
reichte das pleuritische Exsudat noch hinten bis zum
nntem Sohulterblattwinkel, in der Axilla bis zum 6.1nter-
costalraum ; Wölbung der Herzgegend geringer , die per-
kutorische Herzflgnr Jedoch nur wenig verkleinert. Fat.
konnte Anfang Mai wesentlich gekräftigt in seine Heimath
entlassen werden.
H. scbliesst an diese 2 Fälle noch eine kurze
Uebersicht der bis 1879 ausgeführten 71 Paracen-
tesen des Perikardium , deren erste durch Incision
1798 von D esaalt gemacht wurde. Von diesen
71 Fällen ist bei 6 die Paracentese nur versucht, bei
65 wirklich ausgeführt worden, und zwar in 21 Fäl-
len mit mehr oder weniger vollständiger Genesung,
in 44 Fällen ohne Erfolg, was zu Onnsten der Ope-
ration einen Procentsatz von 32.3 ergiebt. Die Ur-
sachen des ungünstigen Ausgangs waren zum grossen
Theil auf sekundär hinzugetretene Complikationen
zurückzuführen, namentlich Tuberkulose , sekundäre
Herzaffektionen, aber auch intercuiTente Krankheiten.
H. kann nach diesen Beobachtungen die Paracen-
tese des Herzbeutels nicht blos als ein Palliativ-
mittel hinstellen, sondern vlndicirt ihr das Prädikat
eines lebensrettenden, wirklichen Heilmittels.
Was schlüdslich die Operationsmethode anlangt,
so lassen sich 3 Hauptarten deraelben annehmen, die
In(dsion, die Incision mit Punktion, die Punktion,
letztere zerfUlt, je nach dem dazu verwandten In-
strumente, in die Punktion mit dem Trokar und
in die Punktion mit der Hohlnadel, beide mit
und ohne Adspu'ation. Von diesen verschiedenen
Operationsmethoden ist wohl die Pnnktion , u. zwar
in Verbindung mit der Adspiration am häufigsten
ausgeführt worden und dürfte auch am meisten zu
empfehlen sein. In einzelnen Fällen wurden nach
Entleerung des Exsudats noch Ausspülungen oder
Injektionen von Flüssigkeiten, wie Jodtinktur, Koch-
salzlösung n. A. mit gutem Erfolge vorgenommen.
Als Einstichstelle hat sich der 4., 5., 6. Intercostal-
raum je nach Ausdehnung nnd Gestalt der Herz-
dämpfung 3—4 Ctmtr. nach auswärts vom linken
Sternalrand als praktisch erwiesen.
Dr. H. Kümmell (Berl. klin. Wchnschr. XVII.
23. 1880) theilt folgenden, einen 50 J. alten Mann
betreffenden Fall mit, in dem die Punktion des Peri-
kardium ausgeführt wurde.
Der Kr. war cyanotisch , mit ängstlichem Gesichts-
ausdruclc , die Respiration sehr freqiient (52 Athemzüge
in der Minute), costal. Der normal gebaute Thorax dehnte
sich gleichmässig aus. lieber beiden Lungen war der
Perkussionsschall voll und laut , das Athemgeräusch vom
oben yesikular, hinten giemend und schnurrend. Pat.
hatte massigen Husten mit geringem, zähem, schleimigem
Auswurf. Der Herzstoss war weder fühl* noch sichtbar,
Druck auf die Präcordialgegend massig schmerzhaft. Die
Herzdämpfung reichte nach oben auf dem Stemum bis
zum nntem Rand des 2. Rippenknorpels , fiel dann , die
Figur eines Dreiecks bildend , bis inr rechten Mamillar-
142
IV. Patiiologie, Therapie u. mediciniBche EUsik.
Unie ab, nach links dieselbe um 3 Otmtr. überschreitend ;
Herztöne an allen Ostien wenig hörbar , an der Mitralis
fast vollständig aufgehoben , an der Aorta leises systoli-
sches Blasen. Puls 30 [?], Temp. 37.5^. Die Leber über-
ragte den Rippenbogen handbreit , die Milz schien nicht
▼ergrössert. Der Unterleib war weich , Heteorismus oder
Ascites nicht vorhanden , der Harn schwach saner , trüb,
rothgelb, ei weiss- und zuckerfrei, das spec. Qe wicht be-
trug 1023. Die Behandlung bestand in Anwendung einer
Eisblase in der Hersgegend , Digitalisinfus mit Liq. Kali
acet. und Oxym. squill., Abends Ohloral. Trotzdem trat
in den nächsten Tagen schnelle Zunahme der Symptome
ein, namentlich der Athemnoth , so dass am 6. Tage nach
der Aufnahme die Punktion im 4. Intercostalraume,
4 Ctmtr. vom linken Sternalrande mit nach der Mitte des
Stemum gerichteter und der Tborazwand möglichst ge-
näherter Spitze einer ca. 2.5 Mmtr. dicken Hohlnadel der
i2i>55'schen Adspirationssprltze gemacht und 750 Grmm.
klares, seröses, erst zuletzt leicht sanguinolent werdendes
Fluidnm entfernt wurden. Letzteres hatte 1024 spec.
Gewicht, enthielt wenig Fibrin , viel Albumin , einzelne
veränderte Blutkörperchen , keine organischen Elemente.
Gleichzeitig wurden 350 Grmm. klaren, serösen Fluidums
durch Punktion aus dem linken Pleurasack entleert.
Hierauf trat momentane Besserung ein, aber sehr bald
wieder rapide Ansammlung neuen perikardialen Exsudats,
60 dass nach 2 Tagen neben der ersten Einstichöflhung
die Punktion wiederholt und 840 Grmm. einer gleich be-
schaffenen Flüssigkeit entleert wurden. Hierauf verklei-
nerte sich die Herzdämpfung bis fast zur normalen Grenze,
überall war deutlich perikarditisches Reiben zu consta-
tiren, Herztöne an allen Ostien laut hörbar , an der Aorta
lautes systolisches Geräusch , Herzaktion unregelmässig,
der Puls war stark gespannt, intermittirend, dicrot. Auch
aus dem Pleurasack wurden durch nochmalige Punktion
55 Grmm. seröser Flüssigkeit entleert , wonach die Däm-
pfung abnahm, Athemgeräusch und Stimm fr emitus beider-
seits fast gleich wurden. — Trotzdem verschlimmerte
sich der Zustand in den folgenden Tagen und der Kr.
starb 4 Tage nach der letzten Punktion.
Bei der Sektion fand man den Zwerchfellstand rechts
am obem Rande der 6., links an dem der 7. Rippe. Das
kolossal ausgedehnte Perikardium reichte von der rech-
ten Mamillarlinie nach links bis in die Axillarlinie hinein
und nahm fast die Hälfte des ganzen Brustraumes ein. Es
enthielt noch fast 1 Liter leicht roth tingirter, mit Fibrin-
flocken versehener Flüssigkeit ; sein äusseres Blatt, 2 — 3
Mmtr. dick, bestand aus einer röthlichen Substanz mit
eingesprengten weissen Knötchen ; die Oberfläche erschien
leicht zottig ; auch das Epiicardium war durch zottige, nicht
leicht entfembare Auflagerungen verdickt, nach deren
Abkratzung sich in der stark verdickten Serosa graue
Knötchen reichlich eingesprengt zeigten. Wand des lin-
ken Ventrikels verdickt, rechter normal, Klappen überall
frei, nur die Aortenklappen, namentlich die hintere, zeig-
ten Verdickung des Bandes und Verkürzung ohne In-
sufflcienz. In der linken Pleurahöhle 1 Liter hellröth-
liches Serum, beide Lungenspitzen leicht adhärent, Bron-
chialdrüsen beiderseits , besonders links , schieferig indu-
rirt und geschwollen, links eine derselben stark verkalkt,
das Perikardium mit dieser von aussen adhärent. Beide
Lungen waren massig bluthaltig und zeigten kleine Herde
rother Hepatisation. Im Abdomen kaum Va Liter helles
Serum , Milz und Nieren wenig vergrössert , etwas derb
und blutreich , leichte rothe Atrophie , feste Gonsistenz,
geringe Unebenheit der Oberfläche ; Darmkanal und Ge-
hirn frei. — Die kleine Punktionsöffnung war vollständig
geheilt, der Einstich hatte in kehser der Gewebsschichten
irgend welche Reaktion hervorgerufen; auch zeigte die
Oberfläche des Herzens selbst, dessen Anstreichen an die
Spitze der Hohlnadel mehrfach deutlich zu fühlen war,
kefaie Spur einer Verletzung.
Kümmel hat zwar im vorliegenden Falle die
Funktion mit Hohlnadel und nachfolgender Adepira-
tion mittels des Riess'sobsa. Apparates gewftUt,
glaubt aber, dass mittels der Ineidon, mter An-
wendung der antiseptiscben Gauteleni sich gleich
gute Resultate werden erzielen lassen; ihm sdbst
fehlt darüber die eigene Erfahrung.
Prof. S. Rosenstein in Leiden (Berl. klin.
Wchnschr. XVIIL 5. 1881) führte die Inddon des
Perikardium bei einem 10 J. alten, vorher gesunden
Knaben in folgendem Falle aus , nachdem die Punk-
tion mit Adspiration zwar wesentliche, aber nur ganz
vorübergehende Besserung, eine 2. Punktion nur an-
genügende Entleerung herbeigeführt hatte. Nach
der Incision wurde schlttsslich Heilung erzielt.
Pat. war 14 Tage Torher unter gastrischen Enchei-
nungen mit geringem Husten und Fieber erkrankt ; er tag
am liebsten auf dem Bücken , konnte aber auf beiden
Seiten, am besten auf der rechten, liegen. IMe Waagea
waren sehr bleich, Lippen und Zunge blaaaroth, Haat
feucht und elastisch. Die Temperatur betrug 37.6« C,
der Puls hatte 108 Schläge in der Minute, war regel-
mässig, aber klein und weich, die Bespiration war sebr
beschleunigt (40 Athemzüge in der Minute) mit costo-
abdominalem Typus, wobei Scaleni, Stemocleidomastoidei
undLevatoresalar. nasi stark mitwirkten, der Thorax er-
weiterte sich mehr von unten nach oben, als von von
nach hinten, und zwar links weniger als rechts. Die
linke Brusthälfte erschien in der Mammargegend stärker
vorgewölbt (Stemovertebraldnrchmesser rechts 18, lUiks
20 Ctmtr. ; Brustumfang in der Höhe des 3. Brustwirbeb
links 36, rechts 34, in der Höhe des 6. links 37, reehti
36, Abstand der Mamillarlinie von der Medianlinie dei
Stemum links 8, rechts 6 Ctmtr.). Herzstoss weder sicht-
noch fühlbar, Herztöne nirgends hörbar. PerknssionB-
schall rechts vom normal bis zur 6. Bippe ; links von
begann die Dämpfung zwischen 1. und 2. Bippe und setzte
sich nach imten bis zum Proc. ziphoid. in schräger Bieh-
tung seitlich links bis zur Axillarlinie, rechts seitlich bis
zur Mamillarlinie fort, so dass die Dämpftingaflgnr ein
abgestumpftes Dreieck mit der Basis nach unten darstellte,
dessen Höhe in der linken vordem Axillarlinie 6, In der
linken BfamiUarlinie 16, in der Sternallinie 13, in der
rechten Mamillarlinie 9 Ctmtr. maass. Uebeigaag au
liegender in sitzende Stellung veränderte nichts an der
Dämpftingsfigur. Hinten fand sich lauter Longentw
rechts bis zum 11., links bis zum 10. Brastwirbel, von
wie hinten vesikuliures Athmen. Linker Leberlappen nach
abwärts gedrängt, Milz nicht vergrössert Appetit gut,
Stuhl geregelt, Urinblass, in 24 Std. 1100 Cctmtr. tob
1007 spec. Gew., ohne Biweiss.
Eine mittels /Vovoz'seher Spritze genialste Probe-
pnnktion entleerte reinen Eiter. Da die Dy^aöe sieh
bis auf 62 Athemzfige in der Minute, die PnlsArequenz auf
140 steigerte, so wurde mit dem jPotom'sefaen Apipant
zwisehen 4. und 5. Bippe nahe dem Sternalrande ein-
gestochen und 620 Grmm. rein eitriger Fifissigkeit adspi-
rirt, wonach die Bespirationsftrequenz auf 28, die Puls-
frequenz auf 92 fiel und Pat. sich fQr kurze Zeit wesent-
lich erleichtert fühlte. Allein bald darauf trat neues
Fieber mit intermittirendem Typus auf mit Abnahme der
Haramenge, Zunahme des Perikardialexsudat. Ausserdem
trat linkseitige Pleuritis auf mit Ezsudatbildnng , von
welchem 1100 Cctmtr. adsplrirt wurden, w&hrend doroh
eine zweite Punktion des Perikardium nur 110 Cotmtr.
reinen Eiters entfernt werden konnten. Da nun aber aneh
diese zweite Operation kein für den Pat. gSnstIges Re-
sultat ergab, vielmehr die Athembesohwerden bis snr
Orthopnoe sich steigerten, das Hamvolnmen auf eis Mi-
nimum sank und Oedem an Sorotnm und Ffissen aaftnt,
so entsohloss sich B. zur Incision des Perikardium. Unter
antiseptischen Cautelen wurde zwischen 4. nnd 5. Bippe
nahe dem linken Stemalraad ein 3 Ctmtr, langer Htet-
IV. Paäiologie, Therapie n. mediciiiische Klinik.
143
Kbnltt genttcht, dann Sohioht für Schicht Fascie nnd
Muskel bis auf den Herzbeutel getrennt, dieser mit der
Spitze des Bistonri angeschnitten und der Schnitt dann
mit dem geknöpften Bistouri erweitert ; nach Entleerung
einer grossen Menge Eiter, Drainage nnd Lister^scher
Verband. Sofort folgte wesentliche Erleichterung, die
Rickenlage war möglich, Puls deutlich fQhlbar; 910
Cctmtr. Harn mit 1013 spec. Gew. wurden entleert, das
Oedem yerschwand. In den nächsten 6 Tagen war kein
Fieber vorhanden, die Herztöne waren überall zu hören
mit Beibungsgerauscb ; Dämpfangsfigur links noch nn-
Teiindert, rechts tympanitischer Ton. Am 19. Tage war
die Operationswonde geschlossen. Von Seiten des Her-
zens traten keine neuen Complikationen auf, dagegen
steigerte sich auf's Neue die linkseitige Pleuritis und ent-
sehloss sich B. , nachdem durch eine Punktion 1000 Cctmtr.
Flfissigkeit ohne wesentliche Besserung des Befindens
entleert worden waren, auch hier zur Incision, welche
Boeh 1600 Cctmtr. entleerte. Die Temperatur sank so-
fort auf 36. go, Pat. blieb von nun an fieberfrei, die Hei-
bmg der Pleuritis ging in gewohnter Weise von Statten
and Pat. konnte nach einigen Wochen geheilt enthissen
werden.
Bei der EntUuemig fand sich noch an der vordem
Brostfläche ein stark entwickeltes Venennetz. Linke Sub-
elaviknlargegend etwas eingesunken, die ganze linke Seite
weniger gewölbt als die rechte , Spitzenstoss sieht- nnd
fiällMkr zwischen linker Parastemal- nnd Mamillarlinie,
PerkuBsionsschall über nnd unter linker und rechter Chi-
Tienhi fast gleich laut. Die Herzdampfnng begann links
m nntem Bande der 3. Bippe , reichte nach rechts bis
am linken Stemalrand, nach links bis dicht an die
MunUhurlinie. Herztöne an Spitze nnd Ostien rein; an
der hintern Bmstfiäche lauter Perknssionsschall rechts
bis zum 12., links bis zum 10. Brustwirbel, das sonst
; überall normale Athemgeräusch links schwächer als rechts,
I Fremitos pectoralis beiderseits sehwach.
Dr. Mc Call Anderson (Glasgow med.
hm. Xn. 9. p. 214. Sept. 1879} gelang es, mit-
teb Pimktioii nnd Adspiration die Entleerung eines
Perikardialergnsses zu bewirken.
Der 17 Jahre alte Er. hatte schon lange an Husten,
Aimentlich im Winter, gelitten und wiederholt Hämoptyse
gebibt. Bei der Aufnahme war er hydropisch , mit livi-
; der Qesichtsfarbe , hatte Dyspnoe und häufige heftige
; Hostenparozysmen. Am Thorax bestand links vom weit
' TttrbreiteteDämpftmg, welche sich bis 2" nach rechts von
der Mittellinie , nach oben bis in die Kähe des Sdilüssel-
beins erstreckte ; hinten war nur an der Basis etwas Däm-
phng vorhanden. Dabei war die linke Brusthälfte mehr
bervoiigewölbt, als die rechte , die Intercostalräume ober-
bilb der Dämpfungsgrenze hervorgetrieben , rauhes sono-
K8 Bassein fiber beiden Brusthälften hörbar, die Herz-
tüiie normal, aber schwach, wie ans der Feme kommend.
Herapitzenstoss nicht zu fühlen, Puls schnell, klein,
£idenförmig. Der Urin enthielt Spuren von Eiweiss und
C{>Be. — Da eine verordnete Hustenmixtnr und Diuretika
Bifihts halfen , so wurde Entfernung des Perikardialexsu-
dits durch Adspiration beschlossen nnd das Instrament in
dem 5. Interoostalraum 1" weit nach rechts von der
KamillarUnie eingestossen , worauf sich 38 Unzen einer
beUstrohfarbigen Flüssigkeit entleerten. Die Kanüle, an-
^^Bgs nicht bis zum Herzen dringend, wurde gegen Ende
dtt Operation durch die Herzimpulse deutlich typisch be-
wegt. — Unmittelbar nach der Operation konnte Pat.
I^diter athmen , die Qyanose verlor sich , die Dämpfung,
namentlieh naeh rechts und oben , hatte wesentlich abge-
nommen, die Herztöne waren deutlicher und näher der
^nistfläehe zu hören, der Puls war kräftiger, regelmässi-
ger, jedoch noch etwas fVequent. — Die chemische Unter-
■oehong derPerikardialflüssigkeit ergab: 92. 26o/o Wasser
BBd 7.74% feste Bestandtheile , davon Seralbnmen 6.1,
^Mb«mei^0.69, Ohloride 1.8, Urate O.löo/o.
Joseph W.Hnnt (Lancet I. 21; May 1881)
versuchte in folgendem Falle die Funktion des Peri-
kardium^ aber ohne Erfolg.
Der 23 J. alte , an akutem Gelenkrheumatismus lei-
dende Kr. hatte schon früher eine gleiche Erkrankung
mit Atfektion der Aortenklappen und linkseitigem plenri-
tischen Exsudat , das durch 2malige Adspiration beseitigt
wurde , überstanden , später an Pleuritis auf der rechten
Seite gelitten, gegen welche Blutegel angewendet worden
waren. Bei der Aufnahme fand man lautes diastolisches
Aortengeräusch , sehr vergrössertes Herz mit perikardia-
lem Reibungsgeränsch , das über dem grössern Theile der
Herzzone zu hören war. H. sehloss hieraus auf An-
wesenheit von Exsudat im Herzbeutel nnd beschloss, das-
selbe durch Adspiration zu entfernen. Die vorher noch-
mals vorgenommene physikalische Untersuchung ergab
schwache Pulsation über der Herzgegend, den Spitzenstoss
ca. 21/2 Zoll unterhalb der Brustwarze , schwach , difTna,
die Intercostalräume über der untern Partie der Herz-
gegend verstrichen, deren obere Hälfte durch eine von der
Stemalspitzo zur linken Brustwarze gezogene Linie mar-
kirt wurde. Herztöne nach unten sehr schwach , über der
Mitte des Stemum laut und von deutlichem systolischen
und diastolischen Geräusch begleitet , was durch Druck
nicht verstärkt wurde; daneben leichte epigastrische Pul-
sation, die Jngulares nicht gefüllt. Puls sehr unregel-
mässig, weich, leicht wegdrückbar, 60—80 Schläge in d.
Min., Resp. 60—60, starke Orthopnoe. H. stach im 4.
Intercoetahranm neben dem Stemum eine feine Hohlnadel in
gerader Richtung nach aufwärts ca. 1 Zoll tief ein , wo-
nach keine Flüssigkeit abfloss ; wohl aber sah H. an den
heftigen Pulsationsbewegungen der Nadel, dass sie die
Herzwandung getroffen hatte, auch zeigte sich an der
Stichstelle etwas Blut. Weitere Symptome traten nicht
ein. H. wollte am nächsten Tage die Operation ein oder
zwei Intereostalränme höher wiederholen, als Pat in
Folge von Herzschwäche starb. Die Behandlung hatte
im Wesentlichen in Darreichung von Digitalis, Ammonium-
carbonat und Stimulantien bestanden.
Bei der Sektion fand man das Herz enorm veigrössert,
vom rechten Stemalrand bis zur linken Brustwarze und
bis zur Stemalspitze reichend , sein rechter Band kreuzte
sich mit der rechten Lunge , welche emphysematös war
nnd sich bis über die Mittellinie ausdehnte , das Perikar-
dinm vollständig verwachsen, die obem Adhäsionen fester.
Jedenfalls altera Datums, als die nntem, wo die Verwach-
sung von Herz nnd Perikardium keine feste war, sondern
sich maschenartige, mit Flfissigkeit gefüllte Interstitien
vorfonden. Das Herz selbst war 28 Unzen (840 Grmm.),
mit dem Blntinhalte 81 Unzen (980 Grmm.) schwer, die
Aortenklappen nicht schliessend , der linke Ventrikel be-
deutend erweitert, seine Wandungen verdickt, in Degene-
ration begriffen ; der linke Vorhof ebenfaUs hypertrophirt
nnd erweitert, der rechte Ventrikel nur unbedeutend ver-
grössert; die Mitralklappen verdickt, ebenso deren Chor-
dae tendineae, was jedenfalls einen unvollkommenen Ver-
schluss der Aurlonlo-Ventriknlarklappe zur Folge gehabt
hatte. Der Stich der Adspirationsnadel war an dem den
rechten Ventrikel überkleidenden Perikardinm deutlich
wahrzunehmen ; dieselbe hatte ihren Weg durch die Wan-
dung des rechten Ventrikels einen Zoll tief in das hyper-
trophische Septum ventriculoram genommen , sonst aber
keinen Ventrikel weiter verletzt ; auch fehlte Jede Spur
einer Entzündung oder sonstiger krankhafter durch den
Nadelstich bedingter Veränderang.
In einem andern Falle von perikardialem £r-
gnsa nach rheomatischem Fieber kamen bei der Ad-
spiration anch nur einige Tropfen der Flüssigkeit zu
Tage ; auch hier zeigte sich das Perikardinm bei der
spätem Sektion an der Stichstelle wesentlich ver-
dickt nnd hatte. sieh die Nadel in den Schichten der
144
IT. Pathologie; Therapie n. medieiiiiflehe Klinik.
verdickten Paiiie gefangen, während sonst das Herz
nirgends verwachsen nnd eine grosse Menge Flüssig-
keit im Herzbeutel vorhanden war.
526. Beiträge zur Eenntniss der StenoBen
der Beapirationswege in Folge von Syphilis,
hauptsäehlieh nach neuem Beobachtungen zusam'
mengeeielli von Walter Berger^).
unter den Lokalisationen der Syphilis und den
durch dieselben bedingten Folgeznständen gehören
unstreitig za den beachtenswerthesten diejenigen in
den Respirationswegen, namentlich wegen ihrer Nei-
gung, grössere Zerstörungen zu bedingen, und wegen
der Gefahr, die sie fbr das Leben bringen können.
Oft finden sich an den Schleimhäuten Zerstörungen,
die von syphilitischen Processen herrühren, auch dann,
wenn sonst keine oder nur unbedeutende Zeichen
von allgemeiner Lues vorhanden sind, und es giebt
gewisse Lieblingssitze für die syphilitischen Affek-
tionen im Rachen nnd den obem Luftwegen, an
denen frflhzeitig grosse Snbstanzverlnste und Defor-
mitäten entstehen. Am Kehlkopfe sind gerade die-
jenigen Stellen am häufigsten der Sitz syphilitischer
Ulcerationen , an denen die Narbenbildong das Lu-
men fUr den Durchgang der Luft am leichtesten zn
beeinträchtigen geneigt ist.
A. LarynsD und obere Luftwege*
Akut sich entwickelnde, auf syphilitischer Grund-
lage beruhende Larynxstenosen sind selten. K r i s -
haber (Oaz. hebd. 2. S. X. 45. 46.47. 1878)
theilt folgende Fälle mit.
Ein 35 J. alter Mann, von robustem Anesehen und
Wohlgenährt, litt seit 2 Mon. an RespirationsstÖningen
und Comage, die anCangs nur in der Nacht, später, bei
Zunahme der ErsticknogsanfäUe, fast stets yorhanden
war. Der ganze Larynx war nach links verschoben in
Folge des Druckes einer (Geschwulst des Schildknorpels,
die hanptsächUch rechts nnd nach hinten zn ihren Sitz
hatte und unter der Schleimhaut sass. Die Larynx-
Bchleimhant war gerSthet nnd leicht geschwellt, die ge-
rStheten Stimmbänder standen nnbeweglich einander so
nahe, dass die Glottis linienfSrmig nnd im änssersten
Grade verengt war; selbst bei den grössten Respira-
tiionsanstrengnngen wichen die Stimmbänder kaum 2 bis
8 Mmtr. auseinander. Bei der Inspiration entstanden
deshalb tönende Schwingungen , so dass in diesem Falle
dieCornage durch die Stimmbänder selbst erzeugt wurde.
Ueber dem Stemnm bestand eine mit diesem in innigem
Znsammenhang stehende Knochengeschwulst. Dnroh
antisyphiUtische Behandlnng wnrde binnen 14 Tagen Hei-
lung erzielt, wobei der Larynx aUmälig seine normale
Gestalt wieder annahm ; auch dieGeschwnlst am Stemum
schwand dabei.
Die Geschwulst am Schildknorpel in diesem Falle
war nach Kr. eine Exostose nnd diese Beobachtung
beweist nach ihm peremptorisch , dass syphilitische
Stenosen des Larynx, selbst dann, wenn die Störun-
gen die höchste Intensität erreicht haben, ohne chi-
rurgischen Eingriff heilen können. Die specifische
Behandlung muss indessen energisch und gentlgend
«) Vgl. Jahrbb. CXLVn. p. 40. CL. p. 168. 194.
CLIV. p. 301. CLEK. p. 264. CLXIV. p. 166. CLXIX.
p. 256. 257, CLXXI.. p. 168. CLXXU. p. 140.
lange fortgesetzt werden , wie der folgende Fall be-
weist.
Ein 45 J. alter Mann litt seit Monaten an Respin-
tionsstörnngen mit Empfindlichkeit des Larynx nnd fast
vollständiger Aphonie. An den gerStheten und geschwol-
lenen Stimmbändern bestanden mehrfache Erosionen, d»
linke war besonders stark geschwollen und unbeweglich ;
anch an den Plicae thyreo-arytaenoideae zeigten sich
Ulcerationen mit Injektion der Schleimhaut, die Plicae
aryepiglotticae waren entzündet. Unter speciflscher Be-
handlung trat nach einigen Wochen eine gewisse Besse-
rung ein nnd die Respiration wnrde freier. Nach Aus-
setzen der Behandlnng wurde der Zustand aber wieder
schlimmer nnd die Respiration so mühsam, dass die
Trachcotomle unvermeidlich schien. Die Erosionen hattea
au Menge und Tiefe zugenommen und das Oedem wir
ausgesprochener als bei der ersten Untersuchung. Da
der Kr. Heber sterben, als sich der Trachcotomle unter-
ziehen wollte, wurde Liquor van Swieten nnd Jodkalian
verordnet. Die Respirationsbeschwerden nahmen schritt-
weise ab, aber erst nach 2 Mon. lang fortgesetzter Be-
handlung hatten die Respirationsstomngen ganz aolge
hört. Oedem und Erosionen waren verschwunden, das
linke Stimmband war beweglich geworden und das Innere
des Larynx erschien fast normal, nnr leichte aUgemeise
Injektion war noch zurückgeblieben , die aber nach Ver-
lauf von 14 Tagen ebenfalls verschwand.
Bei einer Frau waren die auf syphilitischer Erkraa-
kung des Larynx beruhenden Respirationsstdmngen duek
antisyphilitische Behandlnng beträchtlich gebessert wor-
den, kehrten aber so bedeutend gesteigert wieder, da«
die Tracheotomie nöthig erschien. Durch eine ene^iiaehe
Einreibnngsknr wurde rasche definitive Heilung mielt,
die Einreibungen wurden aber 2 Mon. lang fortgesetzt.
Bei einer 25 J. alten Frau hatte Kr. wegen Dnsea-
geschwnlst am Halse nnd tiefer Ulceration an der hinten
Larynxwand nnd am linken Gaumenpfeiler mittels anti-
syphilitischer Behandlnng binnen 25 T. Heilung erzielt
Nach 7 Mon. waren Stenosenerscheinungen mit Comage
nnd beträchtlicher Dyspn5e vorhanden. Die Aiytaenea
waren ödematos geschwollen, wie anch die Plicae tkyreo-
arytaenoideae snp. und die Plicae ary-epiglotticae, aber
den ganzen Kehldeckel verbreitet zeigten sich zeretreate
Erosionen an der hintern Fläche. Der Larynxeingaag
war so verschwollen, dass die Stimmbänder nicht sichtbar
zu machen waren. Mittels speciflscher Behandlung wurde
ausserordentlich rasche Besserung und binnen 18 T. voll-
ständige Heilung erzielt.
In einem von Duplay beobachteten Falle war d»
ganze Kehlkopf lumen vollständig obliterirt, so dass die
Tracheotomie nöthig wurde. Schlüsslich wurde durch eiae
energische specifische Behandlnng Heilung erzielt , nach-
dem verschiedene Versuche mit gleicher Behandhing er-
folglos geblieben waren, weil sie nicht lange genug fort-
gesetzt worden war.
Bei einer 42 J. alten Frau, die schon wiederholt aa
syphilit. Erscheinungen gelitten hatte, waren seit meh-
reren Wochen Respirationsstorungen aufgetreten, die licb
in den letzten Tagen bis zu heftigen ErstickungsanflUlea
gesteigert hatten. Es bestand Schwellung im Laryai-
eingang nnd eine ausgebreitete Schwellung unterhalb der
Glottis. Die Kr. verlangte durchaus die Tracheotomie
und K r. hatte Mühe, sie davon abzubringen nnd zu einer
energischen antisyphilitischen Behandlung zn bew^^
Die Epiglottis atzte Kr. mit dem Hollensteinstift, die
übrigen afficirten Theile aber nicht. Trotzdem war die
Geschwnlst unterhalb der Glottis bereits vollständig ver-
schwunden, als die Epiglottis immer noch gerdthet war,
obgleich etwas weniger als zu Anfang. Nach 14 T. wv
die Respiration normal , vollständige Heilung der Kehl-
kopfaffektion erfolgte erst später. Die antisyphiUtische
Behandlnng wnrde noch lange Zeit fortgesetzt.
Dieser schon im J. 1865 zu Kr.'s Beobachtoog J
gelcommene Fall überzeugte ihn euersty d«w ^
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische EQinik.
145
lokale BehandloDg in solchen Fällen nutzlos ist, im
O^ensatz zn gewissen sekundären Affektionen, wie
Schleimplaqnes, bei denen sie die Wirkung der anti-
syphilitischen Behandlang wesentlich beschleunigt.
Bei einem 32 J. alten Manne, der seit 2 J. an Syphilis
litt, war plötzlich, angeblich nach einer Erkältang, Aphonie
eingetreten. Es bestand so bedeutende Anschwellung der
Plioae thyreo-arytaenoideae snp., dass ein tieferer Ein-
hHok in das Innere des Kehlkopfs unmöglich war. Ero-
sionen konnte Kr. nicht sehen, er yermnthete aber ihr
Yorhandensein an nicht sichtbar an machenden Stellen,
weil sonst das so rasche Auftreten einer so bedeutenden
Sdiwelhmg nicht zu erklären gewesen wäre. Obgleich
die SeepirationsstSrungen bedeutend waren, fehlten doch
die chaiakteristischen Kennzeichen der Asphyxie; Kr.
iah deshalb yon der Tracheotomie ab. Mittels einer
Innnktionskur wurde die Schwellung rasch beseitigt ; man
fimd dann Böthung und oberflichliche Exfoliationen an
den Stimmbändern. Nach ungefähr 4 Wochen war yoll-
staMdige und dauernde Heilung eingetreten.
In diesem Falle war der Mechanismns der Cor-
nage mittels des Kehlkopfspiegels genan zn beob-
achten, die ungewöhnlich laut vorhanden war. Wäh-
rend der Inspiration machten die geschwollenen Ge-
webe tönende Vibrationen, indem die einströmende
Luft sie einander zn nähern sich bestrebte, während
bei der Exspiration der anstretende Luftstrom i^e
von einander entfernte, wobei kein Geräusch hörbar
war. Die Intendtät des Comagegeräusches hängt
übrigens nach Er. nicht allein von den Vibrationen
der erkrankten Gewebe ab , sondern auch von der
Verstärkung, die dieses Geräusch durch die Fort-
pflanzung auf die Trachea und die Bronchien erfährt.
Wenn der Hals des Er. mit einem nassen Tuche
umgeben wurde, wnrde das Geräusch viel schwächer
und , wenn das Tuch entfernt worden war , wieder
stärker. Die Intensität des Comagegeräusches steht
nach Kr, überhaupt nicht im geraden Verhältniss
zur Enge der Stenose ; wenn die Enge bedeutend ist
und besonders wenn der Sitz der Verengung die
Theilnahme der Stimmbänder an den tönenden Vibra-
tionen hindert, ist das Geräusch nur eine Art rauhes
Rdben, laut wird es hingegen, wenn die Stimmbänder
mit in tönende Schwingungen versetzt werden, selbst
wenn die Verengung nicht so bedeutend ist.
Folgender Fall zeigt, wie schwer ein Recidiv
sein kann, wenn die ersten Anfälle ungenflgend be-
handelt worden sind.
Ein 86 J. alter Mann, der seit Jahren an syphiliti-
schen Erscheinungen gelitten hatte, seigte hypertrophische
Entsfindung des Itaiken Stimmbandes. Eine mit Wider-
streben begonnene antisyphilitisehe Behandlung wurde
nachlässig durchgeführt, aber trotsdem Besserung dadurch
enielt. Kach 4 Mon. waren Athembeschwerden aufge-
treten. Der Er. duldete keine laryngoskopische Unter-
Bodiong und verstand sich auch nicht cur Durchffihmng
einer Innnktionskur. Er starb nach kurzer Zeit in einem
Erettckngsanfalle.
Ein anderer Er. hatte sich 1867 Schanker zagezogen
und seit 1870 wiederholt antisyphilitische Kuren durch-
gemacht. AllmäUg hatte die Stimme gelitten , im Nov.
1877 zeigten sich Uloerationen auf den Stimmbändern,
leichte Bespirationsbeschwerden hatten sich eingestellt,
die deh allmäUg vermehrten. Energische antisyplülitische
Behandlung, 4 Wochen lang fortgesetzt, fährte Heilung
herbei.
Med. Jahrbb. Bd. 19S. Hft S.
Die mitgetheilten Fälle, von denen nur emer bei
schlechter Dnrchfahrung der antisyphilitischen Kur
mit Tod endete, zeigen den Nutzen, den energische
specifische Behandlung zu bringen vermag. Nur
ein einziges Mal hat Kr. einen von syphilitischer
Larynxstenose befallenen Er. nach der Tracheo-
tomie sterben sehen, trotz genügender specifischer
Behandlung.
Auch W. Macneill Whistler (Med. Times
and Oaz. Nov. 9., Dec. 7. 1878) theilt 2 Fälle mit,
in denen es in früher Periode der Syphilis zu Stö-
rungen der Respiration in Folge von Schwellung am
Larynxeingange kam. In beiden Fällen wurde
durch antisyphilitische Behandlung rasche Besserung
erzielt..
Die langsam entstehenden Stenosen führen
manchmal nur bis zu einem gewissen Grad der Ver-
engung des Larynx, ohne dann noch weitere Fort-
schritte zu machen, oft aber sind die Fortschritte des
Stenosirenden Processes unaufhaltsam und es bleibt
nur die Tracheotomie zur Rettung des Er. übrig.
Bei einem 40 J. alten Manne, der sich im Aug. 1867
Syphilis zugezogen hatte, zeigten sich die ersten Sym-
ptome der Eehlkopferkranknng Ende desselben Jahres.
Seitdem traten wiederholt Kehlkopfaffektionen auf und
auch mit BoBpirationsstorungen, die allmälig häufiger und
heftiger wurden ; seit 1871 war fortwährend Comage vor-
handen , am stärksten Morgens und Abends. Zahlreiche
kleine Vegetationen sassen auf den Stimmbändern , deren
wiederholt ausgeführte Zerstörung mittels Galvanokaustik
stets Besserung der Athembeschwerden hervorbrachte.
Specifische Behandlung übte keinen Einfluss auf diese
Vegetationen.
Eine Frau , die seit 26 J. an Syphilis litt , hatte seit
ungefähr 9 Jahren Besplrationsbeschwerden , die sich
immer so ziemlich gleich blieben. Die Epiglottis war
durch ein Narbenband herabgezogen und deckte den
Larynxeingang.
In einem Falle, den Krishaber mittheilt, war
durch die Narben nach syphilitischer Ulceration im La-
rynx Ankylose der Gelenke in demselben entstanden und
fortschreitende Verengung , die die Tracheotomie n5thig
machte, obgleich die Glottis noch genug durchgängig war,
um Stimmbildung beim Sprechen zu ermöglichen.
Ein 38 J. alter Mann litt seit 6 J. an syphilitischer
Erkrankung des Kehlkopfs mit Aphonie ; letztere verlor
sich von Zeit zu Zeit, kehrte aber immer wieder. Seit 3
bis 4 Jahren waren auch Bespirationsstörnngen vorhanden,
die immer schlimmer wurden und schl&sslich zu häufigen
SuffokationsanfäUen fUhrten. Es war deutliche Comage
vorhanden, die schlnsslich so stark und laut wurde , dass
sie die in der Nähe liegenden Kr. am Schlafen hinderte.
Nach der Tracheotomie mnsste die Kanüle liegen bleiben
und noch 9 J. später fand sich keine Veränderung im Zu-
stande des Larynx.
Schlüsslich theilt Er ish ab er einen Fall mit,
in dem durch Schwellung der Plicae thyreo-arytae-
noideae fast vollständiger Verschluss des Eehlkop&
bewirkt wurde, der zwischen beiden Geschwülsten
übrig gebliebene Raum war ungenügend, Luft durch-
zulassen. Der Er. trug schon seit mehrem Jahren
eine Trachealkanüle.
Dr. 8. Seabury Jones in New York (New
York med. itecord XIV. 20; Nov. p. 385. 1878)
war in einem Falle von syphilitischer Erkrankung
19
146
IV. Pathologie^ Thempie u. medicinische Klinik.
des Larynx genöthigt, wegen Glottiskrampf die
Tracheotomie anszuführen.
Der Kr. litt an heftigem Hnsteii und blotig-eitrigem
Aaswarf, aasgedehnterUlceration im Pharynx and Larynx
mit Schwellung in letzterem. Nach vorübergehender
Bessening durch Anwendung von Jodkalium wurde der
Husten spasmodisch und wiederholt wurden nekrotische
Knorpelstückchen, anscheinend vom Ringknorpel stam-
mend, ausgehustet. Wiederholte Anfalle von Glottis-
krampf traten auf und am 22. Jan. 1878 ein äusserst hef-
tiger, für dessen Ursache J. die Lockerung eines grossem
nekrotischen Knorpelstücks hielt. Am folgenden Tage
traten wiederholt gleiche Anfälle von grosser Heftigkeit
auf. Nach Ausführung der Tracheotomie ging eine grosse
Menge blutig-eitriger Massen durch die Kanüle ab, wonach
der Kr. freier athmen konnte. Unter Anwendung von
Jodkalium und Jodeisen besserte sich der Zustand des
Kehlkopfs. Erst am I.Juni wurde die Kanüle auf Wunsch
des Fat. entfernt. Die laryngoskopische Untersuchung
ergab zu dieser Zeit Congestivzustand und Verdickung der
Epiglottis und der Stimmbänder ohne Ulceratlon; das
rechte Stimmband war ganz unbeweglich, das linke
näherte sich bei der Phonation der Mittellinie; ausser-
dem fand sich eine Deformität des Larynx, die J. auf
Substanzverlust am ^ngknorpel bezieht. Die Bespira-
tion auf dem natürlichen Wege war frei.
M c D 0 w e 1 1 (Med. Press and Circnlar March 28.
1877) berichtet über einen andern Fall , in welchem
die Tracheotomie bei Spasmns glottidis mit Erfolg
ausgeführt wurde y und 2 Fälle von Tod an Glottis-
krampf in Folge von ausgedehnter syphilitischer
Ulceratlon des Larynx. Cartier und Mason
(Lyon m6d. 39. 1876) theilen ebenfalls 2 Fälle mit,
in deren ersterem bei syphilitischer Nekrose im La-
rynx wegen Spasmus wiederholt die Tracheotomie
ausgeführt wurde, während im 2. die Kr. starb, ehe
die Operation ausgeführt werden konnte. In L e 1 1 ^ -
vant's Abtheilung (Lyon m6d. 26. 1876) wurde
bei rasch auftretender Asphyxie bei syphilitischer
Erkrankung des Larynx ebenfalls durch die Tracheo-
tomie das Leben der Kr. gerettet.
Dr. C. C. Schuyler, Assistent am Troy
Hospital in New York (Philad. med. and surg. Re-
poi-ter XXXIX. 7. p. 133. Aug. 1878) führte die
Tracheotomie in ememFsüleYou Stenose des Lart/na
durch Oedem in Folge von syphilitischer Erkrankung
bei einem Manne aus, der schon im J. 1870 nach
Schanker an einer syphilitischen LarynxafTektion ge-
litten hatte.
Nachdem der Kr. nach Beseitigung der ersten Er-
krankung 3 J. lang frei von Störungen gewesen war , er-
krankte er von Neuem an Halssymptomen, die nur vorüber-
gehend gebessert wurden und bald mit grosserer Heftig-
keit wieder auftraten. Bei der geringsten Anstrengung
stellten sich Mattigkeit und Dyspnoe ein , der Kr. konnte
nur weiche Nahrungsmittel schlucken und auch diese nur
mit Schwierigkeit. Wiederholt traten Suffokationsanfälle
auf. Seh. fand fast vollständige Zerstörung des Qaumen-
segels und Adhäsion der Reste desselben an der hintern
Pharynxwand , Verzerrung der Epiglottis mit Ulceration
an der vordem Fläche derselben , Verdickung und ober-
flächliche Ulceratlon der Taschenbänder und der Arytae-
nen, theilweise Zerstörung des rechten Stimmbands an
der hintern Commissnr und Ulceration und Verdickung des
linken. Der ganze Larynx war etwas ödematös, die
Stimmritze klaffte bei der Inspiration kaum 1 Linie weit
und 3 oder 4 in der Länge. Speciflsche und lokale Be-
handlung brachten keine Besserung. Die Bespiration
wurde stertoros und weithin hSrbar und wegen drohender
Suffokation wurde die Tracheotomie nöthig, die am
19. April 1877 unterhalb des Isthmus der Thyreoidea aus-
geführt wurde. Nach der Ausführung der Operatioa
besserte sich der Znstand des Kehlkopfs ohne örtliche
Behandlung ziemlich rasch. Die Kanfile behielt der Kr.,
der eine Wiederkehr seines Leidens fürchtete , bis Ende
Juli, trug sie aber seit dem 1. Juni geschlossen, ohne
dass die Athmung auf natürlichem Wege irgendwie be-
einträchtigt war. Ein Jahr später sah Seh. denHaoo
wieder, der sich ganz wohl befand.
In einem von Dr. Whitefield Ward (New
York med. Record XIX. 9 ; Febr. p. 233. 1881)
mitgetheilten Falle war in Folge von Schwellung
des rechten Taschenbands mit ausgedehnter Ulcera-
tion des linken Stimmbands und intensiver Hyper-
ämie der ganzen Larynxschleimhaut Dyspnoe auf-
getreten. Unter Anwendung von Jodkalinm nahmeo
Schwellung und Dyspnoe bald ab.
Dr. Solsono (Revista deCiencias med. de Bar-
celona. — Gazz. Lomb. 8. S. I. 1. p. 10. 1879]
beobachtete einen Fall y in welchem bei einem 38 J.
alten Manne gummöse Infiltration der EpigloUü
zu schweren asphyktisohen Erscheinungen führte.
Die Epiglottis hatte die Form einer runden G^
schwulst von der Grösse einer Mandel, war glatt,
glänzend und unbeweglich, ohne Granulationen oder
Ulceration, den grdssten Theil des Kehlkopfs be-
deckend. S. verordnete eine Inunktionsknr. Nadi
9 Tagen war die Respiration freier und binnen 1
Monate wurde vollständige Heilung erzielt.
Dr. Bennett (Dubl. Joum. LXVII. p. 265.
[3. S. Nr. 87.] March 1879) machte die Tracheo-
tomie wegen Erstickungsgefahr bei einem Manne,
der an ausgedehnter Syphilis des Rachens und des
Kehlkopfs litt. Nach dem später an Pleuritis er-
folgten Tode zeigte sich bei der Sektion die Epi-
glottis sehr verunstaltet durch Narbenzüge, diePIieae
ary-epiglotticae waren verzogen und legten sieh,
wenn man den Kehlkopf seitlich zusammendrfickte,
über einander weg, wie diess während des Lebens
bei der laiyngoskopischen Untersuchung sich dar-
gestellt hatte.
Maunoir (Bull, de la Soc. anatom. 3. S. X.
p. 269. Mars— Avril 1875) theilt einen Fall von
syphilitischer Larynxstenose mit, in dem wegen
wiederholt auftretender Erstickungsanfälle die Tra-
cheotomie ausgef})hrt wurde. Danach traten Zdcben
von Bronchitis auf und pumlente Infektion mit Fie-
ber und Vei*fall der Kräfte. Die Kr., eine 40 J.
alte Frau, starb 12 Tage nach der Operation. Eine
laryngoskopische Unterauchung, die versucht warde^
führte einen Suffokationsanfall herbei u. man könnt»
nur feststellen , dass die Stimmbänder unregelmSssig
waren und bei der Inspiration Sine sehr enge nn*
regelmässig sinuöse spaltförmige Oeffnung bildeten.
Bei der Sektion fand sich bedeutende Fi^^iVisiv"?
der Stimmbänder ohne Ulceration. Dicht ont^
halb der Glottis zeigten sich polypenfttrmige rathe
Vegetationen , die über den freien Rand der Stimoi'
bänder hervorragten. Die Schleimhaut der Trachea
und der Bronchien war geröthet
IV. Pathologie; Therapie u. medicinische Klinik.
147
Ferner sei hier ein Fall von Holmberg er-
wähnt, über den wir bereits früher (Jahrbb. CXG.
p. 3^) mit Bezug auf die gleichzeitig vorhandene
syphilitische Lungenaffektion referirt liaben, und der
vonPippingsköld (a. a. 0. p. 37).
In einem von Dr. H. Allen beobachteten , von
Dr. J. Wm. White (Philad. med. Times III.
Nr. 87. p. 613. 1873) mitgetheilten Falle trat bei
it/pkilitücher Ulceration am linken Slimmbande
plötzlich Snffokation und Asphyxie ein. Sofort wurde
die Tracheotomie gemacht und die Kr., eine 46 J.
alte Frau, wieder belebt Ansammlung von Schleim
in der Trachea erregte oft heftigen Husten mit Cya-
Dose. Pulsfrequenz und Temperatur waren hoch,
die Respiration beschleunigt. Die Kr. wurde koma-
tös und stuporös und starb nach 2 Tagen , wahr-
seheinlich an Himödem.
Bei der Sektion fand sich an der linken Seite des
Laiynx ein 4 bis 5 Linien grosses , elliptisches 6e-
schwttr längs des Stimmbandes , der Processus voca-
lis war nekrotisch y die Schleimhaut an der hintern
LaxjDxwand in hohem Grade ödematös. In den
LoDgen bestand hypostatische Congestion, aber keine
Poeamonie.
Einen Fall von Verengtmg des Larynxlumens
in Folge von syphilitischer Nehose des Ringhiorpeh
okne Dyspnoe und Stenosenerscheinungen theilt
De Lamaller^e aus Dr. Br6mond'a Abthei-
Inng im Asyl von Vincennes mit (Ann. des malad,
de Toreille, du larynx etc. IV. 5. p. 261. Nov.
; 1878).
Der Kr., ein 56 Jahre alter, seit 1848 syphilitischer
Mann bekam schon kurz nach dem ersten Auftreten der
Syphilissymptome eine Aifektion des Larynx; hänflg traten
Stimmstornngen auf, Aphonie aber erst seit dem J. 1868.
Gleichzeitig zeigten sich am Halse 2 kleine rothe Punkte,
TOD denen der eine in der Höhe des Ringknorpels links,
I der andere an der untern Insertion des 8temo-mastoideas
lag ; aoB diesen Punkten bildeten sich allmälig Geschwülste,
TOD denen die obere die grössere war und im J. 1869 die
Groeae eines Taubeneies erlangt hatte, die untere Ge-
ichwalst verschwand allmälig wieder bis auf einen röth-
liehen Fleck auf der Haut. Die obere Geschwulst er-
weichte sich , wurde schmerzhaft bei Druck , fluktuirend
mit einem weisslichen Punkte , der sich öffnete und aus
dem dann eine seropnmlente Flüssigkeit in geringer
Menge, aber fortwahrend abfloss; später sank die Ge-
Behwnlst eüi und verschwand ebenfalls im Laufe von 5
Jahren , es blieb aber die fistulöse Oeffnung und der Aus-
floss dauerte fort. Anfang 1876 zeigte der Ausfluss einen
fötiden Geruch und der Kr. zog aus der Fistel 2 harte
Pngmente, die der Beschreibung nach Stückchen vom
^ngknorpel waren. Im J. 1877 wuchs die Geschwulst
wieder; Broca diagnosticirte damals ein ulcerirtes
Gamma q. Nekrose des Ringknorpels. Nach antisyphili-
Uacher Behandlung verschwand die Geschwulst, kehrte
aber im Frühjahr 1878 wieder ; es wurde wieder eine
tttlByphilitische Behandlung eingeleitet und der Kr. war
sehr gebessert, als er aus Broca 's Klinik in das Asyl
▼on Vhicennes kam. Er litt seit 6 J. an leichtem Husten,
^tte 3 Mal , das letzte Mal vor 5 Jahren , ziemlich be-
deutende Hämoptysen gehabt und dazwischen mitunter
dicke schwärzliche Blntklumpen ausgeworfen. In der
Gegend des Ringknorpels bestand lanoinirender Schmerz,
bei Bewegungen des Schildknorpels auf dem Ringknorpel
fühlte man Reiben und an letzterem einen Substanzverlust
nit rauh ansafthleiidem Grunde. An der hintern Pharynz-
wand und am Zäpfchen zeigten sich hypertrophische Drü-
sen, an den hintern Gaumenpfeilern die Spuren von alten,
angeblich seit 8 Jahren verheilten Schleimplaques, diffuse
Röthe im Kehlkopfeingang, Hypertrophie der Taschen-
bänder, besonders rechts; die Stimmbänder zeigten im
Aussehen nichts Abnormes , entfernten sich aber nur un-
vollkommen von einander (ungefähr 2 Mmtr.) bei tiefer
Inspiration. Unmittelbar unterhalb der Glottis fand sich
hochgradige unregelmässige Verengung des Kehlkopf-
lumens im Querdurchmesser, während der sagittale
Durchmesser normal zu sein schien , die Schleimhaut an
der verengten Stelle war gefaltet und mit vorspringenden
Narbenstreifen besetzt. Unter weiter fortgesetzter anti-
syphilitischer Behandlang schloss sich die Fistel am
Halse.
Narbencontrakiur im Kehlkopfe bei syphili-
tischer Erkrankung der Hoden führte in einem von
Nunn (Med. Times and Gaz. March 16. p. 311.
1872) mitgetheilten Falle durch rasch aufgetretene
Erstickung zum Tode, ohne dass vorher Erscheinun-
gen vorhanden waren, die einen solchen Ausgang
hätten vermuthen lassen können.
Schrötter (Laryngoskop. Mittlieilungen 1871
bis 1873. Wien 1876. S. 49 — vgl. die Inaug.-
Dissertation von Photios Demetrii Photia-
des: Über Verengung des Kehlkopf Inmens durch
membranoide Narben. Strassburg 1876. p. 27)
theilt 2 Fälle von direkter Verwachsung der Stimm-
b ander als Folge von syphilitischer Affektion mit
und einen Fall von Bildung einer Narbenmembran.
Bei einem 31 J. alten Frauenzimmer war die rechte
Innenwand des Larynx bis zur Kante des Taschenbandes
herab mit zarten weisslichen Narben besetzt. Beide bedeu-
tend geschwollenen, an der Oberfläche massig gerötheten,
mit der Länge nach verlaufenden seichten Narben besetzte
Stimmbänder berührten einander nach vom zu vollstän-
dig und Hessen nach hinten zu eine kleine, im höchsten
Moment der Inspiration an der breitesten Stelle IV2 Linie
weite Spalte oflTen ; hierbei retrahirte sich der obere Theil
der Stimmbänder nach aussen, während der untere starr
blieb; beim Intoniren näherten sie sich einander, aber
nicht bis zur Berührung. Am rechten Aryknorpel war
kaum eine Bewegung zu bemerken, am linken nur eine
sehr unbedeutende. Mittels des gedeckten Messers und
mittels täglichen Einfahrens des Katheters wurde die
Glottis so erweitert, dass man bis in die Trachea hinab
zu sehen u. am untern Rande des vordem Schildknorpel-
theils leistenartig vorspringendes Narbengewebe wahrzu-
nehmen vermochte. Das Athmen war sehr erleichtert,
die Glottis wurde nun bei der Intonation völlig ge-
schlossen.
Im 2. Falle, bei einem 30 J. alten Manne, war die
Stenose genau so beschaffen, wie im vorhergehenden,
auch Therapie und Erfolg waren gleich, nur die Stimm-
bänder zeigten nicht denselben Befund.
Im 3. Falle, der einen 26 J. alten, an angebomer
Syphilis und seit 8 J. an Heiserkeit leidenden Mann be-
traf, war die hintere Larynxwand in geringem Grade ge-
schwollen, der linke Giesskannenknorpel weniger beweg-
lich, als der rechte. Eine V3 der Glottis einnehmende,
weissliche, von stark injicirten Gcfässen durchzogene,
nach hinten zu mit freiem Saume endigende Membran
verschluss den vordem Theil der Glottis und Hess nur
eine bleistiftdicke Oeffnung für den Durchtritt der Luft
offen. Die Stimmbänder waren nicht zu unterscheiden,
nur rechts nach hinten zu erkannte man an einem un-
mittelbar unter dem Taschenbande liegenden röthlichen
Wulste, der offenbar dem Proc. vocalis entsprach, dass
die Membran auf Kosten und mit Herbeiziehung der
Stimmbänder entstanden war. Beim Intoniren legten
148
IV. Pathologie, Therapie iL mediciiiisoh6 Klinik.
sieh die Taschenbänder mit grosser Schnelligkeit an ein-
ander nnd man sah den beschriebenen Wnlst die Be-
wegungen mitmachen. Mittels Galvanokaustik und nach-
folgender Aetznng mit Kali caustionm wnrde ungeAhr in
der ttitte der Membran eine Grabe gemacht, die mit der
Sonde zn einem Loche umgewandelt wurde. Letzteres
wurde dnrch Messer, Sonde und Aetsung mit Kali causti-
cum erweitert nnd die Membran allmSlig zerstört.
Prof. L. Eisberg ond Dr. C. C. Rice (Arch.
of laryngoL I. 1. p. 70. 1880) tbeilen folgenden
Fall von Verengung des Kehlkopf lamens durch eine
Narbenmembran bei gleichzeitigem Bestehen einer
grossen Geschwulst an der rechten Arytaena mit.
Ein 41 J. alter, seit dem 19. Jahre mit SyphiUs be-
hafteter Mann, wurde Anfang 1877 plötzlich heiser und
bald ganz aphonisch. Die Plicae ary-epiglotticae und die
TaschenbSnder waren geschwollen, so dass die Stimm-
bänder nicht sichtbar waren. Nach Bes^tigung dieser
Schwellung blieb die rechte Arytaena geschwollen und
das bei der Phonation sich kaum bewegende rechte
Stimmband schien durch SchweUung der Umgebung gegen
die Mittellinie hin gedrimgt zu werden. Seit dem Febr.
1878 bestand Dyspnoe, in Folge Yon Verdickung der Ge-
webe an der rechten Larynxhälfte ; Ulceration war nicht
▼orhanden. Im Juli entdeckte Eisberg eine Narben-
membran, welche fast 3/^ vom yordem Tbeile der Stimm-
bänder yerschloss, sie war blass und fast von der Farbe
der Stimmbänder ; rechts begann sie vom Innern Sande
des Taschenbandes, links setzte sie sich am Stimmband
an. Sie wurde nach und nach mittels Galvanokanstik
und Messer entfernt, hatte sich aber im Jan. 1879 wie-
der gebildet und wurde nun nur mittels Galvanokaustik
abgetragen.
Dr. 0. Chiari (Mon.-Schr. f. Ohkde. u. s. w.
XV. 7. p. 117. 118. 1881) fand bei einem 31 J.
alten Manne eine nahezu ringförmige Membran.
Zwischen beiden, massig gelbroth gefärbten Stimm-
bändern befand sich eine von hinten nach vom hervor-
ragende, wenigstens 5 Mmtr. lange membranöse Brücke,
ein ähnlicher narbiger Streifen zog sich unterhalb des
inken Stimmbandes am vordem Winkel bogenfSrmig
unter das rechte hinüber, so dass die Glottis eine ovale
Gestalt und höchstens ein Drittel ihres normalen Um-
fanges hatte. Beim Athmen gingen die Stimmbänder gut
auseinander und es zeigte sich dabei, dass die vordere
und die hintere Narbenmembran unter dem linken Stimm«
bände mit einander durch einen schmalen Streifen ver-
bunden waren, so dass es sich um eine nahezu ringförmige
Membran unter beiden Stimmbändem handelte. Es be-
stand Dyspnoe, Inspiration und Exspiration waren laut
hörbar. Schrötter hatte die Absicht, die Narbenmem-
branen mit dem Messer zu durchschneiden, aber schon
die ersten Katheterisirangsversuche zeigten sich so wirk-
sam, dass man ganz bei dieser Methode blieb. Nach
6 Wochen war die Membran fast gar nicht mehr zu sehen,
eine Stenose nicht mehr nachzuweisen, dagegen sah man
in der Trachea bis tief hinunter überall grauweisse, höck-
rige, narbige Schleimhaut. Die Respiration war fast ganz
frei. Am Tage der Entlassung berauschte sich der Fat.
derart, dass er auf der Strasse liegen blieb und wegen
Dyspnoe zur Ausführung der Tracheotomie in das Ru-
dolph-Spital gebracht wurde, wo der Larynxkatheter ein-
geführt wurde. Syphilis war in diesem FaUe am wahr-
scheinlichsten die Ursache der Stenose, wenn auch Fat.
eine Infektion leugnete.
Dr. Alex. Hasland (Hoep.-Tidende 2. R.
Vm. 12. 13. 1881) theUt 3 Fälle von Verwach-
sung der Stimmbänder und dadurch erzeugter
IHaphragmabildung im Kehlkopf in Folge von Sy-
philis mit nnd erwähnt ans dervorlaryngoskopischen
Zeit einen Fall, in welchem EngeUted bei einem
nnter heftigen Erscheinnngen der Laryngostenose
gestorbenen Syphilitischen eine vollständige Dia-
phragmabildang im Kehlkopfe bei der Sektion fand.
In dem ersten der von H. mitgetheilten Fälle,
der ein 42 J. alteS| nnverheirathetes Franenzimmer
betraf, war bei der Aufnahme eine Ulceration tn
der vordem Gommissnr der Stimmbänder vorhandeo
nnd nnge&hr 1 Monat danach war die Verwachsoog
bereits eingetreten.
Seit ungefähr 3/4 J. bestand Helsertceit, die immer
mehr zunahm, seit 3 Mon. Kurzathmigkeit n. bM eiaig«
Zeit eine gewisse Unbequemlichkeit in der LarynzgegSBd
beim Schlucken fester Substanzen. Bei der laiyogo-
skopischen Untersuchung fand sich dieEpiglottis steif md
unbeweglich , aber sonst von normalem Aussehen und
nieht geschwollen, sum Theil die gerOtheten Stimmbis-
der bedeckend. Tasohenband undStimmband der linkn
Seite waren knoUig, an mehr als der vordem Hälfte nleeikt
und an der yordem Oommissur fand sich eine etwas in-
flltrirte, unter den Stimmbändern und zwisehea diesäbet
sich erstreckende längUche Ulceration mit einer kletBes
papillomatteen Exkresoenz am Bande. Nach etwa 14 T.
war unter Anwendung von Jodkalium merkliche Bessennf
eingetreten; die vordere Ulceration schien fast geheitt.
Nach weiteren 9 Tagen fand sich am freien Bande des
linken Stimmbandes eine stecknadelkopfgrosse weissttebe
Prominenz und nach vorn eine dicke, einige Bfmtr. breite,
rOthliche Schleimhautfalte, die sich über die vorden
Conunissur nach dem Bande des rechten Stimmhaadw
hinfiber zog. Unterhalb der Stimmbänder zeigte M
etwas Geschwulst und Unebenheit an der SehlehnhaaL
Das Narbengewebe an der vordem Commissur wurde
später etwas blasser, nahm aber an Ausdehnung nidit n
und erstreckte sich am linken Stimmbande weiter sack
hinten, ahi am rechten.
In einem andem von H. erwähnten FaU, in dem er mr
gelegentlich untersucht hat, ging die Verwaohsmig gaii
langsam von Statten bei einem f^fiher wegen mehrftudier
syphilitischer Affektionen , unter anderm auch an Hab-
affektionen behandelten Dienstmädchen. Späterhin sdüa
sich eine Perichondritis der linken Arytaena zu eafe-
wickeln, die in Folge dessen unbeweglich wurde. Eni
im Laufe der lotsten Jahre begann eine Verwachsung der
Stimmbänder nach vorn zu, die sehr langsam forteäittt
und schlfisslich ungefähr das vordere Drittel der StiniB-
bänder einnahm. Ulceration hat H. , der die Kr. sur
sehr selten zu sehen bekam, nicht beobachtet. Die Ver-
wachsung bildete sieh in der Weise, dass anfangs mur eise
röthliche Schleimhautgesohwulst zwischen den StimmUa-
dem an der yordem Commissur bestand ; diese Oeschwibt
war an die Bänder der Stimmbänder festgeheftet nnd giig
in die unterhalb der Glottis Hegende Sohleiniihaiit aa der
hintern Fläche des Schildknorpels gldehmässig fiber. Ii
dem Maasse , als sie sieh mehr nach hinten längs der
Stimmbaadränder ausbreitete, wnrde ihre Farbe bbwer
und zuletzt der der Stimmbänder ganz gleioh. Die lieB*
bran war nicht breit (sie hatte kaom die Breite eiaei
Stimmbandes), glatt an der Oberfläche, weiss, mit g^
ringer Gefässinjektion, am hintem Bande etwas eonesT,
bei der Intonation faltete sich die Membran, üeber des
weitem Verlauf hat H. kefaie Kenntniss erhatten.
Eine 32 J. alte Frau, die wiederholt aasyphilitisdieB
Affektionen, daranter syphilitische Affektion derNases-
knochen mit Perforation des Septom, gelitten hatte, wirde
vor 5 J. heiser, bekam Athembesehwerden bei lebhaften
Bewegungen und sehlflsslieh AnfäUe von DyspnSe !b der
Nacht« Schmerzen im Larynz, Husten und AxuwuH
waren nicht vorhanden gewesen, die Deglntitioa w
nicht erschwert. Die Glottis zeigte bei rahiger Bespii«-
tion die Form eines Ovoids mit dem spitaen Sode aaeh
vom, dem breiten nach hinten, von imeeflUir der bafliei
IV. Pathologie, Therapie u. medidmeche Eliiiik.
149
liage der nonnaleii Glottis. Eine Membran füllte den
saazen Baom zwiBohen denStimmbSndem an der vordern
Commiasor ans, von da an «ich längs des Bandes des
rechten Stimmbandes, mit einem concaven Rande naeb
innen so, über den Proc. Toealis und die innere Flache
der reehten Arytaena hinweg erstreckend und an der
innem Seite des linken Proc. vocalis sich verlierend,
naeh vom zn nngeßhr zwischen vorderem und mittlerem
Drittel unmittelbar in den Band des linken Stimmbandes
ibeisehend. Die Membran war welssUoh, sehnenartig,
wie das rechte Stimmband, dessen Band sich übrigens in
der ganzen Aosdehnnng an seiner Contonr deutlich er-
kennen Hess. Das linke Stimmband war etwas injicirt,
uiterhalb der Membran befand sich etwas Gfeschwoist der
Sehlelmhant, ebenso an der linken Aiytaena und der ent-
sprechenden Plica ary-epiglottica. Bei der Intonation
zeigte sich lebhafte Beweglichkeit der linken Arytaena
and des linken Stimmbandes, während die ganze rechte
Hilfle des Larynz fast ganz unbeweglich erschien, nur
das Taschenband schien sich etwas anzuspannen n. gegen
die MItteUinie hin etwas zn bewegen. Die Membran
fühlte sieh resistent an und schien nicht sehr dick zu sein.
Zur Operation, die mittels Galvanokaustik ausgeführt
werden sollte, kam es nicht, weil sich die Kr. durch die
Membran nach einiger Zelt nicht weiter gestört fühlte.
Ein 24 J. altes unverheirathetes Frauenzimmer, mit
Narben an den Schienbeinen, einer bedeutenden Ver-
dieknng des rechten Oberarmknochens und Schwellang
der reehten Achseldrüsen behaftet, zeigte Geschwulst und
BSthe der Schleimhaut über beiden Arjrtaenen und Ver-
waehsnng der Stimmbänder an der vordem Commissur
bis etwa zur Grenze zwischen vorderem und mittlerem
Drittel. Die Verwachsung bestand aus keiner eigent-
lichen Membran, sondern es sah aus, als ob die B^der
der tojicirten und merkwürdig breit erscheinenden Stimm-
bänder znsammengel5thet wären; in der Mittellinie zeigte
sich eine schwache Furche. Ulceration und Narbenbil-
dnng war nicht siebtbar, die obere Fläche der Verwach-
sungsstelle erschien vollständig glatt. Die Bewegungen
der Stimmbänder waren etwas trage, aber gleich anf bei-
den Seiten. Mit einem geknöpften Messer wurden wie-
derholt kleine Incisionen an der Stelle, wo die Verwach-
sung begann, nach der vordem Commissur zu gemacht
und danach Erweiterang mit Sonden angewendet. Auf
diese Welse gelang es, die Verwachsung bis ungefähr zur
Hilfle zu trennen und die Stimme, die vorher rauh und
heiser gewesen war, wesentlich zu bessern. Das gewon-
nene Besnltat blieb, wie sich H. durch spätere Untere
snchungen fiberzeugte, unverändert.
In emem weitem von H a s 1 u n d mitgetheilten
FaUe betraf dieNarbenbildiiDg zwar nicht den Kehl-
kopf selbst, Bondern den Pharynx, aber sie befand
sich doch nngefilbr in der Höhe des Kehlkopfes und
hinderte den freien Durchtritt der Luft.
Die 82 J. alte syphilitische Kr. litt seit ungefäBr
1 Jahre an Schlingbeschwerden und Schmerzen beim
Spreehen, sie war vollständig aphonisch und die Bespira-
tion war lirmend, sowohl bei der Inspiration , als auch
bei der sehr langgezogenen Exspiration. Ausser ver-
sehiedenen Narben im Bachen und einer Verwachsung
des welchen Gaumens mit der hintern Bachen wand, fand
sich in der Höhe des Kehlkopfs eine dlapbragmaartige
Membran ausgespannt, die nur in der Mitte eine ovale
Oeibiang von lange noch nicht 1 Ctmtr. Durchmesser
hatte ; die Bänder der Oeißiung waren glatt und narbig,
wie die Oberflache der Membran. Mit dem gedeckten
Messer wurden mehrere Einstiche, bei denen man in dem
troekaen und harten Gewebe bedeutenden Widerstand
fimdy gemacht und danach mit Höllenstein geätzt. Es ge-
lang ailm&llg, die Oefftoung so zu erweitern, dass das
SeUingen keine Beschwerde mehr machte und man den
ganzen Kehlkopf, an dem sich nichts Krankhaftes zeigte,
ibeneben konnte.
H. hält diesen Fall für ein Unicum^ das ist er
zwar nicht, aber jedenfalls gehört er zu den Selten-
heiten. Sc hoch (Deutsches Arch. f. klin. Chir.
XVn. p. 259. 1875 — Jahrbb. CLXK. p. 254),
Gerhard (Virchow's Arch. XXI. p. 40), Tren-
delenburg (Arch. f. klin. Chir. XIII. p. 372. —
Jahrbb. CLIU. p. 192), Schrötter (Jahresber.
d. Klin. f. Laryngosk. 1870. S. 66. — Jahrbb.
CLXIX. p. 255), Martini (Jahrbb. CXI. p.203),
Zimmer (Inaug.-Diss. Leipzig 1868), Fiedler
(Jahrbb. CL. p. 294), West (Jahrbb. CLXIX.
p. 257), Catti (Jahrbb. CLXIX. p. 256), To-
bold (Daselbst), Langreuter (Deutsches Arch.
f. kUn. Med. XXVII. 3 u. 4. p. 328. 1880. —
Jahrbb. CLXXXIX. p. 143) and Gilbart Smith
und Wal sh am (Med. Times and 6az. April 24.
1880. — Jahrbb. CLXXXIX. p. 144) haben ganz
gleiche oder sehr ähnliche Fälle mitgetheilt nnd auch
der folgende von Dr. 0. Heinze in Leipzig (Wien,
med. Presse XXI. 44. 1880) mitgetheilte , noch in
anderer Beziehung höchst interessante Fall bietet
eine ganz ähnliche Art von Narbenstenose oberhalb
des Kehlkopfs dar.
Eine 51 J. alte Frau, die im 18. Lebensjahre syplii-
litiscli infldrt worden war, aber nie allgemeine Ersohei-
nnngen von Lnes gebabt haben wollte , litt seit längerer
Zeit an Athembeseh werden . die stetig zunahmen. Die
Kespiration zeigte stenotischen Charakter, stärker bei der
deutlich verlängerten Exspiration und bei raschem Be-
wegungen. Der linke hintere Gaumenbogen stand tiefer
und war breiter aU der rechte, er erschien als eine etwa
2 Ctmtr. breite, straff gerade nach unten gespannte blass-
r5thliche Membran ; der viel kürzere rechte Gaumenbogen
war durch Narbenstränge nach der Mitte und nach links
verzogen. Die rechte Tonsille fehlte, an ihrer Stelle be-
fanden sich weiss glänzende Narben , die linke war nur
noch in Besten vorhanden. An der hintern Pharynxwand
verliefen nach nuten zn verschieden dicke, rothe, stellen-
weise oberflächlich exulcerirte Stränge, die nach unten
zn immer dicker und breiter wurden , allmälig von der
Pharynxwand nach vorn zu abtraten und sich mit andern
rechts vom Zungenrficken, links von der Epiglottls nach
hinten nnd unten verlaufenden Strängen vereinigten, un-
gefähr in der Höhe, in der sich unter normalen Verhält-
nissen die aufgerichtete Epiglottls befindet. Die ^unmt-
liohen Stränge begrenzten eine nahezu dreieckige, trichter-
förmige Oeftanng, deren grdsster Durchmesser ungefähr
1 Ctmtr. betrug, so dass die Oeffnung, die einzige zum
Oesophagus nnd zum Kehlkopfeingange führende, mit der
Spitze eines kleinen Fingers vollständig verschlossen wer-
den konnte. Durch diese Oeflbnng inspirirte u. schluckte
die Pat., letzteres ohne Jede Beschwerde. Die Epiglottls
war eigenthümlioh verkrüppelt und halb dachartig, halb
hufeisenfömig gekrfimmt, die linke Hälfte schmal, dünn,
blass, steil naeh links und abwärts abfallend mit abge-
Aressenem vordem Eande und durch die Sohleimhant
durchschimmerndem Knorpel. In der Mitte der Epiglottls
zeigte der vordere Rand eine starke Einbuchtung, offen-
bar durch Ulceration mit Substanzverlust entstanden.
Die rechte Hälfte der Epiglottls war stark verdickt und
gerothet, mit einem grossen Gumma, dem ein kleineres
aufsass, auf der Zungenfläohe, mit dem seitlichen und
vordem Rande vollständig mit den erwähnten Strängen
und der hintern Pharynxwand verwachsen. Alles Ge-
schluckte glitt über die kleinere und dünne linke Hälfte
der Epiglottls hinweg. Tief unterhalb der linken Epi-
glottishälfte war undeutlich das unversehrt erscheinende
linke Stimmband sichtbar, sonst nichts weiter vom
Laiynx.
150
IV. Pathologie^ Therapie u. medioinisohe Klinik.
Mittels Galvanokaustik dorohtrennte H. zonächst die
BammtUchenvomZuDfifeDgruiide nach der Epiglottis gehen-
den Stränge, zerstörte dann das Gumma und allmälig
auch den kreisförmigen Strang, der den linken und zum
Theil den hintern Rand bildete. Schon nach der ersten Ope-
rationssitzung hörte das stenotische Athmen auf. SchlQss-
lieh war nur noch, wie es schien, ein kurzer Narben-
strang zu durchtrennen. Während vorher bei der Ope-
ration fast gar keine Blutung aufgetreten war, entstand
dabei plötzlich eine unverkennbar arterielle Blutung,
ohne dass es möglich war , die blutende Stelle oder das
blutende Gefäss selbst zu erkennen. Compression stillte
die Blutung nicht ganz, die Er. bekam Ohnmachtsanwand-
lungen. Erst nach Verlauf einer Stunde wurde es mög-
lich, die nöthige Hülfe zur Unterbindung der Carotis
herbeizuschaffen, die von Geh. Med.-R. T hier seh aus-
geführt wurde. Nach Vollendung der Operation stand
die Blutung sofort, eine Nachblutung trat nicht ein.
Die Quelle der Blutung liess sich nicht mit Sicher-
heit ermitteln, am wahrscheinlichsten ist es, dass die
Art. laryngea sup., dorch das Narbengewebe und
dessen starke Contraktion in den Bereich der Nar-
ben mit hineingezogen und, von ihrem gewöhnlichen
Verlaufe abgelenkt, direkt verletzt wurde.
J. D. Arnold (Arch.ofLaryngol. U. 3.p. 221.
1881) hat bei Behandlung der Larynxstenosen die
Dilatation mittels der von Schrötter (Beitrag
zur Behandlang der Larynxstenosen. Wien 1876.
W. BraumflUer. 8. III u. 47 S. mit eingedr. Holz-
schnitten) empfohlenen Katheter sehr zweckmässig
gefunden. Sie existiren in 12 verschiedenen Num-
mern, von denen Nr. I. am dünnsten ist (8 Mmtr.
von vorn nach hinten, 6 Mmtr. im seitlichen Durch-
messer), Nr. XII. am stärksten (20 Mmtr. von vom
nach hinten, 16 Mmtr. im seitlichen Durchmesser),
bei jeder dazwischen liegenden Nummer steigt der
Durchmesser von vom nach hinten um 1 Mmtr., der
seitliche nicht ganz um 1 Millimeter. Wenn die
Stenose so bedeutend ist, dass Nr. I. noch nicht hin-
durch gebracht werden kann, beginnt man mit ge-
wöhnlichen engÜBchen biegsamenEathetern. Arnold
räth, überhaupt in allen Fällen mit den gewöhnlichen
Kathetern zu beginnen , bis der Er. an deren Ein-
führnng gewöhnt ist, weil biegsame Eatheter besser
vertragen werden als starre. Zu Anfang reagirt der
Larynx ziemlich heftig gegen die Einführung , lernt
sie aber bald ertragen. Ein Einwurf, der gegen
das Liegenlassen dieses Instruments im Larynx er-
hoben worden ist, ist die Behauptung, dass dadurch
heftige Salivation erregt werde, Schrötter hat sie
aber nie in so hohem Grade beobachtet, dass sie ihn
von dieser Behandlungsweise hätte abschrecken kön-
nen ; wenn die Er. mit vornüber gebeugtem Kopf
und Oberkörper sitzen , wird der Ausflnss des Spei-
chels aus dem Munde bewirkt.
Wenn die Narbenbildung, welche die Stenose
bedingt , so breit aufsitzt und so fest ist , dass die
Dilatation allein nicht genügt , kann man mit dem
Messer oder dem Qalvanokanter nachhelfen und
direkt nach Ausführung der Einschnitte den Katheter
einführen. Kleine papilläre Hyperplasien am Rande
der Strikter beseitigt Voltolini mittels Galvano-
kaustik,
Auch für die Trachea ist der Katheterismos an-
wendbar, aber mit mehr Schwierigkeit verbunden;
Schrötter benutzt zu diesem Zwecke Eatiieter
mit einer doppelten Krümmung, emem lang gezogenen
S gleichend.
Dr. Sceparowski (Przeglad lekarski 14—
20. 1880. — Mon.-Schr. f. Ohkde. u. s. w. XV. 3.
p.54. 1881) hat das Schrötter 'sehe DiiatatioM-
verfahren in einer Reihe von Fällen mit bestem Er-
folge angewendet.
Dr. 0. Chiari (Mon.-Schr. f. Ohkde. n. 8. v.
XV. 7. p. 118. 119. 120. 1881) theilt mehrere
Fälle von syphilitischer Erkrankung des Larynx mit,
in denen die Katheterisation angewendet wurde.
Bei einem 44 J. alten Manne/ der wiederliolt to
S3rphiliti8chen Affektionon gelitten hatte , war die Kehl-
kopfschleimhaut bis auf die Epiglottis stark gerOthet,
beide Arytaenen fanden sich stark geschwollen, die rechte
ganz unbeweglich , die linke nur sehr wenig bewegfUeh,
die Taschenbänder waren geschwollen , hockrig , beide
•Stimmbänder sehr roth, verdickt, höckrig, uneben, voh
den Taschenbändem kaum zu unterscheiden, das linke
stand ganz nahe der Mittellinie, das rechte machte ov
eine sehr geringe Abduktion. In Folge dessen war die
Qlottis bis auf einen höchstens 2 Umtr. breiten, onregel-
mässig begrenzten, länglichen Spalt verengt. Die Athen-
noth war sehr gross. Da es nicht sicher war, ob die
Entzündung ganz abgelaufen war, wurde von der Kath^
terisatioo so lange Abstand genommen, bis durch aati-
syphilitische Behandlung (Inunktlonskur und JodkaUoB
innerlich) die Schwellung im Larynxeingange abgenoB-
men hatte; die Athemnoth hatte nicht naohgeUaMo,
wurde aber dann durch Katheterisation beseitigt.
Bei Einfbhmng des Katheters ist Vorsicht vor
Allem erforderlich , weil in F&llen , denen man es
von vornherein nicht ansehen kann, der Reiz dei
Katheters ernste Störungen hervorrufen kann.
In einem Falle von hochgradiger Narhenstenoie
des Kehlkopfs in Folge von Syphilis hatte Chiari
einen dünnen Katheter eingeführt; nach nngefthr
Vs Min. riss der Pat. den Katheter herans, wsrd«
blau im Gesicht und war dem Ersticken nahe. Er
erholte sich nach einigen Minuten ^ bekam aber io
kurzer Zeit wieder einen Erstickungsanfall u. wurde
schnell bewnsstlos und asphyktisch, so dass Ch. so-
fort die Tracheotomie ausführen musste.
Ferner räth Ch. die Vorsichtsmaassregel an^
Kr. mit sehr hochgradigen Stenosen nie ambulatorisch
zu behandeln. Denn während der ersten Zeit der
Dilatation , so lange das Lumen noch eng ist , kann
immer eingedickter Schleim, besonders in der Nacht,
Erstickungsgefahr bedingeni welche der Arzt dorch
den Katheter leicht behebt , der aber der allein ge-
lassene Kr. schnell erliegt.
Bei einem 6 3 J. alten syphilitischen Manne waren
alle Theile des Kehlkopfeingangs bis auf die Epi«
glottis durch kleinhöckeriges, weissliches Narben-
gewebe ersetzt, das an der Stelle der Glottis einen
unregelmässigen, gewundenen Spalt von hdohstens
2 Mmtr. Breite freiliess, nach vom zn lagen aber
die Ränder fest an einander. Die Einfilhraog der
Röhre ging gut von Statten nnd es wurde der Ka-
theter Nr. I. eingeführt, als der ti'otz Abratben aof
IV. Pathologie^ Therapie n. medicinische Klinik.
151
seiDen Wunsch ambulatorisch behandelte Er. aus-
blieb. Er war plötzlich in der Nacht gestorben.
Dr. Carlo Labus (Annali univers. Vol. 237.
p. 117. Agosto 1876) benutzt zur Erweiterung von
Laiynxstenosen nach vorausgegangener Tracheotomie
an beiden Enden abgerundete Cylinder aus Zinn
von verschiedener Weite^ die, an einem Katheter be-
festigt, in den Laryox eingeführt werden , mit
ihrem untern Ende durch eine in der Kanüle nach
oben zu angebrachte Oefifhung in diese hineinreichen
nnd an einer durch das Lumen der Trachealkanüle
geschobenen Klemmvorrichtung befestigt werden,
wShrend das Griffende des Katheters mit Fäden be-
festigt wird.
Nach W. Macneill Whistler (Arch. of La-
ryngol. II. 1. p. 23. 1881) ist Erfolg von der Dila-
tation bei syphilitischen Larynxstrikturen nur dann
SU erwarten, wenn es sich nicht um Narbendifforml-
titen und chronische Fibroide handelt. In solchen
Pillen ist nach ihm die Tracheotomie erforderlich,
mit der man nicht so lange warten soll, bis die Re-
spiration ernstlich gestört ist. Wh. empfiehlt über-
haupt die frühzeitige Tracheotomie, um das Blut zu
deearbonisiren und Reizung der Lunge zu vermeiden,
darauf aber zeitige Versuche, die Dilatation zu be-
wirken, um die krankhaften Processe zu vermeiden,
die vom Drucke der Kanüle oder von Extension in
den Lungen herstammen. Die ELanflle darf nicht zu
zeitig wieder entfernt werden.
J. Morris Ash (Arch. ofLaryngol. 1.1. p.62.
1880) theilt folgenden Fall von Stenose des Larynx
in Folge von syphilitischer Erkrankung mit, in wel-
chem die Tracheotomie ausgeführt und durch nach-
folgende Dilatation mit metallischen Sonden Heilung
erzielt wurde.
Bei der 36 J. alten Kr. fand sich im LaryoxeiDgange
Uffigebreitete Ulceration und derartige Deformation der
eatsprecheDden Larynitheile , dass diese kaum sn er-
kennen waren; die Epiglottis war ganz zerstört, die
Plicse aiy-epiglotticae waren verdickt und die Taschen-
bänder mit einander verwacbsen , so dass nur eine kaum
bohnengrosse Oeifnnng für den Durchgang der Luft übrig
blieb. DieDyspndewar so betrSohtliob, dass am 13. Dec.
1S76 die Tracheotomie ansgeffibrt werden mnsste. Am
5. Febr. 1877 wurden die Adbäsionen der Tasehenbander
mit einer Sonde so weit als möglieh getrennt. Danach
trat ausserordentliche Empfindlichkeit des Larynzeingan-
ges auf, so dass selbst auf die leiseste Berührung heftige
HnstenanfiUle folgten. Nach lokaler Anwendung von
Jodglyeerin wurde im Juni die allmälige Erweiterung
durch Einführung immer dickerer Metallsonden begonnen,
und zwar mit so gutem Erfolge, dass die Trachealkanüle
am 17. Oct. entfernt werden konnte. Am 16. Nov. fand
JL bei einer laryngoskopischen Untersuchung, dass beide
Sümmbänder bis auf einen kleinen Rest des rechten nach
vom zu zerstört waren, das Lumen des Kehlkopfs war
weit genug, um einen Einblick bis zum 3. Ringe in die
Trachea zu gestatten.
Whistler (Arch. of Laryngol. I. 4. p. 322.
1880. II. 1. p. 23. 1881) theilt 2 Fälle ausfür-
lieh mit, in denen er mit einem von ihm eigens
constrmrten Instrumente operirte , das zugleich als
Messer und als Dilatator wirkt. Es besteht aus
eiuem an einem mit der nöthigen Erttmmung ver-
sehenen Stiele befestigten mandelförmigen Dilatator,
in welchem ein Messer verborgen ist, das durch
Druck auf einen am Handgriff angebrachten Hebel
vorgeschoben wird. W h. rühmt an seinem Instru-
mente die Leichtigkeit der Einfbhrung und den Vor-
theil , den der Umstand bietet , da^ das Instrument
zugleich schneidet und dilatirt
Eine 31 Jahre alte verheirathete Frau hatte Im llfirz
1876 ausgedehnte syphilitische Geschwüre an der hintern
Rachenwand, der Larjrnx war noch gesund bis auf leichte
Schwellung der linken Arytaena. Nach Anwendung von
Jodkalinm heilte das Geschwür an der hintern Rachen-
wand , kehrte im Juni wieder und vernarbte wieder rasch
unter Anwendung von Jodkalinm. Am 21. Juni fand sich
eine Schwellung über der linken Arytaena, die jedoch
von der Rachen wand auszugehen schien; der Larynx
selbst war noch gesund. Am 21. Februar 1877 aber fand
sichRÖthnng und Schwellung der Epiglottis, Anschwellnng
und intensive Entzündung der Tasehenbander mit serpl-
ginöser Ulceration am vordem Theile und Röthnng, Ver-
dickung und Unbeweglichkeit der Stimmbänder, wodnrch
die Glottis bedeutend verengt und Dyspnoe verursacht
wurde ; die von der Rachenwand ausgehende Geschwulst
über der linken Arytaena hatte an Grösse zugenommen.
Unter innerlicher Anwendung von JodkaUnm nnd Inhala-
tion von Benzoedämpfen wurde Heilung erzielt. Am
30. März aber fand sich wieder intensive Röthung des
ganzen Larynzeinganges , so starke Schwellung beider
Taschenbänder, dass die vordere Hälfte der Glottis davon
ganz verdeckt wurde, nnd Oedem beider Arytaenen.
Antisyphilitische Behandlung blieb ohne Wirkung auf die
Eehlkopfaffektion ; am 19. Juni war das Kehlkopf lumen
fast ganz verschlossen und wegen Erstickungsgefahr
musste die Tracheotomie ausgeführt werden. Danach
nahm die Schwellung im Laiynz allmälig ab, aber es
hatte sich Adhäsion zwischen den Taschenbändem ge-
bildet. Durch Anwendung eines Dilatators, der aus 3
durch Umdrehung einer Schraube auseinander tretenden
Blättern bestand , wurde die Striktur erweitert , aber im
September hatte sie sich wieder gebildet und die Narbe
war so fest, dass Dihitation nichts mehr nützen konnte.
Nach Einschneiden der Narbe mittels des beschriebenen
Instruments am 3. Oct. 1877 konnte der Dilatator , der
an der dicksten Stelle 14 Mmtr. Durchmesser von hinten
nach vom nnd 8 Mmtr. seitlichen Durchmesser hatte , bis
in die Glottis geführt werden. Da die Kr. in der Folge
zu selten sich wieder vorstellte , konnte eine Wiederver-
einigung der Narbe nicht ganz verhütet werden und am
14. Nov. wurde ein neuer Einschnitt nöthig, der tiefer
als der erste gemacht wurde. Jetzt wurde Jeden 4. Tag
die Dilatation ausgeführt und der fernere Verlauf war
sehr günstig. Die Kr. trug die Trachealkanüle noch
lange, konnte aber auch athmen, wenn diese verschlossen
wurde , sie trug anfangs zeitweise , später immer einen
Kork in der Kanüle und im Dec. 1878 wurde diese ent-
fernt. Im Jannar 1880 befand sich die Kr. ganz wohl,
Narbencontraktion hatte sich nicht wieder gebildet ; die
Stimmbänder waren roth und etwas uneben , aber ihre
Bewegungen frei und die Glottis stand bei tiefer Inspira-
tion weit offen. Von der Trachealwunde war noch eine
kleine, nur für eine dünne Sonde durchgängige Fistel ge-
blieben.
Bei einem 33 J. alten Manne , der seit 1869 wieder-
holt an syphilitischen Affektionen, auch an larjmgitischen
Symptomen, gelitten hatte, fand Wh. am 6. Oct. 1876
Hyperämie des Larynxeinganges mit Röthnng und Schwel-
lung der Stimmbänder , aber keine Ulceration. Im April
1878 war R5thung des ganzen Larynxeingangs , Schwel-
lung der Epiglottis und der Taschenbänder und Ulceration
an letztern und den Stimmbändern vorhanden ; die Ab-
dnktion der Stimmbänder war vermindert nnd die Glottis
verengt. Wegen zunehmender Dyspnoe musste am 22. Mai
die Tracheotomie ausgeführt werden. Am 3. Juni waren
152
IV. Pathologie, Therapie n. medioiniflche Klinik.
die Taschenbander noch immer tief ulcerirt und so ge-
schwollen, dass sie am vordernTheile Iceinen tiefern Ein-
blick in den Larynx gestatteten. Unter fortgesetzter
antisjrphilitisoher Behandlung wurde allmälig Besserung
der Larynxaffektion erzielt. Am 17. Sept. waren zwar
die Geschwüre vernarbt, die Stimmbänder ^ber nach
vom zu verwachsen. Die Dnrchtrennung der Narbe wurde
am 27. Sept. mittels des schon erwähnten Instruments
ausgeführt und danach tägliche Dilatation vorgenommen.
Am 3. Nov. wurde der Kr. (mit der Traohealkanfile) ent-
lassen; die Kanüle wurde erst im Mai 1878 entfernt.
Noch im Frühjahr 1880 befand sich der Kr. ganz wohl,
an der vordem Commissur der Stimmbänder fand sich
noch etwas Verdickung , sie konnten aber genügend weit
von einander entfernt werden , um einen ungehinderten
Einblick in die Trachea zu gestatten.
B. Trachea und Bronchien.
Unter 3 Fällen von Trachealsyphilis , die Dr.
Albert Beger in Leipzig (Deutsches Arch. f.
klin. Med. XXIII. 5 u. 6. p. 608. 1879) beobach-
tete y von denen wir den einen , in dem sich keine
Stenose fand , bereits (Jahrbb. CXCII. p. 29) mit-
getheilt haben, waren in 2 Stenosen vorhanden. Der
1. Fall stammt aus der med. Abtheilang des Kran-
kenhauses in Leipzig.
Ein 33 J. alter Mann erkrankte unter den Erschei-
nungen einer akuten Bronchitis mit Verdacht aufPhthisis.
Der Auswurf war sehr reichlich und bestand aus gelblichen, ,
confluirenden , nicht fStid riechenden Massen (Schleim,
Eiterkorperchen, Epithelien und Detritus), elastische Fa-
sern waren darin nicht nachweisbar, einmal aber fand
sich ein Qewebsfetzen von der halben Grösse einer Linse,
der aus längs verlaufenden , breiten , seitlich stellenweise
zusammenhängenden eUstischen Fasern bestand, zwischen
denen überaU , stellenweise sehr zahlreiche , runde , wohl
erhaltene Keme , nirgends Zellen lagen ; später zeigte es
sieh ganz zweifellos , dass der Fetzen aus der syphUitisch
inflltrirten Trachealschleimhaut stammte. Das Gesicht
war in geringem Grade cyanotisch, das Athmen ange-
strengt , wie bei Emphysem , übrigens geräuschlos. Der
Kr. magerte ab, in der Unken Fossa suprach&vicularis
zeigte sich eine indolente Lymphdrüsengeschwnlst , sonst
waren nur die Leistendrüsen fühlbar. Es entwickelte sich
Pneumonie, zuerst des rechten, dann auch des linken
untern Lungenlappens. Die Respirationsfrequenz stieg,
die Respiration wurde sehr mühsam, aber nicht tönend,
BChlüssUch war das Ezspirium verlängert und Jede Ex-
sphratioB bestand aus mehreren Stössen, die sich wie
unterdrückter Husten anhörten; bei der Inspiration zeigte
sich Einziehung der hintem untem Zwischenrippenräume.
Der Kr. starb an Pneumonie.
Bei der Sektion fand sich Verschluckungspneumonie,
cylindrische Ektade der kleinen Bronchien , Schwellung
der Bronchialdrüsen, der Leistendrüsen u. einiger Retro-
peritonäaldrüsen , ausserdem am Penis eine hufeisenför-
mige, weissliche, ganz leicht erhabene Narbe, sonst kein
Zeichen von abgelaufener oder fHscher Syphilis , ausser
den noch zu erwähnenden. Der Kehlkopf erschien ge-
sund. Die Trachea war In der Gegend der Bifnrkation
verengt bis zu 2.8 Ctmtr. Umfang, während dieser im
obera Theile der Trachea 6.5 Ctmtr. betrag. Auch der
Anfangstheil der abgehenden Bronchien war verengt bis
zu 1.8 Ctmtr. Umfang (im weitem Verlaufe S Ctmtr. Um-
fang). Oberhalb der Verengung befand sich an der vor-
dem Wand der Trachea ein 4 Ctmtr. langer, durchschnitt-
lich 8 Ctmtr. breiter Substanzverlust , die ganze vordere
Wand der Trachea fehlte an dieser Stelle und es zeigte
sich ein meist Vs Ctmtr. tiefes Geschwür, aus dessen
Rande hier und da Blnorpelstüokchen hervorragten ; vom
obem Rande dieses Snbstanzverlustes ging eine IVs Ctmtr.
tiefe sinaöse Tasche ans. Der Grund des Defekts wurde
aum grössten Theile von rdthlichem, weichem Binde-
gewebe gebildet, am rechten Rande desselben, nemlieh
in der Mitte, zeigte sich eine schwärzliche St<^e im
Grande dicht vor dem angefressenen Trachealrtnde; am
untern Ende desselben fanden sich rechts schwäizKehe,
links weissliche rauhe Stellen. Letztere ergaben sieh all
obere Fläche einer kirschengrossen , unregelmässiges,
aber ziemlich scharf begrenzten , weisslich-gelben , ziem-
lich derben , von reichlichem Bindegewebe nmgelMiei
Einlagerang in dem Gewebe an der vordem Wand der
Trachea ; die schwärzlichen Stellen entspraehen uleem^
ten Lymphdrüsen. An der Bifhrkation fand sich ein 7
Mmtr. hohes , ringfSrmiges , nicht tief gehendes , aber
nach links hin doch bis auf eine melanotische Lymph-
drüse dringendes Geschwür, das einerseits mit dem Bab-
stanzverluste an der vordem Wand der Trachea, anderer-
seits mit einem Geschwür an der hintem Wand der Tra-
chea in Zusammenhang stand, das weniger tief war, als
das an der vordem Wand , aber doch die Wandung tot
volUKommen zerstört hatte. In der Umgebung der Qt-
schwüre war die Schleimhaut höckerig geschwellt nad
trübe. In den An£angstheilen der Bronchien fanden aieli,
mit den Geschwüren in der Trachea zusammenbäogead,
unregelmässige buchtige Ulcerationen.
Ausser der Einziehung an den untem hinten
Zwischenrippenräumen bei der Inspiration, die aber
auch bei andern Krankheitszuständen vorkoauot,
war während des Lebens kein charakteristiaehei
Symptom der Stenose vorhanden, die überhaupt zno
Grade der Stenose nicht im Verhältniss zu stehen
scheinen. In Vierling's Falle (vergl. Jahrbb.
CLXXIX. p. 242) waren die intensivsten Steuofl»-
erscheinungen vorhanden , obgleich der Umfang der
verengten Stelle viel mehr betrug (4.5 Ctmtr.) all
in dem von Beger mitgetheilten ; dagegen war die
Länge der verengten Stelle eine bedeutende vd
ausserdem ragten noch kleine Wnlstungen und Ntf-
benleisten in das Lumen der verengten Trachea her-
vor. In Gharnars Falle (vergl. Jahrbb. CIL
p. 100) fehlten die Stenosenerscheinnngen eine M
lang bei einem Umfange des durch eine 2.8 Ctmtr.
lange Narbe verengten Theiles der Trachea von 2.7
Centimetem. Indessen ist hierbei zu berdckächtigei}
dass nicht immer der bei der Sektion gefundene
Grad der Verengung dem während des Lebens be-
stehenden zu entsprechen braucht EntzOndliehe
Schwellung , namentlich Oedem der Schleimhant an
der verengten Stelle, kann die Stenose rasch ver-
mehren ; wenn die Schleimhaut an der betreffendea
Stelle rauh, gewulstet, mit Maschen versehen läj w
wird sich sehr leicht das Sekret daselbst festBeüen
und die Verengung vermehren. Oed^n und auf-
gelagerte Sekretmassen sind aber bei der Sektieo
nicht oder nur unvollkommen sichtbar. Das Zu-
standekommen der schweren eitrigen Bronehitifl i0
vorliegenden Falle, die als InitialencheiniiDg dfl
Trachealstenose fast nirgends sich erwähnt findet,
lässt sich durch den raschen Verlauf und die grosse
Ausdehnung und Tiefe der Geschwflre erkUien.
Von den stark secemirendenGeschwttisflächenl^eteD
sich Eiterzellen und selbst Qewebsfetzen ab, wniden
in die grossem und kleinern Bronchien adspirirt nod
bewirkten anfangs nur Entzündung, später aber, aj«
die Kräfte des Er. immer mehr abnahmen und die
Expektoration unvollkommen wurde, blieben diese
IV. Pathologie, Therapie u. medidnische Klinik.
153
OtfchwflrBaekrete und die in den Bronchien selbst
gebildeten Sekrete in den kleinsten u. am tiefsten ge-
legenen Bronchien liegen n. erzeugten, als Fremdkör-
per wirkend, die pneumonischen Herde in den untern
Lappen. B. hebt noch hervor, dass man dann, wenn
eine porulente Bronchitis ohne auffindbaren Qrund,
namentlich ohne phthisische £i*scheinnngen , auf-
fallend lange dauert und jeder Therapie trotzt, jeden-
falls sein Augenmerk auf die Trachea, in zweiter
Linie auf luätische Erkrankung derselben zu richten
habe. Im mitgetheilten Falle fand sich zwar ausser
der Narbe am Penis nichts fllr Lues Charakteristisches,
aber die Geschwüre in der Trachea trugen die un-
Terkennbarsten Kennzeichen des syphilitischen Ur-
i^nnigs.
Der 2. Fall (p. 618) kam auf der chirurgischen
Abtheilung des Krankenhauses zu Leipzig zur Beob-
achtung und betraf uncomplicirte Stenose beider
Hauptbronchien in Folge von syphilitischen Narben
bei ei^em schon früher an Syphilis behandelten
Fraaennmmer von 42 Jahren.
Im Aug. 1878 traten Hosten und Athembeschwerden
saf and letztere steigerten sich bis zu drohender Er-
8tickmig8gefahr. Bei der am 14. Nov. erfolgten Aufnahme
athmete die Kr., im Bette sitzend, mit lusserster An-
Btreagnng unter Znhfilfenahme aller aooessorischenAthem-
I mukeln ; die einzelnen Athemzüge waren sehr tief und
\ namentlieh die starlK verlängerte Inspiration von einem
lanten, tönenden, weithin hörbaren Stenosengeräasch be-
gleitet; die Exspiration war kürzer n. weniger behindert.
Im Bachen nnd Kehlkopf fanden sich alte geheilte De-
fekte , aber keine Geschwüre , die verengte Stelle in der
Trachea war nicht sichtbar. Nach der am 15. Nov. aus-
geführten Traeheotomie trat anfangs keine Besserung ein,
erst als eine l&ngere H^Ao'sche Kanüle, mit der man
übrigens auch nicht aof die Stenose stiess, eingelegt wor-
den war, athmete die Kr. etwas leichter und expektorirte
besser , doeh am 22. Nov. zeigte die Bespiiation wieder
genan den Stenosentypns wie vor der Traoheotomie.
Pnemnonie der beiden nntem Lappen entwickelte sich
ond die Kr. starb am 23. Nov. früh 1 Uhr an Lungen-
ödem.
Bei der Sektion fanden sich zahlreiche Narben im
Bachen und Kehlkopf, die Epiglottis fehlte ganz. Die
Sehleimliant des untern Theils des Kehlkopfs , der Tra-
diea nnd der grossem und kleinem Bronchien war mehr
oder weniger stark geschweUt und geröthet , an manchen
Stellen schiefergran u. missfarbig, unterhalb derTracheo-
tomiewunde und oberhalb der Bifurkation fanden sich
kleinere , bis auf den Knorpel gehende Snbstanzverluste.
Beide Hauptbronchien zeigten sich gleich nach ihrem Ab-
gang bedeutend verengt, der Unke kaum für einen Raben-
federkiel, der rechte kaum für einen Qansefederkiel
durchgängig; an diesen nur wenige Ifillimeter langen
stenotischen Stellen war die Wand verdickt und aus einer
derben bindegewebigen Masse gebildet, die Schleimhaut
stark geschwellt. Der vor den Stenosen liegende Theil
der Luftröhre und die hinter denselben liegenden Theile
der Bronchi waren etwas erweitert. In den Lungen
fimden sich Oedem und pneumonische Herde , im linken
untern Lappen neben einer geringen Anzahl fHscher milia-
rer, in Yerküsnng begrilTener Tuberkel im untern Theile
desselben eine nicht ganz günseeigrosse, fScfarigeCaverae
im obem TheUe , die mit einem Bronchus communioirte,
mit schleimig eitrigen Massen erfüllt nnd von schwarz-
töthliohem , missfarbigem Qewebe umschlossen war ; im
rechten Oberlappen fand sich eine gleiche Caverae von
BfAsaeaggdme. Ausserdem waren die Lymphdrüsen an
Med. Jabrbb. Bd. 192. Hft. 2.
der Zungenwurzel bis zu Wallnussgrösse geschwollen und
hämorrhagisch inflltrirt , eine derselben im Centram ver-
käst ; die Tibiae zeigten periostitische Verdickungen.
Eine Verengung der Bronchi wurde schon
während des Lebens vermnthet , weil man ziemlich
weit in die Trachea hinab sehen konnte ohne eine
Verengung zu entdecken; u. weil die lange Tracheal-
kanüle auf kein Hinderniss stiess. Der (allerdings
nur vorübergehende) Nutzen, den die Tracheotomie
gewahrte, ist nach B. darin zu sachen, dass der Weg,
den die Sputa zurückzulegen hatten , dadurch ver-
kürzt, die Expektoration erleichtert und dadurch die
Athemnoth vermindert wurde. Die Cavernen sind
nicht auf Sypbilis zurückzufahren , sondern nach B.
auf Fremdkörperpnenmonien , die zu Gangrän der
betreffenden Lungenpartien und danach znr Höhlen-
bildung geführt haben.
Oudin (Progr^s m^d. IX. 18. p. 345. 1881)
theilt einen Fall von Verengung der Trachea in Folge
von Syphilis mit , in dem Schwellung der Schleim-
haut die Stenose bedingte.
Der mit Ausnahme von Syphilis vorher stets gesunde
Kr. litt seit April 1880 an Husten, der immer ärger wurde ;
.. im August erschienen die ersten Erstickungsanfälle, die
indessen leichterer Art waren und rasch vorübergingen.
Der Husten wurde aber so schlimm, dass der Kr. sefaie
Beschäftigang aufgeben musste, Anfang October trat ein
fortwährendes Oppressionsgefühl auf der Brust auf und
Stenosenerscheinnngen nothigtendenKr., sich am 29. Oct.
im Hötel-Dieu aufnehmen zu lassen. Die Athemnoth war
sehr bedeutend, der Puls klein, das Gesicht blass , mit
Schweiss bedeckt, auch intensive Coraage vorhanden.
Trotz der ausgeführten Tracheotomie blieben die Erschei-
nungen unverändert; das Hinderniss musste also tiefer
unten in der Trachea liegen. Vorübergehend erfolgte
zwar einige Besserung, aber bald wieder Verschlimmerung
und der Kr. starb am 5. November.
Bei der Sektion fand man die umgebenden Drüsen
am untern Drittel der Trachea massig geschwollen , aber
die Trachea nicht comprimirend, im Innern der Trachea
indessen das Volumen derselben im untern Viertel , von
den Bronchis an 2 und 3 Ctmtr. nach oben fast bis zur
vollständigen Obliteration verengt durch beträchtliche
Schwellung der Schleimhaut, auf deren Oberfläche sich
zerstreut kleinere und grössere Ulcerationen zeigten ; in
der Tiefe solcher Ulcerationen fand sich theilweise blos-
gelegter nekrotischer Knorpel. Ausserdem erschien die
Schleimhaut an manchen Stellen durchsetzt von kleinen
subcutanen Fistelgängen, auf deren Grand sich kein blos-
gelegter Knorpel zeigte ; einer dieser Fistelgänge perfo-
rirte die Wandung der Trachea und führte in eine von
einem kleinen Oonkrement ausgehöhlte Drüse. In den
Bronchis wurde die Schleimhaut allmälig normal.
Einen Knocfienvorsprung in der Trachea, wahr-
scheinlich syphilitischen Ursprungs , beobachtete
Krishaber (Qaz. hebd. 2. S^r. X. 47. p. 746.
1878) bei einem Manne, der an Respirationsbe-
schwerden mit Cornage leichtern Grades bei Inspi-
ration und Exspiration schon seit 10 Jahren litt.
Die Stömng steigerte sich indessen nicht und war
nicht sobedentend, dass ein chimrglscher Eingriff
nöthig gewesen wäre.
Alexander Jacobson (Ueber Narbenstrik-
tnren im obem Abschnitte der Respirationswege
[Samml. klin. Vorträge, herausg. von R. Volkmann
20
154
V. Gynäkologie n. Pädiatrik.
Nr. 206; innere Med. Nr. 68.] Leipzig 1881. Breit-
kopf u. Härtel. S. 1819 flg.) hat 2 Fälle beobachtet,
von denen im ersten dieStriktur, durch Narben nach
Syphilis bedingt, vom 4. Tracheairinge nach auf-
wärts sich erstreckte und wegen Suffokationsanfällen
die Tracheotomia saperior gemacht wurde.
Nach der Tracheotomie waren die Athembe-
schwerden beseitigt und die Respiration war 17 Tage
lang ungestört ; dann wiederholte sich die Suffoka-
tion , die Exspiration war mit Pfeifen und Röcheln
verbunden, in den Lungen vernahm man Pfeifen und
Rasselgeräusche. Nach durch Ipecacuanha hervor-
gebrachtem Erbrechen wurde die Respiration freier
und der Husten Hess nach. Wiederholt kehrten Er-
stickungsanfillle wieder und in einem solchen colla-
bii-te die Pat. und starb , 43 Tage nach der Opera-
tion. Bei der Sektion fand sich ausser mehrfachen
Zeichen visceraler Syphilis eine Narbenstriktur der
Trachea, unterhalb der Tracheotomieöffhung gelegen ;
die Kanüle hatte nicht den untern Rand der Striktnr
erreichen können, die am 4. und 5. Tracheairinge
sass, 2Vs Ctmtr. lang war und das Lumen der Tra-
chea bis zum Umfange eines Gänsekiels verengt
hatte.
Bei dem 2. Er., der sich zur Zeit der Veröffent-
lichung noch in Behandlung befand, war die Striktur
in der Höhe des Ringknorpels.
J. D. A r n 0 1 d (Areh. of Laryngol. II. 3. p. 235.
1881) hat in einem Falle von Stenose der Trachea,
die durch Narbenmembran in Folge eines syphiliti-
schen Geschwürs bedingt war, mittels desEatheteris-
mos Heilang erzielt.
Im Juli 1879 fand A. bei dem Kr., der an Hosten
und Athembeflchwerden litt, ein Geschwur an der reehten
Wand der Trachea, offenbar syphilitischer Katur. Ende
Angnst stellte sich der Kr. wieder vor mit sehr heftiger
Dyspnoe, n. bei der Untenmehnng fiuid sieh eine Naitei-
membran, die so breit war, dass fast das gmnse LunieB
der Trachea von ihr aosgefÜUt wurde und nnr an der
linken Wand eine kleine Oeffiiang f3r den Durchgang der
Luft übrig gebUeben war. A. begann sofort mit der 2ii'
führnng des Katheters, die grosse Sdiwieilgkeit fi»A,
theils wegen der Enge der Oeffinong, theils weil diese so
weit vom Centmm der Trachea entfernt gelegen war,
dass sie schwer mit der Spitse des biegsamen Instrumen-
tes m treffen war. Neben der KatheterisaAioQ, woso la-
fangs nur gewohnUche Sonden verwendet worden, ätite
A. die Membran. Am 2. Dec. konnte er einen stamn
Katheter von der Stärke Nr. II einführen, am 4. Nr. XU,
am 6. Nr. IV, am 12. Nr. V mid am 15. Nr. TL Auf
seinen Wunsch wurde der Kr., snfrleden mit dem bis di-
hin erlangten Resultat, am 16. Deo. entlassen, mit der
Weisung, 2mal tfiglich einen Katheter Nr. VI einsnßb-
ren und sich sofort wieder einznsteUen, wenn er die
geringsten Athmungsbeschwerden bemerken soUte; bis
zur Zeit der Mittheilnng war diess indessen nicht ge-
schehen.
V. Gynäkologie und Padiatrik.
527. Zur Casuistik der STeabilduzigen an
den äussern weiblichen Genitalien; von Dr.
C. J. Müller. (Berl. klin. Wchnschr. XVIII. 31.
1881.)
Von den ans Dr. A. Martinas Praxis mitge-
theilten 8 Fällen geben wir hier nur Fall IV u. VII
wieder.
Der erstere Fall betrifit eine 49jähr. Fran,
welche 8mal geboren und 3mal — znletztTor 5 Jah-
ren — abortirt hatte. Vor 7 J. war nach einem
mit starkem Blutverlust verlaufenen Abortus an der
rechten Seite ihrer Genitalien eine kleine Geschwolst
bemerkbai' geworden, welche allmälig an Grösse zn-
nahm. Bei der Untersuchung zeigte sich an der
rechten grossen Schamlefze eine theilweise mit Haa-
ren bedeckte , etwas dunkel pigmentirte Geschwolst
von der Gestalt einer grossen Birne. Sie ftthlte sich
weich an, die Haut erschien geftssreich. Die Opera-
tion bestand in Abschnfirung mit einem Seidenfaden
an der Basis u. Abtragung mit dem Messer. Darauf
Aetznng der Wundfläche mit Liqu. ferr. sesquichlo-
rati. Nach 8 Tagen war die Ligatur abgefallen
und der Stumpf eingetrocknet.
Es lag mithm ein Molluscum pendulum vor,
dessen Länge 8 Ctmtr., dessen Umfang an der brei-
testen Stelle 8Vs Ctmtr. betrug. Die Fettzellen
zeigten sich bei mikroskopischer Betrachtung von
ausserordentlicher QrOsse.
Der andere Fall betrifft eine 24jähr. Fran,
welche 2mal , zuletzt im 7. Mon. geboren und seit
Monaten an der linken Seite der Vulva eine Ge-
schvnilst bemerkt hatte. Die Untersuchnng eiigab
eine pralle haselnussgrosse Geschwulst an der innen
Seite der kleinen Labien nach vom von der Ausmfin-
dungsstelle der BarthoUni'schen Drüsen. Drfickle
man auf die Geschwulst, so floss aus einer fllr eise
Sonde nicht durchgängigen Oeffhung gelber Eiter
ab. Schmerz war angeblich nie vorhanden gewes».
Es wurde die Cyste gespalten, der Balg mit der
Cooper^achen Soheere weggenommen and die staA
blutende Wunde durch Naht geschlossen. Die Hel-
lung ging ohne Eiterung von Statten.
Nach dem Ergebniss der mikroskopiseben Unter-
suchung ist es wahrscheinlkih, dass die Entwicklong
der Cyste von den BarihoKrdsehen Drüsen ans er-
folgt ist. (Höhne.)
528. Neue Behandlungsmethode derdoroh
Cervizstenose bedingten Menatmationflb»*
schwerden und der auf gleicher Uraaehe be-
ruhenden Sterilität; von Frot. F. Ahlfeld.
(Arch. f. Gynäkol. XVUL 2. p. 341. 1881.)
Die Molimina menstrualia haben zum Theä ihren
Grund in Cervikalstenosen. Die Erweiterung des
Gervikalkanals befriedigt ftlr die klinisehe Pnztfr
für Pat, denen ein Aufenthalt in einer E^linik nieht
möglich ist , empfiehlt A. ein von ihm seit 2 Jahren
geübtes Verfahren: die Behandlung mit Cervikil-
stiften. Letztere bestehen aus einem dorefabohrteB
olivenförmigen Knopf und einem ebenfaUa derUnge
V. Gynäkologie u. Pftdiatrik.
155
nach darchbohrteD Stiele. Sie sind ca. 5 Ctmtr.
(nach der beigefügten ZeichnaDg) lang und ausHart-
gommi gefertigt. Zar Behandlang gehört eine Serie
dieser Stifte, deren Knöpfe in ihren Darchmessem
Dach liillimetem gradairt sind ; Cervikalstift 4 hat
einen Knopf von 4 Mmtr. Dorchmesser.
Einige Tage vor Beginn der Beschwerden wird
die Pat mit der Sehultze^achen Sonde nntersacht,
der Grad der Stenose constatirt und dann ein der
Verengerang entsprechender Stift , nachdem ihm die
Biegung des Gebärmntterkanals gegeben worden ist,
mit einer Komzange hineingeschoben , während die
vordere Muttermandslippe mit einem Haken fixirt ist.
In der Regel wird der Stift binnen 24 Std. heraus-
getrieben, ohne nennenswerthe Schmerzen. Es glückt
DOD, wenn die Pat. nach der Austreibung des Stiftes
oder nach 3 Tagen wiederkommt , meist, einen 2
Mmtr. starkem Stift einzufahren und man kann auf
diese Weise eine beliebige Erweiterung des Innern
Muttermunds erzielen. Fflr die bevorstehende Men-
itnation ist der Erfolg fast immer auffallend.
Ebenso verfährt A., wenn er in der Cervikal-
stenose die Ursache fflr die Sterilität sieht , ü. zwar
wlhlt er dieselbe Zeit. Unangenehme Zuftlle wur-
den nicht beobachtet ; am Tage des Einlegens treten
bisweilen geringe Blutungen ein , nicht selten ante-
poDirt die Menstruation. Auch bei Flexionsstenosen
bat Vf. gflnstige Erfolge mit den (genannten) Stiften
erzielt; hier lässt er die Knöpfe mehr walzenförmig
machen. (Bnrckhardt, Bremen.)
529. Ein Fall von Molenaohwangerschaft ;
?0D Dr. L e d e t s c h in Gablonz a. N. (Prager med.
Wchnschr. 14. 1880.)
Bei einer 20Jähr. gesunden Frau waren seit Mitte
Febniar 1879 die Menses ausgeblieben. Sie hielt sich
desludb im Monat März für schwanger. Diese Ansicht
wurde auch durch Eintritt von Uebelkeit und Erbrechen,
welches 4 Wochen dauerte , bestätigt. Nach Aufhören
des Erbrechens be£uid sich die Frau bis Anfang Jani
wieder Yöllig wohl. Von Jetzt an aber bemerkte dieselbe
einen geringen Abgang von wässerigem Blute, der nach
Liegen im Bett wieder verschwand, Jedoch nach einiger
Zeit etwas stärker wieder hervortrat. Vf. fand die Brüste
angeschwollen und mit sogen. Sohwangersohaftsnarben
▼ersehen, die ebenfalls an der untern Banchgegend be-
standen. Eine Geschwulst über der Symphyse war nicht
>a ffihlen. Bei der innem Untersuchung Ende Juni fand
sieh die Yaginalportion verkürzt, der Muttermund rnnd-
Heh ttod geschlossen. Im Juli war ein Tumor über der
Symphyse zu bemerken, die vordere Scheiden wand etwas
Iieryoigewölbt. Die Frau befand sich übrigens zur Zeit
Kuu wohl und hatten anch die Blutungen ganz aufgehört.
Unter solchen Umständen war eine Schwangerschaft an-
»inehmen, welche etwa Anfang März begonnen hatte.
AnfiEUlend blieb es Jedoch, dass der Uterus auch Ende
Angnst nooh keine Zunahme erkennen lless. Ebenso
waren in der folgenden Zeit Eindesbewegnngen nicht ge-
Hihlt worden. Ende October trat wieder Abgang von
rtthfichgelber Flüssigkeit ein, während der Uterus wieder
platter geworden war. Das Allgemeinbeflnden blieb immer
gat. j^Q November erfolgte geringer Blntabgang und
^ Tage darauf traten starke Wehen ehi, die 4 Std. währ-
jen. Ans dem Muttermunde hing eine fleischige Masse
wrans, bald wurde ein eiförmiges fleischiges Gebilde aus-
MoMen, ohne dass eine Blutung nachfolgte. Das Ge-
bilde war in der That eine Fleischmole, wie Vf. vorher
bereits angenommen hatte. Ein Embryo war nicht zu
finden. Die Frau überstand Alles sehr gut.
Als bemerkenswerth hebt Vf. das gute Befinden
während der Schwangerschaft, das Fehlen von Blu-
tungen und die lange Dauer des Verbleibens des
degenerirten Eies im Uterus hervor. (Höhne.)
530. lieber Indikationen zum künstliohen
Abortus und über Ausführung desselben ; von
Prof. F. Ahlfeld. (Ärch. f. Gynäkol. XVIII. 2.
p. 307. 1881.)
A. sagt in seinem in der Ges. für Geburtsh. zu
Leipzig gehaltenen Vortrag, dass die Ansichten
über die Indikationen zum künstlichen Abortus noch
weit auseinander gehen, weil die ethische Seite dabei
stark in den Vordergrund tritt; in Deutschland
herrschen hierüber durchweg strengere Ansichten.
Die Indikationen sind mehr eingeschränkt worden,
weil man weiss, dass die Besserung nach Ausstossung
der Frucht bei Uterovaginal-Carcinom, bei Herz- und
Lungenerkrankungen, bei Tuberkulose u. s. w. nur
eine scheinbare ist, und weil man das gesunde Kind
nicht mehr der unheilbar kranken Mutter opfert.
Bei absoluter Beckenenge würde A. den künstlichen
Abortus nm* dann ausführen, wenn die Schwangere
bisher absolut keine Kenntniss von ihrem Gebär-
unvermögen hatte und nach Auseinandersetzung der
Sachlage sich für den Abortus entscheidet. Würde
dieselbe aber dann zum zweiten u. s. w. Male mit
dem gleichen Anliegen kommen, so würde er die
Ausführung verweigern. Im Ganzen scheint der
Anlass zum künstlichen Abortus sehr selten zu sein.
Wegen absoluten Gebärnnvermögens führte ihn A.
nie aus; in einem Falle von eingekeiltem Uterus-
fibrom wurde, nachdem die Geburt spontan begon-
nen, im 7. Monat die Sectio caesarea mit Erfolg ge-
macht. Anch perniciöse Anämie, Hämophilie, Retro-
flexio uteri gi*avidi machten den artificiellen Abortus
nie nöthig, dagegen wurde er in 3 Fällen von sogen,
unstillbarem Erbrechen in Frage genommen, aber
nicht ausgeführt u. in allen 3 Fällen wurden lebende
Kinder geboren. Der 3. Fall ist der interessanteste.
Eine wohlhabende Fabrikantenfrau hatte während
der ersten Gravidität an unstillbarem Erbrechen gelitten,
gebar aber normal ein lebendes Kind. Ohne sieh erholen
zu können, wurde sie bald wieder schwanger und im
2. Monat begann das Erbrechen mit PtyaüÜsmns und
hysterischen Krämpfen der heftigsten Art. Frau, Mann
und Verwandtschaft wünschten den künstlichen Abortus,
daher wurden die ärstlichen Verordnungen nur oberfläch-
lich ausgeführt. Pat. wurde In A.'s Klinik aufgenommen,
der retrovertirte Uterus in der Narkose reponirt und die
Diät entsprechend geregelt, da wiederholte Aetznngen
des Cervkialkanals erfolglos blieben. Flüssige und leicht
verdauliche Kost wurde, in horizontaler Lage eingenom-
men, behalten , oder wenigstens nur sehr spät and zum
kleinsten Theile ausgebrochen. Der Pat. fehlte aber
jede Energie, obgleich diese Methode Erfolg versprach,
sie liess sich allerhand Speisen zustecken und wurde ge-
legentlich ertappt. Da die Umgebung auf die hysterischen
Krämpfe nicht reagirte, so hörten dieselben fast ganz auf,
das Erbrechen dauerte aber fort und der Speichelflnss
wurde nur auf kurze Zeit durch Vermehrung der Barn-
156
y. Gynäkologie u. Pädiatrik.
sekretiOB vennindert. A.'b Behandlungsmethode war
nicht durchzufahren, Nahrung wurde genügend behalten
und daher Pat. entlassen. Nach einiger Zeit Hessen die
tetaniBchen Krämpfe nach , wie der Hausarzt berichtete,
Erbrechen und die grosse Hinfälligkeit blieben. Die
Krankheit eines Kindes brachte die Frau plötzlich auf die
Beine, sie blieb halbe Nächte bei ihm sitzen und wurde
bald frisch und kräftig, als das Kind genas. Das Er-
brechen bestand noch 8 Wochen vor der Geburt, yon wo
die Nachricht datirt.
Es scheint demnach auch das unstillbare Er-
brechen nur selten zum künstlichen Abortus Veran-
lassung zu geben und mehr zur exspektativen Be-
handlung aufzufordern. Ein werthvoUes Mittel ist
die Nahrungszufuhr in der horizontalen Lage und
der erste Theil der Verdauung in dieser Weise.
Nach A.'s Ansicht beruht die Wirkung dieser Vor-
schrift in einer Behinderung der durch Aufrichten
entstehenden Hirnanämie.
Ein Mal hat A. den künstlichen Abortus bei
einer auffallend starken Bydropsie ausgefQhrt. Die
akuU Nephritis bildet eine wesentliche Indikation
zum Abortus, denn für die Frucht ist die Aussicht,
lebensfähig geboren zu werden, sehr gering und die
Frau geht mit fortschreitender Schwangerschaft
immer grossem Gefahren entgegen.
Die Degeneration des Eies gab in einem Falle
die Veranlassung zur Unterbrechung der Schwanger-
schaft; es fanden wiederholt Blutungen statt und
Abgang älterer, zum Theil zersetzter Blutmassen,
wonach ein deutliches Eleinerwerden des Uterus
constatirt wurde. Die Frucht war frisch, Placenta
ausgedehnt degenerirt.
Interessant ist ein schwerer Fall von Chorea.
S. 0., 23 J. alt, wurde am 6.Dec. 1880 im 6. Monat
der Schwangerschaft im S^nkenhause aufgenommen. An
Veitstanz hat sie nie gelitten, im Jahre yorher aber an
Rheumatismus des linken Armes. Vor 3 Wochen be-
merkte sie ein abnormes Gefühl in dem Arme und
Zuckungen traten ein, an denen nach und nach alle Ex-
tremitäten, Gesicht und Rumpf sich betheiligten. Die
Sprache war durch die Zuckungen der Lippen und der
Gesichtsmuskeln erschwert. Die Chorea war eine auf-
fiftllend schwere, zeitweise waren die Zuckungen so be-
deutend, dassPat. aus dem Bett geschleudert wurde. Die
Sensibilität war firei, Harn- und Stuhlentleerung normal.
Bromkalium hatte nur vorübergehend Erfolg, die Krämpfe
nahmen zu, Bissverletzungen kamen vor, endlich folgte
allgemeine Erschöpfung. Am 11. Dec. wurde zur Er-
weiterung derCervix Laminaria eingeführt, unter grossen
Schwierigkeiten wegen der Krämpfe. Da am Abend eine
Besserung nicht eingetreten war, wurde ein elastischer
Katheter eingeschoben und um 2 Uhr Nachts das unver-
letzte Ei mit der Placenta ausgestossen. Die Zuckungen
blieben noch sehr heftig, nach Morphium trat Schlaf bis
gegen Morgen ein. Am 13. Dec. war der Zustand be-
deutend besser, die Chorea hatte zwar nicht aufgehört,
war aber viel milder. Im Liegen zeigten sich auch dann
noch die unfreiwilligen Bewegungen stärker als im Sitzen.
Allmälig besserte sich der Zustand, so dass Pat. am
28. Dec. geheilt entlassen werden konnte.
Dohrn hatte Gelegenheit^ bei frischer Osteo-
malacie den Abortus einzuleiten im 3. Monate der
Schwangerschaft.
Spiegelberg, Schröder und Fritsch
empfehlen die Zerstörung des Eies durch die Sonde ;
A. sucht, um den Abortus so gefahrlos als möglich
zu beenden, die Austreibung des Eies in toto zu be-
wirken, wie beim spontanen Abortus. Er legtPresB-
schwamm oder Laminaria ein und filgt, wennnÖÜiig,
die Eatheterisation hinzu.
In der sich anschliessenden Diskussion flünte
Leopold an, dass ihm in 2 Fällen die Rttokeulsge
nicht die gewünschten Dienste leistete; Fflrstaah
dagegen sehr guten Erfolg davon in einem sehr
schweren Fall von unstillbarem Erbrechen nndP^*
lismus höchsten Grades.
(Bnrckhardt, Bremen.)
531. Placenta praevia oomplioirt mit Quer-
läge und Nabelsohnurvorffldl; von Dr.Barabol
in Nfii-nberg. (Bayer, ftrztl. Intell.-Bl. XXVm. 40. |
1881.)
Am 29. Mftrz Nachts 11 Uhr wurde B. zu einer
6.-Gebärenden gerufen. Um 10 Uhr war angeb-
lich das Wasser abgegangen und die inzwischen an-
gekommene Hebamme hatte eine profuse Blatoog
und vor der Vulva Nabelschnursohlingen vorgefim-
den. B. fand die Blutung fast erloschen, die Nabel-
schnur sehr schwach pnlsirend, den Huttermuod fitft
vollständig erweitert, links über demselben die ge-
löste Placenta. Es bestand Querlage, Kopf lechts,
Rflcken hinten, rechter Arm vorliegend. Mittoli
vorsichtiger Extraktion am herabgeleiteten FiiBse
wurde ein fast ausgetragener todter Knabe entfent
Die Nabelschnur, lang und dOnn, zeigte maigioale
Insertion. Die Wöchnerin coUabirte, genas aber
unter entsprechender Behandlung.
Als unmittelbare Veranlassung sieht B. die bis
zum Tage der Geburt betriebene Feldarbeit an.
„Eine übergrosse Conceptionsfilhigkeit in Verbin-
dung mit Schlaffheit des Uterus^' hält er für das
ätiologische Moment fflr die Placenta praevia.
(Bnrckhardt, Bremen.)
532. Zur Behandlung der Steisslagen mit
der Schlinge ; von Dr. H. v. Weckbecker-
Sternefeld in München. (Arch. f. Gynftkol. XVIII.
2. p. 319. 1881.)
Für die im Becken stehenden Steisslagen em-
pfehlen die Lehrbücher rein manuelle Hülfe, die
Kopfzange, besonders construirte zangenförmige In-
strumente, den stumpfen Blaken und die Schlinge.
In der Münchener Gebftranstalt und geburtshülfiicheD
Poliklinik ist letztere eingeftthrt und von bestem Er-
folge begleitet. Allgemeine Anerkennung hat sie
nicht, weil die Anlegung Uebung verlangt und diess
hat die Anwendung von Hülfsapparaten herbeigef&brt.
Auch Vf. hat sich veranlasst gesehen, ^eine Vorrichtoog
in Anwendung zu ziehen, welche es unter Zohfllfe-
nähme der Vortheile der Röhre mit Vermeidung des
Mechanismus von Belloc ermöglichen soll, eine
Schlinge direkt in die Höhe der Hüftbeuge zu brin-
gen und durch eine ausserhalb des Gebnrtskanalfl
wirkende Kraft die Fortbewegung über die HOft-
beuge zu bewirken , indem die Richtung durch die
Form des obem Endes der Röhre unter Wegfall einer
V. Gynäkologie u. Pädiatnk.
nl
stark hakeDftnDigen Erflinmung bestimmt wird/'
YermittelBt dieses Instramentes wird die Schlinge
Aber den vordem kindlichen Oberschenkel gebracht
ond die Extraktion immer an beiden Enden der
Seblinge ansgtf&hrt. (Znm Verständniss des Appa-
ntes nnd dieser Manipalation vergleiche man das
OrigiDal mit seinen Abbildungen.) Die Schlinge ist
ein Bleiband.
Vf. rflhmt an sdnem Apparate Ein&chheit, Ab-
Ittitang störender Einflösse von Seiten der feuchten
Wdchiheile und die Unmöglichkeit, sich zu einem
BchDorförmlgen Strange zusammenzul^en. Eine
Bchftdliche Wirkung der Schlinge auf die Weichtheile
giebt er nicht zu. Die Brauchbarkeit dieses relativ
nngefilhrlichen HOlfsmittels glaubt er durch eine
E^ von Beobachtungen erwiesen.
Es folgen nun 12 ausführlich beschriebene Ge-
bortsftlle; wo die Beckenendlage mit der Schlinge
behandelt wurde. Die Häufigkeit der Beckenend-
Itgen scheint zu differiren, nach v. Schrenk's
Zoeanmienstellung betragen sie :
1.3% (-»1:77) nach Hegar, l.i9/o (-= 1:70)
naeii Schröder, 2.1 (— 1:47) nach Schrenk (bei
den Estinnen), 2.6o/o (» 1: 39) nach Bidder, I.80/0
(a 1 : 65) nach Heck er.
Die Mortalität der Kinder beträgt dabei nach
Becker 13.6%, Spiegelberg giebt über 200/0 an n.
Schrenk sogar 39.1%.
In den 12 Fällen Vfs. waren 3 Kinder todt
(1 macerirt) und 1 starb kurz nach der Geburt ; 8
Kinder wurden gesund entlassen^ ebenso alle Wöch-
nerinnen.
Was die Wirkung der Schlinge auf die kindli-
chen Theile betrifft, so fanden sich nach theilweise
ganz energischen Extraktionen 4mal tiefe Drucknar-
ben, 2mal oberflächliche Excoriationen , sonst nur
leichte Dmckspuren und Streifen. Knochenverletzun-
gen wurden in 3 Fällen beobachtet, Infraktion des
Homerus bei erschwerter Armlösung und zwei Frac-
toraefemoris. Fünf Mal ist Buptura perinaei verzeich-
net. Auf das Puerperium war die Extraktionsme-
tbode ohne Einfluss. (Burckhardt, Bremen.)
533. Mehrfache Bildung von Cysten des
Dannrohres und accessorisoher Qallenwege
als Gtoburtshindemiss^ nebst Bemerkungen über
(xngeborene Baucheyeten; von DDr.M. Sänger u.
A. Klopp. (Arch. f. Gynäkol. XVI. 3. p. 415.
1880.)
Die von Vff. mitgetheilte Beobachtung betiifit
eine weibliche^ 44 Ctmtr. lange Frucht, ungefähr
ans der 36. Woche. Bei der Geburt war der hoch-
gradig ausgedehnte Unterleib der Frucht stecken ge-
blieben und erst, nachdem durch kräftige Traktionen
die Bauchhöhle des Fötus gesprengt worden war,
geboren worden. Bei der Sektion fanden sich in
der Dnterleibshöhle 5 Cysten vor, durch welche die
kolossale Auftreibung des Leibes verursacht worden
war. Die grössten Cysten lagen in der rechten
Bauchseite.
Die grOsBte derselben war eben so gross , als der
Kopf des F5taB. Auf der Oberfläche derselben war eine
flache Ausbreitung von Lebersubstanz zu erkennen. Der
Stiel dieser Cyste fahrte nach der Gegend des Duode-
mum, zeigte anf dem Durohsohnitte 3 Lumina von ge-
fössartigen Kanälen. Der reichliche Cysteninhalt ent-
hielt Macin and GaUenfarbstoff. Die genanere Unter-
sachung zeigte, dass die Cystenwand selbst ans 2 Lamel-
len zusammengesetzt ist, deren innere nar aas dicht mit
einander verfilzten Bindegewebsfibrillen besteht, während
die äussere von lockerem, steUenweise wellenförmigem
Bindegewebe gebUdet wird. Erstere stellt die eigentliche
Cystenwand, letztere die peritonäale Serosa dar. Neben
der Insertion des Stieles der 1. Cyste lag nach dem Zwerch-
fell za eine zweite, ebenfalls mit einem Ueberzog von Le-
bergewebe; dieWandang dieser zweiten Cyste war bedeu-
tend dfinner und nicht in Lamellen za zerlegen. Schlag
man das über dem Stiel der ersten Cyste gelegene Netz
nach oben zurück, so gelangte man zur 3. Cyste, die mit
breitem Grande hinter dem Magen lag und einen Fortsatz
über die nach rechts sehende grosse Cnrvatur des Magens
hinanssendete. Die mikroskopische Untersuohung wies in
dieser wallnussgrossen, an der Innenfläche schleimhaut-
ähnlichen Cyste alle Merkmale sämmtlicher Schichten des
Darmkanals nach. Dasselbe gilt bei der 4. Cyste, die
unmittelbar neben der 3. lag, auf ihrer Oberfläche insel-
f5rmige Flecke von Lebersubstanz zeigte und von einer
etwa bohnengrossen 5. Cyste überlagert wurde, die den
2 letztem analog sich verhielt.
Die 5 Cysten zerfallen in 2 Gruppen, je nach-
dem die Struktur ihrer Wand der der Darmwand
gleicht (die 3 zuletzt beschriebenen Cysten) oder
nicht (die 2 zuerst erwähuten Cysten). Die 3
Darmcysten (Cystides intestinales), von denen 2 auf
ihrer Oberfläche Autlagerung von Lebergewebe zei-
gen y halten Vff. nicht für aus dem Meckerschen Di-
vertikel hervorgegangen , vielmehr glauben sie, dass
durch die Entwicklung der Cysten selbst, ebenso wie
eine völlige Zertheilung der Milzanlage in 16 Neben-
milzen, auch Absprengungen der Leberanlage statt-
fanden und 'sich so Nebenlebem bildeten mit Aus-
breitung des Lebergewebes auf der Wand der Cysten,
die sich also, ebenso wie die Leber, aus dem Duo-
denalabschnitte des Darmrohres entwickelt haben
mttssen. Die Abstammung der andern Cystengmppe
leiten Vff. von den Anlagen der Leber und der Gal-
lenwege ab. Die erste Cystengrnppe stellt also Ne-
benlebern ohne, die zweite solche mit Communika-
tion mit den Hauptgallenwegen dar. Nirgends ist
bisher die cystöse Degeneration abgeschnürter Par-
tien der Embryonalanlage von Leber und Gallen-
wegen, also von Nebenlebern mit Gallengängen oder
Gallenblasen, erwähnt worden. Vff. betonen daher
nochmals , dass sie die zuerst beschriebene Cyste fftr
eine Nebenleber ansehen, deren primitive Nebengal-
lenblase aus einem peripheren primitiven Gallengange
hervorgegangen und zu einem Hydrops cystidis fel-
leae entartet sei (Nebenleber-Gallenblasencyste), wäh-
rend der Ausgangspunkt der zweiten Cyste ein mehr
central gelegener wahrer Gallengang gewesen sei
(Nebenleber-Gallengangcyste). Muss die Entstehung
der Nebenlebern in die 3. bis 4. Embryonalwoche
verlegt werden, so kann die cystöse Degeneration der
aus den sich aushöhlenden, anfangs soliden Leber-
cylindem hervorgegangenen primitiven Nebengallen-
blasen erst nach dem 3. Monate, vor welchem ja
keine Gallensekretion eintritt, vor sich gehen.
168
V. Gynäkologie a. Pftdiatrik.
In Betreff der Behandlang derartiger Missbildon-
gen, bei denen ein Ascites bereits anter der Geburt
diagnosticirt werden müsste, rathen Vff. von den
,,Traktionen um jeden Preis'' ab und lenken die
Aufmerksamkeit auf die Panktion des Abdomen , be-
sonders bei bereits abgestorbener Frucht, oder auf
die Anlegung der Eephalotribe an den Bauch der-
selben. (Kor mann.)
534. Deoiduaretentioii , Deciduom, Ade«
noma uteri; von Prof. Kttstner in Jena. (Arch.
f. Gynäkol. XVm. 2. p. 252. 1881.)
Bei einer 42jähr. Frau, wurde im 3. Monat der
9. Schwangerschaft ein taubes Ei entfernt. Vier
Wochen später warde sie wegen profuser Blutungen
in die Klinik aufgenommen. Die ganze Cervix war
fflr einen Finger durchgängig ; derselbe ftahlte flache
Prominenzen mit glatter Oberfläche, welche mit
Schultzens LOffelzange entfernt wurden.
Vf. glaubt, da keine Blutungen vor der letzten
Schwangerschaft bestanden, diese Schleimhautex-
krescenzen als von der Gravidität herrtthrend betrach-
ten zu dürfen ; die Drüsen zeigten einen deutlich de-
cidaalen Bau. Die entfernten Gewebsstücke ent-
sprechen demnach einem Stück Schleimhaut, welches
kurze Zeit vorher zurDecidua hypertrophirt gewesen
war, sohlüsslich aber bei der Ausstossung des Eies
sitzengeblieben ist. Es hat auch als Decidna fnnk-
tionirt nnd den Chorionzottenköpfchen zur Aufnahme
gedient, was dieOhorionreste bewiesen, die sich noch
im Zusammenhange mit den Neubildungen vorfanden.
„Wir sehen sonach Vor uns die Umwandlung eines
sitzengebliebenen Dedduarestes in ein alle Charak-
tere der Lebensfl&higkeit tragendes Gewebe vom Bau
eines Schleimpolypen.'^ K. lässt Polypen aus orga-
nisirtem, lebensfilhigem Gewebe im Uterus, wenn sie
nach einem Abortus oder Geburt gefunden werden, nur
aus Deciduaresten, die mit der Unterlage in regem
Nutritionsverkehr stehen, entstehen, nur so „organi-
sire^' sich ein Placentarpolyp. Daher schlägt auch
K. den Namen Deciduom für die besprochene Neu-
bildung vor. (Burckhardt, Bremen .)
535. ITeber die Naht friaoher Dammrisse,
von Docent Dr. J. Veit in Berlin. (Deutsche med.
Wchnschr. VII. 20. 1881.)
Ueber die Vortheile, welche die sofortige Verei-
nigung der während der Entbindung entstandenen
Verletzangen, besonders der Dammrisse, gewährt,
ist man allgemein jetzt einig. Wenn sie trotzdem
nicht immer ausgeführt wird, so liegt diess an der
Complicirtheit des dazu nöthigen Apparates. Vf.
braucht nur eine krumme Nadel, Nadelhalter, Scheere
und Seide, weil er die Risse nicht glättet und alle
Nähte perinäal anlegt.
Die Neigung zur Heilung ist in dieser Gegend
nach der Geburt sehr gross, denn die stark peripher
ausgedehnte Scheide und der in die Länge gezogene
Damm ziehen sich wieder zusammen und diese Re-
aktion ist sehr stark, die nicht aUzueng aneinander
gelegten Nähte berühren sich oft schon nach ^gen
Tagen. In Folge dessen verschwinden auch die
kleinen Fetzen emer Perinäalruptnr, sowohl ohne
Stttur, als nach einer Damranaht, und die Ränder er-
scheinen linear. Die Glättung gab» Vf. in Folge
einer an einer Scheidenmptur gemachten Er&biUBg
auf. ' Bei einer jugendlichen Primipara riss der
Damm und die Scheide fast bis an die Portio; die
Wunde wurde mit zahlreichen tiefen und eberflielrii-
chen Nähten geschlossen. Am 2. Tage tot Fid«
ein und die perinäalen Soturen wurden gelöst, ohne
dass der Riss klaffte. Es wurde eine Infektion des
Uterus angenommen nnd derselbe darum irrigirt,aber
ohne Erfolg. Nach Entfernung der Scheideimlhte
klaffte der Riss und diphtheritisoher Belag zeigte
sich auf der ganzen Fläche. Am 6. Tage erfolgte
der Tod und die bei der |Sektion gefundene septiidie
Peritonitis musste auf die Wunde zurüd^efilhrt wer-
den. Bei der Tiefe des Douglas'schen Raumes ist
es ja auch erklärlich, dass hoch hinanf steigende
Scheidenrisse das Bauchfell leicht in Mitleideusehifl
ziehen. Wegen der Gefahr der Infektion des Damm-
risses sind alle tiefen Scheidennähte zu verwerfen,
um nicht ev. Infektionsherde zu verstecken.
Die Blutung erfordert keine Scheideonähte, son-
dern Umstechung. Auch die Möglichkeit der Nieht-
heilung oder die Bildung einer Mastdarmfistel bsn
nach Vf. tiefe Scheidennähte nicht rathsam erscheiaen
lassen, denn Rectal- und Yaginalsuturen dflrften sich
nicht berühren, da ein Aneinanderdrücken diener
beiden Organe leichter eine Communikation, wem
auch nur den tief einschneidenden Stichkanälen ent-
lang, befürchten lässt. Da Vf. die lineare Vereini-
gung der Scheide nicht ftlr nothwendig hält, so legt
er auch keine oberflächlichen Scheidennähto an, di
man auch vom Damm aus eine lineare Vereinigang
des Scheidenrisses bewirken kann. „Zu diesem
Zwecke näht Vf. bei einem tiefen Mastdarmscheiden-
riss stets derart, dass er unter 2proc. Carbolsäore-
irrigation auf dem Querbett die mit kräftig carboli-
sirter Seide veraehene Nadel nach Vereinigung der
Mastdannschleimhaut in gewöhnlicher Weise didit
hinter dem Frenulum auf dem Damm einsticht und
sie nun parallel mit dem Riss der Scheide ma gatf
wenig unter der Oberfläche entlang fahrt und erst
in der ^Spitze des Scheidenrisses heraustreten länt,
um sie dann analog auf der entgegengesetzten Seite
hernnterzufOhren. Ist diese wichtigste Naht ange-
legt, so legt Vf. die zweite tiefe etwal — iVjCtmtr.
von dieser entfernt, ihr absolut parallel an, und zwar
bis in die Tiefe des Risses. Dass nach dem Mist-
dann zu die Tiefe meist abnimmt, ist bekannt, daher
ist auch die Anlegung dieser Nähte einfacher. In
der Mitte zwischen dieser und dem Mastdannrapd
folgt dann die 3. Naht, die wiederum weniger tief
ist, weil eben der Riss wieder geringere Tiefe beafet.
Erst nach Anlegung aller tiefen Nähte knotet Vf.
und lässt nach Bedürfniss oberflächliche Danunnfthte
folgen. Ist die erste correkt angelegt, so liegen
auch die Scheidenwände Unear aneinander.'^
f
V. Öynikologie q. Pftdiatrik.
l&d
Complieirende Mafitdannrisse werden vorher durch
oberflächliche Nähte vereiDigt. Aach die Y-förmigen
Sitte sind anf diese Weise zu BchliesseD, bei ihnen
isl die Schetdenschleimhant za beiden Seiten der Co-
huDDa rogamm gerissen. Der zangenförmig vor-
ffipringende Lappen wird also ganz wie die kleineren
Fetsen behandelt.
In einem Falle fand Vf. einen vollständigen Mast-
dtfmseheidenriss und noch einen zweiten erheblich
I blutenden parallelen Scheldenriss ; letzterer wnrde
dordi zwei tiefe Sutoren geschlossen, die flbrige Ver-
letsEong dann in der eben angegebenen Weise behan-
delt Die Heilung erfolgte durch Prima-intentio.
Handelt es sich um das Weiterreissen einer In-
daioD, 80 werden beide geschlossen, ist aber ausser
den Incisionen ein medianer Riss vorhanden, so ist
toent letzterer zu schliessen, jene nur dann , wenn
keine Spannung zu fürchten ist.
Sogar tief sitzende Scheidenrisse umsticht Vf.
vom Damm aus und in einem Falle verwandelte er
deo Scheidenriss erst m einen Dammscheidenriss
doreh Spaltung des Introltus.
Als Nähmaterial benutzt Vf. Seide, Catgut ist
seUeoht transportabel und schneidet beim Knoten
Idebt durch, Serres fines bieten keinen Vor&eil.
Narkose ist nicht nöthig, wenn sofort nach der Ent-
bindung genäht wird, da eme gewisse Anästhesie
bertebt, wflnschenswerth, wenn erst nach Stunden
dieSutuen angelegt werden. Wenn kein Fieber ein-
tritt, bleiben die Nähte 8—10 Tage Uegen.
(Burckhardt, Bremen.)
536. lieber Ernährung kleiner Kinder,
besonders im Säuglingsalier; von Dr. Ernst
Kormann in Coburg.
Wir geben hier eme weitere Zusanunenstellung
dordasso ausserordentlich wichtige Thema betref-
fenden Arbeiten , soweit sie in dem frOhem Artikel
(Jafarbb* CXC. p. 167) entweder nicht berücksichtigt
Verden konnten oder seitdem erschienen sind. Was
smäohst d«s Hanptnahrungsmittel in dem genannten
Lebensatter, die Milch, betrifft, so haben wir als
Nachtrag zn den von uns früher über die Unter-
nohong und Prüfung derselben gemachten Mitthei-
Imigen die mit eingehender Sachkenntniss veifasste
Himographie zu erwähnen, welche von Dr. phil. W.
Kirchner nnter dem Titel: Beiträge zur Kennt-'
*m der Kuhmilch und ihrer Bestandtheüe nach
dem gsgenwärtigen Standpunkte wissenschaftlicher
Forschung ^) veröffentlicht worden ist
Vf., weldier zum Meierei-Consulenten für die
Provinz Schleswig-Holstein und zum Vorstande der
nnlehwirthschaftllchen Versuchsstation zu Kiel beru-
fen wnrde, hebt bei Darlegung der Entstehung der
Kuhmilch zuvOrderst hervor, dass fettarmes Futter
fettarme Milch liefert und umgekehrt (Stohmann,
Kühn u. A.), während beim Fleischfresser die
<) Dresden 1877. Sohdnfeld. 8. 98 S. (S Ifk.)
meiste u. fetteste Ifileh bei ausschliesslicher Fleisch-
nahrnng erzeugt wird (Ssnbotin). Trotzdem
kann man aber im Allgemeinen durch verändertes
Futter nicht oder wenigstens nur in sehr geringem
Maasse auf die Zusammensetzung der Milch einwir-
ken. Denn es concurriren bei der Bildung der Milch
2 Vorgänge, die Degeneration (Zerfall) der Drüaen-
zellen in zum Theil der Milch eigenthttmliche Sub-
stanzen (Fett, Casein, Zucker und Aschebestand-
theile) und die Diffusion aus dem Blute (Albumin
und Wassei*). Hierauf wendet sich Vf. zu den Be-
standtheilen der Milch und führt zuerst durch , dass
das Casein kein Alkalialbuminat ist, sondern dass
das Casem, um das ihm eigenthümliche Verhalten in
frischer Milch sowohl als gegen Lab zu zeigen , des
phosphorsauren Kalkes bedarf. Es findet sich in
der Milch in gequollenem Zustande, wird nicht durch
Kochen, wohl aber durch Säuren und Lab gefllllt,
durch letzteres in veränderter Form als Käse. Die
einschlägige reiche Literatur wird hierbei eingehend
gewürdigt und ist im Original einzusehen. Die Ge-
rinnung der Milch durch Labzusatz beruht nicht auf
Bildung von Milchsäure, sondern auf Coagulation
des Casein, das durch Säuren nur geMt wird, wie es
beim Sauerwerden der Milch (Umwandlung des Milch-
zuckers in Milchsäure) der Fall ist. In dem Casein
ist Nudein bestimmt nachgewiesen, weshalb Hoppe
undLubavin das Casein als Nucleoalbumin auf-
fassen. Mit dem Nuclem scheint der Phosphor or-
ganisch verbunden zu sein. Die Menge des Nudein
in den verschiedenen MUchsorten ist noch nicht be-
stimmt worden. Die Milch mit dem geringsten Nu-
cleingehalte müsste den höchsten Nährwerth besitzen
und umgekehrt. — Femer kommt in der Milch stets
Albumin vor ; es ist nicht durch Essigsäure Mbar,
wohl aber durch Hitze coagulirbar, identisch mit
dem Serumalbumin oder Eiweiss des Blutes. Eis
diffhndirt bei der MUchbildnng im Euter lediglich
aus dem Blute in die Drüsengänge. Es ist in der
Clolostrummilch am reichlichsten enthalten , weshalb
man den jungen Thleren diese erste Milch nicht ent-
ziehen soll. Ausser Casein und Albumin sind noch
andere Eiweisskörper in der Kuhmilch vorhanden
(Pepton, Albuminose, identisch mit dem Lakto-
protein, y,Ziger**, ein Gemenge von wenig Casein
und viel Albumin). — Das BuUerfett ist in den
mikroskopischen Milchkflgelchen enthalten , von de-
nen in 1 Ormm. Milch wdt über 80 enthalten sind.
Bei Winterfütterung enthält die Butter mehr feste,
im Sommer bei Grünfbtterung mdir flüssige Fette ;
auch ist im Butterfett Ledthin nachgewiesen. Den
grössten Theil der Butterfette bilden die Triglyceride
der Olein-, PaUnitin- und Stearinsäure. Je mehr
Olein zugegen ist, desto flüssiger, je mehr Palmitin
nnd Stearin, desto fester ist die Bntter. Das Ranzig-
werden der Butter beruht auf der Zersetzung der
Fette, aufFrdwerden flüchtiger Fettsäuren, wobei
das Olein am stärksten bethdligt ist. Ob die Milch-
kügelchen eine Hülle haben oder nicht , lässt sich
noch nicht endgiltig behaupten. Die 3 sich hier
160
V. Gynäkologie n. Pfldiatrik.
gegenüber stehenden Ansichten setzt Vf. eingehend
anseinander. Nach ihnen neigt man neuerdings zu
der Annahme, dass eine eigentliche CaseinhüUe nicht
vorhanden ist (Soxhlet); vielmehr sind die Kfl-
gelchen von einer Hülle von Milchsernm umgeben,
welches durch Flächenattraktion auf den Kügelchen
verdichtet ist. Beim Stehen der Milch steigen die
Bntterkügelchen nach oben (Rahm) , und zwar um
so schneller, je dünner die Milchschicht ist , in der
sie nach oben steigen müssen. Der bei höherer Tem-
peratur gebildete Rahm hat ein kleineres Volumen,
aber einen relativ höhern Fettgehalt. Bei niedriger
Temperatur wird also ein grösseres Rahmvolumen,
ein höheres Rahmgewicht, aber eine geringei*e Fett-
menge erzielt (Swartz'sches Eühlverfahren). —
Der Milchzucker (Laktine) bildet sich bei längerem
Stehen der Milch in Milchsäni'e um. Die Ursache
der Umsetzung des Milchzuckers ist ohne Zweifel das
Vorhandensein eines ungeformten Fermentes (Küh-
ne 's Enzym) in der Milch. Mit dem Steigen der
Temperatur wu'd die Umwandlung des Milchzuckers
beschleunigt, so lange nicht das müchsäurebildende
Ferment durch Hitze zerstört ist Bei der Umwand-
lung des Milchzuckers in Milchsäure wird ein gäh-
rungs&higer Zucker gebildet, auf dessen weiterer Um-
wandlung in Alkohol und Kohlensäure die Kumys-
bereitung beruht. — Die Aschebestandt/ieile (0.4 —
0.8%) enthalten vorzüglich phosphorsanren Kalk und
phosphors. Kali. Bei auaschliesslichem Futter mit
sehr kalireichen Stoffen (Klee) wird das gewöhnliche
Verhältniss des Kali zu Natron (gewöhnlich iVs —
2^3 Kali auf 1 Natron) in der Kuhmilch geändert.
— Von Müchgaaen findet sich hauptsächlich Koh-
lensäure, dann Sauerstoff und Stickstoff. — Es sol-
len auch Kroatin, Kreatinin, Leucin und Tyrosin in
der Milch gefunden worden sein, wahrscheinlich als
Zersetzungsprodukte von Eiweissstoffen der Milch.
W. S. Playfair giebt (Brit. med. Joarn. May 31.
1881) eine kurze Notiz über künstliche Frauenmilch, die
von der Aylesbary Dairy Company zu einem den der
besten Eindermilch (nnrsery milk) wenig übersteigenden
Preise hergesteUt wird. Die zn Grunde liegende Methode
der Behandlnng der KnhmUch war dem Vf. bereits vor
einigen Jahren von dem bekannten Chemiker Dr. Frank-
land mitgetheilt worden, der sie für eines seiner eigenen
Kinder, das krank war, anwandte. Seitdem hat PI.
einen ausgedehnten Qebranch davon in seiner Praxis ge-
macht. Die Zusammensetzung [auch die yerdanllchkeit
wegen des Kuhcaseins?] ist absolut identisch mit der der
Frauenmilch (human mUk), so dass durch ihre Verwen-
dung die Gefahren der künstlichen Ernährung (bottle-
feeding) der Kinder auf ein Minimum reducirt werden.
P 1. pflegt die Wärterinnen zu instmiren, die Milch zu
Hause nach Frankland 's Recept zu bereiten, aber die
allgemeine Verbreitung scheiterte an der Schwierigkeit
und Unbequemlichkeit ihrer Darstellung. Daher schlug
PI. der gen. Company die Bereitung vor, welche ihn bis
Jetzt sehr befriedigte, da die gewonnene Milch nur bis zur
richtigen Temperatur erwärmt zn werden braucht. Sie
übertrim: bei Weitem die Eselinnenmilch und dient be-
sonders fär Kinder, die nicht an die Brust gelegt werden
k5nnen. Leider hat PI. die Vorschrift znr Bereitung der
flragl. Milch nicht mitgetiieilt !
J.-A. Pabst verbreitet sich in einem langem
Artikel (Ann, d'Hyg. 3. S^r. VI. p. 56. [Nr. 31.]
Juillet 1881. — Rev. d»Hyg. III. 6. p. 502. 1881)
über die MilchfäUchungen zu Paris.
Eine gewisse Menge Knhmilch wird innerhalb der
Mauern dieser Stadt selbst produdrt nnd nm den Pnia
von 60—70 Centimes pro Liter [40—56 Pf.] veikanft.
Die grQsste Menge derselben kommt aber ans der Um-
gegend der Stadt, aus Entfernungen bis zu 80 u. lOOKilo-
Mtr. (Normandie nnd Brie), von wo die Milch in grotses,
30—50 Liter und mehr haltenden K&beln ans Wdssbleek
mit den Nachtzügen nach Paris gelangt, wo sie gegeo
3 Uhr Morgens in den Bahnhöfen eintrifft, dann per Wa^
bis gegen 6 Uhr Morgens zn den Kunden geschafft wirl.
Die per Bahn ankommende Miloh ist selten gewässert,
me Verfälschungen geschehen nicht vondenProducenteo,
sondern von Zwischenhändlern , die mit Verkfiofera m
Paris in Verbindung stehen. Der Zwischenhändler ent-
rahmt die Milch und setzt anstatt der Butter Mehl so,
sendet sodann das Falsifikat nach Paris, wo der Empfia-
ger sie wässert nnd dann verkauft. Andere Verfil-
schungsmethoden sind Zusätze von Oelarten, Snlpholeatea,
Malzmehl oder Hammelhim. AUe diese FÜschnngen
werden ausserhalb Paris vorgenommen. Inneriialb der
Stadt sind die häufigsten die Abrahmnng und die Wls-
semng. Die Milchhändler haben meist 2 Sorten : »reüie*
Milch mit Zusatz von 10—25% Wasser zn 50—60 Gen-
times pro Liter — nnd sogenannte Abendmilch (lait de b
veille) , die möglichst gründlich abgerahmt ist nnd so
30—40 Centimes verkauft wird. Endlich fügen noch die
Kntscher oder Milchjnngen gewöhnlich Wasser zn. Zn-
weüen wird auch condensirte Milch (Schweizer Fabrikat)
den französischen Produkten zugesetzt. Wegen des hohen
Zuckergehaltes kann man aber nicht mehr als 20 — 25%
einer mittels condensirter Miloh hergestellten Milch Aet
französischen Milch znsetzen; der Polarisationsappiiat
weist diese Fälschung sofort nach.
Für normale Verkaufsmilch (Mischnngsmilch eines
Euhstalles) stellt P. nach den bisherigen Analysen
der Autoren folgende Maxima und Minima ihrer Be-
standtheile zusammen: auf 1 Liter kommen Exlarakt
150—100 Grmm., Zucker 60—53.7, Butter 45—
40, Casein 50 — 36 und Asche 8—4 Gramm. Jede
Milch, die weniger Bestandtheile enthält, musa als
gewässert betrachtet werden. Die Untersachung
geht mit Mikroskop, Laktodensimeter and Lakto-
butyrometer vor. Haben unter dem Mikroskop die
Fettkügelchen einen gi'össern Durchmesser als 2 bis
10 Mlkro-Mmtr., so soll man auf Gegenwart von
öelen oder Sulpholeaten (Produkte der Einwirkung
der Schwefelsäure auf Oele, besonders Olivenöl)
untersuchen. Gleichzeitig findet man die Bestand-
theile von Mehl, Boden* oder Wurzelmehl (f<^le)
oder Hammelhim. Für das Laktodensimeter von
Bouchardat und Quevenne giebt P. folgende
Tabelle itlr reine und entrahmte Milch mit und ohne
Wasserznsatz, wobei er annimmt, dass die reine
Müch bei 15— IT^Temp. nie weniger als 30^ (d.h.
spec. Gew. «= 1.030) ergiebt, aber sofort himu'
fügt, dass zuweilen sehr fettreiche Milch 26<» (1.026)
wiegt.
Bei 15— 17<^ erglebt des Laktodensimeter bei:
Wassersusatz Reine Milch Abgerahmte Milefa
0 83—29 (26) 36.5—32.5
32.5—29
29--26
26—23
23—19
19—16 Gmde
•/..
29—86
V..
26—23
»/..
23—20
Vi.
20—17
V..
17—14
V. Gynäkologie a. Pädiatrik.
161
Für die yenchiedenea Temperaturen fögt P. folgende Gorrektionstabelle bei:
Beine Milch.
Abgerahmte Miloh.
Grade des
Laktoden-
6«
100
200
26«
6«
10«
20«
25»
simeter
15
—0.9
—0.6
+0.8
+1.8
—
—
—
20
—1.1
—0.7
+0.9
--1.9
—0.7
—0.6
+0.8
+1.7
22
—1.2
—0.7
+1.0
--2.1
—0.7
—0.6
4-0.8
+1.7
24
—1.2
—0.7
+1.0
--2.1
—0.9
—0.6
-i-0.8
+1.7
26
—1.3
—0.8
+1.1
--2.2
—1.0
—0.7
+0.8
+1.8
28
—1.4
—0.9
+1.2
--2.4
—1.0
—0.7
4-0.9
+1.9
30
—1.6
—1.0
+1.2
--2.6
—1.1
—0.7
+0.9
4-1.9
32
—1.7
—1.0
+1.3
--2.7
—1.1
—0.7
+1.0
+2.1
34
—1.9
—1.1
+1.3
+2.8
—1.2
—0.8
4-1.0
+2.2
Es hat also eine Milch, welche bei 5^ amLakto-
densimeter 26^ ergiebt, einen Abzug von 1.3 zu er-
fahren, zeigt also bei 15 — 11^ nor 24.7o, d. h. ein
spee. Gew. von 1.0247 an, ist also mit ^5 Wasser
versetzt.
Hieran schliesst sich die Untersuchung mit Mar-
chan d ' s Laktobutyrometer nach Zusatz bestimmter
Mengen einer Lösung von Kali cansticum (specGew.
»1.42) und absolutem Aether aus Alkohol von 86^
£ar Milch, die im Normalzustande 10 — 12^, d. h. einen
Oehalt von 36 — 40 Grmm. Butter im Liter, anzeigen
soll. — Eine complete Analyse erfordert ausserdem
die quantitative Bestimmung des Extraktes, des Ca-
sein, des Zuckers, der Butter, der Asche u. die Auf-
findung von Zusätzen (Borax oder Natr. bicarboni-
enm oder Salicylsänre zum Zwecke der Conservirung).
W^en der hier zu beachtenden Methoden müssen
wir auf das Original verweisen.
Bei der sehr lebhaften Diskussion, welche P.'s
Ifittheilung in der Soc.deM6d. publique veranlasste,
fragte zuerst Dr. Valiin, ob man Wasserzusatz zur
Ifileh von einer durch Fütterung sehr wasserreichen
Mikh nnterscheiden könne. Pabst bejaht diess
zwar in gewisser Beziehung durch Hinweis auf das
Extrakt, dessen Menge pro Tag durch die Nahrung
wenig verändert wird , obschon durch wasserreiche
Nahrung die tägliche Milchmenge vermehrt wird. Die
Grenze sei jedoch nicht anzugeben, da eine sehr was-
serreiche Milch für Nahrungszwecke stets als gewäs-
sert bezeichnet werden muss, gleichviel, ob das Wasser
der Milch zugesetzt oder in den Magen der Kuh ein-
geführt worden ist. — Ch. Girard betonte, dass
er Untersuchungen anstelle, um die von Valiin
angeregte Frage zu lösen, während Brouardel
behauptet, dass es jedem Oekonomen frei stehe,
seine Kflhe zu ernähren, wie er wolle; in Paris
pflege man den Kühen viel Salz zu geben, um sie
zum Saufen zu veranlassen. Eine Verfolgung der
Müehhändler sei aber nur dann möglich, wenn nach-
gewiesen wird, dass die Milch schädliche Stoffe ent-
hält. Desconst verlegt den Schwerpunkt bei der
Emfthrong der Säuglinge durch Kuhmilch auf die
sorgfiUtige Reinigung der Trink&tschen, deren man
mindestens 2 in Gebranch haben müsse, Pabst
liob jedoch die Schwierigkeit einer completen Rei-
idgung der Trinkflaschen hervor.
Med. Jahrbt). Bd. 192. Hft. 2.
Das Abrahmen der Milch und dessen Ge-
fahren in Bezug auf die künstliche Ernährung der
Kinder hat Prof. Alf r. H 0 n z ^ d e TA n l n 0 i t (Bull,
m^d. du Nord Nov. 1878. — Ann. d'Hyg. 3. S6r.
VL p. 78. [Nr. 31.] JuiUet 1881) eingehend be-
sprochen. Er geht dabei von dem Satze aus, dass
der menschliche Körper täglich eine gewisse Menge
von Stickstoff und Kohlenstoff verliert. Diesen Ver-
lust auszugleichen, vermögen die Milch und das Ei.
Entfernt man aber dm*ch das Abrahmen einen
wesentlichen Theil des Gehaltes an Kohlehydraten
der Milch, die Butter, so steigeii; man im genauen
Verhältnisse die Menge der plastischen Ernährungs-
stoffe (Casein, Albumin), als man die respiratorischen
Nährstoffe, also die Wärmeprodnktion , mindert.
Hieraus folgt eine Abkühlung des Organismus in
Folge des Mangels der zur Respiration nöthigenCom-
bustibilien. Da 3 Th. Rahm 1 Th. Butter gleichkom-
men, so muss, wenn die Milch zur Hälfte abgerahmt
ist, das Verhältniss der Butter in einem Liter Milch
von 35 auf 17V9Grmm. sinken, d. h. sie wird dann
7^/2 Grmm. Butter weniger enthalten, als die gleiche
Menge Frauenmilch (25 Gimm.), was um so schlim-
mer ist, da die Kuhmilch bereits einen Ueberschuss
von stickstoffhaltigen Nährstoffen (48.6 Grmm. Ca-
sein gegen 28.8 Grmm. in der Frauenmilch) hat.
Abgerahmte Milch kommt daher der Milch der
Frauen gleich, welche in Folge mangelhafter Er-
nährung oder Entbehrung eine fettarme und wasser-
reiche Milch erzeugen. Die Fettverarmnng der
Frauenmilch kann unter solchen Bedingungen 75%
des normalen Verhältnisses betragen. Wie aber
eine solche Milch zur Einährang eines Säuglings
unpassend ist, so ist es auch die abgerahmte Kuh-
milch. Das Abrahmen ist daher unter die Milch-
fälschungen zu rechnen, wie diess schon von nam-
haften französischen Hygieinikern (Payen 1865;
später von einer eigenen Commission von Sachverstän-
digen) geschehen ist. Auf der andern Seite aber
erwächst für die öffentlichen Wohlthätigkeits-Anstal-
ten die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass
die Kinder von Armen, welche ganz oder theilweise
künstlich ernährt werden, nur unabgerahmte Milch
erhalten.
Schlttsslich wollen wir hier noch kurz auf die
gut ausgearbeitete Instruktion zur Beschränkung
21
162
V. OynSkologie a. Pädiatrik.
des Betrugs beim Milchhandel aufmerksam macheD,
welche die Polizeipräfekivr zu Paris erlassen hat
(Ami. d'Hyg. 3. 8^r. VI. p. 84. [Nr. 31.] Juillet
1881). In 21 Sätzen sind die Forderungen formu-
lirt^ welche die Untersuchungsbeamten des städtischen
Laboratorium einzuhalten haben^ um die zahlreichen
Milchfälschungen zu constatiren. Femer enthält die
Instruktion eine Anweisung, wann und wie die zu
untersuchenden Milchproben abzunehmen, wie die
Listen über die Milchhändler zu führen, über welche
Punkte die Milchverkäufer zu befragen und endlich
in welcher Form und Menge und Zeit die abgenom-
menen Proben an das chemische Laboratorium ab-
zuftlhren sind.
H. Fauvel (Bull, de TAcad. 2. S^r. X. 29.
p. 918. 1881. — Ann. d'Hyg. 3. S^r. VL p. 83.
[Nr. 31.] Juillet 1881) führte im städt. Laboratorium
auf Anregung des Dr. Du Mesnil die Untersuchung
von Säuglingstrinkflaschen aus, welche Letzterer
aus einer Krippe flberbracht hatte. In allen Flaschen
hatte die Milch einen ekelhaften Geruch angenom-
men, ohne dass man die Gegenwart von Schwefel-
wasserstoff entdecken konnte. Die Milch war sauer,
halbgeronnen; unter dem Mikroskop waren die
Butterkügelchen missförmig, von birnenförmiger Ge-
stalt und in der Flüssigkeit waren zahlreiche, sehr
lebhaft sich bewegende Bakterien und spärliche
Vibrionen vorhanden. Die zum Saugen bestimmte
Eautschukröhre, die der Länge nach aufgeschnitten
wurde, enthielt stets coagulirte Milch und dieselben
Mikroorganismen, wie die Milch selbst. In dem
Saughütchen, welches das Ende der Eautschukröhre
bildete, fand sich stets eine mehr oder weniger
reichliche Anhäufung von Eryptogamen. Diese
Vegetationen erzeugten , wenn sie in Molken aus-
gesät wurden, nach einigen Tagen ovoide Zellen,
die sich zu Mycelien ausbildeten, deren Fruchtträger
F. jedoch noch nicht beobachten konnte. — In
Folge dieses Resultates wm*den die Trinkflaschen
aller Krippen von Paris untersucht. Unter 31 in
10 Krippen geprüften Flaschen enthielten 28
in dem Saugansatz und in der Kautschukröhre,
einige selbst in der Glasflasche die analogen Vege-
tationen. Mehrere dieser Apparate enthielten sie
noch in grosser Menge, nachdem sie sorgfältig ge-
waschen und also wieder „gebrauchsfähig'' gemacht
worden waren. In 2 sehr schlechten Flaschen fan-
den sich in der Kautschukröhre sogar Eiter- und
Blutkörperchen, als deren Ursache sich Erosionen in
der Mundhöhle der Kinder, denen sie gehörten, vor-
fanden. Es gelangt demnach der Speichel u. s. w.
des Säuglings in die Flaschen und kann dort die
ihm eigenen Feimente denen der Milch beimengen.
Das Sauerwerden der letztern ist wahrscheinlich Folge
der Bildung der Bakterien , deren Keime sich selbst
in gewaschenen Flaschen noch vorfanden. Wie gross
der Einfluss ist , welchen diese veränderte Milch auf
die Entwickelung von Darmleiden hat, welche so zahl-
reiche Opfer unter den künstlich ernährten Säuglingen
fordern, lässt F. vorläufig noch unentschieden.
Hieran reiht sich ein Artikel von Dr. E. Val-
iin über die Verunreinigung der Milch durch
krankhafte Keime (Rev. d'Hyg. III. 6. p. 457.
1881) mit Bezug auf die bekannten in den letzten
Jahren in England gemachten Erfahrungen hinsicht-
lich der Verbreitung von Typhus, Diphtherie und
akuten Exanthemen durch die Milch. Trotz der
Schwierigkeit , die ätiologischen Momente auf die
aus einer bestimmten Meierei stammende Milch zu
fixiren, müsse man diese Möglichkeit doch stets im
Auge behalten, da die Leichtigkeit bekannt ist, mit
welcher Kryptogamen u. s. w. sich in der Milch
zu entwickeln pflegen. Aus dem gleichen Grunde
stammt vielleicht die noch unbewiesene , auf dem
Lande verbreitete Annahme, dass die mit der Milch-
wirthschaft sich beschäftigenden Weiber zur Zeit
der Regeln nicht in die Milchkammern n. s. w. gehen
dürfen, weil sonst die Milch gerinnt. Leugnen kann
man das Faktum von vornherein nicht, da man
weiss, dass es genügt, wenn einige putride Keime in
die Luft kommen, um die Milch zur Fermentation
zu bringen. In inehrern sogen. Milchepidemien hat
man übrigens die Quelle der Verunreinigung der
Milch direkt nachzuweisen vermocht. Selff aner-
kennend spricht sich Valiin fübeat FauveTs Un-
tersuchungen aus, welche darthun, mit wdcher
Leichtigkeit die kleinsten Organismen sich in der
Milch vermehren können. Er erinnert an die ähn-
lichen Untersuchungen vonPasteur, Hessling
(1866) und M Osler (1868).
Während Fauvel sich in Bezug auf die Schäd-
lichkeit der Pilzbildungen f&r den kindlichen Orga-
nismus sehr reservirt aussprechen zu müssen glaubt,
hielt Descoustin derSoc. de mM. publique einen
Vortrag über die Wichtigkeit von eigenen Beobach-
tungen in Betreff der Milchemährung mit Flaschen,
die gegen jede Verunreinigung geschützt sind.
In Bezug auf die Ersatzmittel der Milch er-
wähnen wir zunächst eine Mittheilung von H. t.
Lieb ig (Bayr. ärztl. Intell.-Bl. XXVIÜ. 32. 1881]
über candensirte Milch und ihre Anwendung bei
solchen Säuglingen, welche beste Kuhmilch mit Auf-
wendung aller Vorsichtsmaassregeln zeitweise nicht
vertragen. Selbst das so leicht verdauliche lAebig*'
sehe Suppenextrakt wird nicht von allen Kindern
verti'agen. Als Beleg fährt v. L. einen Fall an, in
welchem das erste Kind einer Familie beiEmährong
mit Kindermehl und Kuhmilch 8 Wochen lang ge-
diehen war, dann aber eine Diarrhöe eintrat, die
auch durch Liebig's Suppenextrakt nicht gestillt
werden konnte, so dass eine Amme genommen wer-
den musste, worauf später condensirte Milch mit Zu-
sätzen gut vertragen wurde. Das zweite Kind die-
ser Familie wurde sofort mit condensifter Milch er-
nährt, wobei nur sehr geringe Gewichtszunahme ein-
trat; nachdem aber auf v. L.'s Bath ein Zosate von
Liebig* s Snppenextrakt gegeben wurde, gedieh dtf
Kind gut.
Das eigene Kind v. L.'s (am 1. JuU 1880 ge-
boren) gedieh bis zum 15.Sept beilGlch einer Kob
y. Gynäkologie o. Pädiatrik.
163
mit Liebig'a Suppenextrakt. Vom 18. Sept. erhielt
das Kind (bei Ortswechsel) beste Kindermilch mit
Liebigsuppe, was nur 10 Tage vertragen wurde.
Nach vielfachen vergeblichen Versuchen griff v. L.
zur condensirten Milch mit der gleichen Menge Lie-
big'achea Suppenextraktes , worauf normale Ver-
dMinng eintrat. Aus einer Milchkuranstalt genomr
mene Kuhmilch hatte später sofort wieder Eintritt
von Durchfällen zur Folge y welche abermals durch
das Gemisch von condensirter Milch und Liebig''-
schem Suppenextrakt gestillt wurden. Wo also
Diarrhöen von Fermenten in der frischen Milch her-
rflhren, ist daher der condensirten Milch der Vorzug
tu geben.
Nach Dr. Immanuel Munk in Berlin (Deut-
sdie med. Wchnschr. VII. 36. p. 492) besitzt die
Seherff'sche conservirie Milch vor der condensirten
Milch den Vorzug , dass Nichts hinzugefügt worden
ist Die Gonservirung, deren Resultate M. auf Ver-
anlassung des Prof. Roloff seit 15 Mon. geprüft
hat, geschieht dadurch , dass fiische gute Kuhmilch
auf mit gut gedichteten Korkstöpseln verschlossene
Flaschen gefüllt, dann unter dem Drucke von 3
Atmosphären einer Temperatur von ca. 100^ C. eine
bis mehrere Stunden ausgesetzt wird, worauf die
Oberfläche des Korkes und der Flaschenöffnung mit
einer undurchdringlichen Pai'affinschicht überzogen
wird. Solche Milch bleibt Monate lang unverändert.
Nach mehrmonatlichem Stehen bäckt nicht selten der
sn die Oberfläche gestiegene Rahm klumpig zusam-
men; wenn dann die Flasche in 30 — 40^0. warmes
Wasser gestellt und umgeschüttelt wird , erfolgt fast
gleiehmässige Vertheilung der Milchfette. — Die
wenigen Versuche betreffs der Verdaulichkeit dieser
Milch ergaben ein günstiges Resultat. Bei Magen-
katarrhen kleiner Kinder, die frische Kuhmilch nicht
vertrugen , und als Ersatzmittel der Muttermilch für
Säuglinge erschien das Präparat von Vortheil. Auch
imThiermagen, sowie künstlichem Magensaft gegen-
ftber zeigt die Scherf^acho Milch ein anderes Ver-
halten, als gewöhnliche Kuhmilch. Denn im Hunde-
magen war die Milch nach 15 Min. zu feinern u. gro-
bem Flocken , nie zu compaktem Ballen geronnen.
Mit Lab versetzt, kommt bei 35<^C. die Scherff^ochQ
Milch erst nach frühestens 2 Std. zur Qerinnung.
Mit Lab und künstlichem Magensaft versetzt, gerinnt
dasCasein der Sc/i^^'schen Milch in feinen Flocken.
Darob Erhitzen der Milch auf 100^ C. unter hohem
Druck scheint das Kuhmilchcasein eine solche Ver-
änderung zu erfahren, dass es dem Frauenmilch-
caaem näher kommt. (Nach Radenhausen ent-
hält die Frauenmilch gar kein Casein, sondern nur
Albumin mit Spuren von Peptonen.) Der Preis der
Seherf^aehen Milch (45 Pf. pro Liter) kann bei
Abnalune von ca. 500 Liter pro Tag auf 30 Pf. pro
Liter ermässigt werden.
Wir erinnern hierbei an das von Prof. E. K 1 e b s
sehen vor mehreren Jahren empfohlene Verfahren
zw Conservirung der Milch , varzugsweiae für die
künstliche Em^rung kleiner Kinder , welches auf
der Anwendung höherer Temperaturen (65 — 75®C.)^
welche er gleichzeitig mit einer von Wasserdämpfen
gesättigten Luft im geschlossenen Räume auf die
Milch einwirken Hess, beruht^). Die Milch whrd da-
durch auf 2 — 3 Tage völlig imverändert erhalten.
Sie gerinnt nicht , bleibt leicht alkalisch und zeigt
nur spärliche rotirende Körperchen, die übrigens auch
in frischer Milch nicht fehlen. Das Vorkommen von
Bacillen in der Milch bringt Prof. Klebs mit dem
reichen Gehalte des Heues an Spaltpilzen in Verbin-
dung.
Dr. E. Pfeiffer in Wiesbaden giebt (Berl.
klin. Wchnschi«. XVIIL 35. p. 507. 1881) eine
scharfe Kritik über die Nachahmung des Lactin
durch /2. H, Paulcke's Milchsalz. Er behauptet, dass
sowohl Lactin als auch das Milchsalz nichts wei-
ter seien, als Milchzucker , höchstens mit Zusatz von
geringen Mengen Kochsalz. Ferner findet es Pf.
mindestens ftlr naiv, die im Prospekt angeführten
Analysen von Milchsalzmilch als solche auszugeben,
da sie nur durch Umrechnung der von Gorup-
Besanez angegebenen Verhältnisse der Milch -
bestandtheile (Casein, Butter, Milchzucker) erzielt
worden seien. (Praktische Versuche sind nicht an-
gestellt worden.)
Nach den Erfahrungen des Ref. (über welche im
Jahrb. f. Khkde. ein ausführlicher Bericht erscheinen
wird) bleibt die Kuhmilch bei Zusatz des Paidcke'-
sehen Milchsalzes haltbarer, was bes. zur Sommers-
zeit von Nutzen ist, auch wird dieselbe leichter ver-
daulich, wie aus der Beschaffenheit der Dejektionen
von Säuglingen, selbst von solchen, die vorher dys-
peptisch waren, hervorgeht. Ref. muss jedoch her-
vorheben , dass er nicht nach der Gebrauchsanwei-
sung, die Paule ke dem Milchsalz beigegeben hat,
verfahren ist , weil die dort empfohlenen Milchver-
dünnungen zu gering sind. Ref. hat vielmehr zu
einer in 250Grmm. Graupenschleim gelösten Milch-
salzportion (12 Grmm.) im ersten Lebensmonate 80
Grmm. Kuhmilch (am besten Trockenfütterungs-
milch), im 2. Mon. 125 Grmm., im 3. Mon. 250,
im 4. Mon. 500, im 5. 750 und vom 6. bis 9. Mon.
1000 Grmm. Kuhmilch zusetzen lassen. In 2 Fäl-
len, in denen fortgesetzte Wägungen stattfanden, ei'-
hielten die Darmentleerungen während der Anwen-
dung des Milchsalzes allerdings ein besseres Aus-
sehen. Allein die in beiden Fällen vorhandenen
Gewichtsdefekte wurden während der Beobaohtungs-
zeit nicht gedeckt. Im ersten Falle (20wöchentliche8
Kind, das anfangs 1955 Grmm. Minusgewicht hatte)
fielen in die Beobachtungszeit eine suppurative Ma-
stitis , eine Bronchitis , die erfolgreiche Impfung und
die ersten 2 Dentitionsepochen. Hier gerade glaubt
Ref., dass ohne die Verwendung des Milchsakses die
Abnahme oder, besser gesagt, die zu geringe Ge-
0 Prag. med. Wchnsohr. 22. 1878. — Beitr. zur
pathol. Anat« II. p. 59. 1880. — Vgl. Jahrbb. CLXXX.
p. 264.
164
V. Gynäkologie n. Pädiatrik.
wichtsznnahme des Kindes noch weit schiechtere
Verhältnisse gezeigt haben würde. Die Beobachtung
schloss mit demselben Minnsgewichte, wie sie be-
gonnen hatte. Im zweiten Falle begann die Beob-
achtung (7 wöchentliches Kind mit Minusgewicht von
760 Grmm.) zur Zeit einer durch unvernünftige Er-
nährung (reine Kuhmilch) hervorgerufenen schweren
Dyspepsie y welche in Darmkatarrh überzugehen
drohte. Hier waren 3 Wochen nothwendig, um die
vorhandenen Störungen durch Aenderung der Milch-
diät und Zusatz von Milchsalz zu heben. Von da
ab waren erst die Stuhlgänge zufriedenstellend y und
zwar zur Zeit der grössten Sommerhitze (Juli j Au-
gust), in welcher derartige Fälle so leicht in Kinder-
cholera enden. Die Beobachtung, die hier nicht
lange genug fortgesetzt werden konnte , schloss mit
einem sich allmälig verringernden Minusgewichte
von 939 Gramm. Trotzdem ist auch dieser Fall
nicht dazu angethan, gegen die Verwendung des
Milohsalzes zu sprechen, da gerade der drohende
Ausbruch des akuten Darmkatarrhs durch dasselbe
hier verhütet worden zu sein scheint. Natürlich ge-
hören noch weitere Erfahrungen zur Erhärtung der
von Ref. gemachten Erfahrungen.
Dr. Glosset in Langenberg liefert (Berl. klin.
Wchnschr. XVIII. 41. 1881) einen Beitrag zur
künstlichen Ernährung der Säuglinge , in Sonderheit
mit Dr. B i e d e r t 's Rahmgemenge. Er betont mit
vollem Rechte die grosse Differenz in der individuel-
len Leistungsfähigkeit, resp. in der ursprünglichen
Anlage des Verdauungskanales der Säuglinge. Als
eines der besten Ersatzmittel der Muttermilch muss
bei Erkrankungen des Magendarmkanals Cl. nach
3jähr. Erfahrung Biederfs Rahmgemenge bezeich-
nen, obwohl es auch Fälle giebt, in denen es im
Stiche lässt. Cl. hat nur die erste Mischung (7$
süssen Rahm , ^/g gekochtes Wasser und 15 Grmm.
Milchzucker) benutzt, und zwar mindestens in 50
Fällen, wovon 30 genauer notirt sind. Nur 3 dieser
Kinder verdauten normal, 27 litten an Krankheiten
des Magendarmkanals bis zur Cholera infantum acu-
tissima (2 an akutem Darmkatarrh, 7 an chron.
Darmkatarrh , 2 an akutem Magenkatarrh , 10 an
Brechdurchfall, 6 an Atrophie). Ausser in 2 Fällen
von chronischem Darmkatarrh und*3 Fällen von
Brechdurchfall zeigten alle Fat. dieser Art bald nach
Einführung des Rahmgemenges bessere Stühle und
erholten sich in relativ kurzer Zeit. Gerade aber
die 3 Fälle von Brechdurchfällen beweisen, dass
auch bei vorschriftsmässiger Anwendung des Rahm-
gemenges Todesfälle eintreten können. Denn wenig-
stens 2 von diesen Kindein waren vor Beginn der
Erkrankung vollkommen gesund. Von den 3 Kin-
dern, denen bei völliger Gesundheit das Rahm-
gemenge als Nahrung gereicht wurde , gediehen 2
sehr gut ohne alle Verdauungsstörungen; das 3.
aber, das aus emer exquisit scrofulösen Familie
stammte , zeigte bald rhachitisch-scrofulöse Erschei-
nungen. Sicher haben bei der Ernährung mit Rahm-
gemenge sowohl Eltern wie Arzt die Beruhigung,
dass sie wissen, was das Kind bekommt, was bei
Kindermehlen etc. nicht der Fall ist.
Oberamtsarzt Pflüger und Stadtarzt Dr.
Stützle empfehlen (Wflrtemb. Corr.-Bl. LI. 24.
p. 191. 1881) das in der Keppner^oßhen Knnst-
mühle in Mergentheim dargestellte und per Pftmd
zu 60 Pf. verktLutte Habermehl alsEmährongsmittel
für Kinder, bei welchem diese gut gediehen, wenn sie
Kuhmilch nicht vertragen hatten. Alter der Kinder
und etwaiger Milchzusatz sind nicht ang^eben,
wohl aber bemerkt hierzu die Redaktion , dass es
ein milchersetzendes Nahrungsmittel fttr Sänglinge
der ersten 6 Mon. nicht giebt und dass Jacobi
(New -York) Abkochungen von Habermehl oder
Geratenmehl als Verdünnungsmütel der KvhmUeh
empfohlen habe.
Dr. Eustace Smith (Brit. med. Jonrn. Jone
4. 1881) verbreitet sich eingehend über die Fer-
dauungeatörungent welche gewöhnlich plötzlich bei
Kindern auftreten, die mit Milch und milehhaliigen
Speisen ernährt werden. Bei künstlich emährteD
Kindern (hand-fed babies) Ist diess sehr häufig, aber
wird auch bei 12 — ISmonatlichen Kindern beob-
achtet. Meist sind die ersten Symptome die der Du-
fähigkeii, Kuhmilch zu verdauen. Sie entsteht meist
durch eine zufällige Stöinrng in dem Magen und des
Därmen, wodurch eine Säurebildung in derNabnmg
entsteht. Weniger häufig sind die Fälle, in denen
der Fehler in der Milch liegt, die zu schwer fftr das
Kind ist, oder die zu reichlich oder zu oft ihm Yer-
abreicht wird, ti*otzdem dass dessen Digestionsorgane
gesund sind. S m. spricht hier nur von den Fällen,
in denen reine frische Milch in geeigneter Menge n.
mit aller Vorsicht in digestionsfähiger Weise (ent-
weder mit Gerstenschleim oder Gelatine oder mit
Kalkwasser gemischt) verabreicht, nicht vertragen
wird. Er theilt die Fälle in 3 Klassen, je nach-
dem Verstopfung, oder Erbrechen, oder Diarrhöe
das vorwaltende Symptom abgiebt Die von S m.
gegebene Schilderung dieser Erscheinungen enthält
nur das Bekannte. Dasselbe gilt auch von den filr
die Behandlung im Allgemeinen aufgestellten Grand-
sätzen. Auch S m. legt das Hauptgewicht dannf,
dass keine gährangsfähige Nahrung in die mit 6ib-
iTingsprodukten schon angefüllten Verdauungsw^
des Kindes eingeftihrt wird. Als beste Ersatzmittel
der in solchen Fällen unbedingt zu vermeidenden
Milch und mehlhaltigen Substanzen bezeichnet Sm.
Kalbsbouillon und Gerstenschleim (zu gleichen Thei-
len), oder Rahm und Molken (1 Theelöffel voll auf
120.0), oder Eidotter (bei kleinen Kindern mit Mol-
ken oder Kalbsbouillon zusammengequirlt). Hflbne^
bouillon ist besser als Beef-tea, da letzterer oft die
Digestionsorgane kleiner Kinder zu stark reizt, be-
sonders bei Durchfällen. Zuweilen eignet sich, wenn
Kuhmilch nicht verdaut wird, Eselinnen- oder Zie-
genmilch besser ; wenn ein Kind durch unzweoknds-
sige Ernährung heruntergekommen ist, erholt es sieh
oft, sobald es wieder an die Brust gelegt wird. Oef-
ters aber wirkt jede Milch als ein reisendes Oift ^
V. Gynäkologie n. Pädiatrik.
165
es kann dann keine Heilung erzielt werden^ bis sie
vollständig ans der Nahrung ansgeschlossen ist.
Dr. E. Le Menant des Chesnais zu Au-
tton-dn-Perche verbreitet sich (Gaz. hebdom. 2. S^r.
XVm. 16. p. 250. 22. 1881) Aber die 3 Arten der
Ernährung der Kinder durch Milch und über die
Kinderdiarrhöe. Er versteht damnter die Emäh-
rmig dnrch die Brost allein (Allaitement natarel),
ferner dieselbe nnter Beigabe von Kuhmilch (Allaite-
ment mixte) und an 3. Stelle die kttnstliche Emäh-
rang durch Kuhmilch (Allaitement artificiel). Von
141 Ziehkindern, welche Le Men. beobachtete,
starben 16(1 an sekundärer Bronchopneumonie nach
Keachhnsten, 15 an Diarrhöe). Nur 9 wurden na-
tftrh'cb, d. h. ausschliesslich mit der Brust, 3 Monate
lang ernährt ; 51 wurden theils mit der Brust, theils
mit Kuhmilch aufgezogen , 78 erhielten die letztere
nur aus der Flasche ; unbekannt blieb die Emäh-
rangsmethode bei 3. Von diesen Kindern erkrank-
ten 57 an Diarrhöe (6 bei 1., 10 bei 2., 41 bei 3.
Ernährungsmethode) ; davon wurden 42 geheilt (6
bei 1., 10 bei 2., 26 bei 3. Methode), 15 starben,
welche ausschliesslich Kuhmilch erhalten hatten
(36.05%). Die hohe Erkrankungszahl der Brust-
kinder (66.06%) erklärt Le Men. durch die kleine
Zahl der Fälle, durch den Umstand, dass meist nur
schwächliche Kinder, die leicht Diarrhöen sich zu-
ziehen, ausschliesslich an der Brust aufgezogen wor-
den, und dadurch, dass 4 von den 6 Erkrankten be-
reits seit 1 oder 2 Monaten abgewöhnt worden wa-
ren. Trotzdem kann auch schlechte Beschaffenheit
der Ammenmilch die Ursache der Dian*höe bei aus-
sebliesslich mit der Brust ernährten Kindern sein.
Hier kann der Fall eintreten, dass bei ausschliessli-
ehem Gebrauche von Ammenmilch Erbrechen und
Diarrhöe eintreten, die nach Zugabe von Kuhmilch
verschwinden, während Kuhmilch allein auch wieder
dieselben Erscheinungen macht, so dass man in sol-
chen Fällen mit Vorthell gemischte Milchnahrung an-
wendet. Die schlechtesten Resultate aber giebt die
Ernährung durch Kuhmilch allein, und zwar darf
man dieselben nicht der Sommerhitze Schuld geben,
sondern dem Foilgebrauche der Flasche, wenn der
Ernährungszustand der Kinder schlecht wird. Unter
den erwähnten 15 Kindern, die bei allemigerEmäh-
ning mit Kuhmilch starben, waren 7 noch nicht
1 Monat alt, 4 noch nicht 2, eines war 3 Monat und
ein firflh geborenes Kind 5 Monat alt geworden, wäh-
rend 2 trotz sohlechter Constitution 4, resp. 9 Mo-
nate lang die Flasche erhalten hatten. E}s sind also
mmdeetens 11 von diesen 15 gestorben, weil ihnen
die Flasche nicht zusagte. Man wtirde diese Todes-
fälle wohl verhindern können, wenn man in diesen
Ffillen zur gemischten oder natttrlichen Aufziehung
zoräckkehrte, resp. überginge.
LeM. gelangt zu folgenden Schlussätzen : 1) Ob-
wohl die natflrliche Milchemährung (Frauenmilch)
als die beste Ernährungsweise bekannt ist, wird sie
dock von den [französischen] Ammen auf dem Lande
>o wenig ansgeflbt, dass man nicht viel auf ihre Re-
sultate rechnen kann, um die Mortalität der kleinen
Eander zu mindern. 2) Dagegen kann die gemischte
Milchernährung (Fi'auen- und Kuhmilch), so wie sie
Vf. auf dem Lande ausführen sah, sehr gute Resul-
tate erzielen. 3) Die Flasche ist an und für sich
selbst schädlich und kann nur Nutzen haben , wenn
ihre Anwendung sorgfältig von erfahrenen Personen
überwacht wird. 4) Es ist daher bedauemswerth,
dass das Gesetz den Aerzten, di<) die Inspektion der
Pflegekinder übernehmen, nicht eine absolute Auto-
rität in allen den Fragen, welche direkt Hygieine
oder Arzneikunde betreffen, eingeräumt hat, anstatt
ihnen nur eine einfach consultative Stimme im
Schoosse der Körperschaften zu geben, in denen sie
am häufigsten die einzig Competenten sind.
Schlüsslich geben wir noch eine Uebersicht des
Inhaltes des Berichtes, welchen Dr. de Vi l Hers
(Bull, de TAcad. 2. Sdr. X. Nr. 29. p. 913. 1881)
im Namen der permanenten Commission für Hy-
gieine des Kindesalters über das J. 1880 erstattet
hat.
Zunächst finden sich 3 Mittheilungen über den
Erfolg des Gesetzes Roussel in Betreff des Schutzes
kleiner Kinder.
Dr. Viard (za RambouiUet) berichtet, dass von
167 Frauen 70 ihre Kinder stiUten ; es sind diess solche,
die bereits mehrmals gestillt hatten. Unter 97 Frauen,
die ihre Kinder künstlich ernährten , waren die meistsn
verhelrathet und reichten jenen trotz der Ueberwachnng
oft eine unzweckmSssige Nahrung. Von 188 Kindern
wurden 114 künstlich, 74 an der Brust ernährt; 50 von
ihnen wurden vorzeitig entwohnt. Es fanden nur 16 To-
desfälle, meist in den ersten Lebensmonaten und an
Darmkrankheiten statt. Die Ausführung des Gesetzes
hatte gute Erfolge. Als einen grossen Mangel bezeichnet
es aber D., dass die Ammen, resp. Ziehmütter, keine ge-
setzliche Sicherheit ffir das Eingehen des Ziehgeldes ha-
ben. Das Ausbleiben desselben zieht die Vernachlässi-
gung der Kinder nothwendig nach sich.
Dr. B i b a r d (zu Pontoise) betont, dass viel zu we-
nige Aerzte mit der Inspektion betraut seien , und dass
deren Remuneration mit ihren Pflichten nicht in Einklang
stände. Es starben 1880 gegen 7.47^0 gestillter und
10.5^0 künstlich ernährter Kinder; die Sterblichkeit
wurde durch die Einführung des Gesetzes wesentlich ge-
mindert. Vf. empfiehlt eine Belohnung guter Ziehmütter.
Dr. Vieu (zu Dünkirchen) lobt nur Im Allgemeinen
die neuen Einrichtungen, ohne Thatsachen mitzntheilen.
Eine Anfrage des Polizeipräfekten , ob kleine
Kinder Leberthran vertrügen^ hat Dr. Langnean
im Namen des Comit^ d'Hyg. pnbL dahin beantwor-
tet, dass Kinder unter einem Jahr denselben nicht
vertragen, wenn sie an Dannkrankheiten leiden.
Ein Anfsatz des Dr. Ren^ B lache über die
Vortheile des Stillens der Mütter sowohl für letz^
tere selbst als für die Kinder enthält die bekannten
Thatsachen. Bl. berichtet 12 Beobachtungen, in
denen Mütter, die ihre ersten Kinder nicht gestillt
hatten und erkrankt waren, durch das Stillen späte-
rer Kinder ihre Gesundheit wieder gewannen. Zwan-
zig andere Frauen , die stillten , blieben sftmmtlich
von den sonst so häufigen Wochenbettskrankheiten
verschont, weil die Bflckbildnng des Uterus durch
die Laktation schneller und vollständiger von Statteii
166
V. Gynäkologie u. Pädiatrik.
geht. Bei Besprechang der UmBtäode, welche das
Stillen verbieten, stellt El. den Satz auf, dass Syphilis
des Kindes die Matter zam Selbststillen zwingt,
selbst wenn sie selbst von der Krankheit noch nicht
ergriffen ist. Auf Grund seiner Beobachtungen nimmt
B 1. an, dass unter 5 Wöchnerinnen des Mittelstandes
nicht eine einzige selbst stillt, während man bei Vor-
nehmen nur ein Verhältniss von 1 : 10 fände.
Dr. Mignot (zu Chantelle) theilt seine Beobach-
tuDgen über künstliche Ernährung mit, welche, obachon
sie in den grossen Städten wegen der Schwierigiceit , gute
Milch zu erhalten u. s. w., so sohlechte Resultate ergiebt,
auf dem Lande und in kleinen Städten gnt von Statten
ginge, wenn sie im Scfaoosse der Familien ausgeführt
wird.
Dr. Bernard berichtet über die Art der Ernäh-
rung und Entwöhnung der Kinder innerhalb der Bann-
meile von Grönoble. Unter 155 Kindern, die er 1880 be-
suchte, wurden 128 gestillt, 14 mit der Flasche , 13 halb
mit der Brust, halb mit der Flasche (Allaitement mixte)
ernährt. AUe erhielten von den ersten Monaten an Sup-
pen a. s. w. Die mit der Flasche aufgesogenen Kinder
hatten ein viel gesünderes Aussehen, als die, welche von
der eigenen Mutter gestillt wurden. Zur Milchmischung
benutzt Bern, mit Vorliebe Fenchelwasser, und zwar
setzt man in der Umgegend von Gr^noble von den ersten
Lebenstagen die Hälfte Wasser , vom ersten Vierteljahr
Vs Wasser zu und giebt vom 7. Mon. ab reine Milch, die
Andere von der Geburt an schon geben. Gemischtes Auf-
ziehen und Ernährung mit der Flasche können also bei
Kindern, die im Schooss der Familie, sorgsam behütet,
aufgezogen wurden, gute Resultate gewähren. Was das
Entwöhnen betrifft, so waren von 80 Kindern 21 vor dem
Ende des 1. Jahres entwöhnt, 7 mit dem 1. Geburtstag,
17 nach demselben, während 28 zwischen 1. u. 2. J. noch
gestillt wurden (8 von ihnen hatten noch keine Zähne).
Viele Frauen stillen hier weiter, um Ziehkinder zu erhal-
ten. Leider schweigt Vf. über die Resultate dieses pro-
trahirten Stillens und die Mortalität der betreffenden
Säuglinge, leider behauptet auch er, dass der Eintritt
der Zahnungsepochen ganz unabhängig von der Ernährung
wäre. SchlüsslichverlangtBern., dass die inspicirenden
Aerzte jährlich 1—2 mal in jeder Gemeinde Vorlesungen
über Kinderhygieine für die Ziehmütter halten soUen.
Dr. Sagnier (zu Grand' Combe, Gard) berichtet,
dass 1878 von den Kindern 29%, 1879 aber nur 23%
und 1880 nur 20o/o der Geborenen gestorben sind. Unter
den 234 Todesfällen sind Affektionen der Respirations-
Organe 67mal , Affektionen des Verdauungsapparates
70mal (meist vorzeitiges Füttern, mindestens in 43 Fäl-
len), Lebensschwäche 23mal (in Folge der Gewohnheit
der Bergleute, Alkoholika in grossen Mengen zu sich zu
nehmen) vertreten. Das Entwöhnen findet im Alter von
18 — 20 Monaten statt oder nach Durchbruch der ersten
12 Zähne und stets erst nach Aufhören der Sommerhitze.
SchlÜBslich verbreitet sich S. über die günstigen klima-
tischen Verhältnisse von Grand' Combe und über die
durch die reichen Hülfskassen der dortigen Bergwerke
ermöglichten guten socialen Verhältnisse der Bergleute
daselbst.
Dr. J e a n n e 1 (zu Lille) berichtet über eine metrische
Wage, um Neugeborene zu wägen. Sie ist der graduir-
ten Wage Charriöre's sehr ähnlich, besteht aber nicht
aus Eisen, sondern aus Holz, das vor Metall verschiedene
Vorzüge hat.
Dr. Louis Penard verbreitet sich über die
Wiedereinführung der Tours (das Drehbret an den
Findelhänsem zur Aufnahme von Säuglingen), welche
die Anzahl der Abortus und Kindestödtungen ver-
mindern sollen. Mit den Fehlgeburten haben aber
die Tours nichts zu thun; denn dadurch versucht
man die Schande der Niederkunft überhaupt su um-
gehen. Die Kindestödtungen aber haben seit 1858
zugenommen y also zu einer Zeit, zu welcher die
Tours noch bestanden. Die Tours haben vielmehr
ihre hauptsächlichste Bestimmung nicht erfl&Ut; de
nnd eine Ermuthigung zum Leiehtsinn geworden,
schwächen das Familiengeftthl; stumpfen das Mutter-
gefühl ab und lehren das Vatergef&hl vergeaBen.
Kurz ein Findelhaus mit Tour hat nie etwas Andera
ergeben, als eine Beschönigung der Kindestödton-
gen. Das Findelhans ohne Tour versichert niebt
die Existenz des Kindes, wAhrend die h&asUche
Pflege es am Leben erhadten kann, indem es ixx
Aufsicht der Mutter oder der Familie unterworfes
bleibt. Auf der andern Seite ist aber der Tour
eine der Ursachen der Verhinderung des Selbsi-
stillens Seitens der Mutter. Man soll daher lieber
die niedergekommenen Mädchen soweit als irgend
möglich unterstützen, in reichem Maasse den Hau*
haltungen der Armen aufhelfen, das SelbststilleB der
Mütter erleichtem. Schlüsslich verlangt P. die Re-
vision der Artikel (340 und 341 des Code civil),
deren einer die Nachforschungen nach dem Vater
untersagt, während der andere einzig und allein die
Nachforschung nach der Mutter zul&sst. Man be-
darf vielmehr eines Gesetzes gegen die Verführun-
gen, nie der Wiedereinführung der Toors, senden
oflfener Bureaux, welche die entsprechenden Unter-
stützungen vertheilen. Die Ausführung des GesetuB
Roussel kann viel zur Lösung dieser Frage bei-
tragen.
Dr. Zinn is, Direktor des Findelhanses zu AÜien,
hat der Akademie einen gedruckten Bericht üb» dk
haupiaäehlichen Todesuraaehen bei Kindern tmUr
h J. u. besondere bei solchen unter \ J.in AAe^
überreicht.
Die Mortalität der ersten 5 LebenEjahre betrug in
J. 1879 gegen 46o/o aller Todesfälle der Stadt Atfaei-
Dabei überwiegen die Knaben und die Findelkinder, die
in der Stadt erzogen werden ; die Mortalität der letiten
belauft sich auf 22o/o. Die Sterblichkeit der Kinder W
am stärksten im Juni, Juli, Mai und August, am häaflg-
sten bedingt durch Darmkrankheiten , unter denen die
endemisohe Diarrhoe in ihrer Sfaohen Form (katsrrlu-
liseh, dysenteriseh und choleriform) besonders die Jab^
kinder dedmirt (80<>/o). Vorzeitiges Entwöhnen und vn-
zeitiges Füttern sind hier die Hauptnrsaehen. Kieätt-
dem sind es die Stürungen der Respiratlonsoigane in
Winter und Frühjahr, die I80/9 der Todesfälle aller
5Jähr. Kinder, 67% alter Jahrkinder bedingen ; am bi»-
figsten ist lobulare und katarrhalische Pneumonie. 'Dit
Zahl der Todesfälle durch Gehirnkrankheiten (13Vo) '^
niedriger, als in andern europäischen Ländern ; am nied-
rigsten ist die Sterblichkeit an Eruptionsflebem (SVs^/*)*
Variola ist seit Einführung der obligatorlBOhen Impfoog
in Griechenland (1825) sehr selten. Diphtherie n. Croop
bedingen nur 4 Va% der Todesfälle. Sehr selten sind ifl
Athen Todesfalle an Typhoid, Intermittens, Tetanus, eoB-
genitaler Syphilis und Bhaohitis.
Besonders heht Z. noch die grosse Sterblichkeit
der Kinder in den 2 ersten Lebenawochen und im
9. bis 12. Lebensmonat hervor. Als hauptsäciilielie
Todesursache bezeichnet er congenitale Sdiwieiie
für die ersten beiden Lebenswocheni gastfo-lntesti'
VI. Ghirargie; Ophthalmologie n. Otiatrik.
167
Dale Stönmgen fflr die folgenden 6 Monate , Affek-
tionen der Athmnngsorgane ftlr die spätere Zeit.
Der Antheil der Findelkinder an der Mortalität des
1. Lebensjahres beträgt über 29^]o.
Eine unter dem Titel Hygieine und Erziehung
in der ersten Kindheit von der Soci6t6 frangaise
d'hygi^ne veröffentlichte Schrift enthält einen Ans-
zng der besten Arbeiten, welche znr Bewerbung um
den von der gen. Ges. ausgesetzten Preis einge-
gangen sind.
Das 1. Cap. befasst sich mit Batbschlägen für die
Mutter vor der Geburt ihres Kindes (n. A. Vorbereitung
der Bmstwansen zum Stillen, Nothwendigkeit des Selbst-
itineDS und die Gefahren des Stillens durch bezahlte
Ammen), das 2. mit den verschiedenen Methoden, die
Kinder zu ernähren (unter welchen besonders die Yor-
theile des SelbststiUens der Mütter [Gesundheit] geschil-
dert werden, selbst wenn daneben noch die Flasche mit
Kidnnilch gegeben werden muss — Allaitement mixte — ).
Ab 8. SteUe wird besprochen die Controle der Gesundheit
der Kinder (Wägen) und das Entwöhnen, sodann dieZah-
img und Kleidung, die Sorge für die Pflege des Körpers,
wobei auch des Herumtragens bald auf dem einen, bald
auf dem andern Arme gedacht wird.
Diese Vorschriftsmaassregeln sind bereits in das
Englische, Deutsche, Italienische und Spanische über-
setzt und die Soci^tö d'hygi^oe hat eine grosse Anzahl
dieser Broschüren durch die Standesämter bei der An-
meldung der Geburten yertheilen lassen.
Ausserdem hat die Commlssion noch 2 Werkchen
zugesandt erhalten, welche in Brüssel in grosser Anzahl
verbreitet worden sind ; es sind dieses : Rathschläge für
die Familienmütter (Reinlichkeit, Kleidung, Bett, Schlaf,
Ernährung des Kindes), die den französischen sehr
ähneln — und : Summarische Instruktionen für die ersten
Symptome übertragbarer Krankheiten, für die Lehrer an
Volksschulen aufgesteUt.
Schlüsslich macht de Villi ers noch auf das Jour-
nal : L'Hygi^ne de Tenfance, conseilles des mores de famil-
les aufmerksam, welches Dr. Laurent zu Ronen redigirt,
undauf den Bericht des Dr. Emil Bessiöres über die
Wledereinfahrung der Tours, welcher von der Soci6tö
d'Economie charitable (Sitzung von 1879) veröffentlicht
worden ist. B. ist für Wiedereinführung der Tours,
aber nebenbei auch für Einrichtung offener Bureaux für
die Mütter, die Namen und Stand nicht verheimlichen
wollen, (Bewährung von Unterstützungen in der Häuslich-
keit aur für rechtschaffene Frauen, femer für die Beför-
derung des Selbststillens der Mütter und für Inspektionen
durch Aerzte, nicht durch Angestellte.
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
537. Beiträge aur operativen Behandlung
daa Erebees ; ensammengestellt von Dr. D e a h n a
in Stuttgart ^)«
Als Nachtrag geben wir zunächst eine Uel)er-
Bicht des Inhaltes der hochwichtigen Abhandlung, in
welcher Prof. B. v. Langenbeck (Arch. f. Jilin.
Chir. XXVII. 1. p. 162. 1881) seme Erfahrangen
Über die Operation des Zungenkrebses niedergelegt
hat^ die jedoch zu spät erschienen ist, um in nn-
Berar ersten HittheiloDg Bertlcksichtigiuig finden zu
kdonen.
Der bertthmte Vf. schickt seinen Bemerkungen
eine Uebenacht der von ihm nach seiner Methode
der temporären seitlichen Darchsägong des Unter-
kiefers ansgeftlhrten totalen Zungenexstirpationen
voraus. In Bezug auf die vollständige Entfernung
des Erkrankten, Verhindening der Blutung und des
Hineingelangens von Blut in die Luftwege, endlich
die Ableitung des Wundsekretes nach aussen, lässt
die Methode zwar nichts zu wünschen ttbrig.
Allem, ganz abgesehen von der Unannehmlichkeit
der Knochendurchsägnng, bedingen die häufig nach-
folgenden tiefen Halsphlegmonen und das Einfliessen
fiuiliger Wnndsekrete und der Mundflflssigkeiten in
die Athemwege eine ausserordentlich hohe Sterblich-
k^tsziffer. Von 14 (12 M., 2 W.) in dieser Weise
Opernrtea starben 5, und zwar je einer an pumlen-
tem Oedem des Mediastinum anticum ; Schlnckpneu-
monie und eitriger Pleuritis; Fettherz mit starker
Dilatation der Ventrikel, Oedem und Emphysem der
Lungen ; bei zweien, welche unter Pulmonalerschei-
miagen gestorben waren, wurde die Sektion ver-
^igert. Efaimal kam eine ziemlich bedeutende
') Fortseteiiig^ s. Jahrhb, CXCU. p. 49 flg.
parenchymatöse Nachblutung vor. Freibleiben von
Becidiv wurde 2mal nach 9 (davon in einem Falle
nach Operation eines lokalen Reddiv), Imal noch
nach 12 Mon. constatirt.
Bei dem Verfahren Kocher 's fallen allerdings
die eben erwähnten Gefahren weg, doch glaubt V.L.,
dass dabei die Blutung nicht sicher beherrscht und
die künstliche Ernährung nur unter grossen Schwie-
rigkeiten ausgefflhrt werden könne.
Seit einigen Jahren bedient sich v. L. zur Ent-
fernung ausgedehnter Zungen- und Mundboden-
Carcinome, sofern noch keine SubmaxillardrQsen-
Infektion vorhanden ist, des Paquelin'sehen Ther-
mokauter. Als Vorzüge der Methode werden her-
vorgehoben, dass bei theilweisen Exstirpationen das
Instrument noch beliebig tief auf Zungenstumpf nnd
Mundboden einwirken könne. Dieser weit über die
Grenzen des Kranken hinausgreifenden Kauterisation
ist es zuzuschreiben, dass einRecidiv an den Zungen-
resten oder im Mundboden bei den bis jetzt in dieser
Weise operirten Fällen nicht vorgekommen ist. Auch
der Gefahr einer tiefen Halsphlegmone dürfte durch
das Canterium am besten zu begegnen sein, dagegen
hält V. L. eine vollständige nnd dauernde Desinfek-
tion der Mundhöhle bis jetzt noch nicht für erreich-
bar. Die Gefahr der Schluckpneumonie ist demnach
auch hier nicht ausgeschlossen.
Was die Einzelheiten der Operation betrifil, so
kann man mit dem rothglühenden Instrument bei
langsamem Vorgehen beinahe jede Blutung (in einem
Falle auch die aus der Art. lingualis) vermeiden,
doch wird beabsichtigt, künftig die genannte Arterie
oberhalb des Zungenbeines zu unterbinden, um die
Dauer der Operation abzukürzen. Zum Schutze der
Lippen- nnd Wangenscbleimhant gegen die Glüh-
168
VI. Ohiroi^e; Ophthalmologie a. Otiatrik.
hitze, wurde das Wftitehead'Bßhe Speculum in der
Weise verändert , dass an dem obern Bflgel noch
eine bis an das Gaumensegel reichende Gaumen-
platte angebracht wm*de. Der vordere Rand dieser
Platte trägt eine veiiiikal gestellte Stahlplatte, welche
die Oberlippe schützt, mit den Seitenrändern der
ersteren sind dann noch 2 seitliche schmälere Plat-
ten zum Schutze von Wangenschleimhaut und Mund-
winkeln beweglich verbunden. Der untere Bügel
trägt noch eine Platte für die Unterlippe. (Das
Zungenstück ist natürlich fortgelassen.) Um die
senkrechten Schnitte weit hinten im Munde exakt
zu führen, bedient man sich am besten hakenförmig
gekrümmter Messer.
Die Abtragung der Zunge mit dem Thermo-
kauter wurde an 8 Personen (7 M., 1 W.) ausge-
führt. Einmal trat Nachblutung aus der A. llngualis
auf, 1 Er. starb an Schluckpneumonie. Lokale Re-
cidive wurden nicht beobachtet, wie bereits erwähnt
wurde, aber nochmals hervorgehoben werden soll.
Eine 2. nachträglich zu erwähnende Mittheilnng
über Exstirpation der ganzen Zunge hat Dr. P u r c e 1 1
(Lancet L 3 ; Jan. 22. p. 134. 1881) veröffentlicht.
Die Operation wurde mittels der galvan. Schneide-
schlinge bei einem 38 J. alten Manne, welcher aus-
serdem noch an einem Herzfehler litt, und zwar ohne
Blutverlust ausgeführt. Der Operirte stand am 2. Tage
bereits auf, amS.T., nach Lösung des Brandschorfes,
entstand aber eine enorme Blutung, die den Pat. auf
das Aensserste erschöpfte n. deren man nur mit Mühe
durch Eisenchlorid Herr wurde. Der Tod erfolgte
12 Tage nach der Operation. Bei der Sektion
wurde nur das Vorhandensein organischer Herz-
erkrankung constatirt.
G. Krebs des Oesophagus,
Der Vorschlag, den hochgelegenen Krebs des
Oesophagus durch Resektion des erkrankten Theils
zu entfernen, wurde von Billroth im Jahre 1870
gemacht (Arch. f. klin. Chir. XHL p. 66). Am
Lebenden wurde die Operation bis jetzt nur von
Prof. Ozerny^) ausgeführt. Die Verhältnisse lie-
gen bei diesen Krebsen günstiger als bei den meisten
übrigen Organen. Die Neubildung ist gewöhnlich
ringförmig und von geringer Längenausdehnung, oft
greift sie nicht über die Mucosa hinaus, infidrt nicht
constant oder erst spät die Lymphdrüsen und ver-
ursacht seltner Metastasen in andern Organen. Von
der Oesophagotomia interna ist nicht viel zu erwar-
ten, die Erfolge der externa aber waren bisher äus-
serst ungünstig.
Eine 51j&hr. Frau hatte im J. 1875 vorübergehend
an Sohlnckbeschwerden gelitten , die erst im Dec. 1876
mit erneuter Heftigkeit wiederkehrten und allmälig nur
noch den GenuBS flüssiger Speisen zoliessen. Die Ein-
führnng derSchlnndsonde war ganz unmöglich, auch liess
sich durch Palpation n. s. w. keine Yorstellang darüber
gewinnen, wie weit der Tnmor, der ohne Zweifel als Car-
0 Czerny's Beitrage zur operatChir. : Dr.Hein-
rich Brann, Beiträge zur Chirurgie des Sehlnndrohrs.
Stattgart 1878. Enke.
cinom aafzufassen war , sich nach nnten erstreckte. Bt
die Kr. nach ihrem Allgemeinbefinden noch eine eingrei-
fende Operation gut aoszuhalten im Sbinde zu sein schien,
so wurde von den üblichen Palliativ -Biitteln abgesehen
und die Exstirpation auszuführen yersucht. Von der
Höhe des Zungenbeins bis gegen dieincisnra stemi worde
ein ca. 8 Ctmtr. langer Schnitt am vordem Bande des
linken Sternodeidom. geführt (2. Mai 1877). Der M.om(h
hyoidens und die VY. thyreoideae mussten dnrchsebnittea
werden, die Schilddrüse wurde nach oben und innen , die
A. thyreoidea sup. nach nnten gezogen. In der Wand
des Oesophagus konnte nunmehr eine leieht bewegliehe
Verdickung gefühlt und die infiltrlrte Partie nach oben
und unten von dem umgebenden Gewebe abgegrenzt wer-
den , wodurch sich die Möglichkeit der totalen Entfern-
barkeit der Gesehwulst ergab. Die Neubildung wnrdo
nun von der Seite gelöst , der Oesophagus etwa in der
Gegend seines Ueberganges in den Pharynx abgeschnitten,
von der Wirbelsäule getrennt und zuletzt unterhalb des
Kehlkopfes qner abgeschnitten. Das Magenende konnte
nicht mit dem Pharynx vereinigt werden und wurde des-
halb an die änssere Haut genäht und ein iV^toton'seher
Katheter eingelegt. Verband mit Salioylwatte. Die
Länge des exstirpirten Stücks betrug 6 Ctmtr., dieKen-
bildnng erwies sich als Epithelialcaroinom.
Der Wnndverlanf gestaltete sich sehr günstig, die
Emahmng ging mittels derSchlnndsonde, die 8 Tage per-
manent liegen blieb, gut von Statten. Späterhin handelte
es sich um die Frage , ob man die Fistel am Halse b^
stehen lassen, oder ob man eine Communikation zwischen
Mund und Oesophagus herstellen solle. Liess man näm-
lich die Pat. bei geschlossener Fistel echlnoken , so ge-
langte die Flüssigkeit in das Schlnndrohr , ebenso wenn
man eine Communikation durch eine Kantschukröhre
herstellte. Die Frau war indessen mit ihrem Zustande
zuftrieden und n&hrte sich durch eine Kanüle mit flüssiger
und halbflüssiger Nahrung. Fünf Monate später befud
sich die Kr., die im Hause und auf dem Felde arbeitete,
ganz wohl. Die lippenformige Fistel hatte einen Dnreh-
messer von 2 Centimetem.
Von der verbältnissmässig selten ausgeführten
Oesophagotomia externa wegen carcinomatöserStrik'
tur sind 2 Beispiele veröffentlicht worden.
Prof. Gustav Simon (Czerny, Beitrilge
zur operat. Chir. p. 44) führte die Operation am
20. Febr. 1875 bei einer im 7. Mon. achwangern
Frau ans.
Die Beschwerden datirten seit Sommer 1874, eine
Sonde einzuführen gelang nicht. Die G^eschwnlst sass ii
der hintern Wand des Kehlkopfs und ragte gegen die
Pharynzhöhle vor. Der Oesophagus wurde unterhalb des
Hindernisses incidirt und mit der äassem Haut vereiiugti
beiderseits wurden Entspannungsschnitte gemacht. Die
E>. wurde durch eine Schlnndsonde ernährt. Am folgeo-
den Tage abortirte die Frau Abends 8 Uhr und staib vd
10 Uhr an Erschöpfung, 34 Std. nach der Operation.
Die 2. Beobachtung ist von Prof. Weinleeh-
ner mitgetheiit (Wien. med. Wchnschr. XXX. 15.
p. 404. 1880).
Bei einer d4jähr. Frau war^ seit ca. 7 Mos.
Schluckbeschwerden aufgetreten. Mit dem f^Bg^
konnte man im Schlünde die den Oesophagus ver-
schliessenden Wucherungen fühlen. Am Hals &d-
den sich einige erbsen- bis haselnussgrosse Drflsen.
Am 17. Juli 1868 wurde die Operation ohne weitem
Zwischenfall ausgeführt (keine Narkose). An der Opei»^
tionsstelle ging Alles nach Wunsch, alldn am ^»/^
p. 0. trat eine rechtseitige Pneumonie auf, der dieK'«
nach 14 Tagen erlag. — Die obersten 3Vi C*«"^' :^
Oesophaguswand waren in sammtUchen ScUehten i» ^^
VI. Ghimrgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
169
karte Huse — Epithelialearoiiiom — verwandelt, die
aaeh anf einzelne Theile derFossae navlcalares fibergriff.
Die Keubildiing wäre ein siemlich gutes Objekt für die
Resektion gewesen.
Dr. M. Krishaber in Paris (Gaz. des Hdp.
27. 1881. p. 211) hatte bei der Eatheterisation
einer hoch oben befindlichen carcinomatOsen Oeso-
pbagnsstriktar einer 50jähr. Fran die Besorgniss,
dm die schwierige nnd mühsame Einfübrang der
Sonde nicht wieder gelingen würde, nnd beschloss
deshalb, dieselbe permanent liegen zu lassen.
Die Einfnhmng geschah von der Nase ans, das freie
Ende wurde mit einer Nadel durchbohrt und an dieser
tin Fixationsband an der Stime befestigt. In den ersten
Tagen entstand eine leichte Entzündung des betr. Nasen-
gaages, nach nnd nach aber wurde die Kr. von der Sonde
dnrchans nicht mehr belästigt. Die Krankheit schritt
natärlich weiter fort und die Fat. erlag derselben S05
Tage nach Einföhrung der Venoeilsande, Die Sonde
konnte Kr. nicht mehr sehen, da sie fortgeworfen wor-
den war, die Angehörigen versicherten indessen, dass die-
selbe selbst an dem Magenende nicht verändert gewesen
«L (Die Sektion wurde nicht gemacht.)
Kr. hebt dieBedeotang dieser Beobachtung auch
ftr die Behandlung nicht maligner Strikturen her-
vor.
Wegen Carcinom des Oesophagus wurde in 4
FiUen die Gastrostomie als letztes Mittel, den Hunger-
tod hintanzahalten, ausgeführt. Wir reihen hieran
gleich 3 weitere Fälle dieser Operation , in denen
narbige Striktnr die Indikation bildete.
l)Dr. Theodor Escher (Centr.-Bl. U Chir. VII.
39. p. 625. 1880). — Ein 56Jähr. Capitän hatte im Spät-
berbst 1879 die ersten Schlingbeschwerden, am 16. Febr.
1880 war die Speiseröhre absolut undurchgängig, weshalb
am 20. Febr. die Gastrotomie in 2 Zeiträumen ausgeführt
wurde. Da der Bauch stark eingefallen und der Thorax
des Kr. sehr breit war , so bildete die Stelle , wo inddirt
werden soUte , eine stark geneigte Ebene , wodurch die
Operation sehr erschwert wurde. Der Schnitt (unter
Carbolspray) begann 8 Ctmtr. nach links von der Median-
lüüe and verlief 2 Ctmtr. vom Rippenrand und parallel
dftaem nach links und unten. Nach Eröffnung derBauch-
hShle wurde die in der Tiefe liegende Magenwand gegen
den Fundns hhi mit einer Hakenpincette erfasst und eine
etwa danmen^^edgrosse Falte hervorgezogen, durch
welehe eine 16 Ctmtr. lange goldene Acupressumadel ge-
•toflsen wurde. Zur Naht wurde das von Max Miller
(vgl Jahrbb. CLXKXm. p. 191) angegebene Verfahren
benutzt. Nach der Operation befand sich der Kr. relativ
wohL Am 24. Febr. wurde der Verband gewechselt, um
S gespannte Bauchwandnähte zu entfernen, doch löste
Bieh in Folge dessen die bereits erfolgte primäre Ver-
klebung , so dass ein leichtes Klaffen eintrat ; die Acu-
preasumadel war gleichfalls entfernt worden. Am folgen-
den Tage wurde die Magenwand incidirt, die Blutung
doreh den Thermokauter gestillt. Neben der Magen-
emährung wurden in den nächsten Tagen noch ernährende
Klystire gegeben. Die Peritonäalverklebungen hielten
feet, aber im linken Wundwinkel entstand bedeutende
Eiterung. Der weitere Verlauf war durch das Ausfliessen
Ton Mageninhalt sehr gestört, das Anbriogen des Langen^
(ecj:'achen Obtnrators erschwerte die grosse Differena des
Niveaus von Bauch und Thorax. Anfang April war die
Wunde vernarbt, die Einziehung so stark, dass die eigen t-
ttehe Fistelöffnnng 2 Ctmtr. tief im Qrnnde eines Narben-
triehters lag, dessen Richtung nach aufwärts ging. Nach
Efaüegnng eines gut schliessenden Obtnrators (dessen
Oonstrnktion im Original nachzusehen ist), ging die Er-
Med. Jahrbb. Bd. 192. Hit. 2.
nährung sehr gut von Statten. Der Kr. erlag jedoch sei-
nem Leiden unter Blutungen in Magen u. Speiseröhre am
23. Juni, 4 Mon. 3 Tage nach der Operation.
Bei der Sektion fand sich ein Faserkrebs von iVs
Faustgrösse an der Kardia, der Oesophagus nahm in etwa
4 Ctmtr. Länge daran Theil und war vollständig ver-
schlossen , die obere Magenwand war bis zur Milz mit er-
griffen. Die Fistel sass zwischen mittlerem und linkem
Drittel der vordem Magenwand. Die Adhäsionen waren
2—4 Ctmtr. breit, wohl eine Folge des zweizeitigen Ver-
fahrens.
2) Dr. P. Kraske (Centr.-Bl. f. Chir. vni. 3.
p. 33. 1881). — Bei einem 49jähr. Fuhrmann wurde
wegen carcinomat. Speiseröhrenverschlusses am 19. Nov.
1880 die Gastrotomie (antiseptisch) ausgeführt. Der
Schnitt begann im linken Hypochondrium u. ging parallel
dem Thoraxrande schräg nach aussen und unten. Der
Magen lag sehr weit nach hinten, war schwer nach aussen
zu ziehen und nicht ganz leer. Er wurde mit etwa 12,
die ganze Dicke der Ma<;enwand durchdringenden Seiden-
snturen in die Banchwnnde eingenäht , die Eröffnung des
Magens Jedoch zunächst nicht vorgenommen und ein
lAster^Bcher Verband angelegt. Der Kr. hatte in der
Nacht starke Wurgbewegungen , am Morgen eine Tempe-
ratur von 40.20. Er wurde allmälig komatös und starb
32 Std. nach der Operation.
Bei der Sektion fand sich die Wunde in gutem Zu-
stande, auf der vordem Magenwand indessen nnd auf dem
linken Leberlappen fand sich ein Exsudat, welches, mikro-
skopisch untersucht, Mageninhalt, nämlich Pflanzenzellen
und quergestreifte Muskelfasern , enthielt. Der Oesophagus
war unter seiner Kreuzung mit dem linken Bronchus von
einer ringförmigen Geschwulstmasse durchsetzt, welche
noch etwa Vs Ctmtr. des Lumen fibrig Hess. Metastasen
fanden sich nicht.
Die Peritonitis, welcher der Fat. erlag, war ohne
Zweifel durch Mageninhalt, der neben den Stich-
kanälen aastrat, angeregt worden. Kr. meint nach
dieser Erfahrung , dass es vielleicht besser sei , den
Magen nach seiner Anoähang sofort za incidiren und
ausznspülen , also die Operation in einem Tempo zu
machen , hält aber die Frage noch nicht fflr spruch-
reif.
3) Dr. R. Gritti (Gazz. Lomb. S.S. lU. 1. 1881).
— Ein öljähr. Mann litt seit Mitte September an Schling-
beschwerden. Das Hindemiss sass sehr weit unten und
hatte bereits bis 20. Nov. den Oesophagus vollständig
verlegt. Am 21. Nov. 1880 wurde mit einem Schnitt, der
am Proc. xiphoid. begann und ca. 5 Ctmtr. lang dem lin-
ken Bippenbogen entlang verlief, die Bauchhöhle eröffnet.
Die vordere Magen wand lag sehr tief, sie wurde mit die
ganze Dicke durchsetzenden Nähten in die Wunde genäht
und sofort longitudinal incidirt. Die Ränder der Magen-
wunde wurden gleichfalls mit der Hautwunde vereinigt.
Der Kr. wurde allmälig schwächer und starb unter Con-
vnlsionen 37 Std. nach der Operation.
Bei der Sektion fand man nach Oeffhung des Abdomen
in der Linea alba das Peritonäum etwas livid und etwa
50 Grmm. sanguinolentes Serum enthaltend. Die Wunde
war gut verklebt und gegen das Cavum peritonaei voll-
ständig abgeschlossen. DieNeubUdnng sass etwa 5 Ctmtr.
oberhalb der Kardia.
4) Dr. C. Langenbuch (Berl. klin. Wchnschr.
XVni. 17. p. 236. 1881). — Eine GOjähr. Fran litt seit
ca. 1/9 Jahre an Speiseröhrenstriktur dicht oberhalb der
Kardia und war gänzlich entkräftet. Am 19. Nov. 1879
Hautscbnitt von der Medianlinie des Bauches parallel dem
linken Rippenbogen, und zwar nach abwärts von ihm bis
zum 8. Rippenknorpel. Der Magen präsentirte sich nicht
sogleich, sondern wurde vermittelst des Netzes in die
22
170
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
Wunde hineingezogen, in welcher ein Stfick seiner Wand
in Breite von 4, and in Länge von 3 Ctmtr. eingenäht
wurde. Der 'Tod erfolgte nach 2 Tagen an Inanition, es
war keine Spnr von Peritonitis vorhanden. Die Nähte
hielten bereits so fest, dass es einiger Gewalt bedurfte,
um den Magen von den Bauchdecken zu trennen. Die
carcinomatöse Striktur war impermeabel, im Septum des
Herzens fand sich eine wallnussgrosse Metastase.
6) Prof. Weinlechner (Wien. med. Wchnschr.
XXX. 9. 1881). — Ein lljähr. Knabe hatte im Juli 1879
Laugenessenz getrunken und konnte seit 24. Sept. weder
schlucken , noch konnte die Striktur mit einem Instru-
ment passirt werden. Der Kranke wurde mit ernähren-
den Kly stiren bis 18. Oct. mühsam am Leben erhalten.
Am genannten Tage wurde ex indicat. vitali die Gastro-
stomie vorgenommen. Die Schnittführung war wie in den
vorigen Fällen, der mit 2 Acupressumadeln fixirte Magen
wurde mit oberflächlichen Nähten an die Banchwunde ge-
näht , ebenso dann noch die kreuzförmige Magenwunde
nach dessen Spaltung. In die Fistel wurde ein gut
schliessendes Drainrohr eingeschoben. Die Kräfte des
Kr. sanken, trotz allen angewandten Mitteln, immer mehr,
der Tod trat 50 Stunden nach der Operation ein.
Bei der Sektion fand sich der Magen fast senkrecht
gestellt und bildete mit der Pf5rtnerpartie einen rechten
Winkel. Am untern Wnndwinkel war das grosse Netz
angelothet und im Zwischenraum im Umfange eines Kreu-
zers eine Eiteransammlung. Der BanchfeUftberzug der
Bauchwand war in der Umgebung der Wunde getrübt,
der des Magens erschien hell. Das Bauchfell der dünnen
Därme, des grossen Netzes, sowie die Auskleidung des
unteren Bauchraumes waren mit einer Schicht rahmigen
Eiters bedeckt. Die Speiserohre war in ihrer untern
Hälfte bis 1 Querflnger über der Kardia bis auf 4 Mmtr.
verengert.
6) Prof. Weinlechner (a. a. 0. 12). — Ein
17jähr. Bursche, der am 12. Jan. 1877 Laugenessenz
getrunken hatte, wurde am 14. Oct. 1879 aufgenommen,
da er seit 6 Tagen kenie Nahrung hatte zu sich nehmen
können. Ernährende Klystire hatten keinen nennens-
werthen Erfolg und wurde deshalb am 21. Oct. die Gastro-
tomie wie im vorigen Falle vorgenommen. Die Magen-
wunde wurde durch Ausschneiden einer Falte längsoval
gestaltet. Anfangs befand sich Fat, ganz wohl, collablrte
aber sehr rasch und starb 30 Stunden post operationem.
Nahrung war in die Fistel nicht eingeflösst worden.
Bei der Sektion fand sich eine Verengerung 7 Ctmtr.
vom Eingänge und 4Va Ctmtr. tiefer eme zweite. Die
Todesursache war Peritonitis.
7) Dr. Langenbuch (a. a. 0. p. 235). — Ein
173 Tage altes Mädchen hatte vor 3 Monaten „Seifengeist**
zu trinken bekommen, worauf Schlingbeschwerden und
schlüsslich Unmöglichkeit zu schlingen auftraten. Es
fand sich eine Striktur hoch oben am Schlünde und eine
zweite dicht über der Elardia. Bei der Ernährung per
anum kam das Kind immer mehr herunter , weshalb am
29. Mai 1879 die Gastrotomie ausgeführt wurde. Der
Schnitt wurde wie bei 4 geführt, die Magen wand trat so-
fort zu Tage und wurde durch Seidennähte, welche nur
Serosa und Muscularis fassten, an die Wunde genäht.
Die Wunde heilte aseptisch. Ein Versuch, am 5. Juni,
die Magenwand zu durchstechen, führte zur Ablösung vom
untern Wundrande im Bereiche von 2 Nähten , weshalb
wieder ein antiseptischer Verband angelegt wurde. Am
12. Juni erfolgte die Incidirung und Einlegung eines ver-
schliessbaren Drainrohres in die Fistel, welches dauernd
einen sehr guten Verschluss bewirkte. Das Kind erholte
sich sehr gut und fing schon an zu gehen, starb aber am
25. Dec. an einer katarrhalischen Pneumonie. Die Ma-
genfistel hatte 210 Tage bestanden. Die in der Mitte der
vordem Wand angelegte Fistel war mit der Bauchwand
derb verheilt. Die Striktur des Oesophagus war vom
Magen aus für das feinste Bougie allenfalls zugänglich u.
wäre von hier aus vielleicht später eine dilatirende Be-
handlung möglich'gewesen. — L. verwirft die FisaÜons-
nadel und kann aus Rücksichten der Antisepsis nur die
zweizeitige Operation gerechtfertigt finden. Da man in-
dessen gewöhnlich bei bereits sehr herontergekommenen
Kr. operirt, so empfiehlt er bis zur Eröffnung des Magens
ernährende Injektionen durch eine Hohlnadel („Nähma-
del'') in denselben zu maehen, um den von der Inanlti<m
drohenden Gefahren mögliehst zu begegnen.
Wegen Krebs des Oesophagos wnrde die Gastro-
tomie anch von Dr. George Buehanan (LanceC
I. 1 ; Jan. 1881. p. 7) ansgePtthrt, und Bwar mit
unmittelbar nach der Operation günstigem Erfolge.
Der am 10. Sept. 1880 aufgenommene OOjähr. Kr.
litt seit Februar an Schlingbeschwerden, Ifdas Hinderain
sass etwa in der Mitte des Oesophagus. Ungeachtet e^
nährender Klystire verfielen die Kräfte rasch und mia
entschloss sich zur Anlegung einer Magenflstel (27. Oct.
1881). Der Schnitt verlief etwas unterhalb mid panüel
dem 8. linken Rippenknorpel. Es präsenttrte rieh zuerst
in der Wunde das Colon transversnm. Der Magen wurde
mit einer Zange hervorgezogen , mit 2 parallelen langen
Kadeln durehstossen und so auf den Wnndrandem fest-
gehalten. Nach Annähung [mit durchgehenden Sota-
reu?] der Magenwand wurde der Magen durch einen
kreuzförmigen Schnitt eröffiaet und mit einer Drainage
röhre verschlossen. [Wann die Fizationsnadeln entfernt
wurden, ist nicht gesagt.] Am 30. Oet erhielt der Kr.
zum ersten Male Nahrung in den Magen, die Heilnog der
Wunde war tadellos verlaufen, nur an dem Innern Wnnd-
winkel bestand eine kleine oberflächliche Eiterung. Trotz
der sorgflUtigsten Pflege starb der Operirte am 8. Kor.
an Erschöpfung. Der Tumor, ein Epithelial-Garcinom,
sass etwa 2 Vi Zoll über der Kardia ; die Speiseröhre irar
durch einen l'ranbenkem vollständig verschlossen.
D. Krebs des Magens.
Die Verwendbarkeit der Resektion bei krebsigts
Affektionen des Magens ist bekanntlich erst in den
letzten Jahren in Erwägung genommeOi bez. doreh
die Erfahrung nachgewiesen worden. Am einge-
hendsten wird diese hochwichtige Frage in derSehrift
besprochen y welche Dr. A. Wolf 1er nnter dem
Titel: über die von Prof. Billroth ausgeführten Ei-
Sektionen des earcinomatösen Pylorus, (Wien 1881.
Branmflller. 8. 63 S. mit 3 Tafeln ^) herausgege-
ben hat. Behnfs genauerer Orientirung ist das Sta-
dium derselben unentbehrlich.
Gussenbaner und v.Winiwarter erbrach-
ten im J. 1876 durch Thierexperimente (Arch. f.
klin. Chir.Xm. 1. p. 65) den Beweis, dass die ptf-
tielie Resektion des Magens ausgefllhrt werden
könne.
Czerny undKaiser^) fahrten diese Experi-
mente weiter und zeigten sogar, dass ein Hund nseh
Resektion selbst des ganzen Magens leben und gat
gedeihen konnte. Bei zwei an Magenfistel leidendeD
Menschen fand Prof. Billroth weiterhin Gelegen-
heit, die Gastroplastik zu studiren und anszufilhreB.
Ein weiterer Fortschritt der chir. Operatiooen tfu
Magen war femer die mit stets verberaerter Techoii^
und wachsendem Glücke vorgenommene Gastrotomie
zur Anlegung einer Emfthrungsfistel bei Impeimes'
bilität des Oesophagus. Durch eine grössere ZiU
1) Fär die Uebersendnng dankt verbindlich Wn
2) Czerny'sBeitr. zoroperat« Chirargfe.
VI« Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatrik.
171
Ton Resektionen am Dünn- und Dickdarme wurde
die Methodik und Technik der Darmnaht und Darm-
reBektion weiter ausgebildet.
Die erste Resektion des oarcinomatösen Pylonts
führte P^an in Paris aus (vgl. Jahrbb. CLXXXV.
p. 273) , beschrieb aber seine Operation mit einer
der Sache wenig würdigen Oberflfichlichkeit und Un-
geivinigkeit. Ihm folgte mit einer 2. Resektion Dr.
Rydygier in Kulm a. W. (Deutsche Zeitschr. f.
Chir. XIV. 3 u. 4. p. 252. 1881).
Billroth ftthrte die Operation kurz nachein-
ander 3mal aus^Wölfler einmal am 8. Aprill881.
{Wölfler Lc.)
Die Technik der Operation ist von Billroth
am Weitesten ausgebildet und gefördert worden.
P. und R. führten den Schnitt in der Linea alba, B.
schnitt dort ein, wo die Geschwulst lag. Letzterer
Schnitt gewährt den Vortheil, dass sich der kranke
Thdl des Magens sofort präsentirt, dass ferner Py-
loms, Duodenum und rechte Hälfte des Magens bes-
ser zu übersehen sind, und dass endlich viel leichter
das Vorfallen 'der Eingeweide verhütet werden und
eine ev. Verwachsung des Carcinom mit dem Peri-
ton&um oder den Bauchdecken gleich excidiii; wer-
den könnte. Eine Verwachsung mit dem Pankreas
mttsste ein weiteres Vorgehen unthunlich erscheinen
lassen, dasselbe würde wohl der Fall sein, wenn das
Carcinom die Pai*8 horizontalis duodeni überschritten
hätte, aber sich bis gegen das Ligam. hepato-duo-
denaie, resp. den Ductus choledochus erstreckte. Bei
einer innigen Verwachsung mit dem Colon transvcr-
8um könnte man daran denken, gleichzeitig dessen
Resektion vorzunehmen. Nach Hei*vorziehung des
Magens gegen den Wundspalt erfolgt nun die voll-
ständige Isolirung des zu excidirenden Pylorus und
des angrenzenden Magen- und Dnodenalantheiles.
Es wird mit der Ablösung des grossen Netzes an der
grossen Curvatur begonnen und dadurch die perito-
Däale Verbindung des Magens mit dem Colon trans-
versnm durchschnitten. Mit einer stumpfen anatomi-
schen Pincette wird zwischen die Blätter des grossen
Netzes eingegangen und dasselbe in kleinen Partien
unterbunden. In gleicher Weise wird sodann das
kleine Netz abgetrennt. Stösst man dabei auf ver-
grösserte Lymphdrüsen, so sind dieselben mit zu ent-
fernen. Der Magen muss sich nun leicht und weit
hervorziehen lassen, so dass alle übrigen Eingriffe
ameerhalb der Bauchhöhle ausgeführt werden.
Durch eine untergeschobene, selbstverständlich des-
infioirte Serviette oder einen Schwamm wird die
Bancbhöhle abgeschlossen.
Es erfolgt nunmehr die Resektion des erkrank-
ten Theiles. Will man das Duodenum an den der
kleinen Onrvatnr zunächst liegenden Theil des
Magenlumens inseriren, so fasst man das Carcinom
mit einer Mtueua^wilbßn Zange und beginnt in einer
eBtqpreehenden Entfernung von demselben an der
grossen Curvatur mit der Scheere die beiden Magen-
wände auf einmal zu durohtrennen. Nach Durch-
trennung von etwa y^ des Magens und sorgfältiger
Stillung der Blutung, werden die Wundränder des
so erhaltenen Magenlumens sofort so vereinigt, dass
Serosa an Serosa kommt. Nachdem diese „Occlu-
eionsncJit zur Verkleinerung des Magenlumens**
angelegt ist, wird der noch restirende Theil des
Magens durchschnitten. Nunmehr wird der Pylo-
rus, entsprechend weit vom Carcinom, vom Duo-
denum geti'ennt, nach gehöriger Fixation des letz-
teren. Es folgt jetzt die Insertion des Duodenum
an das verldeinerte Magenlumen. Dabei muss
man an der hintern Wand des Magens und Duode-
num beginnen, die man umdrehen muss, wenn man
sicher sein will, dass die Nähte exakt liegen. Be-
quemer ist es deshalb, die Nähte von innen anzu-
legen. Es wird mit einer Nadel zwischen Mucosa
und Muscularis eingestochen, durch Muscularis und
Serosa durchgestochen, und an dem gegenüber-
liegenden Duodenum wieder Serosa und Muscularis
durchgestochen und zwischen dieser und der Schleim-
haut am Wundrande ausgestochen. Zweckmässig
erscheint es, die Schleimhaut wieder besonders zu
nähen, da dadurch jede Spur von Wundfläche an
der Innern Darmwand gedeckt wird und keine Ein-
wirkung des Magensaftes stattfinden kann. Wollte
man auch an der vordem Wand des Magen- und
Duodenumlumen die Schleimhautränder mit einander
vereinigen, so müssten die Knopfnähte von aussen
angelegt werden. Nach sorgfältiger Anlegung der
Nähte wird der Magen gereinigt und reponirt und
die Bauchwunde geschlossen. (Kein Spray.)
Die einzelnen Abweichungen in der Schnitt-
führung berücksichtigen wir bei den einzelnen Kran-
kengeschichten. Im Allgemeinen kommt es darauf
an, alle Falten- und Zwickelbildungen zu vermeiden,
was wohl dadurch erreicht werden dürfte, dass 1. bei
schiefer Schnittführung durch den Magen dort, wo-
hin die Occlusionsnaht zu liegen kommt, von der
Magenwand mehr weggenommen wird, als auf der
Seite, wo das Duodenum inseriii; wird, und dass
2. zuerst das Magenlumen verschlossen wird, bis
eine dem Duodenum entsprechende Lichtung zurück-
bleibt. Da endlich an der grossen Curvatur leich-
ter, als an der kleinen ein Ueberschuss an Magen-
wand entsteht, so wird die principielle Anheftung
des Duodenum an die grosse Curvatur auch die
Entstehung der Divertikel verhindern. R y d y g i e r
(1. c.) schnitt zur Beseitigung des an der grossen
Curvatur gebliebenen bedeutenden Zipfels ein Dreieck
aus. Dr. Wehr (Centr.-Bl. f. Chir. VIII. 10.
p. 145. 1881) empfiehlt auf Grund von 13 Thier-
experimenten die Differenz der Lumina durch Er-
weiterung des Duodenallumen herbeizufüluren. Man
en*eicht dieselbe durch schräge, ovaläre oder wink-
lige Schnittfilhrung beim Durchschneiden des Duo-
denum. Die Schnittlinie kann so bis etwa um das
Doppelte verlängert werden. Wölfler (1. c.)
macht hiergegen geltend, dass diese Thierexperi-
mente für die Verhältnisse beim Menschen nicht be-
weisend seien, und dass die Erweiterung des Duo-
172
VI. Ghimrgie^ OphfluJmologie n. Otiatrik.
denallnmen höchstens ftlr ganz kleine im Bereiche
des Duodenum und Pylorus sitzende Carcinome
anwendbar sei. Als Nähmaterial verwendete B.
Czemy'ache Seide , R. Catgut, Wehr betrachtet
letzteres als das einzig zulässige Material bei der
Darmnaht. Zum temporären Verschluss des Magens
oder Darmes zur Verhütung des Austrittes von In-
halt ^ bediente sich B. keiner Vorrichtung , R. hat
dazu flache, eiserne Compressionsstäbe angegeben,
welche mit Kautschuk überzogen und mit Seiden-
oder Gummifäden gegeneinander gedrückt erhalten
werden. Wehr (1. c.) macht noch besonders auf
die grosse Gefahr der sekundären Blutungen auf-
merksam.
1) Rydygier. Ein 64jähr. Mann litt seit
2 J. nach einem Anfall von Peritonitis an Schmer-
zen im Leib, zu denen seit ca. 5 Wochen noch Er-
brechen hinzutrat.
Bei der Aaftaahme am 14. Not. 1880 fühlte man
etwas über dem Nabel eine empfindliche, bewegliche Qe-
sohwnlBt von etwa 2 Qnerfinger Breite und 3 Qnerflnger
Länge, welche als begrenztes Caroinoma pylori ohne be-
deutende Verwachsungen und wahrscheinlich auch ohne
Metastasen betrachtet wurde. B. hielt deshalb die Ope-
ration für indicirt. (16. Nov.) Vom 14. an erhielt der
Kr. Iceine Speisen per os, sondern Emähmngsklystire.
Der Schnitt (antiseptisch, ohne Spray) wurde in der Linea
alba geführt , der Tumor präsentirte sich sofort. Nach
dem Herausziehen desselben wurden die Compressorien
angelegt. Zu diesem Zweck wurde vom grossen und
kleinen Netz so viel vom Magen getrennt, dass man den
hintern Arm des Compressorinm unter den Magen schie-
ben konnte, was nicht leicht war. Noch schwieriger ge-
staltete sich das Anbringen des Compressorinm an das
Dnodenam, wobei die dünne Wand desselben sogar ein-
riss. Ein Ansfliessen von Darminhalt schien nicht statt-
gefunden zu haben. Bei dem Ablösen des Omentam
majns et minns war die Blutung ziemlich bedeutend.
Die Sohnittrander des Duodenum nnd des Magens wurden
mit der Cz^m^'schen Naht vereinigt u. auch die Schleim-
haut der hintern Wand von innen vernäht. Die Occln-
sionsnähte des Magens wurden zuerst angelegt. Um die
vordere Nahtreihe widerstandsfähiger zu machen, wurde
der abgetrennte Theil des grossen Netzes oben an den
Magen befestigt, so dass es die Nahtreihe zudeckte und
eventuell mit ihr verkleben konnte. Die Wunde wurde
mit CatgutnShten geschlossen und ein Xti^er'scher Ver-
band angelegt. Per os wurde dem Kr. kurz nach der
Operation etwas Opium mit Wein, per anum Pepton-
klystire gegeben. Der Kr. kUgte über Schmerzen an
der Operationsstelle und Zusammenschnüren der Brust,
wurde unruhig, collabirte und starb 12 Std. nach der
Operation.
Bei der Sektion fand sich alles Erebsige voll-
ständig entfernt, Metastasen waren nicht aufzufinden.
Entzündung oder Exsudat waren nicht vorhanden,
es blieb also unentschieden, ob der Tod durch Er-
schöpfung oder Sepsis acutissima herbeigeführt wor-
den sei. Die Nflhte schlössen sehr gut. Das
herausgeschnittene Stück (Scirrhus) war 5 Otmtr.
lang, dVs Ctmtr. breit, die Trennung war in ge-
sundem Gewebe erfolgt.
2) Billroth. Bei einer 43jähr., sehr elenden
Frau, die seit 3 Mon. an Verdauungsbeschwerden
und Erbrechen litt, fühlte man in der Nabelgegend
einen harten, leicht verschiebbaren, empfindlichen
Tumor, der mit den Bauohdecken nicht zusammen-
hing.
Am Abende vor der Operation (29. Jan. 1881) wur-
den mehrere Klystire verabreicht, 1 Std. vor derselbeB
der Magen ausgewaschen. (Ebenso wurde bei den fol-
genden Operationen verfahren.) Der 11 Ctmtr. lange
Bauchdeckenschnitt wurde oberhalb des Nabels quer ftber
die Geschwulst von rechts nach links etwas bogenffirmig
geffihrt, die Geschwulst nahm die ganze Begio pytorica
und einen Theil der angrenzenden vordem und hintern
Magenwand ein. Das grosse Netz und das Queroolon
waren an der grossen Curratnr angelöthet und verdickt
Daselbst fanden sich auch harte Knötchen und eine ver-
grSsserte L3rmphdrüse, welche mit dem Lig. gaetro-
colicum exstirpirt wurden. Sicht- oder ffihllMire ver-
dächtige Theile wurden nicht zurückgelassen. Die Mög-
lichkeit des Zurückbleibens kleinerer Infektionsherde wir
natürlich nicht ausgeschlossen. Nan wurde das Duode-
num von oben her angeschnitten und hierauf der Magen
jenseits des Caroinom von der kleinen Curvaiur ans in
schiefer Richtung von rechts oben nach links unten. Ei
floss fast gar kein Mageninhalt aus. Jetzt wurden 4 pro-
visorische LemherVmYie Nähte an den betr. obem Wond-
rändem angelegt und zum Halten benutzt. Hierauf er-
folgte die gänzliche Dnrchtrennung der Magen- und Doo-
denumwände, Entfernung derPylorusgeschwnlst nndnack
Beinigang der Magenhöhle worden die Ocelusionsnähte
zar Verkleinerung des Magenlumen von unten nach oben
angelegt, und endlich das Duodenum an das zurüekblei-
bende Magenlumen genäht. An der Dnodenalwand waren
durch den Zug 2 Stichkanäle zu linsengrossen La<&eB
erweitert, die geschlossen werden mussten. Die Opera-
tion dauerte iVs Stunden. Die ezstirpirte Geschwrnbt
(alveolares Gallertcarcinom) maass an der grossen Ost-
vatur 14, an der Ideinen 10 Centimeter. An deuGrenien
befanden sich noch Je 2 Ctmtr. gesunden Gewebes.
DerHeiluDgsverlauf war günstig, erhebliche sab-
jektive Beschwerden traten nicht auf. Die Bauch-
deckenwunde war am 8. Tage verheilt. Einige
Tage später fühlte man ein Infiltrat, was anachei-
nend der Naht an der grossen Curvatnr entsprach,
aber sich bald resorbirte. Am 1. Tage erhielt die
Kr. nur Eis, vom 2. an saure, später süsse Milch,
dann allmälig Kaffee, Cacao, Eier, Wein n. s. v.
Am 20. ass ide bereits Fleisch. Die Reconvaleaceni
war dm*ch einen Decubitus verzögert, dieEntlassoiig
erfolgte am 20. Februar. Der Kr. ging es anfangs
sehr gut, sie konnte alle Nahrungsmittel ohne Be-
schwerde vertragen. Sie starb am 24. Mai (Wien.
med. Wchnschr. XXXI. 22. p. 634. 1881) an ejuern
recidivirenden Gallertkrebs, welcher vermuthlich von
den retro-peritonäalen Lymphdrüsen ausgegangen
war und sich über das Peritonäum der ganieii
Bauchhöhle ausgebreitet hatte. Die Auaseofiiohe
des Magens, das Quercolon, sowie die angrenBenden
Partien des Duodenum und Jejunum waren gleich-
falls vom Gallertkrebs bedeckt. Der Magen hatte
eine ganz natürliche Form. An der grossen Car-
vatm* zeigte sich eine sackartige ErweiteruBg, dodi
war dieselbe nicht so bedeutend, dass sie sn Vtf-
dauungsbeschwerden hätte Veranlassung geben kde-
nen. An der Vereinigungsstelle zwischen Mag^D
und Dünndarm hatte sich keine Stenose eotwiDkalti
auch war die Vereinigung so vollkommen, daas man
an der Magenschleimhaut keine Narbe foUen ond
nur mit Mühe die Vereinigungslinie finden konnte.
VI. Chirurgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
173
3) Billroth. Die 39jähr. Kr. litt seit 7 Mod.
an Verdanangsbeschwerden y hatte aber bisher nie
erbrochen. Die Geschwulst nach links vom Nabel
war bandtellerbreity massig verschiebbar und schien
mit den Banchdecken verwachsen.
Dia Operation wurde in etwas modiflcirter Weise so
lugeffihrt, dass Magen nnd Duodenum nicht auf einmal
dnrcbsehnitten wurden, sondern erst, nachdem nebst den
Fixations- auch die Ocdusionsnfihte angelegt waren.
Wihrend dieser Zeit diente die Qesobwnlst selbst zur
fixation. Nach Eröffnung der Bauchhöhle (28. Febr.
1881) erschien die Geschwulst mit der hintern Fascie der
Baochdecken Terwachseo, weshalb ein Stück desselben
QBd des adhfirenten Bauchfells umschnitten u. am Tumor
beUusen wurde. Nach Jsolirung des Magens, welcher
Bich dem Zwerchfell u. dem linken Rippenbogen ausser-
ordentUch dilatirt war , Durchtrennung von der grossen
Cmratur aus bis zur Mitte, und yor der gänzlichen Durch-
treoDUDg Anlegung der Ocoluslonsnfihte. Hierauf wurde
das Duodenum jenseits des Caroinom angeschnitten und
durch die Wand des Magen- und Duodenumlumen wurden
3 Lem6tfrf sehe Nähte geführt, worauf die gSnzliche Dnrch-
Bdmeidnng erfolgte. Nach Anlegung der übrigen Ring-
nibte folgte Schlnss der Wunde. Trotz senkrechter
Dorehsehneidung des Magens bildete sich an der grossen
Cmratur ein Divertikel. Die Operation hatte 23/^ std.
gedauert, das excidirte Stück (Epithelialkrebs) maass an
der grossen Curratur 10, an der kleinen 6 Gentimeter.
Weder von Seiten der Bauchwnnde, noch des Peritonäum
tnten Störungen auf, doch starb die Kr. am 8. Tage an
den Folgen der Inanition. Bei sonst günstigem Allge-
membeünden trat nämlich am 1. Tage Erbrechen auf,
Nansea hielt auch weiterhin an, am 4. Tage wurde Galle
erbrochen. Dabei war kein Meteorismus Torbanden,
FlatoB gingen ab und die Wunde sah gut aus.
Es wurde daraus geschlossen , dass die Magen-
düatation als solche die wesentlichste Ursache für
das Erbrechen abgebe , dass der Mageninhalt zwar
nicht in das Duodenum abfliesse , dass dagegen auch
keine vollstftndige Stenose an der Ringnaht bestehen
könne ) da Galle im Erbrochenen war. Das foiir
währende Erbrechen nöthigte zur ausschliesslichen
Enähning per rectum am 5. März. Der Qedanke
an das Divertikel und die Ueberzeugung , dass ein
Passagebindemiss bestehen müsse, veranlasste B.
am folgenden Tage zur Lösung der Magennarbe an
den Occinsionsnähten. Der vom Magen ans einge-
fthrte Zeigefinger gelangte nur mühsam in das Duo-
denum. Es wurden hierauf die vordem Ringnähte
geltet und die vordere Wand des Duodenum an die
Bauchdecken genäht, um von dieser Fistel aus künf-
tig die Ernährung zu besorgen. Die Wundränder
des froher occlndirten Magenlumen wurden vorläufig
nicht wieder vereinigt. Die Fat. erholte sich nicht
wieder, sondern starb am folgenden Tage. Bei der
Sektion £and sich keine allgemeine Peritonitis , die
Eistirpation des Carcinom war vollständig gelungen.
^ Pars horizontalis dnodeni war in der Gegend
der kleinen Curvatur nach vom gegen die Bauch-
deckennarbe fixirt, während der grosse Magensack
nach hinten und nnten gegen das Zwerchfell gelagert
War, wodurch eineAbkniokung herbeigeführt wurde.
Ausserdem aber war noch das Duodenum an den
sehr verdickten Rand der kleinen Cnrvatur angesetzt
ond dadurch die Verbindungsstelle in einen Schlitz
^^cnngt, dessen Enge die atonische Magenmuskulatur
nicht zu überwinden vermocht hatte. Als Todes-
ursache war demnach im Grunde die hochgradige
Magendilatation anzusprechen.
4) Billroth. Die 38jähr. Kranke (8. März
1881} litt seit ca. 1 J. an Magenbeschwerden, an
Erbrechen seit April 1880. Nach oben und rechts
vom Nabel fbhlte man eine ca. hflhnereigrosse, etwas
verschiebbare, nicht deutlich abzugrenzende Ge-
schwulst, Dilatation war nicht vorhanden.
Nach Isolirung des Magens (12. März 1881) zeigte
es sich , dass das Carcinom am Pankreas fixirt war. Die
Ablösung war äusserst schwierig, da B. sich nicht zur
Abbindnng des Pankreas entschliessen konnte, wegen der
event. Gefahren für die Verdaunog. Der Magen wurde
an der kleinen Ourvator in sagittaler Richtnug, etwas
schief von links nach rechts bis zur Mitte eingeschnitten,
und nach Anlegung von Ocelusionsnähten ganz durch-
trennt. Sodann wurde das Duodenum Jenseits des Car-
cinom etwas schief von rechts oben nach linlu nnten
durchschnitten , die hintere Wand desselben mit der hin-
tern Wand des restirenden Magenlumen (also der grossen
Curvatur) durch innere Darm- und Schleimhautnähte ver-
einigt, worauf die Anlegung der Ringnähte von aussen
erfolgte. Die Form des Magens war sehr befViedigend.
Die sehr elende Pat. collabirte bedeutend und starb um
10 Uhr Abends.
Das excidirte Pjlorusstück, für den Finger noch
durchgängig (Medullär - Carcinom) , maass an der
grossen Curvatur 12, an der kleinen 6 Gentimeter.
Die Sektion ergab, dass die Operation in technischer
Hinsicht vollendeter war, als die vorhergehenden,
es bestand kein Divertikel. Am äussern Umfange
des Pankreaskopfes befand sich eine bohnengrosse,
im kleinen Netze eine haselnussgrosse carcinomatöse
Lymphdrtlse. In der Bauchhöhle und im Becken
ca. 500 Cctmtr. serös-eitrigen Exsudates.
5) W ö l f l e r. Die Geschwulst bei der 52jähr.
Er. hatte etwa die Grösse eines Borstorfer Apfels und
war nach allen Richtungen noch gut verschiebbar.
Die Isolirung des Pylorus (8. April 1881} ging gut
von Statten, da keine Adhäsionen vorhanden waren.
Die Durchtrennung des Magens und die Annähung
des Duodenum erfolgte wie im vorigen Falle. Das
excidirte Stflck maass an der grossen Cnrvatur 12
Gentimeter. Der Verlauf war vollständig reaktions-
los,' vom 20. Tage an nahm die Kr. schon Fleisch
zu sich. (Anfang Juli war noch vollständiges Wohl-
befinden zu constatiren.)
Die Indikation znr Resectio pylori wird sich
ausser auf das Carcinom nnd andere seltenere Ge-
schwülste auch auf das Uagengeschwür und die
Narbenstenosen ausdehnen lassen. Sitzt das Ge-
schwür am Pyloms , so wäre die Technik die eben
beschriebene , sitzt es an der kleinen oder grossen
Curvatur oder an der vordem Magenwand, so könnte
man daran denken, den Magen nach der Excision in
seiner Längsrichtung wieder zu vereinigen , an der
hintern Magenwand würde die Verwachsung mit
dem Pankreas Schwierigkeiten bereiten. — Für den
Fall, dass nach gemachtem Einschnitte die Resektion
wegen zu grosser Ausdehnung des Carcinom nicht
mehr ausführbar sei , kann man am Duodenum oder
Dünndarm eine Emährungsfistel anlegen (vgl. Jahrbb.
174
VI. Chirurgie^ Ophäuümologie u. Otiatrik.
GLXXXIII. p. 190). Dasselbe müsste man thuD,
wenn wegen zu grosser Spannung nach gemachter
Resektion die VereiniguDg der Lumina nicht statt-
finden könnte. Die Magenwunde wäre dann natür-
lich mit Occlussionsnähten zu verschllessen.
Dr. G. Langenbuch sah sich wegen zu
grosser Ausdehnung der Neubildung zu dieser pallia-
tiven Operation (Duodenoatomie) veranlasst (Berl.
klin. Wchnschr. XVUI. 17. p. 235. 1881).
Die 32jähr. Kr. litt seit einem Jahre an Magen-
beschwerden, seit mehreren Monaten an Erbrechen.
In der Pyloioisgegend fühlte man eine Geschwulst,
die auf die grosse Gurvatur zu verfolgen war. Die
Resektion schien indicirt, falls dieselbe nicht ausge-
führt werden könnte , sollte eine Duodenalfistel an-
gelegt werden.
Der Hautschnitt (4. Sept. 1879) erstreckte sich 10
Ctmtr. nach rechts von der linken Mamillarlinie , 3 Fin-
ger breit abwärts vom linken Rippenbogen und paraUel
demselben. Die Untersuchung des Pjlorus ergab , dass
die Nenbildnng in breiter Ausdehnung sieh l^ngs der klei-
nen Cnrvatnr erstreckte und nicht mehr zu entfernen war.
Der Hautschnitt wurde deshalb nach oben verlängert und
es gelang leicht , einen Theil der Pars horizontalis dno-
deni in die äussere Wunde zu ziehen und dort mit Nähten,
welche die Darmwand nicht ganz durchbohrten, anzu-
nähen. Die Heilung verlief iSeberfrei , die Kr. kam aber
trotz häufiger Peptonklystire und Rum und Wasser als
Getränk sehr herunter. Am 11. Sept. wurde der Darm
incidirt und eine Nahrungsinjektion Torgenommen, die
den Collapsus etwas zu vermindern schien , doch trat der
Tod am 14. Abends ein.
Die Verbindung des Darms mit den Bauchdecken
war eine sehr innige, es fehlte jede Spur einer peri-
toDitischen Reizung.
E. Krebs des Dickdarms *).
Prof. Dr.C.Gnssenbauer berichtet über eine
von dem inzwischen verstorbenen Hamburger Chi-
rurgen Dr. Martini nach seinen Angaben und mit
seiner Assistenz ausgeführte Exstirpation eines Darm-
carcinoms (Ztschr. f. Heilk. I. 3. 4. p. 207. 1880).
Ein ieVaJähr. Kaufmann litt seit einem im Sommer
1868 uberstandenen Ikterus an hartnäckiger Obstruktion,
die aUiährlich durch den Gebrauch von Marienbader Was-
ser gebessert, aber nie ganz beseitigt wurde. Am 28. Oct.
1878 wurde von Dr. Martini ein Tumor des 8 Bomanum
diagnosticirt und die Exstirpation in Vorschlag gebracht ;
Wilms und Gussenbauer bestätigten die Diagnose.
Letzterer fand den Bauch überall weich anzufflhlen, nur
im linken Hypogastrium, entsprechend dem Uebergang
der Regio inguinaUs in die Begio pubis und 2 Querfinger
unter der Linie, welche die beiden Spinae anteriores ilei
verbindet, fühlte man eine bei tiefem Drucke empfindliche,
enteneigrosse, harte, höckerige Geschwulst, welche nach
beiden Seiten leicht, weniger leicht von oben nach unten
beweglich war. Nach hinten von derselben gingen 2 derbe
Stränge, neben welchen 2 Knotehen zu liegen schienen.
Bei der Untersuchung durch den Mastdarm konnte man
mit Leichtigkeit den untern Rand abtasten.
Die lange Dauer der Erkrankung und die un-
zweifelhaft bereits stattgefnndeue Weiterverbreitung
der Geschwulst auf das Mesocolon und die Lymph-
drüsen legten die Frage nahe, ob eine Radikalope-
ration durch eine Darmresektion mit nachfolgender
0 Vgl. Jahrbb. CLXXXVH. p. 66.
Vereinigung der Darmenden möglich sei, und ob sie
im Falle ihrer Ausführbarkeit znm Ziele führen könne,
oder ob man nicht vielmehr, unter VerziohtleiBtmig
auf die Enterorrhaphie, nach möglichst ausgedehnter
Exstirpation , sich mit Anlegung eines künstUches
Afters begnügen müsse.
Da voraussichtlich eine sehr ausgedehnte Resek-
tion zu machen war, so konnte möglichenfalls die
Wiedervereinigung der resecirten Darmenden sehr
ei'schwert oder vielleicht gar unmöglich werd^.
Weiterhin war das bereits stattgefündene Uebergrei-
fen der Neubildung über ihren Hntterboden Tür die
Aussichten auf eine Badikalhellnng sehr ungünstig.
Falls also, wie wahrscheinlich, nach gelungener Re-
sektion, ein Recidlv auftreten sollte, so war voraus-
zusehen, dass dasselbe entweder in der Narbe dei
Darmes oder des Mesocolon, oder von LymphdrüMS
seinen Ausgangspunkt nehmen werde. In den bei-
den ersteren Fällen musste das Recidiv sicher, im
letzten Falle sehr wahrscheinlich schlttsslich zur wie-
derholten Darmstenose führen. Anders schienen die
Veriiftltnisse zu liegen, wenn man auf die Wieder-
vereinigung der Darmenden verzichtete, wodurch
einmal eine sehr weit ausgedehnte Entfernung des
Erkrankten ermöglicht, femer einer ev. Reoidiv-8te*
nose vorgebengt oder doch mindestens deren Behand-
lung erleichtert, und endlich auch die Gefahr einer
Perforations-Peritonitis verhütet wurde. Wenn min
auch die letztere Operation nach Lage derSadie den
Vorzug verdiente, so schien die Enterorrhaphie doch
nur ftlr den Fall contraindicirt zu sein, wenn eine
leichte und ungezwungene Wiedervereinigung der
Darmenden als unmöglich oder schwer dnrchflihrbar
sich erweisen würde.
Die Operation wurde am 9. Nov. 1879, wie sohoi er-
wähnt, durch Martini zu Hamburg ausgeführt. Nseh
Eröffiiung der Bauchhöhle über der Geschwulst (antisep-
tisch) lag dieselbe an der grossten Convezitat der Flexaia
sigmoidea fk'ei zu Tage, der Darm war niif^ends adbäreot.
Das Mesocolon war in der That bereits ergriffen, und
mehrere Knotehen waren in demselben zu fühlen. Es
wurde nun zunächst das S Bomanum in seinem Uebep
gang in das Rectum 3 Querflnger vom unteren Ende des
Tumor entfernt, mittels zweier Seidenfäden abgebunden
und der Darm zwischen diesen beiden Ligaturen doreh-
schnitten. Nach sorgfältiger Reinigung der DarmschlefaB-
haut Iconnte nun das Mesocolon an semem Uebergaage in
das Peritonäum und damit alles krank erscheinende Ge-
webe sammt den infiltrirten Lymphdrüsen ausgeschnitten
werden, so dass es möglich war, den Darm mit seinein
Mesocolon, bis weit über die Grenze des Tumors, trei be-
weglich gemacht, durch die Bauohwunde naeh aussen sn
verlagern. Die Blutung war sehr gering. Nun wurde
der Darm über dem Tumor mittels einer von Martini
angegebenen Klammer geschlossen, welche aus 8 finger-
breiten, abgerundeten und etwas ooncaven Hartkaot-
sohukplättchen bestand , die nüttels Sebranbea an zwei
in dem einen der Blättchen befestigten Metallstiften ge-
drückt werden konnten. Nach Abklemmung des Darms
wurde nun das S Romanum 2 Qnerfinger über der oberen
Grenze des Tumor durchschnitten und damit war die Ex-
stirpation vollendet. Ein Versuch, die beiden Dameodai
einander zu nähern, zeigte die Unmöglichkeit derVerdai-
gang trotz starker Spannung, so dass die Anlegoog des
künstlichen Afters definitiv beschlossen wurde. ZwMi^
wurde das periphere Darmstüok in geringem Gnde in-
VI* Ohimrgie^ Ophthalmologie n. Otiatrik.
175
TS^nirt und durch Sataren, welche die Serosa upd Mas-
eolariB in sich fassten, geschlossen und yersenkt. Hier-
auf wurde die Bauchwunde vom üntem bis in die Nähe
des Obern Wandwinkels geschlossen. Endlich wurde das
obere Dannende in den obem Wandwinkel so eingenäht,
dus die Wnndfläche der Schleimhant mit der Wandfläche
der Banchhaat vereinigt warde.
Der weitere Verlauf war ein vollkommen reak-
tioDflloeer, nach 8 Tagen konnte die Heilang als voll-
endet angesehen werden. Der Kr. erholte sich
nach and konnte seiner Beschäftigung wieder nach-
gehen ; die Darmöffnnng wurde durch eine Bandage
geschlossen. Bis zum 25. September 1880 (zur
Zeit des Drucks des Berichtes) erfreute sich der Ope-
rirte noch einer ungestörten Gesundheit.
Im Anschluss hieran theilt 0. eine weitere Be-
obachtung eines Garcinom des £ Romatium mit,
die wir wegen der Seltenheit des Befundes hier an*
Algen.
Bei emer 40jähr. Frau, welche seit ca. 1 Jahr
an hartnäckiger Verstopfung litt, fand man in der
Hohe des Ndlatan'wahen Sphinkter einen rundlichen,
leicht höckerigen, beweglichen Tumor, der die Wand
des Rectum einbuchtete, aber nicht mit derselben
in Verbindung stand. Ein eingefQhrtes Mastdarm-
robr stiess in einer Höhe von 23 Ctmtr. auf ein un-
flberwindliches Hindemiss; am wahrscheinlichsten
sehien es demnach, dass es sich um eine impermeable
careinomatOse Striktur des S Romanum mit Infektion
der regionären Lymphdrüsen handle. Zur Sieher-
stellang der Diagnose wurde am 19. Juli 1879 eine
Probeincision in der Medianlinie (antiseptisch) ausge-
führt, aber auch die manuelle Untersuchung von der
Bandihöhle aus lieferte kein sicheres Resultat. Nach
Schliessung der Bauchwunde wurde die Golotomie
ansgefbhrt. Die Kr. fühlte sich danach wesentlich
erleichtert, starb aber am folgenden Tage unter den
Eneheinungen der Herzadynamie.
Bei der StkHan fand man Herzverfettang and
8iileoisati<m der antem Langenlappen. Nach Heraas-
nahme des Dänndarms sah man das untere Ende des Co-
lOB deseendens aberall vom Peritonäam bekleidet, so
hinter der etwas stärker Torspringenden Schlinge nach
abwärts gesogen, dass es Tollatändig von derselben be-
deckt ersahien. Entsprechend der nach hinten and aas«
Ben gekehrten OoneaTität des S Romanam amUebergange
des mittlem in das obere Drittel im Darm selbst, fand
sieh ein Tnmor, der nach hinten die Darmwand bereits
dmehwachsen and sich mit dem Bindegewebe and der tie-
fen Beokenfascie verbanden hatte. Nach Eröiftiang des
Dirms sah man, dass dessen Lumen bis auf Rabenfeder-
kieldieke striktarirt war. Der durch das Rectam pal-
Pirte Tumor, der fGr ein Packet earcinomatöser Lymph-
^vfisen gehalten worden war, war nichts Anderes, als der
teieh bindegewebige Adhäsionen naeh abwärts verzogene
VDd an das Reetom angelöthete Darmtamor (Epithelial-
<stieinom).
Eme doppelte Darmresektion wegen Dickdarm-
Carcinom mit Ausgang in Genesung fahrte Prof.
V. Czerny aus (Berl. klin. Wchnschr. XVII. 46.
p. 639. 1880).
Eine 47Jähr. Fratt hatte im Sept. 18t9 eifae schmerz-
hafte Anschwellung in der linken Bauchgegend bemerkt,
m hl wenigen Tagen bis auf ehie waUnussgrosse, lang-
ttm wachsende Qeschwulst in der linken Fossa iliaea za-
'^kglag. Am 1. März 1880 i^nd 0ich bei der kachek-
tisch aassehenden Fraa in der Mitte zwischen der Crista Üei
und dem Rippenbogen eine hfihnereigrosse, hockerige, in
der Tiefe etwas verschiebliche Geschwolst. Es wurde die
Diagnose auf Darmkrebs im UebergangstheÜ des Colon
deseendens zur Flexar gestellt. Es war allerdings keine
Obstipation, sondern im Qegentheil Diarrhöe vorhanden,
was man aber durch centralen Zerfall and Janchung der
Geschwulst erklären konnte. Es wnrde die Resektion
proponirt, die Kr. stellte sich aber erst am 16. April wie-
der ein mit vergrössertem Tumor. Ein den Fasern des
Obiiqans eztemus paralleler Schnitt über der Geschwulst
(anter Carbolspray, 27. April 1880) öffnete die Bauch-
höhle. Die Geschwulst hatte ihren primären Sitz in dem
Colon transversum, ihre untere Fläche aber war mit der
nach oben einen scharfen Winkel bildenden Flexara sig-
moidea so verwachsen, dass ans letzterer ebenfalls ein
Stfick resecirt werden musste.
Es entstand für die Ausfahrung der Operation
die doppelte Frage, ob mit Ausscheidung des Co-
lon deseendens, das centrale Ende des Colon transv.
mit dem peripheren der Flexur vereinigt werden
sollte, oder ob 2 Darmnähte, eine am Colon, eine
an der Flexur anzulegen seien. Cz. entschloss sich
zu dem letztem Verfahren, da er das Colon deseen-
dens nicht fiberblicken konnte.
Der Austritt des Darminhalts wnrde durch elastische
Ligataren, die central n. peripher von den zu entfernen-
den Darmstficken angelegt waren, verhindert. Zuerst
warde ein 7 Ctmtr. langes Stfick aas der Flexur resecirt
und die Enden vernäht, dann das Colon transversum.
Die Naht an der Flexar war nicht so exakt angelegt, fer*
ner war eine ehistische Ligatur zu fest angezogen, so dass
eine blaue Schnfirfhrche zurfickbKeb. Die mesaraischen
Drfisen waren vergrössert. Nach Einlegnng eines Drain*
rohrs wurde die Bauchwunde mit 2 Belhen Seidennähten
verschlossen. Der Verlauf war ein sehr gfinstiger. Die
Sehmerzen waren gering, in den ersten 2 Tagen einige
Male Erbrechen. Am 8. Tage hatte sich unter dem Ver*
bände etwas Koth angesammelt, was bis zum 26. daoerte.
Daneben gingen auch Winde und Kothmassen auf dem
natfirlichen Wege ab. In den ersten 8 Tagen wnrde als
Nahrung llilch u. Pfeffermfaizthee gereicht, später Bouil'>
Ion, Weinsuppe u. s. w., vom 14. Tage an Hfihnerfleisch.
Am 10. Juni verliess Fat. das Bett und bald darauf das
Hospital. Ende Angost fand sich an der Stelle der Ope-
ration eine Härte, die als Becidlv aufzufassen war. Die
Fat. sah besser aus und hatte keine Verdanangsbesehwer*
den mehr. Späterhin warde der Stuhlgang retardirt, band-^
formig, nach aussen von der Narbe entwickelte sich eine
höckerige, schmerzhafte Geschwulstmasse. Das Ende der
Fat. war damals (IS.Oct.) innerhalb einiger Wochen vor-
auszusehen.
Die resecirten Darmstficke maassen am Quercoloü
llVs Ctmtr., an der Flexar 7 Centimeter. Das Carcinom
(Drusencarcinom mit beginnender schleimiger Erweiehung
des Zwischengewebes) hatte das Qnercolon in Länge von
6 Ctmtr. ringförmig ergriffen, hatte nach unten den Peri^
tonäalfiberzug des Darmes durchbrochen und war hier mit
der Flexur so verwachsen, dass noch deren Muskularis
mit ergriffen erschien.
Exstirpation eines Carcinoma flexnrae sigmoi-
deae mit Anlegung eines künstlichen Afters; von
Dr. R« Wittelshöfer (Wien. med. Wchnschr.
XXXL 7. p. 185. 1881).
Ein am 28. Juni 1880 aufgenonunener Mann hatte
seit 4 Mon. in der linken untern Banchgegend eine harte
Qeseh Wulst bemerkt , seit 3 Mon. war blutiger, fibelrie-
ehender Ausflnss aus dem After vorhanden, zugleich mit
beträchtlichen Schwierigkeiten bei der Defäkation. Man
ffihlte eine der hintern Bauchwand, links von der Wirbel-
säule anliegende, wenig verschiebbare Geschwulst, die
176
VI. Ohimrgie, Ophthalmologie a. Otiatrik.
nach ihrer Lage der Flexara sigmoidea entsprach. Vom
After aus gelangte man am Uebergang des Reotam in die
Flexor an eine höckerige Striktar des Darmlumens.
Der Schnitt (1, Jali 1880) begann vor und über der
Spina ilei snp. ant. sin. und zog bogenförmig gegen den
horizontalen Sohambeinast. Nach Eröflfhung der Bauch-
höhle trat der Tumor nach Beiseiteschiebung von Netz
und Dünndärmen zu Tage. Derselbe begriff die untere
Hälfte der Flexura sigm. ; an einer Stelle war dasMesen-
teriam in Thalergrösse mit dem Tumor verwachsen, so-
wie eine anliegende Dünndarmschlinge. Die Geschwulst
wurde nun theils stumpf, theils mit dem Messer von der
hintern Wand losgelost und isolirt. Nach Ezcision des
angelötheten Mesenteriumstückes und der Dünndarm-
Bchlinge, wurde der Darm unterhalb der Geschwulst durch
eine starke Seidenligatur verschlossen, oberhalb der Li-
gatur durchtrennt und versenkt, weiterhin der Darm ober-
halb der Geschwulst comprimirt und abgetrennt. Das
ezoi4irte Stück maass 22 Centimeter. Eine Vereinigung
der Darmenden war nicht denkbar, deshalb wurde das
obere Darmende in den untern Winkel der Bauchwnnde
eingenäht.
Der Er. starb am Abend. Die Obdaktion er-
gab beginnende diffase, fibrinös- eiterige Peritonitis.
Bei der Operation waren dichte Paclcete infiltrirter
Retroperitonäaldrüsen anfgefnnden worden, so dass
dieselbe von vornherein als hoffnongslos erschien.
(Schluss folgt.)
538. neber die Buboutane Ligatur bei
Varioes und Varioooele; von JohnDuncan.
(Brit. med. Jonm. Jnly 9. 1881.)
Was zunächst die Varicocele betriff! , so wird,
nachdem die Venen sorgfältig mit den Fingern von
der Arterie und dem Vas deferens separirt sind,
zwischen diesen nnd jenen eine mit Catgnt versehene
Nadel durchgestochen , dann an ihrer Austrittsstelie
wieder ein- nnd zwischen Venen nnd Hant dnrch die
zuerst gemachte Hautöffnang herausgeführt. Hierauf
knotet man die beiden Enden fest zusammen, schnei-
det dieselben kurz ab nnd bedeckt die kleinen Stich-
öffnungen mit vorher in Collodium gesättigtet Salicyl-
watte. Ungefähr einen guten Zoll von dieser Stelle
ab entlang der Vene kommt nun diese Operation
noch Imal oder höchstens noch 2mal zur Anwen-
dung.
Bei 2 der 6 auf diese Art behandelten und voll-
ständig geheilten Kr. wurden 3 Ligaturen , in den
flbrigen nur 2 angelegt.
Als erster Effekt dieses Verfahrens machte sich
anfänglich ein weiches , geklumptes Coagulum zwi-
schen den Ligaturen bemerkbar, welches mit der
Zeit immer fester wurde, dergestalt, dass es sich bei
einem vor ungefähr einem Jahre auf diese Weise
operirten Manne als ein kleiner, harter, jedoch ganz
bedeutungsloser Knoten anftthlen Hess.
Gegen Krampfadem an den Unterschenkeln
kann das Verfahren erst dann angewendet werden,
wenn dieselben starkes Oedem und Geschwüre ver-
anlasst haben. In allen andern, selbst vorgerücktem
Fällen soll erst der elastische Strumpf versucht wer-
den, welcher, wenn er auch diess Venenleiden nicht
beseitigt, wenigstens sein weiteres Fortschreiten ver-
hindert. Das Operationsverfabren ist hier dasselbe
wie bei der Varicocele , nur mit dem Unteraehiede,
dass , da die Haut über dem Knoten sich nicht 8o
leicht abheben lässt, zur Erreichung dieses Zieles
eine Erweiterung der Stichöffnungen vermittelst eines
Tenotom stattfindet. Ist die Extremität so geschwol-
len, dass die varikösen Venen sich nicht deutlich
fühlen lassen , so empfiehlt es sich , erst durch er-
höhte Lage des be^effenden Unterschenkels und
durch den Gebrauch des Gummistrumpfs eine Ab-
Schwellung herbeizufähren. Auch ist es vorthdihaft,
während der Operation das Glied durch eine Ban-
dage über der anzulegenden Ligatur sanft dnza-
schnüren, damit die Venen mehr hervortreten.
Auf diese Weise wurde in 8 Fällen ein befrie-
digendes Resultat erzielt — stets unter Anwendung
des Carbolspray und mit nachfolgendem Verbiuid
von Salicyl watte, die mit Collodium getränkt war.
(Pauli, Cöta.)
539. Ein Fall von Hemia veeioae urina-
riae inguinalia ; von de Larabrie. (Arch. g^
7. S6r. VU. p. 342. Mars 1881.)
Die genannte, äusserst seltene Affektion, weide
nach Vf. zum 1. Male von J. D. Sala 1520 be-
schrieben, 2 Jahrhunderte später von Verdier ge-
nauer besprochen worden ist, beobachtete Vf. bei
einem 68 J. alten Manne.
Derselbe hatte sich vor 15 J. beim Heben eiaer
schweren Last einen rechtseitigen hühnereigroeseD Lei-
stenbruch zugezogen , der immer leicht unter einem deut-
lichen regurgitireuden Qeränsche in die Bauchhöhle lor&elL-
geschoben werden konnte. Fünf Jahre später trat am
gleicher Veranlassung in der linken Regio ingninalis elM
wahrscheinlich anfangs reponirbare Geschwulst von der
Grösse einer Haselnuss auf, welche allmälig der Art u
Volumen zunahm , dass sie vor 4 Jahren das der rechtei
Hernie erreicht hatte. Jetzt kam ein doppelseitiges Bmch-
band in Anwendung, jedoch erheischte der Druck der lin-
ken Pelotte die Entfernung derselben , da er SehmerMO
in der gleichseitigen , nicht reponirbaren Geschwulst ▼e^
ursachte. Dieselbe zeigte sich ansserdem zu dieser Zeit
bei eintretendem Hambedürfniss gespannter nnd bedeu-
tend vergrdssert. Druck anf dieselbe begänstigte den
Abflnss des Harns und bewirkte dieser eineVerkleineniiV
Jener. Daher bediente sich von da ab der Kr. bei jeder
Harnentleerung dieses Kunstgriffs, bis er vor 3 Monates
seinen Dienst versagte, indem Dysurie und dann Strang-
urie auftraten, welche die Aufnahme des Kr. in das
Hospital Lariboisl^re am 26. Noy. 1880 nothwendig
machten.
Hier wies die Untersnchung einen rechtseitigen Ld*
stenbruch von derGr^e eines Hühnereies nach, der siek
leicht durch den erweiterten Kanal zurückbringen lie»'
In der Unken Regio ingninalis lag ein weicher Tumor Ton
der Grösse einer Cocosnnss , fiber welchem die Hant yer-
schiebbar war, und der tief in das 3crotum bei aufreeiiter
Stellung des Kr. herabstieg. Beim Versuche, zu urinireD,
entleerten sich nur einige Tropfen Urin. In dem Hüne
aber , in dem die Menge desselben bei einem von nntea
nach oben anf die Geschwulst ausgeübten Druck znnahDi
verkleinerte sich letztere. Durch den in die Blase ge-
führten Katheter floss anfängUch eine grössere Menge
Urin ohne den erwähnten Druck ab , letzterer wurde errt
nach einiger Zeit zur voUstandigen Entleerung der Ge-
schwulst nöthig, welche hiernach eine weiche Consjsteai,
das Volumen eines grossen Hühnereies darbot. Dieselbe
reichte bis zum Annnlus ingninalis, an welchen sie dnieb
einen ungeföhr 3 Ctmtr. breiten Strang inserirt war» «^
VI, Chirm^e, Ophthalmologie n. Otiatrik.
177
bei der Pidpatlon konnte man eine vordere und hintere
WftDd , beide gefbreht nnd Über einander verBchiebbar,
erkennen. Nach einer Einspritaning von lanwarmem Was-
ler in die Urethra nahm dieser Tnmor wieder seine
frühere Orösse an , woraus sich sohliessen liess, dass sieh
BOT ein geringer Theil der Blase im ^ Abdomen befand.
Ausserdem bestand eitriger Katarrh der Blase , obgleich
Torher noch niemals ein Instrument in dieselbe eingeführt
worden war. Bei der Rectal -Untersachnng vermochte
der Finger den Grand der Blase nicht sn entdecken.
Troti Injektionen von Theerwasser nnd der inner-
liehen Darreichnng von Capsnles de tör^benthine , Ab-
koehnngen von Badix graminis , MUch etc. wurde Anfang
Januar 1881 die Entleerung des Harns immer schwieriger
nnd die demselben beigemischte Eitermenge immer gros-
ser. Am 5. Januar erschienen neben TemperaturabfiUl
auf 36.8^86.4» leichte Schüttelfroste und leichte Deli-
rien, unter welchen am 7. Jan. der Tod eintrat.
Die Sektion ergab Hypertrophie der linken Niere,
deren Kelche, Becken und Ureter eine eitrige Flüssigkeit
enthielten, sowie der rechten , die die deutlichen Zeichen
einer Pyelo-Nephritis darbot. Nur der Fundus und das
Collum vesicae hatten noch im kleinen Becken ihre Lage,
wihrend die übrigen Theile, bedeckt von der auf ca. 5
Hmtr. verdickten Fascia transversalis, durch den sehr er-
weiterten Leistenkaaal in den Hodensaok herabgestiegen
waren und ihr abschüssigster Theil bis zum Hoden ge-
drungen war, der, atrophirt u. degenerirt, mit ihm durch
]IMndegewebsstriinge in Verbindung stand. Eben solche
Adhärenzen befanden sich femer zwischen dem Canalis
inguinaUs und der Fascia transversalis , sowie zwischen
dieser und der Blase. Ausserdem war die Pars prostatica
der Urethra und das übrige bis zum Blasenhalse reichende
8tnck derselben nach oben und links gezogen und der
flamenstrang derselben Seite sehr verdickt u. nach aussen
gedr&ttgt. Die Winde der Blase waren hypertrophisch,
ihre Muskelfasern von purulenter Flüssigkeit durchtränkt,
an der Innern Fläche dunkel gerothet und an mehreren
Stellen mit schwärzlichen Flecken bedeckt.
In der Epikrise weist Yf. darauf hin^ dass die in
Folge der Lageverftndemng der Blase eingetretene
Eraehwening der Harnentleerung zankcbst pumlente
Cystitis nnd Pyelo-Nephritis hervorrief ^ welche die
Urämie bedingte, nnter welcher der Tod eintrat.
In einem von Ch. Leroux beobachteten Falle war
ausserdem noch Hydronephrose und Dilatation der
Ureteren beobachtet worden.
In Bezug anf den Entstehongamodns der frag-
lichen Blasenhemien ist, wie N 6 1 a t o n nachgewiesen
hat, ansser den Momenten , welche überhaupt die
Entstehung von ünterleibshemien begünstigen , be-
sondeiB noch eine beträchtiiche Anspannung der
Blase anzuführen , welche eine Erhebung derselben
über die Symphysis oss. pubis veranlasst.
(Pauli, Cöb.)
540. Zur Kenntniss der Myome der Harn-
blase; von Dr. William T. Belfield ans Chi-
eago. (Wien. med. Wchnschr. XXXI. 12. 1881.)
Nach den Zusammenstellungen von Gersuny
(Aich. f. Um. Chhr. Xm) und Schatz (Arch. f.
OynSkol. X) sind Caromome der Harnblase selten,
noch mehr aber Myome derselben.
Ein soldieshat Vircho w (Geschwülste III. Bd.
p« 121) snierst als Myocarcinom beschrieben, dabei
(Das. p. 124) hinzn^ofttgt: „Die Harnblase leidet.
Med. JakrblN Bd. 192. Hit. 2.
soviel wir wissen, nie an Myom ; nur die Prostata
und der Blasenhals sind davon heimgesucht.'^
Gussenbauer (Arch. f. klin. Chir. XVIII),
welcher über einen Fall von Myocarcinom oder
Myosarkom der Urinblase bei einem 12jähr. Ejia-
ben berichtet, citirt bei dieser Gelegenheit als ein-
ziges ihm bekanntes Beispiel den Fall von Enox
(Med. Times and Gaz. Aug. 1862) , bezweifelt je-
doch mit Recht die myomatOse Natur der Geschwulst,
weil jedenfalls nicht quergestreifte, sondern glatte
Muskelfasern dieselbe bildeten.
Volkmann entfernte aus der Blase eines
54jähr. Mannes ein Neoplasma, welches sich bei
der histologischen Untersuchung als ein echtes Myom
erwies.
Hierher gehören wahrscheinlich auch zwei von
Jackson und von Faye mitgetheilte Fälle.
Der entere betraf eine Frau von 40 J., bei welclier
durch die wegen Hambeschwerden angestellte Unter-
snchnng im untern Theile der Blase eine ziemlich derbe
Masse mit glatter Oberfläche gefanden wurde. Die heraus-
beförderten Stacke hatten zosammen die Grösse einer
Mannsfanst und die Struktur eines Uterusfibroid.
Im zweiten Falle handelte es sich um eine Frau, mit
einem mannskopfgrossen , gelappten, zwischen die vor-
dere Wand der Blase und die Fascia transversa unterhalb
des Peritonäum gelagerten Tumor, welcher wegen seiner
Grösse ein solches Qeburtshinderniss abgab, dass die Per-
foration des Schädels der Frucht mit nachfolgender Ke-
phalotripsie gemacht werden musste. Nach 24 Std. trat
der Tod ein nnd die Sektion wies eine Geschwulst nach,
welche innig mit den Blasenwänden, nicht aber mit an-
dern Organen zosammenhing und die Charaktere eines
Fibromyom an sich trug.
Vf. theilt folgende 2 Fälle mit , welche Dr. H.
Chiari im Rudolfs-Spital zu Wien zu beobachten
Gelegenheit gehabt hat.
1. Fall, Bei der Sektion einer an Lungenentzfindnng
verstorbenen Frau von 50 J. fand sich an der äassem,
der linken Hälfte des Grandes entsprechenden Fläche der
Gontrahirten, sonst aber ganz normalen Harnblase, eine
nussgroBse, derbe, faserige und scharf abgegrenzte Ge-
schwulst in dem lockeren perivesikalen Bindegewebe.
Dieselbe von eiförmiger Gestalt, 2 Ctmtr. lang, 1 Ctmtr.
dick und 2 Ctmtr. breit und in ihrer Längenachse verti-
kal gelagert, bot eine glatte Oberfläche dar. Nach Ent-
fernung des umliegenden Fettgewebes kamen 4 dfinne,
aus glatten Moskelfasem und Blutgefössen bestehende
Stränge zum Vorschein, welche bis in die äussere Schicht
der Blasenmoskulatur nnd von hier durch eine in dersel-
ben befindliche 16 Hmtr. lange nnd 8 Hmtr. breite Spalte
in die innem Lagen jener drangen. Es ist daher anzu-
nehmen, dass sich dort der Tumor entwickelt, durch sein
Wachsthum von der Blase entfernt nnd die ihn versor-
genden Gelasse mitgezogen hatte, besonders da ein Zn-
sammenhang mit andern Organen, namentlich mit dem
Uterus, nicht nachgewiesen werden konnte.
Der mikroskopischen Untersuchung zufolge bestand
dieses Gtobilde aus langen spindelförmigen Zellen, mit
scharf begrenzten, exquisit stäbchenförmigen Kernen and
aus spärlichem, faserigem Bindegewebe, mit wenigen da-
zwischen liegenden Blutgefässen. Die Gleichheit in der
Grösse, die Beschaffenheit der Zellen und Kerne, sowie
die regelmässige Anordnung der sich nach verschiedenen
Richtungen hin durchkreuzenden Spindelzellen -Zuge,
setzten das Vorhandensein glatten Huskelgewebes ausser
Zweifel. Am deutlichsten waren die Huskelfasera an
PrSparaten zu sehen, welche, in Carmin vorher gefärbt,
23
118
VI. Chirnrgie; Ophthalmologie n. Oiiatrik.
dann einige Minuten in Essigsänre gelegt, hierauf in
Qlycerin untersucht wurden.
2. Fall. Die Harnblase eines 74jähr., an Pneumonie
verstorbenen Mannes zeigte bedeutende Hypertrophie der
Muskulatur und chron. Katarrh. Ausserdem war der
linke Ureter stark dilaürt und die Niere derselben Seite
hydropisch. Als Ursache beider Yerändernngen war eine
kleine Geschwulst zu betrachten, welche, von der Blasen-
schleimhaut bedeckt, gerade unter dem Orificium vesicale
ureteris sinistri lag und so denselben verengerte. Dieser
knollige und ausschälbare Tamor hatte einen Umfang von
7 Mmtr. im Durchmesser und war , wie das Mikroskop
zeigte, ebenfalls ein Myom.
Während in diesem Falle die Maskulatnr der
Harnblase hypertrophirt befunden wurde, verhielt
sich dieselbe in dem andern ganz normal, ein Beweis,
dass, wie diess auch bereits feststeht, es dnrehans
nicht immer einer diffusen Hypertrophie der Musku-
latur eines Organs znr Entstehung myomatöser Ge-
schwülste in demselben bedarf.
Schltlssh'ch lieferte auch noch die Reihe der
erwähnten Fälle den Beweis, dass das in Bede
«tehende Afterprodnkt kein Lebensalter verschont.
(Pauli, Cöln.)
541. Heber die künstUche Blatleere bei
der Transplantation von Hautstüokchen ; von
Dr. E. Fischer. (Deutsche Ztschr. f. Chir. XUI.
1. 2. p. 193. 1880.)
F. verwendete zn Transplantationen vorher künst-
lich blutleer gemachte Hantstückchen. Bei diesem
Verfahren heilte nicht allein eine grössere Anzahl von
Hantstückchen überhaupt an , sondern anch grössere
Stücke wie sonst, bis znr Grösse eines der beim Mikro-
skopiren gebräuchlichen Objektträger.
Noch bessere Resultate ergaben sich, wenn auch
die zu heilende Wunde während der Transplantation
blutleer gemacht wurde. Oefter trat selbst bei sehr
grossen Hautstücken Verheilnng beinahe ohneSeki*e-
tion ein, allerdings stiessen sich hiervon später, wie
auch nach dem bisher üblichen Verfahren, entweder
Theile oder das Ganze wieder ab. Die Reinigung
des Geschwürs vor der Transplantation muss eine
sehr sorgfaltige sein, damit keine Blutung entsteht.
Die Blutleere wurde an dem betreffenden Gliede
durch die Esmarch'ache Binde hergestellt.
(Deahna.)
542. Deoalclnirte Knochen -Brainageröh-
ren; von Shirley Deakin. (Lancet U. 18;
Oct. p. 692. 1880.)
Vf. empfiehlt nach Dr. Neuber's Vorgang
folgendes Verfahren. Man legt durch Kochen von
den Weichtheilen befreite lange Röhrenknochen von
Hühnern und andern Vögeln 10 Std. lang in eine
Mischung von 1 Th. Salzsäure auf 2 Th. Wasser,
schneidet, nachdem sie genügend weich und biegsam
geworden sind, die Elndstücke mit einer Seheere
weg, glättet sie innen mit einem starken Draht oder
einer Rattenschwanzfeile und kocht sie dann in einer
öproc. Carbolsäurelösung, welcher Vf. etwas Borax
zuzusetzen räth ; in derselben Lösung hat die Auf-
bewahrung zu geschehen. Die Enochenenden vor
dem Decalciniren mit einer Enochenzange wegza-
nehmen, widerräth Vf., weil dadurch leicht em Zer-
springen des Knochens veranlasst wird. Durch za
langes Einweichen der Enochen inSalzsimre wwdeD
ihre Wandungen zu schwach und dann in der Wände
zu leicht zusammengedrückt. (Schill.)
543. Ueber Drainage bei allgem^em
Hydropa ; von Dr. S i g g in Andelfingen. (Schwdi.
Con-.-Bl. IX. 10. 1879.)
Bekanntlich pflegt man bei Wassersucht aus den
verschiedensten Ursachen mit gutem Erfolge durch
Nadel- oder Lancettstiche in die äussere Haut der
untern Extremitäten die Flüssigkeit zn entleereo.
Dieses Verfahren hat jedoch, abgesehen von der be-
ständigen Durchnässung und dem dadurch hervor-
gerufenen Eältegefbhl , den Uebelstnid , dass «idi
um die Stichöffnungen nur zu leicht die Symptome
der Wundinfektion entwickeln.
Um nun diesen Nachtheil zu veriiüten , eisano
Vf. folgendes Verfahren , zn dem die Beobaehtmig
Volkmann 's, dass desinficirte Gegenstände unter
dem Einflüsse des List er 'sehen Ver&hr^is lange
Zeit in Wunden ohne Nachtheil liegen können, den
ersten Anlass gab, und. das von ihm in 4 Fällen mit
bestem Erfolge angewendet worden ist.
Der von S. benutzte Apparat besteht aus einer
neusilbernen gebogenen Eanüle von 9.5 Ctmtr.LSoge
und 1.5 Mmtr. Dicke, die, vom in eine maanve
Lancettspitze endend, am Griffende eine kleine, um
das Lumen angelöthete Olive zur Befestigung des
Eautschukschlanchs hat und in deren Mitte sieh
6 — 8 kleine seitliche Oefihungen befinden. Die
Lancettspitze wird durch einen Spitzendecker, den
ein Querriegelchen hält, gesichert. In dieEaofile
passt ein Obturator aus Stahl, welcher hinten in ein
hölzernes oder metallenes geripptes Heft ausläuft.
Ein etwas dickwandiger Eantschuksohlanch voo
2—3 Mmtr. Lumen, 60—80 Gtmtr. Länge, tf
dessen einem Ende ein kleiner Hahn von Ituir
kautschuk angebracht ist und in den man noch zwei
Glasröhrchen etwa 8 Otmtr. von jedem Ende ab ein-
schalten kann. (Den Apparat verfertigt der Instm-
mentenmacher Grieshaber in Schafthausen in der
angegebenen nnd in einer etwas kleinem Grösse.)
Bei der Applikation desselben Appar. wird nieh
sorgftltiger Reinigung der Haut u. Auflegung dnes
entsprechend grossen, im Rechteck gefalteten Stfieks
Silk protectiv auf dieselbe duroh beide unter Spny
die mit dem Obturator versehene Eanüle in der
Richtung der Achse der Extremität von unten osch
oben ein- nnd ca. 4 — 5 Ctmtr. weiter oben wieder
ausgeführt. Hierauf setst man auf die Lancettspitie
den Spitzendecker, schiebt behu&Fixirmig das Quer-
riegelchen durch u. zieht den Obturator ans der Ka-
nüle, dieselbe am Olivenende haltend, weil sie, wegen
ihrer Durchlöcherung sehr schwach , leicht gerade
gestreckt, d. h. geknickt n. so ihre spätere Enfferomig
erschwert wird. Nach der Wegnahme des Obtontar
flieast die hydropische Flüari^eit aofcHrt ab oid ffl»
VI. Ohimiigiey Ophiludmologie n. Otiatrik.
179
wild der biaher in Garbolwaaser gelegene, jetast mit
einer schwachen CarboIlOsong oder Salicylwasser
angefilllte Eantschackflohlaach vermittelst Schieben
Aber dieselbe und AnnAhens mit deainficirter Seide
iD der Olive befestigt Nachdem man sich durch
Oeffiien des Hahns, sowie besonders durch die eia-
gesehalteten OlasrOhrchen Oewissheit von der Durch-
giogigkeit des Sohlauchs verschafft hat, umgiebt
man die Eanflle und den Anfang des Schlauches
nmlehst mit Mullgaze und Salicylwatte, dann mit
intisept. Gaze und Maddntosh und befestigt das
Ganze mittels einer stark appretirten Gazebinde.
Die betr. EbLtremität wird am besten auf ein Spreu-
kissen gelagert und der Schlauch über den Bettrand
in ein Gefi&ss, welches die Flflssigkeit aufi&ngt, ge-
leitet Der Schlauch ist sorgftltig vor Einknickun-
gen zu schtttzen, der Kr. braucht jedoch bei diesem
Veibande nicht immer das Bett zu hflten. Derselbe
rnoss nach einigen Tagen, da die Extremit&t durch
daa Aussickern der Flflssigkeit an Umfang einbüsst,
eroenert, oder wenigstens verbessert werden. Bei
dieser Gelegenheit empfiehlt es sich auch, dieEanttle
mit emem dünnen Draht zu reinigen u. den Schlauch
durch einen neuen zu ersetzen. Dagegen kann der
Drainage-Apparat ohne Nachtheil 8 Tage liegen
bleiben. In den ersten Tagen hat der Schlauch
weiter keinen Zweck, als die durch die Kanüle aus-
getriebene Flüssigkeit abzuleiten, später kommt auch
seine saugende — Heber — Wirkung zur Geltung.
Den gemachten Beobachtungen zufolge fliessen
anf diesem Wege in den ersten 24 Std. 3 — 5 Liter,
am 2. bis 5. Tage je 2 — 2.5 Liter und am 6. und
7* Tage je 1.6 — 1 Liter Flüssigkeit ab. Schon am
2. Tage fflhlen die Kranken einen bedeutenden Nach-
läse der Dyspnoe und am 4. Tage und später er-
seheint sogar das Gefühl von Leere und Hinfilllig-
kdt, eine Art von CoUapsus, gegen welchen Wein
nnd starker Kaffee die besten Dienste leisten. Viel-
leicht, meint schlüsslich S., lässt unter diesen Be-
dingungen auch der Gebrauch diuretischer Mittel
noch einen Erfolg erwarten. (Pauli, Cöln.)
544. Heber Iridotomie; von Prof. v. Has-
ner. (Prag. Ztschr. f. Heilk. IL 2 u. 3. p. 107.
1881.)
Die mit dem Namen Iridotomie bezeichnete Ope-
ration ist bekanntlich die iUteste der an der Iris aus-
geführten Operationen. Sie wurde 1728 von Che-
selden eingeführt. Anfangs dieses Jahrhunderts
wurde sie durch die Iridektomie nach und nach voU-
Bttndig verdrängt Bei Pupillenenge wurde die Iri-
dotomie 1865 von V. Hasner wieder empfohlen,
^ der Rigor des Sphinkter der Iridektomie techni-
sche Schwierigkeiten entgegensetzt. Sie ist dann
weiterhin bei Pupillensperre nach Linsenverlust
durch V. Wecker mehr und mehr in Aufnahme ge-
komm^, worüber auch in unsern Jahrbb. wiederholt
berichtet worden ist. Nach v. Hasner erscheint
es nunmehr an der Zeit, sie wieder in ihr Recht bei
der gewöhnlichen Staaroperation einzusetzen und so-
mit zwar die Vortheile der Iridektomie, nämlich das
leichtere Durchschlüpfen der Linse, beizubehalten,
aber die Nachtheile der letztem (Blendung durch
das Kolobom) zu vermeiden. Der Iriseinschnitt soll
nur nach oben erfolgen ; es setzt diese voraus, dass
der Extraktionsschnitt nach unten in die Comeo-
skleralgrenze verlegt wird. Die Scheere wird mit
geschlossenen Branchen durch die Comealwunde
eingeführt, sobald ihre Spitzen an die Pupille gelangt
sind, öffnet man die Branchen so weit, dass man das
eine Blatt hinter die Iris schieben kann. Hierauf
durchschneidet man die Sphinkterportion mit einem
einzigen Soheerenschlage. (G e i s s 1 e r.)
546. Amaurose in Folge eines Aderlasses;
von M. Landesberg. (Philadelph. med. Bullet.
IIL 7; Juli 1881.1)
Von dem vielfach noch unaufgeklärten Eintre-
ten von Erblindung nach Blutverlusten liefert die
nachstehende Beobachtung ein neues Beispiel.
Eine 37Jäbr. Frau, welche über asthenopische Be-
schwerden bereits geklagt hatte und etwas bleich aussah,
hatte wider den ausdrfickUohen ärztUohen Bath sich we-
gen öfteren ^ Alpdrückens'' einen Aderlass machen lassen.
Es waren eines Abends 2 Kaffetassen voll Blut entzogen
worden. Die daranf folgende Nacht war schlechter, als
Je eine frfihere. Die Pat. stand am andern Morgen sehr
matt und mit Kopfweh anf, Nachmittags Lichtflammen u.
dunkle Flecke im Sehfelde; am zweiten Morgen Ver-
dunkelung des Sehvermögens, die im Laufe des Tages
noch weiter zanahm. Dabei Kopfschmerz, Schwindel
und Ohrensausen, Schmerz bei der Perkussion des
Kopfes; der Sehnerveneintritt am rechten Auge war
etwas hyperämisoh und verschleiert, am linken, sehschwä-
cheren A. bestand deutliche ödematöse Schwellung. In
Erinnerung an eine frfihere Erfahrung, wo die Einreibung
Yon Jodoform bei akuter Neuritis optici in Folge einer
Metrorrhagie von ersichtlichem Nutzen war (Jahrbb.
CLXXXIU. p. 281), Hess Vf. Abends den Nacken, die
Gegend der Warzenfortsätze, Stirn nnd Schläfe, die inne-
ren Lendenflächen nnd die seitlichen Partien des Thorax
mit Jodoformsalbe (1 : 8 Th. Vaselin) einreiben und mit
einem in Oel getränkten Leinwandstuck bedecken. Am
andern Morgen Abwaschen mit warmem Seifenwasser u.
frische Einreibung. Innerlich Jodoform in PiUenform,
4mal tägl. Je 12 Ctgramm. Indessen machte am linken Auge
der Process seinen Fortschritt in unaufhaltsamer Weise :
die ganze Netzhaut wurde ödematös, grosse Ekchymosen
traten auf und nach 3 Tagen (5 Tage nach dem Aderlass)
vernichtete ein Bluterguss in den Glaskörper das Seh-
vermögen vollständig. Der Jodoformgebranch war be-
reits früher sistirt worden. Am rechten Auge wurde da-
gegen keine Verschlimmerung wahrgenommen, die leichte
Verschleierung des Sehnerven bildete sich allmälig zurück
und das Auge erhielt sein früheres Sehvermögen vollstän-
dig wieder. (Q e i s s 1 e r.)
546. Beitrage sur Lehre vom Zusammen-
hang von Hirn- und Aiigenaffekticmen ; von
Dr. A. Nieden in Bochum. (Arcli. f.Alikde. X. 4.
p. 603. 1881.)
Vf. thdlt vier Beobachtungen, die an dieser
Stelle nur kurz skizzirt werden können, mit.
1) EntwieUnag eines Pihrottnrkom der rechten
Groashimhemlsphäre (anscheinend in Folge einee Tran-
0 Ffir direkte Zusendung dieser und verschiedener
anderer Mittheilnngen verbindlichsten Dank. G.
180
VII. StaatsanBDfiikimde.
ma) bei einem Jagendliclien Arbeiter. ZunSofast ent-
wickelte sich Occipitalneoralgie , die periodisch auftrat
nnd mit Erbrechen verbonden war, ca. 4 Monate später
Beginn der Sehstömng (Stauungspapille beiderseits mit
raschem Uebergang in Atrophie), spater epileptiforme
AnflUle, dann L&hmungserscheinungen. Der Tod erfolgte
ca. 2V4 Jahr nach der Verletzung. Als Ursache der (}e-
schwulstbildung wurde ein in der Gegend der Parietal-
Frontalsutur rechterseits von der Lamina vitrea des
Schädels abgelöstes Knochenfragment nachgewiesen, wel-
ches die Dura-mater vor sich heigedrängt und sie in die
Grosshimhemisphäre trichterförmig vorgeschoben hatte.
Die Neubildung befand sich im Bereiche dieser Stelle.
2) Oliosarkom der Brficke und der Medulla oblon-
gata rechterseits bei ehiem Sdjähr. Manne, der 5 Jahr lang
als Zuckersieder beschäftigt gewesen. Zuerst war derM.
rect. extern, des rechten Auges gelähmt, hierauf folgte
ein Erysipel, nach diesem unter Kopfweh Lähmung des
M. rect. intern, des linken Auges, darauf wurde der linke
Arm und das linke Bein schwach, femer wurde der rechte
N. facialis gelähmt, ebenso der rechte HSmerv. Von den
Augenmuskeln wurden femer noch beide Mm. obliqui am
rechten und der untere und obere M. rectus am linken
Auge gelähmt , während der M. obliq. Inf. des letztem
nur leicht paretisch war. Die Levatores des obem Lides
waren nicht afflcirt. Der Augenspiegel zeigte beiderseits
massige Schwellung der Papille. Da zuletzt auch der
Hypoglossus gelähmt wurde, wurde der Tod durch die
Inanition beschleunigt. Interessant ist besonders, dass
die Lage der Geschwulst den eigentlichen Kem der Nu.
oculomot. freigelassen hatte.
3) Entartung der rechten Hemisphäre des Kleinhirns
zu einer hühnereigrossen Cyste bei einem ISJähr. Aufwärter
eines Segelschiffes. Die Sjrankheitserscheinungen hatten
nur in heftigem Schwindel bestanden, der zuletzt das Ge-
hen und Stehen unmöglich machte. Es überwog die
Neigung, beim Gange nach links abzuweichen und beim
Stehen nach links zu schwanken. Beide Papillen , na-
mentlich die linke, zeigten Schwellung. Der Tod erfolgte
unerwartet und plötzlich wenige Tage nach der Aufhahme
im Spital in einem Anfall von Starrkrampf. Ausser der
genannten Cyste war noch eine (angeblich seit früher
Jugend bestehende) Hyperostose des rechten Stimbeins
vorhanden.
4) Fall von progressiver Paralyse mit Schwund des
rechten Hinterhauptlappens des Grosshiras. Doppehieitige
Myosis, sowie Atrophie des linken Sehnerven bildeten
die frühesten Symptome. Darauf folgte Sehschwäche
des rechten Auges, welche letztere nach 1 Jahr zu voll-
kommener Amaurose führte. Der Pat. war dabei kräf-
tiger und stärker geworden, fügte sich mit auffälligem
Stoicismus in sein Schicksal und baute Luftschlösser für
die Zukunft. An dieses psychische Gebahren schloss sich
allmälig Höhenwahn und grosse Reizbarkeit. Der Tod
erfolgte ca. 27« Jahr nach dem Eintritt der vollständigen
Erblindung, fast 6 Jahr nach dem Eintritt der Seh-
schwäche am rechten Auge, während die Erblindung am
linken und die Myosis, weil von dem Pat. selbst gar nicht
bemerkt, noch in unbestimmbarer Weise weiter zurück-
lagen. (Gel SS 1er.)
547. Zur Anwendung der Hassage des
Auges bei ganz firisehen Fällen von Episkle-
ritis; von Dr. Pedraglia in Hamburg. (Centr.-
Bl. f. prakt. Ahkde. V. April 1881.)
Vf. venmchte, indessen ohne die Anwendmig der
gelben Prädpitatsalbe, die Massage bei 2Er.y welche
am ftnssem Theile des Bolbos eine aiiagesprodieiie,
nmschriebeneRöthe der Episklera ohne jede Spur emer 1
Postel oder einer Homhanterkrankong zeigteo« Nach '
4maliger, jeden 2. Tag vorgenommener Massage wir
die Injektion fast versohwnnden and das uiange-
nehme Drackgeftthl hatte anfgehllrt (6 e i s s 1 e r.)
548. Ueber Anwendung der Henrendsh-
nung auf die Augen -Chirurgie; von IM. L
V. Weeker. (Ann. d'Oenl. LXXXV. [12.Sfr. V.]
3 et 4. p. 134. Mars— Avril 1881. i)
y. Wecker ging bei seinen Versachen, im
Sehnerv zu dehnen, von folgenden Erwägungen ans.
Die Tiefe der Orbita beträgt beim Erwachsenen :
43 Mmtr.y der Sehnerv hat eine Länge von 28—29 I
Mmtr und die Augenachse beträgt 24 Millimeter, j
Die vordere Spitze der Hornhaut kann aber im Ver- |
hältniss zu einer senkrecht durch die Oeffhung der
Hornhaut gelegten Ebene bis 1 Ctmtr. vor oder hinter
der letztem liegen. Fällt diese Ebene mit der Spitie
der Hornhaut zusammen y so bleibt fbr den Sehnerv
eine EzcursionsmOglichkeit von 1 Ctmtr., diese steigt
um Vt Otmtr., wenn der Bulbus um eben soviel
tiefer, wird aber um ^/^ Ctmtr. geringer, weim
er um eben so viel weiter nach vom steht. Diese
Maasse sind natttrlich nur als annähernd richtig in
bezeichnen.
Um den Nerv zu dehnen, verfuhr v. W. folgen-
dermaassen. Er löste am innera Umfange die Binde-
haut in ausgiebiger Weise ab, präparirte den innem
geraden Augenmuskel sorgfältig los und zog doreh
seine Sehne einen Faden. Hierauf machte er dnrch
Lösung der TenonVhen Kapsel und des Orbitii-
gewebes den Sehnerven frei, um ihn mit einem Ster-
ken Schielhaken umgreifen zu können. Während nu
der Assistent den Bulbus mit der Fixirpinoette nach
aussen wendete, zog er den Nerven so weit nieli
vom, um ihn nut dem Finger leicht berflhren nnd
seine Einsenkung in den Bulbus tibersehen zu kdn-
nen. Hierauf wurde der Haken herausgenommen,
der getrennte Muskel wieder vernäht und ein anti-
septischer Verband angelegt
Welche Indikationen zu diesem Eingriff bereeh-
tigen , stellt v. W. der weitem Forschung anheim.
Bisher hat er seine Versuche nur an amaurotiflofaeD
Bulbis genoacht, um zu beobachten, ob etwaige Plioi-
opsien oder Schmerzen nach der Dehnung ver-
schwinden. Es ist nicht angegeben, ob diese Ab-
sicht erreicht wurde. (G e i s s 1 e r.)
VII. Staatsarzneikunde.
549. Dreiaehnjäbrige Erfahrungen des
geriohtlioh-medioinisohen Instltats in Frag
(1866—1878); von Dr. Wenzel Belohradsky.
(Ztschr. f. Hdlk. I. 1. 2. 3 u. 4. p. 25. 179. 230.
1880.)
Nachdem Vf. dargelegt hat , dass eine woUge-
führte Casuistik gerade fflr die gerichtliche Hedidn
von grösstem Werthe sei, theilt er das ihm zu Gebote
0 Besten Dank für den Separat-Abdraok. 0.
Vn. Staat8a7ZB6ikimde.
181
stehende Material von 1899 gerichtlichen Leichen-
Botersachimgen nnd 3 Untersachungen exhnmirter
Leichen in : 82 Fftlle von Mord n. Todtschlag, 606
Selbeimorde, 504 Fälle gewaltsamen Todes durch
Tenmgltickimg, 512 F. plötzlichen Todes, 175 Unter-
gaehnngen von Nengebornen ein. Ein allgem. Theil
behandelt allgem. Verhältnisse^ wie Alter, Geschlecht
und Stand derObdadrten, Zeit, Ort, nähere Gelegen-
heitsarsachen, Hänfigkeit n. s. w. , ein zweiter spe-
deller TheU die zusammengehörigen Fälle.
Mord und Todtschlag fanden in Prag in
82 fallen, and zwar an 58 Männern u. 24 Weibern
gtatt, d. i. auf 100000 = 2.6. In ganz Böhmen,
wo sich die Zahl auf 1094 belief, war das Verhält-
Diffl 2.1 zn 100000 Einwohnern. Da vor 50 Jah-
ren auf 100000 Einw. nur 1.1 Mord u. Todtschlag
Toxkamen , so haben diese Verbrechen beträchtlich
zugenommen. Das Weib geht seltener als der Mann
dnch Mord und Todtschlag zu Grunde, besonders
adten durch Todtschlag, wodurch neben 37 Männern
nnr 3 Weiber geopfert wurden , also etwa der 13.
Thdl.
Was die Todesarien betrifft, so kamen bei Mord,
neben Vergiftung und Schnittwunden, Schusswnnden
ttberwiegend häufig vor, während Hieb- und Stich-
wnnden bei Todtschlag vorwalten. Die 82 Fälle von
Mord und Todtschlag sind von 72Thätem (66 Män-
nern und 6 Weibern) begangen worden ; davon er-
mordeten 32 Individuen 42 Personen, der Todtschlag
erfolgte an 40 Personen durch 40 Individuen (39 M.,
1 W.). Im Mord verhielten sich Mann und Weib
gegen beide Geschlechter gleichmässig, den Todt-
schlag fibte nur Mann gegen Mann aus , das Weib
bevorzugte Gift bei Mord. In 8 Fällen (6 M., 2 W.)
kamen Selbstentleibungen nach Mord vor. Nach
Alter und Art des Todes bei Mord und Todtschlag,
ioelos. Kinder über 1 Jahr alt, verunglückten durch
Mord alle Altersgruppen in gleicher Höhe, durch
Todtschlag besonders Personen zwischen 20 und 40
Jahren. Weiber traten als Thäter bei Mord blos
zwischen dem 20. u. 40. J. auf. Gift wurde beson-
ders vom höhern Alter gegen das jüngere gewählt.
Bd Mord verunglückten alle Klassen der Bevölkerung
ziemlich gleichmässig, bei Todtschlag kamen fast
nur die Gruppen der Gewerbsarbeiter und der Be-
diensteten in Betracht. Giftmorde betrafen vorzugs-
weise Kinder unter 14 Jahren. Durch Mord ver-
nnglfickten anfbllend viele verheirathete Weiber, bei
Mord trat der verheirathete, bei Todtschlag der le-
dige Stand in den Vordergrund. Nach Monaten fiel
die Hehrzahl der Morde in den März, derTodtschläge
in den November, nach Wochentagen auf den Sonn-
tag,,4aich der Tageszeit auf den Abend n. die Nacht.
Die meisten Morde wurden in der Wohnung des Ver-
unglückten, die meisten Todtschläge im Gasthanse
▼ertbi Mord kam am häufigsten unter Verwandten,
sodann unter Liebenden , danach zwischen Gläubi-
ger und Schuldner vor, der Todtschlag meist unter
Fremden; Gift, Schuss, Schnitt, Würgen benutzen
bes. Verwandte. Als Motive zum Mord fignriren
Geschlechtsneigung, Habsucht, Rachsucht, zum Todt-
schlag momentane Exaltation.
Selbstmord, Vfs. Tabelle bietet auf die
Jahre 1866—1875 in ganz Böhmen 6220 Selbst-
morde, in Prag allein 416 dar; in den 3 Jahren
aber, 1876—78, 190; ungefähr ein Viertel davon
beim weibl. Geschlecht (28%). In Prag war der
Selbstmord 2.2mal häufiger als auf dem flachen
Lande. Die Wahl des Mittels zum Selbstmord wird
durch die Zeit beeinflusst ; vor 50 Jahren wurde
Erhängen , in neuerer Zeit werden chemische Gifte
bevorzugt; nnter den letztern Cyankalium. Die
Selbst- Vergiftungen haben seit 50 Jähen um mehr
als das Vierfache zugenommen. Neuerer Zeit stehen
Erhängen u. Erschiessen sich ziemlich gleich (21%);
in 3. Linie als gleich häufig mit etwa 20% Er-
tränken und Erschiessen ; mehr vereinzelt kommen
vor Schnitt, Stich, Sturz, üeberfahren, Verbrühung.
Das Weib wählte in 55% Gift, in 26.7o/o Erträn-
ken, in 10^1 0 Erhängen. Von doppelten Selbstmord-
mitteln , z. B. Schwefelsäure und Erhängen, Schnitt
und Erschiessen, Phosphor und Arsenik u. s. w.
machten 14 Personen, darunter nur 4 Weiber, Ge-
brauch.
Die niedrigste Selbstmordfrequenz fiel in die
Jahre zwischen 15 u. 20, die höchste zwischen 20
und 30 ; der Schluss, dass der Selbstmord mit dem
hohem Alter zunehme, ist falsch. In der Wahl des
Mittels waren die verschiedenen Lebensalter ver-
schieden , das jugendliche Alter wählte vornehmlich
Strick und Gift, das spätere bot die grösste Mannig-
faltigkeit. Der jüngste Selbstmörder war ein 12jähr.
Tischlerssohn, der sich erhängte, der älteste tödtete
sich mit 93 Jahren durch Sturz, die älteste mit 82
Jahren durch das Messer.
Als Gifte wurden am häufigsten Blausäureprä-
parate, Phosphor, Schwefelsäure, Arsenik, selten
Opium gebraucht.
Die besitzende Klasse und der geistliche Stand
disponirten am wenigsten zum Selbstmord, mehr
Bedienstete, Gewerbsarbeiter, Kauf leute ; am meisten
die geistig beschäftigten Beamten, Rechtsanwälte,
Aerzte nnd Apotheker, ja selbst Studenten. Ehe-
losigkeit u. Witwenstand disponiren mehr zum Selbst-
mord als Ehestand, besonders verheirathete Weiber
begingen verhältnissmäsaig sehr selten Selbstmord.
Zeit Die grösste Selbßtmordsfrequenz fiel in
den Mai , vor 50 Jahren in den Juli , sonach in die
heisse Jahreszeit, während das Minimum für den
Winter zu verzeichnen war. Die Differenz betrug
17.6%, während Krombholz 28.6% fand. Ein
besonderer Monat zeigte keine Prävalenz. Was die
einzelnen Wochentage anlangte, stand der Donners-
tag an der Spitze, u. die Zeit zwischen Untergang nnd
Aufgang der Sonne war dem Selbstmord am günstig-
sten. In diese Zeit fiel auch hauptsächlich die Wahl
umständlicher Mittel, wie Strick, Schusswaffe u. s. w.,
während Gift, das unvermerkt genommen werden
kann, bereits Nachmittags nnd Abends znm Selbst-
mord am häufigsten benutzt wurde.
182
va
Ort SelbBtmörder gaben im Allgemeinen der
eigenen Wohnnng den Vorzag, besonders die grosse
Mehrzahl derer, die Gift nahmen. Aber aneh öffent-
liehe Gärten , Bäder, Gasthäuser waren oft Sehaa-
plitze von Selbstmord.
Die Motive des Selbstmords hat Vf. ftir Prag
nicht einmal in der Hälfte der Fälle ermitteln kÖn<
nen ; anglückliche Liebe, zerrüttete Finanzen, Furcht
vor Strafe, Melancholie kamen am häufigsten vor ;
23 Selbstmörderinnen waren schwanger.
Durch Zufall Verunglückte,
Im Prager ger.-med. Institut sind in den 10 J.
(1866—1876) 311 Verunglückte eingebracht wor-
den, dem gegenüber standen in ganz Böhmen 13082
UnglflcksfUle. In den folgenden 3 Jahren war die
Zahl jener auf 400 gestiegen« Durch Sturz u. Fall
verunglückten 111, durch Wunden 91, durch Ueber-
fahrenwerden 87, Versehütten 68, Ertrinken 46,
Verbrennung 63. Unter den Giften (37) war
Kohlendampf die häufigste Todesursache. Ueber-
haupt verunglückten £ast 4mal so viel Männer als
Weiber (400:124). Die meisten Menschen ver-
unglücken zwischen 20 u. 40 Jahren; Knaben öfter
durch Fall, Mädchen durch Verbrennung. Der Be-
schäftigung nach verunglücken besonders !viele Hand-
arbeiter, sehr wenige Gelehrte ; der Häufigkeit nach
flbennegt die wärmere Jahreszeit die kältere um
8.8<^/o, wie denn auch von Mai bis Juli besonders
häufig Ertrinken vorkommt; während des Tages sind
mehr ünfilUe verzeichnet als während der Nacht.
Männer verunglücken mehr ausserhalb, Weiber mehr
innerhalb ihrer Wohnnng u. Arbeitsstelle. Der Un-
glücksfall ist das Resultat von Nachlässigkeit oder
der Macht der Elemente ; gegen beide sind gesetz-
liehe Vorkehrungen gerichtet, die aber oft im Ein-
zelfalle nicht ansreidien. So werden beim raschen
Bau von Häusern und Eisenbahnen die zum Behufe
der Sicherung des Lebens gesetzlich vorgeschriebe-
nen Vorkehrungen ausser Acht gelassen, Wamungs-
zeichen und -Tafeln beim Bau von Kellern und Grä-
ben fehlen und mit Ausrede oder kleiner Geldent-
sdiädigung wird der Unfall meist in der Stille be-
graben. Ein weiteres Beispiel liefert die Aufisicbt
über Kinder. Die Tagelöhner schliessen ihre Kin-
der eio,| um ihr Verunglücken im Freien zu verhü-
ten ; die Vorsicht wird illusorisch, denn die Kinder
verunglücken trotzdem durch Sturz aus dem Fenster,
durch Feuer u. s. w. Strafbar dag^;en sind Dienst-
boten, wenn die ihnen zur Obhut anvertrauten Kin-
der durch Mangel au Beaufsichtigung zu Schaden
kommen. Gegen das Steinwerfen der Strassenjugend
sollte die Polizei nachdrücklich einschreiten. Zahl-
reich sind die „ökonomischen'' Vergiftungen: Schwe-
felsäure, Putzwässer, Insektenpulver, Rattengift,
Cyankalium, Quecksilberpräparate, Arsenverbindun-
geo sind täglich in den Händen vieler Leute, welche
von der G^ahr, mit der sie umgehen, oft keine
Kenntniss haben oder durch Gewohnheit damit so
vertraut werden, dass sie die gesetzlichen Vorsohrif-
ten ausser Augen setzen. Hat man doch in jüng-
ster Zeit Kälber mit Arsenik geftittert, um sie schnell
kräftig und zum Schlachten geschickt zu machen.
Der Mensch soll also Fleisch von Thieren essen, die
an chronischer Vergiftung gelitten haben.
(E. Schmiedt.)
550. Mittheilungen aus der gerlohtsänt-
lichen Praxis ; von Dr. Adloff in Schönebeck.
(Vjhrschr. f. ger. Med. N. F. XXXIV. 1. p. 25.
Jan. 1881.)
Tod angeUich in Folge von Zflchtigung von
Seiten eines Lehrers.
Einige Tage nach dem 20. Oct. 1880 war die lljakr.
sehr kränkliche A. M. vom Lehrer mit einem Bobntoeke
auf Arm, Racken and Kopf geschlagen und nach AassiRe
der Stiefmutter in die rechte Seite getreten worden, lo
dass die Stelle blau und roth ausgesehen hatte. Das Bnd
besachte nach 4 Tagen die Schale aaf einen Tag wieder,
masste aber von da an zu Hanse bleiben und das Bett
hfiten. Dr. G. hatte es schon im April an taberindöser
Plenresie mit Leber^ and Unterleibs-Affektlon behandelt,
derselbe fand nan an Kopf und Schaltern blaurothe Streik
fen and Beolen, kein Zeichen von Misshandlang ia der
rechten Banohgegond, wohl aber die Lebergegend stek
aufgetrieben, den Leib schmerzhaft; die rechte Longe in
weiter Verbreitang zerstört und hektisches Ftober. Dia
Kind starb nach Verlauf von einigen Wochen. Man fud
bei der Sektion (28. Nov.) ausser den als SngillatioAei
sich ergebenden kleinen blan- und braanrothen Steiles
am Oberkörper und Oberarm, einen markstUokgroaeei
Blatergass unter der KopfiMshwarte, zwischen den blot-
rothen Hirnhäaten und dem Gehirn gallertartiges Ex-
sudat und einen EsslöiTol voll schwarzrdthlichen Ezmdi-
tes ; dieCortikalsubstanz war fein und hochgradig injieirtp
die Marksabstanz blutleer. Entsprechend einer bind-
breiten braanrothen lederartigen Stelle auf der rechtes
Brusthälfte (spanische Fliege) war im Innern der obere
und mittlere rechte Lungenlappen mit der Brostwand
verwachsen, daneben enthielt der Brustraum 22 Esslöffel
seröses, mit Fetzen untermischtes Exsudat; beide Lnoges
waren tuberkulös entartet, in der rechten eine Vomiea,
im Herzbeutel 6, in der Bauchhöhle 80 Esslöffei Flnisic-
keit, Leber enorm gross, gelblich, mürbe, anf den Vikt-
men zahlreiche Tuberkel, In ihrem Innern Geschwüre.
Das Gutachten der Obdncenten lautete aof Tod
in Folge chronischer Taberkoloae mit hinzogeMe-
ner akuter rechtaseitigerPlenritiai beschleanigt doroh
die durch die Sugillationen erwiesenen Misshand-
langen.
Die Tuberkulose, welche in den Langen nod
Dftrmen Geschwtire, im Oehirn Staaungseneheums-
gen bewirkt hatte, wtirde an sich frflher oder später
durch Hektik den Tod herbeigeführt haben, aber das
Kind hatte die Schule besuchen können, bis an des
Tage, wo es durch die angeblichen Fnsstritte uid
die Schläge des Lehrers mit dem Rohrstocke eine
Misshandlang erlitten hatte. Diese kaon sowohl
durch die Gemflthsbewegung als durch Steigeniiig
der gesammten Nerventhätigkeit des an sich böchit
schwachen Kindes die tödtliche Brustfellentsflndomg
und den serösen Erguss in die Bauchhöhle hervor-
gerufen haben. Denn, obwohl das spanische Bohr
nur Vs Ctmtr. dick war, so hatten die damit aiMgo-
theiiten Schläge an Kopf und Rumpf SugiUate hinter-
lassen, welche nach 4 Wochen noch sichtbar varea.
i
VII. Staatsarzneikaiide.
183
Dagegen hielten die Obdneenien nicht ittr erwie-
sen^ da88 das Kind mit den Fassen getreten worden
sei. Denn der behandelnde Arzt Dr. 0. hatte vier
Tage nach der Misshandlang keine Spnr von Sngil-
lationin der rechten Bauchseite gefanden, ebenso-
wenig sie selbst, und doch hätten bei der erhöhten
Yenositftt des ganzen Systems die Sparen einer so
gewaltsamen Misshandiang am wenigsten mangeln
dorfen, zamal Sparen der darch die Stockschläge
bewirkten Sagiliationen zar Zeit der Sektion deaUich
nachweisbar waren.
Bei gesanden, kräftigen Menschen ist der Ver-
ianf der oberflächlichen Biatonterlaufangen allerdings
ein anderer, als bei schwächlichen Individaen, sonst
wire das Fortbestehen der Flecken am Rücken nnd an
den Armen nach 4 Wochen in so frischer Beschaffen-
heit schwer verständlich. Nämlich beim gesanden
Menschen ändert sich die rothe Farbe nach 4 — 5 Ta-
gen ins Bläuliche, dann ins Qrttngelbe am, die
Flecken erblassen binnen 14 Tagen mehr nnd mehr
imd verschwinden nach 3 — 4 Wochen spätestens
apnrlos. So hat Vf. den Verlauf der Sugillation an
einem von dem Pferde mit dem Hufeisen geschlage-
nen Artilleristen beobachtet. Das Fortbestehen der
SngiUationen bei der A. M. noch nach 4 Wochen
kann Vf. nur mit der durch ihren allgemeinen Erank-
heitsznstand bedingten venösen Stase in Verbindung
bringen, die die Resorption verhindeii; und in den
Anssehwitzungen in sämmtlichen serösen Häuten ge-
nflgende Analogien hat. Gleichwohl hält Vf. die
Ansieht fest, dass der Lehrer die Prflgelstrafe in un-
gerechtfertigter Weise angewendet hat.
(E. Schmiedt.)
551. tTeber die lokalen Beftinde bei Selbst-
mord durch Erhängen; von Dr. Adolf Lesser.
(Vjhrschr. f. ger. Med. N. F. XXXV. 2. p. 20.
Od 1881.)
Die in C aspers Handbuch der ger. Med. ver-
tretene Ansicht, dass die Strangmarke am Erhäng-
ten eine blosse Leichenerscheinung nnd ihr diagno-
stiscberWerth in Bezug auf die Todesursache, Selbst-
mord oder fremde Gewalt, gleich Null sei, dass bei
Selbstmorden nur in Ausnahmefi&Uen Läsionen anderer
Art, hn Innern der Halsgewebe vorkämen, so dass
äie Anwesenheit der letzteren geradezu als Gegen-
beweis gegen Selbstmord gelten dfirften, ist bekannt-
lich auch in den letzten 10 Jahren vorwiegend gel-
taid geblieben, nnd auch von Liman und £. Hof-
mann angenommen worden.
Vf. hat 50 Fälle von reinem, unzweifelhaftem
Selbstmord der Untersuchung unterw(Hrfen. Unter
diesen Fällen gab es 29, wo unzweifelhaft das £>-
hängen während des Lebens geschehen war, wie
ans den Verlndemngen der Haut, der tieferen Welch-
tbeile des Halses, des Kehlkopfes, des Zungenbeins,
der Halswirbelsäule hervorging, wo Blatungen mit
oder ohne andere grobe Läsionen nachgewiesen
wurdea.
1) Fälle mit Läsionen der Haut allein kamen
3 — 4 vor: am blassen Halse befand sich zwischen
der doppelten Strangrinne ein suffundirter oder sehr
stark hyperämischer Hautstreifen.
2) Läsion der Haut war einmal verbunden mit
Verletzung der tiefer gelegenen Weichtheile, näm-
lich punkt- und strlchförmige Blutung in den linken
Muse, stemohyoidens.
3) Läsion der tiefer gelegenen Weichtheile allein
fand sich 5mal, Extravasat im Platysma myoides,
auf dem Perichondrium der Schildknorpelplatten, auf
dem Lig. thyreo-hyoid., in der Nachbarschaft des
obem Schildknorpelhomes , miliare Hämorrhagien
in die Schlundschleimhaut nahe dem Ringknorpel.
4) Fälle von Läsion der Haut und des Zungen-
beines, oder des Kehlkopfes, oder der Wirbelsäule
kamen 3 zur Beobachtung. Dabei verhielt sich die
Haut wie sub 1. Es fand sich einmal Zerreissung
der Wirbelsäule mit Bluterguss zwischen die Riss-
flächen, einmal ein Doppelbruch des rechten obem
Schildknorpelhoms mit Hämorrhagien in die Bruch-
flächen, einmal Bruch des Zungenbeinhoms mit Blu-
tong auf der Brachfläche.
5) In einem Falle sah Vf. die Haut wie sab 1,
Blutung in die Adventitia der Oarotiden, in die Um-
gegend des Schildknorpelhoms, Znngenbeinbruch
mit Extravasat daselbst.
6) Läsionen der tiefen Weichtheile, des Zungen-
beins oder des Kehlkopfs bestanden in 12 Fällen.
Hier fanden sich Blutergüsse in eine subcutane Lymph-
drüse, aaf das Lig. thyreo-hyoid., im Muse, hypoglosso
omohyoid., in die Adventitia der Oarotiden, auf dem
Schildknorpel, in die Pharynxschleimhaut, im retro-
pharyngealen Gewebe , nahe den intakten oder ge-
brochnen Kehlkopfknorpeln.
7) In 6 Fällen war Läsion des Zangenbeins oder
dieses und des Kehlkopfe allein vorhanden. Dreimal
kam Bruch des linken, 4mal Brach des rechten obem
Homs des Schildknorpels , 2mal Brach der grossen
Fortsätze des Zungenbeins, 2mal Infraktion der
Schildknorpelplatte selbst vor.
Geringer ist die Zahl der Fälle , too sieh nieht
nachweisen läset, dass das Erhängen während des
Lebens geschah; aber die Befunde sind doch nicht
so gleichförmig, als bisher angenommen worden ist.
Während Vf. nur 2 Fälle hat, wo an den Oadavem
nichts zu entdecken war , was als Zeichen des Er-
hängens gedeutet werden konnte, zählt er 9 Fälle
mit deutlichen Veränderungen der Haut (nach Gas -
per nnd Orfila), 4 Fälle desgleichen mit Affek-
tion der tiefer gelegenen Weichtheile, 2 Fälle, wo
ausser diesen auch Kehlkopf nndZnngenbein verletzt
waren, endlich 3 Fälle, wo nur Haut, Kehlkopf oder
Zungenbem gleichzeitig Veränderungen zeigten.
Ausserdem ist es aber möglich, dass als einzige Wir-
kung der Strangulation nur partielle Muskelzerreis-
sang, Zungenbein«^ oder Kehlkopfverletzung vorkom-
men , selbst ohne Hautmarke , nnd ausserdem aller-
hand Oombinationen von Verletzungen, die den Cha-
rakter vitaler niobt tragen.
184
VII. Staatsanneikimde.
Rflcksiefatlich der VerftnderuBgen der einzelnen
Theile des Halses ist ein hämorrhagischer nndhyper-
ämischer Bautstreifen zwischen zwei Sirangrinnen
hauptsächlich dann von Bedeatung, wenn die flhrige
Halsfläche blass ist. Dieser Haatsaum ist oft nar
an einzelnen Stellen hämorrhagisch infiltrirt, er kann
an andern Stellen blass n. anämisch sein, mehrmals
anter den betr. 8 Fällen traten die Rinnen so zurück,
dass man nnr dnrch linear gestellte catane Blutun-
gen darauf aufmerksam wurde. In 10 andern Fäl-
len, wo die Strangmarke nicht auf blassem, sondern
hyperämischem Boden gelegen war, hatte die Hyper-
ämie der Zwischenleiste für die Suspension im Leben
keine Bedeutung.
In 80<>/o entsprach die Rinne dem Werkzeug,
in den andern Fällen war sie theils schmäler, theils
breiter, ja in 2 Fällen, wo nachweislich eine Wasch-
leine benutzt worden war , gab es Oberhaupt keine
Hautveränderungen. Weiche TOcher, Wickelbän-
der u. dergl. hatten auch keine Strangmarken hinter-
lassen. Ein Selbstmörder hatte zwei Strangrinnen,
eine fast horizontale u. eine schräge, so dass es den
Anschein hatte, als ob er sich zweimal gehängt
hätte, ein anderer, der diess nachweislich gethan,
hatte nnr eine einfache Harke.
Veränderungen in den Muskeln. Noch in der
2. Auflage von Hof mann 's Lehrbuch wurde das
Vorkommen von Muskelzerreissung bestritten , dem
entgegen hat aber Vf. solche in 11 seiner Fälle vor-
gefunden, darunter lOmal in den Eop&ickem, aber
nie in ihrer ganzen Dicke, 5mal im Platysma myoid,
theilweise, 3mal in den dünnen Halsmuskeln. Diese
Mnskelzerreissnngen waren frei von Bluterguss , die
Muskelscheide war intakt, man sah sie von aussen
deutlich durch die Anschwellung der zurflckgezogenen
Muskelbäuche. Unter dem Mikroskop zeigten die
zerrissenen Muskelfasern exquisite wachsartige Dege-
neration, die unversehrten nicht. Jene Fasern sind
breiter als diese, entbehren die Querstreifung und
glänzen wie amyloid. Diese mikroskopischen Ver-
änderungen sah Vf. aber auch in einem Waden-
muskel, den er 27a Stunden nach dem Tode gebun-
den hatte.
Gefäsftverletzungen kamen in 60 Fällen 7mal vor,
6mal an der Carotis, Imal an derArt.maxill. externa.
Von allen frühem Beobachtern hat nur E. Simons
(unter 6 Erhängten 2mal) Gefilssverletzungen con-
statirt. Eine Ruptur der Intima fand Vf. l'/i Ctmtr.
unterhalb der Strangrinne , woraus hervorgeht , dass
nicht nur Druck , sondern auch Zerrung die Gefitese
zu verletzen im Stande ist. Dreimal lag die Ruptur
direkt unter der Strangrinne unmittelbar anderThd-
lungsstelle, 2mal 2 Ctmtr. central von derselben.
Die Einrisse waren einfach oder mehrfach , in der
Regel in der hintern GefiUswand. Die Risse waren
linear, zuweilen feinzaokig, die Ränder rollten sich
nie um, wahrscheinlich weil in keinem Falle der
Riss die ganze Circumferenz des Oeftoes einnahm.
Gefllsarisse kamen nur bei Personen über 40 J. vor.
Die Blntaustritte in diese Risswunden haben keine
Bedeutung, sie sind fast immer vorhanden , wibreod
Blutergüsse in die Advenütia der Carotiden eben so
werthvoll altf andere Hämorrhagien in die Weieh-
theile des Halses sind.
Verletzungen von Zungenbein, Kehlkopf und
Wirbelsäule. Das Zungenbein hat Hof mann 2Dud
gebrochen gefunden , den Kehlkopf nie , nicht sdtei
aber die obem HOmer des Schildknorpels. Brneb
der letztem hat Maschka unter 150 Selbstmordei
durch Erhängen nur 2mal beobachtet, andere Ver-
letzungen nicht, auch nicht der Wirbelsäule. Vf. bat
43 Verletzungen dieser Theile gesehen , und zwir
14mal des Zungenbeins , 23mal der Schildknorpd-
hömer, 2nml Bräche der Schild- und Ringknoipel,
Imal Zerreissung der Wirbelsäule zwischen 3. md
4. Halswirbel mit Extravasat. In diesem Falle be-
stand eine periostitische, kndcheme Aoflagemng auf
der Vorderfläche der Wirbelsäule an der RisssteUe,
welche Vf. als prädisponirendes, die Beweglichkeit
und Dehnbarkeit der betreffenden Partie aufhebeides
Moment ansieht. Auch der gebrochene Ring- and
Schildknorpel war asbestartig degenerirt und theil-
weise verkalkt Beide Selbstmörder standen im Alter
zwischen 40 u. 55 Jahren. Zwölfmal waren die Brock-
flächen frei von jedem Blntaustritt. Der Gnmd ist
die gleichmässige Fortdauer des Dracks auf die
Bruchstelle ; wo der Druck nach der Fraktur diuch
irgend eine Bewegung sich verschoben hatte, ent-
standen Blutergüsse. Man fand dann die Stnog-
mai*ke oft an anderer Stelle als die Fraktur. Auf
diese Weise ist auch erklärlich, warum in den
Strangrinnen Blutergüsse nicht vorkommen, wsdd
das Erhängen mit beträchtlicher Gewalt erfolgt
war. — Verschiebungen im Kehlkopfskelett aiod
nicht selten, aber nicht diagnostisch verwerthbir,
da sie auch als Entwicklungsfehler vorkommen.
DerEinßuea der Stellung und der Beechafeitr
heii des Strangwerkzeugs auf die Verletzungen d»
Halses. Die Zahl und die Schwere der Verletson-
gen stehen weder in einem geraden und constantei
Verhältnisse zur Dicke des angewandten Strangwerk-
zeugs, noch zur Kraft, welche, wie aus der Lage der
Leiche zu schliessen , bei der Strangulation ansehei-
nend zur Wirkung gekommen ist. Es lässt sioh
eben die Wucht , in der Denatus in die hockende,
sitzende , freischwebende Stellung übergegangen ist,
nicht abschätzen. Es fanden sich VerletsQOg^
von Kehlkopf, Zungenbein , Muskeln und GeflUsei
ebensowohl bei frei Suspendirten , als bei Knieen-
den und Stehenden, ebensowohl bei dünnen, als bei
dicken, breiten Strangwerkzeugen.
(E. Schmiedt)
652. Fischaterben ala Gegenstand einer
mediolnai-poliieiliohen Unteranohnng; von
Dr. Adloff in Schönebeck. (Vjhiaehr. f. ger.Med.
N. F. XXXIV. 1. p. 171. Jan. 1881.)
Am 11. Oot. 1878 bemerkte der Gärtner dei Bitter-
gutes Neu-G., dass die Bode, an welcher cibv^tsXf^
Vm. Hedicin im Allgemeinen.
185
niehe F^iiken gelegen waren , eine auffallend blaae
Ftfbe hatte nnd widerlichen Gerach ansströmte, wahrend
doe grosse Menge Fische theils todt im Wasser lagen,
theOs mit den MSalem ans dem Wasser Torragten nnd
nach Lnft schnappten. Am folgenden Tage entnahm der
Kreisphysikus dem Flosse 6 Wasserproben, von welchen
idemlich klar waren, zwei dagegen, welche einer Stelle,
wo das Wasser stagnirte, entstammten, schwach opalisir-
tSB und nach Schwefelwasserstoff rochen.
Simmtliche Proben enthielten fremdartige Be-
staodtheile beigemischt: Kali, Ammoniak, Magnesia,
SehwefelsftnrO) Salpetersftnre ; sämmtlich jedoch zn
l^gfllgigy um das Fischsterben zn bewirken. Da-
gegen mnsste der Gehalt an Schwefelwasserstoff,
der Bleiznckerpapier schwarzgnm ftrbte nnd ihm
emen älberartigen Glanz verlieh, als der nachthei-
lige Umstand angesehen werden. Derselbe wnrde
flbrigens nnr in 2 von den 6 Proben nachgewiesen,
welche ans stagnirendem Wasser geschöpft waren,
während in dem freien Strome nach 24 Std. die
fremdartige Beimischang bereits fortgeschwemmt
worden war.
Da der Gehalt des Wassers an Säuren und Alka-
lien so gering war, konnte der in der Gegend üb-
lichen Kaliindmtrie die Schuld am Fischsterben
nicht beigemessen werden, auch nicht den oberhalb
Neu-G. gelegenen Zuckerfabriken^ da diese im Som-
mer nicht in Thätigkeit sind. Gleichwohl war Fisch-
sterben schon in frühem Jahren einmal zur Sommer-
zeit vorgekommen. Tf. nimmt darum an, dass der
Gehalt an Schwefelwasserstoff dadurch bedingt sei,
dass man, trotz allem Verbot, Flache geröstet
habe. Dieses wurde auch von verschiedenen Leu-
ten bestätigt. (B. Schmiedt.)
VII. Medioin im Aligemeinen.
553. Ueber Amyloidentartunff ; nach A.
Favre, Zahn, Eberth, Böttcher, Arn-
stein, Whittäker, E. Wagner.
I. Antonin Favre (Recherches surlescor-
pnseules amyloides de l'appareil urogenital. Diss.
ioang. Genfeve 1879) stellte unter Prof. Zahn*s
Leitung genauere Untersuchungen über die im Harn
Torkommenden AmyloidkOrperchen an. (Vgl. hierüber
auch Carter inEdinb.med. Journ. u. Canstatt's
J&hresber. 1855; sowie Paulitzky in Yircbow^s
Aich. VI. 1854 und VIII. 1855, welcher Letztere,
weil er sie mit Spermatozoon vermischt im Harn
fand, ihren Ursprung in die Samenwege verlegte.)
Unter 63 Fällen fehlten dieselben nur bei 5
oder 6 Personen, doch muss man, um sie in hin-
rdchender Menge beobachten zu können, den Mor-
genham und besonders die letzten Reste desselben
nunmeltt. Die betr. Eörperchen sind etwa 0.008
bis 0.015 Mmtr. gross, farblos, homogen, wachs-
glänzend nnd gleichen einer biconvexen Linse, doch
sind sie zuweilen auch sphärisch. Im Harn E^nnker
finden sich jedoch noch andere Elemente derselben
l^tnr, die indessen viel grösser sind, als die ge-
mnnten. F. nennt als solche: 1) ähnliche Eörper-
chen wie die erwähnten, nur grösser (0.015 bis
0.05 Mmtr.), mit einem Kern und um diesen con-
eentrisehe Linien laufend, die bisweilen durch eine
ndiale Streifong getheilt sind; 2) Formen, denen
entweder der Kern oder die concentrischen Lagen
oder die radiale Streifimg oder endlich alles Dreies
fehlt; 3) kömige Massen mit gerundeten Contou-
ra; 4) Bmchstücke von Körperchen. Insbeson-
dere beobachtete F. im Harn von Tuberkulösen,
Niereikranken und Anämischen Pflasterepithelien
von demselben wachsglänzenden Ansehen wie die
Amyteidköiperehen , deren Kern nicht anders als
gewöhnlich erschien ; in andern Zellen war er gar
i^t an sehen. — Auf Zusatz von. Jod fibrbten sich
diese Zellen blau.
He«. Jahrbb. M. Ifff« Hfl. S«
Um den Ursprung der Amyloidkörperchen näher
kennen zu lernen, untersuchte F. den Harn- und
Geschlechtsapparat an 18 Leichen und fand jene
Körperchen sowohl in dem aus der Blase entnom-
menen Harn, als auch auf der Schleimhaut des
Nierenbeckens, der Ureteren, der Blase und der
Harnröhre ; desgl. auf der Eichel, im Smegma prae-
putii, in der Prostata, den grossen Labien, der Kli-
toris, der Vagina, dem Hals und Körper des Uterus,
den Tubis Fallopii, auf der Oberfläche ded Ovarium,
in den Baiiiholinischen Drüsen und in den kleinen
Ovariumcysten. Ausserdem fand er in den von
der Urogenitalschleimhaut durch Schaben erhaltenen
Präparaten wachsglänzende Pflasterepithelien, die
sich dm*ch Jod bUu, oder blauschwarz, braun oder
braungrün ftrbten, bez. nur gelb, doch so, dass die
darin enthaltenen Granulationen blauschwarz wur-
den. — Wie beim Menschen, so fand F. auch bei
Katzen und Kaninchen die beschriebenen Amyloid-
körperchen unter ganz ähnlichen Verhältnissen. Als
charakteristisch für Nierenamyloid können dieselben
nicht angesehen werden, da sie bei andern Krank-
heiten, z. B. Tuberkulose der Lunge und Anämie,
sich weit zahlreicher finden.
Hinsichtlich der Entstehung dieser Körperchen
glaubt F., dass ihr Kern das Primitive sei und dass
er gebildet werde bald durch einen Zellenkem, dem
er in vielen Fällen ganz ähnlich erschien, bald durch
ein kleineres Amyloidkörperchen oder endlich zu-
weilen durch eine fremde Substanz; die amyloide
Substanz aber bilde sich durch die Zellen, und zwar
durch das Epithelium der Urogenitalschleimhaut.
Denn bei allen Präpai'aten derselben fanden sich,
wie es schien, nur verschiedene Stufen der Umwand-
lung: glänzende Tröpfchen, noch ohne Reaktion,
als Anfang derselben, die braungefärbten Epithelien
als 2. Stufe, die Epithelien mit blauer Reaktion
als vollkommene Umwandlung. Auch die grossen
kugeligen Körperchen ohne concentrlsche Lagen u.
ohne Kern hält F. mit Friedreich, in Hinsicht
24
186
Vni. Medidn im Allgemeinen.
auf ihren fragilen Znstand nnd ihre weniger deut-
liche Jodreaktion für gealterte Formationen.
Die Gegenwart von Drüsen ist demnach zum
Entstehen der amyloiden Eörperchen nicht nöthig«
Man findet sie auch an Orten^ die der Drflsen ent-
behren. Als Gesammtergebniss seiner Untersuchung
stellt F. folgende Sätze auf.
1) Man findet fast stets im Harn Erwachsener
Amyloidkörperchen.
2) Diese Eörperchen entstehen ans dem Epithel
der Harn wege, sie zeigen sich aber in gleicherweise
im Geschlechtsapparat und können sich eben so gut
auf den drüsenlosen Theilen der Schleimhaut^ als in
den Drüsen selbst bilden.
3) Sie sind im Allgemeinen bei Frauen zahl*
reicher, als bei Männern.
4) Bei gewissen tiefem Eörperleiden ist ihie
Menge vermehrt.
5) Für die Diagnose haben sie bis jetzt keinen
Werth.
II. Zur Amyloid frags ] von Prof.G. J. Eberth
in Zürich. (Virchow's Arch. LXXXIV. 1. p. 111.
1881.)
Nachdem E. in einer frühem Arbeit (Vgl.
Jahrbb. GLXXXVI. p. 65) den Nachweis geführt zu
haben geglaubt hatte, dass kein anderes Gewebe als
die Bindesubstanz dem amyloiden Process unterliege,
kurz darauf aber Eyber (vgl. Jahrbb. CLXXX VIII.
p. 66) das Gegentheil behauptet hatte, dass nämlich
der amyloide Process sich auf die verschiedenartigsten
Gewebe verbreiten könne, sucht E. erstgedachte Mei-
nung Eyber gegenüber nochmals zu begründen.
Was zunächst die Sagomilz anlangt, so liegt nach
E. ein Widersprach darin, dass Eyber sagt, dass
er sich nicht habe überzeugen können, dass bei der-
selben eine amyloide Entartung der'Lymphkörper-
chen vorkomme, während er bei der amyloiden
Entartung des Milzparenchym eine solche gesehen
haben wolle. A priori lasse sich doch erwarten,
dass die Lymphkörperchen hier wie dort, im Paren-
chym sowohl, als in den Malpighi'schen Eörperchen
sich nicht so verschieden verhalten, dass die einen
entarten, die andern nicht.
Hinsichtlich der von Eyber behaupteten amy-
loiden Entartung der Leberzellen, vermisst E. jede
Angabe über die Art des Beginns, ob im Eei*n, mit-
ten im Zellenleib, oder ob ^ie Entartung letztern
sofort in toto angreift. Uebrlgens sei diese an den
Leberzellen überhaupt in der letzten Zeit immer
seltener gesehen worden; so habe Eyber sie zu-
letzt unter 22 Fällen von Leberamyloid nur 5mal
allein erkrankt gesehen.
Auch die Darstellung der Amyloidentartung des
Darmzotten-Epithel (welche E. selbst bei hochgra-
diger Entartung der Schleimhaut nicht hatte beobach-
ten können) sei in keiner Weise überzeugend ge-
scluldert.
Von besonderem Interesse war esE. zner&hren,
in wie weit die für die amyloide Entartung normaler
Theile gewonnene Thatsache des Verschontbleibena
epithelialer Elemente von dem genannten Process,
auch für pathologisch neugebildete Gewebe Geltung
habe. Diess zu beobachten, hatte er in einem Fall
von Carcinombildung , neben amyloider Entartung
verschiedener Organe, Gelegenheit (scirrhöse Neu-
bildungen in der Leber, hochgradiges Amyloid der
Blutgefässe mit sehr vollständigem Schwand des
Leberparenchym, Amyloid in der Milz und andern
Organen). In dem Bindegewebe dieser Leberknoten,
das als neugebildetes aufgefasst werden moss, fan-
den sich da und dort kleine amyloide ScboUen, etwa
von der Grösse gewöhnlicher Leberzellen u. dtfflber*
Ausserdem aber zeigte sich die die Alveolen un-
mittelbar begrenzende Bindegewebslage in einen
glänzenden, die charakteristische Amyloidreaktion
darbietenden Saum umgewandelt In keiner an-
zigen Geschwulstzelle dag^en fand sich eijie Spur
von Amyloid.
E. wiederholt sehlüsslich seine Behauptung, dasB
weder die direkten Abkömmlinge des Hom-, noch
die des Drüsenblattes und diejenigen des mittlem
Eeimblattes jemals insgesammtamyloid entarten, son-
dern, dass allein das Bindegewebe dieser Degenert'
tion verfalle, und glaubt, dass auch andere Forscher
zu gleicher Ansicht gelangen werden, sobald sie aar
die betreffenden Theile nicht gerade im letzten Sta-
dium der Entartung untersuchen.
m. Prof. A. Böttcher in Doi-pat (Nocheinmal
die amyloide Entartung der Leber, Virchow's Ardi.
LXXXIV. 3. p. 570. 1881) findet den Gmnd, dass
Eberth die Erkrankung der Drflsenzellen nicht
hat sehen können, darin, dass er die von B« für ge-
dachte Zwecke durchaus nöthig erachtete modificirte
Jod-Schwefelsänrebehandlung anscheinend gar nicht
beachtet , sondern nur das alte Verfahren und die
zum Nachweis der ersten Anfibige der Entartoag
nach Vf. weit weniger geeignete Methylanilin-Probe
benutzt habe. B. hat die Amyloiddegeneration an
so zahlreichen Leberzellen, die durch die Präpara-
tion frei geworden waren und sich ganz isolirtin der
Umgebung des Schnittes vorfanden, gesehen, dasB
ihm keine Täuschung möglich gewesen war. Er
führt zum Schluss auch das 2^ugnis8 von Elebs
(Handb. d. pathol. Anat. I , Vorwort, p. VII.) an,
welcher sich gleichfalls „für eine aktive Betheiligoflg
des Bindegewebes, wie auch der Epithelien, Nerven
u. s. w.'^ entschieden habe.
IV. Prof. C. Arnstein in Kasan (Med.Centr.-
Bi. XIX. 13. 1881) fand in «xcidnien Stfleken der
traehomatös entarteten Conjunktiva theils voUkom-
men amyloid entartetes Gewebe, theils aber aodi
solches, welches unvollkommene oder gar kdne amy-
loide Bieaktion zeigte, obgleich das Gewebe diaphan,
durchsichtig war. Diese letzteren Fälle standen der
hyalinen Entartung sehr nahe ; bald aeigte sidi dif-
fuse Degenerationi wobei in dem fast glasheUea Oe-
VIII. HediciB im Allgemeinen.
187
webe keinerlei Proliferation nachzuweisen war^. bald
zeigten sich glänzende Gewebsinsein zerstreut in
stark proUfmrendem Gewebe mit zahlreichen Riesen-
zellen. In einem Falle konnte A. ein Vorstadium
der hjalinen Entartung unterscheiden, welches er als
fibrinöse Degeneration bezeichnet. Es Hessen sich
nämlich an den Gefitosen faserige, feinstreifige Auf lage-
Tungen wabrnehmeni die die Adventitia durchsetzten
und allmälig hyalin wurden^d. b. die äussern Schich-
ten ersehienen bereits glashell gequollen, während
die innem noch feinstreifig geschichtet waren. In
dem Gewebe selbst konnte man feinfaserige, bei
starker Yergrösserung kömig erscheinende Netze
unterscheiden, die theilweise durch ein hyalines glän-
zendes Balkenwerk ersetzt waren, in dessen glänzen-
den Maschen sich durch Carminfärbung kernhaltige
Zellen und Riesenzellen demonstriren Hessen. Nach
A* weisen diese Debergänge zwischen fibrinös und
hyalin einerseits und zwischen hyaUn und amyloid
andererseits auf einen innem Zusammenhang dieser
albnminöaen Degenerationen hin, und ist es ein ver-
fehlter Versuch Leber 's, das Amyloid auf eine ak-
tive Thätigkeit der Riesenzellen zurückzuführen;
denn diese können eben so gut fehlen, und zwar so-
wohl bei hyaliner als bei amyloider Entartung. Eben
80 wenig erscheint es, allgemein gefasst, richtig,
jftan man mit Raehlmann in den sog. Amyloid-
tomoren Lymphome sehen will, die nachträglich
hyalin oder amyloid entarten. Denn es kommen
Fälle vor, wo in dem entarteten Gewebe gar keine
Proliferation nachweisbar ist. Proliferation und De-
generation sind vielmehr Folgen örtlicher Emährangs-
Btörungen, die in chronisch gereiztem Gewebe sich
nicht aus einander, sondern neben einander ent-
wickeln.
Sdilflsslich theilt A. noch mit, dass er in der
Alaun^Coehenille (Ozokor) ein Mittel gefunden habe,
um amyloide Gewebe dififüs roth zu filrben, während
in dem normalen Gewebe der Umgebung nur violette
Kenftrbung zu constatiren ist und Zellprotoplasma
und Grundsubstanz farblos bleiben.
V. Dr. James T. Whittaker in Cindnnati
(Med. News and Abstract XXXIX. 5. p. 259. May
1881) theilt einen Fall mit, in welchem Nieren-
amyloid aufgetreten zu sein schien, und zwar bei
einem 15jähr. Mädchen, welches in Folge eines
Sturzes Paraplegie , dann Caries der Wirbel und
BcUttsslich Tuberkulose der Fussknochen mit chro-
nischer Eiterung derselben bekommen hatte. Es trat
im Verlauf der Krankheit schwere Anämie, an Schen-
keln und Gesicht Oedem ein, im Harn fand man Ei-
weiss, weisse und rothe Blutkörperchen, Epithelien,
hyaline und granulirte Cylinder. Die noch am Leben
befindliche Kranke erhielt Jodeisen.
VL Prof. E. Wagner (Deutsches Arch. f. klin.
Med. XXVm. 4 u. 5. p. 416. 1881) giebt eine Zu-
Bammenstellnng der Krankheitsfälle, bei welchen er
Amyloidniere beobachtet hat, mit Bemerkungen über
die Symptomatologie derselben*
Bei Phthise k9.m die Amyloidniere 136mal vor, und
zwar in 133 Fällen bei chronischer Langenphtblse , in 3
Fällen fehlte letztere ganz ; in 2 dieser Fälle fand sich
chronische nlcerose Darmtnberkalose , in 1 nar käsige
Mesenterialdrfisen ohne Darmaffektion. — Tuberkalöse
.Darmgeschwüre kamen 98mal vor, nur 2mal, wie er-
wähnt , ohne gleichzeitige Lnngenphthise. Wo die Ge-
schwüre fehlten und dennoch Durchfälle bestanden hatten,
wurde meist stärkere Amyloidentartnng des Darms beob-
achtet. Ausserdem fanden sich Knochenaffektionen 7mal ;
gleichzeitige Speckmilz 125mal ; Speckleber 81 mal ; all-
gemeiner Hydrops 27mal; Oedem der untern Körper-
hälfte 17mal.
Bei Knochenkrankheiten wurde 66mal Amyloidnlere
beobachtet ; nur in wenigen Fällen hatte wahrscheinlich
nie Eiterung bestanden. In 9 Fällen gleichzeitige Tuber-
kulose, besonders der Lungen.
Bei Syphilis kam 36mal Amyloidnlere vor, 30mal
gleichzeitig Speckmilz, 16mal Speckleber; 2mal erfolgte
der Tod durch Urämie.
AmyUridniere aus seltenen Ursachen wurde 37mal be-
obachtet. Als solche wurden nachgewiesen 7mal sackige
Bronchiektasie mit und ohne Ulceration ; 6mal chronische
Eiterungen oder Verschwärungen der Haut ; 4mal chro-
nische SchleimhauteiteruDgen , darunter 3mal chronische
Darmgeschwüre ; Imal chronisches Empyem ; 4mal chro-
nische Pyelitis und Pyelocystitis ; Imal chronische Para-
metritis mit Harnblasenflstel ; 2mal primärer Psoasabscess ;
3mal ulcerirender Krebs ; 2mal ul«erirendes Sarkom.
Amyloidniere aus unbekannten Ursachen kam in 7
FäUen zur Beobachtung [frühere Eiterungen? Malaria?
chronischer Herzfehler?]
Was nun die Krankheitserscheinungen und ört-
lichen Veränderungen anlangt y so waren in 1 1 Fäl-
len ausser der meist starken Amyloidentartung der
Gefässe keine interstitiellen Veränderungen , auch
makroskopisch nicht; vorhanden. Die Epithelien der
Harnkanälchen waren in verschieden hohem Grade
verfettet. In 4 Fällen zeigte die sogenannte grosse
weisse Niere mikroskopisch zerstreute, im Ganzen
aber spärliche, und frische interstitielle kleinzellige
Wuchernngen. Fünf Fälle gehörten der granulirten
Speckniere an.
Unter den 36 Fällen von Amyloidniere als Folge
von Syphilis sind 4 mit vorzugsweise peripherischer
od. totaler Rindenschrumpfung, Imit frischer intersti-
tieller Entzündung, 1 mit einseitiger Nierenatrophie.
Nach W. hat man folgende, gleichzeitig klinisch
wichtige Alien der Speckniere zu unterscheiden.
1) Die geringe Amyloid -Entartung der Rinde
oder des Marks oder beider , ohne wesentliche Ver-
änderung der Epithelien und bei normalem Stroma.
2) Die geringe oder starke Speckentartung der
Rinde oder des Marks oder beider mit verschieden
starker Verfettung der Epithelien ohne Veränderung
des Stroma.
3) Dieselbe Speckentartung mit frischen inter-
stitiellen Veränderungen.
4) Die Amyloid-Sohrumpfniere.
HinsichÜich der Schrnmpfniere nimmt W. mit
Rokitansky, Cohnheim u. A. an, dass das
Amyloid erst entstehe , wenn dieselbe bereits aus-
gebildet sei, und nicht die Ursache der Schrumpfung
sei, wie Traube, Rindfleisch u. A. meinen.
Am Harn waren klinische Verschiedenheiten
zwischen den 11 Fällen von reiner Amyloidniere
188
Vni. . Medicin im Allgemeiiieii.
und den 4 Fällen von gleichzeitigen frischern inter-
stitiellen Veränderungen nicht nachzuweisen. Die
Hammenge war Wochen und Monate lang meist ver-
mindert, desgl. auch in 3 Fällen granulirter Speek-
niere, nur 2mal im 1. Monat vermehrt , das spee.
Gewicht betrug 1012— 1030 , in einigen Fällen
1006—1010.
Der Eiweissgehalt war in den 15 Fällen der bei-
den ersten Kategorien 13mal mittel- oder sehr gross
Vi — V2"~V3 seihst */i Vol., 2mal wechselnd. Das
Sediment war blass , meist spärlich , im Tagesham
fast stets am grössten , in einigen Fällen fehlte es
ganz.
Die Hamcylinder können nach W. wenig zur
Charakteristik der Amyloidniere verwandt werden ;
sie fehlten zuweilen Tage hindurch ganz, waren
meist auffallend lang, daneben fanden sich fast stets
kurze ; am aufi&lligsten war ihre verschiedene Zahl,
selbst in demselben Falle an verschiedenen Tagen.
Die seltenste Form der Cylinder war die breite , in
der Leiche am häufigsten , sowohl bei einer Speck-
niere , als besonders in den compensatorisch erwei-
terten Hamkanälchen der granulirten Speckniere. —
Am häufigsten kommen gleichzeitig mittelbreite und
schmale Cylinder vor.
Charakteristische Fäi'bnngen durch Leonhardi*-
sehe Tinte fand W. 2mal in kurzen dicken Ct/lin^
dem. Die Cylinder waren gleich häufig hyalin,
wie schwach, selten stark verfettet ; in 2 Fällen an
verschiedenen Stellen hyalin und verfettet , mit ein-
zelnen Lymphkörperchen und ziemlich zahlreichen
Myelintropfen besetzt.
Weisse Blutkörperehen kamen in der Hälfte der
Fälle vor, sie stammten fast sämmtlich aus den
Hamkanälchen selbst, bez. aus den Glomernlis;
rothe Blutkörperchen in etwa ^/i der Fälle, sie
lagen einzeln oder Sassen wohl erhalten Cylindem auf.
Die Wassersucht ist nach W. bei Amyloid-Nie-
ren seltner, als man anzunehmen pflegt. Urämie
sehr selten. Mehrmals kam urämisches Erbrechen
vor, dabei einmal ein mehrtägiger, bis zum Tod
währender kataleptiformer Zustand.
Hypertrophie des Unken Ventrikels, welche nur
in einem Theile der Fälle von Amyloid-Schrumpf-
niere vorkommt (Traube, Rosenstein, Bar-
tels) sah W. lOmal, wahrscheinlich stets mit gleich-
zeitiger Nierenatrophie.
Die Zeitdauer der Amyloid-Niere, resp. der da-
durch bedingten Albuminurie scheint vorzugsweise
von der Grundkrankheit abzuhängen. Bei Lungen-
und namentlich gleichzeitiger Darmphthise beträgt
sie im Allgemeinen nur wenige Monate, bei Knochen-
eiterung und Syphilis, sowie sogen, primärer Speck-
niere viel längere Zeit, bisweilen Jahre lang.
Hinsichtlich der Diagnose der Amyloid-Niere sind
nach W. folgende Punkte noch ganz besonders zu
berfloksichtigen :
1) die ursächlichen Momente, wobei immer auch
an das Vorkommen einer sogen, primären Amyloid-
Nieie zu denken ist ;
2) eine schärfere patholog. - anatomische Unter-
scheidung ;
3) genauere Beobachtungen Aber den Beginn der
Hamveränderung ;
4) bei entwickelter Krankheit genauere Hervor-
hebung der allgemeinen ConstitutionsverhältnisBe,
der genossenen Speisen und Getränke, des Fieben,
der Durehftlle, des Schweisses n. s. w.
Bis jetzt ist es nach W. zumeist nicht mö^iek,
die einfache Amyloid -Entartung, die mit noch flori-
render (interstitieller) Entzflndung u. die nütSehntm-
pfung zu unterscheiden. (0. N a n m a n n.)
554. Die Geburta- und SterbliohkeitB-Ve^
hältnisse in den grossem deutschen Städten wäh-
rend desJaltreslSSO'j von Dr. Arth. Geissler.
Nach der vom kais. Deutschen Gesundheitsamte
in Tabellenform veröffentlichten JahreszosammeB-
Stellung der Bevölkerungsvorgänge in den grossen
deutschen Städten im J. 1880, giebt das gen. Be-
richtsjahr ein erneutes Zeugniss fhr die alte Erfah-
rung, dass in Zeiten wirthschafUichen Niedergaogsi
die Volksgesundheit weniger widerstandafthig wird
gegen die mannigfachen schädlichen EjinflOne, die
uns fortwährend umgeben. Diese Widerstandaflhig-
keit vermindert sieh fortschreitend mit der Abnahme
der Snbsistenzmittel, sowohl der im Organismus auf-
gespeicherten, als der zum täglichen Ersatz nOthiges;
die Folgen aber schleppen nicht selten noch laoge
hinterher, wenn auch die Ursachen aufgehört habea
oder bereits wieder ein wirthschaftlicher Aufschwung
bemerkbar wird. Im J. 1879 hatten zunächst nur
die höheren Lebensalter an ihrer Kraft eingebfleit)
daher eine wesentlich vermehrte. Sterblichkeit in dea
über 60 J. alten Bevölkerungsschichten zu oonsta-
tiren war. Im J. 1880 dauert diese Eracheinang
noch an, aber auch das Mannesalter zeigt eineD
stärkern Verlust und ganz besonders hat das jftngere
Kindesalter zu leiden gehabt, denn es starben im J.
1880 insgesammt (in den 147 Berichtsstädten mä
mehr als 15000 Bewohnern) 111283 Kinder bii
zum 6. Lebensjahre, während das dreijährige Mittel
der Vorjahre 1877—1879 in dieser Altersklaeae
102734 Verstorbene betragen hatte. Abgesehen
von dieser erhöhten Sterblichkeit zeigte sich aocii
die Fruchtbarkeit einigermaassen vermindert. Es
wurden 293244 Kinder lebend geboren, d. i. 910
weniger als im Vorjahre, während 213740 Pei8(HieB
(d. i. 1628 mehr) starben.
Das J. 1880 charakterisirte sich daher, um es
in zwei Worte zu fassen, gegenflber seinen Vor-
gängern durch verringerte Fruehtbarkeils-' und ge-
steigerte SterblichkeiUzifer. Auf je 10000 Bewoh-
ner der mittleren zu 7894000 berechneten Jabree-
bevölkerungO dieser 147 Städte kamen 371 Lebend-
0 Diese mittlere Jahreabevölkemng seheint mir, m
weit ich es fibersehen kann, ffir mehrere Orte, insbeeon-
dere ffir eämmtllche sächsische, höher aagenommeB
worden xn sein, als es die inmittelst erfolgte ZShlangYom
1. Dec. 1880 angelassen hätte.
Tni. Medidn im Allgemdiien.
189
gehffene 11.271 Gestorbene. Die daraus resnltirende
Vemehmog oder der sog. OebnrteDttberschtiss be-
trog Dur circa 100 auf je 10000 Bewohner, während
orin den beiden Voijahren 120— 121, im J. 1877
sogar 134 betragen hatte.
Was nun zunächst die Oeburtetifrequenz an-
langt, so wurde diessmal ftlr 22 Städte (1879 und
1878 nur in 14 St.) 4lie geringste Ziffer (unter
SO^/oo) anfgeseichnet. Die niedrigsten Werthe fallen
auf Coburg (21.7<»/oo) und auf Neisse (22.3Voo)-
Von grossem hierher gehdrigen Städten sind noch
Kissel, Karlsruhe, Wiesbaden, Darmstadt und Pots-
dam zu nennen. Die Städte dieser Gruppe hatten
im Mittel eine Sterbeziffer von 22.2<^/oo und speciell
eine Säuglingssterblichkeit (zu je 100 der Lebend«
geborenen berechnet) von 23.1%. Nur Gross-
Glogau und Freiburg i. B. hatten eine abnorm hohe
Singlingssterbiichk^t von mehr als 30% der Lebend-
geborenen.
Die zweite Stufe der Geburtenhäufigkeit (von
30.1— 35.0%o) findet sich in 37 Städten, unter
d«ien Di*esden, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart,
Strassburg und Stettin als die grössten besonders zu
Deonen sind. Die mittlere Jahressterblichkeit dieser
Orte betrug fast 25^00 ^^^ ^i® Säuglingssterblich-
keit 26.4*/o der Lebendgeborenen. Eine der
miasigen Geburtenzahl nicht entsprechende, d. i.
za hohe Sterblichkeit, hatten namentlich Regens-
burg (31.40/oo), Münster (30.4 Voo) «nd Strassbnrg
(80.1<^/oo). Abnoim hohe Säuglingssterblichkeit
hatten insbesondere Thorn, Schweidnitz, Regens-
borg, Ulm, Reutlingen, Naumburg, Leipzig, Bran-
denburg, Prenzlau, Münster und Strassbnrg, in wel-
chen Städten zum Tbeil mehr als der dritte Theil
der Lebendgeborenen vor Ablauf des ersten Lebens-
jahres wieder starb.
Die dritte Gruppe umfasst , ausser Berlin,
56 Städte mit einer Geburtenziffer von 35.1 bis
4O0/oo* Die mittlere Jahressterblichkeit dieser Orte
betrug 27.9%o bei einer Säuglingssterblichkeit von
27.1^/0 ^^t Lebendgeborenen. Von den grossem
Städten gehören hierher Königsberg, Danzig, Bres-
lau, München, Nürnberg, Magdeburg, Hamburg,
AUooa, Hannover, Bremen, Cöln, Düsseldorf und
Elberfeld, femer eine Zahl von Fabrikorten im
Rheingebiet, inThflringenu.s.w. Abnorm hoch war
die Sterbeziffer in 12 Städten dieser Gmppe (Königs-
berg, Danzig, Elbing, Breslau, Liegnitz, München,
Augsburg, Erlangen, Halberstadt, Altenburg, Gör-
litz und Aachen), ausser ihnen waren aber noch
Berlin, Graudenz, Freiberg, Zittau, Hamburg, Düs-
seUorf und Bonn durch hohe Säuglingssterblichkeit
unvortheilhaft ausgezeichnet. Kiel, Mflhlhansen i. Th.,
Hof, Biberfeld, Viersen, Iserlohn, Solingen u. Offen-
h«b hatten dagegen nur sehr massige Sterblichkeit
der Kinder im 1. Lebensjahre.
Mit einer Geburtenziffer von 40.1— 45^00 *^r-
schritten 22 Städte der vierten Grappe das oben an-
gegebene Geburtenmittel sämmtlicher Städte bereits
beträeht&eh. Indessen ist die Sterbeziffer nicht
höher als 27.1<^/oo und spedell die mittlere Säug-
lingssterblichkeit nicht grösser als in der vorigen
Gruppe. Diess hat darin seinen Grund, dass fast
sämmtliche hierher gehörige Fabrikstädte der Rhein-
gegend auch in diesem Berichtsjahr wieder eine sehr
massige Säuglingssterblichkeit, einzelne (Bielefeld,
Barmen, Hagen, Hamm, Rheydt, Kaiserslautern)
sogar eine solche von weniger als 20<^/o der Lebend-
geborenen hatten. Von den sächsischen Fabrik-
orten hatte nur Plauen eine massige Säuglingssterb-
lichkeit (24.4%), Chemnitz dagegen eine solche
von 38.7<^/o und Zwickau sogar von 46.4%. Von
den preussischen Fabrikstädten waren nur in Beu-
then (40.70/0), Spandau und Chaiiottenborg (35
bis 36<^/o) die Neugeborenen in ähnlich hohem Grade
gefährdet. Auch in Gera ist mehr wie der dritte
Theil der Geborenen vor Ablauf des ersten Lebens-
jahres wieder gestorben.
Die fünfte Gruppe der Geburtsziffer (45.1 bis
5O.OU/00) fällt auf Königshütte, Glauchau, Meerane,
Crimmitschau, Dortmund, Duisburg und Witten. Es
wiedei'holt sich hier die eben besprochene Erschei-
nung, dass die drei letzten der Bheingegend ange-
hörigen Fabrikorte eine Säuglingssterblichkeit von
nur 19 — 21% aufweisen, während in den übrigen
diese Ziffer weit über SQ^/f^y in Glauchau sogar auf
44.6<>/o der Lebendgeborenen ansteigt.
Auch in der letzten Gruppe, in welcher auf
1000 Lebende mehr wie 50 (Geburten kommen, ist
die Säuglingssterblichkeit eine sehr verschiedene ge-
wesen. Es gehören in diesem Jahr überhaupt nur
3 Städte hierher, während es im Vorjahr noch 8
waren. Oberhausen hatte eine Säuglingssterblich-
keit von nur 15 — 16%, Bochum eine solche von
27%, Neust-Magdeburg aber von 35— 360/o.
Ein Vei-gleich mit dem Bericht über das Vorjahr
1879 ergiebt als wichtigstes Resultat, dass die
Gruppirung der Städte, der Fruchtbarkeit ihrer Be-
völkerung nach, der Art sich verschoben hat, dass
eine grosse Anzahl derselben, die in den Vorjahren
weit über dem Mittel standen, jetzt demselben näher
gerückt ist, während die früher unter dem Mittel
befindlichen sich der untern Grenze noch mehr ge-
nähert haben. Im J. 1879 überschritten die Mittel-
zahl noch beträchtlich 44 Städte, im Berichtsjahre
1880 gab es deren nur 32. Hingegen waren zu
den 48 Städten mit einer massigen Fruchtbarkeits-
quote 11 hinzugekommen. Im Vorjahre hatten 27
Städte eine Säuglingssterblichkeit von mehr als 30%
der Lebendgeborenen, im Berichtsjahre ist diese Zahl
auf 39 gestiegen. Im J. 1879 erfreuten sich noch
41 Städte einer Säuglingssterblichkeit von weniger
als 20<»/o, im J. 1880 ist deren Zahl auf 28 herab-
gegangen ! I) Es braucht wohl kaum hinzugefligt
0 Es ist mir reoht wohl bekannt, dass die Bereeh-
nvang der Säuglingssterblichkeit im Yerhältaiss sn der Zahl
der Lebendgeborenen des gleichen Zeitraumes einen mathe-
matisch genauen Werth dieser Sterbegrösse nicht ergiebt,
indessen wird dadurch aa derSiehtigkeit der oben skissir-
ten Thatsache nichts geändert, dass sialioli der vemdiH
IW
VIII. Medidn im Allgemeineo.
zu werden, dass ebenefo wie in den frühern Jahren
die Sänglingflsterblichkeit keineswegs vorzugsweise
in den Städten mit ungewöhnlich hoher Fruchtbar*
keit eine besonders beträchtliche gewesen ist.
Analog wie die Gruppirnng der Beriohtsstädte
nach der Geburtenhäufigkeit soll dieselbe nunmehr
in aufsteigender Reihe auch nach ihrer Sterbeziffer
erfolgen. Ausser der flblichen Berechnung der Zahl
der sämmtlichen Verstorbenen zu der mittleren
Jahresbevölkemng ist es nicht ohne Interesse, diese
Sterbegrössen auch nach Ausschluss da* im Säug-
lingsalter Verstorbenen zu charakterisiren. Diese
,,Sterbegrös8e der aber ein Jahr Alten'^ giebt mit
Rflcksicht auf epidemische Vorgänge oder andauernde
Insalubrität in den einzelnen Orten einen prägnan-
teren Ausdruck, als die allgemeine Sterbeziffer.
Die utedrigete Sterbeziffer hatten im J. 1880
8 Städte : Neisse, Ratibor, Gotha, Weimar, Eisenach,
Celle, Rheydt und Wiesbaden. Wenn man indessen
die Zahl der in den Krankenhäusern verstorbenen
Ortsfremden ausser Rechnung setzt, so gehören noch
Bernburg, Trier, Karlsruhe, Frankfurt a. M., Darm-
stadt, Baden-Baden, Insterburg, Göttingen und Ol-
denburg zu dieser am günstigsten gestalteten Gruppe.
In diesen Städten starben nur ca. 17 — 20 von je
1000 Bewohnern, nach Abzug der verstorbenen
SäugUnge, nur IS^oo*
Die zweite Stufe (20.1 bis 22.5%o) ^^^ Sterbe-
ziffer nehmen 20 Städte ein. Von grössern Städ-
ten über 50000 Bewohnera gehören hierher : Lü-
beck, Kassel, Hannover, Bremen, Frankfurt a. M.,
Karlsruhe ; von Fabrikorten Plauen, Bielefeld, Ober-
hausen und Offenbach. Nach Ausschluss des Säug-
lingsalters beträgt die Sterbeziffer dieser Städte nur
H.S^Iqq, nur eine einzige und auch diese wohl nur
wegen ihrer Krankenanstalt (Kassel) hat eine Sterbe-
grösse der über ein Jahr Alten von 17.1%o- Hildes-
heim, Mainz, Erlangen und Pforzheim würden nach
Abzug der in den Krankenanstalten verstorbenen
Ortsfremden ebenfalls zu dieser Gruppe gehören.
Die kleinen Residenzen: Rostock, Schwerin und Ko-
burg finden sich ebenfalls hier aufgeführt.
Die dritte Gruppe umfasst 29 Städte mit einer
allgemeinen Sterbeziffer von 22.6 bis 25.0<^/oo.
Stuttgart, Dresden und Leipzig, ferner Erfurt, Mainz,
Metz, Mannheim und Barmen sind die volkreichsten
unter ihnen, auch gehören hierher die Fabrikorte
Mühlhausen i. Th., Hof, Ascheraleben, Remscheid,
Viersen, Solingen. Die Sterbeziffer der über ein
Jahr Alten steigt im Mittel auf 15.5<>/oo. Erheb-
lich (d. i. bis 190/00) überschritten wird diese letz-
tere Ziffer aber nur in wenigen Orten (Göttingen,
Mdesheim, Oldenburg, Viersen, Wesel und Solingen),
jedoch in den ersten 3 genannten nur wegen der
Krankenhäuser mit ihren zahlreichen ortsfremden
Insassen. Aus gleichem Grunde würden auch Greifs-
wald, Würzburg, Elberfeld, Graudenz, Osnabrück,
derten Fmohtbaikeit auch eine geringere VitaHtftt der
Geborenen parallel ging.
Freiburg i. B. und Heidelb^g dgenäich in diese
Gruppe gehören, wiewohl sie unter den nächsten un-
günstigem aufgezählt sind.
Nicht weniger als 39 Städte gehören in die
vierte Gruppe mit einer Sterbeziffer von 26.1 bis
27.5Voo- ^^® Sterbegrösse der über ein Jahr Alten
erreicht im Mittel 16.8<^/oo> wobei Jedoch in einer
nicht geringen Zahl der schon vielfach erwähnte Ein-
flttss der Krankenhäuser erhöhend eingewirkt fait
Abgesehen hiervon zeigten Brieg, Nordhansen, Star-
gard, Bayreuth, Quedlinburg, Burg, Lüneburg nnd
Minden relativ ungünstige Verfaältiüsse. Von den
grössern Städten gehören Stettin, Magdeburg, Win-
bürg, Nürnberg, Halle, Frankfurt a. 0., Bruui-
schweig, Elberfeld, Crefeld, Essen, femer Hambug
hierher.
Die fünfte Gruppe umfasst ausser Berlin bot 4
grössere Städte : Posen, Altena, Düsseldorf undKöb,
von den übrigen 22 Städten haben nur wenige (Gör-
litz, Osnabrück, Koblenz, Bonn und Freiburg i. B.)
mehr wie 30000 Einwohner. Die allgemeine Sterbe-
ziffer beträgt 27.6 bis 30.0<»/oo> nach Abzug des
Säuglingsalters vermindert sich die Sterbegröase auf
18. 10/00 im Mittel (exd. Berlin). Ans dieser Ifit-
tekcahl geht hervor, dass eine grosse Zahl dieser
hierhergehörigen ziemlich ungünstige VerhältoiBae
gezeigt hat. Besonders mag hierbei auf Thon,
Tilsit, Brandenbui-g, Altena, Köln, Koblenz, Hages,
Hamm, Iserlohn und Witten hingewiesen sein. Rd«-
tiv am günstigsten war die Sterbegrösse der flto
ein Jahr Alten in Königshütte, Spandaa, Schweidmis,
Gera und Görlitz (nach Abzug der Krankenhäuser).
Auch Berlin gehört nicht zu den ungünstigen Städ-
ten, wenn man von seiner hohen Säuglingssterblieh-
keit absieht. Die Zahl der daselbst verstorbenen
Fremden ist leider nicht angegeben.
Wenn wir diejenigen Städte , in welchen aaf je
1000 Bewohner mehr als SO gestorben sind, weiter
klassificiren, so finden sich in der eeehsten Qrappe
(30.1 bis 32.50/00) zunächst 14 Städte, darunter die
grossen Städte Königsberg, Danzig und Strassboig,
femer Augsburg, Chemnitz, Aachen und Dortmund)
sowie die Fabrikorte Elbing, Liegnitz, Halberstadt^
Münster, Bochum, dann noch Regensburg und Er-
langen, letztere Stadt alierdmgs nur wegen ilires
Krankenhauses. Auch in die siebente Gruppe (32.6
bis 35.00/00) gehören ausser den Grossstädten Brei-
lau und München nur Fabrikorte : Zwickau, Meerane,
Crimmitschau, Charlottenburg, endUch findet sieii,
gleich dem Vei*halten in früheren Jahren, Altenbui
an dieser ungünstigen Stelle. lieber 350/oo Sterbe-
ziflfer hatten (als achte Gruppe) nur die drei Städte
Beuthen, Neustadt-Magdeburg und Glauchau. Es
muss besonders noch hervorgehoben werden, dssB
nur der kleinere Theil der Städte in der 6.-8. Grappe
lediglich in Folge Hoher Säuglingssterblichkeit dieee
ungünstigen Ziffern erreicht hat. Nur CheniDits,
Zwickau, Meerane und Crimmitschau, femer Königs-
berg und (unter Berücksichtigung der Kraukenhto-
ser) auch Bochum und Straasburg, namentlicfa aber
VIII. Medicin im Ällgemeineii. 191
Erlangen, haben günstige Verhältnisse^ nach Ans- £b starben an: 1877 187S 1879 1880
jddru» des Säuglingsalters,^^ SSm ! ! ! ! ! ! 2179 I62I 2U4 2760
ttbrigen, besonders auch in Danzig, Regensbnrg, Scharlach 4462 4339 3424 4464
Halberstadty Aachen, Dortmund, Altenburg, Breslau Diphtherie und Croup . . 7523 7906 7169 7849
nnd Mllnchen ungesunde Einflüsse für alle Alters- Keaehhnsten .... 3331 2718 3021 3005
Baasen geherrscht haben. Unteileibstyphns . . , 3326 3566 3104 3420
^r$u j« a« 1- \a ui- ui .XU i* u . j Flecktyphus 114 223 202 209
Da über die Säuglingssterblichkeit bereits bei der Ruhr. 641 403 247 418
GeburtenEiffer genügend gesprochen worden ist, so Rindbettfleber .... 1115 1076 1169 1027
»({gen nur noch über die Sterblichkeit in den höhe- Andere Infektionskrank-
ren LebensJÄhren einige Worte gesagt sein. Im ^^^^^ • • • ■ ' ' ^^^ '^^^ ^^"^ ^^^
Allgemeinen kann man auch in diesem Berichtsjahre Zusammen 28610 22610 21279 23760
US dem Antheil, den das Oreisenalter an der Ge- ^""^'^ ^^"^ Bewohner . 3244 3034 2798 2998
aammtsterUichkeit hat, recht gut die Altersgrnppi- Brieg und in Neisse nur 7—8, in Trier 8 — 9 und
rang der lebenden Bevölkerung dieser Städte erken- in Planen 10 von je 10000 Bewohnern. In Gotha,
neu. Wenn dieser Antheil den 5. Theil der Ge- Eisenach, Schwerin, Flensburg, Hannover, Bremen,
sammtsterbüchkeit nur irgend erheblich überschreitet, Frankfurt a. M., Karlsruhe, Potsdam und Freiberg
gehören in der Regel diese Orte zu solchen mit sess* starben nur 10 — 15, in 20 andern Städten 15 — 20
iiafter, wohlhftbfger Bevölkerung, deren grösster Zu- von je 10000 Bewohnern an solchen Krankheiten,
ng von aassen in solchen besteht, die ihre Tage In 33 Städten stagt die relative Ziffer auf 20 — 25,
sorgenlos nnd zufrieden beschliessen können. So in 23 auf 25—30. Somit bewegen sich 92 Städte
finden wir denn unter den 41 Städten, in welchen unter dem Mittel. In 14 Städten wird dasselbe bis
der Antheil der Sterblichkeit im Greisenalter mehr auf 35:10000, in 14 andern bis auf 40:10000
wie 20<^/o der Gesammtsterblichkeit beträgt, fast alle . und in 15 bis auf 45 : 10000 ttberschritten. Har-
mserekleinen Residenzen nnd stillen Provinzialstädte, bnrg und Coblenz hatten eine relative Ziffer von
dieUnivenitätsorte mit ihren Pfründneranstalten, die 45 — 50, Prenzlan und Zwickau von 50 — 55, Bonn,
wegen ihrer Natursohönheiten gern von Rentlers und Halberstadt nnd Bromberg von 55 — 60. Noch
Pensionirten aufgesuchten Orte wieder, die wir be- höhere Ziffern hatten Thom (61.1), Danzig (61.6),
leits fai den Gruppen der geringen Gebnrtenfrequenz Stargard (70.6), Königsberg (76.7), die höchste
nnd der massigen Sterbeziffer kennen gelernt haben. Ziffer aber zeigte Benthen, wo anf ca. 22800 Ein-
Diesen stehen als Gegensätze solche gegenflber, aus wohner 290 («* 127 : 10000) an Infektionskrank-
denen die wohlhabend Gewordenen möglichst bald holten Verstorbene kamen. In solcher Weise wird
ZQ entfliehen streben, in denen aber die junge arbei- es erklärlich, dass die allgemeine Sterbeziffer gegen-
tende Bevölkerung mit ihrem Kinderreichthum fort- über der des Vorjahrs in nicht wenigen Städten
dauernd wechselt. Unter diesen sind insbesondere (z. B. in Thom, Spandau, Minden, Hamm, Grim-
fläehsische nnd rheinische Fabrikstädte vertreten. In mitschan, Neisse, Halberstadt, Nordhausen, Dflssel«
d von diesen (Meerane, Zwickau, Spandau, Neustadt- dorf, Bonn , Königshfltte , Aachen , Dortmund , Ben-
Kagdeburg, Dortmund, Essen, Bochum, Witten und then) um 5^/oo und darüber gestiegen war. Nur ver^
Oberhausen) betrug der Antheil des Greisenalters an einzelt finden sich hingegen Städte (Ukn, Ratibor,
der Gesammtsterblichkeit weniger als IQ^Io* Plauen, Trier, KaLserslautem, Goknar) , in welchen
Indem wir nut zu d^nToctedtif^acAen übergehen, durch das Aufhören epidemischer ELrankheiten ein
ut zunächst der änsteckendeh Krankheiten zu ge- erheblicher Abfall der Sterbeziffer zu bemerken ge-
denk»i. Die nachstehende üebersicht giebt flir die wesen ist«
Qesammtzahl der Städte die absoluten Zahlen der in Was die einzelnen Infektionskrankheiten betrifft,
den 4 Berichtsjahi^n an diesen Krankheiten Verstor- so fallen von den 135 TodesfUlen an Pocken 28
beoen. Es geht aus denselben hervor, dass gegen- auf Königsberg, 35 auf Beuthen, 9 auf Berlin, 9 anf
Aber dem Vorjahre nur die Todesfälle an Keuchhu- Königshütte , je 8 auf Görlitz und auf Dresden , die
Btenu. an Kindbettfieber nahezu gleich geblieben sind, übrigen vertheilen sich grösstentheils auf verschie-
dle übrigen Infektionskrankheiten sämmtlich höhere dene niederrheinische nnd ostpreusaiBche Städte, wäh-
Werthe zeigen. Dagegen waren im Vergleich mit rend sonst im Norden, in Mittel- und Südwestdentsch-
den Jahren 1877 und 1878 die Zunahmen nicht be- land nur ganz vereinzelte Fälle vorgekommen sind.
^AchtLioh, nm* die Masern weisen eine ungewöhnlich Die Masern zeigten sich, wie schon erwähnt, in
bohe Zahl an Todesfällen anf. grosser Ausdehnung, namentb'ch in Mitteldentschland,
(Siehe nebenstehende Tabelle.) in der Tiefebene und an der Nordsee. Sie fehlen
Es starben in runder Ziffer an aänuntlichen In- nur in 25 Städten unter den angegebenen Todes-
feküonskrankheiten 30 von je 10000 Bewohnern im Ursachen. In Danzig, Hamburg, Altena, BreslaUi
^ttel aller Städte. Wie im Vorjahre verhielten sich Magdeburg , Harburg , Wesel , Zwickau , Chemnitz,
dieselben unter sich sehr ungleich in ihren Abwei- Halberstadt , Charlottenburg bildeten sie eine sehr
<^himgen von der Mittelzahl und es zeigten sich die erhebliche Quote der Todesfälle unter den übrigen
denkbar grössten Differenzen. So starben z. B. in Infektionskrankheiten , auch in mehreren kleinen
Wiesbaden nur 5, in Baden-Baden nur 6— 7^ in Städten Mitteldeutschlands (Weimar, Naumburg,
192
VIII. Medicin im Allgemeine.
Aflehersleben^ Qnedlinborg, Weissenfels) waren sie
an erste' Stelle getreten. Der Scharlach fehlte nur
in Schwerin, Flensbarg, Metnel, Stotp, Brieg, Heil-
bronn, Erlangen, Nordhaosen, Gotha, Glauchau,
Weimar, Weissenfeis, Coburg, Burg und Lflneburg,
dagegen bildete er unter den Infektionskrankheiten
an erster Stelle die Todesursache in Stargard , Beu-
then , Fürth , Prenzlau , Hamburg , Celle , ferner in
sämmüichen grossen und mehrern mittlem und klei-
nem Städten des Niederrheins. Namentlich in den
Nordseestädten und am Niederrhein war er mit der
Diphtherie in Gemeinschaft ausgebreitet, während in
Hitteldeutschland , in Bayem und in Württemberg,
sowie am Oberrhein , in Preussen an der Ostküste
letztere beträchtlich überwog. Vornehmlich waren
die grossen Städte (Königsberg, Danzig, Breslau,
München , Stuttgart , Dresden , Leipzig , Strassburg)
die Herde der Kachenbräune, welche auch im Jahre
1880 in keiner der Berichtsstädte vollständig ge-
fehlt hat. Der Keuchhueten fehlte nur in einigen
Städten des Rheins (Baden-Baden, Solingen, Neuss,
Wesel und Trier), sowie in Hildesheim, Dessau,
Weimar und Eisenach. In ca. 15 Städten nahm er
unter den Infektionskrankheiten als Todesursache
die erste Stelle ein.
Was die vorwiegend f^v die Erwachsenen ge-
fthrlichen Infektionskrankheiten anlangt, so hat der
Dnterleibeiyphus zweifellos an Ausbreitung wiederum
zugenommen. Er fehlte in keiner Stadt, mit alleini-
ger Ausnahme von Plauen und Bamberg. In Bres*
lau, Posen, München, Hamburg, namentlich aber in
den meisten Städten des Niederrheins und der Ost-
seekttste (Lübeck, Elbing, Stralsund, Flensburg,
Thom, Memel, Insterburg) forderte er zahlreiche
Opfer, während er in Mittel- und Süddeutschland,
sowie an der Nordsee mit wenigen Ausnahmen mil-
der als in den Vorjahren aufgetreten ist Der Fleck'
lyphuM ist fast ausschliesslich in den Städten des Ost-
see- und des Odergebietes vertreten , namentlich in
Danzig, Thom , Posen , Beuthen. Anderwärts tritt
er nnr inselflSrmig , insbesondere in Braunschweig
nnd in Dortmund auf, Mitteldeutschland und Süd-
dentschland sind nahezu vollständig frei.
Von den übrigen Krankheiten kann hier nur
noch der Lungenschwindsucht etwas ausführlicher
gedacht werden , da dieselbe durchschnittlich noch
stärker die Volksgesundheit belastet, als die sämmt-
lichen Infektionskrankheiten zusammen, und gerade
die kräftigsten Lebensalter frühzeitig ins Grab bringt.
Es starben wiederam , ganz ähnlich Wie in den Vor-
jahren, 34 — 35 von je 10000 Lebenden an dieser
Krankheit. Auch bei ihr ist es nicht ohne Interesse,
die verschiedene Häufigkeit derselben in den ver-
schiedenen Städten noch etwas eingehend zu verfol-
gen. Die relative Ziffer in Berlin entspricht gerade
der Mittelzahl sämmtlicher deutschen Städte. Ausser
in Berlin bewegt sich in 46 Städten diese Ziffer zwi-
schen 30—40:10000, 55 Städte haben eine ge-
ringere relative Zahl als 30, unter ihnen sind die 12
günstigsten: Reutlingen (9 — 10), Stargard, Memel,
Königshütte (10—15), Rostock, Schwerin, Stral-
sund , Schweidnitz , Ulm , Heilbronn , Esslingen und
Weimar (15—20:10000). In 45 Städten stdgt
die Ziffer über 40 : 10000 , worunter insbesondere
die Städte des Miederrheins vertreten sind, auch
München, Nürnberg, Fürth, Regensburg , Hannover,
Braunschweig sind hier zu nennen. Die höchsten
Ziffern wurden in Elberfeld, Bielefeld, Bocham, Yi^-
sen, Hamm, Mühlheim a.IUi., Hanau, ferner ioMfln-
ster und Solingen, Witten , Remscheid and M.-OUd-
bach erreicht. In letztem 3 Städten starben in
Berichtsjahre mehr wie 70 von je 10000 Bewohnern
an der Schwindsucht. Dass die rheinischen ludn-
strieorte am ungünstigsten gestellt sind, weit uoffin-
stiger als die sächsischen und mittel- oder nieder-
deutschen , ist übrigens nicht nur in diesem Jahre
constatirt, sondern wird nunmehr dardi die ^ik«
Beobachtungsdauer durchgängig bestätigt
An ünfflüekßfällen gingen 1880 2756 Peno-
nen, d. i. 387 Personen mehr als im Voijahre, n
Grunde. Bekanntlich werden hier nnr solche mT-
gezählt , die nnmittelbar oder wenigstens bald nadi
der Verletzung den Tod herbeiführten« Eüd Maseen-
nnglück ereignete sich in einem Bergwerke in te
Nähe von Freiberg, doch war es nicht von dem Um-
fange wie ein ähnliches in der Nähe von Zwidna
am Jahresschluss 1879. Die Zahl der Tddtangen
durch fremde Hand ist wieder etwas gestiegen (veo
119 auf 126). Das Schlusscapitel über den SellMi'
mord muss leider auch für dieses Berichtsjahr wie-
der in einen Misston ausklingen , da wiederum mekr
Personen (2435 : 2369 = 66 mehr) Hand an aA
selbst gelegt haben.
Den Städtegmppen nach kam in absteigoider
Reihe der Häufigkeit 1 Selbstmörder in den Stidten
des Sachs, märkisohea TieflandB auf 8024 BewoIvMr
des mitteldeutschen Gebirgslands auf 2466 «
des Nordseeküstenlands auf . • . 2937 «
des Ostseegebiets auf 2970 n
des BÜddentschen Heehlandes . . . 8403 »
des Oder- nnd Warthegebiets anf . 8450 •
in Berlin 3696
der oberrheinischen Niederung . . 4076 »
der nlederrheiniscben Niederung . . 6606 n
In den 10 sächsischen Städten, welche die Ver-
öffentlichungen des kaiserl. deutschen Oesandheito-
amtes umfassen , kam auf 2500 Bewohner ein FsII
von Selbstmord zur Anzeige. Nur in Eömgshflüe
und in Rheydt kam unter den 147 Berichtsstldten
diessmal kein Selbstmord vor. Angesichts der fort-
dauernden Zunahme des Selbstmords möchte fA
auch hier ein Wort wiederholen y was ich vor 4 1
schrieb y als ich fttr eine populäre ZeitBchrift eine
Zusammenstellung auf Grund der Berichte des Ge-
sundheitsamtes bearbeitete, nämlich dieses: dass bei
uns doch noch etwas Anderes faul ist als der Uoter-
grund und dem deutschen Volke noch etwas wAt
Noth thut als die Assanirung der Städte.
Elaunig, Aber Glasaugen.
193
B
Originalabhandlimgen
and
Uebersichten.
XI. Ueber Qlas-Augen.
Von
Dr. K launig in Leipzig.
Mit dem Namen y^Glasangen'^ bezeichnet man
Gebilde von Olas, welche den ganzen Angapfel oder
auch nnr einen Theil desselben darstellen. In gegen-
wärtigen Zeilen aber will ich mich nicht Aber die
Gesammtheit der künstlichen Nachbildungen von
Aagen verbreiten, die ans Glasstoffen gefertigt sind,
sondern nnr Aber solche , welche bei theilweisem
oder gänzlichem Verlast des menschlichen Auges
dasselbe der äossem Erscheinung nach ersetzen
sollen y um die entstandene Entstellung zu heben.
Sie bestehen ans gewölbten Platten, die in Form und
Farbe den vordem Theil des Auges darstellen, zwi-
schen die Lider eingeschoben und von letztem in
passender Lage erhalten werden.
Bis vor 15 Jahren waren dieselben immer nur
schwer und unter grossen. Geldkosten zu erlangen.
Am diesem Qmnde entschloss ich mich , Mittel und
Wege aosfindig zu machen , ihre Erlangung zu er-
leichtern. Zunächst verschaffte ich mir genauere
Kennüuss von der Bereitung derselben und fing an,
selbst solche zu fertigen. Nebenbei aber bestrebte
ich mich, Andere fbr die Sache zu interessiren,
waadte mich dabei vorzugsweise an Kauf leute , die
mit Thierangen handelten, und beklagte mich ihnen
gegenflber besonders darüber, dass man durch sie
doch keine derartigen Objekte erhalten könne , weil
die betr. Glasbläser sich keine Mflhe gäben, solche
Aagen zn fertigen. Aus diesem Grunde sähe ich
mich genöUiigt, an die Bereitung derselben selbst zu
gehen, um mir ein Lager herzustellen. Seitdem habe
ich vollkommene Kenntniss von der Fabrikation der-
selben erlangt und mir ein Lager von 4000 Stück
gemalter kflnstlicher Augen hergestellt. Ueberdiess
ist QB auch gelangen , Mehrere für die Sache zn in-
teresdren , so dass sich zur Zeit eine hinreichende
Anzahl von Glasbläsern mit Bereitung von künst-
lichen Augen beschäftigt, und die Nöthwendigkeit
nicht mehr eintritt, die Augen für einen hohen Preis
uis Paris zu beziehen. Nothwendig dagegen ist es
nun, die Mängel zu besprechen, die diese Augen bis-
weilen besitzen, und auf deren Beseitigung zu drin-
gen. Femer ist es eben so nöthig, die Anforderung
zu stellen, dass man sich grössere Lager von kttnst-
hehen Augen versoha£fe , am in Wirklichkeit immer
got passende exlialten und einsetzen zu können.
IM, Jahrbb. Bd. 192. Uft. 2.
Die Stoffe, aus welchen die Augen gefertigt
werden , bestehen aus leicht schmelzbaren Gläsern,
die von Einigen Gompositz, Glasflüsse, von Andern
Email oder auch einfach Gläser genannt werden.
Diese Gläser verhalten sich in Bezug auf Wider-
standskraft gegen Reibung und chemische Einwir-
kungen, wie sie durch die Thränen und Schleim-
absonderung in der Augenhöhle herbeigefilhrt wer-
den, sehr verschieden, denn die einen werden schnel-
ler, die andern dagegen weniger schnell durch
solche Einwirkungen angegriffen und an ihrer Ober-
fläche zerstört, wobei sie rauh werden. Da nun
aber die Augenhöhlen- und Bulbusflächen nur leicht
aufliegende Körper mit völlig glatter Fläche auf
längere Zeit vertragen können, Körper dagegen mit
rauher Fläche sie in einen bedeutenden Reizungs-
zustand versetzen, so hat man bei Bereitung von
Augen besonders Stoffe auszuwählen, die durch
Schmelzung eine gute Glasur erhalten, die sowohl
der Reibung , als auch der Einwirkung der Thränen
und des Schleimes möglichst lange widerstehen.
Solche Widerstandskraft müssen aber nicht blos die
hauptsächlich dazu benutzten Stoffe haben , sondern
alle, damit nicht etwa der eine derselben, schneller
angegriffen, rauh wird und das fernere Tragen des
Auges verbietet. Bei vielen Augen habe ich näm-
lich gefunden, dass besonders der Stoff, welcher zur
Nachbildung der Blutadern diente, schnell angegriffen
wurde , die Oberfläche des Auges rauh machte und
seine fernere Benutzung verbot, weshalb ich diess
hier ganz vorzüglich hervorhebe.
Das Eknail, aus welchem die Pariser Augen ge-
fertigt sind, die hier und da noch gebraucht werden,
ist wenig widerstandsfttig , da diese Augen schon
nach halbjährigem oder einjährigem Gebrauche so
sehr angegriffen und rauh gefunden werden, dass
sie, ohne Schaden zu bringen, nicht auf weitere Zeit
zum Ersatz dienen können. Auf gleiche Weise ver-
hielten sich auch Augen aus böhmischem Compositz
oder aus dem frühem thüringer Beinglas gefertigt.
Vor 8 Jahren jedoch lemte ich Stoffe in Thüringen
kennen, die bedeutend widerstandsfähiger sind.
Augen , welche ich aus solchen Gläsern fertigte und
tragen liess, waren so widerstandsfthig , dass sie
nach siebenjährigem täglichen Gebrauche weniger
25
194
Elaanigy Aber GUsaugen.
angegriffen waren als Pariser Augen nach einem
halben oder ganzen Jahre. Wenn daraas bereitete
Augen so lange ohne Schaden getragen werden
können, so ist es gewiss gerechtfertigt, wenn ich
solchen Stoff zu deren Bereitung ganz besonders an-
empfehle.
Bereitet man nun aus demselben künstliche Augen,
so ist es ganz besonders Erfordeiiiiss : gute Halt-
bai'keit und nicht etwa Neigung zum Zerspringen.
Da aber Objekte, aus verschiedenen Gläsern zusam-
mengesetzt, besonders dann leicht zerspringen, wenn
sie keine gleiche Schmelzbarkeit besitzen, femer
wenn sie weniger gut mit einander verbunden sind
und eine rasche Abkühlung erfuhren, so hat man
hierbei blos Glfiser zu benutzen, die eine gleiche
Schmelzbarkeit besitzen, und bei ihrer Verbindung
durch Schmelzung dai*auf zu sehen , dass ihre Be-
rührangsstellen gleichsam in einander fliessen und
zusammengeschmolzen keine fühlbare Erhabenheit
bemerken lassen. Ueberdiess aber hat man noch
für eine sehr langsame Abkühlung zu sorgen.
Zum Zerapringen geneigt können die bereiteten
Augen auch dann werden, wenn man bei der Ferti-
gung derselben die Stoffe zu lange dem schmelzen-
den Feuer aussetzt oder sie ohne Noth zu viele Male
erhitzt , denn je länger und je öfter man Glasstoffe
dem Feuer aussetzt, um so mehr werden sie in ihrer
Masse spröder und zum Zerspringen geneigter. Es
ist daher nicht gut, die Augen bei einer ersten
Schmelzung halb zu fertigen und nach geschehener
Abkühlung sie erst später zu vollenden. Es geschieht
nämlich bisweilen , dass man sie zunächst in halb-
kugeliger Form herstellt und ihnen nachher bei pas-
sender Gelegenheit die richtige Form giiebt ; solche
Augen werden immer eher zum Zerspringen geneigt
sein als jene, welche durch einen einmaligen Schmel-
zungsprocess hergestellt wurden. Da übrigens von
allen aus Glas gefertigten Sachen , selbst wenn sie
gut bereitet und gekühlt waren, immer einige Stücke
in den ersten Wochen nach der Bereitung zersprin-
gen, so sollte man gefertigte Augen erst einige Wo-
chen nachher in Gebrauch nehmen.
Bei Fertigung der Augen hat man auch noch
seine Aufmerksamkeit darauf zu richten , dass keine
Defekte in der Glasur entstehen durch kleine auf-
geplatzte Luftbläschen oder durch unvollkommene
Verschmelzung der Ränder oder durch eingeschmol-
zene kleine harte Köi*perchen. Denn alle solche
Fehler verursachen einen unerträglichen stechenden
Schmerz und verbieten die Benutzung solcher Augen
gänzlich. Da dieselben wegen ihrer Kleinheit oft
nur schwer sichtbar und besser durch das Gefühl zu
entdecken sind, so ist es am vortheilhaftesten, jedes
zu benutzende Auge zuvor mit der scharfen Kante
des Fingernagels zu prüfen, indem man mit dem
Nagel über alle einzelne Theile des Auges hingleitet.
Bleibt derselbe hierbei an irgend einer Stelle ein
wenig hängen, so findet sich daselbst auch eine
Rauhigkeit vor. Vorzüglich hat man in dieser Hin-
sicht seine Aufmerksamkeit auf die freien Ränder
der Augen , auf die eingeschmolzenen Blotgeftsse,
sowie auf die Verbindungsstelle der Hornhaut nut der
Sklerotika zu richten. — Hier nnd da könnte man
versucht sein, eine etwa vorhandene rauhe Stelle an
den gefertigten Augen durch Abschleifen mit nach-
folgendem Poliren durch Reibung zu verbesBem.
Allein Solches ist unstatthaft, da eine durch mecha-
nische Reibung hervorgebrachte Politur nur wenig
widerstandsfähig ist und durch die AugenflüssigkeiteD
bald zerstört wird, so dass das Auge an diesen Stel-
len in kurzer Zeit rauh und dadurch das Ganze an-
brauchbar wird.
Form und Orösse der künstlichen Augen. Die-
selben sollen natürlich dem sichtbaren Theile des
menschlichen Auges gieiehkommen nnd dabei gldeh-
zeitig so geformt sein, dass sie den vorhandoiai
Raum hinter den Lidern passend anaftlllen, der dnreh
thellweisen oder gänzlichen Verlust des Auges ent-
standen ist Der vorhandene Raum aber entspricht
nur selten dem wirklichen Defekte des Auges. Sr
ist vielmehr in den meisten Fällen bei Weitem ge-
ringer , als man nach der Grösse des Verlostes -m-
muthen sollte. Dieses auffallende Verhältnlss ist
hauptsächlich der Schrumpfung der Bindehaut mit
gleichzeitiger Zurückziehung der Liddeokel tan-
schreiben. Eine solche Retraktion der Lider ist ge-
wöhnlich um so grösser, je bedeutender der Verlost
des Auges wai*. Man findet daher die Redncinnig
der Höhle in den Fällen am meisten aasgespiodien,
wo der Augapfel durch Operation gänzlich entfernt
wurde, und hier tritt überdiess noch der Uebelstand
auf, dass besonders das obere Lid an der nach anneB
zu gelegenen Seite verhältnissmässig mehr als an
andern Stellen zurückgezogen erscheint Es mm
daher auch das einzusetzende Auge in vielen FfllleD
kleiner ausfallen, als der Defekt selbst — DerBifflo
hinter den Lidern ist übrigens ausserdem noch, mag
derselbe mehr oder weniger verringert sein , in der
Regel an der Schläfenseite tiefer und breiter als an
der Nasenseite und zwischen Nasen- und Sehllfcn-
gegend gewöhnlich länger als in vertikaler RiehtoBg«
Wegen solcher Beschaffenheit der Höhlung mnss das
eingesetzte Ange in der Mehrzahl eine längliche
Form besitzen , die an der dnen Seite in eine ab-
gerundete Spitze, an der andern in eine abgemndete
breitere Fläche ausgeht
Obwohl die Sklerotika (auch harte Haut, weisse
Haut genannt) des menschlichen Auges an ihrer
äussern Oberfläche nicht vollkommen kugeUAroug
gestaltet ist, sondern sich mehr einem El^wid
nähert, so weicht doch der zwischen den Lidern
sichtbare Theil derselben nicht merklich von der
Eugelform ab, deren Halbmesser 10 — 13 Motr.
beträgt, und demnach müssen kttnstUehe Augen an
ihrer vordem Fläche im horizontalen Durdnoesfler
ungefähr diese Wölbung besitzen. Bisweilen aber,
und besonders dann, wenn der Augapfel so ^kmM^
ganz erhalten ist, werden auch Formen nöthig,
welche einem Halbmesser von 14 Mmtr. in hofiaoD'
taler Richtung entsprechen. In vielen FäUea aber
K i a u D i g , über Glasaugen.
195
ist die Lidspalte so verringert and die Höhle dabei
doeh veiii<Qissmftssig so tief, dass auch kugel-
ftrmige Körper erforderlich werden^ die in horizon-
taler Biehtong einen bei Weitem kleinem Halbmesser
(8—9 Mmtr. Radius) besitzen. Was ferner den
Theil des künstlichen Auges anlangt, welcher der
W(Übang in vertikaler Richtung entspricht, so ist der-
selbe wegen der Verminderung der Höhle zwischen
oberer und imterer Wand gewöhnlich nach einem
Halbmesser zu krümmen, der 1 — 2 Mmtr. weniger
beträgt als sein Radius in horizontaler Richtung. In
der Regel nimmt man bei Fertigung der Augen
hierauf zu wenig Rücksicht, bereitet sie vielmehr
rand, lAsst sie im vertikalen und horizontalen Durch-
mesBer gleich sein und verkürzt dafür die untere
nnd obere Seitenflftche. Bei solcher Gestaltung aber
stemmen sie sich mit ihren Rändern auf die untere
Aogenhöhlenwand und verursachen in Folge dessen
eine Reizung der Gewebe mit nachfolgender Ent-
sdodong, Gewebsveränderung, Wucherung und nar-
biger Verengerung der Augenhöhle. Ueberdiess aber
gestatten sie immer nur geringere Beweglichkeit
nach oben und unten und sind dem Zerbrechen
leichter ausgesetzt, da sie bei solcher Beschaffenheit
den äussern Gewalten weniger Widerstand entgegen-
setzen können. Allen diesen Nachtheilen geht man
ans dem Wege, wenn man den vertikalen Durch-
messer etwas kürzer sein lässt. Das Auge kann
dann tiefer in die vorhandene Höhle eintreten und
gleitet fiberdiess leichter auf und abwärts, ohne die
Bisdehantgewebe durch Druck gegen die untere
Knoehenwand zu beleidigen. Die Augen, welche
ich zum Einsetzen für nothwendig befunden habe,
hatten daher in horizontaler Richtung einen Halb-
meeser von 8 — 14 Mmtr. und in vertikaler Richtung
eine Wölbung im Halbmesser von 7 — 12 Milli-
meter. Dabei bildeten sie kugelartige Absöhnitte
TOD 6 — 16 Mmtr. Höhe. In solcher Entfernung
oämlich mnssten 2 parallele Platten von einander
ontfemt stehen, wenn der einen die convexe und
der andern die concave Fläche der Augen zuge-
wendet war. Was übrigens noch den Abstand des
emen Randes von dem des entgegengesetzten in ge-
nder Linie gemessen betrifft, so betrug derselbe an
den verschiedenen Augen in der Länge 14 — 28 Mmtr.
ond m der Breite 11^23 Millimeter.
Die Homhant des menschlichen Auges ist mehr
gewölbt als die Sklerotika und es nähert sich die
Oberfläche meistens einer Kreisfläche, deren Halb-
iik^ner gegen 8 — 9 Mmtr. beträgt. Aus dieser
Ursache ist es vortheilhaft, wenn bei künstlichen
Aogen die nachgebildete Hornhaut ungefiüir eine
derartige Wölbnng besitzt.
Id' der Mitte der Augenhöhle ist in der Regel
^ kleinerer oder grösserer Stumpf des Auges vor-
^^«D, der über die hintera vertiefte Fl&che stark
Wvoiragt Wird derselbe besonders an seinem
^abenen Thdle gedrückt, oder von einem fremden
Körper öfter berührt, so verursacht diess einen
'^^odieh bedeutenden und auf die Dauer unerträg-
lichen Schmerz. Es ist daher, um Solches zu ver-
meiden, der innern Fläche des künstlichen Auges
eine Goncavität zu geben, welche ungefähr gleichen
Radius mit der äussern Fläche besitzt, so dass der
mittlere Theil des Auges etwas dicker ausfällt, als
der peripherische. Es darf daher der Theil des
Auges, welcher der Rückseite der Regenbogenhaut
entspricht, nicht vorspringend sein , wie man diess
häufig an gefertigten künstlichen Augen findet, son-
dern es muss die ganze innere Fläche eine vollkom-
men gleiche Concavität besitzen. Nur in dem Falle,
dass der ganze Augapfel fehlt, oder blos ein äusserst
kleiner Stumpf vorhanden, ist auf eine vollkommen
gleichmässige Wölbung an der innern Fläche nicht
Rücksicht zu nehmen.
Farbe. Die Farbe der Sklerotika darf nicht
rein weiss, sondern vielmehr grauweiss , schmutzig-
weiss sein. Nur selten ist es erforderlich, dass ihre
Farbe in das schmutzig Gelbe, oder in das Bläuliche
fällt. Der Theil, welcher die Hornhaut mit der
wässerigen Feuchtigkeit in der vordem Augenkam-
mer darstellt, und sich vor der Regenbogenhaut mit
der Pupille befindet, muss völlig rein durchsichtig
sein, ohne Luftbläschen zu enthalten. Der farbige,
hinter der Hornhaut gelegene Theil, die Iris mit der
Pupille darstellend, muss vollkommen rund sein, bei
einem Durchmesser, der zwischen 10 u. 12 Mmtr.
beträgt. Die Farbe der Iris muss dabei bald eine
braune, bald eine bläuliche oder grünlichblaue, in
hellerer oder dnnkelerer Schattirung sein. In andern
Fällen aber muss sie in der Peripherie bläulichgrün
ausfallen, während der nach der Mitte zu gelegene
Theil in der Umgebung der Pupille in gelbliche oder
bräunliche Färbung übergeht. Da überdiess die
Iris eine faserige Struktur besitzt, so müssen von
der Peripherie aus nach der Mitte hin Schatten dar-
stellende dunkele streifige Linien nachgebildet wer-
den, die 1 Mmtr. von der Pupille entfernt in eine
zackige Bogenlinie übergehen. Die Pupille in der
Mitte der Iris, oder auch ein Wenig nach der Nasen-
seite zu gelegen, welche einen dunkeln leeren Raum
darstellen soll, muss vollkommen schwarz und rund
erscheinen, mit einem Durchmesser von 3 — 4 Milli-
meter. Die Glasmasse, durch welche diess erzeugt
wird, darf nicht weit oder tief in die davor liegende
durchsichtige Glasmasse der Hornhaut hervortreten
und keineswegs in eine Spitze nach vom hin aus-
gehen. Die Pupille im menschlichen Auge ist bei
schwachem Lichteinfall in der Regel viel grösser.
Bei heller Beleuchtung jedoch verengert sie sich ge-
wöhnlich auf 3 — 4 Mmti*. im Durchmesser. Da nun
ihre Grösse bei schwachem Licht nicht gut wahr-
nehmbar ist, und vorzüglich nur bei heller Beleuch-
tung deutiich sichtbar wird, so ist es rathsam, ihr
die oben angegebene Grösse von 3 — 4 Mmtr. zu
geben.
Der Ort, wo die Regenbogenhaut auf dem künst-
lichen Auge anzubringen ist, muss sehr vei'schieden
ausfallen , da man bei dem Einsetzen eines Auges
darauf zu sehen hat, dass die Iris den richtigen
196
Elaunig, über Glasaugen.
Stand in Bezog zum andern Ange einnehme nnd es
den Anblick gewähre, als wären beide Augen auf
einen Punkt gerichtet. Wenn die entstandene Höh-
lung stets eine gleich grosse u. gleich geformte wäre,
so könnte man die Iris immer an einer bestimmten
Stelle anbringen und dadurch einen guten Stand des
eingesetzten Auges erzielen. Die Augenhöhle be-
sitzt aber an den einzelnen Seiten eine sehr ver-
schiedene Tiefe. Nur selten ist dieselbe an der
äussern und Innern Seite gleich. In der Mehrzahl
von Fällen ist der nach aussen zu gelegene Theil
tiefer, als der entgegengesetzte, und zwar ist dieser
Unterschied mehr oder weniger bedeutend. Ebenso
verhält es sich hinsichtlich der Tiefe am untern und
Obern Theile der Höhlung. In Folge solcher Be-
schaffenheit dringt dann das eingesetzte Auge auch
an den einzelnen Seiten tiefer in die Höhlung ein,
als an den entgegengesetzten Stellen. Wäre nun
die Iris mit der Pupille immer in der Mitte des
künstlichen Auges angebracht, so würde ein solches,
wenn es übrigens der Grösse nach entsprechend
wäre, nur selten gut passend erscheinen, denn mei-
stens würde es einen Schiel- oder Schiefstand in
Bezug zum andern Auge zeigen, der bald geringer,
bald aber auch sehr bedeutend sein würde. Um
immer einen guten passenden Stand zu erzielen, ist
man daher genöthigt, eine sehr grosse Anzahl von
Augen zu fertigen, bei denen die Iris vom Mittel-
punkte des Auges aus berechnet in Unterschieden
von 1/4 und ^/^ Mmtr. nach dem innem, obem und
untern Rande bis zu 6 Mmtr. verlegt worden ist,
und meistens nicht blos nach einer Seite hin, son-
dern oft auch nach 2 Seiten zugleich, nämlich nach
der Innern und obem, oder nach der Innern und
untern. Gewöhnlich nimmt man hierauf nur wenig
Rücksicht und gleicht Fehler hinsichtlich des Standes
gar nicht aus. Man sucht mit 25 — 50 Stück aus-
zukommen, setzt ein Auge mit passender Farbe ein,
lobt dasselbe wegen seiner Farbenähnlichkeit und
kümmert sich nicht darum, ob der Betreffende
schielend erscheint, oder mit zu grossem Auge ein-
herläufl;, wenn nur ein gutes Geldgeschäft dabei er-
zielt worden ist. Dass aber bei dem Einsetzen von
künstlichen Augen auf geringfügige Abänderungen
derselben hinsichtlich ihres Standes sehr viel an-
kommen muss, diess tritt deutlich hervor, wenn man
das Verhalten der menschlichen Augen genauer
prüft. Nimmt man an, dass das Auge einen Halb-
messer von 12 Mmtr. besitzt und sich um seinen
Mittelpunkt dreht, so würde bei jeder Drehung des-
selben, welche 1 Grad beträgt, eine Vs Mmtr.
grosse Ortsveränderung in der Drehungsebene der
Sklerotika stattfinden. Geschähe nun bei normaler
Stellung beider Augen zu einander eine solche ge-
ringe Fortrückung der Sklera von Vs Mmtr. an
einem Auge, so würde Solches einen Schielwinkel
von 1 Grad ergeben. Bei einer Fortbewegung der
Sklerotika aber um 1 — 3 und 5 Mmtr. würde sich
der Schielwinkel auf 5 — 15 und 25 Grad erhöhen.
Da nun hier solche kleine veränderte Stellungen der
Sklera Schielen erzeugen, so müssen auidi Ueise
Abänderungen an den Flächen der künstlichen
Augen dasselbe bewirken. Wollen wir aber den
Schiel- oder Schiefetand des Kunstauges vermeiden,
so geht hieraus hervor, dass man eine grosse Aus-
wahl von Augen besitzen müsse, deren Seitenflidieii
in kleinen Abstufungen bald mehr, bald weniger
abgeändert sein müssen. Hierzu aber genügen nieht
25 oder 100 Stück, ja selbst 1000 Stück werden
häufig kaum ausreichend erscheinen.
In der Gegend des innem und äussern Augen-
winkels verlaufen in der Regel einige Blntgeflne
von der Peripherie des Angapfels nach der Iris hiiL
Man hat daher auch noch an diesen Stellen des Knnst-
auges , welche dem innem und äussern Winkel ent-
sprechen, einige geschlängelte rotbe Linien aaza-
bringen, welche den Abzweigungen von Blutgeftwii
gleichkommen.
Einsetzung eines künstlichen Auges, Nachdem
man das Auge ein Wenig in der Ebnd erwärmt hat,
erfasst man dasselbe an demj^gen Theile, wdeher
dem innem Winkel entspricht , mit der einen Hand,
so dass der Mittelfinger und Daumen an den oben
und untern Rand zu liegen kommt, während der
Zeigefinger dabei auf der convexen Fläche des Angee
raht. So gefasst legt man die ooncave Seite mit
dem Schläfentheil nach oben gerichtet auf den Band
der untern Lidfläche , erhebt nun das obere Lid mit
dem Daumen der andern Hand und schiebt dabei das
Auge nach dem obern und äussern Theil der Augen-
höhle hin in die Höhe , an der innem Fläche des
obem Lides hingleitend , ohne den Augenstumpf da-
bei zu berühren. Hat man das Auge bis an die
obere Grenze der Höhle vorgeschoben, so dreht man
es an seiner gefassten Spitze , so dass dieselbe nach
der Nase zu zu stehen kommt. Da jetzt eine E^
hebung des Lides nicht mehr nöthig, so lässt man
dieses los und zieht nun eiligst mit der frei gewor-
denen Hand, während man das Auge mit der andeni
Hand leicht angedrückt erhält, das untere Lid w
weit herab, bis der Rand desselben unter dem ange-
drückt erhaltenen Auge hervortritt und dieses somit
das Auge auch von unten her umfasst.
Herausnahme des kunstiiehen Auges* Bd der
Herausnahme des künstlichen Auges hat man zunächst
das untere Lid hinter den untem Rand des Knnst-
auges zu bringen und dabei das obere Lid ein Wenig
zu erheben, damit das Oberlid das Auge nicht in die
Höhle zurückdränge oder zurückhalte u. am Hieraas-
gleiten verhindere. Bei solchen Augen, deren unterer
Rand nicht tief hinter dem Lide verborgen liegt, ge-
lingt Solches oftmals dadurch , dass man die bc^*
Person nach oben sehen lässt, dabei den untem Lid-
rand ein Wenig zurückdrängt und hinter den untern
Theil des eingesetzten Auges hinaufschiebt. Gewöhn-
lich hat man nun das herausgleitende Auge nur mit
der Hohlhand aufzufangen. In den meisten FÜien
aber gelingt diess auf diese Weise nicht, und es ist
erforderlich, die Entfemung des Auges mit Hfilfe
eines geknöpften Instraments , wie z. B. mit einer
Klaanig, Aber Olasaugen.
197
Staeknadel, in Anafllliniiig zu bringen. Man gleitet
mit dem Knopfe der Stecknadel an der Fläche des
ktiiifltlicben Anges hin nach dem Innern Winkel zn,
bis man anter den Rand des Anges daselbst gekom-
men ist. Dort angelangt bengt man die Nadelspitze
abwirts naeh der Wange nnd drängt anf diese Weise
den mitem Lidrand znrttck, so dass derselbe an die-
ser Stelle nnter den Rand desEnnstanges znrttcktritt.
Indem man nnn den Nadelknopf von da ans weiter
bis zur Mitte des Unterlides nnter dem künstlichen
Auge hfaischiebt nnd dabei die Hälfte des nntem
lides hinter das Ange zurückdrängt, gelingt es in
der Regel leicht, dass das Ange heransgleitet, beson-
deTB wenn man das obere Lid dabei ein Wenig er-
hebt oder erheben lässt. Um aber das Ange dabei
Tor dem Herabfallen zn bindern , benutzt man den
Zeigefinger, den man leicht auflegt, am es langsam
benbgleiten zn lassen.
Auswahl eines kümtliehen Auges, Die Anforde-
rangen, welche man hierbei an dasselbe zu stellen
hat, sind vorzflglich folgende.
Dis Ange soll gleiche Farbe mit dem gesunden
haben. Es soll femer den entstandenen Raum hin-
ter den Lidern gut ausfallen, so dass es den Anschein
gewinnt, als sei ein normales Ange hinter den Lidern
vorlianden, nnd aus diesem Omnde muss es in seiner
QrOsse womöglich so beschaffen sein , dass es das
obere Lid gut vorgewölbt nnd die Lidspalte hinrei-
ehend weit geöffnet erhält, ohne einer Schliessung
der Lider hinderlich zu sein. — Ueberdiess soll es
womöglich immer den richtigen Stand einnehmen
imd anschemend gleichzeitig dasselbe Objekt fixiren,
wie das gesunde Auge.
Hat man eine grosse Menge von kflnstlichen
Angen zur Aaswahl, die in Farbe, Form und Grösse
sehr von einander abweichen, und dabei eine grössere
nnd kleinere an den verschiedensten Orten ange-
brachte Iris besitzen , so wird sich leicht ein Auge
nüt passender Farbe herausfinden lassen, dessen Lris
gleidie Grösse mit der des gesunden Auges hat.
Meistens wird dabei auch ein Auge vorhanden sein,
das die Höhlung in dem Grade ausfüllt, dass sich
der obere Liddeckel so gewölbt und die Lidspalte
80 weit geöffnet zeigt, als im gesnn^len Auge. In
den Fällen aber , wo nur ein kleiner Augenstumpf
vorhanden ist, oder das Auge gänzlich fehlt, ist eine
normale Vorwölbnng des obem Lides oftmals nn-
mSglich, da die Höhlung unter Verkfirzung der
Bindehaut und durch Retraktion des Oberlides eine
starke Verringerung erfahren hat. Es wird in Folge
dessen dann immer einem Auge ähnlich erscheinen
mtaen, dessen oberes Lid mehr oder weniger stark
in die Höhlung zurflckgezogen ist und einen Anblick
gewihrt, als läge das Auge mehr oder weniger tief
in der Augenhöhle. Fflllt nun hier das Auge die
Höhlung in dem Grade aus, dass die Lidspalte gleich
gross erscheint, wie im gesunden Auge bei einem
geradeaus geriditeten Blicke, so kommt es ttberdiess
bisweilen auch noch vor, dass die Lidspalte im Ver-
blltnisB inm gesonden Auge grösser wird, wenn man
sich bestrebt, die Augen möglichst weit zu öfinen,
wie Solches bei dem angestrengten Sehen in die
Feme, bei zornigem Blick stattfindet. Hier wird
dann besonders die weisse Fläche der Sklerotika in
grösserm Umfange nach aussen und oben hin sicht-
bar , was einen höchst störenden nnd hässlichen An-
blick darbietet, indem das Auge immer starr und
stier nach einem Punkte hin schaut und dabei aus
der Höhle hervorzutreten scheint. Man wähle dann
lieber ein Auge , welches die Lidspalte weniger weit
geöffhet erhält und das im Allgemeinen etwas klei-
ner aussieht. Denn ein kleineres Auge gewährt ein
besseres Aussehen , als ein anscheinend zu grosses.
Der stiere Blick fiillt hier weg und die weniger ge-
öffneten Lider verdecken die mangelhafte Bewegung
des Auges. Oftmals hat man auch bei kleinem
Augenstumpf, oder bei gänzlichem Mangel des Auges
aus der Ursache ein verhältnissmässig kleineres Auge
auszuwählen , damit eine Schliessung der Lider er-
möglicht werde, denn es ist etwas Ungewohntes und
sieht nicht schön aus, wenn bei dem Lidschlage sich
das eine Auge schliesst, während das andere weit
geöfinet bleibt. Um aber eine vollkommene Schlies-
suDg der Lidspalte bei eingesetzten Augen zu er-
möglichen, würde das Auge oft so klein ausgewählt
werden müssen, dass sich die Lidspalte in Bezug auf
das gesunde Auge nur sehr wenig geöffiiet darstellt
nnd es den Anschein gewinnt, als sei das Auge
ausserordentlich klein. In solchem Falle schlage
man einen Mittelweg ein und wähle das Ange wenig-
stens so gross aus, dass das Auge bei dem Bestreben,
die Lider zu schliessen , bis über die Hälfte bedeckt
wird.
Ausser den bisher angefahrten Rücksichten, die
man bei der Auswahl eines Auges zu nehmen hat,
achte man hauptsächlich noch darauf, dass es immer
einen richtigen Stand in Bezug zum andern Ange
einnehme , nnd wenn diess nicht möglich , dass es
dann doch den bestmöglichen Stand innehabe. Gut
steht das Auge immer dann , wenn es mit dem ge-
sunden Auge scheinbar ein und dasselbe Objekt
fixirt, so dass sich beide Sehachsen in einem Punkte
des betrachteten Objekts kreuzen. Eine solche Aus-
wahl zu treffen , ist nur selten möglich , und zwar
allein dann, wenn das Auge in seinem vordem Theile
nur in geringem Maasse verkleinert ist und die Bul-
busmuskeln gut erhalten sind , wo man ein flaches,
passend ausgewähltes Eunstauge aufzulegen hat, das
sich mit dem vorhandenen Augapfel nach den ver-
schiedensten Richtungen hin bewegt. Ist der Aug-
apfel aber mehr verkleinert, oder fehlt derselbe gänz-
lich , so ist eine solche ausgiebige Bewegung nicht
möglich, und man hat dann hauptsächlich darauf zu
achten , dass das eingesetzte Auge eine solche Stel-
lung einnehme, welche ein Abweichen der Sehachsen
nicht erkennen lässt, wenn die betreffende Person
einer andem gegenüberstehenden das volle Gesicht
zugewendet , und wie bei einer gewöhnlichen Unter-
haltung ihren Blick nach dem Auge des Gegenüber-
stehenden gerichtet hat. Es wird dann auch bei dem
198
Klaunig, ttber Qlasaagen.
Oeradeaussehen in die Ferne ein Schielblick nicht
bemerklieb sein, und wenn diese Personen ihre Augen
anf Entgegenkommende richten, immer so eracheinen,
als sähen sie dieselben mit beiden Aagen an. Ein
eingesetztes Ange , das unter solchen Verhältnissen
einen Schielblick zeigt , ist unpassend gewählt , weil
es durch das Schielen einen hässlichen Anblick ge-
währt, der anf weite Entfernungen erkennbar ist.
Es musB daher, um diese Entstellung zu heben,
durch ein anderes besser passendes Stück ersetzt
werden. Tritt hier ein Schielblick bei dem seitlichen
Sehen auf, wie es oftmals nicht anders sein kann,
so ist diess weniger auffällig und störend bemerkbar,
da man nicht genau weiss , wohin die betr. Person
sieht und welchen eigentlichen Stand beide Augen
zu einander einzunehmen hätten.
Das Verfahren , welches ich bei dem Einsetzen
eines Auges einschlage, besteht in Folgendem« Nach-
dem ich mich von der Farbe des einzusetzenden
Auges, von der Grösse der Iris unterrichtet und vom
Umfange der Höhle Eenntniss genommen , lege ich
irgend ein Stück , dessen untere Seitenfläche breiter
als die obere, und das mir übrigens der Grösse nach
passend erscheint, in die Augenhöhle ein. Stelle
mich dann, dem Fenster den Rücken zukehrend,
mitten vor dasselbe, lasse hierauf die betreffende
Person aufstehen und vor mich hintreten, sodass sie
mir ihr volles Gesicht zuwendet , und empfehle ihr
dabei, nach meinen Augen oder Stirn zu sehen. In-
dem so ihr Gesicht gut beleuchtet ist und ich die
Stellung ihrer Augen aus kürzerer und weiterer Ent-
fernung betrachte, giebt diess bald Gelegenheit, die
etwaigen Mängel des eingesetzten Auges zu erken-
nen. Tritt dasselbe zu weit zurück und ist die Lid-
spalte zu wenig geöfihet, so setze ich dafQr ein
grösseres Stück ein. Steht dagegen die Lidspalte
zu weit offen, so erwähle ich ein weniger hohes
oder breites Auge zum Ersatz; Solches geschieht
auch dann , wenn das obere Lid nur an der äussern
Seite sich zu viel erhebt und dort einen grossem
Theil derSklerotika sehen lässt als im andern Auge.
Habe ich auf diese Weise die passende Grösse des
Auges herausgefunden, so suche ich nun ein gleich
grosses mit richtiger Farbe und Stand, so dass es
aussieht, als blickten beide Augen nach meiner Slam.
Zu diesem Zwecke muss ich vorzüglich Augen aus-
suchen, deren Iris dem obem, untern oder innem
Rande bald mehr, bald weniger nahe liegt. Ergiebt
es sich, dass das eingesetzte Ange mit seiner Iris zu
viel nach abwärts steht und das untere Augenlid
einen grossem Theil von der Regenbogenhaut ver-
deckt als im andern Auge, so wähle ich ein ähn-
liches aus, dessen unterer Rand aber breiter ist und
ihm die richtige Erhöhung giebt. Hat dagegen das
Auge einen zu hohen Stand, so dass man zu viel
von der weissen Fläche der Sklerotika unterhalb der
Iris sieht, so bringe ich ein ähnliches Auge mit
schmälerem untern Rand ein. Zeigt das eingesetzte
Auge ein Schielen nach innen bei dem Geradeaus-
sehen, so mnsa der nach der Nase zu gelegene Theil
eine längere Fläche besitzen , und steht ei za vid
nach aussen , so muss vorzugsweise der Nasentheil
verkürzt werden. — Es ist zwar bei dem Anblick
einer gegenüber stehenden Person eine AblenkiiDg
der einen Sehachse von der andern , welche Hiebt
über 3 Grad beträgt, nur unter grosser Aufmerkuun-
keit wahrzunehmen, aber wir müssen bei EinsetziiDg
eines Auges dasselbe doch so wählen , dass cb den
möglichst richtigen Stand einnimmt. Solches hat
auch vorzüglich deshalb zu geschehen, damit selbst
bei geringen seitlichen Bewegungen des gesoodeo
Auges eine Ablenkung der Sehachsen so wenig wie
möglich bemerkbar wird. Um diess aber gewissen-
haft auszufahren , muss ich immer gegen 16 bis 20
Augen von ziemlich gleicher Form und Grösse aos-
suchen und einsetzen , ehe ich ein vollkommen got
stehendes Auge zum Gebranch übergeben kann.
Hat man aber auch ein solches herausgefanden,
so mnss man überdiess noch darauf achten, dass sieh
dasselbe nicht etwa am innera Lidwinkel abhebt,
dass es nicht klafft , und sein freier Rand sichtbar
wird, wenn ein Blick nach aussen und oben statt-
findet. Solches ereignet sich nämlich bisweilen bei
flachen Augen, deren oberer Theil nicht hinreichend
breit ist, wo dann dieser Theil am innem Winkel
frei wird und von dem Lide nicht hinreichend an
den Bulbus angedrückt erhalten wird. Natflrlieh
hat man deshalb ein anderes Auge auszusuchen,
dessen obere Fläche etwas breiter ist
Hier und da kommt es audi vor, dass das ein-
gesetzte Auge zwar einen guten Stand hat, dass der-
selbe aber nur von kurzer Dauer ist, indem sich das
Auge bei der Bewegung nach den verschiedenen
Seiten hin , oder bei dem Lidschluss allmälig dreht
und eine andere unpassende Stellung einnimmt Man
lasse daher nach Einlegung eines künstliohen Anges
Bewegungen der Augen nach oben, unten, innen und
aussen in hinreichendem Maasse ansfithren und über-
diess auch noch beide Augen fest sohliessen. Findet
man, nachdem diese Bewegungen ansgefUurt worden
sind, das eingesetzte Auge bei geradeaus geriohte-
tem Blicke noch in richtiger Stellung , so ändert ei
diese auch späterhin in der Regel nicht Hatte ee
aber dabei eine unpassende Richtung angraommeO)
so wähle man ein anderes, dem dieser Fehler nicht
anhaftet. Gewöhnlich hat man hier ein Auge 9ssaar
suchen, dessen horizontaler Durohmesser an der Bs-
sis ein wenig verlängert ist und durch seine Uta^
die Drehung verhindert.
Ereignet es sich etwa , dass man kein vollkom-
men passendes Stück ausfindig machen könnte und
nur die Wahl zwischen einem richtig gestellten Ange
mit mehr oder weniger abweichender Farbe hätte
und zwischen emem schlecht stehenden schieleDden
Auge mit vollkommen richtigen Faril^en , so wähle
man stets dasjenige, welches einen guten Stand etn*
nimmt Denn ein eingesetztes Ange mit Sohielbüok,
der nicht blos in der Nähe, sondern schon anf wei-
tere Feme sichtbar und eriLennbar ist , wird inuatf
einen unangenehmen , hässlichen Anblick darbieteD>
Klannigy über GlaJBaugen.
199
wAhrend ein richtig stehendes Auge mit abweichen-
der Farbe kaum als fehlerhaft bemerkt wird, da
man hinsichtlich seiner Farbe dasselbe nicht so leicht
einer Prüfung unterwerfen kann. Nur dann ist man
im Stande, seine Färbung genau zu prüfen, wenn es
gestattet ist, bei ruhig stehenden Augen sich bis auf
7s Meter nähern zu kdnnen. Hierbei aber muss
dann immer auch noch das Licht passend auffallen,
80 dass die Homhantreflexe nach anderer Seite hin
gelenkt sind, als nach dem Beschauer. Im gewöhn-
liehen Leben beachten wir ja die Farbe der Iris
aoeh nicht, und es f&llt nicht besonders auf, wenn
irgend eine Person mit zwei gesunden Augen , auf
der einen Seite ein blaues , auf der andern dagegen
ein braunes besitzt , so dass man oftmals mit ihnen
verkehrt hat^ ohne Solches wahrgenommen zu haben,
wenn man nicht vorher darauf aufmerksam gemacht
worden war.
Setzt man, wie diess häufig geschehen muss,
mehrere Augen nach einander dn, um ein passendes
Stflek zu finden, so werden der Augenstumpf und
die umgebenden Theile in einen starken Reizungs-
KQstand versetzt In Folge dessen stellt sich dann
Mftdigkeit der Augen ein , die Erhebung des obem
Lides wird erschwert und die Lidspalte eröffnet sich
weniger weit als später nach Eintritt längerer Ruhe.
Hat man bei solchem Zustande ein Auge ausgesucht,
das passend erscheint, so ereignet es sich meistens,
dass man ein zu grosses Auge erwählt hatte, indem
sieh später die Lidspalte zu stark erweitert zeigt.
Man wähle daher, besonders bei reizbaren Personen,
die hierbei über brennenden Schmerz der Augen
Idagen, lieber ein Auge, welches die Lidspalte etwas
weniger weit offen hält, oder lasse die letzte richtige
Auswahl nach längerer Ruhepause geschehen.
Bei kleinen Kindern, denen ich schon im 3. Le-
bensjahre Augen eingesetzt habe, wähle ich in der
Regel ein kleines Auge, das ich schnell einsetze.
Ist solches geschehen , so kümmere ich mich nicht
um seinen Stand und lasse es bis zum Abend liegen,
zu welcher Zeit es von den Angehörigen entfernt
werden muss. Das Einsetzen und Herausnehmen
lasse ich dann täglich von ihnen wiederholen, und
nehme eine richtige Auswahl erst nach unge&hr
14 Tagen vor, wo das Rind an das Einbringen und
Herausnehmen des Auges gewöhnt ist.
Diejenigen, welche sich ein Auge einsetzen
Isasen, urthdlen häufig falsch über den Stand und
das Aussehen des eingesetzten Auges. Wollen sie
sieh jedoch selbst darüber unterrichten oder über-
mgen, so gebe man ihnen den Rath, sich vor einen
senkrecht stehenden Spiegel zu stellen, der wenig-
stens die Höhe ihi*es Gesichts erreicht. Diesem
müBsen sie ihr volles Gesk^ht zuwenden und , ohne
den Kopf zu wenden oder zu drehen, nach ihren
eigenen Augen sehen. Gewährt nun das eingesetzte
Auge den Anblick, als sähen sie sich mit beiden
Aogen an, so ist die getroffene Auswahl eine gute
SQ nennen. Diese Vorschrift aber gilt nur Air Per-
Men von nrittierer Grösse. Sehr kleine Personen
dagegen müssen ihr Gesicht bei dieser Erprobung
ein wenig nach abwärts neigen und sich in dieser
Stellung ansehen, weil sie gewöhnlich nach gegen-
über stehenden grossem Leuten in die Höhe zu
sehen haben. Sehr grosse Personen ferner, da sie
auf Andere gewöhnlich herabzublicken haben, müssen
ihr Gesicht bei solcher Erprobung ein wenig nach
aufwärts wenden.
Nicht selten kommt es vor, dass Solche, welche
bisher ein unpassendes zu grosses Auge trugen, ein
eben so grosses Stück wieder haben wollen. Sol-
chen sage ich gewöhnlich zunächst, dass ihr Auge
wegen der Grösse unpassend sei und einen häss-
lichen Anblick gewähre und erkläre, dass ich ihnen
unter keiner Bedingung ein so grosses Auge geben
könne, sie möchten sich lieber an einen Andern
wenden, um sich ein nach ihrer Idee gutes Auge zu
verschaffen. Selbst dann aber, wenn solche Er.
mit meiner Auswahl zufrieden sein zu wollen er-
klären, kommt es doch gewöhnlich vor, dass sie, da
sie sich in den Blick ihres Auges hineingelebt haben
und es für schön halten, ein grösseres Stück be-
gehren, das sie aber von mir unter keiner Bedingung
erhalten, weil es in einiger Zeit Schaden nach sich
ziehen würde.
Ein jedes eingesetzte Auge verursacht in der
Regel, selbst wenn es ganz gut passt, anfänglich ein
drückendes Gefühl, das sich aber in kurzer Zeit
mindert und nach einigen Minuten gänzlich ver-
schwindet. Einen grossen Theil des di-ückenden
Schmerzes erzeugt hierbei hauptsächlich die krampf-
hafte Gontraktion des obem Lides. Da man nun
dessen Einwirkung durch Erbebung des Lides be-
seitigen kann, so lässt sich das entstandene Schmerz-
gefühl übrigens auch noch dadurch mindera oder
aufheben, dass man bald nach dem Einsetzen des
Auges das obere Lid auf einige Zeit abbebt. —
Findet man aber, dass ein allgemeines oder partielles
Drackgeftthl fortdauert oder zeitweilig wiederkehrt,
so deutet diess an, dass das Auge nicht vollkommen
passend ausgewählt sei und diess durch seine Ge-
stalt oder Grösse verursache. In manchen Fällen
ist dann das Auge überhaupt zu gross, so dass es
einen übermässigen Druck auf die Augenhöhlen-
Wände und Lider ausübt, und, ausser einem mehr
oder weniger schmerzhaften Druckgeftthle, das des
Vollseins und der Spannung erzeugt. — Bisweilen
ist auch bei fortdauerndem Schmerz das Auge auf
dem mittlem Theile des Stumpfes aufgelagert, was
sich dann als ein unerträgliches, dumpfes, über
das ganze Auge verbreitetes Schmerzgefühl zu er-
kennen giebt. Tritt der Schmerz an einer seitlichen
Stelle auf, so ist diess meistens ein Zeichen dafür,
dass an der betreffenden Stelle ein Theil des Auges
zu gross, oder zu breit ist. Ein zeitweiliges, immer
wiederkehrendes Drackgefühl bei Bewegung der
Augen deutet darauf hin, dass die freien Ränder
des Eunstauges bei solchen Bewegungen an die
Augenhöhlenwand anstossen, oder auch an den
Angenstnmpf angedrückt werden. Unter Berück-
200
KlauDig, über Qlasangeo.
sicbtigaDg aller dieser Ursachen hat man dann ein
Ange auszusuchen, das bald an einem Theile oder
anch im ganzen Umfange kleiner ist, oder man hat
auch ein mehr oder weniger gewölbtes Auge auszu-
wählen, bei dessen Einsatz ein jedes DruckgefÜhl
vermieden ist. — Ein stechender Schmerz, welcher
bei dem Einlegen eines künstlichen Auges entsteht,
ist gewöhnlich einer fehlerhaften Beschaffenheit des-
selben hinsichtlich seiner Glätte zuzuschreiben.
Erhaltung des künsdichen Auges. Jedes künst-
liche Auge wird durch den Schleim und dieThränen-
feuchtigkeit in der Augenhöhle angegi*iffen, glanzlos,
trübe und rauh. Um nun dasselbe so ümge wie
möglich gut zu erhalten, ist es vortheilhaft, es nicht
ohne Noth diesen Flüssigkeiten auszusetzen. Man
nehme es daher des Nachts bei dem Schlafengehen
heraus, reinige es mit einfachem Wasser und von
Zeit zu Zeit auch mit Sodawasser, um die fettigen
Theile auf seiner Oberfläche vollkommen zu ent-
fernen. Nach der Reinigung trockene man dasselbe
leicht ab und bewahre es an einem sichern Orte auf
bis zum Wiedereinsetzen. Bei solchem Verfahren
kann man es in der Regel viele Jahre tragen, ohne
dasselbe durch ein neues zu ersetzen, wenn die
Schleimabsondemng in der Augenhöhle nicht zu be-
deutend und der Stoff, aus dem das Auge besteht,
gut zu nennen ist. Bei vermehrter und scharfer
Schleimabsondemng dagegen pflegt jedes Auge
schneller angegriffen und abgenutzt zu werden«
Ein durch das Tragen schadhaft gewordenes Auge
kann man zwar durch Reibung oder Aufpoliren voll-
kommen wieder glatt und zum weitem Gebrauche
fähig machen, da es aber durch Reibung nie eine
solche Härte der Oberfläche erh< wie durch Schmel-
zung, so wird ein anfpolirtes Auge bald wieder an-
gegriffen; und deshalb ist es dienlicher, statt des
aufpolirten Auges, ein vollkommen neues Stück in
Gebrauch zu nehmen.
Einwirkung des künstlichen Auges. Ein gut
passendes Auge verleiht im Allgemeinen ein besseres
Ansehen, ermöglicht eine bessere Bewegung der
Lider, vermittelt die Ableitung der abgesonderten
Thränen und verhütet in vielen Fällen auch den
Reiz der einwärts gekehrten Wimperhaare. Es übt
aber auch selbst bei der besten Beschaffenheit
und Auswahl immer als fremder Körper einen ge-
wissen, wenn auch schwachen Reiz auf die Augen-
höhlengebilde aus und es ist aus dieser Ursache
immer vortheilhaft, wenn man seine Einwirkung
durch zeitweilige Herausnahme, besonders des Nachts
aufhebt. Bei tagelanger Benutzung desselben spricht
sich dieser Reiz besonders dadurch aus, dass das
Auge müde wird und die Fähigkeit verliert, das Lid
vollkommen zu heben. — Bisweilen aber kann sein
Reiz auf die Augenhöhlengebilde schädlich einwir-
ken, besonders wenn das Kunstauge an irgend einer
Stelle etwas stärker aufliegt, oder abgenutzt, rauh
wird. — Lagert sich das Auge mit irgend einem
Rande in der Augenhöhle auf, so dass die Gewebs-
theile g^en den dahinter liegenden Knochen gedrückt
werden, so ist oftmals die Druckempfindong nicht
sehr bedeutend, besonders wenn das Auge nach die-
ser oder jener Seite noch Flucht hat. Durch eine
solche wiederkehrende Reizung entstehen aber ao
der Dmckstelle leicht Entzündungsznstände mit ver-
mehrter Thränen- und Schleimabsondemng, sowie
Anschwellung der Bindehaut. Es bilden sich dann
späterhin hinter dem Rande des eingesetzten Auges
allmälig Wucherungen, welche das Auge vorwirts
drängen. In solchen Fällen erwähle man ein Auge,
welches nach der einen oder andern Richtung hin
mehr gewölbt, convexer ist und setze dieses nicht
vor, sondern hinter die entstandenen Wucherungen
ein, so dass es tiefer in die Höhlung eintritt nnd
wegen seiner grössern Wölbung leichter hin- und
hergleitet, ohne einen Druck auf den Knochen «u-
zuüben. In der Regel mindern sich die Wucherungen
dann bald und die Höhlung gewinnt so ziemlich ihre
frühere Grösse wieder. Entfernt man die wuchern-
den nicht gestielten Theile durch das Messer, Scheeie
oder durch Höllenstein, so tritt in der Regel eine
grössere Verkleinemng der Höhle ein.
Nutzt sich das eingesetzte Auge ab and wird es
rauh, so verarsacht es Brennen u. Drücken, schnelle
Ermüdung der Augen, Herabsinken des obem Lides
mit vermehrter Thränen- und Schleimabsonderang.
Bei solchen Zuständen ist es geboten, der fehler-
haften Beschaffenheit des Auges durch Poliren des-
selben abzuhelfen, oder auch das fehlerhafte Ange
durch ein neues Stück zu ersetzen. Nimmt die be-
treffende Person aber auf die fehlerhafte Beschaffen-
heit des Auges keine Rücksicht und trägt es weiter-
hin fort, so wird die Reizung stärker, die Bindehaat
schwillt an, fiUigt an zu wuchern und treibt das
Auge ebenfalls vorwärts. Es entstehen dann stellen-
weise sogar Narbenstränge mit Verkürzung der Lider,
so dass die ganze Höhle sich verengert und das Ange
nicht mehr Platz findet. Ist der Entzttndungsgnd
hierbei stark, so verbiete man die fernere Benutznng
des Auges, gebrauche Kälte als entzündungs widriges
Mittel und setze nach Beseitigung der Entzündnog
ein neues, gut passendes und glattes Auge ein.
Gewöhnlich schwinden die Wucherangen dann bald
ohne Gebrauch von weitem Mitteln.
Wenn das ausgewählte Auge so gross ist, dtfB
sich die Lider nicht über demselben vollkommeo
scihliessen können, so werden die Sekretionsstoffe
bei dem Lidschlage von der Mitte des Auges nickt
entfernt, sondem bleiben vielmehr auf derselben haf-
ten. Das Auge erscheint dann oft in kurzer Zelt
nach dem Einsetzen wie mit Schleim überaogeD*
Wird derselbe nicht von Zeit zu Zeit auf andere
Weise entfernt, so trocknet er ein und bildet an dem
offenstehenden Theile eine braune Kruste, unter wel-
cher das Auge , mehr als an andern Theilen aog^
griffen, matt wird. Da nun aber das Ange oft nicht
kleiner ausgewählt werden kann , 90 bleibt nichts
Anderes übrig , als in allen diesen Fällen dasaelbe
öfters herausznnetunen nnd gründlich zu t&sip^)
Klaanig) Ober Glasaagen.
201
damit es immer ein gutes Aassehen gewähre und zn-
gleieh in einem möglichst gnten Zustande erhalten
werde.
Erlanffung eines kümtliehen Auges. Fflr Den-
jenigen ; welcher sich ein gut passendes künstliches
Aoge verschaifen will, ist es stets das Beste , sich
dasselbe ans emer grossem Sammlung auszusuchen,
and nicht blos das erste , sondern auch jedes später-
hin nothwendig werdende Auge. Unter einer gros-
Bern Sammlung aber verstehe ich nicht etwa 50 oder
100 Stück y wie Solches häufig von Fabrikanten des
Absatzes halber empfohlen wird, sondern wenigstens
1000 Stück. Jedermann wird einsehen , dass eine
solche Menge erforderlich ist , wenn er berücksich-
tigt, dass seine Farbe mit der des andern Auges
flbereinstimmen soll und dabei die Iris bald grösser,
bald kleiner sein muss, wenn er femer in Rücksicht
lieht, dass ein einzusetzendes Auge in einigen Fällen
flaeh, in andern dagegen eine grossere oder gerin-
gere Wölbung besitzen und dabei bald hoch , bald
niedrig, schmal oder breit, lang oder kurz sein muss,
wihrend überdiess die Iris hierbei nicht blos in der
Mitte ihre Lage einzunehmen hat, sondem nach den
Terschiedensten Seiten hin mehr oder weniger ver*
legt sein muss. — Gedenkt man etwa durch Einsen-
'dimg emes bisher passenden Auges an den Fabri-
kanten oder an den Inhaber einer grossem Samm-
Iiqig ein gleiches Auge zu erhalten , so täuscht man
sieh sehr. Man kann auf diese Weise zwar ein Auge
mit gut passender Farbe erlangen, aber selten eins
mit vollkommen richtigem Stand, was doch die
Hauptsache ist. Meistens wird ein solches einen
ialBehen Blick oder Schieiblick zeigen. Könnte man
nach abgenommener Form emes Auges ein anderes
dadorch herstellen, dass man die dazu gehörige
Hasse hineingösse oder hineinpresste, so wtlrde man
ein d^m Original gleichgeformtes Auge leicht erzeu-
gen* Aber alle nach Modell hergestellten Augen
mflsaen nach Augenmaass aus freier Hand gefertigt
werden und dabei muss ihre Bereitung schnell ge-
sdiehen, damit sie nicht zu lange dem schmelzenden
Feuer ausgesetzt seien und nicht etwa eine grössere
SprOdigkeit erlangen , die sie zum Zerspringen ge-
neigt macht. Sehr leicht kann man sich von dem
DnteiBchiede zwischen Original und nachgemachtem
Ange überzeugen , wenn man das originale Auge in
Gipi abformt und dann der Prüfung halber das neu-
gefertigte Auge in diese Form hineinzulegen sucht.
Ha» wird dann finden, dass es hinsichtlich der Wöl-
bung und Grösse nie vollkommen gleich ist. Mei-
stens wird es an dieser oder jener Stelle um y^ und
Va Mmtr. zu gross oder zq klein sein. Solches aber
ma9B immer einen^mehr oder weniger grossen Schiel-
stand bei dem Oeradeaussehen herbeiführen. Erklärt
sich irgend ein gewissenhafter Fabrikant bereit, ein
Ange nach Modell zu fertigen , so muss er immer
mehrere Augen nach Vorschrift herstellen , die ge-
dgnetsten hiervon aussuchep und diese zur Auswahl
Qbemendeni damit in Wirklichkeit ein oder das
tfe^. Jahrbb. Bd. 192. HfT. t2.
andere passend gefunden werden könnte. — Sollte
nuui in einer Sammlung kein vollkommen passendes
Auge vorfinden, wegen unregelmässig gestalteter,
mit vorspringenden Narbensträngen versehener
Augenhöhle , so könnte man von einem etwas gros-
sem Auge stellenweise einen Abschliff machen , um
ihm dadurch die richtige Form zu geben. Da aber
jede abgeschliffene Stelle, noch so gut polirt, bald
angegriffen und rauh wird , so bleibt es immer das
Beste, aus der Sammlung das passendste Stück aus-
zusuchen und dieses mit darauf verzeichneten Ab-
änderangen einem Fabrikanten zu übergeben, damit
er danach ein Auge anfertige ; oder man kann ihm
auch ein gut abgenommenes Modell in Gips oder in
Vulcanit überliefern , nach dem er das erforderliche
Auge bilden soll. Da der Fabrikant aber gewöhn-
lich mehrere Stücke wird anfertigen müssen, um ein
entsprechendes Auge zu erhalten , so würde es er-
wünscht sein , wenn derselbe die besten Stücke ein-
sendete , damit man sich das passendste auswählen
könne.
Um sich ein gutes Modell zu verschaffen , wenn
kern vorhandenes Glasauge die richtige Form hat,
verfahre man ähnlich wie Dr. A.Niedenin Bochum
(Oentr.-Bl. f. prakt. Ahkde. V. p. 37. Febr. 1881)
bei Bildung einer Prothese aus Vulcanit. — Man
nehme irgend ein künstliches Auge, das im Längen-
und Breiten-Durchmesser passend , in der Höhe da-
gegen etwas zu gross ist, und drücke dessen vor-
dere Fläche bis an seinen Rand in erweichten Gips
hinein. Nach Erhärtung der Gipsmasse überstreicht
man die entstandene Gipsmatrize mit Oel und trägt
nun so viel Gips auf, dass die Gipsmatrize nebst dem
künstlichen Auge vollkommen überdeckt wird. Auf
diese Weise hat man nach Erhärtung der Masse
auch einen Abdrack der hintern Fläche des künst-
lichen Auges erlangt, die man als Patrize für ein zu
bildendes Vulcanitauge verwendet. Man bemerkt
sich dann die genaue gegenseitige Lage der Matrize
und Patrize , um beide Theile bei dem Einpressen
von Vulcanit genau auf einander lagern zu können.
Die Patrize nimmt man dann ab, überstreicht sie mit
Oel und entfemt gleichzeitig auch das künstliche
Auge aus der Matrize. Hierauf bringt man durch
Wärme erweichte Vulcanitmasse (wie sie Zahnärzte
gewöhnlich gebrauchen) in passender Quantität in
die eingeölte Matrize , presst diese mit der Patrize
m die Form hinein und erhärtet nachher das Gebilde
zu Vulcanit. Da der Vulcanit sich mit Feile uud
Messer gut bearbeiten lässt, so hat man dann von
den Rändem der Vulcanitschale an den einzelnen
Stellen so viel wegzunehmen und ihre Ränder gut zu
glätten, bis sie ein vollkommen passendes Modell
abgiebt. Hat man diess erreicht, so setzt man dieses
Vulcanitmodell in die Augenhöhle ein und giebt
durch Einritzen in die Masse noch die Stelle an , wo
sich die Iris nebst Pupille befinden muss. Dieses
Modell sendet man dann dem Verfertiger von Glas-
augen nebst einem Bilde der Regenbogenhaut mit
26
^02
Klaunig; über Glasaugen;
ÄDgabe der Papillen und Iiisgrdsse zu ; um danach
ein Glasauge zu fertigen.
Die Idee des Dr. Fröhlich (Rlin. Mon.-Bl. f.
Ahkde. XIX. p. 349. Sept. 1881) , sich in jenen
Fällen, wo überhaupt ein künstliches Auge erforder-
lich ist , einen Abdruck von der Augenhöhlenfläche
mittels Stentmasse zu verschaffen, auf dieser Grund-
lage den vordem Theil des Auges mittels Wachses
zu modelliren und solches Gebilde als Modell zu
einem zu bildenden Eunstauge zu benutzen , ist ge-
wiss sehr werthvoU , da ein solches einzusetzendes
Auge hinsichtlich seines Standes und seiner Beweg-
lichkeit unübertrefflich sein muss. Allein die Masse,
die derselbe dazu benutzt, die Stentmasse, wird
sich häufig zum Abdruck der Höhle nicht gut ver-
wenden lassen, da sie nur im heissen Zustande knet-
und bildbar ist und besonders in dünnen Schichten
zu schnell erkaltet und erhärtet. Man wird sie aus
diesem Grunde in allen den .Fällen , wo noch ein
grosser Augenstumpf vorhanden und nur eine dünne
Schicht der Stentmasse erforderlich ist , nicht ver- .
wenden können, und sogar auch in jenen Fällen, wo
der ganze Bulbus fehlt oder sehr klein ist, wird man
häufig keine vollkommene Abdruckfläche erhalten,
da man die Masse nur zu einer Zeit einbringen kann,
wo sie weniger heiss und zu wenig nachgiebig ist.
Um aber doch eine gute Abdruckfläche einer grossem
Augenhöhle zu erzielen , würde ich lieber zum Gips,
in warmem Wasser eingeweicht, greifen und dann
ungefähr auf folgende Weise verfahren.
Ich würde den betreffenden Kranken die Rücken-
lage einnehmen lassen , einen gut haltbaren Faden
auf den Grand der Höhle einbringen, dessen Enden
am äussern und innem Winkel nach aussen gelagert
wären. Hierauf würde ich erweichten Gips so weit
in die Augenhöhle eintragen, bis seine Masse die
Plica semilunaris erreicht üfach Erhärtung der
Masse würde ich irgend ein kleines Glasauge in den
vordem übrig gebliebenen Baum einlegen , um be-
urtheilen zu können, ein wie grosser Raum «och
ausserdem nach vorn zu auszuftülen sei. Sollte dieses
Auge aber nicht richtig stehen, so würde ich das-
selbe mit andern vertauschen, so lange, bis ich sähe,
dass der Stand der Iris ein guter sei. Nun aber
würde ich mir auf der Gipsmasse mit scharfer Messer-
spitze die Grenzen des eingesetzten kleinen Auges
bezeichnen, um auch später nach Herausnahme der
Gipsmasse genau zu wissen, an welcher Stelle das
Auge bei richtigem Stand der Iris aufzulagern sei.
Es ist dann das kleine Auge, sowie die aus Gips be-
stehende Abdrackfläche mit Hülfe der aussen liegen-
den Fadenenden zu entfernen. Ausserhalb der Höh-
lung vereinigt man diese Theile wieder und befestigt
das kleine Auge in passender Lage mittels Wachses,
ölt alles diess ein und di'ückt die Abdruckfläche in
eine mit weichem Gips erfüllte Cuvette, indessen
so, dass Iris und die untere Aussenfläche der Cuvette
eine parallele Ebene bilden. Nach Erhärtung des
Gipses und Entfernung des eben emgedrückten Kör-
pers sucht man sich ein künstliches Auge aus, das
die entstandene Höhlung nach den Seiten hin ziem-
lich gut ausfüllt, der Höhe nach aber etwas zurfldL-
bleibt. Das gefundene Auge erwärmt man, diflekt
je nach Erfordemiss eine grössere oder kleinere
Kugel von erhitzter Stentmasse hinein und schilt
dann das Auge mit der überstehenden Masse in den
Hohlraum der Ouvette. Man richte es aber dabo
so ein, dass die Iris ebenfalls eine parallele Fliehe
mit der äussern und untem Cnvettenfläohe bildet imd
zugleich ein guter Abdrack stattfindet Nach Er-
härtung der Stentmasse nimmt man das Gebilde
heraus, entfernt das aufsitzende künstliche Glasauge
und macht nun die hintere Partie der Stentmasae
genau für die Augenhöhle passend , indem man die
überstehende Masse entfernt, das Ganze gut abrandet
und die Höhle für den etwa vorhandenen AngapM
nach allen Seiten hin etwas vergrössert , damit der-
selbe, besonders Jbei Bewegungen des Auges, nieht
gedrückt und gereizt wird. Findet man nun dasselbe
sammt dem aufgesetzten Auge bei dem Einsetze in
die Augenhöhle vollkommen passend, so könnte man
solches zur Nachbildung in Olas dem Fabrikanteo
übersenden.
Sollte sich aber die Vulcanitmasse als eine gaüß
Unterlage für ein einzusetzendes Knnstauge bewäh-
ren, sich gut ohne Schmerz und Reiznng tragen las-
sen und dabei nicht schnell schadhaft werden , lo
würde ich empfehlen , einen gleichen Körper aas
Vulcanit herzustellen, um das künstliche Auge danuif
zu setzen und dasselbe mit der Unterlage zagleidi
tragen zu lassen. Man würde dann bei grossen!
Defekten der Augen sogar verschieden geformte
Glasaugen tragen können, indem man sich ftlr jedei
eine passende Unterlage herstellte.
Dr. N i e d e n empfiehlt, Prothesen aus Voleaoit
mit eingesetzter gläserner Iris und Hornhaut hem-
stellen und diese , wenn sie auch hioBiehtiich der
Farbe Einiges zu wünschen übrig Hessen , bei Kia-
dem einzusetzen , weil sie zum Zert>rechen wemger
geneigt seien als Glasaugen und bei dem Brach nicht
so gefährliche Einwirkungen herbeiführen köimteB
als jene. Allein ein an den Seitenthdlen abgeschlif-
fenes Horahautstück aus Glas wird sich schneUer
abnutzen als ein gewöhnliches Glasauge , da abge-
schlififene und wenn auch sehr gut abpoUrte Glas-
flächen in der Augenhöhle viel schneller angegrÜBD
werden als jene, welche durch Feuer ihre Glätte
erhalten. Es würde daher besser sein, wenn man
sich dazu eine gläserne Iris u. Hornhaut verschaiRe,
deren Seitenflächen nicht durch Schleifung mit nadi-
heriger Politur, sondem durch Schmelzung ihre
Glätte erlangt hätten. Uebrigens aber vermuthe ich,
dass die Hornhaut auch dann an ihren Rändern
schnell angegriffen werden wird, wdl an der Ueber-
gangsstelle des Glases zum Vulcanit eine grössere
Flüssigkeitsschicht mit Schleim stehen bleiben wird,
welche die Glasmasse vorzugsweise angreift snd die
Beiseitesetzung des Vulcanitauges bald nöthig machen
wird , wenn nicht überhaupt diese UebergangssteDe
schon an und für sich wegen ihrer Unebenheit tf
Elaanig, über Glasaugen.
203
vidBeizverarsacht mid die Entferonng eines solchen
Auges bald erfordert. Deberdiess aber mnss man
auch noch erst Erfahrungen darüber sammeln^ ob
der Valcanit überhaupt zu solchen Prothesen ge-
eignet sei und nieht etwa schnell angegriffen und
nah wird.
Die Prothesen des Dr. Fröhlich, ämCelltdaid
bestehend, die num in jeder möglichen Färbung her-
stellen kann nnd statt der Olasaogen tragen soll,
besitzen den grossen Vortheil, dass man sie in voll-
kommen passender Farbe und Form herstellen kann.
Aber die angebrachten Blntgeftsse aus £ i s f e 1 d e r'-
seher Porcellan-Cemeotplombe werden wahrschein-
lich 80 reizend auf die Lidbindehaut einwirken, dass
man sie schnell bei Seite setzen muss. Wollte man
aber auch auf Anbringung von Blutgefässen, auf
diese Weise erzeugt, verzichten, so würde doch die
Glasmasse der Hornhaut ebenso schnell schadhaft
werden als bei den Nieden 'scheu Prothesen.
Uebrigens aber bin ich überzeugt , dass sich Augen
ans Celluloidmasse überhaupt gar nicht tragen las-
sen werden, da der imCelluloid befindliche Eampher
BOT mechanisch gebunden ist und durch seine Ver-
duBBtong die Bindehantflfichen in solchen Reizungs-
lostand versetzen wixd, dass die Prothesen nur
kone Zeit getragen werden können. Jedenfalls
wird der Kampher auch hier, gerade so wie (nach
Dr. Begandt's Beobachtungen) bei Gebissen aus
Celloloid ein unerträgliches Hitzegefühl mit Brennen
venvsachen nnd darum das Tragen derselben un-
möglich machen.
8o lange , als man nicht auf leichte Weise gute
Modelle herstellen kann und so lange, als man es
ooeh nicht dahin gebracht hat, künstliche Glasaugen
vellkommen genaa nach einem Modell zu fertigen,
wflrde ieh anrathen , dass wenigstens Augenärzte in
grossem Stttdten sich vereinigten, ein Lager von
Glasaugen zu halten , das nicht weniger als 1000
StOok enthielte. Bei Anschaffung desselben würden
sie vorzüglich darauf zu achten haben, dass dieselben
got zubereitet nnd nicht zum Zerspringen geneigt
seien, dass femer der dazu verwendete Stoff ein
solcher sei, der durch die Augenfiüssigkeiten so
wenig wie möglich angegriffen wird, und dass sich
diese Eigenschaft auch auf die angebrachten Blnt-
gei&Bse erstreckte. Ausserdem würde noch darauf
m sehen sem , dass der Krflnminngshalbmesser der
Augen m vertikaler Richtung etwas kleiner ausfalle
als m horizontaler. Man würde dann in solcher
Sammlung hnmer gute, dauerhafte and passende
StUeke vorfinden, die besonders auf die untere Augen-
höhlenfllehe einen sehr geringen Reiz ausüben und
nv selten Wucherungen in der Augenhöhle ver-
onachen würden. Dabei aber würde man, mit Aus-
Dslmie weniger Fülle, auch eine solche Auswahl
treffen können , dass das eingesetzte Auge den An-
Uiek gewfthrte, als sei ein normales Auge ohne
Scbielbhek oder Schiefstand voiiianden. Durch solche
Einriehtung würde man den bedauemswerthen ein-
^;igen Personen eine grosse Wohlthat erzeugen.
die auf andere Weise nicht erreichbar ist. — Die
Abgabe eines Auges würde sich zwar durch Lager-
haltung im Preise steigern ; die Preissteigerung aber
würde doch nicht zu bedeutend sein.
Schlüsslich füge ich noch einige Bemerkungen
bei über die Umstände, welche die Beschaffung emes
Glasauges entweder sehr wünschenswerth, oder un-
umgänglich nöthig machen.
Jeder Mensch, dem ein Auge verkümmert ist
oder gänzlich fehlt , macht einen bedauemswerthen
Eindruck. Seine Lider sind eingesunken und in die
Höhle zurückgezogen, seine Lidmuskeln sind er-
schlafft, so dass sie sich kaum bewegen, und die Er-
schlaffung mit verminderter Beweglichkeit erstreckt
sich gleichzeitig auch auf die benachbarten, mit den
Lidern in Verbindung stehenden Gesichtsmuskeln.
Durch diese Unthätigkeit der Muskeln wird das Be-
lebende im menschlichen Angesicht vermindert und
der Betroffene bietet gleichsam den Anblick eines
Trauernden dar mit leblos gesenkten Lidern, vor
dem sogar Mancher erschrickt, zumal wenn er in die
vertiefte Spalte ohne Augapfel hineinblicken kann.
Tritt nun ein solcher in die Welt hinaus , um seinen
Lebensunterhalt unter Fremden zu suchen , so fällt
es ihm in der Regel schwer, bei irgend einem Arbeit-
geber Arbeit und Verdienst zu finden , denn dieser
sieht sich gewöhnlich genöthigt, Personen, die einen
Übeln Eindruck bei andern verarsachen könnten, fern
zu halten, und zieht deshalb Menschen mit zwei an-
scheinend gesunden Augen ihnen immer vor. Zu-
weilen mag wohl auch bei dem Arbeitgeber der Ge-
danke mit einwirken , dass eine Perdon mit so ge-
drücktem Aussehen weniger Thätigkeit und Energie
entwickle , nnd oftmals mag er auch daran denken,
dass dieser Unglückliche eher als jeder Andere voll-
kommen erblinden könne, da ihm schon das eine
Auge fehle. In manchen Fällen fasst wohl auch
bei ihm der Gedanke Raum, dass ein solcher Mensch
zu vielen Beschäftigungen gar nicht befähigt sein
könne, da es ihm an Umsicht nnd Ausdauer des Seh-
vermögens fehlen werde.
Der Einäugige, aus diesen Ursachen bald da,
bald dort abgewiesen, beschliesst dann endlich, sich
ein Auge einsetzen zu lassen , um ein besseres Aus-
sehen zu erhalten und um leichter in der Welt sein
Fortkommen zu finden. Befragt man ihn , wie er
zu diesem Entschlüsse gekommen sei , so hört man
in der Regel von ihm (besonders auch von gewöhn-
lichen Arbeitsleuten und Dienstboten) : „Einen Men-
schen mit einem Auge mag Niemand haben'^ — Die
schon oben angedeutete Forderang, dass das ge-
wählte Auge dem gesunden Auge täuschend ähnlich
aussehe und sich in seinen Bewegungen ebenso ver-
halte wie das gesunde Auge, damit der Fehler gänz-
lich verborgen bleibe , kann jedoch in den meisten
Fällen nicht in so vollkommenem Maasse erfüllt
werden , da die Lidmuskeln häufig sehr zusammeur
geschrumpft sind und die Höhlung bedeutend ver-
ringert ist , so dass nur ein sehr kleines Ersatzauge
mit geminderter Beweglichkeit darinnen Platz finden
204
Balfonr-Vetter, vergl. Embryologie.
kann. — Wenn aber anch ein solchoB eingesetztes
Auge Manches zu wünschen übrig lässt, so sieht man
doch, dass die Lider über einem hervorschauenden
Auge sich vorwölben, heben, senken und dass selbst
die umgebenden Gesichtsmuskeln an der Bewegung
einen erhöhtem Antheil nehmen. Es erhält dadurch
die ganze erkrankte Seite ein thätigeres und be-
lebteres Ansehen u. die betreffsnden Personen finden
bei solchem Ergebniss in der Regel bald ein bes-
seres Fortkommen. Der Ersatz des fehlenden Auges
aber würde oftmals unbedingt einen viel günstigem
Eindruck machen , wenn schon in früherer Zeit bei
grösserem Augenhöhlenraume ein künstliches Auge
eingesetzt worden wäre , das einer fortschreitenden
Verminderang der Höhle, sowie auch einer bedeuten-
dei*en Contraktion der Lidmuskeln Einhalt gethan
hätte. Es ist daher zu empfehlen , bald nach Ver-
lust des Auges ein künstliches einzusetzen. Bei
Herausnahme des ganzen Augapfels geschehe diess
kurz nach Verheilung der Wundfläche, bei ent-
standener Verkleinerang des Auges durch entzünd-
liche Processe bald nach abgelaufener Entzündung.
Ganz besonders aber halte ich es für nothwendig,
eine solche Einsetzung bei jugendlichen Personen
sehr bald vorzunehmen, da sich hier die vorhandene
Höhlung, wenn kein Auge eingesetzt wird, sehr
rasch vermindert, die betr. Gesichtshälfte einsinkt.
Bei partiellem oder totalem Defekt des Augapfels
ti'eten mitunter sogar Zustände ein , welche die Ein-
setzung eines künstlichen Auges gebieterisoh er-
fordern. Es ist diess nämlich da der Fall , wo die
Lider ohne die nöthige Stütze des Anges in die
Augenhöhle zurückfallen und mit ihren Wimpern
die innere Höhlenfläche in Entzüodang venetnm,
femer auch noch da , wo bei immerwährender Be-
feuchtung der zurttokgebogenen Lidränder nch eine
Corrosion derselben einstellt DarehEinsefeBUBgeiBeB
passenden Anges erhält dann , wie schon oben er-
wähnt , das Lid eine Stütze , seine Bänder mit des
Wimpern werden nach anssen gerichtet. Der Lid-
rand bleibt überdiess dann &«i von Befenditang und
seine Corrosion wird in Folge dessen bald beseitigt.
Erwähnen will ich noch, dass ich die Einsetsimg
eines künstlichen Auges anch noch in einem Fidle
von hartnäckigem Pannus ndt stark entunehdUn
Orantdadonen der lAdbindehautj bei ziealieh
schlaffem Zustande der Liddeckel, ein halbes Jahr
hindurch zur Ausführung gebracht habe, um die
Hornhaut dem Einflüsse der Granulationen zu mit-
ziehen und durch fortdauernden Druck anf die On-
nula ihr Schwinden zu befiSrdem. In diesem Falle
wenigstens wurde ich hinreichend befriedigt , indem
sich die Granulationen , sowie der Pannus schneller
als auf andere Weise mindert»i.
G. Kritiken.
60. Handbtioh der vergleichenden Embryo-
logie; von F. M. Balfour, Prof. in Cam-
bridge. Aus dem Englischen übersetzt von
Prof,B. Vetter SLta Polytechnikum zu Dres-
den, n. Band, erste Hälfte. Jena 1881.
G. Fischer. 346 8. (9 Mk.)
Mit dem vorliegenden Band, dessen zweite Hälfte
in kürzester Frist veröffentlicht werden wird, kommt
das Handbuch der vergleichenden Embryologie des
Vfs. zum Abschluss. Der L Band, die Wirbellosen
behandelnd, sowie die Befruchtung und Furchung
im Allgemeinen, erschien im verflossenen Jahre ; der
U. Band, mit der Entwickelungsgeschichte der
Wirbelthiere, fällt in das Bereich der medic. Jahr-
bücher. Wir besitzen bereits Lehrbücher, welche
die Entwickelungsgeschichte der höheren Wirbel-
thiere (Hühnchen, Säugethiere) und des Menschen
zur Aufgabe haben ; doch hat bisher noch keines die
sämmtlichen grösseren Gruppen der Wirbelthiere,
soweit dieselben durchforscht sind, in sein Bereich
gezogen. Nichtsdestoweniger ist das Bedürfoiss nach
einem Lehrbuch der letztem Art ein grosses, von
Vielen empfundenes.
Um die an ein solches zu stellenden, selbst nur
massigen Ansprüche in genügender Weise befrie-
digen zu können, dazu ist die selbstständige, nicht
allein intensive, sondern eben so sehr extensive Be-
schäftigung mit einem sehr ansgedehnten und thefl-
weise sehr schwer zu besehaffenden Material eine
uneriässliche Vorbedingung flbr jeden ernst strebei-
den Dntemehmer. Genade dieses Matoial aber bot
sich dem durch zahlreiche Speoialarbdten bereit
bekannten Vf. am Trinity OoUege in so auareMies-
der, theilweise unersch<(pf lieber Fülle, daas die ge-
gebene Zeit hier und da kaum, oder nicht hinrochis^
um dasselbe auch nur vorläufig für den beabsichtig-'
ten Zweck zu bewältigen. Eine grosse Fülle as
Material , welches zur Verwendung vorliegt, biigt
zwar Gefahren verschiedener Art in sich; deBsea-
ungeachtet liegt der Vortheil doch schwer wiegend
auf Seite der ersteren. Die Klippen der Zeretreoang
werden leichter um&hren, als die dar droheadeB
Einseitigkeit, eine genügte Arbeiidxaft vonn-
gesetzt Auch eine gewisse historisdM GeUir ms-
schwebt die FüUe des Materials, insofeni sie leidit
dazu verleitet, fremde Ansprüche durch eim'gensebe
Schnitte zu verringern oder gändioh zu beafflägen;
aber auch der enger bemessene Stoff sehtttit aieht
ganz vor Beeinträchtigungen dieser Art, soten die
Absicht dazu vorhanden ist Sie fMk deai Vit;
um so mehr hat er sich bestrebt, die guten Betten
reich vorhandenen Materials enei^iflch anszobeite
Hornemann, hygieinisehe Abhandlungen.
205
Die ersten 10 Oapitel behandeln die Entwicke-
loDgBgeschichte der Ohordaten, d. i. des Amphioxns,
der Tnnikaten nnd der Vertebraten. Es ist zu be-
daneni, dass die neue Arbeit von Hatschek Aber
Ämpbioxos keine Aofnahme mehr finden konnte. Da-
nof folgen drei vergleichende Capitel, welche den
der systenuitiBchen Embryologie gewidmeten Theil
des Werkes abschliessen. Das 1 1 . Gap. unterwirft die
Keimblfttterbildmig der Wirbelthiere und die ersten
Entwickehmgsstadien einer vergleichenden Betrach-
toog. Das 12. Cap. macht den Tersuch, ans dem
in den vorausgehenden Abschnitten zusammenge-
stellten Material und den von der vergleichenden
Anatomie gelieferten Grundlagen die Charaktere der
Vcffakrm der Ghordaten zu reconstruiren und da-
dweh zu ermitteln, von welchem Stamme der Wir-
bellosen dieser Vorfahr sich etwa ableitet. Das
13. Cap. endlich ist allgemeinen Folgerungen ge-
widmet, verbreitet sich mit solchen ttber die Art der
Bststebmig and über die Homologien der Keim-
Uitter im gesammten Thierreich und untersucht
danuB spedell auch die Entstehung des Mesoblast.
Es vergleieht femer die verschiedenen Larvenfor*
men, ihre Natur, Entstehung und Yerwandtschafts-
beziebnngen und schliesst mit phylogenetischen Fol-
gerangen. Der Rest des Baches wird sich mit der
Oiganogenie beschftftigen.
Wie mm aus dem Mitgetheilten bereits erkennt,
ist die Erreichung grosser allgemeiner Wahrheiten
das unabUasig im Auge behaltene oberste Ziel des
Verfassen. Die embryologischen Forschungsergeb-
Bim werden unausgesetzt zur Aufbellung phylo-
genetischer Fragen, phylogenetische Errungenschaf-
ten andererseits unaufhörlich zur Deutung schwie-
riger embryologischer Befunde herangezogen. Man
kann vielleieht behaupten, dass Vf. seine höchsten
Ziele selbst allzu exclusiv in phylogenetischer Rich-
taog verfolge. Es muss indessen sofort zugestan-
den werden , dass fbr ihn hieraus nie eine Veran-
lassung erwächst, den embryologischen Thatsachen
Gewalt ansnttiUB ; die Erkenntniss des thatsächlichen
Entwkdcelangsablaufs gilt ihm immer als das erste
Erfordemiss and als die nftchste Aufgabe. Durch
diese Bestrebongen findet sich Vf. ganz im bewnssten
Einklang mit seinem Landsmann, Darwin, dem
Wiedererwecker der metamorphischen Abstammungs-
lehre, vermeidet es aber, trotz der so sehr gef&hr-
Behen Nähe seiner Oentralsonne, in Folge ihrer
Attraktionakntft entweder in dieselbe hineinzu-
itOrzen, oder raschen Umschwungs, ähnlich dem
eilenden näehsten Planeten, sie zu umkreisen. Von
einw Hervorhebung von Einzelheiten kann abgesehen
werden. Eine Erörterung der allgemeinen Wachs-
thomsverhäliDiflse , eine Promorphologie im Sinne
Qiiseres, der Wissenschaft leider zu frtth entrissenen
H. Lotze laX zu vermissen, indem sie werth ge-
wesen wäre, ein besonderes Gapitel inhaltreich zu
gestalten.
Mit Figorai warde das WeA sehr reichlich aus-
gestattet Die üebersetzong ist ab eine vortreff-
liche zu bezeichnen und lässt das Original nicht ver-
missen. ^ Raub er.
61. HygieiniBChe Abhandlungen, Beiträge
zur praktischen Gesundheitspflege; von Dr.
E. Hornemann, Prof. in Kopenhagen.
Deutsch von E. Lieb ich. Brannschweig
1881. Friedrich Vieweg u. Sohn. gr. 8.
451 S. (8 Mk.)
Das Buch enthält 11 sehr klar und ansprechend
geschriebene Abhandlungen aus den verschiedensten
Gebieten der öffentl. Gesundheitspflege. Bald ist
Bekanntes in geschickter und wirksamer Weise zu-
sammengestellt, bald durch selbstständige Unter-
suchungen zur Lösung wichtiger Fragen ein Beitrag
geliefert. Ueberall giebt sich ein reger und warmer
Eifer kund, die Resultate wissenschaftlicher hygiei-
nischer Forschungen praktisch zu verwerthen.
Drei Abbandlungen beschäftigen sich mit den
hygieinischen Eigenschaften der Kohle, speciell des
Kohlenpulvers. In dem Aufsatz: „Einige Unter-
suchungen tiber die Wirkungen der Holzkohle auf
todte äuerische Körper^' theilt H. eigene Veranche
ttber die Wirkungsart des Eohlenpulvers mit. Fein
zertheilte Kohle, insbesondere Holzkohle, besitzt die
Fähigkeit 1) grosse Mengen Gas, speciell auch die
bei der Fäulniss auftretenden übelriechenden Gase
aufzusaugen ; 2) Sauerstoff auf alle in der Nähe be-
findlichen oxydablen Substanzen zu flbertragen, ihre
langsame Verbrennung zu veranlassen. Die erste
dieser beiden Eigenschaften macht die Kohle zu
einem gestankwidrigen Mittel [man könnte sie also,
wenn man will, ein Antiosmetikum nennen], die
zweite zu einem fäulnisswidrigen (Antiseptikum).
H. will zwar die Bezeichnung Antiseptikum für die
Kohle nicht gelten lassen, weil durch die Kohle die
organischen Körper aufgelöst, zerstört werden.
Allein antiseptisch sind alle Stoffe, welche die eigen-
thümliche von dem Auftreten niederster Organismen
bedingte Zersetzung organischer Stoffe — Fäulniss
genannt — verhindert. Das thut die Kohle, wie H.
selbst nachweist, vollkommen. Freilich gehört sie
nicht zu den conservativen Antisepticis, welche die
Fäulniss abhalten, ohne die organischen Stoffe zu
verändern, sondern, so gut wie die Glühhitze, con-
centr. Säuren u. s. w., zu den deletären Antisepticis,
welche zugleich die Substanzen, welche sie schützen
sollen, selbst vernichten. Die Kohlenstaubtheilcben
geben immer wieder aufs Neue den von ihnen, sei
es verdichteten oder ozonisirten Sauerstoff an die
organischen Stoffe ab, und entziehen so durch
langsame Verbrennung den organisirten Kohlen-
stoffatomen, d. h. den niedersten Organismen, die
Nahrung und die Möglichkeit sich festzusetzen.
H. will diese deletär-antiseptische Wirkung des
Kohlenpulvers f&r die Leichenbestattung praktisch
verwerthen. Er stellte daher, nach dem Vorgange
von Stenhouse, Experimente über die Wirkungen
des Kohlenpulvers auf todte Körper an. Es wurden
ein menschlicher Fötus von 8 Mon., Thierleichen,
206
Hornemann, bygieimsche Abhandlnngeii.
Fleischgtttcke in gepulverte Holzkohle eingehüllt und
stets dadurch die Fäulniss verhütet, sobjfld alle Theile
mit Kohle bedeckt waren. Bei dem Fötus war das
Gesicht zuerst frei geblieben. Es gerieth in Fäul-
niss, aber es genügte eine nachträgliche Bestreuung
mit Eohlenpulver, um die Fäulniss aufzuhalten und
den ganzen Körper zu einer zusammengeschrumpf-
ten, schwäi*zlichen Masse, zu „einer Art anorga-
nischer Schlacke^' zu verwandeln. Nur die Knochen
waren nach 11 Mon. noch erhalten. In Kohlen-
pulver eingelagerte Fleischstücke wurden nach Ver-
lauf weniger Monate zu einer trocknen, harten holz-
oder lederartigen Masse, die auf der Bmchfläche
eine mehr oder minder schwarze Rinde und eine
weissliche Innensubstanz zeigte. Von Fäulnisspro-
dukten oder niederen Organismen war nichts zu ent-
decken.
Um den Zersetzungsprocess, welchen die Kohle
in organischen Gebilden einleitet, genau festzustellen,
wandte sich H. zu chemischen Untersuchungen, die
allerdings bis jetzt nur zu wenig vollkommenen Re-
sultaten geführt haben. Hr. Stein , der diese Ver-
suche angestellt hat, fand, dass in Kohlenpulver ein-
gebettete Fleischstücke nach' l^/i Mon., abgesehen
vom Wasserverlnst, 0.90 — 2.560/o an Substanz, je
nach der angewandten Kohlenmenge, eingebüsst
haben. Nach dieser Zeit liess sich durch Wägung
ein weiterer Verlust nicht mehr nachweisen. Die
Muskelfasern zeigten unter dem Mikroskop noch
ihren eigenthümlichen Bau, während H. nach län-
gerer Aufbewahrung die Muskelstruktur völlig zer-
stört gefunden hatte. Aufbewahrung in Platin-
schwarz hatte einen grösseren, in Glaspulver einen
geringeren Gewichtsverlust zur Folge. Eine Ab-
nahme des Stickstoffgehaltes des Fleisches liess sich
selbst nach 14monatl. Aufbewahrung in Kohle nicht
nachweisen, ebensowenig fand sich in der umgeben-
den Kohle Salpetersäure vor. Resultate, welche den
Stenhouse' sehen Angaben vollkommen wider-
sprechen. Jedoch bleiben weitere Versuche vor-
behalten. Jedenfalls hält H. die Kohle für ein
ebenso bequemes und billiges, als sicheres Mittel,
um zu begrabende Leichen nicht in Fäulniss über-
gehen zu lassen, sondern in einer Weise zu zer-
stören, welche jede von der Leiche ausgehende Ge-
fahr einer unangenehmen oder infektiösen Einwir-
kung auf die Umgebung aufhebt.
Die Einbettung aller Leichen in Kohlenpulver
ist auch das Resultat, zu welchem H. in einem Vor-
ti*age : yfiher TodtenbestaUung, Verbrennung oder
Begräbmss^^ gelangt. Nach einer historischen Ein-
leitung über das Alter u. die Geschichte der Leichen'
Verbrennung und ihrer neuesten Methoden werden
in durchans klarer und objektiver Weise die Gründe
für und gegen dieselbe vorgeführt. Entscheidende
Gründe fOr die Leichenverbrennung liefert nach H.
die Hygieine, aber nur dann, wenn die Verbrennung
nicht vereinzelte Leichen betrifft, sondern zur herr-
schenden Sitte wird. Da aber diess momentan
nicht zu erreichen ist* so empfiehlt H. eben die
Methode, die Leiche mit Kohlenpulw zu umhfillen
und dann zu begraben. Er giebt genau an der
Hand von Illustrationen die Art nnd Wdse an, wie
diess am praktischsten und mit mögliebster BA/k-
sieht auf die Angehörigen auszuführen sei.
Der Vortrag: „iUfer die Bedeutung der KokU
für die Gesundheitepßege" entiiält dne popaliie
Znsammenstellung der nützlichen nnd schädlichen
Wirkungen der Kohle und ihrer Produkte auf die
Gesundheit des Menschen. Besondere Beachtong
wird natürlich den verschiedenen Arten derEntwick-
lung von Kohlenozyd geschenkt Eäne derselbeD
wird in einer besondem Abhandlung: „md eieeme
Oefen ^^«unc2A^'eMeAdl(fK<;Af''ansftlhrlichbdiandeü
H. erzählt das Schicksal dieser Frage in der frin-
zösischen Akademie, in welcher die Gesnndheite-
schädlichkeit der eisernen Oefen wiederholt remeint
wurde , schlüsslich aber doch nach sehr eingeheudei
Versuchen als vorhanden zugegeben werden moeste.
Es wurde nämlich unzweifelhaft constatirt, daa
Räume , welche von einem bis zur Rothglntii eildtz-
ten eisernen, insbesondere gusseisemen Ofen erwinot
werden , beträchtliche und daher die Gesmidhdt be-
einträchtigende Mengen von Kohlenozyd enthalten.
Letzteres entsteht dadurch , dass rothglflhendes
Eisen , insbesondere Gasseisen 1) die freiwerdenda
Verbrennungsgase aufsaugt und dann wieder abgiebt,
2) den in dem Eisen enthaltenen Kohlenstoff mit
dem Sauerstoff der Luft sich zu Kohlenoxyd verbin-
den lässt , 3) die in der Luft vorhandene, durch die
menschliche Athmung producirteCO) zaCO zersetzt,
4) die in der Luft schwebenden , mit dem glühenden
Metall in Berührung kommenden Staiibthdle ver-
brennt. Trotz alledem glaubt H., dass diese nnefa-
theilige Wirkung nur den kleinen französischen
eisernen Oefen zukommt , nicht aber den grossen in
den Nordländern gebrauchten , welche gar nioht nur
Rothgluth gelangen. Jedenfalls ist es praküneh
wichtig , dass rothglühendes Eisen die Loft , beson-
ders wenn sie trocken ist, verdirbt, mit 00 füllt
Eine andere von der Kohle ausgebende Sdild-
lichkeit wu*d in der Abhandlung : über den Baud
und die Notkwendigkeit rauehhemmender EXnriehr
tungen besprochen. H. versteht unter Rauch im
populären Sinne das bei unvollständiger Verbrennong
der Kohle , insbesondere der Steinkohle , prodncirte
Gasgemenge, in welchem massenhaft Kohlenpartikel-
eben suspendirt sind. H. erzählt , wie man schon
frühzeitig die Belästigung, welehe der Bauch für das
menschliche Wohlbefinden hat, besonders In England
zu beseitigen suchte. Im 14. Jahrhundert wurde
sogar deswegen in London der Gebranch der Stmn-
kohle gänzlich verboten.
Bei allen gesetzlichen Maassnahmen zur Be-
schränkung des Rauches wurde immer wieder von
Seiten der Interessenten die Frage aufgeworfen , ob
denn der Rauch überhaupt gesundheitsschädlich sei,
eine Frage , die nicht so leicht mit Ja oder Nein sn
beantworten ist, als es scheinen kOonte. DtfB
massenhaft entwickelter Rauch als lästig empfanden
Hornemaniiy hygieinische Abhandlnngett.
207
wird, ist iiii£W6ifelha& Die Eohlentheildien wirken
ratend anf die Scbleimhftnte ^ insbesondere auf die
der Athmnngsorgane nnd die Angenbindehaut, allein
man hat bestritten , dass doreh diese Gase und die
Kohientheilchen die Luft eine gemmdheitMckädliehe
Yenmreinigung erfahre, man ist sogar so weit ge*
giDgen f den Ranch für gesnndheitsfOrderlicb zu er-
küren. Fein vertheiite Kohle wirkt ja, wie wir
oben gesehen haben, antiseptisch und die Kohlen-
wssserstoffe sind wie Wasserstoflfgas zwar irrespira-
Me, aber nicht direkt schädliche, giftige Gase. Man
sagte, die durch die Yollst&ndige Verbrennung der
Steinkohle entwickelte CO^ mache die Luft schäd-
lieher, als der bei unvollständiger Verbrennung ent-
stehende Ranch* Allein die etwaige desinficirende
Wirkung des Rauches ist belanglos, er verdrängt
jedenfalls die reine atmosphär. Luft, die sicher ein
Tonflgiiches Desinfektionsmittel ist, und enthält doch
ein direkt giftiges Gas, das Kohlenoxyd. So klein
die Menge des letztem auch ist, so ist doch durch
die Erfahrung festgestellt, dass längere Emathmun-
gen von Rauch in geschlossenen Räumen CO - Ver-
giftungen zur Folge haben. Die Erfahrungen bei
Leuten, die von Beruüs wegen dem Rauch wie der
Eohlenverdunstung überhaupt ausgesetzt sind , hält
H. fOr mcht ganz entscheidend. So konnte er z. B.
bd Schomsteinfegem l^eine mit Sicherheit durch den
Banch veranlasste besondere Erkrankungshäufigkeit
nachweisen. Von den Kohlenarbeitem, spedell den
Kohlenberglenten ist allerdings bekannt, dass man
in den Lungen derselben massenhaft Kohlenpartikel-
chen findet, die man als die Ursache der bei diesen
Leiten so häufigen nnd sogenannten Kohlenbronchitis
oder schwarzen Phthise ansieht Allem eine wirk-
üehe Phthise oder Tuberkulose ist diese Krankheit
dnrehaus nicht Im Gegentheil manche behaupten,
dass die Kohlenbergleute aufifallend selten an Tuber-
knlose erkranken, ja sogar , dass ihre Beschäftigung
ein Schutz g^^n dieselbe wäre. Jedenfalls ist die
Möglichkeit einer schädlichen Einwirkung des Rau-
ehes, wo er, wie in grossen Fabrikstädten, in erheb-
üeher Masse von Fabriksohloten , Dampfmaschinen
Q. 8. w. der Luft beigemengt wird , vorhanden und
die BelästigUBg durch denselben allgemein empfun-
den. H. sucht durch Zahlen nachzuweisen, dass
dnroh die Zunahme der Fabriketabhssements und des
Kohlenverbrauchs in Kopenhagen die Menge des in
dieser Stadt entstehenden Rauches eine beträchtliche
nnd im -Wachsen begriflfene sei. Er erwähnt die
gttnstige Wurkung der in Frankreich und England
nr Hemmung des Rauches erlassenen Gesetze nnd
▼erweist, was die besten Methoden der Rauchhem-
inong betrifft, auf die technischen Fachschriften.
Die Abhandlung: über Desinfektion, besondere
fniUeU hoher Wärmegrade beschäftigt sich haupt-
sichlich ndt der Frage , ob wir ein bequemes eon^
^^mrendee Mittel haben, durch welches wir alle
pegenstände mit Leichtigkeit, ohne sie selbst in
Bjgcnd welcher Weise zu schädigen, von Infektions-
Mktk sicher befreien können. Valiin hat in die-
ser Beziehung auf hohe Wärmegrade hingewiesen
und Versuche mit sogen. Desinfektionsöfen angestellt.
H. theilt die Resultate ähnlicher Versuche mit. Es
wurde festgestellt, welcher Temperatur und wie
lange Gegenstände wie Betten, Bekleidungsstoffe
u. s. w. ausgesetzt werden können, ohne ihre Brauch-
barkeit einzubüssen. Es stellte sich heraus, dass
die meisten Gegenstände ohne Schaden eine Tempe-
ratur von ca. 120<^C. 4 Stunden lang ertragen kön-
nen, wobei man jedoch, wie H. hervorhebt, sorg-
fältig auf die verschiedenen Temperataren in den
einzelnen Theilen des Desinfektionsofens zu achten
hat. Was die Frage betrifft, durch welche Tempe-
ratur alle Infektionsträger mit Sicherheit getödtet
werden können, so berichtet H. ausftihrlich über die
Versuche Tyndall's, nach welchen die bereits
entwickelten Bakterien ziemlich leicht durch massig
hohe Wärmegrade getödtet werden. Dagegen be-
sitzen die BakterienA«im6 eine viel grössere , selbst
beträchtlich höhere Temperaturen aushaltende Wider-
standskraft, und können überhaupt nur durch die
Zusammenwirkung von Wärme und künstlicher Aus-
schliessung von Sauerstoff vernichtet werden. Immer-
hin glaubt H., dass die Desinfektionsöfen des Ver-
suches werth seien, nur sei es zweckmässig, für
einige Feuchtigkeit innerhalb des Ofens zu sorgen,
eine Temperatur von 100^ C. scheint ihm zur Des-
infektion genügend; bei Tyndall betrug die
höchste angewandte Temperatur nur SO^O. ^).
Wie schwierig die Lösung derDesinfektiousfrage
ist, sieht man am besten, wenn man nach den zur
Verhütung einer bestimmten Infektionskrankheit er-
forderlichen Maassregeln fragt, wie diess H. in dem
Aufsatze : y^auf welche Weise Hesse sich dem Schar^
lachßeber wohl am besten vorbeugen? thut. Wenn
wir ein specifisches Präservativ , das man früher in
der Belladonna gefunden zu haben wähnte, wirklich
besässen, dünn stände die Sache gut. Da diess aber
nicht der Fall ist, müssen sich die angegebenen
Mittel zur Verhütung des ScharUchs auf die gewöhn-
lichen hygieinischen Maassregeln beschränken, auf
Isolirung, Reinlichkeit, Ventilation und die gebräuch-
liche Desmfektion. Es ist sehr wahi*8cheinlich, dass
diese Vorschriften streng durchgeführt sich nützlich
erweisen. Allein man muss gestehen, dass durch
alles Diess dem unbekannten Feinde gleichsam nur
im Flüstern zu Leibe gegangen wird , und dass die
praktische exakte Durchführung der hygieinischen
Maassnahmen an der Unwissenheit , Schwerfälligkeit
nnd vor Allem Mittellosigkeit eines grossen Theils
des Publikum scheitelt. Diess ist um so bedauer-
licher , als die Verheerungen , die das Scharlach an-
richtet , wie die von H. aus den nordischen Ländern
vorgeführten Zahlen beweisen, recht beträchtiiche
sind.
Der Aufeatz: „über akute Alkoholvergiftung"
(S. S7) lenkt die Aufmerksamkeit auf die akuten,
0 Vgl. Revue d*Hyg. JII. 7. 8. p. 636. 666. JaiUet,
AoAt 1881.
208
Hornemann, hygieinische Abhandlangen.
zuweilen tddtilchen Wirkungen des Alkoholgenusses.
Von den 3 Stadien der akuten Vergiftung — Be-
ranschtsein , Trunkenheit u. Todttrunkenheit — be-
handelt H. nar das am wenigsten bekannte letztere.
Er theilt 10 Fälle solcher schwerer akuter Alkohol-
vergiftung mit y die alle bis auf den letzten tödtlich
verliefen ; 5 Fälle betreffen Erwachsene, 5 Knaben
im Alter von 2^/^ — 16 Jahren. Die Symptome der
akuten tddtlichen Alkoholvergiftung bestehen wesent-
lich in vollständiger komatöser Bewusstlosigkeit und
CoUapsus. Von den meisten Fällen hat H. auch
die Sektionsbefunde mitgetheilt. Man findet starke
venöse Hyperämie der innem Organe , ganz ähnlich
wie beim Erstickungstode. Zuweilen zeigen sich an
der Haut Blasen und Sugillationen. Es kann durch
dieselben der Verdacht einer gewaltsamen Tödtung
hervorgerufen werden , insbesondere wenn auch
äussere Verletzungen — die aber bei Betrunkenen
durch Fall so leicht entstehen können — hinzukom-
men. So hatten in dem 4. von H. mitgetheilten
Falle die Obducenten eine Erdrosselung als Todes-
ursache angenommen, während das Gesundh.-Colle-
gium in einem Snperarbitrium nur den übermässigen
Trunk als die Ursache des Todes gelten lässt. Zum
Schlüsse weist H. noch auf die bekannten , in ein-
zelnen Ländern mehr oder minder energisch gehand-
habten Maassregeln zur Bekämpfung des Alkohol-
genusses hin.
Die Abhandlung: f,die Prostitution latd die
öffentliche Oesundheitspßege in Dänemark" wendet
sich gegen den Verein zur Abschaffung der öffent-
lichen Prostitution oder, wie er sich neuerdings nennt,
„Verein gegen gesetzliche Beschützung der Unsitt-
lichkeit'^ Dieser aus Geistlichen, drei Aerzten und
vielen Damen bestehende Verein bekämpft auf das
heftigste ein am 10. April für Dänemark erlassenes
Gesetz, wonach nebst andern Massnahmen gegen die
Prostitotion alle Frauenspersonen, welche gewerbs-
mässig UnSittlichkeit treiben , einer ärztlichen Gon-
trole unterworfen werden. Der genannte Verein er-
blickt hierin eine Beschützung und Empfehlung der
Unsittlichkeit. Die Hinfälligkeit dieses und aller der
andern Einwände gegen das erwähnte Gesetz ist klar
und wird von H. eindringlichst erörtert. Zum Schlüsse
richtet H. noch an die weiblichen Mitglieder des
Vereins die wohlbegründete Aufforderung , ans ihm
auszutreten.
Der von H. in der ersten nordischen Industrie-
versammlung gehaltene Voitrag: ^fiber die Be-
schäftigung der Kinder in Fabriken, mit beson^
derer Rücksicht auf dänische Verhältnisse," be-
zweckte, eine gesetzliche Regelung der Einderarbeit
auch fbr Dänemark anzm*egen. Nach einer ausführ-
lichen Einleitung über die Geschichte der Einder-
arbeit und deren Beschränkung in den andern Län-
dern Europas, insbesondere in England, Bucht H. zu-
nächst den Umfang und die Art der Einderarbeit
in den Fabriken Dänemarks festzustellen. Freilich
mnsste er sich das Material dazu privatim hauptsäch-
lich durch Umfragen bei Fabrikärzten verschaffen«
Es ist daher noch unvollständig und wahncheinlieh
günstiger, als der Wirklichkeit entsprieht Trots-
dem geht daraus hervor , daas die Verhältnisse der
Einderarbeit in Dänemark aosserordentlieh schlecht,
um nicht zu sagen schauderhaft, sind. In den 45
berücksichtigten Fabriken mit 4297 Arbeiten! her
trägt die Zahl der beschäftigten Einder 886, al«)
20»/o. Von den 886 Eindem sind 134, also ea.
I60/0, noch nicht 10 Jahre alt. Die Arbeitszdt der
Einder schwankt von <6— 12 oder 13 Stunden. Li
einzelnen Fabriken, wie Glashütten, arbdten die
Einder auch des Nachts. Nebenbei bemerkt E,
dass in den Fabriken 923 erwachsene Fraoeuaper-
sonen, und zwar 498 verheirathete , 425 uaverhei-
rathete beschäftigt sind, wiederum ein sehr nngflatf-
ges Verhältniss. H. druckt die Berichte einzelner
Fabriksärzte über den Gesundheitsznstand der Kinder
ab, die zum Theil gar nicht ungünstig lanten« AUeiD
H. bemerkt mit Recht , „selbst wenn aioh mcht so-
gleich bestimmte herrschende Erankheiten iiaeh*
weisen lassen , kann das Fabrikleben trotzdem anf
die natürliche Entwicklung der Einder einen sdr
hemmenden u. hindernden ESnfluss ausüben u. 8.W.''
H. verlangt, dass 1) die Altersgrenae der in den
Fabriken beschäftigten Einder hoher hinaofgeaetit,
2) die Arbeitszeit verkürzt, 3) die Nachtarbeit gini-
lieh untersagt werde, 4) dass Einder nicht zu solchei
Arbeiten herangezogen werden , bei denen die Ge-
fahr direkter Vergiftung (durch Phosphor oder Blei)
vorhanden ist — Forderungen , deren Bereditigoig
keines Bewdses bedarf.
Der hjgieinisch-statistische Aufsatz : »fiber einifi
Sterbliehkeitsverhälinisse in Kopenhagen vor tmd
nach der Einfährung der WaeserleUyng** saehi
nachzuweisen, dass die Sterblichkeit an typhoidem
Fieber in den Jahren 1853—59, d. b. vor EinfUi-
mng der Wasserleitung, grösser war, alsvonlSGOr-
66, also nach EinfÜhmng der Wasserleitung. Wenn
man ftlr die erste Periode als durchschnittliebe Be-
völkerung 145000 Einwohner, fttr die zweite Pe-
riode 160000 Einwohner annimmt, so aind in den
ersten 7 Jahren 0.57o/o, in den zweiten 7 Jahrea
0.43Vo der Bevölkerung an typhoidem Fieber ge-
storben und dabei war durch den Erieg 1864 die
Zahl der Typhusfälle eine abnorm hohe. . Ebesao
zeigt auch eine Znsammenstellung der angeineldei«
ErankheitsAlle von gastrischem u. ^höaem Fieber
eine Abnahme in der ersten Hälfte der seduuger
Jahre gegen die letzte Hälfte der fünfziger. Er-
wähnenswerth ist auch, dass die 2Mil derTodei-
fälle an Scharlach in dem ersten S^tenniam etwis
grösser, die derTodesftUe anDiphtheritia bedeuteod
kleiner ausftllt als in dem zweiten (1860-*66).
In dem Aufsatze : Bemerkungen über du ofß-
ciellen Mortalitätstabellen und über die doribif
angegebenen Todesursachen" wird znnäebst m-
führiich mitgetheilt , in welcher Wdse auf den ver-
schiedenen internationalen statistischen CoBgreewD
dne einheitliehe Klassifikation und Nomendator der
Todesursachen einzufahren verswsht «md^ £te>er
A a 8 p i t z y System der Hantkrankheiten.
209
werden die in den nordischen Staaten diesen Gegen-
stiiid betreffenden Bestimmungen aufgeführt. H.
hebt mit Recht hervor, dass die Frage einer x^inheit-
lieh^ Nomenclatur durchaus unwesentlich sei, wenn
Dar die Angabe der Todesursache selbst immer von
Mlieher Seite geschieht und die Klassificinmg der
Todesursachen in den statistischen Bureaus in den
Händen eines kundigen Fachmannes, also eines Arztes,
ist. Von allen vorgeschlagenen Klassifikationssyste-
men ist das engtisdie von Dr. Farr entworfene,
wie H. anerkennt, sicherlich das Beste, weil in ihm
das iüologische Eintheilungsprinoip die Hauptrolle
spielt. Allerdings ist dieses ätiologische Princip
sieht fRr alle Krankheiten durchgeführt und auch
Dicht durchführbar, weil eben die Ursachen sehr
ngkt Krankheiten noch unbekannt sind. Allein der
Vonrog des Farr 'sehen Systems ist, dass es die
ätiologisch scharf ausgeprägten, bestimmt charak-
terisirten Krankheiten besonders hervorhebt, nämlich
die 3 Klassen : 1) Infektionskrankheiten aller Art,
2) gewaltsame Todesarten , 3) Entwicklungskrank-
heiten. Auch die Eintheilung der fibrigen Krank-
heiten in constitntionelle und lokale Krankheiten,
als 4. n. 5. Klasse ist vom allgemein pathologischen
Standpunkte durchaus annehmbar. H. macht nun
Doch den Vorschlag, im Wesentlichen im Anschlnss
an die Farr 'sehen Klassen die Krankheiten in zwei
grosse Gruppen zu scheiden: in präventible und
nicht^präveniible. Mit dem Ausdruck „präventibel''
oder verhtktbar ist nichts Anderes gesa^ , als dass
wir die Ursachen der so bezeichneten Krankheiten
kennen. Hätte H. die oben erwähnten drei ersten
Klassen Farr 's als präventible Gruppe den beiden
andern Klassen gegenübergestellt, so Hesse sich
nichts dagegen sagen. Allein er hat auch einzelne
Krankheiten ans Farr 's 2. Klasse (constitutionelle
Krankheiten) zur präventiblen Gruppe geschlagen.
Es besteht daher seine präventible Gruppe neben
den ätiologisch wohl charakterisirten Klassen ans
ätiologisch sehr zweifelhaften Bestandtheilen , wie
z.B. Anämie, Epilepsie, Geisteskrankheiten, wodurch
der Werth der ganzen Grnppirung beträchtlich ver-
nogert wird. Derartige allgemeine Gesichtspunkte
kdunen allerdings bei bestimmten Zwecken von Be-
dentong sein, so erwähnt H., dass er in einem Be-
richt über die Thätigkeit der Lebensversicherungs-
Anstalt die Todesursachen danach gmppirt habe, ob
das Eintreten derselben vorauszusehen gewesen
wäre oder nicht. Zu allgemeiner Anwendung scheint
die yon H. vorgeschlagene Gruppimng weniger ge-
eignet als die Farr 'sehe Klassifikation.
Der Aufsatz: trüber eine gleichartige HospiLal-
Miedh* fiihrt den Nachweis , wie ungenügend und
unfarauchbar meist die in den Hospitalberichten ge-
lieferte Statistik ist, wie insbesondere durch die will-
kflrliche Berechnungsmetbode in den verschiedenen
Berichten die wichtigste Verwerthung — eine Ver-
gUchnng der Hospitäler mit einander — unmöglich
i«t. An der Hand der Berichte zweier Kopenhagener
: Mf d. Ja,lirbb. Bil . 1 92. n ft. 2 .
Hospitäler zeigt H., dass z. B. die Sterblichkeits-
verhältuisse wegen der Ungleichartigkeit ihrer Be-
rechnung gar nicht miteinander zu vergleichen seien,
dass die Aufzählung der im Hospital entstandenen,
bei Insassen desselben sekundär aufgetretenen Krank-
heiten eine durchaus mangelhafte sei u. s. w. H.'s
Uiiiheil über die Verfasser der Hospitalberichte:
„Ein Jeder handelt eben nach seinem eigenen Kopfe
und berücksichtigt immer nur Das, was er die Menge
über sein Hospital wissen zu lassen für gut befindet ;
alles Uebrige bleibt einfach fort^' ist vielleicht hart,
aber nicht ungerecht. Der Londoner statistische
Congress (1860) hat erst auf Anregung der Miss
Florence Nightingaledie Frage einer gleich-
artigen Hospitalstatistik diskutirt und die von dieser
Dame gemachten Vorschläge, mit zahlreichen Zusätzen
erweitert, angenommen. H. bespricht ausführlich
die einzelnen Anträge und die wichtigsten Punkte
der Diskussion , er druckt die vorgeschlagenen Ta-
bellen und Schemata ab und weist die Einwendun-
gen , die man etwa wegen der Umständlichkeit und
Weitläufigkeit solcher gleichartiger Berichte machen
könnte, zurück.
Die ,y Bemerkungen über Medicinalberichte'*
beziehen sich ausschliesslich auf nordische Verhält-
nisse, wenn auch Manches von allgemeiner Bedeutung
ist. So dringt H. mit Recht darauf, dass die Medi-
cinalberichte nur hygieiniscbe Mittheilungen enthalten,
von aller Casuistik und therapentiscbeii Notizen aber
frei seien, die in die wissenschaftlichen Fachjoumale
gehören.
Die beiden Aufsätze : „über die zukünftige Aus»
bildung der Architekten^* und: f,Capt. James
Cookie Bericht über das seinerseits angewandte
Verfahren, vermittelst dessen er xoährend einer
Weltumsegelung mit dem Schiffe „Resolution"
die Gesundheit seiner Mannschaft erhielt**, bieten
manches Interessante. Es erscheint jedoch genügend,
auf den hygieinischen Standpunkt des Vfs. hinzu-
weisen, um ihren wesentlichen Inhalt ohne Weiteres
en*athen zu lassen.
Kayser.
62. System der Hautkrankheiten; von Prof.
Dr. Heinrich Auspitz. Wien 1881. Brau-
mflUer. 8. V u. 254 S. (7 Mk.)
\yer, wie der Unterzeichnete den Vf. aus seinen
klinischen Vorträgen kennt, weiss, dass er die Bahn
seines Lehrers Hebra insofera verlassen hat^ als er
die Hautkrankheiten mehr in ihre Beziehungen zum
Qesammtorganismus bringt und so dieses Gebiet der
Pathologie, welches von Hebra fast als ein in sich
abgeschlossenes Ganzes betrachtet und ausgebaut
war, wiedeinim mit dem Gesammtgebiete der Patho-
logie in Zusammenhang zu bringen bestrebt ist.
Und thatsächlich müssen wir diesen Weg als den
einzigen anerkennen, auf welchem die Wiener Derma-
tologie zu einer Weiterentwicklung gelangen kann,
den zu betreten ftlr sie ein zwingendes Bedürfniss
27
210
Dnhringy diseases of tbe skin.
sein wird y wenn sie nicht ihrer Einseitigkeit selber
zum Opfer fallen will.
Von der richtigen Erkenntniss dieser Verhält-
nisse legt das vorliegende Werk Zeugniss ab , und
wenn wir selbst dem Vf. keineswegs in allen seinen
Ansichten beistimmen können, so müssen wir ihm
doch unbedingt das Verdienst zuerkennen , dass er
der Forschung neue Gesichtspunkte eröffnet hat und
die Dermatologie auf neue Bahnen zu lenken sucht.
Arbeiten wie die vorliegende lassen sich nicht
in Kürze analysiren und kritisiren, wir würden dazu
eben so viel Spalten gebrauchen als uns Zeilen zu
Gebote stehen , und daher müssen wir uns leider da-
mit begnügen, die nackte Klassifikation, wie sie von
A u s p i t z aufgestellt ist, allein wiederzugeben. Er
theilt die Hautkrankheiten in 9 Klassen , und zwar :
I. Klasse: Einfache Entzündongsprocesse , welche
zunächst in oberflächliche Hantentzündimgen (Haut-
katarrhe) und tiefer greifende (Ebtutphlegmonen) zerfallen.
Zu den erstem gehören a) Flächenkatarrhe der Haut
(Erythem, Ekzem); b) erosive Hauikatarrhe (Stigma-
tosen) durch thierische Parasiten bedingt ; c) folliJkZiare
Hautkatarrhe (Perifollikolosen) : Miliaria alba und rubra,
Akne, Sykosis; d) Stauungskatarrhe: Ekthyma, Ulcera-
tion. Die 2. Gruppe theilt A. in a) Schichtenphlegmonen
(Combustio, Cungehitio, PseudoerysipeUis) ; b) Herd-
Phlegmonen (FumnGaluB f Anthrax, Aieppo- und Biskra-
beole) ; o) Stammgsphlegmanen (Phlebitis und Lymphan-
gitis, Erysipelas).
n. Klasse : Angioneurotische Dermatosen. Sie zer-
faUen in a) infektiöse Angioneurosen (akute Exantheme,
sowie Miliaria crystaUina, Rotz- nnd Milebrandcarbunkel) ;
b) toxische Angioneurosen (Arzneiaasschlage, Pellagra,
Acrodynie, Ergotismus); c) essentielle Angioneurosen
(Erythema multiforme und nodosum , Herpes ciroinatns,
phlyctaenoides, impetiginosus , Poliosis rhenmatica, Urti-
caria essentialiSy Acne rosacea).
III. EJasse : Neuritisehe Dermatosen, a) mit cyk'
lischem Verlaof (Zoster, Hydroa febrilis) ; b) mit acyk-
lischem Verlauf (Erythema neuriticum etc., Urticaria
neuritica, Glossy skin, Onychogryphosis, Alopecia, Leuco-
dermia, Phlegmone, Decubitas neuriticus).
ly. Klasse : Stauungsdermatosen. a) Hyperämien u.
Anämien (Cyanose, Ischaemia, Haemorrhagia , Haemo-
globinorrhoea cutis) ; b) Transsudationen (Oedema, Ele-
phantiasis Arabum, Sderema cutis) ; c) Ndtrosen (Decubi-
tus traumaticus, Gangraenaidiopathica, Asphyzia localis c
Gangraena symmetrica, Malnm perfor. pedis, Ainhum).
y. Klasse .* Hämorrhagien, traumatische und essen-
tielle (Purpura, Morbus maculosns, Scorbut).
VI. Klasse: Idioneurosen. a) SensilnUtälsneurosen
(Hyperästhesie, Anästhesie, Parästhesie, Neuralgie, Pru-
ritus, Prurigo) ; b) Mobilitätsneurosen : Cutis anserina.
VII. Klasse: Epidermidosen. h) Hyperkeratosen (Ich-
thyosis, Liehen pilaris, Hanthom, Schwiele, Clavus); b) Pa-
rakeratosen (Psoriasis, Liehen ruber) ; c) Keratolysen (Pity-
riasis Simplex und rubra, Dermatitis exfoliativa). Hierher
werden femer gerechnet die Anomalien der Haar- nnd
Nagelbildnng, sowie der Talg- nndSchweisssekretion, die
Pigmentanomalien, ferner die Warzen, Kondylome, femer
die Epitheliome und Carchiome, endlich der Pemphigus
essentialis und die Gangraena cachectica infantum.
VHL Klasse: Chorioblastosen , Wachsthnmsanoma-
lien der Lederhaut und des Unterhantgewebes. Hierher
werden gezählt: Lupus, Hanttuberknlose , Lepra, die
Syphiliden, das Bhinosklerom, femer .die eigentiiohe Ge-
schwulst, sowie endlich die Atrophien des Corinm.
IX. Klasse : Dermatomykosen»
Müssen wir es ans auch, wie schon erwähnt, ver-
sagen, auf eine eingehende Kritik dieses Systems ein-
zugehen u. die mancherlei Schwierigkeiten desselben
gegen seine Vortheile genau abzuwägen, so ktonen
wir doch nicht umhin, die grosse wissenBchafttiche
Bedeutung des Werkes an sich besonders hervom-
heben, wenngleich wir noch der Ansicht sind, dan
sich der EinfOhrung des Systems in die dennatoL
Lehrbflcher einstweilen noch praktische Bedenken
entgegenstellen dttrften. OnstavBehrend.
63. Fraotieal treatü» on diBoase« of tfaa
flUn; by Louis A. Dnhring, Med.Dr.ete.
U. Edit. Philadelphia 1881. J. B. lippin-
cott and Co. 8. 644 pp.
Der Vf. ist den Lesern unserer Jabrbfloher au
seinen zahlreichen dermatologischen Arbeiten hio-
länglich bekannt , so dass wir nicht erst beeonden
darauf hinzuweisen brauchen, dass die Stellung,
welche er in seiner Heimath als Dermatolog einnimmt
in seinen Leistungen eine Begrttndnng findet, und
das vorliegende Werk, welches nunmehr in erneuter
Gestalt vor das ärztliche Publikum tritt, den Erwtr-
tungen entspricht, welche man von dem Vf. zu hegn
berechtigt ist.
Auch in der vorliegenden 2. Auflage trägt das
Werk den Typus der Wiener Schule ; die äasaÜi-
kation schliesst sich ganz eng der Bebra 'sehen
an, während bei der Darstellung der einzelnen Krank-
heitsformen nnd ihrer Behandlung neben denOmod- :
principien der Wiener Schule auch die der englisebcD {
eine vollkommen gerechtfertigte Berficksiehtigung |
finden. Ohne auf die Einzelheiten näher einzugehes,
wollen wir hier nur kurz auf den Zuwachs hinwei-
sen, welchen das Buch erfahren hat. DasCapitel der \
Arzneiausschläge, welches in den neuesten deutscbeo
Lehrbüchern entweder wie bei Kaposi gänzlieh
ignorirt, oder wie bei Nenmann in sehr 8tief?Ste^
Hoher Weise behandelt ist, hat eine ziemlich voll-
ständige Bearbeitung erfahren, wenngleich wir ge-
wünscht hätten, dass die gemeinsamen Eigenthfimlich-
keiten aller dieser Ausschlagsformen in etwas prig-
nanterer Weise zum Ausdruck gebracht worden wi-
ren. Neu sind ferner unter Anderem die Capitel
über Pityriasis maculata et circinata, aof die wir
in einem der nächsten Hefte unserer Jahrbfleher
noch näher zurückkommen werden , über Urticaiii
pigmentosa, Tuberkulose der Haut, sowie verschie-
dene Neubildungen derselben, über Dermatitis exfo-
liativa, gangraenosa, papillaris capillitii etc., neu
ist endlich auch ein Capitel über Dermatitis eiremn-
scripta herpetiformis und Impetigo faerpetffinnnB.
Was die erstere dieser beiden Krankheitaformen be-
trifft, so ist dieselbe zuerst von N e n m a n n (Haut-
krankheiten 3. Aufl. p. 188) als eigenartiges Lei- |
den beschrieben und gegen Bebra, der ffle als
Liehen ruber auf&sste, als solches eneigiseb ver-
thddigt worden (4. Aufl. p. 347). Indessen in der
5. Aufl. p. 310 wird diese Affektion von Nes-
mann selbst als Liehen planus bezeichnet, sodaii
de von Jedem , der sie als dgenartige Enmkba^
fernerhin noch beibehalten will , neben dem Uebes
TransactioDB of the obstetrioai Society.
211
niber ihren Platas erhalten mnas , keineswegs aber,
wie Dn bring es thut, neben dem Herpes. Ob die
Dennatitis exfoliativa nicht anoh nach kürzerer oder
IlDgererZeit ein ähnliches Schicksal haben wird, wie
die vorher erwähnte Erkrankungsform, scheint Ref.
Dicht sehr zweifelhaft. OustavBehrend.
64. Transaotions of the obstetrioai Society
of London. Vol. XXII for 1880. London
1881. Longmans Green and Co. 8. LXII
and 315 pp. i)
Der neueste uns vorliegende Band der Verhand-
loDgen der geburtshfllflichen Gesellschaft, in In-
halt and Ausstattung den früheren ebenbürtig zur
Seite stehend, gestattet uns wieder einen erfreu-
lichen Einblick in die fiTichtbringende Thätigkeit
dieser von Jahr zu Jahr mehr prosperirenden Ge-
MllBchaft. Zum ersten Male werden die Ergebnisse
der Hebammenprüfung durch die von der Gesell-
Mhaft bestellte Examinationscommission mitgetheilt,
welche seit mehrem Jahren die sich zum Hebammen-
dienste meldenden Frauen nach 6monatl. Vorberei-
tangszeit einer Prflfnng unterzieht und mit Certi-
fikaten versieht. Die Gesellschaft bezweckt hier-
doreh dem in England viel beklagten Mangel an
geschulten Hebammen abzuhelfen und dem Miss-
stande ein Ende zu machen, dass jedes unwissende
Weib fflch nach Beobachtung weniger Geburten in
einem Gebärhause als Hebamme niederlässt Sie
hofft die gesetzgebenden Kreise in Kurzem dafür zu
interesslren nnd das Hebammenwesen in Bälde ge-
setzlich geregelt zu sehen. Nach der Angabe des
Dr. J. H. Aveling haben seit Beginn der Thätig-
keit der Examinationscommission im J. 1872 bis
zum Ende des J. 1879 im Ganzen 54 Frauen sieh
der Prüfung unterzogen, von denen 47 für tflchtig
befanden worden sind. Dieselben gehörten zum
gr&ssten Theile den sogen, bessern Ständen an, nur
sehr wenige der Arbeiterbevölkerung.
Den Inhalt werden wir in seinen bemerkens-
werthesten Tbeilen kurz referiren undderUebersicht
halber das Zusammengehörige aneinanderreihen.
I. Ueber 2 Fälle von Berstung der FaUopi*-
Bchmi Tuben berichtet Clement Godson (p. 2
and 82, p. 186 und 242).
Im 1. Falle, aas der Praxis des Dr. J. Kingston
Barton, handelt es sich am eine Fraa von 30 J., welche
reehtieltig, aber unter den heftigsten Sohmersen in der
Begio llhiea sin. menstrnirt worden nnd am 4. Tage anter
den Enoheianngen einer Innern Blntnng zu Grande ge-
gangen war. Bei der Autopsie fand man die Bauchhöhle
mit Bhit erfUlt, die linke Tnha Fallopii zeigte an einer
waOnaBBgroBB aasgedehnten Stelle einen schmalen, nn-
ngelmlsslgen Riss. Der Uterus war nicht yergrSssert,
■eine äussere FlSohe gesund, während die Innere ein zer-
fetetes Aussehen mit gänzlichem Mangel derDecldua dar-
bot. Die Cyste an der Tube war Vs" lang und mit einer
dünoen Membran bekleidet. Die Dicke der Tubenwan-
<hnig yartlrte zwischen Vso and Vs"» an der Stelle des
Bhiriases betrog sie sogar nur y^o**' Stellenweise fanden
iieh an der Innern Fliehe sehr grosse nmde oder läng-
Hehe Zellen, welche den Zellen der Decidua uterina im
>) Pftr die Uebersendung dankt verbindlich Wr.
Beginn der Schwangerschaft glichen; ferner fand man
Zotten ans embryonalem Zellgewebe mit Epithelbeklei-
dung. Unweit der Innenfläche der Tuba befanden sich
einige grosse vaskuläre Räume, umgeben von grossen
Embryonalzellen. In der äussern Hälfte der linken Tuba
zeigte sich eine 1'' lange, ^4^' breite nnd dicke Schwel-
lung mit eingeschlossenem grossen Blatklumpen. Die
diese H5ble aaskleidende Membran bestand aas embryo-
nalem Zellgewebe und stand in Yerbindang mit einigen
Zotten, sie stellte offenbar das Chorion vor.
Der mikroskopische Befund deutete auf Tuben-
Schwangerschaft hin, obwohl keine Spur von Embryo
gefunden wurde. Die geringe Ausdehnung der Cho-
rionhöhle lässt nur auf einen Embryo im 1. Monat
schliessen.
Im andern Falle, ans der Praxis von Dr. H.
Thompson zn HnU, handelte es sich am eine 22jähr.
Frau, Multipara, die plötzlich während der Arbeit von
Unterleibskrilmpfen befallen, innerhalb 8 Standen anter
Gollapsosersdheinnngen verstarb. Die Uterinhöhle maass
SVt" Länge, der Körper des Uterus war IV4'' lang und
mit einer Vs^' dicken Decidua bekleidet, welche sich
leicht ablöste. Die rechte Tuba Fallopii war etwa in der
Mitte sackartig erweitert (V* im grössten Dnrchm.) und
mit einem Blutgerinnsel ausgefüllt. An der vordem
Fläche des Sackes bestand ein Vio"' grosser Riss. Ein
aus der Höhle entferntes Gewebsstück zeigte deutlich die
Existenz zahlreicher Chorionzotten. Der Blutklnmpen
stand In Berührung mit der Mnskelschicht der Tuben,
ohne Zwischenlagemng von Decidnazellen. Die Wand-
dicke des Sackes überstieg nicht ^/u*'t an einzelnen
dickeren Theilen fand man mit Oylinderepithel ausgeklei-
dete, verästelte Drüsenhöhlen.
So weit aus der geringen Grösse der Amnios-
hdhle ein Schluss erlaubt ist, konnte der Embryo
kaun\ über 3 Wochen alt sein.
IL Folgenden Fall von ExtrauUrinschwanget'
schüft im 7. Monat, Entfernung des Fötus durch
den Bauchschnitt mit letalem Ausgang ^&\\ Brax-
ton Hioks mit (p. 141 — 153).
Bei der 29Jähr. Drittgebärenden wurde bei ihrer Auf-
nahme in das Qny's Hospital ein Tumor von etwa Faust-
grösse tief unten im Uterus entdeckt. Die Kr. verlies-
das Hospital, kehrte aber schon nach einem Monat zu-
rück, indem sie über starke Spannung im Leibe, Harns
zwang nnd über eine Empfindung klagte, als „wollte ihr
die Gebärmutter herausfallen**. Der Umfang des Abdo-
men hatte erheblich zugenommen, der Tnmor erstreckte
sich nach rechts zn,. von der Medianlinie bis zur Höhe des
Nabels, während er links bis zum Rippenbogen hinauf and
nach abwärts die ganze Beg. hypogastrica erfüllte. Fötale
Bewegungen konnten deutlich wahrgenommen und durch
Hicks' Kardiographen graphisch dargestellt werden. Die
Yaginaluntersnchnng ergab ein Hervorragen des Matter-
mundes, der Cervix und der hinteren Yaginalwand aus
der Vulva; der äussere Muttermund war geöffnet, der
innere geschlossen. Die am Scheidengewölbe gelegenen
Theile waren fest und unbeweglich. Die Uterassonde
Hess die Länge des Uterus als normal erkennen. Die
Leibschmerzen steigerten sich sehr, es trat Collapsus,
kalter Schweiss und Erbrechen ein, der fadenförmige Puls
erreichte eine Frequenz von 140, die fötalen Bewegungen
oessirten gänzlich und der Unterleib schwoll mächtig an.
Da anscheinend eine innere Blutung stattgefunden und
das Leben ernstlich bedroht schien, so durfte die Opera-
tion nicht länger verzögert werden. Unter strengster
Antisepsis wurde zunächst die Medianlinie unterhalb des
Nabels, wo die Geschwulst am meisten promlnirte, ge-
spalten, worauf nach Trennung des Bauchfells eine grosse
Masse dunklen, wässerigen Blutes sich entleerte. Bei
der Exploration mit dem Finger konnte man zahlreiche
dünne, na^h Unten verlaufende AdhÜsionsstränge fühlen«
212
TraDBactioiiB of the obstetrical Society.
Die Plaoenta war offenbar an die vordere Baochwand be-
festigt and die Blotung hatte innerhalb des Placentar-
ranmes stattgefimden. Nnnmehr wurde das Chorion
eröflhet nnd der abgestorbene 6Mon. alte Ffttus entfernt.
Die Stlllnng der Blntnng wurde durch einen Schwamm
bewirlLt und die Wunde hierauf bis auf iVs" Oeffiiung
geschlossen. Die Er. überlebte die Operation nur kurze
Zeit. Bei der Autopsie fand man in den oberen Partien
der Bauchhöhle die Viscera frei, unterhalb des Omentum
waren sie durch Adhäsionen befestigt und blutig inflltrirt.
Ein guter Theil von Blutgerinnseln fand sich in allen Ge-
weben, die stark untereinander und mit der Bauchwand
verklebt waren, vor. Weiter unten adhSrlrten die Dünn-
darmknäuel an dem Amnion, das sich als eine dünne
Membran, von rechts unten nach links aufw&rts, bis vor
die linke Niere erstreckte. Die sehr grosse Placenta
konnte ohne Schwierigkeit abgelöst werden, sie erstreckte
sieh vom Ligamentum latum sin. aufwärts bis zum Nabel,
adhärirte weder an Uterus, noch Blase, aber sehr stark
an dem nach allen Richtungen hin Adhäsionen bildenden
Zellgewebe; von der Plaeenta, sowie von den gefSss-
reichen Adhäsionen liessen sich starke Venen nach dem
Parietal-Peritonäum verfolgen. Durch den Einschnitt in
das parietale Peritonänm hatte man eine grosse blnt-
erfQUte Höhle in dem Placentargewebe eröAiet und so-
mit konnte sich das extravasirte Blut In die Bauchhöhle
und zwischen die Intestina ergiessen. Die Wandungen
des leeren Uterus waren etwas verdickt, er hatte efaie
kleine Achsendrehung erfahren, indem seine vordere
Fläche nach links gerichtet war. An derselben fand sich
fast central gelegen ein wallnussgrosses gestieltes Fibroid,
welches aufwärts durch einen dichten Faserstrang an dem
Dünndarm befestigt war, während es nach abwärts an
der rechten Tube adhärirte. Die Tube hatte die Dicke
des kleinen Fingers, war seitlich durch feste Adhäsionen
an den Uterus befestigt und durchkreuste alsdann die
vordere Fläche des untern Uterusendes, und endete unter-
halb der Plaoenta links von der Klase, nahe der Bauch-
wand. Sie hatte eine Länge von 9 Zoll. Das rechte
Ovarium adhärirte an den Amniossack and war von einem
grossen Corpus luteum ausgefüllt.
In der sich anreihenden Diskassion spricht sich
Routh dahin aus, dass man besser gethan hätte,
nach genauer Ermittelang der Plaoenta durch die
AnskaltatioDy die Laparotomie durch einen Seiten-,
statt eines Median-Schnitts za machen, wodurch eine
Verletzung der Placenta vermieden worden wäre.
Vielleicht wftre es selbst rathsam gewesen, anter
Umgehung des Banchschnitts, eine Morphinm-Injek-
tion in das Amnion zu machen oder den Liquor
amnii dm*ch einen Adspirator za entleeren, am Pla-
centa and Fdtas zar Schrampfung and möglichsten
Resorption za bringen, während die Knochen später-
hin den Inhalt eines Abscesses bilden würden. Ger vis
hält es in den Fällen, wo man Grund hat anzu-
nehmen, dass die Placenta ihren Sitz an der In-
cisionsstelle hat, filr rathsam, zum FOtos von der
Vagina ans vorzudringen. Barnes hätte es dagegen
ausnahmsweise in diesem Falle für zweckmässiger
gehalten, die Placenta zu entfernen und alsdann die
Blutung durch Gompression der Baaehwandangen zu
stillen.
III. Zwei sehr bemerkenswerthe Fälle von
BauehBchwangersehaft mit Vereiterung der Cyste
nnd Ausgang in Genesung beobachtete Charles
H. Carter (p. 160—172).
Die Kr., 38 J. alt, wurde am 18. Jan. 1880 in das
Fiaueuhospital , mit sehr fk^equentem Puls, trockener
Zunge und excessiver Sohmerzhaftigkeit des Abdomes
aufgenommen. In demselben war ein deutlicher Tumor
zu ffiblcD, der die Reg. bypogastrica und iliaoa sin. er-
füllte und bis 2" fiber den Nabel nach rechts sich er-
streckte. Unten war deutliche Fluktuation zu (QhleB.
Der Uterus war antCTeitlrt nnd herabgetreten , in der
Plica Douglasii war eine teigige, mit dem Abdomioal-
tumor io Verbindung stehende Geschwulst bemerkbar.
Die Kr. war seit ihrer Niederkunft vor 13 Jahren rsgel-
mässig bis Dec. 1878 menstruirt. Im Juni 1879 wiU ai«
eine Anschwellung des Unterleibs und gegen EndeAngort
Kindesbewegungen wahrgenommen haben, die aber spSter
aufhörten. Zwischen April und Dec. 1879 stellte nd
die Menstruation in 8w5chentl. Intervallen wieder ein.
Auch meinte die K>., dass der Umfang des Leibes seit
dieser Zeit nicht zugenommen habe. Am 20. Jan. be-
merkte Carter einen ZoU rechts vom Nabel einerstte
gnldengrosse Stelle, die unter dem Gebranch von KtU-
plasmen nach wenigen Tagen Hfihnereigröese erreichte.
Nach einer Incision flössen 120 Grmm. stinkenden Eiten
ab, welcher Detritusmassen, Gerinnsel n. a. m. entUsK.
Die AbscesshÖhle wurde mit einer CarboUösung anqie-
spritzt, Kindestheile konnten aber mit dem Finger nicht
darin entdeckt werden. Der Allgemeinzustand bUeb trod
der Eröffnung des Abscesses bedenklich, indem sieh aOe
Erscheinongen einer Septikämie entwickelten. Bein
Ausspritzen der Höhle am 7. Febr. traten GasbbMi
heraus nnd bei sorgsamster Sondimng der Wunde wurde
am linken untern Winkel der Cavität eine klefaie Oeff-
nung entdeckt, durch welche man eine Sonde 2" tief
einf&hren konnte und aus welcher sieh auf das Neue eiee
grosse Masse schmutzigen Eiters ergoes. Die Don^^-
sche Tasche erschien weniger gefOllt als Mher. Dz C.
bei der Sondimng am 12. Febr. die Empfindung hatte,
als ob er gegen einen Knochen stosse, erweiterte er die
äussere Wunde und entdeckte mit Hfllfe der Sonde die
Oel&iimg, nach deren Spaltung er mit dem Finger gogeo
den fötalen Schädel gelangte. Nach Incidimng der
fötalen Cyste, die nur am untern Ende nicht ander
Baachwand adbfirirte, wurde der fötale Schädel fireigelegt
nnd wegen Nachgiebigkeit der Scheitelbeine, an derDsn-
mater mit der Zange erfasat nnd eztrahirt , wobei eii
grosser Theil des Gehirns herausspritzte. Der stva
8 Mon. alte, 12'' lange Fötus war hochgradig zeisetit
Die Placenta bUeb zurück. Bei der Prfifting der Woide
konnte der Finger 2" zwischen der Cyste nnd demBanel-
fell vordringen, ohne auf Adhäsionen zu stossen. Ber
nicht adhärirende Cystentheil wurde durch Nähte zd die
Bauchwand geheftet. Die CystenhÖhle wurde tiglicb
wiederholt mit Carbolsänrelösung ausgespritzt u. mit List
ausgestopft. Am 18. Febr. sahen die Absonderungen m
der Wunde besser aus, die Nähte wurden entfernt. An
10. April war die Kr. so weit hergestellt , dass sie du
Bett verlassen kormte. Der central gelegene Uterus wir
noch etwas vergrössert, von der hintern Seheldettwzad
zum Uterus liessen sich starke Adhäsionosträoge «ali-
nehmen.
Der folgende Fan betrifft eine 34Jähr. Frau, weiche
vor 13 J. ein Kind geboren haitte und seit 3 J. Im lieibe
dne wachsende Anschwellung wahrnahm, die ihr die
Vermuthung einer Schwangerschaft erregte. Bei der
Aufnahme in das Frauenhospital Ende Juli 1879 fhod
man den etwas nach reehts geneigten Uterus vergrösBert
und vorn und hinten an der Cervix flxirt. Die Bake
Beokenseite erschien voller als die reehte. Die Bgg.
iliaea u. hypogastr. sin. war von einem Tumor erfSllt, der
die Crista ülaca um 1'' überragte. Die bimannelle Unter
suchung ergab einen Znsammenhang dieser Gesohwntot
mit derjenigen im Becken. Die Geschwulst war hart
und durch die Vaginahmtersuchung nieht deutüeh n
begrenzen. Die Temperatur nnd Pnlsfirefnenz bllebeo
3—4 Wochen hoch, fielen alsdann ab, die hänflgea Stohl-
gänge waren sehr fötide, ohne etwas Anderes darsobietea.
Da die Menses wiederkehrten und das Allgemeinbefinden
sich besserte, auch die Geschwulst im Leibe an UmM
Traii8ftcti6ii8 of the obstetrical Sodeiy.
213
ibiahm, yetfieBS die Kr. Anteng October das Hoepital.
Gegen Ende Oetober und seitdem in gewissen Interyallen
gingen jedoch fötale Knochen durch dasBectum ab. Fat.
trat daher Ende December abermals in das Hospital, wo
man bei genauester Untersuchung keine Oeffhung im
Bectum entdecken konnte, durch welche Knochen abge-
gangen sein könnten. Bis zum 1. März 1880 waren in
einzelnen Schfiben so yiel Knochen ausgestossen , dass
man fast das ganze kindliche Skelett aufbauen konnte.
Nachdem Anfang April eine Hälfte des Unterkiefers aus-
gestossen worden war, klagte die Kr. im folgenden Monat
über heftige Sehmerzen, welche durch das gezahnte Ende
eines Schädelknechens , der 3" oberhalb des Anus in
den Mastdarm prominirte , verursacht wurden. Mit einer
Knoehenzange wurden binnen iVs Std. unter Narkose
4 Schädelknoehen und eine Hippe aus dem Mastdarm ent-
fernt, woranf schnelle Beconvalescenz eintrat.
IV. Ueber Uierusfibroide liegen genauere Mit-
theiluDgen von Godson (p. 111 — 114) und J.
Kowsley Thornton vor (p. 114 — 129).
Bei der 30 J. alten Kr. Godson' s waren vor 3 J.
starke Leukorrhoe, Kopfsehmerz und Flatulenz aufge-
treten und b*ld hemaeh zeigte rieh unterhalb des Nabels,
rechts von der Medianlinie ein kleiner Knoten, der sehr
ansehnlich zunahm, so dass er sich bis zur Schamfuge
erstreckte. Der Uterus stand tief, die Cervix war nach
Unten gelagert nnd vor derselben fand sich eine resistente
Schwellung. Da das Allgemeinbefinden sehr gelitten
hatte, dieDefSkation schwierig und die Kr. auch gemnth-
lich sehr verstimmt wurde, so wollte sie unter allen Um-
ständen von dem Tumor befreit sein. Nur imgem und
auf dringendea Verlangen der Kr. entschloss sich Spencer
Wells in Gemeinsokaft mit Godson zur Exstirpation
der Qeschwnlst. Es wurde unter Spray eine 6—6'' lange
iDcision in der Medianlinie gemacht, das Bauchfell er-
5fftaet und alsdann das grosse kugelige Fibroid, das sich
mit breitem, dftnnem Stiel an den hinteren Winkel des
Fundus inserirte, aosgesohnitten, nachdem der Stiel doroh
eine WeÜ^n&he Klammer lixirt worden war. Beim An-
siehen der Klammer zur Unterbindung des Stiels riss
dieser am Insertionspunkt aus und die Gebärmutter fiel
in das Abdomen snrfick. Da die Blutung nur unbedeu-
tend war, legte 8p. W. ohne Weiteres die Nähte an,
denen er im Laufe des Tages noch eine Extranaht hinzu-
fSgen musste, da sich ein Stück Omentum durch die
Wunde hindurchgedrängt hatte. Die Heilung ging schnell
von statten, so dass die Kr. nach einem Monat ihrer
Thitigkeit wieder obUegen konnte.
Knowsley Thoroton ist ein eifriger Ver-
fechter der operativen Entfeniong der Dterusfibroide,
die den Knuiken ihre Tbätigkeit in hohem Grade er-
schweren mA das Leben vcrkflmmem, wenn aieancb
nicht immer das Leben gefilhrden. Er hofift , dass
der Hysterotomie in nicht zu langer Zeit neben der
Ovariotomie der gebflbrende Platz eingeräumt wer-
den werde. Jedenfalls ist es gerechtfertigt, bei allen
Rbroiden, die der medikamentösen Behandlung
trotzen und welche das Leben gefilhrden oder wenig-
stens die Trägerin anderPflichterftllinng verhindern,
onter antisept. Gautelen eine Ezplorativ-Operation
n machen. So lange die Tumoren nicht zn sehen
vnd zn Cnssen sind , lässt sich nicht bestimmen , ob
die Operation bis zu Ende geftihrt werden kann nnd
deshalb moss jede solche Operation zunächst nur eine
»plorative sein. Indessen hat T h. die feste Ueber-
^^ngnng', daas je grflndBcher man das Wachsthnm
dieser Tomoren , ihre Beziehongen zu dem Utems
crfonclity je Bkdierer die DifferentialdiagnoBe zwi-
schen den verschiedenen Tumoren ansfiillt, desto er-
folgreicher die Operation sein wird. Nachstehend
geben wir einen seiner beiden Fälle wieder.
Bei einer 30 J. alten unverheiratheten Kr., welche
seit beinahe einem Jahre durch I>ysurie an ihrer Thatig-
keit als Köchin gehindert ward, versuchte Th. erst die
Entfernung des Tumors, den er durch einen 4 Zoll langen
Schnitt biossiegte nnd dessen Ursprung vom an der rech-
ten Seite des Fundus uteri ermittelt wurde. Der Uterus
hatte die Grösse einer Cocosnuss , unregelmSssige Form
und glatte Fläche. Der Pedikel des Tumors war weich,
gefSssreich und im Durchmesser von der Grösse eines
Zweimarkstficics. Um denselben wurde eine starke sei-
dene Ligatur gelegt, ein mittelstarker Faden oberhalb der*
selben hiDdurchgestochen in 2 Hälften gebunden und die
Peritonäalränder des Stumpfes mit feinen Seidenfäden
genäht.
Die Operation konnte hiermit abgeschlossen wer-
den, wenn es sich nur um eine vorübergehende Hülfe
handeln sollte , dauernde Hülfe war nur zn bringen,
wenn durch Entfernung der Ovarien eine künstliche
Menopause herbeigeführt und die weitere Volumen-
zunahme des Uterus verhütet wQi*de.
Es wurden daher beide Ovarien an der Basis durch-
stechen, die Fäden in 2 Hälften gebunden und jedes Ova-
rium mit der betr. Tube entfernt. Da jeta;^ eine sehr
starke Hämorrhagie aus einem Spalt im Uternsgewebe
zwischen dem Uterus nnd dem linken Ovarium eintrat und
alle Versuche zur Blutstillung missglftckten , ja das ganze
Becken bereits mit Blut angefüllt war , so entschloss sich
Th. dazu, die geknoteten Bauchnähte wieder zu lösen und
den Uterus zu entfernen. Zu diesem Zwecke wurde eine
peitschenschnurstarke Ligatur um die Mitte des Organs,
sowie eine grosse WelUache Klammer darüber angelegt,
beide genau unterhalb der blutenden Stelle. Nach Aus-
spülung des Peritonänm wurde dasselbe wie gewöhnlich
genäht , dann Liquor ferri an den Stumpf jenseits der
Klammer gebracht und ein gew/Shnlicher Gazeverband ge-
macht. Eine grosse , tiefe Recto - Uterin - Tasche blieb,
selbst nachdem der Stumpf nach aussen gebracht war,
zurück. Das Allgemeinbefinden der Kr. blieb günstig,
die höchste Temperatur am Tage nach der Operation war
d8.2<>, die höchste Pulsfrequenz 100. Die Hälfte der
Nähte wurde nach Ablauf einer Woche, die andere Hälfte
am 12. Tage herausgezogen. Die Klammer wurde am
15. Tage entfernt und die Kr. konnte schon am 33. das
Bett verlassen. Das Gesammtge wicht der exstirpirten
Masse betrug 6 Pftmd.
Th. schlilgt ftor die Entfernung des supravagina-
len Theils des Uterus die Bezeichnung Hysterektomie
vor, nnd zwar mit Entfernung eines oder bdder
Ovarien , je nachdem der Fall es erfordert. Auch
für die operative Behandlung der breit aufsitzenden
oder wandständigen Fibroide hält Th. die Entfernung
eines oder beider Ovarien , insofern keine specielle
Contraindikation vorliegt, für angezeigt, da ohne
diese kaum eine dauernde Heilung zu erwarten ist.
Nor in denjenigen Fällen, wo die gestielten Fibroide
frei von Adhärenzen sind , genügt die Exstirpation
der Geschwfllste , welche auch völlig gefahrlos ist,
wenn sie streng antiseptisch ausgeführt wird. Bei
der Diflknssioa wurden gegen die operative Behand-
lung der ütemsfibroide mehrfache Bedenken geltend
gemacht.
Chambers (p. 159 u.187) führte die Hystor-
ektomie mit Entfiminng beider Ovarien wegen eines
voluminösen Fibrdd aus, das 9^' Im horizontalen^
ai4
TraDBactdonB of tfae obstotricid Sooieiy.
8'' im perpendiknlaren und ^^1^" im Dickeodurch-
messer maass. Der gesammte Tumor wog 10 Pfund.
V. Beobachtungen von Jahre hindurch in der
Vagina verweilenden Fremdk&rpern theilen Char-
les H. Carter und Fred. H.Daly mit (p. 34—
41).
Ein 17. J. altes anämisohes Mädchen litt eini^^e Zeit
nach Eintritt ihrer ersten Menses im 13. J. an wässerigem
fStiden Ausflnss , gegen welchen alle möglichen Medilca-
mente gebraucht wurden. Endlich gestand die Kr., dass
sie bald nach Eintritt der ersten Menstruation , nm die
Blutnng zu stillen, eine Spulein die Scheide hineingebracht
habe und dass dieselbe noch darin stecke. Ein Hymen
fand sich nicht vor. Ffihrte man den Finger zolltief ein,
so gelangte man in das blindsackfOrmige Scheidengewölbe,
dessen vordere und hintere Wand an einander adhärirten
und in welchem man ein dickes , mehr oder weniger nn-
regelmässig gestaltetes Narbengewebe fühlte. Eine
direkte Oeffnung war nicht aufzufinden , man sah Jedoch,
wenn man das Narbengewebe etwas nach oben drängte,
eine grosse Masse eitriger Flüssigkeit abfliessen. Bei der
Untersuchung per rectum fühlte man den abgerundeten
Rand der Spule. Die Kr. wurde in die Bteinschnittlage
gebracht , das Narbengewebe mit einem stumpfspltzigen
Bistouri durchschnitten , der Spalrand mit einem Haken
darauf gefasst und ohne Schwierigkeiten ausgezogen. Als-
. dann wurden die Seitenwände der Scheide incidirt , das
indurirte öewebe ausgeschnitten und die betr. Theile
durch die Finger ausgedehnt, Die Vagina war aber schon
14 Tage darauf, als die Kr. das Hospital verliess, so sehr
verengt , dass nur ein Finger eingeführt werden konnte.
Als die Kr. 2 J. später sich wieder im Hospital vorstellte,
machte man wieder einen ausgiebigen Einschnitt bis in
das gesunde Gewebe , alsdann wurde ein 5tWscher Dila-
tator von allmälig zunehmender Stärke eingelegt. Da
die Kr. sich zu verheirathen gedachte , wurde sie mit An-
weisung versehen , bei eintretender Schwangerschaft sich
kurz vor Beginn des 8. Monats zur Einleitung der Früh-
geburt einzufinden. Da der Kopf des Fötus zur gen. Zeit
trotz aller Mühen der Zange nicht folgen wollte , weil das
'Narbengewebe den Ausgang hymenartig versperrte, spal-
tete man die Narbe , während der Kopf durch die Zange
festgehalten wurde, nach allen Richtungen hin und extra-
hirte alsdann den Kopf. Bei der zweiten Geburt, die
spontan eintrat , zeigte sich der Narbenring nicht mehr
hinderlich.
Der andere von Carter allein beobachtete Fall be-
zieht sich auf eine 20 J. alte Dame , welche seit 18 Mon.
an Kreuz- und Hüftschmerz , putridem Ausfiuss aus der
Vagina, continuirlichem Hamträufeln und Amenorrhoe
litt. Bei der Untersuchung fühlte C. einen harten , un-
regelmässigen, mit vielen scharfen Kanten versehenen
Fremdkörper. Das Conkrement ragte durch eine weite
Oeffnung ans der Scheide In die Blase hinein. Die Kr.
gestand, vor 2 J. eine Metallschale in die Scheide einge-
führt zu haben. Der Fremdkörper konnte nur mit grossen
Schwierigkeiten aus der Scheide entfernt werden, well die
Scheide um den Rand der Schale fest contrahirt war und
weil die in die Blase hineinragenden , den Fremdkörper
überziehenden Phosphatmassen einen schwer zu über-
windenden Widerstand boten. Diese brachen ab und
muBsten stückweise durch den Riss an der hintern Schei-
denwand entfernt werden. Das (Gewicht des Fremdkör-
pers beträgt 6V4 Unzen, er hat eine Höhe von 2V4"i
einen Breitendurchmesser von 1*/« — 1V4"- Einzelne
Stellen haben eine V«" dicke Inkrustation. Die Rissstelle
an der hintern Seheidenwand wurde durch 9 Silberdrähte
genäht und die Fistelöffianng mit Erfolg gesehlossen.
VI. A.L. Galabin zeigte zwei mikroskopische
Präparate, welche lebenden Frauen entnommen
waren und zwei ganz verschiedene Formen von
Erosionm der Cervia uteri darstellten (p. 166. 157).
Die neuem histologischen Beobaditangen ver-
werfen die ältere Ansicht , dass das Epitheliom in
diesen Fällen immer abgestossen werde and dass die
zottigen Erhabenheiten dnrch Hypertrophie der eot-
blössten Papillen entstehen. In emem Falle fand
sieh die Erosion bei intaktem Schichtepithel sowohl
auf der dem Muttermund nächstgelegenen Seite , als
auf der entgegengesetzten. Die Hom- und Ibl-
pighi'schen Schichten wurden allmälig dflnner Ihi
zu völligem Verschwinden und die normalen Papillen
waren gänzlich geschwunden. Die Erosion ragte Aber
die umliegende des Epithels beraubte Fläche hervor
und war mit Zelldetritus bedeckt. Sie bestand ai»
einem gefässreichen Qewebe und bot annähernd den
Charakter des Embryonalgewebes dar, wie man dien
in Granulationen sieht.
Im andern Präparate war die Oberfläche nekr
unregelmässigy aber durchgehends von einer einfachen
Cylinderepithelschicht bedeckt Das Präparat, euen
Punkte entnommen , der nrsp'rttnglich mit Pfla8te^
epithel bedeckt ist, glich der Innern Fläche dei
Cervikalkanals, nur waren die zottigen Erhebungen
grösser. Das Cylinderepithel ging plötzlich in
Pflasterepithel über. 0. glaubt, dass bei allen Ero-
sionen die normalen Papillen abgestossen werden
und nicht hypertrophiren.
Oalabin legte femer mikroskopisdie Schnitte
vor zur Beleuchtung des histologischen Charakters
der Schleimhant bei Endometritis des Corpus utm,
worüber die Mehrzahl der Handbücher nichts enthält
(p. 47. 48). Das Flächenepithel hat seinen regn-
lären cylindrisehen Charakter verloren, die Zellen
wuchern unregelmässig und sind zum grossen Tbeil
abgerundet. In derselben Weise wuchert das Drflsen-
epithel und zeigt vielfache Uebergänge zn abgerun-
deten Formen. Das Lumen der Drtlflensehläuebe
ist im Allgemeinen mit runden Zellen angefüllt, jn
an einzelnen Stellen wurden überhaupt nur rande
Zellen gefunden. Im interglandularen Stroma wann
bemerkenswerthe Veränderungen nicht sicfatbir,
wahrschemlich weil das normale Stroma der Uterin-
schleimhant dem embryonalen Gewebe ohnediess
nicht fem steht.
VII. Galahin (p. 106. 107) beobachtete einen
Fall von Blasensteinbildung neben üterumorfsll
Er zeigte 12 grosse und 50 kleine Gonkremenie
nebst Griesmassen, die er bei einer 61jähr. Fnu
entfernt hatte, wdche seit 17 J. an Prolapsus steri
litt , dessen Reduktion in den letzten 10 J. unmög-
lich war. Die Vagina war complet invertirt, Binse
und retroflekiartw Utems lagen ausserhalb des Kör-
pers. Die vorliegende Masse war stark gescfawolleD
und entzündet und machte den Eindruck eines mit
Steinen geftllten Sackes. G. machte die vngionle
Lithotomie nnd entfernte die Steine , deren grOester
iVn" lang, 1 V4" breit und V* dick war. Da« Ge-
wicht der Steinmassen, welche wesentUoh aus Harn-
säure bestanden, betrug 8 Vi Unzen (ca. 360GrfflO')-
Nach Entfernung der Steine gelang die Reposition
-des Uterus. Der Meebaaismns war hier oftobar
TranutctioBS of the obstetrical Soeiefy.
215
seiff mhuthy indem die Steine , als sie noch winzig
waren , sich nicht entleeren konnten , da die Blase
gewissennaassen in eine Flasche mit oberer Mttndang
verwandelt war.
VIII. Eine Cebersicht Aber 67 im Franenhospital
zo Allerheiligen in London innerhalb 7 Jahren be-
handelte Fälle von Verlagerungen und Kniekun"
gen der Gebärmutter giebt Oraily Hewitt
(p. 173—183).
Die betr. Kr. gehörten sämmtlich den bessern
Ständen an, das Alter derselben schwankte zwischen
18 nnd 30 Jahren. In mehreren Fällen waren die
Kr. wirklich bettlägerig, in andern war die Loco*
motion sehr eingeschränkt, in noch andern waren
geringere Störungen vorhanden. Im Allgemeinen
zeigen solche Kr. grosse Schwäche, mehr oder weni-
ger Unfthigkeit zum Gehen, schlechte Ernährung,
gewöhnlich auch Debelkeit, Schmerzen beim Gehen
und Unregelmässigkeiten der Menses. Von Ante-
Version und Auteflexion des Uterus wurden 45 Fälle
beobachtet, von denen 30 ledige, 15 verheirathete
Personen betrafen , während von Relroversion und
•Flexion 22 Fälle vorkamen, unter denen 14 ledige,
8 verheirathete Personen betrafen.
In Bezug auf die Behandlung gilt als oberstes
Princip die Ruhelage, nnd zwar je nach der grossem
Neignng des ütems nach hinten oder vom zu dis-
loeiren, die horizontale Bauch- oder Rückenlage« Ein
weiteres Hauptaugenmerk wird auf die Ernährang
gerichtet, indem die Er. leicht assimilirbare Nahrang
Btflndlich oder öfters erhalten; bei zu schwachem
Magen oder starker Nansea wurden ernährende Klys-
nata verabreicht In vielen Fällen konnte man nach
einer Monate lang fortgesetzten geeigneten Nahmng
eine wesentlicbe Besserung wahrnehmen. Die gegen
& Fehllage des Uterus selbst gerichteten Maass-
legehi sind sehr einfacher Natur. In einer Reihe
der Fälle wurde die einfache Rttcken-, Bauch- oder
Knie-Ellenbogenlage als genfigend befhnden ; in hart-
näckigeren Fällen bedurfte es noch mechanischer
Stützapparate, so für Betroversionen und -Flexionen
Bodge^Bcheff für Anteversionen und -Flexionen
HewitV wAüsr Wiege-Pessarien , die viele Monate nn-
berOhrt liegen bleiben müssen. Ist der Uterus in
der Flexionslage fixirt, so wird 1 — 2mal wöchent-
M die Sonde angewendet. G r. H. hebt besonders
difiNothwendigkeit hervor, die Nahrungsverhältnisse
den Leistungen anzupassen, da der Mangel einer
zweckmässigen Nahrung namentlich die Gebärmutter
sehr zu beeinflussen scheint, so dass sie ihrer Toni-
otit verlustig geht Von hoher Bedeutung ist fer-
ner die solchen Kranken eigenthflmliche Dyskinesie,
nnter welcher Bezeichnung H. die mehr oder weni-
ger erschwerte Locomotlon begreift. Diese Er.
meiden leider oft als hysterische oder willenlose
Individuen angesehen, wobei man zu vergessen
Bcheint, dass die Anstrengung das Uebel verschlech-
ten! muss. Wegen der gewöhnlich vorhandenen Uebel-
keit pflegen sich die Ejt. noch mehr der Nahrung zu
^thalten, wodurch die aUgemeine Schwäche sich
steigert. Man bestehe darauf, dass die Er. alle 2
Stunden kleine Mengen kräftige Nahrang zu sich
nehmen. Die Menstraationsanomalien hören von
selbst auf, wenn der Uterus in Ruhe erhalten und zu
seiner ursprünglichen Form zurflckgefQhrt ist. Be-
steht eine hartnäckige Leukorrhoe, so wird diese
bald einer Drainirang der Gebärmutterhöhle wei-
chen.
Dem oben mitgetheilten Vortrag schloss sich eine
sehr lebhafte Diskussion an (p. 182—184 u. 188—
211), aus welcher wir das Bemerkenswertheste ex-
cerpiren wollen.
Gervis hält eine Monate lang fortgesetzte hori-
zontale Lage für allzu schwächend und spricht sich
gegen das lange Liegenlassen der Pessarien aus.
Bei Anteflexionen sei die Wirkung der Pessarien
überhaupt sehr begrenzt; in vielen Fällen habe er
das Bougiren des Uteras sehr bewährt gefunden. —
Barnes hält eine gewisse Thätigkeit nnd frische
Luft bei passenden Pessarien für vortheilhafter als
anhaltende Ruhe. Wo eine Strangulation der Ge-
isse und daraus resultirende Hypeiplasie besteht,
sei eine intrauterine Behandlung erforderlich. Der
Gebrauch der Sonde allein zur Reduktion des Uterus
ist verwerflich. — Routh stimmt ganz mit Dem
flberein^ was Hewitt über die Eraährangsverhält-
nisse angeführt hat, dagegen scheine ihm die an-
haltende horizontale Lage nicht räthlich, da hier-
durch Appetitlosigkeit, Schwäche nnd Hypochondrie
noch mehr genährt weisen.
Bantock spricht sich für die Wichtigkeit der
mechanischen Behandlung der Uteras-Verlagerungen
aus, da durch sie wesentlich eine Alteration des Ge-
webes herbeigeftlhrt wird. Selbst wenn die Disloka-
tion nicht das erste Stadium ist, wie bei der Retro-
version durch mangelhafte Involution des Uterus,
gehört die Aufrichtung des Uterus zu den nothwen-
digsten Maassnahmen. B. beklagt den Mangel einer
genauen Unterscheidung der verschiedenen Deviatio-
nen des Uteras in den gebräuchlichen Handbüchern,
wo namentlich Retroversionen und -Flexionen nicht
geschieden werden. Er selbst sieht die Lage und
Richtung der Oervix als maassgebend f&r die Elassi-
ficirang an; ist z. B. der Muttermund gegen das
Steissbein gerichtet und kann der Fundus in der
Plica Douglasii gefehlt werden, so besteht eine
echte Retroflexion, ist hingegen die Oemx hinter
dem Schambein und ist der Muttermund mehr oder
weniger gegen das Schambein oder selbst höher ge-
stellt, so ist Retroversion vorhanden. Indessen giebt
es Fälle, die nicht so leicht zu bestimmen sind, wie
z. B. wenn der Uterinkörper nach derDonglaa'schen
Tasche und der Mutteimund direkt gegen die Schei-
denachse gerichtet ist, also eine deutliche Concavität
nach hinten fühlbar ist, solche Fälle sind doch
wesentlich als Retroversionen anzusehen; denn presst
man die Cerrix nach hinten , so wird das Corpus
uteri in einem entsprechenden Grade zurückgehen,
bis es seine natürliche Lage annimmt. Die Frequenz
der einzelnen Deviationen entspricht nach B.'s Er-
216
Transactions ol the obsteMcal Society.
fkhningen nicht ganz den Angaben Hewitt's,
indem ihm am häufigsten Retroversion y dann Ante-
flexion, Anteversion u. Retroflexion in abnehmender
Häufigkeit vorgekommen sind. Das Hauptverdienst
um die Behandlung gebührt unzweifelhaft Hodge,
denn alle Pessarien , die man jetzt anwendet ; sind
mehr oder weniger dem Ho dge 'sehen Hebelpessa*
rinm nachgeahmt ; natflrlich fordert jeder Fall eine
der Weite u. Form der Vagina entsprechende Form
des Instruments. Ganz besonders geeignet ist der
Gebranch des Ho dg e 'sehen Pessarium bei Retro-
Version, indem es durch Zurückziehen der Gervix in
die normale Lage bewirkt , dass das Coi*pus uteri
sich im Becken aufrichtet; dagegen ist ein intra-
uterines Pessarium bei einfacher Retroveraion ent-
schieden zu verwerfen. Die Retroflexion erfordert
entschieden ein Intrauterin-Pessar nach Meadow's
Angabe y während die Anwendung der Sonde hier
durchaus unzureichend nnd nicht einmal zweckmässig
erscheint. Die Anteversion, dem Grade nach die
schwächste unter den Deviationen, bedarf auch, da
die begleitenden Symptome im Allgemeinen keine
heftigen sind, am wenigsten der Behandlung, an-
dererseits muss man aber auch gestehen , dass die
mechanische Behandlung gegen sie am wenigsten zu
leisten vermag. Die Anteflexion endlich , .die am
häufigsten mit Congestionszuständen des Uterus ein-
hergeht, erfordert ausser den entsprechenden deple-
torischen Maassregeln ein frühzeitiges Einführen der
Sonde, die man jedesmal 1 — 2 Std. liegen lassen
muss, femer bei etwaiger Verengung desOs internum
eine bilaterah Spaltung der Cervix nnd endlich bei
hochgradigen Formen Intranterin-Pessarlen. Zum
Schlüsse bezeichnet es B. als vergeblich, eine Retro-
version durch anhaltende Bauchlage bessern zu
wollen.
Matthews Dnncan hält es filr nothwendig,
zu unterscheiden , ob eine Verlagerung des Uterus
mit oder ohne Senkung besteht, da im erstem Falle
die Verhältnisse wesentlich verschieden und weniger
einfach sind als im letztem. Er halte überhaupt
die Wichtigkeit der Deviationen für erheblich über-
schätzt, da die klinischen Thatsachen durchaus nicht
die Symptome nachweisen , welche man den Devia-
tionen znr Last legt. Eine Behandlung von Devui-
üonen, die nicht durch Senkung complicirt sind , ist
ganz fehlerhaft Knowsley Thornton schliesst
sich Duncan's Ansicht an, dass nur durch Senkung
eomplicirte Deviationen, indem dieselbe eine Zer-
rong der Ovarien nnd der breiten Mntterbänder be-
wirkt, Störungen herbeiflühren. Hochgradige Retro-
oder Anteflexionen ohne Senkung verursachen dnrch
mechanische Versperrung des Cervikalkanals Be-
schwerden, denen man aber leicht durch den Ge-
brauch graduirter Sonden entgegentreten kann. Ge-
stielte Pessarien nützen gar nicht, vielmehr führen
sie oft grossen Schaden herbei.
Zum Schlüsse ergrifif GrailyHewitt nochmals
das Wort, um dem AGssverständniss entgegen zn
treten, als lasse er alle nütFlezio&en behaftste Kran-
ken unbedingt das Bett hüten, er ordne nur dne ver-
längerte Horizontallage bei wirklich bettlägerigeo
Kranken an, die andern Kranken beschränke er
nicht so sehr. Dass die Pessarien von Zdt zu Zeit
entfernt werden müssten, ist zweifellos, indeasen
halte er eine continuirllche Wirkung für weaenüieh
in Fällen, wo es sich dämm handelt, den Uterus io
der ihm eigenthflmlichen Form längere Zeit zu er-
halten, während man passende Maa^sregelo ge-
braucht , um das Gewebe zu kräftigen , dass es die
Form auch bewahrt Die gestielten Pessarien Mieo
ein ganz schätzbares Mittel, allein die andern Pesai-
rien verdienen den Vorzug. Sein Wiegepessar sei
sehr angefochten worden , er habe es jedoch st^
mit dem grössten Erfolge bei Anteversion u. -Fiexioo
gebraucht. Die mangelnden Erfolge seien den h-
stramenten zuzuschreiben, die nicht nach seineiD
Modell gemacht sind. Senkung &nd sich fast all-
gemein bei allen Flexionen vor und bedingt eines
sehr wesentlichen Theil der Störungen.
IX. Einen Fall von Chorea in der Sehican^er'
Bchaft, erfolgreich behandelt durch Dilatation dtt
0» uteri, thellt W. F. Wade mit (p. 244—60).
Die Mortalität bei Chorea der Schwängern be-
trägt nach Barnes dO<>/oy während die Sterbikh-
keit bei Chorea aus andern Ursachen nach S6e 6*/|
beträgt Die Chorea der Schwangern dauert oekt
so lange an, bis der Uterus völlig entleert ist; nur
ganz vereinzelt sind die Fälle von Romberg and
0 g 1 e beschrieben worden , in denen Chorea erst in
Folge der Entbindung auftrat und dann viele Jahre
anhielt. Die Chorea der Schwängern wird dueli
heftige Erregungen verursacht ; so sah W. bei einer
Kr., deren Chorea bei'cits gehoben, nach einen
plötzlichen Herabstürzen von Flaschen dieselbe mit
grösserer Heftigkeit als je zuvor wiederkehren, »
dass die Kr. nach 2 Tagen zu Grunde ging.
W.'b vorliegende Mittheihmg betrliR ein 19Jähr.]fU-
eben, welches wegen sehr heftiger Chorea Im 7. Mon. der
ersten Schwangerschaft in das Birmingham Hospital um-
genommen wurde. Abgesehen von einem rheamat. Fielier
(vor 2 J.) warPat. stets gesund gewesen nnd hereditlriB
keiner Weise belastet. Drei Wochen vor der AnfiMhme
waren bei ihr unfreiwillige Bewegungen anfgetretesi tf-
erst der rechten Hand, dann des rechten Beines, dais
wurde der linke Arm ergriffen , während das lüike Beii
anscheinend verschont blieb. Am Herzen war ein sehwi*
ehes systoliiohes Oerinsch hSrbar. Trots aadaaenidfla
Gebrauche von Ghlonühjdrat, Bromkalinm and KineiHi
sulph. verschlimmerte sich der Znstand, die Nächte wor-
den fast schlaflos zugebracht , die Reisbarkelt war ex-
cessiv, der ganze Körper war incontinnirlieherBewefaV'
die Spradie erschwert. Es wurde daher nnter Chioit-
formnarkose der Mnttermnnd dilatirt, im Uebrigen ^
Jede Behandlnng ausgesetzt Unmittelbar dannf folgte
erhebliche Besserung, so dass die Kr. die Nacht mit ge-
ringen Unterbrechungen durchschlief. Als nach eioigd
Tagen eine enente Dilatation des Os nteif gamaohtvvr'
den war, trat rasch so erhebliche 3e88erong auf » disB die
Kr. aufstehen und nähen konnte. Im Urin fanden ^^^
Spuren von Albumen. Die Dilatation erfolgte durch Eib-
fUining von zwei Fingern, w^cAte den Muttenooiid bb
auf 8Vs ZeU erweiterten. Die Gebort «ffelgle IM«*
«echtaeitfg ehne Wwwg.
TraDsactions of the obstetrical Society.
217
X. Ueber 3 Fälle, in denen Aehsendrehung von
(hanaliumaren Strangulation und Oangrän her^
beigefuhri hatte und durch sofortige Ovariotomie
Biilung erzielt wurde» berichtet Lawson Tait
(p. 86—103).
L.T. giebt zunächst eine Uebersicht der im Gan-
zen sparsamen Beobachtangen über die fi*agl. Affek-
ÜOD, welche in der Literatm* verzeichnet sind.
Zuerst hat Rokitansky die Strangulation der
Ovirien im J. 1841 in seinem Handbuch nnyollkommen,
spater aber genauer besehrieben und seine Angaben sind
Ton den meisten Autoren reproduclrt worden, v a n B u-
ren theilte 2 Fälle von Achsendrehung des Stiels eines
Orsrialtomors im New York med. Joum. 1850 u. 51 mit,
Patrnban publicirte einen Fall (1856), wo die Torsion
selmeil zum Tode f&hrte. Cromo zu Brooklyn beob-
achtete 1861 einen Fall, wo die Strangulation kurz vor
der Entbindung eintrat und lethal endete. W i 1 1 s h i r e
(1868) war der Brste, welcher es wagte, unter den
ikstesten Symptomen der Strangulation mit Gangrän die
Ovariotomie zu machen. Spencer Wells erwähnt,
dass unter seinen ersten 500 Fällen in 12 Fällen der Stiel
toiqnirt war, aber er spricht nicht fib^r Gangrän der Tu-
moren, welche eine Beschleunigung der Operation noth-
wendig gemacht hätte. Edwards auf Malta publicirte
1S61 ehien Fall in der „Lancet**, wo eine Frau am 4. T.
des zweiten Puerperium an einem Ovarialtumor, welcher
bereits seit der ersten Schwangerschaft her datirte, zu
Gmnde ging und wo die Obduktion eine livide purpur-
ll|se FärbOBg des Tumors ergab, mit Blnteztrayasat und
Sben in den Wandungen und der 2Vt ^o\\ lange Pedikel
iVsnal um seine Achse gedreht war.
L. T. selbst hat seine erste Beobachtung im Edinb.
ned. Joum. beschrieben. Der Fall endete tödtlich und
es fand sich in der Convexität des rechten Ileum eine
schwarze gaograaSse Masse, die sich als ein kleiner Ova-
rialtamor, aus zwei gleich grossen Cysten bestehend, er-
wies, deren eine total, die andere partiell gangränös war.
Der Tumor war 11'' lang, 4'' im Durchmesser und es
fand sich zwischen beiden Cysten eine Einsohnfimng.
Ber Pedikel war hing und dünn, machte den Eindruck
einer injicirten Nabelschnur und war 4Vimal um die
Aebse gedreht.
Thorn ton publicirte im J. 1875 einen Fall, in
welehem er im 5. Mon. der Schwangerschaft eine Ovarial-
eyste puuktirte. Am 7. Tage darauf traten die äusserst
befugen, die Strangulation sehr charakterislrenden Bauch-
achmerzen ein. Es wurde sofort die Ovariotomie ge-
sneht und der Tumor partiell gangränös gefunden, indem
der Stiel 3 Umdrehungen um seine Achse erfahren hatte.
]>te Kr. fiberlebte die Operation nur wenige Stunden.
Während des letzten Jahres hatte nan L. T. Ge-
legenheit, folgende Fälle von gangränösen Ovarial-
odsr Parovarialtumoren in Folge von Aehsendrehung
n sehen. . Im 1. Falle handelte es sich nm eine
chfache parovariale Cyste. Beim Oeffhen des Abdo-
aen zeigte sich die Cyste ganz schwarz , allseitig
MQiärent dnrch frische Lymphe, mit schwarzem In-
halt, die schwarzen Wandungen stellenweise ge-
borsten. Der Pedikel war 3- oder 4mal torquirt
imd hatte am Punkte der grössten Einschnttmng nur
die Dicke eines dünnen Bleistiftes; die Kr. genas
schnell. Der 2. Fall betraf eine 30jähr. Frau, die
aeit 9 Hon. einen zunehmenden Tumor im Leibe be-
ineikte. Der eigenthümlich ängstliche Blick, Uebel-
^cit, schwacher Puls, excessive Schmerzen Hessen
eine Strangulation des Tumor befürchten. Bei der
Med. Jahrfob. Bd. 192. £». 2.
Operation fand man eine multiloculare Cyste des
rechten Ovarium von ganz dunkler Färbung, äusserst
brüchig, mit starken Blutextravasaten in der Wan-
dung, nahe dem Stiel. Der letztere war sehr kurz,
zweimal vollkommen um seine Achse gedreht. Die
Kr. verliess nach 5 Wochen geheilt das Hospital.
Der 3. Fall betraf eine im 4. Mon. der Schwanger-
schaft stehende Frau, welche über intensive Schmer-
zen im Leibe und beständige Uebelkeit klagte. Die
Exstirpation des durch 3 völlige Umdrehungen stran-
gulirten Parovarialtumors gelang ohne Schwierigkeit
und vollkommen. Die Geburt erfolgte zur normalen
Zeit.
Eine in allen solchen Fällen gemachte Beobach-
tung ist die sehr rapide Zunahme des Leibesumfanges,
welche den Schmerzparoxysmen entspricht, ausser-
dem besteht excessive Schmerzhaftigkeit nebst Er-
brechen grünlicher Massen. Die Torsion kann bei
Tumoren jeder Grösse vorkommen , die frei beweg-
lich sind und drehbare Pedikel haben. Meist waren
die Tumoren rechtseitig und erfolgte die Achsen-
drehung von links nach rechts. Kl ob will, ge-
stützt 4iuf einige Experimente , die Rotationen des
Tumors von der abwechselnden AnfÜllung und Ent-
leerung der Blase herleiten ; L. T. möchte dieselbe
mehr mit der abwechselnden Anfüllung und Ent-
leerung des Mastdaims , vielleicht mit Betheiligung
der Blase, in Verbindung bringen; die Blase allein
muss sich ihrer centralen Lage wegen , aller Wahr-
scheinlichkeit nach, neutral verhalten. Zur Begrün-
dung seiner Ansicht weist L. T. darauf hin , dass
ein rechtseitiger Ovarialtumor mit freiem Pedikel,
der in einer gegen die Spitze der 9. oder 10. Rippe
geneigten Achse ruht , einen Körper darstellt , der
sich um die feste Achse frei bewegen, aber nicht an
ihr herabgleiten kann. Auf diesen Körper übt nun
das sich ausdehnende Rectum eine Art Schrauben-
wirknng aus, und zwar in der für die Drehung
günstigsten, d.h. schräg von oben nach unten gehen-
den Richtung, und dreht den Tumor allmälig um
seine Achse bis zur völligen Strangulation.
XI. Die Einleitung des Abortus als therapeu"
tische Maassregel wird nach Wm. 0. Pries tley
(p. 271 — 87) in den gebraucht, engl. Lehrbüchern
der Geburtshülfe nicht erwähnt, nur die Einleitung
der Frühgeburt findet in denselben auch in dieser
Hinsicht Erwähnung — ti*otz der Verwandtschaft
dieser beiden Verfahren müssen sie doch wegen sehr
anfilKlliger Unterschiede getrennt abgehandelt werden.
Denn durch Herbeiführung des Abortus, d. h. Ein-
leitung der Geburt vor dem Ende des 6. Schwanger-
schaftsmonats, wird das Leben der Frucht unbedingt
geopfert, während durch Einleitung der Frühgeburt
gerade das Leben des Kindes erhalten werden soll,
daher gilt das erstere im englischen Strafgesetzbuche
als eine strafbare Handlung, das letztere aber
nicht. Pr. kennt einzelne Fälle, wo der Praktiker
im besten Glauben gehandelt hatte und wo er doch
vor dem Strafrichter bei einer etwaigen Anzeige
28
218
Transactions of the obstetrical Society.
nicht frei aasgegangen sein würde. In dem einen Falle
wollte der behandelnde Arzt den Abortus im 2. Monat
herbeiführen^ weil die Schwangere erst einige Monate
zuvor eine selir schwere Entbindung mit completem
Dammriss überstanden habe , aus Furcht , dass der
Damm nach einem so kui*zen Intei*valle wieder zer-
reissen könnte. In einem andern Falle wollte ein
Arzt den Abortus bewirken ^ weil die Schwangere
mit Selbstmord drohte, wenn sie nicht abortirte. Die
pathologischen Zustände , welche die Einleitung des
Aboi'tus rechtfertigen, sind nach P r. folgende.
1) Eine deraii;ige, während der 1. Schwanger-
schaftsmonate deutlich erkennbare Beckenenge oder
Deformität, dass sie die Geburt eines lebenden Kindes
absolut ausschliesst , also wenn der kleinste Durch-
messer geringer als 2^1^^* ist.
2) Wenn dei* Genitalkanal durch Tumoren, Nar-
ben oder bösartige Geschwülste so verengt ist, dass
der Durchgang eines lebenden Kindes unmöglich
ist; natürlich müssen hier diejenigen Fälle ausge-
schlossen werden , bei welchen die Verengung des
Scheidenkanals durch eine Operation aufgehoben
werden kann.
3) Bei hartnäckigem Erbrechen in Folge der
Schwangerschaft, wenn die Schwäche so gross wird,
dass ein übler Ausgang prognosticirt werden muss.
4) Bei Eklampsie oder Oonvulsionen nach Er-
schöpfung aller gebräuchlichen Arzneimittel.
5) Bei nicht zu reducirender Retroflexion oder
Version der Gebärmutter , wenn sie schwere Sym-
ptome im Gefolge haben, die das Leben der Schwän-
gern bedrohen.
6) Bei schweren und unstillbaren Hämorrhagien.
7) Bei gewissen akuten und chron. Leiden,
welche duroh die Complikation mit Schwangerschaft
das Leben der Kr. auf das Aeusserste gefährden, so
bei Hydrops mit Albuminurie, Darmblutungen, Herz-
leiden mit Dyspnoe, Chorea, Retinitis nephritica und
andern mehr.
Im Allgemeinen möchte Vf. die Regel aufstellen,
dass die Einleitung des Abortus nur als gesetzmäs-
sige Operation anzusehen ist , wenn das Leben der
Mutter durch die Fortdauer der Schwangerschaft so
gefährdet ist , dass die Entleerung des Uterus das
einzige Mittel ist, um die Kr. zu retten.
In der an den Vortrag sich anschliessenden Dis-
kussion hob Barnes hervor, dass er auch bei mit
Schwangerschaft complicirtem Irresein den Abortus
herbeiführen würde, und Murnay meinte, Syphilis
sollte durchaus nicht als ein wesentlicher Grund zur
Einleitung des Abortus übersehen werden, indem bei
vorgeschrittener Schwangerschaft die sekundäre oder
tertiäre Syphilis des Mannes sehr viel leichter ver-
mittelst des Fötus auf die Frau übertragen werden
kann. Edis sprach sich dahin aus, dass der
Abortus bei unstillbarem Erbrechen erst eingeleitet
werden solle, nach genauer Erforschung des Verhal-
tens der Cervix. Bei Granular-Erosionen sei die
Applikation von Stypticis oder Kaosticis, oder eine
partielle Dilatation der Cervix zu versuchen , um so
mehr, als die Cervix in der ersten EÜÜfte der Schwan-
gerschaft durch Ecrasement entfernt werden kann,
ohne dass dieselbe dadurch nothwendig unterbrocheD
wird.
XII. lieber den durch den Krebs der Becken-
Organe veranlassten Schmerz und dessen Erleieh'
terung durch Morphium machte Francis H.
Champneys (p.5 — 31) einige Mittheilungen, ge-
stützt auf 50 in dem Zeiträume von März 1878 bis
Nov. 1879 im St. Bartholomäus-Hospital beobaeh-
tcte Krebskranke. Er stellt 14 Tabellen auf, ids
deren ersterer sich ergiebt, dass die Frequenz der
KrebsfUle im Alter zwischen 30 u. 40 und 40 nnd
50 Jahren eine gleiche ist, nämlich je 15, während
über das 70. Jahr hinaus kein Fall beobachtet worde.
Tabelle 2 enthält die Anfangssymptome, unter denen
Schmerz allein in 2 6^/0 der Fälle, Schmers mit
gleichzeitiger Hämorrhagie in 16<^/o, Hämorrhagie
allein in 16<^/o, Schmerz mit gleichzeitigem Ausfloai
in 40/0 der Fälle beobachtet wurden. Die weiten
Tabellen handeln von der Dauer des Schmerzes, ?oi
der Coincidenz der lokalen Leiden nnd des lokalen
Schmerzes, die nur in 2% d^^ ^^^^ zatraf, von der
Qualität der Schmerzen nach der Schilderung der
Kr., von der Zeit, in welcher der Schmerz am mä-
sten empfunden wurde (ausschliesslich in der zwettea
Hälfte des Tages) und endlich von dem Einflüsse der
Blutungen auf den Schmerz. Aus der letzten Tabelle
ist hervorzuheben, dass bei mehr als der Hälfte der
Kr. die Intensität der Schmerzen nach der Blntong
erheblich vermindert wurde. Zur Bekämpfung des
Schmerzes wurde ausschliesslich Morphiam verwandt,
und zwar hypodermatisch Ye GInin, per recton
Vs Oran oder per os Via ^i^° [be^* O.Ol; 0.03;
0.005 Ormm.]. In 10 Fällen erwiesen sich die b-
jektionen am wirksamsten, dann erst die innerlicheD
Gaben, am geringsten die Mastdarmsappoeitorien;
in 3 Fällen erwies sich das Mittel per ob wirksamer;
in toto brachten die hypodermatischen Iqjektionea
in 14 Fällen, die innerliche Ordination in 4 FlUa
nnd die Suppositorien nur in 1 Falle weeraäicbe Er-
leichterung , Nausea wurde mehr durch die sobeota-
nen Injektionen erzeugt. In einem Falle von an-
haltendem Erbrechen in Folge der subcutanen In-
jektion von ^/e Gran Morphium brachte die Hinso-
ftlgung von Vis Oran [0.005 Grmm.] Atropia
prompte Stillung desselben nnd steigerte die be-
ruhigende Wirkung des Morphium.
Xin. k]&^jiviJamaicagebrauehtes»sekrvnii'
sames Galactagogum rtlhmt Izett W.Anderson
(p. 31— -34) einen Aufguss der Blätter der Baum-
wollstaude, und zwar der langfaserigen Sea-Idand-
Baumwolle (Gossypium barfoadense L.). Es werdea
6—8 trockne oder frische Blätter mit einer Tasse
siedenden Wassers gebrUht nnd diese Menge wird
mehrmals täglich verbraucht. Der Geschmack aoU
durchaus nicht unangenehm sein. A. versichert, bei
verzögertem Eintritt der Absonderung der Uleb,
bei sparsamer Absonderang überhaupt; oder aaefa
r
Transactioos of the obstetrical Society.
219
vorher reichlich vorhandener stets gute Wu*kang ge-
sehen zu haben, jedoch nar während der ersten 4 —
5 MoD. nach der Entbindung. Ob die von ihm be-
nntEte Spedes des Gossypinm die Eigenschaft, die
Thätigkeit des Uterus anzuregen, besitzt, wie diess
Wood von der Rinde der Wurzel des 6o8sypium
herbaoenm U. S. angiebt, vermag H. nicht zu sagen.
Er hält es jedoch ftlr wahrscheinlich, dass die galak-
tagoge Wirkung durch die innigen Beziehungen
zwischen Gebärmutter und Brüsten zu erklären sei.
Auch kleine, öfter wiederholte Gaben von Seeale
durften daher nach ihm dieselbe Wirkung haben.
Ein Liquor Goset/pii corticia ist in die Pharmako-
poe der Ver.-St. von Nordamerika aufgenommen.
XIV. Eine graphisclie Darstellung der fötalen
Bewegungen giebt Braxton Ilicks (p. 134 —
141).
Setzt man ein nach dem Principe derKardiogra-
phen constmirtes Instrument leicht auf die gespannte
Bauchwandung einer in der Rückenlage befindlichen
Sehwangem, so erhält man ausser den Respirations-
carven kleine zwischengeschobene Curven, welche
von den Bewegungen des Fötus herrühren. Die
plötzlichen Stösse des Fötus werden durch eine plötz-
liche Ansteigung der Curve angezeigt , ebenso wie
die plötzlichen Bewegungen der Glieder der Mutter,
während das langsame Umwälzen des Fötus im Ute-
rus sich durch eine allmälige Erhebung der Curve
ond ebensolches Sinken kundgiebt. Diese fötalen Be-
wegungen können am besten nach dem 5. Mon.
wahrgenommen werden. Welchen Werth diese gra-
phischen Darstellungen haben, vermag Hicks zur
Zeit noch nicht anzugeben , nur möchte er hervor-
heben, dass auch bei einer Extrauterin-Sch wanger-
Schaft die fötalen Bewegungscurven deutlich zu
flehen waren.
XV. Hinaichtlich der Rotationsbewegungen beim
Gebrauch der Zange spricht sich Prof. Stephen -
Bon m Aberdeen (p. 217 — 235) dahin ans, dass
die verschiedenen Modifikationen der Zange aus der
o|pem Zeit keineswegs als wesentliche Verbesserun-
ansoMhen seien. Vielmehr sei zu wünschen,
man sieh der Zange in ihrer gewöhnlichen Form
afeh femer bediene und alle Mühe darauf verwende,
ilre Gebranchsmethode zu verbessern nnd die Prin-
dpien ihr» Handhabung in Uebereinstimmung mit
den nenem Erfahrungen des Geburtsmechanismus
bringe. Als eine allgemeine Regel sei festzuhal-
ten, dass, mit der Traktion in der Richtung der
Beckenaohse, der Zange stets eine solche Bewegung
gegeben werden muss, dass der Kopf seine natur-
gemässen Drehbewegungen auszuführen im Stande ist.
1) FUcAon u. Extension. In der Mehrzahl der
Fälle wird beim Gebrauch der Zange nur auf die
Drehung des Hinterhaupts nach vom Rücksicht ge-
nommen, während die Flexion und Extension des
Kopfs unbeachtet bleibt. Das Hinterhauptende be-
wegt sich in einer gegebenen Zeit durch einen gros-
sem Raum als das frontale Ende. Ist der Kopf nun
in der Zange fest eingekeilt nnd übt man einen di-
rekten Zug aus, so werden beide Enden durch einen
gleichen Raum hindurchgeführt und das Vorrücken
des Kopfes wird oft gehemmt durch den Mangel
eines hinreichenden Flexionsgrades. In gewissen
Kopfstellungen ist schon, wenn nur der Kopf sich
bei bewegen kann , der einfache Zangenschluss ge-
nügend, um die Flexion des Kopfes zu steigern ; ist
der Kopf stärker fixirt , so brauchen nur die Griffe
fest aneinander gepresst zu werden. Drehbewegun-
gen müssen immer mehr oder weniger mit den Trak-
tionen verbunden werden, wobei die Sagittalnaht als
Richtschnur dient, indem der Zug aus der Richtung
der Beckenachse in eine leichte Curve übergeht, und
zwar f&r die Flexion am Stirnende der Sagittalnaht,
für die Extension am Hinterbauptsende.
2) Drehung des Hinterhaupts nach vom und
seitliche Obliquität des Kopfes. — Diese beiden
Drehungen finden gleichzeitig statt , wenn der Kopf
unter der Einwirkung des Beckengrnndes steht, und
zwar ist die letztere eine wichtige Componente der er-
stem und ist durchaus nicht zu übersehen, wenn
man den natürlichen Mechanismus ganz begreifen
will. Es ist aber unmöglich für den Kopf, diese
Bewegungen auszuführen, wenn er dicht von den
Zangenblättern umfasst .wird , es muss vielmehr ein
leichtes Gleiten desselben zwischen den Blättern
statthaben können. Bei den Schädellagen mit dem
Occiput nach vorn kann diese Bewegung durch eine
Flexion und seitliche Drehung der Zange ohne di-
rekten Zug bewerkstelligt werden. Bei den Schädel-
lagen mit dem Occiput nach hinten muss die Flexions-
bewegung allein gebraucht werden, bis man die hin-
tere Fontanelle erreichen kann. Die Rotation des
Hinterhaupts nach vorn kann nur bei Hochstellung
der Stim erfolgen, ein Druck gegen die Stirn nach
aufwärts vor und während der Traktion kann hier
von Nutzen sein. — Ist die Flexion vollendet , so
muss man durch eine hinreichende Traktion das
Stirnbein unter den Einflnss der vordem Becken-
wand bringen, gleichzeitig die Zange um ihre Achse
rotiren und die Griffe leicht gegen die Seite an-
ziehen, an welcher das Occiput liegt.
3) Rotationen um den Schambogen. Während
des Durchgangs des Kopfes unter dem Schambogen
und damit gleichzeitiger Annäherung der Zangen-
griffe gegen den Leib der Mutter, muss auch der
Zange eine entsprechende Drehung gegeben werden,
um zu bewirken, dass die Sagittalnaht aus einem
schrägen, mehr und mehr in den geraden Durch-
messer hmeiurückt.
4) Drehung um die Achse der Zange. Als
allgemeine Regel kann man annehmen, dass eine
leichte Achsendrehung der Zange den natürlichen
Geburtsmechanismus sehr unterstützen kann. Die
Wirkung soll eine derartige sein, dass immer nur
ein und dieselbe Seite herabsteigt und sich durch
einen grössern Raum bewegt als die andere.
5) Rotationen bei verengtem Becken. — Bei
verengtem Becken ist der Hebel der Zange über-
230
Transactioiis of ihe obstetrical Sociefy.
legen, weil er prompter und mit grösserer Sicherheit
die Drehbewegungen des Kopfes herbeiführt. In
diesen Fällen moss sehr sorgfältig ermittelt werden,
in welchem Beckendurchmesser der Kopf liegt, wel-
cher Grad der Flexion und Extension desselben vor-
liegt, und ob das vordere oder hintere Parietalbein
tiefer im Becken steht. Steht der vordere Theil
tiefer, so ist zuerst eine leichte Extensionsdrehnng
räthlich , ohne dass man aber eine gr(tasere Kraft^
darauf verwendet, denn der Kopf tritt nicht gänzlich
durch Extension herab, vielmehr folgt eine Flexion
immer darauf. Bisweilen erhebt sich das Stirnbein
wieder, während es in andern Fällen in derselben
Ebene verharrt. Alsdann muss die volle Kraft zu
einer Flexionsdrehung in Anwendung kommen , je-
doch nicht als Kreisbogen mit dem Radius der Zange,
man erhält vielmehr durch eme combinirte Traktion
und Rotation, wobei die Traktion un Verhältniss des
bestehenden Flexionsgrades überwiegt, ein verschie-
denes und grösseres Kreissegment. Kann man nun
die hintere Fontanelle leicht erreichen und fühlt
man, dass ne sich dem Mittelpunkte des Beckens
nähert, so ist die Flexion vollständig. Steht der
Kopf gänzlich im Beckeneingange, so muss eine
leichte Drehung um die Zangenachse gemacht wer-
den, so dass das Hinterhaupt sich entweder nach
vom oder nach hinten dreht. Steht das vordere
Seitenwandbein tiefer, so muss das Ocdput dne
Drehung nach vom erhalten , das Occiput aber nach
hinten gedreht werden, wenn das hintere Parietal-
bein tiefer steht.
Durch die geeigneten Drehungen ist man wenig-
stens im Stande , die Einkerbungen des Kopfes bei
verengtem Becken, wenn auch nicht ganz zu ver-
hüten, so doch wesentlich zu mildem.
XVI. Den Schluss unsrer Mittheilungen mögen
die mannigfachen beschriebenen und demonstrirten
MisBbildungen bilden.
Harvey. Hilliard zeigte (p. 8) eine emköpßge
Doppelmissgeburt vor, deren Körper bis unterhalb des
Nabels verschmolzen, darunter aber deutlich ausgebildet
sind. Der einfache Kopf sitzt auf 4 Schultern, nur zeigt
sieh ahi Besonderheit ein drittes Ohr zwischen 2 Hinter-
hauptsbeinen. Die Mutter hatte bereits 8mal geboren,
das eine Kind mit Hydrocephalus, das andere mit Hypo*
spadie.
F. S. Eve demonstrirte (p. 74—78) eine Doppd-
missgeburty welche nach Foersterals Dicephaku dibra-
chius zu betrachten ist. Die Köpfe sind gut entwickelt,
die deutlich gesonderten Wirbelsäulen conyergiren, zwei
wohlgebildete Kreuzbeine liegen nebeneinander. Eine
gemeinsame grosse Thoraxhöhle ist vom durch ein ein-
faches Stemum begrenzt, an welches die Clayiculae und
Bippen normal sich ansetzen. An der hintern Wandung
ist der Zwischenraum zwischen den convergirenden Wirbel-
säulen durch einfache rippenähnliche Knochen ausgef&llt,
die mit den Wirbeln beider Seiten artikullren. Die rechte
Zwerchfellhälfte fehlt und die entsprechende Thoraxhälfte
enthält Magen, Pankreas, Milz, einen Theil der Leber
und den ganzen Dfinndann der rechten Seite. Magen,
Milz und Pankreas der linken Seite liegen normal unter-
halb des Diaphragma. An beiden Seiten der Wirbelsäule
finden sich 2 Paar Lungen, die nicht in getrennten Pleura-
höhlen gelegen sind. Die Herzen sind verschmolzen, das
der linken Seite ist fast normal, dagegen ist die Ent-
wicklung des rechten gehemmt. Zwei grosse Yenes-
Systeme, entsprechend der obem und untern HohWeae,
entleeren sich in ein grosses, beiden Herzen gemeinssmM
Atrium. Dieses oommunicirt durch eine unten und Uiiks
gelegene Oeffhung mit dem rechten Ventrikel des Unk«
Herzens. Die Atrio-Ventrikular-Oeffbung ist nur mit
einer ehizigen grossen yordern Klappe versehen, imUebri-
gen ist das linke Herz normal. Das linke Atrium, welches
nur das Blut aus dem linken Lungenpaar anftümmt, vt
vom gemeinschaftlichen Vorhof durch ein dünnes p«fo-
rirtes Septum getrennt. Das rechte Herz, welehes der
rechten Seite des linken anhängt, besteht aas einem ^•
fachen kleinen Ventrikel mit einer Art Bulbus Aortie.
Der Ventrikel communlcirt durch eine grosse, mit eiser
Klappe versehene Oeffhung mit dem vorher beschriebeaea
gemeinschaftlichen Atrium. Der Ventrikel steht oben
durch 2 kleine nebeneinander liegende klappenlose Oflf^
nungen mit einem den Bulbus Aortae vorstellenden Mndul-
schlauch in Verbindung. Der Bulbus Aortae geht md
aufwärts und rechts und giebt die Aetta und PnfaDoaal'
arterien, die beide mit Klappen versehen sind, ab. Du
rechte Herz bietet ein ausgezeichnetes Analogen mit den
der Fische, mit Ausnahme des Ampfaioxus.
Ohalmers legte im Namen des Dr. M'Laariii
eine toeibliehe Doppelmissgebnrt aus dem 7. Monst tot
(p. 166—66). Es existirt nur ein Kopf mit seitHeheB
Gesicht, der Mund führt in einen doppelten Schlond.
Beide Körper, mit gut entwickelten GÜedem verseha,
sind vom in der Gegend des einfachen Nabels duroh eis
gemeinschaftliches Integument verbunden.
Godson legte den Gipsabgnss eines mit groBser
Encephaiocele geborenen Kindes vor (p. 131—33). Der
Schädel ist klein und namentlich in der Frontalgegend
mangelhaft entwickelt. Eine weiche, abgeplattete kuglige
Masse hing mit dünnem Stiel an dem obersten Theil des
Scheitels. Der Tumor war mit missCarblger Grehiramb*
stanz erfüllt, welche an der Oberfläche normale Windim«
gen zeigte. Der Stiel der Geschwulst ging durch die
vordere, nicht sonderlich vergrösserte Fontanelle. Die
prolabirte Masse entsprach den obem und hintern Ab-
schnitten der Hemisphären, und zwar zum giössera Tbeil
der linken Gehimhälfte.
Matthews Duncan berichtet (p. 237 — 39) fiber
ein hydrocephalisches Kind mit Armstümpfen und Defor-
mität der untem Extremitäten. Die Arme machen den
Eindruck, als seien sie im Uteras amputlit, der rechte
misst l>/4" und hat am untern Ende zwei kleine fleiacbige
Knoten, deren einer etwa die Dicke einer Babenfeder bat
und V4" l&ii? ^^t während der andere die Dicke eines
grossen Nadelkopfes hat und Vs" lang ist. Diese Knoten
haben durchaus keine Aehnlichkeit mit einem Finger.
Der linke Stumpf misst 2V4" nnd stellt aogenscheinlich
den numerus vor, an dessen äusserm Ende ein sehirfer
Knochenvorsprung sich in der Richtung des Radius wv
Vs'' Länge markirt, welcher von einem d&nnenjmd-
tellerartigen Hautlappen bedeckt ist. Die Schenkel sind
kurz, flektirt, nach aussen rotirt nndadducirt Der rechte
Fnss ist ein Varo-eqninus , der linke ein hochgradiger
Yalgo-calcaneus.
Culver James demonstrirte ein Aneneq)kMä'
Monstrum aus dem 7. Monat (p. 241—43.) Der obere
Theil, die Seiten, Stim und hinterer TheU des Schidek
fehlen, wie auch die Vertebralbögen bis zu den Schalter
blattwinkeln. Es besteht völliger Defekt des cerebio-
spinalen Nervensystems. Die Schädelbasis u. der Wirbel-
kanal sind mit einer in das allgemeine Integnmeot fiber
gehenden Membran bedeckt. Am vordem TheO der
Schädelbasis, zu beiden Seiten der Medianlinie finden sieh
kleine pulpOse Massen ohne nachweisbare NervenzeQea.
Das Gesicht ist tief unten zwischen den Schulten ge-
legen und die Haut des Kinnes geht unmittelbar in die
des Stemum fiber. Die Augen sind gross und pronüneBt
Poole stellte ein 4Jähr. Mädchen mit einer cesgeBi-
talen Dislokation beider Hüften (p. 814) vor. Dieie Ab-
Hauthner^ Vorträge. — Mendel^ die Manie,
221
Dormitat xelgte sich erat, als das Kind zn gehen anfing,
iodem man bemerkte, 'dass es hinkte nnd dass das reehte
Knie beim Stehen nach vom gebengt war. Die Messung
Abb Beines Yon der Spina ant. snp. bis znm Knie ergab
reelitB Vt" mehr als links. Beide Pfannen waren fehler-
haft und die Schenkelköpfe bewegten sieh beim Gehen
anf- ood abwärts.
Do ran demonstrirte 2 Präparate von Beckeneinge-
weiden, in welchen eine congenitale Communikation zwi-
idm dem Rectum und dem Traetus uro-genitalis bestand
(p. 79—8«).
Das erste stammt aus einem männlichen Kinde, wel-
diem beim Leben Mekoninm durch die Urethra abgfaig,
bd Yollständigem Mangel des Anus. Das Kind starb
6Mon. alt Das Rectum war stark dilatirt und dleMuskel-
wand hypertrophisch. Ein Sphinkter lag oberhalb der
Smtrittsstelle des Rectum in die Urethra, gerade unter
lir Mfindnng des Ductus ejaculatorius.
Das andere Präparat stammt aus einem 11 J. alten
Mädchen, welchem 14 T. nach der Geburt Fäces durch
äe Vagina abgingen. Im 10. Jahre wurde Pat. in das
Banaritan-Hospital aufgenommen, wo man eine Masse
▼OB :nces, welche eine gemeinschaftliche Cloake ver-
stopften, entdeckte. Anfangs gelang die Entleerung der-
selben, allein sie verstopfte sich immer wieder auf's Neue,
echlfisslich trat eine Parametritis, Decubitus ein und die
Kr. erlag. — Die Autopsie eiigab, bei Unversehrtheit der
Hamorgane und der äussern Geschlechtsorgane, dass
Vagina und Rectum in der Vulva munden, Jedoch durch
einSeptum getrennt sind, welches unten, Vs" ^oi> ^^^
Nymphen entfernt, in einen scharfen Rand ausläuft. Das
Orificium rect. ist erheblich weiter als das der Vagina.
Die Urethra mundet normal imVestibnlnm, der Sphincter
recti extemus ist deutlich ausgeprägt. Die Vagina ist ge-
krfimrot und ist 2" lang und Vi" breit. Eine Portio
▼aginalis ist nicht vorhanden, das Os ext. ist sehr klein,
nur für eine Haarborste durchgängig. Der Uterus ist
IVi" lang, der Fundus Vs" breit. Blase, Urethra und
Ureteren sind ganz normal. Lasch.
65. Vortrage aus dem Gesammtgebiete der
Augenheilkunde für Studirende ti. Aerzte ;
von Dr. Ludwig Manth'ner, k. k. Univ.-
Prof. in Wien. Neunies Heft: Glaukom
(p. 1 — 116 des 2. Bandes der ganzen Folge).
Wiesbaden 1881, J. F. Bergmann, gr. 8.
Auch in diesem Hefte ^) beknndetVf. sein grosses
Talent^ schwierige Themat» inklarer, dabei äusserst
anziehender und anregender Darstellung dem ärzt-
lichen PnbUknm vorzutragen. Denn nicht an den
Specialisten wendet er sich vorzugsweise, sondern
an den Praktiker überhaupt , in dessen Händen das
WoU und Wehe so vieler Augenkranker liegt, damit
sie zdtig genug dem Specialisten überwiesen wer-
den können. Bei keiner Augenkrankheit aber ist
eine rechtzeitige Erkenntniss wichtiger als bei dem
Glaukom. Wenn v. Graefe in einer seiner ersten
Publikationen das Verlangen stellte, dass jeder Prak-
tiker die Iridektomie machen müsse , ebenso wie er
eine Hernie operire — so sind wir jetzt von der Er-
ftUung dieses pium desiderinm fast femer als damals
nnd haben uns nur redlich abzumühen , die diagno-
stischen Schwierigkeiten zn überwinden. Auf eine
sehr genaue Symptomatik kommt es daher dem Vf.
*) Vgl. Jahrbb. CLXXXm. p. 804; GLXXXVI.
p.lll u. CLXXXIX. p. 101. wegen der Besprechung der
Mhem Hefte.
ganz besonders an , namentlich auf eine Daretellnng
der allerersten Anfknge des Uebels, nnd es ist daher
auch der Anamnese und den subjektiven Angaben
des Kr. eine sehr eingehende Besprechung ge-
widmet. Nach dem Vf. ist die Statuirung eines
sogen. Prodromalstadium nicht zum Heile des Kr.
erfolgt, für ihn giebt es nur leichte und schwere
Anfalle. Die Krankheit ist eben, wenn sie sich ein-
mal zeigt, Glaukom von Anfang an.
Dass Mauthner unter den neuen Gegnern der
Iridektomie die erste Stelle einnimmt, wurde in
nnsern Jahrbüchern schon wiederholt bei Gelegen-
heit der Referate über die Glankomfrago erwähnt.
Wo möglich noch entschiedener tritt er in der jetzt
vorliegenden Publikation für die Sklerotomie ein.
Er verwirft die Iridektomie zwar nicht durchaus und
erkennt freudig die epochemachende Ermngenschaft
V. Graefe 's an, aber er bestreitet entschieden die
Nothwendigkeit , auf diesem Standpunkt stehen zu
bleiben. Mit schneidender Schärfe weist er die An-
nahme zurück, dass durch die Iridektomie etwa 95^0
der Operirten dauernd vor Erblindung bewahrt wur-
den, und entwickelt aufS. 100 — 110 die Gründe,
aus welchen die Iridektomie viel öfter, als man
zuzugeben geneigt ist, von Misserfolgen begleitet ge-
wesen. Geissler.
66. Die Manie» eine Monographie von Dr. E.
Mendel, Docent in Berlin. Wien u. Leipzig
1881. Urban u. Schwarzenberg. gr. 8. VUI
u. 196 S. (4 Mk.)
Vorliegende Arbeit, deren Excerpt, von dem-
selben Autor bearbeitet, in der E u 1 e n b u r g 'sehen
Real-Encyklopädie (Bd. VIII. p. 567) unter „Manie''
verzeichnet steht , führt sich mit einer historischen
Einleitung und dem daraus entwickelten Resultate'
ein, dass die Autoren im Wesentlichen zwei verschie-
dene Anschauungen vertreten. Die eine derselben,
hauptsächlich von Schule betont, iässt die Manie
nur als ein Stadium einer Geisteskrankheit gelten ;
die andere sieht • in ihr eine besondere Foim der
Geistesstörung. Auf dieser Seite steht neben G r i e -
Singer der Verfasser, der es unternimmt, den Be-
griff „Manie** klinisch zu entwickeln.
Um dieses Ziel zn erreichen, führt Vf. im zweiten
die Pathologie der Manie behandelnden Capitel zu-
erst die typische Manie mit ihren 4 Stadien vor:
1) das Initialstadium; 2) das Stadium der Exalta-
tion; 3) das Stadium des Furor; 4) das Stadium
decrementi. Das erste und meistens auch das letzte
Stadium zeichnet sich durch hypochondrisch-melan-
cholische Stimmung aus, die beiden andern Stadien
sind nur nach der Intensität der übrigens nicht diffe-
renten Erankheitssymptome von einander getrennt.
Fünf Krankheitsgeschichten illustriren das eingehend
geschilderte Bild der typischen Manie.
Unter den alsdann abgehandelten Varietäten der
Manie begegnen wir einer bemerkenswerthen Neue-
rung. Es ist dieses die Einführung der Hypomanie
^
222
Mendel, die Manie.
einer aboiiJven Form der Manie, die nach einem nur
schwach angedeuteten Initialstadium das Bild des
Maniakaiischen in abgeblassten Farben darstellt und
in 2 — 5 Monaten nach einem leicht melancholischen
Stadium decrementi mit Genesimg endet Dieses
sowohl, wie andererseits die Meinung des Vfs., dass
der Mania sine delirio und der Manla transitoria die
Existenzberechtigung abzusprechen sei, bedingt ge-
wiss einen ziemlich tiefen Schnitt in die bisherige,
der Psychiatrie geläufige und in der forensischen
Medicin vielfältig verwendete Nomenclatur. Mit je-
nen wird auch die chronische Manie, die ausschliess-
lich Fälle von Blödsinn begreife, bei Seite gelegt.
Dahingegen finden neben der Hypomanie noch die
Mania hallucinatoria, M. gravis (Delirium acntum)
und M. periodica ihren Platz, und werden diese
nach einander ausführlich, sowie durch mehrere
sorgsam ausgearbeitete Krankengesciuchten erläutert
zur Sprache gebracht.
Im dritten, der specieUen Symptomatologie ge-
widmeten Capitel findet man unter den Anomalien
der psychischen Funktionen voran eine Abhandlung
über Sinnestäuschungen. M. fand diese in 80^/o
seiner Fälle von Mania typica , fast immer in der
periodischen Manie u. selten nur in der Hypomanie ;
75% der Maniakaiischen hatten Gesichtstäuschungen,
nur 50^/o Gehörstäuschungen. Auch die Anomalien
des Gemeingefühls und die der intellektuellen Ge-
fühle ( W u n d t) , dabei die des Geschlechtstriebes,
des Triebes zum Genüsse geistiger Getränke (Dipso-
manie als solche wird nicht zugelassen), des Triebes
zu sammeln, zu stehlen, zu vagabnndiren finden ihre
Erörterung.
Bei der Steigerung der Denkthätigkeit soll der
Satz gelten, was der Geist an Schnelligkeit gewinnt,
büsst er an Tiefe ein, jeder Fall von Manie aber sei
mit einem Delirium ausnahmslos expansiven Charak-
ters verbunden. Für das Personenverwechseln wird
ein Delirium palingnosticum und metaboUcum ein-
geführt, oder vielmehr einzuführen versucht.
Nachdem der Steigerung der geistigen Bepro-
dnktionskraft und der Trübung des Selbstbewusst-
seins Erwähnung geschehen, wird die Stimmung der
Maniaci abgehandelt. [Wenngleich dem Vf. darin
beizupflichten ist, dass man von einer eigentlichen
Manie gaie und Amoenomanie lieber nicht reden
solle, so mnss doch als wichtig anerkannt werden,
dass mancher Maniacus nur selten und für kurze
Augenblicke aus seinem zornigen Affekt , der feind-
seUgen Stimmung , der aggressiven Haltung gegen
seine Umgebung herauskommt, während ein anderer
immer lustig, neckisch, läppisch auftritt, ohne kaum
einmal aus seiner Hanswurstrolle zu fallen. Und,
was noch interessanter ist , der Kr. bringt die vor-
herrschende Stimmungslage gar oft aus seinem ge-
sunden Vorleben mit herüber. Ref.].
Vnievien Anomalien der eomaiüclien Funktio'
n«n wäre hervorzuheben, dass die vonFränkel
gefundene gesteigerte Sensibilität der Sohädebähte
(Rhaphalgia crauii) für viele Kr. bestätigt wird. '
Sodann ist es bemerkenswerth , dass Vf. während
des erregten Zustandes der Manie eine Abnahme des
Phosphorsänre-Gehalts des Urins gefunden hat
Die Aetiohgie der Manie, die im 4. Capitel zur
Besprechung kommt, ist die der Psychosen Aber*
haupt und wird darum nicht weitläufig erörtert
Dass die Manie besonders häufig im jugendlicheQ
Alter, zumal bei Kindern (Berkhan), sodann vor-
herrschend zwischen dem 20. und 30. Lebensjahre,
weiterhin immer seltener und äusserst sparsam im
Greisenaltcr vorkommt, ist eine Thatsache, die zwar
feststehend, aber ihrer tiefer liegenden Ursache naek
gegenwärtig nicht zu erklären ist. Ebenso steht es
mit der Wahrnehmung , dass die Manie weder im
Delirium akuter Krankheiten, noch in den Psychosea
nach Gelenkrheumatismus, Typhus, Variola, ScarU-
tina etc. eine Rolle spielt, dass sie anderersdts mit
Herzleiden gepaart häufig vorkommen soll.
Als Ausgänge der Manie werden im 5. Capitel
aufgeführt : 1} Heilung , und zwar nach dem Vf. ia
ca. SQO/o I eine Ziffer , die, wie Ref. beOrchtet»
kaum durch umfassendere Statistiken eine allgemein
gültige Bestätigupg finden dürfte ; 2) Heilung mit
Defekt ; 3) maniakalische VenUcktheit ; 4) sekoa-
därer Blödsinn ; 5) der Tod , beiläufig in 5% ^^
Fälle. Bemerkenswerth ist die Fettembolie in dea
Lungen als Todesursache, welche von Jelly beob-
achtet worden ist.
In Bezug auf die patholog. Anatomie sagt Vf.,
„dass die Manie eine Krankheit ist, für die wur bis-
her ein pathol.-anatom. Substrat im Gehirn nicht
haben entdecken können^ — ein Aussprach, den
mancher Irrenarzt am liebsten wohl an die Stelle
der Definition setzen möchte, die der Vf. emige Sei-
ten weiter von der Manie giebt, „dass die Manie
eine funktionelle Himkrankheit ist, die charakterisiit
ist durch die krankhafte Beschleunigung des Ablaofs
der Vorstellungen und der krankhaft gesteigerten
Erregbarkeit der motorischen Hirnoentren.** In der
That, so lange die pathol. Anatomie der Manie m
weisses Bbitt Papier ist, wird sich Derjenige, wel-
cher mit dem Vf. ^der Manie" eine ausreichend be-
grenzte und fundirte Krankheitsgruppe zuerkennen
will, an jener Definition genügen lassen müssen.
Das 8. Capitel giebt die Diagnose, zuerst zwi-
schen Manie und organischen Hirnleiden, namentlieh
der allgemeinen Paralyse, eine im Anfangsstadinm
derselben häufig sehr schwierige Aufgabe. Alsdann
kommen die Intoxikationspsychosen, sowie andere
funktionelle Psychosen in Bezug auf die Dififorential-
Diagnose zur Besprechung; besonders genau aus-
geführt ist die Unterscheidung der einfachen Manie
von der periodischen und cirkularen. Der Diagnose
reiht sich die Prognose an , welche ftlr die Manie
unter allen geistigen Störungen die günstigste ist,
so günstig speciell flir die Hypomanie, dass Vf. in
sänmitlichen von ihm beobachteten Fällen Heüoag
eintreten sah.
Hofmann, gerichtliche Medicin. — Miscellen.
223
Zuletzt kommt die Therapie zur Bespi'echung.
Keinem Kr. soll die Anstalt so noth wendig und nütz-
lieh sein, wie dem Maniakalischen. Von der Behand-
long mit der Digitalis (ausser bei Complikation mit
Herafehler), dem Bromkalium, der Elektricitftt, auch
von dem Opium sah Vf. keinen Nutzen. Bader je-
doch, namentlich prolongirte und hydriatische Ein-
wicklnngen, diätetisch aber roborirende Verpflegung,
speciell Milchdiät werden empfohlen. Vf. will ausser
mit Chloralbydrat auch mit Hyoscyamin Beruhigung
der Kr. erzielt haben. Fttr die Behandlung der pe-
riodischen Manie empfiehlt Vf. Ergotin-Einspritzun-
gen, verwirft hingegen die viel gerühmte Morphium-
Thmpie.
Wir haben uns bemüht , einerseits das hervor-
ragend Wichtige, andererseits das dem Vf. Eigen-
thflmliche kurz zu skizziren. Die Manie, losgelöst
von den andern Psychosen-Gruppen, monographisch
80 behandeln, ist ein Unternehmen , das nur getheil-
ten Beifall finden wird. Was das Specielle des
Werkes betrifft, so müssen whr auf das Original
selbst verweisen, dessen klare und bündige Sprache,
sowie seine tadellose Ausstattung es recht lesens-
werth erscheinen lassen. W. Zenker.
67. Lehrbuoh der geriohtliohen Hedioin,
mit gleiehmäseiger Berücksichtigung der deut'
scheti u. österreichischen Gesetzgebung; von
Dr. Edaard Hofmann, k. k. Gerichtsarzte,
0. ö. Prof. d. gerichtl. Medicin u. Landgerichts-
anatom zu Wien. Zweite vermehrte u. verbes-
serte Auflage mit 95 Holzschnitten. Wien n.
Leipzig 1881. Urban u. Schwarzenberg. gi*. 8.
Xn n. 867 S. (18 Mk.)
Die Vorzüge des fragl. Lehrbuchs der gerichtl.
Medicin sind so allseitig anerkannt und auch in nn-
sem Jahrbüchern (Bd. CLXXXIV. p. 112) bei Be-
sprechung der ersten Auflage gebührend hervorge-
hoben worden, dass ein näheres Eingehen auf die-
selben ganz unnöthig erscheint. Es kann sich viel-
mehr nur darum handeln, die Vollendung der zwei"
ten Auflage zur Eenntniss unserer Leser zu bringen
und die Vorzüge derselben vor der ersten kurz an-
zudeuten.
Dieselbe wird mit vollstem Rechte als eine ver-
mehrte bezeichnet, denn abgesehen davon, dass durch
comprcsseni Druck wesentlich an Raum gewonnen
worden ist, ist auch die Seitenzahl um 53 gestiegen.
Unter den Verbesserungen aber ist vor Allem die
Beigabe eines nach den neuesten einschlagenden Arbei-
ten bearbeiteten Ueberblicks über den gegenwärtigen
Stand der Psychiatrie und ihrer forensischen Anwen-
dung hervorzuheben, welcher Vfs. Absicht, dem prakt.
Oerichtsarzte die wichtigsten Grundlagen für ein-
schlägige Untersuchungen zu bieten und dieconkrete
Begutachtung zu erleichtem , in jeder Hinsicht er-
füllen dürfte. Femer sind zu erwähnen zalüreiche
Ergänzungen der einzelnen Capitel, wobei nament-
lich die vielfachen Untersuchungen, welche Vf. selbst
seit dem Erscheinen der ersten Auflage angestellt
hat u. die zum grösstenTheil in unsem Jahrbüchern
erwähnt worden sind , eingehende Berücksichtigung
gefunden haben. Als den Werth des Buches er-
höhend ist endlich noch die grössere Anzahl der
casuistischen Mittheilungen, sowie die Beigabe zahl-
reicher Abbildungen zu erwähnen, wobei noch darauf
hingewiesen werden mag, dass durch Seiten-Ueber-
schriften die Uebersicht sehr erleichtert worden ist.
Die Ausstattung des Werkes verdient alle An-
erkennung; der Preis desselben ist im Verhältniss
zu dem Gebotenen als massig zu bezeichnen.
Winter.
D. Süscellen.
1.
^ die gerichtliche Median wichtige Entscheidungen
des Reichsgerichts,
I. Die verehelichte Louise W. zu B., welche seit
Jahren das Gewerbe als Hebamme betreibt, ohne appro-
l^itt za sefai, war wegen fahrlässiger Tödtnng nach § 2S2
des Str.-Q.-B. verartheilt worden, weil sie den Tod eines
H Tage alten Kindes durch Fahrlässigkeit verschuldet
^^^1 und zwar indem sie die Aufmerksamkeit, zu wel-
^tt sie vermöge ihres Gewerbes besonders verpflichtet
^) aas den Augen setzte. Das Kind war in Folge von
^abelblatnngen verstorben, als deren Ursache das un-
^weckmässige und ordnungswidrige Verfahren der Ange-
'l^Cten zu betrachten war, welche die Nabelschnur, an-
"^tt sie 3 Zoll vom Nabel ab doppelt zu unterbinden und
■^viBeheD den unterbundenen Stellen zu trennen, dicht
*nB Hidi»ebinge abgeschnitten hatte. In dem Revisions-
Antrage der Angeklagten war ansgeffihrt, es sei nicht
festgesteUt, dass dieselbe die Möglichkeit des eingetrete-
nen Erfolges nach den Umständen hätte voraussehen kön-
nen u. mfissen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit far
einen durch Fahrlässigkeit herbeigeführten Erfolg, setze
aber die Möglichkeit einer Vorstellung von dem Eintritt
der Folge voraus. Speciell ward noch hervoigehoben,
dass bei der Angeklagten eine besondere Verpflichtung
zur Auftnerksamkeit nur dann hätte angenommen werden
dürfen, wenn sie als Hebamme approbirt wäre.
Der H. Straf-Senat des Reichsgerichts hat jedoch
am 10. Mai 1881 das landgerichtl. Urtheil bestätigt. An
sich enthalte die Feststellung, dass die Angeklagte durch
Fahrlässigkeit den Tod des Kindes verursacht hat , zu-
gleich die Feststellung der Möglichkeit einer Vorstellung
von der Cansalität ihres Ebindelns. Indem das Gesetz
die Fahrlässigkeit nicht als solche, sondern nur in Ver«
224
IGaedileii.
blndnng mit einem eingetretenen strafrechtswidrigen Er-
folge unter Strafe stellt, fordert es nicht blos ein fahr-
lässiges Verhalten in abstracto und einen ursächlichen
Zasammenhang zwischen demselben nnd dem Erfolge,
sondern zugleich eine subjektive Verschuldung in Bezug
auf den yerursachten Erfolg. Es ergiebt sich diess daraus,
dass die Frage, ob eine Folge durch Fahrlässigkeit her-
beigeführt ist, nur mit Rucksicht auf die Individualität
des Handelnden, insbesondere seine Befähigung, sich un-
ter den gegebenen Umständen den eingetretenen Erfolg
als möglich vorzustellen, geprüft werden kann. Bei ent-
gegenstehender Auffassung wurde diu mangelnde Intelli-
g«nz ohne wirkliche Verschuldung die Strafbarkeit be-
gründen. Die letzte Ausführung der Revisionsschrift an-
langend, so kommt es nach dem Wortlaute des § 222 des
Str.-G.-B. nur auf den Betrieb des Gewerbes, nicht auf
die Berechtigung zum Betriebe an; die mangelnde Be-
rechtigung könnte vielleicht als Strafschärfungs-, niemals
aber als Strafaufhebungsgrund in Betracht kommen.
(Leipziger Tageblatt U.Anzeiger. Mittwoch, den 10. Aug.
1881.)
n. lieber die „Strafbarkeit des Versuchs eines Ver-
brechens mit absolut untauglichen Mitteln** sind die Ju-
risten bekanntlich verschiedener Ansicht. Während die
Einen, die Objektivisten, den Thatbestand des Versuchs
als nicht vorhanden ansehen, wenn die dabei gebrauchten
Mittel gänzlich unzulänglich und unfähig gewesen sind,
den beabsichtigten Erfolg herbeizuführen, betrachten die
Andern, die Subjektivisten , den «Dolas" zur Begrün-
dung des Begriffs des verbrecherischen Versuchs auch
bei absolut untauglichen Mitteln als hinreichend. Die
Aeotsche Reiche- Gesetzgebung hat die Frage als eine
offene behandelt und ihre Beantwortung der Wissenschaft
und Praxis überlassen.
Das deutsche Reichsgericht hat seine. Ansicht über
diese Frage bei Gelegenheit eines Falles von Versuch der
Abtreibung der LeibesiVucht ausgesprochen. Derselbe
war von einem Frauenzimmer nnd ihrem Verführer aus-
geführt worden, und zwar mittels ganz ungefährlicher
Mittel, welche die beabsichtigte Wirkung weder hatten,
noch haben konnten. Die verbrecherische Absicht bei-
der stand Jedoch ausser Zweifel.
Der Strafgerichtsfall war aus Würtemberg an das
Reichsgericht als Revisions-Instanz gelangt, vor dem
ersten Strafsenate des Reichsgerichts verhandelt und end-
lich an die vereinigten Strafsenate zur Entscheidung ver-
wiesen worden. Nach langer Berathung haben dieselben
(Sitz, vom 24. Mai 1880) den Beschluss gefasst, dass die
Revision zu verwerfen sei u. die Beklagten in die Kosten
zu vemrtheUen seien.
Somit hat die Ansicht der Subjektivisten die Obei-
hand behalten. (Vjkrschr. f. ger. Medicin u. s. w. N. F.
XXXV. 1. p. 80. 1881.)
2.
Als einen Beitrag zur Kenntniss des Treibens der
Kurpfuscher entnehmen wir dem Corr.-Bl. d. ärztl. Kreis-
n. Bez.-Ver. imE. Sachsen XXXI. 10—83. 1881) folgende
aus der pharmaceutischen Zeitung entlehnte Notiz.
^Der als Bandwurmvertilger bekannte Hellkünstler
Richard Mohrmann und sein Compagnon, der Eisenbahn-
beamte Richard Lohmannj hatten Bich kürzlich in der
Revisions-Instanz vor dem Strafsenate des KammergeiicMB
wegen Uebertretung des Gesetzes vom 3. Jnli 1876, betr.
das Hansirgewerbe, zu verantworten. M. bat allerdings
vom Polizei-Präsidium zu Berlin im J. 1879 einen Legiti-
mationsschein erlangt, wonach es ihm erlaubt ist , Haus-
mittel zu verschreiben (nicht zu verkaufen), nnd hat f5r
diesen Geschäftsbetrieb auch einen Gewerbeschein gelöst
— nicht aber sein Compagnon L., welcher bei seinen n
Kurzwecken unternommenen Geschäftsreisen, die er, der
Anklage nach im Auftrage und als Theühaber des M. bb-
temahm, nur die beglaubigte Abschrift der dem letzten
vom Berliner Polizei-Präsidium ertheilten Erlanbniss tk
Legitimation seiner Kurthätigkeit bei sich führte. Ab
nun L. im Januar 1881 in Wesel seinem Gesehäfte obUig,
erhob der dortige Amtsanwalt auf Grund des vorerwähn-
ten Sachverhalts gegen L. die Anklage: im Umherziehen,
d. h. ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassoog
und ohne vorherige Bestallung in eigener Person, »«kfiiMt-
liche Leistungen, d. h. Entfernung des Bandwurms''*
öffentlich feilgeboten zu haben, ohne im Besitze eioes
Gewerbe-Legitimationsscheins zu sein. Gleichzeitig wurde
auch M. angeklagt, den L. mit der Ausübung der vorbe-
zeichneten strafrechtlichen Handlung für seine Rechnoag
beauftragt zu haben. — Das Schöffengericht zu Wesel
verurtheilte hierauf auch den L. wegen Zuwiderhandefa»
gegen die Vorschriften über den Gewerbebetrieb im um-
herziehen zu 96 Mark Geldstrafe, dem doppelten Betrage
der Jahressteuer des Gewerbes, sprach aber den M. fini,
weil es nicht für bewiesen erachtete, dass er den L.
beauftragt habe. — Die Amtsanwaltschaft legte hleigegei
Berufung ein, worauf das Landgericht zu Duisburg waA
den M. zu 96 Mark Geldstrafe, event. 16 Tagen Haft ve^
urtheilte. — Das Kammergericht wies die hiergegen eia-
gelegte Revision zurück. **
Die Redaktion des Corr.-Bl. macht hierbei auf eise
Erklärung M.*s aufmerksam, worin derselbe, durch kei-
nerlei Strafverfahren eingeschüchtert, dem Knrpfiischer-
thum ein probates Auskunftsmittel , um Conflikte mit der
Obrigkeit zu vermeiden, an die Hand giebt und zuglddi
der Ehre des ärztlichen Standes eine schwere Sohädigoag
zufügt . Nach einer Mittheilung des Hm . Dr. K o 1 o s s e r
ist nämlich im neuesten Prospekte Mohrmann's die An-
deutung zu finden : wenn die den Apothekern im J. 1876
gewährte Erlanbniss, sein Bandwurmmittel ohne Ifitirä-
kung einer approbirten Medicinalperson zu verabreidhen,
in Folge der über ihn eingelaufenen vielseitigen B^
seh werden vom k5n. Minist, des Innern zurückgezogen
werden sollte, »werde er sein Geschäft mit einem appro-
birten Arzte, die sich ihm zu zwanzigen angeboten, ge-
meinschaftlich machen.*
Wir können nicht umhin, darauf hinzuweisen, weiek
betrübenden Eindruck es macht, dass ein Knrpfnseher
nicht wegen seiner Pfhseherei — sondern wegen eioei
Verstosses gegen das Gewerbegesetz bestraft wird ! Asi
der andern Seite aber sprechen wir den Wunsch ans, dses
ein vom Staate autorisirter ärztlicher Verein die nöthigeo
Schritte thuen möge, damit der M. wegen der in dem
Prospekte enthaltenen Verleumdung des ärzQ. Staades
zur Verantwortung gezogen werden könne. W r.
JAHRBÜCHER
der
in- UDd ausländischen gesammten Medicin.
Bd. Id2.
1881.
M 3.
A. Auszüge.
1. Medicinische Physik, Chemie und Botanilc.
555. Heber Sauerstoffbestinimung ; von
Fr. X. Zeitler. (Sitzber. d. phys.-med. Soc. zu
Erlangen Heft 12. p. 135. 1880.)
Z. hat auf Veranlassang des Pnv.-Doc. Dr.
Weyl in Erlangen Versuche darüber angestellt,
a) wie viel Sauerstoff von einer Lösung von Pyro-
gallol in EalUauge absorbiii; wird, und b) ob ein
Znsammenhang zwischen dem Sauerstöffgehalte des
Wassers und der Menge der organ. Substanzen be-
steht, welche in demselben enthalten sind.
Bei seinen Versuchen benutzte Z. das von
Schtttzenberger (vgl. Ber. d. deutsch, ehem.
Ges. 1879. p. 1774) angegebene Verfahren, wel-
ches im Wesentlichen auf der Reduktion einer Indigo-
l96ung beruht, deren Titre durch Vergleich mit einer
ammoniakal. Eupferlösung von bekanntem Gehalte
an Kupferoxyd festgestellt ist, mittels hydroschwef-
ligs. Natr. im sauerstofifreien Räume. Nachdem
aas dem GeßUse, in welchem die Titrirung ange-
stellt werden soll, durch einen Wasserstof&trom
alle Luft verdrängt und die titrirte Lösung von In-
digoblau zu Indigoweiss reducirt worden ist, wird
die auf den Sauerstoffgehalt zu prüfende Flüssigkeit
nnter Luftabschlnss in den Apparat gebracht, wobei
sich das Indigoweiss sofort wieder zu Indigoblau
oxydirt. Wird nun die titrirte Lösung von hydro-
schwefligs. Natr. so lange tropfenweise zugesetzt,
Us an Stelle der blauen Farbe eine gelbliche Fär-
bung eingetreten ist, so lässt sich der Sauerstoff-
gehalt aus der verbrauchten Menge des Reduktions-
mittels leicht berechnen.
Wur glauben, dass der fragl. Gegenstand auch
vom Standpunkte des Arztes aus, namentlich für
bygiemisehe Zwecke, von Wichtigkeit ist. In Bezug
auf die genauem Angaben über die zahlreichen von
Med. Jahrbb. Bd. 198. Hft. 3.
Z. über die beiden oben angegebenen Fragen ange-
stellten Versuche, müssen wir jedoch auf das Original
verweisen und uns darauf beschränken, die von Z.
selbst als Ergebniss aufgestellten Sätze wiederzu-
geben.
a) Aus einer von Z. nach seinen Versuchen zu-
sammengestellten Tabelle ergiebt sich, dass Pyro-
gallussäure in alkal. Lösung eine sehr bedeutende
Menge von Sauerstoff absorbirt.
Bewegte, d. h. in langsamem Strome durch eine
Lösung von Pyrogallol in Kalilauge streichende Luft
verliert ihren Sauerstoff fast vollständig, während
sie durch die Lösung tritt.
Die Grösse der Absorptionsfilhigkeit zeigt sich
abhängig von dem Concentrationsgrade der ange-
wandten Kalilange. Das Absorptionsvermögen des
Pyrogallol steigt bei stärkeren Concenti*ationsgi*aden
der Kalilauge, nimmt aber bei einer gewissen Con-
centration wieder ab. Von einer Lösung von Pyro-
gallol in Kalilauge von 1500 spec. Gew. wird
weniger Sauerstoff absorbirt, als unter gleichen Ver-
hältnissen durch eine Lösung von geringerem spec.
Gewichte. Wahrscheinlich wird das Pyrogallol bei
zu starker Concentration der Kalilauge rasch zer-
setzt.
Nach diesen Thatsachen erscheint das Pyro-
gallol, gelöst in Kalilauge von 1025 bis 1050 spec.
Gew., überall da als Vorlage empfehlenswerth, wo
es sich um den Abschluss des Sauerstoffs der um-
gebenden Luft von Reagentien handelt.
b) Ueber die Beziehung der Menge des Sauer-
stoffs und der organ. Substanzen, welche das Wasser
enthält, hat Z. 10 Versuche angestellt, und zwar mit
Wasser aus der Wasserleitung, aus verschiedenen
Brunnen , zum Theil amtlich als ungeniessbar be-
29
226
I. Medicinische Physik, Chemie a. Botanik.
zeichnet 9 ans dem Schwabachflusse vor und nach
dem Strömen durch die Stadt, sowie auch mit ein-
facher und filtrirter Jauche aus einem Graben in der
Nähe des Kanals. Bei allen diesen Versuchen er-
wies sich die Schützenberger'sche Methode als
sehr brauchbar; ausserdem wurde unter Berflcksich-
tigung der Temperatur und des Barometerstandes,
zum Nachweis des Gehaltes an organ. Substanzen
Lösung von Kali hypermangan. , zur Bestimmung
der Härte des Wassers Seifenlösung benutzt. Das
Ergebniss dieser Versuche enthält folgende 2 Sätze.
Ein geniessbares Wasser enthält im Liter circa
3.5 — 4.5 Cctmtr. Sauerstoff in Lösung; doch bietet
der Sauerstoffgehalt keinen sichern Maassstab für
die Geniessbarkeit.
Die Sauersto£fmenge scheint abhängig zu sein
von der Menge der im Wasser enthaltenen organ.
Substanzen , mit zunehmender Menge der letzteren
der Sauerstoffgehalt im Allgemeinen abzunehmen.
(0. Naumann.)
556. Ueber dieEntstehnngwelBevonChon-
drin und Glutin aus den EiweiBskörpem;
von A. Danilevsky. (Med. Gentr.-Bl. XIX. 29.
1881.)
Schon längst zweifelte man nicht mehr daran,
dass Chondrogen und Qlutinogen, resp. deren Modi-
fikationen Chondrin und Glutin, sich aus höheren
oder echten Eiweissstoffen bildeten ; doch war ihre
Entstehungsweise bisher ganz unbekannt. Vf. glaubt
nun, dass es ihm gelungen sei, aus dem Casein und
Syntonin Körper darzustellen, welche dem Chondrin,
bez. Glutin zum mindesten äusserst nahe verwandt
sind und welche er deshalb Chondronoid und Olw-
tinoid nennt.
Das Chondronoid stellte er aus Eieralbumin oder
besser aus fettfreiem Casein dar, indem er dasselbe
in so viel verdünntem Alkali löste, dass Tropäolin
000 Nr. 1 (vgl. Das. 1880. p. 929) nur eben gut
freies Alkali anzeigt, und dann die FIfissigkdt unter
Zusatz von Pankreatin-Glycerinlösung bei 35® za-
nächst dem Verdauungsprocess flberlless. Hinsicht-
lich des weitem Verfahrens müssen wir auf das
Original verweisen. Vf. erhielt schlflsslich dnen be-
sonders auf Spirituszusatz deutlich hervortretenden
gallertigen Körper, dessen wässerige Lösung Reak-
tionen zeigte, welche denen des Glutin sehr äha-
lich waren, insbesondere, gleichwie das Glutin, bis
9<)/o Asche aus Ca, Mg und PO4H8 hinterliess.
Das Glutinoid stellte Vf. dar, indem er rdnes
Muskelsyntonin, nach Tropäolinanzeigen, mit einem
ganz kleinen Salzsäureüberachuss in viel Wasser
löste, filtrirte und mit viel Glycerin-P^«nlö8ang
bei 35^ der Peptonisirung überliess. Dnrch geeig-
netes weiteres Verfahren erhielt Vf. zuletzt gleich-
falls eine Gallerte. Vergleicht man deren wässerige
Lösung mit deijenigen des Pepton, des GMn und
des oben beschriebenen Chondronoid, so ergiebt sichj
dass das Glutinoid sich scharf vom Chondronoid^
noch schärfer von Peptonen und Eiweisskörpen
unterscheidet und dem Glutin sehr nahe verwandt
erscheint. Die Entstehung des Glutinoid, sowie
auch des Chondronoid ans den entsprechenden Pep-
tonen, wird von Abspaltung, unter Andern der
Tyrosin- und Inositgruppe, begleitet. Vf. verspricht
weitere Mittheilungen. (0. Naumann.)
567. Der Eisengehalt in Leber und MQs
nach verschiedenen Krankheiten ; von Dr. Hans
Stahel in Zürich. (Virchow's Arch. LXXXV. 1.
p. 26. 1881.)
Zur Bestimmung des Eisengehaltes in den ge-
nannten Organen hat Vf. eine Methode, bei welcher
die getrocknete Substanz mit ENO3 und EsCOg ge-
mischt geglQht wird, als die sicherste und zwed^-
mässigste gefunden. Nachfolgende Tabelle zeigt
den Gehalt an Eisen in je 100 Grmm. getrockneter
Substanz.
Nr.
Ge-
Bchlecht
Alter.
Jahre
Anatomische Diagnose
Leber
Milz
I.
M.
64
11.
M.
24
ni.
M.
74
IV.
K.
32
V.
M.
42
VI.
W.
67
vn.
M.
3
VTTT.
M.
51
IX.
—
—
X.
W.
45
XI.
W.
60
XII.
w.
35
Myelogen -lien. Leukämie; Magengeschwfir ; Ma-
genblatong.
Ausged. Verbrennung 4. Grades; starke Blutong
in den Magen ; Anämie.
Leichte PachTmeniDgitis ; Anämie des Gehirns;
Fettherz ; Anämie flberhanpt ; Milztnmor ; Hy-
drothorax.
Schädelbasisfraktnr ; Zerreissung der Art. mening.
med. sin.
Grosse Risswunden am Kopfe; Sternumfraktnr ;
im Herzen n. den grossen Gefässen viel Blnt.
Ascites; Hydrothorax; Fettherz; infantiler Kehl-
kopf; Marasmus.
Tracheotomie ; Dlphtheritis ; Pneumonie.
Hämorrhagie in die Medulla oblong. ; Hypertrophie
des Herzens ; ven&se Hyperämie der Unterleibs-
organe.
Herzverfettung; Bronchitis; Pleuritis; Muskat-
nnssleber.
Pnenmon. Lnngengangrän ; ohron. Nephritis.
Hemiotomie; Lungenhjrperämie ; Atrophie der
Bauchorgane ; Marasmus.
Empyem; Pneumothorax; katarrh. Pnemnonie;
Muskatnussleber ; hochgradige Abmagerung.
0.102
0.0318
0.614
0.167
0.201
0.076
0.0415
0.044
0.038
0.048
0.0329
0.2528
0.091
0.217
0.268
0.062
0.138
0.084
0.125
0.06S
Herz
0.0255
Blnt
GaUe
GnoB.
Fe
0.114
0.127
0.115
Sporen
0.060
n. Anatomie u. Physiologie.
227
Hiemflcb fand sich der grösste Gehalt an Eisen
in der Leber eines an An&mie Verstorbenen (Falllll),
Dftmllch 0.614 anf 100 Grmm. getrockneter Substanz.
Addirt man znrVergleichung zu der nächst höchsten
Zahl (Fall V, Leber) die Quantität Eisen^ welche in
lOOGnnm. getrocknetem Blut gefunden wurde (XI),
80 erhält man 0.328 Eisen, also wenig mehr als die
Hälfte der in der Leber des Anämischen gefundenen
EiseDmenge. In der Milz (III) kamen auf 100 Grmm.
§;eti'ockneter Substanz 0.091 Eisen. Die Leber dieses
ÄDämischen enthielt also 6mal mehr Eisen, als die
Milz. Nach Vf. ist es sehr unwahrscheinlich, dass
die grosse Eisenmenge dieser Leber von der Zufuhr
eisenhaltiger Arzeneien (der Kranke hatte 10 Tage
hiodorch Tct. Bestusch., 3mal täglich 20 Tropfen u.
Ferr. reduct. genommen) herrühre, weil 1) Nasse
nach Monate langer Fe-Ffltterung keine Anhäufung
deaselben in der Leber fand, 2) nach Bistro w und
Hamburger solches Eisen sehr bald in den Se-
uni Exkreten sich zeigt , endlich 3) bei Vf. unter
10 Fällen blos in 3 der Eisengehalt in der Milz
geringer, als der in der Leber war (I, UI, VI).
Normale Organe wurden in 2 Fällen (IV u. V)
untersucht ; bei ihnen würde der normale Fe-Gehalt
der Leber zwischen 0.167 und 0.201 liegen; der
der Milz zwischen 0.217 und 0.68.
Die Blutanalysen vom X., XI. und XII. Fall
stimmen überein bei X und XII.
Die Meinung einiger Autoren, dass die Blut-
menge allein den Eisengehalt der Organe bedinge,
wird nach Vf. in erster Linie durch Fall III, aber
auch durch Fall V widerlegt, wo der Fe-Gehalt der
Leber ebenfalls grösser ist, als die im Blut gefun-
denen Mengen (auf das Volumen berechnet).
Im X. Fall, wo in ein und derselben Leiche das
Eisen in Blut, Herz, Milz, Leber und Galle bestimmt
worden war, nahm der Eisengehalt in erwähnter
Reihenfolge der Organe ab. In der Galle fand es
Vf. , im Widerspruch mit De Joung, in Spuren
oder nur kleinen Mengen. (0. N a u m a n n.)
II. Anatomie u. Physiologie.
ÖÖ8. Ueber die Bildung der Graaf sehen
Follikel beim Embryo und Erwaohsenen ; von
Prof. L. 0. Ca diät zu Paris. (Jonm. de l'Anat.
etde la Physiol. XVII. 1. p.45— 59. Janv.— F6vr.
1881.)
Die noch bestehenden Verschiedenheiten der An-
liehten Ober die Bildung der Graafschen Follikel
beruhen nach Cadiat weniger auf einem Mangel
an vorliegenden Thatsachen als auf einer inihttm-
licben Beurtheilung derselben. Wie die Definition,
seheint ihm auch die bisherige Namengebung eine
onriehtige. Dass das Ei, derjenige Körper, welcher
die Grundlage eines neuen Wesens bildet , schon in
froher Entwicklungszeit im Wesentlichen fertig an-
gelegt werde, wie die beste, gegenwärtig hen'schende
Theorie behaupte, schien ihm von Anfang an wenig
flberzeugend ; sind doch selbst Nerven und Muskeln
nnr in ihren primitivsten Anlagen um jene Zeit erst
gebildet und besitzen nicht entfernt ihre definitive
Gestalt! Er suchte darum nach Zwischenformen und
ging bei dieser Gelegenheit vom Stadium des Keim-
epithels aus. Schon unter den Elementen des Keim-
epithels giebt es rundliche, etwas ihre Umgebung
überragende Gebilde, Ovoblasten, die sich auch in
den in das Eierstockstroma dringenden Sprossen des
Epithels wiederfinden. Das Bindegewebe sondert
darauf die ursprünglichen epithelialen Elemente in
kleinere oder grössere Ballen von Zellen, Eüäek-
chen, welche in ihren kleinsten Formen aus einer
eigenen Wand, einer Centralzelle und kleinen Zellen
in verschiedener Zahl bestehen; letztere können auch
ganz fehlen und die centrale Zelle kann direkt von
der Wand umschlossen sein.
Die bis zu diesem Punkte bekannten Verhält-
nisse erfahren nun aber von C. eine ganz von der
gebräuchlichen verschiedene Würdigung. Sowohl
die Zellen des Keimepithels als die der /^u^er'schen
Eischlänche stellen nach ihm eine Lage von Ovo-
blasten dar, d. h. von Zellen, welche dazu bestimmt
sind, Eier zu werden. Den Uebergang von Ovo-
blasten zu Graafschen Bläschen stellt sich C. folgen-
dermaassen vor. Die primitive Zeller treibt inner-
halb ihrer Hülle Sprossen, in welchen sich Kerne auf
dieselbe Weise bilden, wie später in den bekannten
Riciitungskörperchen vor der Befruchtung und Fur-
chung. So entstehen sehr kleine, fast von ihrem
Kern ausgefüllte Zellen, welche in der Peripherie
der Ursprungszelle liegen. Sie trennen sich von
einander, vervielfältigen sich rasch durch Theilung
n. bilden auf diese Weise das Follikelepithel, welches
den Ovoblasten von der Wand trennt. Das Follikel-
epithel wäre hiemach sekundären ürsprangs, immer-
hin aus demselben Material hervorgegangen, welches
die Eizellen selbst liefert. Eine der vorliegenden zum
Tlieil conforme Ansicht ist kürzlich auch von Schäfer
aufgestellt worden, wogegen die neuesten Unter-
suchungen von Eduard van Beneden den
Wald ey er 'sehen Angaben das Wort reden.
Cadiat prüfte seine Ansicht auch an Eierstöcken
von Haien u. Vögeln und es gelang natürlich leicht,
die Verhältnisse ihres Follikelepithels auf dieselbe
Weise zu betrachten ; es würde sich also vor Allem
um den NachweiB der vermutheten Gemmenbildung
handeln. (Raub er.)
569. DieSpermatogeneBe bei den Säugern;
von Prof. W. Krause. (Med. Centr.-Bl. XIX. 20.
1881.)
Vf. unterscheidet ruhende u. aktive Samenkanäl-
chen, sodann Spermatoblasten- und Spermatozoön-
Kanälchen. Ai^ der Membrana propria der beiden
letztem liegen zu nächst die SamenkeimzeUen mit
kleinen; lebhaft färbbaren Kernen. Die Kerne
228
II. Anatomie u. Physiologie.
befinden sich meist im Knänelstadium der Eemthei-
lang. Auf die Samenkeimzellen folgt eine doppelte
Lage von Zellen mit grossem Kernen ^ die ebenfalls
im Knänelstadium begrififen sind : die Samenknäuel"
Zellen. Sie sind grossentheils vereinigt zu amöboi-
den, rundlichen Spermaiogemmen, Dann folgen
(in den Spermatoblastenkanälchen) die blattartig ver-
fistelten Fortsätze von reifen Spermatoblasten^ deren
Fussplatten zwischen je 3 Keimzellen stehen , wäh-
rend die Spermatoblastenausläufer von Samenfoden-
köpfen eingenommen werden. In den Spermatozo6n-
kanälchen finden sich freie Samenfilden. An Stelle
der Spermatoblastenausläufer zeigen sich mehrere
Lagen ovaler Kerne, die unreifen Samenfädenköpfen
entsprechen. Sie befinden sich im Innern von ver-
schmolzenen Zellen (Spermatocyten). Haben sich
die Samenfäden abgelöst, so degenerirt der Sperma-
toblastenrest fettig und zerfällt an Ort und Stelle.
(Rauber.)
560. Vergleiohende anatomisohe Unter-
suchungen über den hlBtolog. Bau der Gowper-
Bohen Drüsen ; von 0. S c h n e i d e m ü h l. (Deut-
sche Ztschr. fflr Thiermed. und vergl. Path. VI. 5 u.
6. 1880.)
Vorliegende sorgfältige Untersuchung wirft auch
auf die Cowper'sche DrOse des Menschen besseres
Licht. Den Bau dieser, schon von M^ry 1684 ent-
deckten Drüse untersuchte Seh. an 5 Species auf
verschiedenen Entwicklungsstufen. Ueberall ist der
Bau ein acinöser. Die Grundlage der epithelialen
Bildungen ist das angrenzende Bindegewebe, welches
keine eigentliche Propria darstellt. Das Epithel der
Acini erscheint beständig nur in einfacher Schicht u.
meist in Pyramidenform ; das Epithel der Gänge ist
cylindrisch oder kubisch. Am peripheren Theil der
Acini kommen Zellen vor, welche den Halbmonden
der Speicheldrüsen entsprechen. Die Menge des Se-
kretes schwankt. Quergestreifte und glatte Musku-
latur waren in allen Fällen nachzuweisen ; querge-
streifte in cirkularer Anordnung auch in der Umge-
bung der Gänge (Kaninchen).
Was die physiologische Stellung der Drflse be-
triffty welche von den Einen zum Harn-, von den
Andern zum Geschlechtsapparat gerechnet wird, so
entscheidet sich Vf. für letztere Ansicht, insbesondere
auf Grund der Beobachtung, dass Castration die volle
Ausbildung hemmt. Daftlr spricht, dass ihr Analogen
beim Weibe ebenfalls dem Geschlechtsapparat an-
gehört. (Raub er.)
561. Zur Morphologie der Blutbildung
im Knochenmark der Saugethiere; von Dr.
Obrastzow in Petersburg. (Virchow's Archiv
LXXXIV. 2. p. 358. 1881.)
Die Untersuchungsmethoden stimmten mit denen
anderer Autoren, die das Knochenmark untersuchten,
überein. Ein Tropfen Marksaft wurde mit einer
Zange aus einer Rippe ausgepresst, ein Stückchen
Mark direkt aus einem Röhrenknochen geuommen
und bes. in Kochsalzlösung von VsVo untenocfat
oder im Markplasma selbst Als Schema fftr dei
Entwicklungsprocess der Elemente des Markes stellt
Vf. das folgende auf: Die kleinsten, fast protoplas-
malosen, gleichsam nur aus Kemsubstanz bestehen-
den blassen Zellen des Markes (Protoleukocyten) sind
die Urspmngselemente für alle Bildungen des Mar-
kes. Auf allen Entwicklungsstufen können die blas-
sen Zellen sich in Hämatoblasten umwandeln, da-
durch, dass ihr Protoplasma Blutfarbstoff aufnimmt
Die Hämatoblasten färben sich allmfilig intensiTer
und erreichen durch V^achsthum und durch Thefluig
die Grösse der rothen Blutkörperchen, machen dis
Stadium der unreifen Blutkörperchen duroh und geben
schlüsslich vollkommen in die gewöhnlichen rothen
Blutkörperchen über, welche keine Kemsubstanz ent-
halten.
Erfolgt keine Fftrbnng der blassen Zellen, so
werden sie zu gewöhnlichen Markzellen , oder es 1k-
ginnen degenerative Vorgänge. Ihr Protoplasma wird
kömig (im vitalen und postmortalen Zustand), Gnp-
pen von Zellen büssen ihre Grenzen ein und gdien in
Myeloplaxen über, welche ihre Kerne verlieren und in
zerfallende Kömerschollen sich umwandeln. Die
Umwandlung der Hämatoblasten geschieht in der
Art, dass die Kemsubstanz allmälig sieh vermindeit
bis zum völligen Verschwinden. Die Kembildmis
in den Hämatoblasten und blassen Zellen ist nachO.
insofern hier eine postmortale Erscheinung, als die
während des Lebens diffus im Protoplasma verbrei-
tete Kemsubstanz die Neigung zu postmortaler Ver-
dichtung besitzt. (R a u b e r.)
562. Der Qrimdtypns des Bete dorsale
der Handwurzel und derFusswursel; von Prof.
H. v. Meyer in Zürich. (Arch. f. Anat. u. Pbyaioi.
[Anat. Abth.] 4 u. 5. p. 378—391. 1881.)
Die Arterien der Hand und des FussrOckeos
sind bekanntlich durch eme so grosse Menge vw
Variationen ausgezeichnet, dass es schwer hält, eines
durchgreifenden Plan der Verästelung zu erkennen.
H. V. Meyer versucht in vorliegender Arbdt, auf
Grundlage der allgemeinen Anordnungsgesetze der
Arterien in den Extremitäten ein Grandschema auf-
zustellen, ans welchem die gewöhnlichen AnordnungB-
formen besser abgeleitet wei*den können, als es naeh
den bisherigen, ohne Prmcip aufgesteUten Gnmd-
schemen möglich ist. Er unterscheidet zu dieses
Zweck zunächst typUche und aecidentale StrOme.
Die typischen Sti'öme gehen in einer Extremität mdg-
liehst direkt in ihr Verbreitungsgebiet und zeigen
sehr regelmässige Verhältnisse. Die accidentellen
Ströme entstehen dadurch, dass in einem AnastoDO*
sennetz oder in einer Reihe von solchen Netzen eine
grössere Strömung sich ausbildet, welche dann als
eine „Arterie^' auftritt. Als Hauptströme der Ex-
tremitäten sind die Axillaris, Brachialis und Ulnaris,
die Femoralis, Tibialis postica und Plantaris exten»
anzusprechen. Unter den Aesten smd zwderlei be-
sonders zu unterscheiden^ die Gelenk- undMoBU'
II. Anatomie u. Physiologie.
229
&te. Das eiDfachste Verbältniss zeigen die Oelenk-
itAßj indem jedes Gelenk zwei obere und zwei untere
Gelenkarterien besitzt. Vermehrt sich die Zahl der
Knochen an einem Qliedtheil, so tritt noch eine Art.
recarrens hinzu. Als Omndtypns f&r die in der
Lftnge eines Gliedtheils abgehenden Arterien sind
die Bami masculares anzusehen, welche in entspre-
chender Anzahl als kleine Aeste seitlich abgehen.
Unter gewissen Verhältnissen aber bilden mehrere
Rami mnsculares an ihrem Ursprung einen gemein-
samen Stamm.
Auf Grundlage dieser Sätze nun entwickelt Vf.
das gesuchte Grundschema der Arterienvertheilung
an Hand und Fuss. Die Art. ulnaris, als Hauptstrom
der Handy setzt sich fort in den R. superficialis und
profundus, von welchen letzterer wieder als Haupt-
strom erscheint, während der R. superficialis einen
Hantast darstellt. Beide Aeste haben als normales
Ende ihrer Vertheilung das erste Spatium interos-
seam. Der Ramus profundus nun übersehreitet vier
Spatia interossea in ähnlicher Weise, wie die Art.
ulnaris unterhalb des Ellenbogens das Spatium inter-
osseum flbersehreitet ; auch dieAstbiidung ist an bei-
den Stellen eine ähnliche. In jedem Interstitium
gebt ein Ast ab, welcher als Art. interossea volaris
gegen die Finger verläuft, nachdem er vorher einen
das Interstitium durchschreitenden Zweig abgegeben
hat; dieser letztere schickt einen Ramus recurrens
zum Rete articnlare carpi dorsale und verläuft dann
als Art. interossea dorsalis gegen die Finger. Die-
ses Bild findet sich in aller Reinheit im vierten, meist
auch im dritten Interstitium. In den beiden andern
ist es modifieii*t durch die Strömung der Art. radialis.
Letztere aber ist aufzufassen als eine Gelenkarterie,
wie es die Untersuchung der Znsammensetzung des
Rete carpi dorsale wahrscheinlich macht. Letzteres
nämlich zeigt 4 untere Oelenkarterien, d. i. die Re-
carrentes der Interstitien ; ausserdem müssen drei
obere Gelenkarierien vorhanden sein : eine Collatera-
lis carpi ulnaris (der R* dorsalis der Art. ulnaris) ;
eineCollateralis carpi media (die Art. interossea perf.
inferior) ; eine CoUateralis carpi radialis : diese ist
die Art. radialie selbst
Giebt man der Radialis einmal keine bedeuten-
dere Rolle, als diejenige, welche ihr als einer Ge-
lenkarterie zukommt, so sind alle Verhältnisse der
Bandarterien so geordnet, dass dieselben den allge-
memen typischen Anordnungsgesetzen entsprechen.
Ihre beträchtliche Weite, die Ursache der geänderten
Anordnung der Handarterien, ist begründet in ihrer
Verlaufsrichtung, welche die direkte Fortsetzung der-
jenigen der Art. brachialis ist. Ein stärkeres Ein-
strömen in den Ram. recurrens des ersten Intersti-
tium ist die nothwendige Folge. Man erkennt hier-
aus bereits das Wesentliche des ohne Zweifel sinn-
rdehen und zierlichen Erklärungsversuchs ; in Bezug
auf Einzelheiten, sowie auf die ähnlichen Verhältnisse
^^ Arterienvertheilung auf dem Fussrücken muss
auf das Original und seine Abbildungen verwiesen
^^^en. (Rauber.)
563. Ueber venöse Cirkulatlon doroh In-
fluenz ; von Dr. 0 z a n a m. (Compt. rend. de l'Acad.
des Sc. 11. Juill. 1881.)
Unter den Ursachen, welche den Blutlauf in den
Venen bedingen, ist der direkte Einfluss des Arterien-
pulses auf die Begleitvenen am wenigsten gewürdigt
worden. Dass die Venenwände, welche oft durch
straffes Bindegewebe mit der Ai*terie zusammenhän-
gen, oder mit ihr in gemeinschaftlicher Scheide
liegen, in der That durch die Exkursionen der Ar-
terie beeinflnsst werden, weist 0. vermittelst des
Sphygmographen nach. Als er mit einem Queck-
sUbersphjgmographen die Schenkelarterie im Ge-
biet des Poupart'schen Bandes untersuchte, prägte
sich hier und da die Pulsation in hohler, statt in er-
habener Form aus, besonders dann, wenn die Am-
pulle etwas medianwärts glitt.
Diess deutete an, dass es sich um ein venöses
Phänomen handele. Wurden statt einer Ampulle
deren zwei angebracht und die eine auf die Arterie,
die andere auf die Vene gelegt, so waren jetzt zwei
in entgegengesetzten Phasen sich bewegende Undu-
lationen vorhanden. Was bei der Systole erhaben
war, erschien eingesunken bei der Vene; jeder
diastolischen Arteriendepression entsprach ein venö-
ser Wellenberg. Auch seitwäiis von der Arterie
Hessen sich ähnliche Sangerscheinungen constatiren,
die nur viel geringer waren ; hier geschah die Wir-
kung auf das Netz der Blut- und Lymphcapillaren
u. 8. w., dort auf die leichtbewegliche venöse Blut-
sänle. Nicht allein die Schenkelvene zeigt diesen
Einfluss, sondern er ist in derselben Weise an der
Cava inferior, an der Vena subclavia u. s. w. fest-
zustellen und seine Wirkung im ganzen Gebiet des
Körpers eine bedeutende zu nennen. (R a u b e r.)
564. Experimentelle Untersuchungen über
die Wärme des Menaohen während der Be-
wegung; von Dr. L. A. Bonnat (Gompt. rend.
de TAcad. des Sc. 15. Nov. 1880) u. von E. Vil-
lari (Ibid. 21. Mara 1881).
Die Erfahmngen B.'s stützen sich auf ttber
150 Versuche und fflhren zu folgenden wesentlichen
Ergebnissen.
JedeMuskelanstrengung, auch die kurzdauernde,
erhöht die rectale Temperatur, sei es am Tage oder
in der Nacht, vor oder nach einer Mahlzeit, ohne
Unterschied des Alters, des Geschlechtes und der
meteorologischen Verhfiltnisse. Die Erhöhung steht
in keinem direkten Verbältniss zur Dauer der Be-
wegung und zur sichtbaren Ermttdung. Bei unter
gleichen Bedingungen ausgeführten Versuchen kann
die Erhöhung vai'iiren. Höhe, Zustand der Atmo-
sphäre, Energie der Muskelthätigkeit, Beschaffenheit
und Weite der Kleider haben einen sehr deutlichen
Emfluss auf das Haass und besonders die Geschwin-
digkeit der Temperatursteigerung. Abwesenheit oder
Fülle der Transspiration haben keinen bemerkbaren
Einfluss auf die Variimngen. Die nachfolgende Ruhe
führt immer eine Temperatursenkung herbei; sie
230
IL Anatomie a. Physiologie.
wirkt wie ein Mittel gegen allzu hohe Steigerung.
Jede plötzliche Uebung, welche mit grosser Puls-
frequenz verbunden ist^ vermindert die periphere
W&rme wiUirend einer gewissen Zeitdauer. Die
Oscillationsweite der Rectalwärme während der Be-
wegung kann momentan 39.5^ erreichen. Ist die
Rectalwärme unter 37^ (bis zu 36^^), so erhebt sie
eine massige Bewegung auf 37^ ; ist sie höher als
Sl^f so ist die Steigerung durch die gleiche Bewe-
gung eine geringere. Bei einem plötzlichen Auf-
wärtasteigen ist die Erhöhung nach der ersten halben
Stunde die grösste ; sie bleibt darauf stationär oder
kann selbst sinken. Die Steigerung ist grösser und
schneller bei aufsteigendem, als bei absteigendem
oder horizontalem Wege. Gymnastik der obem
Oliedmaassen conservirte die Initial wärme ; Gym-
nastik der untern dagegen steigerte dieselbe.
Villari weist zunächst darauf hin, dass nach
der Angabe von Hirn ein Mensch, welcher eine
Höhe ersteigt und hiermit eine positive Arbeit ver-
richtet, ftlr ein gleiches Maass absorbirten Sauerstoffs
weniger Wärme erzeugt, als wenn er herabsteigt.
Dieses Ergebniss verbindet die Produktion der thie-
rischen Wärme mit der mechanischen Wärmetheorie.
V. selbst hat sich die Aufgabe gestellt, die Tem-
peratur des Menschen sowohl nach längerer Ruhe,
als nach einer besondem und länger dauernden Be-
wegung zu bestimmen. Die Beobachtungen wurden
ausgeführt an einem 40jähr. gesunden Manne von
nervösem Temperament. Das Thermometer wurde
in die Urethra oder in das Rectum geführt ; es war
ein Maximumthermometer. Die Versuchszeiten waren
die Monate Juli und August 1879. V. hatte damit
begonnen , möglichst sorgflütig die Temperatur des
Körpers zu verschiedenen Stunden des Tages zu
messen , in der Ruhe und im Bett. Das Mittel der
Ergebnisse war 36.8^ Darauf wurden verschiedene
Alpenbesteigungen ausgeführt u. unmittelbiir darauf
die Temperatur gemessen, welche im Mittel 38.13®
betrug. Die mittlere Temperatur war demnach bei
dem Marsche um 1.33^ höher, als bei der Ruhe.
Nach dem Abstelgen ergaben sich als Mittel 37.99<>.
Die Mittelzahl nach dem Absteigen war also um
1.19<> höher, als in der Ruhe; nach dem Aufsteigen
0.1 4<^ höher, als nach dem Absteigen. Die Diffe-
renz erscheint noch um so grösser , wenn man be-
denkt , dass der Aufgestiegene sich immer in einer
niedrigem Temperatur befand, als der Abgestiegene.
Die Temperatur steigt also nach jeder Art Arbeit ;
doch ist nach V. nicht anzunehmen , dass durch die
blossen Gesetze der Mechanik die Temperaturschwan-
kungen eines Körpers oder eines Muskels , welcher
arbeitet oder ruht, bestimmt werden könnten.
(Rauber.)
565. Beitrag bot Lehre von der Tempera-
tur in peripherischen Organen ; von J. G. £d -
gren in Stockholm. (Nord. med. ark. Xu. 4.
Nr. 26. S. 1—45. 1880. XHI. 1. Nr. 1. S. 1—30.
1881.)
E. stellte in Prof. Lov^n's physiolog. Labon-
torium in Stockholm Versuche an Aber die Veiftnde-
rungen der subcutanen Temperatur an der EBnterpfote
von Kaninchen in Folge von Reflexwirkung bei sen-
soriellen oder sensitiven Eindrücken oder dureh Rei-
zung oder Dnrchschneidung des N. ischiadicns oder
des N. saphenus. Zar Bestimmung der Temperatur
wurde die thermoelcktrische Methode verwendet
Als Thermoelement diente ein einfaches Kupfer-
Eisen-Element in Nadelform mit terminalen Löth-
stellen (nach Claude Bernard), von denen die
eine , in eine kleine Glasröhre eingeschlossen , unter
die Haut, die andere in den Thermostaten einge-
führt wurde ; als Strommesser wurde ausschliesslich
Wiedemann's Boussole mit Skala und Spiegel-
ablesung angewendet, wobei der Magnet nach
H a u y 's Verfahren aperiodisch gemacht wurde.
Der Thermostat bestand aas einem mit Waner g»>
füllten Glaskolben, durch dessen Hals ein offenes Böhrea-
system mit einem weit in den Kolben reiehenden od
einem kursen Endo einmOndete. Eine Gasflamme, die
unter der gröesten Biegung desBöhrensystems angebiaokt
war und in demselben eine Strömung erzeugte , in Folge
deren das Wasser aus dem Glaskolben in das lingen
Röhrenende einströmte und ans dem kurzem wieder ii
den Kolben snrQckstrÖmte , so daas in aUea Theilen dei
aus dem Kolben und den GlasrÖliren bestehenden, fibenU
geschlossenen Systems eine fortwährende Bewegung dei
Wassers stattfand, wurde durch eine an einem Zweige
des Böhrensystems angebrachte Vorrichtong regnllrt. Der
Zweig des Röhrensystems war mit einer Gaskammer sob
einer Metallkapeel mit KautschuklMden ▼erschloflseiit
gegen welchen sich das Ende der Gas zuf&hrenden QIm-
röhre stemmte, so dass das Gas nur durch eine feine Oeff-
nung an der Seite austreten konnte, wahrend das der
Flamme Gas snfahrende Bohr frei in die Kammer milo-
dete. Durch die Vermehrung und Yennlnderang des
Volumens des in dem geschlossenen Böhrensystem befladr
liehen Wassers wurde die den Boden der Gaskammer
bildende Kantschukmembran ein- oder ansgebuchtet, so
dass bei Erreichnng einer gewissen Temperatur die Müi-
düng des zuführenden Gasrohres geschlossen wurde md
das Gas nur durch die kleine seitliche Oeffnung aastteten
konnte; in Folge verminderten Gaszutritts wurde die
Gasflamme geringer, die Temperatur des Wassers ond
sein Volumen nahm ab und in Folge dessen liess der
Druck der Kautachnkmembran gegen die (Gasrohre naeh,
so dass mehr Gas austrat^ die Flamme grösser wurde imd
das Wasser wieder mehr erwärmt wurde. An der Seite
des Glaskolbens war durch eine Oeflhung ein Tbenno-
meter und neben ihm die Löthstelle eingelasBen , deren
Spitze dicht neben der Thermometerkugel in der Mitte
des Ballons sich befand. Die Temperatur hielt sich meli-
rere Stunden lang in dem Thermostaten so constant, ditf
die Veränderung nicht O.Ol^^C. betrug.
Die Versuche^ iu denen die Temperatur gewöhn-
lieh in Zwischenzeiten von je 10 Sek. nach Handertei-
graden C. bestimmt wurde , ergaben , was zunSchst
die reflektorischen Temperaturveränderungen be-
trifft, dass jedes Geräusch, jeder Lichteindruck; jede
Berührung, jeder Schmerzeindrnck , überhaupt jede
sensible Reizung , mag sie stark oder schwach sein,
sich sofort durch eine Veränderung in der Tempe-
ratur verrÄth.
Alle sensiblen Eindrücke und Schmerzeindrflcke,
elektrische Reizung der Haut, Reizung des 6e8icbte|
oder Gehörsinns brachten eine ganz bedeutende; bei
n. Anatomie u. Physiologie.
231
den verschiedenen Versuchen zwar verschieden
grosse^ im Allgemeinen aber doch ganz gleichförmig
verlaufende Abkühlung hervor mit nachfolgender Er-
wärmaog bis zu ungefähr demselben Punkte wie bei
Anfaug des Versuchs. In gewissem Maasse hängt
wahrscheinb'ch die Grösse der Fluktuation von der
Intensität des Reizes ab. In der Regel trat die
Tempeiatursenkung nicht sofort^ sondern erst nach
einem Latenzstadinm von 5 bis 10 Sekunden ein,
dann aber sehr rasch bis zur 2. Minute , die darauf
folgende Temperatursteigerung ging langsamer von
Statten , so dass der ganze Process in der Regel in
5 bis 6 Min. abgelaufen war.
Elektrische Reizung des centralen Endes des
durchschnittenen N. dorsalis pedis brachte an der
Fosasohle derselben Extremität eine bedeutende Stei-
gerung der Temperatur (um 3^9^ in dem angeführ-
ten Versuche) hervor. Nach Dnrchschneidung des
N. saphenus erfolgte nach allen Reizungen dieselbe
Abkühlung, wie beim unverletzten Thiere, auch die
Temperaturerhöhung nach Reizung des centralen
Endes des durchschnittenen N. dorsalis pedis der-
lelben Seite erfolgte nach Dm-chschneidung des N.
siq^benus in derselben Weise wie beim unverletzten
TÜere. Nach Durchschneidung des N. ischiadicus
lüngegen fehlte die reflektorische Temperaturemied-
rigang, so dass also anzunehmen ist, dass sie
durch diesen Nerven zustandekommt.
Eine weitere Versuchsreihe hatte zum Zweck,
£e Veränderongen der Temperatur nach Dttrch^
ichrndung des N* isehiadieua oder des N, saphenus
major zu beobachten.
Nach Dorchschneidnng des iV. ischiadicus er*
folgte constant zuerst eine geringe Abkühlung und
dann ehie sehr bedeutende Erwärmung am Fnss-
rilcken und auch an der Fnsssohle. Die Abkühlung
ist nach E. Folge der Reizung durch die Ligatur,
die er stets vor der Durcfaschneidung des Nerven
▼onahm, die darauf folgende Erwärmung ist un-
zweifelhaft die Folge der durch die Operation be-
ugten Lähmung der die Gefitese zasammenziehen-»
den Nerven. Nach Durehschneidung des N. scuphe^
niM waren die Resultate, wie bereits erwähnt, dnrch-
M8 n^tiv.
Nach Reizung des kurz vorher durchschnittenen
heUadicu» am peripherischen Ende mit rhythmisch
^terbrochenen elektrischen Strömen, zeigte sich un-
S^fiUur nach 30 Sekunden ein deutlicher Temperatur-
«bfiül un Fnsse (am Rücken oder an der Sohle), die
^Femperatursenkung nahm fast gleichmässig rasch
immer mehr zu , so lange die Reizung dauerte , und
noch 20 bis 30 Sek. nach dem Aufhören der Rei^
'^g) dann stieg die Temperatur mit ungefthr der-
selben Geschwindigkeit und erreichte mehr oder
weniger vollständig ihre frühere Höhe wieder. Nach
elektrischer Reizung des kurz vorher durchschnit-
tenen N. saphenus major erfolgte ebenfalls eine
Abkühlung am Fussrücken oder an der Fusssohle,
aber sie war nur unbedeutend im Vergleich mit der
vom Ischiadicus aus erlangten und wohl zum guten
Theile als auf reflektorischem Wege entstanden zu
betrachten. Wenn der Ischiadicus und der Saphenus
durchschnitten waren , blieb der Erfolg der Reizung
am Ischiadicus unverändert, bei Reizung des Saphe-
nus aber fand sich Abkühlung an der Fusssohle, am
Fussrücken dagegen ganz bedeutende Temperatur-
steigerung ; die Reizung des Nerven bedingte Ver-
engung der Ai*teria saphena u. der Blutstrom musste
die Art. tibialis antica durchlaufen, so dass die Tem-
peratursteigerung als Folge der Hyperämie am Fuss-
rücken zu erklären war.
Wenn die Durchschneidung des Nerven der Rei-
zung einige Tage vorher gegangen waf, veränderten
sich die Resultate nach dem Eintreten von Degene-
ration.
Am 1. Tage nach der Durchschneidung ergab
die Reizung des IscJdadicus gewöhnlich noch Tem-
peraturerniedrigung, vom 2. Tage an aber mehr
oder weniger starke Temperaturerhöhung sowohl am
Fussrücken, als auch an der Fusssohle, am 6. Tage
aY)er zeigte die Reizung keine Wirkung mehr. Diese
Wirkung hängt, wie sich E. durch Versuche über-
zeugte, nicht von der Initialtemperatur, sondern von
der seit der Dnrchschneidung des Nerven verflossenen
Zeit und der Degeneration des Nerven ab. Mit
Kendall und Luchsinger ist E. geneigt anzu-
nehmen, dass durch fortschreitende Degenerations-
processe in den Nervenapparaten eine Veränderung
eintritt in der Weise, dass, während die Reizung des
verhältnissmässig gesunden Nerven die geftsscontra-
hirenden Apparate in überwiegendem Grade in Wirk-
samkeit setzt, nach einiger Zeit das Verhalten um-
gekehrt wird und durch Reizung diegeftsserweitem-
den Apparate in Wirksamkeit gesetzt werden und
achlüsslich beide nicht mehr durch Reizung afficirt
werden können.
Bei Reizung des N. saphenus zeigte sich am
ersten Tage nach der Durehschneidung gewöhnlich
eine geringe Abkühlung, später aber keine denfliche
Temperaturverändemng mehr.
Durch dhrekte Inspektion der Gefitose hat sich
gezeigt, dass der N. ischiadicus nicht Mos die Art.
tibialis antica und deren Verzweigungen beherrscht,
sondern auch den untern Theil der Art. saphena und
deren Zweige. Als Schlussresultat seiner Unter-
suchungen stellt E. den Satz auf, dass der N. saphe-
nus gefl&9szusammenziehende Fasern , der N. ischia-
dicus aber sowohl gefilsscontrahirende als auch ge-
ftsserweitemde Fasern besitzt.
(Walter Berger.)
232
m. Hygieme, Diätetik, Phannakologie u. Toxikologie.
III. Hygleine, Diätetik, Pharmakologie u. Toxikologie.
566. Ueber die WirkoDgen der Antimon-
Verbindungen auf den thierischen Organis-
ma8;vonlBaak Soloweitschyk aus St. Peters-
barg. (Arcli. f. exper. Pathol. a. Pharm. XII. 5 — 6.
p. 438. 1880.)
um über die Wirkangen des AntimoD^ als sol-
chen y sich ins Klare za kommen, war es nöthig, ein
nentral reagii'endes Eiweiss in neutraler und alkali-
scher Lösung nicht fällendes, nicht lokal im'tirend
wirkendes, Blut nicht coagulirendes und kalifreies
Doppelsalz zu haben. Als ein solches erwies sich
das Weinsäure Antimonoxydnatron.
Zur HerBtellung dieses Salzes wird weinsaures Anti-
monozyd in Wasser vertheilt und Natronlange bis zur
schwach alkalischen Reaktion hinzugefügt. In der klar
filtrirten Lösung wurde das Antimon nach der von H o p u e -
Seyler angegebenen Methode als Schwefelantimon be-
stimmt. Die im Folgenden gegebenen Zahlenangaben
sind stets auf Sb^Os ■" Antimonoxyd berechnet.
Bei Fröschen wirkten Dosen von ca. 2 Mgrmm.
auf 40 Grmm. Körpergewicht meist tödUich. Wurde
diese Menge in kleinen Dosen im Laufe mehrerer
Tage nach und nach injicirt, so kam eine mehr chro-
nische Vergittung zu Stande ; aber auch bei einmali-
ger Applikation der genannten tödtUchen Dose zog
sich das Vergiftungsbild doch stets in die Länge^ n.
selbst nach einer lOmal so grossen Gabe trat der
Tod nicht frtther als etwa 4 — 5 Tage nach der Ap-
plikation ein. Die Symptome anlangend ist Folgen-
des zu merken : Gleich nach der Injektion zeigten
sich die Thiere sehr aufgeregt ; dann traten anfalls-
weise sehr heftige Würg- undBrechbewegnngen ein,
welche oft so heftig waren, dass der Frosch seinen
umgestflipten Magen durch die Mnodöffnung nach
aussen brachte und mit den Vorderpfoten abputzte.
Das Erbrochene bestand in schaumigen, auch wohl
blutigen Massen. Allmftlig wurden die Thiere dabei
sehr matt, jedoch persistirten die unwillkürlichen Be-
wegungen bis zum Tode; die Rückenlage wurde erst
ganz kurz ante mortem ertragen. Gleichzeitig wa-
ren dann damit die Herzoontraktionen sehr schwach
geworden, und zwar die des Ventrikels viel seltener,
als die der Vorhöfe. Schlflsslich blieb das Herz, un-
gemein ausgedehnt, in Diastole stehen, und mechani-
sche Reize riefen dann nur noch seh wache Contraktionen
hervor. Der Herzmuskel war dabei noch normal (z.B.
durch die Gifte der Digitalis-Gruppe) erregbar, so
dass eine Lähmung der excitomotorischen Herzgang-
lien durch Antimon angenommen werden mnss. Die
Muskeln und motorischen Nerven blieben selbst fär
schwache Ströme vollkommen erregbar und die Lei-
tung durch das Rückenmark erhalten. Bisweilen wur-
den fibrillare Zuckungen der Muskeln, namentiich an
den hintern Extremitäten, beobachtet. Im Beginne
der Vergiftung liess sich ein gewisser Reizzustand im
Gebiete der motorischen Sphäre, wahrscheinlich aus-
gehend von der Med. obl., constatiren, der sich in
krampfhaften Zuckungen einzehier Muskelgruppeui
Sclireireflex u. s. w. äusserte. Im Uebrigen wurde
die Reflexerregbarkeit während der Vergiftung im-
mer geringer, bis sie schlflsslich ganz aufhörte. Diese
Lähmung der Reflexe kommt zu Stande durch eioe
Einwirkung des Giftes auf die Rückenmarkcentren,
wie durch Abbindung der Gefilssstämme einer Ex-
tremität leicht bewiesen werden konnte , denn auch
das dadurch unvergiftet bleibende Bein zeigte keine
Reflexe mehr. Die Querleitung durch das Rflckenmaik
wird also durch Antimon gestört, während dieLlngs-
leltung bis zum Tode andauert (willkürliche Bewe-
gungen bis zuletzt). Das Erlöschen der Refleitfai-
tigkeit liess sich auch an Reflexfiröschen dentliefa
demonstriren.
Wie aus dem Mitgetheilten hervorgeht , erimiert
das Antimonvergiftungsbild sehr an das der Arses-
vergiflnng. In der Literatur finden sich auch berate
einige Angaben, welche auf die Analogie beider hii-
deuten. So beobachteten Koschlakoff und Bo-
gomoloff (1868), dass AsH, und SbH, in glei-
cherweise auf das Blut einwirken, nndSalkowskl
hat nach Einführung von Antimonpräparaten die
gleiche Fettdegeneration der Leber wie nach Arseo
beobachtet. Auch die Vergiftungsversuche, welebe
Sklarek (1866) und Lesser (1879) mit Ana
an Fröschen angestellt haben, erinnern ungemein sd
die Antimonvergiftung. So finden sich die LähmoBg
der excitomorischen Herznerven, die Anfhehoig
der Reflexbewegungen in Folge von Lähmung be-
stimmter Theile des Rückenmarks ohne vorhergeheode
Erregung beim Arsen genau wie beim Antimoo.
Sklarek macht auch darauf aufmerksam, diss,
während thermische und chemische Beize keine Be
fiexbewegnugen mehr hervorrufen, die Längsleitoig
durch das Rückenmark, die Fähigkeit zur Bewegiog
und das Muskelgefühl nicht aufgehoben sind, das
also nur bestimmte Theile der grauen Substanz des
Rückenmarkes gelähmt sein müssen. Die willkflf-
liehen Bewegungen scheinen bei der Arsenwirkong
etwas früher zu schwinden ; ^die Erregbarkelt der
willkürlichen Muskeln und der motorischen Nerven
bleibt wie bei der Antimonwirkung, nach Sklarek,
erhalten (nach Lesser schwindet sie an gewitfeo
Muskeln). Dagegen scheint Sklarek Brechbewe-
gungen bei Fröschen nicht beobachtet zu habeo.
Lesser stellte namentlich Versuche am Froacbher-
zen an und zeigte, dass vor Eintritt des diastoliscbeo
Stillstandes die Ventrikelcontraktionen viel seltener
werden, als die der Vorhöfe, betonte auch, dass der
diastolische Herzstillstand nicht die Todesursache bei
Fröschen sein kann.
Nach einigen von Soloweitschyk aogesteU-
ten Versuchen mit arsenigsaurem Natron stimoeD
die Antimon- und Arsenwirkung mit einander vd//-
kommen überein ; nur wirkt das Arsen qnantititiv
stärker. Auch die heftigen BrechbewegnogeD
ten bei der Arsenwirkung an Fröschen nicht
m. Hy^eine, Diätetik, Pharmakologie a. Toxikologie.
233
Aiuser dem Arsen findet sich aber noch eine
tweite Sabstanz, die sich in pharmakologischer Hin-
sieht dem Antimon anznschliessen scheint, und zwar
das Emetin. Soweit die Wirkungen des letzteren
10 FrOschen dnrch die Dntersnchuogen von v. P o d -
wyssotzki bekannt geworden sind, ist die lieber-
eiostifflmang nach den Hanptrichtnngen hin eine so
YollstäDdige, dass man das Antimon fast ein metal-
iisebes Emetin nennen könnte. Das Emetin lähmt,
wie das Antimon, die Reflexerregbarkeit, lässt moto-
rische Nerven nnd Mnskeln intakt und ruft diasto-
lischen Herzstillstand herror, dem jenes eigenthflm-
thflmliche Stadium vorhergeht, in welchem sich der
Ventrikel weit seltener contrahirt, als die Vorfaöfe.
Dsgegen sah Podwyssotzki bei Fröschen, nach
Dineichung von Emetin, weder Brechbewegungen
noch Mnskelzucknngen eintreten, also keine Erschei-
BBDgen, die anf eine Reizung von coordinatorischen
Oentren in der Med. obl. hindeuten.
Von Warmblfltem wurden Kaninchen und Hunde
QDtenncht. Fflr Kaninchen von mittlerem Körper-
gewicht bildeten 5 Mgrmm.SbsOs eine absolut lethale
Dose, doch trat der Tod erst nach 15— 18 Standen,
bisweilen sogar erst nach einigen Tagen ein, und
selbst nach viel grösseren Dosen verlief die Vergif-
tong nicht viel rascher. In diesen Fällen gestaltete
sich das Wirknngsbild etwa so : Lange Zeit nach der
Injektion blieben die Thiere scheinbar normal ; nach
15 — 16 Stunden wurden sie unruhig, liefen hin und
her, stürzten dann plötzlich zu Boden und verfielen
in Krämpfe, die etwa 15 — 25 Minuten andauerten.
Darauf wurden Athmung und Herzcontraktionen
schwach und es trat rasch der Tod ein. Hunde ge-
währten ein ähnliches Vergiftnngsbiid. Wurde ihnen
eine Gabe von 30— 50Mgrmm. Sb^Os direkt in eine
FosBvene injicirt, so trat sehr bald eine bedeutende
Ibttigkeit nnd Schwäche ein, die bis zum Tode zu*
nahm. Längere Zeit nach der Injektion stellte sich
aach Erbrechen ein. Dem Tode gingen gewöhnlich
krampfhafte Muskelznckungen voraus. Die Athmung
wurde gegen das Ende hin sehr oberflächlich, die
Herzcontraktionen wurden immer schwächer; auch
kam es zu flüssigen Stuhlentleerungen. Bei der Sektion
fanden sich dann die geschilderten Veränderungen
der Darmschleimhant und bedeutende UeberfÜllung
der DnterleibsgefiUse. Die Cirkulationsorgane an-
hingend, so fand sich in allen Versuchen eine continuir-
llehe, allmälige Abnahme des Blutdrucks. Zugleich
erleidet die Herzthätigkeit meist eine Frequenzab-
nahme nnd der Tod tritt ein, wenn der Blutdruck
gleich Null geworden ist. Was die Ursachen dieser
enormen Druckemiedrigung anlangt, so kann die
letztere dnrch eine Abschwächung der Herzaktion
nnmöglich erklärt werden, vielmehr scheinen Druck*
Erniedrigung und Herzschwäche Folgen ein und der-
aelben Ursache zu sein. Aus S.'s Versuchen geht
Qämlich mit Sicherheit hervor, dass das Antimon
eine Blrweiterung der Oe fasse , und zwar vor-
zugsweise der Dnterleibsgefäsee (durch Lähmung
Med. Jahlbb. 34.192. Hft. 3.
der Vasomotoren) zu Stande bringt. Der Ort
dieser Wirkung ist jedenfalls ein peripherer, weil
bei den Versuchsthieren die Reizung des Hals-
markes selbst mit den stärksten Strömen in den spä-
teren Stadien der Vergiftung keine Erhöhung des
abnorm erniedrigten Blutdrucks mehr bewirkte. Um-
gekehrt, wenn dasGefässnerven^j^^rtim zuvor durch
Ghloral gelähmt worden war, rief die Applikation
von Antimon doch immer noch eine weitere Ernied-
rigung des Blutdrucks hervor. Aus dieser enormen
Erweiterung der Unterleibsgefässe erklären sich auch
die heftigen, meist blutigen Durchfälle, die Blutex-
travasate in und auf die Darmschleimhaut und die
Blntttberfttllung aller Unterleibsorgane, Symptome,
welche bei den vergifteten Thieren fast regelmässig,
wenigstens theilweise, beobachtet wurden. Das Er-
brechen, welches bei Hunden und Fröschen nach
Antimonapplikation zu beobachten ist, scheint seinen
Qrund in einer lokalen Einwirkung des Giftes auf
die Magenschleimhaut zu haben, durch die es viel-
leicht ausgeschieden wird. (K o b e r t.)
567. Zur Pharmakologie des Queoksil-
bers.^)
In Bezug auf die Ausscheidung des Quecksilbers
haben wir die Untersuchungen zu erwähnen, welche
Dr. Otto Hassenstein über die Ausscheidung
desselben durch die Oalle angestellt hat. (Inaug.-
Diss. Königsberg 1879.) Nachdem er sich zuerst,
jedoch wegen des dabei entstehenden Verlustes mit
wenig Glfick, der A. May er 'sehen Methode (voll-
ständige Verbrennung der organischen Substanz, so
dass das Quecksilber als Metall erhalten wird) be-
dient hatte, wandte er die von uns bereits mehrfach
erwähnte Ludwig 'sehe an, bei welcher das in Lö-
sung befindliche Quecksilber auf Zink- oder Kupfer-
staub niedergeschlagen wird.
Zunächst stellte H. durch einige Vorversnche mit
Eiweisslösung, bez. Galle fest, dass sich letztgenannte
Methode auch bei Anwendung des Quecksilber- Albn-
minats zu genauen Analysen verwenden lasse. Es
wurden dann die Versuche in der Weise ausgeführt,
dass Kaninchen innerlich 3 bis 4Vs Cctmti*. einer
6proc. Quecksilber- Acetamid-Lösung, die dann noch
mit Wasser verdünnt wurde, eingespritzt und gleich
darauf Gallenfisteln angelegt wurden. Der Tod trat
nach 3 Vs bis 4 Std. ein. In einem Falle^ in wel-
chem 3 Gctmtr. der Quecksilber -Lösung (oder
0.1139 Grmm. Quecksilber) eingespritzt worden
waren, ergab die Ausscheidung durch die Galle
binnen 5 Std. 0.0006 Grmm. Quecksilber, wogegen
der ausgespülte Darminhalt 0.1037 Grmm. metalli-
sches Quecksilber enthielt. In einem andern Fall,
in welchem ebenfalls 3 Gctmtr. der Lösung einge-
spritzt worden waren, waren durch die Galle binnen
3Vs Std. 0.0008 Grmm. Quecksilber ausgeschieden
worden.
») Vgl. Jabrbb. CXC. p. 15.
30
234
ni. Hygieine, Diätetik, Pharmakologie a. Toxikologie.
Die Versuche bestätigten die Beobachtang, dass
Qaeckflilber, welches Thieren in den Magen gebracht
wird, theilweise in der Galle wieder erscheint, und
zwar in sehr kurzer Zeit und in verhältnissmässig
bedeutender Menge. Sie lehren ferner, dass id
Galle gelöstes Qnecksilber aus derselben ohne vor-
hergehende iSersetzung der organischen Substanzen
durch Kupferstaub (L n d w i g 's Methode) vollständig
gefüllt wird, sei dasselbe mit der Galle ausgeschie-
den, sei es derselben ausserhalb des Organismus bei-
gemengt gewesen.
0. Kaspar (Rev. mM. de laSuisse Rom. I. 6.
p. 352. 1881) macht auf die grosse Mangelhaftig-
keit des Quechilberpeptony behufs subcut. Injektion
bei Syphilis aufmerksam. Er sucht hauptsächlich
hierin, bez. in dem Mangel jedes sichern Anhaltes,
ob auch wirklich alles zur Verwendung bestimmte
Pepton durch Hydr. bichlor. corr. niedergeschlagen
sei, den Grund der grossen Verschiedenheit der mit
jenem Peptonat gemachten Erfahrungen. So fand
er z. B. öfters, dass sich in einer Lösung von 1 Hydr.
bichl. auf 30 Wasser, nachdem so viel Pepton
„als zur vollständigen AusMung des Quecksilbers
nöthig^' zugetropft worden war, obgleich nach Ab-
filtrirung der Flflasigkeit auf weitem Zusatz von
Pepton abermalige Niederschläge bildeten, und ver-
muthet, dass dieselben durch Entstehung anderer
Salze erzeugt werden. Auch das vorgeschriebene
Waschen des Niederschlags mit Wasser u. Alkohol
ist nach K. unzweckmässig, weil derselbe hierdurch
fttr Kochsalzlösung fast unlöslich gemacht werde.
Ausserdem bliebe, weil das Peptonat im Wasser
weit löslicher sei, als man gewöhnlich annimmt, ein
grosser Theil desselben in der Aber dem Nieder-
schlag stehenden Flüssigkeit gelöst
Zur Gewinnung eines möglichst sichern Präpa-
rates suchte nun K. zunächst festzustellen, in wie
weit die Concentration der angewandten Flflssig-
keiten auf die Bildung von Quecksilber-Pepton von
Einfluss sei, u. fand schlflsslich, dass eine Lösung von
Hydr. bichl. 1 : 20 und eine Peptonlösung von 3:10
einen Niederschlag giebt, welcher sich besser und
klarer löst, als die 6 anderen aus dttnnem oder
starkem Peptonlösungen (bei sich gleichbleibender
Stärke der Hg-Lösnng) dargestellten Niederschläge.
Sämmtliche erhaltene Niederschläge (dieK. indessen
nicht ausgewaschen, sondern auf dem Filter gesam-
melt hatte) wurden nun, jeder fElr sich, in Kochsalz-
wasser gelöst und aus den Lösungen das Qneck-
silber als Schwefelquecksilber bestimmt. Es zeigte
sich, dass die Flüssigkeit, welche den erwähnten
am leichtesten löslichen Niederschlag enthielt, auch
das meiste Quecksilber gab, und in diesem Fall
0.4495<^/o des angewandten Hg zur Peptonatbil-
dung verwandt worden waren; dass also mit der
Vermehmng des Pepton, auch der Gehalt an Pep-
tonat gesteigert werde, jedoch nur bis zu einem ge-
wissen Grad, über welchen hinaus die Menge des
Peptonates, trotz vermehrter Zoftthrnng von Pepton,
wieder abnimmt. Letztere Ersoheinnng wird nach
K. bedingt durch die bereits erwähnte Büdong
sekundärer Salze. Auf jeden Fall war, sdbst ia
gedachtem günstigsten Falle (Nr. 5 K.'8), die räch-
liehe Hälfte des zur Peptonatbildnng bestimmten Hydr.
bichl. gar nicht niedergeschlagen worden, sonden
das Quecksilber in Lösung geblieben.
ZurErzielnng einer möglichst vollständigen Ans-
fällung und Darstellung eines nchera Präpantes,
empfiehlt schlflsslich K. eine Lösung von 2.22 Hydr.
bichl. auf 50 und von 6.60 Pepton auf 15 Oebatr.
Wasser zu verwenden. In solchem Fall erhielt er
ein Peptonat, welches 0.985®/o des Hg enthielt und
folgende empfehlende Eigenschaften zeigte :
1) Es schlug sich nicht beim Kochen nieder.
2) Auf Zusatz von wenigen Tropfen absol. Al-
kohol trabte es sich nicht und nur leieht auf weiten
Zusatz.
3) Es trübte sich Idoht auf Essig- nnd 8ik-
säure-, stärker auf Tannin-Zusatz.
4) Büt Salpetersäure gab es leichte Trübung,
die beim Erhitzen einer gelben Färbung (XanfluB;
Xanthoproteinsänre) wich.
5) Ammoniak gab einen weissen, beim Koeha
graulich werdenden Niederschlag.
6) Aetz- und kohlens. Kali trflbten es nnr m der
Hitze und bewirkten einen grauen Niedersehlag.
7) Schwefelammon. schlug daraos Schwefel-
quecksilber nieder.
8) Nach Uebersättigung mit Kali caust bewirkte
Cupr. sulphuric. eine violette Färbung der FlOsag-
keit
Nach Martineau (Gaz. des H5p. 80. 1881]
lässt sich ein fbr subcutane Emspritznngen bd Sy-
philis brauchbares und auch (tlr längere Aufbewah-
rung geeignetes Präparat dadurch darstellen, dia
man 15 Grmm. trocknes Pepton, 10 Ormm. Hydr.
bichl. corr. nnd 15 Ormm. Ammon. moriat in eioer
dem jedesmaligen Zweck entsprechenden Menge WiS'
ser und Qlycerin löst, so dass auf 1 Cctmtr. FlflaBi^'
keit 2 — 4 Mgrmm.Hydr. bichl. kommen. Derartige
Injektionen, welche M. zuletzt täglich Imal in des
Rflcken machte, hatten nicht im Geringsten örtficfae
Reizerscheinungen, oder Speichelfluss oder anden
Uebelstände zur Folge und schienen gegen die be
stehende Krankheit weit günstiger und sicherer n
wirken, als die innere Anwendung des Sublimat, be-
sonders in schwerem Fällen, wo man rasch wirken
mochte. (0. Naumann.)
568. Ueber Vergfftang ndt Kohlenosid'
gas.
Prof. Haschka beabsichtigt in dnem von ihD
gehaltenen Vortrage über die fragliche Vergiftoag
(Prag. med. Wchnschr. V. 5. 6. 1880) allerdings
nur eine üebersicht des Bekannten zu Hefen, ee
empfiehlt sich jedoch, auf einige Einzelheiten dieaer
ausgezeichneten Abhandlung einzugehen.
Anch hl ungeheizten Zimmern können leioe 00-
Vergiftongen vorkommen. So sind s. B. bd Eton-
branden Leute in einer oneelieiiten Stöbe vasÜW
in. Hygieine, Diätetik; Pharmakologie u. Toxikologie.
235
woiden. Eb könDen nftmlicb Balken hinter dem
KamiDe Feuer fangen ; es entwickelt sieh wegen der
oovoHstlndigen Verbrennung GO-Gas^ dringt durch
die Mauer und kann zu Vergiftungen Aulasa geben.
Li Paris wies die Sektion einer todt aufgefundenen
Dame, welche ein ungeheiztes Zimmer im 1. Stock-
werke bewohnte, deutliche Zeichen von CO -Gas-
Vergiftung nach. Die Erklärung fand man darin,
dtas im Parterre ein 24ahnarzt wohnte, der Aber
einem offnen Kohlenbecken seine Arbeit verrichtete,
wobei dasGO-Gas durch den Kamin in die Wohnung
der Dame eindrang.
Natürlich bedarf es zum Zustandekommen einer
CO- Vergiftung nicht immer der Benutzung von Koh-
len. So wurde Maschka einmal in die Wohnung
eines Tagelöhners gerufen , wo 3 Leute bewusstlos
uf der Erde lagen. Der Mann wurde gerettet,
wfthrend das Weib und das Kind starben. Der Mann
gib an, dass er Abends nach der Arbeit mit grünem
Holze eines frisch gefUlten Baumes geheizt habe.
Ttotzdem war Vergiftung eingetreten. — Auch bei
lodern Gelegenheiten kann sich GO-Gas entwickeln
mid UoglflcksMe herbeiftihren , z. B. in Kalk- und
Ziegelbrennereien , und es sind mehrere Fälle vor-
gekommen, wo Leute, die in der Nähe solcher Orte
geschlafen hatten, an GO - Intoxikation zu Grunde
gingen. Auch in Bergwerken bei B^ntwicklnng der
Bügen, stinkenden Wetter, in Giessereien, wo Metalle
durch CO reducirt werden , sowie auch in Papier-
fabriken bei der trocknen Destillation von Hadern
rind derartige Vergiftungen vorgekommen. [Vgl. in
letzterer Hinsicht die Mittheilung von Prahl, über
welche in nnsem Jahrbb. GLXXXVUL p. 16 be-
richtet worden ist.]
Zum Selbstmord wird das GO-Gas oft benutzt.
Ntch einer französischen Statistik kommen auf 1000
Selbstmorde 210 GO- Vergiftungen , und zwar wur-
den 65 von Männern und 145 von Weibern ausge-
flUul Einige Selbstmörder haben dabei sogar noch
Anbeichnnngen über die Intozikationssjmptome ge-
micht So giebt Devergie in seinem Lehrbuche
die achriftliehen Angaben eines solchen Menseben an,
welche folgendermaassen lauten :
„Ich setie auf den Tisch eine Lampe , eine Kerze,
eine Uhr ond beginne mit der Operation. Es ist 10 Uhr
16 Mfainten. Ich zfinde meinen Ofen an. Die Kohle
brennt langsam. 10 Uhr 20 Min. : Der Puls ist ruhig.
10 Uhr 80 Min. : Ein dichter Bauch verbreitet sich all-
vSäg in der Stnbe. Meine Kene scheint dem Erlöschen
nahe lu nein. Ein heftiger Kopftchmen beginnt ; meine
Angeä fiUlen sich mit Thranen. Ich empfinde ein aUge-
nemas Unbehagen ; der Pols ist besehleunigt. 10 Uhr
40 Mfai. : Die Kene ist aosgelSscht ; die Lampe brennt
noeh. Meine Bchlftfen klopfen, als wenn die Adern platzen
voUten. Ich habe Neigung su schlafen. Ich leide sohreck-
Hch im Magen. Der Pols hat 80 Schläge. 10 Uhr 60 Min. :
Ich ersftioke. Fremdartige Gedanken steigen in meinem
Geiste anf und ich kann kaum athmen. Ich bin n&rrisch.
11 Uhr: loh kann fast nicht mehr aehreiben. Mein Ge-
Bioht trftbt sieh , die Lampe erlisoht. Ich glaubte nicht,
<lan man so Tiel leiden mflsse , um au sterben."
Zum Mord ist die CO- Vergiftung nur äusserst
selten benutzt worden.
Unter den Symptomen , welche nicht selten bei
der CO-Athmung vorkommen, hat das Erbrechen
eine gewisse Bedeutung , indem bisweilen die erbro-
chenen Massen in die Luftwege gelangen und Er-
stickung bedingen , lange bevor das Blut der betr.
Individuen mit CO gesättigt ist. Gerichtsärztlich ist
diess von ausserordentlicher Wichtigkeit. Maschka
selbst machte in 2 Fällen die Obduktion, in welchen
Kehlkopf und Luftröhre so vollständig mit Speise-
brei ausgefüllt waren , dass an ein Hineingelangen
desselben nach dem Tode nicht zu denken war.
Uebrigens lag der Beweis, dass diese Stoffe während
des Brechakts hineingelangt waren, auch noch darin,
dass in demselben Zimmer noch ein zweites Indivi-
duum umgekommen war, bei dem Luftröhre und
Kehlkopf frei waren , das Blut aber stark CO-haltig
war , während bei dem ersterwähnten Menschen das
Blut sich normal verhielt.
Nach Eintritt der Bewusstlosigkeit kommt es
meist zu Lähmungen ; Sensibilität und Motilität sind
aufgehoben, ebenso die Reflexerregbarkeit. Indessen
es kommen auch Ausnahmen vor, z. B. mit mania-
kalischen Anfilllen. So wurde M. ein Fall mitgetheilt,
in dem eine Frau , welche nach CO-Inhalation be-
wusstlos geworden war und nach 8 Stunden starb,
eine so stark gesteigerte Reflezerregbarkeit darbot,
dass sie bei der geringsten Berührung Convulsionen
und Tetanus bekam. Dass Menschen in Folge von
Convulsionen in der CO-Narkose aus dem Bette fal-
len, wurde schon oft beobachtet. Auch bei Thieren
sah M. häufig bei der CO- Vergiftung starke Krämpfe.
Referent hat stets nur leichte Aufregung und
Dyspnoe, aber nie Krämpfe gesehen.
Die Bewusstlosigkeit kann nach dem Vorüber-
gehen der Vergiftung noch lange anhalten. So kam
in einem von Klebs mitgetheilten Falle ein Mann,
der am 18. Nov. vergiftet worden war, erst nach 4
Tagen auf den Hof, um sich txk waschen. Er war
während dieser Zeit zweimal zum Bewnsstsein ge-
kommen , aber wieder von Bewusstlosigkeit befallen
worden. In das Krankenhaus gebracht, kam Pat.
wohl wieder zum Bewnsstsein, starb jedoch am
12. Dec. in Folge von brandigen Geschwüren. —
Dass wochenlang anhaltender Kopfschmerz nach der
Vergiftung zurückbleibt, ist nichts Seltenes. Simon
in Hamburg hat seinerzeit darauf aufmerksam ge-
macht , dass bisweilen kleine Erweichungsherde im
Gehirn, und zwar in der Rindensubstanz, vorkommen,
durch welche die genannten Symptome wohl erklärt
werden könnten; Maschka hat jedoch in den 45
Fällen , in denen er die Obduktion zu machen Ge-
legenheit hatte, niemals etwas Derartiges gefunden.
Von weitern Eigenthümlichkeiten des Sektionsbefun-
des sei Hyperämie und Ekchymosirung der Lungen
erwähnt. Die Substanz der Leber nnd der Nieren ist
nicht selten parenchymatös degenerirt, diecapülaren
Geftsse sind thrombosirt, das Epithel in den Nieren*
kanälcben gequollen, mitunter auch verfettet; ebenso
auch jenes in den Leberzellen. Das Eintreten der
parenchymatösen Degeneration kennt man schon seit
236
III. Hygieine^ DiAtetik, Phannakologie u. Toxikologe.
längerer Zeit , aber man glaubte , dass dieselbe nur
dann vorkomme, wenn die vergifteten Individuen län-
gere Zeit gelebt haben. Indessen kamen M a s c h k a
neuerdings 3 Fälle vor, in welchen die Betreffenden
nur sehr kurze Zeit gelebt, u. namentlich ein Knabe,
welcher nur eine Stunde in der mit CO geschwänger-
ten Atmosphäre gelegen hatte und todt aufgefunden
wurde, und doch war auch bei diesen Personen die
Degeneration der Leber und Nieren deutlich nach"
zuweisen^ ein Beweis, dass diese Ernährungsstörung
sehr bald eintritt
Wenn die CO- Vergiftung nicht Utliul verläuft,
können sich an dieselbe verschiedene Nachkrankhei-
ten anschliessen , so Pneumonien , nach H o f m a n n
Diphtheritis, nach Leber t Thrombosen u. Oedeme,
ja sogar brandiges Absterben der Extremitäten ; auch
Geisteskrankheiten sind beobachtet worden ; so wer-
den von Ideler 2 Fälle angeführt, in welchen
Manie und Blödsinn auftrat.
Dev Zuckergehalt des Harns wurde von Schiff
dadurch erklärt, dass in Folge der Lähmung der
vasomotorischen Nerven Hyperämie der Leber be-
dingt werde , welche gewissermaassen als Ferment
auf das Glykogen der Leber wirke und Zucker in
grösserer Menge bilde. Ob diese Theorie richtig ist,
ist gleichgiltig; die Existenz dieses symptomatischen
Diabetes wird gegenwärtig allgemein angenommen.
M. hat in 12 Fällen die chemische Untersuchung
des Harns anstellen lassen , aber nur in 2 Fällen
wurden geringe Spuren von Zucker nachgewiesen,
während in 10 Fällen auch nicht einmal eine Spur
davon zu finden war. [Wir wollen hier uns Aber
diesen Punkt nicht weiter verbreiten, da wir in unse»
rer vorigen Zusammenstellung über die Kohlenoxyd-
vergiftung (Jahrbb. CLXXXVIII. p. 20) bereits
mehrfach davon gesprochen haben ; wir erlauben uns
nur noch die Ansicht Hoppe-Seyler's Aber den
Eohlenoxyddiabetes anzuführen, da sie der Masch-
k a 'sehen ähnlich ist.
Der (genannte hewährte physiologiscbe Chemiker
sagt Dämlich (Physiol. Chemie IV. p. 829. 1881) : „Bei
CO - Vergiftong ist von mehrern Beobachtern Traaben-
zneker im Harne gefunden worden ; i c h habe zwar stets
starke Knpferozydreduktion durch den Harn bei dieser
Yergiftang beobachtet , aber nie eine Spur von Thranben-
zucker naohsnweisen vermocht.* Senff hat seinerzeit
den Zacker dabei dnrch Gährnng und durch Knpferoxyd-
reduktion bestimmt. H n p p e r t , der für M a s c h k a die
Urinnntersnehnngen machte, hält die Gähnmgsprobe nicht
ffir beweisend f&r Znckeranwesenheit nnd hat sie wahr-
scheinlich ans diesem Grunde unterlassen,]
In Bezug auf das Schicksal des Kohlenoxydes
bei der Vergiftung nach Einvnrkung desselben,
weist Dr. Edwin Kreis, prakt. Arzt in Zflrich
(Arch. f. Physiol. XXVI. 9—10. p. 425. 1881),
darauf hin, dass Gl. Bernard (1857) annahm,
dass das CO als solches eliminirt werde. Dem ent-
gegen behauptete Pokrowsky, dass das CO im
Organismus eine Umwandlung in CO3 erleide , wäh-
rend Gr^hant (1879) zu zeigen versuchte, dass
das 00 als solches ausgeathmet werde, womit er
also auf den B er nard 'sehen Standpunkt zurück-
kommt. Um sich Aber diese Frage klar zu werdea,,
muss man vom OOHb (^=» Kohlenoxydh&moglobiQ)
ausgehen. Während man dieses anfknglidi ftr »ne
feste Verbindung hielt, wurde durch die Untersoelmn-
gen von Donders, Zuntz und Podolinskt
1872 nachgewiesen , dass diess nicht der Fall \A^
sondern dass das OOHb eine gewisse Gaaspannmig
hat, vermöge deren es in einem GO-freien Ranme
einen Theil seines 00 abgiebt Wenn auch diese
Dissociation nur langsam vor sich geht, so mw
immerhin in einer gewissen Zdt eme gewisse Menge
00 ausgeschieden werden. Wenn hiemach auch die
Bernard-Gr^hant'sche Angabe, dass das CO
(theilweise) als solches ansgeschieden werde, wilir-
scheinlich wird , so liegt doch andererseits der Ver-
dacht nahe, dass die vonGr^hant gefundenen
Mengen ausgeschiedenen Eohlenoxydes die wegee
dcfr Spannung des OOHb nnvenneidliehen seieo,
während derHaupttheil des 00 vielleicht ein andeiei
Schicksal hat. Gegen Gr^hant's Versuche Hast
sich nämlich einwenden, dass er bei seiner Methode,
die Exspirationsluft derThiere nach demOO-Atiimen
zu untersuchen, möglicherweise einen Bmchfhefl des
Kohlenoxydes , welcher in den Luftwegen stagmit
hatte, mit der Exspirationsluft auffing. Aus dieaeiB
Grunde waren neue Versuche über diesen Gegen-
stand durchaus wflnschenswerth.
Kreis wandte zur Erkennung des 00 im Blute
anfangs das spektralanalytische Verfahren von
Hoppe-Seyler an. Nun hat schon Masia dk
Beobachtung gemacht , dass ftlr die Genauigkeit des
spektralanalytischen Nachweises von 00 -Blut die
gleichzeitige Gegenwart von O^Hb (»» SauerstolT-
hämoglobin) nicht gleichgtlltig ist. Bei den Kreis'-
sehen Versuchen an Kaninchen zeigte sich ebenfalls,
dass der spektralanalytische Nachweis des CO be
einer nur partiellen Vergiftung oft nicht möglich wir.
Die Grenze der Nachweisbarkeit des CO im BkU
mit dem Spektralapparate lag bei 47 — 48*/«
Kohlenoxydblut bei recht gflnstigen kleinen Spd[-
tralapparaten , bei grossen war schon bei 48.5 bis
49<^/o die Grenze erreicht. Eine zweite Methode,
welche Kr. anwandte, um das 00 im Blute nachso-
weisen , bestand in der Behandlung des Blutes mit
Luft oder Stickoxyd und Untersuchung des doroh-
geblasenen Gases auf CO nach folgender Methode.
Das Gas, resp. die su ontenniohende Luft wurde wt
erst doroh 8 Kaliapparate geleitet, um alle QO% n est-
fernen ; hierauf passirte eie ein klares Barytrohr larCoB-
trole f&r die letztere u. wurde Jetzt durch eine ca. 1 Mir.
lange Yerbrennungsröhre geleitet, welche mit ftMi tm-
geglühtem Asbest gefBllt ¥rar and während des fttMS
Verenches auf Bothgifihhitze erhatten wurde. Kadi die-
ser VerbrennungBrofare kamen nochmals 2 klare Baiyt-
röhre , durch welche die aus der letstem tretende Laft
streiehen musste. War nun in der zu untermekendei
Luft CO enthalten, so verwandelte sich daaaelbe nf
Kosten des Sauerstoffs der beigemengten Luft in der f er
brennungsrOhre in COs und diese trfibte das Baiytwwer«
Zu Versuchen, Thiere durch Einathmenltfsen
von CO zu vergiften und hierauf die ExspintioDS-
luft auf CO zu untersuchen, erwiesen sich efgeotüeh
I
IIL Hygieine^ Diätetik, Pharmakologie n. Toxikologie.
237
mir Frdsehe geeignet, die das Gas 4—5 Std. lang
rdcUich in ihrem Blute zurückhalten. Eine end-
gültige Entscheidung darflber aber, ob sie wirklich
anverändertes CO aus dem Biute mit der Lungen-
Inft ansschelden, konnte trotzdem nicht geliefert
werden.
Eine weitere Versuchsreihe bezog sich auf die
subcutane Injektion von CO und das Verhalten der
Exspirationslnft nach solcher. Schon Cl. Bernard
hat gezeigt , dass CO subcutan beigebracht oder in
die Pleura injidrt , keine Vergiftungserscheinungen
macht. Pokrowsky fand bei solchen Thieren
die Exspirationsluft frei von CO. Auch Kr. fand
bd Kaninchen, die in dieser Weise behandelt wur-
den, in der Exspirationsluft nichts von CO ; er hält
diese Versuche jedoch nicht für beweisend, weil der
Einwand gemacht werden kann, dass in diesen Fäl-
len das Gas überhaupt mit dem Blute nicht in aus-
giebige Berührung komme.
In einer 3. Versuchsreihe wurde den Thieren
durch Transfusion CO-Blut zugeführt , wobei diese
ttbrigens durchaus keine Vergiftungserscheinungen
zeigten. Diese Versuche, bei denen das ausgeathmete
CO auch quantitativ bestimmt wurde, zeigten, dass
Kaninchen nach der Transfusion von ca. 30 Cctmtr.
CO-Blut eme gewisse, und zwar ziemlich constante
Menge CO ausathmen, und zwar in den ersten 2 — 3
Standen. Die ausgeathmete Menge ist aber nur ein
kleiner Bmchtheil der eingeführten. Diess lässt sich
wohl am besten so erklären, dass man annimmt , es
findet in den ersten Stunden eine Dissociation statt,
dni'ch welche eine grosse Menge CO frei wird.
Eine 4. Versuchsreihe wurde angestellt, um dui*ch
Tbiere ein gewisses Volumen CO zum Verschwinden
zu bringen. Es war jedoch nicht möglich, durch
Kaninchen auch nur eine Quantität von 10 Cctmtr.
CO zum vollständigen Verschwinden zu bringen.
Auch mit Fröschen fielen die Versuche ziemlich ne-
gativ aus. An weissen Mäusen, Bienen , Maikäfern
nndMehlwflrmein liess sich jedoch zeigen, dass diese
Thiere eine zu ihrer Körpermasse verhältnissmässig
sehr grosse Menge CO zum Verschwinden bringen.
Verschwindet aber im thierischen Organismus das
eingeftlhrte CO theilweise, so muss dafür eine um so
grössere Menge COf aufti*eten* Dieses Faktum ist
schon von Pokrowsky für Kaninchen angegeben.
Kreis wies nun auch für Frösche zur Evidenz nach,
dass bei der CO-Athmupg die COs-Menge der Ex-
spirationsluft zunimmt, während für Kaninchen der
Beweis nicht in so schlagender Weise geführt wer-
den konnte.
E» steht somit fest^ dass bei der CO» Vergiftung
der grösste Theil des eingeathmeten Kohlenoaydes
zu. Kohlensäure verbrannt wird, wäfvrend ein kleiner
Theil dureh Dissociation unverändert ausgeathmet
wird.
Dr. 0. Kahler (Prag. med. Wchnschr. VI. 48.
49.1881) theilt weitere Er/o/irun^^n über dieGly
koeurie bei KMendunstvergi/tungen mit.
Die fragl. Erscheinung ist nach K. bei Vergif-
tungen zuerst 1858 von Hasse beobachtet worden ;
Friedberg beschrieb (1866) 3, Ollivier (1879)
2 solche Fälle. An Thieren studirten dieses Symptom
Cl.Bernard 1857,Richardson 1862,Fried.
berg und Senff (1869). Weitere Mittheilungen
darüber kennt Kahler nicht und theilt daher 5 von
ihm beobachtete Fälle mit.
Der erste betrifft ein dOjähr. Dienstmädchen,
welches sich in einer Kohlendunstatmosphäre zu Bett
gelegt hatte und nach 9 Std. besinnungslos vorge-
funden worden war. Selbst 10 Std. nach Entfernung
aus dem vergifteten Räume zeigte die Kr. noch kein
Bewusstsein , ja kaum eine Spur von Reaktion auf
energische sensible Reize. Die Besinnungslosigkeit
hielt 24 Std. an ; der kleine frequente Puls und die
langsame, stertoröse Respiration bekundeten die
schweren Störungen der vasomotorischen Central-
organe. Als Nachkrankheit trat ferner Hautgangrän
am Kreuzbein auf. Für die Entstehung derselben
macht Kahler die durch eine schwere vasomoto-
rische Paralyse oder durch direkte deletäre Wirkung
des CO verminderte Resistenzßlhigkeit der Gewebe
verantwortlich. Vasomotorische und trophische Stö-
rungen der Haut verschiedener Art und verschiede-
nen Grades gehören, wie L endet 1865 nachge-
wiesen hat, zu den Symptomen der CO- Vergiftung ;
in schweren Fällen aber kommt es zu der von Klebs
in ihi'er Bedeutung am besten gewürdigten allgemei-
nen Lähmung der Vasomotoren und die fehlende
Reaktion derGef^se auf äussere Einflüsse mag wohl
dann in Verbindung mit dem gesunkenen Blutdrucke
die Erklärung für die so häufig als Nachkrankheit
bei schweren Vergiftungen vorkommenden Druck-
nekrosen der Haut abgeben. Sehr beweisend für
die vorhandene verminderte Resistenzßlhigkeit der
Haut sind namentlich solche Fälle, wo an Stellen,
die zur Applikation von Gegenreizen gedient haben
(Senfteig, Vesikans), sich Hautnekrose entwickelt.
So entstsnd auch im vorliegenden Falle in beiden
Wadengegenden, wo bei der Aufnahme noch adhäri-
rende Reste eines Senfteiges gefunden wurden, nach-
träglich eine derbe Infiltration der Haut , ohne dass
es jemals bis zur Nekrose gekommen wäre. In dem
gleichen Sinne endlich kann man eine bei der Kr.
nachgewiesene pneumonische Infiltration der Lunge
als Merkmal einer intensiven Vergiftung betrachten ;
denn, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass die an-
derweitigen in der Kohlendunstatmosphäre enthalte-
nen reizenden Stoffe die Veranlassung der folgenden
kataiThalischen und pneumonischen Erkrankung der
RespiratioDSwege waren , so wird die Schwere der
letztem doch gleichfalls von dem Grade der Schädi-
gung sich hergeschrieben haben , welchen die Resi-
stenzftlhigkeit der Gewebe durch das CO direkt oder
indirekt erlitten hatte. Der in den ersten 24 Std.
nach Entfernung der Pat. aus dem von Kohlendunst
erfüllten Lokale in der Blase gesammelte Harn ent-
hielt Zucker in der Menge von 0.9^/o ; die Ham-
menge betrag 1200 Cctmtr., die entleerte Zucker«
338
IV. Pathologie, Therapie u. medicinisehe Klinik.
menge somit 10.8 Gramm. Die Qlykosorie hielt
nicht länger als 24 Std. an and war nicht von Alba-
minnrie begleitet. Erst am 2. Tage nach Aufhören
der Znckeransscheidong stellte sich eine Spur von
Eiweiss im Harne ein.
Der 2. Fall betraf einen 30jähr. Tagelöhner,
welcher bei einem Kohlenbecken eingeschlafen war.
Die Symptome bestanden in Bewusstlosigkeit, Cya-
nose, stertoröser Respiration und Pnlsbeschleunignng.
Die Therapie bestand in einem Aderlasse und in Ap-
plikation von Hautreizen früh Morgens, gleich nach-
dem Fat. gefunden worden war. Die Besinnung
kehrte gegen Abend zurQck ; die Temperatur betrug
um diese Zeit d8.4<-a9.O0 c. Der Harn enthielt
früh 0.96% Zucker (nach Trommer) und um
1 Uhr 0.51%; Eiweiss war nicht darin zu finden.
In der folg. Nacht war der Harn normal. Die übri-
gen 3 Fälle sind ohne Interesse.
K. empfiehlt den von Kühne vorgeschlagenen
Aderlass und die Transfusion bei allen Formen der
CO-Vergiftnng.
Schlüsslich möge noch erwähnt werden, dass Dr.
Geo. Diehl zu Kirchheimbolanden (Friedreich's
Blätter f. ger. Med. XXX. p. 3. 1879) eine Zusam-
menstellung der bekannten Thatsachen über Kohlen«
dunstvergifiung veröffentlicht hat.
Zwei Ton J. W. Rnneberg und vonSaltzman
▼eröffentlichte Fälle von Vergiftung dnreh Kohlenoxyd
mögen bier nar knrz erwähnt werden. In letzterem
wurde der Kr. durch Bluttransfusion gerettet. B.'s Beob-
achtung (über welche in unsem Jahrbüchern [GLXXXV.
p. 28] schon ausfQhrlich berichtet worden ist) betrifft
8 durch Leuohtgss vergiftete Personen ; 2 von ihnen wur-
den bereits entseelt aufgefunden. Die dritte lebte noch
sieben Tage, ohne dass Jedoch — und diess ist das Inter-
essante des FaUes — das Bewusstseln auch nur für einen
Moment wiedergekehrt wäre. Puls und Respiration wa-
ren normal. Der Harn hatte in den ersten Tagen redu-
drende Eigenschaften. Während der letzten Tage steUte
sich Fieber ein, welches allmälig bis 41® stieg. Bei der
Sektion sollen keine anatomischen Veränderungen gefun-
den worden sein, doch wurde wohl das Gehirn nicht mi-
kroskopisch nntersQoht, sonst wfirde man voraussiehtUch
kleine Blntaustritte und Erweichungen gefunden haben.
Das Leiebenblut enthielt, was ebenfalls sehr auffallend
klingt, noch deutlich Kohlenozyd.
Zwei Fälle Ton CO- Vergiftung , welche J. M. An-
ders (Phiiad. med. Times VI. 19. 1880. p. 478) mit-
theilt, können wir fibergehen, da sie nichts Neues bieten,
ebenso 3 Fälle von Mor. Singer (Wiener allg. med.
Ztg. Nr. 26. 1879. p. 369).
Dr. G. Wolffhugel (Zschr. f. BiotogieXIV. 4;
Deutsche med. Wchnschr. V. 1880. p. 211) suchte dk
Grenze festzustellen, bei welcher der CO-Gehalt der Lift
eines Zimmers gesundheitsschidUch wird, und fimd, daai
dieselbe durch die Empilndliehkeit der V o g e l'sehen Blife-
probe gegeben ist, welche durch spektroskopisdie Untw^
suchung bei Abwesenheit von Sauerstoff noch P/ot* bd
Anwesenheit desselben noch 2.6<^/oo CO aufflnden lisit
Danach wfirde eine Jede Zimmerluft gesondheitsschidM
sein, von welcher 100 Cotmtr. noch die GO-Seaktioii Ib
3 Cctmtr. eines mit Wasser stark verdünnten Blutes gebeo.
— Die Diffusion von CO durch glfihende eiserne B5hret
konnte mit dieser Probe deutlich nachgewiesen werden. —
Die Versuche wurden später inverechiedeaerW^sefariiit
fortgesetzt.
In Bezug auf die Frage, ob gusseiseme Oefen die Ge-
fahr der CO' Vergiftung mt sich bringen, verweisen wir
auf einen ganz instruktiven Artikel in »Gesundheit* IV.
1880. p. 226. Ebenso können wir auch auf einen Artikel
von J. V. Fodor, fiber die Beziehungen des Kohleaojofi
zur Gesundheit der Menschen (Deutsche VJhrschr. f. ä.
Gshpfl. XII. 1880. p. 377) hier nur aufmerksam maehei.
Ans einer längeren Abhandlung von Prof. E. Hof-
mann (Mittheii. d. Wiener med. Doct.-CoUegioni T.
p. 74 ; Wiener med. Presse XX. 18. 14. 15) sei nur Dai
erwähnt, dass ein 4Jähr. Kind gegen eine Vergiftung nit
CO sich resistent erwies, bei der 10 ältere Personen 4n
Tod fanden, sowie dassKolüendunstvergiftnngenaaehfeai
nicht geschlossener OfenkUppe vorkommen können, wesi
der Wind den Rauch nach unten drfiekt.
Schlfisslioh seien hier noch die Versuche von Qu-
haut über die Ausscheidung des Kohienaxgd durch dat
Blul erwähnt (Gaz. de Paris. 1879. 87. p. 472 u. 1880.
p. 126 u. 668 ; Gompt. rend. 91. p. 858. 1880).
Schon frfiher hatte G. die Beobachtung gemacht,
dass bei der CO-Vergiftung ein Theil des CO wieder im-
verändert , nicht zu 00^ verbrannt, mit den exhalirtai
Gasen eliminirt werde. Quantitative Bestimmungen fib«r
die während der Vergiftung vom Blute gebundenen nd
exsplrirten Gasmengen ergaben späterhin, dass die Meofe
des giftigen Gases in dem ausgeathmeten Gasgemenge
nicht mehr als Vtoooo*— V«mm beträgt, und dass bei lahiit-
tion von mit 10000 Theilenatm. Luft verdünnten Kohl«-
oxyds überhaupt keine Elimination des letzteren stattflndet
Bei Fortsetzung dieser Versuche (1880) Hess 6r.
Hunde mittels einer Art lft3&r*scher Ventile ans eisen
200 Liter fassenden Kautschukbeutel Genüsche von Lnft
und CO athmen. Bei V400 CO und Entleerung des Sack«
in 56 Min. erfolgte Erholung ; ebenso bei Vs»o in 4A Mia.,'
bei V900 trat, als 146 Liter geathmet waren, der Tod eis.
Bei Kaninchen wirkte Athmnng eines Gemisches von %
noch nicht tödtllch, wohl aber eines solchen von Vn-
Ein Sperling starb in einer Atmosphäre mit Vmo CO sidi
105 Min., ein zweiter in einer solchen mit V450 nach ISO
BHnuten. Bei gleichzeitiger Athmung desselben GaniB^ei
▼on Vioo 00 starb eüi SperUng in 4 Min. , ein Hnnd hi 18 MIiIm
während ein Kaninchen die 20 Min. danemde Inhalitioa
überlebte. (Kobert)
IV. Pathologie, Therapie und medioinlaohe Klinik.
569. üeber die Besiehungen der multip-
len Sklerose den centralen Nervennystema zur
allgemeinen progressiven Paralyse der Irren ;
von Dr. Fr. Schnitze. (Arch. f. Psychiatr. etc.
XI. p. 216. 1881. «)
Seh. berichtet folgenden Fall, in welchem sich
neben den Läsionen der allgemeinen Paralyse skle-
roüsohe Herde im Rflckenmark fanden.
0 Fftr die Uebersendnng dankt verbindlieh H.
Ein 36Jähr. Mann, Mher syphilitisch, bekam 1876
Intentionszittern in Armen u. Beineu, Kopfweh, OUeder-
schmerzen, Sprachstörung, Doppeltiehen ; 1877 Sohwia-
delanfälle, seitweise Halludnationen mid epiteptifonM
Anfälle. In der Heidelbeiger KUnik 1877 Istentio»
zittern, aneh in ruhiger Büekenlage zuweilen Anfälle vos
Tremor. Motorisohe und sensible Parese des reehtea
Arms, verstärktes Kniephänomen rechts. Spraehe Isv-
sam, stockend, monoton. Rechte PnpiUe weiter ik
linke. Zeitweise Inoontinentia nrinae. Einmal hs^
von Aphasie. Keine wesentlichen psychischen StSnm^*
Am 29. Oct. 1878 fing Pat. gans pl5tslich an, btäü'^
deliriren, und wurde in die pqreUatr. KUnlkibeiystfkrt
j
IV. Pafhologie, Therapie n. medidnische KlinSc.
23»
Jn den BlehBten Wochen wiederholten sieh die Anf&lle
voB Erregang hStiflg ; Grössenwahn : Fat. hielt sieh für
deo Kaiser u. s. w., schimpfte jeden »Spitahnhe**. Oft
widerspenstig, unreinlich, Eothschmieren, zeitweise Fie-
ber. Du Zittern hörte aof, die Parese des rechten Arms
■ihai ab, doeh bemerlcte man Atrophie der rechten Hand
SDd dss linke Bein wurde gelfthmt, während das rechte
ataktische Bewegungen machte. Fat. wurde allmWg
seliwficher, bekam Decubitus und ging am 13. Dec. som-
Dolent SU Grunde.
Die Pia-mater war hoehgradig ödemat&s, die Him-
windioigen atrophisch, die Ventrikel weit, die Hfamsub-
stanz animiflch, sah. Das Rückenmark schien makro-
ikopiMh normal su sein, Jedoch seigten sich nach der
Erhärtung sahireiche sklerotische Herde, deren Topo-
graphie man im Original einsehen wolle. An ihnen zeigte
das Mikroskop Fehlen der NeryenCasem, enorme Anhftu-
tmg von K5niehensellen, Verdickung des Bindegewebes.
Die Fyramidenbahnen waren in ihrer ganzen Lange mehr
oder weniger erkrankt, die Goll'schen Stränge nur in sehr
geringem Grade. Am Hirn zeigte sich mikroskop. Ver-
didkong der Fla, Durchsetzung derselben mit Rundzellen,
eriiebliehe Veränderung der Gefässe, ketaie deutliehe Ver-
iaderuDg der Ganglienzellen.
Auch iD einem 2. Falle, den wir, weil eine ge^
Diaei« kllniBche Beobachtang fehlt, nicht eingehend
leferiren, fand Seh. chron. MeningitiB des Gehima
QDd Rackenmarks, difiiise Bindegewet)8hyx)erplasie
im Orosshirn und in der Hednlla spin., neben klei*
Ben sklerotiachen Herden in letzterer.
Ans der Literatur fllhrt Seh. an, dass in einem
von Clans (AUg. Ztschr. f. Psyohiatr. XXXV.
p. 335) berichteten Falle zugleich spinale and cere-
hnde Symptome begonnen hatten, während schlflss-
Bdi das Bfld der Dementia paralytica bestand. Die
Sektion ergab multiple sklerotische Herde in Qehini
nd Bfldcenmark. Femer existirt ein Fall von
8ehflle(|bid. p. 432), in welchem klinisch senile
Helaneholie mit Bnlbärsymptomen, anatomisch Bnl-
bintrophie nnd multiple spinale Herdsklerose beob-
aehtet worden. Die Hirnrinde zeigte Bindegewebs-
▼ennehmng. Nenerdings machte Siemens (Arch.
f. Psychiatr. etc. X. p. 136) eine ähnliche Mitthei-
Imig. Eine zeitweise maniakalische 21jähr. Person
wnrde später geistig geschwächt nnd zeigte mannig-
CiUige Lähmnngsersobeinnngen, seandirende Sprache
•adlntenti^Miszitteni. Anatomisch fand sich Atrophie
des Vorderhims , partielle Sklerose des Kleinhirns
oad frische disseminirte Herde im Rflckenmark.
Vielleicht wärden ähnliche Befnnde, wie die oben
erwähnten, nicht so sehr selten sein, wenn häufiger
^e genaue Untersuchung des Rttckenmarkes bei
Paralytikern vorgenommen würde. Diesen Gedan-
ken regt folgender Fall Raynaud 's an (Oaz. des
Hdp. 55. 1881).
Eine 57Jähr., Mher gesunde, aber durch Kummer
nd Elend gebengte Frau litt seit Aug. 1879 an Zuckun«-
gen Im Untoi Bein und Arm, dann anSpraehbeschwerden
und seit 2 Mon. an Zittern.
Bei der Aufhahme sah sie stumpfsinnig ans, lächelte
slhem, stotterte etwas. Lippen und Zunge yibrirten, In-
^tlonsiittem der linken GUeder. Ungleiche Pupillen,
leichte Atrophie der PapiUe (wekAer?), leichter Nystag-
nnsund, ab einziges doppelseitiges Phänomen, reiseende
Scflimenen um beide Knie, endlich etwas Incontfaienz.
Hb MailBSO selgte die Kranke nurOedäehtnIsflschwäche,
dann wnrde sie pl5tsUch ausserordentlich albern, lachte
und weinte ohne Qrund. AUmälige Verblödung. In der
letzten Zeit Flexionscontraktnr der linken Glieder und
Steigerung des Tremor bis suAnföllen spinaler Epilepsie.
Es genügte, die Glieder der Pat. scharf anxnsehen, um
sie erzittern zu lassen. Decubitus. In den letzten 4. T.
complete Aphasie.
Die Sektion ergab nicht die erwarteten Herde der
multiplen Sklerose, sondern dicLäeionen der allgemeinen
Paralyse : Atrophie der Grosshimwindungen, Verdickung
und Verwachsung der Pia, letztere besonders rechts dem
vordem llieil des Hirns entsprechend. An der 3. linken
Stimwindnng nur im 1. Viertel einige Adhärenzen. Hy-
perämie der Bautengmbe.
Die mikroskopische Untersuchung fehlt; fiber das
Bttckenmark ist kein Wort gesagt. (M 5 b i u s.)
570. Zur Lehre yon der akuten aufstei-
genden Paralyse; von Dr. R. Schnls nnd Prof.
Fr. Schnitze. (Arch. f. Psyohiatr. etc. XII. 2.
p. 457. 1881.0
Ein 44Jähr. , früher gesunder, massiger Mann war
1876 syphilitisch geworden. Nach längerer speciflscher
Behandlung blieb er gesund bis 18. Sept. 1881. An die-
sem Tage bekam er heftigen Schnupfen mit Kmgenom-
menheit des Kopfes. Doch gab er an, dass er schon seit
4 Wochen leicht gestolpert und rasch ermüdet sei. Des
Schnupfens wegen nahm er römische Bäder. Nach diesen
stellte sich Schwere der Schultern nnd der Beine ein nnd
nach dem 4. Bad konnte Pat. sich nur mit grösster An-
strengung nach Hause schleppen. Am andern Morgen
hochgradige Paraparese, kein Kniephänomen, keine Sen-
slbilitätsstömngen. Am 1. Oct. Paraplegie, am 2. Läh-
mung der Arme, am 8. Schwierigkeit beim Kauen and
Schlhigen. Am 6. folgender Status : leidlich gut genähr-
ter Mann, schwitzend, etwas aufgeregt, viel sprechend.
Sensorium normal, kein Kopfechmers, kein Schwindel,
normale Pupillen, keine Störung im 1. bis 9. Himnerven.
SchUngen fester Speiseii unmöglich, Kauen anstrengend,
Bespiration ruhig. Puls 90, Temperatur normal. Schlaffe
Paraplegie, keine Atrophie. Taubes Gefähl in den Zehen.
Keine Anästhesie, keine Hautreflexe, kein Kniephänomen.
Parese der Bauchmuskeln, kefai Banchreflex. Taubes
Gefähl der Fingerspitxen , Parese beider Arme, keine
Anästhesie. Parese der Nackenmuskeln. Keine Em-
pfindlichkeit der Wirbelsäule. Es wurde eine antisyphi-
litische Behandlung eingeleitet. Am 8. war die Sprache
gaumig, schwer yerstibdllch. Bisweilen Schmersen in
den Beinen nnd im Krens, ab und zu erschwertes Athmen*
Am 14. unwillkfirlicher Hamabfluss. Am 18. sehr ober-
flächliche Bespiration, Gesicht verfallen. In der nächsten
Zeit enUtchiedene Besserung. Am 8. Not. elektrische
Untersuchung. Die fiaradische Erregbarkeit sowohl der
Nerven, als der Muskehi der Glieder war yoUständig er-
loschen. Bei galvanlBcher Untersuchung an den Beinen
Entartnngsreaktion (träge Z. , ASZ > KSZ). An den
Armen in den Streckmuskeln Entartnngsreaktion, in den
Beugemuskeln beinahe Aufhebung der galvan. Erregbar-
keit, Jedoch von den Nerven aus schwache blitzartige
Zuckungen. Vom 8. — 18. Nov. galvanische Behandlung,
Besserung der Beweglichkeit im linken Arm und rechten
Bein, der Sprache, des Schlingens, der Athmung. Am
18. fieberhafte Bronchitis. Am 26. Tod. Kein Decu-
bitus.
Sektion. Im Schädel nichts Besonderes. Rflcken-
mark stellenweise sehr weich. Frische Mnskelpräparate
zeigten zum Theil erhaltene Qnerstreif ung , znm Theil
fehle Bestäubung der Fasern, Verlust der Querstreifang,
Verschmälemng mancher Fasern. In den Nerven ein Theil
der Fasern fettig degenerirt. Nach der Erhärtung ImLen-
dentheile desRGckenmarks weisslich-gelbliche Verfärbung
1) Ffir Uebersendung dankt verbindlich tf .
240
IV. Pathologie, Therapie n. medioiniBche Klinik.
der Pynunidenbahneii, im Dorsaltfaeil mehr diffuse Ver-
f&rbniig der YordeneitenstrSiige , weiter nach oben hin
Yerfärbnng der peripheren Abschnitte der Hinterstränge.
Halstbeii ähnlich wie das Lendenmark. In der Oblongata
nichts Abnormes, die Degeneration der Pyramidonbahnen
reichte bis znr Höhe der Krenznng.
Milsroskopisch fand sich in den degenerirten Ab-
schnitten eine Anfquellang des Bindegewebes, starke
QneUnng vieler Achseneylinder n. Zerfall solcher. Diese
VerSndemngen fanden sich in geringerem Maasse aach in
den makroskopisch normal erscheinenden Partien. Um
einzelne QefSsse Anhäufungen Yon Rnndcelien, ebenso
an Terschiedenen Stellen der Pia. In denVorderhömern,
besonders des Lendenmarkes , Quellnng , Körnung , Va-
cuolenbildnng der Qangliensellen, Qnellnng der Achsen-
cylinder, letztere und Zerfall auch in donyordemWurzel-
fasem, hier und da auch in den hintern Wurzeln. Hypo-
glossus- , Vagus- , FaciaÜskem normal, nur in letzterem
vereinzelte gequollene Achsencylinder. In den Beinmus-
keln deutliche degenerative Atrophie.
Es fand sich also eine frische Myelitis vorzugs-
weise der motorischen Bahnen n. der vordem grauen
Substanz, mit entzündiicher Durchtränkung des gan-
zen Rdckenmarkes.
Das klinische Bild hatte allerdings Aehnlichkeit
mit dem der Landr/schen Paralyse, unterschied sich
von letzterem aber, ausser durch kleinere Zflge, ganz
wesentlieh durch die schweren Veränderungen der
elektrischen Erregbarkeit. Die Vff. erkennen jenen
unterschied an und lassen es selbst dahin gestellt
sein, ob die reine Lendry'sche Paralyse der Aus-
dmck der leichtesten Grade einer auf die vordem
Rückenmarksabschnitte beschränkten Myelitis sei.
Vielleicht hätten die Autoren bei dieser Erkenntniss
einen andern Titel ihrer Arbeit wählen sollen.
In einem Nachtrage erzählt Fr. Schnitze,
dass er in Fried reich's Klinik emen weitern
Fall von aufsteigender Lähmung beobachtet hat.
Es hatte Facialislähmung bestanden und Vermin-
derang der faradischen Erregbarkeit des rechten
Facialisgebietes. Es fand sich neben einer massig
intensiven Meningitis spin. akute Myelitis, beson-
ders in den Seitensträngen des Hals- nnd Dorsal-
theiles. (Mob ins.)
571. lieber den geistigen Zustand der
Apoplektiker nnd ihre Zureohnungsfähigkeit ;
vonLegrand du Saulle. (Gaz.desHop. 68 — 71.
1881.)
Vf. nnterscheidet in Betreff ihres geistigen Zu-
Standes 4 Klassen von Apoplektikera. In der ersten
scheint der Kranke seine frühem Fähigkeiten behal-
ten zn haben ; er füllt seine bflrgerliche u. Familien-
Stellung befriedigend aus nnd nur eine sorgfältige
Untersuchung zeigt, dass die Lebhaftigkeit u. Schärfe
des Geistes vermindert sind, dass der Wille ge-
sehwächt ist In der zweiten zeigt sich der Kranke
auch dem weniger geübten Auge verändert ; er ist
reizbar, weint leicht, seine Stimmung wechselt rasch,
das Gedächtniss ist geschwächt, besonders die Eigen-
namen fallen aus und der Kranke bedient sich mit
Vorliebe des Wortes „Ding<^ Die Urtheilskraft ist
schwach, der Kranke ermangelt der Spontaneität und
ist, so widerhaarig er erscheint, leicht zn leiten. Die
Benrtheilung dieser Art von Kranken macht die
grössten Schwierigkeiten ; häufig können sie ihre Ge-
schäfte noch leidlich versehen, sie sind nicht dement
und doch nicht geistig gesund. Bei der 3. KUflse
besteht kein Zweifel mehr über die geistige StOrang.
Die Kranken, welche oft schon einige AnfiÜle durch-
gemacht haben, vergessen Ort und Stunde , köimen
die alltäglichsten Dinge nicht benennen nnd verges-
sen ihre Angehörigen. L. erinnert an den alten Hem
Loujer-Villermay's, welcher seine Fran mit
einer Dame, die er früher oft besuchte, zu verwech-
seln pflegte und zu ihr sagte : Madame, ich kum
nicht länger bei Ihnen bleiben, ich muse wieder n
Fran nnd Kindern. Hier besteht wahre DemeitL
Wahnideen und Hallncinationen sind nicht selten.
Die Kranken haben Fnrchtanfillle, glauben sieh ver-
folgt, beraubt, sehen erschreckende Gestalten u.8.w.
Sie werden geizig. Sie sind bald erregt, bald d^
primirt. In der 4. Klasse sind die Kranken complet
dement, ihr vegetatives Leben dauert fort, ihr aninuüeB
ist nahezu vernichtet. Zu dieser Klasse zählen die
meisten Apoplektiker der Salp6tri6re; sie gleiches
einem Paralytiker im letzten Stadium, nur ihre
Anamnese unterscheidet Sie von diesem. Sehllte-
lich macht L. auf den merkwürdigen, schon von sei-
nem Schüler Finance hervorgehd>enen Umstind
aufmerksam, dass trotz beträchtlicher Demenz die
Apoplektiker oft recht gut zu spielen im Stande sind;
diese Kranken, ohne Gedächtniss und UrtheilsknA,
machen eine Partie Karten, Domino, Schach mit niekt
geringem Geschick.
Oft kommen die Apoplektiker mit dem StrBfg^
setz nnd der Polizei in Oonflikt, oft geben sie Anla«
zu Ci^iprocessen. Bald ist der Apopldctiker auf
irgend einer Öffentlichen Bank eingeschlafen und fin-
det sich nicht nach Hause: bald hat er mit dem Hit
in der Hand die Vorübergehenden angebettelt, btld
hat er auf einem offenen Platz gepisst nnd seine Ho-
sen offen gelassen, bald hat er am hellen Tage eioea
Mädchen die Röcke in die Höhe gehoben, bald hit
er einer Amme Anträge gemacht nnd ihr 2 Soiu ge-
boten, wenn sie vor ihm stillen wollte, bald hat er
auf die Strasse gekackt, bald hat er unsittliche At-
tentate auf Knaben gemacht, bald hat er einem Kii-
mer etwas weggenommen , bald hat er sich in einer
Conditorei vollgegessen, ohne bezahlen zu könnea,
bald ist er zu einem Freudenmädchen gegangen uai
will nicht wieder fort, weil er glaubt, zu Hanse a
sein, bald hat er sein Billet im Wagen verioreQ aad
will ein zweites nicht bezahlen, bald zieht er sieh
auf einem offenen Platze aus» Eine hemipl^isdie
Magd hatte ein Kind geboren, am andern Horges
fand man das Kind todt nnd sie wnrde als Kindes-
mörderin verklagt. L. konnte leicht nachweisen,
dass keine absichtliche Tödtung vorlag, sondern dass
die halb demente Person dch einfach nicht am das
Kind bekümmert hatte.
Die Apoplektiker der 1. Klasse, z. Th. auch dfs
der 2., sind als zurechnungsfähig zu betracbtea;
IV. Pathologie, Therapie u. mediciBische Klinik.
241
Itot sich eine deutliche AbschwSchung der geistigen
F&higkeiten ohne weitere Stömngen nachweisen, so
wird man meist verminderte Znrechnangsßlhigkeit
annehmen mfissen. Aile schwerer Kranken sind
selbstverständlich als Blödsinnige zu betrachten.
Sehr oft hat der Arzt sein ürtheil darüber ab-
zugeben, ob bei Gelegenheit eines Kanfes, einer
f^anzoperation , der Hinterlegung einer Cantion,
einer Heirath, eines Testamentes die Zustimmung
oder Unterschrift eines Apoplektikers verbindlich
sein könne. Die Umgebung des Apoplektikers sucht
sieh seine Schwäche möglichst zu Nutze zu machen,
ihn zu thöriehten Handlungsweisen zu verleiten und
dabei zu profitiren. Speciell bespricht L. das Ver-
fahren, wenn ein Apoplektiker seinen Besitz fftr eine
Leibrente verkauft. Nach französischem Recht ist
ein Leibrentencontrakt hinfällig, wenn der Contra-
hent innerhalb dreier Wochen nach Abschluss des-
selben an einer Krankheit stirbt, an welcher er bei
dem Abschluss litt. Trifft der Fall bei einem Apo-
plektiker zu, bekommt derselbe z. B. durch die Auf-
regung einen Anfall und geht zu Grunde, so findet
nach L. die eben citirte Bestimmung doch keine An-
wendung , denn , wenn ein Apoplektiker an einem
neuen Anfall stirbt, soll es sich nicht um die alte
Krankheit handeln, sondern mit jedem Anfall, jeder
neuen Blutung, Embolie u. s. w. beginnt eine neue
Krankheit. Diese seine Auffassung, sagt L., sei
aoch von der Justiz anerkannt worden. Ob ein Apo-
plektischer entmttndigt werden soll, lässt sich nur
im einzelnen Fall entscheiden. L. ist nur in den
schwersten Fällen f&r dieses Verfahren. Wenn die
Demenz nicht complet ist , hält er die Bestellung
emes juristischen Beirathes, als einen Mittelweg, für
besser. Auch über die Testirfähigkeit der Apoplek-
tischen ist nur im einzelnen Falle mit Berücksichti-
gong aller Umstände zu entscheiden. L. macht be-
sonders darauf aufmerksam, dass, wenn ein Testa-
ment zur Beurtheilung vorliegt, Verdacht bestehen
kann, dass der Verfasser geistig gestört gewesen ist,
dass derselbe aphatisch, resp. rechtseitig gelähmt,
fehlerhaft geschrieben, einzelne falsche Worte ange-
wendet hat, während doch aus der Conception des
Ganzen die geistige Gesundheit des Verfassers er-
hellt. (Möbius.)
572. üeber Chorea magna und ihre Be-
handlnng; von Dr. A. Seeligmüller. (Deut-
ache med. Wchnschr. VII. 43. p. 584. 1881.)
S. schliesst sich der von Ziemsse n ausgespro-
chenen Ansicht an, dass die Chorea magna kein
selbstständiges Krankheitsbild darstelle, er möchte
daianf dringen, die Chorea magna ganz zu streichen
und die betr. Fälle der „Hysterie im Elindesalter'^
zu subsumiren. Er unterscheidet nach seinem
Material 1) die maniakalische Form, 2) die hypno-
tische Form, 3) die epileptische Form, 4) die con-
vuWive Form, und bringt für die verschiedenen For-
men Beispiele bei.
Med. Jahrbb. Bd. 192. Hft. 3.
Ein lljähr. Knabe hatte jeden Abend von 6—9 Uhr
seinen Anfall: Fortwährend auf den Knien ratschend,
geberdete er sich als Oberbefehlshaber (Kaiser , Sultan),
eines Heeres, welchem er Commandoworte zurief, wäh-
rend er selbst exerzirte und allerlei militärisch« Evolu-
tionen machte. Kurz vor seiner Krankheit hatte ihn ein
älterer Bruder, der Soldat war, einezerzirt.
Ein lljähr. Knabe tiel bis zu 16mal an einem Tage
um und in einen hypnotischen Zustand, welcher 6 Min.
anhielt und mit einem scharfen Rucke durch den ganzen
Körper endigte. Wahrend des Anfalls brach er Schoten
auf und ass die guten Erbsen, die schlechten warf er weg,
bestimmte durch Betasten den Werth ihm zwischen die
Finger gebrachter Geldstücke : angeblich bei völlig ge-
schlossenen Augen und ohne sich nachtraglich des Vor-
gefallenen zu entsinnen.
Ein löjähr. Jüngling, geschlechtlich vollständig entwi-
ckelt, litt seit 7 J. an eigenthümlichen Anfällen. Plötzlich
fiel er um u. lag meist auf der linken Seite, ohne auch nur
einen Augenblick das Bewusstsein zu verlieren, vollstän-
dig unfähig, aufzustehen, so lange da, bis Jemand so
frenndlich war, ihn an die Nase zu fassen. Solche An-
fälle hatte^er bis 300 an ITage. S. nennt ihn „das Stieh-
ufmandl*.
Als convulsive Form will S. die von Cordes,
Bischoff und 8. selbst beschriebenen Fälle typisch auf-
tretender Athemnoth bezeichnen. Ein 12jähr. Knabe bei
Cordes bekam nach allgemeinen Convulsionen , ohne
Bewusstseinsverlust , eine Athemfrequenz bis 200 Resp.
in d. Minute.
Dass es sich in den vorliegenden Fällen um Hy-
sterie handelte, glaubt S. um so mehr, als bei allQn
Kranken specifisch hysterische Erscheinungen vor-
kamen. Stets bestanden Unterleibsschmerzen nnd
eine empBndliche Stelle am Abdomen. Die Schmer-
zen gingen den Anfällen als Aura voraus und ent-
sprachen wesentlich der bei den Hysterischen sog.
Ovarie. Bei dem ,,Stiehufmandl'' beobachtete S.
Transfert. Eine grosse Neigung, zu übertreiben,
war bei den Kranken vorhanden.
Die Kranken waren z. Tb. nenropathisch be-
lastet. Bei dem „Stiehufmandl^' z. B. waren beide
Eltern psychisch zweifelhaft, eine ältere Schwester
halb blödsinnig, mit moral insanity.
Als Mittel empfiehlt S. besonders das kalte Was-
ser. „Ein Glas Wasser rücksichtslos in das Gesicht
geschleudert, sobald die Kranken Miene machen,
einen Anfall zu bekommen und — die AnftUe blei-
ben aus.''
[Ref. bezweifelt nicht, dass es sich in S.'s Fällen
und vielen anderen um Hysterie gehandelt habe ;
damit ist aber nicht gesagt, dass nieht Fälle übrig
bleiben, welche zweckmässig unter dem Namen Cho-
rea magna vereinigt werden. Auf den vom Ref.
z. B. veröffentlichten Fall (Centralbl. f. Nervenheilk.
1879. No. 5) findet S.'s Annahme keine Anwen-
dung.] (Möbius.)
573. Neuropathologisohe Beobachtungen ;
von Prof.N. Fried reich. (Virch. Arch. LXXXVI.
p. 421. 1881.)
I. Paramyoclonus multiplex.
Fr. beobachtete bei einem 50Jähr. Mann, der an einer
chronischen Lungenaffektion litt und nenropathisch nicht
belastet war, klonische Krämpfe an einer Anzahl symme-
trischer Mnskeln der Arme nnd Beine, welche nach einem
31
U2
IV. Pathologie^ Therapie n. medicinlsche Klinik.
heftigen Schreck entstanden, nach mehrjähriger Dauer
auffallend rasch zur Heilung gelangten, im Schlafe und
während willkürlicher Bewegungen cessirten und die
grobe motorische Kraft, sowie die Coordination in keiner
Weise beeinträchtigten. Bezüglich ihrer Ernährung, so-
wie ihrer direkten mechanischen und elektr. Erregbarkeit
entsprachen die erkrankten Muskeln den normalen Ver-
hältnissen, während bei vollkommener Integrität der sen-
sibeln Sphäre eine erhöhte Reflexerregbarkeit der Muskeln
bei auf die äussere Haut angebrachten Reizen, sowie eine
eminente Steigerung des Eniephänomens hervortrat. Die
psychischen Fonktionen waren normal. In der Minute
zuckte derselbe Muskel 10 — 50 mal, dabei contrahirte sich
rasch der ganze Muskel, jedoch in der Regel ohne loco-
motorischen Effekt. Die Zuckungen waren nicht rhyth-
misch, nicht symmetrisch. Afficirt waren die MM. bieeps,
triceps, snp. longus, quadriceps, in geringerem Grade bi-
eeps fem.; semitendinosus und adductor femoris. Ruhige
Lage, besonders am Abend, steigerte die Krämpfe, so
dass die Muskeln schmerzten und der Schlaf ausblieb.
Auch wurde Fat. oft durch plötzliche Zuckungen ans dem
Schlaf gestört. Nach wenigen galvanischen Sitzungen
hörten die Krämpfe auf und die Steigerung der Reflex-
erregbarkeit schwand.
Fr. ist der Ansicht, dass es sich um eine Steige-
rung der Erregbarkeit bestimmter Zellen derVorder-
hörner gehandelt habe, welche reflektorisch durch
den Schreck bewirkt wurde. Er hat fbr diese
Schrecknenrose den Namen Paramyoclonus multiplex
erfunden.
II. Ueber coordinirte Erinnerungskrämpfe,
Als coordmirte Erinnerangskrämpfe bezeichnet
Fr. Krampfznstände, welche dadurch charakterisirt
sind, dass sie eine bei erhaltenem Bewusstsein erfol-
gende, unwillkflrliche Wiederholung einer früheren,
sei es auf dem Wege des Reflexes, sei es in willkür-
licher Weise zu Stande gekommenen coordinirten
Aktion darstellen. Die Erregung bestimmter moto-
rischer Gruppen ist so stark gewesen, dass diese
längere Zeit in gesteigerter Erregbarkeit verbleiben
und ohne neuen Reiz die erstmalige Bewegung öfters
reproduciren. Fr. hat 2 derartige Fälle bei Rin-
dern beobachtet.
I. Ein 9jähr. Knabe, im Walde umherstreifend, hatte
sich plötzlich von Jemand hinten an der Mütze erfasst ge-
glaubt und war entsetzt davon gerannt. Gleich nach sei-
ner Ankunft bemerkten die Eltern eine eigenthümliche
Unruhe, die sich bald zur Chorea ausbildete. Im Hospi-
tal wurde bemerkt, dass die choreatischen Bewegungen
zeitweise unterbrochen wurden durch seltsame coordinirte
Krampfbewegungen. Unter einer plötzlichen, tiefen,
häufig von einem angstvollen Stöhnen begleiteten Inspira-
tion und unter Starrwerden der Gesichtszüge Öflfneten
sich Mund und Augen, wobei die letzteren stier aus den
Höhlen hervortraten ; zugleich wurden die beiden Arme
mit zurückgebeugten Händen und ausgespreizten Fingern
gerade nach vorwärts ausgestreckt, als ob etwas abge-
wehrt werden sollte. Gleichzeitig damit erfolgten zit-
ternde Bewegungen des Rumpfes und der Glieder, wie
bei einem heftigen Schaudern. Alle paar Minuten traten
die Anfalle bei ungestörtem Bewusstsein ein.
Bei einer wesentlich diätetischen Behandlung nahmen
sowohl die choreatischen Bewegungen, als die „Ent-
setzenskrämpfe** an Intensität ab und schwanden nach
6 Wochen. Der Knabe war sonst gesund und nicht erb-
lich belastet.
n. Ein lOJähr., sonst gesundes Mädchen hatte sich
mit seinen Gespielen durch gegenseitiges Zuhalten von
Mund und Nase belustigt, um zu sehen, wer den Athem
am längsten anhalten könne. Seitdem erfolgten bei dem
Kinde in Zwischenzeiten von wenigen IBnaten tiefe und
langgezogene, seufzende Inspirationen, während derea
der Mund weit geöffnet, der Kopf znruckgebengt, der
Oberkörper etwas nach vorwärts gebückt und die Hände
auf die Oberschenkel fest aufgestützt wurden. Das B^
wusstsein war ungestört, im Schlafe hörten die Krämpfe
auf. Bei wesentlich diätetischer Behandlung schwandee
die letzteren innerhalb 4 Wochen. (M ö b i us.)
574. Ueber Perikardialverwachsimg; von
Franz Riegel, P. Duroziez; A. 0. Barrs.
In Bezog auf die Diagnose der Perikardialvei-
wachsang unterwirft Prof. FranzRiegel (Samml.
klin. Vorträge, herausgeg. von Rieh, Voücmam^
Nr. 177, innere Med. Nr. 60. Leipzig 1879. Brat-
kopf u. Härtel) eine Reihe von allerdings vorban-
denen physikalischen Erscheinungen, die er aber der
Mehrzahl nach nicht für charakteristisch erkllreo
kann, einer kritischen Betrachtung.
Der Spitzenatose kann abgeschwächt sein oder
auch gänzlich fehlen ; diess kann aber unter um-
ständen auch bei ganz Gesunden vorkommen, oder
Folge sehr verschiedenartiger Affektionen sän. Dis
Fehlen desselben unter Verhältnissen , die eher eine
Verstärkung erwarten Hessen, wird zu dem Schlnase
berechtigen , dass nur die LoeomoHon des Herzens,
resp. das Andrängen der Herzspitze gegen die Bmst-
wand , behindert ist, während die Contrakäon, die
Herzkraft, ganz normal sein kann , wenn auch die-
jenigen Fälle die häufigem sind , in denen Contnk-
tion und Locomotion in Folge einer und derselben
Ursache gehemmt sind und dadurch Schwäche oder
Fehlen des Herzstosses bedingt wird.
Diagnostisch wichtiger ist die systolische Eh-
Ziehung in der Oegend der Herzspitze an SteDe
der systolischen Vorwölbung, welche Einziehung mdi
unter umständen über mehrere Intercostalräume &•
strecken kann. Jedoch genügt nach Skoda ein-
fache Perikardialverwachsung nicht allein zur Her-
vorbringnng der systolischen Einziehung, sondern
es sind dazu noch extraperikardiale Verwachsongen
nöthig, ja ein von Traube veröffentlichter M
zeigt, dass ein einziger Bindegewebsstrang zwisehen
Herz und Herzbeutel , sofern er die Bewegung des
Herzkammertheils von rechts und oben nach links
und unten zu hemmen vermag, eine systolische Ver-
tiefung in der Gegend der Herzspitze bedingen kjuuk
In einem andeni von Traube veröffentlichten Falle
wurde trotz deutlich beobachteter systolischer Ein-
ziehung weder Verwachsung des Herzbeutels, noch
der Mediastinal- und Costalpleura mit dem Herten
gefunden. Ebenso theilt Friedreich einen Fall
mit , in dem dieses Symptom bei hochgradiger Ste-
nose des Aortenostium beobachtet wurde, während
jede Spur einer Perikardialverwaclisung fehlte. ^
kann demnach auch die systolische Einziehuog der
Herzspitzengegend nicht mehr als pathognomooi-
Bches Zeichen fttr Perikardialverwachsung gelt^
Hierbei ist noch als physiologische Thatsadie an er-
wähnen, dass nach den neuesten Unt^rsnohmigeD von
IV. Pathologie^ Therapie u. medicinische Klinik.
243
Filehne und Penzoldt die systolische Ver-
schiebung der Herzspitze nichts wie bisher allgemein
angeDommen wurde, nach links, vom nnd tinten,
sondern nach rechts, vom nnd oben erfolgt, nnd
zwar — nach R.'s eignen experimentellen Unter-
gachnogen — in der Weise, dass die Herzspitze sich
Bjtkämii stariL nach vom wölbt, während die Herz-
basis sieh systolisch stark nach abwftrts bewegt, nnd
zwar so , dass diese Abwärtsbewegung sich anf den
grössten Theil des Längsdnrchmessers des Herzens
erstreckt, während nur dessen unterster Abschnitt,
die Spitze , der Basis entgegenrückend , sich nach
vom wölbt. Die echten systolischen Einziehungen
an Stelle des Spitzenstosses können also nur da zur
Beobachtung kommen, wo die Locomotion des Her-
zens in der normalen Richtung gehemmt ist, wenn
aach nicht jedes Hinderniss eine systolische Ein-
ziehung zur Folge haben mu8s ; sie kann nur dann
eintreten, wenn neben abnormer Zugrichtung, abnor-
mer Locomotion, auch kräftige Contraktion des Her-
zens vorhanden ist. Wird letztere durch die Art
der Perikardial Verwachsung oder durch eine in deren
Folge allmälig auftretende Degeneration der Herz-
muskulatur abgeschwächt, so wird die systolische
Einziehung nur selten , oder in mehr und mehr ab-
nehmender Weise beobachtet werden.
Wichtig ist ferner die Art und der Sitz der
Pmkardialverwachsung , da je nach Sitz und Aus-
breitung der Adhäsionen deren Folgen sehr verschie-
den sein müssen. Ist das Herz in seiner ganzen
Ausdehnung mit der Innenfläche des Perikardium
gleichmässig , aber nicht allzu fest, verwachsen, so
wird dadurch allerdings zunächst die Contraktion
des Herzens erschwert , seine Locomotion aber , so
lange nicht anderweite Hemmnisse hinzutreten, nicht
verändert werden. Erstreckt sich aber die Ver-
wachsung noch auf den innerhalb der Perikardial-
höhle gelegenen Abschnitt der grossen Geßlss-
nrsprünge bis gegen die Umschlagsstelle des Peri-
icardinm, so wird dadurch die Streckung der grossen
Geftsse behindert , die Kammerbasis sich nicht oder
nur unvollständig herabbewegen können. Erstreckt
sich die Verwachsung der Perikardialblätter nur auf
die Gegend der Kammerbasis, die Spitze freilassend,
so kann sich die Basis in der Systole nur so viel
nach abwärts bewegen, als die Verschiebbarkeit des
Herzbeutels an der vordem Brustwand diess noch
znUisst. Besteht hier zugleich Verwachsung des
ünssem Perikardialblattes mit der vordem Brustwand,
so muss systolische Einziehung der Herzspitzengegend
erfolgen , ist dagegen die Herzspitzengegend allein
verwachsen, so wird, wenn nicht weitere Complika-
tionen bestehen, hieraus allein keine Einziehung
resultiren.
Nach dem Gesagten ist es klar, dass nicht die
Perikardialverwachsung als solche die systolische
{Anziehung veranlasst, sondern die Intensität nnd
namentlich die Lokalität der Verwachsung für die
Idin. Erscheinungen von maassgebendem Einflüsse
Bind. Erstrecken sich diese Verwachsungen auf
Nachbarorgane , wi^ Pleuren , Wirbelsäule , Media-
stinum , Zwerchfell u. s. w., so kann in Folge all-
mälig eintretender Schmmpfung der Adhäsionen das
Herz eine anomale Drehung und Lagerung erfahren,
wodurch es sogar zu weitverbreiteten systolischen
Einziehungen kommen kann; namentlich werden
solche nach Friedreich durch Verwachsungen
mit dem Diaphragma begünstigt, zumal dann, wenn
das Herz dadurch so gedreht ist, dass es mit einem
andern, als dem normalen, Durchmesser der vordem
Brustfläche anlagert.
Ueberall da, wo als Ausdruck einer der genann-
ten Verwachsungen systolische Einziehung stattfindet,
beobachtet man, dass der systolisch eingezogene
Thoraxabschnitt mit der Diastole wieder in seine
frühere Lage zurückkehrt. Man bezeichnet diess als
diastolischen Herzstoss , welcher um so energischer
erfolgen wird, je kräftiger und ausgedehnter die Ein-
ziehung war. Dieser Rücksprung kann selbst in
einer für den Kopf des Auskultirenden bemerkbaren
Weise erfolgen, wobei Friedreich gleichzeitig
einen dumpfen, besonders accentuirten Ton, ganz
rasch nach dem zweiten Ventrikelton und letztern
deutlich verdoppelnd, hörte.
Als charakteristisches Symptom der Perikar-
dialverwachsung wird ferner das Constantbleiben
der Herzdämpfung während In- und Exspiration
genannt ; dasselbe zeigt aber nur, dass die normaler
Weise statthabende respiratorische Vei'schiebung der
vordem Lungenränder aufgehoben ist. Der Grund
hierfür kann aber ein sehi* verschiedener sein, so
Verwachsung der äussern Perikardialfläche , der
Pleura pericardiaca mit der Pleura pulmonalis , aber
auch, ohne jede Betheiligung des Perikardium , Ver-
wachsung der vordem Lnngenränder mit der corre-
spondirenden Costalpleura oder behinderte Ausdehn -
baikeit der vordem Lnngenränder theils wegen
emphysematöser Auftreibung derselben, theils wegen
Verstopfung der zuführenden Bronchien. — R. hat
ferner durch extraperikardiale Verwachsungen —
bandförmige Stränge zwischen Lunge und äusserem
Perikardium — hochgradige exspiratorische Ab-
schwächung des Spitzenstosses entstehen sehen;
ebenso fand er , dass mangelnde Dislocirbarkeit des
Spitzenstosses häufiger auf extraperikardialen, als
inti*aperikardialen Verwachsungen beruhte. Bei com-
binirter intra- und extraperikardialer Verwachsung
hält er DislociruDg des Herzstosses bei Lagewechsel
nicht für möglich.
Als weiteres diagnostisch für Perikardialver-
wachsung wichtiges Symptom hat Friedreich
zuerst auf den diastolischen Venencollapsus , d. h.
ein gleichzeitig mit dem diastolischen Zurückspringen
der Brastwand deutlich sichtbares , mit dem Caro-
tidenpnls alternirendes plötzliches Abschwellen der
Halsvenen mit gleichzeitiger Vertiefung und Ein-
ziehung der beiderseitigen Supradaviculargegenden,
aufmerksam gemacht. Er glaubt den Gmnd für
diese Erscheinung in einer durch das Zurückspringen
der Brastwand bedingten Lageveränderung des
244
IV. Pathologie; Therapie u. medicinische Klinik.
Zwerchfells suchen zu müssen , wodurch eine Ver-
längerung der grossen 6efä8sstämme , resp. der
obem Hohlvene, bedingt und dadurch der Blutabflnss
in den grossen Venenstämmen begünstigt werde.
Das von Riess ganz neuerdings beobachtete
und als charakteristisches Symptom für Perikardial-
verwachsung gehaltene Anfb*eten von metallisch klin-
genden, durch Magencousonanz erzeugten Herztönen,
ftlr dessen Zustandekommen die innige Annäherung
von HerZ; Diaphragma und Magenwand das Haupt-
moment bildet, wird, wie Fälle von Ebstein und
Leichtenstern beweisen, nicht selten auch ohne
perikardiale Verwachsung gehört.
Der Ptds endlich bietet bei Perikardialverwach-
sung zwar keinerlei charakteristische Veränderungen,
aber doch immerhin, namentlich bezüglich derLoco-
motion und Gontraktion des Herzens, werthvoUe
Anhaltspunkte. Ist der Puls noch kräftig und voll,
so kann man , wenn auch die Locomotion eine ab-
norme ist, noch auf gute Herzkraft, somit auf unbe-
hindei-te Fortbewegung des Blutes schliessen , wäh-
rend kleiner, schwacher, leicht unterdrückbarer Puls
auf Schwächung der Triebkraft des Herzens hindeu-
tet. Irregularitäten des Pulses, in spätem Perioden,
zumal bei gleichzeitiger Muskeldegeneration nichts
Seltenes, haben für die Diagnose der Perikardialver-
wachsung nichts Charakteristisches. Der von Kuss-
maul sogenannte Pulsua paradoavs, der bei jeder
Inspiration an Grösse abnimmt oder selbst unfühlbar
wird, sowie das tnspiratorische Anschwelten der
Haievenen, sind, wenn auch nicht als pathogno-
mische, doch immerhin werthvoUe Zeichen der frag-
lichen Erkrankung, namentlich in der Form der
schwieligen Mediastinalperikarditis , zu bezeichnen,
zumal da, wo beide Symptome gleichzeitig vorhan-
den sind.
Die Grösse der Herzdämpfung variirt bei Peri-
kardialverwachsung mannigfach; bald ist dieselbe
normal, bald nach dieser oder jener Richtung, bald
in allen Dimensionen vergrössei*t. Hierbei ist daran
zu erinnern, dass in Folge der Verwachsung anomale
Lagerungen des Herzens und dadurch anomale Däm-
pfungsfigoren entstehen. Jedenfalls ist die Annahme
Hop e 's u. A., dass bei längerer Dauer eine totale
Perikardialverwachsnng stets sekundäre Herzhyper-
trophie bedinge, in dieser Allgemeinheit nicht richtig.
Dagegen kann in Fällen degenerativer Veränderung
des Herzfleisches, wie solche da, wo das Herz von
sehr festen und derben Adhäsionen umgeben ist, zu
erfolgen pflegt, eine Dilatation des Herzens sich aus-
bilden, zu der sich dann wohl auch in seltenen
Fällen eine Hypertrophie gesellen kann, welche
aber dann mehr mit gleichzeitig vorhandenen Klap-
penfehlern, als mit der Perikardialverwachsung in
causalem Gonnex stehn dürfte.
Was die subjektiven Symptome anlangt, so ver-
laufen viele Fälle ohne jede subjektive Beschwerde,
oder es fehlen solche wenigstens längere Zeit hin-
durch gänzlich, bis dieselben durch eine anscheinend
leichte Erkrankung plötzlich in hochgradiger Weise
wachgerufen werden, und die Untersuchung dann
eine aus viel früherer Periode darrende Perikardial-
verwachsung nachweist. In den Fällen jedoch, vo
die Verwachsung hemmend auf die Herzcontraktioii
wirkt, sind meist schon frühzeitig Symptome, denen
bei Herzklappenfehlem ähnlieh, wie Herzklopfeo,
Schmerz und Drack in der Herzgegend, Athemnott,
Gefühl von Druck und Völle im Epigastrium, Nd-
gung zu Ohnmächten, verminderter Appetit n. A.,
zu beobachten, welche, wenn auch durch die Peri-
kardialverwachsung angeregt, doch nur als direkte
Folge der mangelnden Leistungsfähigkeit, derD^-
neration des Herzmuskels selbst gelten können.
Schlttsslich betont R., dass eine sichere Diagnoee
der Perikardialverwachsung nur in seltenen Fitten
gestellt werden kann, und dass nur wiederholtes
sorgfältiges Untersuchen und kritisches Abwlgen
der der Beobachtung sich bietenden Symptome n
einer solchen führen kann. Freilich sind audi bei
aller Vorsicht Verwechselungen mit andern Affiek-
tionen, namentlich mit Perikardialexsudaten u. Myo-
degeneration, nicht ausgeschlossen, obwohl anzuer-
kennen ist, dass in jüngster Zeit mancher wesent-
liche Fortschritt zm* Sicheratellung der Diagnose der
in Rede stehenden Erkrankung gemacht worden ist
P. Duroziez (L'lJnionll5.117. 1880) theüt
mehrere in diagnostischer Beziehung interessante
Fälle mit.
1) Ein 23 J. alter Mann, der wiederholt an Rheona-
tisnins gfelltten hatte, bot die Zeichen von Stenose andli-
snfficienz an der Mitralis dar. Das Herz war vergrSssert,
sein Schlag weit verbreitet, aber stets im Niveaa seinei
linken Randes ; dabei war die Brnstwarze in steter Mit-
bewegung ; der Spitzenstoss wenig energisch, aber gau
rein. Nach 4 Mon. schlag die Herzspitze bei anfreehtar
Stellung des Pat. im 6. Interoostalraom, nach anssen tob
der Mamillarlinie, die Brustwarze machte dabei dieselbe
Vor- nnd Rückwärtsbewegnng. An der Herzspitze wir
die Einziehung auch sichtbar, und zwar erfolgte die Be-
wegung nach innen als erstes, nach aussen als zweit«
Moment, ffir den Finger dagegen war der omgekelute
Bewegnngsmodns fahlbar. Nach Va Jahre Tod. Bei dei
Sektion fand sich enorm vergrossertes Herz, Tollstindige
Verwachsung des Perikardiam ; Lungen gesund.
2) Bei einem 46 J. alten Manne, der im 86. nod Sl
Lebensjahre an akutem Gelenkrheumatismus gelitten hatte,
fand sich undnlirende Bewegung der Herzspitze; wahread
der Systole sah man keinen Herzstoss, f&hlte ihn aber.
Bei einer andern Untersuchung sah nnd ffthlte man Zb-
rückweichen der Herzspitze. Während eines deht- und
fahlbaren Zuruckweichens der Herzspitze trat Syiüiope
ein, die zum Tode fahrte. — Bei der Sektion fand sieh
vollständige Verwachsung des Herzens mit dem Periksr-
diam , Stenose und Insufflcienz an der Mitralis and der
Aortenmündung und Insufflcienz der Triouspidalis.
3) Eine 34 J. alte Frau Utt an Stenose des Bfltisl-
osüam, Insufflcienz der Aorta mit sehr grossem Heczen,
dessen Bewegungen im 5. und 6. Intereostalraam, sowie
im Cavum epigastricum bemerkbar waren, wobei eis
Zittern der Herzspitze beim 2. Tempo beobachtet wnide.
Bei einer spätem Untersuchung sah man letztere behn
ersten Tempo vortreten ; ein anderes Bfal zog dieselbe
im Moment der Systole den Intereostalraam nach iiuieB,
statt ihn nach vom zu treiben. — Die Sektion etff^
keinerlei patholog. Zustand des Perikardium, den Doe^
BotalU geschlossen, das rechte Orifloiam aurioalo-TeDtri-
IV. Pathologie, Therapie n. medidiiisdie Eüjnik.
246
caUue erweitert, iosafflcient, die Trioaspidalis Terdickt,
den rechten Ventrikel erweitert, schwaoh hypertrophiscbi
das PolmoDalostiam normal, den linken Vorhof erweitert,
mit theils alten, theils frischen Blntgerinnseln erfüllt.
Die Mitralis war fast yollstandig ossificirt, trichterförmig,
die Spitse des kleinen Fingers kanm einlassend. Linker
Veotrikel erweitert, nicht hypertrophisch.
In nachstehenden Fallen beobachtete D. conti-
Doirliche wellenförmige Bewegungen an der Herz-
oberflSehe.
4) An der Leiche einer 22 J. alten Fraa fand sieh
Adhaienz des Perikardium und Mitralinsafflcienz ; wäh-
rend des Lebens sah man die Herzgegend in einer fort-
dauernden wogenden Bewegung, wobei man das Anschla-
gen der Herzspitze wenig sehn, wohl aber sehr stark mit
dem Finger fahlen konnte.
6) An der Leiche eines 34 J. alten Individnnm ergab
die Sdction Insnfficiens der Aorta and Verengung mit In-
sofficienz der Mitralis, nebenbei eine Caustgrosse Adhärenz
des Perikardinm in der Nähe der Herzspitze. Während
des Lebens war der Spitzenstoss 26 Ctmtr. vom Cayum
Bspiastemale, 17 Ctmtr. unterhalb des obem Bandes der
3. Bippe, 2 — 3 Ctmtr. nach aussen von der Mamillarlinie
im 6. Intercostalraum zu ffihlen ; er hatte das Eigenthiim-
liehe, dass er beim ersten Tempo (Systole) einen Doppel-
sehhig hatte.
6) Der 35 J. alte Kr. hatte ein sehr grosses Herz ;
die unduHrende Bewegung des Herzens in den Inter-
costalräumen war sehr gut wahrnehmbar, der Spitzen-
stoss massig mit nachfolgender Zitterbewegong beim zwei-
ten Tempo (Diastole). Die Autopsie ergab allgemeine
Adliärenz des Perikardium, bedeutende Hypertrophie
der Wandungen sämmtlicher Herzhöhlen mit Erweiterung
der Ventrikel , Verengung und Insufflcienz der Mitralis,
der Aortenmfindung und der Tricuspidalis.
In dem folgenden Falle war Zitterbewegong
der Herzspitze beim zweiten Tempo (Diastole) beob-
achtet worden, wie anch im vorhergehenden (6.)
FaU.
7) Bei der Sektion fand sich ausser vollständiger
Peiikardialadhärenz ein enorm grosses Herz mit bedeu-
tender Hypertrophie, Verengung der Mitralis, Insufficienz
nid Verengung der Aortenmündung. Während des Lebens
wir der Impuls des Herzens im Vergleich zu dessen
Crrtsse massig.
Im 8. Falle beobachtete D. ein Oeränscb,
dem ähnlich, welches entsteht, wenn man mit der
Hand aof einen feuchten Schwamm drttckt. Dieses
Oerftosch wird nach D. dm-ch den Stoss der Herz-
q>itse auf die Lunge erzeugt.
Bei der Sektion fand sieh ausser Mitralis- u. Aorten-
insufflcienz Adhärenz des Perikardium und der Pleu-
ren. Während des Lebens hörte man am 27. Nov. noch
dentliehe Herzgeränsche u. f&hlte guten Spitzenstoss, am
3. Dee. oberflächliches perikardiales Reiben, am 2. Jan.
Migen Herzschlag, deutliches Reibungsgeräusch , am
6. Jan. typisches Reibungsgeräusch, am 5. März starken
nnd sehr verbreiteten Herzimpuls; am 16., 17. und
20. Juli an der Herzspitze das Geräusch des ansgedrfick-
ten Sehwammes. Am 26. trat der Tod ein.
In einem Falle fand D. den von Hope er-
wähnten Doppelstoss (double choc).
9) Die Sektion ergab Aneurysma der Aorta adscen-
dens, vollständige Ooclusion desPerikardialsacks, grosses
Heiz, Verdickung der Klappen mit unebenen Rändern ;
die rechte Lunge war durch ein starkes Exsudat com-
Pvfanirt. Während des Lebens war kein Spitzenstoss
wahnnnehmen, dagegen horte man über der ganzen
HerEfläohe den Doppelstoss.
Wie die meisten der von D. mitgetheilten Fälle
lehren, ist die Inspektion der Präcordialgegend für
die Diagnose der Perikardialverwachsang von glei-
cher Wichtigkeit; wie die Palpai^on, da Ange and
Finger oft ganz entgegengesetzte Resnltate ergeben ;
während letzterer ein Vortreiben derWandnng fülüt,
sieht man eine Abflacbnng, ein Zurücktreten dersel-
ben. Letzteres; das Zurückweichen der Herzspitze
und der Präcordialfläche während der Systole, ist
ein zwar werthvolies, aber nicht pathognomonisches
Symptom der Perikardialverwachsang, da es auch
vorkommt, wo letztere nicht vorliegt. Als weitere
werthvolle Symptome der Perikardialverwachsang
sind die andauernde, nndulirende Bewegung derPrä-
cordialwandung, die Zitterbewegang der Herzspitze
beim zweiten Tempo (Diastole), das Geräusch des
ausgedrückten nassen Sehwammes za bezeichnen.
Plötzlicher Tod gehört bei Perikardialverwachsang
nicht za den Seltenheiten ; nur selten erreichen oder
überschreiten die Kranken ein Alter von 50 Jahren.
A. G. Barrs (Lancet U. 12. 13; Sept. 1881)
hält Perikarditis rheumatischen Ursprungs für sel-
tener, als man im Allgemeinen anzunehmen geneigt
scheint. Unter 70 Fällen von Rheumatismus, die
während 2 Jahi'en imLeed's Infirmary aufgenommen
wurden, wurden nur in 3 perikardiale Reibungs-
geräusche beobachtet. Dagegen wurden merkwür-
diger Weise während derselben Zeit bei den Sek-
tionen in 4 Fällen Perikardialadhärenzen gefunden.
B. theilt diese Fälle mit.
1) Ein 16 J. altes Mädchen hatte seit vor li/a J-über-
standenem aknten Gelenkrheumatismus Immer an Dyspnoe
gelitten. Am 26. Sept. 1879 wurde die Er. wegen leich-
ten Gelenkrheumatismus mit Oedem der untern KÖrper-
theUe aufgenommen. Die Herzdämpftmg war bedeutend
yergrössert, die Hersaktion heftig, so dass die ganze
Brust bei jeder Systole ersohfittert wurde. Die Geräusche
deuteten auf Regurgitation mit doppelter Aortenerkran-
kung. Während der Behandlung trat etwas Besserung
ein, die Anwendung von Digitalis hatte aber Jedesmal
Verschlimmerung zur Folge. Schlüsslich trat plenri-
tisches und peritonitisches Exsudat auf und die Kr. starb
plötzlich am 7. November.
Bei der Sektion fand man das Perikardinm aligemein
und massig fest mit der Oberfläche des Herzens verwach-
sen, die Perikardialhohle ganz obliterirt ; die Adhäsionen
Hessen sieh mittels leichten Zugs ablösen und dann zeigte
sich die Herzoberfläohe mit fetzigen fibrinösen Massen
bedeekt. Das Herz war sehr vergrössert, hanptsächlioh
durch Hypertrophie und Dihitation der Ventrikel, beson-
ders des linken, dessen Höhle eine Faust aufnehmen
konnte ; die Wandung hatte die doppelte Dicke der nor-
malen. In das IQtralostium konnten 5 Finger eingelegt
werden, die Mitralklappe war yerdiokt und zum Theil ge-
trübt. Der linke Vorhof war sehr erweitert, seine Wan-
dung verdickt, die Aortenklappe schien sufficient, ihre
Segmente waren nach unten ausgedehnt, verdickt und
getrübt, aber sonst nicht deutlich erkrankt. Der rechte
Ventrikel war nicht sehr erweitert, an den Klappen der
rechten Seite, in der Aorta und in der Lungenarterie fluid
sich nichts Abnormes.
2) Die 20 J. alte Kr. , die schon früher an akutem
Gelenkrheumatismus gelitten hatte, zeifirte bei erneuter
Erkrankung regelmässige, aber rapide Herzaktion, ver-
grösserte Herzdämpfnng, sichtbare Pulsation im 4. und
6. Intercostahraume in der Mamillarlinie mit Hebung der
Bmstwand, vollen u. starken, sehr verbreiterten Spitzen-
246
IV. Pathologie, Therapie u. medicinische Klinik.
stosB, dentliches systolisches Geräusch an der Spitae nnd
uDbestimmte Geraasche, an der Basis doppelten Aorten-
ton. Der Tod erfolgte plötzlich.
Bei der Sektion fand man allgemeine , massig feste
Adhäsion des Perikardinm älteren Datnms, nur an einer
Stelle Zeichen frischer Entzündung, das Herz bedeutend
vergrossert mit Erweiterung aller Höhlen, Hypertrophie
des rechten und des linken Ventrikels, Verdickung und
theil weise Trübung des Endokardium. Die Aortenklappe
war insufflcient, ihre Zipfel waren verdickt und getrübt,
aber ohne Zeichen von frischer Entzündung ; die Mitral-
klappe war verdickt und getrübt.
3) Bei einem 16 J. alten Mädchen , das früher an
Rheumatismus gelitten hatte, bestand Dyspnoe u. Oedem.
Die Ergebnisse der Herzuntersuchung waren durchaus
unsicher, aber deuteten mehr auf eine Mitral-, als eine
Aortenaffektion. ,
Bei der Sektion fand sich das sehr verdickte und
ödematöse Perikardinm dicht und fest an dem sehr ver-
grösserten Herzen adhärent, so dass die PerikardialhShle
ganz obliterirt war. Beide Ventrikel waren erweitert,
aber nur im linken erschien die Wandung hypertrophisch,
das Endokardium war verdickt und getrübt, die Mitral-
klappe nicht insufflcient, aber am freien Rande verdickt
und indurirt; die Aortenklappen waren ebenfalls verdickt
und getrübt, nicht insufücient.
4) Ein 14 J. alter Knabe hatte binnen 2 J. 3 Anfälle
von akutem Gelenkrheumatismus durchgemacht, zu An-
fang der 3. Erkrankung waren keine Zeichen von Peri-
karditis, wohl aber von Herzaffektion vorhanden. Der
Herzstoss war diffus und verstärkt, bei der Auskultation
hörte man ein lautes Reibegeräusch von der Herzspitze
an bis in die Gegend der Achselhöhle, aber nicht bis zum
Angulus scapulae. Der Tod trat plötzlich ein.
' Bei der Sektion fand man geringen Erguss in beiden
Pleurahöhlen. Das verdickte, injicirte und stellenweise
blutig suffundirte Perikardinm zeigte an der Basis der
grossen Gefässe einige Adhäsionen mit der Visceralpleura,
mit der Herzoberfläche war es in seiner ganzen Ausdeh-
nung^ aber nicht fest, verwachsen, zwischen den Adhäsio-
nen fand sich stellenweise blutig gefärbte Flüssigkeit.
Das sehr vergrösserte Herz zeigte Erweiterung aller sei-
ner Höhlen, aber keine deutliche Hypertrophie seiner
Wandungen. An den Aortenklappen waren einzelne Gra-
nulationen vorhanden, die aber die Funktion nicht gestört
haben konnten ; der vordere Zipfel der Mitralis war ge-
trübt.
Bemerkenswerth ist es, dass in allen diesen
4 Fällen Digitalis keine Besserung, sondern aus-
nahmslos Verschlimmerung hervorbrachte.
Dilatation des Herzens wird nach B. nar durch
allgemeine und intensive Perikai'ditis herbeigeführt,
während Perikardialadhäsionen von geringer Aus-
dehnung keine belangreiche Veränderung in dem
Znstande des Herzens hervorrufen, lieber* das
ganze Herz verbreitete Adhäsionen sind, selbst wenn
sie weich sind, fähig, Hypertrophie des Herzens, be-
sonders der Ventrikel, in mehr oder weniger hohem
Grade herbeizuführen in Folge des Widerstandes,
den die zähen Adhäsionen den Bewegungen des
Herzens entgegensetzen. (E r u g.)
575. Neuere Arbeiten über Lepra ; zusam-
mengestellt von Dr. Qustav Bohrend in Berlin.
1) Symptomatologie.
In einer ansführlichen Arbeit liefert Campana
(Ann. nniv. Vol. 255. Aprile, Maggie 1881) Bei-
träge znr Symptomatologie und Anatomie der Lepra.
Die erstem beziehen sich auf die Beobachtung
eines periproktitischen Abscesses, den er in Ermauge-
lung anderer Ursachen, sowie wegen der Venmnde-
rung der Sensibilität in seiner Umgebnng, wegen der
schnellen Heilung, seines lepr^toen Aussehens n.8.w.
mit der Lepra in ursächlichen Zusammenhang brin^^t
Wir müssen es der Entscheidong d«r Leser Ito-
lassen, ob sie durch diese Momente einea aMm
Zusammenhing für hinreichend begründet halte.
Wichtiger sind die beobachteten Temperstordäferai-
zen I die er zwischen der erkrankten linken und ge-
sunden rechten Seite bei einem 49jähr. Manne machte.
Derselbe hatte an der linken Oberextremität meh-
rere Lepraflecke und zeigte in den Achselhöhlen fol-
gende Temperaturen :
rechte (gesunde) linke (erkrankte) Grad-
Seite Seite Differeu
26. Nov. S7.9 38.9 1
27. n 34.2 36.6 2.4
28. n 34.8 36.8 2
29. y, 34.6 37.7 3.1
30. n 35.1 36.9 1.8
1. Dec. 36.5 37.2 1.7
2. n 36.4 37.7 1.8
Diese ziemlich beti'ächtlichc Erhöhung der Tem-
peratur an der erkrankten Seite glaubt C. auf die
durch die Lepra erzengte Nervenerkrankung zorflck-
fahren zu müssen, nnd zwar auf ehie dnrch dieselbe
bedingte Lähmung der Vasomotoren , wie überhaopt
ja an gelähmten Extremitäten die Temperatur im
Beginne steigt und später sinkt.
Auf die pathologisch-anatomischen üntersnchnn-
gen, durch welche die Mittheilungen anderer Autoreo
theiis bestätigt, tbeils ergänzt werden , kommen wir
später noch zurück.
Eine hyperäathetUche Form der Lepra , wie sie
in einem Falle von Valiin (6az. des Hdp. 89.
p. 709. 1880) beobachtet wurde, gehört zu den sel-
tenen und ungewöhnlichen Erscheinungen.
Der Kranke war Europäer, hatte aber inC!oehiB-
china gelebt , wo man sein Leiden für eine Ataxie
locomotrice erklärte. Bei der von V. vorgenommenen
Untersuchung ergab sich als Ursache seines schwio-
kenden Ganges eine excessive Hyperästhesie der
Fusssohlen , die sich in gleicher Weise auch an der
übrigen Eörperoberfläche fand. Daneben war eise
Atrophie der Musculi interossei nnd eine erhebliche
Schwäche der Extremitäten , namentlich der Hftode
vorhanden.
Die Erkrankung war unter FiebererBoheinungen eii
Jahr zuvor mit heftigen Schmerzen und Gliederschwiohe
aufgetreten, so dass auch Valiin anfänglich eine Mye-
litis diagnosticirte.
In den nächsten 3 Wochen nahm die Schmerzhaftigkeit
erheblich zu, so dass der Pat. beim leiehtesten Nadelstieh
laut aufschrie nnd ein leises Berühren irgend einer SteBe
der Körperoberfläohe ein Brennen veranUisste, welches
1 bis 2 Min. anhielt. Nur ein Ideiner Beziric am linken
Fussr Uelzen war absolut anästhettsoh.
Zu derselben Zeit traten am Rumpfe rothe PapciB
von runder Form und der Grösse eines Zweifraakstfickf
auf, einige waren in der Mitte blass und empflndaBgaloB;
einige erreichten einen Durchmesser von 6Ctmtr., hsttv
einen erhabenen Rand und eine Kupferiärbnog. ^^^
zeitig waren die Hoden beträchtlich geschwollen okI ^'
IV. Pathologie^ Therapie u. medicinische Klinik.
247
empfindlieh, Erektionen schon seit Monaten nicht mehr anf*
getreten.
Die gleichen Verändernngen hatten sich nach Aus-
sage des Fat. 1 Jahr zuvor mit dem Auftreten derFieber-
enchehiimgen eingestellt.
Das Abweichende dieses Falles vom gewöhn-
lichen Verlauf besteht darin, dass die Hyperästhesie,
welche der Anästhesie gewöhnlich voraosgeht , hier
einen so hohen Grad erreichte und die ganze Körper-
oberfläche betraf.
Der Kranke wusste keine Ursache fUr die Er-
knmknng anzugeben ; er erinnerte sich jedoch , dass
er einen 12jähr. Negerknaben, den er in seiner Fa-
milie erzogen hatte , einige Wochen vor dem Beginn
seiner Erkrankung an einer ganz ähnlichen Affektion
sterben sah. Dieser Knabe hatte heftige Schmerzen
in den Extremitäten, so dass er gebeugt wie ein
Greis gmg, und am Körper ebensolche runde Flecke,
und es trat später bei ihm ein Abfall von Finger-
pbalangen ein.
An einem von Breuer (Vjhrschr. f. Dermatol.
Q.Syph. VII. p. 528. 1880) beschriebenen Falle von
Lepra tnberesa mit Anästhesien hat Rosenthal
(Ibid. VIII. p. 25. 1881) die nervösen Störungen
einer eingehenden Untersuchung unterzogen.
Es handelte sich um einen 24jähr. Fat. aus Jeru-
salem, der 10 Jahre zuvor angeblich nach einer wäh-
rend der Winterkälte im Walde verbrachten Nacht
erkrankt war. Es stellten sich schon am nächsten
Tage intermittirende Fieberbewegungen mit reissen-
den Schmerzen in den Gliedern und Blasenbildung
in den Fingern und später Knoten an verschiedenen
Kdrperstellen ein.
Der Kr. war kachektiBch, hatte eine partielle Faeialis-
pttalyse linkerseits , an der Stirn, der linken Wange, am
Bulbus, sowie an den Unterextremitäten Lepraknoten,
dichter stehende Gruppen von solchen an den Hand- und
Foisgelenken und am rechten EUenbogeng^elenk eine bis
ttf die Gelenkbänder reichende Ulceration. Der N. nlna-
ils war neben demOlecranon als dicker Strang eu ffihlen.
Die Fmger, nngleiohmassig auseinander gespreizt, waren
gebeugt und durch partiellen Verlust der Phalangen ver-
äppelt, Daumen- und Kleinflngerballen hochgradig atro-
phisch.
An den Untereztremitaten , namentlich fiber beiden
Kniescheiben waren weissUch glänzende atrophische Hant-
BteUen vorhanden. Die Zehen gleichwie die Finger ver-
krfippelt, die Bewegungen der Oberschenkel prompter
QQd kräftiger ausfahrbar als die der Unterschenkel.
Die Prüfung der Empfindung erwies einen Aus-
fall der taktilen und eine Abnahme der farado-cuta-
nen Sensibilität am Rflcken und den seitlichen und
bintem Schenkelgegenden. Im Bereiche des N. ulna-
118 war sie fast ganz geschwunden , im Bezirke der
NN. radiales und mediani beiderseits bedeutend ver-
nuiidert. Bei elektrischer Reizung der Armgeflechte
oder der entsprechenden Nervenstämme fehlte trotz
den convulsiven Zuckungen jegliche Empfindung an
<ier Peripherie ; ein gleiches Resultat ergab sich an
den Unterextremitäten.
Die Verminderung der Sensibilität war um so
Intenäver, je mehr man sich den absolut unempfind-
lichen atrophischen Stellen näherte ; aber auch an
den scheinbar gesunden konnte man die Haut mit
einer Nadel durchstechen, ohne Schmerz zu erzeugen.
Auch das Temperatm*gefflhl fehlte, dagegen waren
die Sehnenreflexe erhöht.
Die Muskeln und Neiden erwiesen sich bei der
elektrischen Reizung bald normal wie dieparetischen
Muskeln und Nerven der linken Gesichtshälfte , bald
war ihre Reaktion, wie an den atrophischen Muskeln
der Hände, erloschen, bald, wie an andern Stellen,
herabgesetzt.
Mit Beziehung auf diese Untersuchungsergebnisse
weist R. darauf hin, dass die nervösen Störungen auf
eine centrale Ursache zurflckzuftthren seien. Er
findet in den anatomischen Veränderungen des Rücken-
marks, wie wir sie durch Virchow, Berg-
mann, Steudener und Tschiriew (s.u.) ken-
nen gelernt haben , eine Bestätigung für diese An-
nahme , da gerade diejenigen Partien des Rücken-
marks erkrankt gefunden werden, welche in inniger
Beziehung zur Sensibilität stehen , nämlich die hin-
tern Segmente der grauen Homer und der Commissur-
fasern. Er eröiiiert hierauf die Frage , ob man bei
der Lepra die centrale Erkrankung als das Primäre
und die Affektion der Nervenstämme als das Sekun-
däre zu betrachten habe oder ob das Umgekehrte der
Fall sei , ob es sich also um einen ab- oder aufstei-
genden Process handelt. Gegen einen aufsteigenden
neuritischen Process spricht der Umstand , dass in
allen neuem Beobachtungen die hintem Wurzeln
intakt gefunden wurden , und auch im vorliegenden
Falle war das elektrische Leitungsvermögen, wel-
ches in den peripheren Theilen fehlte, in den dem
Centram näher gelegenen erhalten ; ausserdem giebt
es Leprafälle , in denen trotz hochgradiger Erkran-
kung der peripheren Nerven das Rückenmark keine
Veränderang aufweist. Er kommt daher zu dem
Schlüsse, dass die Erkrankung der Hinterhömer das
Primäre sei und dass erst später durch Herabsteigen
des Processes die Nervenstämme in Mitleidenschaft
gezogen werden.
Im Lichte der neuesten Forschung jedoch dürfte
diese Argumentation sich nicht mehr als haltbar er-
weisen, da wir, wie unten berichtet wird, [heute schon
mit grosser Wahrscheinlichkeit die Lepra als eine
parasitäre Krankheit betrachten müssen, und die
lepröse Entzündung und Neubildung sich überall
dort etablirt, wo der Bacillus sich einnistet und ver-
mehrt. Daher ist auch die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen , dass in einem Falle das Bückenmark,
im andern das periphere Nervensystem zuerst er-
griffen wird , in jedem Falle aber wird es sich stets
um lokale , von einander unabhängige Krankheits-
herde handeln.
Schwimmer (Pester med.-chir. Presse 1880)
beschreibt einen Fall von Lepra , den er bei einer
46jähr. Frau beobachtete, die in Ungarn geboren
war und ihr Vaterland nie verlassen hatte. Es han-
delte sich hier um Knoten im Gesicht und an der
Mundschleimhaut und Flecke auf dem Körper, ohne
dass Anästhesien vorhanden waren. Es ist diess ein
348
IV. Pathologie, Therapie u. medicinisohe Klinik.
sporadischer Erkrankungsfall, da, wie Schw. her-
vorhebt, Lepra in Ungarn gar nicht vorkommt,
gleichwohl jedoch , wie sich aus einer alten Chronik
ergiebt, im 11. Jahrhundert in grösserer Verbreitung
hier vorgekommen ist. Er weist gleichzeitig darauf
hin , dass , wie dieser Fall zeigt , die Angabe von
Hebra-Kaposi irrig ist, nach welcher bei spora-
dischem Vorkommen der Lepra nur die maculöse
Form beobachtet wird.
2) Anatomie,
Knoten, GeschwQre u. Atrophie der Haut , kno-
tige oder diffuse Verdickung mit oder ohne geschwü-
rigen Zerfall am Gaumen und Larynx , interstitielle
Hepatitis, Schwellung der Milz , sowie sämmtlicher
Lymphdrüsen, zuweilen auch Hypertrophie des linken
Herzventrikels, circumscnpte Peritonitis, Darmge-
schwüre, sowie interatitielle Neuritis , zu denen von
Virchow noch die interstitielle Orchitis und Ver-
dickung der Albuginea hinzugefügt wurde, bilden
das anatomische Gesammtbild der Lepra.
Zunächst hatHonastirski (Vjhrschr. f. Der-
matol. n. Syph. VI. p. 203. 1879) daraufhingewie-
sen, dass die entzündliche Zellinfiltration, auf welcher
die leprOse Neubildung beruht, sich nicht auf die
Haut allein beschränkt, sondern auf fast alle Organe
des Körpers sich erstreckt , soweit er sie zu unter-
suchen Gelegenheit hatte.
Was die Veränderung der Haut bei der tuberö-
sen Form betrifft, so reicht die entzündliche Infiltra-
tion nicht über die Grenzen des Corium hinaus, so
dass die Epidermis vollkommen intakt bleibt. Im
Corium bilden die Infiltrationen Nester, die mit ein-
ander durch Ausläufer verbunden sind und sich stets
um GefiLsse gruppiren. Eine Vermehrung der letz-
tem konnte nicht constatirt werden, wenngleich eine
Erweiterung derselben, namentlich in der Peripherie
nnd an der Oberfläche der Knoten, mehrfach zu con-
statiren ist. Die Papillen waren meist frei oder nur
in geringem Grade in Mitleidenschaft gezogen , nie-
mals aber, wie Neu mann angiebt, hypertrophisch,
sondern stellenweise abgeflacht.
Dieselben Infiltrationen, deren Elemente übrigens
stellenweise eine bis zum gänzlichen Zerfall nnd zur
Geschwürbildnng reichende regressive Metamorphose
nachweisen lassen, fanden sich auch an den Schleim-
hänten, nnd zwar nicht blos, wie diess bereits allge-
mein bekannt ist, an denen des Mundes, der Nase,
des Kehlkopfes und der Trachea , sondern auch im
Magen nnd Darmkanale. Der erstere sowohl als
der Dickdarm zeigten eine warzige Verdickung der
Schleimhaut mit brannrother Färbung, die im Dick-
darm an einzelnen Stellen zu kleinen Geschwüren
zerfallen waren. Die Ansicht der Autoren, dass die
bei Leprösen so häufig auftretenden Diarrhöen auf
Dysenterie oder Tuberkulose des Darmes zurückzu-
führen seien , wurde schon durch den makroskopi-
schen Befund widerlegt, da diese Geschwüre einmal
nicht mit dem diphtheritischen Belag dysenterischer
Geschwüre bedeckt waren, andererseits aber gegen
die tuberkulöse Natur derselben das vollkommeiie
Fehlen von Tuberkel in ihrer Umgebung , sowie ia
andern Organen sprach. Durch das Mikroskop Hes-
sen sich aber auch andererseits direkt Veränderon-
gen nachweisen , welche mit den leprösen Verände-
rungen der andern Schleimhäute vollkommen über-
einstimmten. Es fanden sich nämlich im submnkd-
sen Gewebe . theils diffuse, theils circumscripte m
Gewisse gruppirte Zellinfiltrate bei vollkommener In-
tegrität aller übrigen Daimbestandtheile , während
nekrotische Vorgänge vollkommen fehlten.
An äer Leber, welche sich im vorliegenden Falle
makroskopisch nur unbedeutend vergrössert, auf der
Schnittfläche blutarm und muskatnussartig erwies,
Hessen sich gleichwohl analoge Veränderungen nach-
weisen, nämlich circumscripte Zellinfiltrationen im
interlobularen Gewebe, welche stellenweise zu einer
Atrophie der Lebei'zellen geführt hatten. Sie warea
diffus oder circumscript und von Tuberkeln wesentlid
unterschieden.
Angesichts dieser Ergebnisse weist Vf. mit Recht
darauf hin, dass die Annahme mancher Autoren, dass
die von manchen Seiten erwähnten leprösen Verände-
rungen in Lunge, Leber u. Darmkanal der Tuberko-
lose angehören, durch die angefahrten Untersuchnngs-
ergebnisse widerlegt werden. Gleichwohl hält Cam-
pana (s. 0.) diese Frage in Bezug auf die Leber
für noch nicht entschieden nnd glanbt, dass Doch
weitere Untersuchungen nach dieser Richtung erfor-
derlich sind.
Was das OefässsysUm betrifft, so hat Mo na-
stirski an den Capillaren eine erhebliche Schwel-
lung der Endothelien beobachtet , so dass dieselbei
wie ödematös erschienen nnd weit in das Lumei
hineinragten. C o r n i l und S u c h a r d (s. n.) fin-
den eine Wucherung an der Intima grösserer Arte-
rien, ein Befund, wie er der Arteriitis obliterans ent-
spricht. Die Adventitia der Geftsse, namentlich der
in den Herzmuskel eintretenden subserösen Arterien
fand Monastirski erheblich verdickt; Cam-
pana, welcher diesen Befund bestätigt, sah dieselbe
gleichzeitig reichlich mit Rundzellen infiltrirt, ^
sich zwischen den Muskelbündeln in diffuser oder
netzförmiger Anordnung hinzogen, so dass trotz dem
Widerspruche mancher Untersucher eine BethdH'
gung des Herzmuskels am leprösen Prooesse aua-
nehmen ist.
An den Lympluirusen , die bekanntlich Bcboo
frühzeiljg ergriffen zu werden pflegen , hat Mona-
stirski nur eine Hjrperplasie der lymphatiaeheo
Elemente constaüren können, während er dasStromi
derselben normal fand. Dagegen liegen jedoch Ob-
tersuchungen von Iwanowsky (Virchow's Aieh*
LXXXI. p. 507. 1880) vor, nach welchen sowohl
das Parenchym als das Stroma verändert ist. ^
von ihm untersuchten von den verschiedensten Kpr-
pergegenden entnommenen Drüsen waren erbebfieb
vergrössert, von fester Gonsistenz und besassoD eine
chokoladenbraune Farbe mit zahlreichen gelben
Flecken sowohl in der Medullär- als in der Riodeo-
IV, Pathologie, Therapie u. medidniflohe Eliiiik.
^49
flobflCiiis. llanehe zeigten im Hüns neben einer
Tennindening von Drflsengewebe eine Wucherung von
Fettgewebe ; dagegen fanden sich hier nur wenige
LymphzeUeo, die jedoch erbeblich vergrösaert waren
und Pigmentkömer oder ganze runzelige rothe Blut-
Urperchen enthielten. Letztere werden auch frei theils
in Haufen beisammen , theils zwischen den Lymph-
zellen zerstreut gefunden. Die in den Follikeln befind-
lichen Zellen waren entweder vollkommen normal
oder nur etwas vergrössert und enthielten rothe Blut-
körperchen oder Pigment, oder es fanden sich grosse
Epitheloidzellen mit ausgeprägten grossen Kernen
und körnigem Protoplasma oder endlich sehr grosse
Zellelemente y die an Riesenzellen erinnerten, sich
aber von ihnen durch das Fehlen einer grössern An-
zahl von Kernen unterschieden , und entweder nur
einen Kern besassen oder kernlos waren. Die bei-
den letzten Formen waren zuweilen mit Fett infiltrirt
Diese Elemente fanden sich gewöhnlich so angeord-
net, dass die normalen Zellen einen ganzen Follikel
einnahmen, in einem andern dagegen vorzugsweise
hypertrophirte Epitheloidzellen oder fettig infiltrirte
Zellen lagen ; überall jedoch wurde das retikuläre
Stroma von ihnen vollkommen verdeckt.
Makroskopisch entsprachen die braunen Flecke
den Blutkörperchen- oder pigmenthaltigen Distrikten,
die grauen dem gewöhnlichen oder hyperplastischetf
Lymphgewebe, die gelben dagegen Bezirken von
Fettzellen.
Wir wollen hier nicht unerwähnt lassen, dass
das auch von andern Untersuchen! erwähnte Vor-
kommen von rothen Blutkörperchen in Leprazellen
von N ei SS er (s. u.) auf eine optische Täuschung
nrflckgeffthrt wird, dass es sich nach ihm hier viel-
mehr um Vacuolenbildung in erkrankten Zellen han-
delt, die durch den Bacillus leprae erzeugt wird.
Im Stroma waren die Sinustrabekel verdickt und
die Zellen beträchtlich vergrössert, spindel- oder
sternförmig, hatten einen grossen Kern, sowie
ein feinkörniges, braun pigmenürtes Protoplasma
nnd zeigten zuweilen eine grosse Uebereinstimmung
mit den beschriebenen Epitheloidzellen, andere end-
lieh waren in verschiedenem Grade mit Fett infiltrirt.
Die Zellen der Capillarge&sse waren, wie diess auch
TonMonastirski beobachtet wurde, aufgequollen,
zuweilen vermehrt, so dass sie selbst 2 — 3 Schichten
bildeten, dabei war ihr Lumen bedeutend, oft l)is
zmn vollständigen Verschwinden verengert. Die
Adventitia der feinem Venen zeigte häufig Zellinfil-
tnition.
Die Veränderungen in den Lymphdrüsen sind
demnach zweifacher Art : einmal die der irritativen
Hypertrophie der Drflsen, sodann die Fettinfiltration
der Lymphzellen, welche I w. auf eine Resorption
von Fett zurückführt, welches aus einer Zerstörung
von Fettgewebe durch den leprösen Process an an-
dern Stellen frei wird. Hierzu kommt drittens die
Pigmentirung, die durch Zerfall rotlier Blutkörper-
ehen zu Stande kommt. In dem gleichzeitigen Auf-
Med.Jalirbb. Bd. 192. Hft. 3.
treten dieser drei Processe glaubt Iw. eine charak-
teristische lepröse Erkrankung der Drflsen anerken-
nen zu müssen.
Die von Campana und Monastirski be-
schriebenen Veränderungen in den peripheren Ner-
venstämmen bieten nichts Neues : intortubulare Zell-
infiltration neben Arteriitis obliterans u. consekutive
Degeneration der nervösen Elemente. Dagegen ver-
dienen die von Tschiriew (Gaz. de Par. 13.
p, 169. 1879 und Arch. de Physiol. et Pathol. XI.
,5 u., 6. p. 614. 1879) am Rückenmark und der
zweigten Fingerphatanx eines Leprösen angestellten
mikroskop. Untersuchungen einige Beachtung.
Dieselben ergaben: a) beträchtliche Atrophie
der Nervenzellen der Hinterhömer, und zwar han-
delte es sich hierbei sowohl um eine numerische Ab-
nahme der nervösen Elemente, als auch um mehr
oder weniger atrophische Zustände der ZeUkörper
selber, in ähnlicher Weise, wie man sie in den Vor-
derhömern beobachtet und beschrieben hat Diese
Beobachtungen beziehen sich auf die in den Hinter-
strängen zerstreut liegenden Nervenzellen, sowie auf
die Zellen der Clarke'^hea Säulen.
b) Der Centralkanal war von kleinen runden
(embryonalen oder Lymph-) Zellen erfüllt, die auch
die Wandungen desselben und die angrenzenden
Rückenmarkspartien infiltrirten.
Nur in den obern Theilen der Halsanschwellung
des Rückenmarkes waren Epithelreste des Central-
kanals erhalten, an allen andern Stellen dagegen zu
Grunde gegangen und durch kleine Rundzellen er-
setzt. Die Wandungen einzelner Blutgefässe waren
verdickt und zuweilen von den gleichen Zellen in-
jQltrirt. Die weisse Rückenmarkssubstanz zeigte keine
merkliche Veränderung. Die vordem und hintem
Nervenwurzeln waren normal.
Die Untersuchung der zweiten Fingerphalanx
ergab sehr ausgesprochene Endarteriitis einzelner
Blutgefässe, zumal der kleinen, sowie Infiltration der
Cutis und des subcut. Gewebes durch kleine Rund-
zellen (lymphatische oder embiyonale). Diese Infil-
tration war besonders ausgeprägt um die Blutgefässe.
An der dritten Fingerphalanx zeigten sich bei
Schnitten durch die Weichtheile die Contouren der
verschiedenen Gewebe derart verwischt, dass es un-
möglich war, daselbst die Struktur der Haut zu er-
kennen. Das Ganze gewährte zuweilen, zumal in
den oberflächlichen Partien, das Aussehen einer fast
amoiphen Masse, die in Färbemitteln ungefärbt
bHeb.
Auf Durchschnitten beider Phalangen waren Ner-
vendurchschnitte nicht zu erkennen. An denjenigen
Punkten, die bei einem derartigen Durchschnitte der
normalen Lage von Nervenstämmchen entsprachen,
fanden sich Bindegewebsfascikel, umgeben von meh-
reren Lamellen gleichartigen Gewebes, die kleine
Rundzellen enthielten. Wurden die Stämme, die
ihrer Lage nach den unter der Haut befindlichen
Nerven entsprachen, isolirt, so erwiesen sie sich als
32
250
lY. Pathologie, Therapie u. medidnlflche ElinilL
fast auflschliesslich ans Bindegewebsfibrillen zusam-
mengesetzt , nnd es komiten nur hier und dort zwi-
schen ihnen Reste degenerirter Nervenfasern constatirt
werden.
3) Aetiologie.
Was die Aetiologie der Lepra betrifft, so 'sind
wir in den letzten Jahren mit einer Thatsache von
fundamentaler Bedeutung bekannt geworden , die
uns, wenn auch noch nicht alle sich an dieselbe
knflpfenden Fragen zu beantworten sind, doch einen
wesentlichen Schritt nach dieser Richtung weiter ge-
bracht hat. Es ist diess die Entdeckung eines
specifischen pflanzlichen Parasiten, eines Bacillus
ieprae, der sich in allen leprösen Neubildungen mit
solcher Oonstanz vorfindet, dass an seinen Beziehun-
gen zum Ejanldieitsprocesse nicht mehr gezweifelt
werden kann.
Schon im Jahre 1874 wurde von Armaner
Hansen m Bergen (Norsk Magazm for Läge-
videnskab. Heft 9. 1874 und Forelöbige Bidrag til
Spedalskhedens Earakteristik ; Nord. med. Arkiv
I. 13) über das Vorkommen von stäbchenförmigen
Körpern in den Zellen der Aussatzknoten berichtet,
die im Blute der Kranken niemals nachzuweisen
waren u. in frischem Zustande in der suspendirenden
Flüssigkeit selbstständige Schwingungen zeigten. Da
dieselben bei der ünvollkommenheit der damaligen
mikroskopischen Untersuchungsmethoden nur ausser-
ordentlich schwer zu erkennen waren, wurde die
Entdeckung von der wissenschaftlichen Welt gänz-
lich ignorirt oder vornehm belächelt, bis wir durch
die Einführung der Färbemethode in die mikroskop.
Technik in die Lage kamen, diese Elemente auch
dem ungeübten üntersucher in unzweideutiger Weise
zur Anschauung zu bringen.
In einer neuem Arbeit hat A. Hansen (Vir-
chow's Arch. LXXTX. p. 32. 1880) seine frühem
Untersuchungsergebnisse, die er durch Studien an
gefärbten Präparaten bestätigt fand, einem weitem
Kreise zugänglich gemacht, und die Bacillen abge-
bildet. Nachdem inzwischen N e i s s e r (Bresl. ärztl.
Ztschr. Nr. 20 u. 21. 1879) durch die von Hansen
erhaltene Anregrmg diesen Qegenstand weiter verfolgt
und durch ausgedehnte Untersuchungen an Lepra-
kranken in Spanien (Virchow's Arch. LXXXIV.
p. 514. 1881) wesentlich erweitert hatte, wurde dieser
Befund von Gaucher und Hillairet (Revue de
m6d.p. 71.1881), sowie von Gornil u. Suchard
(Ann. de Dermatol. H. p. 653. 1881) bestätigt.
Jedenfalls gebührt Hansen das Verdienst, die Ba-
cillen entdeckt, Neisserdas, dieselben eingehend
studlrt zu haben.
N ei SS er fand die Bacillen in allen Krankheits-
produkten der Lepra und in allen Organen, welche
von derselben ergriffen werden; nicht nachweisen
liessen sie sich bisher nur im Rückenmark, in den
Muskeln, Knochen und bei den bullösen Hauteraptio-
nen. Sie liegen fast dnrchgehends im Innern der
grossen randen von V i r c h o w beschriebenen Lepra-
zellen, die das Volumen eines Eiterkörperchens oft
um das Fünffache übertreffen und dnen oder mcihrere
(3 — 12) grosse helle Kerne besitzen. Sie fUlen
hier das Protoplasma entweder gleicbmässig au
oder liegen bald hinter einander, bald neben diUB-
der zu compakten Häufchen vereint nnd haben in
ihrer Umgebung feinkörnige Partikel, die Ihre Zer-
fallprodukte darstellen.
Mit der Menge und Form der eingelagerten Ba-
cillen verändert sich die Zelle in ihrer Ortae nsj
ihrer chemischen Constitution. Während in den
tiefsten Schichten der lepr^Vsen Neubildung dieZdla
noch klein und wenig oder gar nicht verändert er-
scheinen, enthalten sie nur verhältnissmässig wenige
Bacillen ; je näher sie sich jedoch der Oberflidw
befinden, um so grösser werden sie nnd bilden sich
allmälig zu grossen kugelförmigen, glänzenden G^
bilden um, die nur durch ein spärliches Bindegewd»-
gerüst von einander getrennt sind und durch ikr
Herausfallen oder Schrumpfen eine deutliche Lfleke
in demselben erkennen lassen. Ehie derartige ZeOe
kann, wie N. hervorhebt, den Anschein err^n, als
enthalte sie in ihrem Innern rofhe BIutkOrperdieB.
So hinge die Bacillen in der Zelle hinreichendes Nah-
rungsmaterial besitzen, vermehren sie sich und bedin-
gen eine Volumzunahme der Zelle, ist der Nährboden
jedoch erschöpft, so zerfallen sie zu kömigen Hassen
und lassen an der betreffenden Stelle einen Defekt
in der so veränderten Zelle erkennen. Während das
Protoplasma der normalen Zelle von Oentianavioleit
nicht gefärbt wird, fixiren diese derartig degenoir-
ten und mit parisitärem Detritus erfllllten Zellen den
Farbstoff und nehmen eine röthliche Nuance an.
Diese Verhältnisse fand N. in gleicher Weise ai
der äussern Haut, den Schleimhäuten des Pharynx n.
Larynx, sowie an den Knorpeln des letzteren, an
der Cornea, ün interstitiellen Gewebe des Hodetf
und Nebenhodens, im Bindegewebe der Leber, der
IkGlz nnd der Lymphdrüsen, während in der Lunge
sich nur käsige Herde be&nden. Wt Recht aber
hebt er den gleichen positiven Befund in den Nervo
hervor, weil hieraus hervorgeht, dass dieanästhe-
tische Lepra keine besondere Erkrankungsform 1)3-
det, sondem nur eine durch die LokalisatioD des
Krankheitserregers im Nerven bedingte Modifikation
des Krankheitsprooesses. Die Untersuchungen am
Rückenmark konnten bisher nicht mit hinrdchender
Genauigkeit gefährt werden.
Die Leprabacillen stellen längliche mit onff
Schleunhülle umgebene Stäbchen dar, deren Lloge
Va— Vi ^* dö^ö^ Br^ie Vi ^^^^s rothen Bht-
körperchen ausmacht. Sie sind ungeftrbt fai den
Zellen nur nach Einwirkung einer Kaliiösnng (1:1^)
zu erkennen. Gefärbt werden sie durch Gentiaaa-
und Methylviolett, am besten durch Fuchsin; eine
von Ehrlich zusammengestellte Bosm-Hlniatoxy'
linlösung färbt die Zellkerne blau, dasbacUlenhalt^
Zellprotoplasma orange. Zum nähern Stadimn diesor
Elemente benutzte N. erstens Trockenptäparate von
Tuberkelsaft oder Eiter aus leprösen Neubildnog^o»
die er entweder nach dem WasserverfrlM ^
IV. Pathologie^ Therapie u. mediomiflche Klinik.
251
Eooh dantdlte, oder er entftrbte die angetrock-
neten Elemente mit Alkohol nnd stadirte sie in
Canadabalsam ; er stellte zweitens Züchtongsver-
Boche nach verschiedenen Methoden an; in einer
dritten Beihe ftlhrte er eineartificielleQewebsnekrose
herbei, indem er nach dem Vorgange früherer Ex-
perimentatoren Lepraknoten in die Bauchhöhle von
Eaninohen einbrachte, wo sie schon nach wenigen
Tagen, wie bekannt, eine eigenthflmliche Umwand-
Inng in der Constitution ihrer Elemente erleiden, so
dass sie Farbstoffe nicht mehr aufnahmen und die
Bacillen allein gefärbt wurden. Hierbei zeigten sich
neben einfachen, glatten Stäbchen auch solche,
welche in der Mitte oder an ihren Enden Kugeln
boBassen, zuweilen so, dass sie an dieser Stelle mehr
oder weniger spitzwinkelig geknickt waren ; andere
Stibchen besassen in ihrem Innern in verschiedenen
Zwischenräumen helle Zonen, wirkliche Lücken in
der Substanz. N. glaubt diese beiden Modifikatio-
nen auf eine Sporenbildung beziehen zu müssen und
hält die kugeUgen Gebilde, die sich auch isolirt viel-
fach vorfanden, fbr Sporen. Sowohl bei den Kul-
taren, als an den in die Bauchhöhle eingefdhrten
Stftckeu, konnte endlich auch ein Auswachsen der
StSbchen zu langem Fäden constatirt werden.
Dass die Bacillen wirklich die Ursache der Lepra
Beien, schliesst N. aus ihrem regelmässigen Vorkom-
men in allen leprösen Neubildungen, aus dem Vor-
kommen bacillenhaltiger Zellen neben normalen in
Wimdgrannlationen , die nach Exstirpation eines
Lepraknotens au&chiessen, da die Granulations-
xeUen hier durch die Einwanderung von Bacillen
direkt in Leprazellen umgebildet werden, endlich
aber aus der experimentell beobachteten Invasion
in Gewebszellen des lebenden Thierkörpers, speciell
in Zellen eines durch Entzündung zu Stande gekom-
menen nengebildeten Gewebes, wobei die Elemente
den Charakter der Leprazellen annehmen.
Da sich weder in den Blutgefässen, noch in dem
von gesunden Körperstellen entnommenen Blute
Bacillen finden , dieselben aber in den regelmässig
um die Gefitose gelagerten Zellen in reichlicher
Menge gefunden werden, schliesst N., dass sie, seien
sie ab Sporen oder in entwickeltem Zustande in den
KOiper gelangt, sich auf dem Wege der Lymph-
bahnen verbreiten und besonders in den perivascu-
laren Lymphräumen ansammeln, wo sie zu einer Er-
kmnknng der Gefksswand fahren und dieselbe fbr
den Durchtritt weisser Blutkörperchen geeignet
machen. Eine Bestätigung für diesen Modus der
Invasion und Verbreitung der (Bacillen findet N. in
4er kUnischen Beobachtung, dass die ersten Aus-
brflcbe, sowie die Nachschübe tuberkulöser Erup-
tionen auf der Haut mit erysipelasartigen Entzün-
dungen ehihergehen u. dass namentlich die Lymph-
drOsen, welche ett Hauptdepöt von Bacillen bilden,
eiheblkh geschwollen und schmerzhaft sind.
Keisser kommt daher zu dem Schlüsse, dass
die Lepra ^e Bakterienkrankheit ist, hervorgerufen
Auch eine spedflsohe Badllenfonn. Diese Badllen
treten entweder als solche, oder als Sporen in den
Organismus und verharren in einer je nach Umstän-
den verschieden langen Incubation in Depositorien,
vielleicht den Lymphdrüsen, von wo aus eine In-
vasion .der versdiiedenen Theile des Körpers statt-
findet. Hiernach sei es wahrscheinlich, dass die
Lepra eine in ihren specifischen Produkten conta-
giöse Infektionskrankheit sei, und dass ihre Ueber-
tragung auch durch Gegenstände stattfinden könne,
an denen Sporen haften , dass eine erbliche Ueber-
tragung jedoch nicht stattfinde.
Auch von Cornil und Suchard (Ann. de
Dermatol. IL p. 653. 1881) wurden die Bacillen
gefunden und abgebildet. Am besten liessen sie sich
in Präparaten nachweisen , die frisch vom Kranken
genommen und in Alkohol gehärtet waren. Die
von denselben angefertigten Schnitte wurden hierauf
in Methylanilinviolett (1 — 5proc.) gefärbt u. in einer
1 — 4proc. Sodalösung ausgewaschen. Bei vorsich-
tiger Behandlung bleibt der Farbstoff nur an den
Bacillen haften, während die zelligen Elemente wie-
der entfärbt werden.
An derartigen Schnitten von Lepraknoten zeigte
sich die Epidermis verdünnt, die Wandung der Ge-
fässe, namentlich die Intima derselben, erheblich ver-
dickt und das Corium mit Rundzellen infiltrirt , die
in ihren Innern reichlich von Bacillen durchsetzt
waren. Sie lagen hier entweder von einander ge-
trennt oder zu länglichen Bündeln vereinigt und
waren zwischen den Zellen nur spärlich vorhanden,
während sie in oder zwischen den Elementen der
Epidermis vollkommen fehlteu. Auch in den innem
Organen, namentlich in der Leber, die sich bei Lepra
stets im Zustande der hypertrophischen Cirrhose mit
Vermehrung der GaUengänge und Verdickung ihrer
Wandung befindet, b'essen sich Bacillen nachweisen,
in geringerer Anzahl in den Parenchymzellen, über-
aus zahbeich dagegen in den Zellen des interlobu-
laren Gewebes.
Aus diesen Untersuchungen ergiebt sich also,
dass die Epidermis der Verbreitung der Bacillen und
ihrer Uebertragung von einer Person auf die andere
ein Hinderniss bietet, und dass die Lepra sich hier-
durch wesentlich von andern infektiösen Erkrankun-
gen , wie beispielsweise von Pocken und Erysipelas,
unterscheidet.
Hieran knüpfen sich natürlich die weitem Fragen :
Wenn die Epidermis einen Schutz gegen die Bacillen
bietet, wo ist die Eingangspforte für dieselben?
Sind es zufällige Verletzungen der Haut oder Schleim-
häute ? Finden diese Organismen nur in dem mensch-
lichen Körper die Bedingungen ihrer Existenz, so
dass sie nur vom Menschen auf den Menschen über-
tragen werden oder finden sie sich auch ausserhalb
desselben in lebensfilhigem Zustande? Werden sie
demselben mit gewissen Speisen und Getränken zu-
geführt und durch den Digesüonstractus aufgenom-
men, oder ist ein solcher Modus auggeschlossen?
Das sind Fragen, welche nunmehr an den Forscher
252
IV. Pathologie^ Therapie n. medidnische Klinik.
herantreten and durch deren Beantwortung die mo-
derne Wissenschaft einen glänzenden Triamph über
einen nralten Feind des Menschengeschlechte feiern
wird.
Jedenfalls aber gewinnt die Frage nach der
Con^a^W^a^ der Lepra durch die Entdeckung der
Bacillen einen festen Ausgangspunkt fOr die weitere
Forschung. In neuerer Zeit ist man mehr geneigt,
diese Frage zu bejahen. Eine in dieser Beziehung
interessante Beobachtung theilt Veyri^res (Arch.
gön. 7. 8. V. p. 75. Juillet 1880) mit.
Bine Frau ans Nizza , einer VoUkommen leprafreien
Gegend, nnd aus gesnnder Familie stammend, ist mit
einem Manne verheirathet , der gleichfalls in Nizza ge-
boren, in frühern Jahren viele Seereisen gemacht hat.
Vier Jahre nach der Verheirathung wnrde der Mann von
doppelseitigen Bnbonen befallen, die in Snppnration über-
gingen , die Fran gleiehfaUs von einem Babo , der sie 8
Wochen an das Bett fesselte, obsehon irgend welche Affek-
tionen der Genitalien nicht voransgegaogen waren. Der
Mann wurde einige Jahre später Ton Knoten im Gesicht
und am Stamme befaUen , die theilweise geschwürig zer-
fielen nnd mit Verlust einzelner Fingerphalangen verbun-
den waren. Später zeigten sich auch bei der Frau Lepra-
knoten.
Einen ähnlichen Fall , der von Dr. B e r m a n n
beobachtet worden war, theilt Atkinson (Trans-
act. of the Amer. Dermatol. Assoc. V. Ann. Mee-
ting; Chicago 1881. p. 30) mit.
Die Pat., 45 J. alt nnd seit 6 J. erkrankt, war in
Maryland geboren und niemals ansser Landes gewesen.
In Maryland existirte ausserdem überhaupt nnr ein ein-
ziger Fall von Lepra bei einem jnngen Manne , der wäh-
rend eines Aufenthalts in Caba erkrankt war. Da die
Pat. in der Nähe dieses Mannes lebte, liege die Vermuthung
einer Uebertragung nahe.
Dass es sich in diesem Falle wirklich um Lepra
gehandelt habe, sollte aus den auch der Gesellschaft
vorgelegten mikroskopischen Präparaten aus den vom
Ohre entfernten Knoten hervorgehen, da in den Zelt*-
kernen Bacillen vorhanden waren. Da aber bisher
ein Vorkommen dieser Organismen in den Kernen
der Zellen von keinem Untersucher beobachtet wor-
den ist, während andererseits ihr Vorhandenseb im
Protoplasma der Zellen nicht erwähnt wu*d, so wird
man an der Richtigkeit des mikroskopischen Befun^
des zweifeln müssen, zumal da auch Heitzmann
nach Durchsicht der Präparate sich jeden Urtheils
hierflber enthalten zu müssen erklärte. Was die
Uebertragung der Erkrankung betrifit, so waren
alle Redner darüber einig , dass dieselbe höchstens
durch direkte Berührung hätte zu Stande kommen
können, etwa bei einer Cohabitation , die jedoch von
Atkinson als unwahrscheinlich bezeichnet wurde.
Auch bei Gelegenheit der Diskussion über den
oben berichteten Fall von V all in sprachen sich
Rendu und Besnier für die Contagiosität der
Lepra aus, Hillairet trat selbst für die Erblich-»
keit derselben ein und theilte einen Fall mit, in wel-
chem ein von einem leprösen Vater gezeugtes Kind
erkrankte, während die Mutter gesund blieb.
4) Therapie.
Bei der Behandlung der Lepra hat in neuerer
Zdt das von Indien her, und zwar zuerst von Le
Page in Calcutta empfohlene ChaulmoograöU voi
Gynoeardia odorata stammend , viel&ch Anwendimg
gefunden , welches innerlich zu 5—6 Tropfen ä
steigender Dosis nnd auch äusseiiiöh ' angewandt
wird. ' So günstige Erfolge, wie sie n. A. nament-
lich Young (Practitioner Nov. 1878) und Cottle
(Brit. med. Journ. June 28. 1878) zn verzeiclmei
hatten , scheinen andere Aerzte nicht haben anfvd-
sen zn können , so dass das Mittel sehr bald wieder
in den Hintergi*und getreten ist. Dasselbe ist n^
dem zuerst von Dongall (Edinb. med. Journ. Jan.
1875) empfohlenen Gwjunöl der Fall.
D. B. Simmons (New York med. RecordXYÜ.
15. p. 408. April 1880) hat den Copaiv€J>aUm
innerlich nnd in Salbenform als das wirksamste
Mittel gefunden , welches besonders bei der anästfae-
tischen Form eine unzweifelhafte Heilkraft besitzt.
Neuerdings hat L a n g e r h a n s ( Vircho w's AicL
LXXXV. p. 567. 1881) Kreosot angewandt undhf
3 Fällen günsfage Resultate verzeichnen köODeiii
Er liess täglich 3mal, später 5mal eine Dosis vod
0.025 Grmm. gebrauchen. Bei einem Pai mit
Anästhesien an verschiedenen Körperstellen war
nach fortgesetztem 9monatl. Gebrauch eine vollkom-
mene Heilung eingetreten , die auch noch 2 Jahie
später andauerte , bei den beiden andern Kranken}
die noch in Behandlung standen , erhebliche Besse-
rung.
Dem gegenüber theilt Jonath. Hutchinson
(Med.-chir. Transact. LXIT. p. 331. 1879) den Fall
einer Er. mit, in dem Während eines 2 Tjfthr. Zeit-
raums, während dessen er die Kr. unnnterbrocheo
beobachteie, spontan allein durch Wechsel des Klimas
und Aenderung der Diät Heilung eintrat.
Die Jetzt 71jähr. Fran, in England von englisdifli
Eltern geboren, war im Alter von 42 J. nach Jamaiea ^
kommen , wo sie IX J. lang lebte. Die ErkraokiiBg In^
gann 1 Jahr, vor ihrer Rückkehr nach, England mit eiDer
AnschweUang des linken Fingers , worauf alsbald Knotea
Im Gesicht nnd Knoten, sowie anästhetische SteUen an deo
Armen folgten. Nachdem Merkiuialknren und Arseiul
ohne Erfolg zur Anwenduig gelangt waren, trat unttf
roborirender Diät Heilung ein , so dass die Pat. nonmehr
blühend und wohl aussieht. Nur im Bereiche des Übv-
nerven sind Anästhesien zurückgeblieben, sowie Beddoeo
einer geheilten leprösen Comealaifektion.
H. schreibt dem Genuss von Fischen den baopt-
sächlichsten Einfluss auf die Entstehung derErkiu-
kung zu.
Verschiedene Autoren haben bei Behandlung der
anästhetisehen Lepra durch l^eh)ehdehmmg güi^
eiige Erfolge erzielt. So beriiihtet Dr. Ö. Liiwrii
(Indian med.'Gaz: Sept.' 1878.'— Arch. öf Diffo»-
tology Vot V. 2.^p. 182. 1879) von einem ä^^
Manne j welcher am rechteii'Arnk in seiner '^uoe^
Ausdehniing eii&e voUkömimeti^ A^thlode ntid ho<ih-
gradige Schwäche 'd§r rechteii 'Hand zeigte. W
N. ulnaris liess sich als ein s^hr dicker äthmg voitf
Innern Gondyluö des Humeruei bis fast zur Ifitte dtf
Armes verfolgen und wurde unter OhlorofnrmBSitofl^
gedehnt. Der Pat. stellte sich nur vssKgMsk
wieder vor, und, obgleich die erkrankte Hut leiioa
IV. Pathologie, Thentpie u. medidnisebe Klinik.
263
gleich nach der ersten Operation ein sichtlich besse-
168 Aussehen gewonnen hatte , wollte er sich doch
dicht zn einer Wiedeifaolong derselben verstehen.
Als er nach Verlauf von 5 Wochen sich wieder vor-
atellte, hatte die Hant der Hand und des Vorderarms
jlire vollkommen normale Besehafltenheit wieder-
erlangt, die Sensibilitftt war im ganzen Bereich der
lioästhetischen Stelle znrQekgekehrt nnd die Ver-
oickong des Ulnarnerven vollkommen geschwanden.
JBleiehzeitig gab der Pat. an, dass das Kribbeln nnd
der Sohmerz ihn nicht mehr belästigten und dass
Bdne Hand bei weitem kräftiger geworden sei.
Lawrie hat die Nervendehnung in etwa 40
Pillen von Lepra anaesthetica vorgenommen nnd in
einer grossen Anzahl von Fällen einen anscheinend
dAiieroden günstigen Erfolg beobachtet, insoweit der
von dem N. ulnaris versorgte Bezirk in Betracht kam.
iKe Pat kamen nicht mehr in die Klinik, sobald sie
die von ihnen beobachtete Besserung als endgiltig be-
frachteten und deshalb konnten mit Ausnahme des
olHgen Falles bisher keine Angaben über den End-
effekt der Behandlung erhalten werden.
Ein gleich günstiger Erfolg wurde dwch die
Dehnung des Ulnai'is auch von Wallace (Indian
med. Gaz. Nr. 1. 1881) erzielt, indem sich in einem
Falle nach Verlauf von 2 Mon. die vorhandene An*
isfthesie u. Verfärbung des Arms vollkommen zurück-
))üdete. In der That scheint die Entlastung der
durch die intertubukren Zellwucherungen compri-
mirten und dadurch in ihrer Funktion gestÖi*ten Ner-
^n eine so erhebliche zu sein, dass diese Operation,
die, zumal wenn sie^ unter antiseptischen Cautelen
anagefühi-t wii-d , nur einen unbedeutenden Eingriff
darstellt , bei der Machtlosigkeit unserer bisherigen
Therapie vollkommene Beachtung verdient.
Desgleichen nahm GeraldBomford (Lancet
1.9; Febr. 1881) in einem Falle von Lepra an-
Jiesthetica die Dehnung beider ülnaiiierven vor. Es
handelte sich um einen Pat., dessen linke Hand,
namentlich an den vom Ulnaris versorgten Theilen
vollkommen atrophisch und anästhetisch war und
eine hochgradige Schwäche zeigte. Die rechte war
nicht so hochgradig afficirt, zeigte aber eine An-
ästhesie im Ausbreitungsbezirke des Ulnaris. Die-
ser war links vollkommen atrophisch , rechts erheb-
lich verdickt und mit dem umliegenden Gewebe voll-
kommen verwachsen. Der letztere riss bei der Deh-
nung , heilte aber nach Anlegung einer Catgutnaht
Und als Endresultat der Operation war Wiederkehr
der Sensibilität und Zunahme der Qebrauchsfähigkeit
heider Hände zu constatiren.
576. üeber eine oonstante nervöse Stö-
rung bei florider Syphilia der Sekundär-
periode ; von Dr. E. Finger. (Vjhrschr. f. Der-
matol. n. Syph. Vm. 1 u. 2. p. 265. 1881.)
In eigenthflmlicher und origineller Weise hat Vf.
die Beflexerregbarkeit mit Bezug auf die Beschaffen-
heit des Bttokeomarks bei syphilit Personen geprüft.
Er ghig von dem Gedanken aus, dass die Reflex-
erregbarkeit bei verschiedenen Personen zwar ver-
schieden sei; es bleibe aber doch bei jedem einzelnen
Individuum diese Erregbarkeit eine nahezu constante,
so dass Schwankungen derselben nicht als normale
anzusehen seien, sondern ihren Grund stets in patho-
lo^schen Zuständen des Nervensystems , sei es des
centralen oder peripheren, haben müssen. Verschie-
dene Gründe weisen uns nun auf das Bestimmteste
darauf hin, dass das Rückenmark im Beginn der Er-
krankung alterirt ist, wodurch funktionelle, vorüber-
gehende Störungen bedingt werden. Die anatomischen
Veränderungen veranlassen meist schwerere Altera-
tionen , welche man leichter auf andere Weise hin-
länglich erkennt. Die leichtem Störungen dagegen
kann man zunächst nur durch veränderte Reflexe
erkennen. Da es bis jetzt noch keine Methode der
Messung der Reflexe gab , so schuf Vf. eine solche
für Gesunde zunächst in der Weise , dass die ver-
schiedenen Eörperprovinzen der Haut der Reihe nach
einem und demselben Reiz ausgesetzt und die Grade
der resultlrenden Mnskelzuckung ermittelt wurden.
Das hierbei an Gesunden erlangte , in Zahlen aus-
drückbare Mittel verglich nun Vf. mit den Ergeb-
nissen bei Syphilitischen. Die Resultate waren augen-
fällig und bewiesen die erhöhte , zum Mindesten ge-
störte Reflexthätigkeit bei Syplülitischen auf das
Deutlichste.
Bei jedem Pat. wnrdeu untersucht von Haut"
reflexen : der Bauchdeckenreflex durch Streichen der
Bauchhaut, der Cremasterenreflex durch Streichen
der Haut der innern Fläche des Oberschenkels , der
Fusssohlenreflex durchstreichen derFusssohle. Von
Sehnenreflexen wurden das Knie- und Fussphäno-
meu, der Adductorenreflex, sowie dasEnöchelphäno-
men durch Beklopfen der Sehnen : des Quadriceps
crnris unter der Patella, der gespannten Achilles-
sehne, der Adductorensehne , sowie des Malleolus
internus geprüft, in gleicher Weise auch die Erreg-
barkeit des Biocps und Triceps des Oberarms.
In allen Fällen gab die Untersuchung Schwan-
kungen der Reflexerregbarkeit, welche bald als Stei-
gerung über die Norm , bald als Sinken unter die
Norm zu erkennen waren, und es erfolgten diese
Schwankungen in einer fttr alle Fälle gleichen, voll-
ständig typischen Weise. In allen Fällen konnte
eine zuweilen sehr bedeutende Steigerung der Haut-
und Sehnenreflexerregbarkeit unmittelbar vor und
zur Zeit des Ausbrechens des Exanthems festgestellt
werden , woran sich bald ein Absinken der Reflex-
en*egbarkeit oft tief unter die Norm, sogar zuweilen
bis auf Null anschloss. Hierauf stieg die Erregbar-
keit nur langsam wieder bis zur Norm , welche erst
mehrere Wochen nach dem Schwinden des Elxan-
thems erreicht wurde.
In jedem. Falle war der innige Zusammenhang
der Schwankmigen der Reflexerregbarkeit mit der
Heftigkeit der Syphilis zn constatiren. Die Beflex-
erregbarkeit war aber eben auoh von der Raschheit
des Auftretens der Eruption abhängig.
264
IV. Pathologie, Therapie a. mediciniflohe EUnik.
Jeder Nachschab auf der Hant wurde von einer
raschen SteigeruDg derBeflexerregbarkeitehigeleitet,
welche knrz vor oder mit Beendigong der Eruption
wieder aaf den frflhern Stand zorttckging.
Dnrch die angewendete Behandlang schien der
geschilderte Verlaaf der Reflexerregbarkeit keine
wesentliche Aenderong zn erfahren. Vor Ausbrach
des Exanthems vermochten Heilmittel, als Jodkaliam
und Qaecksilber weder dem Erscheinen desselben
vorzubeugen , noch die erhöhte Reflexaktion zu ver-
hindern. Wenn das Exanthem dagegen einmal aus*
gebrochen war, so erfolgte nach angewandter Thera-
pie zuweilen eine rasche Abnahme der erhöhten
Reflexthätigkeit.
Vf. ist nun derMeinnng, dass die hiererwfthnten
Schwankungen der Reflexerregbarkeit kaum auf Ver-
änderungen in der peripheren Leitung, sondern auf
Störungen im Gentrum selbst, in den Reflexbögen
der grauen Substanz des Rückenmarks zu suchen
seien.
Genauare anatomische Untersuchungen werden
seinerzeit aufklären, ob diesen funktionellen Störun-
gen des Nervensystems auch anatomische Verände-
rungen zu Grunde liegen.
Zum Schluss sind 17 Auszüge aus Kranken-
geschichten mit den entsprechenden Tabellen beige-
fllgt, auf welchen man in Zahlen das Ansteigen und
Abfallen der Reflexerregbarkeit verfolgen kann.
(J. Edm. Gflntz.)
677. üeber die Syphilis der fibrösen Gto«
webe und der Sehnensoheiden ; von Dr. N.
Manssurow. (Vjhrsohr. f. Dermatol. u. Syph. VIII.
2 n. 3. p. S(91. 1881.)
Vf. ftlhrt an , dass die syphilitische Natur vie-
ler Affektionen, als Knoten, Hygrome, Enorpel-
geschwülste u. s. w. vielfach verkannt werde , und
hebt besonders das praktische Interesse hervor, wel-
ches diese Geschwülste besitzen , die unter umstän-
den, wenn sie durch ihren Sitz , ihre Dauer und ihre
sonstige Beschaffenheit grosse Beschwerden verur-
sacht haben, mitunter die Veranlassung zu grossen,
lebensgefiUirlichen Operationen geworden sind , die
hfttten unterbleiben können , wenn die syphilitische
Natur der Affektion erkannt worden wäre. Vf. ge-
denkt eines solchen Falles, in dem einem Kranken
die Amputation des Beins vorgeschlagen worden und
das Glied dadurch erhalten vrarde , dass die richtige
Diagnose gestellt und specifische Behandlung einge-
leitet wurde.
Vf. fahrt eine Anzahl Beispiele an von fibrösen
Oeschwühten in der frühem Periode der Syp/dUe,
von denen wir folgende hervorheben.
1) Allgemeine Syphilis, mit Quecksilber behandelt.
Im 3. Mon. der Krankheit zeigte sich eine Geschwulst
auf der Sehnenscheide des Mittelflogers der linken Hand.
Naoh 7 Mon. resorbtrte sich die Nenbildung. Der Kr.,
20 J. alt , von lymphatischer Constitution , erkrankte mit
einem indurirten Geschwfir, chronischer Drfisena&sehwoi»
lang und am 11. Juli mit makulösem Syphilid, wogeg«
Qneoksilberpillen gegeben worden. Die KnmkheitB^yB-
ptome waren bis auf Ausfallen der Haare und Ansohwella
einiger Lymphdrüsen geschwanden. Im September wurde
an der Innern Fläche des linken Mittelfingers , auf da
Uebergang des Fingers zur Handfliehe eine erbsengrosN,
wenig bewegliche Gesehwolst bemerkt, die bei Streekof
der Finger härter and schfirfer abgeieiolmet enehiei,
beim Bengen des Fingers aber kleiner wnrde ; die B^
wegang der Sehne wniäe nicht gehindert ; die G^esehmitat
bewegte sich nieht doroh die VerkftrEong des Mniktb
und sass folglich aof der Sehnenaehelde. Befan Dntk
aaf die Geschwulst war ein geringer Schmerz vorhudes,
sie störte deiihalb beim Zagreifen. Bei fortgesetster aatt-
syphilitischer Behandlung waren Anfang April 1880 keiae
Symptome der Syphilis mehr vorhanden. Die GesQhwsM
auf dem Finger worde weicher nnd beweglicher und vt-
schwand schlfissUch gani.
2) Allgemeine Syphilis nnd Behandlang mit Merkur
bei einer 89jShr. Wärterin von sonst guter Gesnndhtit.
Im 9. Mon. nach Be^nn der Erkraakong seigten sidh n
dem rechten Ellenbogen, Aber dem Oleemaon idaae,
unter der Haut eine harte, wenig bewegbare, sehman*
lose Geschwulst, von der Grösse einer hiäben Hasehion;
die allgemeinen Decken waren unverändert; die G^
schwalst sass in dem fibrösen (Gewebe iwischen der Ki»-
chenhaut nnd der Haut. Eine ähnliche, aber härtere G^
schwalst von der Grösse dner Kaffee- oder gewöhnl. Bahae
sass auf dem rechten Knie , gerade unter dem onten
Bande der Patella. Efaie 3. Geschwulst von gering««
Grösse wurde über dem Olecranon nlnae riniitrae be>
merkbar. Eine 4. Geschwulst von der Grösse efaier EriM
sass fiber der Orista ulnae des linken Armes, Cut auf d«
Bütte des Unterarms. Eine 6. Geschwulst von der OrfisN
einer halben Nuss war auf dem linken Knie , and swtr
am untern Band der Kniescheibe , vorhanden. Die Kr.
klagte fiber Schmenen an den Knien , wenn sie kniete,
und an den Ellenbogen, wenn sie sich aof sie stütitoi
Vom 6. Mai bis 8. Juni wurden 24 Einreibungen mit gm«
Salbe, Je 2 Grmm, und bis zum 20. Aug. noch weitoe
48 gemacht, worauf alle Symptome, auch dieGesohwfiUe,
sparlos schwanden.
Nach Vf. besteht das Bigenthttmliche in diesen
Fällen darin , dass eine syphilitische Affektion d«
fibrösen Gewebe und des Zellgewebes sich zwiseben
3. und 9. Mon. seit Beginn der Erkrankung geieigi
hatte, während derartige Erscheinungen erst spiter
aufzutreten pflegen.
In einem andern Falle waren tiefe Taberkel fib«
dem rechten Trochanter 2 Vt Jahre nach Beg^ der &
krankung auQietreten.
Der betr. 40 J. alte Kr., durch einen Katanli 4«
Prostata entkräftet, hatte wegen Symptomen constitntio-
neller Syphilis vom Dec. 1877 bis April 1878 eine Kv
von 60 Einreibungen mit grauer Salbe und Zittmann'sdies
Dekokt, sowie im Aug. 1878 PUlen mit Qaecks.-Gh]orid,
Jedoch ohne vollen Erfolg gebraucht. Im Frühjahr 1880
bildete sich unter d. rechten, grossen Trochanter eine lalo^
pelharte Geschwulst von der Grösse einer halben WaUnsv ;
sie war beweglich und sohmenlos , die Haut von nonnt-
lem Charakter ; sie bestand aus S ungleichen Theüen.
In Betreff der flbrigen Beispiele ^ unter denei
sich das eine dadurch auszeichnet, dass ausgebratete
Geschwülste sich im Verlaufe der Sehnen der Hand
entwickelt haben, verweisen wir auf das OrigiosI*
(J. Edm. GflnU)
V. Gynäkologie n. Pädiatilk.
265
V. Gynäkologie und Pidiatrik.
578. Kühlapparat für die weiblichen
Sezualorgaiie ; von Dr. H e u s b i in Criwitz in Meck-
lenburg. (Berl. klin. Wchnschr. XVIII. 11. 1881.)
Da die meisten Krankheiten der weiblichen Ge-
nhlechtsorgane auf Congestionen znrttckzafahren
aind, welche die Grenzen des Physiologischen über-
lehreiten^ ist als das natürlichste Mittel, die so ent-
Btudenen Entzündnngsznstände zn bekämpfen, die
Eilte an betrachten. Es fragt sich nur, wie dieselbe
1X0 Besten anf die Geschlechtsorgane des Weibes
»^tieirt werden kann« Durch einen vom Vf. con-
stniirten, übrigens ziemlich complicirten Apparat,
dessen nAhere Beschreibung nebst Abbildungen im
Originale nachzusehen ist, lässt sich sowohl auf die
Tagina, als auch anf die Gebärmutter und auf das
psrametritisohe Gewebe Kälte übertragen. Sollen nur
die Vaginalportion und die benachbarten Partien des
Uterus gekühlt^ n. dabei doch die Scheide selbst, die
Blase und der Mastdarm geschont werden, so lässt
aoh diess leicht bewerkstelligen , indem der untere
TheU des Apparates aus einem schlechten Wärme-
leiter (Hartgummi) hergestellt wird.
Unter den Krankheiten, welche er am meisten
mit diesem Instrumente, und zwar mit gutem Er-
folge, behandelt hat, nennt Vf. zunächst ien Katarrh
det ütenu mit Enmanen an der Vaffinalpartion.
Der extrauterine Apparat wird täglich 2 Mal anf je
3 Stunden in die Vagina eingelegt ; hierbei strömt
fortwährend kühles Wasser durch den Apparat.
Wie kalt das Wasser erforderlich ist, richtet sich
nach der Emj^dlichkeit der Patientin. Die Em-
fthmng des Instrumentes muss vorsichtig geschehen
und würde Vf. es nur einer sehr zuverlässigen Heb-
amme überlassen.
Die Methode des Vf.s hat sich auch bei parame'
triüeehen Entzündungen vortrefflich bewährt Wei-
ter hat Vf« mit gutem Erfolge sein Instrument bei
MetriUs^ der akuten sowohl als der chronischen, an-
gewendet. Sind Flexionen vorhanden, so sucht Vf.
merst den Uterus aufzurichten und sodann den Kühl-
spparat einzuführen. Auch bei Jungfrauen hat Vf.
den Apparat angewendet, und zwar muss hier der
Intrdtns vaginae möglichst schmerzlos zuvor erwei-
tert werden. Vf. bedient sich hierzu eines keulen-
ftrmigen Instrumentes von polirtemHolz oder Blech.
Ist durch das dünnste erweitert worden, so werden
dum die beiden letzten stärkeren Nummern ver-
wendet (Höhne.)
579. Zur Innervation der Gebärmutter;
von Dr. C 0 h n s t e i n in Heidelberg. (Arch. f. Gy-
DSkol. XVm. 3. p. 384. 1881.)
C. wiederholte an Kaninchen und Meerschwem-
chen die von andern Autoren angestellten Untersu-
chungen, und berücksichtigte dabei das Verhalten des
schwangeren Uterus überhaupt, die Veränderungen
v& leeren und schwangeren Uterus nach Durchtren-
nung der sympathischen Bauehganglien, denEinfluss,
welchen dieExcision peripherischer Ganglien auf den
VerUuf der Schwangerschaft und die Durchschnei-
dung der Sacralnerven und des Rückenmarkes auf
die Contraktionen ausübt Bei der Laparotomie
werden die trächtigen Thiere mit Ghloralhydrat, die
nicht trächtigen mit Chloroform anästhesirt«
I. Bei trächtigen Kaninchen treten fast immer
spontane Contraktionen ein , auch ohne Luftreiz un-
ter Anwendung einer ^/aproc. Kochsalzlösung. Sie
sind bedingt durch die Veränderungen imParenchym
der Geschlechtstheile während der Gravidität; und
sind darum auch an Thieren, welche kurz vorher ge-
worfen haben, zu beobachten. Die Contraktionen
gehen von der Scheide nach den Hörnern und Tuben
und zurück, bei nicht trächtigen vomTnbenende zum
Muttermund. Nur bei den erstem Thieren findet
man in den ausgeschnittenen Genitalien Ganglienzel-
len. Die Reizbarkeit des trächtigen Uterus ist im
Beginn und am Ende der Schwangerschaft am stärk-
sten und unterliegt ausserdem individuellen Schwan-
kungen. Der indncirte Strom und heisses Wasser
(45-^55^ C.) lösen intensive Contraktionen am
trächtigen und leeren Uterus aus. Klemmung der
von Nervenfasern isolirtcn Bauchaorta, Verblutung
und dyspnoische Blutbeschaffenheit verstärken die
Contraktionen des trächtigen Uterus. Elektrische
Reizung des Rückenmarks erzeugt nur beim nicht
trächtigen Uterus Zusammenziehungen. Wird das
periphere Ende des Plexus aorticus gereizt, so be-
ginnen die Contraktionen wie am nicht schwängern
Uterus an den Tuben.
n. Die Eaeiirpation sympathüeher Bauch"
ganglien bei nicht trächtigem Thiere hatte eine
starke Hyperämie der innem Geschlechtsorgane, ge-
steigerte Erregbarkeit von Uterus und Va^na anf
direkte Reize und Peritonitis zur Folge. Nach 14
Tagen wurden die Genitalien im Involutionszustand
mit Abnahme der Ernährung, Funktion und Erreg-
barkeit beobachtet
in. Dieselbe Operation an träehtigen Kaninchen
bewirkt im Beginn der SchwangerschaA die Ausstos-
sung der Früchte innerhalb 36 Stunden ; bei vorge-
schrittener Schwangerschaft werden die todten Früchte
zwischen dem 7. n. 10. Tage erst ausgestossen. Den
Tod der Früchte sucht C. in der behinderten Blut-
zufuhr zu den Placenten in Folge der Contraktionen.
Als Gründe fttr den verzögerten Geburtseintritt führt
C. an die herabgesetzte Wirkung der Gebärmutter in
der Mitte der Schwangerschaft, die durch die Opera-
tion und den Tod der Früchte reducirte Erregbar-
keit und die Inanltion, welche in Folge geringer
Nahrungsaufnahme und eintretender Durchfälle sich
einstellt [Warum wurden nicht auch Thiere zu die-
sem Experiment genonunen, die sich am Ende der
Schwangerschaft befiinden und damit die erste Ur-
266
V. Gynäkologie n«
Bache aasgeschlossen? Für die andern Gründe liegen
in den Experimenten selbst keine Beweise. Ref.]
IV. Eaeision cireumscripier Partien aus der
Vagina trächtiger Kaninchen. Es worde ein längs-
ovaleS; 2Vs Gtmtr. langes and 1 — l^sCtnitr« breites
Stack aasgeschnitten and der Defekt mit Catgatliga-
taren geschlossen. Stillstand der Schwangerschaft
and Aufboren aller rhythmischen Gontraktionen war
die Folge, die Gebart trat nicht ein. Am 6. Tage
fand man im Uteras die Foetas macerirt, was fflr
einen anmittelbaren Tod derselben in Folge der Ope-
ration spricht. Die Wichtigkeit der peripheren Gang-
lien für die Gebart war hierdarch erwiesen, denn
der Einflass, welchen die Unterbrechang der arte-
riellen Blatzafahr aasflbt, warde eliminirt darch ein
Experiment, welches zeigte, dass die fiir die Aas-
stossang der Früchte, zar AblOsang and Expalsion
der Placenten nothwendigen rhythmischen Gontrak-
tionen darch die Unterbrechung der arteriellen Blat-
zafahr zum Uterus nicht aufgehoben werden.
y. Durcheehneidvng der Nerven des 111* und
IV. Kreugbeinloehes bei einem trächtigen Meer-
schweinchen. Die Gontraktionen waren anregel-
mässig und erstreckten sich hauptsächlich auf die
Scheide; am 2. und 3. Tage nach der Operation
wurden 5 Junge, theils lebend, theils todt geboren.
VI. Durehsehneidung des Rückenmarks bei
trächtigen Kaninchen. Drei Versuchsthiere starben
innerhalb 2 Stunden post operationem, ohne zu wer-
fen, beim 4. fand man nach 32 Stunden ein todtes
Junges im Behälter und eines in der Vagma ; in den
Ampullen waren noch 4 Junge mit deutlichen Bewe-
gungen.
Nach diesen Experimenten folgen als zweiter
Theil der Arbeit „historische und kritische Beiträge^.
Die ersten Untersuchungen über die Innervation des
Uterus wurden an frisch getödteten Thieren unter-
nommen, alle späteren an lebenden, und sie berück-
sichtigten 9,1) die direkten, auf den Uterus applicir-
ten elektrischen, chemischen und mechanischen Reize ;
2) die Reaktion der Muskulatur des Uterus auf Ver-
änderungen im Gasaustausche des Blutes; 3) den
Einfluss der elektrischen Reizung verschiedener Re-
gionen der Gentralorgane, derSacral- und sympathi-
schen Nerven auf Eintritt von Gebärmutterzusam-
menziehungen ; 4) den Einfluss der Durchschneidnug
sowohl der Gentralorgane wie verschiedener Nerven-
zweige mit nachfolgender Nervenreizung, auf die
Auslösungen von Gontraktionen ; 5) die klinischen
Beobachtungen des Eintritts von Schwangerschaft u.
Geburt beim Menschen und Thiere nach Läsionen
des Rückenmarkes ; 6) den Elintritt von Schwanger-
schaft und Geburt nach Durchschneidung der sympa-
thischen, der Sacralnerven, derCervikalganglien des
Uterus.** Es wird dann die emschlägige Literatur
angeführt. Neues aber nicht gebrachte (Vgl. Röh-
rig's Arbeit in Virchow's Archiv LXXVL 1. 1879
— Jahrbb. CXCII. p. 38.)
(Burckhardt, Bremen.)
580. IJntersaohaiigen der ütemasohleim-
haut während der Menstruation ; von Dr. de
Sin^ty in Paris. (Gaz. de Paris 13. p. 175.
1881.)
Vf. berichtete in einer Sitzung der Soc de Bio-
logie über seine Untersuchungen. .Man hat laog«
diskutirt über die Ausstossung derUterosschleimlnnt
während der Menstruation. Von den neuesten Auto-
ren zeigten Eundrat und Leopold, dass die
Mnskularschicht nie blossliegt, dass vielmehr bis n
einer gewissen Stärke Schleiinhaut und Drüsen im
Uterus bleiben. Vf. hat seine histologischen Unter-
suchungen über diesen Punkt schon 1879 im Manoei
de gyn^logie veröffentlicht Der kalte Winter 187S
bis 80 war fttr die Fortsetzung dieser Untersncfanngen
sehr günstig. Die Uteri stammten von Frauen, &
zu verschiedenen Zeiten der Regel gestorben waren.
Ueberraschend war der Befund : Schleimhaut intakt;
mit den menstrualen Merkmalen, beträchtUcfa Ter*
dickt, mit weissen Blutkörperchen durchsetzt, h7pe^
ämisch, mit erweiterten Drüsen, Epithelialftbenog
unversehrt; nirgends die geringste Desquamaäoo.
S. wandte nun eine andere Methode an , er imter-
suchte die Menstrualausscheidungen , in denen ji
Schleimhautstückchen sein mussten , wenn sie ansge-
stossen würden. Es Wurden zu diesem Zwecke tob
Frauen mit normal fiinktionirendem Genitalappant
alle spontan abgesonderten Menstmationsprodokte
sorgfältig gesammelt, in Alkohol gehärtet und dam
untersucht. Keine Spur von Uterus8chleimhao& *
Diese Methode war zu umständlich nud S. entnaks
daher imSpeculum mittels desAdspiratorsvon Sias
die Flüssigkeit, welche nach Ran vi er in eine Mi-
schung vonl Th. Alkohol und 2 Th. Wasser ge-
bracht wurde ; in dieser lösen sich die BlutkOrper
chen, während das Epithel sehr gut erhalten bleibt
Die Untersuchung wurde mit und ohne Carminflr-
bung vorgenommen. Kleine lamellöse, membns-
ähnliche Fetzen auf dem Grunde des Glases schienefl
Trümmer der Schleimhaut zu sein, zeigten sieh aber
unter dem Mikroskop als Anhäufungen weisser Blut-
körperchen, welche durch Schleim und Fibrin ver-
bunden waren ; sie färbten sich stark, zeigten niebt
selten tubuläre Anordnung, aber hatten mit Bpitiiel-
überzug keine Aehnlichkeit. Man sah auch Sebldo-
cylinder, die den Eindinick machten, als wären sie io
den Drüsen gebildet und dann ausgestossen wordes.
Schlüsslich waren auch rothe Blutkörperehen m
sehen, die dem Alkohol widerstanden hatten, aber
Theilchen mit Cylinderepithel waren nirgends za fio-
den. S. fand niemals auch nur eine Flimmere[»tb6l'
zelle und schliesst daraus, dass normaler Weise sicii
die Schleimhaut bei der Menstruation nicht abstösst,
nicht einmal oberflächlich, und dass widersprechenä^
Befunde Leichenerscheinungen sind. * Diese TIA-
Sachen sind wichtig für den Physiologen und At den
Kliniker, besonders für die Pathogenese der \>jvßßr
norrhoea membranacea.
(Burckhardt, Biemeo.)
V. Gynäkologe n. Padiatrik. 257
581. B«itrlge bot Morphologie der Portio in kflrzesterZeit. Vom gynäkologischen Standpunkte
TtgisaUa nteii ; von Dr. Wilhelm Fischel in aas ISsst sich annehmen, dass dieses angebome ana-
Png. (Aich. f. Gynftkol. XVIII. 3. p. 433. 1881.) tomische Ektropinm ein prädisponirendes Moment
Vf. theilt neue Beobachtungen über das an- fbgeben kann zur EKeugnng mancher Leukorrhoe
geborene anatomische „Ektropinm" mit. Die An- 1«° Kindes- und Jnngfrauenalter, ftr deren Behand-
nahme. dass die VaginalporÜon, namentlich der long nöthigenfalls, genau wie bei Piuripai-en mit La-
bel Nengeborenen «fters geftmdene weite Muttermund cerationsektropium, sich die Keilexcislon der Mutter-
im spiteren Alter Veränderungen durchmacht, bezw. °"«'^l«PP«n "«h ^^ «*»'." ^ "' , tT* *^'°*'i""* ""'*
enger werde, beruht nicht auf direkten Beobachtnn- ^«' fnm«<'8chen Operation empfehlen würde,
gen, und Vf. hat die üeberzengung gewonnen, dass , ^"^ ^^\ angeborenen anatomischen dem
wir eine ganze Anzahl von verschiedenen Formen L^ceratiousektropinm so ähnhchen Foi-m hat F. eine
dieses Organes, die bisher nur bei der Erwachsenen «*T" «bleichende Form der Vagindporhonm der
bekannt waren und bei dieser meistens ein patholo- Leifeemes reifen Nengeborenen gefunden, die aber
gisehes Interesse darboten, sich in gleich ausgeprägter ^<«b *>« «"»«tomisches Ektrop.um bezeichnet werden
Weise bereits beim Neugeborenen vorfinden. Das "«««• Ans dem sehr stark diktirten, runden Mnt-
eoDgenitale anatomische Ektropinm ist besonders in tennnnd drängte sich eine flach sphärische Geschwulst,
forensischen Fällen von Bedeutung, wenn nicht der ^'«.f""* «1"!" "." ''«"»^ klaffenden, alnsr 8 Mmtr.
Beweis erbracht wird, dass dieser Znstand im spä- l>«»ten Spalt m eine grtesere vordere und eine ktei-
tem Leben Hets verschwindet. P. hat in diesem "«".^f**^ J^'^^^ ^f • „.^ ^" ,^'* proUbirte
J«hre unter dem kleinen Material wieder einen Fall Cervilcalschleimhaut mit deutlichen Wülsten und Fnr-
gefnnden. Der Uterus des reifen und gut entwickel- «^en des Arbor vitee. Eine taefe Furche trennt am
ten Kindes zeigte eine leichte Betrofleiion und war Mnttermundsaum Pflaster- und Cjlinderepiftel zmn
sehr krftftur ed>ildet Unterschiede von dem sogen, angeborenen histologi-
-.---. .. „ . 9chen Ektropinm, wo die Cervikalschleimhaut über
Länge des ganzen Uteras 41 Mmtr. ^ w xx j V. . i.x t^. tt l üt ji-
i^eite des Fandns 16 ^^° Mattermnnd hmansreicht. Die Ursache fttr die
Dieke des Fandns 11 „ Entstehung Ist wohl nnr in einer Volumenvermeh-
Brdte des BnpTayaginaltiieils .... 16 « nmg der Cervikalschleimhant zu suchen, die im Cer-
^e dMelbst ,••••••••• ^l » vikalkanal nicht mehr Platz hat und sich darum aus
QiQflste Breite des Kattermondes ... 8 « , „ .. ^ ;i • j- a v «j j«« * t?„
Atetand zwischen der Spitze der vordem dem äussern Muttermund in die Scheide drängt. Es
nnd hhitem Mattermnndslippe • . . 10.6 ^ handelt Sich dabei aber nicht um entzündliche Schwel-
Von anten her wie im Specolum betrachtet, zeigt das Inng, sondern um eine echte Hyperplasie.
BQd eine auffallende AehnUchkeit mit dem Ektropinm in (Burckhardt, Bremen.)
Folge Mlateraler Laceratlon ; der siehtbare Eingang in
den Cervikalkanal stellt einen weit klaffenden Trichter 532. Zur Behandlung der Cervikalstenose ;
^^.. ^«^,^°«»r ^i^"^""";?^ ^''Jif ^j"*"*^?: !f* ""^^^ von Dr. H. Fehl in g. (Arch. f. Gynäkol. XVffl.
leieht, da die untere Grenze der cervikalen Flachen bei- ^ Af\ct tQQt \
der Lippen nicht mit der Bpithelgrenze übereinstimmt, ^« P- ^^b. lööl.)
•Mm besondenan der Unken Seite eüi 2-3 Mmte. brei- ^ Behandlung bedürfen allein Stenosen, bei de-
ter Saum der cervikalen Flache mit geschichtetem Pflaster- .^i^ cT 3 ^ xi^oi.
epithel bedeckt ist. Die Epithelgrenze ist scharf mar- »«» e«^e dünnere Sonde nur unter starken Schmerzen
kirt nnd bildet ein Dreieck mit der Basis nach oben ; in eingeführt werden kann. Der Sitz ist meist das Os
diesem Dreieck sind deutlich mehrere longitudhiale Für- intemum, selten an andern Stellen oder im ganzen
eben, die dem Arbor vitae angehören. Verlauf des Cervikalkanals. Sie kommt angeboren
Es ist möglich, dass dieses verstärkte Wachsthum vor, wird aber viel häufiger acquiriii, besonders
der medianen Abschnitte damit zusammenhängt, dass durch Schleimhautkatarrhe und Aetzungen mit dem
läer ja das in früherer Zelt vorhandene Septum der Höllensteinstift. In schwierigen Fällen untersucht
verschmolzenen JlfuZ^'schen Gänge in gewissen man in der Seitenlage nach Sims bei fixirterCervix,
FflUen mehr Substanz liefert zum Ausbau derTheile, und zur Bestimmung des Sitzes legt man einen La-
als m den gewöhnliehen normalen Fällen. Was die minariastift em. Die Haupterscheinung ist Dysme-
foiendsche Bedeutnng dieses Befundes anlangt, so norrhöe, doch ist sie nicht immer vorhanden. Steri-
mahnen diese Fälle zur Vorsicht in derBeurtheilnng. lität ist kein unbedingtes Symptom, da trotz starker
Nachdem die Fachgenossen auf diesen Gegenstand Dysmenorrhöe junge Frauen oft genug concipiren u.
aufmerksam gemacht sind, wird diese Form der Va- andernfalls die männliche Azoospermie zu berück-
ginalportion selbst bei entschieden jungfräulichen er- nchtigen ist. Von den Symptomen, die besonders
wachsenen Personen angetroffen werden. Die Be- zur Behandlung Veranlassung geben, sind es Dys-
obaefatungen am Krdssbett haben gelehrt, dass eine menorrhöe, Metritis chronica und Endometritis,
solche Portio einer Primipara bezüglich ihrer Eana- Die Methoden zur permanenten Dilatation der
liSBüon meh ganz ähnlich verhält derjenigen einer Oervix sind sehr zahlreich, aber keine hat sich ein-
Pfairipara. Der äussere Muttermund und das untere gebürgert ; es handelt sich um schneidende Instru-
^e des Cervikalkani^ stehen weit offen und die mente oder langsam quellende Mittel. Vf. verbindet
£röffiittng vollzieht sieh unter sehr geringen Weh^ beide Methoden in folgender Weise : In der Seiten-
Med. Mirbb. Bd« 19S. Hft. 8. 33
258
V. Gynäkologie u. Pttdiatrik.
läge wird Vagina und Portio gereinigt und desinfi-
cirt, die Portio fixirt und herabgezogen und dann die
Discision mit dem CredS^sahen Metrotom nach allen
Richtungen radiär vorgenommen. Die Schnitte,
wenn nöthig 15 — 20 an Zahl, werden höchstens
3/4 Ctmtr. tief geführt, das Blut wird mit Iproc.
CarboUösung abgespült und zum Schluss nöthigen-
falls die Gervix am Os externum beiderseits mit der
Scheere gespalten. Danach wird ein der Utems-
krümmung entsprechender hohler Glasstift eingelegt.
Vier Tage Bettruhe und Carbolauswaschungen der Va-
gina, am 5. Tage Entfernung des Glasstiftes und
Einlegung eines gleich starken Laminariastiftes, der
6 — 8 Stunden liegen bleibt; nach der Wegnahme
des letztem folgt eine Ausspülung des Uterus mit
Salicyllösung. Nach 2 — 3 Tagen wird die Proce-
dur wiederholt und ein neuer dickerer Glasstift ein-
gelegt. Hiermit wird in angemessenen Pausen so
lange weiter fortgefahren, bis die Cervix eine genü-
gende Weite besitzt. Am besten beginnt man gleich
nach der Periode, die nächste ist dann schmerzlos
und es wird danach fortgefahren. Aetznngen sind
zu vermeiden, nach ihnen muss der Glasstift wieder
getragen werden, um Verengung zu verhüten. Die
Methode ist unter antiseptischen Cautelen ungefähr-
lich, schützt am sichersten vor Recidiven und ist so-
wohl schonenderer als auch sicherer im Erfolg im
Vergleich zu den andern Methoden.
(Burckhardt, Bremen.)
583. Operative Behandlung der Anteversio
uteri; von Dr. Alphons Mermann in Mann-
heim. (Arch. f. Gynäkol. XVIII. 3. p. 427. 1881.)
Die Versuche , die Retroflexio uteri operativ zu
heben , sind erfolglos geblieben , die Vorschläge von
Sims und Simon, die Anteflexio operativ zu be-
handeln , sind kühl kritisirt und nicht nachgeahmt
worden. Die Wiederaufnahme der letztem Opera-
tionsmethoden hält der Vf. um so mehr für angezeigt,
weil weder Pessarien noch Uterinstifte diese Ano-
malie zu heben im Stande sind , die Operation aber
ungefährlich sei. Die Beschwerden der Anteversio
sind recht bedeutende und eine ganze Reihe dersel-
ben, welche allgemein auf die chronisch-entzündlichen
Processe des Uterus bezogen werden , kommen nur
auf Rechnung der Lageveränderung , wie man sich
überzeugen kann , wenn man den schweren Uterns-
körper an einer durch die Gervix gelegten Faden-
schlinge nach hinten ftlhrt.
1) Eine 26Jähr. sterile Barne mit enormen Beschwer-
den war verschiedentlich mit Pessarien, Stiften und Sonde
behandelt worden, hatte verschiedene fieberhafte Blasen-
katarrhe überstanden, litt an heftiger Dysmenorrhöe und
beobachtete stets eine vomübergebengte Stellang. Die
Anteversion war hochgradig , die Portio stand hoch oben
in der EreuzbeinanshShlung , der faustgrosse Uterus war
indorirt, Adhäsionen und Parametritiden fehlten. M.
frischte nun, indem er die Methode von Simsn. Simon
combinirte, sowohl die Schleimhaut von derVaginalinser-
tion über der Portio, als auch die vordere Idppe der
Vaginalportion selbst und ein entsprechend grösseres
Stack der vordem Scheidenschleimhaut bis etwa 4 Ctmtr.
nach oben von der Hanuröhrenmfindong aa mid venSUe
diese ziemlich grosse, correspondirende , wandgemaehte
Fläche der Qaere nach mit 10 Seidenfilden. Die erstea
Tage waren Harn- nnd Blasenbeschwerden vorbaada,
dann aber verschwanden aUe Erscheinungen. Fiirnft*
intentio trat nicht ein, aber Pat. veriiees am 18. Tage die
Klinik. Nach 8 Wochen zeigte sich die Narbe zeiriMei
nnd die Anteversion war wieder da. Es folgte eine oeoe
Operation , bei der nach oben nar die Portio angefiiBdit
wurde. Prima-intentto, nach 8 Wochen war Pat. Behm6R-
firei und f&hlte sich wie neugeboren.
In ehiem 2. FaUe handelte es sich um eine 24ji]ir.,
seit 4 J. verheirathete Fraa ohne Kinder; sie hatte mr
im Anfang im 4. Monate eine Fehlgeburt erUtten. Der
Befand und die Beschwerden waren ziemlich dieselb«
wie Un ersten Falle. Diessmal operirte M. ganz laA
Sims, frischte also nur die Scheidenschleimtaant an,
haaptsächUch ans Furcht vor den BlasenbeschweTd«.
Am 18. Tage verliess Pat., bei der per primam eine feite
Narbe entstanden, beschwerdefrei die Anstalt. Ton Sei-
ten der Harnröhre und Blase waren keine Erschefaiimgei
eingetreten.
Ob die Heilungen definitive sind, kann Yf. nieiit
mit Bestimmtheit angeben. Dem S im ansehen V6^
fahren ist der Vorzug zu geben , auch ist anzuodh
men, dass die Verbesserung der Lage desDtenu die
Rigidität und die Hypertrophie des Organs beeis-
flnsst, besonders wenn Gravidität eintritt.
Die Operation ist nfoht schwierig, nur ist der
Raum meist klein, weil sie an Nulliparen gewöhnlieh
auszuführen ist . Die Fäden werden erst alle gdegl
und dann geknotet. Die Entspannung der Wände
ist nöthigenfalls durch einen an der Portio befestig-
ten Zügel zu bewirken, der durch Hef^flasterstrafen
auf dem Leib festgeklebt wird. Vielleicht liesse sieli
diese Lageverändemng auch zur Behandlung der
Anteversio nach S i m 0 n 's Vorschlag benutzen. Die
Sims 'sehe Operation wird natflrlich nur fttr sdiwere
Fälle empfohlen, besonders wenn dch die Besohw»-
den durch Zug an dem oben genannten Ztigel voll-
ständig aufheben lassen.
(Burckhardt, Bremen.)
584. Ueber Plaoenta praevia ; von Dr. E.
Ingerslev. (Hosp.-Tidende 2. R. VHL 47—62.
1881.)
Der Zweck des Aufsatzes von Ingerslev ist
der , einzelne Seiten der Frage Aber Plac. pnevia
hervorzuheben, die besonderes Interesse besUieD,
namentlich in Bezug auf die Behandlung , wozu ihoi
eine verhältnissmässig grosse Anzahl von Fällen, die
seit mehreren ■ Jahren unter sdne Behandlung ge-
kommen sind und die ihm zugängigen Fälle aoB der
Oebäranstalt in Kopenhagen reichliches Material lie-
ferten. Ing. hat 31 Fälle aus der Oebäranstalt (von
1861 bis 1880), 22 Fälle ans der Poliklinik (von
1859 bis 1880) und 8 aus eigner Prazis', also n*
sammen 61 Fälle gesammelt
Von 21 Fällen, in denen die Sohwangenehcft
nicht vorzeitig unterbrochen , sondern das Kind «0
normalen Ende derselben geboren wurde, veriief die
Schwangerschaft in 5 ohne Blutung, bis diese siohiui-
mittelbar vor oder znglekh mit den Wehen eiusteltte*
V. . Gynäkologie a. Pftdiatrik.
269
Von den 26 HÜlen , in denen die Schwangerschaft
nieht bis zum normalen Ende gebracht wurde , hatte
in 11 die kurz vor oder nach Eintritt der Wehen
rieh einstellende Blutung keine Vorläufer gehabt.
Im Allgemeinen kann man annehmen, dass das Auf-
treten der Blutungen vor den Wehen mit successiven
Wiederholungen häufiger ist bei totaler , als bei par-
üdler Plac. praevia; in 52 Fällen Ing.'s, in denen
darflber genaue Angaben vorhanden waren , hatte
die kurz vor oder bei den Wehen auftretende Blu-
tung Vorläufer gehabt, dOmal bei partieller, 22mal
bei totaler Plac. praevia. Ein Zusammenhang zwi-
schen dem Auftreten der Blutung und der Bildung
eines untern Uterinsegments, also einer Expansion
der Insertionsfläche derPlacenta mit oder ohne Dila-
tation des Orificium intemum, dürfte schwerlich auf-
sofinden sein , denn es giebt Fälle von totaler Plac.
praevia, in denen die Schwangerschaft ohne Unter-
brechung und ohne Blutung verläuft bis zum Be-
ginne der Wehen, und Fälle von partieller Plac. prae-
via, in denen die Blutung Monate vor der Qeburt be-
ginnt und sich wiederholt.
Auch die Verhältnisse , die die Entwicklung des
ontem Uterinsegments begünstigen, haben keine Be-
deotong fltr die Entstehung der Blutung. Bei 14
Erstgebärenden mit Plac. praevia trat die erste Blu-
tung kurz vor oder nach den Wehen ein , die in 3
Fftllen am rechten Schwangerschaftsende , in 5 vor-
leitig sich einstellten. Vorher trat die Blutung nur
in 2 Fällen auf, in dem einen Falle erfolgte die Ent-
bindung 6 bis 8 Wochen zu früh nach einer 2 Tage
lang gleichmässig fortdauernden Blutung, der 8 Wo-
chen früher eine unbedeutende Blutung vorhergegan-
gen war; in dem andern Falle trat die Oeburt zum
rechten Termin ein, nachdem 36 Stunden vorher
eine Blutung stattgefunden hatte, die sich gleichzeitig
mit den Wehen wiederholte.
Es geht hieraus hervor, dass die Blutungen wäh-
rend der Schwangerschaft bei Plac. praevia in hohem
Grade das Bild von etwas Accidentellem bieten ; die
Zeit ihres Auftretens steht in keiner constanten Be-
ziehung weder zu dem Grade , in dem die Placenta
vorliegend ist, noch zu solchen Verhältnissen, welche
die Entwicklung des untern Uterinsegments begün-
stigen. Noch mehr tritt der accidentelle Charakter
der Blutungen hervor, wenn man die Art betrachtet,
in der sie auftreten , ohne Vorboten , ohne Oelegen-
heitsursache, ohne Empfindung und ohne Schmerz.
Nur m 2 der von Ing. gesammelten Fälle war Fall
oder Anstrengung als Ursache der Blutung voraus-
gegangen , in allen übrigen Fällen traten sie ohne
alle äussere Veranlassung auf.
Veränderungen des Placentargewebes mit Ver-
lust der Elasticität desselben können die Pkic. ver-
hindern, der Expansion des untern Uterinsegments
>u folgen, und selbst ein geringer Mangel an Con-
pnenz Zwischen der Placenta und ihrer Insertions-
fl^e kann hhireichend sein, Lösung mit darauf fol-
gender Blutung zu bedingen. Auch dadurch werden
diese Blutungen als accidentelle gekennzeichnet»
Die Blutung bei der Entbindung ist bei Placenta
praevia fast ausnahmslos vorhanden ; sie ist unver-
meidlich , sobald die Placenta , wenn auch nur ein
kleiner Theil derselben, innerhalb der von Dune an
als die Orenze fllr die spontane Lösung bezeichneten
Cervikalzone des Uterus inserirt ist. Die Ausdehnung,
in welcher die Placenta innerhalb dieser Zone an-
geheftet ist, wird, wenn es sich um die Geburt han-
delt, in viel regelrechterer Weise sich geltend machen
in Bezug auf den Zeitpunkt und die Intensität der
Blutung, als in Bezug auf die Schwangerachaftsblu-
tungen. Hier wird also der Unterschied zwischen
totaler und partieller Placenta praevia wesentlich.
Bei totaler Placenta praevia (wenn der Finger bei
zur Geburt hinreichend erweitertem Muttermunde
über diesem nichts Anderes als Placentargewebe zu
filhlen im Stande ist) wird die Blutung eintreten, so-
bald die Dilatation des Muttermundes beginnt; wenn
dagegen die Placenta nicht das Orificium intemum
deckt, wird die Blutung um so später eintreten , je
höher nach oben sich der Placentarrand findet.
Die Quelle der Blutung ist bei Placenta praevia
dieselbe, wie bei Blutungen nach der Entbindung
überhaupt, die bei der Lösung der Placenta blos-
gelegten cavernösen Gefilsse und die Meckerschen
Sinus, hauptsächlich aber die grossen venösen Sinus
in der Uteruswand, die natürliche Stillung dieser Blu-
tungen geschieht durch Thrombnsbildung und Ooa-
gnlation. Zusammenfallen der Gefilsse u. die Wehen-
thätigkeit.
Die sichere Diagnose der Plac. praevia kann
erst gestellt werden., wenn das Orificium uteri so
weit geöffiiet ist, dass man das Placentargewebe mit
dem Finger fühlen kann. Für die Vennuthung giebt
der Charakter der Blutungen gewisse Anhaltspunkte :
ihr unvermuthetes Auftreten ohne nachweisbare
äussere Ursache , namentlich ohne Uterincontraktio-
nen, ihr spontanes Aufhören und Wiederkehren nach
Verlauf von Wochen, um so profuser, je weiter vor-
gerückt die Schwangerschaft ist. Selbst wenn der
Muttermund genügend erweitert ist, um die Palpation
zu gestatten, kann aber die Diagnose unter Umstän-
den noch Schwierigkeiten bieten, wofür Ing. 2 Fälle
anftlhrt.
Bei einer 26 J. alten Fünftgebärenden , bei der seit
6 Tagen Blutung aufgetreten war , fühlte man durch den
nachgiebigen Muttermund hindurch eine von Placenta-
masse umgebene verdickte Haut , die nur nach vom in
eine normale Eihantmaaee überging. Die Placenta war
an den Seiten etwas gelöst, durch die Hantmasse hindurch
fühlte man den beweglichen Kindeskopf und eine pnl-
sirendeNabelschnurschlinge. Letztere wurde nach Spren-
gung der Häute reponirt und die Geburt später mit der
Zange beendigt. — Die Placenta war sehr gross , dünn
und ausgebreitet. Sie bestand ans 2 durch eine Vs"
breite Furche , an der sich nur yerdiokte Häute fanden,
getrennten TheUen. Die Furche wurde nach vom und
hinten xu aUmälig grosser , hier waren die Häute dicker,
belegt mit entfärbten , harten , schichtweise abgelagerten
Fibrincoagnla , und gingen aUmälig in die Eihäute über.
Der Nabelstrang war in der Mitte der Furche inserirt,
theilte sich und schickte Zweige nach beiden Theilen der
Placenta.
260
V. Gynäkologie u. Pl&diatrik.
Eine 26Jähr. Drittgebarende hatte im letzten Monate
geringere, vor 2 Tagen eine heftige Blutung gehabt.
Dnrch den Muttermund fühlte man Placentarge^^ebe , das
nach reohts mit dem Uterus zusammenhing , nach links in
ein hantartiges Gebilde überging, durch welches hindurch
man den vorliegenden Scheitel fühlte. Nach Verstärkung
der Wehen fand man später die Placenta mit ihrem ge-
lösten Rande dnrch den herabdrängenden Kopf zur Seite
gedrängt, links von ihr eine verdickte Falte und noch
weiter nach links die gespannten trocknen Hänte. Nach
Sprengung der Häute wurde die Geburt mit der Zange
beendigt. — Es zeigte sich , dass die Falte , die man ge-
fühlt hatte , ein vorliegender Zweig von grossem Gefäss-
schlingen war , die von der in den Häuten , 4 Zoll vom
nächsten Placentarrand entfernt , stattfindenden Insertion
der Nabelschnur ans sich in den Häuten ausbreiteten.
Zwischen 2 solchen Gefässschlingen und dem Placentar-
rand hatte die Hautsprengung stattgefunden ; der Kindes-
kopf hatte die Gefösszweige zur Seite geschoben.
In einem andern Falle fühlte man bei einer 36Jähr.
Zweitgebärenden durch den Muttermund nach links zu
fiberall Placentargewebe , nach vom und rechts einige
feste kleine Knoten , die für Zehen oder Finger gehalten
wurden. Der Scheitel stand beweglich über dem Becken-
eingange. Nach fortschreitender Erweiterung des Mutter-
mundes hatte man nach rechts zu den Eindrack von
dicken Häuten mit kleinen Kindestheilen nach innen zu.
Die Entbindung wurde wegen eintretender Zeichen von
Anämie mittels Wendung und Extraktion möglichst rasch
beendigt. Hierbei fand sich , dass totale Plac. praevia
vorlag und die kleinen Knollen aus festern Theilen in der
sonst hier dünnem Placenta bestanden. Nach der Ent-
bindung contrahirte sich der Fundus nteri gut, das untere
Uterussegment blieb aber sehr schlaff und ragte tief in
die Vagina hinab ; von hier aus fand eine Blutung statt,
die nur vorübergehend gestillt werden konnte nnd der die
Kr. trotz allen angewendeten Mitteln erlag. — Die Pla-
centa war im Ganzen gross, die Unebenheiten waren
Indurationen in einem atrophischen Theile derselben.
Die Sterblichkeit der Kinder ist gross bei Plac.
praevia; in 59 der von lug. gesammelten Fälle
waren todt oder starben 39 Kinder (66^^/0) binnen
den ersten Stunden nach der Gebai*t Das auffallend
blasse Aussehen der Kinder ist nicht als Folge der durch
die Blutungen bedingten Anämie zu betrachten ; die
Sektionsbefunde ergeben ganz das Bild der gewöhn-
lichen Asphyxie der Neugebomen bei intrauteriner
Respirationsinsufficienz. Dass die grössere oder ge-
ringere Ausdehnung, in der die Lösung der Placenta
nnd Blutung stattfindet , mit einer entsprechenden
Einschränkung der Respirationsfläche filr den Fötus
zusammenfilllt, zeigt sich auch durch die bei Weitem
bedeutendere Mortalität bei totaler als bei partieller
Plac. praevia. Von 25 Fällen bei Plac. praevia totalis
wurden die Kinder in 20 (SO^/o) todt geboren , von
34 Fällen von Plac. praevia part. in 19(ö60/o). Für
die Mutter ist die Prognose ebenfalls höchst zweifel-
haft, in 56 der von Ing. gesammelten Fälle starben
21 Mütter (37.40/o), 2 unentbunden, 10 kurz nach
der Entbindung, 9 im Wochenbett; in 24 Fällen von
Plac. praevia tot. 13 (54.2<^/o) , in 32 Fällen von
Plac. praevia part. nur 8 (25%). Die Hauptursacbe
der Gefahr fttr die Mutter liegt in der Blutung , und
zwar in der Verblutung. Verblutung während der
Schwangerschaft ohne bestimmt nachweisbaren Be-
ginn der Oeburtsthätigkeit ist im Ganzen selten;
Ing. hat nur ein solches Beispiel unter den von ihm
gesammelten Fällen gefunden.
Eine im 8. Mon. ihrer 18. Behwaoifenoluift itaheDde,
44 J. alte Frau, die in sehr schleehten YerhaltiüM«!
lebte, hatte vor 6 Wochen eine nicht nnbedentende Bto-
tnng anB den Genitalien gehabt, die von selbst aofliSrte.
Eine neue, vemaohlässigte Blatong wurde änBserBt pio-
tua ; der Mattermtmd stand nicht offen , Wehen warei
nicht vorhanden. Bald danach wurde die Kr. blan mit
kaltem Schweiss, kleinem Puls, Singnltns und GoUapiai-
erscheinnngen. Dnrch den jetst ofltaen Muttermiind ÄUto
man Placentai^ewebe , die Fötaltöne hatten aii(iK6ii5it
Trotz allen angewendeten Mitteln starb die Kr. rasch, n-
entbnnden.
Weniger klar war der Verlauf in einem andern
Falle, in dem man nach demELrankheitsverlaufeeiier
an Thrombose derLungenarterie, nach demSektioo»-
befunde eher an Vergiftung hätte denken köoDes,
ohne dass jedoch der leztere eine sichere Stfitie
fttr die eine oder die andere von diesen beiden An-
nahmen lieferte.
Eine 27 J. alte Erstgebärende hatte yot 4 Taget
eine sich öfter wiederholende Blntang gehabt, bot aber
keine Symptome von Anämie. Bis znm normalen Scbwis-
gerschaftsende waren nach ihrer Meinang noch 4 Ms€
Wochen. Durch das für ebien Finger dnrehgSngige Ort-
ficinm uteri fühlte man nach vom und links PUeeniar-
masse, nach rechts den Kopf des Fötus. Wehen waren
nicht vorhanden nnd ein Fortschreiten der Oebnrt war
nicht m bemerken. Wegen Blotnng wurde tamponiit,
später derKolpeurynter eingelegt. Die Blutung hörte aaf,
aber Erbrechen , Durst nnd etwas Unruhe steUten sieh
ein, später wurde der Pnls unfühlbar, die Respiration
rasselnd, unter convnlsivem Zusammenkrümmen deBK5^
pers strömte eine Menge Flüssigkeit ans Nase nnd Mnd
und die Kr. sank todt in das Bett zurück. Wesifd
Hinuten darauf wurde der Kaiserschnitt gemacht; dai
nicht ansgetragene Kind zeigte keinen HerzscUag md
liess sich nicht beleben.
Bei der Sektion fand man die Lungen gesimd, Ib
auf mittelmSssige seröse Infiltration im untern Lappen der
rechten Lunge» zahlreiche Ekehymosen unter dem Eiide-
kardinm am linken Ventrikel, die Herzmoskulatur etwai
bUss , aber ohne Gewebsveränderung , die Leber gna
mit zahlreichen Ekehymosen an der Oberflache, ilir 6^
webe blutreich, mnskatnussartig , mit Ausnahme der
Peripherie, wo das Qewebe fest, lederartig war. Die
Milz war gesund, wie auch die Nieren bis auf Ekchymoeea
in dem Becken der rechten. Im Magen zeigte deh die
Schleimhaut im Fundns und um die Kardia hemm fleck-
weise stark ekchymosirt, aber ohne SnbstanzverlfKt; die
Drüsen waren hier gesehwoUeo. Anhaltspunkte Ar die
Annahme von Phosphorvergiftung ergaben sieh nicht
Hieran schliesst sich ein Fall, in dem die Agonie
sich bei der Entbindung ehistellte, der tOdtliche Au-
gang aber eher durch Chloroform, als durch Blot-
verlust, vielleicht dnrch das Zusammenwirken beider
herbeigeführt worden zu sein schien,
Eüie 84 J. alte, etwa am Ende des 7. Mos. ihrer
ersten Schwangerschaft stehende Frau hatte wiederholt
Blutungen; durch das V4" weite Oriflcium fühlte niB
überall Placentargewebe ; da die Blutung durch Tsrnpe-
nade nicht zu stillen war, wurde der Kolpeuiynter elnfe-
legt. Nach einiger Zeit stellten sich schwache Wehes
ein ; die Blutung dauerte trotz dem Kolpeuiynter fort
Unter Anwendung derChloroformirung, bei der die Exd-
tationsstadium kurz war, wurde Wendung nndExtrsktioo
vorgenommen. Als letztere begann, wurde die Fw
plötzlich pnlskM und die Bespiration setzte ans, Idus *^
durch künstliche Bespiration wieder in Gang, während der
Puki unfühlbar blieb. Die Extraktion des unreifen seheio-
todten Kindes wurde beendigt, die Placenta aos^estoes^D,
der Uterus contrahirte sich, aber die Bespizatioi hfieb
V. Oyn&kologie n. Pädiatrik.
261
wieder ane nad li«es Bich nicht wieder in Gang bringen.
Die Menge des yerbranehten Chloroform betrog nngefähr
SOGnnm., der Blntverlost, den die Frau erlitten hatte,
wir nieht bedeutend gewesen. Bei der Sektion fand man
Fetteitertong Ton Heia nnd Leber und «n die Bmstwaad
sittlc adbirente Langen.
Oft tritt der Tod plötzlich nach der Entbindang
inHj ohne dass irgend eine stärkere Wiederholnng
der Blntang stattgefanden hat, darch Himanämie in
Folge von VerminderoDg des Druckes in der Bauch-
höhle. Ing. theilt Ö solche Fälle mit; in denen die
Er. zur Zeit der Entbindang schon in hohem Grade
geschwächt waren dnrch profuse Blutverluste, gegen
die entweder nicht die geeigneten Maassregeln er-
griffen worden waren, oder welche verhängnissvoll
filr das Leben der Kr. wurden, weil deren Wider-
Bimdskraft in Folge schlechter äusserer Verhältnisse
oder anderer ungünstiger Einflösse gering war. Wo
Bolche Momente sich nicht geltend machen, muss der
tddtiiche Ausgang durch akute Anämie unmittelbar
neh der Entbindang doch im Qanzen als selten
bezdehnet werden, oder nimmt doch jedenfalls eine
untergeordnete Stellung ein dem durch Puerperal-
fieber herbeigeftahrten Tode gegenüber, obgleich in
Bexng auf letzteren zu berücksichtigen ist, dass die
meisten Berichte über eine grössere Reihe Fälle von
Plac. praevia aus dem Material der Gebärhäuser
stammen. Nichtsdestoweniger aber bleibt der rasche
CoUapsQS unmittelbar nach der Entbindung doch ein
Moment, das eine wesentliche Bedeutung in Bezug
lof die Therapie hat, namentlich was den Zeitpunkt
ftr den operativen Eingriff betrifft.
In der Regel wird das Hauptgewicht bei Plac.
praevia auf die Blutung bei der Entbindung gelegt
nnd man ist geneigt, anzunehmen, dass nach Ab-
sehluss der Entbindung die Hanptgefahr überstanden
ist, doch kommen Ausnahmen von dieser Regel vor
nod diese verdienen besondere Aufmerksamkeit. Der
Sitz der Placenta am untern Uterussegment muss
an und für sich schon Neigung zu atonischen Blutun-
gen bedmgen, weil die Gontraktion der Placentar-
stelle in Folge der anatomischen Verhältnisse leich-
ter mangelhaft ausfallen kann, als im Fnndus, wo
die kräftigere Muskulatur die offenen Venensinus
beflser comprimirt u. die Thrombenbildung in diesen
nscher und vollständiger zu Stande kommt. Unter
diesen Verhältnissen moss man sich wandern, dass
Nachblutungen bei Placenta praevia nicht häufiger vor-
kommen, als diess der Fall ist. Die atonische Nach-
blntong, diese in hohem Grade gefährliche Oom-
plikation, kann entweder unter dem Bilde der ge«
wohnlichen Nachblutung bei schlaffem, grossem,
mangelhaft contrahirtem Uterus auftreten, oder, was
häufiger der Fall ist, bei hartem und fest contrahir-
tem Uterus, während das untere Uterinsegment man-
gelhaft conüralurt ist. Unter dem von Ing. gesammel-
ten Material finden sich nur 2 Fälle von Nachblutung
mit tödtlichem Aucfgange, von denen er den einen
selbst beobachtet hat.
Ebe so J. alte Mehrgebärende hatte vor 8 Tagen
^ «taike Btatmg gehabt, die von selbst aufhörte.
Sechs bis acht Wochen vor der erwarteten Entbindang
trat eine neue heftige Blatong anf mit schwachen wehen-
artigen Schmerzen. Durch den Muttermond fühlte man
überall Placentargewebe, die äussere Untersuchnng ergab
Schräglage. Trotz Tamponade hörte die Blatong nicht
ganz auf. Unter Narkose wurde die Wendung und £z-
tralction ansgeffihrt, die rasch und leicht zu bewerk-
stelligen war. Nach Entfemong der Plac. contrahirte
sich der Uterus fest. Bei einer Ausspritzung mit Carbol-
wasser bemerkte man einen geringen Blutabgang, der
trotz Irrigationen fortdauerte ; eine Continuitätstrennung
oder Ruptur war nicht zu entdecken. Alle möglichen an-
gewandten Mittel waren nutzlos, die Er. collabirte und
starb 1 Std. nach der Entbindung.
Gervikalrisse können bei der Nähe der gefiUs-
reichen Placentarstelle ebenfalls die Quelle schwerer
Blutungen werden , wenn sich ungflnstige Verhält-
nisse damit compliciren.
Die Blutungen werden bei ihrem ersten Auf-
treten wohl selten Gegenstand der Behandlung wer-
den, weil sie plötzlich nnd unvermuthet auftreten
und in der Regel spontan aufhören, jedoch kön-
nen die Verhältnisse sich leicht so gestalten , dass
man bei Zeiten zu einem aktiven Eingreifen ge-
drängt wird, zur Einleitung der Geburt. Die Frage,
ob man bei Plac. praevia eine mehr eingreifende oder
mehr exspektative Therapie in Anwendung bringen
soll, ist zur Zeit noch nicht als abgeschlossen zu be-
trachten, was die partielle Plac. praevia betrifft. In
Bezug auf die totale Plac. praevia ist man so gut
wie einig, dass die möglichst zeitige Entbindung die
besten Aussichten für Mutter und Kind giebt, d. h.
bei einem solchen Zustande der Gebnrtswege, bei
dem die Einfflhrung der Hand dnrch das (Mfioiüm
uteri und die Extraktion ohne Gefahr geschehen
kann. Wenn Schroeder vor zeitigem operativen
Eingriff bei Plac. praevia warnt, so geschieht es anf
Grund der Gefahr, welche die Hämorrhagie aus einem
Cervikalriss bedingt. Aber auch noch ans einem
andern Grunde muss die Entbindung mit möglichster
Vorsicht und Langsamkeit geleitet werden, um den
Folgen einer raschen Entleerung des Uteiiis vorzu-
beugen, die verhängnissvoll werden können, wenn
schon vorher die Anämie bedeutend gewesen ist.
Wean sie in dieser Weise ansgefbhrt wird, kann
man wohl in der Regel die Extraktion unmittelbar
auf die Wendung folgen lassen, nicht blos mit Rück-
sicht auf das Kind, sondern auch anf dieangegriff'ene
Mutter, die vor Beendigung der Entbindung nicht
zur Ruhe und zu Kräften kommen kann. In einem
der von Ing. gesammelten Fälle wurde die Extraktion
mehrere Stunden nach der Wendung verschoben, aber
das Resultat entsprach nicht der Erwartung ; die Kr.
collabirte nnd die Extraktion mnsste schleunigst aus-
geführt werden. Die Rücksicht anf die angegriffene
Frau und die Furcht vor Collapsus während oder
nach der Entbindung verlangt, dass letztere so wenig
eingreifend als möglich sei; deshalb ist es sicher
eine gute Regel, wenn die Anämie bedeutend ist, die
Kr. nicht in die Gebärlage zu bringen, sondern sie
in der Längslage im Bette, wie sie liegt, mit er-
hobenem Steisse zu etttbinden nnd Chloroform nur
anzuwenden; wenn der Znstand nicht drohend ist.
262
V. Gynäkologie n. Pädialrik.
Auf eine Nachblutang, entweder aus der atoni-
schen Placentarstelle oder ans einem Risse in der
Nähe derselben muss man stets gefasst und vorbe-
reitet sein. Von Injektionen mit heissem Wasser
sind keine besonders günstigen Resultate zu erwar-
ten, da ihre Wirkung ja darin besteht, Gebärmutter-
oontraktionen hervorznrufen und die Blutung von
einem Theile des Uterus herrührt, der sich in ge-
ringerem Grade durch Reizmittel zur Contraktion
bringen lässt, als der normale Sitz der Placenta,
doch sind Injektionen mit heissem Wasser immer
noch rathsamer, als solche mit Eiswasser, die leicht
den Collapsns vermehren können. Bei Cervikal-
rupturen ist die Naht das beste Mittel zur Stillung
der Blutung, die freilich nicht immer gleich ausfahr-
bar ist.
Zur Behandlung der akuten Anämie empfiehlt
Ing. Aetherinjektionen , bei hochgradiger Anämie
mit Unruhe Opium nach Spiegelberg 's Vorgange.
Ausser der Transfusion und der intra-aiiieriellen In-
fusion z^r Bekämpfung des Blutmangels erwähnt
Ing. auch besonders die Umwickelung der untern
Extremitäten mit elastischen Binden und die Ge-
fahren, die diese mit sich führen kann, selbst wenn
keine Varices vorhanden sind, und theilt einen Fall
mit, der zu grosser Vorsicht bei Anwendung dieses
Verfahrens auffordert.
Die 85 J. alte Frau, die 4mal regelrecht geboren
hatte, bekam im 8. Mon. der 5. Schwangerschaft ohne
Yorlänfer eine Blntang, die trotz geeignetem Verhalten
fortdauerte. Nach 8 Tagen war der Mnttermnnd f&r einen
Finger durchgängig und man ffihlte die vorliegende Pla-
centa; man beschlosB am andern Tage, die Geburt mittels
des Eolpeurynters einzuleiten; ehe diess aber geschah,
stellten sich Wehen mit starker Blutung ein, die profus
wurde, die Kr. wurde bedeutend anämisch und unruhig.
Der Muttermund war fast verstrichen und die überall vor-
liegende Placenta wurde mit dem untern Uterinsegment
stark abwärts gedrangt durch die Wehen. Die Blutung
dauerte fort und die Kr. erbrach Alles, was sie zu sich
nahm. Es wurden 2 Aetherinjektionen gemacht, dann
wurde die Hand eingeführt, die Häute wurden gesprengt
und der Steiss der in Längslage befindlichen Frucht in
das Oriflcinm uteri herabgefuhrt. Dann machte Ing. von
Neuem 2 Aetherinjektionen, die in hohem Grade auf den
Puls wirkten, und vollendete darauf die Extraktion so
langsam wie möglich, ohne Jede Schwierigkeit und ohne
besondere neue Blutung. Die Placenta lag gelöst in der
Vagina und wurde entfernt. Unmittelbar nach der Ent-
bindung war der Zustand nicht beunruhigend, aber die
Kr. sah trotz aUen angewandten Mitteln sehr coUabirt
ans. Eine halbe Stunde nach der Entbindung begann sie
unruhig zu werden , über Oppression zu klagen und zu
deliriren. Nach Anwendung von Laudanum wurde sie
ruhig und der Puls hob sich. Als um beide Untereztre-
mitäten elastische Binden gelegt wurden, lag die Kr. an-
fangs mit ruhigen Athemzügen da, bis die letzte Binde
angelegt war; da fuhr sie plötzlich in die Höhe, griff nach
dem Herzen, wurde cyanotisch an den Lippen und sank
todt zurück. Seit der Entbindung war 1 Std. verflossen
und während dieser Zeit war gar keine Blutung vorhan-
den gewesen.
Weil die Sektion nicht gestattet wurde, konnte
die Todesursache nicht festgestellt werden, nach der
Art aber, wie der Tod eintrat, hält es Ing. ebenso
fUr unzweifelhaft, dass der Tod durch Lungenembolie
herbeigeführt wurde, als dass die Katastrophe im
nächsten ursächlichen Zusammenhang mit der An-
legung der Binden stand.
Schlüsslich hebt Ing. hervor, dass man die Ent-
bindung nie vornehmen soll, ohne so weit mögM
Yorkehrungsmaassregeln geb'off'en zu haben zur Be-
kämpfung der beiden Hauptgefahren nach derselbai,
der akuten Anilmie and der Nachblutung.
(Walter Berger.)
585. Flaoenta praevia; Perforation dmd-
ben: Wendung; Genesung; von Dr. L af Om-
ca de in Paris. (Gaz. des Höp. 92. 1881.)
L. wurde am 16. Dec. 1880 zu einer 38jähr. Fm
wegen Blutung gerufen. Sie war am Ende der fi.SohwiB-
gerschaft, hatte die vorangehenden 4 Schwangersehata
glfieklich überstanden und ffihlte sich bisher wohL 8ett
6 Tagen aber verlor sie Bint Nachdem die Blntgerim-
sei aus der Scheide entfernt waren, ffihlte Vf. einen flei-
schigen unebenen Tumor, der nach oben von dem Mutter-
mund begrenst wurde-, zwischen beiden einzudringen, iw
lücht möglich, der Band der Placenta nicht ffihlbar; «
handelte sich also um Placenta praevia centralis. Ek
zugezogener CoUege bestätigte die Diagnose. Da die
Geburt noch nicht begonnen , der Blutverlust gering wv,
wurde Bettruhe mit erhöhtem Becken und Kälte innerfleh
und äusserlich verordnet. Nach 6 Tagen gerufen, find
L. reichlichere Blutung und kräftige Wehen. Die Pit
wurde blass, der Muttermund war weich und nachgiebig.
Es war daher die Perforation der Placenta mit nadifol-
gender Wendung angezeigt. Die Untersuchung ergib:
Schädellage mit dem Rficken nach links. Die Wendmg
wurde auf dem Querbett ausgeführt und die Hebamne
drfickte den Uterus von den Banchdecken aus nach m-
ten. L. bahnte sich mit den Spitzen seiner linken Baal
einen Weg mitten durch die Placenta, ergriff die FfiMe,
mit der andern Hand gleichzeitig den Kopf bei Seite 8Cbi^
bend, und extrahirte an ihnen leicht das tief aspbykÜBcbe
Kind. Der Uterus zog sich auf Reiben gut znsamm«,
die Blutung stand. Acht Tage später konnte die Fm
aufstehen, Mutter und Kind befanden sich wohL
(Burckhardt, Bremea.)
586. Fäll von Versohuttung einer boob-
sohwangern Frau; schwere eigenthümliehe Vef
letzung; Erysipel; Heilung; normale Geburt; von
Dr. Carl Reinl in Franzensbad. (Prag, mei
Wchnschr. VI. 21. 1881.)
Eine 27 J. alte, im 8. Mon. schwangere Fran wurde
am 11. Dec. 1878 von einer einsturzenden, SMtr. hohan,
hart geAromen Lehmwand verschfittet; sie wurde bewiuit-
los und stark blutend hervorgezogen. Als B. die eise
reichliche Stunde von ihm entfernt wohnende Kr. 2>/sS^
nach dem Unfall sah, war das Bewusstsein wiedeigekebrt;
am Kopfe zeigte sich eine vom linken Tub. ossis pariet
beginnende, schräg bis zum rechten Innern Augenwiskel
verlaufende, die Haut bis auf die Galea durchtreonende,
ungefähr 28 Ctmtr. lange, stark blutende Wunde, deren
scharfe Ränder 3—4 Zoll weit klafften, keinerlei Zdebea
von Quetschung zeigten ; die Wunde war scharf wie ein
Säbelhieb. Das rechte obere Augenlid war dorch eise
knapp unter dem Snpraotbitalrand , diesem parallel bis
zum äussern Augenwinkel reichende, scharfhmdigeWnnde
abgetrennt bis auf eine Vs^^tmtr. breite Hantbifleke; du
Auge selbst zeigte keine Verletzung. Ungefähr S Otmtr.
vom äussern rechten Augenwinkel an verlief eine die
Haut und das subcutane Zellgewebe schräg darcfatreo'
nende Risswunde nach hinten und unten bis tarn Froe*
condyl. des Unterkiefers ; mit dem in die Wnode eifllT^
ffihrten Finger kam man in eine mit Blntgerlmweln oad
liehmstfickohen angefüllte Taaohe, die hb g«K» ^
y. Gynäkologie u. Pildiatrik.
263
Proe. mast hin reiehte. — An Armen , Brnst und Unter-
leib fluiden sich, fibenll serstrent, leichte Haatabschfir-
ftiogen nnd SagUU^tionen, am linken Knie eine nach onten
fncoDTex verianfende sobarfrandige Lappenwnnde vom
CoBd^ int femoris Bchrfig abwärts bis snm Capita-
Inm flbolae yerlanfend , das iDoere Seitenligament des
Kniegelenks aeigte eine seichte Wunde. — Der Fnndns
ateri stand nngefShr swischen Nabel nnd HenEgmbe, der
Kindskopf war etwas nach der rechten Seite vom Becken-
dsgaag abgewichen. Die f5talen Herzt5ne waren dent*
Beb sn hören. Die Kr. klagte über Schmers im Kopfe
nnd hn Unterleibe, der Pnls hatte 110 Schläge in der Mi-
mte. — Nach Reinigang der Wanden nnd Unterblndnng
einiger kleinen GefSsse Yereinigte R. die Wunden mit
Knopfnähten, ftzirte das Knie in einem improvisirten Ver-
iMBde oad legte Eis auf Kopf nnd Knie. In der folgenden
Nacht war die Kr. nnmhig gewesen , Fieber stellte sich
eil. Am andern Tage reinigte B. die Wanden mit Gar-
boiB&nrelösnng nnd legte antiseptische Verbände an. Am
14. Dec. hatte sieh nnter Temperatarsteigerong bis sn
40.S Erysipel an der rechten Gesichtshälfte, Tom ödema-
t3i0B obem Augenlid ausgehend, entwickelt, das am 16.
wieder zurückging. Die Wnnde am Kniegelenk machte
ipiter einen Gipsyerband nothwendig. Der Verlauf war
im Ganzen günstig, so dass am 80. Dec. alle Wunden
Tenarbt waren nnd der GipSTcrband abgenommen wer*
den konnte, die Wunden am Kopfe waren schon früher
per primam intentionem geheilt; am rechten Auge hatte
rieh Thränenträufeln eingestellt. — Der Unterleib war
uüNigs bei Druck etwas schmerzhaft gewesen, aber die
Kfaidesbewegungen worden deutlich gefühlt, die fatalen
HerstSne waren hörbar. Am 16. Jan. gebar die Frau
ein kräftiges, gesundes Mädchen, die Gebart war normal
mdleksht. (H5hne.)
587. BrUptor der MlLs während der
Sohwangersohaft; von Dr. Carl Schwing in
Png. (Centr.-Bl. f. GynftkoL IV. 13. 1880.)
Bei der Seltenheit der Fälle vonHilzmpiar wäh-
rend der Schwangerschaft — Vf. erwähnt nor einen
Fall von Matthias Saxtorphy die 3 Fälle von
J. Y. Simpson, einen Fall von Sidey nnd end-
lieh den Fall von Hnbhardt (Zerreissang während
der Gebort) bietet der von Scb. mitgetheilte grosses
Interesse dar.
hn August 1876 brachte man eine im coliapsus-
ibnHchen Zustande sich befindende, 36 J. alte und snm
&• Male schwangere Frau in die Anstalt. Am Tage vor-
her soll sie einen Streit gehabt haben, in Folge dessen sie
ii Krämpfe verfleL Die ganze Nacht war sie von Sohmer-
sm nnd Krämpfen nicht verlassen worden, aueh hatte sie
eisige Male erbrochen. Fat. war gut genährt, die Haut
btass und kahl ; die Antworten, die sie gab, waren sehr
uddar. Puls 76, klein. Fat. konnte im 9. Monate der
Sehwaogersch. stehen, die Herztöne des Khides waren
sehwaoh hörbar, Muttermund nnd Cerviz fär einen Finger
dvehgängig. Der Collapsns nahm zu und nach 80 Min.
wir der Tod eingetreten. Durch den Kaiserschnitt wurde
ein todter, 2880 Grmm. schwerer Knabe herausbefördert.
Bei der Obduktion fand man hochgradige Blutleere
^ Gehirns, die Lungen frei, die Leber massig vergrös-
wrt, blutarm, fettig degenerirt, das Herz scUaif, anä-
nÜNh, sonst normal. Die Mihi war 19 Ctmtr. lang, 17
Ctatr. breit, an Uirer Oberfläche erschien die Kapsel in
to Ausdehnung einer Flachhand von der Pulpa abgelöst
ond zerrissen, die der Abhebung entsprechende Stelle
war mitBlntgerinnseln bedeckt, das Gewebe breiig weich,
violett roth, von drei bis nussgrossen Blntherden durch-
■etit. Die ebenfalls blutarmen Nieren waren sonst
normal.
In diesem Falle lässt sich nur vermnthen, dass
>Kh bei der Kr.| die sehon längere Zeit an hysteri-
sehen oder epileptischen Krämpfen litt, ein akuter
Milztnmor ansgebildet hatte. Sie wohnte am rech-
ten Moldanufer, wo häufig Intenoittens-Erkrankun-
gen vorkommen. Die Schwangerschaft, die häufigen
Krämpfe nnd endlich der Transport auf einem Lei-
terwagen mag dann mit die Veranlassung zn einer
Zerreissnng der Milz abgegeben haben.
Eine Febris intermittens convulsiva lässt sich
nicht annehmen, da diese Form in der fragt. Gegend
nicht vorkommt. (Höhn e.)
588. Kolossale Haematooele retro-uterins
in Folge der Applikation eines galvanischen
Stromes am schwängern Uteras zum Zwecke
des Abortus, schneller Sehwund des Extravasa--
tee durch Massage] von Dr. Julins Rosenstirn
in St. Francisko. (Centr.-Bl. f. Qynäkol. V. 13.
1881.)
Vorstehender Fall betrifft eine 27jahr., seit 8
Jahren verheirathete Fraa. Im Jnni 1878 hatte
sie znm letzten (2.) Male geboren. Im März 1880
glanbte sie wieder schwanger zu sein — seit 2 Mo-
naten war die Periode ausgeblieben. Um sich von
der ihr sehr nnbequemen Schwangerschaft zn be-
freien, hatte sie schon alle möglichen Mittel, aber
ohne Erfolg angewendet Znletzt versacbte sie es
mit einem elektrischen Bade. Hierauf traten hef-
tige Schmerzen nnd geringer Blntabgang ans den
Genitalien ein. Die BerOhrang des Unterleibes war
sehr schmerzhaft und durch die eben so schmerzhafte
Vaginaluntersnchung liess sich im 27oti^/a«'schen
Baume eine fiuktuirende Geschwulst erkennen,
welche als Haematocele retro-uterina diagnosticirt
wurde. Der Abortus war im Beginne. Fat. ver-
liess trotz des Verbotes das Bett, besuchte am selbi-
gen Abend noch ein Concert und bekam nun diesel-
ben Schmerzanfälle des Nachts wieder. Am Nach-
mittag des darauf folgenden Tages wurde ein 2^/s
Ctmtr. langer Fötus ausgestossen, worauf noch zahl-
reiche Blutcoagula abgingen. Trotzdem verminderte
sich das Extravasat im Douglas^echen Räume nicht,
vielmehr breitete sich dasselbe, als Fat. verbotener
Weise das Bett verlassen hatte, in der Weise aus,
dass die Dämpfung am Unterleibe bis Aber den Na«
bei reichte. Es wurde katheterisirt, ein Eisbeutel
aufgelegt und Chloral gegeben. Trotz Umschlägen
und Einreibungen nahm aber das Extravasat an
Grösse nicht ab. Am 3. Mai wurde mit der Mas--
sage begonnen. Zu diesem Zwecke fährte Vf. zwei
Finger der linken Hand in die Vagina ein und übte
einen Druck gegen das hintere Scheidengewölbe aus,
während der Unterleib mit der rechten beölten Hand
gestrichen nnd geknetet wurde. Nach einer Woche,
in welcher jeden Tag 2 Mal massirt wurde, hatte
der Umfang des Abdomen um 1 Zoll abgenommen.
Nach weiteren 4 Wochen, bei wöchentlich nur ein
Mal wiederholtem Massiren, war nur noch ein apfel-
grosser Rest des Extravasates bemerkbar. Später
blieb nur noch eine geringere Beweglichkeit des
Uterus übrig, sonst war Alles normal geworden.
264
VI. Ghircffgie; Ophthalmologie a. Oti&trik.
Was hier die Ursache des Blntergasses gewesen
ist, lässt sich schwer sagen. Vf. verweist hierbei
auf die Gallard'aahe Hypothese einer Tabenschwan-
gerschaft. Nimmt man nämlich an, das Ei habe
am Ost. intern, tab. seinen Sitz gehabt, so liesse sich
der Durchtritt der relativ grossen Frucht und unter
langsamer Lösung der schubweise Fortschritt der
Affektion erklären. Auch das Recidiv wird erklär-
lich durch Nachblutung aus einem unvollkommen
thrombosirten Tubengefässe in Folge der körper-
lichen Anstrengung. (Höhn e.)
589. Fall von Meningitis purulenta nebst
multiplen Himabscessen bei einem Säugling ; von
Dr. N. V. Etlinger zu Petersburg. (Berl. klin.
Wchnschr. XVII. 47. 1880.)
Das am 14. April geborene Kind wnrde am 3. Juni
dess. Jahres in das Findelhaas gebracht. Es wog bei
der Aufnahme 4260 Grmm. nnd war gat entwickelt. Doch
war grosse Unruhe nnd Zittern am ganzen Körper vor-
handen, die grosse Fontanelle stark gespannt. Die Tem*
perator betrug am Abend 39. 4<*. Die Diagnose lautete
anf Meningitis. Am nächsten Tage trat 5 Mal halbflfissi-
ger Stahl ein, klonische Krämpfe am Rumpf und an den
Extremitäten gesellten sieh hinzu, die Papillen waren er-
weitert, es bestand Strabismus divergens ; am nächsten
Morgen war die Temperatur aaf 39.7 gestiegen. Die
Behandlang bestand in Darreichung von CUaia nad Ka*
lomel und kalten Uebergiessangen des Kopfes. Gegei
12 Uhr Mittags desselben Tages starb das Kind.
Die Sektion ergab Entzundong der Vena umbOieillB
und der V. portae, eitrige Meningitis and Encephalitii,
wahrscheinlich metastatischen Ursprangs.
Als Ursache der Meningitis betrachtet Vf. die
erwähnte Phlebitis umbilicalis et V. portae. Ana
den genannten Venen wurden Gerinnsel fortge-
schwemmt und so kam es zu einer Capillar-Embolie
des Gehirns. Hierdurch wurden die multiplen Ab-
scesse bedingt. Einige dieser kapselten sieb ein,
andere , der Oberfläche der .grauen Substanz nahe
liegende, perforirten und führten die puralente Me-
ningitis herbei. Bemerkenswei-th ist, dass sowohl
in den Lungen/ als auch in Milz und Nieren keine
metastatischen Absoesse und Infarkte gefasdeo
wurden.
Woher die Phlebitis gekommen ist , iSsst sich
kaum erklären. Gegen das frühere Beatehen einer
Omphalitis oder eines Erysipel der Nabelgegeod
spricht das Zusammengefallensein der Strecke der
V. umbilicalis zwischen dem Nabelring und der
Leber. Möglichenfalls lag Lues zu Grande.
(Höhne.)
VI. Chirurgie, Ophthalmologie u. Otiatriic.
590. Beiträge zur operativen Behandlung
von Krankheiten der Verdauungswege, aus
der skandinavischen Literatur.
Im Anscbluss an eine frühere Zusammenstellung
von Mittheilungen über die operative Behandlung
bei Verschluss u. Verengung des Darmrohrs (Jahrbb«
CLXXXVIIL p. 275) und zur Vervollständigung
derselben theilt Ref. die folgenden, ans der neuesten
skandinavischen Literatur gesammelten Beobachtun-
gen mit.
Die Oasirostomie führte Ivar Svensson
(Hygiea XLILL 11. Svenska l&kares&llsk. förh.
S. 239. Nov. 1881) wegen Cancroid des Oesophor
gus mit fast vollstftndigem Unvermögen zu schlingen
ans. Der fast vollständig verhungerte Er. hatte sich
Anfangs nach der Operation etwas erholt und seine
Kräfte nahmen zu, er starb aber später unter den
Symptomen von Glottisödem. Die Erkrankung des
Oesophagus, die ihren Sitz in der Höhe des Ring-
knorpels hatte und an beiden Seiten desselben weit
m die Tiefe gegriffen hatte, erwies sich als Carci-
noma papillomatosum.
Prof. J. Nicolaysen in Christiania (Nord.
med. ark. XUI. 4. Nr. 27. 1881) voUzog die Re-
sektion des Pyloras wegen Krebs bei einer 37 J.
alten Frau am 17. März 1881.
Seit V4 J. litt die Er. an immer mehr zunehmenden
Erscheinungen von Stenose des PyloruB und Magenerwel-
tenmg. Bei der Aufbahme imBeichshospital am 12.M&rz
1881 war sie sehr abgemagert, matt und entkräftet, mit
etwas ängstlichem Oesichtsausdruck, blasser, etwas grau-
licher, nicht gelblicher Gesichtsfarbe, schlaffer und dün-
ner, noudicher Haut. In der rechten Hälfte des Meso-
gastrinm, nach oben gegen das rechte Hypoehradiina
hin , f&hlte man gleich unter den Bedeckungen eine G^
schwulst , die schräg nach unten nnd etwas rechts von
Nabel an nadi oben gegen den rechten Costalboges ii
der Höhe des 8. Rippenknorpels verlief, sieh glatt, tber
nicht ganz eben anfßhlte u. ziemlich beweglich war, so da«
sie nmhergeschoben werden konnte, am meisten naek
oben nnd links gegen die Kardia und das Hnke Hjpo-
chondrinm hin; sie war ungefähr cylindrisch, aberbreHer
nach unten und links , ungefähr 9 Ctmtr. lang und 6 bb
6 Ctmtr. breit, yon fest elasdseher Consistenz. Bei der
Respiration bewegte sich die Geschwulst etwas Baeh
unten und oben, der Perkussionsschall aber ihr war sM
gedämpft tjrmpaoitisch. Die Erweiternng des Magens
war bedeutend, die grosse Gurratur reichte bia nngeffkr
in die Mitte zwischen Nabel nnd Symphyse, die kleta«
stand beim tiefsten Stand ungefähr 8 bis 4 Ctntr. obo-
halb des Nabels , wie ridi durch die Untersnehoag geaia
feststellen Hess. Nach Asspnmpung des Mageot könnt«
man eine eingeführte Oesophagussonde bis ungeflUir eiM
Hand breit unterhalb des Nabels mit I^dchtigkett aebei
und fahlen. Die Diagnose war unzweifelhaft festgesteDt
und was die Natur der Geschwulst anbelangt , sprach dia
elastische nnd doch etwas ungleiche Consistenz ndt Walff-
scheinlichkeit fär ein Carcinom. Die Kr. war sehr he-
reit, sich der Operation zu unterziehen, obwohl ihr üe
Gefährlichkeit derselben vorgestellt wurde ; sie drSagto
selbst zur Operation.
Nachdem die Kr. seit einigen Tagen enShreode
Ktystire erbalten hatte und der Magen täglich a mal 1^
Borsäorelösung ausgespült worden war , wurde an der
sehr herabgekommenen nnd entkräfteten Kr. (der M
hatte 120 Schläge in der Ißnute) am 17. Man die Be-
Sektion nach subcutaner Morphiumiqj^tton and eing«'
leiteter Chloroformnarkose rorgenommen.
Es wurde ein 10 Ctmtr. langer, ziemlich parallel
mit dem rechten Rippenbogen, in 3 bis 4 Ctmtr. Abstand
von diesem verlaufender Schnitt ungefähr qnw fiberder
Mitte der Gesehwulst gemacht und die letztere mit Hülfe
der Zeigefinger nnd mit Haken, nicht ohne Mike ha«v-
VI. Ghmirgie^ Ophthalmologie u. Otiatrik,
265
gebraoht ; sie war 9 Ctmtr. lang, ihr Umfang am Daode-
Buin maass 10, am Magen 23 Ctmtr.; Verwaohsangen
bestanden nicht und das Peritonänm war ganz glatt nnd
Donnal, im Omentum majas aber fanden sich mehrere
grössere nnd Ideinere geschwoUne , harte Drüsen einige
Ctmtr. von der Oesehwolst entfernt. Ausserhalb der
Grenien dieser infiltrirten Stellen wnrde zuerst das
Omentam mi^as längs des carcinomatösen Stückes des
Magens mit doppelten Ligaturen unterbunden u. zwischen
diesen abgeschnitten, dann auf dieselbe Weise das ent-
sprechende Stück des Omentum minus behandelt. Zwei
Assistenten fassten nun den Anfang des Duodenum und
den Magen nach links von der Geschwulst , die grossem
sichtbaren GefSsse wurden doppelt unterbunden, der
Hagen ungefähr 1 Ctmtr. nach links von der Geechwulst
und dann nach Stillung der Blutung am Schnittrande in
gleicher Weise das Duodenum durchschnitten. An bei-
den Schnittr&ndem mussten eine Menge Catgutligaturen
angelegt werden, was viel Zeit in Anspruch nahm.
Daraaf wurden 6 doppelt« Suturen durch das Duodenum
dicht am Schnittrande gelegt, so dass beide Enden durch
die Peritonäalbekleidung herauskamen, und daran wurde
das Darmlumen ausserhalb der Schnittwunde gehalten.
Doodennm und Magen konnten mit Leichtigkeit zu-
sammengebracht werden. Am Magen wurde nach oben
eine für die Aufnahme des invaginirten Duodenum ge-
nflgende Oeffnung gelassen; der davon nach unten zu
liegende grossere Wundrand wurde nach innen gegen den
Magen hin umgeschlagen und mittels dichter Catgutsu-
toren durch die Peritonaal- und Muskelhaut zusammen-
genäht. Darauf wurden die Suturfäden vom Duodenum
an den entsprechenden Stellen durch den umgeschlagenen
Band der am Magen noch übrigen Oef&iung hindurch-
gezogen und geknüpft , so dass die Peritonäalbekleidung
des Magens unmittelbar mit der des Daodenam zusammen-
kam, und dann wurden an den vereinigten Theilen dichte
Sahiren auswendig durch das Peritonänm und durch die
Moskelhaut angelegt. Unmittelbar vor der Invagination
des Duodenum stieg bei einer antiperistaltischen Darm-
contraktion eine gallenfarbige Flüssigkeit in die Oeffnung
empor, aber, soviel N. sehen konnte, kam nur ein
Tropfen über den fk«ien Rand hinweg, den er sofort
mit dem Schwamm anfflng und gut auftrocknete. Der
Raom unter der Bauch wunde wurde von einigen Blnt-
gerinnseln gereinigt , im Uebrigen war er rein und leer.
Der Magen wnrde reponirt und nahm seinen nor-
malen Platz wieder ein; die Bauchwunde wnrde mit
tiefen und oberflächlichen Suturen vereinigt und ein
lister^scher Verband angelegt. Die Er., die in der
ersten Zeit der Chloroformirung einige Anfälle von Er-
brechen gehabt hatte , lag während der ganzen übrigen
Zeit ganz ruhig. Der Puls war so schwach, dass wieder-
holt Aetheri^Jektionen nöthig wurden.
Nach der Operation klagte die Kr. sehr über Durst,
gegen den ihr Eispillen gegeben wurden. Die Ent-
kräftung nahm immer mehr zn ; wiederholt gegebene er-
aährende Klyatire wurden nieht behalten; wiederholt
wurden subcutane Aetherii^ektionen gemacht. Spät
Abends klagte die Kr. einmal über brennenden Schmerz
im Epigastrium ; dieser hörte zwar wieder auf, sie colla-
birte aber immer mehr u. starb nach Mittemacht, 16 V2 Std.
nach der Operation.
Be! der von Prof. Heiberg ausgeführten Sektion
fand man Magen und Darm nicht ausgedehnt , dagegen
Oasansammlung in der Peritonaalhöhle nnd die Banch-
decken etwas von den Eingeweiden abgehoben. In
der Gegend der Operationswunde erschien das Peri-
^oaä^ leicht braunroth verfärbt und mit ganz dünnem
flbrfaiösen Exsudat belegt, die Serosa am obem Theil des
I>aodennm gallig gefärbt und auf ihr fanden sich einige
'^pfen gallig gefärbte Flüssigkeit (nicht reine Galle).
In der Peritonaalhöhle fand sich kein Tropfen Blut. Als
Ifagen und Duodenum herausgenommen waren, zeigte es
Med.Jahrbb. Bd.l9S. Hft. 3.
sich nach Füllung des Magens mit Wasser, dass die
Wnndränder so gut wie vollständig schlössen, erst bei
sehr starkem Druck trat zwischen 2 Suturen in der ge-
raden Wunde am Magen selbst unterhalb des neugebU-
deten Pylorus etwas Wasser hindurch. Die Schleimhaut
des Magens erschien normal, blass, an den Wundrändem
ftind sich keine Infiltration. Im Dünndarm fanden sich
stellenweise einzelne kleine Ekchymosen.
Nach N.'s Ansicht collabirte and starb die Kr.
wesentlich in Folge von Hunger, da sich keine Spur
von Entzflndang an der Operationsstelle selbst zeigte.
Die gallig gefärbte Fiassigkeit am obem Ende des
Daodenam rührte nach N. von nach dem Tode aas
der Gallenblase ausgeschwitzter Galle her. An der
Stelle y wo Wasser bei starkem Drucke darch die
Magenwande hindurchdrang, hatte eine Catgatsatur
nachgegeben , während des Lebens kann diess aber
nicht stattgefunden haben, sondern vielleicht beim
Transport der Leiche. Die Catgatligataren sind
nach N. zweckmässig darch solche von carbolisirter
Seide zu ersetzen, deren Knoten besser halten.
Runeberg und Saltzman (Finska läkare-
sällsk. handl. XXIII. 4. S. 283. 1881) theilen einen
Fall von Dai^mocclusion durch Adhärenzen einer
Dünndarmschlinge mit dem Uterus mit, der in der
med. Klinik des Krankenhauses in Helsingfors zur
Beobachtung kam und in dem Saltzman die La^
parotomie machte.
Ohne vorher an Störung der Darmfnnktion gelitten
zu haben, hatte die 38 J. alte Kr. plötzlich am 24. April
1881 ohne bekannte Veranlassung Kneipen im Bauche
und Erbrechen bekommen ; seitdem war bis zu der am
28. April erfolgten Aufnahme keine Stuhlentleerung er-
folgt. Der Leib war massig aufgetrieben in der Nabel-
gegend und in den Hypochondrien, aber nicht an den
seitlichen Theilen , und nirgends empfindlich. Das Er-
brochene hatte keinen fäkalen Geruch. Bis zum 2. Mai
trat keine Veränderung ein, die Kräfte nahmen zwar
allmälig ab, aber Collapsus stellte sich nicht ein; die
Constriktion konnte deshalb nicht bedeutend sein; der
Sitz derselben musste sich den vorhandenen Erschei-
nungen nach oberhalb des untersten Theiles vom Dünn-
darme befinden. Eine indurirte Stelle rechts vom Corpus
uteri machte es wahrscheinlich , dass nach einer vor 6 J.
erfolgten Entbindung eine Entzündung entstanden sei
und von dieser herrührende Adhärenzen den Verschluss
bewirkten.
Am 2. Mai Vorm. 10 Uhr wurde unter antiseptischen
Cautelen und Carbolspray und allen sonstigen Vorsichts-
maassregeln die Laparotomie mittels eines vom Nabel bis
fast zur SymphjTse reichenden Schnittes ausgeführt, wobei
sich fand , dass eine Dünndarmschlinge mit dem rechten
Utemshom und den benachbarten Theilen verwachsen
war und unter diesem verwachsenen Darm sich eine un-
geßhr 70 Ctmtr. lange Darmschlinge durchgeschoben
hatte, deren Lumen dadurch vollständig verschlossen
wnrde. Die Reposition der Darmschlinge hielt etwas
auf, gelang aber vollständig. Weil die Kräfte der Kr.
unterdessen sehr herabgesunken waren, erschien es nicht
rathsam, die sehr festen und breiten Adhärenzen zn
durchtrennen , zumal da sie ja auch vermuthlich 5 Jahre
lang ohne aUe Störung bestanden hatten. Von frischer
Peritonitis fand sich keine Spur vor , nur einige Darm-
schlingen waren lebhafter ii^icirt. Nach Reposition der
vorgefallenen Därme, die einige Schwierigkeit verur-
sachte, wurde die Bauchwunde mit tiefen, durch das
Peritonänm gehenden Nähten und oberflächlichen Nähten
geschlossen.
34
266
VI. Chiror^e, Ophtiialmologie a. Otiatrik.
Nach Vollendung der Operation hatte die Er. wieder-
holt Erbrechen fäkaler Massen, oollabirte und starb
Abends 6 Uhr, 7 Stunden nachVolleDduiig der Operation.
Bei der Sektion fand sieh , dass noch eine andere Darm-
schlinge, 17 Ctmtr. von der Valv. Bauhini entfernt, in
derselben Weise verwachsen war, wie die bei der Opera-
tion geftodene; das Darmstück, das zwischen diesen
beiden verwachsenen Stellen lag, war 2.76 Meter lang.
Zeichen von Peritonitis waren nicht vorhanden.
H. Lid^n in Boras (Hygiea XLII. 9. S. 547.
Sept. 1880) führte die Laparotomie wegen Volvtdus
aus bei einer 53 J. alten Frau, die schon früher an
den Erscheinungen von Volvalas gelitten hatte, aber
nach Anwendung von Wassereinspritznngen geheilt
worden war.
Das 2. Mal war die Kr. mit Magenkatarrh und Ver*
stopfnng und Ophthalmie mit Homhautgeschwür aufge-
nommen worden und nach Wassereingiessung war wieder
die seit 8 Tagen bestehende Verstopfung gehoben worden.
Wegen der übrigen Affektionen noch in Behandlung, war
sie am 31. Oct. plötzlich von heftigem Unwohlsein mit
Schmerzen im Bauch und Verstopfung befallen worden,
die diessmal allen Mitteln trotzte. Der Bauch war enorm
und gleichförmig aufgetrieben, so dass Darmsohlingen
nicht unterschieden werden konnten , die Kräfte sanken
und die Kr. begann zu deliriren. Deshalb wurde am
9. Nov., 9 Tage nach Beginn der Verstopfung, die Lapa-
rotomie gemacht. Der Bauchschnitt lag in der Linea
alba und wurde nach links vom Nabel bis ungef&hr
6 Ctmtr. nach oben von letzterem und nach unten bis
3 Ctmtr. oberhalb der Symphyse verlfingert. Nach Er-
öffnung des Bauches zeigte sich eine bis zur Grösse eines
Magens oder noch mehr ausgedehnte Darmschlinge,
welche die anderen Därme zum grössteuTheile bedeckte;
es war die Flexura sigmoidea coli. Da dieser Darm
durch seine Grösse und Schwere hinderlich war , wurde
eine 1 Ctmtr. lange, in transversaler Richtung verlaufende
Incision in denselben gemacht , wonach eine Menge gelb-
lich weisser dünner Faeces sich entleerte, und die Wunde
mit 3 Darmnähten aus Catgut geschlossen. Es zeigte
sich nun, dass das Hindemiss für die Defäkaüon dadurch
zu Stande gekommen war , dass die Flexura sigmoidea
eine halbe Drehung um das bedeutend verlängerte Me-
senterium erlitten hatte. Nach Herstellung der normalen
Lage wurde die Bauchwunde vereinigt und ein Drainrohr
in den unteren Wundwinkel eingelegt. Obwohl während
der Operation Carbolspray in Anwendung kam , konnte
doch nach L. nicht viel Carbolsaure in die Bauchhöhle
gekommen sein. Schlüsslich wurde ein Z<>ter'scher Ver-
band angelegt. Einige Stunden nach der Operation er-
folgte eine unwillkürliche Fäkalentleerung in grossen
Massen. Die Kr. war danach frei von Schmerzen , aber
äusserst schwach und starb am nächsten Tage.
Die Resektion einer brandigen Darmechlinge
führte Dr. L. A. Aman in Linkdping (Hygiea
XLm. 12. Svenska läkaresällsk. förh. S. 315.
Dec. 1881) bei einer 63 J. alten Frau aas, bei
welcher dieHemiotomie wegen einer eingeklemmten
Hernia cmralis gemacht wnrde.
Die Bedeckung über der Hernie war angeschwollen,
ödematös und rothblau gefärbt in einem Durchmesser
von ungefähr 9 Ctmtr. ; der Bauch war nicht empfindlich,
gespannt mit tympanitischem Ton. Repositions versuche
schienen gefährlich, weil der Grund der Hernie sich
etwas teigig anf&hlte. Bei der Herniotomie fand sich
die eingeklemmte Darmschlinge an einer Stelle brandig.
Nach Erweiterung des Bruchrings fand A. die zuführende
Dannschlinge vollkommen gesund, die abführende nur
etwas injicirt ; Zeichen von Peritonitis waren nicht vor-
handen. A., der darauf gefasst war, den Darm brandig
SU finden, legte zunächst eine Ligatur um das gesunde
abfahrende Ende, ungefähr 5 Ctmtr. von der Brandgrenie
entfernt, dann eine andere IVs Ctmtr. von der Brand-
grenze entfernt , verfuhr ebenso am zuführenden Ende,
durchschnitt an beiden Enden den Darm zwischen dei
Ligaturen, ungefähr 1 Ctmtr. von den innem Ligi-
turen entfernt, mit einer Cooper'schen Seheere anta
Anwendung von Thymolspray, durchtrennte dann vor-
sichtig das Mesenterium an dem resecirten Dannstocke,
so dass die Schnitte in einem spitzen Winkel zusammen-
trafen , wobei 10 Ligaturen nöthlg wurden , und entfernte
das reseoirte Stuck. Da das abführende Darmende eis
grösseres Lumen hatte , als das zuführende , wnrde as
letzterem der von Madelung empfohlene Ovaländudtt
ausgeführt; nach abermaliger Anwendung des Spnf
wurde das hintere Blatt der peritonäalen Bekleidung des
Mesenterium nach dem Darm zu mit Nähten vereinigt,
dann in gleicher Weise das vordere Blatt. Die Dann-
naht wurde nach Lembert und Czernj ausgeffihit,
wobei die Suturen erst an 2 einander gegenüberliegenden
Funkten , dann in der Mitte zwischen denselben , erst an
der einen , dann an der gegenüberliegenden Seite und so
fort angelegt wurden, und zwar so dicht an einander,
dass ihrer 16 erforderlich waren. Die Suturen fai der
Serosa wurden dabei nicht zu fest angezogen , um eine
Einstülpung des zuerst angelegten Saumes zu verbaten.
Nach Vereinigung der beiden Darmenden wnrde das vor-
gefallene Omentum zwischen 2 Ligaturen abgeschnittett,
dann nach abermaliger Anwendung von Thymolspray die
Reposition ausgeführt, in den Bmchring ein Drafairokr
eingelegt , die äussere Wunde vereinigt und ein lAster-
scher Verband angelegt. Nach der Operation war der
Unterleib nicht empfindlich , die Kräfte der Kr. nahmen
aber immer mehr ab und 17i/i Stunden nach der Operation
trat der Tod ein.
Nach dem Ergebniss der Sektion nimmt A. aa,
dass der Tod die Folge von nach der Operation dn-
getretener Peritonitis war. Die mittels der Naht ve^
einigten Darmenden waren durchaus aggintinirt oni
bildeten eine in dasDarmlumen hineinragende Falte.
In Bezng auf die Technik der Operation bemerkt
Ä., dass der Schnitt im Mesenterinm nicht immer
keilförmig zu sein braucht ^ sondern ^ wenn das.Me«
senterinm gesund ist, muss es so nahe am Darme
als möglich durchschnitten werden, wodurch das
Operationsfeld zugänglicher and die Anlegung der
Suturen erleichtert wird. Bei Anlegnng der entea
Suturen im Darm dtlrfte eine Eintheilnng des Daim-
Inmens in Segmente , wie diess A. im mitgetheilieB
Falle gethan hat, die genane Coaptatlon in nicht
geringem Grade erleichtem.
Dr. Ivar Svensson (Hygiea XLUI. 7. 8.335.
Juli 1881 — Arsberättelse friln Sabbatsbergs sjaUntf
i Stockholm f. 1880. S. 104) theUt 3 FftUe mit, in
denen er die Colotomia iliaca wegen Krebe da
Reetum vollzog.
1) Bei einem 64 J. alten Manne nahm dleNeubüdmf
hauptsächlich die vordere Wand des Rectum ein und ging
auf die Urethra über. Die Ezstirpation schien denknlb
nicht rathsiun. Bei der am 10. Jan. 1880 au8geffllirt8>
Colotomie wurde eine Ligatur von starkem CiUgnt sn
den Dickdarm gelegt dicht unterhalb der Stelle amDame,
an welcher die Incision gemacht wurde. Der XiottuA
nach der Operation war sehr anfriedenstelleod, aber
schon am 3. oder 4. Tag schien es, als ob die angelegte
Ligatur um den Darm den Dienst versag» wollte. Am
15. Febr. zeigte sich, dass der Dickdarm dicht unter den
Anus praeternaturalis verengt war, so dass dieSpitN des
kleinen Fingers kaum eindringen konnte , ehig^eMeiia>
Wasser ^ng aber durch den natürlich» After ak »^
VI. Chirurgie, Ophthalmologie a. Otiatrik.
267
Exkremente giogen indessen yollstaadig durch den Anus
praetematnraUs ab. Am 18. Febr. wurde der Pat. mit
demselben entlassen.
2) Eine 60 J. alte Frao hatte seit IJ. an Sohmerz
und Schwierigkeit bei der DefSkation gelitten , sie war
sehr abgemagert mit graugelber Hantfkrbe. Eine feste
Geschwulst erfOllte zu einem nicht geringen Theil das
klebe Becken und umgab das Rectum, so dass dieses nur
mit Sehwierigkeit für einen Finger durchgängig war. Bei
der am 22. Juni 1880 auf der linken Seite ausgeführten
Operation wurde keine Ligatur um den Dickdarm gelegt.
Nach der Operation trat keine Temperaturerhöhung auf.
Während der ersten Woche ging etwas von den Exkre-
menten dnroh den natürlichen After ab, später aber
gingen sie alle durch den Anus praeternaturalis ab. Am
21. Juli 1880 wurde die Pat entlassen.
8) Bei einer 52 J. alten Kr. war angenommen wor-
den, dass sie an Hämorrhoiden leide, es bestand aber eine
grosse Krebsgeschwulst, die hauptsächlich die vordere
Wand des Bectum einnahm. Die Neubildung vollständig
SB ezstirpiren, war nicht möglich. Am 1. Nov. 1880
wurde die Colotomia iliaca auf der linken Seite gemacht,
nm den Dickdarm wurde eine Ligatur gelegt, wie im
1. Falle. Die Operation ging leicht und rasch vor sich
mid anfangs schien die Heilung den besten Verlauf zu
nehmen, aber schon am 3. Nov. zeigten sich Symptome
von Peritonitis und am 4. starb die Kranke. — Bei der
Sektion zeigte sich als Todesursache eine beginnende
ansgebreitete Peritonitis, die nicht von der nächsten Um-
gebung der um den Dickdarm gelegten Catgutligatur
»sging.
Bis zum April 1881 hat Sv. lOmal die Oolo-
tomia iliaea aiugeftlirt und nur in einem Falle war
dabei der Tod in Folge der Operation eingetreten
Ob dem zuletzt mitgetheilten Falle) ; S v. hält dem-
nach die Mortalität nach dieser Operation für ge-
ringer, als ▼. Erkelens angiebt (46%). Die
Colotomie ist sicher eine sehr nfltzliche Operation,
d{e die Leiden der Er. mildert, aber sie ist nur eine
Palliativoperation nnd würde nicht berechtigt sein,
wenn sie so gefilhrlich wäre, dass der Tod in fast
der Hälfte aller Fälle einträte. Die Operation ist
im Allgemeinen leicht ansznfbhren, aber sie kann
auch schwer , ja unmöglich sein , wie der folgende
Fall von missglückter Colotomie beweist
Ein 46 J. alter Haan hatte seit 2 J. Abgang von Blut
bei der Defiikation bemerkt, später war heftiger Schmerz
hl der Aftergegend, besonders bei der Defäkation, einge-
treten. Bei der Auftiahme , am 20. Sept. 1880 , zeigte
sich der Kr. sehr abgemagert und luchektisch aussehend ;
«r wagte nicht zu essen aus Furcht yor dem Sehmerz bei
der Defäkation. Im After fand sich eine doppelt fanst-
grosse , unebene , leicht blutende Geschwulst , in dem be-
deutend Tcrengten Rectum fanden sich gleiche Neubil-
dongen so weit der Finger hinaufreichen konnte. Bei
einem um 23. Sept. voigenommenen Versuch der Colo-
tomia iliaca an der linken Seite yersuchte Sv. yergebens
nach Oeifaung der Peritonäalhöhle mit dem eingeführten
Zeigefinger einen Theil der Flexura sigmoidea zu fassen
ond durch die Operationswunde nach aussen zu führen ;
€6 fanden sich blos DünndarmschUngen. In Anbetracht
des schlechten AUgemefaizustandes des Kr. brach St.
die Operation rasch ab und schloss die Bauchwunde , mit
der Absicht , später die Operation auf der rechten Seite
sn versuchen. Nach einigen Tagen zeigten sich aber
Symptome von Peritonitis und der Kr. starb am 29. Sep-
tember.
Bei der Sektion fand sich alte Peritonitis; die Flexura
■Igmoidea lag tief nach dem kleinen Becken zu und war
l^ewaehsen , so dass sie bei der Operation nicht hatte
'^^'WsgaogeB werden können. Der Dickdarm lag über
der Flexur fast in der Mittellinie des Körpers , deshalb
konnte dieser Theil des Colon descendens von der Öpera-
tionswunde aus nicht erkannt werden, obwohl er mehrere
Fäkalklompen enthielt, die sein Erkennen wurden er-
leichtert haben. Ausserdem war das Colon descendens
ganz und gar von Dünndärmen bedeckt.
Dieser Fall bestätigt, dass .blose Eröffnung der
Peritonäalhöhle trotz allen antiseptischen Oautelen
hinreichend sein kann, eine tödtliche Entzündung
an einem Peritonäom hervorzurufen, das schon vor-
her entzündet war, sowie, dass die Colotomia iliaca
unmöglich werden kann, ohne dass sich ein solches
Verhalten durch die Anamnese oder die Untersuchung
vermuthen lässt. •
Der für Fälle von Krebs des Rectum ungünstige
Umstand, dass der Inhalt des Dickdarms nicht voll-
ständig dureh den Anns praetemataralis austritt, son-
dern zum Theil an diesem vorbei nnd durch den
natürlichen After abgeht, hat sich in keinem der
Fälle, in denen Sv. die Colotomie ausgeführt hat,
eingestellt. Um diesem Uebelstand vorzubeugen,
hat er in den 5 Fällen , in denen er zu befürchten
war, bei der Operation eine Catgutligatur um das
abgeliende Ende des Darms gele^, aber nur in
einem Falle wurde dadurch ein vollständiger Ver-
schluss erzielt, in 3 Fällen ging durch den Anus
praeternaturalis eingegossenes Wasser, ebenso wie
dnige Faeces Anfangs durch, später aber gingen
doch alle Faeces durch die künstlich angelegte Oeff-
nung ab ; in einem Falle (dem 3. der hier mitge-
theilten) erfolgte der Tod kurz nach der Operation.
Diese Ligatur kann allerdings die Gefahr der Opera-
tion dadurch vermehren, dass bei Anlegen derselben
der Darm vorgezogen werden muss , und , obwohl
Sv. sonst keinen Nachtheil davon gesehen hat, kann
er den Gedanken doch nicht ganz unterdrücken, dass
die Pat. in diesem Falle vielleicht nicht gestor-
ben sem würde, wenn er die Ligatur unterlassen
hätte. Daran, dass die Ligatur den Darm nicht
ganz undurchgängig machte, kann nach Sv. das
verwendete Catgut die Schuld tragen , das in dem
Zustande, wie es käuflich vorkommt, nicht allen
Anforderungen entspricht. Ein besseres Unterbin-
dnngsmaterial, wie es z. B. das nach Liater^B neuer
Vorschrift bereitete Catgut zu sein scheint , dürfte,
wie Sv. meint, für seine Idee, den Darm zu unter-
binden, bessere Aussicht bieten.
Die Eastirpation des Rectum fahrte Saltz-
man (Finska läkaresällsk. handl. XXIII. 4. S. 286.
1881) in folgenden beiden Fällen aus.
1) Eine 70 J. alte Frau , angebUch ohne erbliche
Anlage, hatte seit ungefiihr </« J* *a stechendem und
reissendem Schmerz im After gelitten , der allmäUg hef-
tiger wurde , namentiioh bei der Stuhlentieerung, die ge-
wöhnUch nur durch Laxirmittel erzielt werden konnte,
während die Kr. die Exkremente nicht vollständig zurück-
halten konnte, wenn sie vfeieh waren. Um den After
herum hatte sich in einer Ausdehnung von 2 bis 8 Ctmtr.
eine harte, feste, zum Theil uloerlrende Geschwulst ge-
bildet, die die ganze Darmwand umfasste und sich nach
vom und rechts so hoch hinauf 'erstreckte, dass man nicht
mit voller Gewissheit ihre Grenze mit dem Zeigefinger er-
reichen konnte, nach hinten aber nur 3 Ctmtr. hooh war.
Die Bedeckung über der Geschwulst war geröthet und
268
VI. Chirurgie^ Ophthalmologie u. Otiatrik.
heiss. £b worden nach yorn 7 Ctmtr. , nach hinten we-
niger von dem Darme exstirpirt ; die Operation war dorch
zahlreiche Unterbindungen in die Länge gezogen und die
Kr. war nach dem Erwachen ans der Chloroformnarkose
sehr Gollabirt. Trotz allen angewendeten Mitteln nahm
der CollapBns zn nnd die Er. starb 24 Stdn. nach der
Operation. Bei der ^ktion fand sich, dass der entartete
Theil des Beetnm vollständig exstirpirt war, aber die
retroperitonäalen Drüsen auf der rechten Seite waren
krebsig inflltrirt bis zur Theilnngsstelle der Aorta. Es
fanden sich keine Spuren von Peritonitis oder von Krebs-
metastasen in andern Organen. Die Arterien waren
atheromatös entartet.
2. Bei einer 85 J. alten Frau hatten sich seit dem
letzten Wochenbett (seit ungefähr 3 Monaten) Stuhl-
beschwerden eingestellt , bis zuletzt seit 8 Tagen keine
Stuhlentleerung erfolgt war ; besonders starke Schmerzen
oder starke Blutverluste aus dem Darm hatte die Kr.
nicht gehabt. Die Analöffhung fand sich normal bis auf
einige erweiterte Venen ; dicht oberhalb des Sphinkter
zeigte sich eine Geschwulstmasse, die sich vorn und links
so weit nach oben erstreckte , dass der Zeigefinger nur
mit Schwierigkeit ihre obere Grenze erreichen konnte.
Die Geschwulst war vollkommen beweglich , die Darm«
Schleimhaut unversehrt. Bei der Ezstirpation wurden
nach vom 9 Ctmtr., nach -hinten etwas weniger vom
Rectum entfernt. Durch eingelegte Drainröhren, die
mit einem Irrigationsapparat in Verbindung standen,
wurde eine beständige Irrigation der durch die Operation
entstandenen Höhle mit einer 2proc. Garbolsäurelösung
hergestellt. Nach der Operation traten Erbrechen und
geringe Empfindlichkeit am untern Theile des Bauches
mit geringer Temperaturerhöhung auf, bald aber stellte
sich Besserung des AUgemeinbefindens ein. Der Darm
heilte nicht direkt mit der Haut zusammen , sondern da-
zwischen fand sich eine grannlirende Fläche , die sich in
einen für einen Finger ohne Schwierigkeit durchgängigen
Narbenring umwandelte. Die cirkularen Muskelfasern
am freien Bande des Darmes hatten sich zu einem
Schliessmuskel ausgebildet, der Exkremente zurückzu-
halten vermochte, wenigstens fanden sich wiederholt
Fäkalmassen dicht oberhalb dieses contrahirten freien
Bandes. Die exstirpirte Geschwulst erwies sich als
Scirrhns.
Nach S. verdient die Radikaloperation den Vor-
zag vor einer palliativen Enterotomie oder Colotomie ;
die Lebensgefährlichkeit der Operation ist durch die
antiseptische Behandlang in hohem Grade gemindert,
die Operation bietet keine besondern technischen
Schwierigkeiten, nur muss man äusserst sorgsam
jedes blutende Geßiss anterbinden , ehe man weiter
operirt.
Svensson (a. a. 0. S. 338) hält auch dann,
wenn die Erkrankung eine grössere Ansdehnang hat
und die Operation schwerer aaszaffthren und ge-
fährlicher für den Er. ist, wenn die Operation nicht
eine radikale ist , wie sie sein soll , sondern mehr
eine palliative , die Exstirpation zwar immer noch
für berechtigt, aber nach ihm bietet die Colotomie
als Palliativoperation bei Krebs des Rectum den
Vortheil, dass sie im Allgemeinen weniger gefährlich
ist. Auch in Bezag auf die Verlängerung des Le-
bens bietet nach S v.'s Erfahrung die Colotomie Vor-
theile. Unter Umständen kann die Wahl zwischen
der Exstirpation und der Colotomie schwer sein ; in
Fällen aber, in denen die Degeneration sehr ausge-
dehnt und die Operation in Folge dessen in hohem
Grad gefährlich ist , sowie in Fällen , wo man bald
nach der Operation ein Recidiv befhrehten muss, ist
nach S v. im Allgemeinen die Colotomie Yorzuziehen.
Prof. Nicoiaysen (Tidsskr. f. prakt Med.
18. 1881) machte in folgendem Falle von Cardnom
des Rectum nnd Anus die Exstirpation mit gutem
Erfolge bei einer 52 J. alten Frau, bei der kon
vorher die Diagnose auf Hämorrhoiden gestellt wor-
den war.
Am After fand sich bläuliche Injektion mit dmgen
erbsengrossen bläulichrothen S[noten, der untere Tlieü
des Rectum umgeben von einer knolligen , bei der Be-
rührung leicht blutenden Masse , nach unten zu mit der
Unterhige unbeweglich verbunden , nach oben zu scliieii
nur die Schleimhaut von der Neubildung durchsetzt, da
Geschwulstring reichte hinten und links ungefähr 8, von
4 bis 5 Ctmtr. weit in die Höhe. Die Vaginalschleimhut
erschien normal. Geschwollene oder inflltrirte DrSaeQ
fanden sich weder in den Leistengegenden , noch in den
Fossae iliacae. Bei der am 12. Mai 1881 auBgefQhrten
Operation wurde zunächst eine Incision rund um den
After in der gesunden Haut durch diese und die Fude
gemacht, dann mit stumpfen Instrumenten, mit sehr ge-
ringem Blutverlust, der ganze untere Theil des Beetnm
mit dem in die Neubildung einbezogenen Sphinkter von
den Umgebungen abgelöst, herabgezogen und ungefihr
1 Ctmtr. oberhalb des intiltrirten Theiles mittels dnes
Ovalärschnittes abgeschnitten, dann wurden beide Schnitt-
ränder yereinigt, wona;Ch nach hinten zu sich stirlce
Spannung zeigte. Drainrohre wurden in die Wunde und
in das Lumen des Rectum eingelegt. Naeh 8 Tagen
wurden die Nähte entfernt , die hintern hatten dnrehf o*
schnitten und die Schnittränder hatten sich hier einige
Ctmtr. von einander entfernt, der Darm war aber mit der
Unterlage verlöthet. In den folgenden Wochen heilte
die Wunde unter geringer Sekretion. Festere Eikn-
mente konnte die Kr. . sobald sie sich in der Bückenlage
befand, zurückhalten. Durch eine Bandage mit einei
auf den After drückenden Pelotte wurde in allen SteUnn-
gen vollkommene Continenz erzielt.
N. nimmt an, dass es nnter allen Umständen das
Vortheilhafteste ist^ den Darmring mit der Haut-
wunde zu vereinigen, selbst wenn die Spannung so
gross wird, dass die Suturen voraussichtlich im Ver-
laufe von 3 bis 4 Tagen durchschneiden , weil da-
darch doch die Anheftung des Darmes weiter unten
geschieht, als ohne dieses Verfahren.
Nach Operation der Hämorrhoiden oder des
Vorfalls der Afterschleimhaut ^ die Svensaoo
(Hygiea XLIII. 7. 8. 344. Juli 1881) sehr hlo^
ausgeführt hat , hat er stets Heilung erzielt und nie
Recidiv eintreten sehen, ausser in einem Falle, in
dem der Kr. sich in Bezug auf die Operation nicht
dem V^illen Sv.'s fügte. Vorzüglich die Ligatur fast
Sv. oft angewendet, die er für die sicherste Methode
hält nnd von der er nie einen andern Nachtheil ge-
sehen hat, als mitunter Schmerz nach der Operation,
namentlich in solchen Fällen, in denen ein ganzer
Hämorrhoidalkranz abgetragen worden war. Er
glaubt, dass die Schmerzen nach der EanterisatioDS-
methode wohl nicht geringer sein werden , die ihm
nur den Vorzog zu verdienen scheint, wenn man so
rasch als möglich Heilung erzielen will und etwas
von der vollständigen Sicherheit vor Blutung daftlr
opfern will, die die Ligatm* bietet. Alle übrigen
Methoden scheinen Sv. bedeutend hinter diesen
beiden Methoden zurückzustehen and voUkomoen
VI. Ghinirgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
269
flberflllBsig. Er ffthi*t die Ligatur fortwährend in
der frftfaer von ihm beschiiehenen Weise (Jahrbb.
CLXXVI. p. 45) aus. Wichtig ist ein gutes Liga-
tormaterial y das zugleich hinreichend fest und ge-
Bchmeidig sein mnss , weil man die Ligatur sehr fest
ansehen muss. (Walter Berger.)
591. DaftVersohwinden von Tumoren; von
Dr. Thomas D wight. (Boston med. and surg.
Joom. cm. 24; Dec. 1880. p. 562.)
Vfs. Beobachtung liefert einen beachtenswerthen
Beitrag zur Kenntniss des interessanten Faktum,
aber welches in unsern Jahrbüchern schon früher
Mittheilung gemacht worden ist. Vgl. Bd. CLXXXVII.
p. 168.
Ein im Juni 1877,48 J. alter Mann, von schwäch-
Ueher Constitution, ohne bestimmten Beraf, consnltirte
D. wegen eines Gefühls von VoUsein und Reizbarlieit des
Reetam. Einige Jahre vorher hatte sich Pat. durch einen
QnBeksalber von Hämorrhoiden durch Applilcation von
Aetzmitteln befreien lassen. D. fand eine in das Rectum
bmeioragende Schleimhantfalte, die sich beim Znrück-
liehen des Fingers su Gesicht bringen Hess und etwas
entzündet war. Unter Anwendung eines adstringirenden
Wasch Wassers schwanden die Beschwerden, bis im Som-
mer 1877 heftige Schmerzen und Krämpfe in den Beinen
inftraten, die besonders das Treppabgehen erschwerten.
2a einem Geffihl wie von zerbrochenem Glas gesellten
rieh sympathische Blasenschmerzen. Am 30. Juni ass
Pat. wenig, lief viel umher, war schwach und abgemattet
und litt an profusem Nach tsch weiss. Bei oberflächlicher
Untersachnng fand D. einen harten Tumor in der rechten
Wand des B^ctom. Pat. zeigte ganz die ffir Krebs cha-
nkteristische Kachexie. Eine genaue Untersuchnng am
2. Jnli erwies die Schleimhaut des Rectum ganz unver-
sehrt, dagegen an der rechten Seite des Beckens von der
Kreuzbeinhöhlang bis zum Beginn des Os pubis einen har-
ten Tumor. Pat. hatte weder Schüttelfrost noch Fieber;
der Puls war hart und abnorm langsam. Pat. war sehr
sehwach und litt viel an Nachtschweissen, wegen letzteren
erhielt er Pillen mit Zinkoxyd, welche jedoch Erbrechen
erregten und deshalb wieder weggelassen wurden. Vom
5. Juli ab erhielt Pat. dmal tägl. 60 Ctgrmra. Jodkalium.
Der Stuhlgang ging gut von Statten, nur einmal entleerte
rieh etwas weisser Schleim und am 10. Juli ein Blutge-
'imiBel ; die Zahl der Pulsschläge betrug an diesem Tage
45 des Morgens, 75 des Abends. Vom 12. Juli ab begann
^Iniahme der Schmerzen, Hebung des Appetits. Unter
erhöhten Jodkalium - Gaben (bis 1.20 Grmm. pro Tag)
^erte sich das Befinden mehr und mehr und am
^> Sept. konnte im Rectum weder ein Tumor, noch
Kmpflndlichkeit aufgeftinden werden. Nach einem günstig
Terlaufenen Winter und Sommer, zeigten sich im Herbst
1878 Spuren eines Abdominalleidens. Die Leber war
▼ergrÖBsert, Uebelkeit und Erbrechen stellten sich neben
wlbsucht ein und am 29. Nov. erfolgte der Tod. Wenige
Wochen vorher klagte Pat. über Völle im Rectum und
in>n fand in dessen rechtem Theil eine abnorme Härte.
^ Die Sektion ergab als Todesursache eine Leberent-
»jindnng, aber kein Zeichen einer malignen oder vene-
nwhen Erkrankung. Die Schleimhaut des Rectum war
8>J« gesund, weder Narbe noohOeffnong Hess sich wahr-
■«mnen. Zu beiden Seiten des Rectum, unter der Um-
^°^*8BteUe des Perltonäum , fand sich Verdickung und
Hypertrophie der Gewebe, die rechts etwas reichlicher
*w ruO. ungefähr 2 Drittel des ümfangs eines Hühner-
ews erreichte. Sonst fand sich keine Spur eines Abscesses
^er Tumor.
^^züglioh der Lage des auch von Dr. Hodges
constatlrten Tumor im Becken ist Vf. der Ansicht,
dass derselbe ausserhalb der Darmwandungen be-
standen habe. Seiner Natur nach konnte derselbe
ein Abscess, eine Nenbildnng oder eine Anfüllung
des aTeolai*en Gewebes sein mit Blut und Zellelemen-
ten aus dem Blute oder Bindegewebe. Für Eiterung
spricht nach Vfs. Ansicht das Gefühl von zerbroche-
nem Glas, dagegen das Fehlen von Fieber und der
abnorm langsame Puls. Auch konnte eine Berstung
eines Abscesses kaum stattfinden, ohne dass bei der
Deftkation Spuren davon zu bemerken gewesen und
im Darm Zeichen einer Verletzung zurückgeblieben
wären. Dass jedoch der Inhalt selbst eines grossen
Abscesses resorbirt werden kann, beweist u. A. ein
von Dr. Sands (New York med. Record March 13.
1880) mitgetheilter Fall.
Der betr. Kr., selbst Arzt, klagte einige Jahre 'vor
seinem Tode über SchweUnng der linken Niere und
Dr. Sands konnte leicht in der linken Nierengegend bis
zur Crista ilei hin einen grossen flnktuirenden Tumor ent-
decken, dessen Zusammenhang mit den Hamwegen in-
dessen nicht sicher festgestellt werden konnte. In An-
betracht des Alters des Pat. wurde von einer Punktion
abgesehen. Unter dem Zuwarten wuchs der Tumor, so
dass er sich vom Rippenrande bis 3 oder 4 Zoll unterhalb
der Crista ilei erstreckte. Nach fast einem Jahre war
nach Aussage des Pat., der sich sehr wohl befand, der
Tumor ganz verschwunden, Pat. starb aber bald darauf
an Brighf scher Niere. Dr. Sands konnte bei der Sektion
trotz sorgfältigstem Nachsuchen keinen Abscess in der
Lumbargegend finden, es war nur als Ueberbleibsel der
linken Niere eine Anhäufung von Bindegewebe vorhanden,
in das der bis zu seiner Einmündung in die Blase unweg-
same Ureter eingebettet war.
Für einen syphilitischen Tumor sprach in dem
Fall des Vfs. kein Symptom im Leben oder nach
dem Tode. Dass Tumoren verschiedener Art ohne
chirurgischen Eingiiff verschwinden können, ist durch
mehrfache Erfahrungen erwiesen. Ein bemerkens-
werthes Beispiel von Verschwinden eines sogenann-
ten entzündlichen Fungoid-Neoplasma beobachtete
Dr. Duhring in Philadelphia , in einem weitem
Falle sah D w. bei einem sonst gesunden Weibe zahl-
reiche Tumoren im subcutanen Gewebe, die ihre Ge-
stalt überraschend wechselten, schwinden, so dass
27si J- später post moi*tem das Mikroskop nur eine
Hypertrophie der fibrösen Elemente des Goriom
n. verschiedene gekörnte Zellen nachweisen konnte.
In der Londoner pathologischen Gesellschaft
erwähnte Dr. Coats (April 1879) einen ähnlichen
Fall. Die für Lymphadenome gehaltenen Tumoren
fanden sieh an verschiedenen Stellen der Innenwand
des Abdomen. Bei der Diskussion erwähnte James
Paget 3 selbstbeobachtete Fälle. In einem der-
selben verschwanden 2 — 3 J. bestehende Lymph-
drüsengeschwülste am Halse, in der Achsel und
Leiste eines paraplegischen jungen Mannes inner-
halb einer Woche, aber es trat Dyspnoe ein und
Pat. starb ; die Sektion wurde nicht gestattet. In
dem 2. Fall, in welchem die Diagnose von multiplem
Medullarkrebs (nach der jetzigen Nomenclatur klein-
zelliges Sarkom) am Halse and in der Achselhöhle
durch das Mikroskop bestätigt wurde, schwanden
sämmtliche Tumoren, nachdem ein über dem Deltoi-
370
VI.. Chirnrgie, Ophthalmologie H. Otiatrik.
dens befindlicher sich durch Eiteruog abgelöst hatte.
Pat. starb aber an Reddiven der Oeschwülste, nach-
dem er Monate lang anscheinend gesund gewesen
war. Im 3. Fall verschwand unter Behandlung mit
Jodkalium ein 2 Fäuste grosser Tumor, der als
Medullarkrebs eines nicht herabgestiegenen Testi-
kels diagnosticirt wurde. Nach dem an einem Be-
cidiv später erfolgten Tode bestätigte das Mikroskop
die Diagnose.
Vf. ist geneigt, in seinem Fall den Tumor unter
die Sarkome einzureihen. Die Anschoppung der
Leber hat zweifellos eher bestanden, als der Tumor.
Die direkte GefiissYerbindung der Leber mit dem
Rectum konnte nun eben so gut bei einem Circula-
tionshindemiss die Bildung von Hämorrhoiden wie
von einer entzflndlichen Neubildung veranlassen,
wobei in das hypertrophische Bindegewebe neben
dem Rectum, welches ein schwammähnliches Ma-
schenwerk bildete , sich Zellen einbetteten. Dieser
Process stimmt aber im Wesentlichen mit der Ent-
wicklung emes Sarkom überein. Ob auf das Ver-
schwinden des Tumor das Jodkalium, das in Dnh-
ring's Fall nicht gegeben wurde, Einfluss hatte,
lässt Vf. dahingestellt. (Schill.)
592. Haematom der Aohselhöhle ; von Dr.
E. Mc L e 0 d in Calcutta. (Lancet. I. 4 ; Jan. 1881.
p. 133.)
Ein 46jähr. Hindu litt an einer grossen , floktniren-
den Geschwulst in der linken Ach8elh5hle , die im verti-
kalen Durchmesser ca. 8 Zoll (ca. 18 Ctmtr.'), im trans-
versalen ca. 1 Fuss (ca. 28 Ctmtr.) maass , in der Tiefe
unbeweglich war und zwischen Scapnla und Brustwand
eingekeilt schien. Bei der Punktion entleerte sich
nur dunkles venöses Blnt; Pnlsation oder Geräusche
existirten nicht. Der Tumor war ohne bekannte Veran-
lassung vor etwa 8 Mon. entstanden , hatte sich demnach
sehr rasch vergrdssert. Um bei der Operation (16. Sept.
1880 , antiseptisch) die Blutung au controliren , wurden
die GefiUse des Armes mittels 6 starl^er Catgutfäden
umstechen. Es geschah diess In der Weise , dass eine
starke gekr&mmte Nadel gegenfiber dem inneren Rande
des Proc. coraooid. eingestochen, dem unteren Bande der
ersten Bippe entlang geführt, und ca. 1 Zoll (ca. 24Mmtr.)
von dem Stemalende der Clavionla, unterhalb derselben,
ausgestochen wurde. Durch Knüpfen der Fadenenden
konnte der Badlalpuls vollstftndig zum Verschwinden ge*
braoht werden.
Die Operation verlief in der That auch ganz blutlos.
Ein Schnitt entlang dem unteren Bande des Pectoralis
mi^or und ein von der Mitte desselben nach dem Angnlus
soapulae verlaufender, legten die leicht von dem um-
gebenden Gewebe zu trennende Geschwulst bloss. Bei
der weiteren Praparation rissen die Cyste und die Vena
axillaris, welche letztere doppelt unterbanden wurde. Die
CatgutfSiden Hess man nach Lösung des Knotens wegen
einer etwaigen Nachblutung vorl&uflgzprfick. Die Heilung
erfolgte ziemlich rasch und gut ; Innervation und Cirku-
lation im Arme blieben ungestört.
Die Cyste, die nur flüssiges Blut enthalten hatte,
erwies sich mikroskopisch bestimmt als durch Er-
weiterung der Vena axillaris bedingt. ( D e a h n a.)
593. Ueber den Werth der partiellen Be-
ranaohnng eu Operirender, behufs Verhütung
des Shoek; von Dr. Stephen Smith« (New
York med. Record XVUI. 26. p. 701. 1880.)]
Vf. reicht, wie manche andere amerikaniBGlie
Aerzte, gewissen Patienten vor der AnflAUmmg eii-
greifender chirurgischer Operationen aystematiMi
starke Alkoholika, bis dieselben in ein Stadium (lei-
diger Erregung gerathen, in welchem sie Alles vn
der heiteren Seite aofzofassen geneigt sind. Die
Narkose ist bei Patienten , die in dieser Weise vor-
bereitet sind, eine sehr leichte, Respiration und Pnh
bleiben während derselben ziemlich gleidunW;,
Shock beobachtet man nicht, die Reaktion nach da
Operationen ist gering , der Wundverlaaf wird uf
das Günstigste beeinflnsst.
Empfehlenswerth erscheint das Verfahren In
sehr erregbaren und ängstlichen Individuen, bd aol-
chen , die nach Verletzungen in tiefem Shock wA
befinden , bei sehr elenden Kranken , endlich bei
fetten nnd herzschwachen Peraonen. ( D eahaa.)
594 a. Bin neuer Nadelhalter nebst nnm
Nadeln; von Dr. Hagedorn. (Aroh. f. küi.
Chir. XXVI. 3. p.783. 1881.)
594b. Der Schwan, ein Nadelhalter Ar
Höhlennähte; von Prof.E.Kflster. (Ohir.Ceotr.-
Bl. VIII. 8. p.ll3. 1881.)
Die gegenwärtig gebräachlichen Nadeln werdei
bekanntlich in der Weise vom Nadeibalter erfuel,
dass der eine Arm aaf die concave , der andere uf
die convexe Seite drückt. Bei starkem Dmck km
deshalb die Nadel leicht zerbrechen, bei schwadM
entgleiten.
Der von Dr. Hagedorn empfohlene Natf
halter soll nun die Nadeln an den Seitenflädm
fassen, die von der Spitze bis znm Oehre abgeplM
sind. Wichtig ist bei dieser platten Nadel feniir
noch die Beschaffenheit der Spitze und der Schneide.
Die Abplattung ist mit Ausnahme der Spitze fibenl
ehie gleichmässige , von der Spitze an befindet sA
aber die schneidende Fläche nur an dem vordera
Ende der convexen Seite, während die con-
cave Seite der Nadel schon von der starken Spitie
an ganz stumpf und abgerundet sein mnss. Die
Länge der Schneide darf nur ungefthr der doppeltei
Breite der Nadel gleichkommen. Ausserdem wird
von der concaven Seite der Spitze etwas sbge*
schliffen , so dass dieselbe nngefiUir die Fonn der
vorderen Spitze eines Staarmessers hat Diess U
deshalb nothwendig , weil dann der Einstichspukt
der Nadel in demselben Abstand vom Wundnod
bleibt, und die Erweiterung des Einstichs nach der
entgegengesetzten Seite durch die Schneide herv^
gebracht wird. Der hierdurch bewirkte Stiohkaoil
bildet nun einen senkrecht auf dem Wundrand stehen-
den Spalt, der nach Knüpfen des Fadenknotens nidit
zum Klaffen neigt, wie diess bei dem paralld ab
Wundrand verlaufenden Stichkanal der gewöbniichei
Nadel der Fall ist.
Der Nadelhalter ist nach dem Modell des Böser-
sehen gearbeitet, mit der Modifikation, da« der
vor dem Schloss befindliche Thdl in einem aaf die
Kante gebogenen rechten Winkel «»"»«JniMkt ^
VI. Chirurgie, Ophthalmologie n. Otiatrik.
271
Dadurch kommen die platten Seitenflächen der Na-
dd, welehe durch das „Maul** des Nadelhalters
gehen, in einen rechten Winkel zur Längsachse des
Hsltos zu stehen. Es kann somit die Nadel an
jeder Stelle fest gepackt nnd vorgeschoben werden,
ohne dass sie dch yerbiegt oder zerbricht.
Beide Instramente ergänzen einander und eignen
Mi vorzugsweise zum Nähen in tieferen Höhlen.
Der von Prof. Küster bereits frfiher be-
jRhriebene, aber bisher nicht genflgend beachtete
Nadelhalter erleichtert die Anlegung von Nähten an
tief gelegenen Körperstellen dadurch ausserordent-
Beb, dass eine doppelte, einem Schwanenhalse ähn-
Ikfae Biegung des nach dem Muster von Roser^s
Nadelhalter gearbeiteten Instrumentes, eine Nadel
dnreh einen tief gelegenen Wnndrand zu stechen
gestattet, ohne dass die Hand das Operationsfeld be-
«hattet, und ohne dass ein erheblicher Raum in An-
sprach genommen wird. Die Endplatten sind mit
Qok gefilttert, um der Nadel einen festeren Halt zu
g^D. Eme gewisse Einübung ist bei der Benutzung
Dothwendig , man kann indessen Nadeln von jeder
Krflmmnng gebrauchen. Stark gekrümmte Nadeln
tust man am besten zuerst nahe an der Spitze und
Rhidbt sie dann, unter weiterem Fassen nnd Loslassen
Baeh dem Oehr^ zu, durch den Wundrand.
(Deahna.)
595. Adenom der Thrinendrüse ; von Dr.
Adolph Alt. (Arch. f. Ahkde. X. 3. p. 319.
1881.)
In Folge einer Contasion der SoUäfe war bei einem
Manne eine kleine, cystenartige GeschwnlBt nahe dem
imnera Winkel des linken obem Lides aufgetreten. Man
liatte Smal eine unvollkommen gebliebene Exstirpation
Tomcht. Vf. machte die 3. Operation , nachdem unter
heftigem Kopfweh die Geschwulst wieder gewachsen war,
dea BoIboB verschoben nnd sich hinter dem obem Lid
▼om äussern nach dem Innern Augenwinkel hin ansge-
Mtet hatte. Der Tumor konnte nur stückweise ent-
fnat werden , auch war bei der Operation der M. levator
Ptlpebr. durchschnitten worden. Er schien von der
"Hiriuiendrilse ausgegangen zn sein, doch Hessen sich die
l^Iogischen Elemente derselben in der exstiplrten Masse
aieht auffinden. Sie trug den Charakter einer epithelialen
Nenbildnng. Nach einigen Monaten war zwar kein ört-
^es Reeidiv eingetreten, doch hatten sich Symptome
oineB im Schädel sich entwickelnden Tumor eingestellt.
(Geissler.)
596. Erfolgreiohe ISntfemung einer Orbi-
tal-Szoetosin; von Dr. H.B. Sands in New York.
(Äreh. f. Ahkde. X. 3. p. 341. 1881.)
Bei einem SSjähr. Landmann fand sich eine am Boden
^ reohten Orbita befindliche harte u. glatte Geschwulst,
^ unter schmerzhaften Empfindungen in der Tiefe der
%enh5hle sich seit ca. 8 Jahren entwickelt hatte. Da
4er reehteNaeengang verstopft war, vermnthete man den
Anigang der Geschwulst im Antmm Highmorl. Doch
erwies rieh nach Entfernung einer Knochenplatte aus der
^Men Wand diese Yermuthang als irrig , vielmehr war
der haselnnssgrosse Tumor am Oberkieferknochen nahe
d« FiHora sphenomazUlaris angewachsen. Er wurde
i^mt einem Stfick vom Boden der Orbita mittels Meissel
M Elevator entfernt. Die Verschiebung des Bulbus
^^u^ beseitigt, das Sehvermögen war gut geblieben.
Die Gesehwulst bestand ans einer Schale von compakter
Knochensubstanz mit einem grossen Nudeus von Knorpel-
gewebe. (Geissler.)
597. Ein Fall von akuter Chemosis; von
Iwan M. Burnett. (Arch. f. Ahkde. X. 3.
p. 311. 1881.)
Bei einem 29jähr. ^ schwächlichen Manne, wel-
cher in der letzten Zeit sehr viel studirt hatte , war
zunächst ein Abscess im Schlünde aufgetreten, dann
hatte sich eine Verschlechterung des Sehvermögens
am rechten Auge eingestellt und bald danach war
unter den heftigsten Schmerzen, Uebelkeit, Frost
und Lichtscheu eine chemotische Schwellung der
Bindehaut des linken Auges aufgetreten. Nach
3 Tagen sichtliche Besserung und bald hernach
Heilung. Am rechten Auge trat einige Wochen
später ganz derselbe Anfall auf.
Möglicherweise war eine Venenthrombose die
Ursache, da der Pat. gleichzeitig von Malaria heim-
gesucht war. Vf. selbst ist geneigt, zunächst in einer
Neuralgie des N. quintus das veranlassende Moment
zn suchen. [Der Fall ist überhaupt ungenau be-
schrieben.] (Geissler.)
598. Ueber Eeratoakopie ; von Lytton
F 0 r b e s. (Ophthalm. Hosp. Rep. X. 1 . p. 62. Aug.
1880.)
Unter diesem Namen wird eine Methode der Re-
fraktionsmessung des Auges angegeben, die sich an
frühere Vorschläge vonCuignet (1874) anlehnt.
Man soll mittels eines Concavspiegels von 20 Gtmtr.
Brennweite, welcher etwa 50 Ctmtr. vom Auge ent-
fernt, u. um 15® nach aussen vom Homhantcentrum
gehalten wird, Licht in's Auge werfen. Man sieht
dann einen rothen Reflex aus der Pupille hervorkom-
men, ausserdem aber bemerkt man einen Schatten
von dreieckiger Form, dessen Basis etwa der Pu-
pille, dessen Spitze der Horahautmitte entspricht.
Durch die Bewegungen des Spiegels lässt man das
Licht nach und nach auf die verschiedenen Quadran-
ten der Hornhaut fallen. Man soll nun aus den
Orössenverhältnissen zwischen Licht und Schatten,
sowie aus der Art der Bewegung des Reflexes bei
der Bewegung des Spiegels die Art der Refraktion
des Auges erkennen können, ebenso die Orade der
Brechungsanomalie. Verwendet man einen Plan-
spiegel, so ist die Lage und die Bewegung des
Schattens die umgekehrte, als die beim Concav-
Spiegel.
[Es ist wohl kaum zu erwarten, dass diese Me-
thode irgend einen Vorzug vor der Bestimmung der
Refraktion mittels des Augenspiegels haben werde.]
(Geissler.)
599. Zur nenroparalytisohen Homhaut-
entaündung; von Dr. C. G. Haase in Hamburg.
(Arch. f. Ophthahn. XXVIL 1. p. 255. 1881.)
Vf. berichtet über den Sektionsbefund bei einem
halbseitig QeliUmaten, dessen linkes Auge in seinen
272
VI. Chimrgie, Ophthalmologie n. OtUtrik.
letzten LebeDSWochen dnroh Hornhautmalacie zu
Grande gegangen war. Bemerkenswerth ist bei
diesem Befunde, dass nicht das Ganglion Gasseri,
wie man gewöhnlich annimmt , als Ernährungscen-
trum, bez. als der Ursprang der vasomotorischen
Nerven des Auges anzusehen sein dürfte, sondern
ein oberhalb dieses Ganglions liegender Theil. Es
fand sich nämlich ein in der Brücke gelegener Er-
weichung fherd, welcher die austretende Trigeminas-
wnrzel total zerstört und die Degeneration eines
Theils der im 1. Ast verlaufenden Nervenfasern weit
in die Peripherie hinein veniraacht hatte. Die Fasern
des 2. und des 3. Astes, sowie das Ganglion Gasseri
selbst waren intakt geblieben.
Ausserdem beschreibt Vf. noch einen Fall , wel-
cher beweist, dass die sogen, anästhetische Horn-
hautentzttndung auch sehr lange trotz der Lähmung
des N. trigeminns ausbleiben kann :
Ein Arbeiter hatte sich im J. 1871 darch Sturz eine
Kopfverletznng zugezogen , die eine Lähmnng des linken
Armes nnd beider Beine, sowie eine Halblähmang des
N. facialis und des N. abdacens und eine Gefühllosigkeit
in der rechten Gesichtshälfte znr Folge hatte. Die Läh-
mangserscheinnngen hatten sich nach mehreren Wochen
verloren. Dagegen blieb die Anästhesie im Gesicht be*
stehen , insbesondere war diese Anästhesie in einem Ge-
biet ausgesprochen, dessen Grenzen nach oben die Aagen-
brauengegend , naeh unten der nntere Augenhöhlenrand,
nach innen die Mittellinie der Nase und nach aussen noch
ein Stück von der Schlafengegend waren. Trotz der
Anästhesie der Bindehaut und der Hornhaut des rechten
Auges war indessen dasselbe 10 Jahre ganz intakt und
sehkräftig geblieben. Erst nach dem Eintritt einer zu-
fälligen Schädlichkeit (Ausputzen eines Dampfkessels)
stellte sich im Jahr 1881 eine Reizung des rechten Auges
ein, wobei sieh dasselbe trocken, die Homhautoberfläche
matt und glanzlos zeigte ; binnen Kurzem bildeten sich
kleine Substanzverluste der Hornhaut und Ge fasse über-
zogen dieselbe. Indessen besserte sich dieser Zustand
nach einiger Zeit, wiewohl nur eine Kapsel getragen
wurde.
Vf. empfiehlt tlberhaupt, bei dieser Entzfiudungs-
form von dem Anlegen eines Druckverbandes und
dem Gebrauch von Medikamenten ganz abzusehen.
Vielmehr solle man sich darauf beschränken, den
Bindehantsack regelmässig zu reinigen und eine
hohle Platte tragen zu lassen. (0 e i s s 1 e r.)
600. Salioylsaures Natron bei der Be-
handlung der Iritis; von Dr. Julian J. C bi-
so Im. (Arch. f. Ahkde. X. 3. p. 324. 1881.)
Vf. behauptet, mittels salicyls. Natron in grossen
Dosen (neben der Anwendung von Mydriaticis) die
Entwicklung von Iritis wiederholt binnen 2 — 3 T.
verhindert zu haben. Auch die Recidive syphili-
fischer Iritis sollen dieser Medikation in kurzer Zeit
weichen, ohne dass Quecksilber oder Jodkalinm notii-
wendig würde.
Anfänglich soll man 3stttndl. 1.2—1.8 Omm.
(9 — 12 täglich) salicyls. Natron geben , am 2. nnd
3. Tage kann die Dosis vierstündlich oder imr
3mal täglich wiederholt werden. Vf. gesteht in-
dessen , dass die Medikation häufig nieht vertragen
wurde und unangenehme Symptome (Ohrensausen,
Hallucinationen) zum Aussetzen des Mittels nöthigten.
(Oeissier.)
601. Ein Fall von Persistenz des Canalis
hyaloideus und der Arteria hyaloidea; von
Dr. E. J. Gardine r. (Arch. f. Ahlkde. X. 3.
p. 340. 1881.)
Bei einem Jungen, etwas schwacbslohtigeB Blnae
fand sich folgender Befand :
Im rechten Auge zeigte sich ein glänzend weisser
Strang , welcher von der Papilla an den Glaskörper bü
znr hintern Linsenkapsel durchzog. Seine hintere In-
sertion war trichterförmig und verdeckte die Gefiase der
Papilla vollständig. Im aufrechten Bilde sah man in dem
Strange ein hellrothes Blutgefäss. An der hintern LinuD-
kapsei erschien die vordere Insertion des Stranges eben-
falls trichterförmig. Besonders aber war im Vergleich
mit ähnlichen Fällen hervorzuheben, dass auf der hiBten,
dem Glaskörper zugewendeten Linsenkapselfläehe, die
Art. hyaloidea in ein Netz zahlreicher kleiner BlutgeßaK
zerfiel , welches ähnlich wie die Geßsse der Placenta ge
staltet war. ( G e i s sl e r.)
602. Heber Augenaifektionen in Folge
von Masturbation ; von Dr. M. L a n d e s b e r^.
(Philad. med. Bull. III. 4; April 1881.)
Vf. macht dai*auf aufmerksam, dasa zuweilen bei
jugendlichen Personen beiderlei Oescblechts chrm-
sehe Bindehautkatarrhe mit unbedeutender Blepbi-
ritis jedem Heilversuche trotzen. Diess deutet dar-
auf bin, dass eine besondere constitntionelle Umcbe
zu Grande liegt : eine genaue Nachforschung wizd
den Nachweis liefern, dass die betr. Personen der
Onanie ergeben sind. Besonders soll auch das wie-
derholte Auftreten von Akne im Gesicht neben dem
Bindehantkatarrh für die genannte Ursache sprecheD.
Bekannter ist es, dass bei Onanisten aoeb
Schwäche des Accomodationsmuskelef die sich io
ungewöhnlich rascher, mit Augendrnck und Kopf-
weh verbundener Ermüdung beim Nahsehen aoi-
spricht, ferner centrale Skotom^ bei normaler Aus-
dehnung der Peripherie des Gesichtsfelds vorkom-
men. Vf. theilt auch hiervon je eine Beobachtoog
mit. (Geissler.)
E 0 r m a D n y Behandlung der Diphtheritis.
273
B. Originalabhaadliiiigeii
and
UebersichteD.
XII. Bericht über die Behandlung der Diphtheritis
während der letzten acht Jahre.
Von
Dr. med. Ernst Kormann in Coburg.
Nachdem bereits Herr Dr. EUttner jnn. in
Dresden eine Zusammenstelinng hierher gehöriger
Arbeiten begonnen hatte, hat derselbe mir wegen
Mangels an znr Fortsetzung der Bearbeitung nöthi-
ger Zeit die bereits durchgesehenen Materialien in
Exoerpten mit dankenswerther Freundlichkeit zur
Disposition gestellt. Die betreffenden Artikel sind
durch ein beigefügtes (Et.) gekennzeichnet.
Das umfangreiche Material ist nach Möglichkeit
nach der Art der empfohlenen Mittel zusammen-
gestellt. Qanz streng konnte natürlich dieser Plan
nicht durchgeführt werden y da eine grosse Anzahl
YOD Artikeln mehrere gleichzeitig oder in verschie-
denen Stadien der Erankheit angewandte Mittel be-
treffen, um Wiederholungen zu vermeiden, sind der-
artige Arbeiten an der Stelle besprochen , wohin sie
der chronologischen Reihenfolge nach gehören wür-
den. Nur auf diese Weise glaube ich die Ueber-
siehtlichkeit möglichst gewahrt zu haben.
Verhältnissmässig wenig findet sich über die
Prophylaxe der Diphtheritis
erwähnt, zu welcher ich mich zuerst wenden muss.
Dr. Oscar Giacchi (LoSperimentale, Marzo.
— Qaz. de Par. 19. p. 241. 1874) empfiehlt auf
Omnd seiner ätiologischen Anschauung als Prophy-
laxe der Diphtheritis die Erhöhung der Widerstands-
fiihigkeit und Abhärtung der Mund- u. Rachenhöhlen-
sehleimhaut.
Senator (Volhnann's Samml. klin. Vorträge,
innere Med. Nr. 27. [Nr.78.] 1874) warnt während
einer Epidemie vor Schädlichkeiten, die einen Rachen-,
Kehlkopfs- und Luftröhrenkatarrh hervorrufen, em-
pfiehlt häufigere n. sorgfilltigere Reinigung der Mund-
nnd Rachenhöhle durch Gurgelwässer (Übermangans.,
Chlors. Eali oder Ealkwasser mit Zusatz vonMyrrhen-
tinktur).
^- A« Jacob! (Contributions etc. New York
1B75) hält es in prophylakt. Hmsicht itlr besonders
viehtig, regelmässig Mund und Pharynx der Einder
2^ ^tersuchen, Hantansscfaläge am Eopf und Drü-
"^i^wellnngen des Halses zeitig zu beseitigen,
^henao Rachen- u. Nasenkatarrhe. Hypertrophische
Hed. Jabrtib. Bd. 192. Hft. 3.
Tonsillen müssen abgetragen werden, wenn Diph-
ther. nicht herrscht, da auf der Höhe einer Epide-
mie jede Wunde eine Ursache für örtliche oder all-
gemeine Erkrankung an Diphtherie werden kann.
Femer benutzt er chlorsaures Eali oder Natron als
Hauptmittel gegen jede Form von Stomatitis und
Phaiyngitis, wie sie znr Zeit einer Diphth. -Epidemie
so häufig sind und meist mit Diphtherie auf gleicher
Aetiologie beruhen. Die Salze müssen häufig (^/^ —
V^stündl.) in Anwendung kommen , so dass 2 — 4
Grmm. pro die verbraucht werden (dabei warnt J.
vor Chlorkaliumvergiftung !)
J. Lewis Smith (Amer. Journ. of Obstetr.
Vin. 2. p. 282. 1875) lässt in prophylaktischer
Hinsicht Einder nie Räume betreten , wo Diphther.
geherrscht hat , bevor nicht eine lange Zeit verstri-
chen ist u. Desinficientia gründlich angewendet wor-
den sind. Wenn Diphther. herrscht, lässt Sm. alle
Einder mit Chloratlösnngen gurgeln oder, wenn sie
zu klein sind, 0.12 — 0.25 Grmm. einer solchen
stündlich bis 2stündlich nehmen. Wo bereits gelb-
liche Pfropfe in den Erypten der Tonsillen vorhan-
den sind, zieht S m. das Bepinseln mit Carbollösun-
gen , 2 — 3mal täglich , vor. Eommt ein Fall von
Diphth. in einer Familie vor, die mehrere Einder
hat, so müssen die gesunden sofort abgesondert,
täglich untersucht werden und als Prophylaktikum
Chinin nehmen.
Dr. H. Hensgen (Deutsche med. Wchnschr. H.
30. 31 ; Juli, Aug. 1876) hält es für prophylaktisch
wichtig, die Eranken abzusondern, besonders die
ersten Eranken in einem Orte. Findet eine Transloka-
tion der Gesunden statt , so müssen diese und ihre
Eleider vorher gründlich gereinigt und desinficirt
werden. Nach Aufhören der Erankheit sind Bett,
Fussboden, Geschirre u. s. w. gründlich zu reinigen.
Das Schliessen der Schulen genügte nicht zur Ver-
hütung der Weiterverbreitung.
Dr. Carl Pauli inCöln (Jahrb. f. Ehkde. N. F.
X. 1 u. 2. p. 217. Aug. 15. 1876) erprobte den
Nutzen der Saliet/lsäure bei einem SVaJähr. Einde,
das er von seinen an Diphtherie erkrankten Ge-
35
274
E 0 r m a n n ; Behandlnng der Diphtheritis.
schwistern nicht trenDen konnte ; er liess es fleissig
mit SalicylBäurelösnng gurgeln und es blieb ge-
sund.
Dr. Eduard Lewy (Mlüh. d. Ver. d. Aerzte
in Nieder-Oesten-, IL 24. p. 323 ; Dec. 15. 1876)
führt die Geschichte der Diphtheritis bis auf Are-
taeus von Cappadocien zurück, der die syrischen
und egyptischen Halsgeschwüre schilderte, die von
seinen Nachfolgern als Eynanche (Hundehalsband)
bezeichnet wurden. Im schottischen Idiom erhielt
sie den Namen Croup und wird seitdem sowohl von
Aerzten als von Laien vielfach Pseudocroup und
echter Croup zusammengeworfen. Letztere sind
aber beide vorwiegend Krankheiten des Kehlkopfs,
nie ansteckend, daher auch nicht epidemisch. Diph-
theritis dagegen ist in hohem Grade contagiös, beson-
ders durch die Sekrete der Mundhöhle. Von Seiten
der Therapie hat in Wien die Behandlung mit Sali-
cylsäure und salicyls. Natron gar keinen Erfolg ge-
habt, auch die Tracheotomie, die in Deutschland bei
Diphther. widerrathen wird, hat nur so viel Kinder
gerettet, als die exspektative Behandlnng (^/a^/o)-
Von Seiten der Aetiologie sieht Vf. das sociale Elend
gewisser Volksklassen als von Wichtigkeit an, da
von bestimmten Herden aus (überfüllten Wohnungen
u. 8. w.) die Weiterverbreitung der Diphtherie statt-
hat. Hier müssen die behördlichen Maassregeln ein-
greifen, die aber nur Bedeutung gewinnen, wenn
jeder Fall sofort von dem betreffenden Arzte ange-
zeigt werden muss. Dann kann, sobald der Er-
krankte genesen, oder gestorben, oder in das Hospital
transferirt ist, sofort zwangsweise die amtliche Des-
infektion des KrankenziijQmers und der gebrauchten
Effekten veranlasst werden. Auch wenn das Kind
gesundet ist, soll es, ehe es wieder in den alten Fa-
milienkreis zurückversetzt wird, ein Bad erhalten, in
dem es mit Carbolseife gewaschen wird. Alle ge-
brauchten Gegenstände sollen gründlich desinficirt,
billige Gegenstände (Bettstroh) verbrannt, die Zim-
merwände frisch getüncht , Fussboden u. s. w. mit
Javelle'BQher Lauge gewaschen werden. Kleider
n. s. w. sind zu desinficiren und vor stattgehabter
amtlich controlii*ter Desinfektion nicht zu verschenken
oder zu verkaufen.
In der sich hieran knüpfenden Diskussion (Ibid.
III. 1. p. 1. Jan. 1. 1877) wird der prophylakti-
schen Maassregel gedacht, die Geschwister von diph-
ther.-kranken Kindein nicht zur Schule zu schicken
und sie erst nach Einbringung eines ärztlichen
Zeugnisses wieder zuzulassen, femer der Empfehlung
der schwefligen Säure behufs der Desinfektion. Dr.
V. Becker befürwortete die zwangsweise Trans-
feiirung Kranker in Spitäler (sogen. Seuchenhäu«
ser), nur müssen dann die leichten Fälle von katar-
rhalischer Infektionsangina bei Aerzten, Wärterinnen
und Pflegemüttern genauer beachtet werden, als
bisher. Die leichten Infektionsfonnen werden auch
von andern Aerzten bestätigt (Gaust er, Teleky).
Zum Schluss ward ein Comitö niedergesetzt behufs
Berathnng der bei einer Diphtheritis-Epidemie nöäii-
gen Maassregeln.
V. Heusinger (Sitzber. d. Ges. für Befftrd. d« ges.
Natw. zu Marburg N. 2. p. 22. 1877) dringt stets auf
Separiren der Erki'ankten, sowie auf Desinfektion
der Zimmer und Gänge. Das Krankenzimmer soU
gross sein und in den Ecken nicht Schimmelpilae be-
herbergen. In ihm muss die Luft oft emeaert,
ausserdem durch Jod, Carbols. oder Chlorkalk des-
inficirt werden. Carbolseife zum Waschen und über-
mangansaures Kali zum Mundansspülen sind f&r die
Gesunden zu empfehlen.
A. Jacob i {OerhardVs Handb. d. Kinderkr.
II. p. 675 flg. 1877) giebt nochmals die schon oben
erwähnten Vorschriften, wobei er besonders den
Nutzen des Kali oder Natmm chloricnm hervorhebt,
jedoch auf die Gefahr der Anwendung seu grosser
Gaben hinweist. Kinder bis zu einem Jahre wUen
nicht mehr als 1.0 — 1.5 Grmm., Erwachsene mcbt
über 6—8 Grmm. f. d. T. erhalten.
C. Ranchfuss (Gerhard f$ Handb. III. 2. p.
207. 1878) erblickt die Prophylaxe in der Abhal-
tung der Ursachen des Kehlkopfkatarrhs mid Ver-
hütung der Uebertragung von Diphtheritis (In Spi-
tälem und Familien), sowie in dem Verhüten des
Fortschreitens der diphth. Rachenaffektion auf den
Kehlkopf. Nach Loiseau nützt in prophylakti-
scher Hinsicht die Applikation von Alaun und Tannin
auf die Rachenschleimhant.
Prof. F. Seit z (Bayr. ärzti. Intell.-Bl. XXV.
6. 1878) betont, dass die Prophylaxis der Diphther.
entschieden mehr Sorgfalt erfordert, als ihr bidwr
zugewendet wurde (Absonderung bis zur vftlligeD
Reconvalescenz auch in leichten Fällen), wbb beson-
ders auf die Verbreitung der Krankheit dnreh die
Schulen Bezug hat. Die Desinfektion alles Dessen,
was in dem Bereiche des Diphther.-Kranken sieh
befand, whrd kaum gehörig durchgeführt (heisses Was-
ser, hohe Wärmegrade, Chlor, Schwefelsäure, Eisen-
vitriol, hypermangansaure Alkalien, Scheuem der
Zimmer und Durchräuchern mit Schwefeldämpfen n.
Durchzug von Luft). Ferner sollen Personen, wdehe
um die Kranken herum sein müssen, sich täglich
einige Male mit frischem Wasser, verdünntem Chlor-
oder Kalkwasser gurgeln.
B. Schar fenberg (Inaugnral-Diss. Breslao
1878) verlangt, als prophylaktische Maaasregehi,
Desinfektion, nicht allein des Krankenzinmien,
sondern der ganzen Wohnräume des Hauses, in wd-
chem die Krankheit auftrat, sowie Isolirnsg dei
Kranken.
Dr. E. Lewy weist in einer 2. Abhandlung
(a. a. 0. V. 4. p. 56. Febr. 15. 1879) dnimof hio,
dass die Diphther.-Epidemie des vorigen Jafaihnn-
derts von 1739 — 1778 dauerte, und dass deshalb
die jetzige, deren Beginn in Wien in das Jahr 1876/77
fiel, wohl noch längere Zeit dauern wird. Als aste
Maassregel gegen die weitere Ausbreitung, sowohl
von amtlicher als von privatärztiicher Seite, ist die
Kor mann, BehandlnDg der DiphtheriÜB.
275
Anmeldoiig jedes ErkrankuDgsfjalles bei der Sanitäts-
behörde anzusehen. Abgesehen von den bekannten
prophylaktischen Maassregeln der Desinfektion und
des Ausschlusses der Geschwister der Erkrankten
vom Schulbesuche lenkt Vf. die Aufmerksamkeit zu-
erst auf die Transportmittel fQr die Kranken, die bis
jetzt sehr unzweckmässig sind. Hier würde ein Sa-
nüätswaffen ftlr jeden Stadtbezirk dem Bedttrfniss
abhelfen, dieser aber stets grflndlich zu desinficiren
sem. Ueberhaupt aber verlangt Vf. fär Wien eine
Kweckmisslg eingerichtete DetinfektionsanatalL Nur
80 kann der Handel mit alten Kleidern, Wäsche
a. 8. w., oder das Verschenken derselben von den
anhaftenden Vorwürfen befreit werden. Eine amt-
liehe Desinfektionsanstalt könnte leicht mit einem
EDdemiespital In Verbindung gebracht werden. Fer-
ner gehört hierher die Errichtung von Diphther.^
Spitälern, da diphther.-kranke Kinder leicht Anlass
sor Entstehung von Hausepidemien in Kinderspitälem
abgeben.
W. N. Thursfield zu Birmingham (s. Ge-
sondbeit IV. 9. p. 131. Mai 1879) hält die Diphthe-
rie forden Typus einer verhütbaren Krankheit, da sie
im Entstehen und in der Verbreitung von baulichen
Mängeln abhängig ist, leicht durch persönliche An-
steckung überü'agen wird, und durch Beseitigung ge-
wisser örtlicher Zustände zu verhüten ist. In Fami-
lien, wo Absperrung, Desinfektion und Reinlichkeit
vernachlässigt werden, tritt die Diphtherie in den
schlimmsten Formen auf. Beachtet man aber die ein-
sehlägigen Verhältnisse, so darf man auf die günstig-
sten Erfolge rechnen. Vf. glaubt also, dass die Krank-
heit unmittelbar durch die Verhältnisse des Kranken
beemflusst wird; besonders gern werden Personen
ergriffen, die erst kurze Zeit an dem von derDiphth.
befallenen Orte wohnen. Sämmtliche Wege, auf
denen die Diphtheritis vorschreitet , sind jedoch der
Deberwachong durch sorgfiUtige Desinfektion zugäng-
lich. Es sind aber nicht allein Kleidungsstücke, Ge-
räthschaften und Wandbekleidung, sondern auch Ab-
zugsrohre n. s. w. zu desinficiren. Schlüsslich ver-
langt Vf., dass, wenn sich in einer Schule ansteckende
Baiskrankheiten zeigen, dieselbe so lange geschlos-
sen werden soll, als ungefähr die Incubationszeit der
Diphtherie beträgt (1 Woche) ; während dieser Zeit
soUen aber Aborte und Zimmerwände gründlich ge-
reinigt u. Vorsicht bei Zulassung der Reconvalescen-
ten gehandhabt werden.
Dr. E. Wiss zu Charlottenburg (Die Heilung u.
Verhütung der Diphtheritis. Beriin 1879. A. Hirsch-
wald) hält die Mittel, welche Colli ns angab, um
das Eindringen von Cloakengas in die Wohnungen
zn verhüten (Verlegung der B[auptabflussrohre in
den Hof, Benutzung von Rohren aus glasirtem ge-
hranntem Thon , die mit Cement verkittet werden,
Anbringen vonVentihitionsrohren, die auf dem Dache
enden, an allen Abflussrohren), nicht ftr genügend,
da die Luft des betreffenden Bodens mit der Luft
der Wohngebäude zusammenhängt. Er selbst bringt
einige Fälle bei, in denen die Entstehung von Ty-
phus und Diphtheritis durch fauh'ge, in die Woh-
nungsräume dringende Gase bedingt zu sein schien.
Ausser den defekten Abflussrohren, sind es die Clo-
sets und die Küchenabgüsse, die Cloakengase in die
Wohnungen dringen lassen. Hier empfehlen sich
Vorrichtungen, wie die von Alridge und Zeitler,
die Ventilationsrohre von den Closets und Küchen-
abgüssen nach dem Dache fuhren, deren Ventile
durch das einströmende Wasser geöffnet werden und
mit Reinigungschieber versehen sind. Das Haupt-
gewicht aber legt W. auf gut cementirte und fest
verschlossene Abortgruben oder ein entsprechendes
(Heidelberger) Tonnensystem und häufige geruchlose
Abfuhr. Nur letztere kann die Desinfektion über-
flüssig machen.
In einer 3. Mittheilung wiederholt Jacobi
(Treatise on Diphtheria. New York. Wm, Wood.
1880) die bekannten Vorschriften hinsichtlich der
Prophylaxe. In Bezug auf die Verabreichung von
Kali oder Natrum chloricum räth er zur häufig wie-
derholten Verabreichung kleiner Gaben.
Dr. Lachmund in Leisnig (Allg. med.Centr.-
Ztg. IL. 1. p. 1 ; Jan. 1880) empfiehlt nach über-
standener Krankheit in prophylaktischer Hinsicht
kalte Waschungen, besonders des Halses und des
Gesichts, auch der Brust.
Dr. F. H. Patton zu West Newton (Philad.
med. and surg. Reporter XLU. 5. p. 107. Jan.
1880) giebt als Präservativ Alkoholika, besonders
Branntwein, auch Kindern in massigen Mengen,
durchschnittlich 4mal täglich, und glaubt damit gute
Resultate erzielen zu können.
Dr. Nathan Jacobson zu Syracuse (New
York med. Record XVH. p. 308 ; March 20. 1880)
sucht die Wirkung bereits eingetretener Contagion
dadurch zu neutralisiren, dass er darauf dringt, dass
die Kanäle sorgfältig gereinigt werden, eine mangel-
hafte Ventilation verbessert, eine UeberfQllung der
Wohnungen beseitigt, die Exkretionen desinficirt, für
Isolirung der Kranken und dafUr gesorgt wird , dass
gesunde Familienglieder die Krankheit nicht auf
Andere übertragen. Ausserdem mtlssen alle bei
Diphther. gebrauchten Instrumente desinficirt wer-
den, ehe sie bei nicht diphtheritischen Kranken ver-
wendet werden.
Dr. Coesfeld zu Barmen (Deutsche med.
Wchnschr. VI. 36. p. 473 ; Aug. 28. 1880) hält
von Seiten der Prophylaxe sowohl als der Verhü-
tung von Recidiven die Herstellung eines normalen
Verhaltens der Tonsillen mit nachheriger Abhärtung
für die Hauptsache: Gurgelungen mit Kochsalz-
oder Seewasserlösung, Bepinseln der Mandeln mit
Jodtinktur oder Entfernung derselben. Die Abhär-
tung erzielt er durch täglich mehrmaliges Gur-
geln mit kaltem Wasser, Trinken desselben, kalte
Waschungen des Halses, mit nachheriger kräftiger
Friktion, und Athmen durch die Nase bei geschlosse-
nem Munde, besonders bei Ost- und Nordwinden.
276
E 0 r m a D n y Behandlang der DiphtheritiB.
Dr. Josef Marx zu Erlangen (Arch. f. klin.
Med. XXVII. 1. u. 2. 1880) verlangt behufs Ver-
hütung weiterer Uebertragung der Krankheit die
Separation der Kranken, besonders von Kindern und
von der Schule, auch bei der leichtesten, der sog.
katarrhalischen Form. Die Vermeidung von Zärt-
lichkeiten (Küssen u. s. w.) sollte nie ausser Acht
gelassen werden. ,
Dr. R. Weise (Berl. klin. Wchnschr. XVIII.
4. p. 52 ; Jan. 24. 1881) lässt durch seinen Apparat
5proc. Oarbolsäurelös. zerstäuben, um die Familien-
glieder möglichst zu schützen (Fuhrmann). Lei-
der geschieht von Seiten der Behörden und Aerzte
zu wenig, um den chronischen Endemien (Scharlach
und Diphtheritis) die Lebensbedingungen zu ent-
ziehen.
Dr. JosefSchmid (Wien. med. Presse XXIL
18. p. 462 ; April 10. 1881) dringt auf Separiining
der Kranken und strenge Desinfektion der Wohnun-
gen, um wenigstens die Umgebung vor Ansteckung
zu bewahren.
Wenden wir uns nun zur eigentlichen
Behandlung der Diphtheritis^
so können wir uns die Thatsache nicht verhehlen,
dass es trotz der stattlichen Reihe von Heihnitteln,
welche gegen die so mörderische Krankheit empfoh-
len worden sind, bis heule noch nicht gelungen ist,
ein unter allen Umständen wirksames Spedfikum,
wie wir es der Intermittens gegenüber im Chinin
besitzen, aufzufinden. Wohl aber werden wir aus
der folgenden Zusammenstellung die Ueberzeugung
gewinnen, dass uns der Weg, auf welchem wir oder
unsere Nachkommen zu einem erfreulichen Ziele ge-
langen werden, angebahnt ist. In dem verflossenen
Zeiträume sind, wie wir sehen werden, ebenso die
früher gebräuchlichen Behandlungsmethoden immer
wieder von Neuem empfohlen worden, als auch
eine Reihe neuer Heilmittel angegeben woi'den, von
denen aber fast nicht eines auch schlechte Erfolge
aufzuweisen hatte.
Die Thatsache, dass bisher noch jedes Heil-
mittel, welches sich in der einen Epidemie oder in
der einen Gegend hülfreich, ja fast als Specifikum
erwies, in einer andern Reihe gleich erscheinender
Krankheitsßille oder unter andern örtlichen Verhält-
nissen nicht wirksam war, — diese Thatsache legt
uns, wie die Redaktion der Deutschen med. Wo-
chenschr. (VI. 3. p. 31. 1880) so richtig bemerkt,
die Annahme nahe, dass bei Diphtheritis die erheb-
lichsten örtlichen und zeitlichen Differenzen walten
müssen. Daher muss der praktische Arzt alle Heil-
mittel kennen, welche irgendwo von gutem Erfolge
begleitet waren. Deshalb verlohnt es sich, alle Er-
fahrungen vorläufig objektiv zu registriren, was inr
hier möglichst gründlich vei'sucht haben.
SchwefelmitteL
Oscar Giacchi empfiehlt den Schwefel und
Schwefelmittel behufs Verhinderung der Entwick-
lung der krankhaften Fermente (Lo Spränentale,
Marzo; Gaz. de Par. 19. p. 241. Mai 1874).
H. Averbeck (Wien. med. Wchnschr. 38.39.
Sept. 1876) hat die Diphtheritis seit aner Reihe tm
Jahren bei kräftiger flüssiger Kost mit Einblasm-
gen von Flor, sulph. non depur., späterhin mit Za-
Satz von Vto bis I^/q Salicyl- oder Garbolsftnre er-
folgreich behandelt, welches Pulver er mitteis eines
Schilfrohrs in die Rachenhöhle oder in den Kehl-
kopf einbläst [mittels eines GnmmiballoDS wäre diea
wohl nnge&hrlicher auszufahren , denn A. steckte
sich selbst einmal an]. Zu Insnfflationen m die
Choanen verwendet A. winklig gebogene Glasröhieo.
Alle halbe Stunden müssen 2 bis 3 InsofflatioDeB
ausgeführt werden, Tag und Nacht hindorch, bis
jede Spur von diphth. Schorfen verschwanden ist
Nach jeder Einblasung soll sich Der y der sie ausge-
führt hat, den Mund mit einer VtPi^oc. Salic^lsSoie-
lösung ausspülen. Kann der Kr. den Mnnd oieU
genügend öffnen, so lässt A. (ausser Priessnitz'seheB
Umschlägen um den Hals) Ausspritzung des Phaiynx
mit einer Va- his Iproc. Carbol- oder Salicylsänre-
lösung vermittelst einer Oummiballonspritze , deren
Ansatz in den Mund , oder besser in die Nase einge-
führt wird , ausfahren. Stets muss eine inneriiehe
Behandlung beigef> werden, sobald es sich um die
diphtheritische Allgemeinerki*ankung handelt. Hier
giebt A. selbst kleinem Kindern 0.3 bis 0.4 Ormm.
Chinin, sulph. mit 0.4 bis 0.75 Ormm. Ac. snlph.
dilut. auf 120 Ormm. Wasser, Erwachsenen aber
1.0 bis 2.0 Chinin mit 2.0 bis 3.0 Ormm. Ä&
sulph. dil. auf 150 Ormm. Solution.
Antiseptika, Desinßcientia.
(Carbol-, Salieyl^f Borsäure,)
Senator( Volkmann's Samml. klin. Vortr. Nr.78.
[innere Med. Nr. 27.] 1878) glaubt, die AusbrdtoBg
der Synanche (od. Kynanche) auf den Kehlkopf nieht
verhüten zu können, weil die Kehlkopfaffektionen zur
Synanche gehören, wie die Erkrankung desPhaiyiix
und der Nieren zum Scharlach [?]. Man mnss aber je-
den Reiz von den zur Entzündung disponirten Organen
fernzuhalten suchen. Aetzen des Rachens kann die
Ausbreitung der Entzündung auf den Kehlkopf nur
fordern. Ueberhaupt sind ja auch die Membranen
nicht die Krankheit, sondern nur deren Produkt.
Deshalb hat man mit Recht fast allgemein die Aetnm-
gen verlassen. Der Anwendung desinficirender Mittel
setzen sich im Pharynx sehr grosse Schwierigkeiten
entgegen, da die Mittel nicht stark genug angewen-
det und nicht in alle Winkel derOeschwttregebneiit
werden können. Bei zu grosser Stftrke würden die
Mittel ebenfalls die Luftröhrensohleimhaat sa sehr
reizen und von kleinern Kindern , die ja gerade tfi
meisten gef&hrdet sind, durchgängig verweigert wff-
den (Ourgelungen, Injektionen aller 10 bislSMiBa-
ten). Bei solchen Proceduren schreien sich die Kin-
der heiser und das ist ein nener Reiz! Wo kein
Widerstand geleistet wird , Iflsst S. den Baehen mit
emer Lösung von Übermangans. Kali (1 : 300) oto
K 0 r m a D n y Behandlung der Diphtheritis*
277
mit Ealkwasser oder einer Lösung von chlorsaurem
Ktli aossplllen , oder mit einem weichen Pinsel oder
Sehwimmchen bestreichen; bei sehr heftiger Ent-
zflndnog Bisstflckchen in den Mund« Innerlich giebt
er 2stfindlich 0.05—0.3 Grmm. Kali ohloric. in
wtoeriger Lösung. Sobald der Kehlkopf sich er-
griffen zeigt y ist ein entschiedenes Eingreifen indi-
drt. Stets zuerst Brechmittels aber nicht Apomor-
phln^ das leicht Collapsus erzeugt ^ sondern grosse
Dosen von Ipecacnanha mit ganz kleinen Mengen
Breebweinstein, oder lieber Cuprum oder Zinc. sulph. ;
die Brechmittel werden wiederholt bei Athemnoth
oder EratickungsanfiUlen. Ausserdem Inhalationen
von Wasserdämpfen aus grossen Becken , bei anstel-
ligen Kindern auch mittels Inhalationsapparates
(Topf mit Trichter und Wasser oder Chamillenthee^
mit oder ohne Kalkwasser , Salpeterwasser , Milch-
fläore und Brom nach Schütz' Methode); bei kräf-
tigen Kindern und hohem Fieber Einreibungen von
graoer Salbe in die Halsgegend ; zwischen 2 Einrei-
boogen hydrother. Einwicklungen des Halses oder
Umlegen von Speckschwarte. In den bei Weitem
meisten schweren Fällen wird schlflsslich die Tracheo*
tomie und der Zeitpunkt ihrer Ausführung in Frage
kommen. Indicirt ist die Tracheotomie in jedem
Falle, sobald es zur Verstopfung des Kehlkopfs ge-
kommen ist« Der Zustand der Lungen bildet keine
CoBtnündikation , da überhaupt die Tracheotomie an
der Prognose nichts ändert, sondern nur die momen-
tane Erstickungsgefahr beseitigt. Bei bedeutender
Athemnoth oder bei ErstickungsanfUUen , die laryn-
gealen Ursprungs sind , ist die Operation stets indi-
eiil — Die Lähmungen weichen einem roborirenden
Veiüahren, rascher unter Anwendung der Elektricität
(meist Induktionsstrom). — Bei Eintritt drohender
Erscheinungen (centraler Lähmungen) Excitantien.
George Johnson (Lanc^ I. 3; Jan. 1875)
empfiehlt vor Allem örtliche Desinfektionsmittel , um
der Krankheit den specifischen Charakter zu nehmen:
(älorwasser , flbermangans. Kali, Acid. sulphuros. ;
er selbst zieht die Chlorverbindungen vor. S a 1 1 e r
giebt Tinct ferri perchlor., zum Gurgeln Kochsalz,
reiehliche, bes. flüssige Nahrung und Stimulantien
(Portwein). Thomas Stills giebt bes. Beau'-
foife Lösung von Chlorine, innerlich und zum Gur-
gehi, und Eisentinktur. Letzterer schreibt J. beson-
ders eme lokale Wirkung zu , ebenso den adstrin-
girenden Bestandtheilen des Portwein. Scharfe
Aetzmittel, ebenso Blasenpflaster sind nach J. zu
Tenneiden, letztere, weil Entblössung der Unterhaut
bei oonstitutionellen Krankheiten dem Gifte den Ein-
tritt am leichtesten gestattet. — Hat sich die
Ezsndation auf die Luftwege ausgedehnt, so empfiehlt
J* Pmselungen oder Inhalationen, bes. mit Acid.
nüi^uroB«, weil es die Lungen nicht stark reizt
(ebenso Dr* J o y o e). Alle örtlichen Mittel müssen
sehr häufig angewendet werden. Ist das Schlingen
unmöglich , so soll der Kr. per annm ernährt wer-
den. Krankenstuben sind gut zu ventiliren. Ist die
Diphth. durch ungesunde Wohnung herbeigeführt,
so muss man die Kranken womöglich fortschaffen,
oder dieselben wenigstens weit entfernt von der
Quelle der Infektion legen. Für die Untersuchung
empfiehlt Johnson einen Concavspiegel an der
Stirn des Untersuchenden zu befestigen und ein Licht
neben den Kopf des Fat. zu halten. (Kt.)
Prof. A. Jacobl (Contrib. to the Pathol. and
Therap. of Diphtheria. New York 1875. Wm.
Wood. — S. a. Amer. Joum.ofObstetr. Vn. p. 628.
Febr. 1875) stellt zur Behandlung 3 Indikationen
auf. 1) Die Pseudomembranen zu lösen , besonders
wenn sie im Kehlkopfe sitzen (Kalkwasser, Glycerin,
feuchte Wärme). Dabei gelangen aber die infek-
tiösen Stofife leichter in die tiefern Gewebsschichten.
2) Die Oberfläche , von welcher die Membran ent-
fernt wurde, zu modificiren (Adstringentien, an erster
Stelle Eisensesquichlorid , über dessen Anwendung
gegen Diphtherie J. histor. Bemerkungen belftlgt).
3) Durch Desinficientia sowohl die chemischen Ver-
änderungen zu verhindern und das Leben von Para-
siten zu enden, als auch gegen die infektiösen Eigen-
schaften der Diphther.- Exsudation selbst vorzu-
gehen (bes. Carbolsänre). Als Antiseptikum mttsste
Chinin in zu grossen Mengen genommen werden;
man muss es daher mehr als Antipyretikum ver-
wenden und nach Binz nicht in saurer Lösung ein-
verleiben. Das Entfernen der Membranen hat J.
zwar versucht, glaubt aber, dass es bei der Vulnera-
bilität der Phaiyngealschleimhaut mehr Schaden als
Nutzen haben kann. Er verordnet daher in den
leichten Fällen häufige und kleine Dosen chlors.
Elali, combinirt mit Kalkwasser oder Tinct. fern
muriatici (2.0 bis 8.0 Grmm. pro die) mit etwas
Glycerin. Gegen Drüsenschwellungen Eisumschläge
und kaltes Wasser. — Bei membranösem Croup giebt
es keine Contraindikation gegen die Tracheotomie,
sobald Sufibkation von Seiten der Larjngealaffektion
eintritt ; ausserdem Inhalation von Kalkwasser oder
Milchsäure. Uebrigens muss jeder Fall individuell
verschieden behandelt werden.
An einer andern Stelle (Gerhardt's Handb. U.
S. 760) bezeichnet Jacob i ein ezspektatives Ver-
fahren bei Diphth. als stets gefährlich, weil man
auch plötzliche Veränderungen im Charakter einer
Krankheit vei*hüten soll. Femer ist es bei der
Diphth. geftlhrlicher, zu wenig als zu viel zu geben,
bes.Cognac, von welchem ein Sjähr.Kind 30 — 150
Grmm. verträgt, oder kohlens. Ammoniak in Dosen
zu 1.0 — 5.0 Grmm., oder Kampher oder Moschus zu
0.5—1.0 in 24 Stunden. — Die örtlichen Heil-
mittel bringt J. in 3 KUssen. Zur 1. Klasse zählt
er die Inhalationen bei Kehlkopfdiphtherie (Kalk-
wasser, Glycerin^ Milchsäure, feuchte Wärme), auch
nach ausgeführter Tracheotomie mittels des Pulveri-
sateur. Er konnte jedoch keinen Einfluss auf den
Ausgang selbst bemerken. Zur 2. Klasse rechnet J.
das chlorsaure Kali und Natron und die Adstiingen-
tien, gegen deren Anwendung seine Erfahrungen
sprechen. Hierher gehört auch das Eisenperchlorid,
von dessen innerer Verabreichung J. Nutzen sah,
278
E 0 r m a n D y Behandlang der Diphtheritis.
wenn es nicht in kleinen oder seltenen Dosen ge-
geben wurde (Vi—Va — Istündlichö — 15 Tropfen).
Die 3. Klasse umfasst die desinficirenden Mittel,
unter denen Carbolsäure den ersten Platz einnimmt
(innerlich ^/^ — 2 Grmm. in 24 Stunden , ausserdem
lokal Ya — 2proc. Lösungen). Weniger befriedigend
waren die Erfolge von Acidum und Natron salicyli-
cum, ausser bei innerlicher Verabreichung gegen
bochgi*adiges Fieber. Die antiseptische Wirkung
des Chinin hält J. ftlr Folge des unmittelbaren Con-
taktSy nicht der Resorption im Magen. Das Aetzen
ist schon deshalb contraindicirt, weil man neue Wun-
den und Erosionen vermeiden soll, was beim Aetzen
nicht möglich ist. Höchstens benutzt J. dazu eine
Mischung von Glycerin und Carbolsäure zu gleichen
Theilen oderconcentr. Carbolsäurelösung. Von Brom
sah er keine Wirkung, eben so wenig von Schwefeln.
Balsamicis (Cubeben). Die mechanische Ablösung
von Membranen ist contraindicirt. Schlüsslich giebt
J. noch die besondere Behandlung der Diphtheritis
bei verschiedenem Sitze (Mandeln , Nase , Kehlkopf)
an. Beim membranösen Croup erfordern die Suffb-
kationserscheinungen ihre eigne Therapie (Tracheo-
tomie , welche trotz der schlechten Prognose nnter
allen Umständen angezeigt ist, wenn Erstickung
droht). Die Prognose ist aber so schlecht, dass J.
zuweilen gern dem Widerwillen der Eltern gegen
die Operation willfahrte ! [Andere waren glücklicher,
z. B. Win i warter bei einem lOmonatl. Kinde.]
— Die diphtheritischen Lähmungen sind durch Be-
förderung der Verdauung (Pepsin und Salzsäure) bei
normaler Temperatur durch faradischen und gal-
vanischen Strom zu behandeln. Neben Eisen giebt
J. Strychnin (subcutane Injektion), bei Lähmung der
Schlingmuskeln ernährende Klystire oder Ernährung
durch die Schlundsonde.
In seinem ausgezeichneten „Treatise on Diph-
theria" (New York 1880 0 spricht sich Jacobi
dahin aus, dass er jeden Fall nach allgemeinen
R^eln symptomatisch mit Roborantien, Stimnlan-
tien, Febrifugis, äusserlich, innerlich oder hypo-
dermatisch behandelt. Die grösste Beachtung er-
heischt der Eintritt von Collapsus. Ein wichtiges
Unterstützungsmittel ist Alkohol in häufigen und
grossen Dosen von 2 — 12 Unzen täglich; Blutent-
ziehung ist absolut contraindicirt, schwächende Com-
plikationen (Diarrhöe) müssen sofort beseitigt wer-
den. Bei lokaler JDiphtherie besteht die Hauptindi-
kation in lokaler Desinfektion , da wir kein Mittel
besitzen, das Blut wirklich zu desinficiren. Dagegen
lässt sich der Verkehr im Hause , in der Schule und
der sociale Verkehr so modificiren, dass der Verbrei-
tung einer Epidemie vorgebeugt werden kann. Von
empfehlenswerthen Behandlungsweisen bei Diphth.
fbhrt J. an : Dampf Inhalationen mit oder ohne Ter-
pentin oder Chlorammonium , Trinken grosser Men-
gen Wasser mit oder ohne Stimulanzen, innerlicher
und lokaler Gebrauch von Eis ; untersltltzt werden
0 Für die Uebenendung dankt verbindlich Wr.
diese Mittel durch die innere und äussere Anwei-
düng von Glycerin. Dagegen sind nach sdner &•
fahrung Kalkwasser, Milchsäure überschätzt worden,
Alaun und Tannm als ungünstig wirkend, Natrn
benzoicum, Eucalyptus, Sulphur, CopaivaundC«-
beben als unnütz zu bezeichnen , Merknrialien bödi-
stens bei sporadischem Croup nützlich. Dagc^
ist Eiaetiehlorid eines der besten Antiseptika uid
Adstringentia , muss aber (wie schon erwähnt) in
nicht zu kleinen, häufig wiederholten Dosen gegebee
werden. Ein Jahrkind muss mindestens 4.0 Gnnn.
täglich nehmen , ein Kind von 3 — 4 Jahren 8—15
Grmm., Erwachsene noch mehr. Dadurch werdei
die lokalen Applikationen im Rachen meist über-
flüssig. Daneben können chlors. Kali oder Nalrn
(beide zu 2 — 4 Grmm.), Cai'bolsänre (lokal und
innerlich zu 0.2 — 2.0 Grmm. pro die) , Borsäure
äusserlich als lokale Applikation verwendet werden.
Salicylsalze wirken bei infektiösem, Chinin bei ent-
zündltchem Fieber besser. Zerfliessende Kaufltih
sind gefährlich , Mineralsäuren und bes. Carbolslore
vorzuziehen. Sie sind aber auch nur indicirt, wenn
ihre Wirkung auf die erkrankte Fläche beschrinkt
werden kann. Die Membranen dürfen nicht eher
abgezogen werden, als bis sie fast gelöst sind. Tiob
sorgfältigster Behandlung (fortgesetzter Desinfekäon
der Nase und des Pharynx durch Injektionen Tag
und Nacht, gleichviel ob Drüsenschwellungen di
sind oder nicht) kann Nasaldiphtherie tödtlich enden.
Larjmgealdiphtherie endete stets tödtlich, aasser
wenn die Tracheotomie gemacht worden war. Letz-
tere hat weniger Erfolg, wenn die Epidemie od«
der Einzelfall einen septischen Charakter darbietet
Emetika können nur zur Entfernung fast gelöster
Membranen nützen. Bei Lähmungsznständen dnd
gute Diät , Eisenmittel , Strychnin , Elektrotiienpie,
Bäder angezeigt. Gegen Conjunctivitis diphth. eo-
pfiehlt J. Eis und Borsäure, bei Hautdiphtherie Km-
terisation nnd Desinfektion.
John Day (Med. Times and Qaz. Maieh27.
1875) behandelt die Diphtheritis mit milden, nicht
reizenden Desinfektionsmitteln: ätherische L^ng
von Wasserstoffsuperoxyd (R ob b i n 's ozcuic eUier)
zu 12 — 16 Grmm. mit 240 Grmm. Wasser gemiseht
Diess wirkt ausser als Desinficiens angenehm und
beruhigend auf den Hals, wenn es mit einem grossen
Haarpinsel alle Stunden applicirt, oder wenn dafflit
gegurgelt wird. Ausserdem verordnet D. za Gnr-
gelungen Kali hypermanganicum (0.25 auf 240.0)
oder Manganhyperoxyd (4.0 auf 30.0) uod will d*-
bei nie Allgemeinerscheinungen beobachtet haben,
ausser bei Nasendiphtheritis , weil hier gewdhnlieli
dieselben Mittel nicht gut zu appliciren sind, b
diesen Fällen zieht er daher Joddämpfs vor. Bd
nicht complicirten Fällen giebt er inneiiieh asdi
Chinin als Desinficiens an und fährt zur B^rflndmig
die Thatsache an, dass Schafsblut, mit Chinin ver-
setzt, nach 14 Tagen noeh nicht fanb'g war. (Kt)
Dr. Hano w in Ueckermflnde (Berl. klin. Wo-
chenschr. XU. 20 ; Mai 1875) rflhmt den Nai»D
E 0 r m a n n ^ Behandlang der Diphtheritis.
279
der SaUcylsäure. Er gab einem Erwachsenen von
einer Lösung von 0.5 Grmm. Acid. salicyl. und
5.0 Grmm. Natr. solph. in 150.0 Grmm. Wasser
stflndlich einen Esslöffel, der langsam verschluckt
wurde. In allen 6 Fällen begann nach der 3. oder
4. Gabe des Mittels die rapide Abstossung der Mem-
branen.
Dr. Theodor Schüler in Cttstrin (a. o. 0.
40; Oct) theilt dagegen ungflnstige Erfolge bei
der Sallcylsänrebehandlong mit. Er behandelte,
indem er jedes Halbjahr mit dem Mittel wechselte,
41 Fälle mit Kali chlorieum (6 Todesfälle), 23 mit
Carbolsänre (1 Todesfall) und 15 mit Salicylsäure
(7 Todesälle), in allen Fällen fand eine energische
Ealtwasserbebandlnng daneben statt. In einem von
den 15 SalicjlsäurefäUen trat eine lethal endende
Nierenentzündung ein. Seh. hält daher Carbol-
Blore bei Diphther. für wirksamer als Salicylsäure,
obwohl ausser J)r. Wagner (s. den folg. Aufsatz
von Letzerich) auch Dr. Fontheim (Journ. f.
prakt. Chem. N. F. XI. 1875) in 32 Fällen durch-
weg günstige Erfolge mit Salicylsäure beobach-
tet hat
Dr. Ludwig Letzerich in Braunfels (Vir-
ebow's Arch. LXIV. 1. p. 104; Juli 1875) prüfte
die Wirkung der Salicylsäure auf die in Impfröhr-
ehen gezüchteten Diphther.-Organismen unter dem
Mikroskop. Er stellte sich verschieden starke Sali-
eylsänrelöBungen [1 : 1 — i Alkohol u. 40 — 480 Aq.]
dar und sah nach Zusatz eines Tropfens derselben
die kreisenden lebhaften Zickzackbewegungen der
Bakterien je nach der Stärke der Lösung rasch auf-
boren; die Plasmakugeln verloren an Glanz und
zeigten bald doppelte Gontouren, während das Proto-
plasma der grossem Plasmakugeln, das im Begriff
wir, zu Mikrokokken sich umzuwandeln, oft so
Biassenhaft mit Luftbläschen (Vacuolen) durchsetzt
enehien, wie sie sonst nur nach Einwirkung von
absolutem Alkohol beobachtet werden. Zwei Impf-
versache mit Diphther.-Organismen, denen zwei
Tropfen der stärksten Salieylsäurelösung (1:1: 40)
SDgesetzt waren, blieben erfolglos. In 7 Fällen, in
denen L. die Salicylsäure bei Diphtheritis anwandte,
war der Erfolg gut In 5 leichten Fällen von Pha-
lyBgealdiphtber. (3 Erwachsene, 2 Rinder von 11
und 12 Jahren) nützten Qnrgelungen mit einer
LöBung von 1 Grmm. Acid. salicylic. in 2 Ormm.
Spir. vini rectifio. in 250 Grnmi. Aq. dest. ferv. bin-
nen 4 Tagen. In den 2 schweren Fällen verordnete
Letzerich erst nur innerlieh 2stündl. 0.3 Grmm.
Acid. salicyl. et Sacchar. ana. Es besserte sich
^91 bis zum 3. Tage das Allgemeinbefinden, aber
die Belege waren noch in ursprünglicher Grösse vor-
luuiden. Deshalb wischte L. die Tonsillen ndt
Sehwämmchen ab und puderte sie dann mit trocke-
ner Salicylsäure ein, worauf die Belege schnell ver-
schwanden, so dass im 1. Falle nur 1, im 2. Falle
2 Bestäubungen ndthig waren. Ebenso gute Er-
folge hatte Dr. W a g n e r in Friedberg in 15 Fällen
(Joam. f. prakt Chem. N. F. XI. Jan. 1876).
Hierzu giebt L, 3 Thierexperimente. Zwei Kanin-
chen, denen er die Diphther.-Organismen in die
Haut ei^mpfte, blieben bei innerlicher Anwendung
von Salicylsäure am Leben. In beiden Fällen wur-
den Mikrokokken und Salicylsäure im Harne nach-
gewiesen. Den 3. Fall gab das eine der gesun-
deten Kaninchen ab, welches in die Schleimhaut der
Oberlippe u. in das Lippenbändchen geimpft wurde.
Am 3. Tage begann L. die Sallcylsäurebehandlung,
die die Ausdehnung des Processes auf die Larynx-
schlehnhaut und den Tod des Thieres nicht verhin-
dern konnte. — L. schliesst mit der Bemerkung,
dass man sich nicht auf die innere Verabreichung
der Salicylsäure allein verlassen dürfe, sondern sie
stets lokal anwenden müsse.
J. L. Smith (Amer. Journ. of Obstetr. VIII.
2; Aug. 1875) empfiehlt thunlichst frühzeitige
Lokalbehandlung der Diphtherie, da wenigstens im
Anfapge die Schwere der Krankheit stets von der
Ausbreitung der Lokalafiektion abhängt. Die Be-
handlung hat die Umänderung der croupösen Ent-
zündung in eine kataiThalische anzubahnen, d.h. die
Elntzündung zu massigen. Die Erfahrung hat ge-
zeigt, dass die diphtheritischen Pseudomembranen
das spec. Gift in impfbarer Weise enthalten, u. dass
die darüber hillstreichende Luft mehr oder weniger
mit dem Gifte imprägnirt wird. Hierin liegt die
Gefahr der Verbreitung auf Andere und der Selbst-
infektion (sekundäre Larynzaffektion bei primärer
Rachenaffektion). Die lokale Behandlung hat also
für Desinfektion des Rachens und der Nasenhöhlen
zu sorgen und die Blutvergiftung zu verhüten. Sie
soll schmerzlos sein; Sm. führt sie mit einem langen
Haarpinsel aus. Im katholischen Findelhause wur-
den in den ersten 5 Mon. des J. 1875 32 Kinder an
Diphtheritis behandelt, von denen nur 6 starben (sie
waren mit Ausnahme eines tödtllchen Falles sämmt-
lich von Anfang an untersucht worden; der betr.
Kr. wurde dagegen erst am 6. Tage aufgenommen).
Zu den Bepinselungen (alle 2 — 3Std.) empfiehlt Sm.
eine Mischung von Sol. Acidi carb. Gtt. VI — VIII
und Liqu. ferri sulphurosi 12 Grmm. und 30 Grmm.
Glycerin. Bei Affektion der Schneider^echen Mem-
bran und der Nasenhöhlen wird ein kleiner Theil
derselben Flüssigkeit mit eben so viel warmem
Wasser in jedes Nasenloch aller 3—6 Std. injidrt
(Vs— Va Theelöffel voll). Ausserdem wird Chinin
0.06 — 0.12 Grmm. je nach Alter des Kr. und
Schwere des Falles gegeben (4stündlich) und da-
zwischen stündlich Va — ^ Theelöfiel voll einer Mi-
schung von Kali chlor. 4 — 6, Tinct. feni perohlor. 4,
Syr. simpl. 120 Gramm. Zu empfehlen ist der Zu-
satz einiger Tropfen Add. muriaticum. Während
einiger Minuten nach dem Nehmen der Medicin darf
kein Getränk genossen werden. Verläuft der Fall
günstig, so wird nach 3 — 4 Tagen dieselbe Behand-
lung weniger häufig angewendet, jedoch erst aus-
gesetzt, wenn die letzte Spur von Entzündung ge-
wichen ist, da häufig neue Membranen auftreten,
wenn die Pharyngitis noch fortbesteht. Schlüsslich
280
E 0 r m a n n , Behandlung der Diphtheriüs.
genügt eine Lösung des chlors. Kali zum Trinken n.
Gurgeln. Treten Zeichen von Allgemeininfektion ein^
so sind Stimulantien und Tonika neben b^ter Er-
nährung indicirt. Schreitet die Affektion auf den
Kehlkopf vor, so giebt Sm. ein Brechmittel, am
liebsten Cnprum sulph. in Verbindung mit einem
alkohol. Stimulans; Ipecacuanha und „hive syrnp'^
sollen als deprimirend vermieden werden. — Diph-
therit. Paralysen behandelt S m. mit Strychnin und
Tonicis, meist in der Form des Elix. ferri phospb.,
chinini et strychnini, worin auf je 4 Grmm. 0.001
Grmm. Strychnin enthalten ist.
R 0 b. B e 1 1 (Brit. med. Journ. Jan. 29. 1876) ver-
ordnet, weil die Krankheit leicht zu Prostration führt,
bei Zeiten Stimulantien und kräftige Nahrung in Form
von Gallerten, Suppen und Milch, um die Natur zu
untejrstatzen. Oertlich wendet er eine Lösung von
1 Theil Carbolsäure, 3 Theilen Ac. sulphurosum n.
4 Th. Liquor ferri sesquichlor. in 30 Th. Glycerin
an, zum Einpinseln oder als Spray alle 2 Stunden.
Dabei lässt er den Mund fleissig ausspülen mit einer
schwachen Lösung von Condy'scher Flüssigkeit in
Wasser ; innerlich giebt er alle 2 Std. einen Dessert-
löffel einer Mixtiur aus Kali chlor. 12.0, Acidi sulphu-
rosi 14.0,Tinct. ferri perchlor. 12.0, Glycerini 30.0
Grmm., Aquae dest. q. s. ad 180.0 Grmm., selbst
während der Nacht. Seitdem er diese Behandlungs-
weise anwendet, hat er nur 2 Todesfälle gehabt, bei
Kindern, die der Kur durchaus widerstrebten.
Bouchut (Gaz. des Höp. Janvier 1876) er-
zielte mittels Schlunddusche mit Coaltar saponini de
Leboeuf und kräftiger Nahrung in einem Falle Hei-
lung binnen wenigen Tagen. Gegen diphthentisdie
Lahmung empfiehlt Bouchut (Gaz. des Höp. 47.
1880) in erster Reibe Tonika (Gognac oder Bordeaux
mit Wasser, Chinawein, Chinaexti*akt 0.05 auf
1 Grmm. Lösung ; — Strychnin, Nux vomica, Bru-
cin geben nach B. keine bessern Resultate alsOognac
und Chinin), in 2. Reihe lokale Excitantien (Friktio-
nen der Beine, aromatische Dampfbäder, Schwefel-
oder Salzbäder, Elektrisiren des Gaumensegels, des
Halses und der Halswirbelsäule mittels des constan-
ten oder des intermittirenden Stromes ; er giebt in-
dessen dem letztem den Vorzug). Ausserdem nützen
Landaufenthalt, frische Luft, Hydrotherapie, See-
bäder.
Dr.E.Chenery (Boston med. and surg.Joura.
XCIV. p. 657. June 6. 1876) empfiehlt, gestützt auf
158 Fälle von Diphtherie und auf die Theorie einer
zymotisohen Blutvergiftung, als antifermentative Be-
handlung das häufige Verabreichen von Natr. subsul-
phurosum (Hyposulphite of soda). Er giebt 0.3 bis
0.9 Grmm. (und mehr) in Syrup alle 2 bis 4 Stun-
den, je nach der Schwere der Erkrankung und dem
Alter des Patienten. Nebenbei giebt er in Milch
5 Tropfen bis zu 2 Grmm« einer Tinktur, die er frü-
her allein gab ; er nennt sie Tinct. Myrrh. compos.
und gewinnt sie durch Digestion von Capsic, Myrrh.
pnlv. und Guaj. pulv. ana 30 Grmm. mit einem Nö-
sel Alkohol. In keinem der mitgetheilten Fälle, die
sehr günstig verliefen, wurde Alkohol gegeben [i
in der Tinktur ! Ref.].
B. Robinson (Amer. Journ. ofObstetr. IX. 2;
June 1876) suchte nach Stoffen, welche dieContagia
oder die Bakterien, die er nur ftür die Träger desCoi-
tagium hält, zu zerstören. Carbolsäure and Stlicyl-
säure sind nach R., obwohl sie gute Präservinmg»-
mittel und Antimikrophytika sind, nicht zu den DeB-
infektionsmitteln im engem Sinne zu rechnen , weil
das wirkliche Gift der virulenten Krankheiten dordi
sie nicht angegriffen wird. Diess gilt besonders ?ob
dem giftigen Princip der zymotischen Krankheiten,
zu denen ja auch Diphtherie gehört. Man kann nor
wenige der sog. Desinfektionsmittel, wenn flberhaopt
irgend eines, in einer annähernd genügenden Menge
geben, um die ganze Blutmasse zu desinfictren. Des-
halb will R. Mittel, wie Kali hypermangan., AeÜ
sulphuricnm, sulphurosum und sulphocarbol. bei
der Therapie der Diphth. weggelassen wissen. Aach
Chinin muss in schnell steigenden Dosen gegdieB
werden, die nicht jeder Fat. ohne Gefahr vertritt.
Man muss sich eben mit kleinen Mengen der sehwef-
ligsauren und sulphocarbolsauren Salze and des Chi-
nin begnügen.
Dr. W. H. Wright zu Skelmersdale (Ltoeet
II. 1 ; Jniy 1876) hat mit der lokalen Anwendung
einer Lösung von 1 Gewichtstheil Ac. carbol. naf
6 Glycerin günstige Erfahrungen gemacht. Bei
einer Diphtheritisepidemie hat W r. bei der Behand-
lung mittels Einpinselung dieser Lösung nur einei
tödtlich verlaufenen Fall gehabt, und auch in diesen
Falle trifft die Schuld nur die Nachlässigkeit der Ei-
tern, die zu spät ärztliche Hülfe suchten.
Dr. C. Pauli (Jahrb. f. Krkh. N.P. X. p.2l7.
1876) behandelte ein 13 Mon. altes Bdädchen md
einen 2 J. alten Knaben auDiphther. mitSalicyisiaTe
(innerl. 0.05 bis 0.1 Grmm. 2stündl. in Pulverfona).
Gegen W. W a g n e r 's Behauptung (Prakt. Beobteb-
tungen über die Wirkung der Salicylsäure. Allg.med.
Centr.-Ztg. 17. Febr. 1875) war er gezwungen, in
1. Falle ein Brechmittel zu geben, als Heiserkdt i.
bellender Husten einen sehr hohen Grad mM
hatten.
Nach J.Eisenschitz(WiMer med. Wdinsehr.
XXVII, 3 u. 4. 1877) muss man zuerst den lokiles
ELrankheitsherd zerstören, wozu die Aetzmittel nor
bei noch nicht ausgebreitetem Krankheitsherde in
Anfang verwendbar sind. In spätem Stadien W
man, um dieser Indikation zu genügen, durch An-
wendung der Antiphlogose (Eisumschläge, iVt^MW^'
sehe Halsbinden), durch Desinfektion der Krankheit-
herde (Kali hypermang., Carbolsäure, Pepsn, Siü-
cylsäure, Liq. ferri sesquichlor«, Lösungen schvef*
liger Säure und schwefligsaurer Salze), sowie diirdi
Anwendung von Medikationen, die den Ablaof dei
lokalen Processes zu beschleunigen suchen (beieBe
Wasserdämpfe, wie sie Oertel und Hauke em-
pfahlen, Brom-Bromkalium, Carbolsäure, HOehsiBi^
Kalkwasser, Einreibungen von Ungt. cinereoni)' £*
wendet nur da, wo Gurgelungen nicht richtig tf^
Kor mann, Behandlung der Diphtheritis.
281
fllbrt werden können, Bepinselangen (aller 2 — 4 St.)
aD, bei denen aber jedes starke Abschenem des Epi-
thels zu vermeiden ist. Sind solehe bei Kindein
nieht ausfahrbar, so muss man sich mit dem Ver-
schlacken der desinficirenden Mittel in schwachen
Lösungen begnügen. Hierzu sind Salicylsäure und
salieylsaure Salze noch am meisten zu empfehlen.
Einspritzungen in die Nase mttssen schnell so voll-
filhrt werden, dass ein möglichst grosser Theil der
iDJektionsfHlssigkeit durch den offenstehenden Mund
wieder abfliessen kann. — Das Allgemeinleiden wird
dnrch gute Ernährung, Chinin, Chinawein (Extr.
Chin. frigide parat, in Wein), starke Weine, Cognac,
Aether, bes. Essigäther, wirksam bekämpft. Die
Bettlage soll so lange eingehalten werden, bis sich
die Rinder wirklich erholt haben. Den Vorschlag,
mittels heisser Bäder und Ein Wicklungen, sowie Ver-
abreichung von vielem Getränk die Diphtheriepilze
ans der Blutbahn durch die Nieren zu entfernen, be-
leichnet E. als kaum ausführbar. — Bei dem Diph-
ther.-Oronp hängt die Indikation zur Tracheotomie
davon ab, ob noch Aussicht auf Genesung vorhan-
den und ob die Stenose der Luftwege eine solche ist,
dass von ihr eine unmittelbare Gefahr droht.
Dr. Ad. Wertheimber, der in seiner bekann-
ten Monographie (die Schlunddiphtherie 1870) die
Behandlung der Diphth. mit Carbolsäure und Aq.
Calcis empfohlen hat, bemerkt (Bayer, ärztl. Intell.-
Bl. XXIV. 6 ; Febr. 1877), dass nach seiner Erfah-
rnng Salicyhäure und salieyU. Natron keinen nen-
nenswerthen Vorzug darbiete. Gflnstigern Erfolg
hatten die Versuche mit der Borsäure, die bei 8 Kr.
(zwischen 4 und 9 Jahren) durchweg gute Dienste
leistete. Anfangs liess W. nebenbei Eispillen schlu-
cken, die diphth. Plaques tägl. 2 — dmal mit einer Lö-
sung von 1 Qrmm. Acid. carbol. cryst. inSpirit.Vinirec-
tif.n.Glycerin. ana 10 einpinseln u. die Borsäure zur
Gargelung in der Stärke von 1 : 25 — 30 Wasser
gebrauchen. Wo Gnrgelungen nicht möglich waren,
worden damit Injektionen ausgeführt (in die Nase
mit Weber 's Nasendusche). Schlflsslich hat W.
das cblors. Kali ganz weggelassen und innerlich nur
Chinin, Wein, Kaffee etc. gegeben. Bei häufigem
Verschlncken der Borsäure kann Erbrechen und Ma-
genschmerz auftreten. Zwischen den einzelnen Gur-
gelangen müssen stets die nöthigen Ruhepausen ge-
laasen werden. Alles Zerren an gelösten Membranen
ist zn vermeiden, ebenso das Aetzen.
Aach Prof. Franz Seitz in München (Bayer,
tetl. Intell.-Bl. XXV. 30. 1878) empfiehlt die ort-
liehe Anwendung der Borsäure, welche übrigens
schon vonDr. Vogel in Eisleben (Allg. med. Centr.-
% 99. 100. 1876) mit Erfolg angewendet wor-
den ist.
Dr. H. T.vonBecker (Zur Pathol. u. Ther.
^' Racbendiphtherie u.s. w. Wien 1877. Braumüller,
^gl. Mittheil. d. Ver. d. Aerzte in Nieder-Oesterr.
ffl. Febr., März 1877) richtet die Behandlung nach
^«a Lokalleiden und dem Allgemeinleiden. Dieio-
Ked. Jahrbb. Bd. 192. Hfk. 3.
kalbehandlung zerßlllt in die chirurgische (Aus-
kratzen, Auslöffeln, Tonsillotomie), in die chemische
(Aetzung, Auflösung der Pseudomembranen) und in
die Desinfektionsbehandlung (Kali chloricnm und hy-
permanganicum, Chlor, Carbolsäure, Salicylsäure).
Das Neurin wirkt nach v. B. stärker auflösend auf
die Exsudatmassen als irgend eines der andern
bekannten Mittel, auch soll der Gestank aus dem
Munde bei Anwendung desselben keinen hohem
Grad eiTcichen. Das Allgemeinbefinden der mit
Neurin behandelten Kranken war trotz hochgradiger
Entwicklung der lokalen Erkrankung gut. — Gegen
die entzündlichen Initialerscheinungen ist die Anwen-
dung von Kälte angezeigt, aber nur bis der Belag
sich abgrenzt. Die Abstossung der Membranen
wird befördert durch Anwendung von Wärme
(0 e r t e 1) . Die Luft wurde von dem Ha u k ersehen
pneumatischen Apparate durch einen Kessel sieden-
den Wassers geleitet , daselbst auf die Tempera-
tur von 40 — 50® R. gebracht und, mit Wasserdampf
gesättigt, durch ein vom Kessel abgehendes Kant-
schukrohr mittels einer langen Kautschukkanüle di-
rekt auf die erkrankte Rachenpartie geleitet. Die
Allgemeinbehandlung richtet sich gegen das Fieber
(Chinin, bez. salicyls. Natron) und gegen die Sym-
ptome der Blutvergiftung (heisse Bäder, Excitantien).
Dr. Rud. Tauszky (The Clinic XH. 10;
March 1877) behandelt die Diphth. als einen putri-
den Process mit Desinfektionsmitteln, die bei Croup
unnöthig sind. Man muss bei Diphtheritis die Ver-
mehrung und das Wachsthum der in so grosser
Menge vorhandenen Organismen verhindern, muss
aber diese Mittel zeitig anwenden, sobald die ersten
Zeichen der Putrefaktion — die Bildung der diphth.
Membranen — sichtbar sind.
Bezirksarzt Carl Stadler zu Szombathely
(Med.-chir. Centr.-Bl. XII. 27—29. JuU 1877) be-
spricht die infektiöse Diphtherie als Allgemeinleiden,
welches in manchen Epidemien aller Mühe und Um-
sicht spottet. In je einer Ortschaft des Komorner
und Vesprimer Comitats heiTschte die Diphtherie
epidemisch. Fast alle Kranke starben, sowohl be-
handelt, als nicht behandelt. Elende Wohnungen,
Armnth und Indifferentismus der Bevölkerung er-
scheinen als wahrscheinliche Ursache der schlechten
Ausgänge. St. theilt 3 interessante Fälle mit, in
denen die Anwendung der verschiedensten Antisep-
tika und Desinficientia den gleichen Erfolg hatte.
1) In einem Orte« wo vielleicht noch nie Diphtherie
vorgekommen war, erkrankte ein 4jähr. Mädchen an
gastoisehen Erscheinnngen und bald an ranh tönendem
Hnsten. Hinter der linken Tonsille fand St. ein kleines
granweisses, fest haftendes Exsudatklümpchen. Sofor-
tige Entfernung von 2 Kindern nnd 2 Erwachsenen ans
dem Hause. Das erkrankte, aber fieberlose Kind erhielt
Eisumsohläge um den Hals, Chinin, EispiUen ; Mund nnd
Rachen wurden mit Lösung von chlors. Eali gewaschen.
Binnen 3 Tagen breitete sich der Process weiter aus, be-
sonders über den Larynx, so dass der Erstickungstod
eintrat.
36
282
K 0 r m a D n y Behandlnng der Diphtheriüs.
2) SJähr. Knabe, Kind der Eltern, zu denen die 4
Glieder der Familie des ersten Falles gebracht worden
waren, erkrankte unter grosser Hitze und Unruhe. Bei
der Untersuchung waren bereits diphth. Belege im Rachen
vorhanden. Aller 3 Minuten Eiscompressen, Sstündlich
Ausspritzen der Rachen- und Nasenhöhle mit Kalkwasser,
Anfangs Touchiren des Rachens mitGlycerin-Carbolsanre-
mischung. Innerlich Chinin und Lösung von Chlors.
Kali abwechselnd. Tod am 6. Tage an Laryngostenose.
3) Von den 3 Kindern der ersten Familie war ein zwei-
tes bereits gestorben, als das dritte, ein 6jähr. Mädchen,
erkrankte. Volle 2 Wochen litt es an katarrhalischer
Affektion der Rachenschleimhaut mit continuirlichem Fie-
ber, gurgelte mit Lösung von chlors. Kali, erhielt Chinin
und wurde täglich untersucht. Erst 8 Wochen nach Er-
krankung des ersten Kindes zeigte sieh ein diphth. Beleg
auf der Tonsille. Wegen des Missgeschicks in den ersten
2 Fällen wurde dieses Kind nun homöopathisch behan-
delt ; es starb ebenfalls.
S t. macht besonders dai*aaf aufmerksam , dass,
trotzdem, dass die Infektion der 3 Kinder (Fall 1 u.
3) wahrscheinlich za gleicher Zeit stattfand , doch
beim 2. Kinde die Krankheit 12 Tage, beim 3. erst
20 Tage nach Erkrankung des ersten ausbrach. Die
Erfolge der Therapie anderer Aerzte sucht St. in
dem Charakter der Fälle selbst.
Prof. E. Wagner (Die croupöse u. diphther. Ent-
zündung des weichen Oaumens. Ziemasen's Handb.
der spec. PathoL u. Therapie. VII. Bd. 1. Hälfte.
2. Aufl. 1878) fordert an erster Stelle strenge Isoli-
mng der Kranken, Temperiren und Ventilation der
Krankenzimmer. Leider kann das Fortschreiten der
Rachenaffektion auf den Larynx durch kein Mittel
verhindert werden. An Stelle der frühem Aetz-
behandlung, die leicht zur Verletzung gesunder
Theile führt, wendet man zweckmässig lösende (Kalk-
wasser, Milchsäure, kohlens. Lithion, Pepsinlösung)
und specifische, entweder desinficirende oder para-
siticide Mittel an (Insufflationen oder Inhalationen von
Alaun, Tannin, Schwefelblnmen, Kali chloric, Carbol-
säare, Salicylsäure, schwefliger Säure, verschiedenen
sulphocarbols. Salzen, Jod, Brom, Kali hypermangan.,
Zinnober, Wasserstoffsuperoxyd, Schwefeläther, Gly-
cerin, Spir. rectificatissimus). Stets ist fleissiges
Reinhalten sehr zu empfehlen. Von Seiten der all-
gem. Behandlung fordert W. , dass auch bei der
leichtesten Form Bettlage eingehalten wird. Die Diät
soll auch bei hohem Fieber nicht entziehend sein ;
Spirituosen, besonders bei adynamischen Zuständen,
ausserdem Eisen, Chmin, Kali chloricum, Natr. bi-
carb. , allein oder mit Natron nitr. oder salicyl. ;
Kaltwasserbehandlung nur bei mehrtägigem Fieber
und leidlichen Kräften. In schweren Fällen nach
D e m m e Transfusion.
Dr. A. Kien in Strassburg (Oaz. m^d. de
Strassb. 1. — Bull, de Th6r. C. p. 88. Janv. 30.
1880) behandelt die Diphtheritis mit bemoeaaurem
Natron, das viel besser als Carbolsäure antiseptisch
wirken soll ; von 1 2 Kr. starb bei dieser Behandlnng
keiner. K. gab Kindern bis zu 1 J. stündlich dnen
Esslöffel einer ^/^proc, Kindern von 1 — 3 J. eben-
soviel einer 7 — 8proc., Kindern von 3 — 7 J. einer
8— lOproc., von 7—14 J. einer 10— löproc., Er-
wachsenen einer ll-~17proe. Lösung; aosBerdtto
verordnete er Gurgelungen mit einer öprocLöBODg.
Dr. L. M. Reu SS (Joum. de Th^. VII. 10.
p. 389. Mai 25. 1880) betont, dass man noch inmer
nicht einig sei, ob die Krankheit zu den septisdia
oder zu den parasitären Affektionen zu rechnoi
sei, doch verhalten sich dem benzoösauren Natm
gegenüber beide Theorien zustimmend , denn du
Mittel ist ebensowohl ein gutes Antiseptikum, all
ein gutes Antipai*aaitikum. Die Behaupftmig, dm
Letzerich der Erste gewesen sei, der das bea-
zo^s. Natron anwendete, scheint Ref. nicht gtn
richtig, wenn er auch der Erste, war, der genaoe
Dosirungen ftlr alle Lebensalter aufstellte. ^)
Dr. Moise Misrachi in Salonichi (6az. dei
H5p. 117. 1880) hat bei Anwendung von betizcä,
Natron in 6 Fällen Heilung erzielt. In einem Falk
handelte es sich um eine schwere Diphth. des Larynx
und der Trachea, wobei das Mittel sich besoadefs
wirksam zeigte, obwohl es abwechselnd mit anden
Mitteln gegeben wurde. Auch von andern Aenteo
erhielt M. Mittheilnngen über die günstige Wirkoiig
dieses Mittels.
Dr. Michel zu Wintertimr (Jahrb. f . Khkde.
N. F. XVI. p. 35. 1880) ist der Ansicht, dass wir,
so lange als das Wesen der Diphtheritis noch nicht
genau bekannt ist, mit Mitteln noch am weitesiia
kommen, welche die in der Membrmn vor adi
gehende Zersetzung zu massigen im Stande siiil.
Aus diesem Grunde — nicht etwa um Pilzentwicke- \
Inng zu hindern — benatzt M. den Iproc. CarM
9pray zur Inhalation, die altem ELranken weg«
ihrer kühlenden Wirkung oft sehr angenehm wir
und auch für Kinder, sobald sie daran gewöhnt siiri,
eine leichte Anwendungsweise darstellt. Bd Naaei-
bluten wnrde Glycerin mit Liqu. ferri aesqoieblor.
gegeben. Dass dieses Mittel als Tonikam dieoeD
kann, scheinen jedoch die von M. beobachtetes
Fälle keineswegs zu beweisen. Bessere Wirking
sah er von Stimulantien (Wein), mit denen man nie
frühzeitig genug beginnen kann. Bei WiedeAehr
der Esslust muss dieselbe Vorsicht eingehalten wer-
den wie nach einem Typhös. Alle Mittel, die hier
nicht erwähnt sind, Hessen M. im Stiche, wenn fk
auch zuweilen eine Zeit lang Scheinerfolge gehabt
hatten.
George Hill in Hnghesville (PhOad. mei
and surg. Repoiier XLII. 15. p. 310; April 10.
1880) erwähnt, dass in seiner Gegend die Diphtherie
erst seit dem Jahre 1856 aufgetreten sei, während
er vorher in ISjähr. Praxis keinen dnzigen Fall
zu verzeichnen gehabt habe. Die Behandlang, voi
welcher H. in einer Reihe von Fällen befriedigeBdep
Erfolg gesehen hat, besteht in der YerabreiefaBog
einer Mischung von Aqua chlorata 60, Nair. solpho-
1) Wegen der Mittheilangen über dieBehaadlinigder
Diphtherie mit Natr. bensoicum von Klebs, Lette-
rieh, L. Hofmann, K. Kiehn verweisen wir tsf
Jahrbb. CLXXIX. p. 15; CLXXXH. p.l86a.CLXniX*
p. 233.
E 0 r m a n n , Behandlang der Diphtheritifl.
283
GArboI. 7.5 y Glycerin. 30 mit Aq. dest. q« s. ad.
Grmm. 120 — 28tttiidl. 2 Theeldffel mit Wasser
verdflnnt, sowie von Schwefel mit Syrap als Ape-
lieDS. Aensseriich wendete H. theils Einblasungen
von Tannin y theils Gurgelungen mit concentrirter
Eochsalzldsnng , theils Inhalationen von Dämpfen
uDgelösehten Kalks an. Diese letztern werden in
der Wdse entwickelt, dass man 45 Grmm. unge-
Hsohten Kalk in einem Zinntiegel mit einer halben
Finte kalten Wassers flbergiesst, über den Tiegel
einen Trichter stülpt, an dessen Ende ein Rohr mit
beweglichem Mundstück befestigt ist, vermittelst
dessen die sich entwickelnden Dämpfe ^/^ Std. lang
inhalirt werden. H. empfiehlt diese Ealkinhalatio-
oen jedoch nur da, wo es darauf ankommt, durch
deren kaustische Wirkung eine schnellere Exfolia-
tion der diphtheritischen Beläge zu erzielen ; in ge-
wöhnlichen Fällen genügte ihm ein heisser Aufguss
von Salbei oder Hopfen. Von der örtlichen Behand-
lang mit Jodtinktm*, Eisentinktur, Höllensteinlösnng
Q. A. glaubt H. abrathen zu sollen, da sie sehr
oft Veranlassung zu schweren Nacherkrankungen
geben. Ebenso erklärt er sich entschieden gegen
die in seiner Gegend übliche Behandlung mit Brannt-
wem (Whisky).
Kreiswandarzt Dr. Walbaum zu Gerolstein
(Allg. med. Centr.-Ztg. XLIX. 76. 1880) sah gute
Erfolge von der möglichst gründlichen und häufigen
Berieselung, resp. Ausspülung der erkrankten Pha-
rynx« und Nasenhöhlenschleimhaut mit antisept. Lö-
sungen, von denen er eine 4proc. Salicylsäurelösung
bevoRUgte. Er applicirte sie am Tage alle 2, in
der Nacht alle 3 — 4 Std. mittels der Nasendusche,
worauf er stets eine noch gründlichere Ausspülung
But lauem Wasser folgen Hess. Als Nasendusche
verwendete er einen elastischen Katheter mit luft-
dicht darauf passendem Trichter. Ausserdem ver-
<vdnete er Eisumschläge um den Hals, Eispillen und
benzoös. Natron (2stündl. einen Einderlöffel einer
6proe. Lösung) und Sherry in grossen Gaben.
Die Behandlungsweise von Dr. Val. Rigauer
(Die Diphtherie u. ihre Behandl. durch das kalte Nasen-
btd. Leipzig 1880. P. 0. W. Vogel. 8. 98 S. mit
2 Tafeln) besteht im Wesentlichen in der Verwen-
dung der Antiseptika und der Kälte, die zugleich
uitiseptisch und anästhesirend wirkt; das kalte
Kasenbad , das R. empfiehlt, bewirkt aber ausser-
dem auch noch Reinigung der Nase u. des Schlundes.
E« wird i/a — ^liMndL in der Weise angewendet,
d«N mittels eines Thee- oder Esslöffels mit abge-
randetem Rande kaltes Wasser in die Nase einge-
gossen und dann verschluckt wird; man kann in-
dessen auch kleine Zinnspritzen mit konischem Aus-
floflsende zur Einspritzung in Mund und Nase ver-
wenden. Id der letzten Zeit benutzte R. zu diesen
Naaenbädern Emser Wasser. Als Antiparasitikum
verwendet er eine 2*/9proc. Carbolsäurelösung, theils
zoffi Einpinseln, theils zum Gurgeln und Einziehen
in die Nase ; auch von Borsäure sah er guten Er-
%• Nur bei Erkrankungen des Kehlkopfs und
der Luftröhre lässt er Inhalationen machen. Bei
Nasendiphtheiie lässt er stets erst 3 — 4mal hinter
einander kaltes Wasser oder Eiswasser in die Nase
eingiessen, ehe er einen Theelöffel voll von einer
antisept. Lösung (1 — 2proc. Lösung von Kali chlor.,
3proc. Borsäurelösung) eingiesst. R. glaubt, dass
die Nasendiphtherie durch das Eiswasseruasenbad
allein geheilt werden kann, wenn septische und
schwere Gehimsymptome noch nicht vorhanden sind.
Bei ausgesprochener Larynxdiphtherie sah R. nie
Heilung ohne Tracheotomie eintreten, die er sofort
nach dem ersten Stickanfalle ausgeführt wissen will
(das Nähere ist im Original nachzusehen). Ausser-
dem empfiehlt auch R. kräftige Nahrung, Cognac
und Schaumwein.
Dr. Edwin Burd zu Lisbon, Jowa (Philad.
med. and surg. Reporter XLIIL 21. p. 445. Nov.
1880) beobachtete in 8 Fällen, die er mit Natron
aubsulphurosum behandelte, sehr gflustigen Verlauf.
Er giebt einem 5jähr. Kinde 4stündlich (Tag und
Nacht) 1 Theelöfel einer Mixtur aus 10.5 Gimm.
Nati*. subsulphurosum, 2.0 Grmm. Chin. sulph. und
120.0 Grmm. Spir. frumenti; nebenbei lässt er
4stündlich 1 Kaficelöffel (Tag und Nacht) einer
Mixtur aus 8.0 Grmm. Kali chlor., 8.0 Grmm.
Tinct. fem perchlor, und 120.0 Grmm. Syr. simplex
nehmen und ausserdem wiederholt am Tage Ein-
stäubungen von Schwefel machen. Er hofft; mit
dieser Behandlung, wenn sie zu rechter Zeit in An-
wendung kommt, in jedem Falle Heilung erzielen
zu können. Für die Ursache der Krankheit hält er
Bakterien.
Dr. J. R. Black zu Newark, Ohio (Philad.
med. and surg. Reporter XLIIL 26. p. 551. Dec.
1880) geht von der Ansicht aus, dass jedes diphthe-
ritische Exsudat mit constitutioneller Erkrankung
auftritt ; wo diese fehlt , handelt es sich nicht um
diphtheritische Auflagerungen. Croup und Diphth.
hält Bl. für verschiedene Krankheiten, trotzdem,
dass der pathologische Anatom sie eben so wenig
unterscheiden kann, wie ein syphilitisches und ein
nicht syphilitisches Geschwür, sobald er nicht durch
den Verlauf des Falles einen Anhaltspunkt hat.
Wenn er weiterhin die Verschiedenheiten der Er-
scheinungen bei beiden Krankheiten in Tabellenform
sich gegenüberstellt, so kann uns nur ein Punkt
wundern, nämlich der Ausspruch, dass die infektiöse
Diphth. ihren primären Sitz stets unabänderlich in
den Tonsillen , der nicht infektiöse Croup aber im
Larynx habe ! Die Behandlungsweise B l.^s besteht
in 2 mal täglich wiederholtem Auspinseln der Rachen-
gebilde mit folgender Mixtur : Glycerini 1 5.0, Tinct.
jodi 2.0, Acidi salicylici 1.2 Gramm. — Ist
die Nasenhöhle in Mitleidenschaft gezogen, so lässt
Bl. Einspritzungen mit einer Flüssigkeit machen,
welche auf 4 Grmm. Carbolsäurelösung [wie stark ?]
28 Grmm. einer saturirten Lösung von chlors. Kali
enthält. — In prophylaktischer Beziehung macht B 1.
noch eine sehr treffende Bemerkung, dass nämlich
die Kranken vermeiden sollen, die sich lösenden
284
E 0 r m a n D , BebandluDg der Dipbtheritis.
diphtheritiflchen Massen aaf den Fassboden oder auf
Teppiche auszuspucken^ weil von da aus die ganze
Familie angesteckt werden kann, sobald das £xpek-
torirte getrocknet ist u. als Staub mit der Atmosphäre
in die Luftwege der bisher Gesunden eindriogt.
Dr. R. W e i 8 e (Berl. klin. Wchnschr. XVIII.
4 ; Jan. 1881) wendet die antiseptische Behandlung
an und hatte seit Ostern 1879 keinen Todesfall. Er
betont dabei, dass man mit unschädlichen Antisep-
ticis vollkommen günstige Resultate erreicht. Er
lässt mit einer 20proc. Salicylsänreldsung gurgeln
oder dieselbe mit einem von ihm erfundenen, eine
Combination von Mundspatel und Sprayapparat dar-
stellenden Instrument (s. d. Abbildung im Original)
inhaliren. Die dazu benutzte Lösung besteht aus
Acidi salicyl. 2.0, Spir. vini rectif., Glycerini ana
50.0 Gramm. Eine halbe Stunde später giebt er
1 Theelöffel üngarwein, wieder ^a Stunde später
1 Theelöffel einer 2 Vaproc.^ Lösung von Natr. ben-
zoicum , dann abermals Va Std. später Ungarwein
und darauf wh*d nach Va ^^^' ™i^ ^1°^^ ^/sproc.
wässrigen Salicylsäurelösung gegurgelt. Dann wie-
derholt sich derselbe Turnus. Nebenbei kräftige Er-
nährung.
Dr. James B. Ayer (Boston med. and surg.
Journ. CV. 22. p. 513; Dec. 1881) wendet zur
lokalen Behandlung die Bepinselung der Pseudo-
membranen mit einer Lösung von 8.0 Liqu. ferri
subsulph. u.0.50Ac.carbol. (fortius) in 30.0 Grmm.
Glycerin an. Anfangs mischt er gleiche Theile Wasser
hinzu und sucht mit dem Pinsel unter die Pseudo-
membranen zu gelangen. Bei Nasendiphth. spritzt
A. aller 3 — 4 Std. eine Lösung von 24 Tropfen
Acid. carbolic. in 60.0 Glycerin und 180.0 Wasser
in die Nase ein. Einathmungen von Dämpfen, 5 bis
10 Min. lang, alle Stunden, Tag und Nacht häufig
wiederholt, sind von grosser Wichtigkeit u. ersetzen
vollständig das Gurgeln. Dazu verwendet A. gleiche
Theile einer 2proc. Carbolsäurelösung, einer gesättig-
ten Lösung von chlors. Kali und Kalkwasser ; auch
eine schwache Alkohollösung kann zu diesem Zwecke
verwendet werden. — Die Allgemeinbehandlung hat
die Schwäche vor allen Dingen mit den bekannten
Mitteln zu bekämpfen ; von alkohol. Mitteln giebt A.
Kindern je nach dem Alter alle 2, 3 — 4 Std. einen
Theelöffel voll Branntwein. Pilocarpin und andere
schwächende Mittel dürfen nach A.'s Ueberzengung
nicht angewendet werden.
Chlorsaures Kali.
Dr. Cesare Ciattaglia zu Rom behandelt
nach einer Mittheilung von J. P. Steel e (Lancetll.
1 ; July 1876) die Diphtherie innerlich mit gi'ossen
Gaben von chlorsaurem Kaliy was schon von
Vogel 1860 empfohlen worden war, und lokal mit
Chloralht/drat, welches wohl zuerst von Ferini in
Tunis [? Turin] angewendet worden ist. Letzteres
verordnet C. zu 4 Grmm. in 20 Grmm. Glycerin ge-
löst und lässt diese Mischung mit einem Pinsel 3 —
4mal tägl. auf die Membranen auftragen , während
er das Kali chloric. 3 — 6jähr. Kinder zu lO—la
Grmm. , Erwachsene zu 30 Grmm. in 140 Crmni
Wasser gelöst täglich nehmen lässt.
Mascherpa (Gazz. Lomb. 7. S6r. III. 31;
Luglio 9. 1876) verordnet eine leicht verdauliehe,
nährende Kost (kräftige Suppen, Miloh, Eier) viel
Wein (im Verhältniss zur Schwere derErkranknog);
Chinin innerlich, aber kein äusseres Mittel. Eni
nach Aufhören des Fiebers wendet M. chlors. Kili
innerlich und zu Gurgelungen an. Er bat, tioti
mehrfachen Todesfällen, die jedoch zarte Kinder be-
trafen und bei sehr ungflnstiger Witterung dntrateD,
im Ganzen Ursache mit dieser BehandlungsmetiMde
zufrieden zu sein. Gegen die Aetzungen spricht adi
M. ganz entschieden aus ; er bezeichnet de aus des
bekannten, sehr ausftthrlich auseinander gesetsten
Gründen als unnütz, sogar als schädlich.
Wm. S. Stewart (Philad. med. Times VIL
p. 1. [Nr. 232.] Oct. 14. 1876) empfiehlt zur Be-
handlung der Diphth. gleichfalls das chlors. Kaü
neben Chinin nnd Acid. sulphuricum. Sind die Mem-
branen sehr dick geworden, so reibt er die betr.
Stellen mit einem in Liqu. ferri persulph. getaneUeo
Stück Leinwand so lange ein, bis jede Spur der
Membranen verschwunden ist (2mal tägl. und öfier).
Ausserdem hält St. Stimulantia für indicirt —
W. G. Cot ton (1. c. p. 53. [Nr. 234.] Nov. 21.)
hat die von S t. empfohlene Behandlung in mehren
Fällen erprobt, hält dieselbe jedoch — gleich jeder
andern Methode — durchaus nicht flir in aUen Fäl-
len ausreichend.
Dr. A. SeeligmüUer zu Halle a/S. (Jah^
f. Khkde. N. F. XL 2 u. 3. p. 273. Jani 1877) bfr
zeichnet eine gesättigte Lösung von chlors. Kali als
specifisches Heilmittel der Dipbtheritis. Er weist
zunächst darauf hin, dass Dr. Sachse in Beriä
schon 1870 (Virchow's Arch. LL p. 150) EalieUo-
ricum (1 : 20) gegen Diphth. empfohlen habe, wii
aber bisher wenig beachtet worden sei , weder tob
Letzerich (Berl. klin. Wchnschr. Nr. 12. 1873\
noch von 0 e r t e l {Ziemssen's Handbuch). S. bilt
ausser dem Innern Gebrauche von Kali chloncuin
(10:200, davon ständl. ^1^—1 Esslöffel voll, m
3. Jahre an ! !) weder Pinseln, Ourgelni Ei]ire3>eo,
noch Abkratzen der Schorfe oder Aetzen für notfa-
wendig ; aber die gen. Solution muss Tag u. Nacht
eingegeben und ohne Sjrrupzasatz verordnet werdeo,
auch soll der Kr. nicht Wasser nachtrinken. Gröanre
Kinder können auch damit gurgeln oder die Ldnug
durch die Nasendusche anwenden , aber es ist dies
nicht noihwendig ! — Zuerst weicht der Foetor ei
ore, dann hebt sich der Belag vom Rande her ab
und es bildet sich bald eine gesunde, lebhaft g^
thete Granulationsfläche. Besonders anfällig ist die
schnelle Besserung des Allgemeinbefindens, da Fie-
ber, Delirien schnell verschwinden. Nur ehimal bsi^
S. , weil der Puls klein und aussetzend wurde, die
Anwendung von Chinin nöthig. Zur Diät verordoei
er Milch , Fleischbrühe mit Ei , bisweilen Tokt/er
(selten und wenig).
K o r m a n n y BehandlnDg der Diphtheritis.
285
Dr. Cadet de Qassicoart (Ball, de Th6r.
XCn. p. 481. JuiD 15. 1877) berichtet über die
tberapentiseben Versache, die er während der Jahre
1874—76 nnd im 1. Vierteljahre des J. 1877 mit
Kali chloricam , Cubeben oder Bals. Copaivae und
Natr. salioylicam bei Diphtheritis angestellt hat. Er
trennt die FftHe, je nachdem diphther. Anginen mit
Croup complicirt waren oder nicht. Die Zahl der
nicht eomplicirten diphther. Anginen ist gering, 37
unter 241 Fällen von diphth. Affektionen. Diess
liegt darin, dass diphtherit. Kr. ohne Croup gewöhn-
lich nicht in das Spital (Höpital Sainte Eug^nie) ge-
brecht werden. Hier erzielte man unter Anwendung
der gen. Mittel folgende Resultate :
chlonutares Kall bei . . . 15F. 15Heil.,— Todesf.
Cabebenod. Copaivbalsambei 7» 6 „ 1 ^
Balieylsaares Natron bei . 5 „ 3 , 2 „
Unter den 15 Fällen, in denen chlors. Kali zur
Anwendung kam, waren 12 entschieden leichte,
wenn auch die LymphdrOsen unter dem Unterkiefer
nnd an der vordem Seite des Halses mehr oder we-
niger geschwollen waren. In 2 Fällen bestand
mittelschwere Erkrankung ; im letzten aber waren
dicke Pseudomembranen im hintern Rachenraume,
tlbler Oemch aus dem Munde und reichlicher Aus-
floBS aus der Nase vorhanden. 0. d e G. verordnet
bdehstens lOGrmm. chlors.Kali in24Std., gewöhn-
lich 6 Grmm. (in Synip), sah aber auch nie Störungen
der Ruhe und des Appetit« eintreten.
Die Cubeben wurden in 6 Fällen als Oleo-resina
bald in Lösung in Dosen von 0.5 — 2 Grmm , je nach
dem Alter, bald als Elaeosaccharum in Dosen zu
15 — 20 Grmm. gegeben. Letztere Form eignet sich
besonders ffir Kinder. Drei von diesen Fällen wa-
ren mittelschwer, 2 schwer; im 6. erfolgte der Tod
oieh ganz unvermuthetem Auftreten schwerer Ei'schei-
irangen. In einem sehr leichten Falle, in welchem
Heilung eintrat , wurde Copaivbaham angewendet.
Salicyhaur es Natron gab C. de G. zu 1 — 4Grmm.
pro die, je nach Alter des Kr. u. Schwere des Falles.
Die 5 Fälle betrafen 2 sehr leichte Anginen , die
hdlten, 1 schweren Fall, der ebenfalls heilte, und 2
schwere Fälle (1 toxischer Natur und 1 bei einem
Tuberkulösen), die beide tödtlich endeten.
Aus einer weitern tabellarischen Zusammenstel-
lung geht hervor, dass der von C. d e G. behaup-
tete Vorzug des Kali chloricum nicht ohne Wei-
teres ausgesprochen werden kann ; denn in den leich-
ten Fällen wurde das gen. Mittel sehr oft (12mal),
bei den schwersten Fällen gar nicht angewandt , so
dass der Ausgang von der Schwere des Falles ab-
hängig gemacht werden kann.
IHe Fälle von diphtherit. Croup mit und ohne
vorhergehender Angina , die ebenso behandelt wur-
den, trennt Vf. in solche, in denen die Tracheotomic
ansgefOhrt wurde, und solche, in denen diess nicht
geschah. — Hier ist em Drtheil Aber die Medikation
noch schwieriger als bei den einfachen Anginen. Ea
wurde gegeben :
ohlon. KaH in 16 F., von denen 4 ohne n. 4 nach der
Tiaoheotomie taeUten ]
Cubeben in 12 F., von denen 6 ohne u. 2 nach derTra-
cheotomie hellten ;
salicyls. Natron in 10 F., von denen 2 ohne u. 6 nach
der Tracheotomie heilten.
Nach der Tracheotomie starben unter Anwendung der
gen. Mittel Je 8, 4 n. 2 Kranke.
C. d e G. schliesst hieraus , dass die 3 Medika-
mente ungefähr gleichen Werth gegenüber dem diph-
therit. Croup haben , wenn auch bei Anwendung des
salicyls. Nati'on weniger Todesfälle eintraten als bei
der des ohlors. Kall. Schlüsslich verbreitet sich Vf.
darüber, dass keines dieser Medikamente einen spe-
cifischen Nutzen habe, dass aber deshalb die Medi-
kation nicht als unnütz aufzugeben sei, da man jede
Anwendungsweise und jedes Medikament, welches
die Ernährung und den Schlaf nicht stört, zu prüfen
verpflichtet sei.
Nach Dr. R. Scharfenberg (Inaug. - Diss.
Breslau 1878) kamen bei der Diphtheritis- Epidemie
zu Primkenau zur Verwendung: Eispillen, Eisauf-
schläge, bei Lockerung der Membranen oder Absce-
dirung der Halsdrüsen feuchtwarme Umschläge, Gur-
gelungen mit chlors. Kali, kohlens. Natr., Tannin,
Borsäure , und Pinselungen mit Kalkwasser, Lösung
von Arg. nitr. (3 — 6"/o) oder Carbolsäure. Von
keinem der eingepinselten Mittel war jedoch eine
Wirkung mit Sicherheit zu beobachten. Bei Fort-
schreiten der Diphtherie auf den Kehlkopf wurde
üng. einer, eingerieben. In den schwersten Fällen
handelte es sich aber meistens nur um die Tracheo-
tomie, obschon deren Resultate kaum befriedigend
waren. Von innem Mitteln wurden Alkalien , bes.
Kali chloricum, Chinin und Eisen nur symptomatisch
angewendet.
Dr. Czarnecki zu Christianstadt am Bober
spricht sich (Allg. med. Centr.-Ztg. XL. 49. 1879;
IL. 68. 1880) fflr lokale Behandlung der Diphtherie
aus. Im Beginn der Erkrankung lässt er mit Lö-
sung von chlors. Kali oder verdünntem Chlorwasser
gurgeln und giebt daneben Roborantia und Anti-
pyretika. Kinder , die nicht gurgeln können , wer-
den mit Lösung des chlors. Kali ausgespritzt und
erhalten dieselbe innerlich. In schweren Fällen
pinselt Cz. selbst den Rachen mit reinem Ghlor-
wasser vermittelst eines Schwämmchens. Besonders
hebt er aber noch hervor, dass die gebrauchten Rn-
sel , Schwämme und Geschirre mit Chlorkalk sorg-
fältig zu desinficiren oder zu vernichten sind.
Dr. J. D. Frickelton (Canadian Joum. of
med. — Philad. med, and sm*g. Reporter XLII.
p. 17. Jan. 1880) will seit 20 J. mit kaum glaublich
günstigem Erfolge eine Mischung von 4.0 Kali chlor.,
8.0 Ac. hydrochlor. dil., 12.0 Tinct. ferri perchlor,
und 360 Grmm. Aq. dest. angewendet haben. Er
lässt aller 3 Std. einen Theelöffel voll nehmen und
während der nächsten 15 Min. nicht trinken. In
schweren Fällen lässt er mit 1 Th. Tinct. ferri und
2 Th. der erwähnten Mischung gurgeln , bei hoch-
gradigem Fieber jeder Dosis einige Tropfen Tinct.
Aconit! zusetzen.
286
E 0 r m a n n , Behandlong der Diphtheritb.
Dr. R ob. C allen (Philad. med. and sarg. Re-
poi'ter 1. c. p. 20) bekämpft die Wamong des Dr.
Baker (1. c. XLI. Dec. 13. 1879) vor grossen
Dosen des chlors. Kali ^). Er giebt an , nach Ver-
abi'eichung einer Mischang aas 12.0 Kali chlor.,
16.0 Tinct. ferri und ana 60.0 Grmm. Glycerin and
Aq. dest. (aller 15 Min. 1 Theel. voll) und gleich-
zeitiger Anwendung von Eisumschlägen am den Hals^
selbst bei kleinen Kindern , ausser dem bekannten
Exanthem 9 früher nie üble Folgen beobachtet zu
haben. Nachdem jedoch in einigen Fällen tödtlicher
Ausgang eingetreten war, lässt er zu jeder Dosis der
Mixtur einen Tropfen von Acid. nitr. - muriaticum
setzen und versichert, bei guter Pflege in 9 8^/0 sei-
ner Fälle Heilung erzielt zu haben.
Dr. D. Mc Falls (New York med. Record
XVII. 4. p. 89. Jan. 1880) lässt ein Gemeng aus
Zti^oZ'scher Lösung (starke Jod - Jodkaliumlösung)
und Tannin mittels eines Pinsels auf den Rachen
streichen. Innerlich verordnet er eine starke Lösung
von chlors. Kali und Tinct. ferri , ausserdem Chinin
nnd Branntwein in grossen Gaben. Bei Laryngo-
stenose empfiehlt F. Zinc. sulphur. als Brechmittel|
bei periodischen Anfällen von Dyspnoe Bromkalium;
von der Tracheotomie erwartet er keinen grossen
Erfolg.
Dr. Thos. Barling (Michigan med. News IV.
p. 41. Febr. 10. 1881) hat in 300 seit Juli 1879
von ihm behandelten Fällen von Diphtherie befrie-
digende Erfolge mittels des nachstehenden Verfahrens
erzielt. Neben Sorge für grösste Reinlichkeit be-
wirkt er Desinfektion der Luft des Krankenzimmers
dadurch, dass er eine Schüssel unter den Ofen setzen
lässt, welche halb mit frischer Erde gefüllt ist, in
welche 50 — 60 Streichhölzchen gesteckt — die
Ozon erzeugen — und 30 — 40 Tropfen Carbolsäure
zugegossen werden, was 3 — 4mal täglich zu wieder-
holen ist. Innerlich verordnet er eine starke Gabe
Calomel nnd 6 Std. später 1 Dosis Ricinusöl ; der
Pharynx wird mit Eis behandelt. Ausserdem wen-
det er eine Lösung von Acid. tartar. und Kali chlo-
ric. ana 0.18 in Aqn. dest. 60 Grmm. an, von wel-
cher er aller 20—30 Min. 1 Theelöffel voll mit 2
Theel. Eiswasser gemischt zum Gurgeln verbrauchen
lässt, wobei etwas verschluckt wird. Endlich wendet
B. stets Gegenreize an: in recht heisses Wasser
getauchte Handtücher, die, nachdem 1 oder 2 Theel.
voll Kerosin darauf gesprengt worden sind, um den
Hals gelegt und mit einem trocknen Tuche bedeckt
werden (3 — 4maltägl.). Sobald sich Blasen bilden,
wird das Kerosin durch süssen Rahm ersetzt.
Dr. Gadet de Gassicourt referirt (Bull, de
Th6r. L. 4. p. 161. Aoüt 30. 1880) über eine von
Dr. Peyraudzu Libourne in derSoci^t^ deTh^ra-
0 Wegen der vollen Berechtigung dieser Warnung
verweisen wir anf die ansführlichen Mittheilaugen in
unsem Jahrbüchern GLXXXVI. p. 234; CLXXXYU.
^. 16 flg.
peutique vorgelegte Abhandlung hinaichtUch der An-
wendung des Bromkalium bei DiphtberitiB. P.
hat das Mittel innerlieh , örtlich , sowie zn Inhalatio-
nen verwendet und unter 29 Pftllen , in denen die
Diphth. verschiedene Regionen befallen hatte, 27
Heilungen beobachtet ; die 2 Todesftlle waren dardi
Croup bedingt. Die Commission (G. de 6., F<-
r€o\ und Bucquoy) konnte sich jedoch von dem
gerühmten Nutzen nicht überzeugen. Leicht Er-
krankte genasen , während in schweren FiHen der
Tod eintrat, wie diess bei allen Behandlungsarten,
namentlich je nach dem Charakter der Epidemie be-
obachtet wird.
Dr. Edward H. Sholl (Public Health IT.
179. p. 473. June 16. 1876 ; ref. aus Boston Jonm.
of Chemistry) hat den LiquorPotassae (Kaä
causUci) in einem schweren Falle von Diphtheritis
angewendet, in welchem Eisen, chlors. Kali und
Ammoniak ohne Erfolg verabreicht worden wareo.
S h. verordnete aller 3 Std. 20 Tropfen Liquor Po-
tassae. In 36 Std. war jede Spur von BeUgen ver-
schwunden. Er benutzt seitdem in jedem Falle dm
Liquor Potassae je nach dem Alter in verschiedener
Menge. Gewöhnlich giebt er in frühen Stadien ab-
wechselnd damit eine starke Lösung von Kali chlo-
ric. und setzt zu 120 Qrmm. derselben 4 Grmm.
Acid. hydrochloratum u. 8 Grmm. Tinct. ferri [ses*
quichlorati? Ref.], wovon 1 kleiner TheelöflW in
Wasser einem 6jähr. Kinde 3stündlich gegeben wer-
den soll.
Dr. Fehr in Heidelberg (Deutsche Ztsehr. l
praktMed. 24 ; Juni 23. 1877) wendete kohleni
Natron, welches nach den Versuchen von Pa-
schutin und Tiegel die Bakterien und Mifao-
kokken am schnellsten vernichtet , als ein Mittel an,
um die Pilzorganismen bei Diphtheritis (auch die io
Blute) unschädlich zu machen. Zum Gnrgehi be-
nutzte F. 1 Messerspitze voll auf 1 Trinkglas Was-
ser. Innerlich verordnete er von einer Lösung voa
1 : 150 stündlich 1 Esslöffel voll und betupfte die
erkrankten Rachenstellen mit pulverinrter Soda.
Auf diese Weise wurden 27 Fftlle von reiner Diphth.
mit bestem Eifolge behandelt. — Früher wendete
F. Aetzmittel lokal an y ohne irgend welche Erfolge
zu sehen ; er verlor die ersten Kranken , da die Ge-
fahr der Allgemeininfektion bei dieser Therapie sehr
gross ist. — Schlüsslich zeigt F. noch, wie Diphth.
(73 Fälle) und Scarlatina (103 F.) in seinem Beoh-
achtungsmaterial neben einander hergingen und mei-
stens gleichzeitig zu- und abnahmen , während die
Mortalität bei ScarUtina bedeutend höher war (15 F.),
als bei reiner Diphtheritis (4 Fälle). Unter den 15
TodesftUen bei Scarlatina sind 4 der Nephritis, 5
dem hochgradigen Fieber, 6 der Diphth. als solcher
zuzuschreiben. Auch bei Scarlatina lässt F. 4 Wo-
chen lang Natr. carb. nehmen , bis die Gefahr der
Nephritis verschwunden ist.
Dr. 0. V. Heusinger (Sitz.*Ber. d. Ges. sor
Beförd. d. ges. Natur w. zu Marburg Nr. 2. 1877)
hat in der von ihm beobacbteten Epidemie nuraeltea
K 0 r m a n n , BehandluDg der Diphtheritis.
287
des Fiebers halber Ghiniii oder aalicyls. Natr. ange-
wendet, dagegen stets das cblors. Kali und später
ein Eisenpräparat. Da er sich von der Schädlich-
keit der Aetzmittel und der mechan. Entfernung der
Membranen flberzengt hatte; so wandte er zur Lokal-
behandlnng nur im ausgedehnten Maassstabe Kalk»
was 8 er (Gurgelung, Inhalation, Bepinselung, Aus-
spritzung der Nase) oder auch eine Lösung von
Chlors. Kali an. Besondera hervor hebt v. H. noch
die Nothwendigkeit , nach Ablauf der Krankheit das
Krankenzimmer , sowie auch das Spielzeug gehörig
zu desinficiren.
Dr. Andre sse in Teltow (Deutsche med. Wo-
chenschr. Nr. 50. 1879) wendete den Chlorkalk
direkt auf die erkrankten Stellen mit gutem Erfolge
SD. Er Uast Va Theelöffel Chlorkalk mit etwas
Wasser zu dnem flüssigen Teig anreiben und mit
einem Wattepinsel auf die befallenen Stellen etwas
derb aufpinseln und diess 2 — dstandlieh, resp. 4mal
tiglich von den Angehörigen [!] ausführen. Grössere
Kinder gurgeln mit Chlorkalk- Wasser (^^ Esslöffel
voll Chlorkalk auf eine Obertasse voll Wasser).
EisenmiiteL
Dr.Hothornin Halberstadt (Allg. med. Centr.-
Ztg. XLV. Deebr. 23. 1876) sah sehr günstigen
Erfolg von der Anwendung einer Mischung ausl — 3
6rmm. Liq. ferri sesquiehloraii und 60 Grmm.
Olycerin und eines Pulvers aus 25 Grmm. Sulphuris
dep. und ana 2.5 Grmm. Rad. Liquir. und Lyko-
podinm. Von ersterer soll 1 Theel., von letzterm
eine Messerspitze voll möglichst trocken^ abwech-
Klnd aller 2 Std. verabreicht werden. Daneben
sU Gurgelungen von Kalkwasser, Alaun- oder Sa-
üeyisäure-Lösnngy wo es angeht, zu empfehlen.
Dr. C. E. Billington (New York med. Re-
eord XIII. p. 21. Jan. 12. 1878) empfiehlt eine
Uuchnng von 4 — 6 Grmm. Liq. ferri sesquichlor.
mit ana 30 Grmm. Glycerin und Aqu. dest., sowie
eine Lösung von 2 — 4 Grmm. Kali chloric. in
15 Qrmm. Glycerin und 75 Grmm. Aq. caicis. Von
diesen Medikamenten soll abwechselnd aller 30 Min.
ein (Theelöffel verabreicht werden; einige Minuten
nach dem Einnehmen lässt B. den Rachen durch
einen Pulverisator mit Carbolsäure-Lösung (1 : 180)
besiftuben, bei Affektion der Nasenschleimhaut lau-
warmes Salzwasser mehrmals täglich einspritzen;
einen Sohlundpinsel benutzt B. nie, sondern spritzt
die Carbols.-Lösung gleichfalls ein. Chinin u. Alko-
holika giebt er Kindern nie, dagegen lässt er viel
kalte Milch unter Zusatz von Kalk wasser, bei grosser
Schwäche Fleischsaft verabreichen.
Dr. Rodman (New York med. Record XIII.
^; Jan. 26. 1878) behandelt die Diphth. ähnlich;
^e B i l II D g 1 0 n. Er verordnet eine Mischung aus
^ 15 Grmm. Liq. ferri sesquichlor. und Kali chlo-
ric. auf ana 90 Grmm. Syrupi citri und Aq. dest^
^<>von 2standl. 1 Theel. voll, abwechselnd mit
15 ütgrmm. Chinin (in einem schleimigen Vehikel)
verabreicht werden soll. Ausserdem räth R., das
Zimmer mit Ealkwasserdämpfen zu erfilllen.
Dr. Willard (l. c.) verwendet den Liqu. ferri
sesquichlor., 4 — 6 Grmm., gemischt mit ana 30 Grnun.
Glycer. und Aq. dest., verordnet aber gleichzeitig
eine Lösung von 4 — 8 Grmm. Tinct. ferri sulphu-
rosi in 60 Grmm. Aq. dest. zur Waschung des Ra-
chens , worauf der Kr.' einige Tropfen der letzten
Mischung abwechselnd mit einer Lösung von chlors.
Kali verschluckt. Einmal binnen 4 — 6 Stunden
giebt W. Carbolsäure innerlich und lässt sodann mit
einer Lösung derselben gui'geln, (besonders vor Ein-
nahme der Mahlzeiten. Täglich 4 — 6mal (und
1 — 2mal während der Nacht in schweren Fällen)
lässt er Kalkwasser 10 — 20 Minuten lang inhaliren.
Die Pseudomembranen sucht er sobald als möglich
mittels eines Fischbeinstäbchens abzulösen.
Dr. V. Coli an (Petersb. med. Wchnschr. V. 30.
1880) verordnet eine Mischung von 0.5 — 1.0 Grmm.
Liq. ferri sesquichlor. in 180 Grmm. Aq. dest., von
welcher während des Tages aller 10 — 15 Min., wäh-
rend der Nacht aller 15 — 30 Min. ein Theel. voll
verabreicht wird. Ausserdem wird der Liq. ferri
mit 1 — 2 Th. Wasser verdünnt, 2 mal täglich auf
die Membranen im Rachen eingepinselt.
Quecksilber Präparate.
Um den Verlauf des Diphth.-Proces8es abzukür-
zen und die Bildung der Membranen zu verhindern,
empfiehlt A. Eriohsen (Petersb. med. Wchnschr.
II. 14. p. 115. 1877) das Cyanquecksilber ^ wel-
ches, in genauer Dosirung innerlich verabreicht, den
Darmkanal, selbst wenn es längere Zeit hindurch an-
gewendet wird, fast gar nicht angreift. E. hat
das Mittel bei Kindern jeden Alters, vom 7.Mon. an,
sowie bei Erwachsenen angewendet ; von allen wurde
es gleich gut vertragen und der Erfolg war ausneh-
mend gfinstig. In verhältnissmässig kurzer Zeit be-
gannen die Membranen dünner zu werden und locke-
rer zu haften und selbst, wenn der Process auf den
Kehlkopf übergegriffen hatte und Erscheinungen von
Laryngostenose vorhanden waren, erfolgte unter in-
nerlicher Anwendung von Cyanquecksilber und äus-
serlicher Anwendung von heissen Schwämmen Gene-
sung. Ausserdem hat diese Behandlungsweise den
Vortheil, dass die lokale Behandlung auf ein Mini-
mum reducirt wird ; täglich 1 bis 2mal Aetzung mit
Jodtinktur genügt, um den Process zu lokalisiren«
Bei Kindern bis zum 3. Jahre gab E. Vm ^i^^
(0.00064 Grmm.), bei Erwachsenen Vis ^^^^
(0.00125 Grmm.) am Tage stündlich, in der Nacht
alle 2 Stunden (Hydrarg. cyan. 0.06 , Aqu. dest.
180.0, Syr. simpl. 15.0 Grmm., stündlich V^ bis
1 Theelöffel). Namentlich bei Kindern bis zum 3.
und 4. J., bei denen die Prognose bei anderer Be-
handlungsweise mindestens als zweifelhaft zu be-
trachten ist, empfiehlt E.die Anwendung des Mittels.
Unter den 25 von E. mit Cyanquecksilber behandel-
ten Fällen endeten 3 mit Tod (je 1 durch Herzpara-
288
Eormann, Behandlung der Diphtheritis.
lyse, eitrige Pai'otitis, Meningitis), aber auch in die-
sen 3 Fällen war es gelungen, den diphtheritischen
Process zum Schwinden zu bringen.
Dr. L. Holst (Petersb. med. Wchnschr. III.
13. April. 1878), dessen Kr. schon älter waren, als
die von Erichs en behandelten, hat bei Anwendung
des Cyanquecksilbers weder eine sichere Wirkung,
noch rascheren Verlauf, wohl aber als ungünstige
Nebenwirkungen (Affektionen des Darmkanals und
bes. der Mundschl^^imhaut) beobachtet. H. verord-
nete 28tdl. einen Kinderlöffel einer Lösung von 0.06
Hydr. cyanat. : 150 Grmm. Aq. dest., ausserdem
Aq. calcis zum Ausspritzen, und Acid. carbol. (4.0
auf Spir. vini 8.0) zum Pinseln. Zum Belege für
das Angeführte sind 6 Fälle (16, 11, 10, 15, 17,
9 J. alte Kr. betreffend) mitgetheilt, von denen 5
mit Genesung endeten, allerdings mehrfach unter
gleichzeitiger Anwendung von Cliinin oder Kali chlo-
ricum. Ein sehr geschwächter Knabe (17 J. alt),
bei dem die Diphth.-Erki'ankung sehr schwer war,
starb; H. glaubt, er hätte hier kein Hg. cyanat.,
sondeni Chinin geben sollen.
Dr. Annuschat (BerL kh'n. Wchnschr. XVU.
43; Oct. 1880) wandte das Ch/anquecksilber —
nachdem er bei einer Epidemie unter Anwendung
von Kali chloric, Acid. salicyl., Natr. benz., Inha-
lationen mit Aqua calcis oder Acid. lacticum die er-
sten 13 Kr. verloren hatte — zuerst bei einem Kinde
an, bei welchem ein 8 Ctmtr^ breites diphther. Ge-
schwür von der rechten Seite der Vagina aus nach
dem entsprechenden Schenkel zog und unter Anwen-
dung von Arg. nitr. und Ac. carbol. binnen 2 Tagen,
nm das Doppelte grösser geworden war. A. verord-
nete stündlich einen Theelöffel voll einer Lösung von
0.1 Hg cyanat. auf 100 Grmm. Aq. Menth, pip.; nach
24 Std. war Stillstand, nach weitern 24 Std. so erheb-
liche Besserung eingetreten, dass da» Mittel wegge-
lassen werden konnte. Gleich gute Dienste leistete
das gen. Mittel in 2 weitern Fällen von Vaginaldiph-
therie, ohne Betheil)gung| des Rachens. A. hat da-
her später 120 an Rachendiphtherie erkrankte Kin-
der (keines unter 1 J., 2 über 15 J. alt) mit Hg
cyanat. behandelt, wobei er Anfangs Bepinselungen
der Rachenschleimhaut mit Jodtinktur, oder Lösung
von Arg. nitr. machen , später aber, mittels eines
Pulverisator, Natr. benzoic. in Rachen und Nase ein-
blasen Hess. Bei dieser Behandlung starben von
den 120 Kr. nur 14 (11.660/o)- Meistens war
schon nach 24 Std. kein Fortschreiten der Diphth.
mehr wahrzunehmen; bei manchen Kindern war bin-
nen 3 Tagen die Krankheit erloschen, bei andern
dauerte es 6 — 8 Tage, ehe die Membranen gänzlich
geschwunden waren. In einer Anzahl von Fällen
musste jedoch die Gabe der Hg. cyanat. auf 0.3 bis
0.4 : 100 gesteigert werden ; auch von dieser Lösung
wnrde Tag und Nacht stündlich ein Theel. verab-
reicht. Nur in einem Falle trat als Nachkrankheit
bei einem urämischen 8jähr. Mädchen Amblyopie
ein. — Für werthloa hält A. das Hydr. cyanat., so-
bald der Larynx ei^ffen ist und eine insufficiente
Compensation besteht. Dagegen genasen 9 Kinder,
bei denen der Larynx ergriffen, die CompensatioBS-
Störung aber eine sehr geringe war. — Da A. a
Recidiv an Diphth. bei einem Kinde nach 14Tflgei
beobachtet hatte, gab er das Mittel schlfisslieh ood
längere Zeit (8 — 14 Tage lang) in absteigender
Dosis und beobachtete kein weiteres Recidiv. Tritt
Erbrechen nach Verabreichung des Hg cyanat du,
so ist die Dosis einige Stunden lang zu verringetn.
Dr. C. G. R 0 1 h e in Altenburg (Allg. med. CeDtr.*
Ztg. IL. 89. Nov. 6. 1880) sah 11 J. hiodmth
die besten Erfolge von stündl. Einpinselungen mit
JodphenoL Denn er hatte unter seinen ersten 200
Fällen keinen Todesfall. Seit 1874 ist jedoch trotz
Anwendung dieses Mittels eine Mortalität von 12^/o
nicht abzuwenden gewesen. Mehrfach wandte R. auch
Brom^ 10 Tr. einer Lösung von 1.0 Brom in 20.0
Spiritus stündl. in einem Kaffeelöffel einer Ltaog
von Bromkalinm (0.2 : 60.0) an und sah dabei eine
Verseifung der Membranen eintreten.
Später erzielte R. noch günstigere Erfolge mR
CyanqueeksUber (Hydrarg. cyanat. 0.02, Aq. dest
60.0, Tct. Acon. 1.0 Grmm., stündlich 1 KafieeL
voll). Im ersten Falle trat unerwartet schnelle Hei-
lung ein. Weitere 11 Kr. wurden ebenso behu-
delt, aber in den ersten 2 — 3 Tagen 3mal tiigliek
mit Jodphenol ausgepinselt; alle genasoi.
In einer weitern Mittheilung buchtet R. (Deit-
sehe med. Wchnschr. VU. 34; Aug. 20. 1881) Aber
28 Kr., die, ebenso behandeltyfiämmtlich genasen. Etf-
der über 10 J. und Erwachsene erhielten 1 Esslitt
stündlich von einer Mixtur aus Hydrarg. cyanat O.01
Aq. dest. 120.0, Tinct. Acon. 1.0 Granun. Anoer-
dem verordnet R o t h e Priessnitz*sche HaisnmscUlge
und 3mal täglich Bepinselung des Gaumens mit Jod-
phenol (Acid. carbol. cryst., Spir. vini, Tci jodi
ana 1.0, Glycer. depurat. 5.0).
Schlüsslich möge noch erwähnt werden, dtss
nach Dr. A. Orth (Allg. med. Centr.-Ztg. XLH
97. 1880) nicht Erichsen die Behandlung der
Diphth. mit Quecksilbercyanat zuerst vorgeschlagen
hat, sondern dass sie nach Dr. v. Villers (Nene
Ztschr. f. homöopath.Klin.1868) bereits im J. 1868
nicht nur in Russland, [sondern auch in DentschlaDd
gegen Diphth. stets durchaus bewährt gefunden wor-
den sei. In Bezug auf die Anwendung des Mittels
giebt 0. an, dass es genügt, es in refracta dosi n
geben.
Dr C. Rauch fu SS (Gerhardts Handbuch III.
2. p. 207. 1878), welcher Blntentziehungen bei der
Diphth. für contraindicirt hält, sah günstige Erfolge
von der Anwendung des Hydrargyrum bichlof<^
corrosivnm nach B u r o w *s Vorschrift inVerbindnog
mit der Inunktionskur. Er verordnet Tag ood
Nacht stündlich 0.002 Grmm. Hg bichl. (Hg bldt
corr. 0.06, Alb. ovi Nr. 1 , Aq dest. 120 Onnin,
stündlich 1 Theel.) bis 0.20 — 0.25 Grmm. ver
braucht sind ; selten dehnt R. die Anwendoog des
Hg über 3 Tage aus. Brechmittel hält er mit
Recht nur vorübergehend fÄr angezeigt, nidt i»
K ö r m a & n , Behandlung der Diphtheritis.
289
Heilmittel des Prooesses selbst — Vorsichtige Ein-
athmmigen von Wasserdampf (Anfeachtang der Zim-
merlnft) oder zerstäubter medikamentöser Flüssig-
keiten sind vor und nach der Tracheotomie von
Nutzen, wenn man gnt ventilirt und Erhitzung der
Zimmerluft vermeidet. Die Anwendung von Kälte u.
Hydrotherapie soll je nach dem Charakter des Falles
(Begiessungen bei drohender Athmongsinsafficienz)
stattfinden. Von Medikamenten erwähnt R. noch
Ammon. carbonic. (0«06 — 0.15 pro dosi in Lösung)
und Moschus. — Die Ausführung der Tracheotomie
hAlt er auch bei Erscheinungen der diphth. Infektion
fbrnie zu spät (mit vorläufigem Catheterismus la-
ryngis), auch wenn man den Kranken erst in der
Asphyxie sieht, sobald nur die Indikation überhaupt
existirt hat und das Herz noch schlägt.
Dr. W. Pepper (New York med. Record
Jone 25. 1881) berichtet über em 5jähr. Kind, das
bei der gewöhnlichen Behandlung (Chinin, Kali
chloric.) fast unter Erstickungserscheinungen zu
Grande gegangen wäi-e. Am 7. Tage der Krank-
heit wurden 0.002 Grmm. Hydrarg. bichlorat. in
einem Elixir von Pepsin und Wismuth mit 2 Tropfen
Tot. Nuc. vomic. zweistündlich gereicht, worauf in-
nerhalb 48 Stunden Genesung eintrat.
Dr. Müller-Warneck zu Bielefeld (Berl.
itlin. Wchnschr. XV. 44.t45; Nov. 1878) berichtet,
dass Prof. Bartels in der Kieler Klinik bis zum
Ende des Jahres 1876 beim Fortschreiten des diphth.
Processes auf Trachea u. Bronchien Einreibungen von
I7n^. ei$iereym (2.5 — 3.0 Grmm. stündlich , bis zu
60 Grmm. täglich) mit Vorliebe angewendet habe,
ohne jedoch die Nachtheiie derselben , wie blutige
BiirrhOen, heftiges Nasenbluten, starke Hauthämor-
rhagien, Stomatitis zu verkennen. Nachdem 2 im
Hospitale wegen Syphilis mit Inunktionen von Ung.
einer, und Hydr. jod. flavum innerlich behandelte
Kr. an Diphther. erkrankt und schnell gestorben
waren, wurde jedoch die Anwendung des Quecksil-
bers aufgegeben.
Bei einfacher Rachendiphtherie wandte B. nach
M.-W. mnerlich und äusserlich Eis, innerlich und zu
Gorgelnngen Kali chloric. (5<^/o Lösung stündlich
1 Theelöffel); örtlich Tannin- oder Alaunpulver, oder
Bepinselung mit Brom*Bromkalium-Lösung an. In
schweren Fällen (beginnende Asphyxie) wurde stets
die Tracheotomia superior unter voller Narkose aus-
gefiUul B. machte übrigens keinen Unterschied
zwischen häutiger Bräune, Group und Diphth.; er
bezeichnete mit Croup nur ein Symptom der Diphtli.,
Dämlich den charakteristischen ,,Crouphusten^^
Vom J. 1867 bis Ende 1877 wurden im Ganzen
131 Kr. an Rachen-, Kehlkopf- u. Bronchialdiphth.
bebandelt, wovon 73 starben. Bei allen 83 mit
Rdilk<^f- und Bronchialdiphth. behafteten Kranken
iQosste wegen hochgradiger Laryngostenose die
IVacheotomie ausgeführt werden. Von denselben
starben 66, mit ^ner Ausnahme im Alter von 8 Mon.
bis zu 12 Jahr«n.
Med. Jabrbb. Bd. 192. Hfl. 8.
Von Säuren sind ausser den in vielen von uns
schon oben berücksichtigten Aufsätzen als Haupt-
mittel gegen Diphtheritis genannten, der Carbol-,
Salicyl- und Borsäure, noch folgende 3 zu erwähnen,
die nur örtliche Anwendung gefunden haben.
Dr. Berge ron berichtete in der Soc. de Med.
de Paris (nach Philad. med. and surg. Reporter XLIl.
1. p. 19. Jan. 1880) über die Wirkung von Inhalatio-
nen mit Fluorwasserstoffsäure. Es soll IGrmm. auf
je 1 Cubikmeter des Raumes, in dem der Fat. ver-
weilt, im Verlaufe von 3 Std. zerstäubt werden.
Unter den erwähnten 24 Fällen, von denen 17 schwer
waren, kamen bei dieser Behandlimg 5 TodesfUlle
— 4 bei Kindern — vor. Eine üble Nebenwirkung
hat B. nie beobachtet.
Dr. H. Beyer (Brit. med. Journ. May 4. 1878)
sah in 2 Fällen von schwerer Diphtheritis sehr gu-
ten Erfolg von dem Spray mit MilchaänrQ. [Nähere
Angaben über die Stärke der Lösung fehlen.]
San.-R. Dr. Caspari zu Meinberg (Deutsche
med. Wchnschr. III. 18; Mai 1877) hat Salicylsäure
(5 : 30 Glycerin) mit oder ohne Zusatz von 1 Carbol-
säure als Pinselsaft mit gutem Erfolge bei Diphthe-
ritis angewendet. Bei 2 Erwachsenen, wo dieses
Medikament keine genügend schnelle Wirkung zeigte,
hat er jedoch eine concentr. Lösung der officinellen
Citronensäure aller 2 Std. zur Bepinselung des Ra-
chens mit bestem Erfolge benutzt und seitdem in 40
Fällen von der örtlichen Anwendung der Citronen-
säure sehr günstige Wirkung beobachtet ; von allen
diesen Kr. starben nur 2 noch nicht 1 J. alte Kin-
der. Bei Erwachsenen wendet C. die concentr. Lö-
sung, bei Kindera mit Znsatz von 10 — 30<>/o Glyce-
rin an. Ueble Nebenwirkungen hat C. nicht beob-
achtet.
Dr. Joseph B. Potsdamer berichtet (Phila-
delph. med. and surg. Reporter XLIL 15. p. 317.
April 10. 1880) über einen Fall, in welchem Inha-
lationen von Sauerstoff 80 günstigen Erfolg hat-
ten , dass die in Aussicht genommene Tracheotomie
umgangen wurde.
ChloraUiydrat
ist mehrfach zur örtlichen Anwendung empfohlen
worden.
Prof. V. Rokitansky (Med.-chir. Rundschau
Nov. 187 vS) berichtet über 3 Fälle, in denen er
mit bestem Erfolge Einpinselungen mit concentr.
Lösung von ChloraUiydrat (öO^/q). anwendete. Mit
Beginn der Besserung wandte R. schwächere Lösun-
gen an.
Dr. R. Carney (Canada Lancet; Philadelphia
med. and surg. Repoiier XLIL p. 104. Jan. 1880)
sah sehr günstige Wirkung von aller 1 — 2 Std. wie-
derholten Gurgelungen oder Einpinselungen mit einer
Lösung von 4 Chloralhydrat auf 30 Aq. destlUata.
Dr. Jos. Schwarz (Mitth. d. Ver. der Aerzte
in Nieder-Oesterr. VI. p. 22; Febr. 1880) wandte
in einem Falle die von Rokitansky empfohlene
37
290
E 0 r m a n n , Behandlnng der Diphtheritis.
bO^lo LösuDg von Chloral an , die er mehrmals
täglich einpinseln Hess. Schon nach 24 Std. trat
Bessening, nach weitern 3 Tagen Heilang ein. In
2 andern Fällen wurde unter Anwendung des Chlo-
ralhydrats — ob in gleicher Stärke, ist nicht ange-
geben — gleichfalls Heilung erzielt; es waren
jedoch noch andere Gnrgelwässer daneben benutzt
worden.
Sehr eingehend wurde die lokale Anwendung des
Chloral von Dr. Korn in Berlin (Deutsche med.
Wchnschr. VH. 22; Mai 1881) besprochen. K.
wendet je nach Alter des Er. und Schwere der Er-
krankung eine Lösung von 15 — 30 Chloral in 100
Glycerin an, welche 2stündlich, in schwereren
Fällen auch einmal während der Nacht , vorsichtig
eingepinselt wird. Nach den Pinselungen beobach-
tete E. mehr oder weniger starke Salivation. Er
hat das Chloral auf die angegebene Weise seit 8 bis
9 J. angewendet und selbst in schweren Fällen die
Auflagerungen in 3 — 4 T. schwinden sehen. Nach
seiner Erfahrung ist kein Mittel besser im Stande,
die brandige Erweichung und septische Zersetzung
der diphtheritisch erkrankten Gewebe zu verhüten
oder aufzuhalten.
Vielfache Empfehlung gegen die Diphtheritis
haben Alkoholika, Eacitantia u. Stimu^
lantia gefunden.
J. H. Nowlin (Philad. med. and surg. Repor-
ter XXXIU. 18. p. 345. Oct. 1875) will geradezu
staunenswerthe Erfolge mit seiner Behandlungsweise
erzielt haben. Er verordnet eine Mischung aus
Spir. Frumenti 90, Spir. Ammon. aromat. 4, Spir.
Lavend. compos. 15 Grmm. und lässt von derselben
einen Theelöffel voll in derselben Menge Wasser
Tag und Nacht stündlich verabreichen ; dabei leicht
verdauliche nahrhafte Eost. Ausserdem lässt er
den Schlund mit einer concentr. Lösung von chlors.
Eali , zu welcher Tannin (8 : 100) gesetzt wird , so
auswaschen, dass der dazu benutzte Leinwandlappen
bis hinter die Tonsillen geführt und jeder nur locker
anhaftende Belag entfernt wird. Gegen sept. Blut-
Vergiftung rühmt N. die Wirkung grosser Dosen
von Alkohol, bis zu 2 Essl. stündlich. (Auch bei
Eindern? Et.)
Ford S. Dodds (Philad. med. and surg. Re-
porter XXXIV. 11. p. 804. March 1876) berichtet
über die günstigen Erfolge, welche er mit dem Bi-
bron*8chen Antidot für Schlangengift erzielt hat.
Dasselbe besteht aus: Bromin. fluid. 10.0, Ealii jo-
dati 0.12, Hydr. bichlor. 0.06, Spir. dilut. 120
Grmm. ; anstatt des Jodkalium setzt jedoch D. die
gleiche Menge Eali chlor, hinzu und lässt aller 3 —
6 Std. 1 Theelöffel voll verdünnt nehmen, nach Ab-
lauf der entzündlichen Erscheinungen abwechselnd
mit starken Dosen Brandy oder Whisky in der Form
von Milchpunsch oder Eierbier (egg-nog). Alle ört-
lichen Mittel verwirft D. ; dagegen empfiehlt er den
Zusatz von Glycerin zu allen Medikamenten, welche
bei Haisaffektionen innerlich verordnet werden. Das-
selbe soll die Gewebe durchdringen und einen erwei-
chenden, beruhigenden Einfluss ausüben. (Et.)
Dr. F. H. Patton (Canada Lancet; Philad.
med. and surg. Reporter XLU. p. 107. Jan. 1880)
empfiehlt sowohl zur Prophylaxe als gegen die Pilze
Alkoholika, und zwar in grossen Dosen, bis zum Be-
ginn der Intoxikation. Seinem eigenen djähr. Einde
gab er 8 Grmm. reinen Branntwein stündlich (30 Std.
lang). Ausserdem verordnet P« Chinin (Eiodem von
10 J. 4stündl. 0.12 Grmm., oder bei reizbarem Ma-
gen 0.6 per Rectum). Von lokaler Behandlnng des
Halses sah P. keinen Erfolg.
Dr. Nathan Jacobson (New York med. Re-
cord XVIL 12. p. 308. March 20. 1880) bespricht
die verschiedenen als Specifika gegen Diphtheritis
empfohlenen Mittel. Er selbst ist der Ansicht, dass
bei der Diphther. jede erschöpfende Behandlung
ausgeschlossen ist, dass aber Alkohol , Eisen (Tinet.
ferri chlorati oder Ferrum dialysatnm) nnd Chinin
stets indicirt sind. Gute Diät muss die Behandlnng
unterstützen. Bei Affektion der Nasenhöhle ist
Desinfektion derselben durch Duschapparate oder
Spritzen angezeigt. Selbst bei Anwesenheit von
Herzgerinnseln soll noch Bettung möglich sein;
citronen- und essigs. Salze, Ammoniak oder Injek-
tion alkal. Lösungen in die Venen sollen unter aol-
chen Umständen zur Verwendung kommen. Bd
Larynxdiphtheritis hält J. die Tracheotomie für in-
dicirt, und zwar in jedem Lebensalter.
Dr. Edel (New York med. Record XUL 3;
Jan. 19. 1878) sah günstige Erfolge bei Diphtheri-
tis und Croup vom Terpentinöl. Er gieast
15 Ti*. Ol. Terebinth. in den Kessel eines Inhala-
tionsapparates und lässt stündlich (auch in der Nacht)
10 Min. lang inhaliren. Die Membranen nnd Oronp-
röhren stiessen sich bei diesem Verfahren stets sehr
bald ab nnd auch das Fieber sank schnell.
Gleichfalls sehr günstige Erfolge von Inhalatioo
der Terpentinöldämpfe beobachtete Dr. Max Taube
zu Leipzig (Deutsche Ztschr. f. prakt. Med. 37 ; Sept.
1877). Er wendet solche Inhalationen stets bei dem
Auftreten von Zeichen des Fortschreitens der Diph-
theritis auf den Larynx an und lässt 15 Tr. Terpen-
tinöl in das mit Wasser erfüllte Gläschen eines ge-
wöhnlichen messingernen Dampf-Inhalationsapparates
schütten. Das Kind soll in ein Betttnch gewiokdt
und der Apparat 8 — 10 Min. lang 3^' vom Monde
entfernt gehalten werden. Das Gesidit ist gnt ein-
zuölen, die Augen sind mit einem Tuche zu verfain-
den. Anfangs lässt T. stündlich Tag nnd Nacht
einathmen. Binnen 12 — 24 Std. sank das Fieber
und die Membranen stiessen sich schnell ab. Die
Wirkung des Terpentins fasst T. als Massage der
Rachentheile auf, bei welcher keine nachtheiligen
Aetzschorfe entstehen. Das ins Blnt aufgenommene
Oel hebt die arterielle Spannung und das dabei sich
entwickelnde Ozon hat vielleicht die desinficiiende
Wirkung. Einen schädlichen Einfluss anf die Nie-
ren u. s. w. konnte T. nie bemerken. Zur Nach*
behandlnng empfiehlt er die Inhalation Bchwaoher
Eormann^ Bebandluiig der Diphtheritis.
291
KoehsalzlösuDg. Dass jedoch auch unangenehme
ErscheiDangen dabei vorkommen können ^ beweist
der von T. beigefügte Fall , in dem in Folge der
Einwirkung des Terpentinöls ein Nasenabscess auf-
trat. — Neben dieser Behandlung machte T. noch
Injektionen mit Carbolsäure-Lösung (3%) direkt in
das Mandelgewebe (2-'3mal tägU Vs Pravaz'sche
Spritze). — Im Allgemeinen empfiehlt T. folgendes
Verfahren : 1) Tag n. Nacht stündlich Terpentinöl-
Inhalation; 2) Carbolsäure - Injektionen, 2 — Smal
taglich; 3) stündlich l-~2Theelöffel voll Rothwein
oder Madeira, kalte Compressen, resp. Eisbeutel auf
den Hala, 2 — Smal täglich warme Bäder mit kalten
Uebergiessangen y nasse Einwicklungen , Digitalis-
anfgufls (0.5 : 80 Grmm.) mit Benzoesäure (1 — 2
6rmm.). Als Diät Milch u. Eier, gegen Obstruktion
Leinöl. Bei Lockerung der Membranen ein Brech-
mittel aus Guprum sulphuricnm. — Auch nach der
Tracheotomie sollen Tei*pentinöldämpfe in und ttber
die Kanüle angewendet werden.
Stabsarzt Dr. Lindemann in Münster (Allg.
med. Centi-.-Ztg. XLVIL 84. Oct.l9. 1878) wandte
die Eioathmung der Terpentindämpfe mit günstigem
Erfolge bei einer im 7.Mon. schwangern, 26 J. alten
Frau an, welche an hochgradiger Dyspnoe, ziemlich
häufigen, äusserst intensiven croupösen Anfällen und
klangloser Stimme litt. Die Tonsillen waren frei
(ob vorher Bachen-Diphth. bestand, ist nicht gesagt).
Emetika wurden wegen der Schwangerschaft nicht
gegeben. Die Einführung eines Katheters brachte
keine Erleichterung. Auf die ersten Einathmungen
von Ol. Tereb. rect. (1 Theelöfl^el voll in einem Topf
kochenden Wassers) trat bereits Besserung ein. Meh-
rere Tage hindurch wurden noch röhrenförmige den-
dritische Bronchial-Exsudate ausgehustet. Bei Kin-
dern sah L. von den fragl. Inhalationen keinen be-
sondern Nutzen , da dieselben mit grosser Energie
«ugefilbrt werden müssen.
Dr. Bosse in Domnau (Berl. klin. Wchnschr.
XVII. 43; Oct. 1880 — XVIIL 10; Mära 1881)
behandelte 23 Kranke mit Terpentinöl. Er gab
2 — 7jähr. Kindern 8 Grmm., älteren 12 Qrmm.
pro dosi ; kalte Milch wurde nachgefüllt, zur Nach-
behandlung der Vorsicht halber Kali chloric. bis
zur Genesung gegeben. In 4 Fällen war 24 Std.
nach Verabreichung von 12 Grmm. der Belag noch
fest und deshalb wurden nochmals 10 Grmm. ge-
geben. Stets nützte das Mittel zur schnellen Los-
lösong der Membranen, gleichviel ob es am 1 . oder
3. Tage nach Auftreten der Flecke gegeben wurde.
Nach 2mal 24 Std. wai* die Diphth. geheilt, wäh-
rend bd anderer Behandlungsmethode von 63 Kran-
ken 4 stai'ben. Später wandte B. auch in 6 Fällen
von Scharlachdiphtherie auf gleiche Weise Terpen-
tinöl ohne nachtheilige Folgen an, auch Nephritis
tet nicht ein.
In dem zweiten Artikel (1881) berichtet B. zu-
i^hst über 11 Fälle, in welchen nur Terpentinöl
»gewendet wurde. Alle Kr. genasen ; bei 4 Kr.
trat Erbrechen ein. Um zu sehen, ob das früher
nebenbei verordnete Kali chloric. eine antemetische
Wirkung habe, gab B. den nächsten 20 Kr. nach
dem Terpentinöl (6 — 12 Grmm. auf einmal, am
nächsten Tage dieselbe oder eine kleinere Dosis)
eine 5proc. Lösung von Kali chloricum. Es trat bei
11 Kr. Erbrechen ein. Das Kali chloric. hat also
die gehoflfte Wirkung nicht gehabt. Zuweilen nach
Anwendung von Terpentin auftretende Diarrhöe
heilte von selbst. Strangurie trat nur in 1 Fall
(bei einer 4Öjähr. Frau mit Oedem um die Malleo-
len) ein. Unter den letzten 20 Fällen, die B.
tabellarisch mittheilt, befinden sich 2 Todesfälle, die
einzigen, die B. in der Zeit vom Juli 1880 bis Febr.
1881 zu beklagen hatte. In beiden Fällen kamen
jedoch die Kr. in so weit vorgeschrittenen Stadien
zur Behandlung, dass jede andere Behandlung den
gleichen Ausgang voraus hätte sehen lassen. — Dass
schlechte Nebenwirkungen nach den von B. ange-
wendeten Dosen nicht zu erwarten waren, geht schon
daraus hervor, dass Prof. Naunyn und 2 andere
Herren im J. 1868 binnen 4 Std. je 100 Grmm.
Terpentin in Eigelbemulsion nahmen und selbst da-
nach nur geringe Kopfschmerzen empfanden. —
B. hält die Anwendung des Terpentinöls bei Diphth.
besonders deshalb für empfehlenswerth , weil sich
dabei die Pseudomembranen schnell auflösen. Die
guten Resultate allein berechtigen nach seiner Ueber-
zeugung durchaus nicht, sofort ein Mittel zu em-
pfehlen, da die wunderbarsten Kuren, von denen B.
ein Beispiel beibringt, zuweilen gleich gute Resultate
haben, da eben ein Theil aller Kranken unter jeder
Behandlung gesund wird. — Referent hat bisher
nur in einem, allerdings verzweifelten Falle Ter-
pentin angewendet und muss gestehen, dass danach
ein Umschwung in den Verhältnissen eintrat. Der
Fall wird an andei'cr Stelle veröffentlicht werden.
Prof. Mosler in Greifswald (Berl. klin. Wo-
chenschr. XVI. 21 ; Mai 1879) hat InhaUtionen von
Ol. Eucalypti mit günstigem Erfolge angewendet.
Er verordnet zu 10 Inhalationen 2^-5 Grmm. Ol.
Eucalypti e foliis, 20 — 25 Grmm. Sp. vini rectif.
auf 170 — 180 Grmm. Aq. destillatae. Die Mischung
muss vor dem Gebrauche umgeschttttelt werden.
Auch M. bezeichnet es als Hauptaufgabe der
lokalen Therapie bei Diphtheritis, gegen die von der
Affektion des Pharynx ausgehenden Zersetzungen
einzuschreiten, zu welchem Zwecke auch nach seiner
reichen Erfahrung anstatt der Aetzmittel Inlialatio-
nen zu verwenden sind, und zwar sowohl solche
von Dämpfen heissen Wassers (50^), zweckmässig
mit einem Zusätze von Seesalz, als auch solche von
desinficirenden Lösungen. In letzterer Hinsicht sind
die gewöhnlich als Desinficientia benutzten Mittel,
wie Carbol- oder Salicylsäure, Übermangans. Kali,
nicht gut zu verwenden, da bei anhaltender Inhala-
tion leicht grössere oder kleinere Mengen der gen.
Substanzen in die Bronchien gelangen und daselbst
Reizerscheinungen hervorrufen könnten. M. hat da-
her, da das Terpentinöl bei anhaltendem Gebrauche
gleichfalls mancherlei Nebenwirkungen hat, seine
292
K 0 r m a n D , Behandlang der Diphtfaeritis.
desinficirende Eigenschaft aach nicht allgemein an-
erkannt ist, — das 01. Eucalypti zu Inhalationen
benutzt, welche er mit Zwischenzeiten von einer
halben bis ganzen Stunde 15 — 30 Min. hindurch
anwenden lässt. Zur Inhalation selbst benutzt M.
seit Jahren einen Dampfapparat, aus welchem die
zerstäubten medikamentösen Flüssigkeiten mittels
eines weiten Rohres vor oder in den geöflPheten
Mund geleitet werden.
Die Hauptaufgabe der Allgemeinbehandlung ist
nach M., „den Organismus durch gute Nahrung und
Tonika zu kräftigen, um den unerwartet aufti'eten-
den Lähmungserscheinungen, besonders der Herz-
paralyse vorzubeugen". Zu diesem Zwecke ver-
ordnet M. , neben kräftiger Fleischbrühe, Liq. ferri
sesquichlor. nebst grössern Qaben starken Weines.
Gegen das Fieber wendet er Chininum hydrochlorat.
cryst. innerlich, oder das Chin. hydrochl. amorphum
in Aqua carbonata in der Form des Klysma an.
Dr. P erat 6 behandelt (Bull. deTh^r. XL. 12.
p. 529;'juin 30. 1880«) seit 2 Jahren die Rachen-
diphtheritis nach dem Vorschlage von Dr. Soul 6 zu
Romorantin (1. c. XCIV. p. 18; Janv. 1878) mit
Pli enolka mp her^ indem er die erkrankten Stellen
mit einer Lösung von 25 Grmm. Camphor., 9 Acid.
phenyl. und 1 Alkohol , welche mit der gleichen
Menge Mandelöl (35 Grmm.) versetzt wird, am Tage
aller 2, Nachts aller 3Std. einpinselt. Nach einigen
Tagen ist je nach dem Grade der Besserung nur
aller 3, 4 — 5 Std. einzupinseln. Bereits 4 J. alte
Kinder gewöhnten sich leicht an die Behandlung.
Bei einfacher Rachendiphther. gelingt auf diese
Weise die Heilung mehr oder weniger schnell, zu-
weilen binnen 24 Stunden. Bei ausgebreiteter
Rachendiphther. mit Drüsenanschwellung u. Oede-
men verschwanden die letzteren binnen 24 Std. ;
nach 48 Std. war die Drüsenanschwellung veiTin-
gei*t. P. lobt an dieser Behandlung besonders die
schnelle Hebung der Kräfte und des Appetits. Das
Auftreten von sekundären Lähmungen, wie sie nach
schwerer Diphtherie vorkommen, wird jedoch, wie
P. hervorhebt, durch diese Behandlung nicht unbe-
dingt verhütet. Er fasst die Wirkung des Mittels
mehi' als eine lokale auf, wenn er auch die leichte
Absorption der Flüssigkeit nicht leugnet. Das
schnelle Zurückgehen des Oedem ist eben durch
die lokale Wirkung bedingt.
In Bezug auf die Anwendung balsamischer
Mittel gegen Diphtheritis haben wir zunächst
eine Abhandlung von Dr. Beverley Robinson
(Amer. Jouni. N. S. CXLIII. p. 30; July 1876)
über den Nutzen der Cubeben zu erwähnen. R.,
welcher die Diphther. als zu den katarrhal. Affek-
tionen gehörig betrachtet, hat das Mittel in wenig-
<) Kurze Erwähnung hat das Verfahren von Peratö
auch in einer Mittheilung über mehrere interessante Fälle
von Diphther. von L^on Blondeau (L'Union 144.
1880) gefunden. Bl. selbst rühmt die günstige Wirkang
der ortl. Anwendung des Kalkwassers.
stens 20 Fällen von pseudomembrandser Pharyo-
gitis angewendet, von denen 8 — 10 die entscbie
denen Zeichen diphth. Infektion darboten. Bd die-
ser Behandlung starben eine 60jähr. Fraa n. 1 Kind,
letzteres in weniger als 3 Tagen nach dem Ein-
tritt der Symptome. Alle übrigen Kr. genasen.
Ueber die Wirkung der Cubeben bei Diphtherits
spricht sich R. dahin aus, dass sie die Schleimhaut-
Oberfläche durch direkten Contakt und durch die,
ausser durch die Nieren, zum gröasten Theile durch
die Schleimhaut der Respirationsorgane stattfindende
Ausscheidung ihres äther. Stoffes beeinflussen. Die
Schleimsekretion wird gemässigt und deshalb kam
auch die membranöse Exsudation nicht so sehoell
oder reichlich erfolgen. Die gebildeten Pseudo-
membranen verlieren ihre innige VerbindoBg mit
der Unterlage u. werden resorbirt oder losgestoeaen.
und expektorirt. Die Disposition des Processes, siek
nach dem Larynx oder der Nasenhöhle zn verbrei-
ten, ist geschwunden. Die beschriebenen Effekte
traten ca. 48 Std. nach dem Beginn der Cabeben-
behandlung ein, spätestens am 3. bis 4. Tage. Doeh
kann bis 1 Woche vergehen , bevor die sekundären
Membranen aus dem Pharynx vollständig verschwan-
den sind. Absolute Gontraindikationen gegen dieCn-
beben giebt es nicht. Bei torpider Verdauung wirken
massige Dosen anregend auf den DigestivproeeBg.
Von einigen Pat. wurden grosse Dosen gut ver-
tragen, zuweilen tritt aber Dyspepsie und Diarrhöe
danach ein; man muss dann kleinere Gaben an-
wenden. Copaivabalsam wird viel schlechter vff*
tragen« — R. lässt Erwachsene gewöhnlich eine
Mischung von 30 Grmm. Pulv. Cubeb. recens par.
und ana 45 Grmm. Syr. coli;, aur. und Aq. meotii.
pip. binnen 24 Std. nehmen (28tQndl. 1 Essl.);
einem 3jähr. Kinde kann Vi — Va ^^^ E^^* ^^
verabreicht werden. Im Beginn der Krankheit hilt
R. auch die Anwendung von Strychnin ftir vortheil*
haft, da es eine stärkende Wirkung auf den Hen*
muskel ausübe. Schlüsslich erwähnt R« noch, dass
auch andere Aerzte auf seine Empfehlung hin die
Cubeben mit gutem Erfolge angewendet habeo.
Vgl. auch die Angaben von Cadet de Gassi-
courtS. 285.
Dr. Trideau zu Audouilliä, welcher bekaont-
lieh schon vor einer Reihe von Jahren die Balaamika
gegen Diphtheritis empfohlen hat u. dieselbe gieioh-
falls als eine katarrhalische Affektion auffasst, macht
(Gaz. hebd. 2. S^r. XIV. 12; Man 1876) aosfthr-
liehe Mittheilung über die Anwendung der CnbebeR
und des Copaivabalsams als Abortivnutftel bd Rachen-
diphther., während er dieselben bei Auabreitaog
des Processes auf den Kehlkopf filr meistens erfolg-
los bezeichnet. Die Cubeben wendet Tr. stets als
Pulver an, welches man kurz vor dem Einnehmes
mit Syrup oder stark gezuckertem Wasser mischt
Man muss das Mittel in wiederholten Dosen (stSndL)
geben, so dass man täglich bei Kindern unter 1 Jthr
8 — 10 Grmm. , bei Erwachsenen 25 — 40 Gnnm.
verbraucht. Das Mittel muss einige Tage naeh deia
K o r m a n D , BehaodluDg der Diphtheritis.
293
Venehwinden der Membranen fortgegeben werden.
Ist biimen 2 — 3 Tagen noob keine Besserung ein-
getreten, so darf man die Dosen dreist steigern,
gleichviel wie alt der Pat. ist. Bei der geringsten
Spar von Recidiv muss das Mittel sofort wieder
genommen werden. Bei Eintritt von Diarrhöe giebt
man Kindern etwas Syropns diacodii, Erwachsenen
etwas Syropns opii. Tr. verordnet gewöhnlich eine
Hischong aus 12 — 15 Gnnm. Pnlv. Gabeb. rec.
pur., lOOGrmm. Syr. n. ana 20Gnnm. Vini hispan.
und Aq. dest., welche je nach Alter des Er. und
Schwere der Erkrankung 1 — 3mal tftglich zu ver-
braachen ist. Cubeben mit Copaivabalsam giebt
Tr., wenn durch Gubeben allein keine Besserung
mielt wird, wie nicht selten bei Erwachsenen. Er
llMt Troohisken mit 0.35 Grmm. Bals. Copaiv. sicci
(Mialhe) u. 0.15 Grmm. Pulv. Cubeb. anfertigen und
davon 20 — 30 Stflck den Tag Ober verbrauchen.
KiDdem giebt Tr. täglich so viel Stttck als sie Jahre
ilhlen, Copaivabalsam allein giebt er in um Vs — Vs
grösserer Menge, 9 — 12 Trochisken fttr ein 6jfthr.
Kind, Erwachsenen bis zu 60 Troch. binnen 24Std.,
um den Oopaiva-Ausschlag zu erzielen, mit dessen
Auftreten gewöhnlich auch Besserung sichtbar wird.
Sobald derselbe erscheint, oder die Pseudomembra-
nen verschwunden sind, lässt man die Trochis-
ken weg.
In einer Mittheilung über eine Diphtheritis-Epi-
demie im Höpital Ste. Eug^nie während des J. 1876
berichtet Dr. B roch in (6az. des Höp. 17. 1877),
dasB nach der Angabe von Moizard Copaiva-
balsam in den Fällen, in denen die Diphth. nicht in-
fektiös war, einigen Vortheil darzubieten schien,
indem er das Verschwinden der Pseudomembranen
im Phar3mx begünstigt. Bergeron verordnet
28tilndL 1 Esslöflfel voll von einer Mischung aus
100 Grmm. Aq. menth. pip., 18 Grmm. Alkohol
and Va — 2 Grmm. Bals. copaivae. — Das chlora.
Kali ist in dieser Epidemie wenig verwendet wor-
den, da es weder besser, noch schlechter als Copaiva-
balsam wii^te. Dagegen hat- Saiicylsäure als Anti-
septikum (weniger als Antipyretikum) mehrfach sehr
gute Dienste geleistet (4 Grmm. auf 40 Alkohol und
80 Wasser). — Mittels der Tracheotomie wurde im
gen. Hospital während der 9 letzten Mon. des J.
1876 nur in 120/o der Fälle Heilung erzielt.
üeber die günstige Wirkung des Chinin gegen
Diphtheritis , welche in vielen der schon besproche-
nen Aufeätze erwähnt worden ist, liegen noch einige
spedelle Mittheilungen vor.
Dr. E. G. Zinke (The Ctinic XIII. 26. p. 301.
Dec. 1877) berichtet über 7 Fälle, von denen 4
onter der gewöhnlichen Behandlung tödtlich verliefen,
während in den 3 letzten Heilung eintrat , nachdem
Z. erae Lösung von 8 Grmm. Ghin. snlph. in 30
CInnm. Aq. dest. mittels eines Pnlverisator auf den
Raehen applicirt und stündlich 5 Ctgrmm. Chinin
innerlich verabreicht hatte. Die mikroskopisch nnter-
SQchten Membranen enthielten viele Mikrokokken,
aber ohne ein Zeichen voq Lebensthätigkelt. Schlttss-
lieh theilt Z. noch einige Experimente mit, welche
die Wirksamkeit des Chinin den Mikrokokken gegen-
über beweisen sollen, aber zum grossen Theil wenig
beweisend sind.
Dr. E. Wiss (Deutsche Ztschr. f. prakt. Med.
34; Aug. 1878. — Die Heilung und Verhütung der
Diphtheritis. Berlin 1879. A. Hirsch wald. 8. 37 S.)
empfiehlt das Chinin in Verbindung mit Ammonium
hydi'ochloratum, welches er dem Kali chloricum vor-
zieht, da es sicherer und schneller wirksam sei,
namentlich auf die Drüsen. W. verordnet eine Lö-
sung von 0.4 — 0.6 Grmm. Chin. sulph. und 2 — 6
Grmm. Ammon. hydrochlor. in 90 Grmm. Aq. dest.
unter Znsatz von 3 Tr. Acid. hydrochl. dil. und 30
Grmm. Synip *). Von derselben wird 2stündlich ein
Rinder- oder Esslöffel voll verabreicht. Bei schlep-
pendem Verlaufe , sowie gegen die zurückbleibende
Schwäche und Anämie verordnet W. 3mal täglich
Tinct. ferri sesquichlor. in recht süssem Zucker-
wasser.
Da mit der Diphth. zugleich zahlreiche einfache
katarrhal. Anginen auftreten und da ein vorhandener
Katarrh zur Erkrankung an Diphth. disponirt, ist
W. geneigt, die Diphth. als ein öiiilich auf wesentlich
katarrhal. Basis entstehendes Leiden zu betrachten.
Die Indikation für die Anwendung des Chinin
findet W. in der Eigenschaft desselben, auf die Bak-
terien vernichtend einzuwirken, welche sich bei Diph-
theritis im Blute sowohl als in den Exsudaten vor-
finden und nicht nur als Träger , sondern auch als
Mehrer des Giftes wirksam zu sein scheinen. Bei
zeitiger Anwendung hat W. mit dem angegebenen
Verfahren stets gute Erfolge erzielt.
Dr. Aug. Lachmund in Leisnig (Allg. med.
Centr.-Ztg. IL. 1 ; Januar 1880) behandelte nach
Wiss 71 Kinder an Diphth., von denen nur 3 star-
ben, welche zugleich an Scharlach gelitten hatten
und 3 Wochen nach glücklichem Ueberstehen noch-
mals von Diphth. befallen wurden. L. Hess die von
Wiss angegebene Mischung stündlich zu 1 Tbeelöffel
verabreichen , ausserdem ab und zu einige Tropfen
Terpentinöl einathmen , bei grösseren Kindern auch
mit einer Lösung von Kali chloric. gurgeln. Zur
Nachbehandlung empfiehlt er bei Schwäche Liq.
ferri sesquichlor. oder Decoct. chinae.
Unter den neuerdings gegen die Diphtheritis
empfohlenen Arzneimitteln ist es namentlich das
Pilocarpin, welches grosse Beachtung gefunden
nnd vielfache Besprechungen erfahren hat.
Am 4. Oct. 1880 veröffentlichte Dr. Georg
Gnttmann in Constadt O./Schlesien (Berl. klin.
Wchnschr. XVII. 40.) als ein von ihm seit Vt Jahren
gegen Diphth. mit Erfolg angewendetes Heilmittel
Pilocarpin mit Pepsin. Die Aufgabe der Behand-
lung , die pilzhaltigen diphth. Belege so schnell als
0 In der Monographie ist als Menge des der von W.
verordneten Losung beizufügenden Sjrrups 90Qrmm., an-
statt 30 Grmm. angegeben.
294
EormanDy Behandlang der Diphtheritis.
möglich zu entfernen , wird sehr gut durch die ohne
irgend welche entzündliche Reizung hervorgerufene
Speichelsekretion erzielt, wie sie nach innerer An-
wendung der Fol. Jaborandi oder deren Präparate
eintritt.
Im April 1879 erkrankten 7 Personen einer
Familie, 3 davon in typhoider Weise an Diphtheritis.
In 6 dieser Fälle wendete 6. zuerst Pilocarpin
(0.05 Grmm. pro die) an, gab aber nebenbei noch
Chinin , Pinselungen mit Tannin , Gurgclungen mit
Kalkwasser und Pepsin. Sämmtliche Kranke wur-
den binnen 2 — 4 Tagen gebeilt. Dr. G e 1 d n e r in
Pitschen und Dr. Dylewsky in Grabow hatten
dieselben günstigen Erfolge , selbst bei den schwer-
sten Fällen. G. selbst hat seitdem bis Ende Juli
1880 im Ganzen 66 Diphth.-FäUe , von denen 15
sehr schwer waren, 18 sehr leicht, 33 aber mit be-
trächtlicher Verbreitung der diphth. Pseudomembra-
nen verbunden waren, behandelt. Bei sämmtlichen
66 Kr. kam nur Pilocarpin (mit Pepsin) innerlich zur
Anwendung ; sie genasen alle binnen 1 bis 11 Tagen.
Auf Grund weiterer Beobachtungen hält übrigens
G. die Wirkung des Pilocarpin für speci6sch gegen
alle Aiiien von Entzündung der Schleimhäute der
Mund' und Rachenhöhle, sowie gegen LarynX"
Croup. Er behandelte an letzterm im Jahre 1880
4 Kr., von denen 2 bereits so tief asphyktisch waren,
dass auch das Pilocarpin nichts nützen konnte, wäh-
rend die 2 frühzeitiger behandelten in 3 — 4 Tagen
hergestellt wurden. Auch in 2 Fällen von Laryn-
gitis stridula trat schneller Erfolg ein.
G. verordnet Kindern je nach dem Alter stündl.
1 Theel. voll einer Lösung von 0.02—0.04 Grmm.
Pilocarp. hydrochlor., 0.6 — 0.8 Grmm. Pepsin in
80 Grmm. Aq. dest. unter Zusatz von 2 Tr. Acid.
hydrochlor.. Erwachsene nehmen stündl. einen Ess-
löflfel voll einer Lösung von 0.03 — 0.05 Grmm.
Pilocai-p. hydrochlor., 2 Grmm. Pepsin auf 240
Grmm. Aq. dest. unter Zusatz von 3 Tr. Ac. hydro-
chloricum. Nach jeder Gabe erhalten Kinder 1 Thee-,
Erwachsene einen Esslöffel voll schweren Ungar-
weins; Medicin und Wein müssen auch während der
Nacht regelmässig gebraucht werden. Speichelfluss
trat stets ein, zuweilen nur als vermehrtes Aus-
spuckenmüssen bemerkbar. G. kannte bei Abfassung
seines Berichts nur 1 ungünstig verlaufenen Fall von
mit Pilocarpin behandelter Diphth. aus der Praxis
des Dr. Geldner. Ausserdem lässt Guttmann
3mal täglich einen Prieesnitz' sehen Umschlag um
den Hals legen, 2stündl. kleine Mengen von warmer
Milch, Kaffee oder Suppe reichen, viel und oft recht
kaltes Wasser trinken oder auch Eisstttckchen
schlucken. — Im Anhange berichtet 6. über wei-
tere 15 Fälle (darunter 7 sehr schwere), in denen
allen binnen 1 — 5 Tagen Heilung unter dem ange-
gebenen Verfahren eintrat.
Dr. E. Lax in Schöllkrippen (Bayr. ärztl. Intell.-
Bl. XXVU. 43 ; Oct. 26.) behandelte vom 24. Sept.
bis 15. Oct. 1880 16 Kinder (1—16 J.) an Diph-
theritis. Bei den ersten 6 wandte er Einpinselungen
mit 4proc. Höllensteiniösung, sowie cUors. Kali
innerlich und zu Gnrgelungen an ; 2 derselben star-
ben. Von den 10 übrigen, die Pilocarpin-Pepni
in Tokayer und warme Umschläge um den Hals er-
hielten, starb keiner.
Dr. Weise (Berl. klin. Wehnschr. XVm.4;
Jan. 1881) sah in 5 Fällen unter Anwendung des
Pilocarpin nach Guttmann günstigen Verlauf, be-
obachtete aber in einem 6. Falle (5jähr. Mädchen)
einen in Tod übergehenden CoUapsus in Folge der-
selben. Später erlebte er noch 3 Todesfälle bei der-
selben Behandlung. Er dringt daher mind
auf minutiöse Verordnung und ebensolche Befi
von Seiten des Publikums. In historischer Besiehong:
bemerkt W., dass Pilocarpin in der Wttrzboi
Poliklinik seit mehreren Jahren gegen Diphtherii
angewendet werde. Guttmann (a. a. 0* 14
p. 198) giebt jedoch an, dass nach direkt ei
genen Erkundigungen in der Würzburger Klini!
Pilocarpin gegen Diphtheritis facht, in der Poli
dagegen seit längerer Zeit nicht mehr angewende
worden sei.
Dr. F. W. Vogel (Boston med. and snrg. Jonm«
GIV. 10; Maroh 1881) berichtet ausAhrlich
die diphther. Erkrankung von 3 Geschwistern (Tjähr
Knabe ; 2jähr. Knabe ; Smonatl. Mädchen), bei wek
eher eine Lösung von 0.03 (bei den jungem Kin-
dern 0.02) Grmm. Pilocarpin nnd 1.25 Grmm. Pepsis
in 80 Grmm. Aq. dest. unter Beigabe von 2 Tr. Ac
hydrochlor. (stündlich 1 Theel.) sehr gote Dieaär
leistete. Der ältere Knabe erlag jedoch 8 T. mA
der Genesung einer Nephritis mit Lungenödem.
Dr. Hidar Alföldi in Paucsova (Wien. med.
Presse XXII. 13 ; März 1881) sah keine gflnstigei
Erfolge von der Anwendung des Pilocarpin. AHa
6 Fälle, in denen H. das Mittel gegeben hat, endetoi
lethal. Dasselbe gilt von 5 andern Fällen, in denoi
ungarische Aerzte das Pilocarpin verordnet hatten.
A. warnt geradezu vor dieser Art derBehandlong^ da
er in einem Falle (5jähr. robuster Knabe, seit 2 Ti*
gen erkrankt) ein akutes Lungenödem durch dal
Pilocarpin (0.2 auf 80,0; davon stündlich 1 Theel.
— es waren in Summa 5 Theelöffel gegeben worden)
eintreten sah.
Der österr. Reg. -Arzt Dr. Josef Schmid
(a. a. 0. 15. p. 462. April) vereinigte sich mit dem
Bez.- Arzt Dr. Szymonowicz und Spitalsprimi-
rius Dr. Slarczynski zur Prüfung der Pllocar-
pinbehandlung der Diphther., die sich so vollstftadi^
wirkungslos erwies, dass So hm. mit den Wortei
abschliesst, dass Pilocarpin ein sehr theures, bd
Diphther. meist ganz unnützes, oft sogar eni sebr
schädliches Mittel sei. Sämmtliche 3 CoUc^en kehr
ten zur früheren Behandlung der Diphther., dnrck
Separation der Kr., durch Analeptika nnd Antisep-
tika, stark roborirende Diät und strenge DennM-
tion der Wohnungen zurück.
In Folge dieser Veröffentlichungen sah sieh Dr.
Guttmann (Breslauer ärztl. Zschr. IIL 8. 9; Apr.
und Mai 1881) veranlasst^ die epedfyehe Wuiaaig
Eormann , Behandlung der Diphtheritis.
295
des Pilocarpin nochmals za betonen. Es heile die
Krankheit selbst unmittelbar. Das Verdienst, zuerst
hieranf aufnaerksam gemacht zu haben, nimmt er fOr
sieh in Ansprach ; wenn auch bereits vor seiner er-
rten Veröffentlichung ab und zu Versuche mit Pilo-
earpin angestellt worden sind (Weber 1877,
Demme 1877, Lehwess 1879, Merkell880).
BezflgUch der Wirkung des Pilocarpin hat er die
Geberzeugung gewonnen, dass in Folge der Anre-
pmg der physiologischen Thätigkeit der erkrankten
BcUeimhäatey resp. deren Sekretionsorgane, die Ent-
dndungserscheinungen in denselben immer vollstän-
dig weichen. Trotzdem werden lethale Ausgänge
nicht ausbleiben ; denn wenn die Allgemeininfektion
n rapid eintritt, kann auch das Wegspülen, resp.
die definitive Beseitigung des Krankheitserregers und
der durch ihn gesetzten Produkte nichts mehr nützen.
6. räth daher, immer die erprobten Antimykotika
^besonders Chinin) noch nebenbei zu geben. Das
Auftreten von CoUapsus nach interner Anwendung
▼OD Pilocarpin hat er in seinen 120 Fällen nicht be-
obachtet. Ist man der Verabreichung von Wein
von Seiten der Angehörigen nicht sicher, so thut
Bitn gut, ihn sofort zur Medicin zu verschreiben
[2. B. Vinnm Xerense — oder Cognac. Ref.]. Auch
in den der Pilooarpin-Behandlnng aufgebürdeten
TodesfllUen, die Weise veröffentlichte, kann G. nur
eine Herzlfthmung oder einen LungencoUapsns in Folge
diphtheritischer Vei*änderungen im Centralnerven-
Orstem erblicken. Denn alle Beobachter stimmen
darin liberein, dass der betreffende Collaps stets
doreh CSognac, Wein und Amylnitrit zu beseitigen
ist — Fflr die subcutane Verabreichung, die selten
BOtlng ist, räth G. nur Va Spritze einer 20/oigen Lö-
^ unter Verabreichung von Spirituosen vor und
B>di der Injektion zu verbrauchen. Schlflsslich
theilt Vf. noch einen schweren Fall mit — 8jähr.
Knabe, mit schwerer Rachenbränne', vollständiger
Sopor mit Stertor, Affektion beider Nasenhöhlen,
diphther. Mittelohrentzündung and dGstand. [Schling-
Uunang — , der unter Anwendung von Pilocarpin mit
Genesung endete. — Die beigegebene Correspon-
deoz aus ärztlichen Kreisen, welche gute Erfolge mit
dor Pilocarpinbehandlung enthält, muss im Originale
eingesehen werden.
Dr. Karl Dehio (Petersb. med. Wchnschr.
VI. 19. 20. 21 ; Mai 1881) berichtet, dass bereits
ÖA Jahr 1878 im Kinderhospitale des Prinzen von
Oldenburg bei Diphth. faucium et laryngis subcutane
Pilocarpininjektionen angewandt worden sind, und
d«S8 Ende des Jahres 1878 Lehwess in St. Pe-
tersburg (Petersb. med. Wchnschr. V. 1. 1880.) be-
'^Hs günstige Erfolge bei Rachendiphther. erzielte.
D. selbst hat in 24 Fällen von Diphth. Pilocarpin
^gewendet; in 14 Fällen war die Affektion auf den
^hai beschränkt, in 10 waren Larynx und die tie-
fem Luftwege zugleich afficirt. D. verordnet eine
LöBung von 0.02—0.06 Pilocarp. hydrochlor. in
deaL Wasser und span. Wein ana 50 Grmm., von
welcher Tag and Nacht aller 2 Std. 10 Qrmm. ver-
abreicht werden. Bei Eintritt von Erbrechen oder
CoUapsus wurde das Mittel ausgesetzt. Oertlich wur-
den 2stttndlich Ausspalungen oder Ausspritzungen
mit wässeriger Lösung von Borsäure oder Kali
chloric, u. dmal täglich Auspinselungen mit lOproc.
Tanninldsung, ausserdem bei Kehlkopfaffektion In-
halationen mit Natr. bicarb. angewendet. In allen
14 Fällen von Diphth. faucium, die zum Theil
leichte, zum Theil aber sehr schwere waren und von
denen D. fünf mittheilt, erfolgte Genesung. Sobald
Salivation u. Diaphorese eingetreten waren , erfolgte
ein Umschwung in den Verhältnissen, und zwar in
2 Fällen nach 60, in 5 nach 48 , in 1 nach 40 , in
1 nach 36, in 3 nach 24 und in 2 nach 12 Stunden.
Die vollständige Abstossung und Fortspttlung der
Exsudate dauerte in 1 Falle 15 Tage, in 1 Fall 12
Tage, in 1 Falle 8, in 2 Fällen 7, in 2 Fällen 6, in
3 nur 5 Tage, in je 1 Fall 4 und 3 Tage und in
2 Fällen 2 Tage. D. betrachtet daher als wich-
tigste Wirkung des Pilocarpin die rasche Unter-
drückung desKrankheitsprocesses. Er macht jedoch
darauf aufmerksam , wie verschieden verschiedene
Pilocarpinpräparate wirken; das von Merk in
Darmstadt gelieferte erwies sich als das wirk-
samste.
Von den 9 Fällen, in denen neben dem Rachen
der Larynx diphtheritisch afficirt war, endeten unter
Pilocarpinbehandlung 5 tödtlich, nur 4 mit Gene-
sung. In den 5 lethal verlaufenen Fällen war bei
Beginn der Asphyxie dieTracheotomie gemacht wor-
den. In den 4 HeilungsfilUen, in denen durch die
laiyngoskop. Untersuchung wirkliche Larynx-Diph-
ther. constatirt wurde, war die Tracheotomie über-
haupt nicht in Frage gekommen. — Der 10. Fall
betrifft einen 9jähr. Knaben mit fibrinöser Laryngi-
tis ohne gleichzeitige Rachenerkrankung. Trotz An-
wendung von Pilocarpin nahm die Stenose so zu,
dass dieTracheotomie nöthig wurde; nachher wurde
Pilocarpin nicht weiter gegeben. Es erfolgte Hei-
lung. Es ist also eine günstige Beeinflussung der
fibrinösen Laryngiäa und Tracheobronchitis durch
Pilocarpin nicht zu bemerken gewesen. Dagegen
war eine rasche Besserung der lokalen Rachen"
erkrankung in mehreren Fällen unverkennbar.
In der Mehrzahl d9r Fälle sah D. keine unan-
genehmen Nebenwirkungen ; zuweilen trat nach der
1. oder 2. Pilocarpindosis Erbrechen ein, später
nicht mehr. Nur 5 Mal trat schwererer CoUapsus
ein, und zwar hatte ein l^sjähriges Kind in 8 Std.
0.009, ein 4jähr. und ein 8jähr. in je 10 Std. je
0.02, ein 9jähr. in 48 Std. 0.19 und ein 11 jähr, in
4 Std. 0.024 Grmm. Pilocarpin erhalten. Die Ool-
lapsus verschwanden binnen 4 — 8 Stunden. D.
konnte daher eine ungünstige Beeinflussung der Herz-
thätigkeit und des Pulses durch Pilocarpin nicht an-
nehmen.
Im Anschlüsse hieran erwähnt D. noch, dass Prof.
W. Laschke witsch in Charkow 0 in 10 Fällen
1) Prof. LaBchkewitBch theilt 9 dieser Fälle, die
296
E ö rm a n D , Behandlnng der Diphtheritis.
von schwerer Bachendiphther. mit Pilocarpin keine
Genesung erzielte, trotzdem dass die Pat. am ersten
Erankheitstage 2standlichy später standlich 0.002
Grmm. Pilocarpin pro dosi erhielten. Eine sehr
kräftige, günstige Wirkung des Pilocarpin bei Rachen-
Diphtherie ist jedoch nach D.'s Uebei*zettgung nicht
zu verkennen ; die allerschwersten Fälle septischer
Diphth. spotten aber dieser, wie jeder andern Be-
handlung.
Guttmann (a. a. 0. 46} bezeichnet die von
Dehio gegebenen Einzelgaben als zu hoch, wes-
halb D. selbst schlüsslich davon zurflckgekommen
sei. G. selbst fing mit 2stündlichen Dosen von 4,
5 und 7 Mgrmm. an, hielt aber später stündliche
Gaben von 0.0012 bis 0.0025 Grmm. für ausrei-
chend, um die specifische Wirkung zu erreichen. Er
zieht daher die innere Anwendung der subcutanen
vor, und giebt Eindern unter 1 — 2 Jahren 0,02,
altern Eindern durchschnittlich 0.03, Erwachsenen
aber 0.045 pro (^tV^und steigeii die Dosis um 0.005
— O.Ol, wenn binnen 24 Stunden keine auffallende
Besserung eintritt. Die Medicin muss ununterbro-
chen, Tag und Nacht, mehrere Tage lang fortgesetzt
werden. Bei innerer Verabreichung sah G. nieCol-
lapsus, nach subcutaner Anwendung nur einmal, bei
einem Cronpanfall, in welchem aber Genesung ein-
trat. Unter 109 auf diese Weise behandelten Diph-
ther.-Eranken starb ein Mädchen , das erst zur Be-
handlung kam, als es« der Erstickung bereits nahe
war. Auch hier führt G. die Aerzte namentlich auf,
welche seine Methode wirksam fanden. Bei dersel-
ben sah er in keinem Falle eine Ausbreitung der
Diphth. auf den Eehlkopf, was auch mehrere Colle-
gen bestätigten. Wo dieselbe trotzdem beobachtet
wurde, war sie schon vor Beginn der Behandlnng
vorhanden , oder es fehlte die nöthige Energie der
Innervation der Athmungsorgane, zu deren Eräfti-
gung G. der Pilocarpinlösung gew. Liq. Amm. anis.
oder Elixir e sncc. Glycyrrh. zusetzt. Gelingt da-
durch die Expektoration der gelösten Massen nicht, so
wird die Tracheotomie erforderlich. Den septischen
Verhiuf der Rachendiphtherie kann Pilocarpin, das
nach Demme die diphtheritischen Mikrokokken
flicht vernichtet, natürlich höchstens im Anfang be-
einflussen, indem es die Erankheitsprodukte schnell
aus der Rachenhöhle entfernt und so eine Vermeh-
rung der septischen Stoffe verhindert, wodurch eine
begonnene septische Infektion unterbrochen werden
kann.
Dr. Neumeister (Deutsche med. Wchnschr.
Vü. 8. p. 95. 1881) behandelte 28 Diphth. -Er.
nach Guttmann. Von 5 Erwachsenen hatten 3 Sali-
Kinder zwischen 2 u. 7 Jahren mit massiger Temperatar
zwischen 38 und 39.7® betrafen, mit (Deutsch. Arch. f.
klin. Med. XXX. 1 n. 2. p. 194. 1881). Er giebt zn,
dass die Fälle schwer waren, allein gerade solche Fälle
erfordern ein specif. Mittel, leichte verlaufen anch bei
anderer Behandlungsweise günstig. Für ihn geben diese
Fälle einen nnnmstösslichen Beweis gegen Jegliche spe-
clflsche Wirksamkeit des Pilocarpin bei Diphtheritis ab.
vation (1 starb) ; von 23 Eindern hatten nur 6 anftg^
sprochene, 1 unbedeutende Sali vation (13 staiben).
Sechsmal sahN. Pulsschwäche eintreten. FflrEinder
verwirft er das Mittel, weil es in der Erzeagnng toi
Salivation unzuverlässig sei nnd Collapans ber?or-
rufen könne.
0. Faludi (Pest med.-chir. Presse 1881.
Nr. 12) sah die Wirkung des Pilocarpin anch bd
innerem Gebrauche sicher eintreten, aber ohne doe
specifische Wirkung gegen Diphth. na äoaaem. Du
Mittel könne die Ausbreitung auf Eehlkopf nnd
Trachea nk^ht hindern.
Dr. Moritz Bachschitz in Zsamovitz (Wien.
med. Presse XXII. 21 ; Mai 22. 1881) behanddte
unter 32 gleichzeitig beobachteten Fällen 6 ohnej
26 mit Pilocarpin. Von erstem 6 Fällen starben
3, von letztem 4. In 17 Fällen konnte B., nadi
dessen Erfahmng Säuglinge am seltensten von Diph-
ther. befallen werden, die Infektionsquelle direkt
nachweisen. Sehlüsslich giebt B. folgende [bei dem
geringen Umfange des benutzten Materials allerdings
keinen sichern Schluss gestattende] üebersicht der
Sterblichkeit an Diphtheritis :
Dr. Settegast (1873— 1877) hatte onter 481 FlIleB
302 Todesf. (62.8o/o), Dr.Qnändingrer (Natr. bensoie.)
unter 17 Fällen 8 Todesf. (47o/o), Dr. Hertx(TaBBii-
bepiDBOlang) unter 62 Fällen 22 Todesf. (35.6Va)» B.
selbst (Tannin nnd Kali chloric.) unter 6 Fällen 3TodeiL
(50%), dagegen bei Anwendung des Pilocarpin out?
26 F&Uen 4 Todesf. (15.4«/o), Guttmann (Pllocarpii)
unter 66 Fällen keinen TodesfUl.
Dr. Friedr. Böhm in Niederwerm (Bi|r.
ärztl. Int.-Bl. XXVUL 21 ; Mai 1881) sah den Er-
folg der Pilocarpinbehandlung weit hinter seiner E^
Wartung zurückbleiben. Er beobachtete ihre Wir-
kung bei ca. 10 Kindern. Trotz starker ScUein-
absonderung griffen die diphtheiit. Belege rasch m
sich und erlagen 2 siebenjähr. Kinder ^ hei denea
eine starke Sekretion sich eingestellt hatte. Deshiib
gmg B. wieder zur antiseptischen Behandlnng mit
concentrirter Borsanrelösung, bei hartnackigen Fil-
len mit gleichzeitiger Inhalation einer SprocLösnog
von Carbolsänre Aber. Bei dieser Behandlnng stiib
von den übrigen Diphth.-Kr. (im Ganzen SO) keiner.
Dr. Lereboullet (Bull, de Th^r. L. 12.
p. 529; JuinSO. 1881) wandte Pilocarpin subcutan
mit günstigem Erfolge bei einem 8jähr. Mädchen an,
bei welchem unter der gewöhnlichen Behandlung
vollständige Aphonie eingetreten war^ gleichzeitig
auch Albuminurie und hochgradige Erschöpfung be-
stand.
L. machte am 7. Kranklieitstage eine snbcut. lui^-
tion von 0.005 Qrmm. Piloearp. hydrochl. (in 1 Cdätr-
Wasser gelost) und wiederholte dieselbe am 8., 9., 10*
nnd 11. Krankheitstage Je 3mal. Unter dieser Behud-
lang, welche noch durch Eisnmschläge um den Hals, In-
halationen von Carbolsänre nnd kfinstllche Emihrw?
durch Peptonklystire unterstützt wnrde, trat 8aUTatio>
ein nnd die Kranke expektorirte dicke Psendomembranes.
Der Schweiss war massig, der Puls zuweilen klein. Spi-
ter wurde wieder Liq. ferri, China und ChiniD. solpk-
wegen Prostration gegeben. Während sich die Att«-
minurie verminderte, stellte sich noch ein OetieWieiT'
E 0 r m a n n , Behandlang der Diphtfaeritis.
297
flipel ein, wodurch die Krankheitsdauer auf 4Vs Wochen
ansgedehnt wurde. Auch dann bestand noch Pharynx-
lähmuDg und eine nnvollstandige Paraplegie, die linker-
seits deatUcher war.
L. glaubt, die Heilung in diesem Falle nicht
aoBsehliefislich dem PilocarpiQ zuschreiben zn müs-
sen, da sie durch die antiseptischen Inhalationen
nnd die Peptonklystire wesentlich mit herbeigefilhrt
wurde. Aber das Pilocarpin scheint ihm das Ein-
treten der Asphyxie in Folge der Crouperscheinun-
gen verhindert zu haben; er betrachtet daher das
Pilocarpin als ünterstfltzungsmittel der Behandlung
der Diphtherie.
Dr. Paul Landowski veröfltentlicht ( Jour n .
de Thor, Vm. 13. p.485. JuilletlO. 1881) einige
Betrachtungen über die Behandlung der Diphtheritis,
m welchen er auch das Pilocarpin beiilcksichtigt.
Als lokale Behandlung zieht er Aetzungen mit
Phenolglycerin (4-— 5 Grmm. Acid. phenic. auf
30 Grmm. Giycerin) und Ausspritzungen mit Phe-
nolzuckerwasser (4 Grmm. Acid. phenic. auf 1 Liter
Zackerwasser) vor. Innerlich verwendet er als Anti-
septikum Natron benzoicum (4 — 6 Grmm. pro die)
oder aalicyUcum (2—3 Grmm. pro die), letzteres
besonders bei hohem Fieber. Die Wirkung des Pilo-
carpin hält er, besonders bei Kindern, für nichts
weniger als sicher. Zuweilen beginnt die Salivation
nach Verabreichung von 3 Theelöffeln (stündlich 1)
einer Lösung von 0.04 Grmm. Piloc. hydrochl. in
80 Grmm. Wasser und 20 Grmm. Syrnp ; in andern
Fällen auch erst nach 6-— 8 Theelöffeln. In einem
Falle erfolgte sehr starke Schweisssekretion ohne
eine Spur von Salivation, in einem andern weder
die eine , noch die andere. L. glaubt, dass Pilo-
carpin nur einen Einflass auf die Rachendiphtherie
hat, während es Membranen, die tiefer im Larynx
sitzen, nicht beeinflusse. Bei schwachen Kindern
wagt er Pilocarpin nicht anzuwenden, da schon
kleine Dosen die Adynamie in gefährlichster Weise
steigern können. Inhalationen von Sauerstoff,
die er mit gutem Erfolge angewendet hat, bezeich-
net L. als ein Mittel, das dazu dient, Zeit zu ge-
winnen, besonders wenn ein Respirationshindemiss
den Zutritt der genügenden Luftmenge verhindert.
Die Kranken athmen das Gas meist gierig aus dem
Ballon (mittels Gummischlauches) und verlangen nach
einem andern, wenn der erste Ballon geleert ist.
Dr. Conrad Küster (Berl. klin. Wchnschr.
XVnL 27. p. 394. 1881) hat die Erfahrung ge-
macht, dass das Pilocarpin um so wirksamer ist, je
früher es zur Anwendung kommt, dass es dagegen,
wenn bereits weit verbreitete Auflagerungen be-
stehen oder sogar schon Pilze in den Saftstrom ein-
gedrungen sind, sehr an Wirksamkeit und Sicher-
heit verliert. Wenn es frühzeitig gegeben wird,
scheint es die Diphther. coupiren zu können; in
einem Falle, den K. unter andern mittheilt, scheint
der Belag, der den Verhältnissen nach sicher zu er-
warten war, wie K. meint , in Folge der Anwen-
Med; Jahrbb. Bd. 198. Hft. 3.
düng des Pilocarpin überhaupt gar nicht zur Ent-
wicklung gekommen zu sein. Eine specifische Wir-
kung besitzt aber das Mittel nach K. durchaus nicht,
sondern nur eine symptomatische. Eine ungünstige
Nebenwirkung hat K. bei der Anwendung von Pilo-
carpm nicht beobachtet.
Dr. P. Naecke spricht sich (Berl. klin. Wo-
chenschr. XVIIL 88. p. 551. 1881) in seinen ca-
suistischen Beiträgen zur Tracheotomie auch über
die Anwendung des Pilocarpin aus. Er wandte
dasselbe in einer Reihe von leichten und schweren
Fällen von Dlphth. und bei einfacher Angina ton-
sillaris an. Die von Guttmann angegebenen
Dosen bewirkten nicht immer Salivation, weshalb
N. grössere Dosen anwandte. Er gab Kindern von
7—10 J. während des Tages i/g— Istündl. 1 Essl.
voll einer Lösung von 0.05 Piloc. mur. in 100 Grmm.
Wasser, während der Nacht 2stündl. ; daneben viel
Wein, kalte Umschläge um den Hals, fleissige Gur-
gelungen mit Kali chloricnm. Nur in 1 Falle wirkte
das Mittel bald und intensiv ; in den meisten Fällen
erfolgte keine Salivation, auch blieb die Diaphorese,
wenn sie eintrat, meist nur auf den Kopf beschränkt.
Weder Fieber, noch Verlauf der Krankheit schien
irgendwie durch Pilocarpin beeinflusst zu werden,
selbst nicht in dem Fall, in welchem schnell eine
starke Salivation erfolgte. Eben so wenig wirkte
das Mittel bei Angina tonsillaris. Von einem absolut
sichern und specifischen Mittel kann daher nicht die
Rede sein.
Dr. Alfred Muller (Therap. Gaz. N. S. IL
11. p. 403. Nov. 1881) sah gute Erfolge von der
Anwendung des Pilocarpin nach Guttmann 's Vor-
schrift. Ausserdem erwähnt M., dass Dr. Kuhl-
mann das Eatr, Fol, Jaborandi nützlich befun-
den hat.
Dr. Archambault (Bull, et M6m. de la Sog.
de Th^r. XIIL 20. p. 211. 1881) hat das Pilocar-
pin in 21 Fällen angewendet, von denen 9 (von An-
fang an nicht schwere) mit Genesung, 12 dagegen
tödtlich endeten. A. verordnet stündlich 1 Essl. voll
einer Lösung von 0.1 Grmm. auf 250 Grmm. Flüs-
sigkeit. In 2 Fällen machte er 3mal täglich eine
subcutane Injektion von 5 Mgrmm. Pilocarpin ; da
aber bald nach der ersten Injektion Erbrechen er-
folgte, bei dem einen Kr. auch ein starker Collapsus
eintrat, so zog A. die inteine Verabreichung vor.
In den schweren Fällen reproducirten sich die Mem-
branen nach ihrer Losstossung und der Verlauf der
Krankheit schien durch das Pilocarpin nicht beein-
flusst zu werden. A. kommt daher zu dem Schlüsse,
dass Pilocarpin unwirksam gegen Diphtheritis ist.
Dr. C. Picot (Revuem6d.de laSuisseRomande
I. 11. p. 674. Nov. 16. 1881) giebt eine Ueber-
sicht der im Vorstehenden von uns mitgetheilten Er-
fahrungen über die Wirkung des Pilocarpin bei Diph-
theritis, sowie über die Anwendung in subcutan. In-
jektion, innerlich oder im Klystir. Nach seiner An-
sicht fanden die günstigen Erfolge, die einzelne
38
298
E 0 r m a D D , Behandlnng der Diphtheiitis.
Aerzte constatirten , die sich indessen auch mit dem
Genius epidemicns erklären lassen ^ zur Fortsetzung^
der Versuche auf.
Von den in Pico t 's Zusammenstellung und in
der ähnlichen Abhandlung von Dr. C. Zuber (Gaz.
hebd. 2. S^r. XVIII. 37. p. 586. 1881) besproche-
nen Arbeiten mögen noch einige Mittheilungen über
die Therapie der Diphtheritis Erwähnung finden, die
uns nicht zugänglich waren.
Prof. Giulio Lepidi-Chioti (II Morgagni)
hat Pilocarpin bei 3 Kr. (2 Erwachsene) in Lösung
mit gutem Erfolge angewendet. Er glaubt, dass das
Mittel die Ablösung der Membranen befördert, und
dass mittels der profusen Schweissabsondemng eine Art
von Elimination des diphtherit. Virus bewhrkt werde.
Er sah nach Applikation von 3 Ctgrmm. Piloc. mur.
in 60 Grmm. Aq. dest. als Klysma nach 10 — 15 Min.
Salivation eintreten , eine Beobachtung , weiche für
die Fälle von Wichtigkeit ist, in welchen das Mittel
vom Magen nicht vertragen wird ; jedenfalls wüi'den
indessen bei Kindern kleinere Gaben anzuwenden
sein. Uebrigens fügt L. - C h. noch hinzu, dass gastr.
Beschwerden nach Verabreichung von Pilocarpin oft
durch Kaffeeaufguss beseitigt werden.
Dr. Masini (Imparziale) berichtet über 3 Fälle,
von denen 2 tödtlichen Ausgang hatten, Dr. G u a i t a
(Lo Sperimentale) gleichfalls über 3 Fälle, in denen
jedoch 2mal Genesung einti*at, allerdings unter gleich-
zeitiger Anwendung noch anderer Mittel.
Gas sin in Avignon (Lyon m^dical) erzielte in
einem Falle von mit Croup complicirter EKphther.
bei einem 6jähr. Knaben Heilung unter Auftreten aus-
serordentlich starken Speichelflusses und Schweisses.
Dr. Lemoyne zu Lorient (Joum. de m^d. et
de chir. de Lucas Championni^re) wandte subcutane
Injektionen von Pilocarp. nitricum bei einem 6jähr.
Knaben an, bei welchem wegen drohender Asphyxie
die Tracheotomie ausgefbhrt worden war. Am 2.
Tage n. d. Oper, wurden unter heftigen Hustenstössen
Pseudomembranen nebst einer grossen Menge von
Schleim ausgestossen, worauf Genesung eintrat.
Dr. G. R. S. Curtis (Boston med. and surg.
Joum. CIV. March 1881) hat die von N^laton
bei Pustula maligna gerühmte Juglans nigra
bei der Diphther. angewendet. Er lässt mit einem
starken Dekokt der Blätter, bez. auch der grünen
Schaalen der Früchte, Gurgelungen ausführen oder
die Dämpfe desselben inhaliren , in manchen Fällen
auch die Abkochung trinken. Ausserdem leisteten
Umschläge mit dem Dekokt bei Anschwellung der
Drüsen sehr gute Dienste. C. beobachtete in 30
Fällen sehr günstige Wirkung des gen. Mittels. In
allen Fällen trat Heilung ein , in den leichten unter
dem alleinigen Gebrauche desselben , in den schwe-
ren unter gleichzeitiger Anwendung von Jodpräpa-
raten (innerlich und äusserUch) , sowie von Chinin
und Eisen.
Ein Mittel , welches zur Lösung der diphther. n
croupösen Membranen von grossem Nutzen zu wer-
den verspricht, ist nach den von Prof. J. M. Bobs-
bach angestellten Versuchen das Papayotin
(Berl. klin. Wchnschr. XVIIL 10 ; März 1881).
R. hat bereits seit längerer Zeit Versndie migb-
stellt, um Lösungsmittel für cronpöse Membranen a
finden ; aber alle Mittel, die in conoentr. Lösung dien
wirklich bewirkten, Hessen anbefriedigt, sobald ae
in solchen Verdünnungen angewandt wurdoi, wie
sie in den menschlichen Körper eingepinselt oder in-
lialirt werden können; die Membransttteken schwam-
men sogar stets in den betr. Flüssigkeiten hemm.
Auch der Versuch, die Groupmembranen dnich Za-
satz von Pepsin zu schwachen Salz- oderEsagsSme-
Lösungen (^/^q — ^/s^/o) zu lösen, hatte keinen gfli-
stigen Erfolg.
Sehr günstige Wirkungen beobachtete dagegen
R. von dem Milchsaft' Papayotinj weleheSi
wie Versuche ergaben, auf unversehrte Schleimhäute,
sowie auf das Lungengewebe keinen Einflnss bt
In einer sehr starken Lösung desselben (0.1:2.0)
war ein Stück der croupösen Membranröhre aus der
Trachea eines an Diphth. erkrankten Kindes nach
1 Std. in feine Partikel zerfallen, welche nach 68td.
vollständig verschwunden waren, so dass die Lösung
vollkommen klar erschien. In 5proc. Lösung waren
Membranstücke nach 2 Std. vollständig, in 2^l^pt(it
zum Theil, in Vaproc. gar nicht gelöst. Erwärmte
Lösungen wirken nicht rascher auflösend, als kalte
Weniger wirksam fandR. den Sueeua Carter!
Papayae^ ein von derselben Pflanze stammendei,
durch braungrüne Farbe und bitterlichen Gescbmaek
von dem weissen, geschmacklosen Milchsaft-Papayo-
tin sich unterscheidendes Präparat. In einer LÖsong
desselben waren Stücke der zu den vorerwähnten
Versuchen benutzten Membran erst nach 12 Std. in
kleine Partikelchen zeifallen, deren Lösung setM
nach Tagen nicht stattgefunden hatte. Dass jedodi
auch dieses schwächer wirkende Präparat dieLösiog
der Membranen zu beschleunigen vermag, beweiit
ein von R. mitgetheilter Fall eines 1^/4 J. alten,
schwächlichen Kindes, das zwar der äusserst schwe-
ren Erkrankung erlag, bei dem aber, nachdem binnen
24 Std. 5 Grmm. einer concentr. Lösung verbraoelit
worden waren, der ganze Rachen keine Spur eisefl
Fleckchens, sondern nur starke Röthung und Schwe-
lung darbot.
Das Papayotin sowohl, als den Snccus C. Pap.
räth R. aller fünf Minuten in gesättigter Lösung
einzupinseln od. tropfenweise einzuflössen, und zwar
sowohl in den Mund, als in die Nase ^).
Ref. konnte bisher nur in einem Falle Papayotin
anwenden. Es handelte sich um einen 5jähr. Kna-
ben, der schon öfters an leichter, aber sehr protia-
hirter (14 Tage bis 3 Wochen) Baohendlphtherie
>) W^en genauerer Angaben über dieEigeiiaefaafteB
and Wirkung des Papayotin sowohl, ab des Sooeu vgl.
Jahrbb. CXC. p. 8.
K 0 r m a n n , Behaadliuig der Diphtheritis.
299
geUtten hatte. Bei dem letzten Anfall wurde ihm
eine ^/^ftwi. Papayotinldsong nach Rossbach 's
Angabe verordnet. Es erfolgte dieses Hai Heilang
in 2 Tagen.
Dr. W. Haie White (Lancet H. 17. p. 700.
Oet 1881) empfiehlt zur Ldsang der diphther.
Membrioen BuUoeVa saurea Pepainglycerin ,
welches er zuerst bei einem 2Vs J« <en Mädchen
nach der Tracheotomie anwandte. Er Hess aller
2 Std. mittels eines Spray-Apparates 15 Grmm. des
gen. Mittels inhaliren. Die Behandlung konnte am
i. Tage, nachdem 12 Std. lang keine Membranen
mehr ausgehustet worden waren , aufgegeben , bald
aneh die Kanüle weggelassen werden. Das Kind
erlag später [die Zeit ist nicht angegeben] einer
Bronchopneumonie. Bei der Sektion zeigte es sich
aber, daiss die Pepsinlösung auf Trachea, Bronchien
und Larynx nicht nachtheilig eingewirkt hatte. —
W. bemerkt noch, dass bei Bullock u. C. eine Pep-
nnlOsung mit weniger Glycerin, als die gewöhnliche
Mischung enthält, vorräthig ist.
Unter den vorliegenden Arbeiten, welche weni-
ger einzelne Mittel, sondern einzelne Punkte der gegen
die Diphtheritis einzuschlagenden Behandlung im
Allgemeinen betreffen, erwähnen wir zunächst eine
Mittheilung, welche Prof. Störk in Wien Aber^lior-
tivbehandlung der Diphtheritis (Wien. med. Wochen-
Bchr. XXXI. 46. p. 1281. 1881) gemacht hat.
8 t. gründet die Empfehlung seiner Methode auf
30 genau von ihm beobachtete Fälle, welche, abge-
sehen von einigen 8 — 10 J. alten Kindern, lauter
Erwachsene betrafen. Man kann nach seiner Er-
fihrong im Anfangsstadium der Diphtheritis, wel-
ches sich durch das Auftreten grauweisslicher Exsu-
da^fröpfe in den Ausfflhrungfi^ängen der Tonsillen
mit Schwellung derselben und der Umgebung cha-
rakterisui, durch methodische, mehrere Minuten
laug fortgesetzte Auspmselung mit einem kurzhaari-
gen Pinsel die Infiltrate entfernen, wobei man durch
bestimmte Drehbewegungen die Pinselhaare in die
Lflcken der Tonsillenoberfläche eindringen lassen
muBs. Die Auspinselung muss so lange fortgesetzt
werdra, bis sämmtliche graue Pttnktchen entfernt
Bind. Anfangs benutzte Vf. zu den Auspinselungen
antiseptische Flflssigkeiten, später indifferente (Kalk-
wasser, Alkohol, Rum), in letzterer Zeit oft nur
Wasser. In hartnäckigen Fällen muss die Procedur
«m 2. Tage wiederholt werden. Mit der Entfernung
der Exsudatpfröpfe scheint die Fänlnissdiphtherie in
ihrem Fortschreiten aufgehalten zu werden.
Bei der Naturf.-Vers. zu Salzburg fand, wie St.
seihst eingehend mittheilt, sein Vortrag wenig An-
l^lsng, da der Grundsatz: „leichte Fälle kommen
dnreh, schwere Diphtheritiden sterben (Seitz)'^ von
to Mehrzahl der Anwesenden rflckhalüos anerkannt
^''^e. St 's Entgegnungen sind im Originale ein-
znsehen. Er hält an seiner Ansicht fest, dass syste-
"^^tische Anaq[>ritEungen mit schwacher Ldsung von
Sallcylsäure, Borax oder von Cognac, in vielen Fäl-
len auch mit einem Aufgusse des chines. Thees, am
meisten zu empfehlen seien. Bei drohendem Col-
lapsus lässt er gewöhnlichen weissen Tischwein ein-
spritzen.
Die Einathmung von Wasserdämpfen oder
Gurgelungen mit heissem Wasser haben mehrfach
Besprechung gefunden.
Dr. Froelich zu Neustadt im bad. Schwarz-
walde (Deutsche Ztechr. f. prakt. Med. 28. 1877)
verordnete Einathmungen mit heissen Wasserdäm-
pfen, neben Gurgelungen mit Kali chloric. oder hy-
peimangan., sowie Anwendung von Eis äusserlich
und innerlich, unter entsprechender Behandlung des
Fiebera. Bei Lymphdrttsenschwellung lässt er
warme Ueberschläge machen und eröffnet zeitig den
Abscess. Bei Anwendung von Brechmitteln sei Vor-
sicht nöthig ; Aetzungen und mechanische Ablösung
der Rachenbelege hält er für verwerflich.
Fr. hat diese Behandlungsweise binnen 3 Mo-
naten in 150 Fällen von scarlatinöser, resp. diphthe-
ritischer Angina (40 schwerste diphth. Anginen)
angewendet. Es starben 4 Kranke : 1 an Verblu-
tung, 2 mit den Erscheinungen einer Kohlensänre-
vergiftung ; 1 an Bronch. capillaris.
In der Hauptsache mit der von Fr öl ich em-
pfohlenen ttbereinstimmend, ist die von Dr. Helm-
kampf zu Halberstadt (a. a. 0. 37) in 140 Fällen
angewendete Behandlung. Auch er warnt vor jedem
schwächenden Eingriffe, namentlich vor Brechmit-
teln. Die lokale Behandlung beschränkt er auf die
Applikation von Eis (3 — 4 Tage lang) und Inhala-
tionen von Wasserdämpfin, Anfangs mit Zusatz des-
inficirender Mittel. Bei üblem Geruch aus dem
Munde verordnet er ein Mundwasser aus Acid. car-
bol. 5 6rmm., Spir. dil., Aq. Menth, pip. ana 50 Grmm.,
von welchem 2stttndl. 2—4 Theelöffel in 1 Glas
voll Wasser zur Om*gelung benutzt werden. Bei
kleineren Kindern fand H.Kali chloric. 2 — 5 Grmm.
: 180 Aq. dest, mit oder ohne Extr. Chin. reg. frig.
parat., oder Tinct. ferri chlor, aeth., (stttudlich IKin-
deresslöffel voll) nützlich. Bei Schwellung der
Lymphdrüsen sind subcut. Injektionen von 2®/o Car-
bolsäurelösung, täglich 1 — 2mal 2 — 3 Spritzen voll,
zu machen, Abscesse müssen möglichst zeitig geöff-
net werden. — Jede schwächende Behandlung (Eme-
tika) ist zu vermeiden.
Dr. H. Eidam zu Gunzenhausen (Berl. klin.
Wchnschr. XV. 34. Aug. 1878) spricht sich gleich-
falls gegen die Anwendung der Aetzungen aus, ob-
gleich über deren günstigen Erfolg allerdings Erfah-
rungen mitgetheilt worden sind (a. a. 0. XIII. 46.
1876). E. selbst wendet hauptsächlich Einathmun-
gen von Wasserdämpfen an, durch welche die Lösung
der Membranen und mit ihr die Entfernung der Pilze
am besten herbeigefbhrt wird. Welches Medika-
ment zur Inhalation benutzt wird, ist nach E. gleich-
gültig. Er lässt durch Glastrichter mindestens 30
Min. hindurch mit Pausen von 15 — 30 Min. mhali-
300
Kormann, Be handlang der Diphtheritis.
ren, während der Nacht mit langem Pausen. Ans-
serdem verordnet £. eine Lösung von chlors. Kali
(1 : 20) zum Gurgeln oder Auspinseln, eine solche
von 1 : 30 für den innerlichen Gebrauch, sowie warme
Umschläge um den Hals.
Auch Dr. Joseph Marx zu Erhingen (Deut-
sches Arch. f. kiin. Med. XXVII. 1 u. 2. 1880)
warnt bei Behandlung der Diphtherie vor starken
Eingrififen (Kanterisiren). Er sucht, nach Oertel's
Vorgange, die Eiterbildung durch Inhalation heisser
Wasserdämpfe energisch anzuregen (Anfangs minde-
stens aller Stunden 15 Min. hindurch; während der
Nacht aller 3 — 4 Std.). Zur Reinigung der Mund-
höhle können Lösungen von Kochsalz, chlors. oder
hypermangans. Kali, sowie von Carbol- oder Sali-
cylsäni*e benutzt werden. In schweren Fällen sind
ausserdem Gurgelungen mit den gen. Lösungen, so-
wie mit solchen von Thymol, Spir. vini oder Chlor-
wasser von Nutzen.
Dr. Rieck zu Schönborn in Holstein (Allg.
med. Centr.-Ztg. L. 52. p. 1313. Dec. 1881) Hess
mit gutem Erfolge die heissen Dämpfe einer Koch-
salzlösung mittels eines mit einem Hartgnmmirohre
versehenen Reagensglases einathmen. Fttr Erwach-
sene zieht er Gurgelnngen mit heisser Kochsalz-
lösung vor.
Dr. Coesfeld in Barmen (Deutsche med.
Wchnschr. VI. 35. p. 473. 1880) bezeichnet dage-
gen als rationelle Behandlung der Diphth. einfaches
Gurgeln mit heissem Wasser ohne jeden Znsatz.
Kinder, die noch nicht gurgeln können, erhalten
halbstflndlich heisses Wasser oder heisse Milch zu
trinken. Durch das Gurgeln mit heissem Wasser
wird die Abstossung der Membranen energisch unter-
stützt und durch die beim Gurgelakt stattfindenden
Muskelbewegungen beschleunigt, femer wird das
Weiterschreiten des diphtherit. Processes auf Choa-
nen, Larynx und Tuba Eustachii sehr erschweii;, ja
fast verhindeiii. Bei den Oerterechen Inhalationen,
bei denen die Stimmritze auf das Aeusserste erwei-
tert wird, werden die sich lösenden Partikelchen ge-
radezu in den Kehlkopf hineingeb'ieben, so dass die
Miterkranknng des Larynx ktinstlich herbeigeführt
wird. Auch Larynxdiphtherie räth C. nicht mit
Inhalationen zu behandeln, sondern mit Apomorphin,
Radix senegae und Benzoesäure, die Diphth. septica
aber mit Gnrgelungen von Carbolsäurelösung, neben
dem innem Gebrauche derAntizymotika, Antifebrilia
und Excitantia.
Die Frage hinsichtlich der Räthlichkeit der di-
rekten Applikation von Aetztnitteln wird, wie
aus den vorstehenden Mittheilungen hervorgeht, von
der Mehrzahl der Beobachter verneint. Es liegen
jedoch mehrfache Mittheilungen vor], in denen sie im
bejahenden Sinne beantwortet wird.
E. N. Whittier (Boston med. and surg. Joum.
XCni. 20. p. 547. Nov. 1875) empfiehlt neben Gur-
gelungen und der Anwendung von Desinficientien,
die Applikation von Höllenstein, oder besser noch
von Eisen-Pernitrat oder -Perchlorid. Er hebt jedoek
hefvor, dass die Behandlung nach der Eigenthflm-
lichkeit des Falles eine verschiedene sein mflsse und
dass auch in Bezug auf die Allgemeinbehandloog
(Chinin, Eisen, grosse Gaben von Alkohol) auf du
Stadium, der Krankheit und die Widerstandsfthigkdt
des Kr. Rücksicht zu nehmen sei. Die örtliche Bes-
serung sei Übrigens nie maassgebend fOr die Pro-
gnose. Bei erheblicher Dyspnoe räth Wh. zeitig
zur Tracheotomie zu schreiten.
Dr. W. Hensgen (Deutsche med. Wchnsdir.
III. 30. 31 ; Juli, Aug. 1876) hat bei lokaler An-
Wendung der Carbolsäure (Pinselang) nicht sehr gfls*
stigen Erfolg gesehen. Er behandelt daher die
Diphth. wieder nach alter Methode darch Aetzangen
mit dem Höllensteinstift und Entfernung der diphth.
Membranen, und beobachtete dabei eine viel schnel-
lere Losstossung der Häute von der Schleimhaut. Er
ätzte die diphth. Beläge 2 — 3mal täglich, znweilei
noch häufiger, und Hess den gebildeten Aetzadiorf
mittels eines mit Leinwand umwickelten Hohsstib-
chcns wegwischen, diesen Pinsel aber jedesmal so-
fort verbrennen. Auf die gereinigte Schleimhaut
wurde dann eine 15 — 20proc. Carbolsäurelösoog
aufgetragen, 28tündlich, bis neue diphth. Beläge eine
neue Aetzung erforderten. Ausserdem verordnete
H. Eisumschläge um den Hals und Eisstückchen in
den Mund. Von Schwefel und Salicylsäui*e, innerlich
und als Gurgelwasser angewandt, sah er nicht sehr
günstige Erfolge. Bei croupösem Husten nahm E
Abstand von den Aetzungen und Hess Kalkwasser
inhaliren. Die Tracheotomie wurde nur in 1 Falle,
der tödtlich ablief, gestattet.
Dr. A. W. Hagenbuch (Chicago med. Jouni.
aud Exam. XXXIV. p. 209. March 1877) fand die
lokale Behandlung, in 1 Fall, während voller 17Tsge
nothwendig. In 20 von seinen 33 Fällen, in denen
eine energische Lokalbehandlung statthatte, trat voll-
ständigere Heilung ein, als in den Fällen, in denen
die Behandlung allein in leicht adstringirenden Onr-
gelungen bestanden hatte. Zur lokalen Applikation
verwandte Vf. eine Mischung aus Tinct. ferri sesqoi'
chlor, u. Acid. nitr. dilut. (ana), welche nach Abwische
der Membranen mit trocknerCharpie mit einem wei-
chen Pinsel aufgetragen wurde. Nur in 3 Fällen
kam eine stärkere Lösung zur Verwendung; bei
sich selbst trug H. Acid. nitricum purum mittels einer
Elfenbeinsonde auf. Eine energische Lokalbehand-
iung ist in allen Fällen eine unverkennbare Wohi-
that. Wurde sie einen Tag lang ausgesetzt, so war
der Verlauf schlechter.
Prof. 0. Heubner (Jahrb. f. Khlkde. N. P.
XIV. p. 1. Juni 1879) hält die rasche Erregong
einer abgrenzenden Entzündung für die Hanptaof-
gabe. Er lässt die ergriffenen Stellen mit Carbd-
säure (1 : 4 Alkohol) 1—2 Mal täglich bepinsebi
und sah bei dieser Behandlang mehrfach sehr gflnsti'
gen Erfolg ; in andern Fällen blieb sie erfolglos. In
2 Fällen gelang es durch während der ersten beiden
Tage der Erkrankung (Scharlach) stündlich wieder-
E 0 r m a n n y Behandlung der Diphtheritis.
301
holte Inhalation von Terpentindämpfen, die Affektion
des Rachens zu verhüten. In einem Falle hat H.
gegen eine hartnäckige Drüsenaffektion eine lujek-
tion von Carholsäure in das Gewebe der Drüse mit
günstigem Erfolge ausgeführt.
Dl'. C. Schuster in Dieburg (Deutsche med.
Wchnschr. VI. 3; Jan. 1880) behandelte binnen 12
Jahren sämmtliche Diphth. -Kranke (über 500) durch
Aetzen mit dem LapiasHft und innerliche Verab-
reichung von Kali chlor. (4 — 8 Grmm. pro die).
Er hat, genau genommen, keinen Kr. bei dieser Be-
handlung verloren ; deun die 8 Pat., welche starben,
kamen erst in Agonie zur Behandlung oder hatten
schwere Gomplikationen (Pneumonie, Larynxdiph-
therie). Die Furcht vor Herbeiführung von Blu-
toDgen oder Infektion des Blutes durch das Aetzen
mit dem Stift hält S c h. für unbegründet.
Die Frage über die Zulässigkeit der Blut-
iniziehungen bei Behandlung der Diphtheritis
wird von E. Headlam Greenhow (Med. Times
andGaz. Jan. 6. 1877) negativ beantwortet. Gr. un-
terscheidet Group und Diphther. auch in Bezug auf
die Behandlung. Bei letzterer muss man die Kräfte
von Anfang an zu heben suchen , ein entziehendes
Verfahren ist hier nachtheilig , während bei Croup
Blutegel, Brechmittel, Antimonialien gut vertragen
werden und die Lösung der Membran herbeizuführen
imstande sind. Auch eine allgemeine Blutentziehung
hält G T. sogar bei Kindern für zulässig.
Dr. H. Zeroni sen. zu Mannheim (Aerztl. Mit-
theil, aus Baden XXXU. 10. 1878. — Memorabilien
XXIV. p. 145. 1879) sah von lokalen Applikationen
anf die Exsudatfläche nie heilende Wirkung. Da-
gegen leisteten ihm Blutentziehungen die besten
Dienste. Bei sehr heftigen Kopfschmerzen setzte
er Blutegel unterhalb des Proc. mastoideus beider-
seits, ebenso bei den ersten Symptomen einer Er-
krankung des Kehlkopfs; zur Erleichterung der Kr.
sollen fleissige Ausspülungen des Halses , bei hefti-
gen Schmerzen mit Eiswasser, gemacht, zu ihrer Be-
ruhigung Lösungen von Kali chloric. oder nitr. , so-
wie verdünnte Mineralsäuren verabreicht werden.
Nach Ablauf des Fiebers lässt Z. warme Umschläge
um den Hals machen. In einem Falle, in welchem
am 9. Tage der Erkrankung wüthende Kopfschmer-
zen und fui'ibunde Delirien auftraten , erfolgte nach
Applikation von 12 Blutegeln an die Schläfe Heilung,
obwohl mehrere Tage hindurch Sehstörungen zurück-
blieben. In einem andern Falle von Kehlkopf-
Diphtheritis, bei welcher die Tracheotomie meistens
erfolglos bleibt, sah Z. sehr günstigen Erfolg von
der kalten Dusche auf Hinterhaupt und Nacken.
Die Tracheotomie^ deren Wirkung und
Indikationen in den schon von uns besprochenen
Uittheilungen mehrfach berührt worden ist, wird in
folgenden Abhandlungen eingehender erörtert.
Prof. Kau lieh (Prag. med. Wchnschr. III. 2.
Jan. 1878) spricht sich dahin aus, dassdie Tracheo-
tomü bei wesentlich mechan. Behinderung des Ath-
mens durch Diphtherie der Luftwege auszuführen
sei, da selbst bei hoher Erstickungsgefahr unzweifel-
haft durch dieselbe Heilung erzielt worden ist , ob-
schon sich kaum annehmen lässt, dass die Tracheo-
tomie dem Fortschreiten des Processes selbst Gren-
zen setzen könne. Allein durch dieselbe wird vor
allen Dingen erst der Körper wieder beruhigt und
die Entwicklung der akuten Lungenblähung ver-
zögert oder ganz hiutangehalten , sodann aber
werden für eine rationelle Medikation Zeit und
Angriffspunkte gewonnen. Auch in Fällen , in de-
nen die Tracheotomie wenig oder keine Aussicht auf
Erfolg gewährt (Pneumonie), soll sie nach K. nicht
unterbleiben , da sie den qualvollen Erstickungstod
verhütet, den Tod der Kr. weit leichter macht [nicht
immer; denn die ganze Scene kann sich wieder-
holen, sobald die Diphtheritis unter die Kanüle her-
abtritt. Ref.]. Die Operation ist also stets zulässig.
Man darf jedoch den richtigen Zeitpunkt nicht durch
Anwendung von Brechmitteln u. s. w. versäumen, die
die festhaftenden diphther. Membranen doch nicht
heraus befördern ; viel leichter gelangen die im Kehl-
kopfinnem angehäuften Schleimgemenge nach der
Tracheotomie zur Ausstossung. K. räth daher, die
Tracheotomie st^ts auszuführen, sobald die ersten
entschiedenen Erscheinungen der Laryngostenose ein-
getreten sind. Ist letztere nicht vorhanden , so hat
die Tracheotomie keinen Zweck , auch bei der trotz
der Schwere der Symptome eingetretenen, subjekti-
ven Euphorie, die mit Cyanose vergesellschaftet ist,
erscheint sie überflüssig. — Uebrigens weist K. aus-
drücklich noch darauf hin, dass die Heilung der
diphther. Lokalaflektion noch nicht die Heilung der
Krankheit bedeutet (spätere Neigung zu Blutungen
aus der Operationswunde oder aus Arrosionen der
Tracheaischleimhaut), und dass den tracheotomirten
Kindern stets erst die normale Athmung wieder bei-
gebracht werden muss, ehe die Kanüle entfernt wer-
den kann.
Nach der Angabe von Müller-Warneck
wurde, wie wir schon oben (S. 289) erwähnt haben,
die Tracheotomie in der Kieler Klinik unter Prof.
Bartels stets schon nach den ersten Anfällen von
Orthopnoe ausgeführt, die Wunde mit 5proc. Carhol-
säure ausgetupft und nach Anlegung der Naht mit
Bals. pernv. getränkt. Ausserdem wurde den gan-
zen Tag über (ausser im Bade) der Spray (eines
Inhalationsapparates über die Kinder ausgebreitet
(Iproc. Kochsalzlösung). Trotzdem kann M.-W.
die Hoffnungen Pauly 's (Beiträge zur Tracheoto-
mie: a. a. 0. 8) nicht vollständig theilen. Trotz
der Inhalation schritt der diphth. Process auf Trachea
und Bronchien fort, auch konnten CompHkationen
mit Katarrhalpneumonie nicht verhütet werden, ja
es bildet sogar die Abstossung grosser, zusammen-
hängender Membranen durch die Inhalationen ein
schlechtes Prognostikum. Angenehm sind aber die
Inhalationen den Pat. stets. Die Inkrustation von
Pfropfen in der Trachea verhütet man am besten
durch Loslösen derselben vermittelst des Katheters
302
K 0 r m a n n y BehandluDg der Diphtheritia.
(weicher^ Mercier^ach^Tj oder eiDfacber franz. E^a-
theter, in warmes Wasser getaucht); der nach Ent-
femong der Kanüle, oder dnrch diese hindurch, bis
zur Bifiu'kation der Trachea eingeführt wird. Durch
einige Drehungen und schnelles Zurückziehen wer-
den die Pfropfe gelockert und entfernt. — Zur Ver-
hütung der Dlphth. der Ti'acheotomie- Wunde ist
Ueberpinselung der ganzen Wundfläche mit Bals.
peruv. zu empfehlen. Wo trotzdem Beläge auf-
traten, verloren sie sich schnell nach Aufstreuen von
Jodoformpulver. Die Kanüle ist schon am 2. Tage
nach der Operation auf möglichst lange Zeit zu ent-
fernen ; am 5. Tage konnte sie bei günstigem Ver-
laufe ganz weggelassen werden.
Auf die zahlreichen statistischen Mittheilungen
über den Eifolg der Tracheotomie einzugehen, ist
hier nicht ausfahrbar. Es mögen nur die interessan-
ten Bemerkungen Wiedergabe finden, welche Dr. H.
Settegast zu Berlin in seinem Berichte ans der
chir. Station im Krankenhause Bethanien, über die
J. 1873—1876 (Arch. f. klin. Chir. XXII. 4. 1878 ;
Chir. Centr.-Bl. V. 35. p. 583. 1878) in Bezug auf
die Anwendung der Tracheotomie bei der Diphthe-
ritis gemacht bat.
In den während des gedachten ZeitraumB zur Be-
handlang gekommenen 568 Diphth.-FäUen (274 männl.,
294 weibl. Geschlechts) starben 315 Kr. (160 männl.,
155 weibl.) und 11 worden angeheilt entlassen (7 männl.,
4 weibl.). Hiervon standen im Alter von 1 — 15 Jahren
481 (250 Knaben, 2B1 Mädchen) mit 302 Todesfällen
(154 K., 148 M.), 11 (7 K., 4 M.) worden angeheilt ent-
lassen. Hiemach stellt sich das Genesungsprocent für
Kinder anf 42.6%, fQr Erwachsene 85%. Auf 87 Er-
wachsene kamen 6Tracheotomien, und zwar mit 4 Todes-
fäUen, auf 481 Kinder 375 Tracheotomien (204 Knaben,
171 Mädchen) mit 250 Todesfällen (130 K., 120 M.);
6 wurden angeheilt entlassen. Von den 106 Kr., bei
denen die Tracheotomie nicht ausgeführt worden war,
genasen 49, 57 wurden angeheilt entlassen oder starben.
Binnen 16 Jahren (1861—1876) warde in Bethanien bei
754 Kindern die Tracheotomie ausgeführt, 512 derselben
starben, 7 wurden angeheilt, 235 geheilt (31.16%) ent-
lassen. Die Monatsergebnisse und die graphisch darge-
stellten Jahresergebnisse, sowie der ebenfalls graphisch
dargesteUte Einflnss der Jahreszeiten a. s. w. müssen im
Original eingesehen werden.
In dem Alter unter 2^/^ Jahren wurden nur die
kräftigsten Rinder operirt, da unter 2 J. Operii*te
sämmtlich starben. Bis zum 8. J. kam fast aus-
schliesslich die Tracheot. infer. zur Anwendung.
Zur Nachbehandlung wurden Inhalationen verschie-
dener Flüssigkeiten verwendet , ohne dass dadurch
die Sterblichkeit beeinflusst worden wäre ; nur die
Expektoration wurde wesentlich erleichtert. Das
Wegnehmen der Kanflle geschah nie vor dem 3.,
meist am 5. Tage. Der tödtliche Ausgang erfolgte
meist durch Affektionen der Lunge und Pleura. In
einem Falle fand sich eitrige Mediastinitis^ die nicht
durch Eintritt von Luft bedingt gewesen war.
Schlttsslich erwähnen wir die Mittheilung von
Dr. Werner zu Markgröningen Aber ein seltenerei
schlimmes Ereigniss bei der Tracheotomie (Wflrttemb.
Corr.-Bl. XLVIII. 10. 1878).
W. hatte bei einem öjähr. Kinde, bei dem trotz An-
wendung der bekannten Mittel sehr heftige StickanßUle
eingetreten waren, die obere Tracheotomie [ohne Nar-
kose !] ausgeführt. Alles war bis zum Einschieben der
Kanfile fertig, als das sehr unrnhige Kind einen heffigen
Ruck machte, wobei der die Trachea flxirende Haken
aasglitt. Nachdem letzterer mit Mfihe wieder eingesetzt
worden war, versachte W. den FUmrens^Bchen Katheter
einzuschieben, was jedoch nicht möglich war. Erst naeh
Erweiterung der Wunde gelang es, eine Kaafile einzn-
führen, als das Kind eben verstorben war. — Die Sektion
ergab, dass die Trachea nicht ganz in der MitteUinie,
einige Linien oberhalb des Isthmus eröffhet war, die
Wunde aber nicht die ganze Dicke der Trachea, sondera
nur die Knorpelschicht durchsetzte, wahrend die papier-
dünne Schleimhaut vollkommen anverletzt geblieben war.
W. empfiehlt daher anstatt der Haken £!n?iareA's
Schieberpincette in beide Wundränder einzusetzen.
Referent ist der Ansicht, dass Einleitung der Nar-
kose und das Einziehen einer Fadenschlinge in jeden
Wundrand der Trachea noch bessere Beihfllfe zur
Sicherung der Operation sein würden.
Ueberblicken wir die Menge der auch in diesem
Zeiträume gegen Diphtheritis vorgeschlagenen Heil-
mittely so ergiebt sich ohne Weiteres die Tbatsachcy
dass wir noch kein Specifikum gegen Diphther. be-
sitzen. Das einzige Mittel, von welchem wenigsteia
bis jetzt keine gegentheiligen Erfahrungen mitge-
theilt worden sind, ist das Papayotin, allerdings sind
aber hier die Beobachtungen noch so gering, dass
die Hoffnung, ein wirkliches Heilmittel gegen Diph&
darin gefunden zu haben, noch keine allzugrosse ge-
nannt werden darf. So bleibt es denn noch immer
der Zukunft vorbehalten, uns von der traurigen That-
sache zu befreien, dass in leichten Fällen von Diph-
ther. Genesung eintritt, in schweren aber der tödt-
liche Ausgang die Regel ist. Den Weg, auf welchem
wir bei der primären Rachen-Diphtheritis vorzugehen
haben, hat bereits Stoerk gezeigt, dessen Abortiv-
behandlung jedoch die einzige (unverschuldete) Schat-
tenseite hat, dass wir die Kr. selten zeitig genug
sehen, um diese Methode durchführen zu kdmien.
Möge es ihm oder Andern bald gelingen, auch die
berefts ausgebildete Rachen-Diphtheritis sicher anf
ihren Herd zu beschränken, um das Entstehen ihrer
wichtigsten Complikation , das Fortschreiten der
diphth. Entzündung auf die Luftwege, sicher zu ver-
hüten.
Medidnische BibliograpUe des £a- n. AnsUnds.
303
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einer Erklärung Pflüger's (a. a. O. 11 u. 12. p. 573)
ein Pseudonjrm u. d. ganze Abhandlung eine auf nichts
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näum nebst Beschreibung d. Bauchfelles einiger Edentt-
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S.a. I. Hermann, Mayer, Poehl, Sehmiede-
berg. III. 2. Anrep, Balfour, Klug, Korn,
Vignal, Ynng. VIIL 4. Schmitt; 5. Eisberg.
Vgl. a. I. Physiologische Chemie. III. 2. Entioid-
ItmgS'Geschichte. V. 2. u. VH. Phytiolog. Wirkung ein-
zetner Arzneintbstamen u. Gifte. Vm. 2. a. Pathologiseie
Beobachtungen in Bezug auf die Lokalisation d, FunkAo-
nen d. Gehirns.
Die Anatomie u. Physiologie der weibLSexualorgme,
des Seh- u. Gehör • Organs , des Zahnsystems s. IX. X.
XIU. XIV. 1. XV. Ueber Missgeburten s. a. XVIIL
4) Missbildungen und angebome Büdungs-
Varietäten.
Fürst, Carl Magnus, Fälle von Mikrocephalie.
Nord. med. ark. XIU. 3. Nr. 18.
Ffirst, Carl Magnus, Erbl. Ueberzähligkeit Ton
Fingern u. Zehen. Nord. med. ark. XIII. 4. Nr. 28.
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Gruber, Wenzel, Anatom. Notizen: a) Ueber
den dem constanten Muse, extensor pollicis et indids g^
wisser Säugethiere homologen supemnmerären Muskel k.
Menschen. — b) Supemumeräre , d. Gland. submAdL
zur Stütze dienende Schicht d. Mylohyoideos. — c) Miue.
sterno-fascialis. — d) In Bildungshemmung begründete,
anscheinend bis über d. 1. Lendenwirbel verlängerte n.
mit einem Ramus communicans vor d. 5. Lendenwirbel
versehene Venae iliaoae communes. — e) Doppeldao-
men an beiden Händen. — f ) Doppelte kleine Zehe.
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Ueher angebome Bildungäfehler einzelner Organe
s. Vin. 2. a. VIII. 4. VIII. 5. VIII. 8. IX. X. XU. 4.
xn. 5. xn. 9. XU. lo. xui. xiv. xv. xvi.
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stadt. Corr.-Bl. d. niederrhein. Ver. f. öff. Geshpfl. X.
7. 8. 9.
Mittheilungen aus d. kais. deutschen Gesund-
heitsamte. Herausgeg. vou Struck, 1. Band. Berlin.
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Inhalt : Koch, Robert , Zur Untersuchung von patho-
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5. 49. — Gaßky , Georg , Experimentell erzeugte Septi-
kämie mit Rücksicht auf progressive Virulenz u.aocommo-
dative Züchtung. S. 80. — Löffler^ FriedHchy Zur Immu-
nitätsfrage. S. 134. — Wolffhügel, Gustav, Ueber den
Werth d. schwefl. Säure als Desinfektionsmittel. S. 188.
— Koch , Robert , Ueber Desinfektion. S. 234. — Pros-
kauer, Bernhard, Beiträge zur Bestimmung d. schwefl.
Säure in d. Luft. S. 283. — Wolffhügel, Gustav, Unter-
suchungen über d. Desinfektion mit heisser Luft. S. 301.
— Koch, Gaffhj u. Löffler, Versuche über d. Verwerth-
barkeit heisser Wasserdämpfe zu Desinfektionszwecken.
S. 322. — Huppe, Ferd,, Ueber d. Verhalten ungeform-
ter Fermente gegen hohe Temperaturen. 8.341. — Wolff-
hügel u. Georg von Knorre , Zu der verschied. Wirksam-
keit vonCarbolöl u. Carbolwasser. S. 352. — Seil, Eugen,
Ueber Wasseranalyse, unter besond. Berücksichtigung der
im k. Gesundheitsamte üblichen Methoden. S. 360. —
Preusse, Ueber techn. Grundlagen f. d. polizeil. Controle
d. Milch. S. 378. — Wolffhügel, Ueber d. Eindringen d.
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Bemburg. Schmelzer. 8. 46 S. 2 Mk.
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injektion b. chron. Bronchitis. — e) Subcutane Injektion
von Chinin. — f) Chorea behandelt mit Arsenik. -
g) Kunstl. Hunyadi-Janos- Wasser. — h) Einseit. Einrei-
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gegen Rheumatismus, Down, Kelly, Peters, Prior;
3. b. Clay; 3. d. Hähnle, Moricourt; 3. e.
Loewy, Stille; 3. f. Dupuy; 5. Arnes, Barth,
McAldowie, Biebe, Sajous; 6. Moody; 8. Ed-
son; 9. a. Thin; 9. b. Baudon; 10. Grefberg,
Hewey, Thiersch, Thiry, Thomann; 11. Vier-
ordt. IX. Jugand, Ormsby, Schwarzenhölzer.
X. Warnots. XII. 1. Verwendung von Jodoform; 2.
Martin; 5. Blaschko; 8. Bazzoni. XHI. Nichol-
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Nothnagel; 3. Schreiber.
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6 ; 6 ; 7 ; 8 ; 9 ; — Krebs der weiblichen Genitalien s. IX.
X. — Krebsgeschwülste voin chirurg. Standpunkte s. XU.
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XVL Voppel.
Tuberkulöse Meningitis, s. VIII. 2. a; Lungen- u.
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mus u. Tetanus; 3. a. Pyämie u. Septikämie. XIX. 2. &h
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Vgl. in. 4. Angebome Geschwülste. VIII. 3. b.
Krebsgeschtoülste. IX. Geschwülste u. Polypen der weibl.
Genitalien, XH. 6. Gefässgeschwülste; 6. Polypen d. Mast-
darms; S. Knochengeschwülste; 9. Geschwülste der Harn-
blase u, der männl, Genitalien , Polypen der Harnröhre ;
12. Operationen wegen Geschwülsten. XIU. Kropf mit
Exophthalmus. XIX. 2. Bau u. Klassificirung der Ge-
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4. brandige Entzündung; 5. Gefikuverletzungen; 7. a. n.
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mannt. Oeschlechts- Organe. XVU. 1. Verletzungen vom
forennschen Standpunkte.
4) P/degmonen, Abscesse, Geschwüre, Fisteln,
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XII. 9. Scherer. XIX. 2. Miknlicz, Zuber.
Vgl. XII. 3. Verletzungen des Unterleibs; 4. Steno-
sen u. Fisteln des Oesophagus u. des Magen-Darmkanals.
7) Frakturen und T/axationen.
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lenhounden; 10. PoiVsches Uebel; 12. Resektionen, Am-
putationen, Exartikulationen, Osteotomien, XIU. Affek-
tionen der Knochen der Orbita. XIV. 1. Affektionen des
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Abbe, Robert, lieber Vs ^' langes Verweilen
eines ganzen Katheters in d. Blase ; Extraktion durch die
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S. a. XIX. 2. Marcus, Schmid.
Vgl. VIIL 3. b. Operationen wegen Krebs. IX. Am-
putation der Brust, Ovariotomie, Laparotomie, Operationen
bei Verschluss der Vagina, bei Fisteln, Vorfall des Uterus
u. der Vagina^ Polypen, Fibromen, Exstirpation des Ute-
rus, Perinäorrhaphie. X. Kaiserschnitt. XU. 1. Antisep-
tische Chirurgie f Verfahren zur Blutsparung, Nerven-
chirurgie, Lufteintritt in die Venen, Transplantation,
Drainage; 2 — 11. Operationen wegen den einzelnen Ab-
schnitten angehöriger Krankheiten. XIX. 2. Endoskopie,
Laryngoskopie, Rhinoskopie; 3. Adspiration, Trans-
fusion,
fii
Augenheilkunde.
Ab adle, Ch., Ueber d. Indikationen d. Iridektomie
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Gaz. des Höp. 139. 142.
Bericht über d. 13. Versammlung d. ophtbalmolog.
Gesellschaft im J. 1881. Redigirt durch F. C. Donders,
W. Hess u. W. Zehender. Beilageheft zu d. klin. Mon.-
Bl. f. Ahkde. XIX. Jahrgang.
Inhalt : Brettauer, Zur lokalen Anwendung d. Jodo-
form. S. 3. — Horstmann, Ueber recidivirende Iritis.
S. 8. — Sattler, Ueber d. Natur d. Trachom u. einiger
anderer Bindehautkrankheiten. S. 18. — Kuhnt^ Ueber
einige Altersveränderungen im menschl. Auge. S. 38. —
Hirschberg, Amaurose nach Blutverlust. S. 69. — Fuchs,
Ueb. glaukomatöse Hornhauttrübung. S. 73. — Berlin, R,,
Verletzung des Sehnerven b. Fraktur d. Canalis opticus.
1
334
Medicinische Bibliographie des In- u. Auslands.
S. 81. — Knapp 9 H», lieber Chininamaurose. S. 100. —
Michel, lieber d. normalen histolog. Verhältnisee n. die
patholog.-anatora. Veränderungen d. Iris-Gewebes. S. 106.
— ArUj Ankyloblepharon (pecnliare). 8. 126. Spontane
Berstang der vordem Kapsel einer kataraktösen Linse.
8. 130. — Förster, lieber künstl. Reifung des Staars;
Korelysis; Eröffnung d. Kapsel mit Pincette. 8. 133. —
Kuhnt, lieber d. pbyslolog. Sehnervenexcavation. 8. 138.
lieber d. Bau d. Fovea centralis d. Menschen. 8. 141. —
Hamecher, lieber künstl. Augen aus Celluloid. 8. 147. —
DenissenkOf G., lieber d. äussere Körnerdchicht d. Aal-
retina u. üb. Hornhantödem b. Morbus Brightii. 8. 151. —
Goldzieher, Chorioideitis plastica nach Schussverletzung.
8. 153. Knochenbildung im Umkreise d. Linse. S. 155. —
Samelsohut Retrobulbäre Neuritis. S. 158. Seltene Lo-
kalisation der sympath. Entzündung. 8. 160. — Hirsch-
herg, Demonstrationsmikroskope. 8. 165. — Sattler^
Präparationsmethoden. 8. 165. — Becker, lieber hete-
rochrome Photometrie. 8. 167, -- Krause, lieber d. Ver-
halten d. Ciliamerven nach d. Neurotomia optico-ciliaris.
8. 172.
Browning, W., Binoculares Ophthalmotrop. Arch.
f. Ahkde. XI. 1. p. 69.
Bültmann, Wilhelm, Ein Beitrag zum Erfolge
d. Iridektomie bei Glaucoma simplex. Inaug.-Dis£. Kiel
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sicht , d. Augenlider afflcirend. Amer. Journ. of med.
Sc. CLXIV. p. 431. Oct.
B u 1 1 , 0 1 e B. , De p& lues beroende patologiske
Forandringer af Ojenbnnden. Kristiania 1880. — Nord,
med. ark. Xm. 4. Nr. 29. 8. 21.
Bnrgl, Max, Paten t-Brillenbestimmer z. schnellen
Ermittlung der passenden Brillennummer f. Kurzsichtige
u. Weitsichtige. Passau 1880. Bucher. 8. 118. 75 Pf.
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d. Peripherie der Netzhaut. Arch. f. Anat. u. Physiol.
(physiol. Abth.) V. p. 437.
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med. Sc. CLXIV. p. 466. Oct.
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Dufour, Marc, lieber Transplantation d. Con-
Jnnctiva. Revue med. de la Suisse Rom. I. 10.
p. 607. Oct.
van Dnyse, lieber Kolobom d. Auges u. angeb.
seröse Cyste d. Orbita. Ann. d^Ocnlist. LXXXVI. [12.
8. VI.] 2 et 3. p. 144. Sept. et Oct.
Emmert, E., Grössenverhältnisse d. Nachbilder,
nebst Bemerkungen von W. Zehender. Klin. Mon.-Bl. f.
Ahkde. XIX. p. 443. 451. Dec.
Emmert, E. , Verletzungen d. Auges. Schweiz.
Conr.-Bl. XI. 24.
Engström, Langes Verweilen eines fremden Kör-
pers im Conjunctivalsack. Finska läkaresällsk. handl.
XXni. 4. 8. 280.
F^r^, Ch. , lieber d. Bewegungen der Pupille u.
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F e r r i e r , Amblyopie b. Ataxie. Brit. med. Journ.
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F&rster, Verbesserungen bei der Operation des
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morrhagica, besond. in ihrer Beziehung zu Gicht. Med.
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d. Äugapfel b. einem 3Jähr. Kinde ; Exstirpation. Wies.
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Jahresbericht über d. Leistungen u. Fortschritte
im Gebiete d. Ophthalmologie , begründet von Prof. Dr.
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Moos, S., u. H. Steinbrügge, a) Ueber d.eom-
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tischen Veränderungen im Gehörorgan eines Cretinen. —
b) Hyperostosen- n. Exostosenbildimgen , Hammeikopf-
Ankylose, knöcherner Verschluss d. runden Feostas,
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Bert. klin. Wchnschr. XVUI. 61. 62. p. 766. 778.
Roulet et Comtess e, L'alcoolisme en Suisse et
les moyens d'en combattre les progrös. Rapport pr^sent^
k la sociM suisse d'utilit^ publique il'occasion de sa r^union
annuelle de 1881 k Neuchätel. (Schweiz. Ztschr. f. Ge-
meinnfitzigk.) Zürich. Herzog. 8. 76 S. 1 Mk.
Scherpf,L., Ursache u. Krankheitsform d. Seelen-
stömngen b. Kindern. Gesundheit VI. 18. 19.
Sepp Uli, G., Blutuntersuchungen bei pellagrösen
Geisteskranken. Gazz. Lomb. 8. S. UI. 43.
Todi, Giovanni, Ueber Geistesstörung. Arch.
per le mal. nerv. XVUI. 6 e 6. p. 492. Sett.— Nov.
Tuke, D. Hack, Ueber d. neuere Entwicklang d.
Irren Wesens. Joum. of mental Sc. XXVU. p. 306. Oot.
Tnrnbull, A. R., Fälle von allgem. Paralyse bei
Jungen Leuten. Joum. of mental Sc. XXVU. p. 391.
Oct.
Voppel, a) Delirium acutum; Tuberkulose. —
b) Grössenwahn mit oonvulsiver Paralyse ; frühere Ver-
letznng d. Greeshims. Irrenfireund XXUI. 12.
Wilbur, H. B., Zur Behandl. d. Geisteskranken.
Arch. of Med. VI. 3. p. 271. Dec.
S. a. UI. 8. Speck; 4. Parrot, Varöle. VIU.
2. d. Legrand du Sanlle; 3. a. Neumann; 9. a.
Hopkins, Mahomed. XIV. 1. Sockeel. XVU. 1.
Priedreich (Weiss, Pechmann); 2. Fröhlich.
XIX. 2. Lasögue, Ramey.
Vgl. lU. 3. Lokalisation der Himfimktionen. VUI.
2. a. HypnoHsmus, animalischer Magnetismus \ 2. c. Epi-
lepsie «. /rrnmi. X. Puerperaimanie. XVU. 1. Zweifel-'
haße SeeUnmttSnde in Bexug auf Zwechnungsfähiffkeit,
Selbstnord, Trunksucht,
43
338
Medicinische Bibliographie des In-'U. AuslandB.
XVII. Staatsarzneikunde.
1^ Im Allgemeinen,
Arnonld, J., Ueber die Sanitatsgesetzgebang in
Belgien, Deatsohland, Oesterreich, d. Schweiz n. d. ver-
ehaigten Staaten. Ann. d'Hyg. 8. S. VI. p. 492. D6c.
Barth, Johannes, Ueber d. Tod dnrch Erhän-
gen. Inaug.-DiBS. Halle a. S. 46 S.
Baume, Znr gerichtlichen Psychiatrie. Ann. m6d.-
psychol. 6. S. VI. p. 446. Nov.
Becker, Herrn., Der Landdrostei-Bez. Hannover.
Verwaltungsbericht über dessen Sanitats- a. Medicinal-
wesen mit besond. Berücksicht. d. J. 1880. Hannover.
Schmorl n. v. Seefeld. 8. Ul'n. 132 S. 3 Mk.
Benkema, T. W., Leichenverbrennung in Japan.
Deutsche VJhrschr. f. off. Gesbpfl. XUI. 4. p. 692.
Crothers, T. D., Ueber Trunksucht. Philad.med.
and surg. Reporter XLV. 14. p. 369. Oct. — New York
med. Record XX. 16. 21 ; Oct., Nov.
Freymuth, Die Stellung d. Gerichtsarztes in der
ZurechnungsßlhigkeitBfrage. Deutsche med. Wchnschr.
VU. 44. 46. 46. [Med. Beamten-Ztg. 22. 23.]
Friedreich 's Blätter f. gerichtl. Med. u. Sani-
tätspolizei. XXn. 1—3; Jan. — Juni. Inhalt: Diehly
Georg, Einwirkung d. Metallstaubes auf d. Broncearbeiter
in Hinsicht auf d. Pneumokoniosen. S. 3. — Fischer, 0.,
Mord d. Schwägerin ; zweifelhafter Geisteszustand. S. 26.
— Echeverria , Ueber Heirathen d. Epileptiker u. Erb-
lichkeit d. Epilepsie. S. 37. — Afair , Die gerichtsärzÜ.
Wundschau n. d. Lister- Verband. S. 66. — Weiss, Albert,
Zur Geschichte der Pestabwehr. S. 77. 224. — Weiss,
Albert , Beschränkte Erwerbsfähigkeit durch Verletzung.
S. 81. Verstümmelung durch Verletzung. S. 84. Tod
durch Wundstarrkrampf nach Knochenbruch oder durch
Himschlagfluss nach Delirium tremens. S. 88. Ueber an-
gebl. tödtl. Wirkung d. Schwefels. S. 92. Blödsinnigkeits-
erklärung. S. 93. Taubheit , Schwerhörigkeit oder Simu-
lation? S. 97. Selbstmord od. Verunglückung im Wasser?
S. 100. 200. — Kornfeld, Kindesmord. S. 113. — Pel-
man, Zweifelhafte Gemüthszustände. S. 131. 161. —
Kornfeld,. Zum § 367 d. Strafgesetzbuches f. d. deutsche
Reich (Beseitigung von Leichnamen ohne Vorwissen der
Behörde). S. 164.— Blumenstock, Gerichtsärztl. Fälle
von Augenverletzungen. S. 190. — Osthoff, Zur Cyan-
kallum Wirkung. S. 194.
Fumaioli, Paolo, Gutachten über den Geistes-
zustand eines Mörders. Riv. sperim. di firen. e di med.
leg. VU. 4. (med. leg.) p. 263.
Geschwind, Tod durch Eindringen von Speise-
resten in die Trachea bei Erbrechen. Rec. de m^m. de
m^d. etc. milit. 3. S. XXXVUL p. 692. Sept. —Oct.
Hallin, 0. F., Bericht über d. Lazareth wesen in
Schweden im J. 1880. Hygiea XLIU. 11. 12. S. 601.
667.
Hof mann, E., Zur Kenntniss d. Befunde am Halse
von Erhenkten. Wien. med. Presse XXII. 49—62.
Hof mann, E., Ueber Stichwunden in Bezug auf d.
verletzende Werkzeug u. dessen Erkennung. Wien. med.
Jahrbb. U. p. 261.
Hughes, C. H., Ueber Geistesstörung in Beziehung
zum Gesetz. Philad. med. and surg. Reporter XLV. 22.
p. 691. Nov.
Jahresbericht d. Wiener Stadtphysikats über
seine Amtsthätigkeit im J. 1880. Wien. Branmüller. 8.
V u. 326 S. 4 Mk.
Legrand du Saulle, Gutachten über d. Geistes-
zustand eines Mörders. Ann. d'Hyg. 3. S. VI. p. 484.
D6c.
Li^gey , Beiträge zur gerichtl. Medicin. Joum. de
Bruz. LXXIU. p. 129. 331. 436. AoÜt, Oct., Nov.
Lim an, Gutachten über gemuthmaasste Kunstfeh-
ler. Deutsche med. Wchnschr. VU. 46. 46.
Lim an, Gutacliten über einen Kunstfehler seitens
eines Homöopathen. Deutsche med« Wchnaohr» VIL 62»
Lutaud , Ueber d. ärzü. Geheimniss in Bezug anf
Declaration d. Geburten. Ann. d'Hyg. 3. S. VI. p. 627.
D6c.
Majer, Carl, Statistik der zur Ausübung d. Hefl-
künde nicht approbirten Personen in Bayern. Bayr. ärztl.
Intell.-Bl. XXVm. 62.
Marcuse, Sigm., Lehrbuch für Heilgehülfen mit
besond. Berücksicht. d. neuem antisept. Wundbehandlung.
Berlin. Hirschwald. 8. VHI u. 96 S. 2 Mk.
Maschka, J., Handbuch d. gerichtlichen Medicin.
2. Band: Die Vergiftungen. Tübingen 1882. H. Laupp'-
sche Buchhdlg. gr. 8. X u. 794 S. 16 Mk.
Maschka, J., Gerichtl. Untersuch, über Kopfver-
letzung. Wien. med. Wchnschr. XXXI. 61.
Maiek, Ritter v. Bosnadol, Ivan, Die frei-
willige Krankenpflege im Kriege. Agram. Suppan. 8.
XI u. 217 S. 2 Mk. 80 Pf.
Michael, W. H., Ueber Anzeigepflicht bei infek-
tiösen Krankheiten. Brit. med. Joum. Nov. 6.
Mittheilungen aus d. kaiserl. Gesundheitsamte.
Herausgeg. von Geh. O.-Reg.-R. Dir. Dr. Struck. 1. Bd.
Berlin. Gerschel. 4. V u. 399 S. mit 14 Taf. 16 Mk.
Moore, J. W., Ueber Anzeigepflicht b. infektiösen
Krankheiten. Dubl. Joum. LXXU. p. 482. [8. S. Nr. 120.]
Dec. — Brit. med. Joum. Nov. 6.
Nicolson, David, Ueber geisteskranke Verbre-
cher. Joum. of mental So. XXVU. p. 369. Oet.
Reclam, Der Selbstmord n. dessen Vorbeogong.
Bresl. ärztl. Ztschr. IH. 23. (Beihige.)
Regulirnng d. med. Praxis in d. verein. Staaten
von Nordamerika. Boston med. and surg. Joum. CY. 15.
p. 337. Oct.
Rheder, Bernhard, Die subpleuralen Ekchy-
mosen beim Erstickungstode. Habilit.-Schr. Kiel 1880.
42 S.
Robertson, Alex., Simulirte GeistesstSrong.
Joum. of mental Sc. XXVII. p. 384. Oct.
Sanitätsgesetze in Serbien. Gesundheit VI. 21.
Selbstmord s. XII. 3. Butcher, Renme, Zeig-
mondy. XVl. Kleudgen, XVU.l. Friedreich (Wews),
Taylor.
Tamassia, Arrigo, a) Ueber Verbrechen. —
b) Ueber die Putrefaktion des Uterus vom gerichtsärzÜ.
Standpunkte. Riv. sperim. di f^eniatria e di med. leg.
VII. 3. 4. (med. leg.) p. 161. 243.
Taylor, R. B., Ueber Selbstmord nach d. Amyg-
dalotomie. Med. Times and Gaz. Dec. 31.
Thiersch, C, Seltener Fall von Selbetverstümme-
lUDg. Arch. f. kHn. Chir. XX VH. 1. p. 273.
Vibert, Gh., Ueber Hypnotismus vom geiicbts-
ärztl. Standpunkte. Ann. d'Hyg. 3.S. VI. 6. p. 399. Nov.
Vorschriften über die Prüfungen der Aerste a.
Thierärzte behufs Erlangung einer bleibenden Anstellong
im öffentl. Sanitätsdienste bei den politischen Behörden.
Wien. Seidel u. Sohn. 8. 21 S. 40 Pf.
Whitman, Royal, Ueber Selbstmord in d. ver-
einigten Staaten von Nordamerika. Amer. Joum. of med.
Sc. CLXIV. p. 472. Oct.
Winiwarter, Felix v., Ueber eine in gerichts-
ärztl. Beziehung interessante Sohädelverletznng. MittheÜ
d. Ver. d. Aerzte in NiederÖsterr. VII. 16.
Wolff , E., Bericht über d. Medicinal- u. Sanitats-
wesen d. Reg.-Bez. Merseburg f. d. J. 1880. Mersebmg.
StoUberg. 4. UI u. 69 S. 2 Mk.
S. a. X. Poinoarö. XV. Atkinson. XIX. 2.
Gröhant; 4. Atkinson.
Vgl. rV. Sanitätspolizei. V. 1. Armeitaxe, Apotheker
wesen, Geheimmittel. VI. Beaufsichtigung d. HnlquelieK.
VU. Vergiftungen. Vm. 3. a. Gelbfieber, Hydr^olris,
Milzbrand, Pest, Rotz; 9.b. Pockenhospitäler,VaccinatiiM]
10. Vacänasyphilis , Prophylaxe d. Syphi&s; 11. Trichi-
nose. X. Hebammenbildung, Gebärhäuser, Asphyxie d,
Neugi'hornen. XI. Kinderhygieine , KindersterbUchkeii.
Xm. Prüfung des Sehvermögens^ FarbenbUndheit. XIV. l
Mediciiiiflche Bibliographie des In- n. AoBlands.
339
JMlfung des Hörvermögens ; 2. Taubstummheit, XVI. Für-
sorge ßtr d, Irren u. Trinker. XVIII. üebertragbare Thier
hrankheiten. XIX. 1. Ausbildung d. Aerzte, ärztliche
Standesinteressen, Vivisektion; 2. Gewerbekrankheiten^
plötzliche Todesfälle, Krankenpflege u. Hospitäler, Ab-
sonderung ansteckender Kranker, Beurtheilung d. Leichen-
erscheinungen ; 4. Erkrankungs- u. Sterblichkeits-Statistik.
2) MilitärärztUche Wissenschaft,
Abraham8z,Th., Hypermetropie bei den Solda-
ten in Niederländisch Indien, ^^eneesk. Tijdsehr. v. Ne-
derl. Indie. N. S. X. 6. p. 666.
Bericht über d. Selction ffir Militär-Sanitätswesen
auf d. 54. Yersamml. deutscher Natnrf. n. Aerzte in Salz-
burg:. Deutsche mil.-ärztl. Ztschr. X. 12. p. 380.
Fröhlich, Carl, Ueber d. geisteskranken Inya-
fiden ans dem Kriege 1870 — 71. Arch. f. Psychiatrie n.
Nervenkrankh. XII. 2. p. 502.
Gori, M. W. C, Ans d. militärärztl. Sektion d. In-
ternat, med. Congresses za London. Nederl. Weekbl. 48.
G r 5 n s t a d , N. L. H. , Die norweg. Garde in Stock-
holm vom militär.-hygiein. Gesichtspunkt. Norsk Mag.
3 R. XI. 11. S. 789.
Jahrbuch f. MUitär-Aerzte. 1882. 17. Jahrg.
Wien. Perles. 16. lU u. 207 S. 3 Mk. 20 Pf.
Köcher, Ueber den Gesundheitszustand der russ.
Tmppen u. ihre Verluste im Feldzuge 1877—78. Petersb.
med. Wchnschr. VI. 48. 50.
Körting, Ueber d. Chirurg. -techn. Seite d. Kran-
kentrager-Ausbildung. Deutsche mil.-ärztl. Ztschr. X.
12. p. 359.
Ko 11 mann, Ueber d. Beschuhung d. Infanterie.
Schweiz. Corr.-Bl. XI. 21.
Lagneau, Gustave, Ueber die Ergebnisse der
Rekrutirung im Departement Tam-et-Garonne. Bull, de
l'Aoad. 2. S. X. 52. p. 1608. D^c. 27.
Militärpflichtige, Korperbeschaffenheit ders.
in Preussen. Corr.-Bl. d. niederrhein. Vereins f. öff.
Qsdhtspfl. X. 10. 11. 12. p. 143.
Mundy, J., Die MiUtärsanität der Zukunft. Mili-
täiarzt XV. 19—24.
Bühleniann, G. A., Album für Krankenträger.
6. Aufl. Leipzig, Dresden. Höckner. 16. 20 Taf. 30 Pf.
Sanitäts-Bericht, statistischer, der k. k. Kriegs-
marine f. d. J. 1879. Mit Anh.: Statist. Uebersicht der
Sanitäts- Verhältnisse in der k. k. Kriegs-Marine während
d. Decennium 1870 — 1879. Wien. Braumüller. Lex.-8.
208 S. 4Mk. 80 Pf. — Dasselbe f. 1880. 142 S.
3 Mk. 80 Pf.
Stangl, Zur Hygieine militär. Unterkünfte. Mili-
tärarzt XV. 20—24.
Wundverband n. Verbandpäckchen im Feldleben.
Wien. med. Presse XXn. 47. 48. 49. [mil.-ärztl. Ztg.]
S. a. rv. Starcke. XIX.4. Myrdacz.
Vgl. Vni. 9. Vaccination. XII. 1. Antiseptische
Chirurgie, Blutsparung; 3. n. 7. a. Schussverletzungen.
Xni. n. XrV. 1. Prüfung des Seh- u, Hörvermögens.
XVn. 1. Ueber Simulation.
xvin.
u.
Wesen.
Arloing, Cornevin u. Thomas, Ueber Immu-
nität gegen Milzbrand bei Rindern. Gaz. de Par. 46.
p. 643.
Arnozan, u. Vaillard, Sklerose d. Pankreas bei
einem Kaninchen durch Ligatur d. Ductus Wirsung. be-
dingt. Gaz. de Par. 45. p. 630.
Boas, J. £. V., Ueber mehrzellige Pferde. Ztschr.
f. Thiermed. n. vergl. Pathol. VII. 4. p. 266.
Bouley, H., Ueber präventive Inoculation d. con-
tagiösen Peripneumonie b. Rindvieh u. d. symptomat.
Milzbrands. Bull, de FAcad. 2. S. X. 40. 47. p. 1190.
1426. Cot. 4., Nov. 22.
D a r e s t e , Ueber Entwicklung von kryptogam. Ve-
getationen in Hühnereiern während der Bebrütung. Gaz.
de Par. 42. p. 592.
Dubou^, H., Ueber Hundswuth. Gaz. de Par. 35.
p. 496.
Franck, L., a) Tragsack Verdrehung mit nachfol-
gender Abschnürung des Uterus beim Pferde. — b) Zur
Wildseuche. Ztschr. f. Thiermed. u. vergl. Pathol. VII.
4. p. 290. 293.
Friedberger, F., Zur Räude d. Hühner. Ztschr.
f. Thiermed. u. vergl. Pathol. VII. 4. p. 281.
Galtier, V., Ueber die Uebertragung der Himds-
wuth. Gaz. de Par. 34. p. 484.
Gu^rin, Jules, Ueber Präventivimpfüng d. con-
tagiösen Peripneumonie. Bull, de TAcad. 2. S. X. 41.
p. 1219. Oct. 11.
Johne, Alb., Ueber Geschwülste u. deren Einthei-
lung, [Vortr. für Thierärzte , red. von Prof. Dr. 0, Sie-
damgrotzky."] 4. Ser. 8. u. 9. Hft. Jena. Dege u. Hänel.
8. 62 S. ä 1 Mk.
Kitt, Ueber eine durch Impfung hervorgerufene
Euterentzündung bei der Knh. Ztschr. f. Thiermed. u.
vergl. Pathol. VII. 4. p. 303.
K 1 e b s , E. , Zur Bekämpfung d. Rinderpest. [Allgem.
Wien. med. Ztg.] Wien. Sallmayer'sche Buchh. 8. 11 S.
80 Pf.
L e b 1 a n c , Ueber d. präventive Impfung d. contagiös .
Peripneumonie. Bull, de TAcad. 2. S. X. 43. p. 1301.
Oct. 25.
Lydtin, Das badische Veterinärwesen. Die hier-
auf bezüglichen Gesetze, Verordnungen u. Instruktionen.
3. Aufl. Karisrnhe. Gutsch. 8. XVI u. 442 S. 4 Mk.
Mittheilungen aus der thierärztl. Praxis im
preuBsischen Staate. Zusammengestellt von DD. F. Ro-
loffu. W. Schütz. N. F. 6. Jahrg. 1879/80. Berlin.
Hirschwald. 8. VIU u. 116 S. 2 Mk. 50 Pf.
Pütz, H., Die Seuchen u. Heerdekrankheiten un-
serer Hausthiere mit Rücksicht auf die Zoonosen d. Men-
schen. 1. Abth. Stuttgart. Enke. 8. 144 S. mit 57 ein-
gedr. Holzschn. 3 Mk.
Roll, Mor., Veterinärbericht f. d. J. 1879. Wien.
Hof- u. Staatsdruckerei. 8. 83 S. 1 Mk. 40 Pf.
Roll, M., F., Die Thierseuchen. Mit Berücksich-
tigung der österr. u. deutschen Gesetzgebung. Wien.
Braumüller. 8. VIH u. 434 S. 9 Mk.
Taschenbuch, veterinärärztliches. Herausgeg.
vom Kreis-Thierarzt Tb. Adam. 21. Jahrg. 1882. Würz-
bur^. Stahel. 16. IV u. 391 S. 2 Mk. 40 Pf.
Veterinär-Kalender für d. J. 1882. Bearb.
von Proff. C. Müller u. W. Dieckenhoff. 17. Jahrg.
2 Thle. Berlin. Hirschwald. 16. VIH, 255 n. IV, 103 S.
3 Mk. 50 Pf.
Zürn,Frdr. Ant., Die Krankheiten des Hausge-
flügels. Weimar. B. F. Voigt. 8. XVI u. 237 S. mit 76
eingedr. Holzschn. etc. 6 Mk.
S. a. L Weiske. IV. Vacher. VU. Arnold.
Vin. 3. c. Demme, Fleischmann; 9. b. Eaton.
XVn. 1. Vorschriften.
Vgl. a. Vm. 3. a. Hydrophobie, Milzbrand, Rotz,
9. Sk, parasitische Hautkrankheiten; 11. Endo- VL,Epizoin,
XIX. Medicin im Allgemeinen.
1) Allgemeines; Ausbildung der Aerzte; Standes-
intereesen der Aerzte; Sammelwerke; Mikroskopie
und mikroskopische Technik ; Volksschriften ;
Vivisektion,
Grysanowski, E., Das ärztl. Conoil zn London
[Aug. 1881]. Hannover. Sohmorl u. v. Seefeld. 8. 55 S.
50 Pf.
R e n 8 8 , L. M., Ueber d. med. Fakultät in Strassbnig
n. den med. Unterricht Li Deatschland. Jonm. de Th6r.
vm. 23. p. 891. Döc.
340
Hedieinische BMogntphie des In- n. AnsiAndB.
Sitzangs-Protokolle der bayerischen acht
Aerztekammem im J. 1879 n. 1880. Mfinchen. J. A. Fin-
Bterlin. 8. 2 Mk. 20 Pf.
S. a. XXX. 2. Beynolds.
B 0 n n e t , Zur mikroakoplsohen Technik. Ztschr. f.
Thiermed. n. Tcrgl. Pathol. VII. 4. p. 301.
Gottschan, Mikrotomklammer f. Kell- u. plan-
parallele Solmltte. Sits.-Ber. d. physik.-med. Ges. zn
Wfirzbnr? 8.
Hesachen, 8., Mikrotome. Upsala läkarefören.
förh. XYI. 5 och 6. S. 311.
Westiea, H., Schreibfeder zum Aufzeichnen ge-
naier n. feinster CiuTen. Arch. f. Physiol. XXVI. 11 n.
12. p. 671.
Börner, Paal, Reichs -Medicinal- Kalender für
Dentschland auf d. J. 1882. 2 Thle. Kassel. Fischer. 12.
n. 8. XI n. 388. n. XX n. 830 S. 6 Mk. — Ausgabe für
Stndirende. Das. 388, VIII n. 181 S. 4 Mk.
Medicinal-JKalender, deutscher, hrsg. v. Reg.-
u. Kreismed.-R. Dr. Carl Martku. 9. Jahrg. 1882. Er-
langen. Besold. 16. IV u. 192 u. 163 S. 3 Mk. 20 Pf.
Medicinal-Kalender f. d. Prenss. Staat auf d.
J. 1882. 2 Thle. Berlin. Hirschwald. 12. V u. 365 u.
LXIV u. 423 S. 4 Mk. 50 Pf.
Medicinal-Kalender, schweizerischer, 1882.
4. Jahrg. Hrsg. v. A, Baader. 2 Thle. Basel. Schwabe.
16. Vni u. 267 u. 137 8. 3 Mk. 20 Pf.
Niemeyer, Paul, Aerztl. Sprechstunden. Ge-
sundheitslehre für Jedermann. 41. bis 45. Heft. Jena.
Gostenoble. 8. 9. Bd. YHI u. 321 S. k 50 Pf.
Taschenbuch, ärztl., hrsg. y. Bez.-Arzt Dr.
Georg SchmitL 1882. 30. Jahrg. (N. F. 22. Jahrg.)
Würzburg. Stahel. 16. Y, 192 u. 278 S. 2 Mk. 40 Pf.
Vivisektion, Process gegen Prof. Ferner. Brit.
med. Joum. Nov. 19. p. 836.
S. a. Vm. 5. Ortmann. XV. Atkinson.
2) Allgemeine Pathologie; vergleichende und
eaperimentale Pathologie; pathologische Anatomie;
Krankenpflege; Hospitäler,
Amyloidentartung s. Vni. 10. Chauffard.
Bänmler, Ernst, lieber KömchenzeUen , ihre
Entstehung n. Bedeutung. Inaug.-Diss. Halle a. S. 53 S.
Bakterien als Krankheitserreger s. VIH. 9. a.
Comily Gibler. XIX. 2. Lister, Mtüaesez, Roberts. —
5. a. Pilze.
Blutentziehungen s. XIX. 3. Hayem,
Boileau, J. P. H., lieber Bestimmung d. speeif.
Schwere b. todten K5rpem. Brit. med. Joum. Dec. 17.
Bordier, A., lieber d. Entwicklung d. infektiösen
Krankheiten. Journ. de Thor. VIH. 24. p. 942. Döc.
Brühl, Siegwart, Die Myeloidgeschwulst u. die
Riesenzellen. Inaug.-Diss. Halle a. S. 25 S.
Buchanan , George , lieber Hülfsmittel zur
Kenntniss der Epidemiologie. Med. Times and Gsa.
Nov. 26.
Burchardt, Max, lieber Ursachen d.KBrBathmig-
keit. Deutsche med. Wchnschr. VH. 44.
Dolan, T.M., lieber Hospitaler f. Inf ektidse Krank-
heiten. Lancet U. 24 ; Dec.
Dupuy , L. E., Das neue Hospital von Saint-Denis.
Progr^s m6d. IX. 44.
Erblichkeit s. m. 4. Fürst, Lucas. VHI. 2. a.
Ireland, Möbhts; 7. Drummond; 10. ParroU
Erkelens, A.N., Jets overmetastase van tnmoren.
ioang.-Diss. Amsterdam. 94 8.
Esenbeck Jun. , Ottmar, lieber Hausepidemien.
Memorabilien XXVI. 9. p. 545.
Fisohl, Josef, Zur Auskultation d. CmndgeflieBe.
Prag. med. Wchnschr. VI. 46. 46.
Gellö, Prismat. Spiegel zur Bbinoseopia postertor.
Gaz. de Par. 51. p. 727.
Gewerbshygieine u. -Krankheiten s. IV. CoUn,
Grandkomme, Henrici, Piasecki, Poisson. Vin. 3. a.
Spear; 9. a. Petri; 9. b. Eaton. Xm. Nieden. XIV.
1. MooSy Poünow. '
Glax, Jul. u. Rud. Klemensiewicz, Beitrige
zur Lehre von d. Entzündung. 1. Mittheil. „Sitzungsber.
d. k. Akad. d. Wissensch. *" Wien. Gerold'sSohn. Lex.-8.
111 8. mit 7 eingedr. Holzschn. 2 Mk. 50 Pf.
G r a w i t z , Die Anpassungstheorie d. SehimmelpUze.
Deutsche med. Wchnschr. VH. 45. — Berl. kUn. Wo-
chenschr. XVHI. 45. 48.
Greenfield, W. 8., lieber d. Patholoi^e in d.
Vergangenheit u. in d. Gegenwart. Brit. med. Joum.
Oct. 29, Nov. 5. — Lancet H. 18. 19; Oct., Nov. —
Med. Times and Gaz. Oct. 29, Nov. 5.
Gr^hant, Ueber Messung d. Alkohob im Arterien-
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Greisenkrankheiten s. VIH. 2. a. FOrlirmger.
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in verschied. Krankheitszuständen. Berl. klin. Wchnschr.
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Habershon, S.O., lieber DorfhospitiUer (Cottage-
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Holmes, Gordon, Lampe f. Beleuchtung zur
Laryngoskopie u. zu andern Zwecken. Lancet H. 20;
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Hope, 8. Wilson, Ueber intermittirendea Ath-
men. Brit. med. Joum. Dec. 31.
Horrocks, P., Ueber d. diagnost. Bedeutung d.
Beflexwirkungen. Guy's Hosp. Bep. 3. 8. XXV. p. 61.
Infektionskrankheiten, zur Aetiologie der-
selben, mit besond. Berücksichtigung d. Pllztheorie. Vot^
träge, gehalten in d. Sitzungen d. ärztl. Vereins in Mün-
chen im J. 1880. 2. Hälfte. München. J. A. Finsterlin.
8. 8. 199-432 mit Tafeln. 6 Mk.
Inhalt: Bartig, R., Ueber d. durch Pilze bedingten
Pflanzenkrankheiten. 8. 1. — BoUmgery O., Ueber d.
Pilzkrankheiten niederer u. höherer Thiere. 8. SO. —
Büchner, Hans, Ueber d. Wirkungen d. Spaltpilze im
lebenden Körper. 8. 69. — Bezold, Friedrieh, Ueber
Otomykosis. 8. 95. — Port, Zur Aetiologie d. Abdomi-
naifyphus. 8. 111. — Soyka, J., Ueber d. Natur n. d.
Verbreitungsweise d. Infektionserreger. 8. 157. — Weil,
Adolf, Die Pilze d. Zahnkrankheiten. 8. 187. — Oertel,
Ueber d. Aetiologie d. Diphtherie. 8. 199. — Ranke^ H.,
Zur Aetiologie d. Diphtherie. 8. 247. — Buchner, Hans,
Ueber d. Bedingungen d. Uebergangs von PUzen in d.
Luft u. über d. Einathmung derselben. 8. 293. — PeUen-
kofer , Max v. , Ueber Cholera u. deren Bedehung mar
parasitären Lehre. S. 333. — Rothmund, Aug. v., Ueber
d. gegenwärtigen Standpunkt d. Lehre von d. infektiösen
Erkrankungen d. Auges. 8. 363. — BolUnger, O., Uebar
Fleischvergiftung, intestinale Sepsis u. Abdominattyphns.
8. 367. — Kerschensteiner, Joseph, Ueber infektiöse Pneu-
monie. 8. 417.
Kandarazki, M. , Ueber d. Husten, nebet Be-
merkungen über d. Einfl. d. Chloroform auf d. Atfananiig
d. Thiere. Arch. f. Physiol. XXVI. 9 u. 10. p. 470.
Koeh, B., Ueber d. Anpassungstheoried. SeMmmci-
pilze. Berl. klin. Wchnschr. XVHI. 62.
Körpertemperatur s. VI. Makawejew. VHI.
3. a. Finny ; 5. Melcop. X. Napier. XII. 4. Assak^.
XIX. 2. Little, Mackenzie, Mahomed, Newham, Ascy,
Renxi, Rivington, Squire.
Lasögue, Ueber Alkoholismus, Tranmn.
Oaz. des Hdp. 145.
Medicmische Bibliographie des In- n. AuslandB.
341
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tionskrankheiten. Med. Centr.-Ztg. L. 90.
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Periodieität. Revue m^d. de la SuisseRom. L 12. p. 701.
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Temperatur. Med. Times and Gaz. Nov. 5.
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turen. Lancet II. 19 ; Nov. Vgl. a. 23 ; Dec. p. 977.
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Methylviolett. Gkiz. de Par. 63. p. 758.
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Ezstirpation d. Lunge. Gas. de Par. 49. p. 695.
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20 ; Nov.
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goskopie. „Wien. med. Presse.** Wien. Urbanu.Schwar-
zenberg. 8. 82 S. mit eingedr. Holzschn. 1 Mk.
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cet II. 21 ; Nov. p. 894.
Nothnagel, H., Durst u . Polydipsie. Virchow's
Arch. LXXXVI. 3. p. 435.
Pilze als Krankheitsursache s. VIII. 5. Comhy;
9. a. Lassar f Schüller. XII. 2. Capitan; 8. SchiÜler.
XIX. 2. Grawitz, Koch, Wassileff.
Poore, G. V. , Ueber d. med. Sprache. Med.
Times and Gaz. Oct. 16.
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mit scarlatinoidem Ausschlag (Roseola). Med. Times and
Gas. Nov. 12.
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Mikroorganismen im frischen Harne. Brit. med. Joum.
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tielle Lungenresektion. Berl. klin. Wchnschr. XVIII. 51.
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loiden b. d. Putrefaktion. Riv. sperim. di Areniatria e di
med. leg. VII. 8. (med. leg.) p. 144.
Smith, Andrew H. , Ueber d. Einfl. d. Verän-
derungen d. Lufldmeks auf d. gesunden u. kranken Orga-
nismus. Arch. of Med. VI. 2. p. 97. Oct.
Spatz, Bernhard, Ueber d. Einfl. von Krank-
heiten auf d. Gr5sse d. Herzens. Deutsches Arch. f. klin.
Med. XXX. 1 u. 2. p. 138.
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turen. Lancet II. 24 ; Dee.
Steffen, Wilhelm, Ueber d. Verhalten d. Endo-
th^ d. serösen HSute unter verschiedenen patholog. Er-
nährungszuständen. Inaug.-DiBS. Freiburg 1880. 36 8.
Taschenbuch fQr Krankenpflegerinnen 1882.
Herausg. v. d. Pflegerinnen-Anstalt in Weimar. 4. Jahrg.
Weimar. Böhlau. 12. Vm u. 126 S. 1 Mk.
Tod, plötzlicher s. vm. 2. c. Lilat.
Wahl, Ueber leuchtende Farbe u. ihre allenfallsige
Anwendung zur physikal. Diagnostik. Bayr. ärztl. Intell.-
Bl. XXVm. 49.
Wassilieff, N. P., Ueber d. Bedingungen zur Ent-
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Worrel, J. P., Halter f. d. Ohren- u. Kehlkopf-
spiegel. Amer. Journ. of Otol. III. 4. p. 280. Oct.
Zuber, C, Ueber Gastroskopie. Gaz. hebd. 2. S.
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S. a. I. Hoppe-Seyler, Stevenson. HI. 3.
Gantalamessa. IV. Kanalgase, Mittheilungen. VIII.
6. Mikulicz. X. PoincariS.
Vgl. I. Patholog .-chemische üntersuchtmgen. VHI. 4.
Thromboseu.Embolie. 'KU. 2. Geschwulstbildung. XIX. 1.
Mikroskope u, mikroskopische Technik,
Wegen der anatomischen Veränderungen einzelner
Organe s. d. betreffenden Abschnitte unter VIU., sowie
EX. X. Xn. 3—9. Xni. XIV. l. XV. XVI. ; nach Ver-
giftungen VII. ; bei TTiieren XVm.
3) Allgemeine Therapie. AI/gemeine Heil-
methoden.
Adspiration s. VTH. 5. Goltdammer, Smith.
xn. 2. D'Ambrosio.
Ainsworth, F. C, Ueber hypodermat. Injektio-
nen. New York med. Record XX. 22 ; Nov. p. 614.
Antiseptisches Verfahren s. VIH. 5. Batter-
hury, Coghill, Mackenzie, Saundtiy ; 9. a. Thin ; 9. b. Frey,
Pott. IX. Jackson. XII. 1. Äntiseptische Chirurgie.
XIX. 3. Cosgrave, Cousins.
Buchmann, 0., Mikroskop, u. anderweitige Beob-
achtungen u. Untersuchungen zum Nachweis d. Löslich-
keit von Metallen u. andern harten Körpern, hauptsächl.
in d. Verdünnungen aus homöopath. Verreibungen. Leip-
zig. Banmgärtner. 8. VIII u. 92 S. 2 Mk.
Castle, F. A., Ueber A^uvantia u. Corrigentia.
New York med. Record XX. 24 ; Dec.
Chadwick, James R. , Ueber Anwend. heisser
Duschen in d. Rectum. Transact. of the Amer. gynecol.
Soc. V. p. 280.
Cosgrave, E. MacDowel, Respirator f. Anti-
septika. Brit. med. Joum. Oct. 29. p. 704.
Cousins, John Ward., Trokar f. antiseptische
Punktion. Lancet U. 22 ^ Nov.
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peut. Wirkung d. Purgantien. Bull» de Thor. CI. p.516.
Döc. 30.
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u. ezcitomotor. Mittel). Bull, de l'Acad. 2. S. X. 32.
p. 1005. Aoüt 9.
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Beförderung d. Resorption d. krankhaften u. entzündl.
Produltte. Bull, de Th^r. CI. p. 162. Aoüt 30. — Wien,
med. Presse XXH. 38.
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Fieberkranken. Weekbl. van het Nederl. Tijdschr. voor
Geneesk. 36.
Gussenbauer, Carl, Erfahrungen üb. Massage.
Prag. H. Dominicus. 8. 31 S. 48 Pf.
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Bull, et m^m. de la Soc. de Th6r. XUI. 16. p. 161.
Aodt 30.
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ihrer Bezieh, zur Heilkunde [mechan. Behandlungsweisen.]
Petersb. med. Wchnschr. VI. 46.
Ide, Ueber Homöopathie. Med. Centr.-Ztg. L.
100. 101.
Infusion von Blut s. XIX. 3. Maass, Möller —
8. a. Tranrfusion.
342
MediciniBche Bibliographie des In- n. Auslandfl.
Inhalation b. VIII. 5. Lefort^ Mc Aldotoie, Mac-
mUey. XIX. 3. Cosgrave.
Klystire s. V. 2. Charteris. XIX. 3. Möller.
Knebasch, Thdr., Die Cathartica, ihre ph^iolog.
Wirkungen, ihre Adjuvantien u. Corrigentien u. die Indi-
cationen sie zn verordnen. Stattgart. Enke. 12. 62 S.
1 Mrk. 20 Pf.
Maass, Gast., lieber intraperitonäale Blattrans-
fasion bei Thieren. Inaug.-Diss. Königsberg. Härtung.
8. 43 S. 1 Mrk.
Massage s. VIII. 2. d. Schreiber; 5. Freund.
XIX. 3. Gussenhauer.
Metalloskopie s. Vm. 2. a. Dtunonlpallier ;
2. b. Focht.
Möller, H. , lieber Darminftasion von Thierblnt.
Deutsche med. Wchnschr. YII. 46. 46.
Pneumatische Behandlung s. VIII. 5. Ber-
(hier. XIX. 2. Smith.
Rabow, lieber d. sogen, dosimetrische Heilyer-
fahren. Deutsche med. Wchnschr. VII. 35.
Santvoord, R. van, Stimmübung als therapent.
Agens. New York med. Reeord XX. 5 ; July.
8 e m m 0 1 a , lieber rationelle u. ezperimentale Thera-
peutik. Ball, de Th^r. CI. p. 193. Sept. 15.
Stamm, Thdr., Krankheiten -Vernichtung. No-
sopthorie. Hygieinische Lehre d. Entstehg., Verhfitg. u.
der Wege zur Ausrottg. vieler der furchtbarsten Krank-
heiten. 2. Aufl. Zürich. Schmidt. 8. XVII u. 621 S.
8Mk.
Subcutane Injektion s. V. 2. Charteris^ Scri-
ven. vm. 3. d. Da Costa; 3. f. Dupuy; 5. Barth;
10. Greßerg, Thomarm. X. Wamots. XIX. 3. AinB-
toorth.
Transfusion s. XIX. 3. Hayem.
Walker, Benjamin, lieber Anwend. kleiner u.
öfter wiederholter Dosen. Lancet II. 24 ; Dec.
S. a. vm. 3. a. Finny, Mari.
Üeher Hydrotherapie s. VI. ; über Endoskopie^ La-
ryngoskopie, Bhinoskopiß s. XIX. 2.
4) Med, Geographie u. Topographie, Statistik,
Geschichte, Bibliographie und Biographien,
Hospitalberichte, Sanitätsberichte.
Agnew, G. R. , lieber d. Winter in Florida, ^ew
York med. Reeord XX. 26 ; Dec. p. 721.
Annalen der stadt. Krankenhäuser zu Mfinchen.
Im Verein mit d. Aerzten dieser Anstalten herausg. von
Prof. Dr. H. v, Ziemssen. 1876 n. 1877. Mfinchen. Rie-
ger'sche Univ.-Buchh. gr. 8. X a. 927 S. mit eingedr.
Holzschn. a. 9 Tafeln. 30 Mk.
Atkinson, F. P., Gegen d. Malthusianismus.
Edinb. med. Joum. XXVII. p. 255. [Nr. 315.] Sept.
Bergman, F. A. G., Heber d. Morbidität in ijpsala
1879 n. 1880. Upsala läkarefören. förh. XVI. 2 och 3.
8. 225.
Bergman, F. A. G., lieber d. epidem. Krankheiten
in einigen schwed. Städten im 1. Eüulbjahr 1880. Upsala
läkarefören. förh. XVI. 4. S. 309. 310.
Bericht d. k. k. Krankenanstalt Rudolph-Stiftang
in Wien vom J. 1880. Wien. Verl. d. Anstalt. 8. IV
a. 504 S. mit Tabellen. 4 Mk.
Bericht, ärztlicher, d. k. k. allgem. Krankenhau-
ses zn Wien vom J. 1880. Wien. BraumfiUer. 8. XXXVI
u. 385 8. 5 Mk.
Bericht d. k. k. Krankenhauses Wieden vom
Solarj. 1880. Wien. Verl. d. Krankenhauses Wieden.
gr. 8. 447 S. mit Tabellen.
Bericht über die Versammlung deutscher Natur-
forscher u. Aerzte in Salzburg. Berl. klin. Wchnschr.
xvm. 42.
Bericht fiber d. internationalen med. Congress zu
liondon. Berl. klin. Wchnschr. XVm. 44—48.
Billin gs, John S., lieber med. Literatur. Med.
News and Abstract XXXIX. 10. p. 587. Oct.
Bondesen, A. L., lieber d. Heilkunst d. Volkes
in Mittel-Halland. Upsala läkarenfören. förh. XVI. S och
3. S. 214.
Brfick, Anton Theobald, Erasmus Darwin^
d. Arzt. Deutsche med. Wchnschr. VII. 46.
Chlumsky, Die Geburts- u. Sterblichkeiten Ver-
hältnisse d. Kreises Ost-Stemberg f. d. J. 1877. VJhrschr.
f. gerichtl. Med. N. F. XXXV. 1. 2. p. 119. 305. JuU. Oct.
Eloy, Gh., lieber einige Epidemien im 15. Jahr-
hundert. Gaz. hebd. 2. S. XVm. 36. 37.
Fontenay, O.E. de. Aus dem Jahresbericht des
Kopenhagener Amtskrankenhauses f. 1880. Hosp.-Tid.
2. R. vm. 18.
Frijs, lieber d. med. Verhältnisse bei den altm
Aegyptem. Nord. med. ark. Xm. 3. 4. Nr. 19. 23.
Haeser, H., Lehrbuch d. Geschichte d. Mediein
u. d. epidem. Krankheiten. 3. Bearb. 2. Bd. Geschichte
d. Medicin in d. neuem Zeit. 8. (Schluss-) Lief. Jena.
Fischer. 8. XIV u. S. 961—1120, Nachträge 35 Bl.
4 Mk. 50 Pf. (I., n. u. m. 1—6. 60 Mk. 50 Pf.)
Harris, Robert P., lieber d. Fassbinden in China.
Transact. of the Coli, of Physic. of Philad. XII. p. 1.63.
Hofmann, Ottmar, Medicinische Statistik der
Stadt Würzbnrg f. d. J. 1879. (Verh. d. physik.-med.
Ges. zu Würzburg.) Wfirzburg. Stahel. 8. 65 9. mit 2
Taf. 2 Mk. — Verh. d. physik.-med. Ges. zu Wünburg
N. F. XVI. 5.
Jacobi,A. , Rudolf Virchow. An Address. [New
York med. Reeord XX. 17; Oct.] New York. 8. 35 pp.
Jahresbericht über d. Verwaltung d. Medidnal-
wesens d. Krankenanstalten n. d. öffentl. Gesnndheits-
verhältnisse d. Stadt Frankfurt a/M. XXIV. Jahr«. 1880.
Frankfurt a/M. J. D. Sauerländer's Verl. gr. 8. IV o.
267 S. 3 Mk. 60 Pf.
Jaquemet, lieber d. Wässer d. Gegend d. SchottL
Rec. de m6m. de m^d. etc. milit. 3. S. XXXVUI. p. 697.
Sept.— Oct.
Körösi, Jösef, Statistique internationale da
grandes yilles. Berlin. Puttkammer u. Mühlbrecht, gr.8.
36 8.
Laboulb^ne, Zur Geschichte d. Bücher d. tUp-
pokrates. Gaz. des Höp. 130. 131. 133. 134. 136.
Lagneau, Gustave, lieber d. epidem. Krank-
heiten im Seinedepartement 1879 u. 1880. Ann. d'Hyg.
3. S. VI. 3. p. 193. Sept.
Marcus, £. , Festrede, geh. zur Feier d. 60J!hr.
Doktorjubiläums d. G.-San.-R. Dr. Geo. Varrentrapp ete.
Frankfurt a/M. Mahlan u. Waldschmidt. 8. 16 S. 60 Pf.
Martin, A. J. , Internationale Ausstellung f. Medi-
cin u. Sanitätswesen in London. Revue d'Hyg. UI. 12.
p. 1003. D^c.
Martins, G., Der Pensionsverein für Wittwen n.
Waisen bayrischer Aerzte u. d. Lebensversicherongsgesell-
Schäften. Bayr. ärztl. Intell.-Bl. XXVHI. 41.
Medicinalbericht von Württemberg f. d. Jahre
1877 n. 1878. Im Auftrage d. kön. Ministerium d. Innern
herausg. von d. kön. Med.-Collegium, bearbeitet von Dr.
FfeilsHcker. Stuttgart. W. Kohlhammer. 4. 256 8. mit
12 Uebersichtskärtchen.
Miquel, R. , Der Landdrosteibezirk Osnabrüd^,
seine klimat. BevÖlkerungs- u. gesnndheitl. Verhältnisse.
Mit bes. Berücksicht. d. Jahre 1875 — 1880. Osnabrück.
Veit. 8. IV u. 223 S. 4 Bfk.
Moissonnier, lieber d. Gewässer in Tonis. Bec.
de m^m. de m6d. etc. milit. 3. S. XXXVH. p.449. Sept
Moore, JohnWilliam, Bericht über d. Fieber-
hospital u. Genesungshaus in d. Cork-Str. in Dnblin für
d. J. bis zum 31. März 1881. Dnbl. Joum. LXXn. p. 7.
[3. S. Nr. 115.] July.
Myrdacz, Paul, Sanitäts-Geschichte u. Statistik
d. Occupation Bosniens n. d. Herzegovina im J. 1878.
Wien. Urban a. Schwarzenbeig. 8. XII a. 420 8. 811k.
40 Pf.
Sach-Regist er.
343
Pemberton, Oliver, Ueber d. med. Anstalten
in Binningham. Lancet II. 15 ; Oct.
P 0 d 0 11 n 8 k i , Ueber d. Dörfer in d. Ukraine. Gaz.
de Par. 2. 27. 36. 87. 38. 39.
Pontoppidan, Ueber d . Sterblichkeitsverhältnisse
auf St. Thomas. Ugeskr. f. Läger 4. R. UI. 8. 9.
Bahagliati, A«, Ueber d. Lebensdaaer in Eng-
land. Brit. med. Jonm. Deo. 10. 17. 31.
Räuber, A., Gcdilei Aber Knochenformen. Mor-
phol. Jahrb. VII. 2. p. 327.
Renö, Albert, Die alte med. Fakultät zn Pont-ä-
Monsson. Gaz. des Höp. 83. 87. 93. 97. 98. 99. 102. 107.
Salomon, Max, Der internationale med. Gongress.
Deutsche med. Wchnschr. VII. 43. 48. 49.
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gen f. 1879. Norsk Mag. 3. R. XI. 9. S. 645.
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d. Papyrus Ebers , d. hermet. Buches über die Arznei-
mittel der alten Aegypter. Yirchow's Arch. LXXXV. 2.
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zählung in Upsala 1879. Upsala läkaref5ren. förh. XVI.
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Segel, Eduard, Zur Volksmedicin. [Eröffnung
von Judengräbem u. Verstümmelung d. Leichen behufs
Erlangung von Körpertheilen zur Verbrennung als Mittel
gegen Typhus.] Wien. med. Presse XXII. 60.
Sörensen, Bericht über das Blegdamshospital in
Kopenhagen f. 1879 u. 1880. Hosp.-Tid. 2.R. VIU. 41.
42. 43.
Sterblichkeit ind. Bevölkerung d. preuss. Staa-
tes u. in d. preuss. Heere im J. 1872. Deutsche milit.-
ärztl. Ztschr. X. 11. p. 309.
Tageblatt der 54. Versamml. deutscher Natnrf.
u. Aerzte in Salzburg vom 18. bis 24. Sept. 1881. Unter
Redakt. von Herrn, Pick. Salzburg. Mayr. 4. 144 u.
198 S. 8 Mk.
Tripe, John W., Ueber d. sanitären Verhältnisse
in London im Mittelalter u. in d. neuen Zeit. Med. Ti-
mes and Gaz. Nov. 12. 19.
Warfvinge, W. F., Arsberättelse Mn Sabbats-
bergs sujkhus 1 Stockholm för 1880. Stockholm. Tryckt
i Central-tryckeriet. 8. 226 S.
Wien 's sanitäre Verhältnisse u. Einrichtungen.
Wien. Seidel u. Sohn. 8. IX u. 334 S. mit 8 Tafeln.
6Mk.
S. a. VI. Klimatische Kurorte. VUI. 6. W i 1 1 i a m s ;
7. Courtenay; 11. M6gnin, Zäslein. X. Poin-
car^, Rawitzki. XI. Ho gg. XVU. 1. Beukema;
2. Abrahamsz.
Sach - Register.
(Die Zahlen beziehen sich auf die Seite.)
Abdominaltyphus s. Typhus.
Ableitung aufd. Haut s. Hautreize.
Abortus, Einleitung (durch Sprengung d. Blase b. Plac.
praevia lateralis) 45. (Indikationen) 155. 217. (durch
Galvanisation d. Uterus) 263. — S. a. Fruchtabtrei-
bung.
Abrahmen, d. Milch, Einfl. auf dies, als Nahrungmittel
f. Kinder 161.
Abscess, d. Prostata, Blasenmastdarmflstel 61. — , d.
Gehirns, b. Meningitis purulenta b. einem Säugling 264.
Absonderung, d. Kranken behufs Prophylaxe d. Diph-
theritis 273.
Abzugsrohre, Desinfektion behufs Prophylaxe d.
Diphtheritis 275.
Accommodation, Schwäche b. Masturbation 272.
Achselhöhle, Hämatom In ders. 270.
Acidum s. Blau-, Bor-, Garbo 1-, Fett-, Milch-, Oxal-,
Phosphorsäure; Säuren; Salicyl-, Salz-, Scatolcarbon-
säure ; schweflige Säure ; Sklerotin-, Zuckersäure.
Acne (rosacea, Nutzen d. Ghrysarobin) 27. (wiederholtes
Auftreten b. Masturbation) 272.
Actinien, Ernährung 89.
Adenom, d. Uterus nach Retention d. Deoidua 158.
— , d. Thränendrnse 271.
Aderlass, als Urs. von Amaurose 179. — S. a. Blut-
entziehung.
Adspiration, nach Punktion (d. Harnblase) 57. (des
Perikardium) 139.
Aetzgifte, Veränderungen im Verdauungskanal durch
solche bedingt 10.
Aetzung, b. Hämorrhoiden (im Vergleich zu andern
Operationen) 268. (Geschwulstbildung nach solch.) 269.
— , Contraindikation bei Diphtheritis 277. 278. 299.
~, Anwend. b. Diphtheritis 301.
Alaun-Cochenille, Färbung d. amyloiden Gewebes
durch solche 187.
Alizarin, Nutzen b. Pityriasis versicolor 26.
Alkalescenz, d. Harns (unter physiolog. Bedingungen)
79. (b. Dyspepsie) 80.
Alkaloide, Wirkimg auf d. Verdauung 186.
Alkohol, physiolog. Wirkung auf d. Körperwärme n.
d. vasomotor. Nervensystem 6. — , Einflnss: auf d.
Wirkung d. Speichels 70. auf d. Pepsinwirkung 83.
auf d. Verdauung 83, — , akute Vergiftung 207. — ,
Natzen b. Diphtheritis 275. 278. 290.
Alkoholika, als Präservativmittel (gegen Shock b.
Operationen) 270. (gegen Diphtheritis) 275. — , thera-
peut. Anwend. gegen Diphtheritis 278. 290.
Allochirie 134.
Aloe, Wirkung auf d. Uterus 40.
Amaurose, in Folge eines Aderlasses 179 .
Ambos, Entwicklung b. Säugethieren 6.
Ammoniak, Wirkung aufd. Uterus 40.
Ammonium, chloratum (Wirkung auf d. Verdauung)
127. (Anwend. b. Diphtheritis) 293. — , nitricum,
Wirkung auf d. Verdauung 127. -, sulphuricum, Wir-
kung auf d. Verdauung 127.
Amylaceen, Wirkung d. Diastase u. d. Pankreatin
auf solche 90.
Amyloidentartung, d. Magenschleimhaut, Mangel
an freier Salzsäure b. solch. 78. — , Beschaffenheit d.
Harns 185. — , Bezieh, (zur hyalinen Entartung) 186.
(zu Trachom d. Conjunctiva) 186. — , Alaun-Coche-
nille zum Nachweis 187. — , d. Niere (b. verschied.
Krankheiten) 187. (verschied. Arten) 187. (Beschaffen-
heit d. Harns) 187. (Wassersucht b. solcher) 188.
Amylopsin 90.
Anämie, progressive perniciöse, Indicanausscheidung
im Harne 121. — , akute, Behandlung (Aetherinjektio-
nen) 262. (Einwicklung d. Beine mit elast. Binden)
262.
Anästhesie, b. Lepra 247.
Anatomie, d. Frosches (von Alexander Ecker ^ 2. Abth. ,
Rec.) 96.
Anencephalus 220.
Angina pectoris, Nutzen d. Nitroglycerin 8.
Antidot Bibron's f. Schlangengift, Nutzen b. Diphthe-
ritis 290.
Antimon, Wirkung d. Verbindungen 232.
Antipyretiknm, Chinin als solch. b.DiphtheritlB277.
344
Saoh-Regi«ter.
Antiseptika, Anwendung gegen DiphUieritis 276.
Anzeigepflicht, b. Diphtheritis 274.
Apoplexie, Geisteszustand nach solch. 240.
Apparat s. Kahlapparat.
Argentum nitricum, Aetzung mit solch, b. Diphthe-
ritis 301.
Arsenik, Vergiftung (Häufigkeit) 10. (durch Matratzen-
überzüge) 130. — , Vorkommen in Bronze 130.
Arsenik-Wasserstoff, Hämoglobinurie nach Ein-
athmung dess. 10.
A r t e r i a , brachialis, Qummageschwulst 32. — , hyaloi-
dea, Persistenz 272. — , lingnalis, Unterbindung b.
Operation von Zungenkrebs 52. 53. — S. a. Carotis.
Arterien, d. Hand u. d. Fussrückens, Anordnung 228.
— , Einfl. auf d. Cirkulation in d. begleitenden Venen
229.
Arthropoden, Verdauung b. solch. 88.
Astigmatismus, mit Kopfschmerz u. Neurasthenie 135.
Athemzug, Ursache d. ersten b. Neugebomen 47.
Athen , Sterblichkeit d. Kinder im Findelhaas 166.
Atrophie, senile d. Uterus im Klimakterium 37. ~,
progressive d. Muskeln, Indicanansscheidung im Harne
121. — , congenitale d.Hand b. umschriebener Atrophie
d. Vorderhoms d. Halsanschwellung 135.
Atropin, Wirkung auf d. Uterus 40. — , Vergiftung
durch endermat. Anwendung 129.
Auge, Massage b. Episkleritis 180. — , Messung d. Re-
fraktion 271. — , Affektion in Folge von Masturbation
272. — , künstliches, Herstellung, Auswahl a. Einsetzen
193 flg.
Augenheilkunde, Vorträge aas d, Gesammtgebiet«
ders. (von Ludwig Mauthner, 9. Heft, Bec.) 221.
Augenhöhle, Exostose in ders. 271.
Augenkrankheiten, Behandlung ansteckender 64.
— , Bezieh, zu Hirnkrankheiten 179. — , Nervendeh-
nung b. solch. 180.
Augenlid, Epitheliom 64.
Bacillus, amylobacter 95. — , leprae 250.
Bad 8. Nasenbad.
Bakterien, Wirkung d. Indol gegen dies. 121. — ,
T5dtung durch Hitze 207. — , b. Diphtheritis 279. —
S. a. Fänlnfesbakterien.
Balsamische Mittel, Anwendung b. Diphtheritis 292.
Bartholinische Drüsen, Cysten ders. 154.
Baryt, salpetersaurer, Vergiftang 131.
Bauchcysten, Entwicklung 157.
Bauchhöhle, Verhältniss d. Niere zu ders. 3. — , Ha-
matocele in ders., Operation 56.
Bauch schnitt, zur Entfernung d. Fötus b. Eztra-
uterinsohwangerschaft 211. — S. a. Gastrotomie.
Baaobschwangerschaft (Entfernung d. Fötus durch
d. Banchsohnitt) 211. (mit Vereiterung d. Cyste, Hei-
lung) 212.
Banmwollenstaude, Aufguss d. Blätter als Galakt-
agognm 218.
Baunscheidtismns, Nutzen b. Hyperämie d. Hirns
u. seiner Häute 12.
Becken, Fraktur mit Zerreissung d. Harnröhre 58.
Beckenendlage, Schlinge zur Vollendung d. Geburt
47. — , Häufigkeit 157.
Beckenorgane, Krebs ders. , Behandlung d. Schmerzes
218.
Beerdigung, Begräbniss, d. Leichenverbrennung
gegenüber 206.
Benzoetalg, zur Bereitung von Salbenmull 9.
Berauschung, partielle vor Operationen behufs Ver-
hütung d. Shock 270.
Bewegung, Einfl. auf d. Körperwärme 229.
Bibron's Antidot f. Schlangengift, Nutzen b. Diphthe-
ritis 290.
Biederte Bahmgemenge 164.
Bier, Einfl. auf d. Verdauung 83.
Binden, elastisohe. Einwicklang d. Extremitäten in
•olfibA gegen akute Anämie 262.
Bindegewebe, als Substrat d. Amyloldentartnng 186.
Bindehaut s. Conjunctiva.
Blasen-Mastdarm-Fistel (Ursachen) 60. (Behand-
lung) 61.
Blasenstein, Bildung neben Utemsvorfall 214.
Blausäure, Häufigkeit d. Vergiftung 10.
Blei, in Zinngefässen 130.
Blennorrhoe, d. Harnröhre s. Tripper.
Blut, b. Leukämie (Verhalten d. Blutkörperchen) IS.
(Mikrokokken in solch.) 19. (ehem. Verhalten) 20.
— , Einfl. d. Verminderung d. Alkalescenz auf d. Selbtt-
verdauung d. Magens 77. — , Wirkung d. Pepsin auf
dass. 81. — , Wirkung d. Pankreatin auf daas. 89. — ,
Bezieh, d. Menge zum Eisengehalt d. Organe 227. — ,
Bildong im Knochenmarke d.Säugethiere 228. — , Spek-
troskop. Nachweis d. Kohlenoxyd in dems. 236. S38.
Blutentziehung, b. Diphtheritis (Ck)ntraindikati<Miei)
278. (Anwendung) 301. - S. a. Aderlass.
Blutgefässe, Gummageschwülste an solch. 32. — ,
Aufnahme von Pepton aus d. Darminhalte durch solche
85. — , anatom. Veränderungen b. Lepra 248.
Blutgeschwulst s. Hämatom.
Blutkörperchen, weisse, Vermehrung b. : Lteakiote
18. 22. Chlorose 24.
Blutleere, künstliche, Anwendung b. TransplaalatioB
von Hautstückchen 178.
Blut-Transfusion, b. galoppirender Leokämie 22.
Blutung 8. Gebärmutter-, Nabelblutnng.
Borsäure, Wirkung 7. — , Anwendung b. Diphtheritis
276. 281.
Branntwein, Einfl. auf d. Verdauung 83.
Brechmittel, Anwwdaag b. Diphtheritis 277.
Bright'sche Krankheit, akute, durch NapUthol be>
dingt 28.
Brom, Anwendung b. Diphtheritis 288.
Bromäthyl, als Narkotikum 64.
Bromkalium, Anwend. b. DiphtheritiB 286.
Bronchien, Stenose durch Syphilis bedingt 152.
Bronze, arsenikhaltige 130.
Bronzehaut, Fehlen b. Erkrankung d. Nebesnerea,
d. Sympathicus u. d. peripher. Nerven 15.
Brustbein s. Stemnm.
Bubo, suppurirender (Behandlung) 64. (abortive Poak-
tion) 56.
Calabar^ Wirkung auf d. Uterns 40.
Canalis, hyaloideus, Persistenz 272.
Gancroid, d. Oesophagus, Gastrostomie 264.
Cantharidin, Veigiftung darch innerl. Anwendong 11.
— , gegen Tripper 11.
Carbolsäure, Wirkung auf d. Uterus 40. --, Anwen-
dung b. Diphtheritis (prophylaktische) 276. (therar
pentische) 278. 279. 28^. 291.
Carcinom, Bezieh, zu Gumma 32. — , d. Leber, il^
dicanausscheidnng durch d. Harn 121.
Carica Papaya, Nutzen d. Saftes gegen Diphthedfis
298.
Carotis, Ligatur wegen Blutung b. Operation eiaer
Pharynzstenose 150.
Carpns s. Handwurzel.
Cartilago s. Ringknorpel.
Cellulitis progressiva septica perinaei, scroti et regio-
nis hypogastricae 63.
Centralnervensystem, Bezieh, d. multiplen Skle-
rose zur allgem. progress. Paralyse d. Irren 238.
Ghaulmoograöl, Nutzen b. Lepra 252.
Chemosis, akute 271.
Chinin, Nutzen b. Diphtheritis 277. 278.279.280.293.
Chloasma, Nutzen d. Salbenmullverbands 9. — , uteri-
num, Nutzen d. Chrysarobin 27.
Chloralhydrat, Wirkung auf d. Uterus 40. — , An-
wendung b. Diphtheritis 289.
Chlorammonium, Inhalation gegen DiphtheritiB 378.
Chlorkalk, Anwenil. b. Diphtheritia 287.
Chloroform, Wirkung auf d« Utenu 40.
Saeh-Register.
345
Chlorophyll, Sanerstoffansseheidong durch solches
enthaltende Zellen 113.
Chloro-Pseudolenkämie 24.
Chlorose, mit Vermehrnng d. weissen Blutkörperchen 24.
Chlorwasser, Anwendung b. Diphtheritis 277.
C h 1 o r z i n k , Injektion bei Hjdrocele 55.
Chondrin, Entstehung ans Eiweisskörpem 226.
Chorea, Indikation zur Einleitung d. Frühgeburt 156.
— , während d. Schwangerschaft, behandelt mittels
Dilatation d. Os uteri 216. — , magna, Wesen, For-
men u. Behandlung 241.
Chrysarobin, Chrysophansänre, Anwendung b.
Behandl. d. Hautkrankheiten 25.
Cirkulation, ind. Venen, durch Influenz 229.
Citron ansäure, Nutzen b. Diphtheritis 289.
Coaltar saponin^, Anwend. b. Diphtheritis 280.
Cochenille mit Alaun, Reagens auf Amyloidsubstanz
187.
Coelenteraten, Ernährung b. solch. 89.
Cognao, Nutzen b. Diphtheritis 277.
Colchicum, Vergiftung 11. — , Einwirkung auf den
Darmtraotus 125.
Collapsus, b. Diphtheritis, Behandlung 278 .
Colon transversum, Krebs, operatiye Behandlang 175.
Coloquinthen, Wirkung auf d. Uterus 40.
Colotomle, wegen Krebs d. Rectum 266.
Conjnnctiva, Trachom, Amyloidentartung b. solch.
186. — , akute Chemosis 271.
Copaivabalsam, Nutzen: b. Lepra 252. b. Diphthe-
ritis 285. 293.
Cornea s. Hornhaut.
Cowper'sche Drusen, hlstolog. Bau 228.
Crustaceen, Verdauung b. solch. 88.
C üb eben, Anwend. b. Diphtheritis 285. 292.
Curare, Vergiftung, Vermögen d. Schmerzempflndung
129.
Cyanide s. Blausäure.
Cyanquecksilber, Anwend. b. Diphtheritis 287.
Cyste, d. Bartholin'schen Drusen 154. — , d. Darms u.
d. accessor. Gallenwege als Geburtshindemiss 157. —
8. a. Bauchcyste.
Dammriss, firischer, Naht 158.
Darm, Communikation mit d. untern Hamwegen 59.
— , Lufteintritt in dens. b. Neugebomen 72. — , Länge
b. Menschen 73. — , Absorption von Pepton aus d. In-
halte 8£. — , Verhalten d. Kieselsäure in solch, b.
Bchaaf&n 87. — , Wirkung d. Colchicum auf dens. 125.
— , Cysten dess. (als Geburtshindemiss) 157. (Ent-
stehung) 157. — , Ocdusion durch Adhäsion mit d.
Uteras bedingt, Laparotomie 265. — , Resektion einer
brandigen Schlinge b. d. Hemiotomie 266. — S. a.
Colon; Dickdarm; Dünndarm; Verdauungskanal.
Darmgase, in d. Blase bei Communikation mit dem
Darme 59.
Darmkatarrh, chronischer, Indicanausscheidung 121.
D e ci d u a , Retention, Adenom d. Uteras 158.
Deciduom 158.
Dermatomykosen, Behandlung 25.
Desinfektion, mittels Hitze 206. — , d. Kranken-
ränme u. Gebrauchsgegenstände b. Diphtheritis 278 flg.
Desinfektionsanstalt 275.
Desinfektionsöfen 207.
Desinficientia, Anwend. b. Bebandl. d. Diphtheritis
276.
Deutschland, Gebnrts- u. Sterbliohkeitsverhältnisse
in d. grossen Städten im J. 1880 188.
Diastase, Unterschied vom Speichelferment 70. — ,
Wirkung auf Amylaceen 90.
D i c k.d a r m , X^rebs, operatiye Behandlung 1 74.
Digitalin , Wirkung auf d. Verdauung 127.
Dilatation, b. syphilit. Larynxstenose 150.
Dilatator, mit Messer combinirt., zur Operation von
Laryazatenosep 151.
Mefl. Jahrbb. Bd. IM. Hft«a.
Diphtherie, Diphtheritis, Leukämie nach solch. 6.
— , Mortalität 192. — , Prophylaxe 273. — , Ueber-
tragung durch d. Sekret d. Mundhöhle 274. — , Be-
handlung (Tracheotomie) 274. 277. 283. 289. 301.
(Schwefelmittel) 276. (Antiseptika, Desinficientia) 276.
(Eisenmittel) 287. (Quecksilberraittel) 287. (Chloral-
hydrat) 289. (Säuren) 289. (Alkoholika, Excitantien,
Stimulantien) 290. (baisam. Mittel) 292. (PUocarpin)
293. (Juglans nigra) 298. (Papayotio) 298. (Pepsin-
glycerin) 299. (abortive) 299. (Aetzungen) 299. 300.
(Blntentziehung) 301. — , Bakterien b. solch. 279.
— , Ueberimpfung d. Organismen 279. — , Lähmung
nach solch., Behandlung 280.
Diphtherltis-Spitäler 275.
Divertikel, am Magen d. SchweinefStus 74.
Doppelmissgeburten 220.
Drahtschlinge, Verwendung zur Abtragung von Zun-
genkrebs 52.
Drainage, b. alldem. Hydrops 178.
Drainröhren, aus decalcinirtem Knochen 1 78.
Drehbret s. Tours.
Drüse, Bartholinische, Cyste den. 154. — , Cowper'-
sche, Bau 228. — S. a. Speicheldrusen.
Dfinndarm, Capacität b. Neugebomen u. Kindern 73.
— , bydrolyt. Wirkung 90. — , Funktionen 95. — , Be-
schaffenheit d. Saftes 94. (Würkung auf Fibrin, Stärke
u. Fett) 95.
Duodenektomie 174.
Dusche s. Vaginaldusohe.
Dyspepsie, Temperatur d. Magengegend 76. — , ato-
nische 76. — , Alkaleecenz d. Harns b. solch. 80.
Eicraseur, Verwendung zur Abtragung von Zungen-
krebs 54.
E i , Degeneration (langes Verweilen im Uteras) 155. (In-
dikation zur Einleitung d. Abortus) 156.
Eis , Anwendung b. Diphtheritis 278.
Eisen s. Ferrum.
Eisenchlorid s. Ferrum.
Eiterung, chronische, Indicanausscheidung b. solch.
121.
Ei weiss, Verdauung dess. 81. — , Rückbildung von
Pepton in solch. 84. — , Lösung durch Glycerin 89.
Eiweisskörper, Entstehung von Glutin u. Chondrin
aus dens. 226.
Ektropium, d. Muttermundes, angebornes 257.
Ekzema, d. NaseneingauKes , Salbenmullverband 10.
— , marginatum, Behandlung 26.
Elektricität, Wirkung auf d. Uteras 42. 263.
Embryo, Bildung d. Graafschen Follikels b. solch. 227.
Embryologie, Handbuch d. vergleichenden (von F. M.
BalfowTf übersetzt von B. Vetter^ Reo.) 204.
£ m e t i k a , Anwendung b. Diphtheritis 277.
Emmet's Operation d. Cervikalrisse 43.
Encephalocele, angeborne 220.
Endometritis, d. Corpus uteri 214.
Entbindung, Einleitung durch Sprengung d. Blase b.
Plac. praevia lateralis 45. — , Blutung b. solch, b. Plac.
praevia 261. — S. a. Geburt ; Verletzung.
Entwicklungsgeschichte, d. knorpligen Gehör-
knöchelchen b. Säugethieren 6.
Enzym, Bildung in d. Geweben u. Gefässen d. Everte-
braten 89.
Epheliden, Nutzen d. Salbenmullverbandes 9.
Epididymitis, gonorrhoische, Nutzen d. Salbenmull-
verbandes 9.
Epiglottis, Exstirpation d. krebsig entarteten nach
Pharyngotomia subhyoidea 54. — , stenosirende gum-
möse Infiltration 146.
Episfcleritis, Massage d. Auges gegen solche 180.
Epispastika s. Hautreize.
Epithel, d. Harnblase, Verhalten b. d. Ausdehnung u.
Contraktion 4.
Epitheliom, d. Augenlider 64.
44
346
Saoh-Register.
Erbrechen, Mechanismus 72. — S. a. Brechmittel.
Ergotin, Wirkung auf d. Uteras 40.
Erhenken, Selbstmord durch solch., lokale Befunde
183.
Erinnerungskrämpfe, coordinirte 242.
Ernährung, Physiologie ders. (Bezieh, d. Peptone zu
ders.) 84. 86. (b. d. Actinien) 89. (b. d. Coelentera-
ten) 89. (Verwendung d. Pankreasdrüse für solche) 91.
— , d. Säuglinge u. kleinen Kinder 169 flg. — S. a.
Verdauung.
Erwachsene, Beschaflfenh. d. Uterusschleimhaut 36.
— , Bildung d. Graafschen Follikel b. solch. 227.
Erziehung, in d. ersten Kindheit 167.
Evertebraten, Enzymbildung b. solch. 89.
Exanthem, b. Syphilis, Verhalten gegen spec. Behand-
lung 264.
Excitantia, Anwendung b. Diphtheritis 290.
Exostose, ind. Orbita 271.
Extractum s. Jaborandi.
Extr ante rinsch wanger Schaft, Indikation d. Lapa-
rotomie 212. — S. a. Bauch-, Tuben-Schwangerschaft.
Extremitäten, Einwicklung in elast. Binden gegen
akute Anämie 262.
Fabrik, Verwendung yon Kindern in solch. 208.
Faeces, b. Leukämie 20. — , Eigenschaften der phy-
siolog. u. patholog. 96.
Fäulniss, Wirkung d. Qalle gegen dies. 92.
Fäulnissbakterien, Nachweis 113.
Fallopische Bohre s. Tuba.
Farbstoff s. Cochenille; Bothweintebstoff.
Fascia transversa, Anatomie 124. — S. a, Hals-
Cascie.
Ferment, d. Speichels 70.
Ferrum, in Leber u. Milz b. yersch. Krankh. 226. — ,
Verwendung verschied. Präparate gegen Diphtheritis
(muriaticum) 277. (sesquichloratum) 277. 287. (sub-
sulphurosum) 284. (sulphurosum) 279.
Fett, Verdauung (Emulgirong, Nutzen d. Qalle) 98.
(patholog. Verhältnisse) 94. (Wirkung d. Dünndarm-
saftes) 96.
Fettsäure, Bedeutung b. d. Ernährung 94.
Fibrin, Veränderung d. Menge im Blute nach Einspri-
tzung von Pepsin 81. — , Einwirkung d. Dilnndarm-
saftes96.
Fibröses Gewebe, Syphilis dess. 264.
Fibroid, d. Gebärmutter, operative Behandlung 213.
Fieber, Verminderung d. freien Salzsäure im Magen-
saft b. solch. 78. — , Nutzen d. Salzsäure 78.
Findelhaus, Tours (Drehbreter) in solch. 166. — , in
Athen, Sterblichkeit d. Kinder 166.
Finger, anatom. Veränderungen an solch, b. Lepra 249.
Fische, Speicheldrusen b. solch. 87. — , Beschaffenh.
d. Magensaftes 87. — , Genuss solch, als Urs. v. Lepra
262.
Fischsterben, med.-poliaeil. Untersuchung 184.
Flachsrösten, Verderbniss der Wasserläufe durch
solch. 186.
Flaschen, f. Säuglinge 162.
Fleisch, Verdauung 83.
Fleischpepton, Darstellung 86.
Flexura sigmoidea, Krebs, operative Behandlung 176.
F 1 0 r e s sulphuris , Einblasung gegen Diphtheritis 289.
Flu SS krebs, Verdauung b. solch. 88.
Foetus, Palpaüon d. Bflckens u. Auskultation d. Hen-
töne am Ende d. Schwangerschaft 46. — , vollständ.
Bfickenlage 46. — , Bezieh, d. Nierenausscheidung zum
Fruchtwasser 47. — , Auftreten eines Zymogen 89. — ,
Querlage b. Plac. praevia 166. — , Behandl. d. Steiss-
lage mit d. Schlinge 166. — , Cysten d. Darmrohrs n.
d. accessor. Gallen wege als Geburtshindemiss 167. — ,
Häufigkeit d. Beckenendlage 167. — , Entfernung mit-
tels Bauchschnitts bei Extrauterinschwangerschaft 211.
— , graph. Darstellung d. Bewegungen 219. — , Wen-
dung b. Plac. praevia 262. — S. a. Schwein.
Follikel, Graafscher, Bildung b. Embryo n. Erwack-
senen 227.
Frau, Beschaifenh. d. Uterus im Alter 37.
Frauenmilch, kfinstUche 160.
Fremdkörper, als Urs. von BlasenmastdarmfisM 60.
—, in d. Vagina 214.
Frosch, Anatomie dess. (von Alezander Ecker ^ 2. Abtii.,
Bec.) 96.
Fruchtabtreibnng (mit Phosphor) 130. (darehOal-
vaaisation) 263. — S. a. Abortus.
Fruchtblase, künstl. Sprengung b. Plac. praevia late-
raliB46.
Fruchtwasser, Ursprung 47.
Fuss, Paralyse in Folge von Neuritis 14. — , vasoraotor.
Nerven 231.
Fussgelenk, Verhalten d. UnterschenkelmnskelB so
dems. 122.
Fusswnrzel, Grundtypus des Bete dorsale 228.
Qalaktagogum, Anlignss v. Blättern d. Baammil-
staude 218.
Galle , Wirkung gegen Fäulniss 92. — , blaoe 98. -,
Gehalt an : Schwefel 93. Stickstoff 93. — , Nataeeii 1 d.
Besorption von Fetten 93. — , Ausscheidung d. Queck-
silbers durch dies. 233.
Gallen farbstoff, im Harne b. Commudkation d.
Darms mit d. Blase 69.
Galvanisation, d. schwängern Uterus zum Zwecke
d. Fruchtabtreibung 263.
Gangrän, einer Gvariengeschwulst, durch Aehsendre-
hung u. Einklemmung bedingt 217. — , d. Danna, Re-
sektion 266.
Gase, brennbare, Entwicklung im Magen 76. — »ta-
lige, Bezieh, d. Eindringens in d. Wohnung aur Bd(-
stehung d. Diphtheritis 276. — S. a. Kohlenoxydgai.
Gastrektasie, Verhalten d. Magensaftes 78.
Gastrostomie, wegen Krebs d. Oesophagus 169. i$L
Gastrotomie, zur Entfernung des Fotos bei Eihi-
uterinschwangerschaft 211.
G e b ä r m u 1 1 e r , Verhalten d. Schleimhaut (In verBädsL
Altersperioden) 36. (zur Zeit d. Menstruation) 36. 266.
(b. Neugebomen) 36. (b. Erwachsenen) 86. — , Be-
schaffenheit b. alten Frauen 37. — , Atrophie im Kli-
makterium 37. — , Physiologie d. Bewegung 38. —,
Wirkung verschied. Arzneimittel u. Beize auf dies. 40.
41. 42. — , LAgeabweichungen (Behandlung) 44. (Voi^
fall) 214. 216. (u. Knickungen) 216. (Anteveni<Hi, ope-
rative Behandlung) 268. —, Verhalten d. untern Ab-
schnitts am Ende d. Schwangerschaft 44. — , langes
Verweilen eines degenertrten Eies in ders. 166. — ,
Adenom nach Betention d. Deddua 168. — , Endome-
tritis d. Körpers 214. — , Innervation 266. — , Ka-
tarrh mit Erosion d. Vaginalportion , Nutzen d. Abkfiih
lung 266. — , Morphologie d. Vaginalportion 267. — ,
Adhäsion d. Darms mit solch., Ocdusion d. letaten,
Laparotomie 266. — S. a. Hämatocele ; Metritta ; Paia-
metritis.
Gebärmutterblutung b. Piaoenta piaevia 269. UU
Gebärmutter-Fibroid, operative Behandlung »13.
Gebärmutter-Hals, Risse in solch., Ebmnel'« Ope-
ration 43. — , Stenose als Urs. von MenatmatioiirtM-
schwerden n. SteriUtät 164. (Behandlung) 267. -^
Erosionen an solch. 214.
Gebärmutter-Mund, Dilatation zur Behandlung tob
Chorea während d. Schwangerschaft 216. — , aagetior-
nes Ektropium 267.
Gebärmutter-Polyp, Nutzen d. Natronätiiyl 128.
Gebärzange s. Zange.
Geburt, Contraktur d. Levator ani als Hindomiss 84.
— , normale nach mehrtaher Verletiung einer Hocb-
schwangem 262. — , nach d. Tode d. Mutter 39. — ,
Eialeitong (durch Sprengung d. Blase b. Plaeenta prae-
via) 46. (b. Puerperalmaaie) 46. — , SchUngenffVoU-
endong denu b. Beokenesdlageo 47. ^y Cpi^t^ d.
Saeh-Register.
347
Darms a. d. acc«88or. Gsllenwega b. FStus als Hlnder-
nU» 157.
Oebnrten, Statistik ind. cprSssem dentBchen Städten
im J. 1880 188. Id9.
Oebnrtshülfe s. Ostetricia.
Oef&Bse s. BlutgefSsse.
Gehirn, leokam. Nenbilduog 17. <--, einseit. Krank-
heitsherde mit seknnd. doppelseit. Rfickenmarksdegene-
ration 133. — , HeilmiK einer organ. Krankheit 133. — ,
Bezieh, d. Erkrank, zu Augenkrankheiten 179. — , Er-
weiohnng (b. Vergiftang dnreh Kohlenozydgas) 235.
(im Pens mit partieller Zerstörung d. Triigreminns als
Urs. Yon neuropanüyt. Homhaotentifindung) 272. — , Be-
handl. d. Hyperamie dess. u. seiner Hfiute mit Hant-
reizen 12. — S. a. Encephalooele ; Nervensystem.
Geh5rkn5ohelchen, knorplige Entwicklung 6.
Geistesstörung s. Hypomanie; Manie; Paralyse;
Puerperalmanle.
Gelenk s. Fuss-, Hand-, Hüftgelenk.
Genitalien, b. Weibe (Neubildungen an d. äussern)
154. (Kfihlapparat f. dies.) 255.
Geräthsohaften, Desinfektion behufs Prophylaxe d.
Diphtheritis 273. 275.
G erichtliche Medicin, Lehrbuch den. (von Eduard
HofiMom, Bee.) 228.
Gerichtlioh-med. Institut, in Prag, Erfahrungen
ans dems. 180.
Gesehwulst, spontanes Verschwinden solch. 269. —
8. a. Adenom; Encephalocele ; Epitheliom; Exostose;
Fibroid; Qammagesohwulst ; Hämatoeele; Hämatom;
Polyp.
Geschwür, am Penis, Salbenmullverband 10.
Gesundheitspflege, prakt. Beiträge zu soleher (Ton
E. Homemann , fibers. Ton E, Liebich , Bec.) 205. — ,
Bedeutung d. Kohle f. dies. 206.
Gesundheitswesen, öffentliches, Handb. den. (yon
Herrn. Eulenberg, Bec.) 108.
Getränke, heisse. Nachtheile f. d. Magen 76.
Gi f t s. Aetzgifte ; Vergiftung.
Glandula lacrymalis, Adenom 271.
Glasaugen, Herstellung, Auswahl u. Einsetzen 193 flg.
Glaukom, Entstehung u. Behandlung 221.
Glieder, kfinstliche, Studien fiber solche (von 0. Kar-
pimki, Bec.) 99.
Glottiskrampf, durch Kehlkopfsyphüis bedingt 146.
Glottisödem, durch KehlkopfsyphiUs bedingt 146.
Glutin, Entstehung aus Eiweisskörpem 226.
Glycerin, lokale Anwendung beiBehandl. d. Uterus-
deviationen 44. — , Lösung von Eiweiss durch solch.
89. — , Nutzen b. Diphtheritis 277. 280 flg. — 8. a.
Pepsin-, Phenol-Glyoerin.
Glycerin-Pankreasextrakt, Verdauungsversuche
mit solch. 90.
Glykosurie, b. Kohlenoxydyergiftung 236. 237.
Goapulver, Anwend. b. Hantkrankheiten 25.
Gonorrhöe s. Tripper.
Graafscher Follikel, Bildung b. Embryo u. Er-
wachsenen 227.
Greisenalter, Verhalten d. Uterus 37. — , Sterblich-
kett 191.
Gummageschwulst, Diagnose (von andern (Geschwül-
sten) 30. (in d. Muskeln) 31. (in d. Zunge) 32. — ,
Beziehung zu Krebs 32. — -, d. Blutgefässe 32. — , d.
Epiglottis 146.
Gurgelung, b. Diphtheritis (prophylaktische) 273.
(therapeut. mit heissem Wasser) 299.
Guttapercha-Maske, Schwefelkohlenstoflvergiftung
dunsh Tragen einer solch. 11.
Hämatoeele, faid. Bauchhöhle , Operation 56. — ,
retrouterina in Folge von Galvanisation d. schwängern
Uterus zum Zwecke des Abortus 263.
Hämatom in d. Achselhöhle 270.
Hämaglobinurie, Einathmen von Anenikwasser-
stofflO.
Hämorrhagische Diathese, als ContEalndikation
gegen operative Eingriffe bei Leukämie 22.
Hämorrhoiden, Nutzen d. Natronäthyl 129 . — , Ope-
ration 268. — , Geschwulstbildung nach Aetzung 286.
Halsfascie, oberflächliche, Spannmuskel ders. 122.
Halsvenen, Inspirator, ^schwellen b. Perikardial-
verwachsung 244.
Hammer, Entwicklung b. Säugethieren 6.
Hand , Paralyse in Folge von Neuritis 114. — , nervöse
Affektionen 135. — , congenitale Atrophie b. Atrophie
d. Vorderhoms d. Halsanschwellung 185.
Handbuch, d. öffentl. Gesundheitswesens (von Herrn.
Eulenberg, Bec.) 103. — , d. vergleich. Embryologie
(von F. M. Balfour, fiben. von B. Vetter , Rec.) 204.
Handgelenk, Verhalten d. Vorderarmmuskeln zu
dems. 122.
Handwurzel, Grundtypus d. Bete dorsale 228.
Harn, Einfl. d. Rückenmarks auf d. Sekretion 3. — ,
Beschaffenheit (b. Leukämie) 20. (b. Communikation
d. Darmrohn mit d. Blase) 59. — , Einflnss d. Schwi-
tzens auf dens. 79. — , Alkalescenz (unter physiolog.
Bedingungen) 79. (bei Dyspepsie) 80, — , Bildung oxal-
saurer Goncremente u. Sedimente 114. — , Indican in
solch, (ehem. Beschaffenheit) 116. (Nachweis) 117.
(Abstammung) 118. (Ausscheidung) 119. 120. (Vor-
kommen unter patholog. Verhältnissen) 120. 121. — ,
Vorkommen von Amyloidkörperchen in dems. 185. — ,
Zuckergehalt nach Kohlenoxydvergiftung 236. 237. —
S. a. Hämoglobinurie.
Harnblase, Verhalten d. Epithels b. Ausdehnung u.
Contraktion 4. — , Resorptionsvermögen 4. — , Krampf
d. Halses als Urs. v. Hamretention , Behandlung 57.
— , Katheterismus 57. — , Punktion 57. 60. — , Fistel
zwischen ders. u. d. Rectum 60. — , Hernie ders. 176.
— , Myom 177.
Harnorgane, angebome Communikation mit d. Rec-
tum 221.
Hamretention, Behandl . verschied. Formen 57.
Harnröhre, Resorptionsvermögen 4. — , Verengerung
als Urs. V. Hamretention 57. — , Zerreissung , Dia-
gnose 58. — Blenorrhöe s. Tripper.
Harnstoff, Resorption v. d. Blase aus 5.
Hartriegel, Jamaikanischer, Wirkung 124.
Haut, Pigmentflecke, Nutzen d. Salbenmittelverbandes
9. — , anatom. Verbindungen b. Lepora 248. — S. a.
Bronzehaut.
Hautkrankheiten, Therapie 25. (parasitäre) 25. — ,
System ders. (von Heinrich Anspitz, Rec.) 209. — ,
Lehrbuch ders. (von Louis A, Dukring, Rec.) 210.
Hauttransplantation, Anwend. d. kfinstl. Blut-
leere 178.
Hautreize, Nutzen b« Hyperämie d. Hirns u. seiner
Häute 12.
Hebelpessarium, Anwendung bei Lageveränderun-
gen d. Uterus 216.
Heliciden, Verdauung b. solch. 88.
Helicopepsin 88.
Hernie, d. Harnblase 176. — , des Darms, Resektion
einer brandig gewordenen Schlinge 266.
Herpes, progenitalis, Salbenmullverband 10. — , ton-
surans, Behandlung 25. 28.
Herz, Wirkung d. Aconitin auf dass. 7. — , Lage dess.
136. — , Wirkung der Perikardialverwachsnng auf
dass. 246.
Herztöne, d. Fötus, Auskultation am Ende d. Schwan-
gerschaft 46.
Hirnhäute, Hyperämie, Behandlung mit Hautreizen 12 .
Hitze, "^^kung auf d.lfilch 163. — , Desinfektion mit-
tels solch. 206.
Höhlennähte, Nadelhalter f. solche 270. 271.
Höllenstein, Aetzung mit solch, b. Diphtheritis 301.
Hornhaut, Untersuchung zur Messung d. Refraktion
271. — , neuroparalyt. Entzündung 271.
Hospital, f. Diphtherltiskianke 275.
HospitaUtatiBtiJk209.
348
Sach-Register.
Hfiftg^elenk, angeborae beiderseit. Luxation 220.
Hyalinentartang:, Bezieh. znr Amyloidentartoncr 1 86.
Hydrargymm, Ausscheid, durch d. Galle 233. — ,
bichloratom, Anwendung b. Diphtheritis 288. — , cya-
natum, Anwendung b. Diphtheritis 287. — , peptonisa-
tnm, subcutane Injektion gegen Syphilis 234. — S. a.
Peptonqnecksilber ; Unguentum.
Hydrocele, geheilt durch eine Chlorzinkinjektion 55.
— , intraabdominalis bilocularis 66.
Hydrocephalus, angebomer 220.
Hydrops, Drainage b. allgemeinem 178. — , b. Amy-
loidentartung d. Nieren 188.
Hydrotherapie, gegen Chorea magna 241.
Hy gl eine u. Erziehung in d. ersten Kindheit 167.
Hygieinische Abhandlungen (von E, Homemann^
übers, v. E. lÄehich^ Rec.) 205.
Hyperämie, d. Gehirns u. seiner Häute, Behandl. mit
Hautreizen 12.
Hyperästhesie b. Lepra 246.
Hypomanie 221.
Hypoxanthin, Darstellung aus Blutflbrin 91.
Hysterie, im Kindesalter 241 .
Jlaborandi, Nutzen d. Extraktes d. Blätter b. Diph-
theritis 297. — S. a. Pilocarpin.
Jahresbericht, 11., d. Landes-Medicinal-Collegium
über d. Medicinalwesen im K. Sachsen auf d. J. 1879
(Reo.) 104.
Ichthyosis, Anwend. d. Naphthol 28.
Icterus neonatorum u. seine Beziehung zurNabelblu-
tnng 48.
Indican, Wesen u. Vorkommen 115. 116. — , im Harn
116. — , Nachweis 117. — , Entstehung 118. — , Aus-
scheidung 120. — , Bezieh, zu pathol. Zuständen 120.
121.
Indigo, in einem Nierensteine 121. — , innerl. Anwen-
dung 121.
Indol, Wirkung gegen Bakterien 121.
Infektionskrankheiten, zur Statistik d. Sterblich-
keit an solch. 191.
Inhalationen, gegen Diphtheritis (Joddämpfe) 278.
(Carbolsäure) 282. (Kalkwasser) 283. (heisse Wasser-
dämpfe) 291. 299. (SauerstofiO 297.
Injektion, von Chlorzink gegen Hydrocele 55. — S.a.
Subcutane Injektion.
Institut, gerichtl.-med. zu Prag, Erfahrungen aus dem-
selben 180.
Insufflation, von Flores snlphuris gegen Diphtheritis
276.
Joddämpfe, Anwend. gegen Diphtheritis 278.
Jodkalium, Resorption von d. Harnblase aus 4.
Jod- Jodkaliumlösung, Anwendung b. Diphtheritis
286.
Jodphenol, Anwend. b. Diphtheritis 288.
Iridotomie, b. Staaroperation 179.
Iris, Entzündung, Anwend. d. salicyls. Natron 272.
Irrigation, kalte im Rectum, Einfl. auf d. Magentem-
peratur 75.
Ischiadicus, Einü. auf d. Temperatur im Fusse 231.
Ischurie s. Hamretention.
Juglans nigra, Nutzen b. Diphtheritis 298.
Malte, Anwend. im Rectum, Einfl. auf d. Bfagentem-
peratur 75. — S. a. Eis.
Kali, causticums. Liquor potassae. — , chlorsaures (Wir-
kung auf d. Verdauung) 127. (Anwend. b. Diphtheritis)
273. 277. 284. — , hypermanganicum , Anwendung b.
Diphtheritis 276. 277. 278. — , nitricum, Wirkung auf
d. Verdauung 127. -^, sulphuricum , Wirkung auf d.
Verdauung 127.
Kalkwasser, Anwend. b. Diphtheritis 283. 287.
Kaltwasserbehandlung, gegen Chorea magna 241.
— S. a. Waschung.
Kampher, Anwend. b. Diphtheritis 277. — S. a. Phe-
nolkampher.
Katarakte, Operation mittels Iridotomie 1 79.
Katarrh, d. Uterus mit Erosionen an d. Vaginalportion,
Nutzen d. Abkühlung 255.
Katheterismus, d. Harnblase wegen Hamretention
57. — , d. Larynx wegen Stenose 150.
Kauterisation s. Aetzung.
Kehldeckel s. Epiglottis.
Keime, krankhafte, Verunreinigung der Milch durch
solche 162.
Keratoskopie 271.
Kieselsäure, Verhalten im Darmkanale b. Schafen 87
Kind, Capacität d. Dünndarms u. Magens 73. — , Er
nährung (Milch) 159 flg. (künstl. Frauenmilch) 160
(Ersatzmittel f. d. MUch) 161. 162 flg. (Habermehl) 164
— , Verdauungsstörungen durch Milch bedingt 164. —
StUlung u. Ammenwesen 165. — , Wirkung d. Lebei^
thrans 165. — , Todesursachen in Athen 166. ~, Hy-
gieine u. Erziehung 167. — , Verwendung in Fabriken
208. — , Hysterie b. solch. 241. — , geringe EmpfSng-
Uohkeit gegen Kohlenozydyergiftnng 238. — , in ge-
burtshülfl. Beziehung (yoUständige Rüekenlage) 46.
(Sterblichkeit nach Plaeenta praevia) 260. S. a. F5taz ;
Neugebome.
Klee salz s. Oxalsäure.
Kleider, Desinfektion behufs Prophylaxe d. Diphthe-
ritis 273. 274. 275.
Klimakterium, senile Atrophie d. Uterus 37.
Knochen, Beschaffenheit b. Leukämie 18. — , deonlci-
nirter, Verwendung zu Drainageröhren 178. — 8. a.
Osteoklase.
Knochenkrankheiten, Amyloidentartung d. Niere
b. solch. 187.
Knochenmark, Veränderungen b. Leukämie 19. — ,
Blutbildung in solch, b. Sängethieren 228.
Knorpel s. Ringknorpel.
Knotensyphilid, Nutzen d. Chrysarobin 27.
Körper, Messung d. Oberfläche b. Menschen 5.
Körpergewicht, Bestimmung b. Soldaten 6.
Körperlänge, Bestimmung b. Soldaten 6.
Körperwärme, Einfl. d. Alkohol auf dies. 6. — , Ver-
halten im Verdauungskanal 75. ^, während d. Be-
wegung 229. — , Verhalten in peripher. Organen 230.
— , lokale Veränderungen b. Lepra 246.
Kohle, Bedeutung f. d. Gesundheitspflege 206. 906.
Kohlenoxydgas, Vergiftung (Häufigkeit u. Vorkom-
men) 10.234. (Himerweichungb. solch.) 235. (Degene-
ration von Leber u. Nieren) 236. (Zucker im Harne)
[ 236. 237. (Nachweisbarkeit d. Giftes im Blute) S36.
238. (Grenzen der unschädl. Beimischung in der Lnft)
238. (durch gusseiseme Oefen) 288. (geringe Empfäng-
lichkeit von Kindern) 238.
Kondylom, ulcerirtes spitzes, SalbenmulWerband 10.
Kopenhagen, Sterblicbkeitsverhältnisse yor n. nach
Einführung d. Wasserleitung 208.
Kopfhaut, behaarte (Behandlung d. Herpes tonsimiiis)
25. (Nachtheile d. Anwend. d. Chrysarobin) 28.
Kopfschmerz, b. Astigmatismus, Behandlung 135.
Krätze, Nutzen d. Naphthol 28.
Krampf, d. Blasenhalses, Hamretention b. soleh., Be-
handlung 57. — S. a. Erinnerungskrämpfe; Olottis-
krampf ; Paramyoklonus.
Krankenräume, Deshifektion b. Diphtheritis 273. 274.
275.
Krebs, Bezieh, zu Gumma 32. — , operat. Behandlung
(Pharynx) 49. (Zunge) 51. 167. (Exstirpation d. Epi-
glottis) 54. (Oesophagus) 168. (Magen) 170. 264. (Diek-
darm) 174. 266. 267. 268. — , d. Beckenorgane, Be-
handlung d. Schmerzes 218. — S. a. Gaacroid ; Leber ;
Sarkom.
Kreosot, Nutzen b. Lepra 252.
Kryptogamen, Entwicklung in Säuglingstrinkflaschen
162. — S. a. Bakterien ; Mikrokokken.
Kühlapparat, f. d. weibl. Genitalien 255.
Kuhmilch s. Milch.
Kurpfuscherei 224.
Sach-Regist^r.
349
Iiandes-Hedicinal-CoUegiiiin b. Jahresbericht.
Laparotomie, wegen Eztranterinschwangerechaft 212.
— , wegen DarmoccIaBion 266. — , wegen Volvnlus
266.
Larynx, Stenose durch Syphilis bedingt (akute Ent-
wicklung) 144. (chron. Entwicklung) 145. (Glottis-
krampf) 146. (Qlottisödem) 146. (Infiltration im Eebl-
kopfeingang) 146. (Affektion der Stimmbänder) 146.
(Nekrose d. Ringknorpels) 147. (Verwachsung d. Stimm-
bänder) 147. (Narbenmembranen) 148. — , Behand-
lung, Dilatation 150.
Leber, Indicanausscheidung b. Cardnom 121. — , Ge-
halt an Eisen b. yerschied. Krankheiten 226. — , Ver-
änderungen in solch, bei: Kohlenozydvergiftang 236.
Lepra 248.
Leberthran, Wirkung b. kleinen Kindern 165.
Lehrbuch, d. gerichtl. Mediein (von Eduard Hoßmann,
Bec.) 223.
Lehrer, Untersuchung wegen Züchtigung mit schweren
Folgen 182.
Leichenbestattung, Verwendung d. Kohlenpulvers
b. solch. 205.
Leichenverbrennung 206.
Lepra, Nutzen d. C!hryBarobin 27. — , Symptomatologie
(Verhalten d. Temperatur) 246. (Verhalten d. Sensibi-
lität) 246. 247. — , anatom. Veränderungen (d. Haut)
248. (Leber) 248. (Qefösssystem) 248. (Lymphdrusen)
248. 249. (Verhalten d. Blutkörperchen) 249. (Rücken-
mark) 249. — , Aetiologie (PilzbUdnng) 250. (Genuss
von Fischen) 252. — , Gontagioeität 252. — , Behand-
lung (Chaulmoogra-Oel) 252. (Copaivbalsam) 252.
(Kreosot) 252. (Nervendehnung) 252.
Leuchtgas, Vergiftung 132.
Leukämie, diphtheritische 16. — , diffuse Infiltration
d. Nieren 17. — , Neubildungen in Gehirn u. Retina 17.
— , Verhalten d. Blutes (Blutkörperchen) 18. 22. (Mikro-
kokken; 19. (ehem. Verhältnisse) 20. — , Affektion d.
Knochen 18. 19. — , lienale 18. 20. — , Verhalten d.
Knochenmarks 19. — , medulläre 19. 20. ~ , ehem. Be-
schaffenh. d. Harns u. d. Fäces 20. — , Verhalten d.
Milz 20. — , ehem. Untersuch, verschied. Organe 20.
— , Punktion d. Milz 21. —, Bluttransfusion 22. — ,
galoppirende 22. — , hämorrhag. Diathese als Contra-
indikation operat. Eingriffe 22. — , zweifelhafte 23 flg.
— S. a. Pseudoleukämie.
Levator ani, physiolog. u. patholog. Contraktionen b.
Weibe 33.
Licht, Einwirkung auf d. Sauerstoffausscheidung bei
Pflanzen u. Thieren 114.
Ligatur, d. Art. lingualis b. Operation von Zungenkrebs
52. 53. — , d. Carotis wegen Blutung b. Operation einer
Pharynxstenose 150. — , subcutane b.Varicesu.Varico-
cele 176. — , d. Hämorrhoiden, Vorzug vor andern
Operationsmethoden 268.
Liquor, potassae, Anwendung b. Diphtheritis 286. —
Ferri perchlorati s. Ferrum.
Luft, Eintritt in Magen u. Darmkanal bei Neugebomen
72. — , Grenzen d. unschädl. Beimischung von Koblen-
oxyd 238.
Luftwege , durch Syphilis bedingte Stenosen 144 flg.
LugoTsche Lösung, Anwend. b. Diphtheritis 286.
Lungenschwindsucht, Mortalität 192. — S. a.
Phthisis.
Lnp US, Behandlung (Chrysarobin) 27. (Naphthol) 28.
— , erythematosus, Anwendung d. Chrysarobin 27. — ,
hypertrophicus, Anwendung d. Chrysarobin 27. — , non
ezedens, Nutzen d. Natronäthyl 128.
Luxation, d. Hüftgelenks, angeboren auf beiden Seiten
220.
Lymphadenom, spontanes Verschwinden 269.
Lymphdrüsen, anatom. Veränderungen b. Lepra 248.
249.
niagen, Verdauung in solch, (verschied. Perioden) 69.
(Wirksamkeit d. Mundspeichels) 69. — , Lafteintritt in
dens. bei Neugebomen 72. — , Schleimhaut (Bau) 73.
(Einwirkung d. heissen Wassers) 76. (Anordnung der
Gefässe) 77. (Fehlen d. freien Salzsäure b. Amyloid-
entartung) 78. — , Capacität b. Neugebomen u. Kin-
dern 73. — , Divertikel an solch, b. Schweinefötus 74.
— , Verhalten d. Drucks in solch, zu d. Druck im Tho-
rax 74. — , Entwicklung brennbarer Gase in solch. 75.
— , Temperatur (Einfl. kalter Irrigationen d. Rectum)
75. (b. Dyspepsie) 76. — , Bewegungen 76. — , Selbst-
verdauung 77. — , Erweitemng, Verhalten d. Magen-
saftes 78. — S. a. Pyloras ; Verdauungskatial.
Magengeschwür, als Indikation zur Resektion d. Py-
loras 173.
Magenkrebs, Mangel an Salzsaure b. solch. 78. — ,
Resektion d. Pylorns 170. 264.
Magensaft, Verhalten b. Gastrektasie 78. — , Vermin-
derung d. freien Salzsäure b. verschied, fleberhaften
Krankheiten 78. — , Einfl. d. Schwitzens auf solch. 79.
— , Milchsäure in solch. 79. — , Beschaffenheit im Fun-
dus 80. — , b. Fischen 87.
Mahlzeit, Alkalescenz d. Harns nach solch. 79.
Malaria, akute Chemosis b. solch. 271.
Manganhyperoxyd, Anwendong b. Diphtheritis 278.
Manie (von E. Mendel^ Rec.) 221. — S. a. Puerperal-
manie.
Masern s. Morbilli.
Maske s. Guttapercha- Maske.
Massage, d. Auges b. Episkleritis 180. —, Nutzen bei
Haematocele retrouterina 263.
Masturbation, als Urs. von Augenaffektionen 272 .
Matratzen, Arsenikvergiffcung durch d. Ueberzüge be-
dingt 130.
Mediein, gerichtl., Lehrbuch ders. {von Eduard Hoff-
mann, Elec.) 223.
Meningitis puralenta, nebst multiplen Himabsoessen
b. einem Säugling 264.
Menstruation, Verhalten d. Uterasschleimhaut wäh-
rend ders. 43. 256. — , Anwend. von Vaginalduschen
während ders. 43. — , Beschwerden b. Stenose d. Cer-
vix uteri 154.
Messer, Combination mit Dilatator , zur Operation von
Lar3n[ixstenosen 151.
Metritis s. Gebärmutter.
Mikrokokken, im Blute b. Leukämie 19.
Milch, als Nahrung für Säuglinge u. kleine Kinder 159.
161 flg. 165. — , Fälschung 160. — , Einfluss d. Abrah-
mung auf d. Brauchbarkeit als Kinderaahrung 161. — ,
Veranreinignng durch kranke Keime 162. — , oonden-
sirte 162. (Scherff'sche) 163. ■—, Mittel, dieselbe halt-
bar zu machen 163. — , Verdaungsstörungen b. kleinen
Kindern durch solche erzeugt 164. — , Beförderung d.
Sekretion durch Aufguss von Blättern d. Baumwoll-
staude 218. — 8. a. Frauenmilch.
Milchsäure, im Magensaft 79. — , Anwend. b. Diph-
theritis 289.
Milchsaft-Papayotin, Nutzen b. Diphtheritis 298.
Milz, Verhalten b. Lenkämie 20. — , Punktion b. liena-
1er Leukämie 21. (Polyurie nach solch.) 22. — , Bezieh,
zur Pankreasverdauung 92. — , Gehalt an Eisen in
verschied. Krankheiten 226. — , Ruptur während d.
Schwangerschaft 263.
Missbildung s. Anencephalus ; Doppelmissgeburten.
Molenschwangerschaft 155.
Molluscum, pendulum, an d. äussern weibl. Genitalien
154.
Morbilli, MortaUtät 191.
Morbus Brightii, acutus, durch Naphthol bedingt 28.
Mord, zur Statistik 181. 192.
Morphium, Wirkung auf d. Uterus 40. — , Wirkung
auf d. Verdauung 127. — , Nutzen gegen Schmerz b.
Krebs d. Beckenorgane 218.
Mortalitätstabellen, Angabe der Todesursachen
208. — S. a. Sterblichkeit.
Moschus, Anwendung b. Diphtheritis 277.
Mand , WiJ^ksamkeit d. Speichels ans solch, im Magen 69.
360
Saeh-Register.
Mundhöhle, Gin^lmig zur Prophylaxe d. DlphiheiitiB
273. — , Uebertragang d. Diphtheritis dnrch Sekrete
den. 274. — , Natzen d. Pilocarpin b. Entzündung d.
Schleimhaat 294.
MnscnlaB, ansiformis supraolavicalarifl 122. — , Isohlo-
ooecygens 34. — , obtnrato-ooocygens 84. — , pnbo-
cocoygens 34. — S. a. Levator.
Mnskelatrophie, progressive, Indicanaosscheidnog
b. solch. 121.
Muskeln, Diagnose d. Gammageschwülste in solch. 31.
--, Nervenendigong m quergestreiften 122. — , am
Vorderarm u. Unterschenkel , Verhalten zum Hand- u.
Fussgelenk 122. — S. a. Paramyoklonus ; Spann-
muskel.
Mutter, Einfl. d. SelbststiUens auf dies. 166.
Mutterrohr, yerbessertes 43.
Myelitis s. Rückenmark.
Mykose, d. Haut, Behandlung 25.
Myom, d. Harnblase 177.
Myopsin 90.
]tf abelblutung. Besieh, su Icterus neonatorum 48.
Nabelschnur, Vorfall b. Placenta praevia 156.
Nadel, Modiflkatton 270.
Nadelhalter 270.
NacYUs, Anwend. d. Natron&thyl 127.
Nahrungsstoffe, Vorgänge bei d. Absorption 65. —,
Verdaulichkeit yerschiedener 82.
Naht, frischer Dammrisse 158. — 8. a. HShlennaht.
Naphthol, Anwendung bei Hautkrankheiten 28. — ,
toxische Wirkung 29.
Narbe s. Tftttowimarben.
Narbenmembran, nach syphiUt. Processen (im Kehl-
kopf) 147. 148, (im Pharynx) 149.
Narbenstenose, d. Kehlkopfs 147. 148. — , d. Pha-
rynx 149. — , d. Pylorus, Resektion 173.
Narkose, mittels Brom&thyl erzeugt 54.
Nark 0 ti n , Wirkung auf d. Verdauung 127.
Nase, Ekzem am Eingange, Salbenmullverband 10.
Nasenbad, kaltes b. Diphtheritis 283.
Nasenpolyp, Nutzen d. Natronftthyl 128.
Natrinm, chloratum, Wirkung auf d. Verdauung 127.
Natron, benzoicum, Anwend. b. Diphtheritis 297. — ,
biboracicum, Wirkung auf d. Verdauung 127. — , car-
bonicum, Anwendung b. Diphtheritis 286. — , chlori-
cum, Anwend. b. Diphtheritis 273. — , nitricum, Wir-
kung auf d. Verdauung 127. — , saUcyUoum (b. Iritis)
272. (ge<;en Diphtheritis) 278. 281. 285. 297. — , sub-
sulphurosum gegen Diphtheritis 280. — , sulphurionm,
Wirkung auf d. Verdauung 127.
Natronäthyl, äusserl. u. innerl. Anwendung 127.128.
— , subcutane Injektion 128.
Nebenhode s. Epididymitis.
Nebenleber - Gallenblasen-, Gallengang-
Cyste 157.
Nebennieren, Erkrankung ohne Bronzehant 15.
Nekrose, d. Bingknorpels 147.
Nephritis s. Niere.
Nerven, Erkrankung v. peripheren b. AiTektion d. Ne-
bennieren ohne Bronzehaut 15. — , Endigung in quer-
gestreiften Muskeln 122. — , d. Hand , Neuritis 135.
— , vasomotor. d.Fusses 231. — , d. Uterus, Ursprung
255. — S. a. Neuritis.
Nervendehnung, b. Augenkrankheiten 180. — , bei
Behandl. d. Lepra 252.
Nervensystem, centrales, Beziehung d. multiplen
Sklerose zur allgem. Paralyse d. Irren 238. — , St5-
rungen b. SsrphiUs 253.
Nervus, saphenus mi^or, Einfl. auf d. Temperatur im
Fusse 231. — S. a. Isohiadious; Sympathiens ; Trige-
nismus.
Netzhaut s. Retina.
Neubildungen, an d. äussern weibl. Genitalien 154.
Nengeborne, Beschaffenheit d. Utemssehlefanhaot 35.
— , Ursache d. erzten Athemznga 47. — , Bedeh. d.
Ikterus zur Nabelblutung 48. «-, Lnfteintritt in Magen
n. Dannkanal 72. — , Oapadtät d. Dünndarms a. Ma-
gens 73.
Neurasthenie, b. Astigmatismus, Behandlung 1 35.
Neurin, Anwend. b. Diphtheritis 281.
Neuritis, zur Pathologie 13. — , Paralyse d. Hände n.
Füsse durch solche bedingt 14. — , d. Handnerven 135.
Neuroparaly tische Hornhautentzündung 271.
Nicotin, Wirkung auf d. Uterus 40.
Niere, Affektion b. Oxalsäurevergiftung 10. — , leokäm .
Infiltration 17. — , Wirkung d. Naphthol auf dies. 88.
— , Ausscheidung aus den. b. Fötus, Bezieh, smn
Fruchtwasser 47. — , akute Entzündung, Indikatioii
zur Einleitung d. Abortus 156. — , Amyloidentartnng
(b. verschied. Krankheiten) 187. (verschied. Arten)
187. (Beschaffenh. d. Harns) 187. (Vorkommen toh
Wassersucht) 188. — , Degeneration nach Kohlenoiyd-
vergiftung236. — ,An8Chwellnng, spontanes Verschwfii-
den 269.
Nierenstein, Indigo fai einem solch. 121.
Nitroglycerin, therapeut. Verwendung 8.
Oberfläche, d. mensohl. Körpers, Messung 5.
Obstetrical Society of London, Transaetlons f. the
year 1880. (Rec.) 211.
Oedem s. Glottisödem.
Oenanthe crooata, Vergiftung 11.
Oesophagotomia externa wegen Krebs 168.
Oesophagus, Vorgang b. Schlucken in dems. 70. — ,
Verhalten d. Drucks in solch, zum Druck im Thorax
74. — , Krebs, operative Behandlung (Resektion) 168.
(Oesophagotomia externa) 168. (Gastrostomie) 169. 2S4.
O fen, eiserner, Schädlichkeit 206. 23$.
Ohrenpolyp, Nutzen d. Natronäthyl 128.
Omphalorrhagie s. Nabelblutung.
Onanie s. Masturbation.
Operation, partielle Berauschung d.Pat. vor den. sir
Verhütung d. Shock 270.
Opium, Wirkung auf d. Uterus 40.
Orbita s. Augenhöhle.
Osteosklerose, b. Leukämie 19.
Ostetricia minore (di Carlo Minati^ Rec.) 97.
Ovarium, Gangrän u. Strangulation durch Achsan-
drehnng einer Geschwulst bedingt 217.
Oxalsäure, Vergiftung (Häufigkeit) 10. (Affektion d.
Niere) 10. — , Conkremente u. Sedimente mit solch, im
Harne 114.
Ozaena, Nutzen d. Natronäthyl 128.
Pankreas, hydrolyt. Wirkung 90. —, Zusammoi-
setzung d. Sekrets 91. — , Verwendung als diätettaciiez
Mittel 91.
Pankreasverdauung, b. Vögeln 89. —, Bezieh, d.
Milz zu solch. 92.
Pankreatin, Vorkommen 81. — , Wirkung anf: das
lebende Blut 89. Amylaceen 90.
Pankreatinpepton 86.
Pankreazymase 91.
Papainpepton 86.
Papayotin, Nutzen b. Diphtheritis 298.
Paracentese, d. Perikardium 140.
Paralyse, d. Hände u. Füsse in Folge von Neorltis 14.
— , allgem. progress. d. Irren , Besieh, zur multiplen
Sklerose d. centralen Nervensyrtems 231. — , d. akat
Qaufsteigenden ähnl. Affektion 239. — , nach Diphthe-
ritis, Behandlung 280.
Parametritis, Nutzen d. lokalen Ablcühlnng 255.
ParamyoklonuH multiplex 241.
Parotis, Reaktion d. Speichels ders. 69.
Pathologie, d. weibl. Sexualoigane (von F. TFmcM,
Rec.) 96.
Penis, Geschwür an solch., Salbenmullverband 10.
Pepsin, Entstehung im Magen 74. — , Wirkung auf d.
Blut 81. — , EinfluBS d. Alkohol auf d. Wirkung 83. —
8. a. HeUoopepsin.
Saoh-RegiBter.
351
PepsineBsenz, Wirkmig anf venchiedene Nahmngs-
mittel 82.
Pepsinglycerin, Natzen b. Dipbtheritis S99.
Peptone, ehem. Verhalten n. Darstellung 83. — , Rfick-
bildnng in ElweiBs 84. — , Absorption ans d. Darm-
inhalte 86. —, Werth ffir d. EmShrang 86. — S. a.
Fleisch-, Pankreatin-, Papain-, Phosphatpepton.
Peptonqneeksilber, zur snbent. Injektion b. Syphi-
lis 234.
Perikarditis, Diagnose 136. — , mit zahlreichen Com-
plikationen 137. — , tuberkulöse 137. — , Behandlung
(Punktion) 136. 139 flg. (Paraoentese) 140. (Incision)
142.
Perinaeum, progress. sept. CeUulitis. 63. — S. a.
DammrisB.
Pessarinm, Anwend. b. Lageverinderungen d. Uterus
216. 216.
Pflanzen, Sauerstoffausscheidung bei solch. 113. — ,
Indican in solch. 116.
Pflastermull-Verband 8. 9.
Pharyngotomia, subhyoidea, zur Ezstirpation der
krebsig entarteten Epiglottis 64.
Pharynx, Krebs, operative Behandlong 49. — , Ver-
engung durch Membranbildong in Folge von Syphilis
149. — , Gurgelung zur Prophylaxe d. Diphtheritis 273.
— , Entzündung d. SchleimJiaut , Nutzen d. Pilocarpin
294.
Phenolglycerin, Anwendung b. Diphtheritis 297.
Phenolkampher, Anwendung b. IMphtheritis 292.
Phosphatpepton 86.
Phosphor, Vergiftung 10. 130. — , Verwendung zur
Fruchtabtreibung 130.
Phosphor säure, Besorpttonvon d. Blase aus 6.
Phthisis, Amyloidentartnng d. Niere b. solch. 187.
Pigmentflecke, Nutzen d. SalbenmuUverbands 9.
Pikrotin, physiol. Wiikung 124.
Pikrotoxin, Wirkmig auf d. Uterus 40.
Pilocarpin, Anwendung b. Diphtheritis 298.
Piscidin, Wirkung 124.
Pityriasis, versicolor, Nutzen: d. Chiysarobin 26. d.
Naphthol 28.
Placenta, praevia (lateralis, künstliche Sprengung d.
Fruchtblase) 46. (compliolrt mit Querlage u. Nabel-
schnurvorfail) 166. (Verlauf d. Schwangerschaft) 268.
(Blutung b. solch.) 269. 261. (Diagnose) 269. (Sterb-
lichkeit d. Kinder) 260. (Behandlung d. akuten Anämie
nach Blutung) 262. (Perforation ders., Wendung) 262.
Pleura, Grenzen ders. 123.
Pneumaturie 69.
Pocken s. Variola.
Polyp s. Qebfirmutter-, Nasen-, Ohrenpoljrp.
Polyurie, nach Punktion d. Ifilz 21.
Practical treatise on the diseases of the skin (by
lAHäs A, Dukring^ Bec.) 210.
Prolapsus s. After; Gebärmutter.
Propepton 86.
Prostata, Anschwellung als Urs. von Hamretention 67.
— , Abscess als Urs. von Blasenmastdarmflstel 61.
Prostitution, in Dänemark 208.
Prurigo, Pruritus, Behandlung 28.
Pseudoleukämie, Diagnose von: Leukämie 23. Ty-
phus 23. -— , ungewöhnl. hohe Pulsfrequenz 24. — > S.
a. Chloropseudoleukämie.
Psoriasis, Nutzen d. Chrysarobin 26.
Pnerperalmanie, Einleitung d. Geburt u. Anlegung
d. Zange 46.
Puls, ungewShnl. hohe Frequenz b. Pseudoleukämie 24.
— , Verhalten b. Perikardlalverwachsung 244.
Punktion, d. Milz b. Leukämie 21. — , abortive b.
snppurlrenden Bubonen 66. — , d. Blase (wogen Ham-
retention) 67. (wegen Blasenmastdarmflstel) 60. — , d.
Perikardium 139.
Pylorus, Schluflsfähigkeit 77. — , Resektion (wegen
Krebs) 170. 264. (b. Magengeschwür n. Narbenstenose)
178.
Pyrogallol, quantitative Bestimmung d. Sauerstoffi
mittels solch. 226.
Pyrogallussäure, Anwend. b. Hautkrankheiten 28.
f|uecksilber s. Hydrargyrum.
Quecksilberpepton s. Peptonquecksilber.
Querlage, b. Plao. praevia 166.
Rahmgemenge, Biedert's, zur Kinderernährung 164.
Rauch, SchädUchkeit 206.
Rectum, Oommunikation zwischen dems. u. d. Harn-
wegen 60. 221. — , kalte Irrigation , Einfl. auf d. Ma
gentemperatur 76. — , Krebs (Oolotomie) 266. (Exstir-
pation) 267. 268. — , Vorfall d. Schleimhaut, operative
Behandlung 268. — , Geschwulst in solch, nach Aetzung
von Hämorrhoiden, spontanes Verschwinden 269.
Reflexerregbarkeit, Verhalten b. Syphilis 263.
Reflexreize, Wirkung auf d. Uteruscentren 41 .
Refraktion, d. Auges, Messung 271.
Regenbogenhaut s. Iris.
Reichsgericht, deutsches, für d. gerichti. Medicin
wichtige Entscheidungen 223.
Reiz s. Reflexreiz.
Resektion, d. Oesophagus wegen Krebs 168. — , d.
Pylorus (wegen Krebs) 170. 264. (b. Magengeschwüi
und Narbenstenose) 173. — , einer brandigen Darm-
schlinge 266.
Resorption, in d. Harnblase u. Harnröhre 4.
Respiration, Ursache d. Beginnes b. Neugebomen 47.
— , durch solche bedingte Druckschwankungen im Oeso-
phagus u. Magen 74.
Respirationswege s. Luftwege.
Rete dorsale, d. Hand- u. Fusswurzel, Grundtypus 228.
Retina, leukäm. Neubildung in solch. 17.
Ringknorpel, Nekrose 147.
Rippen, Bewegung 123.
Rothweinfarbstoff, amylalkol. LQsung zum Nach-
weis von Salzsäure 78.
Ructus, Mechanismus 71.
Rflckenmark, Einfl. auf d. Hamsekretion 8. — , dop-
pelseit. sekundäre Degeneration b. einseit. Himherden
133. — , Entzündung durch Compression bedingt, mit
Steigerung d. Sensibilität in d. gelähmten Extremitäteu
134. — , Degeneration d. Hinterstränge b. Allochirie
136. — , Atrophie d. Vorderhoms d. Halsanschwellung
b. congenitaler Atrophie d.Hand 136. — , anatom. Ver-
änderungen b. Lepra 249. — , Affektion b. Syphilia
263. — , Ursprung d. Uterusnerven in dems. 266. —
S« a. Nervenqrstem.
Sabin a, Wirkung auf d. Uterus 41.
Sachsen, Königreich, Jahresbericht fiber d. Medidnal-
wesen im J. 1879. (Rec.) 104.
Säugethier, Entwicklung d. knorpl. Gehörknöchelchen
6. — , Spermatogenese 227. — , Blntbildg. im Knochen-
mark 228.
Säugling, Ernährung 169 flg. — , Mortalitätsstatistik
189. — , multiple Himabscesse b. Meningitis pnmlenta
264.
Säuglingstrinkflasche, Reinhaltung 162.
Säuren, Veränderungen im Verdauungskanal durch
solche bedingt 10. — , Anwendung b. Diphtheritis 289.
-~ S. a. Addum.
Salbe s. Unguentum.
Salbenmull-Verband 8.
Salieylsäurc, Anwendung b. Diphtheritis 276. 278.
279. 280. 281.
Salze, Wirkung auf d. Verdauung 126.
Salzsäure, freie im Magensafte, Mangel u. Verminde-
rung bei : Amyloidentartung d. Magensehleimhaut 78.
Magenkrebs 78. fleberhaften Krankheiten 78. — , Nach-
weis mittels amylalkohol. Lösung von Rothweinfiirbetofl
78. — , Nutzen b. fleberhaften Krankheiten 78.
Samenkeimzellen 227.
Samenknioelaellen 228,
352
Saoh-Register.
Sanitätswagen, f. Krankentransport 275.
Sarkom, spontanes Verschwinden 270.
Sauerstoff, Ansscheidang b. pflanzl. n. thier. Organis-
men 113. — , im Wasser, Bezieh, za d. Menge d. organ.
Substanzen 226. — , quantitative Bestimmung 225. — ,
Inhalation gegen Diphtheritis 297.
Scabies, Nutzen d. Naphthol 28.
Scarlatina, Mortalität 192. — , Prophylaxe 207.
Scatolcarbonsäure 95.
Schanker, harter, SalbenmuUyerband 10.
Scharlach s. Scarlatina.
Scherff'scbe condensirte Milch 163.
Schleimhaut, d. Uterus (Beschaffenheit in verschied .
Altersperioden) 35. (Verhalten währ. d. Menstruation)
35. 256. — , d. Magens (Bau) 73. (Einwirkg. d. heissen
Wassers) 76. (Anordnung d. Gefässe) 77. (Amyloid-
entartung, Fehlen d. freien Salzsäure) 78. — , d. Rec-
tum, Vorfall, operative Behandlung 268. — , d. Mund-
n. Rachenhöhle, Nntzen d. Pilocarpin b. Entzündung
294.
Schlinge, zur Vollendung d. Geburt b. Beckenendlagen
47. — , zur Behandl. d. Steisslagen 156.
Schule, Verhütung d. Uebertragung von Diphtheritis in
solch. 274.
Schwangerschaft, Theorie d. Entstehung 38. — ,
Verhalten d. untern Uterusabschnitts am Ende ders.
44. — , Verfahren, d. Rücken d. E^indes zu fühlen u.
d. Herztöne zu hören 46. — , Chorea während ders.,
behandelt mittels Dilatation d. Os uteri 216. — , Verlauf
b. Plao. praevia 258. — , mehrf. Verletzungen durch
Verschüttang während ders., normale Geburt 262. — ,
Galvanisation d. Uterus zum Zwecke d. Abortus 263.
— , Zerreissung d. Milz während ders. 263. — S. a.
Extrauterin-, Molenschwangerschaft.
Schwan, Nadelhalter f. Höhlennähte 270. 271.
Sc Vwefel, in d. Galle 93.
Schwefelkohlenstoff, Vergiftg. durch Tragen einer
' Maske aus Guttaperchapapier 11.
Schwefelmittel, Nutzen b. Diphtheritis 276.
SchwefligeSäure, Anwend. b. Diphtheritis (zur Des-
infektion) 274. (therapeutische) 277.
Schwein , Divertikel am Magen d. Fötus 74.
Schwitzen, Einfl. auf Magensaft u. Harn 79.
S c r 0 1 u m , progress. fiept. Cellulitis 63 .
Sehnenscheiden, Syphilis ders. 254.
Selbstmord, zur Statistik 181. 192. — , durch Er-
henken, lokale BeftiPde 18,3. — , durch Kohlenoxydgas
235.
Selbstverdauung, d. Migens 77.
Sensibilität, Veränderungen b. Lepra 246. 247.
Sexualorgane, weibliche, Pathologie ders. (von F.
Winekel, Rec.) 96. -- S. a. Genitalien.
Shock , Verhütung durch partielle Berausehung des Pat.
vor Operationen 270.
Sklerose, d. Knochen b. Leukämie 19. — , d. centralen
Nervensystems, multiple, B<*zieh. zur allgem. progress.
Paralyse d. Irren 238.
Sklerotinsäure, V^iigiflnn..; 21.
Skotom, centralis, b. Masturbation 272.
Soldaten, Bestimmuag von Körperlänge u. Körperge-
wicht 6.
Sonde, metallische, zur Katheterisation d. Larynx 151.
Spannmuskel, d. oberflächl. Halsfasoie 122.
Spasmus s. Krampf.
Speck niere, verschied. Arten 187.
Speichel, im Munde (Wirksamkeit im Magen) 69. (Ein-
fluss d. Alkohols auf d. Wirkung) 70. (Ferment dess.)
70. — , in d. Parotis, Reaktion 69.
Speicheldrüsen, b. Fischen 87.
Speisen, heisse, Nachtheile für d. Magen 76.
Speiseröhre s. Oesophagus.
Spektroskop, Nachweis d . Kohlenoxyds im Blute mit-
tels dess. 236.
Spermatogemmen 228.
Spermatogenese, b. Siiig«thleren 227.
Spray, mit Garbolsänre, Anwendung b. Diphflierltla
276. 282.
Staatsarzneikunde s. Abortus; Anzeigepflicht; Apo-
plexia; Arsenik; Atropin; Beerdigung; BlauBHure;
Blei; Blut; Bronze; Desinfektion; Desinfektionsan-
stalt; Desinfektionsöfen; Erhenken; Findelhsus;
Fischsterben; Flachsrösten; Fruehtabtreibnng ; Ge-
räthschaften; gerichtl. Medicin; Gesundheitspflege;
Handbuch; Hospital; Hygieine; Hypomanie; Jahres-
bericht ; Infektionskrankheiten ; Institut ; Kinder ; Klei-
der; Körpergewicht; Körperlänge; Kohle; Kohlen-
oxydgas; Kopenhagen; Krankenräume; Kurpfuscherei;
Lehrbuch; Lehrer; Leichenbestattung; Leichenver-
brennung ; Leuchtgas ; Manie ; Matratzen ; Medicin ;
Milch; Mord; Ofen; Phosphor; Prostitution; Ranch;
Reichsgericht ; Sabina ; Sachsen ; Sanitätswagen ;
Schule ; Selbstmord ; Soldaten ; Spektroskop ; Stati-
stik; Todesursachen; Todtenbestattung ; TodtschUig;
Transportmittel; Unglücksfälle; Vergiftung; Ver-
schütten; Wasserleitung; Zinngefässe; Züchtigung;
Zurechnungsfähigkeit.
Stärke , Wirkung d. Dünndarmsaftes auf dies. 96.
Statistik, in Hospitälern 209. -— S. a Deutschland;
Geburten; Greisenalter ; Hospitalstatistik ; Kopenha-
gen ; Morbilli ; Mord ; Mortalitätstabellen ; Scarlatina ;
Selbstmord ; Sterblichkeit ; Todesursachen ; Todl-
schlag ; UnglücksföUe.
Steapsin 90.
Steinbruchschierling, rother, Vergiftung 11.
Steisslage, Behandl. mit d. Schlinge 156.
Stenose, durch Syphilis bedingt (im Larsmx) 144 f|g.
(im Pharynx) 149. (in Trachea u. Bronchien) 162. — ,
d. Cervix uteri (Menstruationsbeschwerden n. Sterifilit
durch solche bedingt) 154. (Behandlung) 257. — , d.
Pylorus , Resektiott (b. Krebs) 170. 264. (b. Narben)
173.
Stentmasse, Verwendg. b. d. Fabrikation von knnstl.
Augen 202.
Sterblichkeit, d. Kinder im Findelhause zu Athen
136. — , Statistik in d. grossem deutschen Stiidten im
J. 1880 188. 190. — , in Kopenhagen vor u. nach Ein-
führung d. Wasserleitung 208.
Sterilität, durch Stenose d. Cervix uteri bedingt 154.
Sternum, Bewegung dess. 123.
Stickstoff, in d. Galle 93.
Stillen, Einfl. auf Mutter u. Kind 165.
Stimmbänder, stenosirende Affektionen 146. — , Ver-
wachsung 147. 148.
Stimulantia, Anwend. b. Diphtheritis 290.
Striktur, d. Harnröhre als Urs. von Biamretention 57.
— S. a. Stenose.
Strudelwürmer, Verdauung b. solch. 88.
Strychnin, Absorption von d. Blase aus 5. — , Wir-
kung auf d. Uterus 40. — , Wirkung auf d. VerdSBmig
127.
Studien, über künstliche Glieder (von 0. KarpmAi,
Rec.) 99.
Stützwirbel 123.
Subcutane Injektion, -vonNatronäthyl 128. — , von
Peptonquecksilber b. Syphilis 234.
Succus B. Carica.
System, d. Hautkrankheiten (von Heinr. Auspitz, Reo.)
209.
Sympathicus, eigenthüml. Erkrankung dess., ohne
Bronzehaut 15.
Syphilis, Anwendung d. Salbenmullverbandes 10. — ,
selbstständ. im mittlem Drittel d. Trachea 29. —,
Stenose d. Luftwege durch solche bedingt (Laiynx) 144.
(Pharynx) 149. (Trachea n. Bronchien) 152. — , Amy-
loidentartnng d. Niere b. solch. 187. — , Peptonqueck-
silber zur subcutanen Injektion 234. — , nervöse Stö-
rungen b. solch. 258. — , d. fibrösen Gewebe md
Sehnenscheiden 254. — S.a. Gummas KnotenijpUlld ;
Schanker.
Sach-Register.
353
Tabes donalis, Allochirie b. solch. 135.
T&ttowirnarben, Nutzen d. Natron&thyl 128.
Tampon s. Wattetampon.
Tastsinn , hochgrad. Steigernng in d. gelähmten Unter-
extremitäten b. Compressionsmyelitis 134.
Terpentin, Anwendung b. Diphtheritis 278. 290.
Thermokauter, Paquelin's, Anwendung zur Operation
von Zungenkrebs 167.
Thermostat 230.
Thier, Sanerstoifausscheidung 113. — S. a. Sängethier.
Thränendrüse, Adenom 271.
Todesursachen, zur Statistik ders. in d. grl^ssern
deutsch. Städten 191. — , Anführung in d. Mortalitäts-
tabellen 208.
Todtenbestattung 206.
Todtschlag, zur Statistik 181. 192.
Tonsillen, Behandl. behufs Prophylaxe d. Diphtheri-
tis 273. 275.
Tours (Drehbreter) in Findelhäusern 166.
Trachea, Syphilis (selbstständ. im mittlem Drittel) 29.
(Stenose) 152.
Tracheotomie, b. Diphtheritis 274. 277. 283. 289.
301.
Trachom, d. Coi^unctiva, Amyloidentartung b. solch.
186.
Transactions of the obstetrical Society of London
(Vol. XXII., for 1880, Rec.) 211.
Trans fusion, von Blut, b. galoppirender Leukämie 22.
Transplantation, von Haut, Anwendung d. kfinstl.
Blutleere 178.
Transportmittel, f. Kranke 275.
Trigenimus, Bezieh, zur Ernährung d. Hornhaut 272.
Trinkflaschen, f. Säuglinge 162.
Tripper, Epididymitis b. solch., Nutzen d. Salbenmull-
Verbandes 9. — , innerl. Anwend. von Canthariden-
tinktur 11.
Trypsin, Entwicklung 81.
Tuba Fallopiae, Berstung 211. — Schwangerschaft in
solcher 264.
T u l i p i n , physiolog. Wirkung 125.
Turbellarien, Verdauung b. solch. 88.
Typhus abdominalis, (Diagnose von Pseudoleukämle)
24. (Entstehung von Communikation d. Darms mit d.
Blase) 60. — , (Mortalitätsstatistik) 192.
Unglücksfälle, zur Statistik 182. 192.
Unguentum, cinereum, Anwendung b. Diphtheritis 289.
— S. a. Salbenmull.
Unterleib, progress. sept. Cellulitis 63.
Unterschenkel, Verhalten d. Muskeln zu dem Fuss-
gelenk 122.
T a g i n a , Fremdkörper in ders. 214.
Vaginaldusche, Anwendung während d. Menstrua-
tion 43.
Vaginalportion Erosion, Nutzen d. Abkühlung 255.
— , abweichende Form 257. — , Morphologie 257.
Varijces, Varicocele, subcutane Ligatur 176.
Variola, MortaUtät 191.
Vasomotorische Nerven, d. Fusses 231.
Vena jugularis communis, Gummagesohwnlst 88.
Venaesektion, als Urs. von Amaniose 179.
Venen, am Halse, Inspirator. Anschwellung b. Perikar-
dialverwachsung 244.
Veratrin , Wirkung auf d. Verdauung 127.
Verband s. Salben-, Pflastermull-Verband.
Verdauung, physiolog. Vorgänge 65. — , im Magen,
verschied. Perioden 69. — , Einfl. d. Alkohol 88. — ,
b. verschied. wirtwllosenThieren 88. — , Wirkung eini-
ger Salze u. Alkaloide auf dies. 126. — , Störung bei
Kindern durch Milch bedingt 164. — S. a. Pankreas-
verdauung.
Verdauungsfermente, Entstehung 80.
Verdauungskanal, Veränderungen durch Aetzgifte
10. — , Grössenverhältnisse 72. — , Temperatur in
dems. 75. — , operative Behandl. von Krankheiten 264.
Vergiftung s. Alkohol; Arsenik; Atropln; Barjrt;
Blausäure ; Blei ; Canthariden ; Colchicum ; Curare ;
Kohlenoxyd; Leuchlgas; Naphthol; Oenanthe; Oxal-
säure ; Phosphor; Schwefelkohlenstoff; Sklerotinsäure ;
Zuckersäure.
Verschütten, mehrfache Verletzungen bei einer
Schwängern, normale Qeburt 262.
Vogel, Pankreasverdauung b. solch. 89.
Volvulus, Laparotomie 266.
Vorderarm, Verhalten d. Muskeln zu d. Handgelenk
122.
Vorträge s. Augenheilkunde.
V u 1 c a n i t , Verwendung zur Herstellung künstl. Augen
201.
llTärme s. Hitze; Körperwärme.
Wandbekleidnng, Desinfektion behufs Prophylaxe
d. Diphtheritis 275.
Warze, Nutzen d. Natronäthyl 129.
Waschung, kalte, Bedeutung f. d. Prophylaxe d. Diph-
theritis 275.
Wasser, heisses (Einwirkung auf d. Magenschleimhaut)
76. (Gurgelung gegen Diphtheritis) 299. — , Bezieh,
zwischen d. Sauerstoff u. d. organ. Substanzen in dems.
225. — , kaltes gegen Chorea magna 241.
Wasserdämpfe, Inhalation gegen Diphtheritis 291.
299.
Wasserleitung, Einfl. auf d. Sterblichkeit in Kopen-
hagen 208.
Wasserstoffgas, Entwicldung im Magen 75.
Wasserstoffsuperoxyd, Anwendung b. Diphtheri-
tis 278.
Wattetampon, Anwendung b. Beh'ndl. d. Uterus-
deviationen 44.
Wein, Einfl. auf d. Verdauung 83.
Wendung, b. Placenta praevia 262.
Whitehead's Speculum, Anwendung b. Abtragung d.
Zunge mittels d. Thermokauters 168.
Wiegenpessarium, b. 'Lageveränderungen d. Ute-
rus 215.
Wirbel, Vermehrung u. .Verminderung 121.
3L a n t h i n y Darstellung aus Blntfibrin 91.
Zange, Anwendung b. Puerperalmanie 45. — , Bota-
tionsbewegungen mit ders. 21 d.
Zellgewebe, d* Perinäum, progress. sept. Entzün-
dung 63. :i
Z in cum chloratum, Injektion gegen Hydrooele 55.
Zinngefässe, Bleigehalt 13C^
Zucker, im Harn nach Kohla^ioxydvergiftung 236. 237.
Zuek er säure, Vergiftung, Häufigkeit 10.
Züchtigung, angebl. tödü. Folgen 182.
Zunge, Diagnose d. Gummageschwülste 82. — , Krebs,
operative Behandlung 51. (Unterbindung d. Art. lingna-
lis) 52. 53. (Anwendung d. Drahtschlinge) 52. (ßsA\-
kalheilung) 53. (Anwendung d. Eeraseur) 54. (Narkose
mit Bromäthyl) 54. (Anwend. von Paquelin's Thermo-
kanter) 167.
Zurechnungsfähigkeit, d. Apoplektiker 240.
Zy mögen , Auftreten b. Fötus 89.
Med. Jahrbb. Bd. 192. Hffc. 3.
45
_
354
Namen-Register.
Namen-Segister.
Adamkiewiez, Albert, 84.
Adloff (Schönebeck) 182. 184.
Admiraal, J., 23.
AfaDasfiiew, W., 23.
Ahlfeld, Friedr., 154. 155.
Albertoni, Pietro, 81. 89.
AlfSldi, Hidar, 294.
Allen, H., 147.
Alt, Adolph, 271.
Aman, L. A., 266.
Amicis, Tommaso de, 27.
Anders, J. M., 238.
Anderson, Izett W., 218.
Anderson, W. M'GaD, 8. 148.
Andooard, A., 93.
Annnschat 288.
Anrep, B. v., 7.
Arohambault 297.
Aming, Ed., 43.
Arnold, J. D., 150. 154.
Amozan 72.
Amstein, C. (Kasan), 186.
Ash, J. Morris, 151.
Astaschewsky, P., 69.
Atkinson, 252.
Anspltz, Heinrich, 209. (Bec.)
Averbeck, H., 276.
Ayer, James B., 284.
Bachschitz, Moritz, 296.
Baeyer 115.
Balfonr, F. M., 204. (Rec.)
Baker, W. Morrant, 52.
Bampton, H. A., 11.
Bantock 216.
Barabo (Nürnberg) 156.
Barling, Thos., 286.
Barnes, Robert, 215.
Barrs, A. Q., 245.
Bartels (Kiel) 289.
Barton, J. Kingston, 211.
Banmann 116.
B^champ, A., 91.
Becker, H. T. v., 274. 281.
Beger, Albert, 29. 152.
Behrend, Gustav, 246.
Belfleld, WiUiam T., 177.
BeU, Robert, 44. 280.
Belohradsky, Wenzel, 180.
Beneke, F. W., 6. 73.
Bennett 146.
Berger, Walter, 144.
Bergeron 289. 293.
Berlin, N. J., 130.
Bermann 252.
Bemard (Grenoble) 166.
Berthenson, Leo, 23.
Beyer, H*, 289.
Bibard 165.
Billington, C. £., 287.
Billroth, Th., 52. 170 flg.
Birch-Hirschfeld, V., 19.
Bird, Valentine 45.
Blache, Renö, 165.
Black, J. R., 283.
Bockendahl, A., 20.
Boeck, Cäsar, 54. 55.
Böhm, Friedr., 296.
Böttcher, Arthur, 186.
Bomford, Gerald, 253.
Bonnat, L. A., 229.
Bonsfield, C. £., 20.
Bosse 291.
Bouohut, E., 16. 280.
Bovet 28.
Breda 27.
Br^mond 147.
Breuer 247.
Brieger, L., 116.
Brinkmann, L., 4.
Brown, T. Horace, 90.
Brücke, E., 93.
Buch, M. (Helsingfors) 12.
Buchanan, George, 170.
Budin, P., 33. 46. 83.
Bufalini, G., 77. 92.
Bunge, O., 47.
Burd, Edwin, 283.
Bumett, Iwan M.. 271.
Cadet do Gassicourt, 285. 286.
Cadiat, L. O., 227.
Campana 27. 246.
Camey, R., 289.
Carter, Charles H., 212. 214.
Cartier 146.
Caspari (Meinbeig) 289.
Cassin (Avignon) 298.
Catillon, A., 86.
Cazenaye, P., 5.
Chabry, L., 123.
Chalmers 220.
Chambers 213.
Champneys, Francis H., 218.
Chapoteaut, P., 86.
Chenery, E., 280.
Chiari, Hans, 29.
Chiari, 0., 148. 150.
Chirone, Vincenzo, 124.
Chisolm, Julian J., 271.
Christianl 119.
Ciattaglia, Cesare, 284.
Clarke, T. F., 11.
Closset (Langenberg) 164.
Coesfeld (Barmen) 275. 300.
Cohnstein 255.
Y. CoUan (Petersburg) 287.
Comil, V., 251.
Corso, Francesco, 92.
Cottle 252.
Condereau 74.
Crandall, Charles R., 54.
Crocker, Radcliffe, 25.
CuUen, Rob., 286.
Curtis, C. R. S., 298.
Custor, J., 72.
Czamecki 285.
Czemy, Vincenz, 168. 170. 175.
Daly, Fred. H., 214.
Danilewsky, A., 226.
Day, John, 278.
Deahna 49. 167.
Deakin, Shirley, 178.
Deflresne, Th., 70. 87. 90.
Dehio, Karl, 295.
Demant, Bernhard, 94.
Demme, R. (Bern), 94.
Diehl, Geo., 238.
Dittel (Wien) 59.
Dodds, Ford. S., 290.
Doran 221.
Dubar, Louis, 122.
Dubrisay 16.
Duhring, Louis A., 210. (Rec.)
Duncan, John, 176.
Duncan, Matthews, 216. 220.
Duroziez, P., 244.
Duval, Mathias, 3.
Dwight, Thomas, 269.
Eberth, C. J., 186.
Ebstein, WUhelm, 77.
Ecker, Alexander, 96. (Rec.)
Edel 290.
Edgren, J. G., 230.
Edinger, Ludwig, 73. 74. 76.
Eidam, H., 299.
Eisenschitz, J., 280.
Eitner (Breslau) 10.
Eisberg, Louis, 148.
Engelmann, Th. W., 113.
Engesser, H., 91.
Erichsen, A., 287.
Escher, Theodor, 169.
Eschricht (Farum) 131.
Etlinger, N. v., 264.
Eulenberg, Hermann, 103. (Rec)
Eve, F. S., 220.
Ewald, C. A., 78. 92. 95. 180.
Talk, F., 70.
Faludi, G., 296.
Farabeuf, L. H., 122.
Fauvel, H., 162.
Favre, Antonin, 185.
Fehling, H., 257.
Fehr (Heidelbeig) 286.
Finger, E., 253.
Fischel, Wilhelm, 257.
Fischer, E., 178.
Fleischer, R., 4. 20. 79. 83.
Forbes, Lytton, 271.
Fr^derique, L6on, 88.
Frickelton, J. D., 285.
Friedländer, Carl, 17.
Friedreich, N., 241.
Froelich (Neustadt) 299.
Qad, Johannes, 93.
Galabin, A. L., 214.
Gamberini 27.
Gardiner, E. J., 272.
Geissler, Arthur, 188.
Gervis 215.
Giacchi, Oscar, 273. 276.
Godson, Clement, 211. 218. 220.
Görges, Th., 79.
Greenhow, E. Headlam, 301.
Gröhant 238. ■
GreUety 26.
Gritti, R., 169.
Grützner, Paul, 80.
Gubler, Ad., 22.
Gussenbauer, C, 170. 174.
Guttmann, Georg, 293. 294. 296.
Haase, C. G., 271.
Hagedorn 270.
Hagenbuch, A.. W., 300.
Haller, GrafB., 87.
Hammarsten, Olof, 117.
TT
Bamberg, P., 130.
Hanow 278.
Hansen, A., 250.
Haslnnd, Alex., 148.
Y. Hasner 179.
Hassenstein, Otto, 233.
Heath, Christopher, 54.
Heidenhain, Rad., 80. 92.
Heinze, Oscar, 149.
Helmkampf (Halberstadt) 299.
Hennige 121.
Henning, C, 73.
Henninger, A., 83.
Hensgen, H., 273. 300.
Heron, John, 90.
Herrgott, Alphonse, 46.
Herter, Erwin, 91.
Herzen, A., 89.
Heubner, Otto, 300.
Heuck, 6., 18.
Heneinger, O. y., 274. 286.
Henssi 255.
Hewitt, GraUy, 215.
Heymann (Stockholm) 130.
Hicks, J. Braxton, 211. 219.
HUI, Edwin, 135.
HUI, George, 282.
HiUiard, Hanrey, 220.
Hindenlang, C, 140.
Hofmann, Eduard, 223. (Bec.) 238.
Hofmeister, Franz, 84.
Holmgren, Frithjof, 129.
Holst, L., 288.
Hoppe-Seyler, Felix, 75.
Horneroann, £., 205. (Rec.)
Hothom (Balberstadt) 287.
Houz6 de TAulnoit, Alfr., 161.
Hunt, Jos. W., 143.
Hutchinson, Jonathan, 252.
JTackson, J. Hughlings, 133.
Jacobi, A., 273. 274. 277. 278.
Jacobson, Alexander, 153.
Jacobson, Nathan, 275. 290.
Jäderhohn, Axel, 130. 132.
Jäger, Jul., 21.
JafFe 117.
James, CalYCr, 220.
Jaquet 121.
Jarisch 28.
Jeannel 166.
IngerslCY, E., 258.
Johnson, George, 277.
Jones, S. Seabury, 145.
Jonge, D. de, 134.
Jousset de Bellesme 88.
Joyeux-Laffuie, J., 74.
Iwanowsky 248.
Kade, E., 63.
Kaiser 170.
Kahler, O., 237.
Kaposi, Mor., 26. 28.
Karpinski, O., 99. (Rec.)
Kaspar, 0., 234.
Käst (Freibarg) 13.
KaaUch (Prag) 301.
Kessler, Friedrich, 82.
KjeUberg, Adolf, 129. 130.
Kien, A., 282.
Kietz, Albert, 79.
Kirchner, W., 159.
Klaanig 193.
Klebs, Edwin, 163.
Klopp, A., 157.
Namen-Register.
Kobert, R., 115.
Kocher (Bern) 49. 51.
Kocks, J., 43.
Korach, S., 75.
Kormann, Ernst, 159. 273.
Korn (Berlin) 290.
Kossei, Albrecht, 84.
Kostjnrin, Stephan, 76.
Kraske, P., 169.
Krause, W., 227.
Kreis, Edwin, 236.
Krishaber, M., 144. 153. 169.
Kronecker, H., 70. 71. 75.
Krug (Chemnitz) 136.
Krukenberg, C. Fr. W., 87. 89.
Kucher (Wien) 45.
Küster, Conrad, 297.
Küster, E., 270.
Küstner, O., 158.
Kundrat, Hanns, 77.
Kunkel 92.
Kupfer 73.
Kussmaul, H., 21.
Ijabus, Carlo, 151.
Lachmund, Aug., 275. 293.
Lafonrcade 262.
Lagnean 165.
Lamaller6e 147.
Landesberg, M., 64. 179. 272.
Landowski, Paul, 297.
Landwehr, H. A., 20.
Langenbeck, B. y., 30. 167.
Langenbuch, C, 169. 170. 174.
Langendorff, Oscar, 80. 89.
Langerhans 252.
Laprade 86.
de Larabrie 176.
Laschkewitsch (Charkow) 295.
Lawrie, E., 252.
Lax, E., 294.
Leared, Arthur, 76.
Ledetsch (Gablonz) 155.
Legrand du SaiiUe 240.
Le Menant des Chesnais, E., 165.
Lemoyne 298.
Lepidi-Chioti, Ginlio, 298.
Lepine, R., 5.
LerebouUet 296.
Lesser, Adolf, 10. 183.
Leti^vant 146.
LetaUe, Maurice, 136.
Letzerich, Ludwig, 279.
Leube, W. O., 79.
LcYcn 75. 83.
Lewis, W. BcYan, 6.
Lewy, Eduard, 274.
Leydig 74.
Lid^n, H., 266.
Liebich, Eugen, 205. (Rec.)
Liebig, H. y., 162.
Lindemann (Münster) 291.
London, B., 4.
Lorent, H., 74.
Ludwig, E., 20. 83.
Londblad, J. L., 131.
Lupö, Pietro, 124.
miaas, Hermann, 4.
Mc DoweU 146.
Mo Falls, D., 286.
Mac GillaYTy 19.
Mackenzie, John N., 29.
MXaurin 220.
McLeod, K., 270.
355
Maly, Richard, 76. 84.
Manssnrow 254.
Marchaud, F^lix, 16. 44.
Martin, A., 43. 154.
Martindale, Wm., 8.
Martinean 234.
Martini (Hamburg) 174.
Marx, Josef, 276. 300.
Mascherpa 284.
Maschka, Jos., 234.
Masini 298.
Masloff, A., 95.
Mason 146.
Maunoir 146.
Mauthner, Ludwig, 221. (Rec.)
Mech, K., 5.
Meissner, G. Hermann, 16.
Meltzer, S., 71.
Mendel, E., 221. (Rec.)
Mermann, Alphons, 258.
Metschnikoff, Elias, 88.
Meyer, Arthur, 70.
Meyer, H. y., 228.
Meyer, M. Ph., 75.
Michel (Winterthur) 282.
Mignot 166.
Minati, Carlo, 97. (Rec.)
Misrachi, Moise, 282.
Möricke, R., 85.
Moizard 293.
Monastirski 248.
Mosler 22. 291.
Motta Mala, Cl., 74.
Monrrut 83. 87. 90.
Müller, Alfred, 297.
MüUer, C. J., 154.
MüUer, Rudolph, 65.
MüUer-Wameck 289. 301.
Munk, Immanuel, 93 163.
Musculus, F., 70.
H'aecke, P., 297.
Neisser, A., 28. 250.
Neumann, J., 7.
Nenmann, Isidor, 26. 27.
Kenmeister 296.
Nicofaysen, J., 264. 268.
Nieden, A. (Bochum), 179. 201.
Nothnagel, H., 95. 121.
Nowlin, J. H., 290.
Nunn 147.
Nussbaum, Moritz, 80.
Obersteiner, H., 134.
Obrastzow (Petersburg) 228.
Ord 121.
Orth, A., 288.
Oser (Wien) 75.
OssikoYsky, J., 91.
Ott, Isaac, 124.
Oudin 153.
Ozanam 229.
Pabst, J. A., 160.
Pansch, Ad., 123.
Parkins, Turner, 46.
Partsch, Carl, 74.
Patton, F. H., 276. 290.
PauU, Cari, 273. 280.
P^an 171.
Pedraglia 180.
Pekelharing, C. A., 85. 90.
Penard, Louis, 166.
Penzoldt, F., 20.
Pepper, W., 289.
356
Namen-Register.
Pento 292.
Perrin, Maarice, 58.
Petit, L,, 83.
Petrone, Luigi Maria, 24.
PeTraud 286.
Pfeiffer, £., 163.
Pflfiger (Meigentheim) 164.
Phodiades, Photios Demetrii, 147.
Pichler (Karlsbad) 59.
Plcot, C, 297.
Pinner, 0.« 4.
Pitres, A., 133.
Playfair, W. 8., 160.
Poole 220.
Poore, G. Vivian, 135.
Potsdamer, Joseph B., 289.
Priestley, Wm. O., 217.
PurceU 168.
Ralfe, G. H., 80.
Raachfass, C, 274. 288.
Basrmond 86.
Raynaud 239.
Reed, Boardman, 48.
Reinl, Carl, 262. *
Renant, J., 74.
Reass, L. M., 282.
Rice, C. C, 148.
Richard 138.
Richardson, BeAjamin Ward, 127.
Riebet, Ch., 70. 87.
Bieck (Scb5nbom) 800.
Riegel, Franz, 242.
Rigaaer, Val., 283.
Ringer, Sydney, 125. .
Roberts, William, 90.
Robinson, Beverley, 280. 292.
Rodman (New York) 287.
R5hrig, A., 38.
▼. Rokitansky 289.
Rosenkranz 92.
Rosenstein, 8., 142.
Rosenstim/'Jnlins, 263.
Rosenthal, J., 247.
Rossacha, Louis, 74.
Rossbach, J. M., 298.
Rothe, G. G., 288.
Ronth, C. F.; 212. 215.
Roy, Gh., 125.
Rubner, Max, 82.
Runebeig, J. W., 238. 265.
Runge, Max, 47.
Rydygier 172.
Sachs, Bamey, 3.
Sänger, M., 157.
Sagnier 166.
Salensky, W., 6.
BalkowBkl, E., 20. 81. 91. 95.
Salkowski, H., 91. 95.
Salomon, Georg, 91.
Saltzman (Helsingfors) 238. 265. 267.
SalvioU, Gaetano, 95.
Samelson, Bernhard, 77.
Sands, H. B., 271.
Sangster, Alfred, 26.
Sansom, Arthur Emest, 137.
Sassezki, N., 78. 79.
Scarenzio 27.
Sceparowski 150.
Schaffer, Ludwig, 64.
Scharfenberg, R., 274. 285.
6ohmid, Josef, 276. 294.
Schmidt-Mfilheim, Adolf, 81. 85.
Schneidemühl, G., 228.
Schrötter 147.
Schtscherbakow, A. J., 114.
Schüler, Theodor, 279.
Schulten, Max. Widekind af, 54.
Schnitze, Fr., 238. 239.
Schulz, Hugo, 125.
Schulz, R., 239.
Schuster, C., 301.
Schuyler, C. C., 146.
. Schwarz, Jos., 289.
^ Schwimmer 247.
'Schwing, Garl, 263.
S6e 87.
^ SeeligmQller, A., 241. 284.
' Seitz, Franz, 274. 281.
S^merie 83.
Semmer (Dorpat) 7.
Senator, H., 120. 273. 276.
Settegast (Berlin) 302.
Seydeler, R., 94.
Shell, Edward H., 286.
Shrady, George F., 53.
Sigg (Andelflngen) 178.
Silf^eraigöld, P., 129.
Simmons, D. B., 252.
Simon, Gustav, 168.
Simon, Jules, 11.
de Sin^ty 256.
Smith, Enstace, 164.
Smith, J. Lewis, 273. 279.
Smith, Stephen, 270.
Smith, Walter G., 26.
SoloweitBohyk, Isaac, 282.
Solsono 146.
Sonlö 292.
Bpanton, l^lliam Dmmet, 54.
Spillmann, P., 135.
Spiro, P., 93.
Squire, Balmanno, 25. 27.
Stadler, Garl, 281.
Stahel, Hans, 226.
Stansbury 26.
Stephan, A., 115.
Stephenson, Wm., 46. 219.
Stewart, 8., 284.
Stewart, T. Grainger, 14.
Stilling, H., 17.
Störk, Karl, 299.
Stollnikoff, J., 92.
Stfitzle 164.
Suchard 251.
Svensson, Ivar, 264. 266. 868.
Szydlowski, Joseph, 95.
Tait, Lawsoli, 217.
Taube, Max, 290.
Tanszky, Rud., 281.
Terrillon 53.
Teechemaoher (Neuenahr) 24.
Thompson, Henry; 187. 211.
Thomton, J. Knowsl^, 218.
Thurfleld, W. N., 275.
Tillmanns, H., 56.
Trendelenbnzg 56.
Trideau (Andouille) 292.
Tschiriew 249.
Uffelmann, Julius, 78.
Unna, P. G., 8.
ITaUin 246.
Veit, J., 158.
von den Velden, Reinhard, 69. 78.
Vemeuil, Arist., 52.
Vetter, B., 204. (Rec.)
Viard 165.
Vogel, F. W., 281. 294.
Vulpian, A., 83. 90.
ÜTade, W. F., 216.
Wagner (Friedberg) 279.
Wagner, Ernst Leberecht, 136. 187<
282.
Walbaum (Gerolstein) 283.
Wallace 253.
Ward, Whitefield, 146.
Warfvinge, F. W., 132.
Watson, Wm. H., 70.
Weber, E., 122.
Weber, Max, 88.
Weckbecker-Stemefeld, H.V., 156.
Wecker, L. v., 180.
Wehr 171.
Weil, Carl, 57.
Weinlechner 168. 170.
Weise, R., 276. 284. 294.
Weissgerber, P., 71.
Welcher, H., 121.
Werner (Markgr5ningen) 802.
Wemich, A., 121.
Werthheimber, Ad., 281.
WhisUer, W. Blaoneill, 146. 151.
White, J. Wm., 147.
White, W. Haie, 299.
Whittaker, James T., 187.
Whittier, E. N., 300.
Wiedersheim, R., 96. (Bec.)
Wiener. M., 47.
Wilckens, M., 87.
Wlldt, E. (Posen), 87.
WUl, Alf^ed^ 94.
WUl, J. G. Ogilvie, 54.
WiQard 287.
Winckel, F., 96. (Ree.)
V. Winiwarter 170.
Wintemitz, Wilhehn, 75.
Wiss, E., 275. 293.
Witte, Friedr., 82.
Wittelshöfer, R., 175.
Woelfler, Anton, 52. 170. 173.
Wolberg, Louis, 126.
Wolff, W., 122.
WoUrhfigel, G., 288.
Wrlght, W. H., 280.
Wrzösniowski, August, 74.
Yonng 252.
Zahn (GenO 185.
Zander, Richard, 77.
Zeitler, Fr. X., 225.
Zeroni sen., H., 801.
Zinke, E. G., 293.
Zlnnis 166.
Zuber, G., 298.
Druck von Walter Wigand in Lelpiig.
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